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German Pages 234 Year 2019
Stefan Heinrich Bauhaus Olof Rudbeck der Jüngere und die Sprachen des Nordens
Transformationen der Antike
Herausgegeben von Hartmut Böhme, Horst Bredekamp, Johannes Helmrath, Christoph Markschies, Ernst Osterkamp, Dominik Perler, Ulrich Schmitzer Wissenschaftlicher Beirat: Frank Fehrenbach, Niklaus Largier, Martin Mulsow, Wolfgang Proß, Ernst A. Schmidt, Jürgen Paul Schwindt
Band 57
Stefan Heinrich Bauhaus
Olof Rudbeck der Jüngere und die Sprachen des Nordens Zwischen Gotizismus und Orthodoxie
Dieser Band wurde gedruckt mit Mitteln, die die Deutsche Forschungsgemeinschaft dem Sonderforschungsbereich 644 »Transformationen der Antike« zur Verfügung gestellt hat.
D 188
ISBN 978-3-11-062012-2 e-ISBN (PDF) 978-3-11-062873-9 e-ISBN (EPUB) 978-3-11-062723-7 ISSN 1864-5208 Library of Congress Cataloging in Publication Control Number: 2019936565 Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.dnb.de abrufbar. © 2019 Walter de Gruyter GmbH, Berlin/Boston Einbandgestaltung: Martin Zech, Bremen Logo »Transformationen der Antike«: Karsten Asshauer – SEQUENZ Druck und Bindung: CPI books GmbH, Leck www.degruyter.com
Vorwort und Danksagung Die vorliegende Arbeit wurde im März 2017 vom Fachbereich Philosophie und Geisteswissenschaften der Freien Universität Berlin als Dissertation angenommen und im Dezember 2017 verteidigt. Für den Druck erscheint sie in leicht überarbeiteter Form. Herzlich danken möchte ich an erster Stelle meinem Doktorvater Prof. Dr. Bernd Roling, der mich in herausragender Weise betreut hat und mir eine große Inspirationsquelle war, und dem Sonderforschungsbereich 644 „Transformationen der Antike“, der mich von Februar 2013 bis Dezember 2016 gefördert hat. Mein besonderer Dank gilt hier vor allem der Unterstützung durch Prof. Dr. Johannes Helmrath. Des Weiteren danke ich meiner Zweitgutachterin Prof. Dr. Anne Eusterschulte und den Mitgliedern meiner Prüfungskommission. Ganz herzlich möchte ich Prof. Dr. Muriel Norde für ihre wertvollen Hinweise danken. Sehr dankbar bin ich auch den Bibliotheken, die mich bei der Einsicht in Manuskripte und der Materialbeschaffung unterstützt haben. Für die Genehmigung zum Druck eigener und gestellter Fotografien danke ich den Universitätsbibliotheken in Leiden und Uppsala, deren freundliche Mitarbeiter mir mit ihrer Expertise sehr geholfen haben. In Uppsala danke ich herzlich Peter Sjökvist und Anna Fredriksson. Ich bedanke mich bei allen, die mich freundschaftlich unterstützt haben. Mein vornehmster Dank gilt meinen Eltern Ruth und Bernd Bauhaus. Ohne den Rückhalt und die liebevolle Unterstützung meiner Familie wäre diese Arbeit nicht entstanden. Meinen Eltern danke ich besonders für ihre Ermutigung, meinen Interessen ohne karrieristische Bestrebungen nachzugehen. Ich widme dieses Buch meiner Großmutter Margret Stevens und meinem Patenonkel Ludger Stevens.
https://doi.org/10.1515/9783110628739-001
Inhalt Einleitung
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9 Präliminarien Kurzer biografischer Abriss 9 15 Zur Verortung Olof Rudbecks des Jüngeren 16 Der Gotizismus Sprachwissenschaftliche Strömungen zu Rudbecks Zeit 25 Der väterliche Impuls: Olof Rudbeck der Ältere Zur Sprachtheorie der Atlantica 26 33 Drei Beispiele aus der Atlantica 46 Die Zusammenfassung 53
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56 Rudbecks sprachtheoretische Werke Die gedruckten sprachtheoretischen Werke Rudbecks 58 Zur Laponia Illustrata Der Fasciculus Vocum Lapo-Hebraicarum 68 72 Die Ichthyologiae Biblicae Pars Prima Der Thesaurus Linguarum Asiae et Europae harmonicus 87 Das Specimen usus linguae Gothicae 101 Die Ichthyologiae Biblicae Pars Secunda Der Brief an Törner 105 Die bibelexegetischen Aufsätze in den ALS 109 115 Die Atlantica Illustrata und weitere Werke 125 Das Gedicht über Urim und Thumim 133 Weiteres unveröffentlichtes Material Zur Signatur R 12b 134 Zur Signatur R 751 148 Zur Signatur Ihre 50 149 Zur Signatur Ihre 51 150 Zur Signatur Ihre 104 153 156 Weitere Quellen Zu den botanischen Disputationen 156 158 Daniel Bonge: De salmonum natura 159 Wahlstedt: Iter in Americam 160 Abschließende Bemerkungen
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Analyse 162 Rudbeck als Sprachwissenschaftler Rudbecks Quellen 163
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VIII
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Inhalt
Zum Konzept der Sprachverwandtschaft 166 173 Die etymologischen Verfahren Zum Lautwandel 175 Zur Semantik und zum „etymologisierten Raum“ 180 181 Zur Morphologie 186 Rudbecks Systematik Rudbeck und die Orientalistik 189 Von fliegenden Fischen, Purpurschnecken und der Schlange Rudbeck als Vorreiter einer vergleichenden Finnougristik? 201 Zur finnisch-ungarischen Verwandtschaft Zur Stellung der Samen, Finnen und Esten 204 206 Abschließende Bemerkungen
Conclusio
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Abkürzungsverzeichnis
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Literaturverzeichnis 215 215 Primärliteratur Olof Rudbeck der Jüngere (ausführliche Titel) Primärtexte 216 217 Rezensionen Handschriften 217 218 Sekundärliteratur und Hilfsmittel 225 Online-Ressourcen Index
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192 197
Einleitung Während die schillernde Persönlichkeit Olof Rudbecks des Älteren (1630 – 1702) in Uppsala omnipräsent ist, wird die wissenschaftliche Leistung seines Sohnes kaum wahrgenommen. Den meisten Schweden wird Olof Rudbeck der Jüngere (1660 – 1740) wohl noch am ehesten wegen seines aufwendig gestalteten Vogelbuchs bekannt sein, war er doch in erster Linie Naturforscher. Der am 15. März 1660 in Uppsala geborene Olof Rudbeck der Jüngere mag, was seinen Einfluss auf die wissenschaftliche Landschaft Schwedens angeht, im Schatten seines berühmten Vaters Olof Rudbecks des Älteren stehen. Dennoch ist sein Platz für die im Entstehen begriffene Sprachwissenschaft nicht zu unterschätzen. Er führt die Paradigmata der Atlantica seines Vaters nicht nur weiter, sondern erweitert sie auf inhaltlicher Ebene um die Einbindung der Finnen und Samen in den Kreis des primordialen und kulturstiftenden Nordens. Zugleich bringt er auf methodischer Ebene die „Sprachwissenschaft“, gepaart mit der Bibelexegese, als zentrales Instrument der Beweisführung in den Vordergrund und macht sie bis zu einem gewissen Grade selbst zum Gegenstand der Untersuchung. Im Jahre 1673 wird Rudbeck der Jüngere an der Universität Uppsala immatrikuliert. Ähnlich wie sein Vater wird auch er Naturwissenschaftler, nämlich Botaniker und Mediziner. Vor allem die Botanik treibt ihn bis zum Beginn seines sprachwissenschaftlichen Forscherdaseins an. Seine Disputation De Propagatione Plantarum von 1686 ist rein botanischer Natur. Die folgenden Jahre bringen ihn wie so viele seiner Zeitgenossen in die Niederlande. In Utrecht erfolgt 1690 seine Promotion zum Doktor der Medizin. Seine Dissertation trägt den Titel De Fundamentali Plantarum Notitia. Ein Jahr später erhält er aufgrund seiner Leistungen die Professur für Medizin und Botanik in Uppsala. Seine große Lapplandexpedition im Jahre 1695 bedeutet auch einen Umbruch für seine wissenschaftliche Tätigkeit. Zunehmend wird in seinen Arbeiten sprachliches Material thematisiert. Der kulturelle Raum, in dem Rudbecks Heimat liegt, das Gebiet der Ostsee, ist ein Schmelztiegel nicht nur verschiedenster Sprachen, sondern auch mehrerer Sprachfamilien. Das Schwedische selbst gehört mit seinem nächsten Verwandten, dem Dänischen, und im Weiteren dem Norwegischen und Isländischen, zum nördlichen Zweig des Germanischen. Dem Westgermanischen hingegen gehört das seinerzeit im Baltikum prominente Deutsche an. Das Germanische selbst ist ein Sprachzweig des Indogermanischen¹. Ebenfalls dem Indogermanischen zugehörig sind mit dem Litauischen, Lettischen und dem inzwischen ausgestorbenen Altpreußischen das Baltische, ferner das Slawische, dessen wichtigste Vertreter im Ostseeraum das Polnische und Russische sind. All diese Sprachen teilen strukturelle Merkmale und ein ge-
Die Genese der germanischen Sprachfamilie aus dem Urindogermanischen wird von Ringe (2006) übersichtlich dargestellt. Ein weiteres maßgebliches Werk zu den germanischen Einzelsprachen ist Hutterer (1975). https://doi.org/10.1515/9783110628739-002
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Einleitung
meinsames, aus dem Urindogermanischen ererbtes Lexikon². Ihnen gegenüber stehen die nichtindogermanischen Sprachen Samisch, älter „Lappisch“, Finnisch und die ihm nahe verwandten Sprachen Estnisch und Livisch. Diese bilden mit dem Ungarischen und weiteren Sprachen, die vor allem im heutigen Russland gesprochen werden, das Finnougrische, das wiederum mit den samojedischen Sprachen der uralischen Sprachfamilie zugeordnet wird³. Die wichtigsten sprachtheoretischen Werke Rudbecks sind sicherlich der unvollendete Thesaurus Linguarum Asiae Et Europae Harmonicus, dessen zehn handschriftliche Bände ich in Uppsala begutachten konnte, und das Specimen Usus Linguae Gothicae von 1717. Doch bereits in einem Brief an den englischen Mathematiker John Wallis, dem eine samisch-hebräische Wortliste beigefügt ist, wird seine Methodik und seine theoretische Grundlage deutlich. Eng mit seiner Sprachtheorie verknüpft ist die Bibelexegese, deren prominenteste Vertreter die beiden Bände der Ichthyologia Biblica von 1705 und 1722 darstellen. Es folgen eine Reihe kleiner Arbeiten in Aufsatzform, die sich mit Hilfe seiner bibelexegetischen und sprachspekulativen Herangehensweise einzelnen hebräischen Begriffen und deren vermeintlichem Bezug zum Schwedischen oder auch Samischen widmen. Rudbeck scheint ebenfalls ein gefragter Redner bei den unterschiedlichsten Anlässen, etwa Begräbnissen wissenschaftlicher Vorgänger, gewesen zu sein. Von seiner protestantischen Frömmigkeit zeugen gelegentliche Psalmenlieder. Naturwissenschaftliche Arbeiten tauchen zu dieser Zeit zwar nur noch am Rande auf, doch wird er im Jahre 1739, ein Jahr vor seinem Tod, zum Archiater, dem königlichen Leibarzt, ernannt. Rudbeck steht wie sein Vater im Zeichen des Gotizismus, also derjenigen Ausrichtung in Schweden, die eine Identifizierung mit den Goten vornimmt, die als vermeintliche Vorfahren der Schweden große Teile der bekannten Welt erobert hatten. Auch zwischen gotischer und schwedischer Sprache nach unserem heutigen Verständnis wird also nicht unterschieden. Das nationalistische Anliegen bei Rudbeck dem Jüngeren und vielen anderen seiner Zeitgenossen auch außerhalb Schwedens ist, eine möglichst enge Anbindung der eigenen Muttersprache an die hebräische Ursprache zu begründen, um jene gewissermaßen zu adeln. Kontrovers ist dabei, ob und wie das Schwedische dem Hebräischen seinen Rang als Ursprache streitig zu machen vermag. Die vorliegende Arbeit entstand im Rahmen des Teilprojektes A 15 des Sonderforschungsbereichs 644 „Transformationen der Antike“ als Unterprojekt „Die sprachliche Nordifizierung der antiken Kultur: Olof Rudbeck der Jüngere und seine Generation als Apologeten des Rudbeckianismus“. Mit „sprachlicher Nordifizierung“ ist diejenige Transformation gemeint, die als spezifisch schwedisches Phänomen die Antike nordisch umdeutet, um sie dem Rudbeckianismus dienlich zu machen, und dabei den Zur Taxonomie der idg. Sprachen Fortson (2010: 8 ff.). Eine Gesamtübersicht der uralischen Sprachfamilie, deren Postulat als Communis Opinio gelten kann, bietet Abondolo (1998). Maßgebliche Einführungen in die finnougrische Sprachwissenschaft bieten Collinder (1962), Décsy (1965) und Itkonen (1966).
Einleitung
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Schwerpunkt von etwa der Mythenexegese auf Sprachspekulation verlagert. Untersucht wurde also eine Ausprägung der Sprachphilosophie des Rudbeckianismus, die paradigmatisch durch Olof Rudbeck den Jüngeren vertreten wird. Dabei bewegt sich diese, wie der Rudbeckianismus generell, sowohl im antiken, d. h. griechisch-lateinischen Bereich als auch im (alt)nordischen Kulturkreis. Dieser Umfang wird bei Rudbeck dem Jüngeren jedoch erheblich durch die Einbeziehung des finnougrischen, des altorientalischen und sogar des fernasiatischen Kulturraums erweitert, auch wenn dies sicherlich bereits beim Vater angelegt war. Zusätzlich – und dies kann nicht genug betont werden – erweitert sich die zeitliche Dimension um die biblische „Vorantike“, die naturgemäß gerade durch Genesis 10 und 11 ohnehin für eine jede zeitgenössische Sprachphilosophie die Ausgangsposition einnehmen musste, bei Rudbeck aber durch extensive Bibelexegese eine deutlich prominentere Rolle einnimmt. So befremdlich sich die Theorien zeitgenössischer Sprachtheoretiker bzw. Sprachphilosophen für einen modernen Sprachwissenschaftler anhören müssen, sei darauf verwiesen, dass auch die heutige historische Linguistik zwar eine Vielzahl verschiedener Sprachfamilien postuliert. Über deren weitere Verbindung zueinander kann sie aber kaum verifizierbare Aussagen treffen. Versuche dieser Art wurden prominent von Joseph Greenberg unternommen, stoßen aber vor allem in der deutschsprachigen Indogermanistik höchstens auf kritische Resonanz⁴. Man darf jedoch nicht mit der Arroganz eines heutigen Wissenschaftlers die zeitgenössischen Theorien über Sprache und eben auch deren rudbeckianische Ausprägungen beurteilen, um all ihre „Fehler“ – sei es auf methodischer, sei es auf theoretischer Ebene – aufzudecken. Vielmehr gilt es, der Epoche entsprechende Novitäten in Form neuer Ansätze in Bezug zu bereits herrschenden Theorien zu setzen und die Kohärenz des untersuchten Systems herauszustellen. Vieles von dem, was im Folgenden präsentiert wird, mag auf den ersten Blick also methodisch und theoretisch willkürlich und bisweilen undurchsichtig erscheinen. Zu fragen ist aber, wie, wenn nicht durch den anfänglichen, schieren lautlichen Vergleich, historische Sprachwissenschaft überhaupt entstehen kann. Haben nicht auch die meisten, in der Communis Opinio der Indogermanistik fest etablierten Etymologien ihren Ausgangspunkt im Sichten lautlicher Ähnlichkeiten zweier Wörter, anfänglich ohne theoretische Untermauerung, genommen? Hat nicht jedes postulierte Lautgesetz, das vom Urindogermanischen etwa zum Neuhochdeutschen führt, erst durch eine Anhäufung von festgestellten Lautkorrespondenzen, die vielleicht ursprünglich auch als zufällig abgetan wurden, seine Berechtigung gefunden? Alles beginnt mit der Ansammlung von sprachlichem Material und in diesem Sinne, das lässt sich vorab schon konstatieren, steht Rudbeck der Jüngere mit seiner enormen Kenntnis orientalischer und europäischer Sprachen und seiner weitreichenden Korrespondenz seiner Zeit um nichts nach. Das Auge des modernen In Greenberg (2000/2002) wird etwa ein grammatikalischer und lexikalischer Vergleich des Indogermanischen mit seinen möglichen Verwandten vorgenommen, um eine „Eurasiatic Language Family“ zu rekonstruieren. Gut belegt sind Lehnwortkontakte zwischen dem Indogermanischen und dem Uralischen. Dazu maßgeblich Joki (1973).
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Einleitung
Linguisten sollte der Untersuchung also förderlich sein, nämlich dann, wenn er nicht alles Alte als Irrweg abtut, sondern es als konstitutiven Teil der eigenen Fachgeschichte begreift, der, wenn auch nicht ohne Weiteres ersichtlich, einen erheblichen Einfluss auf die heutige Denkweise genommen haben kann. Gerade in der Indogermanistik scheint die Fachgeschichte tendenziell ein unterprivilegierter Gegenstand zu sein. Die Tatsache, dass der Fokus dieser Arbeit auf Olof Rudbeck den Jüngeren gelegt werden soll und nicht auf seinen Vater, hängt damit zusammen, dass Letzterer zwar sicherlich das Repertoire und den theoretischen Hintergrund geboten hat, von dem Rudbeck d. J. ausgeht, dieser aber die Herangehensweise seines Vaters methodisch verfeinert, die Ideen in gewisser Weise auf die Spitze treibt und ihnen eine eigene Färbung gibt. Es muss beachtet werden, dass Sprachtheorie bei Rudbeck dem Älteren ohnehin nur am Rande vorkommt und eher den Status eines Werkzeugs besitzt, mit dem er sein Hauptanliegen, den Beweis der historischen Größe Schwedens, zusätzlich unterfüttert⁵. Eine viel größere Funktion hat doch sicherlich die Mythenexegese inne. Bei seinem Sohn hingegen nimmt Sprache den Großteil seines Untersuchungsgegenstandes ein und man darf ihm mit einigem Recht ein von den Dogmen des Rudbeckianismus unabhängiges, sprachtheoretisches Interesse unterstellen. Dabei stellt sich die Frage, wie sich die sprachtheoretischen Arbeiten Rudbecks des Jüngeren in das Gesamtkonzept des Rudbeckianismus einfügen lassen. Wie ist er wissenschaftsgeschichtlich einzuordnen? Wie groß war sein Beitrag zum Erkenntnisgewinn des Sprachvergleichs? So soll Rudbeck der Jüngere im Lichte der Fachgeschichte der schwedischen Sprachwissenschaft betrachtet werden. Auch seine Stellung innerhalb verwandter Disziplinen soll angerissen werden. Dazu gehört neben der Orientalistik auch die Rolle, die er für die Finnougristik bzw. Uralistik einnimmt. Noch zum Ende des 18. Jahrhunderts war die Idee, das Samische habe eine besondere Affiliation mit dem Hebräischen, hoch im Kurs. Im Vorwort des Lexicon Lapponicum Lindahls und Öhrlings von 1780, das Johan Ihre (1707– 1780) am 6. Dezember 1779 verfasst hat, werden die Verdienste Rudbecks des Jüngeren gerühmt: Vir quidem celeberrimus Olavus Rudbeckius, Junior, qui ad hanc linguam peculiari studio animum adjecerat, & non solum iter, eam ut addisceret, illuc instituerat, sed deinde etiam versando Biblia Lapponica, quae manu scripta habuit, & ex illis annotando inque ordinem Alphabeticum digerendo, prout occurrebant, vocabula, tantum profecerat, ut Lexicon Lapponicum concinnare potuerit, quod ut monumentum indefessae hujus viri industriæ custodio & admiror; sed, cum ineditum manserit, paucis cognitum & paucioribus usui fuit.⁶
Vgl. Lindroth (1975, II: 301), der die Philologie Rudbecks d. Ä. im Gegensatz zu derjenigen seines Sohnes nur als „arbedsredskap“ („Arbeitsmittel“) bezeichnet. Lindahl / Öhrling, Lexicon Lapponicum, Seite 26.
Einleitung
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Da es im Gegensatz zu Rudbeck dem Älteren kaum Veröffentlichungen zu seinem Sohn gibt, hat diese Arbeit den Anspruch, ein möglichst umfassendes Bild von Rudbeck dem Jüngeren zu zeichnen. Dazu gehört auch eine komprimierte Beschreibung seines persönlichen und wissenschaftlichen Werdegangs, der sich vor allem anhand der spärlichen Sekundärliteratur aber auch seiner persönlichen Korrespondenz und eigener autobiografischer Angaben darstellen lässt. Ein Gesamtverzeichnis der Veröffentlichungen Rudbecks des Jüngeren bietet Johannes Rudbeck in seiner Bibliotheca Rudbeckiana von 1918⁷. Die poetischen Werke Rudbecks editiert Per Hanselli im zwölften Band seiner Samlade vitterhetsarbeten af svenska författare von 1869⁸. Zur Sekundärliteratur im eigentlichen Sinne gehören die vielen allgemeinen Darstellungen der Geschichte der Universität Uppsala, in denen Rudbeck d. J. Erwähnung findet, etwa bei Claes Annerstedt in seiner maßgeblichen Uppsala Universitets Historia ⁹, die in den Jahren 1877 bis 1914 entstand, und in Sten Lindroths zweitem Band seiner vierbändigen Svensk Lärdomshistoria aus den Jahren 1975 bis 1981¹⁰. Rudbecks botanische und medizinische Arbeiten sind Gegenstand zweier kleinerer Veröffentlichungen, nämlich Magnus Swederus’ Arbeit Lars Roberg och Olof Rudbeck den yngre, Sveriges första zoologer ¹¹ und Theodor Fries’ Aufsatz „Naturalhistorien i Upsala under de fyra första decennierna af 1700-talet“¹². Das oben schon erwähnte Vogelbuch (Fogelboken) behandelt Lönnberg in seinem Aufsatz „De Rudbeckska fågelbildarna och deras betydelse“¹³. Rudbecks Vogelbuch selbst wurde 1985 als Faksimileausgabe herausgegeben. Speziell im Hinblick auf Rudbecks Position innerhalb der Sprachtheoretiker Schwedens sind Jan Agrells Studier i den äldre språkjämförelsens allmänna och svenska historia fram till 1827 aus dem Jahre 1955 zu nennen. Er liefert eine Beschreibung von Rudbecks Sprachtheorie und einiger seiner Publikationen und Handschriften¹⁴. Allerdings bleibt auch diese Darstellung sehr selektiv. Es werden bei Weitem nicht alle Dokumente genannt und auch die Darstellung der Methodik Rudbecks erwähnt wichtige Punkte nicht. Einen grundsätzlich soliden Überblick über die Sprachforschung im Skandinavien der frühen Neuzeit bietet Even Hovdhaugens (2000) The History of linguistics in the Nordic countries. Die kurze Erwähnung Rudbecks des Jüngeren ist jedoch sehr komprimiert und lässt wichtige Punkte außer Acht¹⁵. Zu nennen ist weiterhin die rezente Dissertation Tero Anttilas (2014) The Power of Antiquity: The Hyperborean research tradition in early modern Swedish research on
Rudbeck, J. (1918: 302– 342). Hanselli (1869: 31– 157). Hauptsächlich Annerstedt (1909, II, 2: 323 – 247). Lindroth (1975, II: 301– 304, 432– 437). Swederus (1896). Fries (1912). Lönnberg (1930). Agrell (1955: 119 – 126). Hovdhaugen (2000: 73 f.).
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Einleitung
national antiquity, die ein Unterkapitel Rudbeck dem Jüngeren widmet, ohne jedoch ins Detail zu gehen oder gar sein Gesamtwerk vorzustellen¹⁶. Alle bisherigen Darstellungen sind also sehr kompakt. Deutschsprachige Publikationen sind so gut wie nicht existent, doch es fehlt auch an einer schwedisch- oder englischsprachigen Monographie zu ihm. Die Arbeit hat den Auftrag, dieses Forschungsdesiderat zu erfüllen. Zugleich ist die Arbeit zu einem großen Teil deskriptiv. Rudbecks Veröffentlichungen und in noch geringerem Maße seine Handschriften sind kaum editorisch aufgearbeitet und nur vereinzelt inhaltlich zusammengefasst worden. Hinzu kommt, dass ein beachtlicher Teil gerade des handschriftlichen Materials nur auf Schwedisch abgefasst ist und sich somit der deutschsprachigen Wissenschaftsgeschichte verschließt. Zwar kann eine Edition der Werke Rudbecks hier nicht erfolgen. Ziel dieser Arbeit ist aber, den Inhalt dieser Texte dem deutschsprachigen Leser zu erschließen. Dies kann dem Umfang der Arbeit gemäß natürlich nur aspektorientiert geschehen. Da der Schwerpunkt dieser Arbeit auf der sprachlichen Nordifizierung der Antike liegt, muss zusätzlich eine Einschränkung bezüglich der Textauswahl getroffen werden. Rein botanische Traktate werden, sofern sich ihre Argumentation nicht auf sprachtheoretische Beweisführung gründet, außer Acht gelassen. Dazu gehören die Propagatio Plantarum von 1686 und die Disputation De Fundamentali Plantarum Notitia von 1690, die für seine sprachwissenschaftliche Arbeit von geringem Interesse sind. Auch Rudbecks poetische Arbeiten können hier allenfalls kurz angerissen werden. Im Zentrum stehen also die Werke aus Rudbecks sprachtheoretischer Schaffensperiode, die ungefähr mit der Laponia Illustrata von 1701 einsetzt. Das Ziel ist also, diese umfassend und inhaltlich detailliert darzustellen, auch wenn eine Selektion gemäß der Bedeutung vorgenommen werden muss. Neben der Analyse der gedruckten Werke war die Sichtung des handschriftlichen Materials das wichtigste Anliegen des Projektes. Hier ist nach wie vor Uppsala die erste Anlaufstelle, wo sich in der Ihreska Handskriftssamling ein Großteil der ungedruckten Werke kumuliert. Rudbeck operiert mit einer Reihe von Fachbegriffen, die dem heutigen Leser vielleicht nicht unmittelbar verständlich sind. Spricht er vom Chaldäischen, so ist damit das (biblische) Aramäische gemeint. Das Syrische, das auch den aramäischen Sprachen zugeordnet wird, wird von ihm auch als solches bezeichnet¹⁷. Bisweilen werden auch explizit Wörter aus rabbinischer Literatur oder dem Talmud selbst herangezogen¹⁸. Auch das Chinesische ist ein ambiguer Begriff. Oft liegt nämlich vietnamesisches Material vor. Um eine einheitliche Linie zu verfolgen, wird die Terminologie des heutigen Kenntnisstandes verwendet. Lediglich der Begriff „Göthisch“ für Rudbecks Göthiska wird übernommen, bezeichnet dieser doch bisweilen keine direkt belegte Sprache, sondern ein Konstrukt Rudbecks, in das bezeugte, nordgermanische
Anttila (2014: 220 – 232). Eine generelle Darstellung der aramäischen Sprachen bietet Beyer (1986). Zu den verschiedenen Phasen der hebräischen Sprachgeschichte Sáenz-Badillos (1993).
Einleitung
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Wörter oder aber auch Belege aus der Wulfilabibel einfließen, die dann tatsächlich Gotisch im eigentlichen Sinne sind. In diesem Falle richtet sich die Terminologie der Arbeit also nach Rudbecks Sprachverständnis. Werden Wortformen zitiert, so wird ungeachtet der zum Teil ungenauen oder archaischen orthografischen Widergabe – das Arabische und Syrische werden etwa grundsätzlich nur mit hebräischen Lettern geschrieben – Rudbecks Rechtschreibung und auch seine (lateinische) Übersetzung übernommen, aber durch Kursivsetzung und Fettdruck von anderem Sprachmaterial unterschieden. Werden mehrere Übersetzungen angegeben, gebe ich nur die wichtigsten wieder. Wo es sinnvoll erscheint, wird in Klammern die Form in heutiger Orthografie ergänzt. Nicht jede zitierte Wortform kann jedoch genauer untersucht werden. Generell wird in dieser Arbeit aber mit viel sprachlichem Material gearbeitet, wobei die Fülle an Wortformen komprimiert werden muss, um die teils unübersichtliche Darstellung Rudbecks verständlicher zu machen. Zitate aus seinen lateinischen Texten werden nicht übersetzt. Schwedische Textteile werden ins Deutsche übertragen und finden sich im Original in der Fußnote. Bibelstellen werden ebenfalls im hebräischen Original angegeben, wobei ich mich immer auf die interpunktierte Onlineversion der Biblia Hebraica Stuttgartensia berufe. Dasselbe gilt für die im Fließtext zitierten deutschen Passagen, die der Lutherbibel von 1984 entstammen¹⁹. In den überwiegenden Fällen, und insbesondere bei der inhaltlichen Wiedergabe der Handschriften, fasse ich die Kernaussagen mehrerer Seiten oder eines ganzen Abschnittes zusammen. Diese Arbeit gliedert sich in drei Teile, die Präliminarien, einen deskriptiven Teil und einen analytischen Teil. Die Präliminarien haben die Aufgabe, den Hintergrund Rudbecks des Jüngeren zu beleuchten. Nachdem kurz Rudbecks Vita behandelt wird, sollen auch seine wissenschaftlichen Kontakte, die sich mitunter aus einigen Briefen, aber auch Verweisen anderer Art erschließen, genannt werden. Dies soll zeigen, in welchem akademischen Umfeld er sich bewegte. Im Folgenden muss dann seine Ausgangsposition geklärt werden, die wichtig für seine Verortung innerhalb des Rudbeckianismus und der zeitgenössischen, vor allem schwedischen Sprachphilosophie ist. Es soll also kurz skizziert werden, was Sprachphilosophie im Schweden des 17. Jahrhundert ausmachte, wobei ich mich auf die einschlägige Literatur stütze. Anschließend wird versucht zu klären, welche Vorstellung von Sprache Rudbeck dem Älteren zugeschrieben werden kann. Dies erscheint gerade im Hinblick auf mögliche Vorarbeiten, auf die Rudbeck der Jüngere sich dann hat stützen können, sinnvoll. Zweifelsohne musste er sich ja im Rahmen des vom Vater in seiner Atlantica vorgegebenen Paradigmas bewegen. Die Sprachtheorie Rudbecks des Älteren soll somit den Großteil der Präliminarien ausmachen und als methodische Vorbereitung auf den sich anschließenden Hauptteil zu Rudbeck dem Jüngeren dienen. Die Beschreibung und Analyse dreier Beispiele aus der Atlantica und die Behandlung der handschriftlichen
Beide verfügbar über die Plattform www.bibelwissenschaft.de.
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Einleitung
Rudbecks des Älteren soll auf die Fragestellung und Methodik der beiden seinem Sohn gewidmeten Hauptteile vorbereiten. Zuerst folgt dann der deskriptive Teil, der die wichtigsten sprachtheoretischen Arbeiten Rudbecks – veröffentlicht oder handschriftlich – inhaltlich wiedergeben und deren Aufbau beschreiben soll. Solche Inhaltsangaben stehen für die meisten Werke noch aus. Jedes Werk soll dann auf seine Methodik und fachhistorische Bedeutung hin untersucht werden. Hierbei scheint eine Dreiteilung sinnvoll. Nacheinander werden erst die gedruckten Werke behandelt. Zu einigen dieser Werke liegen entwurfsartige Handschriften vor. Auch einige Rezensionen sind belegt. Ist das der Fall, sollen diese dann in die Behandlung der gedruckten Schriften mit einfließen. Auch aus Rudbecks poetischem Werk wird ein Beispiel exemplarisch erläutert. Die unveröffentlichten Handschriften werden dann anschließend behandelt. Die Darstellung dieser Arbeiten erfolgt vor allem als Wiedergabe des Inhaltes, wobei das Augenmerk vor allem auf die sprachtheoretische Argumentation gelegt wird. So sollen durchaus die Etymologien, die Rudbeck verwendet, dargestellt werden. Nicht immer wird dabei auf die in der heutigen Sprachwissenschaft etablierte Etymologie Bezug genommen, doch an einigen Stellen ist dies von wissenschaftshistorischem Interesse. Zum Schluss werden weitere, indirekte Quellen für Rudbecks sprachwissenschaftliche Ideen genannt, etwa die von ihm betreuten Disputationen. Der zweite Hauptteil ist explanativ-analytisch. Hier wird untersucht, welche Methodik und Theorie Rudbecks Arbeiten zugrunde liegt. Lässt sich ein kohärentes, in sich geschlossenes System elaborieren? Wichtig ist in diesem Zusammenhang die kontrastive Gegenüberstellung zu Olof Rudbeck dem Älteren. Rudbeck der Jüngere jedoch soll auch kurz auf seine Rolle in andere Disziplinen, nämlich der Orientalistik, vor allem aber der Finnougristik untersucht werden. Die transfomationstheoretische Einschätzung ist hierbei das Paradigma für die abschließende Darstellung. Es wird sich zeigen, dass das im SFB 644 entstandene Konzept der Allelopoiese, also der wechselseitigen Transformation von Aufnahmeund Referenzraum, nicht nur auf Sprachwissenschaft allgemein, sondern auch auf die Sprachtheorie Olof Rudbecks des Jüngeren angewandt werden kann. Bisweilen nutze ich meine linguistische Expertise, um einen Vergleich der Herangehensweise Rudbecks mit Erkenntnissen der heutigen historischen Linguistik anzustellen. Dabei nenne ich etwa Beispiele aus der historischen Lautlehre oder Grammatik bestimmter Sprachen, die zur Communis Opinio der entsprechenden Disziplinen, etwa der Indogermanistik, Romanistik oder Finnougristik gehören.
1 Präliminarien 1.1 Kurzer biografischer Abriss Rudbeck der Jüngere scheint stets im Schatten seines Vaters gestanden zu haben, so sicherlich auch in der heutigen Skandinavistik oder forschungsgeschichtlichen Darstellungen. Dies gilt für die Rezeption seiner Werke und seiner Biografie gleichermaßen. Eine Gunnar Erikssons Werk über Rudbeck den Älteren vergleichbare Monographie gibt es über dessen Sohn nicht²⁰. Umso wichtiger erscheint es mir, ein Unterkapitel dieses Buches der Vita Olof Rudbecks des Jüngeren zu widmen, um ihn auch vor seinem biografischen Hintergrund einordnen zu können. Zu den Primärquellen gehören an erster Stelle seine handschriftlich abgefassten , die, in 35 Punkte gegliedert, wichtige Etappen seines persönlichen und akademischen Werdegangs skizzieren. Dankenswerterweise hat sich Anders Grape die Mühe gemacht, diese gedruckt und mit aufschlussreichen Kommentaren versehen herauszugeben²¹. Zu den Primärquellen gehört des Weiteren Rudbecks persönliche Briefkorrespondenz, sofern sie nicht wie der Brief an Törner von 1727 rein fachlicher Natur ist. Darüber hinaus gibt es Quellen, die von Zeitgenossen Rudbecks verfasst wurden. Deren wichtigste sind die Laudatio Funebris Johan Ihres von 1741 und die anonyme „Vita Olavi Rudbeckii“, veröffentlicht in den Acta Societatis Regiae Scientarium Upsaliensis des Jahres 1740. Die Sekundärquellen sind ebenfalls spärlich gesät. Eine verhältnismäßig umfangreiche Beschreibung des Werdegangs Rudbecks bietet etwa Gunnar Broberg im Kommentarteil zum Vogelbuch²². Die wichtigsten Eckpunkte seines Lebens sind sowohl dem Svenskt biografiskt handlexicon ²³ und dem Svenskt biografiskt lexikon ²⁴ (SBL) zu entnehmen, auf die ich mich ebenfalls stützen werde. Zur Biografie Rudbecks ist durch meine Forschung allerdings kaum Neues ans Licht getreten. Die folgende Darstellung ergibt sich somit aus den oben aufgezählten Primär- und Sekundärquellen. Olof Rudbeck wurde am 15. März 1660 als ältester Sohn von Olof Rudbeck dem Älteren und Wendela Låhrmann in Uppsala geboren. Sein Geburtsjahr fällt also mit dem Beginn der Herrschaft Karls XI. von Schweden (Regentschaft: 1660 – 1697) zusammen
Eriksson (2002). Daneben ist der Aufsatz Herdins (1930) zu Rudbecks des Älteren Kindheit und Jungend zu nennen. Grape (1917). Die Originalhandschrift befindet sich an dritter Stelle unter der Signatur Ihre 199 in der UUB. Broberg (1985). Heurlin / Millqvist / Rubenson (1906: 382). Das Lexikon ist auch online einsehbar unter http:// runeberg.org/sbh/. Online ersichtlich unter https://sok.riksarkivet.se/Sbl/. Rudbecks Artikel hat die URN-Nummer: urn:sbl:6985. https://doi.org/10.1515/9783110628739-003
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und liegt somit mitten in der schwedischen Stormaktstid (Großmachtzeit)²⁵. Somit sind die ersten Jahre seiner Kindheit von ständigen Konflikten mit dem Erzrivalen Dänemark, aber auch noch von Hexenprozessen geprägt. Seine medizinische Ausbildung erfuhr Rudbeck durch Andreas Drossander (1648 – 1696) und Petrus Hofvenius (1630 – 1682). Am 25.09.1673 erfolgte Rudbecks Immatrikulation an der Universität Uppsala. Seine Disputation fand am 17.03.1686 statt, die ihn in den Status des Adjunctus Medicinae erhob. Sie trug den Titel De Propagatio Plantarum und wurde seiner späteren Förderin, der Königin Ulrika Eleonora der Älteren, übergeben²⁶. Diese war offenbar recht angetan von ihr und dotierte sie mit hundert Dukaten und dem Auftrag, sie auch ins Schwedische zu übersetzen. Nach seiner Ernennung zum Adjunkten im Jahre 1687 absolvierte er bis 1691 ein Auslandsstudium in Leiden und Utrecht. In Leiden hat er offenbar bei einer gewissen Witwe Stockum auf der Rapenburg gelebt. Dies geht aus den Angaben zu seiner Immatrikulation in Leiden hervor. Mit diesem Aufenthalt waren auch Reisen nach Amsterdam und London verbunden. Seit 1690 bekleidete er den Rang des Ordinarius Professor Medicinae. Seine Disputation De Fundamentali Notitia Plantarum war ebenfalls von Erfolg gekrönt und brachte ihm nach seinem Auslandsaufenthalt – er kehrte 1691 zuerst nach Göteborg zurück – eine Lehrerlaubnis in der Botanik ein. Im Jahre 1691 heiratete er auch Catharina Giöding. Der Ehe war kein langes Glück beschieden, Catharina starb 1693 im jungen Alter von 32 Jahren. Rudbecks Lehrtätigkeit schloss sich am 11. Januar 1692 die Professur für Medizin und Botanik an, die er mit seiner Antrittsvorlesung „de studio botanico sive excolendo“ begann. Für die 1693 verstorbene Königin Ulrika Eleonora die Ältere verfasste er die Parentalia und hielt diese im Riddarhuset in Stockholm. Eines der wichtigsten Erlebnisse, das man mit gutem Recht als prägend für Rudbecks weitere Entwicklung ansehen muss, ist seine 1695 begonnene Lapplandreise, zu der ein Reisetagebuch erhalten ist²⁷. Zum Inhalt der daraus resultierenden Monographie und weiterer im Zusammenhang stehender Werke wird unten mehr gesagt. Rudbeck wurde hier von einem gewissen Andreas Holtzbom begleitet, der Jahre später bei ihm zur Alraune disputieren sollte. Unter Rudbecks Ägide entstanden vier medizinische Disputationen²⁸. Im Jahre 1697 heirate der Witwer erneut. Ein sowohl für den Vater als auch den Sohn, aus deren enger Verbindung das gemeinschaftliche Werk Campus Elysii hervorgegangen war, einschneidendes Erlebnis muss der große Uppsala-Brand
Eine solide Übersicht über die Eckpunkte der schwedischen Geschichte bieten Melin / Johansson / Hedenborg (2003). Zur Emblematik der Dissertation jüngst Schirg (2017). Zur Motivation der Lapplandexpedition Broberg (1987). In der UUB findet sich unter der Handschrift Ihre 109 auch eine , die der Reisevorbereitung diente. Dazu Grape (1949, Band II: 140). Diese sind Johannes Dalins Dissertatio physiologica de functionibus corporis humani aus dem Jahre 1695, Johann Slåtermans Exercitium academicum de facie humana von 1697, im selben Jahr Magnus Detterbergs Disputatio medica de passione hypochondriaca und schließlich Petrus Elfwings De motu peristaltico intestinorum disputatio physiologica von 1698.
1.1 Kurzer biografischer Abriss
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Abb. 1: Leiden Universiteitsbibliotheek, Signatur ASF 12, Seite 327. Zur Verfügung gestellter Scan des Immatrikulationsverzeichnisses. Der Eintrag Rudbecks befindet sich an erster Stelle.
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von 1702 gewesen sein, der einen Großteil ihres Bestandes, unter anderem auch den Grundstock für die übrigen Teile der Laponia Illustrata, zerstörte²⁹.Von 1710, dem Jahr der Pest in Uppsala, bis 1711 war Rudbeck der Jüngere Mitglied im Collegium Curiosorum und in den folgenden Jahren etwa auch in der Vetenskapssocieteten. 1717 verstarb Rudbecks zweite Frau Anna Catharina Schönström. Einen Höhepunkt in Rudbecks Leben nimmt sicherlich seine Aufnahme in den Adelsstand im Jahre 1719 ein, bei der er aber im Gegensatz zu vielen seiner Zeitgenossen seinen Namen beibehielt. Parallel wurde er im selben Jahr Adlatus. 1721 heiratete Rudbeck ein letztes Mal. Seine dritte Frau war Charlotta Rothenburg, eine Verwandte des berühmten Botanikers Carl von Linné (1707– 1778). Ein Jahr vor seinem Tod war Rudbeck schließlich Archiater. Er verschied am 23. März des Jahres 1740. Die frühe Globalisierung der Wissenschaften lässt sich auch an Rudbecks Korrespondenzen ablesen. Rudbeck stand mit Gelehrten innerhalb und außerhalb Schwedens in Kontakt. Zu den wichtigsten Quellen gehören die zahlreichen Briefe an und von Rudbeck, die mir vor allem durch meine Aufenthalte in Uppsala und Stockholm vorliegen. Rudbecks Korrespondenz mit dem Orientalisten Michael Eneman (1676 – 1714), der mit einer Tochter Rudbecks verheiratet war, ist dabei von äußerster Wichtigkeit. Er kann gewissermaßen als Gewährsmann für Rudbeck angesehen werden.Von 1700 bis 1721 wütete der Große Nordische Krieg, der bekanntermaßen seit der Schlacht von Poltawa ungünstig für Schweden verlief und letztlich eine Niederlage von beträchtlichem Umfang bedeutete. In dessen Verlauf begleitete Eneman den schwedischen König auf seiner Reise, die er seinem Schwiegervater, Rudbeck dem Jüngeren, mit vielen Briefen schilderte. Erhalten sind nur die Briefe an Rudbeck³⁰. Diese sind nicht nur wegen ihres historischen Gehalts als Zeitzeugnisse des Krieges von großem Wert. Für uns ist besonders wichtig, dass Eneman Rudbeck in seinen Briefen mit Literaturangaben versorgt oder ihm gar Sendungen von Literatur ankündigt. Auch sachdienliche Informationen zu Rudbecks Interessen werden immer gegeben. Der Verlauf der Reise lässt sich übrigens anhand der Briefdatierungen nachvollziehen. Der erste Brief stammt vom 28. Juli 1706 aus Greifswald. Die weiteren Briefe aus dem europäischen Teil der Reise stammen etwa aus Leipzig, dem polnischen Słupca, der Stadt Smarhon in Weißrussland und der ukrainischen Stadt Romny. Am 23. September 1709, also gut drei Jahre nach Beginn des Briefkontaktes, schickte Eneman einen ersten Brief aus Konstantinopel. Dem schlossen sich die Stationen Chios im Jahre 1711, die Sinai-Halbinsel, Kairo im Jahre 1712 und schließlich Tripolis, Smyrna und zuletzt wieder das schwedische Ystad an. Die Anmerkungen Enemans sind bisweilen äußerst interessant, so äußert er sich etwa in seinem Brief von 20. September 1710 aus Istanbul zum Krimgotischen:
Näheres zum Campus Elysii bei Lindroth (1975, II: 429 – 432). Herausgegeben in Gjörwell, „Bref från Prof. Mich. Eneman till Prof. Ol. Rudbeck den Yngre i Uppsala“. Zu Eneman als Orientalist Nylander (1889: 333 f.). Zu dessen Reise in den Orient Schoeps (1952: 200 – 203).
1.1 Kurzer biografischer Abriss
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Ich will nun erwähnen, dass auf der kimbrischen Halbinsel von den Goten übriggeblieben ist, dass eine ganze Provinz, die dem türkischen Kaiser gehört, danach noch heute Gothia genannt wird. Und der Erzbischof, der den griechischen Gemeinden vorsteht, wird Archiepiscopus Gothia bzw. τῆς γωθίας genannt. Aus Busbeqs Beschreibung dieser Orte habe ich ein Register oder eine Zusammenstellung auf Tatarisch und Deutsch gefunden, wenn aber der Herr Professor gerne vergleichen will, so wird er sehen, dass es größtenteils Schwedisch ist, welches die Tataren noch heute gebrauchen und ohne Zweifel von den Goten bewahrt haben.³¹
Das Tatarische, eine Turksprache, die bis heute auf der Krim gesprochen wird, findet sich nicht prominent in Rudbecks späteren Werken, wohl aber in den des Vaters³². Bemerkenswert ist jedenfalls, wie weit der Arm des Gotizismus reichen konnte. Auf das Krimgotische, dessen Status ja auch in der heutigen Altgermanistik nicht unumstritten ist, wird Rudbeck in seinen Werken nicht weiter eingehen³³. War das Fortbestehen eines lebenden Zweiges der gotischen Sprache im eigentlichen Sinne dem Status des Schwedischen als Fortsetzer des Göthischen abträglich? Weitere wichtige Kontakte, die sich für Rudbeck den Jüngeren ergeben, sind zu nennen. John Wallis (1616 – 1703), der in erster Linie Mathematiker war, aber etwa auch eine Grammatica Linguae Anglicanae (1653) geschrieben hatte, erhielt von Rudbeck am 23. Juni seines Todesjahres 1703 einen Brief, dessen Inhalt unten besprochen werden soll. Dieser ist wegen des angehängten Fasciculus von größter Bedeutung. Der Kontakt war – das ergibt sich aus dem Brief – während Rudbecks Aufenthaltes in England zustande gekommen. Weitergepflegt wurde er durch Johan Schult (1677– 1713) als Verbindungsmann. Dieser hatte auch Rudbecks Gedanken zur orientalischen Herkunft der Samen und deren Verbindung zu den Israeliten der Londoner jüdischen Gemeinde kommuniziert, wo sie auf interessierte Resonanz stießen³⁴. Weitere wichtige Kontakte nach England sind zu nennen. John Chamberlayne (1666 – 1723) wird 1717 zu Beginn des Specimen, sonst jedoch kaum in anderen Werken adressiert oder erwähnt. Anscheinend hatte Rudbeck im Jahr zuvor einen Brief von ihm erhalten. Ein fachliches Interesse Rudbecks an diesem Kontakt liegt auf
Eigene Übersetzung, vgl. Gjörwell, „Bref från Prof. Mich. Eneman till Prof. Ol. Rudbeck den Yngre i Uppsala“, Seite 64– 65: Det wil jag nu nämna, at på Cimbrica Chersoneso är det qwarlämnat af Götherne, at en hel Province därpå, som hörer under Turkiske Kajsaren, kallas Gothia än i dag, och Arkiebiskopen, som där är öfwer Grekiske församlingarne kallas Archiepiscopus Gothiæ s. τῆς γωθίας. Utaf Busbequii beskrifning om deßa orter har jag funnit en Register eller Collationering på Tartariske ord och Tyska, men om Hr. Professoren behagar jämföra, så ska han finna, at det är mästadelen Swenska, hwilka Tartarerna än i dag bruka och hafwa ofelbart ifrån Götherne behålne. Näheres zum Tatarischen, das bis heute auf der Krim gesprochen wird, bei Berta (1998). Zum Krimgotischen als germanische Trümmersprache Stearns (1989: 175 – 194) im Sonderband zu den germanischen Rest- und Trümmersprachen des Reallexikons der Germanischen Altertumskunde. Eine Trümmersprache bezeichnet in der Terminologie der Indogermanistik eine nur fragmentarisch bezeugte Sprache. Dazu gehören auch die anderen ostgermanischen Sprachen, die man im Gegensatz zum gut bezeugten Gotischen vor allem durch Personennamen kennt. Dies geht aus Schults Reisetagebuch hervor, wie es bei Schoeps (1952: 189 – 195) übersetzt und mit umfangreichen Kommentaren versehen erschienen ist.
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der Hand, denn Chamberlayne hatte 1715, also zwei Jahre vor dem Specimen, eine polyglotte Zusammenstellung zahlreicher Vaterunser, Oratio Dominica in diversas omnium fere gentium linguas versa, veröffentlicht. Der Kontakt könnte aber bereits während Rudbecks früherer Reise nach England entstanden sein. Mir liegt auch ein Brief des englischen Botanikers William Sherard (1659 – 1728) vom 7. November 1711 vor³⁵. In Rudbecks Werken wird, so weit ersichtlich, nicht direkt auf William Sherard verwiesen, eine Korrespondenz wird jedoch auch in einem von Enemans Briefen erwähnt³⁶. Der schwedische Reichshistoriograph Jacob Wilde (1679 – 1755) stand ebenfalls mit Rudbeck in Kontakt. Sowohl Wildes Brief vom 3. April 1718 an Rudbeck als auch derjenige Sherards sind wenig aufschlussreich für unsere Zwecke³⁷. Aus Wildes Brief ergibt sich aber, dass er Rudbecks Specimen wohl vom Orientalisten Carl Schultén (1677– 1730) erhalten hat. Mir liegen des Weiteren acht Briefe nichtwissenschaftlicher Natur von Rudbeck an Erik Benzelius den Jüngeren vor³⁸, dem Rudbeck freundschaftlich verbunden war³⁹. Auch zu Eric J. Biörner (1696 – 1750), einem Schüler Rudbecks des Älteren, bestand Kontakt. Der Gotizist Biörner ist für seine Abhandlung De Suedia boreali aus dem Jahre 1717, vor allem jedoch für seine Nordiska kämpadater von 1737 bekannt⁴⁰. Mir liegt ein schwer leserlicher Brief von ihm aus dem Jahre 1721 vor, in dem kurz das Finnische, das Russische und die Eigenbezeichnung der Samen angerissen werden⁴¹. Eine Replik Rudbecks ist mir jedoch nicht bekannt. Zuletzt muss der Kontakt zu Fabian Törner (1666 – 1731) genannt werden, dem Rudbeck in einem Brief seine Gedanken zum Ursprung der Samen und Finnen mitteilte. Zum Inhalt des Briefes, der 1727 veröffentlich wurde, wird unten mehr gesagt. Der aus Skänninge in Östergötland stammende Törner hatte die uppsalenser Professur für Rhetorik inne. In Uppsala bestand ein enger, wissenschaftlicher Kontakt vor allem zum Sprachkundigen Johan Ihre (1707– 1780), der seine Parentalia hielt und in dessen Bestand die meisten seiner Bücher und Manuskripte übergingen, und zu seinem Schüler, dem berühmten Botaniker Carl von Linné (1707– 1778), der ihm auf seiner Spur nach Lappland folgen sollte. Wie sich aus Rudbecks eigenen Literaturangaben ergibt, bewegte sich Rudbeck auch im Dunstkreis des Rabbi Johan Kemper (1670 – 1716) und des Andreas Norrelius (1679 – 1749), zu denen unten mehr gesagt werden soll. Rudbecks Briefkorrespondenz zeigt jedenfalls, dass er jenseits des Zirkels uppsalenser Botaniker
Ihre 197, UUB. Gjörwell, „Bref från Prof. Mich. Eneman till Prof. Ol. Rudbeck den Yngre i Uppsala“, Seite 66 (Brief vom 27. Mai 1711). Ebenfalls unter der Signatur Ihre 197, UUB. Unter der Signatur G 19, UUB. Vgl. Agrell (1955: 135). Zum Rudbeckianer Biörner und dessen Leistung für die editorische Aufarbeitung der Sagas kürzlich Johanterwage (2017). Ihre 197, UUB.
1.2 Zur Verortung Olof Rudbecks des Jüngeren
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und Orientalisten auch mit internationalen Forschern von Rang und Namen korrespondierte.
1.2 Zur Verortung Olof Rudbecks des Jüngeren Der Rudbeckianismus bildet ein fulminantes Beispiel nationaler Überhöhung im europäischen Barock. Die Atlantica Olof Rudbecks des Älteren bot der schwedischen Großmacht eine Legitimation für ihre Vormachtstellung in der Ostsee, indem er ihren Königen eine Genealogie zur Verfügung stellte, die sich bis zur Sintflut nachweisen ließ⁴². Angezogen durch den Fischreichtum im Norden, machten sich die Söhne Japheths, allen voran Magog, der Stammvater der Goten, auf eine lange Reise, die über die Riphäischen Berge führte und in Atlantis endete. Die sagenumwobene Insel war nicht etwa im Meer versunken. Es war Schweden bzw. die skandinavische Halbinsel, die bei Platon beschrieben worden war. Vom schwedischen Atlantis, der Vagina Nationum, waren die Goten als Kulturstifter über Europa geströmt, um als Bringer der wahren Religion des Christentums dessen Geschicke zu bestimmen. Rudbeck d. Ä. vollführt mit diesem Paradigma eine beeindruckende Synthese klassisch-antiker und biblischer Motive und war somit in der Lage, die folgenden Generationen der Gelehrsamkeit in Schweden über alle Maße hinaus zu beeinflussen. Jede Mythologie der Antike ließ sich nun allegorisch verstehen und gab Hinweis auf die Primordialität der Goten. Griechische und römische Götter waren nach dem rudbeckianischen Euhemerismus tatsächlich gotische Könige gewesen. Die griechische Schrift war von der Runenschrift abgeleitet. Der Arm des Rudbeckianismus reichte dabei bis nach Phönizien, Ägypten und sogar Troja. Bei der Lektüre der vierbändigen Atlantica wird eines schnell deutlich. Schweden, Goten und Skythen konnten mehr oder weniger synonym gebraucht werden, wie auch die Bibel des Wulfila, die isländischen Sagas und die altschwedischen Runeninschriften als literarische Großleistung ein und desselben Volkes bemüht werden konnten. In der Tat ist der Rudbeckianismus als solcher nur vor dem Hintergrund einer insgesamt noch älteren Strömung verständlich, und zwar des Gotizismus. Ja, man kann das Paradigma Rudbecks des Älteren und seiner Nachfolger nicht nur als einen konstitutiven Teil, sondern mit gutem Recht auch als den Gipfel des Gotizismus bezeichnen.
Die wesentlichen Inhalte der Atlantica werden in Eriksson (1994) detailliert darstellt. Der Rudbeckianismus war ein beständiges Paradigma an den schwedischen Universitäten. Zu den zahlreichen Disputationen, die in den folgenden Jahren entstanden sind, etwa Roling (2016). Zum Einfluss Rudbecks des Älteren auf die Rekonstruktion einer nationalen Identität Schwedens Henningsen (1997).
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1 Präliminarien
1.2.1 Der Gotizismus Der Gotizismus ist ein vielschichtiges Phänomen⁴³. Er ist zum einen ein langlebiges Wissenschaftsparadigma, das den Rudbeckianismus maßgeblich befördert hat. Zum anderen kann man den Gotizismus als protonationalistisches Phänomen wahrnehmen. Er ist für das politische sowie das soziokulturelle Selbstverständnis Schwedens überaus einflussreich, zumal er auch eine Abgrenzung gegenüber dem Erzrivalen Dänemark mit sich brachte, indem er Schwedens Vormachtstellung historisch rechtfertigte. Mit dem Gotizismus ist hier im engeren Sinne also die Identifikation der Schweden mit den antiken Goten gemeint. Überhaupt scheint der Diskurs über den Gotizismus schwedisch dominiert zu sein, was eine Verengung des Begriffs als rein schwedisches Phänomen mit sich bringt⁴⁴. In seinem weiteren Verständnis ist der Gotizismus allerdings keine auf Schweden beschränkte Idee. Auch in Dänemark, im deutschsprachigen Raum, sowie in Spanien sind die Goten Objekt nationaler Identifikation bzw. Abgrenzung. Für Dänemark ist vor allem die Figur des Johannes Svaning (1503 – 1584) zu nennen, der in seiner Refutatio calumniarum von 1560 gegen Johannes Magnus als wesentlichen Vertreter des schwedischen Gotizismus polemisierte. Allerdings gab es in Dänemark auch unabhängig vom Gotenbegriff eine starke nationalphilologische Ausrichtung, die, ähnlich wie in Schweden, das Ansammeln „nordischer“ Altertümer mit sich brachte. Im deutschsprachigen Raum identifizierte Franz Friedlieb (1495 – 1553) schon im 16. Jahrhundert in seiner umfassenden Germaniae Exegesis von 1518 die Goten mit den Deutschen. Spanien wiederum konnte „seine“ Westgoten im Toledanischen Reich finden. Die Gotische Sprache hat auf der Iberischen Halbinsel ein kleines, aber dennoch aussagekräftiges Superstrat hinterlassen, etwa spanisch und portugiesisch
Ich stütze mich im Folgenden auf die nicht kontroversen Fakten der einschlägigen Literatur. Dazu gehört neben Neville (2009) auch der Eintrag von Paul (1998: 461) im Reallexikon der Germanischen Altertumskunde zum Stichwort „Gotizismus“, der eine übersichtliche Darstellung der wesentlichen Stränge dieses Phänomens bietet. Die detaillierteste Untersuchung, die mir vorliegt, bietet SchmidtVoges (2004), die nicht nur die spätantiken Quelltexte und die wesentlichen Akteure in Europa und Schweden vorstellt, sondern den Gotizismus auch in sämtlichen Dimensionen, etwa Historiographie und politscher Praxis, untersucht. Speziell zum schwedischen Gotizismus sind noch Weibull (1958) und Sander (2004) zu nennen. Letztere legt den Fokus auf die Bedeutsamkeit des Gotizismus für die nationale Selbstwahrnehmung. Malm (1996) begreift den Gotizismus als gesamtskandinavisches Phänomen und untersucht unter anderem die Bildsprache und die gerade für die Atlantica so bedeutsame allegorische Deutung bestimmter klassischer Topoi. Über eine in Skandinavien virulente Strömung, die auch den schwedischen Rudbeckianismus umfasst, Springer (1936). Dort zum Rudbeckianismus S. 109 – 116. Älteren Datums, aber nicht minder hilfreich ist auch Nordströms (1930) Beitrag zur Vorgeschichte der Atlantica, der nicht nur den Gotizismus im eigentlichen Sinne, sondern auch den Skythizismus und den Hyperboreer-Kult der schwedischen Gelehrsamkeit behandelt. Vgl. zu dieser Verengung Neville (2009: 213 f.).
1.2 Zur Verortung Olof Rudbecks des Jüngeren
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ganso „Gänserich“⁴⁵. Für die Darstellung dieser Arbeit soll jedoch eine Betrachtung des schwedischen Gotizismus genügen. Der Gotizismus im engeren und im weiteren Sinne ist im Wesentlichen ein Produkt des Spätmittelalters und der Neuzeit. Er hat seinen Auftakt mit dem Basler Konzil von 1434, in dessen Rahmen der berühmte Streit um den Rang der Sitzordnung gemäß dem Verwandtschaftsgrad mit den Goten entbrannte. Die meisten Darstellungen des Gotizismus beginnen mit diesem Ereignis⁴⁶. Der Bischof von Växjö, Nicolaus Ragvaldi, forderte als Vertreter des Erik von Pommern und der Kalmarer Union zwischen Dänemark, Norwegen und Schweden den Vorzug in der Sitzordnung, was er mit der angeblichen gotischen Herkunft seines Königs rechtfertigte. Dieser war der Nachfolger gotischer Könige, die sich als erste dem Christentum zugewandt hatten. Der spanische Gesandte Alonso de Santa María de Cartagena, der Bischof von Burgos, protestierte. Sein Anspruch leitete sich von der spanischen Geschichte ab. Er bezog sich auf das im Zuge der Völkerwanderung entstandene westgotische Reich mit der Hauptstadt Toledo, das bis zur Maurischen Eroberung von 711 auf der iberischen Halbinsel Bestand hatte, wobei die skandinavische Herkunft der Goten an sich nicht bestritten wurde. Die Spanier schienen allen Grund zu haben, die vormaurische Periode des christlichen Spaniens zu bemühen. Doch waren die Goten als Sieger bzw. Eroberer aus schwedischer Sicht erst nach Spanien gekommen. Viel wichtiger war doch, woher sie stammten. Schweden war dasjenige Land, das, zumindest aus Sicht der Schweden selbst, die Heimstätte dieser Krieger gebildet hatte. Der Gotizismus bringt naturgemäß eine Aufwertung des zuvor doch eher pejorativen Verständnisses germanischer Völker der Völkerwanderungszeit mit sich. Aus den Kriegern wurden also Kulturstifter⁴⁷. Die theoretischen Grundlagen des Gotizismus sind jedoch weitaus älter. Sie sind historiographischer Natur und reichen bis in die Spätantike zurück. Eine Verortung der Goten auf Scandza, das erst als Insel in Skythien, dann aber als skandinavische Halbinsel begriffen werden konnte, ist bereits in Jordanes’ de origine actibusque getarum belegt. Auch die später immer wieder aufgegriffene Abstammung der Söhne Jafets und die Anbindung des Namens der Goten an Magog, den Enkel Noahs, kommt etwa schon bei Isidor von Sevilla in seiner Historia de regibus Gothorum vor. Einer der Gründe, warum gerade in Schweden die Idee des Gotizismus so beständig war, dürfte neben der erwähnten Verortung der Goten in das Gebiet des heutigen Schwedens bei Jordanes in der schieren Tatsache liegen, dass es eine lautliche Ähnlichkeit zwischen dem Namen der Goten und den sogenannten Gauten (schw. götar) gibt⁴⁸. Ich würde so weit gehen, sogar das wesentliche Movens für den Gotizismus, bzw. dessen Initial-
Zu diesem Lehnwort und dem weiteren, auf das Iberoromanische beschränkten Superstrat des Gotischen Gamillscheg (1934: 381 ff.), der detailliert den lexikalischen Einfluss des Germanischen auf das Romanische untersucht. Näheres zum Basler Konzil bei Schmidt-Voges (2004: 43 ff.). Vgl. Neville (2009: 218 ff.) und Schmidt-Voges (2004: 37). So etwa Paul (1998: 461 f.). Vgl. auch Neville (2009: 118), nach dem Ragvaldis Argumentation gänzlich auf dem Namen der Gauten aufbaut.
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zündung in dieser einfachen Tatsache zu sehen. Diese Götar sind neben den Svear einer der beiden Teilstämme der Schweden. Man vergleiche etwa den Namen des südlichen Landesteils Schwedens Götaland und dessen größter Stadt Göteborg mit dem mittleren Teil, der Svealand genannt wird. Darüber hinaus hat der Name der Bewohner der Insel Gotland, auf der im Mittelalter die dem Schwedischen verwandte, jedoch selbständige Sprache Altgutnisch gesprochen wurde, einen klar erkennbaren, lautlichen Bezug. Es zeichnet sich somit ein verwirrendes Bild verschiedener Ethnonyme ab. Im Reallexikon der Germanischen Altertumskunde (RGA) wird die Diskussionslage zum etymologischen Zusammenhang kurz dargestellt⁴⁹. Die Eigenbezeichnung der Goten selbst ist nur rudimentär belegt und deutet auf einen u-Vokalismus hin, etwa in der Kollektivbezeichnung Gutþiud „Gotenvolk“. Im Altnordischen ist die Bezeichnung gotar „Goten“ bezeugt, wobei sich der o-Vokalismus im Gegensatz zum Gotischen durch Vokalsenkung erklären lässt⁵⁰. Unterschiedlichen Vokalismus weisen auch die Latinisierungen des Ethnonyms auf. Im Lateinischen werden die Goten je nach Autor als Gutōnēs, Gotōnēs oder Gothī bezeichnet. Die Eigenbezeichnung der Gauten in Schweden ist im altschwedischen gøtar. Dazu muss man wissen, dass der Vokal ö im Schwedischen zumeist urgermanisch *au entspricht; die im Altwestnordischen bezeugte Form gautar zeigt einen Diphthong und ist somit archaischer. Daher erklärt sich auch der moderne deutsche Begriff „Gauten“. Wahrscheinlich ist wohl, dass ebenfalls die bei Beowulf bezeugten altenglischen gēatas, die Gauten bezeichnen, was auch lauthistorisch abgedeckt wäre. Der Diphthong altenglisch ēa ist nämlich die regelmäßige Fortsetzung des urgermanischen Diphthongs *au ⁵¹. Man vergleiche hierzu etwa neuenglisch ear und deutsch Ohr, oder ne. eye < ēaʒe und dt. Auge. Schließlich gibt es noch die Gotländer, deren Bezeichnung im Schwedischen ursprünglich gutar war, also ebenfalls u-Vokalismus aufweist. Heute werden sie einfach als gotlänningar, also „Gotländer“ bezeichnet. In welchem genauen Verhältnis diese drei Ethnonyme stehen, kann von der altgermanistischen Sprachwissenschaft nicht abschließend geklärt werden, doch ist eine gemeinsame Etymologie wohl wahrscheinlich. Man kann den Namen der Goten und den der Gauten aus sprachwissenschaftlicher Sicht nicht gleichsetzen, da sie eben unterschiedlichen Vokalismus zeigen, es sei denn, dieser wäre durch ein Ablautverhältnis zustande gekommen. Möglicherweise gibt es aber eine gemeinsame Derivationsbasis bzw. ein ähnliches Benennungsmotiv für die beiden unterschiedlichen Völker. Auch ein anderer linguistischer Einwand muss gegen eine Gleichsetzung der Goten mit den Gauten gebracht werden. Die gotische Sprache ist eine ostgermanische Sprache. Das Schwedische jedoch gehört mit dem Altgutnischen und Dänischen zum Nordgermanischen. Diese
Vgl. dazu Anderssons (1998: 278 – 283) mit seinem Eintrag zu den „Gøtar“. Hier werden auch weitere etymologische Ansätze diskutiert. Zur Lautlehre des Altnordischen Noreen (1913: 67 ff.). Zur Lautlehre des Altenglischen Brunner (1951: 11 ff.).
1.2 Zur Verortung Olof Rudbecks des Jüngeren
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Fragen gehören jedoch in die Domäne der altgermanistischen Sprachwissenschaft und sind für das Wesen des Gotizismus nicht von Belang. Bereits Ende des 13. Jahrhunderts macht sich die Identifikation der Schweden mit den Goten bemerkbar. So werden die Götar im anonymen Fornsvensk legendariet mit den Goten gleichgesetzt, die Svear hingegen mit den antiken Skythen⁵². Es entstanden immer weitere vor allem historiographische Werke des Gotizismus, so etwa die ebenfalls anonyme Prosaiska Krönika aus der Mitte des 15. Jahrhunderts, in der erstmalig auf Schwedisch die Abstammung der Schweden von den Goten und somit von Magog beschrieben wird⁵³. In der Folgezeit gelangte diese Form der geschichtlichen Darstellung zu großem Erfolg und reichte über die die Gebrüder Magnus, die die letzte Bastion des Katholizismus in Schweden personifizieren, in die Großmachtzeit Schwedens hinein, um von dort bis ins 20. Jahrhundert immer weiter abzuebben⁵⁴. Die Fruchtbarkeit des Gotizismus zeigte sich nicht zuletzt an der Beschaffung der Silberbibel durch den Reichskanzler Magnus Gabriel de la Gardie (1622– 1686), wie sie dem interessierten Besucher in der Carolina Rediviva in Uppsala dargeboten wird. Doch auch die zunehmende Auseinandersetzung mit altisländischer Literatur, um deren Beschaffung ein Wettstreit zwischen Dänemark und Schweden ausbrach, ist nur innerhalb dieses für die schwedische Großmachtzeit so bestimmenden Paradigmas zu erklären. Maßgebliche Akteure sind Olaus Magnus (1490 – 1557) mit seiner Historia de gentibus septentrionalis von 1554, der weithin für seine aufsehenerregende Carta Marina gerühmt wird, sein Bruder Johannes Magnus (1488 – 1544) und dessen Historia de omnibus gothorum sveonumque regibus aus demselben Jahr, danach vor allem Johannes Bureus (1568 – 1652) und Georg Stiernhielm (1598 – 1672). Auch Olof Verelius (1618 – 1682), der Runologe und Herausgeber altnordischer Sagas, und Erik Dahlberg (1625 – 1703) mit seiner posthum veröffentlichten Suecia antiqua et hodierna müssen an dieser Stelle genannt werden. Zentrale These des schwedischen Gotizismus war die Auswanderung der Goten aus Schweden. Hieran wird deutlich, wie sehr dieses Paradigma dem Rudbeckianismus vorarbeitete, mit dem er dieses Postulat teilt. Kennzeichnend für den Gotizismus ist gerade die Annahme einer Abstammung von Gog und Magog, die ebenfalls auf Isidor von Sevilla zurückgeht⁵⁵. Eng verflochten mit dem Gotizismus sind der Skythizismus und der Kult um die Hyperboreer⁵⁶. Eine etymologische Anbindung der Skythen an den anderen schwedischen Teilstamm, die Svear, konnte einer Identifikation mit den Schweden sicherlich zuarbeiten. Die legendären Skythen als Urvolk werden auch bei Rudbeck dem Älteren immer wieder aufgegriffen, der den Skythizismus in den schwedischen Gotizismus einbaut. Diese Synthese hatte bereits einen Vorläufer bei Georg Stiernhielm, insbesondere bezüglich dessen
Vgl. Paul (1998: 462). Zu den Chroniken, vor allem der Prosaiska Krönikan und der Lilla Rimkrönikan, Schmidt-Voges (2004: 87 ff.). Speziell zum Gotizismus der Gebrüder Magnus Johannesson (1991). Vgl. Schmidt-Voges (2004: 38 ff.). Zur skythischen Tradition der Sprachwissenschaft Metcalf (1974: 234 ff.).
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Sprachverständnis⁵⁷. Die Iranistik behandelt das Skythische als eine Gruppe ostiranischer Sprachen. Somit sind Schwedisch und Skythisch innerhalb der indogermanischen Sprachfamilie tatsächlich miteinander verwandt⁵⁸. Als Initiator der schwedischen Gelehrtendiskurse um die Hyperboreer, die ebenfalls mit den Schweden identifiziert werden konnten, gilt Johannes Bureus⁵⁹. Die Trias aus Gotizismus, Skythizismus und dem Hyperboreismus, die bei Rudbeck dann noch um den AntlantisMythos bereichert wird, darf mit Fug und Recht als genuin schwedische Variante des für den Barock generell typischen Universalismus gedeutet werden.
1.2.2 Sprachwissenschaftliche Strömungen zu Rudbecks Zeit Wie oben erwähnt, ist der Gotizismus auch ein Wissenschaftsparadigma. Das ist leicht an der Fülle von Disputationen ersichtlich, die auch nach der Atlantica Rudbecks des Älteren in allen möglichen wissenschaftlichen Teildisziplinen entstanden. Ein Fokus des Gotizismus war die Sprache. Für uns ist weniger der historiographische Aspekt des Gotizismus als dessen Sprachphilosophie von Belang. Der Gotizismus argumentiert nicht nur sprachwissenschaftlich, sondern die schwedische Sprachwissenschaft selbst wird wie die Historiographie teilweise durch den Gotizismus bestimmt. Für Schweden kann man nämlich mehrere teils miteinander konkurrierende Richtungen der Sprachphilosophie ansetzen. Ich folge hierbei Jan Agrell, der eine sinnvolle Dreiteilung vornimmt⁶⁰. Es gibt ihm zufolge zum einen die orthodoxe Linie, die er von der Mitte des 16. Jahrhunderts bis zum Ende des 18. Jahrhunderts ansetzt. Wichtige Gestalten sind hier an erster Stelle Olaus Magnus (1490 – 1557), aber auch Rudbecks des Jüngeren Großvater Johannes Rudbeckius (1581– 1646)⁶¹.Weiterhin sind hier Enevald Svenonius (1627– 1688) und Johan Palmroot (1659 – 1727) zu nennen. Svenonius machte vor allem durch sein groß angelegtes Lehrwerk Gymnasium capiendæ rationis humanæ von 1658 bis 1662 von sich reden, glaubte jedoch auch Gemeinsamkeiten des Finnischen mit dem Hebräischen entdeckt zu haben⁶². Von Palmroot hingegen stammt eine Disputation Historia Linguae Sanctae aus dem Jahre 1685, doch unter seiner Professur entstanden noch viele weitere Arbeiten zur hebräischen Sprache⁶³. Vor allem ist jedoch sein Lehrwerk, das Grammaticae Hebreae Compendium von 1699 zu nennen.
Vgl. dazu Nordström (1930: 295 f.). Zu den Charakteristika des Skythischen und den verwandten Kleinsprachen Schmitt (2012). Zu Bureus Einfluss auf Rudbeck Nordström (1930: 286 ff.). Allgemein zur forschungsgeschichtlichen Bedeutung dieses Paradigmas Anttila (2014). Vgl. Agrell (1955: 63 – 172). Darüber hinaus stütze ich mich in der folgenden Darstellung auf die allgemeine Geschichte der skandinavischen Linguistik von Hovdhaugen (2000) und ders. (2001). Zur Biografie Rudbeckius’ Norlin (1860). Dazu vor allem Harviainen (2005). Vgl. Annerstedt (1909, II, 2: 295).
1.2 Zur Verortung Olof Rudbecks des Jüngeren
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Kennzeichnend für die Orthodoxie, die ja als solche nicht spezifisch schwedisch ist, sondern einer europäischen Tradition folgt, war die Stellung des Hebräischen als vorbabylonische und adamitische Sprache⁶⁴. So wird Johannes Rudbeckius in seiner Funktion etwa mit folgenden Worten zitiert: Das Hebräische ist am ältesten, denn die Hebräer behielten ihre alte Sprache, als die übrigen Völker vom Stammort wegzogen, und Gottes Volk wurde nicht wie die anderen Völker mit der babylonischen Sprachverwirrung gestraft.⁶⁵
Dieses Primat musste ein tatsächlich wissenschaftliches Interesse an Sprache naturgemäß erschweren und scheint mir doch eher ein Phänomen der (protestantischen) Theologie zu sein. Diese Art der Orthodoxie war jedenfalls kein genuin schwedisches Phänomen, sondern knüpfte an europäische Diskurse an. In dieselbe zeitliche Periode fällt in Schweden nach Agrell aber auch die spezifisch gotizistische Linie vom Beginn des 17. bis zum Beginn des 18. Jahrhunderts. Dabei ist zu beachten, dass Agrell die Strömung weiter unterteilt, je nach ihren maßgeblichen Vertretern. So wird die gotizistische Linie in eine frühe Phase mit Johannes Bureus (1568 – 1652) als Vorreiter, eine mittlere, repräsentiert durch die Prominenz Georg Stiernhielms (1598 – 1672), und eine späte, eben „rudbeckianische“ Phase aufgeteilt. Bureus, vor allem für seine gotizistisch-kabbalistische Arbeit Adulruna Rediviva bekannt, war nicht nur der Verfasser der ersten altschwedischen Grammatik, er befasste sich auch bereits mit Lautpermutationen, zeigt also durchaus ein systematisches Sprachverständnis⁶⁶. Das Primat des Schwedischen wird etwa dadurch verbildlicht, dass der erste Mensch Sven geheißen habe⁶⁷. Dies scheint ein amüsanter Versuch zu sein, das Ethnonym der Schweden svensk, zu ergründen und birgt zugleich eine Absage an das Postulat einer „adamitischen“ Ursprache. Georg Stiernhielm⁶⁸, dessen Einfluss auf Rudbeck den Älteren später noch behandelt wird, ist für mehrere sprachwissenschaftliche Arbeiten bekannt, etwa seinen
Zur derlei Strömungen im gesamteuropäischen Kontext etwa Willer (2003), aber auch Olender (1995). Eine solide Übersicht über die europäische Diskussion zur adamitischen bzw. noachitischen Ursprache bietet Borst (1960). Allgemein zur Geschichte der Sprachwissenschaft Berésin (1980), Amirova / Ol’chovikov / Roždestvenskij (1980), Metcalf (1974), Diderichsen (1974) und Muller (1986). Eine Gesamtübersicht, die auch außereuropäische Traditionen einbezieht, bietet das Lexikon von Auroux et al. (2000 – 2006). Insbesondere zu lexikografischen Arbeiten der frühen Neuzeit Considine (2008). Frei übersetzt aus Agrell (1955: 65): Hebräiskan är äldst ty hebreerna bibehöllo det gamla tungomålet, då de öfriga folken flyttade bort från stamorten, och Guds folk straffades icke såsom andra folkslag af den babyloniska förbistringen. Zu Johannes Bureus als Paracelsisten Lindroth (1943). Zu seinen kabbalistischen und runologischen Arbeiten Åkerman (1994) und Considine (2008: 238 ff.). Vgl. Agrell (1955: 85). Zu Georg Stiernhielm allgemein Olofsson (1998). Zu seinem Sprachverständnis neben Agrell (1955: 92 ff.) auch kurz Metcalf (1974: 248 f.) und Hovdhaugen (2000: 71 f.). Letzterer stellt in Hovdhaugen
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1 Präliminarien
Magog Aramaeo-Gothicus aus den Vierzigerjahren des 17. Jahrhunderts. Nirgendwo wird Stiernhielms Sprachphilosophie deutlicher als in seinem Vorwort zur Wulfilabibel (Evangelia ab Wulfila), die er – sicherlich nicht ohne gotizistische Motivation – 1671 herausgegeben hatte. Ein großes Verdienst Stiernhielms liegt nämlich in seinem Konzept des Sprachwandels. Er postuliert durchaus einen gemeinsamen Ursprung aller Sprachen, doch sieht er deren Divergenz als natürliche Entwicklung an, wodurch das Postulat der babylonischen Sprachverwirrung hinfällig werden konnte. Die zentrale Annahme war, Sprachen entstünden aus Dialekten, eine aus heutiger Sicht korrekte Folgerung. Allerdings kam Stiernhielm dennoch nicht ohne einen Verweis auf die Heilige Schrift aus, doch war nicht Gen 11 sondern Gen 10 bedeutsam⁶⁹. Eine Schlüsselrolle nahmen also die Söhne Noahs ein, wobei die semitischen Sprachen sich von Sem, das Skythische sich jedoch von Japheth herleiten ließen. Das Hebräische verlor dabei seinen primordialen Status und wurde zu einem bloßen Dialekt. Das Skythische hatte etwa nicht nur das Griechische, Lateinische und Phrygische hervorgebracht, sondern auch das Schwedische, das diesem natürlich noch immer am nächsten Stand. Das Skythische selbst wiederum stand der Ursprache am nächsten, sodass das Hebräische in zweifacher Hinsicht abgewertet wurde. Wie Agrell zeigt, wurde auch die Permutation bestimmter Konsonanten von Stiernhielm durchaus systematisch behandelt. Die Figur des Georg Stiernhielm soll an späterer Stelle wieder aufgegriffen werden, da Stiernhielm auch ein gewisser Einfluss auf Rudbeck den Älteren zugeschrieben werden muss. Als weitere gewichtige Figuren nennt Agrell Bengt Skytte (1614– 1683), Johannes Schefferus (1621– 1679) und Olof Verelius (1618 – 1682). Der aus Straßburg stammende Johannes Schefferus ist vor allem durch seine Lapponia von 1673 bekannt. Olof Verelius maßgebliches Werk ist sein Index linguæ veteris scytho-scandicæ sive gothicæ. Die Tatsache, dass es sich dabei um ein isländisches Lexikon handelt, zeigt bereits, dass das Isländische im Gotizismus leicht unter dem Skythischen bzw. Göthischen subsummiert werden konnte und erklärt auch, dass Rudbeck der Ältere das Werk 1691 herausgab und mit einem Vorwort versah. Doch auch die tatsächlich genuin schwedischen Runen lagen in seinem Fokus. Im Jahre 1675 erschien seine Manuductio ad runographiam scandicam. Leider unveröffentlicht blieb das polyglotte Lexikon des Reichsrates Bengt Skytte. Skytte ist der Initiator der sogenannten „Skytteanska professuren“. Dass Rudbeck der Jüngere sich kaum auf Skytte bezieht, mag an der Tatsache liegen, dass dessen sprachlicher Universalismus nicht zu Rudbecks Fokussierung auf das Hebräische passte. Die Rudbeckianer, sofern sie sich sprachtheoretisch äußern, stehen im Interesse dieser Betrachtung. Ihr gehören laut Agrell neben Rudbeck dem Älteren noch Johan Gabriel Sparwenfeld (1655 – 1727), Johan Göransson (1712– 1769) und eben Rudbeck
(2001: 1125) kurz die Leistung Stiernhielms auf dem Gebiet der Altgermanistik dar. Kurz zu Stiernhielm auch Borst (1960: 1335 ff.). Vgl. Borst (1960: 1336).
1.2 Zur Verortung Olof Rudbecks des Jüngeren
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der Jüngere an. Sparwenfeld hatte an einem weitgehend unveröffentlicht gebliebenen Lexicon latino-slaveno-russico-germanicum geschrieben, ist jedoch vor allem für die im Entstehen begriffene Sinologie von Belang⁷⁰. Göransson schlug mit seinem Bautil von 1750 wieder die Wege der Runologie an, die Rudbeck der Ältere schon für seine Atlantica hatte fruchtbar machen können. Inwieweit Rudbeck der Jüngere wirklich dieser dem Gotizismus zugeordnet werden muss, bleibt für mich zu hinterfragen. Ich plädiere hier für eine differenziertere Einordnung, da diejenige Agrells mir doch sehr stark aufgrund des familiären Verhältnisses motiviert scheint. Wesentlich war jedenfalls für sprachtheoretische Seite des Gotizismus, dass das Hebräische von seinem hohen Sockel gestoßen wurde, sodass auch das Schwedische nun etwa als Sprache des Paradieses herhalten konnte, sofern das Postulat einer adamitischen oder noachitischen Ursprache überhaupt noch notwendig war. Eine „Light-Version“ dieses Gotizismus der Sprache wies diesem doch zumindest eine besonders nahe Verwandtschaft zum Hebräischen zu. Ähnlich wie ein orthodoxes Sprachverständnis tatsächliche Sprachwissenschaft behindern musste, hatte auch das nationalistische Element dieser Richtung den entscheidenden Nachteil der Verengung. Meiner Meinung nach führte sie jedoch aufgrund des neu erforschten, vernakulären Sprachmaterials dazu, dass die Kenntnis über Sprache zumindest gefördert wurde. Auch die dem Gotizismus inhärente Überhöhung der eigenen Nation und ihrer Sprache ist kein schwedisches Alleinstellungsmerkmal. Man denke etwa an die niederländisch-flämische Ausprägung eines Johannes Goropius Becanus (1919 – 1572) oder eines Adriaan van Schriek (1560 – 1621). Einzigartig ist jedoch die Beständigkeit des aus dem Gotizismus hervorgegangenen Rudbeckianismus als Wissenschaftsparadigma, die eben auch die Sprachwissenschaft betraf. Was die sprachwissenschaftlichen Leistungen dieser Periode angeht, muss man Schweden gewiss auch eine Sonderrolle zugestehen, die es von ähnlichen Diskussionen in den Niederlanden und Deutschland abgrenzt. Einerseits war das damalige Schwedische Reich im Gegensatz etwa zu den Niederlanden genuin mehrsprachig. Dem von Haus aus auf schwedischem Boden gesprochenen Samischen, dann aber auch dem Finnischen und Estnischen, wohnte ein viel exotischeres Potential inne als etwa dem Friesischen oder Niedersächsischen (nl. Nedersaksisch) in den Niederlanden, die, obgleich eigenständige Sprachen, eine enge Affinität mit dem Niederländischen aufwiesen. Auf der anderen Seite gab es die so wichtigen Runeninschriften und auch die altnordische Literatur, deren Geltung für Schweden leicht gegen die Dänen verteidigt werden konnte, in dem das „Göthische“ an ihnen betont wurde. Die beginnende Kritik an den vorausgegangenen orthodoxen und gotizistischen Systemen beginnt nach Agrell durch Personen des 18. Jahrhunderts wie Erik Benzelius den Jüngeren (1675 – 1743), den Kritiker des Rudbeckianismus, Olof Celsius den Älteren (1670 – 1756), und eben den so wichtigen und zu Anfang wohl stark von Olof Rudbeck
Näheres dazu bei Agrell (1955: 119).
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1 Präliminarien
dem Jüngeren beeinflussten Johann Ihre (1707– 1780)⁷¹. Darf man diese Zeit als Emanzipation vom Rudbeckianismus verstehen? Kennzeichnend war jedenfalls eine Abkehr von dessen Konstituenten hin zu einer neutralen Form des Sprachverständnisses, wobei sich spätestens bei Johan Ihre ein solcher Wandel vollzogen zu haben scheint. Er war Rudbeck dem Jüngeren und dessen Werk durchaus gewogen, wie sich aus den Parentalia ergibt, wenngleich sich bei ihm selbst anhand seines Schriftverzeichnisses, ein wesentlich systematischerer Umgang mit Sprache feststellen lässt. In der UUB sind in der Ihreska Handskriftssamling mehrere Arbeiten zur vergleichenden Sprachwissenschaft zu finden, etwa eine zu schwedischen Dialektwörtern im Vergleich mit dem Samischen, oder auch schwedisch-slowenische und schwedisch-polnische Etymologien⁷². Als das wichtigste Werk Ihres darf jedoch sein Glossarium Sviogothicum von 1769 gelten, welches ihm auch international Anerkennung brachte⁷³. Mag dieser Titel auch gotizistisch anmuten, hat Ihre hier jedoch ein für seine Zeit solides etymologisches Wörterbuch geschaffen, das die Entwicklung schwedischer Wörter aus dem Altnordischen demonstriert. Was Olof Celsius angeht, hatte dieser Rudbecks Thesaurus als „gräselig confusio Babelica“ bezeichnet⁷⁴. Er war also jener Form des Sprachvergleichs und Etymologisierens nicht zugetan. Celsius selbst hat in seiner Dissertatio philologico-historica, de convenientia lingvae persicae cum gothica von 1723 das Schwedische mit dem Persischen verglichen, dabei neben lexikalischen Argumenten auch solche grammatikalischer Natur herangezogen⁷⁵. Benzelius der Jüngere scheint von Agrell vor allem deshalb der kritischen Linie zugerechnet zu werden, als er sich mit schwedischen Dialekten befasste. Doch auch seine Ansichten zu Permutation von Konsonanten entbehrten wohl nicht einer gewissen Systematik⁷⁶. Somit fällt Rudbecks des Jüngeren Schaffenszeit in diejenige Phase, die von der Konkurrenz aller drei genannten Strömungen geprägt ist. Gemäß der Fragestellung dieser Arbeit gilt es nun, die Position Rudbecks herauszustellen. Bereits bei der kursorischen Lektüre der Veröffentlichungen Rudbecks des Jüngeren fällt nämlich auf, dass die wesentlichen Topoi seines Vaters, wie sie sich vor allem in seiner vierbändigen Atlantica bündeln, nicht unmittelbar Gegenstand seiner wissenschaftlichen Tätigkeit sind. So finden sich im so wichtigen Specimen von 1717 etwa keine direkten Verweise auf die postulierte Verortung der Insel Atlantis nach Skandinavien. Auch die Mythenexegese, die bei Rudbeck dem Älteren unter Zuhilfenahme etymologischer Verfahren nordische, klassisch-antike und vorderasiatische Götter euhemeristisch zu deuten suchte, wird kaum aufgegriffen. Viel eher ist es die väterliche Methodik, die übernommen und elaboriert wird. Dient bei Rudbeck d. Ä. die Etymologie nur der
Zu Johan Ihre auch Hovdhaugen (2000: 74 f.) und (2001: 1126 ff.). Alle genannten Handschriften befinden sich unter der Signatur Ihre 109. Vgl. Annerstedt (1914, III, 2: 410). Zitiert nach Annerstedt (1914, III, 2: 404). Vgl. Agrell (1955: 135). Vgl. Agrell (1955: 137 ff.).
1.3 Der väterliche Impuls: Olof Rudbeck der Ältere
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Untermauerung seiner Thesen, was für die Barockwissenschaft nicht ungewöhnlich erscheint, bekommt dieses Verfahren bei Rudbeck d. J. eine Eigendynamik, die Sprachen, ihre Herkunft und in gewisser Weise auch ihren heilsgeschichtlichen Anspruch selbst in den Mittelpunkt der Untersuchungen stellt. Dabei konnte Rudbeck der Jüngere zweifellos auf ein Repertoire methodischer Exkurse seines Vaters zurückgreifen, etwa zu den Lautgleichungen zwischen den germanischen Sprachen und dem Griechisch-Lateinischen. Es deutet aber vieles darauf hin, dass Rudbeck der Jüngere sich im Gegensatz zu seinem Vater auch der sprachwissenschaftlichen Orthodoxie zuwandte und die Verortung Agrells somit hinterfragt werden muss. Im Folgenden soll nun zuerst Rudbecks des Älteren Sprachverständnis durchleuchtet werden.
1.3 Der väterliche Impuls: Olof Rudbeck der Ältere Ferner ist zu fragen, ob in der Verwirrung die Sprachen auch so ganz und gar getrennt wurden, dass nicht ein Wort aus der einen sich in der anderen wiederfand, mit dem sie einander verstehen konnten. Dies scheint nicht vonnöten zu sein: denn, wenn man nun jemanden hört, der Schwedisch spricht und zur Hälfte, zu Zweidritteln oder Dreivierteln lateinische oder griechische Wörter einwirft, so versteht niemand ihn, der lediglich Schwedisch kann. Um das Volk also zu scheiden und zu zerstreuen, ist es nicht notwendig, dass jedes Wort umgetauscht werde: darum scheinen viele Wörter noch in vielen Sprachen erhalten zu sein, die fast gleich lauten und die gleiche Bedeutung haben, wie zuvor vom Wort säck gesagt wurde.⁷⁷
Dieser kurze Text aus dem ersten Band der Atlantica (Kap. 3) beschreibt in prägnanter Weise das sprachwissenschaftliche Anliegen Olof Rudbecks des Älteren. Für ihn wird die Frage der Entstehung der verschiedenen Sprachen aufgrund der Autorität der Bibel mit der babylonischen Sprachverwirrung beantwortet. Allerdings macht er noch
Rudbeck d. Ä., Atlantica, Bd. I, Kap. 3, Seite 32: Widare är til frågandes, om och uti förbistringen språken så helt och hållit skilldes, att icke ett ord ur den ena språket fans igen i det andra, på det dhe ey hwar annan skulle förstå. Dhetta synes intet wara af nöden: ty när man nu hörer en som talar Swenska, wilja halfpartnern, eller twåtridjedelar eller trifierdedelar der till inkasta Latinska eller Grekiska ord, så förstår ingen honom, som allenast Swenska kan: altså til at skilja Folcket och skingra dem, behöfdes intet att hwart ord skulle ombytas: derföre synes många ord ön wara behållne uthi många språk, som nästan lijka lyda, och hafwa samma bemärkelse, såsom tilförenne är sagt om ordet Säck. Hier und im Folgenden handelt es sich um eigenständige Übersetzungen. Ich verwende ausschließlich die schwedischsprachige Neuauflage des ersten und dritten Bandes der Atlantica von Axel Nelson: Rudbeck der Ältere, Olof (1937): Olaus Rudbecks Atlantica: svenska originaltexten und (1947): Olaus Rudbecks Atlantica: svenska originaltexten. Zitiere ich Wortformen, so passe ich diese orthografisch dem linguistischen Standard an. Dies bedeutet, dass die eigentlichen Formen kursiv gesetzt werden und mit Ausnahme eindeutiger Eigennamen konsequent klein geschrieben werden. Um die Wortformen von eigenen Beispielen abzugrenzen, wird darüber hinaus Fettdruck verwendet. Die angegebenen Übersetzungen des Autors werden in Anführungszeichen übernommen und ebenfalls fettgedruckt.
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1 Präliminarien
eine interessante Hinzufügung. Die „Hauptsprachen“ sind bei eben diesem Ereignis entstanden⁷⁸. Deren weitere Entwicklung hin zu einzelnen Sprachen begründet er mit dem Lauf der Zeit, also durch Krieg, Handel, Kunst und Handwerk. Hieran lässt sich erkennen, dass Rudbeck der Ältere die Prinzipien des Sprachwandels nicht grundsätzlich verkennt. Er muss seine Theorie lediglich dahingehend einschränken, dass die Autorität der Bibel nicht angetastet wird. Da diese sich aber nicht zu Sprachwandel im Allgemeinen äußert, ist seine Theorie zur sprachlichen Entwicklung ab der Stunde 0 in Babylon legitimiert.
1.3.1 Zur Sprachtheorie der Atlantica Wie bereits eingangs erwähnt, verwendet Rudbeck der Ältere Etymologie in seiner Atlantica hauptsächlich als Werkzeug, vor allem im Verbund mit Mythenexegese, um seine Identifikation Schwedens mit Atlantis zu verifizieren. Sprache ist dabei gleichberechtigt etwa mit Archäologie, die ebenfalls zu Beweisführung herangezogen wird. Man kann ohne Zweifel festhalten, dass die Atlantica selbst kein sprachtheoretisches Werk darstellt. Dennoch hat Sprache einen hohen Stellenwert für Rudbeck, da sie als wesentliches Kriterium zur Differenzierung unterschiedlicher Völker angesehen wird. Immer seien diejenigen Völker für ein anderes, d. h. eigenes Volk gehalten worden, die eine andere Sprache hatten⁷⁹. Die Literatur über Sprachwissenschaft bei Rudbeck ist dürftig. Auch hier ist wieder an erster Stelle Agrell zu nennen, der Rudbeck dem Älteren wie auch seinem Sohn ein eigenes Kapitel widmet⁸⁰. Zudem ist ein Aufsatz von Annie Burman zu nennen, der rezent im Rahmen des SFB 644 als Aufsatz veröffentlich wurde und auf ihre bereits bestehende Masterarbeit aufbaut⁸¹. Zuerst gilt festzuhalten, dass die von Rudbeck d. Ä. herangezogenen Sprachen sich primär auf den europäischen Raum beschränken. Das Hebräische etwa spielt im Gegensatz zu seinem Sohn kaum eine Rolle. Lediglich sporadisch wird auf außereuropäische Sprachen verwiesen, etwa das bis dato weitgehend unerschlossene Phönizische. Rudbeck geht von drei „Hauptsprachen“ Europas aus, aus denen sich alle anderen Sprachen erklären lassen. Diese sind das Skythische, das Griechische und das Keltische⁸². Wie Burman festhält, werden Skythisch, Göthisch und Schwedisch weitgehend synonym verwendet, was vor Rudbecks gotizistischem und im weiteren Sinne skythizistischem Hintergrund plausibel erscheint⁸³. Dass das Skythische nichts anderes als das Göthische war, ergab sich
Rudbeck d. Ä., Atlantica, Bd. I, Kap. 3, Seite 33 f. Rudbeck d. Ä., Atlantica, Bd. I, Kap. 2, Seite 16. Agrell (1955: 107– 117). Kurz zur Sprachtheorie Rudbecks des Älteren auch Metcalf (1974: 249 ff.), Hovdhaugen (2000: 72), ders. (2001: 1125 f.) und Borst (1960: 1339 f.). Burman (2017). Rudbeck d. Ä., Atlantica, Bd. I, Kap. 3, Seite 48 ff. Burman (2017: 79).
1.3 Der väterliche Impuls: Olof Rudbeck der Ältere
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doch daraus, dass man es auf vielen „alten Steinen“ – gemeint sind sicherlich die Runen – aber auch bei den Skalden und griechischen Autoren fand⁸⁴. Sprachwandel entsteht bei Rudbeck dem Älteren nicht nach diachronen Prinzipien im heutigen Sinne, sondern durch Vermischung der Hauptsprachen, die durch Kontakte, wohl am ehesten im Sinne von Entlehnungen zu verstehen, ausgelöst wurde. Dies wird im oben gegebenen Zitat bereits deutlich. Die im zeitgenössischen, außerschwedischen Diskurs so prominente Suche nach der adamitischen Ursprache spielt für Rudbeck d. Ä. keine Rolle. Vielmehr lässt er diese Frage, wie Burman korrekt ausführt⁸⁵, unbeantwortet und identifiziert auch nicht das Schwedische mit der Sprache Adams, denn, „wenn die Sprachen aller Länder verwirrt wurden, so war auch die Sprache keines Landes eine Ausnahme (…)“⁸⁶. Explizit werden auch das Hebräische und das Skythische hier miteingeschlossen. Keine der beiden Sprachen war also mit der Sprache Adams gleich: Wir wollen annehmen, dass die hebräische Sprache deren Muttersprache gewesen war, bevor die Verwirrung geschah. Als die Verwirrung nun kam, trennten sich alle voneinander und entfernten sich weit voneinander, einige nach Asien, nach China, nach Afrika, nach Europa. Und als diese dahin kamen, meint man, dass sie wieder zu ihrer Muttersprache zurückgekehrt sind, nämlich dem Hebräischen. Das scheint mir nicht die Wahrheit zu sein, denn wenn alle zu ihrer Muttersprache zurückgekommen wären, warum konnte dann nicht ein jeder sie in seinem Geschlecht so rein bewahren wie die Hebräer ihre.⁸⁷
Rudbeck vollzieht wie gesagt einen Spagat zwischen dem beschreibbaren Phänomen des Sprachwandels, den er etwa durch den Handel und Kontakt mit anderen Völkern bedingt sieht, und der Autorität der Bibel. Wahr scheinen also sowohl die Sprachverwirrung als auch der reguläre Sprachwandel zu sein, wie sich aus dem folgenden Abschnitt ergibt: Ich glaube also, dass alle Hauptsprachen in der Verwirrung entstanden sind, dass aber deren Nachkommen und kleine Unterschiede im Laufe der Zeit entstanden sind, in denen die Völker durch Krieg, Handel und Wandel vermischt wurden, oder neue Wörter für Kunst und Handwerk erfunden wurden.⁸⁸
Rudbeck d. Ä., Atlantica, Bd. I, Kap. 3, Seite 48. Burman (2017: 79 f.). Rudbeck d. Ä., Atlantica, Bd. I, Kap. 3, Seite 30: Woro all Land tungomål förbistrade, så war och intet Landstungomål undantagit. Rudbeck d. Ä., Atlantica, Bd. I, Kap. 3, Seite 32: Wij wilje sättia att dhet Hebraiska Språket skulle hafwa warit dheras Modersmåhl förr än förbistringen skedde. Nu när förbistringen kom, skilldes alla åt, och drogo wida från hwar andra, sombliga långt in i Asien, till Chinam, till Africam, til Europam. Och när de tiit kommo, menas, att dhe skulle hafwa kommit till sitt Modersmåhl igen, nembligen til det Hebraiska språket. Detta kan jag ey see wara likt Sanningen: ty om de hafwa komiit til förra Modersmåhl igen, hwij skulle icke hwar och en hafwa det kunnat beware i sitt slächte så rent såsom de Hebreer i sitt. Rudbeck d. Ä., Atlantica, Bd. I, Kap. 3, Seite 33 / 34: Blijfwer jag altså widh dhessa skiäl intagen, att alla Hufwudspråk äro skedde i förbistringen, men Hufwudspråkens afkomne och små åthskilningar
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Was genau mit den Hauptsprachen gemeint ist, führt Rudbeck bereits ein Kapitel zuvor aus. Er befasst sich nämlich vor allem im zweiten Kapitel des ersten Bandes theoretisch mit Sprache und gibt somit eine Erklärung seiner Methodik. Die sogenannte Permutation der Laute – wobei eben zwischen Lauten und Buchstaben nicht unterschieden wird – spielt eine nicht unbedeutende Rolle. Allerdings wendet er sich strikt gegen die Freizügigkeit, mit der seine Zeitgenossen versuchten, über das Lautliche zwei Sprachen einander näher zu bringen. Verführe man wie der deutsche Historiker Philipp Clüver (Cluverius,1580 – 1622) in seiner Germania Antiqua von 1616, wo dieser theut mit dan und dan mit godh vertauschte, könnte man schließlich durch den Austausch der Konsonanten aus dem (schwedischen) Wort folk das (lateinische) Wort gens machen⁸⁹. Clüver war dem schwedischen Gotizisten mit seiner Vereinnahmung der Goten ein rotes Tuch, so hatte schon Stiernhielm in seinem AntiCluverius von 1685 gegen ihn polemisiert⁹⁰. Wie aber veränderten sich Worte durch „Lautwandel“? Rudbeck denkt zuerst an eine Art Verschleifung, die aus langen kurze Wörter macht. So seien von Anfang an in allen Sprachen vielsilbige Wörter zur kürzeren zusammengezogen worden, da man sie schneller habe aussprechen wollen. Als Beispiel führt er den Namen Theoderik an, der jetzt Dirk heiße. Die Permutationsfähigkeit kannte jedoch Grenzen, wie Rudbeck weiter ausführt⁹¹. Interessant ist hier vor allem die Stellung der Vokale. Deren Unbeständigkeit und somit geringe Zuverlässigkeit als Beweismittel wird auch von Rudbeck dem Jüngeren immer wieder hervorgehoben. Rudbeck der Ältere deutet das a richtig als neutralsten aller ihm bekannten Vokale. Die Konsonanten ordnet Rudbeck überraschend sicher nach verschiedenen Gruppen. So handelt es sich bei b, p, f, w um labiale bzw. labiodentale Laute. Beim Beispiel c, k, q, g zeigt sich allerdings die oben angesprochene, mangelnde Abgrenzung zur reinen Orthografie, denn natürlich war , auch im damaligen Schwedischen nur ein weiteres Graphem für den Laut /k/. Die Tabellen, die Rudbeck als Beweise anführt, sollen hier kurz dargestellt werden⁹². In der ersten Spalte ist stets das Schwedische gemeint. Er beginnt mit der Analogie f ~ p. So wird etwa schwedischem fisk lateinisches piscis zugeordnet. Damit trifft Rudbeck die heute in der Indogermanistik akzeptierte Etymologie. Zusammen mit altirischem íasc setzt man hierfür gerne eine Ausgangsform *pisk̂ os an, die allerdings nur im Westen der Indogermania auszumachen ist⁹³. Gleiches gilt etwa auch für fader und äro skedde genom tiderna, i det Folken genom krig, handel och wandel blandade, eller nya ord updichtade till Konsters och Handwärks förfrämiande. Rudbeck d. Ä., Atlantica, Bd. I, Kap. 2, Seite 16. Vgl. Schmidt-Voges (2004: 170 ff.) und Considine (2008: 236). Rudbeck d. Ä., Atlantica, Bd. I, Kap. 2, Seite 17. Vgl. Metcalf (1974: 249 ff.) zu Rudbecks Begrenzung der Permutation. Rudbeck d. Ä., Atlantica, Bd. I, Kap. 2, Seite 17 ff. Nenne ich im Folgenden indogermanische Wurzeln, so berufe ich mich auf in der Indogermanistik allgemein akzeptierte Rekonstruktionen, wie sie unter anderem bei Rix et al. (2001) im Lexikon der Indogermanischen Verben (LIV), bei Wodtko / Irslinger / Schneider (2008) oder in Standardwerken wie Szemerényi (1980) und Fortson (2010) verwendet werden.
1.3 Der väterliche Impuls: Olof Rudbeck der Ältere
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pater. Beide gehen auf indogermanischen Stamm *ph2ter- zurück. Vergleicht er påfwen (schw. påven „der Papst“) mit papa, so liegt hier aus heutiger Sicht nur ein Entlehnungsverhältnis vor. Neben dem Lateinischen wird auch das Griechische bemüht, etwa in der Analogie des Wortes für Feuer, fyr ~ pyr. Von Bedeutung für seine spätere Argumentation ist vor allem yfwer zu griechisch hyper, dem ersten Element der Hyperboreer, die Rudbeck ja als yfwerborne identifiziert. Dabei ist die griechische Adposition durchaus mit schwedischem över oder deutschem über verwandt. Des Weiteren wird seine Argumentation bereits durch die Analogie Riffelsberg ~ Riphæi montes impliziert. Ähnlich gestaltet ist auch die Tabelle zum Verhältnis f ~ b, wo etwa auch (korrekt) schw. liuflig zu deutschem liblig gestellt wird. Das Verhältnis des Dänischen zum Schwedischen wird durch eine Reihe von Kognaten, die das Verhältnis p ~ b zeigen, geltend gemacht, etwa schwedisch kiöpa zu dänisch kiobe. Aus heutiger Sicht nicht in die Kategorie der Permutation fallend, wird schließlich k ~ c mit Bespielen wie schwedisch kiär (schw. kär „lieb“) zu lateinisch carus angeführt. Die tatsächliche Entsprechung von Lateinisch carus ist paradoxerweise neuhochdeutsch Hure. Im Folgenden werden noch viele weitere Wortgleichungen zum Verhältnis k ~ g und t ~ d gegeben. Wichtige weitere Analogien aus dem nordischen Pantheon sind etwa: Þius, Þys zu Zeus oder Þoroas zu Zoroaster. Bei der Nennung der Theonyme wird abermals der instrumentale Zweck dieses Kapitels deutlich, zugleich zeigt sich, wie leicht auch der persische Kulturkreis vereinnahmt werden konnte. Interessant ist bei diesen Lautanalogien das Fehlen jeglicher einzelsprachlichen Diachronie. Das Schwedische musste aus Rudbecks Verständnis heraus immer die ältere und ursprünglichere Sprache sein. So überrascht es denn auch nicht, dass für die gleiche Permutation das Dänische, mit seiner aus heutiger Sicht jüngeren Lautgestalt, und das Lateinische, mit archaischeren Reflexen, mit dem Schwedischen verglichen werden konnten⁹⁴. Dies soll die folgende Tabelle zum Verhältnis t ~ d, die ich übernommen und erarbeitet habe, exemplifizieren: kristnat låta foot watn utsprit lot baatzmen swite at uti Jutland äta setia
dän. cristned dän. lade dän. food dän. wand dän. adspred dän. lod dän. badzmen dän. swide dän. ad dän. udi dän. Jodeland (lat.) edere (dän.) sade (lat.) sedere
Rudbeck d. Ä., Atlantica, Bd. I, Kap. 2, Seite 18.
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tunum tuna
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(lat.) dunum
Der Lautwandel t > d des Dänischen ist natürlich jünger als derjenige von urindogermanisch *d > urgermanisch *t (erste, germanische Lautverschiebung), der das Verhältnis der lateinischen zu den schwedischen Kognaten erklärt. Möglicherweise war das d im damaligen Dänischen tatsächlich noch ein Verschlusslaut. Heute ist es jedenfalls ein Approximant, der ungenau meist mit [ð] wiedergegeben wird. Dieser Laut ist ein wesentliches Distinktionsmerkmal des Dänischen. Die Tatsache, dass unverhältnismäßig viele dänische Wörter angeführt werden, liegt wohl in der leichten Verfügbarkeit des Materials begründet. Rudbeck war sicherlich in der Lage, Dänisch gesprochen und geschrieben zu verstehen. Schwedisch äta und lateinisch edere stehen in einem tatsächlichen Verwandtschaftsverhältnis. Auch bei setia ~ sedere liegt eine urindogermanische Etymologie vor, allerdings ist schw. sätta eine germanische Kausativbildung zur ebenjener Verbalwurzel, die auch lat. sedēre zugrunde liegt. Das letzte Wort, dunum, ist eigentlich keltisch. Beim schwedischen Ausgangswort dachte Rudbeck sicher an den so bedeutsamen Ort Sigtuna. Neben dieser Art Lautanalogie werden noch weitere Phänomene, etwa die Verkürzung von Wörtern, wie sie das innerschwedische Verhältnis fader ~ faar (far „Vater“) zeigen sollte, dargestellt. Auch das Phänomen der Metathese wird etwa mit schwedisch watn zu dänisch wand indirekt aufgegriffen. Schließlich gibt es noch eine Reihe kurzer, d. h. ursprünglicherer (schwedischer) Wörter, die die Römer und Griechen „verlängert“ hatten. Dazu gehört etwa der Name Olf mit seiner verlängerten lateinischen Form Olavus oder auch Ludwig zu Ludovicus ⁹⁵. Rudbeck liegt hier nicht per se falsch, denn natürlich sind es Latinisierungen ursprünglich germanischer Namen, die allein durch die lateinischen Flexionsendungen länger erscheinen. Was er aber zu zeigen beabsichtigte, ist, dass kürzere Wörter generell archaischer seien. Für Rudbeck d. Ä. ist es der Lauf der Zeit, der Sprachen lautlich verändert. Es gab keine Sprache, die so vollkommen rein war, dass sie nicht einige Wörter aufwies, die lautlich und semantisch ähnlich auch in anderen Sprachen vorkamen. Bisweilen scheinen Wörter für ihn jedoch noch unmittelbar aus der Zeit der Babylonischen Sprachverwirrung zu stammen⁹⁶. So hieß das schwedische Wort säck im Hebräischen sak und auf griechisch saccos, vgl. hebräisch שׂקśaq „Sack“ und gr. σάκκος „Sack, grobes Gewand“. Dem Kluge nach gehen diese Wörter letztlich auf eine assyrische Vorform zurück, wären also akkadischer Herkunft, vgl. akkadisch šaqqu ⁹⁷. Interessant ist übrigens, dass Rudbeck hier wie auch in anderen Kapiteln der Atlantica weder das Griechische noch das Hebräische mit den genuinen Lettern schreibt. Dies liegt wohl
Rudbeck d. Ä., Atlantica, Bd. I, Kap. 2, Seite 19. Rudbeck d. Ä., Atlantica, Bd. I, Kap. 2, Seite 20. Vgl. Kluge / Seebold (1989: 612). Ich habe das akkadische Vergleichswort den orthografischen Konventionen der Semitistik angepasst.
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auch darin begründet, dass eine Grundannahme die Herkunft des griechischen Alphabets aus den Runen war. Viele Wörter waren auch in eine andere Sprache eingeführt worden, und zwar durch die Dinge, die durch Handel und Wandel aus einem anderen Land stammten. Rudbeck führt hier das Wort mejran aus majorana an. Dies alles durfte für Rudbeck jedoch nicht zu einer authentischen Muttersprache gezählt werden, sondern nur das, was der gemeine Mann zum Verständnis für das tägliche Leben gebrauchte⁹⁸. Was war das Schwedische für Rudbeck den Älteren? Dass es nicht mit der adamitischen Ursprache gleichzusetzen war, musste keine Abwertung bedeuten. Nach welchen Regeln sollte man aber herausfinden können, ob ein Wort volkstümlich war. Rudbeck hat eine klare Vorstellung von der Ursprünglichkeit eines Wortes und darüber, wie diese Frage zu beantworten ist. Als erstes Kriterium gilt die Anwendung des Wortes⁹⁹. Ein Wort war dann muttersprachlich, wenn es der gemeine Mann gebrauchen und auf verschiedene Dinge anwenden konnte. Das traf insbesondere auf die eine Tätigkeit bezeichnenden Verben zu. Rudbeck führt hier das Verb byggia (byggja „bauen“) an und zeigt dessen Ableitungen, etwa auch schw. by (by „Stadt“), auf. Tatsächlich stehen diese Wörter in einem Verwandtschaftsverhältnis. Die Anwendbarkeit bezog sich also auch auf die Derivationsfähigkeit, die ein fremdes Wort aufgrund der unbekannten Bedeutung dem einfachen Mann nicht bieten kann. Auch das Wort gård, das im Schwedischen „Stadt“ bzw. „Dorf“ bedeutete, aber etwa auch im Russischen und anderen Sprachen, konnte dadurch als göthisch erwiesen werden, dass es ein Verb giärda mit der Bedeutung „einschließen“ gab. Man vergleiche die tatsächlichen Kognaten russisch und ukrainisch город, polnisch ogród, tschechisch hrad, serbokroatisch град und dergleichen mehr. Prinzipiell ist dies eine richtige Vorstellung. Betrachtet man eine Sprache wie das Englische, das eine Vielzahl von Lehnwörtern aufweist, sind es ja tatsächlich gerade die alltäglichen Begriffe, die den ursprünglichen, d. h. germanischen Sprachcharakter bewahren. In der Linguistik wird dabei häufig das Verhältnis der germanischen Wörter cow, pig bzw. swine und sheep zu den aus dem Französischen übernommenen Fleischbezeichnungen beef, pork und mutton herangezogen. In der Sprache des einfachen Volkes haben sich also Bezeichnungen erhalten, die in gehobenen Kreisen durch das prestigeträchtige Französische ersetzt wurden. Auch in den spanischen cultismos macht sich die Dichotomie zwischen ererbtem, vulgärlateinischem und entlehntem, schriftlateinischem Wortschatz bemerkbar¹⁰⁰. Zweitens wird die innersprachliche Derivation als Kriterium herangezogen¹⁰¹. Ein Wort war dann ursprünglich, wenn es einen Sachverhalt am geeignetsten auszudrücken vermochte und die Natur und Eigenschaft eines Dinges ausdrückte. Rudbeck Rudbeck d. Ä., Atlantica, Bd. I, Kap. 2, Seite 20. Rudbeck d. Ä., Atlantica, Bd. I, Kap. 2, Seite 23. Zu den cultismos und den gelehrten Wörtern in den romanischen Sprachen generell Tagliavini (1998: 261 ff.). Rudbeck d. Ä., Atlantica, Bd. I, Kap. 2, Seite 23 f.
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führt ein interessantes Beispiel an. Da schwedisches må das gleiche sei, was die Lateiner mit valere oder posse bezeichneten, hatte auch das Wort macht seinen Ursprung daher. Es konnte nämlich auch kein Wort in der Sprache treffender die Eigenschaft eines Herren, der über seine Feinde siegt, oder eines Königs, der über sein Volk herrscht, oder eines Mannes, der seine Fähigkeiten erprobt, ausdrücken als das Wort mächtig. Ein Wort war also dann fremd, wenn es nachträglich eingeführt wurde¹⁰². Dabei war es gerade das Schwedische, das Fremdwörter in anderen Sprachen hinterlassen hat, die als solche von den Menschen als ursprünglich gedeutet wurden. Exemplarisch wird dies, ganz im Sinne des Euhemerismus, am Beispiel der Venus gezeigt.¹⁰³ Rudbeck sucht unter Punkt 3 nun nach einem schwedischen Ursprung dieser Liebe spendenden Gottheit, und gibt nun eine Liste, die alle möglichen Ableitungen des schwedischen Wortes darstellen soll. In Anbetracht der Funktion der Venus ist eine Verbindung zum schwedischen Wort für „Freund“ natürlich naheliegend. So wird etwa dem Wort wen (vän „Freund“) das Wort wenskap (vänskap „Freundschaft“) gegenübergestellt. Hiermit ist der Beweis für Rudbeck erbracht. Auch war das Wort auf den Runensteinen gebräuchlich, fand sich bei den ältesten Skalden und in Wulfilas Neuem Testament, vor allem aber gebrauchte es der gemeine Mann, wie Rudbeck später zeigen wollte¹⁰⁴. Der Name der Göttin war deshalb eindeutig schwedischen Ursprungs, weil das Benennungsmotiv, das Wort wen, dem Griechischen, Lateinischen aber auch dem Hebräischen, Chaldäischen und Ägyptischen unbekannt war. Die Göttin und ihr Name waren also mit den Goten in das Gebiet ihrer Anbetung gelangt. Das vierte Kriterium zur Bestimmung der Ursprünglichkeit war die Gestalt des Wortes: je kürzer, desto ursprünglicher¹⁰⁵. Es war auch zu beachten, was die Gelehrten über den Ursprung der Sprachen voneinander sagten, nämlich, dass diejenigen, die die meisten einsilbigen Wörter hatten, die Grundlage für andere Sprachen boten. Keine Sprache konnte mehr Monosyllaba aufweisen als die Schwedische. Der Status des Schwedischen als Hauptsprache wurde also vor allem auch durch dessen monosyllabische Struktur bewiesen. Rudbeck unterschlägt hier, dass das Altschwedische natürlich genau wie alle übrigen altgermanischen Sprachen mitnichten einsilbig war, sondern in hohem Grad Flexionsendungen aufwies. Wiesen Wörter nun doch mehr Silben auf, so waren sie, wie Rudbeck unter Punkt 5 mit Verweis auf Flavius Josephus geltend macht, verdorben¹⁰⁶. Als Beispiel hierfür führt Rudbeck dessen Antiquitates an und gibt eine Übersetzung eines Teils des siebten Kapitels im ersten Buch, in dem dargestellt wird, wie hebräische Namen bei den Griechen wohl durch Flexionsendungen augmentiert wurden.
Rudbeck d. Ä., Atlantica, Bd. I, Kap. 2, Seite 24 f. Rudbeck d. Ä., Atlantica, Bd. I, Kap. 2, Seite 24. Rudbeck d. Ä., Atlantica, Bd. I, Kap. 2, Seite 25. Rudbeck d. Ä., Atlantica, Bd. I, Kap. 2, Seite 25. Rudbeck d. Ä., Atlantica, Bd. I, Kap. 2, Seite 25 f.
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Unter Punkt 6 wird nun eine weitere Liste mit Lautanalogien eingeführt, die zeigen soll, dass die Reduktion komplexer Konsonantencluster nicht für deren Ursprünglichkeit stand¹⁰⁷. Es war das Unvermögen, diese korrekt auszusprechen, das aus einem „dreifachen Laut“ einen einfachen machte. So hieß lius auf lateinisch lux, auf holländisch licht und auf deutsch liecht. Das Wort mior war auf Latein mare, auf deutsch meer und auf russisch more. Tatsächlich verweisen das Germanische, Keltischem, Italische und Slawische auf eine gemeinsame Vorform, die man üblicherweise *mori rekonstruiert. Doch darum hätte es Rudbeck nicht gehen können. Immer ist das Schwedisch komplexer, was den Konsonantenstand angeht. Es folgt eine weitere Liste, die das Schwedische dem Deutschen und Lateinischen gegenüberstellt und das soeben Geschriebene darstellen soll. Am Ende der Liste, die zugleich auch das Ende des zweiten Kapitels bildet, verweist Rudbeck noch auf Verelius Runographia, in dem dieser genau dieses Problem der Konsonantenhäufung behandelte. Zusammenfassend lässt sich also feststellen, dass im begrenzten Rahmen des mythenexegetischen Paradigmas der Atlantica ein sprachtheoretisches System elaboriert wird. Die Methodik bleibt aber auf den schieren Lautvergleich aufgebaut, wobei Laut und Graphem nicht voneinander abgegrenzt werden. Morphologische Gegebenheiten werden nicht berücksichtigt. Was an Sprachvergleich herangezogen wird, findet seine Berechtigung jedoch in einer durchaus differenzierten Darstellung der Permutationsfähigkeit lautlicher Strukturen. Wichtig und deutlich erkennbar ist der gotizistische Impetus. Das Hebräische spielt keine Rolle, denn die babylonische Sprachverwirrung machte alles gleich. Orthodoxem Sprachverständnis entspricht die Atlantica demzufolge ebenso wenig wie die Werke eines Stiernhielm oder Bureus. Rudbeck wendet die von ihm elaborierte Methodik in seinem Werk nun immer dort an, wo antike Götternamen euhemeristisch verstanden werden mussten, oder wo Ortsnamen Hinweis auf deren göthische Geschichte geben sollten. Ein Beispiel dafür etwa ist der Name Jofur, die schwedische Entsprechung und Ursprungsform Jupiters. Diese Analogie aus dem 29. Kapitel des ersten Bandes konnte leicht anhand der Permutation von p zu f erklärt werden. Doch bereits im zweiten Kapitel, also im Abschnitt zur Methodik selbst, werden ja derlei interessante Analogien gegeben. Auch die Übersetzung der „Hyperboreer“ als der Yfwerborne, eines der Hauptargumente der Atlantica, macht in Anbetracht der Permutationstabellen Rudbecks Sinn.
1.3.2 Drei Beispiele aus der Atlantica Die oben dargestellte Methodik Rudbeck des Älteren findet zwar vor allem im Bereich des Euhemerismus Verwendung. Etymologie ist hier das Instrument, Eigennamen aus der Domäne der Mythologie aus sich heraus zu erklären. Dennoch ist bisweilen auch bei ihm sprachliches Material selbst Gegenstand der Untersuchung, allerdings in viel
Rudbeck d. Ä., Atlantica, Bd. I, Kap. 2, Seite 26.
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geringerem Umfang als bei seinem Sohn. Dies trifft auf drei in der damaligen Zeit weitgehend unbekannte Sprachen zu, das Phrygische, das Phönizische und das Tscheremissische. Das Phrygische ist eine indogermanische Sprache, die, wenngleich sie in Anatolien gesprochen wurde und strukturelle Merkmale mit dem Griechischen teilt, weder dem anatolischen Sprachzweig noch dem griechischen zugeordnet wird und somit als isolierte „Trümmersprache“ klassifiziert wird¹⁰⁸. Das Phönizische ist vor allem epigrafisch belegt. Diese semitische Sprache, die zusammen mit dem Hebräischen den kanaanitischen Zweig der Sprachfamilie bildet, war Rudbeck wohl nur durch Plautus Poenulus in Gestalt seiner Variante, dem Punischen, bekannt¹⁰⁹. Das Tscheremissische hingegen ist eine finnougrische Sprache, die Rudbeck dem Älteren durch einen Brief des finnischen Orientalisten Elias Brenner (1669 – 1732) bekannt war¹¹⁰. Das Phrygische wird von Rudbeck im 36. Kapitel des ersten Teils der Atlantica behandelt, in dem es konkret um die Eingliederung des Troja-Mythos in das rudbeckianische Paradigma geht. Die Vorlage bildete die altnordische Trójumanna-Saga ¹¹¹. Die phrygisch sprechenden Trojaner mussten im rudbeckianischen Sinne aus dem Norden stammen, waren also Göthen. Der Raum selbst gab mit seinen Ortsnamen einen Hinweis auf die Besiedlungsgeschichte. Dieses Konzept werde ich im Folgenden als etymologisierten Raum („etymologized space“) bezeichnen¹¹². Eigentlich waren diese Ortsnamen also schwedisch bzw. göthisch. Dabei durfte man sich keinesfalls von der griechischen oder lateinischen Art irreleiten lassen, Namen mit der Endung -os oder -us zu versehen. Wie Rudbeck ja schon zuvor argumentiert hatte, waren diese Flexionsmorpheme für ihn Verlängerungen eigentlich einsilbiger und deshalb ursprünglicherer, göthischer Wörter. Troja etwa lag am Berg Ida. Weder das Griechische noch das Lateinische kannten ein vergleichbares Wort. Im Schwedischen hingegen bedeutete das Wort ida „berg“, womit bewiesen war, dass der Name göthischen Ursprungs war¹¹³. Auch hatte Homer das Schwedische wesentlich besser verstanden als andere Griechen, wusste also, dass es sich um ursprünglich göthische Namen gehandelt hatte. Das Kapitel zum Phrygischen als solches ist mythenexegetischer Natur. Uns interessiert an dieser Stelle jedoch, wie Rudbeck der Ältere Sprachmaterial in seine Argumentation einbauen konnte. So wird unter Paragraph 3 des Kapitels auf den Seiten 506 bis 508 eine Liste von 23 phrygischen-göthischen Etymologien angefertigt, Zu den idg. Trümmersprachen Fortson (2010: 459 – 471). Zum Phrygischen und dessen Beleglage allgemein Haas (1966) und insbesondere Sowa (2008). Zur Taxonomie des Kanaanitischen vgl. Moscati (1980: 9 f.). Zum Punischen und allgemein zum Phönizischen Krahmalkov (2001). Vgl. Stipa (1981). Zur Einteilung der fu. Sprachen allgemein siehe Décsy (1965). Zum Tscheremissischen ders. (1965: 105 – 120) und Comrie (1981: 102 f.). Vgl. hierzu Eriksson (1994: 38). Hierzu ist ein eigener Aufsatz geplant, der das Vorgehen Rudbecks des Älteren in diesem Kapitel in Hinblick auf den „etymologisierten Raum“ näher untersucht und der Methodik seines Sohnes kontrastiv gegenüberstellt. Rudbeck d. Ä., Atlantica, Bd. I, Kap. 36, Seite 501.
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auf der unser Augenmerk liegt. Die Art, wie schwedische Wörter hier als Kognaten angeführt werden, ähnelt stark derjenigen Rudbecks des Jüngeren. Im Folgenden soll dies in Kürze dargestellt werden, wobei nur die wichtigsten der Etymologien, die Eigennamen und Konkreta in gleichem Maße behandeln, untersucht werden¹¹⁴. Phrygisches becka „bröd“ (1) war durch Herodot belegt. Schaut man sich die Stelle in seinen Historien an, fällt auf, dass Wort eigentlich βεκός lautete. Rudbeck hat das Wort also offenbar verändert. Dies scheint er bewusst getan zu haben, denn er stellt es zum schwedischen Verb baka „backen“ mit auslautendem -a, weiterhin zum Nomen Agentis beckare bzw. bagare „Bäcker“. „Brot“ hingegen hieß im Schwedischen bakebulla. Rudbeck ist seiner Zeit hier weit voraus. Tatsächlich ist phrygisch bekos möglicherweise mit dem in den germanischen Sprachen vorkommenden Verb für „backen“ urverwandt. Es gibt also eine gemeinsame urindogermanische Etymologie. Haas etwa rekonstruiert einen neutralen s-Stamm bhegos, der jedoch aus lautlichen Gründen problematisch ist¹¹⁵. Eines der wesentlichen Distinktionsmerkmale, die das Phrygische vom Griechischen unterscheiden, ist die Behandlung der urindogermanischen Media Aspirata *bh, *dh, *ĝh, die im Phrygischen als b, d, g, im Griechischen jedoch als φ (ph), θ (th), χ (kh) erscheinen¹¹⁶. Diesen Wandel teilt das Phrygische mit dem Germanischen, sodass zumindest der Anlaut der schwedischphrygischen Wortgleichung lauthistorisch abgedeckt wäre. Auch die deutsche Chronik des Johannes Aventin hatte dieses phrygische Wort schon mit einer germanischen Sprache, eben dem Deutschen, verglichen. Und auch hier war es das Begriffsfeld „backen“, das sprachliche Kognaten bietet. Rudbeck der Ältere konnte eine solche Vereinnahmung natürlich nicht auf sich sitzen lassen¹¹⁷. Homerisches Bergamum (2), also ein vermeintlich phrygischer Ortsname, fand in schw. borg, burg, berg und schließlich im Ortsnamen Berghem in der historischen Provinz Västergötland seinen Ursprung. Abermals ist die phrygische Form mit dem Anlaut b- also vorab an die schwedischen Kognaten angeglichen worden. Interessant ist an dieser Stelle, dass sich nicht nur die Bezeichnung für „Burg“, sondern auch diejenige für „Berg“ anschlossen. Bei Rudbeck darf man zwar nicht von einer Kenntnis der germanischen bzw. indogermanischen Ablautverhältnisse ausgehen. Die Verbindung ergab sich für ihn primär aufgrund des Konsonantismus. Beide werden jedoch in der Indogermanistik tatsächlich von derselben Wurzel *bherĝh- hergeleitet. Motiviert scheint diese nicht gestützte Etymologie durch das Permutationsverhältnis des anlautenden p- im phrygischen Ortsnamen des lateinischen Textes zum b- der schwedischen Kognaten. Aus indogermanistischer Sicht kann phrygisches p jedenfalls nicht schwedischem b entsprechen, da dieses auf uridg. *bh zurückgehen muss und im Phrygischen dann auch als b erscheinen müsste. Eine ähnliche Problematik tut sich Rudbeck d. Ä., Atlantica, Bd. I, Kap. 36, Seite 506 – 508. Haas (1966: 160). Zu diesem Lautwandel ausführlich Neumann (1988). Aventin, „Chronica von ursprung, herkomen und taten der uralten Teutschen“, Seite 342. Dazu Doronin (2013: 129 f.).
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bei der nächsten Etymologie auf. Von vielen werde angenommen, dass phrygisch pyr (3) aus dem Kratylos griechischen Ursprungs sei. Rudbeck d. Ä. zitiert jedoch lieber schw. fyra „brennen“ und ein aus der Edda stammendes Wort für „Feuer“, fyr, fur. Die tatsächlichen Verhältnisse sind dergestalt, dass sowohl das Phrygische mit pur ¹¹⁸, als auch das Griechische und Germanische ein aus dem Indogermanischen ererbtes Wort für „Feuer“ aufweisen, das gemeinhin als *peh2ur rekonstruiert wird. Somit ist Rudbecks Anschluss an das Germanische durchaus korrekt. Das Endonym der Phrygier war nach Herodot Bryges (4). Rudbeck d. Ä. sieht den Ursprung im Namen der germanischen Göttin Frigga und verweist auf die Edda. Eine solche etymologische Anbindung wird durch die historische Lautlehre nicht gestützt. Wie sich aus dem Verhältnis des griechischen Exonyms zum phrygischen Endonym ergibt, muss die ursprüngliche Form ein anlautendes bh- beinhaltet haben¹¹⁹. Dieses wird im Griechischen regulär zu φ und im Phrygischen zu β bzw. b. Da im Germanischen anlautendes bh- ja auch zu b- wird, kann der Name Frigga aus rein lautlichen Gründen nicht zum phrygischen Namen passen. Hier zeigt sich deutlich, dass Rudbecks Vorstellung der Lautverschiebung defizitär war. Phrygisch gler / glyr (9), nach Hesych mit „Gold“ zu übersetzen, wird von Rudbeck zu göth. glisa „scheinen“ gestellt, nach welchem auch (im Schwedischen) das Gold mit glys bzw. gles bezeichnet wurde. Prinzipiell wären die Anlaute miteinander zu verbinden, da ja sowohl im Phrygischen als auch im Germanischen die Media Aspirata ihre Aspiration verlieren. Das Phrygische weist jedoch keinen Rhotazismus auf, der inlautendes -s- zu -r- umgewandelt hätte. Phryg. bedu (13) musste nach dem französischen Orientalisten Samuel Bochart (1599 – 1667), auf den an anderer Stelle noch eingegangen wird, als Bezeichnung für „Wasser“ verstanden werden.¹²⁰ Es zeigt sich, dass Rudbeck d. Ä. sich durchaus des gleichen Artikulationsortes von b und v / w bewusst war, wenn er unter anderem schwedisch bada „baden“ aber eben auch watn „Wasser“ als Ursprung annimmt. Auch englisches bai „Bucht“ konnte hier angeschlossen werden. Zugleich zeigen diese Beispiele abermals, dass Lautanalogien für Rudbeck universell sind, wenn in derselben Sprache einmal v / w und einmal b erscheint. Keinesfalls ging Rudbeck also davon aus, dass ein Laut x im Schwedischen immer einem Laut y im Phrygischen entsprach, die Permutationen waren flexibel. Eine phrygische Stadt Azanu (15) zu der keine Quelle angegeben wird, wies auf die Asen hin, die für Rudbeck naturgemäß euhemeristisch zu verstehen waren. As bezeichnete im Göthischen „Gott“, die Asaner und Asir „Götter“ und schließlich die Asynior „Göttinnen“. Phrygisch Alfen (20), laut Homer der Name eines Flusses, war für Rudbeck selbstverständlich nur ein weiteres Beispiel, dass die Schweden Spuren in Troja hinterlassen hatten. Er musste einfach nur „Fluss“ bedeutet haben, man vergleiche schwedisch älv.
Vergleiche dazu Hass (1966: 170). Hierzu Haas (1966: 160 f.). Gewiss bezieht Rudbeck sich auf Bocharts Geographia Sacra von 1646. Näheres zu diesem Werk bei Shalev (2012: 141– 203).
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Die Darstellung schließt mit der Etymologie Trojas selbst. Troos (22) war Eriks Sohn und der Gründer Trojas. Der Name der Stadt gab also einen Hinweis auf dessen Erbauer. Dies ist keine ungewöhnliche Etymologisierung, man denke nur an Romulus und Remus, die ja beide offensichtlich die gleiche Wurzel wie Rom selbst inkorporieren. Den Namen hatte Troos nicht von ungefähr. Im Schwedischen band sich truin, also das Wort für „treu“ aber auch drotte, drutte, das Wort für „Herr“ an. Man vergleiche den Adelstitel drottning „Königin“ des modernen Schwedischen. Doch auch der Städtename Trojas (23) selbst konnte sich an das Schwedische anknüpfen. Er lehnte sich etwa an schw. träggia an, war also ein „wohl bewachter Raum“. Noch mehrere schwedische Kognaten werden an dieser Stelle aufgeführt, sodass der Name mehrere Etymologien erfährt – ein für den heutigen Linguisten ausgeschlossenes Szenario. Hieran sieht man, was sich auch bei Laien heutzutage noch beobachten lässt: die Vermischung von Volksetymologie und tatsächlicher Herkunft eines Wortes. Schließlich war Troja oder Trojenborg eine „feste und beständige Festung, ein Schloss oder Berg“. All dies, so schließt Rudbeck, zeigte, „dass die Göthen sich rühmen, dass sie die Väter der Trojaner sind“¹²¹. Das Bemerkenswerte an dieser Darstellung ist nicht so sehr, dass Rudbeck wie gewohnt seinen Euhemerismus betreibt. Auch die phrygischen Abgötter mussten sich in das schwedische „Pantheon“ aus göthischen Königen eingliedern. Bemerkenswert ist vielmehr die Etymologisierung der aus den spärlichen Quellen bekannten, vermeintlich phrygischen Wörter. Einige der tatsächlich der phrygischen Sprache zugesprochenen Wörter, etwa das Wort für Brot becka und die Bezeichnung für Feuer pyr, haben jedoch indogermanische Etymologien, sodass sich aus Rudbecks gotizistischer Motivation heraus eine korrekte Anbindung ergibt. Das Korpus des Phrygischen ist zweigeteilt. Zum einen gibt es die Glossen antiker Autoren, die Rudbeck dann auch heranzieht. Das epigrafische Material des Phrygischen konnte Rudbeck noch nicht kennen. Angeregt zu diesem Exkurs wurde Rudbeck sicherlich von Georg Stiernhielm, der ebenfalls eine siebenseitige Handschrift mit schwedisch-phrygischen Etymologien hinterlassen hat¹²². In der Fachgeschichte und einschlägigen Literatur der Indogermanistik kann ich keinen Verweis auf Rudbecks Arbeit finden¹²³. Einmal mehr erhärtet sich die Annahme, dass sprachtheoretische Exkurse nur dem höheren Ziel dienen, also die Funktion eines Instrumentes einnehmen. Rudbeck der Ältere hatte kein intrinsisches Interesse an der phrygischen Sprache. Der Exkurs diente lediglich der Einverleibung des Troja-Mythos in die Atlantica. Dennoch ist es bemerkenswert, dass Rudbeck und Stiernhielm dadurch als zwei der ersten Personen erscheinen, die das indogermanische Phrygische systematisch mit einer anderen indogermanischen
Rudbeck d. Ä., Atlantica, Bd. I, Kap. 36, Seite 508: (…) at Göterna berömma sig der af at de äro de Trojaners Fäder. R 21, UUB. Auch in der Darstellung der Bedeutung der phrygischen Glossen, die Sowa (2008) gibt, fehlt ein Verweis auf Stiernhielm oder gar Rudbeck.
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Sprache, dem Schwedischen, vergleichen. Diese Tatsache sollte durchaus in Darstellungen indogermanistischer Fachgeschichte einfließen. Bietet Rudbeck der Ältere mit dem obigen Traktat gewissermaßen eine gotizistische Alternative zur Deutschen Chronik des Johannes Aventin, folgt er auch mit der Behandlung des Phönizischen den drängenden Fragen seiner Zeit. Das besondere Interesse an dieser semitischen Sprache, die nicht erst Scaliger umgetrieben hatte, liegt sicher in der Tatsache begründet, dass mit dem Poenulus des Plautus ein Text in einer Variante des Phönizischen, dem Punischen, samt lateinischer Übersetzung vorlag. Spätestens durch Gronovius wurde dieser der europäischen Gelehrsamkeit zur Verfügung gestellt. Bei Rudbeck werden die Phönizier nun ausgiebig im dreizehnten Kapitel des dritten Bandes behandelt¹²⁴. Deren Sprache ist hier vor allem unter Paragraph 17 Gegenstand einer intensiven Analyse. Gleich zu Beginn macht Rudbeck d. Ä. sein Anliegen deutlich: Nun wollen wir zur Sprache der Phönizier kommen und daran zeigen, dass sie von hier gekommen sind, so wie es alle Gelehrten für einen unfehlbar Beweis gehalten haben, wenn man zeigen kann, dass zwei Arten von Völkern an unterschiedlichen Orten weit voneinander eine Sprache gehabt haben, und dies umso mehr, als wir bereits von den Historikern wissen, dass sie aus dem Norden gekommen sind, aufgrund ihrer Verwandtschaft, ihrer Größe und Farbe. Und damit kein andres der Völker, die im Norden gewohnt haben, sich dies anmaßen kann, auch nicht diejenigen, die um sie herum wohnten, will ich alle die vornehmsten Sprachen anführen, die Grundlage für die anderen sind, und die Worte vergleichen, die eigentlich phönizisch genannt werden und die sie nicht von den Hebräern, ihren Nachbarn, bekommen haben.¹²⁵
Der Schlüssel für die göthische Herkunft der Phönizier lag also auch hier in der gemeinsamen Sprache, dem Göthischen. Das Punische, wie es im Poenulus vorkommt, stellt eine Variante des Phönizischen da. Der Poenulus ist insofern eine wichtige Quelle, als er eine auf dem Lateinischen basierende Umschrift verwendet, die im Gegensatz zum epigrafisch belegten phönizischen Material Vokalqualitäten angibt. Auch hier bezieht sich Rudbeck an mehreren Stellen auf Bochart, denn dieser hatte in seiner Geographia Sacra die Phönizier ausgiebig behandelt.
Dazu kurz Agrell (1955: 111). Rudbeck d. Ä., Atlantica, Bd. III, Kap. 13, Seite 706−707: Nu willia wij komma till Phœnicernas Språk och wijsa af det att de här ifrån komne äro, såsom alla andra Lärda i ällsta Tijderna hafwa det tagit för ett ofelbart skiähl, när man kunnat wijsa 2 slagz Folck på åthskilliga Orter widt belägne ifrån hwar andra hafwa hafft ett Språk, och så mycket mehra såsom wij reedan af Historierne bekräftat dem här ur Norden komne, af deras Släckt, af deras storleek, och färg. Och på det intet andra af de Flocken som bodt Norr åth, måga det sig tillägna, icke heller andra som bodt dem omkring, så will iag upsättia alla dhe förnämsta Språken, som äro grunden till de andra, och jämföra mot de orden som egentligen kallas Phœniciska och ey räkna de orden som de hafwa bekommit af de Hebreer som woro deras Grannar.
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Rudbeck d. Ä. gibt nun eine Liste von rund 240 schwedischen bzw. göthischen Wörter, denen er ihre phönizischen Kognaten gegenüberstellt¹²⁶. Die Liste ist so aufgebaut, dass stets auch die Belegstellen der phönizischen Wörter angegeben werden oder doch zumindest die entsprechenden Autoren, die diese behandelt haben. Um zu zeigen, wie besonders nah das Schwedisch-Skythische dem Phönizischen stand, werden in den übrigen Spalten die offensichtlich inkongruenten Entsprechungen im Deutschen, Hebräischen, Griechischen, Lateinischen, Slawischen und Finnischen angegeben. Gab es auch bei diesen Sprachen eine frappierende Ähnlichkeit, wird die entsprechende Wortform kursiv geschrieben. Übersetzungen werden nicht angegeben. So wird etwa schwedischem fikka / flikka (vgl. schw. flicka „Mädchen“) phönizisches ficka, aber etwa auch finnisches pika / pikaina zugeordnet. Finnisch pikainen hat jedoch die Bedeutung „schnell“, sodass Rudbeck das Wort hier wohl aufgrund der reinen lautlichen Gestalt dazustellt. Da das Phönizische sicher kein anlautendes fkannte, scheint es sich beim phrygischen Wort um keine authentische Form zu handeln. Zugleich zeigt sich abermals Rudbecks Permutationsverständnis, hatte er doch zuvor im ersten Band die Analogie f ~ p herausgestellt. Rudbeck bezeichnet die Quelle hier als anonym. Schw. kunna („können“) fand nicht nur in phönizisch chunna aus dem Poenulus eine Entsprechung. Auch dt. konnen, womit „können“ gemeint sein dürfte, wird angeführt. Schw. murd / mord und phön. murd / muth ließen sich weiter etwa mit slawischem smert vergleichen, womit wohl das Wort für „Tod“ in slawischen Sprachen gemeint sein sollte, vgl. polnisch śmierć oder russisch смерть „Tod“. Diese Analogie ist übrigens auch für Rudbecks Vorstellung von Semantik aufschlussreich, da er dem Wort für „Mord“ im Schwedischen und Phönizischen ein slawisches Wort für „Tod“ gegenüberstellt. Der überwiegende Teil der Tabelle umfasst allerdings rein schwedisch-phönizische Analogien. Diese sollten letztlich zeigen, dass das Phönizische, genau wie das Phrygische, aus dem Norden stammt: Von dem, was zuvor von den Historikern gezeigt wurde, ist, dass die Phönizier zuerst hier aus dem Norden über das große westliche Meer ins Land Kanaan gekommen sind, so wird nun hier von ihrer Sprache im Register gezeigt, dass sie von den Skythen abstammen, da die Worte die gleichen sind.¹²⁷
Interessant ist hierbei, dass das Hebräische nicht unmittelbar zum Phönizischen gestellt wird, obwohl es doch die nächstverwandte Sprache desselbigen ist. So überrascht es den heutigen Semitisten, dass es beim zitierten phönizischen Wortmaterial kaum Übereinstimmungen zu den hebräischen Wörtern, die Rudbeck zitiert, gibt. Doch genau dies lag ja nicht im Interesse Rudbecks des Älteren, war das Hebräische
Rudbeck d. Ä., Atlantica, Bd. III, Kap. 13, Seite 707– 719. Rudbeck d. Ä., Atlantica, Bd. III, Kap. 13, Seite 719: Uthaf det som tillförne af Historierna wijst är att Phænicerna först komne äro här utur Norden genom stora Wästerhafwet in uthi Canaans Land, så wijses och nu här af deras Språk uti detta Register, att de hafwa warit wåra Scythers afkomne, emedan orden äro eense.
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doch nicht bedeutsamer als andere Sprachen, geschweige denn das Schwedische, wie er ja zuvor deutlich gemacht hatte. Zugleich muss angenommen werden, dass Rudbeck ähnlich wie zuvor beim Phrygischen Wortformen verändert hat, um sie leichter an das Schwedische anzuschließen. Die skythischen bzw. schwedischen Ausgangsformen muten sehr fremdartig an, vermutlich sind sie ein Amalgam aus runischen, altisländischen, gotischen und neusprachlichen Formen und ähneln somit den „göthischen“ Wörtern Olof Rudbecks des Jüngeren. So ging phrygisches tun etwa auf eine Dublette tun / þun zurück. Rudbeck wusste, wie auch im ersten Band deutlich wurde, dass altes Thorn häufig /t/ im modernen Schwedischen entsprach. Im Folgenden sind nun die punischen Verse aus dem Poenulus selbst Gegenstand der Untersuchung¹²⁸. Sie zeigten, dass der opake Text mit Hilfe des Schwedischen als Hilfssprache Sinn machte. Rudbeck verfährt wie folgt. Jedem der ersten vier Textteile und dem zehnten werden ein eigenartiger altnordischer, vielleicht an Verelius ausgerichtet, und ein schwedischer Text untergestellt, welcher dann noch ins Lateinische übersetzt wird. Dabei wird der phönizische Text so segmentiert, dass jedem phönizischen Element ein schwedisches zugeordnet werden kann. Im Folgenden will ich tabellarisch zeigen, welche Kognaten zwischen dem Schwedischen und Phönizischen postuliert werden. Klar erkennbar ist, dass es wieder vor allem lautliche Übereinstimmungen sind, die den Schlüssel zum Verständnis bergen. Das intermediale, eigentümliche (Alt‐)Nordische habe ich dabei außenvor gelassen. Der zitierte Text weicht übrigens vom Original bei Plautus ab. Rudbeck greift insofern in den belegten Text ein, als er diesen bereits in verschiedene Worte segmentiert. Auch verändert er den Text geringfügig, in dem er Konsonanten einfügt, die gar nicht vorkommen, etwa das anlautende n- des ersten Wortes. . Vers: Ni th Alonim phön. ni phön. th phön. alonim phön. valonji phön. si phön. cora phön. thissima phön. consith
Valonji th si cora thissima consith. schw. ni „vos“ schw. de „illi“ schw. aloner „superi“ schw. valoner „inferique“ schw. som „qui“ schw. gardarna „urbi“ schw. thesse „huic“ schw. besittia „præsidetis“
Es wird klar, dass Rudbeck d. Ä. das von ihm elaborierte System der Lautgleichungen hier anwendet. Wenn er phönizisches th zu schw. de, also dem Personalpronomen, setzt, so wird er von der Orthografie ausgehend, die er nicht von deren phonetischer Repräsentation abgrenzt, Analogien wie die archaischen, schwedischen Pronomina then, thet, the usw. gegenüber modernem den, det, de im Auge gehabt haben. Auch
Rudbeck d. Ä., Atlantica, Bd. III, Kap. 13, Seite 720 ff.
1.3 Der väterliche Impuls: Olof Rudbeck der Ältere
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phönizisch cora gegenüber schwedisch gardarna weist die für Rudbeck klar ersichtliche Analogie zweier Velare, d. h. c ~ g auf. Insofern wendet Rudbeck seine Idee der Permutation konsequent an, wie auch in den folgenden Versen deutlich wird. . Vers: Chim lach cuni-th mu-mis-ty al mycti bari imm-ischi phön. chim schw. ji + mig „vos“ + „mihi“ phön. lach schw. laga „procurare“ phön. chuni-th schw. kunna-thet „potestis ut“ phön. mu-mis-ty schw. mina + mista „meæ perditæ“ phön. al schw. alla „omnes“ phön. mycti schw. måtte „iterum“ phön. hari schw. wara „fiant“ phön. imm-ischi schw. mina + ische „meæ domesticæ“
. Vers: Lipho canet hyth bymi thi ad ædin bynuthij phön. lipho schw. lefwa „tradi“ phön. canet schw. kuna „possunt“ phön. hyth schw. hijt „his“ phön. bymi schw. barnen „liberi“ phön. thi schw. the „illi“ phön. ad schw. ath „ad“ phön. ædin schw. ættens „familiam“ phön. bynuthij schw. barnen „liberorum“ Hier zeigt sich eine gewisse Inkonsistenz in Rudbecks Methodik. Hatte er in der polyglotten Wortliste schw. kunna mit phönizisch chunna verglichen, war die Entsprechung von kuna „possunt“ hier auf einmal phönizisch canet. Auch entsprach barnen „liberi“ einmal phönizisch bymi, dann aber mit der Bedeutung „librorum“ im selben Vers phönizisch bynuthi. Im folgenden Vers ist schwedisch barna „liberorum“ danach auf einmal durch phönizisch byrna repräsentiert. . Vers: Byrna rob syllo hom alonin uby mi syr thoiho phön. byrna schw. barna „liberorŭ“ phön. rob schw. rof „raptum“ phön. syllo schw. scola „debent“ phön. hom schw. hemna „ulcisci“ phön. alonin schw. aloni „superi“ phön. uby schw. ofwer „super“ phön. mi schw. min „meum“ phön. syr schw. sio „marinŭ“ phön. thoiho schw. skada „damnum“
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. Vers: bo dij alythera innyn phön. bo schw. bo phön. dij schw. di phön. alythera schw. alle-ther phön. in-nyn schw. inne
„habitant“ „illi“ „omnes“ + „ibi“ „intus“
Wie man sieht, ist die Methodik recht inkohärent. Bemerkenswert ist jedenfalls die Tatsache, dass ein kompletter Text etymologisiert wird. Auch Rudbeck der Jüngere sollte diese Art der Methodik in verfeinerter Form auf ganze Bibelstellen anwenden. Rudbeck der Ältere vollbringt es, für jedes vermeintlich phönizische Wort – denn auch die Segmentierung des Textes ist ja willkürlich – eine Etymologie im Schwedischen zu finden. Es ergab sich somit folgende Übersetzung für die Textpassage und den zehnten Vers: Vos illi superi inferique illi qui urbi huic praesidetis.Vos mihi procurare potestis ut meae perditae omnes iterum fiant meae domesticae. Tradi possunt his liberi illi ad familiam liberorum. Liberorum raptum debent ulcisci Superi super meum marinum damnum. (…) Habitant illi omnes ibi intus. (…).
Das Schwedische erscheint hier deutlicher als zuvor als Hilfssprache. So überrascht es nicht, dass es genau diese Funktion auch in Rudbecks des Jüngeren Bibelspekulationen einnehmen sollte. Rudbeck d. Ä. erklärt im Übrigen, warum er nur diese Verse behandelt: Weiterhin ist zu beachten, dass in diesen zehn Versen, wie in den sechs folgenden, die größtenteils afrikanisch sind, und dann in Akt 5, Szene 2 sowohl lateinische, hebräische wie auch afrikanische Wörter vermischt sind.¹²⁹
Die anderen Textteile waren für ihn somit weniger geeignet, da sie eine Vermischung mit anderen Sprachen aufwiesen. Nach der Behandlung der Textbeispiele aus dem Poenulus, führt Rudbeck nun einige Etymologien weiter aus. Zwei interessante Beispiele sind etwa die Wörter garda und gaut. Ersteres, das „auf Skythisch oder Göthisch eine Stadt“¹³⁰ war, fand sich etwa in der Hauptstadt Carthago wieder. Diese etymologische Anbindung geht mit Rudbecks zuvor formulierter Klassifizierung der „Buchstaben“ nach Lautgruppen konform. Die phrygische Bezeichnung Gaut für „Gott“ hingegen war ein Beispiel für Vokalalternationen. So wird hierzu sowohl deutsch Gott als auch das Adjektiv gut gestellt, eine semantische Verknüpfung, die auf der Hand liegen musste. Impliziert wird hier eine Verbindung zu den Göthen bzw. Rudbeck d. Ä., Atlantica, Bd. III, Kap. 13, Seite 722: Elliest är achtandes att så i desse 10 verser, som i dhe effterfölliande 6 verser, hwilka äro mehrendels Africaniske och sedan i Act. 5. Scen. 2. äro både Latinska, Hebreiska och Africaniske ord inblandade. Rudbeck d. Ä., Atlantica, Bd. III, Kap. 13, Seite 727: Garda är på Schytiska eller Göthiska en Stad (…).
1.3 Der väterliche Impuls: Olof Rudbeck der Ältere
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Gauten. Nach Rudbecks Euhemerismus waren antike Götter ursprüngliche göthische Könige gewesen. So lag es wohl auf der Hand, dass sich das phrygische Wort für „Gott“ im Allgemeinen aus dem Ethnonym der alten Schweden ableitete. Wie schon im Abschnitt zum Phrygischen, so sind auch hier gerade wieder die Ortsnamen für Rudbeck von herausragender Bedeutung: Wir wollen nun auch, wie auch Plato, Strabo, Plinius und andere anhand der Städtenamen ausmachen, woher diese Völker gekommen sind, zeigen, dass die Phönizier von unseren Skythen abstammen.¹³¹
Jerusalem, Hierusalem, etwa fand sich in den göthischen Sagas bereits als Jursala und Jorsala. Auch die Runensteine nannten bereits einen solchen Namen. Rudbeck impliziert, dass der Name also phönizisch und somit ursprünglich göthisch war. Auch der Name Gaza war göthisch. Was Betlehem anging, so verwirft Rudbeck die bestehende Etymologie, es handle sich um ein Kompositum aus hebräisch beth „Haus“ und dem Wort für „Brot“ lachum bzw. lechem. Viel wahrscheinlicher war doch ein phönizisch-skythisches betla „betteln“ in Verbund mit hem „Haus“, sodass sich die Bedeutung „Bettlerhaus“ ergab. Die theologische Implikation, die Rudbeck ausführt, liegt auf der Hand: Und beide passen wohl zu selbigem Ort, denn es war der geringste Ort im Land der Juden, so wollte auch Christus sich an so einem armen Ort in einem Viehhaus gebären lassen, bei Ochsen und Eseln, um seine Demut zu zeigen und uns mit seiner Armut reich zu machen.¹³²
Gerade im Hinblick auf Rudbeck den Jüngeren, das sei vorab bemerkt, kann diese Implikation nicht hoch genug eingeschätzt werden kann. Sie zeigt, dass die Anknüpfung an die biblische Antike, wie dieser sie in elaborierter Form praktiziert, durchaus seine Legitimation in der Atlantica finden konnte, dort allerdings nur als Nebenstrang des vor allem auf die klassische Antike hingerichteten Augenmerks. Auch die Stellung der Ortsnamen, die durch ihre Etymologisierung in die schwedische Heilsgeschichte einverleibt werden konnten, ist für den Rudbeckianismus paradigmatisch. Das dritte Beispiel macht deutlich, dass bereits Rudbeck der Ältere erste finnougristische Interessen hatte. Im 12. Kapitel des dritten Bandes der Atlantica findet sich
Rudbeck d. Ä., Atlantica, Bd. III, Kap. 13, Seite 729: Wij willia nu komma, och såsom Plato, Strabo, Plinius och andra wijsa af Städernas nampn, hwadan dess Flock komne äro, så willia wij nu wijsa, att Phoenicerna woro af wåra Schyter. Rudbeck d. Ä., Atlantica, Bd. III, Kap. 13, Seite 736: Och då träffar det wäl öfwereens, både med sielfwa Orten, ty det war den minsta och ringesta Orten, i Juda landet; så och med det Christus wille där låta sig föda på en sådan fattig ort i ett Fähuus hoos Oxar och Åsnar, att wijsa sin ödmiukheet, och giöra oss rijka med sin fattigdom.
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unter Paragraph 3 eine Ansammlung tscheremissischer Wörter¹³³. Das Tscheremissische, auch als Mari bekannt, gehört zum Wolga-finnischen Zweig der uralischen Sprachen. Das Verzeichnis wurde bereits ausgiebig von Günter Stipa behandelt, soll aber im Folgenden rekapituliert werden¹³⁴. Nach Stipa liegt ihm ein Brief Henrik Brenners während seiner Russlandexpedition zugrunde, den er seinem Cousin Elias Brenner (1647– 1717) zugesandt hatte. Dieser wiederum hatte eine Kopie an Rudbeck den Älteren übermittelt. Interessant ist an der kurzen Textstelle, dass die Herkunft der Tscheremissen mit Herodot in Finnland verortet wird. Entsprechend sprachen sie Finnisch und haben sich mit den Skythen vermischt. So war eine Mischsprache entstanden. Rudbeck unternimmt nun den Versuch, das ihm zur Verfügung gestellte Material dieser Mischsprache in Wörter finnischer, skythisch-schwedischer, und bemerkenswerterweise samischer Provenienz aufzuteilen. Dies alles zeigte ihre nördliche Herkunft. Im Folgenden soll eine kurze Übersicht über die Wortformen erfolgen. Wie üblich werden die rudbeckschen Wortformen mitsamt der schwedischen Übersetzung, beide in Minuskeln, wiedergegeben. Ihnen werden dann die genuinen Formen, die Stipa angibt, nachgestellt¹³⁵. 1. vermeintlich finnische Wörter tscheremissisch (Rudbeck) Jomala „Gudh“ kætti „hand“ nen „näsa“ okna „fönster“ kæng „sko“ thule „eld“ joka „dricka“ porti „bastufwu“
deutsch „Gott“ „Hand“ „Nase“ „Fenster“ „Schuh“ „Feuer“ „Getränk“ „Bad“
tscheremissisch (Stipa) jumə̂ , jumo kit ner okna kem tul ? jogə̂ , joga pört
2. vermeintlich skythische Wörter tscheremissisch (Rudbeck) maren „man“ ærla „morgon, bittida“
deutsch „Mann“ „morgen, früh“
Rudbeck d. Ä., Atlantica, Bd. III, Kap. 12, Seite 648. Stipa (1981). Vgl. Stipa (1981: 11).
tscheremissisch (Stipa) marij, marə̂ erla
1.3 Der väterliche Impuls: Olof Rudbeck der Ältere
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3. vermeintlich samische Wörter tscheremissisch (Rudbeck) oivis „yx“ pialli „hufwud“ pillix „öra“ kimele „stå upp“
deutsch „Axt“ „Kopf“ „Ohr“ „aufstehen“
tscheremissisch (Stipa) ? ? pə·ləkχš, piĺi·š kəńə·läm
Wie Stipa feststellt, hat Rudbeck das Wortmaterial verändert, um es dem Finnischen und Skythischen anzupassen¹³⁶. Die von mir im Folgenden angeführten finnischen Kognaten sollen zeigen, an welche Wörter Rudbeck dabei gedacht haben könnte. Das Finnische war ihm ja durchaus bekannt. Stipa verweist gerade auch auf die im folgenden Kapitel und von mir im Zusammenhang mit dem Phönizischen behandelte, polyglotte Wortliste¹³⁷. Tscheremissisch Jomala scheint gegenüber den von Stipa zitierten genuinen Formen erweitert. Deutlich – aber von Stipa nicht explizit angeführt – ist, dass Rudbeck sich hier an finnisch Jumala „Gott“ angelehnt hat. Tscheremissisch kætthi hingegen könnte seinen Anlaut durch Rudbeck von finnisch käsi „Hand“ bezogen haben, denn die genuine Form wird von Stipa als kit zitiert. Tscheremissisch nen, das nach Stipa eigentlich ner lautet, erinnert an finnisch nenä „Nase“. Rudbeck scheint hier die Struktur des Wortes dem Finnischen angepasst zu haben. Auch das Wort kæng erinnert mehr an seine finnische Entsprechung kenkä „Schuh“ als an tatsächlich belegtes kem. Bei okna „fönster“ handelt es sich um ein slawisches Lehnwort, dass wohl der russischsprachigen Umgebung entstammt. Das finnische Wort für „Fenster“ lautet akkuna und ist ebenfalls russischen Ursprungs. Daneben kennt das Finnische eine Form ikkuna, deren Vokalismus noch einer sprachhistorischen Erklärung bedarf ¹³⁸. Bei maren habe sich Rudbeck laut Stipa an das Skythische anlehnen wollen¹³⁹. Möglicherweise kommt hier schwedisch mannen „der Mann“ mit postponiertem Artikel in Betracht. Unklar bleiben jedoch die tscheremissischen Wörter mit angeblich samischem Ursprung. Auch hier wird Rudbeck sich von seinen Kenntnissen des Samischen beeinflussen lassen haben. Das Wort pillix lässt sich etwa lautlich durchaus an nordsamisch beallji „Ohr“ anschließen. Für die ersten beiden Wörter oivis mit der Bedeutung „Axt“ und pialli mit der Bedeutung „Kopf“ findet Stipa keine tatsächlich belegten Entsprechungen. Ich vermute, dass Rudbeck die beiden Wörter miteinander verwechselt hat. Im Nordsamischen gibt es ein Wort für „Kopf“, das oaivi lautet. Diese erinnert doch stark an das von Rudbeck zitierte Wort für „Axt“, tscheremissisch oivis. Dieser kurze Abschnitt zeigt, dass Rudbeck der Ältere sich darüber im Klaren war, dass das Finnische nicht isoliert betrachtet werden durfte, sondern verwandte Spra
Stipa (1981: 11). Vgl. Stipa (1981: 10). Zur Diskussion um die Einordnung beider Varianten Kalima (1955: 62 f.). Vgl. Stipa (1981: 10).
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chen nicht nur im Baltikum, sondern auch in Russland hatte. Dass das Samische in Relation zum Finnischen stand, muss ihm ebenfalls bewusst gewesen sein. Auch das Ungarische gehörte für Rudbeck den Älteren zu den Verwandten des Finnischen¹⁴⁰. Interessant ist in diesem Zusammenhang, dass im dritten Kapitel des ersten Bandes auf Seite 54 das Samische dem Finnischen untergeordnet wird: Was das Finnische angeht, wozu das Lappische, Estnische und Barmische gehört, und das Slawische, worunter die Gelehrten das Russische, Polnische, Ungarische, Böhmische und Moldawische rechnen, so scheinen sie mit ihren Völkern allmählich von Osten eingedrungen zu sein, (…).¹⁴¹
Gleichzeitig wird also auf die Gelehrtenmeinung verwiesen, das Ungarische sei ein slawischer Dialekt. Wir wissen durch Osmo Hormia und durch die folgende Darstellung der , dass Rudbeck diese Ansicht ablegen würde¹⁴². Symptomatisch ist jedenfalls, dass Rudbeck bei allen drei gezeigten Beispielen, beim Phrygischen, Phönizischen und Tscheremissischen, Wortformen bewusst verändert, um sie entsprechend näher an das Schwedische, oder eben auch an das Finnische, anbinden zu können. Zu dieser Erkenntnis kommt auch Hormia, was das finnischungarische Sprachmaterial betrifft¹⁴³. Die drei Beispiele zeigen zudem auch, dass die von ihm aufgestellten Permutationsregeln ihre Anwendung in konkretem Wortmaterial finden konnten.
1.3.3 Die Die bisherigen Darstellungen des Sprachverständnisses Olof Rudbeck des Älteren entstammen allesamt der Atlantica. Weitere Veröffentlichungen, die in dieser Domäne zu verorten sind, gibt es meines Wissens nicht. Es ist jedoch ein weiteres Dokument in handschriftlicher Form erhalten, das unsere Aufmerksamkeit verdient. Es handelt sich hierbei um die sogenannten , eine Ansammlung von Wortmaterial verschiedenster Sprachen, die in Uppsala unter der Signatur R 13 verzeichnet ist¹⁴⁴. Die sind insofern von Belang, als sie viel über die Taxonomie des rudbeckianischen Sprachverständnisses verraten. Es handelt sich dabei um eine An-
Vgl. Hormia (1964), der Rudbecks des Älteren handschriftliche Anmerkungen zur Wortverwandtschaft beider Sprachen untersucht. Rudbeck d. Ä., Atlantica, Bd. I, Seite 54: Men hwad Finskan anlangar, under hwilken kommer Lappska, Estka, Biarmiska; och Slawiska, till hwilcket de Lärde räkna Ryskan, Polniskan, Ungerskan, Bömiskan och Moldawiskan, så synas de småningom med sina Folck hafwa trängdt sig öster ifrån (…). Hormia (1964). Vgl. Hormia (1964: 21). Eine kurze Darstellung der gibt auch Agrell (1955: 11 f.).
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sammlung lexikonartiger Einträge, die vor allem sprachliches Material umfassen. Die Seiten sind jeweils in mehrere, teilweise unbeschriebene Spalten aufgeteilt. Auf der ersten Seite findet sich ein Abkürzungsverzeichnis zu den Literaturangaben, unter anderem mit einem Verweis auf das Lexikon des deutschen Sprachgelehrten Hieronymus Megiser, womit dessen Thesaurus Polyglottus gemeint sein dürfte. Die folgenden 170 Seiten enthalten alphabetisch geordnete, stichwortartige Einträge zur Mythologie und anderen Themen, jeweils mit Literaturangaben. Auf den Seiten 172 und 173 findet sich schließlich eine Liste phönizischer Wörter, ebenfalls alphabetisch geordnet. Es darf angenommen werden, dass es sich hierbei um die Skizze der oben beschriebenen schwedisch-phönizischen Wortliste handelt. Die phönizischen Wörter werden dabei jeweils mit einer lateinischen Übersetzung und Literaturangaben versehen. Teilweise werden wohl auch schwedische Wörter und solche aus anderen Sprachen zugefügt. So gibt es etwa einen Eintrag oja, öia „insula“. Beim zweiten Wort könnte es sich um eine vielleicht dialektale Variante des schwedischen Wortes ö „Insel“ handeln, man denke an die Insel Öja im Schärengarten vor Stockholm oder norwegisch (Nynorsk) øya „die Insel“ mit suffigiertem Artikel. Die Wörter auf der Seite 174 werden nicht klassifiziert, sodass es sich dabei mutmaßlich um später zugefügte, ebenfalls phönizische Wörter handelt. Es schließen sich auf Seite 175 und 176 Einträge zu den schwedischen Königen an, bevor ab Seite 177 weitere Einträge zur Mythologie oder auch zu Völker- und Ortsnamen und ab Seiten 183 Stichworte aus der Bibel gegeben werden.
Abb. 2: Uppsala Universitetsbibliotek, Signatur R 13, S. 172, Foto: Stefan Heinrich Bauhaus
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Kernstück, und für uns von Belang, sind die Seiten 186 ff., wo nun endlich eine Gegenüberstellung von Wortmaterial verschiedenster Sprachen erscheint. Die einzelnen Folios sind in der Regel gleich unterteilt. An erster Stelle stehen die lateinische Übersetzung und das Schwedische, denen dann je eine Liste mit Material aus den Runen, den Sagas und der Wulfila-Bibel nachgestellt wird. Darauf folgen Dänisch, Niederländisch, Englisch und Deutsch. Klar wird also zum einen eine Formierung der germanischen Sprachen. Zum anderen, und dies wird auch für die folgende Darstellung Olof Rudbecks des Jüngeren von Belang sein, wird eine besondere Nähe des Schwedischen zum altgermanischen Belegmaterial der Runen, Sagas und des eigentlichen Gotischen impliziert. Diese Trias darf somit als Komplement zum Schwedischen gelten. Hier zeichnet sich also schon vor, was Rudbeck der Jüngere unter Göthisch verbucht. Auf die germanischen Sprachen folgen Italienisch, Französisch, Spanisch. Klar ersichtlich wird hier die Gruppe der romanischen Sprachen. Es folgen dann in der Regel das Persische, Polnische, Finnische, Hebräische Phönizische, Türkische und zuletzt das Ungarische, teilweise auch das Tatarische und Samische. Offenbar hat Rudbeck später, wo nötig, weitere Sprachen ergänzt. Bemerkenswert ist, dass das Hebräische neben dem verwandten Phönizischen steht. Dies wird Zufall gewesen sein, da teilweise neben dem Ungarischen noch arabische Einträge erscheinen. Auch das Finnische und Ungarische stehen noch getrennt voneinander. Diese Liste zieht sich noch bis zur Seite 278 hin, hat also mit 95 Seiten einen immensen Umfang. Allerdings muss gesagt werden, dass nicht alle Spalten ausgefüllt sind. Literaturhinweise fehlen hier. Mit wenigen Ausnahmen wird das Hebräische mit lateinischen Buchstaben geschrieben, das Griechische jedoch im Gegensatz zur Atlantica mit genuin griechischen Lettern. Um ein Beispiel zu nennen: Unter lat. abyssus auf Seite 186 werden unter anderem schwedisch afgrunde, deutsch afgrunde, abcrunt, italienisch abisso, polnisches przpasez aber auch finnisches mersywis angeführt.
Abb. 3: Uppsala Universitetsbibliotek, Signatur R 13, S. 186, Foto: Stefan Heinrich Bauhaus
Auf der Seite 280 nun findet sich nun noch eine zusätzliche Liste mit Zahlwörtern, ergänzt durch das Arabische, Permische und Kalmückische. Das Kalmückische ist die einzige in Europa gesprochene mongolische Sprache. Das Mongolische bildet zu-
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sammen mit dem Tungusischen und den Turksprachen einen Zweig einer oft postulierten, aber nicht unumstrittenen altaischen Sprachfamilie¹⁴⁵. Mit „Permisch“ bezeichnet die Finnougristik heutzutage das Komi-Syrjänisch und das Udmurtische bzw. Wotjakische, dennoch übernehme ich hier den Begriff Rudbecks des Älteren. Als Beispiel aus der Liste möge hier das Zahlwort für 8 gelten: lateinisch octo, schwedisch otta, aus Wulfilas Bibel åthe, dänisch otte, niederländisch achte, englisch eight, deutsch acht, italienisch otto, französisch huit, spanisch ocho, türkisch sekis / sethis, persisch hest, polnisch (und andere Slawinen) wosmi, ossem, asm, finnisch cahdexan, griechisch: unleserlich, hebräisch schemonah, ungarisch niot, nyelits, samisch: unleserlich, arabisch semaniet, permisch nylyk, kalmückisch naimā. Das tatsächliche Zahlwort lautet im Kalmückischen nääm/n ¹⁴⁶. Als ein Vorläufer zur finnisch-ungarischen Wortliste Olof Rudbecks des Jüngeren mögen vielleicht die Seiten 281 bis 283 gedient haben, denn hier werden finnische, einige samische, ungarische, schwedische, lateinische und teilweise auch slawische und tatarische Kognaten zusammengestellt. Das Tatarische ist, wie bereits oben dargestellt, eine auf der Krim gesprochene Turksprache. Die schwedischen und lateinischen Wörter sollten wohl als Übersetzungen dienen. Da die finnischen und ungarischen Wörter große Ähnlichkeit aufweisen, muss davon ausgegangen werden, dass Rudbeck gerade die Ähnlichkeit beider Sprachen demonstrieren wollte. Das Slawische und Tatarische wurden, falls diese Spalten überhaupt gefüllt sind, wohl eher als zusätzliche Untermauerung herangezogen. Offensichtlich ist diese Liste neben der Handschrift von Skokloster¹⁴⁷ eine der beiden Quellen für die finnisch-ungarische Wortliste des Sohnes, auch wenn dort das Tatarische, das Samische und das Slawische unterschlagen werden. Dass bereits Rudbeck der Ältere auch das Samische, wenn auch nur in begrenztem Umfang, zum Finnischen und Ungarischen stellt, ist bemerkenswert. Es zeigt, dass er auch hier seinen Sohn beeinflusst haben muss. So will ich hier einige Beispiele für eine Trias aus diesen drei Sprachen geben. Für „blod“ bzw. „sanguis“ etwa wird finnisch weri, samisch vari und ungarisch weer angegeben. Bemerkenswert ist hier die Orthografie, die beim Finnischen w-, beim Samischen v- notiert. Für „lefer / iecur“ gibt er finnisches maixa, samisches maisa und ungarisches maish an. Überhaupt ähneln die vermeintlich samischen Wörter stark denjenigen der finnischen Spalte. Bei „tiden / tempus“ etwa heißt es in beiden Sprachen aica. Die slawische Spalte ist bis auf ein Beispiel komplett leer. Neben finnisch ma, samisch änna und ungarisch mas für „iord / terra“ findet sich slawisches ana. Auch das Tatarische kommt an einigen Stellen zum Zuge, etwa beim Wort für „Vater“, wo neben finnisch asi, isa, samisch atzia und ungarisch attia auch tatarisches þaþa angeführt wird. Man beachte die Verwendung des genuin nordischen Buchstabens Thorn (þ), wie er noch im heutigen Isländischen verwendet wird. Rudbeck war wohl Eine solide Übersicht über die Taxonomie des Mongolischen bietet das Referenzwerk von Janhunen (2003), dort zum Kalmückischen Bläsing (2003: 229 – 247). Siehe Bläsing (2003: 237). Zur Handschrift von Skokloster Hormia (1964: 6 ff.).
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Abb. 4: Uppsala Universitetsbibliotek, Signatur R 13, S. 280, Foto: Stefan Heinrich Bauhaus
darüber informiert, dass das Tatarische in einer Beziehung zum Türkischen stand. Zumindest führt er beim Wort „Mann“ anstelle des Tatarischen ein unleserliches türkisches Wort an und stellt dies somit zu finnisch uro, mies. Auf Seite 284 gibt es nun einige Notaria über die göthische Sprache mit dem Ziel zu beweisen, dass diese ein hohes Alter hatte und gerade nicht aus Dänemark nach Schweden gekommen war. Dies wird durch eine Gegenüberstellung des gotischen Alphabets mit den nordischen Runen geltend gemacht. Es folgen einige leere Seiten, ein Sammelsurium verschiedener Anmerkungen und auf Seite 296 schließlich eine weitere Liste, die in diesem Falle schwedische, russische, kalmückische, permische, tungusische, finnische, samische, ungarische, türkische und tatarische Wörter gegenüberstellt. Diese Liste wird bis Seite 319 fortgesetzt. Die Schriftart ist teilweise inkonsistent, möglichweise wurden einige Lemmata später zugefügt. Eine andere Möglichkeit wäre, dass sie von jemandem anderen hinzugefügt wurden, zumindest
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Abb. 5: Uppsala Universitetsbibliotek, Signatur R 13, S. 281, Foto: Stefan Heinrich Bauhaus
gibt es eine gewisse Ähnlichkeit mit der Handschrift seines Sohnes. Dies trifft vor allem auf die kalmückischen, permischen und tungusischen Wörter zu. Auf den Seiten 321 ff. folgt dann noch eine Gegenüberstellung der Zahlwörter eben jener Sprachen. Ein Beispiel sei hier das Zahlwort 5: schwedisch fem, russisch pat, kalmückisch tabun, permisch wet, finnisch wys, samisch witte und ungarisch weut, cuth, öt. Dann folgt noch ausführlich eine Zusammenstellung der russischen mit den kalmückischen Zahlen und gesondert denjenigen des Permischen. Auch hier handelt es sich um eine fremde Handschrift. Es fehlen einige Seiten, die wohl herausgeschnitten wurden. Schwedisch, Tatarisch und Finnisch werden dann zwischendurch noch verglichen. So entsprach schwedischem blå („blau“) wohl tatarisches blávaton. Anschließend erscheint auf den Seiten 343 ff. dann ein Gotho-persicum vocabulum, dass sein Material abermals von Hieronymus Megiser, aber auch aus dem Thesaurus linguarum orientalium, Turcicae, Arabicae, Persicae von François Mesgniens (Meninski) bezieht. Beide sind auch für Rudbeck den Jüngeren geschätzte Quellen, wie unten ausgeführt wird. Die letzten Seiten umfassen unter anderem noch schwedisch-estnische Kognaten. Auch hier ist die Schrift offenbar nicht diejenige Olof Rudbecks des Älteren. Dann folgen die Skizzen zu den in der Atlantica behandelten, phönizischen Versen aus dem Poenulus und weitere Wortlisten, etwa eine schwedisch-lettisch-estnische und eine schwedischrussisch-türkische Liste, die teilweise ebenfalls handschriftlich abweichen.
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Abb. 6: Uppsala Universitetsbibliotek, Signatur R 13, S. 296, Foto: Stefan Heinrich Bauhaus
Abb. 7: Uppsala Universitetsbibliotek, Signatur R 13, S. 321, Foto: Stefan Heinrich Bauhaus
Es spricht also einiges dafür, dass die von einer oder mehreren anderen Person ergänzt wurden. Letzteres nimmt auch Agrell an¹⁴⁸. Die fremde Handschrift entspricht jedenfalls nicht derjenigen Olof Rudbecks des Jüngeren, von
Vgl. Agrell (1955: 11).
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dem Agrell annimmt, er habe sich etwa mit arabischen und türkischen Wörter eingebracht, aber zugleich einräumt, dass dessen Handschrift sich nicht wiederfinde. Auch Johan Ihres Handschrift kann ich nicht erkennen. Sowohl bei der polyglotten Wortliste als auch bei den finnisch-ungarisch-samischen Kognaten handelt es sich eindeutig um die Handschrift Olof Rudbecks des Älteren. Ab Seite 296 taucht die fremde Handschrift auf. Es handelt sich dabei um diejenigen Wortsammlungen, die etwa permische, kalmückische oder tatarische Wörter umfassen. Zwar trifft dies auch auf die schwedisch-estnische Wortliste zu, doch sind die ersten drei allesamt Sprachen, deren Erfassung ohnehin eher in das frühe 18. Jahrhundert zu datieren ist, etwa durch den deutschen Sibirienforscher Daniel Gottlieb Messerschmidt (1685 – 1735) oder durch Philip Johan von Strahlenberg (1676 – 1747), dessen Werk Das Nord- und Ostliche Theil von Europa und Asia erst 1730 erschien¹⁴⁹. Als möglicher Schreiber böte sich vielleicht besagter Elias Brenner an, der Rudbeck auch mit dem tscheremissischen Sprachmaterial seines Vetters Henrik Brenner versorgt hatte.
1.3.4 Zusammenfassung Die obige Darstellung galt als Vorbereitung auf den eigentlichen Fokus dieser Untersuchung, die Arbeiten Rudbeck den Jüngeren. Sprachliches Material und die Etymologie dient bei seinem Vater zur Untermauerung der Transformation der nordischen und klassischen Antike. Dass das verwendete Material umfangreich ist, zeigen die . Vier Aspekte sind bei der rudbeckianischen Sprachphilosophie dabei von Belang. Rudbeck der Ältere hat bereits ein begrenztes methodisches Repertoire, was den Sprachvergleich angeht. Zwar stützt er sich im Wesentlichen auf Lautanalogien, doch sind diese durchaus theoretisch fundiert. Diese Theorie besteht aus universellen, multidirektionalen Permutationspfaden. Beobachtete Permutationen konnten prinzipiell auf alle Sprachen angewandt werden, waren also nicht spezifisch für die historische Lautlehre einer Einzelsprache. Diese Anachronie muss vor dem Hintergrund des Primats der schwedischen Sprache verstanden werden, das paradigmatisch für den Rudbeckianismus ist. Alles musste auf das Schwedische zurückgeführt werden. Welche konkrete Entwicklung ein schwedischer Laut in einer anderen Sprache einschlug, war dabei irrelevant, solange er durch Beobachtung verifiziert werden konnte. Morphologie spielt keine Rolle. Griechische und Lateinische Flexionsendungen werden kurzerhand als nicht authentische „Verlängerungen“ der kürzeren, genuinen schwedischen Form deklassiert. Nicht selten sind zitierte Wortformen orthografisch vorab dem Schwedischen angeglichen worden. Symptomatisch erscheint auch die fehlende Abgrenzung von Graphem und Phonem, die natürlich
Näheres zu beiden Forschern, die einen festen Platz in der Geschichte der Finnougristik in Anspruch nehmen, bei Stipa (1990: 173 ff., 178 f. und 182 f.).
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1 Präliminarien
noch nicht begründet worden war. Im Übrigen werden alle Sprachen, zumindest im Druck, mit dem lateinischen Alphabet wiedergegeben. Mythologeme konnten nicht nur durch Euhemerismen vereinnahmt werden, sondern auch durch Ortsnamen. Dies möchte ich mit dem Begriff des etymologisierten Raumes bezeichnen. Troja, Jerusalem, Bethlehem; alle bedeutsamen Orte konnten durch das Schwedische erklärt werden, denn es waren ja die Schweden gewesen, die diese Orte gegründet hatten. Dass Rudbeck gerne auf Eigennamen, seien es Toponyme, seien es Personennamen, zurückgreift, mag auch darin begründet sein, dass diese leicht verfügbares Sprachmaterial darstellten. Denn Rudbeck war gewiss kein Sprachkundiger wie andere Zeitgenossen, etwa sein Sohn. Aus diesem Grunde wird wohl das leicht zugängliche Dänische herangezogen. Trotz des Fokus auf die klassische Antike wird eine Interpretatio Christiana vollführt, die allerdings nur am Rande auftaucht. Bemerkenswert ist dabei die Etymologisierung alttestamentarischer Toponyme und Personennamen. Insofern wird auch hier, aber in geringerem Maße, die biblische Antike bemüht. Dies scheint gerade im Hinblick auf seinen Sohn von Belang, der diese Antike in noch viel stärkerem Maße bemüht. Auch Rudbeck der Ältere war am Finnougrischen interessiert, wie sich an der Stellung des Finnischen im Abschnitt über das Phönizische zeigt, welches für ihn ebenfalls eine gewisse lexikalische Ähnlichkeit zu dieser Sprache aufwies, aber auch in der Behandlung des Tscheremissischen. Die zeigen, dass nicht nur das Finnische mit dem Ungarischen verglichen wird, sondern auch das Samische eine große Rolle spielt. Andere östliche Sprachen finden sich ebenfalls in den . Allerdings wurden diese – wohl später – von fremder Hand hinzugefügt. Dennoch musste auch dies im Rahmen des Rudbeckianismus bzw. auf Rudbecks Wunsch geschehen sein. Was nun die Stellung der finnougrischen Völker angeht, so scheinen zumindest in der Atlantica die Finnen diejenigen zu sein, die den ersten Rang einzunehmen. Estnisch, Samisch und Bjarmisch waren aus dem Finnischen hervorgegangen. Dass die Finnen von Mesech abstammen sollten, wie Rudbeck im dritten Band argumentiert, gab ihnen einen untergeordneten aber gegenüber anderen nicht-göthischen Völkerschaften dennoch privilegierten Rang¹⁵⁰. Natürlich sind die sprachtheoretischen Ausführungen Rudbecks selbst das Produkt vorausgegangener Diskurse zum Wesen der Sprache. Wie zuvor gezeigt wurde sind neben den der Orthodoxie zuzurechnenden Sprachphilosophen vor allem Bureus und Stiernhielm einflussreiche Figuren. Für Rudbeck d. Ä. selbst muss vor allem Georg Stiernhielm als wichtiges Vorbild benannt werden, wenngleich er ihn vergleichsweise wenig zitiert. Ein belastetes Verhältnis, das dies erklären würde, ist mir nicht bekannt. Oben ist bereits kurz auf die wichtigsten Werke Stiernhielms eingegangen worden. Seine Sprachphilosophie konstituiert sich ja vor allem im Vorwort zur
Rudbeck d. Ä., Atlantica, Bd. III, Kap. 10 Seite 177.Vgl. dazu Anttila (2009), der die Einordnung der Finnen in das Paradigma der Atlantica untersucht.
1.3 Der väterliche Impuls: Olof Rudbeck der Ältere
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Wulfila-Bibel¹⁵¹. Kennzeichnend ist für dieses die Einteilung in Dialekte und Sprachen, die eine moderne Sicht auf Sprachwandel offenbart¹⁵². Sprachen folgten einer natürlichen Entwicklung aus Dialekten, was von Pidgin- und Kreolsprachen abgesehen auch ein Axiom der heutigen Sprachwissenschaft ist. Dies traf auch auf das Hebräische zu, das eben nicht mit der Sprache Adams identisch war. Auch Rudbeck d. Ä. spricht von der Entwicklung der Sprachen durch Handel und Wandel, sodass eine Beeinflussung seitens Stiernhielms für dieses Postulat angenommen werden muss. Einen Einfluss hatte sicherlich auch Stiernhielms Taxonomie, die vielleicht die Grundlage für Rudbecks Einteilung in „Hufwudspråk“ und gemischte Sprachen gebildet haben könnte. So unterschied er zwischen dem Skythischen, das auf Japheth zurückzuführen war und primär durch das Schwedische fortgesetzt wurde, und denjenigen Sprachen der Nachfahren Sems, als dem, was wir heute als semitische Sprachen auffassen würden. Das Postulat der Natürlichkeit von Sprachwandel brachte die Ausblendung der babylonischen Sprachverwirrung mit sich, die ja auch für Rudbeck den Älteren keinerlei Funktion besitzt. Das Finnische und Ungarische gehörten laut der Praefatio nicht zum Skythischen. Zwischen dem Finnischen und Ungarischen wird jedoch im Vorwort zu seiner Wulfila-Bibel eine Affinität impliziert. Die könnte als möglicher Einflussfaktor für die finnougrischen Interessen Rudbecks des Älteren, insbesondere seinen handschriftlichen finnisch-ungarischen Wortvergleich, und letztlich auch die spätere Wortliste Rudbecks des Jüngeren gedeutet werden¹⁵³. Auch hatte Stiernhielm bereits das Schwedische mit dem Phrygischen verglichen, welches ebenfalls dem Skythischen zuzurechnen war. Das Werk wurde jedoch nicht gedruckt, sondern findet sich unter der Signatur R 21 als Handschrift in Uppsala. Es darf vermutet werden, dass Rudbeck der Ältere es kannte, wenngleich er Stiernhielm in jenem Kapitel nicht zitiert. Zuletzt ist Stiernhielms systematische Einteilung der Laute wohl die Grundlage für Rudbecks Permutationsverständnis¹⁵⁴. Wie Agrell zeigt, werden auch bei ihm nicht willkürlich Laute zusammengewürfelt, sondern gerade nur solche ein und derselben Artikulationsstelle. Insgesamt also lieferte Stiernhielm wohl die gotizistische Vorlage für das, was im Rudbeckianismus weitergeführt werden sollte.
Stiernhielm, Evangelia ab Wulfila, Praefatio. Stiernhielm, Evangelia ab Wulfila, Praefatio: „Tempore & Locorum intervallis, Dialectos abire in Linguas.“ Vgl. Stipa (1990: 143) und Hormia (1964: 3 ff.). Zu Stiernhielms Verständnis von Permutation Agrell (1955: 97 ff.).
2 Rudbecks sprachtheoretische Werke Die folgende Darstellung unternimmt den Versuch, ein möglichst genaues Bild der „sprachwissenschaftlichen“ bzw. sprachtheoretischen Werke Rudbecks des Jüngeren zu bieten¹⁵⁵. Seine rein botanischen und medizinischen Veröffentlichungen müssen dabei außer Acht bleiben, da diese nicht den Gegenstand dieser Arbeit berühren. Es scheint geboten, die veröffentlichten Arbeiten und das umfangreiche, handschriftliche Material gesondert auszuwerten. Zuerst werden also unter 2.1 gedruckte Monographien, Aufsätze und veröffentlichte Briefe untersucht. Gibt es Handschriften, die einem gedruckten Werk zugeordnet werden können, sollen diese bereits an der entsprechenden Stelle in die Darstellung einfließen. Dem schließt sich unter Punkt 2.2 Rudbecks ebenfalls veröffentlichtes Gedicht über die Lossteine Urim und Thumim an, welches exemplarisch für sein poetisches Werk steht. Unter Punkt 2.3 sollen dann die nicht veröffentlichten Handschriften untersucht werden, sofern sie nicht mit ihrer möglichen gedruckten Fassung bereits zuvor behandelt wurden. Aufgrund der bisweilen skizzenhaften Struktur kann dies nur in Form von kurzen Zusammenfassungen der wichtigsten Punkte geschehen. Die Untersuchung der Werke ist in erster Linie deskriptiv, denn eine inhaltliche Darstellung dieser Werke stand mit wenigen Ausnahmen bisher noch aus. Allerdings soll in Vorbereitung auf den sich anschließenden, analytischen Teil dieser Arbeit bereits bei der Behandlung der Einzelwerke das Augenmerk auf folgenden Fragestellungen liegen: – Welche Systematik liegt der sprachwissenschaftlichen Methodik der einzelnen Werke zugrunde? – Auf welches theoretische Verständnis lässt sich anhand dieser Systematik schließen? – Wie fügt sich das Einzelwerk in das Paradigma des Rudbeckianismus ein? – Wie ist das Einzelwerk wissenschaftshistorisch einzuordnen? Gerade die letzten beiden Fragen nach der Verortung sollen am Schluss jedes Unterkapitels beantwortet werden. Bei der inhaltlichen Wiedergabe ist ferner zu beachten, dass selektiv vorgegangen werden muss. Es interessieren in dieser Arbeit in erster Linie Erkenntnisse über Rudbecks Sprachtheorie, sodass in jedem Fall der Fokus auf dem umfangreichen Sprachmaterial liegen muss. Nicht jede einzelne Wortform kann jedoch aufgegriffen oder gar im Detail besprochen werden. Wenn ich also schreibe, dass Rudbeck ein hebräisches Wort x mit einem göthischen oder schwedischen Wort y vergleicht, so bedeutet dies nicht, dass die Etymologie sich auf diese Kognaten beschränkt. Teilweise schließen sich ihnen nämlich noch weitere (beispielsweise finnische) Kognaten an. Ich versuche somit den Kern der Etymologie herauszustellen und dieser liegt im Anspruch begründet, eine möglichst enge Affi-
Eine Übersicht über Rudbecks Veröffentlichungen findet sich bei Johannes Rudbeck (1918: 303 – 343). https://doi.org/10.1515/9783110628739-004
2.1 Die gedruckten sprachtheoretischen Werke Rudbecks
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liation des Schwedischen mit dem Hebräischen zu demonstrieren. Zuletzt werden unter 2.4 noch sekundäre Quellen zu Rudbecks Sprachtheorie herangezogen, hier allerdings in komprimierter Form. Dazu gehören etwa einige unter ihm entstandene Disputationen oder auch Verweise auf ihn in Werken anderer Forscher. Am Ende der Darstellungen dieses Hauptteils wird dann eine inhaltliche Taxonomie der Werke vorgenommen, die folgende Fragestellung beantworten soll: – Welche Phasen müssen in Rudbecks wissenschaftlicher Tätigkeit voneinander abgegrenzt werden?
2.1 Die gedruckten sprachtheoretischen Werke Rudbecks Die gedruckten Werke gliedern sich in zahlreiche Monographien, die einer Anzahl von Aufsätzen in den ALS gegenüberstehen. Einige Briefe wurden ebenfalls veröffentlicht und gedruckt. Ich verwende dabei häufig Kurztitel, da die tatsächlichen Titel zu viel Raum einnehmen würden: – 1701: Laponia Illustrata – 1705: Ichthyologiae Biblicae Pars Prima – 1717: Specimen (Specimen usus linguae Gothicae) – 1722: Ichthyologiae Biblicae Pars Secunda – 1733: Atlantica Illustrata – 1733: Dudaim Rubenis Von der Laponia Illustrata von 1701 ist leider nur ein Band erhalten. Dieser bildet jedoch ein in sich abgeschlossenes Werk und kann somit als eigenständige Monographie verbucht werden. Das Werk Dudaim Rubenis soll nur kurz angerissen werden, da es für unsere Belange weitgehend unbedeutend ist. Neben diesen Monographien gibt es die folgenden fünf relevanten Aufsätze, die allesamt in den Acta Literariae Sveciae (ALS) veröffentlich wurden: – 1727: „Cogitationes de vasis aegyptiacis“ – 1728: „Cogitationes de voce רמשRemes“ – 1729: „ חם ופורענות חטותאsive Chami delictum & pena“ – 1729: „Cogitationes de nominibus divinis שדיSchadai & מטטרוןMetatron“ – 1734: „Descriptio cataractarum in cascawari Laponiae“ Vom geplanten Thesaurus Linguarum Asiae et Europae harmonicus sind nur zwei kurze Proben erschienen, in Uppsala befinden sich aber alle zwölf handschriftlichen Bände. Die erste Probe gibt selbst keinen Hinweis auf das Jahr des Druckes, wird in der Bibliografie Johannes Rudbecks und gemeinhin aber auf das Jahr 1716 datiert¹⁵⁶. Sie wurde zusätzlich im zweiten Band der Bibliotheca Hebraea Johann Wolfs (1721) ver-
Rudbeck, J. (1918: 319).
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2 Rudbecks sprachtheoretische Werke
öffentlicht. Die andere Probe erscheint in Aufsatzform in den Acta literaria et scientiarum Sveciæ von 1733, wurde aber erst 1738 gedruckt¹⁵⁷. Gedruckt wurde zudem ein Brief an den Engländer John Wallis aus dem Jahre 1703, der den so wichtigen Fasciculus Vocum Lapo-Hebraicarum beinhaltet und somit ebenfalls zu den Hauptwerken gerechnet werden muss. Laut Johannes Rudbeck wurde er vermutlich im selben Jahr gedruckt, allerdings ist auch hier die genaue Datierung unsicher. Der Brief findet sich mit veränderter Drucksetzung ebenfalls im zweiten Band der Bibliotheca Hebraea ¹⁵⁸. Ähnlich verhält es sich mit dem gedruckten Brief an Fabian Törner von 1727 („de esthonum, fennonum, laponumq´; origine“), der im selben Jahr in den ALS erschien, aber auch ein Jahr später in Arctopolitanus’ De origine ac religione fennonum abgedruckt wurde¹⁵⁹. Somit kommen zur obigen Liste folgende Veröffentlichungen hinzu: – 1703: Fasciculus (Brief an Wallis) – 1716: Thesaurus Linguarum Asiae et Europae harmonicus – 1727: „de esthonum, fennonum, laponumq´; origine“ (Brief an Törner) – 1738: „Thesaurus Lingvarum Asiae et Europae Harmonicus“ (1733) Im Folgenden sollen nun diese wichtigen Werke in chronologischer Reihenfolge inhaltlich und analytisch beschrieben werden. Wo zu den gedruckten Werken ebenfalls Handschriften vorliegen, etwa zu den „Cogitationes de voce רמשRemes“, werden diese bei Behandlung der Handschriften nicht noch einmal aufgegriffen. Nachdem von Rudbecks poetischem Werk in einem separaten Unterkapitel ein Gedicht dargestellt wird, schließt sich anschließend die Behandlung der übrigen Handschriften und weiterer indirekter Quellen an.
2.1.1 Zur Laponia Illustrata Die von Rudbeck 1695 unternommene Reise stellt den Auftakt seiner wissenschaftlichen Auseinandersetzung mit den Samen, insbesondere der samischen Sprache, dar. Die 1701 erschienene Laponia Illustrata ¹⁶⁰ ist das Resultat und die Ausarbeitung von
Vgl. Rudbeck, J. (1918: 329). Vgl. Rudbeck, J. (1918: 314, 323). Arctopolitanus, Dissertatio academica de origine ac religione fennonum, Seite 13 – 23. Schwedischer Titel: Olof Rudbecks sonens Nora Samolad eller uplyste Lapland medh resan igenom Upland, Gestrikland, Helsingland, Medelpa, Ångermanland, Wästerbotn, Lule lapmark, Norbotn, Torne lapmark, Österbotn, Finland, Åland, &c. Hwar uthinnan wäl alla theßa landskapers beskafenhet och inbyggare; dock likwäl i synnerhet laparne, så til theras kynne- som lynnelag gudztienst, seder, språk, lefernes art, första härkomst, diur, örter, bergarter, fiällar, skogar, siöar, träsk, forsar och floder, ibland andra små infall och gahsamheter föreställas, och på thet nogaste beskrifwas; uthi wissa flåcker fördeld, och widh ändan försedd med en lapsk ordebok, kallad Then Hebraeiksa Lapen uthi Norden: alt igenom med sköna koparstycken och träsnidt utsirad, och på egen bekostnad vplagd uti Upsala, åhr efter Christi börd 1701. Thet oß nu äfiþ är. Im Folgenden nutze ich den lateinischen Kurztitel Laponia Illustrata.
2.1 Die gedruckten sprachtheoretischen Werke Rudbecks
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Rudbecks Beobachtungen. Rudbeck ging es dabei nicht um die schiere Beschreibung der naturräumlichen Gegebenheiten und der samischen Sprache und Gebräuche, auch wenn dies zum großen Teil sicherlich die Motivation der Reise war. Die Laponia Illustrata stellt nichts Geringeres als den Versuch dar, die Samen als urtümliche Bewohner Skandinaviens in das Paradigma der Atlantica einzubinden, in dem sie wie die Schweden direkt an die biblische Antike, und somit an die Hebräer angeknüpft werden¹⁶¹. Leider ist von diesem umfangreichen Werk nur ein Teil der geplanten zwölf Bände als Druck erschienen. Das übrige handschriftliche Material ist wie auch so vieles andere beim großen Brand von Uppsala im Jahre 1702 zerstört worden. Der Fließtext des ersten Teils der Laponia Illustrata umfasst 79 Seiten inklusive zweier Grafiken, wobei diese im Wechsel auf Schwedisch und Latein abgefasst sind. Es gibt darüber hinaus eine englischsprachige Übersetzung, „Olof Rudbecks the Younger, Lapland Illustrated: His Journey thro’ Upland.“, die jedoch nicht separat veröffentlich wurde, sondern als Anhang in der englischen Version der Lapponia Scheffers, The history of Lapland von 1704, abgedruckt wurde¹⁶². Diese Übersetzung kommt auf nur 22 Seiten, wurde also gekürzt. Ich beziehe mich im Folgenden nur auf die eigentliche Laponia Illustrata von 1701, und dort nur auf den schwedischen Teil. Ähnlich wie bei der Atlantica des Vaters darf auch hier vermutet werden, dass der schwedische Text die Grundlage für den Lateinischen bildete und nicht umgekehrt. Bereits Titel und Frontispiz des Originalwerkes geben Hinweis auf die von Rudbeck an vielen anderen Stellen artikulierte Ansicht, die Samen, die Ureinwohner Lapplands, seien in besonderer Weise den Hebräern nahe und somit ihre Sprache dem Hebräischen. Kreisrunde Wappen mit schwedischen alttestamentarischen Zitaten und ihrem hebräischen Original gesäumt verweisen auf die Anknüpfung an die biblische Antike. Die Textpassagen sind wohl gewählt. „The läta min Anda hvilas i Norlanden“, heißt es etwa. Sach 6,8¹⁶³ verweist ganz im rudbeckianischen Sinne auf die Einwanderung in den Norden. Hier deutet sich schon an, welche besondere Rolle den Ureinwohnern Skandinaviens zugedacht wird. Jes 9,1¹⁶⁴ bringt mit „Folket som i mörkret wandrar, ser ett stort Lius“ hingegen die heilsgeschichtliche Dimension des Rudbeckianismus auf den Punkt. Der Titel gibt das eigentliche Ziel des Werkes an. Hier wird nämlich ein samisches Wörterbuch am Ende des Werkes erwähnt, das den Namen „Then Hebraeiska Lapen“ tragen sollte. Da nun leider lediglich der erste Teil des
Eine kurze, übersichtsartige Darstellung des Werkes findet sich bei Anttila (2014: 224 ff.). Eine zeitgenössische Rezension findet sich in den Acta Eruditorum (1703: 285 – 288). Fries (1898) gibt eine detaillierte Zusammenfassung des Reiseverlaufs, der sowohl den ersten Band der Laponia Illustrata als auch Rudbecks eigenen Reisebericht, der unten behandelt wird, berücksichtigt. Das lateinische Original dieses Textes, die Lapponia, stammt aus dem Jahre 1673. Vgl. Sach 6,8: „Und er rief mich an und redete mit mir und sprach: Sieh, die nach Norden ziehen, lassen meinen Geist ruhen im Lande des Nordens.“ Vgl. Jes 9,1: „Das Volk, das im Finstern wandelt, sieht ein großes Licht, und über denen, die da wohnen im finsteren Lande, scheint es hell.“
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2 Rudbecks sprachtheoretische Werke
Werkes gedruckt wurde, ist uns genau dieser so interessante Teil nicht zugänglich. Doch sollte dieser Mangel zwei Jahre später im Brief an John Wallis behoben werden. „Från Nordan kommer Gull / then Store Gudh til ähra!“ lautet der Auftakt der Dedicatio. Das Gold kam aus dem Norden und gereichte dem großen Gott zur Ehre. Typisch rudbeckianisch wird die Glorifizierung des Nordens mit einer heilsgeschichtlichen Dimension versehen. Die Göthen hatten, so das Credo des Rudbeckianismus, ihre skandinavische Heimat verlassen, um als kulturstiftendes Muttervolk die klassische Antike zu schreiben. Ihre Könige waren den übrigen Völkern gottgleich erschienen. Die Herkunft der Göthen lag in der biblischen Antike begründet, sie waren die Nachkommen Magogs, die nach der Sintflut den Norden Europas wegen dessen Fischreichtums aufgesucht hatten. Wie jedoch war es um die anderen Völkerschaften im schwedischen Großreich bestellt? Eine poetische Widmung Lars Norrmans (1651– 1703), des Theologen und späteren Bischofs von Göteborg, wirft die Frage auf, welche Rolle den Samen zukommen sollte. Glaubte Rudbeck etwa, dass sie die Nachkommen der Zehn Verlorenen Stämme seien? Auch das folgende hebräische Gedicht des Rabbis Johan Kemper (1670 – 1716), von dem an anderer Stelle noch die Rede sein wird, widmet sich dieser Identifikation, die gewissermaßen auf der Hand lag, zumal die Suche nach den Zehn Verlorenen Stämmen auch in außerschwedischen Diskursen virulent war¹⁶⁵. Nun ergibt sich aus Rudbecks späteren Werken, dass er genau dies annehmen würde. Ob er es zur Zeit der Abfassung der Laponia Illustrata bereits tat, lässt sich anhand des Fließtextes des erhaltenen Teils nicht beantworten. Die an späterer Stelle erwähnte Handschrift über die Sprache der Ureinwohner Neuschwedens scheint darauf hinzudeuten, dass er, was diese Frage angeht, noch unentschlossen war. Auch deren Herkunft aus den Zehn Verlorenen Stämmen wurde nämlich zumindest als Möglichkeit gehandelt. Es könnte sich bei der Frage Norrmans „Reliquias Tribuum credin’ OLAVE Decem?“ also auch einfach um seine Einschätzung zur Herkunft der Samen handeln. Auch der zuvor erwähnte Reiseberichts Johan Schults aus dem Jahre 1702 erwähnt nur, dass die „Lappen“ Israeliten seien, eine konkrete Identifizierung mit den Zehn Verlorenen Stämmen wird dort noch nicht erwähnt¹⁶⁶. Der gedruckte erste Teil jedenfalls beginnt mit einer allgemeinen Einführung und Rudbecks eigener Beschreibung des Reiseverlaufs¹⁶⁷. Geschildert werden die Umstände, wie es zur Reise kam. Die Geographen hatten in der Vergangenheit ein recht seltsames Bild des Nordens abgegeben. Rudbeck hingegen lobpreist die Vorzüge des Nordens und dessen Bewohner. Vor allem der Reichtum an wilden Beeren, insbesondere der vielen Erdbeeren, ist lange Gegenstand seiner Beschreibung. Von Interesse waren die naturräumlichen Gegebenheiten. Waren die glattgeschliffenen Steine
Eine solide Übersicht zur Suche nach den Verlorenen Stämmen Israels bietet Benite (2009). Vergleiche Schoeps (1952: 189 – 195). Laponia Illustrata, Seite 1 ff.
2.1 Die gedruckten sprachtheoretischen Werke Rudbecks
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auf den Feldern von Trelling und Wendel seit Anbeginn der Welt so, oder zeugten sie als Resultat von der Sintflut? Rudbeck wirft unter anderem diese Frage auf, bevor er auf Seite 22 zu einem Abschnitt aus Ovids Metamorphosen kommt. Hieran zeigt sich noch deutlich die durch Rudbeck den Älteren vorgegebene Vereinnahmung klassischer Quellen für die Argumentation. Recht schnell kommt Rudbeck dann auch zur Etymologie des Namens Charon und greift somit einen Topos seines Vaters wieder auf ¹⁶⁸. Angeregt dazu wird er vom Fährmann, der sie über die Schnellen des Flusses brachte. Der Mythos musste, so Rudbeck unter Berufung seines Vaters, im Norden entstanden sein. Im Folgenden wird nun ein kompliziertes Geflecht an Etymologien zur Klärung dieses Namens entfaltet. Dabei waren vier verschiedene, aber lautlich ähnliche Wörter geeignet, um dem Namen seine Bedeutung zu geben. Hier sollen nun die wichtigsten Analogien, die Rudbeck heranzieht, vorgestellt werden. Offenbar sieht Rudbeck die Grundbedeutung der dem Namen zugrunde liegenden Wurzel im neuschwedischen Wort karl „Mann“, das etymologisch unserem Wort „Kerl“ entspricht. Allerdings zitiert er diese Wortform nicht direkt, sondern arbeitet mit einer Rekonstruktion, göthisch kar. Diese „Wurzel“ hatte im Göthischen jedoch nicht nur allgemein „Mann“ bedeutet, sondern im speziellen „grimmiger bzw. finstrer Mann“ oder jemand, der durch Unglück gezeichnet war. Rudbeck zitiert in diesem Zusammenhang eine altisländische Wendung Karls husi aus der Ormssaga, die die Behausung eines armen Mannes bezeichnete, und auch griechisches καρ (vgl. gr. καρ „etwas Wertloses“). Darüber hinaus gibt Rudbeck für kar aber auch die Bedeutung „Boot“ an. Dies wiederum erschloss sich bei Betrachtung des altisländischen Wortes karfi in der Olofssaga, durch arabisches ( כריבvgl. arab. ﻗﺎﺭﺏqārib „Boot“), und des Weiteren etwa auch lateinisch carina („Schiff, Schiffkiel“) und französisch carene usw. Der Mythos war also – und dies ist eine für Rudbeck den Älteren typische Methodik – schon im Namen Charons angelegt. Doch es folgen noch weitere etymologische Affiliationen. Zu göth. kar mit der Bedeutung „Boot, Fähre“ stand nun auch ein anderes Wort in Verbindung, nämlich das schwedische Verbum karfa mit der Bedeutung „ausgraben“. Dieses Wort stammte vom hebräischen Verbum für „graben“ oder „aushöhlen“ כרה bzw. dessen aramäischer Variante כהא. Diese Bedeutung verwies ebenfalls auf die Fähre Charons, denn im Norden waren ursprünglich nicht gezimmerte Boote üblich, sondern solche, die aus einem ausgehöhlten Baumstamm hergestellt wurden. Leicht schloss sich an die hebräisch-göthische Analogie auch englisches bzw. „altskythisches“ carver, griechisches καράσσειν an, vor allem aber samisches kaarvid, die also alle semantisch auf die Tätigkeit der Bootsherstellung deuteten. Auch französisches caraffe als hohles Gefäß war ein willkommener Reflex dieser Bedeutung. Deutlich zu erkennen ist bei Rudbecks Kognaten die phonologische Übereinstimmung all dieser Wörter, die alle die Struktur Velar + Liquida aufweisen.
Laponia Illustrata, Seite 24 ff.
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2 Rudbecks sprachtheoretische Werke
Rudbeck fragte sich, ob nicht ein anderes Wort Aufschluss über die Tätigkeit des Charon geben könnte. Das Wort kara nämlich band sich hervorragend an arabisches גררmit einer vermeintlichen Bedeutung „er zog, ruderte, setzte über“ und auch englisch to carry an. Rudbeck schloss: „So wird Charon in Anbetracht der Wörter ein „Fährer“ oder Fährmann.“¹⁶⁹. Die bisher herangezogenen Wörter gaben bereits die Tätigkeit und das Gefährt des Charon an. Nun sollte auch dessen Gemüt eine etymologische Rechtfertigung finden. Konnte sich etwa griechisches χαρά als Bezeichnung für die „Freude“ eignen? Rudbeck plädiert auch hier für eine „orientalisierende“ Erklärung. Arab. חריןwar der geeignete Kandidat und kam dem Charakter des Charon mit der Konnotation „Angst, Sorge“ viel näher. Dem entsprach dann wiederum samisch kaarid, das eine ähnliche Konnotation aufwies. Somit konnte der Name des Charon auf sein Gemüt, seine Tätigkeit und sein Gefährt Aufschluss geben. Jeder Aspekt des Mythos war somit im Namen selbst verbaut, der mit Hilfe des Göthischen und auch des Samischen dechiffriert werden konnte. Die komplizierte etymologische Verflechtung des Namens Charon und der herangezogenen Wörter ist ein Beispiel für Rudbecks multilaterale Etymologien. Zusammenfassend lässt sich dies wie folgt verkürzt darstellen¹⁷⁰: a) göth. kar „(grimmiger, finstrer) Mann“ ~ aisl. Karls husi, gr. καρ b) göth. kar Boot, Fähre„ ~ aisl. karfi, arab. כריבlat. carina, frz. carene usw. → göth. karfa (< hebr. / aram. כהא/ )כרה ~ englisch / altskythisch. carver, gr. καράσσειν, sam. kaarvid, frz caraffe c) göth. Kara ~ arab. גרר, engl. carry usw. d) arab. חרין ~ sam. kaarid Derlei multilaterale Etymologien, die sich nicht nur des Göthischen, sondern insbesondere des Samischen zur Erhellung bedienen, sind in großem Umfang für das versprochene Anhängsel Hebraeiska Lapen zu erwarten. Zugleich deutet sich bereits an, was ich auch im Folgenden mit dem Terminus multiple Etymologie bezeichnen möchte. Alle wichtigen Kennzeichen des Mythos bündelten sich in der Etymologie des Namens selbst. Diese Etymologie bestand jedoch aus mehreren Wörtern, die auf das Wesen, die Tätigkeit und das Gefährt des Charon Hinweise gaben. Bei der Auswahl dieser Kognaten fällt die starke Präsenz des Hebräischen, Aramäischen und Arabi Freie Übersetzung von Laponia Illustrata, Seite 28: Blifwer altså Charon, effter indragne ordeskiäl / en färjare eller färjekar. Von hier an benutze ich das Symbol ~, wenn Rudbeck eine Analogie andeutet. Wenn ich von einem diachronen Verhältnis in Rudbecks Argumentation ausgehe, etwa einer deverbalen Ableitung, benutze ich einen Pfeil. In den meisten Fällen ist diese Unterscheidung jedoch redundant.
2.1 Die gedruckten sprachtheoretischen Werke Rudbecks
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schen einerseits, und die des Schwedischen / Göthischen und Samischen andererseits auf. Der Mythos erfuhr somit nicht nur eine nordische Umdeutung, sondern bekam eine tiefere Dimension durch die Anbindung an die biblischen Sprachen. Der Mythos des Charon bleibt im Fokus der Betrachtung. Die folgenden Seiten widmen sich einem höchst interessanten Exkurs, der die nordifizierende Umdeutung in noch höherem Grade vollführt¹⁷¹. Charon war nicht nur dem Namen nach nordisch. Bereits die Geographie Skandinaviens lieferte einen Anhaltspunkt auf die Entstehung des Mythos. Die Ostsee, das verbindende Glied der Provinzen des schwedischen Großreiches, zeichnete in Form der Küstenlinien das umgekehrte Abbild Charons nach. Sein geneigter Kopf lag zwischen Schonen und Seeland, der linke Arm bildete den Skagerrak. Sein linkes Bein machte den Botten aus, sodass er mit beiden Beinen die finnische Halbinsel umschloss. Sein Ruderstab schließlich zeigte genau auf die Insel Åland. Diese Art der Geographie konnte bereits zu Rudbecks Zeiten auf eine gewisse Tradition zurückgreifen. Sie konnte hier ihre Berechtigung aber zusätzlich durch die Etymologie finden. So fand denn Rudbeck den Schädel des Charon, schw. skallen, in der Stadt Kallenborg. Seine Augen, ögonen, waren verbal in Egholm und Ögsiö verbaut. Rudbeck gibt gleich mehrere solche Etymologien. Hieran sehen wir deutlich, dass er das Prinzip des etymologisierten Raumes bereits früh anwendet. Wie oben gezeigt wurde, konnte es seine Berechtigung beim Vater finden. Bemerkenswerterweise, vielleicht ebenfalls von diesem angeregt, erscheint eine erste finnischungarische Wortgleichung. Laba am Ladogasee inkorporierte ein Wort lab, das angeblich im Finnischen und im Ungarischen „Fuß“ bedeutete. Tatsächlich zeigt nur das Ungarische mit láb ein entsprechendes Wort. Die nächsten Seiten schließlich bemühen sich um die Etymologie der danake, der Münzen im Munde der Toten¹⁷². Da doch die Griechen selbst dieses Wort für barbarischen Ursprungs erachtet hatten, konnte man es vielleicht zu persischem dank und russischem dennig stellen. Bei Letzterem handelt es sich wohl um den Singular des russischen Wortes für „Geld“, деньги. Doch für Rudbeck erschien naturgemäß eine Anknüpfung an das Göthische viel wahrscheinlicher. Die Danake bezeichnete die enge Seestraße, die „Öffnung“ ins Baltikum. Das göthische Wort war nämlich zusammengesetzt aus einem Vorderglied dan, älter þan, einem Wort für „Weg“, und einem Hinterglied ake „Vergrößerung“, das zum Verbum auka „vergrößern“ (schw. öka gehörte). Bei den Samen war zudem die Bedeutung „Wucher, Gewinn, Nutzen“ belegt, was dem Wesen Charons natürlich nahekam. Schon hier zeigt sich Rudbecks Hang zur Auftrennung eines Wortes in zwei oder mehr Kompositionsglieder, die dann wiederum eine Vielzahl etymologischer Verflechtungen aufweisen konnten. So verglich sich das Vorderglied þan dann auch mit türkischem zuna. Es ist nicht klar, auf welches türkische Wort sich Rudbeck hier bezogen haben könnte. Auch die Sprachen der östlichen Teile des schwedischen Reiches spielten eine Rolle, wo man
Laponia Illustrata, Seite 32 ff. Laponia Illustrata, Seite 48 ff.
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2 Rudbecks sprachtheoretische Werke
mit finnisch tien und estnisch tehn geeignete Kognaten vorfand, vgl. fi. tie „Weg“. Das Wort þan selbst leitete sich vom Verbum þäna „ausstrecken“ ab und entsprach dabei auch finnischem tähän, womit Rudbeck gewiss den Illativ von täma meint, also „bis hierher“, aber auch altenglisch tängde „he went, hasted, rushed“ band sich ausgezeichnet an. Im weiteren Verlauf werden sogar sämtliche einzelsprachliche Bezeichnung für „tanzen“, etwa samisches danzid und englisches to dance, von derselben „Wurzel“ abgeleitet. Das zweite Glied des Kompositums, ake, wird dann noch zu verschiedenen Bezeichnungen für „Auge“ gestellt. An erster Stelle musste hier schwedisch öga selbst genannt werden, dann aber etwa auch isländisch auga und deutsch aug, einige romanische Kognaten und letztlich das entsprechende hebräische, aramäische und arabische Wort ( עיןvgl. arab. ﻋﻴﻦʕajn „Auge“). Davon abgeleitet erscheint bei Rudbeck dann wiederum fi. aukena mit der Bedeutung „öffnen“. Die semantische Verbindung von „öffnen“ und „Auge“ lag auf der Hand. Um das Bild gänzlich zu verwirren, wird danake zuletzt dann als Ganzes an slawisches zenica, das im Schwedischen mit ögnesten „Blick aus Stein“ übersetzt werden musste, gestellt. Auch arabisches דנק, für das Rudbeck die Bedeutung „Öffnung, Hals“ angibt, verwies als Ganzes auf die von Rudbeck elaborierte Semantik der Danake. Diese war für Rudbeck also die „wägökning“, die „Wegöffnung“ und somit die Meerenge zur Ostsee. Die semantische Trias „Vergrößerung – Auge – Öffnung“ schien zudem durch Ortsnamen wie Eagholm bzw. Ögholm gestützt. Auch bei der Erklärung des Wortes danake handelt es sich also um eine multiple Etymologie: a) ~ pers. dank, ru. dennig? b) (göth.) dan < þan „Weg“ + ake „Vergrößerung“ þan ~ fi. tien „Weg“ ake~ schw. öga „Auge“, hebr. / aram. / arab. „ עיןAuge“ ~ fi. aukena „öffnen“ ~ slawisch zenica „Blick aus Stein“, arab. „ דנקHals, Öffnung“) Den letzten Teil des Textes nimmt die Ornithologie ein¹⁷³. Rudbeck beschreibt ausführlich drei in Lappland heimische Vögel, den Wendehals, den Kuckuck und den Kreuzschnabel. Rudbeck gibt hier vor allem eine naturwissenschaftliche Beschreibung der entsprechenden Vögel. Zwar kommt er auch auf deren Namen zu sprechen, doch liegt das Benennungsmotiv für ihn auf der Hand. Der Wendehals, Göktyda, erhielt seinen Namen durch seine Eigenschaft, den Hals auf eine bestimmte Art zu drehen. Rudbeck findet dafür zahlreiche einzelsprachliche Beispiele, etwa lateinisch torquilla oder niederländisch draeyhals. Auch der Kuckuck, Göken, bezog seine Bezeichnung direkt aus seiner Beschaffenheit, in diesem Fall der onomatopoetischen
Laponia Illustrata, Seite 65 ff.
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Wiedergabe seines Rufes. Ähnliches gilt für den Kreuzschnabel, Kegelrisare. Nur liegt hier ein morphologisches Benennungsmotiv vor. Es ist eine Ironie des Schicksals, dass der einzige erhaltene Teil der Laponia Illustrata über die Beschreibung Upplands, also der Ausgangsprovinz der Reise, nicht hinausgeht. Abschließend lässt sich sagen, dass der erste Teil noch das Format eines Reiseberichts hat. Beschrieben werden an erster Stelle Flora und Fauna Lapplands. Gerade die botanischen und ornithologischen Exkurse lassen Rudbecks Interessenschwerpunkt zu dieser Zeit erkennen. Der Exkurs über die Etymologie Charons ist noch deutlich an die Methodik seines Vaters angelehnt und fällt eher in die Domäne der Mythenexegese als der Sprachtheorie. Ähnlich wie bei Rudbeck dem Älteren ist Etymologie hier selbsterklärend und sprachliches Material wird dafür instrumentalisiert. Allerdings ist zu bemerken, dass bereits in nicht unerheblichem Umfang Material aus den semitischen Sprachen herangezogen wird. Die Lapplandreise war nicht nur die Grundlage der Laponia Illustrata ¹⁷⁴. Im Jahre 1695 entstand das Iter Lapponicum, eine handschriftliche Sammlung kolorierter Zeichnungen, die sich mit dem Campus Elysii beider Rudbeck vergleichen lässt. Da es sich um eine rein naturwissenschaftliche Arbeit handelt, ist sie als solche nicht von Interesse. Es ist hingegen eine glückliche Fügung, dass uns ein Tagebuch zur Reise vorliegt¹⁷⁵. Dieses ist zwar unvollständig und wohl auch nicht vollständig von Rudbeck selbst geschrieben, aber es lässt uns den groben Verlauf der Reise erkennen. Auch äußert Rudbeck durchaus seine Gedanken zur Herkunft der Samen und ihrer Sprache, was das Dokument für uns interessant werden lässt. Die Expedition hatte Uppsala am 22. Mai 1695 verlassen. Die Darstellungen in der Laponia Illustrata endeten mit dem Verlassen Upplands. Offenbar war man bereits im Juni im Norrbotten angekommen, wo man dessen Hauptorte Piteå und Luleå besuchte. Auch Torneå im finnischen Teil Lapplands wird genannt. Die letzte Station der Reise war die Stadt Turku in Finnland. Der Reisebereicht ist für uns deshalb von Belang, da auch in ihm neben naturwissenschaftlichen und landeskundlichen Bemerkungen etymologische Spekulationen angestellt werden. Auf Seite 31 des Textes stellt Rudbeck einen interessanten Vergleich auf. Man befand sich gerade in Västerbotten¹⁷⁶. Das dort verzehrte tunnbröd, auch heute noch eine bekannte schwedische Spezialität, fand seine Parallele in Ägypten und Persien, wo bekanntermaßen Fladenbrote gegessen wurden. Dies ist eine interessante, frühe Anknüpfung an den Vorderen Orient. Diese Stelle ist deshalb von Belang, weil Rudbeck rund 30 Jahre später im Brief an Törner argumentiert, dass die Finnen, Samen und Esten, die er mit den Zehn Verlorenen Stämmen identifiziert,
Im Jahre 1987 herausgegeben als Iter Lapponicum: skissboken från resan till Lappland 1695. Eine Einordnung des Werkes nimmt Anfält (1987) im Kommentarteil vor. Herausgegeben im Kommentarteil zum Iter Lapponicum. Näheres zum Umfang des Berichtes und dessen genaue Strukturierung findet sich bei von Sydow (1987) im Kommentarteil zum Iter Lapponicum. Kurz zum Tagebuch auch Anttila (2014: 222 ff.). „Dagboken“, Seite 31.
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sprachliche Spuren ihres Exils in Persien mitgebracht hatten. War das Tunnbröd eine solche kulturelle Eigenheit, die durch den Kontakt mit den Persern zustande gekommen war? In der Tradition der Mythenexegese seines Vaters stehend, fragt er sich auch, ob nicht der Ortsname Piteå vom griechischen Entdecker Pytheas stammen könnte, doch führt er dies nicht weiter aus¹⁷⁷. Zu vielen anderen Toponymen findet Rudbeck Etymologien, die jedoch wie bei Piteå, zumeist deutlich an diejenigen seines Vaters erinnern, da sie die Topoi der klassischen Antike bedienen. Aber auch Zoologie und Botanik werden oft mit Etymologie vermischt, etwa beim Namen der Lule lappmark. So ist die Beobachtung der Perlfische in Lappland wohl Anlass, das persische Wort für „Perle“, lulu, in diesem Namen zu finden, denn die Perser und alten Schweden hatten schließlich die gleiche Sprache gesprochen¹⁷⁸. Das persische Wort ist jedoch selbst ein Lehnwort aus arabisch „ ﻟﻮﻟﻮPerle“. Aufschlussreich ist jedenfalls der erneute Bezug zum Persischen. Dass hier nun das Persische zum Schwedischen gestellt wird, beweist, dass Rudbecks Konzept der Sprachtheorie noch nicht vollends elaboriert war. Offenbar wurden das Samische und Finnische noch gar nicht als eigenständige Sprachen begriffen, sondern eher als Varianten des Göthischen. Denn auch der Fluss Emmagoski (fi. Emäkoski) findet eine bemerkenswerte Deutung. Rudbeck stellt ihn als Kompositum zu schw. gå und ski „cito, hastigt“. Der Fluss war also derjenige, der „schnell geht“¹⁷⁹. Auch der Name der Lappar, der Samen also, war somit natürlich göthisch¹⁸⁰. Er fand noch keine hebräische Etymologie, sondern gehörte zu schw. löpa („laufen“). Die Samen als Tanzmeister waren schließlich für ihre schönen Beine und nackten Füße bekannt. Scheffers Einwand, das schwedische Wort weise im Vergleich zum Namen keine Geminate, also Doppelkonsonanz, auf, lässt Rudbeck nicht gelten. Schließlich gab es doch klar zusammenhängende Wortpaare, wie sluta und slott („schließen“ und „Schloss“), skiuta und skott („schießen“ und „Schuss“), und drypa und dropp („triefen“ und „Tropfen“). Es ist bemerkenswert, dass Rudbeck diese für ihn als Muttersprachler intuitiven Analogien heranzieht. Es zeigt, dass er als sprachaffiner Mensch das Verhältnis von Derivaten zu ihrer Basis durch Gemination erkannt hat¹⁸¹. Contra Scheffer widerspricht Rudbeck übrigens auch der Annahme, die Samen mussten aus Finnland eingewandert sein und somit von den Finnen abstammen¹⁸². Zuletzt ist dennoch die Stadt Åbo bzw. deren finnischer Name Turko (Turku) an der Reihe¹⁸³. Der Name ließ sich leicht mit der vorderasiatischen Herkunft der Finnen verbinden. Stammten diese aus dem Gebiet der Türkei, so war die Herkunft des Na-
„Dagboken“, Seite 32. „Dagboken“, Seite 48. „Dagboken“, Seite 39. „Dagboken“, Seite 53. An dieser Stelle sei auf die Untersuchung von Kroonen (2011) verwiesen, der den vermeintlich lautmalerischen Geminaten im Germanischen auf den Grund geht. „Dagboken“, Seite 51 ff. „Dagboken“, Seite 59.
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mens leicht ersichtlich. Hier deutet sich schon an, was Rudbeck später dann im Brief an Törner ausführt. Ortsnamen in Finnland und Lappland waren analog zu den jeweiligen Ortsnamen im Herkunftsland, in diesem Fall der Türkei, gebildet worden. Die Raumnahme durch Etymologien waren also bereits früh Bestandteil seines methodischen Repertoires. Die Laponia Illustrata darf zu Recht als Auftakt der sprachtheoretischen Periode Rudbecks des Jüngeren angesehen werden. Zögerlich werden die ersten etymologischen Vergleiche als Untermauerung der Argumentation bemüht. Die Mythenexegese spielt allerdings die Hauptrolle und bewegt sich (noch) klar im väterlichen Paradigma. Der Topos des Charonmythos ist par excellence rudbeckianisch. Der Mythos selbst manifestierte sich in der Geographie des Ostseeraumes. Zugleich fiel er noch in den Bereich der klassischen Antike, ein ebenfalls vom Vater vorgegebener Fokus. Klar wird auch, dass Rudbeck der Jüngere das Problem der Stellung der Sami innerhalb des vorgegebenen Paradigmas sah. Wie konnte deren augenfällige Wildheit, aber eben auch die offensichtliche Altertümlichkeit, mit der postulierten Primordialität der Schweden des Gotizismus, insbesondere aber des Rudbeckianismus, versöhnt werden? Es sollte weitere 26 Jahre dauern, bis Rudbeck sie zusammen mit den Finnen und Esten eindeutig als Nachfahren der Zehn Verlorenen Stämme Israels identifiziert. Doch bereits hier wird durch den vielversprechenden Untertitel Lapo Hebraizans eine mögliche Verbindung impliziert. Auch das Vorwort Norrmans mit der aufgeworfenen Frage, ob die Sami nicht von eben jenen abstammten, ist nur verständlich, wenn Rudbeck der Jüngere selbst diese Möglichkeit bereits in Betracht zog. Auch die im Reisebericht aufgenommene Analogie zwischen der Stadt Luleå und dem persischen Wort lulu für die Perle spricht jedenfalls für eine frühe Beschäftigung mit dieser Thematik. Später, im Brief an Törner von 1727, wird Rudbeck zur Untermauerung seiner Idee ja gerade die persischen Elemente bemühen, die die Zehn Verlorenen Stämme auf ihrer Reise aus dem babylonischen Exil mitgebracht hatten. Dass Rudbeck der Jüngere offenbar noch zögerte, ist verständlich, plädierte sein Vater doch für die Herleitung der finnougrischen Bevölkerung aus den Nachkommen Mesechs, Jafets sechstem Sohn. Diese Erklärung war nicht ohne Reiz, denn sie konnte diesen doch eine im Vergleich zu anderen Völkern privilegierte, aber im Vergleich zu den Schweden untergeordnete Rolle zuweisen. Allerdings bleibt auch Rudbeck der Ältere vage, was die Formulierung dieser Idee und die Behandlung der Problematik schlechthin angeht. Es darf also angenommen werden, dass das gesamte Werk entstanden ist, um sich eben dieses Problems anzunehmen. So sollte doch zumindest eine Anbindung des Samischen zum Hebräischen schon auf das Alter der Samen hinweisen, ohne jedoch explizit eine konkrete Herleitung geltend zu machen. Rudbeck der Jüngere beschränkte sich somit zuerst auf den sprachlichen Vergleich mit dem Hebräischen, ohne unmittelbar einen Gegenentwurf zum väterlichen Paradigma zu bieten. Denn auch die Nachkommen Mesechs hätten wohl Hebräisch gesprochen. Es ist eine gewisse Ironie, dass die Verbindung des Samischen zum Hebräischen noch vor jeglicher schwedisch-hebräischer Etymologie bemüht wurde. War das Sprachverständnis Rudbecks des Jüngeren noch weniger orthodox als es sich uns
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später darstellt? Für den Vater war das Hebräische kaum von Belang gewesen. Eine enge Anbindung an das Hebräische musste für das Schwedische entsprechend nicht geltend gemacht werden, hatte sich das Hebräische doch nach Babylon wie alle anderen Sprachen durch „Handel und Wandel“ verändert. Das Schwedische selbst gehörte doch bereits zu den drei Hauptsprachen. Vielleicht ist dies der Grund, warum eine andere, untergeordnete Sprache im schwedischen Einflussgebiet direkt zum Hebräischen gestellt wird. Rudbeck der Jüngere will die vielleicht schon angenommene nahe Verwandtschaft des Schwedischen zum Hebräischen zu diesem Zeitpunkt noch nicht äußern, denn dies widerspräche in gewisser Weise dem Status als Hauptsprache. Weder die sprachtheoretischen Implikationen noch die extensive Mythenexegese dürfen darüber hinwegtäuschen, dass Rudbeck noch primär Botaniker war. Hauptmotivation für die Lapplandreise war ein naturwissenschaftliches Interesse. Dies wird sowohl in der Laponia Illustrata als auch in den Tagebuchaufzeichnungen deutlich, denn zu einem großen Teil wird die Flora und Fauna deskriptiv dargestellt. Dennoch zeigt sich ein Wechsel in der Ausrichtung Rudbecks des Jüngeren, die in zunehmendem Maße die Etymologie nicht nur als Werkzeug bemüht. Unter der Signatur E 150a befindet sich in der UUB übrigens eine anonyme, fünfseitige Handschrift, die sich kritisch mit einigen Etymologien der Laponia Illustrata auseinandersetzt. So bezweifelt der anonyme Verfasser zuerst Rudbecks Übersetzung des arabischen כריב, das er ja mit der Bedeutung „Boot“ im Namen des Charons verbaut sieht¹⁸⁴. Es muss leider unklar bleiben, wer diese Handschrift verfasst hat, doch sie zeigt, dass Rudbecks Thesen lebhaft diskutiert wurden.
2.1.2 Der Fasciculus Vocum Lapo-Hebraicarum Dieser Brief an den Mathematiker John Wallis ist deshalb von hohem Wert, da ihm ein Fasciculus von 199 samisch-hebräischen Wortgleichungen angefügt ist. Im Folgenden nutze ich für den Brief den Kurztitel Fasciculus. Im Anschreiben verweist Rudbeck auf Johan Schult, der als Kontaktperson fungierte. Dieser hatte ja im Jahr zuvor auf seiner Englandreise bereits Rudbecks in der Laponia Illustrata dargestellte Theorie zur Verwandtschaft des Samischen mit dem Hebräischen der jüdischen Gemeinde Londons vorgestellt¹⁸⁵. In dieser Zeit muss auch der Kontakt zu John Wallis zustande gekommen sein. Offenbar hatte Wallis Interesse an dieser Theorie Rudbecks gezeigt. Rudbeck unternahm es gerne, ihm seine Theorie vorzustellen.War nicht eine Sprache, die nicht nur eine Vielzahl an lexikalischen Übereinstimmungen im Bereich der „literae“ und „significatio“ mit dem Hebräischen zeigte, aber etwa auch dieselben Derivationen, Komposita, Prä- und Suffixe aufwies, als dessen „soror vel consobrina“ zu begrü-
E 150a, Seite 1. Vgl. Schoeps (1952: 189 – 195).
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ßen¹⁸⁶? Dies traf insbesondere für das Schwedische zu, „cujus ea est copia“¹⁸⁷. Doch auch das Samische, dessen Verwandtschaft zum Finnischen für Rudbeck hier schon feststand, zeigte eine Vielzahl an Übereinstimmungen mit dem Hebräischen, wie Rudbeck im Folgenden zeigen sollte. Auffällig ist im Schreiben, dass Rudbeck durchaus mögliche Übereinstimmungen aus der Domäne der Morphologie als Beweis für eine Verwandtschaft mit dem Hebräischen gelten lässt. Die sich anschließenden Wortgleichungen sind so aufgebaut, dass einem samischen Wort mit naturgemäß uneinheitlicher, nicht standardisierter Orthografie zuerst dessen lateinische Übersetzung und dann das in Bezug stehende hebräische Wort nachgestellt wird. So wird etwa einem samischen nisum mit der lat. Bedeutung „mulier, uxor“ der hebr. Plural נסים, also „Frauen“, gegenübergestellt¹⁸⁸. Rudbeck schreibt das Wort hier fälschlicherweise mit dem Buchstaben Samech (vgl. hebr. )נשׂים¹⁸⁹. In seltenen Fällen wird in Ermangelung einer Etymologie im Hebräischen auch ein arabisches, syrisches oder „chaldäisches“, d. h. aramäisches, Lexem substituiert. Hier verfährt Rudbeck also so, wie er es selbst im sechsten Paragraphen seiner Methodologie zu Anfang seines Specimen formulieren sollte. Das Samische wird in der Regel nicht näher qualifiziert. Es muss vermutet werden, dass Rudbeck sich hier auf das Manuale Lapponicum des Johannes J. Tornaeus von 1648 beruft, allerdings gibt es keine Quellenangabe, die dies bestätigt. In dem Falle würde es sich um Material aus der Mundart des Tornio-Tales handeln¹⁹⁰. Bisweilen unterscheidet er zwischen dem Lulesamischen und dem Tornesamischen, womit das Südgebirgssamische gemeint sein dürfte¹⁹¹. Die Liste folgt keinem erkennbaren Einteilungsprinzip. Weder ist sie alphabetisch nach den samischen oder hebräischen Kognaten geordnet, noch gibt es semantisch kohärente Wortfelder. Hier soll nun eine Auswahl interessanter Beispiele besprochen werden¹⁹². 1. sam. avohi „delectatus, gavisus fuit, desideravit“: hebr. אוה Der hebräische Eintrag gibt die Wurzelradikale ʔ-w-h des hebräischen Verbums für „begehren“ wieder. Die samische Form scheint eine Ableitung des unter Punkt 2 aufgeführten Wortes avoh „gaudium, voluptas, desiderium, honos“ zu sein. Die nordsamische Entsprechung dieses Wortes dürfte wohl ávvu „Freude“ in heutiger Orthografie sein.
Fasciculus, Seite 2 f. Fasciculus, Seite 3. Fasciculus, Seite 5. In solchen Fällen scheint es mir angebracht, dennoch immer die rudbecksche Form zu zitieren, da er an anderen Stellen offenbar bewusst in die Orthografie eingreift. Allerdings kann die bisweilen unetymologische Orthografie natürlich auch durch Rudbecks Quellen vorgegeben sein. Vgl. Décsy (1965: 91) zur Sprache des Manuale Lapponicum. Zu den samischen Dialekten in Norwegen, Schweden und Finnland Décsy (1965:85 ff.). Wiklund (1915) stellt in seinem Lehrbuch die grammatischen Besonderheiten des Lulesamischen dar. Fasciculus, Seite 5−10.
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5. sam. zouhi „splenduit, luxit“: arab. ציה Arabische Kognaten werden stets mit dem hebräischen Alphabet wiedergegeben. Da dieses aber für die Bandbreite an distinktiven Konsonanten des Arabischen ungeeignet ist, man denke etwa an die emphatischen Laute, bereitet die Übertragung einige Mühe. Hier könnte vielleicht eine Verbindung zu arabisch ﻀﻮﺀḍawʔ „Licht“ in Betracht kommen, wenn der hebräische Buchstabe צemphatisches ḍ des Arabischen wiedergibt, das dem Hebräischen selbst fehlt. Allerding bliebe der Auslaut weiterhin unpassend. Aufgrund des Vokalismus bietet sich deshalb vielmehr arab. ﺿﻴﺎﺀ ِ ḍiyāʔ „Leuchten, Helligkeit“ an. 41. sam. sæk „saccus“: hebr. שק Diese Etymologie scheint mir eindeutig durch den Vater motiviert zu sein, der ja im ersten Band der Atlantica schwedisch säck zu griechischem saccos und eben hebräischem sak gestellt hatte. Dass das Schwedische von Rudbeck dem Jüngeren hier nicht erwähnt wird, ist jedoch bemerkenswert. In der Tat wird das deutsche Wort Sack und seine Verwandten über griechische Vermittlung aus einer semitischen Sprache hergeleitet. Hierbei handelt es sich, wie der Kluge weiß, aber um assyrisches šaqqu ¹⁹³. Samisches sæk dürfte wohl ein schwedisches Lehnwort sein. 51. sam. æma „mulier“: hebr. אם Rudbecks semantisches Konzept wird deutlich, wenn er sein samisches Wort für „Frau“, æma, zu hebräisch אם, also dem Wort für „Mutter“, stellt. Im Nordsamischen heißt „Mutter“ eadni, das Wort für „Frau“ lautet jedoch eamit, was an die von Rudbeck zitierte Form erinnert. Hatte er willkürlich in die Gestalt des Wortes eingegriffen? 70. sam. raudne „fluvius“: aram. / syr. רדיאן Das samische Wort für „fließendes Wasser“ wird an eine chaldäische und syrische Wortform רדיאןangeschlossen. Diese gehört zu einer semitischen Wurzel r-d-j für „laufen, eilen“. Seine Vorstellung vom etymologisierten Raum wird abermals deutlich, wenn er fragt: „Num hinc Rhodanus, Rhenus?“. Waren der Rhein und die Rhône ebenfalls von dieser Wurzel abgeleitet? Wahrscheinlich ist Rudbeck eher davon ausgegangen, dass die Bezeichnung des Flusses von den Bewohnern des Nordens stammt. 73. sam. sara „princeps, dux, dominus“: hebr. שר Bei der hebräischen Entsprechung handelt es sich um das Wort śar „Fürst“. Neben diese stellt Rudbeck noch englisches ser, das wohl engl. sir entspricht, außerdem ein gallisches bzw. französisches sire und ein russisches zar. Dabei ist zu beachten, dass englisch sir und frz. sire in der Tat in einem Entlehnungsverhältnis zu einander stehen. Letzteres wurde ins Englische entlehnt, geht seinerseits jedoch über das Vulgärlatein
Kluge / Seebold (1989: 612).
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auf lat. senior zurück (vgl. span señor). Russisch царь car’ ist, wie auch altkirchenslawisch цѣсарь cĕsarь zeigt, ein indirekter Fortsetzer des Titels Caesārius. 79. sam. sjokki / jocki „divisus, partitus est“: arab. שקק Bisweilen wird das Arabische oder auch Aramäische herangezogen, wenn eine geeignete Form im Hebräischen fehlt. Die Anwendung des Arabischen als Hilfssprache war ja eine etablierte europäische Methodik. Die Schwierigkeit besteht bei Rudbeck, dass er dieses, entgegen der ihm vorliegenden Wörterbücher, stets mit hebräischen Buchstaben wiedergibt und auch nicht immer eine Transkription vornimmt. Gemeint ist hier sicherlich das arabische Verb ﺸﻖšaqqa „spaltet“. 90. sam. Sialha / Schialka: hebr. שלה Ausnahmsweise wird hier nun ein Toponym behandelt. Im Gebiet des Lulesamischen fand sich ein See mit dem Namen Sialha bzw. Schialka. Rudbeck etymologisiert diesen Eigennamen, indem er ihn an ein hebräisches Hydronym שלהanschließt, das einen See oder einen Fluss in der Nähe von Jerusalem bezeichnete. Rudbeck scheint wohl die Herkunft der Samen aus diesem Gebiet zu implizieren, wie sonst wäre ein gleichlautender Eigenname im vorderen Orient und in Lappland zu erklären. Zugleich werden dieselben Wurzelradikale des hebräischen Namens in der sich anschließenden Etymologie herangezogen, um das samische Verb für „fließen“, schalhi bzw. schalhui, zu erklären. 109. sam. puozeh / puoze „pedibus contractus“: hebr. פסח Die entsprechende Semantik des hebräischen Wortes wird hier ausnahmsweise durch eine Bibelstelle aus dem zweiten Buch Samuel 9, 13 zu erweisen versucht¹⁹⁴: אֵ֑כל ְו֥הוּא ִפּ ֵ֖סּ ַח ְשׁ ֵ֥תּי ַר ְג ָֽליו׃ ֹ ב ֶשׁת י ֹ ֵשׁ֙ב ִבּי ֣רוּ ָשׁ ִַ֔לם ִ֣כּי ַעל־ ֻשְׁל ַ֥חן ַה ֶ֛מֶּלְך ָתּ ִ ֖מיד ֣הוּא ֹ֗ וְּמִפי Mefi-Boschet aber wohnte hinfort in Jerusalem, denn er aß täglich an des Königs Tisch. Und er war lahm an seinen beiden Füßen.
Dies ist ein erster Indikator auf die Bibelexegese, die in Zukunft die Mythenexegese weitgehend ablösen soll. Nicht das hebräische Wort für „Fuß“ wird also zum samischen Wort gestellt, sondern das Adjektiv „lahm“. 134. stago „jugum“: aram. זוג Unsere letzte Etymologie ist aus indogermanistischer Sicht interessant. Rudbecks samischem Wort für „Joch“ wird nicht nur aramäisches זוג, sondern auch griechisches ζύγος gegenübergestellt. Die falsche Akzentuierung des eigentlich belegten ζυγός, Wenn an dieser Stelle und im Folgenden Bibelzitate von mir gebracht werden, stützte ich mich auf die Biblia Hebraica Stuttgartensia und gebe den entsprechenden deutschen Text Lutherbibel von 1984 als Übersetzung an. Die von Rudbeck behandelten Wörter werden der Deutlichkeit halber durch Fettdruck markiert.
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bzw. häufiger ζυγόν, zeigt, dass, wie Annie Burman bei Rudbeck dem Älteren feststellt, auch Rudbeck der Jüngere kein Experte im Griechischen war¹⁹⁵. Das anlautende ζ ist jedenfalls ein Alleinstellungsmerkmal des Griechischen. Die uridg. Rekonstruktion *i̯ug̑óm ergibt sich weiterhin durch lat. iugum, dt. Joch und ai. yugám. Ersteres führt Rudbeck ja selbst als Übersetzung an, sieht aber offenbar keinerlei Verbindung zum Griechischen. Dies könnte daran liegen, dass die von ihm zitierten Wörter alle einen Sibilanten im Anlaut aufwiesen, das Samische st-, das Aramäische ז, also stimmhaftes /z/, und das Griechische eben Zeta. Auch kam schwedisch ok „Joch“ aufgrund des vokalischen Anlautes für ihn sicher nicht in Frage. Die Anregung zu dieser Liste hat sicherlich die Lapplandreise geboten. Dass es sich dabei um den in der Laponia Illustrata angekündigten Lapo Hebraizans handelt oder um ein Abstrakt zu diesem Werk, könnte aus der anfänglichen Erklärung Rudbecks geltend gemacht werden. Wie schon bei der Laponia Illustrata ist auch hier bemerkenswert, dass es sich ausschließlich um samisches Wortmaterial handelt. Das Schwedische spielt kaum eine Rolle. Aber auch das Finnische wird schlicht ignoriert. Falls Rudbeck also wirklich die Samen schon als die Zehn Verlorenen Stämme betrachtet hat, so haben die Finnen wohl noch nicht in diese Gruppe gehört. Wie in all seinen Etymologien werden Arabisch und Aramäisch als Hilfssprachen herangezogen.
2.1.3 Die Ichthyologiae Biblicae Pars Prima Die Ichthyologia Biblica umfasst zwei Teile, einen ersten aus dem Jahre 1705 über den biblischen Vogel selav, und einen weiteren von 1722 über das hebräische Wort borith. Beide teilen strukturelle Merkmale. Die bibelexegetisch-etymologisierende Methodik, die auch den späteren, kleineren Veröffentlichungen zugrunde liegt, wird hier in zwei großen Monographien von 148 bzw. 162 Seiten angewandt. Das Göthische bzw. Schwedische ist nicht selbst Gegenstand der Untersuchung. Vielmehr nimmt es eine Schlüsselstellung zur Bibelexegese ein und erfüllt somit die gleiche Funktion wie die Mythenexegese Rudbecks des Älteren. Die Hauptthese des ersten Bandes¹⁹⁶, ist folgende. Die vermeintlichen „Wachteln“, mit welchen die śalvîm ( )שלויםin Num 11, 3 üblicherweise übersetzt werden, waren in Wirklichkeit „fliegende Fische“¹⁹⁷. Die Übersetzung dieser Stelle heißt etwa in der Lutherbibel von 1984:
Vgl. Burman (2017: 87) zu Rudbeck dem Älteren. Ichthyologiæ biblicæ pars prima, de ave selav, cujus mentio sit Numer. XI: 31. In qua contra cl. Bochartum & Ludolfum, non avem aliquam plumatam, nec Locustam fuisse, sed potius quoddam piscis genus, manifestis demonstratur argumentis. Additâ brevi, hebræam inter & antiquam gothicam lingvam, analogiâ, ex occasione vocum hebraicarum loc. cit. occurentium. Kurz zum Werk Agrell (1955: 120). Es liegt auch eine kurze, zeitgenössische Rezension in den Acta Eruditorum (1708: 204– 210) vor.
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ב֖ות ַֽה ַמֲּח ֶ֑נה וְּכַא ָמַּ֖תיִם ַעל־ ְפּ ֵ֥ני ֹ טשׁ ַעל־ ַֽה ַמֲּח ֶ֜נה ְכּ ֶ֧ד ֶרְך ֣י ֹום ֗ ֹכּה וְּכ ֶ֤ד ֶרְך י ֹו֙ם ֔ ֹכּה ְסִבי ֹ ֨ ּ ם ַו ִיּ ֒ ְו֜רוּ ַח ָנ ַ֣סע׀ ֵמ ֵ ֣את ְיה ָ֗וה ַו ָ֣יּ ָגז ַשְׂל ִוי֮ם ִמן־ַה ָיּ ָהָֽא ֶרץ׃ Da erhob sich ein Wind, vom HERRN gesandt, und ließ Wachteln kommen vom Meer und ließ sie auf das Lager fallen, eine Tagereise weit rings um das Lager, zwei Ellen hoch auf der Erde.
Dieser erste Teil richtet sich somit explizit gegen den deutschen Äthiopisten Hiob Ludolph (1624– 1704) und den französischen Orientalisten Samuel Bochart (1599 – 1667). Beide sind Vertreter zweier miteinander konkurrierender, bibelexegetischer Interpretationen des alttestamentarischen Wortes שלוbzw. dessen Plural שלוים. Samuel Bochart vertrat dabei in seinem Hierozoicon von 1663 − neben seiner Geographia sacra von 1646 sein bedeutsamstes Werk − die gängige Interpretation als „Wachteln“, wie sie etwa auch in der Vulgata angewandt wird. Ludolf hingegen ging von einer korrekten Interpretation als „Heuschrecken“ aus, wie er im Appendix Secunda zur Historia Aethiopica von 1681 dargelegt hatte. Durchgesetzt hat sich offensichtlich die erste Richtung¹⁹⁸. Als Vorbereitung auf die im Titel angekündigten hebräisch-göthischen Analogien fasst Rudbeck den Diskurs zusammen und führt neben fremdsprachlichen Übersetzungen der Bibelstelle auch Stellen aus den Targumim an¹⁹⁹. Rudbeck beruft sich somit explizit auf jüdische Quellen und zeigt seinen geübten Umgang mit bibelexegetischer Literatur. Die in der Vulgata vorkommende Übersetzung von Num 11,31 zeigte eine Interpretation des Wortes selav, die Rudbeck nicht teilen will. Um die wahre Bedeutung dieser Stelle herauszustellen, galt es vom hebräischen Text ausgehend nach geeigneten göthischen Kognaten zu suchen, die, so musste er annehmen, durch ihre enge Verwandtschaft zum Hebräischen auf die ursprüngliche Bedeutung hinwiesen. Auch im Titel wird dies durch die versprochenen hebräisch-göthischen Analogien schon angedeutet. Von Interesse sind hier nun die genauen etymologischen Verfahren, mit deren Hilfe Rudbeck seine Thesen zu beweisen sucht. So widmet Rudbeck sich bereits zu Beginn des Werkes den einzelnen Wörtern des hebräischen Originaltextes, um jedes Wort mit Hilfe des Göthischen zu untersuchen²⁰⁰.Wie auch in anderen Werken werden nicht nur göthische Kognaten herangezogen. Auch andere Sprachen, etwa das Samische oder slawische Sprachen, sollten die These untermauern. Hier kann naturgemäß nur eine Übersicht der wichtigsten Analogien erfolgen. „ רוחventus“ entsprach laut Rudbeck göth. raek, rok und rakin, welche von Guðmundur Andrésson in seinem Lexicon Islandicum mit der Bedeutung „ventum fortem, qualis borealis est“ übersetzt worden waren²⁰¹. Herangezogen wird ebenfalls uraeka „orcan“, das er jedoch aus Olof Verelius Index linguae veteris scytho-scandicae
Näheres zum zeitgenössischen Diskurs über die Salvim bei Harris (1824: 317 f.). Ichthyologiae Biblicae Pars Prima, Seite 1 ff. Ichthyologiae Biblicae Pars Prima, Seite 13 ff. Ichthyologiae Biblicae Pars Prima, Seite 13 f.
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von 1691 bezieht. Es war die Grundlage für das Wort orcan. Beide Lexika werden auch in seinen späteren Werken als Referenzquellen für das Göthische herangezogen, da das Isländische unter dem Göthischen zu subsummieren war. Auch das deutsche Verb riechen war semantisch und lautlich hierherzustellen. Somit schien die Interpretation „ventus“ der Vulgata durch das Göthische gestützt. „ נסעprocessus est“ wird von Rudbeck zu göthisch und deutsch unzog bzw. unþog gestellt²⁰². Auch das Deutsche war also als Ableger des Göthischen zu verstehen. Dieses Wort war zusammengesetzt aus göth. un und sog bzw. zog, welches von den Alten þog, also mit Thorn, geschrieben wurde und späterem toga „proficisci“ entsprach. Gemeint sein dürfte das deutsche Präteritum zu ziehen, das hier um eine Partikel un erweitert scheint, die laut Rudbeck eine Entsprechung im lettischen no hatte. Tatsächlich darf aus indogermanistischer Sicht nicht von einer Verwandtschaft ausgegangen werden. Das germanische Privativum un- entspricht vielmehr lat. in- und gr. ἀ-, die alle auf uridg. *n̥- zurückgehen. Rudbeck verweist hier im Übrigen auf eine Lautanalogie, die in der Form allerdings nicht vorkommt. Die deutsche Affrikata zentspricht nie schwedischem t-, wenn dieses aus altem þ- entstanden ist, vgl. isl. þakka zu schw. tacka, aber dt. danken.Vermutlich ist es das Verhältnis von ursprünglichem tzur Affrikata des Deutschen, das Rudbeck erkennt und analog überträgt, vgl. schw. tand zu dt. Zahn. „ מאתa cum“, dem (göth.) meuth und daraus kontrahiertes meth / mith entsprach, wird nicht nur zu Wulfila-göthischem mitaus, sondern auch zu deutsch mut und finnisch mnuth gestellt²⁰³. Das hebräische Wort selbst wird korrekt als Kompositum beschrieben, das ein „kontrahiertes“ Vorderglied ( מיןvgl. hebr. מןmin) und die Partikel אתenthielt. Rudbeck impliziert hier offensichtlich eine Verwandtschaft zu schw. med „mit“. Unklar bleibt jedoch, wie sich die Kognaten des Deutschen und Finnischen dort einreihen konnten. Der Name des Herrn, יהוהJehova, wird in einem längeren Traktat von fast vierzehn Seiten behandelt²⁰⁴. Die Behandlung des kabbalistisch aufgeladenen und im jüdischen Kontext tabuisierten Eigennamens darf wohl als Vorbereitung auf Rudbecks späteren Aufsatz über Schadai und Metatron interpretiert werden. In Betracht gezogen wird auf Seite 23 etwa der Bezug zur hebräischen Kopula „ הוהfuit“, der göthisches hua entsprach. Diese Form scheint eine Art Rekonstruktion, ausgehend vom schwedischen Präteritum var „war“, zu sein, wenn er weiter unten selbst u. a. auf deutsches war verweist. Auch die finnische Bezeichnung Ju-mala wird herangezogen, die sich allerdings nur auf das anlautende Jod bezieht, das eine Art Partikel war. Im Gegensatz zu den übrigen Analogien wird hier nämlich gemäß kabbalistischer
Ichthyologiae Biblicae Pars Prima, Seite 14. Ichthyologiae Biblicae Pars Prima, Seite 14. Ichthyologiae Biblicae Pars Prima, Seite 14 ff.
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Methodik jeder Buchstabe des Namens etymologisiert. Hierauf werde ich im dritten Teil des Buches eingehen. Jedenfalls erinnert diese Methodik, die eine Synthese zwischen Kabbalistik und Gotizismus darstellt, stark an Bureus. Dies ist vor allem auf Seite 28 der Fall, wo Rudbeck den Namen Javo / Jova anführt, den die „Alten“ mit Runen geschrieben ᛁᛆᚢᚯ hatten. Die Runen konnten somit durchaus mit den hebräischen Lettern konkurrieren. &„ ויגזabripuit“ und bei anderen „transire fecit“, „volare fecit“ oder „transtulit“ beinhaltete die „Wurzel“ „ גזceleriter“²⁰⁵. Letztere verbindet er mit göth. kuiz / kuiza bwz. runisch-göthisch kuist / kuista „vellere, averruncare“, welche er abermals von Andrésson bezieht. שלוים, das Wort um das es eigentlich geht, findet zahlreiche göthische und verwandte Kognaten, die allesamt einen „Fisch“ bezeichnen oder diesem semantisch nahestehen²⁰⁶. An erster Stelle wird göth. slov angeführt, das „pisces minores gregatim & magna multitudine confluentes“ bezeichnete. An zweiter Stelle wird ein runischgöthisches slour oder slor „piscium sordes“ herangezogen. Darauf folgen viele weitere Kognaten, etwa finnisch suolet oder auch estnisch sohla „harengus“. Hier wird also bereits die Brücke zum nordischen Hering geschlagen, die später wiederaufgenommen wird. Zuletzt werden vor allem finnougrische Entsprechungen behandelt, wobei zu samischem cuelle „piscator“ auch westindisches challua gestellt wird, das „piscibus“ bezeichnete. Rudbeck verweist an dieser Stelle auf de Laet, wohl auf dessen Werk Nieuwe Wereldt ofte beschrijvinghe van West-Indien von 1625. Danach führt er im Zusammenhang mit dem Westindischen aus²⁰⁷: Quod autem Finni, Esthones, Lapones, Indorum nonnulli &c. שsive sch. vel. s. per c vel ch sæpe eloquantur, fuse. suo demonstrabo loco; heic unum saltem vel alterum adferendo exemplum.
Bemerkenswert ist hier die Trias aus den Finnen, Esten und Samen, deren Sprache dann das Westindische, also eine amerikanische Sprache, zugeordnet wird. Es wäre denkbar, dass dies hierbei im Zusammenhang mit dem möglichweise erst im Entstehen begriffenen Traktat steht, doch werden hier, wie ich an anderer Stelle gezeigt habe, die Finnen, Esten und Samen ja gerade nicht mit den Bewohnern Nordamerikas zu einer Gruppe zusammengefasst²⁰⁸.
Ichthyologiae Biblicae Pars Prima, Seite 28 ff. Ichthyologiae Biblicae Pars Prima, Seite 30 ff. Ichthyologiae Biblicae Pars Prima, Seite 35. Vgl. Bauhaus (2017).
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„ מןex, de, e“, das andere auch mit „trans“ übersetzen würden, sei noch heute bei den „Dalekarlar“ und den Samen zu finden. Er verweist auf die schwedische Version von Lk 2,4, wo eigentümlicherweise genau diese Präposition erscheint²⁰⁹: Dar mid så for åg Josäp up öfär frå Galileia frå Stadin Näsräda da it i Judeia ad stadin Dåvidz / sås dem kalla Bethlehem / der mid an var ålt jet sok min släkte Dåvidz. Da machte sich auf auch Josef aus Galiläa, aus der Stadt Nazareth, in das jüdische Land zur Stadt Davids, die da heißt Bethlehem, weil er aus dem Hause und Geschlechte Davids war, (…).
„ היםmari“ bzw. explizit „illo mari“ hatte mit seinem präponierten Artikel eine Entsprechung in göth hum, welches sich aus einem hypothetischen Pronominalstamm ha, ho, hæ „ille, illa, illud“ ergab, den Rudbeck auch in schw. han „ille“ wiederfand. Hebr. ים, das Wort für „Meer“, wird später auch im Specimen behandelt. Es wurde im Göthischen durch mehrere Wörter, nämlich um, un, wan, im, ieim, alle mit der Bedeutung „aqua, mare“, reflektiert²¹⁰. Hier argumentiert Rudbeck also durchaus morphologisch, wenn er den hebräischen Artikel in einem germanischen Pronomen wiederzufinden glaubt. Die hier vorgestellte Etymologie des Wortes für „Meer“ weicht jedoch von der späteren im Specimen ab. Das präfigierte וvon „ ויטשdemisit“, also die kopulative Konjunktion „und“, vergleicht Rudbeck mit dem Göthischen²¹¹. Hier entsprach v oder å. Mit Letzterem ist sicherlich schw. och „und“ gemeint, dessen Auslaut also offensichtlich bereits zu Rudbecks Zeiten abfallen konnte. Das eigentliche Verbum entsprach göth. þosk bzw. runischgöthisch dosk / doska „reliquit, dereliquit, usw.“, wobei die göthische Form eigentümlich rekonstruiert zu sein scheint. Sie beschreibt abermals die Analogie þ ~ d, wobei der Sprachhistoriker im Schwedischen ja gerade nur den unidirektionalen Weg þ > d kennt, wie er noch heute durch konservativeres isländisches það oder englisches that im Vergleich zu progressiverem schwedischen det oder deutschem das (althochdeutsch teilweise noch thaz) reflektiert wird. „ עלsuper“ ist eine zentrale Präposition des Hebräischen. Sie stimmte laut Rudbeck weitgehend mit den göthischen Kognaten al, hal, hial, gial und huel überein. Offensichtlich ist damit nicht nur die eigentliche Präposition, sondern auch das adjektivische „all“ bzw. „alles“ gemeint, das er etwa in ala-lios „totum illuminatum“, heute öfwer-lius, fand. Auch das Samische wird wieder herangezogen. Es reflektierte die Bedeutung „auf“. So zitiert er Psalm 7,17 des Manuale Lapponicum: Suun paha ådne kaika suun oiwe ALL poted / ia suun karnaswot kalka suun oiwe zåcko ALL catzad.
Ichthyologiae Biblicae Pars Prima, Seite 33 f. Ich gebe hier Rudbecks Zitat wieder und markiere die entsprechenden Wörter fett. Die deutsche Übersetzung stammt aus der Lutherbibel von 1984. Ichthyologiae Biblicae Pars Prima, Seite 34 f. Ichthyologiae Biblicae Pars Prima, Seite 35.
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Sein Unrecht wird auf seinen Kopf kommen und sein Frevel auf seinen Scheitel fallen.²¹²
„ המחנהilla castra“ und „illam castramentionem“ entsprach direkt göth. hamaganeh ²¹³. Auch der Artikel des Hebräischen konnte als solcher verbaut in einem göthischen Ausdruck reflektiert werden. Rudbeck analysiert das Wort wieder als Zusammensetzung, die eine der göthischen Präposition mæ entsprechende Partikel enthielt. Das Hinterglied bringt er mit verschiedenen Wörtern für „genug“ zusammen, z. B. niederländisch genoeg, aber auch griechisch ἱκανῶς. Im Folgenden bringt Rudbeck noch verschiedene Ortsnamen zusammen, die alle offensichtlich nach dem jeweiligen „Lager“ benannt sind, etwa Sar-magana, nach Ptolemäus eine Stadt in Asien²¹⁴. Auch die deutsche Hanse wird von diesem Wort abgeleitet. „ כדרךcirciter“, mit postponiertem כ, stimmte mit göthisch hue / hui oder mit runischgöthischem hiæ überein²¹⁵, offenbar ebenfalls ein hypothetischer, deiktischer Pronominalstamm. Rudbeck führt hier heutiges hue wägen „circa viam“ an. Das Hinterglied „ דרךvia“ stellt er zu göthisch dærk oder dark aus Andréssons Lexicon Islandicum. Eine Entsprechung fand das Wort darüber hinaus auch in polnisch droga und italienisch traccia, die auf ein göthisches Verbum darka „ambulare, incedere“ zurückgingen. „ יוםdies“ fand seine Entsprechung in göth. um / om / jom und hiom ²¹⁶. Letztere runisch-göthische Entsprechung hatte die Bedeutung „favilla, scintilla“. Rudbeck scheint also von einer Semantik des Tages als des „Verbrennenden“ auszugehen. Hebr. „ כהhic“ entsprach göthischem und deutschem hie, das im heutigen Schwedischen hær gleichkam. Angeführt wird u. a. samisches jo. „ סביבותcircuitis“: Das göthische sviveth / svevt und svept war vom hebräischen Verbum „ סבבcingere, circumdare“ abgeleitet²¹⁷. Das folgende Wort וכאמתיםwar eine Pluralform und beinhaltete laut Rudbeck hebräisches „ אמהcubitus, ulna, usw.“²¹⁸. Hierzu hab es im Göthischen passendes ame / same. Daneben fanden andere Bedeutungen Reflexe im Göthischen und anderen Sprachen. Es handelt sich somit um multiple Analogien.
Ichthyologiae Biblicae Pars Prima, Seite 36. Ich gebe hier Rudbecks eigenes Zitat wieder und führe zum Vergleich den deutschen Text der Lutherbibel darunter an. Der Fettdruck stammt wieder von mir. Ichthyologiae Biblicae Pars Prima, Seite 37 ff. Ichthyologiae Biblicae Pars Prima, Seite 41 ff. Ichthyologiae Biblicae Pars Prima, Seite 51 f. Ichthyologiae Biblicae Pars Prima, Seite 52. Ichthyologiae Biblicae Pars Prima, Seite 52 f. Ichthyologiae Biblicae Pars Prima, Seite 53 ff.
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„ פניfacies“ sei eine Pluralform, zu der ein entsprechender Singular fehle²¹⁹. Dass auch das Schwedische dieses Wort bewahrt hatte, macht Rudbeck dadurch deutlich, dass er zwei idiomatische Ausdrücke anführt, nämlich han har en wacker pana „ipsi frons egregia est“ und slå en för ens pana „faciem vel frontem alicui verberare“. Sein Hauptargument ist, dass das hebräische Wort und dessen feminine Variante פנהmit dem göthischen win / vin / van und pen übereinstimme, da dieses im Zusammenhang mit dem Wort גגgag vorkomme, welches wiederum mit göthisch gaa – gemeint ist wohl schw. gå „gehen“– und gang kongruiere. Als Referenzquelle wird Sprüche 21,9 herangezogen: ֗טֹוב ָל ֶ֥שֶׁבת ַעל־ ִפּ ַנּת־ ָ֑גּג ֵמֵ֥א ֶשׁת ִ֝מ ְד ָי ִ֗נים וּ ֵ֥בית ָֽחֶבר׃ Besser im Winkel auf dem Dach wohnen als mit einer zänkischen Frau zusammen in einem Hause.
Diese etymologische Abhandlung bildet den Kern des Werkes. Allein durch die Etymologisierung der Bibelstelle, vor allem die des Wortes שלויםselbst, war die ursprüngliche Bedeutung bereits erwiesen. Die Reflexe des hebräischen Wortes in anderen Sprachen, vor allem aber im Göthischen verwiesen auf eine Grundbedeutung „Fisch“. Rudbeck schließt Ex iis, quae in praecedentibus sunt adducta, satis superque constare arbitror, firmissimis niti rationibus meam ex veteri Hyperborea lingva collectam textus sacri versionem. An vero hæc reliquis anteferri debeat ipse non decerno, ne mihi nimis attribuere videar; judicent illi, qui allata argumenta accurate & solide examinare atq´; discutere sibi non grave duxerint. Mihi dispicienda restant quae vel ex Scriptura Sacra, vel extra eandem, pro confirmanda nova sententia, desumi possunt. Itaque secuturus, quoad fieri potest, methodum Magnis Ludolfi, quâ usus est in refutandis Anonymi argumentis, quas ipse format, hypotheses, ad suam utpote confirmandam opinionem necessarias & absolute veras, recensebo, ut ex earum recensione Legentibus eo melius pateat, quae denique mea sit sententia, & quibus illa argumentis astruitur.²²⁰:
Interessant ist hier der Terminus Hyperborea lingva für das Göthische. Diese Textstelle ist der Auftakt zum sich anschließenden elften Kapitel. Rudbeck kann sich nun gestärkt an den eigentlichen exegetischen Teil seines Werkes machen. Im Folgenden nimmt Rudbeck die von Hiob Ludolf in seinem zweiten Appendix zur Historia Aethiopica postulierten zehn Hypothesen auf, ergänzt sie teilweise und gibt darunter dann eine Antwort auf die implizierten Fragen²²¹. Ludolph plädierte für eine Interpretation der śalvîm des oben behandelten Verses als Heuschrecken. Fest stand, damit stimmte Rudbeck überein, dass die Israeliten unter Flehen Fleisch erbeten hatten, wie aus Num 11,4 hervorging:
Ichthyologiae Biblicae Pars Prima, Seite 59 ff. Ichthyologiae Biblicae Pars Prima, Seite 65. Ichthyologiae Biblicae Pars Prima, Seite 65 ff.
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בּו ִהְתַא ֖וּוּ ַתֲּא ָ֑וה ַו ָיּ ֻ ֣שׁבוּ ַו ִיְּב ֗כּוּ ַּ֚גם ְבּ ֵ֣ני יִ ְשׂ ָרֵ֔אל ַו ֣יּ ֹאְמ֔רוּ ִ֥מי ַיֲאִכ ֵ֖לנוּ ָבּ ָֽשׂר׃ ֹ֔ ְוָֽהאַסְפֻס֙ף ֲא ֶ ֣שׁר ְבִּק ְר Das fremde Volk aber unter ihnen war lüstern geworden. Da fingen auch die Israeliten wieder an zu weinen und sprachen: Wer wird uns Fleisch zu essen geben?
Es war aber nicht irgendein Fleisch, das die Israeliten bekommen hatten, sondern „carnem piscium“, welches ihnen vormals in Ägypten reichlich zur Verfügung gestanden hatte. Dass Ägypten einen Überfluss an Fisch hatte, stand fest. Es konnte sich keinesfalls um Heuschrecken handeln, auch deswegen, weil „locustas, animal horridum & insvetum, pro tantopere exspecta carne promissa, dari cernerent.“. Das Wort für „Fleisch“, hebr. בשר, konnte nur mit Hilfe des Göthischen zu seiner eigentlichen Bedeutung gelangen. Ein opakes göthisches Wort visser bzw. vister hatte zwar auch „Fleisch“ bedeutet, doch ließ sich, wie Rudbeck in Klammern anführt, ebenfalls eine Analogie des hebräischen Wortes zu göth. fisker, offensichtlich als Vorform zu schw. fisk „Fisch“ zu deuten, und lat. piscis herausstellen. Doch wie sollten Fische so einfach durch den Wind herbeigeschafft worden sein? Der Schlüssel lag in der Annahme, dass es sich um geflügelte Fische gehandelt hatte. Dabei wird auf den Ausdruck עוף כנף des Psalms 78, 27 Bezug genommen: ַו ַיְּמ ֵ֬טר ֲעֵלי ֶ֣הם ֶכָּעָ֣פר ְשׁ ֵ֑אר ֽוְּכ ֥חֹול ַ֝י ִ֗מּים ֣עֹוף ָכָּֽנף׃ (…) und ließ Fleisch auf sie regnen wie Staub und Vögel wie Sand am Meer; (…).
Konnten mit diesen „ עוף כנףvolucris alatæ“ aber Insekten bezeichnet werden? Das erste Element ist das hebräische Wort für „Vogel“, עוף, und wird nun genauer untersucht. Rudbeck stellt es zu göth. hof, hop, und einer Reihe anderer Varianten, die ein Verbum mit der Bedeutung „levavit, elevavit, in altum ascendit“ aber etwa auch „volavit“ repräsentieren. Offenbar musste auch lateinisch avis oder walisisch afais hierhergehören. Auch die obligatorischen Entsprechungen im Finnischen und Samischen werden herangezogen. Das hebräische Wort bezeichnete also eindeutig (auch) ein Insekt oder ein fliegendes bzw. springendes Tier. Wie aber, fragt Rudbeck, konnte das Wort auch einen Fisch bezeichnet haben? Auch hier kam das Göthische als primäre Hilfssprache ins Spiel. Göthisch hæf bzw. hæfe bezeichnete doch einen Fisch, „in specie vero caper marinus“. Weitere Evidenz konnte etwa auch schwedisch bzw. dänisch giebe, giepe und das bei Plinius bezeugte gobio liefern. Auch das Deutsche mit kuap bzw. quapen, das wir aus Kaulquappe kennen, wird herangezogen. Es verwies also auf ein im Wasser lebendes Tier. Dass Rudbeck bisweilen auch das Chinesische bemüht, war schon aus dem Kapitel zum Thesaurus ersichtlich. Hier wird nun auch das Japanische mit ivo „Fisch“ und einigen Ableitungen herangezogen. Die übliche Bezeichnung für den Fisch im modernen Japanischen ist sakana. Das Kanji 魚 kann jedoch auchいお io gelesen werden, was der von Rudbeck zitierten Wortform nahekommt. Nun sollte das zweite Wort der Fügung כנףebenfalls eine Anknüpfung ans Göthische finden. Bei diesem Wort handelte es sich um das hebräische Wort für „Flügel“. Geeignet schien das Wort gnafa, gnapa bzw. gnæfa aus Verelius Index zu sein. Es hatte zwar als Verbum keine unmittelbaren Entsprechungen im Hebräischen,
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war aber aufgrund seiner Semantik „in altum ascendere, assurgere, eminere, elevare se“ zum Substantiv כנףzu stellen. Für Rudbeck stand also fest, dass es sich bei den vermeintlichen Wachteln bzw. Heuschrecken, wie sie in Num 11, 31 vorkamen, um fliegende Fische handelte. Somit widersprach Rudbeck Ludolf, indem er dessen Hypothesen nicht direkt widerlegte, sondern sie sich für seine Interpretation zunutze machte. Die Tatsache, dass das erbetene Fleisch durch den Wind herangetragen wurde, ließ sich ebenso gut auf fliegende Fische anwenden wie auf Heuschrecken. Das zwölfte Kapitel des Buches führt Rudbecks Theorie nun weiter aus, denn es gab noch einige Schwierigkeiten aufzulösen²²². Es stellte sich etwa die Frage: „utrum tanto in numero dentur pisces, quanto locustæ & aves?“²²³. Rudbeck bejaht dies, denn auch Fische kamen bekanntermaßen in großen Mengen vor. Auch fragte er sich „Quomodo fuerint collectæ Selavæ?“²²⁴. Das damit im Zusammenhang stehende Verbum אסף, die Wurzel für „einsammeln, ernten“, konnte sicherlich auch auf Fische angewandt werden. Dies war durch runisch-göth. sopa, safa bzw. safna ersichtlich, welches das hebräische Verbum reflektierte. Man sagte doch Sopa hop Fisken „pisces congregare, coacervare“. Interessant ist, dass an späterer Stelle im Zusammenhang mit den vermeintlichen Heuschreckennamen Arbeh, Solam, Chargol und Chagab abermals auf Samuel Bochart verwiesen wird²²⁵. Rudbeck bestreitet auch hier vollkommen, dass es sich dabei tatsächlich um Heuschrecken gehandelt habe. Nachdem weitere bibelexegetische Argumentationsstränge eröffnet werden, schließt das Buch mit dem 25. Kapitel ab, in welchem Rudbeck seine Ideen zusammenfasst, indem er nochmals auf das Wort שלוzurückkommt²²⁶. Er vollführt eine nordische Umdeutung des Wortes, in dem er es letztlich im schwedischen Wort für Hering sil (vgl. neuschw. sill) reflektiert sieht. Auch das deutsche Wort Hering verwies auf die im Zentrum der Argumentation stehende Bibelstelle, denn göth. her / heren bedeutete „exercitus, copiae, turmae“ und verwies somit auf das schwarmhafte Auftreten dieser Fische und somit die Ansammlung fliegender Fische, die vom Herrn auf das Lager der Israeliten fallen gelassen wurden. Rudbeck schließt: Longo enim absum, ut secundum eam opinionem credam, vocem illam, ideo operiendi & contegendi virtute, unquam Selavim in sacro codice dictas.²²⁷ ואעי בילאי בנלך
Wurden in der Laponia Illustrata Etymologien noch sehr sparsam und vorsichtig gewählt, so sieht man im ersten Band der Ichthyologia Biblica eine durchgehende Anwendung dieser Methodik. Die Beweisführung für Rudbecks Exegese erfolgt primär
Ichthyologiae Biblicae Pars Prima, Seite 79 ff. Ichthyologiae Biblicae Pars Prima, Seite 87. Ichthyologiae Biblicae Pars Prima, Seite 102. Ichthyologiae Biblicae Pars Prima, Seite 140. Ichthyologiae Biblicae Pars Prima, Seite 147 f. Ichthyologiae Biblicae Pars Prima, Seite 148.
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durch etymologische Überlegungen. Jedes einzelne Wort der Bibelstelle wird etymologisiert. Die lautlichen Übereinstimmungen geben Rudbeck Anlass, die hebräischen Originalwörter semantisch neu zu definieren. Damit wird also nicht die Bibelstelle als solche hinterfragt, sondern lediglich die Übersetzungen, die auf eine bestimmte Lesart aufbauen. Die Heranziehung des Schwedischen, in dem naturgemäß die größte Nähe zum Hebräischen vorausgesetzt wird, dient somit zugleich dessen Aufwertung. Dem Schwedischen kommt somit weitaus größere Bedeutung zu als in der Laponia Illustrata. Es nimmt die wichtige Funktion als Hilfssprache ein, die es ja nur durch seine Affinität zum Hebräischen haben konnte. Meiner Meinung nach beschränkt sich diese Funktion jedoch auf die Semantik. Rudbeck geht es somit keinesfalls darum, das konkrete Hebräische durch das Schwedische zu erklären. Es ist vielmehr eine verklärte Bibelinterpretation, die mit Hilfe seiner Muttersprache korrigiert werden musste. Die Heilige Schrift war bisweilen falsch verstanden worden. Hier konnte das Schwedische nun Abhilfe schaffen. Dieses frühe Werk Rudbecks ist ein Amalgam aus Bibelexegese und einer letztlich naturwissenschaftlichen Fragestellung. Die Erklärung des Gottesnamens Jahwe zeigt zudem ein frühes kabbalistisches Interesse Rudbecks, sicherlich in der Tradition des Bureus, denn sie hat für das eigentliche Thema kaum Bedeutung. Die Namen Gottes sollen zu späterer Zeit wieder interessant für Rudbeck werden. Sprachtheorie nimmt eine größere, aber stets noch funktionale Rolle ein, erst im Specimen verselbständigt sich diese weiter. Gerade das Ende des Buches, und die Anknüpfung an den Hering ist typisch rudbeckianisch. Die heutige schwedische Spezialität Inlagd Sill, zu deutsch „eingelegter Hering“, ließe sich somit auf biblische Zeiten zurückführen. Damit gelingt Rudbeck abermals die Synthese einer Ikone der schwedischen Kultur mit der biblischen Antike, wobei der Fischreichtum Schwedens ja bereits bei Rudbeck dem Älteren ein wesentlicher Topos war. Rudbecks Traktat war wohl nicht unumstritten. So wurde er, wie Annerstedt erwähnt, von Daniel Lundius (1666 – 1747), dem späteren Bischof von Strängnäs, durchaus kritisiert. Rudbeck reagierte darauf, indem er etwa seine Etymologie des Gottesnamens Jehova dadurch begründete, dass diese Gott zur Ehre gereiche²²⁸. Welche Sprache sollte besser dafür geeignet sein als das Göthische?
2.1.4 Der Thesaurus Linguarum Asiae et Europae harmonicus Hæc autem omnia ut evidentiora fierent, Thesaurum linguarum Asiæ, Africæ & Europæ Harmonicum congerere agresssus est, idque ita ut sub qualibet voce Ebraica reliquarum Linguarum vocabula ordine, id es prout cujusque rivuli minus turbidi manarent, posita conspicerentur. Et hoc ingens illud opus est, cui per quadriginta annos Noster insudavit, quodque inopina Viri celeberrimi morte interruptum esse, tanto acerbius dolet orbis eruditus, quanto propius erat, ut
Vgl. Annerstedt (1908, II, 1: 358).
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summa illi manus imponeretur, quanto etiam gratiorem illa operis specimina, quæ subinde apparuere, nemini non excitaverunt salivam.²²⁹
Dieser kurze Abschnitt aus der Laudabio funebris des Johan Ihre auf Rudbeck macht die Bedeutung des Thesaurus und die Stellung innerhalb seiner Sprachphilosophie als Paradewerk deutlich. Der aus insgesamt zwölf handschriftlichen Bänden (inklusive Registerband) bestehende ist in der Tat ein in jederlei Hinsicht bemerkenswertes Werk²³⁰. Rudbeck wurde für dieses nie vollendete Lebenswerk 1721 sogar von seiner Lehrverpflichtung entbunden²³¹. Es befindet sich in der Universitätsbibliothek Uppsala unter den Signaturen R 1– 12. Allein die ersten sieben Bände umfassen mehr als 10360 Einträge. Wie der Titel andeutet, werden die Sprachen Asiens und Europas dahingehend harmonisiert, dass ihre vermeintliche Abstammung aus dem Hebräischen durch etymologische Gleichungen bewiesen wird. Entsprechend ist das gesamte Werk nach den hebräischen Buchstaben geordnet. Der Thesaurus blieb in seiner Gänze unveröffentlicht. Es finden sich lediglich zwei kurze publizierte Auszüge in Form eines Abstracts. Dabei handelt es sich zum einen um einen 16 Seiten umfassenden Text mitsamt einführenden Erklärungen, der wohl 1716 als sogenanntes provark („Probebogen“) erschienen war, und dann im Jahre 1721 ebenfalls im zweiten Band der Bibliotheca Hebraea erschien²³². Zum anderen erschien ein 17-seitiger Artikel in den Acta literaria et Scientarum Sveciae von 1738, den Rudbeck auf der letzten Seite selbst als „initium“ des „Thesauri Lingvarum Asiæ & Europæ Harmonici, in quo per triginta, & quodexcurrit, annos innumerandas inter, & graviores occupationes alias, desudatum“ bezeichnet²³³. Einen Beginn in diesem Sinne hat der erste handschriftliche Band (R 1) nicht, er beginnt direkt mit Seite / Eintrag 672. In seinen eigenen handschriftlichen Anmerkungen erklärt Rudbeck: Nachdem ich dreißig Jahre lang als Professor für Medizin gut und mit allem Fleiß meine Profession innehatte, und nach königlichem Brief und Privilegien meinte, von meinen öffentlichen Vorlesungen frei zu werden, hatte ich inzwischen unter meinen Händen ein großes und weitläufiges Werk mit dem Titel Thesaurus Asiae et Europae harmonicus, (…).²³⁴
Ihre, Laudatio funebris, Seite 36. Ganz kurz zum Thesaurus Jacoby (1990). Hier wird meiner Meinung nach eine nicht notwendige Brücke zu vorhergegangenen Diskursen über die babylonische Sprachverwirrung impliziert. Die Motivation Rudbecks muss aber gerade nicht in der Suche einer Universalsprache gesehen werden, sondern in der engen Anbindung des Göthischen an diejenige Sprache, das Hebräische, das diese Stellung implizit innehatte. Desweiteren Agrell (1955: 122 f.). Vgl. Lindroth (1975, II: 303). Dort auf den Seiten 1474– 1484. „Thesaurus Lingvarum Asiæ et Europæ Harmonicus“, Seite 106. Eigene übersetzung, vgl. Grape: 23 f.): Sedan jag uthi 30 års tid, såsom Professor Medicinæ väl och med all flit förestådt min profession, och tykte så effter Kungliga bref och privilegier kunna få blifa ledig ifrån publique lectioner, hälst och emedan jag hade under händer ett stort och vidlyfftigt värk med titul, Thesaurus Lingvarum Asiæ et Europæ harmonicus, (…)
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Da eine genaue Datierung des Thesaurus nicht möglich ist, Rudbeck selbst jedoch den 1738 in den ALS veröffentlichen Teil als „Beginn“ des Thesaurus benennt, soll dieser als erster genauer betrachtet werden. Er beginnt mit dem hebräischen Buchstaben aleph א, dem dann die Namen seiner Entsprechung in anderen Sprachen untergeordnet werden, etwa griechisch alpha, persisch elif oder schlicht spanisch a ²³⁵. Im Folgenden werden die zahlreichen Reflexe, die der hebräische Buchstabe haben konnte, dann erläutert. So kann seine göthische Entsprechung a zugleich auch als Präposition mit lat. „ad“ und hebr. „ “אלübersetzt werden, wie es noch durch das englische Syntagma a life reflektiert wird. Im weiteren Verlauf werden weitere Reflexe bzw. Anwendungen des hebräischen Buchstabens in anderen Sprachen aufgelistet. So wurde er im Altirischen und Walisischen durch die Präfixe o- bzw. a- fortgesetzt. Das hebr. Präfix der ersten Person Singular in der Konjugation hebräischer Verben, א, entsprach göth. ja, das heute als jag (vgl. schw. „ich“) erschien. Auch ein schwedisches Pluralsuffix -a, die Endung des Femininums -a und der suffigierte aramäische Artikel auf אwerden vom hebräischen Buchstaben abgeleitet. Rudbeck scheint implizieren zu wollen, dass dem hebräischen Buchstaben alle Funktionen, die man in den Einzelsprachen auffindet – als Interrogativpartikel, als Artikel, als Präfix im Verbalbereich – bereits von Beginn an inhärent waren. Nach der Behandlung des multifunktionalen Buchstabens, der auch durch das Runenalphabet reflektiert wurde, werden anschließend erste hebräische Worte oder solche aus anderen semitischen Sprachen etymologisch untersucht, d. h. ihre Reflexe in Einzelsprachen werden aufgelistet²³⁶. So bietet ein im Talmud belegtes אוירetwa die Grundlage aller möglichen Bezeichnungen für „Wetter“ und „Wind“ im Germanischen, Slawischen oder auch Keltischen. Ähnliches gilt für hebr. „( אבVater“), dem etwa Appellative wie papa im Deutschen oder türk. baba („Vater“) zugeordnet werden. Der kurze Text endet dann mit folgender Erklärung: Et hoc initium est Thesauri Lingvarum Asiæ & Europæ Harmonici, in quo per triginta, & quod excurrit, annos, innumeras inter, & graviores occupationes alias, desudatum. Ad umbilicum vero per Dei gratiam ita jam tandem perductus est, ut nihil supersit aliud, quam ut ex adversariis in tabulas eum redigant amanuenses. Ut autem publici juris fieri possit, eum Typographo quantocyus imprimendum dabo, idque ea lege, ut qui exemplaria desideraverint, pro singulis binis Alphabetis sex thaleros cupreos hic, aut in Cambio Holmensi publico, repræsentent, quæ alias non nisi novem thaleris cupr. vel uno Joachimico venient, pecunia non prænumerata. Charta autem prodibit magna nitidaque in folio, nihilq´; prætermittetur, quod ad operis elegantiam ullo modo facere posse videbitur.²³⁷
Der andere Teil des Thesaurus aus dem Jahre 1716 ist thematisch vergleichbar, baut sich aber etwas anders auf. Er beginnt mit einem sieben Seiten umfassenden Fließtext. Auf der ersten Seite wird auf den ersten Teil der Ichthyologia Biblica von 1705 und
„Thesaurus Lingvarum Asiæ et Europæ Harmonicus“, Seite 90. „Thesaurus Lingvarum Asiæ et Europæ Harmonicus“, Seite 97. „Thesaurus Lingvarum Asiæ et Europæ Harmonicus“, Seite 106.
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Rudbecks Brief an John Wallis verwiesen, wo er bereits den zu entstehenden Thesaurus angekündigt hatte. Im Folgenden beschreibt er die zugrunde liegende Theorie: Porro, quantum linguæ degenerarint: literæ radicales identidem mutatæ sint: ipsa pronuntiatione procedente tempore variaverit: terminationes dictionum pro organorum, quibus verba efferuntur, aptitudine & habilitate, quam cœli solique natura temperat, incrementa & decrementa ceperint: quomodo orbis Eoi incolæ multas admittant vocales, quas occidentales & Septentrionales excludentes, consonantes potius amant, & contra: quomodo nonnulli mortalium mutam cum liquida nisi vocali interjecta, vel una liquida absorpta, recte efferre nequeant, nonnulli vero vocem â gemina consona incipientem, vel in r. desinentem, numquam proferre valeant: quomodo denique multae nationes & dialecti plerasque dictiones suas per a, e, vel o in fine forment, & quæ sunt cetera linguarum fata, quæ hic levi, quod dicitur, brachio, tangere, argumenti dignitas nor permittit.²³⁸
Sprachwandel war also Degeneration, die das lautliche System der Ausgangsform betraf. Dies wiederum erinnert stark an die Sprachtheorie des Vaters, zumal auch dieser die Augmentation von ursprünglich einsilbigen Wörtern durch gewisse Endungen behandelt. Im letzten Teil der Erläuterungen erwähnt Rudbeck acht geplante Forschungsvorhaben. Veröffentlich wurden davon letztlich nur der zweite Teil der Ichthyologia Biblica als Monographie im Jahre 1722, ein Aufsatz zum hebräischen Wort remesch im Jahre 1728 und ein Gedicht zu den beiden Lossteinen Urim und Thumim (8). Die Ornithologiae sacrae (1) sollten die Namen Arbeh, Solam, Chargol und Chagab behandeln, die Rudbeck nicht als Heuschreckengattungen, sondern als Vögel deutet. Wie wir gesehen haben, wurden diese, wenn auch kurz, bereits in der Ichthyologiae Biblicae Pars Prima behandelt und auch dort widerspricht Rudbeck schon der Interpretation als Heuschrecken. Geplant war also offenbar eine eigene Monographie als Ausarbeitung der dort angerissenen Idee. Leider ist es nur bei einer Handschrift geblieben. Das trifft auch auf eine geplante Arbeit zum Ysop (3) zu, die ebenfalls nur handschriftlich vorhanden ist. Des Weiteren wollte er zu den Füchsen Simsons (4), dem biblischen אבו הפוךæben hapuk (6) und den Namen Josephs אברךAbrek und פענחPaneach (7) arbeiten. Zu diesen Vorhaben soll unten mehr gesagt werden. Im Anschluss beginnt der eigentliche etymologische Teil des Thesaurus, der ebenfalls hebräische bzw. semitische Wörter mit dem Anfangsbuchstaben אihren Kognaten in anderen Sprachen zuordnet und somit weitgehende Übereinstimmung zum oben besprochenen Teil von 1738 zeigt²³⁹. Im Unterschied zu diesem werden die verschiedenen Wörter für „Wetter“ und „Wind“ jedoch nicht von einer Ausgangsform אויר, sondern von אארabgeleitet, das zugleich die Basis von Bezeichnungen für „Luft“, etwa lat. äer, bildete. Im Lateinischen wurde es zugleich aber als aura fortgesetzt. Auch Bezeichnungen aus den germanischen und vielen weiteren Sprachen, etwa dänisches wæir (vgl. dän. vejr „Wetter“) oder polnisches wiater, werden aufgezählt. Interessant ist, dass Rudbeck für das Schwedische eine Form wär bemüht, weiter
Thesaurus Linguarum Asiae et Europae harmonicus, Seite 3 f. Thesaurus Linguarum Asiae et Europae harmonicus, Seite 9 ff.
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unten aber die heutige Form wäder (vgl. schw. väder). Offenbar scheint die „heutige“ Form für ihn gegenüber der ursprünglichen augmentiert zu sein. Samisches, georgisches, vietnamesisches und ungarisches Material wird ebenfalls herangezogen. Auch das hebräische Wort für „Vater“, אב, wird hier etymologisiert²⁴⁰. Es scheint sich bei dieser Probe des Thesaurus somit um einen groben Entwurf für Rudbecks Projekt zu handeln, der bis 1738 weiter verfeinert und etymologisch ausdifferenziert wird. Der überwiegende Teil des Thesaurus ist nur handschriftlich belegt, und zwar in zwölf umfangreichen Bänden. Der zwölfte Band kann hier außer Acht gelassen werden, handelt es sich bei diesem doch nur um das Glossar bzw. das Wortregister. Die Größe des gesamten Werkes ist bereits daran ersichtlich, dass dieser Registerband den Umfang der anderen elf Bände einnimmt. Die ersten Handschriftenbände sind zunächst ähnlich aufgebaut wie die behandelten veröffentlichten Textabschnitte. Sie folgen dem hebräischen Alphabet. So beginnt der erste Band mit dem Buchstaben Aleph א, der zweite Band mit dem hebräischen Buchstaben Jod יund so fort. Zuerst wird der betreffende Buchstabe selbst behandelt, indem ihm seine Entsprechungen bzw. Bezeichnungen in anderen Sprachen untergeordnet werden. Im Folgenden werden dann hebräische Wörter und ihre Kognaten aufgelistet. Dabei reicht die Auswahl der Beispiele vom Keltischen über das Slawische und Finnougrische bis hin zum Türkischen. Auf Seite 672 des ersten Bandes (R 1) werden hebräischem אבןunter anderem französisch point, lateinisch pinna und walisisch pen „caput“ zugeordnet²⁴¹. Dieses Beispiel zeigt wie in den veröffentlichten Teilen, dass der hebräische Laut אausfallen konnte. Dies entspricht vollkommen Rudbecks Postulat der Unbeständigkeit von Vokalen, wie wir später sehen werden. Diese drei idg. Kognaten sind jedoch keinesfalls verwandt. Franz. point geht etymologisch auf lat. punctum zurück. Das anlautende p- in walisisch pen, setzt nicht uridg. *p, sondern den Labiovelar *kw fort, wie neuirisch ceann „Kopf“ zeigt. Im dritten Band (R 3) wird zum Namen des hebräischen Buchstabens mem מunter anderem göthisches man, aber auch lateinisches homo gestellt²⁴². Damit verbunden war die Rune ᛉ. Dass die göthische Bezeichnung für den „Mann“ direkt auf den Namen eines hebräischen Buchstabens zurückging, unterstreicht durch etymologische Spekulationen die Primordialität, die das Göthische und die Göthen selbst beanspruchen mussten. Das lateinische Wort für „Mann“ trug somit in der zweiten Silbe -mo ebenfalls einen göthischen Kern. Dies machte vor dem Hintergrund der Qualifikation als Mischsprache aus Keltisch und Skythisch, wie Rudbeck der Ältere sie dargelegt hatte, durchaus Sinn, auch wenn Rudbeck der Jüngere dieses Prinzip der Sprachgenese ja gerade nicht aufgreift. Auch andere semitische Sprachen konnten in großem Umfang herangezogen werden. Im vierten Band (R 4) etwa wird aramäisches סאבund syrisches „ סיבpolluit, cont-
Thesaurus Linguarum Asiae et Europae harmonicus, Seite 11 ff. R 1, Seite 672. R 3, Seite 3491.
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aminavit, voliavit“ zu schw. sof, besof gestellt²⁴³. Entsprechend wird auch in den drei folgenden Bänden verfahren. Die Lemmata, die ja stets mit Nummern versehen werden, werden im zwölften Band in einem Register zusammengefügt. Grape geht davon aus, dass die ersten sieben Bände das ursprüngliche Konzept ausmachen und die folgenden die Reinschrift²⁴⁴. Dem muss ich mich anschließen; auch der Beobachtung, dass im achten Band (R 8) einer anderen Taxonomie gefolgt werde.
Abb. 8: Uppsala Universitetsbibliotek, Signatur R 1, Seite 672, Foto: Stefan Heinrich Bauhaus
Ähnlich wie in den des Vaters taucht bisweilen eine unbekannte Schrift auf, die dieser ebenfalls verblüffend gleicht. Auf dieses Problem geht Grape jedoch nicht vertieft ein. So gibt es zusätzliche Seiten des dritten Bandes zum Buchstaben Mem מ.Vor allem ist dies im elften Band (R 11) der Fall. Dass es sich bei beiden Handschriften um dieselbe Person, welche es denn auch sei, handelt, ist nicht nur aufgrund der Ähnlichkeit der Schrift, sondern auch der Tatsache plausibel, dass im elften Band umfassend vom Tatarischen Gebrauch gemacht wird, also von der Sprache, die auch in den die unbekannte Handschrift aufweist. Genau wie dort spricht also auch hier einiges dafür, dass es sich um spätere Zusätze handelt. So wird etwa in den Zusätzen des dritten Bandes zum Buchstaben Mem, tatarisches bzw. markomannisches man, aber etwa auch vandalisches mum und assyrisches moin gestellt. Am Ende lief dann alles auf göth. madur (vgl. isl. maður „Mann“) und wieder
R 4, Seite 4932 f. Grape (1917: 23).
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die Rune ᛉ hinaus. Auf der ersten Seite findet sich ein eingefügtes Wappen mit dem Zusatz des schwedischen Historikers Anders Anton von Stiernman (1695 – 1756). Könnte dies die Quelle sowohl für die fremde Handschrift in den als auch diejenige des Thesaurus sein? Der elfte Band ging aber, wie Grape schreibt, als einziger aus Olof Celsius Besitz in denjenigen Stiernmans über²⁴⁵. Letztlich muss also auch hier die Frage der fremden Handschrift offenbleiben. Abschließend lässt sich sagen, dass Rudbecks Etymologien im Thesaurus, anders als in der Ichthyologiae Biblicae Pars Prima, primär auf rein sprachtheoretischen Beweisen aufbauen. Bibelexegetische Implikationen werden so gut wie nicht behandelt und dienen auch nicht als Grundlage der Etymologien. Genau wie in den beiden Bänden der Ichthyologia Biblica werden jedoch nicht nur rein phonologische, sondern auch morphologische Argumente angeführt, etwa die oben aufgeführten Affixe, die im Zusammenhang mit dem ersten Buchstaben des hebräischen Alphabets stehen. Der Thesaurus fand nie Vollendung. Geplant war ein monumentales Werk, vielleicht ebenbürtig mit der Atlantica des Vaters, dass die Verwandtschaft aller Sprachen aufzeigte. Man muss es wohl als Versuch deuten, Orthodoxie und Rudbeckianismus miteinander zu versöhnen. Erlaubte diese Synthese, eine Brücke vom Status des Hebräischen als adamitische Ursprache zur Stellung des Schwedischen zu schlagen? Nahm letzteres die Funktion des verbindenden Gliedes zwischen dem Hebräischen und den übrigen Sprachen ein? Dies wäre nur eine scheinbare Abkehr vom Paradigma des Vaters gewesen. Zwar hätte das Hebräische dem Schwedischen seine Rolle, die es im Gotizismus innehatte, streitig gemacht, jedoch würde es das Schwedische immerhin in den Rang der zweitältesten Sprache versetzen. Dachte Rudbeck, dass Schwedisch die „Vagina Linguarum“ war, genau wie Schweden selbst die „Vagina Gentium“ darstellte? Rudbeck könnte durch die des Vaters angeregt worden sein, ein solch immenses Unterfangen zu unternehmen, wenngleich die Auswahl an Sprachen im Thesaurus bedeutend größer ist²⁴⁶.
2.1.5 Das Specimen usus linguae Gothicae Das Specimen ²⁴⁷ von 1717 darf als das maßgebliche Werk Rudbecks des Jüngeren gelten. In Uppsala findet sich eine mit handschriftlichem Material Rudbecks dekorierte Fassung des lateinischen Druckes, die unter der Signatur R 12a verbucht ist. Zum Specimen liegt ebenfalls eine Rezension in den ALS aus dem Jahre 1720 vor, die al-
Grape (1917: 23). Vgl. Agrell (1955: 124), der den Thesaurus als Fortsetzer der Collectanea wertet. Specimen usus linguæ gothicæ, in eruendis atque illustrandis obscurissimis quibusvis sacræ scripturæ locis: addita analogia linguæ gothicæ cum sinica, nec non finnonicæ cum ungarica.
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lerdings eher einer Inhaltsangabe gleichkommt²⁴⁸. Hier soll nun der Inhalt des sehr vielschichtigen Specimen wiedergegeben und Rudbecks Methodik untersucht werden. Dabei kann nicht jeder einzelne Strang seiner Argumentation besprochen werden. Schon der Titel verspricht aber, welch enormes Unterfangen unternommen werden sollte. Es war die göthische Sprache, die opake Stellen der heiligen Schrift erhellen sollte. Bereits in der Ichthyologiae Biblicae Pars Prima zeigt sich ja die Funktion des Göthischen als Hilfssprache. Weiterhin verspricht der Titel Analogien zwischen dem Göthischen und Chinesischen einerseits und dem Finnischen und Ungarischen andererseits. Das Specimen beginnt mit einer vierseitigen Dedicatio an den König vom 15. Mai 1717. Hier werden die wichtigsten Thesen Rudbecks zur Herkunft der Göthen in poetischer Form wiedergegeben. Das Hebräische war für Rudbeck die älteste Sprache. Dies ist das orthodoxe Element, durch das er sich von gotizistischen Irrwegen, die etwa das Schwedische als Sprache des Paradises oder zumindest als älteste Sprache deuten konnten, scheinbar entfernt. Rudbeck fragt, welchen größeren Nutzen das Göthische als das Samische haben könne, denn dessen Bedeutung hatte er ja bereits in der Laponia Illustrata darzustellen versucht. Doch erst durch das Göthische konnte die Ehre des Hebräischen völlig herausgestellt werden. Göthisch und Hebräisch waren und ein dieselbe Sprache gewesen, entstanden aus ein und derselben Kultur. Rudbeck will die Göthen auch nach China führen, was impliziert, dass auch das Chinesische letztlich durch das Göthische zu verstehen ist. Zugleich bindet er die Ungarn an die Finnen an. Die Widmung lässt also bereits die wichtigsten Punkte in Rudbecks Sprachtheorie erkennen. Hier zeigt sich schon die Synthese des Gotizismus mit der Orthodoxie. Das Göthische musste nicht das Hebräische als älteste Sprache ablösen. Es genügte zu zeigen, dass beide einst identisch waren. So konnte die eigentliche Bedeutung des Hebräischen durch das Göthische restituiert werden, was zugleich das Göthische als ebenbürtige Sprache erheblich aufwertete. Die ersten beiden Seiten widmen sich Rudbecks Korrespondenz mit John Chamberlayne (1666 – 1723) und greifen dessen Brief an Rudbeck vom 20 März 1716 auf. Rudbeck macht auch hier sein Ziel deutlich, nämlich „ad ostendum linguæ veteris Gothicæ exquisitissimum & omnibus fere numeris absolutum cum Hebræa consensum, (…)“²⁴⁹. Im Folgenden werden dann fünft Beispiele aus Chamberlaynes Oratio Dominica in diversias omnium fere gentium linguas versa abgedruckt, darunter ein altschwedisches, altenglisches und vor allem samisches Vaterunser aus der Variante Umeås. Letzteres soll dem finnougristischen Forschungsanliegen entsprechend hier abgedruckt werden: Aekia mien jueht lie almen sis, ailes hiedde tdu name: quöik pote tdu Riikie: hiedde tdu sijte: nimpt almis koekt ai ädnamis: Addele miis udnaig miien ferne pæive laip: Ja addele miis syndin
ALS (1720: 50 – 56). Das Specimen wird wie auch der Thesaurus kurz bei Jacoby (1990: 177) vorgestellt, ohne dass jedoch eine detaillierte Beschreibung gegeben wird. Kurz zum Specimen Agrell (1955: 122) und Anttila (2014: 220 ff.). Specimen, Seite 1.
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andix, nimpt koekt mij addel sijs jueht mijs vöst taeke; æle mii laidhe toek freste: Walle varile mii vaddost. Amen.²⁵⁰
Abgesehen vom altschwedischen und samischen Text, gibt Rudbeck selbst Quellen an. Sowohl der portugiesische, als auch der „angolanische“ Text, bei dem es sich um eine Bantu-Sprache handelt, sind dem portugiesischen Missionar Antonio de Coucto und seiner Gentilis Angola Myteris Fidei Infructus von 1661 zuzuschreiben. Das sogenannte altsächsische Vaterunser ist offenbar eigentlich altenglisch und stammt aus den 1650 erschienenen Primae Religionis Christianae Rudimentis des bekannten Niederländer Marcus Zuerius van Boxhorn, der mit seiner indoskythischen Hypothese bei Rudbeck sonst kaum Anklang findet. Hatte Rudbeck in der Widmung bereits auf sein Vorhaben verwiesen, die Göthen nach China zu führen, wird im Folgenden dann vorab auf den recht unbekannten französischen Sinologen Philippe Masson und seine Disserationes de usu linguæ Sinicæ in Etymologia Hebraica eruenda verwiesen. Masson versuchte offenbar zu beweisen, dass sich das Chinesische aus dem Hebräischen entwickelt habe und diesem somit in besonderer Weise nahestand²⁵¹. Das Chinesische wird von Rudbeck an späterer Stelle behandelt, zuerst gilt es die Verbindung zwischen dem Hebräischen und Schwedischen auszuführen. So schreibt er: Linguarum itaque Hebrææ ac Gothicæ mutuum, per omnia & singula consensum dum rationibus firmis monstrare suscipio: (…).²⁵²
Danach folgt eine Art Methodenteil mit insgesamt 25 Paragraphen, der in aller Ausführlichkeit unten besprochen werden soll, da er gewissermaßen paradigmatisch für die anderen Werke Rudbecks gilt. Hier macht Rudbeck sich an die Arbeit, die theoretischen und methodischen Grundlagen seines Vorgehens auszuführen. Die ersten Paragraphen (I-XV) geben dabei die theoretische Fundierung vor²⁵³. Das Göthische, aber auch das Samische und Finnische sollten obskure Stellen der heiligen Schrift zu erhellen helfen. Chamberlayne selbst hatte offenbar im vorausgegangenen Brief explizit auch um einen Katalog der besten Bücher in Rudbecks Muttersprache gebeten, „antient or modern, including the Gothic, which I consider as the mother of all our languages in the Northwestern parts of Europe“²⁵⁴. Es muss bezweifelt werden, dass Chamberlayne mit „Gothic“ dasselbe meinte wie Rudbeck. Zwar scheint er dieses zu Rudbecks Muttersprache zu zählen, geht also von einem skandinavischen Ursprung aus, doch meint er sicherlich das eigentliche Gotische, nicht das rudbeckianische „Göthische“. Wichtig ist hier weiterhin Rudbecks Referenz auf die – nach heutigem Verständnis – dem Hebräischen verwandten Sprachen Arabisch, Syrisch, Chaldäisch,
Specimen, Seite 4. Vgl. dazu Masson Chiao / Kriegeskorte (2000: 997). Specimen, Seite 5. Specimen, Seite 7 ff. Specimen, Seite 8.
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Äthiopisch, aber eben auch Koptisch und Göthisch, die herangezogen werden sollten, wenn es keine geeignete Etymologische Entsprechung im Hebräischen gab. Dies hatte er bereits in der Lapponia Illustrata, aber auch im ersten Teil der Ichthyologia Biblica angewandt. Dass Rudbeck gerade für das Koptische Athanasius Kircher recht häufig zitiert, liegt zum einen sicherlich in der schieren Tatsache begründet, dass dessen Werke eine Quelle für eben diese Sprache boten. Vor allem musste es Rudbeck aber daran gelegen sein, dem postulierten Status des Koptischen als vermeintliche adamitische Ursprache indirekt zu widersprechen, indem er es in seine Taxonomie eingliedert und dadurch wiederum eine orthodox-gotizistische Alternative anbietet. Sind die Verwandtschaftsverhältnisse geklärt, folgen nun mehrere Paragraphen (XIII– XXV) zur äußeren Gestalt der zu behandelnden Etymologien²⁵⁵. Rudbeck erweist sich als scharfsinniger Beobachter, wenn er das Verhältnis von walisisch p zu irisch c darstellt, also zweier Laute, die sich lautphysiologisch nicht ähnlich sind, deren Verhältnis zueinander aber durch die Indogermanistik bzw. Keltologie bestätigt wird. Somit kann man bei Rudbeck einen Fortschritt auf dem Gebiet der Permutation gegenüber seinem Vater beobachten. Rudbeck erkennt Regelmäßigkeiten in weniger offensichtlichen Analogien. Er stellt etwa walisisch pren „arbor“ zu irisch crann oder vergleicht (die Lehnwörter) walisisch pasc „pascha“ und irisch casc ²⁵⁶. Doch auch die Rolle von Konsonantenpermutationen, paradigmatisch erklärt am Beispiel des italienischen fiore aus Lateinisch flore, das ja in der Tat einen Wandel von lateinischem -l- zu italienischem -i- aufweist, wird induziert²⁵⁷. Dabei war die geringe Aussagekraft von Vokalalternationen im Gegensatz zu denjenigen der Konsonanten zu erwähnen. Hierfür wird die Etymologie von göth. kung aufgegriffen, welches im Vokalismus von dänisch kong, englisch king oder deutsch könig abwich²⁵⁸. So kann Rudbeck ungeachtet dieser Alternationen leicht eine Herkunft aus hebr. כהןcohen „rex, princeps“ geltend machen. Rudbeck führt auch andere Sprachen an, etwa chinesisches chuon, tatarisches han bzw. cham oder persisches gan. Leicht ersichtlich ist Rudbeck hier von seinem Vater beeinflusst worden, der ja ebenfalls die Unzuverlässigkeit der Vokale genannt hatte. Die Beispiele zeigen darüber hinaus auch, dass dieselbe Auffassung über die Permutationsfähigkeit von Konsonanten vorliegt, denn alle Wörter haben irgendeine Art von Velar oder Laryngal im Anlaut, während sie im In- oder Auslaut einen Nasal aufweisen. Nach diesem Methodenteil geht es nun an die konkrete Anwendung mit dem Ziel die Hebraismen, „quorum tanta in Gothico sermone sit copia“²⁵⁹, aufzuzeigen. Die anschließenden Paragraphen widmen sich zuerst dem hebräischen Word ידjad, also
Specimen, Seite 10 ff. Specimen, Seite 9 f. Eine unverzichtbare Quelle zu den Pekuliarien des Irischen innerhalb der keltischen Sprachen bietet immer noch Thurneysen (1909). Specimen, Seite 10. Specimen, Seite 12 f. Specimen, Seite 13.
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dem Wort für „Hand“, und dessen hauptsächlich göthischen Reflexen²⁶⁰. Dabei kann das eine hebräische Wort je nach semantischem Gehalt bzw. pragmatischer Anwendung in den Texten unterschiedliche Kognaten im Schwedischen haben. So entspricht hebr. jad unter (α) schw. hand, das Rudbeck als korrupte Form von einem Göth. ad bzw. mit Aspiration had beschreibt. Hier werden bereits mehrere Prinzipien Rudbecks deutlich. Die Semantik wird wohl Anlass gegeben haben, beide Wörter zueinander zu stellen. Das gilt ebenfalls für den Bereich der Phonologie, denn beide Wörter teilen im Vokalismus die Qualität a und das auslautende d. Da Rudbeck jedoch ebenfalls das anlautende h und das präkonsonantische n erklären muss, wird die moderne schwedische Form einfach als korrumpierte Version eines älteren had bzw. eines noch älteren göth. ad erklärt. Rudbeck, der ein scharfsichtiger Beobachter von Sprachwandelprozessen war, wird die Volatilität des Lautes h in vielen Sprachen, gerade in der Entwicklung vom Lateinischen zum Romanischen hin, bekannt gewesen sein. Könnten lateinische Alternanzen wie findere vs. fidī als Erklärung für den spontanen Nasal gedient haben? Aus indogermanistischer Sicht handelt es sich hierbei um ein sogenanntes n-Infix. Vergleichbar wird das Samische mit einer Form ied „manus“ bemüht, die dann ebenfalls zu kied korrumpiert worden war. Wenn er unmittelbar darunter finnisch käsi, estnisch kesh und ungarisch keez bemüht, so scheint das Samische die ursprünglichste der vier Sprachen zu sein. Ebenso stand unter Abschnitt β hebräischem jad in der Bedeutung „terminus, spatium determinatum“, aber auch ein göthisches iad gegenüber. Auch das Verbum jæta „prædicere, prophetari“ stand mit dem hebräischen Ausgangswort jad, dann aber unter Abschnitt ε in der Bedeutung „prophetia“, im Zusammenhang. Auf den nächsten Seiten wird die Diskussion von jad weiter ausgeführt und etwa auch Komposita oder Syntagmen wie le-jad werden auf etymologische Kognaten hin untersucht. Die Reflexe eines hebräischen Wortes waren somit im Göthischen multipel. Jede Semantik des Ausgangswortes hatte eigene göthische Reflexe, wie ich unten im Methodenteil argumentieren werde. Auf den folgenden Seiten werden auch zahlreiche Ableitungen und Syntagmen dieses Wortes mit göthischen Reflexen versehen, bevor sich das Wort für „Wein“, hebr. jain, anschließt²⁶¹. Das Wort fand seine ursprüngliche Bedeutung durch das Schwedische vin bzw. vinna „praevalere, potiorem esse, vincere, superare“. Somit war der Wein also ein Getränk, das stark macht bzw. mit Stärke verbunden ist. Eine Erklärung aus zwei chinesischen Wörtern, wie Masson sie gegeben hatte, war damit hinfällig. Interessant ist hier, dass Rudbeck eine Permutation postuliert, die hebräisches יj arabischem und eben göthischem ןv gegenüberstellt. Exemplifiziert werden konnte dies nicht nur beim Wort für Wein und seinen göthischen Kognaten, sondern auch anhand des hebräischen Wortes für „Meer“, יםjam, dem im Göthischen und Dänischen das Wort van, mit derselben Bedeutung entsprach. Dies scheint wiederum ein Konstrukt Rudbecks zu sein, das neuschwedisch vatten „Wasser“ mit seiner dänischen Ent-
Specimen, Seite 13 ff. Specimen: 35 ff.
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sprechung vand, mit stummem d, versöhnen sollte. Tatsächlich ist übrigens das Arabische hier dem Ursemitischen näher, denn es ist das Hebräische, das einen Lautwandel ursemitisch w- > hebr. j- aufweist − nicht umgekehrt²⁶². Daraufhin wird hebräisch טםןtaman („verbergen“) untersucht, das Philippe Masson aus dem Chinesischen heraus erklärt hatte, wo ta die Bedeutung „grand“ habe und man „un voile“ bedeute²⁶³. Man „verbarg“ also unter einem „großen Schleier“. Masson scheint also eine ähnliche Methodik wie Rudbeck anzuwenden, indem er hebräische Wörter segmentiert und die einzelnen Glieder des Kompositums mit chinesischen Kognaten zusammenbringt²⁶⁴. Dass ein hebräisches Wort primär mit Hilfe des Chinesischen erklärt werden sollte, musste Rudbeck sicher unbegründet erscheinen, war das Chinesische doch selbst ein Ableger des Göthischen. Somit scheinen für Rudbeck auch Übereinstimmungen, die das Chinesische wohl tatsächlich mit dem Hebräischen teilte, nur über den intermediate link des Göthischen erklärbar zu sein. Masson hatte zudem auch andere hebräische Wörter, die nicht mit ט, sondern mit תgeschrieben wurden, zu einer chinesischen Wurzel ta gestellt, so etwa das Wort תנורtanôr (hebr. „ תנורOfen“), das er als „großes Feuer“ deutete. Rudbeck will jedoch die Reflexe dieser zwei Buchstaben getrennt behandeln und widerspricht somit Massons Etymologien, ohne dessen Analyse als Kompositum prinzipiell zu widersprechen. Er sucht nun nach einer christlichen Umdeutung der von Masson angeführten hebräischen Wörter mit ת, die nur durch das Göthische erfolgen konnte. Der Buchstabe תdes Hebräischen ähnelte bei den Samaritanern einem Kreuz. In der Tat ähnelt die graphische Entsprechung in der samaritanischen Schrift einem Kreuz und steht somit der ursprünglich phönizischen Form näher. Im Göthischen war dieses Kreuz als Rune ᛏ erhalten, das bei Wulfila als T erschien. Die hebräische Silbe ta verwies also auf das göthische Runenalphabet und zugleich auf das christliche Kreuz. Das Kreuz hatte bei den alten Galliern Tau oder Thau geheißen. Diesem Namen entsprachen göthisch tyv und tyva, die eine „furca“ in Kreuzform bezeichnet hatten. Auch der Name verwies also auf das Göthische. Rudbeck vollführt hier also eine bemerkenswerte Transformation, die man als „Interpretatio Christiana et Gothica“ bezeichnen könnte. Das Chinesische beschäftigt Rudbeck weiterhin. Wenige Seiten später wird ein langer Traktat zur Stellung des Chinesischen eingeführt, der zeigen soll, dass auch diese Sprache letztlich göthischen Ursprungs war²⁶⁵. Rudbeck schreibt zum Chinesischen, dass das von Athanasius Kircher beschriebene Chinesische der Provinz Xensi sich viel weiter vom Hebräischen entfernt habe als das der Tunchinesen ²⁶⁶. Rudbeck
Zu diesem Phänomen Moscati (1980: 46). Specimen: 44 ff. Zu Massons Methodik und seinen chinesisch-hebräischen Etymologien ausführlich Duyvendak (1936). Specimen, Seite 60 ff. Specimen, Seite 60.
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wird sich hier auf dessen China Illustrata von 1667 beziehen²⁶⁷. Was die übrigen chinesischen Dialekte angehe, könne er mangels Material keine Aussagen treffen. Chinesisch, Hebräisch und Göthisch zeigten jedenfalls für Rudbeck große Übereinstimmungen. Kernstück dieses Exkurses ist die chinesisch-göthische Wortliste, die die enge Verbindung zum Chinesischen aufzeigen und somit Philippe Massons Ansicht, das Chinesische leite sich direkt vom Hebräischen ab, wiederlegen soll²⁶⁸. Es waren doch die Skythen, die in China gewesen waren und somit deren Sprache, die die Grundlage des Chinesischen bildete, und nicht umgekehrt. Wenn das Göthische, wie eingangs erklärt, mit dem Hebräischen quasi identisch war, so konnte sich durch die Präsenz der Göthen in China eben auch die vermeintliche Nähe des Chinesischen zum Hebräischen erklären lassen. Das Material der Liste stammt nach Rudbecks eigener Beschreibung aus seinem Thesaurus. Da Rudbeck das Chinesische nicht vom Annamitischen, d. h. Vietnamesischen abgrenzt, dürfte als Quelle größtenteils der von ihm angeführte französische Missionar Alexandre de Rhodes und dessen Dictionarium Annamiticum, Lusitanum, et Latinum von 1651 gedient haben. Der ersten Kolumne, die „chinesisch-annamitisches“, also vietnamesisches Material beinhaltet, wird dann eine göthische und eine mit der lateinischen Übersetzung gegenübergestellt. Wo es dem Göthischen an einer Analogie mangelt oder eine vorhandene sich als unzureichend herausstellt, kann eine dem Göthischen verwandte Sprache herangezogen werden. So wird dem chinesisch-vietnamesischen tû bon „caput familiæ“ zuerst walisisch ty pen und dann göth. husbon gegenübergestellt. Walisisch tŷ ist die Bezeichnung für „Haus“ und entspricht etymologisch irisch teach. In der Regel sind es aber rein göthische Kognaten. Ein aufschlussreiches Beispiel ist chinesisch-vietnamesisch blau „folium“, dem göthisch bla gegenübergestellt wird. Vermutlich ist das moderne schwedische blad gemeint und wäre nach Rudbeck wiederum als korrumpierte Form zu werten. Generell scheint die Rekonstruktion eines göthischen Wortes nicht nur zur Einsilbigkeit zu tendieren, sondern auch einen reduzierten Konsonantismus aufzuweisen. In vielen Fällen bleibt jedoch völlig unklar, welches schwedische Wort die Grundlage für sein göthisches Konstrukt ist. So stellt er chinesisches hum „conspicuum“ göthischem hum gegenüber, das ich in keiner Weise herleiten kann. Die Liste umfasst insgesamt zehn Seiten und sollte zeigen, dass „Chinæ veteris incolas Scythas fuisse seu Gothos“²⁶⁹ und die Verbindung des Chinesischen zum Hebräischen nur über „den intermediate link“ des Göthischen zu verstehen war. War die göthische Herkunft der Chinesen erwiesen, konnte sich Rudbeck den vermeintlich altertümlichen Völkerschaften Skandinaviens widmen. Wie konnten die Finnen, Esten und Samen mit ihrer fremd anmutenden Sprache dem rudbeckianischen Paradigma einverleibt werden? Rudbeck zitiert zuerst Wotton:
Zu Kirchers sinologischen Arbeiten Chiao / Kriegeskorte (2000: 993 f.). Specimen, Seite 62 ff. Specimen, Seite 71.
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si quis, inquit, in Europa respexerit Finnicam ejusque dialectos, Esthicam & Letticam: si quis examinaverit Hungaricam, quæ toto cœlo ab aliis omnibus Europæis differt. &c.²⁷⁰
Dass das Estnische zum Finnischen gehörte, war für Rudbeck eindeutig. Er widerspricht Wotton allerdings in zweifacher Hinsicht. Zum einen hielt er das Lettische nicht für einen Dialekt des Finnischen – was es ja in der Tat auch nicht ist –, denn „cum tantam potius harum esse differentiam linguarum inveniam, quanta vix Graecam inter & Finnicam“. Dies ist insofern bemerkenswert, als Rudbeck dem indogermanischen Lettischen eine nahe Verwandtschaft zum Finnischen genauso wenig zubilligt wie dem Griechischen. Gerade die Verwandtschaft zum Griechischen aber sollte der Finne Nils Idman (1716 – 1790) zum Ende des Jahrhunderts mit seinem Försök at wisa gemenskap emillan finska och grekiska språken, såsom tjenande till uplysning i finska folkets historia von 1774 zu beweisen suchen. Hat Rudbeck also schon erkannt, dass das Lettische eher dem Griechischen ähnelte, oder ist dies ein Zufall? Zum anderen habe Wotton das Ungarische nicht gründlich untersucht, denn seine Verwandtschaft mit dem Finnischen sei sehr nah. Dies ist eine Schlüsselstelle, da sie den Auftakt zur so wichtigen, finnisch-ungarischen Wortliste bildet. Hier sollen nur exemplarisch ein paar Beispiele besprochen werden²⁷¹. Rudbeck trifft ins Schwarze, wenn er etwa fi. puu (puu „Baum“) zu ung. fa (fa „Baum“) stellt. Der Lautwandel *p > f ist ein spezifisch ungarischer²⁷². Dass p und f in einem grundsätzlichen Permutationsverhältnis zueinanderstehen, hat bereits Rudbeck der Ältere herausgestellt, dort aber eher im Sinne der germanischen Lautverschiebung. Es zeigt aber auch, dass Rudbeck der Jüngere einen gewissen Begriff von Lautwandel hatte, da er derlei Prinzipien auch für Sprachen anwendet, die sein Vater nicht behandelt hat. So vergleicht er ebenfalls finnisch cala (kala „Fisch“) mit ungarisch hal (hal „Fisch“) und ist somit nebenbei der analogischen Lautverschiebung von *k zu h im Ungarischen auf die Schliche gekommen. Durch diese Liste konnte Rudbeck Wotton also demonstrieren, dass es eine tatsächliche Verwandtschaft beider Sprachen gab. Rudbeck konnte Wotton auch nicht zustimmen, wenn dieser behauptet hatte, das Finnische, Slawische und Ungarische hätten keine Verwandtschaft mit dem Deutschen und Griechischen²⁷³. Das Griechische hatte eine „affinitas“ zum Göthischen, und dieses wiederum zum Slawischen. War dies ein frühes Konzept indogermanischer Sprachen, wenn Rudbeck explizit das Germanische in Form des Göthischen mit dem Griechischen und Slawischen verbindet, zugleich aber das Finnische mit dem Ungarischen? Rudbeck geht kurz auch nochmals auf das Samische ein, dessen Verwandtschaft zum Hebräischen für ihn genauso feststand wie diejenige des Göthischen. Hier gibt Rudbeck nun endlich selbst die Begründung für dieses Postulat. Hatte Norrman
Specimen, Seite 77. Specimen, Seite 78 ff. Zur Lautentwicklung des Ungarischen Décsy (1965: 172 ff.). Specimen, Seite 81.
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zu Beginn der Laponia Illustrata die Frage aufgeworfen, ob Rudbeck glaube, dass die Samen von den Zehn Verlorenen Stämmen abstammten, macht Rudbeck genau dieses im Folgenden vorsichtig geltend: (…) linguarum nempe tam Lapponicae quam Gothicae cum Hebraea consensus, ea de re prolixius in Thesauro meo disserendi occasio dabitur. Doctis interim hoc saltim dijudicandum relinquam, ubinam gentium vel ubi terrarum decem illas Israëlitarum tribus a Salmanassare in captivitatem abductas sedem ac domicilia fixisse existiment, numve in Persidem vel Indiam vel Chinam vel denique Septentrionem nostrum penetrarint, posteaque ab Euphrate recedentes emmenso sesquianni itinere tandem ad locum Arsareth dictum pervenerunt; (…).²⁷⁴
Es ist kennzeichnend für alle von Rudbecks Werken, dass die Argumentationslinien oft nicht stringent sind. Häufig scheint es, als ob Rudbeck seine Gedankengänge verschriftlicht, wenn er aus dem Nichts heraus einen Traktat einfügt, der mit dem übrigen Text kaum Verbindung aufweist. Dies ist auf den folgenden Seiten der Fall²⁷⁵, wo eine längere Abhandlung über die Etymologie der Pantoffel ausgeführt wird. Rudbeck behandelt nun die Etymologien des Historikers Otto Sperling. Sperling hatte in seiner 1698 veröffentlichten Abhandlung De crepidis veterum, nunco vulgo Pantoffeln dictis, die Etymologie der Pantoffel behandelt, wollte aber nicht erkennen, dass das Wort ein aus zwei göthischen Wörtern zusammengesetztes Kompositum war, nämlich pan / ban „vinculum, fascia“ und tofel „crepida“. Die göthischen Elemente dieses Kompositums konnten wiederum hebräische bzw. semitische Etymologien aufweisen. Den Ursprung des Kompositionshinterglieds wollte Rudbeck etwa im Arabischen suchen. Hier gab es die Wörter טפלהtephela und טפראtaphera, an welche sich weitere semitische Wörter mit der Bedeutung „ungula“ oder „calceus corneus animalis“ anschlossen. Zugleich konnte man das Wort auch als schwedisches Kompositum aus tâ „digitus pedis“ (vgl. dt. Zehe) und fæla „tegere“ verstehen. Somit wäre das Hinterglied des Kompositums das, was die Zehen bedeckte, also der Nagel (eines Tieres). Rudbeck begründet die eigenartige Verbindung zwischen Tierhufen und Pantoffeln: „(…) neque enim ovum ovo magis est simile, quam animalium corneis ungulis nostræ crepid擲⁷⁶. Das Vorderglied der Pantoffel, pan, hatte Kognaten in der rabbinischen Literatur und band sich an verschiedene germanische Wörter für „binden“ an. Es hatte nicht nur „vinculum“, sondern auch „pannum“ und „rete“ bedeutet. Insgesamt ließen sich die zahlreichen Wörter für „Pantoffel“ dann aus einer Fügung פנתא טפלהund daraus zusammengesetztem פנטפלהherleiten. Welchen Eindruck ein solcher Traktat über die Pantoffel auf die Gelehrten der Zeit machen musste, könnte man ironischerweise aus Ludvig Holbergs (1684 – 1754) utopischem Roman Nicolai Klimii iter subterraneum erschließen²⁷⁷. Das Werk wurde in seiner lateinischen Originalfassung im Jahre 1741 herausgegeben und war somit rund 24 Jahre
Specimen, Seite 83. Specimen, Seite 84 ff. Specimen, Seite 93. Zu den skandinavischen Nationaldichtern und darunter Holberg und dessen Werken Ebel (1990).
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jünger als das Specimen. Im dritten Kapitel, als er vom Disputationswesen der Potuaner berichtet und ihm dieses ganz unsinnig erscheint, schreibt er, was er einem Wirt über die oberirdische Welt entgegnet: Ich erwiderte hierauf, die Disputationes würden insgeheim über sehr gelehrte und kuriöse Dinge angestellet, insonderheit über solche Materien, welche die Sittenlehre, Sprachen, die Kleidungen derer beiden ältesten Völker, so ehemals in Europa am meisten florieret, u. dgl. beträfen: anbei versicherte ich ihm, daß ich selber drei Disputationen über die Pantoffeln gedachter Völker gehalten.²⁷⁸
Holberg wird sich hier jedoch eher auf Sperling als auf Rudbeck den Jüngeren bezogen haben. Letzterer kommt nach Behandlung der „Pantoffel“ nochmals zu Masson und dem hebräischen Wort טטפותtotaphot, das für ihn wohl in Verbindung zum Hinterglied des Wortes Pantoffel stehen musste²⁷⁹. Masson hatte das Wort wieder mithilfe des Chinesischen zu eluzidieren versucht. Das Wort wird üblicherweise mit „Zeichen“ übersetzt und ist durch Ex 13,16 belegt: ח ֶזק ָ֔יד הֹוִציָ֥אנוּ ְיה ָ֖וה ִמ ִמְּצ ָֽריִם׃ ֹ ֣ פת ֵ֣בּין ֵעי ֶ֑ניָך ּ֚כִי ְבּ ֹ ֖ או֙ת ַעל־ ָ֣י ְד ָ֔כה וְּלטֹוָט ֹ ְוָה ָי֤ ה ְל Und das soll dir wie ein Zeichen auf deiner Hand sein und wie ein Merkzeichen zwischen deinen Augen; denn der HERR hat uns mit mächtiger Hand aus Ägypten geführt.
Auch hier gab es eine geeignete göthische Entsprechung, nämlich totap mit der Bedeutung „lanae, lini“ oder auch „fasciculus“, mit welchem das Wort totaphot „significatione non minus quam sono“ übereinstimmte²⁸⁰. Es schloss sich noch walisisch-göthisches top „caput“ an, das auch dem deutschen zopf zugrunde lag. Auch zwei andere Wörter mit ähnlicher Bedeutung, hebr. אותoth „signum“ und hebr. זכרון sicaron, ließen sich abermals mit Hilfe des Göthischen verstehen²⁸¹. Göthisch wota bzw. wotta, weta, wita bedeutete „apparere, eminere, vergere“, aber etwa auch „demonstrare“, womit auch göth. wæt, wite „lex, statutum“ im Zusammenhang stand (vgl. nl. wet „Gesetz“). Auch die Bedeutung „Verbot“ war dem Ursprungswort אותinhärent. Dadurch ließ sich eine weitere Bibelstelle, nämlich Gen 4,15 neu interpretieren: או׃ ֹ ֽ ת֖ו ָכּל־מְֹצ ֹ א ֹ אות ְלִבְל ִ֥תּי ַה ֹכּות־ ֹ ֔ ַו ֧יּ ֹאֶמר ֣ל ֹו ְיה ָ֗וה ָלֵכ֙ן ָכּל־הֹ ֵ֣רג ַ ֔קיִן ִשְׁבָעַ֖תיִם ֻי ָ֑קּם ַו ָ֨יּ ֶשׂם ְיה ָ֤וה ְל ַ ֨קיִ֙ן Aber der HERR sprach zu ihm: Nein, sondern wer Kain totschlägt, das soll siebenfältig gerächt werden. Und der HERR machte ein Zeichen an Kain, dass ihn niemand erschlüge, der ihn fände.
Holberg / Preuß (1985: 29). Eine lateinische Onlineausgabe findet sich unter: http://www2.kb.dk/ elib/lit/dan/holberg/klim/. Specimen, Seite 93 ff. Specimen, Seite 106. Specimen, Seite 98 ff.
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Durch das Göthische war die ursprüngliche Bedeutung des Wortes אות, die durch die gängige Bibelinterpretation entstellt worden war, an die Oberfläche gelangt. Aus „Et posuit Dominus in Cain signum“ wurde dann „Et posuit (vel promulgavit) Dominus Caini gratia interdictum“²⁸². Letztlich hatten nach Rudbeck jedoch alle drei hebräischen Wörter eine Art von Ornament bzw. Kopfschmuck bezeichnet. Es beginnt nun eine ausgiebige Behandlung von hebr. יםjam, dem Wort für „Meer“²⁸³. Auch hier wird wieder auf Masson Bezug genommen. Rudbeck widerspricht Masson, der es aus einem chinesischen Wort yâm für „nourrir“ ableiten wollte, das Meer also als das „Ernährende“ semantisch auflud. Doch war dieses Attribut nicht eher auf die Erde anzuwenden? Zwar hatte das chinesische Wort durchaus göthische Kognaten, etwa das Verb ama mit der gleichen Bedeutung, dem sich auch zahlreiche Wörter für „Amme“ im Göthischen und weiteren Sprachen anschlossen. Für das Wort יםjam führt Rudbeck jedoch lieber göth. jam „aequalis, similis“ und heutiges jæmna „aequare“ an, weil er wohl von einem freien Syntagma „ruhige, ebene See“ oder „die See ist eben, ruhig“ ausgeht. Dabei ignoriert er, dass die innergermanischen Kognaten von schw. jämn, beispielsweise dt. eben, engl. even oder dän. jævn, im Konsonantismus dem Hebräischen nicht so nahekommen. Es ist in der Tat eine typisch schwedische Entwicklung, wie das Verhältnis von schw. hamn zu dän. havn und engl. haven zeigt, die den nordgermanische Konsonantencluster -vn- zu -mnverschiebt. Das Dänische oder Englische reflektiert also eigentlich den konservativeren Zustand. In seinem Anspruch, die besondere Nähe des Schwedischen zum Hebräischen herauszustellen, ignoriert er diesen Sachverhalt. Wenn er dann noch runisch-göthisch van, vang „aequor“ angibt und dabei wohl wie zuvor den „häufigen“ Lautwandel w > j, oder umgekehrt, im Auge hat, so ist eine Anbindung an neuschwedisch vatten „Wasser“ naheliegend und in der Tat bringt er im nächsten Absatz ein schwedisches watn-pass ins Spiel. Die Etymologie wird noch weiter ausgeführt. Sie war multipel und fand mithilfe des Göthischen mehrere konkurrierende Semantiken. Rudbeck hatte ja bereits in der Ichthyologiae Biblicae Pars Prima ganz andere Analogien zum hebräischen Wort bemüht. Es wird dabei nicht stets klar, in welchem Verhältnis diese Lautanalogien zueinanderstehen, doch musste Rudbeck vom Primat des Hebräischen ausgehen, das eben multiple Reflexe im Göthischen und anderen Sprachen haben konnte. Nach dem Meer widmet sich Rudbeck den Inseln²⁸⁴. Hebr. איj war von Masson abermals zum Chinesischen gestellt worden. Rudbeck widerspricht und erklärt, dass das hebräische Wort „plane idem esse quod Ey Gothicum“²⁸⁵. Er nennt u. a. heutiges ö, deutsches ey-land und etwa auch walisisches ynys. Auch das Zahlwort „eins“ bringt er ins Spiel. Die Insel war also das, was alleine bzw. für sich im Ozean lag. Aus diesem Grunde wurde die „Insel“ etwa im Rabbinischen auch גזראgazera genannt, wozu er
Specimen, Seite 104. Specimen, Seite 108 ff. Specimen, Seite 112 f. Specimen, Seite 113.
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Edda-göthisches sire, finnisches saari (vgl. fi. saari „Insel“) und estnisches sahr (vgl. estn. saar „Insel“) stellt. Unmittelbar danach beginnt nun ein wesentlich ausführlicherer Traktat²⁸⁶. Es geht hier um die hebräische Wurzel שום. Auch hier wird Massons Ansätzen widersprochen. Rudbeck wendet wieder das Prinzip der multiplen Etymologie an und zeigt, wie sehr das Göthische geeignet war, alle Bedeutungsnuancen des Ausgangswortes aufzuzeigen. Insgesamt zehn Semantiken des hebräischen Wortes werden etymologisiert²⁸⁷. In der Bedeutung „ponere“ (1) und „facere“ (2) entspricht diesem göth. sem, semia „ponere, disponere, componere“. Göth. saum aus Verelius Lexikon hingegen ist analog zu שוםmit der Bedeutung „inclinare, attendere, favere“ (3). Das Wort bedeutete auch „eligere, providere usw.“ (4), wie sich aus Psalm 40,5 ergab, und entsprach somit göth. skima „circumspicere, providere“, wie es in der isländischen Bibel belegt war. Interessant ist vor allem die sechste Etymologie, in der das hebräische Wort die Semantik „caedere, percutere“ aufweist. Hier wird das samische Endonym Sami und dessen korrumpierte Variante Sabmi angeführt. Auch sämtliche Ableitungen vom hebräischen Wort, wie sie etwa im Talmud aber auch im Chinesischen vorkamen, hatten multiple, göthische Kognaten. Rudbeck führt hierzu weitere neun Etymologien an. Ein Kompositum nimmt Rudbeck für das Toponym Moab an, welches aus göthisch und niederländisch moy, moye „matertera, amita“ und hebr. אבbzw. göth. af zusammengesetzt war, wobei letzteres nicht nur „pater“, sondern auch „avus“ bedeutete²⁸⁸. Offenbar soll die göthische Wortform dem Wort für Großvater entsprechen, vgl. etwa neuisländisch afi „Großvater“. Der Landschaftsname bedeutet für Rudbeck also „nepotem“ oder „filio ex avo“, was sich schließlich durch göth. mog, moge „nepos“ zeigte. Dies musste umso wahrscheinlicher sein, als „ex מואבMoab descendere videatur Mab Brit. & Mac Hibern. i. e. filius, nepos.“²⁸⁹. Die so oft postulierte Lautanalogie n ~ m machte es schließlich leicht, auch lateinisch nepos, französisch nefveu und weitere Kognaten hierherzustellen. Das folgende von Masson behandelte Wort, dem Rudbeck sich widmet, ist שילה schilo ²⁹⁰. Er nimmt dessen Idee eines Kompositums aus zwei chinesischen Wörtern auf, findet aber natürlich die passenden göthischen Kognaten. Das chinesische chi, ausgesprochen schi, „tempus, seculum“ war eindeutig verwandt mit göthischem þid, zeitgenössischem tid und auch deutschem zeit. Hier sieht man ganz deutlich, dass die göthische Form rekonstruiert ist. Das anlautende t- des modernen Schwedischen ist ursprünglich und geht nicht auf älteres þ zurück. Chin. lô „laetitia“ entsprach schließlich schwedischem löi, löje „laetitia, risus, gaudium“ und dem Verbum le „gaudere, ridere“. Das hebräische Wort war somit als „Freudenzeit“ zu
Specimen, Seite 114 ff. Specimen, Seite 121 ff. Specimen, Seite 129 ff. Specimen, Seite 130. Specimen, Seite 131 ff.
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deuten. Im Folgenden werden allerdings noch weitere etymologische Querschläge unternommen, sodass auch die Etymologie dieses Wortes wieder multipel ist. Der letzte Punkt dieses im weiteren Sinne bibelexegetischen Teils des Specimen ist die Behandlung des Manna, hebr. מןman ²⁹¹. Das Manna war naturgemäß Gegenstand zahlreicher bibelexegetischer Spekulationen. Die entscheidende Frage war, um was genau es sich dabei gehandelt hatte²⁹². Masson war offenbar von der Bedeutung „du pain“ ausgegangen. Es hätte sich also schlicht um Brot gehandelt. Rudbeck hingegen scheint davon auszugehen, es habe sich um irgendeine Art von Samen oder Getreide gehandelt²⁹³. Auch eine Bedeutung „klein“ wird aufgegriffen, worauf lateinisch minutus, aber auch die germanischen Komparative wie schwedisch und deutsch minder, aber auch griechisch μεῖον, lat. minus und französisch moins hindeuteten. Für die Interpretation als „Getreide“ argumentiert Rudbeck, dass man im Hinterglied von lat. semen zu finden war. Auch das Vorderglied von italienisch man-giare (it. mangiare „essen“) wies auf die Verwendung des Manna als Nahrungsquelle hin. Das Werk schließt recht abrupt mit einem Verweis auf den Thesaurus Polono-LatinoGraecus des Grzegorz Knapski, ohne dass ein konkretes Ergebnis zur Etymologie des Manna geliefert wurde. Das Specimen ist ein Amalgam aus Bibelexegese, umfangreichen sprachtheoretischen Überlegungen und zwei Listen mit Wortanalogien, die die Verwandtschaft des Göthischen mit dem Chinesischen einerseits und die des Finnischen mit dem Ungarischen andererseits beweisen sollen. Die Bibelexegese geht jedoch nicht primär vom biblischen Text aus, der etymologisiert wird. Vielmehr nimmt letzterer hier die Funktion eines Werkzeuges zur Klärung etymologischer Sachverhalte ein. Somit unterscheidet sich die Methodik fundamental von derjenigen der Ichthyologiae Biblicae Pars Prima. Wie bereits eingangs erwähnt, liegt in Uppsala mit der Signatur R 12a eine gedruckte Ausgabe des Specimen vor, die durch Rudbecks eigene Hand auf den unbeschriebenen Seiten ergänzt wurde. Dabei handelt es sich größtenteils um weitere Etymologien, auf die Rudbeck wohl während seiner Arbeit am Thesaurus gestoßen war. Rechts von Seite 10, die die walisisch-irischen Kognaten behandelt, findet sich zum Beispiel ein Eintrag, der schw. bisp „episcopus“ italienischem vescovo gegenüberstellt. Unten gibt es dann einen Eintrag schw. pingst „pentacoste“. Rudbeck ist also immer wieder auf weitere Permutationserscheinungen gestoßen, die sich hätten brauchbar machen können. Auch Material aus exotischeren Sprachen, das ihm bei der Abfassung des Specimen vielleicht noch nicht vorgelegen hat, findet sich in den Ergänzungen. Zu lat. dono, das er auf Seite 11 des Fließtextes aus dem hebräischen Imperativ תןthen erklärt, gesellte sich nun etwa noch georgisches zuáni und suéni. Oft werden auch Specimen, Seite 151 ff. Zur Suche nach dem heutigen Vorkommen des Manna und den entsprechenden bibelexegetischen Diskussionen Harris (1824: 262 ff.). Specimen, Seite 150.
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zusätzliche estnische Wörter mit Verweise auf den deutschen Theologen Heinrich Göseken angeführt. Göseken, der in Estland tätig war, hatte 1660 eine Manuductio ad Linguam Oesthonicam, Anführung zur Öhstnischen Sprache, veröffentlicht. Wird auf Seite 105 des Fließtextes hebr. oth „signum“ und göth. wet behandelt, führt Rudbeck in den Anmerkungen noch ein estnisches Verbum witzoma an. Daneben finden sich auch weitere Literaturverweise oder Anmerkungen inhaltlicher Art. Dass zumindest einige Beispiele aus dem Thesaurus stammen, ergibt sich aus seinen eigenen Verweisen. Der kabbalistische Diskurs über das Kreuz auf Seite 57 wird passend etwa durch armenisch tsav „dolor“ ergänzt, vgl. arm. ցավ c’av „Schmerz“.
Abb. 9: Uppsala Universitetsbibliotek, Signatur R 12a, Seite 10, Foto: Stefan Heinrich Bauhaus
Das Specimen ist nun das erste gedruckte Werk, das man als primär sprachtheoretisch klassifizieren kann. Zwar gibt es durchaus bibelexegetische Implikationen und im Falle des Tau Gothicum sogar einen kabbalistischen Abschnitt, dennoch steht mehr als in jedem anderen Werk die Sprache selbst im Fokus der Betrachtung. Dies wird bereits daran deutlich, dass Rudbeck genaue Angaben darüber macht, wie er „sprachwissenschaftlich“ vorgehen will. Diese vorab formulierte Methodik darf gewiss als paradigmatisch für seine späteren Werke gelten. Sprachwissenschaftlich von großem Interesse sind jeweils die finnisch-ungarische und die schwedisch-chinesische Wortliste. Erstere ließ Rudbeck in den Fokus der finnougristischen Fachgeschichte geraten. Wie sich bereits in der Ichthyologia Biblica andeutete, wird hier klar die Stellung der schwedischen Sprache verteidigt. Das Samische nimmt so gut wie keine Bedeutung mehr ein. Impliziert wird hier abermals die Herleitung aus den Zehn
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Verlorenen Stämmen, die allerdings erst zehn Jahre später konkretisiert werden sollte. Dabei ist das Specimen auch eine explizit gegen Philippe Masson gerichtete Schrift. Dass die Etymologie hebräischer Wörter sich mit Hilfe des Chinesischen erklären lassen sollte, passte keinesfalls zum Anspruch des Rudbeckianismus. Führte man die Göthen wie Rudbeck nach China, war das Problem gelöst. Gab es Übereinstimmungen des Chinesischen mit dem Hebräischen, konnten diese mit gotizistischer Lesart zu neuer Tiefe gelangen. Aber auch das Chinesische selbst konnte anhand einer Fülle von Etymologien seine göthische Herkunft offenbaren. Göthen und Hebräer hatten ursprünglich die gleiche Sprache geteilt, was sich an den Reflexen jeder einzelnen der Semantiken des hebräischen Wortes jad zeigen ließ. Sie alle fanden sich im Göthischen wieder, wenn auch durch Permutationsvorgänge entstellt – oder geadelt?
2.1.6 Die Ichthyologiae Biblicae Pars Secunda Der zweite Teil der Ichthyologia Biblica von 1722²⁹⁴ ist das botanische Gegenstück zum zoologischen ersten Teil und hat somit eine völlig andere Fragestellung, wenngleich diese ebenfalls bibelexegetischer Natur ist. Im Zentrum stehen zwei Bibelstellen. Die erste ist Jer 2,22: בּ ִ֑רית ִנְכ ָ ֤תּם ֲעוֹ ֵנְ֙ך ְלָפ ַ֔ני ְנ ֻ֖אם ֲאד ֹ ָ֥ני ְיה ִֽוה ֹ ִ֤כּי ִאם־ ְתַּכ ְבִּס֙י ַבּ ֶ֔נֶּתר ְוַת ְר ִבּי־ ָ֖לְך Und wenn du dich auch mit Lauge wüschest und nähmest viel Seife dazu, so bleibt doch der Schmutz deiner Schuld vor mir, spricht Gott der HERR.
Das markierte Wort, das also in der Lutherbibel mit „Seife“ übersetzt wird, fand sich auch in der zweiten Bibelstelle. Bei dieser handelt es sich um Mal 3,2: ב ִ֖רית ְמַכ ְבּ ִֽסים׃ ֹ אותֹ֑ו ִֽכּי־הוּ֙א ְכּ ֵ ֣אשׁ ְמָצ ֵ֔רף וְּכ ֹ או וִּ֥מי ָהעֵֹ֖מד ְבֵּה ָֽר ֹ ֔ בּו ֹ וִּ֤מי ְמַכְל ֵכּ֙ל ֶאת־ ֣י ֹום Wer wird aber den Tag seines Kommens ertragen können und wer wird bestehen, wenn er erscheint? Denn er ist wie das Feuer eines Schmelzers und wie die Lauge der Wäscher.
Bekanntermaßen wird dieser Abschnitt in der christlichen Auslegung auf den zu erwartenden Messias bezogen, weswegen der Protestant Rudbeck wohl nach einer neuen, eschatologisch ansprechenderen Interpretation suchen wollte. Beide Stellen müssen nach Rudbeck so interpretiert werden, dass es sich bei hebr. bōrît nicht um „Lauge“, „Seife“ oder „Kali“ handelte, sondern um „Purpur“. Der Fließtext umfasst insgesamt 156 Seiten. Zum Werk gibt es eine Rezension in den ALS aus dem Jahr der Olavi Rudbeck fil. Ichtyologiæ biblicæ pars secunda de borith fullonum, quod non herbam aliquam, multo minus smegma vel saponem, fuisse sed purpuram ex Jerem. II. 22 & Malach. III. 2. Perplurimis, iisque non levibus evincitur argumentis & rationibus. Ich passe den Titel im Folgenden orthografisch an, da im Gegensatz zum ersten Band fälschlicherweise „Ichtyologiæ“ geschrieben wird.
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Veröffentlichung²⁹⁵. Darüber hinaus wurde eine Replik Rudbecks aus dem Jahre 1733 veröffentlich, die sich an den deutschen Orientalisten Christian Benedikt Michaelis richtet²⁹⁶. Der vorausgehende Brief Michaelis an den ebenfalls deutschen Mediziner Friedrich Hoffmann aus dem Jahre 1728 ist dort ebenfalls abgedruckt. Für uns soll hier jedoch nur das Hauptwerk von Belang sein, da der ausgelöste, hermeneutische Diskurs nicht Gegenstand dieser Arbeit ist. Das Werk gliedert sich grob in zwei Teile. Bevor Rudbeck seine eigene Interpretation ausführlich darstellt, nimmt er zu vorausgegangenen Interpretationsansätzen, die durchaus auch etymologisch argumentieren, Stellung²⁹⁷. Auch hierin zeigt sich die gleiche Methodik, die auch in der Ichthyologiae Biblicae Pars Prima angewandt wird. Das Wort war entweder als „Seife“ oder aber als „herba fullonum“ bzw. „πόαν πλυνόντων“ übersetzt worden. Darüber hinaus gab es die Identifikation des Wortes בריתmit Kali, die zuvor von Johann Michael Lange (1664– 1731) in seiner Disputation de Herbe Borith von 1705 geäußert worden war. Auch die Ableitung vom hebräischen Wort בררbarar „purgavit“ wird von Rudbeck aufgegriffen. Weitere Ansätze werden auf den folgenden Seiten diskutiert²⁹⁸. Danach wird Rudbecks eigene Interpretation aufgenommen²⁹⁹. In der heiligen Schrift gab es ein Wort, dass für Rudbeck die Basis für borith bildete. Dieses war das Wort בורbor, wie es etwa in Hiob 9,30 belegt ist: בר ַכּ ָֽפּי׃ ֹ֣ ִאם־ִהְת ָר ַ֥חְצ ִתּי ְבמֹו ָ ֑שֶׁלג ַ֝וֲה ִז ֗ ֹכּוִתי ְבּ Wenn ich mich auch mit Schneewasser wüsche und reinigte meine Hände mit Lauge, (…)
Um jedoch die eigentliche Bedeutung dieses Wortes zu elaborieren, musste der genaue Kontext eluzidiert werden. Auch zwei andere Wörter der Textstelle werden behandelt, nämlich das Verbum זכהsakah und das „Schneewasser“, מי שלגmi schælæg. Das hebräische Verb hieß dabei nicht nur „waschen“, es fand vielmehr eine Anknüpfung an göth. scyga „polire, nitium reddere“. Somit konnte auch bor nicht einfach irgendeine „Lauge“ bezeichnet haben, sondern es musste sich um etwas Wertvolleres handeln. Anders war das Verbum „polire“ nicht zu erklären. Im Gegensatz zu Lange geht Rudbeck nämlich davon aus, dass borith nicht für Kleidung, sondern für die Reinigung der Haut verwandt wurde. Es wird dann das Wort שלג, mit der Bedeutung „nix“ aufgenommen. Rudbeck führt hier göth. slagg bzw. sniöslagg an, letzteres beinhaltete also im Vorderglied das eigentliche Wort für „Schnee“, neuschwedisch
ALS (1722: 302– 310, 335 – 339). Olavi Rudbeck filii responsum ad clariss. Christiani Bened. Michaelis, lingg. orr. professoris apud Halens. celeberrimi, objectiones, quo, borith fullonum, non saponem vel smegma, ut ipse contendit, sed purpuram & fucum fuisse, pluribus adhuc, iisque non levibus, probatur argumentis. Cum gratia & privilegio sacr. reg. majestatis. Upsalis, literis wernerianis, a:o 1733. Ichthyologiae Biblicae Pars Secunda, Seite 1 ff. Näheres zur biblischen Seife und der Spekulation über Etymologie des hebräischen Wortes bei Löw (1967, I: 637 ff.). Ichthyologiae Biblicae Pars Secunda, Seite 28 ff.
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snö. Das erste Element der Verbindung war das hebräische Wort für Wasser (Status Constructus von hebr. מיmê). Vielleicht hatte es sich bei diesem „Schneewasser“ also einfach nur um pures, natürliches Wasser gehandelt. Alternativ bot sich nun eine Deutung als goldenes, mit ägyptischem Liguster versehenes Wasser an. Konnte das Wort bor im Kontext mit dem Verb sakah einerseits und dem mi schælæg irgendetwas derlei profanes wie „Lauge“ bezeichnet haben oder bot sich nicht eher ein „Öl“ an? Rudbeck impliziert, dass das von bor abgeleitete borith eine Art von Körperfarbe war³⁰⁰? Dies sollte die eingangs erwähnte Stelle Maleachi 3,2, allerdings in der Interpretation der Septuaginta, klären³⁰¹: καὶ τίς ὑπομενεῖ ἡμέραν εἰσόδου αὐτοῦ; ἢ τίς ὑποστήσεται ἐν τῇ ὀπτασίᾳ αὐτοῦ; διότι αὐτὸς εἰσπορεύεται ὡς πῦρ χωνευτηρίου καὶ ὡς πόα πλυνόντων.
Vielleicht hatten die Interpreten der Septuaginta borith zu Recht mit πόα übersetzt und das griechische Wort gab Aufschluss auf das Wesen des hebräischen Wortes. Zu πόαν stellt Rudbeck nämlich göthisches fäe, aber mitunter auch türkisches boja und französisches baye, die alle eine intensive Farbe bezeichneten. Es handelt sich hierbei um verschiedene Wörter für „Falbe“, die bekanntermaßen ein grelles Rot produziert. Was dieses Rot nun aber tatsächlich war, macht Rudbeck im Folgenden deutlich. Es handelte sich schlichtweg um Purpur. Diese Interpretation nahm der Orientalist Rudbeck unter Zuhilfenahme mehrerer Argumente vor³⁰². Zum einen wurde die talmudische Interpretation des Wortes אשלגaschælæg herangezogen, dass im Talmud im Kontext von borith genannt wurde. Abgeleitet war dieses Wort für Rudbeck aus dem oben behandelten Wort für „Schnee“. Dessen Kognaten, etwa aramäisch תלג, arabisch thaleg, bezeichneten unter anderem „purpura“ und „conchylium“. In der rabbinischen Interpretation wurde das Wort mit שונאגא sonaga, also einem aramäischen Terminus, beschrieben als „aliquod inventu in formaninibus, seu fissuris margaritarum & educitur inde stilo ferreo“. Dieses Wort wiederum war − aus der lautlichen Gestalt leicht ersichtlich − zu verschiedenen Wörtern für „Blut“ zu stellen, etwa lat. sanguis und dessen romanischen Fortsetzern³⁰³. Direkt auf den Purpur, der ja aus bestimmten Schnecken hergestellt wurde, verwiesen schw. sonecka bzw. snecka aber auch englisches snake und lateinisches concha. Interessant ist die erste göthische Form sonecka, die offensichtlich von Rudbeck der Lautgestalt von sonaga angepasst wurde, um die etymologische Affiliation deutlich zu machen. Auch Rudbeck der Jüngere ist also nicht immer eine zuverlässige Quelle für Sprachmaterial.
Ichthyologiae Biblicae Pars Secunda, Seite 68 ff. Septuaginta (Stuttgart 2006). Online einsehbar unter www.bibelwissenschaft.de. Ichthyologiae Biblicae Pars Secunda, Seite 76. Ichthyologiae Biblicae Pars Secunda, Seite 82 ff.
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Dass borith von purpurner Farbe war, wird durch weitere Argumentationsstränge, etwa mit Hilfe des Arabischen, geltend gemacht³⁰⁴. Die arabische Interpretation von Jer 2,22 nennt hierfür עסולgasul, welches Rudbeck mit spanisch und portugiesisch azul („blau“) zusammenbringt. Zum dritten wird aram. צריפתאzeriphta, ebenfalls aus der Interpretation für borith bekannt, angeführt. Es hatte mit stripu „virgatus“ eine Entsprechung im Göthischen. Etymologisiert wird auch die rabbinische Wendung אירבא שנייראyerba schneera, die im Zusammenhang mit borith vorkommt. Lange hatte dies mit „saponaria“ übersetzt. Rudbeck jedoch führt hier lautlich passend spanisches zinheira „cocca“ an und verweist somit wiederum auf die Purpurschnecke³⁰⁵. Rudbeck kommt nach weiteren Analogien zum Kernargument, also zur göthischen Entsprechung von borith ³⁰⁶. Das Schwedische hatte mit birith, pirith „coccus, purpura“ einen direkten Fortsetzer dieses Wortes. Ein wichtiges Argument ist auch, dass die Seife doch erst von den Galliern / Franzosen erfunden worden sei und somit noch nicht biblisch sein konnte. Die Behandlung des Wortes borith konnte einen Beitrag zur christlichen Eschatologie bieten, denn in der Interpretatio Christiana wurde der Bote, von dem Maleachi 3 spricht, mit Jesus selbst identifiziert. Dies wird das Movens für Rudbecks Traktat gewesen sein. War der Messias nun wie die „Lauge der Wäscher“ oder nicht eher wie der kostbare Purpur, der der Farbe des Blutes Jesu gleichkam? So schließt Rudbeck denn auch: De cetero, hac quidem occasione non id agimus, ut cum Doctiss. D. Langio mysticum τῶ Borith usum eruamus, satis habituri, si ansam subministraverimus Theologis attendendi ad harmoniam connexionis membri posterioris cum priori, & applicationis ad rationem officiorum Christi, & effectuum eorundem; ut scilic. Insinuetur pretiosissimus maximeque ad vitam efficax Messiæ sangvis, quo in adventu suo purificaret, & nitorem conciliaret fidelibus: quaque re longe excellentius & propius repræsentatur materia & modus, quo Messias suos purgaturus esset, quã per smegma, vel saponem. Nempe ut, clausulæ loco, tanti mysterii sanctitatem hujusmodi hexasticho prosequar:³⁰⁷
Somit läuft das Ergebnis der Untersuchung gewissermaßen auf eine „Interpretatio Christiana et Gothica“ hinaus. Rudbeck schließt das Werk mit einem Gedicht, das diesen Ansatz noch zusätzlich unterstreicht: Slått ingen ting är här så god Till rening wår / som Jesu blod / Then tagen med och under win / Och theß lekamen uti bröd / Från Synden giör then står och ren / Som rätt betrachtar Jesu död.
Nichts ist so gut für unsere Reinigung wie das Blut Jesu. Mitgenommen als Wein und sein Leib als Brot, macht es denjenigen von der Sünde rein, der Jesu Tod betrachtet.
Ichthyologiae Biblicae Pars Secunda, Seite 87 ff. Ichthyologiae Biblicae Pars Secunda, Seite 92 f. Ichthyologiae Biblicae Pars Secunda, Seite 107 ff. Ichthyologiae Biblicae Pars Secunda, Seite 155 f.
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אותמיה Deo Laus & Gloria in secula seculorum! Amen.³⁰⁸
Genau wie im ersten Teil der Ichthyologia Biblica wird eine bibelexegetische Fragestellung mit sprachwissenschaftlicher Methodik beantwortet. Rudbeck verwendet wie im vorhergegangenen Band das Göthische bzw. Schwedische als Hilfssprache. Das Ergebnis der Arbeit spricht für eine Interpretatio Christiana des Wortes borith, um die es Rudbeck wohl primär ging. Impliziert wird also eine heilsgeschichtliche Sicht, die nur durch das Schwedische geltend gemacht werden konnte. Dies transformierte auch das Schwedische selbst. Es war nicht nur eine geeignete Hilfssprache, die durch seine Nähe zum Hebräischen die Irrwege der Bibelinterpreten begradigen konnte. Es war − dies zeigt sich hier mehr denn je − eben auch eine christianisierende Hilfssprache. Dies ist nur unter der Maxime des Euhemerismus seines Vaters verständlich. Die Göthen waren doch bereits Anhänger der wahren Religion gewesen. Auch wenn sie diese abgelegt hatten und aufs Neue christianisiert werden mussten, ließ die Sprache in ihrer ältesten Form die christliche Prägung wiedererkennen und konnte somit einer Interpretatio Christiana des Alten Testamentes dienlich gemacht werden. Die bisweilen profanen schwedischen Kognaten gaben implizit Hinweis auf die Ursprünglichkeit und die Natürlichkeit der ersten Bewohner Skandinaviens. Dies darf man sicherlich als Gegenentwurf zur klassischen Antike werten, war doch die Bibel selbst in einer volkstümlichen Sprache geschrieben.
2.1.7 Der Brief an Törner Dieser Brief an Fabian Törner wurde 1727 in den ALS veröffentlicht und umfasst sieben Seiten³⁰⁹. Offenbar teilte Törner Rudbecks Ansicht, denn der Brief taucht ein Jahr später in der von ihm betreuten Disputation De origine ac religione fennonum von Arctopolitanus (1728) auf. Darüber hinaus findet sich eine englischsprachige Übersetzung „Of the origin of The Esthonians, Finns and Lapplanders“ in den Acta Germanica ³¹⁰. Es ist in jedem Fall bemerkenswert, dass diese drei Völker zusammen behandelt werden. Unmittelbar nach den persönlichen Grußfloskeln stellt Rudbeck klar, dass er die Esten, Finnen und Samen von den Zehn Verlorenen Stämmen Israel herleiten will³¹¹. Zuvor hatte Rudbeck ja bereits im Specimen für eine solche Herleitung
Ichthyologiae Biblicae Pars Secunda, Seite 156. Die deutsche Übersetzung des schwedischen Textes stammt vom Verfasser dieser Arbeit. Epistola ad virum celeberrimum dn. Fabianum Törner profess. eloqu. acad. ups. de esthonum, fennonum, laponumq´; origine. Acta Germanica (1742: 306 – 309). Kurz zum Brief Benite (2009: 191 ff.).
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plädiert. Der Ausgangspunkt für Rudbecks Idee ist das vierte Buch Ezra 13, 40 – 46. Die Textpassage wird von Rudbeck wie folgt wiedergegeben: Hæ sunt decem tribus, quæ captivæ sunt de terra sua in diebus Oseæ regis, quem captivum duxit Salmanassar, rex Assyriorum, et transtulit eos trans flumen; & translati sunt in terram aliam. Ipsi autem dederunt sibi consilium hoc, ut derelinquerent multitudinem gentium, & proficiscerentur in ulteriorem regionem, ubi nunquam inhabitavit genus humanum: & ibi observarent legitima sua &c. Per eam enim regionem erat via multa, itineris anni unius & dimidii. Nam regio illa vocatur Arsareth. Tunc inhabitaverunt ibi ad tempus usque ultimum.³¹²
Es geht im Folgenden um die dort beschriebene Region Arsareth, das Land, in dem noch kein Mensch gelebt hatte, und das Rudbeck letztlich mit der Skandinavischen Halbinsel, genauer Lappland identifiziert: „(…) atque iter illud a ponto Euxino in Laponiam postulavit istam, quam dicit, cum liberis, pecoribus & re domestica, moram unius anni cum dimidio“³¹³. Inwieweit dieses Land Arsareth nach dem Pseudo-Berosus mit der Stadt der Skythen Arsaretha zu identifizieren sei, will Rudbeck offenlassen. Sicher erscheint ihm aber, dass Arsareth mit Plinius Insel Osericta identisch sei. Hier wird von den cedri berichtet. Das Hauptargument ist für Rudbeck nämlich abermals botanischer Natur. In Schweden gab es den Wacholder, eine Art von Zeder bzw. ein der Zeder verwandtes Gewächs. Den Namen Arsareth deutet Rudbeck abermals als Kompositum. Das erste Glied war hebr. arez „ ארץterra, regio“. Beim zweiten Glied handelte es sich um hebr. æres „ ארזcedrus, pinus“. Rudbecks Leichtigkeit, mit der er ausufernde Permutationserscheinungen feststellt, ließ ihm das Auslautende -t bzw. -th des Namens Arsareth als Reflex des hebräischen Buchstabens זZajin erscheinen. Daher bezeichnete der Name Skandinaviens das „Land der Zedern“ und nordisch umgedeutet eben das Land des Wacholders. Das unwiderlegbare Hauptargument für Rudbeck ist jedoch, dass die Sprache der Bewohner Scandias, der Samen, Finnen und Esten deutlich zeige, dass sie von den Hebräern abstammen. Nicht nur verwies ihre Sprache auf das Hebräische, sondern es waren „illæ Lapones, Fenni & Esthones, quæ magnam partem, Hebraice loquuntur (…)“³¹⁴. Sie sprachen diese Sprache also größtenteils immer noch. Rudbeck hält fest − und dies ist für die Methodik all seiner Werke von Belang − dass „non est, opinor, tacente historia, & tacentibus rerum actarum monumentis ac traditionibus, certior via, in eruendis populorum originibus, illa, quam monstrat linguarum convenientia major.“³¹⁵. Rudbeck räumt jedoch ein, dass bei allen Völkern Reminiszenzen der primogenialen Sprache zu finden seien, aber neben den Sprachen der Syrer, Chaldäer und Araber gebe es kaum eine so große Affinität zum Hebräischen „atque est in lingua Fennorum, Laponum Esthonumque“. Das konzessive vix dürfte wohl für das Schwedische bzw. Göthische reserviert sein.
„de esthonum, fennonum, laponumq´; origine“, Seite 301. „de esthonum, fennonum, laponumq´; origine“, Seite 301. „de esthonum, fennonum, laponumq´; origine“, Seite 302. „de esthonum, fennonum, laponumq´; origine“, Seite 302.
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Nicht nur die Wortwurzeln und -bedeutungen zeigten dies, sondern auch die Formen der Konjugation und Deklination, von denen viele in Imitation des Hebräischen den vier Konjugationen der Grammatiker entsprächen. Darüber hinaus hätten diese Sprachen ebenfalls Suffixe neben Affixen, wie sie genannt würden. Gemeint sind hier wohl Präfixe, wie etwa in der Stammbildung hebräischer Verben. Eric Cajanus (1675 – 1737) weise in seiner Dissertation de convenientia linguæ Hebraicæ & Fennicæ von 1697 zu Recht darauf hin, dass es eine Übereinstimmung zwischen den trennbaren und untrennbaren Pronomina gebe³¹⁶. Gemeint sind sicher die suffigierten Personalpronomina, etwa zum Ausdruck des Possessivverhältnisses, im Gegensatz zu den freien, betonten Pronomina. Dies ist eine scharfsichtige Beobachtung. Man vergleiche etwa finnisch minä vs. -ni mit hebr. אניvs. ־ני. Im Weiteren wird aber wie gewohnt auch die lexikalische Übereinstimmung herangezogen. Rudbeck gibt als Beispiel hebr. naar „ נערinfans, puer, adolescens“, dem im Samischen nuor und im Finnischen nuori mit der gleichen Bedeutung entspreche. Wir erinnern uns, dass das samische Wort bereits im Fasciculus behandelt wurde. Auch dort hatte er bereits die gleiche Analogie herausgestellt, ohne jedoch das Finnische einzubeziehen. Man dürfe den unterschiedlichen Vokalismus jedoch nicht beachten – dieser gilt auch in anderen Werken Rudbecks ohnehin als instabil – denn wie veränderbar die Vokale seien, lasse sich in schwedisch kung gegenüber dänisch kong, englisch king und deutsch könig sehen. Dieses Beispiel hat Rudbeck ja bereits im Specimen gebracht. Anschließend gibt es einen Hinweis auf die Historie, die sein Vater in seiner Atlantica gezeichnet hat, wenn er vermutet, „Odinum primum, quia id docent historiæ, non in gentem solum, sed in linguam quoque execuisse imperium, eamque mutasse. Sed de qua re alibi.“³¹⁷. Rudbeck versucht seine Ansicht, dass die Israeliten aus Persien bzw. dem Osten in den Norden gekommen seien, dadurch zu untermauern, dass er Übereinstimmungen zwischen skandinavischen und orientalischen Ortsnamen erkennt. Ich fasse diese Ausführungen wie folgt zusammen³¹⁸: Orientalisches Toponym Hallola Jumalech / Jumalen Chaja Ollau Checmechu Rasalain Vassa
Finnischer Ort Hallola Jumalai Caja Oulou Kekimech Rozelain Vassa
Ein Hallola gab es etwa in Persien, ein Hollola hingegen in der finnische Provinz Tavastia. Oulou (Oulu) in der Landschaft Osterbotten stimmte mit Ollau, einer Stadt
„de esthonum, fennonum, laponumq´; origine“, Seite 302−303. Zu Cajanus Methodik, die ebenfalls morphologische Argumente bemüht, Harviainen (2005). „de esthonum, fennonum, laponumq´; origine“, Seite 303. „de esthonum, fennonum, laponumq´; origine“, Seite 303−304.
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am Fluss Kurr überein. Einige dieser Ortsnamenanalogien werden später in seiner Antlantica Illustrata resümiert, wo eine bedeutend erweiterte Liste dargestellt wird. Auch die Route, die die Exilanten genommen hatten, konnte anhand von Hydronymen und anderen Toponymen nachgezeichnet werden. Durch den Handel mit den Persern hatte das Lappische etwa noch viele persische Lehnwörter konserviert. Ähnlich wie auch in den werden weitere nichtsprachliche Übereinstimmungen herangezogen³¹⁹. Etwa das Aussehen der Lappen, das mit denen der Israeliten Übereinstimmungen zeige, oder die Art und Weise, wie die Samen ihre Götter anbeten würden, die Rudbeck als Imitation der Hebräer deutet. Am Ende des Briefes lässt Rudbeck verlauten, der er diese Thematik sowohl in seinem Thesaurus als auch in einem gesonderten Werk vertiefen wolle. Diesem Brief liegt eventuell eine Handschrift zugrunde. Es handelt sich dabei um das Manuskript . Es umfasst insgesamt 17 Seiten, wobei die letzte Seite die Nummer 18 trägt. Offensichtlich fehlt hier eine Seite. Aufgeteilt in zwanzig Paragraphen geht es um die Etymologie des hebräischen aber auch des lateinischen Wortes für die Zeder. Damit hat es wohl die Grundlage gebildet, auf der Rudbeck seine Etymologie Arsareths im Brief an Törner aufbaut. Der Brief an Törner bildet das vorletzte Glied einer Argumentationslinie, die mit der Laponia Illustrata beginnt. Hier wurde bereits die hebräische Herkunft der Lappen eingeführt. Die seit Bestehen des Gotizismus in Schweden aufgeworfene Frage nach der Herkunft der Finnen und Samen verlangte im Rudbeckianismus umso stärker eine Antwort. Über die sprachliche und im Falle der Samen vor allem kulturelle Andersartigkeit wurde in Schweden früh spekuliert³²⁰. Wie ließ sich die im Paradigma des Rudbeckianismus verankerte Primordialität der Schweden mit der offenkundigen Urtümlichkeit gerade der Bewohner Lapplands vereinen? Der Vater gab hierauf keine eindeutige Antwort, löste das Paradoxon nicht gänzlich auf. Die Implikation, dass letztere im Vergleich zu den Schweden nicht von Magog, sondern von Jafets sechstem Sohn Mesech abstammen könnten, schien Rudbeck den Jüngeren nicht zu überzeugen, waren es ja gerade diese Völker, die im Vergleich zu den Schweden altertümliche Züge im Hinblick auf Sitten und Gebräuche aufwiesen. Er bringt mit diesem Brief eine innovative Erklärung ein, die das Paradigma des Rudbeckianismus mit zeitgenössischen europäischen Diskursen versöhnte. Es waren die Zehn Verlorenen Stämme Israels, mit denen er die Samen und Finnen, aber auch die verwandten Esten identifizierte. Diese Argumentation verlief wie üblich unter Zuhilfenahme etymologischer Verfahren. Es handelt sich hierbei um eine besondere Art der ideellen Raumnahme. Wie später auch in der Antlantica Illustrata gezeigt werden wird, kann man von „etymologisiertem Raum“ sprechen. Die Struktur und Beschaffenheit des Raumes manifestierte sich in der Etymologie seiner Toponyme.War Rudbeck, was die konkrete
„de esthonum, fennonum, laponumq´; origine“, Seite 305. Zur Stellung der Ureinwohner Lapplands und der Finnen in den zeitgenössischen Diskursen Roling (2010).
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Abstammung der Finnen und Samen anging, zögerlich – fest stand bisher nur die Anbindung an das Hebräische – so konnte mir der Identifikation jener Völker mit den Zehn Verlorenen Stämmen ihre gegenüber anderen Völkern vorrangige, doch im Vergleich zu den Schweden sekundäre Rolle perfekt legitimiert werden. Skandinavien als solches erfuhr, unter der Vormachtstellung der Schweden, eine Aufwertung. Es war die „Vagina Nationum“ in jeglicher Hinsicht, ein Sammelbecken der ältesten Völker der Welt. Es waren jedoch nur die Schweden, die kulturstiftend für andere Teile der damaligen Welt auftreten konnten.
2.1.8 Die bibelexegetischen Aufsätze in den ALS Im Zeitraum von 1727 bis 1729 entstanden vier weitere, kleinere Veröffentlichungen in den ALS, die allesamt exegetischer Natur sind. Alle Traktate teilen, dass das Schwedische prominent die Funktion der Hilfssprache einnimmt. Hier sollen sie nun in verkürzter Form dargestellt werden. An erster Stelle steht der Aufsatz „Cogitationes de vasis ægyptiacis“³²¹. Dieser neunseitige Traktat, der in den ALS Band I veröffentlich wurde, ist eine der rein bibelexegetischen Arbeiten, die ohne botanische oder zoologische Fragestellung auskommt. Das Schwedische erfüllt hier die Funktion der Hilfssprache. Es wird versucht zu beweisen, dass die Israeliten vor ihrem Aufbruch aus Ägypten, die Kleider, Silberund Goldsachen nicht erbeutet, sondern geschenkt bekommen hatten. Der erste Teil des Textes von Seite 337 an bezieht sich zentral auf Ex 12,35 – 36: וְּב ֵני־יִ ְשׂ ָרֵ֥אל ָע ֖שׂוּ ִכּ ְדַ֣בר מֹ ֶ֑שׁה ַֽו ִיּ ְשֲׁאל֙וּ ִמ ִמְּצ ַ֔ריִם ְכֵּלי־ ֶ֛כֶסף וְּכ ֵ֥לי ָז ָ֖הב וּ ְשָׂמ ֽל ֹת תן ֶאת־ ֵ֥חן ָהָ֛עם ְבֵּעי ֵ֥ני ִמְצ ַ֖ריִם ַו ַיּ ְשִׁא֑לוּם ַֽו ְי ַנ ְצּ֖לוּ ֶאת־ִמְצ ָֽריִם ֨ ַ ַֽויה ָ֞וה ָנ Und die Israeliten hatten getan, wie Mose gesagt hatte, und hatten sich von den Ägyptern silbernes und goldenes Geschmeide und Kleider geben lassen. Dazu hatte der HERR dem Volk Gunst verschafft bei den Ägyptern, dass sie ihnen willfährig waren, und so nahmen sie es von den Ägyptern zur Beute.
Es ist die Aussage, die Israeliten hätten Dinge als Beute genommen, die Rudbeck richtigzustellen versucht. Was bedeutete es, wenn zuvor gesagt wurde, sie haben sich diese Dinge geben lassen? Es geht somit um das oben im hebräischen Text vorkommende Verb וישאלוdes Verses 12,35 und um וינצלוdes Verses 12,36. Zuerst wird hebräisch schaal שאלbehandelt³²². Das Verb hatte ohne Zweifel die Bedeutung „petere ut donum“ gehabt. So sei auch die schwedische Bibelfassung mit ihrer Übersetzung bedes korrekt. Eine weitere Bedeutung des biblischen Wortes wird nach Rudbecks
Olavi Rudbeck, filii, cogitationes de vasis ægyptiacis, quibus probatur israëlitas illa non furto, nec alio fraudulento modo abstulisse, sed, ut dona, eadem accepisse. „Cogitationes de vasis aegyptiacis“, Seite 339 ff.
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Ansicht jedoch von einem schwedischen Wort gegeben. Dabei handelt es sich um selia (schwedisch sälja „verkaufen“). Das hebräische Verb deutete auf ein Passiv. Wenn den Israeliten also etwas verkauft worden war, wie konnten sie es dann zugleich geraubt haben? Das andere Verbum, נצל, war somit problematisch. Es hatte keinesfalls nur „rauben oder plündern“ geheißen³²³. Seine eigentliche Bedeutung konnte abermals durch das Göthische hergestellt werden. Verband man es mit göth. skilia „separare“ (schw. skilja „trennen“), so konnte man glaubhaft machen, dass die Israeliten nur das, was ihnen rechtmäßig zugestanden hatte, separiert hatten. Dass dies die eigentliche Bedeutung des hebräischen Verbums war konnte nun durch eine weitere Bibelstelle glaubhaft gemacht werden. In Ex 33,6 hieß es: ַו ִֽיְּת ַנ ְצּ֧לוּ ְב ֵֽני־יִ ְשׂ ָרֵ֛אל ֶאת־ֶע ְד ָ֖י ם ֵמ ַ֥הר חֹו ֵֽרב׃ Und die Israeliten taten ihren Schmuck von sich an dem Berge Horeb.
Hier wurde das Verb, allgemein akzeptiert, mit „deponere“ übersetzt.Warum sollte es also andernorts „spoliare“ bedeutet haben? Zwei hebräische Verben einer Bibelstelle konnten somit durch das Schwedische / Göthische auf geeignetere Weise interpretiert werden, nämlich zum ersten durch die Analogie hebr. ~ שאלgöth. selia und zweitens durch hebr. ~ נצלgöth. skilia. Rudbeck stellt abschließend fest: Neminem interea, qui aliquam linguæ Hebrææ sibi comparavit notitiam, non intellecturum arbitror, verbum נצלnunquam verti posse per deponere: significatio etiam illa prædari, furari, spoliare satis, ut consido, refutata est. Interim illa, quæ a me heic prolata sunt, maturiori aliorum judicio submitto, sententiam meam facile relicturum me spondens, ubi aliam magis firmantes rationes invenero.³²⁴
Der bibelexegetische Wert dieses Werkes dürfte als gering eingeschätzt werden. Wichtig ist, die prominente Stellung des Schwedischen als Hilfssprache. Die Motivation des Traktats scheint in Rudbecks Philosemitismus begründet zu liegen. Der implizierte Vorwurf der ungesetzlichen Enteignung durch die Hebräer musste ins rechte Licht gerückt werden. Die durch das Schwedische eluzidierte eigentliche Bedeutung des hebräischen Bibeltextes, der von den Interpreten falsch verstanden wurde, zeigte, dass dieser Vorwurf nicht zu halten war. Wie sollte es auch anders gewesen sein, standen die Göthen und anderen Völker Skandinaviens den Hebräern doch so nahe, dass dies nicht wahr sein konnte. Der Philosemitismus und der Gotizismus begründen sich bei Rudbeck gegenseitig. Die Anbindung des Schwedischen an das Hebräische bedeutete seine Aufwertung des ersteren durch das letztere. Die nationalistischen Implikationen des Gotizismus werten somit auch ihre Verwandten, die Hebräer, auf.
„Cogitationes de vasis aegyptiacis“, Seite 343 ff. „Cogitationes de vasis aegyptiacis“, Seite 345.
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Es folgen im Jahre 1728 seine „Cogitationes de voce רמשRemes“³²⁵. Diese ebenfalls in den ALS erschienene bibelexegetischen Veröffentlichung von 17 Seiten, zu der unter der Signatur R 12b auch eine Handschrift vorliegt, widmet sich der Etymologie von hebräisch רמשrämäš, das gewöhnlich mit „Kriechtier“ übersetzt wurde. Bisweilen fand sich auch die Interpretation als „volatile“. Rudbeck möchte eine Neuinterpretation dieses Wortes vornehmen und tendiert zu einer Übersetzung des Wortes remes als „gehörntes Tier“. Die hebräische Wurzel bezeichnete nicht nur ein Konkretum, sondern wurde auch verbal gebraucht, dort üblicherweise mit der Bedeutung „kriechen“ oder „sich regen“, wovon sich folglich die Bedeutung „Kriechtier“ ableitete. Dass es sich beim Nomen remes keinesfalls um „Reptilien“ handeln konnte, wurde durch Psalm 104, 20 – 21 erwiesen, wo es hieß: תו־ ָֽיַער ֹ משׂ ָכּל־ַח ְי ֹ ֗ בּו־ִ֝ת ְר ֹֽ ָֽתּ ֶשׁת־ֹ֭ח ֶשְׁך ִ֣ויִהי ָ֑ל ְיָלה שֲׁא ִ֣גים ַל ָּ֑ט ֶרף וְּלַב ֵ ֖קּשׁ ֵמ ֵ ֣אל ָאְכ ָֽלם׃ ֹ ַ֭ה ְכִּפי ִרים Du machst Finsternis, dass es Nacht wird; da regen sich alle wilden Tiere, die jungen Löwen, die da brüllen nach Raub und ihre Speise suchen von Gott.
Wenn das Verb תרמשhier als Prädikat zum Subjekt „Löwen“, die bekanntermaßen keine Kriechtiere waren, angewandt wurde, lohnte es sich auch, die Interpretation des Nomens רמשneu zu evaluieren. Es folgt unter Abschnitt VI ein anderer interpretatorischer Ansatz. Konnte man etwa eine Übersetzung des Wortes als „Herde“ plausibel machen? Ein ähnlich klingendes Wort mit genau dieser Bedeutung gab es im Schwedischen, etwa im freien Syntagma thet är en long och stor ramsa af fä „ingens agmen pecorum“³²⁶. Auch französisches ramas „congeries“ ließ sich hierzu stellen. Oder war das Wort ein Kompositum, das sich aus רםund משzusammensetzte? Letztlich nimmt Rudbeck unter XIV in der unter Tat ein Kompositum an, das aus den Elementen ראםbzw. „ רםcornu“ und משund zusammengesetzt war³²⁷. Das zweite Element war entweder ein obsoletes Wort oder es gehörte zu arabischem משיה, das schlicht „Tier“ bedeutet hatte. Dafür sprach, dass sich verwandte Wörter in anderen Sprachen fanden, die die Bedeutung „Fleisch“ hatten, etwa polnisch meso. Das erste Glied nun, רם/ „ ראםcornu“, konnte leicht zu arab. ריםrim „dama“ und englisch ram gestellt werden. Auch die schwedischen renar, als Bezeichnung für nordische gehörnte Tiere, müssen als Stütze der Etymologie dienen. Es ergab sich also eine Bedeutung „gehörnte Tiere“: „ ראםcornu“ + „ רמש → משanimal cornutum“. Im Folgenden führt Rudbeck seine Argumentation weiter aus und bietet alternative, etymologische Herleitungen. Ähnlich wie bereits in den beiden Bänden der Ichthyologia Biblica handelt es sich bei diesem Traktat um ein typisches Beispiel der Bibelexegese Rudbecks. Die Fragestellung ist primär zoologisch. Rudbeck segmentiert das Ausgangswort in ein Vorder-
Olavi Rudbeck fil. cogitationes de voce רמשRemes. Genes. IV. v. 3. „Cogitationes de voce רמשRemes“, Seite 419 ff. „Cogitationes de voce רמשRemes“, 426 ff.
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und Hinterglied, die er je mit göthischen Kognaten zu erhellen versucht. Abermals nimmt das Schwedische die Funktion der Hilfssprache ein. Durch das Schwedische wird eine neue Interpretation des Ausgangswortes möglich, die anderen Bibelexegeten verborgen hatte bleiben müssen. Zugleich erfährt das Wort eine nordische Transformation, denn gerade die Anbindung an die schwedische Rentiere untermauerte zusätzlich die enge Verbindung des Nordens zum Heiligen Land. Im Jahre 1729 folgte mit „ חם ופורענות חטותאSive CHAMI delictum & pœna“ der dritte Aufsatz dieser Reihe³²⁸. Die Entblößung Noahs vor und durch seinen Sohn Ham, wie sie in Gen 9,20 – 22 beschrieben wird, ist Gegenstand dieser Untersuchung in den ALS. Die Textstelle lautet: ַו ָ֥יֶּחל ֹנ֖ ַח ִ֣אישׁ ָֽהֲא ָד ָ֑מה ַו ִיּ ַּ֖טע ָֽכּ ֶרם תוְך אהלה ֹ֥ ַו ֵ֥יּ ְשׁ ְתּ ִמן־ַה ַ֖יּיִן ַו ִיּ ְשׁ ָ֑כּר ַו ִיְּת ַ֖גּל ְבּ חם ֲאִ֣בי ְכ ַ֔נַען ֵ֖את ֶע ְר ַ֣ות ָא ִ֑ביו ַו ַיּ ֵ֥גּד ִל ְשׁ ֵֽני־ֶאָ֖חיו ַבּֽחוּץ ֚ ָ ַו ַ֗יּ ְרא Noah aber, der Ackermann, pflanzte als Erster einen Weinberg. Und da er von dem Wein trank, ward er trunken und lag im Zelt aufgedeckt. Als nun Ham, Kanaans Vater, seines Vaters Blöße sah, sagte er’s seinen beiden Brüdern draußen.
Die Frage war nun, worin die Blöße Noahs genau lag. Zentral waren für Rudbeck die beiden Wörter ויתגלund ערות, die ich oben markiert habe. Das erste von beiden, hithgala „ התגלהrevelatus, apertus, discooperrtus est“, war das „Hithpael“ zu hebr. gala גלה, also diejenige Stammform des Hebräischen, die etwa mediale, reflexive oder reziproke Funktion bezeichnen kann³²⁹. Dieses Verb gala nun band sich an göth. gaula mit der Bedeutung „offen“ an. Doch auch andere Bedeutungsnuancen derselben Wurzel hatten göthische Entsprechungen. So bezeichnete die Form gal / igal „effluxit, abundavit“ und hatte eine Entsprechung in göth. kwälla / kiälla, das im heutigen Schwedischen als quell erschien (vgl. schw. källa „Quelle“). Kam etwa für gal / galal „circumduxit“ auch eine Anbindung an das Wort für „geil“, nämlich göthisches gal „lascivus“ in Frage? Verbaut in schagal „coivit“ ließ sich die hebräische Wurze auch zu göth. skela stellen. Zum anderen musste auch das Wort hervat ערותerklärt werden³³⁰. Konnte dieses wirklich mit „Blöße“ übersetzt werden? Auch hier konnte die zugrunde liegende Wurzel hara „nudavit“ in all ihren Bedeutungsnuancen an göthische Kognaten angeschlossen werden. Die Grundbedeutung knüpfte an göth. hræa an, welches heutigem röja entsprach (vgl. schw. röja „zeigen“). Ein anderes Wort, nämlich göth.
חם ופורענות חטותאSive CHAMI delictum & pœna, Gen. IX. v. 20. 21. & 22. Descripta; quam aliorum, in illum locum, prætermissis translationibus & sententiis, accurate, & ad ductum siluque s. textus, aliarumque linguarum orient. Pariter & europ. Delineavit, illustravit, & amicorum quorundam rogatu, publicæ censuræ modeste subjecit Olavus Rudbeck, fil. „ חם ופורענות חטותאSive CHAMI delictum & pœna“, Seite 500 ff. „ חם ופורענות חטותאSive CHAMI delictum & pœna“, Seite 502 ff.
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hræth, gehörte hingegen zur selben Wurzel mit der Bedeutung „effudit, evacuavit“. Davon abgeleitetes herath war vielleicht mit „fluxus“ zu übersetzen und gehörte zu göth. hræs, hras mit derselben Bedeutung. In der Bedeutung „incest, adulterium“ erinnerte es an finnisch haurus, samisch horaith und dem Wort „Hure“.War Noah mit einer Frau zusammen gewesen? Wäre dies der Fall, hätte man wohl eher von der Scham der Söhne, nicht Noahs geschrieben. Rudbeck geht davon aus, dass die Scham Noahs etwa nicht darin lag, dass er Ehebruch begangen hatte. Es geht ihm darum, Noahs Unschuld am Vorfall zu beweisen. Dafür sprach, dass das Verb hithgal im Passiv stand. Vielmehr war doch wahrscheinlich, dass Ham seinen Vater verspottet hatte. Die Verderbtheit Hams erklärte sich nämlich aus seinem Namen. Er war das wörtliche „schwarze Schaf“ der Familie, denn zum Namen Ham חםpasste das Adjektiv חוםmit der Bedeutung „schwarz“. In geeigneter Weise band sich hieran auch ein chinesisch-annamitisches Wort cahm an. Es ist gerade die Anbindung an das Chinesische, die eine pejorative Deutung des Namens legitimiert, denn es waren die Chinesen, „qui peccatum omnium gravissimum esse existimant, contemnere, irridere aut illudere parentes (…)³³¹. Die Intention für diesen Traktat lag wohl darin begründet, die Schuld am Vorfall von Noah zu nehmen und sie Ham zuzuweisen. Nicht ersterer zeigte seine Blöße, sondern sein Sohn entblößte ihn. Dass der unliebsame Sohn Ham schon dem Namen nach verdorben war, zeigte sich am chinesischen Vergleichswort. Interessant ist für uns der gekonnte Umgang mit hebräischen Stammbildungen im Bereich des Verbums. Ähnlich wie im Specimen alle Semantiken von jad, aber auch dessen Verbauung in Präpositionalgefügen jeweils eigene schwedische Reflexe aufwiesen, konnten auch die unterschiedlichen Verbalstämme des Hebräischen je eigene göthische Kognaten haben. Die letzte Abhandlung „Cogitationes de nominibus divinis שדיSchadai & מטטרוןMetatron“³³² in den ALS widmet sich der Etymologie der beiden göttlichen Namen Schadai und Metatron. Es ist eines der wenigen rein kabbalistischen Werke Rudbecks. Rudbeck selbst hatte ja bereits in der Ichthyologiae Biblicae Pars Prima den Gottesnamen Jehova behandelt. Entsprechend ist der Traktat in zwei Teile gegliedert, wobei der erste von beiden 23 Unterpunkte zum Namen Schadai, der zweite Teil 16 Unterpunkte zu Metatron umfasst. In beiden Fällen werden zuerst vorangegangene Etymologien und bibelexegetische Argumentationen vorgestellt. In diesem Fall werden an prominenter Stelle die des Rabbis Johan Kemper und des Orientalisten Andreas Norrelius (1679 – 1749) resümiert. Rudbeck beginnt den Traktat mit einem Verweis auf die kabbalistische Arbeit Phosphorum orthodoxae fidei veter. Cabbalistarum des Rabbi Kemper. Diskutiert wer-
„ חם ופורענות חטותאSive CHAMI delictum & pœna“, Seite 508 f. Olavi Rudbeck filii Cogitationes de nominibus divinis שדיSchadai & מטטרוןMetatron.
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den verschiedene Ansätze zur Bedeutung des Gottesnamens שדיSchadai ³³³. Rudbeck wirft zunächst die Frage nach der postulierten Verbindung des Namens mit dem hebräischen Verb שדדschadad „vastavit, perdidit, usw.“ auf. Ließ sich also die Übersetzung als „Verderber“ oder „Zerstörer“ wirklich geltend machen? Rudbeck hat Zweifel, schließlich wurde diese Beschreibung eher für den Teufel benutzt. Der Name war − so war es gängige Praxis in der Kabbalistik − vielmehr als ein Kompositum zu werten. Beim Buchstaben שkonnte es sich vielleicht um eine Art Präfix handeln. Ein solches war im Aramäischen als תrepräsentiert, welches Rudbeck zu Recht als lautliche Entsprechung deutet. Das Hinterglied, dai konnte mit „sufficiens“ übersetzt werden. Diese Bedeutung ergab der Vergleich mit göthisch dai bzw. isländisch dæ „bonus, probus, eximius“. Auch im Chinesischen war eine solche Bedeutung mit dem Wort tai „valde“ belegt. Im Vietnamesischen hatte das Wort de, wie aus dem vietnamesischen Wörter de Rhodes hervorging, die Bedeutung „Sohn“. Mit Verweis auf u. a. Joseph Pitton de Tournefort konnte das Vordergliedglied versuchsweise zu chinesisch sci „patrem“ bzw. vietnamesisch cha gestellt werden, woraus sich dann eine Gesamtbedeutung „Gott der Vater und Sohn“ ergeben hätte. Klar erkennbar handelt es sich hier um eine Interpretatio Christiana. Eine andere Interpretation dieser Art lag darin begründet, das erste Element ש zum hebräischen Zahlwort für „drei“, also שלושzu stellen. Rudbeck referiert hier auf die Dreifaltigkeit. Dass der Buchstabe שselbst bereits „drei“ bedeutete, ergab sich aus dem hebräischen Zahlwort für „sechs“, שש, und seinen Kognaten schwedisch und lateinisch sex und dt. sechs. Es wurde nicht durch Zufall mit zwei שgeschrieben. Wenn der Buchstabe „ שzwei“ bedeutete, war „bis schin“ eben „zwei mal drei“ und somit „sechs“. Das Hinterglied dai stellt Rudbeck dann jedoch zu verschiedenen (indogermanischen) Bezeichnungen für „Gott“, u. a. lat. deus und gr. θεὸς, in erster Linie jedoch göthisch di mit dem Plural diar, wohl wieder ein Konstrukt Rudbecks. Es ergibt sich somit eine christliche Uminterpretation des Namens, den man folglich als „dreifaltigen Gott“ verstehen muss. Trotz dieser doch so einleuchtenden Etymologie versucht Rudbeck den Ansatz einer Verbindung zum Verbum schadad. Dieses hatte mit göthisch sveda (usw.) eine Parallele, die ebenfalls bestens geeignet war, „ad ostendeum Hebraeae Gothicaeque linguae harm.“.Verband man das Element dai nun mit syrischem dai, daia „dæmon, diabolus“ so war Schadai, derjenige, der „vastaret atque destrueret Diabolum & ipsius opera subverteret (…)“³³⁴. Rudbeck präsentiert hier somit mehrere, miteinander konkurrierende kabbalistische Deutungen, die jeweils durch das Göthische ihre Berechtigung erfahren können. Die zwei wichtigsten sind: 1. hebr. „ שdrei“ + (hebr.) דיdai „Gott“ ~ göth. Di
↘
2. hebr. „ שדדzerstören“ ~ göt. sveda + דיdai „Teufel“
↗
שדי
„Cogitationes de nominibus divinis שדיSchadai & מטטרוןMetatron“, Seite 540 ff. „Cogitationes de nominibus divinis שדיSchadai & מטטרוןMetatron“, Seite 566.
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Daraufhin wendet Rudbeck sich Metatron zu³³⁵. Er verweist auf Norrelius „Prolegomena“ zu Kempers Phosphorum orthodoxae fidei veter. Cabbalistarum von 1720, in der eine Verbindung Metatrons zu Christus aufgemacht wurde. Rudbeck beginnt folglich mit der Behandlung der Verbindung zu lat. mediator. Das zugrunde liegende medius, und seine Verwandten, etwa dt. mitte bzw. mitten wird aus aramäisch meza / meda „dimidiavit“ hergeleitet. Auch der Ansatz des deutschen Orientalisten Johannes Buxtorf, den Namen zu lat. metator zu stellen, wird aufgegriffen. Die Frage war nun, ob das Wort als Kompositum zweier Wurzeln zu erklären, oder sich das anlautende mdes Wortes als eine Art Präfix begreifen ließ, was Rudbeck wahrscheinlicher erschien. Erklärt werden konnte der Name im ersten Fall zum einen durch göthisches und altenglisches metod „deus, princeps“, zum anderen durch göthisches teytr „dux, heros“. Rudbeck bietet also auch hier wieder unterschiedliche Lösungsansätze und legt eine multiple Etymologie beider Namen vor. Rudbeck ging es bei diesem Traktat wohl weniger um einen tatsächlichen, eigenen Beitrag zur Kabbalistik; er berief sich ja größtenteils auf Norrelius und Kemper. Vielmehr ließen sich anhand seiner Methodik bestehende kabbalistische Deutungen der Namen Gottes hervorragend untermauern. Die Arbeit zeigt jedoch, welches feste Standbein die Kabbalistik im damaligen schwedischen Wissenschaftsdiskurs einnahm. Bemerkenswert ist, dass Rudbeck der christlichen Deutung des Namens Schadai letztlich eine (eigene) Deutung als Dämonenzerstörer zuweist, eine Interpretation die christlich gelesen werden kann, aber nicht muss. Abermals konnte somit die Nützlichkeit des Schwedischen / Göthischen als Hilfssprache unterstrichen werden. Anders ausgedrückt konnte das Schwedische kabbalistischen Etymologien eine zusätzliche, nordifizierende Bedeutungsdimension verleihen.
2.1.9 Die Atlantica Illustrata und weitere Werke Die 1733 erschienene Atlantica Illustrata ³³⁶ knüpft nicht nur dem Titel nach an die Atlantica des berühmten Vaters an. Der Rudbeckianismus als solcher stellt die Synthese zwischen dem Gotizismus, dem Skythizismus und dem Hyperboreerkult dar und verleibt sich zudem den Atlantis-Mythos ein. Die Atlantica Illustrata kann gewissenmaßen als sprachtheoretisches Gegenstück zur Atlantica und deren mythenexegetischer Beweisführung gelten. Extensiv werden die entsprechenden Völkernamen, der Bewohner Atlantis, der Göthen, der Skythen und eben der Hyperboreer, etymologisiert und somit die Identifikation mit den Schweden auf sprachlicher Ebene bewiesen. Die Antlantica Illustrata beginnt wie üblich mit einer Dedikation an die Königin.
„Cogitationes de nominibus divinis שדיSchadai & מטטרוןMetatron“, Seite 566 ff. Atlantica Illustrata, sive illustrium, nobilium, principum atque regum insula, ubi et prisci hesperidum horti. Vgl. zum Inhalt der Atlantica Illustrata Anttila (2014: 228 ff.).
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2 Rudbecks sprachtheoretische Werke
Auf den ersten Seiten wird die Etymologie Atlands, der rudbeckianischen Bezeichnung für das nunmehr schwedische Atlantis, ausgeführt³³⁷. Bereits Rudbeck der Ältere hatte dies mit dem Wort adel „edel, adelig“ zusammengebracht, was Rudbeck der Jüngere wiederaufnimmt. Auch eine Verbindung dieses Wortes mit dem deutschen alt bzw. ald und dessen germanischen Kognaten wird diskutiert. Diese Implikation liegt nahe. Als Referenz dient ein Abschnitt aus der isländischen Bibel, in dem es hieß: „Gud vardveitir verk sinum aldr och æve.“ – „Deus conservat opera sua in ætas & secula.“. Es wird nun versucht, die hebräische Etymologie dieses Wortes zu erkunden. Somit hat hier das Hebräische den Status als Hilfssprache für den Rudbeckianismus. Lautlich wird etwa eine Anbindung an hebr. adil אצילbzw. dessen Plural versucht. Es wurde von den Interpreten der Bibel unter anderem mit „excellentes, magnates“ oder auch „optimates“ übersetzt. Wie es bei Rudbeck üblich ist, leiteten sich wiederum weitere Wörter in verschiedenen Sprachen von der hebräischen Urform ab. So stand etwa auch der Name Attilas mit diesem Wort in einem Zusammenhang. Ebenso wird spanisches hidalgo erklärt. Doch nicht alle Wörter ließen sich auf diese Weise erklären. Griechisch κλυτὸς, lateinisch inclytus und italienisch inclito leiteten sich doch viel eher vom hebräischen Verbum חלץchalet „elegit, separavit“ ab. Zwar ist die Anbindung vermeintlich genuin schwedischer Wörter und anderer Sprachen an das Hebräische ein durchgehendes Motiv bei Rudbeck, doch bedeutet es in diesem Zusammenhang natürlich die Bestätigung des großartigen Szenarios, das sein Vater entworfen hat. Der jüngere Rudbeck transponiert Atlantis somit noch weiter in eine glorreiche Vergangenheit, als es die Anbindung an die antike Literatur beim älteren ohnehin schon getan hat. Nicht nur die Vorgeschichte der Hyperboreer als Söhne Magogs ist biblisch, sondern auch der „Landesname“ Atlantis. Dabei ist die schwedische Bezeichnung des Vaters, Atland, ja bereits eine sprachliche Transformation. Denn das Hinterglied -land sollte sicherlich an genuin schwedisches land „Land“ erinnern. Diese Art der sprachlichen Vereinnahmung soll im Weiteren auch für die anderen Namen ein und desselben Volkes, das mal als Goten, mal als Skythen, mal als Hyperboreer auftritt, geschehen. Der nächste Name, der etymologisiert wird, ist derjenige der Hyperboreer, ebenfalls ein klassisches, rudbeckianisches Motiv³³⁸. Die nordische Variante dieser Bezeichnung geht schon auf seinen Vater zurück, isländisch yfermenner. Interessant ist die Herleitung des Namens. Nach Rudbeck leitete er sich letztlich von der biblischen Gestalt Heber ( )עברab. Mit Heber stimme auch Habar überein, von dem sich etwa auch die Awaren ableiteten. Auch die Präposition dt. über, göth. yfer und gr. ὑπὲρ gehörten zu Heber. So konnte das Vorderglied der genuinen Bezeichnung yfermenner eine hebräische Berechtigung finden. Abraham war nach den rabbinischen Interpreten in einer Region namens Cutha bzw. Coutha geboren worden. Für Rudbeck ist es offensichtlich, dass es sich dabei um
Atlantica Illustrata, Seite 1 ff. Atlantica Illustrata, Seite 13 ff.
2.1 Die gedruckten sprachtheoretischen Werke Rudbecks
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Gothia, also die Heimat der Göthen handelt. Dafür spricht seiner Meinung nach auch, dass der Vater Hebers Sala hieß, was dem zweiten Glied in Uppsala entspricht. Rudbeck wird nicht müde, auch die besondere Stellung der schwedischen Sprache zu betonen: Velim tamen, ne miretur, me tot patriæ meæ nomina ad radices Hebrææ linguæ referre: ut enim hanc omnino esse censeo; ita imprimis in filia sua Gothica nostrate, permultas reliquias agnoscit, etiam in vocabulis quotidiano usu tritis: (…).³³⁹
Bemerkenswert ist hier nun die Stellung als Tochter des Hebräischen, wo im Specimen doch noch von ein und derselben Sprache die Rede war. Als Paradebeispiel zieht er jedenfalls schwedisches hustru (hustru „Hausfrau“) heran, welches er von hebr. hezr „ עזרadjutorium, auxilium“ herleitet. Wenn Gott Abraham „ab extremis terræ“ empfangen hat, so handelte es sich nach Rudbeck dabei um Ultima Thule oder Atlantis, „nam Græci & Latini aliique Atlanticam sei Scanziam nostram ad ultimum terrarum findem ablegarunt (…)³⁴⁰. Hebr. adileja konnte auch als Grundlage für Adelö, ebenfalls aus der Atlantica des Vaters zitiert, dienen. Zog man zudem griechisches ateleia („Abgabenfreiheit“) waren die Atlantiden ebenfalls als „die Freien“ zu deuten. Auch Endo- und Exonyme anderer skandinavischer Völker mussten mit dem Bestreben, sich diese etymologisch einzuverleiben, behandelt werden³⁴¹. So wird finnisches lumi zu hebr. lumim als Bezeichnung für die Skandinavier gestellt. Auf der folgenden Seite ist dann auch das finnische Exonym für die Schweden Gegenstand der Untersuchung. Fi. Ruoschi bzw. Ruotzi (fi. ruotsi „Schweden“) leitete sich vom hebräischen Namen ראשRosch, also dem Wort für „Kopf“ und zudem der Bezeichnung eines der Söhne Gogs ab, was natürlich wiederum und in zweifacher Hinsicht die primordiale Stellung der Schweden unterstreicht. Auch die beiden anderen Söhne, wie sie in Ez 38,3 genannt werden, Thubal und Mesech, dienen als etymologische Grundlage für zwei Völkerbezeichnungen: ְו ָ֣אַמ ְר ָ ֔תּ ֥ ֹכּה ָאַ֖מר ֲאד ֹ ָ֣ני ְיה ִ֑וה ִה ְנ ִ֤ני ֵאֶ֨ליָ֙ך ֹ֔גּוג ְנ ִ֕שׂיא ֖ר ֹאשׁ ֶ֥מ ֶשְׁך ְוֻת ָֽבל׃ und sprich: So spricht Gott der HERR: Siehe, ich will an dich, Gog, der du der Fürst bist von Rosch, Meschech und Tubal!
Der Name Thubals lag dem Namen der Polen zugrunde. Mesech diente als Basis für den Namen der Moskowiter. Der zweite Teil des Namens, also sech, lag wiederum der Bezeichnung Czech, der Eigenbezeichnung der Tschechen zugrunde. Dieser Abschnitt ist insofern schon bemerkenswert, als er eine Abkehr von der väterlichen Identifika-
Atlantica Illustrata, Seite 15. Atlantica Illustrata, Seite 16. Atlantica Illustrata, Seite 20 ff.
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tion Mesechs als Stammvater der Finnen bedeutete³⁴². Dass Gog und Magog „gentes Hyperboreas“ waren und etwa keine „Persas“, war für Rudbeck aus Ez 39,6 ersichtlich: ְו ִשׁ ַלְּח ִתּי־ ֵ ֣אשׁ ְבָּמֹ֔גוג וְּבי ֹ ְשֵׁ֥בי ָהִא ִ֖יּים ָל ֶ֑בַטח ְו ָי ְד֖עוּ ִכּי־ֲא ִ֥ני ְיה ָֽוה׃ Und ich will Feuer werfen auf Magog und auf die Bewohner der Inseln, die so sicher wohnen, und sie sollen erfahren, dass ich der HERR bin.
Eindeutig war hier von Inselbewohnern die Rede. Auch weitere von Gog abgeleitete Wörter werden etymologisiert. So gab es etwa in England die Gog Magog Hills, auf die Rudbeck verweist. Dabei handelt es sich um eine Kette von Kalkhügeln südöstlich von Cambridge. Auch die Engländer − und aufgrund der Sprachverwandtschaft gerade sie − waren ja aus den Göthen hervorgegangen. Rudbeck schreibt dazu: Gogum præterea atque Magogum fuisse maximos præpotentes in Septentrione Reges Principesve, satis superque testantur quoque nomina locorum quorundam apud nos & vicinos nostros adhuc residua:³⁴³
In diesem Zusammenhang stellt Rudbeck auch das hebräische Wort jarek zur kleinen schwedischen Insel Vargö, zu den Orkneyinseln und – lautlich passend – zu den Argonauten. Eindeutig greift er hier auf die klassischen Topoi des Vaters zurück. S. 32 f. befassen sich beispielsweise mit dem Bernstein succinum. Dieser wurde auch svetinum genannt, was Rudbeck wohl als offensichtliche Analogie zum Namen Schwedens verstehen musste. Wurde das Wort adel zuvor bereits aus hebr. adil erklärt, so ist nun das Wort nobilis an der Reihe³⁴⁴. Auch hier gab es eine hebräische Etymologie: נפלהniphela „separatus, excellens factus fuit“, die im Psalm 139,14 vorkam: אד׃ ֹ ֽ אות ִ֫נְפ ֵ֥ליִתי ִנְפָל ִ֥אים ַמֲע ֶ֑שׂיָך ְ֝ו ַנְפ ִ֗שׁי י ֹ ַ֥דַעת ְמ ֹ ֗ או ְדָ֗ך ַ֤על ִ֥כּי ֹנו ָר ֹֽ Ich danke dir dafür, dass ich wunderbar gemacht bin; wunderbar sind deine Werke; das erkennt meine Seele.
Der Anspruch Schwedens, dessen Kernbereich das Baltikum ausgemacht hatte, konnte auch dadurch begründet werden, dass der Name Baltia zu gr. βασίλεια gestellt worden war³⁴⁵. In diesem Zusammenhang war arab. פזלpazal bzw. fazal zu nennen. Und auch das Wort vasallus stand damit in Verbindung. Offenbar ging Rudbecks Kenntnis des Arabischen soweit, strukturelle Gegebenheiten in Betracht zu ziehen. Das Arabische kennt nämlich kein p. Rudbeck scheint sich dessen bewusst zu sein, wenn er hier beide Transkriptionen des hebr. פnennt.
Vgl. Anttila (2009: 51). Atlantica Illustrata, Seite 20. Atlantica Illustrata, Seite 33 ff. Atlantica Illustrata, Seite 35 ff.
2.1 Die gedruckten sprachtheoretischen Werke Rudbecks
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Kein Wort scheint vor Rudbeck sicher zu sein. Auch lat. baro, das natürlich nicht klassisch ist, sondern ein germanisches Lehnwort, fand mit hebr. פרעpara oder fara „liber, immunis, privilegiis donatus“ seine Etymologie. Von letzterem waren auch schw. fri und dt. frey abgeleitet. Das Hebräische wiederum kennt kein anlautendes f-. Dennoch ist es interessant, dass Rudbeck Permutationen durchaus anhand des Artikulationsortes erkennen kann, in diesem Fall p ~ f ~ b. Eine interessante Etymologie bietet Rudbeck auch für den Namen der südlichsten schwedischen Provinz Schonen, dass er aus hebr. sagan סגןbzw. aram. seganim סגניםmit der Bedeutung „magnates, præfecti, principes“ herleitet, derer es dort „haud pauci“ gebe³⁴⁶. Als Referenzstelle verweist er auf Jes 41,25, wo es heißt: מו־ ֔חֶֹמר וְּכ ֥מֹו י ֹו ֵ֖צר יִ ְרָמס־ִֽטיט׃ ֹ בא ְס ָג ִני֙ם ְכּ ֹ֤ פו֙ן ַו ַ֔יּאת ִמ ִמּ ְז ַרח־ ֶ ֖שֶׁמשׁ יְִק ָ֣רא ִב ְשִׁ֑מי ְו ָי ֹ ַהִעי ֤ר ֹוִתי ִמ ָצּ Von Norden habe ich einen kommen lassen und er ist gekommen, vom Aufgang der Sonne her den, der meinen Namen anruft. Er zerstampft die Gewaltigen wie Lehm und wie der Töpfer, der den Ton tritt.
Darf man diese Interpretation als Spitze gegen die Dänen sehen, die Schonen erst vor kurzem an Schweden verloren hatten? Waren die Schweden die Magnaten, die aus dem Norden wieder in den Süden der Halbinsel gekommen waren? Es ist wahrscheinlich, dass Rudbeck hier also mit dem Medium der Etymologie und der Bibelexegese eine Raumnahme vollführt bzw. die erfolgte Raumnahme legitimiert. Die folgenden Seiten widmen sich endlich den primordialen „Bewohnern“ Atlantis, den Göthen³⁴⁷. Rudbeck geht von hebr. gez, get bzw. az, allesamt Varianten der Wurzel עז, aus. Dies war also Ausgangsform für sowohl die Geten als auch die Goten bzw. Göthen. Die Variation im Konsonantismus der hebräischen Form erklärt er durch für ihn „typische“ Alternationen im Konsonantismus, wie sie etwa auch bei der Dublette des Namens Eber / Heber vorkam. Er schreibt: עזporro Hebr. gez, get, aliis az, esse genuinum etymon, unde derivari possint ac debeant Getæ, Gothi &c. ulterius evincitur ex altera ejus notione, qua caprum, & capram significat (…).³⁴⁸
Somit konnte das Endonym der Göthen selbst eine Legitimation in seiner hebräischen Etymologie finden, was den Herrschaftsanspruch der schwedischen Vorfahren zusätzlich unterstrich. Interessant ist hierbei, dass das Toponym Gothia ja zuvor mit einer anderen Etymologie versehen wurde. Somit ist die Herleitung letztlich wiederum multipel. Wenn Rudbeck von den Germanen schreibt, meinte er damit wohl ausschließlich die Deutschen, denn an anderen Stellen werden offensichtlich deutsche Wörter mit „germ.“ bezeichnet. Zum Volksnamen jedenfalls stellt er talmudisches גרמן garman und auch pers. keriman ³⁴⁹. Das Persische war in diesem Fall älter, was kein
Atlantica Illustrata, Seite 42. Atlantica Illustrata, Seite 46 ff. Atlantica Illustrata, Seite 48. Atlantica Illustrata, Seite 50.
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2 Rudbecks sprachtheoretische Werke
Widerspruch in seinem System war, da er sich bei der hebräischen Form explizit auf das später belegte Talmudische bezieht. Rudbeck nimmt hier schlicht eine Permutation „k in g“ an, die „sæpissime“ sei³⁵⁰. Anschließend wird nun endlich der Name Schwedens, Swerige, behandelt³⁵¹. Naturgemäß musste eine einleuchtende Etymologie gefunden werden, die die Größe Schwedens inkorporierte. So wundert es nicht, dass Rudbeck hier ein Wort für „lucere, splendere, fulgere, clarescere“ heranzieht. Dabei handelt es sich jedoch nicht um ein hebräisches Wort, sondern um arabisch צואsuæa bzw. ציאsvia. Von diesem ließ sich auch der Landesnamen der Schweiz herleiten, aber auch polnisches swietny, also das Wort für „heilig“. Somit war die Etymologie sakral aufgeladen. Im Altgöthischen bzw. Isländischen der Edda gab es schließlich das Wort svia „scintilla, [illu] stria“. In diesem Zusammenhang war auch hebr. סואןsoen „bellator, prælians“, zu nennen, womit letztlich wieder eine Anknüpfung an diese älteste Sprache gewährleistet wurde. Von diesem Wort waren nicht nur direkt der lateinische Name sviones, sveones usw. abgeleitet, also das Exonym der Schweden, sondern auch das schwedische Endonym svenske bzw. sönske selbst. Die Etymologie ist somit nicht unidirektional, sondern abermals multipel. Zwei Semantiken, nämlich eine aus dem Bereich des Verbums für „glänzen“ und eine andere für „Krieger“ ergeben die Eigenbezeichnung der Schweden und ihres Landes. Die Absicht liegt auf der Hand. Beide Etymologien vereinen den Topos des edlen Kriegers. Nicht problematisch erscheint es Rudbeck also, den Landesnamen aus dem Arabischen, den Völkernamen aber aus dem Hebräischen herzuleiten. Auch Frankreich wird in seiner alten Bezeichnung kurz behandelt. Denn der Name Gallia, an den sich schwedisches kalland anschloss, „antiquitus quoque Atlantica nostra insignita est; unde vero ita nominata, non æque licit.“³⁵². Hierzu wird hebr. כללkalal „consummare, perficer, totum absolvere“ und das davon abgeleitete Nomen mit der Bedeutung „consummatio, perfectio, universitas“ gestellt. Auch die so wichtigen Riphäischen Berge, die laut Rudbeck dem Älteren auf dem Weg nach Atlantis bzw. Schweden lagen, finden eine semitische Etymologie³⁵³. Der Name stand im Zusammenhang mit arab. rafa רפע. Die Bedeutung „levare, elevare, erigere“ passte somit aus semantischen Gründen als Bezeichnung für ein Gebirge. Die Skythen schließlich sind die vierte wichtige Verkörperung der Göthen, die einer Behandlung bedurfte³⁵⁴. Skythen, Göthen und Hyperboreer waren vom Vater ja quasi synonym behandelt worden. Rudbeck schreibt, dass viele Gelehrte den Namen gerne zu schw. skyt bzw. skytt „arcubalista“ stellten. Er selbst hingegen zieht eine Herleitung aus dem hebr. Namen Sets, שת, vor und verweist dabei auf Num 24,17, wo es hieß:
Atlantica Illustrata, Seite 51. Atlantica Illustrata, Seite 56 ff. Atlantica Illustrata, Seite 58. Atlantica Illustrata, Seite 59 ff. Atlantica Illustrata, Seite 60 ff.
2.1 Die gedruckten sprachtheoretischen Werke Rudbecks
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שֶׁב֙ט ִמ ִיּ ְשׂ ָרֵ֔אל וָּמַח֙ץ ַפֲּא ֵ ֣תי מֹוָ֔אב ְוַק ְר ַ ֖קר ָכּל־ ְבּ ֵני־ ֵֽשׁת׃ ֨ ֵ קב ְו ָ֥קם ֹ ֗ אנּ֙וּ ְו ֣ל ֹא ַע ָ ֔תּה ֲאשׁוּ ֶ֖רנּוּ ְו ֣ל ֹא ָק ֑ר ֹוב ָדּ ַ֨רְך ֹכּו ָ֜כב ִֽמ ַיֲּע ֨ ֶ ֶא ְר Ich sehe ihn, aber nicht jetzt; ich schaue ihn, aber nicht von nahem. Es wird ein Stern aus Jakob aufgehen und ein Zepter aus Israel aufkommen und wird zerschmettern die Schläfen der Moabiter und den Scheitel aller Söhne Sets.
Auch das finnische zudi, das andere als russische Entlehnung deuteten, stammte in Wirklichkeit vom Namen der Skythen ab. Den wohl wichtigsten Teil des Werkes bilden die sich anschließenden Seiten³⁵⁵. Hier spielt das Finnische abermals eine Schlüsselrolle. Wohl von der Annahme seines Vaters ausgehend, die Göthen seien nach der Sintflut über Finnland nach Atlantis eingewandert, sucht Rudbeck Anhaltspunkte für diesen Reiseweg in finnischen und lappischen Toponymen, die er altorientalischen Toponymen gegenüberstellt. Er greift somit die im Brief an Törner elaborierte Liste aus Ortsnamenanalogien wieder auf und verweist dabei selbst auf die Veröffentlichung bei Arctopolitanus. Insgesamt umfasst die Liste hier 32 toponymische Analogien, ist somit im Umfang deutlich größer als diejenige von 1727. Der Fokus ist schlicht breiter. Neben Persien und Finnland kamen auch Ortsnamen Lapplands, Armeniens und Arabiens in Betracht. So wird nun etwa Jusam am roten Meer mit Josema im Botten verglichen. Armenisches Chabur bzw. Alchabur entsprach dem lulesamischen Berg Alcawari. Der Ort Hallola in Persien wird noch immer dem Ort Hollola in der Provinz Tavastia gegenübergestellt. Bisweilen werden vorherige Analogien auch ergänzt. So gesellt sich zum finnischen Oulou (Oulu) nun auch der Städtename Ola in Arabia Felix. Der entsprechende persische Städtename erscheint hier orthografisch nun als Ollou. Ein letztes Beispiel mag hier tatarisches Carpo sein. Dieser Ortsname band sich an Korpo an der finnischen Küste an. Sprachen die Analogien skandinavischer und orientalischer Ortsnamen also nach wie vor für die orientalische Herkunft der nicht-göthischen Völker Skandinaviens und deren Identifikation mit den Zehn Verlorenen Stämmen Israels, sollte dies nun im Folgenden auch durch Nomina des Finnischen und Samischen, aber auch des Estnischen untermauert werden³⁵⁶. Diese werden entsprechend mit hebräischen Kognaten zusammengebracht. Der Katalog umfasst insgesamt 75 Einträge, von denen an dieser Stelle einige besprochen werden sollen. Übrigens beginnen fast alle der hebräischen Kognaten, die hier immer an erster Stelle stehen, mit irgendeiner Art Sibilanten, also ש, סoder צ, selten auch ז. Offenbar waren gerade diese Buchstaben bei seiner zeitgleichen Arbeit am Thesaurus an der Reihe. Wie auch in den vorhergehenden Arbeiten, können andere semitische Sprachen, also „Dialekte des Hebräischen“, dort eintreten, wo kein passendes hebräisches Wort gefunden werden kann. Finnisch side „ligamen“ (9) entsprach arab. „ שדהligatio“. Auch heute lautet „Binde“ im Finnischen side. Ein hebräisches „ שוחהfossa, fovea,
Atlantica Illustrata, Seite 65 ff. Atlantica Illustrata, Seite 68 ff.
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2 Rudbecks sprachtheoretische Werke
profunda“ (20) wird etwa estn. suggaw „profundus“ gegenübergestellt. Das estnische Wort für „tief“ in heutiger Orthografie lautet übrigens in der Tat sügav. Das hebräische Verbum „ שוקקpotavit, rigavit“ (22) fand sich im Samischen als schocki (an anderer Stelle giocki mit der gleichen Bedeutung) wieder. Im Vergleich zur lappischhebräischen Wortliste im Brief an Wallis lässt sich hier also eine Entwicklung feststellen. Hatte sich Rudbeck damals noch auf rein samische Wörter gestützt, werden hier finnische, estnische und samische Kognaten gleichermaßen behandelt. Anschließend sind dann noch weitere Völkerbezeichnungen Gegenstand der Darstellung, die alle etymologisch in das rudbeckianische Paradigma eingegliedert werden mussten, so die Semnonen, die Ingwäonen, die Othingi und die Kimbern³⁵⁷. Mit den Hortos Hesperidum greift Rudbeck schließlich einen wichtigen Topos seines Vaters wieder auf. Die Griechen hatten den atlantisch-göthischen Namen der Asparlundar konvertiert und sich somit einverleibt, so viel stand fest. Wie aber sah das genaue etymologische Verhältnis aus? Im Hebräischen gab es den Ausdruck קרית ספר Kiriath sepher, dessen Plural Kiriath hasopherim „locus literarum, Academia, hortus literaturae“ dem griechischen Begriff nicht nur lautlich gleichkam. Es handelte sich um ein „vetus Phœnicum Gymnasium“. Niemand konnte doch leugnen, glaubte Rudbeck, dass das erste Wort die Ableitungsbasis etwa für ungarisch kert „hortus“, polnisch ogrod und natürlich göthisch gard und lateinisch hortus bildete. Die drei letzten Beispiele stehen übrigens in einem tatsächlichen etymologischen Verhältnis zueinander, das allerdings im Urindogermanischen liegt. Die Gärten der Hesperiden lagen in Uppland, was Rudbeck veranlasst, auch dessen Etymologie nachzugehen. Die Perser, deren Sprache doch so viel Ähnlichkeit zum Schwedischen hatte, bezeichneten die Gärten mit Absal, was natürlich schwedisch Upsal, also Uppsala, entsprach. Man erinnere sich an die phrygische Analogie in der Atlantica des Vaters. Auch der Reichtum an Äpfeln ist Gegenstand etymologischer Betrachtungen. Lateinisch mala entsprach hebr. מלהmilla „loquela, sermo, verbum usw.“, von dem auch arabisch מאליmali „scriptor, autor“ abzuleiten war. Das Wort „ תפוחיmalum arborem, malum vel pomum fructum“ hatte hingegen eine Analogie in persisch bugu, samisch paki und ägyptisch (wohl koptisch) πεχι. Es wird kein göthisches Wort herangezogen. Wohl aber schien die Wurzel, die im Hebräischen auch „verbum, sermonem, locutionem“ bedeutete, in engl. speach / speech verbaut zu sein. Für זהבsahab „aurum“ wird keine etymologische Entsprechung angegeben. Das Wort משכיוmaschiot gehörte zur Wurzel שכהsacha „imaginari, cogitare, figurare, ex imagine pingere“ und wird von Rudbeck zu lateinisch mosaicum gestellt. Parallel dazu wird die „vulgärgriechische“ Entsprechung des lateinischen Wortes ψυφὶ von hebr. „ שעיףcogitatio“ abgeleitet. Das Wort דברdabar / davar „verbum, sermo, doctrina“ gehörte zu göth. svipur „sermo“, wie es in der Edda belegt war. דברdabyr / davyr war ja bereits von Hieronymus mit „verbum in tempore suo“ erklärt worden. Rudbeck kommt zum Ende des Werkes zu folgendem Schluss:
Atlantica Illustrata, Seite 78 ff.
2.1 Die gedruckten sprachtheoretischen Werke Rudbecks
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Ex occasione Hortorum Hesperidum restarent jam multa perscribenda de Academiis Veterum Gothorum, verum illa alii labori reservare nos jubet ipsa sub manus crescens opuscula moles:³⁵⁸
Ein Wort durfte jedoch nicht fehlen. Er stellt abschließend das hebr.Wort פוחpuach zu verschiedenen (germanischen) Wörtern für „Buch“. Das göthische bok bezeichnete jedoch ursprünglich „literam, characterem, signatum“, in welcher Bedeutung es etwa auch durch dt. buchstab, aber auch ung. bötu nachgewiesen werden konnte. Doch dies sollte es vorerst gewesen sein: Taceo reliquas voces hinc derivandas, quæ itidem genuinum vocabuli bok significatum insinuant, & hisce, b.c.D. Claudo hunc Libellum, cum voto, permaneat hæc Peninsula omne ævum, (…).³⁵⁹
Die Atlantica Illustrata trägt ihren Titel zu Recht, denn sie knüpft 31 Jahre nach dem Tode Rudbecks des Älteren an dessen Monumentalwerk, der Atlantica, wieder an. Anders als in den zuvor behandelten Werken ist die Fragestellung in der Atlantica Illustrata eine ganz andere. Spekulationen bibelexegetischer Natur sind nicht von Belang. Es geht ganz im rudbeckianischen Sinne um die Etymologisierung von Ländern und Völkernamen. Man kann davon ausgehen, dass Rudbeck nach seinen Exkursen zur Herkunft der Samen und Finnen und der Flora und Fauna der Bibel nun die eigentlichen, väterlichen Fragestellungen abschließend klären wollte. Spielte die Mythenexegese doch im Zeitraum zwischen der Laponia Illustrata und der Atlantica Illustrata kaum eine Rolle, knüpft er hier an den Topos der Gärten der Hesperiden an. Somit teilt die Atlantica Illustrata des Sohnes die gleiche Fragestellung wie die Atlantica des Vaters. Der Unterschied besteht in der nach wie vor extensiven Beweisführung anhand etymologischer Verfahren. Rudbeck hat sich sein eigenes System der Sprachtheorie, das er in den vorausgegangenen Arbeiten elaboriert hatte, für diese Arbeit zunutze gemacht. Viele der väterlichen Ideen konnten mit dem Schwedischen als Hilfssprache und dessen Anbindung an das Hebräische viel deutlicher verifiziert werden. Die Geschichte der Schweden und der anderen Völker hatte somit eine neue, zeitlich tiefere Dimension und konnte sich somit noch besser ins väterliche Paradigma einfügen, als dessen eigene Methodik es vermochte. Ich möchte für die Antlantica Illustrata wie auch bei anderen behandelten Werke gerne vom „etymologisierten Raum“ sprechen. Der Raum selbst ist durch seine Typologie eine Manifestation der Geschichte und des Zusammenhangs seiner Bewohner untereinander. Ethnonyme und Toponyme waren nicht emergent. Sie inkorporierten die Herkunft und Eigenschaften der betreffenden Völker, unter denen die alten Schweden eine Vormachtstellung einnahmen. Dies wird in keinem anderen Werk so sehr deutlich wie in der Atlantica Illustrata.
Atlantica Illustrata, Seite 83. Atlantica Illustrata, Seite 84.
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2 Rudbecks sprachtheoretische Werke
Die Atlantica Illustrata bildet als letzte große Veröffentlichung den Abschluss der wissenschaftlichen Arbeit Rudbecks, sieben Jahre vor seinem Tod. Im selben Jahr gab es noch die wenig bedeutsame Arbeit Dudaim Rubenis ³⁶⁰. Dieser kurze Traktat nimmt eine Neuinterpretation der Bibelstelle Gen 30,14 vor: תּאֶמר ָרֵח֙ל ֶאל־ֵלָ֔אה ְתּ ִני־ ָ֣נא ִ֔לי ִמדּוּ ָדֵ֖אי ְבּ ֵֽנְך׃ ֹ ֤ מּו ַו ֹ ֑ אָ֔תם ֶאל־ֵלָ֖אה ִא ֹ ַו ֵ֨יֶּלְך ְראוּ ֵ֜בן ִבּי ֵ ֣מי ְקִציר־ִחִּ֗טים ַו ִיְּמָ֤צא ֽדוּ ָדִאי֙ם ַבּ ָשּׂ ֶ֔דה ַו ָיּ ֵ֣בא Ruben ging aus zur Zeit der Weizenernte und fand Liebesäpfel auf dem Felde und brachte sie heim zu seiner Mutter Lea. Da sprach Rahel zu Lea: Gib mir von den Liebesäpfeln deines Sohnes.
Die dort erwähnten dudaim דודאיםsind für Rudbeck keine „mandragorae fructus“ oder „flores amabiles“, sondern Erdbeeren. Auch hier schließt Rudbeck sich wieder an zeitgenössische Diskurse an, denn die dudaim wurden mal als Alraunen, mal als bestimmte Blumen gehandelt³⁶¹. Ein Schlüssel für Rudbecks Interpretation war hebräisch שדהsade, also dem Wort für „Land“, das in der obigen Fügung בשדהmit „Feld“ übersetzt wird. Rudbeck hingegen sieht den Landesnamen Schwedens, Swedie, in diesem Wort reflektiert³⁶². Und Erdbeeren gab es in seiner Heimat zu Hauf. Im Ganzen lässt sich die Arbeit in der Domäne seiner naturwissenschaftlich-bibelexegetischen Arbeiten verorten. Es erfolgt eine typisch rudbeckianische Umdeutung. Die Erdbeere, die ja bereits zu Beginn der Laponia Illustrata eine große Rolle spielt, ist gotizistisch aufgeladen. Diese typische Frucht des Nordens sollte die Affiliationen beweisen, die Rudbeck zwischen den Schweden und Hebräern ansetzte. Abschließend ist dann noch die „Descriptio Cataractarum in Cascawari Laponiae“ aus dem Jahre 1734 zu nennen, die abermals in den ALS veröffentlich wurde. Einmal mehr ist hier Lappland das Objekt sprachhistorischer Spekulationen, so fruchtbar und weitreichend war also die Lapplandreise vor mehr als dreißig Jahren gewesen. Auf drei Seiten vollführt Rudbeck wieder eine Anbindung des wilden Nordens an die biblische Antike. Cascawari war zusammengesetzt aus zwei hebräischen Worten. Das Vorderglied gaski oder gâski bedeutete schlicht „cataracta“. Es band sich an hebräisch געשgaesh an, wie es in Jer 5, 22 belegt war: תי ל ֹא־ִתי ָ֜ראוּ ְנֻאם־ ְיהֹ ָ֗וה ִ֤אם ִמ ָפּ ַנ֙י ֣ל ֹא ָתִ֔חילוּ ֲא ֶשׁר־ ַ ֤שְׂמ ִתּי חֹו֙ל ְגּ֣בוּל ַל ָ֔יּם ָחק־עֹו ָ֖לם ְו ֣ל ֹא ַיַעְב ֶ֑ר ְנהוּ ַו ִֽיְּת ָגֲּעשׁ֙וּ ְו ֣ל ֹא יוּ ָ֔כלוּ ֨ ִ או ֹ ַה ְוָה֥מוּ ַג ָ֖לּיו ְו ֥ל ֹא ַיַעְב ֻֽר ְנהוּ׃ Wollt ihr mich nicht fürchten, spricht der HERR, und vor mir nicht erschrecken, der ich dem Meere den Sand zur Grenze setze, darin es allezeit bleiben muss, darüber es nicht gehen darf? Und wenn es auch aufwallt, so vermag es doch nichts; und wenn seine Wellen auch toben, so dürfen sie doch nicht darüber gehen.
Olavi Rudbeck filii dudaim rubenis, quos neutiquam mandragoræ fructus fuisse, aut flores amabiles, lilia, violas, narcissos, leucoja, species melonis, vaccinia, chamæbatum, rosam, solanum halicabanum, certas uvas vel mora rubi idæi spinosi, allatæ hic rationes satis videntur evincere. Näheres dazu bei Harris (1824: 260 ff.). Dudaim Rubenis, Seite 18.
2.2 Das Gedicht über Urim und Thumim
125
Die Verbform ויתגעשוsteht wiederum im Hithpael. Auch isländisches gusa, gösa „effundere aquam“ und deutsches gusu konnten dieselbe Etymologie für sich reklamieren. Es erscheint fast vorhersehbar, dass Rudbeck anhand der phonetischen Struktur und der Semantik auch frz. cascade in Verbindung mit dem samischen Wort und dessen hebräischer Etymologie bringt. Das Hinterglied des Wortes war nun ebenfalls hebräischer Herkunft. Aufgrund der Reichweite rudbeckianischer Permutationsregeln konnte wari sich leicht an hebräisches הרhar, also dem Wort für „Berg“ anknüpfen. Zum Schluss konnte ein anderer Berg, der Sewiswari, dann noch eine klassischrudbeckianische Transformation erfahren. Hatte nicht Plinius bereits von einem Berg namens Sevo berichtet, „quique non procul a montibus Riphæis situs dicitur“³⁶³? Auch hier wird jedoch die Heilige Schrift bemüht. 2 Kön. 19 verwies mit dem Wort שיבה „habitatio, domicilium“ auf die nordische Lage des Berges, weniger durch den Inhalt der Bibelstelle als durch die Übersetzung des Einzelwortes. Es darf angenommen werden, dass Rudbeck sich hier auf Vers 27 bezieht: בֲאָ֖ך ָי ָ֑דְע ִתּי ְוֵ֖את ִֽהְת ַר ֶגּ ְזָ֥ך ֵא ָֽלי׃ ֹ ִשְׁב ְתָּ֛ך ְוֵצאְתָ֥ך וּ Ich weiß von deinem Aufstehen und Sitzen, deinem Ausziehen und Einziehen und dass du tobst gegen mich.
Die markierte Form weicht insofern von der rudbeckschen ab, als sie keine Mater Lectionis aufweist und durch ein Possessivsuffix erweitert auftritt. Letzteres Faktum war Rudbeck als kundigem Leser der hebräischen Bibel natürlich bekannt. Dieser kurze Traktat zeigt, dass bei aller Einbeziehung des Finnischen, Ungarischen und Estnischen die Samen und ihre Sprache eine Herzensangelegenheit Rudbecks blieben. So kann man diesen Aufsatz sicherlich als Vollendung eines geschlossenen Zirkels sehen.
2.2 Das Gedicht über Urim und Thumim Rudbeck weist ein beträchtliches Korpus an poetischen Hinterlassenschaften auf. Neben einer Vielzahl von Psalmen und Parentalia auf die Repräsentanten der schwedischen Monarchie sind es weitere Gedichte zu bestimmten Themenkomplexen, die hier herausstechen³⁶⁴. Eines dieser Gedichte ist auch für diese Arbeit von Interesse. Es handelt sich um das Gedicht „Urim och Thumim“ aus dem Jahre 1728. Es ist deshalb von hohem Wert, da in ihm etymologische Spekulationen in Versform vorgenommen werden. Abermals greift Rudbeck also ein Objekt zeitgenössischer, orientalistischer Diskurse auf. Gut ein halbes Jahrhundert zuvor hatte der Engländer John Spencer
„Descriptio Cataractarum in Cascawari Laponiae“, Seite 48. Eine Übersicht über diese Werke bei Hanselli (1869).
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2 Rudbecks sprachtheoretische Werke
(1630−1693), seines Zeichens Theologe und Gelehrter, in seiner Dissertatio de Urim et Thummim von 1670 für eine ägyptische Herkunft dieser Embleme plädiert. Es darf nicht überraschen, dass Rudbeck Anstoß an einer solchen Lokalisierung nehmen musste. So wird Spencer dann auch im Gedicht selbst erwähnt. Ich werde das Gedicht gemäß der Druckfassung, in die mir die Kansallis Kirjasto in Helsinki Einsicht gewährt hat, hier abdrucken³⁶⁵. Die grobe deutsche Übersetzung zur Rechten stammt vom Verfasser dieser Arbeit. An mehreren Stellen gebe ich dann Erläuterungen zum Text. I Början faller wäl alt nytt för mångom sälsamt / Och swårt at föra till sitt rätta ändamål; Dock öfwerwinnes thet med tiden / när man tål / Och söker hwad som är för Riket godt och hälsamt.
Am Anfang erscheint alles Neue für viele seltsam und schwer, an sein rechtes Ziel zu führen. Doch wird dies mit der Zeit überwunden, wenn man geduldig ist und sucht, was für das Reich gut und heilsam ist.
Rom war ej bygt uppå en dag / ej eller månad; Men drogs en lång tid uht förr än han blef så stor / Så folkrik / mägtig och uthi thet stånd och flor / At hela werlden för thes wälde wardt förwånad.
Rom wurde nicht an einem Tag erbaut, auch nicht in einem Monat, sondern es verging eine lange Zeit, bis es so groß wurde, so volkreich, mächtig und in dem Stand und der Blüte, dass die ganze Welt über seine Macht staunte. Der Ursprung aller Dinge ist im Beginn klein, wächst aber mehr und mehr, nimmt zu wie das Feuer, bis es an Substanz gewinnt und so groß wird, wie es will, zuvor wenig, und dann in einen Aschehaufen zusammenfällt.
Allthings uprinnelse är liten uti början; Men wäxer mer och mer / som elden tager till / När han får ämne nog och ökas som han will / Förr ringa / qwafder ned / och giömd i aske=mörjan Här lägs ett Gille an / ett Gille uthaf lärde / Som wäl ej liknas må mot slika stora ting; Dock skulle ther med nog gå uth och långt omkring / Ther ej En förr Man Hög av ädelt blod och wärde /
Hier wird ein Bund errichtet, einer aus Gelehrten, der sich nicht vergleichen kann mit solch großen Dingen. Doch sollte damit nicht auch ein Vorsteher von adligem Blut und Würde einhergehen?
Med flit sig toge an / at thet till högsta drifa/ Och solklart wisa / at i Norden bor och Folck/ Så wel som Söder uth / thet utan Lotz och tolck/ Fått hufud och förstånd / at och förr ohördt skrifa.
Mit Fleiß nehme man sich vor, es zum Höchsten zu führen und sonnenklar zu zeigen, dass im Norden ein Volk wohnt, und ebenfalls südlich, das ohne Lotse und Dolmetscher, Haupt und Verstand bekommen hat, um, vormals unbekannt, zu schreiben.
Auch Hanselli (1869: 139 – 145) druckt das Gedicht vollständig ab. Hier ist die Orthografie jedoch gemäß den Konventionen des 19. Jahrhunderts abgedruckt worden. So erscheint der Digraph bei Hanselli als , wie überhaupt stets anstelle von altem geschrieben wird, etwa svårt („schwer“) für Rudbecks swårt. Auch das an die deutsche Orthografie angelehnte , das im 18. Jahrhundert noch recht häufig vorkommt, wird bei Hanselli durch ersetzt, was der tatsächlichen Phonetik des Schwedischen, das Geminaten kennt, grundsätzlich näherkommt.
2.2 Das Gedicht über Urim und Thumim
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Then lyckan / Gudi lof! Wårt Gille äfen timmar / At thet en Herre fått til Hufud och förswar/ Som är Hans Majestet / Kung FREDRIK Landsens Far Hwars kiärlek / nit och nåd för godt kring werlden glimmar.
Dieses Glück, Gottlob, wird unserem Bund grad zuteil, da er einen Herrn als Haupt- und Schutzmann bekommen hat: seine Majestät, König Frederik, den Vater des Landes, dessen Liebe, Eifer und Gnade für immer die Welt erleuchtet.
Af nåde han och satt för gillet En then största Af sina Herrar här / then älsta af sitt Råd / Gref ARVED HORN / then ej i wigtigt är för bråd Ej eller sen: här i wår förr Man aldraförsta.
Aus Gnade hat er für den Bund auch einen der Größten seiner Herren und den Ältesten seines Rates, Graf Arved Horn, eingesetzt. Nicht zu rasch und nicht zu spät: unseren allerersten Vorsteher.
En Heders=Man och dyr/ en genomdrifen Herre I alt hwad Sinrikt är / och nyttigt Swia Land: Ty unne honom Gud / utaf sin rika hand / Långt lif med trefnad all / och Riket aldrig wärre. Wälkommen till oß nu / wälkommen till wårt Gille Uthi en lycklig stund / at thet må tage till/ Och under Eder drift / ther HErren Gud så will/ Till högsta trappan gå i Lärdom / Rön och snille!
Ein teurer Ehrenmann, ein erfahrener Herr in allem, was geistreich und dem Land der Svear nützlich ist. Es gönne ihm Gott aus seiner reichen Hand ein langes Leben mit aller Behaglichkeit – und dem Reich nicht weniger. Willkommen bei uns, willkommen in unserem Bunde, es ist eine glückliche Stunde. Auf dass dieser dem Rat folge und unter Eurem Antrieb, so der Herrgott will, die höchste Treppe aufsteige zu Gelehrsamkeit, Erfahrung und Verstand.
Om jag / som nu wäl lagt Sex Duzin åhr på baken / Med så blommerat tal och wärdigt / som sig bör / Ej Eder Excellenç i alt ett nöje giör; Förlåt mig thet / ej nu so minnug / kry och waken.
Wenn ich, wie ich nun sechs Dutzend auf dem Rücken habe, mit so blumiger und ehrvoller Sprache, wie es sich gehört, nicht Eurer Exzellenz zur Freude gereiche, vergebt mir, dass ich nicht so weise, gesund und wach bin.
Imedlertid så will jag här ett ämne gifa I liuset fram åth them / som idugt lagt sig på The Österländska språk / at them af grund förstå / Och samma ämne kort igenomgå och drifa.
In der Zwischenzeit will ich mich hier einer Sache annehmen, im Licht derer, die sich emsig um das Verständnis der orientalischen Sprachen bemüht haben, und dieselbige Sache hier kurz durchgehen und ausführen. Bevor ich nun beginne, eine so erhabene und wichtige Sache anzugehen, über die sich viele gestritten haben und zu der sicher noch kein Schluss und Urteil ergangen ist, hoffe ich, dass alle meine Angelegenheit zu hören geruhen.
Dock är min bön nu först / förr än jag börjar röra Så hög och wichtig sak / then månge twistat om/ Fast ther uthi ännu ej blifit slut och dom / At alle mina skiäl owäldigt täckes höra.
Der Finne Arvid Horn (1664– 1742), an den sich dieses Gedicht richtet, war Vorsitzender des Reichsrates Schwedens. Interessant ist an diesen ersten zwölf Versen, dass hier bereits der atlantische Topos aufgegriffen wird. Augenfällig ist dabei die Transformation der klassischen Antike, denn der Vergleich des genannten Reiches mit Rom macht abermals den Herrschaftsanspruch Schwedens deutlich. Die eigentliche Richtung wird jedoch bereits in Strophe 11 erkennbar, in der Rudbeck sein Interesse für orientalische Sprachen deutlich macht. Im Anschluss wird nun auf die Heilige Schrift verwiesen um die beiden Lossteine Urim und Thumim einzuführen, die grammatisch Pluralformen darstellen, üblicherweise aber mit den Singularen „Licht“
128
2 Rudbecks sprachtheoretische Werke
und „Recht“ übersetzt werden. Ich werde Wortformen in Rudbecks Text klein schreiben und, wie üblich fett und kursiv und markieren Uthi then Helga Skrift så finnes ordet urim, Ibland allena / och ibland ther satt i hop Med annat ord af wigt / och ej i mindre rop; Men ther emellan vau, som slutes tå med thumim.
In der heiligen Schrift gibt es das Wort urim, mal allein, mal zusammengesetzt mit einem anderen gewichtigen und nicht minder berühmten Wort. Dazwischen aber ein vau, das dann mit thumim endet.
Om vau är ingen twist / på swänska just thet samme / Som wåra göthers au och nu wårt giängse å. För hwilcket giärna och ej skrifes uthaf få. Thet ett med tyskars auch nu offtare är framme.
Über vau gibt es keinen Zwist. Im Schwedischen ist es genau dasselbe wie unserer Göthen au und nun unser übliches å, für welches nicht wenige gerne och schreiben. Dieses ist nun öfter durch deutsch auch in Gebrauch.
At urim är af or, enär thet sägs om flera / Som liusen uthaf lius och arin uthaf ar Kan inte twikas om; fast roten än är qwar I wårt och theras språk / men dels gått uth med mera;
Dass urim von or kommt, was viele sagen, wie auch liusen von lius und arin von ar, darüber kann kein Zweifel bestehen. In unserer und deren Sprache ist die Wurzel erhalten, aber teilweise in mehrere (Wurzeln) aufgegangen.
At or (a) och med wårt ar är ett / kan ingen neka / Ej mer än urim (b) med wårt arin lika så; Ty begge märcka lius; dock wärre hitta på / Hwart urim: bundit hop med thumim, just wil peka.
Dass or auch mit unserem ar eins ist, kann niemand leugnen; viel weniger noch, dass urim unserem arin gleicht. Denn beide bedeuten „Licht“. Schwieriger ist herauszufinden, worauf urim zusammen mit thumim weisen will.
På Ahrons Ämbetsskiöld tros begge hafa setat / Och när en fråga war af wärde och af wigt / På then man tå af GUd ett wist swar giärna tigt: Af klart skien Prästen ja / af matt sitt nej utletat.
Auf Ahrons Amtsschurz, glaubt man, haben beide gesessen und wenn es eine Frage von Wert und Gewicht gab, auf die man Gott um Antwort ersucht hat, schien dem Priester das Ja klar, sein Nein unklar. Hier bei uns im Land muss man solches noch suchen. Wenn der Schleier der Braut, reich an echten Steinen, den Tag hell erleuchtet, wird sie nicht gleich werden, auch nicht er. Doch um die dunklen muss man trauern. Die Meinung eines Spencers möchte ich hier gerne fallen lassen. Denn sie widerspricht Gottes klarem Wort und Gebot, dass man nicht aus Bildern Antwort und Rat suchen darf, wohl aber aus dem Mund des Priesters, aus dem Gott zu antworten geruht. Denn es lehrte auch Christus die Apostel, sich nicht vor dem Recht zu fürchten.Wehe dem! Denn Gott selbst würde denen antworten, die dem Weg folgten, Gott zur Ehre.
På landet här hos oß man får än dylikt spörja / När brudens hufud=skrud af ächta stenar rik / Then dagen glindrar klar / skall hon eij blifa lik, Ej heller han; men om the dunckla / får en sörja. En Spencers mening jag här giärna låter fara / I ty then strider mot Gudz klara ord och bod / Som ej af bilder tål får söka svar och råd / Men väl af prästens mun / ther GUd så täckes svara. Ty gaf och Christus åth apostlarna then lära / at intet fruckta sig för rätten, ho then var; Ty GUd han skulle sielf them gifa in thet svar / som lände dem till gagn / så väl som GUd til ähra.
2.2 Das Gedicht über Urim und Thumim
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Min mening är/ at or, (c) är ett med aur och samma / Thet Edda tydt i Krig en hielte flinck och stor / I hwilken något mer än elliest menskligt bor / Och then / som med sin Gud får språka fritt och glamma.
Meine Meinung ist, dass or mit aur eins und dasselbe ist, welches in der Edda einen flinken und großen „Kriegshelden“ bezeichnet, in welchem mehr als sonst Menschliches wohnt, und der mit seinem Gott frei reden darf.
Men tham och likadan i wishet Lag och Lätter / Som andra ther uthi fast vida öfergår / Fullkomlig uthi alt / och så Gudz lag förstår / At han the gåtor / som man då för honom sätter /
Aber tham ist ebenso in Weisheit, Gesetz und Rechten, die andere weit übergehen, ganz vollkommen, und versteht Gottes Gesetz. Dass er dem Fragenden die Freude bereitet, die Rätsel, die man ihm stellt, und andere dunkle Reden, die ihm gehören und das Landeswohl betreffen, zu beantworten.
Och andra mörcka tahl / i hvad the måtte wara / Som höra honom till / och Landets wälgång rör / Han then / som frågar / ett fullkomligt nöje giör / Och noga uthi alt vet skicka sig och swara. Ja! Philo gifer mig i thenna mening styrcka / Igenom heroas kai daimonas och slikt / Som låter urim ju och thumim mägta likt; Ty hafer jag stort skjäl at thenna satzen yrcka.
Ja, Philo gibt mir in dieser Meinung Bestärkung, durch heroas kai daimonas, die urim und thumim sehr gleich lauten. Denn ich habe große Lust, auf diesen Satz zu bestehen.
Kann man zu Beginn des Werkes von einer Transformation der klassischen Antike sprechen, die dem Paradigma Olof Rudbecks des Älteren nahekommt, wird im weiteren Verlauf der bibelexegetische Impetus, also die Transformation der nichtklassischen, biblischen Antike, deutlich. Hebräisches vau, womit die kopulative Konjunktion וgemeint ist, war leicht zu erklären, denn auch das Göthische wies au und das heutige Schwedische å auf. Handelt es sich bei der göthischen Form um eine Konstruktion, wird mit der schwedischen Form die phonetische Realisation der Konjunktion och herangezogen, bei der der Auslaut in der gesprochenen Sprache häufig verstummt. Im Zentrum standen die Worte urim und thumim selbst. Für urim wurde nun zuerst eine innerhebräische Etymologie gefunden. Es gehörte zu (hebr.) or, also dem Wort für „Feuer“ (hebr. )אור, genau wie liusen zu lius (schw. ljus „Licht“) und arin zu ar (schw. ar „Ar“) gehörte. Der Vergleich mit dem schwedischen, postponierten bestimmten Artikel ist bemerkenswert. Das Hebräische kennt zwar eigentlich einen präponierten Artikel, aber Rudbeck scheint implizieren zu wollen, dass es sich um „das Licht“ per se handelte.Vom schwedischen Wort ar ausgehend, wird dann schnell die Brücke zu Ahron geschlagen, auf dessen Schild die Lossteine gesessen hatten. Auch eine vermeintlich eddische Bezeichnung für einen „Helden“, aur knüpfte sich nahtlos an. Der Herleitung von urim entsprechend, lag thumim dann eine Wurzel tham „Gesetz“ zugrunde. Beide Wörter zusammen fanden im Griechischen dann im Ausdruck heroas kai daimonas mit Verweis auf Philo ihre Entsprechung.
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2 Rudbecks sprachtheoretische Werke
Så mycket mer / som jag i Skriften ej kan finna / At och vid Ahrons skiöld / enär som then blef giord / Står icke en gång nämnt med aldraminsta ord / Man theßa urim tå och thumim skulle binna.
Umso mehr, als ich in der Schrift nicht finden kann, dass auch in Bezug auf Ahrons Schurz, als dieser gemacht wurde, nicht einmal mit dem geringsten Wort erwähnt wird, dass man diese urim und thumim verbinden soll.
Men när / som skiölden var fulkomlig giord och färdig / Står ther ett märcke ord / at GUd them lägger till Sin Ahron Ofwerst präst / som dugtig / from och gill / Och efter honom en till samma heder värdig.
Aber als der Schurz fertiggestellt war, steht dort ein Merkwort, dass Gott sie auf seinen obersten Priester Ahron, den tüchtigen, frommen und guten, und nach ihm selbst ebenso ehrenvollen, legt.
När Moses månde och så Josua uth=kora / At föra folcket an till ett för=lofat Land / I genom HErrans hielp / med stor och mägtig hand / Så önskas urim med / thet är the hieltar stora.
Als Moses Josua auserwählte, damit er das Volk ins gelobte Land führte, wurden durch die Hilfe des Herrn, mit großer und mächtiger Hand die urim erwünscht, das sind die großen Helden.
Ty slutes och ther af / at när man ville fråga / I synnerhet om ting / som hörde till ett krig / Och Krigs=Befäl med mer / så var man ej så wig At tå till thumim gå; men sig till urim wåga.
Das erschließt sich nämlich auch daraus, dass, wenn man mit Sicherheit um die Dinge wissen wollte, die zu einem Krieg gehörten, Kriegsbefehle und dergleichen, man nicht so behände war, zu den thumim zu gehen, sondern sich zu den urim zu wagen. Doch gab es auch eine Sache, der man nachgehen musste. Als Jonathan ein wenig Honig stahl, so benötigte man nur thumim. Die allein reichten aus.
Men var thet och en sak / hvar om ransakas borde / Som tå när Jonathan tog litet honings rof, Si tå / så hade man blott thumim ther behof / Som väl allena nog till fyllest ther vid giorde. Af thetta thumim tycks och Themis vara tagen / Som stifta skulle lag / ther effter döma rätt; Samt hålla folcket till thet bästa lefnadz sätt: Ty liknar thet vår dom / samt döma effter Lagen. Märk wäl! dom märcker och fullkomlig uppå Swenska / Stor ståt / nog magt och krafft; ther af och domkraft är At lyfta med alt tungt / för=uthan stort beswär; Här dom en körcka stor / och thum hos nederlandska. At fälla dom uthi en sak / är saken sluta / Thet lycktas många ord och så hos oss på dom / Med hel och sann tå ett: jag tror thet slår ej bom / Af gudom ho han thet med Christi mandom pruta?
Von diesem thumim, glaubt man, kommt auch Themis, die Gesetze stiftete, nach denen zu urteilen war, und das Volk im besten Zustand des Lebens halten sollte. Denn es stimmt mit unserem dom und döma „nach dem Gesetz“ überein. Beachte: dom bedeutet „vollkommen, Größe, Macht und Kraft“ auf Schwedisch. Davon kommt auch domkraft „eine Last ohne Beschwerde zu heben“. Hier ist dom eine große Kirche und bei den Niederländern thum.
Ein dom (Urteil) in einer Sache zu fällen, heißt die Sache vollständig und wahrheitsgemäß abzuschließen. Ich glaube, dass es seine Wirkung nicht verfehlt, wenn er, oh weh, das gudom (Göttlichkeit) zugunsten des mandom (Menschsein) Christi bezweifelt.
2.2 Das Gedicht über Urim und Thumim
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Vid slik stor heligdom jag wågar och at nämna / Thet uthaf tham, methom, giör mödoms ordet wårt / För hwilken mången stådt nog illa uth och hårdt; Men Christi moders dygd kan thet ej tyst här lämna.
Damit wage ich auch ein großes heligdom zu nennen, das auch aus tham, methom unser Wort mödom (Jungfräulichkeit) kommt, für welches mancher schlecht und hart gestanden hat, aber Christi Mutter Tugend kann hier nicht ungenannt bleiben.
Sitt främsta rum så får och urim icke mista / Som första stafen är af theras A be ce, Then sista thumim för / tå vau med them giör tre / Som syns beteckna GUd then första och then sista.
Seine vornehmste Stelle darf urim auch nicht verkennen, als erster Buchstabe des ABC³⁶⁶. Den letzten führt thumim ³⁶⁷. Vau macht daraus drei und scheint Gott als den Ersten und den Letzten zu bezeichnen.
Så är och arima hos våra gamla Schyter Så mycket sagt som ett / som börjar alla tal / Och lika som en dörr och ingång till en sal / Fast a i urim främst är tyst och icke ryter.
At urim bundit hop med thumim och betyder Then första ättens stam / och aldrasidsta gren / Med alla millan=skott / föruthan brist och men / Tycks Esdra peka på med versen som så lyder.
So ist auch arima bei unseren alten Skythen als etwas erwähnt worden, das alle Sprache beginnt, gleichsam einer Tür und einem Eingang in einen Saal, obwohl das a in urim still ist und nicht brüllt. Mit selbigem spielt Wulfila nicht unverständlich, wenn er einen Ersten als Letzten bezeichnen will. Denn frumist ist zuerst und aftumist zuletzt. Bei Markus kommen beide vor, was keiner leugnen kann. Dass urim verbunden mit thumim auch den ersten Volkstamm bezeichnet und den allerletzten Zweig mit Ablegern, ohne Zank und Zwist, dass scheint Esra mit dem so lautenden Vers zu zeigen.
Dock icke ord från ord; ej någon skall nu komma At blifa Öferst=Präst af eder / förr än han Thes urim thumim rätt i led så wisa kan / At inga rum ther af i Anor finnas toma.
Doch nicht Wort für Wort: Niemand wird von euch oberster Priester werden, bevor er nicht das Recht auf urim und thumim durch seine Herkunft (von den Ahnen) zeigen kann.
Så wardt och sedermer ej någon sådan funnen / Som kunde såsom förr / them gifa rigtigt svar / Förr än Messias kom / som sielfa ordet war / och Spiran förr uth spådd / af Davids stam uprunnen.
So wurde auch seither so niemand gefunden, der richtige Antwort hatte geben können, bevor der Messias kam, der selbst das Wort war und das Zepter, aus Davids Stamm gekommen.
Här faller mig och i /, at urim lär betyda The tienste=Andars bord / och thumim äfven så / Them HErren skickat uth at gifa swar uppå / Ehvad then frågat som Lif=Kiorteln skulle pryde.
Hier fällt mir auch ein, dass urim „Tisch der Diener“ bedeuten soll und thumim ebenso. Sie schickte der Herr, um eine Antwort auf das zu geben, was der fragte, den der Lebensrock schmücken sollte.
Med lika Ulphila ej oklar synes leka / När han will märcka uth / så väl en först som sist: ty frumist är ju först och sist en af=tumist: Hos Marcum begge stå i rad / kan ingen neka.
Nämlich das Aleph. Nämlich Taw.
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2 Rudbecks sprachtheoretische Werke
Som the Hebræers or ej tål en länge sofa; Men tidigt stiga upp: ty thet en morgonstund och gryning märcker / så vårt ar och sammalund Och minner på wår pligt / att GUd hvar morgon lofa.
Wie der Hebräer or nicht lange schlafen will, sondern zeitig aufsteigt, so gemahnt auch unser ar in der Morgendämmerung an unsere Pflicht, Gott jeden morgen zu loben.
Thes uthan will och or så mycket här betyda / Som ora på latin, på Swenska ort och ör, Kungs=Ör med Örbyhus / och Öregrund hit hör / Samt Helsing=ör och fler / såm äfen lika lyda.
Med the Hebræers or och tolcken mägta prisar Ett Annes lius hel blidt / mildt / nådigt / gladt och godt / Just sådan air som wi för wära ögon fått/ I Eder Excellemnç; hwars Bild alt noga wisar.
Darüber hinaus will or auch so viel hier wie ora auf Latein bedeuten, auf Schwedisch ort und ör. Kungsör mit Örbyus und Öregrund gehören hierher, samt Helsingör und mehreren gleichlautenden. Noch bezeichnet or auch einen Regen, der die Erde befeuchtet, auf Schwedisch ist auch ur mit selbem or eins. Und es findet sich wieder bei Hiob, und die das gesehen haben, stimmen der Deutung in den Targumim zu. Mit der Hebräer or preist der Übersetzer auch ein Licht der Anne, ganz sanft, mild, gnädig, froh und gut. So auch air, das wir in Eurer Exzellenz vor Augen haben, deren Bild alles genügend zeigt.
Och når man saken rätt täncka på och mogna / Så tör wäl urim så och thumim kiännas wid Er Excellenç sielf / som uthi krig och strid / Sig wist en Hielte / nu störst bland the Männer trogna.
Und wenn man die Sache recht bedenkt und reift, so dürfen wohl urim und thumim in Eurer Exzellenz selbst gesehen werden, der in Krieg und Streit sich als Held erwiesen hat, nun der Größte unter den Getreuen.
Ty lef gref ARVED Säll / till thes Ert Arf får ärfa / I alla mål Ert wett / upförande och skick: Så at i Heder och Wälgång ej en prick Hos Ther må saknas; men alt mer med dygd förwärfa.
Selig lebe Graf Arved, bis er Euer Erbe erbt, in allem euer Gesetz und Brauch aufführt, dass in Ehre und Wohl kein Fleck fehle, sondern noch mehr mit Tugend angeschafft werde.
Än märcker or ochså ett rägn som fuchtar jorden / På Swenska är och ur med samma or ju ett / Och fins igen hos Job, och the som therpå sedt / The hålla äfen med / som targum tyder orden.
Nachdem das biblische Motiv des Schildes Ahrons zunächst weitergeführt wird, wird mit der Analogie des Wortes thumim und des Theonyms Themis wieder ein klassisches bemüht. Immer wird jedoch vor allem das Göthische / Schwedische bemüht. So fand sich die thumim zugrunde liegende Wurzel in schwedisch dom verbaut, das mit seinen Bedeutungen „Urteil“, aber auch „Dom“ doppelt aufgeladen werden konnte. Auch das Ableitungssuffix -dom (vgl. dt. -tum) gab Hinweis auf thumim, passenderweise im Ausdruck Christi mandom, also dem menschlichen Wesen Jesu. Christlich aufgeladen, im Sinne des Alpha und Omega, war auch die Referenz auf gotisches bzw. Wulfila-göthisches frumist und aftumist („zuerst“ und „zuletzt“). Nach weiteren biblischen Anknüpfungen, etwa auf Esra, wird auch lateinisch ora und schwedisch ort („Ort“) bemüht, wohl um die Motive „Raum“ und „Zeit“ zu bedienen. Auch schwedisch ör wird als verwandt genannt. Es kam in Toponymen wie Kungs-Ör und Örbyhus vor.
2.3 Weiteres unveröffentlichtes Material
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Dieses Gedicht stellt einen neuerlichen Versuch dar, ein biblisches Motiv innerhalb des Rudbeckianismus zu implementieren. Das poetische Medium hält Rudbeck nicht davon ab, wie gewohnt mit reichlich Sprachmaterial zu operieren. Man kann in der Tat von einer verdichteten Form seiner Sprachphilosophie in über dreißig Strophen sprechen. Im Zentrum des Themas stehen die beiden Lossteine Urim und Thumim, deren Behandlung Rudbeck bereits im veröffentlichten Thesaurus-Traktat von 1716 angekündigt hatte. Bemerkenswert bei der Auswahl der Kognaten ist, dass sich diese auch auf die klassische Sprache Griechisch erstrecken, bzw. griechische Mythologeme mit einbeziehen. Thumim hatte nicht nur lexikalische schwedische Kognaten, sondern auch morphologische. Es war das Suffix -dom, das sich nahtlos an die hebräische Wurzel anschließen konnte. Rudbeck schien also von einem Kompositum auszugehen. Zugleich wurde wieder eine Interpretatio Christiana geltend gemacht. Der Skalde Rudbeck hat noch weitere Gedichte. So schrieb er im Jahre 1711 ein stolzes Preisgedicht auf die amerikanische Aloe (Agave americana), die als genuin neuweltliche Pflanze auch im Herrgården Noor des damaligen Kanzleipräsidenten Graf Nils Gyldenstolpe (1642– 1709) in Uppsala gedieh³⁶⁸. Vor allem war Rudbeck aber auch ein gefragter Verfasser von Klageliedern und auch zahlreichen Psalmen.
2.3 Weiteres unveröffentlichtes Material Das Gros der Handschriften liegt in der Universitätsbibliothek Uppsala. Doch auch die Königliche Bibliothek zu Stockholm und die Stifts- und Landesbibliothek Linköping beherbergen einige weitere Dokumente. Einige der folgenden Handschriften, etwa , wurde im Verbund mit ihren gedruckten Formen bereits behandelt. Entsprechend muss diese hier außer Acht gelassen werden. Die übrigen sollen im Folgenden dargestellt werden. Das Handschriftenkorpus gliedert sich in die R-Signaturen der UUB und der Ihreska Handskriftssamling ³⁶⁹. Folgende Handschriften sind unter den jeweiligen Signaturen zu nennen: R 12b: Smärre spåkvetenskapliga avhandlingar („kleinere sprachw. Abhandlungen“):
om amerikanska språket>
Ebenfalls abgedruckt bei Hanselli (1869: 131– 135). Zu diesem Gedicht und den Hintergründen Jönsson (1999). An dieser Stelle sei herzlich Prof. Arne Jönsson von der Universität Lund gedankt, der mir nach persönlicher Korrespondenz freundlicherweise seinen Aufsatz zur literarischen Verarbeitung der Aloe geschickt hat. Zum Umfang und zur Geschichte dieser Sammlung Grape (1949). Dort zum Nachlass Rudbecks Band I: 89 f.
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R 751: Ihre 50: Ihre 51: Ihre 104: Im Folgenden sollen nun die einzelnen Signaturen näher untersucht werden. Aufgrund der überwiegend skizzenhaften Form der Manuskripte kann dies nur in komprimierter Form geschehen. Zur Signatur R 751 ist zu sagen, dass es sich eigentlich um einen Druck handelt, der jedoch mit Rudbecks handschriftlichen Anmerkungen versehen wurde. Mir liegen darüber hinaus zwei Handschriften aus Uppsala und Linköping vor, die für Rudbecks botanische Tätigkeit aussagekräftig sind. Diese sind die unter der Signatur E 245 der UUB und die unter der Signatur N 43 der Stifts- und Landesbibliothek Linköping. Beide Handschriften fallen jedoch aus dieser Darstellung, da sie keinen erkennbar philologischen Gehalt zeigen.
2.3.1 Zur Signatur R 12b Die folgenden Handschriften sind allesamt sehr inkohärent und von Gedankensprüngen gekennzeichnet. Die Schwierigkeit besteht darin, aus Rudbecks zahlreichen etymologischen Implikationen seine eigentliche Argumentation herauszukristallisieren. Ich gehe davon aus, dass es sich in der Hauptsache um Skizzen Rudbecks handelt, in denen er seine Gedanken schriftlich notiert, um deren Eignung für mögliche Veröffentlichungen zu prüfen. Keinesfalls darf man die Handschriften also als in sich geschlossene und auf eine Hauptthese ausgerichtete Dokumente begreifen, denn bis auf seine Gedanken zum hebräischen Wort remesch, blieben sie alle unveröffentlicht. Dennoch zeigen sie, als welch geeignetes Werkzeug sich die Etymologie erweisen konnte. So wird der Schwerpunkt der folgenden, verkürzten Darstellungen sich auch primär auf diese konzentrieren. Die schwedischsprachige Handschrift („über den Ysop im Alten und Neuen Testament“) umfasst 45 Seiten. Sie ist die erste der Smärre Språkvetenskapliga Avhandlingar („kleinere sprachwissenschaftliche Abhandlungen“) und befindet sich in der Universitätsbibliothek Uppsala unter der Signatur R 12b. Da die Ziffer der letzten Seite sehr unleserlich ist, man jedoch eine 6 erkennen kann, gehe ich davon aus, dass die Seite 45 fehlt. Dafür spricht, dass die auf Seite 43 aufgenommene Wortliste auf der letzten Seite nicht zu Ende geführt wird. Der Ysop, hebräisch אזוב, wird an mehreren Stellen in der Bibel erwähnt. Prominent sind hier Ex 12, Lev 14 und Num 19 zu nennen. Auch das Neue Testament erwähnt einen Ysop, denn laut Joh 19, 29 wurde Jesus der mit Essig getränkte Schwamm an einem Ysopzweig befestigt gereicht. Bibelexegetische Diskurse drehten sich um die Frage, ob es sich beim hebräischen Wort tatsächlich um den Ysop handelte oder etwa ein an-
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deres Gewächs³⁷⁰. Auch Rudbecks Traktat geht dieser Frage nach. Die Handschrift ist im Ganzen recht unübersichtlich und es ist schwer, Rudbecks eigentliches Argument herauszudestillieren.Wie aber aus seinen autobiografischen Angaben hervorgeht, will er das Wort des Alten Testaments mit dem Ysop des neuen Testaments versöhnen³⁷¹. Die ersten acht Seiten der Handschrift sind rein bibelexegetischer Natur. Hier werden die Interpretationsansätze des hebräischen Wortes אזובezob dargestellt. Die kultische Bedeutung des Wortes lag in der Tatsache begründet, dass Lev 14 es als Bestandteil des Aspergills nennt. Die Schlüsselstelle ist dabei Lev 13, 3: ְוִצ ָוּ֙ה ַה ֹכּ ֵ֔הן ְוָל ַ ֧קח ַל ִמּ ַּט ֵ ֛הר ְשׁ ֵֽתּי־ִצ ֳפּ ִ֥רים ַח ֖יּ ֹות ְטהֹ ֑ר ֹות ְוֵ֣עץ ֶ֔א ֶרז וּ ְשׁ ִ֥ני תֹוַ֖לַעת ְוֵאֹֽזב׃ (…) und soll gebieten, dass man für den, der zu reinigen ist, zwei lebendige Vögel nehme, reine Tiere, und Zedernholz und scharlachfarbene Wolle und Ysop, (…)
Das Aspergill bestand also aus Zedernholz und jenem אזובezob. Konnte es sich dabei um ein so geringes Kraut wie den Ysop handeln? Die Funktion, die der vermeintliche Ysop im Aspergill einnahm, ergab sich jedenfalls aus dem hebräischen Wort selbst. Dabei konnte – in den Handschriften nicht anders als in den Drucken – vor allem das Schwedisch-Göthische als Hilfssprache helfen. Für die Verwendung als penicillus ließ sich etwa das schw. Wort wisb (neuschw. visp „Quirl, Schneebesen) dem hebräischen אזובgegenüberstellen³⁷². Dass das hebräische אim Göthischen als w erscheinen konnte, zeigte der Thesaurus. Auch aus sprachwissenschaftlicher Sicht ist ein solcher Lautwandel durchaus nicht ungewöhnlich, man denke etwa an den Schwund des griechischen Digamma, der Analogien wie griechisch ἔργον zu deutsch Werk erklärt. Weitere Analogien zu dieser Interpretation, etwa schwedisches swab „penicillus, aspergillum“, folgen auf den nächsten Seiten, können hier jedoch nicht alle aufgeführt werden. Die Etymologie ist wie stets multipel und umfasst Kognaten ganz unterschiedlicher Sprachen. Rudbeck möchte wohl beweisen, dass es sich bei dem hebräischen Wort letztlich tatsächlich nicht um ein so geringes Kraut wie den Ysop handelte,³⁷³ und scheint, fragen zu wollen, ob es sich um einen Zweig der Zeder selbst oder eines verwandten Baumes handelte, denn im Folgenden wird deren Etymologie, aber auch diejenige des Wacholders näher ausgeführt. Im Brief an Törner haben wir gesehen, wie er die Zeder selbst nordifiziert, indem er sie mit dem im Norden heimischen Wacholder identifiziert. Im Göthischen gab es ein Wort skaf und im Deutschen das Wort skaft, die lautlich mit dem hebräischen Wort אזובübereinstimmten³⁷⁴.
Näheres zu den bibelexegetischen Implikationen des hebräischen Wortes und seiner Belegstellen bei Harris (1824: 209 f.), Löw (1967, II, 84 ff.) und Harrison (1954). Einen Verweis auf Rudbeck konnte ich weder hier noch bei den Stichworteinträgen zu anderen biblischen Thematiken finden. Harris verweist allerdings auf Celsius den Älteren, der das hebräische Wort tatsächlich mit „Ysop“ übersetzt. Vgl. Grape (1917: 30). R 12b (1), Seite 8. R 12b (1), Seite 25. R 12b (1), Seite 36.
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Rudbeck dürfte hierbei an deutsches „Schaft“ gedacht haben. Der vermeintliche Ysop wird somit letztlich als arundinis species gedeutet, was natürlich auch einer impliziten Verortung innerhalb der Flora Skandinaviens zuträglich war³⁷⁵. Im weiteren Verlauf werden verschiedene, schwer lesbare etymologische Affiliationen aufgemacht, die damit auf die letzten Seiten der Handschrift und somit den aus sprachtheoretischer Sicht wichtigsten Teil des Werkes hinarbeiten. Hier wird vergleichbar mit dem Vorgehen der Ichthyologiae Biblicae Pars Prima etymologische Exegese an einer Bibelstelle betrieben³⁷⁶. Angewandt wird dieses Verfahren bei 1 Kön 5,13, wo abermals Zeder und (vermeintlicher) Ysop im Verbund genannt werden: א ֶר֙ז ֲא ֶ ֣שׁר ַבּ ְלָּבֹ֔נון ְוַע֙ד ָהֵאֹ֔זוב ֲא ֶ֥שׁר י ֹ ֵ֖צא ַבּ ִ֑קּיר ַו ְי ַד ֵבּ֙ר ַעל־ַה ְבֵּה ָ֣מה ְוַעל־ָה ֔עֹוף ְוַעל־ָה ֶ֖רֶמשׂ ְוַעל־ַה ָדּ ִֽגים׃ ֨ ֶ ם ִמן־ָה ֒ ַו ְי ַד ֵבּ֮ר ַעל־ָֽהֵעִצי Er dichtete von den Bäumen, von der Zeder an auf dem Libanon bis zum Ysop, der aus der Wand wächst. Auch dichtete er von den Tieren des Landes, von Vögeln, vom Gewürm und von Fischen.
Die Bibelstelle impliziert also bereits, dass es sich beim vermeintlichen Ysop um einen Baum gehandelt haben muss. Rudbeck behandelt auch hier jedes einzelne Wort des hebräischen Originaltextes und konnotiert es mit dem Göthischen / Schwedischen oder verwandten Sprachen. Einige der Wörter, etwa die Konjunktion וvau, wurden schon in der Ichthyologiae Biblicae Pars Prima behandelt. Das Verbum דברdavar „locutus fuit“ an zweiter Stelle wird zu engl. an-swer und göth. swor gestellt. Interessant ist hier, dass die Aussprache des ב, das hier ja als Frikativ ausgesprochen werden musste, somit dem w im Germanischen entsprach. Dies entspricht wieder Rudbecks Verständnis der Permutation dieser Labiale. Der Plural עציםetzim „ligna“ (4) wird zu schw. hed und Wulfila-göthischem haithio gestellt. Die etymologische Verbindung der letzten beiden Wörter kann bestätigt werden. Sowohl schwedisch hed als auch gotisch haiþi sind gemeingermanisch und entsprechen dem deutschen Wort Heide. Auch der hebräische präponierte Artikel ( ה6) konnte nordifiziert werden. Er band sich nicht nur an lateinisches ea, womit wohl das Pronomen gemeint sein dürfte, an, sondern auch an seltsam anmutendes Wulfila-göthisches jia. Es folgt das bedeutungsvolle Wort für die „Zeder“ ארזerez (7). Interessant ist, dass Rudbeck hier nicht auf den handschriftlichen Traktat verweist und auch eine andere Transkription verwendet. Dies spricht dafür, dass die vorliegende Handschrift älteren Datums ist. Das deutsche Wort Harz war ein Reflex des hebräischen Wortes. Das Relativpronomen אשרæscher (8) entsprach eser, ser und sar im Göthischen, Dänischen und Norwegischen. Die Präposition בbe „in“ (9) hingegen stellt Rudbeck zu schwedisch på (på „auf“). Diese Etymologie entspricht wiederum dem Permutationsverständnis Rudbecks, denn es handelte sich um die gleichen Artikulationsstellen. Hebr. ועדvead (10) hingegen gehörte zu göth. ad. Hiermit dürfte die Konjunktion att des Neuschwedischen gemeint sein. Die konstruierte göthische Form ist
R 12b (1), Seite 38. R 12b (1), Seite 43 ff.
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sicher ein Versuch, lateinisch ad zu vereinnahmen. Das zentrale Wort אזובezob (11) wird von Rudbeck schlicht mit „baculus, arundo“ übersetzt. Wie Rudbeck im Fließtext bereits erwähnt hatte, wurde es im Göthischen durch scaf vertreten und bindet somit an den vorausgegangenen Fließtext an, da es sich offensichtlich um ein Wort für „Schaft“ handeln soll. Das Verb hebr. יצאioze „egreditur, exit“ (13) fand eine Analogie in Wulfila-göthisch usiddia und samisch wazi. Bei der von Rudbeck zitierten, hebräischen Form handelt es sich jedoch eigentlich nicht um die 3. Person Singular, die a-Vokalismus aufweist, sondern das Partizip Präsens Aktiv. Zu קירkir „panes, munis“ (14) wird isländisch kyr gestellt, womit wohl kaum das Wort für „Kuh“ gemeint sein dürfte. An dieser Stelle endet die Liste. Man darf annehmen, dass sie auf der offensichtlich fehlenden Seite 45 fortgesetzt worden wäre.
Abb. 10: Uppsala Universitetsbibliotek, Signatur R 12b (1), Seite 43, Foto: Stefan Heinrich Bauhaus
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Methodisch fällt diese Handschrift in die Domäne von Rudbecks bibelexegetischen Spekulationen. Das Schwedische konnte abermals als Hilfssprache verwendet werden, um die eigentliche Bedeutung des hebräischen Wortes zu ergründen, das eben nicht mit „Ysop“ übersetzt werden durfte. Die Tatsache, dass dessen Interpretation ohnehin umstritten war, machte es Rudbeck leicht, letztlich für einen nordifizierenden Ansatz zu plädieren, der die Flora Skandinaviens mit derjenigen der Bibel verband und darüber hinaus auch die Beleglage des Alten und Neuen Testamentes versöhnen sollte. Handelte es sich beim hebräischen Wort nicht um ein so geringes Kraut wie den Ysop, bekam auch Joh 19, 29 eine andere Bedeutung und Schweden konnte seinen heilsgeschichtlichen Anspruch wiederum legitimieren. Die zweite Handschrift der Signatur, , entfällt in dieser Darstellung, da ja ein veröffentlichter Aufsatz zur Etymologie dieses Wortes vorliegt. Die dritte Handschrift der Signatur R 12b umfasst insgesamt 16 Seiten und ist in elf Kapitel aufgeteilt³⁷⁷. Im Zentrum steht die Etymologie des hebräischen Wortes nachasch נחשin der Bedeutung „Schlange“, das im zeitgenössischen Diskurs häufiger thematisiert wurde, zumal die gleichen Wurzelradikale auch im Wort für „Wahrsagerei“ und dem Wort für „Kupfer“ (hebr. )נחשתin Erscheinung treten³⁷⁸. Rudbeck erläutert dann sein Vorhaben, dem Wort nachasch nachzugehen, und beginnt naturgemäß mit dem Sündenfall. Dazu musste er diesem zuerst andere hebräische Wörter gegenüberzustellen, deren Wurzelradikale die gleichen waren. Dass nachasch eine natürliche Schlange bezeichnete, wollte Rudbeck keineswegs bestreiten. So geht es im Traktat wohl eher darum, die ohnehin akzeptierte Interpretation zu nordifizieren. In einem kleinen Exkurs erwähnt er vorab das Verhältnis des Wortes nachasch zum semantisch nahestehenden תניןthanin ³⁷⁹. Gemeint ist hiermit das „Seeungeheuer“, die „Schlange“, der „Drache“ oder der „große Wal“ aus verschiedenen Bibelstellen, etwa Psalm 74,13: פו ַ֣ר ְר ָתּ ְבָע ְזָּ֣ך ָ֑י ם ִשׁ ַ֖בּ ְר ָתּ ָרא ֵ֥שׁי ַ֝ת ִנּי ִ֗נים ַעל־ַה ָֽמּיִם׃ ֹ ַא ָ ֤תּה Du hast das Meer gespalten durch deine Kraft, zerschmettert die Köpfe der Drachen im Meer.
Wie auch in seinen anderen Werken werden wieder inner- und außersemitische Kognaten herangezogen. So stellt er zu nachasch arabisch nekkas, das die „deterrima species serpentis“ bezeichnete. Dieses Wort hat er wieder von Meninski bezogen. Interessant ist, dass hier auch das Georgische angeführt wird. Als Quelle hierfür verweist er hingegen auf Hieronymus Megiser. Georgisches mkesi zeigte eine Mutation n ~ m und ließ sich zu schwedisch mask „vermis seu serpens parvulus“ stellen.
Dazu kurz Agrell (1955: 125). Zu den Spekulationen um dieses Wort Harris (1824: 340 ff.). R 12b (3), Seite 3 f.
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Einen Wechsel n ~ m stellt Rudbeck ja auch an anderer Stelle, etwa im Specimen heraus. Tatsächlich zeigt das Georgische, wie alle Kartwelsprachen, einen ungewohnt großen Reichtum im Konsonanteninventar.Wie auch am Beispiel mkesi deutlich wird, sind im Wortanlaut komplexe Cluster aus drei und mehr Konsonanten möglich. Er lässt es sich nicht nehmen, das noch exotischere Japanische mit seiner Entsprechung navacachi zu nennen. Letztlich war es abermals das Göthische, das mit seiner Form nisa dem Ursprungswort wohl am nächsten kam. Rudbeck trennt das anlautende נab und erhält somit das Wort chasch ³⁸⁰. Dieses hatte ohne Zweifel eine Analogie mit arabisch chais oder hais „serpens“, estnisch haas und schwedisch kuse, welches eine lappländische Spezies bezeichnete. Man kann ein Schmunzeln kaum unterdrücken, wenn Rudbeck die ohnehin komplexe Etymologie dann noch um eine kulinarische Dimension bereichert, indem er sie zu Jul kuse, einem langen Brot, das zur Weihnachtszeit gebacken wurde, stellt. Damit ist sicherlich das schwedische Gebäck Lussekatter, auch als Saffranskuse oder eben Julkuse bekannt, gemeint. Dessen Schlangenform bewies somit die biblische Herkunft der schwedischen Kultur und des skandinavischen Brauchtums. Hier zeichnet sich zudem eine nordifizierende Interpretatio Christiana ab. Er stellt hierzu noch arabisch kazzaz oder kuzzaz „draco magnus et serpentes breves“ aus Meninskis Lexikon und eine Reihe weiterer Kognaten. Im Folgenden wird das Wort mit verschiedenen Metallen in Verbindung gebracht, denn wie oben bereits erwähnt, kannte das Hebräische ein Wort für „Kupfer“ נחשת nechoschet, das dieselben Wurzelradikale zeigte³⁸¹. Die von Rudbeck postulierte Lautanalogie n ~ m erlaubt es ihm schließlich, nachasch mit schwedisch messing, womit das auch im Deutschen bekannte Metall gemeint sein dürfte, zu verbinden. Das Wort nechoschet und seine Analogien beschäftigen Rudbeck noch einige Zeit. So wird später ein anderes Wort, nämlich נחושתןnechuschtan „aridus“ eingeführt³⁸². Die Semantik musste für Rudbeck eine Verwandtschaft beider Wörter nahelegen. Wie es für Rudbecks multiple Etymologien typisch ist, können stets auch andere Semantiken des gleichen Wortes als Basis einer Etymologie dienen. Das Wort נחשתnechoschet in der Bedeutung „venenum“ und „aerugo“ entsprach etwa im Wulfila-göthischen nidva „aerugo“³⁸³. Schließlich war nachasch durch 1 Sam 11,1 noch als Personenname belegt: מּו ִ֔ני ַו ִ֖יַּחן ַעל־ ָי ֵ֣בשׁ ִגְּל ָ֑עד ַו ֨יּ ֹאְמ֜רוּ ָכּל־ַא ְנ ֵ֤שׁי ָיֵבי ֙שׁ ֶאל־ ָנ ָ֔חשׁ ְכּ ָרת־ָ֥לנוּ ְב ִ֖רית ְו ַנַעְב ֶֽד ָךּ׃ ֹ ַו ַ֗יַּעל ָנָח ֙שׁ ָֽהַע Es zog aber herauf Nahasch, der Ammoniter, und belagerte Jabesch in Gilead. Und alle Männer von Jabesch sprachen zu Nahasch: Schließ einen Bund mit uns, so wollen wir dir untertan sein.
R 12b (3), Seite 4 f. R 12b (3), Seite 5 ff. R 12b (3), Seite 7 f. R 12b (3), Seite 9 f.
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Abb. 11: Uppsala Universitetsbibliotek, Signatur R 12b (3), Seite 7, Foto: Stefan Heinrich Bauhaus
Auch das Schwedische, aber nicht nur dieses, kannte selbstredend einen solchen männlichen Personennamen. Er lautete in Schweden Nihse bzw. Nisse. Auch hier tut sich wieder eine bemerkenswerte Implikation auf, die Rudbeck selbst allerdings nicht weiter ausführt. Der Nisse ist bekanntermaßen ein Kobold der dänisch-norwegischen Mythologie und entspricht dem schwedischen Tomte. Rudbeck spricht in diesem Zusammenhang aber eindeutig nur von einem „nom. virorum“, unterschlägt also die mythologischen Aspekte. Darf man die Erwähnung dieses Namens nun als Versuch deuten, auch die dänisch-norwegische Mythologie mithilfe des Göthischen und dem Bezug zur heiligen Schrift quasi euhemeristisch zu entzaubern? Für die Bedeutung eines Wortes und dessen weitreichende Implikation ist für Rudbeck stets nicht nur die eigentliche Semantik, sondern auch der Kontext, in dem es steht, von Belang. In Hiob 26, 13 wurde nachasch attributiv durch ברחbarich ergänzt, sodass sich die Bedeutung „serpens fugax“ oder „fugitivus“ ergab:
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חֲלָ֥לה ָ֝י ֗ד ֹו ָנָ֥חשׁ ָבּ ִֽריַח׃ ֹ ֽ ּ֭בְרוּחֹו ָשׁ ַ ֣מיִם ִשְׁפ ָ֑רה Am Himmel wurde es schön durch seinen Wind, und seine Hand durchbohrte die flüchtige Schlange.
Rudbeck erkennt, dass dieses Partizip zum Verbum ברחbarach „fugere, celeriter currere“ gehört, welches einen Fortsetzer in schw. barcha bzw. barka hatte³⁸⁴. Entscheidend war also nicht nur das einzelne Wort, sondern auch dessen Kontext, der die göthischen Reflexe bestimmen konnte. Die gesamte Fügung war jedoch ebenfalls im Schwedischen wiederzufinden und zwar als aschiebrik oder „vulgo“ askieblick als Bezeichnung für den Blitz. Die Semantik „fulgur, fulgetrum, fulmen“ beschäftigt Rudbeck nun auf den folgenden Seiten. Dass nachasch also einen Blitz bezeichnet hatte, wird für Rudbeck unter anderem durch das lautlich entsprechende englische noise erwiesen, also den darauffolgenden Donner. Rudbeck zeigt hier wieder die Methodik der multiplen Etymologie. Das Wort nachasch selbst und seine zahlreichen Ableitungen zeigten jeweils eine Vielzahl von Kognaten. Rudbeck lädt die Semantik des Wortes also durch seine innerhebräischen Affiliationen auf und findet Belege dafür in den verwandten Einzelsprachen, vor allem dem Schwedischen und den übrigen Semitischen Sprachen, aber auch im Finnougrischen. Die erheiternde Verbindung zum schwedischen Weihnachtsgebäck Lussekatter eröffnet eine heilsgeschichtliche Dimension, bindet sie doch die schwedische Kultur nicht nur direkt an die alttestamentarische Antike, sondern auch an einen explizit christlichen Kontext an. Somit schließt sich diese Argumentation an die Interpretatio Christiana an, die Rudbeck auch bei Behandlung der Gottesnamen Jehova, Metatron und Schaddai verwendet. Die vierte Handschrift umfasst 16 schwedischsprachige Seiten. Sie ist in insgesamt 20 Paragraphen aufgeteilt. Es geht durchgehend um die Etymologie eines hebräischen Wortes, nämlich „ ארזZeder“, welches Rudbeck mit æræz transkribiert. Was genau dieses Wort bezeichnete, war Gegenstand vieler bibelexegetischer Spekulationen gewesen³⁸⁵. Rudbeck plädiert dafür, dieses Wort als pinus zu deuten, wie er bereits auf der ersten Seite deutlich macht. Nun bezeichnet lateinisch pīnus nicht nur die „Pinie“, wie sie im Mittelmeergebiet zu finden ist und war, sondern auch die „Fichte“. Im ersten Kapitel führt er aus, dass æræz zu einem Wort (göthisch) aris gehöre, aus welchem er u. a. englisch arise „in altum surgere“, Wulfila-göthisch urraisan / urresan und schließlich schwedisch resa ableitet³⁸⁶. All diese Wörter sprachen also für die Erhabenheit des Baumes. Danach deutet er eine Verbindung zur mythologischen Gestalt des Riesen an, wenn er von „homo magnus, potens, sublimis“ schreibt. Der Riese, an den Rudbeck hier sicher denkt, war na R 12b (3), Seite 10 ff. Vgl. Harris (1824: 74 ff.). Zu den Zedern des Libanon im biblischen Kontext auch Löw (1967, III: 17 ff.). R 12b (4), Seite 1– 4.
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türlich ein klassisch nordisches Motiv, allerdings führt er diesen Gedankengang nicht weiter aus. Selbiges gilt für englisch ræs / ræsn „laquear, fornix domus“, das ebenfalls einen Bezug zur Größe hat. Dass das anlautende אin den Volkssprachen ausfiel, war mehr als gängig. Als Beispiele führt Rudbeck mehrere einzelsprachliche Formen für „Reis“ an. War das anlautende Aleph etwa im lateinischen oryza oder im spanischen arros als Reflex erhalten, so zeigten schw. ris oder dt. reyss keinen anlautenden Vokal mehr. Die Höhe der genannten Zeder beschäftigt Rudbeck weiterhin³⁸⁷. Der Reisende, der die Juden besucht hatte, konnte sich selbst ein Bild davon machen. Die Zeder hatte eine große Ähnlichkeit zur Lärche, die er ja bereits eingangs erwähnt. Rudbeck geht offensichtlich davon aus, dass die Wörter auch etymologisch zusammenhängen. Er führt verschiedene Kognaten für die „Lärche“ an, etwa lateinisch larix, englisch larch und deutsch lerche, beginnt aber mit spanisch alerze, das offensichtlich das verbindende Glied für ihn war, indem es das Wort æræz inkorporierte. Er kommt im weiteren Verlauf auf Ez 17,23 zu sprechen: פּור ָכּל־ ָכּ ָ֔נף ְבֵּ֥צל ָדִּליּ ֹו ָ֖תיו ִתּ ְשׁ ֽ ֹכּ ָנּה׃ ֹ֣ הר ְמ ֤ר ֹום יִ ְשׂ ָרֵא֙ל ֶא ְשׁ ֳתֶּ֔לנּוּ ְו ָנ ָ֤שׂא ָע ָנ֙ף ְו ָ֣ע ָשׂה ֶ֔פ ִרי ְוָה ָ֖י ה ְל ֶ ֣א ֶרז ַא ִ֑דּיר ְו ָשְׁכ ֣נוּ ַתְח ָ ֗תּיו ּ֚כֹל ִצ ֨ ַ ְבּ Auf den hohen Berg Israels will ich’s pflanzen, dass es Zweige gewinnt und Früchte bringt und ein herrlicher Zedernbaum wird, sodass Vögel aller Art in ihm wohnen und alles, was fliegt, im Schatten seiner Zweige bleiben kann.
Es geht hierbei um das Attribut zum Zedernbaum ³⁸⁸. Das zweite Wort im Syntagma ארז אדירæræz adir „cedrus magnifica, illustris, sublimis“ gehörte zu isländisch æder und griechisch ἀδρὸς. Das volksprachliche ceder selbst, das Rudbeck aus dem Griechischen κέδρος herleiten will, ist im Folgenden selbst Gegenstand der Untersuchung³⁸⁹. Es ließ sich leicht aus כדרcador oder cedor mit der Bedeutung „figura orbicularis, res rotunda, sphæra et rota“ herleiten. Er referiert hier auf einen gewissen de la Roque. Damit ist wahrscheinlich der Franzose Jean de la Roque gemeint, der 1722 eine Voyage en Syrie et au mont Liban veröffentlich hatte. Somit wäre das Manuskript nach 1722 aber wohl vor dem Brief an Törner von 1727 geschrieben worden. Auch verweist er auf den englischen Botaniker und Theologen John Ray, der für seine umfangreiche Historia plantarum bekannt war. Es folgen weitere Analogien. Im elften Paragraphen geht es etwa um hebr. צמרzæmær. Hierzu gehörte schwedisch smærte „minimus, tenerrimus“. Das in Hes 17,22 belegte ינקותיוjonkotaph „novellarum“, hier im Status Constructus Plural eines femininen Wortes für „Zweig“, ist das nächste Wort, dessen Rudbeck sich annimmt: בַ֖ה ְוָתֽלוּל׃ ֹ קוָתי֙ו ַ֣רְך ֶאְק ֔טֹף ְו ָשׁ ַ ֣תְל ִתּי ָ֔א ִני ַ֥על ַהר־ ָגּ ֹ ֤ ֹכּה ָאַמ֙ר ֲאד ֹ ָ֣ני ְיה ִ֔וה ְוָל ַ ֣קְח ִתּי ָ֗א ִני ִמ ַצּ ֶ֧מּ ֶרת ָהֶ֛א ֶרז ָה ָרָ֖מה ְו ָנ ָ֑ת ִתּי ֵמ ֤ר ֹאשׁ ֽי ֹ ְנ
R 12b (4), Seite 5 f. R 12b (4), Seite 7 f. R 12b (4), Seite 8 ff.
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So spricht Gott der HERR: Dann will ich selbst von dem Wipfel der Zeder die Spitze wegnehmen und ihr einen Platz geben; ich will oben von ihren Zweigen ein zartes Reis brechen und will’s auf einen hohen und erhabenen Berg pflanzen.
Rudbeck bringt dieses Wort mit verschiedenen Wörtern für „jung“ zusammen, etwa deutsch jung, schwedisch ung und aber auch ungarisch gyenge ³⁹⁰. Der Zweig war also ursprünglich „der Junge“. Unter Paragraph 13 kommt Rudbeck dann auf אנףanaph, das er als „ramus arboris parvus“ übersetzt. Das Schwedische hatte mit ynp bzw. ymp eine Entsprechung. Der restliche Text von Paragraph 13 ist durchgestrichen. Paragraph 15 der Handschrift fehlt, dafür gibt es den Paragraphen 14 zweimal. Unter Paragraph 20 wird dann noch der Walfisch aus Hiob herangezogen, dem im Talmud ein ähnlich lautender Name gegeben wird³⁹¹. Dementsprechend war das Bedeutungsspektrum des hebräischen Wortes weitaus größer als bisher angenommen. Rudbeck verwendet auch hier die multiple Etymologie und bringt das Schwedische dem Hebräischen somit abermals ein Stück näher. Mit der Behandlung der biblischen Belegstellen über die Zeder bedient Rudbeck kein typisches atlantisches Motiv. Man kann diese Arbeit unter Vorbehalt vielleicht als Vorläufer zum Brief an Fabian Törner sehen, in dem die Zeder eine doch so wichtige Rolle für die Bestimmung des Landes Arsareth einnimmt, das für Rudbeck ja Skandinavien war. Ansonsten unterscheidet sich der Traktat nicht von den übrigen Handschriften. Bibelexegese, motiviert durch ein primär naturwissenschaftliches Interesse, wird durch sprachwissenschaftliche Methodik mit dem Schwedischen als Hilfssprache betrieben. Die fehlende Kohärenz des handschriftlichen Textes spricht jedenfalls für eine Art Skizze − vielleicht als Ausarbeitung zu einem Lemma des Thesaurus gedacht. Die Handschrift , die ebenfalls der Signatur R12b angehört, wird ausführlich in Bauhaus (2017) behandelt³⁹². Sie umfasst insgesamt 29 Seiten, wobei mindestens eine Seite fehlt. Es handelt sich dabei nicht um einen kohärenten Text, sondern um einen kurzen Traktat, der von einer Art Skizze einerseits und von weiterem jedoch anders strukturiertem Material andererseits flankiert wird. Entsprechend ist auch keine einheitliche Datierung möglich. Vermutlich sind sowohl die beiden ersten Seiten als auch die (nicht nummerierten) letzten fünf bzw. sechs Seiten jüngeren Datums. Dies ergibt sich etwa aus zwei unterschiedlichen Etymologien zum gleichen Namen, wobei diejenige im Hauptteil nach-
R 12b (4), Seite 12 f. R 12b (4), Seite 17. Hier erfolgt deshalb nur eine kurze Beschreibung. Vgl. zum Folgenden Bauhaus (2017) und Agrell (1955: 120 ff.).
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Abb. 12: Uppsala Universitetsbibliotek, Signatur R 12b (4), Seite 8 g, Foto: Stefan Heinrich Bauhaus
träglich durchgestrichen wurde, während die offensichtlich aktuellere im Skizzenteil verblieb³⁹³. Inhaltlich geht es um die Sprache der Lenni Lenape, das sogenannte Pidgin Delaware, mit denen die Schweden in ihrer kurzen Kolonialzeit in Kontakt gekommen sind³⁹⁴. Rudbeck versucht nun, diese Sprache an das Hebräische anzuknüpfen, indem er mehrere aus dem Katechismus des Johannes Campanius³⁹⁵ stammende Wörter, bei
Anders Agrell (1955: 122), der das Manuskript als ganzes in den Zeitraum zwischen 1696 und 1702 datiert. Zum Pidgin-Delaware Goddard (1997). Eine solide Übersicht über nordamerikanische Sprachfamilien bietet Mithun (1999). Eine rezente Darstellung der Geschichte Neuschwedens liefern Dahlgren / Norman (1988). Herausgegeben von seinem Enkel Thomas Campanius Holm im Jahre 1696.
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denen es sich mit einer Ausnahme um Material aus dem Pidgin Delaware handelt, ihren vermeintlichen, hebräischen Kognaten gegenüberstellt. Insgesamt umfasst diese Liste 66 Analogien³⁹⁶. Wie üblich, können bei Ermangelung einer direkten hebräischen Etymologie, arabische, aramäische, aber auch schwedische Kognaten herangezogen werden, gemäß der der im Specimen formulierten Methodik. In meinem Aufsatz wurden wichtige Etymologien bereits intensiver durchleuchtet. Hier sollen deshalb einige andere interessante Analogien besprochen werden. Das Wort aranck (16) war die Bezeichnung für „Sterne“. Die Etymologie, die Rudbeck hierfür findet ist hebr. אור. Bei diesem handelte es sich semantisch passend um das Wort für „Feuer“, wie es auch im Gedicht über die Lossteine Urim und Thumim, herangezogen worden war. Rudbeck geht also davon aus, dass dieses Wort im Vorderglied von aranck verbaut war. Das folgende Wort kuun (17) „Schnee“ hatte keine ersichtliche hebräische Etymologie. Lautlich passend schien dagegen das griechische Wort für den „Schnee“, χιών, da auch das Griechische letztlich aus dem Hebräischen stammen musste. Auch hier zeigt sich wieder ein abstraktes Semantikverständnis. Anders war es beim Wort für „Jahr“. Hier konnte für katæn (23) direkt die hebräische Entsprechung für „Jahr“, שנה, anknüpfen. Eine Permutation k ~ š ist selbst für Rudbeck den Jüngeren ungewöhnlich. Die Liste greift auf alle Tricks des methodischen Repertoires Rudbecks zurück. Auch die so häufige Segmentierung in zwei Kompositionsglieder wird bemüht. Das Wort für den „Frühling“, siikongor (51) setzte sich beispielsweise aus zwei hebräischen Wörtern zusammen, nämlich „ צחהfrigus“ und „ חרcalor“. Der Frühling war somit diejenige Jahreszeit, die durch Wärme und Kälte gleichermaßen charakterisiert war. Das Zahlwort für „acht“, haas, konnte einerseits an frz. huit (58) und andererseits an samisch katz, kaz (59) angebunden werden, vgl. nordsamisch gávcci „8“. Letzteres ist aus Rudbecks Systematik der Permutation heraus erklärlich. Eine Analogie h ~ k konnte leicht durch Beispiele aus anderen Sprachen geltend gemacht werden. Bei französisch huit dürfte das nicht etymologische h- der ausschlaggebende Punkt gewesen sein. Offenbar hielt Rudbeck es im Vergleich zu lateinisch octō für eine Reminiszenz eines ursprünglicheren Zustandes. Überhaupt ist die Bemühung des Samischen in dieser Liste eine Ausnahme. Rudbeck zitiert William Penn, den Namensgeber Pennsylvanias, unterschlägt aber dessen ihm wohl bekannte Ansicht, die Ureinwohner Amerikas seien mit den Zehn Verlorenen Stämmen Israels zu identifizieren. Zwar könnte eine solche Herleitung die Motivation für seine Untersuchung gewesen sein, doch hat er, wenn er sie überhaupt geteilt hatte, diese spätestens im Specimen und im Brief an Törner abgelegt, wo dann zwar die Finnen, Esten und Lappen mit diesen identifiziert werden, die Bewohner Amerikas aber völlig außen vor bleiben. Generell sind amerikanische Sprachen nur ganz selten in Rudbecks übrigen Werken anzutreffen. Auch in der Atlantica Illustrata spielen die Ureinwohner Amerikas keine Rolle. Ich bin deshalb in meinem Aufsatz
R 12b (5), Seite 8 – 20.
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Abb. 13: Uppsala Universitetsbibliotek, Signatur R 12b (5), Seite 10, Foto: Stefan Heinrich Bauhaus
zum Schluss gelangt, dass die Handschrift wohl mindestens vor 1717 entstanden sein muss. Die flankierenden, skizzenhaften Seiten sind ohnehin jüngeren Datums, genau wie die nachträgliche Durchstreichung einzelner Textteile des Hauptteils. Einen Hinweis auf Rudbecks frühes Interesse auf diesem Gebiet gibt jedoch das handschriftliche Glossarium Lapponicum, wie weiter unten ausgeführt wird. Dort werden auf einer der letzten Seiten verschiedene Numeralia in unterschiedlichen Sprachen abgebildet. Neben dem Finnischen, Samischen und Äthiopischen werden auch die Zahlwörter des Susquehannock („Americ. Mahakuassis“) und die des Pidgin Delaware („Virginian.“) mitsamt hebräischer Kognaten wiedergegeben. Was war nun die Motivation für diesen Traktat? Unabhängig von der genauen Datierung bestand die schwedische Kolonie längst nicht mehr. Um eine politisch motivierte Legitimierung der schwedischen Präsenz in Nordamerika konnte es also nicht gehen. Es ging – wenn man dies bei einer Mindmap überhaupt sagen kann – allenfalls um eine kulturelle
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Vereinnahmung des entsprechenden geographischen Raumes. Hatten die Niederländer Neuschweden zwar eingenommen und den Rest des Kontinents mit Spaniern, Engländern und Franzosen unter sich aufgeteilt, so konnte Schweden doch zumindest einen historisch-kulturellen Anspruch geltend machen, denn die Göthen waren unter Leif Eriksson sicherlich als erste in Nordamerika gewesen. War die Bevölkerung Nordamerikas nun als Nachkommenschaft der Schweden zu deuten? Diese Frage dürfte die Motivation für den Text gewesen sein und muss wohl mit einem Nein Rudbecks zu beantworten sein. Denn die Sprache der Ureinwohner wird in erster Linie mit dem Hebräischen und nur ausnahmsweise mit dem Schwedischen verglichen. Zu Anfang schien Rudbeck ohnehin eher ein pejoratives Verständnis dieser Völker zu haben. Später scheint er dahin zu tendieren, ihnen eine ähnliche Rolle wie den übrigen nichtschwedischen Völkern Skandinaviens einzuräumen − privilegiert, aber den Schweden untergeordnet. Rudbeck scheut sich, selbst von den Nachfahren der Zehn Verlorenen Stämme Israels zu sprechen, und verweist nur auf William Penn. Auch im Brief an Törner werden die amerikanischen Ureinwohner nicht direkt zu den Finnen, Esten und Lappen gestellt. Sie blieben für Rudbeck wohl eher ein aliud. Die , an sechster Stelle der Signatur R 12b, sind eine Ansammlung unvollständiger Handschriften, die vermutlich als Skizzen zu einigen gedruckten Werken dienten. Die Sammlung umfasst 17 Blätter. Die ersten drei Seiten werden mit 12a, 13a und 14a nummeriert. Es wird hier der Name der „Alraune“ behandelt. Bei der Alraune denkt man an die unter Rudbeck entstandene Dissertation Disputatio medicobotanica de mandragora seines Weggefährten auf der Lapplandreise, Andreas Holtzbom, auf die unten kurz eingegangen wird. Da diese bereits 1702 entstand, darf davon ausgegangen werden, dass es sich um keine Skizze oder Vorlage handelt, sondern um eine nachträgliche Ausarbeitung der Thematik. Der Name der Alraune wird als adelruna bezeichnet, inkorporierte also das Adjektivum adel „edel“, ein Wort für „Rune“ und bedeutete somit „Edle Rune“. Klar ersichtlich wird hier thematisch auf Bureus Werk Adulruna Rediviva zurückgegriffen. Nach dieser unvollständigen Abhandlung von wenigen Seiten folgen Anmerkungen, die auf Flavius Josephus, Plautus, Samuel Bochart, dem frühmittelalterlichen Mönch und Matthäuskommentator Christian von Stablo und Hiob Ludolf verweisen. Es könnte sich somit um eine Skizze zur Ichthyologiae Biblicae Pars Secunda handeln oder eine Vorbereitung für den sich anschließenden Brief an Michaelis. Auch der Name Palästinas und die Etymologien der „Koralle“ und der „Perle“ werden angerissen. Die Perle spielt ja bereits im Reisebericht für die Etymologie des Städtenamens Luleå eine Rolle. Zwei weitere Seiten behandeln dann den „Purpur“ mit Verweis auf den vierten Band der Historia animalium (Piscium et Aquatilium) des Zürcher Naturforschers Conrad Gesner. Zum Schluss erscheinen noch Auszüge aus dem Sohar in einer fremden Handschrift und ein Abschnitt aus dem ins Schwedische übersetzten Werk Tungans Styrelse des englischen Theologen John Brinsley des Jüngeren. Man darf wohl davon ausgehen, dass die einzelnen Blätter der eine Zusammenstellung zeitlich ganz un-
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terschiedlich zu datierender Skizzen und Abschriften Rudbecks darstellen, weswegen sie wenig ergiebig für die vorliegende Untersuchung sind.
2.3.2 Zur Signatur R 751 In Uppsala findet sich auch dasjenige Exemplar des Index Veteris Linguae ScythoScandicae des Verelius, das Rudbeck selbst benutzt hatte. Das Werk enthält eine Vielzahl von Rudbecks Anmerkungen. Unter diesen Anmerkungen finden sich unter anderem schwedisch-hebräische Analogien, die sich entsprechend auf die altnordischen Einträge beziehen. Des Weiteren sind bisweilen ausführliche Anmerkungen zu typisch rudbeckianischen Motiven, aber auch Literaturverweise zu finden. Unter dem Buchstaben A werden etwa verschiedene Nomina Propria behandelt. Der Name einer Königin Amalasventa wird als Kompositum aus einem hebräischen „ מלךregina“, also eigentlich dem Wort für König, und einem nicht näher klassifizierten sventu „puella“ gedeutet. Somit ergab sich eine Bedeutung „drottnings dotter“ („Königinnentochter“).
Abb. 14: Uppsala Universitetsbibliotek, Signatur R 75, Foto: Stefan Heinrich Bauhaus
Eine göthische Etymologie fand auch der Ländername Erythræa, dessen Hinterglied zu yttra „praedicere, ostendere, vaticinari“ gehörte. Aufmerksamkeit verdient Rudbecks Eintrag zu den Gothi, wo er schreibt: „Gothi ex magogo insulam Scandzam intra mari fretum sibi vindicaret.“ Zuletzt werden auch die Dänen aus den Göthen hergeleitet, wenn er fortfährt: „Ergo e Gothis Dani.“ Auch das Samische konnte
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als Schlüsselsprache dienen. Der Name Hermes etwa „ab Herma imitari non inepte potest derivari“.Viel wahrscheinlicher schien jedoch eine Verbindung zu sam. iermas „förståndig, wiis“ („verständig, weise“). Die Hesperides bzw. Asparlundar fanden jetzt eine hebräische Etymologie. In ihrem Namen war das Wort ספר, also das Wort für Buch verbaut. Ähnlich argumentiert Rudbeck ja auch auf den letzten Seiten der Atlantica Illustrata. Nicht immer stammen die Ideen von Rudbeck selbst, so verweist er etwa unter der hebräischen Etymologie des Zoroaster auf Thomas Hydes Historia religionis veterum Persarum von 1700.
2.3.3 Zur Signatur Ihre 50 Was es mit dem zweiseitigen Textstück der Signatur Ihre 50 auf sich hat, ist nicht auf den ersten Blick offensichtlich. Klar erkennbar gibt es eine Einteilung in Sprachen, die vermeintlich dieselben Wurzeln zeigen. Interessant ist hier somit die Taxonomie der Liste. Es werden nämlich mehrere vermeintliche Wurzeln, die sich anhand lautlicher Ähnlichkeiten ergeben, impliziert. So stehen an erster Stelle griechisches ἔιδω, -ειν, sorbisches hudam, estnisches wahtama, lateinisches video, -ere, französisches voir, spanisches veer, tschechisches videti, illyrisches vidieti, slavisches viditi, dalmatisches viditi, polnisches widźe und ungarisches nizak und dann wiederum äolisch ὄδδω und griechisch ὄδδομαι. Auffällig ist, dass das Ungarische hinter den slawischen Sprachen steht, nicht etwa beim Estnischen. Hatte Rudbeck zu dieser Zeit die reizvolle Idee einer finnisch-ungarischen Sprachverwandtschaft, die ja ohnehin nur im Specimen eine Rolle spielt, abgelegt? Dass das Estnische dem Finnischen lautlich sehr Nahe kam, war ihm wohl bewusst. Neben den slawischen Sprachen, die mit Ausnahme des Sorbischen alle hintereinanderstehen, wird auch die Gruppe der romanischen Sprachen im Verbund mit dem Latein taxonomisch ersichtlich. Die meisten der Verben gehen auf einen uridg. Stamm *u̯ei̯d- zurück. War Rudbeck beim Äolischen etwa bewusst, dass im Griechischen der Labial, d. h. das Digamma geschwunden war? Die nächsten vier Lemmata teilen das phonetische Merkmal, dass ihre implizierte Wurzel im Anlaut einen Velar, im Auslaut jedoch einen Dental aufwies. Er führt finnisches catzoma, vulgärgriechisches κοιτάζω, ein dialektales aguzzare aus dem Italienischen und schließlich samisches kietzed bzw. kietzeted an. Samisch und Finnisch werden also in eine Gruppe gestellt. Die letzte Gruppe, die mit den germanischen Sprachen beginnt, zeigt anlautendes s- (siehe Rudbecks des Älteren Permutationstabellen): Wulfila-göthisches gasaihan, altenglisches gesean, deutsches sehen, niederländisches sien, englisches see, dänisches see, isländisches sia, schwedisches se und vietnamesisches so / soi. Dass zu schwedisch se eine vietnamesische Form gestellt wird, verweist auf einen roten Faden in Rudbecks Werken. Man denkt insbesondere an das Specimen, wo ja die chinesisch-göthische Worttabelle einen großen Raum einnimmt. Zuletzt werden dann noch griechisch δάω und koptisch tai angeführt. Rudbeck gibt keine Quellen für diese Zusammenstellung an, doch es darf ver-
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Abb. 15: Uppsala Universitetsbibliotek, Signatur Ihre 50, zur Verfügung gestellter Scan der Vorderseite.
mutet werden, dass er sich wie üblich bei Megiser und Meninski bedient hat. Die Handschrift, die keinerlei theologische Implikation aufweist, zeigt Rudbecks Interesse an Sprachverwandtschaft unabhängig von der Exegese.
2.3.4 Zur Signatur Ihre 51 Die Ornithologia sacra et biblica Rudbecks befindet sich unter der Signatur Ihre 51. Sie umfasst 80 handschriftliche Seiten, wobei die später zugefügte Nummerierung von der Rudbecks abweicht, da die Seiten 9 bis 17 fehlen. Insgesamt gab es wohl mindestens 104 Seiten. Es handelt sich bei dieser Signatur um handschriftliche Notizen zu seinen ornithologisch-bibelexegetischen Spekulationen über die Namen der Heuschrecken,
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die Rudbeck als Vögel interpretieren will. Ein solches Unternehmen hat er ja bereits im 1716 erschienenen Teil des Thesaurus angekündigt. Die Bedeutung der Heuschrecken für bibelexegetische Spekulationen liegen in der Tatsache, dass sie als reine Tiere galten, deren Verzehr folglich erlaubt war³⁹⁷. Im Zentrum stand Lev 11, 21– 23, wo die vier Namen der Heuschrecken im Zusammenhang mit den Speisegeboten genannt werden: תּאְכ֔לוּ ִמ ֹכּ֙ל ֶ ֣שׁ ֶרץ ָה ֔עֹוף ַההֹ ֵ֖לְך ַעל־ַא ְר ַ֑בּע ֲא ֶשׁר־ל ֹא ְכ ָרַ֨עיִ֙ם ִמ ַ֣מַּעל ְל ַר ְגָ֔ליו ְל ַנ ֵ֥תּר ָבֵּ֖הן ַעל־ָה ָֽא ֶרץ׃ ֹ ֽ ַ֤אְך ֶאת־ ֶז֙ה תּא ֵ֔כלוּ ֶאת־ָֽהַא ְר ֶ ֣בּה ְלִמינֹ֔ו ְוֶאת־ַה ָסְּל ָ֖עם ְלִמי ֵ֑נהוּ ְוֶאת־ַהַח ְר ֹ֣גּל ְלִמי ֵ֔נהוּ ְוֶאת־ֶהָח ָ֖גב ְלִמי ֵֽנהוּ׃ ֹ ֶאת־ ֵ֤א ֶלּה ֵמֶה֙ם ְוֹכ֙ל ֶ ֣שׁ ֶרץ ָה ֔עֹוף ֲא ֶשׁר־ ֖ל ֹו ַא ְר ַ֣בּע ַר ְג ָ֑ל יִם ֶ֥שֶׁקץ ֖הוּא ָל ֶֽכם׃ Doch dies dürft ihr essen von allem, was sich regt und Flügel hat und auf vier Füßen geht: was oberhalb der Füße noch zwei Schenkel hat, womit es auf Erden hüpft. Von diesen könnt ihr essen die Heuschrecken, als da sind: den Arbe mit seiner Art, den Solam mit seiner Art, den Hargol mit seiner Art und den Hagab mit seiner Art. Alles aber, was sonst Flügel und vier Füße hat, soll euch ein Gräuel sein.
Dass eine Speisevorschrift an die Juden das Essen von Heuschrecken erlaubte, war für Rudbeck unverständlich. Viel eher musste es sich um Vögel handeln. Interessant sind für uns nun die Namen dieser vier vermeintlichen Heuschrecken, die Rudbeck entsprechend etymologisiert. Gerade dies ist aus der inkohärenten Struktur de Manuskripts heraus jedoch schwer zu ergründen. Größtenteils bleibt die Handschrift nämlich textexegetisch. So wird etwa für die Interpretation von ארבהbereits auf der ersten Seite Hiob 39, 20 bemüht, wo es hieß: ְ֭הַֽת ְרִעי ֶשׁנּוּ ָכַּא ְר ֶ֑בּה הֹ֖וד ַנְח ֣ר ֹו ֵאי ָֽמה׃ Kannst du es springen lassen wie die Heuschrecken? Schrecklich ist sein prächtiges Schnauben.
Eine mögliche Verbindung des Namens חרגלzu deutsch urhan, orhan bzw. awerhan wird etwa zur Mitte der Handschrift hin diskutiert³⁹⁸. Diese deutschen Belege des „Auerhahns“, unter einem neuerlichen Verweis auf Conrad Gesner, lassen sich nur dann verstehen, wenn man sich die Instabilität des hebräischen Lautes, der mit ח bezeichnet wird, innerhalb von Rudbecks Permutationsverständnis bewusstmacht. Auch an vielen anderen Stellen werden Velare, Uvulare oder Pharyngale recht willkürlich zu Lauten mit ähnlicher Artikulationsstelle gestellt. Rudbeck geht aber davon aus, dass das Wort eher zu einem göthischen orra „pugnare, rixari“ gehörte. Der urogallus war schließlich ein „avis pugnans“. Im Zuge der Klärung der Namen der Heuschrecken werden verschiedene weitere Vogelarten, die in Betracht kommen könnten, diskutiert, etwa der Sperling und der Spatz³⁹⁹. Diese inkohärente Handschrift erinnert eher an eine Art Skizze. Grape ver Zur bibelexegetischen Behandlung der Heuschrecken Harris (1824: 245 ff.). Gesondert zum Namen Chagab als Grashüpfer Harris (1824: 188 ff.). Ihre 51, Seite 40. Ihre 51, Seite 58.
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Abb. 16: Uppsala Universitetsbibliotek, Signatur Ihre 51, Seite 58, Foto: Stefan Heinrich Bauhaus
mutet, dass sie in den früheren Jahrzenten des 18. Jahrhunderts zustande gekommen sei und dass es sich um Reste der Konzepte zu seinen Vorlesungen zur Ornithologie handle⁴⁰⁰. In jedem Fall zeigt sich hier wie auch in den gedruckten Werken der Ichthyologia Biblica die idiosynkratische Methodik, durch Etymologie eine Synthese aus Bibelexegese und Naturwissenschaft herzustellen. Der Werkzeugcharakter von Sprache, insbesondere des Schwedischen, ist bei dieser Art Vorgehen herauszustellen.
Vgl. Grape (1949, Band II: 48).
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2.3.5 Zur Signatur Ihre 104 Das als Handschrift unter der Signatur Ihre 104 in Uppsala aufbewahrte Glossarium Lapponicum ist ein zwar einbändiges, aber dennoch monumentales Werk, dessen Entstehen nicht genau datiert werden kann. Es dürfte sich jedoch um diejenige Periode handeln, in der auch der Brief an John Wallis mit dem Fasciculus entstanden war. Nach Grape muss dieses 206 Folios umfassende Werk ursprünglich größer gewesen sein, wofür der Umfang des Einbandes spricht⁴⁰¹. Es besteht aus insgesamt 754 Kolumnen, wovon jedoch in der Regel nur jede zweite beschrieben ist. An veröffentlichten Werken lassen sich nur zwei Quellen für dieses Lexikon ausmachen, das 1619 erschienene ABC-Buch des Nicolaus Andreæ und eben das Manuale Lapponicum von Tornaeus. In der Regel werden den samischen Kognaten Bibelstellen zugeordnet, bevor (meist) die hebräische Etymologie dargestellt wird. Einem Verbum ewad „scire“ wird unter Verweis auf Psalm 39 ein hebräisches ידעzugeordnet. Nicht jedes Lemma wird jedoch mit einer Etymologie versehen, etwa samisches guelle „piscis“, welches ja auch in der Ichthyologiae Biblicae Pars Prima eine Rolle spielt. Seite 161 (Kolumne 645) beschreibt auf einer kompletten Seite darüber hinaus die Numeralia des Lappischen, ergänzt durch Finnische, Äthiopische und solche aus dem „Virginischen“ und „Mahakuassischen“. Wie in Bauhaus (2017) gezeigt wurde, ist die Handschrift zum Delaware-Indianischen als ganze in den Zeitraum von 1702– 1717 zu datieren. Der Verweis auf beide Indianersprachen könnte also für die Annahme sprechen, dass das Lexicon Lapponicum in der Tat nach dem Fasciculus entstanden ist. Diese Seite jedenfalls verdient besondere Aufmerksamkeit und soll hier nun kurz dargestellt werden. Rudbeck nennt die samischen Zahlen von eins bis zwölf, und dann hundert und tausend. Die folgende Tabelle stellt die heutigen nordsamischen Entsprechungen von „eins“ bis „zehn“ denjenigen Rudbecks gegenüber: samische Zahlen bei Rudbeck ahte cuohte colm nelie witte cutte sietze cahte ahtze lage
nordsamische Zahlen okta guokte golbma njeallje vihtta guhtta čieža gávcci ovcci logi
Hinter den Zahlen stehen jeweils noch die schwedischen und lateinischen Übersetzungen, die ich in der Tabelle ausgelassen habe. Zwar weichen Rudbecks Zahlen mit
Vgl. Grape (1949, Band II: 135 f.).
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denjenigen in heutiger Orthografie ab, doch ist erkenntlich, dass es sich um eine samische Variante handelt. Die Lenes des heutigen Nordsamischen bezeichnen keine stimmhaften Plosive, sondern, wie etwa auch im Dänischen, unbehauchte stimmlose Plosive. Somit darf es nicht verwundern, wenn bei Rudbeck noch cuohte, im heutigen nordsamischen aber guokte geschrieben wird. Interessant ist nun, dass unterhalb der samischen Zahlen ihre „permischen“ Kognaten nachträglich eingesetzt wurden. Die verwendete Tinte ist wesentlich dunkler, was für eine spätere Übersetzung aus der Zeit, da durch Messerschmidt oder von Strahlenberg solches Material vorlag, spricht. Es handelt sich aber wohl dennoch um Rudbecks eigene Schrift. Bei einigen dieser Zahlen steht eine nicht identifizierbare Seitenangabe, sodass die Quelle unbekannt bleiben muss. Was genau ist dieses „Permische“? Permische Sprachen sind das KomiSyrjänische, das Komi-Permjakische und das Wotjakische (Udmurtische). Die folgende Tabelle stellt Rudbecks Zahlen den tatsächlichen Zahlen des Komi-Syrjänischen gegenüber. pseudo-permische Zahlen i kat kolim nily wet kut
komi-syrjänisch⁴⁰² e̬tˊi ki̬k kujim n´olˊ vit kvai̭t, kvatˊ
Wie schnell ersichtlich ist, weichen die Zahlen Rudbecks stark vom Komi-Syrjänischen ab. Tatsächlich handelt es sich aller Wahrscheinlichkeit nach um ostjakische Wörter, wie folgende Tabelle zeigen soll: pseudo-permische Zahlen i kat kolim nily wet kut
ostjakische Zahlen⁴⁰³ əj kät kɔlə̬m ńələ wet kut
Zuerst war nicht klar, welche Quelle Rudbeck hierfür verwendet hat. Es hat sich jedoch ergeben, dass diese Zahlen tatsächlich bereits in den des Vaters erscheinen. Auf Seite 280 werden mitunter auch permische Zahlwörter aufgeführt, allerdings in der nicht identifizierbaren, fremden Schrift. Dass hier mit Rudbecks eigener Schrift dieselben Zahlen auftauchen, spricht somit dafür, dass auch die
Ich verzichte hier auf die Wiedergabe mit kyrillischem Alphabet und zitiere nach Wichmann/ Uotilo (1942). Zitiert nach Schiefer / Schiefer (1981). Es handelt sich hierbei um den Dialekt von Vach.
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Ergänzungen der schon zu Rudbecks des Jüngeren Lebenszeit und mit seinem Wissen eingefügt wurden. Auf der rechten Hälfte der Seite sind darüber hinaus ebenfalls die finnischen Entsprechungen von eins bis zwölf angeordnet. Unterhalb der samischen, permischen und finnischen Kognaten, befinden sich dann nun drei weitere Listen. Diese beinhalten links einige Zahlen des „Virginianischen“, wobei es sich − soviel ist aus dem zuvor behandelten ersichtlich – um das Pidgin Delaware handelt. Diesen sind jeweils die hebräischen Kognaten zugeordnet. Es sind die Zahlen für „eins“ und „sechs“. Dem amerikanischen ciutte 1 entsprach hebräisch אחד, ciuttas 6 hingegen ging auf hebräisch ששzurück. Die Zahl ciutte wird auch in den om amerikanska språket“ behandelt, wo ihr ebenfalls hebr. אחדbeigestellt wird. Die rechte Liste entstammt dem „Mahakuassischen“, also Susquehannock, mit dem Verweis auf den Katechismus des Campanius⁴⁰⁴. Beim Susquehannock handelt es sich um ein weiteres, im Umfeld Neuschwedens gesprochenes Idiom, das aber nicht wie das Pidgin Delaware zu den Algonkin-Sprachen, sondern zum Irokesischen gehört. Die Zahl „eins“, onskat mit ihrer hebräischen Entsprechung אחדbefindet sich ebenfalls bereits in jener Liste. Die anderen Zahlanalogien sind tiggene 2 ~ שני, jajack 6 ~ שש, tzadack 7 ~ שבעund vuska 8: אשר. Wie muss man diese Seite vor dem Hintergrund der und des Briefs an Törner einordnen. In letzterem werden ja die Finnen, Esten und Samen als Nachkommen der verlorenen Stämme Israels gedeutet, die amerikanischen Ureinwohner hingegen werden hier vollkommen außer Acht gelassen. Umgekehrt − und das war ja Anlass für meine frühe Datierung − werden in den dieselbigen in die biblische Antike transportiert, ohne dass Rudbecks genaue Einschätzung klar wird. Nun haben wir hier ein Dokument, das sprachliches Material beider Gruppen aufnimmt. Meiner Meinung nach zeigt dies abermals, dass die Identifizierung der Zehn Verlorenen Stämme wirklich einer späteren Phase von Rudbecks Schaffen, ab dem Specimen, entstammt. Zur Zeit der Abfassung auch dieses Dokuments, war diese Frage für ihn einfach nicht eindeutig geklärt. Er wusste um die Ansicht William Penns, die amerikanischen Ureinwohner als Nachkommen Exilanten zu deuten. Unter Umständen war er dieser gewogen, wollte sich selbst jedoch nicht auf eine klare Aussage einlassen. Im Übrigen wird ja auch das Äthiopische und − wohl später nachgefügt − das Permische behandelt, zwei Sprachen also, die weder im Brief an Törner, noch in den eine große Rolle spielen.
An dieser Stelle sei nochmals Herrn Dr. Ives Goddard gedankt, der mir in persönlicher Korrespondenz bei der Identifizierung der von Rudbeck herangezogenen Sprachen, die in den vorkommen, behilflich war.
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Abb. 17: Uppsala Universitetsbibliotek, Signatur Ihre 104, Seite 161, Foto: Stefan Heinrich Bauhaus
2.4 Weitere Quellen 2.4.1 Zu den botanischen Disputationen Zwei der unter Rudbeck entstandenen botanischen Disputationen sind für uns interessant, da sie bisweilen mit etymologischen Spekulationen arbeiten⁴⁰⁵. An erster Stelle ist diejenige von Rudbecks Reisebegleiter Andreas Holtzbom aus dem Jahre 1702 zu nennen⁴⁰⁶. Er widmet sich der Alraune, die, so wird aus den deutlich, Rudbeck interessierte. Die tatsächliche Herkunft des griechischen Wortes
Zu diesen Disputationen vgl. de Fries (1912: 422 f.). D. D. Disputatio medico-botanica de mandragora.
2.4 Weitere Quellen
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μανδραγόρᾱς liegt weiterhin im Dunkeln⁴⁰⁷. Hier wird nun bereits zu Beginn der Versuch unternommen, dieses als Kompositum aus göthisch man und draga zu werten, sodass sich eine Gesamtbedeutung „virum portare“ ergeben musste⁴⁰⁸. Unmittelbar darauf wird die deutsche Entsprechung alraun bzw. alruna etymologisiert⁴⁰⁹. Auch hier musste eine göthische Herkunft angenommen werden. Das Hinterglied des Wortes gehörte zum göthischen Verbum röna „sentire“, aber auch zu runa „mysterium, arcanum“. Das Vorderglied wird implizit zu „all“ gestellt, denn die Gesamtbedeutung des Kompositums wird als „omnia sciens“ gedeutet. Die Etymologie ist also auch hier multipel. Verschiedene Wörter konnten einer Zielform zugrunde liegen und zwei offensichtlich nicht verwandte Bezeichnung, mandragora und alraun, konnten beide göthische Etymologien finden. Zugleich wird mit der Anbindung an die Runen und dem Verweis auf den alemannischen Runenstab ein klassischer Topos des Rudbeckianismus bedient. Diese Herleitung trägt eindeutig die Handschrift Olof Rudbecks des Jüngeren in seiner frühen Phase und zeigt, dass er, dem Gotizismus verpflichtet, bereits vor der Ichthyologiae Biblicae Pars Prima etymologische Spekulationen zur Klärung naturwissenschaftlicher Fragen betrieb. Allerdings fehlt bei der Etymologie von alruna ein Verweis auf das Vorderglied, das Rudbeck selbst ja in den zu göth. adel „edel“ stellt und damit an Bureus anknüpft. Zugleich ist die Tatsache, dass die Zielsprache hier Griechisch, die Ausgangssprache aber Schwedisch und etwa nicht Hebräisch war, aussagekräftig für meine frühere Annahme, dass er sich ursprünglich noch eher an der Methodik des Vaters ausrichtete. Der übrige Teil des Traktats ist rein botanischen Ausführungen vorbehalten. Die zweite Disputation ist diejenige Daniel Kellanders aus dem Jahre 1716⁴¹⁰. Sie ist ebenfalls botanischer Natur. Daniel Kellander hielt sie über die Brombeere der Gattung Rubus Humilis. Die typisch botanische Arbeit von 50 Seiten folgt einer Aufteilung in vier Capita: 1. Præliminare, 2. Onomatologicum, 3. Botanicum, und 4. De Usu Medico. Für uns ist das zweite Kapitel von Belang, in dem die onomatologischen Implikationen behandelt werden, wenngleich bereits in den Präliminarien bibelexegetisch herangegangen wird. Gerne wird hier auf die Laponia Illustrata verwiesen, wo sich Rudbeck ja bereits zu Beginn den üppig vertretenen Erdbeerarten und verwandten Familien, für die der Norden bekannt war, widmet. Das griechische κόμαρος wird in typisch rudbeckianischer Manier aus einer hebräischen (bzw. aramäischen) und arabischen Vorform חמרmit der Bedeutung „rubeus“ hergeleitet⁴¹¹. Das Arabische teilt mit ﺃﺣﻤﺮʾáħmar „rot“ in der Tat dieselben Radikale mit jener Wurzel des Hebräischen. Die eigentliche Bezeichnung für „rot“ lautet im Hebräischen jedoch אדם.
So etwa bei Beekes (2010) unter dem Stichwort μανδραγόρᾱς. Holtzbom, Disputatio medico-botanica de mandragora, Seite 2 f. Holtzbom, Disputatio medico-botanica de mandragora, Seite 3 f. Rvbvs hvmilis fragariae folio, fructu rubro, åkerbär från Norlanden. Kellander, Rvbvs hvmilis fragariae folio, fructu rubro, åkerbär från Norlanden, Seite 19.
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Die Anbindung an die semitischen Wurzeln dieser Farbbezeichnung sprach jedenfalls für eine gotizistische Deutung als nordische Beere, die ja rot war. Somit konnte mit Hilfe des Semitischen eine nordische Umdeutung eines griechischen Terminus legitimiert werden.
2.4.2 Daniel Bonge: De salmonum natura Eine indirekte Quelle für Rudbecks Methodik lässt sich in Daniel Bonges Dissertation über die Lachsfischerei sehen⁴¹². Den Finnen Daniel Bonge hatte es von Oulu nach Uppsala verschlagen, wo er unter anderem Theologie studierte, bevor er als Priester auf der Insel Saaremaa tätig wurde⁴¹³. Rudbeck schien zumindest in Finnland eine durchaus gefragte Referenzquelle für etymologische Fragen zu sein. Bonge zitiert Rudbeck für die Etymologie des Wortes „Lachs“⁴¹⁴. Bonge hatte den berühmten Olof Rudbeck den Jüngeren konsultiert, der ihn mit sprachlichem Material versorgte. Der Lachs hatte seinen Namen durch das „Salz“ erhalten, „cum utraque vox & salis & salmonu in omnibus Europæ conveniat.“. Angeführt werden nun zuerst eine Reihe einzelsprachlicher Wörter für Salz: lateinisch und spanisch sal, italienisch sale, deutsch saltz, schwedisch und englisch salt, französisch sel, niederländisch sout, polnisch sol, ungarisch so, finnisch suola und griechisch ἄλς mit weiteren Ableitungen in der Bedeutung „Sole“. Entsprechend wird für den Lachs verfahren. Hier gab es lateinisch salmo, spanisch und englisch salmon, französisch saumon, niederländisch und deutsch salm, ungarisch sal, italienisch salmone / salame „piscis salitus Italis“, slawisch som, vulgärgriechisch σαλομὸν / σάλμων und schließlich ägyptisch, also wohl koptisch, σῶμος. Erheiternd ist die Referenz auf die italienische Salami. Das Wort für „Salz“ war somit in verschiedenen Bezeichnungen für den „Lachs“ verbaut. Offenbar fehlt das schwedische Wort lax. Doch auch dafür gab es eine Erklärung. Griechisch ἄλς war die Basis für ein Wort halek / alek mit der Bedeutung „piscis sale conditus“ aus dem griechisches ἄλλεξ dann selbst wiederum stammte, genau wie spanisches aleche. Griechisch ἄλς war auch die Ableitungsbasis für ein Wort ἀλυκός. Das wiederum hatte Analogien in schwedisch lake „muria“ und laks „salmo“, mitunter „sächsisch“ lachs / lacs, slawisch lex, isländisch lax aus der Edda, englisches laex / lex / los, lettisches lassis, ungarisch lazatz, slawisch, tschechisch und polnisch losos, samisch losa, estnisch loehhe und finnisch lohi. Im Folgenden werden noch weitere etymologische Affiliationen aufgemacht. So durfte bei Rudbeck als Referenzquelle natürlich
De salmonum natura eorumque apud Ostrobothnienses piscatione. Näheres zu Bonge bei Gottzmann / Hörner (2007: 263 f.). Kurz zum vorliegenden Werk de Fries (1912: 425 f.). Bonge, De salmonum natura eorumque apud Ostrobothnienses piscatione, Seite 5 f. (Proömium).
2.4 Weitere Quellen
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arabisches סולnicht fehlen⁴¹⁵. Nachdem etwa noch lateinisches salsas und französisches saulces, welches zeitgenössisch sauces geschrieben wurde, behandelt werden, schließt Bonge: Nisi id, ut me monuit Nobiliss. D:N Ol. Rudbeckius ab Arabico סלת, salat, quæ farrago, commixtio frugum & herbarum est, rectius deducatur.⁴¹⁶
Letztlich lief es also abermals auf ein orientalisches Wort hinaus. Grundannahme ist die Verflechtung verschiedener Bezeichnungen für „Salz“ mit denen für „Lachs“. Zunächst werden sämtliche Kognaten für „Salz“ aufgezählt − nach bisweilen ungeordnetem taxonomischem Prinzip. Unmittelbar wird dann über das Griechische, das ja einen Lautwandel s- > h- aufweist, auf gesalzene Fische verwiesen, die mit der Bezeichnung halek konnotiert werden. Diese Brücke führte aufgrund der lautlichen Ähnlichkeit in Bezug auf die Wurzelkonsonanten H-L-K dann zu den überwiegend germanischen Bezeichnungen für „Lachs“. Dies zeigt, wie weit Rudbeck das Prinzip der Wurzel, wie es den semitischen Sprachen eigen ist, verinnerlich hatte. Dass das anlautende h- der griechischen Form in den übrigen Kognaten nicht auftauchte, wird nicht erklärt, doch dürfte Rudbeck die Instabilität des Lautes bekannt gewesen sein. Letztendlich ist es abermals ein semitisches Wort, nämlich arab. salat als Bezeichnung für ein Mischfutter, das als Ausgangsform impliziert wird.
2.4.3 Wahlstedt: Iter in Americam In Rudbecks Veröffentlichungen spielen Amerikanische Sprachen eine eher untergeordnete Rolle. Es sind zunehmend die Finnen, Esten und nach wie vor die Samen, die seinen Interessensschwerpunkt ausmachen. Seine Kenntnis zu diesem Thema, die sich in den darstellt, schien jedoch nicht unbeachtet geblieben zu sein. Im Jahre 1725 entstand unter Olof Celsius dem Älteren (1670 – 1756) die Disputation Iter in Americam eines gewissen Jacob Wahlstedt. Wahlstedt verweist gerne auf Rudbeck den Jüngeren, wenn die enge Affiliation des „Amerikanischen“ mit dem Göthischen demonstriert werden soll⁴¹⁷. Schon vor den neuzeitlichen Kolonisationsbestrebungen hatten die Göthen in Gestalt der Wikinger, angeführt von Leif Eriksson, den amerikanischen Kontinent betreten und ihre Sprache mitgebracht. Genau wie die Hunnen Göthen waren, traf dies auch auf die Amerikaner zu. Rudbeck hatte nun eine Liste mit explizit göthisch-amerikanischen Kognaten geliefert. Schon ein erster Blick zeigt, dass es sich dabei teilweise um dasselbe Material
Dieses Wort wird bei Bonge eigentlich mit anlautendem מgeschrieben, doch es darf davon ausgegangen werden, dass es sich um einen typographischen Fehler handelt. Bonge, De salmonum natura eorumque apud Ostrobothnienses piscatione, Seite 6. Wahlstedt, Iter in Americam, Seite 43 ff.
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2 Rudbecks sprachtheoretische Werke
aus dem Pidgin-Delaware handelt, dass er in seiner Handschrift verwendet hatte. Insgesamt handelt es sich um 27 Analogien, von denen ich einige hier wiedergebe. Amerikanisches aruns „sagittae“ (1) band sich an englisches arrow und schw. arf, arw an. Einmal mehr zeigt sich die Multidirektionalität der Permutation, wenn Rudbeck zuerst haas „pellis, cutis“ (9) zu schwedischem kaus, später dann aber hartω „cervus“ (12) zu schw. hiort stellt. Wie weit diese Permutation gehen kann, zeigte sich an der Analogie von assaen „saxum“ (16) und schw. stain oder sten. Die erste hier herangezogene Form scheint eine Art konstruierter Synthese von got. stains und altisl. steinn zu sein. Das Ostnordische, also Dänisch und Schwedisch, zeichnet sich ja gerade dadurch aus, dass es germanisches *ai im Gegensatz zum Isländischen als Monophthong ē fortführt. Vgl. schw. ben „Bein“ ~ isl. bein „Knochen“. Auch ganze Sätze konnten etymologisiert werden. So wird der gesamte Ausdruck noe itta „accede huc“ (19) zu schwedisch näka hit gestellt. Ebenso entsprach taan kωmen (20) schw. hwadan kommen i (woher kommt ihr?). Somit konnten offenbar auch die Flexionsendungen in kωmen und kommen einander entsprechen, hier die alte schwedische Endung der 2. Person Plural -en und amerikanisches -en. Einmal mehr zeigt sich, dass Rudbecks Methodik über den schieren Vergleich von einzelnen Lexemen herausgeht und er auch sprachliche Strukturen in Augenschein nimmt. Dass in einem Werk Olof Celsius des Älteren Olof Rudbeck der Jüngeren zitiert wird, ist bemerkenswert. Wie zuvor angerissen wurde, war ersterer der Methodik Rudbecks des Älteren nicht sehr gewogen. Es darf vermutet werden, dass der Verweis auf Rudbeck eher dem Disputanten Wahlstedt zuzuschreiben ist.
2.5 Abschließende Bemerkungen Bevor nun der Versucht gemacht wird, Rudbeck wissenschaftshistorisch einzuordnen, soll das Vorausgegangene strukturiert werden.Wie baut sich Rudbecks Werk auf? Man kann deutlich mehrere Phasen seines wissenschaftlichen Schaffens unterscheiden. Die erste Phase ist rein naturwissenschaftlich. Sie umfasst im Wesentlichen seine beiden Disputationen. Angeregt durch das Interesse seines Vaters schließt sich eine mehr und mehr philologische Phase an, die ihn bis zu seinem Lebensende in ihren Fesseln hält, ohne dass das naturwissenschaftliche Interesse dabei erlischt. In der Frühzeit der philologischen Phase sind Rudbecks Fragestellungen stark am väterlichen Paradigma orientiert. Dies kann exemplarisch an der Laponia Illustrata gezeigt werden. Auch das ursprüngliche, naturwissenschaftliche Interesse ist dabei noch offensichtlich. Zum Thesaurus und Specimen hin rückt dieses Interesse vorläufig in den Hintergrund. Beim Specimen kann man durchaus von einem rein philologischen Interesse sprechen. In diese frühe philologische Phase ordne ich auch das , die Handschrift zum Verb se, und die ein. Häufig waren auch bibelexegetische Fragstellungen ein Anliegen Rudbecks. Das trifft durchaus auch auf das Specimen zu, vor allem aber auf die beiden Bände der Ichthyologia Biblica und die späteren Monographien. Gegen Ende seiner akademischen
2.5 Abschließende Bemerkungen
161
Tätigkeit scheint er vermehrt auf klassische rudbeckianische Fragestellungen zurückzukommen. Der Brief an Törner mit dem Versuch, die Finnen, Esten und Samen einzuordnen, vor allem aber die Atlantica Illustrata sind hier die wichtigsten Werke. So lässt sich nun Rudbecks Lebenswerk wie folgt darstellen: 1673 – 1701: naturwissenschaftliche Phase 1701– 1740: philologische Phase 1701– 1703: mythenexegetische Phase 1703 – 1740: bibelexegetische Phase 1727– 1740: Rückkehr zum klassischen Rudbeckianismus
Ist es ein Zufall, dass die bibelexegetische Phase Rudbecks des Jüngeren ein Jahr nach dem Tod des Vaters eingeleitet wird? Das letzte große, gemeinsame Projekt beider war der Campus Elysii. Dasjenige philologische Werk, das unmittelbar vor Rudbecks des Älteren Tod entstand, war die Lapponia Illustrata, die ja offenbar noch methodisch und thematisch stark von ihm beeinflusst war. Anfangs noch vorsichtig formuliert, vertritt Rudbeck der Jüngere diese Ansicht nach dem Tod des Vaters mit weit mehr Nachdruck. Erst zu seinem eigenen Lebensende hin wurden die Motive des Vaters offenbar wieder interessant. Kann man dies als eine Art Rückbesinnung verstehen?
3 Analyse Für die Analyse des untersuchten Materials im Rahmen einer Gesamtdarstellung dieser sprachtheoretischen Periode Rudbecks des Jüngeren stellt sich die Frage, inwieweit sich ein kohärentes, idiosynkratisches System der Sprachtheorie Rudbecks des Jüngeren ausmachen lässt. Kapitel 3.1 widmet sich der Kohärenz und Idiosynkrasie von Rudbecks Sprachtheorie. Im Verbund mit der Darstellung seiner Methodik gilt es zu beantworten, inwieweit Rudbeck als Sprachwissenschaftler verstanden werden darf. Im Vorfeld wird elaboriert, welches Konzept der Sprachverwandtschaft bzw. des Sprachvergleichs seinen Werken überhaupt zugrunde liegt. Hierbei ist auch die Taxonomie Rudbecks Gegenstand der Untersuchung⁴¹⁸. Insbesondere die Frage zur Stellung des Hebräischen und Göthischen, aber auch die des Finnougrischen ist dabei von Belang. Danach ist die eigentliche Methodik, die Rudbeck anwendet, Gegenstand der Darstellung. Welche etymologischen Verfahren lassen sich unterscheiden? Es wird sich zeigen, dass diese bisweilen radikal von der heutigen Methodik abweichen. Gemäß der modernen Einteilung soll der Fokus danach auf die Lautlehre und die Morphologie gelegt werden, den beiden nach wie vor so wichtigen Teilbereichen jeder historischen Grammatik. Rudbeck selbst äußert sich ja bisweilen zu der von ihm angewandten Methodik, sodass diese auf ihre konsequente Anwendung hin untersucht wird. Dabei darf diese nicht isoliert betrachtet werden, sondern muss innerhalb der zeitgenössischen schwedischen Forschungsparadigmata untersucht werden, sofern es diese bereits gab. Es geht also bis zum Ende des sechsten Unterkapitels um die Frage, welche Teile der Methodik typisch für Rudbeck den Jüngeren sind. Ist dies geklärt, stellt sich umso mehr die Frage, welche Rolle Rudbecks Arbeiten vor dem Hintergrund des väterlichen Paradigmas einnehmen. Die wesentlichen Positionen Rudbecks des Älteren wurden ja bereits dargestellt, sodass sich im Anschluss die Frage nach Unterschieden zu Theorie und Methodik des Vaters stellen muss. In den folgenden Kapiteln wird die wissenschaftshistorische Bedeutung Rudbecks des Jüngeren dargestellt. Wichtig ist neben seiner Bedeutung für die Sprachwissenschaft auch seine Rolle in gewissen Einzeldisziplinen. Die naturwissenschaftlichen Implikationen einiger seiner Werke fallen nicht in den Fokus dieser Arbeit. Angerissen werden im Kapitel 3.2 jedoch der theologische Gehalt seiner bibelexegetischen bzw. kabbalistischen Werke und seine Position in der (schwedischen) Altorientalistik. Es soll gezeigt werden, wie Rudbeck durch Sprachvergleich eine Interpretatio Christiana alttestamentarischer Topoi vollziehen kann. Weitaus wichtiger ist dabei seine Rolle in der Finnougristik, die im Kapitel 3.3 behandelt werden soll. Diese Frage scheint allein schon durch den Fokus seines behandelten Sprachmaterials gerechtfertigt. Im Verbund mit diesen Fragen
Eine Übersicht über die Entwicklung der Lexikographie bei Considine (2008) und Jacoby (1990). Letzterer stellt die von ihm untersuchten Einzelwerke auch in Auszügen dar. https://doi.org/10.1515/9783110628739-005
3.1 Rudbeck als Sprachwissenschaftler
163
muss abschließend der transformationstheoretische Akt, der Rudbecks wissenschaftlichen Implikationen zugrunde liegt, resümiert werden.
3.1 Rudbeck als Sprachwissenschaftler Inwieweit darf man Rudbeck nicht nur als Sprachkundigen, sondern auch als Sprachwissenschaftler seiner Zeit begreifen?⁴¹⁹ Dabei muss natürlich beachtet werden, dass Rudbeck keine Sprache in ihrer Gänze zu beschreiben versucht, etwa im Sinne einer Grammatik. Dennoch scheint mir sein Ansatz über den der schieren Sprachspekulation dahingehend hinauszugehen, dass er sich nicht nur auf Phänomene wie Lautanalogien beschränkt. Sicherlich sind es die Etymologien von Einzelwörtern in einer oder mehreren Sprachen, die seinen Interessensschwerpunkt ausmachen, was die Betrachtung etwa der Syntax kategorisch ausschließt. Er zieht allerdings bei diesen Einzeletymologien auch Argumente heran, die wir heute in die Domäne der Morphologie verorten würden. Flexion und Derivation spielen bisweilen eine gewisse Rolle, wenngleich, das sei vorab gesagt, die Phonetik nach wie vor die prominenteste Rolle einnimmt.
3.1.1 Rudbecks Quellen Für die Zusammenstellung des sprachlichen Materials bedient Rudbeck sich bisweilen autonom aus den ihm zur Verfügung stehenden Texten. Dies trifft in erster Linie für die hebräische Bibel zu. Ebenfalls werden die angeführten griechischen und lateinischen Wörter, die jedoch selten selbst Gegenstand von Untersuchungen sind, ohne Referenzquelle angegeben. Rudbeck musste sich bei seiner Arbeit naturgemäß jedoch größtenteils auf bereits bestehende einzelsprachliche oder polyglotte Lexika stützen. Da er nicht bei jedem Wort, etwa bei seinen vielen slawischen und, weniger häufig, keltischen Wörtern, die Quelle angibt, kann hier nur ein fragmentarisches Bild seiner verwendeten Hilfsmittel gezeichnet werden. Darüber hinaus lag mir in der Universitätsbibliothek Uppsala noch eine eigene Handschrift unter der Signatur Ihre 1 mit Literaturangaben vor. Da es sich hierbei jedoch nur um theologische Abhandlungen
Agrell (1955: 124 ff.) geht kurz auf Rudbecks Sprachverständnis ein. Er wertet Rudbecks Leistungen auf dem Gebiet der Permutationsforschung allerdings geringer als diejenige seines Vaters, unterstellt ihm aber ein gewisses Interesse für Fragen der Permutation von Lauten. Kurz zu Rudbeck auch Hovdhaugen (2000: 73 f.) und ders. (2001: 1126). Die kurze Erwähnung Rudbecks des Jüngeren ist jedoch sehr komprimiert und lässt wichtige Punkte außer Acht. Auch wird etwa in Hovdhaugen (2000: 73) behauptet, für Rudbeck den Jüngeren sei das Samische eine „Gothic language“. Dies kann ich so nicht teilen. Auch die Information auf derselben Seite, Rudbecks Specimen habe auch eine samischhebräische Wortliste enthalten, ist problematisch. Eine solche findet sich im Brief an Wallis, welcher allerdings ein eigenes Werk darstellt.
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3 Analyse
handelt, die kaum in den von mir untersuchten Werken Erwähnung finden, werde ich diese hier nicht anführen. Einfließen muss hingegen das Verzeichnis aus Rudbecks Nachlass in gedruckter Form, das in Uppsala untersucht wurde⁴²⁰. Wird das Göthische herangezogen und handelt es sich dabei nicht um ein Konstrukt Rudbecks oder gar ein eigentlich neuschwedisches Wort, so verweist Rudbeck, wenn es sich um eigentlich gotische Wörter handelt, gern auf die gotische Bibel des Wulfila, die ja durch Stiernhielm herausgegeben worden war. Bisweilen wird auch dessen Glossarium Ulphila-Gothicum linguis affinibus 1670 herangezogen, etwa in der der Atlantica Illustrata. Für das Isländische werden fast ausschließlich Olof Verelius’ Index linguæ veterìs scytho-scandicæ sive gothicæ und Guðmundur Andréssons Lexicon Islandicum zitiert. Andere germanische Sprachen, etwa das Deutsche oder Englische, werden in der Regel nicht mit einer Quellenangabe verwiesen. Zitiert wird aber etwa Haquin Spegels Glossarium sveogothicum eller Swensk ordabook aus dem Jahre 1712. Die Quelle des biblischen hebräischen Materials liegt auf der Hand; handelt es sich jedoch um solches aus dem Talmud, so darf angenommen werden, dass Rudbeck sich hier zumindest teilweise, auf Johann Buxtorfs Lexicon Chaldaicum, Talmudicum, et Rabbinicum von 1640 stützt, wie er etwa im Thesaurus angibt. Dieses Werk dürfte auch die Quelle für das umfangreiche aramäische Material sein, sowie für die rabbinischen Wörter. Für letztere mag ihm auch Buxtorfs rabbinische Bibel Biblia Hebraica von 1618 – 1619 vorgelegen haben. Rudbeck wird den Talmud vermutlich aber auch selbständig verwendet haben, da nicht häufig explizit auf Buxtorf verwiesen wird. Verweist Rudbeck auf „Men.“, so handelt es sich dabei im ein arabisches, türkisches oder persisches Wort, das aus François Mesgniens Thesaurus linguarum orientalium, Turcicae, Arabicae, Persicae aus den Jahren 1680 bis 1687 stammt. Der Orientalist Meninski wird durchgehend zitiert, wobei zu beachten ist, dass nicht jedes arabische Wort mit einem Verweis auf ihn versehen ist. Im Nachlass konnte ich auch das Lexicon Arabico-Latinum des niederländischen Orientalisten Jacob Golius von 1653 entdecken. Für das gesamte äthiopische Material wurde sicher Hiob Ludolfs Lexicon Aethiopico-Latinum von 1661 herangezogen. Ebenso stammt das gesamte koptische Material, das aufgrund der postulierten Nähe zum Hebräischen recht umfangreich ist, von Athanasius Kircher. Im Nachlass findet sich etwa dessen Prodromus Coptus. Des Weiteren von Bedeutung für die semitischen Sprachen ist Jacques Goussets Commentarii linguae ebraicae von 1702. Was die finnougrischen Sprachen angeht, so dürften die von Hormia aufgezeigten Quellen seines Vaters auch für das Material Rudbecks des Jüngeren herangezogen worden sein⁴²¹. Für das Finnische ist dies das Wörterbuch des finnischen Priesters Henrik Florinus (1678) Nomenclatura rerum brevissima latino-sveco-finnonica, der et-
Roberg, Catalogus bibliothecæ b. defuncti nobil. d:n. Olai Rudbeck, archiatri et profess. med Upsaliensis, auctione publicæ vendendæ. Vgl. Hormia (1964: 21 ff.).
3.1 Rudbeck als Sprachwissenschaftler
165
wa im Thesaurus zitiert wird. Die estnischen Wörter werden wohl größtenteils aus der Manuductio ad Linguam Oesthonicam, Anführung zur Öhstnischen Sprache des baltendeutschen Theologen Heinrich Göseke aus dem Jahre 1660 stammen, der auch im Nachlass auftaucht. Auch diese Quelle wird im Thesaurus angeführt. Weitere von Rudbeck angeführte Quellen sind etwa Eric Cajanus, Philip Johan von Strahlenberg und Gabriel Arctopolitanus mit seiner Dissertatio academica de origine ac religione Fennonum von 1728. Für das Chinesische sind mehrere Quellen auszumachen. Es handelt sich bei diesen in erster Linie wiederum um Athanasius Kircher, wohl seine China Illustrata von 1667. Als Referenzquelle für das Vietnamesische, das Rudbeck unter dem Chinesischen subsummiert, erscheint Alexandre de Rhodes’ (1651) Dictionarium Annamiticum, Lusitanum, et Latinum. Für die romanischen Sprachen sind unterschiedliche Quellen anzunehmen, auch wenn selten Referenzen angegeben werden. Zitiert wird aber etwa der Spanier Francisco Sobrino mit seinem Diccionario nuevo de las lenguas española y francesa von 1705. Das georgische Material, eine auch für Rudbecks Verhältnisse exotische Sprache, stammt von Hieronymus Megiser, wie Rudbeck etwa im handschriftlichen Traktat angibt. Das sprachliche Material der nordamerikanischen Kolonien stammt ausschließlich aus Campanius Katechismus und der Kort beskrifning om provincien Nya Swerige uti America seines Enkels Thomas Campanius Holm von 1702, wie bereits oben erwähnt wurde. Für die Sprache(n) Brasiliens wird an einigen Stellen auf den deutschen Forschungsreisenden Georg Marcgraf (1610 – 1644) verwiesen, der Südamerika erforscht hatte. Es wird sich hierbei um dessen Tractatus Topographicus & Meteorologicus Brasiliae von 1658 handeln, dem nämlich gewisse Commentarii De Brasiliensium & Chilensium Indole & Lingua beigefügt sind. Im Nachlass ist etwa auch das Slawische mit dem Thesaurus Polono-Latino-Graecus des polnischen Jesuiten Grzegorz Knapski (1561– 1639) von 1693 vertreten. Das selten zitierte Armenische wird aus dem Thesaurus Linguae Armenicae des deutschen Orientalisten Johann Joachim Schröder (1680 – 1756) aus dem Jahre 1711 stammen. Rudbeck besaß darüber hinaus zahlreiche sprachphilosophische Werke. Dazu gehören etwa polyglotte Wörterbücher, wie das Lexicon Pentaglotton Valentin Schindlers von 1653, Georges Hickes Thesaurus Linguarum Sepentrionalium von 1705 oder aber Johan Heinrich Hottinger Lexicon Harmonicum von 1661. Auch Theodor Bibliander ist mit seinem Werk de Ratione Comuni Linguarum von 1548 vertreten. An erster Stelle ist hier freilich Hieronymus Megisers Thesaurus Polyglottus aus dem Jahre 1603 zu nennen. Weitere wichtige Werke, die sich aus dem Nachlass Rudbecks ermitteln lassen, sind etwa Isaac Vossius Etymologicum Linguae Latinae von 1662, Arendt de Kettelers Compendius Grammaticale von 1676, aber auch explizit sprachhistorische Werke wie der Dialogus de Linguae Gallicae Origine des französischen Benediktiners Joachim Périon von 1555 oder Johann G. von Eckhards Historia studii etymologici linguae Germanicae aus dem Jahre 1711. Einige der zitierten Werke lagen ihm im Übrigen auch in handschriftlicher Form vor. Aus dem Bestand des Nachlasses und der zitierten Literatur geht jedenfalls hervor, dass Rudbeck sämtliche wichtige kontinentale Werke zur Sprachphilosophie
166
3 Analyse
kannte und somit auch die entsprechenden Diskurse. Sein umfangreiches Sprachmaterial konnte er aus einer Fülle von Wörterbüchern aber auch grammatischen Werken schöpfen, von denen hier nur die wichtigsten genannt wurden. Neben diesen Quellen konnte Rudbeck sich natürlich, wie im Falle der finnisch-ungarischen Wortliste, auf die Vorarbeit und Quellen seines Vaters stützen.
3.1.2 Zum Konzept der Sprachverwandtschaft Ein Konzept zur Sprachgenese, wie es historischen Sprachwissenschaften zugrunde liegt, kann man für Rudbeck natürlich nicht voraussetzen. Für die Indogermanistik gab es etwa historisch zwei miteinander konkurrierende Theorien, die Stammbaumtheorie August Schleichers (1821– 1868) und die Wellentheorie Johannes Schmidts 1843 – 1901)⁴²². Für die heutige Indogermanistik ist diese Unterteilung kaum noch von Belang. Zwar werden Sprachfamilien auch in anderen historischen Sprachwissenschaften immer noch in Stammbäumen dargestellt, doch areallinguistische Erscheinungen, die sich über Sprachgrenzen hinweg manifestieren, sind kaum zu leugnen. Ein Beispiel ist der vielzitierte Balkanbund, der für das Türkische, Albanische, Neugriechische und Bulgarische bestimmte typologische Charakteristika herausstellt, die eindeutig nicht auf ein Erbverhältnis zurückgehen⁴²³. Rudbeck zitiert bei seinen Etymologien Sprachen ganz unterschiedlicher Sprachfamilien. Die prominenteste Rolle nimmt das Schwedische ein, das zusammen mit den im Verbund genannten Sprachen Altisländisch und Gotisch zur Gruppe der germanischen Sprachen innerhalb des Indogermanischen gehört. Schwedisch gehört mit dem Dänischen zum ostnordischen, Isländisch, Färöisch und Norwegischen hingegen zum westnordischen Zweig. Die Sprache der Edda und Skalden ist das Altisländische, die vielzitierte Sprache der Runen in ihrer ältesten Beleglage gehört sogar noch zur urnordischen Periode. Das Gotische der Bibel des Wulfila bildet den einzig verschriftlichten Repräsentanten des Ostnordischen. Deutsch, Englisch und Niederländisch sind westgermanische Sprachen. Mit Ausnahme des Färöischen und Norwegischen werden all diese genannten Sprachen, bisweilen auch in ihrer mittelalterlichen Form, von Rudbeck herangezogen, wobei das Gotische eben als Göthisch des Wulfila, das Altisländische als Göthisch der Edda oder Skalden und die Sprache der Runeninschriften eben als runisches Göthisch bemüht werden. Viele weitere indogermanische Sprachen tauchen in seinen Werken auf. Aus dem Slawischen werden etwa häufig das Polnische, Russische, Tschechische und bisweilen auch das Kroatische bemüht. Latein und seine romanischen Fortsetzer und natürlich das Griechische
Eine kurze Übersicht über die Geschichte der Indogermanistik bietet etwa Meier-Brügger (2002: 9 – 17). Vgl. zum Balkan und anderen linguistischen Arealen Thomason (2001: 99 – 128).
3.1 Rudbeck als Sprachwissenschaftler
167
gehören ebenfalls zum festen Repertoire. Selten wird auch das Armenische herangezogen, häufiger jedoch das Persische. Das Hebräische gehört mit dem Arabischen, Aramäischen, Äthiopischen, die alle von Rudbeck zitiert werden, aber auch weiteren Sprachen zum semitischen Zweig des Afroasiatischen. Dieser Begriff ersetzt das zuvor übliche Hamitosemitische. Beim Aramäischen handelt es sich nicht um eine, sondern um mehrere Sprachen. Rudbeck unterscheidet hier zwischen dem Chaldäischen, also dem Biblisch-Aramäischen und dem Syrischen⁴²⁴. Er arbeitet ebenfalls mit koptischem Material, das als jüngster Repräsentant des Ägyptischen ebenfalls dem Afroasiatischen zuzuordnen ist⁴²⁵. Einen dem Schwedischen und Hebräischen vergleichbar hohen Stellenwert haben die ihm bekannten finnougrischen Sprachen Samisch, Finnisch und Estnisch. Ähnlich wie beim Aramäischen handelt es sich auch beim Samischen um keine einzelne Sprache, sondern eine Art Sprachverbund. Das mit Abstand wichtigste samische Idiom ist das Nordsamische, wie es vor allem in Norwegen gesprochen wird. Rudbeck geht jedoch nur selten auf lokale Varianten des Samischen ein, sondern zitiert die ihm bekannte schwedischsprachige Literatur, die sich entsprechend auf die in Schweden gesprochenen Varianten bezieht. Wie oben bereits gezeigt wurde, werden in einigen Werken Rudbecks auch weitere, in Russland beheimatete finnougrische Sprachen genannt. Von den vielen nicht-indogermanischen Sprachen müssen einige genannt werden. Dazu gehört das Türkische, das den Turksprachen und als solche eventuell dem Altaischen zugeordnet wird. Am Rande taucht wie beim Vater auch das Tatarische auf. Das Georgische gehört zu den sogenannten Kartwelsprachen des Kaukasus⁴²⁶. Das Pidgin Delaware gehört zu den Algonkinsprachen Nordamerikas⁴²⁷. Es leitet sich vom Unami ab, das mit dem Munsee zum Delaware-Zweig innerhalb dieser Sprachfamilie gehört. Rudbeck trennt nicht zwischen Vietnamesisch, das den Mon-Khmer-Sprachen angehört, und dem Chinesischen, das als Sprachverbund einen hauptsächlichen Zweig des Sinotibetischen bildet⁴²⁸. Bisweilen taucht Japanisch, als isolierte Sprache, in einigen Etymologien auf. Wie nun ist Rudbecks Wahrnehmung dieser von ihm angeführten Sprachvielfalt? Zwischen Orthodoxie und Gotizismus beheimatet, kristallisieren sich bei Rudbeck zwei wesentliche Prämissen heraus.
Eine detaillierte Darstellung des klassischen Arabischen bietet Fischer (1987). Zum Bibelaramäischen und dessen Grammatik Marti (1911). Zum klassischen Syrischen Muraoka (2005). Zum Koptischen empfehle ich Plisch (1999). Die Schwierigkeiten, die die Rekonstruktion des Urafroasiatischen mit sich bringt, versucht Ehret (1995) zu lösen. Eine Übersicht über die kartwelischen Sprachen gibt Fähnrich (2008). Zur Klassifizierung dieses Pidgins Goddard (1997). Über die bis dato mangelhaften Kenntnisse des Chinesischen im europäischen Diskurs Klein (2001: 48 – 54).
168
3 Analyse
Erste Prämisse: Die „eingeschränkte“ Primordialität des Hebräischen Die Primordialität des Hebräischen, die aus dem Arabischen und Aramäischen bloße Dialekte macht, gehört zu den wesentlichen Axiomen des Theoriegebäudes Rudbecks, ebenso die herausragende Stellung des Schwedischen unter den übrigen Sprachen der Welt⁴²⁹. Auch die Verwandtschaft des Ungarischen mit dem Finnischen, die Rudbeck von seinem Vater übernommen hat, und die Zugehörigkeit des Letzteren zum Samischen und Estnischen, kann man als zentrale Grundannahmen verstehen. Wie im Abschnitt über R. d. Ä. herausgestellt wurde, geht dieser nicht davon aus, dass das Hebräische oder das Skythische die adamitische Ursprache war. Beide Sprachen waren genauso gut von der Sprachverwirrung betroffen. Rudbeck der Jüngere mag von dieser Haltung beeinflusst worden sein, denn auch er erwähnt die adamitische Ursprache nicht explizit. Dass auch er das Hebräische nicht als immun gegen gewisse Veränderung ansieht, zeigt sich daran, dass er in gewissem Umfang auch rabbinisches Wortmaterial heranzieht. Dennoch wird dem Hebräischen offensichtlich eine primordiale Rolle eingeräumt, die es zumindest ursprünglicher erscheinen lässt, und gerade die enge Anbindung des Schwedischen an das Hebräische ist deshalb für ihn das Hauptanliegen. Rudbeck formuliert dies explizit im Specimen. Schon die Dedicatio gibt hierauf einen Hinweis, in der es heißt: Älsta Språket är Hebræiskan: hwilket ingen neka bör / Die Älteste Sprache ist das Hebräische, welches niemand leugnen kann.
Deutlich wird hier bereits die theologische Implikation, wenn es danach heißt „som i sig har någon kärlek til GUDS ORD“ („das in sich eine gewisse Liebe zu Gottes Wort hat“). Das Hebräische transportiert also Gottes Wort, wobei nicht von einem Status als adamitische Ursprache die Rede ist. In den ersten Paragraphen des Specimen wird diese herausragende Stellung des Hebräischen untermauert. Rudbeck gesteht also dem Hebräischen eine privilegierte Stellung in seiner Argumentation und Methodik zu. Gibt es aber keine kognate hebräische Wortform, ist eine aramäische, arabische, koptische, göthische oder andere stellvertretend heranzuziehen. Es ist interessant, dass Rudbeck offensichtlich eine gewisse Vorstellung von der Nähe des Hebräischen zu bestimmten – nach heutiger Terminologie semitischen – Sprachen wie dem Arabischen oder Aramäischen hat. Auch das Koptische, das ja nach heutigem Erkenntnisstand mit den semitischen Sprachen und anderen Familien zum Afroasiatischen gehört, wird von ihm in diese Gruppe erhoben. Interessant ist hierbei die konsequente Verwendung der hebräischen Schrift für das Arabische und Syrische. Man mag zuerst rein praktische Gründe hierfür suchen, etwa dass keine arabische oder gar syrische Typographie vorlag. Aber auch in den Handschriften wird das arabische Alphabet nicht bemüht, obwohl Rudbecks Quellen, beispielsweise das Lexikon Meninskis, dies verwendeten. Meiner Meinung nach ist es plausibel, dass Rudbeck die Schrift seiner
Vgl. Agrell (1955: 120), nach dem Rudbeck das Hebräische als Ursprache begriffen habe.
3.1 Rudbeck als Sprachwissenschaftler
169
Taxonomie gemäß bewusst ignoriert hat, da Arabisch und auch Syrisch ohnehin nur als Dialekte zu werten waren. Rudbeck greift darüber hinaus häufig auf talmudische oder rabbinische Begriffe zurück, ohne diese näher zu klassifizieren. Zusammenfassen kann man Rudbecks Verständnis der orientalischen Sprachen, wie folgt darstellen:
Arabisch Chaldäisch
Äthiopisch
Hebräisch
Koptisch
Talmudisch
Rabbinisch Syrisch
Das Göthische musste im Zeichen des Rudbeckianismus ebenfalls diese herausgehobene Stellung einnehmen, es war ja die Sprache, die dem Hebräischen am nächsten kam. Ein Hinweis auf das Samische oder Finnische fehlt hier noch, doch zeigt Rudbecks Praxis, dass auch diese Sprachen als Hilfssprachen herangezogen werden konnten, kamen sie doch, wie er im Brief an Fabian Törner von 1727 beharrt, wie kaum eine andere Sprache dem Hebräischen gleich. Ja, die Finnen und Samen und auch Esten sprachen noch immer Hebräisch. Man kann also insofern ein eingeschränktes orthodoxes Sprachverständnis erkennen. Das Hebräische mag nicht direkt mit der Sprache Adams identisch sein, doch ist es in seiner belegten Form immer noch älter als alle anderen Sprachen. Wo es in seinem biblischen Gebrauch Veränderungen unterworfen war, kann das Schwedische aufgrund seines hohen Alters den ursprünglichen Zustand, etwa im Bereich der Semantik, anzeigen. Zweite Prämisse: Die besondere Stellung des Schwedischen Welchen Platz Rudbeck dem Schwedischen bzw. Göthischen unten den Sprachen der alten Welt zuweist wird ebenfalls schon anhand der Dedikation im Specimen deutlich. Ganz im rudbeckianischen Sinne ist diese Frage naturgemäß mit der Herkunft bzw. ursprünglichen Ausdehnung der Göthen verknüpft. Das Alter der Göthen wird durch die Genealogie geltend gemacht: Hwilke alle måste jaka: Habor är med Hebær slägt. Welche alle bejahen müssen: Habor ist mit Heber verwandt.
Habor nun, das wird von Rudbeck selbst in einer Fußnote unten auf der zweiten Seite der Dedikation vermerkt, war einer der ersten und größten Könige der Göthen. In dieser Hinsicht folgt Rudbeck also seinem Vater. Die Schweden / Göthen sind nicht aber nur deshalb als die primordiale Matrix sämtlicher anderen Völker zu werten, da sie selbst den Hebräern genealogisch nahestehen, sondern vor allem ihre Sprache
170
3 Analyse
nimmt aufgrund ihrer besonderen Nähe zum Hebräischen auch eine Schlüsselstellung ein: Ty af Göthskan får Hebræiskan här igen sin forna heder. Mera: når hos bägge rönes warit like språk och seder. En otrolig samanstämning är emellan bägge twå / Denn durch das Göthische bekommt das Hebräische seine alte Ehre. Mehr noch, bei beiden finden sich gleiche Sprache und Sitten. Eine unglaubliche Übereinstimmung ist zwischen diesen beiden.
Sprache und Sitte der Hebräer werden also direkt mit den Schwedischen / Göthischen gleichgesetzt. Das Hauptargument lag jedoch in der großen Übereinstimmung an lexikalischen Kognaten. Damit unterscheidet sich Rudbeck durchaus von seinem Vater, der das Hebräische neutral behandelt, ja im Falle des Phönizischen sogar bemüht ist, dessen viel engere Verwandtschaft mit dem Skythischen gegenüber dem Hebräischen herauszustellen. Was genau mit Hebraismi gemeint ist, ist schwierig festzustellen. Handelte es sich doch um Lehnworte? Rudbeck der Jüngere hingegen weist schon im Brief an John Wallis darauf hin, wie groß die Anzahl an Übereinstimmungen zwischen dem Schwedischen und Hebräischen ist: (…) id tamen Sveticæ nostræ ex asse convenire certissimum est, cujus ea est copia, & cum Hebræa affinitas, ut quicquid in hac & Laponica desiderari videbitur, id ipsum hæc nostra abunde suppletura sit.⁴³⁰
Hier wird nun auf die Affinität des Göthischen zum Hebräischen gedeutet, deren Umfang sogar das Samische ermangeln musste. Was bei Rudbeck genau mit dem Göthischen gemeint ist, ist nicht leicht einzuordnen. Klar ist nur, welche Stelle das Göthische einnimmt. Es ist das in eine glorreiche Vergangenheit transponierte Schwedische, ein opakes Altnordisch. Das Göthische musste naturgemäß die Stelle des Bindeglieds zwischen dem Hebräischen der christlich-jüdischen Vorzeit und derjenigen Sprache des Nordens einnehmen, welche ihren prominenten Vertreter im modernen Schwedischen hat und darüber hinaus bereits früh durch Runensteine, die gotische Bibel Wulfilas, altschwedische Gesetzestexte und altwestnordischen Quellen belegt ist⁴³¹. Rudbeck selbst verfährt mitunter nach einer eigenen Einteilungsthematik. Mit der Abkürzung „Goth. Ulph“. zitiert er echt-gotische Wörter aus der Wulfila-Bibel, mit „Goth. Runisch“ sind hingegen, wohl meist schwedische, Runeninschriften gemeint. Das heutige Schwedische wird mit „Sved. hod(ierna)“ oder „Goth. hod(ierna)“ markiert. Die Beispiele jedoch, die Rudbeck häufig anführt, wenn er Wulfila nicht zitiert, sind alles andere als klar. Es erscheinen eigenartig artifizielle, zumeist einsilbige Gebilde, die nur ansatzweise den belegten germanischen Sprachen ähneln. Es scheint
Fasciculus, Seite 3. So schreibt denn auch Annerstedt (1908, II, 1: 357 f.) vom Hyperboreischen, also dem Göthischen, als „på fri hand tillverkadt idiom“.
3.1 Rudbeck als Sprachwissenschaftler
171
sich um Konstrukte bzw. Rekonstruktionen von Rudbeck selbst zu handeln⁴³². Dies trifft auf das im selben Abschnitt zitierte göthische had, das Rudbeck ja als Intermediate Link zwischen hebräisch jad und neuschwedisch hand postuliert. Was also das Göthische war, lässt sich wie folgt darstellen:
Schwedisch Gotisch
Göthisch
Runisch
Eddisch
Wie Stipa zu Recht meint, kann der Status des Hebräischen bei Rudbeck dem Einfluss der orthodoxen Theologie zugeschrieben werden⁴³³. Eine „Abkehr“ von der Skythenthese Olof Rudbecks des Älteren vermag ich hingegen nicht zu erkennen⁴³⁴. Vielmehr muss man Rudbecks System als Versuch einer Synthese beider Richtungen verstehen. Die Frage stellt sich nun, welche Vorstellung von Sprachverwandtschaft Rudbeck überhaupt hatte. Sicherlich keine, die der Stammbaumtheorie oder der Wellentheorie der historischen Sprachwissenschaft nahekam. Rudbeck unterteilt Sprachen nicht nach Sprachfamilien und deren Zweigen, dennoch wird er wohl eine Idee von näher oder weiter entfernt verwandten Sprachen gehabt haben. Primär jedoch war im Denkgerüst Rudbecks die Nähe zum Hebräischen das Klassifizierungsmerkmal von Sprache. Bei seinen zahlreichen Zusammenstellungen von Wortmaterial lässt sich eine gewisse taxonomische Anordnung machen, die Rudbeck, außer eben für das Hebräische und seine „Dialekte“, nirgends ausführt. So werden Beispiele aus romanischen Sprachen meist zusammen hinter die lateinische Ausgangsform gestellt, so etwa auf Seite 9 der ersten veröffentlichten Thesaurus-Probe. Auf lateinisch aura folgen italienisch aere, aria und spanisch ayre. Auch diejenigen nahen Verwandten des Schwedischen, also die übrigen germanischen Sprachen stehen meist in einer Reihe, etwa auf der gleichen Seite isländisch waur & wær (Edda), schwedisch wär, dänisch wæir, norwegisch wæir und niederländisch weer & wer. Dasselbe gilt für das, was wir heute als slawische Sprachfamilie klassifizieren. Polnische, russische und tschechische Beispiele werden zusammen behandelt. Es ist schwierig zu beantworten, wie genau das Göthische mit seinem besonderen Verhältnis zum Hebräischen dritten Sprachen gegenübersteht. Muss man es sich als Zwischenstufe denken, etwa im Sinne des Mittelhochdeutschen, das die Übergangs-
Specimen: Seite 13 ff. Vgl. Stipa (1990: 87 f.). Vgl. Stipa (1990: 188 f.).
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3 Analyse
phase zwischen dem Althochdeutschen und Neuhochdeutschen bildet? In diesem Fall wäre das Göthische selbst die Matrix anderer Sprachen, was man graphisch wie folgt darstellen könnte: Hebräisch ↓ Göthisch ↓ Sprache x
Viel wahrscheinlicher ist jedoch, dass Rudbeck tatsächlich nur die Nähe des Göthischen zum Hebräischen betonen will, was andere Sprachen dann zu selbständig aus dem Hebräischen entstandenen Sprachen deklariert, sie zugleich jedoch abwertet, weil sie sich weiter von diesem entfernt hätten: Hebräisch ∞ Göthisch ↓ Sprache x
Es lassen sich bei der Gesamtbetrachtung von Rudbecks Werken nun mehrere Widersprüche feststellen. Wenn das Hebräisch, wie er in der Dedicatio des Specimen schreibt, die älteste Sprache war, wie kann das Schwedische dann den gleichen Rang einnehmen, wie er in eben dieser weiter unten ausführt? Wenn das Schwedische ein Aliud war, das in Rang und Alter dem Hebräischen gleichkam, war es als Hilfssprache hinfällig. Wenn es die gleiche Sprache war, die Göthen also auch Hebräisch gesprochen hatten, warum schreibt er im Brief an Törner dann, dass neben dem Arabischen, Syrischen und Chaldäischen, vor allem das Finnische, Samische und Estnische mit dem Hebräischen zu identifizieren waren? Es scheint bemerkenswert, dass die chinesisch-göthische Wortliste eines der wenigen Beispiele darstellt, in dem das Göthische unmittelbar mit einer dritten Sprache verglichen wird. Wäre es zudem nicht viel einfacher gewesen, das Finnische und Samische unmittelbar aus dem Göthischen herzuleiten? Auf diese Weise hätte man deren untergeordnete Stellung ebenso gut geltend machen können. Rudbeck gelingt es nicht, diesen Widerspruch aufzuheben. Einen Unterschied zwischen Erb- und Lehnwörtern macht Rudbeck jedenfalls nicht⁴³⁵. Wenn er von Hebraismi spricht, darf man keinesfalls einen Hebraismus im heutigen Sinne verstehen. Es ist bemerkenswert, dass Rudbeck der Ältere ja gerade bemüht ist ursprüngliche, volkstümliche Wörter von solchen, die neu in die Sprache gedrungen sind auszumachen, damit die Sprache als Haupt- und eben nicht als Mischsprache
Anders als sein Vater, vgl. Metcalf (1974: 249 ff.).
3.1 Rudbeck als Sprachwissenschaftler
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gelten kann. Davon ist bei Rudbeck d. J. keine Rede mehr. Was genau also dieses Göthische sein soll, muss offenbleiben.
3.1.3 Die etymologischen Verfahren Die zwei wesentlichen Prämissen des rudbeckianischen Systems von Sprachverwandtschaft werden durch eine Fülle von Etymologien eluzidiert. Dabei gilt es bei Rudbeck verschiedene etymologische Verfahren voneinander zu unterscheiden, die ich im Folgenden kategorisiere und ausführe. Der erste Typ, den ich im Folgenden mit Typ I bezeichne, vergleicht jeweils ein Wort zweier oder mehrere Sprachen miteinander. Dabei wiederum ist prinzipiell zu unterscheiden, ob es sich um eine reine Analogie handelt, die ein synchrones Verwandtschaftsverhältnis ausdrückt, oder um eine eigentliche Etymologie, die ein diachrones Verhältnis impliziert. Beispiele für Analogien sind etwa die finnisch-ungarische Wortliste, in der ja jeweils ein finnisches Wort seinem ungarischen Pendant gegenübergestellt wird, ohne dass das genaue verwandtschaftliche Verhältnis klar wird. Ein diachrones Verhältnis müsste für alle Vergleiche eines Wortes einer beliebigen Sprache mit seiner hebräischen Vorform angenommen werden, sofern das hebräische Wort nicht selbst weiter segmentiert wird. In den meisten Fällen spielt die Opposition diachron vs. synchron jedoch keine Rolle und es macht entsprechend keinen Sinn, dieses moderne Unterscheidungskriterium künstlich auf Rudbecks Methodik anzuwenden. Typ I kann man also wie folgt darstellen: Typ I: Wort x ~ Wort y Der zweite und dritte Typ, auf die ich den Begriff der multiplen Etymologie anwenden möchte, weisen kein lineares Verhältnis des zu vergleichenden Materials auf. Impliziert wird hier zumeist ein diachrones Verhältnis. Bei Typ II stehen dem (hebräischen) Ausgangswort mehrere Wörter einer oder verschiedener Sprachen gegenüber. Dies lässt sich wie folgt skizzieren: ↗ (göth.) Wort y1 Typ II: (hebr.) Wort x → (göth.) Wort y2 ↘ (göth.) Wort y3 Typ III verhält sich diametral hierzu. Zudem zeigt sich Rudbecks Kenntnis der Struktur der Hebräischen Sprache. Hier gibt es mehrere hebräische Wörter, die jedoch entweder zur selben Wurzel gehörende oder aber durch Affixe unterschiedene Varianten des Ausgangwortes darstellen. Zum Teil sind es auch andere Semantiken derselben Wurzel oder verschiedene Stammbildungen. Diesen Wörtern können dann abermals ein oder mehrere Wörter der jeweils anderen Sprachen gegenüberstehen:
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3 Analyse
↗ (hebr.) Wort y1 → (göth.) Wort z1-3 Typ III: (hebr.) Wurzel x → (hebr.) Wort y2 → (göth.) Wort z1-3 ↘ (hebr.) Wort y3 → (göth.) Wort z1-3 Beispiele für diesen Typus sind etwa die unzähligen Varianten des Wortes hebr. jad im Specimen, denen, wie zuvor angerissen wurde, jeweils eigene göthische Kognaten entsprechen. Dies lässt sich verkürzt wie folgt darstellen⁴³⁶: jad1 „manus“ → göth. ad, neuschw. hand jad2 „terminus, spatium determinatum“ → göth. iad jad3 „manus, robur, potentia“ → göth. jet, jat jad4 „conatus, cura“ → runisch-göth. id, ide jad5 „prophetia“ → göth. jæt, jæta jad6 „manubrium“ (rabbinisch ידא, → )אידאgöth. ad, ada, runisch-göth. haud, höd jad7 „cardo januæ“ (Plur. → )ידותvæt, vætti, runisch-göth. æt jad8 „pars, particula, dosis“ → göth. vad jad9 „plaga nocumentum „ → Edda-göth. jet, runisch-göth. æt, jöt jad10 „margo, ripa“ → göth. jad Wie man sieht, konnten die Reflexe in den unterschiedlichen göthischen Varianten durchaus unterschiedlich sein. Wurden hier verschiedene Semantiken des Grundwortes bzw. der Wurzel gegeben, werden im Folgenden Ableitungen desselben ausgeführt⁴³⁷. Genauer handelt es sich dabei um Präpositionalphrasen, die jedoch graphisch als ein Wort erscheinen. Einige Beispiele hierfür sind bejad „in, per manum“ zu schwedisch ved (schw. vid „bei“), lejad „ad manum“ zu runisch-göthisch l’id, lid oder dasselbe lejad zu göthisch leid und neuschwedisch led. Die Frage ist nun, wie genau sich dieses System multipler, multilateraler Etymologien bzw. Analogien verstehen lässt. Da Rudbeck nicht konsequent zwischen Erbwort und Lehnwort unterscheiden konnte, kommt vielleicht auch ein komplexes Lehnwortsystem in Frage. Die moderne Sprachwissenschaft kennt bei Erbwörtern aufgrund der Ausnahmslosigkeit der Lautgesetze jeweils nur ein Ausgangswort und eine Zielform. Allerdings können sich unterschiedliche dialektale Varianten natürlich in der Hochsprache durchsetzen. Ein prägnantes Beispiel aus dem Neuhochdeutschen ist etwa das Wort sanft, die zu erwartende lautgemäße Form gegenüber aus dem Niederdeutschen stammendem sachte. Man vergleiche englisch soft und niederländisch zacht. Die Form sachte zeigt mit dem Schwund des Nasals und ihrem Wandel -ft> -cht-, den es mit dem Niederländischen teilt, die für das Niederdeutsche zu erwartende Lautentwicklung. Man vergleiche etwa auch nhd. Luft vs. nl. lucht. Da diese Form jedoch auch ins Neuhochdeutsche entlehnt wurde, gibt es die Dublette sacht vs.
Verkürzte Darstellung der Etymologien, vgl. Specimen, Seite 13 ff. Die Nummerierung erfolgt durch den Verfasser dieser Arbeit. Specimen, Seite 18 ff.
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sanft. Ähnlich verhält es sich bei franz. forge vs. fabrique. Ersteres ist die lautgemäße Entsprechung des lateinischen fabrica, also das Erbwort. Letzteres ist das Lehnwort mit derselben Ausgangsform, jedoch zu einer Zeit als das Lateinische bereits tot war und nur als Fundus für Entlehnungen, aber nicht mehr für Erbwörter zur Verfügung stand. Mit diesem Ansatz ließe sich Rudbecks System als eine Kombination von Lehnund Erbverhältnissen beschreiben. Auch heute wird dieser „Fehler“ noch oft gemacht, wenn etwa lat. barbarus zwar als griechische Entlehnung begriffen wird, zugleich aber mit dem genuin lateinischen Wort barba „Bart“ in Verbindung gebracht wird. Beides kann nicht zutreffen, sodass die letzte Verknüpfung lediglich als Volksetymologie zu werten ist. Das Szenario, das Rudbeck beschreibt, dass ein hebräisches Wort eine solche Fülle an Reflexen in einer einzelnen aus ihm entstandenen Sprache kennt, mag auf den ersten Blick unwahrscheinlich anmuten und ist es wohl auch. Dennoch kennt die Sprachwissenschaft einige wenige Fälle. Ein Beispiel hierfür ist lat. Iūppiter und dessen Genitiv Iovis auf der einen Seite und diēs, diēī auf der anderen. Beide sind ja aus uridg. *di̯eu̯s „Himmel“ hervorgegangen⁴³⁸. Auch die Annahme, eine Kombination zweier Wörter der Ausgangssprache, etwa im Sinne eines Kompositums oder gar freien Syntagmas wie oben bei le-jad, werde in der Zielsprach durch ein einzelnes Wort wie göth. leid reflektiert, kann gestützt werden. Man denke etwa an frz. avec aus vulgärlateinisch apud und hoc. Typisch für Rudbecks Etymologien ist darüber hinaus die Segmentierung (hebräischer) Wörter in verschiedene Kompositionsglieder, die dann gemäß der oben skizzierten Methodik separat etymologisiert werden konnten. Zwar findet sich dieses Vorgehen auch bei dem von Rudbeck selbst zitierten Philippe Masson. Da dessen Werk jedoch selbst erst aus dem Jahre 1713 stammt, ist es wahrscheinlich, dass Rudbecks Methodik sich hier an der so prominenten Kabbalistik und ihrer Methodik ausrichtet. Zugleich mag sie in dem Bestreben begründet liegen, letztlich alle Lexeme von ursprünglichen Monosyllaba abzuleiten. Sprachhistorischen ist es hingegen gerade ein Charakteristikum semitischer Sprachen, derlei nominale Syntagmen mithilfe des sogenannten Status Constructus abzuleiten. Komposita, wie Rudbeck sie im Auge hatte, sind eher typisch für indogermanische Sprachen.
3.1.4 Zum Lautwandel Die historisch-vergleichende Sprachwissenschaft, die im deutschsprachigen Raum prominent durch die Disziplin der Indogermanistik vertreten wird, kennt als die zwei wesentlichen Triebkräfte den Lautwandel und die Analogie. Der Lautwandel vollzieht sich nach sogenannten Lautgesetzen, die das Phoneminventar einer Sprache gesetzmäßig verändern. Im Unterschied zu Naturgesetzen, sind erstere deskriptiv und besitzen nur zeitlich und lokal beschränkte Gültigkeit. Findet ein Lautwandel statt, so ist
Zum Lautgesetz dieser Dublette Meiser (2010: 90).
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3 Analyse
er jedoch im zeitlichen Rahmen seines Auftretens universell gültig. So wurde etwa zu einer bestimmten Zeit jedes altfranzösische geschlossene /e/, das lat. lang /ē/ und kurz /ĭ/ fortsetzt, zum Diphthong /ei/ und im Laufe der frz. Sprachgeschichte schließlich zu /oi/ verschoben, sofern nicht andere ebenfalls zeitlich begrenzte Lautgesetze diese Entwicklung störten, vgl. lat. crēdit > frz. (il) croit ⁴³⁹. Nimmt ein Laut /e/ eine andere Entwicklung, so muss dies durch postulierte Lautgesetze begründet sein, sofern eine mögliche dialektale Variante oder ein Lehnwort ausgeschlossen werden kann⁴⁴⁰. Ein anderes Beispiel für ein Lautgesetz ist die spezifisch hochdeutsche Verschiebung von ursprünglichem t- zur Affrikate z-, die etwa das etymologische Verhältnis von dt. Zeh im Vergleich zu engl. toe erhellt. Dieses Lautgesetz fand in einem begrenzten zeitlichen Rahmen statt und ist offensichtlich abgeschlossen, da neue, etwa aus dem Lateinischen stammende Wörter wie Turbulenz an diesem Lautwandel nicht mehr partizipieren. Es ist aber so alt, dass ein frühes Lehnwort wie lat. tēgula heute als dt. Ziegel erscheint. Die Analogie hingegen versucht, durch Lautwandel entstandene, paradigmatische Unregelmäßigkeiten wieder auszugleichen. Ein vielzitiertes Bespiel ist lat. honor, honōris. Das intervokalische -r- in honoris ist lautgesetzlich aus intervokalischem -s- entstanden. Das auslautende -s des Nominativs, das hätte erhalten bleiben müssen und in der Nebenform honōs auch erhalten ist, wurde dem Stamm des Genitivs angeglichen, um eine Irregularität zu vermeiden⁴⁴¹. Lautwandel und Analogie sind demzufolge die beiden hauptsächlichen Dynamiken, die die lautliche Gestalt eines Wortes verändern. Daneben gibt es weitere Phänomene, wie die Dissimilation ähnlicher Laute, die diese Dynamik beeinflussen können. Frz. pèlerin stellt im Vergleich zu lat. peregrīnus keine lautgesetzlich zu erwartende Form da. Es gibt kein Lautgesetz, das lat. -r- in frz. -l- verwandelt hätte, vielmehr ist es eine lautphysiologische Gegebenheit, nämlich die Schwierigkeit zwei aufeinanderfolgende r auszusprechen, die das erste r zu l dissimiliert hat. In welche Richtung eine Lautentwicklung geht, ist prinzipiell nicht vorhersagbar. Dennoch gibt es lautphysiologische Dispositionen, die eine bestimmte Entwicklung wahrscheinlich machen. So ist etwa die Palatalisierung von ursprünglichem k vor e und i und die weitere Entwicklung zu einem Zischlaut eine typologisch häufig vorkommende Entwicklung in den unterschiedlichsten, auch nicht verwandten Sprachen der Welt. Ein Lautwandel wie der von lat. -s- zwischen Vokalen zu -r- ist hingegen selten, findet sich aber zufällig auch im verwandten Westgermanischen.
Eine Übersicht über französische und gemeinromanische Lautentwicklungen bieten Meyer-Lübke (1908) und Alkire / Rosen (2010). Ein Lehnwort im doppelten Sinne liegt etwa im aus dem Germanischen stammenden spanischen Wort jardín vor. Der Anlaut beider Wörter zeigt, dass das Wort nicht direkt aus dem Germanischen stammen kann, sonst würde man gard- erwarten, sondern den Umweg über das Französische genommen hat. Die Lautentwicklung ga- > ja- ist eine spezifisch französische und hat keine Parallele im Italienischen und Spanischen. Vgl. dazu Rohlfs (1971: 110 f.). Zur Geschichte des Lateinischen vgl. Meiser (2010).
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Es ist eindeutig, dass Rudbeck die meisten seiner Etymologien in erster Linie auf lautlichen Ähnlichkeiten aufbaut. Hier soll nun versucht werden darzustellen, welche Systematik dem zugrunde liegt. Diese Prinzipien, die ja auch in der modernen Sprachwissenschaft lange nicht unumstritten waren – etwa bei der Frage der Ausnahmslosigkeit der Lautgesetze – können auch einem aufmerksamen Beobachter wie Rudbeck dem Jüngeren nicht in der Form klar gewesen sein. Und dennoch ist Rudbeck so scharfsichtig, auch Regelmäßigkeiten in der lautlichen Variation seiner Meinung nach verwandter Sprachen zu finden. Bevor wir nun die Systematik des Lautvergleichs bei Rudbeck untersuchen, gilt es vor allem zu beachten, dass er zumindest für das lateinische Alphabet keine Unterscheidung zwischen Graphem und Phonem bzw. Phon vornimmt. So spricht er denn auch in der methodischen Einführung zum Specimen immer von „litterae“ bzw. fürs Hebräische von „litterae radicales“. In dieser Hinsicht unterscheidet er sich somit nicht von Rudbeck dem Älteren, der ja ebenfalls stets nur von bookstäfwer, also „Buchstaben“ spricht. In eben diesem methodischen Abschnitt, artikuliert Rudbeck der Jüngere selbst bereits explizit seine Herangehensweise beim lautlichen Vergleich. Dies und die Beobachtungen, die ich implizit aus seinem Vorgehen an anderer Stelle herausdestilliert habe, sollen nun dargestellt werden. Was den lautlichen Vergleich angeht, so formuliert Rudbeck diesen im Specimen nicht in Lautgesetzen, die einen diachronen Wandel beschreiben, sondern stellt Lautanalogien heraus. Somit beobachtet er synchron, ohne etwa ein zeitliches Verhältnis einer gemeinsam zugrunde liegenden Vorform zweier Kognaten herauszustellen. Bereits bei Rudbeck dem Älteren gab es, wie bereits erwähnt wurde, eine gewisse Vorstellung von einer Art Lautverschiebung. Eine dieser Analogien liegt im Verhältnis von p ~ c vor, das er im Specimen unter Punkt XIII beschreibt: XIII. Non illæ tantum litteræ permutabiles, quæ vulgo unius dicuntur organi, sed & aliæ interdum, pro vario diversarum linguarum genio, qui proinde sedulo explorandus. Habent enim singulæ linguæ & hac ratione peculiarem sibi indolem, ut quæ alioquin litteræ nullo videntur gaudere commercio, earum altera pro altera frequenter adhibeatur. (…).⁴⁴²
Angeführt werden für diesen Punkt dann irische und walisische Kognaten, die sich genau auf die Weise im Konsonantismus unterscheiden, etwa in irisch cean gegenüber walisisch pen „caput“ oder walisisch pren zu irisch. crann „arbor“. In der Tat ist die unterschiedliche Verteilung dieser Konsonanten ein entscheidendes Kriterium zur dialektalen Klassifizierung des Keltischen. Das Indogermanische besaß einen stimmlosen Labiovelar *kw, d. h. ein k mit koartikulatorischer Lippenrundung, der im Goidelischen, also dem Irischen, Schottisch-Gälischen und Manx, delabialisiert als k erscheint, in den britannischen Sprachen jedoch zu p wird. Eine weitere Analogie, später im Specimen, ist j ~ w, die das Hebräische kennzeichnet. So entspreche etwa hebr. jam ( יםhebr. „ יםMeer“) dem göthischen und dänischen van „mare“. Ebenso Specimen, Seite 9−10.
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3 Analyse
habe hebr. jarasch ירשeine arabische Entsprechung varath. Was nun das erste Beispiel angeht, meint Rudbeck sicherlich schw. vatten „Wasser“ und dän. vand „Wasser“. Die Form van scheint wohl eine rekonstruierte göthische Form zu sein. Der Lautanalogie Rudbecks liegt ein tatsächlicher Lautwandel zugrunde, nur in umgekehrtem Verhältnis. Abgesehen von der Konjunktion wə „ וund“ ist ursemitisches anlautendes w-, wie es etwa im Arabischen erhalten ist, im Hebräischen zu j- verschoben worden. Für Rudbeck ist dabei gerade der Anlaut der Wörter besonders anfällig für Veränderungen, während Lautwandel im Auslaut so gut wie nicht vorkommt: XIV. Non obstat, quin voces diversarum linguarum, cæteris paribus, eædem omnino habeantur, licet initiali littera differant, si nimirum alterutra linguarum litteram radicalem primam vel abjecerit, vel immutaverit, vel novam prorsus præfixerit. XV. Idem sentiendum de iis vocibus, in quibus ultima littera radicalis vel mutata invenitur, vel plane deest.⁴⁴³
Ein weiterer Lautwandel ist der, der den italienischen Beispielen fiore, fiume, pianta, piombo im Gegensatz zu ihren lateinischen Ausgangsformen flore, flumine, planta und plumbo zugrunde liegt. Nicht nur erfasst Rudbeck diesen spezifischen italienischen Lautwandel korrekt, man vergleiche etwa it. chiamare aus lat. clamare, er argumentiert durchaus sprachwissenschaftlich, wenn er von einer „absorptio“ spricht, die „in medio liquida“, in diesem Fall lat. l, betrifft: XVI. Neque dispar earum est ratio vocum, quarum in medio (præcipue si trium litterarum) liquida quædam absorbetur, vel mutatur in vocalem, salvis tamen manentibus reliquis duabus litteris radicalibus: quod evenire quibusdam in linguis sæpenumero cernimus; sic nota est litteræ L post certas consonas Italis familiaris absorptio, (…).⁴⁴⁴
Die Verwendung des Begriffes liquida lässt auf Kenntnis antiker Grammatiker schließen. Vokale spielen für Rudbeck stets eine untergeordnete bis gar keine Rolle. Wie er unter XXV abschließt: XXV. Vocalium in linguis vernaculis nulla habenda est ratio circa etymologica; quippe cum innumeris, pro dialectorum varietate, mutationibus sint subjectæ.⁴⁴⁵
Er stimmt hier Masson zu, den er wie folgt zitiert: „pour les voyelles, elles se changent souvent, quand un mot Hebreu passe dans une autre langue.“. Rudbeck exemplifiziert dies nun anhand von hebr. cohen „ כהןrex, princeps“, von dem sich nicht nur ein chinesisches chuon ableitete, sondern auch walisisches cun und alle möglichen germanischen Wörter für „König“, die sich ja in der Tat in ihrer heutigen Form vor allem durch die Vokalqualität unterscheiden, etwa göthisch kung, dänisch kong,
Specimen, Seite 10. Specimen, Seite 10. Specimen, Seite 12−13.
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englisch king oder ein deutsches koning. Auch ein japanisches Wort, cunix, das der Silbenstruktur des Japanischen völlig zuwiderläuft, wird zusammen mit einem grönländischen Wort cakunge angeführt. Soviel zu Rudbecks eigenen formulierten Regeln, die es zu beachten gelte. Inwieweit wird dies nun bei Lautanalogien in seinen übrigen Werken tatsächlich angewandt? Schaut man sich die ersten, zögerlichen Etymologien der Laponia Illustrata an, so stellen wir fest, dass Rudbeck hier genau das von seinem Vater ausgearbeitete System der Permutationen anwendet. Das zitierte göthische Wort kar und das samische Wort kaarid wiesen beide dieselbe Struktur auf, anlautendes k-, ein aus Rudbecks Sicht sicher zu vernachlässigender a-Vokalismus, und die Liquida r ⁴⁴⁶. Entsprechend der Permutation für den Velar k, wie Rudbeck der Ältere sie in seinen Tabellen dargestellt hat, konnte sich dann leicht die arabische Wurzel גרר, also mit anlautendem g-, und חריןmit anlautendem pharyngalen ħ- hinzugesellen. Eine phonetische Unterscheidung zwischen Velaren, Uvularen, Laryngalen und Pharyngalen kannten weder Vater noch Sohn, klangen sie doch für den schwedischen Muttersprachler alle ähnlich. Dieses Prinzip wird umso mehr im Fasciculus deutlich, wo etwa samisches kuhe / kuche „longus“ zu hebräischem גאהmit anlautendem g- gestellt werden kann⁴⁴⁷. Diese Art der Permutation ist ein roter Faden in Rudbecks gesamtem Werk, etwa auch im zweiten Auszug aus dem Thesaurus, wo hebräisch „ אבpater“ mit -b türkischem bab, aber eben auch deutschem papa zusammengebracht wird⁴⁴⁸. Rudbecks Kenntnis der Phonologie reichte jedoch nicht soweit, dass er den konsonantischen Gehalt des hebräischen אals glottaler Verschlusslaut /ʔ/ wahrnehmen konnte. Sowohl die Rolle des Konsonantismus, als auch diejenige des Vokalismus ist im Ganzen identisch mit derjenigen des Vaters. Es darf nicht überraschen, dass Rudbeck die für die moderne Sprachwissenschaft so gewichtige Unterscheidung zwischen Phonetik und Phonologie nicht kannte, da die zugrunde liegenden Prinzipien erst durch Saussure implementiert wurden. Dies wird leicht bei der Transkription des Hebräischen ersichtlich. Die hebräischen Plosive b, d, g und ihre stimmlosen Entsprechungen p, t, k hatten in bestimmten Stellungen frikative Allophone, die teilweise mit Diakritika notiert werden. Rudbeck verwendet in seiner Umschrift für frikatives בbeispielsweise teils , teils . Abschließend lässt sich sagen, dass Rudbecks Idee von Lautwandel viel universalistischer war als diejenige eines heutigen historischen Sprachwissenschaftlers. Die angeführten Beispiele aus verschiedenen Sprachen dienten nicht zur Klärung ihres internen Verwandtschaftsverhältnisses bzw. ihrer Sprachgeschichte. Es sind vielmehr Beispiele, die Rudbeck heranzieht, um zu zeigen, was an Lautveränderungen generell möglich ist und was man entsprechend bei der Auffindung hebräisch-göthischer Kognaten zu beachten hatte. Rudbeck begreift Lautwandel demnach nicht als spezi-
Laponia Illustrata, Seite 24 ff. Fasciculus, Seite 5. „Thesaurus Lingvarum Asiæ et Europæ Harmonicus“, Seite 100.
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fisches Lautgesetz, das in der Entwicklung einer Sprache von Belang gewesen war, sondern eher im typologischen Sinne als häufige und somit wahrscheinliche Veränderung in Sprache, die dann prinzipiell jedes hebräische Wort entsprechend permutieren konnte, um in dieser Form in einer anderen Sprache zu erscheinen. Insofern ist Rudbecks Methodik in sich kohärent, da er etwa nicht eine seinen selbst entdeckten Lautanalogien zuwiderlaufende Analogie nennen würde. Zusammenfassend sind die wichtigsten Merkmale von Rudbecks Theorie im Rahmen des Lautwandels: 1. Es wird nicht zwischen Phon und Phonem unterschieden. 2. Laut und Graphem werden zusammen behandelt. 3. Lautwandel ist universell und nicht sprachspezifisch.
3.1.5 Zur Semantik und zum „etymologisierten Raum“ Die auf Permutationserscheinungen beruhenden Analogien, die Rudbeck anführt, sind freilich nicht kontingent. Sie gründen sich auf Ähnlichkeiten der Semantik. Dem rudbeckianischen System liegt dabei eine Art von Wortfeldsystematik zugrunde. So kann, wie wir gesehen haben, ohne weiteres ein amerikanisches Wort für „Stern“, aranck, aus einem hebräischen Wort für „Feuer“, אור, abgeleitet werden⁴⁴⁹. Solche semantischen Entwicklungen können durch eine Vielzahl von Beispielen, etwa aus der Indogermanistik, belegt werden. So liegt lat. lūna „Mond“, wie der Vergleich mit altpreußisch lauxnos „Gestirne“ zeigt, dieselbe uridg. Wurzel für „leuchten“, *leuk-, zugrunde, die wir verbaut auch im deutschen Wort Licht und im griechischen Adjektiv λευκός sehen. Dass offenbar verwandte Worte zweier Sprachen sich in der Semantik unterscheiden, war für Rudbeck wohl augenfällig. So konnte er bei solchen Semantiken teilweise sicher auch auf dänisch-schwedische Vorbilder zurückgreifen. Ein klassisches Beispiel ist etwa schwedisch rolig „lustig“ vs. dänisch rolig „ruhig“. Bei den meisten Sprachen musste Rudbeck sich hierbei auf die ihm vorliegenden Wörterbücher stützen. Im Falle des Hebräischen jedoch war er ein Experte. Gerade für die hebräisch-göthischen Kognaten galt es nicht nur den verschiedenen Bedeutungen des Ausgangswortes gemäß göthische Reflexe aufzuspüren, auch der Kontext eines Wortes in der heiligen Schrift war entscheidend. Im Traktat etwa sind auch die qualifizierenden Adjektive selbst wieder Grundlage für neue Etymologien, so etwa das zusammen mit nachasch stehende Attribut barich ⁴⁵⁰. Wie schon bei Rudbeck dem Älteren sind auch bei Rudbeck dem Jüngeren Toponyme ein zentrales Objekt etymologischer Spekulationen, dafür lassen sich vor allem der Brief an Törner und die Atlantica Illustrata heranziehen. Die spezifische Art und Weise, wie Toponyme etymologisiert und somit aufgeladen werden, möchte ich als „etymologisierten Raum“ bezeichnen. Bei diesem Terminus handelt es sich um die
R 12b (5), Seite 11. R 12b (3), Seite 10 ff.
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ideelle, historisierende Raumnahme unter Zuhilfenahme der Etymologie. Nicht nur die Verwandtschaftsverhältnisse der Sprachen gaben Auskunft über räumliche Gegebenheiten, etwa, wenn die ehemalige Präsenz der Göthen in China durch die Verwandtschaft der Sprachen begründet wird. In den Toponymen eines bestimmten Raumes selbst manifestierten sich seine Geschichte und die Geschichte seiner Bewohner. Freilich unterscheidet sich der Anwendungsbereich beider Rudbecks. Rudbeck dem Älteren ging es darum, die Skythen bzw. Göthen als primordiale Kulturstifter zu stilisieren. Sie waren es, die Troja gegründet hatten, und dies ließ sich anhand phrygischer Toponyme geltend machen. Der Name Trojas selbst war göthisch, auch andere Städtenamen und sogar Hydronyme verwiesen auf die glorreiche, aber ins Vergessen geratene göthische Herkunft. Rudbeck der Jüngere beschreibt den umgekehrten Weg. Es galt zu klären, auf welchem Wege die Finnen, Esten und Samen ins Baltikum gekommen waren. Als Nachfahren der Zehn Verlorenen Stämme verwiesen die Ortsnamen ihrer neuen Heimat auf ihre vormaligen Wohnstätten im Orient. In der Atlantica Illustrata geht Rudbeck der Jüngere noch weiter, indem er nicht nur Ethnonyme, sondern auch Gebiets- und Länderbezeichnungen etymologisiert und sie an die biblische Antike anschließt. Das väterliche Atlantis selbst fand eine hebräische Etymologie, die die postulierte Abkunft von Magog zusätzlich untermauerte. Auch die sagenumwobenen Riphäischen Berge ließen sich durch das Hebräische verstehen. Die orientalische Herkunft der Finnen und Samen wurde nicht zuletzt dadurch begründet, dass die heutigen Ortsnamen Finnlands frappierende Ähnlichkeit mit solchen in Persien hatten. Toponyme, ganz gleich ob es sich um Städtenamen, Flussbezeichnungen oder Ländernamen handelte, wurden im Rudbeckianismus semantisch aufgeladen. Ging es Rudbeck dem Älteren darum, hauptsächlich die Geographie der klassischen Antike zu „skythisieren“, unternahm sein Sohn den Versuch, skandinavische und europäische Ortsnamen zu „hebraisieren“ und somit die hebräische Herkunft der entsprechenden Völker und die Vorrangstellung der Göthen zu legitimieren.
3.1.6 Zur Morphologie Osmo Hormia schreibt über Rudbeck den Älteren: „Andere Kriterien der Sprachverwandtschaft als eine Ähnlichkeit der Lautgestalt oder besser der Schreibform kannte Rudbeck natürlich nicht.“⁴⁵¹. Ähnlich äußert sich auch Lindroth, der Rudbeck im Vergleich zu Stiernhielm veraltete Prinzipien des Sprachvergleichs zuschreibt⁴⁵². Dem muss dezidiert widersprochen werden. Was Rudbecks des Älteren Methodik angeht, mag dies zutreffen. Dass dies aber als „natürlich“ zu verstehen sei und somit auf alle zeitgenössischen Forscher zu übertragen wäre, wird doch gerade durch Martin Fogel
Hormia (1964: 26). Vgl. Lindroth (1975, II: 302).
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widerlegt. Dieser zieht in seinen De Finnicae Linguae Indole Observationes auch morphologische Argumente heran⁴⁵³. Zweifelsohne war dies zu jener Zeit alles andere als üblich. Dennoch würde ich dies im Falle Rudbecks des Älteren nicht seiner spezifischen Methodik zuschreiben, sondern schlicht seinem mangelnden Interesse. Im Folgenden soll nun gezeigt werden, dass sein Sohn jedenfalls durchaus andere Kriterien der Sprachverwandtschaft kannte und auch anwandte. Dies zeigt umso mehr, dass Olof Rudbeck der Jüngere mit Recht ein Sprachforscher genannt werden kann. Wie Klein in seinem Aufsatz gezeigt hat, war die europäische Grammatiktradition, die im Wesentlichen auf der Beschreibung der klassischen Sprachen aufbaute, auf ungewohnte Phänomene in exotischen Sprachen nicht vorbereitet⁴⁵⁴. Im Falle des Hebräischen hatte man jedoch bereits zu Anfang des 16. Jahrhundert den Begriff der Wurzelradikale geprägt, obwohl dieses Phänomen im Griechischen und Lateinischen keine Rolle spielte⁴⁵⁵. Fehlende Kategorien, etwa das Genus im Finnischen, konnten schlichtweg ausgeblendet werden⁴⁵⁶. Sprachwissenschaftliche Überlegungen zur Verwandtschaft der Sprachen konnten also bereits früh komplexere Formen annehmen, als man geneigt wäre zu glauben. Voraussetzung dafür scheint mir jedoch eine genaue Einsicht in die Struktur einer Sprache. Mit den Kenntnissen, die man Rudbeck dem Älteren unterstellen darf, konnte man wohl kaum über schieren Lautvergleich hinauskommen. Wir dürfen davon ausgehen, dass Rudbeck allein schon aufgrund seines theologischen Interesses einen umfassenden Einblick in die Grammatik des Lateinischen, Griechischen und Hebräischen hatte. Entsprechend war er mit den schulgrammatischen Kategorien, die zur Beschreibung bestimmter grammatischer Phänomene benutzt wurden, wohl bestens vertraut. Wie oben und an anderer Stelle bereits angedeutet wurde, spielt Morphologie eine nicht geringe Rolle bei Rudbecks Etymologien. Hier soll nun dargestellt werden, wie man seine morphologischen Argumente bewerten muss.Wie zuvor nehmen wir auch hier den Ausgangspunkt im Specimen, wo er seine Methodik erläutert. Unter Punkt XIX etwa bezieht er klar Stellung zur Einbeziehung grammatischer Erscheinungen, wenn er schreibt: Facili autem negotio istæ a genuinis radicalibus distingvuntur eo ipso, quod certis in casibus, temporibus, aliisque flexionibus evanescant. Quocirca ad errores quosvis evitandos⁴⁵⁷
Rudbeck zeigt hier ein Verständnis für morphophonemische Gegebenheiten von Sprache. Gerade das Hebräische mit seiner Präfixkonjugation oder seiner Derivation mit Hilfe von konsonantischer Affigierung darf Rudbeck als prägnantes Beispiel hierfür gegolten haben. Für ihn gilt der Imperativ des aktiven Verbs im Hebräischen
Dazu Stipa (1990: 142 f.). Vgl. Klein (2001). Vgl. Klein (2001: 44 ff.). Vgl. Klein (2001: 54 ff.). Specimen, Seite 11.
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etwa als Ausgangslage für alle anderen Formationen, also gewissermaßen der originäre, reine Stamm: XX. Tutissimum esse invenio atque certissimum, veram vocum radicem (stabilem quippe minimeque mutationibus obnoxiam) in Imperativo Verbi activi figere. (…). XXI. Sæpe usuvenit, unicum ut verbum pluribus componatur radicibus, quarum proinde quæ minus est fixa littera initialis, in Imperativo abjicitur, quale nobis exemplum subministrat verbum nathan נתן: (…).⁴⁵⁸
Die besondere Stellung des Imperativs, die Rudbeck hier ausmacht, wird typologisch durch das Indogermanische gestützt. Auch hier erscheint der schiere Stamm ohne Flexionsendungen als Imperativ Aktiv der 2. Person Singular. Man rekonstruiert etwa *bhere „trag“ zum thematischen Verbum bheroh2, bheresi usw. Diese Bemerkung Rudbecks zum Hebräischen ist eine scharfsichtige Beobachtung. Die Personalpräfixe des Hebräischen Präsens fehlten im Imperativ, bei dem es sich offenbar um den „reinen“ Stamm handelte. Typisch für Rudbeck ist die Analyse hebräischer Wortformen als Komposita, auch wenn er diesen Terminus selten benutzt. Die Komposition gehört in den Bereich der Wortbildung. Dabei unterscheidet Rudbeck nicht nach verschiedenen Kompositionsformen, die je nach dem syntaktischen Verhältnis, in dem seine Glieder zueinander stehen, bewertet werden können. Es scheint mir, dass es sich vielmehr um Komposita im kabbalistischen Sinne handelt. Diese Methodik bleibt allerdings nicht auf die wenigen, eigentlichen kabbalistischen Etymologien beschränkt, sondern findet sich vor allem auch in den bibelexegetischen Traktaten, etwa demjenigen zu hebr. remes, das ja selbst als Kompositum bewertet wird. Aber bereits im Reisebericht zur Lapplandreise wird ja etwa der Wasserfalls goski, wie oben gezeigt wurde, als Kompositum zweier göthischer Wörter begriffen. Wenn diese Methodik also tatsächlich kabbalistisch war, so ließ sie sich hervorragend auf andere Sprachen als das Hebräische übertragen. Die beiden Teilbereiche der Morphologie sind die Derivation, also Ableitung, und die Flexion. Derivative Gegebenheiten finden insofern Beachtung als Rudbeck sich aus dem reichhaltigen Repertoire hebräischer bzw. semitischer Stammbildungen des Verbums bedient, die – offenbar als eigenständige Kategorien begriffen – göthische Kognaten haben konnten. Überhaupt sind die Wurzelstruktur des hebräischen Verbums und dessen Ableitungen für Rudbecks Etymologien zentral. Oft werden verschieden göthische Wörter von der gleichen hebräischen Wurzel, aber in unterschiedlichen Stammbildungen, abgeleitet. Er schreibt dazu weiter: XXII. Idem de omnibus valet litteris האמנתיוvulgo dictis, quas, cum in confesso sit, non esse radicalibus adnumerandas, iccirco in vocum enucleanda origine, tanquam accessorias atque
Specimen, Seite 11.
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3 Analyse
radicis ad integritatem nihil facientes, prorsus ut plurimum esse prætereundas, patet. Quibus hoc addo præterea: nempe XXIII. Quæcunque litteræ in formis Niphal vel Hiphil intercidunt, neutiquam proprie sunt radicales, quantumvis vulgo tales esse censeantur ut נn & הh. ⁴⁵⁹
Sowohl das Prinzip der Wurzelradikale als auch der hebräischen Stammbildung waren Rudbeck bekannt. Das Hebräische unterscheidet nämlich im Bereich des Verbums mehrere miteinander konkurrierende Stämme, die die verschiedenen Diathesen bzw. Genera Verbi (Aktiv, Medium, Passiv usw.) oder schlicht Aktionsarten ausdrücken. Was im Griechischen und Lateinischen also teilweise durch Personalendungen ausgedrückt wird, man denke an die 1. Pl. lat. -mus vs. -mur, gr. -μεν vs. -μεθα, wird hier ausschließlich an den Verbalstämmen selbst markiert. Wichtige Kategorien der Verbalstämme, auf die auch Rudbeck bisweilen verweist, sind etwa folgende⁴⁶⁰: Das Qal ist die einfachste Form. Beispiel für die dritte Person ist כתבkāṯaḇ „er schrieb“ bzw. יכתבjiḵtoḇ „er schreibt“. Im Arabischen schließt sich hier ﻛﺘﺐkataba „er schrieb“ und ﻳﻜﺘﺐyaktubu „er schreibt“ an. Rudbeck gibt hier meist nur die Wurzelradikale und deren Grundbedeutung an. Das Nifʕal ist das Passiv zu Qal. Es zeichnet sich durch ein Präfix ni- und eine andere Stammvokalisation aus. Auf eine solche Form weist er etwa in der Antlatica Illustrata hin: נפלהniphela „separatus, excellens factus fuit“⁴⁶¹. Das Hiṯpaʕel ist ein Reflexivum. Der Stamm wird hier um eine Vorsilbe hiṯ- erweitert. Es wird als „Hithpael“ von Rudbeck etwa explizit im Traktat über Ham erwähnt: התגלהhithgala „revelatus, apertus, discoopertus est“⁴⁶². Dass Rudbeck diese Gegebenheiten heranzieht, ist ein Indikator für seine Kenntnis der hebräischen Sprache. Auch aus dem Bereich der Flexion werden häufig Argumente herangezogen. So wird ja bereits im veröffentlichten Thesaurus-Traktat von 1716 auf Formantien, wie etwa das Morphem zur Bildung des Imperativs, hingewiesen. Verwandtschaftsverhältnisse ergaben sich somit nicht nur im schieren Vergleich von Lexemen, sondern letztlich auch Morphemen. Während Rudbeck die Verwandtschaft des Finnischen zum Ungarischen nur durch lexikalische Vergleiche zu ergründen sucht, wird später die enge Verbindung bzw. Quasigleichsetzung des Finnischen, Estnischen und Samischen mit dem Hebräischen durch Übereinstimmungen der Grammatik erwiesen. Lassen wir uns auf dieses Gedankenexperiment ein. Vorab muss geklärt werden, welche typologischen Unterschiede zwischen dem Semitischen, dem Schwedischen und Finnougrischen bestehen. Das Finnougrische besitzt kein Genus, die semitischen Sprachen unterscheiden zwischen dem Femininum und dem Maskulinum. Eine Kategorie Neutrum fehlt. Für die ältesten Belege des Nordgermanischen ist eine Trias aus Maskulinum, Femininum Specimen, Seite 11−12. Zu den verschiedenen Stammbildungen des Hebräischen etwa die Grammatik von Lettinga (1962: 80 ff.). Zu den ursemitischen Grundlagen Moscati (1980: 123 ff.). Atlantica Illustrata, Seite 33 ff. „ חם ופורענות חטותאSive CHAMI delictum“, Seite 500.
3.1 Rudbeck als Sprachwissenschaftler
185
und Neutrum zu belegen. Anders sah es in Rudbecks Muttersprache aus. Im modernen Schwedischen und Dänischen ist das Femininum mit dem Maskulinum unter der Kategorie des Utrums zusammengefallen⁴⁶³. Die fu. Sprachen weisen keinen Determinativbegleiter im Sinne eines Artikels auf. Semitische Sprachen zeigen einen Artikel, der im Hebräischen als präponiertes הha-, im Arabischen als präponiertes ﺍﻝalund im Aramäischen als postponiertes א-â erscheint. Germanische Sprachen zeigen allesamt Artikel, jedoch wird dieser im Nordgermanischen ebenfalls postponiert. Man vergleiche schwedisch bilen „das Auto“ oder isl. bílinn id. Das Finnougrische besitzt ein reiches Kasussystem. Das Hebräische hat die Kategorie Kasus im Gegensatz zum klassischen Arabisch vollständig aufgegeben. Das moderne Schwedisch kennt ähnlich wie das Englische nur noch im Bereich des Pronomens eine Kasusmarkierung. Das ältere Schwedische zeigt wie das Isländische vier Fälle. Eine Unterscheidung verschiedener Status wie im Semitischen fehlt im Finnougrischen als auch im Germanischen. Was sind nun die typologischen Gemeinsamkeiten des Finnougrischen mit dem Hebräischen? Sowohl das Hebräische als auch das Finnische und Samische kennen Possessivsuffixe am Substantiv⁴⁶⁴. Im Estnischen ist dieser Marker jedoch verloren gegangen⁴⁶⁵. Es sind gerade diese Possessivsuffixe, die Rudbeck unter Verweis auf Eric Cajanus mit Affixen beschreibt. Es lohnt sich ein Blick auf die tatsächlichen Gegebenheiten. Hier folgt nun ein Vergleich der Possessivsuffixe im Hebräischen, Finnischen und Nordsamischen, wobei zu beachten ist, dass die Kategorie des Duals im Hebräischen und Finnischen fehlt: Hebr. „ ביתHaus“ . Person
ביתי
. Person mask.
ביתך
. Person fem.
ביתך
. Person mask.
ביתו
. Person. fem.
ביתה
. Person plur.
ביתנו
. Person plur. mask.
ביתכם
. Person plur. fem.
ביתכן
. Person plur. mask.
ביתם
Fi. talo „Haus“
Sa. ruoktu „Haus“
taloni
rukton
talosi
ruktot
talonsa
ruoktus
talomme
ruktomet
talonne
ruktodet
talonsa
ruoktuset
Das Schwedische weist noch einige schriftsprachliche, speziell maskuline Formen des Adjektivs auf, vgl. etwa käre vän neben kära vän „lieber Freund“. Eine Standardgrammatik des Finnischen bietet Karlsson (1982). Ein Lehrbuch des Nordsamischen, das auch die Grammatik behandelt, liefert Bartens (1989). Hier treten dafür die alten Genitive des Personalpronomens (minu „mein“, meie „unser“ usw.) ein, oder es wird das Reflexivpronomen (oma „eigen“) verwendet, vgl. Lavotha (1973: 48 f.).
186
3 Analyse
Fortsetzung Hebr. „ ביתHaus“ . Person plur. fem.
Fi. talo „Haus“
Sa. ruoktu „Haus“
ביתן
. Person dual
–
–
ruktome
. Person dual
–
–
ruktode
. Person dual
–
–
ruoktuska
Es ist durchaus bemerkenswert, in welchem Umfang Rudbeck typologische Gegebenheiten in Betracht zieht. Die heutige historisch-vergleichende Sprachwissenschaft hat ein angespanntes Verhältnis zur Typologie. Schaut man sich das moderne Armenische an, so hat sich offenbar ein Wandel von einer flektierenden Sprache zu einer eher agglutinierenden Sprache vollzogen, wie sie für dieses Areal typisch ist⁴⁶⁶. Überhaupt hat der Begriff der Arealtypologie an Gewicht zugenommen, da sich typologische Merkmale offenbar häufig in einem linguistischen Areal ausbreiten, selbst wenn die Sprachen nicht verwandt sind. Andererseits werden typologische Übereinstimmungen nach wie vor zur Begründung einer Sprachverwandtschaft herangezogen, sofern diese gemeinsame Innovationen darstellen. So zeigen die finnougrischen Sprachen etwa bestimmte Merkmale: Vokalharmonie, umfangreiches Kasussystem, kein grammatisches Genus. Insofern ist es durchaus bemerkenswert, dass Rudbeck der Jüngere solche Kriterien berücksichtigt. Es lässt sich somit nicht nur ein umfangreiches, wenn auch durch den Rudbeckianismus getrübtes Wissen über Sprache erkennen, sondern auch ein intrinsisches Interesse an sprachlichen Strukturen.
3.1.7 Rudbecks Systematik Bei aller Idiosynkrasie Rudbecks der Jüngeren bleibt seine Form der Sprachwissenschaft typisch Barock. Sein Universalismus knüpft insgesamt doch mehr an die ihm vorausgegangene Generation Sprachkundiger an, als dass er dem Sprachverständnis der kritischen Geister, etwa Johan Ihre, zuarbeitet. Auch ein Bengt Skytte hatte ja beispielsweise an einem polyglotten Wörterbuch gearbeitet und sich somit einem gemeineuropäischen Trend angeschlossen. Bestimmte Diskurse, etwa zur Stellung der Runen, werden von Rudbeck jedoch ausgeblendet. Er schafft es, seinen Werken durch seine typische Synthese aus Gotizismus und Orthodoxie eine eigene Färbung zu geben. Wie in den untersuchten Einzelwerken deutlich wurde, ist Rudbecks Methodik als ein spezifisches etymologisches Verfahren zu sehen, dass sich aus der Kombination „sprachwissenschaftlicher“ Prinzipien und exegetischer Herangehensweise zusam-
Einen kontrastiven Vergleich des Alt- und Neuarmenischen stellt Matzinger (2005) dar.
3.1 Rudbeck als Sprachwissenschaftler
187
mensetzt. Dabei stehen diese beiden methodischen Ansätze in einem allelopoietischen Verhältnis zusammen⁴⁶⁷. Die sprachtheoretische Prämisse, die Verwandtschaft des Schwedischen mit dem Hebräischen, ließ dem Schwedischen die Funktion einer Hilfssprache zukommen, mit deren Hilfe Fragen bibelexegetischer Natur geklärt werden konnten. Hier übernimmt die Sprachtheorie die Schlüsselfunktion zur Klärung bzw. Neuinterpretation von Bibelstellen. Auf der anderen Seite dienen die exegetischen Theorien gerade der Untermauerung der Primordialität des Schwedischen und somit des verwandtschaftlichen Verhältnisses zu anderen Sprachen. Hier bestätigt die Bibelexegese die Sprachtheorie. Einige der Topoi, die für Rudbeck den Jüngeren so kennzeichnend sind, finden ihre Grundlage bereits bei Rudbeck dem Älteren. Dazu gehört das Interesse am Finnougrischen. Auch die Stellung der Ortsnamen, d. h. der „etymologisierte Raum“, findet sich bei Vater und Sohn, allerdings in einem unterschiedlichen Referenzrahmen. Auch die spezifisch rudbeckianische Interpretatio Christiana und die Verwendung des Schwedischen als Hilfssprache finden sich in der Atlantica und später bei Olof Rudbeck dem Jüngeren. Bei einem Abgleich der Methodik des Sohnes mit derjenigen des Vaters, ergeben sich zumindest für die Sprachtheorie folgende Gemeinsamkeiten: I. Das Göthische ist sowohl beim Vater als auch beim Sohn ein Amalgam aus Schwedisch (Alt- und Neuschwedisch), dem eigentlichen Gotischen aus der Wulfila-Bibel, der Sprache der Runen und den altisländischen Quellen. Es darf davon ausgegangen werden, dass Rudbeck der Jüngere dies von seinem Vater übernommen hat. II. Die Methodik, ein erstelltes Korpus fremdsprachlicher Wörter zu etymologisieren, findet sich bei Rudbeck dem Älteren als auch bei seinem Sohn. Beispiele sind die phrygisch-schwedische und die phönizisch-schwedische Wortliste bei Olof Rudbeck dem Älteren, die sicherlich einen Einfluss auf die Methodik des Jüngeren hatten. III. Beide messen den Vokalen eine untergeordnete Rolle zu, Konsonanten hingegen zeichnen sich durch ihre Permutationsfähigkeit aus. Somit liegt den zitierten Analogien eine in sich konsistente Systematik zugrunde. IV. Beide grenzen die Orthografie und deren phonetische Realisation nicht voneinander ab. Dies führt dazu, dass Permutationen auch dort aufgedeckt werden, wo es sich nur um unterschiedliche „Buchstaben“ handelt. Beträchtliche Unterschiede zwischen den beiden Gelehrten zeigen mitunter, dass Rudbeck der Jüngere durchaus ein intrinsisches Interesse an Sprache hatte. Generell ist die Auswahl an Sprachmaterial bei ihm deutlich größer. Hatte sich Rudbeck der Ältere weitestgehend auf europäische Sprachen, vor allem die klassischen, beschränkt, operiert sein Sohn nicht nur mit einer Bandbreite orientalischer Sprachen,
In der Terminologie des SFB 644 bezeichnet die „Allelopoiese“ eine wechselseitige Transformation des Aufnahme- und Referenzrahmens.
188
3 Analyse
sondern zitiert in großem Maße fernöstliches und sogar amerikanisches Sprachmaterial. Von der Taxonomie bestimmter Sprachen als Haupt- und Mischsprachen ist keine Rede mehr, was sich wohl daraus erklärt, dass das orthodoxe Postulat des Hebräischen als ältester Sprache der Welt eine solche Einteilung überfällig machte. Auch wenn sich das göthische bzw. skythische Sprachmaterial sowohl bei Rudbeck dem Jüngeren als auch bei seinem Vater aus eddischem, runischem, gotischem und schwedischem Material zusammensetzt, war es nicht mehr nötig die Stellung des Göthischen als Hauptsprache herauszustellen. Es war die Anknüpfung an das Hebräische, die ihm seine Primordialität vor den übrigen Sprachen sichern sollte. Das Runenalphabet selbst spielt bei Rudbeck dem Jüngeren kaum eine Rolle, obwohl runisch-göthisches Material herangezogen wird. Die Genese der Runenschrift bzw. ihr Status als primordiales Alphabet, das etwa dem griechischen Alphabet zugrunde lag, ist somit nicht Gegenstand seiner Ausführungen. Als wissenschaftshistorisch wichtigstes Unterscheidungskriterium scheint mir die Referenz auf morphologische Gegebenheiten, die bei Rudbeck dem Älteren keine Rolle spielt. Natürlich muss man bei Vater und Sohn von einer gegenseitigen Beeinflussung ausgehen, wie auch Agrell geltend macht⁴⁶⁸. Dass Rudbeck der Jüngere den Vater mit Wortmaterial etwa für die versorgte, muss in der Tat als wahrscheinlich gelten. Die Frage, welche Rolle Rudbeck der Jüngere in der Geschichte der Linguistik einnehmen kann, ist nicht leicht zu beantworten. Verweise auf Rudbeck den Älteren finden sich bisweilen⁴⁶⁹. Rudbeck der Jüngere fehlt in den meisten Darstellungen zur Geschichte der Linguistik, sofern sie nicht explizit die schwedische oder skandinavische Linguistik behandeln⁴⁷⁰. Die Leistungen Rudbecks des Jüngeren und seine Idiosynkrasie messen sich meiner Ansicht nach weniger an der Methodik, sondern an der Auswahl des Sprachmaterials. Weder die Aufdeckung bestimmter Permutationen, noch die Art der Etymologien sind gesamteuropäisch ein Alleinstellungsmerkmal. Rudbeck der Jüngere hat somit keinen Beitrag zur Genese einer historisch-vergleichenden Sprachwissenschaft mit ihrem teleologischen Selbstverständnis erbracht. Dies bedeutet jedoch nicht, dass dies seinem Status als Sprachkundigem seiner Zeit einen Abbruch tun darf. Rudbeck der Jüngere war ein scharfsichtiger Beobachter sprachlicher Gegebenheiten und vor allem sprachlicher Veränderungen. Dass seine Erkenntnisse angesichts der – aus heutiger Sicht – „falschen“ Prämisse einer schwedischen-hebräischen Verwandtschaft wissenschaftshistorisch ins Leere laufen sollten, darf nicht darüber hinwegtäuschen, dass sie innerhalb des Gotizismus, vor allem aber des Rudbeckianismus eine Berechtigung hatten. Mit derselben Methodik, die Rudbeck anwendet, dem schieren Ansammeln von Wortmaterial verschiedenster Sprachen, sollten in der Zukunft die ersten Grundpfeiler der Sprachwissenschaft gelegt werden. Auch die ersten Indogermanisten mussten
Agrell (1955: 112). Etwa bei Metcalf (1974: 249 ff.). Agrell (1955: 119 ff.) und kurz Hovdhaugen (2000: 73 f.) und ders. (2001: 1126).
3.2 Rudbeck und die Orientalistik
189
sich auf schiere Beobachtungen stützen; die daraus zu abstrahierenden Verwandtschaftsverhältnisse waren noch kontingent. Noch heute wird ein Feldforscher etwa einer unbekannten Papua-Sprache auf vergleichbare Weise beginnen, um ihr Verwandtschaftsverhältnis zu klären. Die Typologie, die Rudbeck im Brief an Törner bemüht, ist heute noch im methodischen Repertoire allgemeiner Sprachwissenschaftler, die bestimmte morphosyntaktische Gegebenheiten aufdecken und sie wie im Falle des WALS (World Atlas of Language Structures) geographisch verorten⁴⁷¹. In der Geschichte der Linguistik sollte Rudbeck allein deshalb einen Platz einnehmen, weil man an seinem Beispiel demonstrieren kann, womit sich der Sprachkundige seiner Zeit beschäftigt hatte und wie er unabhängig vom Rahmen seine Erkenntnisse erlangen konnte, um sie dann fruchtbar zu machen.
3.2 Rudbeck und die Orientalistik Hat Rudbeck in der Frühphase seines Schaffens noch etymologische Mythenexegese betrieben und es somit methodisch seinem Vater gleichgetan, rückt mit der Zeit immer mehr die Bibelexegese in den Vordergrund. Wie oben gezeigt wurde, gehört die Anknüpfung des Göthischen an das biblische Hebräische zu Rudbecks Kernanliegen. Bibelstellen stützen seine Etymologien und dienen argumentativ der Untermauerung der engen Verbindung des Schwedischen zum Hebräischen und zur Rekonstruktion des Göthischen, so etwa in der Atlantica Illustrata. Ganz im Sinne der Transformationstheorie ist es umgekehrt aber auch das Schwedische bzw. Göthische, das zur Erklärung opaker Bibelstellen herangezogen wird. Es handelt sich hierbei um eine besondere Form der Allelopoiese. Hier soll der Fokus nun kurz auf eben jene Bibelexegese gerichtet werden, also der rückgewandten Transformation. Dabei stellt sich die Frage, welche Rolle Rudbeck innerhalb der schwedischen Orientalistik einnehmen kann. Auch wenn der Begriff „semitisch“ erst in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts durch August Ludwig von Schlözer (1735 – 1809) geprägt wurde, war die Verwandtschaft der semitischen Sprachen – wenngleich gewiss nicht nach heutigem Verständnis – bereits lange zuvor bekannt⁴⁷². Dem Kenner der semitischen Sprachen ist dies leicht verständlich. Hierzu gilt es nur einen Vergleich der Ebenen anzustellen. Es verhält sich nämlich so, dass die Unterschiede der einzelnen semitischen Sprachen zu einander so marginal sind, dass sie eher an eine dialektale Varianz denken lassen. Alle semitischen Sprachen teilen strukturelle Merkmale. So setzen sich Verben generell aus drei Wurzelkonsonanten zusammen. Weitere typologische Charakteristika sind etwa das Vorkommen von Possessivsuffixen und die Unterscheidung zweier Genera im Nominal- und Verbalbereich. Die semitischen Sprachen nehmen im
Online ersichtlich unter http://wals.info/. Vgl. Bußman (2008: 621) unter dem Stichwort „Semitische Sprachen“.
190
3 Analyse
Vergleich zu den indogermanischen Sprachen eher die Ebene der slawischen Sprachen ein, die mit Ausnahme des Bulgarischen, ebenfalls recht homogen sind. Im Schweden des 17. und 18. Jahrhunderts gab es ein reges Interesse für die orientalischen Sprachen und Kulturen⁴⁷³. Der Protestantismus hat maßgeblichen Anteil an der Entstehung einer schwedischen Orientalistik, da er naturgemäß eine intensive Beschäftigung mit der hebräischen Sprache, aber auch dem Biblisch-Aramäischen, Syrischen, Äthiopischen und nicht zuletzt Koptischen befördert hatte. Als wichtigste Figur der schwedischen Theologie muss Laurentius Petri (1499 – 1573) genannt werden, der als erster Reformator Schwedens ein leidenschaftlicher Befürworter der ersten, vollständigen Bibelübersetzung war, die im Jahre 1541 veröffentlicht wurde. Laurentius Petri wurde als erster Bischof Uppsalas von Laurentius Petri Gothus (1529 – 1579) abgelöst, der nicht minder bedeutsam ist. Gothus hatte sich in der Mitte des 16. Jahrhunderts in Wittenberg aufgehalten, wo er ein Schüler Melanchthons war. Als zweiter lutherischer Erzbischof von Uppsala war er einer der frühesten Apologeten des Protestantismus in Schweden. Bekannt ist er des Weiteren für seine lateinische Dichtung. Naturgemäß wurde die Vermittlung der hebräischen Sprache anfänglich von der Theologie übernommen. Am Anfang des 17. Jahrhunderts wurde jedoch ein eigener Lehrstuhl für die hebräische Sprache eingerichtet. So hatte Rudbecks Großvater Johannes Rudbeckius (1581– 1646) zuerst eine Professur für Hebräisch inne, dann aber seit 1611 den Lehrstuhl für Theologie.Wie oben bereits angerissen wurde, ist der bedeutsame, spätere Bischof von Västerås, klar in der Orthodoxie zu verorten⁴⁷⁴. Er stand für das Primat des Hebräischen vor allen anderen Sprachen. Dass im Schweden der Großmachtzeit nicht nur die christlichen Literatursprachen studiert wurden, sondern auch das Persische, Arabische und Türkische, zeigt etwa eine arabische Grammatik des Mediziners Petrus Kirstenius (1577– 1640) aus dem Jahre 1608. Das große Interesse an den Sprachen des Nahen und Fernen Ostens führte in der Mitte des 17. Jahrhunderts zur Umwandlung des Lehrstuhls für Hebräisch in einen für orientalische Sprachen allgemein. Ein früher Repräsentant der schwedischen Orientalistik war etwa Gustaf Peringer Lillieblad (1651– 1710), der 1681 als Professor für orientalische Sprachen eingesetzt wurde und sich nicht nur dem Äthiopischen, sondern auch dem Arabischen widmete. Die folgenden Jahre der Stormaktstid brachte eine ganze Reihe gewichtiger Orientalisten hervor. Ich stütze mich im Folgenden auf die einschlägige Literatur zu Geschichte der schwedischen Orientalistik. Eine solide, aber veraltete Übersicht über die Orientalistik im Schweden der Neuzeit bietet Nylander (1889), in der auch Rudbeck Erwähnung findet. Des Weiteren sind Annerstedt (1909, II, 2: 290 ff.) und Lindroth (1975, II: 220 ff.) zu nennen, die auch die wesentlichen Lehrstuhlinhaber für orientalische Sprachen vorstellen. Auch Frängsmyr (2000: 120 ff.) gibt eine geraffte Übersicht der Grundzüge der schwedischen Orientalistik. Schoeps (1952) legt den Schwerpunkt auf den Philosemitismus und die zahlreichen Reiseberichte schwedischer Gelehrter. Die verschiedenen und miteinander konkurrierenden philosophischen Paradigmata, der Cartesianismus, der Paracelsismus und der Aristotelismus, werden in Roling (2006), Roling (2008) und ders. (2009) untersucht. Zur Theologie des Johannes Rudbeckius, insbesondere seinen Vorlesungen zur Dogmatik, Hägglund (2003).
3.2 Rudbeck und die Orientalistik
191
Als „den förnämste orientalisten“ des 17. Jahrhunderts wird bei Nylander Johannes Palmroth (1659 – 1727) gehandelt, der durch sein immenses Wissen um morgenländische Sprachen und Literaturen gerühmt wurde und als Nachfolger Peringers seit 1696 den Lehrstuhl für orientalische Sprachen bekleidete⁴⁷⁵. Er hatte selbst 1685 eine Historia linguae sanctae verfasst, und war während seiner Professur für eine Vielzahl akademischer Abhandlungen über die hebräische Sprache verantwortlich. Doch es ist vor allem sein Grammaticae Hebraeae Compendium aus dem Jahre 1699, die ihn für die Orientalistik bedeutsam macht. Im Jahre 1703 wurde Daniel Lundius (1666 – 1747), der spätere Bischof von Strängnäs, als linguarum orientalis professor ordiniert. Seine Codex Talmudicus de jejunio von 1694 ist ein Beispiel für das nicht minder große Interesse der schwedischen Gelehrsamkeit an der jüdischen Tradition. Über den mit Rudbeck verschwägerten Michael Enemann wurde zuvor bereits gehandelt. Er war unter anderem ein Schüler Palmroots und hatte 1703 zwei Disputation, de sepulcris veterum und de sepulcro Christi, hervorgebracht. Auch in seinen Briefen an Rudbeck während seiner Reise in den Orient werden sein orientalistisches Interesse und seine Expertise deutlich. Zwei Schlagworte sind in besonderem Maße wichtig für die schwedische Orientalistik: die Veritas hebraica und die Cabala Christiana. Der in Schweden so prominente Paracelsismus hatte die Suche nach einer hebräischen Urtradition maßgeblich befördert⁴⁷⁶. Dies wird vor allem bei Johannes Bureus mit seiner Philosophia hebraeorum antiquissima und seiner Adulruna Rediviva deutlich⁴⁷⁷. Die Arbeiten Bureus fanden die Veritas Hebraica im eigenen Land und verbanden somit den orientalischen, vor allem hebräischen Kulturraum mit dem nordischen, insbesondere schwedischen. Wurde Bureus oben bereits als wesentlicher Vertreter des Gotizismus gehandelt, so darf er seinen Platz in der Orientalistik jedoch vor allem wegen seiner Synthese von Kabbalistik und Gotizismus einnehmen⁴⁷⁸. Der Mystiker Bureus wurde, wie Lindroth schreibt, dabei von der schwedischen Orthodoxie durchaus kritisch beäugelt⁴⁷⁹. Die Immigration des Rabbi Johan Kemper, der sich als Konvertit um eine christliche Kabbalistik bemühte, darf sicherlich als starkes Movens der Cabala Christiana innerhalb der schwedischen Orientalistik gewertet werden. Kemper, war unter seinem eigentlichen Namen Moses ben Ahron ein Anhänger Sabbatai Zevis gewesen, bevor er sich dem Christentum zuwandte und seitdem die in Schweden prominente Cabala
Nylander (1889: 201 ff.). Zum Paracelsismus in Schweden Lindroth (1943), Roling (2008) und Roling (2009). Eine detaillierte Übersicht über die philosophischen Strömungen an den schwedischen und finnischen Universitäten allgemein und die maßgeblichen Vertreter der mystischen Naturphilosophie bei Ueberweg (2001: 1227– 1245). Vgl. Roling (2008: 192– 198). Zu Bureus Kabbalistik vor allem Åkerman (1994) und Karlsson (2005). Lindroth (1975, II: 156).
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3 Analyse
Christiana verkörperte⁴⁸⁰. In Kempers Gefolge ist ein weiterer Orientalist zu nennen, Andreas Norrelius (1679 – 1749), der als sein Übersetzer wirksam war. Norrelius schrieb auch die Prolegomena zu Norrelius Phosphorus orthodoxae fidei aus dem Jahre 1720. Vor allem hatte Kemper sich jedoch um die Herausgabe der Texte Philos von Alexandria und des Josephus bemüht⁴⁸¹. Neben diesen beiden Paradigmata war auch die biblische Flora und Fauna im universitären Diskurs jener Zeit präsent. Bekanntermaßen hatte sich der Naturforscher Samuel Bochart auf Einladung Christines von Schweden einige Zeit in Stockholm aufgehalten⁴⁸². Auch schwedische Orientalisten zeigten ein Interesse an naturwissenschaftlichen Fragestellungen. So gab es mit Olof Celsius dem Älteren und seinem Hierobotanicum von 1745 auch einen wesentlichen Vertreter der biblischen Naturkunde. Bereits 1690 hatte er in seiner Dissertatio philosophica de natura ein zoologisches Interesse gezeigt, bevor er sich zunächst verstärkt der Runenkunde widmete. Vor dem Hintergrund dieser Stränge ist die enorme Bandbreite an Affiliationen in den Werken Rudbecks des Jüngeren Werken zu verstehen.
3.2.1 Von fliegenden Fischen, Purpurschnecken und der Schlange Rudbeck der Jüngere ist ein Repräsentant aller drei genannten Richtungen. Die Suche nach der Veritas hebraica ist in seinen gesamten Werken omnipräsent. Nirgendwo wird dies deutlicher als im Brief an Törner, in dem die Zehn Verlorenen Stämme nach Skandinavien verlagert werden. Ebenso gibt es eine klare Ausrichtung auf die biblische Naturkunde. Bei Rudbeck wird diese primär in den beiden Teilen der Ichthyologia Bibiblica betrieben, aber auch im Specimen. Primär exegetischer Natur sind ebenfalls die oben behandelten Aufsätze in den Acta Literaria Sveciae und die unveröffentlichten Manuskripte , und . Darüber hinaus waren ja, wie Rudbeck in der 1721 veröffentlichten Probe des Thesaurus andeutet, kleinere Traktate geplant. All diesen Werken ist die Verwendung des Schwedischen als Hilfssprache gemein. Diese Stellung konnte sonst eher das Arabische für sich verbuchen. Es wird der Versuch unternommen, gotizistische Gegenentwürfe zu den herkömmlichen Bibelinterpretationen zu bieten oder aber wie im Falle der bestehenden Interpretation mit Hilfe des Schwedischen zu untermauern. Dabei wird keinesfalls das Hebräische selbst angetastet, sondern immer nur die vermeintlich irregeleitete Interpretation desselbigen. Rudbeck kannte vorausgegangene schwedische und europäische Diskurse. So greift er in der Ichthyologia Biblica durchaus die Interpretationen eines Hiob Ludolf oder Christian Benedikt Michaelis auf, bevor er dann unter Zuhilfenahme der Ety Zum Leben und Werk Kempers Schoeps (1952: 92– 115). Allgemein zur christlichen Kabbalah außerhalb Schwedens insbesondere Roling (2007) und Roling (2008). Vgl. Roling (2008: 197). Vgl. zu Bocharts Lebensweg Shalev (2012: 150 ff.).
3.2 Rudbeck und die Orientalistik
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mologie eine alternative Deutung anbietet, die sich durch das Schwedische viel mehr dem hebräischen Originaltext annähern konnte. Nicht um Heuschrecken hatte es sich im Falle der selav gehandelt, sondern um fliegende Fische. Beim borith handelte es sich um Purpur, der gleichen Farbe, die auch Jesu Blut gehabt hatte.Wie im Thesaurus deutlich wurde, waren noch weitere bibelexegetische Arbeiten geplant, die aber teilweise nie veröffentlicht wurden. Ein Blick auf Rudbecks autobiografische Anmerkungen gibt einen Hinweis darauf, was es damit auf sich haben sollte⁴⁸³. Der im Thesaurus genannte Traktat „ שועיםSchualim sive de Vulpibus Simsonis“ (4) sollte sich wohl dem Wort schualim widmen. Man vergleiche dazu Ri 15,4– 5: ב֖ות ַבּ ָֽתּ ֶוְך׃ ֹ אות שׁוָּעִ֑לים ַו ִיּ ַ ֣קּח ַל ִפּ ִ֗דים ַו ֶ֤יֶּפן ָז ָנ֙ב ֶאל־ ָז ָ֔נב ַו ָ֨יּ ֶשׂם ַל ִ֥פּיד ֶאָ֛חד ֵבּין־ ְשׁ ֵ֥ני ַה ְזּ ָנ ֹ ֣ שׁון ַו ִיְּל ֖ ֹכּד ְשׁל ֹשׁ־ֵמ ֹ ֔ ַו ֵ֣יֶּלְך ִשְׁמ מות ְפִּל ְשׁ ִ֑תּים ַו ַיְּבֵ֛ער ִמ ָגּ ִ֥דישׁ ְוַעד־ָקָ֖מה ְוַעד־ ֥ ֶכּ ֶרם ָֽזיִת׃ ֹ ֣ ַו ַיְּבֶער־ֵא ֙שׁ ַבּ ַלּ ִפּי ִ֔דים ַו ְי ַשׁ ַ֖לּח ְבָּק Und Simson ging hin und fing dreihundert Füchse, nahm Fackeln und kehrte je einen Schwanz zum andern und tat eine Fackel je zwischen zwei Schwänze und zündete die Fackeln an und ließ die Füchse in das Korn der Philister laufen und zündete so die Garben samt dem stehenden Korn an und Weinberge und Ölbäume.
Rudbeck wollte zeigen, dass es sich bei diesen „Füchsen“ selbst um Fackeln gehandelt hatte, mit denen er die Felder der Philister in Brand gesteckt hatte. Ebenfalls nicht veröffentlicht wurde „ אבו הפוךæben hapuk“ (6). Rudbeck verwarf die klassische Interpretation von æben hapuk als Antimonium oder Stibium und wollte beweisen, dass es sich um Bernstein gehandelt hatte. Es liegt auf der Hand, dass es sich hierbei um eine Nordifizierung hätte handeln sollen, denn der Bernstein war natürlich für den Ostseeraum höchst bedeutsam. Zuletzt muss noch „de nominibus Josephi אברךAbrek & פענחPaneach“ (7) genannt werden. Behandelt werden sollten also die beiden Namen Abrek und (Zafenat) Paneach, die Joseph laut Gen 41,43 und Gen 41,45 in Ägypten erhält: אֹ֔תו ַ ֖על ָכּל־ֶ֥א ֶרץ ִמְצ ָֽריִם׃ ֹ ת֣ון ֹ תו ְבִּמ ְר ֶ֤כֶּבת ַה ִמּ ְשׁ ֶנ֙ה ֲא ֶשׁר־ ֔ל ֹו ַו ִיְּק ְר֥אוּ ְלָפָ֖ניו ַאְב ֵ֑רְך ְו ָנ ֹ֗ א ֹ ַו ַיּ ְר ֵ֣כּב und ließ ihn auf seinem zweiten Wagen fahren und ließ vor ihm her ausrufen: Der ist des Landes Vater! Und setzte ihn über ganz Ägyptenland. אן ְלִא ָ֑שּׁה ַו ֵיֵּ֥צא י ֹו ֵ֖סף ַעל־ֶ֥א ֶרץ ִמְצ ָֽריִם׃ ֹ ֖ פּוִטי ֶ֛פ ַרע ֹכֵּ֥הן ֹ֥ ח ַו ִיּ ֶתּן־ ֣ל ֹו ֶאת־ ָֽאְס ַ֗נת ַבּת־ ֒ ַ ַו ִיְּק ָ֨רא ַפ ְר ֣עֹה ֵשׁם־י ֹוֵס֮ף ָֽצְפ ַ֣נת ַפְּע ֵנ Und er nannte ihn Zafenat-Paneach und gab ihm zur Frau Asenat, die Tochter Potiferas, des Priesters zu On.
Es wird nicht klar, welche Etymologie Rudbeck für diese Namen heranziehen wollte. Sicherlich sollte das Schwedische hier als Basis dienen. Beim ersten Namen, der eindeutig das hebräische Wort für „Vater“ beinhaltet, darf man die unter diesem Lemma im Thesaurus angeführten Etymologien erwarten. Darüber hinaus war laut den autobiografischen Anmerkungen noch eine Veröffentlichung zum griechischen Siehe Grape (1917: 29 ff.).
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3 Analyse
Ausdruck ὰββα ὁ πατὴρ bzw. abba käre fader geplant, den er als „hielp fader“ („hilf Vater“) übersetzten wollte⁴⁸⁴. Hier können wir nur spekulieren, wie Rudbeck diese Interpretation begründen wollte und welchem Zweck sie diente. Das Schwedische wäre wohl wieder die Hilfssprache, hier zum Verständnis des Griechischen, gewesen. Wollte Rudbeck das ὰββα als Reflex des schwedischen Verbums hjälpa „helfen“ deuten? Doch auch die Cabala Christiana ist in einigen von Rudbecks Werken Gegenstand seiner Untersuchung. Sowohl Kemper als auch Norrelius tauchen im Vorwort zur Laponia Illustrata als auch im Traktat über Schaddai und Metatron auf. Das einzige rein kabbalistische Werk Rudbecks ist dieser Traktat. Rudbeck wird die vorgeschlagenen Interpretationen von Kemper und Norrelius übernommen haben. Sein eigener Anteil daran dürfte die Untermauerung mit Hilfe göthischer Kognaten sein. Die Trennlinie zwischen Kabbalistik und Theologie ist bisweilen nicht scharf zu ziehen. Auch im ersten Band der Ichthyologia Biblica, dessen Fragstellung primär bibelexegetisch war, taucht – scheinbar losgelöst von der Thematik – bei der Besprechung der einzelnen Wörter der Bibelstelle eine kabbalistisch interessante Behandlung des Gottesnamens Jehova auf. Anhand hebräischer Terminologie wird dieser argumentativ als „nomen proprium“ המיוחר שם, „nomen explicatum & expositum“ שם המפורund als „nomen quatuor literarum“ שם של ארבע אותיות, oder „nomen filies quatuor literarum“ = שם בן ארבע ותיותdurchleuchtet. Vor allem die im Folgenden angewandte Methodik des Segmentierens ist kabbalistisch, aber auch nicht unüblich für Rudbecks sonstige Methodik, wo ja bisweilen Wörter in ein hypothetisches Hinter- und Vorderglied eines Kompositums aufgegliedert werden. Hier jedoch beginnt Rudbeck mit dem ersten Buchstaben des Names, ( יJod). Die folgende Anbindung an „lingva nostra Runica“ lässt dann stark an Bureus denken. Anschließend werden dafür dann multiple, göthische Etymologien gegeben. Das Wort ja- bzw. jo im Göthischen – hieß ja gerade „deus“, dem, so scheint Rudbeck implizieren zu wollen, auch der finnische Gott Jumala entsprach. Eine christliche Umdeutung wird dann auf Seite 22 vorgenommen. Insgesamt umfasst dieser Traktat 14 Seiten. Kabbalistisch und wohl an Bureus anknüpfend ist die Behandlung des Buchstabens Tau im Specimen ⁴⁸⁵. Es handelt sich um diejenige Interpretatio Christiana, die im Zusammenhang mit chinesischem ta induziert wird. Es geht konkret um hebräisches תוthu, welches nach seiner Interpretation „dicitur esse Crux“, wofür er mehrere Argumente anführt. (1) Die Figur des Buchstabens ת, die bei den Samaritanern einem Kreuz nahekam, konnte an ein chinesisches Zeichen, das xě ausgesprochen werde und ein Kreuz bezeichne, angebunden werden. Rudbeck schreibt hierfür ein Kreuz, sicherlich ist aber das Zeichen十 gemeint. An den hebräischen Buchstaben band sich auch göthisches ᛏ an. Es handelt sich natürlich um den Buchstaben des runischen Alphabets. Auch der Name des hebräischen Buchstabens sprach für eine Interpretatio Christiana, denn im alten Gallischen gab es tau /
Grape (1917: 29) unter Punkt 35. Specimen, Seite 52– 60.
3.2 Rudbeck und die Orientalistik
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thau „crux“, wie aus den Vergil zugeschriebenen Priapea hervorging. Diesem wiederum entsprach eine kreuzförmige „furca“ im Göthischen. (3) Auch Hieronymus hatte schon das תmit dem Kreuz erklärt. Der griechische Buchstabe θ bzw. Θ, der natürlich gerade nicht dem hebräischen תentspricht⁴⁸⁶, konnte als Anlaut des Wortes für Tod, θάνατον, ebenfalls eine tiefere Bedeutung erhalten. Hieran zeigt sich deutlich, wie gemäß kabbalistischer Methodik in Kombination mit Rudbecks idiosynkratischem Vorgehen ein einzelner hebräischer Buchstabe, wie oben das Jod, eine zusätzliche, in diesem Fall christliche, Bedeutungsdimension erhalten konnte. Sowohl für die Kabbalistik als auch für die Bibelexegese muss Rudbecks Bedeutung insgesamt gering eingeschätzt werden⁴⁸⁷. Zwar hatte er mit seinem Großvater Johannes Rudbeckius einen prominenten Vertreter der schwedischen Theologie in der Familie, doch war er selbst in erster Linie Naturwissenschaftler. So überrascht es nicht, dass mit wenigen Ausnahmen diejenigen Traktate, in denen bibelexegetische Spekulationen vorgenommen werden, einen deutlichen naturwissenschaftlichen Impetus aufweisen. In den beiden großen Werken, den beiden Teilen der Ichthyologia Biblica, ist die Fragestellung durchaus naturwissenschaftlich zu werten. Es geht um eine Neuinterpretation der vermeintlichen „Wachteln“ und der „Seife“, beides Topoi, die ihn als Naturwissenschaftler interessierten. Ähnliches trifft für die Interpretation der „Heuschrecken“ zu. Allerdings hat die Kabbalistik wohl einen nicht unwesentlichen Teil zu Rudbecks Methodik beigetragen, denn wie oben bereits erwähnt wurde, scheint seine häufig vorgenommene Segmentierung hebräischer Wörter durch kabbalistische Methodiken beeinflusst worden zu sein. Auch Schoeps geht davon aus, dass Rudbecks „phantastische Sprachtheorien“ durch Kemper, also einem zeitgenössischen namhaften Kabbalisten, beeinflusst worden seien⁴⁸⁸. Auch bei Rudbeck ist die Verwandtschaft etwa des Arabischen oder Syrischen mit dem Hebräischen eine nicht hinterfragte Grundannahme. Verständlicherweise kann er sich nicht zu deren genauem Verwandtschaftsverhältnis etwa im Sinne eines Stammbaumes äußern, zumal das Hebräische ja ohnehin die Rolle der Ursprache einnehmen musste. Man gewinnt den Eindruck, dass er diese beiden Sprachen, die ja so oft herangezogen werden, allenfalls als dialektale Varianten wahrnimmt. Dies lässt sich bereits daran erkennen, dass das Arabische stets mit hebräischer Schrift wiedergegeben wird, obwohl Rudbeck, etwa durch Meninski, mit der arabischen Schrift vertraut gewesen sein muss. Gleiches gilt für diejenige Variante des Aramäischen, die wir genau wie Rudbeck als Syrisch bezeichnen. Auch hier wird die genuine Schrift, das Estrangela-Alphabet,
Gemäß der Herkunft aus dem phönizischen Alphabet entspricht τ dem hebräischen ת. Theta, θ, ist das Äquivalent zum hebräischen ט. Auch Annerstedt (1909, II, 2: 297) sieht keine Bedeutung der Arbeiten Rudbecks für die schwedische Orientalistik, auch wenn er dessen Belesenheit auf diesem Gebiet hervorhebt. Dass das Postulat der Verwandtschaft zum Hebräischen sein Werk aber „värdelöst“ („wertlos“) macht, scheint mir jedoch ein zu hartes Urteil zu sein. Schoeps (1952: 106).
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nicht benutzt. Diesen Umstand darf man freilich nicht überbewerten. Es kann sich auch um eine Vereinfachung zwecks Leserfreundlichkeit handeln. Rudbeck kann jedenfalls als Experte im Bereich orientalischer Sprachen angesehen werden. Bereits in der Laponia Illustrata wird in großem Maße chaldäisches und arabisches Sprachmaterial verwendet. Auch in seinem Fasciculus müssen andere semitische Sprachen die Stelle des Hebräischen aus Mangel an Evidenz vertreten. So werden mangels hebräischer Beispiele fünf arabische und neunzehn aramäische, also syrische und „chaldäische“ Wörter direkt mit dem Samischen verglichen. Zunehmend nehmen auch das Äthiopische und das mit den semitischen Sprachen verwandte Koptische mehr Raum ein. Rudbeck kann jedoch vor allem als Experte auf dem Gebiet des Hebräischen gelten. Er hat profunde Kenntnisse, nicht nur im Wortschatz, sondern auch in dessen Grammatik. Bei seinen Analogien werden stets auch unterschiedliche verbale Stammbildungen herangezogen, um als Ausgangsbasis für etwa schwedische Kognaten zu dienen. Dies zeigt sich nicht nur im Brief an Törner, sondern wie wir gesehen haben, ebenfalls in den Bänden der Ichthyologia Biblica und vor allem auch im Specimen. Einen wissenschaftshistorischen Beitrag zur Orientalistik kann man bei Rudbeck dem Jüngeren jedoch nicht herausstellen. Wie Bernd Roling betont, war die Annahme einer hebräischen Urtradition im Schweden des 17. Jahrhunderts virulent⁴⁸⁹. Ein solcher Einfluss lässt sich m. E. bei Rudbecks Arbeit klar bezeugen. Nicht nur die Prämisse der Primordialität der hebräischen Sprache ist dafür ein Beleg. Auch die bisweilen eingesprengten kulturellen Charakteristika der Hebräer, die er etwa im Brief an Törner bei den Samen bewahrt sieht oder in der Handschrift zum Delawarischen als Vergleichsbasis mit den Ureinwohnern Neuschwedens heranzieht, scheinen mir eindeutig auf diese gotizistische Form des Philosemitismus bei Rudbeck hinzudeuten. Rudbeck kannte die Diskurse seiner Zeit und wusste, diesen in gotizistischer Manier zu begegnen. Ein Albert Schultens hatte bereits Anfang der 18. Jahrhunderts mit der Disputation de utilitate linguae arabicae in interpretanda s. scriptura die Nützlichkeit der arabischen Sprache geltend gemacht⁴⁹⁰. Rudbeck widersprach dem nicht. Im Gegenteil, Arabisch wie Chaldäisch erfüllen auch bei ihm eine substitutive Funktion. Viel besser aber, so fühlte Rudbeck sich berufen zu zeigen, war seine in die biblische Antike transponierte Muttersprache geeignet, die heilige Schrift zu entschlüsseln. Auch und gerade das Göthische gehörte zu den affinen Sprachen und hatte das Arabische in gewisser Weise als Hilfssprache abgelöst.
Vgl. Roling (2006: 399). Zum Ringen um den Status des Hebräischen und den zeitgenössischen Diskursen zur Anwendung des Arabischen als Hilfssprache Loop (2005).
3.3 Rudbeck als Vorreiter einer vergleichenden Finnougristik?
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3.3 Rudbeck als Vorreiter einer vergleichenden Finnougristik? Die Indogermanistik sieht sich in ihrem Selbstverständnis gerne als Repräsentantin der historisch-vergleichenden Sprachwissenschaft bzw. der diachronen Sprachwissenschaft. Dies tut sie gewiss mit einigem Recht. Zum einen ist die indogermanische Sprachfamilie die größte der Welt. Allein mit dem Englischen und Spanischen sind ja zwei indogermanische Sprachen an der Spitze der meistgesprochenen Sprachen weltweit. Zum anderen, auch das kann nicht bestritten werden, ist sie sicherlich maßgeblich an der Methodik der historisch-vergleichenden Sprachwissenschaft beteiligt gewesen. Ihr Einfluss macht sich, mit Modifikationen, in den anderen Teilbereichen, etwa der Semitistik oder der Finnougristik, bis zum heutigen Tag stark bemerkbar. Dieser Anspruch darf jedoch nicht darüber hinwegtäuschen, dass wissenschaftshistorisch die Finnougristik weitaus früher in Erscheinung getreten ist. Weit vor der von William Jones postulierten Verwandtschaft des Griechischen und Lateinischen mit dem Sanskrit, wurde bereits über die Verwandtschaft einzelner finnougrischer bzw. uralischer Sprachen spekuliert. Nun muss man zugestehen, dass die finnougrischen Sprachen strukturell eine viel größere Nähe zueinander aufweisen. Diese sind etwa üblicherweise agglutinierend. Auch auf lautlicher Ebene, etwa in der Vermeidung von Konsonantenclustern im Anlaut eines Wortes, macht sich dies bemerkbar. Im Vergleich weisen die indogermanischen Sprachen eine viel größere Varianz auf. Man denke etwa an das weitgehend isolierende Englische und Persische, das stark flektierende Deutsche oder Polnische und das agglutinierend gewordene Armenische. Auch lautlich sind viel stärkere Veränderungen vor sich gegangen, als das bei der rekonstruierten finnougrischen Ursprache im Vergleich zu den Einzelsprachen der Fall ist – so etwa beim Französischen, das sich phonetisch soweit vom Lateinischen entfernt hat, dass es weder ein Römer geschweige denn ein „Indogermane“ hätte verstehen können. Es drängt sich zudem der Verdacht auf, dass es gerade die offensichtliche Andersartigkeit des Finnischen und des Ungarischen ist, die eine Suche nach deren Verbindung zueinander mitbefördert haben könnte. Dass dies grundsätzlich auch umgekehrt verlaufen konnte, zeigt die Tatsache, dass das Armenische aufgrund des immensen persischen Adstrateinflusses lange gerade nicht als eigenständige indogermanische Sprache wahrgenommen wurde. Dennoch ist dieser zeitliche Vorsprung der Finnougristik bemerkenswert. Welche Rolle in dieser Frühphase der Disziplin Rudbeck der Jüngere, aber auch sein Vater einnehmen kann, soll nochmals revidiert werden. Die nationalistisch-gotizistische Ausrichtung des Rudbeckianismus und Rudbecks Fennophilie waren dabei keine unüberwindbaren Gegensätze. Wie bereits ausgeführt wurde, räumt Rudbeck den Finnen und Esten, aber auch den Samen eine besondere Stellung ein, indem er sie als die Nachkommen der Zehn Verlorenen Stämme Israels identifiziert. Entsprechend sind es deren Sprachen, die von Rudbeck in ähnlich großem Umfang wie das Göthische bzw. Schwedische als Referenzsprachen herangezogen werden. Nun sind die Ähnlichkeiten zwischen dem Finnischen und Estnischen sicherlich nicht nur für den Sprachkundigen augenfällig gewesen. Und
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3 Analyse
auch die Einbeziehung des Samischen ist sicherlich teilweise aus der schieren geographischen Nähe zum finnischen Kulturraum zu erklären. Alle drei Sprachen befanden sich natürlich innerhalb des schwedischen Machtbereiches. Dennoch ist es bemerkenswert, dass Rudbeck diese Gruppe nicht nur aufgrund von rein phonetischen Übereinstimmungen postuliert. Wie oben bereits gezeigt wurde, wird die enge Anbindung an das Hebräische ja gerade auch morphologisch begründet. Es ist jedoch die Einbeziehung des Ungarischen, die Rudbeck für die Geschichte der Finnougristik interessant werden lässt. Das Ungarische, das bis dato unter die slawischen Sprachen subsummiert wurde, wird im Specimen klar zum Finnischen gestellt. Zugleich wird der Verwandtschaft des Lettischen zum Finnischen widersprochen. Dabei ist Rudbeck zwar nicht der erste, der das Finnische zum Ungarischen stellt, doch ist seine Zusammenstellung im Specimen zumindest das erste gedruckte Werk. Die Literatur über dieses besondere Interesse Rudbecks ist dürftig. Ausgiebig behandelt wird es nur von Osmo Hormia⁴⁹¹. Daneben ist noch Günter Stipas Darstellung zur Geschichte der Finnougristik zu nennen, die als Referenzwerk zu diesem Thema gelten kann⁴⁹². Ist die ungarisch-finnische Wortliste Rudbecks durchaus bekannt, wird kaum wahrgenommen, dass auch in Rudbecks anderen Werken finnougrische Sprachen, vor allem natürlich Samisch und Finnisch, aber auch Ungarisch und bisweilen sogar Ostjakisch, eine bedeutende Rolle einnehmen. Eine scharfe Abgrenzung dieser Sprachen zum Tatarischen als Turksprache und zum Kalmückischen als mongolische Sprache darf man freilich nicht annehmen. Bevor nun aber Rudbecks Material durchleuchtet wird, soll kurz auf Rudbecks Vorgeschichte eingegangen werden⁴⁹³. Für Schweden darf insbesondere Olaus Magnus angeführt werden, der ebenfalls das Finnische und Samische zusammenstellt. Auch in Scheffers Lapponia wird eine Herkunft der Samen aus Finnland und somit eine Verwandtschaft beider Völker angenommen. Laut Osmo Hormia machen sich die Schweden Georg Stiernhielm und Bengt Skytte (1614– 1683) und der Deutsche Martin Fogel (1643 – 1675) gegenseitig den Rang des ersten Entdeckers der finnisch-ungarischen Sprachverwandtschaft streitig⁴⁹⁴. Hormio geht davon aus, dass Skytte und Stiernhielm Urheber einer allgemeinen Diskussion in Schweden sind. Interessanterweise, und dies ist insbesondere für Rudbecks Methodik von Belang, beschränkt sich Fogels Argumentation nicht auf
Hormia (1964). Stipa (1990: 187 ff.). Kurz zu Rudbeck auch Fazekas (2001: 1150). Zur Geschichte der Finnougristik vor allem Stipa (1990). Speziell zur Stellung des Samischen und den Ansichten zur Herkunft der Samen im 17. und 18. Jahrhundert ders. (1983: 143 ff.). Daneben sind vor allem noch Fazekas (2001) und Gulya (1974) zu nennen. Darüber hinaus gibt es einige ältere Darstellungen zu diesem Thema. Eine frühe Geschichte der Finnougristik allgemein hat Donner (1872) geliefert. Ahlqvist / Lönnrot (1854) bieten bereits eine Darstellung der Anfänge der Finnougristik in Finnland. Zur geistesgeschichtlichen Einordnung Groenke (1990) und Roling (2010). Hormia (1964: 1 ff.).
3.3 Rudbeck als Vorreiter einer vergleichenden Finnougristik?
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lautliche Kognaten⁴⁹⁵. Bereits er nimmt sprachtypologische Argumente vor. Dass Rudbeck der Jüngere diese von ihm übernommen hat, scheint unwahrscheinlich, da er morphologische Argumente an anderer Stelle, nicht jedoch in seiner finnisch-ungarischen Sprachliste verwendet. Die seit Bestehen des Gotizismus in Schweden aufgeworfene Frage nach der Herkunft der Finnen und Samen verlangte im Rudbeckianismus noch drängender eine Antwort. Wie ließ sich die in dessen Paradigma verankerte Primordialität der Schweden mit der offenkundigen Urtümlichkeit gerade der Bewohner Lapplands vereinen? Rudbeck der Ältere selbst gibt hierauf keine eindeutige Antwort. Als Stammvater der Finnen wurde jedenfalls nicht Magog, sondern Jafets sechster Sohn Mesech gehandelt⁴⁹⁶. Diese Erklärung hatte den entscheidenden Vorteil, dass die Finnen einen untergeordneten Rang einnahmen, ohne dass dies ihrer besonderen Stellung als ebenfalls vergleichsweise alte Bewohner Skandinaviens abträglich gewesen wäre. Zugleich wird bereits im dritten Kapitel des ersten Bandes der Atlantica das Samische, Estnische und Bjarmische klar zum Finnischen gerechnet⁴⁹⁷. Dennoch waren es gerade diese Völker, die im Vergleich zu den Schweden altertümliche Züge im Hinblick auf Sitten und Gebräuche aufwiesen. Ein Paradoxon, das Rudbeck der Ältere nicht gänzlich auflöst. Dass die Herleitung der Finnen, Samen und Esten von den Zehn Verlorenen Stämmen ebenfalls auf Rudbeck den Älteren zurückgeht, muss bezweifelt werden, da die Idee in der Form ja auch bei Rudbeck dem Jüngeren erst zu einem späten Zeitpunkt seines Schaffens mit entsprechender Deutlichkeit artikuliert wird⁴⁹⁸. Dass Rudbeck d. Ä. unabhängig von dieser Frage ein Interesse an der Sprache der entsprechenden Völker hatte, lässt sich daran erkennen, dass er selbst seinem Sohn die Vorarbeit für dessen finnisch-ungarische Wortliste geliefert hat. Auch dass Rudbeck d. Ä. das Tscheremissische behandelte, macht ihn zu einer durchaus wichtigen Figur für die Geschichte jener Disziplin. Aber auch in den gehören das Finnische sowie das Ungarische zum festen Inventar der tabellarischen Zusammenstellung von Sprachmaterial. Dabei werden diese beiden Sprachen jedoch nicht taxonomisch zueinander gestellt. Das Finnische wird auch in der Vokabelliste zum Phönizischen zitiert und konnte, wenn auch nicht in gleichem Maße wie das Schwedische, eine gewisse Ähnlichkeit zum Phönizischen aufweisen. Wurden die Samen als vergleichsweise altertümliche Bewohner Skandinaviens gerne für mythenexegetische Argumentationen herangezogen, während ihre Sprache weitgehend unberücksichtigt blieb, so wurde dem Finnischen offenbar bereits bei Rudbeck dem Älteren eine gewisse Rolle zugestanden. Dies muss auch bei der Betrachtung von Rudbecks des Jüngeren Arbeiten im Hinterkopf behalten werden. Der Ausgangspunkt für das Verständnis von Rudbecks Rolle in der Finnougristik ist zudem folgender: Die Verwandtschaft des Samischen zum Finnischen musste für Vgl. Stipa (1990: 142– 143). Bei Fazekas (2001: 1150) wird Fogel als eigentlicher Entdecker der finnisch-ungarischen Sprachverwandtschaft gehandelt. Rudbeck d. Ä., Atlantica, Bd. III, Kap. 10, Seite 177. Rudbeck d. Ä., Atlantica, Bd. I, Kap. 3, Seite 54. Kurz zu Rudbecks Suche nach den Zehn Verlorenen Stämmen Benite (2009: 190 ff.).
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ihn als gesichert gelten. Auch die Verwandtschaft des Finnischen zum Ungarischen war schon zuvor geäußert worden. Er hat diese Annahme sicherlich von seinem Vater übernommen. Der Ausschluss des Lettischen aus der Gruppe, den er im Specimen verlautet, darf unter Vorbehalt als sein Verdienst angerechnet werden. Zugleich wird er auch durch verschiedenste Quellen von weiteren, dem Finnischen verwandten Sprachen gewusst haben, wenngleich sich dies, wie wir sehen werden, mit Ausnahme der pseudopermischen, ostjakischen Wörter in seinen Werken nicht durchschlägt. Durchgehend werden von Rudbeck das Finnische und Samische, in geringerem Maße auch das Estnische, herangezogen, wo göthische bzw. schwedische Kognaten zu hebräischen oder semitischen Wörtern fehlen. Bereits in der Frühphase seines Schaffens spielen finnougrische Sprachen jedoch auch eine eigene, große Rolle. Derjenige Teil der Laponia Illustrata, der die Sprache der samischen Ureinwohner extensiver behandeln sollte, ist ja leider nicht erhalten. Allerdings findet sich im veröffentlichten, ersten Teil bereits eine Vielzahl samischer Etymologien. Diese sind dergestalt, dass das Samische in gewisser Weise als Hilfssprache, hier zur Klärung des Charon-Mythos herangezogen wird. Auch findet sich, wie unten gezeigt werden wird, hier bereits eine erste finnisch-ungarische Wortgleichung. Ansonsten ist der sprachtheoretische Gehalt des Werkes ja eher geringer einzuschätzen. Doch mit dem Brief an Wallis von 1703 und dem angehängten Fasciculus wird dieser Mangel bereits ausgeglichen. Diese hebräisch-samische Wortliste ist eine Ansammlung lexikalischer Kognaten, die jedoch auf eine gute Kenntnis des Samischen schließen lässt. Explizit wird hier schließlich auch auf die eingeschränkt privilegierte Rolle des Samischen verwiesen. In diesem Zusammenhang ist auch das (Ihre 104) zu nennen, das leider nur handschriftlich vorliegt. Auch hier wird eine Anbindung an das Hebräische unternommen. Ebenfalls zeigt der Thesaurus sowohl in den veröffentlichten Extrakten als auch in den handschriftlichen Bänden eine Vielzahl samischer Kognaten, auf denen allerdings keine Hauptaufmerksamkeit liegt. Erst im Specimen wird die finnisch-ungarische Sprachverwandtschaft postuliert und durch die bereits oben behandelte Liste von Wortgleichungen, die in der Tat viele tatsächliche Etymologien zeigt, geltend gemacht. Das Estnische spielt zwar in der Liste keine Rolle, wird von Rudbeck jedoch im Fließtext eindeutig dazugestellt. Was die Auswahl etymologischer Affiliationen angeht, nimmt hier eindeutig und dem Paradigma des Rudbeckianismus entsprechend das Göthische den größten Raum ein. Das Samische wird nur gelegentlich angeführt. Im Brief an Törner hingegen wird das Ungarische völlig außer Acht gelassen, jedoch werden das Samische, Finnische und Estnische zusammen behandelt. Auch in den weiteren Veröffentlichungen, etwa der Atlantica Illustrata ist keine Rede mehr von der Sprachverwandtschaft des Finnischen mit dem Ungarischen. Offenbar lagen die Ungarn, die ja ohnehin nicht zu den Völkern Skandinaviens gehörten, nicht mehr im Fokus des Interesses. Es stellt sich also die Frage, wie die Liste im Specimen für sein Gesamtwerk zu bewerten ist bzw. welche Rolle die Verwandtschaft dieser beiden Sprachen in seiner Sprachtheorie einnimmt. Offensichtlich scheint Rudbeck sich ja nach dem Specimen von dieser Idee verabschiedet zu haben, wohingegen die Her-
3.3 Rudbeck als Vorreiter einer vergleichenden Finnougristik?
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leitung der Zehn Verlorenen Stämme weiter elaboriert wird. Es scheint angebracht, diese beiden Hauptstränge, also die finnisch-ungarische Verwandtschaft und die Stellung der Finnen, Esten und Samen näher zu betrachten.
3.3.1 Zur finnisch-ungarischen Verwandtschaft Hormia kommt nach einer genauen Analyse des von Rudbeck im Specimen verwendeten Materials zum Schluss, dass Rudbecks Leistung für die Finnougristik nicht so groß sei, wie man zuerst zu denken geneigt sein könnte⁴⁹⁹. Es gibt eine Reihe tatsächlich von der Finnougristik bestätigter Kognaten, d. h. solche die ein faktisches Verwandtschaftsverhältnis ausdrücken. Von der finnisch-ungarischen Liste seien nach Hormia aber nur zwölf selbständige Zusammenstellungen Rudbecks. Dies erweist sich bei einem Blick in die als nicht ganz korrekt. Dennoch sollen die Wörter nun im Folgenden besprochen werden, wobei ich den Versuch unternommen habe, die tatsächlich belegten Wortformen in heutiger Orthografie herauszufinden. An 17. Stelle findet sich die Analogie fi. nisca ~ ung. nyæk „cervix“. Ein solcher Eintrag findet sich bereits in den des Vaters, allerdings orthografisch leicht abweichend. Diese beiden Kognaten entsprechen in heutiger Orthografie fi. niska „Nacken“ und ung. nyak „Hals, Nacken“. Bei Collinder konnte ich keinen Verweis auf ein tatsächliches Verwandtschaftsverhältnis entdecken⁵⁰⁰. Das trifft auch auf die folgende Analogie fi. lucku ~ ung. lakat „sera“ (44) zu. Tatsächlich konnte ich diese Wortgleichung nicht bei Rudbeck dem Älteren finden. In heutiger Orthografie handelt es sich um fi. lukko „Schloss“ und ung. lakat „Schloss“. Weiter unten in der Liste findet sich unter „cornix“ die Analogie fi. wares ~ ung. zarka. In den gibt es zwar ein finnisches Wort wares mit der lateinischen Übersetzung „cornix“, allerdings ist die kognate Form im Ungarischen hier waria. Das heutige Finnische weist eine Form varis „Nebelkrähe“ auf, dessen Stamm varikse- lautet. Daneben findet sich auch vares, varekse-. Bei Collinder findet sich kein Verweis auf eine ungarische Entsprechung zum finnischen Wort. Auch die Analogie fi. alcu ~ ung. elei „primordium“ (66) konnte ich nicht in den finden. Man vergleiche hierzu finnisch alku „Beginn“. Die ungarische Form scheint modernem eleje „Vorderteil, Anfang“ zu entsprechen, wird aber nicht durch Collinder gestützt, der dem finnischen Wort keine ungarische Entsprechung zuweist. Bei fi. neste ~ neduesseg „succus“ (69) scheint es sich um eine Eigenleistung Rudbecks des Jüngeren zu handeln. Im heutigen Finnischen findet sich neste mit der Bedeutung „Flüssigkeit“. Das Ungarische weist eine Form nedvesség „Nässe, Feuchtigkeit“ auf.
Vgl. Hormia (1964: 37 f.). Siehe die jeweiligen alphabetisch geordneten finnischen Einträge bei Collinder (1955).
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3 Analyse
Unter „arbor“ führt Rudbeck an 71. Stelle nun fi. puu und ung. fa an. Bei diesen Kognaten, die abgesehen von konsequenter Kleinschreibung den heutigen Formen entsprechen, handelt es sich um alte Erbwörter aus der gemein-finnougrischen Periode. Collinder führt hier noch tscheremissisch pu „wood, firewood“ und weitere finnougrische Belege an⁵⁰¹. Die Analogie fi. raukenuy ~ rucas „ruina“ (76) geht wiederum auf das Konto des Vaters. Sie findet sich, lautlich geringfügig abweichend bereits in den . Die zitierte finnische Form gehört wohl zu raukka „arm“. Zu den folgenden Kognaten fi. owi, uxi ~ ung. ayto „janua“ vergleiche man fi. ovi „Tür“ und uksi id. Dass zwei verschiedene finnische Ausgangsformen herangezogen werden, zeigt abermals, dass Rudbeck von Lautähnlichkeiten, nicht von Lautgesetzen ausgeht. Die ungarische Form entspricht gemäß dem Lautbestand heutigem ajtó „Tür“. Für fi. ovi sieht Collinder keine ungarische Entsprechung. Für uksi hingegen führt er ungarisches aj, áj „slit, fissure“ und wohl davon abgeleitetes ajtó „door“ an⁵⁰². Somit hat Rudbeck hier eine weitere, tatsächlich gestützte Etymologie herausgefunden. Zur Analogie fi. waras ~ ung. ort „fur“ (82) konnte ich kein finnisches Wort auffinden. Auch das Ungarische scheint kein vergleichbares Wort aufzuweisen. Die Wortgleichung fi. toffeli ~ ung. czipeli „crepida“ findet sich an 96. Stelle. Dieses Wort des Finnischen wird wohl kaum durch Zufall ausgewählt worden sein. Es knüpft an den späteren Paragraphen zur Pantoffel an. Es handelte sich für Rudbeck somit auch im Finnischen um kein Lehnwort, sondern ein Erbwort, das es mit dem Ungarischen teilte. Allerdings muss bei der ungarischen Form unsicher bleiben, ob es eine solche tatsächlich gibt. Direkt darunter gibt Rudbeck fi. haracka ~ ung. zarka „pica“. Die Formen entsprechen fi. harakka „Elster“ und ung. szarka „Elster“. Das ungarische Wort entspricht dem zuvor unter Nummer 60 genannten Wort für „Krähe“. Somit gab es zwei unterschiedliche finnische Kognaten für ein ungarisches Wort. Wie hatte Rudbeck sich die Verwandtschaftsverhältnisse in diesem Falle gedacht? Die letzte der von Hormia erwähnten Eigenleistungen ist die hundertste Analogie, fi. totto ~ ung. tuz „focus“. Im Ungarischen finden wir tűz als Wort für Feuer. Das gewöhnliche finnische Wort lautet eigentlich tuli, weicht also von Rudbecks Wortform zu stark ab. Auch bei Collinder konnte ich keine, dem finnischen Wort Rudbecks entsprechende Form finden. Somit bleiben von den zwölf Rudbeck dem Jüngeren zugeschriebenen Etymologien sogar nur zehn. Bei allen zitierten Formen fällt auf, dass Rudbeck getreu der von ihm selbst genannten Methodik Vokalalternation außer Acht lässt. Seine Etymologien bauen sich auf primär lautlichen Ähnlichkeiten im Bereich des Konsonantismus auf, ohne dass jedoch hier eine Typologie der Alternationen herausgestellt werden kann, etwa im Sinne von finnisch t ~ ungarisch z. So vergleicht Rudbeck zwei unterschiedliche finnische Wörter, nämlich wares und haracka mit ungarischem zarka,
Vgl. Collinder (1955: 53). Vgl. Collinder (1955: 121).
3.3 Rudbeck als Vorreiter einer vergleichenden Finnougristik?
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einmal mit der Bedeutung „pica“, ein anderes Mal mit der Bedeutung „cornix“. Zwar könnte man bei der ungarischen Form von einem Wort, das zufällig zwei Vogelarten bezeichnet, ausgehen, doch erklärt das aus der Sicht eines heutigen Sprachwissenschaftlers nicht die zwei unterschiedlichen Analogien im Finnischen. Man kann entweder nur eine Lautwandelanalogie finnisch w ~ ungarisch z annehmen oder eine andere, die den Wechsel finnisch h ~ ungarisch z erklärt. Durch die Finnougristik werden m. E. beide Analogien nicht gestützt. Das Ungarische, das ja ein verhältnismäßig entfernter Verwandter des Finnischen innerhalb der uralischen Sprachen ist, weist einige lautliche Besonderheiten auf. Es zeigt sich etwa im Anlaut von Wörtern ein Wandel von k zu h und von p zu f. Dieser Lautwandel erinnert stark an die urgermanische oder auch hochdeutsche Lautverschiebung, wo ja ebenfalls ursprüngliche Plosive zu Frikativen, oder – im Falle des Althochdeutschen – zu Affrikaten verschoben wurden. Derlei Permutationen wurden ja bereits im ersten Teil der Atlantica des Vaters behandelt und es darf angenommen werden, dass Rudbeck der Jüngere diese bei der Zusammenstellung der finnischen und ungarischen Kognaten in Betracht gezogen hat. In diese Kategorie fallen einige der Kognaten Rudbecks. Für die Analogie k ~ h lassen sich etwa folgende Wortpaare anführen: fi. cuolema ~ ung. halal „mors“ oder fi. cala ~ ung. hal „piscis“. Bei Letzterem handelt es sich um eine verbürgte Etymologie⁵⁰³. Eine Lautanalogie p ~ f wird durch fi. pilwi ~ ung. felhey „nubes“ oder aber fi. pæskyinen ~ ung. fetske „hirundo“ ersichtlich, die ebenfalls tatsächliche Verwandtschaftsverhältnisse reflektieren⁵⁰⁴. Auch wenn die finnisch-ungarische Wortliste auf der Vorarbeit des Vaters beruhte, ist es bemerkenswert, dass bereits in der Laponia Illustrata eine erste Affiliation zwischen diesen Sprachen impliziert wird. Hier wird, wie oben geschildert, der Versuch unternommen, die Körperteile des Charon, dessen Mythos sich ja in der Geographie manifestierte, anhand von Ortsnamen nachzuweisen. Der Fuß musste ja im nördlichen Bereich der Ostsee, also im finnischsprachigen Bereich liegen. Angeführt wird ein finnisches und ungarisches Wort lab für den „Fuß“. Das Ungarische kennt in der Tat ein láb „Fuß“, während das eigentliche finnische Wort jalka lautet. Collinder verweist auf keine finnische Entsprechung zu ungarisch láb. Finnisches jalka hingegen entspreche ungarischem gyalog „on foot“⁵⁰⁵. Schon anhand der lautlichen Erscheinung kann das Wort nicht finnisch sein, denn dieses kennt kein b. Auch Plosive im Auslaut sind eher ungewöhnlich. Hatte Rudbeck dennoch bereits vor dem Specimen die Idee der finnisch-ungarischen Sprachverwandtschaft verinnerlicht? Da er das väterliche Florinus-Exemplar sicherlich nach dem Brand in Uppsala im Jahre 1702 bekam, könnte dies für ein mögliches, unabhängiges Interesse Rudbecks des Jüngeren sprechen. Nicht unwahrscheinlich scheint mir, dass Rudbeck trotz allem kritischer
Vgl. Collinder (1955: 21). Vgl. Collinder (1955: 49, 106). Vgl. Collinder (1955: 83).
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3 Analyse
beim Wortmaterial des Vaters war und dies nachprüfte⁵⁰⁶. Dafür spricht, dass zumindest ein Eintrag (wares) aus den hier mir einem anderen ungarischen Wort verglichen wird. Insgesamt scheint es jedoch bemerkenswert, dass Rudbeck ansonsten nicht auf das finnisch-ungarische Material der väterlichen Handschrift zurückgreift und auch dessen samische Kognaten völlig außer Acht lässt.
3.3.2 Zur Stellung der Samen, Finnen und Esten Wodurch ist das Interesse Rudbecks des Jüngeren an den Finnen und Samen entstanden? Die Beantwortung dieser Frage dürfte im oben geschilderten Problem der Einbindung der Völker in das Paradigma der Atlantica liegen. Rudbeck der Jüngere bringt eine innovative Erklärung ein, die das Paradigma des Rudbeckianismus mit zeitgenössischen, europäischen Diskursen verband. Es waren die Zehn Verlorenen Stämme Israels, mit denen er die Samen und Finnen, aber auch die verwandten Esten identifizierte⁵⁰⁷. Diese Argumentation verlief – und anders ist es bei Rudbeck dem Jüngeren nicht vorstellbar – unter Zuhilfenahme etymologischer Verfahren. Auch wenn diese Theorie der Spätphase seines Werkes entstammt, wird eine Verbindung zumindest der Samen mit den Zehn Verlorenen Stämmen ja bereits in der Laponia Illustrata impliziert, nämlich durch das Vorwort von Lars Norrman. Anders ist die hebräisch-samische Wortliste nicht zu erklären, die paradoxerweise vor jeglichem Vergleich mit dem Göthischen entstanden ist. Verständlicherweise ist das Samische für diese erste Periode interessanter als das Finnische, lagen die Samen doch im eigentlichen Kerngebiet Schwedens. Auch widerspricht Rudbeck ja, wie wir beim Reisebereicht sahen, dass das Samische notwendigerweise aus Finnland stammte. Das Samische ist, wie oben bereits angerissen wurde, keine einheitliche Sprache, sodass es sich eigentlich geböte von samischen Sprachen zu sprechen. Rudbeck nimmt diese Unterscheidung üblicherweise nicht vor. Nur gelegentlich wird, wie im samischen Vaterunser zu Beginn des Specimen, auf das „Lappische“ einer bestimmten Gegend verwiesen, in diesem Fall das nordschwedische Umeå. Bisweilen wird auch explizit lulesamisches Material herangezogen. Es dürfte allerdings fraglich sein, ob er eine konkretere Vorstellung von der Taxonomie der samischen Einzelsprachen bzw. Dialekte hatte. Wir haben ja schon gesehen, dass vor allem auch das Samische im Thesaurus einen großen Raum einnimmt. Bereits im Specimen wurde ja die im Brief an Törner von 1727 elaborierte Herleitung der Samen aus den Zehn Verlorenen Stämmen angedeutet.Von den Finnen und Esten war hier noch keine direkte Rede. Die Tatsache, dass Rudbeck zuvor nur die Sprache der Ersteren mit dem Ungarischen vergleicht und früher ja der Herkunft der Samen aus Finnland widersprochen hatte, zeigt, dass er die
So auch Hormia (1964: 37). Vgl. Benite (2009: 191), der den Ansatz Rudbecks des Jüngeren im Gegensatz zu dem seines Vaters als „more promising (and less disputed)“ bezeichnet.
3.3 Rudbeck als Vorreiter einer vergleichenden Finnougristik?
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Samen und Finnen in gewisser Weise noch getrennt behandelt, obwohl diese Affiliation durch Rudbeck den Älteren doch schon aufgemacht wurde. Erst im Brief an Törner ändert sich dies. Man kann bei Rudbeck dem Jüngeren, wie gezeigt wurde, mit einigem Recht vom etymologisierten Raum sprechen, wenn er im Brief an Törner nicht nur die entsprechenden Sprachen miteinander vergleicht, sondern gleichlautende Ortsnamen in Skandinavien und im Orient findet. Er impliziert also, dass die Zehn Verlorenen Stämme bei Beziehung des neuen Wohnraumes im Norden die Namen der ehemaligen persischen bzw. babylonischen Wohnsitze mitgenommen haben – vergleichbar mit Toponymen der neuen Welt wie Nieuw Amsterdam. Dass diese tatsächlich über Persien nach Skandinavien gekommen waren und es sich beim 4. Buch Esra somit um eine zuverlässige Quelle handelte, wurde zudem dadurch erwiesen, dass das Finnische, Estnische und Samische eine Vielzahl persischer Lehnwörter bewahrten. Konnte der Herrschaftsanspruch Schwedens im Ostseeraum nach wie vor durch die besondere Nähe des Schwedischen zum Hebräischen legitimiert werden, so wurde hier die Anwesenheit weiterer, alter Völker im schwedischen Reich durch deren Herkunft von den Zehn Verlorenen Stämmen geltend gemacht. Fassen wir nun die wichtigsten Stationen der Tätigkeit Rudbecks im Zusammenhang mit den betreffenden uralischen Völkern zusammen: 1. Unklares Verhältnis zwischen Finnen und Samen; Betonung der orientalischen Herkunft der Samen in der Laponia Illustrata (1701) und im Brief an Wallis (1703); orientalische Herkunft der Finnen anhand des Ortsnamens Turku im Reisetagebuch 2. Unsicherheit zum Status der amerikanischen Ureinwohner 3. Erstmalig konkrete Herleitung aus den Zehn Verlorenen Stämmen im Specimen (1717); Betonung der Verwandtschaft des Ungarischen mit dem Finnischen 4. Ausscheiden des Ungarischen; neue Trias aus Samen, Esten und Finnen als Nachkommen der Zehn Verlorenen Stämme Israels im Brief an Törner (1727) und in der Atlantica Illustrata (1733); Mesech als Stammvater der Moskowiter Abschließend lässt sich also resümieren, dass die Behandlung der Verwandtschaft des Ungarischen mit dem Finnischen für Rudbeck wohl wirklich nur ein kurzes Intermezzo darstellte. Wie Hormia überzeugend gezeigt hat, gehen die im Specimen ausgeführte Darlegung und das verwendete Material wohl letztlich auf seinen Vater zurück. Es ist auffällig, dass die Ungarn und ihre Sprache zuvor und auch nach dem Specimen eine ganz geringe Rolle spielen, war doch schließlich Finnland das Transitland der Söhne Magogs auf ihrem Weg nach Atlantis. Wenn er zehn Jahre später die Finnen, Esten und Samen mit den Nachkommen der Zehn Verlorenen Stämme identifiziert, werden die Ungarn nicht genannt. Dabei teilt die ungarische Sprache natürlich viele der Charakteristika, die Rudbeck veranlassen, das Finnische und Samische als direkte Fortsetzer des Hebräischen zu identifizieren. So zeigt das Ungarische ebenfalls eine Reihe von Suffixen. Genau wie mit Finnisch minä vs. -ni ein unabhängiges Personalpronomen der ersten Person Singular einem Possessivsuffix gegenübersteht, verhält es sich mit ung. én „ich“ gegenüber dem Suffix -m. Dennoch ist
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3 Analyse
keine Rede von morphologischen Charakteristika des Ungarischen. Generell werden ungleich viele samische und finnische Kognaten herangezogen, während ungarisches Sprachmaterial stiefmütterlich behandelt wird. Man kann hier eindeutig einen Zwist zwischen wissenschaftlichem Interesse und dem nationalistisch-rudbeckianistischen Anliegen erkennen, die sich gegenseitig bedingen und in einem allelopoietischen Verhältnis zueinanderstehen. Die postulierte Verwandtschaft des Finnischen mit dem Ungarischen mag durch den Rudbeckianismus motiviert sein, doch war sie auch davon unabhängig eine sprachwissenschaftlich interessante Frage, was man an der übrigen um diese Zeit entstandenen Literatur erkennen kann. Die Herleitung der Finnen, Esten und Samen aus den Zehn Verlorenen Stämmen und somit ihrer Sprachen aus dem Hebräischen wurde zwar sprachwissenschaftlich auch durch morphologische Gegebenheiten untermauert, war aber primär ein rudbeckianistisches Anliegen. Sicherlich kann die Leistung Rudbecks des Jüngeren nicht mit derjenigen eines Sámuel Gyarmathi (1751– 1830) oder János Sajnovics (1733 – 1785), den beiden Größen der ungarischen Finnougristik, verglichen werden⁵⁰⁸. Dennoch sollte eine Geschichte der Finnougristik, wie bei Stipa, sowohl Rudbeck den Älteren als auch Rudbeck den Jüngeren in ihre Darstellung mitaufnehmen, da beide zeigen, wie aus dem Kanon des Gotizismus ein Grundinteresse auch für das Finnische, Samische und auch das Ungarische erwachsen konnte. Wie Stipa richtig herausstellt, muss man Rudbecks des Jüngeren Theorie über die orientalische Herkunft der Samen sicherlich als Versöhnung mit der „Gotenthese“ seines Vaters sehen⁵⁰⁹. Eine orientalische Herkunft der Samen und später im Verbund mit den Finnen und Esten als Zehn Verlorene Stämme adelte diese und wies ihnen ihre Stellung im Paradigma der Atlantica zu, ohne dass der primordiale Rang der Göthen selbst unterminiert wurde. Schon Ihre sollte jedoch von diesem Paradigma abweichen und die Samen als Alteingesessene Skandinaviens betrachten⁵¹⁰.
3.4 Abschließende Bemerkungen Die von Johan Schult beschriebene, interessierte Resonanz der jüdischen Gemeinde Londons auf Rudbecks These zur hebräischen Herkunft der Samen zeigt, dass Rudbeck im Schatten seines Vaters eine durchaus ernst genommene Autorität war. Auch das Interesse John Wallis’ und die Korrespondenz mit den oben erwähnten Gelehrten ist ein weiterer Beleg hierfür. Bemerkenswert ist jedoch vor allem, dass nicht nur ein Daniel Bonge, sondern auch ein Disputant Olof Celsius des Älteren Rudbecks sprachwissenschaftlicher Expertise durchaus zugetan war. Hatte dieser Rudbecks
Zu beiden Forschern kurz Fazekas (2001: 1153 ff.). Vgl. Stipa (1983: 144). Vgl. Stipa (1990: 191 ff.).
3.4 Abschließende Bemerkungen
207
Arbeit nicht als „gräselig confusio Babelica“ bezeichnet⁵¹¹? Wie Alhoniemi ausführt, hat auch der Finne Daniel Juslenius (1675 – 1752) die Herleitung aus den Hebräern für die Finnen in seiner De convenientia linguae Fennicae cum Hebraea et Graeca übernommen⁵¹². Rudbecks idiosynkratisches System lässt sich nur vor dem Hintergrund des Rudbeckianismus verstehen. Der Rudbeckianismus hingegen ist eine spezifische Ausprägung des Gotizismus, der seinerseits exemplarisch die skandinavische, insbesondere schwedische Barockwissenschaft vertritt⁵¹³. Auch Rudbeck der Jüngere war ein typischer Akteur dieser Barockwissenschaft. Die Autorität des Luthertums war wohl ein wesentliches Movens, die spezifische Synthese aus Bibelexegese und Gotizismus zu vollführen. Eingangs wurde die Frage aufgeworfen, inwieweit Rudbeck eher der gotizistischen Linie der schwedischen Sprachwissenschaft zuzuordnen ist. Meiner Meinung nach vollzieht er eine bewusste Synthese der Orthodoxie, für die ja sein Großvater gestanden hatte, und des Gotizismus, für den sein Vater stand. Es ist kein Zufall, dass diese Orthodoxie an Prominenz gewinnt, als Rudbeck der Ältere gestorben war. Die Triebkraft seines theologischen und kabbalistischen Interesses und die Attraktivität der Arbeiten Kempers und Norrelius’ waren wohl zu stark, als dass er sie hätte ignorieren können. Wie lässt sich das bisher Gesagte nun unter transformationstheoretischen Gesichtspunkten verstehen?⁵¹⁴ Die im SFB 644 „Transformationen der Antike“ elaborierte Theorie der „Allelopoiese“, also der gegenseitigen Hervorbringung des Referenz- und Aufnahmebereiches einer kulturellen Transformation, ist bestens geeignet, das Phänomen des Rudbeckianismus einzuordnen. Die nordische Frühzeit und die klassische und biblische Antike bilden hierbei den Referenzrahmen, auf den sich der Fokus des Rudbeckianismus richtet. Die Anwendbarkeit des Transformationskonzeptes trifft insbesondere auch auf die sprachtheoretische Seite des Rudbeckianismus zu. Transformationen begegnen dem Sprachkundigen vielerorts. Jede Grammatik einer nicht mehr gesprochenen Sprache stellt in gewisser Weise eine Transformation dar. Das elaborierte System der Sprachwissenschaft, das selbst eine Tradition seit der Antike hat, wird auf antike und nicht-antike Sprachen gleichermaßen angewandt. Augenfällig wird dies vor allem im Versuch, exotischere Sprachen anhand des klassischen Grammatikmodells zu beschreiben. So konnte einer Sprache, die keinerlei morphologische Kasus besitzt, bisweilen leicht ein dem Griechischen oder Lateinischen ähnliches Kasussystem aufoktroyiert werden, nur weil bestimmte syntaktische Konstruktionen funktional Ähnlichkeiten aufwiesen. Doch auch die
Vgl. Annerstedt (1914, III, 2: 404). Vgl. Alhoniemi (1983: 13). Juslenius war darüber hinaus der Verfasser eines Lexicon Fennico-Latino-Svecum aus dem Jahre 1745. Näheres dazu bei Groenke (1990: 55 ff.). Zu den Spezifika der Barockwissenschaft und dem Beitrag Rudbecks des Älteren Eriksson (1994: 149 ff.). Die literarische Leistung des skandinavischen Barock wird in Friese (1968) untersucht. Zur Transformationstheorie und dem Konzept der Allelopoiese und den verschiedenen Transformationstypen Böhme (2011).
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3 Analyse
Aussage, dass eine Sprache eine bestimmte Kategorie nicht besitzt, ist eine Transformation. Ein gutes Beispiel für sprachliche Transformation ist m. E. etwa die griechische und lateinische Schulaussprache. Das Griechische besaß sogenannte aspirierte Laute in der Gestalt von θ, φ und χ, die man phonetisch als [th], [ph] und [kh] begreifen muss. Irgendwann hat sich diese Aussprache, wie im Neugriechischen klar ersichtlich, zu Frikativen verschoben. Bei der deutschen Schulaussprache handelt es sich um einen inkonsistenten Versuch, der korrekten Aussprache gerecht zu werden. Da die frikative Artikulation des griechischen ‹θ›, die dem englischen Digraphen ‹th› entspricht, dem Deutschen unbekannt ist, spricht man diesen weiterhin wie deutsches ‹t› aus, während ‹φ› mit dem bekanntem ‹f› und ‹χ› mit deutschem ‹ch› identifiziert werden konnte. Dazu ist zu sagen, dass deutsches t, p, und k in der Regel ohnehin aspiriert sind, also den altgriechischen Lauten θ, φ und χ eigentlich von Natur aus ähneln. Viel schwieriger ist es, die Aspiration bei den Buchstaben τ, π und κ zu unterlassen. Die Begrenzung des Phoninventars eines deutschen Muttersprachlers beeinflusst also die Aussprache des klassischen Griechischen und suggeriert, dieses sei tatsächlich so ausgesprochen worden. Die Allelopoiese, die die Transformation der griechischen Sprache mit sich bringt, zeigt sich, wenn man historisierend ein griechisches Lehnwort im Deutschen wie Philosophie weiterhin mit dem Digraphen schreibt und nicht, wie etwa im Schwedischen, . Sprachen wie das Dänische, das Englische und insbesondere das Französische weichen in der Aussprache erheblich von der Orthografie ab, die einen älteren Sprachstand konserviert. Es handelt sich gerade bei historisierender Orthografie um eine bemerkenswerte Transformation. Häufig werden nämlich auch (vermeintlich) etymologische Gesichtspunkte bei der Veränderung der Orthografie berücksichtigt. Ein bekanntes Beispiel ist etwa frz. doigt, dessen auf lateinisch digitum verweisen soll, jedoch im Französischen nie ausgesprochen wurde. English island hingegen will sich an das aus dem Französischen entlehnte isle anbinden, obwohl es in keinem etymologischen Verhältnis zu diesem steht. Rudbeck vollführt die Synthese zweier miteinander konkurrierender Transformationen im weiteren Sinne. Dabei handelt es sich zum einen um die spezifisch schwedische Nordifizierung der klassischen Antike, die ihm vom Vater vorgegeben wurde und sich selbst vor dem Hintergrund des ebenfalls schwedischen Gotizismus verstehen lässt. Zum anderen ist es die gemein europäische Interpretatio Christiana des Alten Testamentes, d. h. der vorklassischen, biblischen Antike. Im engeren Sinne verbindet er die Sprachphilosophie des Gotizismus mit derjenigen der Orthodoxie. Wesentliches Kennzeichen der Transformationstheorie ist ja die Allelopoiese, d. h. die wechselseitige Hervorbringung von Antike und neuzeitlicher Interpretation derselbigen. Rudbeck der Ältere eignet sich innerhalb seines Paradigmas die klassische Antike an und erschafft sie dadurch neu. Zieht sein Sohn das Hebräische heran, um das Alter und den Vorrang der schwedischen Sprache zu erweisen, so verändert er mit dem Schwedischen als Hilfssprache die Semantik des Hebräischen. Das Schwedische wird somit durch das Hebräische aufgewertet, während das Hebräische durch das
3.4 Abschließende Bemerkungen
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Schwedische eluzidiert wird. Es handelt sich somit um ein allelopoietisches Verhältnis. Man könnte dies wie folgt darstellen. Hebräisch ↔ Orthodoxie ↔ Gotizismus / Rudbeckianismus Das transformatorische Wesen der Interpretatio Christiana wird dadurch offenbar, dass es den heilsgeschichtlichen Anspruch des Christentums aus dem Alten Testament ableitet. Das Alte Testament wird dadurch entsprechend christianisiert. Es liegt somit ebenfalls eine Allelopoiese vor. Die Synthese Rudbecks schafft es, diese Interpretatio Christiana durch den Gotizismus zu stärken. Es handelt sich somit um eine Transformationskette. Dasselbe Verhältnis liegt auch in den kabbalistischen Arbeiten vor: Altes Testament ↔ Interpretatio Christiana ↔ Gotizismus / Rudbeckianismus Altes Testament ↔ Cabala Christiana ↔ Gotizismus / Rudbeckianismus Um welche Form der Transformation handelt es sich nun genauer? In der Terminologie des SFB 644 werden verschiedene Typen von Transformationen gehandelt, von denen einige durchaus auf die Methodik Rudbecks des Jüngeren angewandt werden können⁵¹⁵. Das Göthische, das Rudbeck d. J. anwendet, ist ein Amalgam aus dem Altnordischen, Schwedischen und dem eigentlichen Gotischen. Wie sich gezeigt hat, führt Rudbeck bisweilen nicht belegtes Wortmaterial an. Es handelt sich bei einem Teil der göthischen Wörter um seine eigenen Konstrukte und somit um einen Prozess der „Rekonstruktion“, kombiniert mit der „Appropriation“ mehr oder weniger fremden Sprachmaterials. In der Indogermanistik spricht man von Rekonstruktion, wenn etwa ein nicht belegter (früherer) Zustand eines Wortes mit Hilfe seiner belegten einzelsprachlichen Reflexe oder möglicher Vorformen abstrahiert wird. In der Terminologie des SFB 644 sind Rekonstruktionen „Versuche der Wiederherstellung eines verlorenen oder nur fragmentarisch erhaltenen Ganzen, die die Authentizität des Transformierten behaupten und die interpretative Dimension der Transformation vernachlässigen“⁵¹⁶. Zumindest der erste Punkt trifft auf Rudbecks Konzept des Göthischen zu, denn dessen Authentizität wird naturgemäß vorausgesetzt. Mit der Appropriation wird eine Herauslösung aus dem ursprünglichen Kontext und die Eingliederung in die Aufnahmekultur beschrieben, ohne das Element stark zu verändern⁵¹⁷. Isländisches, gotisches und bisweilen westgermanisches Wortmaterial konnte bei Rudbeck für das Göthische ohne Weiteres vereinnahmt werden. Greift Rudbeck bewusst in belegtes Sprachmaterial ein, handelt es sich dann eher um eine „Assimilation“, die im Ver-
Die unterschiedlichen, im SFB 644 herausgearbeiteten Typen der Transformation werden in Bergemann et al. (2011) detailliert besprochen. Bergemann et al. (2011: 52). Bergemann et al. (2011: 48).
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3 Analyse
gleich zur Appropriation eine stärkere Veränderung von Elementen aus dem Referenzrahmen mit sich bringt⁵¹⁸. Das Hebräische selbst wird dabei, was seine äußere Form angeht, in gewisser Weise ebenfalls transformiert, wenn man die Inanspruchnahme dieser Sprache als nahe Verwandte der eigenen Sprache so deuten will. Die Semantik des Hebräischen wird insofern geändert, als herkömmlichen Bibelinterpretationen, die ja die Grundlage der hebräischen Semantik bilden mussten, widersprochen wurde. Somit handelt es sich hier um eine „Umdeutung“. Bei einer solchen bleiben Elemente der Referenzkultur, in diesem Fall die Sprache des Alten Testaments, erkennbar, doch es findet eine semantische Verschiebung statt⁵¹⁹. Nur die Semantik, also die Interpretation alttestamentarischen Sprachmaterials wird von Rudbeck geändert. Bibelexegese wird dabei nicht rein theologisch begründet, sondern beinhaltet bei Rudbeck durch den Gebrauch der Hilfssprache Schwedisch immer ein primär national-gotizistisches Anliegen.
Bergemann et al. (2011: 48). Bergemann et al. (2011: 53).
Conclusio Die Arbeit hatte das Ziel, ein möglichst umfangreiches Bild über die sprachtheoretischen Arbeiten Olof Rudbecks des Jüngeren zu liefern und anhand seiner Person die Sprachphilosophie des Rudbeckianismus zu elaborieren, sofern diese nicht bereits durch den Vater vorgegeben worden war. Zentrale Frage dieser Untersuchung war, ob und inwieweit Rudbeck der Jüngere sich überhaupt als Sprachforscher und nicht nur als bloßer Anwender etymologischer Argumentationen verstehen lässt, wobei naturgemäß nur die Maßstäbe seiner Zeit angelegt werden dürfen. Was seinen Vater, Olof Rudbeck den Älteren, betrifft, so ist dies meiner Ansicht nach eher mit einem Nein zu beantworten. Gestützt auf die Vorarbeiten zu diesem Thema, wurden die zentralen Kapitel des ersten Bandes der Atlantica, in denen Rudbeck seine Gedanken zum Wesen der Sprache elaboriert, eingehender in Betracht gezogen. Die drei Beispiele, zum Phrygischen, Phönizischen und Mari, sollten darüber hinaus Rudbecks des Älteren Vorgehen exemplifizieren, bevor seine handschriftlichen untersucht wurden. Die Behandlung gerade des Phönizischen und des Phrygischen sind bemerkenswerte Ausnahmen innerhalb der Atlantica, dienen aber ebenfalls dem größeren Zweck, alle bekannten Völker aus Schweden als „Vagina Nationum“ herzuleiten. Dies gilt auf sprachlicher Ebene umso mehr für die , in denen das Schwedische erwartungsgemäß die prominenteste Rolle einnimmt. Ansonsten ist die Etymologie, die auch nur einen Teilbereich der historischvergleichenden Sprachwissenschaft nach heutigem Verständnis ausmacht, ein Instrument des rudbeckianischen Euhemerismus, welcher wiederum nur ein gleichberechtigtes Element seiner Beweisführung darstellt. Zwar äußert Rudbeck der Ältere sich zur Herkunft der Sprachen, jedoch sucht er nicht, das Wesen des Sprachwandels zu ergründen, sondern nimmt einen solchen als Axiom und theoretische Fundierung für seinen Euhemerismus an. Sprache ist gleichberechtigt mit Sitte, Historie, Natur und anderen Dingen, die ein „Volk“ ausmachen. Allerdings gibt er für diesen begrenzten Rahmen durchaus eine methodische Anleitung, anhand derer sich Verwandtschaftsverhältnisse, die immer auf das Schwedische deuten, geltend machen lassen. Damit steht Rudbeck der Ältere völlig in der Linie der gotizistischen Ausrichtung der schwedischen Sprachtheoretiker. Zeichen der Orthodoxie, die so untrennbar mit der Stellung des Hebräischen und dem Mythologem der babylonischen Sprachverwirrung verbunden war, lassen sich bei Rudbeck dem Älteren nicht erkennen. Bei Rudbeck dem Jüngeren muss die Frage nach dessen Geltung als Sprachforscher differenzierter beantwortet werden. Dazu mussten zuerst seine jeweiligen Werke deskriptiv und in chronologischer Reihenfolge behandelt werden. Bereits in der Laponia Illustrata wurde mit reichlichem sprachlichem Material gearbeitet, doch stand die hier betriebene Form des Etymologisierens, die den Fokus auf die klassische Antike legte, noch klar in der Tradition des Vaters. Mit dem Fasciculus zwei Jahre später wurde in einer langen Liste von Etymologien die Verwandtschaft des Samihttps://doi.org/10.1515/9783110628739-006
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Conclusio
schen mit dem Hebräischen zu beweisen versucht. In zunehmendem Maße gewann die Bibelexegese an Gewicht. Das Göthische als Hilfssprache war bestens geeignet, alternative, gotizistische Interpretationen alttestamentarischer Textstellen zu liefern. Erst zum Ende von Rudbecks akademischer Tätigkeit gerieten die klassischen Motive des väterlichen Paradigmas wieder ins Zentrum der Betrachtung. Das Specimen ist sicherlich das wichtigste und aussagekräftigste von Rudbecks Werken, wenngleich Rudbeck selbst wohl dem unvollendeten Thesaurus weit mehr Bedeutung zugemessen hätte. Nicht nur werden hier eine ganze Reihe von exegetischen Spekulationen eröffnet, sondern auch deren sprachtheoretische Grundlage in einem einleitenden methodischen Teil elaboriert. Auch die wissenschaftshistorisch so wichtige finnischungarische Wortliste befindet sich im Specimen. Auch bei ihm ist die Etymologie Medium seiner exegetischen, botanischen und anfänglich auch euhemeristischen Fragestellungen. Die Bibelexegese ist dabei bisweilen mit der Botanik verknüpft. Rudbecks des Jüngeren System des Sprachwandels ist dabei jedoch weitaus komplexer als dasjenige seines Vaters. Die schiere Etymologie einzelner Wörter nimmt zwar sicherlich den Großteil seiner Argumentation ein. Daneben zieht er jedoch auch morphologische Gegebenheiten heran, was durchaus bemerkenswert ist, auch wenn es kein absolutes Novum darstellt. Auch das verwandtschaftliche Verhältnis einzelner Sprachen zueinander ist ihm ein Anliegen. Zwar wissen wir, wie Osmo Hormia geltend gemacht hat, dass seine Einschätzung der besonderen Nähe des Finnischen zum Ungarischen letztlich auch von seinem Vater stammt. Bemerkenswert ist jedoch, dass er klar das Lettische exkludiert und es eher zum Griechischen stellt. Wenn er die Argumente hierfür auch nicht näher ausführt, darf man doch davon ausgehen, dass Rudbeck der Jüngere durchaus ein taxonomisches Konzept von Sprachfamilien hatte. Das lässt sich auch daran sehen, dass er in seinen Wortlisten häufig slawische, germanische oder romanische Sprachen jeweils zusammen gruppiert. Auch wenn die beiden Prämissen der Primordialität des Hebräischen einerseits und dessen enge Verwandtschaft zum Schwedisch-Göthischen andererseits einer tatsächlichen sprachwissenschaftlichen Herangehensweise abträglich waren, so darf Rudbeck der Jüngere doch zumindest als Sprachforscher verstanden werden. Einige Exkurse, die er unternimmt, haben nämlich keine explizit exegetische oder botanische Fragstellung, sodass ein eigenes Interesse an Sprache unterstellt werden muss, wie man auch seinen Status als Botaniker nicht bestreiten würde. Als wesentliche Kennzeichen der Methodik Rudbecks haben sich seine multiplen Etymologien und seine kabbalistische Zerlegung in Kompostionsglieder erwiesen. Auch die Semantisierung von Räumen, die ich mit dem Begriff des „etymologisierten Raumes“ belege, ist eine Idiosynkrasie, die allerdings durch den Vater vorgegeben wurde. Die fachhistorische Stellung Rudbecks als Bibelexeget und Kabbalist dürfte trotz des Umfangs gerade der ersteren Thematik als eher gering eingeschätzt werden. Allerdings konnte er sich dadurch zumindest in der schwedischen Orientalistik einen gewissen Namen machen. Rudbeck vermochte sich aufgrund seiner Expertise durchaus in die bestehenden Diskurse seiner Zeit, d. h. die Suche nach einer hebräischen Urtradition, aber auch die Cabala Christiana, einzubringen. Gerade bei seinen
Conclusio
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kabbalistischen und bibelexegetischen Spekulationen zeigte sich, wie geeignet das Göthische als Hilfssprache war und wieviel einleuchtender viele Topoi durch eine Verlagerung in den Norden erklärt werden konnten. Ähnlich ambigue sieht es bei seiner Rolle innerhalb der Finnougristik aus. Der Ruhm, den er für seine finnischungarische Liste innehat, erweist sich in Anbetracht seines Gesamtwerkes als eher zweifelhaft, zumal die Vorarbeiten hierzu ja auf den Vater zurückgehen, der selbst mit der Behandlung des Tscheremissischen seine Leidenschaft für eben jene Völker zum Ausdruck gebracht hatte. Dennoch zeigte Rudbeck auch hier, wie leicht er mit sprachlichem Material umgehen konnte und dass seine Sprachtheorie sicherlich komplexer und vielschichtiger war als diejenige seines Vaters. Insgesamt stellt diejenige Ausprägung des Rudbeckianismus, die Olof Rudbeck der Jüngere vertritt, ein unter transformationstheoretischen Gesichtspunkten nicht weniger interessantes Subjekt dar, als es die Atlantica seines Vaters selbst vermag. Zeitlich erweitert sich der Fokus auf die biblische Antike. Die dem Rudbeckianismus inhärente Transformation, die auf allelopoietische Weise den Geltungsanspruch Schwedens durch die Erschaffung einer eigenen, nichtklassischen Antike legitimiert, wird hier auf Sprache angewandt. Der Geltungsanspruch des Schwedischen vor den übrigen Sprachen der Welt wurde durch dessen Sprachgeschichte und Status als Hilfssprache neu definiert. Gerade die botanischen Arbeiten Rudbecks könnten in der Zukunft noch weiter untersucht werden. Dies konnte hier aufgrund des eingeschränkten Fokus nicht in aller Breite geschehen, denn die sprachwissenschaftliche Methodik der botanischbibelexegetischen Arbeiten stand im Vordergrund. Für zukünftig geplante Forschungsvorhaben könnte Rudbecks botanisches System selbst ein lohnender Untersuchungsgegenstand sein. Auch wenn Rudbeck der Jüngere im akademischen Diskurs weit weniger präsent ist als sein so gewichtiger Vater, möchte ich dafür plädieren, ihn als eigenständige Figur der schwedischen Barockwissenschaft zu begreifen. Auch Rudbeck den Jüngeren kann man wohl zu Recht als Universalgelehrten bezeichnen, der bei allen paradigmatischen Vorgaben, der Orthodoxie, dem Gotizismus und dem daraus entstandenen Rudbeckianismus, eine bemerkenswerte Idiosynkrasie aufzuweisen hat.
Abkürzungsverzeichnis Abb. ALS ai. arab. aram. chin. dän. dt. engl. estn. fi. fu. göth. gr. hebr. (ur)idg. (a)isl. lat. LSLB phön. phryg. sam. schw. syr. ung. UUB
Abbildung Acta Literariae Sveciae altindisch arabisch aramäisch chinesisch dänisch deutsch englisch estnisch finnisch finnougrisch göthisch griechisch hebräisch (ur)indogermanisch (alt)isländisch lateinisch Linköpings stifts- och landsbibliotek phönizisch phrygisch samisch schwedisch syrisch ungarisch Uppsala Universitetsbibliotek
https://doi.org/10.1515/9783110628739-007
Literaturverzeichnis Primärliteratur Olof Rudbeck der Jüngere (ausführliche Titel) (1701): Laponia Illustrata = Olof Rudbecks sonens Nora Samolad eller uplyste Lapland medh resan igenom Upland, Gestrikland, Helsingland, Medelpa, Ångermanland, Wästerbotn, Lule lapmark, Norbotn, Torne lapmark, Österbotn, Finland, Åland, &c. Hwar uthinnan wäl alla theßa landskapers beskafenhet och inbyggare; dock likwäl i synnerhet laparne, så til theras kynnesom lynnelag gudztienst, seder, språk, lefernes art, första härkomst, diur, örter, bergarter, fiällar, skogar, siöar, träsk, forsar och floder, ibland andra små infall och gahsamheter föreställas, och på thet nogaste beskrifwas; uthi wissa flåcker fördeld, och widh ändan försedd med en lapsk ordebok, kallad then hebraeiksa lapen uthi norden: alt igenom med sköna koparstycken och träsnidt utsirad, och på egen bekostnad vplagd uti Upsala, åhr efter Christi börd 1701. Thet oß nu äfiþ är. (1703): Fasciculus = Illustri celeberrimoque viro, dn. Johanni Wallisio, professori in incluta oxoniensi academia primario & seniori Olavus Rudbeckius filius s.p.d. Uppsala. (1704): „Olof Rudbecks the Younger, Lapland Illustrated: His Journey thro’ Upland“, in: Scheffer, Johannes: The history of Lapland. London. Im Anhang. (1705): Ichthyologiae Biblicae Pars Prima = Olavi Rudbeckii filii ichthyologiæ biblicæ pars prima, de ave selav, cujus mentio sit Numer. XI: 31. In qua contra cl. Bochartum & Ludolfum, non avem aliquam plumatam, nec Locustam fuisse, sed potius quoddam piscis genus, manifestis demonstratur argumentis. Additâ brevi, hebræam inter & antiquam gothicam lingvam, analogiâ, ex occasione vocum hebraicarum loc. cit. occurentium. Anno M.D.CC.V. Upsalis, ex officina Johan. Henr. Werneri, regiæ academiæ typographi. (1716): Thesaurus Linguarum Asiae et Europae harmonicus = Olavi Rudbeckii thesaurus linguarum Asiæ et Europæ harmonicus, ubi item plurimis locis interpretationes sacrocrum bibliorum castigantur, genuino sensu reddito, & historia naturalis mire illustratur. Adjectæ sunt dissertationes criticæ, & in his singularis de Urim & Thumim. Uppsala. (1717): Specimen = Olavi Rudbecki fil. specimen usus linguæ gothicæ, in eruendis atque illustrandis obscurissimis quibusvis sacræ scripturæ locis: addita analogia linguæ gothicæ cum sinica, nec non finnonicæ cum ungarica. Upsalis, impressum â Joh. Henr. Werner, reg. typogr. anno 1717. (1721): „Illustri celeberrimoque viro, dn. Johanni Wallisio, professori in incluta oxoniensi academia primario & seniori Olavus Rudbeckius filius s.p.d.“, in: Wolf, Johann C.: Bibliotheca Hebraea. Band 2. Bologna. 639 – 648. (1721): „Specimen Thesauri Polyglotti harm.“, in: Wolf, Johann C.: Bibliotheca Hebraea. Band 2. Bologna. 1474 – 1484. (1722): Ichthyologiae Biblicae Pars Secunda = Olavi Rudbeck fil. ichtyologiæ biblicæ pars secunda de borith fullonum, quod non herbam aliquam, multo minus smegma vel saponem, fuisse sed purpuram ex Jerem. II. 22 & Malach. III. 2. perplurimis, iisque non levibus evincitur argumentis & rationibus, cum gratia & privilegio s:æ r:æ m:tis. Upsalis, apud Joh. Henr. Werner, directorem typographeorum in regno Sveciæ, anno 1722. (1727): „Olavi Rudbeck filii epistola ad virum celeberrimum dn. Fabianum Törner profess. eloqu. acad. ups. de esthonum, fennonum, laponumq´; origine.“, in: ALS 1727. 300 – 306. (1727): „Olavi Rudbeck, filii, cogitationes de vasis ægyptiacis, quibus probatur israëlitas illa non furto, nec alio fraudulento modo abstulisse, sed, ut dona, eadem accepisse.“, in: ALS 1727. 337 – 345. https://doi.org/10.1515/9783110628739-008
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(1728): Ett litet tal på rim, om Urim och Thumim, tå af wår nu warande allernådigste konung konung Fredrik then förste, hans hög-grefliga excellence riks-rådet præsidenten och Åbo academie cancellairen, then högwälborne herren och grefen, gref Arved Horn, wardt förordnad till præses illustris wid kongliga wettenskaps societeten uthi Uppsala, i hast sammansatt af Olof Rudbeck sonen Tryckt I Upsala. med kongl. majest. allernådigste privilegier. (1728): „Olavi Rudbeck fil. cogitationes de voce רמשRemes. Genes. IV. v. 3.“, in: ALS 1728. 416 – 422, 426 – 435. (1729): „ חטותא ופורענות חםsive CHAMI delictum & pœna, Gen. IX. v. 20. 21. & 22. Descripta; quam aliorum, in illum locum, prætermissis translationibus & sententiis, accurate, & ad ductum silumque s. textus, aliarumque linguarum orient. pariter & europ. delineavit, illustravit, & amicorum quorundam rogatu, publicæ censuræ modeste subjecit Olavus Rudbeck, fil.“, in: ALS 1729, Seite 497 – 509. (1729): „Olavi Rudbeck filii cogitationes de nominibus divinis שדיSchadai & מטטרוןMetatron.“ In: ALS 1729, Seite 539 – 547, 562 – 573. (1733): Atlantica Illustrata = Olavi Rudbeck filii Atlantica illustrata, sive illustrium, nobilium, principum atque regum insula, ubi et prisci hesperidum horti. Upsalis MDCCXXXIII. Cum gratia & privilegio sacr. reg. majestatis. Literis wernerianis. (1733): Olavi Rudbeck filii responsum ad clariss. Christiani Bened. Michaelis, lingg. orr. professoris apud Halens. celeberrimi, objectiones, quo, borith fullonum, non saponem vel smegma, ut ipse contendit, sed purpuram & fucum fuisse, pluribus adhuc, iisque non levibus, probatur argumentis. Cum gratia & privilegio sacr. reg. majestatis. Upsalis, literis wernerianis, a:o 1733. (1733): Dudaim Rubenis = Olavi Rudbeck filii dudaim rubenis, quos neutiquam mandragoræ fructus fuisse, aut flores amabiles, lilia, violas, narcissos, leucoja, species melonis, vaccinia, chamæbatum, rosam, solanum halicacabum, certas uvas, tubera, maiisch, circæam, hordeum, philtra amatoria &c. sed fraga vel mora rubi idæi spinosi, allatæ hic rationes satis videntur evincere. Cum gratia & privilegio sacr. reg. majestatis. Upsalis, literis wernerianis, a:o 1733. (1734): „Descriptio cataractarum in Cascawari“, in: ALS 1734. 46 – 48. (1738): „Thesaurus Linguarum Asiæ & Europæ Harmonicus“, ALS 1733. 90 – 106. (1742): „of the origin of the Esthonians, Finns and Laplanders“, in: Acta Germanica or the Literary Memoirs of Germany, &c. London. 306 – 309. (1987): „Dagboken“, in: Rudbeck d. J., Olof.: Iter Lapponicum: skissboken från resan till Lappland 1695. II Kommentardel: med utgåva av Olof Rudbeck d.y.:s resedagbok och med kommentarer av Tomas Anfält, Kenneth Awebro, Gunnar Broberg, Gunnar Brusewitz, Björn Dal, Kurt Johannesson, Örjan Nilsson, Sven-Gunnar Ryman, Carl-Otto von Sydow. Stockholm. 28 – 59.
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Index Allelopoiese 8, 187, 189, 206 – 209, 213 Atlantis 15, 24, 26, 115 – 117, 119 – 121, 181, 205
Kompositum 43, 63 f., 66, 74, 77, 92, 95 f., 98 f., 102, 106, 111 f., 114 – 116, 124 f., 133, 145, 148, 157, 175, 183, 194
Bibelexegese 1 – 3, 71 – 73, 80 f., 87, 99 – 101, 105, 109 – 111, 113, 119, 123 f., 129, 134 f., 138, 141, 143, 150 – 152, 157, 160 – 162, 183, 187, 189, 193 – 195, 207, 210, 212 f. Bochart, Samuel 36, 38, 73, 80, 147, 192
Lappland 14, 59, 64 – 67, 71, 106, 108, 121, 124, 199 Ludolf, Hiob 73, 78, 80, 147, 164, 192
Cabala Christiana 191 f., 194, 209, 212 Cajanus, Erik 107, 165, 185 etymologisierter Raum 34, 54, 63, 70, 108, 123, 180, 187, 205, 212 Euhemerismus 15, 24, 32 f., 36 f., 43, 105, 140, 211 f. Göthisch 6, 13, 22 f., 26, 31, 33 f., 36 – 40, 42 f., 48, 50, 54, 56, 61 – 63, 66, 72 – 79, 81 – 83, 85, 88 – 99, 101, 103 – 106, 110, 112 – 115, 121 – 123, 129, 132, 135 – 137, 139 – 141, 148 f., 151, 157, 159, 162, 164, 166, 168 – 174, 177 – 181, 183, 187 – 189, 194 – 197, 200, 204, 209, 212 – 214 Gotizismus 2, 13, 15 – 17, 19 – 24, 26, 33, 37 f., 55, 67, 75, 87 f., 90, 101, 108, 110, 115, 124, 157 f., 167, 186, 188, 191 f., 196 f., 199, 206 – 213 Hilfssprache 40, 42, 71 f., 79, 81, 88, 105, 109 f., 112, 115 f., 123, 135, 138, 143, 169, 172, 187, 192, 194, 196, 200, 208, 210, 212 f. Ihre, Johan 4, 9, 14, 24, 53, 82, 186, 206 Interpretatio Christiana 54, 92, 104 f., 114, 133, 139, 141, 162, 187, 194, 208 f. kabbalistisch 21, 74, 81, 100, 113 – 115, 162, 183, 194 f., 207, 209, 212 f. Kemper, Johan 14, 60, 113, 115, 191 f., 194 f., 207
https://doi.org/10.1515/9783110628739-009
Morphologie 33, 53, 65, 69, 76, 87, 107, 133, 162 f., 181 – 183, 188, 198 f., 206 f., 212 multiple Etymologie 62, 64, 91, 97 – 99, 115, 119 f., 135, 139, 141, 143, 157, 173, 212 Mythenexegese 3 f., 24, 26, 33 f., 65 – 68, 71 f., 115, 123, 161, 189, 199 Norrelius, Andreas
14, 113, 115, 192, 194, 207
Orthodoxie 20 f., 23, 25, 33, 54, 67, 87 f., 90, 167, 169, 171, 186, 188, 190 f., 207 – 209, 211, 213 Permutation 22, 24, 28 – 30, 33, 35 f., 41, 53, 55, 90 – 92, 94, 97, 119 f., 135 f., 145, 159 f., 163, 175 – 180, 187 f., 203 Rudbeck der Ältere, Olof 4, 15, 22 – 40, 42 – 46, 49, 53 – 55, 67, 85, 94, 116, 172, 179, 187, 199, 207 f., 211 Stiernhielm, Georg 164, 181, 198
19, 21 f., 28, 33, 37, 54 f.,
Taxonomie 2, 34, 46, 49, 55, 57, 86, 90, 149, 159, 162, 169, 171, 188, 199, 204, 212 Transformation 2, 8, 53, 92, 112, 116, 125, 127, 129, 187, 189, 207 – 209, 213 Verelius, Olof 148, 164
19, 22, 33, 40, 73, 79, 98, 134,
Zehn Verlorene Stämme 60, 65, 67, 72, 95, 101, 105, 108 f., 121, 145, 147, 155, 181, 192, 197, 199, 201, 204 – 206