Obszönes Übersetzen: Aristophanes in deutscher Sprache 9783110625196, 9783110607499

Translating the comedies of Aristophanes is difficult, not least because of the obscene banter so characteristic of the

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German Pages 572 Year 2020

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Table of contents :
Vorwort
Inhalt
Einleitung
1. ‚Obszöne Sprache‘ in der Alten Komödie
2. Obszöne Sprache als Übersetzungsproblem
3. Deutsche Aristophanes-Übersetzungen im Vergleich
4. Auswertung der Arbeitsergebnisse
Literaturverzeichnis
Personenregister
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Obszönes Übersetzen: Aristophanes in deutscher Sprache
 9783110625196, 9783110607499

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Katja Lubitz Obszönes Übersetzen

Transformationen der Antike

Herausgegeben von Hartmut Böhme, Horst Bredekamp, Johannes Helmrath, Christoph Markschies, Ernst Osterkamp, Dominik Perler, Ulrich Schmitzer Wissenschaftlicher Beirat: Frank Fehrenbach, Niklaus Largier, Martin Mulsow, Wolfgang Proß, Ernst A. Schmidt, Jürgen Paul Schwindt

Band 56

Katja Lubitz

Obszönes Übersetzen Aristophanes in deutscher Sprache

Dieser Band wurde gedruckt mit Mitteln, die die Deutsche Forschungsgemeinschaft dem Sonderforschungsbereich 644 »Transformationen der Antike« zur Verfügung gestellt hat. Dissertation, Universität Bamberg (D 473), 2019

ISBN 978-3-11-060749-9 e-ISBN (PDF) 978-3-11-062519-6 e-ISBN (EPUB) 978-3-11-062329-1 ISSN 1864-5208 Library of Congress Control Number: 2019951656 Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.dnb.de abrufbar. © 2020 Walter de Gruyter GmbH, Berlin/Boston Druck und Bindung: CPI books GmbH, Leck www.degruyter.com

| [...] ἀλλ’ ὁ πρωκτὸς ἄφατον ὡς καλός (Aristoph. Lys. 1148) O unaussprechlich schön ist dieses Weib! (Borheck, 1806) Was het Die nes prächtigs Füdle! (Seeger, 1848) Aber ned zum sagn, wia schee der Arsch da is! (Holzberg, 2009)

Vorwort Die vorliegende Arbeit wurde im April 2018 an der Fakultät Geistes- und Kulturwissenschaften der Otto-Friedrich-Universität Bamberg als Dissertation eingereicht. Ihre Entstehung geht zurück auf meine Tätigkeit am Berliner Sonderforschungsbereich 644 ‚Transformationen der Antike‘, in dem ich von 2005 bis 2008 als wissenschaftliche Mitarbeiterin, anschließend als kooptiertes Mitglied dem von Prof. Dr. Wolfgang Rösler und Prof. Dr. Ulrich Schmitzer geleiteten Teilprojekt B7 ‚Übersetzung der Antike‘ angehörte. Die Anregung zum Thema dieser Untersuchung gab Prof. Rösler, der die Dissertation auch während meiner Zeit am Berliner SFB betreute und dem ich für seine Unterstützung und die intensive Begleitung meiner Arbeit in dieser Zeit herzlich danken möchte. Ebenso herzlich danke ich Prof. Dr. Sabine Vogt für Ihre Bereitschaft, die Betreuung der Dissertation nach meinem beruflich bedingten Wechsel an die Universität Bamberg zu übernehmen. Die freundliche Aufnahme am Bamberger Institut für Klassische Philologie, die Einladung in das gräzistische Oberseminar und nicht zuletzt die konstruktiven persönlichen Beratungsgespräche waren für mich überaus motivierend. Prof. Dr. Bernhard Zimmermann, der mein Dissertationsprojekt bereits in der Anfangsphase beratend unterstützt hatte, und Prof. Dr. Martin Hose sei für die Übernahme der weiteren Gutachten gedankt. Großer Dank gebührt ferner meinen ehemaligen Kolleginnen des SFB-Projektes Dr. Josefine Kitzbichler, Dr. Nina Mindt und Dr. Enrica Fantino sowie dem erweiterten Kreis der am Institut für Klassische Philologie der HU angesiedelten Projektmitglieder, insbesondere Dr. Thomas Poiss, Dr. Roland Baumgarten und Dr. Martin Harbsmeier (†). Der regelmäßige projektinterne Austausch in kolloquialem Rahmen über fundamentale Fragen zur Geschichte, Theorie und Praxis des Übersetzens antiker Texte, der im Laufe der Zeit auch in zahlreichen Publikationen des Projektes seinen Niederschlag fand, lieferte wichtige theoretische und systematische Grundlagen, auf die ich mich bei der Erarbeitung der vorliegenden Studie stützen konnte. Für Kritik und Anregungen bedanke ich mich auch bei den Mitgliedern des Integrierten Graduiertenkollegs des SFB 644 ‚Transformationen der Antike‘ und bei den Teilnehmerinnen und Teilnehmern des von Prof. Vogt an der Universität Bamberg geleiteten gräzistischen Oberseminars, mit denen ich mein Dissertationsprojekt in den verschiedenen Etappen der Fertigstellung diskutieren durfte. Zu Dank verpflichtet bin ich Prof. Dr. Markus Asper und Prof. Dr. Ulrich Schmitzer für die Bewilligung eines zweimonatigen Überbrückungsstipendiums aus Mitteln des Instituts für Klassische Philologie der HU Berlin sowie dem SFB 644, insbesondere seinem Sprecher Prof. Johannes Helmrath und dem Reihenherausgeber Prof. Schmitzer, für die Aufnahme meiner Arbeit in die Publikationsreihe ‚Trans-

https://doi.org/10.1515/9783110625196-202

VIII | Vorwort

formationen der Antike‘ und die Gewährung eines großzügigen Druckkostenzuschusses. Abschließend sei auch den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Staatsbibliothek zu Berlin am Standort Unter den Linden, der für mich im Laufe der Jahre fast zur zweiten Heimat geworden ist, ein besonderer Dank für die stets freundliche und kompetente Unterstützung bei allen Fragen der Literaturrecherche und -beschaffung ausgesprochen. Berlin, im September 2019 Katja Lubitz

Inhalt Einleitung | 1  1  1.1  1.1.1  1.1.2  1.2  1.2.1  1.2.2  1.3 

2  2.1 

‚Obszöne Sprache‘ in der Alten Komödie | 6  Das Phänomen der ‚Aischrologie‘ in der Alten Komödie | 6  Ursprünge und Vorformen | 6  Funktionen der Aischrologie | 11  Begriffsbestimmung des ‚Obszönen‘ | 16  Begriffsgeschichte | 18  Neuzeitliche Obszönitätsdefinitionen und ihr Einfluss auf die Bewertung der Alten Komödie | 23  Arbeitsdefinition ‚obszöne Sprache‘ und Kategorien obszönen Sprechens nach Henderson | 29 

Obszöne Sprache als Übersetzungsproblem | 34  Das Übersetzen obszöner Sprache als Gegenstand neuerer Untersuchungen | 34  2.2  Die neuzeitliche Aristophanes-Rezeption vor dem Hintergrund antiker Urteile | 39  2.2.1  Die gattungsgeschichtliche Einordnung der Aristophanes-Komödien bei Aristoteles | 39  2.2.2  Plutarch, De comparatione Aristophanis et Menandri epitome | 42  2.2.3  Horaz, Satire 1.4: Die Alte Komödie als Moralsatire | 45  2.3  Die obszöne Sprache des Aristophanes als Übersetzungsproblem | 46  2.3.1  Zur materiellen Ausgangssituation | 47  2.3.2  Zur neuzeitlichen Rezeptions- und Übersetzungsgeschichte bis 1613 | 51  2.3.2.1  Nicodemus Frischlin (1586): Defensio Aristophanis contra Plutarchi criminationes | 53  2.3.2.2  Isaac Fröreisen (1613): „Jedoch befindet sich neben dem boesen auch viel deß guten.“ | 57  2.3.3  Die französischen Aristophanes-Übersetzungen des 17. und 18. Jahrhunderts | 64  2.3.3.1  Anne Dacier (1684): „les deux [comédies] que j’ay traduites sont les seules qui puissent être bien mises en nostre langue“ | 66  2.3.3.2  Jean Boivin (1729): „les traductions peuvent avoir un grand avantage sur l’original, soit en retranchant ces endroits, soit en les réformant“ | 70 

X | Inhalt

2.3.3.3 

2.3.3.4 

2.3.3.5 

2.3.4  2.3.4.1 

2.3.4.2 

2.3.4.3  2.3.4.4 

2.3.5  2.3.5.1  2.3.5.2  2.3.5.3 

3  3.1  3.2  3.2.1  3.2.2  3.3 

Pierre Brumoy (1730): „les mots licencieux qu’il prodigue à la populace [...] méritent de rester éternellement dans l’obscurité qui leur convient“ | 74  Charles Brotier (1787): „la traduction complette des pieces d’Aristophane, ne peut manquer d’être acueillie comme une entreprise utile“ | 76  Louis Poinsinet de Sivry (1784): „La licence obscène des détails des scènes suivantes ne nous permettant point de les traduire en français [...]“ | 79  Deutsche Aristophanes-Übersetzungen zur Zeit der Aufklärung (1744– 1772) | 81  Christlob Mylius (1744): „Diese [Obszönitäten] sind allerdings in einem guten Lustspiele zu verwerfen und einem heutigen Dichter würden wir sie auf keine Weise verzeihen.“ | 83  Christian August Clodius (1767–1769): „[...] daß sie bemühet seyn sollen, eben diese schlüpfrigen Stellen zum Beweise der Unvollkommenheit heidnischer Tugenden und zum Abscheu des Lasters zu brauchen“ | 88  Johann Eustachius Goldhagen (1767–1768): „Eine vollständige Uebersetzung würde tugendliebenden Personen misfallen [...]“ | 91  Johann Justus Herwig (1772): „die Gemälde des Sittenmalers müssen auch für die Tage unsers Jahrhunderts interessant gemacht werden“ | 95  Aristophanes in Weimar: „Der ungezogene Liebling der Grazien“ (1774– 1805) | 103  Johann Georg Schlosser (1783): „ein großer Mann braucht überhaupt keine Apologie“ | 108  Christian Gottfried Schütz (1784): „Mit Rücksicht auf die züchtigere Sprache unserer Zeiten“ | 110  Christoph Martin Wieland (1799): „daß die komischen Poeten, anstatt Aufseher und Bewahrer der Sitten, vielmehr Sittenverderber genannt zu werden verdient hätten“ | 114 

Deutsche Aristophanes-Übersetzungen im Vergleich | 124  Begründung der Auswahl der Lysistrate als Referenztext | 124  Kriterien der Übersetzungsanalyse | 127  Theoretische Grundlage | 128  Auswahl der untersuchungsrelevanten Analysekriterien | 130  Porträts der ausgewählten Übersetzungen und Bearbeitungen der Lysistrate | 135  3.3.1  Die drei frühesten Übersetzungen der Lysistrate | 135  3.3.1.1  Wilhelm von Humboldt (1795) | 136 

Inhalt | XI

3.3.1.2  3.3.1.3  3.3.2  3.3.2.1  3.3.2.2  3.3.2.3  3.3.3  3.3.3.1  3.3.3.2  3.3.3.3  3.3.4  3.3.4.1  3.3.4.2  3.4  3.4.1  3.4.2  3.4.3  3.4.4  3.4.5 

August Christian Borheck (1806) | 156  Johann Heinrich Voß (1821) | 174  Drei Beispiele aus den Gesamtübersetzungen des 19. Jahrhunderts | 199  Johann Gustav Droysen (1835–1838) | 203  Ludwig Seeger (1845–1848) | 231  Johannes Minckwitz (1855–1864) | 258  Drei Lysistrate-Übersetzungen im Übergang vom 20. zum 21. Jahrhundert | 283  Wolfgang Schadewaldt (1958) | 284  Wolfgang Schöner (1989) | 309  Niklas Holzberg (2009) | 328  Zwei prominente Lysistrate-Bearbeitungen des 20. Jahrhunderts | 348  Erich Fried (1985) | 352  Walter Jens (1986) | 367  Durchführung des Übersetzungsvergleichs | 391  Textbeispiel 1: Lys. 21b–30 | 393  Textbeispiel 2: Lys. 107–110 | 412  Textbeispiel 3: Lys. 119–135 | 424  Textbeispiel 4: Lys. 142b–159 | 431  Textbeispiel 5: Lys. 407–419 | 445 

4  Auswertung der Arbeitsergebnisse | 458  4.1  Ergebnisse des Übersetzungsvergleichs | 458  4.1.1  Wilhelm von Humboldt | 458  4.1.2  August Christian Borheck | 459  4.1.3  Johann Heinrich Voß | 460  4.1.4  Johann Gustav Droysen | 461  4.1.5  Ludwig Seeger | 462  4.1.6  Johannes Minckwitz | 463  4.1.7  Wolfgang Schadewaldt | 465  4.1.8  Wolfgang Schöner | 466  4.1.9  Niklas Holzberg | 467  4.1.10  Erich Fried | 469  4.1.11  Walter Jens | 470  4.2  Typologie der beobachteten Übersetzungsverfahren | 471  4.2.1  Prätranslatorische Strategien | 471  4.2.2  Translatorische Strategien | 472  4.2.3  Posttranslatorische Strategien | 502  Literaturverzeichnis | 505 

XII | Inhalt

Personenregister | 553

Einleitung Das Übersetzen der Komödien des Aristophanes gilt aus verschiedenen Gründen als besonders schwierig.1 So schreibt beispielsweise Johann Gustav Droysen in der Vorrede zum ersten Teil seiner Gesamtübersetzung aus dem Jahr 1835: Unter allen Schriftstellern des Griechischen Alterthums dürfte keiner zum Uebersetzen minder geeignet sein, als Aristophanes; mit leichter Mühe ließe sich ein Katalog von Hindernissen entwerfen, die auch den rüstigsten Dollmetsch abzuschrecken im Stande wären.2

Zu diesen Hindernissen zählen zum einen die zahllosen Anspielungen auf tagespolitische Ereignisse oder auf charakterliche und körperliche Schwächen athenischer Zeitgenossen durch den Komiker. Da diese Ereignisse und Personen dem modernen Leser oder Theaterbesucher in der Regel kaum bekannt sein dürften, muss der Übersetzer hier nach adäquaten Alternativen (z. B. Aktualisierung) suchen, um die komische Wirkung dieser Stellen auch in seiner Übertragung zu vermitteln. Eine weitere Schwierigkeit liegt im Bereich von Stil und Metrik. So baut Aristophanes oftmals Zitate prominenter antiker Autoren in seine Stücke ein oder imitiert deren stilistische Eigenheiten. Vor allem in den Chorliedern finden sich häufig Parodien des erhabenen tragischen Stils. Auch hier steht der Übersetzer vor der Herausforderung, derartige stilistische und formale Anspielungen mit geeigneten Mitteln in die jeweilige Zielsprache zu übertragen. Das weitaus größte Hindernis beim Übersetzen der Komödien des Aristophanes stellen jedoch seit jeher das in ihnen enthaltene reiche obszöne Vokabular und die derben sexuellen und skatologischen Anspielungen dar. Dazu Droysen: Und was noch ärger ist, der Athenäer liebt es, von schmutzigen Dingen reden zu hören, ja sie selbst leibhaftig zu sehen; die Zote ist sein Labsal, und je toller und frecher sie der Komiker bringt, desto gewisser ist er des Beifalls. [...] – nach unserer Weise ist dies ekelhaft und schnöde; und doch sind das in Aristophanes Dichterkranz die Blumen, die der Athenäer am liebsten roch. Was soll da ein Übersetzer thun?3

Das Problem der obszönen Ausdrucksweise in den Komödien des Aristophanes kommt in nahezu allen Vorreden zu deutschen Aristophanes-Übersetzungen zur Sprache.4 Und noch im Jahr 2000 wirft Markus Janka im Rahmen einer vergleichenden Untersuchung der Lysistrate-Bearbeitungen von Walter Jens und Erich Fried die Frage auf:

|| 1 Vgl. Holtermann (2004), 295. 2 Droysen, Vorrede [zu Aristophanes: Werke, Bd. 1] (1835), V–XX. 3 Droysen, Vorrede [zu Aristophanes: Werke, Bd. 1] (1835), VII. 4 Vgl. Werner 2000, 401: „Die Unübersetzbarkeit des Aristophanes ist nachgerade ein Topos.“ https://doi.org/10.1515/9783110625196-001

2 | Einleitung

Wie halten wir es mit den direkt oder metaphorisch omnipräsenten Phallovaginalien, die gerade hier als Leitmotiv und Subtext eine tragende Rolle spielen? Was wirkte damals an all der Unverblümtheit derb, grob, anstößig und sollte so wirken, was war alltäglich und damit unbedenklich? Und wie transportieren wir die mediterrane Freizügigkeit im Verbalen am sinnfälligsten in unser „Zeitalter der Pornographie“5?6

Während sich die – hier exemplarisch durch Droysen und Janka belegte – Frage nach einem angemessenen Umgang mit den Aristophanischen obscena im Grunde kaum veränderte, fiel ihre Beantwortung im Laufe der vergangenen Jahrhunderte immer wieder anders aus. Dies war nicht selten verbunden mit grundlegenden Veränderungen des Blickwinkels, aus dem Übersetzer und ihre Leser die Gattung der Alten Komödie und deren prominentesten Vertreter Aristophanes betrachteten. Dementsprechend unterschiedlich waren auch die Vorstellungen, die sich die neuzeitlichen Rezipienten der Aristophanes-Komödien von der griechischen Lebenswelt des 5. Jahrhunderts v. Chr. oder – topisch verkürzt – von der griechischen Antike machten. Ziel der vorliegenden Arbeit, die im Rahmen des Berliner Sonderforschungsbereiches 644 ‚Transformationen der Antike‘ begonnen wurde,7 ist es nun, genauere Erkenntnisse darüber zu gewinnen, in welcher Weise sich insbesondere deutschsprachige Übersetzer und Bearbeiter von Aristophanes-Komödien im Laufe der Übersetzungsgeschichte mit der Obszönitätsproblematik auseinandersetzten und in welchem Maße ihre Übersetzungsentscheidungen das Aristophanes-Bild – und damit verbunden auch das Antike-Bild – ihrer Leser mitbestimmten. Hierzu werden

|| 5 Das Binnenzitat ist Ulrike Kahlos Theaterrezension zur Uraufführung von Walter Jens’ LysistrateAdaptation Die Friedensfrau entnommen; Kahlo (1986). S. auch u. 3.3.4.2.4. 6 Janka (2000), 583. In ähnlicher Weise wird der übersetzerische Umgang mit den obscena auch im englischen Sprachraum diskutiert: „Why should the pleasure of hearing Aristophanes’s jokes in all their scatological glory be denied to the audiences of the twenty-first century, who can read De Sade’s horrific scenes in unexpurgated English versions, and can summon up on the internet pornographic images which are far more disgusting than anything that Aristophanes ever suggested for the delight of his Athenian audience?“ Ewans (2010), 82 f. Vgl. auch Dobrov (2010), 29: „[...] Another distinguishing characteristic of Old comedy – and a formidable impediment to reception and appreciation has been its obscene language and imagery. For readers and translators of earlier generations, it has not been easy to negotiate the extreme topicality and coarseness of Aristophanes in particular. The acceptance and frank translation of comic obscenity is a recent phenomenon for which J. J. Henderson (1975) is a watershed. [...]“ 7 Der Sonderforschungsbereich 644 ‚Transformationen der Antike‘ bestand von Januar 2005 bis Dezember 2016; s. hierzu auch u. 1.1.2. Die Verfasserin war hier von 2005 bis 2008 als wissenschaftliche Mitarbeiterin in dem von Prof. Dr. Wolfgang Rösler und Prof. Dr. Ulrich Schmitzer geleiteten Teilprojekt B7 ‚Übersetzung der Antike‘ tätig. Als Arbeitsergebnisse dieses Teilprojekts, das sich während seiner ersten Förderphase mit der Theorie des Übersetzens antiker Texte im deutschsprachigen Raum seit dem Beginn des 18. Jahrhunderts befasste, sind unter Beteiligung der Verfasserin folgende Publikationen erschienen: Lubitz (2008), Harbsmeier/Kitzbichler/Lubitz/Mindt (2008), Lubitz (2009), Kitzbichler/Lubitz/Mindt (2009a) und (2009b), Lubitz (2014).

Einleitung | 3

neben den konkreten übersetzungspraktischen Lösungen, die im Mittelpunkt der Untersuchung stehen, auch die für die Fragestellung relevanten übersetzungstheoretischen Reflexionen, wie sie vor allem in den Übersetzungsvorreden dokumentiert sind, in den Blick genommen. Die Arbeit gliedert sich in vier Teile. Im ersten Teil wird das Phänomen der obszönen Sprache in der griechischen Komödie einführend behandelt. Dies umfasst einen Überblick über Wesen und Funktionen der Aischrologie in der Alten Komödie, eine Arbeitsdefinition des Attributes ‚obszön‘ sowie eine an Jeffrey Hendersons einschlägige Untersuchung zum Thema8 angelehnte Bestimmung der verschiedenen Kategorien obszönen Sprechens. Der zweite Teil der Arbeit widmet sich der Rezeptionsgeschichte, insbesondere der übersetzungstheoretischen Auseinandersetzung mit dem Problem des Obszönen bei Aristophanes seit dem Erscheinen der ersten deutschen AristophanesÜbersetzung im Jahr 1613 (Isaac Fröreisen, Die Wolken). Mit einem eingeschobenen Exkurs zur Aristophanes-Rezeption und -Übersetzung im Frankreich des 17. und 18. Jahrhunderts wird ferner der starken Beeinflussung der deutschen AristophanesRezeption jener Zeit durch die französische Übersetzungstradition Rechnung getragen. Anhand von ausgewählten Texten – neben Übersetzungsvorreden werden auch Literaturgeschichten, Monographien zur griechischen Komödie, ästhetische Abhandlungen und Rezensionen herangezogen – wird dargelegt, durch welche Diskurse das Aristophanesbild zu bestimmten Zeiten geprägt wurde, welcher Stellenwert dabei jeweils dem Obszönen zugemessen wurde, und wie sich dies auf den übersetzerischen Umgang mit dem Obszönen auswirkte. Das konkrete Verhältnis von Übersetzung und griechischem Text wird im dritten Teil der Arbeit untersucht. Als Referenztext wurde die 411 v. Chr. in Athen uraufgeführte Komödie Lysistrate ausgewählt, in der die Titelheldin die Ehefrauen der Athener und die Frauen der mit Athen verfeindeten Spartaner zu einem gemeinsamen Ehestreik anstiftet, um auf diese Weise die Männer zu einer Beendigung des bereits seit 20 Jahren währenden Peloponnesischen Krieges zu bewegen. Die angesichts dieser Konstellation nicht ausbleibenden Auseinandersetzungen zwischen Männern und Frauen werden im Stück durch zahlreiche sexuelle Anzüglichkeiten und obszöne Beschimpfungen auf die Spitze getrieben. Für den Übersetzungsvergleich wurden neun deutsche Übersetzungen [von insgesamt 12] und zwei freiere Bearbeitungen der Komödie [von insgesamt 10] ausgewählt.9 Der zeitliche Rahmen wird hier markiert durch die erste Teilübersetzung der Lysistrate, die Wil-

|| 8 Henderson, The Maculate Muse. Obscene Language in Attic Comedy, 2. Aufl. 1991 [zuerst: Yale 1975]. 9 S. hierzu auch u. 3.1 und 3.3.4.

4 | Einleitung

helm von Humboldt 1795 für den privaten Gebrauch anfertigte, sowie durch die im Jahr 2009 erschienene Übertragung der Komödie von Niklas Holzberg.10 Alle Übertragungen – einschließlich der Bearbeitungen – werden zunächst einzeln unter Berücksichtigung ihrer Entstehungs- und Wirkungsgeschichte einführend vorgestellt und einer knappen Übersetzungsanalyse unterzogen. Eine vergleichende Betrachtung sämtlicher Übertragungen am Beispiel ausgewählter längerer

|| 10 Nicht mehr berücksichtigt werden konnte in dieser Untersuchung die in der De Gruyter-Reihe Griechische Dramen im Juli 2019 erschienene Lysistrate-Übertragung von Manfred Landfester, die lt. Verlagsprogramm eine „Edition des Stückes mit präziser Übersetzung und einem differenzierten Kommentar“ (https://www.degruyter.com/view/product/128220; zuletzt gesehen: 17.09.2019) bieten soll. Ein Zugriff auf die digitale Volltextversion über den Katalog der Staatsbibliothek zu Berlin sowie über den Bamberger Katalog wurde zuletzt am 15.08.2019 versucht, war zu diesem Zeitpunkt aber noch nicht möglich. Auf die in Bd. III der von der Wissenschaftlichen Buchgesellschaft Darmstadt herausgegebenen, ebenfalls zweisprachigen Aristophanes-Ausgabe enthaltene Lysistrate-Übersetzung von Peter Rau kann hier nur äußerst knapp eingegangen werden, da diese Übersetzung der Verfasserin erst nach Abschluss der eigentlichen Arbeit ab Mitte 2018 zugänglich war: Auffällig ist zunächst die Kürze der in Band I der Ausgabe enthaltenen einführenden Begleittexte, insbesondere da es sich – mit Ausnahme von Wolfgang Schöners im Selbstverlag herausgegebener Übersetzung – um die erste in einem namhaften Verlag erschienene Gesamtübersetzung des Dichters seit über 150 Jahren und um die erste zweisprachige Gesamtausgabe überhaupt handelt. Die Lebensumstände des Aristophanes, die Gattung der Alten Komödie und deren Dramaturgie, die komische Kunst, Sprache und Metrik des Dichters sowie Textüberlieferung, Fortwirken, Anmerkungen zu Textgestaltung und Übersetzung, Abkürzungen und Auswahlbibliographie werden auf insgesamt nur 18 Seiten abgehandelt. Dem Thema Obszönität ist kein separater Abschnitt gewidmet. Dass die Komödien des Aristophanes Obszönitäten enthalten, findet lediglich beiläufig Erwähnung (S. XIII, XVI und XXI). Der einleitende Abschnitt zum Übersetzungsverfahren umfasst gerade eine halbe Seite. Das Hauptanliegen des Übersetzers wird hier folgendermaßen dargelegt: „Die Übersetzung soll zur Lektüre des griechischen Textes bei Bedarf Lesehilfe sein, vor allem aber allgemein Literatur- und Theaterinteressierten einen dem Original möglichst nahe [sic] und dabei gut lesbaren deutschen Aristophanes vermitteln. Dem Autor soll nichts genommen und nichts hinzugefügt werden, [...]“; Rau, Einleitung: ‚Aristophanes le Quintessential‘ (2016), 21. Neben Beibehaltung des Milieus und der sprachlichen Vielfalt (wechselnde Stilebenen, poetische Formen, Parodien) wird – im Unterschied zu den jüngeren Prosa-Übersetzungen von Schöner und Holzberg – auch die Nachahmung der griechischen Metren angestrebt; vgl. ders. ebd. Die obszönen Passagen werden in der Regel semantisch adäquat wiedergegeben; der Sprachduktus insgesamt steht allerdings demjenigen Seegers (19. Jh.) näher als demjenigen Holzbergs (21. Jh.). Hier nur ein kurzes Beispiel (Aristoph. Lys. 148 – 154): Lys.

Bei den Göttinnen, ja gewiss. Denn wenn wir drin im Hause sitzen fein geputzt Und gehen etwa in hauchdünnen Negligees Wie nackt einher, das Delta säuberlich gezupft, Und wenn die Männer steif dann werden und möchten gern, Wir aber dann nicht hingehn, sondern enthalten uns, Da machen sie wohl schleunigst Frieden ganz gewiss.

Vgl. dazu v. a. die Übersetzungsvarianten von Seeger und Holzberg u. 3.4.4.3.2 und 3.4.4.3.3.

Einleitung | 5

Textpassagen, die besonders von obszöner Sprache geprägt sind, schließt sich an. Grundlage hierfür ist eine philologische Analyse des Ausgangstextes, die den Gedankengang und die Entfaltung der obszönen Pointe an der betreffenden Stelle offenlegt. In einem weiteren Schritt werden die verschiedenen Übersetzungen daraufhin untersucht, inwieweit sie das vom Ausgangstext vorgegebene obszöne Potenzial jeweils ausschöpfen können. In diesem Zusammenhang werden die jeweils eingesetzten Übersetzungsstrategien des Eliminierens, Abmilderns, Bewahrens oder auch Verstärkens der obszönen Ausdrucksweise möglichst genau beschrieben und terminologisch erfasst. Die Auswertung der Untersuchungsergebnisse erfolgt im vierten Teil der Arbeit. Darüber hinaus bietet der vierte Teil eine typologische Übersicht über die im Rahmen dieser Arbeit beobachteten Übersetzungsverfahren.

1 ‚Obszöne Sprache‘ in der Alten Komödie 1.1 Das Phänomen der ‚Aischrologie‘ in der Alten Komödie 1.1.1 Ursprünge und Vorformen Komödienaufführungen fanden in Athen spätestens seit dem frühen 5. Jahrhundert v. Chr. statt. Seit dem Jahr 486 v. Chr. waren sie fester Bestandteil der alljährlich im Frühjahr (März/April) gefeierten Großen Dionysien, seit 445/4 auch der Lenäen (Januar/Februar). Diese institutionalisierten Festveranstaltungen zu Ehren des Gottes Dionysos umfassten bekanntlich1 – neben anderen Kult- und Repräsentationsveranstaltungen2 – auch Preiswettkämpfe um die besten Darbietungen von Dithyrambenchören3 (nur bei den Dionysien), Tragödien4 und Komödien5. In der Organisation dieser musischen Wettkämpfe spiegelte sich die demokratische Verfasstheit des attischen Staates wider. So waren zahlreiche athenische Bürger als Choregen, Chorsänger, Laiendarsteller oder Mitglieder des Preisgerichts unmittelbar in das agonale

|| 1 Zur Einbindung der Komödie in den dionysischen Festkontext vgl. Goldhill (1990), ferner Zimmermann (2011), 672–674. Der Ablauf der Großen Dionysien und Lenäen wird ausführlich dargestellt bei Pickard-Cambridge (1953), 55–126 u. 23–40, vgl. ferner Blume (1978), 17–29, Csapo/Slater (1994), 103–138, Zimmermann (2006), 14–26, u. ders. (2011), 471 f. 2 Im Fall der Großen Dionysien fand bereits zwei Tage vor Festbeginn ein sogenannter Proagon statt, bei dem die auf dem Programm stehenden Darbietungen dem Publikum vorgestellt wurden. Am Abend vor dem ersten Festtag wurde das Kultbild des Dionysos Eleuthereus im Rahmen einer feierlichen Prozession aus dem an der Straße nach Eleutherai gelegenen Hain des Heros Akademos in den städtischen Dionysostempel überführt. Der Vormittag des ersten Tages war ausgefüllt mit verschiedenen Repräsentationshandlungen vor einem gesamtgriechischen Publikum. Dazu zählte das gemeinsame Opfer der zehn Strategen, die Ehrung verdienter Bürger, die Ausstattung der mündig gewordenen Kriegswaisen mit Kriegswaffen und die demonstrative Ausstellung der von den Mitgliedern des Attischen Seebundes entrichteten Tributleistungen. Bestandteil der vornehmlich auf ein lokales Publikum beschränkten Lenäen war unter anderem ein Festumzug, bei dem von Wagen herab Spottreden gehalten wurden. 3 Jede der zehn attischen Phylen entsandte hierzu je einen Knaben- und einen Männerchor, bestehend aus jeweils 50 Sängern, die sich am Nachmittag des ersten Festtages im Vortrag eines Lobliedes auf Dionysos miteinander maßen. 4 Bei den Großen Dionysien kamen – bereits seit dem Jahr 509 v. Chr. – an drei aufeinanderfolgenden Tagen insgesamt drei Tragödientetralogien (bestehend aus drei Tragödien und einem Satyrspiel) zur Aufführung; bei den Lenäen war der Tragödienagon erst um 430 v. Chr. eingeführt worden und beschränkte sich auf zwei Tragödien ohne Satyrspiel. 5 Sowohl bei den Dionysien (hier am zweiten Festtag) als auch bei den Lenäen wurden jeweils fünf Komödien zur Aufführung gebracht (vgl. aber auch Zimmermann [2011], 471 f., der auf ein mögliches alternatives Ablaufszenario hinweist); seit der zweiten Hälfte des 3. Jh. v. Chr. wurde ihre Zahl bei den Dionysien auf sechs erhöht. https://doi.org/10.1515/9783110625196-002

Das Phänomen der ‚Aischrologie‘ in der Alten Komödie | 7

Geschehen eingebunden.6 Die übrigen Athener verfolgten die für jeweils nur eine einzige Aufführung konzipierten und einstudierten Stücke als Zuschauer auf den Rängen des Dionysostheaters, das zur Zeit des Aristophanes etwa 6000 bis 7000 Menschen7 Platz bot. Die frühe Form der attischen Komödie, die sogenannte Alte Komödie, ist uns heute fast ausschließlich durch die elf erhaltenen Stücke des Aristophanes (um 450 bis nach 388 v. Chr.) bekannt.8 Von älteren und gleichaltrigen Komödiendichtern sind lediglich Fragmente überliefert.9 Aristophanes brachte zwischen den Jahren 427 und 388 v. Chr. etwa 45 Komödien zur Aufführung und errang mindestens fünfmal den ersten Platz im Komödienagon. Insbesondere seine frühen, in der Anfangsphase des Peloponnesischen Krieges entstandenen Stücke (Acharner, Ritter, Wolken I, Wespen, Frieden) lassen in ihrem Aufbau noch deutliche Bezüge zu älteren Formen komischer Dramatik erahnen. Dazu gehört vor allem die typische Gegenüberstellung eines komischen Protagonisten mit bäuerlich-derben Zügen (βωμολόχος), der ebenso wie die Nebendarsteller mit ausgepolstertem Hinterteil und künstlichem Phallos ausgestattet ist, und eines Chores, dessen Mitglieder sehr häufig als ‚Tiere‘10 oder andere Phantasiegestalten (z. B. als Wespen, Vögel oder Wolken) kostümiert sind. Im Wechsel von dialogischen Sprechszenen und gesungenen oder rezitativischen Chorpartien – der Chor kann dabei sowohl Gegner als auch Unterstützer des Protagonisten sein – wird in der Regel ein gänzlich absurd erscheinendes Anliegen des Protagonisten unter Überwindung zahlreicher komischer Hindernisse seiner Verwirklichung entgegengeführt. So handelt etwa in den Acharnern der attische Bauer Dikaiopolis im siebten Jahr des Peloponnesischen Krieges einen dreißigjährigen Privatfrieden mit den Spartanern aus, um wieder ungehindert Handel mit den Nachbarstaaten treiben zu können, mit denen Athen offiziell verfeindet ist. Dafür muss er sich trickreich gegen den Chor – eine Gruppe von reaktionären Köhlern aus dem attischen Demos Acharnai – zur Wehr setzen, die ihn als Kriegsverräter beschimpfen und mit dem Tode bedrohen. Nach glücklicher Überwindung sämtlicher Widerstände wird die neue Situation dann üblicherweise in einer Reihe lustiger Szenarien (epeisodische Szenen) auf ihre ‚Alltagstauglichkeit‘ überprüft,

|| 6 Vgl. Blume (1978), 18, Zimmermann (2011), 470. 7 Vgl. Zimmermann (2011), 479. 8 S. hierzu v. a. den neu bearbeiteten Artikel „Aristophanes 12) der Komiker“ im Supplementband 12 der RE von Gelzer (1970) sowie den Beitrag von Zimmermann (2011), 671–800, zur attischen Komödie im Handbuch der Altertumswissenschaften; jeweils mit weiterführenden Literaturangaben. 9 S. dazu auch u. 2.3.1 Anm. 51. 10 Näheres zu den theriomorphen Chören in der Attischen Komödie bei Sifakis (1971), 71–108.

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bevor das siegreiche Agieren des Protagonisten schließlich durch ein sinnenfreudiges Festgelage belohnt wird.11 Vor dem Hintergrund dieser absurd-phantastischen Handlungs- und Personenkonstellation nimmt jedoch die Alte Komödie – und darin liegt ihre Besonderheit – immer wieder unmittelbar Bezug auf das aktuelle Zeitgeschehen und das Leben in der athenischen Polisgemeinschaft.12 So unterzieht der Komödiendichter des 5. Jahrhunderts die politischen und kulturellen Verhältnisse seiner eigenen Zeit – wie z. B. die prekäre Situation Athens zur Zeit des Peloponnesischen Krieges, die übertriebene Prozesswut der Athener, neuartige intellektuelle Strömungen oder die zeitgenössische Dramenproduktion – einer witzigen, oftmals auch harschen Kritik. Dies schließt sowohl beleidigende Äußerungen gegenüber fiktiven Handlungsträgern der Komödie als auch derbe namentliche Verspottungen (ὀνομαστὶ κωμῳδεῖν)13 prominenter Zeitgenossen ein.14 Dabei bieten körperliche Schwächen, persönliche Marotten, moralische Defizite oder sexuelle Vorlieben literarischer Konkurrenten oder politischer Gegner dem Komiker willkommene Angriffsflächen für beleidigende Schmähungen und obszöne Scherze. Die ‚Opfer‘ solcher Schmähungen werden bisweilen direkt als Bühnenfiguren in die Handlung einbezogen, wie z. B. der Philosoph Sokrates (Wolken) oder der Tragiker Euripides (Thesmophoriazusen, Frösche), bisweilen werden ihre Namen im Verlauf des Stückes – nach Art eines ‚running gag‘ – immer wieder mit unrühmlichen Situationen in Verbindung gebracht wie etwa bei dem als Schildwegwerfer (ῥίψασπις bzw. ἀσπιδαποβλής) verhöhnten Politiker Kleo-

|| 11 Zu den traditionellen Handlungs- und Darstellungselementen der Aristophanes-Komödien, insbesondere zu deren Variabilität in Anordnung und Ausgestaltung vgl. die Ausführungen von Gelzer (1970), Sp. 1518–1531. 12 Nach der athenischen Niederlage von 404/03, die den Verlust der politischen Selbständigkeit und – damit verbunden – die Auflösung der überkommenen demokratischen Strukturen mit sich brachte, wurde die politisch-satirische Komödie des 5. Jahrhunderts allmählich durch die unpolitische Form der Typenkomödie abgelöst. Dieses spätere Stadium der attischen Komödie wird üblicherweise unterteilt in eine Mittlere Komödie, von der wir jedoch kaum Zeugnisse besitzen, und eine Neue Komödie, als deren Hauptvertreter aufgrund der Überlieferungslage Menander anzusehen ist. Vgl. Henderson (1991), 29. Diese üblich gewordene Dreiteilung der griechischen Komödie in eine Alte, Mittlere und Neue kann, wie Zimmermann (2011) betont, erst nach Menanders Tod aufgekommen sein: „Erst nach Menanders Wirken, der als ein zweiter Höhepunkt der Komödie nach Aristophanes angesehen wurde, konnte die Phase zwischen Aristophanes und Menander – also die Zeit zwischen 380 und 320 – nicht als bloßes unbedeutendes Nachspiel angesehen werden, sondern als tatsächlicher Übergang zu einem neuen Höhepunkt.“ Zimmermann (2011), 671. Die Epochenübergänge selbst müssen zudem eher als fließend denn als deutliche Brüche vorgestellt werden; vgl. ders. ebd. S. dazu auch u. 2.2.1 Anm. 34. 13 Vgl. hierzu die Beiträge in Ercolani (2002). 14 Entstehungsgeschichte und Formen des komischen Schmähens, sein Vorkommen in den verschiedenen Handlungsteilen der Aristophanischen Komödie und die jeweils damit verbundenen dramatischen Funktionen wurden von Saetta Cottone (2005) untersucht.

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nymos15 oder dem homosexuellen Demagogen Kleon, den Aristophanes in zahlreichen Komödien verspottet16 und unter anderem als „Feigling und Riesenarschfotze“17 (δειλὸς καὶ λακαταπύγων; Ach. 664) tituliert. Dieses für die Alte Komödie typische Phänomen der verbalen Verunglimpfung, das üblicherweise mit dem aus der antiken Rezeptionstradition übernommenen Terminus ‚Aischrologie‘ (αἰσχρολογία) bezeichnet wird,18 lässt sich mit großer Wahrscheinlichkeit auf kultische Ursprünge zurückführen.19 So wurden beispielsweise während der lokalen griechischen Kultfeste für Demeter oder Dionysos Festumzüge (πομπαί und κῶμοι) veranstaltet, bei denen die Teilnehmer u. a. künstliche Phalloi mitführten, sich gegenseitig verspotteten und mit obszönen Beleidigungen attackierten.20 Das freizügige Sprechen über sexuelle und skatologische Inhalte – im griechischen Alltagsleben ebenso wie in anderen Kulturen mit einem strikten Tabu belegt21 – war im Rahmen dieser offiziellen und zeitlich begrenzten Festivitäten

|| 15 Diesen Vorwurf gegen Kleonymos bringt Aristophanes in mehreren Komödien vor (Nub. 353, Vesp. 15 ff., 592; Equ. 1372). 16 Kleon-Schelte findet sich in den Aristophanes-Komödien Acharner, Wolken, Wespen und Frieden. Außerdem erscheint Kleon in den Rittern in der Hauptrolle des „Paphlagoniers“. 17 Das Übersetzungszitat stammt aus Holzberg (Ü), Aristophanes: Lysistrate (2009), 46. 18 Zur Begriffsgeschichte s. Siems (1974), 9–17. Zimmermann (2011), 784 Anm. 467 weist auf die Notwendigkeit einer Differenzierung zwischen ὀνομαστὶ κωμῳδεῖν und Aischrologie hin: „Aischrologie ist ein rituelles, mit bestimmten Kulten verbundenes, persönlicher Spott dagegen ein literarisches, komödienspezifisches Element, das aus der Handlung, der σύστασις τῶν πραγμάτων der jeweiligen Komödie erklärt werden muß, wobei unbestritten ist, daß die persönliche Verspottung – manchmal als kultisches Zitat – aischrologische Bestandteile aufweist.“ 19 Vgl. u. a. Fluck (1931), Degani (1987), Flashar (2006), 77, Halliwell (2004) und (2008), 206–263. Abweichend hiervon Stark (2004), 46 ff. und Rosen (2015). 20 Zu den Prozessionen bei den Großen Dionysien und bei den Lenäen vgl. Pickard-Cambridge (1953), 59–61 und 34 f. Eine Sammlung von Quellentexten zum ‚rituellen Gelächter‘ (ritual laughter) hat Halliwell (2008), 160–191 zusammengestellt. 21 Halliwell (2008) spricht im Hinblick auf die athenische Komödientradition auch von „institutionalised shamelessness“, was sich anhand einer Äußerung Heraklits zu den Phallosliedern und prozessionen (Herakl. fr. 15 DK) belegen lasse: „‚if it were not Dionysus in whose honour they process and chant a song to genitals (literally ‚parts that induce shame‘), their behaviour would have been most shameful.‘ On this model, the audience of Old Comedy is exempted from both the practical and the psychological considerations that could be expected to impinge on reactions to the shameful in many other public settings.“ Halliwell (2008), 247. S. ferner u. 1.2.1. Dover (1980) betont diesbezüglich in der Diskussion zu seinem Vortrag Expurgation of Greek Literature, dass die Griechen ein eigenes Konzept von Anstand (‚decency‘) im sexuellen Sinne gehabt hätten. In seriöser Literatur würden stets Euphemismen und Umschreibungen verwendet, und viele sexuelle Begriffe, die in der Komödie, bei den Iambographen, in Graffities und in einigen Gedichten Theokrits häufig Verwendung fänden, kämen hier niemals vor (z. B. βινεῖν γυναῖκα vs. συγγίγνεσθαι γυναικί); vgl. Dover (1980), 84.

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gesellschaftlich sanktioniert.22 Die Obszönität wurde hier nicht als anstößig empfunden, sondern geradezu erwartet.23 Aus solchen kultischen Verspottungsritualen entwickelte sich wohl zunächst eine primitive Vorform der Komödie als dramatische Aktivität mit Streit und Obszönität, die allmählich durch das Ausdifferenzieren der Chor- und Schauspielerpartien sowie der komödienspezifischen Strukturelemente die Gestalt der uns überlieferten Form der Alten Komödie annahm.24 Eine frühere Form der Weiterentwicklung der kultisch-volkstümlichen Aischrologie stellt die iambische Dichtung dar, deren Überlieferung im 7. Jahrhundert v. Chr. einsetzt.25 Die Vertreter des Iambos, zu ihnen gehörten u. a. Archilochos von Paros, Solon von Athen und Semonides von Amorgos, stellten – wahrscheinlich im Kontext der aristokratischen Symposionskultur – zeitgenössische Ereignisse in den Mittelpunkt ihrer Dichtung und ergingen sich dabei in unflätigen Beschimpfungen ihrer politischen Widersacher.26 In der Komödie des 4. Jahrhunderts war das Element der persönlichen Invektive nahezu verschwunden. Bereits in den späten Komödien des Aristophanes (Ekklesiazusen, Plutos) ist ein deutlicher Rückgang der Aischrologie zu verzeichnen, so dass diese Stücke bisweilen schon der sogenannten Mittleren Komödie zugerechnet werden,27 die als Übergangsphase zu der in der zweiten Hälfte des 4. Jahrhunderts einsetzenden Neuen Komödie angesehen wird.28 Die Handlung der Neuen Komödie ist – im Unterschied zur Alten Komödie – zumeist im ‚bürgerlichen‘ Milieu angesiedelt

|| 22 Eine Bewertung verschiedener antiker Quellen, die auf eine gesetzliche Beschränkung derartiger Äußerungen zur Zeit des Aristophanes hindeuten, nimmt Sommerstein (2002) vor. Er kommt zu dem Ergebnis, dass die in Athen durchaus existierenden Gesetze gegen bestimmte Formen der verbalen Beleidigung von den Dichtern der Alten Komödie in der Regel „genau beachtet“ worden seien: „Deswegen stand die Komödie weder in Theorie noch in Praxis jenseits des Gesetzes. [...] Die Dionysische Tradition der Aischrologie machte es zwar möglich, daß viele Dinge gesagt wurden, die in anderen Kontexten unanständig gewesen wären, aber es gab kein Recht, Dinge zu sagen, die in anderen Kontexten illegal gewesen wären.“ (ebd. 145). Illegal wäre es demnach etwa gewesen, eine – nicht fiktive – Person öffentlich zu beschuldigen, einen Mord begangen oder die eigenen Eltern geschlagen zu haben (vgl. ebd. 142). 23 Halliwell (2004), 135: „Within Old Comedy, aischrology is not only permitted, it is actively expected and celebrated, [...].“ 24 Die Frage der Entstehung der Alten Komödie sowie die Deutung der hierzu überlieferten Äußerungen in der Poetik des Aristoteles sind heftig umstritten. Einen Überblick über die Forschungsgeschichte bietet Möllendorff, (2002), 35–49. 25 Vgl. die Überblicksdarstellung in Zimmermann (2011), 130–132. Nahegelegt wird ein Zusammenhang der Iambendichtung mit dem Demeterkult durch die im homerischen Demeterhymnos (vv. 192–204) geschilderte Episode, in der die Magd Iambe die um ihre Tochter Kore trauernde Göttin mit obszönen Scherzen aufheitert. 26 Zum Zusammenhang von Iambos und Komödie vgl. Rosen (1988), West (1974), 35–37. Zum obszönen Vokabular der Iambendichtung s. Henderson (1991), 17–23. 27 Vgl. Gelzer (1979), 296 f. 28 S. auch o. 1.1.1 Anm. 12.

Das Phänomen der ‚Aischrologie‘ in der Alten Komödie | 11

und besteht häufig in der karikierenden Darstellung eines schwierigen Charaktertypus und der Lösung verzwickter, aber harmloser Liebeshändel – hiervon vermitteln uns vor allem die Stücke Menanders (342/1–291/0 v. Chr.) und die an ihn anknüpfenden römischen Komödien von Plautus und Terenz einen Eindruck.

1.1.2 Funktionen der Aischrologie Die massive Präsenz des Obszönen als Charakteristikum der Alten Komödie des 5. Jahrhunderts hat verständlicherweise immer wieder auch die Frage nach der zeitgenössischen Akzeptanz dieses Phänomens sowie nach den spezifischen Funktionen der Aischrologie im Rahmen der Polis-Feierlichkeiten zu Ehren des Gottes Dionysos aufgeworfen. Antike Positionen zu diesen Fragestellungen finden sich u. a. bei Aristoteles, Plutarch und Horaz (hierzu u. 2.2). Auch in der Neuzeit wurden diese Themen bis in die Gegenwart hinein immer wieder kontrovers diskutiert.29 Dabei standen bis ins 19., teilweise auch noch ins 20. Jahrhundert hinein die hierzu geäußerten Überlegungen zumeist im Zusammenhang mit dem Bemühen, den Dichter Aristophanes gegen Kritiker in Schutz zu nehmen und ihn vom Vorwurf der Unmoral oder des schlechten Geschmacks freizusprechen.30 So begründeten etliche Forscher das aischrologische Moment mit der Einbettung der Komödie in den Dionysoskult oder mit den antiken Gattungskonventionen im Allgemeinen, durch die der Dichter dazu gezwungen gewesen sei, das traditionelle Element der (rituellen) Verspottung beizubehalten.31 Andere deuteten das Vorhandensein obszöner Scherze und namentlicher Verspottungen als ein drastisches Mittel der moralischen oder politischen Belehrung, durch die Aristophanes seine Mitbürger habe aufrütteln wollen.32 Wieder andere suchten eine Erklärung in dem vermeintlich primitiven Geschmack des athenischen Theaterpublikums, dem sich der Dichter – gegen seine eigenen ästhetischen Überzeugungen – habe fügen müssen, um sich im Komödienagon gegen seine Konkurrenten behaupten zu können.33 || 29 Die wichtigsten jüngeren Abhandlungen zur Aischrologie-Thematik sind aufgeführt bei Zimmermann (2011), 703 Anm. 156 mit Verweisen auf Dover (1972), 38–41, Henderson (1991), 187–203, Halliwell (2004), 140 und Halliwell (2008), 160–191; 206–214. 30 Eine (teilweise mit Beispielen belegte) Auflistung der geläufigsten Begründungsversuche für das Vorhandensein obszöner Äußerungen bei Aristophanes, auf die hier im Folgenden noch näher eingegangen wird, findet sich u. a. bei Wit-Tak (1967), 109 f. und Dover (1980), 76 f. 31 Vgl. hierzu Wit-Tak (1967), 109 (einschließlich Anm. 65) mit zahlreichen Beispielen u. ebd. 132 (englische Zusammenfassung). S. ferner u. 2.3.2.1, 3.3.2.3. 32 Vgl. Willems (Ü/K), Aristophane (1919), II 449: „il a usé du seul moyen qu’il avait de se faire écouter“. S. ferner u. 2.2.3, 2.3.2.1, 2.3.2.2, 2.3.3.1, 3.3.1.2.1 Anm. 138. 33 So z. B. Schmid (1946), 401: „[...] eher könnte man denken, Aristophanes habe es mit Rücksicht auf das ihm besonders sympathische Bauerntum, das während des Kriegs einen großen Teil des Publikums ausmachte, toller als die anderen getrieben.“ Vgl. auch Roemer (1905), 80: „Nach den

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Seit der Mitte des 20. Jahrhunderts schließlich hat sich hinsichtlich der Funktionsbestimmung des Obszönen in der Alten Komödie ein neuer Interpretationsschwerpunkt herausgebildet. Unter Bezugnahme auf psychologische, soziologische und anthropologische Forschungsansätze wird nunmehr vor allem der Aspekt der gemeinschaftsstiftenden bzw. ausgrenzenden Funktion des Obszönen in der Komödie herausgestellt.34 So deutet Jeffrey Henderson, der sich u. a. auf Freud beruft,35 das öffentliche Bloßstellen einer Person durch das Aussprechen obszöner Wörter in Gegenwart eines Dritten – also vor Publikum – als Ersatz für physische Aggression innerhalb einer zivilisierten Gesellschaft. Analog hierzu betrachtet er die Alte Komödie als institutionalisierte Form des kollektiven Aggressionsabbaus, die sich insbesondere gegen einflussreiche Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens richtet: The role of the third person is assumed by the audience, which is thus free to enjoy the exposure of other people, particularly people whose political, intellectual or even divine authority in the community is so great that open attack or ridicule in any other form would be out of the question.36

James Robson hingegen betont vor allem das integrative Potenzial obszöner Sprache, das im Verwischen sozialer Unterschiede innerhalb einer Gemeinschaft liege: „Obscenity can cause the world and those who populate it to be seen in a ‚degraded‘ state: each man is seen not as an intellect or elevated soul but as a body that shits and fucks.“37 Im Zusammenhang der Komödienaufführung stärke das gemeinsame Lachen über obszöne Scherze das Zugehörigkeitsgefühl des einzelnen Bürgers zur Polisgemeinschaft: During the comic performance obscenity may, then, have realized its potential for effecting social cohesion. Moreover, I suggest that this sense of cohesion could be reinforced by a common reaction to obscenity’s use, that is, laughter [...].38

Von einer in erster Linie regulativen Funktion der Aischrologie innerhalb einer shame culture39 geht schließlich Isolde Stark aus. Aufgrund seines Drohpotenzials – Verlachtwerden bedeutet Gesichtsverlust und Ausschluss aus der Gruppe – vermöge

|| über diese Sorte von Witzen ἀεὶ γελῶντες θεώμενοι brauchen wir nicht lange zu suchen. Das sind die Schichten des niedrigen und niedrigsten Volkes; denen mussten nun die Komiker alle ohne Ausnahme Konzessionen machen und das haben sie gethan, Aristophanes auch nicht um ein Haar weniger als seine Vorgänger und Nachfolger!“ 34 Vgl. hierzu u. a. Henderson (1991), Rösler (1986) u. (1993), Stark (2004), Asper (2005), Robson (2006). 35 S. a. u. 1.2.2 u. ebd. Anm. 94. 36 Henderson (1991), 11. 37 Robson (2006), 82f. 38 Robson (2006), 84. 39 S. hierzu auch u. 1.2.1 und ebd. Anm. 61.

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es der komische Spott, die Mitglieder einer Gemeinschaft zur Einhaltung der für gültig erachteten Normen zu bewegen. Als Zielgruppe des Spottes nimmt Stark im Unterschied zu Henderson vor allem soziale Außenseiter an: Scham und Ehre waren die mentalen Grundvoraussetzungen für das Lachen sowohl in der sozialen als auch in der politischen Typenkomödie40. Normenbestätigung durch Normenkontrolle, d. h. durch Strafe für soziale bzw. politische Devianz, durch ausgrenzendes Lachen von Sonderlingen und Außenseitern der Bürgergemeinschaft und durch Spott über freie und unfreie Nichtbürger charakterisieren die griechische Komödie [...].41

Einen großen Einfluss auf die Interpretation des aischrologischen Elements bei Aristophanes hatte seit den 1980er Jahren die Übertragung des von Michail Bachtin am Beispiel von Rabelais’ groteskem Romanwerk entwickelten Konzepts des ‚Karnevalismus‘42 auf die attische Komödie des 5. Jahrhunderts.43 In Analogie zu der von Bachtin untersuchten mittelalterlichen Karnevalskultur, in der moralische Grenzüberschreitungen und verbale Tabubrüche innerhalb eines institutionellen und zeitlich begrenzten Rahmens sanktioniert waren, wurde auch die Institution der in die Dionysischen Feierlichkeiten eingebundenen Alten Komödie als karnevaleskes Phänomen gedeutet, da auch sie den Teilnehmern für die Dauer des Festes erlaubte, || 40 Stark bezeichnet die Alte attische Komödie im Unterschied zu sämtlichen anderen griechischen Komödienformen, die in der Forschung unter dem Begriff der „sozialen Typenkomödie“ subsumiert würden, da ihre Handlungsträger bestimmte sozial- bzw. charaktertypische Merkmale aufwiesen (geiziger Vater, verschwenderischer Sohn, listige Hetäre etc.), als „politische Typenkomödie“. Bei dieser „temporäre[n] und lokale[n] Sonderentwicklung“ habe der der Handlung zugrundeliegende politische Konflikt „die Haupt- und Nebenfiguren zu politischen Typen [gemacht]“ (schlechter Stratege, egoistischer Demagoge, windiger Gesandter etc.), die sich durch bestimmte „stereotype Verhaltensvarianten“ auszeichneten. Vgl. Stark (2004), 103; 218–231; 320. 41 Stark (2004), 325. 42 Als ‚Karnevalismus‘ wird das Vorhandensein volkstümlich karnevalesker Elemente (fehlende Trennung von Erhabenem und Profanem, Exzentrizität, Parodie des Ernsten) in literarischen Werken bezeichnet, die entweder in unmittelbarem Zusammenhang mit karnevalsartigen Festen stehen (z. B. Fastnachtsschwank) oder in indirekter Weise eine ‚Karnevalisierung‘ erfahren haben, wie Bachtin dies etwa für die Romane Rabelais’ oder Dostojewskis konstatiert; vgl. etwa Bachtin (1969), 47–60 u. 61–85; s. auch u. 2.3.3 u. ebd. Anm. 122. In Bezug auf karnevalistische Phänomene in der griechischen Antike hat Bachtin in seinem Dostojewski-Buch vor allem auf den Sokratischen Dialog und die Menippeische Satire, nicht jedoch – oder nur ganz am Rande – auf die Alte Komödie Bezug genommen. Dies wird von Rösler (1986) kritisiert, der zugleich darlegt, dass das Phänomen des Karnevalismus weniger auf die von Bachtin genannten Gattungen als auf die ältere Gattung der Alten Komödie zutrifft. 43 Carrière (1979) und vor allem Rösler (1986) u. (1993) sowie Rösler/Zimmermann (1991) setzten Bachtins Karnevalismus-Konzept explizit in Bezug zur Alten Komödie, die in Bachtins Untersuchungen noch keine – allenfalls eine marginale – Rolle gespielt hatte (vgl. Rösler [1986], 28). Eine ausführliche Interpretation der Komödien des Aristophanes vor dem Hintergrund von Bachtins Schriften lieferte schließlich Möllendorff (1995). Auf Analogien der Alten Komödie und der Basler Fastnacht verweist ferner – ohne Berufung auf Bachtin – Gelzer (1992).

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alltägliche Routinen und Zwänge abzuschütteln und aufgestaute mentale Spannungen durch verbale Aggression, obszöne Reden und das Auslachen von Autoritäten abzubauen.44 Die „Sphäre der Aischrologie“ ist demnach als konstitutives Element der Gattung zu betrachten45: Indem diese [sc. die Alte Komödie] nicht zuletzt auch die führenden Persönlichkeiten, namentlich Politiker und Strategen, der Lächerlichkeit preisgab, gewährte sie temporäre Entlastung vom Druck der Autorität. Doch dieselben Zuschauer, die eben noch, im karnevalistischen Freiraum des Festes, lachend applaudiert hatten, votierten bald darauf, in die Normalität des Alltags, genauer: der Volksversammlung zurückgekehrt, wieder für jene, von deren Verspottung sie sich gerade hatten belustigen lassen.46

Neben den elementaren Funktionen der komischen Aischrologie auf ritueller, psychologischer oder sozialer Ebene war aber auch deren konkrete Einbindung in die jeweiligen Bühnenhandlungen Gegenstand von Untersuchungen. So betonen etwa Wit-Tak47 und Henderson den hohen Stellenwert, der dem Obszönen als integralem Bestandteil der Komödienhandlung zukomme: The obscenity in Aristophanes is almost always integrally connected with the main themes of the plays; it is an important part of the stage action, the development of plots, and the characterization of personae, and can no more readily be excised from the plays than can any other major dramatic or poetic ingredients. Far from being merely an artist’s concession to the rabble, the obscene jokes and allusions in ancient comedy often reach a level of sophistication equal to the cleverest allusions to poetry or philosophy, and are composed as much for δεξιοὶ θεαταί as for the groundlings.48

Bei aller Verschiedenheit im Detail stimmen die in diesem Abschnitt vorgestellten Positionen darin überein, dass das Obszöne hier sowohl hinsichtlich seiner durch den Aufführungskontext bedingten Funktionen als auch durch seine Bestimmung als integraler, für die Handlungsentfaltung unverzichtbarer Bestandteil als eines der || 44 Holtermann (2004), 59 f. u. 99, weist allerdings darauf hin, dass das „Karnevalsinterpretament“ schon wesentlich früher auf die Alte Komödie angewandt wurde, „möglicherweise zuerst“ von Johann Georg Sulzer, der in seiner Allgemeinen Theorie der Schönen Künste (1792) von „Fastnachtspossen“ spricht [Sulzer, „Aristophanes“ (1792), 215; vgl. auch ebd. 216]; später sei es dann von den Brüdern Schlegel übernommen worden [vgl. A. W. Schlegels Vorlesungen über dramatische Kunst und Litteratur (31846), 193; vgl. außerdem A. W. Schlegel, Vorlesungen über philosophische Kunstlehre (1798), 94 und F. Schlegel, Vom ästhetischen Werte der griechischen Komödie (1794), 23.] Ferner führt Holtermann (2004), 59 Anm. 129 eine Lukian-Stelle an, in der der Spott explizit als „Teil des Festes“ bezeichnet wird: καὶ τὸ σκῶμμα ἐδόκει μέρος τι τῆς ἑορτῆς (Lukian, Piscator 25). Auch der Aristophanes-Übersetzer Ludwig Seeger zieht in seiner Übersetzungsvorrede von 1845 entsprechende Parallelen; vgl. u. 3.3.2.2. 45 Vgl. Rösler (1986), 39. 46 Rösler (1986), 39. 47 S. Wit-Tak (1967), 116 ff. u. 133; vgl. auch dies. (1968), 365. 48 Henderson (1991), xiv.

Das Phänomen der ‚Aischrologie‘ in der Alten Komödie | 15

wesentlichen, gattungskonstituierenden Elemente der Alten Komödie aufgefasst wird. Für die vorliegende Untersuchung soll daher die Frage bestimmend sein, inwieweit diese gattungsspezifische Grundkonstante auch in Übersetzungen und Bearbeitungen Aristophanischer Komödien präsent ist – im Mittelpunkt stehen dabei Übersetzungen ins Deutsche – bzw. welche Arten von ‚Transformation‘ sie auf dem Wege der Übersetzung erfährt. Der Terminologie des Berliner Sonderforschungsbereiches 644 ‚Transformationen der Antike‘49 entsprechend, die hier zugrunde gelegt wird, zeichnet sich die ‚Transformation‘ im Unterschied zu der lediglich in eine Richtung – vom Sender zum Empfänger – verlaufenden ‚Rezeption‘ dadurch aus, dass sie einen wechselseitigen Konstruktionsprozess zwischen Ausgangs- und Aufnahmekultur beschreibt. Begründet wird dieser durch die künstlerische, literarische, philosophische, historische oder – wie im Falle der der Übersetzung – auch sprachlich vermittelnde Auseinandersetzung mit Textzeugnissen, Artefakten, politischen Modellen oder intellektuellen Motiven anderer Kulturkreise, die in der Regel eine mehr oder minder große zeitliche oder räumliche Distanz zur Aufnahmekultur aufweisen. Dieser reziproke Prozess wurde im Berliner Sonderforschungsbereich mit dem Terminus der ‚Allelopoiese‘ belegt. Damit wird zum Ausdruck gebracht, dass durch die Wahrnehmung, Aneignung oder künstlerisch-produktive Modifikation bestimmter kultureller Formationen nicht nur das Wissen um, das Verständnis für oder die Inspiration durch das jeweils Fremde in der Aufnahmekultur gefördert wird, sondern dass umgekehrt stets auch die Interpretationen, Rekonstruktionen, Imitationen oder Rezensionen, die von den Vertretern der Aufnahmekultur an die verschiedenen Objekte der Referenzkultur herangetragen werden, die Sicht auf die Referenzkultur selbst verändern.50 Die Übersetzung einer Aristophanischen Komödie bewirkt demnach nicht nur, dass ein Leser dieser Übersetzung mit dem Inhalt eines griechischen Textes des

|| 49 Die im Rahmen des SFB 644 ‚Transformationen der Antike‘ entwickelten theoretischen Grundlagen zur Transformation als Konzept zur Erforschung kulturellen Wandels werden dargelegt in Böhme/Bergemann/Dönike et al. (2011), s. hier v. a. die Beiträge von Böhme (2011) und Bergemann/Dönike et al. (2011). 50 Vgl. auch Böhme (2011), 11: „Transformation ist als wechselseitige schöpferische Produktion anzusehen, die nicht notwendig symmetrisch ist. Je nachdem, ob der Antike eine fraglose Autorität eingeräumt wird, die zu verehren und nachzuahmen ist, oder ob sie willkürlich instrumentalisiert und zur Befestigung der eigenen Position genutzt wird, ändern sich mit dem Gewicht der Transformations-Agenten – mal dominieren mehr pathisch-rezeptive, mal mehr aktiv-zurechtmachende Einstellungen – auch das Gewicht, das Bild und die Funktion der Antike.“ In Bezug auf die übersetzungsbedingte Transformation bzw. Allelopoiese vgl. auch Poiss/Kitzbichler/Fantino (2016), 363: „Die Platon-Übersetzung Schleiermachers hat ein anderes Platon-Bild initiiert, der Übersetzer Johann Heinrich Voß entdeckte beim Formen eigener deutscher Hexameter Eigenschaften des antiken Verses, die zuvor unbekannt gewesen waren.“ S. auch ebd. 380.

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5. Jh. v. Chr. vertraut gemacht wird, den er im Original zu lesen möglicherweise nicht imstande ist, sondern sie prägt – je nachdem zum Beispiel, ob es sich um eine Vers- oder eine Prosaübersetzung handelt oder ob etwa die Namen attischer Politiker in der Übersetzung beibehalten oder aktualisierend durch die Namen zeitgenössischer Politiker ersetzt werden, – die Ideen und Vorstellungen, die sich der Leser der Übersetzung von den Werken des Aristophanes, von der Gattung der Alten Komödie, von den lebensweltlichen Bedingungen im Griechenland des 5. Jahrhunderts v. Chr., schließlich auch von der griechischen ‚Antike‘ überhaupt macht. Welche transformatorischen Modifikationen insbesondere das als gattungskonstituierend erwiesene Element des Obszönen auf dem Wege der Übersetzung (und Bearbeitung) erfährt und in welcher Weise hier die unterschiedlichen Übertragungsstrategien auch die jeweils zeitgenössische Sicht auf die Werke des Aristophanes, seine Person und seine Zeit mit beeinflussen,51 soll im Folgenden exemplarisch an ausgewählten deutschen Übersetzungen und Bearbeitungen der Aristophanes-Komödie Lysistrate untersucht werden. Vorab jedoch ist zu klären, wie der Begriff des ‚Obszönen‘ bzw. der ‚obszönen Sprache‘ in dieser Untersuchung zu definieren ist.

1.2 Begriffsbestimmung des ‚Obszönen‘ Moderne deutsche Lexika wie das Historische Wörterbuch der Philosophie oder das Reallexikon der deutschen Literatur-Wissenschaft führen unter dem Lemma ‚obszön‘ die Synonyme ‚anstößig, unanständig, abscheulich, schmutzig, ekelhaft, zotig‘ an.52 Als ‚obszön‘ werden nach einer aktuellen Definition der Brockhaus-Enzyklopädie Äußerungen und Handlungen bezeichnet, die „das Scham- wie Sittlichkeitsempfin-

|| 51 Mit Bezug auf die stark bereinigte französische Catull-Übersetzung von Alexandre-FrédéricJacques Masson de Pezay aus dem 18. Jh. stellt beispielsweise Wetzel (2002), 247 fest: „Die Lektüre dieser französischen Catull-Version eröffnete dem damaligen Leser im Hinblick auf die obszönen Gedichte jedenfalls nur eine stark eingeschränkte Perspektive, womit der Übersetzer aber offensichtlich dem Publikumswunsch entsprach, glaubt man den Bemerkungen in Pezays Vorwort.“ Dover (1980), 69 spricht im Hinblick auf englische Aristophanes-Übersetzungen des 19. Jh., aus denen man für gewöhnlich schon jede bloße Andeutung anstößiger Dinge und Handlungen zu entfernen pflegte, von „mutilation of Aristophanes on a grand scale“. Vor allem den englischen Übersetzern und Herausgebern antiker Schriften für den Schulgebrauch sei in jener Zeit die Bewahrung der ‚Reinheit‘ oft wichtiger gewesen als ein akkurates Verständnis der Griechen und Römer, und nur wenige, wie der Aristophanes-Herausgeber Frederic Apthorp Paley hätten die Auffassung vertreten, „that the readers of an expurgated text receive a deficient impression of the author’s personality and intention and of the society for which he wrote.“ Vgl. Dover (1980), 73 f. 52 Vgl. Gorsen, s. v. ‚Obszön‘, in: Historisches Wörterbuch der Philosophie (1984), Bd. 6, Sp. 1081 und Eder/Müller, s. v. ‚obszön‘, in: Reallexikon der deutschen Literatur-Wissenschaft, Bd. 2 (2007), 732.

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den“ verletzen und sich „auf die Körpersphäre, insbesondere die sexuellen und exkrementellen Vorgänge beziehen“. Eine ähnliche Begriffsbestimmung liefert auch das Reallexikon der deutschen Literatur-Wissenschaft: Als obszön gilt – wie in anderen Bereichen, so auch in der Literatur – dasjenige, was jeweils einer gesellschaftlichen Gruppierung oder auch Einzelnen (vor allem hinsichtlich der Geschlechtlichkeit und ähnlich tabuisierter Bereiche) als ‚grob-unschicklich‘ gilt und deshalb weder in Wort noch Bild öffentlich gezeigt werden soll.53

Beide Lexikonartikel weisen in diesem Zusammenhang auch auf die Abhängigkeit des Obszönitätsempfindens von den jeweils geltenden gesellschaftlich-moralischen Normen hin: Die Scham- bzw. Toleranzschwelle gegenüber den Ausdrucksformen des Obszönen ist von einer Kulturregion und einer historischen Epoche zur anderen höchst unterschiedlich und kann auch innerhalb ein und derselben Epoche erheblich schwanken.54

Wenn hier nun im Zusammenhang mit der Alten, speziell der Aristophanischen Komödie von „obszöner Sprache“ die Rede sein soll, so muss auch darauf hingewiesen werden, dass es sich dabei um eine Etikettierung handelt, die erst von späteren Rezipienten an die vorgefundene Gattung herangetragen wurde. Verantwortlich hierfür dürfte vor allem das Anlegen veränderter moralischer Wertmaßstäbe an das tradierte Genos gewesen sein, das beinahe zwangsläufig zu Unverständnis oder einer negativen Bewertung führen musste. Es ist jedoch sehr wahrscheinlich, dass das, was spätere Generationen als anstößig oder ‚obszön‘ qualifizierten, den Zeitgenossen des Aristophanes weitaus weniger problematisch erschien. Um diesen Aspekt besser beleuchten zu können wird im Folgenden ein kurzer Überblick über die Begriffsgeschichte des Wortes ‚obszön‘ sowie über die hieran anknüpfenden Konzepte und Definitionsansätze von der Antike bis in die Gegenwart gegeben. Parallel dazu werden immer wieder auch Berührungspunkte mit der jeweils zeitgenössischen Aristophanes-Rezeption aufgezeigt, um zu verdeutlichen, inwieweit die in einer bestimmten zeit- und literaturgeschichtlichen Epoche jeweils vorherrschende Obszönitätsauffassung die Sicht auf den Autor und seine Werke sowie auf das Verständnis und die Bewertung der Gattung beeinflusst haben. Dieser Überblick soll im Rahmen der Untersuchung auch als Grundlage dienen für eine historische Verortung der in den ausgewählten Aristophanes-Übersetzun-

|| 53 Eder/Müller, s. v. ‚obszön‘, in: Reallexikon der deutschen Literatur-Wissenschaft, Bd. 2 (2007), 732. 54 Die Brockhaus-Enzyklopädie Online, s. v. ‚obszön‘, [Onlinefassung] URL: https://brockhaus-1de1751860603.erf.sbb.spk-berlin.de/ecs/enzy/article/obszön (zuletzt gesehen: 17.09.2019); vgl. auch Eder/Müller, s. v. ‚obszön‘, in: Reallexikon der deutschen Literatur-Wissenschaft, Bd. 2 (2007), 733.

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gen enthaltenen Stellungnahmen zur Obszönitätsproblematik sowie letztlich auch der konkreten übersetzungspraktischen Lösungen.

1.2.1 Begriffsgeschichte Der amerikanische Altphilologe Jeffrey Henderson, der sich in seiner bis heute maßgeblichen55 Monographie The Maculate Muse von 1975 als erster eingehend mit dem Problem der obszönen Sprache in der Alten attischen Komödie auseinandersetzt,56 betont seinerseits den großen Einfluss kulturell bedingter Wertewandlungen auf die Obszönitätsvorstellungen verschiedener Gesellschaften. Er stellt klar, dass das Griechische zur Zeit des Aristophanes noch keinen äquivalenten Terminus aufwies, um den Bereich des ‚Obszönen‘ in besonderer Weise zu markieren und ihn von anderen Arten verbaler Verunglimpfung (‚insulting language‘) abzugrenzen: One would no more say πέος at a dinner party than actually expose himself. But there was no special term to describe such language: to speak of anything out of place was to speak shamelessly or insultingly (αἰσχρολογεῖν).57

Als nächstliegende griechische Entsprechungen für den Begriff des Obszönen führt Henderson die von der Wurzel aizd- abgeleiteten Formen (αἰδέομαι, αἰδώς, αἰδοῖος, αἰσχρός, αἶσχος αἰσχύνομαι) an, deren Bedeutungsspektrum jedoch nicht auf die Bezeichnung von Sexual- und Ausscheidungsorganen und deren Funktionen beschränkt war. Vielmehr konnten sie sich, wie Henderson ausführt, grundsätzlich auf jede Handlung, Person oder Sache beziehen, die als schändlich, hässlich, furchteinflößend oder ehrfurchtgebietend (to be revered) angesehen wurde.58 Dabei habe auch nicht, wie später bei den Römern, die Vorstellung von Schmutzigkeit (filthiness) oder Schädlichkeit (harmfulness) im Vordergrund gestanden, sondern vor allem diejenige von Scham und Anstand (modesty).59 Dementsprechend seien bestimmte Lebensbereiche, zu denen neben anderen auch Sexualität und Exkretion

|| 55 Vgl. Dobrov (2010), 29: „The acceptance and frank translation of comic obscenity is a recent phenomenon for which J. J. Henderson (1975) is a watershed. [...].“ Auch Ewans (2010), 89 Anm. 13 benennt Hendersons Monographie als grundlegende Informationsquelle in Bezug auf „the differences between ancient Greek and modern Western attitudes to ‚obscenity‘ [...], and the roles of sexual and scatological allusion in Aristophanic comedy“. 56 Einen historischen Überblick über das Element des Obszönen in der antiken Literatur, in dem neben der Aristophanischen Komödie auch weitere literarische Gattungen von frühgriechischer bis in spätrömische Zeit Berücksichtigung finden, bietet aktuell der Sammelband von Dutsch/Suter (2015). 57 Henderson (1991), 6. 58 Zur Begriffsgeschichte von αἰδώς und verwandten Begriffen s. Erffa (1937). 59 Henderson (1991), 3.

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gehörten, in erster Linie wegen deren Intimität und Privatheit, nicht aber, weil sie generell als unrein galten, von den Griechen mit besonderer Diskretion behandelt worden. Dies habe unter anderem bedeutet, dass über jene Bereiche – unabhängig von der gewählten Ausdrucksweise – im alltäglichen Leben nicht gesprochen wurde.60 Eine wesentliche Rolle dürfte in diesem Zusammenhang auch der Umstand gespielt haben, dass die griechische Gesellschaft an dem Normengefüge einer shame culture ausgerichtet war, in der die Verletzung des Privaten – etwa durch öffentliche Kritik oder bloßstellenden Spott – einen irreversiblen Ehrverlust bedeutete.61 Da Obszönität für die Griechen jedoch keine moralische, sondern vielmehr eine gattungsspezifische und soziale Kategorie darstellte, so Henderson in den Addenda zur zweiten Auflage seiner Monographie, sei das öffentliche Ansprechen oder auch die Darstellung sexueller oder skatologischer Themen im Rahmen bestimmter Festlichkeiten und in den mit ihnen verbundenen Literatur- und Kunstgattungen (Komödie, Iambos; Trinkgefäße) durchaus erlaubt, ja sogar obligatorisch gewesen.62 Unsere heutige Terminologie und Auffassung des Obszönen leitet sich dagegen von dem lateinischen Adjektiv obscenus (auch obscoenus oder obscaenus) ab, dessen genauer Ursprung bislang noch nicht geklärt werden konnte.63 Antike Quellen ziehen mögliche Wortverwandtschaften zu den Begriffen scaena (‚Bühne‘)64, cae-

|| 60 Henderson (1991), 6. S. auch o. 1.1.1 Anm. 21. 61 Die anthropologischen Termini shame culture (‚Schamkultur‘) und guilt culture (‚Schuldkultur‘) hat zuerst Eric R. Dodds in seinen Untersuchungen zum griechischen Epos und Drama für die Literaturwissenschaft (The Greek and the Irrational [1951] = Die Griechen und das Irrationale [1970]) fruchtbar gemacht. Sie dienen der Markierung kultureller Gegensätze zwischen Gesellschaften (bei Dodds v. a. der früharchaisch-homerischen), in denen die soziale Ordnung in erster Linie durch das Konzept von Stolz und Ehre (und die Furcht vor Erniedrigung und Gesichtsverlust) bestimmt ist, und solchen Gesellschaften (bei Dodds der spätarchaisch-frühklassischen), in denen die Übernahme von Verantwortung für das eigene Handeln (und die Furcht vor Bestrafung bei Regelverstößen) im Vordergrund steht. Vgl. Dodds (1970), hier v. a. 15 f. u. 32–34. Was seine Zuordnung dieser Termini auf die früheren und späteren antiken Gesellschaftsformen betrifft, räumt Dodds allerdings ein, „daß die Unterscheidung eine nur relative ist, da tatsächlich viele Verhaltensweisen, die für die Schamkultur bezeichnend sind, während der ganzen archaischen und klassischen Zeit beibehalten werden. Es findet zwar ein Übergang statt, aber er geschieht nur allmählich und unvollständig.“ (Dodds [1970], 17). Zum Thema shame / guilt culture vgl. ferner Adkins (1972), 12, 18 f., 25 f., Lowry (1991), Stark (2004), 15 f. 62 Henderson (1991), 241. 63 Vgl. Ernout/Meillet (2001), 456, s. v. obscenus: „Mais l’étymologie du mot est inconnue.“ 64 Vgl. Varro, ling. 7.96: Obscaenum dictum ab scaena [...]. Quare turpe ideo obscaenum quod nisi in scaena palam dici non debet. Obscaenum leitet sich von scaena [‚Bühne‘] ab [...]. Und deshalb wird Hässliches/Unanständiges als obscaenum bezeichnet, weil es außer auf der Bühne nicht öffentlich ausgesprochen werden darf. (Ü: K. L.)

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num (‚Schmutz, Kot, Schlamm‘)65 oder auch scaevus (‚links‘; ‚linkisch, ungeschickt, ungünstig‘)66 in Betracht. Henderson zufolge wurde obscenus von den Römern sowohl konkret als auch im übertragenen moralischen Sinn in den Bedeutungen ‚schmutzig, unanständig, anstößig‘ verwendet und bezeichnete in erster Linie sexuell anstößige Dinge und Handlungen aller Art, wie z. B. Unzucht (lewd pleasures) und Ehebruch, Bilder, Verse und Gesten sowie auch die Geschlechtsorgane selbst.67 Dabei hätten die Römer jedoch nicht nur die genannten Dinge und Handlungen selbst als schmutzig und anstößig empfunden, sondern – wie etwa Cicero in De officiis deutlich macht68 – in gleicher Weise auch die sie bezeichnenden Wörter: Obviously, the Roman word shared with ours the notion that words which describe tabooed sexual or excremental organs or functions are somehow dirty as well as shameful; the natural induction is that the organs and functions are themselves dirty and shameful. It is no secret that such a feeling was present in Roman culture, though perhaps not in the degree to which

|| 65 Prisc. 9.54. Vgl. auch Walde-Hofmann s. v. caenum. 66 In diesem Fall unter Rückführung auf die Augurensprache im Sinne eines ‚schlechten Omen‘ (obscaenum omen, Varro, ling. 7.97); vgl. auch Thierfelder (1956), 99 ff. Als Beispiele seien hier angeführt: Verg. Aen. 3, 192 (obscenas volucres), Verg. georg. 1, 466 (obscenaeque canes inportunaeque volucres), Ov. am. 2, 6, 52 (obscenae aves). 67 Vgl. Henderson (1991), 3. 68 nostri magnam natura ipsa videatur habuisse rationem, quae formam nostram reliquamque figuram, in qua esset species honesta, eam posuit in promptu, quae partes autem corporis ad naturae necessitatem datae aspectum essent deformem habiturae atque turpem, eas contexit atque abdidit. Hanc naturae tam diligentem fabricam imitata est hominum verecundia. Quae enim natura occultavit, eadem omnes, qui sana mente sunt, removent ab oculis ipsique necessitati dant operam ut quam occultissime pareant; quarumque partium corporis usus sunt necessarii, eas neque partes neque earum usus suis nominibus appellant; quodque facere non turpe est, modo occulte, id dicere obscenum est. Itaque nec actio rerum illarum aperta petulantia vacat nec orationis obscenitas. (Cic. off. I 35, 126–127) Zunächst einmal scheint die Natur selbst schon große Umsicht auf unseren Körper verwandt zu haben, da sie zwar unser Gesicht und die übrige Gestalt, sofern sie einen ehrenhaften Anblick bietet, sichtbar ausformte, jene Teile des Körpers aber, die – zur Verrichtung der natürlichen Bedürfnisse vorgesehen – ein unförmiges und hässliches Aussehen haben würden, bedeckte und verbarg. Diesen so sorgfältigen Kunstgriff hat das Schamgefühl der Menschen nachgeahmt. Was nämlich die Natur verbarg, das halten alle, die einen gesunden Verstand besitzen, den Augen fern, und sie bemühen sich, ebendiesen Bedürfnissen möglichst heimlich nachzukommen; und weder diejenigen Körperteile, deren Gebrauch notwendig ist, noch ihren Gebrauch nennen sie bei ihren eigentlichen Namen; und das, was zu tun nicht schändlich ist, solange es heimlich geschieht, auszusprechen, ist anstößig. Deshalb ist weder die öffentliche Ausübung jener Dinge noch die Anstößigkeit der Rede frei von Schamlosigkeit. (Ü: K. L.) Die Vorstellung einer naturgewollten Anordnung von sichtbaren Körperöffnungen, die der Aufnahme von visuellen und auditiven Eindrücken sowie der Nahrungszufuhr dienen, und von unsichtbaren Organen und Körperöffnungen, die für den Abtransport und die Ausscheidung der exkrementellen Rückstände vorgesehen sind, findet sich bereits bei Xenophon (mem. I 4, 6), ohne dass hier allerdings das Problem der verbalen Bezugnahme erörtert würde.

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the stringent prohibitions of Puritanism and Victorianism have influenced modern feelings. Undoubtedly the term obscenus entered popular speech from its original use as an augural term meaning inauspicious, unfavorable, or evil-boding; thus the idea of res mali ominis passes to the tabooed areas, which then become, along with the words which describe them, obscena.69

Wie sich aus Hendersons Argumentation schließen lässt, beschränkte sich die Verwendung des lateinischen Adjektivs obscenus – im Unterschied zu dem wesentlich breiteren Bedeutungsspektrum des griechischen αἰσχρός – hauptsächlich auf den Bereich des Sexuellen und Exkrementellen. Lediglich in diesem Bereich wurde von einem Römer offenbar auch sprachliche Zurückhaltung gefordert.70 Über andere, ebenfalls moralisch anstößige Themen konnte er hingegen offen reden, wie folgende Cicero-Stelle nahelegt: Latrocinari, fraudare, adulterare re turpe est, sed dicitur non obscene; liberis dare operam re honestum est, nomine obscenum.71 Rauben, Betrügen und Ehebruch zu begehen ist von der Sache her schändlich, aber man kann darüber sprechen, ohne Anstoß zu erregen. Kinder zu zeugen ist von der Sache her ehrenhaft, aber anstößig, wenn man darüber spricht. (Ü: K. L.)

Eine entsprechende Unterscheidung sei, so Henderson, von den Griechen des 5. Jahrhunderts v. Chr. noch nicht getroffen worden: But a Greek would consider anything reprehensible to be αἰσχρόν and therefore an unfit topic for conversation. That is, the Greeks had no word that could make the distinction Cicero makes: αἰσχρολογεῖν has a much wider coverage, as well as a very different meaning, than obscene.72

|| 69 Henderson (1991), 3. 70 Zum Sexualvokabular der Römer vgl. Ritter (1835), Adams (1982), Richlin (1992). 71 Cic. off. I 35, 128. Cicero gibt hier nach eigenen Angaben die – von ihm nicht geteilte – Auffassung der Kyniker wieder. Diese übten Kritik an der widersprüchlichen gesellschaftlichen Praxis, das offene Benennen bestimmter Handlungen, die an sich nicht verwerflich seien, als schändlich zu verurteilen, während andere Handlungen, die der Sache nach durchaus verwerflich seien, ohne weiteres offen bezeichnet werden dürften. Cicero selbst leugnet diesen Widerspruch nicht, zieht es jedoch vor, sich an der naturgegebenen Anordnung der Dinge zu orientieren: Nos autem naturam sequamur et ab omni, quod abhorret ab oculorum auriumque approbatione fugiamus. (Cic. off. I 35, 128) Wir aber wollen der Natur folgen und alles, was der Billigung durch Augen und Ohren widerstrebt, meiden. (Ü: K. L.) Vgl. dazu auch o. 1.2.1 Anm. 68. 72 Henderson (1991), 6. Einen weniger großen Unterschied zwischen ‚Aischrologie‘ und ‚Obszönität‘ erkennt dagegen Halliwell (2008), 220 Anm. 8: „Henderson (1991), 6 is right to say that

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Die Wörter obscenitas, obscenum und obscenus fanden über das Spät- und Mittellateinische73 schließlich Eingang in zahlreiche europäische Volkssprachen. Dabei handelte es sich zunächst um lexikalische Lemmata in Lateinisch-volkssprachlichen Wörterbüchern, die in Form von Synonymenlisten das Bedeutungsspektrum der von den lateinischen Autoren verwendeten Begriffe (obscenus, obscenitas etc.) zu umreißen suchten. In der französischen Lexikographie traten sie erstmals in der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts in Erscheinung74, wurden um 1600 ins Englische übernommen75 und gelangten zu Beginn des 18. Jahrhunderts auch ins Deutsche.76

|| αἰσχρολογεῖν is wider than ‚obscenity‘, but wrong that it is ‚very different‘. Sexually and scatolgically indecent language, Henderson’s own sense of obscenity (2), is central to aischrology; [...].“ 73 Vgl. Blatt (Hg.), Novum Glossarium Mediae Latinitatis ab anno DCCC ad annum MCC, [fasc.] O – Ocyter (1975), Sp. 117–119 (s. v. obscen,- inis bis obscene). 74 Entsprechende Lemmata (obscenus, obscoenus, obscoenitas, obscoene) sind in Robert Estiennes Lateinisch-Französischem Wörterbuch (Erstauflage 1531), enthalten; vgl. Butterworth (2011), 31–37. In der Literatur findet sich das französische Substantiv ‚obscénité‘ [als Synonym für ‚Wollust‘ (luxure) und ‚Unmoral‘ (infamie)] erstmals bereits 1511 in einer (anonymen) Übersetzung der auf griechische und lateinische Quellen zurückgehenden hagiographischen Schrift Vitae patrum (auch: Vitaspatrum) aus dem 4. Jh. n. Chr. unter dem französischen Titel Vie[s] des saints Pères. Das Adjektiv ‚obscène‘ [im Sinne von ‚unglückverheißend‘] wird zuerst 1534 durch den französischen Übersetzer eines lateinischen Textes von Eliseo Calenzio (Les Grandes et fantastiques batailles des grans Roys Rodilardus, & Croarcus) verwendet. Ein früher Beleg für ‚obscène‘ im Sinne einer sexuell expliziten Schreibweise findet sich im Discours historial de l’antique et illustre cité de Nismes (1560) des südfranzösischen Juristen und Lokalhistorikers Jean Poldo d’Albenas, der sich hier auf Martials ‚vers obscenes, & impudiques‘ beruft. Vgl. DeJean (2002), 9 u. 13; Butterworth/Roberts (2011), 87 f. Eine häufige Verwendung dieser Begriffe ist allerdings erst seit dem 17. Jahrhundert nachzuweisen. Vgl. DeJean (2002), 122 f., 179 Anm. 2 und passim; Butterworth (2011), 31, 37. 75 Randle Cotgraves Französisch-Englisches Wörterbuch von 1611 gibt ‚obscenitie‘ als Übersetzungsmöglichkeit für frz. ‚paillardise‘ (‚Anzüglichkeit, Lüsternheit, Unanständigkeit‘) an. Vgl. Butterworth (2011), 37. 76 Einige frühe Belege sind aufgeführt in Schulz/Basler, Bd. 2 (1942), 231 f. Gottscheds deutsche Übersetzung von Pierre Bayles Dictionnaire historique et critique (zuerst 1693), die 1741–1744 unter dem Titel Herrn Peter Baylens Historisches und Critisches Wörterbuch erschien (s. auch u. 1.2.2 Anm. 88), gibt allerdings französisches ‚obscène‘ noch mit deutschen Entsprechungen wie ‚unflätig‘, ‚schmutzig‘ oder ‚zotig‘ wieder. So wird etwa der Titel von Bayles Anhang Eclaircissement sur les Obscénitez (s. auch u. 1.2.2 Anm. 87) mit Erläuterungen von den Unflätereyen übersetzt (S. 644– 661)]. In den verschiedenen Auflagen des erstmals 1793 erschienenen Grammatisch-kritischen Wörterbuch der Hochdeutschen Mundart von Johann Christoph Adelung findet sich kein Lemma zu ‚obszön‘ o. ä. Auch in Adelungs Vorrede, die einen Abschnitt zur ‚Aufnahme niederer Wörter‘ enthält kommt der Begriff nicht vor: „Es war dieses Werk weder zu einem Glossarium, noch zu einem allgemeinen Deutschen Wörterbuche bestimmt, sondern zu einem Wörterbuche der Hochdeutschen Mundart, so wie sie noch jetzt in Schriften üblich ist. Es fielen also alle veraltete, alle provinzielle, und alle niedrige, bloß dem Volke eigene Wörter und Ausdrücke der Regel nach von selbst weg. Allein auch hier waren Ausnahmen nothwendig. [...] Eine große Menge sonst niedriger Wörter ist für die niedrig komische Schreibart brauchbar, und hatte also ein gegründetes Recht gleichfalls aufgeführet zu werden.“ Adelung, Vorrede (1793), III f. Anders als bei Gorsen (1984), Sp. 1081 vermerkt, ist

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1.2.2 Neuzeitliche Obszönitätsdefinitionen und ihr Einfluss auf die Bewertung der Alten Komödie Inhaltlich wurde das Problem der angemessenen sprachlichen Bezugnahme auf Geschlechts- und Ausscheidungsorgane sowie auf sexuelle und skatologische Inhalte bereits in der Spätantike und im Mittelalter diskutiert. Insbesondere die von Cicero erörterte Wort-Ding-Problematik77, also die Frage, ob die Dinge selbst ‚obszön‘ seien und damit jede Art der Bezeichnung oder ob die Obszönität erst durch die verwendete Sprache entstehe, wurde sowohl von griechischen und lateinischen78 als auch von volkssprachlichen79 Autoren aufgegriffen und spielte auch noch bei den Schriftstellern der Renaissance80 eine wichtige Rolle. In christlicher Umdeutung || der Begriff ‚obszön‘ allerdings im Deutschen Wörterbuch der Brüder Grimm enthalten, jedoch – ebenso wie bei Bayle – nicht in Form eines Lemmas, sondern in Jacob Grimms Vorwort zu Band 1 von 1854, wo in einem längeren Abschnitt die Aufnahme ‚anstösziger Wörter‘ in das Wörterbuch verteidigt wird: „[S]o wenig man andere natürliche dinge, die uns oft beschwerlich fallen, auszutilgen vermöchte, darf man solche ausdrücke wegschaffen. Keiner würde daran denken, aus einem griechischen oder lateinischen wörterbuch, das den ganzen sprachschatz befaszt, sie zu entfernen und bei Heinrich Stephanus, bei Forcellini mangelt kein obscoenes wort, dessen man in den quellen habhaft wurde.“ [Herv. d. Verf.]; J. Grimm, Vorwort zu Band 1 (1854), XXXIII; [Onlinefassung] URL: http://woerterbuchnetz.de/cgi-bin/WBNetz/wbgui_py?sigle=DWB&mainmode=Vorworte&file=vor 01_html#abs10 (zuletzt gesehen: 17.09.2019). Bereits Ritter (1835) verwendet sowohl das Adjektiv ‚obscön‘ als auch die substantivierte Form ‚das Obscöne‘ ganz geläufig. 77 S. o. 1.2.1 Anm. 68. 78 Vgl. z. B. Quintilian, inst. VIII 3, 38; Longin, περὶ ὕψους XLIII 5; Isidor von Sevilla, Differentiarum, sive de proprietate sermonum, lib. 1: [...] Amoris [...] quadripartita differentia est. Est enim justus amor; pius, crudelis, obscenus. Justus amor est uxorum, pius filiorum, crudelis contra naturam, ut Pasiphae, obscenus meretricum. (Isid. diff. 1, in: Patrologia Latina, 83, col. 10 A.) Der Begriff ‚Liebe‘ (amor) wird vierfach unterschieden. Es gibt nämlich die rechtmäßige Liebe, die gütige, die grausame und die anstößige (obscenus). Rechtmäßig ist die Liebe zu Ehefrauen, gütig die zu eigenen Kindern, grausam die widernatürliche, wie die der Pasiphae, anstößig die zu Prostituierten. (Ü: K. L.) 79 In der volkssprachlichen Literatur wird die Wort-Ding-Problematik – noch vor der Entlehnung des lateinischen Adjektivs obscenus – u. a. in dem von Jean de Meun verfassten zweiten Teil des Roman de la Rose (um 1275) behandelt. Die weibliche Figur der ‚Raison‘ verteidigt gegenüber ihrem männlichen Gesprächspartner ‚Amant‘ ihre Wortwahl – ‚coilles‘ (‚Eier‘) – zur Bezeichnung der Genitalien des von seinem Sohn Iuppiter entmannten Saturn. Sie vertritt die Auffassung, dass die Glieder des menschlichen Körpers Schöpfungen Gottes darstellten und deshalb auch ohne Verschleierung bei ihrem eigentlichen Namen genannt werden dürfen. Hieran entzündete sich im Jahr 1399 die sogenannte querelle de la Rose, zu deren Protagonisten die französische Schriftstellerin Christine de Pizan und der Rektor der Pariser Universität Jean Gerson (als Kritiker de Meuns) sowie die Professoren Jean de Montreuil und Pierre Col (als dessen Verteidiger) zählten. Vgl. hierzu Minnis (2006), 156–167. 80 So etwa bei Erasmus (vgl. H. Roberts [2011], 100–105) oder bei der Definition des Obszönen in den einschlägigen Lemmata in Robert Estiennes Lateinisch-Französischem Wörterbuch (Erstauflage

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des Problems stellte sich hier vor allem die Frage, inwieweit es geboten bzw. unstatthaft sei, die von Gott geschaffenen (aber verborgenen) Genitalien mit ihren eigentlichen Namen zu bezeichnen. Im 17. Jahrhundert schließlich wandte man sich einer genaueren Bestimmung des Obszönitätsbegriffes, insbesondere des Obszönen in der Literatur zu. Im Jahr 1688 stellte der Leipziger Doktorand Johannes David Schreber in seiner Dissertation De libris obscoenis, die 1690 im Druck erschien, hierzu die folgende Definition auf: Obscoeni ergo Libri sunt omnes illi, quorum autores aperte lasciviunt verbis, & petulanter loquuntur de membris, quibus sexus discernitur; aut actus impudicos hominum salacium & impurorum, verbis nuptis (ut Plautus loquitur) describunt, a quibus castae & delicatae bene natorum aures, honesto naturae quodam sensu abhorrent.81 Obszöne Bücher sind also all jene, deren Verfasser sich ganz offen in ihren Worten gehenlassen, und in leichtfertiger Weise über die Körperteile sprechen, durch welche das Geschlecht bestimmt wird; oder unzüchtige Handlungen von lüsternen (salacium) und lasterhaften Menschen, mit ‚verheirateten‘ Worten (wie Plautus sagt)82 beschreiben, vor denen die keuschen und empfindsamen Ohren gut gearteter Menschen durch einen gewissen naturgegebenen Sinn für Anstand zurückschrecken. (Ü: K. L.)

Zu den Kriterien obszöner Literatur zählt Schreber hier also nicht allein die literarische Darstellung moralisch anstößiger Themen, sondern darüber hinaus auch die erkennbare Absicht des Autors, seine Leser mit derartigen Themen zu unterhalten83, sowie eine abstoßende Wirkung auf empfindsame Gemüter. Als Autoren, auf die diese Kriterien zutreffen, führt Schreber auf römischer Seite u. a. Catull, Ovid, Martial und Petron an, auf griechischer neben Philetas von Kos84, Myrtilus 85 und Anakreon auch Aristophanes.86 Wenige Jahre später setzte sich der französische Philosoph Pierre Bayle in seinem Dictionnaire historique et critique (zuerst 1693) ebenfalls mit der Obszönitätsproblematik auseinander. Im Hinblick auf die Literatur unterschied er erstmals zwischen Obszönitäten, die allein dazu bestimmt sind, dem Autor und seinen Lesern Genuss zu verschaffen, und solchen, die aus Gründen der moralischen Beleh-

|| 1531) (vgl. Butterworth [2011], 31–37]; s. ferner Roberts/Peureux/Wajemann (2011), 27 u. passim. Zu Montaignes Behandlung der Wort-Ding-Problematik vgl. Butterworth/Roberts (2011), 90–92. 81 Schreber (1690), §3. 82 Die Formulierung findet sich in einem bei Festus (174,17) überlieferten Fragment der PlautusKomödie Dyscolus: ‚virgo sum; nondum didici nupta verba dicere‘. Festus zieht die Stelle zur Begriffserläuterung heran: ‚NUPTA VERBA dicebantur ab antiquis, quae virginem dicere non licebat, ut Plautus in Dyscolo‘; s. Aragosti (2009), 151. 83 Dies lässt sich an Begriffen wie lascivire, petulanter und nuptis verbis festmachen. 84 4. Jh. v. Chr., Verfasser erotischer Elegien. 85 Um 400 v. Chr., Dichter der Alten Komödie. 86 Des weiteren auch Kallimachos, Theokrit, Heliodor, Achilleus Tatius und Longos.

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rung, zum Zwecke der Abschreckung oder der Belustigung vorgebracht werden. Während er den Genuss-Aspekt des Obszönen in der Kunst grundsätzlich negativ bewertet, spricht er sich zugleich für das Recht einer freien, unzensierten Darstellung des Obszönen durch Historiker und Wissenschaftler aus. In dem später hinzugefügten Anhang Eclaircissement sur les obscénitez (1697)87 schließlich bestimmt Bayle als obszönen Schriftsteller allein denjenigen Autor, der die Beschreibung von seinen Lüderlichkeiten in schmutzigen Ausdrücken giebt; daß er sich deswegen lobet, sich glücklich schätzet, seine Leser ermahnet, sich in die Unreinigkeit zu stürzen, ihnen dasselbe, als das sicherste Mittel anpreiset, des Lebens wohl zu genießen und vorgiebt, daß man über die Nachrede der Leute lachen, und die Meynungen tugendhafter Leute für alte Weibermährchen halten müsse.88

Als Beispiele für diesen Typus des obszönen Autors werden unter anderem Catull, Petron, Martial und Ovid, ferner Lukrez, Juvenal und Sueton genannt.89 Im 19. Jahrhundert übernimmt der deutsche Hegel-Schüler Karl Rosenkranz in seiner Ästhetik des Häßlichen (1853) den Begriff des Obszönen zur Bestimmung des sexuell Hässlichen und Schamlosen. Als obszön im Bereich der Kunst und der Literatur gilt ihm – ähnlich wie Bayle „alle Darstellung der Scham und der Geschlechtsverhältnisse in Bild oder Wort, welche nicht in wissenschaftlicher oder ethischer Beziehung, sondern der Lüsternheit halber gemacht wird“.90 Dass sich diese negative Obszönitätsauffassung, die eine literarische Verwendung sexuell expliziter Sprache zu Unterhaltungszwecken als unmoralisch abqualifizierte, auch auf die zeitgenössische Beurteilung der Aristophanischen Komödien auswirkte, wird bereits aus Schrebers Text deutlich, zeigt sich aber auch im Rahmen

|| 87 Es handelt sich bei Bayles Ausführungen zur Obszönität um einen editorischen Anhang, in dem Rechenschaft über die Behandlung und das Vorhandensein anstößiger Stellen innerhalb des Wörterbuches abgelegt wird, nicht um den Nachtrag eines alphabetisch aufgeführten Artikels desselben. 88 Zitat in der Übersetzung von Gottsched, Erläuterungen von den Unflätereyen (1744), 644 (s. auch o. 1.2.2 Anm. 76). Vgl. Bayle, Eclaircissement sur les Obscénitez (1740), 647: „Quand on dit qu’il y a des Obscénitez dans quelque Livre, on peut entendre, [...] que l’Auteur donne en vilains termes la description de ses débauches, qu’il en s’applaudit, qu’il s’en félicite, qu’il exhorte ses Lecteurs à se plonger dans l’Impureté, qu’il leur recommande cela comme le plus sûr moien de bien jouïr de la vie, & qu’il prétend qu’il faut se moquer du qu’en dira-t-on, et traiter de contes de vieille les Maximes des gens vertueux.“ 89 Vgl. Bayle, Eclaircissement sur les Obscénitez (1740), 647, 649, 650. 90 Rosenkranz, Ästhetik des Hässlichen (1853), hier zit. nach der Ausgabe von Kliche (1990), 193. Den Aspekt des ästhetisch Hässlichen greifen in der Mitte des 20. Jahrhunderts auch die französischen Philosophen Georges Bataille und Jean-Paul Sartre wieder auf, wenn sie das Obszöne als „profanation de la beauté“ (Bataille) oder als das ‚Anmutlose‘ des durch fetischisierende Isolation bestimmter Körperteile dysfunktionalisierten Leibes (Sartre) charakterisieren; vgl. Bataille (1957), 143 f., und Sartre (1952), 314–320.

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der französischen „querelle des anciens et des modernes“ des frühen 18. Jahrhunderts, in der sich die ansonsten verfeindeten Parteien in ihrer Ablehnung des Aristophanes durchaus einig waren,91 oder in der in Deutschland auf publizistischer Ebene ausgetragenen Auseinandersetzung um eine von dem Würzburger Literaturund Rhetorikprofessor Johann Justus Herwig (1742–1801) in Aussicht gestellte Gesamtübersetzung des Aristophanes.92 Ebenfalls bezeichnend ist die Tatsache, dass etliche Historiker und Philologen des 19. Jahrhunderts die Obszönität der Aristophanischen Komödien als ausreichenden Beleg dafür ansahen, dass die Athenerinnen des 5. Jahrhunderts den Komödienaufführungen im Dionysostheater nicht beiwohnen durften.93 Eine positivere Bewertung erfuhr das Obszöne seit Beginn des 20. Jahrhunderts bei Sigmund Freud94 und den an ihn anknüpfenden englischsprachigen Schriftstellern D. H. Lawrence und Henry Miller95. Betont wird hier insbesondere die Ventilfunktion des Obszönen, das – sowohl im Witz als auch in Kunst und Literatur – eine lustvolle Entladung aufgestauter sexueller Energien ermögliche und auf diese Weise zu einer Überwindung kulturell bedingter Verdrängungsmechanismen beitrage.96 Miller trifft zudem eine Unterscheidung zwischen dem Obszönen, das in positiver Weise eine Öffnung für die Erfahrung der verdrängten Realität bewirke und der allein auf sexuelle Stimulation abzielenden Pornographie, die in negativer Weise den gesellschaftlichen Verdrängungsmechanismus bestätige.97 Infolge dieser definitorischen Modifikation konnte letztlich auch die Alte Komödie vom Pornographieverdacht freigesprochen werden,98 war sie doch – im Gegensatz zur introvertierten, im Verborgenen zu konsumierenden Pornographie – unbestreitbar auf ein öffentlich

|| 91 S. auch u. 2.3.3. 92 Vgl. Lubitz (2009); s. auch u. 2.3.4.4. 93 Vgl. Lubitz (2014). 94 Freud, Der Witz und seine Beziehung zum Unbewussten (1905). Das Obszöne wird hier im Zusammenhang mit Freuds Analyse der ‚Zote‘ behandelt, vgl. ebd. 79–84. Auf Freuds Erkenntnisse verweist auch Henderson (1991) in seiner Studie zur Aristophanischen Obszönität; s. o. 1.1.2. 95 Lawrence (1929); Miller (1945). Beide Aufsätze wurden 1958 zusammen unter dem Titel Pornography and Obscenity. Handbook for Censors wiederabgedruckt. Vgl. auch Miller (1947). 96 „Durch die Verdrängungsarbeit der Kultur gehen primäre, jetzt aber von der Zensur in uns verworfene Genußmöglichkeiten verloren. Der Psyche des Menschen wird aber alles Verzichten so sehr schwer, und so finden wir, daß der tendenziöse [sc. der obszöne] Witz ein Mittel abgibt, den Verzicht rückgängig zu machen, das Verlorene wieder zu gewinnen.“ Freud (1905), 84. 97 Miller (1945), 49 bzw. Miller (1947), 558. 98 Vgl. Dover (1972), 39: „If ‚pornography‘ is defined as writing of which the primary purpose is to arouse the reader’s sexual desire, and if writing which achieves insight into sexuality or integrates sexuality with other aspects of life is not pornography, Aristophanes does not seem to me a pornographic writer.“

Begriffsbestimmung des ‚Obszönen‘ | 27

zelebriertes Gemeinschaftserlebnis gerichtet.99 Auch die soziologische Kategorie der Ventilfunktion trug – beispielsweise im Zusammenhang mit der Übertragung von Bachtins Konzept der ‚Karnevalisierung‘ auf die Alte Komödie100 – zu einer Neubewertung der komödienspezifischen Obszönität bei.101 Ebenfalls durch Miller erfuhr der Begriff des Obszönen eine zivilisationskritisch begründete, über das Sexuelle hinausgehende Ausweitung auch auf andere von Verdrängung betroffene Bereiche des menschlichen Lebens wie Furcht, Schuld oder Mord102, und der Philosoph und Politologe Herbert Marcuse konstatierte im Zusammenhang mit den radikalpolitischen Auseinandersetzungen zwischen Schwarzen und Weißen in den USA der 1960er Jahre eine „Umfunktionierung“ obszöner Worte und Bilder zur moralischen und politischen Entlarvung des Gegners: Nicht das Bild einer nackten Frau, die ihre Schamhaare entblößt ist obszön, sondern das eines Generals in vollem Wichs, der seine in einem Aggressionskrieg verdienten Orden zur Schau stellt; obszön ist nicht das Ritual der Hippies, sondern die Beteuerung eines hohen kirchlichen Würdenträgers, daß der Krieg um des Friedens willen nötig sei.103

Marcuses gesellschaftskritische Obszönitätsdefinition beeinflusste auch die Friedens- und Protestbewegung der 1960er und 1970er Jahre, vor deren Hintergrund wiederum die pazifistisch motivierten, gegen das atomare Wettrüsten gerichteten Lysistrate-Bearbeitungen von Fritz Kortner, Rolf Hochhuth, Erich Fried und Walter Jens entstanden.104 Neben der Behandlung des Obszönen in etymologischer, enzyklopädischer und moralphilosophischer Hinsicht war man auch auf dem Gebiet der Rechtsprechung stets um eine präzise Begriffsbestimmung bemüht. Sowohl in Europa als auch in den USA wurden seit dem frühen 19. Jahrhundert zahlreiche Prozesse geführt, die sich gegen die Verbreitung obszöner oder pornographischer Erzeugnisse richteten.105 Gegenüber standen sich hier einerseits staatliche Institutionen, oftmals auch

|| 99 Vgl. Henderson (1991), 7: „It is difficult to imagine a pornographic play or social function in the style of Greek theater: the emotions aroused by pornographic actions or descriptions cannot be shared with others and cannot produce comedy.“ In diesem Sinne auch Wit-Tak (1967), 102. 100 S. auch o. 1.1.2. 101 Vgl. etwa Rösler (1993), 89. 102 Miller (1945), 48 bzw. Miller, (1947), 558: „Furcht, Schuld und Mord bilden das wirkliche Triumvirat, das unser Leben beherrscht. Was ist unter diesen Umständen obszön? Das gesamte Lebensgebäude, das wir kennen. Nur in Bezug auf Sexualität von unanständig, unflätig, zotig, schmutzig, ekelhaft usw. zu sprechen, heißt uns selbst den Luxus der Abneigungs- und Widerwillensskala versagen, über die wir im modernen Leben verfügen.“ 103 H. Marcuse (1969), 22. 104 S. auch u. 3.3.4. 105 Berühmte Prozesse im Zusammenhang mit literarischer Obszönität betrafen u. a. Friedrich Schlegels Lucinde (Jena 1799), Gustave Flauberts Madame Bovary (Paris 1857), Artur Schnitzlers

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vereinsmäßig organisierte Bürgerinitiativen zur Verteidigung von Sittlichkeit und Moral, die in den bildlichen oder literarischen Darstellungen sexueller Handlungen eine Gefährdung für die Jugend zu erkennen meinten, andererseits die Urheber der inkriminierten Bilder oder Schriften, die für ihr Recht auf freie Meinungsäußerung plädierten. Noch bis in die 1960er Jahre hinein fanden insbesondere in England und den Vereinigten Staaten aufsehenerregende juristische Auseinandersetzungen um diese Frage statt.106 Auch in Deutschland setzte Ende 1960 eine von großem Medieninteresse begleitete Debatte um Fritz Kortners für das Deutsche Fernsehen produzierte Aristophanes-Adaption Die Sendung der Lysistrata ein. Nachdem zunächst einige Intendanten der öffentlich rechtlichen Sendeanstalten sittliche Bedenken angemeldet und unter Berufung auf das Rundfunk-Gesetz versucht hatten, die Ausstrahlung der Sendung im Gemeinschaftsprogramm der ARD zu verhindern,107 setzte schließlich der Bayerische Rundfunk den Sendeboykott im Alleingang um.108 Wie die angeführten Beispiele zeigen, lassen sich zwischen den vorgestellten Obszönitätsdiskursen und den jeweils zeitgenössischen Urteilen über die Alte Komödie diverse Verbindungslinien ausmachen. Entsprechende Abhängigkeiten auch im Hinblick auf die übersetzerische Behandlung des Obszönen bei Aristophanes darzulegen, bleibt dem dritten Teil dieser Arbeit vorbehalten. Zuvor soll hier versucht werden, den aufgezeigten Facettenreichtum des Obszönitätsbegriffes auf eine weniger komplexe Arbeitsdefinition zu reduzieren, um die verschiedenen Erscheinungsformen ‚obszöner Sprache‘ im Werk des Aristophanes zu identifizieren und sie – im Vorfeld einer eingehenderen Analyse – unter bestimmten Gesichtspunkten zu klassifizieren.

|| Reigen (Berlin 1920). Vgl. hierzu auch L. Marcuse (1962). S. ferner Houben (1925), Craig (1962), Clor (1969), Breuer (1982), Sova (1998), Fischer (2003), Wheeler (2004). 106 In London wurde 1960 Anklage gegen den Penguin-Verlag erhoben, der die in England und den USA bereits zur Zeit ihrer Fertigstellung im Jahr 1928 verbotene – unzensierte – Fassung des Romans Lady Chatterley’s Lover von D. H. Lawrence gedruckt und verbreitet hatte. Die Entscheidung fiel letztlich zugunsten des Verlages aus. [Die unzensierte Romanversion war 1928 zunächst nur als limitierter Privatdruck in Florenz erschienen. In den USA wurde sie erstmals 1959 publiziert.] In den USA zog 1962 die Veröffentlichung von Henry Millers Roman Wendekreis des Krebses mehrere Gerichtsverfahren nach sich. 1964 wurde das Buch vom obersten Gerichtshof für nicht obszön erklärt. 107 Das Wochenmagazin Der Spiegel zitiert eine entsprechende Stellungnahme des Intendanten des Süddeutschen Rundfunks, Hans Bausch: „Ich kann ‚Lysistrata‘ nicht senden, es verstieße gegen das Rundfunk-Gesetz. Ich halte die Aufführung für ästhetisch unter der Grenze, sittlich anstößig und politisch einseitig.“ Lysistrata. Ehestreik gegen Atomtod (1960), 83. 108 Zu Kortners Sendung der Lysistrata s. a. u. 3.3.4 Anm. 848.

Arbeitsdefinition ‚obszöne Sprache‘ und Kategorien obszönen Sprechens nach Henderson | 29

1.3 Arbeitsdefinition ‚obszöne Sprache‘ und Kategorien obszönen Sprechens nach Henderson Als oberstes Zuordnungskriterium soll in diesem Zusammenhang die explizite Bezugnahme auf sexuelle und exkrementelle Inhalte angesetzt werden. Zur weiteren Differenzierung wird auf die von Jeffrey Henderson vorgenommene Einteilung in drei Unterkategorien obszöner Sprache zurückgegriffen.109 Unterschieden werden hiernach a) ‚primäre Obszönitäten‘ (Primary Obscenities), b) metaphorische Ausdrücke (Metaphorical (Figurative and Comparative) Expressions) und c) Euphemismen (Euphemisms).110

a) Primäre Obszönitäten Als primäre Obszönitäten gelten nach Henderson die in jeder Sprache vorhandenen Wörter, die sich unmittelbar, d. h. ohne dazwischentretende Assoziationen oder Distanzierungen, auf die Sexual- und Ausscheidungsorgane beziehen, sowie auf die Handlungen, die mit ihnen verbunden sind. Hierzu zählen im Griechischen die folgenden griechischen Wörter,111 die hier sowohl mit Hendersons englischer Übersetzung als auch mit ihrer deutschen Entsprechung112 angegeben werden:

|| 109 Hendersons Einteilung folgt weitestgehend auch Robson (2004), s. hier 72–75; vgl. ebd. Anm. 18. 110 Vgl. Henderson (1991), 35–55. 111 Ich folge hier und in den folgenden Absätzen der Aufzählung Hendersons; s. Henderson (1991), 35. 112 Die bis heute in zahlreichen Neuauflagen und Nachdrucken verfügbaren griechisch-deutschen Großwörterbücher aus dem 19. Jahrhundert (Pape, Passow, Seiler) enthalten unter den entsprechenden Lemmata keine semantisch adäquaten Übersetzungen der oben aufgeführten griechischen Termini, sondern geben in der Regel die vox propria an und verweisen ggf. auf den vulgären oder obszönen Sprachgebrauch [vgl. Pape (3. Aufl. 1888): „πέος, -εος [sic], τό, auch σπέος, das männliche Glied, Ar. Ach. 1024 u. öfter; Anth.“]. In den für den Schulgebrauch konzipierten einbändigen Wörterbüchern jüngeren Datums sind die obscena entweder gar nicht [vgl. Benseler (19. Aufl. 1990)] oder ebenfalls nur unter Angabe des Eigennamens [vgl. Gemoll (10., völlig neu bearb. Aufl. 2006): „πέος, ους, τό (aus *πέσος, vgl. ai. pásas, lat. penis, aus *pesnis) männliches Glied, Penis.“] aufgeführt. Daher wurde als Referenz für die semantischen Entsprechungen im Deutschen neben dem Pons-Online-Wörterbuch Englisch (https://de.pons.com/übersetzung), das auch vulgärsprachliche Übersetzungen bietet, das Lexikon des pornographischen Wortschatzes von Günther Hunold aus dem Jahr 1972 herangezogen.

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Griechisch

Englisch nach Henderson

Deutsch nach Hunold

πέος

dick

Schwanz

κύσθος

cunt

Fotze

ψωλή

hard-on

Ständer

στύεσθαι

have/get a hard-on

einen Ständer haben

σκῶρ

shit

scheißen

πρωκτός

ass-hole

Arschloch

πέρδεσθαι (πορδή)

fart

furzen

βινεῖν

fuck

ficken

δέφεσθαι

jerk off

wichsen

Hinzugezählt werden können ferner einige ursprünglich metaphorische Bezeichnungen, die infolge von Bedeutungseinengungen den Charakter primärer Obszönitäten angenommen haben: Griechisch

Englisch nach Henderson

Deutsch nach Hunold

κινεῖν113

(move), fuck

(bewegen), bumsen, ficken, stoßen

ληκᾶν, λαικάζειν114

(move a limb), fuck

(die Glieder bewegen), bumsen‚ ficken, stoßen

σπλεκοῦν115

(into the sack), fuck

(in den Sack), ficken

b) Metaphorische Ausdrücke Die größte Gruppe der obszönen Äußerungen stellen nach Henderson die metaphorischen Ausdrücke dar, die auf dem Wege der Sinnübertragung, des Vergleichs und der bildhaften Sprache eine gewisse Distanz zu den betreffenden Körperteilen oder Handlungen herstellen und sich durch Flexibilität und Nuancenreichtum auszeichnen.116 Sehr häufig werden dabei Metaphern oder Vergleiche aus den Bereichen des Handwerks, der Landwirtschaft, der Natur und der Tierwelt sowie der abstrakten

|| 113 Vgl. Henderson (1991), 151 f. 114 Ursprünglich möglicherweise als schnelle Körperbewegung beim Tanz gemeint; vgl. Henderson (1991), 153. 115 Evtl. entstanden aus εἰς πλέκος (‚in den Sack‘). Henderson nennt als Wortbildungsvergleich die Ableitung σκορακίζω von εἰς κόρακας; vgl. Henderson (1991), 154; s. auch u. 3.4.4.1 Anm. 1066. 116 Henderson (1991), 41.

Arbeitsdefinition ‚obszöne Sprache‘ und Kategorien obszönen Sprechens nach Henderson | 31

Formenwelt herangezogen. So wird etwa bei Aristophanes der männliche Penis mit einem ‚Bolzen‘ (μοχλός)117, einem ‚Pflock‘ (πάτταλος)118, einer ‚Eichel‘ (βάλανος)119, einem ‚Malvenstengel‘ (ἀμοργίς)120, einem ‚Widder‘ bzw. ‚Rammbock‘ (κρίος)121, einer ‚Schlange‘ (ὄφις)122 oder einem [schlaffen] ‚Seil‘ (σχοινίον u. ä.)123 gleichgesetzt.124 Die weiblichen Genitalien erscheinen bei ihm unter anderem als ‚Myrthenbeere‘ (μύρτον)125 oder ‚Feige‘ (σῦκον)126, als ‚Schweinchen‘ (χοῖρος)127 oder ‚Seeigel‘ (ἐχίνος)128, als ‚Tür‘ (θύρα)129 oder ‚Tor‘ (πύλη)130, als ‚Ring‘ (δακτυλίδιον)131, ‚(Bohr-)Loch‘ (τρῆμα)132 oder ‚Delta‘ (δέλτα)133.134 Der Geschlechtsakt wiederum wird als Seefahrtsmanöver (ἐλαύνειν, πλεῖν, ναυμαχεῖν, ἐπιβατεύειν)135, als landwirtschaftliche (γεωργεῖν, τρυγᾶν)136 oder sportliche Betätigung (παλαίειν, ἱπποδραμίαν ἄγειν)137, als ‚Aufspießen‘ (ἀναπηγνύναι)138 ‚Durchbohren‘ (ἀναπείρειν)139 oder ‚Stoßen‘ (ἐρείδειν, κρούειν, παίειν)140 vorgestellt.141 Die indirekten Anspielungen auf exkrementelle Vorgänge beziehen sich bei Aristophanes in erster Linie auf deren mögliche Ursachen (wie Angst, Anstrengung oder Schläge)142, auf die mit ihnen verbundenen Gerüche143 und Geräusche144 sowie auf Farbe (v. a. πυρρός)145, Form und Größe146 des betreffenden Produkts.

|| 117 Aristoph. Lys. 424; vgl. auch Lys. 428 ff., 246, 264 118 Aristoph. Eccl. 284 u. 1020; Vesp. 808. 119 Aristoph. Lys. 410 ff. 120 Aristoph. Lys. 735. 121 Aristoph. Lys. 309. 122 Aristoph. Eccl. 908. 123 Aristoph. Vesp. 1342. 124 Ausführlicher hierzu Henderson (1991), 108–130. 125 Aristoph. Lys. 1004. 126 Aristoph. Pax 1352. 127 Aristoph. Ach. 781 f. und ebd. gesamte Megarer-Szene 750–818; auch Eccl. 724; Thesm. 538. 128 Aristoph. Lys. 1169. 129 Aristoph. Lys. 309. 130 Aristoph. Lys. 250, 423. 131 Aristoph. Lys. 417. 132 Aristoph. Lys. 410; Eccl. 906. 133 Aristoph. Lys. 151. 134 Ausführlicher hierzu Henderson (1991), 130–148. 135 Vgl. Aristoph. Eccl. 37 ff.; Pax 341; Lys. 411, 675; Eccl. 1087, 1106; Ran. 48. 136 Vgl. Aristoph. Lys. 1173; Pax 1339. 137 Vgl. Aristoph. Pax 894 ff. 138 Aristoph. Eccl. 834. 139 Aristoph. Ach. 1007 140 Vgl. Aristoph. Eccl. 616; Thesm. 488; Eccl. 989; Ach. 835; Pax 874, 898. 141 Ausführlicher hierzu Henderson (1991), 151–186. 142 Vgl. Aristoph. Ach. 350 f., 581, 1169, 1056 f.; Av. 65 ff.; Eccl. 640, 1060 ff.; Equ. 69 f., 998, Lys. 440; Pax 241, 1176; Ran. 237 f.; Thesm. 570; Vesp. 628, 941. 143 Vgl. Aristoph. Plut. 693.

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c) Euphemismen Euphemismen sind nach Hendersons Definition eng mit den metaphorischen Ausdrücken verwandt, da sie sich dem eigentlich Gemeinten ebenfalls auf dem Wege der Bedeutungsübertragung bzw. des Vergleichs nähern. Der Unterschied bestehe lediglich darin, dass die Vergleichsgröße weniger deutlich auf die physische Beschaffenheit des Referenzgegenstands verweise, diese vielmehr nur vage andeute und aus diesem Grund auch als weniger anstößig empfunden werde. Auch seien die in der Alten Komödie verwendeten Euphemismen nicht auf diese beschränkt, sondern in allen Sprachen anzutreffen: [T]he penis is ‚nature‘, joy, it, youth, thing, privates; intercourse is ‚manning‘, enjoying one’s youth, having or doing the work of Aphrodite, having relations with, possessing, and so on. These words belong to the common vocabulary of the civilized adult and cannot cause hallucinatory regression, like primary obscenities, or affective imaging of sexual acts or organs, like metaphorical obscenities. They are society’s way of referring to things that must be both physically and verbally hidden.147

Eine weitere, von Henderson nur beiläufig abgehandelte Gruppe, stellen die ‚Eigennamen‘ (proper names) dar, zu denen Begriffe wie φαλλός (‚Penis‘, ‚Glied‘) oder χέζειν (‚Stuhlgang haben‘) zählen. Obgleich diese Wörter sich ebenfalls unmittelbar auf das männliche Genital bzw. den Prozess der Defäkation bezögen, erschienen sie weniger anstößig als primäre Obszönitäten, da sie ein anderes mentales Bild evozierten: „φαλλός is simply the uncathected organ, while πέος is the embodiment of raw sexuality.“148 Die hier vorgestellten, von Henderson im Hinblick auf die Alte Komödie herausgearbeiteten Kategorien obszöner Ausdrucksformen sollen in der vorliegenden Arbeit als Grundlage für die Auswahl und Analyse der untersuchungsrelevanten Aristophanes-Partien dienen. Darüber hinaus sollen sie als verbindliche Bezugsgrößen eine auf vergleichbare Kriterien gestützte Gegenüberstellung von Original und Übersetzung bzw. von verschiedenen Übersetzungen miteinander ermöglichen, und dazu beitragen, Antworten auf folgende Fragen zu finden: – Welcher Kategorie gehört eine bestimmte Ausdrucksweise des Originals an? – Welcher Kategorie gehört eine bestimmte Ausdrucksweise der Übersetzung an? – Lassen sich Unterschiede im übersetzerischen Umgang mit den verschiedenen Kategorien obszöner Ausdrucksweise feststellen?

|| 144 Vgl. Aristoph. Ach. 863 ff.; Equ. 626, 701, 1381 f.; Nub. 386 ff.; Ran. 237 f., 250 f., 255 f., 261 f., 264 ff. 145 Vgl. Aristoph. Eccl. 329, 1061 f.; Equ. 900; Thesm. 570. 146 Vgl. Aristoph. Eccl. 351; Equ. 70. 147 Henderson (1991), 55. 148 Henderson (1991), 35.

Arbeitsdefinition ‚obszöne Sprache‘ und Kategorien obszönen Sprechens nach Henderson | 33





Gehört der jeweils übersetzte Ausdruck in der Zielsprache der gleichen Kategorie an wie der im Original verwendete Ausdruck oder findet ein Kategorienwechsel statt? Welche Übersetzungsstrategien wurden im Rahmen dieser Kategorien von den verschieden Übersetzern angewandt?

2 Obszöne Sprache als Übersetzungsproblem 2.1 Das Übersetzen obszöner Sprache als Gegenstand neuerer Untersuchungen Bis zur Mitte des 20. Jahrhunderts wird das Übersetzen obszöner Sprache – zumeist im Rahmen von Übersetzungsvorreden – zwar häufig als Problem benannt, doch gehen die entsprechenden Ausführungen der Übersetzer selten über bedauernde, entrüstete oder entschuldigende Bemerkungen und generelle Ankündigungen von Tilgungs- und Abmilderungsmaßnahmen hinaus.1 Separate Abhandlungen, die sich systematisch – sei es präskriptiv oder deskriptiv – mit den verschiedenen übersetzerischen Strategien im Umgang mit primär obszönen Ausdrücken und verbalen Bezugnahmen auf sexuelle oder exkrementelle Handlungen beschäftigen, finden sich sehr vereinzelt erst seit der zweiten Jahrhunderthälfte. In Bezug auf antike Autoren sind bislang vor allem die Carmina Catulls Gegenstand entsprechender Untersuchungen geworden, wenn auch in der Regel im Kontext allgemeinerer Abhandlungen zur Rezeptions- und Übersetzungstradition des Dichters.2 Vereinzelt wurden auch die Übersetzungen anderer griechischer und lateinischer Autoren wie Platon und Aristophanes3, Ovid4, Vergil5, Petron6 auf die Behandlung des Obszönen hin

|| 1 So erklärt beispielsweise Christian Gottfried Schütz (s. auch u. 2.3.5.1) in der Vorrede zu seiner Übersetzung der Aristophanischen Wolken (1784): „Obscönitäten [...] habe ich aus gerechter Achtung für die züchtigere Sprache unsrer Zeiten ausgelassen, oder doch unanstößiger auszudrucken [sic] gesucht.“ (Schütz, Vorrede [1798], VIII). Sehr allgemein fasst sich ein halbes Jahrhundert später auch Johann Gustav Droysen (s. auch u. 3.3.2.1) in der Vorrede zum ersten Band seiner Aristophanes-Gesamtübersetzung von 1835: „[D]er Athenäer liebt es, von schmutzigen Dingen reden zu hören, ja sie selbst leibhaftig zu sehen; die Zote ist sein Labsal [...]. Nach unserer Weise ist dies ekelhaft und schnöde; und doch sind das in Aristophanes Dichterkranz die Blumen, die der Athenäer am liebsten roch. Was soll da ein ehrlicher Übersetzer thun?“ (Droysen, Vorrede [zu Aristophanes: Werke, Bd. 1] (1835), VII). 2 Vgl. etwa Wildermann (1949), Winter (1973), Gaisser (1993), Wetzel (2002), Ford (2011), D. H. Roberts (2015). 3 So demonstriert Dover (1980) die beiden vor allem im England des 19. und 20. Jahrhunderts intensiv betriebenen Bereinigungsverfahren expurgation (Streichung und Auslassung anstößiger Stellen aus dem Ausgangs- oder Übersetzungstext) und bowdlerization (Ersetzen der anstößigen Passagen durch harmlosere Wendungen) an Beispielen aus Platon und Aristophanes. (Der Terminus bowdlerization verweist auf Thomas Bowdler [1754–1825], der eben jenes Verfahren in seiner Shakespeare-Edition für Frauen und Kinder angewandt hatte.) Vgl. dazu den Sammelband Expurgating the Classics von Harrison/Stray (2012), der zahlreiche Beispiele für die Anwendung des von Dover beschriebenen Bereinigungsverfahrens – hauptsächlich im editorischen Bereich – auf Werke der griechischen und römischen Literatur bietet; darin auch Ruffell (2012) zu den umfangreichen Streichungen in britischen Aristophanes-Editionen des 19. Jahrhunderts. 4 Vgl. McKenzie (2011). 5 Vgl. Brancher (2008). 3 https://doi.org/10.1515/9783110625196-003

Das Übersetzen obszöner Sprache als Gegenstand neuerer Untersuchungen | 35

untersucht.7 Eine verstärkte Auseinandersetzung mit der Problematik des Übersetzens obszöner Sprache ist in jüngerer Zeit insbesondere in den Bereichen der Spätantikeforschung, der Mediävistik und der frühneuzeitlichen Literaturwissenschaft zu verzeichnen. Im Rahmen umfassender Untersuchungen des obszönen Elements in der Literatur seit der ausgehenden Antike bis zur Renaissance8 richtet sich das Augenmerk auch auf die spät-, mittel- und neulateinischen Adaptationen antiker Gattungen – etwa der erotischen Epigrammatik, der Elegiendichtung oder der Satire9 – sowie auf die frühen volksprachlichen Versionen römischer Autoren wie Catull10, Ovid11 oder Martial12. Diese Arbeiten waren für die vorliegende Untersuchung in zweierlei Hinsicht von Interesse. Zum einen bieten sie teilweise bereits terminologische Ansätze zur Erfassung und Beschreibung von Übersetzungsverfahren in Bezug auf das Obszöne, auf die vor allem bei der Übersetzungsanalyse und bei der Aufstellung einer Typologie der ermittelten Übersetzungsstrategien angeknüpft werden konnte.13 Zum anderen – dies betrifft vor allem die Arbeiten zur frühneuzeitlichen AntikeRezeption – liefern sie Hinweise auf eine hauptsächlich emotional bedingte Differenzierung zwischen der Gelehrtensprache Latein und den einzelnen Volkssprachen, die – nach Auffassung der seinerzeitigen Rezipienten – nicht in gleichem Maße dazu geeignet waren, obszöne Terminologie zu transportieren.14 So wurde die

|| 6 Vgl. D. H. Roberts (2006). 7 D. H. Roberts untersucht in mehreren Arbeiten, u. a. (2008) und (2015), die Behandlung des Obszönen in englischsprachigen Übersetzungen aus dem Griechischen und Lateinischen (u. a. Aristophanes, Martial, Catull) vom frühen 19. bis zur Mitte des 20. Jahrhunderts. 8 Vgl. hier vor allem die DeJean (2002) sowie die Sammelbände von McDonald (2006) und Roberts/Peureux/Wajemann (2011). 9 Vgl. Maaz (1992), Shanzer (2006), Ford (2011), 53–56. 10 Ford (2011). 11 McKenzie (2011). 12 Vgl. Sullivan (1991), 253 ff. 13 Insbesondere die Arbeiten von Dover (1980) und Wetzel (2002) wurden hier herangezogen. 14 So weist etwa Ford (2011) in dem Sammelband von Roberts/Peureux/Wajeman (2011) darauf hin, dass die an Catull anknüpfenden neulateinischen Epithalamien und Epigramme der Humanisten durchaus zahlreiche Obszönitäten enthielten, während die volkssprachlichen Catull-Nachahmungen der französischen Pléiade-Dichter des 16. Jh., in dieser Hinsicht wesentlich zurückhaltender ausfielen: „This illustrates the tendency we have already noted in an article entitled ‚Comparative Obscenity‘ for vernacular writers to be more restrained than neo-Latin poets in their language and in the themes that they introduce into their compositions.“ Vgl. Ford (2011), 57 u. passim. Labère/Swift (2011) erwähnen in demselben Band den Skandal, den bereits 1492 die französische Übersetzung der mit obszönem Humor durchsetzten Facetien des italienischen Humanisten Poggio Bracciolini ausgelöst hatte: „Le cas de la traduction du Liber facetiarum du Pogge (rédigé vers 1438– 1452) est à ce titre doublement problématique: non seulement l’ouvrage du Pogge est connu en Italie pour avoir fait scandale mais sa traduction française en 1492 par Guillaume Tardif pour Charles VIII redouble l’obscénité du latin.“ Vgl. Labère/Swift (2011), 79.

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explizite Bezugnahme auf sexuelle oder skatologische Sachverhalte in lateinischer Sprache von den frühneuzeitlichen Lesern offenbar als weitaus weniger anstößig empfunden als deren Darlegung in der eigenen Volkssprache.15 Dieser Aspekt kommt in ähnlicher Weise auch in dem Verhältnis zwischen der Übertragung obszöner Terminologie in eine dem Rezipienten geläufige ‚Drittsprache‘ und deren ‚unmittelbarer‘ Wiedergabe in dessen Muttersprache zum Tragen.16 Im Rahmen der vorliegenden Untersuchung spielt dies sowohl im Hinblick auf die starke Abhängigkeit der deutschen Aristophanes-Rezeption von zunächst lateinischen, später vor allem französischen Übersetzungen eine Rolle als auch im Hinblick auf bestimmte Übersetzungsverfahren, die darauf abzielen, die obszönen Ausdrücke des griechischen Originals durch fremdsprachliche Wendungen wiederzugeben bzw. den eigentlichen Gehalt einer abgeschwächten Passage im Kommentarteil durch wörtliche Zitate aus älteren lateinischen oder sonstigen fremdsprachigen Übersetzung nachzuliefern. In Bezug auf die deutschen Übersetzungen des Aristophanes findet der Aspekt des Obszönen schließlich in einigen jüngeren Darstellungen Berücksichtigung, deren Fokus allerdings jeweils auf ein anderes Schwerpunktthema gerichtet ist, wie etwa auf die Geschichte der „Aristophanes-Verdeutschung“ bis zum Beginn des 19. Jahrhunderts (J. Werner [1965]), auf die politische Rezeption des Dichters im 19. Jahrhundert (Holtermann [2004]) oder auf Johann Gustav Droysens Gesamtübersetzung der Aristophanes-Komödien (Kitzbichler [2014]). In Jürgen Werners chronologisch angeordneten Studien zur Geschichte der Aristophanes-Verdeutschung (1965) wird der Umgang einzelner AristophanesÜbersetzer mit obszönen Stellen stets im Rahmen einer Gesamtdarstellung der jeweiligen Übersetzungsleistung gewürdigt, die jedoch in gleichem Maße auch weitere relevante Aspekte der Aristophanes-Übersetzung (Entstehungskontext, Auswertung von Übersetzungsvorreden und Rezensionen, Metrik, Stil etc.) beleuchtet.17

|| 15 Ähnliches konstatiert Dover (1980), 65 Anm. 1 auch für das Griechische: „From Boileaus’s Réflexions critiques no. IX, appended to his translation of Pseudo-Longinus, On the Sublime, one has the impression, that for him the propriety of a word in Greek was guaranteed by the fact that notable Greek authors had used it, so that the perfectly proper question, ‚Did Greek authors use mots bas?‘ was short-circuited.“ 16 Vgl. hierzu u. a. D. H. Roberts (2008), 292 f. 17 Werners Stellungnahmen zum übersetzerischen Umgang mit den obscena fallen zumeist sehr knapp aus und beschränken sich oft nur auf eine bloße Versangabe (ohne griechischen Originaltext) und ggf. ein kurzes Übersetzungszitat. So heißt es etwa in Bezug auf Schlossers FröscheÜbersetzung von 1783: „Schlosser hält sich nicht stets eng an den Text. Auslassungen erfolgen an Stellen, die ihm offenbar unklar sind oder unübersetzbar erscheinen [...] oder auch an sittlich anstößigen Stellen (z. B. V. 425–34 = S. 170; V. 56 = S. 147; V. 545 = S. 176) [...].“ J. Werner (1965), 79. Bisweilen wird auf Übersetzungsbeispiele ganz verzichtet, wie z. B. bei der Besprechung der Wolken-Übersetzung von Christian Gottfried Schütz: „Obszönitäten sind auszulassen oder weniger anstößig wiederzugeben, ‚aus gerechter Achtung für die züchtigere Sprache unserer Zeiten‘ (VIII).

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Werners Arbeit umfasst den Zeitraum von 1613 (Frischlins Übersetzung der Wolken) bis 1812 (Erscheinen der Acharner-Übersetzung von F. A. Wolf) und somit „die ersten beiden Jahrhunderte der Aristophanes-Verdeutschung, von der Humanistenzeit bis zum Neuhumanismus des 19. Jahrhunderts“.18 Anknüpfungspunkte für die vorliegende Arbeit ergaben sich daher insbesondere für die einleitende Überblicksdarstellung ‚Obszöne Sprache als Übersetzungsproblem‘ (Kap. 2), die mit den Aristophanes-Übersetzungen Christoph Martin Wielands endet, und für die Porträts der beiden frühesten Lysistrate-Übersetzungen von Wilhelm von Humboldt (1795) und August Christian Borheck (1806) im Hauptteil dieser Untersuchung (Kap. 3). Martin Holtermann hat mit seiner Monographie Der deutsche Aristophanes. Die Rezeption eines politischen Dichters im 19. Jahrhundert (2004) eine umfangreiche Untersuchung zu der politischen Fruchtbarmachung der Aristophanes-Komödien in der Zeit „von ca. 1770 bis 1915“19 vorgelegt, die für die vorliegende Arbeit wichtige Impulse v. a. bezüglich der zeit- und literaturgeschichtlichen Verortung der Übersetzungen Wielands, Droysens und Seegers gab. Im Rahmen eines Anhangs zu den „materiellen Grundlagen der Aristophanes-Rezeption“ (Editionen, Kommentare, Übersetzungen, Aufführungen) am Ende seiner Monographie geht Holtermann im Übersetzungs-Abschnitt schließlich auch auf die „spezifischen Probleme der Aristophanes-Übersetzung“ ein (S. 294–300). Unter drei von ihm benannten Charakteristika, die für den Übersetzer eine besondere Herausforderung darstellen, steht hier an erster Stelle die Obszönität, an zweiter die Anspielungen auf zeitgenössische Ereignisse und Personen sowie an dritter die durch Wortspiele, Wortneuschöpfungen und „stilistische Variationsbreite“ geprägte Sprache.20 Diesen drei Charakteristika stellt Holtermann drei Übersetzungsstrategien gegenüber, die „in den Aristophanes-Übersetzungen des 18. und 19. Jahrhunderts gut beobachtet werden können“21: Abschwächung oder Unterdrückung (betrifft in erster Linie die Obszönitäten), Aktualisierung durch Substitution (v. a. im Bereich der griechischen Wortspiele, der Dialekte, tagespolitischen Ereignisse) und Kommentierung (als Alternative zur Aktualisierung, die man in der Zeit der aufstrebenden Altertumswissenschaft und dem Primat der geschichtlichen Betrachtung als zu

|| Die Zahl dieser Fälle ist Legion; auch hier sei auf Beispiele verzichtet. Übrigens sind doch etliche Derbheiten ins Deutsche übernommen, z. B. V. 174 (S. 19), 373 (S. 41), was Schütz denn auch in den ‚Heidelbergischen Jahrbüchern der Litteratur‘ 5, 1812, 161 (s.o.) zum Vorwurf gemacht wird.“ J. Werner (1965), 87. 18 Vgl. J. Werner (1965), 12. Den genannten Zeitraum beleuchten auch verschiedene Aufsatzpublikationen Werners in Form von Übersetzungs-Einleitungen (J. Werner [1963]), Überblicksdarstellungen zur Geschichte der Aristophanes-Übersetzung (vgl. J. Werner [1975] und [2000]) sowie zu einzelnen Aristophanes-Übersetzern wie Welcker (J. Werner [1994]) und Voß (J. Werner [2004]). 19 Holtermann (2004), 13. 20 Vgl. Holtermann (2004), 295. 21 Holtermann (2004), 296.

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starken Eingriff empfand).22 Jede dieser Strategien wird anhand von Beispielen kurz erläutert. In Bezug auf die Eliminierung bzw. die Abschwächung von Obszönitäten weist Holtermann insbesondere auf die von Aristophanes-Übersetzern wie Christian August Clodius, Christoph Martin Wieland und Hieronymus Müller angewandten Verfahren hin, anstößige Stellen nach vorheriger Ankündigung und entsprechender Entrüstungsfloskel einfach zu übergehen oder sie durch Auslassungspunkte, Übernahme des Originaltextes bzw. Übersetzung in eine moderne Fremdsprache zu verschleiern, wobei auch Kritiker derartiger Übersetzungsstrategien, z. B. Friedrich August Wolf oder Otto Friedrich Gruppe, Erwähnung finden.23 Das Thema Obszönität wird auch in den Hauptkapiteln von Holtermanns Untersuchung des Öfteren gestreift,24 erfährt aber dort keine tiefergehende Behandlung. Josefine Kitzbichler gibt im zweiten Kapitel ihrer Monographie Poetische Vergegenwärtigung, historische Distanz. Johann Gustav Droysens Aristophanes-Übersetzung (1835/1838) (2014), das der „Rezeption und Übersetzbarkeit“ des Aristophanes gewidmet ist, einen knappen, aber fundierten Überblick zur obszönen Sprache als Übersetzungsproblem (S. 27–31). Ausgehend von Droysens einschlägigem Zitat aus der Einleitung zum ersten Übersetzungsband, in der dieser die Schwierigkeiten der Aristophanes-Übersetzung und insbesondere die „schmutzigen Dinge“ und „Zoten“ als Übersetzungshindernisse benennt,25 werden – im Anschluss an eine Obszönitätsdefinition – die geläufigen übersetzerischen Entschärfungs-Strategien aufgezählt und anhand einer Passage aus der Lysistrate (213 f.) beispielhaft vorgeführt.26 Mit Bezug auf Henderson wird ferner klargestellt, dass „auch für die Griechen des 5. vorchristlichen Jahrhunderts der Bereich des Sexuellen mit Tabu belegt“ und das Obszöne seinerzeit nur in bestimmten Kontexten – im Kult und in der Dichtung (Komödie, Iambos) – gesellschaftlich sanktioniert war.27 Es folgt eine Begriffsdifferenzierung der griechischen, von αἰσχρός abgeleiteten Wörter und dem lateinischen obscenus, das „in der christlichen Neuzeit“ in der Regel als etwas verstanden wird, „das nicht bloß unanständig, sondern schmutzig, abstoßend, ja schuldbehaftet ist.“28 Diese von christlichen Moralbegriffen geprägte Obszönitätsauffassung habe,

|| 22 Vgl. Holtermann (2004), 296–300. 23 Vgl. Holtermann (2004), 296 f. 24 Etwa im Zusammenhang des ‚Platen-Heine-Streits‘, in dem der von Platen antisemitisch angegriffene Heinrich Heine in seiner Aristophanischen Komödie Die Bäder von Lukka (1829) u. a. Platens Homosexualität thematisierte. Hierdurch sei, wie Holtermann darlegt, erstmals der „Nexus von Sexualität und Politik“ sichtbar geworden, den man zuvor noch nicht als ein wesentliches Mittel „von Aristophanes’ politischen Kunst“ erkannt habe. Vgl. Holtermann (2004), 138; s. auch u. 3.3.2 Anm. 276. 25 Vgl. Droysen, Vorrede [zu Aristophanes: Werke, Bd. 1] (1835), VII; s. dazu auch o. ‚Einleitung‘. 26 Vgl. Kitzbichler (2014), 28 f. 27 Vgl. Kitzbichler (2014), 30. 28 Vgl. Kitzbichler (2014), 30.

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so Kitzbichler konstatierend, den übersetzerischen Umgang mit den obszönen Scherzen der Alten Komödie stets erschwert: Da es in der deutschen Literatursprache nie einen auch nur annähernd vergleichbaren gesellschaftlichen Ort für Obszönes gab, tendieren Übersetzungen – wenn sie die betreffenden Stellen nicht einfach streichen – dazu, schlüpfrig oder pornographisch zu sein, was mit der Komik, die die obszönen Witze in der Alten Komödie entfalten konnten, nichts zu tun hat. Das Vergnügen musste entweder privat oder stumm bleiben. [...] So mögen die ‚schmutzigen Dinge‘ des Aristophanes zwar auch in der Neuzeit das Interesse der Übersetzer und Leser auf sich gezogen haben, aber sie blieben letztlich, in Ermangelung eines gesellschaftlichen und eines sprachlichen Orts, unübersetzbar.29

2.2 Die neuzeitliche Aristophanes-Rezeption vor dem Hintergrund antiker Urteile Die neuzeitliche Rezeption der Aristophanes-Komödien wurde lange Zeit durch die überlieferten Urteile prominenter antiker Autoren – zu nennen sind hier insbesondere Aristoteles, Plutarch und Horaz – beeinflusst. Da auch zahlreiche Übersetzer sich in ihren Vorreden und Anmerkungen auf Positionen dieser antiken Autoritäten berufen, sollen einige für unser Thema relevante Aspekte hier noch einmal zusammengestellt werden. Im Vordergrund stehen dabei die Frage nach dem von Aristoteles (4. Jh. v. Chr.) implizierten gattungsgeschichtlichen Entwicklungsstand der Aristophanes-Komödie, ihre ästhetisch-moralische Bewertung durch Plutarch (1. Jh. n. Chr.) sowie die von Horaz (1. Jh. v. Chr.) postulierte moralisierende Wirkungsabsicht der Alten Komödie.

2.2.1 Die gattungsgeschichtliche Einordnung der Aristophanes-Komödien bei Aristoteles Die in der Poetik (1449b 21) des Aristoteles angekündigte Darstellung seiner Komödientheorie ist bekanntlich verloren. Gleichwohl geht Aristoteles an mehreren Stellen der Poetik sowie in einigen anderen Werken auch auf die Entstehungsgeschichte und die Charakteristika der Gattung Komödie ein.30 Da es sich hierbei jedoch zumeist nur um punktuell eingestreute Erläuterungen kontrastiver oder exemplifizierender Art handelt, etwa im Rahmen der Aristotelischen Ausführungen über die Tragödie oder im Kontext der Ethiken, lassen die komödienbezogenen Äußerungen des Aristoteles in der Regel verschiedene Interpretationen zu. Dies betrifft auch || 29 Kitzbichler (2014), 31. 30 Zur Komödientheorie des Aristoteles vgl. u. a. Janko (1984), Halliwell (1986), 253–285 und Schmitt (2009).

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seine Einordnung der Aristophanes-Komödien in den gattungsgeschichtlichen Zusammenhang. Nach Aristoteles’ Ausführungen in der Poetik wurde die Dichtung allmählich aus dem zunächst improvisierenden Nachahmen von Handlungen hervorgebracht, wobei sie sich, den unterschiedlichen Charakteren der Dichter entsprechend, in zwei Richtungen entwickelt habe. Während die Edleren die Handlungen von Guten nachahmten und Hymnen und Preislieder dichteten, orientierten sich die Gewöhnlicheren an den Handlungen von Schlechten und verfassten Rügelieder im Metrum des iambischen Verses: διὸ καὶ ἰαμβεῖον καλεῖται νῦν, ὅτι ἐν τῷ μέτρῳ τούτῳ ἰάμβιζον ἀλλήλους. (Aristot. poet. 1448b 30) [D]eswegen heißt es auch heute noch ‚Rüge-[Metrum]‘ (ἰαμβεῖον), weil sie einander in diesem Versmaß zu rügen pflegten. (Ü: K. L.)

Als wichtiger entwicklungsgeschichtlicher Schritt auf dem Weg vom einfachen Rügelied zur Komödie als dramatischer Gattung gilt für Aristoteles die Integration des rein Lächerlichen in eine durchkomponierte dramatische Handlung. Dies setzt für ihn eine Abkehr von der reinen Invektive der Iambendichter voraus. παραφανείσης δὲ τῆς τραγῳδίας καὶ κωμῳδίας οἱ ἐφ’ ἑκατέραν τὴν ποίησιν ὁρμῶντες κατὰ τὴν οἰκείαν φύσιν οἱ μὲν ἀντὶ τῶν ἰάμβων κωμῳδοποιοὶ ἐγένοντο, οἱ δὲ ἀντὶ τῶν ἐπῶν τραγῳδοδιδάσκαλοι, διὰ τὸ μείζω καὶ ἐντιμότερα τὰ σχήματα εἶναι ταῦτα ἐκείνων. (Aristot. poet. 1449a 2–6) Nach dem Aufkommen von Tragödie und Komödie wurden diejenigen, die sich je nach ihrer persönlichen Veranlagung einer der beiden Dichtungsarten zuwandten, entweder anstelle von Iambendichtern Komödiendichter oder anstelle von Ependichtern Tragödiendichter, weil diese Formen erhabener und angesehener waren als jene. (Ü: K. L.)

Bereits Homer habe mit seinem Margites die Form der Komödie vorgezeichnet, weil er darin ‚nicht die Rüge, sondern das Lächerliche dramatisch behandelte‘ (οὐ ψόγον ἀλλὰ τὸ γελοῖον δραματοποιήσας, Aristot. poet. 1448b 37). In Athen sei es der Dichter Krates31 gewesen, der als erster die iambische Invektive aufgegeben und zusammenhängende Handlungen komponiert habe (τῶν δὲ Ἀθήνησιν Κράτης πρῶτος ἦρξεν ἀφέμενος τῆς ἰαμβικῆς ἰδέας καθόλου ποιεῖν λόγους καὶ μύθους, Aristot. poet. 1449b 7).

|| 31 Von Krates (Mitte des 5. Jh. v. Chr.) sind insgesamt neun Komödientitel und etwa 60 Fragmente erhalten. Der Inhalt seiner Stücke ist daraus nur schwer rekonstruierbar. Auf der Liste der Sieger bei den Dionysien wird er chronologisch nach Kratinos und Diopeithes aufgeführt. Vgl. Nesselrath, „Krates“, in: DNP.

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Nicht eindeutig zu klären ist in diesem Zusammenhang allerdings die Frage, ob die in den Komödien des Aristophanes sich darbietende Handlungsstruktur aus aristotelischer Sicht bereits dem Ideal einer voll entwickelten Gattung entsprach oder ob sie für ihn lediglich eine noch im Entwicklungsstadium begriffene Vorform darstellte. Als Beleg für die erste Auffassung lässt sich ein Absatz aus dem dritten Kapitel der Poetik heranziehen, in dem Aristoteles den Komödiendichter Aristophanes gleichberechtigt neben Homer und Sophokles stellt, die in derselben Abhandlung mehrfach als idealtypische Vertreter der Gattungen Epos und Tragödie hervorgehoben werden32: ὥστε τῇ μὲν ὁ αὐτὸς εἴη μιμητὴς Ὁμήρῳ Σοφοκλῆς, μιμοῦνται γὰρ ἄμφω σπουδαίους, τῇ δὲ Ἀριστοφάνει, πράττοντας γὰρ μιμοῦνται καὶ δρῶντας ἄμφω. (Aristot. poet. 1448a 25) Und so dürfte Sophokles als Nachahmer einerseits dem Homer gleichen, denn beide ahmen ernsthafte [Charaktere] nach, andererseits aber dem Aristophanes, denn beide ahmen Tätige und Handelnde nach. (Ü: K. L.)

Die zweite Auffassung ließe sich hingegen durch eine Passage in der Nikomachischen Ethik stützen, wo Aristoteles zwischen der angemessenen Art des Scherzens gewandter, scharfsinniger Menschen (εὐτράπελοι) und den derben Übertreibungen ungebildeter Possenreißer (βωμολόχοι) unterscheidet und dies am Beispiel der „alten und neuen Komödien“ illustriert: ἴδοι δ’ἄν τις καὶ ἐκ τῶν κωμῳδιῶν τῶν παλαιῶν καὶ τῶν καινῶν· τοῖς μὲν γὰρ ἦν γελοῖον ἡ αἰσχρολογία, τοῖς δὲ μᾶλλον ἡ ὑπόνοια· διαφέρει δ’οὐ μικρὸν ταῦτα πρὸς εὐσχημοσύνην. (Aristot. Eth. Nic. 1128a 20) Man kann dies auch an den alten und neuen Komödien sehen: Bei jenen nämlich bestand das Komische in der Verunglimpfung (αἰσχρολογία), bei diesen eher in der Anspielung: dies macht im Hinblick auf die Schicklichkeit keinen geringen Unterschied. (Ü: K. L.)

Im Laufe der neuzeitlichen Rezeptionsgeschichte konnte sich insbesondere jene zweite Auffassung lange Zeit behaupten. Bis ins 18. Jahrhundert hinein lässt sich – wie noch an einzelnen Beispielen zu belegen sein wird – bei zahlreichen Aristophanes-Interpreten das deutliche Bestreben erkennen, die Werke des Komikers aus dem Geltungsbereich der (lediglich rekonstruierten) aristotelischen Komödientheorie herauszulösen. Unter Berufung auf Aristoteles ordnete man die AristophanesKomödien wegen ihres hohen Anteils an Obszönitäten und persönlichen Invektiven

|| 32 Zu Homer s. Aristot. poet. 1448b 34, 1451a 22 ff., 1459a 30 ff., 1459b 13 ff., 1460a 5 ff., 18 ff. Sophokles’ Tragödie König Ödipus wird von Aristoteles mehrfach zur (positiven) Exemplifizierung der Charakteristika des Tragischen herangezogen (vgl. Aristot. poet. 1452a 22 ff., 1453a 7 ff.); gegen den Tragiker Euripides werden dagegen Einwände geltend gemacht (u. a. Aristot. poet. 1454b 1; 1454a 28; 1456a 27; weitere Stellen bei Fuhrmann (Ü), Aristoteles, Poetik [1982], 118 Anm. 10).

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in der Regel der aristotelischen Gruppe der „alten Komödien“ zu und degradierte sie somit zu einer noch unfertigen und daher minderwertigen Frühform der Gattung, die das ihr bestimmte Telos noch nicht erreicht habe.33 Das aristotelische Gattungsideal sah man hingegen erst – nicht zuletzt unter dem Einfluss Plutarchs (s. u. 2.2.2) – in den Charakterkomödien des jüngeren Menander verwirklicht, da diese ohne obszöne Anspielungen und namentliche Verspottungen auskamen. Dabei ließ man freilich außer Acht, dass Aristoteles selbst Menanders Komödien noch gar nicht gekannt haben dürfte.34 Die zahllosen Versuche, die aristotelische Dramentheorie auf die Komödien des Aristophanes anzuwenden bzw. deren Inkommensurabilität nachzuweisen reichen vom 1 Jh. n. Chr. bis in die Gegenwart. Ihren Höhepunkt erreichten sie in der Zeit der französischen Klassik (17.–18. Jh.).

2.2.2 Plutarch, De comparatione Aristophanis et Menandri epitome Als Verfasser moralisch belehrender Schriften biographischen und philosophischen Inhalts gehörte Plutarch von der Zeit des Humanismus an bis ins späte 18. Jahrhundert hinein zu den meistgelesenen antiken Autoren. Seine moralischen Wertmaßstäbe wurden zu jener Zeit ebenso wie sein Urteil über die von ihm geschilderten historischen Persönlichkeiten geradezu als normativ betrachtet. Dies gilt auch für die – nur durch einen anonymen Kompendienschreiber überlieferte – Schrift Ἀριστοφάνους καὶ Μενάνδρου σύγκρισις (comparatio Aristophanis et Menandri), in der Plutarch im Rahmen einer vergleichenden Gegenüberstellung der beiden attischen Komödiendichter dem Menander den Vorzug vor Aristophanes einräumt. Anstoß nimmt Plutarch, wie der Kompilator berichtet, insbesondere an der ‚Plumpheit‘ (τὸ φορτικόν) der Aristophanischen Scherze, mit denen sich der Dichter im Gegensatz zum feinsinnigen Menander als ‚unkultiviert und pöbelhaft‘ (ἀπαίδευτος καὶ

|| 33 Vgl. etwa Gottsched, Versuch einer critischen Dichtkunst [41751], 633. In diesem Sinne argumentieren noch im 20. Jh. u. a. Süß (1911), 11, und Halliwell (1986), 273 f. Eine andere Auffassung vertritt Schmitt (2009), 13 f. (s. u. 2.2.1 Anm. 34). 34 Hierauf weist explizit Schmitt (2009), 12 hin. In Anbetracht der Lebensdaten beider Autoren (Aristoteles: 384–322 v. Chr.; Menander: ca. 342/1–291/0 v. Chr.) und der frühesten Aufführungsund Siegesdaten Menanders (erstes Stück mit etwas mehr als 20 Jahren [um 322 v. Chr.] aufgeführt; erster Dionysiensieg: 315 v. Chr.) hält Schmitt es nicht für ausgeschlossen, dass Aristoteles aus seiner eigenen Zeit heraus Aristophanes (neben Eupolis und Plato comicus) zu den Vertretern der neuen Komödien hätte zählen können: „Die Tendenz, Aristophanes zum Vertreter der alten Komödie zu machen, ist nachmenandrisch“; Schmitt (2009), 12. Zu der älteren Komikergeneration wären dann Dichter wie Susarion oder Kratinos zu rechnen, deren Komödien möglicherweise noch eine weniger durchkomponierte Handlung und eine größere Nähe zur iambischen Invektive aufwiesen; vgl. Schmitt (2009), 12 f. S. dazu auch o. 1.1.1 Anm. 12.

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ἰδιώτης) ausweise.35 Darüber hinaus wird die Tendenz des Aristophanes kritisiert, ‚alles Nachgeahmte zum Schlechteren hin‘ nachzuahmen.36 Hierunter fällt – neben dem verletzenden Spott – auch der Bereich des ‚Erotischen‘ (τὸ ἐρωτικόν), der nach Auffassung des Plutarch in den Komödien des Aristophanes allzu ‚zügellos‘ behandelt wird: τὸ γὰρ πανοῦργον οὐ πολιτικὸν ἀλλὰ κακόηθες, καὶ τὸ ἄγροικον οὐκ ἀφελὲς ἀλλ’ ἠλίθιον, καὶ τὸ γελοῖον οὐ παιγνιῶδες ἀλλὰ καταγέλαστον, καὶ τὸ ἐρωτικὸν οὐχ ἱλαρὸν ἀλλ’ ἀκόλαστον. Οὐδενὶ γὰρ ὁ ἄνθρωπος ἔοικε μετρίῳ τὴν ποίησιν γεγραφέναι, ἀλλὰ τὰ μὲν αἰσχρὰ καὶ ἀσελγῆ τοῖς ἀκολάστοις, τὰ βλάσφημα δὲ καὶ πικρὰ τοῖς βασκάνοις καὶ κακοήθεσιν. (Plut. comp. Aristoph. et Men. 854 CD) Denn das Ränkevolle [ist] nicht urban, sondern boshaft, und das Bäurische nicht schlicht, sondern einfältig, und das Komische nicht scherzhaft, sondern spöttisch, und das Erotische nicht heiter, sondern zügellos. Denn nicht für einen maßvollen [Menschen] scheint der Mann seine Dichtung verfasst zu haben, sondern das Schändliche und Ausschweifende für die Zügellosen, das Lästerliche und Bösartige für die Verleumder und Boshaften. (Ü: K. L.)

Auch in anderen Schriften Plutarchs finden sich negative Bewertungen der Alten Komödie. So äußert sich etwa in den Tischgesprächen VII 8, 3 [quaestiones convivia-

|| 35 Vgl. Plut. comp. Aristoph. et Men. 853 AB: Ὡς μὲν κοινῶς καὶ καθόλου εἰπεῖν πολλῷ προκρίνει τὸν Μένανδρον, ὡς δ’ ἐπὶ μέρους καὶ ταῦτα προστίθησι· „Τὸ φορτικόν,“ φησίν, „ἐν λόγοις καὶ θυμελικὸν καὶ βάναυσον ὥς ἐστιν Ἀριστοφάνει, Μενάνδρῳ δ’ οὐδαμῶς. Καὶ γὰρ ὁ μὲν ἀπαίδευτος καὶ ἰδιώτης, οἷς ἐκεῖνος λέγει, ἁλίσκεται· ὁ δὲ πεπαιδευμένος δυσχερανεῖ· λέγω δὲ τὰ ἀντίθετα καὶ ὁμοιόπτωτα καὶ παρωνυμίας. Τούτοις γὰρ ὁ μὲν μετὰ τοῦ προσήκοντος λόγου καὶ ὀλιγάκις χρῆται ἐπιμελείας αὐτὰ ἀξιῶν, ὁ δὲ καὶ πολλάκις καὶ οὐκ εὐκαίρως καὶ ψυχρῶς·“ Um es ganz allgemein zu sagen, zieht er [sc. Plutarch] bei weitem den Menander vor, im Einzelnen aber fügt er auch folgendes hinzu: „Das Plumpe“, sagt er, „in der Sprache und das Possenhafte und Gewöhnliche, ist dem Aristophanes eigen, dem Menander aber keineswegs. So wird sich denn auch einer, der ungebildet und gewöhnlich ist, durch seine Redeweise einnehmen lassen; ein Gebildeter aber wird sie mißbilligen; ich spreche von den Gegenüberstellungen (‚Antithesen‘) und den gleichlautenden Kasusendungen und den Wortspielen. Denn von ihnen macht der eine mit angemessener Wortwahl und nur selten Gebrauch, wobei sie mit Sorgfalt behandelt, der andere aber häufig und zur unrechten Zeit und in abgeschmackter Weise“ (Ü: K. L.) 36 Vgl. Plut. comp. Aristoph. et. Men. 854 CD: „Oἱ δ’ Ἀριστοφάνους ἅλες πικροὶ καὶ τραχεῖς ὄντες ἑλκωτικὴν δριμύτητα καὶ δηκτικὴν ἔχουσι· καὶ οὐκ οἶδ’ ἐν οἷς ἔστιν ἡ θρυλουμένη δεξιότης ὑπ’ αὐτοῦ, ἐν λόγοις ἢ προσώποις· ἀμέλει καὶ τὰ μεμιμημένα πρὸς τὸ χεῖρον μεμίμηται·“ „Die Scherze des Aristophanes, die bösartig und grob sind, haben eine schneidende und ätzende Schärfe; und ich weiß nicht, worin die vielgerühmte Gewandtheit bei ihm bestehen soll: in den Worten oder in den Charakteren. In Wirklichkeit hat er alles Nachgeahmte zum Schlechteren hin nachgeahmt.“ (Ü: K. L.)

44 | Obszöne Sprache als Übersetzungsproblem

les 711 F 3] der Symposionsteilnehmer Diogenianos von Pergamon geringschätzig über die Alte Komödie, die aufgrund ihrer allzu freimütigen und anstößigen Sprache nicht für die Unterhaltung beim Gelage geeignet sei: τῶν δὲ κωμῳδιῶν ἡ μὲν ἀρχαία διὰ τὴν ἀνωμαλίαν ἀνάρμοστος ἀνθρώποις πίνουσιν· ἥ τε γὰρ ἐν ταῖς λεγομέναις παραβάσεσιν αὐτῶν σπουδὴ καὶ παρρησία λίαν ἄκρατός ἐστι καὶ σύντονος, ἥ τε πρὸς τὰ σκώμματα καὶ βωμολοχίας εὐχέρεια δεινῶς κατάκορος καὶ ἀναπεπταμένη καὶ γέμουσα ῥημάτων ἀκόσμων καὶ ἀκολάστων ὀνομάτων· (Plut. symp. 711 F – 712 A) [...] Von den Komödien ist die alte aufgrund ihrer Unausgewogenheit unpassend für Menschen, die trinken. Denn in ihren sogenannten Parabasen sind sowohl die Ernsthaftigkeit als auch die Freimütigkeit [der Rede] allzu ‚ungemischt‘ und spannungsreich. Auch der Hang zu Verspottungen und Possenreißereien ist furchtbar übertrieben und schamlos und angefüllt mit ungebührlichen Reden und unanständigen Ausdrücken. (Ü: K. L.)

Die Komödien des Menander werden dagegen durchaus als ἀκροάματα beim Symposion empfohlen. Die zugunsten der Neuen Komödie angeführten Argumente – insbesondere hinsichtlich ihrer dezenten Behandlung des Erotischen – bilden hier eine Kontrastfolie, anhand derer die vermeintlichen Mängel der Alten Komödie umso deutlicher zutage treten sollen: περὶ δὲ τῆς νέας κωμῳδίας τί ἂν ἀντιλέγοι τις; οὕτω γὰρ ἐγκέκραται τοῖς συμποσίοις, ὡς μᾶλλον ἂν οἴνου χωρὶς ἢ Μενάνδρου διακυβερνῆσαι τὸν πότον. ἥ τε γὰρ λέξις ἡδεῖα καὶ πεζὴ κατέσπαρται τῶν πραγμάτων, ὡς μήθ’ ὑπὸ νηφόντων καταφρονεῖσθαι μήτ’ οἰνωμένους ἀνιᾶν· [...] ἔχει δὲ καὶ τὰ ἐρωτικὰ παρ’ αὐτῷ καιρὸν πεπωκόσιν ἀνθρώποις καὶ ἀναπαυσομένοις μετὰ μικρὸν ἀπιοῦσι παρὰ τὰς ἑαυτῶν γυναῖκας· οὔτε γὰρ παιδὸς ἔρως ἄρρενός ἐστιν ἐν τοσούτοις δράμασιν, αἵ τε φθοραὶ τῶν παρθένων εἰς γάμον ἐπιεικῶς καταστρέφουσιν· τὰ δὲ πρὸς τὰς ἑταίρας, ἂν μὲν ὦσιν ἰταμαὶ καὶ θρασεῖαι, διακόπτεται σωφρονισμοῖς τισιν ἢ μετανοίας τῶν νέων, ταῖς δὲ χρησταῖς καὶ ἀντερώσαις ἢ πατήρ τις ἀνευρίσκεται γνήσιος ἢ χρόνος τις ἐπιμετρεῖται τῷ ἔρωτι συμπεριφορὰν αἰδοῦς ἔχων φιλάνθρωπον. (Plut. symp. 712 B– D) Was aber die neue Komödie betrifft, was sollte einer dagegen einwenden? Denn sie ist so gemischt für die Symposien, dass man das Trinkgelage wohl eher ohne Wein als (ohne) Menander durchführen kann. Die angenehme und einfache sprachliche Einkleidung der Handlungen ist nämlich so angelegt, dass sie weder von Nüchternen verachtet wird, noch die Weinseligen verärgert. [...] Es besitzen aber auch die erotischen Stoffe bei ihm (sc. Menander) das richtige Maß für Menschen, die getrunken haben und, um sich auszuruhen, bald zu ihren Ehefrauen aufbrechen; denn weder kommt männliche Liebe zu Knaben bei der Vielzahl seiner Dramen vor, und die Vergewaltigungen von Jungfrauen werden in der Regel schicklich zu einer Heirat abgebogen. Was die Hetären angeht, wenn sie dreist und unverschämt sind, so wird (die Sache) durch weise Ermahnungen oder durch Reue der jungen Männer aus der Welt geschafft, für diejenigen [sc. Hetären] aber, die anständig sind und die Liebe erwidern, wird entweder ein rechtmäßiger Vater gefunden oder der Liebe wird eine gewisse Zeit zugemessen, die einen nachsichtigen Umgang mit der Schande ermöglicht. (Ü: K. L.)

Die neuzeitliche Aristophanes-Rezeption vor dem Hintergrund antiker Urteile | 45

Insbesondere in Frankreich, wo man Plutarchs Schriften seit Mitte des 16. Jahrhunderts in der französischen Gesamtübersetzung von Jacques Amyot lesen konnte,37 wurde der Verfasser der Moralia sehr bald „zum Gemeinbesitz aller Gebildeten und vielleicht zum meistgelesenen Autor im Frankreich des 16. und 17. Jhdts.“38 Als eine Folge dieser Entwicklung fand schließlich auch seine Aristophanes-Kritik Eingang in die zeitgenössische Dramentheorie. Das Urteil der französischen Gelehrten fällt hier – mit wenigen Ausnahmen39 – vernichtend aus.40 Da Frankreich innerhalb Europas bis ins 18. Jahrhundert hinein als unumstrittene Leitnation in ästhetischen und literarischen Fragen galt, ist es kaum verwunderlich, dass auch die deutsche Aristophanes-Rezeption in dieser Zeit stark durch die von Plutarch beeinflusste französische Aristophanes-Auffassung geprägt war.41

2.2.3 Horaz, Satire 1.4: Die Alte Komödie als Moralsatire Dem von Plutarch entworfenen Negativ-Bild der Aristophanes-Komödien steht ein anderer Interpretationsstrang gegenüber, der auf Horaz’ ethisierenden Deutungsansatz in Satire 1.4 zurückgeht.42 Die Vertreter der Alten Komödie – Eupolis, Kratinos und Aristophanes – werden hier als Hüter der öffentlichen Moral vorgestellt, die die Verfehlungen ihrer Zeitgenossen auf dem Wege der persönlichen Invektive anprangerten: Eupolis atque Cratinus Aristophanesque poetae atque alii, quorum comoedia prisca virorum est, siquis erat dignus describi, quod malus ac fur, quod moechus foret aut sicarius aut alioqui famosus, multa cum libertate notabant. (Hor. sat. 1.4, 1–5) Die Dichter Eupolis, Kratinos und Aristophanes und die anderen Männer, deren Gebiet die Alte Komödie ist, haben, wenn einer es verdient hatte, dargestellt zu werden, weil er ein Übeltäter und Dieb, weil er ein Ehebrecher oder Mörder oder anderweitig verrufen war, [diesen] stets mit großem Freimut getadelt. (Ü: K. L.)

|| 37 1559 erschienen die Vitae, 1572 die Moralia. 38 Ziegler (1951), Sp. 955. 39 Hier ist vor allem auf die Aristophanes-Übersetzerin Anne Dacier zu verweisen; s. u. 2.3.3.1. 40 Vgl. etwa die entsprechenden Äußerungen Rapins (s. u. 2.3.3 Anmm. 131 u. 132) und Voltaires (s. u. 2.3.4 Anm. 205). 41 Vgl. hierzu den Überblick zu den Aristophanes-Artikeln der zeitgenössischen Enzyklopädien in Hilsenbeck (1908), 16–22. S. ferner auch u. 2.3.4 u. ebd. Anmm. 207–211. 42 Hierzu ausführlich Holtermann (2004), 42–46.

46 | Obszöne Sprache als Übersetzungsproblem

Obgleich die Auffassung, Aristophanes habe mit seinen verbalen Ausfällen gegenüber prominenten Zeitgenossen in erster Linie auf die sittliche Verkommenheit der attischen Gesellschaft aufmerksam machen und in pädagogischer Absicht auf eine Hebung der allgemeinen Moral hinarbeiten wollen, mittlerweile als überholt gelten kann, konnte sich Horaz’ Interpretation der Alten Komödie als Moralsatire über Jahrhunderte hinweg behaupten, nicht zuletzt, weil sie vor dem Auffinden und der Neuedition der Aristophanes-Manuskripte durch die italienischen Humanisten im 15. Jahrhundert nahezu die einzige Informationsquelle hinsichtlich des Charakters der Aristophanischen Komödien darstellte.43 Auf die Aristophanes-Deutung des Horaz konnten sich insbesondere die Verteidiger des Komikers berufen, gab ihnen doch mit Horaz eine anerkannte antike Autorität eine auch für sittenstrengere Zeitgenossen akzeptable Erklärung für das Vorhandensein obszöner Ausdrücke und namentlicher Verspottungen an die Hand. So wird die Horaz-Stelle unter anderem von Nicodemus Frischlin44, Anne Dacier45 oder Christoph Martin Wieland46 zitiert.

2.3 Die obszöne Sprache des Aristophanes als Übersetzungsproblem Überlieferungs-, Rezeptions- und Übersetzungsgeschichte der AristophanesKomödien zeigen deutlich, wie sehr sich die Gründe, aus denen man sich für den Dichter Aristophanes interessierte, und damit auch die Prioritäten bei der Stückauswahl im Laufe der Zeit verändert haben. So galt Aristophanes den Attizisten des ersten nachchristlichen Jahrhunderts als herausragender Repräsentant des reinen attischen Sprachstils und verdrängte in dieser Funktion schließlich sogar den jüngeren Menander gänzlich aus dem Schulkanon.47 Als einer der ersten gedruckten griechischen Autoren diente er später den Gelehrten der Renaissance als wichtige Quelle für das Studium der griechischen Sprache.48 Daneben dominierte über Jahrhunderte hinweg eine auf Horaz zurückgehende ethisierende Interpretationsweise (s. o. 2.2) die Aristophanes-Rezeption. In der Mitte des 19. Jahrhundert wiederum

|| 43 Vgl. Holtermann (2004), 43. 44 Frischlin, Defensio Aristophanis (1586), 15; s. auch u. 2.3.2.1. 45 Vgl. Dacier, Préface (1684), [VII]; s. auch u. 2.3.3.1. 46 Wieland, An Herrn H. V. (1793), 424; s. auch u. 2.3.5.3. 47 Vgl. Nesselrath, „Aristophanes [3]“, in: DNP. 48 Erasmus von Rotterdam empfahl in seiner zuerst 1511 erschienenen Schrift De Ratione Studii für den Unterricht in griechischer Prosa die Autorenfolge Lucian, Demosthenes und Herodot, während er bei den griechischen Dichtern Aristophanes an die erste Stelle setzte, gefolgt von Homer und Euripides: „Quo quidem in genere primas tribuerim Luciano, alteras Demostheni, tertias Herodoto. Rursum ex poetis primas Aristophani, alteras Homero, tertias Euripidi.“ Erasmi Roterodami De Ratione Studii (1518), fol. [A iiv]; s. ferner u. 2.3.2.2 Anm. 116.

Die obszöne Sprache des Aristophanes als Übersetzungsproblem | 47

war es der Aspekt des Politischen, der in einer Zeit des gesellschaftlichen Umbruchs und der Herausbildung demokratischer Prinzipien besondere Aufmerksamkeit erregte. Darüber hinaus gewannen die Komödien des Aristophanes in dieser Zeit auch Bedeutung als historische Quellen, die Auskunft geben konnten über tagespolitische Ereignisse, gesellschaftliche Strukturen und verschiedenste Aspekte des Alltagslebens im Athen des ausgehenden 5. Jahrhunderts.49 Auf der anderen Seite waren die Komödien des Aristophanes stets auch heftiger Kritik ausgesetzt. Insbesondere die obszöne Ausdrucksweise und die namentliche Verspottung stießen im Verlauf der Rezeptionsgeschichte immer wieder auf Ablehnung und Unverständnis. Als einer der frühesten und wirkmächtigsten Kritiker ist hier Plutarch zu nennen, der, wie bereits dargelegt, mit seiner Abhandlung comparatio Aristophanis et Menandri (s. o. 2.2.2) als Stichwortgeber für alle späteren Aristophanes-Gegner fungierte. Die in der Folgezeit immer wieder zum Ausdruck gebrachten Vorbehalte gegen den Komiker betreffen seine – zumeist als unangemessen wahrgenommenen – Angriffe auf angesehene bzw. hochrangige Personen des öffentlichen Lebens, seine vermeintliche Anbiederung beim unaristokratischen ‚Pöbel‘, seine selbst vor den Göttern nicht haltmachende Spottlust sowie nicht zuletzt den als unmoralisch und obszön empfundenen Inhalt seiner Stücke. In der rund 2500-jährigen Rezeptionsgeschichte der Aristophanes-Komödien gewannen abwechselnd bald die Vertreter der einen, bald diejenigen der anderen Seite die Deutungshoheit. Das Resultat dieser wechselhaften – von Selektionsprozessen begleiteten – Rezeptionsgeschichte zeigt sich in einem lückenhaft überlieferten Textcorpus, in einer für die einzelnen Stücke sehr unterschiedlichen Überlieferungsdichte sowie schließlich auch in einer sehr uneinheitlichen Übersetzungsfrequenz der einzelnen Komödien.

2.3.1 Zur materiellen Ausgangssituation Von insgesamt etwa 45 namentlich bekannten50 Komödien des Aristophanes sind uns heute elf Stücke nahezu vollständig erhalten. Hinzu kommen knapp 1000 Fragmente und incerta.51 Den Ausgangspunkt für die materielle Überlieferung der

|| 49 Zweifel an der historischen Auswertbarkeit der Aristophanischen Komödie äußert hingegen Vischer (1840). 50 Vgl. Zimmermann (2011), 768. 51 Vgl. Zimmermann (2011), 768. Die Fragmente wurden zuletzt ediert in Henderson (Ed./Ü) (2007), Bd. 5 (mit englischer Übersetzung). In der auf neun Bände angelegten Ausgabe der Poetae Comici Graeci von Kassel/Austin finden sich die Fragmente und Testimonien zu Aristophanes im dritten Band: Teilband III 2 erschien bereits 1984, Teilband III 1 mit den handschriftlich überlieferten Fragmenten steht bislang noch aus. Eine wissenschaftliche Erschließung sämtlicher griechischer Komikerfragmente ist derzeit Gegenstand des von Prof. Bernhard Zimmermann geleiteten Langzeitpro-

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Aristophanes-Komödien in der Antike stellte ihre Sammlung und Kommentierung in hellenistischer Zeit dar.52 Alexandrinische Gelehrte wie Lykophron53, Euphronios54, Dionysiades55 und Eratosthenes56 verfassten verschiedene Abhandlungen zur Alten Komödie. Bezeugt ist ferner eine Edition der Komödien des Aristophanes durch den Grammatiker Aristophanes von Byzanz gegen Ende des 3. Jahrhunderts v. Chr.57 Auf diese Arbeiten seiner Vorgänger stützte sich in augusteischer Zeit Didymos von Alexandria58, dessen ὑπομνήματα zu den Komödien des Aristophanes ihrerseits als Grundlage für den um 100 n. Chr. entstandenen Aristophanes-Kommentar des Symmachos59 dienten. Symmachos wiederum kann als die Hauptquelle des uns überlieferten Scholienmaterials angesehen werden.60 Nach den gravierenden politischen Umbrüchen der ersten nachchristlichen Jahrhunderte geraten die Werke des Aristophanes im Westen des römischen Reiches für lange Zeit in Vergessenheit. Sein Name bleibt hier lediglich indirekt durch Horaz

|| jektes der Freiburger Albert-Ludwigs-Universität zur ‚Kommentierung der Fragmente der griechischen Komödie‘. Der auf insgesamt 11 Teilbände angelegte Bd. 10 der zugehörigen Reihe Fragmenta Comica ist Aristophanes gewidmet. Hiervon waren bei Abschluss der vorliegenden Arbeit die von Andreas Bagordo bearbeiteten Teilbände 10.9, fr. 590–674 (2016) und 10.10, fr. 675–820 (2017) sowie der von Christian Orth verantwortete Teilband 10.3, Aiolosikon – Babylonioi (fr. 1–100) (2017) erschienen: http://www.komfrag.uni-freiburg.de/baende_liste (zuletzt gesehen: 17.09.2019). 52 Zur Überlieferung der Aristophanischen Werke in Hellenismus und Kaiserzeit ausführlich Gelzer (1970), Sp. 1558–1560; ferner Zimmermann (2011), 794 f. mit Verweisen auf Pfeiffer (1978). 53 Der Grammatiker und Tragiker Lykophron aus Chalkis (geb. um 320 Jh. v. Chr.) war an der alexandrinischen Bibliothek offenbar mit der Sammlung und Katalogisierung der Werke der Komiker betraut und schrieb eine umfangreiche Abhandlung Περὶ κωμῳδίας (erwähnt bei Athen. 485d 9B), die sich der Interpretation jener Werke widmete. Vgl. Ziegler (1927), Sp. 2323 f. 54 Euphronios (3. Jh. v. Chr.), alexandrinischer Grammatiker und Dichter, verfasste u. a. ὑπομνήματα zur attischen Komödie, in denen er bestimmte Stellen und Ausdrücke der Komiker erläuterte (s. Athen. XI 495c; Schol. Ar. Av. 1403). Vgl. Cohn (1909), Sp. 1220 f. 55 Der Kilikier Dionysiades gehörte, wie seine Zeitgenossen Lykophron und Euphronios zum alexandrinischen Dichterkreis der ‚Pleias‘ zur Zeit des Ptolemaios Philadelphos (3. Jh. v. Chr.). Auch er soll sich in seinen Werken mit der griechischen Komödie auseinandergesetzt haben; vgl. hierzu Süß (1911), 12 und Tosi/Zaminer, „Eratosthenes [2]“, in: DNP. 56 Eratosthenes aus Kyrene (3. Jh. v. Chr.) war Naturwissenschaftler und Philologe. Als Bibliothekar von Alexandria war er der Vorgänger des Aristophanes von Byzanz. Er verfasste mindestens 12 Bücher zur Alten Komödie (Περὶ τῆς ἀρχαίας κωμῳδίας). Vgl. Tosi/Zaminer, „Eratosthenes [2]“ in: DNP. 57 Vgl. hierzu Cohn (1896), Sp. 999; s. auch Montanari, „Aristophanes von Byzanz“, in: DNP. 58 Der Grammatiker Didymos von Alexandria kompilierte in der Endphase des alexandrinischen Zeitalters in umfassender Weise die Forschungsergebnisse seiner Vorgänger und reicherte sie mit den Früchten eigener Lektüre an. Außer zu Aristophanes verfasste er u. a. Kommentare zu Homer, Hesiod, Pindar und Bakchylides, den Tragikern und den attischen Rednern. Ferner gilt er als Verfasser lexikalischer Schriften zu den Komikern und den Tragikern. Vgl. Cohn (1905), Sp.445–472. 59 Vgl. hierzu Cohn (1905), Sp. 455. 60 Vgl. Cohn (1905), Sp. 455.

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und einige lateinische Terenz-Kommentare präsent.61 In Byzanz hingegen werden seine Komödien auch weiterhin rezipiert und kommentiert.62 Im 4. Jh. gehört der Legende nach auch der Erzbischof von Konstantinopel, Johannes ‚Chrysostomos‘ von Antiochia, zu den Verehrern des Komikers. Einer vielzitierten Anekdote zufolge widmete sich der redegewaltige Theologe nicht nur täglich der AristophanesLektüre, sondern legte sich dessen Stücke sogar des Nachts unter sein Kopfkissen.63 Diese Anekdote wurde in der Folgezeit von zahlreichen Verteidigern des Aristophanes als Zeugnis für die Akzeptanz des attischen Komikers durch einen hohen christlichen Würdenträger herangezogen.64 In Byzanz wird Aristophanes spätestens seit dem 11. Jh. auch in der Schule gelesen; insbesondere seine Komödien Plutos, Wolken und Frösche, die sogenannte Byzantinische Trias, stehen hier – als die harmlosesten – im Vordergrund.65 Die von den neuzeitlichen Rezipienten oft als anstößig empfundenen Frauenkomödien Lysistrate, Ekklesiazusen und Thesmophoriazusen unterlagen hingegen offenbar bereits in byzantinischer Zeit der Zensur oder wurden von verschiedenen Kopisten für nicht überlieferungswürdig gehalten. So bilden sie hier nicht nur hinsichtlich der Kommentierungshäufigkeit66, sondern auch, was die An-

|| 61 Vgl. Holtermann (2004), 43 u. ebd. Anm. 65. 62 Hierzu Gelzer (1970), Sp. 1560–1563, und Zimmermann (2011), 795. 63 Dies berichtet u. a. der italienische Philologe und Aristophanes-Herausgeber Aemilius Portus in einem Widmungsbrief aus dem Jahr 1589 an seinen Freund und Mitarbeiter Odoardus Bisetus, der für die schließlich erst 1607 erschienene Aristophanes-Ausgabe das Scholienmaterial zusammengetragen hatte. Unter Bezugnahme auf die Wortgewalt des Aristophanes heißt es hier: Facundiam enim, & in dicendo suavitam incredibilem habet. [...] Haec Iohannem illum Antiochenum, summorum Theologorum lumen, qui propter aureum eloquentiae flumen, Chrysostomi cognomen obtinuit, ad huius poetae quotidianam lectionem impulerunt, ex qua maximam tum facundiae, tum vehementiae suae partem in corripiendis vitiis hausisse fertur. Ut Alexander Homeri poema, sic etiam praestantissimus ille Theologus Aristophanem pulvillo subdere solebat. (Aemilius Portus, Epistola dedicatoria ad Odoardum Bisetum [1607], fol. ¶ iiiv) Denn er [sc. Aristophanes] besitzt eine unglaubliche Redegewandtheit und Liebenswürdigkeit des Ausdrucks. Dies regte jenen Johannes von Antiochia, das leuchtende Beispiel der höchsten Theologen, der wegen seines goldenen Redeflusses den Namen ‚Chrysostomus‘ erhielt, zur täglichen Lektüre dieses Dichters an, aus der er den größten Teil seiner Redegewandtheit und seiner Leidenschaftlichkeit, die Fehler seiner Zeit zu tadeln, geschöpft haben soll. Wie Alexander die Dichtungen Homers, so pflegte jener herausragende Theologe den Aristophanes unter sein Kopfkissen zu legen. (Ü: K. L.) Bei J. Werner (1965) Anm. 282 sind weitere Belege für diese Anekdote aufgeführt; demnach wurde sie bereits 1498 in der Vorrede der bei Aldus Manutius erschienenen editio princeps des Aristophanes erwähnt. 64 So u. a. bei Fröreisen (Ü) (1613), Brumoy (Ü) (1730), Goldhagen (Ü) (1767), Herwig (Ü) (1772), Schlosser (Ü) (1783). 65 Vgl. Gelzer (1970), Sp. 1568, u. Nesselrath, „Aristophanes [3]“, in: DNP. 66 Vgl. hierzu Gudemann (1932), Sp. 1137 f.: „Dagegen wird die relative Dürftigkeit der Scholien zur Lysistrate, den Thesmophoriazusen und Ekklesiazusen wohl kaum einem so rein äußerlichen Um-

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zahl der tradierten Manuskripte betrifft, eindeutig das ‚Schlusslicht‘.67 In dem gut erhaltenen und aufgrund seiner soliden Textbasis und ausführlichen Kommentierung besonders wertvollen Codex Venetus aus dem 12. Jh. fehlen sie (ebenso wie die Acharner) gänzlich.68 Im 15. Jahrhundert, nach der osmanischen Eroberung Konstantinopels, wurden viele der in den oströmischen Klosterbibliotheken aufbewahrten griechischen Manuskripte, darunter auch solche des Aristophanes, durch italienische Humanisten nach Italien geschafft. Die von Marcus Musurus besorgte editio princeps der Aristophanes-Komödien, die 1498 bei Aldus Manutius in Venedig erschien, enthielt seinerzeit nur neun Stücke, da die Thesmophoriazusen noch gänzlich unbekannt waren und von der Lysistrate zunächst nur ein Bruchstück erhalten war. Erst eine Sonderedition von Bernardo Giunta im Jahr 1516 lieferte die beiden Frauenkomödien nach, die man unterdessen im Nachlass des Herzogs von Urbino, Federigo Conte de Montefeltro (1410–1482), entdeckt hatte.69 Die erste vollständige AristophanesAusgabe mit allen elf erhaltenen Komödien wurde schließlich 1532 bei Andreas Cratander und Johann Bebel in Basel gedruckt.

|| stand zuzuschreiben sein, daß sie etwa den letzten Platz in einer Textausgabe einnahmen, sondern weil sie vermutlich weit seltener gelesen wurden und begreiflicherweise [Herv. d. Verf.] im byzantinischen Schulunterricht gegenüber den übrigen Komödien stark in den Hintergrund traten.“ 67 Lt. Gudemann (1923), Sp. 672, der sich auf die Auflistung von White, I (1906), 5 beruft, enthält von insgesamt rund 250 Hss. des Aristophanes nur der Ravennas (10. Jh.) alle 11 Komödien, neun finden sich in drei, acht in einer, sieben in vier (darunter der Venetus 474 V, 12. Jh., mit Pl., Nub., Ran., Equ., Av., Pax, Vesp.), drei in 47, zwei in 58, und eine in 40 Hss. Zur Überlieferungsdichte der einzelnen Stücke heißt es hier: „Bei weitem am häufigsten begegnet der Plutos (148), sodann Nub. (127), Ran. (76), Eq. (28), Av. (18), Ach. (14), Vesp. (10), Pax (8), Lys. (8), Ec. (7), Thesm. (2; d. i. R[avennas] und der Monacensis 492 = Mu 2 = N bei v. Velsen). Etwa 115 haben auch S[cholien], 12 nur diese.“ Vgl. auch Süß (1911), 17 zur Reihenfolge der Stücke in den antiken Ausgaben: Plutos (entspricht am ehesten dem offiziellen Kunsturteil, verhüllter Spott), Wolken (Angriff auf Sokrates), Frösche (Kritik an den großen Tragikern), Ritter (Person des Kleon); „Den Beschluß machen die weder vom Standpunkt des ästhetischen Werturteils noch um des Objekts ihres Spottes willen außergewöhnlich gewürdigten. In gleicher Proportion nimmt die Zahl der Handschriften und die Reichhaltigkeit des Scholienmaterials ab.“ 68 Vgl. Cohn (1905), Sp. 455; s. auch o. 2.3.1 Anm. 67. 69 Vgl. Süß (1911), 23. Nach Clark (1871), 159 handelte es sich bei dem aufgefundenen Manuskript, dem sog. Codex Urbinas, um das Original des Codex Ravennas (s. o. 2.3.1 Anm. 67), der als einziger alle 11 Komödien enthält, nicht um eine Abschrift desselben. Vgl. auch White, I (1906), 6 und White, II (1906), 256.

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2.3.2 Zur neuzeitlichen Rezeptions- und Übersetzungsgeschichte bis 1613 Da die Originallektüre des Aristophanes im 16. Jahrhundert aufgrund mangelnder Griechischkenntnisse nur wenigen Gelehrten möglich war,70 lernten die meisten Humanisten jener Zeit den Komiker erst durch die Vermittlung lateinischer Übersetzungen kennen. Augenfällig ist dabei die Kontinuität, mit der die in Byzanz ausgebildeten Präferenzen in Bezug auf die Komödienauswahl71 in der Zeit der europäischen Renaissance erkennbar blieben. An erster Stelle auf der Beliebtheitsskala stand auch jetzt noch mit großem Abstand der Plutos, der als besonders ‚moralisch‘ und als das „am wenigsten ‚unanständige‘ Stück“72 galt.73 Bereits lange vor Erscheinen der editio princeps, um 1415, hatte der Humanist Rinuccio Aretino eine erste lateinische Übertragung des Plutos vorgelegt74, und auch Leonardo Bruni (1369–1444) übersetzte schon um 1440 die ersten 269 Verse des Stückes.75 Bis 1550 wurde die Komödie mindestens zehnmal ins Lateinische übertragen.76 1549 kam das Stück, von Pierre Ronsard (1524–1585) nun erstmals auch ins Französische übersetzt, im Pariser Collège de Coqueret zur Aufführung.77 Der Nürnberger Dichter Hans Sachs

|| 70 S. hierzu auch J. Werner (1965), 4 u. Anm. 32. 71 Zu erschließen aus der Anzahl der zu den einzelnen Komödien überlieferten Manuskripte (s. o. 2.3.1 u. ebd. Anmm. 65–68). 72 J. Werner (1965), 173. 73 Mit dem letzten der insgesamt elf überlieferten Stücke (Uraufführung wohl 388 v. Chr.) hatte Aristophanes nach allgemeiner Auffassung bereits den Schritt zur gemäßigteren ‚Mittleren Komödie‘ vollzogen oder ihn doch zumindest mit vorbereitet; vgl. u. a. Süß (1911), 60; Nesselrath, „Aristophanes [3]“, in: DNP. 74 Vgl. Aretino (Ü), Die Fabula Penia des Rinucius Aretinus, hg., eingel. u. komm. v. W. Ludwig (1975). 75 Vgl. hierzu Johne (1992), 160. Zur Plutos-Rezeption des 16. Jh. vgl. ferner Hertel (1969), hier insb. 112 ff. 76 Vgl. Süß (1911), 23 u. 212 Anm. 13 (Auflistung); s. auch J. Werner (1965), 6 und Hertel (1969), 113 ff. u. 118. 77 Diese Übertragung war jedoch nur für die Aufführung, nicht zum Druck bestimmt. Lediglich ein Fragment der Übersetzung (vv. 1–264) hat sich in Ronsards Werkausgabe von 1716 erhalten; vgl. Süß (1911), 57, Hertel (1969), 116 f. und Smith (1986). Zu den frühen französischen Texteditionen und Übersetzungen vgl. Süß (1911), 55 ff. und J. Werner (1965) Anm. 57. Zu den Anfängen der englischen Aristophanes-Rezeption und den englischen AristophanesÜbersetzungen vgl. Rechner (1914), Lord (1963), 155–173, Halliwell (2000), Walton (2006), 145–161, Steggle (2007) und v. a. Hall (2007), ferner Süß (1911), 53–55 und J. Werner (1965) Anm. 58. Hier sei in diesem Zusammenhang nur auf folgende Aspekte verwiesen: Als erste englischsprachige Aristophanes-Bearbeitung ist die bereits in den 1630er Jahren entstandene und 1651 (posthum) im Druck erschienene Komödie Ploutophthalmia ploutogamia (unter anderem Titel auch Hey for Honesty) von Thomas Randolph zu nennen, die sich inhaltlich an den Plutos anlehnt (vgl. Walton [2006], 145 f., Steggle [2007], 56 u. Hall [2007], 67). Vier Jahre später, 1655, fügte Thomas Stanley seiner History of Philosophy die ersten englischen (Teil-)Übersetzungen aus den Wolken bei (Hall [2007], 67). Im Jahr 1759 erschien unter dem Titel The Greek Theatre of Father Brumoy eine englische Über-

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schuf 1531 eine deutsche Nachdichtung unter dem Titel Ein comedi, mit 11 person zu recidirn, der Pluto ein Gott aller Reichtumb, unnd hat fünff actus.78 Darüber hinaus wurde der Plutos mehrfach in griechischer Sprache auf die Bühne gebracht79 und 1520 von dem in Ingolstadt lehrenden deutschen Humanisten Johannes Reuchlin im Rahmen einer Vorlesung behandelt.80 Neben dem Plutos sind es nach wie vor die Wolken und die Frösche, die aufgrund ihres prominenten Personals – des Philosophen Sokrates bzw. der Tragiker Euripides und Aischylos – bei den Humanisten auf großes Interesse stoßen.81 Was die humanistischen Bemühungen um eine vollständige Übersetzung der Aristophanes-Komödien angeht, so ist hier zunächst die erste lateinische Gesamtübertragung durch Andreas Divus aus dem Jahr 1539 zu nennen, die in der Folgezeit zwei Neuauf1agen (1542 und 1552) erlebte.82 Bereits in die Mitte des 16. Jahrhunderts fällt auch die erste (und lange Zeit einzige) Gesamtübersetzung des Aristophanes in eine moderne Volkssprache: es handelt sich um eine Übertragung in italienische Prosa durch die beiden Humanistenbrüder Bartolomeo und Pietro Rositini de Prat’Alboino,83 die im Jahr 1545 in Venedig erschien.84

|| setzung des bereits 1730 in Frankreich publizierten Théâtre des Grecs (s. auch u. 2.3.3) von Pierre Brumoy (Hall [2007], 74), doch noch zu Beginn des 19. Jahrhunderts lagen nicht alle AristophanesKomödien in englischer Übersetzung vor (Hall [2007], 67). Erst 1837 kam mit Charles Wheelwrights Comedies of Aristophanes eine erste englische Aristophanes-Gesamtübersetzung heraus. Im Jahr 1896 schließlich ließ Aubrey Beardsley – im Privatdruck – die erste ungekürzte und unzensierte englischsprachige Übersetzung der Lysistrate erscheinen (als Übersetzer wurde später Samuel Smith identifiziert; vgl. Giannopoulou [2007], 331), die seine acht berühmten, später immer wieder auch von anderen Herausgebern herangezogenen obszönen Zeichnungen (s. u. 3.3.2.3.4 Anm. 609 u. 3.3.4 u. ebd. Anm. 843) enthielt (Hall [2007], 86). 78 Vgl. hierzu Hertel (1969), 118–126. Hans Sachs, der sich vermutlich auf die lateinische Vorlage des Nürnberger Humanisten Venatorius stützte (Hertel, 119 u. 125), weist einleitend selbst darauf hin, dass sein Stück „dem griechischen ... fast gemeß“ sei, es sich also eher um eine Nachdichtung handle. Hertel kommt in seiner Analyse des Stückes zu dem Ergebnis, dass der Plutos Sachs insbesondere „wegen seiner, in die beiden allegorischen Gestalten des Reichtums und der Armut verpackten Moral zu einer Nachdichtung bewogen [habe]. Um diese Moral seinen Zeitgenossen mundgerechter zu machen, achtete er sorgfältig darauf, daß außer den Namen, die zu ändern er keinen Grund hatte, nichts mehr an den griechischen Ursprung des Stückes erinnerte, damit der Zuschauer das Hic et nunc der Handlung deutlich verspüren sollte.“ Hertel (1969), 125. 79 U. a. in Zwickau (1521), Zürich (1531) und Cambridge (1536); vgl. Giannopoulou (2007), 312 f. 80 Vgl. Süß (1911), 24. 81 Vgl. Süß (1911), 32 f. 82 Aristophanis, Comicorum principis, Comoediae undecim e Graeco in Latinu[m] ad verbum translatae Andrea Divo Iustinopolitano interprete (1539). Schmid (1910), 14 beurteilt diese Übersetzung allerdings als „unbrauchbar“. 83 Le comedie de’l facetissimo Aristofane, tradotte di Greco in lingua commune d’ Italia (1545). Diese Übersetzung hat lt. Schmid (1910), 14 „noch Wieland stark benutzt“; s. auch u. 2.3.5.3 Anm. 372. Vgl. außerdem u. 2.3.3.4 Anm. 188.

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2.3.2.1 Nicodemus Frischlin (1586): Defensio Aristophanis contra Plutarchi criminationes Als die bei weitem wirkmächtigste Aristophanes-Übersetzung des 16. Jahrhunderts ist allerdings diejenige des schwäbischen Humanisten Nicodemus Frischlin85 anzusehen, der 1586 fünf Stücke des Komikers (Plutos, Ritter, Wolken, Frösche, Acharner) in lateinische Verse nach Art des Terenz übertrug.86 Insbesondere mit seiner Einteilung der Komödien in fünf Akte und nachgeordnete Szenen87 führt Frischlin eine

|| 84 Eine chronologische Übersicht über die von 1440 bis 1920 weltweit veröffentlichten Aristophanes-Übersetzungen bietet Giannopoulou (2007), 312–340. Ebd. 309 wird zudem auf die ‚Database of Modern Performances of Ancient Drama‘ verwiesen, die im Rahmen eines Forschungsprojektes des APGRD (Archive of Performances of Greek and Roman Drama) erstellt wurde und unter folgendem Link zu finden ist: http://www.apgrd.ox.ac.uk/ (zuletzt gesehen: 17.09.2019). Die Datenbank führt neben Übersetzungen auch gedruckte Textausgaben, Kommentare, Aufführungen und wissenschaftliche Abhandlungen zu Aristophanes und anderen antiken Autoren auf. 85 Frischlin (1547–1590), der von Süß (1911) als Kämpfer gegen „Foliantengelehrsamkeit“, „lutherische Orthodoxie“ und die aufstrebende Adelsgesellschaft charakterisiert wird, war in Tübingen als Dozent für Poetik tätig. Als lateinischer Gelegenheitsdichter genoss Frischlin anfangs die Gunst des württembergischen Herzogs Ludwig, der auch die Aristophanes-Übersetzung finanziell unterstützte. Seine persönliche Feindschaft mit dem Tübinger Gräzisten und Lehrstuhlinhaber Martin Crusius war seiner weiteren akademischen Karriere allerdings hinderlich. Frischlin sah sich Verleumdungen wegen seines unsteten Lebenswandels ausgesetzt: „Ausgerechnet Frischlin mußte Jahrzehnte hindurch bei jeder nur erdenklichen Gelegenheit ein leidiger Handel mit einer Nähterin immer aufs neue aufgemutzt werden.“ Süß (1911), 43. Nach zahlreichen Stellenwechseln, die ihn als Lateinlehrer und Privatdozent u. a. nach Laibach, Wittenberg und Braunschweig führten, und „Händeln mit seinem Heimatland“ (Süß [1911], 43) wurde er schließlich auf die Feste Hohenurach verbracht: „Ein Fluchtversuch setzt seinem unsteten Poetenleben ein frühes Ende.“ (Süß [1911], 43). Auf seinen Gegner Crusius verfasste Frischlin 1589 eine satirische Dichtung in Aristophanischem Stil, die den Titel Helvetio-Germani trägt. Hierzu nochmals Süß (1911): „Sehr kurz dürfen wir über die Dramen Frischlins sein. Von einer Ausnahme abgesehen, kommt man über leeres zielloses Gerede nicht hinaus, wenn man ein Verhältnis von ihnen zu Aristophanes herstellen will. Wenn er einmal persönlichen Spott einführt, freilich nicht ὀνομαστί, und seinem Todfeind Crusius, der in die Maske eines athenischen Professors gekleidet ist, in seinen Helvetiogermani durch einen Bruder Studio Hörner aufsetzen läßt, so war ein besserer Berater als Aristophanes sein eigener Haß gegen den Vernichter seiner Existenz, in dessen Haus es in der Tat etwas kunterbunt zuging.“ Süß (1911), 49. 86 Die Übersetzung erschien zusammen mit einer von Frischlin besorgten griechischen Textausgabe der genannten Stücke. Der genaue Titel lautet: Nicodemi Frischlini Aristophanes, veteris comoediae princeps: poeta longe facetissimus & eloquentissimus: repurgatus a mendis, et imitatione Plauti atque Terentii interpretatus, ita ut fere Carmen Carmini, numerus numero, pes pedi, modus modo, Latinismus Graecismo respondeat. Opus divo Rudolpho Caesari Sacrum. Cum Gratia & Privilegio Caesaris Maiestatis. Francoforti ad Moenum, excudebat Ioannes Spies. M. D. LXXXVI. Eine Neuauflage erschien im Jahr 1625; vgl. J. Werner (1965), Anm. 60. Eine ausführliche Darstellung von Frischlins Aristophanes-Ausgabe bietet Süß (1911), 44–49. 87 Dies in Entsprechung zur allgemeinen Dramentheorie der Renaissance, die sich in der Frage der Gliederung auf Horaz, Ars Poetica 189 (neve minor neu sit quinto productior actu / fabula quae posci

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Neuerung ein, die sich in der nachfolgenden Editions- und Übersetzungstradition weitgehend durchsetzen sollte. Von Interesse ist Frischlins Übersetzung für uns aber vor allem deshalb, weil er es in einer dem Text vorangestellten Abhandlung mit dem Titel Defensio Aristophanis contra Plutarchi criminationes unternimmt, die Komödien des Aristophanes, den er – in Anlehnung an Cicero – als ‚poeta longe facetissimus et eloquentissimus‘88 bezeichnet, gegen das abwertende Urteil Plutarchs (s. o. 2.2.2) zu verteidigen und dessen Argumente im Einzelnen zu widerlegen. Mit seiner Defensio begründet Frischlin gewissermaßen ein neues Genos, das sich in der Folgezeit als nahezu unabdingbarer Bestandteil der auf Aristophanes bezogenen Übersetzervorreden etablieren sollte.89 Dies lässt darauf schließen, dass sowohl auf Übersetzer- wie auf Leserseite ein besonderes Bedürfnis bestand, die Beschäftigung mit einem der umstrittensten Dichter der Antike durch ästhetisch-moralisch einwandfreie Argumente zu legitimieren. Frischlins Defensio weist bereits eine Reihe charakteristischer Argumentationstopoi auf, die – in unterschiedlicher Gewichtung und Zusammensetzung – immer wieder auch bei späteren Übersetzern vorkommen. Hierzu gehört – neben einer Positionierung in Bezug auf die Sokrates-Frage90 – insbesondere das Entkräften und Herunterspielen der Obszönitätsvorwürfe. Ein wichtiges Argument, das auch Frischlin hier anführt, ist der Hinweis auf den historisch bedingten Wandel gesellschaftlicher und kultureller Normen. So wendet Frischlin in Bezug auf Plutarchs Kritik an der Possenhaftigkeit (βωμολοχία) der Alten Komödie und an den zahlreichen in ihr enthaltenen ‚ungebührlichen Ausdrücken‘ (γέμουσα ῥημάτων ἀκόσμων καὶ ἀκολάστων ὀνομάτων) ein, dass der Reichtum an Obszönitäten nicht dem Aristophanes persönlich anzulasten sei, sondern vielmehr als dessen Zugeständnis an den Zeitgeschmack und die Normen der Gattung betrachtet werden müsse: Nam vetus Comoedia ante Aristophanem omnino talis fuit, ut pleraq(ue) in ea obscoene & scurriliter agerentur, ac dicerentur. Vitio igitur temporum illorum potius quam poetae hoc, quicquid reprehensionis est, ascribi debet. [...] Certe illis temporibus adeo pruriebant aures

|| volt et spectanda reponi) und die jeweils fünfaktigen römischen Komödien des Plautus und des Terenz stützte. Vgl. hierzu auch Süß (1911), 47 und J. Werner (1965), 51 u. Anm. 275. 88 Eine Reminiszenz an Cic. leg. II 37: Novos vero deos et in his colendis nocturnas pervigilationes sic Aristophanes facetissumus poeta veteris comoediae vexat, ut apud eum Sabazius et quidam alii dei peregrini iudicati e civitate eiciantur. Die neuen Götter aber und die nächtlichen Feiern zu ihrer Verehrung greift der witzigste Dichter der Alten Komödie in der Weise an, dass bei ihm Sabazius und einige andere als fremd angesehene Götter aus der Stadt vertrieben werden. (Ü: K. L.) 89 Als Vorläufer der Aristophanes-Defensio ist u. a. die Vorbemerkung zu der an den Vögeln orientierten französischsprachigen Komödie Néphélococugie von Pierre Le Loyer aus dem Jahr 1578 (s. auch u. 2.3.2.2 Anm. 117) zu nennen; vgl. Süß (1911), 60. 90 Vgl. hierzu Süß (1911), 3 u. passim; s. auch u. 2.3.4 Anm. 205.

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populi, ut Cratinum cum suo grege loco moveret, propterea quod nihil obscoeni admiscuisset. Neque enim Comoedias vel audiebant, vel spectabant, quae non obscoenos haberent iocos: sicut alibi queritur de hac re ipsemet Aristophanes.91 Denn die Alte Komödie vor Aristophanes war gänzlich so geartet, dass man in ihr größtenteils in obszöner und possenhafter Weise agierte und sprach. Man muss also alles, was ihm vorgeworfen wird, eher als Fehler jener Zeiten denn als (Fehler) des Dichters auslegen. [...] Freilich waren in jenen Zeiten die Ohren des Volkes so lüstern, dass es den Kratinos mitsamt seiner Schauspielertruppe von der Bühne jagte, deswegen weil er nichts Obszönes beigemischt hatte. Denn (sie waren es nicht gewohnt), Komödien anzuhören oder anzusehen, die keine obszönen Scherze enthielten; wie an anderer Stelle Aristophanes selbst im Hinblick auf diese Angelegenheit beklagte.92 (Ü: K. L.)

Der Dichter Aristophanes wird hier – auch dies ein in späterer Zeit häufig anzutreffendes Motiv – als ein moderater und moralisch integrer Reformer der Gattung Komödie vorgestellt, dessen Werke im Vergleich zu seinen Vorgängern schon erheblich weniger Obszönitäten aufgewiesen hätten,93 der sich jedoch bei allem Reformwillen dem Publikumsgeschmack bis zu einem gewissen Grade zu unterwerfen hatte, um nicht wie sein älterer Zeitgenosse Kratinos bei den athenischen Preisrichtern in Ungnade zu fallen. In diesem Zusammenhang kommt noch ein weiterer Defensionstopos zum Tragen. Es handelt sich – im Anschluss an die Horazische Interpretationsrichtung (s. o. 2.2.3) – um die Darstellung des Aristophanes als eines scharfzüngigen Moralisten und Anklägers des sittlichen Verfalls. In diesem Sinne deutet auch Frischlin die von Aristophanes auf die Bühne gebrachten obszönen Reden und schändlichen Handlungen in erster Linie als ein drastisches aber durchaus wirksames Mittel der Abschreckung und der moralischen Belehrung: Quo autem consilio ipse obscoenos homines & spurcos in scenam introducat: & quo animo dicta illorum velit accipi, idem non obscure docet, cum ait: Σμικρὸν δ’ ὑποθέσθαι τοῖς κριταῖσι βούλομαι: τοῖς σοφοῖσι μὲν τῶν σοφῶν μεμνημένοις κρίνειν ἐμὲ: τοῖς γελῶσι δ’ ἡδέως, διὰ τὸ γέλων κρίνειν ἐμέ.94 Non enim turpes & obscoeni homines ideo in theatrum producuntur, ut ex

|| 91 Frischlin, Defensio Aristophanis (1586), 8 f. 92 Frischlin spielt hier offenbar auf den ersten Teil der Wolken-Parabase (vv. 518–562) an, in dem Aristophanes den Athenern durch den Chor vorwerfen lässt, sie hätten seine beste Komödie [gemeint ist eine frühere Fassung der Wolken] zu Unrecht durchfallen lassen und stattdessen ‚plumpen Männern‘ den Vorzug gegeben (ὑπ’ ἀνδρῶν φορτικῶν / ἡττηθείς, 524 f.). 93 Plutarchs Vorwurf, Aristophanes’ Scherze (sales Aristophanii) seien verletzender als die des Menander, begegnet Frischlin mit dem Hinweis auf den ‚Brauch der Alten Komödie‘ (Comoediae veteris consuetudo) und dem Argument, Aristophanes selbst habe Menander mit seinen letzten Stücken den Weg zur Neuen Komödie eröffnet: Primus autem Aristophanes in ultimis Comoediis hanc cavillandi profusam libertatem, & oris amaritiem, Cocalo scripto, emedavit, & novae Comoediae viam Menandro aperuit. Vgl. Frischlin, Defensio Aristophanis (1586), 15. 94 Zitat: Aristoph. Eccl. 1154 ff. (Chor)

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illorum turpitudine legibus vetitam voluptatem capiamus, illorumque similes esse studeamus: sed ut moribus aliorum foedis & illiberalibus conspectis, nostros emendemus, & vitam ad honestatem componamus. Enim vero Aristophanem sua non fefellit expectatio, & quam de civibus, ista spectantibus, conceperat opinio. Nam quod multi Oratores gravissimis orationibus, multi Philosophi prolixis disputationibus apud plebem consequi non poterant: hoc Aristophanes ridiculis suis Dramatibus consequebatur. Qua(m)obrem nihil a Comico alienum fecit, neque culpatur a Plutarcho ex merito, quod ridicula & obscoena in scena dixit.95 In welcher Absicht er aber selbst obszöne und unflätige Menschen auf der Bühne einführte, und in welchem Sinne er die Reden jener (Leute) verstanden wissen wollte, legt er unverhohlen dar, wenn er sagt: Eine Kleinigkeit möchte ich den Preisrichtern ans Herz legen: den weisen, dass sie mir den Sieg zuerkennen, weil sie sich an meine weisen Worte erinnern, denen, die gern lachen, dass sie mir den Sieg zuerkennen wegen des Gelächters, das ich ihnen verschaffte.96 Denn er ließ nicht schändliche und obszöne Menschen im Theater auftreten, damit wir aus der Schändlichkeit jener eine gesetzlich unzulässige Wollust erfahren und danach streben, jenen gleich zu sein; sondern damit wir angesichts der abstoßenden und unanständigen Verhaltensweisen der anderen die unseren bessern und unser Leben auf die Sittlichkeit hin ausrichten. In der Tat täuschte den Aristophanes seine Erwartung nicht, und jene Auffassung, die er über die Bürger hatte, galt auch für die Zuschauer. Denn was viele Redner in ernsthaften Reden, viele Philosophen in ausgedehnten Abhandlungen beim Volk nicht erreichen konnten, das erreichte Aristophanes mit seinen lächerlichen Dramen. Somit tat er weder etwas, was einem Komiker fremd wäre, noch wird er von Plutarch mit Recht getadelt, weil er auf der Bühne Lächerliches und Obszönes sagen ließ. (Ü: K. L.)

Eine weitere häufig anzutreffende Strategie der Aristophanes-Verteidigung ist schließlich die Berufung auf namhafte historische Persönlichkeiten, die sich in verschiedenen Zusammenhängen positiv über den Komiker geäußert haben (sollen). Bei Frischlin sind es u. a. Platon, Aristoteles und Cicero, die als Fürsprecher des Dichters und als schwergewichtige Antipoden zu Plutarch ins Feld geführt werden: Quanti etiam hunc poêtam ipse Plato, Aristoteles, Cicero, Horatius, & illius imitator Plautus fecerit, ex suprà dictis est evidens. Cur igitur una Plutarcho maiorem habeamus fidem, quàm multis aliis longè doctioribus?97 Wie hoch diesen Dichter selbst Platon, Aristoteles, Cicero, Horaz und sein Nachahmer Plautus geschätzt haben, wird aus dem oben Gesagten deutlich. Warum also sollten wir einzig Plutarch mehr vertrauen als vielen anderen weitaus Gelehrteren? (Ü: K. L.)

Frischlins Übersetzung avanciert in der Folgezeit nachgerade zu einem Standardwerk98, das von späteren Übersetzern wiederum selbst als Grundlage für neue volks-

|| 95 Frischlin, Defensio Aristophanis (1586), 9. 96 Das Binnenzitat aus Aristoph., Eccl. 1154 ff., wird hier in der Übersetzung von D. Bremer (Ü)/ Holzberg (Ü), Aristophanes. Frauen in der Volksversammlung (2004) wiedergegeben. 97 Frischlin, Defensio Aristophanis (1586), 15.

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sprachliche Aristophanes-Übertragungen herangezogen wird99. Auch zahlreiche der von ihm eingeführten Verteidigungsargumente finden sich – ohne dass man sich hier allerdings explizit auf ihn berufen würde – in späteren Übersetzungsvorreden wieder.100 2.3.2.2 Isaac Fröreisen (1613): „Jedoch befindet sich neben dem boesen auch viel deß guten.“ Auf Frischlins lateinischer Textgrundlage basiert nachweislich101 auch die erste – und bis 1744 einzige – Übersetzung einer Aristophanes-Komödie ins Deutsche.102 Es handelt sich um eine Übertragung der Wolken in deutsche Knittelverse, verfasst im Jahr 1613 von dem Straßburger Theologieprofessor Isaac Fröreisen103, die ursprünglich als Handreichung für die Zuschauer einer griechischen Schulaufführung der

|| 98 Zur Nachwirkung der Frischlin-Übertragung vgl. Süß (1911), 50: „Die Arbeiten Frischlins an Aristophanes haben in allen Teilen fast kanonisches Ansehen erlangt. Seine Abteilung nach Akt und Szene hält sich bis auf Brunck, seine lateinischen Übersetzungen sind in der Folgezeit einfach abgedruckt worden, ebenso seine erläuternden Beigaben, so daß es fast scheint, als ob die Nachfolger die Arbeit an Aristophanes im großen getan glaubten.“ 99 So u. a. für die im Folgenden zu besprechende Wolken-Übersetzung Isaac Fröreisens aus dem Jahr 1613. 100 Eine andere Auffassung vertritt hierzu J. Werner (1965), 8: „[...] aber Frischlins Ruf [sc. seine Defensio] verhallt offenbar im wesentlichen ungehört“. Zur übersetzerischen Defensionstopik in Bezug auch auf andere antike Autoren vgl. D. H. Roberts (2008), 282: „The most common (and most fundamental) defence cites cultural difference. Ancient customs were different from ours; what shocks us didn’t shock the Greeks or Romans; they were willing to speak of things we don’t express openly. This defence is sometimes accompanied by an account of the origins of cultural difference – as the product, for example, of either primitivism or decadence.“ 101 Vgl. Anonymus, [Dähnhardt, Oskar ?], [Geleitwort] (1896), 39: „Wollen wir die gewissenhaftigkeit unserer übersetzer prüfen [sc. dies bezieht sich auf die hier behandelten Übersetzer Wolfhart Spangenberg und Isaac Fröreisen; d. Verf.], so ist außerdem zu berücksichtigen, dass sie nicht unmittelbar aus dem griechischen, sondern aus dem lateinischen des Buchananus, Scaliger, Erasmus und Frischlin übersetzt haben.“ Ebd. Anm. 3 zu ‚Frischlin‘: „Fröreisen erwähnt diese quelle nicht, wie es sonst geschieht. Sie ist aber, wie eine vergleichung ergiebt, unbestreitbar.“ 102 Ausgenommen die bereits erwähnte Bearbeitung des Plutos durch Hans Sachs von 1531; s. o. 2.3.2 u. ebd. Anm. 78. 103 Isaac Fröreisen (1589–1632) war als Prediger und seit 1620 auch als Professor für evangelische Theologie in seiner Heimatstadt Straßburg tätig. Er verfasste neben der hier besprochenen Übersetzung der Aristophanischen Wolken auch theologische Streitschriften und deutsche Reimübersetzungen der neulateinischen Dramen Croesus von Johann Paul Crusius (1611) und Andromeda von Caspar Brülow (1612). Zu Fröreisens Biographie s. Holtzmann (1878); Anonymus, [Dähnhardt, Oskar ?], [Geleitwort] (1896), 1 Anm. 2; M. Schmidt (1961); J. Werner (1965), 51 u. Anm. 278. Zu Fröreisens Wolken-Übersetzung vgl. Süß (1911), 50 f., Friedländer (1969), 533 und J. Werner (1965), 51–58.

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Komödie im Akademischen Theater zu Straßburg konzipiert war.104 Fröreisen stellt seiner Übertragung,105 die freilich, wie J. Werner (1965) zu Recht anmerkt, „nach heutigen Maßstäben eher als Bearbeitung zu rubrizieren“ ist,106 eine Vorrede voran, die zum einen – ähnlich wie bei Frischlin – aus einer Verteidigung des übersetzten Autors, zum anderen aus einer kurzen Darlegung der zugrundegelegten Übersetzungsprinzipien besteht. Gleich zu Beginn seiner Vorrede führt Fröreisen ein geradezu sophistisch anmutendes Argument ein, um potentiellen Kritikern, die an den nach zeitgenössisch-christlichen Maßstäben unmoralischen Inhalten der Aristophanes-Komödien Anstoß hätten nehmen können, von vornherein die Argumentationsgrundlage zu entziehen. So interpretiert er die Tatsache der vergleichsweise verlustarmen Überlieferungsgeschichte der Aristophanes-Komödien als ein Zeichen der göttlichen Vorsehung. „[D]er Getrewe unnd Allmächtige Gott“ habe nämlich nicht nur die Bibel, „das theure und wertheste Buch seines Allerheiligsten Worts und geoffenbarten willens“ durch die Wirren der Zeit gerettet, (s)ondern auch so viel herrliche und vortreffliche Schrifften Griechisch und Latinisch [sic] in allerley Faculteten Kuenst und Tugenden nicht in der erbaermlichen Brunst der unsaeglichen summen Buecher zu Antiochia und Constantinopel, nicht under dem Wuettrich und Hunnen Koenig, lassen zu grund gehen und verlohren werden, sondern derselben ein schoene anzahl uns genaediglich lassen zukommen unnd erhalten werden: Da dann under vier hundert Alter comicorum Poëtarum, welche alle undergangen, allein dieser gegenwertige Griechische Autor Aristophanes verblieben und biß auff uns fort gepflantzet worden.107

Auf diese Weise sei, trotz der hohen Einbußen, die man im Hinblick auf die übrigen Vertreter der Alten Komödie zu beklagen habe, mit Aristophanes gerade derjenige Dichter der Nachwelt erhalten geblieben, der mit seinen „schoenen Antiquiteten“ und seiner „sonderbaren lieblichen Wolredenheit in Worten und Spruechen“ über

|| 104 Der vollständige Titel von Fröreisens Wolken-Übersetzung lautet: Nubes, Ein Schoen und Kunstreich Spiel, darin klaerlich zusehen, was betrug und hinderlist offtmahlen fuer ein End nimmet: Von dem Beruehmten Heydnischen ComoedienSchreiber Aristophane in Griechischer Sprach gedichtet: Und zu Straßburg im Theatro Academico Anno 1613. Monats Augusti Griechisch agirt: Auffs kuertzest und nach gelegenheit der Materi verteutscht Durch M. Isaac Froereisen von Straßburg. Gedruckt zu Straßburg durch Antonium Bertram. Zum Straßburger Akademischen Theater und zur humanistischen Tradition der griechischen und lateinischen Schulaufführungen vgl. (mit weiterführenden Literaturangaben) J. Werner (1965), 50 u. ebd. Anm. 269, 270, 273. 105 Fröreisen übernimmt hier die von Frischlin für die antike Komödie eingeführte Einteilung in fünf Akte und weitere untergliedernde Aufzüge. 106 Vgl. J. Werner (1965), 57; vgl. ebd. 56: „Allein der Umstand, daß den rund 1510 Versen des Originals rund 2800 Knittelverse – mit Reimzwang! – entsprechen, läßt von vornherein keine Übersetzung erwarten, die sich sehr eng an das Original anlehnt. [...] Darüber hinaus aber deutscht Fröreisen kräftig ein – ein Verfahren, das noch sehr lange üblich bleibt. Dem Publikum soll das Verständnis erleichtert werden.“ 107 Fröreisen, [Vorrede] (1613), 159 f.

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den Verlust „gedachter vierhundert Scribenten und ihrer Schrifften“108 gänzlich hinwegtrösten könne.109 Auf die Obszönitätsproblematik, die er eher beiläufig mit dem Phänomen des kulturellen Wandels erklärt, geht Fröreisen nur am Rande ein. Man könne, so räumt er ein, nicht in Abrede stellen, „das underweilen nach Heydnischem gebrauch schandbare wort und sachen mit underlauffen“, doch gebe es, wie er gleich relativierend hinzufügt, „neben dem boesen auch viel deß guten.“110 Um sein christliches Publikum dem ‚heydnischen‘ Dichter Aristophanes noch gewogener zu machen, zieht Fröreisen – wie bereits Frischlin – eine allseits anerkannte Autorität, in diesem Fall den Heiligen Chrysostomos von Byzanz (s. auch o. 2.3.1 u. ebd. Anm. 63) als Fürsprecher heran: Dieses will und kan ich stillschweigend hie nicht umbgehen, das ich nicht ander hoher und verstaendiger Leut urtheil von ihme mit wenigem solte andeuten. Bekandlich ist das Exempel deß Heyligen Lehrers Chrisostomi, welcher ein solchen eyffrigen lust und begirden gehabt in dieses Poëten Kunstreichen Fabulen zulesen [sic], das er dieselben zu nacht an statt eines kuessens seinem Haupt under gelegt, damit wann er erwachte, bey Tag und Nacht, mit lesen sich in demselben erlustigen moechte.111

Gleichwohl hält Fröreisen, was seine Übersetzungsprinzipien betrifft, eine wörtliche Übersetzung in die deutsche Sprache nicht für angebracht („koemlich“), da die griechische Sprache „wegen viler ambiguitatum“ sich auf vielerlei Weise deuten lasse, während das Deutsche ‚härter‘ und eindeutiger („in ihrem verstand verbleibender“) sei. Aus diesem Grund habe er die Komödie „nicht von worten zu worten [...], sondern allein dem sensu nach“ übertragen.112 Dieses Prinzip wird auch auf die Obszönitäten angewandt. Um nur zwei kurze Beispiele hierfür zu geben, sei zunächst auf den Anfang der Wolken-Parabase verwiesen, in der die Chorführerin den Standpunkt des Aristophanes einnimmt und dem Publikum die Qualitäten der gerade aufgeführten Komödie anpreist. Diese zeichne sich vor allem dadurch aus, dass sie – wie u. a. das Fehlen der komödiantischen Lederphalloi belege – auf die billi-

|| 108 Auf welcher Grundlage Fröreisens Schätzung beruht, bleibt unklar. Vgl. hierzu aber Zimmermann (2011), 672: „Bekannt sind aus der Phase der Alten Komödie ca. 45 Dichter; wenn man die Autoren mitrechnet, die wie Aristophanes bis nach 400 wirksam waren, kommt man auf ca. 55 Namen. Im 5. Jh. wurden zwischen 500 und 600 Komödien aufgeführt (Dover 1972, 210). Die genaue Zahl hängt davon ab, ob die an den Dionysien und vermutlich auch an den Lenäen (Csapo/Slater 1994, 123 f.) aufgeführten fünf Komödien während einiger Jahre des Peloponnesischen Kriegs auf jeweils drei Stücke reduziert wurden. Von diesen Komödien gelangten 365 in die Bibliothek von Alexandria (Landfester 1979, 358).“ 109 Vgl. Fröreisen, [Vorrede] (1613), 160. 110 Fröreisen, [Vorrede] (1613), 160. 111 Fröreisen, [Vorrede] (1613), 160 f. 112 Vgl. Fröreisen, [Vorrede] (1613), 161.

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gen Scherze verzichte, mit denen die dichterische Konkurrenz üblicherweise das Publikum zu belustigen pflege: ὡς δὲ σώφρων ἐστὶ φύσει σκέψασθ’· ἥτις πρῶτα μὲν οὐδὲν ἦλθε ῥαψαμένη σκύτινον καθειμένον ἐρυθρὸν ἐξ ἄκρου, παχύ, τοῖς παιδίοις ἵν’ ᾖ γέλως· (Nub. 537 ff.)

Wörtlich etwa: Seht, wie anständig sie [sc. die Komödie] von Natur aus ist, die erstmals nicht daherkommt behängt mit einem herabgerollten Lederfetzen, rot an der Spitze und dick, den Knaben zum Gespött. (Ü: K. L.)

Fröreisen übersetzt unter völliger Auslassung des Obszönen: [Das sie mir aber der gestalt Gantz unrecht thun und auch gewalt, Will ich dieser Comoedi art Ein wenig erklaeren zur fart] Erstlich begreifft sie aller mossen Nicht zusammen geflickte possen. Von keinen mutwilligen dingen Thut sie etwas auff die bahn bringen. (Fröreisen [Ü], S. 192)

Eine ähnlich ausweichende Umschreibung findet sich auch in der Dialogpartie, in der der Bauer Strepsiades einen der anwesenden Sokratesschüler über die merkwürdig gebückte Körperhaltung der anderen Studenten ausfragt: Στ. Μα.

τί δῆθ’ ὁ πρωκτὸς ἐς τὸν οὐρανὸν βλέπει; αὐτὸς καθ᾿ αὑτὸν ἀστρονμομεῖν διδάσκεται. (Nub. 193 f.)

Wörtlich: Strepsiades: Schüler:

Warum blickt denn ihr Arschloch auf zum Himmel? Es betreibt auf seine Weise Astronomie. (Ü: K. L.)

In Fröreisens bereinigter Fassung: Strepsiades: Schuler:

Aber, lieber, was machen die, So krum gebuckelt sitzen hie. Diese die thun nur spintisieren, Was man fuer eine Weiß thut fuehren In der Höll und darunder auch. (Fröreisen [Ü], S. 176)

Der Anfang von Fröreisens Übersetzung wurde im Jahr 1779 durch den Aristophanes-Übersetzer Johann Justus Herwig in dessen Journal für Freunde der

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Religion und Literatur noch einmal abgedruckt.113 Ansonsten ist über ihre Nachwirkung kaum etwas bekannt.114 Fröreisens Wolken-Übersetzung, die ja im Kontext einer Schulaufführung entstanden war, markiert in gewisser Weise das Ende einer Epoche, die den Werken des Aristophanes – allen Verteidigungsschriften zum Trotz – recht unvoreingenommen begegnete. So zählten neben den Wolken auch noch einige weitere AristophanesKomödien im 16. und frühen 17. Jahrhundert zur regulären Schullektüre,115 da sie einerseits als vorbildliche Muster des attischen Stils galten und andererseits – aufgrund ihrer vermeintlich abschreckenden Wirkung auf die Jugend – auch als moralische Lehrstücke geschätzt wurden.116 Darüber hinaus waren im 16. Jahrhundert auch zahlreiche zeitgenössische Komödien im Aristophanischen Stil entstanden, die sich mit obszönen Andeutungen und Wortspielen keineswegs zurückhielten.117 Dass man auch mit diesen Stücken || 113 Journal für Freunde der Religion und Literatur, 1. Jg. (1779), Erstes Heft, 20–37. Abgedruckt werden hier die erste bis vierte Szene des ersten „Aktes“ (entspricht etwa Aristoph. Nub. 1–275). S. auch u. 2.3.4.4 u. ebd. Anm. 308. 114 Vgl. J. Werner (1965), 58. 115 Noch zu Beginn des 17. Jahrhunderts erschienen in Hamburg zwei durch den Pastor Heinrich Rumpius herausgegebene lateinische Schülerausgaben des Friedens (1615) und der Wespen (1620) sowie eine 1613 bei Carstens gedruckte Schulausgabe des Plutos in Frischlins Übersetzung, die 1667 eine Neuauflage erlebte; vgl. Süß (1911), 31. 116 In dem Widmungsbrief an Petrus Viterius zu seiner Ratio instituendi discipulos (1540) nennt Erasmus Aristophanes unter den ersten der zu intensiver Lektüre empfohlenen Autoren; vgl. Süß (1911), 30; s. ferner o. 2.3 Anm. 48. Simon Grynaeus, ein Schüler Melanchthons, äußert im Einleitungsbrief zu seiner Basler Aristophanes-Ausgabe von 1532 an einen fiktiven „studiosus iuvenis“ die Erwartung, der „lieblichredende Dichter“ (suaviloquentissimum vatem) würde bald in fast allen Knabenschulen Einzug halten. Was den Umgang mit den Obszönitäten betrifft, so empfiehlt Grynaeus bemerkenswerterweise, sie den Schülern weder vorzuenthalten, weil sie in diesem Fall nur umso mehr Interesse auf sich ziehen würden, noch durch ihre allzu offene Behandlung die Gefährdung der zarten Knabenseelen zu riskieren. Am besten sei es, so Grynaeus, ausdrücklich auf die anstößigen Stellen hinzuweisen und diesen Beispielen heidnischer Verrohung christliche Exempel gegenüberzustellen, die geeignet seien, die schädlichen Einflüsse aufzuheben. Vgl. hierzu auch Süß (1911), 31 und Holtermann (2004), 52 (mit Originalzitat). 117 Hierzu zählen zum einen neulateinische Satiren wie Frischlins Helvetio-Germani (1587) (s. auch o. 2.3.2.1 Anm. 85) oder auch die von einem anonymen Verfasser stammende, heute dem Nürnberger Humanisten Willibald Pirckheimer zugeschriebene Spottschrift Eckius dedolatus (um 1520), in der der Ingolstädter Luthergegner Johannes Eck aufs Derbste verhöhnt wird (vgl. Holzberg [1983a u. 1983b], Johne [1992], 162 f.). Als weiteres Beispiel für die derbkomische Aristophanes-Rezeption der humanistischen Autoren ist auch die im Gesprächsbuch des Erasmus abgedruckte Komödie Senatulus sive Γυναικοσυνέδριον (1529) zu nennen: „Es ist ganz in der Art der Kalonike, die in der Lysistrata den Hanswurst macht, wenn auf die Klage der Rednerin, daß alle Geschöpfe ihre Konventikel haben, daß aber solae omnium animantium mulieres nunquam coimus, eine Margareta einfällt ‚Saepius quam decet‘.“ Süß (1911), 28. Dieses Stück des Erasmus erschien 1537 unter dem Titel Lustspiel von der Weiber Reichstag auch in deutscher Sprache. Der Übersetzer ist unbekannt; vgl. Süß

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die Intention verband, Jugendlichen abschreckende Beispiele unmoralischen Verhaltens vor Augen zu führen, erhellt aus einem bei Süß (1911) erwähnten Widmungsbrief, den der Verfasser der neulateinischen Komödie Studentes,118 der Theologie-Student und spätere Pommersche Superintendent Christoph Stymmel, im Jahr 1545 den Ratsherren von Frankfurt an der Oder zukommen ließ. Stymmel verleiht darin seiner Überzeugung Ausdruck, dass die seiner Komödie zu entnehmenden Lehren dazu geeignet seien, junge Männer gegen weibliche Verführungskünste zu immunisieren.119 Inwieweit solche Erklärungen wirklich ernst gemeint waren oder inwieweit sie lediglich einen willkommenen Vorwand boten, um sich über die als zu streng empfundenen christlich-moralischen Normen hinwegzusetzen, lässt sich kaum mehr überprüfen. Ganz offensichtlich stellte jedoch das Element des Obszönen in der (Alten) Komödie bis zum ausgehenden 16. Jahrhundert kein allzu großes Problem dar.120 Erst um die Wende zum 17. Jahrhundert finden sich vereinzelt kritische Stimmen, die die obszöne Sprache des Aristophanes thematisieren, wie zum Beispiel der Aristophanes-Herausgeber Aemilius Portus in seinem Widmungsbrief

|| (1911), ebd. Zum anderen werden auch originäre volkssprachliche Komödien in Aristophanischer Manier veröffentlicht, wie z. B. in Frankreich die an die Vögel anknüpfende Néphélococugie (1578) von Pierre Le Loyer (1550–1634), deren Handlung in Toulouse angesiedelt ist: „Die derben Obszönitäten des Vorbilds und wirkliche ‚verba praetextata‘ will der Bearbeiter durch circonlocutions et parolles ambigues wiedergegeben haben, was der Leser in der Tat an einigen Stellen bestätigt findet, während andererseits freilich eine Fülle grobianischer Zutaten ohne jedes Bestreben nach Milderung des Ausdrucks dafür sorgt, daß die Nachahmung auch in dieser Beziehung auf der Höhe des Originals steht.“ Süß (1911), 60. 118 Die Komödie, in der Stymmel die Sittenlosigkeit des zeitgenössischen Studentenlebens aufs Korn nimmt, gehörte, lt. Bülow (1894), zu den „gelesensten Stücken des 16. und 17. Jahrhunderts“, was sich auch durch eine Vielzahl an Neuauflagen, Nachdrucken und Übersetzungen bis ins 19. Jahrhundert hinein bestätigen lässt. 119 Vgl. Stymmel, [Widmungsbrief] (1550) [s. p.]: Poterunt etiam filii vestri, sodales mei, qui partim nunc coaetanei sunt, partim procedente tempore succrescent, salutarem inde doctrinam haurire. Nam gnaviter dandam esse operam literis [sic] Comoedia docet, vitanda prava consortia, amori non indulgendum, quorum utrumque a Musis abducit, & viam adeundi intercludit. [...] Scio etiam multos amori operam dantes, foemineis blanditiis ita illectos esse, ut turpiter praeter voluntatem parentum matrimoniali copula devincti sint. Es können dann auch eure Söhne, meine Gefährten, die teilweise jetzt meine Altersgenossen sind, teilweise in Zukunft heranwachsen werden, die heilsame Lehre vernehmen. Denn dass man sich eifrig um die Wissenschaft bemühen muss, lehrt die Komödie, [und dass man] schlechte Gesellschaft meiden und nicht der Liebe nachgeben soll, was beides von den Studien ablenkt und dem sich Nähernden den Weg verbaut. [...] Ich weiß auch, dass viele, die sich in der Liebe engagierten, sich von weiblichen Reizen derart haben verführen lassen, dass ihnen auf schändliche Weise gegen den Willen der Eltern das Ehejoch aufgezwungen wurde. (Ü: K. L.) 120 Vgl. Süß (1911), 50: „[...] das 16. Jahrh., gewöhnt an urkräftige Roheit und unglaublich weitherzig in Fragen der Sitte und der Erziehung, scheint gar nicht eine Dissonanz der Anstandsbegriffe empfunden zu haben“.

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an Odoardus Bisetus von 1589 (s. auch o. 2.3.1 Anm. 63), der die Auffassung vertritt, man müsse mit den Schriften des Aristophanes ebenso umsichtig umgehen wie mit von Dornen umgebenen Rosen, indem man sich das Schöne und Nützliche aneigne und sich vom Verderblichen fernhalte. Einer grundsätzlichen Verdammung des Aristophanes stellt sich Portus jedoch vehement entgegen, indem er unter Berufung auf Ovid (Trist. 2) zu bedenken gibt, dass selbst die angesehensten Genera wie das Homerische Epos und die Tragödie so viele anstößige Passagen aufweisen, dass ein gestrenger Richter, wollte er keine Nachsicht walten lassen, konsequenterweise auch sie verdammen müsste.121 Verstärkte Kritik an Aristophanes wird schließlich erst mit dem Aufkommen der auf ganz Europa ausstrahlenden französischen Klassik in der Mitte des 17. Jahrhunderts laut. Gleichwohl entstanden in der Folgezeit gerade in Frankreich mehrere Übersetzungen von Aristophanes-Komödien, die auch den deutschen Gebildeten jener Epoche, die zumeist sehr wohl das Französische, nicht aber das Griechische beherrschten, erstmals die Bekanntschaft mit dem attischen Komiker ermöglichten. Da sowohl die Aristophanes-Kritik der französischen Klassizisten als auch die französischen Aristophanes-Übersetzungen des 17. und 18. Jahrhunderts einen nachhaltigen Einfluss auf die wesentlich später (wieder) einsetzende Tradition der Aristophanes-Übersetzung im deutschen Sprachraum hatten, werden die

|| 121 Vgl. Aemilius Portus, Epistola dedicatoria ad Odoardum Bisetum (1589), fol. ¶ iiiir. Huius tamen poetae scripta, ut suavissimas rosas spinis acutissimis circumseptas, prudenter legere debemus. Quicquid nostra literarum studia promovere potest, hoc arripiendum, hoc magna cura servandum. Quicquid ad virtutis amorem nos impellit, hoc strenue sectandum. Quicquid vero bonos mores labefactare, & corrumpere videtur, hoc pro virili fugiendum. Quod si quis Aristophanem ob multa cum dicta, tum facta vere flagitiosa, quae priscum illud dicendi genus comicum redolent, de medio tollendum censeat, idem & ceteros omnes tam Graecos, quam Latinos scriptores eadem de causa perdendo esse censet. Nam, ut Ovidius Trist. 2. canit, [...] Est & in obscoenos deflexa Tragoedia risus, Multaque praeteriti verba pudoris habet. [Ov., trist. 2, 409 f.; Anm. d. Verf.] Dennoch müssen wir die Schriften dieses Dichters – wie die süßesten, aber rings von spitzen Dornen umgebenen Rosen – mit Bedacht lesen/pflücken (legere). Was auch immer unsere literarischen Studien voranbringen kann, das müssen wir ergreifen, das müssen wir mit großer Sorgfalt bewahren. Was immer uns zur Tugendliebe veranlasst, das müssen wir entschlossen verfolgen. Was immer aber die guten Sitten zu erschüttern und zu verderben scheint, das müssen wir nach Kräften meiden. Wenn nun einer glauben sollte, den Aristophanes wegen seiner vielen wahrhaft lasterhaften Reden und vor allem Handlungen, die den Duft jener altertümlichen komischen Redeweise verströmen, aus dem Weg räumen zu müssen, dann wird er (auch) der Meinung sein, ebendiese [sc. Redeweise] und [auch] alle anderen Autoren, die griechischen ebenso wie die lateinischen, aus dem selben Grund beseitigen zu müssen. Denn wie Ovid Trist. 2. dichtet: [...] Auch die Tragödie schweift in obszönes Gelächter ab, und enthält manches Wort missachteten Anstands. (Ü: K. L.)

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wesentlichen Positionen der französischen Aristophanes-Kritiker sowie die maßgeblichen französischen Übersetzungen jener Zeit hier zunächst vorgestellt.

2.3.3 Die französischen Aristophanes-Übersetzungen des 17. und 18. Jahrhunderts Auch die französische Renaissance (15.–16. Jahrhundert) hatte mit François Rabelais122 und anderen Vertretern der pantagruelistischen Literatur,123 durchaus Nachahmer des Aristophanischen Stils gekannt, die vor Obszönitäten nicht zurückschreckten. Doch spätestens seit der Einführung der sogenannten doctrine classique unter der absolutistischen Herrschaft Ludwigs XIV.124 konnte die nachwachsende französische Schriftstellergeneration, die ihren literarischen Geschmack nunmehr vor allem an der Aristotelischen Poetik und an den ästhetisch-moralischen Schriften Plutarchs schulte, den derben Verspottungen des attischen Komikers nur noch wenig abgewinnen.125 In den Vordergrund trat die Idee einer universalen ‚Regelpoetik‘,

|| 122 In Rabelais (1494–1553) volkssprachlichem Romanzyklus Gargantua et Pantagruel (1532–1564) beschreibt ein anonymer Erzähler, anknüpfend an die Traditionen und Motive der Lukian’schen Satire, der Artusepik, der mittelalterlichen Volksdichtung, vor allem aber auch der Aristophanischen Komödie (zitiert werden u. a. Stellen aus den Wespen, den Fröschen, den Vögeln und den Ekklesiazusen), die Lebensgeschichte und Heldentaten zweier Riesen, die sich durch ihr groteskkomisches Verhalten (Gefräßigkeit, Trinklust, derbe Ausdrucksweise) auszeichnen. Zugleich flicht Rabelais immer wieder auch zeitkritische Anspielungen und aristophaneske Szenen in die Romanhandlung ein; vgl. hierzu auch Süß (1911), 55–57 und Roloff, „Gargantua et Pantagruel“, in: Kindlers Literatur-Lexikon, [Onlinefassung]. Am Beispiel Rabelais’ entwickelte in den 1930er Jahren der russische Literaturwissenschaftler Michail Bachtin seine – später auch von Carrière (1979), Rösler (1986) und anderen auf die Komödie des Aristophanes übertragene – Theorie des ‚Karnevalismus‘ (s. dazu o. 1.1.2 Anm. 43). 123 Zu ihnen zählt u. a. der o. 2.3.2.2 Anm. 117 erwähnte Verfasser der Néphélococugie, Pierre Le Loyer; vgl. hierzu ausführlich Süß (1911), 58–76. 124 Im Jahr 1660 bestieg Louis XIV den französischen Thron. Zusammen mit seinem Ersten Minister, dem Kardinal Richelieu, führte der theaterbegeisterte König einen – an antiken Vorbildern ausgerichteten – verbindlichen Regelkodex für Autoren ein, durch den die moralkritische und pädagogische Funktion der Literatur betont werden sollte. Vgl. Eberle (2006), 75: „Der Begriff der doctrine classique fasst den Regelkanon zusammen, dessen Forderungen durch die Schlüsselbegriffe raison, imitation des anciens, vraisemblance, bienséance, honnêteté charakterisiert werden.“ Richelieu regte auch Hédelin d’Aubignac zu seiner Pratique du théâtre (1657) an (s. u. 2.3.3 Anm. 130). Vgl. auch Süß (1911), 78 ff. 125 Eine der wenigen Aristophanes-Nachahmungen des 17. Jahrhunderts ist die nach den Wespen gestaltete, in Alexandrinern abgefasste Justizkomödie Les Plaideurs von Jean Racine (1639–1699). Wie Racine in seiner Vorrede an den Leser bemerkt, handelt es sich hier in erster Linie um eine von Freunden des Dichters angeregte Probe, „si les bons mots d’Aristophane auraient quelque grâce dans notre langue“. Racines eigene Begeisterung für diese Idee hielt sich zunächst in Grenzen, da er beim Verfassen einer Komödie lieber die „régularité de Ménandre et de Térence, que la liberté de

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deren strenge Gesetze man aus den dramentheoretischen Ansätzen von Aristoteles126, Horaz127, Pseudo-Longin128 und Donat129 ableitete.130 Den hier aufgestellten Forderungen – etwa nach strikter Einhaltung der drei Einheiten des Ortes, der Zeit und der Handlung oder nach Befolgung der Gesetze der vraisemblance und bienséance – konnten die Komödien des Aristophanes nach allgemeiner Auffassung nicht gerecht werden.131 Infolgedessen wurden – ganz im Sinne Plutarchs – die Typenkomödien des Menander, die man zu jener Zeit nur durch die lateinischen Bearbeitun|| Plaute et d’Aristophane“ imitieren wolle; vgl. Racine, Préface de l’auteur (1669), in: Œuvres de Jean Racine (1768), 172. Vgl. auch Süß (1911), 80–83. 126 Aus der Poetik des Aristoteles werden u. a. die Vorschriften der „drei Einheiten“ der Zeit, der Handlung und des Ortes abgeleitet, obgleich zumindest die Einheit des Ortes von diesem nicht explizit gefordert wird. Erst Julius Caesar Scaliger (Poetices libri septem, 1561), und in Anlehnung an ihn die französischen Dramentheoretiker wie Hédelin d’Aubignac (s. u. 2.3.3 Anm. 130) beziehen sie als dritte Einheit in ihre Dramentheorie mit ein. 127 Die Ars Poetica wird unter anderem als theoretische Grundlage für die Einteilung des Dramas in fünf Akte herangezogen (s. auch o. 2.3.2.1 Anm. 87). Auf ihn berufen sich Hédelin d’Aubignac und Boileau (s. u. 2.3.3 Anm. 130). 128 Auf die fälschlicherweise dem Grammatiker Longin zugeschriebenen Schrift de sublimitiate (1. Jh. n. Chr.) beruft sich insbesondere Boileau (s. u. 2.3.3 Anm. 130), der die Schrift 1674 ins Französische übersetzt (Traité sur le sublime) und in seiner dramentheoretischen Versepistel L’art poétique (1674) die poetologische Forderung aufstellte: „Quoique vous écrivez, évitez la bassesse!“ (v. 79). 129 Die auf die Komödien des Terenz bezogenen Äußerungen des Aelius Donatus (320–380) zum Dramenaufbau in dessen Terenz-Kommentar wurden, da sie an einigen Stellen über Aristoteles und Horaz hinausgehen, als praktische Anleitung für das Verfassen eines Dramas angesehen und in den Forderungskatalog der Regelpoetik aufgenommen. 130 So unternimmt etwa der Dramatiker François Hédelin Abbé d’Aubignac (1604–1676), auf Anregung Richelieus (s. auch o. 2.3.3 Anm. 124), in seiner einflussreichen Abhandlung La pratique du théâtre (1657) eine Systematisierung und Harmonisierung früherer dramentheoretischer Ansätze und bemüht sich dabei besonders um die Vermittlung von Theorie und Praxis. Zu seinen Hauptforderungen zählen die strikte Beachtung der drei „aristotelischen Einheiten“, die Unterordnung der Komödie unter die Tragödie sowie die Orientierung der dramatischen Handlung an den Gesetzen der vraisemblance und der bienséance. Damit reduziert d’Aubignac das Nachahmbare auf das Schickliche und bindet die vraisemblance an die ästhetischen, moralischen und politischen Normen des bestehenden gesellschaftlichen Systems. Implizit damit verbunden sind die Beschränkung auf das Wesentliche, etwa der Verzicht auf unangemessene Übertreibungen, und die Zurückweisung des Nichtschicklichen, somit auch des Obszönen. Vgl. Neuschäfer (1971), hier insb. VII, XVII, XXII. Weitere bedeutende Dramentheorien jener Zeit stellen die Versepistel Art poétique (1674) von Nicolas Boileau (1636–1711) sowie die Réflexions sur l’éloquence, la poétique, l’histoire et la philosphie (1672) und die Réflexions sur la Poétique d’Aristote et sur les ouvrages des poètes anciens et modernes (1676) von René Rapin (1621–1687) dar. 131 Vgl. Rapin, Réflexions sur la Poétique d‘Aristote (1674), 211 f.: „Aristophane n’est point exact dans l’ordonnace de ses fables; ses fictions ne sont pas assés vray-semblables: il joüe les gens grossierement trop à découvert.“ Vgl. ebd., 208: „Neanmoins les termes bas & vulgaires ne doivent pas estre permis sur le theatre, s’ils ne sont soutenus de quelque sorte d’esprit.“ Zur französischen Aristophanes-Rezeption des 17. Jh. vgl. auch Holtermann (2004), 54–57.

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gen des Terenz kannte, zu Mustern der vollendeten Komödienkunst stilisiert.132 Sogar in der ansonsten erbittert ausgetragenen querelle des anciens et des modernes herrschte in Bezug auf Aristophanes ungewohnte Einigkeit zwischen den Kontrahenten. So räumt etwa der Schriftsteller, Erzbischof und Erzieher am Hofe Ludwigs XIV., François Fénélon (1651–1715), der grundsätzlich auf Seiten der ‚Alten‘ (anciens) steht, in seiner an die Académie Française adressierten Lettre sur l’éloquence, la poésie, l’histoire, etc. ein, dass ihm die Scherze des Aristophanes oftmals gemein (bas) erschienen und ihnen anzumerken sei, dass sie allein der Belustigung des Volkes gedient hätten. Als Beispiel führt er Ach. 80–82 an, wo es über den König der Perser heißt, er sei in Begleitung seines Heeres zu den goldenen Bergen gezogen, wo er acht Monate lang ‚geschissen‘ habe (κἄχεζεν ὀκτὼ μῆνας)133. Angesichts einer solchen Verunglimpfung, so Fénélon, sei er dazu bevollmächtigt, die ‚Alten‘ (anciens) im Namen der ‚Alten‘ zu tadeln: J’avoue que les traits plaisants d’Aristophane me paroissent souvent bas; ils sentent la farce faite exprès pour amuser et pour mener le peuple. Qu’y a-t-il de plus ridicule que la peinture d’un roi de Perse qui marche avec une armée de quarante mille hommes, pour aller sur une montagne d’or satisfaire aux infirmités de la nature? Le respect de l’antiquité doit être grand; mais je suis autorisé par les anciens contre les anciens mêmes.134

Als Repräsentant der Gegenseite sei hier Charles Perrault angeführt, der dem griechischen Komiker in seiner Parallele des anciens et des modernes (1692) nicht nur den ‚modernen‘ Molière sondern auch seine römischen Nachfolger Plautus und Terenz vorzieht.135 2.3.3.1 Anne Dacier (1684): „les deux [comédies] que j’ay traduites sont les seules qui puissent être bien mises en nostre langue“ Eine Ausnahme bilden in jener Zeit allein die Aristophanes-Übersetzungen von Anne Dacier136, die 1684 den Plutos und die Wolken ins Französische übertrug.137 In

|| 132 So schließt sich etwa Rapin dem Urteil Plutarchs an, wenn er die Sprache des Aristophanes als „souvent obscur; embarassé; bas, trivial“ charakterisiert, den Stil Menanders hingegen als „pur, net, élevé, naturel“; vgl. Rapin, Réflexions sur la Poétique d‘Aristote (1674), 212 f. 133 Zu Stelle auch u. 2.3.5.3 Anm. 404. 134 Fénélon, Lettre [...] Sur l’éloquence, la poésie, l’histoire, etc. (1718), in: Œuvres [...], Bd. 3 (1787), 379 f. Der gleiche Wortlaut findet sich auch in Fénélon, Lettre sur les occupations de l’Académie Française (1714). Vgl. auch u. 2.3.4. 135 Vgl. Perrault, Parallele des anciens et des modernes, Bd. 3 (1692), 203 f. u. 208 f. Zu Perrault vgl. auch Süß (1911), 83 u. Holtermann (2004), 57 Anm. 116. Weitere aristophaneskritische Stellungnahmen aus den Reihen der ‚modernes‘ werden aufgeführt bei Süß (1911), 88–90. 136 Anne Dacier (1654–1720), eine der wenigen humanistisch gebildeten Frauen ihrer Zeit, war die Tochter des französischen Gräzisten Tanneguy Le Fèvre (lat. Tanaquil Faber) und seit 1683 mit dem

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ihrer Vorrede, die typische Elemente der Defensio aufweist, beklagt Dacier die Borniertheit ihrer Zeitgenossen, die bei der Beurteilung antiker Autoren nicht in der Lage seien, die Verschiedenheit der historischen Bedingungen in Rechnung zu stellen und stattdessen ihre eigenen Wertmaßstäbe und Moralvorstellungen unhinterfragt auf das Athen des 5. Jahrhunderts übertrügen.138 In Anlehnung an Frischlin und unter Berufung auf Horaz’ Satire 1.4139 bemüht Dacier sich um die Rehabilitierung des Aristophanes als eines Sittenlehrers der Athener, der seinen Mitbürgern ihre Verfehlungen mit drastischen Mitteln aufgezeigt habe: Sein Ziel sei es gewesen,

|| Philologen und Übersetzer André Dacier verheiratet. Neben Aristophanes übersetzte sie auch Anakreon, Plautus, Terenz und Homer. In der Querelle des anciens et des modernes verteidigte sie auf Seiten der anciens u. a. die Unantastbarkeit Homers gegen Antoine de la Motte. Süß (1911) weist darauf hin, dass bereits Daciers Vater um 1660 eine mit Anmerkungen versehene lateinische Übersetzung der Ekklesiazusen veröffentlicht hatte, die in der Folgezeit zahlreiche Neuauflagen erlebte; vgl. Süß (1911), Anm. 49 (zu S. 83): „Man liest sie im zweiten Band seiner Epistolae (1665) oder auch in der Amsterdamer Ausgabe (1670) oder bei Küster (1710). Ferner vgl. Le Févre, Les vies des poètes Grecs 1680, 115ff. Thesaurus antiq. graec. X, 784 ff.“ Zu Fabers Behandlung der Obszönitäten in den „heute noch lesenswerten Noten“ vgl. ebd. 84: „Keine Spur von gelehrter Pedanterie, im Gegenteil liebenswürdige Sorglosigkeit! [...] Gern werden obszöne Dinge gestreift, schalkhaft aber, nachdem das Wesentliche gesagt ist, eine Erörterung abgelehnt, so über Onanie, die σχήματα des Beischlafs und moderne literarische Erscheinungen darüber. [...] Interessant sind seine Parallelen zur vulgären Redeweise aus dem zeitgenössischen Französisch.“ Fabers Zeitgenossen stießen sich bisweilen an dieser „Sorglosigkeit“ und zogen, ähnlich wie es auch im Fall Frischlin zu beobachten war (s. o. 2.3.2.1 Anm. 85), aus seiner Vorliebe für den ‚unanständigen‘ Aristophanes Rückschlüsse auf sein unkonventionelles Privatleben: so soll er etwa um eines „Frauenzimmers aus Saumur“ willen eine einträgliche Professur ausgeschlagen haben; vgl. Süß (1911), 84. Auf handschriftliche Anmerkungen Fabers zu sieben (?) Komödien des Aristophanes, die in der Pariser Bibliothèque du roi wiederentdeckt worden waren, stützten sich später der Aristophanes-Kommentator Philipp Brunck sowie die Herausgeber der Neuauflage von Brumoys Théâtre des Grecs von 1785 ff.; vgl. [Brotier], Développement (1787), 239 f. S. auch u. 2.3.3.4 Anm. 178. 137 Der Erstdruck von 1684 erschienen noch unter Daciers Mädchennamen: Le Plutus et les Nuées d’Aristophane. Comédies grecques d’Aristophane. Traduites en francois, avec des notes critiques, et un examen de chaque piéce selon les régles du théatre. Par Mademoiselle Le Fèvre, Paris 1684. Spätere Auflagen erschienen unter dem Titel Comédies grecques d’Aristophane. Traduites en francois, avec des notes critiques, et un examen de chaque piéce selon les régles du théatre. Par Mme. Dacier, Paris 1692. Zu den verschiedenen Neuauflagen vgl. Hilsenbeck (1908), 6 f. 138 Vgl. Dacier, Préface (1684), [XIV]: „[...] ils croyent qu’il n’y a rien au delà de leur point de vûë, ils ne jugent jamais que par rapport à eux-mesmes, ils veulent se reconnoistre en tout, & ils condamnent absolument tout ce qui ne leur ressemble point.“ In diesem Sinne auch weiter unten [XVII]: „Ce qui empesche [sic] aujourd’huy la pluspart des hommes de goûter les Ouvrages des Anciens, c’est qu’on ne veut jamais perdre de vûë son siecle, & si les hommes sont toûjours dans ce préjugé qu’il n’y a rien de bon que ce qui porte les marques de leur siecle, il se trouvera que les meilleurs Ouvrages n’auront qu’une vie fort limitée, & que les plus grands écrivains découragez par une imagination si mortifiante, n’auront plus la force de travailler pour une immortalité qu’ils ne devront pas se promettre.“ 139 Vgl. Dacier, Préface (1684), [VII]; s. auch o. 2.2.3.

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den Athenern – neben den militärischen – auch moralische Werte zu vermitteln. Zu diesem Zweck habe er sich nicht darauf beschränkt, einzelne Mitbürger zu karikieren, sondern den Staat als Ganzen angegriffen und ihm seine Mängel vor Augen geführt: Son but n’estoit pas d’inspirer seulement à ce peuple les vertus militaires, il travailloit aussi avec soin à luy enseigner les vertus Morales, & comme il avoit l’esprit d’une grande étenduë, il ne s’attachoit pas à donner le caractere d’un ou de deux Citoyens, il attaquoit la Republique en Corps, & luy montroit toute la deformité de ses vices.140

Indem sie sich bewusst über das zeitgenössische Geschmacksurteil hinwegsetzt und auf ihr eigenes Stilempfinden vertraut, lobt Dacier Aristophanes als einen der geistreichsten und sprachgewandtesten Dichter der Antike, dessen Stil sich durch Reinheit, Klarheit, Kraft, Geschmeidigkeit und Harmonie auszeichne141: „Que l’on ait étudié tout ce qui nous reste de l’ancienne Grece [sic], si on n’a pas lû Aristophane, on ne connoist pas encore tous les charmes & toutes les beautez du Grec.“142 Was die Wolken betrifft, so schwärmt sie geradezu, dass das Stück selbst nach ‚zweihundertmaliger’ Lektüre nichts von seinem ursprünglichen Reiz eingebüßt habe.143 Als Gewährsleute für eine positive Beurteilung des Dichters werden Horaz und Platon ins Feld geführt.144 In Bezug auf die Übersetzbarkeit räumt Dacier ein, dass die ‚Schönheiten‘ (les graces) des Originals im Grunde unnachahmlich (inimitables) seien.145 Daher bittet sie ihre Leser um Nachsicht bei einem schwierigen Unterneh-

|| 140 Dacier, Préface (1684), [VI]. 141 „Le stile d’Aristophane est aussi agréable que son esprit, outre la pureté, la netteté, la force & la douceur, il a une harmonie qui flate si agréablement l’oreille qu’il n’y a rien de comparable au plaisir qu’on prend à le lire.“ Dacier, Préface (1684), [XI]. 142 Dacier, Préface (1684), [XI]. 143 Das Vergnügen, das die Komödie bereite, lasse sogar ‚den Widerwillen und den Abscheu‘ vergessen, den man für Aristophanes wegen seiner ungerechtfertigten Darstellung des Sokrates hegen müsse: „Pour moy j’avouë que je suis si charmée de cette Piéce, qu'aprés l’avoir traduite & leuë [sic] deux cens fois, elle ne me lasse [sic] point, ce qui ne m’est jamais arrivé d’aucun autre Ouvrage, & le plaisir qu’elle me donne est si grand, qu’il me fait oublier l’aversion & l’horreur qu’on ne peut s’empêcher d’avoir pour Aristophane, de ce qu’il a si vilainement abusé de son esprit pour noircir la verité des plus noires couleurs du mensonge, & pour perdre un homme qui estoit la sagesse mesme, & le plus grand ornement des Atheniens.“ Dacier, Préface (1684), [LV] f. 144 Dacier zitiert den Anfang der Horaz-Satire 1.4 (Préface (1684), [VII]) sowie das Platon zugeschriebene Epigramm, in dem die Seele des Aristophanes als ‚Heiligtum der Grazien‘ gelobt wird (Préface (1684), [XI] f.); s. auch u. 2.3.5 u. ebd. Anm. 328. Ferner wird Platons Sympathie für den Komiker aus dem Vorhandensein der Aristophanes-Rede im Symposion abgeleitet (Préface (1684), [XLI]. 145 Vgl. Dacier, Préface (1684), [LVI].

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men, das zuvor noch niemand gewagt habe.146 Das Problem der Obszönität wird angedeutet, wenn Dacier erklärt – und hieraus wird deutlich, wie undenkbar eine französische Gesamtübersetzung des Komikers gegen Ende des 17. Jahrhunderts noch erscheint –, dass von den insgesamt elf erhaltenen Komödien des Aristophanes überhaupt nur die beiden von ihr vorgelegten ins Französische übertragen werden könnten.147 Dacier versichert ihren Lesern jedoch, alles unternommen zu haben, um ihre Übersetzung erträglich (supportable) zu gestalten. Dies schließt – wie eine stichprobenartige Untersuchung ihrer Übersetzungspraxis ergibt – auch das Abmildern anstößiger Stellen ein, wobei obszöne Ausdrücke in der Regel entweder ausgelassen148 oder stark verallgemeinernd wiedergegeben149 werden. Am Beispiel Daciers sei hier am Rande auch auf die bisweilen geradezu rufschädigenden Konsequenzen für bekennende Anhänger des Aristophanes hingewiesen, die nicht zuletzt wohl auch mit dessen allgemein als normwidrig empfundene Obszönität in Zusammenhang stehen.150 So trugen Daciers gegen den klassizistischen Zeitgeschmack gerichtete Dichtungsauffassung und ihre für eine Frau in hohem Grade als unschicklich geltende Sympathie für Aristophanes ihr nicht nur erhebliche Anfeindungen und misogyne Bemerkungen ihrer Zeitgenossen ein;151 auch in den folgenden zweihundert Jahren war die Nennung ihres Namens

|| 146 Dies bezieht sich auf die Wolken, die Dacier hier erstmals in französischer Sprache vorlegt. Der Plutos war, wie erwähnt, bereits 1549 von Ronsard (s. o. 2.3.2 u. ebd. Anm. 77) und danach noch zwei weitere Male ins Französische übertragen worden; vgl. Süß [1911], 88. 147 „[...] les deux que j’ay traduites sont les seules qui puissent être bien mises en nostre langue“; Dacier, Préface (1684), [12]. 148 Vgl. Aristoph. Nub. 733 f. [= Dacier (Ü), Nuées (1684), S. 213]: Σω. ἔχεις τι; Στ. μὰ Δί’ οὐ δῆτ’ ἔγωγ’. Σω. οὐδὲν πάνυ; / Στ. οὐδὲν γε πλὴν ἢ τὸ πέος ἐν τῇ δεξιᾷ. So. N’as-tu rien trouvé encore? / Str.: Non parbleu. / So.: Rien du tout? / Str.: Rien, vous dis-je. 149 So z. B. in der Wolken-Parabase (510–626), die Dacier dem Stück allerdings als ‚Prologue‘ voranstellt (S. 171–174). Die im Original sehr eindeutige Anspielung auf den erigierten Lederphallos des Schauspielers (Aristoph. Nub. 537 ff.; vgl. auch o. 2.3.2 [Fröreisen]) wird hier durch eine verallgemeinernde Formulierung (‚unanständige Kleidung‘) ersetzt: Elle (sc. la comédie) ne vient point avec des habits deshonnestes & ridicules pour faire rire les enfans. [Dacier (Ü), Nuées (1684), 172] 150 Mit Bezug auf Nicodemus Frischlin vgl. hierzu o. 2.3.2.1 Anm. 85, auf Daciers Vater Tanaquil Faber vgl. o. 2.3.3.1 Anm. 136 und auf die Weimarer Herzogin Anna Amalia vgl. Lubitz (2014), 46. 151 So z. B. Perrault (s. auch o. 2.3.3 u. ebd. Anm. 135), Parallèle des anciens et des modernes, Bd. 3 (1692), 205 f., der die Auffassung vertritt, Daciers Übersetzungen hätten zu Recht in der Öffentlichkeit kaum Beachtung gefunden, da sie keinen scharfsinnigen Spott nach Art des Aristophanes (de la fine raillerie), sondern lediglich boshafte Ausdrücke und seichte Scherze Molière’scher Art (de mechans mots & de fades plaisanteries comme celles de Molière) enthielten; vgl. Süß (1911), 83. Auch im deutschen Sprachraum nimmt man Daciers Aristophanes-Übersetzungen nur mit einem gewissen Unbehagen zur Kenntnis. So fügt etwa Gottlieb Stolle (1673–1744), der Verfasser einer Historie der Gelahrtheit, seiner Aufzählung empfehlenswerter Textausgaben der Wolken die folgende Bemerkung hinzu: „Diese Comödie hat der Madame Dacier so wohl gefallen, daß sie selbige 200mal gele-

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stets mit einem gewissen Hautgout behaftet.152 Angesichts des Umstandes, dass die meisten zeitgenössischen Gelehrten wie später auch die Vertreter der deutschen Aufklärung und wohl noch des Sturm- und Drang den Dichter überhaupt erst durch Daciers Vermittlung kennengelernt haben dürften,153 ist dies ein befremdlicher Befund. 2.3.3.2 Jean Boivin (1729): „les traductions peuvent avoir un grand avantage sur l’original, soit en retranchant ces endroits, soit en les réformant“ Die beiden von Dacier übersetzten Stücke (Plutos und Wolken) werden erst 1729 durch die französische Version einer weiteren Aristophanes-Komödie, es handelt sich um Jean Boivins154 Übertragung der Vögel, ergänzt.155 Bereits 1713 hatte Boivin

|| sen und derselben doch nicht überdrüßig worden. Man sollte aber hierbey schier auf die Gedancken kommen, daß sie mehr daraus, als aus der Bibel gemacht: wenigstens höret man nicht, daß sie ein Buch derselben so offt gelesen habe.“ Stolle, Gottlieb Stolles Anleitung zur Historie der Gelahrtheit (2. Aufl., 1724), darin: Neue Zusätze, S. 26. 152 Anzügliche Anspielungen auf Daciers Vorliebe für Aristophanes finden sich bis ins 19. Jahrhundert hinein immer wieder auch in Vorreden zu deutschen Aristophanes-Übersetzungen. So spricht Friedrich August Wolf sie im Vorwort zu seiner 1811 erschienenen Wolken-Übersetzung despektierlich unter ihrem Mädchennamen als ‚Fräulein le Fèvre‘ an. Mit Bezug auf die Obszönitäten, die für Aristophanes-Übersetzer ein großes Problem darstellen, heißt es hier: „Dieserlei Klippen aber zu überfahren ist gerade unserer Sprache schwerer als den meisten anderen, wenn man weder unreinere Zweideutigkeiten nach neuer Manier noch breite Umschreibungen geben mag; welches letztere öfters von dem Fräulein le Fèvre geschehen ist, da es in dem verständigen Alter von zweiunddreißig Jahren, kurz vor seiner Heirath, dieses Schauspiel französisch übersetzte.“ Wolf, Vorrede, XXV f. Weitere Erwähnungen Daciers u. a. bei Schlosser, [Rez. zu] Aristophanes, Wolken, übers. v. J. J. Herwig (1772), 238 (s. u. 2.3.4.4 u. ebd. Anm. 303) und Wieland, Vorbericht [Wolken] (1798), 56 f. (s. u. 2.3.5.3 u. ebd. Anm. 408). Noch Wilhelm Süß tut 1911 in seiner Untersuchung Aristophanes und die Nachwelt Daciers Bemühungen um Aristophanes als ‚Weiberschrulle‘ ab (126) und unterstellt ihr einen irrationalen Zugang zur antiken Literatur, den er charakterisiert als „ein eigenartiges mütterliches Gefühl der Zärtlichkeit und der schützenden Fürsorge, das sie mit den antiken Autoren verbindet“ (85 f.). Zu der in zahlreichen Übersetzungsvorreden diskutierten Frage, inwieweit die Komödien des Aristophanes als Lektüre für Frauen geeignet seien, vgl. Lubitz (2014). 153 Bis zum Erscheinen von Goldhagens deutschen Übersetzungen des Plutus und der Wolken von 1767/1768 standen interessierten Lesern lediglich die französischen Aristophanes-Übertragungen von Dacier (Plutos, Wolken, 1684) und Boivin (Vögel, 1729) zur Verfügung. Die Erstauflage des ‚Brumoy‘ (1730) enthielt lediglich Resümees der Stücke, s. u. 2.3.3.3. Zu Goethes möglicher DacierLektüre vgl. Touyz (2015), 140. 154 Jean Boivin de Villeneuve (1663–1726) war seit 1692 als Aufseher der königlichen Bibliothek in Paris, seit 1706 als Professor der griechischen Sprache am Collège Royal tätig. Neben Aristophanes übersetzte er u. a. Homers Batrachomyomachie und den König Oedipus des Sophokles ins Französische; außerdem verfasste er eigene griechische Gedichte. 1721 wurde er zum Mitglied der Académie française ernannt.

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sein Übersetzungsvorhaben in einem öffentlichen Vortrag an der Pariser Akademie erläutert.156 Die meisten der hier vorgetragenen Argumente fanden später auch Eingang in seine Übersetzungsvorrede, auf die im Folgenden kurz eingegangen werden soll.157 Als Verteidiger des Aristophanes stellt sich Boivin in die Tradition der hier nicht näher benannten ‚meilleurs Critiques‘, die sich stets dagegen verwahrt hätten, die literarischen Werke der Alten nach den moralischen und geschmacklichen Maßstäben der Gegenwart zu beurteilen.158 Bei Boivin finden wir auch das seit Frischlin immer wieder vorgetragene Argument, Aristophanes habe sich den aus moderner Sicht verdorbenen Sitten der Athener nur gezwungenermaßen angepasst, um sein Publikum leichter zu erreichen.159 Doch gibt Boivin diesem Argument – ganz im Sinne der zeitgenössischen Übersetzungsdoktrin der ‚belles infidèles‘160 – eine überraschende Wendung, indem er es zum Vorteil der Übersetzung auslegt. Diese biete nämlich die nicht zu unterschätzende Möglichkeit, etwaige Schönheitsfehler des Originals nachträglich – und gewissermaßen im Sinne des Autors – zu korrigieren oder auch gänzlich zu eliminieren: „En cela les traductions peuvent avoir un grand avantage sur l’original, soit en retranchant ces endroits, soit en les réformant.“161

|| 155 Œdipe, Tragédie de Sophocle, et Les Oiseaux, Comédie d’Aristophane. Traduites par feu M. Boivin, de l’Académie Françoise, Paris 1729 (posthum). Die Übersetzung der Vögel findet sich auf den Seiten 209–382. 156 Boivin, Discours pour servir de préface à une Traduction de la Comédie des Oiseaux (1713). 157 Vgl. Boivin, Préface (1729). 158 Vgl. Boivin, Préface (1729), 184: „Nos meilleurs Critiques ont eû soin avant moi d’avertir (‚in Kenntnis zu setzen‘) les Censeurs des Anciens, qu’il y avoit de l’injustice à vouloir rappeller aux mœurs & au goût du siécle présent tout ce qui a été écrit dans l’antiquité la plus reculée.“ 159 Vgl. Boivin, Préface (1729), 206: „Aristophane écrivoit dans un siécle fort corrompu. Il avoit pour spectateurs une foule nombreuse de pauvres, de riches; d’ignorans, de savans; de personnes de tous âges & de toutes conditions. Il falloit plaire à tout le monde. [...] C’est ce qui fait que nous trouvons aujourd’hui dans les pièces de cet Auteur beaucoup de choses contraires à la pudeur, à la bienséance, & qui ne peuvent être du goût des honnêtes gens.“ 160 Der Begriff der ‚belles infidèles‘, der ‚schönen Ungetreuen‘ in Bezug auf Übersetzungen geht zurück auf ein Zitat des Dichters Gilles Ménage, der die zielsprachenorientierte Lukian-Übersetzung seines französischen Landsmanns Perrot d’Ablancourt aus dem Jahr 1654 folgendermaßen charakterisierte: „Pour moi je l’appelai la belle infidèle, qui était le nom que j’avais donné étant jeune à une de mes maîtresses“ (zit. nach Graeber (2007), 1520). Der Terminus bezeichnet im engeren Sinne den vor allem im Frankreich des 16. bis 19. Jahrhundert präferierten Übersetzungsmodus, der darauf abzielte, den Originaltext durch sprachliche Bereinigung, insbesondere durch das Streichen und Glätten anstößiger Passagen, zu ‚verschönern‘ (embellir), das heißt, dem ästhetisch-moralischen Empfinden der zeitgenössischen Leserschaft anzupassen. Der französische Übersetzungswissenschaftler Georges Mounin verwendet für diese extreme Form des einbürgernden Übersetzens auch den Terminus ‚franciser‘: „[P]our franciser le texte il faudra quelquefois traduire l’originalité d’une œuvre sans l’originalité de sa langue étrangère“; Mounin (1955), 110. Das verstärkte Auftreten der ‚belles infidèles‘ ist ebenso wie die Einführung der ‚doctrine classique‘ in das Zeitalter des französischen Absolutismus zu datieren (s. o. 2.3.3 u. ebd. Anm. 124). Vgl. Graeber (2007). 161 Boivin, Préface (1729), 206.

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Diesen Gesichtspunkt arbeitet Boivin auch in einer im Anhang zur Übersetzung mitgelieferten Dialogszene heraus, in der die in der Vorrede dargelegten Argumente durch Verteilung auf mehrere Sprecher aus unterschiedlichen kulturhistorischen Epochen noch einmal aus verändertem Blickwinkel reflektiert werden. Beteiligt sind – neben dem Dichter Aristophanes – ein Scholiast des Komikers sowie der Schatten des wenige Jahre zuvor verstorbenen Priesters und Übersetzers Guillaume Massieu162. Aristophanes selbst präsentiert sich hier als Verteidiger in eigener Sache, widerspricht dabei allerdings keineswegs dem von dem Abbé vorgebrachten Vorwurf einer bisweilen zu gewagten Ausdrucksweise, sondern äußert vielmehr seinerseits Bedauern darüber, in einem Land und zu einer Zeit geboren zu sein, wo die Sitten so verdorben gewesen seien, dass ein Komödiendichter die ‚strengen Regeln des Anstands‘ bisweilen außer Acht lassen musste, um erfolgreich zu sein. Indem er den Standpunkt eines ‚modernen‘ Autors einnimmt, lobt der Komiker gar das sorgsame Vorgehen des französischen Übersetzers beim Abmildern der obszönen Stellen. Der Abbé wiederum zeigt sich durch die von Aristophanes bekundete Einsicht beschwichtigt und vergibt ihm seine Grobheiten: L’Abbé. [...] Considérons-là, s’il se peut, du côté des mœurs. Je ne pense pas que vous osiez entreprendre de justifier certaines paroles que j’aurois même honte de relever. Car quelque soin que votre Traducteur ait pris d’envelopper vos indécences, je n’ai pas laissé d’entrevoir ce qu’il a voulu cacher. Aristophane. Il a très-bien fait: & c’est un grand avantage que les Traductions Françoises ont sur de semblables originaux. J’ai eû le malheur de naître dans un pays & dans un siécle, où les mœurs étoient fort corrompuës. Le gouvernement d’Athénes étoit un gouvernement populaire. La licence y regnoit, & surtout dans les spectacles Comiques. L’artisan y étoit spectateur comme le Magistrat. Il falloit plaire à l’un & à l’autre. C’étoit pour plaire au menu peuple que j’oubliois quelquefois les régles austéres de la bienséance. L’Abbé. Cet aveu sincére me plaît, & je vous fais grace sur vos grossiéretez. [...]163

Ganz im Sinne dieser Erwägungen – und gewissermaßen mit Billigung des Autors – sieht sich Boivin, der mit den Vögeln schon eines der ‚am wenigsten anstößigen

|| 162 Guillaume Massieu (1665–1722), war seit 1710 – ebenso wie Boivin – Professor für griechische Sprache am Collège Royal. Er übersetzte u. a. die Werke Lukians und die Oden Pindars, verfasste poetologische Schriften und gelangte insbesondere mit einem stilistisch an Vergil orientierten lateinischen Gedicht über den Kaffeegenuss (Caffaeum) zu größerer Bekanntheit. 163 Boivin, Dialogue sur la comédie des Oiseaux (1729), 401 f.

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Stücke‘164 ausgewählt hat, von dem übersetzerischen Grundsatz einer wörtlichen und möglichst genauen Wiedergabe des Originals entbunden: On ne prétend pas donner cette traduction comme une version littérale, & d’une fidélité scrupuleuse. On croit cependant qu’avec le secours des notes, elle fera entendre suffisamment le texte Grec.165

Wie Boivins übersetzerisches Vorgehen sich in der Praxis ausnimmt, soll ein kurzes Beispiel aus der Anfangspartie der Vögel verdeutlichen: Die beiden athenischen Auswanderer Peisetairos und Euelpides kommen auf ihrer Suche nach einer neuen Heimat zum Palast des Wiedehopfes und treffen dort zunächst auf dessen Sklaven, der sie für Vogeljäger hält. Es entspinnt sich die folgende Unterhaltung: Πεισέταιρος Θεράπων ἔποπος Πε. Θε. Πε. Θε. Ευ. Πε. Θε.

ἀλλ’ οὐκ ἐσμὲν ἀνθρώπω. τί δαί; Ὑποδεδιὼς ἔγωγε, Λιβυκὸν ὄρνεον. οὐδὲν λέγεις. καὶ μὴν ἐροῦ τὰ πρὸς ποδῶν. ὁδὶ δὲ δὴ τίς ἐστιν ὄρνις; οὐκ ἐρεῖς; Ἐπικεχοδὼς ἔγωγε Φασιανικός. ἀτὰρ σὺ τί θηρίον ποτ’ εἶ, πρὸς τῶν θεῶν; ὄρνις έγωγε δοῦλος. (Av. 63 ff.)

Boivin übersetzt diese Passage so: Euelpis: Le Valet: Euelpis: Le Valet:

[...] nous ne sommes pas des Hommes. Hé qui êtes-vous donc? Hé qui êtes-vous * vous-mêmes, de par tous les Dieux? Moi? Je suis le serviteur d’un Oiseau? [sic] (Boivin, S. 218)

Dass der Übersetzer hier mehrere Verse – im griechischen Text durch Unterstreichung markiert – ausgelassen hat wird in der unmittelbaren Gegenüberstellung von Original und Übersetzung bereits sichtbar. In seiner ohne den Originaltext erschienenen Übersetzung bemerkt Boivin in einer Fußnote, dass er den genauen Wortlaut des griechischen Textes hier nicht genau wiedergebe, weil derartige ‚Unflätigkeiten‘ (grossiéretez) im Französischen nicht erträglich seien: Fußnote *: „Il y a autrement dans le Grec; dont on a crû devoir s’écarter en cet endroit, pour ne pas tomber dans des grossiéretez, que notre langue ne peut souffrir.“ (Boivin, S. 218)

|| 164 Vgl. Boivin, Préface (1729), 206 f.: „La pièce dont on donne ici la traduction, est une des moins licencieuses. Il n’y a même pour toutes femmes que deux Déesses.“ (‚[...] Die einzigen Frauen, die darin vorkommen, sind zwei Göttinnen.‘). 165 Boivin, Préface (1729), 204.

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Bei den übersprungenen ‚Unflätigkeiten‘ handelt es sich um Phantasievogelnamen und Anspielungen, die auf skatologische Vorgänge verweisen.166 Durch Auslassungen und Abmilderungen solcher Art wird die Aristophanische Komödie nach den ästhetisch-moralischen Maßstäben der ‚modernes‘ bereinigt, nicht ohne die entsprechende Leistung des Übersetzers durch Hinweise in den Fußnoten kenntlich zu machen. 2.3.3.3 Pierre Brumoy (1730): „les mots licencieux qu’il prodigue à la populace [...] méritent de rester éternellement dans l’obscurité qui leur convient“ Dass eine französische Gesamtübersetzung des Aristophanes gegen Ende des 17. Jahrhunderts noch außerhalb des Vorstellbaren und Wünschenswerten lag, wurde bereits aus den Ausführungen Daciers deutlich, die zu ihrer Zeit allein den Plutos und die Wolken für übersetzbar hielt (s. o. 2.3.3.1 u. ebd. Anm. 147). Auch im ersten Drittel des 18. Jahrhunderts hatte sich an dieser Auffassung noch nicht viel geändert. Einen ersten, wenngleich noch sehr verhaltenen Schritt in diese Richtung unternahm der französische Jesuitenpater und Schriftsteller Pierre Brumoy167 mit seinem epochemachenden Werk Théâtre des Grecs, das im Jahr 1730 zunächst in drei Bänden erschien und später mehrfache Überarbeitungen und Ergänzungen erfuhr.168 Brumoy lieferte hiermit erstmals eine umfassende Gesamtdarstellung des antiken griechischen Dramas in französischer Sprache, die neben insgesamt sieben vollständigen Tragödienübersetzungen169 und ausführlichen Paraphrasen der übrigen Dramen – angereichert mit eingestreuten Teilübersetzungen –, auch allgemeine Abhandlungen, etwa zur Geschichte des Theaters oder zum Ursprung der Tragödie

|| 166 Wörtlich übersetzt lautet der griechische Text etwa folgendermaßen: Peis. Aber wir zwei sind keine Menschen. Sklave Was dann? Peis. Ein libyscher Ängstling bin ich. Sklave Du redest Unsinn. Peis. Frag doch die Bescherung vor meinen Füßen. Sklave Und der da, welcher Vogel ist das? Sag an! Eu. Ich bin ein Fasanenscheißerling. Peis. Aber du, was für ein Tier bist du, bei den Göttern? Sklave Ich bin ein Dienstvogel. (Ü: K. L.) 167 Brumoy (1688–1742) war Dozent an verschiedenen Jesuiten-Kollegs und Mitarbeiter des Wissenschaftsjournals Journal de Trévoux. Außer seinen im Théâtre des Grecs enthaltenen Übersetzungen und Darstellungen griechischer Dramatiker veröffentlichte er auch eigene dramatische Werke und zwei lateinische Versdichtungen. 168 1732 erschien eine Neuauflage in 6 Bänden in Amsterdam. Rund vierzig Jahre nach Brumoys Tod, von 1785 bis 1789, unternahm eine Gruppe französischer Gelehrter eine umfassende Überarbeitung des Werkes, das damit auf insgesamt 13 Bände anwuchs; vgl. u. 2.3.3.4 Anm. 176. 169 Sophokles: König Ödipus, Elektra, Philoktet; Euripides: Hippolytos, Iphigenie in Aulis, Iphigenie bei den Taurern, Alkestis.

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enthielt. In Bezug auf Aristophanes referiert Brumoy in seinem den Einzeldarstellungen der Komödien vorangestellten Discours sur la comédie grecque u. a. die Pround Contra-Positionen Plutarchs, Frischlins, Rapins und Daciers und beruft sich schließlich – zur Legitimierung seiner eigenen Beschäftigung mit dem Dichter – auf die bewährten Autoritäten Platon, Cicero und den heiligen Chrysostomos von Byzanz170. Gleichwohl stellen die zahlreichen Derbheiten auch für Brumoy einen erheblichen Makel im Werk des Aristophanes dar und werden von ihm auf die geistige Zügellosigkeit (libertinage d’esprit) und die seelische Verkommenheit (corruption du cœur) der Athener zurückgeführt.171 Sie sind für ihn der Hauptgrund, eine Gesamtübersetzung des Aristophanes auch weiterhin abzulehnen, da die obszönen Redewendungen das Interesse ehrbarer Leser nicht verdienten und deshalb möglichst dauerhaft ihrer Aufmerksamkeit entzogen werden sollten: [...] les mots licencieux qu’il prodigue à la populace [‚Pöbel‘], pour en tirer des risées coupables, sont indignes de la curiosité des honnêtes gens, & méritent de rester éternellement dans l’obscurité qui leur convient.172

Dass Brumoy in seiner Darstellung tatsächlich alles daran setzt, die Obszönität aus dem Werk des Aristophanes zu verbannen, zeigt sich nicht nur in seinen Resümees der Frauenkomödien, in denen anstößige Partien bewusst übergangen werden,173 sondern auch in seiner abschließenden Stellungnahme am Ende des AristophanesAbschnitts, in der sich Brumoy seiner verschleiernden Wiedergabe geradezu rühmt und seiner Überzeugung Ausdruck verleiht, damit ganz im Sinne seiner Leser gehandelt zu haben: Voilà l’exposé fidelle des restes d’Aristophane. Je ne crains pas qu’on se plaigne que je les aye déguisés. J’ai rendu compte de tout, autant que la matiere & les bonnes mœurs ont pû s’accorder. Nulle plume, fût-elle payenne & cynique, n’oseroit produire au grand jour les horreurs que j’ai dérobées aux yeux des Lecteurs [‚die Zoten174, die ich vor den Augen der Leser verborgen habe‘]: & loin d’en regretter [hier: ‚vermissen‘] le moindre trait, de ce silence néces-

|| 170 Vgl. Brumoy, Discours sur la comédie grecque (1730), lxiii. 171 Brumoy, Conclusion générale (1730), 297. 172 Brumoy, Discours sur la comédie grecque (1730), iii. 173 So wird die Lysistrate in der vorangestellten Einleitung zum Stück lakonisch abgetan als: „Comedie critique pour le fonds & les circonstances. On ne peut ni ne doit en parler beaucoup.“ (Brumoy, Le théâtre des grecs, Bd. 3 [1730], 213), und in Bezug auf den Schlussdialog in den Ekklesiazusen (1129 ff.) spricht Brumoy von einem „jeu ordinaire d’Aristophane, qui est dans le vrai goût de la bonne Comedie. Je n’en dirai pas d’avantage de celle-ci, & l’on peut s’assurer qu’il n’y a rien d’utile dans le reste.“ (Brumoy, Le théâtre des grecs, Bd. 3 [1730], 264). 174 Das Pluralwort ‚les horreurs‘ ist im Deutschen u. a. durch ‚Obszönitäten‘ oder ‚Zoten‘ wiederzugeben; vgl. u. a. Sachs-Villatte (1901), s. v. ‚horreur‘: ‚unzüchtige Reden oder Handlungen‘; Langenscheidts Großwörterbuch Französisch (1991), s. v. ‚horreur‘: ‚obszöne Dinge, Zoten‘.

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saire on conclura aisément quel étoit le libertinage d’esprit, & quelle la corruption du cœur qui regnoit parmi les Atheniens.175

2.3.3.4 Charles Brotier (1787): „la traduction complette des pieces d’Aristophane, ne peut manquer d’être acueillie comme une entreprise utile“ Erst ein halbes Jahrhundert später, im Zuge einer grundlegenden Überarbeitung des Théâtre des Grecs durch ein mehrköpfiges Herausgebergremium entschied man sich, die extreme Verschleierungsstrategie des inzwischen verstorbenen Brumoy aufzugeben, indem man nicht nur die von jenem lediglich resümierend behandelten Tragödien, sondern auch die Aristophanes-Komödien jeweils um vollständige französische Übersetzungen ergänzte.176 Gleichwohl sah sich der mit Aristophanes befasste Übersetzer, André Charles Brotier, offenbar dazu veranlasst, seinen Namen im Gegensatz zu den übrigen Übersetzern der Reihe durch ein Pseudonym (M.***) unkenntlich zu machen.177 In seiner an Brumoys Discours (s. o. 2.3.3.3) anknüpfenden Abhandlung Développement de plusieurs points du discours précédent begründet Brotier die von Brumoys ursprünglichen Plänen abweichende Einführung von Gesamtübersetzungen auch der Aristophanes-Komödien u. a. mit den jüngsten Fortschritten der Aristophanes-Forschung, die insbesondere auf die Editionsleistung Philipp Bruncks zurückzuführen seien, dessen kurz zuvor erschienene kritische Textausgabe den Anstoß zu einer grundsätzlichen Neueinschätzung des Attischen Komikers gegeben habe.178 So werde Aristophanes mittlerweile als „le plus

|| 175 Brumoy, Conclusion générale (1730), 297. 176 Der überarbeitete ‚Brumoy‘, der zwischen 1785 und 1789 erschien, umfasste nunmehr insgesamt 13 Bände: Théatre des Grecs, par le P. Brumoy. Nouvelle Édition, enrichie de très-belles gravures, & augmentée de la Traduction entière des Extraits dans toutes les Editions précédentes [...]. Die Komödien des Aristophanes und die zugehörigen Begleittexte finden sich in den Bänden X (1787), 137471, XI (1788), XII (1788) und XIII (1789). 177 Die Auflösung des Pseudonyms findet sich u. a. in einer ‚Anmerkung‘ im OPAC der Staatsbibliothek zu Berlin: „M.*** ist André Brotier, ermittelt in BN-Opale plus FRBNF34009903. – ab T. 4 hrsg. von André Brotier und Pierre Prevost“ [zu ‚Gesamttitel‘: Théatre des Grecs / Par le P. Brumoy, ‚Sachgebiete‘: Vg 108; URL: http://stabikat.de/DB=1/SET=3/TTL=5/SHW?FRST=1 (zuletzt gesehen am 14.09.2018); vgl. auch Holtermann (2004), 301 Anm. 78. Der französische Priester André Charles Brot(t)ier (1751–1798) bekleidete an der Pariser École militaire einen Lehrstuhl für Mathematik und beschäftigte sich darüber hinaus auch mit den antiken Autoren, insbesondere mit Aristophanes und Plutarch. Als Mitglied einer Verschwörung der Konterrevolution angeklagt, wurde er Ende 1797 nach Französisch-Guyana verbannt, wo er im darauffolgenden Jahr verstarb. 178 Der 1783 in Straßburg erschienenen dreibändigen Aristophanes-Ausgabe Philipp Bruncks (1729–1803) war 1781 bereits eine lateinische Übersetzung sämtlicher Komödien vorausgegangen. Brunck gab als erster die von Frischlin eingeführte Akteinteilung der Aristophanes-Komödien wieder auf und führte eine neue Versabteilung und -zählung ein, die bis heute maßgeblich ist; vgl. Holtermann 282 f. Ausgewertet wurden von Brotier zudem die handschriftlichen Noten des neu zu Ansehen gelangten Tanneguy le Fèvre (s. a. o. 2.3.3.1 Anm. 136) in einem aus dessen Besitz stammenden Aristophanes-Manuskript des 13. Jahrhunderts, das man kurz zuvor in der Pariser Biblio-

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ingénieux écrivain de toute l’antiquité, & le plus parfait modele de cet atticisme si vanté“ anerkannt.179 In Bezug auf den für die Alte Komödie charakteristischen namentlichen Spott und die damit verbundenen obszönen Beschimpfungen vertritt Brotier die Auffassung, dass jene aufgrund des großen zeitlichen Abstands ihre Schlagkraft längst eingebüßt hätten: „Les traits de la méchanceté ne survivent gueres à leur auteur : & c’est là l’occasion de dire, MORTE LA BETE, MORT LE VENIN.“180 So sieht Brotier im Unterschied zu Brumoy das Vorhandensein obszöner Wendungen auch nicht mehr als ein grundsätzliches Übersetzungshindernis an, sondern vielmehr als eine Herausforderung für den Übersetzer, dessen Aufgabe es allerdings sei – hier hält er es ausdrücklich mit Boivin –, die anstößigen Stellen im Sinne des Dichters abzuändern oder zu streichen: J’ajouterai enfin que ‚les mots licentieux qu’Aristophane prodigue à la populace pour en tirer des risées coupables‘ [Zitat Brumoy181], sont un nouveau motif de le traduire : car ‚en cela, observe M. Boivin, les traductions peuvent avoir un grand avantage sur l’original, soit en retranchant ces endroits, soit en les réformant‘ [Zitat Boivin182].183

Eine an diesem Grundsatz orientierte Gesamtübersetzung dürfe deshalb mittlerweile allgemein als eine nützliche Unternehmung aufgefasst werden, da man von ihr keine gravierenden Verletzungen des guten Geschmacks zu befürchten habe. Vielmehr befreie sie den lehrreichen Gehalt (l’instruction) der Komödien endlich von allem anstößigen Ballast, der sich lediglich den Zugeständnissen des Dichters an die verrohten Sitten seiner Zeitgenossen verdanke.184

|| thek wiederentdeckt hatte: „Cette nouvelle édition du THÉATRE DES GRECS doit beaucoup à ce sçavant littérateur qui, par sa disposition toujours active à se prêter aux recherches des gens de lettres, donne un nouveau prix au riche dépôt qui lui est confié.“ Diese Noten, die Brumoy seinerzeit noch unbekannt gewesen seien, habe, so Brotier, bereits Brunck in seinem AristophanesKommentar häufig zitiert; vgl. [Brotier], Développement (1787), 239 f. u. 239 Anm. 1. 179 Vgl. [Brotier], Développement (1787), 239. Brunck hatte Aristophanes in seiner Vorrede als totius antiquitatis scriptor ingeniosissimus und tersi sermonis Attici exemplar perfectissimus gerühmt; vgl. Brunck (Ed.), Bd. 1 (1783), [I]. 180 [Brotier], Développement (1787), 273. Zur Giftmetaphorik im Zusammenhang mit Aristophanes vgl. auch u. 2.3.4 Anm. 205 sowie 2.3.4.2 u. ebd. Anm. 247. 181 Vgl. o. 2.3.3.3 u. ebd. Anm. 172. 182 Vgl. o. 2.3.3.2 u. ebd. Anm. 161. 183 [Brotier], Développement (1787), 241. Der (anonyme) deutsche Rezensent der Allgemeinen Literatur-Zeitung merkt unmittelbar hierzu allerdings an: „Freylich wohl, wenn hier die Gränzlinie nicht so schwer zu zeichnen wäre, und gewissermaßen der Charakter der Stücke dadurch verändert würde.“ Anonymus 1789, [Rez. zu] Theatre des Grecs, par le P. Brumoy. Nouvelle edition (1789), 515. 184 Vgl. [Brotier], Développement (1787), 273 f.: „D’après cela, je crois que la traduction complette des pieces d’Aristophane, ne peut manquer d’être acueillie comme une entreprise utile, sans craindre qu’elle porte une atteinte funeste (‚verderbliche Verletzung‘) au goût : l’instruction qu’on y

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In der konkreten Umsetzung des von Boivin übernommenen Übersetzungsprinzips arbeitet Brotier u. a. mit Punktmarkierungen, die die nicht übersetzten ‚Stellen‘ anzeigen, häufig aber auch mit ungekennzeichneten Umformulierungen185. Teilweise wird das Ausgelassene oder Abgeänderte in einer Fußnote durch italienische oder lateinische Übersetzungszitate nachgeliefert, wie z. B. in den folgenden Passagen der Lysistrate (Bd. 12 [1788]): Κινησίας

ἐγὼ δ’ἑτέρους ἐνθένδε τῇ βουλῇ φράσω πρέσβεις ἑλέσθαι τὸ πέος ἐπιδείξας τοδί. (Lys. 1011 f.)186

Le Magistrat187: [...] je vais engager le sénat à en envoyer d’ici, en leur montrant dans quel état je suis 1. (p. 560) [ebd. Anm. 1: Mostrandoli questo membro.]188 Χογε.

αἳ τἄλλα θ’ ὑβρίκασι κἀκ τῶν καλπίδων ἔλουσαν ἡμᾶς, ὥστε θαἰματίδια σείειν πάρεστιν ὥσπερ ἐνεουρηκότας (Lys. 400 ff.)189

Chœur de vieillards: Non seulement elles nous ont accablés d’injures, mais elles nous ont inondés avec l’eau de leurs urnes, au point qu’il nous faut secouer nos vêtemens, comme si nous nous étions mis dans l’eau 1. (p. 514) [ebd. Anm. 1: Come se ne fosse stato pissato adosso.]190 Κινησίας

[...] ἡ δὲ φέροιτ’ αὖ πάλιν εἰς τὴν γῆν, κᾆτ’ ἐξαίφνης περὶ τὴν ψωλὴν περιβαίῃ. (Lys. 977 ff.)

|| puisera (‚schöpfen‘) sera dégagée (‚freigemacht‘) de tous ces traits de la méchanceté, fruits de la corruption & de la licence, effacés & dégradés (‚verwischt und abgeschwächt‘) par le temps.“ 185 Vgl. [Brotier] (Ü), Théatre des Grecs, par le P. Brumoy. Nouvelle Èdition, Bd. 12 (1788): [Λυ. ἀφεκτέα τοίνυν ἐστὶν ἡμῖν τοῦ πέους. (Lys. 124)] Lys. Il faut donc nous priver de tout ce qu’ils voudroient nous donner...... (S. 494) [Λα. [...] χαλεπὰ μὲν ναὶ τὼ σιὼ / γυναῖκάς ἐσθ’ ὑπνῶν ἄνευ ψωλᾶς μόνας. (Lys. 142 f.)] La. Il est difficile en vérité, pour des femmes, de se livrer toutes seules au sommeil. (S. 495) 186 Zur Stelle s. auch u. 3.3.2.2.3. 187 Wilson (Ed.) (2007) II ordnet diese Partie dem Kinesias zu, andere Herausgeber einem namenlosen athenischen Prytanen. 188 Brotier zitiert hier die bereits 1545 in Venedig erschienene italienische Gesamtübersetzung von Bartolomeo & Pietro Rositini de Prat’Alboino, ebd. S. 299 f. (s. auch o. 2.3.2 u. ebd. Anm. 83). 189 Zur Stelle s. u. 3.3.1.2.3. 190 Vgl. o. 2.3.3.4 Anm. 188, ebd. S. 288.

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Chœur de vieillards191: [...] que son propre poids la précipite à terre, & qu’elle tombe sur son mari 3. (p. 557) [ebd. Anm. 3: Deinde in mentulam incidat & insigatur.]192

Bisweilen wird in den Fußnoten auch aus Bruncks gänzlich unverschleiertem lateinischen Kommentar zitiert, um bestimmte obszöne Anspielungen zu erläutern: Κινησίας

οἴμοι τί πάθω; τίνα βινήσω, τῆς καλλίστης πασῶν ψευσθείς; πῶς ταυτηνὶ παιδοτροφήσω; ποῦ Κυναλώπηξ; μίσθωσόν μοί τινα τίτθην. (Lys. 954 ff.)193

Cinésias:

[...] Ah dieux! Que ferai-je? A qui m’adressserai-je, n’ayant plus l’espoir de jouir de la plus belle? Comment éleverai-je celle-ci? Où est ce cynalopex? Cherche-moi une nourice (p. 556)

[ebd. Anm. 2: Coriaceum penem erectum manu tenens & ostendens Cinesias, tanquam si puellula esset partu recenti edita, quaerit : QUOMODO ISTAM EDUCABO? UBI CYNALOPEX? LOCA MIHI MERCEDE NUTRICEM. Intelligebant ex alumni visu spectatores, & ex notissimo lenonis cognomine, (Philostratus cujus meminit Comicus, Equit. 1069.) quanam nutrice opus esset. (M. Brunck.)]

An Brotiers Vorgehen zeigt sich deutlich, wie stark noch im 18. Jahrhundert zwischen dem Lateinischen – als einer gewissermaßen neutralen, gegen Verunreinigungen immunen und nur Wenigen zugänglichen Gelehrtensprache – und der eigenen Muttersprache unterschieden wurde, die nach allgemeiner Auffassung eine wörtliche Übersetzung des Obszönen nicht zuließ, ohne Schaden zu nehmen.194 2.3.3.5 Louis Poinsinet de Sivry (1784): „La licence obscène des détails des scènes suivantes ne nous permettant point de les traduire en français [...]“ Auf lateinische oder sonstige fremdsprachliche Erläuterungen der anstößigen Stellen verzichtet zwar die im Jahr 1784 – also bereits drei Jahre vor den AristophanesBänden des neuen Brumoy – erschienene Gesamtübersetzung von Louis Poinsinet de Sivry.195 Doch werden die Obszönitäten hier keineswegs freimütiger ins Französi-

|| 191 Auch hier ist die Zuordnung der einzelnen Sprechpartien zu den beteiligten Akteuren nicht eindeutig. Vgl. o. 2.3.3.4 Anm. 187. 192 So auch bei Brunck (Ed.), Bd. 1 (1783). 193 Zu Stelle s. u. 3.3.3.1.3. 194 Zu der emotional bedingten Differenzierung zwischen dem Lateinischen und den Volkssprachen bei der Wiedergabe obszöner Termini und Inhalte seit dem Humanismus s. auch o. 2.1 u. ebd. Anm. 14. 195 Louis Poinsinet de Sivry (1733–1844) war ein französischer Literat, der u. a. die Ursachen des Lachens erforschte und auch selbst französische Theaterstücke, insbesondere Komödien, verfasste.

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sche übertragen.196 Anders als bei Brotier bleiben in einigen Komödien sogar ganze ‚Akte‘ bzw. längere Teilstücke aufgrund ihrer vermeintlichen Anstößigkeit unübersetzt und werden dem Leser lediglich in Form kurzer Resümees dargeboten.197 Dieses Vorgehen erläutert Poinsinet jeweils in einer ‚note du traducteur‘, in der das Überspringen derartiger Stellen sehr deutlich mit deren Obszönität entschuldigt wird. So heißt es etwa in Bezug auf die Kinesias-Szene in der Lysistrate: „La licence obscène des détails des scènes suivantes ne nous permettant point de les traduire en français, nous nous contentons d’en donner une notice.“198 Auf die erheblichen Übersetzungslücken in Poinsinets Théatre d’Aristophane spielt möglicherweise auch || 1758 erschienen seine Versübersetzungen frühgriechischer Lyrik (u. a. Anakreon, Sappho, Moschos, Bion und Tyrtaios); der dritten Auflage dieser Anthologie (unter dem Titel Les Muses grecques) von 1771 war bereits eine Versübertragung des Aristophanischen Plutos vorangestellt. Seine vierbändige Aristophanes-Gesamtübersetzung von 1784, die auch Fragmente Menanders und eine Abhandlung zu Philemon enthält, erschien unter dem Titel Théatre d’Aristophane, traduit en français, partie en vers, partie en prose, avec les fragmens de Ménandre et de Philémon, par M. Poinisnet de Sivry. Eine ‚Nouvelle Edition‘ kam 1790 heraus. Mit Ausnahme des Plutos, der Wolken und der Vögel, die größtenteils in (wenig geglückten) alexandrinischen Reimstrophen wiedergegeben sind, handelt es sich um Prosaübersetzungen, in denen lediglich einige Chorpassagen in Versen erscheinen; vgl. z. B. die Chöre der Athener und Lakedaimonier am Schluss der Lysistrate (Bd. 2 [1790], 414 ff.). Die Übersetzung enthält französische Fußnotenkommentare, die sich i. d. R. auf erklärungsbedürftige Namen, Termini und Ereignisse beschränken. Die (übersprungenen oder geglätteten) obszönen Passagen werden in den Anmerkungen nicht weiter erläutert. 196 Vgl. Poinsinet (Ü), Théatre d’Aristophane (1790), Bd. 2: Λυ. ἀφεκτέα τοίνυν ἐστὶν ἡμῖν τοῦ πέους. (Lys. 124) Lys. Eh! bien, Mesdames, c’est l’office conjugal qu’il s’agit de suspendre .... (S. 340) Λα. La.

[...] χαλεπὰ μὲν ναὶ τὼ σιὼ / γυναῖκάς ἐσθ’ ὑπνῶν ἄνευ ψωλᾶς μόνας. (Lys. 142 f.) [...] il est bien dur à des femmes de notre âge de se soumettre à une telle privation, au prix de laquelle toutes les autres ne sont rien.... (S. 342)

Zum Vergleich s. o. 2.3.3.4 Anm. 185. 197 So fehlen beispielsweise in der Lysistrate die Verführungsszene zwischen Myrrhine und Kinesias (Lys. 870 ff.) sowie die Partie der Friedensverhandlungen zwischen Athenern und Spartanern mit ihren sexuell aufgeladenen Anspielungen auf die geographische Lage der jeweils beanspruchten Gebiete (Lys. 1162 ff.); in den Wespen wird auf die Wiedergabe der beiden letzten ‚Akte‘ mit den zügellosen Ausschweifungen des betrunkenen Philokleon verzichtet (Vesp. 1122 ff.); und auch in den Thesmophoriazusen werden die letzten zwei ‚Akte‘ mit den deftigen Schmähreden der Kritylla (Thesm. 846 ff.) sowie der Verführung des skythischen Wächters durch eine spärlich bekleidete Tänzerin (Thesm. 1001) nur in Form einer knappen Paraphrase vorgestellt. Stillschweigend übergangen werden in der Lysistrate darüber hinaus die Dialogszenen zwischen den unter Dauererektionen leidenden Spartanern und ihren athenischen Leidensgenossen (Lys. 980 ff. u. 1072 ff.). 198 Poinsinet (Ü), Théatre d’Aristophane (1790), Bd. 2, 413. Vgl. auch Poinsinet (Ü), Théatre d’Aristophane (1790), Bd. 3, 203 (zu den Wespen) u. ebd. 275 (zu den Thesmophoriazusen): „l’indécence effrénée de la majeure partie des détails du quatrième & du cinquième Acte, ne nous permettant point de les traduire, nous nous contenterons d’en donner une idée.“ Dieses Obszönitäten aussparende Übersetzungsverfahren bei eindeutiger Kommentierung kritisiert im 19. Jahrhundert der Aristophanes-Übersetzer Ludwig Seeger als scheinheilig; s. u. 3.3.2.2.1 u. ebd. Anm. 473.

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Brotier, der Aristophanes-Übersetzer des Brumoy-Unternehmens, an, wenn er die Arbeit seines Vorgängers als einen ‚mißlungenen Versuch‘ (mauvais essai) bezeichnet, dem nur insofern eine positive Wirkung zuzuschreiben sei, als er die Neugier des Publikums geweckt, die Kritiker auf den Plan gerufen und den Ehrgeiz von Übersetzern und Interpreten zur vollständigen Entdeckung der noch unbekannten Schönheiten des Dichters geweckt habe.199 Während man im Frankreich des ausgehenden 18. Jahrhunderts nunmehr über zwei (nahezu) vollständige Aristophanes-Übertragungen verfügte, in Italien ja bereits seit dem 16. Jh. (s. o. 2.3.2 u. ebd. Anm. 83), sollten noch mehr als 30 Jahre vergehen, bis im Jahr 1821 durch den berühmten Homer-Übersetzer Johann Heinrich Voß auch in Deutschland die erste Gesamtübersetzung des Aristophanes vorgelegt wurde.200

2.3.4 Deutsche Aristophanes-Übersetzungen zur Zeit der Aufklärung (1744–1772) Nach Fröreisens Wolken-Übersetzung von 1613 waren die deutschen Übersetzungsbemühungen um die Komödien des Aristophanes für über 100 Jahre vollständig zum Erliegen gekommen.201 Auch als Schulautor war Aristophanes in jener Zeit kaum noch präsent. Lediglich der Plutos und die Wolken wurden – als die unanstößigsten Stücke – bisweilen im Unterricht gelesen.202 Beide Komödien markieren, wie sich im Folgenden zeigen wird, auch den Beginn der in den 1740er Jahren sehr zögerlich (wieder) einsetzenden Tradition deutscher Aristophanes-Übersetzungen.203

|| 199 Vgl. [Brotier], Développement (1787), 274 f.: „On doit donc sçavoir gré à M. Poinsinet de Sivry d’avoir tenté le premier une traduction françoise du théatre complet d’Aristophane, puisque, si la comédie peut être utile, c’est constamment celle de ce poëte des graces. Un mauvais essai en ce genre a même toujours un avantage incontestable: il excite la curiosité, arme la critique, & procure l’ardeur & les lumieres nécessaires pour découvrir les beautés qui nous sont cachées dans un pays inconnu.“ 200 Die erste englische Gesamtübersetzung erschien erst 1837; s. auch o. 2.3.2 Anm. 77. 201 Vgl. J. Werner (1965), 59. 202 Vgl. hierzu Holtermann (2004), 306 f. 203 Plutos: Mylius (1744), Goldhagen (1767); Wolken: Goldhagen (1768), Herwig (1772), Schütz (1784), Wieland (1798). Im Laufe der Zeit kamen einige andere Komödien hinzu: Vögel: Herwig (1779), Goethe (1780), Wieland (1805); Frieden: Goldhagen (1767); Frösche: Schlosser (1783); Acharner: Wieland (1794); Ritter: Wieland (1798). Weiteres hierzu im Folgenden. Eine von Holtermann (2004), 58 angekündigte umfassende Darstellung der deutschen Aristophanes-Rezeption im 18. Jahrhundert, war bis zum Abschluss der vorliegenden Arbeit noch nicht erschienen. Vgl. daher hierzu vorerst noch Fritz Hilsenbecks Darstellung Aristophanes und die deutsche Literatur des 18. Jahrhunderts, von der 1908 zunächst ein ‚Teildruck‘ als Dissertation publiziert wurde und deren vollständige Fassung im gleichen Jahr als Heft 34 der Berliner Beiträge zur germanischen und romanischen Philologie erschien. Zitiert wird hier stets nach der vollständigen Version.

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Die Vertreter der deutschen Aufklärung standen in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts noch ganz im Banne der französischen Klassik und hatten auch die von Plutarch beeinflusste Negativbeurteilung des Aristophanes von ihren französischen Vorbildern übernommen.204 Abgesehen von den persönlichen Vorbehalten der Aufklärer gegen den Dichter, dem sie eine Mitschuld am Tod des verehrten Denkers Sokrates anlasteten,205 stießen auch seine Komödien bei ihnen auf wenig Resonanz, da sie sich nicht mit ihren Idealvorstellungen von einer normstiftenden und in hohem Maße regelkonformen antiken Literatur206 in Einklang bringen ließen und somit auch den strengen Anforderungen der mittlerweile durch Gottsched und andere auch in Deutschland etablierten normativen Regelpoetik nicht genügten.207 Vielmehr sollte stets die moralische Belehrung des Lesers im Vordergrund stehen.208 Von den beiden Horaz’schen Forderungen (Ars Poetica 333 f.), auf die man sich hierbei berief, wurde dementsprechend der Aspekt des prodesse höher gewichtet als derjenige des delectare. Dies galt auch für die Gattung Komödie, deren Zweck es – nach Gottsched – gerade nicht sein sollte, „einzelne Personen zu spotten, oder

|| 204 Vgl. J. Werner (1965), 59: „Der Aristophanes-Verdeutschung ist abträglich, daß die ja auch in Deutschland sehr einflußreiche französische Ästhetik bis ins 18. Jahrhundert hinein von Plutarchs Verdikt geprägt ist.“ 205 Die von dem römischen Sophisten und Buntschriftsteller Ailian (2. Jh. n. Chr.), var. hist. II 13 kolportierte Anschuldigung, Aristophanes habe die Wolken im Auftrag der Gegner und späteren Ankläger des Sokrates verfasst, war seit der Renaissance von vielen Aristophanes-Interpreten aufgegriffen und verbreitet worden. Im Kontext der Aufklärung gewann die sogenannte Sokratesproblematik allerdings noch an Bedeutung, da der athenische Philosoph von den wichtigsten Vertretern der Aufklärung geradezu als der Urtypus des kritisch-rationalen Denkers verehrt wurde. Den Höhepunkt der Aristophanes-Anfeindungen markiert das vernichtende Urteil, das Voltaire 1764 in seinem Dictionnaire philosophique unter dem Lemma ‚Athée, Athéisme‘ über den attischen Komiker fällt: „Ce poëte comique, qui n’est ni comique ni poëte, n’aurait pas été admis parmi nous à donner des farces à la foire St. Laurent; il me paraît beaucoup plus bas & plus méprisable que Plutarque ne le dépeint. [...]. C’est donc là, pour le dire en passant, le Tabarin que Mme Dacier, admiratrice de Socrate, ose admirer : Voilà l’homme qui prépara de loin le poison, dont des juges infames firent périr l’homme le plus vertueux de la Grèce. [...] Un peuple entier, dont le mauvais gouvernement autorisait de si infames licences, méritait bien ce qui lui est arivé [sic], de devenir l’esclave des Romains, & de l’être aujourd’hui des Turcs.“ (ebd. S. 34 f.) 206 Als vorbildhaft sowohl im Hinblick auf die Dichtungspraxis als auch auf die Theorie galten vor allem Homer, Horaz und Vergil; vgl. Apel (1982), 40. 207 Johann Christoph Gottsched (1700–1766) setzte sich in seinen literaturkritischen Schriften für eine Reform der deutschen Literatur ein. 1730 erschien seine Abhandlung Versuch einer critischen Dichtkunst vor die Deutschen, in der er für die Einführung einer auf die Lehren des Aristoteles und des Horaz gestützten Regelpoetik auch in Deutschland plädierte. 1741–1745 folgten die insgesamt sechs Bände seiner Deutschen Schaubühne nach den Regeln und Exempeln der Alten. Nach französischem Vorbild sollte die Qualität deutschsprachiger Dramen von nun an insbesondere daran gemessen werden, inwieweit jene den Konventionen des Regelkanons (s. o. 2.3.3 Anm. 124) entsprachen (vgl. Gottsched, Versuch [...] [41751], 222, 647 ff.). 208 Vgl. Gottsched, Versuch [...] [41751], 167.

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schlechthin ein Gelächter zu erwecken; sondern allgemeine Thorheiten lächerlich zu machen.“209 Dass die Dichter der Alten Komödie sich diese Auffassung noch nicht zu eigen gemacht hatten, zeigt sich für Gottsched u. a. in ihrem respektlosen Umgang mit höhergestellten Persönlichkeiten, den er – in Anlehnung an Fénélon – am Beispiel von Aristoph. Ach. 80 ff. festmacht: In Griechenland machte sich zwar Aristophanes nichts daraus, den Xerxes mit einer Armee von 40000 Mann auf einen ganz güldenen Berg marschieren, und ihn also in einer königlichen Pracht seine Nothdurft verrichten zu lassen. Allein, das war ein republikanischer Kopf, der wohl wußte, daß die Griechen am liebsten über die Könige lachten: zu geschweigen, daß er auch die Thorheit des Xerxes auf eine unnatürliche Weise vergrößert hat.210

Gottsched – ganz im absolutistischen Wertesystem des 18. Jahrhundert verhaftet – erkennt in diesem „republikanischen“ Ausfall gegenüber der königlichen Autorität einen eindeutigen Verstoß gegen die Regeln des Anstands: „[N]icht, als wenn die Großen dieser Welt keine Thorheiten zu begehen pflegten, die lächerlich wären; nein, sondern weil es wider die Ehrerbiethung läuft, die man ihnen schuldig ist, sie als auslachenswürdig vorzustellen.“211 2.3.4.1 Christlob Mylius (1744): „Diese [Obszönitäten] sind allerdings in einem guten Lustspiele zu verwerfen und einem heutigen Dichter würden wir sie auf keine Weise verzeihen.“ Zu den wenigen Verteidigern des Aristophanes gehörte seinerzeit der GottschedSchüler Christlob Mylius.212 Er ließ im Jahr 1744 erstmals eine deutsche Teilüberset-

|| 209 Vgl. Gottsched, Versuch [...] [41751], 640, 653. 210 Gottsched, Versuch [...] [41751], 647. 211 Gottsched, Versuch [...] [41751], 647. Gottsched hatte Fénélons Lettre sur l’éloquence, in der auf die hier angeführte Aristophanes-Passage Bezug genommen wird (s. o. 2.3.3 u. ebd. Anm. 134), zuvor bereits für seine Deutsche Schaubühne ins Deutsche übersetzt; vgl. Gottsched, Fenelons Gedanken [...] (21746), 42. Zum Problem der Obszönität äußert sich Gottsched, wenn er in Bezug auf die komödiantischen Bereiche der „Liebe“ und der „Lustigkeit“ und unter Berufung auf Boileau von den Komödiendichtern fordert, „daß sie in der ersten, nicht die Gesetze der Schamhaftigkeit und Zucht; in der andern den Wohlstand [hier i. S. v. ‚Wohlanständigkeit‘; d. Verf.] nicht aus den Augen setzen. Das will Boileau: Mais son emploi n’est pas d’aller dans une place, De mots sales & bas charmer la populace. Il faut que ses Acteurs badinent noblement.“ (Vgl. Gottsched, Versuch [...] [41751], 651). 212 Der naturwissenschaftlich interessierte Mylius (1722–1754), ein älterer Vetter Lessings, hatte zunächst in Leipzig ein Medizinstudium begonnen, dieses jedoch nicht zu Ende geführt. Stattdessen wandte er sich der Schriftstellerei zu und wurde u. a. Mitherausgeber der in Halle von 1743 bis 1747 erschienenen Zeitschrift Bemühungen zur Beförderung der Critik und des guten Geschmacks, die als Sprachrohr der Gottsched-Anhänger fungierte. Nachdem sich Mylius schließlich Mitte der 1740er

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zung des Plutos (vv. 1–252) erscheinen,213 die vor allem als Muster und Anregung für deutsche Lustspieldichter – nicht etwa als Textentwurf für eine Bühnenaufführung – dienen sollte. Publiziert wurde der Auszug anonym in den Bemühungen zur Beförderung der Critik und des guten Geschmacks, einer der seinerzeit populären Moralischen Wochen- und Monatsschriften, in denen die Gedanken der Aufklärung ihre Verbreitung fanden.214 Der mit Fußnotenkommentaren versehenen Prosaübersetzung geht eine Abhandlung mit dem Titel Beurtheilung des Plutus des Aristophanes voran, in der Mylius seinen Plan ankündigt, sich künftig ganz im Sinne Gottscheds um die „Verbesserung der deutschen Schaubühne“ bemühen zu wollen und zu diesem Zweck „nach und nach die wahren Schätze der alten theatralischen Dichter aus dem Staube hervorzuziehen“.215 Bemerkenswerterweise soll hierbei der Plutos des von Gottsched ja stark kritisierten Aristophanes den Anfang machen.216 Mylius selbst hingegen rühmt Aristophanes als den „beste[n] Lustspieldichter in dem mittlern Alter der griechischen Lustspiele“. Seine Komödien seien „voll gesalznen Spottes, artiger Einfälle und nachdrücklicher Sittenlehren“.217 Gleichwohl mag auch Mylius Aristophanes nicht „von allen Fehlern“218 freisprechen219 und arbeitet im Folgenden ausführlich die bereits aus der französischen Dramentheorie bekannten Kritikpunkte ab – etwa die Frage nach der Regelhaftigkeit der AristophanesKomödien in Bezug auf die ‚drei Einheiten‘ und die ‚Wahrscheinlichkeit‘ von Handlung und Charakteren.220 Obgleich er hier insgesamt nur wenig zu beanstanden hat, stört Mylius sich letztlich doch an den (vergleichsweise wenigen) „unflätigen Stel-

|| Jahre von Gottsched abgewandt hatte, begründete er mehrere gelehrte Journale, publizierte zahlreiche belletristische Aufsätze und verfasste eigene Gedichte und Libretti sowie Komödien nach dem Vorbild Molières und Holbergs. Zu Mylius’ Biographie s. Consentius (1906) und Jäger (1997). 213 [Mylius] (Ü), Der erste Aufzug des Plutus (1744); vgl. hierzu J. Werner (1965), 60–65. 214 Die zahlreichen, zumeist nur auf einen kurzen Erscheinungsverlauf angelegten moralischen Periodika richteten sich vor allem an das gebildete Bürgertum und thematisierten unter rationalistischen Gesichtspunkten Fragen des bürgerlichen Alltags, des religiösen und gesellschaftlichen Lebens, der Sprachpflege und der schönen Literatur. Vgl. hierzu Martens (1971) und Brandes (1999). 215 Vgl. [Mylius], Beurtheilung des Plutus des Aristophanes (1744), 421. 216 Ausgewählt wurde der Plutos vor allem, „da er das letzte Lustspiel des Aristophanes ist, welches wir haben, doch vermuthlich eines von dem besten seyn muß“; vgl. [Mylius], Beurtheilung des Plutus des Aristophanes (1744), 422. Als Moral der Komödie lasse sich, so Mylius, die Erkenntnis ableiten, „wie unrechtmäßiger Weise die Bösen und Ungerechten den Reichthum besitzen, und wie billig es hingegen sey, daß nur die redlichen Leute reich wären.“ Vgl. [Mylius], Beurtheilung des Plutus des Aristophanes (1744), 426. 217 Vgl. [Mylius], Beurtheilung des Plutus des Aristophanes (1744), 420. 218 Vgl. [Mylius], Beurtheilung des Plutus des Aristophanes (1744), 420. 219 „Er [sc. Aristophanes] ist öfters unflätig, zuweilen auch unwahrscheinlich in seinen Lustspielen. Allein eben darum gehören sie noch nicht unter diejenigen, welche ihre größte Vollkommenheit erreichet haben, und deren Einführung von dem Aristoteles glücklich vorher verkündiget worden.“ Vgl. [Mylius], Beurtheilung des Plutus des Aristophanes (1744), 420; vgl. auch ebd. 439. 220 Vgl. [Mylius], Beurtheilung des Plutus des Aristophanes (1744), 431–440.

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len“221 des Plutos, die für ihn einen deutlichen Verstoß gegen die moderne Bühnennorm markieren: „Diese [sc. die Obszönitäten] sind allerdings in einem guten Lustspiele zu verwerfen, und einem heutigen Dichter würden wir sie auf keine Weise verzeihen.“222 Zur Verteidigung des Aristophanes und seiner athenischen Zuschauer verweist Mylius allerdings – über eine rein literaturkritische Argumentation hinausgehend – auf den zivilisationsgeschichtlich bedingten Sittenwandel. So sei eine ausgeprägte Verfeinerung des Geschmacks in den frühen Entwicklungsstadien aufstrebender Kulturen kaum zu erwarten: Die Ohren seiner [sc. des Aristophanes] Landsleute waren damals noch nicht so zärtlich, daß man dergleichen Reden für etwas unanständiges gehalten hätte: sonst würde sie Aristophanes gewiß vermieden haben. Verzeihen wir doch auch unsern Vorfahren, welche nur noch vor 200 Jahren gelebt haben, solche Ausdrückungen, welche man zu unsern Zeiten für höchstverwerflich und abgeschmackt halten würde.223

Ebenso wie Frischlin betrachtet Mylius Aristophanes als einen Wegbereiter der Neuen Komödie,224 der, nachdem er seiner „natürlichen Rachgier gegen seine Feinde“ anfangs gern nachgegeben habe, in seinen späteren Komödien mit der Einführung „allegorischer Personen, Reden und Handlungen“ wesentlich zur Umgestaltung und „Verbesserung“ der Gattung beigetragen habe.225 Was Mylius’ übersetzerischen Umgang mit den Obszönitäten betrifft, so sei hier eine der in seiner Beurtheilung erwähnten „unflätigen Stellen“ im ersten Aufzug des Plutos226 exemplarisch vorgestellt. Es handelt sich um eine Passage, in der der Athener Chremylos und dessen Sklave Karion sich bei Plutos darüber beklagen, dass – wie in allen Bereichen des Lebens – auch in der Liebe allein dem reichen Mann Erfolg beschieden sei: Χρ.

καὶ τάς γ’ ἑταίρας φασὶ τὰς Κορινθίας, ὅταν μὲν αὐτάς τις πένης πειρῶν τύχῃ, οὐδὲ προσέχειν τὸν νοῦν, ἐὰν δὲ πλούσιος,

|| 221 Vgl. [Mylius], Beurtheilung des Plutus des Aristophanes (1744), 440. 222 [Mylius], Beurtheilung des Plutus des Aristophanes (1744), 440 f. 223 [Mylius], Beurtheilung des Plutus des Aristophanes (1744), 441. Als Beispiel führt Mylius eine Äußerung Martin Luthers an; vgl. ebd. 441. 224 Vgl. auch o. 2.3.2.1 u. ebd. Anm. 93. 225 Vgl. [Mylius], Beurtheilung des Plutus des Aristophanes (1744), 449: „Gleichwie alles, was die Künste und Wissenschaften vollkommen macht, nur nach und nach erfunden worden: also war es dem Aristophanes auch nicht zuzumuthen, daß er die noch ziemlich ungebaute Gestalt der Lustspiele auf einmal mit ihren möglichen Vollkommenheiten ausschmücken sollte. Genug, er gerieth auf eine Verbesserung derselben, welche zwar noch einer neuen Verbesserung bedurfte, doch aber das Lustspiel viel erträglicher, angenehmer und erbauender machte. Und dieses war die Art, allegorische Personen, Reden und Handlungen zu machen.“ 226 Vgl. ferner [Mylius] (Ü), Der erste Aufzug des Plutus (1744), 468 u. 477 f.

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Κα.

τὸν πρωκτὸν αὐτὰς εὐθὺς ὡς τοῦτον τρέπειν. καὶ τούς γε παῖδάς φασι ταὐτὸ τοῦτο δρᾶν, οὐ τῶν ἐραστῶν, ἀλλὰ τἀργυρίου χάριν. (Plut. 149 ff.)

Chremylos’ obszöne Behauptung, die Korintherinnen würden einem reichen Mann ‚sogleich ihren Hintern zuwenden‘, um ihre Bereitschaft zur sexuellen Hingabe zu signalisieren, während sie einen armen Mann stets ignorierten, umgeht Mylius durch eine weitläufige Umschreibung: Chremylus.

Cario.

Man sagt, daß die korinthischen Mägdgen, wenn sich ein Armer um ihre Liebe bewirbt, keine Ohren haben: wenn aber ein Reicher kömmt, sich sogleich in seine Gewalt ergeben. (15) Ja, man sagt, daß dergleichen auch die Knaben, nicht aus Liebe, sondern um des Geldes willen, thun. (Mylius, Plutus, S. 464 f.)

Die übersetzerische Verschleierungstaktik wird jedoch sogleich durch eine Fußnote konterkariert, in der der originale Wortlaut nachgeliefert und mit einer detaillierten Interpretationsanleitung versehen wird: (15): „Wir haben diese Stelle mit Fleiß im Deutschen nicht völlig so geben wollen, wie es der Grundtext erfodert, welcher also heist: τὸν προκτὸν αὐτὰς ἐυθὺς ὡς τοῦτον τρέπειν. Προκτὸς bedeutet hier ohne Zweifel nichts anders, als den Gegenstand der venerischen Wollust überhaupt, und ins besondre, wie auch Girard, anmerket, τὰ αἰδοῖα. In der folgenden Rede des Cario ist es ebenfalls in dem erstern allgemeinen Verstande genommen, da es heist: καὶ τούς γε παῖδας Φασὶ ταυτό τοῦτο δρᾶν, scil. τὸν προκτὸν πρός τοῦτον τρέπειν. Ob es gleich vielleicht hier auch zugleich im eigentlichen Verstande genommen werden kan.“ (Mylius, Plutus, S. 464)

Während Mylius hier in Bezug auf die ‚heteronormative‘ Variante (vv. 149–152) das Wort πρωκτός – den Sittlichkeitsanschauungen seiner Zeit gehorchend – stark verallgemeinernd als „Gegenstand der venerischen Wollust“ verstanden wissen will, der auch die weiblichen Genitalien (τὰ αἰδοῖα) umfasst, lässt er zumindest im Hinblick auf die homoerotische Spielart (v. 153) die Möglichkeit des wörtlichen Verständnisses offen. Allein die Tatsache, dass Mylius sich um eine derart ausführliche Kommentierung der anstößigen Originalpassage bemüht, was angesichts der bereits vorgenommenen übersetzerischen Abmilderung auch hätte unterbleiben können, ist bemerkenswert und zeugt von einem gewissen Bedürfnis, den Originalwortlaut wenigstens mittelbar in der Übersetzung präsent zu halten. Nach dem Erscheinen dieses kurzen Auszugs aus dem Plutos sollten noch einmal mehr als 20 Jahre vergehen, bis sich Ende der 1760er Jahre zwei weitere deutsche Übersetzer, Christian August Clodius und Johann Eustachius Goldhagen, der Komödien des Aristophanes annahmen. Mittlerweile war der von Gottsched und seinen Anhängern propagierte strenge poetologische Regelkatalog von einer stärker subjektiv ausgerichteten Dichtungsauffassung abgelöst worden, in der sich bereits die Genieästhetik der Sturm- und Drangzeit ankündigte. Vor allem die beiden Schweizer

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Literaturwissenschaftler Johann Jakob Bodmer und Johann Jakob Breitinger sowie der deutsche Dichter Friedrich Gottlieb Klopstock wandten sich entschieden gegen die Gottschedsche Doktrin und billigten Empfindsamkeit und sinnlicher Erkenntnis einen höheren Rang zu als dem reinen Verstandesurteil.227 Nicht mehr das Befolgen strikter Vorgaben und das Streben nach möglichst wirklichkeitsgetreuer Nachahmung, sondern vor allem schöpferische Phantasie und die Fähigkeit, selbst neue Welten zu erschaffen, galten nunmehr als die bevorzugten Qualitäten des idealen Dichters. Etwa zeitgleich gewann unter dem Einfluss Lessings ein weiterer Schriftstellertypus an Bedeutung, der überkommene politische, religiöse oder literaturtheoretische Normen und Positionen kritisch hinterfragte und Freude an der polemischen Auseinandersetzung zeigte.228 Zu diesem neuen Dichterideal schien Aristophanes mit seinen phantastischskurrilen Handlungen auf der einen und seiner bissigen Gesellschaftskritik auf der anderen Seite gut zu passen, so dass seine Komödien allmählich auch in Deutschland an Akzeptanz gewannen. In seiner Hamburgischen Dramaturgie spricht Lessing Aristophanes nicht nur vom Vorwurf des Sokrates-Verrats (s. o. 2.3.4 Anm. 205) frei,229 sondern weist explizit auch auf das schöpferisch-poetische Moment der Aristophanischen Komödie hin: Das Argument, die Fabel der alten griechischen Komödie war eben sowohl erdichtet, als es die Argumente und Fabeln der neuen nur immer seyn konnten. Kein einziges von den übrig gebliebenen Stücken des Aristophanes stellt eine Begebenheit vor, die wirklich geschehen wäre; und wie kann man sagen, daß sie der Dichter deswegen nicht erfunden, weil sie zum Theil auf wirkliche Begebenheiten anspielt.230

|| 227 Bodmer (1698–1783), der 1732 mit einer Übersetzung von Miltons Paradise Lost hervorgetreten war, legte seine gegen Gottsched gerichteten literaturtheoretischen Grundsätze 1740 in der Critischen Abhandlung von dem Wunderbaren in der Poesie dar. Breitinger (1701–1776) veröffentlichte – ebenfalls im Jahr 1740 – sein Hauptwerk Critische Dichtkunst. Klopstock (1724–1783), der Verfasser des Messias (s. auch u. 2.3.5), stand mit den Schweizern in freundschaftlichem Kontakt und gilt als wichtigster Vertreter der deutschen Empfindsamkeit. 228 Gotthold Ephraim Lessing (1729–1781) trug mit seinen eigenen Theaterstücken ebenso wie mit seinen dramentheoretischen Abhandlungen, insbesondere der Hamburgischen Dramaturgie (1767– 1769), wesentlich zur Entwicklung des neuen bürgerlichen Theaters in Deutschland bei. Darüber hinaus engagierte er sich in seinen oftmals in polemischem Ton verfassten religionsphilosophischen und gesellschaftskritischen Schriften für religiöse Toleranz und die Freiheit des Bürgertums. 229 „Unter dem Namen Sokrates wollte Aristophanes nicht den einzeln [sic] Sokrates, sondern alle Sophisten, die sich mit Erziehung junger Leute bemengten, lächerlich und verdächtig machen. [...] Daher eine Menge Züge, die auf den Sokrates gar nicht paßten [...]. Aber wie sehr verkennt man das Wesen der Komödie, wenn man diese nicht treffende Züge für nichts als mutwillige Verleumdungen erklärt und sie durchaus dafür nicht erkennen will, was sie doch sind, für Erweiterungen des einzelnen Charakters, für Erhebungen des Persönlichen zum Allgemeinen.“ Lessing, Ein und Neunzigstes Stück [1768], 405. Zu Lessings Aristophanes-Auffassung vgl. Korzeniewsky (2003), 173–177. 230 Lessing, Ein und Neunzigstes Stück [1768], 406 Anm. (***).

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Darüber hinaus hebt er Aristophanes’ gesellschaftskritische Intention lobend hervor: Aristophanes wollte sich die Ehre nicht nehmen lassen, daß er es sey, welcher sich zuerst an die Großen des Staats gewagt habe (Ir. v. 750): Ουκ ἰδιωτας ἀνθρωπισκους κωμῳδων, οὐδε γυναικας, / Αλλ’ Ἡρακλεους ὀργην τιν’ ἐχων, τοισι μεγιζοις ἐπιχειρει.231

Erst im letzten Drittel des 18. Jahrhunderts zeigt man sich also in Deutschland dazu bereit, Aristophanes auch einige musterhafte Aspekte zuzuerkennen. 2.3.4.2 Christian August Clodius (1767–1769): „[...] daß sie bemühet seyn sollen, eben diese schlüpfrigen Stellen zum Beweise der Unvollkommenheit heidnischer Tugenden und zum Abscheu des Lasters zu brauchen“ Einen ersten Beleg hierfür liefert Christian August Clodius232, der in seiner mehrbändigen Abhandlung Versuche aus der Literatur und Moral (1767–1769) explizit auf den Vorbildcharakter der Aristophanes-Komödien hinweist: Der Mann von Genie, der mit dem Eifer eines Leßings den Geschmack des National-Theaters ausbilden und das wahre komische [sic], das sich unter dem, unsern [sic] Jahrhundert eignen Hang zum Rührenden, beynahe in allen Nationen zu verlieren scheint, aufrecht erhalten will; entlehnt von ihm [sc. Aristophanes] Erfindung, Neuheit des Plans, komische Sitten, Anlage der Situationen, und den natürlichen und leichten Dialogen.233

Anders als noch bei Mylius spielen vermeintliche Verstöße gegen dramenpoetische Normen für Clodius offenbar keine Rolle mehr. Vielmehr ist es sein erklärtes Hauptanliegen, den „Gelehrten aller Gattungen“ die nachahmenswerten Vorzüge des attischen Komödiendichters vor Augen zu führen234 und auf diesem Weg „das Vorurtheil zu widerlegen, das man gegen den Aristophanes gefaßt zu haben scheint“235.

|| 231 Lessing, Ein und Neunzigstes Stück [1768], 406 Anm. (**). 232 Clodius (1737–1784) hatte nach seinem Studium der Literatur und der Klassischen Altertumskunde verschiedene Professuren für Philosophie, Logik und Dichtkunst in Leipzig inne. Neben seiner literaturhistorischen Abhandlung Versuche aus der Literatur und Moral (1767–1769) verfasste er auch eigene Dramen und Gedichte, deren pompöser Stil von seinem Schüler Goethe in der Ode An den Kuchenbäcker Händel parodiert wird (vgl. hierzu Donat/Birus [1999], 30). Verfasser des ihm von J. Werner (1965), 67 irrtümlich zugeschriebenen Entwurfs einer systematischen Poetik, Leipzig 1804, ist allerdings sein Sohn Christian August Heinrich Clodius, der ebenfalls Philosophieprofessor in Leipzig war. Zu Clodius’ Biographie vgl. Kelchner (1876), Elschenbroich (1957) und [P. Hille (?)] (1969). 233 Clodius, Versuche aus der Literatur und Moral, Drittes Stück (1768), 536. 234 Vgl. Clodius, Versuche aus der Literatur und Moral, Drittes Stück (1768), 534 f. 235 Vgl. Clodius, Versuche aus der Literatur und Moral, Drittes Stück (1768), 534.

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Clodius’ Versuche stellen in gewisser Weise ein deutsches Pendant zur Urfassung des französischen ‚Brumoy‘ dar.236 In einer eröffnenden Abhandlung mit dem Titel Versuch über die Sitten in den Werken der griechischen Dichter nebst einigen Anmerkungen über ihren Geschmack und ihre Erfindung liefert Clodius zunächst kurze allgemeine Erörterungen zu verschiedenen antiken Dichtern wie Orpheus und Musaios, Homer, den frühgriechischen Lyrikern, den drei großen Tragikern sowie abschließend auch zu Aristophanes.237 Die beiden folgenden Bände der Versuche sind dann fast ausschließlich dem Aristophanes gewidmet.238 Sie enthalten, ähnlich wie der 30 Jahre ältere ‚Brumoy‘, Zusammenfassungen sämtlicher Komödien, denen teilweise Übersetzungsproben beigegeben sind.239 Ebenso wie bei Brumoy wird aber auch in Clodius’ Ausführungen der Zwiespalt zwischen erklärter Verteidigungsabsicht und eigenen moralischen Vorbehalten deutlich: Dieser Mann [sc. Aristophanes] hat zwo Seiten, von denen man ihn betrachten kann, das Genie und das Herz. Als ein Genie betrachtet [...] setze ich ihn beynahe dem Homer an die Seite. [...] Von der Seite seines Herzens, der Sitten und des Wohlstandes [hier i. S. v. ‚Wohlanständigkeit‘; d. Verf.] kann man ihn unmöglich anders, als mit einer Art von Unwillen lesen.240

So rügt Clodius einerseits die „schmutzigen Episoden“, die „Nichts zur Haupthandlung“ beitrügen,241 sieht andererseits jedoch „die Unmöglichkeit ein[,] dem schmut-

|| 236 Zu Brumoy s. o. 2.3.3.3. Clodius selbst nennt Brumoy nicht als sein Vorbild, verweist aber im Rahmen seiner Versuche mehrfach, zumeist zustimmend, auf dessen Ausführungen zu bestimmten Fragestellungen; vgl. Clodius, Versuche aus der Literatur und Moral, Erstes Stück (1767), 96, 184, 399, 404 etc. 237 Clodius, Versuch über die Sitten [...] (1767); zu Aristophanes hier S. 126–128. 238 An die Aristophanes-Darstellung des ‚Zweyten Stückes‘ schließt sich ein von Clodius verfasstes deutsches Lustspiel an. Das ‚Erste Stück‘ enthält neben dem Versuch über die Sitten [...] auch Vermischte Gedichte des Autors. 239 Im ‚Zweyten Stück‘ seiner Versuche von 1767 gibt Clodius Resümees der Ritter, der Acharner, der Wespen, des Friedens, der Vögel und der Lysistrate. Das ‚Dritte Stück‘ von 1768 enthält Zusammenfassungen der Wolken, der Frösche, der Thesmophoriazusen, der Ekklesiazusen und des Plutos. Im Jahr 1769 erschien das ‚Vierte Stück‘ der Versuche, das im Gegensatz zu den früheren Teilen eine „Unterbrechung“ der „Beurtheilung alter Schriftsteller“ darstellt und stattdessen eine Sammlung von Gedichten bietet, die Clodius nach eigener Auskunft nach dem Vorbild des Theokrit, Moschos, Bion und Ovid verfasst hat. Weitere Stücke der Versuche sind – entgegen der erklärten Absicht des Herausgebers – in der Folgezeit nicht mehr erschienen. 240 Clodius, Versuche aus der Literatur und Moral, Erstes Stück (1767), 126. Vgl. auch ebd. 126: „Wenn man eine Geschichte der Verderbniß des menschlichen Herzens, des Leichtsinns und eines schlüpfrigen Ausdrucks schreiben wollte; so würde die alte Komödie allein hinreichend seyn, dem Menschen über sich selbst eine Röthe abzulocken. Lucian und Plautus, mit allen ihren ausschweifenden Sitten, sind Moralisten, gegen den einzigen Aristophanes.“ 241 Vgl. Clodius (B), Versuche aus der Literatur und Moral, Zweytes Stück (1767), 253. Im Hinblick auf den Mistkäferflug des Trygaios im Frieden äußert sich Clodius geradezu empört: „Man muß diese Scene überschlagen, oder sich ärgern“ (ebd. 232). Übertroffen wird sie seiner Ansicht nach

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zigen Theile der unreinen und üppigen Werke Gewalt anzuthun, ohne den Zusammenhang der Gedanken und den Plan des Werks überhaupt zu zerstören.“242 Somit gebiete es zwar der Respekt gegenüber der Gesamtkonzeption des Dramas, die anstößigen Stellen als unseparierbare Teile des Ganzen zu akzeptieren. Gleichwohl verlangt Clodius von den „Auslegern der Alten“ – und dies lässt sich wohl auch auf die Übersetzer beziehen –, dass sie zumindest „bemüht sein sollen, eben diese schlüpfrigen Stellen zum Beweise der Unvollkommenheit heidnischer Tugenden und zum Abscheu des Lasters zu gebrauchen“,243 d. h. sie zwar als solche zu markieren, aber nicht zu übersetzen. Was Clodius selbst betrifft, so macht es ihm die gewählte Darstellungsform leicht, auf konkrete Übersetzungsbeispiele einschlägiger Passagen zu verzichten. Er behilft sich zumeist mit stark gerafften Handlungsbeschreibungen, die er, wo er es für nötig erachtet, mit missbilligenden Kommentaren versieht.244 Denn auch wenn Clodius bereit ist, „einem Autor von so vielem Witze“ manches nachzusehen,245 so hält er dessen obszöne Scherze, anders als 20 Jahre später Brotier in der Neuauflage des Brumoy („morte la bête, mort le venin“246), noch keineswegs für unschädlich: [...] Gift bleibt Gift, auch in güldenen Schalen, eine Otter tödlich, so schön sie die Natur gezeichnet hat, und ein zügelloser Witz gefährlich, so reizend das Gewand ist, in das er sich hüllt!247

|| allerdings noch von der Kinesias-Episode in der Lysistrate: „Niemals hat der Poet die Unverschämtheit höher getrieben, als in dieser Stelle“ (ebd. 253). 242 Clodius (B), Versuche aus der Literatur und Moral, Zweytes Stück (1767), 254. 243 Clodius (B), Versuche aus der Literatur und Moral, Zweytes Stück (1767), 254. 244 So überspringt Clodius etwa in seiner Darstellung der Ekklesiazusen (‚Die Rednerinnen‘) diejenigen Szenen, in denen die von den Frauen durchgesetzte Güter- und Personengemeinschaft, die auch die sexuellen Beziehungen zwischen Jungen und Alten, Schönen und Hässlichen durch strenge Abfolgekriterien regelt, in der Praxis erprobt wird, und bemerkt dazu – eine Formulierung Brumoys aufgreifend (s. o. 2.3.3.3 u. ebd. Anm. 172): „Der übrige Theil des Lustspiels ist wenig unterhaltend. Ueppige und possenhafte Situationen und Ausdrücke verdienen keine Aufmerksamkeit, und um ein Paar gesunder und witziger Einfälle willen, die man dem Aristophanes leicht zutrauet, will ich die Zweydeutigkeiten und ungezogenen Scherze eines wollüstigen Alten und eines unartigen Jünglings nicht aus einander setzen.“ Clodius (B), Versuche aus der Literatur und Moral, Drittes Stück (1768), 517; vgl. auch ebd. 513. 245 Vgl. Clodius (B), Versuche aus der Literatur und Moral, Zweytes Stück (1767), 251. 246 [Brotier], Développement (1787), 273; vgl. o. 2.3.3.4 u. ebd. Anm. 180. 247 Clodius (B), Versuche aus der Literatur und Moral, Zweytes Stück (1767), 254. Bei der Giftmetaphorik in Bezug auf den beißenden Spott des Aristophanes handelt es sich offensichtlich um eine Reminiszenz an den von Sokrates geleerten Schierlingsbecher und die damit verbundene Schuldzuweisung an den attischen Komiker, der nach weit verbreiteter Auffassung mit seinen Wolken der späteren Verurteilung des Philosophen Vorschub geleistet habe (s. auch o. 2.3.4 Anm. 205). So heißt es bei Clodius an anderer Stelle: „[...] und Aristophanes bereitete, wenn ich so sagen darf, den ersten Tropfen des Giftes, der viele Jahre darauf den liebenswürdigsten Griechen todt und unsterb-

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Clodius’ Versuche fanden Anklang in der 1774 von Johann Gottlieb Schummel herausgegebenen Uebersetzer Bibliothek zum Gebrauche der Uebersetzer, Schulmänner und Liebhaber der alten Litteratur, dem seinerzeit einschlägigen Überblickswerk über die zu diesem Zeitpunkt in deutscher Übersetzung vorliegenden Schriften antiker Autoren. Clodius habe, so Schummel, „zur Entfaltung des aristophanischen Originalgenies mehr getan als alle seine Scholiasten und zehne Madame Daciers“, seine Auszüge seien „Muster, wie man das Studium der alten Literatur erwecken und nach Lesung der Ursprache lüstern machen kann“. Was allerdings die Behandlung der Obszönitäten betrifft, so zeigt Schummel sich noch nicht ganz zufrieden. Offenbar geht ihm Clodius hier nicht weit genug, zeige er doch „den Aristophanes nicht ganz als den Lotterbuben, der er bei allem seinem Genie wirklich war“.248 2.3.4.3 Johann Eustachius Goldhagen (1767–1768): „Eine vollständige Uebersetzung würde tugendliebenden Personen misfallen [...]“ Zur gleichen Zeit wie Clodius’ Versuche, zwischen 1767 und 1768, erschienen auch die beiden ersten (nahezu) vollständigen Übersetzungen von AristophanesKomödien in deutscher Sprache (mit Ausnahme von Fröreisens Wolken). Bei den beiden Stücken, die der thüringische Philologe Johann Eustachius Goldhagen249 für seine als Halbjahresschrift konzipierte Griechische und römische Anthologie in deutschen Uebersetzungen auswählte, handelte es sich – fast schon traditionsgemäß und in deutlicher Parallele zu den beiden französischen Übersetzungen von Mme. Dacier – um den Plutos und die Wolken, die er „beynahe ganz“ ins Deutsche übertrug.250 Darüber hinaus lieferte Goldhagen im zweiten Band der Anthologie noch ein von Übersetzungsproben begleitetes Resümee des Friedens (‚Irene‘).251

|| lich machte.“ Clodius (B), Versuche aus der Literatur und Moral, Zweytes Stück (1767), 376. Vgl. auch das ähnlichlautende Voltaire-Zitat o. 2.3.4 Anm. 205. 248 Die hier zitierten Passagen finden sich sämtlich in Schummel, „Aristophanes“ (1774), 34 f. 249 Goldhagen (1701–1772) war als Rektor zunächst in seiner Heimatstadt Nordhausen und seit 1752 an der Magdeburger Domschule tätig. Außer den in seiner Anthologie enthaltenen Übersetzungen übertrug er auch die Werke Herodots, Xenophons und Pausanias’. Zu Goldhagens Biographie vgl. den von B. verfassten ADB-Artikel aus dem Jahr 1879. Zu Goldhagens AristophanesÜbersetzungen vgl. J. Werner (1965), 68–71. 250 Vgl. Goldhagen, Vorbericht [‚Irene‘] (1767), 61, in Bezug auf den Plutos: „beynahe ganz“, und ebd., 63, in Bezug auf die Wolken: „größtentheils“. Weggelassen wurden aber offensichtlich nur wenige Stellen, die den Übersetzer vor allzu große Probleme stellten, wie etwa in den Wolken das Wortspiel mit ‚Backtrog‘ (vv. 670–680); vgl. J. Werner (1965), 69. Bei den beiden übersetzten Komödien und den Auszügen aus dem Frieden handelt es sich, wie J. Werner (1965), 69, konstatiert, weitestgehend um Prosaübertragungen. Lediglich einige Chorpassagen (wie z. B. Wolken 510–517) werden metrisch wiedergegeben. 251 Neben den genannten drei Komödien des Aristophanes enthält die Anthologie u. a. auch Teilübersetzungen aus Werken von Aischylos, Kallimachos, Lukian, Lysias, Platon, Xenophon, Cicero, Livius, Ovid, Plautus und Plinius.

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In Goldhagens Vorbericht zur ‚Irene‘ finden sich auch erste Überlegungen zu einer deutschen Gesamtübersetzung des Aristophanes – allerdings noch mit negativem Ergebnis: So sei zwar der Plutos „bey vieler Lustigkeit in Ansehung der Sitten nicht allein erträglich, sondern auch lehrreich“; und die Wolken verdienten allein schon wegen des Auftritts des „großen Sokrates“ eine vollständige Übersetzung; die übrigen Komödien hingegen schweiften „in der Schamlosigkeit der Handlungen und des Ausdrucks“ sowie zum Teil auch in ihren abenteuerlichen Vorstellungen – hier werden noch einmal zentrale Schlüsselbegriffe der normativen Regelpoetik aufgerufen – „weit ueber die Grenzen der Ehrbarkeit und Wahrscheinlichkeit aus.“252 Goldhagen kommt deshalb zu dem Schluss: „Eine vollständige Uebersetzung würde tugendliebenden Personen misfallen und eine wollüstige Phantasie mit schändlichen Bildern noch mehr verderben.“253 Darüber hinaus machten es die zahlreichen redensartlichen Wendungen, Anspielungen auf historische Ereignisse und Personen sowie die parodistischen Bezugnahmen auf zeitgenössische Tragödien und Komödien dem Übersetzer unmöglich, „den Aristophanes so deutsch reden zu lassen, daß er völlig verstanden werden könnte“.254 Aus diesen Gründen will Goldhagen seinen Lesern, „welche den Aristophanes gern näher kennen lernen möchten“, die übrigen Stücke „künftig“ in Form von Inhaltsangaben bekannt machen.255 Dass dieses Versprechen letztendlich nicht eingelöst wurde, dürfte vor allem der im selben Jahr erschienenen Abhandlung von Clodius geschuldet sein, die Goldhagen natürlich kannte. Goldhagens übersetzerische Behandlung der obszönen Stellen soll hier anhand einiger Beispiele aus den Wolken demonstriert werden. So gibt er etwa die Parabasenszene, in der auf die mit ledernen Phalloi ausgestatteten Akteure angespielt wird (σκύτινον καθειμένον, / ἐρυθρὸν ἐξ ἄκρου, παχύ)256, – ähnlich wie Dacier, die er möglicherweise als Muster heranzog,257 – durch eine abschwächend umschreibende Wendung wieder: ‚in einem possirlichen und leichtfertigen Anzuge‘258. Den skatologischen Terminus πρωκτός hingegen, den Strepsiades verwendet, als er die in gebückter Haltung die Unterwelt erforschenden Schüler des Sokrates erblickt (τί δῆθ’ ὁ πρωκτὸς ἐς τὸν οὐρανὸν βλέπει;)259, übersetzt er durchaus wörtlich, wenn auch mit einem abmildernden, umgangssprachlich geläufigen Ausdruck: ‚Warum

|| 252 Vgl. Goldhagen, Vorbericht [‚Irene‘] (1767), 61. 253 Vgl. Goldhagen, Vorbericht [‚Irene‘] (1767), 61f. 254 Vgl. Goldhagen, Vorbericht [‚Irene‘] (1767), 62. 255 Vgl. Goldhagen, Vorbericht [‚Irene‘] (1767), 63. 256 Aristoph. Nub. 538 f.; s. auch o. 2.3.2.2. 257 Vgl. Dacier (Ü), Nuées (1684), 172: ‚des habits deshonnestes & ridicules‘; s. auch o. 2.3.3.1 Anm. 149. 258 Goldhagen (Ü), Des Aristophanes Wolken (1768), 122 f. 259 Aristoph. Nub. 193; s. auch o. 2.3.2.2.

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heben sie denn den Hintern gegen den Himmel in die Höhe?‘260. Eine auch semantisch adäquate Übersetzung fäkaler Sprache findet sich schließlich am Ende des Stückes, als Strepsiades seinem Sohn Pheidippides ungerechte Behandlung vorwirft und diesem im Gegenzug die Wohltaten und Gefälligkeiten vorrechnet, die er selbst ihm einst als kleinem Kind hatte zukommen lassen: Στ.

κακκᾶν δ’ἂν οὐκ ἔφης φράσας, κἀγὼ λαβὼν θύραζε ἐξέφερον ἂν καὶ προὐσχόμην σε. σὺ δέ με νῦν ἀπάγχων, βοῶντα καὶ κεκραγόθ’ ὅτι χεζητιῴην, οὐκ ἔτλης ἔξω ᾿ξενεγκεῖν, ὦ μιαρέ, θύραζέ μ’, ἀλλὰ πνιγόμενος αὐτοῦ ᾿ποίησα κακκᾶν. (Nub. 1384 ff.)

Streps.

ehe du noch sagtest, daß du kacken261 wolltest; nahm ich dich und trug dich vor die Thür,und hielt dich hin. Du aber stopfst mir, wenn ich schreye, die Kehle zu; und da ich rief, es dränge mich, ließest du mich, du Unflath, nicht hinausgehen : indem du mich bey der Kehle hieltst, gieng es los. (Goldhagen, Des Aristophanes Wolken [1768], 180)

Die unverschleierte Wiedergabe der skatologischen Terminologie erschien Goldhagen aber offenbar kommentierungsbedürftig, denn er gibt ihr die folgende Fußnote bei: Habe ich vielleicht in meiner Uebersetzung wider den Wohlstand [hier i. S. v. Wohlanständigkeit = ‚bienséance‘; d. Verf.] gehandelt? Hätte ich nicht diese Stelle übergehen, oder etwas verdeckter reden sollen? Ich denke nicht. Nur der zärtliche Wohlstand der neuern Sitten wird verletzt, nicht die wahre Ehrbarkeit. Hier sind keine ärgerliche Reizungen.262

|| 260 Goldhagen (Ü), Des Aristophanes Wolken (1768), 97. Vgl. Dacier (Ü), Nuées (1684), 186: ‚Et leur derriere, pourquoy regarde-t’il le Ciel?‘ 261 Vgl. Deutsches Wörterbuch von Wilhelm und Jacob Grimm, Bd. 11 [=V] (zuerst 1873), Sp. 14 f., zu ‚kacken‘: „kacken, cacare, aber mit milderem klang als das lat. wort und scheiszen, mehr ein wort der kinderstube (vgl. kackstülin) oder des humors, ziemlich wie pissen neben seichen [...]. beim nd. kakken aber wird diese beschränkung [sc. auf die Kindersprache; d. Verf.] nicht angegeben, s. bes. das brem. wb. 2, 720 mit reichlichem gebrauch, Lauremberg 3, 196, als pöbelwort Dähnert 214b (auch Campe 'eins der schmuzwörter, deren gesittete menschen sich enthalten'), doch auch bei Stürenburg 101 'nur von menschen, besonders kindern' [...]. So denkbar es wäre, dasz man neben dem uralten scheiszen das lat. wort als mehr verhüllenden ausdruck entlehnt hätte, etwa aus der schülersprache, scheint es nach dem unter kack und besonders unter aa 1, 5 beigebrachten doch nicht so, es scheint ein altgemeinsames wort, das der verschiebung entgieng: gr. κακκάω, lat. cacare, kelt. cacha, lit. szikti (sz = k); it. cacare, span. cagar, franz. faire caca; [...].“ [Onlinefassung] URL: http://www.woerterbuchnetz.de/DWB?lemma=kacken (zuletzt gesehen: 17.09.2019). 262 Goldhagen (Ü), Des Aristophanes Wolken (1768), 180.

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Mit seiner Auffassung, dass eine vollständige und freimütige Übersetzung des Aristophanes zwar durchaus im Kontrast zu den gesellschaftlich-literarischen Normen der eigenen Zeit stehe, jedoch keineswegs einen verletzenden Angriff auf die ‚Ehrbarkeit‘ der Leser an sich darstelle, stand Goldhagen nicht allein. Sein jüngerer Zeitgenosse Friedrich Justus Riedel263 etwa führt in einem Brief an den Hallenser Philologen Christian Adolph Klotz264 zur Verteidigung des Aristophanes das Folgende an: [...] Madame Dacier als Frauenzimmer, mochte behaupten, man könne ihn kaum ohne Beleidigung der Ehrbarkeit und Schamhaftigkeit übersetzen265; konnte der heilige Chrysostomus ihn lesen, warum wir nicht? [...] Wenn seine Stücke nicht nach den Regeln des Hedelin266 gebildet sind, so muß man bedenken, daß Aristophanes einige Jahre vor diesem gelebt hat und also genöthigt war, der bloßen Natur zu folgen.267

Was die Möglichkeit einer deutschen Gesamtübersetzung des Aristophanes betrifft, so zeigte sich Riedel im Unterschied zu Goldhagen weniger skeptisch. Riedel war es schließlich auch, der um 1770 seinen Würzburger Freund Johann Justus Herwig268 zu einer entsprechenden Unternehmung ermunterte.269

|| 263 Riedel (1742–1785), der im Rang eines Kaiserlich-Königlichen Rates eine Professur an der Wiener Kunstakademie bekleidete und der zuvor als Philosophieprofessor in Erfurt tätig war, hatte 1767 seine Theorie der schönen Künste und Wissenschaften, ein Kompendium ästhetischer Schriften verschiedener Autoren, veröffentlicht. 264 Der mit Riedel befreundete Klotz (1738–1771) war seit 1765 als Professor der Philosophie und Beredsamkeit in Halle tätig und galt seinen Zeitgenossen als „Literaturpapst“ (Zaremba [2007], 136). Zu Klotz’ Biographie vgl. ferner Bursian (1882). 265 Auf welche Quelle sich Riedel bei diesem indirekten Dacier-Zitat stützt, konnte bislang nicht geklärt werden. In Daciers Vorrede zur Aristophanes-Übersetzung findet sich eine derartige Bemerkung meines Wissens nicht. 266 Zu François Hédelin Abbé d’Aubignac s. auch o. 2.3.3 Anm. 130. 267 Riedel, Sechster Brief an den Herrn Geheimen Rath Klotz (1768), 77. 268 Johann Justus Herwig (1742–1801) hatte evangelische Theologie an der Universität Altdorf studiert und war von 1764–1771 als Pfarrer in Mainhardt und Riedbach tätig. Er konvertierte zum Katholizismus, wurde 1771 zum Kommerzienrat in Würzburg ernannt und erhielt 1772 einen Ruf als ‚Professor der eleganten Literatur‘ an die Würzburger Universität. Von 1782 bis zu seinem Tod versah er das Amt des Hofarchivars in Hohenlohe-Schlillingsfürst. Vor seiner Wolken-Übertragung hatte er einige kleinere Übersetzungen aus verschiedenen Sprachen publiziert. 1774 veröffentlichte er in Würzburg das zweibändige Werk Grundriß eines Lehrbuchs der eleganten Literatur. Ferner gab er zwei kurzlebige Schriftenreihen heraus: Zur Kenntniß der griechischen Litteratur, 2 Bde., 1773– 1774 und Journal für die Freunde der Religion und Litteratur, 1779–1780. Zu Herwigs Biographie s. auch Hamberger/Meusel (1797), 374 f. und Leesch (1992), 248. Zu Herwig als AristophanesÜbersetzer vgl. auch Hilsenbeck (1908), 11–13, J. Werner (1965), 72–77, Holtermann (2004), 295 und Lubitz (2009). 269 Dies wird aus der an Riedel gerichteten Widmungs- und Dankadresse deutlich, die Herwig seiner Wolken-Übertragung von 1772 voranstellt: „Euerer Hochwolgeboren übergebe ich nun den Anfang meiner Uebersetzung des Aristophanes; eine Arbeit, woran Sie den ersten Theil nehmen

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2.3.4.4 Johann Justus Herwig (1772): „die Gemälde des Sittenmalers müssen auch für die Tage unsers Jahrhunderts interessant gemacht werden“ In der Vorrede zu seiner Riedel gewidmeten Prosa-Übertragung der Wolken von 1772 macht Herwig (s. o. 2.3.4.3 Anm. 268) seinen Lesern die folgende Ankündigung: Freylich bin ich der Eine Mann unter unsern Schriftstellern nicht, der dramatische Stücke der Alten vollkommen gut übersetzen kann. Da dieser aber seine Zeit brauchen soll, selbst ein Terenz oder Plautus zu werden; so kündige ich denen unter meinen Lesern eine Uebersetzung aller Komödien des Aristophanes an, die mir bey dem gegenwärtigen Versuch die Fehler der Sprache, und die Schwäche meiner Einsichten in die Kritik, mit Gründlichkeit und Bescheidenheit entdecken werden.270

Herwig ist somit der erste deutsche Übersetzer, der eine Gesamtübersetzung des Aristophanes ernsthaft ins Auge fasst.271 Hiermit verbindet er, wie er in seiner Vorrede deutlich macht, vor allem zwei persönliche Anliegen.272 Zum einen will er seine eigenen komödiantischen Fähigkeiten an dem attischen Vorbild schulen, um irgendwann selbst „ein Terenz oder Plautus“ zu werden und eigene Lustspiele zu verfassen; zum anderen möchte er seinen erklärten „Lieblingsautor“273 – ähnlich wie schon Mylius und Clodius274 – auch anderen jungen deutschen Dramatikern als nachahmenswertes Muster ans Herz legen: Ich will dem Lehrling der Musen den Geist eines Dichters anpreisen, der, unter der sichern Leitung des Gottes Capriccio, Empfindungen und Vergnügen, ganz ungekünstelt rege macht [...] [D]ie Gemälde des Sittenmalers müssen auch für die Tage unsers Jahrhunderts interessant gemacht werden.275

|| muessen, indem Sie mich zu derselben aufgemuntert haben. Findet sie Ihren Beyfall, so werde ich in meinem dem Publiko geleisteten Versprechen um so dreister fortfahren; verdienet sie aber Ihren Tadel, so soll ein ruhigerer Fleiß Ihrem Verlangen entsprechen.“ (Herwig [Ü], Die Wolken. [1772], [5]). Riedel sah nach Herwigs eigenen Angaben auch das Manuskript der Übersetzung durch und nahm Verbesserungen vor; vgl. Herwig an Klotz (2. Okt. [1771]), in: Hagen (1773), 60–64, hier 61. 270 Herwig, Vorrede (1772), 7f. 271 In einer auf die Wolken-Übersetzung folgenden Nachschrift an das Publikum gibt Herwig auch schon die geplante Reihenfolge der von ihm noch zu übersetzenden Komödien an: „Das nächste Stueck, das ich zu übersetzen gedenke, sind die Frösche; nach diesen das Fest der Ceres und der Proserpina [i. e. Thesmophoriazusen; d. Verf.]; die Ritter; die Acharnenser; Irene; das Gericht der Weiber; Lysistrata; die Vögel; die Wespen; und mit dem Plutus werde ich meine Arbeit beschliessen.“ Vgl. Herwig, Nachschrift an das Publikum (1772), 174. 272 An anderer Stelle benennt er noch weitere, eher allgemeine Übersetzungsmotive; vgl. u. 2.3.4.4 Anm. 305. 273 Vgl. Herwig, Vorrede (1772), 10. 274 Vgl. o. 2.3.4.1 und 2.3.4.2. 275 Herwig, Vorrede (1772), 8 f.

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Doch scheint auch Herwig es für nötig zu erachten, den von ihm gelobten Dichter vor möglichen Anschuldigungen sowohl moralischer als auch literaturkritischer Art in Schutz zu nehmen.276 Dabei greift er in erster Linie auf die geläufigen, bereits von Frischlin eingeführten Defensionstopoi zurück, etwa wenn er auf die Verdienste des Aristophanes als Bewahrer der „guten Sitten in Athen“277 verweist oder wenn er eine mehr als 25 Namen umfassende Liste von Gewährsleuten – Platon und Chrysostomos eingeschlossen – anführt, die den Komiker „mit Fleiß und Nachdenken studieret haben“278. Darüber hinaus geht Herwig aber auch auf die ästhetischen Befindlichkeiten seiner eigenen Zeitgenossen ein, wenn er den strikten Verfechtern einer normativen Poetik zu bedenken gibt, dass Aristophanes nach allgemeinem Urteil nicht nur „die ächte attische Sprache“ rede, sondern auch „die den Deutschen so gefällige Laune“ zuerst entdeckt habe, die „freylich keine Laune auf Gottscheds regelmäßigen [sic] Schaubühne“ sei.279 In dieser Hinsicht will er, Herwig selbst, stärker an das antike Original anknüpfen und sich bis zu einem gewissen Grad von den strengen Vorgaben der klassizistischen Normpoetik lösen. So werde er in seiner Übersetzung „den Regeln des Aristoteles und Hedelin [...] selten, auch da nicht jedesmal getreu bleiben, wo ich meinen Dichter tadeln muß“.280 Eine ‚regelkonforme‘ Behandlung im Sinne einer Wahrung der bienséance verdienen Herwigs Ansicht nach lediglich die Obszönitäten, auch wenn er sie als poetisch sublimierten Ausdruck des griechischen Volkscharakters und einer bestimmten zeitgeschichtlich bedingten Stimmung grundsätzlich anerkennt: Allein die touches sales, schmutzige Striche, wie sie die Maler nennen, diese wird man doch an unserm komischen Dichter tadeln dürfen? – Ja, wenn Athenäus, so wie man es überhaupt von allen Dichtern, und besonders auch vom Aeschylus sagen wollte, mit Wahrheit behaupten könnte, daß Aristophanes im Rausch gedichtet281: und wenn es keinem Dichter mehr erlaubt

|| 276 Herwig scheint schon von Anfang an mit negativen Reaktionen von Seiten der Kritik zu rechnen. So schreibt er bereits vor dem Erscheinen seiner Wolken-Übersetzung im Oktober 1771 an Klotz (s. o. 2.3.4.3 u. ebd. Anm. 264): „In meiner aristophanischen Arbeit werde ich ganz unerschrocken fortfahren. Sie prophezeihen mir, was mir mein Feder in Göttingen prophezeihet [sc. Johann Georg Heinrich Feder (1740–1821), Professor der Philosophie in Göttingen von 1768–1797; Anm. d. Verf.], und ich habe es selbst niemals anders vermuthet, als daß man mich verketzern wird.“ Als Komödienübersetzer und künftiger Komödiendichter werde er, Herwig, sich jedoch davor hüten, dass man ihn „der Irreligion oder irgend eines Verbrechens wieder den Staat mit Grund beschuldigen könne“. Vgl. Herwig an Klotz (2. Okt. [1771]), in: Hagen (1773), 60–64, hier 60 f. 277 Vgl. Herwig, Vorrede (1772), 10 f. 278 Vgl. Herwig, Vorrede (1772), 8 f. u. 11. 279 Vgl. Herwig, Vorrede (1772), 10. Zu Gottscheds Deutscher Schaubühne s. auch o. 2.3.4 Anm. 207. 280 Vgl. Herwig, Vorrede (1772), 9. Zu François Hédelin Abbé d’Aubignac s. auch o. 2.3.3 Anm. 130. 281 Vgl. Athen. X 429 A.

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ist, die Sitten und den besondern Charakter des Volks nach dem Costume seiner Zeiten zu schildern. Quantum interest, in quae tempora cuiusque virtus inciderit.282

Um seine durch die Dichtungsideale und moralischen Maßstäbe der Aufklärung geprägten Leser jedoch nicht allzusehr zu verprellen, will Herwig ihnen die unmittelbare Konfrontation mit anstößigen Formulierungen und Anspielungen ersparen: Sind die Sitten unsrer Zeiten gereinigter; so wollen wir uns die Freyheit nehmen, die unzüchtigen Stellen des Originals in feinere Wendungen einzukleiden, oder gar nicht zu übersetzen, was sich nur auf griechisch sagen läßt.283

In seiner Übersetzung findet dieser Vorsatz in erster Linie in abmildernden Wendungen Ausdruck. So wird etwa die plastische Beschreibung des komödiantischen Lederphallos in der Wolken-Parabase (ῥαψαμένη σκύτινον καθειμένον / ἐρυθρὸν ἐξ ἄκρου, παχύ)284 – in deutlicher Anlehnung an Goldhagen – durch die verallgemeinernde Formulierung ‚in einem possirlichen und unanständigen Aufzug‘ wiedergegeben.285 Auch die Verlockungen der ‚Wahren Dialektik‘ (Κρείττων Λόγος), die ihren Anhängern πυγὴν μεγάλην, πόσθην μικράν (Nub. 1014) und στῆθος λεπτόν, γλῶτταν μεγάλην (Nub. 1018) verheißt, werden bei Herwig zu ‚netten‘ bzw. ‚schlechten Gliedmaßen‘ abgeschwächt286, der Ausdruck πρωκτός (Nub. 193) schließlich zu einem mit schamhaften Sternchen versehenen P**x (für ‚Podex‘)287. Zur Rechtfertigung seines Vorgehens führt Herwig geläufige Argumente der zeitgenössischen Übersetzungstheorie ins Feld, nach der es unter anderem statthaft sei, Zweideutigkeiten (nicht nur obszöner Art) nicht streng wörtlich wiederzugeben, sondern sie ggf. mit erklärenden Zusätzen zu versehen oder durch andere, in der Zielsprache eingeführte Doppeldeutigkeiten zu ersetzen, sofern der Hauptgedanke nicht verlassen werde.288 Herwig trifft in diesem Zusammenhang die Unterscheidung

|| 282 Vgl. Herwig, Vorrede (1772), 14. 283 Herwig, Vorrede (1772), 14. 284 Aristoph. Nub. 538 f.; s. auch o. 2.3.2.2 u. 2.3.4.3. 285 Herwig (Ü), Die Wolken (1772), 75, und Goldhagen (Ü), Des Aristophanes Wolken (1768), 122 f. S. auch o. 2.3.4.3 u. ebd. Anm. 258. 286 Herwig (Ü), Die Wolken (1772), 124. 287 Herwig (Ü), Die Wolken (1772), 41; zur Stelle s. auch o. 2.3.2.2. 288 Vgl. Herwig, Vorrede (1772), 17. Herwig stützt sich bei seinen übersetzungstheoretischen Erwägungen nach eigener Aussage auf „die Erinnerungen eines meiner liebsten Freunde“ (ebd.), dessen Identität jedoch nicht zu ermitteln war. Die hier formulierten Gedanken spiegeln allerdings weitestgehend die bereits im Gottsched-Kreis entwickelten Positionen wider. Vgl. hierzu auch Kitzbichler/Lubitz/Mindt (2009a), 16: „Nach Maßgabe der Aufklärung und ihres rationalistischen Sprachkonzepts galten Wörter als einfache Zeichen für die Gedanken. Hinter den verschiedenen Zeichen der einzelnen Sprachen standen universell gültige Bedeutungen. Alle Zeichen konnten verlustfrei durch gleichbedeutende Zeichen anderer Sprachen ersetzt werden. Weder für Johann Christoph Gottsched noch für die Zürcher Johann Jakob Breitinger und Johann Jakob Bodmer noch für Lessing

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zwischen einer „freyen“ und einer „pedantischen“ Übersetzung: während der pedantische Übersetzer „sein Original zwar genau übersetzt, aber die ihm eigenthümlichen Schönheiten nicht durch eigenthümliche Schönheiten seiner Sprache übersetzt“, bediene sich der freie Übersetzer – „ohne dem Original andre Gedanken zu leihen“ – der Ausdrücke, „deren sich der Dichter würde bedient haben, wenn er in der Sprache geschrieben hätte, in welche er nun übersetzt werden soll“.289 Dabei kommt der höhere Treuegrad Herwigs Ansicht nach der freien Übersetzung zu. Herwig evoziert hier die in der Zeit der Aufklärung sehr populäre Vorstellung des in die Gegenwart versetzten und in der Zielsprache sich ausdrückenden Originalautors,290 die schließlich zu Beginn des 19. Jahrhunderts von Friedrich Schleiermacher und Wilhelm von Humboldt ad absurdum geführt werden sollte (s. u. 3.3.1.1 Anm. 75 u. 3.3.1.3 Anm. 202). Da man unausgesprochen davon ausging, dass ein derart verpflanzter Originalautor nicht nur die Sprachgewohnheiten, sondern auch die ästhetischen und moralischen Normen der Zielkultur fraglos akzeptieren und übernehmen würde, musste auch das Auslassen bzw. Abmildern der als anstößig empfundenen Stellen als unproblematisch, ja geradezu als selbstverständlich erscheinen. Eine vergleichbare Auffassung vertrat, wie gesehen, bereits Boivin.291 Herwigs Wolken-Übersetzung als solche kann keineswegs den Anspruch einer besonders originellen Arbeit erheben – allzusehr ist sie in weiten Teilen der fünf Jahre zuvor erschienenen Wolken-Übertragung Goldhagens verpflichtet – und sie fand letztlich auch keine weite Verbreitung. Seine Ankündigung der ersten deutschen Aristophanes-Gesamtübersetzung hingegen löste eine mehrere Jahre andauernde Diskussion über das Für und Wider eines solchen Unternehmens aus. Sie ist dokumentiert in Herwigs Selbstaussagen im Vorwort zu seiner Wolken-Übersetzung,

|| stellte sich Übersetzung daher als ein Problem dar. Übersetzungstheorie bestand vor allem aus Handlungsanweisungen. Übersetzungen antiker Autoren sollten – wie Literatur überhaupt – den Leser unterrichten und unterhalten; dazu mussten sie den rhetorischen Anforderungen von claritas, proprietas und decorum gerecht werden. Das Übersetzen antiker Verse entweder in Prosa oder in ‚deutsche‘ Verse (Blankvers, Alexandriner, gereimte Strophen) war üblich und entsprach der Lehrmeinung. Ebenso üblich war es, das Original zu ‚verbessern‘, dunkle Stellen verständlich zu machen und Erläuterungen in den Übersetzungstext selbst zu integrieren.“ So schreibt etwa der zum Gottsched-Kreis gehörende Georg Venzky in seiner Abhandlung Das Bild eines geschickten Übersetzers (1734), 64 f.: „Hat sie [sc. die Übersetzung] den Verstand einer ursprünglichen Schrift deutlich und vollständig ausgedrücket: So ist sie so gut, als das Original selbst. Hat man dabey eine verdrüßliche, dunkele oder verworrene Schreibart in eine angenehmere und deutlichere verwandelt; dunkele Wörter durch deutlichere, nachdrücklichere und geschicktere verwechselt: So übertrift [sic] sie das Original selbst, und kan so viel Nutzen schaffen, als eine weitläufigere Umschreibung oder ausführliche Erklärung, zumal wenn kurzgefaste [sic] und gründliche Anmerkungen angehänget werden.“ 289 Vgl. Herwig, Vorrede (1772), 17 f. 290 S. auch u. 3.3.1.2.1 u. ebd. Anmm. 130 und 139, 3.3.1.3.1 Anm. 202, 3.3.2.1.1 u. ebd. Anm. 320 sowie 3.3.2.2.1 u. ebd. Anm. 464. 291 S. o. 2.3.3.2 u. ebd. Anm. 161.

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in verschiedenen Rezensionen seiner Übersetzung aus den Folgejahren292 sowie in Herwigs umfassender Replik auf diese Rezensionen in einem Zeitschriftenartikel von 1780.293 Was die Rezensionen betrifft, so finden sich, neben eher allgemeinen Äußerungen von Kritikern, die eine Gesamtübersetzung des Aristophanes für unmöglich, unnötig294 oder gar unerwünscht295 halten, auch detailliertere Begründungen für die skeptische Haltung gegenüber Herwigs Vorhaben. Die Obszönitätsproblematik steht hier eindeutig im Vordergrund. So schreibt etwa Bgh., der Rezensent des Magazins der deutschen Critik, im Jahr 1772: Die sogenannte alte Comödie, deren beleidigende Vermessenheit durch besondre Verordnungen zu Athen verboten wurde, deren Ton niedrig, deren Witz platt, und deren Absicht eine pasquillenmäßige Beschimpfung war, hat für unsre Zeitalter im Ganzen gewiß nichts anzügliches [hier wohl i. S. v. ‚Anziehendes‘, Anm. d. Verf.], oder nachahmungswerthes. [...] Wir gestehen daher ganz gerne, daß wir den Aristophanes unter diejenigen alten Schriftsteller rechnen, welche nicht übersetzt werden sollten.296

Zudem seien, wie der Kritiker anmerkt, die in den Komödien des Aristophanes enthaltenen Wortspiele und die zahlreichen Anspielungen auf zeitgenössische Gebräuche, Sitten und Ereignisse – ebenso wie die Obszönitäten – unübersetzbar: „Wie viele schmuzige, obscöne Stellen müssen nicht entweder wegbleiben, oder umge-

|| 292 Vgl. Bgh., [Rez. zu] Aristophanes, Wolken, übers. v. J. J. Herwig (1772); Schlosser, [Rez. zu] Aristophanes, Wolken, übers. v. J. J. Herwig (1772); Anonymus 1773, [Rez. zu] Aristophanes, Wolken, übers. v. J. J. Herwig (1773); Anonymus [Haller, Albrecht von (?)], [Rez. zu] Aristophanes, Wolken, übers. v. J. J. Herwig (1773); We. [= Mutzenbecher, H., s. auch u. 2.3.4.4 Anm. 294], [Rez. zu] Aristophanes, Wolken, übers. v. J. J. Herwig (1773); Schummel, „Aristophanes“ (1774); Pe., [Rez. zu] Aristophanes, Wolken, übers. v. J. J. Herwig (1777). 293 Vgl. hierzu auch Lubitz (2009). 294 So lobt zwar H. Mutzenbecher, der Rezensent der Allgemeinen deutschen Bibliothek, Herwigs Mut und seinen Optimismus, sich mit seinem Vorhaben über alle bestehenden Hindernisse hinwegsetzen zu können, will „[a]ber bey dem allen [...] keine Chikane darüber machen, daß er uns das zu leisten sucht, was wir wirklich für so gar nothwendig nicht, und bey dem allen doch für sehr schwierig halten.“ Vgl. We. [= Mutzenbecher, H.; Identifizierung lt. Angabe in der digitalisierten Version der genannten Zeitschrift (URL: http://ds.ub.uni-bielefeld.de/viewer/image/2002572_ 033/271/LOG_0064/; zuletzt gesehen: 14.09.2018)], [Rez. zu] Aristophanes, Wolken, übers. v. J. J. Herwig (1773), 260. 295 In diesem Sinne äußert sich 1777 ein weiterer Rezensent der Allgemeinen deutschen Bibliothek. Auch wenn er Herwigs Wolken hier eindeutig den Vorzug vor Goldhagens Übersetzung einräumt, hält er eine Gesamtübertragung des Aristophanes durchaus für entbehrlich: „Diese wünschen wir aus mehr als einer Ursache nicht. Einmal ist sie der unzähligen Wortspiele wegen nicht einmal möglich, und der unverschämteste Dichter, der so voller Zoten und Obscönitäten ist, verdienet keine deutsche Uebersetzung, wie sehr wir auch seinen unerschöpflichen Witz und seine spottende Laune schätzen.“ Vgl. Pe., [Rez. zu] Aristophanes, Wolken, übers. v. J. J. Herwig (1777), 734. [Hier liegt keine Identifizierung des Verfassers durch das Digitalisierungsprojekt vor.] 296 Bgh., [Rez. zu] Aristophanes, Wolken, übers. v. J. J. Herwig (1772), 152.

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ändert werden!“297 Die notwendigen Texteingriffe, das Hinweglassen, Hinzutun, Verändern, Verschönern und Verschlimmern298 müssten daher letztlich zu dem Fazit führen: „Aristophanes ist noch nicht übersetzt, der launische wortspielerische, beissend spottende Aristophanes ist noch nicht übersetzt, denn er kann nicht übersetzt werden. Seine Schauspiele sind zu sehr eigne attische Früchte.“299 Auf die Gefahr einer Verunstaltung des Originaltextes durch unvermeidbare übersetzerische Eingriffe weist auch Johann Georg Schlosser300 in den Frankfurter gelehrten Anzeigen von 1772 hin. Schlosser, der elf Jahre später selbst eine Übersetzung der Frösche vorlegte (s. u. 2.3.5.1), sieht den angekündigten Übersetzungen der übrigen Stücke zwar erwartungsvoll entgegen301, kann jedoch seine Skepsis in Bezug auf das Gelingen einer Gesamtübersetzung nicht verhehlen, wenn er die Frage aufwirft: „Aber ist, wie wir nicht entscheiden wollen, eine Uebersetzung des ganzen Aristophans [sic] möglich und anzurathen [?].“302 Mit Blick auf Herwigs Wolken-Übersetzung erinnert Schlosser daran, daß verschiedene ausschweifende Stellen, die sich nur griechisch lesen lassen, in diesem Stück theils versteckt, theils übergangen worden sind. Wir sehen nicht, wie der Herr Uebersetzer mit einer so jungfräulichen Miene, die wir übrigens sehr billigen, bey den übrigen Stücken dieses Komikers zurecht kommen wird, und wir besorgen, daß wir entweder einen ganz verstümmelten Aristophan zu erwarten haben, oder daß er immer, wenigstens unsern Schönen, die nicht so viel Mut haben als Frau Dacier, deren Lieblings Dichter er war, ein verschloßnes Buch bleiben muß.303

Das sich aus diesen Kritikerurteilen ergebende Argumentationsmuster erscheint paradox. So wird zwar einerseits – die Genieästhetik des Sturm und Drang antizipierend – die schöpferische (und daher bewahrenswerte) Leistung des antiken Autors durchaus anerkannt, die es letztlich auch dem Übersetzer gebiete, den Gehalt des Originals sowohl auf inhaltlicher als auch auf sprachlicher Ebene so genau wie möglich wiederzugeben. Andererseits ist man aber noch nicht bereit, die überkommenen ästhetisch-moralischen Normen in Frage zu stellen, die einer wortgenauen

|| 297 Bgh., [Rez. zu] Aristophanes, Wolken, übers. v. J. J. Herwig (1772), 152. 298 Vgl. Bgh., [Rez. zu] Aristophanes, Wolken, übers. v. J. J. Herwig (1772), 153. 299 Vgl. Bgh., [Rez. zu] Aristophanes, Wolken, übers. v. J. J. Herwig (1772), 152f. 300 Zu Schlosser s. u. 2.3.5.1 Anm. 334. 301 „Wir erwarten sie mit Begierde; denn nur nach öftern Versuchen kann eine solche Arbeit, wenn sie doch einmal unternommen werden soll, vollkommen werden [...].“ Vgl. Schlosser, [Rez. zu] Aristophanes, Wolken, übers. v. J. J. Herwig (1772), 237. 302 Vgl. Schlosser, [Rez. zu] Aristophanes, Wolken, übers. v. J. J. Herwig (1772), 237. 303 Schlosser, [Rez. zu] Aristophanes, Wolken, übers. v. J. J. Herwig (1772), 238. Vgl. auch Schummel, „Aristophanes“ (1774), 33 f.: „Was sich irgend aus dem, im Ganzen genommen, völlig unübersezlichen Aristophanes verdeutschen ließ, hat Herr H. redlich verdeutscht: [...] Freylich, den klaren, baaren Aristophanes liefert er immer noch nicht, und den wird uns niemand liefern, der nur noch irgend einige Scham fühlt: [...]“.

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Wiedergabe der Obszönitäten im Wege stehen. Da nun eine Übertragung, die die anstößigen Passagen abmildert oder gar auslässt niemals dem Anspruch einer wirklichen Übersetzung gerecht werden könne, müsse sie, wie die Rezensenten betonen, immer ein ‚verstümmeltes‘ Abbild des Originals bleiben. Somit richtet sich die Kritik offenbar weniger gegen die Möglichkeit, dass Herwigs angekündigte Gesamtübertragung des Aristophanes obszöne Stellen enthalten könnte, sondern vielmehr dagegen, dass diese aus den genannten Gründen fehlen müssen. In der erwähnten Replik an seine Kritiker, die 1780 im zweiten Jahrgang des von ihm herausgegebenen Journals für Freunde der Religion und Litteratur erschien,304 bekräftigt Herwig – ohne dabei freilich auf die Obszönitätsthematik näher einzugehen – noch einmal nachdrücklich, dass sein „Vorhaben, den gantzen Aristophanes zu übersetzen, fest und unabänderlich“ sei.305 Zu dessen Verwirklichung kommt es jedoch nicht mehr. Im ersten Jahrgang seines Journals lässt Herwig seiner WolkenÜbersetzung 1779 lediglich eine deutsche Übertragung der Aristophanischen Vögel folgen, für die ihm allerdings nicht der griechische Originaltext, sondern die – von Obszönitäten gänzlich bereinigte – französische Version Jean Boivins (s. auch o. 2.3.3.2) als Grundlage diente.306 Im gleichen Jahr publiziert er außerdem einen Auszug aus der ersten deutschen Wolken-Übertragung von Isaac Fröreisen (s. auch o. 2.3.2.2), die ihm selbst während seiner Arbeit an den Wolken noch nicht zugänglich gewesen war307 und die er später in einer Wiener Bibliothek entdeckt hatte.308

|| 304 Vgl. Herwig, Fortsetzung der aristophanischen Briefe (1780). 305 Vgl. Herwig, Fortsetzung der aristophanischen Briefe (1780), 7. Hier erläutert Herwig auch die „Ursachen“, die ihn zur Übersetzung der Aristophanes-Komödien bewogen hätten: „Die erste ist: weil wir in unserer Sprache noch keine gantze Uebersetzung davon haben. Die zweyte: weil der feine Atticismus unsers Dichters jedem Lehrling der griechischen Sprache bekannt seyn soll. Die dritte: weil die meisten lateinischen Versionen davon an unzälichen Stellen das nicht würdig genug ausdrüken, was der Dichter in seiner Sprache redet. Die vierte: damit der griechische Schüler das mühsame, oft unnütze Forschen und Nachschlagen in den Commentatoren entbehren könne. Die fünfte: damit auch der ungriechische Leser mit den damaligen Sitten, mit der Regierungsart, mit der Volksweise in Athen, und mit den besondern attischen Schönheiten des Dichters in Bekanntschaft komme. Die sechste endlich: damit ein Studium von fünfzehn Jahren, das ich unter den griechischen Schriftstellern unserm Komiker fast alleine widmete, nicht umsonst angewendet sey. – Sonst habe ich wahrhaft! keine andere Ursache, und wem diese zur Rechtfertigung meiner gewiß sehr beschwerlichen Arbeit nicht hinreichen, der mag sie meintewegen verurtheilen und verdammen. Uebrigens aber werden die unübersetzlichen Wortspiele das Ganze des Dichters nicht verstümmeln; und Zoten und Obscönitäten sollen keusche Ohren niemals beleidigen. Dies sey zugleich eine Antwort auf Herrn Schummels Kritik, und auf aller anderer in den gel. Zeitungen.“ Vgl. Herwig, Fortsetzung der aristophanischen Briefe (1780), 14–15. 306 Vgl. Herwig (Ü), Die Vögel. Eine Komödie des Aristophanes. Nach der französischen Uebersetzung des Herrn Boivin (1779). 307 Vgl. Herwig (Ü), Die Wolken (1772), 55, Anm. r) zu Nub. 331 ff.: „Denjenigen unter meinen Lesern, der die deutsche Uebersetzung der Wolken von 1613. Augsb. 8. die ich nur aus dem Fabricius kenne, besitzet, bitte ich mir die Dithyrambischen Worte alle auszuzeichnen.“

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Ob das Scheitern von Herwigs Plan einer Aristophanes-Gesamtübersetzung, wie J. Werner (1965) vermutet309, hauptsächlich auf den Widerstand der Kritik zurückzuführen ist, erscheint fraglich. Als weitere mögliche Erklärungen kommen auch eine höhere Arbeitsbelastung im Zusammenhang mit Herwigs seit 1782 ausgeübter Funktion als Hofarchivar in Betracht oder eine gewisse Neigung, begonnene Projekte nicht immer mit der erforderlichen Konsequenz zu Ende zu führen.310 Tatsächlich dauerte es nach dem Erscheinen von Herwigs Wolken noch einmal knapp fünfzig Jahre, bis im Jahr 1821 Johann Heinrich Voß die erste deutsche Gesamtübersetzung des Aristophanes vorlegte. Der übersetzerische Umgang mit der obszönen Sprache des Aristophanes ist während des gesamten 18. Jahrhunderts durch das Bestreben gekennzeichnet, die als ‚Fehler‘ oder Makel des Originals betrachteten anstößigen Stellen weitestgehend zu eliminieren oder zumindest zu kaschieren.311 Dies wird insbesondere in den von den Übersetzern verwendeten metaphorischen Umschreibungen ihrer Vorgehensweise bezüglich der Obszönitäten deutlich. So wählen etwa die Vertreter des französischen Klassizismus zur Charakterisierung ihrer Übersetzungstaktik neben Formulierungen wie retrancher (‚streichen‘) oder réformer (‚abändern‘)312 auch sehr häufig Verben des Verhüllens und Verbergens wie envelopper (‚einhüllen, verschleiern‘), cacher (‚verbergen, verdecken‘),313 déguiser (‚verkleiden, verschleiern‘) oder dérober (‚verbergen, entziehen‘).314Auch bei den deutschen Übersetzern der zweiten Jahr-

|| 308 Vgl. Journal für Freunde der Religion und Litteratur, 1. Jg. (1779), Erstes Heft, 20–37. Herwigs Neudruck umfasst lediglich die ersten vier Szenen des ersten ‚Aktes‘ (vv. 1–438). Vgl. auch J. Werner (1965), 58. 309 Vgl. J. Werner (1965), 76: „Vielleicht hat Herwig auf diese negativen Urteile hin seine versprochene Gesamtübersetzung nicht vorgenommen.“ 310 Als Beispiele seien hier die beiden von Herwig gegründeten Periodika genannt, die jeweils nur knapp zwei Jahre Bestand hatten. S. auch o. 2.3.4.3 Anm. 268. 311 Boivin spricht von den mœurs fort corrompuës (o. 2.3.3.2 u. ebd. Anm. 163) und von grossiéretez, que notre langue ne peut souffrir (o. 2.3.3.2), die in den Komödien des Aristophanes zutage träten. Brumoy vertritt die Ansicht: les mots licencieux qu’il prodigue à la populace [...] sont indignes de la curiosité des honnêtes gens (o. 2.3.3.3 u. ebd. Anm. 172), und Brotier schließlich befürchtet, die Aristophanes-Lektüre könne ohne übersetzerische Eingriffe une atteinte funeste (‚verderbliche Verletzung‘) au goût (o. 2.3.3.4 Anm. 184) bewirken. 312 Boivin, s. auch o. 2.3.3.2 u. ebd. Anm. 161 (retrancher). Vgl. auch Brotiers Bemerkung, die eigentliche Lehre des Aristophanes (l’instruction) werde erst auf dem Wege der Übersetzung dégagée (‚freigemacht‘) de tous ces traits de la méchanceté (o. 2.3.3.4 Anm. 184). Poinsinet de Sivry wiederum zeigt sich von der Obszönität einiger Aristophanischer Szenen – ne nous permettant point de les traduire en français (o. 2.3.3.5 u. ebd. Anm. 198) – sichtlich abgestoßen. 313 Boivin, s. auch o. 2.3.3.2 u. ebd. Anm. 163 (envelopper) 314 Brumoy, s. auch o. 2.3.3.3 u. ebd. Anm. 175 (déguiser). Vgl. in diesem Sinne auch Brumoys Aussage, die Aristophanischen Obszönitäten „méritent de rester éternellement dans l’obscurité“ (o. 2.3.3.3 u. ebd. Anm. 172).

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hunderthälfte, die den Komödien des Aristophanes im Unterschied zu den Franzosen bereits eine gewisse Musterhaftigkeit zugestehen, ist noch regelmäßig die Rede von „Fehlern“ des Dichters (o. 2.3.4.1 u. ebd. Anm. 218) sowie von ‚schmutzigen Episoden‘ und dem ‚schmutzigen Theile der unreinen und üppigen Werke‘, die man auf deren ‚heidnische Unvollkommenheit‘ zurückführt (o. 2.3.4.2 u. ebd. Anmm. 242–244). Ferner wird die Befürchtung geäußert, eine Gesamtübersetzung könne ‚mit schändlichen Bildern‘ einen schlechten Einfluss auf die potentielle Leserschaft ausüben (o. 2.3.4.3 u. ebd. Anm. 253), und bei Herwig schließlich findet sich die Empfehlung, die ‚touches sales‘ oder ‚schmutzigen Striche‘ (o. 2.3.4.4 u. ebd. Anm. 282) angesichts der ‚gereinigteren Sitten unserer Zeiten‘ ‚in feinere Wendungen einzukleiden‘ (o. 2.3.4.4 u. ebd. Anm. 283). Der grundsätzlich eher auf eine sinngemäße als auf eine detailgenaue wörtliche Wiedergabe ausgerichtete übersetzungstheoretische Ansatz der Aufklärung (s. auch o. 2.3.4.4 u. ebd. Anm. 288) kommt den Übersetzern des Aristophanes insofern entgegen, als er das Abmildern oder gar Streichen obszöner Passagen vergleichsweise problemlos zulässt. Dennoch stößt gerade der Aspekt des Obszönen, wie die Kritikerreaktionen auf Herwigs Ankündigung einer ersten Gesamtübersetzung zeigen, auch gegen Ende des 18. Jahrhunderts noch auf großen Widerstand der öffentlichen Meinung und ist somit sicherlich als einer der ausschlaggebenden Faktoren für die langwierige Verzögerung der ersten vollständigen deutschen AristophanesÜbersetzung anzusehen.

2.3.5 Aristophanes in Weimar: „Der ungezogene Liebling der Grazien“ (1774–1805) Auch wenn die vehemente Ablehnung von Herwigs Übersetzungsplänen deutlich macht, dass man in Deutschland um 1780 noch nicht für eine Gesamtübersetzung des Aristophanes bereit war, so hatte doch die von ihm angestoßene Debatte ebenso wie die übersetzerischen Vorarbeiten von Clodius und Goldhagen letztendlich dazu beigetragen, die zu Beginn des Jahrhunderts noch in beträchtlichem Maße vorhandenen Vorbehalte der literarischen Welt gegenüber dem attischen Komiker abzubauen. Hinzu kommt – wie schon im Zusammenhang mit der zeitgleichen Überarbeitung des Brumoy angedeutet (s. o. 2.3.3.3) – eine neue Qualität der textkritischen und interpretatorischen Auseinandersetzung mit den Aristophanes- Dramen. Diese wurden gegen Ende des 18. Jahrhunderts durch neue Texteditionen und Kommentare – zu nennen ist hier vor allem die Straßburger Aristophanes-Ausgabe von Philipp Brunck (1781–1783)315, – philologisch und sachlich erschlossen und einem weiteren

|| 315 Zu Brunck s. auch o. 2.3.3.4 u. ebd. Anm. 178. Gegenüber den älteren Aristophanes-Ausgaben wie derjenigen Ludolph Küsters von 1710 – Holtermann (2004), 281, charakterisiert sie als „unhandliches, aber gelehrtes Sammelsurium“ – bot Bruncks Textedition vor allem die Vorteile der größeren

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Kreis gebildeter Leser zugänglich gemacht. Wer des Griechischen nicht mächtig war, konnte sich zudem seit Mitte der 1780er Jahre anhand der französischen Gesamtübersetzungen Brotiers (s. o. 2.3.3.4) und Poinsinet de Sivrys (s. o. 2.3.3.5) mit den Komödien des Aristophanes bekanntmachen. Über sämtliche zu jener Zeit verfügbaren Aristophanes-Übersetzungen ins Spanische, Französische, Englische und Deutsche sowie über die zu seinen Werken erschienenen „Erläuterungsschriften“ gab – neben Schummels Uebersetzer Bibliothek (s. o. 2.3.4.2) – Johann Georg Sulzers 1771 erschienene und in der Folgezeit mehrfach aktualisierte Allgemeine Theorie der Schönen Künste Auskunft.316 Positiv auf die Aristophanes-Rezeption dürfte sich zudem das im Anschluss an Winckelmann verstärkte Interesse an griechischer Kunst und Literatur ausgewirkt haben,317 mit dem nicht nur eine allmähliche Emanzipation von der französischen ‚Leitkultur‘, sondern auch eine Veränderung des seit der Renaissance vor allem römisch-kaiserzeitlich geprägten Antikebildes einherging. Indem er der übersteigerten Barockästhetik der eigenen Zeit die „edle Einfalt“ und kraftvolle Körperlichkeit der griechischen Kunst gegenüberstellte, ebnete Winckelmann den Weg für eine stärker sinnlich geprägte Annäherung an die Antike. Auf dem Gebiet der Literatur war es vor allem Friedrich Gottlieb Klopstock (1724–1803), der sich von den ästhetischen Regelwerken, dem eingeschränkten Formenrepertoire (Alexandriner, Reimzwang) sowie den rationalistisch-moralisierenden Tendenzen der Aufklärungsliteratur lossagte und nach neuen dichterischen Ausdrucksformen suchte. 1755, im selben Jahr wie Winckelmanns Abhandlung Über die Nachahmung der griechischen

|| Übersichtlichkeit und einer kritischen Auswertung „bisher nicht berücksichtigter Handschriften“ (vgl. Holtermann [2004], 282). 1760 hatte der Niederländer Peter Burmann eine zweibändige Aristophanes-Ausgabe (Text, lateinische Übersetzung und Fußnoten) herausgegeben; zwischen 1794 und 1834 erschien in vierzehn Bänden die umfangreiche Edition von Filippo Invernizzi (griechischer Text, Bde. 1–2), Christian Daniel Beck (Kommentar, Bde. 3–5) und Wilhelm Dindorf (ab Bd. 6), die vor allem darauf ausgerichtet war, sämtliche zugänglichen Scholien, Kommentare und Anmerkungen anderer Gelehrter in einer Ausgabe zu vereinen. Zu den Aristophanes-Editionen und -kommentaren des 17. und 18. Jahrhunderts vgl. die Überblicksdarstellung bei Holtermann (2004), 280–287. 316 Vgl. Sulzer, „Aristophanes“ (1792), 216–218. Die zweibändige Erstauflage von Sulzers Theorie, die auch biographisch-bibliographische Artikel zu den einzelnen Autoren enthielt, war 1771 u. 1774 in Leipzig erschienen. Eine „zweyte verbesserte Auflage“ in vier Bänden kam in den Jahren 1778– 1779 heraus. 1786–1787 folgte eine weitere „Neue, vermehrte Auflage“. Bei der hier als Zitiergrundlage angeführten Ausgabe von Sulzers Allgemeiner Theorie der Schönen Künste handelt es sich um die zwischen 1792 und 1794 erschienene „Neue vermehrte zweyte Auflage“, die 1994 in unveränderter Form wieder abgedruckt wurde. Auch die zwischen 1792 und 1806 publizierten Nachträge zu Sulzers allgemeiner Theorie der schönen Künste wurden im Jahr 2001 nachgedruckt. 317 Johann Joachim Winckelmanns Schrift Gedanken über die Nachahmung der Griechischen Werke in der Malerey und Bildhauer-Kunst, in denen er auch den bald schon zum Topos gewordenen Satz von der ‚edlen Einfalt und stillen Größe‘ der griechischen Meisterwerke prägte, war im Jahr 1755 erschienen. Seine ebenfalls einflussreiche Geschichte der Kunst des Alterthums kam 1764 heraus.

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Werke in der Malerey und Bildhauer-Kunst, veröffentlichte Klopstock seine Schrift Von der Nachahmung des griechischen Sylbenmaßes im Deutschen, in der er für eine Erneuerung der deutschen Verskunst nach dem Vorbild der poetischen Formensprache der Griechen eintrat.318 Mit seiner zwischen 1748 und 1775 erschienenen Hexameter-Dichtung Der Messias und seinen auf griechische Vorbilder zurückgreifenden Oden, Elegien, Hymnen und Epigrammen erschloss Klopstock seinen Lesern nicht nur eine bis dahin ungekannte metrische Formenvielfalt; er begeisterte sie auch durch seine auf emotionale Wirkung zielende Ausdrucksweise. Zu dem großen Kreis der Klopstockbewunderer, die sich unter anderem im Göttinger ‚Hainbund‘319 zusammengeschlossen hatten, zählte auch der spätere Aristophanes-Übersetzer Johann Heinrich Voß, dessen 1781 erschienene Übertragung der Homerischen Odyssee in ‚deutsche Hexameter‘320 die allgemeine Griechenbegeisterung in Deutschland noch intensivierte und eine Welle von Übersetzungen griechischer Autoren „im Versmaß des Urtextes“ auslöste. Auch die in den 1770er Jahren sich formierende Bewegung des ‚Sturm und Drang‘, zu deren Protagonisten Johann Gottfried Herder, Johann Wolfgang von Goethe und Jakob Michael Reinhold Lenz gehörten, wandte sich gegen das rationalistische Weltbild und die ästhetischen Normen der Aufklärung, indem sie das Individuum und den freien Willen in das Zentrum ihrer literarischen Agenda stellte. Neben Shakespeare, der mit seinen als ‚regellos‘ geltenden Dramen (darunter auch zahlreiche Komödien) und seinen starken, lebenskräftigen Bühnengestalten ein willkommenes Gegengewicht zu den als blass empfundenen, klassizistisch idealisierten Dramenfiguren des französischen Theaters bildete,321 sind es hier vor allem Homer und die griechischen Tragiker, die als geniale Schöpfer großer Charaktere gefeiert || 318 Anleitung hierzu gab Klopstock unter anderem in seiner Schrift Vom deutschen Hexameter (1768). 319 Zum Göttinger Hainbund s. u. 3.3.1.3 u. ebd. Anm. 175. 320 Bereits Ende der 1770er Jahre waren verschiedentlich Auszüge aus dieser Übersetzung publiziert worden. Zur Geschichte der Voß’schen Homer-Übersetzung s. auch u. 3.3.1.3 Anm. 176. 321 Vgl. Goethes Rede Zum Shakespears Tag (1771), in: FA I 18, 10: „Nun sag ich geschwind hinten drein: Französchen, was willst du mit der griechischen Rüstung, sie ist dir zu groß und zu schwer. Drum sind auch alle französischen Trauerspiele Parodien von sich selbst.“ Vgl. auch ebd. 10: „Ich zweifelte keinen Augenblick dem regelmäßigen Theater zu entsagen. Es schien mir die Einheit des Orts so kerkermäßig ängstlich, die Einheiten der Handlung und der Zeit lästige Fesseln unsrer Einbildungskraft; ich sprang in die freie Luft und fühlte erst daß ich Hände und Füsse hatte. Und jetzo da ich sehe wie viel Unrecht mir die Herrn der Regel in ihrem Loch angetan haben, wie viel freie Seelen noch drinnen sich krümmen, so wäre mir mein Herz geborsten wenn ich ihnen nicht Fehde angekündigt hätte und nicht täglich suchte ihre Türme zusammen zu schlagen.“ Zur Shakespeare-Verehrung des Sturm und Drang vgl. ferner Herder, Shakespear (1773) und Lenz, Anmerkungen übers Theater (1774). Die Werke Shakespeares, den die Stürmer und Dränger als den Urtypus des Originalgenies verehrten, waren zwischen 1762 und 1766 von Christoph Martin Wieland erstmals ins Deutsche übertragen worden. Vgl. Wieland (Ü), Shakespear Theatralische Werke (1762–1766).

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werden und der jungen Dichtergeneration neue Impulse vermitteln. Im Zuge dieser Entwicklung tritt schließlich auch Aristophanes mit seinen unkonventionellen Sujets und seinem spottlustigen, in die Wirren der athenischen Tagespolitik verstrickten Bühnenpersonal aus dem Schatten des lange bevorzugten Menander heraus. Insbesondere im Weimar der 1770er und 1780er Jahre stoßen die Werke des attischen Komikers auf großes Interesse. Im Zuge der allgemeinen Abkehr von den Vorbildern des französischen Klassizismus wird vor allem das lange verpönte Element der namentlichen Invektive von den Weimarer Sturm-und-Drang-Dichtern begeistert aufgegriffen und findet seinen Widerhall in einer Reihe Aristophanisch inspirierter Farcen, in denen prominente Zeitgenossen nach Art der griechischen Vorbilder Euripides und Sokrates verspottet werden. Bezeichnenderweise wurde ausgerechnet der spätere Aristophanes-Übersetzer Christoph Martin Wieland gleich zweimal zum Objekt derartiger Satiren322: Zuerst in Goethes Farce Götter, Helden und Wieland von 1774323 und wenig später in dem Die Wolken überschriebenen Dramenfragment des mit Goethe befreundeten Dichters Jakob Michael Reinhold Lenz

|| 322 Den jungen, individualistisch gestimmten Dichtern des Sturm und Drang, die nach einer Abkehr von der überkommenen Ästhetik strebten, galt Wieland ebenso wie den im Göttinger Hainbund versammelten Klopstock-Verehrern als Vertreter der älteren Dichtergeneration, die sich vor allem an französischen Vorbildern orientierte. Als Höhepunkt der gegen Wieland gerichteten Aktionen ist wohl die Verbrennung seiner Schriften und seines Porträtbildes durch die Hainbündler aus Anlass ihrer alljährlichen Klopstock-Gedenkfeier im Jahr 1773 anzusehen, von der Johann Heinrich Voß in einem Brief an seinen Freund Brückner berichtet; vgl. Briefe von Johann Heinrich Voß, Bd. 1, 144 f. Zu den Angriffen auf Wieland durch die Hainbündler und die Sturm-und-Drang-Bewegung vgl. Heinz (2008), 38. 323 In dieser an die Frösche angelehnten Satire wird Wieland im Traum in die Unterwelt versetzt und von dem dort versammelten Personal der Euripideischen Alkestis für seine moralisierende, pseudoklassizistische Umdeutung des antiken Tragödienstoffes in dem Singspiel Alceste zur Rechenschaft gezogen. Unter dem Titel Briefe an einen Freund über das deutsche Singspiel hatte Wieland kurz zuvor im ersten Band des Teutschen Merkur (1773) Kritik an Euripides’ sinnenfroh-derber Darstellung der antiken Götter geübt und zugleich auf die Vorzüge seiner eigenen Bearbeitung hingewiesen. Goethes Herkules wirft Wieland nun vor, die antiken Götter und Halbgötter nicht in ihrer wahren Größe und Maßlosigkeit zu zeigen, sondern sie auf ein Mittelmaß zurückzustutzen: „Hättest du nicht zu lang unter der Knechtschaft deiner Religion und Sittenlehre geseufzt, es hätte noch was aus dir werden können. Denn jetzt hängen dir immer noch die scheelen Ideale an. Kannst nicht verdauen, daß ein Halbgott sich betrinkt und ein Flegel ist, seiner Gottheit ohnbeschadet.“ Goethe, Götter, Helden und Wieland (1774), in: FA I 4, 437. Obszönitäten im eigentlichen Sinn kommen in Goethes Farce nicht vor; gleichwohl finden sich Anspielungen auf die leiblichen Gelüste und Ausschweifungen der heidnischen Götter. So bestätigt am Ende des Stückes ein verärgerter Ausruf des Pluto die ‚wahrheitsgemäße‘ Darstellung der Götterwelt durch Euripides: „He! Ho! Was für ein verfluchter Lärm dadraußen. Herkules dich hört man überall vor. Kann man denn nicht einmal ruhig liegen bei seinem Weibe wenn sie nichts dagegen hat [sic].“ Goethe, Götter, Helden und Wieland (1774), in: FA I 4, 437.

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(1775)324. Zu besonderer Popularität gelangte Aristophanes schließlich im Jahr 1780, als Goethe in Ettersburg325 eine – allerdings sehr freie und stark aktualisierende326 – Prosa-Bearbeitung der Aristophanischen Vögel zur Aufführung brachte.327 Im Epilog zu dieser Adaptation prägte Goethe das nachmals vielzitierte Wort von Aristophanes als dem „ungezogenen Liebling der Grazien“328, auch wenn seine eigene Version der Komödie auf ‚ungezogene‘ Anspielungen – zumindest der obszönen Art – weitgehend verzichtet329.

|| 324 Lenz bemerkte dazu in einem Brief an Herder, die Seele des Aristophanes sei in ihn gefahren, „der ein Schwein und doch bieder war“ (Lenz an Herder, 28. August 1775, in: Lenz, Werke und Briefe (1987), Bd. 3, 333). Das Erscheinen des Dramenfragments, in dem Wieland – in Gestalt des Sokrates – als skrupelloser Verführer der Jugend verunglimpft werden sollte, wurde auf Betreiben Goethes im letzten Moment verhindert. Vgl. dazu Süß (1911), 115: „Die in Prosa konzipierte Komödie wurde jedoch unterdrückt, so daß nichts davon erhalten ist, als eine Szene, in der Wieland = Sokrates einem pietistischen Mädchen durch allerlei haarspalterische Dialektik die Tugend wegzudisputieren sucht.“ Lenz selbst publizierte kurz darauf anonym den Essay Verteidigung des Herrn W. gegen die Wolken, von dem Verfasser der Wolken (1776), in dem er die Anschuldigungen seiner gar nicht erschienenen Schrift weitgehend zurücknahm. Im Jahr 1777 erschien von Lenz außerdem das Fragment Die Höllenrichter nach Aristophanes’ Fröschen im Deutschen Museum, Bd. 1 (1777), 254–256; vgl. dazu Süß (1911), 115 f. 325 In Ettersburg, dem Sommersitz der Herzogin Anna Amalia, leitete Goethe – nachdem das Weimarer Hoftheater im Jahr 1774 abgebrannt war – zwischen 1776 und 1783 ein ambitioniertes Laienschauspielensemble, das sich in erster Linie aus adligen und bürgerlichen Mitgliedern der Weimarer Gesellschaft zusammensetzte; dazu Springer (1868), 128 f. u. Oettinger (2001), 61 f. 326 Vgl. Rüdiger (1944), 422: „[...] von Aristophanes finden sich in dieser Parodie von Goethes Beziehungen zu Klopstock und Cramer lediglich Anklänge und vielleicht die Anlage einiger Gestalten. [...] Eine Idee und bis zu einem gewissen Grade auch der aristophanische Stil wurden übernommen und mit neuem Gehalt gefüllt.“ 327 Zur Bedeutung der Ettersburger Aufführung vgl. Friedländer (1969), 542: „[...] für die Aufnahme des Aristophanes in Deutschland ist das Jahr 1780 eins der wichtigsten. Hier war mit heiterer Kühnheit ein Werk des fremdartigsten unter den großen griechischen Dichtern nicht nur in zeitgenössisch deutsches Gewand gekleidet, sondern sogleich auf die wichtigste Bühne Deutschlands gestellt worden.“ Zur Handlung vgl. Süß (1911), 117–119 u. ergänzend J. Werner (1965), 77 f. Goethes frühe Aristophanes-Rezeption wird untersucht von Touyz (2015). 328 Goethe, Epilog [zu: Die Vögel. Nach dem Aristophanes] (1780), in: FA I 5, 252. Die Formulierung ‚Liebling der Grazien‘ geht zurück auf ein Platon zugeschriebenes Epigramm; vgl. Epigrammata Graeca [1975], S. 51 (XIV Page = 29 Bergk / 14 Diehl): Αἱ χάριτες τέμενός τι λαβεῖν, ὅπερ οὐχὶ πεσεῖται, / Ζητοῦσαι, ψυχὴν εὗρον Ἀριστοφάνους; ‚Die Chariten, die ein Heiligtum zu erlangen suchten, das niemals einstürzt, fanden die Seele des Aristophanes.‘ (Ü K. L.) Die ‚Ungezogenheit‘ hingegen war, wie Friedländer (1969), 542 erläuternd anmerkt, „ein Urteil der Aufklärung. (‚Man kann sich kaum etwas Ungezogeneres denken‘ als die aristophanischen Wolken, liest man bei Moses Mendelssohn.)“; vgl. Moses Mendelssohn’s gesammelte Schriften, Bd. 2 (1843), 81. 329 Als Ausnahme können vielleicht die beiden Phantasievogelnamen angesehen werden, mit denen der Protagonist Treufreund seinen Gefährten Hoffegut und sich selbst der versammelten

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Aus dem weiteren Umkreis Goethes stammten schließlich auch zwei hauptsächlich in Prosa abgefasste330 Aristophanes-Übersetzungen im engeren Sinn: Die 1783 publizierte Übertragung der Frösche von Goethes Schwager Johann Georg Schlosser331 und die nunmehr vierte deutsche Wolken-Übersetzung, die der Jenaer Rhetorik-Professor Christian Gottfried Schütz332, in dessen Haus Goethe zeitweilig verkehrte333, im Jahr 1784 erscheinen ließ. 2.3.5.1 Johann Georg Schlosser (1783): „ein großer Mann braucht überhaupt keine Apologie“ Schlosser334, der seine bereits in den 1770er Jahren begonnene Übersetzungsarbeit an Aristophanes zunächst unterbrochen hatte, als er von Herwigs Vorhaben einer Gesamtübersetzung erfuhr, ließ im Jahr 1783 seine Übersetzung der Frösche erscheinen. Mit diesem Stück will er nach eigenem Bekunden „wenigstens eines der unterhaltendsten Stücke“ des Dichters bekannt machen.335 Aristophanes verkörpert für Schlosser den Idealtypus des genialen Dichters, dessen Bekanntschaft er „jedem Freund der griechischen Litteratur, und jedem Mann von Geschmack unentbehrlich“336 erachtet. So sei es Aristophanes in unvergleichlicher Weise gelungen, die Verfehlungen der politischen Handlungsträger seiner Zeit und die Gutgläubigkeit des athenischen Volkes satirisch aufs Korn zu nehmen und der Lächerlichkeit preiszugeben, ohne dass dies seiner Beliebtheit und seinem Dichterruhm Abbruch

|| Vogelschar vorstellt: „Dieses ist der Otahitische Mistfinke, nach dem Linné, Monedula ryparocaudula [‚Dohle mit schmutzigem Schwänzchen‘, Anm. d. Verf.] und ich bin von den Freundsinseln, der große Hosenkackerling, Epops maximus polycacaromerdicus; es gibt auch einen kleinen, der ist aber nicht so rar.“ Goethe (B), Die Vögel. Nach dem Aristophanes, in: FA I 5, 242. Zur entsprechenden Stelle bei Aristophanes (Av. 63 ff.) s. auch o. 2.3.3.2. 330 Näheres zur metrischen Gestaltung der beiden Übersetzungen bei J. Werner (1965), 79 und 88. 331 S. u. 2.3.5.1. 332 S. u. 2.3.5.2. 333 S. u. 2.3.5.2 Anm. 347. 334 Der promovierte Jurist Schlosser (1739–1799) war seit 1774 als Oberamtmann in der badischen Markgrafschaft Hochberg tätig. Daneben betätigte er sich auch als Schriftsteller und Übersetzer und gehörte – zusammen mit Goethe – zu den Hauptbeiträgern der Frankfurter Gelehrten Anzeigen. In dieser Funktion war er uns bereits als Kritiker von Herwigs Wolken-Übersetzung begegnet (s. o. 2.3.4.4 u. ebd. Anm. 300). Außer den Fröschen des Aristophanes übersetzte er auch mehrere andere griechische Werke erstmals ins Deutsche, so etwa Platons Briefe (1795) und die Politik des Aristoteles (1797–1798). Die Frösche-Übersetzung erschien zuerst namentlich im dritten Band von Schlossers Kleinen Schriften (1783) und im selben Jahr auch in einer anonymen Einzelausgabe, die hier als Zitiergrundlage dient. Zu Schlossers Biographie vgl. Jung (1890); zu seiner FröscheÜbersetzung vgl. die Darstellungen bei J. Werner (1965), 78–83, und Holtermann (2004), 61–74. 335 Vgl. [Schlosser], Vorerinnerung (1783), 2 f. 336 [Schlosser], Vorerinnerung (1783), 3.

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getan hätte.337 Dass er dabei bisweilen auch über das Ziel hinausschoss, wie etwa im Fall des Sokrates, sei nur allzu verständlich: „so zeigt mir den Mann von Aristophanes Genie, der sich in den Eingebungen seines Witzes mäßigen kann“.338 Mit der Anerkenntnis der dichterischen Genialität des Aristophanes ergibt sich für Schlosser zwangsläufig die Erkenntnis, dass sämtliche Verteidigungsbemühungen – explizit wird hier auf Frischlin und Dacier verwiesen – letztlich obsolet seien, denn „ein grosser Mann braucht überhaupt keine Apologie“.339 Doch was dem griechischen Originalgenie in seiner Muttersprache zu sagen erlaubt war, gilt – folgt man Schlosser – für seine (potentiellen) Übersetzer nur mit Einschränkungen. Ihnen wird – nicht zuletzt hinsichtlich der Obszönitäten – sprachliche Zurückhaltung angeraten.340 Denn es ist nicht zu läugnen, daß manche Stelle, zumahl in den Stücken wo die Weiber die Hauptrollen haben, nothwendig verschleyert, oder gar weggelassen werden muß. Selbst in den Fröschen, die ein frommer Casuist341 sogar nach dem Plutus und den Wolken für das einzige lesbare Stück des Dichters hält, bin ich zweimal auf solche Dinge gestossen, die ich liegen lassen mußte, und nur einige mal habe ich sie durchwitschen lassen können, vielleicht auch das nicht ohne Tadel.342

Zu den ‚verschleiernden‘ Übersetzungen gehören etwa Ra. 8 ὅτι χεζετιᾷς – ‚[du sagst,] du müßtest sch...‘343 und Ra. 57 ξυνεγένου τῷ Κλεισθένει – ‚du hast dich doch nicht wohl gar in den Kleisthenes selbst verliebt?‘344. Vollständig ausgelassen werden die Verse 422–430, in denen der Chor u. a. über den Sohn des Kleisthenes herzieht, der sich die Haare vom Hintern raufe (πρωκτὸν τίλλειν ἑαυτοῦ, 427 f.), und den Kallias als einen verspottet, der sich in der Seeschlacht mit einem ‚Löwenfell‘

|| 337 Vgl. [Schlosser], Vorerinnerung (1783), 4. Holtermann (2004), 61–74 hebt hervor, dass Schlosser in seiner Vorerinnerung erstmals, wenn auch nur schlaglichtartig, die politische Dimension der Aristophanischen Personalsatire beleuchtet: „Deren Funktion sieht er jetzt nicht mehr wie die auf Horaz fußenden Satiretheoretiker in einer Einwirkung – zumeist als moralische Besserung verstanden – entweder auf die Opfer (durch bestrafende Bloßstellung) oder die Adressaten (durch Abschreckung); statt dessen beschreibt er sie als ein Ventil für die Frustration der unterdrückten ‚Untertanen‘, die als (Theater-)Publikum über diese Satire lachen. [...]“ Holtermann (2004), 63. 338 [Schlosser], Vorerinnerung (1783), 8. 339 [Schlosser], Vorerinnerung (1783), 9. Ähnlich äußerte sich Schlosser bereits in seiner Rezension zu Herwig; vgl. Schlosser, [Rez. zu] Aristophanes, Wolken, übers. v. J. J. Herwig (1772), 237; vgl. hierzu auch Holtermann (2004), 61 Anm. 4. 340 Schlossers Äußerungen zum übersetzerischen Umgang mit den Obszönitäten widersprechen somit keineswegs seiner in der Herwig-Rezension aus dem Jahr 1772 dargelegten Auffassung, nach der die „jungfräuliche Miene“, die der Übersetzer in seiner Wolken-Übersetzung gezeigt habe, sehr zu billigen sei; s. auch o. 2.3.4.4 u. ebd. Anm. 303. 341 Wer hiermit gemeint ist, bleibt unklar. 342 [Schlosser], Vorerinnerung (1783), 13. 343 [Schlosser] (Ü), Frösche (1783), S. 15. 344 [Schlosser] (Ü), Frösche (1783), S. 19.

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aus Schamhaar gegürtet habe (κύσθῳ λεοντῆν ἐνημμένον, 434). Schlosser begründet diese Auslassung in einer Anmerkung (S. 119 Anm. 37): „Die folgende Spöttereyen [sic] über einige andere Nichtwürdige sind zu persönlich, als daß sie intereßiren könnten, und die Wahrheit zu sagen zu unartig, als daß sie sich übersetzen ließen!“ Hatte er in seiner Herwig-Rezension elf Jahre zuvor noch bezweifelt, dass es möglich sei, sämtliche Werke des Aristophanes ins Deutsche zu übertragen, ohne sie allzusehr zu „verstümmeln“ (s. auch o. 2.3.4.4 u. ebd. Anm. 303), hält Schlosser eine Weiterführung seiner eigenen Übersetzungsbemühungen nunmehr durchaus für denkbar. So äußert er die Hoffnung, mit seinem ersten Übersetzungsversuch „entweder [...] geschicktere Federn zu Fortsetzung dieser Arbeit zu reizen“ oder aus den Reaktionen des Publikums ablesen zu können „ob ich selbst diese meine Unternehmung fortsetzen soll“.345 Allerdings brachte er anschließend keine weitere Aristophanes-Übersetzung mehr hervor.346 2.3.5.2 Christian Gottfried Schütz (1784): „Mit Rücksicht auf die züchtigere Sprache unserer Zeiten“ Als Fortsetzer von Schlossers Arbeit verstand sich Christian Gottfried Schütz347, dessen Prosaübertragung348 der Wolken aus dem Jahr 1784 dem „edlen Schlosser“ gewidmet ist: || 345 Vgl. [Schlosser], Vorerinnerung (1783), 3. Am Ende der Vorerinnerung bekräftigt Schlosser nochmals seinen Wunsch, „daß ein Mann der mehr Griechisch verstünde, als ich, eine freyere und reichere Sprache hätte, mehr Poet wäre, mehr Gelehrsamkeit besässe, und sich mehr Zeit zum Ausfeilen geben könnte, als ich, diese meine Arbeit umschmelzte, und fortsetzte!“; ebd. 11 f. 346 Vgl. aber J. Werner (1965), 78: „Nicht zugänglich war mir eine von Schweiger und Kayser mit der Angabe ‚Basel 1806‘ gebuchte Ausgabe der ‚Frösche‘-Übersetzung zusammen mit einer ‚Lysistrate‘-Übertragung, die offenbar ebenfalls von Schlosser herrühren soll.“ S. auch ebd. Anm. 351: „Eine solche existiert auch nach Johann Philipp Krebs, Handbuch der philologischen Bücherkunde .. 1 [sic], Bremen 1822, 81.“ Auch der der Verf. war es bislang nicht möglich, diese Ausgabe ausfindig zu machen. 347 Christian Gottfried Schütz (1747–1832) hatte Theologie, Philosophie, Geschichte und Alte Sprachen in Halle studiert und war ebendort zunächst als Leiter des theologischen Seminars tätig, bevor er 1779 eine Professur für Poesie und Beredsamkeit in Jena antrat. 1804 wurde er schließlich in gleicher Funktion nach Halle berufen. Seine Editionen der Aristophanischen Wolken (11770, 21786), der Euripideischen Phönizierinnen (1772), der Memorabilia Xenophons (1780), der Tragödien des Aischylos (1782–1794) sowie der rhetorischen Schriften Ciceros (1804–1808) erlebten zum Teil mehrfache Neuauflagen. Nach der Jahrhundertwende kamen eine Ausgabe des Ciceronischen Gesamtwerkes (1814–1823) sowie der erste „ziemlich mißglückte“ (ADB) Band einer geplanten, aber unvollendeten Gesamtausgabe des Aristophanes (Acharner, Ritter, Wolken) mit lateinischer Übersetzung (1821) hinzu; vgl. auch J. Werner (1965), Anm. 360. Darüber hinaus war Schütz Mitbegründer und leitender Redakteur der einflussreichen, seit 1785 erscheinenden Allgemeinen Litteratur-Zeitung. Sein Jenaer Haus, in dem u. a. Goethe, Schiller, Wilhelm von Humboldt, Johann Gottlieb Fichte und der Weimarer Herzog Karl August verkehrten, galt bis in die späten 1790er Jahre hinein als Mittel-

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dem Manne von hellem Geiste und freiem deutschen Sinne zum Beweis seiner Dankbarkeit für das Vergnügen, welches ihm seine Übersetzung der ‚Frösche‘ und seine Vorrede dazu voll kühner aber wahrer Bemerkungen gemacht hat.349

Schlossers Ablehnung jeglicher Aristophanes-Apologetik trägt Schütz schon dadurch Rechnung, dass er in den Anmerkungen zur Erstauflage (1784)350 bzw. in der Vorrede zur zweiten Auflage seiner Übersetzung (1798) auf moralisierende Grundsatzbetrachtungen zu Aristophanes oder zur Wolken-Problematik verzichtet.351 Die Erläuterung seiner Übertragungsgrundsätze fällt dagegen recht ausführlich aus. Sie sind noch deutlich den Übersetzungsprinzipien der Aufklärung verbunden. So intendiert Schütz, auch wenn er Aristophanes hier nach zeitgenössischer Manier und im Einklang mit Schlosser in den Rang eines ‚Genies‘ erhebt,352 noch keineswegs eine möglichst genaue Wiedergabe der sprachlichen und metrischen Eigenheiten des antiken Autors, wie sie etwa zeitgleich Johann Heinrich Voß im Hinblick auf das Homerische Epos erprobte. Stattdessen setzt Schütz, um demjenigen, „der das Original nicht lesen kann, einen Begriff von dem Zustande der alten Komödie, und von dem komischen Genie des Dichters zu geben“353, nach wie vor auf die sinngemäße Vermittlung des Inhalts, die dem Übersetzer „gewisse Freyheiten“ und „gewisse kleine Abweichungen von seinem Original“ nicht nur erlaube sondern geradezu gebiete.354 Zu den Freiheiten des Übersetzers zählt er u. a. das Abändern unübersetzbarer oder schwer verständlicher Wörter,355 das Modernisieren zeitgebundener Begriffe und Anspielungen356 sowie das ‚Fallenlassen‘ (i. S. v. ‚Weglassen‘; d. Verf.) oder das nur sinngemäße Nachahmen von Wortspielen357 Dabei wird wie

|| punkt des örtlichen Geisteslebens. Zu Schütz’ Biographie vgl. Hoche (1891); zu seiner Übersetzung der Wolken vgl. J. Werner (1965), 84–89. 348 Lediglich einige Chorlieder und Dialogpassagen des Sokrates sind metrisch übertragen, jedoch nicht im ‚Versmaß des Urtextes‘; s. z. B. Schütz (Ü), Die Wolken (1798), 29–34. Ausführlicher hierzu J. Werner (1965), 88. 349 Hier zitiert nach J. Werner (1965), 81; s. dazu auch u. 2.3.5.2 Anm. 351. 350 Vgl. J. Werner (1965), 85. 351 Da mir die Erstauflage der Schütz’schen Übersetzung von 1784 nicht zugänglich war, beziehe mich hier und im Folgenden auf die zweite Auflage von 1798, die lt. J. Werner (1965), 84, nur an wenigen Stellen verändert wurde. Die oben zitierte Widmung an Schlosser fehlt hier allerdings, und die in der Erstauflage in Form von Anmerkungen vorgelegten übersetzungstheoretischen Erwägungen finden sich im Wesentlichen in der Vorrede der Neuauflage wieder; vgl. J. Werner (1965), 85. 352 Schütz, Vorrede (1798), VIII. 353 Schütz, Vorrede (1798), VIII. 354 Vgl. Schütz, Vorrede (1798), III f. Ähnlich auch Herwig o. 2.3.4.4 u. ebd. Anm. 289. 355 Vgl. Schütz, Vorrede (1798), IV f. 356 Vgl. Schütz, Vorrede (1798), VI. 357 Als Beispiel führt Schütz u. a. die Übersetzung des griechischen Namen Phidippides mit Sparroß an; vgl. Schütz, Vorrede (1798), VII. Weitere Beispiele aus Schütz’ Übersetzung bei J. Werner (1965), 85–87.

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selbstverständlich davon ausgegangen, dass derartige übersetzerische Eingriffe im Interesse des griechischen Autors lägen.358 Geradezu topisch ist das Argument, der Dichter – in diesem Fall Aristophanes – würde selbst auf die vom Übersetzer gewählte Wendung zurückgegriffen haben, „wenn er in Deutsch geschrieben hätte“.359 Darüber hinaus wird der Grad der übersetzerischen Genauigkeit, wie Schütz’ Ausführungen deutlich machen, noch immer stark durch das Geschmacksurteil beeinflusst.360 Dass nach diesem Übersetzungsverständnis nicht zuletzt auch abmildernde Eingriffe oder gar Auslassungen im Bereich des Obszönen als legitim betrachtet werden, ist nicht überraschend, wird von Schütz aber noch einmal explizit hervorgehoben: Obscönitäten, d.h. unverschleyerte und pöbelhafte Ausdrücke der Werkzeuge und der Ausübung des Geschlechtstriebes, auch der dabey verübten natürlichen oder unnatürlichen Laster, dergleichen in den Wolken des Aristophanes nur wenige, in andern seiner Stücke aber desto häufiger vorkommen, habe ich aus gerechter Achtung für die züchtigere Sprache unsrer Zeiten ausgelassen, oder doch unanstößiger auszudrucken [sic] gesucht.361

So mildert Schütz etwa πρωκτός (Nub. 193) zu ‚Steiß‘ (S. 21) ab362 oder ersetzt Aristophanes’ direkte Anspielung auf die Lederphalloi der Schauspieler (Nub. 538 f.) durch die Wendung ‚abgeschmackte Gaukelpossen‘ (S. 55 f.)363. Letzteres wird in einer Anmerkung – unter Angabe der lateinischen Übersetzung Bruncks – erläutert364: Die deutsche Uebersetzung mußte sich hier in allgemeinen Ausdrücken halten. Wörtlich lautet die Stelle nach Brunk’s lateinischer Uebersetzung also: Quam vero modestis sit moribus, videte.

|| 358 Vgl. hierzu auch Boivins Argumentation o. 2.3.3.2. 359 Vgl. Schütz, Vorrede (1798), VI f.: „Die Griechen ließen ihre Pferde, um sie vom Schweiß zu reinigen, sich im Sande wälzen; darauf spielt das Wort ἐξαλίειν an, welches ich S. 6 übersetzt habe, nach der Schwemme reiten. Der Sinn verliert dadurch nichts; aber der Ausdruck wird im Deutschen natürlicher, leichter und verständlicher; selbst Aristophanes würde ihn haben brauchen müssen, wenn er Deutsch geschrieben hätte.“ Vgl. ferner ebd. V, wo Schütz seine Übersetzung des Wortes γαλεώτης (‚Eidechse‘) mit ‚Katze‘ erläutert: „Aber so wie jeder komische Dichter gewiß dieses Thier im Deutschen nicht gewählt haben würde, um das lächerliche Bild herauszubringen; so muß es auch der Uebersetzer im Deutschen nicht behalten, sondern ein uns geläufigeres und bekannteres dafür setzen.“ Zu diesem später von Schleiermacher heftig kritisierten Argumentationsmuster s. auch o. 2.3.4.4 Anm. 290 und u. 3.3.1.3.1 Anm. 202. 360 Vgl. Schütz, Vorrede (1798), III: „Ich habe mich bey der Übersetzung der Wolken des Aristophanes [...] überall bemühet, mich so genau an das Original zu halten, als es der gute Geschmack einer Übersetzung, und besonders einer Übersetzung eines komischen Stücks, erlauben wollte.“ 361 Schütz, Vorrede (1798), VIII. 362 S. auch o. 2.3.2.2. 363 S. auch o. 2.3.2.2, 2.3.4.3 u. 2.3.4.4. 364 Zum Unterschied zwischen dem Lateinischen und den ‚Volkssprachen‘ als Vermittlungsinstanz obszöner Sprache s. auch o. 2.1 u. ebd. Anm. 14.

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Quae primum quidem non ingressa est, consutum quiddam habens coriaceum, pendulum, rubrum in summo, crassum, ut pueris risus excitetur; [...]365

Doch finden sich in Schütz’ Übersetzung wider Erwarten auch einige derbe fäkalsprachliche Ausdrücke, wie z. B. die Wiedergabe von καταχέσαντι mit ‚geschissen‘366 oder von οὐρεῖν mit ‚pissen‘367. Auf Übersetzungsentscheidungen wie diese bezieht sich vermutlich auch Christoph Martin Wieland, wenn er 14 Jahre später seinen Entschluss zu einer eigenen Wolken-Übertragung unter anderem damit begründet, dass sein – ansonsten sehr geschätzter – Vorgänger Schütz sich „von der Grenzlinie der Freyheit, die ‚der gute Geschmack‘ dem Uebersetzer einer Aristofanischen Komödie [...] zum Gesetz macht, [...] einen allzu latitudinarischen Begriff gemacht“ habe.368 Heinrich Voß d. J. hingegen stellt Schütz’ Übersetzung diesbezüglich ein günstigeres Zeugnis aus: „Die vielen Derbheiten und stark aufgetragenen Späße haben ihr manchen Freund verschafft, und sie mag auch zwischen den damaligen Lesern und ‚dem ungezogenen Lieblinge der Grazien‘ eine gute Vermittlerin gewesen seyn.“369

|| 365 Schütz (Ü), Die Wolken (1798), 143 Anm. 10. 366 Στ. ἥσθην γαλεώτῃ καταχέσαντι Σωκράτους. (Nub. 174) St. Sackerlot! da muß ich doch wahrlich lachen, daß ihm die Katze gerade ins Maul geschissen hat, mit Urlaub [sic] zu reden! (S. 19). Zu Schütz’ Übersetzung von γαλεώτης s. o. 2.3.5.2 Anm. 359. Zur Stelle vgl. auch u. 2.3.5.3. Zum Gebrauch des Verbs ‚scheißen‘ im ausgehenden 18. Jh. vgl. Adelung, Grammatisch-kritisches Wörterbuch (1811), Bd. 3, Sp. 1404: „[...] Es ist nur noch den niedrigsten und ungesittetsten Sprecharten eigen; anständigere haben es wegen der schmutzigen Onomatopöie längst veralten lassen. Eben dieß gilt auch von allen Ableitungen und Zusammensetzungen, z. B. scheißangst und scheißbange, im hohen Grade angst und bange, Scheißer, Scheißerey, Scheißhaus, Scheißmatz, Scheißdreck, Schiß u. s. f. welche daher auch hier keine weitere Stelle verdienen. [...]“ [Onlinefassung] URL: https://lexika.digitale-sammlungen.de/adelung/lemma/bsb00009133_7_1_1174 (zuletzt gesehen: 17.09.2019). Zu der (in anderen europäischen Ländern untypischen) Präferenz des exkrementellen Aspekts in der deutschen Vulgärsprache vgl. Gauger (2012), hier v. a. S. 46–52 u. 230–252. 367 Στ. καίτοι πρότερον τὸν Δί’ ἀληθῶς ᾤμην διἀ κοσκίνου οὐρεῖν. (Nub. 373) St. Sonst glaubt’ ich streif [sic] und fest, so oft es regnete, der große Zeus pißte durch ein Sieb. (S. 41 f.) Zum Gebrauch des Verbs ‚pissen‘ im ausgehenden 18. Jh. vgl. Adelung, Grammatisch-kritisches Wörterbuch (1811), Bd. 3, Sp. 773: „verb. reg. act. et neutr. welches [...] gleichfalls nur in den niedrigen Sprecharten gebraucht wird, ungeachtet es einige Mahl in der Deutschen Bibel vorkommt, harnen, sein Wasser lassen, oder, abschlagen.“ [Onlinefassung] URL: https://lexika.digitale-samm lungen.de/adelung/lemma/bsb00009133_4_1_1126 (zuletzt gesehen:17.09.2019). 368 Vgl. Wieland, Vorbericht [Wolken] (1798), 62. 369 D.A.E. [=H. Voß d. J.], [Rez. zu] Aristophanes, Wolken von F. G. Welcker und F. A. Wolf (1812), 161.

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Da auch Schütz – wie zuvor schon Herwig und Schlosser – eine zunächst geplante Fortsetzung seines Übersetzungsunternehmens370 unterließ, galt eine deutsche Gesamtübersetzung des Aristophanes weiterhin als Desiderat, zumal selbst die meisten Gebildeten jener Zeit – als prominentestes Beispiel ist hier wohl Friedrich Schiller zu nennen371 – keine oder nur sehr mangelhafte Griechischkenntnisse besaßen und deshalb auf die wenigen vorhandenen, vorzugsweise französischen Aristophanes-Übersetzungen angewiesen waren.372 2.3.5.3 Christoph Martin Wieland (1799): „daß die komischen Poeten, anstatt Aufseher und Bewahrer der Sitten, vielmehr Sittenverderber genannt zu werden verdient hätten“ Die zunehmende Beliebtheit des Aristophanes in Deutschland373 und ein gewisses, nicht zuletzt durch das Erscheinen der beiden französischen Gesamtübersetzungen374 ausgelöstes nationales Unterlegenheitsgefühl ließen die Forderungen nach einem vollständigen deutschen Aristophanes in den 1790er Jahren schließlich immer lauter werden: Unsere Nachbarn, die Italiener und Franzosen, lesen den originellen Spötter Griechenlands bereits schon lange vollständig in ihrer Sprache. [...] Auch wir haben nun einige Hoffnung, denselben ganz zu erhalten. Und geht er aus der Hand des zu diesem Geschäfte eingeweihten und allein gebildeten Dolmetschers hervor, so werden wir andern Nationen die kleine Ehre gerne lassen können, daß sie den Aristophanes früher als wir übersetzt hatten.375

|| 370 Hierauf deuten jedenfalls briefliche bzw. mündliche Äußerungen von Zeitgenossen, etwa des Philologen Karl Philipp Conz und Friedrich Schillers, hin; vgl. dazu J. Werner (1965), 89. 371 Zu Schillers Griechischkenntnissen s. u. 3.3.1.1 (Exkurs 1) u. ebd. Anm. 52. 372 Nach Süß (1911), 90, lernten Lessing, Wieland (trotz guter Griechisch-Kenntnisse) und Goethe Aristophanes aus Brumoys Théâtre des Grecs kennen. Dagegen wurden die bis zum Anfang der 1770er Jahre erschienenen deutschen Aristophanes-Übersetzungen (Mylius, Goldhagen und Herwig) in Weimar offenbar kaum zur Kenntnis genommen. Lediglich Wieland nimmt einmal – allerdings sehr viel später – Bezug auf die Wolken-Übertragung eines „mir unbekannten Joh. Justus Herwig“, die für Wielands Geschmack „wenigstens im Jahre 1798 nicht mehr lesbar ist“; vgl. Wieland, Vorbericht [Wolken] (1798), 61 f. Dass Wieland auch die italienische Gesamtübersetzung der Brüder Prat’Alboino „stark benutzt“ hat, bemerkt Schmid (1910), 14; s. auch o. 2.3.2 u. ebd. Anm. 83. 373 S. auch u. 3.3.1.1 (Exkurs 2). 374 Die französische Gesamtübersetzung von Poinsinet de Sivry war 1784 erschienen (s. o. 2.3.3.5), diejenige von Brotier im Rahmen der Neuauflage des ‚Brumoy‘ kam 1787/88 auf den Markt (s. o. 2.3.3.4). Eine erste italienische Gesamtübersetzung war bereits seit 1545 verfügbar (s. o. 2.3.2 u. ebd. Anm. 83). 375 Degen, Aristophanes (1797), 142.

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Bei dem Hoffnungsträger, auf den der fränkische Philologe Johann Friedrich Degen376 hier anspielt, handelt es sich um den Weimarer Dichter Christoph Martin Wieland377, der 1794 die erste deutsche Übersetzung der Acharner vorgelegt hatte.378 Wielands – vergleichsweise spätes – Interesse an Aristophanes ging vor allem auf die jüngsten Erfahrungen der französischen Revolution zurück, deren Ereignisse nach Wielands Ansicht deutliche Parallelen zu den politischen Verhältnissen im Athen des ausgehenden 5. Jahrhunderts aufwiesen und daher geradezu eine Schlüsselfunktion für das Verständnis der Aristophanes-Komödien besaßen.379 So

|| 376 Degen (1752–1836) war als Gymnasiallehrer in verschiedenen fränkischen Städten, zuletzt als Rektor in Bayreuth tätig und trat daneben auch als Schriftsteller in Erscheinung. Er übersetzte Anakreon und Herodot und gab eine Deutsche Anthologie der römischen Elegiker heraus. Degens zweibändiges, alphabetisch nach Autorennamen geordnetes Nachschlagewerk Literatur der deutschen Übersetzungen der Griechen (1797), später ergänzt um den Nachtrag zu der Literatur der deutschen Übersetzungen der Griechen (1801) sowie seine bereits zuvor erschienene Literatur der deutschen Übersetzungen der Römer (1794 u. 1799) stellen gewissermaßen die auf deutsche Übersetzungen antiker Literatur beschränkten Nachfolgeorgane zu Johann Gottlieb Schummels Uebersetzer Bibliothek von 1774 dar (s. auch o. 2.3.4.2). 377 Wieland (1733–1813) hatte seit dem vierten Lebensjahr Lateinunterricht bei seinem Vater erhalten und während seiner Schulzeit auch Grundkenntnisse im Griechischen erworben, die er im Laufe seines Lebens durch intensive Beschäftigung mit den griechischen Autoren autodidaktisch erweiterte (vgl. Zaremba [2007], 33 u. 43; Cölln [1998], 230]). Von 1769 bis 1772 hatte er eine Professur für Philosophie in Erfurt inne und war anschließend – von 1772 bis 1775 – mit der Erziehung des Weimarer Erbprinzen Karl August betraut, bevor er sich, durch eine lebenslange Leibrente abgesichert, ganz seiner schriftstellerischen Tätigkeit widmen konnte. Er war zudem Herausgeber der einflussreichen Zeitschriften Der Teutsche Merkur bzw. Der Neue Teutsche Merkur (1773–1810) und Attisches Museum bzw. Neues Attischen Museum (1796–1809), in denen u. a. seine Übersetzungen der Aristophanes-Komödien (s. auch u. 2.3.5.3 u. ebd. Anm. 392) erschienen. Auch zahlreiche andere griechische und lateinische Autoren wurden von Wieland übersetzt: Horaz (1780er Jahre), Lukian (Sämtl. Werke in 6 Bdn., Leipzig 1788/89), Euripides, Xenophon, Isokrates, Cicero (Briefe). Zu seinen bedeutendsten Übersetzungen neuzeitlicher Autoren gehört die bereits 1762–1766 in Zürich erschienene achtbändige Shakespeareübertragung (22 Stücke), die einen großen Einfluss auf die Entstehung der Sturm-und-Drang-Bewegung hatte (s. auch o. 2.3.5 u. ebd. Anm. 321. Zu Wielands Biographie vgl. u. a. Starnes (1987), Zaremba (2007), Heinz (2008), 1–25; zu seiner Auseinandersetzung mit der griechischen Antike vgl. Bantel (1953), Cölln (1998); zu Wieland als Aristophanes-Übersetzer vgl. Süß (1911), 106–108, Friedländer (1969), 546–551, J. Werner (1965), 90–110, Steinhorst (1988), Cölln (1998), 242–253, sowie, mit Blick auf Wielands politisches Interesse an Aristophanes, Holtermann (2004), 74–90. 378 Vgl. Degen, Aristophanes (1797), 142: „Es ist nemlich auch schon öffentlich bekannt geworden, daß Wieland denselben ganz so zu liefern gesonnen sey, wie wir die Acharner von ihm erhalten haben. Möchten doch Apoll und seine Musen diesem schönen und der deutschen Nation zu hohem Ruhme gereichenden Werke bald das erwünschte Daseyn geben helfen!!“ 379 Allerdings hatte Wieland schon um 1770, in seiner Zeit als Professor in Erfurt, auch Vorlesungen über die Komödien des Aristophanes gehalten; vgl. Cölln (1998), 227 mit Verweis auf Starnes (1987) I, 347 (s. dort Anm. 11). Außerdem gab es offenbar bereits seit 1762 Übersetzungspläne, die sich auf ein von Wieland ins Auge gefasstes, auf 20 Jahre angelegtes Subscriptionsunternehmen

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zeigte er sich in einem offenen Brief an Johann Heinrich Voß davon überzeugt, dass die Stücke des Aristophanes bei aller komischen Genialität,380 eindrucksvolle und zugleich warnende Beispiele für die negativen Auswüchse einer demokratischen Gesellschaftsordnung böten, wie sie in ähnlicher Weise auch im zeitgenössischen Frankreich zu beobachten seien (Holtermann [2004] spricht in diesem Zusammenhang von ‚antirevolutionärer Indienstnahme‘381): Was meine Lust zur Sache [sc. zum Übersetzen der Acharner; Anm. d. Verf.] nicht wenig vermehrte, war die Bemerkung, daß die seit einigen Jahren vor unsern Augen in Frankreich gespielte große Tragi-komische Sankulotten-Farce auf dieses Stück, und noch mehr auf die Ritter (oder, wie der Titel noch richtiger heissen könnte, Demagogen) und den Frieden eben dieses Dichters ein ganz neues Licht warf, vielen Stellen gleichsam zum Schlüssel diente, vielen Gemählden und Karakterzügen eine Wahrheit und fraicheur gab, als ob sie erst gestern von dem Pariser Volk und den Demagogen, von denen ganz Frankreich sich so erbärmlich mystificieren und mißhandeln läßt, abkopiert worden wären. Mir däuchte, daß diese Stücke dadurch ein ganz neues und eigenes Interesse für den gegenwärtigen Moment erhielten, ein Interesse, das sie nur vor sechs Jahren noch nicht gehabt hätten, und das den Aristofanes, wenn eine gute Uebersetzung von ihm in diesem Zeitpunkt erscheinen könnte, zu einem der allgemeinsten und angenehmsten Lesebücher machen würde.382

Zu den Rittern führt Wieland an anderer Stelle aus, dass keine der AristophanesKomödien besser dazu geeignet sei,

|| bezogen, zu dem er jährlich 30 bis 40 Bogen Übersetzungen liefern wollte, um sich auf diese Weise, wie Johann Jakob Bodmer seinem Freund Laurenz Zellweger am 25. November 1762 brieflich mitteilt, „ein kleines jährliches Einkommen“ zu schaffen; Starnes (1987) I, 226 f. Übersetzt werden sollten hier lt. Wieland „des plus beaux Morceaux des Poetes, Philosophes et Orateurs de l’antique Grece, p. e. des Tragedies de Euripide, de Theocrite, de Xenophon, Platon, Aristophane, Lucien, Plutarque, Dion Chrystome [sic] etc. etc. [...]“; Wieland an Johann Georg Zimmermann, (8. Nov. 1762), in: Starnes (1987) I, 226 f. Auf die bemerkenswerte Entwicklung in Wielands grundsätzlicher Einstellung gegenüber Aristophanes von den 1760er bis zu den 1790er Jahren weist Friedländer (1969), 547 hin: „Im Agathon von 1766/67 spricht er von dem ‚asotischen Witzling Aristophanes‘, in der zweiten Ausgabe von 1773 gleichbedeutend, nur verständlicher, von dem ‚liederlichen Witzling‘. Aber die gesammelten Werke der 90er Jahre bringen die Stelle mit der bezeichnenden Änderung ‚der genievollste, witzigste und verständigste aller Possenschreiber, Aristophanes‘.“ Vgl. hierzu auch J. Werner (1965), 96. 380 So bezeichnet Wieland Aristophanes als den „von allen Musen und Grazien begünstigten Attischen Scurra“ (An Herrn H. V. [i. e. (Johann) Heinrich Voß] [1793], 424), spricht ihm die „Zaubermacht des komischen Genius“ zu (Einleitung [Ritter] [1798], XIII), und charakterisiert seine Komödien als „Possenspiele eines Mannes von Genie, der in seiner Art so einzig war als Shakespear in der seinigen“ (An Herrn H. V. [1793], 423). 381 Dass eine solche Funktionalisierung der Aristophanes-Komödien in den demokratiefeindlichen Kreisen der 1790er Jahre durchaus geläufig war, belegt Holtermann (2004), 77–80 durch vergleichbare Stellungnahmen zeitgenössischer Gelehrter wie Christian Garve, Arnold H. Heeren und Christian Gottlob Heyne. 382 Wieland, An Herrn H. V. (1793), 428 f. Vgl. auch Wieland, Einleitung [Ritter] (1798), V.

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uns ein wahres lebendiges Bild von der tiefen Verdorbenheit zu geben, zu welcher ein äusserst lebhaftes und feuriges, leicht bewegliches, zur Schwärmerey geneigtes, ehrgeiziges, in allen seinen Neigungen, Leidenschaften, Wünschen und Entwürfen ausschweifendes, und mit der größten Leichtigkeit von einem Aeussersten zum andern überspringendes Volk, zumahl in der fysischen und politischen Lage der Athener, durch eine demokratische Verfassung und demagogische Regierung herunter gebracht werden kann.383

Wielands Meinung zu Aristophanes ist, wie aus seinen Schriften immer wieder deutlich wird, gespalten. So erkennt er in ihm einerseits das – eher der aristokratischen Seite zugeneigte384 – dichterische Genie, das sich in schwierigen Zeiten darum bemüht, die unter dem verderblichen Einfluss von Kriegstreibern und Demagogen stehenden Athener moralisch zu belehren,385 andererseits kritisiert er ihn, weil er in seinen Komödien nicht darauf verzichte, den Geschmack des athenischen Pöbels zu bedienen.386 In diesem Sinne stellt Wieland schließlich auch das Obszöne in einen neuen Zusammenhang, der in der bisherigen Diskussion nicht gesehen worden war: Die Obszönität erscheint ihm nicht länger als Verstoß gegen die Normpoetik387 oder als Beleg für die „Unvollkommenheit heidnischer Tugenden“ (Clodius) sondern ist vielmehr selbst Ausdruck des – von den Komödiendichtern einerseits angeprangerten, andererseits aber auch mitverschuldeten – moralischen Verfalls der athenischen Demokratie: Die unbeschränkte Freyheit zu spotten, zu stechen und zu züchtigen, deren die Komödie sich bemächtigt hatte, ging nun durch den Wettstreit der Dichter, es einander darin zuvor zu thun, immer weiter, und blieb nicht eher stehen, bis sie, mit der ebenfalls wohl hergebrachten Befugniß Zoten zu reißen und asotische Darstellungen vor die Augen der Zuschauer zu bringen,

|| 383 Wieland, Einleitung [Ritter] (1798), IV. 384 Vgl. Wieland, Einleitung [Ritter] (1798), XII. 385 Vgl. etwa Wielands Charakterisierung der Vertreter der Alten Komödie als „eine Art von öffentlichen Censoren“; Wieland, Einleitung [Ritter] (1798), IX f. 386 In seiner Einleitung [Ritter] (1798), XV spricht Wieland von „bis zum Ekel pöbelhaften Scenen zwischen dem Wursthändler und dem Paflagonier“ und im Vorbericht [Wolken] (1798), 64 kritisiert er „die frostigen und zum Theil unanständigen Spässe, [...] die überdieß nur dem attischen Pöbel genießbar seyn könnten.“ Vgl. ferner Wieland, An Herrn H. V. (1793), 425 f.: „Nehmen Sie noch dazu, daß die Komödienschreiber mehr für die rohern Volksklassen, für die Bewohner des Piräos, Handwerker, Seeleute und Matrosen, als für den aristokratischen [...] Theil ihrer kleinen Nazion arbeiteten, und sich eben darum Einfälle, Einkleidungen und Wendungen, Ausdrücke und Darstellungen nicht nur erlauben durften, sondern erlauben mußten, die selbst dem undelikatesten Theil unsers lesenden Publikums nicht präsentiert werden dürften.“ 387 In den Vorerinnerungen seiner Acharner-Übersetzung bemerkt Wieland, dass man „dieses, nach der allgemeinen Form der athenischen alten Komödie gebildete Stück [...] nicht nach den Regeln des modernen Lustspiels beurtheilen müsse. [...] die anscheinende Planlosigkeit und Willkührlichkeit des Zusammenhangs; der Mangel an künstlicher Verwicklung und Entwicklung, an Wahrscheinlichkeit und Anständigkeit, – das alles waren in den Augen der Athener nicht nur keine Fehler, sondern es war, im Gegentheil, was sie foderten, wenn ihnen ein Stück dieser Art gefallen sollte.“ Wieland, Vorerinnerungen [Acharner] (1794), 353.

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endlich auf einen so hohen Grad gestiegen war, daß die komischen Poeten, anstatt Aufseher und Bewahrer der Sitten, vielmehr Sittenverderber genannt zu werden verdient hätten, wenn an den Athenern noch etwas zu verderben gewesen, und die freche Ausgelassenheit der Komödie nicht vielmehr als ein bloßer Zweig der allgemeinen Unsittlichkeit zu betrachten wäre, zu welcher Athen unter den Demagogen, die auf Perikles folgten, im Lauf des sieben und zwanzigjährigen Peloponnesischen Krieges herabsank [...].388

Allen Kritikpunkten zum Trotz zeigt sich Wieland von den an Aristophanes sich manifestierenden wechselseitigen Erhellungsmöglichkeiten zwischen Gegenwart und Vergangenheit derart fasziniert, dass er Voß bereits die Übertragung weiterer Stücke, insbesondere der Ritter, ankündigt: „Komme ich mit den letztern zu Stande, so ist es vielleicht möglich, daß ich mich auch noch an die Irene wage. Aber dies ist auch alles, was ich Ihnen vor der Hand versprechen kann“.389 Auch wenn er im Folgenden sehr deutlich macht, dass von seiner Seite aus an eine Übersetzung „aller eilf übrigen Stücke [...] auf keinen Fall“ zu denken sei,390 befördert Wieland mit

|| 388 Wieland, Versuch über die Frage [...] (1799), 74. Vgl. hier auch Wielands eher negative Charakterzeichnung des Aristophanes, ebd. 81 f.: „Ein so eitler, so leichtfertiger, so wespenartiger Mensch, wie er sich uns ungscheut darstellt, ein Mensch dem es gleichviel galt, ob das, was er sagt, wahr oder falsch, recht oder unrecht war, wenn es nur in seinen Kram taugte; ein Mensch der so wenig Achtung gegen sich selbst und so wenig Scheu vor dem Urtheil der Besten hat, wie der Verfasser der Lysistrata haben mußte, um sie schreiben zu können, und bey dem alle andern Zwecke dem Zweck, der Menge zu gefallen und den Pöbel lachen zu machen, dergestalt untergeordnet sind, daß er lieber seinen guten Namen aufopfert, als sich eine Gelegenheit entgehen läßt, Sackträger, Zimmer- und Schmidebursche, Salzfischkrämer, Matrosen, und den ungezogensten Theil des Attischen Landvolks durch so ekelhaft schamlose Darstellungen, wie z. B. der Schluß der Eirene, oder die Scene zwischen Lysistrata und ihrem von der Armee zurückkommenden Manne ist [gemeint ist offenbar die Szene zwischen Myrrhine und Kinesias; Anm. d. Verf.], zu belustigen und zu kitzeln, – ein solcher Mensch konnte (wenigstens nach meinem Gefühl und Urtheil) kein edler – so wie der Verfasser der Wolken (wenn auch sonst nichts gegen ihn zeugte) kein guter Mann seyn.“ Ähnlich hatte wenige Jahr zuvor bereits der anonyme Verfasser der Abhandlung Worauf gründete sich der Beyfall, den Athen den Schauspielen des Aristophanes schenkte (1788), 18, hinsichtlich der „Anzüglichkeiten“ und der namentlichen Invektive argumentiert: „Nur solche Süjets fanden in einem freyen, demokratischen Staate Eingang, solche und keine andern Gemälde ergaben sich aus dem Zustande des sittelosen und durch Partheyen zerrütteten Athens.“ Noch ausführlicher behandelt derselbe Verfasser, bei dem es sich höchstwahrscheinlich um den Breslauer Philologen und Gymnasiallehrer Johann Caspar Friedrich Manso (1759–1826) handelt (vgl. Holtermann [2004], 84 Anm. 88), den Gesichtspunkt des sittlichen Niedergangs zur Zeit des Peloponnesischen Krieges in dem Artikel ‚Aristophanes‘ in den Nachträgen zu Sulzers allgemeiner Theorie der schönen Künste (1803). 389 Wieland, An Herrn H. V. (1793), 431. 390 Vgl. Wieland, An Herrn H. V. (1793), 431. Vgl. ebd.: „Auch dann, wenn ich bey völliger Muße noch zwanzig Jahre Leben vor mir hätte, würde ich mich, aus noch wichtigern Ursachen als die ich Ihnen bereits angeführt habe, zu einer solchen Arbeit nicht entschließen können.“ Im Folgenden will Wieland, vorausgesetzt seine Lebenszeit lasse dies zu, aber doch nicht ganz ausschließen, „daß die Reihe endlich auch noch an die Vögel und die Frösche, oder an die Wolken kommen k[ö]nnte. ...“; vgl. ebd. 432.

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seinen Ankündigungen die Spekulationen um eine von ihm besorgte Gesamtübersetzung des Aristophanes.391 Er bleibt jedoch seinem Vorsatz treu und sieht von einer Gesamtübersetzung ab. Gleichwohl lässt er den Acharnern (1794) innerhalb von 10 Jahren noch drei weitere Aristophanes-Übersetzungen folgen: Ritter (‚Die Demagogen‘) 1798, Wolken 1798 und Vögel 1805.392 Mit den Acharnern legt Wieland – und daraus resultiert wohl auch ihr zeitgenössischer Erfolg – erstmals nach Fröreisen (s. o. 2.3.2.2) wieder eine metrische Übertragung des Aristophanes vor und leitet damit „eine neue Epoche in der deutschen Aristophanes-Übersetzung“ ein.393 So empfindet Wieland es geradezu als zwingende Notwendigkeit, „den Aristofanes nicht nur in seinen gewöhnlichen Jamben, sondern auch in seinen Trochäen, Anapästen und achtfüßigen jambischen Versen, so viel es mir möglich seyn wollte, nachzubilden oder – nachzufuschen.“394 Der Anstoß hierzu kam offenbar von Voß, dessen hexametrische HomerÜbertragungen ein Jahr zuvor herausgekommen waren. Doch weist Wieland zugleich auch auf die Grenzen der deutschen Sprache hin, die eine metrisch exakte Übertragung längerer Anapästpassagen oder lyrischer Chorpartien seiner Meinung nach unmöglich machten.395 Aus diesem Grund erlaubt sich Wieland, wo es ihm geboten erscheint, diverse Abweichungen vom Originalmetrum, indem er etwa iambische Trimeter durch Blankverse oder Anapäste durch Daktylen ersetzt.396

|| 391 Insbesondere Degen stilisiert Wieland, von dem bereits erfolgreiche Gesamtübertragungen der Werke Lukians, Horaz’ und Shakespeares vorlagen, zum kongenialen Übersetzer des Komikers: „Möchte doch der Mann, welchen noch in dem höhern Alter die Kraft des Jünglings belebt, noch einen kleinen Theil seines Lebens einer Arbeit zum Opfer bringen, durch welche der Ruhm unserer Nation ungemein erhöht werden würde, da niemand mehr als er berufen zu seyn scheint, einen Dichter zu übertragen, bei dessen Nachbildung schon viele Vorzüge vereiniget seyn müssen, wenn nur etwas Erträgliches zum Vorschein kommen soll, und weil vielleicht noch mehr als ein Jahrhundert dahin sinken möchte, bis wieder ein Mann aufstände, der den Geist eines Aristophanes, wie Wieland, fassen und in dessen Kopei aufstellen könnte.“ Degen, Aristophanes (1797), 148. Vgl. ferner: Degen, Nachtrag (1801), XIII u. ebd., 50: „Das Ausland wird uns darum beneiden, wenn wir demselben nach einiger Zeit werden sagen können, daß bis iezt nur den Deutschen der Mann gegeben wurde, welcher fähig war, die Kopei eines Originals zu liefern, welche keine unter allen gebildeten Nationen bisher noch hatte aufstellen können.“ 392 Nähere Angaben s. Literaturverzeichnis. J. Werner (1965), 95, erwähnt zudem eine im Manuskript erhaltene „gekürzte, sehr freie Übersetzung des ‚Ekklesiazusen‘-Prologs“ (mit Verweis auf Seuffert [1904–1941], Bd. 7, 67 u. 71). 393 So J. Werner (2000), 393. 394 Wieland, Vorerinnerungen [Acharner] (1794), 357. 395 Vgl. Wieland, Vorerinnerungen [Acharner] (1794), 357 f.; vgl. auch Wieland, Vorbericht [Wolken] (1798), 64 ff. 396 Dies gilt für die späteren Übersetzungen in höherem Maße als für die Acharner, in denen Wieland noch sehr um die Metrik bemüht war; vgl. Wieland, Vorbericht [Wolken] (1798), 64. Zu Wielands Behandlung der Metrik ausführlicher auch J. Werner (1965), 103–107. S. auch ebd. 100: „Wieland überträgt metrisch, aber nicht etwa zeilengleich. Das läßt sich besonders gut bei der ‚Wolken‘-

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Was die Wiedergabe des Inhaltes betrifft, so folgt auch Wieland – hier in bewusster Abgrenzung zu Voß397 – dem aufklärerischen Übersetzungsprinzip, nach dem Lesbarkeit und Verständlichkeit höher zu achten sind als Wörtlichkeit. Häufig bedient er sich eines kommentierenden, eher additiven Übersetzungsstils, der die Beigabe von Anmerkungen – die gleichwohl in großer Zahl vorhanden sind – überflüssig machen soll.398 In Bezug auf die Obszönitäten sieht Wieland sich hingegen – ebenfalls im Interesse der Lesbarkeit399 – des Öfteren dazu genötigt, auf die Wiedergabe ganzer Verse zu verzichten, weil die frostigen und zum Theil unanständigen Spässe, die ihren Inhalt ausmachen, sich um schlechterdings unübersetzbare Wortspiele drehen, die überdieß nur dem attischen Pöbel genießbar seyn könnten. Das Beste ist, daß man sie weglassen kann, ohne daß die geringste Lücke dadurch entsteht.400

Das umfangreiche Strategienspektrum, dessen sich Wieland zur Vermeidung oder Auslagerung obszöner Ausdrucksweisen bedient, wird anschaulich von J. Werner (1965) beschrieben401: So häufig derartige Stellen weggefallen sind, so häufig sind sie doch auch übersetzt, oft recht frei402, ‚rokokohaft versteckt‘ (Bantel 109403), wobei er den Leser nicht selten erst durch Anmer-

|| Übertragung feststellen, der Wieland eine eigene Verszählung beigibt [...]: auf ca. 1500 Verse des Originals kommen über 1900 in der Übersetzung!“ 397 Die beiden unterschiedlichen Übersetzungskonzepte wurden in der Folgezeit auch als ‚Wielandische‘ vs. ‚Vossische Manier‘ einander gegenübergestellt; vgl. hierzu Tgahrt (1982), 269 u. Cölln (1998), 250. 398 Vgl. J. Werner (1965), 100. 399 Wieland hatte ja in seinem Brief an Voß (s. o. 2.3.5.3 Anm. 386) darauf hingewiesen, dass die von den antiken Theaterbesuchern geradezu eingeforderten anzüglichen Scherze „selbst dem undelikatesten Theil unsers lesenden Publikums nicht präsentiert werden dürften“. 400 Vgl. Wieland, Vorbericht [Wolken] (1798), 64. 401 Die dem folgenden Zitat beigegebenen Fußnoten stammen von der Verf. 402 Vgl. z. B. Nub. 733 f. (= Wieland [Ü], Die Wolken des Aristofanes [1798], 135 f.), wo Sokrates Strepsiades nach dem Resultat einer verordneten Denkpause befragt, die sein neuer ‚Schüler‘ jedoch zur Selbstbefriedigung genutzt hat: Σω. ἔχεις τι; Στ. μὰ Δί’ οὐ δῆτ’ ἔγωγ’. Σω. οὐδὲν πάνυ; / Στ. οὐδὲν γε πλὴν ἢ τὸ πέος ἐν τῇ δεξιᾷ. Sokr: Hast du was? / Str.: Nichts! Was man nichts heißt! / Sokr: Gar nichts? / Str.: Als – Mich selber bey der Nase. Aristophanes’ plastische Anspielung auf die von den Schauspielern getragenen Lederphalloi (ῥαψαμένη σκύτινον καθειμένον / ἐρυθρὸν ἐξ ἄκρου, παχύ, Nub. 538) gibt Wieland eher knapp mit ‚unanständiges Angehänge‘ wieder; vgl. Wieland (Ü), Die Wolken des Aristofanes (1798), 121; s. auch o. 2.3.2.2, 2.3.4.3, 2.3.4.4 u. 2.3.5.2. Beide Stellen werden von Wieland nicht weiter kommentiert. 403 Werner verweist hier auf Bantel (1953).

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kungen darauf bringt, was aus seiner euphemistischen Übertragung herauszulesen ist404. Oft zitiert er bei solchem Anlaß in der Anmerkung ausländische Übersetzungen, so daß die inkriminierte Wendung schließlich doch dasteht, nur eben nicht deutsch405. Bald verurteilt er in seinen Erläuterungen die ‚bis zum Ekel pöbelhaften Szenen‘ samt dem Dichter, der sie ge-

|| 404 Beispiele hierfür finden sich z. B. in der Anfangsszene der Acharner, in der Dikaiopolis dem Auftritt eines aus Persien zurückgekehrten Gesandten und des Persers Pseudartabas vor der Volksversammlung beiwohnt. Der Gesandte berichtet zunächst von der langwierigen Suche nach dem Großkönig: Πρεσβευτής

ἔτει τετάρτῳ δ’ εἰς τὰ βασίλει’ ἤλθομεν· ἀλλ’ εἰς ἀπόπατον ᾤχετο στρατιὰν λαβών, κἄχεζεν ὀκτὼ μῆνας ἐπὶ χρυσῶν ὀρῶν, — (Ach. 80–82)

Abgesandter: Endlich langten wir Im vierten Jahre bey dem König an. Zum Unglück war er eben auf dem Abtritt; Das heißt, er war mit seinem ganzen Hofe Inst nach den goldenen Bergen abgegangen Um dort acht Monden lang — sich Oeffnung zu verschaffen. (Wieland [Ü], Acharner [1794], 370 f.) Wieland übersetzt die drastische Schilderung zwar mit vornehmer Zurückhaltung. In einer Anmerkung zerstört er jedoch die in der Übersetzung geschaffene Illusion einer gewählten Ausdrucksweise des Gesandten sofort wieder, indem er seinen Lesern mitteilt: „Der elegante Aristofanes erspart sich solche eufemistische Umschreibungen, und sagt geradezu, um zu k.k.n.“ (Wieland (Ü), Acharner [1794], 371). Das offensichtliche Vergnügen, das Wieland hier aus dem Verschleiern bzw. Enthüllen der anstößigen „Stellen“ und dem Spiel mit den widerstrebenden Bedürfnissen zugleich nach Einhaltung und Überschreitung der zeitgenössischen Konventionen zieht, steht bereits in deutlichem Gegensatz zu Gottscheds noch gänzlich negativer Beurteilung der Aristophanischen Darstellung des persischen Großkönigs (s. o. 2.3.4). Ähnlich wie im ersten Beispiel verfährt Wieland auch mit den geradebrechten Worten des Persers Pseudartabas, die folgendermaßen übersetzt werden: Ψευδ. Pseud.

οὐ λῆψι χρυσό, χαυνόπρωκτ’ Ἰαοναῦ. (Ach. 104) Sollst haben nichts von Gold, weitherz’ger Iaonan! (Wieland [Ü], Acharner [1794], 374)

Obgleich er das griechische Adjektiv χαυνόπρωκτος (‚weitärschig‘) hier verschleiernd mit ‚weitherzig‘ wiedergibt, macht Wieland dessen obszönen Sinn durch eine vorgeblich abwehrende Fußnote gerade erst explizit: „Das Beywort χαυνόπρωκτος bedarf, da es leider! übersetzt werden mußte, keiner deutlichen Erklärung.“ (Wieland (Ü), Acharner [1794], 374). 405 Vgl. etwa Strepsiades’ erschrockene Reaktion auf den Donner der Wolken: Στ.

καὶ σέβομαί γ’, ὦ πολυτίμητοι, καὶ βούλομαι ἀνταποπαρδεῖν πρὸς τὰς βροντάς· οὕτως αὐτὰς τετραμαίνω καὶ πεφόβημαι κεἰ θέμις ἐστίν, νυνί γ’ἤδη, κεἰ μὴ θέμις ἐστί, χεσείω. (Nub. 293 ff.)

Str.

Aber ihr Donnern / Hat mich so arg erschreckt, daß ich zurückzutrompeten / Mich nicht enthalten kann; sey es recht oder unrecht, mich — (Wieland [Ü], Die Wolken des Aristofanes [1798], 97)

Zur Auflösung der durch Gedankenstrich markierten Stelle bietet Wielands Anmerkung eine wörtliche italienische Übersetzung: „Ho voglia di cacare, sagt der wörtlich getreue italiänische Uebersetzer.“ (Wieland [Ü], Die Wolken des Aristofanes [1798], 97 Anm. 34).

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schrieben, und dem Publikum, das sie goutiert, ja wohl auch verlangt habe406; dann beklagt er wieder die Zimperlichkeit Madame Daciers, die so manches gar nicht oder nur bis zur Unkenntlichkeit verhüllt wiedergegeben habe (Anmerkung zu ‚Wolken‘ V. 1084 = Wieland 1367407).408

Die hier aufgeführten Vermeidungsstrategien werden von Wieland jedoch keineswegs konsequent zur Anwendung gebracht – finden sich bei ihm doch immer wieder auch überraschend wörtliche Übersetzungen primär obszöner, insbesondere skatologischer Ausdrücke: Μαθητής

Στρεψιάδης Schüler:

Strepsiades:

ζητοῦντος αὐτοῦ τῆς σελήνης τὰς ὁδοὺς καὶ τὰς περιφορὰς, εἶτ’ ἄνω κεχηνότος ἀπὸ τῆς ὀροφῆς νύκτωρ γαλεώτης κατέχεσεν. ἥσθην γαλεώτῃ καταχέσαντι Σωκράτους. (Nub. 171 ff.) Er wollte just die wahre Ursach Der Wandlungen des Mondes observiren, Und wie er so mit ofnem Mund hinauf sah, Bekackt’ ein Iltis ihn vom Dach herab. (lacht überlaut.) Ein Iltis, der den Sokrates bekackelt, Das ist doch lustig! (Wieland, Wolken [1798], S. 85)

Insgesamt lässt sich feststellen, dass die Aristophanische Obszönität, auch wenn sie zu großen Teilen auf die Ebene der Anmerkungen verlagert wird, den Lesern der Wieland’schen Übersetzungen recht deutlich vermittelt wird. Dies mag nicht zuletzt mit Wielands Intention zusammenhängen, die durch Aristophanes repräsentierte Form der Alten Komödie mit seinen Übersetzungen nicht allein zu Unterhaltungszwecken zu verbreiten, sondern sie auch politisch zu funktionalisieren. Indem er Parallelen zwischen den zeitgenössischen Ereignissen der Französischen Revolution und den von Aristophanes karikierten Geschehnissen des Peloponnesischen Krieges aufzeigt, weist Wieland explizit auf die Einbettung der Alten Komödie in einen bestimmten politisch-historischen Kontext hin. Daher seien, so Wieland, die Komödien des Aristophanes – über ihre große literarische Bedeutung hinaus – als wichtige „historische Urkunden“ der Endzeit der attischen Demokratie zu betrachten.409 Unter diesem Blickwinkel stellen für Wieland auch die anstößigen Elemente

|| 406 Vgl. Wieland, Einleitung [Ritter] (1798), XV. 407 Werners Angabe muss korrigiert werden zu ‚Wieland 1365‘, vgl. Wieland (Ü), Die Wolken des Aristofanes (1798), 170. 408 J. Werner (1965), 99; vgl. auch J. Werner (1985), 126. 409 Vgl. Wieland, Einleitung [Ritter] (1798), IV: „Aus diesem Gesichtspunkte betrachte ich dieses Stück [sc. die Ritter] (alles abgerechnet was die vis comica des Dichters und seiner besondern Absichten an den Zügen seiner Originale übertrieben haben mag) als eine der wichtigsten historischen Urkunden der Zeit des Peloponnesischen Krieges, welche über die eigentlichen Geschichtschreiber

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– das Obszöne und die namentliche Invektive – keine bloßen Verstöße gegen ästhetisch-moralische Gattungsnormen dar; sie sind vielmehr sichtbarer Ausdruck und nahezu unausweichliche Konsequenz der zunehmenden Aushöhlung demokratischer Freiheiten. Damit liefert er den Ansatz zu einem gänzlich neuen, historischpolitisch begründeten Verständnis für die spezifische Form der Aristophanischen Komödie, die als einen untrennbaren Bestandteil auch das Obszöne miteinschließt. Was den eigentlichen Übersetzungstext betrifft, so zeigt sich Wieland zwar durchaus gewillt, den zeitgenössischen Konventionen durch Verschleierung und Abmilderung entsprechender Stellen entgegenzukommen und Aristophanes ganz nach aufklärerischer Übersetzungstradition als Deutscher zu Deutschen sprechen zu lassen. Um jedoch seinen Lesern die politische Brisanz der Komödien zu vermitteln und ihnen die Gefahren einer zügellosen Demokratie besonders eindrücklich vor Augen zu führen, verzichtet er darauf, die anstößigen Passagen allzu stark zu bereinigen, sondern hält sie – zumindest mittelbar in Form von Anmerkungen oder fremdsprachlichen Übersetzungen – stetig präsent.

|| derselben ein starkes Licht verbreitet, und uns, so zu sagen, den geheimen Schlüssel zu manchen Begebenheiten in die Hand spielt, welche sonst kaum begreiflich wären.“

 Deutsche Aristophanes-Übersetzungen im Vergleich . Begründung der Auswahl der Lysistrate als Referenztext „Lysistrata ist so übel berüchtigt, daß man sie nur flüchtig erwähnen darf, wie man über heiße Kohlen hingeht.“ 1 Mit diesen Worten leitet August Wilhelm Schlegel in seiner 1808 gehaltenen Zwölften Vorlesung über dramatische Kunst die Inhaltsangabe zu der Aristophanes-Komödie Lysistrate ein. Den Grund für den schlechten Ruf gerade dieser Komödie liefert er umgehend nach: Die Weiber haben sich nach der Erfindung des Dichters in den Kopf gesetzt, durch einen strengen Entschluß von ihren Männern den Frieden zu erzwingen. Unter der Leitung ihres klugen Oberhauptes stiften sie eine Verschwörung zu diesem Zweck in ganz Griechenland, und bemächtigen sich zugleich in Athen der befestigten Akropolis. Der gewaltsame Zustand, worein die Männer durch diese Trennung gerathen, veranlaßt die lächerlichsten Auftritte; es kommen Gesandte von beiden kriegführenden Theilen, und der Friede wird unter der Leitung der verständigen Lysistrata eiligst abgeschloßen. Ungeachtet aller tollen Unanständigkeiten, welche das Stück enthält, ist doch dessen Absicht, hievon entkleidet, im Ganzen sehr unschuldig: das Verlangen nach dem Genuß häuslicher Freuden, welche die Abwesenheit der Männer so oft unterbrach, soll dem unseligen, Griechenland zerrüttenden Kriege ein Ende machen. Besonders ist die treuherzige Derbheit der Lacedämonier unvergleichlich geschildert. 2

Mit der von Schlegel hier nur andeutungsweise beschriebenen sexuellen Verweigerung der Frauen als friedensstiftendem Akt weist die Lysistrate ein handlungskonstitutierendes Motiv auf, das nicht nur bei Schlegels Zeitgenossen auf Unverständnis stoßen musste, da es den moralischen Konventionen des frühen 19. Jahrhunderts deutlich zuwiderlief, sondern das bereits seit der Spätantike immer wieder für Empörung gesorgt und letztlich wohl auch einer intensiven Rezeption der Komödie lange Zeit im Weg gestanden hatte. Zusammen mit den Ekklesiazusen („Frauen in der Volksversammlung“) und den Thesmophoriazusen („Frauen beim Thesmophorienfest“) wird die Lysistrate zu den sogenannten Frauenkomödien des Aristophanes gezählt und kann – heutzutage – wohl als dessen beliebtestes Stück angesehen werden. 3 Wie aus dem Vorangehenden bereits deutlich wurde, war dies jedoch nicht immer so. Bis ins 20. Jahrhundert hinein hatten die Frauenkomödien stets im Schatten der ‚byzantinischen Trias‘ (Plutos, Wolken, Frösche) gestanden, die die Aristophanes-Rezeption seit der Spät 1 A. W. Schlegel, August Wilhelm von Schlegel’s Vorlesungen über dramatische Kunst und Litteratur. Dritte Ausgabe (1846), Erster Theil, 200. 2 A. W. Schlegel, August Wilhelm von Schlegel’s Vorlesungen über dramatische Kunst und Litteratur. Dritte Ausgabe (1846), Erster Theil, 200 f. 3 Vgl. Janka (2000), 577 Anm. 8; s. auch u. 3.3.4 Anm. 846. https://doi.org/10.1515/9783110625196-004

Begründung der Auswahl der Lysistrate als Referenztext  

antike dominierte (s. o. 2.3.1). Grund hierfür waren nicht zuletzt die gerade in den Frauenkomödien zahlreich vertretenen obszönen Scherze und der unverblümte Umgang mit sexuellen Themen. Die Marginalisierung dieser Komödiengruppe lässt sich nicht nur, wie bereits dargelegt, an den geringen Kommentierungs- und Überlieferungsbemühungen in byzantinischer Zeit oder an der verspäteten Aufnahme dieser Stücke in die gedruckten Aristophanes-Ausgaben des 16. Jahrhunderts ablesen (s. o. 2.3.1), sondern zeigt sich vor allem auch an der bis zum Ende des 18. Jahrhunderts – mit Ausnahme einiger lateinischer und einer italienischen Gesamtübersetzung (s. o. 2.3.2) – nachgerade fehlenden Übersetzungstradition. Erst 1794 waren erstmals Auszüge aus den Ekklesiazusen in einer deutschen Bearbeitung des Helmstedter Gymnasialdirektors Friedrich August Wiedeburg erschienen. 4 Im darauffolgenden Jahr übersetzte Wilhelm von Humboldt den ersten Akt der Lysistrate und einen kleinen Auszug aus den Ekklesiazusen, die jedoch nur im engsten Freundeskreis kursierten (s. auch u. 3.3.1.1). Bis zum Ende des 19. Jahrhunderts wurden dann – abgesehen von den insgesamt sieben bis dahin erschienenen deutschen Aristophanes-Gesamtübersetzungen (s. auch u. 3.3.2 u. ebd. Anm. 272 – die Ekklesiazusen nur noch zweimal 5 und die Lysistrate lediglich einmal 6 separat übersetzt. Seit dem ausgehenden 19. Jahrhundert wurden die Frauenkomödien dann vor allem zum Gegenstand freierer Bearbeitungen, die sich bisweilen stark vom Ausgangstext lösten (s. hierzu auch u. 3.3.4): 1892 verfasste Adolf Wilbrandt ein Lustspiel in Form eines Konglomerates aus Elementen der Lysistrate und der Ekklesiazusen (s. u. 3.3.4 Anm. 842), und im 20. Jahrhundert erschienen neben zwei weiteren Bearbeitungen der Ekklesiazusen 7 auch mehrere freie Adaptationen des LysistrateStoffes, u. a. von Richard Fiedler [Pseud. Martin Isenbiel] (1905), Leo Greiner (1908), Fritz Kortner (1961), Claus Bremer (1966), Rolf Hochhuth (1973), Joachim Knauth

 4 Wiedeburg (B), Der Weiberconvent (1794). J. Werner (1965), 110 f. beschreibt Wiedeburgs Ekklesiazusen-Auszug als „relativ ausführliche – keine vollständige – Inhaltsangabe [...], die streckenweise den griechischen Text in ungebundener Rede paraphrasiert“ und sich „auch in den Formulierungen ziemlich eng“ an Clodius (s. o. 2.3.4) anlehnt. „‚Heikle‘ Passagen“ seien dabei ausgespart worden. 5 Wobei die griechisch-deutsche Ekklesiazusen-Ausgabe des Heyne-Schülers und Begründers der Klassischen Philologie in Polen, Gotfryd Ernest Groddeck, aus dem Jahr 1797 allerdings ungedruckt blieb; Näheres hierzu bei Starnawski (1962) und J. Werner (1965), 116–121. Bei der zweiten Übersetzung handelt es sich um die 1836 von Carl Friedrich Schnitzer unter dem Pseudonym Dr. Glypheus publizierte Weibervolksversammlung. Schnitzer legte später auch eine Aristophanes-Gesamtübersetzung vor (1842–1854). 6 August Christian Borheck (1806, Neuauflage 1923); zu Borhecks-Übersetzung s. u. 3.3.1.2. 7 Robert Friedlaender-Prechtl unter dem Pseudonym Pankrazius Pfauenblau (1920, Der WeiberStaat); Joachim Knauth (1965, Die Weibervolksversammlung. Komödie nach Aristophanes), vgl. auch die Homepage des Berliner Verlags Henschel SCHAUSPIEL https://henschel-schauspiel.de/de/ werk/445 (zuletzt gesehen: 17.09.2019).

  Deutsche Aristophanes-Übersetzungen im Vergleich (1975), Erich Fried (1985), Walter Jens (1986) und Siegfried Dörffeldt (1987?) 8. 9 Eine Ausnahme stellt in dieser Zeit die Lysistrate-Übersetzung des Klassischen Philologen Wolfgang Schadewaldt aus dem Jahr 1958 (publiziert 1964) dar, die sich im Großen und Ganzen – Schadewaldts eigenem Konzept des ‚dokumentarischen Übersetzens‘ entsprechend – sehr eng an die Aristophanische Textgrundlage hält (s. u. 3.3.3.1). Zudem wurde die Lysistrate im Jahr 1989 durch Wolfgang Schöner ein weiteres Mal im Rahmen einer Aristophanes-Gesamtübertragung übersetzt (s. u. 3.3.3.2). In jüngster Zeit hat sich schließlich mit Niklas Holzberg ein weiterer namhafter Altphilologe um die Übersetzung der Aristophanischen Frauenkomödien verdient gemacht: Seine Übersetzungen der Ekklesiazusen, der Lysistrate und der Thesmophoriazusen – letztere waren zuvor offenbar ausschließlich im Rahmen der Gesamtübersetzungen ins Deutsche übertragen worden 10 – erschienen zwischen 2004 und 2011 in der Übersetzungsreihe des Reclam-Verlages (s. u. 3.3.3.3). 11 Dass eine Betrachtung der Übersetzungen und Bearbeitungen der Frauenkomödien, deren Handlung sich auf der Basis der mit obszöner Sprache aufgeladenen Dialoge zwischen Männern und Frauen ja gerade erst konstituiert, im Rahmen der vorliegenden Untersuchung den größtmöglichen Erkenntnisgewinn verspricht, liegt auf der Hand: Ein Übersetzer, der sich entschließt, eine der drei Komödien ins Deutsche zu übertragen, kann seine Entscheidung nicht – wie bei anderen Stücken des Aristophanes – mit der Absicht moralischer Belehrung, mit der Vorbildlichkeit des attischen Stils oder mit einem Interesse an einer der Hauptfiguren begründen und einige wenige, für die Handlung weitgehend unrelevante Obszönitäten stillschweigend übergehen. Er ist sich vielmehr bewusst, ein lange gemiedenes Terrain zu betreten, und weiß um die Schwierigkeit, die im Originaltext vorgefundenen Handlungselemente und Pointen so wiederzugeben, dass sie auch dem deutschsprachigen Leser verständlich werden. Angesichts der Tatsache, dass die Lysistrate, wie aus den vorangehenden Ausführungen deutlich wird, unter den drei Frauenkomödien die umfangreichste Übersetzungs- und Bearbeitungstradition aufweist, soll sie im Folgenden als Referenztext und Übersetzungsparadigma herangezogen werden. Da es jedoch aus zeit- und platzökonomischen Gründen nicht möglich war, sämtliche verfügbaren deutschen Lysistrate-Übersetzungen und -Bearbeitungen miteinander zu vergleichen, wurde eine Auswahl getroffen, die zunächst neun Übersetzungen (im engeren Sinn) in den

 8 Datierung der Lysistrate-Bearbeitung von Dörffeldt nach Angabe im Online-Katalog der Staatsbibliothek zu Berlin [Stabikat]; Signatur des von der Verf. eingesehenen Exemplars 1A27888. 9 Zu den hier aufgeführten Bearbeitungen s. auch u. 3.3.4. 10 Vgl. J. Werner (1975), 473. 11 Zu den hier noch nicht berücksichtigten Übersetzungen von Manfred Landfester und Peter Rau s. auch o. ‚Einleitung‘ Anm. 10.

Kriterien der Übersetzungsanalyse  

Mittelpunkt stellt. 12 Bei der Auswahl wurde insbesondere darauf geachtet, dass zum ersten die gesamte Zeitspanne der entsprechenden Übersetzungstradition erfasst wird (beginnend mit Wilhelm von Humboldts Übersetzungsfragment von 1795 und endend mit Holzbergs Lysistrate-Übersetzung von 2009), zum zweiten (mit Voß, Droysen, Seeger, Minckwitz und Schöner) ein repräsentativer Überblick über die im Rahmen der Aristophanes-Gesamtübersetzungen entstandenen Lysistrate-Übertragungen geboten und zum dritten den von konzeptionellen Ausführungen der Übersetzer begleiteten Werken besondere Beachtung geschenkt wird (v. a. Droysen, Seeger, Minckwitz, Schadewaldt, Holzberg). Mit der Aufnahme der beiden Mitte der 1980er Jahre entstandenen und viel rezipierten Lysistrate-Bearbeitungen von Erich Fried und Walter Jens wird außerdem dem Umstand Rechnung getragen, dass die Lysistrate in jener Zeit durch ihre Inanspruchnahme für friedenspolitische Interessen eine neue Lesart erfuhr, die ihr in der Folge einen enormen Popularitätszuwachs bescherte und sie bis heute zu einer der bekanntesten und meistinszenierten Komödien des Aristophanes machte. Nicht zuletzt aber zeichnen sich beide Bearbeitungen – bei aller übersetzerischen Freiheit – durch einen sehr individuellen und höchst originellen Umgang mit der Aristophanischen Obszönität aus.

. Kriterien der Übersetzungsanalyse Im Rahmen der sich hier anschließenden vergleichenden Gegenüberstellung verschiedener deutscher Lysistrate-Übertragungen soll nicht nur vorgeführt werden, welche konkreten übersetzungspraktischen Lösungen einzelne Übersetzer oder Bearbeiter für bestimmte obszöne Termini oder Anspielungen gefunden haben, sondern darüber hinausgehend auch herausgearbeitet werden, welches Gewicht dem Obszönen in einer bestimmten Übersetzung im Vergleich zu anderen Texteigenschaften (z. B. Wortlaut, Syntax) oder gattungsspezifischen Merkmalen der griechischen Komödie (z. B. Metrik, sprechende Namen, Anspielungen auf zeitgenössische Personen oder Ereignisse, Paratragödie) zugemessen wird. Ferner sollen Aussagen darüber getroffen werden, welche Rolle das Obszöne etwa im Rahmen bestimmter übersetzungskonzeptioneller Zielsetzungen spielt (z. B. Einbindung, Ausklammerung, indifferente Behandlung sowohl bei der theoretischen Begründung als auch bei der praktischen Umsetzung des Übersetzungskonzepts) oder ob ihm im Hinblick auf eine bestimmte mit der Übersetzung verbundene (z. B. politischen, didaktischen, werbestrategischen) Wirkungsabsicht eine besondere Funkti 12 Es handelt sich um die Übersetzungen von Wilhelm von Humboldt (1795), August Christian Borheck (1806), Johann Heinrich Voß (1821), Johann Gustav Droysen (1838), Ludwig Seeger (1848), Johannes Minckwitz (1855–1864), Wolfgang Schadewaldt (1958), Wolfgang Schöner (1989) und Niklas Holzberg (2009).

  Deutsche Aristophanes-Übersetzungen im Vergleich on zukommt. 13 Die Übersetzungsanalyse soll daher Antworten auf folgende Fragen liefern: − Welchen Einfluss haben individuelle Rezeptionsinteressen der Übersetzer (z. B. sprachlich-metrische, politische, dramaturgische) auf den Umgang mit obszöner Sprache? − Welchen Einfluss haben zeitgenössische Antikekonzepte (klassizistische, romantische, neoklassizistische etc.) auf den übersetzerischen Umgang mit obszöner Sprache? − Welchen Einfluss haben zeitgenössische Moralvorstellungen oder ästhetischliterarische Normen auf den übersetzerischen Umgang mit obszöner Sprache? − Inwieweit haben die zuvor genannten Aspekte auch Einfluss auf die Auswahl der zu übersetzenden Komödien? Lässt sich beispielsweise die späte Rezeption der ‚Frauenkomödien‘ v.a. auf deren hohen Anteil an als obszön empfundener Sprache zurückführen? − Inwieweit lassen sich in der Geschichte der deutschen AristophanesÜbersetzung bestimmte Entwicklungslinien – z. B. in Form übersetzungsstrategischer Präferenzen – in Bezug auf den Umgang mit obszöner Sprache erkennen? − In welcher Weise beeinflusst schließlich der übersetzerische Umgang mit obszöner Sprache – ihr Bewahren, Verschleiern oder gar Auslassen – das dem Rezipienten jeweils vermittelte Aristophanesbild?

.. Theoretische Grundlage Als Grundlage zur Bestimmung der Analysekriterien wurde die im Rahmen des Berliner Sonderforschungsbereiches „Transformationen der Antike“ von Thomas Poiss, Josefine Kitzbichler und Enrica Fantino erarbeitete Abhandlung Reflexionen über ein mögliches Instrumentarium zur Analyse von Übersetzungen griechischer und lateinischer Texte (2016) herangezogen. Diese Arbeit ist das Ergebnis einer kritischen Auseinandersetzung mit dem von Wolfgang Schadewaldt in den 1950er Jahren entwickelten Konzept des ‚dokumentarischen Übersetzens‘, das im Wesentlichen auf drei Maximen (Vollständigkeit, Bewahrung der „originalen Vorstellungen“, Bewahrung der Abfolge dieser Vorstellungen) 14 beruht, die, wie die Verfasser betonen, „im deutschen Sprachraum immer noch den zentralen Referenzpunkt philologisch ori 13 Vgl. Böhme (2011), 25: „Über die Feststellung von Typen der Transformation in einer historischen Lage hinaus bedarf es also stets sowohl der historischen Erklärung der Möglichkeit dieser Transformationen wie auch der Analyse ihrer Effekte sowohl in der Referenz- wie in der Aufnahmekultur.“ 14 Vgl. etwa Schadewaldt, Antikes Drama auf dem Theater heute (1970), 657. Zu Schadewaldts Übersetzungstheorie s. auch u. 3.3.3.1.1.

Kriterien der Übersetzungsanalyse  

entierter Übersetzungspraxis antiker Texte bilden.“ 15 Aufgrund der dabei im Abgleich mit jüngeren Studien aus dem Bereich der modernen Übersetzungsforschung 16 ermittelten Defizite 17, wurden Schadewaldts Maximen von Poiss/ Kitzbichler/Fantino zunächst in „moderner, textlinguistisch fundierter Terminologie“ neu formuliert 18 und schließlich durch Ergänzung und Ausdifferenzierung zu einem Katalog von Analysekriterien erweitert, der sich nunmehr „sowohl auf die ausgangs- als auch auf die zielsprachliche Seite“ beziehen lässt. 19 Er kann darüber hinaus auf unterschiedlichste Arten von Übertragungen (von der ‚sprachmimetischen‘ Übersetzung bis hin zur freien Bearbeitung) angewandt 20 und den jeweiligen Erkenntniszielen angepasst 21 werden. Dabei stehen für die KontextAnalyse insgesamt fünf Kategorien – mit jeweils weiteren Untergliederungen – zur Verfügung 22:

 15 Poiss/Kitzbichler/Fantino (2016), 368. 16 Berücksichtigt wurden sowohl zahlreiche Beiträge aus dem Bereich der eher linguistisch ausgerichteten Translatologie (Beaugrande/Dressler [1981], Reiß/Vermeer [1991], Gerzymisch-Arbogast [1994], Kittel et al. [2004/2007/2011]) als auch aus dem der in erster Linie kultur- und literaturwissenschaftlich geprägten translation studies (Apel [1982], Apel/Kopetzki [2003], die Arbeiten des Göttinger SFB 309 ‚Die literarische Übersetzung‘ [1985–1997]); vgl. Poiss/Kitzbichler/Fantino (2016), 361. Als besonders erhellend erwiesen sich zudem, wie aus der Abhandlung deutlich wird, die Arbeiten von Münzberg (2003) und Acartürk-Höß (2010), in denen erfolgreich versucht wird, „linguistisch-translatologische und literaturgeschichtliche Ansätze zur Synthese zu bringen“ (ebd. 366). 17 Festgestellt wurde bei der kritischen Lektüre zunächst, „dass die drei Maximen nicht ausreichen, um Schadewaldts eigene Praxis hinlänglich zu beschreiben und dass auch keine Kriterien angeführt werden, warum diesen drei Maximen der Vorrang vor anderen denkbaren Prinzipien gegeben wird.“ Obgleich sich Schadewaldts Maximen „auf offensichtlich wichtige Teilaspekte“ bezögen, die auch in linguistisch fundierten Studien wie z.B. Gerzymisch-Arbogast (1994) eine Rolle spielten, so fehle doch „jede differenzierte Semantik für Ausgangs- und Zielsprache, wie z. B. auch die Kategorie des sprachlichen ‚Registers‘, mit der zumeist der Komplex aus Sachbezirk, Stilhöhe und Sprechercharakteristik bezeichnet wird.“ Vgl. Poiss/Kitzbichler/Fantino (2016), 367. Darüber hinaus hätten sich auch „manche Aspekte der Maximen selbst“ als problematisch erwiesen; ebd., 368 (mit näheren Erläuterungen). 18 1. Vollständigkeit; 2. Beachtung kultureller Idiomatik; 3. Informationsverteilung; vgl. Poiss/ Kitzbichler/Fantino (2016), 368. 19 „Die drei Gesichtspunkte Schadewaldts erweisen erneut ihre Gültigkeit, allerdings eingebettet in den Rahmen einer umfassenden Beschreibung von Texteigenschaften.“ Poiss/Kitzbichler/Fantino (2016), 382. 20 Vgl. Poiss/Kitzbichler/Fantino (2016), 380. Zum Begriff ‚sprachmimetisch‘ s. auch u. 3.3.1.2.1 Anm. 128. 21 „Es versteht sich von selbst, dass nicht jeder Punkt für jede Übersetzung gleiche Relevanz hat.“ Poiss/Kitzbichler/Fantino (2016), 382. 22 Vgl. Poiss/Kitzbichler/Fantino (2016), 382 f.

  Deutsche Aristophanes-Übersetzungen im Vergleich 1.

Allgemeine Kontexte (historisch, politisch; literaturgeschichtlich; übersetzungsgeschichtlich; theoretisch; rezeptionsgeschichtlich); 2. Autor und Übersetzer (biographische Voraussetzungen; literarisches, philologisches, übersetzerisches Profil; Hilfsmittel; ökonomische Voraussetzungen); 3. Darstellungszweck (Medium, Publikationsform; Wirkungsabsicht); 4. Rezipienten, Rezeption (soziales Profil; Interesse; historischer Ort; Wirkungsgeschichte); 5. Sprachenpaar (übersetzungsrelevante Differenzen; Kompensationsmöglichkeiten). Die sechste und letzte Kategorie, in der auch die ursprünglichen Maximen Schadewaldts ihren Ort haben, bezieht sich auf die Analyse der Texte selbst in ihrer editorischen, typographischen und sprachlichen Gestalt 23: 6. a) Präsentation des Textes (Typographie und Layout [der Übersetzung]; Beigaben; einsprachig oder zweisprachig); b) Textgestalt (Phonetik/Phonologie/Graphemik; Lexik, lexikalische Semantik; Satzebene; Textebene). Aus diesem umfangreichen Kriterienkatalog gilt es im Folgenden diejenigen Analysekriterien herauszuarbeiten, denen im Hinblick auf das oben formulierte Erkenntnisinteresse der vorliegenden Untersuchung die größte Relevanz zukommt.

.. Auswahl der untersuchungsrelevanten Analysekriterien Bevor die einzelnen Übersetzungen jeweils einer genaueren sprachlichsemantischen Untersuchung unterzogen werden – hierfür ist vor allem das unter Kategorie 6 aufgeführte Kriterium der Textgestalt von Bedeutung –, sollen im Rahmen der Analyse zunächst stets die kontextbezogenen Parameter näher betrachtet werden, um auf diese Weise Aufschluss vor allem darüber zu gewinnen, an welcher Stelle die jeweilige Übersetzung wirkungsgeschichtlich zu verorten ist und welche übersetzerischen (ggf. auch welche darüber hinaus reichenden) Intentionen sich mit ihr verbinden. 24 Die ‚Allgemeinen Kontexte‘ (Kategorie 1), die sich auf historisch-politische sowie auf die literatur-, übersetzungs- und rezeptionsgeschichtliche Aspekte der Ari-

 23 Vgl. Poiss/Kitzbichler/Fantino (2016), 383 f. 24 Auf die ausgangssprachliche Seite – den Autor (Aristophanes), den Entstehungs- und Aufführungskontext sowie die sprachlich-stilistische Besonderheiten seiner Komödien – wurde im Rahmen der einleitenden Kapitel bereits eingegangen. Deshalb beziehen sich die nachstehenden Ausführungen jeweils nur auf die Seite der Übersetzung und des Übersetzers.

Kriterien der Übersetzungsanalyse  

stophanes-Übersetzung im Allgemeinen beziehen, wurden zum Teil bereits in den vorangehenden Kapiteln behandelt. Zum Teil werden sie im Rahmen von kurzen Einleitungen zu den nach chronologischen Gesichtspunkten gruppenweise zusammengefassten Übersetzungen und Bearbeitungen im Folgenden noch Berücksichtigung finden. Den Ausgangspunkt für die einzelnen Übersetzungs- bzw. BearbeitungsPorträts bilden daher jeweils die auf den Übersetzer bezogenen Informationen (Kategorie 2) mit besonderer Berücksichtigung der biographischen Voraussetzungen sowie der philologisch-übersetzerischen Profilierung, wobei der Fokus auf dem Beitrag des jeweiligen Übersetzers / Bearbeiters zur Aristophanes-Übersetzung / Interpretation liegt. Jeweils im Anschluss daran wird der Darstellungszweck (Kategorie 3) der porträtierten Übersetzung genauer herausgearbeitet, wobei sich der Blick hauptsächlich auf die – ggf. aus den Vorreden und anderen überlieferten Äußerungen des Übersetzers / Bearbeiters – zu erschließende Wirkungsabsicht richtet: Ein eigener Abschnitt ist hier stets der Übersetzungskonzeption bzw. den Bearbeitungsprinzipien gewidmet. (Auf die Publikationsform wird vor allem dann näher eingegangen, wenn diese von der Regelerscheinung des reinen Lesetextes abweicht.) Es folgt eine eher knapp gehaltene Gesamt-Analyse der jeweiligen Übersetzung bzw. Bearbeitung. Sie wird stets eingeleitet durch eine kurze Beschreibung der die Textpräsentation (Kategorie 6a) betreffenden Merkmale: Textpräsentation − Finden sich im Titel charakterisierende Kennzeichnungen wie z. B. ‚Übersetzung‘, ‚Bearbeitung‘, ‚übersetzt im Versmaß des Urtextes‘ etc.? − Wird der Ausgangstext mitgeliefert? − Ist eine Verszählung vorhanden, die das Auffinden einzelner Passagen im Ausgangstext ermöglicht? − Wurde vom Übersetzer / Bearbeiter eine Einteilung der dramatischen Handlungsabschnitte (z. B. in Akte und Szenen) vorgenommen? − Wurden vom Übersetzer / Bearbeiter Szenenbeschreibungen und / oder Regieanweisungen hinzugefügt? − Enthält die Übersetzung / Bearbeitung Paratexte in Form von allgemeinen Vorreden oder Nachworten, historischen oder kulturgeschichtlichen Einführungen, Einleitungen zu den einzelnen Übersetzungen etc.? − Enthält die Übersetzung / Bearbeitung kommentierende Anmerkungen in Form von Fuß- oder Endnoten? In einem zweiten Schritt wird schließlich die konkrete Textgestalt (Kategorie 6b) in den Blick genommen, die – in Form einer kursorischen Gesamtübersicht – unter folgenden Aspekten beschrieben wird:

  Deutsche Aristophanes-Übersetzungen im Vergleich Formale Gestaltung / Metrik − Welche Art der Wiedergabe erfährt in der Übersetzung / Bearbeitung das ausgangstextspezifische Merkmal der metrischen Gebundenheit (z. B. Anlehnung an die ‚Versmaße des Urtextes‘, metrische Wiedergabe in anderem Versmaß, Prosaübertragung mit Beibehaltung der Vers-Einteilung, fließender Prosatext)? Wortlaut / Syntax − Wird in der Übersetzung eine möglichst genaue Abbildung der Abfolge der Wörter und Satzglieder des griechischen Ausgangstextes angestrebt oder verfährt der Übersetzer hier vergleichsweise frei? − Werden im Rahmen der Annäherungsbemühungen an den Ausgangstext Grenzen der deutschen Sprachkonventionen überschritten (z. B. durch konsequente Beibehaltung von Partizipialwendungen oder hypotaktischen Konstruktionen) oder werden die syntaktischen Charakteristika des Griechischen in der Übersetzung an deutsche Sprachgewohnheiten angepasst? − Lassen sich übersetzerische Bezugnahmen auf ältere Übersetzungen desselben Ausgangstextes erkennen? Exklamationen, Götteranrufe, zeitgebundene Begrifflichkeiten und Inhalte Anhand einiger markanter Beispiele wird hier jeweils auf den übersetzerischen Umgang mit komödienspezifischen Elementen auf der lexikalischen Ebene Bezug genommen: − Werden griechische Exklamationen in ihrer lautlichen Gestalt in die Übersetzung übernommen (‚iu iu‘) oder treten Ersatzwendungen an ihre Stelle (‚He juchhe‘)? − Werden die im Ausgangstext enthaltenen Götteranrufe und göttlichen Epitheta namentlich beibehalten (‚bei Zeus‘, ‚bei den Dioskuren‘, ‚Genetyllis‘) oder durch neutralere, teilweise auch christlich konnotierte Wendungen (‚bei Gott‘, ‚Himmel‘, ‚meiner Seel‘) oder geläufigere Namen (‚Aphrodite‘) wiedergegeben? − Wie verfährt der Übersetzer mit idiomatischen Wendungen und griechischen Wortspielen oder Sprichwörtern? − Wie mit Anspielungen auf Personen, Ereignisse oder literarische Werke, die dem athenischen Bürger des 5. Jahrhunderts v. Chr. geläufig waren, dem modernen Leser der Übersetzung aber kaum bekannt sein dürften? Dialekt − Markiert der Übersetzer die bei Aristophanes in lakonischem Dialekt gestalteten Passagen in der Übersetzung (z. B. durch Wiedergabe in einer geläufigen Mundart des deutschen Sprachraumes oder durch Einführung eines Kunstdialektes)?

Kriterien der Übersetzungsanalyse  

Auf die allgemeine Charakterisierung der jeweils untersuchten Übersetzungen / Bearbeitungen folgt schließlich eine genauere Betrachtung des übersetzerischen Umgangs mit obszönen Begriffen und Inhalten. Hier wird – neben den konkret eingesetzten Übersetzungsstrategien in Bezug auf einzelne primär obszöne Termini (z. B. semantische Entsprechung, metaphorische Umschreibung, Dialektwort, Eliminierung, Kommentierung etc.) sowie auch auf obszöne Inhalte, die im Griechischen durch Bilder, Metaphern oder Wortspiele vermittelt werden (z. B. Paraphrase, Ersatz durch harmloses Wortspiel, wörtliche Wiedergabe) – überprüft, inwieweit sich bei der Behandlung der obscena Übereinstimmungen bzw. Differenzen sowohl im Vergleich mit den zuvor analysierten allgemeinen Übersetzungsmerkmalen als auch mit den vom Übersetzer selbst formulierten Übertragungsgrundsätzen ergeben (Konsequenz, Inkonsequenz, Indifferenz etc.): Behandlung der obscena − Verfährt der Verfasser einer stark an Metrik und Wortlaut des Ausgangstextes orientierten Übersetzung ebenso konsequent auch bei der Wiedergabe obszöner Termini und Wortspiele? − Werden obszöne Wörter oder Inhalte, die im Ausgangstext dialektal gefärbt sind, auch im Deutschen durch mundartliche Wendungen wiedergegeben und (ggf.) wie wirkt sich dies aus? − Welche Rolle spielen Anleihen bei älteren Übersetzungen bei der Wiedergabe von obscena? − Wird der Übersetzer den ggf. von ihm selbst gesetzten Maßstäben bezüglich der Obszönitäten gerecht? [Inwieweit hält er etwa Wort, wenn er in seiner Vorrede angekündigt hat, ungeachtet überkommener Vorbehalte nunmehr auch bei den anstößigen Stellen mit Aristophanes wetteifern zu wollen?] − Welche Behandlung erfahren die obscena im Rahmen von kommentierenden Anmerkungen? − Wie umfangreich sind die Anmerkungen zu obszönen Stellen im Vergleich zu Anmerkungen anderen (z. B. politischen, historischen oder kulturgeschichtlichen) Inhalts? − Sind diese Anmerkungen dem Verständnis obszöner Anspielungen zuträglich? − In welchem Verhältnis stehen Übersetzung und Anmerkung im Hinblick auf das Textverständnis? − Gibt es Hinweise auf eine intentionale Aneignung des Motivs des Obszönen, um auf dem Wege der Übersetzung oder Bearbeitung bestimmte Wirkungen in der Gegenwart (des jeweiligen Übersetzers) zu erzielen oder eine bestimmte Sichtweise auf den antiken Autor zu generieren (z. B. Entidealisierung der Antike, Aufzeigen der Gefahren einer zügellosen Demokratie, Obszönität als erlaubtes Mittel der politischen Satire in einer demokratischen Gesellschaft, Kontrast:

  Deutsche Aristophanes-Übersetzungen im Vergleich Obszönität des Sexuellen – Obszönität von Krieg und Gewalt, Obszönität als Verkaufsanreiz etc.)? Rezensionen / Urteile / Stellungnahmen Die einzelnen Übersetzungsporträts werden jeweils abgeschlossen durch einen rezeptionsgeschichtlichen Überblick (Kategorie 4), der sich vor allem auf die Auswertung zeitgenössischer Rezensionen sowie ggf. auch späterer Rezeptionszeugnisse gründet. Auch hier soll vorrangig nach dem Stellenwert des Obszönen im Rahmen der Bewertungskriterien gefragt werden: − Erfährt die Übersetzung von Seiten der Rezensenten / Rezipienten Zustimmung oder Ablehnung? − Geht der Rezensent / Rezipient auf die übersetzerische Behandlung des Obszönen ein? − Ist ggf. eine vom Übersetzer gewünschte / erwartete Reaktion von Seiten der Rezipienten eingetroffen oder nicht? Darüber hinaus werden, soweit dies möglich ist, auch Aussagen zum zeitgenössischen, ggf. auch längerfristigen Erfolg (Nachdrucke, Wiederauflagen) der einzelnen Übersetzungen getroffen, wobei ebenfalls der Einfluss des Obszönen berücksichtigt wird: − Wurde bestimmten Übersetzungen der Vorzug vor anderen eingeräumt wegen dezenterer / offensiverer Behandlung der obscena? − Haben die kommentierenden Anmerkungen eines bestimmten Übersetzers (insbesondere zu den obscena) in späteren Neuauflagen Änderungen erfahren (z. B. Eliminierung, Kürzung, Ergänzung, Ersetzen durch einen neuen Anmerkungsapparat)? Durch die Analyse der ausgewählten Übersetzungen und Bearbeitungen nach den hier aufgeführten Kriterien und unter Berücksichtigung der genannten Fragestellungen sollen schließlich auch Aussagen über die Art der mit der jeweiligen Übersetzung verbundenen Transformationsmodi getroffen werden können: [...] Transformationen [lassen sich] vorderhand durch drei grundsätzliche Modi der Inklusion, Exklusion und Rekombination kultureller Inhalte bestimmen, die sowohl in Bezug auf das Objekt der Transformation als auch den Aufnahme- und Referenzbereich zu beobachten sind. Auf der Ebene der Agenten können Transformationen darüber hinaus unterschiedlich motiviert sein, abhängig davon, ob zu den Zielen und Effekten der Transformation die Konservierung, Autorisierung, Legitimierung, Kanonisierung oder Idealisierung der transformierten Inhalte zählen oder andererseits die Distanzierung, Ablehnung etc. von ihnen. Unter diesem Gesichtspunkt ist deshalb von einem projektiven Charakter der Transformation auszugehen. 25

 25 Bergemann/Dönike et. al. (2011), 47.

Porträts der ausgewählten Übersetzungen und Bearbeitungen der Lysistrate  

Aufgrund der zu erwartenden qualitativen Unterschiede der jeweils zu beobachtenden Transformationsmodi und -motive wird allerdings davon ausgegangen, dass diesen auch unterschiedliche Relevanz im Hinblick auf die möglichen wechselseitigen (allelopoietischen) Konstruktionsprozesse von Referenz- und Aufnahmekultur zukommt, so dass diese – gleichwohl stets vorhandenen – Prozesse bei einigen Übersetzungen deutlicher, bei anderen weniger deutlich aufgezeigt werden können.

. Porträts der ausgewählten Übersetzungen und Bearbeitungen der Lysistrate .. Die drei frühesten Übersetzungen der Lysistrate Spätestens seit dem Erscheinen von Wielands Aristophanes-Übersetzungen ab 1794 (s. auch o. 2.3.5.3) hat sich die allgemeine Einschätzung der Notwendigkeit einer deutschen Gesamtübersetzung des Aristophanes im Vergleich zu 1772, als erstmals Johann Justus Herwig eine entsprechende Arbeit in Aussicht stellte (s. o. 2.3.4.4), grundlegend gewandelt. Gleichwohl erschienen auch in den folgenden 25 Jahren zunächst nur weitere Einzelübersetzungen, wobei nach wie vor eine deutliche Präferenz bei den weitgehend unanstößigen Komödien der ‚Byzantinischen Trias‘ lag. Zu nennen sind hier Plutos (1807) und Frösche (1808) von Karl Philipp Conz sowie – zwischen 1810 und 1812 – mehrere Aristophanes-Übersetzungen der seinerzeit führenden Gräzisten Friedrich Gottlieb Welcker (Wolken, Frösche) und – anonym publiziert – Friedrich August Wolf (Wolken, Auszüge aus den Acharnern), letztere jeweils auf eine genaue Abbildung des antiken Metrums bedacht. Die Frauenkomödien hingegen wurden bis zum Erscheinen der ersten Aristophanes-Gesamtübersetzung von Johann Heinrich Voß (1821) mit Ausnahme der – heute wie damals kaum bekannten – Lysistrate-Übersetzung von August Christian Borheck (1806) lediglich wenige Male für den Privatgebrauch übersetzt. Neben den bereits erwähnten Ekklesiazusen-Übertragungen von Wiedeburg (1794) und Groddeck (1797) zählen dazu auch einige Auszüge aus den Ekklesiazusen und der Lysistrate, die Wilhelm von Humboldt 1795 zur Erbauung seiner Freunde Schiller und Goethe übersetzte. Mit Humboldts Lysistrate-Passagen, die somit die früheste erreichbare deutsche Übersetzung dieser Komödie darstellen, soll unsere vergleichende Gegenüberstellung deutscher Lysistrate-Übertragungen beginnen.

  Deutsche Aristophanes-Übersetzungen im Vergleich ... Wilhelm von Humboldt (1795) Wilhelm von Humboldt (1767–1835) 26 hatte seit frühester Kindheit zusammen mit seinem zwei Jahre jüngeren Bruder Alexander Privatunterricht in allen Fächern. Sein Griechischlehrer, der Theologe Josias Friedrich Christian Löffler (1759–1816) hatte, nach Humboldts eigenem Bekunden die Begeisterung des Schülers für die griechische Sprache und Literatur geweckt, 27 und auch als Erwachsener widmete Humboldt sich, soweit es seine beruflichen Pflichten – u. a. als preußischer Gesandter in Paris und Rom sowie ab 1809 als Sektionschef des preußischen Kultusministeriums – beinahe täglich der Lektüre und dem Übersetzen griechischer Schriftsteller. 28 Während seiner Göttinger Studienzeit (1788–1789) hatte der vielseitig interessierte Jura-Student Humboldt auch Vorlesungen des bedeutenden Philologen Christian Gottlob Heyne (1729–1812) besucht, der ihn u. a. mit den Tragödien des Aischylos bekannt machte. 29 Nachdem Humboldt anschließend für kurze Zeit als Referendar an mehreren preußischen Gerichten tätig gewesen und schließlich 1791 zum Legationsrat befördert worden war, bat er um seine Entlassung aus dem juristischen Staatsdienst und zog sich für mehrere Jahre ins Privatleben zurück, um sich in erster Linie dem Studium der griechischen Literatur widmen zu können. In dieser Zeit entstanden – neben verschiedenen Abhandlungen über das ‚Klassische Altertum‘ 30 – auch zahlreiche Übersetzungen griechischer Dichter. 31 Hervorzuheben sind hier insbesondere seine ambitionierten Übertragungen des Aischyleischen Aga-

 26 Zu Humboldts Leben und Denken vgl. u. a. die Überblicksdarstellung von Borsche (1990), zu Humboldt als Übersetzer und Übersetzungstheoretiker siehe Rüdiger (1936), Garbe (1957), J. Werner (1965), 111–116, Leppin (1981), Apel (1982), 145–147, Berman (1984), 242–248, Poltermann (1991), 164–170, Glazinski (1992), 198–205, Hummel (1995), Frey (1997), Kitzbichler/Lubitz/Mindt (2009a), 64–72. 27 Vgl. den Brief Humboldts an seine Ehefrau Caroline vom 10.03.1818, in: Sydow (Hg.), Wilhelm und Caroline von Humboldt in ihren Briefen, Bd. 6, 146: „Er (sc. Löffler) hat mich Griechisch gelehrt, und ich bin ihm darin mehr schuldig als ich sagen kann. Ich hätte es ohne diesen Zufall nie gewußt, wenigstens nie recht ordentlich, aber vermutlich gar nicht, und es läßt sich nicht berechnen, was mir dann vom Leben und der Welt abginge. In mir hängt wirklich alles Geistige wie an einem letzten Ring an den Alten, und die wahren Alten sind doch nur die Griechen.“ 28 An Friedrich August Wolf schreibt er 1794: „es vergeht kein Tag sine Graecis“. An Wolf, 22.12.1794, in: Wilhelm von Humboldt’s gesammelte Werke, Bd. 5 (1846), 118. 29 Vgl. Leitzmann, „Zu Aeschylos Agamemnon“, in: Wilhelm von Humboldts Werke, Bd. 8 (1909), 223. 30 Vgl. hierzu Leitzmann (Hg.), Sechs ungedruckte Aufsätze über das Klassische Altertum von Wilhelm von Humboldt (1896). Die zwischen 1793 und 1807 entstandenen Schriften wurden von Humboldt zumeist brieflich an enge Freunde verschickt und von diesen teilweise mit Anmerkungen versehen. 31 S. hierzu auch u. 3.3.1.1 (Beitrag) u. ebd. Anm. 36. Zu Humboldt als Übersetzer s. v. a. Rüdiger (1936) und Garbe (1957).

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memnon 32 und mehrerer Pindar-Oden 33, die Humboldts jahrelange Bemühungen um eine möglichst genaue Wiedergabe der metrischen Struktur der Originaltexte widerspiegeln. Sehr wichtig für Humboldts privates Studium der griechischen Literatur war in diesem Zusammenhang der freundschaftliche Kontakt zu Friedrich August Wolf (1759–1824), den er 1790 in Erfurt kennengelernt hatte. 34 Humboldts Beitrag zur Aristophanes-Übersetzung Während Humboldt seine Übersetzungen des Aischyleischen Agamemnon und zumindest eines Teils der Pindar-Oden hatte abschließen können (s. o. 3.3.1.1 Anmm. 32 u. 33), blieben alle anderen Übersetzungsversuche in fragmentarischem Zustand. Dies gilt auch für zwei erhaltene Teilübersetzungen aus Aristophanes-Komödien, die in das Jahr 1795 zu datieren sind und erstmals in dem 1909 erschienenen achten Band der von Albert Leitzmann besorgten Werkausgabe abgedruckt wurden. 35 Rüdiger zählt sie zu den zahlreichen „Gelegenheitsarbeiten“ 36, die größtenteils aus der  32 Ursprünglich war eine von Wolf im Jahr 1792 angeregte Gesamtübersetzung des Aischylos nach dem Vorbild des französischen ‚Brumoy‘ (s. auch o. 2.3.3.3 u. 2.3.3.4) geplant. Humboldt begann im Jahr 1797 mit der Übersetzung des Agamemnon. Da das Projekt jedoch immer wieder durch erhebliche metrische Schwierigkeiten verzögert wurde, erschien die Agamemnon-Übersetzung nach zahlreichen Überarbeitungen letztlich erst im Sommer 1816 im Druck. Zu den Details der Entstehungsgeschichte des Humboldt’schen Agamemnon s. Leitzmann, „Zu Aeschylos Agamemnon“, in: Wilhelm von Humboldts Werke, Bd. 8 (1909), 222–230, sowie Kitzbichler/Lubitz/Mindt (2009a), 65 f. 33 Auch hier schwebte Humboldt zunächst eine Gesamtübersetzung vor. Das Vorhaben wurde allerdings – ebenfalls aufgrund metrischer Probleme – im Jahr 1804 endgültig aufgegeben, nachdem erst ein Viertel der erhaltenen Oden übersetzt war (Ol. I–V, VI 1–28, XIV; Pyth. I, II, IV, IX; Nem. IV, 1–7, VI, 1–7, V, 1–2, X). Zur zeitlichen Reihenfolge der Übersetzungen s. Rüdiger (1936), 81 und Garbe (1957), 43 f. Zu Humboldts Pindar-Übertragungen allgemein s. v. a. Garbe (1957) und Hummel (1995). 34 Mit Wolf, seit 1793 Professor in Halle, entspann sich ein reger Briefwechsel, in dem nicht zuletzt auch philologische Fragen verhandelt wurden; vgl. Hummel (1995), 254: „Wolf devint pour Humboldt l’‚ami grec‘ dont il consignait soigneusement les conseils et les commentaires dans un cahier intitulé ‚Wolfiana‘.“ Wolf trat hier nicht nur als philologischer Berater Humboldts in Erscheinung, sondern legte offenbar auch seinerseits großen Wert auf Humboldts Urteil. So vertraute er ihm u. a. die Rezension seiner Neuedition der homerischen Odyssee von 1794 an und bat ihn um eine Einschätzung seiner 1795 publizierten Prolegomena; ebd., 254. 35 Humboldt (Ü), Aristophanes Lysistrata (1795), in: Leitzmann (Hg.), Wilhelm von Humboldts Werke, Bd. 8 (1909), 250–259 [umfasst die Verse 1–251] und Humboldt (Ü), Aus Aristophanes’ Ekklesiazusen (1895), in: Leitzmann (Hg.), Wilhelm von Humboldts Werke, Bd. 8 (1909), 260–261 [umfasst die Verse 613–634; s. auch u. 3.3.1.1 (Beitrag) Anm. 42]. 36 Vgl. Rüdiger (1936), 90: „Die kleineren Übertragungen, unter denen sich sehr gelungene Stücke befinden, da sie entstanden, bevor Humboldt das metrische Problem in Angriff nahm, bedürfen keiner näheren Betrachtung; sie sind Gelegenheitsarbeiten.“ Zu diesen Gelegenheitsarbeiten können neben den Aristophanes-Passagen auch Teile aus Xenophons Memorabilia (publ. 1787) und aus Platons Nomoi (publ. 1790), der Anfang des Zeus-Hymnos des Kallimachos (1792), die Aristoteles

  Deutsche Aristophanes-Übersetzungen im Vergleich ersten Hälfte der 1790er Jahre stammen und in der Regel – motiviert durch die jeweilige Lektüre – spontan entstanden waren. 37 Gleichwohl handelt es sich bei den beiden besagten Aristophanes-Passagen um nicht weniger als um die beiden ersten – wenngleich noch fragmentarischen – deutschen Übersetzungen Aristophanischer Frauenkomödien überhaupt. 38 Mit den Werken des Aristophanes beschäftigte sich Humboldt vom Sommer bis zum Herbst 1795, als er zur Betreuung seiner erkrankten Mutter für längere Zeit auf dem Familienwohnsitz Schloss Tegel bei Berlin weilte. Am 4. August schrieb er an Schiller: Das einzige, was ich hier noch getan habe, ist die Übersetzung von einigen hundert Versen aus einem Stück des Aristophanes, die aber freilich nur in die Hosen, nicht in die „Horen“ gehört. Das Ding zog mich an, weil es viel echten Witz hat und mir die Gattung ganz neu war. Überhaupt sitze ich jetzt tief im Aristophanes. Sie fanden auch einmal viel Geschmack an ihm. 39

Um welches Stück des Aristophanes es sich dabei handelte, wird aus einem Brief vom 4. September 1795 an Wolf deutlich: Ich habe wenig im Griechischen hier thun können, und ausser dem Lesen mit meiner Frau, das auch lahmer gegangen ist, bloss die Lysistrata, die Thesmophoriazusen gelesen. Aus der Lysistrata habe ich den ersten schmutzigen Akt sogar, und ich glaube nicht unglücklich, in freie

 zugeschriebene Hymne an die Arete (1792), das unter dem Namen des Kallimachos überlieferte Skolion auf Harmodios und Aristogeiton (1792), vier Verse aus der Anthologia Graeca unter dem Namen des Alpheios von Mytilene (1792), ein Chor aus den Eumeniden des Aischylos (1792), der Anfang der Choephoren des Aischylos (vv. 1–95) (um 1793), das Gedicht auf Danae und Perseus von Simonides (1793), der Anfang von Arats Phainomena (vv. 1–84) (um 1816?), ein Orakeldistichon nach Athenaios (um 1820?) sowie zwei lateinische Stücke – der Anfang von Lukrez’ De rerum natura (vv. 1–44) (um 1816?) und vier Distichen aus dem Gedicht De Roma des Erzbischofs Hildebert (um 1817) – gezählt werden. Zu den genauen Stellenangaben, zur zeitlichen Reihenfolge und zum Entstehungskontext s. Rüdiger (1936), 81, Garbe (1957), 43 f. und Leitzmanns Erläuterungen in Wilhelm von Humboldts Werke, Bd. 8 (1909), Abschnitt 3. ‚Kleinere Stücke aus der griechischen und römischen Dichtung‘ und Abschnitt 4. ‚Kleinigkeiten‘, jeweils im Anschluss an den Übersetzungstext. 37 Auch Gottfried Garbe erwähnt in seiner Dissertationsschrift Übersetzung und Auffassung griechischer Dichtung bei Wilhelm von Humboldt aus dem Jahr 1957 die Aristophanes-Übersetzungen lediglich im Zusammenhang mit Humboldts „unausgeführten Übersetzungsplänen“ (Garbe [1957], 29). Bei seinen detaillierten Übersetzungsanalysen finden ausschließlich Humboldts Übertragungen von Aischylos und Pindar Berücksichtigung. 38 Clodius hatte in seine paraphrasierenden Darstellungen sämtlicher Aristophanes-Komödien (s. o. 2.3.4 [Clodius]) lediglich einige Übersetzungsproben eingefügt, anstößige Passagen dabei jedoch ausgespart, und auch Friedrich August Wiedeburg hatte sich mit seinem an den Aristophanischen Ekklesiazusen orientierten Weiberkonvent (1794) [s. auch o. 3.1 u. ebd. Anm. 4 auf eine „relativ ausführliche – keine vollständige – Inhaltsangabe“ (Werner [1965], 111) beschränkt, die ebenfalls nicht als Übersetzung im engeren Sinne zu werten ist. 39 An Schiller, 04.08.1795, in: Seidel, Der Briefwechsel zwischen Friedrich Schiller und Wilhelm von Humboldt (1962), Bd. 1, 79.

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Jamben bloss zu meiner und einiger ungriechischer Freude [sic] 40 Erlustigung übersetzt. Der Aristophanes zieht mich gar sehr an. Er ist ein wahrhaft dichterisches Genie, und dem Umfang nach, gewiss ein weiteres, als alle Tragiker, dabei die Diction so prächtig und trotz aller Licenzen, so rein, und der Versbau göttlich. 41

Etwa zur gleichen Zeit wie die hier von Humboldt angeführte Übersetzung des „schmutzigen“ Anfangs der Lysistrate dürfte auch die ebenfalls bei Leitzmann abgedruckte Übersetzung einer Passage aus den Ekklesiazusen (vv. 613–634) 42 entstanden sein, 43 die der Lysistrate-Stelle an Obszönität in nichts nachsteht: Es handelt sich um die Szene, in der die Athenerin Praxagora das von ihr entwickelte Konzept der Güter- und Personengemeinschaft erläutert, bei der u. a. die Männer, bevor sie sich einer attraktiven jungen Frau zuwenden, zunächst die älteren und hässlicheren zufrieden stellen sollen, und umgekehrt. Christian August Clodius hatte, wie wir gesehen haben, jene Passage in seiner sieben Jahre zuvor entstandenen Überblicksdarstellung der Ekklesiazusen noch moralisch entrüstet übersprungen (s. o. 2.3.4.2 Anm. 244). Doch ist in diesem Zusammenhang auch zu berücksichtigen, dass Humboldt – anders als Clodius – seine Aristophanes-Übertragungen niemals für eine Publikation vorgesehen hatte, sondern sie lediglich zur persönlichen Erbauung im engsten Freundeskreis kursieren ließ. Exkurs 1: Humboldts ‚ungriechische Freunde‘ Im Jahr 1794 war Humboldt mit seiner Frau Caroline nach Jena gezogen, wo sich eine enge Freundschaft zu Friedrich Schiller entwickelt hatte. Durch Carolines Vermittlung wurde außerdem Kontakt zu Goethe in Weimar geknüpft. 44 In diesem JenaWeimarer Freundeskreis, dem auch die Brüder August Wilhelm und Friedrich Schlegel, der in Halle lehrende Friedrich August Wolf, zeitweise auch der aus Eutin angereiste Johann Heinrich Voß 45 nahestanden, beschäftigte man sich – im Zuge der

 40 Lies: „Freunde“; Anm. d. Verf. 41 An Wolf, 04.09.1795, in: Humboldt, Wilhelm von Humboldt’s gesammelte Werke, Bd. 5 (1846), 133. Das Titelblatt der von Humboldt erwähnten Übersetzung des ersten Lysistrate-Aktes trägt den Vermerk „Tegel, 22. Jul. 1795“; vgl. Humboldt (Ü), Aristophanes Lysistrata (1795), 250 (Anm.). 42 Verszählung hier nach Wilson; in Leitzmanns Ausgabe von 1809 sind die Verszahlen 637–657 angegeben; vgl. Humboldt (Ü), Aus Aristophanes’ Ekklesiazusen (1795), 260 Anm. 1. 43 Dass er während des Tegeler Aufenthaltes auch die Wolken und den Plutos gelesen hat, teilt Humboldt seinem Freund Wolf in dem Brief vom 10. Oktober mit (An Wolf, 10. 10.1795, in: Humboldt, Wilhelm von Humboldt’s gesammelte Werke, Bd. 5 [1846], 137). Das bevorstehende Ende seiner Aristophanes-Lektüre kündigt er ihm am 9. November an (ebd., 139). 44 Vgl. Borsche (1990), 25. 45 Vgl. Muncker (1896), 340: „Weiter in die Ferne wagte er [sc. Voß] sich erst wieder im Frühling 1794, als er mit seinem Sohne Heinrich Braunschweig, Halberstadt, Weimar und Halle besuchte; er knüpfte dabei mit Gleim, Goethe und Friedrich August Wolf dauernde, mit Wieland und Herder bald

  Deutsche Aristophanes-Übersetzungen im Vergleich von Winckelmann ausgelösten Griechen-Begeisterung jener Zeit – nach wie vor intensiv mit dem Studium der antiken Autoren, die man bisweilen im Original, zumeist aber in Übersetzung las. 46 Daneben entstanden auch eigene Übersetzungen sowie Abhandlungen zu metrischen und ästhetischen Fragen. 47 Humboldt kam vor allem in dem engeren Freundeskreis um Goethe und Schiller die Rolle eines besonderen Kenners der griechischen Sprache zu, da keiner der beiden Dichter ausreichende Sprachkenntnisse besaß, um die griechischen Autoren im Original zu lesen. 48 Was Goethe betrifft, so teilt Humboldt selbst mit, dass er das Griechische nur „sehr mäßig“ beherrsche. 49 Goethe allerdings sah sich selbst durchaus in der Lage, das Neue Testament „ganz bequem“ im Original zu lesen 50 und auch „fast den Homer ohne Übersetzung“ 51. Die sehr mangelhaften Griechischkenntnisse Schillers 52 dagegen boten bisweilen Anlass zu freundschaftlichem Spott innerhalb des Weimarer Kreises, hatte er doch seine Iphigenie-Übertragung (s. o. 3.3.1.1 [Exkurs 1] Anm. 47) nicht auf Grundlage des griechischen Originaltextes,

 wieder gelöste Bande persönlicher Freundschaft. Wieder suchte er im Frühling 1796 Halberstadt und Halle auf, jetzt in Ernestinens Begleitung.“ 46 Zu den Anfängen der Weimarer Antikerezeption seit den 1770er Jahren s. auch o. 2.3.5. 47 Goethe las Homer und Pindar und übertrug hieraus auch einige Passagen ins Deutsche. Schiller hatte 1789 eine Übersetzung der Euripideischen Iphigenie in Aulis veröffentlicht, allerdings auf der Grundlage älterer französischer und lateinischer Übersetzungen. [Zu Goethes und Schillers Übersetzungen aus den alten Sprachen s. auch Rüdiger (1944) bzw. (textgleich) Rüdiger (1953).] August Wilhelm Schlegel verfasste eigene Dichtungen mit antiken Sujets (u. a. Pygmalion [1796], Prometheus [1797]) und hielt Ende der 1790er Jahre in Jena Vorlesungen ‚Über das zweckmäßige Studium des Alterthums‘ und über die ‚Geschichte der griechischen und römischen Literatur‘. Sein Bruder Friedrich publizierte verschiedene Abhandlungen zur antiken Literatur (u. a. Über das Studium der griechischen Poesie [1797]); zur Beschäftigung der Brüder Schlegel mit der antiken Komödie s. u. 3.3.1.1 (Exkurs 2) u. ebd. Anm. 74. 48 Vgl. J. Werner (1975), 460 f.: „Griechischkenntnisse, wie Lessing, Wieland, Wilhelm von Humboldt, August Wilhelm Schlegel sie besaßen, waren stets die Ausnahme.“ S. dazu auch ebd. Anmm. 3–10 sowie J. Werner (2000), 390. 49 An Schiller, 06.11.1795, in: Seidel, Der Briefwechsel zwischen Friedrich Schiller und Wilhelm von Humboldt (1962), Bd. 1, 208: „Die Gründe die Sie anführen, beweisen allerdings eine überaus große Verwandtschaft Ihres Geistes zu dem griechischen, und ich denke, wir haben auch schon sonst miteinander davon gesprochen, daß Sie vielleicht weniger fein und richtig über die Griechen denken würden, wenn Sie sie selbst griechisch zu lesen gewohnt wären. So weit bin ich entfernt, die eigentliche Sprachkenntnis auch nur zu einem sehr wichtigen Maßstab der Vertraulichkeit mit dem Geiste der Griechen zu machen, und Goethe und Herder, die beide nur sehr mäßig Griechisch wissen, sind hier redende Beweise.“ 50 Goethe, Dichtung und Wahrheit, Bd. 4, in: FA I 14, 138. 51 Goethe, Brief an J. D. Salzmann, 12. Juni 1771(?), in: FA II 1, 230. 52 J. Werner (2000), 390: „Seine [sc. Schillers] Griechischkenntnisse waren weniger gut als die von – ich nenne nur Nicht-Berufsphilologen – Goethe und Hölderlin und erst recht als die von Lessing, Wieland, Wilhelm von Humboldt, August Wilhelm und Friedrich Schlegel.“

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sondern mit Hilfe lateinischer und französischer Übersetzungen angefertigt. 53 In einem Brief an Schiller aus dem November 1795 bekundet daher Wilhelm von Humboldt ausdrücklich seine Freude darüber, dass dieser sich nun endlich dazu entschlossen habe, Griechisch zu lernen: Ich wünschte unendlich, daß Sie Griechisch wüßten, ich bin auch überzeugt, daß Sie es unglaublich schnell lernen werden. Allein ich kann es dennoch nicht über mich gewinnen, nicht die Stunden zu bedauern, die Sie beim ersten Anfang rein verlieren. 54

Während des bereits erwähnten Berlin-Aufenthaltes im Sommer 1795 wünschte Humboldt sich nach Jena zurück, um dem Freund bei den geplanten Studien zur Seite stehen zu können. 55 Er gibt Schiller einige Lektürehinweise 56 und nennt ihm empfehlenswerte Lexika und Grammatiken. Auch Humboldts Frau Caroline beschäftigte sich zu dieser Zeit damit, unter Anleitung ihres Mannes die griechische Sprache zu erlernen. 57 Nach Aussage Hum-

 53 August Wilhelm Schlegel verfasste daraufhin folgendes Scherzepigramm auf Schiller mit dem Titel ‚Trost bei einer schwierigen Unternehmung‘: Nur wenig Englisch weiß ich zwar, Und Shakspeare ist mir gar nicht klar: Doch hilft der treue Eschenburg wohl bei dem Macbeth mir hindurch. Ohn’ alles Griechisch hab’ ich ja Verdeutscht die Iphigenia; [...] Vgl. A. W. Schlegel, August Wilhelm von Schlegel’s Sämtliche Werke, Bd. 2 (1846), 212. 54 An Schiller, 20.11.1795, in: Seidel, Der Briefwechsel zwischen Friedrich Schiller und Wilhelm von Humboldt (1962), Bd. 1, 227. 55 „Wieviel gäbe ich darum, Ihr griechisches Studium selbst persönlich leiten zu dürfen. Wieviel Aufschlüsse würde ich durch Sie über die Sprache, die ich nun schon genauer kenne und wo ich Ihnen die data suppeditieren könnte, erhalten! So erlauben Sie mir wohl, wenn Sie noch beim Griechischen bleiben, diesen Gegenstand manchmal zum Thema unsrer Briefe zu machen.“ An Schiller, 20.11.1795, in: Seidel, Der Briefwechsel zwischen Friedrich Schiller und Wilhelm von Humboldt (1962), Bd. 1, 228. 56 Für den Fall, dass Schiller bei seinem Plan bleibe, empfiehlt er ihm als Anfangslektüre Homer („der einzig schickliche Anfang“); von Xenophon rät er für den Anfang ab: „Der alte ionische und der neue attische Dialekt sind so unglaublich verschieden, daß es Ihnen nur vergebliche Schwierigkeiten machen würde.“ (ebd. 227); stattdessen rät er zur gleichzeitigen Lektüre von Herodot oder Hesiod; an Schiller, 20.11.1795, in: Seidel, Der Briefwechsel zwischen Friedrich Schiller und Wilhelm von Humboldt (1962), Bd. 1, 227. 57 Bereits in einem Brief aus dem Jahr 1790 erwähnt Humboldt seiner Braut Caroline gegenüber, dass er sie nach einer neuen Methode in Griechisch unterrichten wolle; vgl. Sydow (Hg.), Wilhelm und Caroline von Humboldt in ihren Briefen, Bd. 1, 134. Hummel (1995), 255, charakterisiert Caroline als „fine lettrée et helléniste dilettante“.

  Deutsche Aristophanes-Übersetzungen im Vergleich boldts bewältigten beide zusammen im Berliner Sommer des Jahres 1795 ein umfangreiches Lektürepensum. 58 Bei den „ungriechischen Freunden“, zu deren Vergnügen Humboldt die beiden Aristophanes-Passagen übersetzte, dürfte es sich also wohl in erster Linie um Schiller, eventuell auch um Goethe und Ehefrau Caroline gehandelt haben. Was Schiller angeht, so wissen wir, dass Humboldt ihm bei seinem Abschied aus Jena 1797 die Lysistrate-Übersetzung zurückließ und dass dieser sie gleich darauf auch an Goethe weiterleitete. 59 Zum weiteren Verbleib der Übersetzung finden sich nur wenige Informationen. So berichtet der Erstherausgeber Albert Leitzmann, sie sei zeitweilig im Besitz von Humboldts Freund, dem in Paris lebenden Schriftsteller Gustav von Schlabrendorf gewesen; 60 und Jürgen Werner äußert – unter Berufung auf Wilhelm Körtes WolfBiographie – die nicht unplausible Vermutung, dass sich die Übersetzung – oder eine Abschrift davon – beim Tode Wolfs im Jahr 1824 in dessen Nachlass befunden

 58 „Mit meiner Frau habe ich jetzt den Sophocles beendigt, und wir wollen, ehe wir zum Aeschylus gehen, wieder ein halb Dutzend Stücke des Euripides lesen. [...] Lateinisch haben wir von neuem und nun recht ernstlich angefangen. Ich habe zuerst die Beschreibung der Gallischen und Germanischen Sitten im Caesar genommen, und wir gehen nun zu dem geliebten C. Nepos. Ich halte es doch für nöthig mit solchen leichten Sachen erst anzufangen.“; an Wolf, 30.10.1795, in: Humboldt, Wilhelm von Humboldt’s gesammelte Werke, Bd. 5 (1846), 136 f. 59 Vgl. Schiller an Goethe, 04.04.1797: „Ich sende Ihnen hier, pour la bonne bouche ein allerliebstes Fragment aus dem Aristophanes, welches mir Humboldt da gelassen hat. Es ist köstlich, ich wünschte den Rest auch zu haben“; in: Schillers Werke, Nationalausgabe, Bd. 29 ‚Briefwechsel‘ (1977), 56. Eine eindeutige Reaktion Goethes auf die Zusendung der Übersetzung ist nicht dokumentiert, allerdings schreibt er am 08.05.1797, also nur wenige Tage, nachdem ihm das Manuskript zugegangen sein dürfte, an Schiller: „So erschienen mir dieser Tage einige Szenen im Aristophanes völlig wie antike Bareliefen und sind gewiß auch in diesem Sinne vorgestellt worden. Es kommt im Ganzen und im Einzelnen alles darauf an: daß alles von einander abgesondert daß kein Moment dem andern gleich sei, so wie bei den Charakteren daß sie zwar bedeutend von einander abstehen aber doch immer unter Ein Geschlecht gehören.“ In: FA II 4, 315 f.; die Herausgeber vermerken im Kommentar zur Stelle: „Aristophanes] Wahrscheinlich hatte sich Goethe kurz zuvor mit Aristophanes beschäftigt, weil Schiller ihm am 4.4. Humboldts Übersetzung einiger Verse aus Lysistrata geschickt hatte“; ebd., 944. 60 Vgl. Leitzmann (Hg.), Wilhelm von Humboldts Werke, Bd. 8 (1909), 272: „auch Schlabrendorf hat sie [sc. die Lysistrate-Übersetzung] zeitweilig besessen (Caroline von Humboldt an Schlabrendorf, 28. Februar 1805).“

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habe. 61 Der Herausgeber Leitzmann selbst stützt sich schließlich im Jahr 1909 auf ein handschriftliches Exemplar aus dem Humboldt-Archiv in Berlin Tegel. 62 Exkurs 2: Humboldts Aristophanes-Auffassung Ungeachtet ihres Charakters als Gelegenheitsarbeiten geben die Fragmente der Aristophanes-Übersetzungen einen guten Einblick in Humboldts voranschreitende Einarbeitung in die Literatur und Kultur der Griechen. Noch 1793 hatte er an Wolf geschrieben, dass er bislang „fast bloss Dichter, einzelne Stükke aus Historikern und Plato“ gelesen habe, „also lauter Schriftsteller, die sehr zu einer idealischen Vorstellung führen. Die, welche davon das Gegenteil täten, z. B. Aristophanes, fehlen mir noch ganz.“ 63 Stadler deutet diese Äußerung des 26-jährigen Humboldt wohl zu Recht als Ausdruck der Befürchtung, „das historische, ‚wirkliche‘ Griechenbild könnte dem idealischen, aus der Idee gewonnenen widersprechen“. 64 Dass sich eine solche Befürchtung aus Humboldts Sicht nicht bestätigt hat, dass er Aristophanes vielmehr nach eingehender Lektüre in den von ihm selbst aufgestellten Kanon der vier „Hauptdichter“ aufnimmt und in ihm nun gar ein reines „Muster des griechischen Geistes“ erkennt, zeigt sich in seinem Brief an Schiller vom November des Jahres 1795, dem Entstehungsjahr der beiden Übersetzungen: Ich setze in dieser Absicht nur noch hinzu, daß ich als Quellen und Muster des griechischen Geistes eigentlich und im strengsten Verstande nur den Homer, Sophokles, Aristophanes und Pindar anerkenne. Alle übrige (Hauptdichter versteht sich) zeigen ihn minder einfach und rein. 65

Wie hoch Humboldt die Komödien des Aristophanes schätzte und wie maßgeblich die Aristophanes-Lektüre seine Auffassung von der griechischen Literatur insgesamt beeinflusst hat, bringt auch die folgende Briefäußerung Wolf gegenüber zum Ausdruck:

 61 Vgl. J. Werner (1965), 67+ Anm. 402: „Wilhelm Körte verzeichnet in seinem Buch ‚Leben und Studien Friedr. Aug. Wolfs‘ (Essen 1833) Bd. 2 S. 261 ff. verschiedene in Wolfs Nachlaß befindliche handschriftliche Arbeiten zu Aristophanes, darunter S. 262 eine nach Körte nicht von Wolf stammende Übersetzung von ‚Lysistrate‘ V. 1–251; das ist eben die seines Freundes Humboldt.“ 62 Vgl. Leitzmann (Hg.), Wilhelm von Humboldts Werke, Bd. 8 (1909), 250 (Anm.). Einer Anmerkung Gottfried Garbes zufolge, der sich wiederum auf die Auskunft der Familie von Heinz, den heutigen Eigentümern des Schlosses Tegel, beruft, ist nahezu das gesamte Tegeler Humboldt-Archiv und die Humboldtsche Bibliothek während des Zweiten Weltkrieges verlorengegangen; ein Großteil der Manuskripte, darunter auch die „Mappen mit den Handschriften von Humboldts Übersetzungsarbeiten“, sei demnach „am Verlagerungsort verbrannt“; Garbe (1957), 11 u. ebd. Anm. 3. 63 An Wolf, 23.01.1793, in: Humboldt, Wilhelm von Humboldt’s gesammelte Werke, Bd. 5 (1846), 18. 64 Stadler (1959), 41. Vgl. auch ebd. 73. 65 An Schiller, 06.11.1795, in: Seidel, Der Briefwechsel zwischen Friedrich Schiller und Wilhelm von Humboldt (1962), Bd. 1, 211.

  Deutsche Aristophanes-Übersetzungen im Vergleich Habe ich die Hauptredner und den Aristoteles (der dann folgen soll) hinter mir, so kann ich schon sichrer seyn, dass meine Kenntniss der Griechen nicht mehr einseitig ist. Vor dem Lesen des Aristophanes war sie es sehr. Aristoph. führt einen unläugbar in eine ganz neue Scene ein; [...]. 66

Was Humboldt an Aristophanes so fasziniert, sind vor allem die auffälligen „Discrepanzen“, die nur schwer „in demselben Kopf zu vereinigen seien“: [...] auf der einen Seite die ungeheure Licenz, die schrecklichen Zoten, die bloss schmutzigen Unanständigkeiten, ja manchmal die wirklich unwitzigen Einfälle, wie z. B. das ewige ληκύθιον ἀπώλεσεν in den Fröschen, auf der andern Seite die dichterischen Schönheiten einiger Chöre, die männliche Beredsamkeit in einigen Parabasen, die Genauigkeit und Reinheit der Sprache, Wohlklang des Silbenmaasses, worin er mir alle Tragiker zu übertreffen scheint. 67

Humboldt erklärt sich dieses Phänomen damit, dass Aristophanes als Dichter, ähnlich wie der Redner, eine öffentliche Person gewesen sei, der es vor allem darum gegangen sei, „vor dem Volke einen Kampf“ einzugehen und zu siegen. Um die Menge auf seine Seite zu bringen, habe er es auf sich genommen, „zu ihr hinabzusteigen, sich mitten unter sie zu versetzen“. Doch habe Aristophanes diese Sitte, „wie in eine Schaubühne“ hinunterzusteigen lediglich angenommen, um sich ansonsten „frei und nach seiner Weise“ bewegen zu können. „Nun war er wieder edel und geschmackvoll, nun erschien er wieder als Er selbst.“ 68  66 An Wolf, 09.11.1795, in: Humboldt, Wilhelm von Humboldt’s gesammelte Werke, Bd. 5 (1846),140. 67 An Wolf, 30.10.1795, in: Humboldt, Wilhelm von Humboldt’s gesammelte Werke, Bd. 5 (1846), 138. Seine große Wertschätzung für Aristophanes bringt Humboldt auch fast drei Jahrzehnte später noch einmal – wiederum in einem Brief an Wolf – zum Ausdruck. Anlass hierfür war das Erscheinen einer umfangreichen Rezension zu Voß’ Gesamtübersetzung des Aristophanes im Hermes (s. u. 3.3.1.3.4 Anm. 267), deren Verfasser Humboldts Ansicht nach „die wahre Größe des Aristophanes“ nicht erfasst habe. Humboldt selbst gibt in seinem Brief, in dem er vor allem seine eigene Auffassung zum Wesen des Komischen darlegt, Aristophanes den Vorzug vor den griechischen Tragikern: „Ich glaube nie, dass es unter uns und in unserer Sprache einen Aristophanes geben könnte und würde, wenn es auch gar keine Censoren, noch Polizeibehörden gäbe. Man sollte nach dem Schluss des Aufsatzes denken, dass es nur an diesem läge, dass man keinen Aristophanes hätte; aber daran sind diese Unglücklichen, meines Erachtens, sehr unschuldig. Um soviel schwerer und grösser die komische Dichtung, als die tragische ist, um soviel ist auch Aristophanes für mich grösser, als die Tragiker der Griechen. Wir wenigstens haben in ältern und neuern Dichtern kein Beispiel, dass einer so verstanden hätte, mit der zügellosesten Freiheit alle Bande zu lösen, wodurch in der sittlichen Welt eins gezwungen wird, sich dem andern unterzuordnen, und dann wieder im Ganzen seine Dichtung, bloss durch ihre Kraft, den entfesselten Gewalten soviel wahrhafte und naturgemässe sittliche Haltung zu geben. Beides aber muss im Komiker zusammenkommen. Ohne das erstere wirkt er nicht als Komiker, ohne das Letztere nicht als Dichter und Künstler.“ An Wolf, 15.09.1823, in: Humboldt, Wilhelm von Humboldt’s gesammelte Werke, Bd. 5 (1846), 311 u. 313 f. 68 Vgl. Brief an Wolf, 30.10.1795, in: Humboldt, Wilhelm von Humboldt’s gesammelte Werke, Bd. 5 (1846), 138. Zu Humboldts Aristophanes-Auffassung s. auch Glazinski (1992), 237–244, hier insbesondere auch zu Humboldts späterer, in einem Brief an Wolf aus dem Jahr 1823 dokumentierter

Porträts der ausgewählten Übersetzungen und Bearbeitungen der Lysistrate  

Mit seiner Begeisterung für Aristophanes stand Humboldt seinerzeit nicht allein. Wie bereits dargelegt, herrschte im Weimarer Umkreis spätestens seit der Ettersburger Aufführung von Goethes Bearbeitung der Vögel im Jahr 1780 69 ein reges Interesse an dem attischen Komödiendichter. 1783 hatte Goethes Schwager Johann Georg Schlosser die Frösche übersetzt. 70 1784 war die Schlosser gewidmete Übersetzung der Wolken des Jenaer Professors Christian Gottfried Schütz erschienen. 71 Sogar die Weimarer Herzogin Anna Amalia las Aristophanes im Original gemeinsam mit Wieland, 72 der zwischen 1794 und 1805 auch insgesamt vier AristophanesKomödien ins Deutsche übertrug. 73 Und seit Mitte der 1790er Jahre setzten sich schließlich die Schlegel-Brüder im Rahmen von ästhetischen Abhandlungen und Vorlesungen mit Aristophanes und der griechischen Komödie auseinander. 74 Humboldts Lysistrate-Übersetzung .... Humboldts Übersetzungskonzeption Humboldts berühmte Abhandlung zu grundlegenden Fragen des Übersetzens, die 1813 als Einleitung zu seiner Übersetzung des Aischyleischen Agamemnon erschienen ist, 75 kommt – aufgrund der großen zeitlichen Distanz – als theoretisches Fun-

 Reaktion auf eine anonyme Rezension der ersten Aristophanes-Gesamtübersetzung von Johann Heinrich Voß im Hermes (vgl. u. 3.3.1.3.4 Anm. 267). 69 S. hierzu auch o. 2.3.5 u. ebd. Anm. 325. 70 S. o. 2.3.5.1. 71 S. o. 2.3.5.2. 72 In einem Brief an den Erzieher ihres Sohnes Constantin, Karl Ludwig Knebel, berichtet Anna Amalia im Jahr 1784: „Diesen Winter studire ich den Aristophanes, welchen ich zuweilen mit Wieland lese. Ich finde an ihm sehr viel Vergnügen, sein beißender Witz ist unerschöpflich und mit alle dem hat er so viel Grazie, daß man ihm Alles gern vergibt, selbst seine schmutzigen Sachen.“ Brief vom 4. Januar 1784, in: Knebel, K. L. von Knebel’s literarischer Nachlaß und Briefwechsel (1835), 195. 73 S. o. 2.3.5.3. 74 Hingewiesen sei hier vor allem auf Friedrich Schlegels Aufsatz Vom ästhetischen Werte der griechischen Komödie von 1794, in dem er die alte griechische Komödie zum „Ideal des reinen Komischen“ erhebt (vgl. F. Schlegel, Vom ästhetischen Werte der griechischen Komödie [1794], 20) und auf August Wilhelm Schlegels 1808 gehaltene Wiener Vorlesungen über dramatische Kunst und Literatur, in deren Druckfassung (zuerst Heidelberg 1809) sich zwei Übersetzungsproben aus den Acharnern und den Fröschen sowie eine Stellungnahme zur Übersetzbarkeit der Komödie finden (s. dazu auch u. 3.3.1.1.1 Anm. 84). 75 Humboldt thematisiert in seiner Einleitung den eigentlich unüberbrückbaren Widerspruch zwischen der in der Verschiedenheit der Sprachen begründeten Unübersetzbarkeit von Werken großer Originalität einerseits und der Notwendigkeit des Übersetzens zur Erweiterung der sprachlichen Möglichkeiten der Zielsprache andererseits. Vom Übersetzer fordert er „einfache Treue“, die nicht auf die „Zufälligkeiten“ des Originals, sondern „auf den wahren Charakter“ des Originals gerichtet sein müsse; vgl. Humboldt, Einleitung [zu: Aischylos, Agamemnon] (1816), in: Kitzbichler/Lubitz/Mindt (2009b), 103. So dürfe er dem Original keinen „ihm fremden Schmuck“ leihen und

  Deutsche Aristophanes-Übersetzungen im Vergleich dament für die bereits im Jahr 1795 als Gelegenheitsarbeiten entstandenen Aristophanes-Teilübersetzungen nicht in Frage, zumal Humboldts Übersetzungsauffassung – insbesondere in Bezug auf das Metrische – durch Johann Heinrich Voß‘ Zeitmessung der deutschen Sprache (1804) noch einen wesentlichen Impuls erhalten sollte. Während Humboldt in jener späteren Einleitung vor allem auf die – über die reine Inhaltsvermittlung weit hinausreichenden – Möglichkeiten hinwies, auf dem Wege übersetzerischer Bewahrung der sprachlichen und metrischen Eigenschaften des Ausgangstextes auch die Ausdrucksmöglichkeiten der Zielsprache nachhaltig zu erweitern, 76 hatte er 20 Jahre zuvor – und damit in zeitlicher Nähe zu den Aristophanes-Übersetzungen – in seiner Schrift Über das Studium des Alterthums und des Griechischen insbesondere (1793) die Funktionen des Übersetzens noch wesentlich stärker im Hinblick auf den „Nutzen“ für potentielle Leser definiert: Uebersezungen. Diese können in Absicht des übersezten Schriftstellers einen dreifachen Nutzen haben. 1., ihn diejenigen kennen zu lehren, die sein Original nicht selbst zu lesen im Stande sind. 2., für denjenigen, der das Original selbst liest, zum Verständniss desselben zu dienen. 3., denjenigen, der das Original zu lesen im Begriff ist, vorläufig mit ihm bekannt zu machen, ihn in seine Manier, seinen Geist einzuweihen. 77

Den höchsten Nutzen spricht Humboldt dabei dem dritten Aspekt zu, da hier die Übersetzung zum Lesen des Originals anrege und den Leser nicht nur über einzelne Stellen verständige, sondern „den Geist des Lesers gleichsam zum Geist des Schriftstellers stimmt“ 78. Daher sei „der höchste Nuzen [sic] einer Uebersezung derjenige,

 müsse „Undeutschheit und Dunkelheit“ ebenso vermeiden wie erklärende und kommentierende Zusätze, wo das Original selbst dunkel sei [ebd. 104]. Humboldts Übersetzungsauffassung steht damit ganz in zeitlicher und sachlicher Nähe zu Friedrich Schleiermachers Akademierede Ueber die verschiedenen Methoden des Uebersetzens von 1813, in der dieser sich dafür aussprach, dass auch in der Übersetzung eine gewisse Fremdheit des Autors erkennbar bleiben müsse. Um dies zu erreichen bedürfe es, so Schleiermacher, einer Sprache, „die nicht nur nicht alltäglich ist, sondern die auch ahnden läßt, daß sie nicht ganz frei gewachsen, vielmehr zu einer fremden Aehnlichkeit hinübergebogen sey“; Schleiermacher, Ueber die verschiedenen Methoden des Uebersetzens (1813), in Kitzbichler/Lubitz/Mindt (2009b), 71. Gleiches fordert auch Humboldt: „Mit dieser Ansicht ist freilich nothwendig verbunden, daß die Uebersetzung eine gewisse Farbe der Fremdheit an sich trägt, aber die Gränze, wo dies ein nicht abzuläugnender Fehler wird, ist hier sehr leicht zu ziehen. So lange nicht die Fremdheit, sondern das Fremde gefühlt wird, hat die Uebersetzung ihre höchsten Zwecke erreicht; wo aber die Fremdheit an sich erscheint und vielleicht gar das Fremde verdunkelt, da verräth der Uebersetzer, dass er seinem Original nicht gewachsen ist.“ Humboldt, Einleitung [zu: Aischylos, Agamemnon] (1816), in: Kitzbichler/Lubitz/Mindt (2009b), 103. 76 S. o. 3.3.1.1.1 Anm. 75. 77 Humboldt, Über das Studium des Alterthums und des Griechischen insbesondere (1793), 32. 78 Humboldt, Über das Studium des Alterthums und des Griechischen insbesondere (1793), 32.

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welcher sie selbst zerstört“ 79. Jeder der drei Funktionen wird zudem eine unterschiedliche Vorgehensweise des Übersetzers zugeordnet: zu dem 1sten wird Anpassung des übersezten alten Schriftstellers auf den modernen Leser, also oft absichtliche Abweichung von der Treue erfordert; zu dem 2ten Treue der Worte und des Buchstabens; zu dem 3ten Treue des Geistes, wenn ich so sagen darf, und des Gewandes worin er gekleidet ist, wobei also vorzüglich viel auf die Nachahmung der Diktion bei Prosaikern und des Rhythmus und des Versbaues bei Dichtern ankommt. 80

Dieser mehr programmatischen Zielsetzung, die Humboldt in seiner – ebenfalls nur im Freundeskreis kursierenden 81 – Abhandlung Über das Studium des Alterthums formuliert, entspricht auch der private Charakter seiner Aristophanes-Übersetzungen. Jede der drei hier aufgeführten Übersetzungsfunktionen, die jeweils auch an ein bestimmtes Sprachniveau des Rezipienten gebunden sind, ließe sich jeweils einem bestimmten Adressaten aus dem Kreis von Humboldts ‚ungriechischen Freunden‘ zuordnen: Die erste Funktion (Ersatz für die Originallektüre) Schiller, der über das Anfangsstadium des Griechischlernens nicht hinausgekommen ist, die zweite Funktion (Unterstützung der Originallektüre) Goethe, dessen Griechischkenntnisse für die selbständige Bewältigung einfacher Originaltexte ausreichen, und die dritte Funktion (Vorbereitung auf die selbständige Originallektüre) Caroline, die zusammen mit Humboldt bereits zahlreiche griechische Werke im Original studiert hat. Neben dem Bedürfnis, einen bestimmten Kreis von Lesern mit den Werken der griechischen Dichter vertraut zu machen, gibt es für Humboldt allerdings auch noch ein weiteres, sehr persönliches Übersetzungsmotiv, das er in jenem Brief näher erläutert, mit dem er Wolf das Manuskript der Abhandlung Über das Studium des Alterthums übersendet. Humboldt bezieht sich hier unmittelbar auf den oben zitierten Abschnitt zum Übersetzen: Allein bei mir entsteht alle Lust zu übersezen aus wahrhaft enthusiastischer Liebe für das Original, und so wie mir es der unerträgliche Gedanke wäre so zu übersezen, dass man das Original darum weniger läse, so ist mir in Wahrheit der der liebste, dass man meine Uebersezung wegwerfe um jenes in die Hand zu nehmen. Der Uebersezer ist allemal in der Gruppe nur die Nebenfigur und er hat das Höchste getan, wenn die Hauptfigur durch ihn mehr hervorspringt. 82

 79 Humboldt, Über das Studium des Alterthums und des Griechischen insbesondere (1793), 33. 80 Humboldt, Über das Studium des Alterthums und des Griechischen insbesondere (1793), 33. 81 Vgl. Flashar (1986), 83: „Die kleine Abhandlung ist nicht publiziert, sondern an Freunde (Wolf, Schiller, Dalberg) verschickt worden, die sich in Briefen und Randnotizen zu dem Manuskript, z. T. kritisch geäußert haben.“ 82 An Wolf, 23.01.1793, in: Humboldt, Wilhelm von Humboldt’s gesammelte Werke, Bd. 5 (1846), 19.

  Deutsche Aristophanes-Übersetzungen im Vergleich Dass Humboldt seinen ‚ungriechischen Freunden‘ gerade solche AristophanesPassagen als Übersetzungsproben vorlegt, die sich durch ein hohes Maß an Obszönität auszeichnen, ist wohl kein Zufall, spricht er selbst doch Wolf gegenüber vom „ersten schmutzigen Akt“ der Lysistrate. 83 Vielmehr ist anzunehmen, dass sich für Humboldt gerade in der obszönen Sprache die Originalität des Aristophanes offenbart: Die bereits erwähnten „Discrepanzen“, das Nebeneinander von unanständigen Zoten und ausgefeilter Diktion, die er nun – auf dem Wege der Übersetzung – auch den Freunden anschaulich machen will. Die Intimität des Freundeskreises ermöglicht es ihm zumal, sich zu diesem Zweck über die zeitgenössischen sprachlichen und gesellschaftlichen Konventionen weitgehend hinwegzusetzen. 84 So ist es auch nicht verwunderlich, dass wir in Humboldts lediglich für den privaten Gebrauch verfassten Lysistrate-Fragment eine Übertragung vorfinden, die, wie sich zeigen wird, das Obszöne – im Unterschied zu den meisten späteren Übersetzungen der Komödie – semantisch nahezu adäquat widergibt. .... Übersetzungsanalyse Teil 1: Allgemeine Beobachtungen Textpräsentation Die von Leitzmann besorgte Erstveröffentlichung des Lysistrate-Fragmentes folgt einer handschriftlichen Fassung Humboldts aus dem Jahr 1795. 85 Die in der Druckfassung enthaltene Verszählung wurde vermutlich durch den Herausgeber ergänzt. Kommentierende Anmerkungen des Übersetzers sind nicht vorhanden. In Entsprechung zu Humboldts brieflicher Äußerung gegenüber Wolf, in der er vom ‚ersten Akt‘ der Lysistrate spricht (s. o. 3.3.1.1 [Beitrag] u. ebd. Anm. 41), findet  83 An Wolf, 04.09.1795, in: Humboldt, Wilhelm von Humboldt’s gesammelte Werke, Bd. 5 (1846), 133. 84 So äußert etwa August Wilhelm Schlegel noch im Jahr 1808 große Bedenken im Hinblick auf die Übersetzbarkeit des Aristophanes und rät bezüglich der obscena zu Auslassungen: „Aristophanes bleibt dem größeren Publikum auch jetzt noch weit unzugänglicher als die griechischen Tragiker. Die Sittsamkeit der Leserinnen wird durch den berüchtigten Cynismus des alten Komikers abgeschreckt; auch in männlichen Gemüthern, die sich der Herrschaft des Ernstes nicht entziehen wollen oder können, mag seine Frechheit wohl Widerwillen erregen. Dann ist auch weit schwerer, als bei der Tragödie, das Original durch Nachbildungen einigermaßen zu ersetzen. Antiquarische Genauigkeit ist ertödtend für den Scherz; und wenn man, der Vertraulichkeit zu lieb, zur heutigen Sitte ausbeugt, so fühlt sich der Leser dem attischen Boden entfremdet. Vieles scheint mir, wenn man auch alle Bedenklichkeiten bei Seite stellen wollte, aus verschiedenen Ursachen heraus unübersetzlich zu sein. Was die Anstößigkeit betrifft, so sind darin die Komödien des Aristophanes, und wiederum deren einzelne Theile einander sehr ungleich: in manchen ließe sich der Anstoß durch einige Auslaßungen beseitigen. Bei der folgenden Scene [sc. Ach. 393–488] war dieß nicht einmal nöthig: die Nachbildung durfte ganz treu sein.“ (Vgl. A. W. Schlegel, August Wilhelm von Schlegel’s Vorlesungen über dramatische Kunst und Litteratur [31846], 209). 85 Vgl. Leitzmann (Hg.), Wilhelm von Humboldts Werke, Bd. 8 (1909), 250 (Anm.).

Porträts der ausgewählten Übersetzungen und Bearbeitungen der Lysistrate  

sich auch in dem Übersetzungsfragment eine an modernen Theaterkonventionen orientierte Gliederung des Textes nach übergeordneten ‚Aufzügen‘ (konkret dem 1. Aufzug) – und untergeordneten ‚Auftritten‘ (insgesamt drei). Im Zusammenhang mit der Schwurszene (vv. 200–239) sind ferner diverse Handlungsanweisungen in den Text eingearbeitet: Lysistrate:

(Man bringt einen Krater voll Thasischen Weins und eine Menge Becher.) O! liebste Weiber, welch ein Schatz von Bechern. (die Weiber nehmen die Becher in die Hand.) Doch setz’ es weg, und greife mir (sie zeigt auf den Krater) den Eber an! (sie betet) „Suada, Gebieterin, und Freundschaftsbecher Du, „Empfangt diess Opfermahl, uns frommen Weibern hold!“ (200 ff.) (sie giesst Wein in den Becher)

Formale Gestaltung / Metrik Humboldt selbst teilt Wolf in seinem Brief vom 4. September 1795 mit, dass er die Lysistrate-Passage – dabei handelt es sich um die Verse 1–251 – „in freie Jamben“ übersetzt habe. Daraus wird bereits deutlich, dass eine genaue Nachbildung des originalen iambischen Trimeters – anders als später in der AgamemnonÜbersetzung – von Humboldt nicht angestrebt wird. Auch von einem Ersetzen des Trimeters durch den in der deutschen Dichtung geläufigen fünfhebigen Iambus, wie ihn Wieland für seine Übertragung der Acharner wählte und Humboldt selbst einige Jahre später im Anfangsstadium seiner Agamemnon-Übersetzung, hat Humboldt hier abgesehen. Er entscheidet sich stattdessen für ein Metrum, bei dem die Anzahl der Hebungen nicht verbindlich festgelegt ist, so dass es dem Übersetzer ein hohes Maß an sprachlicher Flexibilität ermöglicht. Sein Vorteil liegt vor allem darin, dass der Aussagegehalt eines Originalverses relativ wortgenau und ohne metrisch bedingte Streichungen oder Versfüllsel in den Übersetzungsvers übertragen werden kann. So stimmt zumindest rein äußerlich die Verszählung in Humboldts Übersetzung recht genau mit der Verszählung des Originals überein. 86 Wortlaut / Syntax Obgleich die originale Wortfolge keineswegs streng nachgeahmt wird, lässt sich doch erkennen, dass Humboldt sich grundsätzlich um eine möglichst wortgenaue  86 Vgl. hierzu J. Werner (1965), 115: „Für die jambischen Trimeter der ‚Lysistrate‘ stehen ‚freie Jamben‘, teils sechs, teils fünffüßig. Fast stets – das ist neu – sind Original und Übersetzung versgleich. Eine Ausnahme: ‚Lysistrate‘ 78 ff. entsprechen dreieinhalb Versen bei Aristophanes viereinhalb bei Humboldt, der zwei halbe Verse für einen durchaus entbehrlichen Zusatz braucht. Humboldt hält sich hier überhaupt nicht streng an das Original; zuweilen läßt er auch etwas aus, z. B. V. 67 f. die Anagyros-Partie. Griechisches gibt er griechisch: Aphrodite, nicht Venus, usw.“

  Deutsche Aristophanes-Übersetzungen im Vergleich Übersetzung des Ausgangstextes bemüht, so z. B. in der Replik der Athenerin Kalonike auf eine aus dem Zusammenhang gerissene Äußerung Lysistrates über das Schicksal der Peloponnesier und Boiotier: Λυ. Κα. Λυ. Κα. Lysistrate: Kalonike: Lysistrate: Kalonike:

ὡς ἔστ’ ἐν ἡμῖν τῆς πόλεως τὰ πράγματα, ἢ μηκέτ’ εἶναι μήτε Πελοποννησίους – βέλτιστα τοίνυν μηκέτ’ εἶναι νὴ Δία. Βοιωτίους τε πάντας ἐξολωλέναι – μὴ δῆτα πάντας γ’ ἀλλ ἄφελε τὰς ἐγχέλεις (32 ff.) Dass nur auf uns [sc. den Frauen] der ganze Staat beruht, ob er noch sey? beruht, dass kein Peloponnese – Viel besser wärs, die wären nicht, beim Zeus! Dass die Böotier alle untergehn. Nicht alle, rette doch die Aale wenigstens. 87

Einer Anmerkung des Herausgebers Leitzmann lässt sich allerdings auch entnehmen, dass „zwei Verse des Originals mit dem Scherz über Anagyros unübersetzt geblieben“ sind, 88 womöglich weil sich für das Wortspiel des Originals keine deutsche Entsprechung finden ließ. Exklamationen, Götteranrufe, zeitgebundene Begrifflichkeiten und Inhalte Exklamationen, die Freude oder Erschrecken ausdrücken, finden sich in der von Humboldt übersetzten Passage (vv. 1–251) nur in zwei Fällen: Beide Male werden die Ausrufe hier durch deutsche Wendungen ersetzt: Kalonikes Freudenruf ἰοὺ ἰού (66) beim Eintreffen der von Lysistrate eingeladenen Frauen wird mit ‚He!‘ wiedergegeben, ihr Seufzer παπαῖ (215) angesichts des von ihr nachzusprechenden Enthaltsamkeitsschwurs mit ‚O! weh!‘. Bei der Wiedergabe von Götteranrufen verfährt Humboldt eher inkonsequent. So wird die Floskel νὴ (τὸν) Δί(α) bzw. μὰ Δί’ des Öfteren wörtlich mit ‚beim Zeus‘ (24, 34, 88), einmal auch allgemeiner mit ‚bei Gott‘ (91) übersetzt, bisweilen erscheint sie als reine Bestätigungsformel (‚ja!‘ [87, 237] bzw. ‚nicht wahr?‘ [12]), zweimal entfällt sie ganz (55, 95). Die Anrufung der Doppelgottheiten Demeter und Kore νὴ τὼ θεώ wird an einer Stelle mit ‚bei den Göttern‘ (148) wiedergegeben, an einer anderen ausgelassen (113). Auch die von den Spartanern mit ναὶ τὼ σιώ angerufenen Doppelgötter Kastor und Polydeukes erscheinen bei Humboldt mehrmals in der Formel ‚bei den Dioskuren‘ (81, 142), einmal in der Wendung ‚beim  87 Obgleich die mit den Spartanern verbündeten Boiotier als Feinde Athens gelten, denen man die vollständige Vernichtung wünscht, will Kalonike hier die allseits als Delikatesse geschätzten boiotischen Aale unbedingt gerettet wissen. 88 Humboldt (Ü), Aristophanes Lysistrata (1795), 252 Anm. 1. Mit dem attischen Demennamen ‚Anagyros‘ assoziierte man offenbar den Geruch einer unangenehm duftenden Pflanze.

Porträts der ausgewählten Übersetzungen und Bearbeitungen der Lysistrate  

Pollux‘ (86), in einem Fall bleibt der Anruf unübersetzt. An zwei Stellen, an denen der Name der Gottheit unmittelbar genannt wird (ναὶ τὸν Κάστορα [206] und μὰ τὴν Ἀφροδίτην [208]) bleibt dieser auch in der Übersetzung erhalten: ‚so wahr mich Kastor schützt‘ bzw. ‚Bei Aphroditen‘. Bei zeitgebundenen griechischen Termini allerdings tendiert Humboldt deutlich dazu, den griechischen Begriff in lateinischer Umschrift beizubehalten und, wo er es für nötig hält, einen kurzen Kommentar in die Übersetzung einzubauen. Dies Verfahren wendet er z. B. in Bezug auf die Beinamen griechischer Götter an: Λυσ.

Ἀλλ’ εἴ τις εἰς Βακχεῖον αὐτὰς ἐκάλεσεν, ἢ ’ς Πανὸς ἢ ’πὶ Κωλιάδ’ εἰς Τενετυλλίδος, οὐδ’ ἂν διελθεῖν ἦν ἂν ὑπὸ τῶν τυμπάων. (1 ff.)

Lysistrate:

Hätt’ einer nur zu Bachus Tempel sie gerufen, zu Pan, zu Aphroditen, oder Genetyllis, dann käme man nicht durch vor Trommeln und vor Pfeifen.

Ähnlich werden von Humboldt auch andere zeitgebundene Begriffe, wie z. B. die Bezeichnungen modischer Kleidungsstücke, behandelt: Κιμβερίκ’ ὀρθοστάδια καὶ περιβαρίδας (45) mit Kimberischem geradgeschnittnen Kleid und hohen Schuh’n

Teilweise werden auch Anspielungen auf zeitgenössische Ereignisse, die sich einem uninformierten Leser kaum erschließen dürften, unkommentiert in die Übersetzung übernommen, so etwa Myrrhines Antwort auf Lysistrates Frage, ob die Frauen ihre Ehemänner vermissen würden, die ja fern der Heimat Kriegsdienst leisten müssten: Μυ.

ὁ γοῦν ἐμὸς ἀνὴρ πέντε μῆνας, ὦ τάλαν, ἄπεστιν ἐπὶ Θρᾴκης φυλάττων Εὐκράτη. (102 f.)

Myrrhine:

Der meinige ist schon fünf Monde lang, der Arme, in Thracien, den Eukrates zu hüten. 89

Lysistrates scherzhafte Anspielung auf eine Tragödie des Sophokles 90 übersetzt Humboldt hingegen ausnahmsweise weniger wortgetreu als vielmehr interpretierend:

 89 Eine eindeutige Identifizierung des hier genannten Eukrates ist allerdings schwierig. Henderson zufolge ist die Scholienangabe, derzufolge es sich um einen General handelt, der später durch die Dreißig ermordet wurde, nicht zuverlässig; vgl. Henderson (Ed./K) (1987), 79 f.: Our Eukrates may have been the commander succeeded in the summer by Dieitrephes (Th. 8. 64. 2), but all we can say is that a man by this name had been in Thrace for five months in some capacity at the time of Lys.’s performance [...].“

  Deutsche Aristophanes-Übersetzungen im Vergleich Λυ.

οὐκ ἐτὸς ἀφ’ ἡμῶν εἰσιν αἱ τραγῳδίαι. οὐδὲν γάρ ἐσμεν πλὴν Ποσειδῶν καὶ σκάφη. (139)

Lysistrate: Nicht ohne Grund verspottet uns die Bühne. Ein weites Meer sind wir, ein ausgehölter Nachen, und weiter nichts.

Dialekt Die von Aristophanes im lakonischen Dialekt abgefassten Passagen der Spartanerin Lampito werden von Humboldt noch nicht – wie später von anderen Übersetzern – in eine deutsche Mundart transferiert. .... Übersetzungsanalyse Teil 2: Behandlung der obscena Humboldt bleibt dem bereits konstatierten Prinzip einer semantisch weitgehend adäquaten Wiedergabe des griechischen Ausgangstextes auch im Hinblick auf das obszöne Vokabular treu. So gibt er etwa die primär obszönen griechischen Bezeichnungen für das männliche Glied – πέος (124, 134) und ψωλή (143) – mit den deutschen Begriffen ‚Schwanz‘ (124, 134) und ‚Eichel‘ (143) wieder. In v. 134 lässt er Kalonike das Wort ‚Schwanz‘ sogar noch einmal wiederholen, obgleich der griechische Text dies nicht vorgibt: Κα.

[...] κἄν με χρῇ, διὰ τοῦ πυρὸς ἐθέλω βαδίζειν. τοῦτο μᾶλλον τοῦ πέους. (133 f.)

Kalonike:

[...] Durchs Feuer will ich gehn, wenns seyn muss; nur den Schwanz, den Schwanz nicht lassen!

Auch das Verb στύειν, das im Griechischen die männliche Erektion bezeichnet, wird von Humboldt unverhüllt als Zustand des ‚Schwanzes‘ beschrieben: οὐκ ἔστιν οὐδεὶς οὔτε μοιχὸς οὔτ’ ἀνήρ – (WH) 91 ὅστις πρὸς ἐμὲ πρόσεισιν ἐστυκώς. (WH) (212 ff.) „Es ist kein einzger Mann, kein einzger Ehebrecher –“ (WH) „Der zu mir kommt mit stehndem Schwanze.“ – (WH)

 90 Lysistrates Bemerkung ‚Wir sind nichts anderes als Poseidon und der Kahn‘ spielt auf die Sophokles-Tragödie Tyro an, in der die von Poseidon verführte Protagonistin ihre Zwillinge Neleus und Pelias in einem Kahn aussetzt. Lysistrate kritisiert damit die Einstellung ihrer Mitstreiterinnen, die auf ihr sexuelles Vergnügen um keinen Preis verzichten wollen. 91 Die von Lysistrate vorgesprochenen Schwurpassagen werden jeweils von Kalonike wiederholt, hier gekennzeichnet durch (WH).

Porträts der ausgewählten Übersetzungen und Bearbeitungen der Lysistrate  

Den folgenden Vers, der neben στύειν auch das auf den Sexualakt verweisende Verb σπλεκοῦν enthält, dehnt Humboldt sogar auf eineinhalb Verse aus: στύοιντο δ’ ἄνδρες κἀπιθυμοῖεν σπλεκοῦν (152) und dann der Schwanz den Männern allen schwölle, und sie zu vögeln brennten

Das primär-obszöne deutsche Wort ‚vögeln‘ 92 wählt Humboldt auch an einer Stelle, an der der griechische Text mit dem Adjektiv ἀταυρώτη auch dezenter – etwa durch ‚unbemannt‘ oder ‚unbestiegen‘ – hätte wiedergegeben werden können 93: οἴκοι δ’ἀταυρώτη διάξω τὸν βίον – (WH) (217 f.) „Zu Hause will ich ungevögelt bleiben, –“ (WH)

Die sprachliche Freizügigkeit findet sich in Humboldts Übersetzung auch im Hinblick auf die skatologischen Begrifflichkeiten. So gibt er πυγή, das im Griechischen nicht einmal zu den primären Obszönitäten zählt, 94 ausdrucksverstärkend mit ‚Arsch‘ wieder. Wie das folgende Beispiel ebenfalls zeigt, bemüht sich Humboldt, die genaue Bedeutung des Wortes γυμνάδδομαί ins Deutsche zu übertragen, und nimmt es dafür sogar in Kauf, hier – ebenfalls amplifizierend – von seinem

 92 Vgl. Deutsches Wörterbuch von Wilhelm und Jacob Grimm, Bd. 26 (zuerst 1951), Sp. 432 f., zu ‚vogeln, vögeln, Verb‘: „[...] 4) coire, intrans., u. begatten, trans. zunächst von den vögeln mhd. wb. 3, 359a; Lexer 3, 425; Schmeller 1, 835; vogelen, fugelen, volucrare Diefenbach gl. 628b; fugelen z. f. d. wortf. 5, 12; dann von menschen, allgemein verbreitet, gewöhnlich mit umlaut [...] 5) einzelnes: vogeln in obscönem sinn, aber vom bild des vogelfangs ausgehend, braucht O. v. Wolkenstein 71, 3. vogeln, marmel stehlen (Bern) z. f. d. wortf. 2, 54 ist ebenfalls aus der bed. 1 abzuleiten.“ [Onlinefassung] URL: http://www.woerterbuchnetz.de/DWB?lemma=vogeln (zuletzt gesehen: 17.09.2019). 93 Vgl. hierzu Henderson (Ed./K) (1987), 95 f.: „[…] The representation of man by bull (A. Ag. 1126 with Fraenkel’s note) and woman by cow (Pi. P. 4. 142) was traditional and is reflected in such myths as Zeus and Europa, […]“. Nach Auffassung von Janka (2000), 592 Anm. 42, bleibt Henderson hier jedoch „hinsichtlich der sexuellen Komponente zu vorsichtig.“ Janka verweist ebd. auf seinen eigenen Kommentar zu Ovid, Ars amatoria, Buch 2 (1997), 270, wo er mit Bezug auf vv. 341 f. (quem taurum metuis, vitulum mulcere solebas) anmerkt: „zu taurus als Chiffre für den außergewöhnlich potenten Liebhaber vgl. etwa Hor. epod. 12, 16 f. Klage einer über „Horazens“ Potenzprobleme bei ihr verärgerten älteren Sexualpartnerin: pereat male quae te / Lesbia (sc. mihi) quaerenti taurum monstravit inertem.“ 94 Vgl. Henderson (1991), 40: „Certain words that have the directness of primary obscenities seem to have developed a more or less innocuous tone: πόσθη, ‚wee-wee‘ (a small penis or a child’s), σάθη, ‚waggler‘ (compare English ‚dingle‘), and πυγή, ‚butt‘ [entspricht im Deutschen ‚Po‘ oder ‚Hintern‘; d. Verf.] (both sexes). These words, if used in sexual contexts, have at most a tone of affectionate lubricity; they stand at a distance from the affective primacy of πέος and its company. All have entered everyday speech [...].“

  Deutsche Aristophanes-Übersetzungen im Vergleich ansonsten recht streng durchgehaltenen Prinzip der versgleichen Wiedergabe abzuweichen: Λα.

γυμνάδδομαί γα καὶ ποτὶ πυγὰν ἅλλομαι. (82) 95

Lampito:

Auch üb’ ich mich nicht träg, und schlag’ im nakten Tanz, des Rhythmus Weisen folgsam, an den Arsch die Ferse.

Auch in Bezug auf den milesischen Lederdildo (ὄλισβος), den Kalonike als Hilfsmittel gegen den sexuellen Notstand ins Gespräch bringt, übersetzt Humboldt semantisch äquivalent, wenn er die im 18. Jahrhundert geläufige französische Bezeichnung dieses Utensils (‚godemichet‘) zu ‚Godemüchet‘ eindeutscht 96: ἐξ οὗ γὰρ ἡμᾶς προὔδοσαν Μιλήσιοι, οὐκ εῖδον οὐδ᾿ ὄλισβον ὀκτωδάκτυλον, ὅς ἦν ἂν ἡμῖν σκυτίνη ᾿πικουρία. (108 ff.) 97 [...] und seit Milet uns verrathen, seh ich auch nicht einmal nur ein achtzölliges Godemüchet, das, wenn von Leder gleich, doch immer eine Hülfe war.

Im Unterschied hierzu gibt Humboldt das Sprichwort des griechischen Komödiendichters Pherekrates, das im Aristophanischen Original auf die Verwendung von Dildos aus Hundeleder verweist (s. auch u. 3.4.4), nicht wörtlich wieder. Lysistrate zitiert dieses Sprichwort, als sie den besorgten Frauen Verhaltensmaßregeln für den Fall gibt, dass die Männer sie – wegen ihrer sexuellen Verweigerungshaltung – verstoßen sollten: τὸ τοῦ Φερεκράτους, κύνα δέρειν δεδαρμένην. (157 f.)

Eine wörtliche Übersetzung würde etwa lauten: [Befolge] das [Wort] des Pherekrates: ‚schinde den geschundenen Hund‘.

 95 Zur Stelle s. auch u. 3.3.1.2.3 u. ebd. Anm. 160. 96 Vgl. dazu Joost (2001), 88, der in seinen Anmerkungen zu einem Gottfried August Bürger zugeschriebenen Priap-Gedicht (s. hierzu auch u. 3.3.1.3.1 [Exkurs 2] u. ebd. Anm. 221) die Formulierung ‚samtne Dinger‘ (Str. 11, v. 4) folgendermaßen kommentiert: „künstliche Penisse, Dildos, Godemichés (gaude mihi).“ Im Deutschen Wörterbuch der Brüder Grimm findet sich hierzu kein Eintrag. 97 Zur Stelle s. auch u. 3.4.2.

Porträts der ausgewählten Übersetzungen und Bearbeitungen der Lysistrate  

Humboldt übersetzt hier interpretierend umschreibend, was in diesem Fall allerdings zum leichteren Verständnis der Stelle beiträgt: Dann, sagt das Sprichwort, hilft man selbst sich, wie man kann.

Was die von Aristophanes im Rahmen des Frauenschwurs evozierten Vorstellungen sexueller Spielarten betrifft, wählt Humboldt ebenfalls eher verdeutlichende als verschleiernde Umschreibungen. Dies betrifft insbesondere die Auflösung der Aristophanischen Anspielungen auf die ‚zur Decke gehobenen Perserschuhe‘ (229 f.) und die Stellung der ‚Löwin auf der Käsereibe‘ (231 f.): κακῶς παρέξω κοὐχὶ προσκινήσομαι. (227 u. 228) οὐ πρὸς τὸν ὄροφον ἀνατενῶ τὼ Περσικά. (229 u. 230) οὐ στήσομαι λέαιν’ ἐπὶ τυροκνήστιδος. (231 u. 232) „da liegen, wie ein Klotz, und nicht den Arsch bewegen; –“ „nicht aus dem Bett empor die Schenkel brünstig heben, –“ „noch über ihn mich knieen, auf allen Vieren stehend!“

.... Rezensionen / Urteile / Stellungnahmen Da Humboldts fragmentarische Aristophanes-Übersetzungen erst im Jahr 1909 publiziert wurden, können ältere Reaktionen nur aus dem Freundeskreis vorliegen. Mit Ausnahme von Schillers Urteil, der die ihm zugedachte Übersetzung „allerliebst“ und „köstlich“ 98 fand, sind jedoch keine weiteren zeitgenössischen Beurteilungen überliefert. Auf die Erstveröffentlichung reagierte der Philologe Ulrich von Wilamowitz-Moellendorff allerdings mit einer sehr negativen – und wie aus dem Vorangegangenen deutlich geworden sein dürfte, durchaus ungerechtfertigten – Bewertung in seinem einschlägigen Aristophanes-Kommentar von 1927: Aus W. v. Humboldts Papieren ist in der akademischen Ausgabe VIII 250 eine Übersetzung des Prologs der Lysistrate aus dem Jahre 1795 gedruckt. Wenn ich Einfluß darauf gehabt hätte, würde es unterblieben sein. Es ist nichts als eine Schülerarbeit, bei der an eine wirkliche Übersetzung gar nicht gedacht ist. Eins der Alterssonette, 910, verherrlicht die Vögel, aber auf Kosten der Gattung, über die sie sich erheben sollen. Selbst ihm war die Komödie fremd geblieben. 99

J. Werner (1965) wiederum konstatiert in seiner Habilitationsschrift über die Geschichte der deutschen Aristophanes-Übersetzungen in Bezug auf Humboldts Wiedergabe der Obszönitäten Folgendes:

 98 Schiller an Goethe, 04.04.1797, in: Schillers Werke, Nationalausgabe, Bd. 29 ‚Briefwechsel‘ (1977), 56; s. auch o. 3.3.1.1 (Exkurs 1) Anm. 59. 99 Wilamowitz-Moellendorff (K) (1927), 6 Anm. 1.

  Deutsche Aristophanes-Übersetzungen im Vergleich Humboldt ist nicht zimperlich; die Zoten und Plattheiten versteht er – wie Schlosser – als Zugeständnis an das Publikum, auf das Aristophanes politisch wirken will (an Wolf, 30.10.1795: Ges. Werke 5, 138). So gibt er denn auch das rechte deutsche Äquivalent für ‚pygé‘ [114] (Lysistrate 82), ja er verwendet es selbst dort, wo er es gar nicht setzen müßte (ebd. 227 f.); nur selten mildert er. 100

So unterschiedlich die beiden Urteile auf den ersten Blick auch ausfallen mögen: Sowohl Wilamowitz’ Kritik an der Unfertigkeit der Übersetzung als auch Werners zutreffende Feststellung, Humboldt habe die „Zoten und Plattheiten“ des Originals äquivalent ins Deutsche übertragen, finden ihre Begründung in der Tatsache, dass Humboldt selbst das Lysistrate-Fragment lediglich zu seinem eigenen Vergnügen übersetzt und das Resultat ausschließlich seinen engsten Freunden zur Kenntnis gebracht hatte. Es ist anzunehmen, dass die Übersetzung weitaus weniger freimütig (und damit auch weniger authentisch) ausgefallen wäre, hätte Humboldt von vornherein eine Publikation der gesamten Komödie angestrebt. ... August Christian Borheck (1806) August Christian Borheck (1751–1816) stammte aus Osterode und hatte in Göttingen Philologie (bei Christian Gottlob Heyne) 101 und Geschichte studiert. Er war an verschiedenen Gymnasien (u. a. in Zellerfeld, Klosterbergen, Salzwedel und Bielefeld) 102 als Lehrer und auch Rektor tätig und wurde 1789 auf einen Lehrstuhl für Geschichte und Beredsamkeit an der Universität Duisburg 103 berufen. Im Jahr 1802 schied er vorzeitig aus dem Universitätsdienst aus 104 und lebte seitdem als Privatgelehrter in Köln. 105  100 J. Werner (1965), 113. 101 Vgl. Borheck, Vorrede [zu Sophokles: Aias] (1781), o. S. [5. Seite der Vorrede]. 102 Vgl. Hamberger/Meusel, Das gelehrte Teutschland, Bd. 1 (1796), 377 f. 103 Die im Jahr 1655 gegründete Alte Universität Duisburg wurde bereits 1818 wieder geschlossen, da sie sich nicht länger gegen die konkurrierenden Universitäten in den Niederlanden sowie gegen die im gleichen Jahr neu gegründete Universität in Bonn behaupten konnte. Zu einer Wiederbelebung der Duisburger Universität kam es schließlich im Jahr 1968 mit der Gründung der Pädagogischen Hochschule, die 2003 sie mit der Essener Universität fusioniert wurde. Vgl. Greiner (1999) und Artz (Red.), [Pressemitteilung der Universität Duisburg Essen zum 350. Gründungsjubiläum im Jahr 2005]: Die neue Uni feiert die alte Uni [Onlinefassung] URL: https://www.uni-due.de/de/presse/ meldung.php?id=6657 (zuletzt gesehen: 15.09.2019). 104 Als Grund für dieses vorzeitige Ausscheiden nennt Hoche (1876) in der ADB den „anstößigen Lebenswandel“ Borhecks. Ähnliches deutet auch ein Nachtrag zu ‚Borheck‘ in Hamberger/Meusel, Das gelehrte Teutschland, Bd. 11 (1805), 91 an: „[...] im Jahrbuch der neuesten Litteratur 1802. St. 249. S. 95 wird erzählt, er sey 1802 wegen seynes skandalösen Lebens seiner [sic] Professur zu Duisburg entlassen worden; seitdem privatisirt er zu Köln [Herv. Hamberger/Meusel].“ 105 Die biographischen Angaben entstammen, sofern nicht anders vermerkt, dem von Richard Hoche verfassten Artikel „Borheck, August Christian“, in: ADB, Bd. 3 (1876), 159 [Onlinefassung]. Die ausführlichsten, allerdings nicht ganz vorurteilsfreien Informationen über Borhecks Lebensum-

Porträts der ausgewählten Übersetzungen und Bearbeitungen der Lysistrate  

Borheck publizierte zahlreiche Schriften zu unterschiedlichen Fachgebieten, darunter auch Textausgaben und Kommentare antiker Autoren für den Schulgebrauch. 106 Auch mit mehreren Übersetzungen antiker Texte 107 wandte er sich in erster Linie an Lehrer und Schüler 108: Aus dem Griechischen übersetzte er Xenophon (sämtliche Werke, 1778–1808), Sophokles (Aias, 1781), Arrian (Feldzüge Alexanders, 1790–1792) und Aristophanes (Lysistrate, 1806; Frieden, 1807), aus dem Lateinischen Cicero (Briefe, 1782–1789) und Plautus (Captivi, 1797; Amphitruo, 1803). 109 Borhecks Beitrag zur Aristophanes-Übersetzung Im Jahr 1806 legte Borheck die erste vollständige deutsche Übersetzung der Aristophanischen Lysistrate vor. 110 In seiner Vorrede gefällt sich Borheck darin, die Originalität seiner Übersetzungsleistung – wie auch schon bei verschiedenen früheren Übersetzungen 111 – besonders hervorzuheben:

 stände und pädagogische Fähigkeiten finden sich in einem Artikel zur Geschichte des Bielefelder Gymnasiums von 1908, in dem auch Borhecks Wirken als Rektor dieser Lehranstalt von 1780 bis 1789 dargestellt wird. Das Urteil über sein Rektorat fällt hier äußerst negativ aus. So bezeichnet ihn der Verfasser des Artikels, Christian Herwig – einer der Nachfolger Borhecks auf dem Direktorenposten –, gleich zu Beginn als „ad vastandam scholam natus“ (ein Zitat des Rektors der Jahre 1794 bis 1815, Friedrich Ernst Ruhkopf; vgl. C. Herwig [1908], 42) und äußert – ohne die genaueren Umstände zu erläutern – sein Bedauern darüber, dass seinerzeit der ebenfalls für den Posten zur Disposition stehende, damals erst 21 Jahre alte Friedrich August Wolf, die Stelle letztlich nicht angetreten habe (vgl. C. Herwig [1908], 42). 106 S. hierzu das Literaturverzeichnis unter Borheck (Ed.) und Borheck (K). 107 Für die genauen Titelangaben vgl. das Literaturverzeichnis unter Borheck (Ü). 108 In der Vorrede zum ersten Band der Cicero-Briefe bekräftigt Borheck seine Absicht, „Schulmännern die keine Zeit, oder keine Hülfsmittel haben (und dahin gehören wohl die allermeisten) und diese Briefe ihren Schülern erklären wollen, imgleichen Jünglingen die sie für sich lesen wollen, und die Sachen nicht verstehen, wobey es oft sehr auf Kleinigkeiten ankomt, durch meine Arbeit nüzlich“ zu werden; vgl. Borheck, Vorrede [zu Cicero: Briefe] (1782), [s. p.]. 109 Darüber hinaus hatte Borheck noch zahlreiche weitere Übersetzungsprojekte geplant, wie sich seinen Vorreden zum Sophokleischen Aias und zu den Captivi des Plautus entnehmen lässt. So kündigte er nicht nur eine Fortsetzung der Übersetzungsarbeit an den Werken des Plautus an (vgl. Borheck, [Vorrede zu Plautus: Captivi] (1797), [s. p.]), sondern hatte sich sogar vorgenommen, sämtliche Werke der drei griechischen Tragiker in deutscher Übertragung vorzulegen. (vgl. Borheck, Vorrede [zu Sophokles: Aias] (1781), [s. p.]). Von diesen Vorhaben wurde allerdings – mit Ausnahme einer weiteren Plautus-Komödie (Amphitruo, 1803) – keines verwirklicht. 110 Er stützt sich dabei nach eigenen Angaben für die Übersetzung auf die Textausgabe von Brunck, für die Anmerkungen auf diejenige von Küster; vgl. Borheck, [Vorrede zu Aristophanes: Lysistrata] (1806), III. Zu den genannten Textausgaben s. auch o. 2.3.3.4 u. ebd. Anm. 178 und 2.3.5 Anm. 315. Zu Borheck als Aristophanes-Übersetzer s. auch J. Werner (1965), 122–126. 111 So stellt er beispielsweise seine Aias-Übertragung als die erste „poetische“ (i. S. von ‚in Versen abgefasste‘) Übersetzung einer Sophokles-Tragödie dar (vgl. Borheck, Vorrede [zu Sophokles: Aias] (1781), [s. p.]; vgl. ferner Borheck, Vorrede [zu Cicero: Briefe], (1782), [s. p.].

  Deutsche Aristophanes-Übersetzungen im Vergleich Das Aristophanische Lustspiel Lysistrata, das ich izt in einer Verdeutschung dem Publikum vorzulegen wage, ist, soviel ich weiss, noch niemals verdeutscht worden; die Degensche sehr fleissig gesammlete Übersezungslitteratur der Griechen 112 führt wenigstens keine Verdeutschung desselben an. Ich hatte also mit keinem Vorgänger zu wetteifern, um ihm den Kranz zu entringen zu suchen. Nur mit Aristophanes selbst, dem einzigen, der von der zahlreichen Menge der Attischen Komiker nur allein unsern Zeiten erhalten ist, musst’ ich ringen, um ihn so in unsrer Sprache reden zu lassen, dass er, in feiner Gesellschaft, wovon er in seiner hochverfeinerten Vaterstadt nicht ausgeschlossen war, erscheinen dürfte. 113

Im Gegensatz zu seinen vorausgegangenen Übersetzungen antiker Werke entstand die Lysistrate-Übertragung, die schon in die Zeit nach seinem Rückzug aus der öffentlichen Lehrtätigkeit fällt, nicht mehr für die Bedürfnisse der Schule. Vielmehr gibt es Anzeichen, von denen noch zu sprechen sein wird, die darauf hindeuten, dass eine Bühneninszenierung angestrebt wurde. Die Übersetzung trägt folgenden Widmungsvermerk: Friderich Leopold Grafen zu Stollberg [sic], dem innigsten Freunde und Vertrauten der Musen Jonia’s und Attika’s durch den Melpomene ihren Æschylos führte auf Deutschlands Parnass weiht auf Thalia’s Befehl Aristophanes lachende Scherze ihr Verdeutscher.

Stolberg (1750–1819), der ein Jahr älter als Borheck war und wie dieser in Göttingen studiert hatte, hatte vier Jahre zuvor (1802) den Übersetzungsband Vier Tragödien des Aeschylos veröffentlicht. 114 Auch wenn es sich hierbei nicht mehr im eigentlichen Sinne um deutsche Erstübersetzungen handelte, 115 so kommt Stolbergs Übertragungen doch das Verdienst zu, die Werke des griechischen Tragikers erstmals einem größeren deutschsprachigen Leserkreis bekannt gemacht zu haben. Mit der Widmung an Stolberg bekundet Borheck also ganz offensichtlich seine Absicht, auf dem Gebiet der griechischen Komödie künftig dasselbe leisten zu wollen, was Stolberg auf dem Gebiet der Tragödie bereits erreicht hatte. Doch lässt sich seine Auswahl gerade der Lysistrate nicht nur mit der Motivation der Erstübersetzung erklären. Borheck selbst weist – ähnlich wie seinerzeit Wieland in Bezug auf die Acharner (s. o. 2.3.5.3 u. ebd. Anm. 382) – auch auf die Aktualität,

 112 Vgl. Degen, Litteratur der deutschen Uebersetzungen der Griechen, 2 Bde. (1797–1801); s. auch o. 2.3.5.3 Anm. 376. 113 Borheck, [Vorrede zu Aristophanes: Lysistrata] (1806), V. 114 Der Band enthält die Tragödien Prometheus, Sieben gegen Theben, Perser und Eumeniden. Zuvor hatte Stolberg – neben eigenen Gedichten, Dramen und Reisebeschreibungen – bereits weitere Übersetzungen aus dem Griechischen publiziert: 1778 war seine Übertragung der homerischen Ilias erschienen, 1796–1797 folgten die Auserlesenen Gespräche des Platon. 115 Bereits 1882 hatte Georg Christoph Tobler eine Gesamtübersetzung der Aischylos-Tragödien fertiggestellt. Diese war jedoch ungedruckt geblieben und stand interessierten Lesern lediglich in Manuskriptform in der Weimarer Landesbibliothek zur Verfügung. Vgl. Beck (1937), 41 u. ebd. Anm. 1).

Porträts der ausgewählten Übersetzungen und Bearbeitungen der Lysistrate  

das „Zeitinteresse“, des Stückes hin. Diese Aktualität sieht er vor allem in der Parallele der (historischen) Auseinandersetzung zwischen Sparta und Athen auf der einen und der (zeitgenössischen) Feindschaft zwischen Frankreich und England 116 auf der anderen Seite: Wie zu Aristophanes Zeiten die beiden übermächtigen Staten [sic] Griechenlands, Sparta und Athen, ersteres die grösste Land- und letzteres die grösste Seemacht Griechenlands, einander bekriegten, welchen leidenschaftvollen Krieg Thukydides und Xenophon mit noch unerreichter historischer Kunst und Schönheit beschrieben haben: so kriegen izt Frankreich und Britannien. 117

In dem historischen Konflikt habe Athen „seiner Leidenschaft“ ebensoviel Geld, Flotten und Menschen aufgeopfert „wie izt Britannien“, und Borheck schließt seinen Vergleich mit der Bemerkung: „Eine Brittische Lysistrata wäre fast nöthig, um Britannien, wie Athen, zum Frieden zu stimmen.“ 118 Am Ende seiner Vorrede geht Borheck abschließend auch auf die von ihm konstatierten Unterschiede zwischen dem „Athenischen“ und dem „neueren Theater“ ein: Die griechischen Theaterdichter – sowohl der Tragödie als auch der Komödie – seien „eigentliche Nazionaldichter“ gewesen, die ihren Stoff „aus dem Nazionalschatz von Begebenheiten und Sagen“ geschöpft und als handelnde Personen „Vorfahren oder Gleichzeitige des Volks“ auf die Bühne gebracht hätten, um auf diese Weise ihr Publikum nicht nur zu belustigen, sondern es zugleich zu belehren und „zu großen Thaten“ zu motivieren. 119 So seien auch die Dramen des Aischylos, Sophokles, Euripides und Aristophanes „wahre Nazionalstücke für die Athener, deren Volkscharakter man darin aufs treffendste dargestellt findet“. 120 Das moderne Theater dagegen sei lediglich auf kurzweilige Unterhaltung des Publikums angelegt: Wahren vortheilhaften Eindruck aufs Volk können fast alle heutige Stücke nicht machen [sic], weil sie nicht aus der Nazion, vor der sie dargestellt werden, hergenommen sind. Es ist unmög-

 116 Angespielt wird auf die britisch-französischen Auseinandersetzungen im Rahmen der sogenannten Koalitionskriege (1792–1815), die sich gegen die Französische Revolution und Napoleon richteten. Mit Hilfe Russlands, Österreichs und Preußens konnte England wichtige Siege über Napoleon erringen und schließlich zur beherrschenden Welt-, See- und Kolonialmacht aufsteigen. Im Jahr 1805, der Entstehungszeit von Borhecks Übersetzung, hatten die Engländer unter General Nelson gerade in der Seeschlacht bei Trafalgar gesiegt; Frankreich reagierte darauf ab 1806 mit harten Wirtschaftssanktionen gegen England. 117 Borheck, [Vorrede zu Aristophanes: Lysistrata] (1806), VII. 118 Borheck, [Vorrede zu Aristophanes: Lysistrata] (1806), VIII. 119 Borheck, [Vorrede zu Aristophanes: Lysistrata] (1806), VIII f. 120 Borheck, [Vorrede zu Aristophanes: Lysistrata] (1806), IX.

  Deutsche Aristophanes-Übersetzungen im Vergleich lich, dass der Deutsche das Interesse am Theater haben kann, das der alte Athener daran hatte. 121

Um auch das deutsche Theater in den Stand zu versetzen, seinem Publikum nicht mehr länger nur Vergnügen sondern auch Belehrung zu bieten, empfiehlt Borheck, „die Griechen in der Wahl der Gegenstände“ nachzuahmen, diese Gegenstände dann aber „aus unserm eigenen Nazionalschatz“ hervorzuholen und „nicht von fremden Völkern [zu] entlehnen“. 122 Er verweist auf Friedrich Schiller, der für die Tragödie mit seinem Wallenstein bereits entsprechendes geleistet habe, um abschließend die Frage aufzuwerfen: „Und welche Wirkungen müsste ein nazioneller Aristophanes nicht hervorbringen.“ 123 Wie in der Vorrede zur Lysistrate bereits angekündigt, 124 erscheint ein Jahr später auch die Aristophanes-Komödie Der Friede (1807) in Borhecks Übersetzung, allerdings ohne weitere Reflexionen zu Übersetzungsmotivation und -konzeption. 125 In einer Nachbemerkung bekundet Borheck nunmehr seine Absicht, auch die beiden anderen ‚Frauenkomödien‘ Thesmophoriazusen und Ekklesiazusen erstmals ins Deutsche zu übertragen. 126 Zu einer Publikation dieser Stücke kam es jedoch nicht mehr. 127 Borhecks Lysistrate-Übersetzung .... Borhecks Übersetzungskonzeption Trotz seiner umfangreichen Übersetzungsproduktion hat Borheck sich zu übersetzungstheoretischen Fragen stets nur sehr knapp geäußert. Anders als seine Zeitge-

 121 Borheck, [Vorrede zu Aristophanes: Lysistrata] (1806), IX f. 122 Borheck, [Vorrede zu Aristophanes: Lysistrata] (1806), X. 123 Vgl. Borheck, [Vorrede zu Aristophanes: Lysistrata] (1806), X. Dass Borheck hinsichtlich der künftigen Entwicklung durchaus Weitblick beweist, wird durch die nach 1800 in der Tat verstärkt einsetzende Produktion politisch orientierter deutscher Komödien in Aristophanischem Stil bestätigt. S. dazu auch u. 3.3.2 u. ebd. Anm. 276. 124 Vgl. Borheck, [Vorrede zu Aristophanes: Lysistrata] (1806), XII: „Diese Lysistrata, so wie der Friede, dessen Verdeutschung unmittelbar folgen wird, sind übrigens zwei Theaterstücke aus dem fernen Griechischen Alterthum, die selbst izt ein Zeitinteresse haben können.“ 125 Die Vorrede bietet lediglich eine Übersicht über den Inhalt des Stückes. Vgl. Borheck, [Vorrede zu Aristophanes: Der Friede] (1807), I–III. 126 Vgl. Borheck, [Nachbemerkung zu Aristophanes: Der Friede] (1807), 100. 127 Vgl. hierzu auch J. Werner (1965), 125: „‚Frieden‘-Übersetzung S. 100 kündigt Borheck die Übersetzung weiterer nach seiner Meinung bisher nicht vollständig übersetzter Stücke an: der ‚Thesmophoriazusen‘ und der ‚Ekklesiazusen‘ (die Übertragung der ‚Ekklesiazusen‘ durch Groddeck kann er ja nicht kennen). Sie sind aber nie erschienen und vielleicht überhaupt nicht angefertigt worden.“ Zu Groddeck s. auch o. 3.1 Anm. 5.

Porträts der ausgewählten Übersetzungen und Bearbeitungen der Lysistrate  

nossen Schleiermacher, Humboldt oder Voß, die mit ihren sprachmimetischen 128 Übersetzungen Platons, Aischylos’ und Homers „den Leser zum Autor bewegen“ wollen und damit neue Wege beschreiten, zeigt sich Borheck noch vollständig den auf die Zielsprache gerichteten Übersetzungsmaximen der Aufklärung verpflichtet. So betrachtet er beispielsweise den Inhalt eines Werkes getrennt von dessen sprachlich-stilistischer „Einkleidung“ 129 und hält es ferner für möglich, dass eine Übersetzung, die dem Wortlaut des Originals folge, sich zugleich ebenso lesen lasse wie ein zeitgenössisches deutsches bzw. zielsprachliches Originalwerk. In der Einleitung zu seiner Xenophon-Übersetzung von 1793 heißt es: Bey diesem ersten Bande meiner Uebersezung aller uns aufbehaltenen Xenophonschen Schriften habe ich mit meinen Lesern weiter nichts vorläufig zu verhandeln, als daß ich ihnen sage, daß ich es mir zur Regel gemacht, meinen Griechen so zu übersezen, daß sich die Uebersezung nicht nur wie eine Urschrift lesen lasse, sondern auch den Worten und dem Ausdruck Xenophons so nahe als möglich zu bleiben. 130

Die Formulierung dieser beiden einander widersprechenden Übersetzungsziele findet sich in der aufklärerischen Übersetzungsrhetorik recht häufig. 131 Einen methodischen Ansatz zur Lösung dieses Antagonismus – wie ihn später etwa Humboldt und Schleiermacher versuchten 132 – liefert Borheck jedoch nicht. Auch Borhecks Äußerungen zur übersetzerischen Behandlung metrischer Fragen bleiben sehr im Allgemeinen. So schreibt er in der Vorrede zum Bestraften Ajas von 1781: Die abwexelnden Versarten schienen mir zur Uebersezung des Sophokles die schiklichsten zu sein, daher wälte ich sie; denn einen so großen tragischen Dichter wider [sic] in Ein Metrum zu zwingen, schien mir teils unmöglich, teils zu nachteilig für ihn. Sophokles selbst hat auch ab-

 128 Der Begriff „sprachmimetisch“ bezeichnet hier das von Johann Heinrich Voß in seinen HomerÜbersetzungen (1793) erstmals konsequent angewandte und von Schleiermacher und Humboldt zwanzig Jahre später auch theoretisch begründete Verfahren einer möglichst genauen „Nachformung von Wort, Satz und Metrum“ des antiken Ausgangstextes, das schließlich zum „Paradigma klassizistischer Übersetzung ‚im Versmaß der Urschrift‘ wurde.“ Vgl. Kitzbichler/Lubitz/Mindt (2009a), 10; s. auch Poiss/Kitzbichler/Fantino (2016), 388 f. Zu den übersetzungstheoretischen Ansätzen Humboldts und Schleiermachers s. auch 3.3.1.1.1 Anm. 75 u. 3.3.1.3.1 Anm. 202. 129 Vgl. Borheck, Vorrede [zu Cicero: Briefe] (1782), [s. p.]: „Nicht aber blos Sprache und Einkleidung, sondern auch der Inhalt macht sie [sc. Ciceros Briefe] wichtig und schäzbar, und in dieser Betrachtung haben sie unstreitig den ersten Rang unter allen Briefsammlungen der Alten.“ 130 Borheck, Vorrede [zu Xenophon: Sämtliche Schriften] (1773), [s. p.]. 131 So kam es beispielsweise auch Christian Garve in seiner Cicero-Übersetzung von 1787 vor allem darauf an, „die Ideen desselben [sc. Ciceros] so vorzutragen, daß sie auf den Deutschen Leser eine gleiche Wirkung thun, als die lateinisch ausgedrückten der Urschrift auf den Römer gethan haben. Ich will kein Gemählde, sondern ich will einen Unterricht in nützlichen Wahrheiten geben.“ Garve, Vorrede (1787), VIII. S. auch o. 2.3.4.4 u. ebd. Anm. 288). 132 S. 3.3.1.1.1 Anm. 75 u. 3.3.1.3.1 Anm. 202.

  Deutsche Aristophanes-Übersetzungen im Vergleich wexelnde nicht einerlei Metra gewält. Am allerschweresten sind mir die Chöre geworden, und es ist mir nicht immer möglich gewesen, den Gesang und Gegengesang derselben einander vollkommen anzupassen; ich hielt dis [sic] auch in der Uebersezung nicht für notwendig, weil diese nicht so, wie das Original ehemals in Athen, aufgefürt wird. 133

Borheck beansprucht für sich, wie bereits erwähnt, Originalitätsstatus auf dem Gebiet der „poetischen“ Übersetzung antiker Tragödien – im Gegensatz zur geläufigeren Prosa-Übertragung. Von Fragestellungen, wie sie in Deutschland nahezu zeitgleich durch Voß’ metrische Odyssee-Übersetzung 134 aufgeworfen und zunächst vor allem im Goethe-Kreis diskutiert wurden, ob nämlich die Werke antiker Dichtung eher in etablierten deutschen Metren 135 oder im sogenannten ‚Versmaß des Urtextes‘ 136 widerzugeben seien, zeigt sich Borheck völlig unberührt. So trifft er hier aus ästhetischen Gründen lediglich die Entscheidung, seine Übersetzung dem Original insoweit anzupassen, als auch er hier unterschiedliche Versmaße kombiniert. Ob es sich dabei (zumindest annäherungsweise) um Entsprechungen zu den Originalmetren handelt, spricht er nicht an. Bei der Behandlung der Chorlieder wird jedenfalls – nach Borhecks eigenen Ausführungen (s. o.) – auf eine versgetreue Entsprechung von Strophe und Antistrophe des Originals verzichtet. Das übersetzungstheoretische Niveau, auf dem Borheck etwa 16 Jahre später seine Wiedergabe der plautinischen Metrik begründet, erweist sich schließlich als vollkommen unverändert. 137 Da Borheck sich, wie bereits dargelegt, grundsätzlich zu dem Ziel bekennt, möglichst wortgetreue Übersetzungen zu liefern, stellt sich die Frage, inwieweit dieses Ziel auch im Hinblick auf Passagen obszönen Inhalts angestrebt wird. Auf das Problem der Obszönität, das er in Zusammenhang mit Plautus bereits früher gestreift

 133 Borheck, Vorrede [zu Sophokles: Aias] (1781), [s. p.]. 134 Odyssee 1781, Ilias und überarbeitete Fassung der Odyssee 1793; s. auch u. 3.3.1.3 Anm. 176. 135 S. dazu o. 2.3.4.4 u. ebd. Anm. 288. 136 Vgl. dazu u. a. Kitzbichler/Lubitz/Mindt (2009a), 6: „Während jene Praxis des einbürgernden Übersetzens z. B. in England oder Frankreich sowohl aus normativ-ästhetischen als auch aus sprachspezifischen Gründen (etwa wegen der festgelegten Wortstellung) stets vorherrschend blieb, setzte sich in Deutschland – angeregt vor allem durch Klopstocks und Voß’ erfolgreiche Bemühungen um den ‚deutschen‘ Hexameter, die sprachphilosophischen Reflexionen der Frühromantiker und die sprachwissenschaftlichen Untersuchungen Wilhelm von Humboldts – allmählich die Auffassung durch, dass die deutsche Sprache aufgrund ihrer Flexibilität, d. h. ihrer Variationsmöglichkeiten hinsichtlich der Wortzusammensetzung, der Anordnung der syntaktischen Glieder und der Silbenmessung, geradezu prädestiniert sei, die semantischen, grammatischen und metrischen Strukturen des jeweiligen Ausgangstextes auch in der Übersetzung sichtbar zu machen.“ 137 Vgl. Borheck, [Vorrede zu Plautus: Captivi] (1797), [s. p.]: „Eine Uebersezung des Plautus in einerlei Versart, würde gezwungen ausfallen müssen, ich habe daher verschiedene Versarten mit einander abwechseln lassen, und bin so genau, als es die Sprache, worin ich übersezte, nur erlaubte, beim Original geblieben. Dies halte ich für die Pflicht eines Uebersezers der alten Klassiker, besonders der Dichter.“

Porträts der ausgewählten Übersetzungen und Bearbeitungen der Lysistrate  

hatte, 138 geht Borheck ausführlicher in der Vorrede zu seiner Lysistrate-Übersetzung ein und stellt dabei sogleich heraus, dass seiner Auffassung nach eine „wörtlichtreue“ Übersetzung des Autors, – die er ja sonst zu erreichen bestrebt war –, im Fall des Aristophanes „unmöglich“ sei: Der Dollmetscher des Aristophanes darf seine Worte nicht immer in Deutscher Sprache nachsprechen, sondern er muss, wo diese für unsre Sitten zu beleidigend seyn würden, nur ihren Sinn, diesen aber so ausdrücken, wie Aristophanes, schriebe er für eine gebildete Schaubühne unsrer Zeit, sich vielleicht ausgedrückt haben würde. 139

Dieser Forderung, – deren Formulierung wiederum in unmittelbarer Nähe zu dem steht, was Schleiermacher später zurückweist 140 –, müsse insbesondere ein Übersetzer der Lysistrate nachkommen, da es sich bei ihr um „eines der am schweresten zu übertragenden Theaterstücke aus dem ganzen Alterthum“ 141 handle. Um das von ihm Gemeinte deutlich zu machen, führt Borheck die Antithese von „Geist“ und „Körper“ ein und deutet dabei an, dass er, wo er es im Sinne der aufgestellten Forderung für nötig gehalten habe, auf die Wiedergabe des „Körpers“ verzichtet habe:

 138 Im Anhang zu Borhecks Übersetzung der Captivi findet sich eine umfangreiche Zusammenstellung von Zitaten zeitgenössischer Gelehrter, die sich in verschiedenen Schriften mit der Obszönitätsproblematik der antiken, vor allem aber der römischen Komödie befasst hatten. Als wichtigste Quelle dient hier Lessings Abhandlung von dem Leben, und den Werken des Marcus Accius Plautus (1750), in der die Plautinischen Komödien verteidigt werden und das Vorhandensein obszöner Stellen als ein in der Antike übliches Mittel moralischer Belehrung gedeutet wird: „Es war bei den alten Römern nichts gewöhnlicher und nichts weniger aufrichtig, als Laster, welche offenbar im Schwange giengen bei ihrem rechten Namen zu nennen. Die Bühne war dazu, sie zu bestrafen. Was sich der Zuschauer nicht schämte zu thun, sollte sich das der Dichter schämen zu nennen?“ [Lessing, Abhandlung von dem Leben, und den Werken des Marcus Accius Plautus (1750), 119; zit. bei Borheck, Ueber Marcus Accius Plautus [...] (1797), 287 f.]. Zu den wenigen Passagen, in denen Borheck selbst Stellung bezieht, gehört der folgende Vergleich der beiden Komödiendichter Plautus und Aristophanes: „Meinem Urtheil nach, hat Plautus weder die Fehler noch die Tugenden des Griechen Aristophanes in gleichem Grade besessen. Er hatte nicht den boshaften Wiz, nicht die grosse Kenntniss des Stats [sic], nicht das grosse Dichtergenie des Attischen Komikers. Er brachte auch nicht, wie dieser, lebende Personen auf die Bühne. Dagegen findet man auch bei dem Römer nicht einen so schmuzigen, beleidigenden Wiz, nicht so schmuzige Einfälle, als bei dem Griechen. Plautus zeigt vielmehr Kunst und Plan in seinen Stücken und deren Anlage, als sich in den Farcen des Aristophanes findet. Doch sind Plautus Lustspiele, eben so wie die Aristophanischen, lauter Possenspiele, in welchen lustige, boshafte Schwänke und Streiche listig und boshaft angelegt, und glücklich ausgeführt werden.“ Borheck, Ueber Marcus Accius Plautus [...] (1797), 261. 139 Borheck, [Vorrede zu Aristophanes: Lysistrata] (1806), VI. 140 Vgl. Schleiermacher, Ueber die verschiedenen Methoden des Uebersetzens (1813), in: Kitzbichler/Lubitz/Mindt (2009b), 77; s. hierzu auch u. 3.3.1.3.1 Anm. 202. 141 Vgl. Borheck, [Vorrede zu Aristophanes: Lysistrata] (1806), VII.

  Deutsche Aristophanes-Übersetzungen im Vergleich Wo ich nur den Aristophanischen Geist, nicht seinen Körper, vor unser Publikum zu führen gesucht habe, werden Kenner des Griechen leicht bemerken, und andre verlieren nichts dabei. 142

Borhecks Überzeugung, dass diejenigen Teile seines „Publikums“ – möglicherweise denkt er hier bereits an eine Aufführung des Stückes in seiner Übersetzung –, die das griechische Original nicht kennen, durch seine Art eines eher sinngemäßen Übersetzens keinen Verlust erleiden würden, darf wohl als deutlicher Hinweis darauf gewertet werden, dass er die obszöne Ausdrucksweise – anders als etwa Humboldt – keineswegs als konstitutiven und somit bewahrenswerten Bestandteil der Aristophanischen Komödie ansieht, ja, dass er seine Eingriffe vielmehr in Übereinstimmung mit den Vertretern der französischen ‚belles infidèles‘, Boivin und Brumoy, geradezu als Verbesserungs- und Modernisierungsmaßnahmen versteht. .... Übersetzungsanalyse Teil 1: Allgemeine Beobachtungen Textpräsentation Borhecks Lysistrate-Übersetzung, der eine vierseitige Inhaltsangabe vorangeht, 143 ist, neuzeitlichen Theaterkonventionen entsprechend, in Aufzüge und Auftritte gegliedert. Die zahlreich im Text vorhandenen Regieanweisungen deuten – ebenso wie der Verzicht auf Fußnoten 144 – darauf hin, dass Borheck seine Übersetzung grundsätzlich mit Blick auf eine mögliche Theateraufführung konzipierte, auch wenn keine Informationen über eine tatsächliche Inszenierung vorliegen. Aufschlussreich ist in dieser Hinsicht vor allem der jeweils letzte Regiehinweis am Ende eines jeden Aufzugs: (Der Vorhang fällt.) Formale Gestaltung / Metrik Wie schon in seiner Aias-Übersetzung von 1781 entscheidet sich Borheck auch bei der Lysistrate für eine Wiedergabe in ‚abwexelnden Versarten‘ (vgl. o. 3.3.1.2.1 u. ebd. Anm. 133), also freien Rhythmen, die sich hier allerdings dem Schema des Blankverses annähern. 145 Versgleichheit ist offenbar nicht angestrebt, da die Anzahl der übersetzten Verse die Zahl der Originalverse häufig übersteigt 146:

 142 Borheck, [Vorrede zu Aristophanes: Lysistrata] (1806), VII. 143 Borheck, [Vorrede zu Aristophanes: Lysistrata] (1806), XI–XIV. Ebd. S. XV schließt sich noch eine einseitige Inhaltsangabe in Versen an. 144 Ein chronologisch nach Textstichworten geordneter Anmerkungsteil am Ende des Bandes ist jedoch vorhanden. 145 Vgl. hierzu auch J. Werner (1965), 124 f. 146 J. Werner (1965), 125: „[...] bei beiden Stücken [sc. Lysistrate und Frieden; d. Verf.] kommen im Durchschnitt in der Übersetzung 5 Verse auf 4 des Originals.“

Porträts der ausgewählten Übersetzungen und Bearbeitungen der Lysistrate  

Λυ.

Ἀλλ’ εἴ τις εἰς Βακχεῖον αὐτὰς ἐκάλεσεν, ἢ ’ς Πανὸς ἢ ’πὶ Κωλιάδ’ εἰς Γενετυλλίδος, οὐδ’ ἂν διελθεῖν ἦν ἂν ὑπὸ τῶν τυμπάνων. (Lys. 1 f.)

Lysistrate:

Ja, wenn sie einer in den Bakchustempel Gerufen hätte, in den Tempel Pans, Zum Fest der Kolias, der Genetyllis, Denn würde hier nicht durchzukommen seyn Vor lauter Pauken!

Wortlaut / Syntax Anhand des vorangehenden Übersetzungsbeispiels lässt sich ferner erkennen, dass Borheck sich – seinen bereits in Bezug auf andere Autoren formulierten Zielsetzungen entsprechend – auch bei der Lysistrate um eine weitgehend wortgenaue Übertragung des Ausgangstextes bemüht. Wo ihm allerdings weiterreichende Erläuterungen zum Textverständnis nötig erscheinen – wie hier etwa bei den elliptischen Ausdrücken ’ς Πανὸς und ’πὶ Κωλιάδ’ 147 – übersetzt er auch kommentierend (‚in den Tempel Pans‘, ‚zum Fest der Kolias‘), was als weiterer Anhaltspunkt für eine intendierte Theateraufführung gewertet werden kann. 148 Exklamationen, Götteranrufe, zeitbedingte Begrifflichkeiten und Inhalte Borheck spricht sich explizit sowohl gegen die Eindeutschung griechischer Wortspiele als auch gegen die seinerzeit gängige Praxis der Romanisierung [i. S. von Latinisierung; vgl. J. Werner (1965), 124] griechischer Namen aus. So schreibt er in Bezug auf das Aristophanische Wortspiel mit dem griechischen Demennamen Anagyros 149: „Sein Wiz ist etymologisch. Wer Aristophanes im Original versteht, versteht auch diesen Wiz, den ich denen nicht erklären mag, die das Original nicht verstehen, und den ich Deutsch auch nicht nachbilden wollte.“ 150 Und in seiner Anmerkung zu Poseidon, dem „Neptun der Römer“ heißt es: „Bei Uebersezung der Griechen halte ich übrigens dafür, dass man die Griechischen Namen nicht romanisiren, sondern beibehalten müsse.“ 151 So enthält Borhecks Übersetzung auf der begrifflichen Ebene zahlreiche Gräzismen, wie etwa im obigen Beispiel die Beinamen der Aphrodite – ‚Kolias‘ und ‚Genetyllis‘ –, die auf Aphrodites Funktion als Göttin

 147 S. auch u. 3.3.1.2.2 (Exklamationen) Anm. 152. 148 Auch Wolfgang Schadewaldt, der explizit für das Theater übersetzt, und Wolfgang Schöner, der beim Übersetzen eine Theateraufführung zumindest mitdenkt, bedienen sich in ihren Aristophanes-Übertragungen des Mittels der kommentierenden Übersetzung; s. u. 3.3.3.1.2 (Exklamationen) u. ebd. Anm. 673 und 3.3.3.2.2 (Exklamationen). 149 Zur Stelle s. auch o. 3.3.1.1.2 (Wortlaut) Anm. 88. 150 Borheck, Anmerkungen zur Lysistrata (1806), 91. 151 Borheck, Anmerkungen zur Lysistrata (1806), 92; vgl. auch J. Werner (1965), 124.

  Deutsche Aristophanes-Übersetzungen im Vergleich für Zeugung und Geburt verweisen, 152 oder an anderer Stelle Borhecks Wiedergabe von Lampitos Dioskurenanruf ναὶ τὼ σιώ (Lys. 81, 90, 981) mit ‚Bei den Sio‘ (S. 7, S. 69). Gräzisierend übersetzt Borheck u. a. auch folgende Stellen: Τριτογένεια (347) ὦ πότνι’ Ἱλείθυ’ (Lys. 742) ὥσπερ Βουπάλου (Lys. 361) μὰ τὴν Ἀφροδίτην (208) νὴ τὸν Ποσειδῶ (403) νὴ τὴν Πάνδροσον (Lys. 439) νὴ τὴν Φωσφόρον (443) νὴ τὴν Ταυροπόλον (Lys. 447)

Tritogenia (S. 24) O gnäd’ge Eileithyia! (S. 51) wie dem Bupal (S. 25) Bei Aphroditen (S. 15) O bei Poseidon (S. 28) bei Pandrosen! (S. 30) bei Phosphoren (S. 31) bei Tauropolen (S. 31).

Dementsprechend erscheint auch der in Vers 387 auftretende griechische Ratsherr (πρόβουλος) in der Übersetzung als ‚Probule‘. Eine der wenigen Ausnahmen von diesem Verfahren stellt Borhecks wörtliche Übersetzung von ἐν τῇ τετραπόλει (285) – eine Umschreibung für ‚Marathon‘ – mit ‚in der Vierstadt‘ (S. 21) dar. Ausrufe der Freude oder des Schreckens werden indes grundsätzlich durch vergleichbare deutsche Wendungen ersetzt: ἰοὺ ἰού (66, 295, 305) ἰὼ Ζεῦ (716) βαβαιάξ (312) παπαιάξ (924) βαβαί (1078) ἀλαλαί, ἰὴ παιών (1291) εὐοῖ εὐοῖ, εὐαὶ εὐαί (1294)

O! (S. 5) bzw. O! o! (S. 21, S. 22) O Zeus! O Zeus! (S. 49) O! Bah! (S. 22) Ah! köstlich! (S. 64) 153 Ach! (S. 75) O jauchzet, jauchzet laut! (S. 87) [Der Sieg ist] unser, unser unser! (S. 87)

Nur sehr behutsam werden in der Übersetzung offensichtliche Anspielungen auf zeitbedingte Termini wie etwa auf die bei Aristophanes erwähnten Frauengewänder (τοῖς χιτωνίοισι τοῖς Ἀμοργίνοις [Lys. 150]; Κιμβερίκ’ ὀρθοστάδια [Lys. 45] bzw. Κιμβερικὸν [Lys. 52]) durch kommentierende Zusätze näher erläutert. So ist in Borhecks Übersetzungstext lediglich von „Kimber’sche[n] Schleppkleider[n]“ (S. 4) und „Amorginenkleidchen“ (S. 11) die Rede. Kurze Kommentare zu den genannten Passagen sowie weitere Erläuterungen „desjenigen, was der Deutsche Leser, um die Uebersezung lesen zu können, durchaus wissen muss“ finden sich stattdessen in einem separaten Anmerkungsteil. 154

 152 Vgl. Henderson (Ed./K) (1987), 67: „Κωλιάδ’: The site of a major sanctuary of Aphrodite; [...]“ und „Γενετυλλίδος: A woman’s goddess associated with childbirth and perhaps of foreign origin (Hsch. γ) [...]. At Nu. 52 Aphrodite Kolias and Genetyllis are favourites of Strepsiades’ sensual and extravagant wife [...].“ 153 Kinesias’ Reaktion auf Myrrhines Kuss. 154 Borheck, Anmerkungen zur Lysistrata (1806), 89–103.

Porträts der ausgewählten Übersetzungen und Bearbeitungen der Lysistrate  

Dialekt Für die lakonischen Dialektpassagen des Originals gibt Borheck in seiner Übersetzung kein mundartlich-deutsches Äquivalent. Gleichwohl stellt er am Ende des Anmerkungsteils Überlegungen hierzu an: Ich bemerke noch, dass die Spartaner in der Griechischen Lysistrate Spartanisch sprechen, das vom Athenischen sehr abwich. Dies konnte ich in der Verdeutschung nicht nachbilden, da nur Eine Deutsche Mundart Büchersprache ist. Ich hätte Lampito und die Spartanischen Gesandten können Niedersächsisch sprechen lassen, denn würde ohngefähr eben ein solcher Abstand der Mundarten, wie im Original, entstanden seyn. 155

Diesen Ausführungen lässt Borheck eine Übersetzungsprobe des Lakonischen Schlusschores in niedersächsischer Mundart folgen, von der hier die Anfangsverse gegeben werden: Ταΰγετον αὖτ’ ἐραννὸν ἐκλιποῶἁ Μῶἁ, μόλε Λάκαινα, πρεπτὸν ἁμῖν κλέωἁ τὸν Ἀμύκλαις σιὸν καὶ χαλκίοικον Ἀσάναν Τυνδαρίδας τ’ ἀγασώς, τοὶ δὴ πὰρ Εὐρώταν ψιάδδοντι. (1296 ff.) Muse! verlat Dienen leiven Taygetus! Kumm, Lakoniker Muse! Singe met ösch Den beräumten Gott Amyklä’s, Sing’ Athene, de Chalkiökesche, De heldenmeut’gen Tyndariden, Dei am Eurotas schäkernden! [...] 156

.... Übersetzungsanalyse Teil 2: Behandlung der obscena Obszöne Begriffe und Inhalte werden in der Regel durch eine gemäßigte, aber dennoch eindeutige Ausdrucksweise wiedergegeben. Die primär obszönen Bezeichnungen des männlichen Gliedes, πέος, ψωλή und σάθη übersetzt Borheck mehrfach mit Begriffen aus dem Bereich der Stock- und Pfahlmetaphorik, ‚Stock‘ (Lys. 1012 = Borheck S. 71), ‚Pfahl‘ (Lys. 978 = Borheck S. 68), ‚Leist‘ (Lys. 415 = Borheck S. 29), deren obszöne Bedeutung im jeweiligen Kontext unmissverständlich deutlich wird: Πρ.

[...] ἕτερος δέ τις πρὸς σκυτοτόμον ταδὶ λέγει

 155 Borheck, Anmerkungen zur Lysistrata (1806), 103. 156 Borheck, Anmerkungen zur Lysistrata (1806), 104.

  Deutsche Aristophanes-Übersetzungen im Vergleich νεανίαν καὶ πέος ἔχοντ’ οὐ παιδικόν· [...] (414 f.) Probule:

[ ...] Ein andrer sagt wol so zum jungen Schuster, Der einen Leist hat, welcher nicht zu klein ist: [...] (S. 29)

Zweimal wählt er für πέος eine Umschreibung mit ‚Bettspiel‘ (Lys. 124 u. 134 = Borheck S. 10) 157, einmal übersetzt er ψωλή – totum pro parte – mit ‚Mann [im Bett]‘: Λα.

χαλεπὰ μὲν ναὶ τὼ σιὼ γυναῖκάς ἐσθ’ ὑπνῶν ἄνευ ψωλᾶς μόνας. (142 f.)

Lampito:

Ja, Schwer ist’s, bei den Sio! sicherlich Für eine Frau, des Mannes zu entbären Im Bett’, und immer so allein zu schlafen! (S. 11)

Auch Lysistrates Aufforderung an die von ihr als personifizierte ‚Versöhnung‘ – in Gestalt einer unbekleideten, verführerischen jungen Frau – auf die Bühne geführte Diallage im Vorfeld der Friedensverhandlungen wird trotz Borhecks umschreibender Wendung in ihrer obszönen Dimension deutlich: Λυ.

ἢν μὴ διδῷ τὴν χεῖρα, τῆς σάθης ἄγε (1119)

Lysistrate:

Will einer dir die Hand nicht reichen, den Ergreif an einem Orte, wo er’s fühlt. (S. 78)

Einen durch die weiblichen Reize der Diallage animierten obszönen Dialog zwischen einem spartanischen Gesandten und einem Athener am Rande der Friedensverhandlungen gibt Borheck dagegen vergleichsweise frei wieder. Dabei verzichtet er einerseits auf eine wörtliche Übersetzung des von dem Athener (bei Borheck ‚Polycharides‘) verwendeten, primär obszönen Wortes κύσθος (zur Bezeichnung des weiblichen Genitals) und ersetzt es – totum pro parte – durch das zuvor bereits von dem Spartaner (bei Borheck ‚Gesandter‘) ins Gespräch gebrachte ‚Weib‘ (γυνή): Λα.

οὔπα γυναῖκ’ ὄπωπα χαἱωτέραν.

Αθ.

ἐγὼ δὲ κύσθον γ’ οὐδέπω καλλίονα. (Lys. 1157 f.) 158

 157 Λυ. ἀφεκτέα τοίνυν ἐστὶν ἡμῖν τοῦ πέους. (Lys. 124) Lys. Enthalten, sag’ ich, müssen wir uns denn / Vom Bettspiel. (Borheck, S. 10) 158 S. zum Vergleich auch die (sehr wörtliche) Übersetzung von Niklas Holzberg (u. 3.3.3.3.3). .

Porträts der ausgewählten Übersetzungen und Bearbeitungen der Lysistrate  

Der Gesandte (für sich.) Nie hab’ ich je ein reizenders Geschöpf, Als dieses Weib gesehn! Polycharides (für sich.) O schönstes Weib, Dich möcht ich gleich umarmen! (S. 80)

Andererseits erweitert er, wie gesehen, den Part des Atheners selbständig um den Halbsatz ‚Dich möcht ich gleich umarmen‘, so dass die Obszönität der Originalpassage in Form eines Nebengedanken noch erkennbar bleibt. Nicht zuletzt, weil Borheck das Wort ‚umarmen‘ an mehreren Stellen auch für die Wiedergabe der primär obszönen Verben βινεῖν und στύειν wählt: βινεῖν βούλομαι (934) τίνα βινήσω (954) ἐστυκώς (214/215)

O gar zu sehr wünsch’ ich dich zu umarmen! (S. 65) O welches Weib werd’ ich umarmen können [...] ? (S. 67) [Kein Einziger, kein Buhler, und kein Mann –] Soll mir sich nahn, mich zu umarmen. (S. 16)

An anderen Stellen übersetzt Borheck das Verb στύειν semantisch äquivalent mit ‚steif sein‘ bzw. ‚steif werden‘, wobei er sich bisweilen noch zusätzlich der Stockund Pfahl-Metaphorik bedient, die bereits im Zusammenhang mit seiner Wiedergabe der obszönen Bezeichnungen für das männliche Glied begegnet war: ἀλλ’ ἔστυκας, ὦ μιαρώτατε (989) ἐστύκαμεν (1178) Ἔστυκα γάρ. (869) ἅπαντες ἐστύκαντι (996)

Du bist ja steif! verwünschter Kerl! (S. 69) wir sind ja steif! (S. 81) Stocksteif werd ich! (S. 59) [...] alle Bunds-/ Genossen stehn wie Pfäle [sic] (S. 70)

In einzelnen Fällen wählt Borheck für βινεῖν und κινεῖν auch andere Übersetzungsvarianten. So etwa dort, wo Lysistrata über die Unzuverlässigkeit ihrer Geschlechtsgenossinnen klagt, deren eigene sexuelle Bedürfnisse die Einhaltung des geleisteten Enthaltsamkeitsschwurs erheblich erschweren: βινητιῶμεν (715)

[...] sie sind zusammen mannstoll! (S. 48)

Und den athenischen Ratsherren, der Lysistrate gegenüber in drastischen Worten die virile Potenz auch älterer Männer preist, lässt Borheck – ebenfalls recht unverblümt – sagen: ἀλλ’ ὅστις ἔτι στῦσαι δυνατὸς – (598) Wer aber Lendenkraft von uns noch hat! (S. 42)

Nur selten umgeht Borheck eine direkte Wiedergabe der genannten Verben, wie z. B. im Kontext der athenisch-spartanischen Friedensverhandlungen, in deren Verlauf Lysistrate dem athenischen Verhandlungsführer – wiederum in Gegenwart

  Deutsche Aristophanes-Übersetzungen im Vergleich der entblößten Diallage – nahelegt, auf ‚Pylos‘, das hier in obszöner Zweideutigkeit als sexuelle ‚Tor‘-Metapher verstanden wird, zu verzichten. Die sich hieran anschließende obszöne Frage des enttäuschten Atheners, κᾆτα τίνα κινήσομεν; (1166) übersetzt Borheck elliptisch mit ‚Was verlangen / Wir denn?‘ 159 (S. 80). Bei Scherzen skatologischer Art hingegen zeigt sich Borheck nicht ganz konsequent: Wörtlich übersetzt er etwa Lampitos Replik auf eine Bemerkung Lysistrates, in der jene auf den kräfigen Körperbau der Spartanerin angespielt hatte. Lampito erläutert den Athenerinnen daraufhin ihr Trainingsprogramm, zu dem offenbar auch ein βίβασις 160 genannter spartanischer Tanz gehört, bei dem die Beine weit nach hinten geworfen werden: Λα.

γυμνάδδομαί γα καὶ ποτὶ πυγὰν ἅλλομαι. (82) 161

Lampito:

Ich übe mich im Ringespiel und Sprung, Und tanz’ auf meinem Hintern mit den Hacken! (S. 7)

Zu dieser Stelle liefert Borheck zudem folgende Erläuterung im Anhang: Und tanz’ auf meinem Hintern.) Ein Lakonischer Tanz, Bibasis genannt, wurde so getanzt, dass sie sich beim Springen mit den Hacken an den Hintern schlugen.

An anderer Stelle jedoch, nochmals im Zusammenhang mit der von Athenern und Spartanern als sexuell stimulierend empfundenen Präsenz der unbekleideten Diallage im Rahmen der Friedensverhandlungen, weicht Borheck einer wörtlichen Übersetzung des Wortes πρωκτός, das sich – anders als πυγή – konkret auf den Anus bezieht, 162 durch eine totum pro parte-Übersetzung aus: Λακ.

[...] ἀλλ’ ὁ πρωκτὸς ἄφατον ὡς καλός (1148)

Der Gesandte:

[...] (für sich) O unaussprechlich schön ist dieses Weib! (S. 79 = V. 1148)

Ganz wörtlich wiederum übersetzt Borheck an entscheidender Stelle diejenige Passage, in der sich der Chor der alten Männer bei dem hinzugeeilten Ratsherrn

 159 Das Wort ‚denn‘ wird hier offenbar i. S. v. ‚dann‘, ‚stattdessen‘ verwendet. 160 Vgl. hierzu den Stellenkommentar in Henderson (Ed./K) (1987), 77. 161 Zu πυγή s. auch o. 3.3.1.1.3 Anm. 94. 162 Vgl. Henderson (1991), 201: „πρωκτός was the vox propria for the anus in comedy and has an exclusively male (and therefore usually homosexual) reference [...]. Its low tone assured that even in the absence of a joke its mere mention could be counted on to raise a laugh [...].“ In Bezug auf Frauen – wie an der hier zitierten Stelle – kommt πρωκτός lt. Henderson (1991), 150 bei Aristophanes nur dreimal vor: „at L 1148 in the mouth of a Spartan, whom the audience would suppose to be not only ignorant of proper (i. e. Attic) Greek, but a habitual pederast who could think only of backsides“.

Porträts der ausgewählten Übersetzungen und Bearbeitungen der Lysistrate  

unter Anführung eines drastischen Vergleichs darüber beklagt, dass er – bei dem Versuch, die auf dem Athener Burgberg verschanzten Frauen auszuräuchern – von Kopf bis Fuß mit Wasser übergossen worden sei: Χογε.

αἳ τἄλλα θ’ ὑβρίκασι κἀκ τῶν καλπίδων ἕλουσαν ἡμᾶς, ὥστε θαἰματίδια σείειν πάρεστιν ὥσπερ ἐνεουρηκότας (402)

Chor der Alten:

Sie haben nicht nur alle Frevelei An uns verübt, und gar aus ihren Töpfen Uns so getauft, dass wir die Kleider alle Auswringen müssen, anders nicht, Als hätten wir zusammen drein gepisst. (S. 28)

Etwas zurückhaltender verfährt Borheck schließlich wieder an einer Stelle, die im Original das Verb χέζειν 163 enthält, indem er es – nicht ganz korrekt – mit ‚Wasser lassen‘ übersetzt. Es handelt sich um die Passage, in der eine der aufständischen Athenerinnen (bei Borheck ‚Stratyllis‘) dem Ratsherrn (πρόβουλος) 164 Prügel mit durchschlagender Wirkung androht, sollte er der Anführerin Lysistrate etwas zuleide tun: Γραῦς αʹ

εἰ τἄρα νὴ τὴν Πάνδροσον ταύτῃ μόνον τὴν χεῖρ’ ἐπιβαλεῖς, ἐπιχεσεῖ πατούμενος.

Πρ(όβουλος)

ἰδού γ’ ἐπιχεσεῖ. [...] (439 f.)

Stratyllis:

Ich schwör’s dir warlich, bei Pandrosen! wo Du Eine Hand an diese legen wirst, Sollst du vor Angst das Wasser lassen müssen.

Der Probule:

Wart! Gleich soll dir das selber widerfahren! (S. 30)

Zudem wird, wie man hier sieht, die Wiederholung der Beleidigung durch den Ratsherrn ἰδού γ’ ἐπιχεσεῖ (441), von Borheck geschickt umgangen. Obszöne Doppeldeutigkeiten und metaphorische Umschreibungen gibt Borheck in der Regel recht wörtlich wieder, ohne dabei allerdings das Obszöne allzusehr zu betonen. Die Doppeldeutigkeit zu erschließen überlässt er in den meisten Fällen dem Leser. So etwa in der Szene, in der es Lysistrate nur mit großer Mühe gelingt, die Frauen, die es unter den irrwitzigsten Vorwänden zu ihren Männern nach Hause drängt, zum Verbleiben auf der Burg und zum Einhalten des geleisteten Enthaltsamkeitsschwurs zu bewegen:

 163 Henderson (1991), 35, zählt χέζειν nicht zu den primären Obszönitäten, sondern zu den ‚proper words‘ und übersetzt „move the bowels“ (ebd.), zu deutsch etwa „Stuhlgang haben“. 164 Zu der griechischen Amtsbezeichnung s. u. 3.3.2.1.2 (Exklamationen) u. ebd. Anm. 364.

  Deutsche Aristophanes-Übersetzungen im Vergleich Γυνη Β

τάλαιν’ ἐγώ, τάλαινα τῆς ἀμοργίδος 165, ἣν ἄλοπον οἴκοι καταλέλοιφ’.

Λυ.

αὕτη ’τέρα ἐπὶ τὴν ἄμοργιν τὴν ἄλοπον ἐξέρχεται. χώρει πάλιν δεῦρ’.

Γυνη Β

ἀλλὰ νὴ τὴν Φωσφόρον ἔγωγ’ ἀποδείρασ’ αὐτίκα μάλ’ ἀνέρχομαι. μὴ μἀποδείρῃς. ἢν γὰρ ἄρξῃς τουτουί, ἑτέρα γυνὴ ταὑτὸν ποιεῖν βουλήσεται. (735 ff.)

Λυ.

Eine zweite Frau:

(kommt und will fort.) Ich arme! ach! ich arme! ach! mein Rohr! Das ich unabgestreift zu Hause liess!

Lysistrata:

(hält sie an.) Schon eine zweite will heraus Das ungestreifte Rohr sich abzustreifen! Nur wieder hier hinein.

Die zweite Frau:

(bittend.) O, bei Phosphoren! So bald ich nur die Rohre abgestreift, Komm ich den Augenblick ja wieder her.

Lysistrata:

Lass das Abstreifen seyn! Denn fängest du’s Erst an, so wollen es die andern auch gleich thun! (schiebt sie zurück) (S. 50)

Nur selten gibt Borheck hierzu, wie in den folgenden Fällen, erläuternde Anmerkungen im Anhang. Als ein spartanischer Gesandter von einem Athener nach der Lage in Sparta befragt wird, antwortet dieser zweitdeutig: Κη.

ὀρσὰ Λακεδαίμων πᾶἁ καὶ τοὶ συμμάχοι ἅπαντες ἐστύκαντι· Παλλάνας δὲ δεῖ. (995 f.) 166

Herold:

Ganz Lakonien Hat sich emporgerichtet, alle BundsGenossen stehn wie Pfäle [sic]! Man bedarf Pellene izt. (S. 70)

 165 Die Pflanzenmetapher ἀμοργίς (zur Textilherstellung verwendeter Flachs- oder Malvenstengel von der Ägäisinsel Amorgos) symbolisiert hier den erigierten Penis. Vgl. Henderson (1991), 119 zur Stelle: „[...] a sex-starved woman explains to Lysistrata that she left one at home ἄλοπον, unscutched [...].“ 166 Zur Stelle s. auch u. 3.3.2.1.3 Anm. 386.

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Hierzu heißt es bei Borheck: Pellene izt.) Pellene war, nach Stephanus Byzantinus, eine Achäische Stadt oder Städtchen, wo feine Wolle war, und wo man aus derselben Zeuche verfertigte, die gesucht wurden. Warum sie hier genannt wird, darüber lese, wer Griechisch versteht, Bisetus. Der Scholiast sagt, es werde auf eine feile Person Pellene angespielt. 167

Der Hinweis auf ältere Gewährsleute wie den Humanisten Odoardus Bisetus 168 oder den bzw. die ‚Scholiasten‘, bei denen sich mehr Informationen zu anstößigen Stellen finden lassen, begegnet uns bei Borheck sehr häufig. So auch im Zusammenhang mit der Schwurszene, in der verschiedene Liebesstellungen metaphorisch umschrieben werden: Λυ. / Μυ. 169

οὐ πρὸς τὸν ὄροφον ἀνατενῶ τὰ Περσικά. οὐ στήσομαι λέαιν’ ἐπὶ τυροκνήστιδος. (229 ff.)

Lys. / Myrrh. Und ohn ein Bein zur Decke zu erheben – Und ohne mich so vor ihm hinzustellen, Wie eine Löwinn an dem Käsemesser. (S. 17)

Während seine eigene Anmerkung inhaltlich eher dürftig ausfällt, verweist Borheck näher Interessierte auch hier wieder auf andere Quellen: Wie eine Löwinn.) Eine Anspielung auf die Stellung der Löwinnen beim Poliren der Bildhauer. Mehr haben die Scholiasten und Florens Christianus bei dieser Stelle. 170

Zusammenfassend lässt sich jedoch festhalten, dass Borheck eine deutsche Erstübersetzung der Aristophanischen Lysistrate vorgelegt hat, die sich insgesamt durch ihre Wortgenauigkeit auszeichnet. Dies gilt – anders als Borhecks Vorbemerkung zunächst vermuten ließ – durchaus auch für die obszönen Passagen, die bei ihm – wenn auch oft umschreibend oder metaphorisierend abgemildert – fast immer in ihrem eigentlichen Sinn kenntlich bleiben. Streichungen oder textentstellende Verschleierungen finden sich nicht. .... Rezensionen / Urteile / Stellungnahmen Zeitgenössische Rezensionen von Borhecks Lysistrate-Übersetzung waren bislang nicht auffindbar. Die Übersetzung selbst wurde allerdings im Jahr 1920 nochmals  167 Borheck, Anmerkungen zur Lysistrata (1806), 100. Zu ‚Pellene‘ s. auch u. 3.3.2.1.3 u. ebd. Anm. 386. 168 S. auch o. 2.3.1 Anm. 63 und 2.3.2.2 u. ebd. Anm. 121. 169 Aus Platzgründen werden hier die von Lysistrate vor- und von Myrrhine nachgesprochenen Schwurverse nur einmal gegeben. 170 Borheck, Anmerkungen zur Lysistrata (1806), 93.

  Deutsche Aristophanes-Übersetzungen im Vergleich wiederaufgelegt. 171 Jürgen Werner widmet Borheck in seiner in nur wenigen maschinenschriftlichen Exemplaren vorliegenden Habilitationsschrift zur „Geschichte der Aristophanes-Verdeutschung“ aus dem Jahr 1965 ein vierseitiges Kapitel, in dem er dessen Übertragungen der Lysistrate und des Frieden einer knappen Gesamtanalyse unterzieht. Zu Borhecks Behandlung der Obszönitäten äußert er sich dabei nur sehr lapidar: Borheck läßt Obszönitäten z. T. unübersetzt (Lysistrate 962 = S. 67; Frieden 897 = S. 55), z. T. mildert er sie (Lysistrate 715 = S. 48; 928 = S. 64; 954 = S. 67; Frieden 870 = S. 53; 876 und 880 = S. 54). Manchmal scheut er aber auch nicht vor ihrer Wiedergabe zurück (Lysistrate 363 = S. 25 und 402 = S. 28; Frieden 758 = S. 47. 172

Darüber hinaus findet sich in Bezug auf Borhecks Aristophanes-Übersetzungen nur noch eine Äußerung Johann Gustav Droysens, der in der Vorrede zu seiner Aristophanes-Gesamtübertragung 173 anmerkt, dass er neben den AristophanesÜbersetzungen Wielands und Voß’ auch Borhecks Übertragung des Frieden konsultiert habe. Auf kommentierende Äußerungen verzichtet er dabei jedoch. 174 ... Johann Heinrich Voß (1821) Johann Heinrich Voß (1751–1826), geboren im mecklenburgischen Sommerstorf, aufgewachsen in Penzlin, hatte – wie später auch Wilhelm von Humboldt und viele andere namhafte Zeitgenossen – bei dem berühmtesten Philologen seiner Generation, Christian Gottlob Heyne, in Göttingen studiert. Mit seinen Göttinger Freunden, zu denen u. a. die Schriftsteller Gottfried August Bürger und die beiden StolbergBrüder Friedrich Leopold und Christian zählten, gründete Voß den Göttinger Hainbund, eine dem Sturm und Drang nahestehende Freundes- und Dichtervereinigung, die in dem von Heinrich Christian Boie herausgegebenen Göttinger Musenalmanach ihr Sprachrohr fand. 175 Nach Beendigung seines Studiums und Stationen als Heraus-

 171 Vgl. hierzu auch J. Werner (1965), 125. 172 J. Werner (1965), 123. 173 S. u. 3.3.2.1. 174 Droysen, Vorrede [zu Aristophanes: Werke, Bd. 1] (1835), XVII f.: „Von sonstigen Übersetzungen hatte ich außer denen im Attischen Museum die Borheckische des ‚Friedens‘ und die in der That sehr verdienstliche Gesammtübersetzung des ehrwürdigen Voß zur Hand; es schien mir unanstößig und gerecht, was ich Gutes hier oder dort fand, aufzunehmen.“ 175 Vorbild der Hainbund-Mitglieder war Friedrich Gottlieb Klopstock (1724–1803), dessen Dichtung seinerzeit vor allem deshalb Aufsehen erregte, weil sie erstmals konsequent antike Versmaße nachbildete und – in bewusster Abgrenzung zu dem von Martin Opitz in seiner Deutschen Poetery (1624) aufgestellten Postulat – auf die Verwendung des Reims verzichtete. So hatte Klopstock 1748 mit seinem Messias die erste deutsche Hexameterdichtung überhaupt geschaffen und auch mit seinen deutschen Oden im Stile des Horaz Neuland betreten. Ähnliche Tendenzen weisen auch Voß’ eigene lyrische Versuche aus jener Zeit auf. Zudem hatte sich Klopstock erstmals auch theoretisch

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geber des Musenalmanachs in Wandsbek und als Schulrektor in Otterndorf bei Cuxhaven, zog Voß 1782 mit seiner Familie nach Eutin, wo er auf Vermittlung seines Freundes Friedrich Leopold zu Stolberg einen Posten als Gymnasiallehrer antrat. Neben seinen Lehrverpflichtungen widmete sich Voß hier auch seinen eigenen literarischen Projekten – darunter seine epochemachende Homer-Übersetzung. 176 1802 siedelte Voß nach Jena über, wo er von Goethe und Schiller freundschaftlich aufgenommen wurde. Nur drei Jahre später, 1805, folgte Voß schließlich einem Ruf der badischen Regierung auf eine hoch dotierte Professur in Heidelberg. Voß, der mit zunehmendem Alter immer häufiger durch harsche Polemiken auf sich aufmerksam machte, die sich nicht selten gegen ehemalige Weggefährten richteten, 177 zog sich schließlich ins Privatleben zurück und widmete sich in erster Linie seinen umfangreichen Übersetzungsprojekten – nach seiner Beschäftigung mit den antiken Auto-

 mit dem Problem des ‚deutschen Hexameters‘ auseinandergesetzt und damit einen wichtigen Anstoß für Voß’ spätere Hexameter-Studien gegeben; vgl. Klopstock, Vom deutschen Hexameter (1769). Zu Voß’ frühen Übersetzungen antiker Dichtung aus dieser Zeit vgl. Fantino (Diss. Leipzig 2014). 176 Gewissermaßen im Wettstreit mit seinen Hainbund-Brüdern Bürger und F. L. Stolberg entstanden seit der Mitte der 1770er Jahre die ersten Ansätze zu Voß’ Homer-Übertragung in deutsche Hexameter (zum Homer-Wettstreit s. Kitzbichler/Lubitz/Mindt [2009a], 20 ff.). Seine OdysseeÜbersetzung wurde zunächst 1777 und 1778 auszugsweise an verschiedenen Stellen, 1781 dann als vollständige Buchausgabe publiziert und konnte – zumal Stolberg und Bürger ihre weiteren Übersetzungspläne vorerst aufgegeben hatten – den größten Erfolg unter den drei Übersetzungsunternehmen verbuchen (vgl. ebd. 22). Voß beschloss daraufhin, auch die Ilias zu verdeutschen, doch bewogen ihn die neuen Einsichten in die antike Metrik, die er im Laufe seiner insgesamt neun Jahre währenden Übersetzungsarbeit an Vergils Georgica (zuerst 1789) gewinnen konnte, zu einer vollständigen Umarbeitung seiner Odyssee-Übertragung und zu einer ebenso sorgfältigen metrischen Ausarbeitung der Ilias. Der gesamte Homer erschien schließlich 1793 und stieß zunächst auf allgemeines Missfallen. Zu fremdartig erschien den Lesern die deutsche Version (vgl. Häntzschel [1977], 203–208), die sich unter strengster Beachtung von Silbenlängen und Zäsurregeln so eng als irgend möglich an Metrum und Wortlaut des Originals anschloss. Damit gab Voß in der Praxis vor, was etwa 20 Jahre später Friedrich Schleiermacher in seiner Berliner Akademierede und Wilhelm von Humboldt in der Vorrede zu seiner Agamemnon-Übersetzung auch theoretisch formulierten: Aufgabe des Übersetzers sei es nicht, die Fremdheit und Andersartigkeit des Originals wegzuretouchieren, sondern vielmehr sie sichtbar zu machen. S. hierzu auch o. 3.3.1.1.1 Anm. 75. Erst allmählich konnte sich die neuartige Übersetzung, die in erster Linie für Hörer, nicht für Leser konzipiert war (vgl. Häntzschel [1977], 219) beim Publikum durchsetzen, bevor sie schließlich zum stilbildenden Muster der sogenannten Übersetzungen ‚im Versmaß des Urtextes‘ avancierte, die sich zu Beginn des 19. Jahrhunderts in Deutschland großer Beliebtheit erfreuten. 177 Neben Heyne und Stolberg (vgl. Baudach/Pott (Hgg.) [2001], 70–77) ist hier auch der Philologe Friedrich August Wolf zu nennen, von dem im Zusammenhang mit Voß’ Aristophanes-Übersetzung noch zu reden sein wird.

  Deutsche Aristophanes-Übersetzungen im Vergleich ren (s. u. 3.3.1.3.1 [Exkurs 1]) arbeitete er seit 1814 zusammen mit seinen Söhnen Heinrich und Abraham an einer Gesamtübersetzung der Dramen Shakespeares. 178 Voß’ Beitrag zur Aristophanes-Übersetzung Angesichts der langwierigen Diskussionen, die im 18. Jahrhundert um die Frage einer Gesamtübersetzung des Aristophanes geführt wurden, 179 ist es erstaunlich, wie wenig Aufmerksamkeit der ersten umfassenden – von Johann Heinrich Voß besorgten – Aristophanes-Übertragung als solcher letztendlich zuteil wurde. In den Fokus des allgemeinen Interesses rückten vielmehr die Umstände ihrer Entstehung 180: Der Philologe Friedrich August Wolf hatte 1811 seine Übersetzung der Aristophanischen Wolken anonym im Druck erscheinen lassen, 181 im Jahr darauf folgte – ebenfalls anonym – eine Teilübersetzung der Acharner. 182 Beide Übertragungen wurden von den Zeitgenossen, u. a. von Wieland, Goethe und Wilhelm von Humboldt, freundlich aufgenommen. 183 Da Wolf sich allerdings in seiner Vorrede zu den Wolken einige Voß-kritische Bemerkungen gestattet hatte, 184 bedachte Heinrich Voß d. J., 185 der  178 Die biographischen Angaben zu Voß gehen, sofern nicht anders angegeben, auf Muncker (1896) und Baudach (2001) zurück. Zu Voß’ Leistungen als Homer-Übersetzer vgl. Häntzschel (1977), zur Entwicklung seiner „Übersetzungssprache“ vgl. Baillot/Fantino/Kitzbichler (2014). 179 S. dazu v. a. o. 2.3.4.3, 2.3.4.4 und 2.3.5.3. Vgl. auch Lubitz (2009). Bis 1821 konnte man in Deutschland lediglich auf die beiden französischen Gesamtübersetzungen aus den 17. Jh. (Brotier und Poinsinet de Sivry, s. o. 2.3.3.4 und 2.3.3.5) sowie auf die bereits 1545 erschienene italienische der Brüder Rositini de Prat’ Alboino (s. o. 2.3.2 u. ebd. Anm. 83) zurückgreifen. Eine von Thomas Mitchell offenbar geplante englische Gesamtübersetzung ist nach dem 1820 publizierten „Vol. I“ mit Acharnern und Rittern nicht fortgeführt worden. 180 Eine ausführliche Gesamtdarstellung der Entstehungsgeschichte des Voß’schen Aristophanes bietet J. Werner (2004). 181 [F. A. Wolf] (Ü), Aristophanes’ Wolken. Eine Komödie. Griechisch und Deutsch, Berlin 1811. An Wolfs Verfasserschaft bestand bei den Zeitgenossen kein Zweifel, vgl. J. Werner (1965), 152. Wolf selbst hatte seine Übersetzungsentwürfe vorab im Freundeskreis zirkulieren lassen (vgl. ebd. 151), und bezog sich auf sie schließlich auch im Vorwort zu den Acharnern, vgl. [F. A. Wolf], Zur Einleitung (1812), VIII. 182 [F. A. Wolf] (Ü), Aus Aristophanes’ Acharnern griechisch und deutsch mit einigen Scholien, Berlin 1812. Zu Wolfs Aristophanes-Übersetzungen s. auch J. Werner (1965), 150–168; hier und in J. Werner (2004) auch zu den Wolf-Rezensionen von Voß d. J. 183 Vgl. J. Werner (1965), 165 ff. und J. Werner (2004), 212 ff. 184 Vgl. [F. A. Wolf], Vorrede [zu Aristophanes: Wolken] (1811), XXIII: „Aber unsere Uebersetzer scheinen sie [sc. die Treue] manchmal bis zum entgegenstehenden Fehler zu treiben, wenn sie in jeder Gattung der Schreibart Worte gegen Worte und Sätze gegen Sätze nicht eben zugewogen, sondern zugezählt liefern, […].“; ebd., XXIV, heißt es, nur wenn der Übersetzer sowohl mit der alten Sprache als auch mit den „Eigentümlichkeiten des fremden Zeitalters“ sehr vertraut sei, „erst dann wird er den lebendigen Geist seines Originals erfassend, die höchste Treue üben können, und nicht mit dem mühseligen kleinen Dienste, welcher Worte vorzählt, eine untreue Copie im Ganzen geben“; einige Übersetzer streckten „oft so starr und ungeschmeidig ihre todten Häupter dar, dass nur der sich daran vergnügt, der von den Urbildern genug mitbringt, um auch durch die umgewandte

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sich offenbar provoziert fühlte, seinen ehemaligen Lehrer 186 mit zwei polemischen Rezensionen, die beide in den Heidelbergischen Jahrbüchern des Jahres 1812 erschienen. 187 Moniert werden hier in erster Linie prosodisch-metrische Unebenheiten sowie – in pedantischer Weise – vermeintliche sprachlich-stilistische Vergehen, wie z. B. Zusätze aus „Versnoth“ 188 oder das Verwenden von Fremdwörtern in der Übersetzung. 189 Auch zu Wolfs Umgang mit den Aristophanischen obscena finden sich hier einige Bemerkungen. Voß’ Urteil diesbezüglich fällt dabei, wie bereits Werner bemerkt hat, recht „inkonsequent“ 190 aus. Einerseits kritisiert Voß d. J. „des Uebersetzers entschiedenen Hang zu derben Uebertreibungen“ 191, wozu er auch die „vielen unfeinen, widerlichen oder gar ins Eckelhafte gespielten Ausdrücke“ 192 zählt. So überschritten beispielsweise Wolfs Übertragungen von τῶν λασίων τούτων (Nub. 348) mit ‚von den knabenbeleckenden zottigen Kerls‘ (Wolf S. 61) und τοὺς ὄρχεις (Nub. 713 [=705 Wolf]) mit ‚das Hodengehänge‘ (Wolf S. 119) nach Voß’ Auffassung „ganz die Linie des Schicklichen“. 193 Und auch bei Wolfs Wiedergabe von τὸ πέος in Nub. 734 [=726 Wolf] mit ‚das Ding an sich‘ (Wolf S. 123) als ironischem Kant-Zitat kann für Voß d. J. „von künstlerischem Genusse [...] keine Rede seyn“. 194 Andererseits beklagt er jedoch die „zofenhafte Milderung“ 195, wenn Wolf in den

 Tapete gern zu schauen; andere fühlen sich dadurch nichts weniger als angezogen zu eigener Bekanntschaft mit den in den Vorreden gepriesenen Urbildern.“ S. dazu auch J. Werner (2004), 207. 185 Zur klaren Unterscheidung wird hier und im Folgenden der Name des Voß-Sohns Heinrich (1779–1822) mit dem Zusatz d. J. versehen. 186 Voß d. J. hatte von 1799 bis 1801 bei Wolf in Halle studiert; vgl. Muncker (1896), 347, und J. Werner (2004), 209 f. 187 D.A.E. [=H. Voß d. J.], [Rez. zu] Aristophanes, Wolken von F. G. Welcker und F. A. Wolf (1812) und [Rez. zu] Aristophanes, Acharner von F. A. Wolf (1812). Heinrich Voß pflegte seine Zeitschriftenbeiträge mit dem Kürzel D.A.E. für ‚Der Alte Ehrwürdige‘ zu signieren; vgl. J[ohann] H[einrich] Voß d. J. an Börm, 4. Mai 1804 (Morgenblatt, 5. Juli 1857, S. 633), in: Goethe, Begegnungen und Gespräche, Bd. 5 (1985): „Mein Name: ‚der alte Ehrwürdige‘ hat mich auch [von Halle] hierher geleitet und wird mir wohl bleiben, bis ich alt und ehrwürdig werde. Goethe hat, wie mir Riemer sagte, neulich bei Tische gesagt: er käme mir so recht eigentlich nicht zu, denn bei aller Ehrenhaftigkeit trüge ich doch einen nicht geringen Schalk im Hintergrunde.“ 188 D.A.E. [=H. Voß d. J.], [Rez. zu] Aristophanes, Wolken, von F. G. Welcker und F. A. Wolf (1812), 179. 189 Vgl. J. Werner (2004), 202, der auch Beispiele anführt. 190 Vgl. J. Werner (2004), 203. 191 D.A.E. [=H. Voß d. J.], [Rez. zu] Aristophanes, Wolken von F. G. Welcker und F. A. Wolf (1812), 184. 192 D.A.E. [=H. Voß d. J.], [Rez. zu] Aristophanes, Wolken von F. G. Welcker und F. A. Wolf (1812), 186. 193 D.A.E. [=H. Voß d. J.], [Rez. zu] Aristophanes, Wolken von F. G. Welcker und F. A. Wolf (1812), 186 194 Vgl. D.A.E. [=H. Voß d. J.], [Rez. zu] Aristophanes, Wolken von F. G. Welcker und F. A. Wolf (1812), 186. 195 D.A.E. [=H. Voß d. J.], [Rez. zu] Aristophanes, Acharner von F. A. Wolf (1812), 1066.

  Deutsche Aristophanes-Übersetzungen im Vergleich Acharnern den skatologischen Ausdruck ἔχεζε (Ach. 82) zurückhaltend mit „er pflegte Leibesöffnung“ (Wolf S. 13) wiedergibt und nicht mit „er schiß“. 196 Offenbar in der Absicht, Wolfs Übertragungen etwas entgegenzusetzen, druckte Voß d. J. im Rahmen seiner Wolken-Rezension – ohne Namensnennung – eine von seinem Vater übersetzte Wolken-Passage ab, die schließlich den Anstoß der Voß’schen Gesamtübersetzung geben sollte. Diese wurde dann innerhalb eines einzigen Jahres fertiggestellt: Als Wolfs Wolken herauskommen, überträgt Voß senior im ersten Zorn V. 1167–1211; Voß junior druckt sie in seiner Rezension ab und drängt den Vater, mehr zu übertragen. In einem Monat liegen die Wolken, in einem Jahr der ganze Aristophanes vor. 197

Zeitgenossen wie Goethe, Wilhelm von Humboldt, August Boeckh, Karl Ludwig von Knebel oder Friedrich Jacobs empfanden die Wolf-Rezensionen als ungerechtfertigt und hielten den Voß’schen Aristophanes, dessen Entstehung sie im Übrigen aufmerksam verfolgten, 198 in erster Linie für einen gegen Wolf gerichteten Vergeltungsakt. 199 Die Voß’sche Aristophanes-Übersetzung entwickelte sich – ähnlich wie der deutsche Shakespeare – zu einem Familienunternehmen. Heinrich Voß d. J. hatte sich bereit erklärt, die Kommentierung zu übernehmen. 200 Aus dem ursprünglich geplanten ausführlichen Kommentar wurde letztlich allerdings nur ein knapper Fußnotenapparat, der „in gedrängtem Auszug das Unentbehrlichste zur nächsten Verständigung“ liefern sollte. 201 Nicht zuletzt, weil Voß d. J. für die Fertigstellung seines Anmerkungsteils sehr viel mehr Zeit benötigte, als anfangs vorgesehen, erschien die erste deutsche Aristophanes-Gesamtübersetzung, deren erste Fassung Voß d. Ä. bereits 1812 abgeschlossen hatte, mit nahezu neunjähriger Verspätung erst 1821. In der Vorbemerkung zum ersten Band kündigt Voß d. J. einen noch ausstehenden vollständigen Kommentar an, „enthaltend die gehörigen Einleitungen in jedes Stück, tiefere Erörterung des Inhalts mit Belegen, und des gewählten Grund-

 196 D.A.E. [=H. Voß d. J.], [Rez. zu] Aristophanes, Acharner von F. A. Wolf (1812), 1066. Vgl. hierzu auch J. Werner (2004), 202 f. 197 J. Werner (2004), 208. 198 S. dazu J. Werner (2004), 205 f. 199 Über Voß’ genauere – offenbar vor allem persönliche – Motive hierfür lassen sich freilich nur Mutmaßungen anstellen. In diesem Zusammenhang sei auf J. Werner (2004) verwiesen; s. dort v. a. S. 207 f. 200 Ursprünglich war der Philologe Friedrich Gottlob Welcker als Verfasser des Anmerkungsteils vorgesehen, der dies – wie aus Welckers Briefwechsel mit Johann Gustav Droysen hervorgeht – jedoch abgelehnt hatte; vgl. Welcker an Droysen, 26.12.1835; in: Droysen, Briefwechsel, Bd. 1, (1929), 82. 201 Vgl. Voß d. J., [Vorbemerkung zu Aristophanes: Werke] (1821), Bd. 1 [s. p.].

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textes Rechtfertigung und nöthige Erklärung“. Dieser Kommentar kam jedoch nicht mehr zustande, da Voß d. J. bereits 1822 starb, sein Vater vier Jahre später. Voß’ Lysistrate-Übersetzung .... Voß’ Übersetzungskonzeption Da wir zu Voß’ Aristophanes-Übersetzung – außer der halbseitigen Vorbemerkung – keine weiteren Vorreden oder Einführungsteile besitzen, sind in diesem Zusammenhang auch keine Stellungnahmen zu seinen übersetzerischen Prinzipien überliefert. Wir sind hier also auf anderweitige Belege angewiesen. Die einzige zusammenhängende Darstellung übersetzungstheoretischer Reflektionen, die Voß seinen Lesern im Rahmen seines umfangreichen Übersetzungswerkes (s. auch u. 3.3.1.3.1 [Exkurs 1]) an die Hand gibt, ist die Vorrede zu seiner 1789 erschienenen Übertragung von Vergils Georgica. In dieser Vorrede formuliert er bereits Gedanken, die ein Vierteljahrhundert später (1816) auch Wilhelm von Humboldt in der Vorrede zu seiner Agamemnon-Übersetzung und Friedrich Schleiermacher in seiner Akademierede – beide mit wesentlich breiterer Wirksamkeit – zum Ausdruck bringen sollten. 202 So betont Voß hier – ebenso wie später Humboldt und

 202 So spricht Voß hier etwa – und zitiert dabei einen gängigen Topos der aufklärerischen Übersetzungstheorie – vom Scheitern seines einige Jahre zurückliegenden Versuchs, so zu übersetzen „wie dies und jenes Virgil als Deutscher möchte gesagt haben“ (Voß, Vorrede [zu Vergil: Georgica] (1789), III). Sowohl Humboldt als auch Schleiermacher weisen in ihren Abhandlungen die Realisierbarkeit dieser aufklärerischen Forderung strikt zurück. Vgl. Schleiermacher, Ueber die verschiedenen Methoden des Uebersetzens (1813), 66: „Wenn aber die Uebersetzung ihren römischen Autor zum Beispiel reden lassen will, wie er als Deutscher zu Deutschen würde geredet und geschrieben haben: so bewegt sie den Autor nicht etwa nur eben so bis an die Stelle des Uebersetzers, denn auch dem redet er nicht deutsch, sondern römisch, vielmehr rückt sie ihn unmittelbar in die Welt der deutschen Leser hinein, und verwandelt ihn in ihres gleichen; [...]“; ders. ebd. 77: „Ja was will man einwenden, wenn ein Uebersetzer dem Leser sagt, Hier bringe ich dir das Buch, wie der Mann es würde geschrieben haben, wenn er es deutsch geschrieben hätte; und der Leser ihm antwortet, Ich bin dir ebenso verbunden, als ob du mir des Mannes Bild gebracht hättest, wie er aussehen würde, wenn seine Mutter ihn mit einem andern Vater erzeugt hätte?“ In diesem Sinne auch Humboldt, [Vorrede zu Aischylos: Agamemnon] (1816), 103 f. Das Misslingen seines ersten Übersetzungsversuches habe er, so Voß weiter, zunächst „durch den Augenschein der Unerreichbarkeit“ (Voß, Vorrede [zu Vergil: Georgica] (1789), III) gerechtfertigt gesehen. Auch dieser Gedanke der scheinbaren Unmöglichkeit des Übersetzens erhält später auch bei Humboldt und Schleiermacher großes Gewicht.202 Vgl. Humboldt, [Vorrede zu Aischylos: Agamemnon] (1816), 101: „Ein solches Gedicht ist, seiner eigenthümlichen Natur nach, und in einem noch viel anderen Sinne, als es sich überhaupt von allen Werken großer Originalität sagen läßt, unübersetzbar.“ Ähnlich äußert sich auch Schleiermacher, der in seiner Akademierede das Geschäft des Übersetzens als „unendlich schwer“ bezeichnet (Ueber die verschiedenen Methoden des Uebersetzens [1813], 62) und ein gewisses Verständnis für die Auffassung äußert, dass das Übersetzen aufgrund dieser Schwierigkeiten geradezu als „thörichtes Unternehmen“ erscheinen könne (ebd. 64). Schließlich weist Voß in seiner Georgica-Vorrede auch auf

  Deutsche Aristophanes-Übersetzungen im Vergleich Schleiermacher – den Nutzen des Übersetzens für die Weiterentwicklung der eigenen Muttersprache: Wäre ein vollkommenes Abbild des virgilischen Kunstwerkes möglich, so glaube ich, hätte es, obgleich nur Nachahmung, kein geringeres Verdienst als einheimische Werke, unser noch schlummerndes, oder auf mancherlei Art betäubtes und gefälschtes Gefühl für Schönheit zu erwecken und zu verfeinern. [...] Aber auch nur bis zur Möglichkeit vollkommen, könnte das Abbild nicht ohne Wirkung sein. Die Seele des Urbilds würde noch unter etwas harten und verbildeten Zügen der Nachahmung hervorschimmern; würde unsere, nur durch Vernachlässigung hie und da erhärtete Sprache voll Kraft und Anlage sogar zu neuen oder vergessenen Wendungen hinreißen und schmeidigen, deren passenden Ausdruck man zuerst dem Gedanken als Nothbehelf verziehe, bald seiner selbst wegen billigte. Mancher vielleicht, der auch in der todten Ursprache zu denken nicht ungeübt wäre, würde den selbigen Gedanken in unserer, zwar schwächeren, aber lebenden Muttersprache lebendiger und eindringlicher wieder finden. 203

Die Möglichkeiten, die deutsche Muttersprache auf dem Wege der Nachahmung antiker Vorbilder zu erweitern und zu bereichern, erkannte Voß insbesondere auf dem Gebiet der Metrik. Sowohl in der Georgica-Vorrede als auch – wesentlich ausführlicher – in seiner 1802 erschienenen Monographie Zeitmessung der deutschen Sprache beschäftigte er sich intensiv mit dem Problem der Übertragung antiker Versmaße ins Deutsche (s. hierzu u. 3.3.1.3 [Exkurs 1]). Da sich sein schwerpunktmäßiges und zuerst an Homer erprobtes Streben nach einer möglichst genauen Wiedergabe der originalen Metrik sehr stark auch noch auf die sprachliche Gestalt der dem Spätwerk zuzurechnenden Aristophanes-Gesamtübersetzung auswirkt,  das Problem der – bei allen Bemühungen um eine möglichst treue Nachbildung des Ausgangstextes – unvermeidbaren Abweichungen vom Original hin. So sei seine Übersetzung eigentlich nur Deutschen verständlich, „die, selbst mit den Alten vertraut, meiner Verdeutschung nicht bedurften; die sie, der häufigen Abweichungen wegen, sogar als unrichtig verrufen konnten.“ (Voß, Vorrede [zu Vergil: Georgica] (1789), III). Vgl. Schleiermacher, Ueber die verschiedenen Methoden des Uebersetzens (1813), 70 f.: „Aber wie oft, [...] werden nicht die rhythmische und melodische Treue und die dialektische und grammatische in unversöhnlichem Streit gegen einander liegen! [...]; denn je genauer sich die Uebersetzung an die Wendungen der Urschrift anschließe, um desto fremder werde sie schon den Leser gemahnen.“ Ähnlich Humboldt, [Vorrede zu Aischylos: Agamemnon] (1816), 102: „Man kann sogar behaupten, daß eine Uebersetzung um so abweichender wird, je mühsamer sie nach Treue strebt. Denn sie sucht alsdann auch feine Eigenthümlichkeiten nachzuahmen [...]“. 203 Voß, Vorrede [zu Vergil: Georgica] (1789), IV. Vgl. Humboldt, [Vorrede zu Aischylos: Agamemnon] (1816), 102 f.: „Das Uebersetzen, und gerade der Dichter, ist vielmehr eine der nothwendigsten Arbeiten in einer Literatur, theils um den nicht Sprachkundigen ihnen sonst ganz unbekannt bleibende Formen der Kunst und der Menschheit [...] zuzuführen, theils aber, und vorzüglich, zur Erweiterung der Bedeutsamkeit und der Ausdrucksfähigkeit der eigenen Sprache. [...] Wie sich aber der Sinn der Sprache erweitert, so erweitert sich auch der Sinn der Nation.“ Vgl. auch Schleiermacher, Ueber die verschiedenen Methoden des Uebersetzens (1813), 81: „Dagegen dürfen wir nicht verkennen, daß viel Schönes und Kräftiges in der Sprache sich erst durch das Uebersetzen theils entwickelt hat, theils aus der Vergessenheit ist hervorgezogen worden.“

Porträts der ausgewählten Übersetzungen und Bearbeitungen der Lysistrate  

sollen Voß’ grundsätzliche Ansichten zur Metrikfrage im Folgenden kurz skizziert werden. Exkurs 1: Voß’ metrische Grundsätze im Spannungsfeld zwischen Innovation und Routine Die metrischen Prinzipien, an denen er sich nicht nur bei seiner vielfach überarbeiteten Homer-Übertragung 204 sondern auch bei allen weiteren Übersetzungen der Folgezeit orientierte, hatte Voß, wie erwähnt, erstmals in der Vorrede zu seiner Georgica-Verdeutschung (1789) dargelegt. In deutlicher Abgrenzung zu Klopstock erläutert Voß hier in knapper Form seine neuen Erkenntnisse zum ‚deutschen Hexameter‘, die in mehrfacher Hinsicht die Praxis des einstigen Vorbilds in Frage stellen. 205 Nach weiterer intensiver theoretischer Beschäftigung mit den Spezifika deutscher Prosodie und Metrik legte Voß ein Jahrzehnt später seine Abhandlung Zeitmessung der deutschen Sprache (1802) vor, in der er die seinerzeit nur andeutungsweise vorgestellten Grundlagen des deutschen Hexameters um differenzierte Definitionen, detaillierte Anwendungsregeln und zahlreiche Beispiele im Hinblick auf die Nachbildung antiker Versmaße generell erweitert. 206 Voß verteidigt hier seine Auffassung, dass auch die deutsche Sprache zur Ausbildung einer quantitierenden Metrik in der Lage sei und führt die Unterscheidung zwischen langen, kurzen und sogenannten mittelzeitigen Silben ein. Der Spezifik der deutschen Sprache trägt er dabei insofern Rechnung, als er neben dem „Zeitmaß“, das die Silbendauer

 204 Vgl. o. 3.3.1.3 Anm. 176 und Muncker (1896), 342: „die folgenden, regelmäßig aufs neue verbesserten Gesammtausgaben [sic] des Homer von 1801, 1806, 1814 und 1821 wurden immer genauer dem griechischen Wortlaut angeschlossen, immer correcter im Versmaß.“ 205 Vgl. Voß, Vorrede [zu Vergil: Georgica] (1789), XIV: „[…] wenn man gleich einem so eigenthümlichen Gedichte, als der Messias ist, auch seinen eigenthümlichen Vers, der sehr schön, aber nicht Hexameter im Sinne der Alten ist, mit Recht zugesteht.“ Hatte Klopstock in seinem Messias neben Daktylus und Spondeus auch den Trochäus als dritten Versfuß im Hexameter akzeptiert und seine Verse grundsätzlich stärker nach Sinnabschnitten, weniger nach metrischen Einheiten gegliedert – beides im Widerspruch zum griechischen Versbau –, so fordert Voß nunmehr auch im Deutschen eine genaue Beachtung der Silbenlängen und des Wortklangs und räumt der rhythmischen Periode, die sich an den antiken Zäsurregeln orientieren soll, unbedingten Vorrang vor der Gedankenperiode ein: „Iene vielfachen Wendungen des Rhythmus sowohl, als diesen Reichthum des Wohllauts, verlangt der Hexameter, ohne Rücksicht auf seinen Inhalt, für sich selbst. Dass beides, so viel als möglich zugleich Ausdruck des Gedankens sein müsse: ist ein Gesez, das jeder grosse Dichter zuerst und zuletzt ausübte; das aber misverstanden auch irre führt.“ Voß, Vorrede [zu Vergil: Georgica] (1789), XVII. Zu Voß’ früher Annäherung an und späterer Distanzierung von Klopstock vgl. Häntzschel (1977), 53–62 u. 196–199. 206 Vgl. hierzu jüngst Korten (2014).

  Deutsche Aristophanes-Übersetzungen im Vergleich bestimmt, auch das „Tonmaß“ berücksichtigt, das den höheren und tieferen Ton und damit die unterschiedlich stark betonten Silben im Vers beschreibt. 207 Diese metrischen Grundsätze, die Voß für seine Homer-Übersetzung neu erarbeitet hatte, bildeten, wie bereits angedeutet, auch die Basis für seine spätere Übersetzungsarbeit: Nach diesen Prinzipien verdeutschte er 1797 Vergils Eklogen, 1798 die Metamorphosen des Ovid, 1799 die Aeneis, 1806 die gesammelten Werke von Horaz und Hesiod, 1808 Theokrit, Bion und Moschos, 1810 Tibull und Lygdamus, 1811 Properz (erscheint posthum 1830), 1812 die Komödien des Aristophanes (gedruckt 1821), 1824 Arat und – kurz vor seinem Tod – 1826 den homerischen Demeterhymnus. Darüber hinaus trug er zwischen 1818 und 1829 insgesamt 13 Dramen zu dem von seinen Söhnen Heinrich und Abraham initiierten Projekt einer Shakespeare-Gesamtübersetzung bei. 208 Bei dieser intensiven Übersetzungstätigkeit war es beinahe unvermeidlich, dass sich allmählich ein Umschlag ins Dogmatische und Routinierte einstellte. 209 Voß’ Übertragungen mussten sich in zunehmendem Maße den Vorwurf gefallen lassen, „undeutsch“ und steif zu sein. So bedauerte etwa Goethe 1808 in einem Brief an Carl Friedrich Zelter, dass Voß die Poesie „für lauter Prosodie [...] ganz entschwunden“ sei. 210 Während – wie Günter Häntzschel konstatiert – in den Übersetzungen aus Voß’ mittlerer Periode Sprache und Metrik noch im Gleichgewicht stehen und er „jede vermeintliche Sprachvergewaltigung wie etwa geschleifte Spondeen interpretatorisch rechtfertigen [kann]“ 211, zeigt sein Spätwerk, zu dem auch die Aristophanes-Übersetzungen gehören, bereits deutliche Spuren der Erstarrung. Die Auswirkungen eines solchen Automatismus prägen des alten Voß’ Aristophanes- und Shakespeare-Übersetzungen ganz besonders. Hier hatten schon die Zeitgenossen den Eindruck, daß er die Sprache „dressirt“, daß ganz verschiedene Autoren in seinen Übersetzungen unisono „die Vossische Sprache“ reden. 212

Voß erkannte diese Routine durchaus selbst: „Ich habe die Fächer, worein ich zu langen habe, so im Grif, wie der Sezer vor dem Schriftkasten.“ 213

 207 Vgl. Voß, Zeitmessung der deutschen Sprache (1802), 10. Dabei werden in der Regel die sinntragenden, hochtonigen Stammsilben als Längen realisiert, die tonlosen Nebenbegriff-Silben wie Präfixe und Suffixe als Kürzen, doch sind daneben auch diverse Zwischenstufen zu beachten; ebd., 10 f. u. 122 ff. 208 Shakespeare’s Schauspiele von Johann Heinrich Voß und dessen Söhnen Heinrich Voß und Abraham Voß. Mit Erläuterungen, 9 Bde. (1818–1829); vgl. hierzu auch Roger (2014). 209 Vgl. hierzu auch Häntzschel (1977), 232 ff. 210 Goethe an Zelter, 22. Juni 1808, in: Goethe, FA II 6, 326. Vgl. J. Werner (2004), 202. 211 Vgl. Häntzschel (1977), 232. 212 Häntzschel (1977), 234. 213 Johann Heinrich Voß an Johann Wilhelm Ludwig Gleim, 9. April 1797, in: Voß, Briefe von Johann Heinrich Voß, Bd. 2 (1830), 336.

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Aber auch das Voß’sche Familienunternehmen als solches sieht sich zunehmend spöttischer Kritik der Zeitgenossen ausgesetzt 214: Von Friedrich August Wolf wird die Äußerung kolportiert, es gehöre zur Voßschen „Hausordnung“, „alljährlich einen Griechen oder Römer einzuschlachten“, 215 und August Wilhelm Schlegel spottet über die Voß’sche „Übersetzungsschmiede-Sippschaft“ 216 nicht nur in seiner Privatkorrespondenz, sondern auch in dem Scherzgedicht Die Übersetzerfamilie 217. Dass es sich bei Voß’ Aristophanes-Verdeutschung – immerhin der ersten deutschen Gesamtübersetzung des attischen Komikers überhaupt –, wie bereits ausgeführt, nicht um ein sorgfältig ausgearbeitetes Lieblingsprojekt, sondern vielmehr um ein zunächst ungeplantes und dann in großer Eile, innerhalb eines einzigen Jahres vorangetriebenes Fließbandprodukt aus der Voß’schen Übersetzungsfabrik handelt, wird auch bei der näheren Beschäftigung mit Voß’ Lysistrate-Übertragung immer wieder deutlich. Zum Problem der obszönen Sprache liegen ebenfalls keine unmittelbar mit der Aristophanes-Übersetzung in Verbindung stehenden Stellungnahmen von Voß vor. Auch seine posthum von Sohn Abraham herausgegebenen Briefe enthalten für den fraglichen Zeitraum keine aufschlussreichen Informationen. Lediglich in der Korrespondenz von Heinrich Voß d. J. und Karl Wilhelm Ferdinand Solger findet sich eine Stelle, die sich – in einem anderen Fall – auf den übersetzerischen Umgang mit obszönen Passagen bezieht. Obwohl es hier nicht um Aristophanes, sondern um Shakespeare geht, lassen sich daraus einige Rückschlüsse auf die allgemeine Strategie des Voß’schen Übersetzungsunternehmens ziehen. Voß d. J. äußert sich hier Solger gegenüber zu einer Stelle aus Shakespeare’s Othello: Ich wollte Du wüßtest, wie artig ich die Zoten im ersten Act weggebracht habe, ich habe andere Sachen an die Stelle gesetzt, die auch derb sind, z.B.

 214 Vgl. hierzu auch J. Werner (2004), 204 u. ebd. Anm. 69. 215 Vgl. Körte, Leben und Studien Friedr. Aug. Wolfs des Philologen (1833), Bd. 2, 88. 216 A. W. Schlegel an Georg Andreas Reimer, 14. April 1817, zit. nach: A. W. Schlegel, Briefe von und an August Wilhelm Schlegel, Bd. 2 (Erläuterungen) (1930), 109. Vgl. auch J. Werner (2004), 204. 217 Schlegels Scherzgedicht im Wortlaut: Drei Söhne zeugte Voß, Heinrich Johann, der große; Drei Uebersetzer auch, bereits im Mutterschooße. Erst Heinrich, Abraham, dann Adam noch zuletzt: Selbvierte haben die den Shakspeare [sic] übersetzt. Sie übersetzten fort, todt oder noch am Leben. Durch Abraham wird jetzt der Rest herausgegeben. In: A. W. Schlegel, August Wilhelm von Schlegel’s Poetische Werke. Dritte, sehr verm. Ausg. Zweiter Theil (1846), 215.

  Deutsche Aristophanes-Übersetzungen im Vergleich So eben fährt der schwarze Bock zur Hölle Mit Eurem weißen Schäfchen. Auf! steht auf! Weckt die verschlafnen Bürger mit der Glocke, Sonst macht der Teufel Euch zum Großpapa. 218 Aber: ‚sie sind dabei einen doppelten Adler zu machen für the deer with a double back‘ 219 wollte mir Schiller doch nicht zugestehn. – ...“ 220

Exkurs 2: Voß als Dichter obszöner Oden? Zumindest Erwähnung finden sollen in diesem Zusammenhang auch zwei unter dem Namen von Johann Heinrich Voß d. Ä. überlieferte obszöne Gedichte. Das erste, bekanntere, dessen Echtheit allerdings umstritten ist, trägt den Titel An Priap und wurde in mehreren Ausgaben einer Sammlung von drei obszönen Dichtungen unter den Namen der Hainbund-Brüder Bürger, Stolberg und Voß abgedruckt. 221 Die  218 Vgl. Shakespeare, Othello I 86 ff. (zit. nach: William Shakespeare. The Complete Works. Second Edition [2005], 875): Even now, now, very now, an old black ram Is tupping your white ewe. Arise, arise! Awake the snorting citizens with the bell, Or else the devil will make a grandsire of you. Es handelt sich hier um die Worte des Jago, der den Vater Desdemonas, Brabanzio, in intriganter Weise über deren Liebesbeziehung zu Othello informiert. Die moderne deutsche Übersetzung von Rudolf Schaller (1964) gibt diese Stelle folgendermaßen wieder: Gerade jetzt, jetzt, eben jetzt bespringt Ein alter schwarzer Bock Eur weißes Schaf Steht auf, steht auf! Weckt mit der Glocke die verschlafnen Bürger, Sonst macht der Teufel Euch zum Großpapa. 219 Vgl. Shakespeare, Othello I 117 f. (zit. nach: William Shakespeare. The Complete Works. Second Edition [2005], 876); Jago spricht wiederum zu Brabanzio: I am one, sir, that comes to tell you your daughter and the Moor are now making the beast with two backs. In Schallers Übersetzung: Ich bin eins [sc. Schandmaul], Herr, das Euch mitteilen möchte, daß Eure Tochter und der Mohr soeben das Tier mit zwei Rücken machen. 220 Heinrich Voß an Karl Solger, 24. Februar 1804, in: H. Voß [d. J.], Briefe von H. Voss an K. Solger (1882), 120. Der Herausgeber [F. Schnorr v. Carolsfeld?] merkt dazu noch an: „Worte des Jago I 1 Vers 75 bei Goedeke. Voss citiert sich selbst ungenau. Bei Goedeke heißt es ‚Jezt eben‘ und ‚mit Eurem weißen Täubchen.‘ Das Wort ‚Bock‘ rührt von Schiller her; Voss hatte ‚Kerl‘ geschrieben.“ Ebd. 120 Anm. ††. 221 Der Wettstreit der drei Freunde um das obszönste Gedicht wurde lediglich mündlich tradiert, allerdings waren die Gedichte „handschriftlich unter ihren Namen in Umlauf“; vgl. Trelde, Bibliographie [1924], 18. Von Voß und Stolberg werden diese Gedichte nirgends erwähnt. In Bürgers Nachlass fand sich eine Nachschrift [zur Vorrede der Gedichtausgabe von 1789], in der dieser sich gegen

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Sammlung erschien unter dem Titel: Phantasien in drei priapischen Oden dargestellt und im Wettstreit verfertigt von Bürger, Voss und Stolberg, letzterer erhielt die Dichterkrone. Die Echtheit dieser Dichtungen vorausgesetzt, hatten sich dieselben Freunde, die – wie erwähnt – in den 1770er Jahren auf dem Feld der HomerÜbersetzung miteinander wetteiferten, etwa zur gleichen Zeit auch einen Wettbewerb um das obszönste Gedicht geliefert, den schließlich Stolberg gewann. Sollte Voß das ihm zugeschriebene Gedicht tatsächlich verfasst haben, so ließe sich jedoch konstatieren, dass zwischen der hier verwendeten derb sexuellen Ausdrucksweise und den späteren Übersetzungen der Aristophanischen obscena keinerlei Ähnlichkeiten bestehen. 222  die „abgeschmackten Anekdoten“ verwahrt, „welche Peter Meffert und Consorten aus meinem poetischen und prosaischen Lebenslaufe erzählen, wieder erzählen, und bis in die hundert tausend Male hinauf erzählen“, und darum bittet, „diese Armseligkeit […] bis auf das kleinste Pünctchen für völlig erlogen, und Denjenigen, der es von nun an noch zu Markte bringt, für ein Mitglied der witzbankerotten, noth- und breßhaften Spaßvogel-Familie zu halten, welche die VademecumsGespinnste aus der Arche Noäh als selbst erlebte Vorfälle zu erzählen pflegt“; zit. nach Trelde, Bibliographie [1924], 19. Abgedruckt wurde die Nachschrift u. a. in Gottfried August Bürger’s sämmtliche Schriften, Bd. 4, Göttingen 1798, 30 f. und in Gottfried August Bürger’s Werke, hg. v. Eduard Grisebach, 5. Aufl., Berlin 1894, 497 f. Die drei Priap-Gedichte zusammen sind seit dem ersten Drittel des 19. Jh. in mehreren Druckausgaben erschienen; s. dazu Trelde, Bibliographie [1924], 20 f. In der von Franz Blei herausgegebenen, auf Erotika spezialisierten Zeitschrift Der Amethyst wurden die Gedichte in Heft 11/12 (Oktober/November 1906), 343–351, abgedruckt. Hans von Müller fügte Anmerkungen bei, die insbesondere Erklärungen der obszönen Ausdrücke aus dem Grimm’schen Wörterbuch enthalten (ebd. S. 395 f.), vgl. Blei (1906). Bei der Beurteilung der Echtheit der Gedichte hält sich Alfred von Trelde, der sie im Jahr 1924 herausgab, zurück: „Wie bei den meisten dichterischen und künstlerischen Erzeugnissen dieser Art läßt sich nicht einwandfrei feststellen, ob die Verse wirklich von den überlieferten Verfassern stammen. Nachdem sie aber in allen Ausgaben fehlen, nicht einmal Eduard Grisebach, der anscheinend von der Wahrheit der Überlieferung überzeugt war, druckte sie wieder ab, wird der vorliegende Druck mit der genauen Bibliographie, da die alten Ausgaben bei Versteigerungen mit 200 Goldmark und mehr bezahlt werden, sicherlich der kleinen Gemeinde der Kuriosa-Sammler nicht unwillkommen sein.“; Trelde, Bibliographie [1924], 22. Hierzu ist nunmehr ergänzend anzumerken, dass das Bürger zugeschriebene Gedicht An die Feinde des Priaps in der jüngsten Bürger-Werkausgabe, besorgt von Günter und Hiltrud Häntzschel (München 1987), von den Herausgebern offenbar für echt befunden und in der Rubrik „posthum veröffentlichte Gedichte“ (S. 449) abgedruckt wurde; vgl. dazu kritisch Joost (2001), 55. Eine ausführliche Darstellung der Rezeptionsgeschichte und der Echtheitsdebatte samt Überprüfung aller verfügbaren Drucke der drei Priapischen Oden liefert Joost (2001); ebd. S. 54 Anm. 24 findet sich auch eine Auflistung jüngerer Wiederabdrucke der Gedichte seit 1970. 222 Die erste Strophe des Voß zugeschriebenen Priap-Gedichtes lautet folgendermaßen: Leckt Votzen, Ihr neun Pindars-Luder, Leckt mit Apoll, der schläfrig geigt, Und dessen kleiner matter Bruder, Nur durch das Fingern aufwärts steigt: Priap! Beseele meine Leyer, Und gönne ihr das rege Feuer,

  Deutsche Aristophanes-Übersetzungen im Vergleich Etwas anders verhält es sich mit dem zweiten Gedicht, das von Ulrich Joost im Jahr 1998 erstmals publiziert wurde. Es trägt den Titel Schwergereimte Ode an einen Dukaten Scheisser und wird durch den Herausgeber ebenfalls in die Hainbund-Zeit („zwischen Frühjahr 1773 und Ostern 1775“) 223 datiert. Überliefert wurde es auf einem losen Blatt, das in das Stammbuch des Hainbündlers Johann Thomas Ludwig Wehrs eingelegt war. Aufgrund dieses „Überlieferungsort[es]“, der nach Joosts Auffassung „eine mutwillige (Falsch-)Zuschreibung [...] – und damit auch einen Zweifel an der Authentizität des Gedichts“ ausschließe, 224 gilt Voß’ Autorschaft hier – anders als bei der Priap-Ode – als sehr wahrscheinlich. 225 Die ersten beiden Strophen des insgesamt elfstrophigen Gedichtes, dessen Obszönitäten – wiederum im Unterschied zur Priap-Ode – ausschließlich dem skatologisch-exkrementellen, nicht dem sexuellen Bereich angehören, lauten wie folgt: Heil dir Fortunens Sohn, Dukaten Scheisser! Dein helles Arschlitz deckt mit goldner Cron Regenten Häupter, hochgelahrte Possenreisser Mit Gold Pränumeration. Wie herrlich strahlt dein goldbedecktes Scheishaus! In dick und dünn matscht dort der Goldwardein 226. Du sprudelst Fürsten Köpf’ als goldnes Arschgeschmeiß aus, Nur ist das Gold nicht immer rein. 227

 Das sich durch deine Klöth ergeußt: Und durch die aufgeschwollenen Röhren, Um deine Wollust zu vermehren, Dickschäumend in die Votze fleußt. Joost (2001), 76 f. weist zu Recht auf die Ähnlichkeit dieser Verse mit einem bereits um 1710 entstandenen französischen Gedicht von Alexis Piron mit dem Titel Ode à Priape hin, das mit den Worten Foutre des neuf Garces [sic] du Pinde [...] beginnt und das als „abgesehen von der metrischen Gestaltung nicht sehr enge Vorlage“ anzusehen sei. In Bezug auf Voß’ Verfasserschaft kommt Joost am Ende seiner Untersuchung zu einem negativen Ergebnis: „Voß schließlich, wenn er denn [bei dem von Joost als wahrscheinlich angenommenen poetischen Wettstreit in Göttingen; Anm. d. Verf.] mit von der Partie war, hat anscheinend alle Spuren verwischen können, und das ihm zugeschriebene ist eine Nachdichtung.“ Vgl. Joost (2001), 83. 223 Joost (1998), 236. 224 Vgl. Joost (1998), 237. 225 Zudem existieren lt. Joost (2001), 60, zwei Briefe „Friedrich Stolbergs und der Seinigen“ an Voß, in denen das Gedicht explizit erwähnt wird. 226 Vgl. dazu Joost (1998), 237 Anm. zu Z. 6: „Wardein] jmd., der den Wert prüft, edle Metalle ‚wardiert‘; meist Münzwardein.“ 227 Zitiert nach Joost (1998), 231. Es besteht eine gewisse motivische Ähnlichkeit mit Aristoph. Ach. 80–82; s. dazu o. 2.3.5.3 Anm. 404.

Porträts der ausgewählten Übersetzungen und Bearbeitungen der Lysistrate  

Stellt man diesem Gedicht wiederum Voß’ vierzig Jahre später entstandene Aristophanes-Übersetzungen gegenüber, so lassen sich hier – wie noch zu zeigen sein wird – durchaus Parallelen im skatologischen Sprachgebrauch erkennen. .... Übersetzungsanalyse Teil 1: Allgemeine Beobachtungen Textpräsentation Voß’ dreibändige Gesamtübersetzung des Aristophanes erschien ohne den griechischen Originaltext. Titelzusätze zur Übersetzungsintention wie etwa ‚im Versmaß des Urtextes’ sind nicht vorhanden. Lediglich auf die Mitarbeit von Heinrich Voß d. J. wird im Titel hingewiesen: Aristofanes von Johann Heinrich Voß mit erläuternden Anmerkungen von Heinrich Voß. Eine Anpassung an moderne Bühnenkonventionen findet sich bei Voß – im Unterschied zu den hier behandelten älteren und auch den meisten jüngeren Aristophanes-Übersetzungen – nur in Ansätzen. Die Abteilung einzelner Akte wird durch eine waagerechte Trennlinie im Text angedeutet, aber nicht verbalisiert. Szenische Anweisungen werden nur äußerst selten eingefügt. Die von Heinrich Voß d. J. verfassten Anmerkungen stehen als Fußnoten direkt unter dem Text und sind somit dem Leser schnell zugänglich. In seiner Lysistrate-Übersetzung, die als letztes Stück im zweiten Band enthalten ist, folgt Voß offenbar der Verszählung seiner griechischen Vorlage 228, die von der modernen Textausgabe Wilsons etwa ab Vers 620 um ca. 10 Verse abweicht. Formale Gestaltung / Metrik In metrischer Hinsicht ist Voß entsprechend seiner übersetzerischen Grundhaltung um eine sehr sorgfältige Nachbildung der griechischen Vorlage bemüht. Dabei wendet er die in seiner Zeitmessung aufgeführten Regeln bezüglich der Silbenlängen konsequent an. In den iambischen Sprechpassagen finden sich zahlreiche Auflösungen von Ancipitia und Kürzen, wie sie für die originale Aristophanische Komödie typisch sind: Λυ. Κα.

χαῖρ’, ὦ Καλονίκη. καὶ σύ γ’, ὦ Λυσιστράτη (6)

229

 228 Vgl. dazu Anonymus [Conz], [Rez. zu] Aristofanes von Johann Heinrich Voss (1822), Teil 3, Sp. 561: „[…] so hielt Voss sich, wie recht und zu erwarten war, an keine der vorhandenen Ausgaben ausschließend, sondern folgte seinem eigenen prüfenden Urtheile. Der Brunksche [sic] Text scheint zwar zum Grunde gelegt, aber häufig nahm der Vf. die gewöhnliche L. A. [=lectio Aldina (?), Anm. d. Verf.] wieder gegen die veränderte Brunksche, wie Wolf schon auch bey den Wolken, in Schutz.“ Sollte hier die Aldina gemeint sein, so kann diese jedoch nicht für die Lysistrate herangezogen worden sein, da diese Komödie erst in der sog. Juntina von 1516 erstmals im Druck erschien; s. dazu auch o. 2.3.1.

  Deutsche Aristophanes-Übersetzungen im Vergleich Lysistrate: Kalonike:

Heil dir, Kalonike! Heil auch dir, o Lysistrata! 230

Auch die chorlyrischen Partien sind den Metren des Originals unter Anwendung der griechischen Auflösungsregeln nachgebildet. Voß kennzeichnet die Silbenlängen – wie im folgenden Beispiel – mit einem Akzent (´), wobei sich jedoch einige metrische Lösungen im Deutschen nicht unmittelbar erschließen (vgl. u. v. a. Vv. 323– 325). Dies liegt vor allem an den zahlreichen von Voß als ‚mittelzeitig‘ bezeichneten Silben des Deutschen, deren Quantität indifferent ist und die je nach ihrer Position und inhaltlicher Gewichtung im Satzganzen als Längen oder Kürzen bewertet werden 231: ΧΟΡΟΣ ΓΥΝΑΙΚΩΝ πέτου πέτου, Νικοδίκη, πρὶν ἐμπεπρῆσθαι Καλύκην τε καὶ Κρίτυλλαν περιφυσήτω ὑπό τε νότων ἀργαλέων ὑπό τε γερόντων ὀλέθρων. (321 ff.)

ia dodr A 232

Chor [der Frauen]: Fleug hin, o Níkódike, fleug, Eh uns verbrennt Kályke samt

 229 Das hier gegebene metrische Schema des iambischen Trimeters berücksichtigt alle Stellen des Verses, an denen die griechische Komödie nach Sicking (1993) Auflösungen zulässt. Das von Sicking vorgegebene Schema für alle Trimeter-Gattungen (mit Ausnahme der alten Iambographen und Lykophron) wird ebd. S. 90 folgendermaßen dargestellt: . Dazu wird im Weiteren ausgeführt: „In der Komödie können auch die übrigen nicht-markierten Elemente (außer der Position 11) durch Doppelkürzen vertreten werden. Doch gilt auch hier, daß zwei aufeinanderfolgende Resolutionen vermieden werden.“ Sicking (1993), 90; s. auch ebd. S. 209. 230 Vgl. dazu Voß, Zeitmessung der deutschen Sprache (1802), 15: „Lang, oder von zweizeitiger Dauer mit hohem Ton ist ein einsilbiges Stammwort, und die Stammsilbe eines Worts, das einen Hauptbegrif ausdrückt. Einen herschenden Hauptbegrif hat die Benennung [hier i. S. v. Substantiv; K. L.]: Baum, Quelle; […]“, i. d. S. auch: Heil; ebd. 17: „Die Ausrufe ohne Nachdruck sind mittelzeitig, zumal das verbrauchte o.“; ebd. 19: „Fremde Namen der Personen, wenn sie mehrsilbig und ohne Abkürzung sind, haben den Ton nie auf der lezten Silbe; zweisilbige werden Trochäen: Ares, Venus; drei und viersilbige endigen trochäisch, wenn die vorlezte in der Ursprache lang ist, und daktylisch, wenn kurz: Apóllon, Telémachos.“; i. d. S. auch Kaloníke bzw. Kᾰlŏnīkĕ und Lysístrate bzw. Ly̆ sīstrᾰtᾰ; ebd. 52: „Alle einsilbigen Fügungen oder Verhältniswörter sind mittelzeitig. Die bindenden und, auch, ja, mit dem nachstehenden dann, jene fastkurz, dieses fastlang.“; i. d. S. auch: aŭch dīr. 231 Vgl. Voß, Zeitmessung der deutschen Sprache (1802), 11: „Ein Mittelbegriff giebt im Zusammenhange entweder Länge mit hohem und tiefem Ton: í̱s̱ t͟ er bekannt? furchtbà̱ r scholl; oder tonlose Kürze: dort ῐst der Mann; furchtbᾰr erscholl; im Gegensaz auch hochtönige [...].“ 232 Zur Metrik des Verses 323 vgl. Henderson (Ed./K) (1987), 108; s. auch u. 3.3.2.1.2, 3.3.2.2.2, 3.3.2.3.2 (jeweils ‚Formale Gestaltung‘).

Porträts der ausgewählten Übersetzungen und Bearbeitungen der Lysistrate  

Kritylla dort unter der Flamm’ Anhauch, Da sie der Gesez’ [Lesart: νόμων] eiserne Macht Drücket und der Greis’ ahndender Grimm.

Wortlaut / Syntax Voß’ Übersetzung zeigt darüber hinaus ein großes Bestreben, die originale Wortfolge beizubehalten, wobei oftmals auch eine vom deutschen Sprachgebrauch stark abweichende Wortstellung in Kauf genommen wird: Κα.

κᾆτα πῶς οὐχ ἥκομεν; (24)

Kalonike:

Dann warum nicht kommen wir?

Λυ.

ἆρ’ οὐ παρεῖναι τὰς γυναῖκας δῆτ’ ἐχρῆν; (54)

Lysistrate:

Nun, hätten nicht dasein die Weiber schon gesollt?

Charakteristisch ist in diesem Zusammenhang auch die häufige Verwendung von Partizipialkonstruktionen 233: Λυ.

ἀλλ’, ὦ μέλ’, ὄψει τοι σφόδρ’ αὐτὰς Ἀττικάς, ἅπαντα δρώσας τοῦ δέοντος ὕστερον. (56 f.)

Lysistrate:

Doch leider sehn wirst du, wie sehr sie attisch sind, Jedwedes Ding betreibend später als gebührt.

Exklamationen, Götteranrufe, zeitbedingte Begrifflichkeiten und Inhalte Ebenfalls große Nähe zum Originaltext weisen die zahlreichen exklamatorischen Äußerungen auf, die von Voß nahezu unverändert übernommen werden, wie z. B. ‚Iu, iu!‘ (66, 295=296 Voß, 305=307 Voß, 829=838 Voß, ), ‚Fü! Fü!‘ (294=295 Voß, 304=306 Voß), ‚Ió, Zeus!‘ (716=723 Voß); mit leichten Veränderungen dagegen: ‚Ototö sollt‘ ich laut schreien‘ (521 Voß) für ὀτοτύξεσθαι μακρά (519), ‚Habábbah!‘ (933 Voß) für παπαιάξ (924), ‚Abah!‘ (1086 Voß) für βαβαί (1078), ‚Alalá! Io Päéon!‘ (1294 Voß) für ἀλαλαί, ἰὴ παιών (1291). Lediglich der griechische Ausruf εὐοῖ εὐοῖ, εὐαὶ εὐαί (1294) wird von Voß durch einen im Deutschen geläufigen Jubelschrei wiedergegeben: ‚Juchhe, juchhe! Juchhei, juchhei!‘ (1297 Voß). Ähnlich wie bei den Exklamationen verfährt Voß bisweilen auch mit griechischen Wörtern, für die schon deshalb kein deutsches Äquivalent zur Verfügung steht, weil sie stark in ihrem zeitgenössischen Kontext verhaftet sind. Derartige Begriffe – zumeist handelt es sich dabei um kultbezogene Termini oder Demotika – erscheinen

 233 Vgl. dazu u. a. auch – nach Voß’scher Zählung – die Verse 114, 201 f., 223 f., 250, 363, 428, 431, 561, 762, 878, 884 f.

  Deutsche Aristophanes-Übersetzungen im Vergleich in der Übersetzung bisweilen als reine Gräzismen, werden aber in der Regel durch eine Fußnote näher erklärt, wie z. B. die Beinamen der Aphrodite ‚Genetyllis‘ und ‚Kolias‘ (2) 234 oder die in einem Vergleich herangezogenen ‚Korybanten‘ 235 (558 = 559 Voß) sowie die Herkunftsbezeichnungen ‚Trikoryserin‘ 236 (1032 = 1041 Voß) und ‚Karystier‘ 237 (1060 = 1066 Voß). Weitaus öfter ergänzt Voß entsprechende Termini durch kurze kommentierende Zusätze in der Übersetzung, so z. B. ‚Der herbe StinkAnagyros‘ (68) für den sprechenden Städtenamen Ἀνάγυρος, mit dem man ein übelriechendes Kraut assoziierte, ‚Kranaerburg‘ (481 Voß) für τὴν Κραναὰν (480) ‚Amorgosflachs‘ (742 Voß) für τῆς ἀμοργίδος (735), oder er entscheidet sich für eine möglichst wörtliche deutsche Wiedergabe des griechischen Begriffs, z. B. ‚Rathsvormann‘ für πρόβουλος (ab 387) oder ‚Bei der Grünin Heiligthum‘ (844 Voß) für παρὰ τὸ τῆς Χλόης (835), letzteres zudem durch eine Anmerkung erläutert. Bezugnahmen auf zeitgebundene Themen werden zumeist wörtlich übersetzt und in einer Anmerkung kommentiert, so z. B. die inhaltliche Anspielung auf eine Tragödie des Sophokles, Λυ.

οὐδὲν γάρ ἐσμεν πλὴν Ποσειδῶν καὶ σκάφη. (139)

Lysistrate:

Denn nichts ja sind wir, als „Poseidon nur und Kahn.“ 238

oder die Erwähnung der schmackhaften boiotischen Aale, die nach Ansicht der Kalonike – im Fall einer Vernichtung sämtlicher verfeindeter Boiotier unbedingt zu retten seien: Κα.

μὴ δῆτα πάντας γ’, ἀλλ’ ἄφελε τὰς ἐγχέλεις. (36)

Kalonike:

Nicht allesamt doch! Nur die Aale nim mir aus. 239

Dialekt Der dorisch-spartanische Dialekt der Lampito wird von Voß in einen Kunstdialekt übertragen, in dem man sowohl Anteile des Plattdeutschen als auch des Schweizerischen erkannt hat 240:  234 Zur Stelle s. auch o. 3.3.1.2.2 (Exklamationen) Anm. 152. 235 Hier wird bei Voß keine Fußnote gegeben. Die Korybanten (auch Kureten) beschützten dem Mythos zufolge den kleinen Zeus vor der Entdeckung durch seinen Vater Kronos, indem sie sein Geschrei mit großem Lärm übertönten. Vgl. Gordon, „Kureten“, in: DNP. 236 Vgl. Henderson (Ed./K) (1987), 189: „Τρικορυσία: Trikorythos was a wooded, marshy (Av. 246– 7) region in the Tetrapolis [...], where the insects may have been particularly large or numerous [...].“ 237 Zur Stelle s. auch u. 3.3.3.2.2 (Exklamationen) u. ebd. Anm. 748. 238 Zur Stelle s. auch o. 3.3.1.1.2 (Exklamationen) u. ebd. Anm. 90. 239 Zu Stelle s. auch o. 3.3.1.1.2 (Wortlaut) u. ebd. Anm. 87. 240 Voß selbst äußert sich zu dem von ihm verwendeten Dialekt nicht. Der Rezensent der Allgemeinen Literaturzeitung ist daher auf eigene Mutmaßungen angewiesen: „Woher der Vf. der neuen

Porträts der ausgewählten Übersetzungen und Bearbeitungen der Lysistrate  

Λα.

μάλα γ’, οἴω, ναὶ τὼ σιώ· γυμνάδδομαί γα καὶ ποτὶ πυγὰν ἅλλομαι. (81 f.)

Lampito:

Meen i jo, bi dem Jötterpoor! Ouch üb’ i mi nakicht, und zu dem Oorsch uf hoppt mien Been.

Aber selbst in den Dialektpassagen bleiben Voß’ Bemühungen, den originalen Wortlaut beizubehalten, erkennbar: Λα.

τίς δ’ αὖ συναλίαξε τόνδε τὸν στόλον τὸν τᾶν γυναικῶν; (93 f.)

Lampito:

Wer hod denn halt jezund den Genossam 241 [i. S. v. ‚die Versammlung‘] angeseit, Den hier der Wieber?

.... Übersetzungsanalyse Teil 2: Behandlung der obscena Voß’ grundsätzliches Bestreben nach möglichst wörtlicher Übersetzung ließe nun erwarten, dass auch die obszönen Begrifflichkeiten und Scherze durch semantisch gleichwertige Begriffe wiedergegeben werden. Dies ist jedoch nur teilweise der Fall. Das Prinzip strenger Wörtlichkeit wird vor allem bei der Übertragung der primär-obszönen Sexualia umgangen. So stehen für πέος (124, 134, 415, 928, 1012), ψωλή (143, 978) oder σάθη (1119) Euphemismen wie ‚Manneskraft‘ (124), ‚das vom Mann‘ (134) und ‚Mannsbrofheit‘ (143), daneben totum pro parte ‚Kerl‘ (928 = 937 Voß) sowie metaphorische Wendungen wie ‚Nerv‘ (415 = 416 Voß; vgl. auch 599 Voß u. 854 Voß), ‚Schaft‘ (978 = 988 Voß; 1012 = 1021 Voß) oder ‚Prick‘ 242 (1119 = 1127  Uebersetzung das Vorbild zu seinem Lacedämonisch-Deutsch genommen, wissen wir nicht genau. Es scheint eine Mischung aus einer Art Plattdeutschen und Schweizerischem zu sein, wobey die erste vorwalten mag.“; Anonymus [Conz], [Rez. zu] Aristofanes von Johann Heinrich Voss (1822), Teil 2, Sp. 555. Vgl. hierzu auch Ignaz Emanuel Wesselys Bemerkungen zu Voß’ Wiedergabe des megarischen Dialektes in den Acharnern im dritten Sammelband der von Johannes Minckwitz und Wessely gemeinsam besorgten Aristophanes-Gesamtübersetzung, die in der Langenscheidt’schen Bibliothek sämtlicher griechischen und römischen Klassiker (1855–1911) erschienen ist (zu dieser Übersetzung s. auch u. 3.3.2.3): „Voß hat ganz breites Niedersächsisch gewählt, den Volkston zwar manchmal nicht übel getroffen, aber theils für zu wenig Unterscheidung zwischen dem Megarer und Böotier gesorgt, die ganz unbedingt auseinandergehalten werden müssen, theils doch keine charakteristisch mundartliche Uebersetzung im Ganzen geliefert, so daß Seeger auch von ihm sagt, was er diese Leute reden lasse, sei weder Fleisch noch Fisch.“ Wessely, Einleitung [zu Aristophanes: Acharner] [s. a.], 39. Vgl. Holtermann (2004), 298. 241 Vgl. Adelung, Grammatisch-kritisches Wörterbuch (1811), Bd. 2, Sp. 569, zu ‚Genossam‘: „Der Genossam, [...] ein nur in einigen Oberdeutschen Gegenden, z. B. in der Schweiz, übliches Wort, einen Genossen, besonders den Einwohner einer Genossame zu bezeichnen.“ [Onlinefassung] URL: https://lexika.digitale-sammlungen.de/adelung/lemma/bsb00009132_2_1_1332 (zuletzt gesehen: 17.09.2019). 242 In der Bedeutung von ‚Stecheisen‘ oder ‚Stachel‘.

  Deutsche Aristophanes-Übersetzungen im Vergleich Voß). κύσθος (1158) wird mit dem diminuierten, offenbar aus dem Niederdeutschen stammenden Wort ‚Puselchen‘ wiedergegeben. 243 Auch die Verben βινεῖν bzw. κινεῖν und στύειν bzw. στύεσθαι, die in primär obszöner Weise auf den Sexualakt bzw. auf die männliche Erektion verweisen, werden in Voß’ Übersetzung abgeschwächt: βινητιῶμεν (715) βινεῖν βούλομαι (934) κᾶτα τίνα κινήσομεν; (1166) Ἔστυκα γάρ. (869)

Uns Frauen männert! (722 Voß) 244 dich herzen will ich nur! (943 Voß) Wen denn hudeln wir hinfort? (1174 Voß) 245 ich bin wie starr. (878 Voß)

Semantisch adäquat werden dagegen diejenigen Begriffe übersetzt, die primär dem skatologischen Bereich angehören: Λα. Lampito:

γυμνάδδομαί γα καὶ ποτὶ πυγὰν ἅλλομαι. (82) 246 Ouch üb’ i mi nakicht, und zu dem Oorsch uf hoppt mien Been. (82 Voß)

ὥσπερ ἐνεουρηκότας (402) ἐπιχεσεῖ πατούμενος. (440)

gleich als hätten wir angebrunzt! (403 Voß) 247 gleich bescheißest du dich (441 Voß)

Damit hält Voß es mit der Wiedergabe der obszönen Ausdrücke gewissermaßen umgekehrt wie Wolf, dessen Wolken-Übersetzung Heinrich Voß d. J. ja – ohne die

 243 Vgl. dazu auch Anonymus [Conz], [Rez. zu] Aristofanes von Johann Heinrich Voss (1822), Teil 1, Sp. 549. Vgl. auch Zimmermann, Etymologisches Wörterbuch der lateinischen Sprache (1915), 215: „pusa, -ae ‚Mädchen‘, pusus, -i ‚Knäbchen‘, ferner pusillus, -a, -um ‚sehr klein‘, pusio, pusionis pusiola, -ae; auch hier sehe ich mit Heraeus nur Kinderstubenworte und füge noch hinzu, daß man bei uns ein kleines Fräulein mit ‚Puselchen‘ anredet. [...]“ 244 Vgl. Adelung, Grammatisch-kritisches Wörterbuch (1811), Bd. 3, Sp. 59–60, zu ‚Männern‘: „† Männern, [...] verb. reg. neutr. mit dem Hülfsworte haben, welches aber nur in den niedrigen Sprecharten üblich ist. Ein Mädchen männert, wenn es Begierde zu heirathen hat, und diese Begierde merken lässet. [...]“ [Onlinefassung] URL: https://lexika.digitale-sammlungen.de/adelung/ lemma/bsb00009133_1_0_308 (zuletzt gesehen: 17.09.2019). 245 Vgl. Adelung, Grammatisch-kritisches Wörterbuch (1811), Bd. 2, Sp. 1300, zu ‚Hudeln‘: „Hudeln, [...] verb. reg. act. welches nur im gemeinen Leben üblich ist, und eigentlich ein hin und her Bewegen, ein Wedeln zu bedeuten scheinet.“ [Onlinefassung] URL: https://lexika.digitale-sammlungen. de/adelung/lemma/bsb00009132_3_3_3421 (zuletzt gesehen: 17.09.2019). 246 Zu πυγή s. auch o. 3.3.1.1.3 Anm. 94. 247 Vgl. Adelung, Grammatisch-kritisches Wörterbuch (1811), Bd. 1, Sp. 1225, zu ‚brunzen‘: „[...], in der niedrigsten Sprechart, den Urin lassen. Dieses Wort, welches von Brunn abstammet, so fern es ehedem Wasser, und in engerer Bedeutung auch den Urin ausdruckte, war anfänglich vermuthlich ein edler und anständiger Ausdruck. Allein er ist mit allen seinen Ableitungen und Zusammensetzungen, nunmehr schon lange dem niedrigsten Volke Preis gegeben worden, daher ich mich hier nicht länger dabey aufhalten, sondern nur noch bemerken will, daß um das Jahr 1479 im Oberdeutschen brunnlen in eben dieser Bedeutung vorkommt, und daß die Jäger in eben derselben, von den wilden Thieren auch brunsten gebrauchen.“ [Onlinefassung] URL: https://lexika.digitale-samm lungen.de/adelung/lemma/bsb00009131_4_4_4306 (zuletzt gesehen: 17.09.2019).

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beiden Bereiche explizit zu unterscheiden – unter anderem deswegen kritisiert hatte, weil Wolf die sexuellen Begrifflichkeiten zu deutlich, die skatologischen dagegen zu „zofenhaft“ wiedergegeben habe (s. o. 3.3.1.3 [Beitrag] u. ebd. Anm. 195). Obszöne Inhalte, die im Original auf Doppeldeutigkeiten oder Metaphern beruhen, übersetzt Voß in der Regel wörtlich: ΠΡΥ. ΚΗ.

Τί δ’ ἐστί σοι τοδί; Σκυτάλα Λακωνικά. (991)

Rathsvormann : Was ist denn das dir? Herold: Das? a lakonischer Riemenstab. (1000 Voß)

Wo sich die wörtliche Übersetzung einer obszönen Anspielung dem deutschen Leser nicht unmittelbar erschließt, werden erläuternde Anmerkungen angebracht, die allerdings sehr zurückhaltend formuliert sind. So warnt beispielsweise der Chorführer gegen Ende des Stücks die von Erektionen geplagten Athener und Spartaner vor den ‚Hermesstümmlern‘ (τῶν Ἑρμοκοπιδῶν, 1094 = 1102 Voß) und rät ihnen, sich mit ihren Mänteln zu bedecken. Die knappe Erklärung von Voß d. J. lautet dazu: Die Hermesstümmler (Vög. 147) waren noch in frischem Angedenken. Die Hermesbilder hatten ein priapisches Aussehen. 248

Auch zahlreiche andere Anmerkungen kommentieren den eigentlichen Sachverhalt lediglich ausweichend. Die Anspielung auf einen in Milet hergestellten künstlichen Phallos, der den Frauen – wie es in der Übersetzung heißt – ‚als lederner Nothknecht‘ dienen könnte (109 f.), wird folgendermaßen erläutert: Milet war auf Anrathen des Alkibiades von den Spartern eingenommen. Sprichwörtlich waren damals die Ausschweifungen der vor hundert Jahren so tapferen Milesier. 249

An den hier aufgeführten Beispielen zeigt sich sehr deutlich, was bereits zeitgenössische und jüngere Kritiker an Voß’ späten Übersetzungen bemängelten. Seine Präferenzen für eine mimetische Wiedergabe von Metrum und Wortlaut, durch die seine Übersetzungen der Homerischen Hexameter-Dichtungen eine geradezu innovative Dynamik entfalten konnten, indem sie den Lesern einen neuen Blick auf den antiken Dichter ermöglichten, wirken auf das griechische Drama mit seinen variierenden Metren angewandt seltsam erstarrt. Die der deutschen Umgangssprache stark entfremdete Wortstellung erscheint insbesondere in der

 248 Voß (Ü), Aristofanes (1821), Bd. 2, 313. 249 Voß (Ü), Aristofanes (1821), Bd. 2, 242.

  Deutsche Aristophanes-Übersetzungen im Vergleich Komödie deplaziert, da es hier mehr als in jeder anderen dramatischen Gattung auf sprachliche Unmittelbarkeit, auf Gewandtheit und Wortwitz ankommt, 250 denen sich für gewöhnlich alle übrigen Gestaltungsmittel unterzuordnen haben, was im griechischen Ausgangstext ja durchaus der Fall ist. Was nun den Bereich des Obszönen betrifft, so war festzustellen, dass Voß hier von seinem ansonsten streng beachteten Postulat der sprachlich genauen Nachbildung des Originals häufig abweicht. Während er skatologische Ausdrücke noch nahezu unverhüllt darstellt – man erinnere sich an das Voß zugeschriebene Jugendgedicht an einen Dukaten Scheisser (s. o. 3.3.1.3.1 [Exkurs 2]) –, tendiert er in Bezug auf die Sexualia stets zu eher abmildernden Übertragungen. Auch erscheint der von Voß d. J. zusammengestellte und ohnehin schon sehr knapp gehaltene Anmerkungsteil in Bezug auf die Erklärung obszöner Anspielungen und Doppeldeutigkeiten äußerst dürftig. Mögen diese Ungenauigkeiten und Flüchtigkeiten zum Teil auch der Eile geschuldet sein, mit der das Übersetzungsprojekt binnen eines Jahres zum Abschluss gebracht wurde, so lässt sich an Voß’ Aristophanes-Gesamtübersetzung, von der hier die Lysistrate exemplarisch herausgegriffen wurde, doch deutlich erkennen, dass die obszöne Sprache der Alten Komödie auch im zweiten Jahrzehnt des 19. Jahrhunderts noch eine große Hürde darstellt, vor der selbst einer der bedeutendsten und produktivsten Vertreter der mimetischen Übersetzungspraxis zurückschreckt. Gleichwohl rief, wie bereits eingangs bemerkt, das Erscheinen der ersten deutschen Gesamtübersetzung des Aristophanes im Jahr 1821 keine empörten Publikumsreaktionen mehr hervor, wie sie noch knapp 50 Jahre zuvor Johann Justus Herwig begegnet waren (s. o. 2.3.4.4). .... Rezensionen / Urteile / Stellungnahmen Die zeitgenössischen Rezensenten von Voß’ Aristophanes-Übersetzung kamen gleichwohl zu recht unterschiedlichen Urteilen. Sehr angetan zeigt sich der anony-

 250 Vgl. hierzu Schleiermacher, Ueber die verschiedenen Methoden des Uebersetzens (1813), 78: „Diese Kunstgattung [i. e. die Komödie] liegt, was die Sprache betrifft, dem Gebiet des geselligen Gesprächs am nächsten. Die ganze Darstellung lebt in den Sitten der Zeit und des Volkes, die sich wiederum vorzüglich in der Sprache lebendig spiegeln. Leichtigkeit und Natürlichkeit in der Anmuth sind ihre erste Tugend; und eben deshalb sind hier die Schwierigkeiten der Uebersetzung nach der eben betrachteten Methode [i. e. Bewegen des Autors zum Leser; d. Verf.] ganz ungemein. [...] Der Uebersetzer nach der andern Methode [i. e. Bewegen des Lesers zum Autor; d. Verf.] hat gar keine Aufforderung zu solchen eigenmächtigen Veränderungen, weil sein Leser immer gegenwärtig behalten soll, daß der Verfasser in einer andern Welt gelebt und in einer andern Sprache geschrieben hat. Er ist nur an die freilich schwere Kunst gewiesen die Kenntniß dieser fremden Welt auf die kürzeste zweckmäßigste Weise zu suppliren, und überall die größere Leichtigkeit und Natürlichkeit des Originals durchleuchten zu lassen.“

Porträts der ausgewählten Übersetzungen und Bearbeitungen der Lysistrate  

me 251 Rezensent der Jenaer Allgemeinen Literatur-Zeitung. Er hebt zunächst Voß’ Verdienst hervor, als erster Deutscher überhaupt eine Gesamtübersetzung des Aristophanes vorgelegt zu haben: Ja mehrere haben geradezu schon behauptet, darunter auch A. W. Schlegel (s. über dram. Kunst und Liter. I, S. 316), dieser Dichter bleibe aus vielen Gründen im Ganzen unübersetzlich für uns. Um so grösseren Muth erheischte es, das Wagestück zu bestehen. 252

In diesem Zusammenhang befasst sich der Rezensent auch eingehend mit der Frage nach der übersetzerischen Treue, die seiner Auffassung nach auch bei Aristophanes und auch in Bezug auf ‚Anstößiges‘ unbedingt anzustreben sei. Eine Halbmaxime, von deren Zulässigkeit und Anwendbarkeit gerade bey dem Aristophanes sonst auch schon gesprochen wurde, als ob eine gewisse Untreue in vielen Fällen eben bey ihm die beste Treue wäre, konnte V. nicht genügen, weil im Grunde eine solche Maxime, wenn von Uebersetzung, nicht von freyer Nachbildung die Rede ist, leicht sich selbst zerstört, da sie zu weit führt, und wenn einmal keine Grenzen gesteckt sind, für eine solche Freyheit, dem Libertinismus Thür und Thor öffnet, so dass zuletzt von eigentlicher Dollmetschung wenige Spuren zurückbleiben. Wer den Aristophanes, wie er ist, uns wiedergeben will, muss die Kühnheit haben, mit nichten zu viel der leider! oft nur mehr am Aeussern haftenden Sittsamkeit unserer Zeit durch Auslassungen oder Verschleyerungen, oder auch Umbildungen mit Hinwinken [sic] auf neue Zeit, neue Sitte da besonders huldigen zu wollen, wo das nackte Bild und Zeichen, was es auch gegen unsere Uebereinkommnissbegriffe von Anstand und Ehrbarkeit anstossen mag, nicht selten wegen des höheren ernsten Zweckes den der Dichter überall verfolgt, und dem jede Lüsternheit fremd seyn musste, ganz recht an seiner Stelle war. 253

Damit die Übersetzung bei aller Treue dennoch keinen allzu großen Unwillen bei ihren Lesern errege, sollte ein Übersetzer – wie Voß es nach Meinung des Rezensenten beispielhaft vorgemacht habe – den „gemeineren“ Ausdruck stets zu meiden versuchen und sich stattdessen für eine „andeutende Umbeugung“ des Gemeinen entscheiden: Ein Uebersetzer wird also mit der sorgfältigsten Wahl in seiner Sprache zu verfahren haben, und wenn er auch den eigentlichen Ausdruck für die Bezeichnung einer Sache aus Treue gebraucht, den gemeineren doch verschmähen, bey Theilen des Körpers aber, welche zu nennen Schamhaftigkeit uns am wenigsten erlaubt, den Geschlechtsgliedern, z. B. wie Voss auch fast

 251 Lt. Hoffmann, Bibliographisches Lexicon der gesammten Litteratur der Griechen (1838), 264, handelt es sich bei dem Rezensenten um [den Dichter und Tübinger Philologie-Professor Karl Philipp] Conz. 252 Anonymus [Conz], [Rez. zu] Aristofanes von Johann Heinrich Voss (1822), Teil 1, Sp. 545. 253 Anonymus [Conz], [Rez. zu] Aristofanes von Johann Heinrich Voss (1822), Teil 1, Sp. 546.

  Deutsche Aristophanes-Übersetzungen im Vergleich immer gethan, eher eine andeutende Umbeugung, nicht eine solche Verschleyerung, die erst anstössig oder gar lächerlich werden könnte, sich gestatten. 254

Der Rezensent betont, dass Voß, ganz wie man es von ihm erwartet habe, eine „sinngetreue, reindeutsche und, was das Rhythmische betrifft, vorzügliche Verdeutschung“ geliefert habe, 255 und geht im Folgenden näher auf einzelne Aspekte der Übersetzung ein. Insbesondere lobt er Voß’ virtuose Sprachbeherrschung, da dieser neben dem seinerzeit geläufigen Hochdeutsch auch auf ältere Sprachformen wie das Mittelhochdeutsche und das Deutsch der Lutherbibel zurückgegriffen und sich ferner auch aus Dialektalformen wie dem Niederdeutschen sowie aus der Volkssprache bedient habe. Die angeführten Beispiele belegen, dass diese breit angelegte Ausschöpfung des deutschen Sprachvorrats nicht zuletzt auch der Wiedergabe obszöner Begriffe diente, so u. a. das mittelhochdeutsche ‚Zagel‘ für Penis oder die aus dem Niederdeutschen entlehnten Wörter ‚Puselchen‘ für Vagina und ‚durchknüllen‘ für den Sexualakt. 256 Auch Voß’ zahlreiche Wortneubildungen finden den Beifall des Rezensenten. Vor allem im zweiten Teil der Rezension steht neben Voß’ Wiedergabe der bei Aristophanes vorkommenden Sprechpartien in Barbarenkauderwelsch bzw. in griechischen Dialekten „die Uebertragung der Nacktheiten“ 257 im Vordergrund. Voß wird hier nochmals gelobt, weil ihm der schwierige Balanceakt zwischen Auslassungen bzw. Umschreibungen Wielandscher Art und allzu anstößiger Direktheit gut gelungen sei: Folgerecht konnte und wollte der Vf. hier so wenig als möglich verschleyern. Auslassungen, wie sie Wieland oft in solchen Fällen sich gestattet, kommen nur einem freyen Uebersetzer oder Paraphrasten, für den sich Wieland selbst giebt, zu; und Umschreibungen oder Andeutungen mit andern Zeichen, wie W. 171. v. 1006 fgg. (Wolf. Uebers.) *o*o sehr groß, und *i*i sehr klein – πυγην μεγαλην – ποσθην μικραν – oder gar für πρωκτος, das lateinische Podex, sind im Grunde gar keine oder doch nur oft sonderbar störende Milderungen. Voss verfuhr demnach ganz recht, wenn er ohne Rückhalt gerade auch hier oft den eigentlichsten Ausdruck wählte […]. Indessen, was die Geschlechtstheile, männliche sowohl als weibliche betrifft, welche die Sittsamkeit am meisten bey uns zu nennen verbietet, so umging er doch mit Wahl auch ihre ausdrückliche Nennung grösstentheils. 258

Es folgt eine umfangreiche Auflistung entsprechender Beispiele verbunden mit einer insgesamt recht positiven Einschätzung von Voß’ abmildernder Verfahrensweise. Der dritte und letzte Teil der Rezension befasst sich schließlich mit den „phi-

 254 Anonymus [Conz], [Rez. zu] Aristofanes von Johann Heinrich Voss (1822), Teil 1, Sp. 547. 255 Anonymus [Conz], [Rez. zu] Aristofanes von Johann Heinrich Voss (1822), Teil 1, Sp. 547. 256 Vgl. Anonymus [Conz], [Rez. zu] Aristofanes von Johann Heinrich Voss (1822), Teil 1, Sp. 549. 257 Vgl. Anonymus [Conz], [Rez. zu] Aristofanes von Johann Heinrich Voss (1822), Teil 2, Sp. 555. 258 Anonymus [Conz], [Rez. zu] Aristofanes von Johann Heinrich Voss (1822), Teil 2, Sp. 556.

Porträts der ausgewählten Übersetzungen und Bearbeitungen der Lysistrate  

lologisch-kritischen Verdienste[n]“ 259, die Voß’ Übertragung ebenfalls zuzusprechen seien, nicht zuletzt, da Voß sich bei der Textauswahl an keine der vorhandenen Ausgaben ausschließlich gehalten habe, sondern „seinem eigenen prüfenden Urtheile“ 260 gefolgt sei. In diesem Zusammenhang wird auch die Kürze des Anmerkungsteils bedauert und auf den in Aussicht gestellten vollständigen Kommentar verwiesen. Wohlwollendes Lob bringt auch der Dichter Jean Paul in seinem Dankesbrief an Voß d. J. zum Ausdruck, nachdem ihm ein Exemplar der Aristophanes-Übersetzung zugegangen war. Jean Paul, der eng mit Voß d. J. befreundet war, hatte die Entstehung des Anmerkungsteils als Korrespondenzpartner mitverfolgt: Der Übersetzer-Klimax [sic] geht durch Wieland, Wolf und Welcker hinauf; aber diesesmal steht den W’s das V voran durch Sprachfülle und lebendigen Abguß von einem Todtengesicht. Nur der grammatische Zynismus (mit der Übertragung des sittlichen versöhn’ ich mich leichter) wird bei vielen anstoßen. Die Übertragung der Wortspiele und der Wortnachbildungen gelingen freilich nur unter dem – Vossischen Dache. 261

Zu einer eher negativen Beurteilung der Voß’schen Aristophanes-Übersetzung gelangt dagegen der ebenfalls anonyme Rezensent des Hermes, der den Übersetzungen aus dem Hause Voß grundsätzlich einen eher „fabrikmäßigen Charakter“ bescheinigt. 262 So habe Voß denn auch dem Aristophanes durch sein Beharren auf metrische Treue „ein etwas steiferes Gewand angelegt, als er in seinem Mutterlande zu tragen pflegte“, was diesem bisweilen hinderlich werde, da er „nun erst um so ungezogener“ erscheine, „als er aus seinem gravitätischen Anstand heraus zu Zweideutigkeiten und Zoten sich herabläßt.“ 263 Mit Blick auf die Wiedergabe obszöner

 259 Anonymus [Conz], [Rez. zu] Aristofanes von Johann Heinrich Voss (1822), Teil 3, Sp. 561. 260 Anonymus [Conz], [Rez. zu] Aristofanes von Johann Heinrich Voss (1822), Teil 3, Sp. 561. 261 Jean Paul an Heinrich Voß, Baireuth, 3. September 1821, in: H. Voß [d. J.], Briefwechsel zwischen Heinrich Voß und Jean Paul (1833), 125. Gleichwohl bringt Jean Paul im selben Brief auch – mehr oder minder versteckte – Kritik zum Ausdruck: „Deiner Noten könnten und sollten blos mehre sein. Mir halfen sie unendlich, besonders über bloße Namen; und das Schwere und Originelle ist, daß du immer den Aristophanes blos aus dem Aristophanes erläuterst. Inzwischen sind doch auch entbehrliche mit untergelaufen; die mir entbehrlichen sind es jedem.“ (ebd.). 262 Vgl. Anonymus 1823, [Rez. zu] Aristofanes von [Johann] Heinr.[ich] Voss (1823), 4. „Wegen einer gewissen Eintönigkeit, bei noch so entlegener Verschiedenheit der Originale, in Zeit, Stoff, Bearbeitung, glaubt man überall und immer denselben Autor zu hören, der sich in allen diesen verschiedenen Werken gleichförmig ausspricht. Keine dieser Uebersetzungen hält den Ton des Originals, sondern sie sind in eine gewisse gleichschwebende Temperatur zwar voll-, aber hohltönender Kraftsprache transponirt und, trotz der verschiedensten Rhythmen, doch alle von einerlei langsamen Tempo.“ (ebd.). Unmittelbar an die Voß-Rezension schließt sich ab S. 7 eine längere Abhandlung desselben Verfassers mit dem Titel Ueber die Komik des Aristophanes an. 263 Vgl. Anonymus 1823, [Rez. zu] Aristofanes von [Johann] Heinr.[ich] Voss (1823), 5.

  Deutsche Aristophanes-Übersetzungen im Vergleich Ausdrücke wird vor allem die bereits erwähnte uneinheitliche Behandlung von Fäkalia und Sexualia kritisiert: Bei der Abweichung, die der Uebersetzer sich von der natürlichen und leichten Sprache des Originals erlaubte, ist es nicht zu begreifen, warum gerade alle auf die Oekonomie der Naturbedürfnisse sich beziehenden Ausdrücke mit unnöthiger, oft noch gesteigerter Derbheit beibehalten worden, (Weiberh. 387) während die auf Geschlechtsverhältnisse anspielenden größtentheils, wo nicht verschleiert, doch durch veraltete oder provinzielle Redensarten unkenntlich gemacht, oder ins Allgemeine gespielt worden, z. B. Weiberh. 623. 643. 647. 651. 264

Insgesamt, so der Rezensent, sei die Voß-Übersetzung – auch aufgrund der oftmals fehlenden Leichtigkeit und Verständlichkeit 265 und angesichts des zumeist oberflächlichen, an die Scholiasten angelehnten Anmerkungsteils 266 – lediglich als ein „künftigem Gelingen vorarbeitendes Unternehmen“ anzusehen. 267 Die Kritik an der fabrikmäßigen Übersetzungsroutine verstetigt sich in der Folgezeit ebenso wie das Anbringen von bildhaften Voß-Vergleichen, die den Übersetzer als grobschlächtigen Handwerker karikieren. 268 So spricht Heinrich Heine in einem Brief an seine Freundin Friederike Robert 1825 von der „plump-vossischen Uebersetzung“ der Vögel 269, der nachmalige Aristophanes-Übersetzer Johann Gustav Droysen erwähnt 1834 Johann Gottlieb Welcker gegenüber den „essigsauren Voß“, auf dessen Übersetzung er bei der Publikation seines Aufsatzes Des Aristophanes Vögel und die Hermokopiden nicht zurückgreifen mochte, 270 und August Wilhelm

 264 Anonymus 1823, [Rez. zu] Aristofanes von [Johann] Heinr.[ich] Voss (1823), 5 f. 265 Vgl. Anonymus 1823, [Rez. zu] Aristofanes von [Johann] Heinr.[ich] Voss (1823), 6. 266 Vg. Anonymus 1823, [Rez. zu] Aristofanes von [Johann] Heinr.[ich] Voss (1823), 6. 267 Vgl. Anonymus 1823, [Rez. zu] Aristofanes von [Johann] Heinr.[ich] Voss (1823), 7. Wilhelm von Humboldt bemerkt nach der Lektüre dieses Artikels in einem Brief an Friedrich August Wolf: „Dass man Voß endlich einmal sagte, daß er wirklich und recht absichtlich untreu ist, war sehr gut. Allein der Rec. fertigt ihn zu kurz ab. Die Untreue hätte in allen ihren Abarten und besonders auch an feineren Beispielen gezeigt werden sollen. Dann aber hätte man gerechter seyn müssen. Auch im Aristophanes giebt es Stellen, und große, wo die Uebersetzung wirklich die gerügten Fehler nicht hat, und im höchsten Grade gelungen ist.“ (W. v. Humboldt an F. A. Wolf, 15. September 1823, in: Humboldt, Wilhelm von Humboldt’s gesammelte Werke, Bd. 5 (1846), 310 f. 268 S. auch o. 3.3.1.3.1 (Exkurs 1) u. ebd. Anm. 215. 269 Heinrich Heine an Friederike Robert, Lüneburg, 12. Oktober 1825, in: Heine, HSA, Bd. 20, 218 f. 270 In seinem Aufsatz, der wenig später in der von Welcker herausgegebenen Zeitschrift Rheinisches Museum erscheint (Droysen, Des Aristophanes Vögel und die Hermokopiden [1835/36]), verwendet Droysen für die Textzitate aus Aristophanes anstelle der Voß-Übersetzung seine eigene, ursprünglich für private Zwecke angefertigte Übersetzung der Wolken (zu Droysens AristophanesÜbersetzungen s. auch u. 3.3.2.1). An Welcker schreibt er: „Was aber werden Sie sagen, daß ich aus den Aristophanischen Vögeln in einer Übersetzung zitiert habe, die nicht publici iuris ist? Es war ein Scherz, daß ich vor Jahr und Tag meinem Freunde Felix Mendelssohn, der gern den alten Spötter kennenlernen wollte, die Vögel übersetzte. [...] Haben Sie Nachsicht, wie sonst schon so oft; lassen Sie mir den kleinen Scherz, denn so mag es nur gelten, durchgehen; ich konnte mich nicht über-

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von Schlegel bemerkt in der dritten, posthum 1846 erschienenen Ausgabe seiner Vorlesungen über dramatische Kunst ätzend: Ja, der rüstigste aller Vers-Zimmerleute, Voß, hat einen vollständigen Aristophanes, roh von seiner Hobelbank, mit Pflöcken zusammengekeilt. Hoffentlich wird kein Mann von Geschmack in Deutschland glauben, daß da der ächte Atticismus zu finden sei. 271

Insgesamt stößt Voß’ Aristophanes-Übersetzung bei den Zeitgenossen auf eine vergleichsweise hohe Resonanz. In den Rezensionen wird der Bereich des Obszönen nahezu auf gleicher Ebene wie die sprachlich-grammatische Qualität oder die Metrik abgehandelt. Kritik positiver wie negativer Art wird hier zudem durch zahlreiche Übersetzungsbeispiele illustriert und untermauert. Moralisierende Stellungnahmen, wie sie in entsprechenden Abhandlungen des 18. Jahrhunderts häufig anzutreffen waren, finden sich in den hier betrachteten zeitgenössischen Reaktionen nicht. Vielmehr legt man nunmehr gesteigerten Wert darauf, dass das Obszöne – im Sinne einer dem Original verpflichteten Wiedergabe der Komödien – in gleicher Weise wie Satzbau und Versmaß seine Entsprechung in der Übersetzung finden soll. Die Meinungen, inwieweit Voß dies gelungen sei, gehen dabei freilich auseinander. Einer uneingeschränkt positiven Aufnahme der Übersetzung stand in diesem Fall jedoch nicht Voß’ Wiedergabe der Obszönitäten entgegen, sondern vielmehr sein geradezu starrsinniges Festhalten an einer Übersetzungsweise, die – trotz anderslautender Zielsetzung – weniger die Eigentümlichkeiten des Originals als diejenigen des Übersetzers hervorkehrt.

.. Drei Beispiele aus den Gesamtübersetzungen des 19. Jahrhunderts 14 Jahre nach Voß legte Johann Gustav Droysen die zweite deutsche Gesamtübersetzung des Aristophanes vor (s. u. 3.3.2.1) und gab damit zugleich den Auftakt zu einer

 winden, den essigsauren Voß abzuschreiben.“ (Droysen an Welcker, 1. September 1834, in: Droysen, Briefwechsel, Bd. 1, 67.) Vgl. hierzu auch Kitzbichler (2012), 72 Anm. 26. 271 A. W. Schlegel, August Wilhelm von Schlegel’s Vorlesungen über dramatische Kunst und Litteratur. Dritte Ausgabe (1846), Erster Theil, 210. Ähnlich urteilt auch Otto Friedrich Gruppe, der in seiner Deutschen Uebersetzerkunst (1866) bemerkt, dass Voß’ Aristophanes-Übersetzung bereits in jene späte Lebensphase fällt, als „Manier und Handwerk das Uebergewicht bekamen“ und dass, auch wenn Voß mit seinem Homer einst „den Grundstein deutscher Uebersetzerkunst gelegt“ habe, doch „mehr als die Hälfte seiner Uebersetzungsarbeiten für ein warnendes Beispiel dessen gelten [könne], was man zu meiden habe.“ (Gruppe, Deutsche Uebersetzerkunst [1866], 92 f.). Und Wilhelm Schmid schreibt in seiner Überblicksdarstellung Aristophanesübersetzungen, die der 1910 erschienenen Neuauflage von Ludwig Seegers Gesamtübersetzung (s. auch u. 3.3.2.2) vorangestellt ist: „Mit schwerer Hand hat dieser Antipode Wielands die Sprache und den Vers vergewaltigt um der Illusion der Wort- und Buchstabentreue willen.“ (Schmid [1910], 18).

  Deutsche Aristophanes-Übersetzungen im Vergleich Serie von letztlich insgesamt sechs Aristophanes-Gesamtübersetzungen, die in einem Zeitraum von nur 30 Jahren entstanden. 272 Das große Interesse an dem attischen Komiker war in jener Zeit vor allem durch die politische Situation in der Zeit des deutschen Vormärz begründet. 273 Bereits frühere Aristophanes-Übersetzer hatten historische Parallelen zwischen den Ereignissen zur Zeit des Aristophanes und den Geschehnissen der eigenen Gegenwart erkannt, so etwa Wieland, der 1793 das von Demagogen beherrschte Athen des ausgehenden 5. Jahrhunderts mit den demokratischen Auswüchsen im nachrevolutionären Frankreich verglich (s. o. 2.3.5.3 u. ebd. Anm. 382), und August Christian Borheck, der 1806 auf die Ähnlichkeit der Konflikte zwischen Athen und Sparta während des Peloponnesischen Krieges sowie Frankreich und England in der Zeit der Napoleonischen Kriege hinwies (s. o. 3.3.1.2 [Beitrag] u. ebd. Anm. 116). So verbreitete sich allmählich die Auffassung, dass einerseits die gegenwärtige politische Situation Rückschlüsse auf das politische Klima in Athen zur Zeit des Aristophanes ermögliche und dass auch das Vergangene Aufschluss über die Gegenwart geben könne. Im Zuge dieser Erkenntnis wurde auch der beißende, oftmals obszöne Spott der Aristophanes-Komödien, der in der Zeit der Aufklärung noch als unmoralisch, unverhältnismäßig und verletzend verpönt war (s. o. 2.3.5.3 u. ebd. Anm. 388), seit der Goethezeit zunehmend als ein geeignetes Mittel verstanden – und von zeitgenössischen Dichtern auch eingesetzt –, um sich mit persönlichen Gegnern, den politischen Verhältnissen oder den Widrigkeiten des Alltags in satirisch-reflektierter Form auseinanderzusetzen. 274 Bereits am Ende des 18. Jahrhunderts waren verschiedene ‚Aristophanische‘ Komödien entstanden, die  272 Nach Droysen übersetzten im 19. Jahrhundert auch Carl Friedrich Schnitzer (1836–1854), Hieronymus Müller (1843–1846), Ludwig Seeger (1845–1848), Johannes Minckwitz und Ignaz Emanuel Wessely in Gemeinschaftsarbeit (1855–1865) sowie Johann Jakob Christian Donner (1861/62) den gesamten Aristophanes. Außerdem entstanden in dieser Zeit auch zahlreiche Übersetzungen einzelner Komödien. Vgl. hierzu Kitzbichler (2014), 47 f. Von den genannten Gesamtübersetzungen werden in der vorliegenden Arbeit diejenigen von Seeger (s. u. 3.3.2.2) und Minckwitz/Wessely (s. u. 3.3.2.3) genauer untersucht. 273 Hingewiesen sei in diesem Zusammenhang auf Martin Holtermanns Monographie Der deutsche Aristophanes. Die Rezeption eines politischen Dichters im 19. Jahrhundert (2004). Holtermann gibt in den ersten Kapiteln seiner Arbeit einen umfassenden Überblick über die vor dem eigentlichen Untersuchungszeitraum liegende Aristophanes-Rezeption seit der Antike. Ein Großteil der Darstellung widmet sich schließlich den Entstehungsbedingungen, Aristophanes-Bezügen und politischen Implikationen der sogenannten Aristophanischen Komödien des 19. Jahrhunderts. Auf Holtermanns Darstellung wird im Folgenden immer wieder Bezug genommen. Zum Einfluss des Aristophanes auf die deutsche Komödie vgl. ferner C. Hille (1907), zur Aristophanes-Rezeption in der Goethezeit und im Vormärz vgl. Kitzbichler (2014), 32–52. 274 Goethes Schwager Johann Georg Schlosser hatte 1783 in der Vorerinnerung zu seiner Übersetzung der Frösche erstmals auf die ‚Ventilfunktion‘ der Komödie hingewiesen, deren Wirkung darin bestehe, „den Druck worunter sie [sc. die Untertanen] seufzen, auf eine Art an den Tag zu legen, und ihrer Galle auf eine Art Luft zu schaffen.“ [Schlosser], Vorerinnerung (1783), 10. Vgl. Holtermann (2004), 63. S. dazu auch o. 2.3.5.1 Anm. 337.

Porträts der ausgewählten Übersetzungen und Bearbeitungen der Lysistrate  

zeitgenössische Themen im Stil der Alten Komödie präsentierten. 275 Hierzu gehörten die beiden oben (s. 2.3.5) erwähnten, gegen Wieland gerichteten Stücke von Goethe (Götter, Helden und Wieland, 1774) und Lenz (Die Wolken, 1775) sowie Goethes Adaptation der Vögel (1780) (ebd.), die entweder Aristophanische Werktitel trugen oder im Fall von Goethes Wieland-Farce motivische Anleihen bei Aristophanes’ Fröschen nahmen. Bei diesen Stücken handelte es sich aber keineswegs um Übersetzungen im eigentlichen Sinn, sondern vielmehr um sehr freie, aktualisierende Bearbeitungen, in denen zeitgenössische Persönlichkeiten und Themen an die Stelle der von Aristophanes verspotteten attischen Prominenten und Ereignisse traten. Das ‚Aristophanische‘ lag hier freilich, wie auch bei den ebenfalls an Aristophanes anknüpfenden romantischen Komödien des frühen 19. Jahrhunderts, 276 zunächst noch in erster Linie im Bereich des Ästhetischen, etwa durch das Aufgreifen gattungstypischer Formelemente wie Personalsatire, Phantastik, Illusionsbruch und Chorlied oder durch das Anknüpfen an Aristophanische Genres wie die Philosophenkomödie oder den Dichterwettstreit. 277 In der Zeit des Vormärz schließlich, verlagerte sich der ‚Aristophanische‘ Charakter derartiger Komödien dann immer stärker auf den Bereich des Politischen. 278 Die Komödie wurde nunmehr vor allem als „demokratische Institution“ verstanden, 279 als ein Instrument der politischen Agitation und der unmittelbaren Einflussnahme auf die realen Verhältnisse. Die Verspottung der Hegelianer 280 oder der Theoriegläubigkeit der Deutschen im Allgemeinen 281 gehörten damit

 275 Eine ähnliche Erscheinung war schon im 16. Jahrhundert zu beobachten, als zahlreiche neulateinische und volkssprachliche Komödien in Aristophanischem Stil vorgeblich zum Zwecke der moralischen Belehrung der Jugend entstanden. S. dazu auch o. 2.3.2.2 u. ebd. Anm. 117. 276 Als ‚Aristophanisch‘ gelten hier insbesondere die Komödien Ludwig Tiecks Der Gestiefelte Kater (1797), Die verkehrte Welt (1797) und Prinz Zerbino (1799) (vgl. hierzu aber Holtermann [2004], 123–128 u. Kitzbichler [2014], 35), ferner – mit größerer Berechtigung – Friedrich Rückerts Trilogie Napoleon, eine politische Komödie in drey Stücken (1815–18), deren dritter Teil allerdings nicht mehr ausgeführt wurde (vgl. Holtermann [2004], 127–129 u. Kitzbichler [2014], 36), sowie August von Platens Literatursatiren Die verhängnisvolle Gabel (1826) und Der romantische Oedipus (1829), letztere mit Attacken gegen zeitgenössische Dichterkollegen wie Karl Leberecht Immermann und vor allem Heinrich Heine (vgl. Holtermann [2004], 129–132 u. Kitzbichler [2014], 36). Platens antisemitische Ausfälle gegen Heine pariert jener in seinen Bädern von Lukka (1829) mit „ausgedehnter[r], skatologisch geprägte[r] Polemik [...] gegen Platens Homosexualität“ (Holtermann [2004], 133); zum ‚Platen-Heine Streit‘ vgl. Holtermann (2004), 132–139. Zur Funktion des Obszönen bemerkt Holtermann in diesem Zusammenhang: „Im Zuge dieser transformativen Rezeptionen scheint zum ersten Mal der Nexus von Sexualität und Politik auf, der zu den wichtigsten Mitteln von Aristophanes’ politischer Kunst gehört, vorher aber so gut wie nicht gesehen wurde.“ Ebd. 138. 277 Vgl. hierzu ausführlich Kitzbichler (2014), 33–36. 278 Vgl. Kitzbichler (2014), 36–39. 279 Vgl. Holtermann (2004), 189 mit Verweis auf entsprechende Äußerungen bei Kanngießer, Die alte komische Bühne in Athen (1817). 280 So etwa bei Otto Friedrich Gruppe (unter dem Pseudonym Absolutus von Hegelingen), Die Winde oder ganz absolute Konstruction der neuern Weltgeschichte durch Oberons Horn (1831), und

  Deutsche Aristophanes-Übersetzungen im Vergleich ebenso zu den Themen der „politischen Aristophaniden“ (Holtermann, 176) des Vormärz wie die Kritik an zeitgenössischer Burschenschaftsromantik, Deutschtümelei, Obrigkeitshörigkeit und reaktionärer Gesinnung 282. Auch wenn die unmittelbare politische Wirksamkeit jener Komödien rückblickend wohl als eher gering einzustufen ist, so bleibt ihren Verfassern gemäß Holtermann doch das Verdienst, die „revolutionären und demokratischen Potentiale des Aristophanes“ aktiviert, seiner „emanzipatorischen Wirkung“ nachgespürt und damit auch das „lebendige Potenzial“ seiner Werke sichtbar gemacht zu haben. 283 Damit war, wie Holtermann darlegt, eine der wichtigsten Voraussetzungen dafür geschaffen, dass „Aristophanes’ Komödien im 19. Jahrhundert ‚wiederbelebt‘ werden konnten.“ 284 Neben den Aristophanischen Adaptationen erschienen im Verlauf des 19. Jahrhunderts auch verschiedene kulturgeschichtliche Abhandlungen, die die antike Theater- und Komödientradition aus unterschiedlichen Perspektiven beleuchteten, so etwa die seinerzeit stark rezipierte Monographie Das Theater zu Athen (1818) des Architekten Hans Christian Genelli, der vor allem architektonische und bühnentechnische Fragen in den Mittelpunkt seiner Untersuchung stellte und ein Kapitel auch der Aristophanischen Komödie widmete, 285 oder die umfangreiche Abhandlung Die alte komische Bühne in Athen des Breslauer Gymnasialprofessors Peter Friedrich Kanngießer (1817), der sich nicht nur mit den Entstehungs- und Aufführungsbedingungen der Alten Komödie beschäftigte, sondern auch deren Funktion – ganz im Gegensatz zu Wieland – als „kritisches Tribunal“ und „Sittengericht“ 286 und damit als wirksames demokratisches Instrument im Kampf gegen die Unterdrückung durch die Aristokratie deutet. 287 Dass die Aristophanes-Rezeption jener Zeit nicht zuletzt auch durch die zeitgenössischen Neuübersetzungen – insbesondere diejenigen von Droysen und Seeger –

 Karl Rosenkranz, Das Centrum der Speculation (1840). Zu den Hegel-Komödien vgl. Holtermann (2004), 153–157 und Kitzbichler (2014), 36. 281 In der Komödie Die Mondzügler (1843) von Heinrich Hoffmann; vgl. hierzu Holtermann (2004), 157–160. 282 In Moritz Rapps Komödie Wolkenzug (1836) oder bei Robert Prutz, Die politische Wochenstube (1844). Letztgenannte Komödie wird, so Holtermann, „gewöhnlich als die gelungenste Aristophanes-Adaption dieser Periode bezeichnet“ (Holtermann [2004], 160). Holtermann weist auch darauf hin, dass Prutz vor Obszönitäten keineswegs zurückschreckt und „überhaupt der erste unter den Verfassern Aristophanischer Komödien [ist], der die Funktion von Derbheiten in der politischen Komödie ernst zu nehmen und zu reaktivieren versucht, zumindest als schockierend entlarvendes Mittel gegen die Heuchelei und Doppelmoral seiner Zeit.“ (ebd. 161). 283 Vgl. Holtermann (2004), 183 f. 284 Holtermann (2004), 184. 285 Zu Genelli s. auch u. 3.3.2.1 (Beitrag) Anm. 303. 286 Vgl. Kanngießer, Die alte komische Bühne in Athen (1817), 451 und 467. 287 Zur Position Kanngießers vgl. ausführlich Holtermann (2004), 189–193.

Porträts der ausgewählten Übersetzungen und Bearbeitungen der Lysistrate  

geprägt wurde, hebt der Germanist Horst Denkler in seinem Aufsatz Aufbruch der Aristophaniden (1970) hervor: Neben der Übertragung Johann Gustav Droysens, die zwischen 1835 und 1838 erscheint und den meisten der selbsternannten Aristophaniden vorgelegen haben dürfte, beeindruckt vor allem die zum ‚Glied in der Kette der gründlich reformatorischen Bestrebungen unserer Tage‘ bestimmte Nachdichtung von Ludwig Seeger (1845/48) die aktivistischen Zeitschriftsteller. 288

... Johann Gustav Droysen (1835–1838) Johann Gustav Droysen (1808–1884) ist heute vor allem als Historiker bekannt. Seine berufliche Laufbahn begann er jedoch als Philologe. 289 Geboren im pommerschen Treptow an der Rega (heute Trzebiatów), nahm er nach dem Besuch des Stettiner Marienstiftsgymnasiums im Jahr 1826 ein Studium an der Berliner Universität auf. Im Hauptfach studierte er Philologie, besuchte daneben aber auch philosophische Vorlesungen, u. a. bei Hegel, sowie Vorlesungen aus den Bereichen Geographie, Geschichte, Recht und Theologie. Auf dem Gebiet der Philologie wurde Droysen in erster Linie durch seinen Lehrer August Boeckh beeinflusst, dessen historischphilologischer Ansatz später u. a. auch in Droysens Übersetzungsarbeiten seinen Niederschlag finden sollte. 290 Nachdem er sein Studium 1829 zunächst mit dem Oberlehrer-Examen abgeschlossen hatte – die Promotion holte er 1831 nach 291 –, war Droysen mehrere Jahre als Lehrer am Berliner Gymnasium zum Grauen Kloster tätig. Auch nach seiner Habilitation (1833) und seiner Berufung auf eine (unbezahlte) außerordentliche Professur an der Berliner Universität (1835) blieb er finanziell auf seine Stelle im Schuldienst angewiesen. In dieser Zeit entstanden auch Droysens

 288 Denkler (1970), 138. 289 Zu Droysens Biographie vgl. u. a. Hintze (1904) und Hackel (2008) sowie zu Leben und Werk Nippel (2008). Josefine Kitzbichler hat mit ihrer im Jahr 2014 erschienenen Dissertation Poetische Vergegenwärtigung, historische Distanz. Johann Gustav Droysens Aristophanes-Übersetzung (1835/38) (2014) eine umfangreiche Untersuchung zu Droysen als Aristophanes-Übersetzer vorgelegt (s. auch o. 2.1). Bereits 2012 war hierzu ihr Aufsatz „Minder philologisch als künstlerisch“. Johann Gustav Droysens Aristophanes-Übersetzung erschienen (Kitzbichler [2012]). Für die freundliche Überlassung des Dissertationsmanuskriptes vor Drucklegung des Bandes sei Josefine Kitzbichler an dieser Stelle herzlich gedankt! 290 Boeckh verfolgte – in Abgrenzung zu der reinen Wortphilologie, wie sie vor allem von Gottfried Hermann vertreten wurde – den Ansatz einer umfassenden Altertumswissenschaft, die nicht allein auf die Rekonstruktion der antiken Texte abzielte, sondern auf eine historische Rekonstruktion des griechisch-römischen Altertums insgesamt. Er distanzierte sich von der klassizistischen Auffassung einer ‚idealen‘ Antike und nahm stattdessen verstärkt auch deren lebensweltliche Aspekte in den Blick, indem er auch das in den Nachbardisziplinen gewonnene archäologische, historische und kunsthistorische Realienwissen für die Interpretation antiker Autoren fruchtbar machte; vgl. hierzu Vogt (1979) und Poiss (2010). 291 Droysen, De Lagidarum regno Ptolemaeo VI Philometore rege scripsit J. G. D. (1831).

  Deutsche Aristophanes-Übersetzungen im Vergleich Gesamtübersetzungen des Aischylos (1832) und des Aristophanes (1835–1838). 292 Nachdem sich Droysens wissenschaftliche Interessen immer stärker auf das Gebiet der Alten Geschichte verlagert hatten und er in diesem Bereich auch mit einschlägigen Publikationen hervorgetreten war, 293 wurde er 1839 auf ein Ordinariat für Geschichte in Kiel berufen, wo er sein Forschungsgebiet auch auf die neuere deutsche, insbesondere die preußische Geschichte ausweitete. Droysen, der sich politisch stark im Schleswig-Holsteinischen Freiheitskampf engagierte, wurde 1848 als Abgeordneter der beiden Herzogtümer in die Frankfurter Paulskirchenversammlung entsandt, sah sich jedoch – nachdem 1850 die Herrschaft über Schleswig und Holstein Dänemark zugesprochen worden war – dazu veranlasst, aus Kiel fortzugehen. Er folgte einem Ruf nach Jena, bevor er schließlich 1859 als ordentlicher Professor für Geschichte an die Berliner Universität zurückkehrte, an der er bis zu seinem Tode lehrte. Droysens Beitrag zur Aristophanes-Übersetzung Vor dem Hintergrund der oben skizzierten historisch-politischen Neubewertung der Alten Komödie, die von dem vor allem auf sprachlich-metrische Aspekte bedachten Voß noch gänzlich unbeachtet geblieben war, ist auch die Entstehung von Droysens Aristophanes-Gesamtübersetzung zu betrachten. Sie erschien zwischen 1835 und 1838 in insgesamt drei Bänden und kann wohl zu Recht als das erste Beispiel einer erfolgreichen „Wiederbelebung“ des attischen Dichters im 19. Jahrhundert angesehen werden. Ihr vorausgegangen war – nur wenige Jahre zuvor 294 – eine durch

 292 Im Jahr 1840 erschien außerdem eine Übersetzung von Ciceros De finibus bonorum et malorum, die Droysen, wie er selbst in einem handschriftlich überlieferten Schriftenverzeichnis notierte, „[b]loß fürs Geld“ zu einem Sammelband beigesteuert hatte (vgl. Blanke [2008], 174). Die Übersetzung erschien unter dem Titel Cicero’s Bücher vom höchsten Gut und höchsten Uebel im ersten Band der von Reinhold Klotz herausgegebenen Sammlung Cicero’s sämmtliche Werke. In deutschen Uebertragungen (1840). Sie ist im Gegensatz zu Droysens Übersetzungen des Aischylos und des Aristophanes nahezu unbekannt und wird – wie Kitzbichler (2014), 60, anmerkt – in vielen Werkverzeichnissen gar nicht aufgeführt. 293 Im Rahmen seines Extraordinariats hielt Droysen nicht nur Vorlesungen zur Philologie, sondern wandte sich verstärkt auch historischen Themen zu; vgl. Hackel (2008), 113–126. Vor allem aber gelang es Droysen, sich mit seinen erfolgreichen Monographien Geschichte Alexanders des Großen (1833) und Geschichte der Nachfolger Alexanders (1836) – später folgte noch die Geschichte der Bildung des hellenistischen Staatensystems (1843) – als Historiker zu profilieren. Die Neuauflage der drei Werke erschien 1877/78 unter dem Gesamttitel Geschichte des Hellenismus. 294 In der Vorrede zu seiner Aristophanes-Übersetzung gibt Droysen als Entstehungszeit das „Ende des Jahres 1830“ an; vgl. Droysen, Vorrede [zu Aristophanes: Werke, Bd. 1] (1835), VIII. In seinem handschriftlichen Schriftenverzeichnis von 1859 dagegen notiert er: „Schon 1831 wenn ich mich recht entsinne, hatte ich die Vögel in einer theilweise erhaltenen freien Uebertragung versucht.“ Vgl. Blanke (2008), 173. Beide Angaben dürften – nach Kitzbichler – unzutreffend sein, da Mendelssohn zwischen Mai 1830 und Juni 1832 gar nicht in Berlin war. Eher kommt daher die zweite Hälfte

Porträts der ausgewählten Übersetzungen und Bearbeitungen der Lysistrate  

Droysens Jugendfreund Felix Mendelssohn-Bartholdy 295 angeregte Übertragung der Vögel. 296 Im Unterschied zu Droysens späterer Gesamtübertragung handelte es sich bei dieser frühen Version der Vögel um eine – der zeitgenössischen Mode entsprechende – aktualisierende Wiedergabe der Komödie, in der, wie Droysen in der Vorrede zum ersten Aristophanes-Band berichtet, die im Original erwähnten zeitgeschichtlichen Ereignisse und prominenten Persönlichkeiten konsequent durch entsprechende Geschehnisse und Personen der eigenen Zeit ersetzt wurden: [A]us dem Medischen Hahn machte sich wie von selbst der Gallische Hahn, der statt der Tiara die rothe Mütze trägt, und noch heute der Höfe Tyrann ist, u. s. w. 297

Droysen selbst verweist in diesem Zusammenhang auf Goethes modernisierende Bearbeitung der Vögel aus dem Jahr 1780. 298 Daneben lassen sich aber auch deutliche Berührungspunkte zu den zeitgenössischen, politisch engagierten ‚Aristophaniden‘ (s. o. 3.3.2) erkennen. Droysens erste Übersetzung der Vögel ist heute verloren, 299 einige wenige Passagen haben sich jedoch in einer altertumswissenschaftli-

 des Jahres 1832 in Frage, nachdem Mendelssohn von seiner Italien-Reise zurückgekehrt war; vgl. Kitzbichler (2014), 63 f. (ebd. S. 64 wurde jedoch die Zuordnung der Quellen und Jahresangaben im Text und den zugehörigen Anmerkungen 44 u. 45 vertauscht). 295 Mendelssohns Bekanntschaft hatte Droysen während seiner Berliner Studienzeit gemacht. Ob er zunächst als Hauslehrer für den nur um ein halbes Jahr jüngeren Mendelssohn engagiert war, oder ob beide sich an der Berliner Universität kennenlernten, bleibt unklar. (Vgl. Hackel (2008), 31 [Anm. 1]; s. ferner ebd. 15). Belegt ist jedoch, dass Droysen etwa seit dem Herbst 1827 zum engeren Freundeskreis der vier Mendelssohn-Geschwister zählte und regelmäßig an den musikalischgeselligen Abendveranstaltungen teilnahm, die in dem herrschaftlichen Palais der Familie an der Leipziger Straße abgehalten wurden. Die Freundschaft zu Mendelssohn wurde später auch über lange Zeiten der Trennung hin brieflich aufrechterhalten und bestand bis zum Jahr 1847, dem Todesjahr der Geschwister Fanny und Felix, fort; vgl. G. Droysen (1902), Wehmer (1959), ferner Hackel (2008), 23–31 und Appold/Back (2008), 20 f. 296 Droysen selbst äußert sich zu dieser Erstfassung in einem Brief an Friedrich Gottlieb Welcker aus dem Jahr 1834: „Es war ein Scherz, daß ich vor Jahr und Tag meinem Freunde Felix Mendelssohn, der gern den alten Spötter kennen lernen wollte, die Vögel übersetzte; weil es nicht für die Öffentlichkeit bestimmt war, folgte ich ganz meiner Laune und Ansicht über die mögliche Treue und erlaubte Untreue; meinem künstlerischen Freunde zu gefallen sah ich auf nichts emsiger, als der Übersetzung die künstlerisch schöne Form, die unendlich holdselige Leichtigkeit und poetische Farbigkeit des Originals zu erhalten.“ Droysen an Welcker, 1.9.1834, in: Droysen, Briefwechsel, Bd. 1 (1929), 67. 297 Droysen, Vorrede [zu Aristophanes: Werke, Bd. 1] (1835), VIII. 298 S. auch o. 2.3.5 u. ebd. Anm. 325. 299 Droysens Sohn Gustav berichtet, er habe das Manuskript, das sich „leider nicht erhalten“ habe, in seiner Jugend noch gesehen; vgl. G. Droysen (1902), 200.

  Deutsche Aristophanes-Übersetzungen im Vergleich chen Abhandlung Droysens erhalten, in der er – nach eigener Aussage – Zitate aus dieser frühen Fassung verwertet hat. 300 Zwischen 1835 und 1838 ließ Droysen dann seine dreibändige Gesamtübersetzung der Aristophanes-Komödien erscheinen, 301 in der er – wie sich zeigen wird – seine modernisierenden Ansätze größtenteils wieder aufgab, sich aber dennoch sehr darum bemühte, dem Leser die lebendige Wirkung des dramatischen Gesamtkunstwerks vor Augen zu führen. Dieses Anliegen hatte Droysen bereits in seiner 1832 erschienenen Gesamtübersetzung des Aischylos verfolgt. 302 So hatte er hier nicht nur die vollständig erhaltenen Tragödien sondern auch die überlieferten Fragmente übersetzt und darüber hinaus versucht, den Inhalt der gänzlich verlorenen Stücke zu rekonstruieren. Als einer der ersten hatte er dabei – ganz im Sinne seines Lehrers Boeckh – auch die jüngsten Erkenntnisse über die historisch-politische Dimension der Aischyleischen Tragödie, über deren trilogische Struktur sowie über die büh-

 300 Es handelt sich um Droysens Aufsatz Des Aristophanes Vögel und die Hermokopiden, der 1835/36 im Rheinischen Museum für Philologie erschien. In dem bereits zitierten Brief an Welcker, der auch Mitherausgeber der Zeitschrift war, schreibt Droysen: „Was aber werden Sie sagen, daß ich aus den Aristophanischen Vögeln in einer Übersetzung zitiert habe, die nicht publici juris ist?“ Aus den weiteren Ausführungen (s. o.) wird deutlich, dass von der Erstfassung der Vögel-Übersetzung die Rede ist; vgl. Droysen an Welcker, 1. September 1834, in: Droysen, Briefwechsel, Bd. 1 (1929), 67. Kitzbichler stellt zudem fest, dass auch in der Gesamtübersetzung „die erste Version der Vögel dort als Textschicht noch greifbar ist“; vgl. Kitzbichler (2014), 200. So wiesen von den insgesamt 80 im Hermokopiden-Aufsatz zitierten Versen lediglich 29 Verse (zumeist geringfügige) Abweichungen gegenüber der Buchfassung auf; vgl. Kitzbichler (2014), 64–66 u. 154–160. 301 Die ersten Spuren für Droysens Arbeit an der Gesamtübersetzung finden sich in einem Brief Droysens an Welcker aus dem Mai 1835: „Ich habe mich von meinen Freunden und Zuhörern endlich beschwatzen lassen, von Aristophanes den Frieden und die Vögel, die ich seit längerer Zeit übersetzt hatte, drucken zu lassen.“ (Droysen an Welcker, 22. Mai 1835, in: Droysen, Briefwechsel, Bd. 1 [1929], 74). Bereits im November desselben Jahres lag der erste Band, der Felix Mendelssohn gewidmet ist und neben den Vögeln und dem Frieden auch den Plutus enthält, gedruckt vor. Dem Erscheinen des zweiten Aristophanes-Bandes im Jahr 1837 (Wespen, Acharner, Ritter) ging noch die Publikation von Droysens Diadochen-Geschichte (1836) voran. Der letzte Band mit den fünf übrigen Stücken (Wolken, Lysistrate, Thesmophoriazusen, Ekklesiazusen, Frösche) kam schließlich 1838 heraus. 302 Droysen (Ü), Des Aischylos Werke (1832). Die Publikation der zweibändigen AischylosÜbersetzung hatte Droysen zunächst wohl vor allem mit dem Ziel in Angriff genommen, die Kosten für seine Promotion zu decken; vgl. Hintze (1904). Zugleich wollte er sie aber auch als Dank an die Freunde seines früh verstorbenen Vaters verstanden wissen, die ihn in seiner Ausbildung jahrelang finanziell unterstützt hatten und denen die Übersetzung gewidmet ist. Anders als bei der acht Jahre später entstandenen Übersetzung von Ciceros De finibus bonorum et malorum (vgl. o. 3.3.2.1 [Beitrag] Anm. 292), die Droysen nach eigener Auskunft „[b]loß fürs Geld“ übernommen hatte, handelt es sich bei seinem Aischylos keineswegs um eine im Schnellverfahren ausgeführte Arbeit, sondern um eine sorgfältig ausgearbeitete Übersetzung mit philologischem und übersetzerischem Anspruch. Dies wird im Folgenden noch genauer ausgeführt. Zu Droysens Aischylos-Übersetzung vgl. Trzeciok (1959) und Kitzbichler (2014), 56–60.

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nentechnischen Voraussetzungen des antiken griechischen Theaters mit einbezogen. 303 Sie werden im Anhang zur Orestie-Übersetzung – unter dem Titel „Didaskalien“ – in Form von drei Abhandlungen (Politische Stellung des Aischylos; Zeit, Ort, Art tragischer Aufführung in Athen und Darstellung der Orestea) dargelegt. Auch die übrigen Aischylos-Tragödien sind nach ihrem trilogischen Zusammenhang angeordnet, wobei die Inhalte der fehlenden Stücke und die Kontexte der Fragmente von Droysen rekonstruiert worden waren. Kritikern dieser Vorgehensweise entgegnete Droysen, es sei besser „in falschem Lichte als in gar keinem und gar nicht zu sehen“. 304 Die Darstellung der künstlerischen Wirkung des Originals und die Vermittlung einer unmittelbaren und lebensnahen, nicht einer idealistisch überhöhten Antike standen auch in Droysens Aristophanes-Übersetzung im Mittelpunkt. Sprachlich, stilistisch und metrisch sowie durch ausführliche biographische, historische und aufführungspraktische Kontextualisierung der einzelnen Komödien stellt sie, wie sich zeigen wird, einen bewussten Gegenentwurf zu der 14 Jahre älteren Vorgängerversion von Johann Heinrich Voß dar. Das Publikum fand daran offenbar Gefallen, denn im Unterschied zu Voß’ Aristophanes war Droysens Übersetzung ein nachhaltiger Erfolg beschert. Aus der Reihe der (einschließlich Voß) insgesamt sieben Aristophanes-Gesamtübertragungen des 19. Jahrhunderts wurde sie bis weit ins 20. Jahrhundert hinein – etwa gleichauf mit derjenigen Ludwig Seegers – immer wieder als Referenzübersetzung herangezogen und erlebte – ebenso wie jene – zahlreiche Neuauflagen und Bearbeitungen. 305 Exkurs: Droysens Aristophanes-Auffassung Was den Historiker Droysen zu der Beschäftigung mit dem antiken Dichter Aristophanes motivierte, war, wie aus dem Vorangehenden deutlich wurde, nicht mehr – wie noch für seine Vorgänger – die Begeisterung für eine ferne, klassischvorbildhafte Epoche, sondern vielmehr der durch die Komödien vermittelte Einblick in die Alltagswelt eines krisenhaften Zeitabschnitts der griechischen Geschichte. So überrascht es auch nicht, dass Droysens Urteil über die politischen und moralischen

 303 Die trilogische Struktur der Aischyleischen Tragödie war kurz zuvor von Welcker wiederentdeckt worden; vgl. Welcker, Die Aeschylische Trilogie Prometheus und die Kabirenweihe zu Lemnos. Nebst Winken über die Trilogie des Aeschylus überhaupt (1824). Als Standardwerk zur attischen Bühnenpraxis galt seinerzeit die von dem Architekten Hans Christian Genelli verfasste Schrift Das Theater zu Athen (1818), die sich auf Angaben Vitruvs beruft. Droysen hat sich, nach eigener Aussage, „[v]on Genelli angeregt, [...] nach Vitruv usw. und neueren Beobachtungen so genau als möglich das Modell eines Theaters gebaut“, um daran die szenische Darstellung der Orestie nachvollziehen zu können; vgl. Droysen an Welcker, 2.5.1831, in: Droysen, Briefwechsel, Bd. 1 (1929), 31. 304 Droysen an Welcker, 7.10.1831, in: Droysen, Briefwechsel, Bd. 1 (1929), 42. 305 Zu den Auflagen und Nachdrucken der Droysen-Übersetzung vgl. Kitzbichler (2014), 195 f.

  Deutsche Aristophanes-Übersetzungen im Vergleich Verhältnisse im Athen des ausgehenden 5. Jahrhunderts ausgesprochen negativ ausfällt: Die schon untergrabene Religiosität der Perikleischen Zeit wurde durch die Sophistik und die Aufklärung, die jener folgte, auf das Zuversichtlichste hinweg räsonnirt, und an ihre Stelle trat Aberglaube und Orakelsucht der Menge, Gotteslästerlichkeit und genußlüsterne Frivolität der gebildeten Jugend, Bigotterie und Heuchelei derer, die die alte gute Zeit bewahren zu wollen vorgaben. War niemals die Moralität in unserm Sinne in Attika heimisch gewesen, so wuchs jetzt die Lüderlichkeit mit der Lust an derselben bis ins Unglaubliche. 306

Vor diesem Hintergrund bewertet Droysen die Aristophanische Komödie als künstlerischen Ausdruck jener historischen Umstände, als Zeugnis von Sittenverfall und Dekadenz. Obgleich er Aristophanes wegen seiner poetischen Kunstfertigkeit sehr schätzt, gilt er ihm doch nicht mehr – wie noch den Aristophanes-Verteidigern der Aufklärung – als unangreifbare moralische Instanz inmitten einer dekadenten Gesellschaft, der er den Spiegel vorhält, 307 sondern erscheint selbst als idealtypischer und damit durchaus fehlbarer Vertreter seiner Zeit: In Zeiten gesteigerter Civilisation, wenn das Scheidewasser der Aufklärung alles Leben angefressen, wenn man sich über Sitte und Vorurtheil, über alles Ueberlieferte und Substantielle hinwegraisonnirt hat, wenn in der Fäulniß der sittlichen und religiösen Zustände das wurmhaft wimmmelnde Einzelleben immer beweglicher und bunter durch einander arbeitet, dann sind in der Poesie Erscheinungen wie die alte Komödie möglich und an der Zeit. Und in solchem Leben, solcher furchtbaren Verwirklichung der Freiheit steht Aristophanes; sein schmerzlich tolles Lachen und die tiefe Melancholie seines großen Zeitgenossen Euripides sind Ausdruck derselben geistigen Zerrissenheit, derselben Verzweiflung. 308

 306 Droysen, Einleitung [zu Aristophanes: Ritter] (1837), 301. 307 Vgl. Droysen, Einleitung [zu Aristophanes: Vögel] (1835), 263 f.: „In der Regel hält man die alte Komödie und namentlich Aristophanes für höchst patriotisch, höchst ehrenwerth, höchst moralisch; man denkt ihn sich als sittenrichterlichen Ehrenmann, der nur die lachende Maske vorhält, um mit tiefem moralischen Ernst zu rathen, was allein dem Staate helfen könnte u. s. w. Das alles ist philologisch und philosophisch bewiesen worden, und es ist förmlich Mode, in Aristophanes Komödie die höchste staatliche Einsicht und Sittlichkeit zu finden; [...]. Zum Glück genügt das einmalige unbefangene Lesen einer Aristophanischen Komödie, um zu überzeugen, daß dem nicht so ist. Sofort müßte man gestehen, daß er mindestens sehr zweideutige Mittel zu solchen Zwecken anwendete; verläumdend, um Verläumder zu züchtigen, gegen die Frechheit der Demagogen ein noch frecherer Sprecher, voll Gotteslästerlichkeit er, der oft den Verfall der Religion beklagt, schwelgend in der zotigsten Sittenlosigkeit, über die er so oft moralisiert, ist er durch alle die Fehler selbst, die er lustig an den Pranger stellt, so liebenswürdig, geistreich und zeitgemäß, wie er es ist. Es ist ein schlimmes Ding, von dieser Art des cynischen Spottes Gesinnung zu erwarten, auf deren Kosten der Spott nur möglich ist; es wäre eine morose, abständige und langweilige Komik, die eigentlich nur Moral zu predigen im Sinne hätte, und die Moral selbst wäre doppelt schlimm daran, solche Priester zu finden, die da an dem Beispiele und der Lust des Lasters die Tugend lehren möchten.“ 308 Droysen, Einleitung [zu Aristophanes: Vögel] (1835), 264.

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In diesem Zusammenhang weist Droysen auch – und das ist bemerkenswert – die Vorstellung eines politisch engagierten und einflussreichen Dichters, wie ihn zeitgenössische Rezipienten in Aristophanes zu erkennen meinten, entschieden zurück. 309 Im Hermokopiden-Aufsatz heißt es dazu: Wenn man [...] die Aristophanische Komödie und ihre politische Bedeutung betrachtet, so wird man sich leicht überzeugen, daß sie im Grunde keiner Partei so angehört, daß sie mit einiger Consequenz für dieselbe arbeitete; Männer von jeder Farbe zieht sie in den Bereich ihres Hohnes, da ist keine Tugend so erhaben, kein Laster so abscheulich, daß sie nicht eine lächerliche Seite an demselben herausspürte; sie ist gerade wie der liebe, leichtfertige, klatschhafte, gallen- und lachsüchtige Demos selber, um dessen Gunst sie buhlt, mag’s mit Schmeichelworten oder mit bitterlichen Vorwürfen sein; und nimmt sie denn wirklich einmal einen Anlauf gegen Kleon oder Sokrates, so ist das unendlich amüsant, hat aber nie oder selten irgendeinen Erfolg, als daß das Volk lacht. Sie ist keine Censur, keine politische Macht. 310

Vielmehr gehört es für Droysen zur „Natur“ der Komödie 311 und zum „Wesen“ des Komödiendichters, stets die Opposition zu machen gegen den Krieg, so lange noch nicht Frieden ist, gegen die Poesie, wie sie gerade jetzt Beifall findet, gegen die Weise des öffentlichen Lebens, wie sie gerade gilt, vor allem gegen Kleon, weil der in der höchsten Macht ist. 312

Die politisch indifferente Haltung des Aristophanes wird für Droysen vor allem in der Lysistrate sichtbar: Das Stück, so geistvoll und lebendig in Einzelheiten, steht unendlich weit hinter denen zurück, welchen des Dichters leidenschaftliche Partheilichkeit und Rücksichtslosigkeit außer dem poetischen Reiz auch den politischer Kühnheit gegeben hat. 313

So schildert Droysen in seiner Übersetzungsvorrede zur Lysistrate zunächst auf elf Seiten – in Anlehnung an den Bericht des Thukydides – die prekäre Lage des athenischen Staates zur Zeit der Aufführung im Jahr 411 v. Chr., und bemerkt daran anschließend, dass die komische Handlung der Lysistrate vor dem Hintergrund der angespannten politischen Situation wenig angemessen erscheine: Es ist sehr merkwürdig, daß der Dichter in so argen Zeiten mit solchen Dingen seine Zuschauer amüsirt hat; der tolle Plan der Weiber, durch Verweigerung der ehelichen Pflicht den Frieden zu erzwingen, und der Jubel, als endlich die Versöhnung zu Stande gebracht ist, mag das gute

 309 Vgl. hierzu ausführlich Holtermann (2004), 198–203. 310 Droysen, Des Aristophanes Vögel und die Hermokopiden (T. 2, 1836), 57. 311 Vgl. Droysen, Einleitung [zu Aristophanes: Ritter] (1837), 304. 312 Droysen, Einleitung [zu Aristophanes: Ritter] (1837), 305. 313 Droysen, Einleitung [zu Aristophanes: Lysistrate] (1838), 139 f.

  Deutsche Aristophanes-Übersetzungen im Vergleich Volk für einen Augenblick die Noth der Zeit haben vergessen lassen. Aber das Stück selbst leidet an dem schwülen Druck der allgemeinen Stimmung; [...]. 314

Außerdem komme der sonst für Aristophanes so typische Spott allzu verhalten daher. Droysen vermisst hier vor allem das Element des ὀνομαστὶ κωμῳδεῖν (s. o. 1.1.1), der namentlichen Verspottung, das in den älteren Komödien des Aristophanes stets zu finden ist, und an dessen Stelle hier, wie Droysen meint, ein höheres Maß an (eher belanglosen) obszönen Scherzen getreten sei. [...] mit ängstlicher Vorsicht vermeidet der Dichter sein sonstiges Uebermaaß von Spott und Witz über bedeutende Persönlichkeiten, und auch der sachliche Spott geht wie eine Feile, die nicht mehr recht faßt, ziemlich glatt über die Dinge hin; jene burleske Scene zwischen den beiden Eheleuten ist wie ein Lückenbüßer, um tieferem Ernst aus dem Wege zu gehen, eingeschoben. 315

Am Ende seiner Einleitung räumt Droysen ein, dass die Lysistrate für ihn „schwieriger als die meisten andern Komödien“ zu übersetzen gewesen sei, erläutert in diesem Zusammenhang jedoch lediglich sein Vorgehen in Bezug auf den lakonischen Dialekt (s. dazu u. 3.3.2.1.2). Auf die Obszönitätsproblematik geht er nicht weiter ein. Droysens Lysistrate-Übersetzung .... Droysens Übersetzungskonzeption Zu seinen übersetzungstheoretischen Grundsätzen, soweit sie Aristophanes betreffen, äußert sich Droysen in der Vorrede des ersten Bandes der Gesamtübersetzung. Zugleich verweist er hier jedoch auch auf die nur drei Jahre zuvor verfasste Vorrede zu seiner Aischylos-Übersetzung, in der er seine „Ansichten in Betreff auf das Uebersetzen Griechischer Dichter“ bereits vorgetragen habe. Diese seien „auch jetzt noch im Wesentlichen dieselben“. 316 In der folgenden Darstellung sollen daher die wichtigsten Aspekte aus beiden Vorreden Berücksichtigung finden. 317 Droysens übersetzerische Intention bestand, wie schon angedeutet, vor allem darin, dem deutschen Lesepublikum die Werke der antiken Dramatiker in ästhetisch ansprechender Weise nahezubringen und, so Droysen in der Aischylos-Vorrede, mit Hilfe der Übersetzung „Fremdes heimisch zu machen“. 318 Daher lautet auch seine „erste Anforderung“ an einen Übersetzer, „daß aus dem Schönen in das Schöne

 314 Droysen, Einleitung [zu Aristophanes: Lysistrate] (1838), 138. 315 Droysen, Einleitung [zu Aristophanes: Lysistrate] (1838), 138 f. 316 Vgl. Droysen, Vorrede [zu Aristophanes: Werke, Bd. 1] (1835), VIII. 317 Zu Droysens Übersetzungskonzept vgl. auch Kitzbichler (2014), 98–108. 318 Droysen, Vorrede [zu Aischylos: Werke, Bd. 1] (1832), I.

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übertragen werde“ 319, so dass sich die Übersetzung im Idealfall so lesen lasse wie ein deutsches Original: Der Uebersetzer hat keine höhere Richtschnur, als die künstlerische Schönheit des Originals in seiner Sprache bis zu dem Grade wiederzugeben, daß sie für ein freies Erzeugnis derselben gelten, daß sie die Form sein könnte, deren der Dichter sich selbst in dieser Sprache bedient haben würde. 320

Damit greift Droysen genau jenes übersetzungsrhetorische Motiv wieder auf, das uns aus der Zeit der Aufklärung bekannt ist (vgl. etwa die entsprechenden Äußerungen Herwigs und Wielands), und das Friedrich Schleiermacher in seiner Akademierede von 1813 für obsolet erklärt hatte. 321 Ein weiterer Gegensatz zu Schleiermacher, der u. a. auch dafür plädiert hatte, dass eine Übersetzung stets „Spuren der Mühe“ 322 aufweisen müsse, wird deutlich in Droysens Forderung, dass die „unreinlichen Spuren des durchgemachten Weges und der gelehrten Emballage“ 323 für den Leser der Übersetzung möglichst unsichtbar bleiben sollten. Gleichwohl ist sich Droysen der Gefahren beider Extrempositionen – des radikalen Einbürgerns wie auch des streng mimetischen Verfahrens – bewusst: Es wäre gleich fehlerhaft, alles Fremdartige zu verwischen, wie der eigenen Sprache das Joch eines fremden Idioms aufzubürden; zwischen den beiden Klippen der Karrikatur und der Farblosigkeit kann die größte Treue allein hindurchleiten. 324

Worauf sich die von Droysen angeführte „Treue“, die für ihn gewissermaßen den Mittelweg „zwischen den beiden Klippen“ darstellt, im Einzelnen beziehen soll, wird im Folgenden näher erläutert: Der Uebersetzer muß treu den Inhalt des Originals, treuer den Eindruck der Form, die sich der Inhalt gegeben, wiederzugeben suchen; in allem Uebrigen ist er auf gelehrte, in diesem Einen auf künstlerische Weise thätig; [...]. 325

 319 Droysen, Vorrede [zu Aischylos: Werke, Bd. 1] (1832), IX. Kitzbichler (2014), 99, weist darauf hin, dass Droysen hier auf eine Passage in Aristophanes’ Fröschen (vv. 1298–1301) anspielt. Der Aristophanische Aischylos betont an dieser Stelle die Originalität seiner eigenen Chorlieder gegenüber denjenigen des Euripides, die auf der Nachahmung schlechter Vorbilder beruhten. 320 Droysen, Vorrede [zu Aischylos: Werke, Bd. 1] (1832), IX. 321 Vgl. Schleiermacher, Ueber die verschiedenen Methoden des Uebersetzens (1813), in: Kitzbichler/Lubitz/Mindt (2009b), 77; s. hierzu auch o. 3.3.1.3.1 Anm. 202. 322 Vgl. Schleiermacher, Ueber die verschiedenen Methoden des Uebersetzens (1813), in: Kitzbichler/Lubitz/Mindt (2009b), 64; s. auch o. 3.3.1.1.1 Anm. 75. 323 Droysen, Vorrede [zu Aischylos: Werke, Bd. 1] (1832), I. 324 Droysen, Vorrede [zu Aischylos: Werke, Bd. 1] (1832), VII. 325 Droysen, Vorrede [zu Aischylos: Werke, Bd. 1] (1832), VIII.

  Deutsche Aristophanes-Übersetzungen im Vergleich Droysen will also vor allem den künstlerischen „Eindruck“ der Form, d. h. deren ästhetische Wirkung auf den Rezipienten, und nicht in erster Linie die Form selbst in seiner Übersetzung abbilden. Eine vertiefte Auseinandersetzung mit den verschiedenen möglichen Wirkungskategorien ist dabei, wie Droysen in der Aristophanes-Vorrede ausführt, für den Übersetzer unerlässlich: Wenn eine treue Uebersetzung den Zweck haben muß, möglichst vollständig den Eindruck des Originals wiederzugeben, so fragt es sich gleich, ob hiemit der Eindruck, den wir, oder in ihrer Zeit die Athenäer von dem Original empfingen, gemeint ist. Ich habe eine Zeit lang das Letztere für möglich gehalten; [...] 326

Droysen bezieht sich mit dem letzten Satz auf die oben erwähnte erste Version der Vögel, die er, wie bereits dargelegt, so bearbeitet hatte, „daß jede Anspielung auf Athenäische Personen, auf Griechische Verse, auf damalige Zustände, mit Entsprechendem aus unserem Gesichtskreise vertauscht wurde“. 327 Da das Ergebnis dieser Übersetzung jedoch „sehr zwitterhaft“ gewesen sei und zudem nur für einen begrenzten Zeitraum hätte Gültigkeit beanspruchen können, habe er „diesen Weg“ gänzlich aufgegeben und stattdessen versucht, „den Eindruck zu erzielen, den Aristophanes Komödien etwa auf einen kundigen Leser aus späterer, ja aus unserer Zeit machen“. 328 Damit kommt er Schleiermacher wieder näher, für den die Zielsetzung eines Übersetzers von „Meisterwerken der Kunst und Wissenschaft“ 329 darin bestehen sollte, dem Leser „ein solches Bild und einen solchen Genuß“ zu vermitteln, „wie das Lesen des Werkes in der Ursprache dem so gebildeten Manne gewährt, den wir im besseren Sinne des Wortes den Liebhaber und Kenner zu nennen pflegen“. 330 Doch legt Droysen auch weiterhin Wert darauf, dass der Leser nicht merken solle, dass er eine Übersetzung liest: [...] und wenn man gewisse Uebersetzungen darum gepriesen hat, daß sie dem Leser den Genuß gewährten, sie fortwährend gleichsam in das Original zurück zu übersetzen, so scheint mir das dem künstlerischen Werthe solcher Arbeiten geradezu den Stab zu brechen. 331

In diesem Zusammenhang übt Droysen – ohne Namen zu nennen – auch deutliche Kritik an der klassizistischen Übersetzungspraxis von Johann Heinrich Voß:

 326 Droysen, Vorrede [zu Aristophanes: Werke, Bd. 1] (1835), VIII. 327 Vgl. Droysen, Vorrede [zu Aristophanes: Werke, Bd. 1] (1835), VIII. 328 Vgl. Droysen, Vorrede [zu Aristophanes: Werke, Bd. 1] (1835), VIII f. 329 Vgl. Schleiermacher, Ueber die verschiedenen Methoden des Uebersetzens (1813), in: Kitzbichler/Lubitz/Mindt (2009b), 64. 330 Vgl. Schleiermacher, Ueber die verschiedenen Methoden des Uebersetzens (1813), in: Kitzbichler/Lubitz/Mindt (2009b), 68. 331 Droysen, Vorrede [zu Aristophanes: Werke, Bd. 1] (1835), IX f.

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Und doch hat man sich gewöhnt, in Uebersetzungen alter Autoren Unbehülflichkeit für Treue, krasse Rohheit für antik zu nehmen; man findet es nicht widerlich, daß die schönen Danaostöchter in ‚Flausröcken‘ 332 erscheinen; man glaubt sich auf dem lieblichen Wellenspiel antiker Rythmen [sic] zu wiegen, wenn der Vers auf plumpen Spondäen dahinstelzt oder in halsbrecherischen Kreuz- und Quersprüngen sich selbst überschlägt. Kann das abscheulichste Deutsch treue Uebersetzung eines reinen, rhetorisch vollendeten Griechisch sein? 333

Anstelle einer rein sprachmimetischen Abbildung des Originals will Droysen seinen Lesern die „Illusion einer Gesamtansicht“ 334 des antiken Kunstwerkes vermitteln. Erreicht werden soll dies durch ein Zusammenwirken von Übersetzung und erklärenden Begleittexten. Zu letzteren zählen historisch-biographisch ausgerichtete Einleitungen zu den einzelnen Stücken, gelehrte Abhandlungen zu spezifischen Phänomenen des antiken Dramas und die Stellenkommentare. 335 Beim Übersetzen selbst will Droysen zudem, wie er an Welcker schreibt, „minder philologisch als künstlerisch zu Werke [...] gehen“. 336 Was er darunter versteht, wird im Weiteren noch zu klären sein. Trotz seiner heftigen Kritik an der romantisch-klassizistischen Übersetzungstradition zeigt sich Droysen allerdings noch deutlich von der Übersetzungsdiskussion geprägt, die sich um 1800 vor allem an den Voß’schen Homer-Übersetzungen entzündet hatte. So befasst er sich in den beiden Übersetzungsvorreden auch ausführlich mit der Frage nach der Übertragbarkeit antiker Versmaße und bekundet in seiner Aischylos-Vorrede: „Es versteht sich von selbst, daß überall die Versformen des Originals beizubehalten waren.“ 337 Auch wenn Droysen nicht verkennt, dass zwischen der quantitierenden griechischen und der akzentuierenden deutschen Metrik gravierende Unterschiede bestehen, so hält er doch eine „rhythmische“ Übersetzung für möglich, die in der Lage ist, die Bewegung des griechischen Verses nachzuahmen. 338 Allerdings bedinge der Unterschied zwischen einer „metrischen“ und einer „rhythmischen“ Sprache „eine Reihe von wesentlichen Abweichungen, die der Uebersetzer, da er sie nicht vermeiden kann, wenigstens mit Bewußtsein auf sich nehmen muß.“ 339 Größere Freiheiten – vor allem im Vergleich zu den in Voß’ Zeit 332 Eine Anspielung auf Voß’ Übersetzung von Aisch. Hik. 235 πέπλοισι βαρβάροισι κἀμπυκνώμασι mit ‚im Barbarmantel dichtes Flauschgewirks‘, vgl. hierzu Kitzbichler (2014), 102 u. ebd. Anm. 251. 333 Droysen, Vorrede [zu Aischylos: Werke, Bd. 1] (1832), IX. 334 Droysen, Vorrede [zu Aischylos: Werke, Bd. 1] (1832), II. 335 Im Rahmen seiner Aristophanes-Übersetzung bietet Droysen seinen Lesern umfangreiche Einleitungen zu den einzelnen Komödien, deren Hauptgewicht auf der Darstellung des historischen Kontextes liegt (vgl. dazu auch Kitzbichler [2014], 73 f.) sowie ausführliche Fußnotenkommentare zu einzelnen Stellen. 336 Droysen an Welcker, 2.11.1835, in: Droysen, Briefwechsel, Bd. 1, (1929), 78. 337 Droysen, Vorrede [zu Aischylos: Werke, Bd. 1] (1832), XI. 338 Vgl. Droysen, Vorrede [zu Aischylos: Werke, Bd. 1] (1832), XII, und Droysen, Vorrede [zu Aristophanes: Werke, Bd. 1] (1835), XI f. 339 Droysen, Vorrede [zu Aischylos: Werke, Bd. 1] (1832), XII.

  Deutsche Aristophanes-Übersetzungen im Vergleich messung aufgestellten Forderungen – erlaubt sich Droysen nach eigener Aussage bei der Wiedergabe von Spondeen, bei den metrischen Auflösungen langer Silben in mehrere Kürzen sowie bei der Behandlung der Zäsuren. 340 Darüber hinaus unternimmt Droysen mit der (Wieder-)Einführung von Endreimen, was er selbst als „Neuerung“ bezeichnet, eine deutliche Abkehr von der klassizistischen Übersetzungstradition. 341 Während er den Reim bei Aischylos – unter Verweis auf reimartige Gleichklänge im Original 342 – nur partiell verwendet hatte, versieht er bei Aristophanes sämtliche Tetrameter-Passagen regelmäßig mit deutschen Endreimen. Dies diene, wie Droysen ausführt, vor allem dazu, komische Pointen, die Aristophanes im griechischen Original durch „karikirte Rhythmen“ oder durch den Bau seiner Verse erziele, auch im Deutschen kenntlich zu machen, da – bei rein mimetischer Nachbildung – „ein Deutsches Ohr in einem Deutschen Rhythmus wohl selten einen Witz heraus fühlt“. 343 In diesem Sinne erweitert Droysen in einem Brief an Welcker aus dem Jahr 1837 seinen an Aischylos erprobten Grundsatz, dass ein Übersetzer „aus dem Schönen in das Schöne“ zu übertragen habe, 344 dahingehend, dass bei der Komödie gleichzeitig auch „aus dem Lustigen in das Lustige“ übersetzt werden müsse. 345 Was nun die Obszönitätsproblematik betrifft, so kommt Droysen gleich am Anfang seiner Aristophanes-Vorrede im ersten Übersetzungsband darauf zu sprechen, wenn er die Schwierigkeiten auflistet, mit denen ein Übersetzer des Aristophanes sich unweigerlich konfrontiert sieht: Unter allen Schriftstellern des Griechischen Alterthums dürfte keiner zum Uebersetzen minder geeignet sein, als Aristophanes; mit leichter Mühe ließe sich ein Katalog von Hindernissen entwerfen, die auch den rüstigsten Dollmetsch abzuschrecken im Stande wären. 346

 340 Vgl. Droysen, Vorrede [zu Aischylos: Werke, Bd. 1] (1832), XII–XV; vgl. auch Droysen, Vorrede [zu Aristophanes: Werke, Bd. 1] (1835), XII f. Das von Droysen in diesem Zusammenhang aufgestellte metrische „Regelwerk“ ist übersichtlich dargestellt bei Kitzbichler (2014), 104 und 106 f. 341 Vgl. Droysen, Vorrede [zu Aristophanes: Werke, Bd. 1] (1835), XIV: „Hier wagte ich die Neuerung, die mir, ich fürchte es sehr, ernstlich misbilligt werden wird. Ich nahm meine Zuflucht zum Reim, der in solcher Ausdehnung, wie ich ihn in diesen Uebersetzungen gebraucht, für ein antikes Ohr unerhört wäre. [...] Ja so weit bin ich gegangen, daß ich die tetrametrischen Verse durchgehend gereimt habe, damit sie etwas von ihrem orchestischen Charakter beibehalten möchten.“ Um eine „Neuerung“ handelt es sich dabei allerdings nur bedingt, da sich bereits Isaac Fröreisen (Ü) (1613) und der französische Aristophanes-Übersetzer Louis Poinsinet de Sivry (Ü) (1784) gereimter Verse bedient hatten. S. hierzu auch o. 2.3.2.2 und 2.3.3.5 Anm. 195. 342 Vgl. Droysen, Vorrede [zu Aischylos: Werke, Bd. 1] (1832), X. 343 Vgl. Droysen, Vorrede [zu Aristophanes: Werke, Bd. 1] (1835), XIII. 344 Vgl. Droysen, Vorrede [zu Aischylos: Werke, Bd. 1] (1832), IX. 345 Droysen an Welcker, 24.06.1837, in: Droysen, Briefwechsel, Bd. 1 (1929), 124. 346 Droysen, Vorrede [zu Aristophanes: Werke, Bd. 1] (1835), III.

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Unter diesen „Hindernissen“, zu denen Droysen u. a. die Verschärfung sämtlicher Übersetzungsprobleme zählt, die schon bei anderen Autoren kaum zu lösen seien (etwa in Bezug auf Rhythmus, Sprache oder poetischen Ausdruck, ferner auch die zahlreichen Anspielungen auf zeitgenössische Ereignisse und Personen), stellten die Obszönitäten für den Übersetzer die größte Herausforderung dar: Und was noch ärger ist, der Athenäer liebt es, von schmutzigen Dingen reden zu hören, ja sie selbst leibhaftig zu sehen; die Zote ist sein Labsal, und je toller und frecher sie der Komiker bringt, desto gewisser ist er des Beifalls. [...] Nach unserer Weise ist dies ekelhaft und schnöde; und doch sind das in Aristophanes Dichterkranz die Blumen, die der Athenäer am liebsten roch. Was soll da ein ehrlicher Übersetzer thun? 347

Die Frage nach dem angemessenen Verhalten des Übersetzers beantwortet Droysen in seiner Vorrede nur insofern, als er sich hier eindeutig für und nicht gegen eine Übersetzung des Aristophanes ausspricht. 348 Konkrete Strategien für den übersetzerischen Umgang mit obszöner Sprache bietet er – im Gegensatz zu seiner ausführlichen Behandlung des Metrik-Problems – jedoch nicht an. Dass Droysen grundsätzlich auch in Bezug auf das Obszöne an einer möglichst wirkungsäquivalenten Übersetzung interessiert ist, lässt sich lediglich implizit seiner Vorrede zum dritten Übersetzungsband entnehmen, in der er die Vertreter der Altertumswissenschaft dazu auffordert, sich von der Vorstellung von einer „idealen“ Antike zu verabschieden und stattdessen verstärkt deren Lebenswirklichkeit in den Blick zu nehmen, zu der eben auch das Obszöne gehört 349: Sie [sc. die Wissenschaft; Anm. d. Verf.] kann das Utopien 350 des classischen Alterthums aufgeben, sie braucht es nicht mit den [sic] Schmuck erlogener Idealität zu umkleiden, noch der gesunden Natürlichkeit oder der lüsternen Sinnlichkeit das Feigenblatt tieferer Deutung vorzuhalten; zeige sie uns jene ewig Bewundernswürdigen in ihren Schwächen und Tugenden, in ihrer Weisheit und Thorheit, zeige sie uns nicht Tugendpräparate, sondern Menschen, nicht Wunder, sondern Werke, nicht wesenlose Träume, sondern leibhaftige Wahrheit, wie sie auf dem Boden der Wirklichkeiten erwachsen ist und erwachsen konnte, – und wir werden in diesem reichsten Bilde menschlicher Entwickelung den all-einen Geist wieder erkennen, der sich auch in ihr nicht unbezeugt gelassen hat. 351

 347 Droysen, Vorrede [zu Aristophanes: Werke, Bd. 1] (1835), VII. 348 Vgl. Droysen, Vorrede [zu Aristophanes: Werke, Bd. 1] (1835), VII. 349 In Droysens Hermokopiden-Aufsatz in diesem Zusammenhang auch von der „feste[n] und gesunde[n] Leibhaftigkeit“ der Griechen die Rede; vgl. Droysen, Des Aristophanes Vögel und die Hermokopiden (T. 2, 1836), 56. 350 Das Wort ‚Utópien‘ wird hier im Singular verwendet (d. Verf.). 351 Droysen, Vorrede [zu Aristophanes: Werke, Bd. 3] (1838), VIII.

  Deutsche Aristophanes-Übersetzungen im Vergleich .... Übersetzungsanalyse Teil 1: Allgemeine Beobachtungen Textpräsentation Droysens Gesamtübersetzung der Aristophanes-Komödien ist ohne den griechischen Originaltext erschienen. Der Titel enthält keine charakterisierenden Zusätze wie z. B. „im Versmaß des Originals“ oder „metrisch übertragen“. Die Anordnung der Stücke folgt, wie Droysen selbst in der Vorrede zum ersten Band darlegt, weder chronologischen noch systematischen Gesichtspunkten, sondern beruht auf rein „subjective[n] Gründe[n]“ des Übersetzers: Den „Plutos“ wählte ich, um gleich Anfangs die ermüdendste Arbeit abzumachen, und mich an einem Stücke zu üben, das unter den Aristophanischen vielleicht den geringsten Werth hat; den „Frieden“ nahm ich hinzu, weil sich hier mindere Schwierigkeiten darboten, als in den meisten Stücken sonst, und namentlich keine außerattischen Dialekte vorkommen, deren Uebersetzung mir große Noth macht; die „Vögel“ endlich fügte ich hinzu, damit sogleich Aristophanes ganze wunderherrliche Kunst repräsentiert würde. 352

Die einzelnen Komödien sind – nach modernen Bühnenkriterien – in Akte und Szenen gegliedert und werden durch Szenenbeschreibungen und Handlungsanweisungen ergänzt. Eine Stellenkommentierung erfolgt in Form von Fußnoten. Als Textgrundlage verwendete Droysen nach eigenen Angaben in erster Linie „den trefflichen Dindorfischen Text“, von dem er nur selten abgewichen sei und an dessen Verszählung er sich gehalten habe. 353 In der Lysistrate-Übersetzung, die sich im dritten Band der Gesamtübersetzung findet, 354 stimmen die beigegebene Verszählung sowie die Anzahl der übersetzten Verse, soweit überprüft, exakt mit der Verszahl der modernen Ausgabe von Wilson überein. Formale Gestaltung / Metrik In ihrer Dissertation zu Droysens Aristophanes-Übersetzungen hat Josefine Kitzbichler bereits die wesentlichen Merkmale der Droysen’schen Übersetzungssprache herausgearbeitet. Insbesondere stellte sie fest, dass sich Droysens AristophanesÜbersetzung insgesamt – im Vergleich zu der streng mimetischen Übersetzung von Voß (1821) und der bewusst modernisierenden Aristophanes-Übertragung von Ludwig Seeger (1845–1848) – durch „ihre Vielgestaltigkeit und ihren zutiefst ambivalenten Charakter“ auszeichnet. 355 Dies führt Kitzbichler auf die von Droysen verfolgte  352 Droysen, Vorrede [zu Aristophanes: Werke, Bd. 1] (1835), XVII. 353 Vgl. Droysen, Vorrede [zu Aristophanes: Werke, Bd. 1] (1835), XVII. Die von Droysen verwendete Aristophanes-Ausgabe von Wilhelm Dindorf war – inklusive der Kommentar- und Scholienbände – zwischen 1835 und 1838 erschienen. Die beiden ersten Bände, die die Textausgaben enthalten, wurden 1835 publiziert. Zu Droysens weiteren Arbeitsgrundlagen s. Kitzbichler (2014), 80 f. 354 Vgl. Droysen (Ü), Des Aristophanes Werke, Bd. 3 (1838), 125–224. 355 Vgl. Kitzbichler (2014), 198.

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übersetzerische „Doppelstrategie“ 356 zurück, die nicht allein darauf abgezielt habe, eine ‚künstlerische‘, ‚minder-philologische‘ Übersetzung vorzulegen, wie Droysen selbst es formuliert hatte, sondern die darüber hinaus – ungeachtet ihrer antiklassizistischen Tendenz – auch dazu dienen sollte, den deutschen Lesern immer wieder die historische Distanz zwischen antikem Ausgangstext und zeitgenössischer Übersetzung vor Augen zu führen. 357 Die von Kitzbichler konstatierte Ambivalenz lässt sich an Droysens LysistrateÜbersetzung gut nachvollziehen. So gibt der Übersetzer bei der Wiedergabe der griechischen Metrik die seit Voß nahezu obligatorische Nachbildung der originalen Versmaße keineswegs auf, geht dabei jedoch – mit Rücksicht auf die prosodischen Unterschiede beider Sprachen – weniger dogmatisch vor. Dies betrifft insbesondere die Chorpartien mit ihren „ungleichartigen Reihen“, den nicht κατὰ στίχον gebildeten Versen. Droysens Übersetzung weist hier beispielsweise nicht nur einen freizügigeren Umgang mit den Zäsuren auf, sondern verdeutlicht die strophische Struktur der Chorlieder an vielen Stellen sogar durch den – in klassizistischen Übersetzungen verpönten – Einsatz von Reimen: ΧΟΡΟΣ ΓΥΝΑΙΚΩΝ πέτου πέτου, Νικοδίκη, πρὶν ἐμπεπρῆσθαι Καλύκην τε καὶ Κρίτυλλαν περιφυσήτω ὑπό τε νότων ἀργαλέων ὑπό τε γερόντων ὀλέθρων. (321 ff.)

ia dodr A 358

Chor der Weiber: Herbei, herbei, Pyrrha, im Flug! Eh’ Lyke da, Krityla dort Von Gluth erfaßt schmählich im Brand umkommt, Ein Opfer der Pflicht und des ernsten Gebots, Ein Opfer der Greise, des gräßlichen Tod’s! 359

 356 Vgl. Kitzbichler (2014), 202. 357 Vgl. Kitzbichler (2014), 202: „So ist Droysens Aristophanes-Übersetzung durch beständiges Oszillieren zwischen ‚künstlerischer‘ und ‚historischer‘ Perspektive gekennzeichnet. Transponierung in die Gegenwart und forschendes Verstehen der Vergangenheit, poetische Vergegenwärtigung und historische Distanz greifen ineinander, Antike und Gegenwart werden permanent aufeinander bezogen. Das sich aus dieser Doppelperspektive ergebende Übersetzungskonzept Droysens ist in dieser Ausprägung singulär und kann zugleich doch als repräsentativ für den Stand der Übersetzungsliteratur in den dreißiger Jahren des 19. Jahrhunderts gelten.“ 358 Zur Metrik des Verses 323 vgl. Henderson (Ed./K) (1987), 108; s. auch 3.3.1.3.2, 3.3.2.2.2 und 3.3.2.3.2 (jeweils ‚Formale Gestaltung‘). 359 Vgl. dazu Voß’ Übersetzung der gleichen Stelle (o. 3.3.1.3.2 [Formale Gestaltung]).

  Deutsche Aristophanes-Übersetzungen im Vergleich ΧΟΡΟΣ ΓΕΡΟΝΤΩΝ ἀλλ’ αὐτὸ γάρ μοι τῆς ὁδοῦ λοιπόν ἐστι χωρίον τὸ πρὸς πόλιν τὸ σιμόν, οἷ σπουδὴν ἔχω· πῶς δή ποτ’ ἐξαμπρεύσομεν τοῦτ’ ἄνευ κανθηλίου; (286 ff.) Chor der Alten: So bleibt nur noch des Weges hier / Uebrig kleine Strecke mir, Hier Burg hinan die Platte noch; nur frisch daran! Wir schleppen’s auch am End’ allein / Ohne Vetter Eselein.

Wortlaut / Syntax Hinsichtlich der Wortwahl und Wortfolge weicht Droysen, wie die oben aufgeführten Textbeispiele zeigen, häufiger als Voß vom Originaltext ab. 360 Auch dies ist besonders in den Chorliedern zu beobachten, in denen Droysen nicht nur Inhalt und Metrum, sondern auch den selbst auferlegten Reim zu koordinieren hat. Bei der Nachbildung der griechischen Syntax verfährt Droysen ebenfalls freier als Voß. Weitaus seltener überschreitet er hier die Grenzen der deutschen Sprachkonventionen. Dementsprechend werden beispielsweise griechische Partizipialwendungen nicht mehr grundsätzlich durch deutsche Partizipien wiedergegeben, sondern häufig durch Ersatzkonstruktionen aufgelöst: Κα.

ταύτην μὲν ἄν τις εὐθὺς ἡσθείη λαβών. (201)

Kalonike: Das Herz im Leib lacht einem, faßt man den nur an!

Voß hatte übersetzt: Kalonike: Traun, diesen nur anfassend wird man fröhlich schon.

Exklamationen, Götteranrufe, zeitbedingte Begrifflichkeiten und Inhalte Die Uneinheitlichkeit übersetzerischer Entscheidungen zeigt sich auch in Droysens Umgang mit griechischen Namen und Begriffen, die zwar dem attischen Theaterbesucher des 5. Jahrhunderts geläufig waren, den meisten deutschen Lesern des 19. Jahrhunderts jedoch eher fremd gewesen sein dürften. So werden in einigen Fällen kultische Termini oder griechische Herkunftsbezeichnungen nahezu unverändert übernommen, wie z. B. die Beinamen der Aphrodite, ‚Kolias‘ und ‚Genetyllis‘ (2) 361, der Vergleich der in voller Kriegsmontur auf dem Marktplatz erscheinenden Soldaten mit den ‚Korybanten‘ (558) 362 oder die in einem Chorlied

 360 Droysens stärkere Abweichungen vom Originalwortlaut werden schon durch die weniger genaue Wiedergabe der griechischen Frauennamen deutlich. 361 Zur Stelle s. auch o. 3.3.1.2.2 (Exklamationen) Anm. 152. 362 Zur Stelle s. auch o. 3.3.1.3.2 (Exklamationen) u. ebd. Anm. 235.

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erwähnten ‚Karyster‘ (1059) 363. Auch die Amtsbezeichnung des in Vers 387 auftretenden athenischen Regierungsvertreters wird mit ‚Probulos‘ 364 in ihrer griechischen Form wiedergegeben. In anderen Fällen wiederum werden griechische Namen im Übersetzungstext ausgelassen oder eingedeutscht: in Vers 361 wird die Anspielung auf Bupalos (ὥσπερ Βουπάλου), den Widersacher des Dichters Hipponax, durch die allgemeine Formulierung ‚nach alter guter Weise‘ ersetzt, und der Name der gegen Ende des Stückes von Lysistrate herbeigeführten jungen Frau, der Friedensallegorie Diallage (Διαλλαγή, 1114), wird deutsch mit ‚Frieden‘ wiedergegeben. Festzuhalten ist ferner Droysens uneinheitliches Vorgehen bei der Übersetzung von Götteranrufen: Der Ausruf ναὶ τὼ σιὼ (u. ä.), mit dem die Spartanerin Lampito bzw. der spartanische Bote die ‚beiden Götter‘ – gemeint ist das Zwillingspaar der Dioskuren – anruft, findet bei Droysen keine wörtliche Entsprechung; stattdessen erscheinen an den entsprechenden Stellen häufig Wendungen wie ‚zeug’s mir Zeus‘ (vgl. 86, 90, 983, 1105, 1171, 1174), ‚so wahr mir Zeus‘ (142) oder ‚weiß mer Zeus‘ (1095, 1180). Demgegenüber werden Lysistrates und Kalonikes Anrufe des Zeus (νὴ τὸν Δία u. ä.) bzw. der ‚beiden Göttinnen‘ Demeter und Kore (νὴ τὼ θεώ u. ä.) bisweilen durch christlich anmutende Wendungen wie ‚bei Gott‘ (24, 34, 55), ‚mein(er) Seel‘ (51, 91) oder ‚beim Himmel‘ (95) übersetzt. Exklamatorische Äußerungen werden ebenfalls teilweise eingedeutscht, z. B. ‚He juchhe!‘ für ἰοὺ ἰού (66), ‚O Seligkeit!‘ für παπαιάξ (924) oder ‚O weh!‘ für βαβαί (1078), teilweise bleiben sie phonetisch nahe am Originaltext, z. B. ‚Fu, fu! / Apu! apu! welch’ ein Rauch‘ für φῦ φῦ. / ἰοὺ ἰοὺ τοῦ καπνοῦ (294 f. bzw. 304 f.), ‚Allalala! io Paian!‘ für ἀλαλαί, ἰὴ παιών (1291) und ‚Euoi! euoi! juchheißa hei!‘ für εὐοῖ εὐοῖ, εὐαὶ εὐαί (1294). Deutsche Analogien überwiegen, wo im Originaltext von Alltagsdingen, etwa von beliebten Speisen der Athener, die Rede ist: So werden beispielsweise aus dem griechischen πῖλον λέκιθον (‚Haferschleim‘, 562) deutsche ‚Rühreier mit Schinken‘. 365 Auch bei der Wiedergabe von idiomatischen Wendungen und griechischen Wortspielen oder Sprichwörtern wird der originale Wortlaut oftmals zugunsten sinngemäßer deutscher Wendungen aufgegeben. So ersetzt Droysen an einer Stelle den Namen des attischen Demos Anagyros, der im Griechischen die Assoziation einer übelriechende Pflanze weckt, durch ein anderes griechisches Demotikon, mit dem er im Deutschen ein eigenes Wortspiel konstruiert:  363 Zur Stelle s. auch u. 3.3.3.2.2 (Exklamationen) u. ebd. Anm. 748. 364 Vgl. Henderson (Ed./K) (1987), 117: „Our Proboulos represents one member of a standig board who were appointed in 413/12 following news of the Sicilian disaster. [...] The board’s duty was to propose measures, whenever the occasion arose, to meet emergencies. In particular they were to expedite the financial transactions crucial to the war effort. [...].“ 365 Weitere Beispiele finden sich bei Kitzbichler (2014), 131.

  Deutsche Aristophanes-Übersetzungen im Vergleich Κα. Λυ. Κα.

πόθεν εἰσίν;

Ἀναγυρουντόθεν. νὴ τὸν Δία· ὁ γοῦν Ἀνάγυρός μοι κεκινῆσθαι δοκεῖ. (67 f.)

Kalonike: Von wannen sind sie? Lysistrate: Aus Phegaia! Kalonike: So helfe Gott! Zu fegen erst vor eigner Thür bedeutet das! 366

Unabhängig davon jedoch, ob Droysen griechische Termini in seine Übersetzung übernimmt oder sie zugunsten einer deutschen Analogiebildung aufgibt: in den meisten Fällen gibt er seinen Lesern weiterführende Anmerkungen an die Hand, in denen er die fraglichen Passagen erläutert und ggf. auf den originalen Wortlaut hinweist. Dialekt Zur Wiedergabe des lakonischen Dialektes hat Droysen – ähnlich wie Voß – eine eigene Kunstsprache entwickelt, da er nach eigenen Angaben für den von ihm als hart aber dennoch „vornehm und wacker“ empfundenen Charakter des Spartanischen keine Entsprechung unter den deutschen Mundarten gefunden habe: „Wir halfen uns mit einem Gemisch, das wenigstens fremdartig und zum Theil schroff klingen sollte.“ 367 So lässt sich die Spartanerin Lampito – von Lysistrate auf ihre gute körperliche Konstitution angesprochen – in leicht befremdlichem Tonfall – vernehmen: Lampito:

Fraili jå; All Tågs ja tůrn ich, renn darzu den Achtersprung 368. (81 f.)

Kitzbichler weist in diesem Zusammenhang auf die Funktionalisierung der mundartlichen und umgangssprachlichen Passagen durch Droysen hin, dessen Übersetzungsintention ja gerade darin bestanden habe, „die nicht-ideale Alltäglichkeit der griechischen Welt anschaulich zu machen“. 369

 366 Droysen verweist in einer Anmerkung auf den Originaltext, den er mit „du schüttelst die Stinkpflanze“ übersetzt (lt. Textausgabe von Wilson – und auch den von Droysen genutzten Texten von Dindorf und Bekker – eigentlich: „Der Anagyros scheint mir geschüttelt worden zu sein“). Dies deutet er als Analogon zu den deutschen Redensarten „wer andern eine Grube gräbt, fällt selbst hinein“ oder – in abgewandelter Form – „man muß zuerst vor der eigenen Tür fegen“; vgl. Droysen (Ü), Des Aristophanes Werke, Bd. 3 (1838), 145 Anm. zu Vers 67. 367 Droysen, Einleitung [zu Aristophanes: Lysistrate] (1838), 139 f. 368 Zum Begriff ‚Achtersprung‘ s. auch u. 3.3.2.1.3. 369 Vgl. Kitzbichler (2014), 129.

Porträts der ausgewählten Übersetzungen und Bearbeitungen der Lysistrate  

.... Übersetzungsanalyse Teil 2: Behandlung der obscena Mehr noch freilich als das mundartliche Element eignete sich das Obszöne der Alten Komödie für Droysens Vorhaben, die Antike des „Schmuck[es] erlogener Idealität“ zu entkleiden und sie den Zeitgenossen in ihrer „leibhaftige[n] Wahrheit“ vorzuführen (vgl. o. 3.3.2.1.1). Auch in diesem Zusammenhang begegnen uns die Inhomogenität und Ambivalenz von Droysens Übersetzung, die Verbindung von nachformendem, transponierendem und kommentierendem Übersetzen – von Kitzbichler als bewusst eingesetzte antiklassizistische Strategie gedeutet 370 – wieder. Die primär obszönen Bezeichnungen für das männliche Glied (πέος, ψωλή, σάθη) übersetzt Droysen auf unterschiedlichste Weise. So findet sich sowohl die direkte, wenngleich zurückhaltende Bezeichnung ‚Gemächte‘ 371 (143) als auch die von vielen Übersetzern gewählte totum-pro-parte-Wiedergabe durch ‚Mann‘ (124, 134). An anderer Stelle werden umschreibende Formulierungen gewählt: Ein junger Schuster, von dem es bei Aristophanes heißt, er sei mit einem großen πέος ausgestattet (415), wird bei Droysen durch zwei attributive Wortneuschöpfungen – ‚ortgewandt und flickgeschickt‘ – charakterisiert, von denen zumindest die zweite prädestiniert ist, beim deutschen Leser einen obszönen Nebenklang zu evozieren. 372 Lysistrates Aufforderung an die Friedensallegorie Diallage, sie solle die Männer ‚am Schwanz‘ (τῆς σάθης) herbeiführen (1119), lautet bei Droysen dagegen auswei-

 370 Vgl. Kitzbichler (2014), 119. 371 Vgl. Adelung, Grammatisch-kritisches Wörterbuch (1811), Bd. 2, Sp. 545, zu ‚Gemächt‘: „Das Gemächt [...], im gemeinen Leben einiger Gegenden, die Zeugungsglieder bey Menschen und großen Thieren beyder Geschlechter, besonders des männlichen, der Hodensack; das Geschröt. Einen Schaden an dem Gemächte haben.“ [Onlinefassung] URL: https://lexika.digitale-samm lungen.de/adelung/lemma/bsb00009132_2_1_1179 (zuletzt gesehen: 17.09.2019). Vgl. auch Deutsches Wörterbuch von Wilhelm und Jacob Grimm, Bd. 5 (zuerst 1897; Nachdr. 1984), Sp. 3144–3149, zu ‚Gemächt, gemächte, n.‘: „[...] III. gemächte, genitalia. 1) die ahd. form war gimaht veretrum, inguen, penis, gern im plur., wol durchs lat. veranlaszt, gimahti genitalia, virilia, testiculi, pudenda GRAFF 2, 615, d. h. durch gi- verstärktes maht vermögen, kraft (s. SCHM. 2, 547), wie mhd. maht dafür bezeugt ist in ärztlichem gebrauch, aus dem das wort überhaupt stammen mag (wb. 21, 9a, SCHERZ 976) [...] 2) der plur. ist mhd. vorherschend (gemaht sg. SCHERZ 518) und hielt sich auch nhd. noch länger [...] 3) dieses die gemächte ward übrigens auch als sing. fem. genommen [...]. manche stellen bleiben zweifelhaft und warens wol eben schon damals [...]. noch bair. die gemächten pl., ein fem. gemächt voraussetzend SCHM. 2, 547 [...]. 4) es bildete sich aber aus dem plur. ein neutr. sg., im anschlusz an das vorige gemächte (s. unter 1), das dann den platz behauptete, nachgewiesen seit dem 15. jh. LEXER 1, 834, nachtr. 190: kam ein potschaft, es were dem delphin ein pfeil zu dem gemecht eingeschossen und wer tod. Nürnb. chron. 3, 128; [...] der ausdruck ist allgemein (auch nd. z. b. DANNEIL 63a, mnd. SCH. u. L. 2, 52a) und unter allen der schamhafteste (abgesehen von den lat., die im gebrauch vorherschen), auch z. b., wenn es nötig wird, kindern gegenüber gebraucht. [...].“ URL: http://www.woerterbuchnetz.de/DWB?lemma=gemaecht (zuletzt gesehen: 17.09.2019). 372 Vgl. dazu auch u. 3.3.2.1.3, wo Droysen einen ähnlichen Effekt erzielt, indem er den griechischen Ortsnamen Pallene durch eine dialektal verballhornte Form eines anderen Städtenamens, Phigalia, ersetzt.

  Deutsche Aristophanes-Übersetzungen im Vergleich chend: ‚fasse, du weißt schon wo, ihn an!‘ Auch der leidende Ehemann Kinesias, der sich angesichts der eifrigen Bemühungen seiner Frau Myrrhine verwundert fragt: ἀλλ’ ἦ τὸ πέος τόδ’ Ἡρακλῆς ξενίζεται; (‚Ja, wird denn mein πέος hier als Herakles bewirtet?‘, 928), sagt bei Droysen beinahe wie zu sich selbst: ‚Du alter Kahlkopf, wirst wie ein Herakles heut bedient!‘ Eine komische Anspielung auf das erigierte πέος entlehnt Droysen bei Aristophanes selbst. So erkundigt sich in Lys. 994 ein erektionsgeplagter Athener (bei Wilson [Ed.] [2007] II: Kinesias; bei Droysen: Probule), der auf einen spartanischen Leidensgenossen trifft, in obszöner Bildhaftigkeit nach dem ‚Stand der Dinge‘ 373 in Sparta: τί τὰ πράγμαθ’ ὑμῖν ἐστι τἀν Λακεδαίμονι; (994) Nur sag’ mir, [...] Wie jetzt bei euch die Sachen stehn in Lakonien (993 f. Droysen)

Wenige Verse später kündigt derselbe Athener an, er werde den Rat durch Vorzeigen seines Gliedes (τὸ πέος ἐπιδείξας τοδί, 1012) dazu bewegen, Friedensgesandte zu bestimmen. Dies übersetzt Droysen, in Anlehnung an die vorangehende Stelle, folgendermaßen: ἐγὼ δ’ ἑτέρους ἐνθένδε τῇ βουλῄ φράσω πρέσβεις ἑλέσθαι τὸ πέος ἐπιδείξας τοδί. (1011 f.) Gesandte von hier zu wählen werd ich selbst im Rath Antragen, mit Hinweis auf den Stand der Dinger hier! 374

Obgleich Droysen hier eine direkte Obszönität vermeidet, nimmt er bemerkenswerterweise eine obszöne Vereindeutigung des Wortspiels vor, indem er das hochsprachliche Pluralwort ‚Dinge‘ durch den vulgärsprachlichen Plural ‚Dinger‘ substituiert. Kitzbichler bezeichnet dieses von Droysen – gerade in Bezug auf das Obszöne – häufig eingesetzte Verfahren als ‚Ausdrucksverstärkung‘ (Hyperbel). 375 Andererseits jedoch gibt er die obszöne Bezeichnung für das weibliche Geschlechtsorgan κύσθος (1158) wieder diminuierend-zurückhaltend mit ‚Lendchen‘ 376 wieder.

 373 Ebenso wie das Wort ‚Ding‘ im Deutschen kann auch das griechische Wort πρᾶγμα (‚Ding, Angelegenheit, Sache‘) in obszöner Nebenbedeutung das männliche Glied bezeichnen. Ein ähnlicher Wortwitz, bei dem dieser Nebensinn noch deutlicher wird, findet sich bereits Lys. 23–31 (vgl. dazu auch u. 3.4.1). 374 Herv. d. Verf. 375 Vgl. Kitzbichler (2014), 119. 376 Vgl. Adelung, Grammatisch-kritisches Wörterbuch (1811), Bd. 2, Sp. 2025–2026, zu ‚Lende‘: „Die Lende, plur. die -n, Diminut. das Lendchen. 1) Die obere Fläche der hintersten Theile des Schmerbauches über der Hüfte und dem Gefäße, welchen Theil man bey heftigen Arbeiten oder starken Bewegungen mit einem breiten Gurte zu umgeben pflegt, um sich die Arbeit zu erleichtern. [...] 2) In weiterer Bedeutung wird die Hüfte, ja das ganze Dickbein [i.e. Oberschenkel, d. Verf.] im gemeinen

Porträts der ausgewählten Übersetzungen und Bearbeitungen der Lysistrate  

Die Verben βινεῖν bzw. κινεῖν übersetzt Droysen ebenfalls sehr uneinheitlich. Die resignierte Frage des von seiner Frau getäuschten Kinesias τίνα βινήσω; (954) übersetzt er, wenn auch nicht wörtlich, so doch in unmissverständlich obszöner Weise mit: ‚wo ergieß’ ich mich hin [...]?‘. Nahezu die gleiche Frage stellen etwas später im Stück die athenischen Männer, als sie im Rahmen der Friedensverhandlungen die allegorisch als Frau vorgestellte Insel Pylos (der Name bedeutet ‚Tor‘) an die Spartaner abtreten müssen: κᾆτα τίνα κινήσομεν; (1166). Hier gibt Droysen das obszöne Verb durch einen vulgärsprachlichen Begriff wieder, den bereits Voß verwendet hatte, und der im Deutschen – ebenso wie im Griechischen 377 – eine schnelle Bewegung andeutet: ‚Wen denn hudeln fernerhin?‘ 378 Eine Voß-Anleihe ist ferner das ebenfalls gemeinsprachliche Verb ‚männern‘ 379: βινητιῶμεν (715)

es männert uns! (Voß: Uns Frauen männert!)

Schließlich kommen auch elliptische Wendungen vor: βινεῖν βούλομαι (934)

Frau ich will ja nur –

Bei den Verben στύειν bzw. στύεσθαι zeigt sich Droysens inkonsequentes Übersetzungsverfahren noch deutlicher. Während er beispielsweise den verzweifelten Ausruf der von Erektionen heimgesuchten Athener ἐστύκαμεν (1178) paraphrasierend mit ‚sieh unsre Noth!‘ wiedergibt, oder den in die gleiche Richtung zielenden Stoßseufzer des getäuschten Kinesias Ἔστυκα γάρ (869) durch die harmlose Aussage ‚Ach ich schlaf’ allein!‘, wählt er an anderer Stelle wieder ausdrucksverstärkende Formulierungen, die das Original an anschaulicher Direktheit sogar noch zu überbieten scheinen; so etwa dort, wo der athenische Probule – nachdem Lysistrate soeben die kurze Zeitspanne weiblicher Jugend und Fruchtbarkeit beklagt hat – die nahezu unbegrenzte Zeugungskraft des Mannes rühmt: Πρ.

ἀλλ’ ὅστις ἔτι στῦσαι δυνατὸς – (598)

Probulos:

Doch wem sein Glied sich noch bäumet, noch schäumt –

Skatologische Begrifflichkeiten werden von Droysen ebenfalls uneinheitlich übersetzt: So berichtet bei Aristophanes die Spartanerin Lampito, wie sie regelmäßig einen lakonischen Tanz trainiert, bei dem die Beine ‚bis an den Hintern‘ geschlagen werden 380:  Leben sehr häufig die Lende genannt. [...]“ [Onlinefassung] URL: https://lexika.digitale-samm lungen.de/adelung/lemma/bsb00009132_7_1_1229 (zuletzt gesehen: 17.09.2019). 377 Zur Wortbedeutung von κινεῖν s. auch o. 1.3. 378 S. hierzu auch o. 3.3.1.3.3 u. ebd. Anm. 245. 379 S. hierzu auch o. 3.3.1.3.3 u. ebd. Anm. 244. 380 S. hierzu auch o. 3.3.1.2.3 u. ebd. Anm. 160.

  Deutsche Aristophanes-Übersetzungen im Vergleich Λα.

γυμνάδδομαί γα καὶ ποτὶ πυγὰν ἅλλομαι. (82) 381

Droysen scheint diese Stelle – zumindest auf den ersten Blick – ohne die entsprechende Detailangabe wiederzugeben: Lampito:

All Tågs ja tůrn ich, renn darzu den Achtersprung.

Dass Droysens Übersetzung hier implizit aber durchaus auf das ‚Hinterteil‘ anspielt, erschließt sich erst, wenn man berücksichtigt, dass der Begriff ‚achtern‘ in der Seemannssprache den ‚hinteren‘ Teil eines Schiffes bezeichnet. Auch die schwärmerische Äußerung eines Spartaners über den ‚unsagbar schönen Arsch‘ der Diallage wird in der Übersetzung durch dialektale Färbung abgemildert: Λα.

ἀλλ’ ὁ πρωκτὸς ἄφατον ὡς καλός (1148) 382

Lakonier: åber main! wie drall der Stoiß!

Dagegen werden Verben, die sich auf Exkrementelles beziehen, semantisch äquivalent übersetzt, was bereits bei Voß zu beobachten war: ὥσπερ ἐνεουρηκότας (402) ἐπιχεσεῖ πατούμενος. (440)

als hätten wir uns bepißt daß du den Durchfall kriegst!

Während Droysen bei den obzsönen Einzelbegriffen aber doch insgesamt eher zu abmildernden Übertragungen tendiert, finden sich bei ihm im Hinblick auf Wortspiele und Metaphern bisweilen auch wieder überbietende Wendungen. ΧΟΡΟΣ ΓΕΡΟΝΤΩΝ ποῖος γὰρ ἂν νέφρος ἀντίσχοι, ποία ψυχή, ποῖοι δ’ ὄρχεις, ποία δ’ ὀσφῦς, ποῖος δ’ ὄρρος 383 κατατεινόμενος καὶ μὴ βινῶν τοὺς ὄρθρους. (962 ff.) Chor der Alten: Weß’ Niere vermag’s und hält das aus, Weß’ männlich Gemüth, weß’ Hoden und Strang, Weß’ Lend und Gemächt, weß’ Ruthe vermag’s,

 381 Zu πυγή s. auch o. 3.3.1.1.3 Anm. 94. 382 Zur Stelle s. auch o. 3.3.1.2.3 u. ebd. Anm. 162. 383 Vgl. Henderson (1991), 129: „ὄρρος, usually tail or rump [i.e. Schwanz, Schweif, Hinterteil, Hintern; Anm. d. Verf.] is known to have meant phallus (Ammonius Diff. p. 27, cf. Poll. 2.173); that is indeed its meaning at L 964.“ Ebd. Anm. 112: „Cf. also Suda s.v. ταῦρος. In Ruf. Onom. 101 ὄρρος = τράμις.“

Porträts der ausgewählten Übersetzungen und Bearbeitungen der Lysistrate  

Wenn empor sie sich steift, Und doch nicht Beischlaf Nachts hat! 384

Wie schon andernorts erwähnt, wandelt Droysen des Öfteren schwer übersetzbare griechische Wortspiele oder Sprichwörter in deutsche Analoga um. So verfährt er auch mit dem Zitat des Komödiendichters Pherekrates, das auf die Verwendung von Dildos aus Hundeleder anspielt. 385 Droysen gibt hier den ursprünglichen Wortlaut τὸ τοῦ Φερεκράτους, κύνα δέρειν δεδαρμένην (157 f.)

auf und setzt stattdessen ein deutsches Wortspiel ein. Anstatt auf das – für den deutschen Leser fremdartige – Material des Dildos zu verweisen, nimmt er in seiner Übersetzung auf dessen äußere Form Bezug: Dann rettet uns ein Rettig, sagt Pherekrates!

Mit der Alliteration ‚rettet – Rettig‘ soll zudem offenbar ein analoger Klangeffekt zu der griechischen figura etymologica δέρειν δεδαρμένην erzielt werden. Bereits an anderer Stelle wurde ebenfalls gezeigt, dass Droysen einen Ortsnamen des Originals durch eine andere Ortsangabe ersetzt, um auf diese Weise ein deutsches Wortspiel anbringen zu können. Dieses Verfahren wendet er in seiner Übersetzung auch an, um einen – für uneingeweihte deutsche Leser – unverständlichen obszönen Scherz in ein ebenfalls obszönes deutsches Wortspiel zu transponieren. So antwortet der spartanische Gesandte auf die oben erwähnte Frage des Atheners nach dem ‚Stand der Dinge‘ in Sparta: ἅπαντες ἐστύκαντι· Παλλάνας δὲ δεῖ (etwa: ‚Alle sind steif. Pallene muß her.‘; Lys. 996) 386. Droysen übersetzt dies folgendermaßen: ‚alle Büondnerschaft / hat swollen Zumpet; Phikkaleien müoss’n mer hån.‘ Seine Abänderung des Städtenamens, der im Deutschen einen derb-obszönen Beiklang hat, kommentiert Droysen – gewissermaßen augenzwinkernd – im Anmerkungsapparat:

 384 Herv. d. Verf. 385 Zur Stelle s. auch o. 3.3.1.1.3 u. ebd. Anm. 96 und u. 3.4.4. 386 Die Codices überliefern an dieser Stelle πελλάνας, vgl. auch die Textausgabe von Henderson (Ed./K) (1987). Henderson vermutet, dass es sich dabei um ein ansonsten unbezeugtes lakonisches Wort für Vagina oder Anus handelt. Möglicherweise handelt es sich auch um ein obszönes Wortspiel mit einem Ortsnamen. Von den drei zur Auswahl stehenden Orten (vgl. Henderson [Ed./K] [1987], 187) kommt entweder die chalkidische Halbinsel Pallene in Frage (zur alternativen Schreibweise vgl. E. Meyer, s. v. ‚Pellene‘, in: RE 19 [1937], 355), an deren Einnahme die Spartaner im Archidamischen Krieg scheiterten und die seither athenische Kolonie war (vgl. E. Meyer, s. v. ‚Poteidaia‘, in: RE Suppl. 10 [1965], 618–624), oder, wie Droysen annimmt (3.3.2.1.3 u. ebd. Anm. 387), die westlich von Sikyon gelegene Stadt Pallene (bzw. Pellene) in Achaia (vgl. E. Meyer, s. v. ‚Pellene‘, in: RE 19 [1937], 356).

  Deutsche Aristophanes-Übersetzungen im Vergleich Man verzeihe die Spartanische Aussprache für den durch seine Ruinen so berühmt gewordenen Arkadischen Ort Phigalia, der vielleicht nicht ganz den Zeitverhältnissen gemäß für den Achaiischen Küstenort Pallene substituiert worden ist. 387

Bemerkenswert ist ferner Droysens Wiedergabe des Beinamens von Kinesias, der sich in Vers 852 als Παιονίδης Κινησίας vorstellt. Die Nennung des Demennamens Παιονίδαι dient bei Aristophanes lediglich dazu, den Spott mit dem anzüglichen Namen Kinesias (κινεῖν) noch auf die Spitze zu treiben, da das im Demennamen anklingende Verb παίειν (‚schlagen‘) im Griechischen eine ähnlich obszöne Bedeutung haben kann wie κινεῖν. 388 Bei Droysen wird daraus – ohne dass hier auf einen Städtenamen rekurriert wird – ‚der Beischlafide Kinesias‘. In seinem Fußnotenkommentar nimmt Droysen zu den obszönen Passagen nur selten Stellung; zumeist handelt es sich dabei lediglich um die Erläuterung von Personennamen oder geographischen Angaben, die in der entsprechenden Passage vorkommen, nicht um Erklärungen, die den obszönen Scherz verdeutlichen. So bemerkt er etwa an der Stelle, wo der griechische Dichter Pherekrates zitiert wird: „Pherekrates ist einer der vorzüglichsten Komiker der Zeit.“ 389 Und über den von dem verzweifelten Kinesias herbeigewünschte ‚Fuchshund‘ (gr. Κυναλώπηξ; 957) heißt es ebenfalls lakonisch: „Fuchshund war ein gewisser Kuppler, Philostratos genannt.“ Wesentlich umfangreichere Fußnoten finden sich in der Lysistrate nur dort, wo bestimmte historische und kulturhistorische Sachverhalte im Text erwähnt werden. Im Fußnotenapparat zumindest überwiegt damit sehr deutlich Droysens Interesse an der historischen Kontextualisierung der Aristophanes-Komödien. Verglichen mit Voß wagt Droysen bei der Übertragung der Aristophanischen Obszönitäten allerdings wesentlich mehr. Dennoch halten sich bei ihm Passagen, in denen semantisch äquivalent oder gar überbietend übersetzt wird, mit denjenigen, in denen der originale Bedeutungsgehalt abgeschwächt wird, durchaus die Waage. Überbietungen finden sich, wie gesehen, vor allem im Bereich der Wortspiele, bei denen Droysen sich oftmals für eine freiere Wiedergabe zugunsten einer im Deutschen besser verständlichen Pointe entscheidet. Ein konsequentes Vorgehen ist aber weder in Bezug auf die obszönen Einzelbegriffe noch auf die komplexeren sexuellen oder skatologischen Anspielungen festzustellen. Damit bestätigt sich auch im Bereich des Obszönen der von Kitzbichler in Bezug auf die Gesamtübersetzung gewonnene Eindruck der übersetzerischen Inhomogenität. Gleichwohl dürfte Droysen mit seiner Übersetzung zumindest ansatzweise sein Ziel erreicht haben, seinen Zeitgenossen ein – im Vergleich zu Voß oder Borheck – ‚realitätsnäheres‘ Bild der Ari 387 Droysen (Ü), Des Aristophanes Werke, Bd. 3 (1838), 207. 388 Kinesias tritt Lysistrate also gewissermaßen als ‚Rammler aus Bumsdorf‘ (K. L.) entgegen. Henderson führt παίειν unter den sexuellen Metaphern des Bereichs ‚Hitting and Piercing‘ auf; vgl. Henderson (1991), 170 f. 389 Droysen (Ü), Des Aristophanes Werke, Bd. 3 (1838), 151.

Porträts der ausgewählten Übersetzungen und Bearbeitungen der Lysistrate  

stophanischen Komödien zu vermitteln, zu deren Charakteristika, wie Droysen selbst hervorhebt, neben Sprachkunst und metrischer Gestaltung vor allem auch das Obszöne gehört. .... Rezensionen / Urteile / Stellungnahmen Droysens Versuch, einen Mittelweg zwischen streng mimetischer und transponierend-modernisierender Übersetzung einzuschlagen, führte letztlich auch bei der zeitgenössischen Kritik zu uneinheitlichen Reaktionen. 390 Dabei schieden sich die Geister weniger an Droysens Behandlung des Obszönen als vielmehr an Fragen der Metrik und der sprachlichen Gestaltung. Während die ‚beiden‘ anonymen Rezensenten des Repertoriums der gesammten deutschen Literatur – in beiden Fällen handelt es sich allerdings um Gottfried Hermann 391 – Droysen als „genialen Übersetzer“ 392 und seine Übertragung als „geniale Verdeutschung des unübertrefflichsten aller Humoristen“ 393 rühmten und als deren Hauptverdienst das „wort- und sylbengetreuen Anschliessen an das Original“ 394 hervorhoben, 395 beklagte Johannes Minck-

 390 Zur Aufnahme von Droysens Aristophanes-Übersetzung durch die zeitgenössische Kritik vgl. auch Kitzbichler (2014), 191–194. 391 Dass sich Hermann hinter den Rezensions-Chiffren 2 und 96 verbirgt, wird u. a. deutlich aus einer Anmerkung in Johannes Minckwitz’ satirischem Gedicht Die Deutsche Dichtkunst (1837); s. dazu auch u. 3.3.2.3 (Beitrag) Anm. 528. 392 Rezensent 96 [= Gottfried Hermann], [Rez. zu] Aristophanes-Übersetzungen von J. G. Droysen, 1. Theil (1835), 528. 393 Rezensent 2 [= Gottfried Hermann], [Rez. zu] Aristophanes-Übersetzungen von J. G. Droysen, 2. Theil (1837), 259. 394 Rezensent 2 [= Gottfried Hermann], [Rez. zu] Aristophanes-Übersetzungen von J. G. Droysen, 3. Theil (1838), 335. 395 Zu einem ähnlichen Urteil kommen auch [Theodor] B[ergk] und [Arnold] R[uge] (zur Namensauflösung s. Holtermann [2004], 302 Anm. 80 u. Lit.-verz. S. 322) in ihrer ausführlichen Rezension, die 1839 in den Hallischen Jahrbüchern erschien. Droysens Übersetzung wird hier als „bewunderungswürdiges Werk“ (Sp. 11) und seine Übersetzungsart als „die richtige und alles Bisherige übertreffende“ (Sp. 12) bezeichnet. Als „Kenner des alten wie des deutschen Verses“ (Sp. 13) übertreffe Droysen die „verdienstliche Arbeit“ (Sp. 13) Vossens, indem er „mit poetischem Sinn die Geheimnisse unserer eigenthümlichen Verskunst, ihre Klang- und Positionspointen erlauscht, ohne darum dem Bewußtsein über diese Dinge und seiner Reflexion bei der Ausübung die Herrschaft zu übertragen, was dann immer wieder ein unlebendiges Wesen zur Welt gebären würde“ (Sp. 13). Vgl. B[ergk]/R[uge], [Rez. zu] Aristophanes Werke, übersetzt von J. G. Droysen (1839). Etwas verhaltener, aber dennoch positiv äußert sich auch Reinhold Klotz, der sich in seiner in den Neuen Jahrbüchern für Philologie (1838) erschienenen Rezension der ersten beiden Übersetzungsbände „in einigen Fällen ein noch engeres Anschließen an das Original“ gewünscht hätte; vgl. Klotz, [Rez. zu] Aristophanes Werke, übersetzt von J. G. Droysen, Bde. 1 und 2 (1838), 369. Droysens Behandlung der Obszönitäten kommt hingegen in keiner der hier erwähnten Rezensionen explizit zur Sprache.

  Deutsche Aristophanes-Übersetzungen im Vergleich witz in den Jahrbüchern für wissenschaftliche Kritik Droysens Modernisierungstendenzen: Sein [sc. Droysens] Hauptfehler aber besteht darin, dass er das Antike, trotz eigentlicher Beibehaltung der Masse, halb und halb modernisirt und sogar den Reim angewendet hat, mit welchem er freilich in der Regel nur Misslaut erregt, da er bloss schlechte Reime zu Stande gebracht. Ferner fehlt er darin, dass er nicht selten Witze gefunden und in den Dichter hineingetragen, wo von diesem an keinen Witz gedacht worden, und dass er Einzelnes sogar, zur Travestie herabgestiegen, vollkommen modern ausgedrückt hat. Seine Verse tragen häufig, so zu sagen, etwas Schnurrendes oder Schnurriges an sich, was dem griechischen Original durchaus fremd ist. 396

Die Obszönitätsproblematik behandelt Minckwitz, – von dessen eigener, neoklassizistischen Prinzipien verpflichteten Aristophanes-Übersetzung später noch die Rede sein wird (s. u. 3.3.2.3) – hingegen nur beiläufig. Vor allem stört er sich an Droysens Übersetzersprache, an seinem „zum Markttagsleben herabgesunkener Jargon“ 397. An diesem Eindruck könne, so Minckwitz, auch die dezente Behandlung der derberen Stellen nichts ändern: Es frommt nichts dabei, dass er bisweilen blümelt, zierlich und fein zu reden sich bemüht, gewisse Ausdrücke (wie Dreck u. dergl.) umschreibt oder vermeidet: seine Sprache bleibt unhoch und unpoetisch, da die Höhe und Poesie nicht in einzelnen Wörtern steckt, noch bloss von einzelnen Wörtern abhängig ist. 398

Auch die jüngeren Stellungnahmen zu Droysens Aristophanes, deren vergleichsweise große Anzahl auch als Beleg für die intensive und langanhaltende Rezeption der Übersetzung angesehen werden darf, zeichnen sich durch höchst unterschiedliche  396 Minckwitz, [Rez. zu] Aristophanes-Übersetzungen von H. Müller u. L. Seeger, (1846), 558. 397 Minckwitz, [Rez. zu] Aristophanes-Übersetzungen von H. Müller u. L. Seeger, (1846), 558. 398 Minckwitz, [Rez. zu] Aristophanes-Übersetzungen von H. Müller u. L. Seeger, (1846), 558. Minckwitz äußerte sich auch in anderen Zusammenhängen negativ über Droysens Übersetzungspraxis, so etwa seinem „satyrisch-komische[m] Lehrgedicht“ Die deutsche Dichtkunst, wo Droysens Aristophanes-Übersetzung mit Spottversen bedacht wird: Du lobst sogar ja Droysens Aristophanes, / Vermutlich weil derselbe kein Magister blos, / Wie ich, und ein berlinischer Professor ist, / Und in Berlin du Freunde brauchst, Schwachsinniger!; Minckwitz, Die deutsche Dichtkunst (1837), 14. Auch in der Vorrede zu seiner Übertragung des Sophokleischen König Oedipus hält Minckwitz Droysen vor, er habe in seiner 1832 erschienenen Aischylos-Übersetzung „die Ansichten seines Vorgängers Wilhelms [sic] von Humboldt“ mißachtet und sei außerdem „weit hinter diesem zurückgeblieben“; Minckwitz, Vorrede [zu Sophokles: König Oedipus] (1835), 6. Dass Minckwitz freilich mit derartigen Stellungnahmen nicht nur sachliche Interessen verfolgte, sondern hier auch eine gewisse Konkurrenzsituation, zumindest aber grundsätzliche übersetzungsmethodische Differenzen eine Rolle spielen, wird im Zusammenhang mit der Untersuchung der Minckwitz’schen AristophanesÜbersetzung noch deutlicher herausgearbeitet werden (s. u. 3.3.2.3 [Beitrag] Anm. 528). Droysen seinerseits lehnte es im Jahr 1838 ab, Minckwitz’ Euripides-Übersetzung zu rezensieren; vgl. dazu auch Kitzbichler (2014), 83 f.

Porträts der ausgewählten Übersetzungen und Bearbeitungen der Lysistrate  

Bewertungen der übersetzerischen Leistung aus, wobei der Fokus weiterhin auf der sprachlich-metrischen Gestaltung liegt und der Bereich des Obszönen allenfalls gestreift wird. So bemängelt Wilhelm Schmid in der Einleitung zu seiner 1910 erschienenen Neuauflage der Seeger’schen Aristophanes-Übersetzung vor allem, „daß Droysen im Dialog den Trimeter wiederhergestellt hat“, was Schmid als „Rückschritt gegenüber Wieland“ auffasst: 399 „Ein monotoner Kleister Voßschen Stils überzieht den unendlichen Nüancenreichtum des Originals.“ 400 Auch Wilhelm Süß bringt ein Jahr später in seiner umfangreichen Monographie Aristophanes und die Nachwelt (1911) seine grundsätzliche Skepsis gegenüber metrischen Aristophanes-Übertragungen zum Ausdruck. 401 Seine Vorbehalte in Bezug auf Droysens Aristophanes begründet er jedoch vor allem mit den ‚grundverschiedenen Wirkungen‘ von Original und Übersetzung: Von diesen [sc. zuvor aufgezählten Aristophanes Übersetzungen des 19. Jh.] wird allen weit voran die Droysensche geschätzt, und ich weiß wohl, daß sie manchem, der nie eine Zeile des Urtextes gesehen hat, unendliches Behagen verschafft hat und auch von Philologen gern gelesen wird. Ich glaube jedoch, daß die von dem Original und der Übersetzung ausgehenden Wirkungen – ganz abgesehen von dem faux air einer jeden Übersetzung – in diesem Falle grundverschiedene sind. 402

Diese unterschiedlichen Wirkungen manifestieren sich für Süß nicht zuletzt auch in der Behandlung des Obszönen: ‚Ohne Aristophanes kann man‘, wie Hegel einmal sagt, 403 ‚kaum ahnen, wie dem Menschen sauwohl sein kann‘. Wir werden durch ihn aller Bande los und ledig, als nos ipsissimi gleichsam berückt, und unsere geheimsten Blähungen, Geschlechtstrieb, Bildungsschwindel, poetische Salbung, unsere Verkettung mit der tausendfältigen Gemeinheit des öffentlichen, wirkenden Lebens, sie alle werden beim Namen genannt, und mit lauttönender Schelle exorziert fahren sie in einer unschädlichen, kindlich tollen Katharsis aus uns heraus. Mit dem Droysenschen Aristophanes aber scheint es ähnlich wie mit den noch zu besprechenden Aristophanesnachahmungen des 19. Jahrhunderts zu stehen. Sie werden ‚goutiert‘ von Leuten, die sich der dialektischen Entwicklung des papiernen Witzes, sei er auch eine Zote, mit Freuden hingeben, wobei die Befriedigung, die der gelehrte und sensitive Kenner dabei verspürt, im wesentlichen die Wirkung macht. Ich kann nicht glauben, wenn ich auch die

 399 Schmid (1910), 19 f. Wieland hatte die Aristophanischen Dialogpartien in Blankversen wiedergegeben (s. auch o. 2.3.5.3 u. ebd. Anm. 396). 400 Schmid (1910), 20. 401 Vgl. Süß (1911), 122. 402 Vgl. Süß (1911), 121. 403 Vgl. Hegel, Vorlesungen über die Ästhetik III (1838), STW Bd. 15, 553. Zur Genese und Rezeption des Hegel-Ausspruchs vgl. Holtermann (2004), 112 Anm. 70.

  Deutsche Aristophanes-Übersetzungen im Vergleich Gründe dieser Erscheinung nicht genauer zu präzisieren wüßte, daß jemand mit gleicher Wärme und Ehrlichkeit bei beiden zu Gaste gehen kann. 404

Während also das Obszöne im Aristophanischen Original dazu geeignet sei, durch seine lebendige Unmittelbarkeit eine befreiende, geradezu ‚kathartische‘ Wirkung hervorzurufen, kommt es – nach Süß’ Meinung – in Droysens Übersetzung lediglich noch einem gewissen Bedürfnis nach intellektueller Erbauung entgegen, habe aber jede Lebendigkeit eingebüßt. Als bedeutende Fürsprecher Droysens treten um das Jahr 1930 die beiden Gräzisten Ulrich von Wilamowitz-Moellendorff und Paul Friedländer auf den Plan. 405 Beide würdigen übereinstimmend Droysens Verdienst, „die politische Gebundenheit der alten Autoren ans Licht“ 406 gebracht zu haben, und sind sich zudem darüber einig, dass Droysens Übersetzungsleistung insgesamt nur „schwerlich übertroffen“ werden könne. 407 Die übersetzerische Behandlung des Obszönen wird allerdings auch hier wieder vollständig ausgeblendet. Eine knappe Bemerkung hierzu findet sich schließlich erst in der von Heinke Lehmann zusammengestellten Materialsammlung, die unter dem Titel Aristophanes’ Komödien, die Männergesellschaft von Athen und der Peloponnesische Krieg der Lysistrate-Bearbeitung von Erich Fried von 1985 angehängt ist. 408 In dem Abschnitt ‚Demokratie und Komödie oder die Freiheit des Spotts‘ weist Lehmann auf die zur  404 Süß (1911), 121 f. 405 Wilamowitz in der Vorrede zu seinem 1927 erschienenen Lysistrate-Kommentar, die den Titel Die Aufgabe der Aristophaneserklärung trägt, und Friedländer in seiner 1932/33 erstmals publizierten Abhandlung Aristophanes in Deutschland. 406 Vgl. Friedländer (1932/33), 566: „Ein unentbehrlicher und unveralteter Bestandteil des Droysenschen Werks sind die geschichtlichen Einleitungen. [...] Verfassungsformen, Staatseinrichtungen, wirtschaftliche Zustände, politische Parteien rückt er [sc. Droysen] in eine damals ungewohnte Nähe und Schärfe des Blicks. Er befreit sich von dem überlieferten Urteil des Klassizismus, indem er die politische Gebundenheit der alten Autoren ins Licht setzt.“ In diesem Sinn auch WilamowitzMoellendorff (K) (1927), 6: „[...] Und er wird J. G. Droysen bewundern, weil er schon 1835 das richtige historisch politische Verständnis hinzubrachte und in seiner Übersetzung die kongeniale Stimmung wiederzugeben verstand, so wie Hegel sie bezeichnet.“ Hegel hatte in seiner Ästhetik über Aristophanes geäußert: „Ohne ihn gelesen zu haben, lässt sich kaum wissen, wie dem Menschen sauwohl sein kann.“ Vgl. o. 3.3.2.1.4 u. ebd. Anm. 403. 407 Vgl. Wilamowitz-Moellendorff (K) (1927), 6: „Diese Übersetzung, mag ihr auch manches, wie der Schmuck der Lieder, fehlen, wird schwerlich übertroffen werden; [...].“ S. auch Friedländer (1932/33), 565: „Es bleibt doch bestehen, daß Droysen als Gesamtleistung bisher nicht übertroffen worden ist.“ Etwas verhaltener klingt allerdings Wilamowitz’ Droysen-Urteil in der Abhandlung Was ist übersetzen? (4. Aufl. 1925): „[Droysen] hat den Aristophanes so übersetzt, daß man ihm meist mit wahrer Wonne folgt. Und doch fallen die meisten Lieder ganz ab, weil Droysen sich mit der Metrik nicht zu helfen wußte, und die Mißverständnisse des Textes sind weder wenig noch klein.“ Zit. nach Kitzbichler/Lubitz/Mindt (2009b), 328. 408 Frieds Bearbeitung der Lysistrate wird in der vorliegenden Arbeit in Abschnitt 3.3.4.1 behandelt.

Porträts der ausgewählten Übersetzungen und Bearbeitungen der Lysistrate  

Zeit der ersten deutschen Demokratie-Bewegung entstandenen AristophanesÜbersetzungen von Droysen und Seeger hin und fährt dann fort: Mit einer gewissen Delikatesse in den Fußnoten wird bei Droysen eine für damals überraschende Skrupellosigkeit in der Verwendung von obszönem Wort- und Metaphernmaterial salonfähig gemacht. 409

... Ludwig Seeger (1845–1848) Der schwäbische Vormärzdichter Ludwig Seeger (1810–1864) 410 stammte aus dem württembergischen Wildbad. Nach Abschluss des evangelisch-theologischen Seminars in Schönthal, absolvierte er von 1828 bis 1832 ein Studium der Theologie in Tübingen, pflegte daneben jedoch auch seine philologischen und literarischen Interessen. 411 Nach einer kurzen Dienstzeit als Pfarrvikar war Seeger zunächst mehrere Jahre als Lehrer für Latein und Griechisch tätig, unter anderem in Bern, wo er sich 1846 auch habilitierte. 412 Nach der Februarrevolution von 1848 gab der liberal gesinnte Seeger seine Stelle in Bern auf und kehrte nach Württemberg zurück. Da sich hier seine Hoffnungen auf eine feste Anstellung im Schuldienst jedoch nicht erfüllten, arbeitete er zunächst als Journalist, später vor allem als freier Schriftsteller. Daneben engagierte er sich politisch für die demokratische Fortschrittspartei Württembergs, fungierte mehrfach als Landtagsabgeordneter und war Vertrauensmann verschiedener patriotischer Vereine. Seegers Beitrag zur Aristophanes-Übersetzung Den breitesten Raum in Seegers literarischer Arbeit nahm seine Übersetzungstätigkeit ein. Obgleich er mehr Übersetzungen aus den modernen als aus den alten Spra-

 409 Lehmann (1985), 102. 410 Zu Seegers Biographie s. den von dem Stuttgarter Germanisten Hermann Fischer verfassten ADB-Artikel von 1891. Diesen Kurzartikel arbeitete Fischer für den zweiten Band seiner Beiträge zur Litteraturgeschichte Schwabens (1899) zu einer ausführlichen Seeger-Biographie aus; vgl. außerdem Fischer (1910). Zu Seegers übersetzungstheoretischer Bedeutung s. Kitzbichler/Lubitz/Mindt (2009a), 80–87. 411 Er gehörte zu den Teilnehmern des von Ludwig Uhland abgehaltenen ‚Stilistikums‘, eines poetischen Stilübungsseminars für Studenten, und publizierte seit 1832 eigene Gedichte an verschiedenen Stellen. Zu seinen erfolgreichsten lyrischen Arbeiten zählten die Gedichtsammlung Der Sohn der Zeit (1843 u. 1847) sowie die – 1844 unter Pseudonym erschienene Sammlung politischer Gedichte, die Seeger gemeinsam mit dem Jungsozialisten August Becker (1812–1871), einem Freund Georg Büchners, verfasst hatte: Politisch-sociale Gedichte von Heinz (d. i. Ludwig Seeger) und Kunz (d. i. August Becker). 412 Von 1846 bis 1848 hielt er – neben seiner Tätigkeit am Realgymnasium Bern – Vorlesungen über alte und neue Literatur sowie über Ästhetik an der Berner Universität.

  Deutsche Aristophanes-Übersetzungen im Vergleich chen veröffentlichte, 413 konnte er gerade mit einer Übersetzung aus dem Griechischen seinen größten Publikumserfolg erzielen: Seine Gesamtübertragung des Aristophanes – entstanden in der Berner Zeit – erschien zwischen 1845 und 1848 in drei Bänden und erlebte bis zum Ende des 20. Jahrhunderts zahlreiche Neuauflagen und Bearbeitungen. 414 Als liberaler Demokrat war Seeger nicht zufällig zu Aristophanes gekommen. Im Unterschied zu Droysen, der – wie bereits dargelegt – Aristophanes als apolitischen Dichter verstanden wissen wollte und sich auf eine rein ästhetische Lesart beschränkte (s. o. 3.3.2.1 [Exkurs] u. ebd. Anm. 309), betont Seeger – ähnlich wie bereits Wieland und Borheck – ganz bewusst die Parallelen, die er zwischen den politischen Verhältnissen im Athen des ausgehenden 5. Jahrhunderts und der eigenen Gegenwart zu erkennen meint: „Es ist eine Uebergangsperiode, in der er [sc. Aristophanes] lebt – ganz ähnlich der, in deren Kämpfen und Krämpfen wir eben stehen.“ 415 In dieser schwierigen Situation habe sich Aristophanes – und dies deutet Seeger im Gegensatz zu Wieland positiv (vgl. o. 2.3.5.3 u. ebd. Anm. 382) – als „Patriot“ 416 und wahrer Freund des Volkes 417 erwiesen, an dem sich auch Seegers deut 413 Mit dem Übersetzen antiker Autoren, insbesondere Platons und Sophokles’, hatte Seeger sich bereits seit den frühen 1830er Jahren beschäftigt, lange Zeit sogar eine Gesamtübersetzung des Sophokles erwogen (vgl. Fischer [1899], 174 u. 186). Zum Druck war letztlich jedoch nur eine Übertragung der Sophokleischen Elektra gelangt, die 1842 in die von Seegers Kollegen an der Berner Schule, Karl Borberg, herausgegebene Anthologie Hellas und Rom aufgenommen wurde (s. Borberg [1842], Abt. 1, Bd. 2, 514–557). In derselben Sammlung finden sich auch Seegers Übersetzungen von zwölf Anakreonteen (s. Borberg [1842] Abt. 1, Bd. 1, 283–288) sowie der ersten Olympischen und der siebten Pythischen Ode Pindars (s. Borberg [1842], Abt. 1, Bd. 1, 298–302 u. 328), jeweils in freiem Anschluss an die Originalversmaße (vgl. Fischer [1899], 186). Aus den modernen Sprachen übersetzte Seeger unter anderem die politisch-satirischen Gedichte des seinerzeit hochgeschätzten französischen Lyrikers Pierre-Jean de Béranger (1839–1841). Da Bérangers Gedichte, die zwischen 1815 und 1833 in fünf Sammlungen erschienen waren, auch erotische Anzüglichkeiten enthielten und deshalb als anstößig galten (vgl. Fischer [1899], 178), ließ Seeger seine Übersetzung zunächst unter dem Pseudonym L. S. Rubens erscheinen: Beranger’s Lieder in den Versmaßen des Originals verdeutscht durch L. S. Rubens, 3 Bde., Bern 1839–1841; in der zweiten Auflage von 1859 wurde das Pseudonym durch den richtigen Namen ersetzt. Zu Seegers Béranger-Übersetzung vgl. auch Fischer (1899), 177–180, und Klink (1912). Des Weiteren übersetzte Seeger Victor Hugos poetische Werke, die 1860 in drei Bänden herauskamen, ohne allerdings größere Breitenwirkung erzielen zu können (vgl. Fischer [1899], 207–209) sowie drei Shakespeare-Dramen (König Johann; Hamlet; Timon von Athen), die posthum in der zehnbändigen Sammlung Shakespeare in deutscher Uebersetzung (1867–1869) im Rahmen der vom Bibliographischen Institut in Hildburghausen herausgegebenen Bibliothek ausländischer Klassiker veröffentlicht wurden. Zu Seegers Shakespeare-Übersetzungen s. auch Gaiser (1911). 414 S. dazu u. 3.3.2.2.4 Anm. 513. 415 Seeger, Einleitung [zu Aristophanes: Wolken] (1845), 367. 416 Vgl. u. a. Seeger, Einleitung [zu Aristophanes: Wolken] (1845), 367. Bereits A. W. Schlegel hatte Aristophanes in seinen Vorlesungen über dramatische Kunst (zuerst 1809) als Patrioten bezeichnet: „Uebrigens zeigt sich Aristophanes überall als einen eifrigen Patrioten; er greift die mächtigen

Porträts der ausgewählten Übersetzungen und Bearbeitungen der Lysistrate  

sche Zeitgenossen ein Beispiel nehmen könnten. Seeger spricht in diesem Zusammenhang gar von einer politischen „Mission“ des „hellenischen Geistes“ in Deutschland 418, als deren Mittler er sich selbst offenbar versteht: [...] Dichter, die so durch und durch politisch sind, wie die griechischen, ein Aeschylos, der nicht blos Perser schreibt, sondern auch gegen die Perser (bei Marathon und Salamis) ficht, ein Aristophanes, der wie dieser von ihm hochverehrte Heros sich aufs thätigste an den inneren und äußeren Geschicken seines Vaterlandes oft mit eigner Lebensgefahr betheiligt, solche Männer des begeisterten Worts und der begeisterten That müssen unsern Bücher- und Stubenmenschen vorgeführt, ihre Werke müssen dem deutschen Volk in seiner Sprache ans Herz gelegt werden, damit es wenigstens – noch erröthe. 419

Die Vorbildlichkeit des hellenischen Patriotismus, wie er sich in den Komödien des Aristophanes zeige, solle – so Seeger – letztlich auch „das deutsche Nationalgefühl“ erwecken und damit unmittelbare Wirkung auch auf die politischen Verhältnisse der Gegenwart ausüben. 420 Dass diese Forderung Seegers einer seinerzeit weit verbreiteten geistigen Strömung entspricht, führt Denkler (1970) aus. Er verweist auf ähnliche, bereits seit Mitte der 1830er Jahre von Schriftstellern wie Karl Gutzkow, Karl Rosenkranz, Arnold Ruge und Robert Prutz vertretene Positionen, die eine wesentliche Aufgabe der Literatur darin erkannten, „Taten vor[zu]bereiten und den Weg in die Praxis [zu] bahnen“ 421. Da jedoch den zeitgenössischen politisch bewegten deutschen Lustspielautoren – im Unterschied zu den Tragödiendichtern 422 – noch keine geeigneten muttersprachlichen Muster zur Verfügung gestanden hätten, habe man hier notwendigerweise auf andere, teilweise ältere Vorbilder fremder Herkunft zurückgreifen müssen. Neben dem französischen Dramatiker Eugène Scribe (1791–1861) und Shakespeare berief man sich daher vor allem auf Aristophanes, den man als Bewahrer freiheitlich-demokratischer Ideale feierte, wenngleich die

 Volksverführer an, eben die, welche der ernste Thukydides als so verderblich schildert; er räth zum Frieden bei dem innerlichen Kriege, der Griechenlands Wohlstand unwiederbringlich zerrüttete; er empfiehlt die Einfachheit und Strenge alter Sitten. So viel von der politischen Bedeutung der alten Komödie.“ (Vgl. A. W. Schlegel, August Wilhelm von Schlegel’s Vorlesungen über dramatische Kunst und Litteratur [31846], 189). 417 Seeger, Einleitung [zu Aristophanes: Vögel] (1846), 251: „Dagegen wahre Liebe zum Volk ist es, in solchen Fällen [sc. wie dem der missglückten sizilischen Expedition; d. Verf.] auf die vergiftete Quelle hinzuweisen, aus der das Volk sich krank getrunken, auf die religiöse und politische Superstition, bei deren letzten krankhaften Aeußerungen auch dem Gläubigsten gegründete Zweifel an dem Segen eines solchen ‚Glaubens unserer Väter’ aufsteigen mussten.“ 418 Seeger, Epistel an einen Freund (1845), 18. 419 Seeger, Epistel an einen Freund (1845), 18 f. 420 Vgl. Seeger, Epistel an einen Freund (1845), 19. 421 Denkler (1970), 135. 422 Hier hatten Friedrich Schiller und Theodor Körner mit ihren Freiheitsdramen bereits entsprechende Vorarbeit geleistet; vgl. Denkler (1970), 136.

  Deutsche Aristophanes-Übersetzungen im Vergleich Erkenntnisse der zeitgenössischen Aristophanesforschung, wie Denkler ausführt, ein eher konträres Bild des attischen Komikers vermittelten: Mochte Aristophanes auch – wie es immerhin in der 9. Auflage des Brockhaus von 1843 zu lesen ist – in ‚politischem und moralischem Sinne [...] 423 ein strenger Verfechter alter Zucht, Sitte, Lehre und Kunst‘ gewesen sein und sich der extrem demokratischen Entwicklung in Athen entgegengestellt haben: die ‚deutschen Aristophanesse‘ berufen sich dennoch allein auf die ‚ungemessene Freiheit‘ seiner Lustspiele, die ‚sagen, was Recht ist und Wahrheit‘, verlachend ‚geißeln, züchtigen, aufklären‘ und trotz aller Zeitkritik die Idee der untergehenden griechischen Demokratie als politisches Vermächtnis der Neuzeit zuzutragen scheinen. [...] 424 [I]hm [sc. Aristophanes; d. Verf.] dürfen sie willig folgen, denn sie vertrauen darauf, daß er – ähnlich wie sie – ‚neuen Zeitvorstellungen in betreff auf Politik, Sittlichkeit, Poesie, Religion usf. einen lebendigen Eingang‘ verschaffte und zugleich die ‚absolute Freiheit des Geistes‘ in Stücken feierte, ohne deren Kenntnis der Mensch kaum wissen würde, ‚wie dem Menschen sauwohl sein kann‘. 425

Die jungen Dichter des deutschen Vormärz wiederum führte der Weg zu Aristophanes nicht selten über Seegers neu erschienene Gesamtübersetzung und dessen in der Epistel an einen Freund dargelegte Deutung des Aristophanes als eines politischen Dichters, „der seine Mission in Deutschland noch zu erfüllen habe“. 426 Auf diese Weise dürften Seegers Übersetzungen wohl auch in hohem Maße die zahlreichen zwischen 1843 und 1850 entstandenen Komödien der sogenannten deutschen Aristophaniden beeinflusst haben. 427 Eng verknüpft mit der politischen Wirkungsabsicht ist für Seeger das Element des Obszönen, mit dem er sich als einer der ersten deutschen AristophanesÜbersetzer ausführlich auseinandersetzt, ohne dabei eine moralische Wertung vorzunehmen. Hatten Droysen 428 und zuvor bereits Wieland 429 die Obszönität der Aristophanischen Komödie vor allem noch als Zugeständnis an den gesunkenen Zeitgeschmack und als Zeichen des fortgeschrittenen Sittenverfalls der athenischen Gesellschaft am Ende des 5. Jahrhunderts gedeutet, so führt Seeger „die Unflätigkei-

 423 Auslassung Denkler. 424 Auslassung d. Verf. 425 Denkler (1970), 137 f. Vgl. dort (Anmm. 17–22) auch die genauen Stellennachweise der zitierten Passagen. 426 Denkler (1970), 139 f. 427 Vgl. Denkler (1970), 139 und 140. Zu den hier in Frage kommenden Komödien kann man – nach Denkler (1970), 142 – vor allem die folgenden Stücke zählen: Die Mondzügler von Heinrich Hoffmann (1843), Die politische Wochenstube von Robert Prutz (1845), Die Wände von Otto Seemann und Albert Dulk (1848), Die Kaiserwahl zu Frankfurt von Karl Heinrich Keck (1850) und Kaspar, der Mensch von Adolf Glaßbrenner (1850). Vgl. auch Denklers Überblicksdarstellungen der genannten Stücke (Denkler [1970], 143–156). 428 S. o. 3.3.2.1 (Exkurs) u. ebd. Anm. 306. 429 S. o. 2.3.5.3 u. ebd. Anm. 388.

Porträts der ausgewählten Übersetzungen und Bearbeitungen der Lysistrate  

ten der alten Komiker“ 430 in erster Linie auf kulturhistorisch bedingte Unterschiede zwischen antiker und moderner, christlich geprägter Welt zurück: Die Alten liebten nun einmal das Nackte, wir den Schleier; das Steckenpferd der Griechen war und ist heute noch (man lese Sanders, ‚das Volksleben der Neugriechen‘) – und das ihrige allein? – die Zotologie. Die Alten kannten das nicht, was wir Pruderie nennen und was Göthe meint, wenn er sagt: Ihr habt das Recht gesittet Pfui zu sagen, Man darf das nicht vor keuschen Ohren nennen, Was keusche Herzen nicht entbehren können. Und doch ist, nach meiner festen Ueberzeugung, die ganze neuere Literatur sittlich nicht reiner, wohl aber verführerischer als selbst die griechische Komödie mit ihrer ganzen naiven Schamlosigkeit. Aristophanes selbst sagt einmal, er habe die Scham erst ablegen müssen, um als Komiker hervorzutreten. Die Alten schrieben für Männer, und in der Komödie, wenn einmal Alles auf den Kopf gestellt wird, kommt auch der Koth obenauf; das gehört mit zur verkehrten Welt der Komödie. 431

Zudem weist Seeger in diesem Zusammenhang bereits explizit auf Parallelen zwischen den athenischen Dionysosfestspielen – dem Ort der Aristophanischen Komödie – und modernen Karnevalstraditionen hin, wo dem Obszönen ebenso wie der politischen Schelte für eine begrenzte Zeit offiziell Raum gegeben wird: „Es war ein kurzer Spaß von ein paar Tagen, ein lustiger, phantastischer Rausch mitten zwischen den Lebensernst hinein.“ 432 Vor diesem Hintergrund habe Aristophanes das „Häßliche, Gemeine“, in erster Linie als Kontrastmittel eingesetzt, „um das Unwahre, das erlogen Erhabene daran zu halten“ und „seine Verwandtschaft mit der schmutzigen Umgebung einleuchtender zu machen“. 433 Gleichwohl vermeint auch Seeger – ähnlich wie Droysen – in den späten Komödien des Aristophanes einen gewissen künstlerischen Rückschritt zu erkennen, den er den unsicheren politischen Verhältnissen in Athen zuschreibt. So stimmt Seeger in seiner Lysistrate-Einleitung zwar grundsätzlich dem Berliner AristophanesKommentator Julius Richter zu, der den moralischen Kritikern des Aristophanes in seiner Broschüre Aristophanisches (1845) 434 vorgehalten hatte:  430 Seeger, Epistel an einen Freund (1845), 21. 431 Seeger, Epistel an einen Freund (1845), 21. Bei dem Goethezitat handelt es sich um einen Ausspruch Mephistos (Faust I 3293 ff., in: FA I 7/1), der Fausts Abwehrreaktion auf eine obszöne Anspielung als Heuchelei tadelt. 432 Seeger, Epistel an einen Freund (1845), 22. Vgl. dazu auch o. 1.1.2 Anm. 44. 433 Vgl. Seeger, Epistel an einen Freund (1845), 22. 434 Der Altphilologe Julius Richter (1816–1877), von 1839 bis 1870 Lehrer am Friedrichswerderschen Gymnasium zu Berlin, hatte sich ausführlich mit den Werken des Aristophanes auseinandergesetzt. Zu seinen wichtigsten Beiträgen gehören seine kommentierten Textausgaben zu den Wespen (1858) und zum Frieden (1860) sowie das erwähnte Schulprogramm mit dem Titel

  Deutsche Aristophanes-Übersetzungen im Vergleich [D]en Aristophanes verdammen heißt über die Blüthezeit attischen Lebens den Stab brechen; ihn unsittlich und niedrig nennen, heißt das gesammte attische Volk gleicher Unsittlichkeit und Niedrigkeit zeihen. 435

Gegen Richters Formulierung „Blüthezeit attischen Lebens“ wendet Seeger, der selbst ja von einer „Uebergangsperiode“ spricht (s. o. 3.3.2.2 [Beitrag] u. ebd. Anm. 415), jedoch ein, dass die letzte Phase des Peloponnesischen Krieges – und somit die Entstehungszeit der Lysistrate und der übrigen Frauenkomödien – nicht mehr ganz zu jener Blütezeit zu rechnen sei: Allerdings sind die Blüthen noch nicht abgefallen, aber die deutlichsten Vorboten des Abwelkens, Abdorrens sind da: und wie die Zeit, so haben auch die Stücke des Aristophanes, (welche dieser dritte Band enthält) die in diese Zeit fallen – die Frösche etwa ausgenommen – Etwas von jenem unerquicklichen Bei- oder Heugeruch. In den Vögeln stand der Aristophanische Humor in der vollsten, üppigsten Blüthe: von da an haucht uns der erste frische Frühlingsduft seiner Muse nicht so häufig mehr an. Diese Weiberstücke verrathen den poetischen Altweibersommer in dem sie zur Welt kamen. Aber daran waren zumeist die Zeitereignisse Schuld, die drückende Luft, die dem Dichter das freie Athmen erschwerte. [...] Bei diesem bodenlosen Schwanken aller politischen Verhältnisse war keine gründliche, unverkümmerte Heiterkeit mehr möglich. 436

Als Reaktion auf diese Unsicherheit der politischen Verhältnisse, die letztlich auch eine Einschränkung der freien Meinungsäußerung und der „komischen Preßfreiheit“ 437, wie Seeger es ausdrückt, nach sich gezogen habe, habe Aristophanes schon aus Gründen des Selbstschutzes zu drastischen Mitteln gegriffen und sich – hier wird Jean Paul zitiert – „wie die alten Ringer [...] mit Sand und Koth [verunreinigt], um von seinen Gegnern nicht gefaßt zu werden“. 438  Aristophanisches (1845), bei dem es sich im Wesentlichen um eine Abhandlung über Aufführungszeit und -ort der Thesmophoriazusen sowie über deren Wirkung auf das attische Theaterpublikum handelt. Auch als Verfasser Aristophanischer Komödien in griechischer Sprache machte Richter sich einen Namen; vgl. dazu Holtermann (2004), 232–241. Zu Richters Biographie vgl. Eckstein, Nomenclator Philologorum (1871), 394 [Online-Fassung]; URL: http://www.venturus.de/eckstein.pdf (zuletzt gesehen: 17.09.2019). Eine Kurzbiographie sowie ein umfangreiches Schriftenverzeichnis Richters nebst aktualisiertem biographisch-bibliographischen Quellenverzeichnis findet sich unter dem Titel Wer war Julius Hermann Richter? in dem von Bernd Platzdasch betriebenen Online-Portal Pantoia, das sich der Sammlung, Digitalisierung und Katalogisierung von aus dem Deutschen ins Lateinische oder Altgriechische übersetzten unterhaltsamen literarischen Texten widmet: URL: http://www.pantoia.de/Anthologien/Richter1870/vita.html (zuletzt gesehen: 17.09.2019). 435 Seeger, Einleitung [zu Aristophanes: Lysistrate] (1848), 13. 436 Seeger, Einleitung [zu Aristophanes: Lysistrate] (1848), 14 f. 437 Seeger, Einleitung [zu Aristophanes: Lysistrate] (1848), 15. 438 Seeger, Einleitung [zu Aristophanes: Lysistrate] (1848), 15. Die hier von Seeger angeführte Stelle stammt nicht, wie seine Quellenangabe vermuten lässt, aus Jean Pauls Vorschule der Ästhetik (1804/21813), sondern aus dessen Satireschrift Des Feldpredigers Schmelzle Reise nach Flätz mit fortgehenden Noten (1808) und findet sich dort unter Nr. 88 der – nicht in numerischer Abfolge

Porträts der ausgewählten Übersetzungen und Bearbeitungen der Lysistrate  

Unter den hier behandelten Aristophanes-Übersetzern nimmt Seeger allerdings nicht nur wegen seiner grundlegenden Betrachtungen zur historischen Verortung der Aristophanischen Obszönität eine Sonderstellung ein, sondern vor allem auch wegen seiner ausführlichen Endnotenkommentare zu den einzelnen Komödien, in denen, wie noch zu zeigen sein wird, dem Obszönen breiter Raum gewährt wird. Seegers Lysistrate-Übersetzung .... Seegers Übersetzungskonzeption Seegers politische Motivation bestimmte in hohem Maße auch seine übersetzungstheoretische Konzeption. „Wir müssen, das ist jetzt die Aufgabe, vor allen Dingen deutsch und poetisch übersetzen“ 439, lautet seine Hauptforderung in der Epistel an einen Freund, die als Vorwort dem ersten Band der Aristophanes-Übersetzung vorangestellt ist 440 und wohl das „umfassendste und konsequenteste Zeugnis für die Abwendung von Voß und dem sprachmimetischen Prinzip in der Zeit des deutschen Vormärz“ 441 darstellt. Seeger plädiert hier aus der Perspektive des demokratischen Bildungspolitikers für einen gleichberechtigten Zugang aller zu sämtlichen Bildungsgütern: Es ist Zeit, daß man dem deutschen Volke die Akten vorlegt in einem Streit, der bisher hinter seinem Rücken, in den Phrontisterien der Gelehrten verhandelt wurde, als ging’ er das Volk gar nichts an; und so wenig eine Jury das lateinische Korpus Juris braucht, um ein vernünftiges Urtheil zu fällen, so wenig ist für die Jury der Gebildeten im Volke – und das sollen ja Alle werden, – das Griechische unumgänglich nothwendig, um selbständig prüfen zu können: ob Shakespeare größer als Sophokles oder Aristophanes, ob wir immer und immer wieder zu den Alten zurückkehren müssen, oder ob wir nicht endlich einmal eine Bilanz ziehen, der antiken Kunst und Poesie ihre Stelle in der Bildungs-Geschichte der Menschheit ein für allemal anweisen, und uns damit für immer vor blinder Nachbeterei wie vor oberflächlicher Geringschätzung sicher stellen sollen? 442

 beigefügten – Fußnoten: „Bis hieher hab’ ich immer die Streitschriften der jetzigen philosophischen und ästhetischen idealen Streitflegel, worin allerdings einige Schimpfworte und Trug- und Lugschlüsse vorkommen, mehr von der schönen Seite genommen, indem ich sie blos als eine Nachahmung des klassischen Alterthums, und zwar der Ringer desselben angesehen, welche [...] ihren Leib mit Koth bestrichen, um nicht gefaßt zu werden, und ihre Hände mit Staub anfüllten, um den fremden zu fassen.“ ([Richter], Jean Pauls Sämtliche Werke, Erste Abt., Bd. 13 [1935], 23). 439 Vgl. Seeger, Epistel an einen Freund (1845), 7. 440 Zuletzt wiederabgedruckt (mit kommentierenden Anmerkungen) in: Kitzbichler/Lubitz/Mindt (2009b), 163–177. Die im Text angegebenen Seitenzahlen beziehen sich auf die Erstausgabe von Seegers Aristophanes-Übersetzung, Bd. 1 (1845). 441 Josefine Kitzbichler in Kitzbichler/Lubitz/Mindt (2009a), 85. 442 Seeger, Epistel an einen Freund (1845), 4.

  Deutsche Aristophanes-Übersetzungen im Vergleich Bildung ist für Seeger das „Produkt aller Jahrhunderte, aller geschichtlichen Völker“, ihr Hauptelement bleibe jedoch „das Klassische, das Hellenische“. 443 In diesem Sinne seien alle fremden Literaturen der Gemeinbildung zugänglich zu machen, und auch die griechischen Dichter seien so zu übersetzen, dass jeder sie lesen könne, der auch „einen Schiller mit Verstand liest“. 444 Eine Hauptaufgabe des Übersetzers antiker Literatur besteht für Seeger also darin, die vorhandenen Texte auch einem nicht-elitären Leserkreis zu erschließen. Daraus ergibt sich seine Abwendung von Voß und anderen „Philologen von der strikten Observanz“, zu denen Seeger außerdem Wolf, Solger, Thiersch und auch Droysen zählt. 445 Ihnen wirft er „vornehme Geheimnißkrämerei“ und „poetische Impotenz“ vor, 446 da ihre Übersetzungen beinahe ebenso schwer verständlich seien wie die Originale. 447 Seeger selbst hingegen betrachtet das Übersetzen geradezu als eine – im Sinne Luthers 448 – reformatorische Aufgabe: Wer uns Uebersetzungen der griechischen Dichter bietet, deutsche Uebersetzungen, nicht in jenem berüchtigten „Uebersetzerrothwelsch“ 449 abgefaßte, wo die goldenen Aepfel statt in silbernen Schalen auf „fünfgezottelter Ziegenpelz-Einpolsterung“ Voß. liegen, glaube mir, auch der dient nach seiner Kraft dem Geist der neuen Zeit, auch seine Arbeit bildet ein Glied in der Kette der gründlich reformatorischen Bestrebungen unserer Tage. 450

 443 Vgl. Seeger, Epistel an einen Freund (1845), 2. 444 Vgl. Seeger, Epistel an einen Freund (1845), 3. 445 Vgl. Seeger, Epistel an einen Freund (1845), 6. 446 Vgl. Seeger, Epistel an einen Freund (1845), 6. 447 Damit wendet er sich implizit gegen das Schleiermacher’sche Postulat, mit Hilfe der Übersetzung den Leser zum Autor und nicht den Autor zum Leser zu bringen. S. auch o. 3.3.1.3.3 Anm. 250. 448 Seeger selbst bemerkt in seiner Epistel an einen Freund (1845), 4, dass die „Heroen der antiken Poesie“ den modernen Zeitgenossen „trotz allem Aufwand von Gelehrsamkeit, der seit der Reformation an sie verschwendet worden“ sei, nach wie vor fernstünden. Ziel seiner Übersetzungsbemühungen sei es daher, „den abgöttischen Respekt vor den Alten“ zur „kritisch temperierten Bewunderung“ werden zu lassen (ebd.). 449 Hier zitiert Seeger August Wilhelm Schlegel, der in seiner zuerst in der Jenaischen allgemeinen Literaturzeitung erschienenen Rezension über Homers Werke von Johann Heinrich Voß (1796), 150, den Begriff „Rothwelsch“ zur Charakterisierung von Voß’ Übersetzungsstil verwendet: „Aber eben so ausgemacht ist es, daß es für jede Sprache gewisse, durch ursprüngliche noch fortdauernde Beschaffenheit, oder durch eine Verjährung von undenklichen Zeiten her festgesetzte Grenzen giebt, die man nicht überschreiten darf, ohne sich den gerechten Vorwurf zuzuziehen, daß man eigentlich keine gültige, als solche anerkannte Sprache, sondern ein selbsterfundenes Rothwelsch rede.“ 450 Seeger, Epistel an einen Freund (1845), 4. Josefine Kitzbichler weist in Kitzbichler/Lubitz/Mindt, (2009a), 83 Anm. 271, darauf hin, dass Seeger hier Voß’ Übersetzung nicht korrekt zitiert, in der

Porträts der ausgewählten Übersetzungen und Bearbeitungen der Lysistrate  

Seeger unterscheidet zwei gegensätzliche Übersetzungsrichtungen, die sich im Verlauf der vergangenen „Literaturperiode“ 451 herausgebildet hätten: Einerseits die „modernisierende, freie, laxe, bequeme französisch deutsche“, andererseits die „buchstäblich treue, pedantisch strenge, undeutsche“. 452 Beide Methoden – von Seeger auch als die „Wieland’sche“ und die „Voß’sche“ bezeichnet – werden von ihm jedoch als zu einseitig abgelehnt. 453 Aber auch einen „goldne[n] Mittelweg“ 454, wie ihn beispielsweise Droysen zu gehen suchte (s. u. 3.3.2.1.1 u. ebd. Anm. 325), hält Seeger für unrealistisch: „[Z]wischen zwei wahrhaften Gegensätzen ist in alle Ewigkeit keine Vermittlung möglich. Die wahre Vermittlung ist die Auflösung der Gegensätze in ein drittes Höheres [...]“. 455 Zur Verdeutlichung vergleicht Seeger die Übersetzung mit einem Porträt, das nur dann als Kunstwerk gelten könne, wenn es den Porträtierten nicht „mit allen Flecken und Sommersprossen“ nachzeichne, sondern vielmehr dessen wesentliche Züge hervorhebe und die zufälligen vernachlässige. 456 Ebenso habe ein Übersetzer vor allem auf das „Poetische des Inhalts und Gehalts“ zu achten, während das „Zufällige“ des dichterischen Kunstwerkes – die „Construktionen und Sprachwendungen“ – der Muttersprache unterzuordnen sei. 457 Für die Übersetzungspraxis bedeutet dies nach Seegers Auffassung vor allem eine Abkehr von der streng mimetischen Wiedergabe des griechischen Versbaus. Insbesondere den von ihm als unnatürlich und gespreizt 458 empfundenen Trimeter will er aus deutschen Übersetzungen verbannen und spricht sich stattdessen für die Wiedereinführung des fünfhebigen Iambus aus, wie ihn vor Anbruch der Voß-Ära bereits Wieland und Stolberg in ihren Übersetzungen griechischer Dramen verwendet hatten. 459 Allein bei der Wiedergabe der Chorlieder hält Seeger metrisch getreue  vielmehr von einer ‚fünf gezottelten Ziegenbälg’ Einpolsterung‘ die Rede ist. Vgl. Die Wolken V. 8–10 in: Aristofanes [übers.] von Johann Heinrich Voss [1821], Bd. 1, 197. 451 Vgl. Seeger, Epistel an einen Freund (1845), 10. 452 Vgl. Seeger, Epistel an einen Freund (1845), 11. Die Unterscheidung „freye“ versus „pedantische“ Übersetzung findet sich bereits bei Herwig, s. o. 2.3.4.4. 453 Vgl. Seeger, Epistel an einen Freund (1845), 11. 454 Vgl. Seeger, Epistel an einen Freund (1845), 11. 455 Seeger, Epistel an einen Freund (1845), 11. 456 Vgl. Seeger, Epistel an einen Freund (1845), 9. 457 Vgl. Seeger, Epistel an einen Freund (1845), 9 f. 458 Vgl. Seeger, Epistel an einen Freund (1845), 14. 459 Vgl. Seeger, Epistel an einen Freund (1845), 16. In der Nachfolge Goethes und Schillers habe sich der fünfhebige Iambus, wie Seeger hier ebenfalls ausführt, als ‚klassischer‘ Bühnenvers in Deutschland etabliert. Ein Rezensent der Neuen Jenaischen Allgemeinen Literatur-Zeitung bemerkt allerdings kritisch, dass Seeger bei seiner Anpassung der griechischen Metren an konventionelle ‚deutsche‘ Versschemata noch nicht weit genug gehe: „Hr Seeger hat ganz und gar vergessen, dass der unveräusserliche Schlussstein gedachtes [sic] Princips der Reim ist, und dass, wenn wir ihm die Modernisirung der altgriechischen Dramatiker durch den fünffüssigen Jamben statt des Trimeters zugeben sollten, die Klarheit der Ein- und Ansichten, welche unsere Zeit in solchen Dingen errungen hat, nothwendig fordern würde, denn doch in diesem Falle mit der Consequenz nicht auf

  Deutsche Aristophanes-Übersetzungen im Vergleich Nachbildungen für wünschenswert, „so weit sie [...] unsrem Ohre zugänglich sind“, andernfalls seien freie Rhythmen zu bevorzugen. 460 Für Seeger ist in diesem Zusammenhang vor allem das dichterische Einfühlungsvermögen des Übersetzers von Bedeutung: Hier entscheidet nur das Ohr, der poetische Takt, keine Willkühr, keine maaßlose metrische Tändelei! Der Nachdichter lauscht dem Dichter Rhythmus und Melodie ab, und ein poetisch sicherer Tastsinn, an alten und neuen Kunstwerken geübt, muß heraus fühlen, was genau nachzuahmen ist, und was als Aeußerliches ohne Nachtheil, ja zum Vortheil der Verdeutschung geopfert werden darf. Poesie geht, wie gesagt über Prosodie. 461

Konsequenter als Droysen und bereits ähnlich argumentierend wie gut fünfzig Jahre später Ulrich von Wilamowitz-Moellendorff in seiner einflussreichen Abhandlung Was ist übersetzen? 462, versucht Seeger hier, das klassizistische Dogma von der vorbildhaften Antike zu überwinden. Dem – nach dem Wirken Goethes und Schillers 463 – zunehmend als ‚klassisch‘ oder vollendet angesehenen Entwicklungsstand der deutschen Sprache und Literatur wird – ebenso wie der künstlerischen Souveränität des Übersetzers – ein höheres Gewicht beigemessen. Dementsprechend soll der einfühlsame, „an alten und neuen Kunstwerken“ geschulte (Nach-)Dichter nicht mehr sklavisch an die sprachlich-formalen Vorgaben des antiken Originals gebunden sein, sondern es obliegt ihm nunmehr, unter Berücksichtigung der literarischen und metrischen Konventionen seiner Muttersprache eine Übersetzung zu schaffen, die den „gleichen oder doch einen ähnlichen Eindruck“ hervorbringe, „den der Rhythmus des Originals [...] auf das Ohr des Griechen hervorbrachte“. 464 Dass Seeger hiermit allerdings keineswegs nahtlos an das von Schleiermacher verworfene Konzept der „Bewegung des Autors zum Leser“ 465 anknüpfen will, stellt Josefine Kitzbichler klar:

 halbem Wege stehen zu bleiben, sondern nun auch alle lyrischen Rhythmen, von den Trochäen an, in gereimten Versen übertragen zu sehen.“ Weber, [Rez. zu] Aristophanes-Übersetzungen von L. Seeger u. H. Müller (1845), 665. 460 Vgl. Seeger, Epistel an einen Freund (1845), 17. 461 Seeger, Epistel an einen Freund (1845), 17. 462 Zu Wilamowitz’ Übersetzungsauffassung, der das Verhältnis von Übersetzer und Autor als ‚Metempsychose‘ beschreibt, s. Kitzbichler/Lubitz/Mindt (2009a), 199 ff. Vgl. hierzu auch Lubitz (2008). 463 Vgl. Seeger, Epistel an einen Freund (1845), 16. 464 Vgl. Seeger, Epistel an einen Freund (1845), 17 f. Eine ähnliche Formulierung findet sich ebd. S. 16. 465 Vgl. Kitzbichler/Lubitz/Mindt (2009a), 82. S. auch o. 3.3.2.2.1 Anm. 447.

Porträts der ausgewählten Übersetzungen und Bearbeitungen der Lysistrate  

Es geht weniger darum, die Wirkung (im Sprachgebrauch der Zeit: den Eindruck), den das Original einst ausgeübt hatte, in irgendeiner Weise zu reproduzieren, sondern darum, das Potential unmittelbarer und direkter Wirkung, das Seeger in den Komödien sah, zu wecken. 466

Eine unmittelbare Wirkung – nämlich auf das Zwerchfell des Publikums – üben, wie Seeger unter Berufung auf den Volksdichter W. Schulz 467 in der Einleitung zu seiner Lysistrate-Übersetzung hervorhebt, nicht zuletzt die obszönen Scherze des Aristophanes aus: Diese erotischen Dinge, sagt er [sc. W. Schulz], werden allerdings mit einer nichts weniger als zarten Scheu vom Volke behandelt; und gerade darin sind die Leute – ist auch Aristophanes – entsetzlich mannigfaltig und unerschöpflich. Viel von dem Zeug, was sie auskramen, ist freilich für uns nur widerlich. Hat man aber, wie beim ersten Austernessen, einen gewissen Eckel überwunden, so kann man nicht läugnen, daß manches Pikante produciert wird, und muß wenigstens dem Volkswitz mit seiner Fülle verzweifelt anschaulicher Bilder und Gleichnisse auch darin Gerechtigkeit widerfahren lassen. Das Gute daran ist aber eben die nackte Rücksichtslosigkeit, die nur und geradezu auf Erschütterung des Zwerchfells ausgeht. 468

Irrtümlicherweise habe man die Obszönität der Alten Komödien in der Vergangenheit jedoch, wie Seeger hier ebenfalls deutlich macht, stets als Makel aufgefasst und es geradezu als Pflicht des Übersetzers angesehen, den Ruf des Dichters durch nachhaltige Beseitigung dieses Makels zu schützen: Man hat bekanntlich von jeher verschiedene Sorten Seife angewandt, um den Dichter von diesem Flecken rein zu waschen. Daß dieses nöthig sei, daß es für seinen Ruf höchst bedenklich wäre, wenn man es nicht thäte oder nicht zu thun vermöchte, darüber war man lange Zeit so sehr einig, daß man einen Dolmetscher, der nicht einmal den guten Willen dazu gezeigt hätte, für ein Monstrum von Cynismus gehalten hätte. 469

Seeger, der entsprechende Erwartungen seiner Leser offenkundig nicht zu erfüllen gedenkt, führt stattdessen Argumente ins Feld, mit denen er einerseits das obszöne Element in den Frauenkomödien, insbesondere der Lysistrate, als unmittelbar handlungstragend zu erweisen sucht und andererseits das zeitgenössische Lesepublikum zur Überwindung überkommener Moralvorstellungen auffordert: So führt Seeger zunächst die Tatsache, dass gerade die Komödie Lysistrate stets als besonders obszön galt, darauf zurück, dass Aristophanes hier ganz bewusst den politischen Konflikt zwischen Athen und Sparta auf das von erotischen Konflikten geprägte Verhältnis zwischen Männern und Frauen projiziert:

 466 Kitzbichler/Lubitz/Mindt (2009a), 83. 467 Vgl. Seeger, Einleitung [zu Aristophanes: Lysistrate] (1848), 9. 468 Seeger, Einleitung [zu Aristophanes: Lysistrate] (1848), 9. 469 Seeger, Einleitung [zu Aristophanes: Lysistrate] (1848), 10.

  Deutsche Aristophanes-Übersetzungen im Vergleich War aber einmal, als Analogie der politischen Verhältnisse das Verhältniß der beiden Geschlechter gewählt, so konnte es bei der Schilderung der beiderseitigen Abhängigkeit und Unentbehrlichkeit derselben nicht an Scenen der obscönsten Art fehlen: das poetische Theater mußte in mancher Hinsicht dem anatomischen ähnlich werden. Dies erlaubte nicht nur, dies verlangte die athenische Volkssitte mit derselben Entschiedenheit und mit demselben Rechte, als die moderne Sitte der Gebildeten eine solche Nacktheit zurückweist. 470

Dass Seeger das Obszöne auch generell als wesentliche Komponente der Alten Komödie auffasst, die das zeitgenössische attische Publikum geradezu eingefordert habe, wird aus diesen Ausführungen ebenfalls deutlich. Hier setzt auch Seegers Kritik an den Gebildeten seiner Zeit an, denen er – im Gegensatz zu den „aufgeweckten Söhnen und Töchtern des Volks“ 471 eine gewisse Scheinheiligkeit attestiert: Ebenso wie man in der Öffentlichkeit moralisches Verhalten einfordere, um sich dann im Privaten ungeniert über die selbst aufgestellten Forderungen hinwegzusetzen, so wiesen auch die Äußerungen moderner Autoren über die Komödien des Aristophanes starke Tendenzen zur Bigotterie auf. Seeger zitiert hier neben zahlreichen anderen Beispielen Christian August Clodius, der ja in seinen Versuchen aus der Literatur und Moral (1767) mit Bezug auf die Lysistrate eingeräumt hatte, dass es unmöglich sei, die anstößigen Passagen aus dem Text zu entfernen, ohne dadurch den Gedankenzusammenhang zu zerstören, zugleich jedoch von den Interpreten des Aristophanes verlangt hatte, „eben diese schlüpfrigen Stellen zum Beweise der Unvollkommenheit heidnischer Tugenden und zum Abscheu des Lasters“ anzuführen. 472 Als ebenso scheinheilig beurteilt Seeger das Vorgehen des französischen Aristophanes-Übersetzers Poinsinet de Sivry der „aus den sehr eindeutigen Spässen überall widerliche Zweideutigkeiten“ mache und in seinen Anmerkungen deutlich auf die Obszönität bestimmter Stellen hinweist, die er in seiner Übersetzung aus Anstandsgründen aussparen zu müssen meint. 473 Seeger selbst bevorzugt nach eigener Aussage die „gesunde Derbheit des [...] Volkswitzes“, da diese seiner Auffassung nach einen wohltuenden Kontrast zu den exaltierten – wenngleich nicht weniger anstößigen – Anzüglichkeiten gehobener Konversation bilde 474: In dieser gesunden Derbheit – des deutschen, wie des attischen Volkswitzes – liegt der Unterschied von den überzuckerten Zweideutigkeiten der vornehmen Welt, wozu sie sich zu ihrem großen Vorzuge etwa verhält, wie ein Shakespeare, – Aristophanes, Göthe – zu einem Wieland.

 470 Seeger, Einleitung [zu Aristophanes: Lysistrate] (1848), 9. 471 Seeger, Einleitung [zu Aristophanes: Lysistrate] (1848), 9. 472 Vgl. Seeger, Einleitung [zu Aristophanes: Lysistrate] (1848), 12. Zu der zitierten Clodius-Passage s. auch oben 2.3.4.2 u. ebd. Anm. 243. 473 Vgl. Seeger, Einleitung [zu Aristophanes: Lysistrate] (1848), 12. Zur Aristophanes-Übersetzung von Poinsinet de Sivry s. auch o. 2.3.3.5 u. ebd. Anm. 198. 474 Vgl. Seeger, Einleitung [zu Aristophanes: Lysistrate] (1848), 9.

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Und diesen höchst erheblichen Unterschied sollte sich die oft so unsaubre Prüderie der Gebildeten wenigstens vom ästhetischen Standpunkt aus endlich einmal gefallen lassen! 475

Die Demokratisierungsbestrebungen des Aristophanes-Übersetzers Seeger weisen hier gewissermaßen in zwei Richtungen. Während er auf der einen Seite das – bislang von höherer Bildung ausgeschlossene – „Volk“ mit den Inhalten der antiken Literatur vertraut machen will, sollen andererseits auch die „Gebildeten“ von einer neuen Sichtweise auf die Alte Komödie profitieren. Indem sie sich auf die derbere Komik des „Volkswitzes“ einlassen, sollen sie sich – zugunsten eines spontanen, unverstellten Lachens – von ihrer äußerlich zur Schau getragenen „Prüderie“ befreien. Seegers Ausführungen lassen vermuten, dass er durchaus beabsichtigt, die ‚gesunde Derbheit des deutschen Volkswitzes‘ in seiner Übersetzung auch zum Einsatz zu bringen, um bei seinen Lesern auf diese Weise eine befreiende „Erschütterung des Zwerchfells“ zu bewirken. Ob diese Annahme sich als gerechtfertigt erweist, soll die folgende Übersetzungsanalyse ergeben. .... Übersetzungsanalyse Teil 1: Allgemeine Beobachtungen Textpräsentation Seegers dreibändige Gesamtübersetzung des Aristophanes ist, wie alle bisher betrachteten Übersetzungen, ohne den griechischen Originaltext erschienen. Sie enthält keine Titelzusätze zum angewandten Übersetzungsverfahren, wie etwa ‚im Versmaß des Urtextes‘ oder ‚frei nach Aristophanes‘. Die einzelnen Komödien werden – in der Erstauflage – durch umfangreiche Einleitungstexte und jeweils ausführliche Endnotenkommentare flankiert. Die Einteilung der Stücke folgt weitestgehend modernen Bühnenkonventionen. Gliederungseinheit ist die „Szene“, die vom Umfang her dem „Akt“ bzw. „Aufzug“ in anderen Übersetzungen entspricht; eine weitere Untergliederung findet jedoch nicht statt. Szenenbeschreibungen und Handlungsanweisungen sind ebenfalls vorhanden. Die hier näher untersuchte Übersetzung der Lysistrate eröffnet den dritten Band der Gesamtübersetzung, der darüber hinaus auch die Thesmophoriazusen, den Plutos, die Ekklesiazusen und Fragmente enthält. Was die Versaufteilung betrifft, so ist Seeger – ungeachtet des von ihm verwendeten abweichenden Metrums – offenbar darum bemüht, den Inhalt seiner Textvorlage 476 möglichst versgenau wiederzugeben. Aufgrund unterschiedlicher Verseinteilungen in den verschiedenen älteren Textausgaben sind jedoch im Vergleich zur modernen Referenzausgabe (Wilson) etwa ab Vers 685 Abweichungen um ca. fünf  475 Seeger, Einleitung [zu Aristophanes: Lysistrate] (1848), 9 f. 476 Seeger macht zu seiner griechischen Textgrundlage allerdings keine Angaben.

  Deutsche Aristophanes-Übersetzungen im Vergleich Verse, ab Vers 845 (Wilson) bzw. 833 (Seeger) um ca. zwölf Verse zu verzeichnen; zwischen Vers 1220 und 1270 stimmen beide Verszählungen wieder nahezu überein, Wilsons Ausgabe endet mit Vers 1321, Seegers Übersetzung mit Vers 1317. Formale Gestaltung / Metrik Wie Seeger in seinen theoretischen Äußerungen zum Ausdruck bringt, strebt er – im Unterschied zu seinen Vorgängern – keine Übersetzung im Versmaß des Urtextes an. 477 Die Dialogpassagen werden – in bewusster Rückbesinnung auf Wieland 478 – in fünfhebigen Iamben wiedergegeben. Die Chorlieder hingegen nähern sich zum Teil, wie in folgendem Beispiel, dem Originalmetrum an 479: ΧΟΡΟΣ ΓΕΡΟΝΤΩΝ τουτὶ τὸ πρᾶγμ’ ἡμῖν ἰδεῖν ἀπροσδόκητον ἥκει· ἑσμὸς γυναικῶν οὑτοσὶ θύρασιν αὖ βοηθεῖ. (352 f.) Chorführer: Was sich vor unsren Augen abspielt, / ist ganz unerwartet! Ein Schwarm von Weibern kommt daher, / die Tore zu verteidgen.

Teilweise werden die Chorrhythmen aber auch freier behandelt 480: ΧΟΡΟΣ ΓΥΝΑΙΚΩΝ πέτου πέτου, Νικοδίκη, πρὶν ἐμπεπρῆσθαι Καλύκην τε καὶ Κρίτυλλαν περιφυσήτω ὑπό τε νότων ἀργαλέων ὑπό τε γερόντων ὀλέθρων. (321 ff.)

ia dodr A 481

Erster Halbchor der Frauen: Herbei im Flug, | Nikodike! Kritylla, Ka|lyke wird sonst Verbrannt, vom Rauch | und Flammenhauch Erbarmungslo|ser Gesetz’ [Lesart: νόμων] umqualmt, Vom verderbendrohenden Männervolk!

 477 S. o. 3.3.2.2.1 u. ebd. Anm. 459. 478 Vgl. Seeger, Epistel an einen Freund (1845), 16. 479 Vgl. hierzu auch Seeger, Epistel an einen Freund (1845), 17. 480 Vgl. o. 3.3.1.3 (Formale Gestaltung) das gleiche Beispiel bei Voß, der sämtliche Choriamben sowie auch den dodrans A in Vers 323 metrisch exakt nachbildet. 481 Zur Metrik des Verses 323 vgl. Henderson (Ed./K) (1987), 108; s. auch o. 3.3.1.3.2, 3.3.2.1.2 und u. 3.3.2.3.2 (jeweils ‚Formale Gestaltung‘).

Porträts der ausgewählten Übersetzungen und Bearbeitungen der Lysistrate  

Wortlaut / Syntax Was die Dialogpartien betrifft, so bemüht sich Seeger hier offenbar um einen legeren, der deutschen Umgangssprache nahekommenden Stil. Er meidet die genaue Nachbildung der griechischen Syntax und Wortfolge und versucht, die inhaltlichen Aspekte des Originals – ohne sich dabei allzuweit vom griechischen Wortlaut zu entfernen – in möglichst prägnante idiomatische Wendungen des Deutschen zu fassen: Πρ. Λυ.

Ratsherr: Lysistrate:

διὰ τἀργύριον πολεμοῦμεν γάρ;

καὶ τἄλλα γε πάντ’ ἐκυκήθη. ἵνα γὰρ Πείσανδρος ἔχοι κλέπτειν χοἰ ταῖς ἀρχαῖς ἐπέχοντες ἀεί τινα κορκορυγὴν ἐκύκων. οἱ δ’ οὖν τοῦδ’ οὕνεκα δρῶντων ὅ τι βούλονται· τὸ γὰρ ἀργύριον τοῦτ’ οὐκέτι μὴ καθέλωσιν. (489 f.) So? Ist denn das Geld Ursache des Kriegs?

Und die Ursach’ aller Verwirrung! Nur damit sich Peisandros besacken kann und die Stellenjäger, drum rühren Stänk’reien sie auf! Nun, mein’thalb wohl! Die mögen nun ganz nach Belieben Handthieren in Zukunft! Die Gelder jedoch sind vor ihren Krallen gesichert!

Der Gegensatz zur sprachmimetischen Übersetzung wird besonders deutlich im Vergleich zu Voß, dessen Wiedergabe der gleichen Passage sich zwar stärker am griechischen Wortlaut orientiert, aber weniger flüssig erscheint: Rathsvormann: Um das Geld denn, meinest du, führen wir Krieg? Lysistrata: Und kam sonst alle Verwirrung? [sic] Dem Peisandros, damit zu entwenden er hätt’, und wer nachjagte den Ämtern, Stets haben Tumult sie zusammengewirrt. Nun lass deswegen sie anfahn 482, Was ihnen behagt; denn wahrlich das Geld, nicht mehr soll dieses ihr Raub sein!

Exklamationen, Götteranrufe, zeitbedingte Begrifflichkeiten und Inhalte Gräzismen finden sich in Seegers Übersetzung erwartungsgemäß selten. Unverändert übernommen werden – ggf. unter Beifügung einer Anmerkung – kultische Termini wie die Beinamen der Aphrodite, ‚Kolias‘ und ‚Genetyllis‘ (2) 483, oder der Vergleich eines bewaffneten Atheners mit ‚Korybanten‘ (558) 484; ferner auch einige

 482 Zu ‚anfahn‘ vgl. Adelung, Grammatisch-kritisches Wörterbuch (1811), Bd. 1 Sp. 285 f.: „*Anfahen, verb. irreg. neutr. et act. ich fing an, angefangen, eine veraltete Oberdeutsche Form des Verbi anfangen, welche im Hochdeutschen fast gar nicht mehr gehöret wird, übrigens aber in allen Stücken mit anfangen überein kommt.“ [Onlinefassung] URL: https://lexika.digitale-sammlungen. de/adelung/lemma/bsb00009131_3_2_2058 (zuletzt gesehen: 17.09.2019). 483 Zur Stelle s. auch o. 3.3.1.2.2 (Exklamationen) Anm. 152. 484 Zur Stelle s. auch o. 3.3.1.3.2 (Exklamationen) u. ebd. Anm. 235.

  Deutsche Aristophanes-Übersetzungen im Vergleich geographische Angaben, etwa bei der Erwähnung eines ‚von Trikorythos‘ 485 stammenden Insekts (1019 Seeger). Bisweilen werden solche Termini auch ganz ausgelassen. So führt Seeger die in Vers 45 von Lysistrate erwähnten durchsichtigen Gewänder zwar als ‚kimbrische Schleppkleider‘ (Κιμβερίκ’ ὀρθοστάδια) ein; bei der Wiederaufnahme dieser Bezeichnung in Vers 52 durch Kalonike (Κιμβερικὸν ἐνδύσομαι) lautet Seegers Übersetzung jedoch vereinfacht ‚Ich trag’ ein Schleppkleid!‘. Ebenfalls weitgehend unverändert und bisweilen kommentierend erweitert erscheinen Götternamen, sofern es sich um einzelne Angehörige der auch den deutschen Lesern allgemein bekannten olympischen Götterfamilie handelt: μὰ τὴν Ἀφροδίτην (208) νὴ τὸν Ποσειδῶ (403)

Bei Aphrodite beim Wassermann Poseidon

Dagegen werden die Anrufe der im Griechischen paarweise, d. h. im Dual, angesprochenen Gottheiten Demeter und Kore sowie der spartanischen Dioskurenbrüder häufig durch abweichende, teilweise christlichen Vorstellungen entsprechende Affirmationsformeln ersetzt: νὴ τὼ θεώ (453) νὴ τὼ θεώ (113) ναὶ τὼ σιώ (81; 983) ναὶ τὼ σιώ (90) ναὶ τὸν Κάστορα (206; 988)

bei Demeter bei Gott bim Donner by miner Seel Bim Hell (206 Seeger; 975 Seeger).

Athenes Beiname Τριτογένεια (347) wird von Seeger durch eine deutsche Bezeichnung ihrer Funktion – ‚Schutzgöttin der Burg‘ (345 Seeger) – ersetzt. In ähnlicher Weise werden auch andere zeitgebundene griechische Termini ins Deutsche übertragen: So wird die umschreibende griechische Ortsangabe τῇ τετραπόλει (285) durch die konkrete Ortsbezeichnung – ‚in Marathon‘ – ersetzt (vgl. Voß: ‚in Tetrapolis‘), der athenische πρόβουλος (ab 387) erscheint bei Seeger mit der deutschen Amtsbezeichnung ‚Rathsherr‘, und die griechische Breispeise πῖλον λέκιθον (562) – bereits von Droysen durch ‚Rühreier mit Schinken‘ wiedergegeben – überträgt Seeger auf ‚deutsche‘ Verhältnisse und übersetzt in diesem Fall ‚gebackene Eier‘ (563 Seeger). Aristophanes’ Scherz mit dem attischen Demennamen Anagyros (67 f.), der an ein stinkendes Kraut erinnert, transponiert Seeger in ein für deutsche Leser leichter nachvollziehbares Wortspiel mit einem anderen Demennamen – Myrrhinus –, der sowohl den olfaktorischen Aspekt des Originals als auch den unmittelbar folgenden Auftritt der Figur Myrrhine miteinbezieht:

 485 Zur Stelle s. auch o. 3.3.1.3.2 (Exklamationen) u. ebd. Anm. 236.

Porträts der ausgewählten Übersetzungen und Bearbeitungen der Lysistrate  

Κα. Λυ. Κα.

Ka. Lysistrate: Kalonike:

ἰου ἰού, πόθεν εἰσίν; Ἀναγυρουντόθεν. νὴ τὸν Δία· ὁ γοῦν Ἀνάγυρός μοι κεκινῆσθαι δοκεῖ. (67 f.)

Die her?

Potz, Potz, wo kommen Von Myrrhinus!

Von Myrrhen riech’ Ich Nichts – ein Mistbeet duftet mir entgegen!

Der Originalwortlaut dieser Stelle und dessen Erläuterung werden allerdings in einer ausführlichen Anmerkung nachgereicht. Auch für die Wiedergabe exklamatorischer Ausdrücke wählt Seeger in der Regel zeitgenössisch geläufige deutsche Wendungen, so z. B. ‚Potz, Potz‘ 486 (66) bzw. ‚Uh! Huh!‘ (295, 306) für ἰοὺ ἰού; ‚Ach, Zeus!‘ (712 Seeger) für ἰὼ Ζεῦ (716); ‚Potz Wetter‘ (313 Seeger) für βαβαιάξ (312); ‚Der Teufel!‘ (912 Seeger) für παπαιάξ (924), ‚Entsetzlich‘ (1070 Seeger) für βαβαί (1078). Bei der Übersetzung der griechischen Jubelrufe im Schlusslied der Athener – ἀλαλαί, ἰὴ παιών (1291) und εὐοῖ εὐοῖ, εὐαὶ εὐαί (1294) – nimmt Seeger sich offenbar Voß zum Vorbild und gibt den ersten Ausruf fast unverändert mit ‚Allala! Io! Päan!‘ (1286 Seeger) [Voß: ‚Alalá! Io Päéon!‘] wieder, den zweiten mit der deutschen Wendung ‚Juhe! Juhe! Juhe! Juhe!‘ (1289 Seeger) [Voß: ‚Juchhe, juchhe! Juchhei, juchhei!‘]. Dialekt Im Gegensatz zu seinen Vorgängern Voß und Droysen lässt Seeger die Spartanerin Lampito und den spartanischen Boten nicht in einem selbst erdachten, oftmals etwas lebensfern anmutenden Kunstdialekt sprechen, sondern entscheidet sich

 486 Vgl. Deutsches Wörterbuch von Wilhelm und Jacob Grimm, Bd. 13 (zuerst 1889), Sp. 2039-2040, zu ‚Potz, interj.‘ mit verschiedenen Belegen aus Lessing, Wieland, Goethe und Schiller; URL: http://www.woerterbuchnetz.de/DWB?lemma=potz (zuletzt gesehen: 17.09.2019); dort auch Verweis auf Deutsches Wörterbuch von Wilhelm und Jacob Grimm, Bd. 2 (zuerst 1860), Sp. 279, zu ‚Botz‘: „papae, heute potz geschrieben, ein nie allein erscheinender, immer noch von einem subst. gefolgter ausruf, der sich scheinbar von botz = bosz, schlag herleiten liesze, wie z. b. FISCHART tonnerbotz für donnerschlag Garg. 219b. 270b (STIELER 206 botz für bosse) setzt, und donner! selbst einen ausruf bildet. doch richtiger wird man botz, wie bocks und box (sp. 202. 203) für euphemismus oder parodie von gottes nehmen, wozu auch das gleichbedeutige kotz stimmt. in manchen formeln tauschen alle diese wörter, z. b. in potz tausend und kotz tausend, botz blut und kotz blut, in bocks marter und botz marter, bocks leber und botz leber; auch findet sich das mit bocks oft verbundne verbum schende, blende gleichfalls hinter botz. nachfolgende aufzählung der üblichsten formeln wird sich aus büchern des 16 jh. vielfach ergänzen lassen. [...]“; URL: http://www.woerterbuchnetz.de/DWB?lemma=botz (zuletzt gesehen: 17.09.2019).

  Deutsche Aristophanes-Übersetzungen im Vergleich bewusst für eine lebendige volkstümliche deutsche Mundart – das Berndeutsche –, das ihm als gebürtigem Schwaben mit Berner Wohnsitz sehr vertraut ist: Das Plattdeutsche ist offenbar zu weich, und einen sprachlichen Mischmasch, wie Droysen und Voß, zu wählen, geht doch nicht wohl an, so lange noch irgend ein deutscher Dialekt existirt, der auch nur einigermaßen jene „energische Härte des Klangs und die auffallende Straffheit der Fügungen“ 487 wiederzugeben geeignet ist, welche die Eigenthümlichkeit des spartanischen Dialekts ausmacht. 488

So lässt sich Lampito bei Seeger in kehlig-süddeutschem Tonfall vernehmen: Lampito:

Wer het de all das Wybervolch hierher / Yglade? (93) 489

Bei allem Bemühen um eine modern anmutende Übersetzungssprache, verzichtet Seeger jedoch weitgehend auf Aktualisierungen der bei Aristophanes häufig vorkommenden Anspielungen auf tagespolitische Ereignisse oder auf Stoffe zeitgenössischer Tragödien. Hier übersetzt er zumeist wörtlich und verweist, wo es ihm nötig erscheint, auf die Erläuterungen im Anmerkungsteil. .... Übersetzungsanalyse Teil 2: Behandlung der obscena Obgleich Seeger in der bereits zitierten Vorrede zu seiner Lysistrate-Übersetzung die Vorzüge der „gesunden Derbheit des [...] Volkswitzes“ besonders hervorhebt, lässt sich – mit Blick auf die eigentliche Übersetzung – feststellen, dass er die obszönen Passagen oftmals weniger freizügig behandelt als seine Vorgänger. Das in dieser Hinsicht Bemerkenswerte an Seegers Übersetzung ist jedoch der schon erwähnte umfangreiche Anmerkungsteil 490, in dem – neben anderen erklärungsbedürftigen Begrifflichkeiten – auch die obscena, die im Übersetzungstext vielfach noch verhüllt erscheinen, in einer für das 19. Jahrhundert ungewöhnlichen Offenheit, Vollständigkeit und Ausführlichkeit kommentiert werden. Dieser Anmerkungsteil wurde jedoch in keine der zahlreichen Neuauflagen der Seeger-Übersetzungen übernommen 491 und findet sich daher nur noch in der – heute nahezu vergriffenen – Erstauflage des dritten Bandes von 1848.

 487 Seeger zitiert hier Droysen, Einleitung [zu Aristophanes: Lysistrate] (1838), 139. 488 Seeger, Epistel an einen Freund (1845), 16. 489 Eine Auflösung sämtlicher Dialektpartien ins Hochdeutsche liefert Seeger am Ende des Anmerkungsteils; Seeger (Ü), Aristophanes, Bd. 3 (1848), 108–112. 490 Seegers Lysistrate-Kommentar umfasst 23 Seiten; vgl. Seeger, Aristophanes, Bd. 3 (1848), 89– 112. 491 Auch nicht in einer 1940 anonym edierten, zweibändigen Neuausgabe, deren Band 1 Seegers Übersetzungen aller 11 Komödien, Band 2 Einleitungen und Erläuterungen enthält. Die in Band 2 vorangestellte Stellungnahme des Herausgebers bildet den Sachverhalt nicht korrekt ab: „Ludwig Seegers umfangreiche Einleitungen und Anmerkungen sind zum Teil etwas gekürzt, zum Teil in das

Porträts der ausgewählten Übersetzungen und Bearbeitungen der Lysistrate  

Zunächst jedoch zu Seegers Umgang mit obszönen Begriffen und Inhalten im Übersetzungsteil: Die primär obszönen Bezeichnungen der männlichen und weiblichen Genitalien gibt Seeger stets durch abmildernde Ersatzwörter oder Umschreibungen wieder. πέος, ψωλή oder σάθη werden durch Begriffe wie ‚Männer‘ (124) oder ‚der Theure‘ (134) substituiert, bisweilen auch durch Dialektwörter, z. B. ‚Chilter‘ (143), 492 oder metaphorische Ausdrücke, z. B. ‚der größte Leist‘ (415 = 416 Seeger), ‚der Pfahl des Mannes‘ (978 = 966 Seeger), ‚Schweif‘ (1119 = 1111 Seeger). Das weibliche Pendant κύσθος (1158) übersetzt Seeger mit dem neutralen Wort ‚Ding‘ (1150 Seeger). In anderen Fällen finden sich umschreibende Wendungen, in denen die direkte Benennung des Organs durch das Einsetzen eines Personalpronomens (‚er‘, ‚du‘) vermieden wird oder lediglich in der Szenenbeschreibung auftaucht. So etwa an der Stelle, wo der Athener Kinesias (bzw. bei Seeger der athenische Ratsherr) zur Demonstration der akuten Notsituation seinen erigierten Penis vor dem Rat präsentieren will, um auf diese Weise die Wahl von Friedensunterhändlern zu beschleunigen: [Κι.]

ἐγὼ δ’ ἑτέρους ἐνθένδε τῇ βουλῆ φράσω πρέσβεις ἑλέσθαι τὸ πέος ἐπιδείξας τοδί (1011 f.)

[Ratsherr:]

Auch unser Rath wird seine Leute wählen, Ich trag’s ihm vor, und zeig’ ihm, wie Er steht! (999 Seeger)

Die beiseite gesprochene Bemerkung des Kinesias, seine Frau Myrrhine bemühe sich um sein πέος gerade so als bewirte sie den Herakles (ἀλλ’ ἦ τὸ πέος τόδ’

 Register verarbeitet; dafür sind ihnen durch Ergänzungen und Änderungen die wichtigsten Erkenntnisse der neueren wissenschaftlichen Forschung (besonders der Herausgeber Kock, Coulon, Radermacher, Schroeder, von Wilamowitz-Moellendorff) zugute gekommen.“ Eine Sichtung des Erläuterungsteils zur Lysistrate durch die Verf. zeigte vielmehr, dass Seegers Anmerkungen durchweg stark gekürzt, oft auch ganz gestrichen wurden. Im Grunde lässt sich nicht einmal mehr Seegers Wortlaut nachvollziehen. Die Erläuterungen sind eher stichpunktartig aufgeführt, insbesondere im Hinblick auf die obscena. Dabei wurde auch die Seeger’sche Nummerierung der Anmerkungen aufgegeben und durch die Angabe von Seitenzahl (in Bd. 1) und Verszahl ersetzt; vgl. Seeger (Ü)/Anonymus (Hg.), Die Komödien des Aristophanes, Bd. 2, [1940], 132–142 (Einleitung zu Lysistrate) u. 242–253 (Erläuterungen zu Lysistrate); Band 1 war der Verf. nicht zugänglich. 492 Der berndeutsche Begriff ‚Chilter‘, in Seegers hochsprachlicher Auflösung mit Kiltgänger wiedergegeben, bezeichnet einen nächtlich erscheinenden Liebhaber. Vgl. dazu auch Greyerz/Bietenhard (Hg.), Berndeutsches Wörterbuch (1997), 69: „Chilt m. (Ld), nächtlicher Besuch eines Burschen bei einem Mädchen. Er geit z Chilt“; „chilte (g-et), 1. Seinem Mädchen einen nächtlichen Besuch abstatten; allg. einen Abendbesuch machen. – 2. In alle Nacht hinein arbeiten (Ld).“; „Chilter m., Kiltbursche, Freier.“ S. ferner Deutsches Wörterbuch von Wilhelm und Jacob Grimm, Bd. 11 (zuerst 1873), Sp. 704, zu ‚Kilt, m‘; URL: http://www.woerterbuchnetz.de/DWB?lemma=kilt (zuletzt gesehen: 17.09.2019).

  Deutsche Aristophanes-Übersetzungen im Vergleich Ἡρακλῆς ξενίζεται; 928), richtet sich in Seegers Übersetzung an das mit ‚du‘ angesprochene πέος selbst, wie aus der eingefügten Szenenbeschreibung deutlich wird: Kinesias (zu seinem Phallus): Zurüstungen für dich, als käm’ Herakles! (916 Seeger)

Zurückhaltung übt Seeger auch bei der Übersetzung der Wörter πυγή und πρωκτός, die in obszöner Weise das Hinterteil bezeichnen. 493 Da diese Begriffe im Original jeweils von Spartanern verwendet werden, kann Seeger hier auf ein verfremdendes Dialektwort zurückgreifen: Λα.

γυμνάδδομαί γα καὶ ποτὶ πυγὰν ἅλλομαι. (82)

Lampito:

Drum turn i brav und schlah d’Füß recht a ds Füdle. 494

Λα.

ἀλλ’ ὁ πρωκτὸς ἄφατον ὡς καλός (1148)

Spartaner:

Was het Die nes prächtigs Füdle! (1140 Seeger) 495

Die auf den Sexualakt bezogenen Verben βινεῖν bzw. κινεῖν werden sämtlich durch abmildernde Ersatzwörter wiedergegeben: βινητιῶμεν (715) βινεῖν βούλομαι (934) τίνα βινήσω; (954)

wir Frau’n sind männertoll! (711 Seeger) Ich will ja Nichts, als dich umarmen! (922 Seeger) wo find ich ein Weib? (941 Seeger)

Ἀθ.

οὐ ταὐτὰ δόξει τοῖσι συμμάχοισι νῷν, / βινεῖν ἅπασιν; (1179 f.)

Athener:

Und wollen nicht die Bundsgenossen alle / Wie wir sich kühlen? (1171 f. Seeger)

Ἀθ.

[...] οὐκ ἔσθ’ ὅπως οὐ Κλεισθένη βινήσομεν (1092)

Athener:

[...] vergreifen wir uns noch am Kleisthenes! (1084 Seeger)

Λυ. Ἀθ.

ἄφετ’, ὦγαθ’, αὐτοῖς.

Ly. Athener:

Laßt’s ihnen, Freund! Den prächt’gen Ankerplatz? (1158 f. Seeger)

κᾶτα τίνα κινήσομεν; (1166 f.)

Die primär obszönen Bezeichnungen für die männliche Erektion (στύειν bzw. στύεσθαι) finden bei Seeger dagegen zumeist annähernd semantische Entsprechungen in Form von eindeutig sexuellen Metaphern:

 493 Zu πυγή s. auch o. 3.3.1.1.3 Anm. 94, zu πρωκτός o. 3.3.1.2.3 u. ebd. Anm. 162. 494 In der Bearbeitung von Otto Seel (zuerst 1949) lautet der Satz: ‚Ich turn halt fest, schloh d’ Füeß bis a mis Hinder.‘ 495 In Seels Bearbeitung (zuerst 1949): ‚Was het die für e prächtigs Hinder!‘

Porträts der ausgewählten Übersetzungen und Bearbeitungen der Lysistrate  

ἐστυκώς (214) ἐστύκαμεν (1178) ἀλλ’ ἔστυκας, ὦ μιαρώτατε (989)

mit steifer Ruthe Sieh her, die Stanzen! 496 (1170 Seeger) Du hast ja Stanzen, garst’ger Kerl! (976 Seeger)

Bisweilen weicht er allerdings auch hier auf umschreibende Formulierungen aus: Ἔστυκα γάρ. (869)

ich leide Brunst! (857 Seeger)

Πρ.

ἀλλ’ ὅστις ἔτι στῦσαι δυνατὸς (598)

Ratsherr:

Aber wenn doch ein Mann noch zum Stehen Ihn bringt (598 Seeger)

Gänzlich unverhüllt gibt Seeger die Verben aus dem Fäkalbereich οὐρεῖν und χέζειν wieder: ὥσπερ ἐνεουρηκότας (402) ἐπιχεσεῖ πατούμενος (440)

als hätten wir uns bepißt. (403 Seeger) bis daß du kackst! (441 Seeger)

Bei obszönen Inhalten, die auf Wortspielen und Metaphern beruhen entscheidet sich Seeger in der Regel für eine wörtliche Wiedergabe, die gegebenenfalls durch eine Szenenbeschreibung oder Anmerkung ergänzt wird: Κι. Κη. Κι.

τί δ’ ἐστί σοι τοδί;

σκυτάλα Λακωνικά. εἴπερ γε, χαὔτη ‘στὶ σκυτάλη Λακωνική. (991 f.) 497

Ratsherr: Was ist denn das? Herold: E guet spartan’scher Schrybstock. Ratsherr (auf seinen Phallos deutend): Dann hab auch ich ‘nen gut spartan’schen Schreibstock! (978 f. Seeger)

 496 Vgl. Deutsches Wörterbuch von Wilhelm und Jacob Grimm, Bd. 17 (zuerst 1919), Sp. 842–845, zu ‚Stanze, f.‘: „[...] 4) stanz, f. erectio penis. Höfler krankheitsnamenb. [i.e. Max Höfler, Deutsches Krankheitsnamen-Buch (1899)] 674a; als burschikos, ‚geilheit, die das männl. glied stehen macht‘. Sanders [i.e. Daniel Sanders, Wörterbuch der deutschen Sprache mit Belegen von Luther bis auf die Gegenwart, 3 Bde., Leipzig 1859–1865] 3, 1179a. schon in der [sc. Friedrich Ludwig] Jahn zugeschriebenen oratio archaeologica v. 1802, s. zeitschr. f. d. wortf. [i. e. Zeitschrift für deutsche Wortforschung] 3, 101.“ [Onlinefassung] URL: http://www.woerterbuchnetz.de/DWB?lemma=stanze (zuletzt gesehen: 17.09.2019). Erläuterungen in eckigen Klammern durch d. Verf. hinzugefügt. 497 Vgl. Kolb, „Skytale“, in: DNP: „(σκυτάλη) bezeichnet bes. in vorhell. Zeit allg. einen Stab, der vornehmlich zur Ausrüstung offizieller Boten gehörte. Erst die kaiserzeitlichen Autoren Plutarchos (Plut. Lysandros 19) und Gellius (17,9) erklären die s. als Methode der Spartaner, geheime Nachrichten zu übermitteln. Dabei wird der um einen Stab gewickelte und quer zur Wicklung beschriebene Lederriemen nach dem Abwickeln übersandt. Zur Entzifferung muß der Empfänger einen Stab mit denselben Maßen besitzen.“

252 | Deutsche Aristophanes-Übersetzungen im Vergleich Betrachtet man allein Seegers Übersetzung, so lässt sich insgesamt konstatieren, dass er bei der Wiedergabe der Obszönitäten nicht nur deutlich zurückhaltender agiert als beispielsweise sein Vorgänger Droysen, sondern auch hinter den von ihm in den Begleittexten geweckten Erwartungen zurückbleibt. Die von ihm angestrebte ‚Demokratisierung‘ der Alten Komödie wird – zumindest was das Obszöne betrifft – in der Übersetzung nicht erreicht. Exkurs: Seegers Behandlung obszöner Begriffe und Inhalte im Kommentar Seegers eigentliche Auseinandersetzung mit dem Obszönen findet – hier zeigt sich eine weitere Parallele zu Wieland – in erster Linie im Kommentarteil statt. Dieser allerdings stellt in seiner Ausführlichkeit eine absolute Ausnahme dar – und das nicht nur im zeitgenössischen Vergleich. Als Beispiel hierfür sei zunächst eine Stelle aus der Lysistrate angeführt, an der Aristophanes die von der kriegsbedingten Abwesenheit ihrer Männer betroffenen Frauen darüber klagen lässt, dass seit dem Abfall der Stadt Milet auch die Versorgung mit den dort produzierten Lederdildos nicht mehr gewährleistet sei: Κα. 498

ἀλλ᾿ οὐδὲ μοιχοῦ καταλέλειπται φεψάλυξ. ἐξ οὗ γὰρ ἡμᾶς προὔδοσαν Μιλήσιοι, οὐκ εῖδον οὐδ᾿ ὄλισβον ὀκτωδάκτυλον, ὅς ἦν ἂν ἡμῖν σκυτίνη ᾿πικουρία. (107 ff.)499

Seeger übersetzt diese Stelle in metaphorischer Zurückhaltung: Lysistrate:

Die Buhler auch sind rein wie weggeblasen! Seit die Milesier uns verrathen, kam Mir kein achtzölliger Tröster mehr vor Augen, ein Nothknecht, nicht einmal, ein lederner! –

Im Kommentar hingegen stellt er – neben einer historischen Erläuterung zum Verrat der Milesier – unter Berufung auf ältere und jüngere Quellen gänzlich unverschleiert dar, was genau unter der Bezeichnung ὄλισβος ὀκτωδάκτυλος zu verstehen sei, und versorgt seine Leser darüber hinaus noch mit allerhand Zusatzinformationen: [...] Ueber den ‚achtzölligen Tröster[‘] vgl. Rosenbaum; Gesch. d. Lusts. im Alt. 500 S. 154: die Milesierinnen waren künstliche Tribaden*), indem sie sich eines aus Leder verfertigten künstlichen Penis bedienten, welcher bei den Griechen ὄλισβος hieß. Es gab auch Backwaren von dieser Gestalt, welche an die erinnern, welche in Italien am Fest des Cosmus und Damianus

|| 498 Zitiert nach Wilson (2007) II, 12, der die Passage – im Unterschied zu den meisten älteren Editoren – nicht Lysistrate, sondern Kalonike zuschreibt. Näheres hierzu auch u. 3.4.2 Anm. 1009. 499 Zur Stelle s. auch u. 3.4.2. 500 Rosenbaum, Geschichte der Lustseuche. Erster Theil. Die Lustseuche im Alterthume (1839).

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verkauft wurden. – „Lederner“ (skytine) Nothhelfer erinnerte zugleich an „feigenhölzerne“ Stütze (sykine) = gebrechlich. Auch der Phallos, der bei der Bacchusprozession vorgetragen wurde, war gewöhnlich von Feigenholz. cf. Athen. ed. Schweighäuser B. 11 S. 527. 501 – [...] 502

Auch die in dem hier zitierten Referenzwerk von Julius Rosenbaum verwendete Bezeichnung ‚Tribaden‘ wird von Seeger in einer Fußnote zum Kommentar genauer erklärt, allerdings hier, wie es schon in der älteren Tradition der AristophanesÜbersetzung und -Kommentierung üblich war 503, in Form eines wissenschaftlichen Zitats in lateinischer Sprache: *) A. Tribades dictae a τρίβω, frico, frictrices sunt, quibus ea pars naturae muliebris, quam clitoridem vocant, in tantam magnitudinem excrescit, ut possint illa pro mentula vel ad futuendum vel ad paedicandum uti. Forberg, in Antonii Panormitae Hemaphroditus, Coburg 1824. 504

Anhand der hier behandelten Textstelle lässt sich auch gut demonstrieren, welche Verknappungen bzw. Überarbeitungen Seegers Kommentarteile in den späteren Auflagen seiner Übersetzung erfahren haben. So lautet etwa der entsprechende Eintrag in der von Thassilo von Scheffer bearbeiteten Ausgabe von 1913 (S. 477 Anm. 13): Die Milesierinnen waren bekannt als Tribaden, die mit künstlichen Hilfsmitteln arbeiteten. Man bediente sich eines Penis aus Leder.

Die 1949 erschienene Lysistrate-Ausgabe von Otto Seel führt zur gleichen Stelle an (S. 61): In Milet wurden Phallen aus Hundsleder (vgl. das Wortspiel 159) hergestellt und exportiert. Aber da Milet vor kurzem auf Betreiben des Alkibiades von Athen abgefallen war, war es damit jetzt vorbei.

Ein weiteres prägnantes Beispiel für Seegers ausführliche Behandlung des Obszönen im Kommentar stellt eine Passage dar, in der Athener und Spartaner – in Gegenwart der als nackte Frau personifizierten Diallage (s. dazu auch o. 3.3.1.2 [Übersetzungsanalyse Teil 2]) – über die Neuverteilung umstrittener Gebiete verhandeln (1162 ff.). Aristophanes spielt hier mit der Doppeldeutigkeit geographischer und  501 Schweighäuser (Ed.), Athenaei Naucratitae deipnosophistarum libri Quindecim (1801–1807). 502 Seeger, Anm. 15 [zu Lysistrate, v. 108], in: Seeger (Ü), Aristophanes, Bd. 3 (1848), 92. 503 Vgl. dazu u. a. o. 2.3.3.4 u. ebd. Anm. 192 und 2.3.5.2 u. ebd. Anm. 364. 504 „Tribaden, abgeleitet von τρίβω, ich reibe, sind ‚Reiberinnen‘, bei denen jener Teil des weiblichen Geschlechtsorgans, den man Klitoris nennt, zu solcher Größe herauswächst, dass sie ihn anstelle eines Gliedes sowohl zum Geschlechtsverkehr als auch zum Analverkehr benutzen können.“ (Übers. d. Verf.). Vgl. hierzu Adams (1982), 118 und (mit Verweis auf Mart. 7.70) 121 (s.v. futuo); vgl. ebd. S. 123 (s. v. pedico).

  Deutsche Aristophanes-Übersetzungen im Vergleich anatomischer Bezeichnungen, wie z. B. ὁ Μηλιᾶ κόλπος (1169; ‚der Malische Busen‘) oder τὰ Μεγαρικὰ σκέλη (1170; ‚die Megarischen Schenkel‘). Neben derartigen, auch in der deutschen Übersetzung leicht verständlichen sexuellen Anspielungen finden sich auch solche, deren genauere Bedeutung sich nur schwer erschließt: Αθ. Λα.

ἤδη γεωργεῖν γυμνὸς ἀποδὺς βούλομαι. ἐγὼν δὲ κοπραγωγῆν γα πρῴ, ναὶ τὼ σιώ. (1173 f.)

Athener: Spartaner:

Gern will ich nackt und baarfuß Samen sä’n! De wott i wenigstens my Mist druf mache! (1165 f. Seeger)

Dass es sich hier um obszöne Anspielungen handelt, dürfte sowohl dem Leser des Originals als auch demjenigen der Übersetzung klar sein. Weniger klar erscheint ohne Hintergrundinformationen jedoch, worauf genau sich die Anspielungen, insbesondere des zweiten Verses beziehen. In seiner Anmerkung erläutert Seeger nicht nur die sexuelle Konnotation von γεωργεῖν, sondern wagt auch eine für seine Zeit ungewöhnlich offen vorgebrachte Deutung des Verbs κοπραγωγῆν im Sinne von ‚anal verkehren‘: Nackt und barfuß Saamen sä’n – dies hängt offenbar mit den ‚Schenkeln‘ zusammen: säen, den Acker pflügen = concubare: drückt aber zugleich aus: ich wünsche den Frieden, und das gleich; darauf läßt Voß, Droysen und Hier. Müller den Spartaner ‚Mist darauf führen,‘ was Reisig Syntagm. crit. p. 17, misbilligt, indem ein freier Spartaner, dem der Ackerbau an sich schon für Sklavenarbeit galt, so nicht habe reden können. Alles, was er für das Land thun will, ist: er will darauf kacken. – Sollte sich aber das ‚Mist machen‘ nicht auf die Venus postica beziehen können, da vom Athener schon die anteriora zum Säen in Anspruch genommen sind? Dann wäre: Mitführen (oder machen) vielmehr im Mist herumfahren. 505

Wiederum wesentlich allgemeiner und uneindeutiger wird die gesamte Passage in Otto Seels Bearbeitung der Seeger-Übersetzung von 1949 kommentiert (S. 68): 1155ff. Im folgenden bis 1166 ist durch das ständige Spiel mit geographisch-körperlichen Metaphern eine durchgängige Zweideutigkeit erreicht, die man sich durch entsprechende Hinweise auf die dastehende Sklavin noch verdeutlich zu denken hat. Pylos (vgl. zu 104) heißt ‚das Tor‘, Echinos ist eine thessalische Stadt am malischen Meerbusen, die 414 an Sparta übergegangen war, heißt aber gleichzeitig ‚der Igel.‘

Am meisten überrascht die Knappheit des entsprechenden Kommentars allerdings in der Ausgabe von Hans-Joachim Newiger und Peter Rau, die erstmals im Jahr 1968, also in der Hochzeit der sogenannten sexuellen Revolution, erschienen ist:  505 Seeger, Anm. 107 [zu Lysistrate], in: Seeger (Ü), Aristophanes, Bd. 3 (1848) 107. Diese Deutung findet sich auch bei Henderson (1991), 193 (Nr. 418): „The Spartan ambassador who wants κοπραγωγῆν (L 1174) contrasts his anal desires with the vaginal predilections of the Athenian prytanis, who wants γεωργεῖν (1173).“ Vgl. auch ebd. 166 (Nr. 284).

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Pylos, Echinus, Malischer Busen, Megarische Schenkel: Die Örtlichkeiten ermöglichen sexuelle Anspielungen: Pylos = Tor; Ech. lag gegenüber Euböa und war seit 413 von den Spartanern besetzt (Thukydides VIII 3), daselbst auch der Mal. Meerbusen; Schenkel meint die ‚Langen Mauern‘ von Megara. Gern will ich nackt ...: nach Hesiod, Werke und Tage 391 (vgl. Vergil, Georgica I 299). 506

.... Rezensionen / Urteile / Stellungnahmen Während Seegers Aristophanes-Übersetzung – wie fast schon zu erwarten war – von dem Hauptvertreter der neoklassizistischen Übersetzungspraxis, Johannes Minckwitz, polemisch als „vollkommen mislungen“ abgelehnt wird, insbesondere weil sie das mimetische Übersetzungsprinzip aufgibt und die Trimeter des Originals durch – wie Minckwitz abschätzig bemerkt – „Schillerjamben“ ersetzt, 507 findet sie bei den Rezensenten der Neuen Jenaischen Allgemeinen Zeitung (1845) und der Heidelberger Jahrbücher (1845) eine überaus wohlwollende Aufnahme. 508 Zwar bedauert auch der Kritiker der Jenaischen Allgemeinen Seegers metrisches Vorgehen, das „in die Zeiten Wieland’scher Laxität“ zurückführe, doch gesteht er ihm zu, sein Vorbild Wieland in mehrfacher Hinsicht übertroffen zu haben: Allerdings hat Hr. Seeger, wie seine oben angeführten Äusserungen zeigen, nicht eigentlich die Wieland’sche Sorglosigkeit und Bequemlichkeit erneuern wollen: er gedachte, unter Beibehaltung des Princips, Höheres, Ausgeprägteres, die subjective Regellosigkeit des alten Herrn Überwindendes zu leisten, und ist freilich sowol in Auffassung des Sinnes und Genauigkeit der Wiedergabe, als auch selbst in Behandlung der Rhythmik innerhalb der freien Form unendlich sorgfältiger, präciser und von aller und jeder bekanntlich weitgehenden Nonchalance und Vornehmigkeit seines Altvaters sich möglichst fern haltend zu Werke gegangen [...]. 509

In seiner vergleichenden Betrachtung des ersten Aristophanes-Bandes von Seeger (1845) und den ersten beiden Bänden der Gesamtübertragung von Hieronymus Müller (1834/1844) sowie der zehn Jahre zuvor erschienenen Übersetzung Droysens spricht derselbe Rezensent Seeger im Hinblick auf seinen übersetzerischen Umgang mit den Obszönitäten gewissermaßen den zweiten Rang nach Droysen zu; auf Seegers Kommentar geht er dabei jedoch nicht ein: Vers 900 [sc. der Ritter] 510 hat Hr. Müller nach Voss und Droysen die Benennung Silphion beibehalten, wofür Hr. Seeger mit Recht die asa sotida gesetzt hat. 511 Als Gewürz ist diese ja auch

 506 Seeger (Ü)/Newiger/Rau (Hgg.), Antike Komödien. Aristophanes (1968/1976), Anm. zu S. 408 [zu Lysistrate, vv. 1162 ff.], 663. 507 Vgl. Minckwitz, [Rez. zu] Aristophanes-Übersetzungen von H. Müller u. L. Seeger, (1846), Sp. 653–667; Zitate s. Sp. 542; 557 bzw. 566. 508 Vgl. Weber, [Rez. zu] Aristophanes-Übersetzungen von L. Seeger u. H. Müller (1845); Bähr, [Rez. zu] Aristophanes-Übersetzungen von L. Seeger (1845). 509 Weber, [Rez. zu] Aristophanes-Übersetzungen von L. Seeger u. H. Müller (1845), 665. 510 Bei Seeger wie auch in der modernen Textausgabe von Wilson handelt es sich um Vers 895.

  Deutsche Aristophanes-Übersetzungen im Vergleich in der modernen Küche nicht so ganz unerhört. Die im Zusammenhange hier nicht wohl zu berührende derbe Stelle hat auch hier blos Droysen mit einem Anfluge der originalen Genialität wiedergegeben. Hr. Seeger hat ihn darin nicht ganz erreicht, aber doch nicht allzu sehr die Stelle durch Umhüllungen gestumpft, was den modernen Leser natürlicherweise in die unerquickliche Lage versetzt, dass er einen Humoristen für witzig halten soll, dessen Witz an den schärfsten Spitzen ihm durch eine unzeitige Schamhaftigkeit unterschlagen und statt dessen ein qui pro quo, ein salzloses Caput mortuum geboten wird, das ihm eher Langeweile als Lachlust erregen kann. 512

Von allen deutschen Gesamtübersetzungen des Aristophanes hat diejenige Ludwig Seegers bis zum Ende des 20. Jahrhunderts die bei weitem größte Anzahl an Neuauf-

 511 Vgl. hierzu Seeger, Anm. 89 [zu Die Ritter], in: Seeger (Ü), Aristophanes, Bd. 1 (1845), 356: „Asa sotida, Teufelsdreck, ein beliebtes Mittel, die Verdauung, den Appetit zu fördern, griech. Silphion, was hauptsächlich aus Kyrene (Afrika) in Athen eingeführt wurde. Wahrscheinlich beförderte Kleon den Verkehr mit Kyrene.“ 512 Weber, [Rez. zu] Aristophanes-Übersetzungen von L. Seeger u. H. Müller (1845), 667. Zur hier besprochenen Stelle aus den Rittern: Der ‚Paphlagonier‘ (der stellvertretend für den Politiker und Gerbereibesitzer Kleon steht) hat dem ‚Demos‘ (der das attische Volk vertritt) einen nach Gerberlauge stinkenden Mantel überreicht, den dieser sofort angeekelt beiseite wirft. Daraufhin erklärt der (gegen die Politik des Paphlagoniers opponierende) ‚Wursthändler‘: Αλ.

Δημ. Αλ.

καὶ τοῦτό ἐπίτηδές σε περιήμπεσχ’, ἵνα σ’ ἀποπνίξῃ· καὶ πρότερον ἐπεβούλευσέ σοι. τὸν καυλὸν οἶσθ’ ἐκεῖνον τοῦ σιλφίου τὸν ἄξιον γενόμενον; οἶδα μέντοι. ἐπίτηδες οὗτος αὐτὸν ἔσπευσ’ ἄξιον γενέσθαι, ἵν’ ἐσθίοιτ’ ὠνούμενοι, κἄπειτ’ ἐν ἠλιαίᾳ βδέοντες ἀλλήλους ἀποκτείνειαν οἱ δικασταί. (Equ. 893 ff.)

Übersetzung Seeger: Wursthändler:

Demos: Wursthändler:

Den hat er nur dir umgehängt, damit du sollst ersticken, Denn nach dem Leben stand er dir schon oft; du weißt, das Ding da, Die Asa sotida, die fiel einmal im Preis? Ich weiß es. Die hat er damals recht mit Fleiß herabgedrückt im Preise, damit ihr tüchtig kaufen sollt und essen quantum satis, Um in der Heliäa euch als Richter tot zu farzen. (Seeger [Ü]), Bd. 1, S. 316)

Übersetzung Droysen: Wursthändler:

Volk: Wursthändler:

Das hat er mit Fleiß dir angethan, du sollst erstickend sterben. Auch sonst schon hat er dir nachgestellt; du weißt doch noch, wie neulich die Silphionstengel mit einem Mal so billig wurden? Freilich! Er hatte’s so mit Fleiß gemacht, daß plötzlich die Preise sänken, damit man’s billig essen könnt’ und auf den Richterbänken die Herren Geschwornen gegenseits mit Pupen zu Tod’ sich stänken. (Droysen [Ü], Bd. 2, S. 389 f.)

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lagen und Bearbeitungen erlebt. 513 Dabei fällt auf, dass unter den Herausgebern jener Neuauflagen grundsätzliches Einvernehmen darüber zu herrschen scheint, dass lediglich zwei der zahlreichen älteren Aristophanes-Übersetzungen – nämlich Droysens und Seegers – überhaupt eine weitere Tradierung verdienten. 514 Im direkten Vergleich dieser beiden Übersetzungen wiederum fällt die Entscheidung – auch wenn man in dem preußischen Gelehrten Droysen „die stärkere Persönlichkeit“ 515 zu erkennen glaubt und seine Übersetzung für „philologisch eher zuverlässiger“ 516 hält – stets zugunsten der Seeger’schen Version aus, da sie „fast durchgängig flüssiger zu lesen“ 517 sei. Doch auch im Hinblick auf die Obszönitätsproblematik, wie sie vor

 513 Nach der Erstausgabe (1845–1848) erschien Seegers Aristophanes-Übersetzung u. a. in folgenden Neuauflagen: Aristophanes’ Werke. Übersetzt von Ludwig Seeger. Neue Auflage mit Einleitung von Hermann Fischer und Wilhelm Schmid, 3 Bde., Stuttgart/Berlin 1910 (Nachdruck aus Anlass von Seegers 100. Geburtstag); Aristophanes. Deutsch von Ludwig Seeger. Neu herausgegeben, eingeleitet und mit Anmerkungen versehen von Thassilo von Scheffer (Klassiker des Alterthums), 2 Bde., München/Leipzig 1913; Die Komödien des Aristophanes. Übersetzt und erläutert von Ludwig Seeger, 2 Bde. [Bd. 1: Text, Bd. 2: Komm.] [ohne Angabe des Herausgebers], Berlin (Schneider) [1940]; Aristophanes, Lysistrate. Eine Komödie. Mit dem Prolog Hugo von Hofmannsthals herausgegeben von Otto Seel, Stuttgart (Klett) 1949 (ab 1969 auch bei Reclam; s. u.); Aristophanes. Sämtliche Komödien. Übertragen von Ludwig Seeger. Einleitungen zur Geschichte und zum Nachleben der griechischen Komödie nebst Übertragungen von Fragmenten der Alten und Mittleren Komödie von Otto Weinreich, 2 Bde., Zürich 1952/53. Aristophanes. Komödien in zwei Bänden, (Griechische Reihe, hg. v. Jürgen Werner u. Walter Hofmann), Weimar 1963; Antike Komödien. Aristophanes – Menander – Plautus – Terenz. Aus dem Griech. u. Lat. übers. [...]. Mit einem Nachwort von Jürgen Werner, Berlin/Weimar 1967; Antike Komödien. Aristophanes, hg. u. m. Einleitungen u. einem Nachwort vers. v. Hans-Joachim Newiger. Neubearbeitung der Übersetzung von Ludwig Seeger (Frankfurt a. M. 1845–48) und Anmerkungen von Hans-Joachim Newiger und Peter Rau, München 1968 (mit größeren Eingriffen von Seiten der Bearbeiter, d. Verf.) [Neuauflage 1976]. Die von Otto Seel im Klett-Verlag herausgegebene Neuauflage der Seeger’schen Lysistrate (zuerst 1949, s. o.), wurde 1969 in das Programm des Reclam-Verlages aufgenommen (Aristophanes, Lysistrate, Komödie. Übersetzung von Ludwig Seeger. Anmerkungen und Nachwort von Otto Seel, [Reclams Universal-Bibliothek; Nr. 6890], Stuttgart 1969 [Nachdruck u. a. 2004]) und dort erst im Jahr 2009 durch die Neuübersetzung von Niklas Holzberg (s. u. 3.3.3.3) ersetzt. 514 Vgl. u. a. Weinreich, Nachwort zur Übersetzung (1953), 532; Seel, Zur Übersetzung (1949), 59; ders., Aristophanes oder Versuch über die Komödie (1960), 54 f. 515 Seel, Zur Übersetzung (1949), 59. 516 Newiger, Nachwort (1968/1976), 713. 517 Newiger, Nachwort (1968/1976), 714. In diesem Sinne äußert sich auch Otto Weinreich, der die Überzeugung vertritt, „daß die nachbildende Kraft des Schwaben die urwüchsigere sei, seine Sprache sich in freierem Fluß bewege, daß sie klingt und singt, und vor allem der Dialog im Blankvers, den schon Wieland gewählt hatte, jenes brio bekommt, das der deutsche Trimeter Droysens nicht erreicht, der auf lange Strecken hin doch irgendwie schwerfällig wirkt“; vgl. Weinreich, Nachwort zur Übersetzung (1953), 532. Vgl. auch Fischer (1899), 191 f.: „[E]in Vergleich mit der verbreitetsten Uebersetzung von Droysen, die selbst schon der Vossischen gegenüber sich Freiheiten mit dem Original gestattet hat, zeigt, daß der alte Komiker in Seegers Uebersetzung doch weit natürlicher und damit überzeugender wirkt.“

  Deutsche Aristophanes-Übersetzungen im Vergleich allem in der Lysistrate zutage tritt, wird Seegers Übersetzung gern der Vorrang eingeräumt, so auch von Otto Seel, der Seegers Lysistrate im Jahr 1949 neu herausgibt: [G]erade für die „Lysistrate“ will es scheinen, als liege in Seegers süddeutschem Tonfall eher die Möglichkeit, die Gewagtheiten und Risiken gerade dieses Stückes mit einem eben noch erträglichen leggiero wiederzugeben – auch so bleibt der Abstand zu attischer Charis, die vieles wagen darf, was uns verwehrt bleibt, immer noch unermeßlich und oft peinlich genug –; hierzu hat Seeger, so scheint es, das lockerere Handgelenk [sc. im Vergleich zu Droysen; Anm. d. Verf.], und die „Natürlichkeit“, auf die er sich selbst mit Recht etwas zu gute tat, wird zum echten Vorzug. 518

Seel würdigt hier also gerade die seiner Meinung nach gelungene Abmilderung der Aristophanischen „Gewagtheiten“ in Seegers Übersetzung, die ihm deshalb für eine Neuausgabe besser geeignet erscheint als die Droysensche. Seegers Leistung als Kommentator hingegen wird von Seel mit keinem Wort erwähnt. Diesem Vorgehen entspricht auch die Praxis sämtlicher späterer Herausgeber, die Seegers Übersetzungstext mit kleineren oder größeren bearbeitenden Eingriffen wie selbstverständlich übernehmen, teilweise sogar Seegers Namen auf der Titelseite unterschlagen, 519 seine umfangreichen Anmerkungen jedoch kommentarlos streichen oder durch einen kürzeren, die Obszönitäten weitgehend ausklammernden Anhang ersetzen, so dass ein wesentlicher Bestandteil der Seeger’schen Aristophanes-Übertragung nahezu in Vergessenheit geraten konnte. ... Johannes Minckwitz (1855–1864) Johannes Minckwitz (1812–1885) 520 hatte in Leipzig Philologie studiert und dort 1833 bei Gottfried Hermann (1772–1848) seine Promotion abgelegt. Nach einem offenen Zerwürfnis mit Hermann stellte dieser sich jedoch Minckwitz’ wissenschaftlicher Karriere entgegen und legte 1837 sein Veto gegen dessen Habilitationsersuchen ein. 521 Minckwitz nahm daraufhin zunächst eine Stelle als Gymnasiallehrer in Dresden an, ließ sich aber wenig später endgültig in Leipzig nieder, wo er sich – als

 518 Seel (1949), Zur Übersetzung (1949), 59 f. 519 So z. B. Seeger (Ü)/Seel (Hg.), Aristophanes, Lysistrate (1969) [Nachdr. 2004], Seeger (Ü)/ Werner/Hofmann (Hgg.), Aristophanes (1963) und Seeger (Ü)/Newiger/Rau (Hgg.), Antike Komödien. Aristophanes (1968/1976); vgl. dazu o. 3.3.2.2.4 Anm. 513. 520 Zu Minckwitz’ Biographie s. Heindl (1859) und Fränkel (1906). 521 Vgl. Heindl (1859), 34, und Fränkel (1906), 412. Es handelt sich hier offenbar um eine Art Nebenkriegsschauplatz des berühmten ‚Methodenstreits‘ zwischen Gottfried Hermann und August Boeckh (s. auch o. 3.3.2.1 Anm. 290). So hatte Minckwitz unter anderem Hermanns textkritische Methode in selbstgefälliger Manier als zu einseitig deklariert. Vor allem aber entzündete sich der Streit an den unterschiedlichen Auffassungen über die angemessene metrische Gestaltung deutscher Übersetzungen griechischer Dramen. Zu den methodischen Differenzen zwischen Minckwitz und Hermann und zum Verlauf der Fehde s. auch u. 3.3.2.3 (Beitrag) Anm. 528.

Porträts der ausgewählten Übersetzungen und Bearbeitungen der Lysistrate  

freischaffender Literat – ganz dem Studium der griechischen und deutschen Metrik sowie dem Übersetzen zuwandte. 522 Von materiellen Sorgen gänzlich unabhängig wurde Minckwitz, dessen erste Übersetzungen antiker Autoren 523 bereits recht erfolgreich gewesen waren, als ihm der preußische König Friedrich Wilhelm IV. im Jahr 1845 eine lebenslängliche Dichterpension zusprach; eine Auszeichnung, die ausdrücklich Minckwitz’ Leistungen als Übersetzer sämtlicher Tragödien des Sophokles und des Aischylos galt. 524 Als Minckwitz nach Hermanns Tod 1848 erneut versuchte, sich an der Leipziger Universität zu habilitieren, vereitelte nunmehr der Altphilologe und Germanist Moriz Haupt 525, – Hermanns Schwiegersohn –, die von Minckwitz angestrebte Universitätskarriere. Erst 1855 – Haupt war inzwischen nach Berlin gewechselt – konnte Minckwitz sich bei Reinhold Klotz, Hermanns streng konservativ gesinntem Nachfolger, dessen eigene Berufung in der Leipziger Professorenschaft höchst umstritten war, habilitieren (s. u. 3.3.2.3 Anmm. 526 und 528) und erhielt dort schließlich 1861 eine außerordentliche Professur. 526 Minckwitz’ Beitrag zur Aristophanes-Übersetzung Ebenso wie sein Lehrer Hermann, der wohl bedeutendste Metriker seiner Zeit, 527 war Minckwitz vor allem an metrischen Fragen interessiert. Im Unterschied zu Hermann  522 Daneben verfasste Minckwitz auch zahlreiche Gedichte und belletristische Werke und gab mehrere populärwissenschaftliche Handbücher zur Mythologie heraus. 523 S. u. 3.3.2.3 (Beitrag). Zu Minckwitz’ Übersetzungsprinzipien in Bezug auf antike Dichtung vgl. Kitzbichler/Lubitz/Mindt (2009a), 106 f. und 118 f. 524 Vgl. Heindl (1859), 35, und Fränkel (1906), 412. 525 Haupt, ebenfalls ein Verfechter der textkritischen Philologie, war 1843 in Leipzig auf die neu errichtete ordentliche Professur für deutsche Sprache und Literatur berufen worden. 1853 wurde er Nachfolger Karl Lachmanns als Professor für römische Literatur an der Berliner Universität. Seine übersetzungskritische Haltung brachte Haupt in dem berühmt gewordenen Ausspruch „Die Übersetzung ist der Tod des Verständnisses“ prägnant zum Ausdruck; vgl. Belger (1879), 145, und Kitzbichler/Lubitz/Mindt (2009a), 181 ff. 526 Unter Minckwitz’ zahlreichen Schriften finden sich neben den Übersetzungen und diversen metrischen Abhandlungen (s. auch u. 3.3.2.3 [Beitrag] Anm. 537) auch einige Arbeiten, die seine philologisch-wissenschaftliche Auseinandersetzung mit antiker Literatur dokumentieren. So gab er 1839 – zeitgleich mit den entsprechenden Übersetzungen – kritische Texteditionen der beiden Aischylos-Tragödien Die Eumeniden und Der gefesselte Prometheus, jeweils mit lateinischem Kommentar, heraus; vgl. Minckwitz (Ed./K), Aeschyli tragoediae (1838/39). Ebenfalls in lateinischer Sprache verfasst ist – wie seinerzeit üblich – die als Habilitationsschrift ausgewiesene Abhandlung über die Übersetzungstätigkeit der Römer; vgl. Minckwitz, Quomodo Romani Graecos converterint (1850). 527 Hermann war der erste deutsche Philologe, der das System der antiken Metrik grundlegend erforschte, sowohl im Rückgriff auf die Lehren der alten Metriker als auch durch umfassende Beobachtungen an den überlieferten Dichtungen selbst. Zu Hermanns wichtigsten Schriften auf dem Gebiet der Metrik zählen De metris poetarum graecorum et romanorum (1796), Handbuch der Metrik (1799) und Elementa doctrinae metricae (1816).

  Deutsche Aristophanes-Übersetzungen im Vergleich wollte er sich jedoch nicht allein auf die Untersuchung der antiken Versmaße beschränken, sondern in gleicher Weise auch die Eigenheiten der deutschen Silbenmessung studieren, nicht zuletzt, um sie sich für metrische Übertragungen der griechischen Dichter nutzbar zu machen. 528

 528 Hermann hingegen stand dem Übersetzen eher ablehnend gegenüber. Seine besondere Skepsis galt dabei der Übertragbarkeit der quantitierenden griechischen Silbenmessung auf die deutsche Sprache, wie sie Johann Heinrich Voß in seiner Zeitmessung der deutschen Sprache postuliert hatte und wie sie nun auch Minckwitz in Anlehnung an Platens Dichtung anstrebte. Offenbar sah Hermann, der Minckwitz’ philologische Fähigkeiten durchaus zu schätzen wusste (vgl. Fränkel [1906], 412) hier seine Auffassung von der Aufgabe der Philologie verletzt, die für ihn vor allem in der kritischen und kommentierenden Auseinandersetzung mit den Originaltexten bestand. Der Verlauf der aus diesem Dissens hervorgegangenen Fehde zwischen Hermann und Minckwitz wird – freilich sehr subjektiv – illustriert in der von Minckwitz als „satyrisch-komisches Lehrgedicht“ charakterisierten dramatischen Szene Die deutsche Dichtkunst, die dieser 1837 erscheinen ließ, also in demselben Jahr, in dem sein Habilitationsersuchen zum Scheitern gebracht wurde: Als Protagonisten, hinter denen eingeweihte Zeitgenossen unschwer Hermann und Minckwitz erkennen konnten, treten hier ein ‚Professor Anton‘ und ein ‚Poet‘ auf, deren Dialog von Einwürfen des ‚Publikums‘ und eines ‚Chores‘ flankiert wird. Datiert wird die Szene in das Frühjahr 1837 (S. [9]). Der ‚Professor‘, der, wie es heißt, unter den Autorenchiffren Nr. 96 bzw. Nr. 2 (S. 13 u. S. [76] Anm.) im ‚Repertorium‘ (S. 12) des ‚Herrn Gersdorf ‘ (S. 13) publiziert, hat sich unter anderem deswegen den Unmut des ‚Poeten‘ zugezogen, weil er die kurz zuvor erschienene Sophokles-Übersetzung von ‚Stäger‘ in einer Rezension verrissen hatte (S. 19). Diesem Unmut hatte der ‚Poet‘ im ‚Oktober‘ [des vorangegangenen Jahres (=1836)] (S. 17) in einem anonymen, aber leicht zu identifizierenden Brief (S. 18) Luft gemacht. Vom ‚Professor‘ als Briefschreiber überführt, präsentiert sich der ‚Poet‘ dem ‚Publikum‘ im Folgenden als glühender Platen-Verehrer und streitbarer Verfechter einer am Originalversmaß orientierten Übersetzungspraxis (S. 24, 27 f., 52–57). Nicht zuletzt zeigt er sich aber auch zutiefst darüber gekränkt, dass seine eigenen Übersetzungen der griechischen Tragiker nicht die erhoffte Anerkennung des ‚Professors‘ finden (S. 19, 59 f.), sondern dieser stattdessen metrisch weniger genauen – teilweise gar in Reimen (S. 30) abgefassten – Übersetzungen wie Droysens Aristophanes den Vorzug gibt (S. 14, 29). Auf die groben und beleidigenden Anwürfe des ‚Poeten‘ reagiert der ‚Professor‘ mit der Drohung: So lang ich lebe, soll er nicht Professor sein; / Das ist’s, was mich am meisten noch von ihm verdroß; / Daß er Professor werden wollte, gleichwie ich; ich werde beim Minister ihm den Weg verhau’n. [sic] (S. 26). Die in dieser Szene eingestreuten Hinweise auf die wahre Identität des ‚Professors‘ und des ‚Poeten‘ lassen sich leicht überprüfen: Unter den Rezensionschiffren 96 und (später) 2 pflegte Hermann in dem von Ernst Gotthelf Gersdorf in Leipzig herausgegebenen Repertorium der gesammten deutschen Literatur zu publizieren. In der letzten Nummer des Jahres 1836 war ebendort unter der Chiffre 2 eine Rezension von Stägers Ödipus-Übersetzung erschienen, in der den zeitgenössischen Bemühungen um die Übertragung griechischer Originalversmaße ins Deutsche eine generelle Absage erteilt wurde: „Die Uebersetzung selbst, ganz dem Original an Maass und Ausdruck nachgebildet, scheint uns nicht vorzüglicher zu sein als die neuesten alle, welche sich in eben dem Maasse aller Freiheit der Bewegung im vaterländischen Idiom und Rhytmus [sic] freiwillig begeben. Noch ein Wort über das Wie der Uebertragung dichterischer Erzeugnisse des Alterthums zu verlieren, wäre vergeblich, da doch Alles beim Alten bleibt und die Vergötterer des Alterthums lieber die Märtyrer auf Kosten des Deutschtums spielen, als ein Haarbreit vom alten Gleise abweichen wollen.“ Vgl. Rezensent 2 [= Gottfried Hermann], [Rez. zu] Sophokles, König Oidipus, übers. v. F. Stäger (1836), 443 f. Die unter den genannten Chiffren zwischen 1835

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So war auch Minckwitz’ Interesse an Aristophanes – anders als bei Droysen oder Seeger – keineswegs politisch motiviert, sondern wohl in erster Linie von dem Gedanken an die Vervollständigung und Abrundung seines übersetzerischen Gesamtwerks geleitet. Zwischen 1835 und 1870 übertrug er – ein Vielübersetzer wie Johann Heinrich Voß oder auch sein zeitgenössischer ‚Konkurrent‘ Johann Jakob Christian Donner 529 – sämtliche Werke der vier großen attischen Dramatiker: Sophokles (1835–1843) 530, Aischylos (1845), Euripides (1857–1870) 531 und – gemeinsam mit seinem Schüler Ignaz Emanuel Wessely 532 – Aristophanes (1855–1864).

 und 1838 erschienenen Rezensionen zu den drei Bänden von Droysens Gesamtübersetzung des Aristophanes sind hingegen des Lobes voll und erheben Droysen gar zum „genialen Übersetzer“ (vgl. Rezensent 96 [= Gottfried Hermann], [Rez. zu] Aristophanes-Übersetzungen von J. G. Droysen, 1. Theil (1835), 528) – eine Würdigung, die dem gekränkten ‚Poeten‘ alias Minckwitz vollkommen ungerechtfertigt erscheint, so dass er seinem Lehrer in der Deutschen Dichtkunst unterstellt: Du lobst sogar ja Droysens Aristophanes, / Vermutlich weil derselbe kein Magister blos, / Wie ich, und ein berlinischer Professor ist, / Und in Berlin du Freunde brauchst, Schwachsinniger! Vgl. Minckwitz, Die deutsche Dichtkunst (1837), 14. Vor diesem Hintergrund wird nicht nur Hermanns Widerstand gegen Minckwitz’ Habilitationsersuchen verständlich, sondern auch Minckwitz’ – wohl nicht zuletzt von Konkurrentenneid getragene – Verurteilung von Droysens Aristophanes-Übersetzung (s. o. 3.3.2.1.4 u. ebd. Anmm. 396–398). 529 Auf den Wetteifer zwischen Minckwitz und Donner, der sich „wie auf dem Felde der griechischen Tragiker, so auch auf dem der Komödie“ zeige, weist der anonyme Rezensent der Allgemeinen Zeitung in seiner Besprechung der nahezu zeitgleich erschienenen Aristophanes-Bände beider Übersetzer hin; vgl. Anonymus 1862, [Rez. zu] Aristophanes-Übersetzungen von J. Minckwitz u. J. J. C. Donner (1862), 797 u. 798. 530 Die Jahresangaben in Klammern beziehen sich auf die jeweils erste Ausgabe der Gesamtübersetzung; vgl. auch das Literaturverzeichnis. Einige Einzelübertragungen von Stücken des Aischylos und Euripides waren z. T. schon früher erschienen; vgl. hierzu auch Fränkel (1906), 414. 531 An der Euripides-Übersetzung war offenbar auch der Philologe Hermann Binder beteiligt, den – zumindest in den jüngeren Auflagen – die Titelseiten einiger Einzelbände als Übersetzer ausweisen. 532 Wessely (1841–1900) hat in der vierbändigen Langenscheidt-Ausgabe die Stücke Ritter, Acharner, Ekklesiazusen, Thesmophoriazusen und Wespen übersetzt; vgl. jeweils die entsprechenden Titelseiten in den Bänden Aristophanes II [1855–1911], Aristophanes III [1855–1910] und Aristophanes IV [1855–1909]. Die Mitwirkung Wesselys an dem Übersetzungsprojekt lässt sich – zumindest in der Langenscheidt-Ausgabe von 1855–1911 – nur anhand der Titelseiten erschließen, die bisweilen aber auch zweideutige Angaben enthalten können. So lautet z. B. die Titelaufschrift zur Übersetzung der Ekklesiazusen (in Aristophanes III): „Aristophanes’ Lustspiele. Verdeutscht von Prof. Dr. Johannes Minckwitz. Achtes Bändchen. Die Weibervolksversammlung. Verdeutscht von Dr. J. E. Wessely [...].“ Die Einleitungen selbst tragen keinen Verfasservermerk. In der Ekklesiazusen-Einleitung finden sich jedoch einige Minckwitz-Zitate, die durch Formulierungen eingeleitet werden, aus denen sich schließen lässt, dass Minckwitz selbst hier nicht der Verfasser war; vgl. dazu: [Wessely?], Einleitung [zu Aristophanes: Ekklesiazusen], 5: „Doch ich schließe diese Abschweifung, indem ich mich nur noch in Bezug auf die im gegenwärtigen Falle erwachsene spezielle Schwierigkeit mit den gleichfalls schon zur „Lysistrate“ gebrauchten, auch mir wie von selbst auf die Zunge kommenden Worten zu decken nicht unterlassen kann“ [folgt Minckwitz-Zitat]. [Herv. d. Verf.]. Minckwitz selbst erwähnt

  Deutsche Aristophanes-Übersetzungen im Vergleich Minckwitz’ Übersetzungstätigkeit fiel damit noch in jene Zeit, in der die kritische Auseinandersetzung mit der von Voß begründeten, an strengen metrischen Kriterien ausgerichteten Übersetzungstradition die übersetzungstheoretische Reflexion dominierte und die jüngere Übersetzergeneration auf unterschiedliche Weise darum bemüht war, sich von dem berühmten Vorbild zu emanzipieren. Während Seeger sich, wie bereits dargelegt, explizit von der klassizistischen Formenstrenge Voß’scher Prägung lossagte 533 und stattdessen forderte, „deutsch und poetisch“ zu übersetzen – u. a. durch Aufgabe des sprachmimetischen Prinzips und Ersetzen des griechischen Trimeters durch den im Deutschen geläufigeren fünfhebigen Iambus –, suchten Droysen und andere nach einem mittleren Weg, um einerseits der metrischen Verfasstheit des Originals gerecht zu werden, ohne andererseits die spezifischen sprachlich-poetischen Ausdrucksformen des Deutschen außer Acht zu lassen. 534 Minckwitz wiederum kann zu den Hauptvertretern einer dritten, ‚neoklassizistischen‘ 535 Übersetzungsrichtung gezählt werden, die die Voß’schen Prinzipien grundsätzlich anerkannte, sie jedoch zugleich für revisionsbedürftig hielt, und daher eine zeitgemäße Restitution des metrischen Prinzips anstrebte. 536 Seine Erkenntnisse auf diesem Gebiet legte er unter anderem in mehreren Abhandlungen und Lehrbüchern zur deutschen Verslehre dar, 537 mit denen er gleichsam die von  Wessely in keinem seiner Vorworte, auch nicht in dem Schlusswort zu seinen Übersetzungen der attischen Dramatiker, das sich am Ende des letzten Aristophanes-Bandes findet; vgl. Minckwitz, Schlußwort zu meiner Übersetzung der attischen Dichter, des Äschylos, Sophokles, Euripides und Aristophanes, 58–60. Aussagekräftige biographische Einträge zu Wessely in literaturhistorischen Personenlexika ließen sich bislang nicht auffinden. Er gab u. a. verschiedene EnglischWörterbücher sowie ein Handwörterbuch der deutschen Sprache heraus, trat als Übersetzer aus dem Englischen (u. a. Thomas Morus, Charles Dickens, Walter Scott) und dem Lateinischen (Tommaso Campanella, Der Sonnenstaat) hervor und verfasste eine Monographie mit dem Titel Das Grundprincip des deutschen Rhythmus auf der Höhe des neunzehnten Jahrhunderts (1868), in deren Einleitung auch auf Minckwitz’ metrische Arbeiten Bezug genommen wird. In einigen Bibliothekskatalogen werden Wesselys Vornamenskürzel J. E. (sowohl im Fall der Aristophanes-Übersetzung als auch bei dem rhythmischen Lehrwerk) fälschlicherweise mit ‚Joseph Eduard’ aufgelöst. (Bei Joseph Eduard Wessely [1826–1895] handelt es sich allerdings um einen böhmischen Kupferstecher und Kunstautor ohne erkennbare Verbindungen zu Minckwitz’ Leipziger Freundes- oder Schülerkreis.) 533 Seeger kritisierte u. a. die „steife Unbeholfenheit“, die „tyranische[n] [sic] Machtansprüche“, die „sklavische Unterwürfigkeit“ und die „leblose Mechanik“ der Voß’schen Tradition; vgl. Seeger, Epistel an einen Freund (1845), 11. S. auch o. 3.3.2.2.1 u. ebd. Anm. 445. 534 Zu Droysens Übersetzungsauffassung s. auch o. 3.3.2.1.1 u. ebd. Anm. 325. 535 Vgl. Kitzbichler (2014), 84. 536 Zu den wichtigsten Repräsentanten dieser Übersetzungsrichtung gehörte auch der Philosoph, Philologe und Dichter Otto Friedrich Gruppe, der mit seiner 1859 erschienenen Monographie Deutsche Uebersetzerkunst einen bedeutenden Beitrag zur kritischen Begründung der metrischen Übersetzung lieferte; s. auch Kitzbichler/Lubitz/Mindt (2009a), 108–111. 537 1844 erschien sein Lehrbuch der deutschen Verskunst oder Prosodie und Metrik, 1856 das Lehrbuch der rhythmischen Malerei der deutschen Sprache und 1868 der Katechismus der deut-

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Voß begonnenen Untersuchungen zur deutschen Zeitmessung 538 fortsetzen und unter Berücksichtigung der jüngsten Fortschritte in Dichtung und metrischer Forschung weiterentwickeln wollte. 539 Dabei kommt der von Minckwitz konstruierten Traditionslinie von Klopstock (als eigentlichem Begründer der deutschen Verskunst) 540 über Voß (als Fortsetzer) bis hin zu seinem persönlichen Dichteridol August von Platen (als Vollender) 541 große Bedeutung zu. 542 Alle drei hätten, so  schen Poetik, alle drei für den Gebrauch an Schulen und Universitäten bestimmt. Die Schriften fanden recht weite Verbreitung und wurden, nach Auskunft von Fränkel (1906), 415, seinerzeit auch in Schweden, Russland, England und Amerika zu Unterrichtszwecken verwendet. 538 Zu Voß’ Zeitmessung der deutschen Sprache (1802) s. auch o. 3.3.1.3.1 (Exkurs 1) u. ebd. Anm. 206. 539 Vgl. Minckwitz, Lehrbuch der deutschen Verskunst (1844), 3. Aufl., Leipzig 1854, VII (Vorrede zur ersten Ausgabe). Die von Minckwitz gewählte Darstellungsweise seiner Erkenntnisse zur deutschen Metrik kann allerdings wissenschaftlichen Ansprüchen kaum genügen, was die Ablehnung, die ihm von den zeitgenössischen Vertretern der akademischen Lehre entgegengebracht wurde, umso verständlicher erscheinen lässt. So bezeichnet Minckwitz, der sich viel auf seine praktischen Erfahrungen als Übersetzer und Dichter zugute hält, seine Vorgänger auf dem Gebiet der deutschen Metrikforschung – ein Seitenhieb gegen seinen ehemaligen Lehrer Hermann – abfällig als „einfache Theoretiker, welche die Lehren, die sie vortragen, entweder von Anderen abstrahirten oder nach eigenem subjektiven Urtheil aufstellten“; vgl. Minckwitz, Lehrbuch der deutschen Verskunst (1844), 3. Aufl., Leipzig 1854, VIII (Vorrede zur ersten Ausgabe). Zudem legt er in seinen Schriften ausdrücklichen Wert auf eine möglichst populäre Ausdrucksweise: „Es war nicht seine [sc. des Verfassers, d. h. Minckwitz’] Absicht, mit prunkhaften philosophischen Benennungen fremden und neuen Klanges die Geduld der Leser heimzusuchen; [...]. Er bestrebte sich überall bei dem einfachen und wenn man so sagen darf praktischen Ausdrucke zu bleiben, der gewöhnlich mehr umfaszt als die angeblich tiefer ausholende Spitzfindigkeit der mit Begriffen theoretisch Klügelnden, welchen der Einblick in das Wesen der Sache mangelt.“ Minckwitz, Lehrbuch der rhythmischen Malerei (1856), XV f.; vgl. auch Minckwitz, Lehrbuch der deutschen Verskunst (1844), 3. Aufl., Leipzig 1854, VIII (Vorrede zur ersten Ausgabe), wo Minckwitz betont, sich aus didaktischen Gründen „so kurz als möglich gefaszt, und beinahe blos die Resultate, mit Weglassung einer ausführlichen Begründung, mitgetheilt“ zu haben. 540 Zu Klopstock s. auch o. 2.3.5 u. ebd. Anm. 318). 541 August Graf von Platen-Hallermünde (1796–1835) experimentierte in seinen lyrischen Dichtungen mit dem gesamten Repertoire klassischer und romanischer Metren. Unter den von ihm nachgebildeten antiken Versformen sind vor allem die Ode, die Idylle und das Epigramm zu nennen. In seinen letzten Lebensmonaten setzte er sich auch mit der Odenform Pindars auseinander und verfasste Hymnen im Pindarischen Stil. Zudem lieferte er mit seinen Nachbildungen aus dem Diwan des Hafis eine formbewahrende Übertragung aus dem Persischen. Minckwitz hatte u. a. eigene Gedichte im Stile Platens verfasst; vgl. Minckwitz, Gedichte (1847), die als Bd. 1 seiner nicht fortgesetzten Gesammelten Schriften publiziert wurden, und Aus Deutschlands größter Zeit, 1813–76 (1876). Minckwitz favorisierte in seinen Gedichten die Form der antiken Ode und des modernen Sonetts. Daneben finden sich aber auch einfachere Lieder und Romanzen. Kritiker bemängelten an Minckwitz’ Dichtung vor allem deren fehlende Originalität und die starke Anlehnung an Platen. So spricht beispielsweise Hoffmann von Fallersleben in seinen Memoiren recht abfällig von dem „Plat(en)ierten Dr. Johannes Minckwitz“, vgl. Fallersleben, Mein Leben (1868), Bd. 4, 247. Doch gab es auch begeisterte Minckwitz-Anhänger wie den Klausenburger Germanistik-Professor Hugo Meltzl

  Deutsche Aristophanes-Übersetzungen im Vergleich Minckwitz, maßgeblich dazu beigetragen, nach dem Muster der antiken Metrik eine deutsche Silbenmessung zu entwickeln, „wie sie durch die eigenthümliche Natur unserer Sprache gefordert wurde“ 543. Dies sei letztlich auch seiner eigenen Übersetzungspraxis zugute gekommen, wie Minckwitz, der seine Dramenübersetzungen sämtlich „im Versmaße der Urschrift“ erscheinen ließ, 544 im Vorwort zur ersten Auflage seiner Aristophanes-Gesamtübersetzung von 1855 ausführt: Gerade zwanzig Jahre sind verflossen, seit mein Entschluß reifte, die attischen Dichter zu verdeutschen, in der festen Überzeugung, daß gegenwärtig der Zeitpunkt gekommen sei, die von Johann Heinrich Voß angebahnten Wege zu erweitern und ihre Grundlage sicherzustellen. Der schöpferische Vorgang des Grafen Platen führte mich zu jenem Entschluß; die feste Form, welche durch diesen Dichter unserer Sprache gegeben wurde, schien nunmehr ein Marmorstoff,

 von Lomnitz, der zu Minckwitz’ 70. Geburtstag im Jahr 1882 eine Festschrift mit folgendem Titel veröffentlichte: Die Minckwitzische Ode, ihr Epitheton Ornans und Neologismus. Ein kurzgedrängter sprachwissenschaftlich-ästhetischer Beitrag zur Geschichte der Platen-Minckwitzischen Schule. Mit Platen selbst stand Minckwitz in Briefkontakt. Nach dessen Tod publizierte er die Korrespondenz zusammen mit Briefen Platens an Gustav Schwab; vgl. Minckwitz, Briefwechsel zwischen August Graf von Platen und Dr. Johannes Minckwitz. Nebst einem Anhange von Briefen Platens an G. Schwab (1836). Minckwitz verfasste auch die erste Platen-Biographie (Minckwitz, Graf Platen als Mensch und Dichter [1838]) und gab ferner zwei Bände mit Platens literarischem Nachlass heraus; vgl. Minckwitz, Gesammelte Werke des Grafen August von Platen, Bde. 6 u. 7: Poetischer und literarischer Nachlaß des Grafen von Platen (1853). 542 Vgl. Minckwitz, Lehrbuch der rhythmischen Malerei (1856), 1, und Minckwitz, Lehrbuch der deutschen Verskunst (1844), 3. Aufl., Leipzig 1854, XI; Zu Platen als Vollender der deutschen Verskunst vgl. auch Lehrbuch der rhythmischen Malerei (1856), 5 f. 543 Vgl. Minckwitz, Lehrbuch der deutschen Verskunst (1844), 3. Aufl., Leipzig 1854, X f.; ebd. S. XI heißt es in diesem Zusammenhang: „Das Beispiel der Griechen und Römer hat uns hierbei nur in solcher Weise als Leitstern vorgeschwebt, dasz wir mit unserer Sprache auf eine ähnliche, nicht aber auf die gleiche Art verfuhren, also nichts Fremdartiges mit ihr vornahmen, sondern nur gleichsam den rechten Glanz aus einem Edelstein, der seither ungeschliffen war hervorlockten. Es fiel uns aber nicht ein, aus dem Smaragd einen Rubin verfertigen zu wollen, oder die deutsche Sprache zur griechischen um jeden Preis umzuschaffen.“ Vgl. auch Minckwitz, Lehrbuch der rhythmischen Malerei (1856), VII. 544 Bei seiner Übertragung der beiden homerischen Epen (Homer’s Gesänge [1854–1856]) hatte Minckwitz sich dagegen zunächst für eine Prosa-Fassung entschieden – um „ein sicheres Fundament“ zu legen „für das Verständnis des Gedankeninhalts, bis sich ein geeigneteres Versmaß finde, als der deutsche Hexameter“ (vgl. Minckwitz, Vorrede [zu Homer’s Gesänge, Teil 2 ‚Odyssee‘] [1856], LXII) – bevor er nach umfangreichen metrischen Studien auch eine Neuübersetzung „im Versmaße des Originals“ in Angriff nahm, von der letztlich jedoch nur der erste Gesang der Ilias publiziert wurde (Homer’s Gesänge. Erster Gesang der Iliade [1871]). Des Weiteren übersetzte Minckwitz ausgewählte Pindar-Oden (Oden des Pindar. Auswahl, [1848–1850], vgl. Heindl [1859], 36; Pindar’s vierte pythische Ode, deutsch [1850]) und mehrere Schriften Lukians (Lukianos’ Werke. Erster Theil [1834]; die Reihe wurde nicht fortgesetzt).

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aus welchem man die Bildreste der großen Hellenen in einer Vollkommenheit nachmeißeln konnte, wie man es vorher kaum geahnt hatte. 545

Minckwitz hält die von Platen und anderen Dichtern erzielten Fortschritte der deutschen Verskunst und Dichtersprache gar für so bedeutend, dass er davon überzeugt ist, dass sämtliche an diesen Vorbildern orientierten neueren Übersetzungen – einschließlich seiner eigenen – das bislang auf diesem Gebiet Erreichte übertreffen 546 und auch beim Publikum eine neue Begeisterung für die formbewahrende Übersetzung antiker Dichtung wecken müssten. 547 Neben der Frage, welche konkreten Auswirkungen Minckwitz’ Übersetzungskonzeption auf die Komödien des Aristophanes hatte, ist seine Gesamtübertragung des attischen Komikers im Kontext der vorliegenden Arbeit vor allem aber auch deshalb von Interesse, weil sich der Übersetzer, wie wir feststellen konnten, bereits lange vor deren Erscheinen mehrfach mit polemischen Kritiken prominenter Aristophanes-Übersetzer wie Droysen, Seeger oder Hieronymus Müller zu Wort gemeldet hatte. 548 Seine Übertragung kann somit gleichsam auch als Prüfstein dienen, anhand dessen sich zeigen lässt, inwieweit er hier tatsächlich innovative Übersetzungsstrategien zum Einsatz bringt und in welcher Weise diese gegebenenfalls auch Minckwitz’ Umgang mit der Aristophanischen Obszönität beeinflussen. Mit dem Problem des Obszönen setzt Minckwitz sich in den Einleitungstexten zu seinen Aristophanes-Übersetzungen an mehreren Stellen auseinander. Dabei zeigt

 545 Minckwitz, Vorwort [zu Aristophanes: Werke] (1855–1909), III. 546 Diesen Gedanken formuliert Minckwitz bereits in seiner 1846 erschienenen Rezension der von ihm für nicht mehr zeitgemäß erachteten Aristophanes-Übersetzungen von Hieronymus Müller und Ludwig Seeger (s. auch o. 3.3.2.1.4 u. ebd. Anm. 396 und 3.3.2.2.4 u. ebd. Anm. 507). Dort heißt es – in polemischer Distanzierung von den besprochenen Übertragungen –, dass der „gegenwärtige Stand der deutschen Sprache“ mittlerweile Übersetzungen erlaube, die „einen bleibenden Werth für die Nation“ behielten: „was in unsern Tagen einmal gut übersetzt wird, kann, nach meiner Meinung, nie besser gemacht werden, wenn wir von kritischen Berichtigungen und von Verbesserung einzelner Ausdrücke absehen“. Dies beweise u. a. Luthers Bibelübersetzung; vgl. Minckwitz, [Rez. zu] Aristophanes-Übersetzungen von H. Müller u. L. Seeger, (1846), Sp. 567 f. 547 Frühere Versuche metrischer Übertragung – die Homer-Übersetzungen von Johann Heinrich Voß eingeschlossen – hätten hingegen „eine solche eckige Unbeholfenheit, eine solche hermenartige Plumpheit der Gliederung“ aufgewiesen, dass sich ihr Erfolg allein aus der „Neuheit derartiger Erscheinungen“ erklären lasse. Bei den intensiven Bemühungen um die äußere Form habe man letztlich den „Geist“ der antiken Dichtung vollkommen aus dem Blick verloren, so dass sich das Publikum in der Folge von Übersetzungen, die die antike Urform bewahren wollten, „mißfällig“ abgewandt habe. In Anbetracht der jüngeren Entwicklungen auf dem Gebiet der deutschen Dichtkunst – gemeint ist hier v. a. das Wirken Platens – hält Minckwitz es jedoch nunmehr für möglich, „mit dem Gedankengehalt der antiken Schriftsteller zugleich ihre Würde, Anmut und Einfachheit farbenreich, glanzvoll und genau in unsere Sprache zu übertragen“; vgl. Minckwitz, Vorwort [zu Aristophanes: Werke] (1855–1911), III f. 548 S. hierzu auch o. 3.3.2.1.4 u. ebd. Anm. 396 und 3.3.2.2.4 u. ebd. Anm. 507.

  Deutsche Aristophanes-Übersetzungen im Vergleich er sich einerseits bemüht, Aristophanes gegen den Vorwurf moralischer Anstößigkeit in Schutz zu nehmen, andererseits schwingt in seinen apologetischen Stellungnahmen stets auch ein gewisses Unbehagen mit: Um aber auf den allergewöhnlichsten Vorwurf zu kommen, Aristophanes habe, gleich den übrigen [sc. griechischen Komödiendichtern], die niedere Natur des Menschen in derber Leibhaftigkeit enthüllt, so tat er dies nicht aus wollüstigem Sinnenkitzel, wie wir es heutzutage an so vielen Mißgeburten der gallischen Phantasie zu tadeln haben. Dieser Reiz war [...] den attischen Komikern fremd; aber wie sie mit ungebundener Freiheit der Phantasie ihre komischen Figuren nach jeder Seite hin ausmalen durften, so waren sie auch befugt, in nackten mutwilligen Schilderungen an die sinnlichen Gelüste der tierischen Stufe zu erinnern und ihren Vortrag, allem gesellschaftlichen Anstand und noch mehr dem feinen sittlichen Gefühl zum Trotz, mit schmutzigen Wörtern und widrigen Bildern zu färben. 549

Erhellend erscheint in diesem Zusammenhang auch Minckwitz’ Entrüstung über einen anekdotisch tradierten Konjekturvorschlag von Friedrich Thiersch zu Wolken 1366, 550 nach welcher der Bauernsohn Pheidippides den Dichter Aischylos nicht – wie überliefert – als πρῶτον ἐν ποιηταῖς (den ‚ersten unter den Dichtern‘, sondern als πρωκτὸν ἐν ποιηταῖς (Minckwitz übersetzt hier „After unter den Poeten“) bezeichnen würde. Minckwitz, der der Entstehungsgeschichte und der Widerlegung dieser Konjektur – die seinerzeit sogar in die Textedition von Wilhelm Sigismund Teuffel 551 und in die Seeger’sche Übersetzung Eingang gefunden hatte 552 – immerhin zehn Seiten seiner Einleitung zu den Wolken einräumt, 553 hält sie lediglich für die „Mißgeburt eines launigen Einfalls“: Es ist schlechterdings ein unverzeihlicher Mißgriff, den Komiker zu verschlimmern und seine Farben zu vergröbern: Aristophanes bedient sich (wer sieht es nicht?) um des volkstümlichen  549 Vgl. Minckwitz, Einleitung in die komische Poesie der Alten (1855–1909), 8. 550 Die Anekdote wird von Thiersch selbst in lateinischer Sprache berichtet, vgl. Thiersch, Aristophanea (1835), 657–665. Vgl. hierzu auch Holtermann (2004), 289–292. 551 Vgl. Teuffel (Ed.), Aristophanis Nubes (1856), 171: ἐγὼ γὰρ Αἰσχύλον νομίζω πρω(κ)τὸν ἐν ταῖς ποιηταῖς, / [...]. Ebd. im kritischen Apparat auch eine längere Anmerkung zu Thierschs Konjektur; der Hinweis auf Teuffels Konjekturübernahme findet sich bei Minckwitz, Einleitung [zu Aristophanes: Wolken] (1855–1909), XLVII. 552 Vgl. Seeger (Ü), Aristophanes, Bd. 1 (1845), 501: „Weißt du, daß Aeschylos der Arsch ist unter den Poeten, / pausbäckig, klaffend, ungeschlacht [...]“. In der zugehörigen Anmerkung 144 (ebd. 572–576) referiert Seeger die Kommentartradition zu dieser Stelle, die Begleitumstände von Thierschs Konjektur sowie seine eigenen Gründe, diese Konjektur in seine Übersetzung zu übernehmen. Holtermann (2004), 292 Anm. 36, merkt an, dass die späteren Herausgeber der SeegerÜbersetzung (s. o. 3.3.2.2.4 Anm. 513) an diesem Vers keine Änderungen vorgenommen haben; allerdings heißt es in der bei ihm ebenfalls als unverändert angeführten Neuauflage von Newiger/Rau an der entsprechenden Stelle: „Für mich ist Aischylos am meisten unter den Poeten / pausbäckig, klaffend, ungeschlacht [...]; vgl. Seeger (Ü)/Newiger/Rau (Hgg.), Antike Komödien. Aristophanes (1968/1976), 165. 553 Vgl. Minckwitz, Einleitung [zu Aristophanes: Wolken] (1855–1909), XLVI–LVI.

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Elementes willen, das seine Komödien würzen mußte, allerdings oft gemeiner Tinten, aber wir müssen ihn nicht selbst gemein machen. 554

Was nun die eindeutig Aristophanes zuzuschreibenden Obszönitäten betrifft, so beruft Minckwitz sich hier auf überkommene Defensionstopoi, die uns aus älteren Übersetzervorreden bereits hinlänglich bekannt sind: Allgemeiner Sittenverfall in der Zeit des Peloponnesischen Krieges 555, Verrohung des Publikumsgeschmacks, dem der Dichter – auch gegen seine eigene Intention – entgegenzukommen hatte, 556 und Rücksichtnahme auf überkommene Gattungsnormen, die Obszönität unabdingbar miteinschlossen 557. Zusammenfassend stellt Minckwitz hierbei fest, dass sich die Moralität des Aristophanes nur mit Blick auf „dessen Standpunkt in seiner Zeit“ bewerten lasse 558: [E]r [sc. Aristophanes] teilt die Fehler wie die Vorzüge seiner Landsleute, und da er nicht für die christlichen Germanen schrieb, dachte, sorgte und arbeitete, sind wir vollkommen unberech-

 554 Minckwitz, Einleitung [zu Aristophanes: Wolken] (1855–1909), LIII f. 555 Vgl. Minckwitz, Einleitung in die komische Poesie der Alten (1855–1909), 9: „Drei von den letzten der uns erhaltenen Stücke des Aristophanes, worin die geschlechtlichen Verhältnisse eine Hauptrolle spielen, sind allerdings so beschaffen, daß sie die Schattenseiten zu dem Lichte seines Genius abgeben; doch lag die Schuld nicht lediglich an ihm, sondern größtenteils an dem gesunkenen Zustande seines Vaterlandes, der ihm keinen besseren Stoff, keine kühnere Perspektive mehr darbot.“ Minckwitz bezieht sich hier auf die drei Aristophanischen Frauenkomödien Lysistrate, Ekklesiazusen und Thesmophoriazusen. Vgl. auch Minckwitz, Einleitung [zu Aristophanes: Lysistrate] (1855–1911), 16. Ebenso hatte auch Droysen argumentiert (s. o. 3.3.2.1 [Exkurs] u. ebd. Anm. 307). 556 Vgl. Minckwitz, Einleitung [zu Aristophanes: Lysistrate] (1855–1911), 12: „Der Geschmack der Zeitgenossen hätte ihm eine durchgreifende Änderung nicht gestattet; die höchste sittliche Anforderung zu erfüllen wäre ein vergebliches Trachten gewesen, da er als ein Neuerer durchgefallen sein würde, zumal bei den Verhältnissen jener traurigen Epoche.“ Vgl. auch ebd. 11 f. u. 16. 557 Vgl. Minckwitz, Einleitung in die komische Poesie der Alten (1855–1909), 12 u. 17. Minckwitz bezieht sich hier auf die Spezifik der attischen Komödie, die im Gegensatz zur Tragödie darauf abziele, die Lächerlichkeit der Charaktere mit größtmöglicher Drastik herauszustellen: „Die gesamte Obszönität des alten Lustspiels, soweit sie immer Vorgänge, Erzählungen, bildliche Ausdrücke, Redensarten und einzelne Wörter umfaßt, wurzelt auf diesem Grund und Boden; eine deshalb berechtigte Erscheinung. Die Tragödie richtet den Blick auf das Haupt und Antlitz, die Komödie auf die Fußsohle und das Hinterteil.“ In diesem Sinne argumentiert Minckwitz auch in seiner Einleitung zur Lysistrate im Zusammenhang mit dem Motiv der sexuellen Verweigerung: „[...] das zweite Geschlecht galt in jenen Tagen blutwenig. Wollte er [sc. Aristophanes] also, da die Männerwelt so blind fortwütete, den Frauen überhaupt eine Tätigkeit zuweisen, die in das Treiben des Männergeschlechts nachdrücklich eingriff, so blieb ihm nichts übrig, als die Störung des häuslichen Lebens zu zeichnen und ein Mittel zur Sprache zu bringen, das dieser Störung ein kräftiges Halt [sic] gebieten sollte.“ Vgl. Minckwitz, Einleitung [zu Aristophanes: Lysistrate] (1855–1911), 8. 558 Vgl. Minckwitz, Einleitung [zu Aristophanes: Lysistrate] (1855–1911), 13. Diesen Gedanken hatte so deutlich bereits Anne Dacier im Vorwort zu ihren beiden 1684 erschienenen AristophanesÜbersetzungen formuliert (s. o. 2.3.3.1 u. ebd. Anm. 138).

  Deutsche Aristophanes-Übersetzungen im Vergleich tigt, das, was uns heutzutage mißfällt, ihm als ein unverzeihliches Verbrechen gegen Moral, Kunst und Geschmack anzurechnen. 559

So dürfe man, nach Minckwitz’ Ansicht, auch die Lysistrate wegen ihrer – größtenteils dem Zeitgeschmack geschuldeten – „Gebrechen“ nicht tadeln, da sich ihr eigentlicher Wert doch an „einer Reihe treffender Vorstellungen, gesunder Sentenzen und Aussprüche“ bemesse. 560 Gleichwohl tauge Aristophanes keineswegs zum Vorbild für moderne Dichter, denn der Fortschritt der menschlichen Entwicklung seit der Antike habe sowohl im Leben wie auch in der Dichtung eine „Zurückdrängung der tierischen Elemente“ mit sich gebracht: Wenn wir Aristophanes nicht tadeln dürfen, weil er nur im Geiste seiner Zeit sich soviel erlaubte, so dürfen wir ihn auch in der Obszönität nicht als Vorbild empfehlen und behaupten, daß die neuere und künftige Zeit hierin sich ebensoviel erlauben könne. 561

Für den Übersetzer hingegen stelle das Obszöne vor allem eine Herausforderung dar, die es ihm in besonderer Weise ermögliche, seine sprachliche Gewandtheit zu demonstrieren und sich unmittelbar mit dem antiken Dichter zu messen. Dieser Herausforderung will Minckwitz sich nach eigenem Bekunden ganz bewusst stellen, indem er – nach den Vögeln, dem Frieden und den Fröschen – vergleichsweise früh auch die Lysistrate übersetzt, die in älteren Gesamtübersetzungen zumeist erst unter den letzten Stücken zu finden ist 562: Von den übrigen Stücken unseres Dichters habe ich absichtlich gerade dieses ausgewählt, um einmal mit aller Kraft einen Versuch zu machen, wieviel sich wohl in der Eleganz der Darstellung durch unsere Sprache erreichen lasse, wenn ein so schlüpfriges Feld wie das vorliegende betreten wird. Zwar in den seither von mir übersetzten drei Komödien fehlt es nicht an obszönen Partien, die mir reiche Gelegenheit verschafft haben zu zeigen, ob ich im geschmackvollen Ausdruck mit dem kecken Hellenen zu wetteifern weiß; in der „Lysistrate“ indessen ist die Aufgabe eine durchgehende und ungeheure. Ja, untersucht man die Sache genauer, so wird man finden, daß in dergleichen Dingen eigentlich ein Wetteifer mit dem antiken Muster nicht möglich ist. 563

 559 Minckwitz, Einleitung [zu Aristophanes: Lysistrate] (1855–1911), 17. 560 Vgl. Minckwitz, Einleitung [zu Aristophanes: Lysistrate] (1855–1911), 21. 561 Minckwitz, Einleitung [zu Aristophanes: Lysistrate] (1855–1911), 19. Vgl. auch o. 2.3.4.1 u. ebd. Anm. 222 die vergleichbare Argumentation bei Christlob Mylius. 562 Minckwitz’ Lysistrate-Übersetzung steht in der vierbändigen Langenscheidt-Ausgabe an erster Stelle des zweiten Bandes. Bei Droysen und Seeger hingegen findet sich die Lysistrate erst im jeweils dritten (und letzten) Band, sowie als achtes von elf ‚Bändchen‘ bei Schnitzer; bei Voß und Hieronymus Müller jeweils am Ende des zweiten (von drei) Bänden. 563 Minckwitz, Einleitung [zu Aristophanes: Lysistrate] (1855–1911), 3.

Porträts der ausgewählten Übersetzungen und Bearbeitungen der Lysistrate  

Minckwitz’ Lysistrate-Übersetzung .... Minckwitz’ Übersetzungskonzeption Minckwitz gab den meisten seiner Übertragungen ausführliche Vorreden und Einleitungen bei, in denen er – neben allgemeinen Einführungen zu Autor und Werk – auch zu seinen Übersetzungsprinzipien, insbesondere zur Frage der MetrikÜbertragung dezidiert Stellung nimmt. 564 Exemplarisch seien hier die vier aufeinander bezogenen Vorworte in den Bänden vier bis sieben seiner im Stuttgarter MetzlerVerlag erschienenen Gesamtübersetzung der Werke des Sophokles genannt, in denen Minckwitz seine Anforderungen an eine gelungene Übersetzung formuliert. 565 Grundsätzlich präferiert er eine möglichst wörtliche Übertragung des Originals, die „Gedanken für Gedanken, Satz für Satz, Wendung für Wendung, Bild für Bild“ 566 wiedergebe. Doch dürften weder grammatische Regelwidrigkeiten noch aufgezwungene Gräzismen Eingang in die Übersetzung finden. Auch bei der Übertragung der Metrik sei darauf zu achten, dass der Rhythmus nicht nach rein äußerlichen Kriterien nachgebildet werde, sondern dass Zäsuren und andere metrische Elemente den jeweiligen zielsprachlichen Erfordernissen anzupassen seien. 567 In diesem Zusammenhang weist Minckwitz immer wieder auf die Mustergültigkeit der Verse Platens hin, welcher die fremden Rhythmen „für den Deutschen mundgerecht“ gemacht habe. 568 Was die Komödie betrifft, so konnte Minckwitz den von ihm verehrten Platen auch ganz unmittelbar als sprachliches Vorbild heranziehen, war diesem doch seinerzeit selbst mit zwei an Aristophanes orientierten politischen Lustspielen, Die verhängnisvolle Gabel (1826) und Der romantische Ödipus (1829), der literarische Durchbruch gelungen. 569 Platen sei es auch gewesen, der die Komplexität und den

 564 S. dazu auch o. 3.3.2.3 Anm. 523. 565 Diese zeichne sich vor allem durch „poetischen Schwung“, Klarheit und Deutlichkeit der Rede, Sinnrichtigkeit sowie Korrektheit der Sprache und Richtigkeit des Rhythmus aus (vgl. Minckwitz, Vorrede [zu Sophokles, Philoktet] [1843], 389). Der Übersetzer müsse dazu sowohl die Ausgangssprache als auch die Zielsprache sicher beherrschen (vgl. Minckwitz, Vorrede [zu Sophokles, Die Trachinerinnen] [1844], 643) und ferner in der Lage dazu sein, den individuellen Ton, die Stilhöhe, die Sprachmelodie und den Rhythmus des zu übersetzenden Autors vollkommen zu erfassen (vgl. Minckwitz, Vorrede [zu Sophokles, Philoktet] [1843], 390). 566 Minckwitz, Vorrede [zu Sophokles: Elektra] (1844), 522. 567 Vgl. Minckwitz, Vorrede [zu Sophokles: Oidipus auf Kolonos] (1844), 763 f. 568 Vgl. z. B. Minckwitz, Vorrede [zu Sophokles: Oidipus auf Kolonos] (1844), 768 569 Platen wiederum hatte die Anregungen zu seinen Komödien durch das Studium der Voß’schen Aristophanes-Übersetzung sowie der beiden wissenschaftlichen Monographien Das Theater zu Athen (1818) von Hans Christian Genelli und Die alte komische Bühne in Athen (1817) von Peter Friedrich Kanngießer erhalten; vgl. dazu Denkler, Einleitung, (1979), 15, bzw. dessen Quelle: Schlösser, August Graf von Platen (1910/13), Bd. 1, 688 f. Zum Erfolg der Verhängnisvollen Gabel s. Denkler, Einleitung (1979), 20. S. ferner auch o. 3.3.2 Anm. 276.

  Deutsche Aristophanes-Übersetzungen im Vergleich künstlerischen Schwierigkeitsgrad der Alten Komödie erstmals in ausreichendem Maße zu würdigen gewusst und ihr zu Recht den ersten Rang unter den poetischen Gattungen zuerkannt habe: Die ersten Versuche, ihre [sc. der Aristophanischen Komödien] Kunstform schöpferisch wieder aufzunehmen, sind seit der Erneuerung der Wissenschaften in Europa durch die Deutschen gemacht worden, und zwar durch den Grafen August von Platen. Treffend bemerkt dieser geschmackvollste aller neueren Dichter, daß keine Gattung der Poesie gleich umfangreich sei, wie die aristophanische Komödie, daß keine in gleicher Weise die gesamte Tonleiter des Wohllauts, von der Flöte herab bis zu dem schrecklichsten Schall der Posaune, zu erklimmen vermöge und daß die Komödie daher auch als die schwerste und letzte Aufgabe eines Poeten erscheine. 570

Im übersetzerischen Umgang mit der Alten Komödie besteht für Minckwitz nun – abgesehen von der metrischen Vielfalt – eine der Hauptschwierigkeiten in der gattungsspezifischen Obszönität. Diese begreift er, wie bereits dargelegt, einerseits als künstlerische Herausforderung für den Übersetzer, räumt jedoch gleichzeitig ein, „daß in dergleichen Dingen eigentlich ein Wetteifer mit dem antiken Muster nicht möglich“ sei. 571 Diese Auffassung begründet Minckwitz unter anderem damit – auch hier greift er auf Argumente älterer Übersetzer zurück 572 –, dass es der deutschen Sprache im Gegensatz zur griechischen und anderen südeuropäischen Sprachen an einem gewissen Wohlklang mangele, der das offene Aussprechen vieler Wörter, „die bei uns, in dem minder sinnlichen Norden, aus dem Munde der guten Gesellschaft streng verbannt sind“, möglich mache: „Bei uns wird zwar nicht alles, aber vieles dieser Art unbeholfen, roh und absolut gemein bleiben, was im antiken Ausdruck immer noch gewandt, fein und erträglich ist.“ 573 Im Hinblick auf die von ihm verfolgte Übersetzungsstrategie will Minckwitz es daher mit Friedrich August Wolf halten, der im Vorwort zu seiner Wolken-Übertragung 574 erklärt, er habe seine Übersetzung so abgefasst, dass er sie „zur Not vor den attischen Zuschauerinnen verantworten“ könne, von denen er annehme, dass auch sie Zugang zu den antiken Komödienaufführungen hatten. 575 Konkrete übersetzungspraktische Maximen leitet Minckwitz hieraus jedoch nicht ab, sondern konstatiert mit Bezug auf die vorliegende Übersetzung lediglich nochmals: „Einzelne Ausdrücke (leider nicht zu  570 Minckwitz, Einleitung in die komische Poesie der Alten (1855–1909), 15 f. 571 Vgl. Minckwitz, Einleitung [zu Aristophanes: Lysistrate] (1855–1911), 3. 572 S. o. 2.3.2.2 u. ebd. Anm. 112. 573 Minckwitz, Einleitung [zu Aristophanes: Lysistrate] (1855–1911), 4. 574 Zu Wolfs Wolken-Übersetzung von 1811 s. auch o. 3.3.1.3 (Beitrag) u. ebd. Anm. 181. 575 Vgl. Minckwitz, Einleitung [zu Aristophanes: Lysistrate] (1855–1911), 4. Zu der v. a. im 19. Jahrhundert in Verbindung mit der Obszönitätsproblematik viel diskutierten Frage, ob es einerseits den Athenerinnen zur Zeit des Aristophanes erlaubt war, Komödienaufführungen zu besuchen, und ob andererseits die Komödien des Aristophanes eine geeignete Lektüre für die ‚moderne‘ Frau darstellten, vgl. Lubitz (2014).

Porträts der ausgewählten Übersetzungen und Bearbeitungen der Lysistrate  

umgehende) sind und bleiben in unserem Idiom, mit der griechischen Form verglichen, grob und unelegant.“ 576 Um möglichen Angriffen vorzubeugen bittet er daher seine Leser um Nachsicht und „die Kritiker, die Anstoß nehmen“ um Hilfe „in der Erfindung gewählterer Formen“. 577 .... Übersetzungsanalyse Teil 1: Allgemeine Beobachtungen Textpräsentation Minckwitz’ Übersetzungen der Aristophanes-Komödien, die von 1855 an in Einzelbänden in der vom Stuttgarter Verlag Krais und Hoffmann (später Langenscheidt) herausgegebenen Reihe Bibliothek sämtlicher griechischen und römischen Klassiker erschienen, 578 wurden ohne den griechischen Originaltext abgedruckt. Anders als bei seinen älteren, in der Metzler-Reihe 579 publizierten Übertragungen der griechischen Tragiker, die jeweils mit dem Titelzusatz „im Versmaße der Urschrift“ versehen waren, findet sich in seiner Aristophanes-Übersetzung lediglich die unspezifische Angabe „verdeutscht von Johannes Minckwitz“. Was die Gliederung der einzelnen Komödien betrifft, so findet sich – wie bei den meisten bisher betrachteten Übersetzungen – auch bei Minckwitz eine starke Anpassung des antiken Dramas an moderne Bühnenkonventionen durch die Einteilung in Akte und Szenen sowie durch das Hinzufügen ausführlicher Handlungsanweisungen. An jede Übersetzung schließt sich ein umfangreicher, nach Verszahlen geordneter Endnotenkommentar an. Formale Gestaltung / Metrik In der Behandlung von Metrik und Sprache versucht Minckwitz – seinen eigenen Forderungen entsprechend –, die metrische Form des Ausgangstextes weitgehend zu bewahren, ohne dabei die sprachlichen Konventionen des Deutschen im Hinblick auf Wortwahl und Wortstellung zu verletzen. So hält er sich in der LysistrateÜbersetzung – mit geringen Abweichungen – sehr genau an die Verszählung der gängigen Textausgaben (verglichen mit Wilson) und ist darum bemüht, die verschiedenen „Versmaße der Urschrift“ in deutschen Metren nachzubilden.

 576 Minckwitz, Einleitung [zu Aristophanes: Lysistrate] (1855–1911), 5. 577 Vgl. Minckwitz, Einleitung [zu Aristophanes: Lysistrate] (1855–1911), 5. 578 Der ursprüngliche Reihentitel lautete: Neueste Sammlung ausgewählter griechischer und römischer Klassiker verdeutscht von den berufensten Uebersetzern. 579 Zu der 1827 vom Stuttgarter Metzler-Verlag begründeten Reihe Griechische bzw. Römische Dichter in neuen metrischen Uebersetzungen, als deren idealtypischer Vertreter Minckwitz angesehen werden kann, vgl. Kitzbichler/Lubitz/Mindt (2009a), 116–119.

  Deutsche Aristophanes-Übersetzungen im Vergleich Λυ. Κα.

χαῖρ’, ὦ Καλονίκη. καὶ σύ γ’, ὦ Λυσιστράτη τί συντετάραξαι; μὴ σκυθρώπαζ’, ὦ τέκνον. (6 f.)

Lys. Kal.

Gruß, Kalonike!

580

Besten Dank, Lysistrate! Was bist so verstört du? Nicht so finster, liebes Kind. 581

ΧΟΡΟΣ ΓΥΝΑΙΚΩΝ πέτου πέτου, Νικοδίκη, πρὶν ἐμπεπρῆσθαι Καλύκην τε καὶ Κρίτυλλαν περιφυσήτω ὑπό τε νότων ἀργαλέων ὑπό τε γερόντων ὀλέθρων. (321 ff.)

ia dodr A 582

Chor [der Frauen]: Heran, heran, Schwester, im Flug! Kritylla samt Kalyke muß Verbrennen sonst mitten im Glutwirbel: Oder sie trifft hartes Gesetz [Lesart: νόμων], Oder die Wuth greisen Gezüchts

Wortlaut / Syntax Auch die einzelnen Wörter und Formulierungen des Originals finden in der Regel ihre Entsprechung in der Übersetzung; um eine akribische Wort-für-WortWiedergabe, wie sie beispielsweise Voß angestrebt hatte, handelt es sich dabei jedoch nicht. Dies zeigt sich im vorausgehenden Textbeispiel schon bei den Abweichungen in der Aufzählung der aufgeführten Frauennamen. 583 Auch der Satzbau wird wesentlich stärker als bei Voß den sprachlichgrammatischen Gepflogenheiten des Deutschen angepasst, etwa durch das Auflösen hypotaktischer Konstruktionen. So übersetzt Minckwitz die Wendung πρὶν ἐμπεπρῆσθαι Καλύκην τε καὶ Κρίτυλλαν (322 f.), die Voß dem Original entsprechend mit ‚Eh uns verbrennt Kályke samt Kritylla‘ wiedergibt, parataktisch mit ‚Kalyke samt Kritylla muß verbrennen sonst‘. Gleichwohl macht sich bisweilen auch in Minckwitz’ Übersetzung eine gewisse stilistische Schwerfälligkeit bemerkbar. So wirken manche Formulierungen sehr

 580 Zum metrischen Schema s. o. 3.3.1.3.2 (Formale Gestaltung) Anm. 229. 581 Zitiergrundlage des Übersetzungstextes: Minckwitz (Ü)/Wessely (Ü), Aristophanes II (Lysistrate) (1855–1911). 582 Zur Metrik des Verses 323 vgl. Henderson (Ed./K) (1987), 108; s. auch o. 3.3.1.3.2, 3.3.2.1.2, 3.3.2.2.2 (jeweils ‚Formale Gestaltung‘). 583 Voß dagegen hatte an gleicher Stelle die Namen vollzählig und versgenau wiedergegeben; s. auch o. 3.3.1.3.2 (Formale Gestaltung).

Porträts der ausgewählten Übersetzungen und Bearbeitungen der Lysistrate  

gesucht und scheinen dem umgangssprachlichen Tonfall der Komödie nicht zu entsprechen: ἀλλὰ πῶς ὀμούμεθα / ἡμεῖς; (193 f.) Welche Schwurart willst du sonst anraten? „τί βεβούλευται περὶ τῶν σπονδῶν ἐν τῇ στήλῃ παραγράψαι ἐν τῷ δήμῳ τήμερον ὑμῖν;“ (513 f.) „Was habt ihr wohl heut’ im versammelten Volk anlangend den Frieden beschlossen Und zum Schriftanschlag für die Säule bestimmt?“

Verstärkt wird dieser Eindruck durch eine oftmals recht eigenwillige Wortstellung, die nicht in jedem Fall der Anpassung an den originalen Wortlaut geschuldet ist: αὗται, τί μοιμυᾶτε κἀνανεύετε; (126) Warum in die Lippe beißt ihr und schüttelt die Köpfe?

Diese Umständlichkeit führt häufig – auch außerhalb von Chorliedern oder paratragischen Partien – zu schwer verständlichen Satzkonstruktionen: ταῖς πρεσβυτάταις γὰρ προστέτακται τοῦτο δρᾶν, ἕως ἂν ἡμεῖς ταῦτα συντιθώμεθα, θύειν δοκούσαις καταλαβεῖν τὴν ἀκρόπολιν. (177 ff.) Befohlen ward den ältesten Frauen, während wir Uns hier verbünden wollen, unter dem äußern Schein, Als gält’ es ein Opfer, Besitz zu nehmen von der Burg.

Exklamationen, Götteranrufe, zeitbedingte Begrifflichkeiten und Inhalte Gräzismen werden von Minckwitz – ebenfalls in Übereinstimmung zu seinen eigenen Ausführungen – weitgehend vermieden. Übernahmen einzelner griechischer Wörter finden sich nur in Ausnahmefällen: ὥσπερ Κορύβαντες (558) οὐκ ἐμπίς ἐστιν ἥδε Τρικορυσία; (1032)

Korybanten vergleichbar 584 Traun, diese Mück’ ist eine Trikoryserin! 585

In der Regel bevorzugt Minckwitz – sei es bei Maßangaben, Amtsbezeichnungen, kultbezogenen Termini oder auch sprechenden Namen – deutsche Formulierungen. So erscheint die griechische Gewichtsangabe τριτάλαντον βάρος (338, korrupt) bei

 584 Zur Stelle s. auch o. 3.3.1.3.2 (Exklamationen) u. ebd. Anm. 235. 585 Zur Stelle s. auch o. 3.3.1.3.2 (Exklamationen) u. ebd. Anm. 236.

  Deutsche Aristophanes-Übersetzungen im Vergleich Minckwitz als „drei Centner schier“; der in Vers 387 auftretende Probule 586 kommt bei ihm als „Oberratsherr“ daher, und der sprechende Städtename Ἀνάγυρος (67), der im Griechischen die Assoziation eines übelriechenden Gewächses hervorruft, wird in der Übersetzung zu „Schweinefurt“. Des Öfteren wird auch eine deutsche Pseudoterminologie eingeführt, deren genaues Verständnis sich jedoch erst aus dem Kommentar ergibt, so z. B. bei der Aufzählung der verschiedenen Funktionen, die junge Athenerinnen bei den verschiedenen Kultfesten übernehmen konnten: ἠρρηφόρουν (641) ἄρκτος ἦ Βραυρωνίοις (645) κἀκανηφόρουν (646)

Pallas’ Festmüllerin Bärin am Brauronienfest Korbträgerin

Die Beinamen von Göttern oder mythischen Personen, werden ebenfalls soweit wie möglich in übersetzender Umschreibung gegeben: ἢ ’πὶ Κωλιάδ’ εἰς Γενετυλλίδος (2)

oder ein wonniges Venusfest

Eine ähnliche Tendenz zeigt sich auch bei den Götteranrufen, insbesondere denjenigen der Dioskuren: ναὶ τὼ σιὼ (86) νὴ τὼ θεώ (112)

bei den Zwillingen bei dem Götterpaar

Auch andere exklamatorische Äußerungen und Interjektionen werden, im Unterschied zu Voß, stets durch deutsche Wendungen ersetzt: ἰοὐ ἰού (66, 295, 305, 829) παπαιάξ (924) βαβαί (1078) ἀλαλαί, ἰὴ παιών (1291) εὐοῖ εὐοῖ, εὐαὶ εὐαί (1294)

Juchhei, juchhei! bzw. Huhu, huhu! Oh Himmel! Ah, ah! O Triumph, juchhei! Jauchzt auf, jauchzt auf, jauchzt laut, jauchzt laut!

Dies führt mitunter dazu, dass auch onomatopoetische Wendungen des Ausgangstextes in der Übersetzung zu weniger expressiven Ausdrücken abgeschwächt werden. So zum Beispiel das lautmalerische Wegpusten von Rauch: φῦ φῦ (294, 304)

Blas’, blas’!

Oder das Schreien von Myrrhines Kind: μαμμία, μαμμία, μαμμία. (879)

Ach, Mama, ach, Mama, ach, Mama!

 586 Zu der griechischen Amtsbezeichnung s. o. 3.3.2.1.2 (Exklamationen) u. ebd. Anm. 364.

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Was die im Original enthaltenen – und für deutsche Leser des 19. Jahrhunderts nicht unmittelbar verständlichen – Bezugnahmen auf relevante Themen und tagespolitische Ereignisse aus der Zeit des Aristophanes betrifft, so werden diese in der Regel möglichst wörtlich (d. h. nicht aktualisierend) in die Übersetzung übernommen und ggf. im Anhang kommentiert, so z. B. die inhaltlichen Anspielungen auf Tragödien bekannter Dichter wie im Folgenden des Sophokles: Λυ.

οὐδὲν γάρ ἐσμεν πλὴν Ποσειδῶν καὶ σκάφη. (139)

Lysistrate:

Das Stück beginnt mit ‚Poseidon‘stets und schließt mit ‚Kahn‘. 587

Minckwitz zitiert hier zur Erläuterung die entsprechende Anmerkung von Heinrich Voß d. J. in der Lysistrate-Übersetzung seines Vaters 588: „Poseidon und Kahn, d. i. schwanger werden und gebären. Sie denkt an Sophokles’ ‚Tyro‘, die dem Poseidon zwei Söhne, Nereus und Pelias, gebar und sie in einem Kahn aussetzte. Mit einer Liebesszene mochte das Stück beginnen, mit dem Kahn endigen. Anfang und Ende vom Lied wurden zum Sprichwort.“ Voß 589

Von den zahlreichen politischen Anspielungen sei hier ebenfalls exemplarisch eine herausgegriffen: Χογυ.

[...] ἐπεὶ τὸν ἔρανον τὸν γενόμενον παππῷον ἐκ τῶν Μηδικῶν ἐξαναλώσαντες οὐκ ἀντεισφέρετε τὰς εἰσφοράς [...] (652 ff.)

Chorführerin: [...] Aus der Väter Zeiten habt ihr durchgebracht im Gegenteil jene Perserbeutesteuer, wie sie heißt, den alten Schatz, [...]

Auch hier beruft sich Minckwitz in seinen Anmerkungen auf Heinrich Voß d. J.: Ueber die Perserbeutesteuer bemerkt Voß: „Im ersten Perserkriege steuerten die Athener eine Summe für die hülfreichen Bundesgenossen bei und zahlten sie aus der Perserbeute.“ Was von ihm und anderen Auslegern hinzugefügt wird, scheint nicht den Sinn unserer Stelle zu treffen. Vielmehr ist zu schließen, daß ein bedeutender Fond aus der Beute der Perser zurückgelegt und von den Nachkommen, den jetzigen kriegerisch gesinnten Athenern, die selbst keine neu-

 587 Zur Stelle s. o. 3.3.1.1.2 (Exklamationen) u. ebd. Anm. 90. 588 Zur Aristophanes-Kommentierung von Heinrich Voß d. J. s. auch o. 3.3.1.3 (Beitrag) u. ebd. Anm. 200. 589 Minckwitz, Anm. zu Lys. 139, in: Minckwitz (Ü)/Wessely (Ü), Aristophanes II (Lysistrate), (1855– 1911), 119.

  Deutsche Aristophanes-Übersetzungen im Vergleich en Kriegssteuern mehr zahlen konnten, aufgewendet worden war. Man zahlte so lange für den jetzigen Krieg, als man Geld hatte, aber kriegte gleichwohl fort. 590

Dialekt Bei der Wiedergabe des spartanischen Dialekts hat Minckwitz sich – ähnlich wie zuvor schon Seeger – für eine an das Schwäbisch-Alemannische angelehnte Mundart entschieden, bringt sie in seiner Übersetzung allerdings wesentlich sparsamer als jener zum Einsatz. Λα.

μύσιδδέ τοι / ὅ τι λῇς ποθ’ ἁμέ. (94 f.)

Lampito:

Eröffne denn, / Was dein Begehr ischt!“

.... Übersetzungsanalyse Teil 2: Behandlung der obscena Mit Bezug auf die Aristophanischen Obszönitäten hatte Minckwitz in seiner Lysistrate-Vorrede angekündigt, hier „im geschmackvollen Ausdruck mit dem kecken Hellenen [...] wetteifern“ zu wollen. Im gleichen Zusammenhang hatte er aber auch betont, dabei auf die Befindlichkeiten potentieller Leserinnen Rücksicht nehmen zu wollen. Dies lässt darauf schließen, dass insgesamt eine eher zurückhaltende Wiedergabe der obszönen Begriffe intendiert ist. Diese Annahme wird durch den Blick auf den Übersetzungstext weitgehend bestätigt. So werden die primär obszönen griechischen Bezeichnungen für das männliche Glied πέος (124, 415), ψωλή (143, 979) und σάθη (1119) stets metaphorisch mit Begriffen wie „Stift“ (124), „Spieß“ (143; 1119), „Pfriem“ (415), „steife Lanze“ (1012), einmal auch „nackende Lanze“ (979), übersetzt. In Entsprechung hierzu wählt Minckwitz für die Wiedergabe der primär obszönen Bezeichnungen weiblicher Genitalien, κύσθος (1195) und σάκανδρος (824), 591 Beutelmetaphern wie „Täschchen“ bzw. „Samtsack“. Die Speermetaphorik zur Bezeichnung des männlichen Gliedes begegnet auch bei einigen Verbformen, die auf den erigierten Penis verweisen (στύειν, στύεσθαι, ἀποψωλεῖν): ἐστυκώς (214)

mit steifer Lanze

ἐγὼ δ’ ἀπόλλυμαί γ’ ἀπεψωλημένος. (1136) Ach, mich zerstampft mein eigener blankgezückter Speer!

 590 Minckwitz, Anm. zu Lys. 653 u. f., in: Minckwitz (Ü)/Wessely (Ü), Aristophanes II (Lysistrate), (1855–1911), 128. 591 Vgl. Henderson (1991), 130 (Nr. 107) u. 133 (Nr. 116).

Porträts der ausgewählten Übersetzungen und Bearbeitungen der Lysistrate  

In anderen Fällen bleibt Minckwitz hier jedoch bemerkenswert nahe am griechischen Text: ἔστυκα γάρ. (869) ἀλλ’ ὅστις ἔτι στῦσαι δυνατὸς – (598)

ich bin gesteift (vgl. auch 598, 869, 989, 996, 1178) Wer aber das Glied noch zu steifen vermag, –

Auch die Verben οὐρεῖν und χέζειν werden durch semantisch nahezu gleichwertige deutsche Ausdrücke wiedergegeben: ὥσπερ ἐνεουρηκότας (402) ἐπιχεσεῖ πατούμενος. (440)

als hätten wir selbst darauf gepißt Mit Füßen tret ich dich, daß du den Durchfall haben sollst!

Obszöne Ausdrücke, die sich unmittelbar auf den Geschlechtsakt beziehen, erfahren wiederum eine eher zurückhaltende, metaphorisch-euphemistische Paraphrasierung: βινητιῶμεν (715) βινεῖν βούλομαι (934) τίνα βινήσω (954) κᾶτα τίνα κινήσομεν; (1166)

Uns plagt das Männerfieber Kosen will ich nur mit dir. Wen drück’ ich an’s Herz [...]? Welches Lustschloß blieb’ uns dann?

ποῖος δ’ ὄρρος [sc. ἀντίσχοι]/ κατατεινόμενος / καὶ μὴ βινῶν τοὺς ὄρθρους; (964 f.) [sc. Wie könnte der Mann abschütteln ein Weh,] Das foltert und straff / ausspannt ein Gesäß [sic] 592, / Das, ach! kein Frührotstanz labt?

Ganz übergangen werden primär obszöne Begriffe nur an wenigen Stellen, so z. B. in Vers 134, wo sich die Frauen – in ihrer Bestürzung über Lysistrates Plan, die Männer durch sexuelle Verweigerung zum Friedensschluss zu drängen – zu allen erdenklichen Opfern bereit erklären, sofern sie nur nicht auf das πέος verzichten müssen: τοῦτο μᾶλλον τοῦ πέους·(134)

lieber das, als den Verlust

Obszöne Inhalte, die bereits im Griechischen durch Bilder, Vergleiche, Metaphern oder Wortspiele transportiert werden, übersetzt Minckwitz – ebenso wie literarische oder politische Allusionen – recht wortgenau. Dies führt allerdings oftmals dazu, dass der obszöne Gehalt im Deutschen weniger deutlich hervortritt als im Original, dessen Anspielungen sich ja in der Regel auf Zitate, lebensweltliche Sachverhalte oder Alltagsgegenstände beziehen, die zwar dem athenischen Theaterbesucher

 592 Schreibweise anhand von zwei unterschiedlichen Druckfassungen in Frakturschrift geprüft: Obgleich ‚Gefäß‘ hier sinngemäß zutreffender wäre, steht ‚Gesäß‘. Möglicherweise handelt es sich um eine Ungenauigkeit des Setzers. Zur Bedeutung von ὄρρος s. auch o. 3.3.2.1.3 Anm. 383.

  Deutsche Aristophanes-Übersetzungen im Vergleich bekannt waren, sich dem Leser der deutschen Übersetzung aber nicht unmittelbar erschließen dürften: Κι. Κη. 593

τί δ’ ἐστί σοι τοδί;

Oberratsherr: Herold:

Was hast du denn sonst hier? Einen lakonischen ‚Meldestab‘. 594

σκυτάλα Λακωνικά. (991)

In einigen Fällen lässt sich die obszöne Anspielung jedoch auch in der deutschen Wiedergabe problemlos nachvollziehen: Κι. Κη.

τί τὰ πράγμαθ’ ὑμῖν ἐστι τἀν Λακεδαίμονι; ὀρσὰ Λακεδαίμων πᾶἁ καὶ τοὶ σύμμαχοι ἅπαντες ἐστύκαντι· [...] (994 ff.)

Oberratsherr: Herold:

Wie ist bei euch in Lakedämon der Dinge Stand? Ganz Lakedämon stoht gereckt, und die Bündner rings Hen alle g’steifte Gliede: [...]. (vgl. auch 1075 ff.)

Als übersetzerische Neuerung schließlich kann man wohl die von Minckwitz ergänzten, in Klammern gesetzten Regieanweisungen oder Szenenbeschreibungen ansehen, die dazu beitragen, den Leser auf die obszöne Bedeutung bestimmter Aussagen hinzuweisen, selbst wenn der Text keine expliziten Obszönitäten aufweist, 595 wie etwa in der Szene, in der Kinesias Lysistrate mit allen Mitteln dazu bringen will, seine mit den anderen Athenerinnen auf der Akropolis verschanzte Ehefrau Myrrhine herbeizurufen: Λυ. Κι.

τί οὖν; δώσεις τί μοι; ἔγωγέ νὴ τὸν Δί’, ἢν βούλῃ γε σύ· ἔχω δὲ τοῦθ’· ὅπερ οὖν ἔχω, δίδωμί σοι. (861 ff.)

Lysistrate: Kinesias:

Gibst du mir, sprich, etwas dafür? Gewiß, bei Zeus, mit Freuden, wenn du’s nicht verschmähst: Mein Alles sollst du haben, hier – den lieben Schatz! (Er fügt einen bezeichnenden Gestus hinzu.)

 593 In der Textausgabe von Wilson wird der Vers in Fortführung der vorangegangenen Szene dem Kinesias, bei Minckwitz (wie in den überlieferten Codices) einem athenischen Probulen – übersetzt mit ‚Oberratsherr‘ – zugeordnet. 594 S. hierzu auch u. 3.3.2.3.3 u. ebd. Anm. 597. Zur Stelle allgemein vgl. o. 3.3.2.2.3 u. ebd. Anm. 497. 595 Ganz ähnlich verfahren später auch Niklas Holzberg in seiner Lysistrate-Übersetzung von 2009 (s. dazu auch u. 3.3.3.3.3 u. ebd. Anm. 828) und Walter Jens in seiner Bearbeitung des LysistrateStoffes, die 1986 unter dem Titel Die Friedensfrau erschien (s. dazu auch u. 3.3.4.2.3 u. ebd. Anm. 953).

Porträts der ausgewählten Übersetzungen und Bearbeitungen der Lysistrate  

Weitere Beispiele für entsprechende Regieanweisungen finden sich in der sich anschließenden ‚Verführungsszene‘, in der Myrrhine sich vorgeblich auf ein Schäferstündchen mit Kinesias einlässt, dazu auch allerhand Utensilien wie Decken, Kissen und Fläschchen mit Salböl herbeischafft, um ihn letztlich jedoch unverrichteter Dinge zurückzulassen: Kι.

ἀλλ’ ἦ τὸ πέος τόδ’ Ἡρακλῆς ξενίζεται; (928)

Kinesias:

(inzwischen auf das Bett sich streckend und auf ein Glied deutend). Fürwahr, der Kerl da wird ja bedient wie ein Herakles!

Μυ. Κι.

λαβὲ τόνδε τὸν ἀλάβαστον.

Myrrhine: Kinesias:

Nimm dieses Fläschchen! (zweideutig): Schöner ist mein Fläschchen hier!

ἀλλ’ ἕτερον ἔχω. (947)

Ähnlich wie die Bezugnahmen auf zeitgenössische politische Ereignisse werden in der Regel auch die obszönen Anspielungen im Endnotenkommentar näher erläutert. Allerdings hält Minckwitz sich hier mit eindeutigen Stellungnahmen sehr zurück, beruft sich häufig auf Äußerungen früherer Textinterpreten oder weist lediglich andeutungsweise auf den Doppelsinn der kommentierten Stelle hin. So findet sich beispielsweise an der Stelle im Stück, wo die Frauen der sexuellen Bereitschaft ihren Männern gegenüber abschwören, die kommentierungsbedürftige Formulierung: οὐ στήσομαι λέαιν’ ἐπὶ τυροκνήστιδος. (231/232) Noch stell’ ich die Löwin auf der Käseschabe vor.

In der dazugehörigen Anmerkung notiert Minckwitz, wiederum auf Voß d. J. verweisend, Folgendes: Die Ausleger bemerken, daß auf den elfenbeinernen Heften der Käseraspeln oder Käseschaben, deren die Hellenen sich bedienten, häufig eine Löwin mit einwärts gebogenen Füßen abgebildet war. Diese Stellung in den Mysterien der Aphrodite, mutmaßt Voß, war wohl eine Erfindung der Buhlerin Kyrene, die wegen der zwölf Weisen das eine Vergnügen immer neu zu gestalten, die Zwölfkundige, Dodekamechanos, hieß (Scholien zu „Thesmophorienfest“ V. 98 und „Frösche“ V. 1325). 596

Der oben bereits zitierte „lakonische Meldestab“ (Lys. 991) wird in der entsprechenden Anmerkung zunächst vor allem in seiner Funktion als Instrument für „geheime

 596 Minckwitz, Anm. zu Lys. 231, in: Minckwitz (Ü)/Wessely (Ü), Aristophanes II (Lysistrate) (1855– 1911), 121.

  Deutsche Aristophanes-Übersetzungen im Vergleich schriftliche Berichte“ erläutert, bevor am Ende der knappe Hinweis folgt: „Hier wird mit dem Stabe zweideutig gespottet.“ 597 Zusammenfassend lässt sich zunächst feststellen, dass Minckwitz’ Übersetzung trotz aller Bemühungen um einen flüssigeren Sprachduktus dennoch insofern große Ähnlichkeiten mit dem Voß’schen Aristophanes aufweist, als die starke Konzentration auf die Metrik dem spontanen Witz und der Komik eher abträglich ist und sehr oft den Eindruck sprachlicher Ungelenkheit entstehen lässt. Auch auf dem Gebiet des Obszönen kommt Minckwitz weder, wie von ihm gewünscht, dem griechischen Dichter selbst nahe, noch gelingt es ihm, die von ihm kritisierten Übersetzungsleistungen Droysens und Seegers zu übertreffen, denn nur selten verlässt er den Bereich des metaphorisch Umschreibenden. Da Minckwitz die Aristophanische Obszönität offenbar mehr als notwendiges (da vom Original nicht zu trennendes) Übel denn als charakteristisches Gattungsmerkmal auffasst, kommt sie in seiner Übersetzung stets im schicklichen Rahmen der sprachlichen Konvention daher. Das Ersetzen verbaler Anspielungen durch gestische Handlungsanweisungen, von Minckwitz als vergleichsweise neue und originelle Strategie eingeführt und später auch von anderen Aristophanes-Übersetzern und -Bearbeitern aufgegriffen, 598 erscheint in diesem Sinne nur konsequent. .... Rezensionen / Urteile / Stellungnahmen Betrachtet man die zeitgenössischen Äußerungen zu Minckwitz’ Leistungen als Übersetzer und Metriker insgesamt, so zeigt sich, dass die Ansichten über seine philologischen, übersetzerischen und dichterischen Qualitäten sehr weit auseinandergehen. Während die seinerzeit führenden Vertreter der textkritisch ausgerichteten Philologie, Gottfried Hermann und später Moriz Haupt, Minckwitz gerade wegen seiner intensiven Übersetzungstätigkeit scharf kritisierten, fanden sich andererseits namhafte Philologen wie Friedrich Thiersch und August Boeckh, die seine übersetzerischen Leistungen sehr hoch schätzten und ihn – laut Minckwitz-Biograph Fränkel – sogar als „Übersetzungsgenie“ gerühmt haben sollen. 599 Der preußische König Friedrich Wilhelm IV. fand Minckwitz’ Übersetzungen, wie berichtet, derart bemerkenswert, dass er dem Nicht-Preußen eine lebenslange Künstlerpension zusprach, und eine einflussreiche Persönlichkeit wie Alexander von Humboldt soll ihn vor den

 597 Minckwitz, Anm. zu Lys. 991, in: Minckwitz (Ü)/Wessely (Ü), Aristophanes II (Lysistrate) (1855– 1911), 132. 598 S. auch o. 3.3.2.3.3 Anm. 595. 599 Vgl. Fränkel (1906), 414 (Das Zitat ließ sich bislang allerdings nicht verifizieren).

Porträts der ausgewählten Übersetzungen und Bearbeitungen der Lysistrate  

Anfeindungen der Leipziger Studentenschaft 600 in Schutz genommen haben, indem er in einem öffentlichen Sendschreiben erklärte, dass Minckwitz, „als Nachfolger Platen’s allein im Stande sei, eine gute metrische Uebersetzung des Homer zu liefern“, und ihn als den „vorzüglichsten Uebersetzer der Alten nach J. H. Voß“ bezeichnete. 601 Deutlich kritischer zeigt sich der Literaturhistoriker Adolf Bartels, der Minckwitz in seiner Geschichte der deutschen Literatur als Platen-Schüler erwähnt, „der in mancher Hinsicht als seine Karikatur erscheint, aber als Verdeutscher griechischer Werke (Euripides, Sophokles, Lucian, Äschylus, Pindar, Homer, Aristophanes) doch einige Verdienste hat.“ 602 Minckwitz’ Aristophanes-Übersetzungen im Besonderen finden zwar in verschiedenen zeitgenössischen Literaturzeitschriften Erwähnung – zumeist in Form von kurzen Anzeigen oder als Teil der Reihe Neueste Sammlung ausgewählter Griechischer und Römischer Klassiker des Stuttgarter Verlages Krais und Hoffmann –, 603 werden aber nur selten eingehender besprochen. Die ausführlichste Besprechung einer Aristophanes-Übertragung von Minckwitz bezieht sich auf die Lysistrate und erschien 1865 ebenfalls im Rahmen einer Sammelrezension der genannten Übersetzungsreihe, in der sie diesmal prominent an erster Stelle behandelt wird. Die Obszönitätsproblematik des Stückes steht hier im Vordergrund, wenngleich sie auch nur sehr allgemein angesprochen wird:

 600 Im Januar 1856 hatten Leipziger Studenten eine Vorlesung Minckwitz’ gestürmt, um gegen dessen Homer-Übersetzungen und seine Untersuchungen zur Entstehung der homerischen Gesänge zu protestieren; vgl. Heindl, (1859), 35. 601 Vgl. Heindl (1859), 35. Als „genialer Uebersetzer“ wird Minckwitz auch in dem von Ignaz Hub herausgegebenen Autorenlexikon Deutschland’s Balladen- und Romanzen-Dichter präsentiert: „[S]eine Nachbildungen der großen hellenischen Dichter sind anerkannt klassisch; niemals ist in Deutschland mit solcher Genauigkeit ein antiker Autor nach Bild und Wort reproduzirt worden, als es durch ihn geschehen ist, um nur an seine Verdeutschungen des Aeschylos, Aristophanes, und Homers zu erinnern.“ Vgl. Hub (1870), 177. 602 Bartels, Geschichte der deutschen Literatur, Bd. 2 (1902), 197 f. Bereits 1859 war Otto Friedrich Gruppe (s. o. 3.3.2.3 [Beitrag] Anm. 536) in seiner Monographie Deutsche Uebersetzerkunst in Bezug auf Minckwitz zu der Einschätzung gelangt: „Auch wir wissen mit Johannes Minckwitz die Ebenheit und glatte Vollendung Platenscher Verse zu schätzen, aber doch eben nicht allzuviel davon ist in die Arbeit des begeisterten Schülers übergegangen, dazu würden auch höhere productive Eigenschaften erforderlich sein, als wir ihm zugestehen können.“ Vgl. Gruppe, Deutsche Übersetzerkunst (1859), 242. 603 Vgl. z. B. Klein (?) (1856), 308 (zu Minckwitz’ Übersetzung der Vögel). Der Rezensent zeigt sich hier von der gestellten Aufgabe angesichts der Schwierigkeiten, die gerade mit der Übertragung eines Dichters wie Aristophanes verbunden seien, „befriedigt“, liefert aber ansonsten nur kurze Bemerkungen über die beigefügten Begleittexte (zwei Einleitungen, Anmerkungsteil).

  Deutsche Aristophanes-Übersetzungen im Vergleich Das [...] Stück ist eines der verrufensten des Dichters wegen so mancher darin vorkommenden, nach unseren Begriffen, obscönen Stellen, während es in anderen Beziehungen als eines der reizendsten und anmuthigsten erscheint. 604

Minckwitz’ übersetzerischer Umgang mit den obszönen Passagen wird hier jedoch nicht weiter erörtert. Hingewiesen wird allerdings auf seine apologetischen Bemühungen im Einleitungsteil, die der Rezensent für angebracht hält. Hierzu gehört vor allem Minckwitz’ Hinweis auf das „edle Motiv“ des griechischen Dichters (Wunsch nach Beendigung des Peloponnesischen Krieges), das ihn in seiner Komödie zu ungewöhnlichen Mitteln (Motiv der sexuellen Verweigerungshaltung der Frauen) habe greifen lassen: Die Durchführung dieses Gedankens musste unwillkürlich Dinge zur Sprache kommen lassen, die das Anstandsgefühl nach unsern Begriffen verletzen, während diess [sic] in dem Alterthum, dessen Anschauungsweise in dieser Beziehung eine andere war, und das hier eine derbere Sprache ertragen konnte, minder der Fall war: hätte doch sonst Aristophanes gar nicht zu einem solchen Mittel greifen dürfen, ohne Anstoss zu erregen, den er in keiner Weise bei seinen Zeitgenossen damit erregt hat. Von diesem Standpunkt aus wird daher das Stück zu würdigen und der Dichter zu entschuldigen sein: nur wird man diesen Standpunkt nicht auf andere Zeiten und Verhältnisse, am wenigsten auf unsere Zeit, die in dieser Hinsicht ganz andere Forderungen stellt, anwenden dürfen: hier scheint er verwerflich. 605

Die sich unmittelbar hieran anschließende Übersetzungsprobe, mit der die Teilrezension endet, bezieht sich dann aber auf eine Stelle, die von Obszönitäten gänzlich frei ist (Lys. 507 ff.). Das Thema Obszönität streift auch der Verfasser einer 1862 in der Allgemeinen Zeitung erschienenen Doppelrezension zu Minckwitz’ Wolken-Übertragung und den ersten beiden Bänden der Aristophanes-Gesamtübersetzung von Johann Jacob Christian Donner. 606 Unter Verwendung zahlreicher gekennzeichneter und ungekennzeichneter Droysen-Zitate und -Gedanken referiert der Rezensent zunächst die allgemeinen Schwierigkeiten der Aristophanes-Übersetzung, zu denen nicht zuletzt auch das „bedenkliche Gebiet der Schmutzrede und Zote“ gehöre. Während sich Donner hinsichtlich solcher „parties honteuses“ „zugleich so ehrlich und so decent als immer möglich aus der Sache gezogen“ habe, 607 übertreibe Minckwitz vor allem beim Hinzufügen der (oben beschriebenen) gestischen Regieanweisungen im Kontext obszöner Anspielungen: „Worin uns Freund Minckwitz des Guten fast etwas zu

 604 Bähr, [Rez. zu] Aristophanes-Übersetzung von J. Minckwitz (Bd. 4; Lysistrate) (1865), 353. 605 Bähr, [Rez. zu] Aristophanes-Übersetzung von J. Minckwitz (Bd. 4; Lysistrate) (1865), 354. 606 Anonymus 1862, [Rez. zu] Aristophanes-Übersetzungen von J. Minckwitz u. J. J. C. Donner (1862), 797–798. 607 Vgl. Anonymus 1862, [Rez. zu] Aristophanes-Übersetzungen von J. Minckwitz u. J. J. C. Donner (1862), 797.

Porträts der ausgewählten Übersetzungen und Bearbeitungen der Lysistrate  

viel zu thun scheint, das ist die Fülle der scenischen Winke, womit er die Gebärden der Personen im Dialog veranschaulicht.“ 608 Schlussendlich aber scheint allein schon die geringe Zahl an Neueditionen 609 und positiven Stellungnahmen zu seinen Aristophanes-Übersetzungen (s. u.) ein deutlicher Indikator dafür zu sein, dass Minckwitz das von ihm angestrebte Ziel, Übersetzungen von „bleibende(m) Werth“ 610 zu schaffen, – zumindest auf dem Gebiet der Alten Komödie – weit verfehlt hat.

.. Drei Lysistrate-Übersetzungen im Übergang vom 20. zum 21. Jahrhundert Nach dem regelrechten Aristophanes-‚Boom‘ des 19. Jahrhunderts, der neben zahlreichen Einzelübersetzungen nicht weniger als sieben Gesamtübersetzungen der Aristophanischen Werke gezeitigt hatte, ging die Zahl der AristophanesÜbersetzungen im engeren Sinn seit dem Beginn des 20. Jahrhunderts deutlich zurück. An ihre Stelle traten nunmehr jedoch vielfältige Bearbeitungen der Aristophanes-Stoffe. Auf die für die vorliegende Untersuchung relevantesten Bearbeitungen und die mutmaßlichen Gründe für diesen Wechsel des Rezeptions- bzw. Transformationsmodus soll in Abschnitt 3.3.4 genauer eingegangen werden. Insgesamt soll hier zunächst konstatiert werden, dass im gesamten Verlauf des 20. Jahrhunderts lediglich eine weitere deutschsprachige Aristophanes-Gesamtübersetzung erschien (Wolfgang Schöner [1989]). Daneben wurde die in der vorliegenden Arbeit als Refe 608 Vgl. Anonymus 1862, [Rez. zu] Aristophanes-Übersetzungen von J. Minckwitz u. J. J. C. Donner (1862), 797. 609 Die genaue Auflagenzahl von Minckwitz’ Aristophanes-Übersetzungen lässt sich nicht ganz leicht ermitteln, da die in den Bänden Aristophanes I bis IV zusammengefassten Einzelübersetzungen später offenbar auch separat in unterschiedlicher Auflagenzahl (max. 5 Auflagen) nachgedruckt wurden, zuletzt wohl um 1917. Was die Lysistrate angeht, erschienen lt. Online-Katalog der Staatsbibliothek zu Berlin [Stabikat] folgende Auflagen: 2. Aufl. 1911, 3. Aufl. ?, 4. Aufl. [um 1916]. Dabei handelt sich wohl lediglich um planmäßige Nachdrucke der bestehenden Übersetzungsreihe, nicht – wie bei den Übersetzungen Droysens oder Seegers – um Neuausgaben, bei denen die jeweiligen Herausgeber eine bewusste Entscheidung für die eine oder andere Übertragung trafen. Die einzige Ausnahme stellt ein um 1905 in Wien erschienener Privatdruck der Lysistrata in Minckwitz’ Übersetzung dar, dem – in einer auf 200 Exemplare beschränkten Auflage – die obszönen Illustrationen von Aubrey Beardsley beigegeben waren; vgl. [Minckwitz], Aristophanes, Lysistrata [1905]; zu Minckwitz’ Übersetzerschaft vgl. ebd. S. [95]; die Angaben zu Ort und Jahr der Ausgabe wurden dem elektronischen Katalog der Staatsbibliothek zu Berlin entnommen. Das von der Verf. ebd. eingesehene Exemplar mit der Signatur 1 B 20258 trägt die Nummer 164. (Im Vergleich zur LangenscheidtAusgabe von 1911 finden sich hier einige kleine Wortumstellungen; ß wird durch ss wiedergegeben.) Die Ausgabe ist nicht identisch mit dem im gleichen Jahr erschienenen Wiener Privatdruck mit Beardsley-Zeichnungen, denen die Bearbeitung von Richard Fiedler (Pseud. Martin Isenbiel) zugrunde lag; s. u. 3.3.4 u. ebd. Anm. 843. 610 S. o. 3.3.2.3 (Beitrag) Anm. 546.

  Deutsche Aristophanes-Übersetzungen im Vergleich renztext herangezogene Komödie Lysistrate ebenfalls nur einmal zum Gegenstand einer Übersetzung im eigentlichen Sinn (Wolfgang Schadewaldt [1958]). Zu Beginn des 21. Jahrhunderts kam eine weitere Lysistrate-Übertragung eines namhaften Klassischen Philologen hinzu (Niklas Holzberg [2009]) hinzu. 611 Die drei genannten, jeweils im Abstand von zwei bis drei Jahrzehnten entstandenen Übersetzungen der Lysistrate, die sich in der Behandlung der obscena deutlich voneinander unterscheiden, werden im Folgenden in chronologischer Reihenfolge vorgestellt. ... Wolfgang Schadewaldt (1958) Wolfgang Schadewaldt (1900–1974) zählt zu den bedeutendsten Klassischen Philologen des 20. Jahrhunderts. Nach dem Studium der Klassischen Philologie (u. a. bei Ulrich von Wilamowitz-Moellendorff und Werner Jaeger), der Archäologie und der Germanistik in seiner Heimatstadt Berlin promovierte er 1924 mit einer Arbeit zur Formgeschichte der griechischen Tragödie 612, 1927 folgte die Habilitation. 613 Der Berufung nach Königsberg (1928–1930) folgten Ordinarien in Freiburg i. Br. (1930– 1934), Leipzig (1934–1941), Berlin (1941–1950) und Tübingen (1950–1968). Die Ergebnisse seiner breit angelegten Forschungen zu Homer, zur attischen Tragödie, zur frühgriechischen Lyrik sowie zur Geschichtsschreibung und Philosophie liegen in einschlägigen Monographien und Aufsätzen vor. 614 Darüber hinaus befasste Schadewaldt sich intensiv mit der Wirkungsgeschichte der Antike in neuerer Zeit. Hiervon zeugen insbesondere seine Untersuchungen zur Antikerezeption bei Goethe 615 sowie weitere Abhandlungen, die die „Gegenwärtigkeit der Antike“ 616 thematisieren. Zu größerer Bekanntheit auch außerhalb der Fachgrenzen gelangte Schadewaldt durch seine Übersetzungstätigkeit. 617 Hervorzuheben sind hier insbesondere seine  611 Zu den der Verfasserin erst kurz vor bzw. nach Redaktionsschluss der vorliegenden Arbeit zugänglichen Aristophanes-Übersetzungen von Peter Rau und Manfred Landfester s. auch o. Einleitung Anm. 10. 612 Publiziert unter dem Titel Monolog und Selbstgespräch (1926). 613 Schadewaldt, Der Aufbau des pindarischen Epinikion (1928). 614 Schadewaldts kleine Schriften sind zusammengestellt in der zweibändigen Aufsatzsammlung Hellas und Hesperien (HuH) (1970). Ein chronologisch angelegtes Verzeichnis sämtlicher Publikationen findet sich ebd. am Ende des zweiten Bandes, 829–845. 615 S. v. a. Schadewaldt, Goethestudien (1963). Mit einer 1949 publizierten Denkschrift gab Schadewaldt den entscheidenden Anstoß zur Begründung des Langzeitunternehmens GoetheWörterbuch, das seit 1966 im Stuttgarter Verlag Kohlhammer erscheint. Auch die Antikerezeption in den Werken Shakespeares, Schillers, Hölderlins, Kleists oder Carl Orffs wurde von Schadewaldt in den Blick genommen; vgl. u. a. HuH (1970), Bd. 2, Schriften ‚Zur neueren Literatur‘, 7–435. 616 Die Gegenwärtigkeit der Antike in unserer Zeit (1959), s. ferner: Heimweh nach Hellas heute? (1958), Wandel des Griechenbildes (1966) u. a.; vgl. dazu HuH (1970), Bd. 2, Schriften zum ‚Fortleben der Antike‘, 436–688. 617 Schadewaldt übersetzte Homer: Ilias (posthum 1975) und Odyssee (1958), Aischylos: Perser (UA 1959), Sieben gegen Theben (UA 1960), Sophokles: König Ödipus (UA 1952), Elektra (UA 1956), Anti-

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Homer-Übersetzungen sowie seine Übersetzungen griechischer Dramen, die als Grundlage für zahlreiche Theaterinszenierungen 618 dienten. 619 1965 wurde Schadewaldt der Übersetzerpreis der Deutschen Akademie für Sprache und Dichtung zuerkannt. 620 Schadewaldts Beitrag zur Aristophanes-Übersetzung Schadewaldts erste Übersetzung einer Aristophanes-Komödie – es handelte sich um die Lysistrate – entstand für eine Inszenierung des Landestheaters Darmstadt in der Regie von Gustav Rudolf Sellner und kam im Jahr 1958 im Rahmen der Schwetzinger Festspiele erstmals zur Aufführung. 621 Es folgten bis 1971 Übersetzungen der Vögel, der Acharner und der Frösche. 622 Eine zunächst wohl ebenfalls geplante Übersetzung der Wolken 623 wurde allerdings nicht (mehr) realisiert. Ebenso wie bei Schadewaldts Tragödienübersetzungen bestand auch bei seinen Aristophanes-Übertragungen der bedeutendste Unterschied zu den älteren Übersetzungen griechischer Dramen darin, dass sie sich nicht – wie jene – in erster Linie an Leser wandten, sondern von vornherein für eine Realisierung auf der Theaterbühne

 gone (UA 1964) Aias (UA 1967) (sowie posthum von H. Flashar herausgegeben: Ödipus auf Kolonos [UA 1968; ed. 1996], Philoktet [ohne Aufführung; ed. 1999], Frauen von Trachis [ed. 2000]), Euripides: Bakchen (UA 1972), Aristophanes: Lysistrate (UA 1958), Vögel (UA 1966), Acharner (UA 1969), Frösche (UA 1971), Menander Schiedsgericht (UA 1963) sowie sämtliche Sappho-Fragmente (1950) und einzelne Pindar-Oden (u.a. 1972). Da Schadewaldts Dramenübersetzungen häufig erst einige Zeit nach erfolgter Bühnenpräsentation auch als Druckausgabe erschienen (s. auch u. 3.3.3.1.2 [Textpräsentation] u. ebd. Anm. 659), werden hier als terminus ante quem die Daten der Uraufführungen (UA) angegeben; vgl. auch u. 3.3.3.1 (Beitrag) Anm. 618. 618 Die auf Schadewaldts Übersetzungen gestützten Inszenierungen bis 1970 sind aufgeführt in HuH (1970), Bd. 2, 845–847; vgl. ferner Szlezák (2005), 55, Kitzbichler/Lubitz/Mindt (2009a), 279 Anm. 185, Flashar (2005a), 46 und Poiss/Kitzbichler/Fantino (2016), 366 Anm. 27 mit Verweis auf Flashar (2009), 231 f. u. 239 f. 619 Zu Schadewaldts Biographie s. v. a. Flashar (1975), (1990), (2005b) und (2005c); Schadewaldt, Antrittsrede (1958) und Lebensgang (1966); s. ferner auch Professorenkatalog der Universität Leipzig. 620 Die Laudatio hielt der Philologe, Komparatist und Übersetzer Horst Rüdiger; vgl. Rüdiger (1966). Zu Schadewaldt als Übersetzer s. auch Szlezák (2005). 621 Anschließend wurde Sellners Lysistrate-Inszenierung auch am Landestheater Darmstadt selbst aufgeführt. Zu weiteren Gastspielen kam es u. a. aus Anlass der Berliner Festwochen von 1958 (2. und 3. Oktober) und bei der Brüsseler Weltausstellung im selben Jahr; vgl. Flashar (2009), 197. 622 Vgl. o. 3.3.3.1 (Beitrag) Anm. 617. 623 Der Hinweis findet sich bei J. Werner (1965), der sich hier offenbar auf eine persönliche Korrespondenz oder Gespräche beruft: „Wie Herr Professor Schadewaldt mich wissen läßt, plant er keine Gesamtübersetzung, er beabsichtigt aber, wenigstens noch die ‚Acharner‘, die ‚Frösche‘ und die ‚Wolken‘ zu verdeutschen; mit der ‚Lysistrate‘ und den ‚Vögeln‘ hat er begonnen, weil sie die heute noch auf Bühnen spielbarsten sind.“ J. Werner (1965), 171.

  Deutsche Aristophanes-Übersetzungen im Vergleich konzipiert waren. 624 Seit der erfolgreichen Darmstädter Inszenierung des König Ödipus unter Sellners Regie im Jahr 1952 arbeitete Schadewaldt immer wieder mit namhaften deutschen Regisseuren zusammen, 625 die nach einer Überwindung der traditionellen, museal-antikisierenden Darstellungsformen strebten und nach neuen Möglichkeiten einer lebendigen Vergegenwärtigung des antiken Dramas suchten. Dem entsprach Schadewaldts von klassizistischen Normen und metrischen Zwängen befreiter Übersetzungsstil, der sich vor allem auf die Bewahrung der originalen Sinn- und Handlungsstruktur (logos) konzentrierte. So äußerte Sellner: [Seine Übersetzungen] waren nicht in herkömmlichem Sinne klassisch, waren in nichts formal geglättet, keine Härte, keine Kantigkeit der Sprache war ästhetischen Überlegungen zum Opfer gefallen. Das war nicht Willkür der Wahl aus möglichen Wortbedeutungen, sondern Deutung aus wissendem Zugriff, unbequem, sich auflehnend gegen metrische Norm, aber es hatte den Atem und den Geist der Sprache. 626

Für Schadewaldt selbst stellt die Bühneninszenierung – nach der philologischen Interpretation und der Übersetzung – die „dritte Stufe der Vergegenwärtigung“ des griechisch-antiken Dramas dar: Die Inszenierung als die dritte Stufe der Vergegenwärtigung geht über Gedanken und Wort hinaus, indem sie das antike Drama neu ins Bild bringt und ihm in Handlung, Bild, Vortrag, Bewegung für eine moderne Zuhörerschaft eine neue Wirklichkeit schafft. Sie steht als Aufführung am stärksten unter den Bedingungen des Heutigen, die sie notwendig erfüllen muß, und verwirklicht, eben als Aufführung, zugleich doch am stärksten die ursprüngliche Daseinsform des für die Aufführung bestimmten antiken Dramas. Sie bewahrt, indem sie zugleich verwandelt (womit sie das Grundgesetz aller echten und lebendigen Tradition erfüllt). 627

Von besonderem Interesse im Kontext der vorliegenden Untersuchung sind Schadewaldts Aristophanes-Übersetzungen vor allem aber auch deshalb, weil bei ihm einflussreiche Theoriebildung und breitenwirksame Übersetzungstätigkeit so eng miteinander verbunden waren wie bei keinem anderen Übersetzer antiker Texte des 20. Jahrhunderts. So hatte Schadewaldt mit seinem Konzept des ‚dokumentarischen Übersetzens‘ nicht nur einen wesentlichen Beitrag zum übersetzungstheoretischen Diskurs des 20. Jahrhunderts geliefert, 628 sondern dieses Konzept in seinen Überset-

 624 Vgl. Schadewaldt, Antikes Drama auf dem Theater heute (1970), 664. S. auch Antike Tragödie auf der modernen Bühne (1955). 625 Dazu gehörten neben Sellner u. a. auch Hansgünther Heyme und Günther Fleckenstein. Eine Übersicht über die Theaterinszenierungen von Schadewaldts Übersetzungen bis 1970 findet sich in HuH (1970), Bd. 2, 845–847. Ebd. s. auch die Zusammenstellung der von Schadewaldt eingesprochenen Schallpatten und der Rundfunksendungen seiner Übersetzungen. 626 Sellner (1970), 533. Vgl. auch Dietz (1970), 540. 627 Schadewaldt, Antikes Drama auf dem Theater heute (1970), 671. 628 Vgl. hierzu Kitzbichler/Lubitz/Mindt (2009a), 297 u. ebd. Anm. 303.

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zungen immer wieder auch erfolgreich in der Praxis erprobt. Dies belegen vor allem seine Übersetzungen der homerischen Epen und der griechischen Tragiker. Bezüglich der Tragödie beispielsweise hatte sich Schadewaldt in seinen übersetzungstheoretischen Abhandlungen stets gegen die konventionelle übersetzerische Reduktion der Elementarschreie auf die drei „literarisch und dichterisch ‚zugelassenen‘ Formen“ oh, ach und weh ausgesprochen 629 und dieser Konvention in seinen eigenen Tragödienübersetzungen konsequent eine – im Sinne des Dokumentarischen – klanglich bewahrende Wiedergabe der Schmerzensschreie entgegengesetzt 630. Ob und inwieweit Schadewaldt auch bei der Aristophanischen Komödie – und hier insbesondere im Hinblick auf das Obszöne – seiner theoretischen Forderung nach möglichst ‚dokumentarischer‘ Wiedergabe des antiken Ausgangstextes treu geblieben ist, soll im Folgenden näher untersucht werden. Schadewaldts Lysistrate-Übersetzung .... Schadewaldts Übersetzungskonzeption Schadewaldt, der das Übersetzen in höherem Maße als die meisten seiner Fachkollegen als genuine Aufgabe des Philologen verstand und die Übersetzungstätigkeit mehrfach sogar als „Integration des ganzen philologischen Geschäfts“ 631 bezeichnete, widmete sich, wie schon angedeutet, immer wieder auch übersetzungstheoretischen Fragestellungen. 632 Bereits in seinem Berliner Habilitationsvortrag mit dem  629 Vgl. u.a. Schadewaldt, Antikes Drama auf dem Theater heute (1970), 662 f. u. ders., Wandel des Griechenbildes (1966), 458. 630 Vgl. Schadewaldt, Antikes Drama auf dem Theater heute (1970), 662: „Und so seufzen und schreien denn die griechischen Helden in meinen Übersetzungen auf griechisch genuine Weise nicht nur im gedruckten Text, sondern auch auf der Bühne, beginnend mit pheu, über die ganze Stufenleiter von ō, ioh, oi, oi moi, ai ai (ein schweres Seufzen), otototoi (ein stilisiertes Schluchzen), è è, he-ē bis hinauf zu dem Ruf der extremsten Qual i-uh. Die Angelegenheit hat in Deutschland bei Theaterleuten und Kritikern einige Bewegung hervorgerufen, mit dem Ergebnis, daß ich heute in Deutschland als Spezialist für Schmerzensschreie gelte.“ 631 Vgl. Schadewaldt, Antrittsrede (1958), 1042: „Im Ganzen gesehen, erscheint mir das Übersetzen, so wie ich es nun zu betreiben suche, als die Integration des ganzen philologischen Geschäfts. Die sonst nur gar zu oft getrennten Verbindlichkeiten des Philologen und des Humanisten kommen hier unwillkürlich in der höchsten ‚Vergegenwärtigung‘ des antiken Wortes in der eigenen Sprache zusammen, und so soll dem Übersetzen auch weiterhin ein Hauptteil meines Strebens gewidmet sein.“ S. auch ders., Lebensgang (1966), 781. 632 S. u. a. Schadewaldt, Übersetzung als geistige Aufgabe (1958), Die Wiedergewinnung antiker Literatur auf dem Wege der nachdichtenden Übersetzung (1958), Das Problem der Übersetzung antiker Dichtung (1963), Aus der Werkstatt meines Übersetzens (1966), Antikes Drama auf dem Theater heute (1970), Die Übersetzung im Zeitalter der Kommunikation (1965). S. ferner die Begleittexte zu den verschiedenen Dramenübersetzungen. Zu Schadewaldt als Übersetzungstheoretiker s. die von Nina Mindt verfassten Beiträge in Kitzbichler/Lubitz/Mindt (2009a), 245–247, 273–297; ebd. auch Auflistung weiterer übersetzungstheoretischer Schriften Schadewaldts im Literaturverzeichnis, 393–395.

  Deutsche Aristophanes-Übersetzungen im Vergleich Titel Das Problem des Übersetzens von 1927 setzte er sich mit den Standpunkten Humboldts und Schleiermachers auseinander, bekannte sich jedoch noch nicht zu einer bestimmten Übersetzungsmethode. Erst in seinen späteren übersetzungstheoretischen Schriften, beginnend mit dem Nachwort zum König Ödipus (1955), entwickelt er seine – auch außerhalb der Klassischen Philologie – intensiv rezipierte 633 Theorie des „dokumentarischen“ Übersetzens. Diese Konzeption grenzte er ab von der als „transponierend“ bezeichneten Übersetzungsform, die weitgehend der bereits von Schleiermacher abgelehnten Art des Übersetzens entspricht und ‚den Autor zum Leser‘ bewegt. 634 Das transponierende Übersetzen sei, so Schadewaldt, vor allem darauf ausgerichtet, den fremden Autor im eigentlichen Sinn des Wortes zu ‚verdeutschen‘, ihn ‚einzudeutschen‘, indem man ihn seiner nationalen und persönlichen Eigentümlichkeiten entkleidet und diese in die gängigen Begriffe und Vorstellungen unserer sprachlichen Konventionen umsetzt. 635

Diese Art des Übersetzens habe vor allem dort ihre Berechtigung, wo die reine Inhaltsvermittlung im Vordergrund stehe bzw. wo die Sprache des Originals den „Charakter des Redensartlichen“ habe. Als ‚redensartlich‘ charakterisiert Schadewaldt bestimmte „abgegriffene oder elegante“ Redewendungen, wie sie in erster Linie in der Alltagssprache kultivierter Gesellschaften, in den „literarisierten Schriftsprachen kultureller Spätepochen“ oder eben auch in dem „auf dem Umgangssprachlichen“ beruhenden Witz der Komödie anzutreffen seien. 636 Hier hält Schadewaldt es für unabdingbar, die jeweilige Redensart des Originals „in eine entsprechende Redensart der eigenen Sprache“ umzusetzen. 637 Anders verhält es

 633 Positive Aufnahme fand Schadewaldts Konzept des dokumentarischen Übersetzens u. a. im Bereich der Romanistik; vgl. Friedrich (1965), 21 und Kloepfer (1967), 71. Zur Wirksamkeit seiner Theorie im Bereich der Klassischen Philologie vgl. Poiss/Kitzbichler/Fantino (2016), 366 f. u. 368. 634 S. dazu auch o. 3.3.1.3.3 Anm. 250. Zur terminologischen Entwicklung der Begriffe „dokumentarisch“ und „transponierend“ vgl. Kitzbichler/Lubitz/Mindt (2009a), 277. 635 Schadewaldt, Die Wiedergewinnung antiker Literatur auf dem Wege der nachdichtenden Übersetzung (1958), 538. Als prominentester und einflussreichster Verfechter des transponierenden Übersetzens ist Ulrich von Wilamowitz-Moellendorff anzusehen, der zu Beginn des 19. Jahrhunderts griechische Tragödien mit großem Erfolg „in Sprache und Stil unserer großen Dichter“ übersetzt und dieses Verfahren auch theoretisch zu begründen versucht; vgl. Wilamowitz-Moellendorff, Was ist übersetzen? (1925), in: Kitzbichler/Lubitz/Mindt (2009b), 332. Schadewaldt dagegen kritisiert den Übersetzungsstil seines Lehrers als „ein seltsames Gemisch von Schiller, Geibel, protestantischem Kirchenlied, spätgoetheschen Rhythmen, Hebbelschem Dialog mit seltsamen Abstürzen in den Alltagsjargon“; vgl. Schadewaldt, Antike Tragödie auf der modernen Bühne (1955), 556. 636 Vgl. Schadewaldt, Antikes Drama auf dem Theater heute (1970), 654. 637 Schadewaldt, Antikes Drama auf dem Theater heute (1970), 654. Vgl. auch ders., Aus der Werkstatt meines Übersetzens (1966), 672: „Lediglich in der Komödie, die weitgehend auf dem Redensartlichen beruht, verlangt zumal der Witz, der unmittelbar einschlagen muß, ein mit Vorsicht angewandtes Transponieren.“

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sich jedoch seiner Ansicht nach mit den Werken „großer und ernster Dichtung“, vor allem den Homerischen Epen oder der griechischen Tragödie: Die große Dichtung der Griechen, die wir wiedergewinnen wollen, ist durchweg Dichtung in jenem großen ursprünglichen Sinn. Ihr Wort ist notwendiges Wort, Wort, das Welt enthält. Und selbst wo Redensartliches in diese Dichtung hineinwirkt, da ist dies immer noch ursprünglich im allgemeinen nationalen Sinn. 638

Schadewaldt begreift die Werke der Dichter als „Dokumente des historischen Lebens einer vergangenen Zeit, des Menschlichen, Gesellschaftlichen, Seelischen, des Denkens wie vor allem auch des Glaubens“ 639. Um diese im Dichterwort dokumentierten Dimensionen, das „riesige System von mannigfaltigen lebendigen Verhältnissen und Bezügen“ 640 auch in der Übersetzung sichtbar zu machen, sei eine Übersetzungsart vonnöten, die sich weitestgehend an den genuinen Wortlaut und die genuinen Vorstellungen des Originals halte. Angestrebt wird „ein Griechisch im Bereich der deutschen Zunge, eine Sprache, die in ihrer sinnlichen Gestalt so deutsch wie möglich ist, in der aber dabei doch die Sinnstruktur des Griechischen transparent wird“. 641 Für diese Übersetzungsart prägt Schadewaldt den Terminus des „dokumentarischen Übersetzens“, mit dem er drei Forderungen verknüpft: Erstens die Forderung, vollständig zu übersetzen, nichts wegzulassen und nichts hinzuzufügen. Zweitens die Forderung, die genuinen Vorstellungen des Dichters, die ihm eigentümlichen Ideen und seine Bilder in ihrer Reinheit und Eigentümlichkeit zu bewahren. Und drittens die Forderung, die Abfolge der Vorstellungen des Dichters bis auf die Wortstellung im Satz soweit wie nur irgend möglich auch im Deutschen einzuhalten. 642

Die wesentliche Neuerung im Vergleich zu den Übersetzungskonzepten des frühen 19. Jahrhunderts (Humboldt, Schleiermacher), an die Schadewaldt ja in weiten Teilen anknüpft, besteht in dem bewussten Verzicht auf die Nachbildung der „äußeren

 638 Schadewaldt, Die Wiedergewinnung antiker Literatur auf dem Wege der nachdichtenden Übersetzung (1958), 539. 639 Schadewaldt, Antikes Drama auf dem Theater heute (1970), 655. 640 Schadewaldt, Das Problem der Übersetzung antiker Dichtung (1963), 30. 641 Schadewaldt, Antikes Drama auf dem Theater heute (1970), 673. 642 Schadewaldt, Antikes Drama auf dem Theater heute (1970), 657. Erstmals formuliert Schadewaldt diese drei Forderungen im Nachwort zu seiner Übersetzung des Sophokleischen König Ödipus (1955), 91, danach wiederholt er sie in ähnlichem Wortlaut in vielen seiner übersetzungstheoretischen Schriften; vgl. u. a. Schadewaldt, Zur Übersetzung [zu Homer, Odyssee] (1958), 323, ders., Die Wiedergewinnung antiker Literatur auf dem Wege der nachdichtenden Übersetzung (1958), 541, ders., Aus der Werkstatt meines Übersetzens (1966), 673. Konstruktive Kritik mit dem Ziel einer Neuinterpretation zur Erweiterung ihres Anwendungsspektrums erfahren Schadewaldts Übersetzungsmaximen bei Poiss/Kitzbichler/Fantino (2016); s. dazu auch o. 3.2.

  Deutsche Aristophanes-Übersetzungen im Vergleich Sinngestalt“, der phoné des Dichterwortes, die zugunsten des logos ‚geopfert‘ 643 wird: Von diesem „Wort“ des Dichters kann die eine Hemisphäre (die der phoné): Stimme, Klang, sinnliche Erscheinungsfülle, auf keine Weise in einer anderen Zunge nachgebildet werden, weil sinnliche Qualitäten schlechthin einmalig und nicht durch andere sinnliche Qualitäten „wiedergebbar“ sind. Die andere rationale Hemisphäre des Wortes aber, das innere vielfältige Sinngefüge, die innere Sinngestalt, der logos, kann in seiner Eigenart weitgehend in einer anderen Zunge sinnlich neu verwirklicht werden, zumal wenn diese andere Zunge, wie das Deutsche, syntaktisch noch so schmiegsam ist. 644

Das klassizistische Postulat der metrisch-getreuen Übersetzung wird damit endgültig aufgegeben. Anders als Voß und seine Nachfolger überträgt Schadewaldt die Homerischen Epen nicht mehr in ‚deutsche Hexameter‘, sondern gibt sie in rhythmisierter Prosa wieder, die sich der daktylischen Metrik teilweise annähert. Für die Dialogpartien der Tragödien wählt er freie Jamben, für die Chorpassagen freie Rhythmen. Exkurs 1: Die Sonderrolle der Alten Komödie Die Alte Komödie nimmt in Schadewaldts Konzeption des dokumentarischen Übersetzens eine Sonderstellung ein. Zwar gehört sie für ihn zweifelsfrei zum Bereich der hohen, ‚welthaltigen‘ Dichtung 645 und besitzt – ebenso wie Epos oder Tragödie – Dokumentationscharakter 646, doch ist in ihr das „Redensartliche“ – als ein konstituierendes Element der Gattung – weitaus stärker präsent als in den anderen Dich-

 643 Schadewaldt spricht in diesem Zusammenhang auch vom Übersetzen als „Kunst des richtigen Opferns“, vgl. Schadewaldt, Antikes Drama auf dem Theater heute (1970), 658. 644 Schadewaldt, Philologie und Theater (1964/1983), 559. 645 Vgl. Schadewaldt, Die ‚Lysistrata‘ des Aristophanes in neuer Übersetzung (1958), 392 f.: „Wir erkennen in ihm [sc. Aristophanes] den Dichter, dem sich unter dem Aspekt des Komischen eine ganze Welt entfaltet und der in einer logisch-rational gar nicht faßbaren Weise in unerhörten Umschwüngen von Ausgelassenheit ins Melancholische, ja Makabre, vom Dramatischen ins Lyrische, von anspruchsvoller Intellektualität ins Volkstümliche, Volksliedhafte übergeht – so wie nach ihm nur noch der Eine: Shakespeare – und der dabei die echt griechische Kraft besitzt, jene so entfaltete Welt der Farben, Rhythmen, Töne, Formen und Gestalten zu der ‚musikalischen‘ Einheit des in eine einzige Harmonie hineingebundenen absoluten dichterischen Kunstwerks zu vereinigen.“ Vgl. auch Schadewaldt, Die ‚Vögel‘ des Aristophanes. Daten zur Übersetzung (1970), 541. 646 Im Zusammenhang mit dem – in den Aristophanischen Fröschen thematisierten – Tod der beiden Tragiker Euripides und Sophokles, der für Schadewaldt „nicht nur das Ende der großen Tragödie, sondern das Ende der Dichtung überhaupt“ markiert, heißt es im Begleittext zu den Fröschen: „Aristophanes hat mit erstaunlich ‚richtigem‘ historischem Gespür dieses erfaßt und in seiner Komödie dokumentiert. Und als Dokumentation eines solchen Zeitenumbruchs [...] bilden die ‚Frösche‘ einen Markstein in unserer Geistesgeschichte.“ Schadewaldt, Daten zu den ‚Fröschen‘ des Aristophanes (1971), 546 f.

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tungsformen. Daher sieht Schadewaldt sich im Fall der Komödie veranlasst, seine an das dokumentarische Übersetzen geknüpften Maximen zu modifizieren. So erfordere beispielsweise der auf dem Umgangssprachlichen beruhende Witz in der Komödie in vielen Fällen das transponierende Übersetzen, „wenn er als Witz auch in der Übersetzung wirken soll“. 647 Ebenso seien auch rein zeitbedingte Elemente, wie z. B. die namentliche Verspottung athenischer Bürger, Namen von Göttern, Heroen oder Ortschaften sowie die Bezeichnungen heute ungebräuchlicher Gegenstände gegebenenfalls „zu streichen oder zu erläutern“. 648 Schadewaldt bezeichnet dieses Verfahren mit dem gewollt paradoxen Begriff des „dokumentarischen Transponierens“. 649 Exkurs 2: Obszöne Sprache – Dokumentieren oder Transponieren? Angesichts dieser diffizilen übersetzungstheoretischen Ausgangslage stellt sich die Frage, wie Schadewaldt bei den obszönen Äußerungen verfährt: Bemüht er sich darum, sie im streng dokumentarischen Sinne möglichst wortgenau nachzubilden, oder werden sie eher zu den redensartlichen Wendungen gezählt, bei denen eine transponierende Anpassung an moderne Sprachkonventionen gestattet ist? In den Begleittexten zu seinen Übertragungen der Acharner und der Lysistrate legt Schadewaldt durchaus Wert auf die Feststellung, dass seine Übersetzung „aufs Ganze gesehen ‚dokumentarisch‘“ sei 650 bzw. sich „mit weitestgehender Treue an die griechische Urgestalt“ halte 651. Seine Äußerungen im Hinblick auf die obszöne Sprache erweisen sich jedoch als ambivalent. Einerseits wird sie ganz erwartungsgemäß als gattungsspezifisches Element der Alten Komödie dargestellt – Schadewaldt spricht an einer Stelle von dem „für die Alte Komödie so charakteristischen Bereich des Obszönen“ 652 –, das es auch gegen mögliche gesellschaftliche Vorbehalte zu bewahren gelte: Soweit irgend möglich bewahrt wurde in dem Stück [sc. Die Acharner] auch das Derbe, Kräftige, ‚Unanständige‘. Munter, natürlich und selbstverständlich hingespielt bleiben diese Unanständigkeiten im Grunde anständige Unanständigkeiten: sie mögen dieses oder jenes Tabu un 647 Schadewaldt, Antikes Drama auf dem Theater heute (1970), 654. S. auch ders., Die Wiedergewinnung antiker Literatur auf dem Wege der nachdichtenden Übersetzung (1958), 539; Aus der Werkstatt meines Übersetzens (1966), 672; Philologie und Theater (1964/1983), 561. 648 Vgl. Schadewaldt, Zur Bühnenfassung [zu Aristophanes, Frösche] (1971), 102 f. 649 Vgl. Schadewaldt, Zur Bühnenfassung [zu Aristophanes, Frösche] (1971), 102: „Das Transponieren also – in Epos und Tragödie von mir streng verpönt – hat in der Komödie sein Recht, freilich in der Form eines kontrollierten und sozusagen dokumentarischen Transponierens.“ Vgl. auch Schadewaldt, Zur Bühnenfassung [zu Aristophanes, Vögel] (1970), 109. 650 Vgl. Schadewaldt, Die ‚Acharner‘ des Aristophanes, Daten zur Übersetzung und Bühnenbearbeitung (1970), 535. 651 Vgl. Schadewaldt, Nachbemerkung zur ‚Lysistrata‘ (1972), 86. 652 Schadewaldt, Philologie und Theater (1964/1983), 564.

  Deutsche Aristophanes-Übersetzungen im Vergleich serer heutigen Gesellschaft verletzen, unterstützen aber auf ihre Weise die sittliche Hauptidee des Ganzen und gehören überdies unabdingbar zu dem ‚Ton‘, auf den diese bäurische Komödie gestimmt ist. 653

Andererseits gibt Schadewaldt in seinen Anmerkungen zur Lysistrate klar zu erkennen, dass er in seiner Übersetzung sehr wohl zu Zugeständnissen an die zeitgenössischen Tabugrenzen bereit war, obgleich er auch hier auf den eigentlich „unschuldigen“ Charakter der Aristophanischen Scherze hinweist: Zwar mußten hier manche der antik-unschuldigen – nie frivolen oder gar perversen – Derbheiten für moderne Ohren gemildert werden. Doch haben wir diese Milderungen so eingerichtet, daß dabei die Kurve der originalen Dialogführung und der ihr eigentümliche Charme nicht zerbrochen oder beeinträchtigt wurden. 654

Das Grundproblem bei der Wiedergabe obszöner Äußerungen liegt für Schadewaldt allerdings nicht auf sittlicher, sondern auf sprachlicher Ebene: Die Schwierigkeit ist sprachlicher Art und erwächst daraus, daß wir im Deutschen aufgrund unserer geschichtlichen Entwicklung (wie einmal schon Goethe bemerkt hat), 655 für die unbekümmert beim Namen genannten naturalia keine entsprechend natürliche, saubere und unschuldige Sprache haben, sondern daß diese Dinge im Deutschen gar zu leicht ins ‚turpe‘ fallen. 656

 653 Schadewaldt, Die ‚Acharner‘ des Aristophanes. Daten zur Übersetzung und Bühnenbearbeitung (1970), 538. 654 Schadewaldt, Die ‚Lysistrata‘ des Aristophanes in neuer Übersetzung (1958), 393. 655 Vgl. dazu Borchmeyer (1994), 192, mit Hinweis auf Goethes Gespräch mit Eckermann am 25. Februar 1824, in dem es um die „Sekretierung seiner zahlreichen Erotica und Priapea“ [Borchmeyer] geht; hierzu wird folgendes Goethezitat angeführt: „Was den alten Griechen zu sagen erlaubt war, will uns zu sagen nicht mehr anstehen, und was Shakespears [sic] kräftigen Mitmenschen durchaus anmutete, kann der Engländer von 1820 nicht mehr ertragen, so daß in der neuesten Zeit ein FamilyShakespeare ein gefühltes Bedürfnis wird.“ [hier zitiert nach FA II, 12, 90]. In diesem Zusammenhang weist Borchmeyer (1994), 191 auch auf eines der lange Zeit unterdrückten Epigramme Goethes hin (vgl. FA I 1, 472, Nr. 38), in dem es heißt: Gib mir statt ‚der Schwanz‘ ein ander Wort, o Priapus! Denn ich Deutscher, ich bin übel als Dichter geplagt. Griechisch nennt ich dich Phallos, das klänge doch prächtig in den Ohren, Und lateinisch ist auch Mentula leidlich ein Wort. Mentula käme von Mens, der Schwanz ist etwas von hinten, Und nach hinten war mir niemals ein froher Genuß. 656 Schadewaldt, Philologie und Theater (1964/1983), 564. Wie an diesem Zitat deutlich wird, greift Schadewaldt auch in seinen theoretischen Stellungnahmen zur Obszönitätsproblematik gern auf lateinische Ausweichformulierungen zurück, in diesem Fall mit Anklang an den möglicherweise auf Euripides, (οὐκ αἰσχρὸν οὐδὲν τῶν ἀναγκαιῶν βροτοῖς, frg. 1043a Kn.) zurückgehenden lateinischen Sinnspruch naturalia non sunt turpia; s. hierzu Kirchner/Michaelis, Wörterbuch der philosophischen Grundbegriffe (1907), 385.

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Die ‚Anstößigkeit‘ der Aristophanischen Ausdrucksweise erscheint hier gewissermaßen als ein erst durch die Übersetzung hervorgerufener Sekundäreffekt: Weil im Deutschen kein ausreichend dezentes oder geläufiges Vokabular zur Bezeichnung von Geschlechtsorganen oder sexuellen Praktiken zur Verfügung stehe, müsse der Übersetzer zwangsläufig auf Begrifflichkeiten zurückgreifen, die gemeinhin als ordinär und unrein gelten. Dabei geht Schadewaldt offenbar davon aus, dass dem Griechen Aristophanes tatsächlich Ausdrücke zu Gebote standen, die von den Athenern des 5. Jahrhunderts v. Chr. als „sauberer“ und „unschuldiger“ und somit auch als weniger anstößig empfunden wurden als die entsprechenden deutschen Begrifflichkeiten vom modernen Publikum der 1950er und 1960er Jahre. 657 Gleichwohl erklärt Schadewaldt im gleichen Abschnitt seine Absicht, die obscena, da sie in der Aristophanischen Komödie eine besondere Funktion besäßen, in seiner Übersetzung weitestgehend kenntlich zu lassen: Sie [sc. ‚diese Dinge‘ bzw. die naturalia] haben bei Aristophanes in der Harmonie des dichterischen Kunstwerks ihre eigenen künstlerischen Valeurs, sind die frechen gelben Tupfer, die an ihrer Stelle dem Ganzen nicht zu missende Akzente geben. So habe ich als Übersetzer von diesen Derbheiten so viel mit ungeschminkter Drastik zu bewahren gesucht, wie nur zu bewahren war, in extremsten Fällen eine abschwächende Transponierung angewandt und im übrigen dem Spielleiter die Entscheidung über das zu Bewahrende oder zu Streichende je nach den besonderen Umständen der Aufführung überlassen. 658

.... Übersetzungsanalyse Teil 1: Allgemeine Beobachtungen Schadewaldts theoretische Ausführungen zur Übersetzungsproblematik der Alten Komödie lassen erwarten, dass er in seinen eigenen Übersetzungen der Aristophanischen Komödien an bestimmten Stellen, etwa bei schwer übersetzbaren Wortspielen oder Anspielungen auf tagespolitische Ereignisse und Persönlichkeiten des 5. Jahrhunderts v. Chr., von den drei Forderungen des „dokumentarischen“ Übersetzens (s. o.) abweicht und wie angekündigt Transponierungen vornimmt. Die exemplarische Untersuchung von Schadewaldts Lysistrate-Übersetzung soll zunächst Aufschluss darüber geben, inwieweit sich diese Annahme als zutreffend erweist. Im Hinblick auf die obszöne Sprache soll – in einem weiteren Schritt – geklärt werden, ob Schadewaldt sein grundsätzliches Ziel einer weitgehend dokumen-

 657 Obgleich Schadewaldt keine konkreten Belege für seine Auffassung beibringt, scheint sie durchaus dem zeitgenössischen Stand der Forschung zu entsprechen, vgl. etwa Nilsson (1967, zuerst 1941), 119: „Dem Phallos und dem Geschlechtsakt standen die Griechen fast ebenso unbefangen gegenüber wie Tierzüchter, das zeigen eine ganze Anzahl Vasen, die wegen ihrer für unsere Begriffe anstössigen Bilder nicht ausgestellt werden können – von den Komödiendichtern nicht zu sprechen. Die Römer dagegen besassen dieselbe Art des Schamgefühls wie wir, und bei ihnen ist der Phallos fascinum.“ Ähnlich später auch Henderson (1991), 32 f. 658 Schadewaldt, Philologie und Theater (1964/1983), 564 f.

  Deutsche Aristophanes-Übersetzungen im Vergleich tarischen Wiedergabe konsequent verfolgt oder ob er hier die komödienspezifische Ausnahmeregel, die Lizenz zum Transponieren, verstärkt in Anspruch nimmt. Textpräsentation Schadewaldts Übersetzung der Lysistrate liegt, wie die meisten seiner Dramenübersetzungen, in zwei Ausgaben vor. Zum einen in dem Sammelband Griechisches Theater, der sämtliche bis 1964 abgeschlossenen Tragödien- und Komödienübersetzungen vereint 659, zum anderen in einer als „Bühnenfassung“ bezeichneten Einzelausgabe des Insel-Verlages, deren Text an einigen Stellen von der Version des Sammelbandes abweicht. 660 Während der Sammelband lediglich den neutralen Vermerk „Deutsch von Wolfgang Schadewaldt“ trägt, wird die Bühnenfassung der Lysistrate in ihrem Titelzusatz als „Übersetzung und Bearbeitung“ deklariert. Dies mag ein Hinweis darauf sein, dass Schadewaldt selbst seine Komödienübertragungen, die er – im Gegensatz zu den Tragödienübersetzungen – nicht als dokumentarische Übersetzungen im strengen Sinne betrachtet, auch nach außen hin als Bearbeitungen oder zumindest teilweise Bearbeitungen kenntlich machen will. Der Text der Übersetzung, ursprünglich für die Schwetzinger Inszenierung von 1958 verfasst, 661 enthält gliedernde Zwischenüberschriften, die sich – im Unterschied zu den meisten älteren Übertragungen – nicht an modernen Bühnenkonventionen orientieren (Akte und Szenen), sondern an antike Einteilungsgewohnheiten der Alten Komödie anknüpfen. 662 Regieanweisungen und kurze Erläuterungen zum Bühnengeschehen wurden ergänzend hinzugefügt. Ein Kommentarteil oder ausführliche Abhandlungen zu Autor und Werk sind nicht vorhanden. Einziger Begleittext ist eine fünfseitige Nachbemerkung zur ‚Lysistrata‘, in der Schadewaldt in knap-

 659 Hier S. 403–482. Die Erstausgabe dieser Übersetzungssammlung erschien 1964. In die Neuauflage von 1983 wurden einige Versänderungen aufgenommen, die Schadewaldt in seinem eigenen Exemplar vermerkt hatte. Vgl. Schadewaldt, Maria (1983), 607. Der Band Griechisches Theater enthält die Übersetzungen folgender Stücke: Aischylos, Die Perser, Sieben gegen Theben; Sophokles, Antigone, König Ödipus, Elektra; Aristophanes, Die Vögel, Lysistrata; Menander, Das Schiedsgericht. Zu Schadewaldts Übersetzungen griechischer Dichter insgesamt s. o. 3.3.3.1 (Beitrag) Anm. 617. 660 Im Gegensatz zu den Fröschen, deren Bühnenübersetzung (B) im Vergleich zur Sammelbandfassung (GT) mehr aktualisierende Eingriffe aufweist (vgl. Schadewaldt, Zur Bühnenfassung [zu Aristophanes: Die Frösche] (1971), 104 ff.), finden sich in der Lysistrate nur geringfügige Unterschiede, so z. B. für λευκὸν ἵππον (193) ‚weißer Schimmel‘ (B) bzw. ‚weißes Pferd‘ (GT) oder für τὸ Ῥόδιον μύρον (944) ‚Lebertran‘ (B) bzw. ‚Faulkernsalbe‘ (GT). Die folgenden Ausführungen sind daher, soweit nicht anders vermerkt, auf beide Ausgaben zu beziehen. 661 S. o. 3.3.3.1 (Beitrag) u. ebd. Anm. 621. 662 Danach gliedert sich die Handlung in einen Prolog (Frauenversammlung; 1–253), einen ersten Auftritt (Streit der beiden Chöre; 254–705) – darin besonders hervorgehoben der Agon (476–613) und die Parabase (614–705) –, einen zweiten Auftritt (Ereignisse auf der Burg; 706–979) – von einem chorischen Zwischenspiel (781–820) unterbrochen – und einen dritten Auftritt (epeisodische Szenen von Einzelschauspielern und Chor; 980–1321).

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per Form über seine Übersetzungsmotivation und -methode, über seine Aristophanes-Auffassung sowie über die Grundzüge der Handlung Auskunft gibt. 663 Formale Gestaltung / Metrik In jener „Nachbemerkung“ äußert sich Schadewaldt u. a. auch zu seiner übersetzerischen Annäherung an die Gesamtstruktur der Komödie: diese unsere ‚Lysistrata‘ hält sich in ihrem Versbestand, vor allem aber in ihrer dramaturgischen Anordnung, mit weitestgehender Treue an die griechische Urgestalt. 664

In der Tat weist der Übersetzungstext zu großen Teilen eine am Originaltext orientierte versartige Struktur auf. Dazwischen finden sich jedoch immer wieder auch reine Prosapartien – im Druckbild durch Blocksatz gekennzeichnet –, in denen ursprüngliche Chorpassagen durch einzelne Chormitglieder in ungebundener Rede wiedergegeben werden 665: ἐπεὶ τίς ἄν ποτ’ ἤλπισ’, ὦ Στρυμόδωρ’, ἀκοῦσαι γυναῖκας, ἃς ἐβόσκομεν κατ’ οἶκον ἐμφανὲς κακόν, κατὰ μὲν ἅγιον ἔχειν βρέτας κατά τ’ ἀκρόπολιν ἐμὴν λαβεῖν, κλῄθροισί τ’ αὖ καὶ μοχλοῖσι τὰ Προπύλαια πακτοῦν; (Lys. 257 ff.) Einzelne des Chors: Denn: wer hätte wohl zu hören erwartet, Strymodoros! daß die Frauen, die wir im Hause als offenkundige Plage gefüttert haben, sich des heiligen Götterbildes bemächtigen und meine Akropolis einnehmen und uns die Tore sperren würden Chor alle einfallend im Rhythmus Mit Schlössern und mit Riegeln!

 663 Schadewaldt, Nachbemerkung zur ‚Lysistrata‘ (1972), 86–90; Schadewaldt übernimmt hier zum großen Teil Passagen aus seinem früheren Aufsatz Die ‚Lysistrata‘ des Aristophanes in neuer Übersetzung, erstmals erschienen im Programmheft der Schwetzinger Festspiele 1958, 21–25; wieder abgedruckt in HuH (1960), 392–394, und in HuH (1970), Bd. 1, 543–546. Ausgelassen wurde in der Nachbemerkung zur Bühnenfassung u. a. die Passage, in der Schadewaldt zur abmildernden Übersetzung der „Derbheiten“ Stellung nimmt, vgl. HuH (1970), Bd. 1, 545. 664 Schadewaldt, Nachbemerkung zur ‚Lysistrata‘ (1972), 86. 665 Vgl. auch Schadewaldt (Ü), Aristophanes. Lysistrata (1972), Vv. 270; 272–277; 298–301, 616–625; 664–670; 682–684; 689–695.

  Deutsche Aristophanes-Übersetzungen im Vergleich In den Verspartien wiederum wird des Öfteren der Inhalt eines griechischen Verses auf zwei deutsche Verse verteilt 666: Λυ.

Ἀλλ’ εἴ τις εἰς Βακχεῖον αὐτὰς ἐκάλεσεν, ἢ ’ς Πανὸς ἢ ’πὶ Κωλιάδ’ εἰς Γενετυλλίδος, [...] (Lys. 1 f.)

Lysistrata:

Ja, aber hätte einer sie zum Bakchosfest Geladen, zu den Orgien des Pan Oder hinaus zum Fest der Aphrodite Der Buhlerinnen oder Wöchnerinnen.

Ferner benennt Schadewaldt in seiner „Nachbemerkung“ diejenigen Elemente der Komödie, die seiner Ansicht nach „die dichterisch-komische Totalität des Aristophanes“ am stärksten zur Geltung bringen und daher im dokumentarischen Sinne zu bewahren seien: Dreierlei galt es in dieser Hinsicht vor allem unverkürzt und unverbogen zu bewahren: einmal den Kurvengang des originalen Dialogs, sodann die Vielfalt der Rhythmen, Farben Töne, und zum dritten die Chöre und lyrischen Partien.“ 667

Es mag zunächst befremden, dass Schadewaldt hier gerade auch auf die Bewahrung der Rhythmen, Farben und Töne Wert legt, die er andernorts nachdrücklich der zu opfernden sinnlichen Ebene, der φωνή zurechnet. Ein Blick auf die Übersetzung zeigt jedoch, dass er an dieser Stelle keineswegs von seinen Grundmaximen abweicht. Er verzichtet, wie auch in seinen dokumentarischen Übersetzungen Homers oder der Tragiker, auf eine exakte Nachbildung des Originalmetrums, bemüht sich aber dennoch, die metrische Vielfalt der Alten Komödie durch eine rhythmisierte Sprache zumindest anzudeuten. 668 Dies lässt sich vor allem an den Chorpassagen zeigen: τουτὶ τὸ πῦρ ἐγρήγορεν θεῶν ἕκατι καὶ ζῇ. οὔκουν ἂν εἰ τὼ μὲν ξύλω θείμεσθηα πρῶτον αὐτοῦ, τῆς ἀμπέλου δ’ εἰς τὴν χύτραν τὸν φανὸν ἐγκαθέντες ἅψαντες εἶτ’ εἰς τὴν θύραν κριηδὸν ἐμπέσοιμεν – (306 ff.)

 666 Obgleich die Übersetzung dadurch insgesamt mehr Verse aufweist als das Original, ist die Transparenz dadurch gewährleistet, dass Schadewaldt keine eigene Verszählung einführt, sondern am Seitenrand in regelmäßigen Abständen die entsprechende Verszahl des Originaltextes vermerkt. 667 Schadewaldt, Nachbemerkung zur ‚Lysistrata‘ (1972), 87. 668 Vgl. Schadewaldt, Philologie und Theater (1964/1983), 562: „So haben wir die anapästischen Partien bei Aischylos und Aristophanes – in freier Weise – anapästisch gehalten, die Trochäen – in freier Weise – trochäisch. Der Dialog wurde in Jamben, doch unregelmäßigen Jamben gehalten, wie diese in neuerer Zeit von Bert Brecht empfohlen und längst von Heinrich von Kleist in seiner ‚Hermannsschlacht‘ verwirklicht wurden.“

Porträts der ausgewählten Übersetzungen und Bearbeitungen der Lysistrate  

Die iambischen Tetrameter des Originals überträgt Schadewaldt in freie Iamben: Das Feuer, es ist aufgewacht und lebt mit Gottes Hilfe! Wie wärs, wenn wir hier erst einmal die Stangen niederlegten Und in den Feuertopf hinein den Rebholzzunder steckten, Und faßt er Feuer: angerannt dann gegen die Tore wie Widder!

Ebenfalls in freien (anapästischen) Rhythmen werden die Anapäste des Komödienagons (Lys. 483–581) wiedergegeben, die Schadewaldt durch eine Zwischenüberschrift explizit als solche kennzeichnet: Πρ. Λυ.

καὶ μὴν αὐτῶν τοῦτ’ ἐπιθυμῶ νὴ τὸν Δία πρῶτα πυθέσθαι, ὅ τι βουλόμεναι τὴν πόλιν ἡμῶν ἀπεκλῄσατε τοῖσι μοχλοῖσιν. ἵνα τἀργύριον σῶν κατέχοιμεν καὶ μὴ πολεμοῖτε δι’ αὐτό.

Anapäste [...] Ratsherr: Lysistrata:

Nun gut! so will ich zunächst einmal, beim Zeus! von ihnen erfahren: Was habt ihr vor, daß ihr uns die Burg versperrt habt mit Balken und Riegeln? In Sicherheit wollten wir bringen das Geld, damit ihr deswegen nicht Krieg führt!

Hingewiesen sei an dieser Stelle noch auf Schadewaldts Tendenz, in verschiedenen Passagen des Stückes, insbesondere in den Tetrameter-Partien, in unregelmäßiger Folge Reime einzuführen: 669 Chorführer: Jawohl! so grausam habe ich einst belagert diesen Braven, Und rottenweis, siebzehn Schilde tief, hier vor dem Tor – geschlafen! Und die da, die Euripides und alle Götter hassen, Denen soll ich verlegen nicht ihr freches Tun und Lassen? (281 ff.)

Wortlaut / Syntax Schadewaldts grundsätzliches Bestreben, den originalen Wortlaut und die Abfolge der Bilder und Vorstellungen weitestgehend zu bewahren, wird auch in seiner Ly-

 669 Damit knüpft Schadewaldt in gewisser Weise an Droysen an, der seinerzeit sämtliche Tetrameter-Passagen in deutsche Reimverse übertrug (s. o. 3.3.2.1.1 u. ebd. Anm. 341). Vgl. auch Schadewaldt (Ü), Lysistrata, Vv. 254–256; 271; 317 f.; 532–537; 655–657; 671 f.; 678–681 u. passim.

  Deutsche Aristophanes-Übersetzungen im Vergleich sistrate-Übersetzung deutlich. 670 Hierfür sei exemplarisch die folgende Passage angeführt: Λυ.

Κα. Lysistrata:

Kalonike:

ἀλλ’, ὦ Καλονίκη, κάομαι τὴν καριδίαν, καὶ πόλλ’ ὑπὲρ ἡμῶν τῶν γυναικῶν ἄχθομαι, ὁτιὴ παρὰ μὲν τοῖς ἀνδράσιν νενομίσμεθα εἶναι πανοῦργοι – καὶ γάρ ἐσμεν νὴ Δία. (9 ff.) O Kalonike! Mir kocht das Herz im Leib, Und tief bekümmert um uns Frauen bin ich! Da stehn wir bei den Männern in dem Ruf, Daß wir zu allem fähig sind... Und, beim Zeus, wir sinds!

Exklamationen, Götteranrufe, zeitbedingte Begrifflichkeiten und Inhalte Die Anpassung seines Übersetzungskonzepts an die Gegebenheiten der Komödie – das Prinzip des „dokumentarischen Transponierens“ – gestattet es Schadewaldt jedoch bei allem Streben nach Wörtlichkeit, rein zeitbedingte Elemente wie antike Personen-, Götter- und Ortsnamen sowie Bezeichnungen politischer oder kultischer Institutionen gegebenenfalls „zu streichen oder zu erläutern“ (s. o. 3.3.3.1.1 [Exkurs 1]). Streichungen finden sich in seiner Lysistrate-Übersetzung nur an wenigen Stellen. Ausgelassen und teilweise durch Alternativformulierungen ersetzt wurden lediglich einige griechische Namen und Begriffe, die dem modernen Leser bzw. Theaterzuschauer eher unbekannt sein dürften und für das Verständnis der Handlung entbehrlich erscheinen (im Folgenden durch Unterstreichung markiert): τάς γ’ Ἀμαζόνας [...], ἃς Μίκων ἔγραψ’ [...] (678 f.) die Amazonen [...], Wie man sie gemalt zu Pferde [...] sehen kann. εἰ μέν γέ τις ᾄδοι Τελαμῶνος, Κλειταγόρας ᾄδειν δέον (1237) Und selbst wenn einer [...] / Statt eines Trinkliedes ein Marschlied vortrug ἐν τῇ τετραπόλει (285) auf dem Schlachtfeld von Marathon 671

Auch Götteranrufe werden an einigen Stellen ausgelassen 672 oder durch eine Ersatzformel wiedergegeben:  670 Aus diesem Grund zieht Markus Janka Schadewaldts Übersetzung als dokumentarischen Abgleich zu den Lysistrate-Bearbeitungen von Erich Fried und Walter Jens heran; vgl. Janka (2000), 584 ff. S. auch u. 3.3.4.2.4. 671 Vgl. auch Schadewaldt (Ü), Aristophanes. Lysistrata (1972), Vv. 361, 558, 742, 1032. 672 Vgl. z. B. Schadewaldt (Ü), Aristophanes. Lysistrata (1972), Vv. 67, 95, 142.

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ναὶ τὼ σιώ bzw. νὴ τὼ θεώ ναὶ τὸν Κάστορα

Himmel! (51), bim Eid! (81), bi Gott! (86) Bim Eid! (206)

Sehr häufig zu beobachten ist dagegen die Praxis einer in den Übersetzungstext integrierten Kommentierung. 673 In der Regel wird dazu ein griechischer Name oder Begriff mit einem erläuternden Zusatz versehen (im Folgenden durch Unterstreichung markiert): ποττὸ Ταΰγετόν γ’ ἄνω (117) uf de Taygetos-Berg uffe674 συνεληλυθότες [...] εἰς Κλεισθένους (621) im Hause dieses Weiberhelden, des Kleisthenes675

Diese Form der Kommentierung wird in seltenen Fällen auch auf eine umfassendere Darlegung historischer Zusammenhänge ausgeweitet, im folgenden Beispiel besonders markant durch die Einfügung der anachronistischen Jahresangabe: ἐπεὶ οὐδὲ Κλεομένης, ὃς αὐτὴν κατέσχε πρῶτος, ἀπῆλθεν ἀψάλακτος, [...] (274 f.) Denn: auch als Kleomenes, der Spartanerkönig, wie die Geschichte lehrt, die Burg zum erstenmal anno 508 besetzt hat, ist er nicht ungerupft davongekommen 676

Zur Kommentierungspraxis gehört auch, dass die im griechischen Text vorkommenden Beinamen von Göttern und Heroen in der Regel durch den jeweiligen Klarnamen ersetzt und ggf. durch eine deutsche Erläuterung ergänzt werden:

 673 Möglicherweise gehen diese übersetzungsinternen Kommentare auch auf Anregungen von Regisseuren und Schauspielern zurück, deren produktive Mitwirkung bei der bühnenmäßigen Realisierung der von ihm übersetzten griechischen Dramen Schadewaldt nach eigenem Bekunden sehr schätzte: „Ich war an diesen Inszenierungen vor allem als Lernender beteiligt und darf bekennen, dass ich die bühnenmäßig verwirklichende Interpretation von Regisseuren wie Schauspielern als eine aufschlußreiche, ja notwendige Ergänzung der Textinterpretation des Philologen würdige; zumal ich es oft genug erfahren habe, wie der Regisseur, der Schauspieler aus der ihm aufgegebenen szenischen Verwirklichung des dramatischen Dichterworts in lange hin und her gewendeten Fragen der Philologie mit instinktiver Sicherheit die überzeugende Lösung fand.“ Schadewaldt, Antikes Drama auf dem Theater heute (1970), 665. 674 Vgl. auch Schadewaldt (Ü), Aristophanes. Lysistrata (1972), Vv. 913. 675 Vgl. auch Schadewaldt (Ü), Aristophanes. Lysistrata (1972), Vv. 368 f., 633, 675, 725, 801, 804, 1181. 676 Vgl. auch Schadewaldt (Ü), Aristophanes. Lysistrata (1972), Vv. 664, 1152. Vgl. ferner Schadewaldt (Ü), Aristophanes. Lysistrata (1972), Vv. 641–647, wo die bei Aristophanes aufgeführten Kultämter junger Mädchen in kommentierender Weise übersetzt werden, u. a. ἠρρηφόρουν (641) – ‚als ich schon den heiligen Rock / Trug zum Tempel der Athene‘; κἀκανηφόρουν (646) – ‚trug [...] den geweihten Korb‘.

  Deutsche Aristophanes-Übersetzungen im Vergleich Ἰήιος (1280) Κωλιάδ’ ἢ Γενετυλλίδος (2) ἁ Λήδας παῖς (1314)

Apollon Aphrodite der Buhlerinnen oder Wöchnerinnen der Leda Kind, / Helena 677

In Bezug auf politische Institutionen und Amtsbezeichnungen greift Schadewaldt gelegentlich zu leichten Modernisierungen, die ebenfalls vor allem erläuternde Funktion haben. 678 So wird das griechische Wort τυράννις (618, 630, 631) konsequent mit ‚Diktatur‘ übersetzt, aus der ‚Skythin‘ (ἡ Σκύθαινα, 184) wird kurzerhand eine ‚Polizistin‘, aus den Feldherren in Samos (τῶν ἐν Σάμῳ στρατηγῶν, 312) werden ‚Generäle, Admiräle‘. Die Abstimmung in der Volksversammlung wird umdeklariert in ‚Parlamentsbeschlüsse‘: οὐδ’ ἢν ἑπτάκις σὺ ψηφίσῃ (698)

ob du zehnmal Parlamentsbeschlüsse durchbringst

An wenigen Stellen finden sich Einfügungen, die über einen kommentierenden Einschub hinausgehen. So charakterisiert Schadewaldt die von Aristophanes nur beiläufig erwähnte – seinerzeit stadtbekannte – ‚Frau des Lykon‘ (τὴν Λύκωνος, 270) nicht nur als ‚Männer-Ruin‘, sondern führt zudem ihren in anderen Quellen überlieferten Namen ‚Rhodia‘ ein. 679 Als größter Eingriff ist wohl die Ergänzung eines Verses am Ende jener Episode anzusehen, in der die Athenerin Myrrhine ihren Mann Kinesias nach einer vorgetäuschten Verführungsszene unverrichteter Dinge zurücklässt. Während Myrrhine im Original wortlos verschwindet, kündigt sie in Schadewaldts Übersetzung ihren Rückzug verbal an, indem sie Kinesias’ halbherzige Antwort auf ihre Frage, ob er bei der Volksversammlung für den Frieden stimmen werde – βουλεύσομαι (951) – W. S. ‚Wir wollen sehen‘ –, aufgreift und sich dann verabschiedet: Myrrhine:

Sehen wollt ihr? Nun, mein Männchen, dann gehab dich wohl!

Anspielungen auf tagespolitische Themen oder auf die Inhalte zeitgenössischer Dramen werden von Schadewaldt in der Regel ebenfalls kommentierend übersetzt. So wandelt er beispielsweise Aristophanes’ Allusion (‚Poseidon und der Kahn‘) auf die Sophokles-Tragödie Tyro leicht ab und fasst deren Hauptmotiv in einem Zusatzvers zusammen: οὐκ ἐτὸς ἀφ’ ἡμῶν εἰσιν αἱ τραγῳδίαι. οὐδὲν γάρ ἐσμεν πλὴν Ποσειδῶν καὶ σκάφη. (Lys. 138 f.)  677 Vgl. auch Schadewaldt (Ü), Aristophanes. Lysistrata (1972), Vv. 1282, 1290. 678 Bisweilen auch auf andere Bereiche angewandt, so. z.B. ‚Stöckelschuhe‘ für περιβαρίδες, eine Art Frauenschuh, (45 u. 47) oder ‚Tausender so zwei und drei!‘ für μνᾶς ἢ δύ’ ἢ τρεῖς (1051). 679 Die Frau des Lykon, Rhodia, wird auch in Komödien des Eupolis erwähnt (frr. 295 u. 232 K.–A.). Lykon selbst war in Athen eine prominente Persönlichkeit, die von Aristophanes (Ve. 1301 f.), Kratinos (fr. 214 K.–A.) und Eupolis (fr. 61 K.–A.) verspottet wurde.

Porträts der ausgewählten Übersetzungen und Bearbeitungen der Lysistrate  

Schon recht, daß man auf uns Tragödien schreibt! Denn nichts sind wir als ‚Tyro und Poseidon‘: Erst Liebestorheit und dann Kindergeschrei! 680

Überraschend inkonsequent ist Schadewaldts Vorgehen bei der Wiedergabe der exklamatorischen Äußerungen. So bildet er zwar in vielen Fällen den griechischen Wortklang nach, wie er es auch für die Schmerzensschreie der Tragödie gefordert hatte, z. B. ‚Babaiax!‘ für βαβαιάξ (312), ‚Babai!‘ für βαβαί (1078), ‚Aï! aï!‘ für αἰαῖ (961), ‚Alala-ih! iäië Paian‘ für ἀλαλαί, ἰὴ παιών (1291) und ‚Euoi! euoi! euai! euai!‘ für εὐοῖ εὐοῖ, εὐαὶ εὐαί (1294); an anderen Stellen wählt er – zumeist ohne ersichtlichen Grund – abweichende Wendungen: ‚Puh! puh!‘ für ἰοὺ ἰού (66) bzw. für für φεῦ τοῦ καπνοῦ (312), ‚Potz tusig‘ für φεῦ δᾶ (198) bzw. für οὐ τὸν Δί’ (986), ‚huh huh huh!‘ für παπαῖ (215), ‚Ah! ah!‘ für παπαιάξ (924), ‚halloh! halloh!‘ für ἰοὺ ἰού (830). Bisweilen finden sich auch Überbietungen wie die langgezogenen Ausrufe ‚Ooooooooooooooooh Zeus!‘ für φεῦ (256) und ‚Ioooooooooooooh Zeus!‘ für ἰὼ Ζεῦ (716) oder die lautmalerische Ausdehnung des Rauchwegpustens im Chorauftritt der Männer: φῦ φῦ. ἰοὺ ἰοὺ τοῦ καπνοῦ. (294 f. bzw. 304 f.)

Apuh! apuh! Hu huh huh huuuuh Hu huh huh huuuuh Dieser Rauch! 681

Dialekt Der spartanische Zungenschlag, der nach Schadewaldts Auffassung „vom Dichter nicht satirisch-komisch gemeint“ ist, sondern „einen naturhaft-ursprünglichen, herb-stolzen Ton“ in das witzige Geschehen bringt, wird in der Übersetzung durch den Zürcher Dialekt „in einer für den hochdeutschen Leser und Hörer verständlichen Form“ wiedergegeben 682: Lampito:

Nu, eusri Manne werdet mir scho zsämmeschtuche, Daß sie loyal en ehrliche Fride haltet. Die aber vo Athen, das zwirblickch Volkch, Wië chönt me uf die iredde, daß sie nöt Dumms Züg machet? (168 ff.)

 680 Zur Stelle s. auch o. 3.3.1.1.2 (Exklamationen) u. ebd. Anm. 90. 681 An der zweiten Stelle (304) variiert: ‚Apuh apuh! / Huh huh huh huh huh huuuuh / Dieser Rauch!‘. 682 Vgl. die entsprechende Anmerkung in Griechisches Theater (1983), 404. Die Umsetzung wurde demnach von Schadewaldts Ehefrau Maria besorgt.

  Deutsche Aristophanes-Übersetzungen im Vergleich Eine Ähnlichkeit zur Dialektwahl Seegers, der seine Spartaner Berndeutsch reden ließ, 683 ist unverkennbar. .... Übersetzungsanalyse Teil 2: Behandlung der obscena Im Hinblick auf die bislang untersuchten Aspekte hält sich Schadewaldt auch in seiner Komödienübersetzung weitgehend an die von ihm selbst aufgestellten Maximen des dokumentarischen Übersetzens. Transponierende Eingriffe finden sich hauptsächlich in Form von erläuternden Zusätzen und einigen Ersatzformulierungen, die den generellen Dialog- und Handlungsablauf aber kaum verändern. Für den Bereich des Obszönen hingegen ergibt sich ein abweichender Befund. Nach Schadewaldts eigener Aussage (s. o. 3.3.3.1.1 [Exkurs 2] u. ebd. Anm. 658) sollte das Mittel der abschwächenden Transponierung hier nur „in extremsten Fällen“ zum Einsatz kommen. Bei genauerer Betrachtung findet sich in seiner LysistrateÜbersetzung allerdings kaum eine entsprechende Stelle, an der nicht transponierend eingegriffen wurde. So werden die primär-obszönen Bezeichnungen des männlichen Geschlechts (πέος, ψωλή, σάθη) zwar einmal mit dem konkreten – hochsprachlich etablierten – Begriff ‚Glied‘ (1119) übersetzt und einmal mit der bei Seeger entlehnten metaphorischen Wendung ‚Pfahl des Mannes‘ (979). In allen übrigen Fällen verwendet Schadewaldt abschwächende Substituenten wie ‚Ding‘ (124 B, 415, 1012) oder – totum pro parte – ‚Mann‘ (124 GT, 143); in ähnlicher Weise wird weibliches κύσθος (1158) im Deutschen euphemistisch durch einen anderen Körperteil, ‚ein Stück [...] Hüfte‘ ersetzt. Bisweilen wird das Obszöne auch mit Hilfe von Demonstrativpronomina oder Regieanweisungen umgangen: Κα.

[...] διὰ τοῦ πυρὸς ἐθέλω βαδίζειν. τοῦτο μᾶλλον τοῦ πέους. (133 f.)

Kalonike:

[...] durchs Feuer will ich gehen! Alles! Nur nicht –! Denn über den geht nichts, liebe Lysistrata!

 683 S. o. 3.3.2.2 (Dialekt).

Porträts der ausgewählten Übersetzungen und Bearbeitungen der Lysistrate  

Κι.

ἀλλ’ ἦ τὸ πέος τόδ’ Ἡρακλῆς ξενίζεται; (928)

Kinesias zu seinem Iste 684: Armer! so saumselig wirst du bedient wie Herakles, Wenn er in den Komödien vor Hunger stirbt!

Auch πρωκτός und πυγή 685 werden in der Übersetzung durch Alternativformulierungen ersetzt oder – wiederum in Anlehnung an Seeger – dialektal verfremdet: Λα.

γυμνάδδομαί γα καὶ ποτὶ πυγὰν ἅλλομαι. (82)

Lampito:

Mach ich doch alli Tag Gymnaschtikch und üeb de Spagat!

Λα.

ἀλλ’ ὁ πρωκτὸς ἄφατον ὡς καλός (1148)

Spartaner: [...] – Aber schier nöt zsäge, / Was dië det e chaibe schöns Füdli hät! 686

Die Verben βινεῖν und κινεῖν werden stets ausweichend übersetzt. Dabei bedient sich Schadewaldt auch hier des Öfteren der Formulierungen älterer Übersetzer: βινητιῶμεν (715) τίνα βινήσω (954) βινεῖν βούλομαι (934) μὴ βινῶν τοὺς ὄρθρους (966) κᾶτα τίνα κινήσομεν; (1166)

es männert uns! 687 Wo find ich ein Weib 688 ich will ja nur – 689 Nicht werkeln dürfen im Morgengraun! Wen können wir dann sonst noch – schikanieren?

 684 Bei der Verwendung des lateinischen Demonstrativpronomens Iste (‚der da‘) zur Bezeichnung des erigierten Penis handelt es sich um ein Goethezitat. In Goethes Gedicht Das Tagebuch (1810) erscheint das Wort ‚Iste‘ in ebendieser Bedeutung als Reim auf ‚Christe‘ (vgl. hierzu auch Borchmeyer [1994], 191 f.). Das zu Lebzeiten Goethes unpublizierte Gedicht findet sich bereits in der Weimarer Goethe-Ausgabe unter ‚Nachträge‘, WA I, 5/2, 345–352. Das folgende Zitat der Verse 133–136 ist FA I 2, 843–849 entnommen (vgl. auch ebd. 1324–1328): [...] Und als ich endlich sie zur Kirche führte: Gesteh’ ich’s nur, vor Priester und Altare, Vor deinem Jammerkreuz blutrünstiger Christe, Verzeih mir’s Gott! es regte sich der Iste. [...] 685 Zu πυγή s. auch o. 3.3.1.1.3 Anm. 94, zu πρωκτός o. 3.3.1.2.3 u. ebd. Anm. 162. 686 Vgl. Seeger: ‚Was het Die nes prächtigs Füdle!‘ (1148 = 1140 Seeger), s. auch o. 3.3.2.2.3 u. ebd. Anmm. 494 und 495. 687 Vgl. Voß: ‚Uns Frauen männert!‘; Droysen: ‚es männert uns!‘. 688 Vgl. Seeger: ‚wo find ich ein Weib?‘. 689 Vgl. Droysen: ‚Frau ich will ja nur – ‘.

  Deutsche Aristophanes-Übersetzungen im Vergleich Ebenso zurückhaltend verfährt er mit griechischen Termini, die die männliche Erektion bezeichnen. Sie werden stets durch metaphorische oder euphemistischparaphrasierende Wendungen wiedergegeben: στύοιντο δ’ ἄνδρες (152) ἐστυκώς (214) ἐστύκαμεν (1178) Ἔστυκα γάρ. (869) ἀπεψωλημένος (1136)

Ihnen wird heiß, den Männern mit Verlangen Das Reißen plagt uns! Den Krampf hab ich. – Zugrunde gerichtet bin auch ich – auf meine Weise!

Zum Teil entschärft Schadewaldt die entsprechenden Passagen noch zusätzlich durch das Einfügen von Reimen, die der obszönen Äußerung den Charakter eines harmlosen Scherzgedichtes verleihen; so etwa an der Stelle, wo der Athener Kinesias (bei Schadewaldt ‚Ratsherr‘) und ein spartanischer Gesandter mit – wie der Text voraussetzt – deutlich sichtbarer Erektion aufeinandertreffen: Κι. Κη. Κι.

τί δὴ προβάλλει τὴν χλαμύδ’; ἦ βουβωνιᾷς ὑπὸ τῆς ὁδοῦ; Ϝαλεός γα ναὶ τὸν Κάστορα ἄνθρωπος. ἀλλ’ ἔστυκας, ὦ μιαρώτατε. (987 f.)

Ratsherr:

[...] was ziehst du dir Den Mantel vor? Hast du die Gicht 690 Dir auf dem Marsch geholt? Herold: Da Kchärli isch Verruckt! bim Kchaschtor! (Es reißt ihn.) Ratsherr: Nein, das Reißen hast du, armer Wicht!

Ebenfalls mit einem Reim wird die derbe Antwort des Ratsherren auf Lysistrates Klage über die unterschiedliche Dauer männlicher und weiblicher Blüte abgeschwächt: ἀλλ’ ὅστις ἔτι στῦσαι δυνατὸς – (598)

Allein wenn man noch kann – als Mann ...

Lediglich bei den Verben der Fäkalsprache finden sich in Schadewaldts Übersetzung semantische Entsprechungen: ἐπιχεσεῖ πατούμενος. (440) τί βδύλλεθ’ ἡμᾶς; (354)

[...] ich trample auf dir herum, bis daß du kackst Was kackert euch vor uns? 691

 690 βουβωνιάω eigentlich „geschwollene Schaamdrüsen haben“ (Pape, Bd. 1 [1842], „suffer from swollen groins“ (LSJ, Vol. I [1951], i. e. ‚unter Leistenschwellungen leiden‘. Vgl. auch Henderson (Ed./K) (1987), 186 zur Stelle: „βουβωνιᾷς: [...] Tired or traumatized feet (as from a long hike from Sparta) could cause swelling of the groin, cf. Ve. 277.“

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Elliptisch verkürzt allerdings wiederum: ὥσπερ ἐνεουρηκότας (402) 692

[...], so als hätte man sich ...

Im Hinblick auf obszöne Inhalte, die im Original durch doppeldeutige Formulierungen oder Metaphern aufgerufen werden, lässt sich festestellen, dass Schadewaldt zwar weitgehend wörtlich übersetzt, sich aber – im Gegensatz zu seiner sonstigen Praxis – mit erläuternden Zusätzen zurückhält. So dürfte wohl Lysistrates in ein Komikerzitat eingebettete Anspielung auf den Gebrauch von Lederdildos den Lesern und Hörern der Schadewaldt’schen Übersetzung gänzlich verborgen bleiben: τὸ τοῦ Φερεκράτους, κύνα δέρειν δεδαρμένην (158) 693 So heißt es: ‚schinde den geschundenen Hund!‘ Wie es Pherekrates empfiehlt in seinem Lustspiel.

Auch die Klage des von seiner Ehefrau Myrrhine getäuschten Kinesias, der nicht weiß, wie er sich Entlastung verschaffen soll und in seiner Verzweiflung nach dem ‚Fuchshund‘ (Κυναλώπηξ, 957) ruft, einem Zuhälter, der ihm für seinen Penis (ταυτηνί i. S. v. τὴν ψωλήν) eine ‚Amme‘ (τίτθην) – also eine Prostituierte – besorgen soll, wird bei Schadewaldt in ihrer obszönen Dimension keineswegs deutlich. Seine Übersetzung erweckt eher den Eindruck, als suche Kinesias nach dem Fortgehen Myrrhines tatsächlich nach einer neuen Ehefrau und einer Amme für sein zuvor auf der Bühne präsentiertes Kind (vgl. Lys. 877–908): οἴμοι τί πάθω; τίνα βινήσω, τῆς καλλίστης πασῶν ψευσθείς; πῶς ταυτηνὶ παιδοτροφήσω; ποῦ Κυναλώπηξ; μίσθωσόν μοί τινα τίτθην. (Lys. 954 f.) Was wird nun mit mir! Wo find ich ein Weib, Um die Schönste von allen betrogen? Und dieses Kind, wie schaff ich ihm Milch? O mir! Woher eine Amme nehmen?

 691 βδύλλω eigentlich ‚furzen aus Angst‘, vgl. Bailly (1984): „lâcher un vent (de frayeur), d’où avoir une peur terrible de [...] (cf. βδέω).“ Vgl. auch Henderson (1991), 195 f. (Nr. 424). 692 Zur Stelle s. auch o. 3.3.1.2.3. 693 Zur Stelle s. auch o. 3.3.1.1.3 und u. 3.4.4.

  Deutsche Aristophanes-Übersetzungen im Vergleich Der obszöne Scherz mit dem Beinamen des Kinesias (Παιονίδης Κινησίας, 852) 694 – Droysen übersetzte ‚der Beischlafide Kinesias‘ (s. o. 3.3.2.1.3) – wird in Schadewaldts Übersetzung ‚Kinesias von Wackersdorf‘ ebenfalls gänzlich entschärft. Nur bei wenigen Pointen, die überdies auf verbalen Zweideutigkeiten beruhen, ohne dass im Griechischen primär obszönes Vokabular zum Einsatz kommt, nähert sich Schadewaldt dem Wortlaut des Originals: Μυ. Κι.

ἔπαιρε σαυτόν· ἀλλ’ ἐπῆρται τουτογί. (937)

Myrrhine: Kinesias:

Komm hoch!

Μυ. Κι.

λαβὲ τόνδε τὸν ἀλάβαστον. ἀλλ’ ἕτερον ἔχω. (947) 695

Myrrhine: Kinesias:

Da! nimm die Tube!

N un, der da ist bei mir schon hochgekommen!

Hab schon selber eine! –

Insgesamt lässt sich feststellen, dass Schadewaldt sein Konzept des dokumentarischen Übersetzens im Bereich der obszönen Sprache des Aristophanes keineswegs konsequent umsetzt. Es zeigt sich zwar deutlich, dass er sich im Hinblick auf den Gesamttext durchaus darum bemüht, die Sinnstruktur des Originals so genau wie möglich zu bewahren. Bei den obszönen Äußerungen hingegen verfährt Schadewaldt weitgehend transponierend – und dies nicht in erster Linie im Interesse einer Verdeutlichung ‚redensartlicher‘ Wendungen des Originals, die im Deutschen keine wörtliche oder sinngemäße Entsprechung gehabt hätten, sondern vielmehr im Sinne einer massiven Abschwächung und Verunklarung des obszönen Potenzials der Komödie. Ob dies vor allem aus Gründen der Rücksichtnahme auf das zeitgenössische Publikum, auf Anraten von Regisseur oder Schauspielern oder aus eigener Scheu vor einer allzu freizügigen Wiedergabe der – am Ende der 1950er Jahre durchaus noch als anstößig empfundenen – obszönen Witze und Anspielungen geschieht, lässt sich nicht mehr nachvollziehen. Festzuhalten bleibt jedoch, dass Schadewaldt in Bezug auf das Obszöne sowohl hinter seinen eigenen methodischen Forderungen zurückbleibt als auch hinter älteren Übersetzern wie Droysen oder Voß.

 694 Zur Stelle s. auch o. 3.3.2.1.3 u. ebd. Anm. 388. 695 Beide Beispiele sind der ‚Kinesias-Szene‘ entnommen; s. dazu auch u. 3.3.3.3.3 u. ebd. Anm. 828.

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.... Rezensionen / Urteile / Stellungnahmen Schadewaldts Komödienübersetzungen werden sowohl in Rezensionen zu der erstmals 1964 erschienenen Textsammlung Griechisches Theater gewürdigt als auch von der Theaterkritik im Zusammenhang mit den jeweiligen Inszenierungen. 696 Der Grundtenor ist stets positiv. Hervorgehoben wird vor allem Schadewaldts Leistung, das philologische Grundkonzept der wortgetreuen Wiedergabe mit den Anforderungen des modernen Theaters in bisher nicht erreichter Weise in Einklang gebracht zu haben. So vermerkt der Rezensent der FAZ bezüglich der Uraufführung der Lysistrate bei den Schwetzinger Festspielen 1958 697: Seine dichterische Größe hat Wolfgang Schadewaldt bewunderungswürdig neu zutage gefördert. Er hat einen geschmeidigen deutschen Text erarbeitet, der modern wirkt, aber doch hart am Original bleibt. Er hat die lyrischen Elemente und die derb-satirischen auch für heutige Ohren zu einer Einheit werden lassen; das nahtlose Gefüge der Chöre und Figuren blieb unangetastet. Der Schwung der Sprache scheint ohne akademische Schlacken. 698

Generelle Zustimmung findet auch Schadewaldts Entscheidung, das Konzept des dokumentarischen Übersetzens für den Bereich der Komödie zu modifizieren und an bestimmten Stellen Transponierungen zuzulassen. 699 Konkrete Stellungnahmen zu Schadewaldts Behandlung der obszönen Passagen finden sich allerdings nur selten. Hervorzuheben sind in diesem Zusammenhang vor allem Walther Karschs im Berliner Tagesspiegel erschienene Rezension zu einem Gastspiel der Darmstädter Lysistrate-Inszenierung am Berliner Hebbel-Theater im Oktober 1958 700 und der hierauf Bezug nehmende Leserbrief des Theaterregisseurs Jürgen Fehling, der einige Tage später ebenfalls im Tagesspiegel veröffentlicht wurde. 701 Karsch lobt in seiner Rezension sowohl die Aufführung als auch die Schadewaldt’sche Textgrundlage und äußert die Auffassung, Schadewaldt habe „dem Aristophanes [...] zurückgegeben“, was ihm „die glättenden Nachdichtungen des 19. Jahrhunderts genommen“ hätten. 702 Denn Schadewaldt sei, so Karsch, in seiner Wortwahl „gar nicht zimper 696 Vgl. u. a. Jacobi (1958), Schwab-Felisch (1958), Bayr (1965), Blume (1966), Kraus (1968). 697 S. o. 3.3.3.1 (Beitrag) Anm. 621. 698 Schwab-Felisch, (1958), 9. Zu ähnlichen Eindrücken gelangt auch der Klassische Philologe Horst-Dieter Blume, der sich allerdings auf Schadewaldts Dramenübersetzungen insgesamt bezieht: „Den vorliegenden Übersetzungen wird man als höchstes Lob zuerkennen müssen, daß sie in ihrer Originaltreue vielfach als Interpretationshilfe geradezu die Rolle eines Kommentars übernehmen. Ein ‚dokumentarischer‘ Übersetzer muß natürlich überall Farbe bekennen, er kann sich nicht in sinngemäß zwar richtige, wörtlich aber nicht entsprechende poetische Umschreibungen flüchten. Sch. ist in Zweifelsfällen fast immer um einige Nuancen dem Griechischen näher als seine Vorgänger.“ Blume (1966), 241. 699 Vgl. u. a. Blume (1966), 243 f., Kraus (1968), 80 f. 700 S. o. 3.3.3.1 (Beitrag) Anm. 621. 701 Vgl. Karsch (1958) und Fehling (1958). 702 Karsch (1958).

  Deutsche Aristophanes-Übersetzungen im Vergleich lich“ und habe Sellner „eine kräftige, saftstrotzende Partitur in die Hand“ gegeben, „in der die ernsten Töne des tragischen Hintergrunds ebensowenig pathetisiert sind, wie der derb-erotische Spaß gemildert ist“. 703 Geradezu widersprüchlich hierzu erscheint allerdings Karschs Bewertung der schauspielerischen Leistung des Abends, an der ihm offensichtlich gerade die elegante Umgehung alles Obszönen imponiert: Eine Szene stehe hier für alle: die zwischen der listigen Myrrhine und ihrem Manne Kinesias. Myrrhine, die so zu tun hat, als wolle sie den Eid der Enthaltsamkeit von dem Manne brechen, bevor die Männer den Krieg beendet haben, hat mit Kinesias ein Spiel zu treiben, das hart an die Grenze des Obszönen gehen kann. Bei der gewiß etwas blassen Ingrid Resch und dem robusten Gerhard Winter wird aus der Szene, in der Myrrhine alle Utensilien für ein ausgiebiges eheliches Nachtlager herbeischleppt, zu einem grazilen, lustigen Spaß, und jeder Schritt ins Ungraziös-Obszöne wird abgefangen und in eine den Vorgang parodierende Bewegung umgebogen.

Hier setzt auch der schon erwähnte Leserbrief Jürgen Fehlings an, der Karschs lobende Äußerungen über die – Fehlings Ansicht nach – allzu biedere Aufführung 704 nicht nachvollziehen kann: Sellners Lysistrata ist ganz ohne Sex – und Karschs Beflissenheit, dem Publikum zu versichern, daß keine höhere Tochter von sechzehn Jahren von Kinesias und Myrrhine zu sehr aufgeklärt werde, wirkt einigermaßen blamabel. Denken Sie, lieber Karsch, sich einmal, das lese ein Sorbonne-Schüler. Warum machen Sie die Deutschen von heute zu einer Rasse ‚à la Moral‘ von Thoma. 705

Verhaltenere Kritik an Schadewaldts Wiedergabe der Aristophanischen Sprache äußert auch Horst-Dieter Blume, der in seiner Rezension des Bandes Griechisches Theater zu der Auffassung gelangt, dass Schadewaldt „zur Tragödie geistig und stilistisch ein engeres Verhältnis hat als zu Aristophanes“: bei letzterem gelingen ihm weitaus am besten die lyrischen und die pathetischen Partien in hohem Stil; der derbere Dialog wird stellenweise durch zu gehobene Ausdrucksweise, der eine fast klassische Patina anhaftet, zu zahm. Diese kultivierte Umgangssprache ist Menander angemessen, Aristophanes verträgt etwas mehr Jargon. 706

 703 Karsch (1958). 704 Fehling bezeichnet Sellners Arbeit unter anderem als „altmodische ‚Kapellmeisterregie‘ der Jahre 1910 bis 1915 bei Reinhardt“; Fehling (1958). 705 Fehling (1958). Die Anspielung bezieht sich auf die 1908 uraufgeführte Komödie Moral von Ludwig Thoma, in der die bürgerliche Doppelmoral der wilhelminischen Zeit an den Pranger gestellt wird. 706 Blume (1966), 245.

Porträts der ausgewählten Übersetzungen und Bearbeitungen der Lysistrate  

Die von Blume hierfür herangezogenen Belegstellen aus Schadewaldts Übersetzung der Vögel beziehen sich jedoch in keinem Fall auf obszöne Begrifflichkeiten oder Anspielungen. 707 Was schließlich die beiden umfangreicheren Abhandlungen von Horst Rüdiger (1966) und Thomas Alexander Szlezák (2005) betrifft, die sich – im Abstand von 40 Jahren und jeweils unter dem Titel „Wolfgang Schadewaldt als Übersetzer“ – einer Gesamtwürdigung von Schadewaldts übersetzerischem Schaffen widmen, 708 so lässt sich allerdings auch hier wieder feststellen, dass beide zwar ausführlich auf das von Schadewaldt entwickelte Konzept des dokumentarischen Übersetzens eingehen, dessen komödienspezifische Modifizierung aber ebenso außer Acht lassen wie die hiermit verbundene übersetzerische Behandlung der Aristophanischen obscena. ... Wolfgang Schöner (1989) Wolfgang Schöner (*1960) studierte Klassische Philologie in Salzburg, wo er auch heute als freischaffender Autor lebt. 709 Seit den 1990er Jahren verfasste er u. a. Schriften erzählender Prosa, Essays, Theaterstücke und lyrische Texte. 710 Darüber hinaus ist Schöner auch als Übersetzer tätig: Seine Gesamtübersetzung sämtlicher Werke des Aristophanes entstand in den Jahren 1986 bis 1989. 711 Es folgten Übertragungen sämtlicher Gedichte Michelangelos, der Fragmente Heraklits 712 sowie des Kommentars zum Johannes-Evangelium von Thomas von Aquin. 713 Die Publikation der von Schöner im Jahr 2016 an der Universität Salzburg abgeschlossenen Dissertation über Vergil mit dem Titel Aeneas – Mensch und Modell. Ein Leben zwischen

 707 Vgl. Blume (1966), Anm. 26. 708 Vgl. Rüdiger (1966) und Szlezák (2005). 709 Mein herzlicher Dank gilt hier Wolfgang Schöner persönlich, der mir im schriftlichen Austausch die gewünschten biographischen und bibliographischen Informationen zukommen ließ und mir auch auf Fragen zu seiner Aristophanes-Übersetzung bereitwillig Auskunft gab. 710 Schöners Erzählung Ein Leben wurde 1996 in amerikanischer Übersetzung in eine Anthologie zeitgenössischer Österreichischer Prosa aufgenommen. 2009 kam der Lyrikband Im Dunkel gehend heraus. In verschiedenen Sammelbänden erschienen ferner der Essay Weltmaschinensplitter (2012) und der Dialog Auf dem Weg vom Piräus her traf es sich ...“ (2013). 711 Schöner, Aristophanes. Die elf erhaltenen Komödien. Übersetzt von W. S. (1989). Die Übersetzung ist auch als Hörbuch im Online-Hörbuch-Katalog der Deutschen Zentralbücherei für Blinde zu Leipzig (DZB) verzeichnet: https://www.dzb.de/index.php?site_id=2.2.2.2 (zuletzt gesehen: 17.09.2019). 712 S. hierzu auch die Autorenseite Schöners in der ‚Grazer Autorinnen Autorenversammlung‘ (GAV) http://www.gav.at/pages/mitglieder.php?ID=825 (zuletzt gesehen: 17.09.2019). 713 Die Thomas-Übersetzung erschien in Weingartner/Ernst/Schöner (Hg.), Thomas von Aquins Kommentar zum Johannesevangelium, Teil 1 (2011); Teil 2 (2016).

  Deutsche Aristophanes-Übersetzungen im Vergleich Scheitern und Gelingen stand zum Zeitpunkt der Endredaktion dieser Arbeit noch aus. 714 Schöners Beitrag zur Aristophanes-Übersetzung Bei der Aristophanes-Übersetzung von Wolfgang Schöner handelt es sich nicht nur um die erste deutschsprachige Gesamtübersetzung des Komikers nach über 120 Jahren 715 sondern zugleich auch um die erste in Prosa abgefasste deutsche Übertragung des Aristophanischen Gesamtwerkes. 716 Umso erstaunlicher ist es, dass Schöners Übersetzung auch 30 Jahre nach ihrem Erscheinen noch nahezu unbekannt ist. Die Hauptursache hierfür dürfte sein, dass der im Selbstverlag publizierte Übersetzungsband 717 im freien Buchhandel kaum verfügbar und auch nur in wenigen deutschen Bibliotheken vertreten ist. 718 Als eines der Hauptmotive für sein ambitioniertes Projekt einer Neuübersetzung des gesamten Aristophanes nennt Schöner das „Mißvergnügen an den Übersetzungen, die ich kannte“, insbesondere an der 1968 von Hans-Joachim Newiger und Peter Rau herausgegebenen Neuauflage der Seeger-Übersetzung 719: Wir hatten als Studenten eine Komödie daraus aufgeführt, und es war mir klar, daß das Original bei weitem besser sein mußte. Aristophanes hat eine tiefe Verwandtschaft mit Karl Kraus, dessen Werk ich liebe und gut kenne. 720

Schöners Lysistrate-Übersetzung .... Schöners Übersetzungskonzeption Schöners Übersetzungskonzept muss weitgehend aus der Übersetzung erschlossen werden. Ihr hat er lediglich ein kurzes Vorwort vorangestellt, in dem er in groben Zügen seine wichtigsten Übersetzungsziele skizziert. 721 Sein erklärtes Hauptanliegen  714 Lt. Selbstauskunft Schöners ist eine Publikation der Arbeit im Vandenhoeck-Verlag vorgesehen (W. S. per E-Mail vom 07.11.2015). 715 Zwischen 1855 und 1864 war die Aristophanes-Gesamtübersetzung von Johannes Minckwitz und Ignaz Emanuel Wessely erschienen, zwischen 1861 und 1862 diejenige von Johann Jakob Christian Donner. 716 Zur jüngsten Aristophanes-Gesamtübersetzung von Peter Rau s. o. Einleitung Anm. 10. Hinzuweisen ist ferner auf die von Niklas Holzberg seit 2004 in loser Folge publizierten Übersetzungen der Ekklesiazusen, Lysistrate, Thesmophoriazusen, Vögel und Wolken; s. auch u. 3.3.3.3 (Beitrag). 717 Mehrere Verlage im deutschsprachigen Raum hatten das Manuskript seinerzeit abgelehnt (W. S. per E-Mail vom 07.11.2015). 718 Eine Titelsuche über den Karlsruher Virtuellen Katalog (KVK) erbrachte insgesamt nur neun Resultate in sämtlichen deutschen und österreichischen Bibliotheken (zuletzt geprüft: 12.03.2018). 719 Seeger (Ü)/Newiger/Rau (Hgg.), Antike Komödien. Aristophanes (1968/1976). 720 W. S. per E-Mail vom 07.11.2015. 721 Schöner, Ein paar Worte ... (1989), [7].

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ist es hier, mit der Übersetzung „dieselbe Wirkung, die vom Original ausgegangen sein muß“ auch im „heutigen Leser“ herzustellen. Auf welche Weise diese Wirkungsäquivalenz herzustellen sei, erläutert Schöner im Rahmen der persönlichen Korrespondenz folgendermaßen: Mein Prinzip beruht auf der Überzeugung, daß man den Gedanken, also gleichsam eine innere Regung des Autors, von der sein Sprachgefühl ebenso wie sein lyrisches Empfinden oder sein Witz in dem Augenblick erfaßt war, als er die jeweilige Wendung niederschrieb, durch eine aufmerksame, intensive Lektüre in vollem Ausmaß in sich selbst wachrufen kann – und genau dieses Erleben braucht man dann nur noch in Worte zu fassen, beziehungsweise sie entspringen ohnehin bereits daraus. 722

Gleichwohl strebt Schöner bei diesem Verfahren eines poetisch nachempfindenden Übersetzens – der Berliner Philologe Ulrich von Wilamowitz-Moellendorff hatte hierfür seinerzeit den Terminus ‚Metempsychose‘ eingeführt 723 – eine möglichst enge Anlehnung an die griechische Ausdrucksweise und den griechischen Wortlaut an. 724 Einzelne Abweichungen vom originalen Wortlaut seien, so Schöner in seiner Vorrede, nur dort zu finden, „wo der Gedanke oder der Witz durch die beabsichtigte Treue unkenntlich zu werden drohte“. 725 Zudem sei auf die Wiedergabe von stark zeitgebundenen Elementen wie etwa beiläufig genannten Personennamen oder Anspielungen auf „nicht allgemein bekannte Tatsachen des griechischen Lebens“ weitgehend verzichtet worden. 726 Was die formale Gestaltung betrifft, so vertritt Schöner, dem nach eigener Auskunft auch „Schadewaldts Plädoyer für Prosa-Übersetzungen“ im Nachwort zu dessen Odyssee-Übersetzung 727 bekannt war, 728 die Auffassung, eine Versübersetzung „verbiete[t] sich für eine Komödie“, da „die griechischen Jamben, vor allem die komischen [...] viel freier“ gewesen seien, „als es im Deutschen üblich ist“. Ebenso undenkbar erschiene es ihm, „Nestroy ins Versmaß [zu] bringen“. 729 Eine Ausnahme stellen in diesem Zusammenhang die Aristophanischen Chorpassagen dar, die Schöner – ähnlich wie Schadewaldt – in rhythmisierte Prosa überträgt. Seine dies 722 W. S. per E-Mail vom 07.11.2015. 723 S. auch o. 3.3.2.2.1 Anm. 462. 724 Vgl. Schöner, Ein paar Worte ... (1989), [7]. 725 Schöner, Ein paar Worte ... (1989), [7]. Ähnlich argumentiert Schadewaldt, der bezüglich des auf dem Umgangssprachlichen beruhenden Witzes der Aristophanischen Komödien das transponierende Verfahren bevorzugt, wenn dieser „als Witz auch in der Übersetzung wirken soll“ Vgl. Schadewaldt, Antikes Drama auf dem Theater heute (1970), 654; s. hierzu auch o. 3.3.3.1 (Exkurs 1). 726 Vgl. Schöner, Ein paar Worte ... (1989), [7]. Auch hierin liegt eine Parallele zu Schadewaldt; s. o. 3.3.3.1.1 (Exkurs 1). 727 Vgl. Schadewaldt, Zur Übersetzung [zu Homer, Odyssee] (1958); s. dazu auch o. 3.3.3.1.1 Anm. 642. 728 W. S. per E-Mail vom 07.11.2015. 729 W. S. per E-Mail vom 07.11.2015.

  Deutsche Aristophanes-Übersetzungen im Vergleich bezüglichen Darlegungen am Ende der Vorrede fallen jedoch recht knapp und unpräzise aus: Die Chorpartien seien in „freien Versen“ wiedergegeben, ohne dabei „ein abgezirkeltes Schema“ zu wiederholen. 730 Der Leser, dem nach Auffassung Schöners die „Verantwortung für das metrische Gelingen“ obliegt, könne sich die richtige Betonung „entweder nach dem Wohlklang“ oder durch sinngemäßes Akzentuieren erschließen. 731 Dunkel bleibt in diesem Zusammenhang insbesondere Schöners Bemerkung, hierbei sei die „daktylische Version der iambischen meistens vorzuziehen und manchmal beiden eine dritte“. 732 Zur Obszönitätsproblematik nimmt Schöner in seiner Vorrede nicht explizit Stellung, teilt hierzu aber auf Nachfrage mit, dass er sich auch in diesem Bereich um Vollständigkeit bemüht habe, sich dabei aber durchaus auch von ästhetische Gesichtspunkten habe leiten lassen: Was die obszönen Worte anlangt, so habe ich nur eines versucht, nämlich nicht schäbig oder vulgär zu sein. Es ist keine einzige dieser Stellen des Originals unterdrückt worden, aber ich habe mich bemüht, durch Tonfall und Wortwahl einen gewissen fröhlichen Charme auszudrücken, keck und durchaus auch saftig – der ungezogene Liebling der Grazien, so nennt ihn Goethe ja, 733 und dieser Ausdruck fängt recht gut ein, was ich als stilistisches Leitbild für die Formulierungen vor Augen hatte. 734

Zudem lässt sich auch die folgende Äußerung in der Vorrede auf obszöne Passagen beziehen: Einige Wortspiele freilich, deren Ursprung erst im deutschen Ausdruck liegt oder in dessen unerwarteter Wechselwirkung mit dem Original, wurden nicht unterdrückt, wenngleich sie in diesem kein Pendant haben. 735

Gemeint sind hier offenbar eher zufällige Wortspieleffekte, die nicht im Ausgangstext angelegt sind, sondern erst in der – auf Wörtlichkeit bedachten – deutschen Übersetzung ihre komische Wirkung entfalten. Dies kann, wie die Übersetzungsanalyse zeigen wird, auch auf übersetzungsbedingte Doppeldeutigkeiten obszöner Art zutreffen.

 730 Vgl. Schöner, Ein paar Worte ... (1989), [7]. 731 Vgl. Schöner, Ein paar Worte ... (1989), [7]. 732 Vgl. Schöner, Ein paar Worte ... (1989), [7]. 733 Zu dem Goethezitat s. auch o. 2.3.5 u. ebd. Anm. 328. 734 W. S. per E-Mail vom 07.11.2015. 735 Schöner, Ein paar Worte ... (1989), [7].

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.... Übersetzungsanalyse Teil 1: Allgemeine Beobachtungen Textpräsentation Im Unterschied zu seinen Vorgängern versammelt Schöner seine Übersetzungen der elf Aristophanes-Komödien in einem einzigen Band. Dies ist ihm vor allem deshalb möglich, weil er mit Ausnahme der erwähnten Vorrede auf Begleittexte einführender oder kommentierender Art verzichtet. Nur in wenigen Fällen – in der Lysistrate insgesamt dreimal – werden einzelne im Stück thematisierte Sachverhalte durch kurze Fußnotenkommentare erläutert. 736 Ebenfalls im Unterschied zu den meisten bisher betrachteten Übersetzungen weist Schöners Aristophanes-Übertragung keine an modernen Bühnenkonventionen orientierte szenische Gliederung auf, wohl aber hinzugefügte Szenenbeschreibungen und Regieanweisungen, die die Vorstellung einer mit Vorhang und Kulissen ausgestatteten modernen Theaterbühne evozieren. 737 Letzteres lässt sich ebenso als Anhaltspunkt für eine intendierte Bühnenaufführung deuten wie die angehängte ‚Liste der griechischen Wörter und Namen‘, die mit Hilfe von Akzentzeichen die „griechische [...] Betonung“ der alphabetisch aufgeführten Namen und Begriffe anzeigt. 738 Formale Gestaltung / Metrik Schöners Prosa-Übersetzung gibt den Text der Dialog-Passagen in fortlaufendem Blocksatz wieder. Die Chorlieder sind durch Einrückungen und eine durch Leerzeilen abgesetzte strophenartige Gliederung gekennzeichnet. Die Vers- und Stropheneinteilung entspricht dabei nicht immer dem griechischen Original und erscheint vielfach eher willkürlich. Zudem erweist sich das Fehlen einer Verszählung als erheblicher Mangel, der einer Etablierung von Schöners Prosa-Übersetzung als verlässlicher Zitiergrundlage entgegenstehen dürfte.

 736 Vgl. Schöner (Ü), Aristophanes (1989), 297, 320 u. 324. 737 Vgl. beispielsweise die Bühnenbeschreibung zu Beginn des Stückes (S. 285): (Die Bühne ist leer von Gegenständen, den um ein paar Stufen erhöhten Hintergrund verdecken Vorhänge. Früher Morgen. Lysistrate allein, wartend.). In zahlreichen Szenenbeschreibungen ist ferner von ‚Vorhängen‘ und ‚Kulissen‘ die Rede, wie z. B. beim Auftritt der Kalonike (S. 285): (Diese kommt aus den Kulissen.), beim Jubel der Frauen nach der erfolgreichen Einnahme der Akropolis (S. 291): (Lärm hinter den Vorhängen.) oder nach der Beendigung der Frauenversammlung (S. 291): (Alle ab in die Vorhänge. Aus den Kulissen kommt der Chor der alten Männer.). 738 Vgl. Schöner (Ü), Aristophanes (1989), 496–500. Schöner selbst bestätigt brieflich, dass er während seiner Übersetzungsarbeit „immer die mögliche Aufführung gleichsam im Blick“ gehabt habe und es ihm deshalb wichtig gewesen sei, allen Sätzen die „Lebendigkeit“ zu geben, „die ein Theatertext haben muß.“ Zu seinem eigenen Bedauern sei es allerdings trotz entsprechender Bemühungen bislang nicht zu Theateraufführungen der Komödien in seiner Übersetzung gekommen; W. S. per E-Mail vom 07.11.2015.

  Deutsche Aristophanes-Übersetzungen im Vergleich Die Rhythmisierung weist, soweit sie sich unter Berücksichtigung von Schöners Vorrede erschließen lässt, vor allem iambische und daktylische, teilweise auch trochäische und anapästische Elemente auf. Es handelt sich um freie Rhythmen ohne erkennbare Rückbindung an das Originalmetrum: ΧΟΡΟΣ ΓΕΡΟΝΤΩΝ χώρει, Δράκης, ἡγοῦ βάδην, εἰ καὶ τὸν ὦμον ἀλγεῖς κορμοῦ τοσουτονὶ βάρος χλωρᾶς φέρον ἐλάας. ἦ πόλλ’ ἄελπτ’ ἔνεστιν ἐν τῷ μακρῷ βίῳ, φεῦ, ἐπεὶ τίς ἄν ποτ’ ἤλπισ’, ὦ Στρυμόδωρ’, ἀκοῦσαι γυναῖκας, ἃς ἐβόσκομεν κατ’ οἶκον ἐμφανὲς κακόν, κατὰ μὲν ἅγιον ἔχειν βρέτας κατά τ’ ἀκρόπολιν ἐμὴν λαβεῖν, κλῄθροισί τ’ αὖ καὶ μοχλοῖσιν 739 τὰ Προπύλαια πακτοῦν; (Lys. 254 ff.)

4 ia 4 ia 2 ia ith 2 ia ith 4 ia 2 ia~2 da ia 2 ia ~ 2 da ia ia tr ith 740

Männer: Vorwärts, Drakes, führ uns mit langsamem Schritt, auch wenn dich die Schulter schmerzt unter solch eines Baumstammes Last, den du trägst, von frischem Olivenholz! Viel Unverhofftes, wahrlich, fällt vor im langen Leben, pheu, denn wer hätte, oh Strymodoros, je erwartet, zu hören, daß die Frauen, die wir im Hause ernährt als sichtliches Übel, am heiligen Götterbild sich vergreifen und nehmen meine Akropolis und mit Balken und Riegeln / versperren die Propyläen? (S. 291 f.)

Wortlaut / Syntax Bereits die hier angeführte Chorpartie lässt erkennen, dass Schöner grundsätzlich um die Beibehaltung der originalen Wortfolge bemüht ist. Auch Dialogpassagen werden weitgehend wörtlich übersetzt: Λυ.

ὦ δαιμόνιαι, παύσασθε τῶν τερατευμάτων. ποθεῖτ’ ἴσως τοὺς ἄνδρας· ὑμᾶς δ’ οὐ ποθεῖν οἴεσθ’ ἐκείνους; ἀργαλέας γ’, εὐ οἶδ’ ὅτι, ἄγουσι νύκτας. ἀλλ’ ἀνάσχεσθ’, ὦγαθαί,

 739 An dieser Stelle der Lesart und Versabgrenzung Hendersons (Ed./K) (1987) – nicht derjenigen Wilsons (Ed.) (2007) – folgend. 740 Metrische Darstellung nach Henderson (Ed./K) (1987), 100.

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καὶ προσταλαιπωρήσατ’ ἔτ’ ὀλίγον χρόνον· ὡς χρησμὸς ἡμῖν ἐστιν ἐπικρατεῖν, ἐὰν μὴ στασιάσωμεν. ἔστι δ’ ὁ χρησμὸς οὑτοσί. (763 f.) Lysistrate:

Oh ihr Unseligen, hört auf mit diesen Vorspiegelungen! Ihr sehnt euch nach den Männern, das ist es doch [für ἴσως; Anm. d. Verf.]. Aber meint ihr, daß die sich nicht nach uns 741 sehnen? Beschwerliche Nächte haben sie, das weiß ich! Doch haltet aus, ihr Guten, und ertragt es nur eine kurze Zeit noch; denn einen Götterspruch haben wir, daß wir siegen, wenn wir einig bleiben. Da ist er, der Spruch. (S. 310)

Exklamationen, Götteranrufe, zeitbedingte Begrifflichkeiten und Inhalte Bei der Wiedergabe der griechischen Exklamationen und Götteranrufe schließt sich Schöner sogar weitaus enger an den griechischen Originaltext an als Schadewaldt (s. o. 3.3.3.1 [Exklamationen]). So übernimmt er, von zwei Ausnahmen abgesehen, 742 bei den Ausrufen stets den originalen Wortklang: ‚babaiax!‘ für βαβαιάξ (312); ‚Alalai ie paieon‘ für ἀλαλαί, ἰὴ παιών (1291);‚Euoi euai!‘ für εὐοῖ εὐοῖ, εὐαὶ εὐαί (1294) usw. Die Götteranrufe erscheinen vollzählig und ohne Abänderung der Namen 743: νὴ (τὸν) Δία (12, 34, 67, 87, 88, 95, 194, 237) μὰ Δί’ (55, 74, 130) μὰ τὴν Ἀφροδίτην (208, 252)

bei Zeus bei Zeus bei Aphrodite

Die von den Spartanern gebrauchte dialektale Wendung ναὶ τὼ σιώ übersetzt Schöner konsequent mit ‚bei den Dioskuren!‘ (81, 86, 90, 142), während sich der von den Athenerinnen verwendete hochsprachlich-attische Ausruf νὴ τὼ θεώ stets an die ‚beiden Göttinnen‘ Demeter und Kore richtet: ‚Bei den zwei Göttinnen!‘ (51, 112, 148). Die Übernahme des originalen Wortlauts stößt allerdings da an Grenzen, wo Schöner, da er ja auf einen ausführlichen Anmerkungsteil verzichtet, zahlreiche erklärungsbedürftige Namen, Ortsangaben und sonstige Spezialbegriffe (z. B. aus Politik und Kultur) ersatzlos streicht. In der Lysistrate betrifft dies unter anderem folgende Personennamen (im Folgenden durch Unterstreichung markiert): τάς γ’ Ἀμαζόνας σκόπει, ἃς Μίκων ἔγραψ’ [‚die Mikon malte‘] ἐφ’ ἵππων μαχομένας τοῖς ἀνδράσιν. (678 f.) [...] Schau / dir die Amazonen an, die gemalt sind, / wie sie auf Pferden / kämpfen gegen die Männer! (S. 307)

 741 Hier der Lesart ἡμᾶς (u. a. Henderson) folgend. 742 Ausgelassen wurde ἰοὺ ἰού (66); verändert παπαῖ (215) zu ‚Oh weh‘. 743 Exemplarisch untersucht bis Vers 253.

  Deutsche Aristophanes-Übersetzungen im Vergleich καὶ πάνυ δέδοικα μὴ τῶν Λακώνων τινὲς δεῦρο συνεληλυθότες ἄνδρες εἰς Κλεισθένους [‚in das Haus des Kleisthenes‘] (621) Und ich fürchte gewaltig, daß / hierher zusammengekommen sind / ein paar der Lakonier. 744 (S. 305)

Gestrichen wurden unter anderem 745 auch zwei Verse der Diskussion zwischen Myrrhine und Kinesias über den geeigneten Ort für ein Schäferstündchen: Μυ. Κι. Μυ. Κι. Μυ.

ποῦ γὰρ ἄν τις καί, τάλαν, δράσειε τοῦθ’; ὅπου; τὸ τοῦ Πανὸς καλόν. καὶ πῶς ἔτ’ ἂν ἁγνὴ δῆτ’ ἀνέλθοιμ’ εἰς πόλιν; κάλλιστα δήπου, λουσαμένη τῇ Κλεψύδρᾳ. 746 ἔπειτ’ ὀμόσασα δῆτ’ ἐπιορκήσω, τάλαν; (910 ff.)

Myrrine [sic]: Kinesias: Myrrine:

Wo soll man’s denn aber auch machen, du Schlimmer? Wo? Die Höhle des Pan wär hübsch dafür. Und ich soll wirklich meinen Eid brechen, oh du? (S. 314)

In gleicher Weise verfährt Schöner mit Aristophanes’ Anspielungen auf den Inhalt zeitgenössischer Tragödien: Λυ.

[...] οὐκ ἐτὸς ἀπ’ ἡμῶν εἰσιν αἱ τραγῳδίαι. οὐδὲν γάρ ἐσμεν πλὴν Ποσειδῶν καὶ σκάφη. (Lys. 138 f.) 747

Lysistrate:

[...] nicht falsch ist, was in den Tragödien gesagt wird über uns! (S. 288)

In anderen Fällen wählt Schöner das Mittel der kommentierenden Übersetzung. So werden die in der Lysistrate vorkommenden Beinamen von Göttern und Heroen in der Regel durch den jeweiligen Hauptnamen ersetzt oder ergänzt, so z. B.:

 744 Ausgelassen wurden ferner die folgenden Personennamen: πρώτην δὲ τῆς Λύκωνος (270), ὥσπερ Βουπάλου (361), φυλάττων Εὐκράτη (103), ὥσπερ Ἀρτεμισία (675), εἰς Ὀρσιλόχου (725), καὶ Μυρωνίδης (801), ὣς δὲ καὶ Φορμίων (804), εἰ μέν γέ τις / ᾄδοι Τελαμῶνος, Κλειταγόρας ᾄδειν δέον (1237). 745 Auch die folgenden Ortsbezeichnungen fehlen: ἀλλ’ οὐδὲ Παράλων οὐδεμία γυνὴ πάρα, / οὐδ’ ἐκ Σαλαμῖνος (58 f.) sowie Ἀναγυρουντόθεν (67). 746 My. Und wie käme ich dann noch unbefleckt zurück auf die Burg? Ki. Am besten doch wohl, nachdem du dich gewaschen hast in der Klepsydra. (K. L.) Die Quelle Klepsydra befand sich in unmittelbarer Nähe der Pansgrotte, die Kinesias seiner Frau für das Stelldichein vorschlägt. 747 Zur Stelle s. o. 3.3.1.1.2 (Exklamationen) u. ebd. Anm. 90.

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Κωλιάς, Γενετυλλίς (2)

Aphrodite (S. 285)

παρὰ τὸ τῆς Χλόης (835)

Beim Tempel der Demeter (S. 312)

νὴ τὴν Ταυροπόλον (447)

bei der tauropolischen Artemis (S. 299)

τὰν σιὰν [...] Χαλκίοικον (1320)

die Göttin im erzenen Haus, Athena [...] (S. 326)

δίδυμον ἁγέχορον Ἰήιον / εὔφρον’ (1281 f.)

den Bruder, / den Lenker der Chöre, der / die Wunden heilt, Apollon, / den wohlgesinnten (S. 325)

Ersatzwendungen, die auf vielfältige Weise gewonnen werden (Synekdoche, Umschreibung, Verallgemeinerung), kommen bei Orts- und Herkunftsangaben zum Einsatz: ξένους τινὰς Καρυστίους (1059) 748

ein paar Fremde aus Euboia (S. 319)

ὅ τι βουλόμεναί ποτε τὴν Κραναὰν κατέλαβον (480 f.) 749

was wollend diese den Felsen genommen haben (S. 300)

Κιμβερίκ’ ὀρθοστάδια (45)

lange lose Kleider (S. 286)

ἀλλ’ ἄγετε, λευκόποδες, οἵπερ ἐπὶ Λειψύδριον ἦλθομεν ὅτ’ ἦμεν ἔτι (664 f.) 750

Doch barfuß / rückt vor wie früher, als / wir noch jemand waren (S. 306 f.)

Auch bei der Aufzählung der kultischen Mädchenämter durch den Frauenchor behilft sich Schöner mit verallgemeinernden Umschreibungen: ἠρρηφόρουν (641)

(Sieben Jahre genau war ich alt,) als ich schritt im Festzug der Göttin, [...] (S. 306)

κἀκανηφόρουν (646)

(als schönes Mädchen) trug ich manchmal den Opferkorb (S. 306)

Vereinzelt werden zeitgebundene Aspekte wie z. B. antike Maßangaben, überholte medizinische Behandlungsmethoden oder in Vergessenheit geratene Fabelhandlungen, durch eine aktualisierende Übersetzung verdeutlicht: ὡς τριτάλαντον βάρος (338) 751 einen dreiviertel Zentner (S. 294) κύαθον (‚Schröpfkopf‘) αἰτήσεις τάχα (444) dann wirst du schnell einen kalten Umschlag brauchen (S. 299)

 748 Karystier: Einwohner der Stadt Karystos auf Euboia. 749 Κραναά [‚die Felsige‘] als altertümliche Bezeichnung für die Stadt Athen. 750 Die alten Männer gedenken hier der glorreichen Zeit, als sich die Gegner der Peisistratiden nach dem Sturz des Hippias in Leipsydrion im Norden Attikas sammelten. 751 Wörtlich: ‚Drei Talente schwer‘ (ca. 79 kg).

  Deutsche Aristophanes-Übersetzungen im Vergleich αἰετὸν τίκτοντα κάνθαρός σε μαιεύσομαι (695) 752 dann werde / dem Adler ich, das Glühwürmchen, / heimleuchten (S. 308)

Auf idiomatischer Ebene schließlich greift Schöner mehrfach zu modernisierenden umgangssprachlichen Wendungen, um den Aussageduktus einer bestimmten Passage stärker hervorzuheben: τοιαῦτ’ ἀπήντηκ’ εἰς τοιαυτὶ πράγματα (420) So etwas paßt dann haargenau zu solchen Dingen [...] (S. 298) παύσω τιν’ ὑμῶν τῆσδ’ ἐγὼ τῆς ἐξόδου (446) Diesen Aufmarsch würg ich euch ab! (S. 299) ἀλλ’ ὦ μέλ’, οὐ χρὴ προσφέρειν τοῖς πλησίοισιν εἰκῇ (‚unüberlegt’) τὴν χεῖρ’· (471) Aber, du Tor, man muß / nicht so mir nichts dir nichts Hand an die legen, mit denen man lebt. (S. 299) κἂν ὑμῖν γ’ εἴ τις ἐνῆν νοῦς [...] (572 b) 753 Wenn aber ihr auch nur ein Fädchen Vernunft hättet [...] (S. 303)

Schöners Umgang mit erklärungsbedürftigen Inhalten erweist sich allerdings nicht in allen Fällen als konsequent. Obgleich er, wie gezeigt, zahlreiche problematische Stellen streicht oder vereinfachend übersetzt, enthält seine Übersetzung auch einige Namen 754 und Begriffe, die dem heutigen Leser nicht mehr verständlich sind: ἐν τῇ τετραπόλει (285)

in Tetrapolis (= Marathon) (S. 292)

ποῦ τοξότης; (445)

Wo ist der Toxot? (S. 299)

ἵνα γὰρ Πείσανδρος ἔχοι κλέπτειν [...] (490)

Damit nämlich Peisandros etwas zu stehlen bekommt [...] (S. 300)

Λα. [...] ὅκα τοὶ μέν ἐπ’ Ἀρταμιτίῳ πρὠκρόϝον σιεικέλοι ποττὰ κᾶλα τὼς Μήδως τ’ ἐνικῶν [sic]· (1250 ff.) 755

Chor der Lakonier: [...] als bei Artemision göttergleich wir zustießen auf die Schiffe und die Meder besiegten, [...] (S. 325)

 752 Wörtlich: ‚Ich werde dir wie der Mistkäfer dem Adler beim Gebären helfen‘. Die auf Aesop zurückgehende Fabel vom Adler und dem Mistkäfer (cf. Perry [Ed.], Aesopica Nr. 3) wird von Aristophanes auch in den Wespen (1448) und im Frieden (129) angeführt. Der Mistkäfer zerbricht aus Rache für den Verlust seiner Jungen die Eier des Adlers. Er lässt seine Exkremente in den Schoß des Zeus fallen, wo auch die Eier des Adlers liegen. Als Zeus aufspringt, um den Kot abzuschütteln, fallen die Eier zu Boden. Vgl. Henderson (Ed./K) (1987), 161 Anm. zu Vv. 694–5. 753 Lysistrate richtet diese Worte an die Männer, wenn sie die Staatsführung mit dem Entheddern eines „verwirrten Fadens“ vergleicht. 754 Unkommentiert übernommen werden etwa die folgenden Götternamen: Τριτογένει’ (347) ‚Tritogeneia‘; Μναμόνα (1248) ‚oh Mnamo[s]yna‘; Κύπρις (1290) ‚die Göttin Kypris‘; ἁ Λήδας παῖς (1314) ‚die Tochter der Leda‘. 755 In der Seeschlacht am Kap Artemision siegten die Athener im Jahr 480 über die Perser.

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Dialekt Auf eine mundartliche Wiedergabe der spartanischen Dialektpassagen verzichtet Schöner. Dies ermöglicht ihm zwar ein wortgenaueres Übersetzen, doch büßen die Partien der Lampito und des spartanischen Boten – im Vergleich etwa zu den Übersetzungen Seegers oder Schadewaldts – einiges an Wortwitz und Klangkomik ein: Λα.

καὶ πὼς μὲν ἁμῶν ἄνδρας ἁμὲς πείσομες παντᾷ δικαίως ἄδολον εἰράναν ἄγην· τὸν τῶν Ἀσαναίων γα μὰν ῥυάχετον πᾷ κά τις ἀμπείσειεν αὖ μὴ πλαδδιῆν; (168 ff.)

Lampito:

Und unsere Männer zwar werden wir auf alle Fälle so weit bringen, daß sie einen truglosen Frieden betreiben. Wie aber soll diesen athenischen Haufen jemand überreden, daß er nicht wieder Dummheiten macht? 756 (S. 289)

Κη.

κάρυξ ἐγών, ὦ κυρσάνιε, ναὶ τὼ σιὼ ἔμολον ἀπὸ Σπάρτας περὶ τᾶν διαλλαγᾶν. (983 ff.)

Bote:

Als Bote komm ich, oh Jüngling, von Sparta wegen des Friedensschlusses, bei den Dioskuren. 757 (S. 316)

.... Übersetzungsanalyse Teil 2: Behandlung der obscena Schöners Lysistrate-Übersetzung stellt auch im Hinblick auf die Obszönitäten ein Novum dar, da sie auch in diesem Bereich eine möglichst wörtliche Wiedergabe anstrebt, die jedoch nicht „schäbig oder vulgär“ klingen solle (s. o. 3.3.3.2.1 u. ebd. Anm. 734). Hatte noch Schadewaldt – wie die meisten seiner Vorgänger – die Wörter πέος, ψωλή und σάθη mit die Obszönität abmildernden Ersatzbegriffen wie ‚Ding‘ oder ‚Mann‘ übersetzt, so gibt Schöner sie hier erstmals konsequent mit ‚Glied‘ (124, 134, 1119) bzw. ‚Phallos‘ (143, 415, 928, 978, 1012) wieder. Auch wenn es sich bei den gewählten deutschen Wörtern nicht um ‚primäre Obszönitäten‘ nach der Definition Hendersons handelt, sondern vielmehr um ‚neutrale‘, hochsprachlich etablierte Bezeichnungen, wie sie auch in der Alltags- und Wissenschaftssprache 758 Verwendung finden, so benennen sie hier doch erstmals in unverhüllter Weise das männliche Genital. Dass Schöner beim Übersetzen obszöner Ausdrücke Wörtlichkeit mit sprachlicher Zurückhaltung zu verbinden sucht, zeigt sich auch in der Wiedergabe der Verben βινεῖν und κινεῖν bzw. στύειν und ἀποψωλεῖν:

 756 Vgl. Seeger: ‚Mir wei de üsi Manne scho rangschiere, / Daß sie der Friede halte, wie sich’s ghört. / Doch hie z’ Athen, wer wird das Hudelvoch / Bha könne, daß sie nit de Löle mache?‘ 757 Vgl. Seeger: ‚E Herold bin i, Herr, bim Donner, ja, / Vo Sparta chumen i vo wegem Friede.‘ 758 Man denke hier vor allem an ‚Phallos‘ als geläufigen Terminus in den Bereichen der Kunst- und Kulturgeschichte sowie der Psychoanalyse.

  Deutsche Aristophanes-Übersetzungen im Vergleich βινεῖν βούλομαι (934) τίνα βινήσω (954) μὴ βινῶν τοὺς ὄρθρους (966)

schlafen will ich mit dir, schlafen! (S. 315) Mit wem schlafe ich jetzt [...]? (S. 316) und Morgen für Morgen / mit niemand zu schlafen? (S. 316)

Λυ.

ὅστις πρὸς ἐμὲ πρόσεισιν ἐστυκώς (214)

Lysistrate:

der sich mir nahen wird mit prallem Glied (S. 290)

Κη.

ὀρσὰ Λακεδαίμων πᾶἁ καὶ τοὶ συμμάχοι ἅπαντες ἐστύκαντι· (995 f.)

Bote:

Der Lakedaimonier Phalloi stehen senkrecht in die Höhe und die der Verbündeten sind prall zum Bersten. (S. 317)

Αθ.

ἐγὼ δε’ ἀπόλλυμαί γ’ ἀπεψωλημένος (1136)

Athener:

Ich aber geh zugrund an einem unbehandelten Phallos! (S. 322)

Um dezente Wörtlichkeit ist Schöner auch bei den skatologisch-fäkalen Scherzen bemüht: Λα.

γυμνάδδομαί γα καὶ ποτὶ πυγὰν ἅλλομαι. (82) 759

Lampito:

Denn ich turne und mit den Fersen spring ich bis zu den Hinterbacken hinauf. (S. 287)

Λα.

ἀλλ’ ὁ πρωκτὸς ἄφατον ὡς καλός (1148) 760

Spartaner:

Aber wie schön dieses Hinterteil ist, das kann man gar nicht sagen. (S. 322)

Χογε.

[...] ὥστε θαἰματίδια / σείειν πάρεστιν ὥσπερ ἐνεουρηκότας (401 f.)

Männer:

[...] sodaß / die Gewänder wir schütteln müssen, / als hätten wir sie genäßt. (S. 299)

In einigen Fällen, aber weitaus seltener als seine Vorgänger, gibt Schöner die wörtliche Übersetzung zugunsten von verharmlosenden Umschreibungen auf. Dies geschieht entweder durch das Heranziehen metaphorischer Ausdrücke, wie sie Schöner zur Bezeichnung der weiblichen Genitalien verwendet: κύσθος (1158) ἀπὸ τῶν ὑσσάκων (1001) τῶ μύρτω (1004)

diese Lippen, die zwei oberen und die zwei unteren! (S. 322) aus dem Delta (S. 317) Myrtenbeeren (S. 317)

Teilweise werden auch primär obszöne Wörter durch eigene zweideutige Wortspiele ersetzt, die den obszönen Charakter des Originals in gewisser Weise noch durchscheinen lassen:

 759 Zu πυγή s. auch o. 3.3.1.1.3 Anm. 94. 760 Zu πρωκτός s. auch o. 3.3.1.2.3 u. ebd. Anm. 162.

Porträts der ausgewählten Übersetzungen und Bearbeitungen der Lysistrate  

Ἔστυκα γάρ. (869) Denn mir steht’s nach anderem. (S. 313) αἰκ ἐϝίδον ἁμὲ τὤνδρες ἀμπεφλασμένως 761 (1099) und jetzt hätten uns die Männer gesehen dabei, wie wir uns selbst befrieden (S. 321) σὺ δ’ εἶ τί; πότερ’ ἄνθρωπος ἢ Κονίσαλος; (982) 762 Bist du ein Mensch oder etwas Höherstehendes? (S. 316) ὅστις γ’ ἐνόρχης ἔστ’ ἀνήρ (661) wer / ein Mann ist und die Hoden / am rechten Fleck hat (S. 306)

Und bisweilen finden sich auch umschreibende Wendungen, in denen das obszöne Potenzial des Originals kaum noch erkennbar ist: βινητιῶμεν (715) κᾶτα τίνα κινήσομεν; (1166) ἀλλ’ ὅστις ἔτι στῦσαι δυνατὸς (598) ἀλλ’ ἔστυκας, ὦ μιαρώτατε (989)

Wir wollen zum Mann (S. 309) Und wem sollen wir dann in den Rücken kommen? (S. 322) Aber jeder Mann, der noch etwas zustande bringt ... (S. 304) Aber du bist ja weibertoll, du Schlingel! (S. 316)

Γραῦς αʹ

εἰ τἄρα νὴ τὴν Πάνδροσον ταύτῃ μόνον τὴν χεῖρ’ ἐπιβαλεῖς, ἐπιχεσεῖ πατούμενος. 763 (439 f.)

Frau:

Wenn, bei der Allbetauenden, du sie auch nur anrührst mit der Hand, dann trample ich auf dir herum, bis du dein eigener Nachttopf wirst! (S. 298 f.)

Das anzügliche Wortspiel mit dem Demotikon im Namen des Kinesias, der sich Lysistrate bei seiner Ankunft auf der Burg als Παιονίδης Κινησίας (852) 764 vorstellt, wird in Schöners Übersetzung sogar gänzlich unterdrückt. Der Athener präsentiert sich hier lapidar als ‚Ihr [sc. Myrrhines] Mann Kinesias‘ (S. 312).

 761 Von ἀναφλάω – ‚onanieren‘. 762 Bei Konisalos, dem Titelhelden einer Komödie des Timokles, handelt es sich um eine priapähnliche Gestalt, die auch mit einem spartanischen Phallostanz in Verbindung gebracht wurde; vgl. Henderson (Ed./K) (1987), 185 f. 763 Der Probule hat angeordnet, Lysistrate fesseln und knebeln zu lassen. Die anderen Frauen versuchen, ihn mit drastischen Drohungen einzuschüchtern: Erste Frau:

Wenn du, bei Pandrosos, nur Hand an sie legst, wirst du getreten, bis du scheißen musst. (K. L.)

Vgl. dazu Henderson (1991), 190 no. 405: „Striking someone often produces defecation, and one who threatens bodily harm will often mention this reaction to strengthen his threat [...]“. 764 Zur Stelle s. auch o. 3.3.2.1.3 u. ebd. Anm. 388.

  Deutsche Aristophanes-Übersetzungen im Vergleich Schöners Praxis, den ursprünglichen Wortlaut zu Gunsten eigener Wortspiele abzuändern, ist nicht nur im Zusammenhang mit obszönen Einzelwörtern zu beobachten, sondern insbesondere auch dort, wo bereits der Originaltext obszöne Inhalte in Form von doppeldeutigen Formulierungen oder Metaphern bietet. Dabei dient das Verfahren keineswegs immer der Abschwächung obszöner Ausdrucksweise, sondern teilweise auch ihrer Verstärkung. So werden bisweilen selbst solche Wörter und Wendungen mit obszöner Bedeutung aufgeladen, die im Originaltext keinen entsprechenden Nebensinn besitzen. Zu Beginn der Lysistrate etwa beklagt sich die Protagonistin bei ihrer Nachbarin Kalonike über die Verspätung der von ihr zu einer Versammlung einbestellten Frauen. Auf Kalonikes Frage nach dem Gegenstand der anstehenden Beratung antwortet Lysistrate in zweideutiger Weise, es handle sich um ein πρᾶγμα μέγα καὶ παχύ 765 (vgl. vv. 23 f.). Der griechische Dialog setzt sich folgendermaßen fort: Κα. Λυ.

κᾆτα πῶς οὐχ ἥκομεν; οὐχ οὗτος ὁ τρόπος· ταχὺ γὰρ ἂν ξυνήλθομεν. (24 f.)

Eine wörtliche Übersetzung würde in etwa lauten: Kalonike: Lysistrate:

Und warum kommen wir da nicht? Es geht doch nicht um sowas. Schnell nämlich wären wir sonst zusammengekommen. (K. L.)

In Schöners Übersetzung hingegen erhält das Wort ‚kommen‘ – im Griechischen einmal durch ἥκειν und einmal durch das Kompositum ξυνέρχεσθαι repräsentiert – aufgrund der dreimaligen Verwendung des verbum simplex ein besonderes Gewicht: Kalonike: Lysistrate:

Und wieso kommen wir dann nicht? So ist es nicht gemeint. Wenn es ums Kommen ginge, dann kämen freilich alle schnell. (S. 285)

Anders als das deutsche Wort ‚kommen‘ besitzt das griechische ἥκειν keine obszöne Nebenbedeutung. Schöner macht sich gleichwohl den Nebensinn des deutschen Verbs (‚zum sexuellen Höhepunkt gelangen‘) zunutze, um den Scherz des Aristophanes, der allein auf der Zweideutigkeit von πρᾶγμα beruht, durch ein eigenes Wortspiel zu überbieten. Somit findet hier Anwendung, was in der Vorrede über Wortspiele gesagt wurde, „deren Ursprung erst im deutschen Ausdruck liegt“ (s. o. 3.3.3.2.1 u. ebd. Anm. 735). Ähnlich verfährt Schöner auch mit der Passage, in

 765 πρᾶγμα μέγα καὶ παχύ, im Deutschen etwa ‚ein großes und dickes Ding‘ mit dem Doppelsinn 1. ‚äußerst wichtige Angelegenheit‘, 2. ‚großer Penis‘. Im Gegensatz zu vielen seiner Vorgänger übersetzt Schöner selbst πρᾶγμα zunächst unzweideutig mit ‚Sache‘. Zur Stelle s. auch u. 3.4.1.

Porträts der ausgewählten Übersetzungen und Bearbeitungen der Lysistrate  

der Athener und Spartaner sich – angeregt durch die Präsenz der als nackte junge Frau auftretenden Friedensallegorie Diallage – um die Verteilung strategisch wichtiger Küstengebiete streiten. Unter dem Protest der Spartaner beanspruchen die Athener unter anderem den ‚Melischen Meerbusen‘ (τὸν Μηλιᾶ κόλπον) und die ‚Megarischen Schenkel‘ (τὰ Μεγαρικὰ σκέλη) für sich (vgl. 1169 f.). Lysistrate mahnt beide Seiten zur Besonnenheit: Λυ. ἔα αὐτά, μηδὲν διαφέρου περὶ σκελοῖν. (1172) [Lysistrate: Lass sie doch / Gib sie doch her, streite dich nicht um die Schenkel. (K. L.)]

Schöner überbietet hier das Aristophanische Spiel mit den zweideutigen Gebietsbezeichnungen durch das Hinzufügen eines nur im Deutschen möglichen Wortspiels: Lysistrate:

Laßt doch [sic]; versteif dich nicht aufs Becken! (S. 322)

Ein weiteres Beispiel findet sich in der Kinesias-Szene. Während Myrrhine die – von ihr nur angetäuschte – intime Zusammenkunft mit ihrem Mann immer weiter hinauszögert, indem sie fortwährend Matratzen, Kissen, Decken und Salbfläschchen herbeischafft, kann es der unter seiner Dauererektion leidende Kinesias kaum noch erwarten, endlich zur Sache zu kommen. Er bittet Myrrhine inständig, sich zu ihm zu legen: Κι. Μυ.

ἀλλ’, ᾦζυρά, κατάκεισο καὶ μή μοι φέρε / μηδὲν. ποιήσω ταῦτα νὴ τὴν Ἄρτεμιν. (948 ff.)

Schöner gibt das neutrale griechische Verb φέρειν (‚tragen, bringen‘) mit dem deutschen Wort ‚besorgen‘ wieder: Kinesias: Myrrhine:

Aber jetzt, du Quälgeist, leg dich nieder und besorg mir nichts mehr! Bei Artemis, das werd ich tun! (S. 315)

In der hier gegebenen Verbindung mit dem Personalpronomen ‚mir‘ (μοι) kann die deutsche Formulierung auch als Negation des derben Ausdrucks ‚es jemandem besorgen‘ (‚jemanden sexuell befriedigen‘) aufgefasst werden – eine Doppeldeutigkeit, die im griechischen Text nicht angelegt ist. Damit verdichtet sich in Schöners Übersetzung auch Myrrhines Antwort zu einer neuen Pointe, da in der Affirmation ‚das werd ich tun‘ zugleich Myrrhines Absage an Kinesias enthalten ist. Bisweilen verändert Schöner die Aristophanischen Pointen auch durch das Auswechseln einzelner Elemente: Zu Beginn der eben geschilderten Szene begibt sich der sexuellen Notstand leidende Kinesias auf die Akropolis, um seine Frau Myrrhine, die sich dort zusammen mit den übrigen Athenerinnen verschanzt hat, zur Heimkehr zu bewegen. Hier trifft er zunächst auf Lysistrate, die ihm im Laufe des sich anschließenden Dialogs berichtet, wie oft Myrrhine in seiner Abwesenheit von ihm spricht:

  Deutsche Aristophanes-Übersetzungen im Vergleich Λυ.

ἀεὶ γὰρ ἡ γυνή σ’ ἔχει διὰ στόμα. κἂν ᾠὸν ἢ μῆλον λάβῃ, „Κινησίᾳ τουτὶ γένοιτο,“ φησίν. (853 ff.)

Wörtlich etwa: Lysistrate:

Immer nämlich führt dich deine Frau im Munde. Und wenn sie ein Ei oder einen Apfel (zu sich) nimmt, sagt sie, „wenn doch dies hier dem Kinesias gehörte / zuteil würde“. (K. L.)

Bei Schöner wird aus dem im Original erwähnten ‚Ei‘ (ᾠὸν) kurzerhand eine (phallosförmige) ‚Gurke‘. Zudem erweckt die Übersetzung von λαβεῖν (‚nehmen‘) mit ‚beißen‘ den Eindruck, als solle das bei Aristophanes angedeutete Fellatio-Motiv hier zu einem Kastrations-Motiv abgewandelt werden: Lysistrate:

Deine Frau nämlich führt immer dich im Mund, und wenn sie in eine Gurke beißt oder einen Apfel, dann sagt sie jedesmal: „Dem Kinesias soll es auch so gehen.“ (S. 313)

Nicht überall jedoch erscheinen Schöners inhaltliche Abweichungen vom Originaltext nachvollziehbar. In einigen Fällen tragen seine Eingriffe eher zur Verdunkelung als zur Erhellung der betreffenden Passagen bei. Im Frauenschwur der Lysistrate etwa verwendet die Protagonistin das Bild einer ‚Löwin auf der Käsereibe‘ (231). Der Kontext deutet auf eine obszöne Stellung hin, die den Frauen nunmehr bis zur Wiederherstellung des Friedens untersagt sein soll: Λυ.

οὐ στήσομαι λέαιν’ ἐπὶ τυροκνήστιδος. (231 u. 232)

[Lysistrate: Nicht werde ich mich hinstellen wie eine Löwin auf der Käsereibe. (K. L.)]

Schöner weicht hier ohne Not vom Wortlaut des Ausgangstextes ab: Lysistrate:

Noch tanz ich wie eine Löwin auf der Salatschüssel. (S. 291)

Im Vergleich zu einer unkommentierten wörtlichen Übersetzung der Passage scheint das von Schöner eingeführte Bild einer auf einer Salatschüssel – bzw. auf deren Rand – dargestellten tanzenden Löwin weitaus weniger geeignet, beim Leser die Vorstellung einer sexuell animierenden Position hervorzurufen. Auch Kalonikes anzügliche Bemerkung über eine junge Frau, die ihr als ‚Korintherin von edler Abstammung‘ (χαἵα Κορινθία, 89 f.) vorgestellt wird, ersetzt Schöner durch eine verharmlosende eigene Formulierung. Während im Originaltext Kalonike das Adjektiv χαἵα scherzhaft aufgreift und auf die üppigen Körperformen der Korintherin überträgt, χαἵα νὴ τὸν Δία / δήλη ’στὶν οὖσα ταυταγὶ κἀντευθενί. (91f.) [Edel, bei Zeus, ist sie offensichtlich – von vorne wie von hinten. (K. L.)]

Porträts der ausgewählten Übersetzungen und Bearbeitungen der Lysistrate  

wandelt Schöner den Scherz zu einem eher banalen Wortspiel mit der Herkunftsbezeichnung des Mädchens ab: Und süß, bei Zeus, wie eine Korinthe. (S. 287)

Wenig ambitioniert erscheint schließlich auch seine Übersetzung des bei Aristophanes angeführten Komikerzitats, das Lysistrate ihren Geschlechtsgenossinnen mit auf den Weg gibt, als diese sich – aus Sorge, ihre Männer könnten sie wegen ihrer sexuellen Verweigerungshaltung verstoßen – nur sehr zögerlich auf ihren Plan einlassen: Μυ. Λυ.

τί δ’ ἢν ἀφίωσ’ ἅνδρες ἡμᾶς, ὦ μέλε; τὸ τοῦ Φερεκράτους, κύνα δέρειν δεδαρμένην. (157 f.) 766

[Myrrhine: Was aber, wenn unsere Männer uns verstoßen, Liebste? Lysistrate: (Dann gilt) der Spruch des Pherekrates: ‚schinde den geschundenen Hund‘. (K. L.)]

Der hinter dem Ausspruch verborgene Rat, sich gegebenenfalls mit einem Dildo aus gegerbtem Hundeleder zu behelfen, geht durch Schöners Abänderung des Wortlautes gänzlich verloren: Kalonike: Was aber, wenn die Männer uns verstoßen? Lysistrate: Dann gießen sie nur selbst Öl ins Feuer. (S. 288)

Ein weiteres Beispiel für das Unterschlagen obszöner Inhalte bietet Schöners Übersetzung am Ende der Kinesias-Szene, als der von seiner Frau im Stich gelassene Ehemann mit seiner schmerzhaften Erektion allein vor der Burg zurückbleibt: Κι.

οἴμοι τί πάθω; τίνα βινήσω, / τῆς καλλίστης πασῶν ψευσθείς; πῶς ταυτηνὶ παιδοτροφήσω; / ποῦ Κυναλώπηξ; μίσθωσόν μοί τινα τίτθην. (952 ff.)

Während Schöner die ersten beiden Verse (οἴμοι bis ψευσθείς) noch recht wortgenau übersetzt, Kinesias:

Oh weh, was tu ich? Mit wem schlaf ich jetzt, da ich betrogen bin um die Schönste von allen? (S. 316)

blendet er die in obszöner Weise auf ταυτηνὶ (im Sinne von ταύτην τὴν ψωλὴν) gemünzte Ammenmetaphorik (παιδοτροφεῖν, τίτθη) der folgenden Verse [Wie soll ich den (Schwanz) hier ernähren/bemuttern? Wo ist der ‚Fuchshund‘? Verschaffe mir für Geld eine Amme. (K. L.)]  766 Zur Stelle s. auch o. 3.3.1.1.3 und u. 3.4.4.

  Deutsche Aristophanes-Übersetzungen im Vergleich vollkommen aus. So gibt er das griechische Demonstrativpronomen ταυτηνὶ durch das deutsche Personalpronomen ‚sie‘ wieder, als bezöge es sich auf die zuvor erwähnte Myrrhine (τῆς καλλίστης πασῶν); das Verb παιδοτροφεῖν (‚ein Kind ernähren bzw. erziehen‘) wird stark verallgemeinernd übersetzt: Wie bring ich sie nur zur Vernunft. (S. 316)

Kinesias’ Ruf nach dem Zuhälter Κυναλώπηξ (‚Fuchshund‘), der ihm für den verlassenen Phallos eine ‚Amme‘ (τίτθην), also eine Prostituierte beschaffen soll, entfällt in Schöners Übersetzung ganz. Schöners Lysistrate-Übersetzung wirkt insgesamt sehr inhomogen. Die Inkonsequenz in der Behandlung von Namen und zeitgebundenen Begrifflichkeiten, die ohne klare Linie beibehalten, kommentierend übersetzt oder ganz gestrichen werden, wird auch in Schöners Umgang mit obszönen Wörtern und Inhalten sichtbar. Während er in einigen Fällen seine Vorgänger an Wortgenauigkeit und Direktheit übertrifft, greift er an anderen Stellen – ebenfalls ohne erkennbares Konzept – auf verharmlosende Umschreibungen und banalisierende Wendungen zurück, die den Aristophanischen Pointen kaum gerecht werden. Unter Berücksichtigung ihrer Entstehungszeit – 20 Jahre nach der ‚sexuellen Revolution‘ – erscheint die Übersetzung gerade im Hinblick auf die Obszönitäten erstaunlich unspektakulär. .... Rezensionen / Urteile / Stellungnahmen Wie bereits erwähnt, wurde Schöners Neuübersetzung der Aristophanischen Werke von Presse und Publikum bislang kaum zur Kenntnis genommen und ist selbst in Philologenkreisen nahezu unbekannt. 767 Lediglich eine Rezension hat sich finden lassen: In der Neuen Zürcher Zeitung würdigt der Schweizer Altphilologe Hermann Koller Schöners Arbeit im April 1990 als eine „neue, ganz der heutigen Aufführung  767 Auf der Innsbrucker Pontes-Tagung des Jahres 2007, die sich dem Thema Übersetzung als Vermittlerin antiker Literatur widmete, stellte der aus Österreich stammende Philologe Clemens Schuster Schöners Übersetzung einem vorwiegend aus Klassischen Philologen bestehenden Publikum vor und stieß damit auf großes Interesse. In dem aus der Tagung hervorgegangenen Tagungsband Pontes V (2009), hg. v. Kofler/Schaffenrath/Töchterle ist Schusters Vortrag allerdings nicht enthalten. Martin Holtermann erwähnt Schöners Übersetzung in einer Fußnote zu seiner Monographie über die deutsche Aristophanes-Rezeption des 19. Jahrhunderts aus dem Jahr 2004: „Erst 1989, also weit mehr als hundert Jahre später, wird Aristophanes wieder komplett (aber wenig geglückt) ins Deutsche übertragen (von Wolfgang Schöner, Wien [Deltos]), während unterdessen Aristophanes vielfach ins Französische, Englische und Italienische übersetzt wird.“ Vgl. Holtermann (2004), 293 Anm. 39. Darüber hinaus wird die Übersetzung in einigen jüngeren sozialwissenschaftlichen und juristischen Arbeiten als Zitiergrundlage (Saage [2001], 37 Anm. 76; Pirol [2009], 67) bzw. als Quellentext (Schmitz [2000], 67; Heyer [2009], 74; Barta [2010], 116 Anm. 457; 164 Anm. 673) angeführt. Weitere Rezeptionszeugnisse waren nicht aufzufinden.

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verpflichtete Übersetzung“, die die gegebenen Schwierigkeiten – Koller führt hier u. a. die Wortspiele sowie die zeitgebundenen Begrifflichkeiten und historischen Bezugnahmen des Originaltextes an – „durch eigene Wortspiele und Ersatzstücke“ umgehe. 768 Doch fällt sein Urteil im Hinblick auf die übersetzerische Qualität ambivalent aus: Ton und Stimmung der Chorlieder seien zwar „gut getroffen“, doch ließen die Dialogteile nach Einschätzung des Rezensenten „allzu oft eine saubere Übersetzung vermissen“. Auf die Obszönitätsproblematik wird in der nur kurzen Rezension nicht eingegangen. Erst in einem Aufsatz von Jürgen Werner aus dem Jahr 2000 findet sich eine – wenngleich sehr knappe – kritische Stellungnahme zu Schöners Umgang mit den Aristophanischen obscena. Am Ende einer allgemeinen historischen Betrachtung der diesbezüglichen übersetzerischen Fortschritte bzw. Entwicklungen wird Schöners Gesamtübersetzung als Beispiel für eine moderne, aber die Obszönitäten nur unzureichend reproduzierende Aristophanes-Übertragung angeführt: Ein Sonderfall [sc. in Bezug auf das Übersetzen des Aristophanes (Anm. d. Verf.)] ist die Behandlung der Sexualia und Fäkalia. Anfangs werden sie meist weggelassen (notfalls werden ganze Passagen gestrichen), später teils mit Gedankenstrichen wenigstens angedeutet, teils euphemistisch wiedergegeben. [...] 769 Heute ist man in dieser Beziehung ziemlich liberal, aber auch in neuesten Aristophanes-Übertragungen finden sich immer wieder gschamige Umschreibungen für Sexuelles und Fäkalisches usw., so bei Schöner: ‚Wasser lassen auf die Tragödie‘, es muß heißen: ‚die Tragödie anpissen / anpinkeln‘ (προσουρεῖν); Herakles sagt bei Schöner: ‚Bring mir das Tafeln bei‘ (δειπνεῖν), zu Herakles paßt nur: ‚Bring mir das Fressen bei‘; Schöner überträgt ἐμεῖν mit ‚sich erbrechen‘, richtig ist: ‚kotzen‘ – es ist, wie bei so manchem bereits Erörterten, die Frage der richtigen Stilebene, und im ‚normalen‘ Dialog der alten Komödie ist diese Ebene meist nicht hoch. ... 770

Bis zum Erscheinen der ersten – einem größeren Publikum zugänglichen 771 – deutschen Aristophanes-Übersetzung, die sich um eine äquivalente Nachbildung jener von Werner angesprochenen „Stilebene“ ernstlich bemühte, sollten noch 15 Jahre vergehen.

 768 Koller (1990), 55. 769 Als Beispiel für das hier beschriebene euphemistische Übersetzungsverfahren führt Werner die Aristophanes- und Lukian-Übersetzungen Christoph Martin Wielands an; vgl. auch o. 2.3.5.3 u. ebd. Anm. 401. 770 J. Werner (2000), 397 f.; vgl. auch J. Werner (2000), 394, wo Schöners Arbeit als „die neueste, als immense Arbeitsleistung anzuerkennende, aber von ihrer Qualität her nicht sonderlich zu empfehlende“ Gesamtübersetzung bezeichnet wird. 771 Zu den weniger prominenten, wenngleich bereits mit einer teilweise drastischeren Wiedergabe der obscena hervortretenden Lysistrate-Adaptationen von C. Bremer (B) und Knauth (B) aus den 1960er und 1970er Jahren s. auch u. 3.3.4.

  Deutsche Aristophanes-Übersetzungen im Vergleich ... Niklas Holzberg (2009) Niklas Holzberg, geb. 1946, war von 1983 bis zu seiner Emeritierung im Jahr 2011 Professor für Klassische Philologie an der Münchner Ludwig-MaximiliansUniversität. Seit 2012 ist er u. a. als Lehrbeauftragter an der Universität Bamberg tätig. 772 Zu Holzbergs Forschungsschwerpunkten zählen die Augusteische Dichtung sowie die antiken Literaturgattungen des Romans, der Fabel und des Epigramms. 773 Darüber hinaus bemühte sich Holzberg in zahlreichen Monographien und Übersetzungen um eine Rehabilitation gerade jener antiken Autoren, deren Werke aufgrund ihrer erotischen, bisweilen obszönen Thematik lange Zeit als anstößig galten. 774 Holzbergs Beitrag zur Aristophanes-Übersetzung Bereits 1983 übersetzte Holzberg in Zusammenarbeit mit Dieter Bremer die Aristophanes-Komödie Ekklesiazusen für eine Münchner Theateraufführung. 775 Diese zunächst nur als Bühnenmanuskript vorliegende Textfassung 776 wurde im Jahr 2004 unter dem Titel Frauen in der Volksversammlung in die auflagenstarke Reihe Reclams Universalbibliothek aufgenommen, in der einige Jahre später auch Holzbergs Übersetzungen der beiden anderen ‚Frauenkomödien‘, Lysistrate (2009) und Thesmophoriazusen (2011), erschienen sind. Ebenfalls 2011 erschienen die Frösche, 2013 folgten die Vögel, 2014 die Wolken. 777 Eine flankierende Einführung in die Ari 772 Zu Holzbergs Vita vgl. dessen Selbstauskunft auf der Homepage der LMU-München http:// www.niklasholzberg.com/Homepage/Lebenslauf.html (zuletzt gesehen: 17.09.2019). 773 Vgl. u. a. Holzberg, Die römische Liebeselegie. Eine Einführung (1990), Ovid. Dichter und Werk (1997), Vergil. Der Dichter und sein Werk (2006), Horaz. Dichter und Werk (2009), Der antike Roman. Eine Einführung (1986), Der Äsop-Roman. Eine strukturanalytische Interpretation (1992), Der griechische Briefroman. Gattungstypologie und Textanalyse (1994), Die antike Fabel. Eine Einführung (1993), Martial und das antike Epigramm (2002). 774 Vgl. u. a. Holzberg, Catull. Der Dichter und sein erotisches Werk (2002), Martial und das antike Epigramm (2002), Aristophanes. Sex und Spott und Politik (2010). In der Reihe uni auditorium erschien im Jahr 2008 ferner die Aufzeichnung einer Vorlesung mit dem Titel Die erotische Dichtung der Römer auf CD und DVD. Für die zweisprachige Tusculum-Reihe des Münchner Artemis-Verlages übersetzte Holzberg u. a. Ovid, Ars amatoria (1985) – in der 3. Auflage von 1991 um die Remedia amoris ergänzt –, Ovid, Amores (1999), Martial, Epigramme (2008) und Catull, Carmina (2009). Unter dem Titel Applaus für Venus. Die 100 schönsten Liebesgedichte der Antike brachte der Beck-Verlag im Jahr 2004 eine Auswahl griechischer und lateinischer Liebeslyrik in Holzbergs Übersetzung heraus. Zu den bei Reclam erschienenen Aristophanes-Übersetzungen s. weiter unten. Weitere Übersetzungen Holzbergs sind im Literaturverzeichnis aufgeführt. 775 Die Aufführung unter der Regie von Gerd Udo Feller fand im Innenhof der Münchner Glyptothek statt; vgl. D. Bremer (Ü) /Holzberg (Ü), Aristophanes. Frauen in der Volksversammlung (2004), 85. 776 Erschienen in dem von Feller begründeten Verlag ‚Theater der Veröffentlichung‘ und derzeit nur antiquarisch zu erwerben. 777 Zweisprachig liegen in der Reclamreihe Lysistrate und Vögel vor; Wolken und Ekklesiazusen sind auch als E-Book erhältlich [Stand August 2019].

Porträts der ausgewählten Übersetzungen und Bearbeitungen der Lysistrate  

stophanische Komödie brachte der Beck-Verlag im Jahr 2010 unter dem Titel Aristophanes. Sex und Spott und Politik heraus. Holzbergs Beitrag zur deutschen Aristophanes-Übersetzung liegt weniger in einer innovativen formalen Übersetzungskonzeption als vielmehr darin, dass er die Obszönität der Aristophanes-Komödien in einer vorher nicht gekannten Weise in der Übersetzung wiedergibt. Als eine der wesentlichen Voraussetzungen hierfür muss wohl die in den letzten Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts vollzogene Überwindung gesellschaftlicher Tabuschwellen angesehen werden. 778 So gehört das öffentliche Reden über Sexualität, z. B. in Talk- und Comedyshows oder in Ratgebersendungen, mittlerweile ebenso zum Alltag wie der Werbeslogan „Geiz ist geil“. Und selbst der Titel eines vielgespielten modernen Theaterstückes von Mark Ravenhill – Shoppen und Ficken – erregt zu Beginn des 21. Jahrhunderts kaum noch Anstoß. 779 Auch die Vermarktungsstrategie für Holzbergs eigene Publikationen ist ein deutlicher Indikator für einen weitreichenden Wandel gesellschaftlich-moralischer Normen: Das Element des Obszönen in der antiken Literatur, das bislang eher als ein zu retouchierender Makel behandelt wurde, wird nunmehr gezielt als Verkaufsanreiz eingesetzt, um ein modernes Publikum anzusprechen, das mit antiker Literatur für gewöhnlich kaum noch in Berührung kommt. 780 Bestes Beispiel hierfür  778 Diese Entwicklung wurde in den 1960er Jahren durch das Streben nach sexueller Befreiung im Rahmen der Studentenbewegung und die zeitgleiche Einführung der Antibabypille wesentlich befördert. Als weiterer wichtiger Faktor sind hier auch die großen öffentlichen Aufklärungskampagnen im Zusammenhang mit der Aids-Problematik seit den 1980er Jahren zu nennen. Zu Beginn des 21. Jahrhunderts schließlich ermöglicht das Internet jedem interessierten Nutzer den nahezu unzensierten Zugriff auf erotische und pornographische Inhalte. Für den englischen Sprachraum stellt D. H. Roberts (2008), 305 Ähnliches fest: „From the second half of the twentieth century on, with gradual changes in social attitudes towards the obscene (and what constitutes the obscene), with the near-disappearance of legal constraints, and with the increased openness of even elite media and elite literary genres to previously taboo subject matter and language, translators have been increasingly willing to accommodate or even welcome the presence of obscenity in ancient texts.“ (ebd. S. 305). 779 Die Uraufführung des Stückes, im Original Shopping and Fucking, fand im Oktober 1996 im Londoner Royal Court Theatre statt. Deutsche Erstaufführung 1998 in der ‚Baracke‘ des Berliner Deutschen Theaters in der Regie von Thomas Ostermeier; danach weitere Aufführungen u. a. in Dortmund, Köln, Magdeburg, Hamburg, Wien und Leipzig. 780 Vgl. den Klappentext zu Holzberg, Sex und Spott und Politik: „Holzbergs Übersetzungen sind frei von jener Prüderie, die ältere deutsche Übertragungen aus dem Griechischen beeinträchtigt haben, so daß nun wieder Sex und Spott und Politik in den Versen des Aristophanes ihre ursprüngliche Frische und Heiterkeit zurückgewinnen, mit denen er sein Publikum heute wie vor fast 2500 Jahren unterhält.“ In einem Werbetext zu Holzbergs Lysistrate-Übertragung auf der Homepage des Reclam-Verlages heißt es: „Den Frauen von Athen reicht’s. Sie haben genug vom Krieg, aber ein Friedensschluss lässt sich bei den kriegstollen Männern nur mit dem letzten Druckmittel erreichen: No more sex! Lysistrate ist die Rädelsführerin dieser Revolution, die Aristophanes in für die ‚Alte Komödie‘ typischer Derbheit inszeniert. [...] Die Übertragung gibt den oftmals pikanten Text unverblümt wieder [...].“ Vgl. http://www.reclam.de/detail/978-3-15-018664-0 (zuletzt ges.: 17.09.2019).

  Deutsche Aristophanes-Übersetzungen im Vergleich ist die plakative Titelwahl zu Holzbergs Monographie Aristophanes. Sex und Spott und Politik. Als weitere wichtige Voraussetzung für Holzbergs Streben nach einer möglichst adäquaten Wiedergabe der obszönen Sprache des Aristophanes müssen auch die entsprechenden Vorarbeiten aus dem angloamerikanischen Raum angesehen werden. Im Nachwort zu seiner Lysistrate-Übertragung beruft sich Holzberg explizit auf Jeffrey Hendersons einschlägige Untersuchung zur obszönen Terminologie in der Alten Komödie, The Maculate Muse von 1975, und auf Alan Sommersteins englische Prosa-Übersetzung der Lysistrate aus dem Jahr 1990, in der die zahlreichen Obszönitäten erstmals in wörtlicher Übersetzung geboten werden. 781 Da eine vergleichbare deutsche Aristophanes-Übertragung bislang nicht vorlag, leistet Holzberg auf diesem Gebiet gewissermaßen Pionierarbeit. Nicht zuletzt gründet die besondere Beachtung, die Holzberg dem obszönen Element in seinen Übersetzungen beimisst, auf seiner eigenen AristophanesKonzeption. 782 Im Kontext der modernen Aristophanes-Forschung lässt sich Holzberg eindeutig derjenigen Richtung zuordnen, die die Alte Komödie weniger als politisch-didaktisch ambitioniertes Genre, 783 denn als einen unpolitischen Ort heiter-parodistischer Ausgelassenheit begreift. 784 So deklariert er – in recht vereinseitigender Weise – in seiner Aristophanes-Monographie das Erzeugen von Gelächter als das Hauptanliegen des Komikers und spricht der Alten Komödie jegliche weiterreichende Wirkungsabsicht ab. 785 Die an traditionelle Motive der rituellen Verspottung anknüpfenden Plots, in denen für gewöhnlich der Protagonist einen zunächst aussichtslos erscheinenden ‚großen Plan‘ erfolgreich gegen seine Widersacher verteidigt, seien, so Holzberg, als „reine Fiktion“ 786 zu betrachten und keinesfalls als ernstzunehmende, politisch oder sozialkritisch motivierte Handlungsanweisungen. 787 Dem Element des Obszönen kommt im Rahmen dieser entpolitisierenden,

 781 Vgl. Holzberg, Nachwort [zu Aristophanes: Lysistrate] (2009), 99. 782 Dargelegt in der Monographie Aristophanes. Sex und Spott und Politik (2010). 783 Die politische Funktion der Alten Komödie betonen u. a. Konstan (1995) und MacDowell (1995). 784 Für eine unpolitische Lesart der Alten Komödie traten u. a. Gomme (1938), Heath (1987) und Rosen (1988) ein. 785 Vgl. u. a. Holzberg, Aristophanes. Sex und Spott und Politik (2010), 7 ff., 19 f. u. 58. 786 Holzberg, Aristophanes. Sex und Spott und Politik (2010), 220. 787 So heißt es bei Holzberg mit Bezug auf die Lysistrate: „Lysistrates Aktion ist [...] nichts weiter als die fiktionale Verwirklichung einer komischen Idee. Das Publikum im Dionysostheater sollte durch diese realitätsfernen Utopien gewiß primär zum Lachen gebracht werden. Doch natürlich war es jedem einzelnen Zuschauer unbenommen, aktuelle Bezüge herzustellen und daraufhin eine kritische Haltung gegenüber der durch Aristophanes jeweils evozierten politischen Situation einzunehmen. Was jedoch in die Lysistrate ganz sicher von niemandem hineingelesen wurde, ist der Aufruf zur Gynäkokratie und zur sofortigen Beendigung des Krieges. [...] Dennoch hat man die Lysistrate in jüngerer Zeit mehrfach als Manifest des Feminismus und Pazifismus inszeniert. Aber das steht selbstverständlich jedem Regisseur frei. Man sieht daran, wie lebendig Aristophanes Komö-

Porträts der ausgewählten Übersetzungen und Bearbeitungen der Lysistrate  

allein auf den Aspekt des Lachens fokussierten Aristophanes-Deutung eine wichtige Funktion zu: „Außer Trinken [...] gehören Essen, der Fäkalbereich und Sex [...] zu den wichtigsten Quellen der Komik im Drama des Aristophanes.“ 788 Wenig plausibel erscheint in diesem Zusammenhang jedoch Holzbergs Annahme, die obszönen Anspielungen könnten auf die Komödienzuschauer auch eine sexuell stimulierende Wirkung ausgeübt haben. 789 So bezeichnet er etwa die Kinesias-Szene in der Lysistrate als einen „Pornofilm avant la lettre“. 790 Bereits in früheren Arbeiten zur antiken, insbesondere zur römischen Dichtung hatte sich Holzberg mit dem Phänomen der obszönen Sprache auseinandergesetzt. In seinen Monographien und den Begleittexten zu seinen Übersetzungen erläutert er die historischen Bedingungen, unter denen Autoren wie Catull, Ovid oder Martial in Verruf geraten konnten, weist auf gängige Strategien der Verdrängung und Verharmlosung hin 791 und bemüht sich – unter Berufung auf aktuelle Forschungser dien trotz ihrer historischen Patina heute wirken können.“ (Holzberg, Aristophanes. Sex und Spott und Politik (2010), 151). Im Nachwort zu seiner Lysistrate-Übersetzung räumt er gleichwohl ein, dass Lysistrates Aufruf zur Besonnenheit und ihr an Athener und Spartaner gerichteter Friedensappel (vgl. Lys. 1112–1187) in der Krisensituation des Jahres 411 v. Chr. durchaus als ernst gemeinte Mahnung zu verstehen waren. Der kurze Moment der Ernsthaftigkeit sei jedoch durch die obszönen Bemerkungen der Gesandten angesichts des nackten Körpers der Diallage sofort relativiert worden: „Freilich erleichterten es diese eingestreuten Obszönitäten den zeitgenössischen Zuschauern, rasch von einer kurzen Besinnung auf die unerfreuliche politische Lage ihres Stadtstaates zu der heiteren Stimmung zurückzukehren, die eine Komödie nun einmal zu erzeugen bestimmt war“; Holzberg, Nachwort [zu Aristophanes: Lysistrate] (2009), 97. 788 Holzberg, Aristophanes. Sex und Spott und Politik (2010), 22. 789 Diese Annahme formuliert Holzberg bereits in seiner Catull-Monographie aus dem Jahr 2002. Mit Bezug auf die Aristophanes-Komödie Thesmophoriazusen, in der sich ein als Frau verkleideter Mann verbotenerweise Zutritt zu einem Frauenfest verschafft, schreibt Holzberg hier: „Das Stück ist nicht nur ungemein witzig, sondern überdies so reich an Anzüglichkeiten und Obszönitäten, die an die ‚Geschlechtsumwandlung‘ anknüpfen, daß man sich durchaus eine erotisierende Wirkung auf die zeitgenössischen Zuschauer vorstellen kann. [...] Vielleicht ist es in unserer Zeit nicht jedermann nachvollziehbar, daß man gleichzeitig herzhaft lachen und geschlechtlich erregt sein kann. Aber um so nachdrücklicher ist erneut darauf zu verweisen, daß jede Kultur ihre eigene Sexualität (und übrigens auch ihren eigenen Humor) hat.“ Holzberg, Catull. Der Dichter und sein erotisches Werk (2002), 38. 790 „Man kann es eigentlich kaum glauben: Auf einer Bühne des späten 5. Jahrhunderts v. Chr. wird gezeigt, wie ein Mann sich mit erigiertem Glied auf ein Bett legt, seine Frau bittet, mit ihm zu schlafen, diese alle Vorbereitungen dafür trifft, ihn stimuliert, sich küssen läßt und am Ende – ja, was tut? Nun, der Pornofilm avant la lettre beginnt so: [...]“; Holzberg, Aristophanes. Sex und Spott und Politik (2010), 148. Gegen diese Deutung ist zweierlei einzuwenden. Zum einen muss bedacht werden, dass in der ursprünglichen Bühnensituation die weibliche Rolle der Myrrhine von einem Mann verkörpert wurde – ein eher komischer Effekt, der sexuelle Erregung im Grunde ausschließt. Zum anderen wird der Vollzug eines möglichen pornographischen ‚Aktes‘ durch Myrrhines Hinhaltetaktik und ihr anschließendes Verschwinden ja gerade verhindert. 791 Die nachhaltige Ächtung der genannten Autoren führt Holzberg in erster Linie auf zwei Ursachen zurück. Zum einen habe das von Winckelmann im 18. Jahrhundert entworfene klassizistische

  Deutsche Aristophanes-Übersetzungen im Vergleich gebnisse – um eine moderne Deutung des obszönen Elementes in der antiken Dichtung. Immer wieder wendet er sich in diesem Zusammenhang gegen das Verharmlosungsverfahren einer moralisierenden Interpretation, bei der unterstellt wird, die betreffenden Dichter hätten obszöne Sprache lediglich als Mittel zum Zweck verwendet, um das unsittliche Verhalten ihrer Zeitgenossen auf besonders eindrückliche Weise zu brandmarken. Holzberg hält es dagegen geradezu für absurd, von der obszönen Ausdrucksweise eines Dichters wie Martial auf dessen moralisierende Absichten schließen zu wollen. Vielmehr vernehme man in dessen Gedichten „die Stimme eines poeta, der Freude daran hat, obszön über sexuelle Handlungen zu reden, und der erwarten kann, daß sein Publikum sich dadurch animiert fühlt“. 792 Gleiches gelte auch für andere antike Autoren wie Catull und Aristophanes, denen man in der Vergangenheit ebenfalls moralisierende Absichten unterstellt habe. 793 Nicht aus pädagogisch-moralischen Gründen, sondern, wie Holzberg betont, allein um ihr Publikum zu erheitern und möglicherweise auch erotisch zu stimulieren, hätten diese Dichter sich in spielerischer Weise mit den sexuellen Normen ihrer Zeit auseinandergesetzt. 794 Holzbergs freimütige Aristopha Ideal von der „edlen Einfalt und stillen Größe“ der antiken Kultur eine so nachhaltige Wirkung entfaltet, dass Abweichungen von diesem Ideal, wie etwa das Obszöne in der Dichtung, bis in die Gegenwart hinein nur schwer toleriert werden könnten; vgl. Holzberg, Vorwort [zu: Applaus für Venus] (2004), 13 f. Zum anderen habe man die Werke der antiken Autoren lange Zeit nicht vor dem Hintergrund der sozialen Normen ihrer Entstehungszeit betrachtetet, sondern vielmehr eigene Vorstellungen von Moral und Sexualität auf die Antike übertragen; vgl. Holzberg, Catull. Der Dichter und sein erotisches Werk (2002), 7 f. u. 28; Nachwort [zu Martial: Epigramme] (2008), 284. Beide Motive hätten zur Ausbildung bestimmter Strategien geführt, mit denen man versucht habe, die betreffenden Werke, die man aufgrund ihrer poetischen Qualität durchaus schätzte, übersetzerisch bzw. interpretatorisch so zu entschärfen, dass sie weder dem Idealbild von der reinen Antike noch den zeitgenössischen Moralvorstellungen allzusehr entgegenstanden; vgl. Holzberg, Catull. Der Dichter und sein erotisches Werk (2002), 7; Ovids erotische Lehrgedichte und die römische Liebeselegie (1981), 204. 792 Vgl. Holzberg, Martial und das antike Epigramm (2002), 112. Allerdings räumt Holzberg hier auch ein, diese Auffassung 15 Jahre zuvor in einer Abhandlung zu Martial [sc. Holzberg, Martial (1988)] noch selbst vertreten zu haben: „In meinem Büchlein, schloß ich mich den Forschern an, welche in dem Dichter einen Sittenkritiker sehen, und akzeptierte deshalb auch die These John Garthwaites (1978), derzufolge Martial sogar die Moral des Kaisers Domitian kritisiert. [...]. So kam es, daß mein libellus von 1988 einen Martial präsentiert, der weniger lacht und zum Lachen bringt als moralisiert und belehrt. Er entspricht damit ganz dem, was konservative Altphilologen von einem ‚Klassiker‘ des Altertums verlangen, um ihn auch wirklich als solchen betrachten zu können. Denn sie bemessen die literarische Bedeutung antiker Dichter und Prosaschriftsteller gerne danach, wie weit deren Werke ein geistiges und sittliches Anliegen erkennen lassen.“ Vgl. Holzberg, Martial und das antike Epigramm (2002), 9 f. 793 Vgl. Holzberg, Catull. Der Dichter und sein erotisches Werk (2002), 7 f. u. Holzberg, Aristophanes. Sex und Spott und Politik (2010), 17. 794 Holzberg weist in zahlreichen Abhandlungen auf die ‚phallokratische Gesellschaftsordnung‘ der Antike hin. Sie dient ihm als kulturgeschichtliches Erklärungsmodell für das Vorhandensein

Porträts der ausgewählten Übersetzungen und Bearbeitungen der Lysistrate  

nes-Übersetzungen können somit geradezu als Schlussstein einer philologischen ‚Mission‘ – dem Kampf gegen die klassizistisch-pietistische Verharmlosung antiker Texte – angesehen werden. Holzbergs Lysistrate-Übersetzung .... Holzbergs Übersetzungskonzeption Holzbergs übersetzungstheoretische Äußerungen beschränken sich im Wesentlichen auf knappe Erläuterungen des jeweils angewandten Übersetzungsverfahrens in den Begleittexten zu seinen Übersetzungen. Doch lässt sich aus ihnen durchaus Grundsätzliches in Bezug auf seine Übersetzungsauffassung ableiten. Dies gilt in erster Linie für Holzbergs positive Grundhaltung gegenüber modernen ProsaÜbersetzungen antiker Dichtung 795 und – damit einhergehend – seine Vorbehalte gegen Übertragungen, die in Voß’scher Weise eine exakte Nachbildung der antiken Versmaße anstreben. 796 Sie erscheinen ihm für das ausgehende 20. Jahrhundert nicht mehr zeitgemäß:

 obszöner Sprache in den Werken griechischer und römischer Autoren, ohne dass dabei genauer zwischen römischer Republik (Catull), früher Kaiserzeit (Martial) oder gar dem „klassischen“ Athen des ausgehenden 5. Jh. v. Chr. (Aristophanes) differenziert würde. Gerade das Motiv des Abweichens von jener Ordnung, das Vorführen von passiven Männern (Kinäden), sexuell aktiven Frauen (Tribaden) und Transvestiten habe, so Holzberg, in Verbindung mit obszönen Scherzen vielen Dichtern als willkommenes Mittel gedient, ihre Zeitgenossen zum Lachen zu bringen. Vor allem in der antiken Komödie habe das Spiel mit den Geschlechterrollen nahegelegen, da hier ursprünglich sämtliche Frauenpartien von Männern übernommen wurden. Vgl. u. a. Holzberg, Martial und das antike Epigramm (2002), 113 f.; Vorwort [zu: Applaus für Venus] (2004), 6 f.; Nachwort [zu Martial: Epigramme] (2008), 284; Einführung [zu Catull: Carmina] (2009), 259; Aristophanes. Sex und Spott und Politik (2010), 36; Nachwort [zu Aristophanes: Thesmophoriazusen] (2011), 85; Catull. Der Dichter und sein erotisches Werk (2002), 38. 795 In Bezug auf Ovids Liebesdichtung äußert sich Holzberg mehrfach anerkennend über die Prosa-Übersetzungen Michael von Albrechts; vgl. Holzberg, Einführung [zu Ovid: Ars amatoria] (1985), 211, und Nachwort [zu Ovid: Amores] (2002), 192. Für seine deutsche Wiedergabe der Aristophanischen Dialogpartien nahm er sich nach eigener Auskunft die englischen ProsaÜbertragungen Alan Sommersteins zum Vorbild; vgl. Holzberg, Nachwort [zu Aristophanes: Lysistrate] (2009), 99 f., und Nachwort [zu Aristophanes: Thesmophoriazusen] (2011), 92. 796 Holzberg erwähnt in diesem Zusammenhang u. a. die in verschiedenen Bearbeitungen bis 1986 mehrfach wiederaufgelegte Versübersetzung der Ovidischen Ars Amatoria von Wilhelm Hertzberg (zuerst 1854) oder die erst 1956 erschienene Übersetzung von Ovids Amores von Richard Harder und Walter Marg, die, so Holzberg, „noch stark den Vorstellungen des 18. und 19. Jahrhunderts vom metrischen Übersetzen verpflichtet und deshalb teils sprachlich schwer zugänglich, teils zu frei ist“; vgl. Holzberg, Einführung [zu Ovid: Ars amatoria] (1985), 211, und ders., Nachwort [zu Ovid: Amores] (2002), 192.

  Deutsche Aristophanes-Übersetzungen im Vergleich Denn metrische Übersetzungen weisen Schwächen auf, die heutige Leser als so störend empfinden, daß viele die Texte bald nach Beginn der Lektüre beiseite legen und deshalb auch inhaltlich nicht zur Kenntnis nehmen. 797

Was die Wiedergabe des originalen Wortlauts betrifft, so legt Holzberg, der mit seinen Übersetzungen in erster Linie ein Publikum erreichen will, das mit antiker Literatur nur wenig vertraut ist, 798 besonderen Wert auf eine „moderne, betont schlichte“ Sprache. 799 „Klassizistisches Pathos“, wie es in älteren Übersetzungen antiker Dichtung oft zu finden sei, 800 soll mit Rücksicht auf diese Zielgruppe unbedingt gemieden werden. Seine Forderung nach Bewahrung des originalen Wortlauts und nach Distanzierung von klassizistischen Antike-Vorstellungen bezieht Holzberg – im Unterschied zu den meisten Übersetzern antiker Dichtung – ausdrücklich auch auf den Bereich des Obszönen: Was meine Treue gegenüber der Textvorlage betrifft, möchte ich noch etwas zum Thema ‚obszöne Wörter‘ sagen. [...] Wo sie sich in den von mir ausgewählten Texten finden, habe ich sie durch einen adäquaten deutschen Ausdruck wiedergegeben. Das ist freilich selbst in unserer Zeit nicht allgemein üblich. Denn Altphilologen ziehen es in der Regel noch immer vor, antike Äußerungen über sexuelle Handlungen zu verharmlosen. So steht zum Beispiel in Michael von Albrechts Reclam-Übersetzung von Catulls Gedicht Nr. 32 in Vers 8 für novem fututiones ‚neun

 797 Holzberg, Vorwort [zu: Applaus für Venus] (2004), 11. Vgl. auch ders., Nachwort [zu Ovid: Amores] (2002), 192, u. Aristophanes. Sex und Spott und Politik (2010), 13 f. Hingewiesen sei hier allerdings noch auf einen jüngeren Aufsatz Holzbergs, in dem er am Beispiel von Vergils Aeneis darlegt, wie es gelingen kann, antike Versdichtung metrisch ins Deutsche zu übertragen, ohne dabei in einen antiquiert wirkenden klassizistischen Sprachduktus zu verfallen. Dies vor dem Hintergrund seiner 2015 in der ‚Sammlung Tusculum‘ erschienenen Neuübersetzung der Aeneis in deutschen Hexametern; vgl. Holzberg, Zurück zu Voß? Möglichkeiten und Grenzen der Versübersetzung am Beispiel von Vergils Aeneis (2017); s. ferner Holzberg, Einführung [zu Vergil: Aeneis] (2015), 34–39. 798 So begründet Holzberg etwa die Tatsache, dass er in die Anthologie Applaus für Venus keine Fragmente aufgenommen hat, mit dem Argument der Rücksichtnahme auf seine Zielgruppe: „Fragmente sind etwas für Philologen, nicht für normale Menschen, die keine wissenschaftliche Textarbeit leisten und schon gar nicht Lücken ergänzen, sondern einfach an der Lektüre eines in sich geschlossenen Wortkunstwerkes ihre Freude haben wollen.“ Holzberg, Vorwort [zu: Applaus für Venus] (2004), 16. 799 Vgl. Holzberg, Einführung [zu Ovid: Ars amatoria] (1985), 212. 800 Neben den o. 3.3.3.3.1 Anm. 796 genannten Übersetzungen führt Holzberg auch die Aristophanes-Übertragungen Ludwig Seegers an; vgl. Holzberg, Nachwort [zu Aristophanes: Lysistrate] (2009) 98 f. Bemerkenswerterweise stuft er Seegers Übersetzung dabei als „metrisch getreue Umformung“ ein, obgleich sie in fünfhebigen – nicht in sechshebigen – Jamben verfasst ist. Auch der Vorwurf, Seeger habe „das facettenreiche Attisch des Aristophanes etwas gewaltsam in die Einheitsdiktion der klassizistischen deutschen Dichtersprache transformiert“, erscheint gerade im Hinblick auf diese Übersetzung unangebracht, da Seeger sich mit ihr – wie er in seiner Vorrede betont – sowohl formal als auch sprachlich von der klassizistischen Übersetzungstradition distanzieren wollte; s. o. 3.3.2.2.1 u. ebd. Anm. 458.

Porträts der ausgewählten Übersetzungen und Bearbeitungen der Lysistrate  

Seligkeiten‘. Aber die genaue Entsprechung zu den beiden lateinischen Wörtern lautet ‚neun Fickereien‘ und nicht anders. 801

Holzbergs Äußerungen zu seiner Lysistrate-Übersetzung lassen insgesamt eine möglichst wortgenaue – und dabei modern klingende – Prosaübertragung der Komödie erwarten. 802 Nicht nur beim Übersetzen der Dialoge, sondern auch bei der Wiedergabe der lyrischen Partien habe er darauf geachtet, „dass die Sprache sich nicht wesentlich von der heute in literarischen Texten geschriebenen entfernt“. 803 Lediglich im Kontext der Aristophanischen Tragödienparodie seien auch leicht stilisierte metrische Verse zu finden. 804 In Bezug auf die metrische Gestaltung der Chorpassagen stützt sich Holzberg nach eigenen Angaben auf das von Wolfgang Schadewaldt erprobte Verfahren einer rhythmisierten Prosa. So habe er „nach Maßgabe der Vorlage die einzelnen Chorpassagen jeweils entweder einheitlich oder in einem Mischverfahren jambisch, trochäisch oder anapästisch wiedergegeben [...].“ 805 Bei der Übertragung der obszönen Begrifflichkeiten wiederum orientiert sich Holzberg an der englischen Lysistrate-Übersetzung von Alan H. Sommerstein. Dessen Entscheidung, den Text in Prosa zu übertragen hält Holzberg für „wegweisend“, da es erst auf diese Weise möglich geworden sei, „die vielen darin offen und versteckt enthaltenen Obszönitäten wörtlich wiederzugeben und nicht, wie es bisher stets geschehen war, bis zur Unkenntlichkeit zu umschreiben oder gar zu eliminieren.“ 806 Den von den spartanischen Akteuren gesprochenen Dialekt gibt Holzberg in altbairischer Mundart wieder, da diese seiner Auffassung nach besser zu der „derbkomischen Diktion“ des Originals passe als beispielsweise Seegers „Schwäbisch“. 807 Die folgende Kurzanalyse soll Auskunft darüber geben, inwieweit diese übersetzungsstrategischen Gesichtspunkte tatsächlich Eingang in Holzbergs LysistrateÜbertragung gefunden haben.

 801 Holzberg, Vorwort [zu: Applaus für Venus] (2004), 13. Vgl. auch ders., Einführung [zu Ovid: Amores] (2002), 176, und Nachwort [zu Catull: Carmina] (2009), 279. 802 Vgl. Holzberg, Nachwort [zu Aristophanes: Lysistrate] (2009), 99 f. 803 Vgl. Holzberg, Nachwort [zu Aristophanes: Lysistrate] (2009), 100. 804 Vgl. Holzberg, Nachwort [zu Aristophanes: Lysistrate] (2009), 100. 805 Vgl. Holzberg, Nachwort [zu Aristophanes: Lysistrate] (2009), 100. Zu Schadewaldts Übersetzungsverfahren s. a. Holzberg, Vorwort [zu: Applaus für Venus] (2004), 12 f. 806 Vgl. Holzberg, Nachwort [zu Aristophanes: Lysistrate] (2009), 99. 807 Vgl. Holzberg, Nachwort [zu Aristophanes: Lysistrate] (2009), 99 f. Anzumerken ist hierzu, dass Seeger selbst den von ihm gewählten Dialekt als ‚Berndeutsch‘ bezeichnet (s. o. 3.3.2.2.2 [Dialekt] u. ebd. Anm. 488).

  Deutsche Aristophanes-Übersetzungen im Vergleich .... Übersetzungsanalyse Teil 1: Allgemeine Beobachtungen Textpräsentation Bei Holzbergs Lysistrate-Übersetzung handelt es sich nicht nur um die jüngste Prosaübertragung dieser Komödie, sondern bislang auch um die einzige, die sich explizit um eine wortgenaue Wiedergabe auch der Obszönitäten bemüht. Ihr Erscheinen in Reclams Universalbibliothek, wo sie Otto Seels Bearbeitung der über 150 Jahre alten metrischen Übertragung Ludwig Seegers (s. o. 3.3.2.2) ablöste, 808 markiert somit eine deutliche Zäsur in der Rezeptionsgeschichte des ‚deutschen‘ Aristophanes. Erstmals wird der wichtigste Vertreter der Alten Komödie einem großen Leserkreis in moderner Sprache und bei weitgehendem Verzicht auf metrische Gestaltung in seiner ungeschminkten Derbheit zugänglich gemacht. Anders als die ursprünglich für eine Theateraufführung konzipierte, in Zusammenarbeit mit Dieter Bremer entstandene Übersetzung der Ekklesiazusen (s. o. 3.3.3.3 [Beitrag] u. ebd. Anm. 775) ist Holzbergs Lysistrate-Übertragung nicht explizit als Bühnenübersetzung gekennzeichnet. Obgleich der Übersetzungstext wie bei den meisten der hier behandelten Übersetzungen in Anlehnung an moderne Bühnenkonventionen in sechs Szenen gegliedert ist und auch zahlreiche szenische Hinweise zum Bühnengeschehen enthält, scheint Holzbergs Lysistrate-Übersetzung aus verschiedenen, im Folgenden noch zu benennenden Gründen nicht vorrangig als Bühnentext angelegt zu sein. Im Anhang der Übersetzung finden sich ein ausführlicher Anmerkungsteil sowie ein fünfzehnseitiges Nachwort des Übersetzers, das über die Handlung der Komödie und ihren historischen Kontext sowie über die zugrunde gelegten Übersetzungsprinzipien Auskunft gibt. Formale Gestaltung / Metrik In den Dialogpassagen wird die originale Versstruktur vollkommen aufgegeben. Der Text ist hier fortlaufend im Blocksatz abgedruckt. Um das Auffinden der entsprechenden Stellen im Original zu erleichtern, sind in regelmäßigen Abständen Verszahlen in eckigen Klammern eingefügt. Eine versgenaue Zeilengliederung findet sich dagegen in den Chorpartien – im Druckbild durch Einrückungen und nebenstehende Verszahlen erkennbar. Die lyrischen Passagen sind in rhythmisierender Prosa wiedergegeben. Als Beispiel sei hier der erste Auftritt des mit Holzscheiten, Fackeln und einem Kohlentopf  808 Seel, Aristophanes. Lysistrate. Komödie. Übersetzung von Ludwig Seeger. Anmerkungen und Nachwort von O. S., Stuttgart 1969; Seels Bearbeitung war erstmals 1949 unter dem Titel Lysistrate. Eine Komödie. Mit dem Prolog von Hugo von Hofmannsthal herausgegeben von O. S. im Stuttgarter Klett Verlag erschienen.

Porträts der ausgewählten Übersetzungen und Bearbeitungen der Lysistrate  

beladenen Männerchores angeführt. Holzbergs rhythmisierende Übersetzung lässt den iambischen Grundcharakter dieser Partie zwar erkennen, verzichtet aber auf eine exakte Nachahmung der metrischen Struktur des Originals: ΧΟΡΟΣ ΓΕΡΟΝΤΩΝ ἦ πόλλ’ ἄελπτ’ ἔνεστιν ἐν τῷ μακρῷ βίῳ, φεῦ, ἐπεὶ τίς ἄν ποτ’ ἤλπισ’, ὦ Στρυμόδωρ’, ἀκοῦσαι γυναῖκας, ἃς ἐβόσκομεν κατ’ οἶκον ἐμφανὲς κακόν, κατὰ μὲν ἅγιον ἔχειν βρέτας κατά τ’ ἀκρόπολιν ἐμὴν λαβεῖν, κλῄθροισί τ’ αὖ καὶ μοχλοῖσιν 809 τὰ Προπύλαια πακτοῦν; (Lys. 256 ff.)

2 ia ith 2 ia ith 4 ia 2 ia~2 da ia 2 ia~2 da ia ia tr ith 810

Chor d. alten Männer: Ja, vieles kommt doch unverhofft im langen Leben, wehe! Wer, Strymodoros, hätte wohl erwartet, dies zu hören: Die Frauen, die wir fütterten / im Haus als Übel, wie sich zeigt, sind im Besitz des heil’gen Bilds und haben meine Burg erstürmt, mit Schloss und Riegeln noch dazu die Propylä’n verrammelt!

Wortlaut / Syntax Holzbergs Bemühen, dem originalen Wortlaut möglichst genau zu folgen, wird bereits in der eben betrachteten Chorpassage deutlich. Gleiches zeigt sich auch in den Prosapartien. Vokabular und Ausdrucksweise werden dabei noch stärker als bei Schadewaldt der modernen Umgangssprache angepasst (vgl. dazu o. 3.3.3.1.2 [Wortlaut]): Λυ.

Κα. Lysistrate: Kalonike:

ἀλλ’, ὦ Καλονίκη, κάομαι τὴν καριδίαν, καὶ πόλλ’ ὑπὲρ ἡμῶν τῶν γυναικῶν ἄχθομαι, ὁτιὴ παρὰ μὲν τοῖς ἀνδράσιν νενομίσμεθα εἶναι πανοῦργοι καὶ γάρ ἐσμεν νὴ Δία. (9 ff.) Ach Kalonike, mir brennt das Herz, und ich ärgere mich sehr über uns Frauen. Denn bei den Männern gelten wir als zu allem fähig ... ... und sind es ja auch, beim Zeus!

 809 An dieser Stelle der Lesart und Versabgrenzung von Henderson (Ed./K) (1987) folgend. 810 Metrische Darstellung nach Henderson (Ed./K) (1987), 100.

  Deutsche Aristophanes-Übersetzungen im Vergleich Exklamationen, Götteranrufe, zeitbedingte Begrifflichkeiten und Inhalte Bei der Wiedergabe antiker Personen- und Götternamen sowie anderer zeitbedingter Termini schließt sich Holzberg sehr eng an den Ausgangstext an und übernimmt sie weitgehend unverändert in die Übersetzung: ὥσπερ Βουπάλου (361) ἁ Λήδας παῖς (1314) ὦ πότνι’ Ἱλείθυ’ (742) ὦ χρυσολόφα πολιοῦχε (344 f.) νὴ τὴν Πάνδροσον (439) νὴ τὴν Ταυροπόλον (447) ἑξῆς Ἀριστογείτονι (633)

wie’s einst dem Bupalos geschah 811 der Leda ihr’ Tochter O Herrin Hileithya O du goldbehelmte Schützerin der Polis bei Pandrosos bei Tauropolos zu Aristogeiton auf den Marktplatz

ἑπτὰ μὲν ἔτη γεγῶσ’ εὐθὺς ἠρρηφόρουν (641) Mit sieben war ich Arrhephoros

Die Tatsache, dass die Erläuterung dieser Namen und Begriffe in der Regel auf den Anmerkungsteil verlagert wird, 812 lässt, wie auch die folgenden Beobachtungen, vermuten, dass Holzbergs Übersetzung sich in erster Linie an ein Lesepublikum richtet, das bei Bedarf auf die entsprechenden Anmerkungen zurückgreifen kann, weniger jedoch an Theaterzuschauer, die allein auf den gesprochenen Text angewiesen sind. Kommentierende Zusätze oder Ersatzbezeichnungen innerhalb des Übersetzungstextes, wie sie von Schadewaldt regelmäßig verwendet werden, sind bei Holzberg nur selten anzutreffen: ποττὸ Ταΰγετόν γ’ ἄνω (117) παρ’ Εὐρώταν (1301) ἐν τῇ τετραπόλει (285)

aufn Taÿgeton-Berg am Flusse Eurotas in Marathon

Auch von Aktualisierungen wird weitestgehend abgesehen. Einige wenige Beispiele seien hier aufgeführt: Λυ.

ταῦτ’ αὐτὰ γάρ τοι κἄσθ’ ἃ σώσειν προσδοκῶ, τὰ κροκωτίδια καὶ τὰ μύρα (‚Salböl’) χαἰ περιβαρίδες χἤγχουσα (‚Ochsenzunge‘ 813) καὶ τὰ διαφανῆ χιτώνια (‚Untergewänder‘). (Lys. 46 ff.)

Lysistrate: Genau das ist es, wovon ich mir die Rettung erwarte, die Safrankleider, Parfüms und Schühchen, das Rouge und die durchsichtigen Blusen.

 811 Zur Stelle s. o. 3.3.2.1.2 (Exklamationen). 812 Es handelt sich dabei um ganz elementare Anmerkungen; vgl. z. B. Anm. 49 zu Lys. 361 (s. o.): „Gegner des Jambendichters Hipponax (6. Jh. v. Chr.) [...].“ und Anm. 175 zu Lys. 1314 (s. o.): „Helena, Tochter der Leda und Gattin des Spartanerkönigs Menelaos.“ 813 ἔγχουσα, eine Pflanze, die zur Herstellung von Schminke verwendet wurde.

Porträts der ausgewählten Übersetzungen und Bearbeitungen der Lysistrate  

Angesichts des üppigen Körperbaus einer Korintherin, die am Anfang des Stückes zu den versammelten Frauen stößt, ruft die Athenerin Kalonike bewundernd aus: Κα.

χαἵα (‚adlig, edel‘) νὴ τὸν Δία / δήλη ’στὶν οὖσα ταυταγὶ κἀντευθενί. (Lys. 91 f.)

Holzberg gibt diese zweideutige Anspielung auf die ‚edle Abstammung‘ der Frau mit einer umgangssprachlichen deutschen Redewendung wieder: Kalonike:

(zeigt auf Bauch und Gesäß der Korintherin). Ja, beim Zeus, man sieht deutlich: Das hier und das da ist nicht von schlechten Eltern!

Den attischen Demennamen Anagyros (67 f.), der im Original mit der gleichnamigen übelriechenden Pflanze in Verbindung gebracht wird (vgl. o. 3.3.1.1.2 [Wortlaut] Anm. 88), übersetzt Holzberg – offenbar in klanglicher Anlehnung an die kleinasiatische Landschaft Mysien – mit dem deutsch anmutenden Phantasienamen ‚Mistien‘. Dialekt Für die Übertragung der spartanischen Mundart ins Altbaierische finden sich in den älteren Lysistrate-Übersetzungen keine Vorbilder. Die deftige süddeutsche Ausdrucksweise bietet zwar durchaus komisches Potenzial, erinnern die Äußerungen der Lampito doch bisweilen an den Tonfall einer gestandenen Wies’n-Wirtin. Doch scheint sie ebensowenig wie die übrigen deutschen Mundarten dazu geeignet, auch Aristophanes’ karikierenden Zugriff auf den altehrwürdigen Dialekt der griechischen Chorlyrik in adäquater Weise umzusetzen. 814 Zudem verlangsamt das ungewohnte Schriftbild das Rezeptionstempo, da sowohl Inhalt als auch Klangkomik vom Leser erst erschlossen werden müssen: Λα.

καὶ τὼς μὲν ἁμῶν ἄνδρας ἁμὲς πείσομες πάντᾷ δικαίως ἄδολον εἰράναν ἄγην· τὸν τῶν Ἀσαναίων γα μὰν ῥυάχετον πᾷ κά τις ἀμπείσειεν αὖ μὴ πλαδδιῆν; (Lys. 168 ff.)

Lampito:

Und unsere Mannsbilder werdn ma scho dazua bringa, dass s’ ganz in Ehrn und ohne Arglist Friedn halten. Aber bei deine Athener, wia werdn ma da des Gschwerl 815 dazua bringa, dass s’ koan Schmarrn ned ostelln?

 814 Droysen hatte aus diesem Grund einen eigenen Kunstdialekt erfunden, dem es jedoch wiederum an Ursprünglichkeit mangelte; s. o. 3.3.2.1.2 (Dialekt). 815 Im Griechischen ‚τὸν τῶν Ἀσαναίων [...] ῥυάχετον‘ (170); vgl. dazu Holzbergs Anm. 23: „Für Lampito, die unter aristokratischer Herrschaft lebt, ist die Bevölkerung des demokratischen Athen Pöbel (altbair. ‚Gschwerl‘)“.

  Deutsche Aristophanes-Übersetzungen im Vergleich .... Übersetzungsanalyse Teil 2: Behandlung der obscena Holzberg weicht erwartungsgemäß auch bei den obszönen Passagen nicht von seinem Prinzip der wortgenauen Wiedergabe ab. So werden beispielsweise die Begriffe πέος und σάθη konsequent mit ‚Schwanz‘ übersetzt (vgl. Lys. 124, 134, 415, 928, 1011 ff., 1119). Das Wort ψωλή, das im Griechischen den erigierten Penis bezeichnet, erscheint bei Holzberg als ‚Eichel‘ (979) und – in der mundartlichen Färbung der Spartanerin Lampito – als ‚steifs Bibberl‘ 816 (143). Auch die obszönen Bezeichnungen für die weiblichen Genitalien werden in der Regel unabgemildert ins Deutsche übertragen: Λα. Αθ.

οὔπα γυναῖκ’ ὄπωπα χαἱωτέραν. ἐγὼ δὲ κύσθον γ’ οὐδέπω καλλίονα. (Lys. 1157 f.)

Spartaner: Erster Athener:

I hob no nia koa edlers Weib ned gseng! Und ich habe noch nie eine schönere Fotze gesehn!

Der von dem spartanischen Gesandten verwendete Begriff ὕσσαξ bzw. ὕσσακος, eine Vulgärbezeichnung für die weibliche Scham, 817 wird von Holzberg mit dem deftigen Dialektwort ‚Punzn‘ übersetzt 818: Κη.

ἔπειτα τἄλλαι ταὶ [...] / γυναῖκες [...] / ἀπηλάἁν τὼς ἄνδρας ἀπὸ τῶν ὑσσάκων (Lys. 999 f.)

 816 Vgl. auch Lys. 1099: αἰκ ἐϝίδον ἁμὲ τὤνδρες ἀμπεφλασμένως – ‚wenn die Männer uns gseng hättn mit unsere steifen Bibberl!‘. Das Lexikon für Bairisches Deutsch von Ludwig Zehetner (1998) führt das Wort ‚Bibberl‘ zwar nicht auf, verweist aber auf die bisweilen identische Aussprache von ‚b‘ und ‚p‘. So finden sich denn auch unter ‚p‘ mehrere Einträge, die zur Wortklärung beitragen könnten. Der Diminutiv ‚Bibberl‘ oder eben ‚Pipperl‘ könnte sich demnach auf folgende Begriffe beziehen: 1. der oder das ‚Pippi‘ als kindersprachliche Bezeichnung für den Penis (Du sollst nicht immer mit deinem P. spielen!); 2. die ‚Pip‘ oder ‚Pippe[n]‘ = Pfeife, insbesondere Tabakspfeife; 3. die ‚Pipe[n]‘ oder ‚Pippen‘ = Zapfhahn eines Bierfasses oder (seltener) Wasserhahn. Beide Bezeichnungen (‚Pfeife‘ und ‚Wasserhahn‘) sind auch in dem von Ernest Bornemann herausgegebenen Lexikon Sex im Volksmund. Der obszöne Wortschatz der Deutschen (1974) als Synonyme für Penis nachgewisesen (Bd. 2, Nr. 1.73); [außerdem bei Bornemann (1974), Bd. 1, s. v. ‚Bibber‘: „Sperma“]. Unabhängig davon, von welchem Ausgangswort Holzberg die Form ‚Bibberl‘ letzlich abgeleitet hat, lässt sich somit eindeutig belegen, dass es sich um eine konkrete Bezeichnung für das männliche Glied handeln muss. Obgleich die Strategie der dialektalen Verfremdung und insbesondere die Begriffsdiminuierung (die man als weitere Übersetzungsstrategie hinzunehmen kann) in der Regel zu einer bagatellisierenden Abschwächung des obszönen Aspektes führt, bleibt dieser bei Holzberg durch die Ergänzung des Attributes „steif“ noch in einem gewissen Maße kenntlich. 817 Zur (unklaren) Etymologie vgl. Henderson (1991), 132. 818 Vgl. Bornemann (1974), Bd. 1, s. v. ‚Punze‘: „Vulva, Frau, Prostituierte“; vgl. auch Schmeller, Bayerisches Wörterbuch, Bd. 1 (1872), Sp. 398.

Porträts der ausgewählten Übersetzungen und Bearbeitungen der Lysistrate  

Herold:

und nacha habn die andern Weiber [...] die Männer ausgsperrt vo ihre Punzn.

Bisweilen gibt Holzberg selbst metaphorische Umschreibungen wie τὸ μύρτον 819 (‚Myrthenbeere‘) durch den primär-obszönen deutschen Begriff wieder: Κη.

ταὶ γὰρ γυναῖκες οὐδὲ τῶ μύρτω σιγῆν / ἐῶντι [...] (Lys. 1004 f.)

Herold:

Weil die Weiber lassn uns ned ihre Fotzn olanga [...]

Ebenso konsequent wie die Geschlechtsbezeichnungen gibt Holzberg auch die primär-obszönen Verben βινεῖν und κινεῖν sowie στύειν bzw. ἀποψωλεῖν durch semantische Äquivalente wieder: βινεῖν βούλομαι (934) τίνα βινήσω (954) μὴ βινῶν τοὺς ὄρθρους (966) κᾶτα τίνα κινήσομεν; (1166) ἐστυκώς (214) Ἔστυκα γάρ. (869) ἀλλ’ ἔστυκας, ὦ μιαρώτατε (989)

ich will ficken! Wen ficke ich jetzt [...]? [...] nicht ficken zu dürfen am Morgen! Und wen werden wir dann so richtig bumsen können? mit steifem Schwanz Denn – mir steht er stramm! Aber du hast ja einen Steifen, du Allerverruchtester!

ἐγὼ δε’ ἀπόλλυμαί γ’ ἀπεψωλημένος (Lys. 1136) Und ich gehe hier zugrunde an meinem steifen Schwanz.

Das Adjektiv καταπύγων, das – ähnlich wie εὐρύπρωκτος (‚weitärschig‘) – auf den passiven, ‚unmännlichen‘ Part in homoerotischen Beziehungen anspielt, wird in der Lysistrate gleich zweimal auch zur Charakterisierung der an ihren Emanzipierungsbemühungen scheiternden Frauen verwendet (vgl. Lys. 137 u. 776). Beide Stellen stehen in Verbindung mit Lysistrates Kritik an der mangelnden Disziplin ihrer Geschlechtsgenossinnen, die schon bald nach der ‚mannhaften‘ Eroberung der Akropolis wieder in weibliche Verhaltensmuster zurückfallen und mit allen Mitteln versuchen, sich über den eidlich bekräftigen Ehestreik hinwegzusetzen. In diesem Kontext ist καταπύγων wohl im weiteren Sinne von ‚sexbesessen‘ zu verstehen. Obgleich eine wörtliche Wiedergabe hier nicht möglich ist, kommt Holzbergs Übersetzung der ersten Stelle, einem Stoßseufzer der Lysistrate, dem obszönen Potenzial des Originals sehr nahe: ὢ παγκατάπυγον θἠμέτερον ἅπαν γένος (Lys. 137) Oh! Durch und durch verfickt ist unser ganzes Geschlecht!

An der zweiten Stelle zitiert Lysistrate einen Orakelspruch, demzufolge der Sieg bzw. die Niederlage der Frauen aus dem Flug- und Paarungsverhalten der Schwal 819 Vgl. Henderson (1991), 134.

  Deutsche Aristophanes-Übersetzungen im Vergleich ben erschlossen werden kann. Hier überbietet Holzberg die ursprüngliche Pointe noch durch ein in dieser Konstellation nur im Deutschen mögliches Wortspiel: Λυ.

„ἢν δὲ διαστῶσιν καὶ ἀνάττωνται πτερύγεσσιν ἐξ ἱεροῦ ναοῖο χελιδόνες, οὐκέτι δόξει ὄρνεον οὐδ’ ὁτιοῦν καταπυγωνίστερον εῖναι.“ (Lys. 774 f.)

Lysistrate:

„Wenn sich jedoch entzwein und empor mit den Fittichen fliegen aus dem heiligen Tempel die Schwalben, dann heißt es inskünftig, keiner unter den Vögeln sei stärker aufs Vögeln versessen.“

Holzbergs Behandlung der griechischen Wörter πυγή und πρωκτός 820 sowie der Verben οὐρεῖν und χέζειν bestätigt nur noch einmal die bereits festgestellte Konsequenz im Umgang mit obszönen Begrifflichkeiten: Λα.

γυμνάδδομαί γα καὶ ποτὶ πυγὰν ἅλλομαι. (82)

Lampito:

I mach halt mei Gymnastik, und wenn i hupf, dann kumm i nauf bis zum Arsch mit meine Fiaß.

Λα.

ἀλλ’ ὁ πρωκτὸς ἄφατον ὡς καλός (1148)

Spartaner:

Aber ned zum sagn, wia schee der Arsch da is!

ὥσπερ ἐνεουρηκότας (402) ἐπιχεσεῖ πατούμενος. (440) ἰδού γ’ ἐπιχεσεῖ (441)

als hätten wir reingepisst! trample ich auf dir herum, bis du scheißen musst! So, so – „scheißen“!

Auch obszöne Scherze, die auf Doppeldeutigkeiten oder metaphorischen Umschreibungen beruhen, werden von Holzberg so wörtlich wie möglich ins Deutsche übertragen: Λυ.

οὐ στήσομαι λέαιν’ ἐπὶ τυροκνήστιδος. (231)

Lysistrate:

Mache nicht die Löwin auf der Käsereibe.

In den meisten Fällen findet sich hierzu ein detaillierter Kommentar im Anmerkungsteil. Zu dem hier angeführten Beispiel lautet er folgendermaßen: Gemeint ist eine Stellung, bei der die Frau an eine zum Sprung geduckte Löwin erinnert: Sie ist nach vorn gebeugt, stützt sich mit den Händen auf dem Bett oder dem Fußboden ab, und der Mann penetriert sie vaginal oder anal. [...] 821

Gelegentlich finden sich im Übersetzungstext auch aktualisierende Abwandlungen, wie etwa bei obszönen Wortspielen mit antiken Demennamen. So stellt sich in  820 Zu πυγή s. auch o. 3.3.1.1.3 Anm. 94, zu πρωκτός o. 3.3.1.2.3 u. ebd. Anm. 162. 821 Holzberg (Ü), Aristophanes. Lysistrate (2009), 71 Anm. 32.

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Holzbergs Übersetzung der Ehemann der Athenerin Myrrhine – im Original Παιονίδης Κινησίας (852) 822 – als ‚Kinesias aus Fickingen‘ vor, und der erektionsgeplagte spartanische Gesandte (995 f.) antwortet auf die Frage des Atheners nach der Lage der Dinge in Sparta: Des ganze Sparta hat si wia ein Mann erhobn, und die Verbündeten stengan alle stramm in Reih und Gliedern. Mia braucha jetzt Mösien! (ὀρσὰ Λακεδαίμων πᾶἁ καὶ τοὶ συμμάχοι / ἅπαντες ἐστύκαντι· Παλλάνας δὲ δεῖ. 823)

Eine stillschweigende, d. h. unkommentierte Aktualisierung – fast schon Banalisierung – erfährt die zeitgebundene obszöne Anspielung des Aristophanes auf den spartanischen Briefstab, die σκυτάλα (991 f.), 824 die Holzberg durch ‚Spazierstock‘ ersetzt: Κι. Κη. Κι. Kinesias: Herold: Kinesias:

τί δ’ ἐστί σοι τοδί;

σκυτάλα Λακωνικά. εἴπερ γε, χαὔτη ᾿στὶ σκυτάλη Λακωνική. (991 f.) Aber was ist es dann, was du da hast? A spartanischer Spazierstock. (zeigt auf seinen Phallos). Klar, wenn auch das hier ein spartanischer Spazierstock ist!

Eine weitere bemerkenswerte Aktualisierung betrifft das Längenmaß des (bei Wilson) von der Athenerin Lampito bzw. (bei Holzberg) von Lysistrate selbst ins Gespräch gebrachten milesischen Lederdildos. Während Holzberg in anderen Fällen, etwa bei der Angabe griechischer Münzwerte, die vorgegebenen griechischen Maßeinheiten übernimmt 825 oder – vermutlich um die zeitliche Distanz zu verdeutlichen – auf veraltete deutsche Bezeichnungen zurückgreift 826, erfolgt hier eine genaue Umrechnung in die heute geläufige Zentimeter-Angabe: ἐξ οὗ γὰρ ἡμᾶς προὔδοσαν Μιλήσιοι, οὐκ εῖδον οὐδ᾿ ὄλισβον ὀκτωδάκτυλον (‚acht Finger breit‘) 827, ὅς ἦν ἂν ἡμῖν σκυτίνη ᾿πικουρία. (108–110) Denn seit die Milesier von uns abgefallen sind, habe ich nicht einmal einen 15-Zentimeter-Dildo gesehen, der uns ledernen Notdienst leisten könnte.

 822 Zur Stelle s. auch o. 3.3.2.1.3 u. ebd. Anm. 388. 823 Zur Stelle s. auch o. 3.3.2.1.3 Anm. 386. 824 Zur σκυτάλα und ihrer Verwendung s. auch o. 3.3.2.2.3 Anm. 497. 825 Vgl. Lys. 1051: μνᾶς ἢ δύ’ ἢ τρεῖς – ‚ob zwei Minen, drei‘. 826 Vgl. Lys. 1207: ὁ δ’ ἄρτος ἀπὸ χοίνικος – ‚einen Laib ergibt ein Scheffel‘. 827 Zur Stelle s. auch u. 3.4.2.

  Deutsche Aristophanes-Übersetzungen im Vergleich Ein von Holzberg beinahe inflationär eingesetztes Mittel, um den Leser auf die obszöne Dimension bestimmter Äußerungen aufmerksam zu machen, ist das Einfügen von in Klammern gesetzten Handlungsanweisungen, die in den meisten Fällen auf – mutmaßliche – obszöne Gesten der Sprecher verweisen. Besonders zahlreich sind diese Zusätze in der vorgetäuschten Verführungsszene zwischen der Athenerin Myrrhine und ihrem Mann Kinesias, die Holzberg in seiner AristophanesMonographie als „Pornofilm avant la lettre“ bezeichnet hatte (s. o. 3.3.3.3 [Beitrag] u. ebd. Anm. 790). Zu Beginn dieser Szene unterhält sich Kinesias, der sich der von den Frauen besetzten Akropolis genähert hat, zunächst mit Lysistrate. Diese berichtet ihm unter anderem, wie oft seine Frau in seiner Abwesenheit von ihm spreche: Λυ.

ἀεὶ γὰρ ἡ γυνή σ’ἔχει διὰ στόμα. (855)

Lysistrate:

Denn ständig führt dich deine Frau – (öffnet die Lippen wie zur Fellatio) im Munde [...]

Nachdem Myrrhine erschienen ist, fleht Kinesias sie an, ihn nach Hause zu begleiten. Dies verweigert Myrrhine, bietet ihm jedoch an, zum Beweis ihrer Liebe an Ort und Stelle mit ihm zu schlafen. Um die Erregung ihres Mannes zu steigern, zögert sie die Begegnung jedoch immer weiter hinaus. Unter dem Vorwand, zuerst ein bequemes Lager herrichten zu wollen, schafft sie ununterbrochen neue Gegenstände – Matratzen, Kissen, Decken, Salbfläschchen – herbei, was der allmählich verzweifelnde Kinesias mit sarkastischen Anspielungen auf seine akute Erektion kommentiert. Obgleich die obszöne Doppeldeutigkeit nahezu unmissverständlich aus dem Text hervorgeht, wird das Verständnis der Stelle zusätzlich durch eingefügte Szenenbeschreibungen unterstützt 828: Μυ. Κι.

ἔπαιρε σαυτόν· ἀλλ’ ἐπῆρται τουτογί. (937)

Myrrhine: Kinesias:

(kommt mit einer Decke zurück). Erhebe dich! (steht auf). Aber der hier (zeigt auf seinen Phallos) hat sich schon erhoben!

Μυ. Κι.

λαβὲ τόνδε τὸν ἀλάβαστον. ἀλλ’ ἕτερον ἔχω. (947)

Myrrhine:

(kehrt mit einem länglichen, phallosförmigen Fläschchen zurück). Nimm dieses Fläschchen hier! (zeigt auf seinen Phallos). Aber ich habe doch schon eines!

Kinesias:

Ähnliche Einfügungen finden sich auch an anderen Stellen im Stück:

 828 Bereits Johannes Minckwitz hatte in seiner Aristophanes-Gesamtübersetzung (1855 ff.) verbale Obszönitäten durch gestische Regieanweisungen ersetzt; s. dazu auch o. 3.3.2.3.3 u. ebd. Anmm. 595 und 598.

Porträts der ausgewählten Übersetzungen und Bearbeitungen der Lysistrate  

spartanischer Herold (988 f.):

(Entblößt aus Versehen seinen erigierten Phallos.)

spartanische Gesandte (1076 f.):

(Die Spartaner legen ihre Mäntel ab, so dass man ihre erigierten Phalloi sieht.)

athenische Gesandte (1086 f.):

(Die Athener legen ihre Mäntel ab, so dass man ihre erigierten Phalloi sieht.)

Athener, der bei den Gebietsverhandlungen den ‚Echinus‘ einfordert (1168 f.):

(zeigt auf die Vagina der ‚Versöhnung‘)

Wie gezeigt werden konnte, zeichnet sich Holzbergs Lysistrate-Übersetzung dadurch aus, dass sie – im Unterschied zu allen älteren Übertragungen dieses Stückes – im Bereich des Obszönen konsequent Anschluss an den originalen Wortlaut sucht. Ausweichende Formulierungen oder Abmilderungen der vulgären Ausdrucksweise finden sich bei Holzberg nicht. Vielmehr gibt er bisweilen selbst bei metaphorischen Wendungen einer derben, nicht metaphorischen Übersetzungsvariante den Vorzug und unterstreicht den obszönen Gehalt einiger Wortspiele zusätzlich durch das Einfügen von Hinweisen auf obszöne Gesten und Bewegungen der handelnden Personen. Holzbergs Übersetzung besticht insgesamt durch ihren modernen, sehr flüssigen Sprachduktus sowie durch ihre große Nähe zum ursprünglichen Wortlaut. Beides ist vor allem dem Verzicht auf die metrische Wiedergabe geschuldet. Holzbergs eigenwillige Interpretation der Aristophanes-Komödien hat auf die philologische Qualität der Übersetzung, die sich mit ihren englischsprachigen Vorbildern – den Lysistrate-Übertragungen Alan Sommersteins und Jeffrey Hendersons – durchaus messen kann, keinen Einfluss. Somit behält sie ihren Wert auch dann, wenn man Holzbergs Auffassung von einer gänzlich unpolitischen Motivation der Alten Komödie nicht folgen will. .... Rezensionen / Urteile / Stellungnahmen Holzbergs Übersetzungen und Monographien haben – insbesondere wo sie sich auf erotische und obszöne Dichtung der Antike beziehen – eine große öffentliche Resonanz erfahren. Renommierte deutsche Tageszeitungen wie die Frankfurter Allgemeine Zeitung, die Süddeutsche Zeitung und Die Welt, sogar das Wochenmagazin Der Spiegel veröffentlichten Buchrezensionen und Interviews mit dem Übersetzer. Auch im Hörfunk und im Internet war und ist Holzberg als Interviewpartner präsent. 829  829 Am 19.01.2010 sendete Deutschlandradio-Kultur unter dem Titel Ein drastischer Klassiker in neuer Übersetzung ein Gespräch mit Niklas Holzberg über die Neuübersetzung der Lysistrate; s. dazu den Link www.dradio.de/dkultur/sendungen/thema/1109024/. Ein weiteres Interview (Antike Liebeslyrik: Frühlingsgefühle bei den Griechen und Römern), das die Podcasterin Annik Rubens in der Audiocast-Reihe „Tonspur Forschung“ der LMU-München mit Holzberg führte, kann unter http://www.uni-muenchen.de/aktuelles/publikationen/tonspur/archiv/liebeslyrik/index.html abgehört werden. Rezensionen zu Holzbergs Lysistrate erschienen in den online-Magazinen Die Welt

  Deutsche Aristophanes-Übersetzungen im Vergleich Auf großes Medieninteresse stieß nach dessen Erscheinen vor allem der Band Aristophanes. Sex und Spott und Politik (2010), 830 doch auch Holzbergs LysistrateÜbersetzung wurde vielfach gewürdigt 831. Anders als in den Rezensionen zu älteren Aristophanes-Übersetzungen wird die Wiedergabe der obszönen Passagen hier nicht mehr übergangen oder am Rande abgehandelt, sondern steht eindeutig im Mittelpunkt. Holzbergs Konzept scheint, zumindest in Bezug auf die journalistische Darstellung seiner Übersetzungsleistung, aufgegangen zu sein. Seine LysistrateÜbertragung wird allgemein als befreiend empfunden, er selbst als philologischer Tabubrecher gefeiert, der den Mut aufgebracht habe, den antiken Dichter Aristophanes mit einer „so tollen wie kühnen Übersetzung“ vom vermeintlichen Sockel des „hehren Klassikers“ zu stürzen. 832 Der Rezensent der Welt spricht von einer „an eine modernistische Majestätsbeleidigung grenzende Mission der Altphilologie“, 833 und laut Münchner Abendzeitung ist Holzbergs Übersetzung „so saftig, dass sie braven Altsprachlern die Schamröte ins Gesicht treibt“ 834. Von dem hier gezeichneten antiquierten Bild des prüden und weltfremden Klassischen Philologen einmal abgesehen, 835 mutet es allerdings in einer Zeit, in der das Reden über Sexualität und das Verwenden fäkalsprachlicher Ausdrücke längst zum Alltag gehören, etwas befremdlich an, wenn ernsthaft behauptet wird, Holzbergs Übersetzung könnte von heutigen Lesern tatsächlich noch als „zugleich plastische und drastische Zumu-

 (http://www.welt.de/die-welt/kultur/article5903206/Drastische-Klassiker.html) und EuropeanNews-Agency (http://freewilli.en-a.eu/kunst_kultur_und_musik/mit_beissendem_spott_und_der ben_worten-45438/; zuletzt gesehen 2011; bei Überprüfung am 08.02.2016 Link nicht mehr vorhanden); zu Holzbergs Monographie Aristophanes. Sex und Spott und Politik vgl. u. a. den Artikel von Josef Tutsch, Lachen, lachen und nichts als Lachen im scienzz-Magazin (http://www.scienzz.de/ magazin/art11140.html). Letzte Überprüfung der hier aufgeführten Links: 17.09.2019. 830 Vgl. o. 3.3.3.3.4 Anm. 829; s. ferner Uwe Walter, Da lachten die Athener im weiten Rund, in: FAZ vom 07.12.2010 und Bernhard Zimmermann, Die Kunst des Spötters, in: SZ vom 13.01.2011. 831 Vgl. o. 3.3.3.3.4 Anm. 829; s. ferner das unter dem Titel Giftschrank voll Zoten erschienene Spiegel-Interview vom 07.12.2009 in: Der Spiegel 50/2009 und die von Adrian Prechtel verfasste Rezension Sexstreik für den Frieden in der Abendzeitung München vom 07.07.2010. 832 Vgl. H. Werner, Drastische Klassiker, in: Die Welt (Online-Magazin) vom 19.01.2010. 833 Vgl. H. Werner, Drastische Klassiker, in: Die Welt (Online-Magazin) vom 19.01.2010. 834 Vgl. Prechtel, Sexstreik für den Frieden, in: Abendzeitung München vom 07.07.2010. 835 Holzberg selbst pflegt dieses Klischee, wenn er etwa im Vorwort zu seiner AristophanesMonographie behauptet, „vielen Freunden der altgriechischen Literatur, speziell in deutschsprachigen Ländern, bedeutet Aristophanes [...] weit weniger als die anderen Autoren der Blütezeit hellenischer Poesie und Prosa. Das wohl deswegen, weil dieser Dichter in seiner Auseinandersetzung mit dem Menschen [...] nichts weiter tut, als daß er lacht. [...] Und vermutlich deshalb haben diejenigen, welche sich vornehmlich Homer, den Lyrikern, den Vorsokratikern, Tragikern, Thukydides und Platon widmen, also ‚Klassikern‘, die überwiegend zu ernsthafter Auseinandersetzung mit den Dingen des Lebens anregen, Probleme mit Aristophanes. Fällt es nicht sogar grundsätzlich manchen Gräzisten und Latinisten schwer, bei der Lektüre antiker Texte an Lachen überhaupt zu denken?“ Holzberg, Aristophanes.Sex und Spott und Politik (2010), 7 f.

Porträts der ausgewählten Übersetzungen und Bearbeitungen der Lysistrate  

tung“ 836 empfunden werden. Zumal wenn gleichzeitig immer wieder die prägnantesten Übersetzungsbeispiele zur Demonstration herangezogen werden: „Notgeile Recken aus Athen leiden an ‚Ständeritis‘, und Frauen begehren ‚15-ZentimeterDildos‘. Das Wort Erektion ersetzt nun ‚Spannung‘, Ficken ‚Brunst‘“, heißt es in der Welt, und Adrian Prechtel stellt in der Abendzeitung fest: „Übersetzte man früher zum Beispiel das altgriechische Wort für ‚Erektion‘ lieber mit ‚Spannungen‘, setzt Holzberg konsequent auf unverhüllte Wahrheit. So [...] ist bei Holzberg auch schon mal von ‚Lederdildos‘ die Rede, die der Ersatzbefriedigung dienen.“ Der Übersetzer selbst, der gegen diese einseitige Darstellung seiner philologisch durchaus anspruchsvollen Übersetzung anscheinend nichts einzuwenden hat, lässt sich zudem mit hemdsärmeligen Sätzen zitieren, die offensichtlich dazu angetan sind, die Vorurteile potenzieller Leser auszuräumen, die die antike Literatur für zu anspruchsvoll und philologische Arbeit für zu trocken halten könnten. So bekundet Holzberg gegenüber der Münchner Abendzeitung: „Ich habe versucht, die ganzen amüsanten Schweinereien klarzumachen“, und auf die Frage des Spiegels nach dem Standpunkt des Reclam-Verlages antwortet er: „Der Lektor war begeistert. Sex sells. Meine Arbeit ist durch die Wissenschaft geheiligt.“ Während Holzbergs Lysistrate-Übersetzung bei Journalisten auf ungeteilte Zustimmung gestoßen ist, war eine wissenschaftlich fundierte Übersetzungsrezension bislang nicht aufzufinden. Eine wesentlich kritischere Aufnahme fand dagegen Holzbergs Aristophanes-Monographie. Hier waren es vor allem Fachwissenschaftler wie der Freiburger Gräzist Bernhard Zimmermann und der Althistoriker und Leiter des FAZ-Blogs ‚Antike und Abendland‘, Uwe Walter, die ihre Bedenken im Hinblick auf Holzbergs entpolitisierende Aristophanes-Deutung aussprachen. Zimmermann schrieb in der Süddeutschen Zeitung: So ist es zwar durchaus richtig, dass der persönliche, gegen stadtbekannte Personen gerichtete Spott in erster Linie dem Amüsement diente; doch scheint es fraglich, ob das ausgrenzende Lachen, dem diese Personen ausgesetzt wurden, tatsächlich einzig und allein des Spaßes wegen eingesetzt wurde. 837

Nach Ansicht Uwe Walters lässt sich Holzbergs Buch einem Trend zuordnen, „der die altphilologische Dichtungsinterpretation seit einiger Zeit zu beherrschen scheint und sie zunehmend steril wirken lässt.“ 838 Durch die rein inwändige Betrachtung der Texte gerate der politische Gehalt der Komödien zunehmend aus dem Blick, was sich letztlich negativ auf das Verständnis der Aristophanes-Komödien auswirke: „Wer die Komödien des Aristophanes verstehen will, muss sie auch in Beziehung zum Politischen setzen, sonst fehlt eine wesentliche Dimension.“ Die ausschließli 836 Vgl. H. Werner, Drastische Klassiker, in: Die Welt (Online-Magazin) vom 19.01.2010. 837 Bernhard Zimmermann, Die Kunst des Spötters, in: SZ vom 13.01.2011. 838 Vgl. Uwe Walter, Da lachten die Athener im weiten Rund, in: FAZ vom 07.12.2010.

  Deutsche Aristophanes-Übersetzungen im Vergleich che Fokussierung der Aristophanes-Interpretation auf den Aspekt des Obszönen und Lächerlichen stuft Walter schließlich sogar als wissenschaftlich bedenklich ein: Aristophanes wollte also ganz einfach amüsant sein und weiter nichts? Es stünde schlecht um eine Altphilologie, die sich so ganz abschneidet vom historischen Kontext, politischen Gehalt und der außerästhetischen Wirkungsgeschichte der von ihr verwalteten Texte. 839

Auf Holzbergs Übersetzungsleistung gehen beide Rezensenten nur am Rande ein, bewerten diese aber, trotz ihrer interpretatorischen Vorbehalte, recht positiv. Während Zimmermann lediglich auf Holzbergs „vielbeachtete Übersetzung der aristophanischen Lysistrate“ hinweist, bemerkt Walter mit Bezug auf die in der Monographie enthaltenen Übersetzungsbeispiele: Die zahlreich eingestreuten Übersetzungsproben können die aristophanische Lust an Sprachschöpfungen und am Spiel mit verschiedenen Stilebenen selbstverständlich nicht adäquat abbilden, doch Holzberg nimmt sich Zeit, wenigstens hier und da auch dem des Altgriechischen unkundigen Leser einen Einblick in das Handwerk des Gräzisten zu geben. [...] Leichter als vor einigen Jahrzehnten hat es der Autor ferner, den deftigen sexuellen An- und Kraftreden unverkrampft ihren angemessenen Rang zu geben. In Summa: Wer im Detail nachvollziehen möchte, wie die Komödien des Aristophanes als Lachsäcke, Kunstwerke und Metatexte funktionieren, findet hier eine sachkundige Hinführung. 840

.. Zwei prominente Lysistrate-Bearbeitungen des 20. Jahrhunderts Weitaus größer als die Zahl der Übersetzungen (im engeren Sinn) 841 ist im 20. Jahrhundert die Anzahl an freieren Bearbeitungen der Aristophanischen Lysistrate. Bereits im Jahr 1892 hatte der ehemalige Direktor des Wiener Burgtheaters Adolf Wilbrandt (1837–1911) ein Theaterstück mit dem Titel Frauenherrschaft verfasst, in dem er Motive aus den beiden Aristophanes-Komödien Ekklesiazusen und Lysistrate miteinander verknüpfte. 842 1905 erschien in Wien in streng limitierter  839 Uwe Walter, Da lachten die Athener im weiten Rund, in: FAZ vom 07.12.2010. 840 Uwe Walter, Da lachten die Athener im weiten Rund, in: FAZ vom 07.12.2010. 841 Es sind ingesamt nur drei: W. Schadewaldt (1958), W. Schöner (1989) und N. Holzberg (2009). 842 Wilbrandt (B), Frauenherrschaft. Lustspiel in vier Aufzügen, nach Aristophanes’ Ekklesiazusen und Lysistrate (1892). Bei der Uraufführung des Stückes im Rahmen des Kölner Philologentages von 1895, handelte es sich um die „allem Anschein nach erste Aufführung einer Aristophanischen Komödie auf einer deutschen Theaterbühne des 19. Jahrhunderts“; vgl. Holtermann (2004), 263 f. und 314. Sie fand, wie Wilbrandt selbst rückblickend resümiert, „den fröhlichen Beifall der Versammlung“; Wilbrandt (1903), IV. Zu Wilbrandts Umgang mit den Aristophanischen obscena und zu den weiteren Aufführungen vgl. auch Holtermann (2004), 263 f. und Sabler (2005), 87–91: „Man kann sich natürlich die Frage stellen, warum Wilbrandt Aristophanes neu eindeutschen will, wenn er ihm zugleich den Zahn zieht, nämlich alles direkt Sexuelle ausradiert. Trotz allem war das Stück für das Burgtheater nicht spielbar, über sexuelle Verweigerung zu sprechen war in diesem Theater viel zu

Porträts der ausgewählten Übersetzungen und Bearbeitungen der Lysistrate  

Auflage ein anonymer Privatdruck einer Lysistrate-Bearbeitung mit den Illustrationen von Aubrey Beardsley, die den Ergänzungen aktueller Bibliothekskataloge zufolge von Richard Fiedler [Pseud. Martin Isenbiel] stammt. 843 1908 brachte Max Reinhardt im Berliner Kleinen Theater eine freie Nachdichtung der Lysistrate des Münchner Schriftstellers und Dramaturgen Leo Greiner (1876–1928) zur Aufführung. 844 Während die Komödie in jenen frühen Bearbeitungen eher im Sinne eines „Amüsierstücks“ oder einer „biederen Ehekriegsgeschichte“ aufbereitet wurde, 845 rückte sie in der durch Studenten-, Friedens- und Emanzipationsbewegung geprägten Zeit der 1960er bis 1980er Jahre vor allem aufgrund ihrer politischen Implikationen in den Fokus des Interesses. 846 Zahlreiche politisch engagierte Autoren nahmen sich des antiken Stoffes an, der ihnen willkommene Anknüpfungspunkte für die Vermittlung aktueller pazifistischer, feministischer oder antiimperialistischer Posi-

 anstößig, wurde aber an deutschen Bühnen aufgeführt. So erwähnt der Bühnenspielplan für die Saison 1901/1902 17 Aufführungen.“ Der Rezensent des litterarischen Echo, Gustav Zieler beurteilte das Stück seinerzeit als „bewundernswerte Veranständigung dieser unanständigsten aller aristophanischen Komödien“; Zieler (1901), Sp. 569. 843 Aristophanes, Lysistrata, in deutscher Übertragung, mit den acht Illustrationen des Aubrey Beardsley, Privatdruck, [Wien] 1905, [s. p.]. Das von der Verf. im Rara-Bestand der Staatsbibliothek zu Berlin eingesehene Exemplar mit der Signatur 50 MB 29 trägt den folgenden Aufdruck: „Dieses Werk wurde in einer einmaligen Auflage von 400 numerierten Exemplaren gedruckt. | Exemplar Nr. 54“. Fiedler alias Isenbiel hatte u. a. auch pornographische Schriften von de Sade und Rétif de la Bretonne übersetzt. Die ihm zugeschriebene Lysistrate-Übersetzung ist nicht identisch mit derjenigen in dem weiter oben (3.3.2.3.4 Anm. 609) erwähnten Wiener Privatdruck von 1905 – ebenfalls mit den Zeichnungen Beardsleys –, der die Übersetzung von Johannes Minckwitz enthält. 844 Greiners Bearbeitung ging ein von Hugo von Hofmannsthal verfasster Prolog voraus. Die Reinhardt-Inszenierung verzeichnete insgesamt 57 Vorstellungen; vgl. Holtermann (2004), 316 u. Flashar (2009), 121 u. ebd. 385 Anm. 83. Während des Ersten Weltkriegs war das Stück verboten und wurde schließlich 1921 erstmals auch in Wien aufgeführt; vgl. Dietrich (1982), 413. Vgl. ebd. 281 f. auch die Rezension des Wiener Theaterkritikers Max Mell, der hinsichtlich Greiners Behandlung des Obszönen konstatiert: „Der ‚Lysistrata‘ des Aristophanes hat Leo Greiner für die Reinhardtschen Bühnen über ihre riesenhafte, urvölkerhaft unverhüllte Erotik ein etwas manierlicheres Gewand angezogen – zweifellos bedeutet sie in dieser zahmen Fassung, eine andere ist allerdings nicht aufführbar, einen Gewinn fürs Theater.“ 845 Vgl. Flashar (2009), 204. 846 In den 1980er Jahren stand Aristophanes auf der Beliebtheitsliste antiker Dramatiker an oberster Stelle, „von dessen Komödien für die sieben Spielzeiten von 1981/82 bis 1987/88 stolze 989 Aufführungen von 55 Inszenierungen nachweisbar sind.“ Vgl. Janka (2000), 578 unter Berufung auf Flashar (1991), 267. In Bezug auf die Lysistrate ergänzt Janka (2000), 577 Anm. 8: „Eine Durchsicht der in den neueren Bänden von Theater heute besprochenen Premieren bestätigt, daß man Flashars (für die Aufführungen in den 50er und 60er Jahren erhobenen) Befund ruhig generalisieren darf: ‚Unter den Komödien des Aristophanes hält die Lysistrata die Spitze‘ (218).“

  Deutsche Aristophanes-Übersetzungen im Vergleich tionen bot. 847 Einige dieser Adaptationen – zu ihnen zählen etwa Fritz Kortners seinerzeit heftig umstrittenes Fernsehspiel Die Sendung der Lysistrata (1961) 848 oder Rolf Hochhuths Drama Lysistrate und die NATO (1973) 849 – erscheinen freilich durch

 847 So z. B. Claus Bremer (1924–1966), dessen Lysistrate-Bearbeitung 1966 in Kassel uraufgeführt wurde (s. Flashar [2009], 202), und der DDR-Dramatiker Joachim Knauth (*1931), der Mitte der 1960er Jahre eine Bühnenbearbeitung der Aristophanischen Ekklesiazusen vorgelegt hatte und sich 1975 auch der Lysistrate annahm; vgl. Riedel (2000), 362. Eine weitere Bearbeitung der Lysistrate, entstanden um 1987, stammt von Siegfried Dörffeldt. Die drei hier genannten Bearbeitungen werden in der vorliegenden Arbeit nicht näher untersucht, da sie lange Zeit lediglich in größeren Bibliotheken als maschinenschriftliches Bühnenmansuskript zugänglich waren und daher wenig Verbreitung gefunden hatten. Erst seit jüngerer Zeit sind sie über die Internetseiten des jeweiligen Verlages als print on demand oder PDF-Versionen abrufbar: https://www.hsverlag.com/werke/ detail/t477 (Bremer); https://henschel-schauspiel.de/de/person/506 (Knauth); https://www. dtver.de/de/theater/index/product/product_id/418 (Dörffeldt) (zuletzt gesehen: 17.09.2019). Zu den Lysistrate-Bearbeitungen der deutschen Nachkriegszeit vgl. Riedel (2002), 55; vgl. außerdem Riedel (2000), 328, 331, 362, 396 f. 848 Der Regisseur Fritz Kortner (1892–1970) inszenierte sein Fernsehspiel gewissermaßen als Stück im Stück. In der Rahmenhandlung treffen sich drei befreundete Ehepaare, um sich gemeinsam eine Fernsehsendung anzusehen, an der zwei der Frauen als Darstellerinnen mitgewirkt haben. Bei dieser Sendung handelt es sich um eine Fernseh-Inszenierung der Aristophanischen Lysistrate, die unter den anwesenden Paaren eine angeregte Diskussion über die Risiken und Gefahren des Atomzeitalters auslöst. Agnes, eine der Schauspielerinnen (im Film von Romy Schneider verkörpert), will ihren Mann, einen Chemiker, der gerade einen neuen Treibstoff entwickelt hat, davon abhalten, ein lukratives Jobangebot in den USA anzunehmen, da sie befürchtet, seine Forschungsergebnisse könnten letztlich für den Bau einer Bombe zweckentfremdet werden. Bereits Wochen vor der geplanten Ausstrahlung von Kortners Fernsehspiel wurde unter den Intendanten der öffentlichrechtlichen Sendeanstalten eine von den Print-Medien aufmerksam verfolgte Debatte darüber geführt, ob man die Sendung im gemeinschaftlichen Abendprogramm der ARD zeigen dürfe oder nicht. Als Hauptargument gegen eine Ausstrahlung führten die Fernsehverantwortlichen insbesondere der CDU-regierten Länder moralische Bedenken ins Feld. In Wirklichkeit dürften jedoch eher politische Gründe ausschlaggebend für die ablehnende Haltung gewesen sein, wie eine Äußerung des seinerzeitigen Fernseh-Koordinators Claus Münster nahelegt: „Die Verfechter einer Atomrüstung werden auf eine Weise karikiert, die einfach unfair ist.“ Vgl. Lysistrata. Ehestreik gegen Atomtod (1960), 84. Letztlich wurde das Fernsehspiel am 17. Januar 1961 von allen bundesdeutschen Sendeanstalten mit Ausnahme Bayerns ausgestrahlt. Das Magazin Der Spiegel berichtete ausführlich, vgl. Lysistrata. Ehestreik gegen Atomtod (1960), 83–84, Lysistrata. Südlich der Gürtellinie (1961), 57–59, und Kortner. Na sowas (1961), 50–61. Das Drehbuch der Sendung wurde auch in Buchform publiziert, vgl. Kortner (1961). Zu der Fernsehsendung verfasste der prominente DDR-Dramatiker Peter Hacks eine Rezension, in der er auch auf die Behandlung des Obszönen bei Kortner eingeht: „[...] die Freiheit in der naiv materiellen Sphäre ist eine unentbehrliche, volkstümliche und machtvolle Seite der Freiheit überhaupt. Darum ist es, meint der Rezensent, erforderlich, auch die Fäkalwitze des Aristophanes in Ehren zu halten, selbst, wenn man sie nicht liebt. Kortner hingegen verfährt in allen den Punkten sehr edel. Er redet über diese Beischlafverweigerungsgeschichte mit dem Wort- und Witzschatz eines Sonntagsschullehrers.“ Hacks (1963), 69. 849 Rolf Hochhuth (*1931) siedelt die Handlung seiner aktualisierenden Lysistrate-Bearbeitung in der Zeit der 1970er Jahre auf einer kleinen griechischen Insel an, auf der ein NATO-Stützpunkt

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ihre Einpassung in zeitgenössische politische Kontexte inhaltlich und formal so stark verfremdet, dass ein übersetzungsanalytischer Textvergleich mit dem Aristophanischen Original nicht mehr möglich ist. Sie finden daher im Rahmen der vorliegenden Untersuchung keine Berücksichtigung. Zwei weitere, ebenfalls politisch motivierte Bearbeitungen des AristophanesStoffes jener Zeit – beide für das Theater konzipiert, beide auch als Druckfassung erschienen – weisen dagegen noch eine deutlich erkennbare Rückbindung an den Originaltext auf und sollen deshalb an dieser Stelle die bisherigen Betrachtungen zum ‚übersetzerischen‘ Umgang mit obszöner Sprache exemplarisch um den translatorischen Sonderfall der freien Bearbeitung ergänzen. Es handelt sich um die 1979 uraufgeführte Komödie Lysistrata von Erich Fried und um das Stück Die Friedensfrau von Walter Jens aus dem Jahr 1986. Beide Bearbeiter, Markus Janka charakterisiert sie als „linksintellektuelle Moralisten“ 850, waren in der deutschen Friedensbewegung aktiv, engagierten sich gegen den Vietnamkrieg und atomare Nachrüstung und meldeten sich regelmäßig in den politischen Debatten ihrer Zeit zu Wort. Die Unterschiede zwischen den beiden Lysistrate-Versionen liegen somit weniger in ihrer jeweiligen Intention – beide kommen als pazifistisches Plädoyer daher – als vielmehr in ihrer sprachlichen und dramatischen Gestaltung. 851 Auch die Obszönitätsproblematik wird, wie im Folgenden zu zeigen ist, auf recht unterschiedliche Weise angegangen, obgleich beide Bearbeiter auf eine semantisch adäquate Wiedergabe primärer Obszönitäten weitgehend verzichten. So bietet Fried den Lesern der Druckfassung seines Stückes einen historisch-kulturgeschichtlichen Überblick zur Obszönitätsthematik im Rahmen von Paratexten und Illustrationen, während Jens den dramaturgisch-schauspielerischen Konflikt zwischen den textlichen Anforderungen des griechischen Originals einerseits und den gesellschaftlichen Tabugrenzen der eigenen Zeit andererseits in ironisch-spielerischer Weise im Dramentext selbst zum Thema macht.

 errichtet werden soll. Die linke Parlamentsabgeordnete Dr. Lysistrate Soulidis setzt sich dagegen nach Art ihrer Aristophanischen Namenspatronin zur Wehr und stiftet die einheimischen Bäuerinnen zur sexuellen Verweigerung an, um deren Männer vom Verkauf ihrer Grundstücke abzuhalten. Das Stück wurde 1974 in Essen uraufgeführt. Zum Musical umgearbeitet und mit neuem Titel (Inselkomödie) versehen kam es erneut im Juli 2010 am Berliner Ensemble heraus. Vgl. Hochhuth (B), Lysistrate und die Nato. Komödie. Mit einer Studie: Frauen und Mütter, Bachofen und Germaine Greer (1973), auch enthalten in Hochhuth, Stücke (1975); Neuauflage: Hochhuth (B), Inselkomödie (1993). 850 Janka (2000), 579. 851 Einen Ausführlichen Textvergleich beider Fassungen bietet Janka (2000). S. ferner Kitzbichler/Lubitz/Mindt (2009a), 305 f. u. 308 f.

  Deutsche Aristophanes-Übersetzungen im Vergleich ... Erich Fried (1985) Erich Fried (1921–1988) 852 wuchs als Sohn jüdischer Eltern in Wien auf, wo er von 1931 bis zu seiner Emigration nach London 1938 das Gymnasium besuchte. Von 1952 bis 1968 arbeitete Fried als politischer Kommentator beim German Service der BBC. Bereits seit 1940 waren Gedichte und Prosatexte Frieds in verschiedenen Exilzeitschriften erschienen, ab den 1950er Jahren widmete er sich verstärkt dem Übersetzen englischsprachiger (u. a. Dylan Thomas, T. S. Eliot, Sylvia Plath) und auch hebräischer (David Rokeah) Lyrik. Seit 1953 hielt Fried sich häufig in Deutschland auf, ohne seinen Londoner Wohnsitz aufzugeben. Er schloss sich der Gruppe 47 an, beteiligte sich aktiv an den deutschen Studentenprotesten und meldete sich in den gesellschaftspolitischen Debatten der Folgejahre immer wieder zu Wort. Fried veröffentlichte zahlreiche Bände mit politischen Gedichten und Liebeslyrik. Für Peter Zadeks Bremer Inszenierung übersetzte er 1963 Shakespeares Sommernachtstraum und legte danach auch die übrigen Shakespeare-Dramen in deutscher Übersetzung vor. 853 Auch zwei antike Dramen wurden von Fried ins Deutsche übertragen: 1970 kamen bei der Eröffnung des neuen Schauspielhauses in Düsseldorf die Bakchen des Euripides in Frieds Übersetzung zur Aufführung, 854 1979 entstand seine freie Bearbeitung der Aristophanischen Lysistrate als Auftragswerk für die Recklinghauser Ruhrfestspiele (Regie Heinz Enges). Eine Druckversion von Frieds Lysistrata erschien im Jahr 1985. 855

 852 Ausführlichere Informationen zu Frieds Leben und Werk bieten u. a. Lampe (1989), Kaukoreit (1991), Thunecke (2000), Sachslehner/Czapla (2009) und Kaukoreit (2010a). Eine umfassende Bibliographie im PDF-Format zu Frieds Werken und Übersetzungen wurde von Volker Kaukoreit (2010b) im Auftrag der Internationalen Erich Fried Gesellschaft für Literatur und Sprache (Wien) zusammengestellt. Sie ist im Internet unter folgendem Link abrufbar: http://www.literaturhaus.at/in dex.php?id=8538&L=0%252525252525252Fadmin%252525252525252Ffile_manager.php%2525252 52525252Flogin.php%2C [zuletzt gesehen: 17.09.2019] (Auflistung der Übersetzungen hier S. 83– 98). Frieds dichterische Auseinandersetzung mit der Antike wird dargestellt in Günther (2002). Zu Fried als Übersetzer s. u. a. Reichert (1986), Apel, [Einleitung] (1989), Riedel (2000), 396, Kitzbichler/Lubitz/Mindt (2009a), 308 f. 853 1989 brachte der Wagenbach-Verlag in seinem Programm zum 25. Verlagsjubiläum eine Shakespeare-Gesamtausgabe in Frieds Übersetzung heraus: Fried, Shakespeare. 27 Stücke von William Shakespeare in der Übersetzung von Erich Fried (1989). 854 Fried, Euripides. Die Bacchantinnen (1970) (Bühnenmanuskript). Lt. Riedel (2000), 396 entstand 1979 auch eine Bearbeitung desselben Stückes. 855 Fried (B), Lysistrata. Die Komödie des Aristophanes. Neu übersetzt von E. F. Kommentiert von Barbara Sichtermann. Mit einer Materialsammlung von Heinke Lehmann (1985).

Porträts der ausgewählten Übersetzungen und Bearbeitungen der Lysistrate  

Frieds Beitrag zur Aristophanes-Interpretation Wie bereits bei seiner Übertragung der Euripideischen Bakchen ist Fried – als engagierter Pazifist 856 – auch bei Aristophanes vor allem an der politischen Aktualität des antiken Stoffes interessiert. Vor dem Hintergrund des atomaren Wettrüstens der beiden ‚Supermächte‘ USA und Sowjetunion interpretiert er die Lysistrate als zeitloses Friedensmanifest, das den Krieg als „Wahnsinn“ entlarvt und den utopischen Gedanken propagiert, dass die Liebe „über Vorurteil und altgewohnten Haß“ siegen könne. 857 Frieds pazifistische Deutung des Stückes wird in der Druckfassung von 1985 durch zwei flankierende Begleittexte unterstützt: In einem einleitenden Essay zeigt die Publizistin Barbara Sichtermann Parallelen und Differenzen zwischen der Aristophanischen Friedensutopie und den Zielen der verschiedenen pazifistischen Strömungen der 1970er und 1980er Jahre auf. Für die historische Einordnung des Lysistrate-Stoffes und seine Rückbindung an die Antike sorgt eine umfangreiche, von der Altphilologin Heinke Lehmann zusammengestellte Materialsammlung im Anhang. 858 Im Rahmen der vorliegenden Untersuchung ist vor allem die Tatsache hervorzuheben, dass beide Abhandlungen auch auf die Obszönitätsproblematik eingehen. In Sichtermanns Essay Krieg und Liebe – apropos Lysistrata werden – anknüpfend an die gegen den Vietnam-Krieg gerichtete Hippie-Parole „make love not war“ – die Gemeinsamkeiten und Gegensätze in Bezug auf die beiden Konstanten ‚Krieg‘ und ‚Liebe‘ zwischen dem „materialistischen Heidentum der Antike“, dem „spirituellen Heidentum der amerikanischen Subkultur“ (1970er Jahre) sowie der bürgerlich-christlich geprägten deutschen Friedensbewegung (1980er Jahre) herausgear-

 856 Fried beteiligte sich in den 1960er Jahren an den Protesten gegen den Vietnamkrieg und nahm u. a. an der Internationalen Vietnamkonferenz in West-Berlin (Februar 1968) teil. 1966 veröffentlichte er den Gedichtband und Vietnam und (vgl. Lampe [1989], 131 ff.). In den 1970er und 1980er Jahren war er in der deutschen Friedensbewegung aktiv: „Fried war auf Kirchentagen, demonstrierte mit jungen (und älteren) kritischen Christen gegen die Ausbeutung der ‚Dritten Welt‘, nahm an Veranstaltungen der Friedensbewegung teil, protestierte gegen den ‚Nato-Doppelbeschluß‘ und die Stationierung der ‚Pershings‘, vergaß darüber aber auch nicht das Vernichtungspotential der biologischen und chemischen Kampfstoffe.“ (Lampe [1989], 178). 857 Vgl. Frieds Epilog in: ders., Lysistrata (1985), 74. 858 Lehmann, Aristophanes’ Komödien, die Männergesellschaft von Athen und der Peloponnesische Krieg (1985), 75–142. Erläutert werden hier die Entstehungsbedingungen der Aristophanischen Lysistrate in zehn Kurzkapiteln zu folgenden Themen: Attische Demokratie (79–85), Rolle der Frauen und Hetären (86–91), Obszönität und Phalloskult (92–95), Ursprung, Art und Spielweise der Komödie (96–100), Demokratie und Komödie (101–103), Aristophanes’ Komödien und der Peloponnesische Krieg (104–130), Aristophanes’ Verhältnis zu Sokrates (131–137), Politisches Elend oder Gerechtigkeit als Utopie (138–140), Leben des Aristophanes (141), Zeitgenossen des Aristophanes (142). Abgeschlossen wird dieser Teil durch eine themenbezogene Bibliographie (142– 143).

  Deutsche Aristophanes-Übersetzungen im Vergleich beitet 859. Gemeinsame Zielsetzungen erkennt Sichtermann dabei vor allem zwischen den „Sänger[n] und Dichter[n] in den beiden kriegführenden Ländern“ – gemeint sind das antike Griechenland und die Vereinigten Staaten von Amerika. Unterschiede bestünden hier lediglich in der jeweiligen Umsetzung dieser Zielvorstellungen: ‚Make love, not war‘ ist ein missionarischer Spruch, er will Augen öffnen, überzeugen und bessern. Die Strategie der Frauen in der Lysistrata, ‚war or love‘, setzt auf Druck. [...] Die Blumenkinder beschwören, Lysistrata und ihre Mitstreiterinnen drohen. 860

Bei den Anhängern der in der Bundesrepublik der 1980er Jahre immer stärker werdenden „Allianz aus Friedens-, Frauen- und Alternativbewegung“ 861 mussten dagegen, wie Sichtermann ausführt, derartige strategische Planspiele auf Ablehnung stoßen. Als Grund hierfür nennt Sichtermann den veränderten ‚Liebes‘-Begriff jener Bewegung, die ihn – in Abgrenzung zu der vorausgegangenen Epoche sexueller Freizügigkeit – nunmehr wieder allein im christlich-karitativen Sinn verstanden wissen wollte: Von Liebe als von einer, die man im Sinne des amerikanischen Hedonismus ‚machen‘ kann, ist keine Rede mehr. Das Heidnisch-Sinnenfrohe der Hippie-Zeit mit ihrer unartigen Neigung zur Droge hat christlich-nüchternen Einflüssen Platz gemacht: Liebe kommt nur noch im Sinn der Versöhnung vor. 862

Aristophanes’ Komödie stehe zu dieser Haltung, so Sichtermann, in vollkommenem Gegensatz. Bei seiner Lysistrate handle es sich um ein „militantes Friedensstück“, in dem die Frauen die Männer nicht überreden, sondern kämpfen. 863 Sie beschränken sich dabei nicht auf die sexuelle Verweigerung, sondern besetzen die Akropolis und beweisen gegenüber den Männern auch physische Stärke, indem sie ihnen mit Wasser zu Leibe rücken und sich mit „Schlägen, Tritten, Bissen, Stichen“ zur Wehr setzen. 864 Diese Aggression des Geschlechterkampfes kommt nach Auffassung Sichtermanns insbesondere in der Aristophanischen „Sex-Metaphorik“ zum Ausdruck, „die fast immer zugleich Kriegs-Metaphorik ist.“ 865 Heinke Lehmanns kulturgeschichtliche Materialsammlung zu den Entstehungsund Aufführungsbedingungen der Alten Komödie befasst sich in einem eigenen Kapitel 866 vor allem mit den kultischen Ursprüngen der im landläufigen Sinn als ‚obszön‘ bezeichneten Elemente der Alten Komödie. Hierzu zählt sie „Anspielungen  859 Vgl. Sichtermann (1985), 11. 860 Sichtermann (1985), 9. 861 Sichtermann (1985), 22. 862 Sichtermann (1985), 12. 863 Vgl. Sichtermann (1985), 16. 864 Vgl. Sichtermann (1985), 16. 865 Vgl. Sichtermann (1985), 23. 866 Lehmann, Obszön? – einige Erläuterungen zum Phalloskult (1985), 92–95.

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auf sexuelle Tätigkeit im hetero- wie im homosexuellen Bereich“, die „ausdrückliche Benennung dieser Tätigkeit“ und das „Zur-Schau-Stellen des erigierten männlichen Gliedes“. 867 Lehmann verweist auf die ursprüngliche Fruchtbarkeitssymbolik des Phallos, der in archaischer Zeit bei feierlichen Prozessionen als Kultobjekt präsentiert wurde, sowie auf phallische Darstellungen von Göttern und Dämonen (Priapos, Hermessäulen, Silene, Satyrn; Vögel und Schlangen in Phallosform). Anknüpfend an diese kultisch-repräsentativen Phallostraditionen, die „in älteren Zeiten ganz bestimmt nicht als anstößig empfunden [wurden]“ 868, habe die Alte Komödie im Laufe ihrer Entwicklung eine gewisse Distanz „zur alten Symbolwelt“ 869 entwickelt. Die obszönen Scherze, Lederphalloi und ausgestopften Hinterteile der Schauspieler hätten dabei als überkommene kultische Requisiten vor allem die Funktion übernommen, die Triebhaftigkeit der menschlichen Natur in ironischer Weise vorzuführen und ins Lächerliche zu ziehen: Die Komödie arbeitet mit dem amüsanten Aspekt, der Intellekt macht sich lustig über die Abhängigkeit des Menschen von seinen Trieben, gleichzeitig aber – und darin besteht ein entscheidender Unterschied zu christlicher Sicht – bejaht er diese Abhängigkeit. Für die Griechen bestand zwischen Religiosität und Sexualität kein Abgrund wie bei den Christen [...]. Bei Aristophanes ist Sexualität zugleich komödiantischer Spaß, überliefertes kultisches Relikt und Symbol für ein Leben in Frieden, – gerade auch in der Lysistrata. 870

Neben diesen beiden Abhandlungen, die sich dem Thema Obszönität aus essayistischer bzw. kulturhistorischer Perspektive nähern, rückt Frieds Lysistrate-Büchlein den Aspekt des Obszönen auch optisch in den Fokus des Lesers: Sowohl auf dem äußeren Buchtitel als auch illustrierend zu den enthaltenen Texten finden sich zahlreiche, zumeist auf antike Vasenbilder zurückgehende Abbildungen, die – neben einigen Szenen aus dem griechischen Alltagsleben 871 oder aus der Welt des antiken Theaters 872– überwiegend pornographische Motive aufweisen: kopulierende Paare (Titelbild, 8, 95), orgiastische Szenen (73, 137) und Phallosdarstellungen ([2], 85, 93, 124, 126). Die buchgestalterische Aufmachung von Frieds Lysistrate-Bearbeitung lässt somit ebenso wie die thematische Ausrichtung der Begleittexte erwarten, dass der Aspekt des Obszönen auch in der Übertragung selbst entsprechende Behandlung erfährt.

 867 Lehmann (1985), 92. 868 Vgl. Lehmann (1985), 94. 869 Vgl. Lehmann (1985), 95. 870 Lehmann (1985), 95. 871 Rezitation von Dichtung im Schulunterricht, Abgabe von Stimmsteinen, Frauen bei der Wollverarbeitung etc. 872 U. a. verkleidete Komödienschauspieler, Ansicht des Dionysos-Theaters, tanzende Mänaden.

  Deutsche Aristophanes-Übersetzungen im Vergleich Frieds Lysistrate-Bearbeitung .... Frieds Bearbeitungsprinzipien Was Frieds Bearbeitungsprinzipien hinsichtlich Lysistrate angeht, so sind diese weitestgehend aus dem Text selbst abzuleiten. Lediglich ein knapper, in PetitSchrift gedruckter Absatz zur Begründung der gewählten Übertragungsform wird der Bearbeitung vorausgeschickt: Teils weil diese Übersetzung und Bearbeitung für die Bedürfnisse einer Bühne verfaßt wurde, die zum Beispiel mit mehreren wetteifernden Schlußchören nicht zu Rande gekommen wäre; teils auch, weil Ensemble und Übersetzer einige Stellen unterstreichen und die Rolle der Frauen, aber auch die der Liebe noch stärker betonen wollten; schließlich auch, weil der Übersetzer mit einem leicht skeptischen Ton schließen wollte, wurden einige Stellen leicht ‚umgedichtet‘. Es handelt sich also hier um eine Bearbeitung, die weitaus freier ist als meine Shakespeare-Übersetzungen. 873

In der Tat entspricht das Konzept einer freien Bearbeitung keineswegs Frieds bei Shakespeare angewandter, eher als „konventionell“ 874 zu charakterisierender Übersetzungsmethode, die – für das 20. Jahrhundert beinahe anachronistisch – darauf abzielte, „möglichst nahe am Original zu bleiben, sowohl was Inhalt als was Kunstform, Vers und Reim betrifft“. 875 Dementsprechend skeptisch stand der Shakespeare-Übersetzer Fried ursprünglich auch interpretierenden Übertragungen und freien Bearbeitungen gegenüber: „Die freie Bearbeitung kann sicher das Talent des Nachdichters zeigen, aber wenn wir den Autor selbst kennen wollen, brauchen wir eine Übersetzung, die sich an den Text hält.“ 876 Um so bemerkenswerter erscheint Frieds Entscheidung, bei der Aristophanischen Lysistrate von seinen früheren, weitaus strengeren Übersetzungsprinzipien abzuweichen und selbst eine freie Bearbeitung vorzulegen. Denn nicht in allen Fällen handelt es sich hierbei nur um eine ‚leichte Umdichtung‘.

 873 Fried (B), Lysistrata (1985), 32. Hieran anschließend zählt Fried insgesamt fünf Stellen auf, an denen er größere bearbeitende Eingriffe vorgenommen hat. 874 Reichert (1986), 85, 88, 93. Vgl. auch Apel [Einleitung] (1989), 23. 875 Vgl. Fried, Weltliteratur (1984), 107. Zu seiner Übersetzungskonzeption nimmt Fried auch in seinen Zeitschriften- bzw. Programmheftbeiträgen Möglichst nah am Original (1963) und Zugang durch Übersetzung? (1970) Stellung. Eine Zusammenstellung weiterer verstreuter Äußerungen Frieds zum Übersetzen bietet Apel (1989), 23–32. 876 Fried, Beim Übersetzen der ‚Tragödie von Julius Cäsar‘ (1965) [Auszug], 23. Vgl. auch Fried, Möglichst nah am Original (1963), 30: „Eine Übersetzung, die sich ans Original hält, läßt dem Übersetzer weniger Spielraum für Interpretationen und Fehlinterpretationen als eine ‚freie Nachdichtung‘.“

Porträts der ausgewählten Übersetzungen und Bearbeitungen der Lysistrate  

.... Analyse der Bearbeitung Teil 1: Allgemeine Beobachtungen Insgesamt lehnt sich Frieds Text inhaltlich über weite Strecken eng an den Ausgangstext an. Auch die Versabteilung entspricht weitgehend dem Original, so dass trotz fehlender Verszählung ein Abgleich mit der Aristophanischen Vorlage leicht möglich ist. Im Vergleich zu den bisher betrachteten Lysistrate-Übersetzungen im engeren Sinn weist Frieds Bearbeitung jedoch an mehreren Stellen ergänzende Einschübe, Auslassungen sowie interpretierende Eingriffe in den Handlungsverlauf oder die Personenkonstellation auf, die sich zum Teil recht weit von Aristophanes entfernen. So legt Fried etwa dem von seiner Frau getäuschten Kinesias einen von Einsicht getragenen Friedensappell an seine Geschlechtsgenossen in den Mund 877 oder schildert die Szene, in der bei Aristophanes ein Athener und ein spartanischer Gesandter aufeinandertreffen, aus der Frauenperspektive, indem er statt der Männer Lysistrate und die Spartanerin Lampito auftreten lässt 878. Besonders markant erscheint Frieds Eingreifen in der Schwurszene, in der die Frauen ihren Friedenseid nicht wie bei Aristophanes auf Wein sondern auf Muttermilch schwören 879. Am Ende des Stückes verleiht Fried seinem pazifistischen Anliegen noch einmal dezidiert Ausdruck, indem er der ausgelassenen antiken Friedensfeier einen ernsthaften, auf die aktuelle politische Weltlage bezogenen „Epilog“ der Lysistrate folgen lässt, in dem diese – aus ihrer Rolle heraustretend – eindringlich für den Weltfrieden plädiert: Lysistrata:

Das Spiel ist aus. Noch nicht aus sind die Kriege. Auch zwischen Sparta und Athen der Krieg ist nicht in Liebe, nein, in Blut erstickt. So gings bis heut, Jahrhundert um Jahrhundert. – [...] Drum denkt heut dran, es geht uns alle an, es gilt für jede Frau und jeden Mann: Falls ihr noch leben wollt, verteidigt euch – vor allem gegen den Verteidigungsfall, in dem es nichts mehr zu verteidigen gäbe! Denn zu Lysistratas Zeit war der Krieg noch menschlich unmenschlich und nicht wie heute. Es gab noch Sieger und es gab noch Beute, und Aristophanes konnte noch lachen und sein Athen noch mit ihm lachen machen.

 877 Vgl. Fried (B), Lysistrata (1985), 64. 878 Vgl. Fried (B), Lysistrata (1985), 65 f. Fried geht es hier, wie er selbst schreibt, darum, „die Aktion der Frauen und die komische Lage der Männer zu unterstreichen“; vgl. Fried, Anmerkungen zu meiner Übersetzung (1985), 32. 879 Vgl. Fried (B), Lysistrata (1985), 38 f.

  Deutsche Aristophanes-Übersetzungen im Vergleich Wir aber brauchen heute andre Rollen, wenn wir nicht heut nur, nein, auch morgen lachen wollen. 880

Über diese interpretationsbedingten Modifikationen des Handlungsverlaufs hinaus sind bearbeitende Eingriffe jedoch auch dort deutlich zu erkennen, wo Fried der Aristophanischen Vorlage inhaltlich folgt. So bleiben etwa Metrum, Wortfolge und Satzbau des Ausgangstextes weitgehend unberücksichtigt. Was die Metrik betrifft, so gibt Fried zahlreiche Passagen in fünfhebigen Jamben wieder; mitunter – etwa in den Chorsequenzen oder im schnellen Schlagabtausch zweier Dialogpartner – finden sich auch freie Rhythmen. Um die chorische Wirkung zu verstärken oder bestimmte Aussagen eindrücklicher zu vermitteln, werden bisweilen auch mehrere Verse durch Paar- oder Kreuzreime verknüpft. Im Hinblick auf Wortlaut und syntaktische Gestaltung weist Frieds Bearbeitung eine deutliche Tendenz zur inhaltlichen Verdichtung und sprachlichen Verknappung auf. So fasst er häufig den Aussagegehalt mehrerer Aristophanischer Verse sinngemäß zu jeweils einem Vers zusammen. Zeitgebundene Anspielungen werden dabei entweder ganz ausgeblendet oder stark vereinfachend wiedergegeben: κἄστιν γε Λήμνιον τὸ πῦρ (300) τῶν ἐν Σάμῳ στρατηγῶν (313) ἐπὶ Λειψύδριον (664) ὥσπερ Κορύβαντες (558)

wie ein Vulkan, der seinen Krater auftut (S. 42) unsre großen Generäle (S. 43) im goßen Freiheitskrieg (S. 54) wie die Irren (S. 51)

Um die Gegenwartsnähe des antiken Stoffes auch auf sprachlicher Ebene zu vermitteln, greift Fried des Öfteren zu aktualisierenden Übersetzungen und modernisierenden idiomatischen Wendungen 881. So mutet etwa Myrrhines 882 verbaler Widerstand gegen die Staatsgewalt in Gestalt zweier skytischer Ordnungshüter wie eine anarchistische Parole auf einer Anti-AKW-Demo an: Γραῦς βʹ

εἰ τἄρα νὴ τὴν Φωσφόρον τὴν χεῖρ’ ἄκραν ταύτῃ προσοίσεις [...] (443 f.)

Myrrhine:

Zurück, ihr Bullen! Hände weg! (S. 47)

 880 Fried (B), Lysistrata (1985), 74. Der pazifistische Tenor findet sich bereits in den inhaltlich stark veränderten Chorliedern am Ende des Stückes. Vgl. Fried (B), Lysistrata (1985), 67 f., 71 ff. 881 Dies im Unterschied zu seiner Übersetzung der Euripideischen Bakchen, bei der er auf der Suche nach der passenden ‚Sprachstufe‘ letztlich einer möglichst zeitlosen Sprache den Vorzug gab: „Beim Übersetzen des Euripides fällt die Frage nach dem Deutsch seiner Zeit [sc. im Unterschied zu Shakespeare] natürlich weg. Auch eine grundsätzlich altertümelnde Sprache könnte nur irritieren. [...] Der bestmögliche Ausweg liegt auch hier im Verzicht auf moderne Redensarten und Worte, so daß eine klare, von den Inhalten her manchmal als alt – aber nicht veraltet – anmutende Sprache entsteht.“ Fried, Zugang durch Übersetzung? (1970), 72. 882 Bei Aristophanes ist diese Sprechpassage einer ‚Greisin‘ (Γραῦς βʹ) zugeordnet.

Porträts der ausgewählten Übersetzungen und Bearbeitungen der Lysistrate  

Auch das Chorlied, in dem die alten Marathonveteranen die Befürchtung äußern, die verfeindeten Spartaner könnten ihre Frauen zum Aufruhr angestiftet haben, weist in Frieds Version deutliche Reminiszenzen an die zu floskelhaften Wendungen erstarrten Freund-Feind-Schemata der deutschen Nachkriegszeit auf: Χογε.

καὶ μάλιστ’ ὀσφραίνομαι τῆς Ἱππίου τυραννίδος· καὶ πάνυ δέδοικα μὴ τῶν Λακώνων τινὲς δεῦρο συνεληλυθότες ἄνδρες εἰς Κλεισθένους τὰς θεοῖς ἐχθρὰς γυναῖκας ἐξεπαίρουσιν δόλῳ καταλαβεῖν τὰ χρήμαθ’ ἡμῶν τόν τε μισθόν, ἔνθεν ἔζων ἐγώ. [...] ἀλλὰ ταῦθ’ ὕφηναν ἡμῖν, ἄνδρες, ἐπὶ τυραννίδι. ἀλλ’ ἐμοῦ μὲν οὐ τυραννεύσουσ’, ἐπεὶ φυλάξομαι [...] (618 ff.)

Männerchor:

Ja, das riecht nach Tyrannei! Und vielleicht hat nur der Erbfeind Diese Weiber aufgehetzt! Oder kam bei Nacht aus Sparta Ein Agent und brachte Geld? Diese Weiber sind bestochen Oder sind verführt und dumm! Uns den Staatsschatz wegzunehmen, Hinterlistig, das ist arg! [...] Was steckt dahinter? Ein Plan, uns die Freiheit zu rauben? Uns? Im freien Teil Griechenlands? Wartet nur, wartet! (S. 53)

Sehr klar lässt sich bereits erkennen, dass Fried seine Bearbeitung stark auf ein modernes Publikum zugeschnitten hat, das mit den historischen und kulturgeschichtlichen Gegebenheiten der griechischen Welt des fünften vorchristlichen Jahrhunderts kaum noch vertraut ist. Für sein eigentliches Anliegen, auf die politische Aktualität des Lysistrate-Stoffes aufmerksam zu machen und auf diesem Weg auch seine eigene pazifistische Botschaft zu vermitteln, ist dies auch nicht von Belang. Fried zeigt sich in erster Linie an dem politischen Kernaspekt der antiken Komödie interessiert, der sich für ihn in dem friedensstiftenden Einwirken einer weiblichen Emanzipationsbewegung auf einen durch männliches Imponiergehabe und Großmachtstreben ausgelösten Konflikt manifestiert. Die zeitgebundenen Elemente des Originaltextes, seien sie formaler, sprachlicher oder kulturgeschichtlicher Art, betrachtet Fried daher eher als nebensächlich und eliminiert sie, wo sie ihm verzichtbar erscheinen. Stattdessen greift er zu eigenen künstlerischen Mitteln – einer zeitgemäßen Sprache, einer prägnanten Ausdrucksweise, einer stringenten Dialogführung –, um seinen Zeitgenossen die Aktualität des antiken Friedensappells in möglichst eindringlicher Weise vor Augen zu führen. Inwieweit auch die Behand-

  Deutsche Aristophanes-Übersetzungen im Vergleich lung der obszönen Passagen diesem Anliegen untergeordnet wird, soll im Folgenden näher untersucht werden. .... Analyse der Bearbeitung Teil 2: Behandlung der obscena Obgleich die Themen Sexualität, Obszönität und Pornographie sowohl in den Begleittexten als auch in den Illustrationen zu Frieds Lysistrate-Adaptation recht freimütig behandelt und dargestellt werden, weist der Bearbeitungstext selbst kaum primäre Obszönitäten auf. Fast durchgehend ersetzt Fried die obszönen griechischen Begriffe durch Metaphern und andere Umschreibungen. 883 Die Wörter πέος, ψωλή und σάθη werden in der Regel nicht durch Einzelbegriffe sondern durch komplexere Wendungen wiedergegeben: Λυ.

ἀφεκτέ α τοίνυν ἐστὶν ἡμῖν τοῦ πέους. (124)

Lysistrata:

Wir dürfen mit den Männern nicht ins Bett. (S. 36)

Κα.

[...] κἄν με χρῇ, διὰ τοῦ πυρὸς ἐθέλω βαδίζειν. τοῦτο μᾶλλον τοῦ πέους. (133 f.)

Kalonike:

[...] Ich geh durchs Feuer, wenn Du’s sagst. Nur eins: Die Liebe lasse mir! (S. 37)

Πρ.

Ἕτερος δέ τις πρὸς σκυτοτόμον ταδὶ λέγει νεανίαν καὶ πέος ἔχοντ’ οὐ παιδικόν· (414 f.)

Ratsherr:

Ein zweiter Dummkopf geht Zum Schuster, (der schon so ein geiles Mannsbild ist Mit seinem Werkzeug, das so groß ist und zu schwer Als daß ein Junge es ihm halten könnt) – [...] (S. 46)

Λα.

χαλεπὰ μὲν ναὶ τὼ σιὼ γυναῖκάς ἐσθ’ ὑπνῶν ἄνευ ψωλᾶς μόνας. (142 f.)

Lampito:

Du, wir Weiber ham das schwer! Allein zu liegen nachts und wartn bis die Vögel schrein! [Die Vögel, die hams gut!] (S. 37)

Κι.

ἡ δὲ φέροιτ’ αὖ πάλιν εἰς τὴν γὴν, κᾆτ ἐξαίφνης περὶ τὴν ψωλὴν περιβαίη. (977 ff.)

Kinesias:

Dann aber laß sie fallen Aus allen Wolken Herab auf die Spitze Unseres alten

 883 In Bezug auf Frieds Shakespeare-Übersetzung dagegen lobt Friedmar Apel gerade, dass sie „mit gleicher Sorgfalt Shakespeares hohe Kunst des Vulgären, seine Lust an den obszönen Ornamenten der Alltagssprache seiner Zeit“ bewahre. Vgl. Apel (?), [Klappentext] (1989).

Porträts der ausgewählten Übersetzungen und Bearbeitungen der Lysistrate  

Knorrigen Stammbaums! Λυ.

ἢν μὴ διδῷ τὴν χεῖρα, τῆς σάθης ἄγε (1119)

Lysistrata:

Und wenn sie dir die [sc. ihre Hände] nicht geben, Dann führ sie an anderen Ecken und Enden. (S. 69)

Wo Fried das deutsche Wort ‚Glied‘ als Bezeichnung für den Penis verwendet, tut er dies stets abschwächend im Plural: Χογε.

ποῖος γὰρ ἂν νέφρος ἀντίσχοι, ποία ψυχή, ποῖοι δ’ ὄρχεις, ποία δ’ὀσφῦς, ποῖος δ’ὄρρος κατατεινόμενος (662 f.)

Chor der Männer:

Ach, wie ertragens die Nieren im Leib? Jedes Glied fühlt Ausgesperrt, arbeitslos sich, betrogen und unnütz, [...] (S. 64)

Κι.

ὦ Ζεῦ, δεινῶν ἀντισπασμῶν. (967)

Kinesias:

Oh, die furchtbare nutzlose Spannung in all meinen Gliedern. (S. 64)

Ebenso auch in Frieds eigener Hinzufügung: Athener:

Der Morgen regt uns auf, der Abend drückt uns nieder. Das Unglück legt sich uns auf alle Glieder. (S. 69)

Die Anspielungen auf die weiblichen Geschlechtsorgane werden in einem Fall durch das Wort ‚Brüste‘ ersetzt (für κύσθος [1158]) 884, an zwei anderen Stellen fallen sie ganz aus, da Fried hier die Personenkonstellationen verändert. 885 Lediglich vage Andeutungen des eigentlich Gemeinten finden sich bei Fried auch im Hinblick auf die Verben βινεῖν, στύειν, ἀποψωλεῖν u. ä. 886 So richtet sich bei Fried das Begehren der Akteure nicht wie bei Aristophanes unmittelbar auf den Sexualakt, sondern stellvertretend auf die Frau respektive den Mann: βινεῖν βούλομαι (934) Ἔστυκα γάρ. (869) βινητιῶμεν (715)

[Ich will ja keine Decke], ich will dich! (S. 63) Ich will sie! Die Fraun sind alle mannstoll! (S. 55).

 884 Vgl. Fried (B), Lysistrata (1985), 70. 885 Dies Betrifft die Wendungen ἀπὸ τῶν ὑσσάκων (1001) und τῶ μύρτω (1004); vgl. Fried (B), Lysistrata (1985), 65 f. 886 Keine Parallele in Frieds Bearbeitung haben hier die Verse 989 (veränderte Personenkonstellation), 1099, 1166 und 1178 ff.

  Deutsche Aristophanes-Übersetzungen im Vergleich In anderen Fällen klagen die Männer über mangelnde Gelegenheit, ihren ‚Tatendrang‘ auszuleben. Die sexuelle Aktion wird hier zu einer unspezifischen Handlung abgemildert: τίνα βινήσω (954)

Was tu ich nur? Ich brauch doch irgendwas! (S. 64)

μὴ βινῶν τοὺς ὄρθρους (966)

Wenn morgens das Auge umsonst sich umsieht nach dem, was zu tun wär! (S. 64)

Bisweilen fürchten die Beteiligten auch um ihre Selbstkontrolle, ihre sexuelle Begierde äußert sich als ein kaum zu beherrschendes, aber nicht näher bezeichnetes körperliches Bedürfnis: ἐγὼ δε’ ἀπόλλυμαί γ’ ἀπεψωλημένος (1136) Wenn ich dich anseh, halt ichs kaum noch aus! (S. 70) ὢ παγκατάπυγον θἠμέτερον ἅπαν γένος (137) O Fraun! Wie sind wir ohne allen Halt! (S. 37)

Der dezente Ton findet sich bei Fried konsequenterweise auch da, wo Aristophanes derbe skatologische Ausdrücke verwendet: Λα.

γυμνάδδομαί γα καὶ ποτὶ πυγὰν ἅλλομαι. (82) 887

Lampito:

[ Wir turnen halt in Sparta!] Meine Fersen, Schau her: Ich hüpf und klatsch sie an mein’ Hintern! (S. 35)

Λα.

ἀλλ’ ὁ πρωκτὸς ἄφατον ὡς καλός (1148) 888

Spartaner :

Ja, sie hat recht, schaut’s ihren Hintern an! (S. 70)

ὥσπερ ἐνεουρηκότας (402) ἐπιχεσεῖ πατούμενος. (440)

[...], als hätten wir uns naßgemacht! (S. 46) Hör auf, sonst trample ich dir deine Därme leer! (S. 47)

Frieds Übertragungen der Aristophanischen Metaphern und Vergleiche lassen das obszöne Potenzial des Originaltextes schließlich kaum noch erahnen: Μυ. Λυ.

τί δ’ ἢν ἀφίωσ’ ἅνδρες ἡμᾶς, ὦ μέλε; τὸ τοῦ Φερεκράτους, κύνα δέρειν δεδαρμένην. (157 f.) 889

 887 Zu πυγή s. auch o. 3.3.1.1.3 Anm. 94. 888 Zu πρωκτός s. auch o. 3.3.1.2.3 u. ebd. Anm. 162. 889 Zur Stelle s. auch o. 3.3.1.1.3 und u. 3.4.4.

Porträts der ausgewählten Übersetzungen und Bearbeitungen der Lysistrate  

Kalonike 890 : Lysistrata:

Und was ist, wenn die Männer uns verlassen? Dann / Sind wir uns selbst die Nächsten, Schatz! Selbst ist der Mann! (S. 37)

Λυ. Κι.

σὺ δὲ τίς εἶ;

Lysistrata : Kinesias:

Und wer bist denn du? Ich bin ihr Mann, ich bin Kinesias. (S. 60)

Λυ.

οὐ στήσομαι λέαιν’ ἐπὶ τυροκνήστιδος. (231 u. 232) 892

Lysistrata:

Und mach mich auch nicht mehr geschmeidig wie eine Löwin. (S. 40)

ἁνὴρ ἐκείνης, Παιονίδης Κινησίας (851 f.) 891

Weniger verhalten fällt Frieds Übertragung lediglich da aus, wo Obszönität indirekt in Form von situationsbedingten Doppeldeutigkeiten zutage tritt, wie etwa in der von Myrrhine vorgetäuschten Verführungsszene: Μυ. Κι.

ἔπαιρε σαυτόν· ἀλλ’ ἐπῆρται τουτογί. (937)

Myrrhine: Kinesias:

(kommt mit Decke oder Schafspelz.) So! Steh jetzt auf. Ich steh! (S. 63)

Μυ. Κι.

λαβὲ τόνδε τὸν ἀλάβαστον.

Myrrhine: Kinesias:

Da hab ich was für dich! (Gibt ihm die Flasche.) Komm lieber her! Da hab ich was für dich! (S. 63)

ἀλλ’ ἕτερον ἔχω. (947)

Obgleich Fried hier nicht wörtlich übersetzt, bemüht er sich doch, den Effekt des obszönen Doppelsinns in seiner Bearbeitung zu bewahren. Teilweise baut er ähnliche Pointen sogar dort ein, wo der Ausgangstext gar keine obszöne Entsprechung aufweist. Gern bedient er sich dabei geläufiger idiomatischer Wendungen des Deutschen, die durch eine minimale Veränderung der sprachlichen Konstruktion oder allein durch ihre Verwendung in einem bestimmten situativen Kontext einen obszönen Beiklang erhalten: Λυ.

ἀλλ’ ὦ Λαμπιτοῖ, σὺ μὲν βάδιζε καὶ τὰ παρ’ ὑμῖν εὐ τίθει (242 f.)

Lysistrata:

Liebste Lampito, jetzt geh du nachhaus nach Sparta, Und bringe eure Männer dort um Reih und Glied. (S. 41)

 890 Der Vers wird in der Textausgabe von Wilson (Ed.) (2007) II, 14 der Myrrhine zugeordnet; bei Fried (und möglicherweise auch in der von ihm verwendeten Textausgabe) gehört er Kalonike. 891 Zur obszönen Konnotation des attischen Demennamens Paionidai s. o. 3.3.2.1.3 u. ebd. Anm. 388. 892 Zur Stelle s. auch o. 3.3.3.3.3 u. ebd. Anm. 821.

  Deutsche Aristophanes-Übersetzungen im Vergleich Κι.

ἥ τοι γυνὴ φιλεῖ με, δήλη ’στὶν καλῶς. (919)

Kinesias:

Jetzt glaub ich steif und fest, sie liebt mich doch! (S. 62)

Κι.

ἀπολώλεκέν με κἀπιτέτριθεν ἡ γυνὴ (952)

Kinesias:

Betrogen hat sie mich und stehen lassen. – (S. 64)

In extenso bringt Fried diese Pointentechnik bei der von ihm hinzugedichteten Begegnung zwischen Lampito und Lysistrate zur Anwendung, die in seiner Bearbeitung an die Stelle des spartanischen Gesandten und des Atheners (vgl. Lys. 980– 1013) treten. In Anlehnung an den Aristophanischen Scherz ὀρσὰ Λακεδαίμων πᾶα καὶ τοὶ συμμάχοι / ἅπαντες ἐστύκαντι (995 f.) 893

beleuchtet Fried hier den Zustand der Dauererregung von Spartanern und Athenern aus weiblicher Sicht und lässt die beiden Frauen den sichtbaren Erfolg ihrer Streikaktion genüsslich auskosten. Im Gegensatz zu seiner an anderen Stellen beobachteten Tendenz zur sprachlichen Verknappung werden hier in extremer Überbietung des Aristophanes die verschiedenen – obszönen und nicht-obszönen – idiomatischen Verwendungsweisen der deutschen Wörter ‚stehen‘ und ‚hart‘ variiert und kombiniert: Lysistrata: Lampito:

Lysistrata: Lampito:

Lysistrata:

Lampito:

Lampito! Schwester! – Schon zurück aus Sparta? Wie steht es dort? Gut stehts, Lysistrata; gut stehts. (Lacht): Und stehn is überhaupt das rechte Wort: Die Männer stehn nur so herum, verzweifelt, Sie reden nix vom Krieg mehr, nur noch davon, Auf was ein jeder steht. Und worauf stehn sie? Das weißt du doch! – Auf was ganz Sparta steht. – Und weil sie so drauf stehn, stehn’s jetz’ auf Frieden. Sie ham auch schon a G’sandschaft hergeschickt, Die Frieden machen soll. Da bin ich g’laufen, Damit ich früh’r bei euch bin. Du! – Wie schön! Bisher hat alles immer nur geredet Von Spartas Männern, wie die kämpfen können, Wie hart sie sind. – Ab heute aber wird Man rühmen: Eure Fraun sind noch viel härter! Ja, ja, wir Fraun ham’s ihnen hart gemacht. So harte Tage und so harte Nächte

 893 Zur Stelle s. o. 3.3.2.1.3 Anm. 386. Zu Deutsch etwa: ‚Ganz Lakedaimon hat sich erhoben und die Bundesgenossen / allesamt stehen da gereckten Gliedes‘ (K.L.); s. auch o. die Übersetzung von Holzberg (3.3.3.3.3): ‚stramm in Reih und Gliedern‘.

Porträts der ausgewählten Übersetzungen und Bearbeitungen der Lysistrate  

Lysistrata:

Lampito:

Lysistrata:

Ham unsre Männer sonst noch nie gehabt. Wir ham gesiegt, auch wenn es hart auf hart ging. Aber wie stehts mit eueren Athenern? Auch wir haben die unsern scharf gemacht Und ausgehungert. Glaube mir, Lampito: Wir bringen es zustand. Des Friedens Sache Steht besser als sie jemals stand: Jetzt trägt sie Nicht nur der Frauen bitterer Schwur, nein, auch Die angespannte Kraft der Männer, die Ihr eigenes hartes Los verbessern wollen Und steif und fest jetzt für den Frieden stehn. (Sie lachen.) Lysistrata, du müßtest die nur sehn jetzt! Unsere Mannsbilder in Sparta alle: Die Speere ham sie alle aufgerichtet, Nicht für den Krieg, nein, ganz im Gegenteil ... Und was sie hoffen, ist was wir auch hoffen. Auch unsre Ratsherrn, Feldherrn und Soldaten, Die stehn dazu jetzt anders als sie standen, Als sie noch hofften auf den Stellungskrieg. Glaub mir, sobald eure Gesandtschaft da ist, Stelln alle Männer diese Friedensfrage scharf, Weil die zum ersten Male einsehn müssen, Daß jetzt ihr eigenes Glück in ihrer Hand liegt. (S. 65 f.) 894

Wie an diesem Beispiel deutlich wird, scheut Fried keineswegs vor doppeldeutigen, sexuell anzüglichen Formulierungen zurück. Er meidet jedoch ganz offensichtlich die eindeutigen, primären Obszönitäten, die er in der Regel durch variantenreiche Umschreibungen des Gemeinten ersetzt. Bei aller sprachlichen Zurückhaltung zeigt sich Fried äußerst versiert im Auffinden solcher Umschreibungen und Ersatzwendungen 895 und vermeidet es, im Unterschied zu den meisten der bisher betrachteten Übersetzer, einen bestimmten obszönen Begriff mehrfach durch ein- und denselben deutschen Ausdruck wiederzugeben. 896

 894 Hervorhebungen der Verf. 895 Vgl. auch die folgenden Stellen: στύοιντο δ’ἄνδρες κἀπιθυμοῖεν σπλεκοῦν (152) Und dann, wenns soweit ist, da machen wir nicht mit. (S. 37) ὁστις πρὸς ἐμὲ πρόσεισιν ἐστυκώς (214 u. 215) Auch wenn er kommt wie ein Sturmbock, der Mauern bricht (S. 39) ἀλλ’ ὅστις ἔτι στῦσαι δυνατὸς [...] (598) Ja, ja: Solang ein Mann noch seinen Mann steht [...] (S. 52) 896 So geben, wie bereits gezeigt, zahlreiche Übersetzer στύειν durch ‚Spannungen‘ oder ‚Stanzen‘ (Seeger), πέος durch ‚Mann‘ (Borheck, Voß, Schadewaldt) wieder.

  Deutsche Aristophanes-Übersetzungen im Vergleich In seinem Umgang mit der Obszönität der Alten Komödie lässt sich Fried offenbar stärker von eigenen dichterisch-literarischen Grundsätzen leiten als von der übersetzerischen Ambition, die derbe Direktheit des Aristophanes möglichst unverändert ins Deutsche zu übertragen. Dass diese Annahme nicht ganz unbegründet ist, legt auch ein poetischer Text Frieds nahe, der wie die Druckfassung seiner Lysistrate-Bearbeitung aus dem Jahr 1985 stammt und in gewisser Weise eine Verteidigung seiner individuellen dichterischen Annäherung an sexuelle Inhalte darstellt. Es handelt sich um ein Gedicht mit dem Titel Entmystifizierung des Sex: Du sagst ich soll nicht Liebe und Lieben sagen Das bringt nichts mehr meinst du und ist zu mystisch und zu verschwommen Nun ja ich kann natürlich auch die Zähne zusammenbeißen und Bumsen sagen oder vielleicht sogar Ficken sagen wie du doch du weißt gar nicht wie mich das abregt 897

Neben dem eigenen ästhetischen Empfinden mögen aber durchaus auch Publikumsrücksichten und gewisse didaktische Erwägungen Frieds übersetzerischen Umgang mit der obszönen Sprache des Aristophanes mitbestimmt haben. Da es Fried, wie bereits erwähnt, nicht darum geht, ein sprachliches Abbild einer antiken Komödie zu schaffen, sondern vielmehr darum, ein aufgrund seiner Thematik dafür besonders geeignetes antikes Stück als Vehikel für seine eigene politische Botschaft zu nutzen, liegt die Vermutung nahe, dass Fried auch aus strategischen Gründen auf eine wortwörtliche Wiedergabe der obszönen Partien verzichtet. Um mit seinem pazifistischen Anliegen möglichst viele Zuschauer und Leser zu erreichen und zum friedenspolitischen Engagement zu motivieren, muss er sie für seine Sache gewinnen und darf sie keinesfalls durch allzu anstößige Redewendungen verschrecken. Das Moment des Obszönen wird deshalb – zumindest in der Druckfassung – in die theoretisch bzw. historisch reflektierenden Paratexte sowie in die Abbildungen  897 Das Gedicht erschien 1985 in dem Gedichtband „Um Klarheit“ (S. 49), hier zitiert nach Lampe (1989), 193.

Porträts der ausgewählten Übersetzungen und Bearbeitungen der Lysistrate  

verlagert, die für den Leser lediglich ein zusätzliches Angebot darstellen, ohne die eigentliche Botschaft unnötig zu belasten. .... Rezensionen / Urteile / Stellungnahmen Die Reaktionen der Kritiker auf Frieds Lysistrate-Fassung fallen eher verhalten aus. So weist Ferdinand von Ingen in der Rezensionszeitschrift Deutsche Bücher auf die Aktualität des Lysistrate-Stoffes hin und bezeichnet Frieds Bearbeitung insgesamt als „schönen Text“. 898 Vor allem aber lobt er die dem Band beigegebene ‚Materialsammlung‘, ohne dabei jedoch auf das darin recht prominent vertretene Thema der Obszönität einzugehen: Hier wird allgemeinverständlich und gut lesbar informiert über die Frau und ihre Rolle im alten Athen, über Ursprung, Art und Spielweise der Komödie sowie das Verhältnis von Demokratie und Komödie, dann aber auch (sehr ausführlich) über Aristophanes’ Komödie und den Pelep. Krieg [...]. 899

Jochen Schmidt, Rezensent der Zeitschrift theater heute, vermerkt nach der Recklinghauser Uraufführung, dass die neue Übertragung wesentlich freier und somit auch verständlicher sei als diejenige Ludwig Seegers, zugleich aber auch „ungraziöser und plumper, im Vers wie in der Haltung“. 900 Dies richtet sich freilich nicht in erster Linie gegen Frieds Behandlung der obszönen Ausdrucksweise, sondern gegen bearbeiterische Eingriffe wie z. B. das Ersetzen von Opferflüssigkeit durch Muttermilch. Allein Eckhard Franke, ebenfalls Kritiker von theater heute, stört sich mit Blick auf die seiner Auffassung nach gelungene Saarbrücker Inszenierung von Holk Freytag aus dem Jahr 1986, an der euphemistischen Wiedergabe der handfesten Obszönitäten: Besungen wird [sc. im operettenartigen Finale; Anm. d. Verf.] ein Zustand, ‚den die Sehnsucht nach Liebe gebracht hat‘. (Arger Euphemismus: nicht die Liebessehnsucht soll’s gewesen sein, sondern das, was in Einar Schleefs Antikenb[e]arbeitung ‚Mütter‘ so kernig ‚Schwanzwut‘ heißt). 901

... Walter Jens (1986) Walter Jens, (1923–2013) war nach seinem Studium der Germanistik und der Klassischen Philologie 902 in Hamburg und Freiburg i. Br. zunächst als außerplanmäßiger

 898 Vgl. Ingen (1986), 132. 899 Ingen (1986), 132. 900 Schmidt (1979), 41. 901 Franke (1986), 52. 902 Unter anderem bei Bruno Snell, Walter Nestle und Karl Büchner. In seiner gräzistischen Dissertation aus dem Jahr 1944 untersuchte Jens die Funktion der Stichomythie in den Tragödien des

  Deutsche Aristophanes-Übersetzungen im Vergleich Professor für Klassische Philologie an der Universität Tübingen tätig. 1963 wurde er hier auf den eigens für ihn eingerichteten Lehrstuhl für Allgemeine Rhetorik berufen, den er bis zu seiner Emeritierung 1988 innehatte. Daneben machte sich Jens – seit 1950 Mitglied der Gruppe 47 – als Autor und Übersetzer einen Namen. Er verfasste Romane, Erzählungen, literaturtheoretische und -historische Abhandlungen und Kritiken und übersetzte u. a. Teile des Neuen Testaments. Von seiner Auseinandersetzung mit dem antiken griechischen Drama zeugen seine Bearbeitungen der Sophokles-Tragödien Antigone (UA 1958), König Oedipus (UA 1963), Ajas (UA 1965) und Philoktet (‚Die Verschwörung‘ [1963]), der Troerinnen des Euripides (‚Der Untergang‘ [1982, UA 1983]), der Orestie (1979) des Aischylos sowie der Lysistrate des Aristophanes (‚Die Friedensfrau‘ [1986]). 903 Ebenso wie Erich Fried war auch Jens in der bundesdeutschen Friedensbewegung aktiv. 904 Jens’ Beitrag zur Aristophanes-Interpretation Jens’ Bearbeitung der Lysistrate, die – frei nach Herder – den Titel Die Friedensfrau trägt, 905 wurde 1986 an den Hamburger Kammerspielen uraufgeführt. 906 Die Titelpartie wurde ganz auf die erste Lysistrate-Darstellerin, die seinerzeit 86-jährige Leiterin der Hamburger Kammerspiele, Ida Ehre, zugeschnitten, 907 so dass Jens’ Protagonis Sophokles. Seine Habilitationsarbeit von 1949 hatte den Begriff der Libertas bei Tacitus zum Thema; vgl. Seidensticker (2002), 186. 903 Zu Jens’ Leben und Werk vgl. u. a. Inge u. Walter Jens (1994), Hinck (1993) und Kuschel (2003). Zu Jens’ übersetzerischem Wirken vgl. Janka (2000) und Kitzbichler/Lubitz/Mindt (2009a), 305–306. Jens’ Verhältnis zur Antike wird von Seidensticker (2002) näher beleuchtet. 904 Jens bezog in den 1980er Jahren Stellung gegen den sogenannten NATO-Doppelbeschluss von 1979 und die weitere Stationierung nuklearer Waffensysteme auf deutschem Boden; vgl. u. a. Jens’ Beitrag Appell in letzter Stunde in dem von Jens und anderen prominenten Friedensaktivisten herausgegebenen Sammelband In letzter Stunde (1982). Während des Golfkriegs in den 1990er Jahren versteckten die Eheleute Jens desertierte US-Soldaten in ihrem Tübinger Haus. Zur Verbindung von Antikerezeption und Friedensengagement bei Jens vgl. Kuschel (2003), 180 ff. 905 Die Bezeichnung der „Friedensfrau“ geht auf einen in Herders Briefen zur Beförderung der Humanität (1797) geschilderten symbolhaften Friedensakt zwischen den nordamerikanischen Indianerstämmen der Irokesen und der Delaware-Indianer zurück. Vgl. dazu Schultz (1989), 417 f.: „Nach langwährenden Kriegen ließen sich die Delaware-Indianer von den irokesischen Völkern überreden, die Rolle der friedensbewahrenden Frau in ihrer Mitte zu spielen. [...] Während einer großen Feierlichkeit sprachen die Irokesen wie folgt zu den Delawaren: ‚Wir ziehen euch einen langen Weiberrock an, der bis auf die Füße reicht, und schmücken euch mit Ohrgehängen.‘ Dieser Satz bedeutete, daß sie nicht länger zu den Waffen greifen sollten.“ Jens stellt der Druckversion seiner Lysistrate-Bearbeitung das folgende Herder-Zitat voran: „Meine große Friedensfrau hat nur einen Namen, sie heißt allgemein Billigkeit, Menschlichkeit, tätige Vernunft. | Johann Gottfried Herder, Briefe zur Beförderung der Humanität X.119: Sieben Gesinnungen der großen Friedensfrau“. 906 Die Druckfassung kam noch im selben Jahr heraus: Jens (B), Die Friedensfrau (1986). 907 Für Ida Ehre verfasste Jens einen eigenen Prolog, der der Druckversion als „Nachbemerkung“ (S. 79 f.) angefügt ist. Ida Ehre ist auch Jens’ 1982 im Druck erschienene Euripides-Bearbeitung Der

Porträts der ausgewählten Übersetzungen und Bearbeitungen der Lysistrate  

tin im Unterschied zum griechischen Original explizit als ältere, mütterlichlebenskluge Frau erscheint. 908 Mit Erich Fried verbindet Jens die pazifistische Lesart des Lysistrate-Stoffes. Dies bezeugen sowohl das der Druckfassung 909 als Motto vorangestellte Herder-Zitat (s. o. 3.3.4.2 [Beitrag] Anm. 905) als auch die Widmung: „Meinen Freunden / von der Friedensgruppe / GUSTAV HEINEMANN / Tübingen.“ 910. Und ebenso wie Fried lässt auch Jens das Stück mit einem mahnenden Friedensappel der Lysistrate an das moderne Publikum ausklingen: Lysistrate :

[...] (zum Publikum) Ihr aber, liebe Freunde, Wollt besorgt sein, Daß der Wunschtraum dieses kecken Stücks, Versöhnung, Frieden und Geselligkeit – Und Freundschaft zwischen jedermann! –, Nicht nur Theatermärchen bleibt. 911

Jens’ Lysistrate-Bearbeitung .... Jens’ Bearbeitungsprinzipien Zu den seinen Übersetzungen und Bearbeitungen zugrundeliegenden Übertragungsprinzipien hat Jens nie ausführlich Stellung bezogen. Auch in der Druckversion der Friedensfrau finden sich keine entsprechenden Äußerungen. Lediglich das Nachwort zu seiner ‚freien Übertragung‘ der Orestie enthält einen kurzen Absatz, in dem Jens sich über die Bewältigung seiner „Aufgabe“ äußert, „an der Grenze von

 Untergang (nach Die Troerinnen) gewidmet. In der Hamburger Uraufführung im Jahr 1983 übernahm sie die Rolle der Hekabe. Für die Festschrift zu Jens’ 60. Geburtstag verfasste Ehre den Beitrag Das versteckt Autobiographische im „Untergang“ oder – Liebeserklärung an Walter Jens, s. Ehre (1983). 908 Während bei Aristophanes das Alter der Lysistrate nicht näher bestimmt ist, kommt es in Jens’ Fassung mehrfach zur Sprache, so z. B. an der Stelle, wo Lysistrate sich über die Leichtfertigkeit jüngerer Frauen auslässt: „O Frauen, Frauen! Was für ein Geschlecht seid ihr: Da muß man, scheint es, sechzig – fünfundsechzig! werden [dies lt. Anm. variabel je nach Alter der LysistrateDarstellerin], / Um Vernunft zu lernen.“ Jens (B), Die Friedensfrau (1986), 21. Vgl. auch ebd. 18, 19, 20, 39, 52, 71. 909 Jens (B), Die Friedensfrau. Nach der Lysistrate des Aristophanes (1986). Im Jahr 1989 erschien – unter dem Titel Die Friedensfrau. Ein Lesebuch – ein Sammelband, der neben einem unveränderten Nachdruck der Lysistrate-Bearbeitung (hier S. 54–118) noch weitere von Jens verfasste dramatische Stücke enthält (u. a. Die Verschwörung, Der Fall Judas, Lessing und die Antike). Sämtliche hier aufgeführten Zitate aus dem Stück Die Friedensfrau sind der Erstauflage von 1986 entnommen. 910 Vgl. Jens (B), Die Friedensfrau (1986), [5]. Zu den Aktivitäten der Friedensgruppe Gustav Heinemann vgl. Kuschel (2003), 182. 911 Jens (B), Die Friedensfrau (1986), 78.

  Deutsche Aristophanes-Übersetzungen im Vergleich ‚Übersetzung‘ und ‚Nachdichtung‘ dem Drama seinen Rang als Theaterstück wiederzugeben“. 912 Doch lassen sich die daran anschließenden, speziell auf die Orestie bezogenen Ausführungen nicht verallgemeinern und auf andere Bühnenbearbeitungen übertragen. Allein das hier besonders herausgestellte Gebot der „Sprechbarkeit eines Theaterstücks, das aus dem Lesesaal [...] auf die Bühne“ zurückgeholt werden müsse, mag auch als leitender Grundsatz für Jens’ Lysistrate-Adaptation von Bedeutung gewesen sein. Im Übrigen müssen Jens’ hier angewandte Übertragungsprinzipien weitgehend aus dem Text der Friedensfrau erschlossen werden. .... Analyse der Bearbeitung Teil 1: Allgemeine Beobachtungen Sehr schnell wird bei einem Vergleich von Jens’ Textversion mit dem griechischen Original deutlich, dass Jens weitaus stärker in den Aristophanischen Text eingreift als sein Zeitgenosse Erich Fried. Während dessen Bearbeitung in erster Linie auf eine resümierende Verknappung des Komödientextes ausgerichtet ist, die szenische Abfolge an sich aber weitgehend unangetastet bleibt, weist Jens’ Version nicht nur Streichungen und Kürzungen in erheblichem Umfang auf, sondern auch umfassende Eingriffe in den Handlungsablauf. So fügt Jens zahlreiche selbst gedichtete Passagen hinzu, die über einen textimmanenten Kommentar weit hinausgehen 913, führt Aristophanische Motive im Sinne seiner pazifistischen Interpretation weiter aus 914, greift zu überbietenden 915, bisweilen auch übertreibenden Ausschmückungen 916 und verschiebt nach Bedarf einzelne Dialogsequenzen innerhalb des Stü-

 912 Jens (B), Orestie (1979), 175 f. 913 So z. B. die ausführliche Darlegung der Ausgangssituation zu Beginn des Stückes (S. 11 f.), Lysistrates Rückblick auf ihre Bekanntschaft mit der Spartanerin Lampito (S. 17) oder ihre Zwischenbilanz zum bisherigen Erfolg des Friedensplans (S. 49). Ähnlich wie bei Erich Fried (s. o. 3.3.4.1.2 u. ebd. Anm. 877) zeigt die List der Myrrhine in Jens’ Fassung unmittelbare Wirkung, indem ihr Mann Kinesias sehr schnell die Notwendigkeit eines Friedensschlusses einsieht und im ‚Parlament‘ (S. 67) eine ergreifende Rede für die Gefallenen hält, „die ihm selbst Demosthenes [...] geneidet hätte“ (S. 71 f.). 914 Jens gibt insbesondere dem Schicksal der griechischen Kriegerfrauen und Soldatenmütter (vgl. S. 19, 35, 67) sowie dem Motiv der allgemeinen Friedenssehnsucht (vgl. S. 21, 34, 50, 78) sehr viel mehr Raum als Aristophanes (vgl. hier etwa Aristoph. Lys. 99–118). Bisweilen gleitet Jens’ Darstellung hier ins Rührselig-Sentimentale ab. 915 Vgl. etwa die Aufzählung der Ausreden, mit denen die streikmüden Frauen ihren Rückzug von der eroberten Akropolis Lysistrate gegenüber zu rechtfertigen suchen (S. 50–52; vgl. Aristoph. Lys. 719–761) oder die zahlreichen Anspielungen auf die Kochkünste der Myrrhine (vgl. S. 55, 57 u. 58). Bei Aristophanes klagt Kinesias lediglich darüber, dass er nach Myrrhines Weggang keine Freude mehr am Essen habe: τοῖς δε σιτίοις / χάριν οὐδεμίαν οἶδ ἐστθίων (Lys. 868 f.). Vgl. auch Jens (B), Die Friedensfrau (1986), 55. 916 So lässt Jens z. B. den Athener Kinesias nach immer neuen Gründe suchen, um seine Frau zur Rückkehr zu bewegen (S. 60 f.; vgl. Aristoph. Lys. 877–899). An anderer Stelle überhäufen Kinesias und Myrrhine einander mit albernen Kosenamen: u. a. ‚Schätzchen, Liebling, Schnucki, süßes

Porträts der ausgewählten Übersetzungen und Bearbeitungen der Lysistrate  

ckes 917. Ein Abgleich mit dem Ausgangstext gestaltet sich daher bisweilen recht schwierig. Auf eine Übernahme der formalen Elemente des Originals verzichtet Jens fast vollständig. Eine regelmäßige metrische Struktur ist weder in den Dialogpartien noch in den wenigen beibehaltenen chorischen Passagen erkennbar. Hinweise auf den ursprünglichen strophischen Aufbau und den Marschduktus finden sich höchstens noch in der wiederholten Wendung ‚Und Schritt. Und Schritt. Und Schritt!‘ (vgl. S. 31 f.). 918 Auch inhaltlich wurden die verbliebenen ‚Chorstellen‘ stark beschnitten. Es lassen sich hier nur noch vereinzelte motivische Anklänge an die Originalversion identifizieren, wie z. B. das Schleppen von Holzbalken, die schmerzende Schulter oder der durch starken Qualm verursachte Hustenreiz (vgl. S. 32 f.). Anspielungen auf mythische und historische Personen bzw. Ereignisse werden in der Regel übersprungen. Zu den wenigen Ausnahmen zählen die von den athenischen Kriegsveteranen in Erinnerung an vergangene Ruhmestaten aufgerufenen Ortsnamen Marathon und Salamis. 919 Um seinem Publikum die Aktualität der antiken Komödienhandlung immer wieder vor Augen zu führen, durchbricht Jens mehrfach die dramatische Fiktion, indem er seine Akteure aus der Rolle fallen lässt und auf diese Weise die Grenzen zwischen antiker Dramenhandlung und aktueller Inszenierungssituation, zwischen Theater und Wirklichkeit verwischt. In der Anfangsszene etwa unterhalten sich die um Lysistrate versammelten Frauen über zwei Komödien des Dichters Aristophanes, in denen die jeweiligen Protagonisten als Einzelkämpfer für den Frieden eintre-

 Mädchen, Myrrhilein, Rine‘ (S. 58), ‚Schätzchen, Maus‘ (S. 59), ‚Häschen, Liebling, Kini‘ (S. 61), ‚Myrrhinile, Täubchen‘ (S. 65). Bei Aristophanes ist es allein Kinesias, der seine widerstrebende Frau insgesamt dreimal mit einem Kosenamen zu beschwichtigen sucht: Μυρρινίδιον (872), Μυρρίον (906), χρυσίον (930). 917 Jens schafft beispielsweise eine im Original nicht vorhandene Verbindung zwischen der Wassergussszene (vgl. Aristoph. Lys. 377 ff.) und der Ankündigung der alten Männer, ihre Kleider abzulegen (vgl. Aristoph. Lys. 661 ff.), indem er letztere unmittelbar vor die erstere stellt. Der von Jens entsprechend modifizierte Ausruf: Auf, Meister, zieht die Jacken aus. / [...] / Männerschweiß ... darüber geht doch nichts (S. 35 f.), erscheint in seiner Bearbeitung als unmittelbarer Auslöser für die Reaktion der Frauen, die Männer mit Wasser zu begießen: Ist das ein Bad? / Wird Zeit, daß ihr euch endlich einmal wieder wascht! (S. 36). Größere Umstellungen finden sich auch auf den Seiten 45 bis 47. Hier werden Motive der Verse Lys. 599–606, 433–441, 531–538 und 456–461 neu miteinander kombiniert. 918 Die abschließende Chorszene (vgl. S. 73 ff.) kommt dem Original zwar in ihrem ausgelassenfeierlichen Duktus recht nahe (Friedensfeier mit Danksagungen, Bitten und Freudentänzen), wurde aber textlich und formal stark verändert. 919 Vgl. u. a. S. 31 ‚Denk an Marathon‘; S. 32 ‚Parole: Marathon‘, an anderer Stelle (S. 37) abgewandelt zu ‚Parole: Salamis‘.

  Deutsche Aristophanes-Übersetzungen im Vergleich ten. 920 Diese werden von den Frauen abschätzig als von „Theatermännern“ erdachte „Phantasiefiguren“ bezeichnet, die mit der realen Welt nichts zu tun hätten, in der andere Regeln herrschten: Erste Frau:

Lysistrate:

Doch hier, Lysistrate, Ist kein Theater, Hier ist Wirklichkeit. Und wird da etwa nicht gespielt? Kennt denn der Alltag keine Dramen? Keine Trauerspiele Und Komödien, Von denen nicht einmal ein Lustspieldichter träumt? Und, andererseits, gibt’s auf der Bühne nichts als Trug und Gaukelei? Das hier ist ernst, ihr Fraun, Und weil’s so ernst ist, Nur mit Witz und Spiel, Im kecken Gleichnis zu ertragen. 921

An anderer Stelle übergibt der Athener Kinesias sein Kind nicht – wie im Original – einem wartenden Sklaven, sondern legt es kurzerhand dem in der Nähe stehenden Theaterinspizienten in den Arm. 922 Auch Lysistrate – als ältere Frau schon etwas vergesslich und kurzsichtig – bittet einmal den Inspizienten um Brille und Spickzettel, weil sie sich die langen Aristophanischen Phantasiewörter „Feldfruchtgemüsesameneierhändlerinnen“ und „Knoblauchkäserübenkümmelfraun“ so schlecht merken kann. 923 Wo Jens konkret an Aristophanes anknüpft, verfährt er sprachlich und inhaltlich stark vereinfachend: Πρ. Λυ. Πρ. Λυ.

Πρ. Λυ.

καὶ μὴν αὐτῶν τοῦτ’ ἐπιθυμῶ νὴ τὸν Δία πρῶτα πυθέσθαι, ὅ τι βουλόμεναι τὴν πόλιν ἡμῶν ἀπεκλῄσατε τοῖσι μοχλοῖσιν. ἵνα τἀργύριον σῶν κατέχοιμεν καὶ μὴ πολεμοῖτε δι’ αὐτό. διὰ τἀργύριον πολεμοῦμεν γάρ; καὶ τἄλλα γε πάντ’ ἐκυκήθη. ἵνα γὰρ Πείσανδρος ἔχοι κλέπτειν χοἰ ταῖς ἀρχαῖς ἐπέχοντες ἀεί τινα κορκορυγὴν ἐκύκων. οἱ δ’ οὖν τοῦδ’ οὕνεκα δρώντων ὅ τι βούλονται· τὸ γὰρ ἀργύριον τοῦτ’ οὐκέτι μὴ καθέλωσιν. ἀλλὰ τί δράσεις; τοῦτό μ’ ἐρωτᾷς; ἡμεῖς ταμιεύσομεν αὐτό. (486 ff.) 924

 920 Es handelt sich, ohne dass die Komödientitel ausdrücklich genannt werden, um die Acharner und den Frieden. Vgl. Jens (B), Die Friedensfrau (1986), 24. 921 Jens (B), Die Friedensfrau (1986), 24 f. S. auch u. 3.3.4.2.3. 922 Jens (B), Die Friedensfrau (1986), 62 (vgl. Lys. 907 f.). 923 Jens (B), Die Friedensfrau (1986), 47 (vgl. Lys. 456 ff.). 924 Wörtlich übersetzt etwa:

Porträts der ausgewählten Übersetzungen und Bearbeitungen der Lysistrate  

Offizier :

Lysistrate: Offizier: Lysistrate:

Lysistrate! Noch mal: Warum habt ihr die Burg besetzt Und, mehr als das, Den Staatsschatz ausgeplündert Und den Zufahrtsweg ringsum gesperrt? (sehr ruhig) Um euch den Geldhahn abzudrehn, Denn ohne (macht Geste des Zählens) ... dies: kein Krieg. (lauernd) Was ... hast ... du ... vor? Sehr einfach, Mann: Uns Frauen als Finanzminister einzusetzen. Klar? 925

Sein Text weist ferner eine Vielzahl von Aktualisierungen und Modernisierungen auf: So wollen die Athenerinnen ihre Männer mit Hilfe von ‚Lippenstiften‘, ‚Stöckelschuhen‘, ‚Schminke‘ und ‚Nagellack‘ (vgl. S. 15) verführen, heben zum Schwur die Hand (S. 27; vgl. auch S. 67) anstatt den Weinkrug zu berühren (vgl. Lys. 209), und machen siegesgewiss ein „V-Zeichen“ (S. 34). Die alten Männer wiederum leiden unter modernen Zivilisationswehwehchen wie ‚Schnupfen‘, ‚Fieber‘ und ‚Grippe‘ (S. 60), klagen über Stechen in der Schulter, eine schmerzende Wirbelsäule und beschleunigten Puls (vgl. S. 34). Als Marathonkämpfer gebärden sie sich als ‚alte Garde‘ (S. 33, 37), die im preußisch-militärischen Veteranenjargon über die Verweichlichung der Jugend beklagt: Dritter Mann: Vierter Mann: Dritter Mann Vierter Mann: Dritter Mann: Vierter Mann: Dritter Mann: Vierter Mann: Dritter Mann:

Deine Einheit damals? Dreiundzwanzigste. (respektvoll): Tolle Kerls! Der Sturmangriff beim Morgengraun. Sechs Wochen nicht gewaschen. Zeiten waren das! Und ein Jahr nicht rasiert. Den Bart bis auf die Brust. Ja. Hat uns hart gemacht, der Krieg. Mit uns wär’ Sparta längst besiegt. Zu weichlich alles, heute. Wette, diese Jungen ließen sich das Holz Mit Packeseln befördern. Vierter Mann : Ganz bestimmt. Die alte Garde: die war einmalig. 926

 Pr.

Und gewiß will ich davon, bei Zeus, zuerst in Erfahrung bringen, in welcher Absicht ihr unsere Burg abgeriegelt habt mit Balken? Lys. Damit wir das Geld sicher bewahren und ihr nicht darum Krieg führt. Pr. Führen wir denn um des Geldes willen Krieg? Lys. Auch alles andere wurde (dadurch) aufgerührt. Denn damit Peisandros sich bedienen konnte und diejenigen, die an ihren Posten hängen, haben sie immer irgendein Kriegsgeheul aufgerührt. Die aber mögen deshalb nun tun, was sie wollen; dieses Geld werden sie jedenfalls nicht mehr wegnehmen. Pr. Aber was wirst du tun? Lys. Das fragst du mich? Wir werden es verwalten. (K. L.) 925 Jens (B), Die Friedensfrau (1986), 39. 926 Jens (B), Die Friedensfrau (1986), 33.

  Deutsche Aristophanes-Übersetzungen im Vergleich Lysistrate und ihre Anhängerinnen werden von den Männern als ‚Pazifistinnen‘ (S. 34) beschimpft, da diese befürchten, die „Konzeptionen“, die „Planung“ und die „Friedensstrategien“ könnten künftig von den Frauen entworfen werden (S. 38). Lysistrate selbst entwickelt eine Art Vier-Punkte-Plan, um den städtischen „Ämterfilz“ zu „entklumpen“ und das Staatswesen neu zu ordnen (S. 42 f.). Die athenische Volksversammlung erscheint bei Jens als „Parlament“ mit „Abgeordneten von rechts und links“, einem „Mittelblock“ und einem „Präsidenten“ als Vorsitzendem (vgl. S. 72). Nach erfolgtem Friedensschluss einigt man sich schließlich darauf, öffentliche Gelder künftig nur noch zum Wohle von „Spitälern“, „Hundeheimen“, „Kindergärten“, „Hafenschuppen“, „Obstplantagen“ und „Kammerspielen“ auszugeben, „[a]ber für Kasernen nichts!“ (vgl. S. 76). Insgesamt ist Jens sehr auf eine logische Handlungsabfolge und Kohärenz zwischen den einzelnen Teilen seiner Bearbeitung bedacht. 927 Fast schon pedantisch bemüht er sich darum, die einmal geknüpften Handlungsfäden in der Hand zu behalten und konsequent zu Ende zu führen. So finden sich in seiner Bearbeitung – im Unterschied zum Aristophanischen Original – in regelmäßigen Abständen Reminiszenzen an die „Turnerin“ Lampito, die die Sache der Frauen in Sparta vertritt und am Ende siegreich nach Athen zurückkehrt. 928 Auch der Athener Kinesias holt seinen Sohn wieder ordnungsgemäß beim Theaterinspizienten ab, dem er ihn zwischenzeitlich anvertraut hatte. 929 .... Analyse der Bearbeitung Teil 2: Behandlung der obscena Sofern die Aristophanischen Obszönitäten nicht von vornherein den umfangreichen Streichungen und Kürzungen des Bearbeiters zum Opfer gefallen sind, 930 unterliegen sie ähnlichen Bearbeitungsstrategien wie die gesamte Komödie. Eine Parallele zur Lysistrate-Bearbeitung Erich Frieds zeichnet sich hier insofern ab, als auch Jens sich ganz offensichtlich um eine möglichst dezente Wortwahl bemüht. Die primärobszönen Bezeichnungen für ‚Penis‘ werden entweder durch pronominale Umschreibungen wiedergegeben: Κα.

κἄν με χρῇ, διὰ τοῦ πυρὸς ἐθέλω βαδίζειν. τοῦτο μᾶλλον τοῦ πέους. (133 f.)

 927 Vgl. auch o. 3.3.4.2.2 Anm. 917. 928 Vgl. Jens (B), Die Friedensfrau (1986), 17, 21, 25, 28, 53, 55, 69 f. 929 Vgl. Jens (B), Die Friedensfrau (1986), S. 65; s. auch o. 3.3.4.2.2 u. ebd. Anm. 922. Bei Aristophanes ist von dem Kind keine Rede mehr, nachdem Kinesias es seinem Sklaven Manes anvertraut hat (vgl. Lys. 907 ff.). 930 Dies betrifft u. a. die Verse 415, 1012 (πέος), 978 (ψωλή), 1119 (σάθη), 1158 (κύσθος); 715 (βινητιῶμεν), 966 (μὴ βινῶν τοὺς ὄρθρους), 1179 (βινεῖν), 1166 (κᾶτα τίνα κινήσομεν ); 996 (ἅπαντες ἐστύκαντι), 1178 (ἐστύκαμεν). Auch Kalonikes Erwähnung eines künstlichen Phallos, ὄλισβος ὀκτωδάκτυλος (109), fällt bei Jens unter den Tisch (vgl. Jens [B], Die Friedensfrau [1986], 19).

Porträts der ausgewählten Übersetzungen und Bearbeitungen der Lysistrate  

Kalonike :

Verlange von mir, was du willst, Lysistrate, Laß mich durchs Feuer gehen, [...] Wenn du mir (kniefällig) – bitte! – nur den einen läßt, Denn über den, Lysistrate, geht nichts. (S. 21) 931

Oder der obszöne Ausdruck wird durch das akkumulierende Aneinanderreihen mehrerer verharmlosender Ersatzbegriffe entschärft: Λυ.

ἀφεκτέα τοίνυν ἐστὶν ἡμῖν τοῦ πέους. (124)

Lysistrate: Verzichten auf die Liebe. Auf den Mann. Die Lust. Das Bett. (S. 20)

Als geradezu beispielhaft für dieses Verfahren kann Jens’ Auflistung deutscher ‚Synonyme‘ für das Aristophanische ψωλή bzw. lakonisch ψωλά gelten: Λα.

χαλεπὰ μὲν ναὶ τὼ σιὼ γυναῖκάς ἐσθ’ ὑπνῶν ἄνευ ψωλᾶς μόνας. (142 f.)

Lampito:

Leicht ist das wirklich nicht, Ich mein’, für eine Frau Allein, ohne den Petermann, Den Lorenz, wenn du mich verstehst, Nein? Dann: den Schwartenmichel, Schön, den Käsedolch, ins Bett zu gehn, Den Lausewenzel eben, alte Frau. (S. 22)

Bei diesen außergewöhnlich anmutenden Penisbezeichnungen handelt es sich – dies sei nur am Rande bemerkt – mit großer Wahrscheinlichkeit nicht um Jens’ eigene Wortschöpfungen. Die Recherche nach der Herkunft der einzelnen Ausdrücke hat vielmehr ergeben, dass sie sämtlich unter dem Lemma ‚Penis‘ in Ernest Bornemanns Wörterbuch Sex im Volksmund. Der obszöne Wortschatz der Deutschen (1974) verzeichnet sind. 932 Fast schon frappierend wirkt im Vergleich zu den verharmlosenden Wendungen, mit denen Jens die Aristophanischen Penisbezeichnungen zu übersetzen pflegt, eine Hinzufügung aus Jens’ eigener Feder. In seinem Zorn auf die vermeintlich von Sparta aus gelenkte Aktion der Frauen ruft der athenische ‚Aufseher‘, der bei Jens den Aristophanischen Chorführer vertritt, erregt aus:

 931 In einer frei hinzugefügten Szene lässt Jens eine Frau, ähnlich wie Erich Fried, von steifen ‚Gliedern‘ im Plural sprechen; vgl. Jens (B), Die Friedensfrau (1986), 66. 932 Vgl. Bornemann (1974), Bd. 2, Nr. 1.73 ‚Penis‘.

  Deutsche Aristophanes-Übersetzungen im Vergleich Aufseher:

Pimmellose! Was wißt ihr von Schwert und Spieß? Wart schließlich nicht vor Marathon dabei! (S. 35) 933

Was die obszönen Verben βινεῖν, στύειν u. ä. betrifft, so sind auch hier mehrere Passagen aufgrund von Streichungen unübersetzt geblieben. 934 Für das Verb βινεῖν findet sich lediglich eine Parallele in Form einer elliptischen Wendung: βινεῖν βούλομαι (934)

Ich muß ... (S. 63) 935

Für στύειν wählt Jens zweimal den Begriff ‚Starrkrampf‘, der in der Medizin als Synonym für die mit Lähmungen und Krämpfen verbundene Tetanus-Infektion verwendet wird 936: Ἔστυκα γάρ. (869)

Oh, verfluchte Phantasie! (Blick nach unten) Die trägt mir noch den Starrkrampf ein! (S. 58)

ἀλλ’ ἔστυκας, ὦ μιαρώτατε (989)

Den Starrkrampf hat er. 937 (S. 66)

 933 Vgl. Aristoph. Lys. 587: οὔκουν δεινὸν ταυτὶ ταύτας ῥαβδίζειν καὶ τολυπεύειν, / αἷς οὐδὲ μετῆν πάνυ τοῦ πολέμου; (‚Ist es nicht sonderbar, dass dies [sc. die verworrene Situation] gerade diejenigen ausklopfen und entknäueln, denen gar kein Anteil war am Krieg?‘, K. L.) 934 S. auch o. 3.3.4.2.3 Anm. 930. 935 In elliptischer Weise gibt Jens auch Lysistrates Beischlaf-Verbot an Myrrhine wieder (Friedensfrau [1986], 54 f.): Lysistrate:

Auf dich kommt es jetzt an./ Traust du’s dir zu? (Myrrhine nickt) Ihn anzuschauen,/ Auch ihm zärtlich zu tun, jedoch ... (Myrrhine, nach einer Pause, wiederum nickend) Auf keinen Fall, hörst du?

Allerdings formuliert auch die Aristophanische Lysistrate ihr Verbot nur indirekt: Myrrhine möge ihrem Mann ‚alles gewähren, mit Ausnahme dessen, wovon der Becher Mitwisser ist‘ (πάνθ’ ὑπέχειν πλὴν ὧν σύνοιδεν ἡ κύλιξ [Aristoph. Lys. 841]). Vgl. ferner Jens (B), Die Friedensfrau (1986), 20: Als Lysistrate bemerkt, dass die Frauen sich nach ihrer Enthaltsamkeitsforderung entsetzt abwenden, fragt sie verwundert: Lysistrate:

Wie das? Ihr kehrt euch ab / Und wart doch eben noch bereit, Eher zu sterben als ... Ihr habt geschworen, Fraun!

Auch in diesem Fall enthält die von Jens sinngemäß wiedergegebene Originalpassage (vgl. Lys. 125– 128) kein primär obszönes Wort. 936 Bei Bornemann (1974), Bd. 2 findet sich in diesem Fall kein entsprechender Eintrag unter dem Lemma ‚eine Erektion haben‘ (Nr. 26.20). 937 Hier allerdings bei veränderter Personenkonstellation: Bei Jens ist es nicht Kinesias, der den spartanischen Gesandten wegen seiner Dauererektion verspottet, sondern er selbst wird zum Opfer des Spotts einer Gruppe athenischer Frauen (vgl. S. 65 f.).

Porträts der ausgewählten Übersetzungen und Bearbeitungen der Lysistrate  

An anderer Stelle wird στύειν durch den metaphorischen Ausdruck ‚mit gezücktem Spieß‘ wiedergegeben (S. 28; vgl. Lys. 214). Akkumulierend wiederum übersetzt Jens den folgenden Vers, mit dem Lysistrate den Frauen die gewünschten Reaktionen der Männer auf die Streikaktion ausmalt: Λυ.

στύοιντο δ’ ἄνδρες κἀπιθυμοῖεν σπλεκοῦν (Lys. 152) 938

Lysistrate:

Das prickelt, sag’ ich euch, das juckt und brennt Und reckt – wie sagtest du doch, Lampito? – / Den Petermann. (S. 23)

Der athenische Probule 939 schließlich, der sich bei Aristophanes mit deutlichen Worten seiner ungebrochenen Manneskraft rühmt, beschränkt sich in Jens’ Version auf ein dezentes Wortspiel: Πρ.

ἀλλ’ ὅστις ἔτι στῦσαι δυνατὸς (598)

Offizier:

Ich kann noch viel: / Bei mir steht’s gut! (S. 44) 940

Die Anzahl der von Aristophanes übernommenen skatologischen Ausdrücke wurde durch die Kürzungen auf zwei reduziert. 941 Im ersten Fall handelt es sich um Lampitos Beschreibung ihrer täglichen Leibesübungen. An die Stelle des griechischen Wortes πυγή 942 setzt Jens hier die umgangssprachlich-familiäre Bezeichnung ‚Po‘ 943: Λα.

γυμνάδδομαί γα καὶ ποτὶ πυγὰν ἅλλομαι. (82) 944

Lampito:

[...] Alles nur Übung. Tag für Tag. (ein paar Sprünge, dazu rhythmisch sprechend) Und Po an Fuß, und Fuß an Po, und Po an ... (S. 17) 945

Weniger zurückhaltend in der Wortwahl zeigt sich Jens dagegen im zweiten Fall. Es handelt sich um die Stelle, an der eine der Athenerinnen – bei Jens ist es Kalonike – dem Vertreter der Staatsgewalt und seinen Begleitern mit unangenehmen Konse 938 Zur Stelle s. auch u. 3.4.4. 939 Zu der griechischen Amtsbezeichnung s. o. 3.3.2.1.2 (Exklamationen) u. ebd. Anm. 364. 940 Zum Wortspiel mit ‚stehen‘ vgl. auch 3.3.4.1.3 u. ebd. Anm. 894. 941 Keine Entsprechung haben deshalb πρωκτός (1148) sowie die Klage der mit Wasser begossenen Greise, sie seien durchnässt ‚ὥσπερ ἐνεουρηκότας‘ (402). Jens, der bei der Wassergussszene vor allem auf den Aspekt der verjüngenden Wirkung des Begießens abhebt, deutet das Motiv des Urinierens dennoch an, indem er den Probulen (bei Jens ‚Offizier‘) mit Blick auf den triefenden ‚Aufseher‘ (bei Aristoph. ohne Parallele) sagen lässt: Mensch ist der fertig, der. / Man muß ihn trockenlegen, glaube ich. / Wie einen Säugling. (S. 37). 942 Zu πυγή s. auch o. 3.3.1.1.3 Anm. 94. 943 Als Abkürzung von lat. ‚podex‘. 944 Zur Stelle s. auch o. 3.3.1.2.3 u. ebd. Anm. 160. 945 Vgl. auch Jens (B), Die Friedensfrau (1986), 70, wo Lampito in einer von Jens eingefügten Passage das Wort ‚Hintern‘ verwendet.

  Deutsche Aristophanes-Übersetzungen im Vergleich quenzen droht, sollten sie Lysistrate zu nahe treten. Jens übersetzt hier ausnahmsweise – und daher vermutlich umso wirkungsvoller – semantisch adäquat: Γραῦς αʹ

εἰ τἄρα νὴ τὴν Πάνδροσον ταύτῃ μόνον τὴν χεῖρ’ ἐπιβαλεῖς, ἐπιχεσεῖ πατούμενος. (439 f.)

Kalonike 946: (zu den Polizisten): Ihr, faßt die nicht noch einmal an! Sonst trampel’ ich so lange auf euch rum, (zum ersten Polizisten) Bis dir die Kacke kommt. (zum zweiten) Dir ebenfalls. (S. 45) 947

Im Hinblick auf Wortspiele, Doppeldeutigkeiten und Metaphern wendet Jens verschiedene Verfahren an, um obszöne Inhalte abzuschwächen oder bei Bedarf auch vollständig zu eliminieren. Dazu zählen unter anderem a) das Subsumieren obszöner Inhalte unter einen verharmlosenden Oberbegriff, wie z. B. bei der Aufzählung erotischer Stellungen im Frauenschwur, Λυ. / Μυ. 948 οὐ πρὸς τὸν ὄροφον ἀνατενῶ τὰ Περσικά. οὐ στήσομαι λέαιν’ ἐπὶ τυροκνήστιδος. (229 ff.) 949 Lysistrate:

Und keine Kunststücke, Daß ihr’s nur wißt! (S. 28)

b) das Eliminieren obszöner Inhalte durch verharmlosendes Umformulieren, wie im Fall des doppeldeutigen Demennamens Παιονίδαι in der Selbstvorstellung des Kinesias,

 946 Die von Jens auf Kalonike verlagerte Sprechpassage ist in Wilsons Aristophanes-Ausgabe (Wilson [Ed.] [2007] II) einer ‚Greisin‘ (Γραῦς αʹ) zugeordnet. 947 Vgl. auch Jens (B), Die Friedensfrau (1986), 42. Es handelt sich um die Szene, in der Lysistrate die Lösung der verworrenen Staatsangelegenheiten mit dem Säubern und Auskämmen verfilzter Wolle vergleicht (Lys. 567–586). Bei Aristophanes heißt es hier, man müsse die ‚Schädlinge‘ des Staates (τοὺς μοχθηροὺς, 576) aus dem Gemeinwesen herauswaschen wie den Schafsmist (οἰσπώτη, 575) aus der Wolle. Jens Übertragung der Passage übertrifft hier sogar das Original an Derbheit: So wie man aus der rohen Wolle/ Erst einmal, bevor das Werk beginnt, Den Unrat wäscht, / Die Merde und den Schmutz, / Genauso muß man das Geschmeiß rausspüln, / Das sich in der Regierung eingenistet hat: Die Scheißkerle, Geballt wie harter Kot. (Jens [B], Die Friedensfrau [1986], 42). 948 Aus Platzgründen werden hier die von Lysistrate vor- und von Myrrhine nachgesprochenen Schwurverse nur einmal gegeben. 949 Zur Stelle s. auch o. 3.3.1.1.3 und 3.3.1.2.3.

Porträts der ausgewählten Übersetzungen und Bearbeitungen der Lysistrate  

Λυ. Κι.

ἰδού, καλέσω ’γὼ Μυρρίνην σοι; σὺ δὲ τίς εἶ; ἁνὴρ ἐκείνης, Παιονίδης Κινησίας. (851 f.) 950

Kinesias: Lysistrate: Kinesias

Ruf mir die Myrrhine. Warum gerade die? (verneigt sich, zur Vorstellung, tief): Kinesias. Wir sind verheiratet. (S. 56 f.)

c) das Eliminieren obszöner Inhalte durch Auswechseln der Pointe, wie z. B. im Hinblick auf Lysistrates obszöne Ausdeutung des Pherekrates-Zitates, mit der sie den Frauen die Verwendung von Lederdildos nahelegt. Μυ. Λυ.

τὶ δ’ ἢν ἀφίως’ ἅνδρες ἡμᾶς, ὦ μέλε; τὸ τοῦ Φερεκράτους, κύνα δέρειν δεδαρμένην. (157 f.) 951

Myrrhine:

Was aber ist, wenn sie uns einfach sitzenlassen? Uns verschmähn? Sei unbesorgt. Schlafzimmer sind nicht Klöster, Wo gebetet wird. (S. 23)

Lysistrate:

Ein weiteres Beispiel für einen verharmlosende Pointenaustausch bietet auch der Monolog des soeben von seiner Frau im Stich gelassenen Kinesias. Während dieser bei Aristophanes gänzlich aufgerieben nach einem Zuhälter (Κυναλώπηξ) ruft, der ihm eine ‚Amme‘ (τίτθην) für seinen unversorgten Penis (ταυτηνὶ) verschaffen soll, 952 erscheint er bei Jens – nach einem kurzen Anfall von Selbstmitleid – geradezu geläutert und sehnt nichts anderes herbei als den Frieden und die harmonische Wiedervereinigung mit Frau und Kind: Κι.

οἴμοι τί πάθω; τίνα βινήσω, τῆς καλλίστης πασῶν ψευσθείς; πῶς ταυτηνὶ παιδοτροφήσω; ποῦ Κυναλώπηξ; μίσθωσόν μοί τινα τίτθην. (954 ff.)

Kinesias:

O Zeus! Was für ein Krampf, Der mir den Rücken krümmt. (versucht zu gehen) (zum Publikum) Ihr seht, ich lieb’ sie immer noch, Und eines Tags, Wenn Frieden ist,

 950 Zur Stelle s. auch o. 3.3.2.1.3 u. ebd. Anm. 388. 951 Zur Stelle s. auch o. 3.3.1.1.3 und u. 3.4.4. 952 Zur Stelle s. auch o. 3.3.3.1.3.

  Deutsche Aristophanes-Übersetzungen im Vergleich Dann kehrt sie heim, Und dann gibt’s keine Kissen, Salben und Matratzen mehr, Nur du und ich Und unser Kind. (S. 65)

Wie bereits deutlich geworden ist, zeichnet sich Jens’ Lysistrate-Bearbeitung keineswegs durch eine besonders freimütige Behandlung der obszönen Passagen aus. Für die hier vorliegende Untersuchung erscheint sie jedoch aus einem anderen Grund von Bedeutung zu sein. So lässt sie – in höherem Maße als die bisher betrachteten Lysistrate-Adaptationen – verschiedene Bearbeitungsstrategien erkennen, mit deren Hilfe Jens die Dimension des Obszönen als spezifisches Merkmal der antiken Komödie in der modernen Bühnenbearbeitung indirekt präsent hält, ohne die (primären) Obszönitäten des Ausganstextes stets semantisch adäquat wiederzugeben. Zu diesen Strategien zählt zunächst das Einfügen von Regieanweisungen, durch die das obszöne Moment verschiedener Bühnensituationen von der sprachlichen auf die darstellerische Ebene verlagert wird. Das obszöne Potenzial bestimmter Aussagen lässt sich hier lediglich aus den vorgeschriebenen Gesten, Blicken oder Bewegungen erschließen. Gesten Als der athenische Probule – bei Jens als ‚Offizier‘ bezeichnet – den ihn begleitenden ‚Polizisten‘ seinen Plan zur Erstürmung der besetzten Akropolis erörtert, untermalt er seine Ausführungen mit eindeutigen Gesten 953, die seine Rede als Vergewaltigungsphantasie entlarven: Offizier:

Ich weiß jetzt, was wir tun. (Geste) Hier vorn: Ein Scheinangriff. Vorspiel. Mehr nicht. Und dann mit Brechstangen (zeigt nach hinten) Die Flügel ausgewuchtet (Andeutung obszöner Geste): so! (S. 38) 954

In der Szene, in der Lysistrate ihren Mitstreiterinnen darlegt, mit welchen weiblichen Mitteln sie die Rettung Griechenlands voranzutreiben gedenkt, weist sie u. a. mit dem Finger auf verschiedene Körperregionen ihrer Gesprächspartnerin Kaloni-

 953 Das Ersetzen verbaler Obszönitäten durch gestische Regieanweisungen findet sich u. a. bereits in der Aristophanes-Gesamtübersetzung von Johannes Minckwitz (1855–1864); s. dazu auch o. 3.3.2.3.3 u. ebd. Anmm. 595 und 598. 954 Vgl. Aristoph. Lys. 424–429 Die Vergewaltigungsandrohung erscheint im Original, obgleich durchaus vorhanden, etwas unterschwelliger.

Porträts der ausgewählten Übersetzungen und Bearbeitungen der Lysistrate  

ke, ohne diese konkret zu benennen. Zum Schluss scheut sie selbst vor der andeutenden Handbewegung zurück: Lysistrate:

Das habe ich gemeint, als ich von Rettung sprach: Den Lippenstift, Den Flitterrock, Die Bluse (wenn sie eine ist) Und (auf Kalonikes Busen deutend) das Und (auf Kalonikes Hintern weisend) das Und das ... Du weißt ja schon. (S. 15) 955

Auch das anzügliche Spiel mit geographischen Bezeichnungen (τὸν Ἐχινοῦντα, τὸν Μηλιᾶ κόλπον, τὰ Μεγαρικὰ σκέλη), das Jens aus seinem ursprünglichen Kontext – den Friedensverhandlungen zwischen Athenern und Spartanern – herauslöst 956 und in die Begrüßungsszene der Frauen einbaut, wird durch vereindeutigende Gesten unterstützt. Die aus den verschiedenen Regionen Griechenlands in Athen eintreffenden Frauen rufen hier – von Lysistrate nach ihrer Herkunft befragt (vgl. Lys. 85– 92) – wild durcheinander: Dritte Frau: Wir – aus Korinth. (Frauen, durcheinanderrufend) Und wir aus Theben! Delphi! Chalkis! Sunion! Wir sind [Geste] am Busen eines großen Meeres zu Haus! Wir: [Geste] an der Bucht der Seligkeit. Wir: [Geste] an der schroffen Spalte zwischen Berg und Berg! Und an den Schenkeln unterhalb der schwarzen Wälder: wir! [ausgelassenes Gelächter] (S. 18)

Darüber hinaus werden die geographischen Angaben des Originals hier wieder akkumulierend aufgelistet und durch überbietende Variationen ersetzt bzw. ergänzt. Blicke Mit vielsagenden Blicken lässt Jens bisweilen die männlichen Akteure ‚an sich herab‘ schauen, um zu verdeutlichen, dass bestimmte, grundsätzlich harmlose Aussagen hier in doppeldeutiger Weise auf deren Dauererektion anspielen. Ein Beispiel hierfür findet sich zu Beginn der Kinesias-Szene, als Lysistrate sich dem heraneilenden Mann in den Weg stellt:

 955 Vgl. Aristoph., Lys. 46–48. Bei Aristophanes selbst sind es lediglich Salböl (τὰ μύρα), Schminke (ἔγχουσα) und verführerische Kleidungsstücke, ‚Safrankleider‘ (κροκωτίδια), Sandalen (περιβαρίδες) und durchsichtige Gewänder (διαφανῆ χιτώνια), mit denen die Männer gereizt werden sollen. Vgl. auch Jens (B), Die Friedensfrau (1986), 18, wo eine Frau mit obszöner Geste auf die „ratzekahl“ rasierte Scham der jungen Boioterin deutet (vgl. Aristoph. Lys. 89). 956 Vgl. Lys. 1168–1170. S. dazu auch o. 3.3.2.2.3 (Exkurs) und 3.3.3.2.3.

  Deutsche Aristophanes-Übersetzungen im Vergleich Λυ. Κι. Λυ. Κι. Lysistrate: Kinesias: Lysistrate: Kinesias:

τίς οὗτος οὑντὸς τῶν φυλάκων ἑστώς; ἀνήρ;

ἐγώ.

ἀνὴρ δῆτ’. (847 ff.)

Wer da? Ich. Offenbar ein Mann. (schaut an sich herab): Das kann man sagen, ja. (S. 56)

Ganz ähnlich geriert sich Kinesias später auch gegenüber seiner Frau Myrrhine, die er durch Bitten und Schmeicheln zur Heimkehr bewegen will: Myrrhine: Kinesias:

Faß mich nicht an! Ach, wenn du wüßtest, wie es bei uns aussieht, Maus: Die Fenster blind von Staub, Der Kehricht! Und der Abwasch erst! Ich war nicht träge, ganz bestimmt nicht, nein, Jedoch – ich bin nun mal ein Mann ... (an sich herabsehend) Bei Zeus, ich bin’s! (S. 60) 957

Auch die obszöne Dimension des folgenden Kinesias-Satzes wird in Jens’ Bearbeitung allein durch die in der Regieanweisung angezeigte Blickrichtung des Akteurs vermittelt: Κι.

ἀλλ’ ἦ τὸ πέος τόδ’ Ἡρακλῆς ξενίζεται; (928) 958

Kinesias:

(zu seinem Penis): Du wirst bewirtet wie ein Gott. (S. 63)

Bewegungen Wiederum ist es Kinesias, der nach dem Verschwinden Myrrhines eine regiemäßig vorgegebene, von seiner Seite stumm ausgeführte Choreographie darbietet, mit der er den Zuschauern seinen erotischen Notstand deutlich vor Augen führt: Kinesias, dem soeben wieder eingefallen ist, dass sich sein kleiner Sohn noch in der Obhut des Inspizienten befindet (s. o. 3.3.4.2.2 u. ebd. Anm. 922), gebärdet sich laut Regieanweisung wie folgt: stürzt gekrümmten Leibes davon und wird am Bühnenrand vom Inspizienten mit dem Kindsbündel empfangen: Jubel und Freude. Kinesias nimmt das Bündel auf den Rücken, sucht den Ausgang, findet ihn nicht, verheddert sich vielmehr, gehbehindert wie er ist, immer mehr. Grotesk-

 957 Vgl. auch Jens (B), Die Friedensfrau (1986), 57 f. [entspricht in etwa Aristoph. Lys. 865 ff.]. 958 Zur Stelle s. auch o. 3.3.2.1.3, 3.3.2.2.3 und 3.3.3.1.3.

Porträts der ausgewählten Übersetzungen und Bearbeitungen der Lysistrate  

tanz, begleitet von den Frauen, die – erst wenige, dann immer mehr – einander aufmerksam machen und den Tänzer, in einer ständig burlesker werdenden Szene verspotten. 959

Anders als bei Aristophanes erfährt der im Stich gelassene und von Erektionskrämpfen geplagte Kinesias hier keine Unterstützung durch den Männerchor (vgl. Lys. 959 ff.), sondern muss den Spott der hinzukommenden Frauen über sich ergehen lassen, die seine verzweifelten Gehversuche sarkastisch kommentieren. Trotz der veränderten Personenkonstellation übernimmt Jens an dieser Stelle einige Aristophanische Motive, die der Begegnung zwischen dem Athener und dem spartanischen Herold (Lys. 980–1013) bzw. dem Zusammentreffen von athenischen und spartanischen Gesandten (Lys. 1076–1105) entlehnt sind 960: Erste Frau: Zweite Frau: Dritte Frau: Vierte Frau: Fünfte Frau:

Da seht! Wie’n Balkenträger / Tanzt der Mann. (vgl. Lys. 985; 1003) Ein Satyr! (vgl. Lys. 982) Nein, ein Schauspieler: / Chorist in der Komödie! Geh doch zum Aristophanes! / Der nimmt dich ganz bestimmt. Von wegen Schauspieler! Der ist Soldat! Komm! Auf Gefreiter! / Hast ja ‘n Säbel unterm Rock! Erste Frau: Was Säbel! Der kann doch nicht kämpfen, der! Den packt die Gicht. (vgl. Lys. 987 f.) Zweite Frau: Den Starrkrampf hat er. (vgl. Lys. 989) Dritte Frau: Der braucht einen Arzt: / Mit der Geschwulst im Leib. Vierte Frau: Ich glaub’, das ist ein Akrobat! / Den hat’s beim Aufhüpfen erwischt. Jetzt geht’s nicht mehr zurück. (Kinesias tanzt immer verzweifelter, seine Schritte beginnen langsam zu werden) Erste und zweite Frau: Nun mal im Ernst: / Das kommt vom Krieg! Vom Biwakieren im geflickten Zelt / Und vom verfluchten Dienst, Dem Stillgestanden, / Das die Glieder steif sein läßt. Dritte Frau Rührt Euch, Soldat! (wirft ihm ein Tuch zu) Vierte Frau: Halt dich bedeckt! Nimm meinen Mantel, Mann! (vgl. Lys. 1094) (S. 65 f.)

Diese Gruppenszene verbindet – wie sich leicht erkennen lässt – wiederum mehrere wesentliche Merkmale der Jens’schen Bearbeitungsstrategie. Neben dem gleichzeitig ablaufenden wortlosen „Grotesktanz“ des Kinesias kommen in den Kommenta-

 959 Jens (B), Die Friedensfrau (1986), 65. Ein ähnliches Verhalten legt Kinesias bereits bei seiner Begegnung mit Lysistrate (S. 58) an den Tag. 960 Die Versentsprechungen sind jeweils am Zeilenrand vermerkt. Auch Erich Fried führt an dieser Stelle einen Frauendialog (zwischen Lysistrate und Lampito) ein und greift dabei auf Motive der genannten Aristophanes-Passagen zurück. Vgl. o. 3.3.4.1.3 u. ebd. Anmm. 893–894 und Fried (B), Lysistrata (1985), 65 f.

  Deutsche Aristophanes-Übersetzungen im Vergleich ren der Frauen sowohl die Technik des Akkumulierens 961 als auch das Motiv des Aus-der Rolle-Fallens 962 zum Einsatz. Zu den von Jens angewandten Verfahren, Obszönität lediglich indirekt zu thematisieren, zählt ferner das Einschieben bestimmter Passagen, in denen die Akteure auf offener Bühne über das Problem der Aristophanischen Ausdrucksweise reflektieren. Jens verwendet dazu das bereits an anderer Stelle beschriebene Mittel, einzelne Darsteller kurzzeitig aus ihrer Rolle fallen zu lassen. Als Beispiel sei hier zunächst die Szene herausgegriffen, in der Lysistrate gegen die diversen Fluchtversuche ihrer Mitstreiterinnen anzukämpfen hat. In der Originalversion hält sie unter anderem eine Frau vom Verlassen der Akropolis zurück, die vorgibt, nur rasch ihre ‚Milesische Wolle‘ (ἔρια Μιλήσια, 729) auf dem heimischen Bett ausbreiten zu wollen (διαπετάσασ’ ἐπὶ τῆς κλίνης, 732), damit diese nicht von den Motten zerfressen werde. Eine andere behauptet, sie müsse sich dringend um den ‚Flachs‘ (τῆς ἀμοργίδος, 735) kümmern, der noch ‚ungeschält, ungehäutet‘ (ἄλοπον, 736) bei ihr zu Hause liege. 963 Bei Jens wird diese Episode – unter Hinzufügung eigener Beispiele – folgendermaßen umgesetzt: Lysistrate:

Was für Ausflüchte! (macht nach) „Ich habe Handwerker im Haus Und sollte unbedingt Mal nach dem Schornsteinfeger sehn, Der Rauchfang ist nicht in Betrieb.“ „Und ich hab’ Wolle unten, du, Die regelmäßig angefeuchtet werden muß.“ „Bleib hier“, hab’ ich gesagt, „Die Trockenheit schadet der Wolle nicht.“ (fällt aus der Rolle) O je! Ist das ein Text! Und dabei haben wir das Schlimmste schon gestrichen. Nein, prüde waren diese Griechen wirklich nicht. (S. 51)

Die letzten drei von ihm selbst hinzugefügten Verse dienen Jens offenbar dazu, potenziellen Kritikern den Wind aus den Segeln zu nehmen: Mit ihrem gespielt er-

 961 Sowohl bei der Aufzählung diverser Berufsbilder, denen Kinesias körperlicher Zustand und die vorgeführten Verrenkungen assoziativ zugeordnet werden (Balkenträger, Satyr, Schauspieler, Chorist der Komödie, Soldat, Akrobat, Soldat) als auch bei der Angabe möglicher Gründe für Kinesias’ auffälliges Verhalten (Säbel unter dem Rock, Gicht, Starrkrampf, Geschwulst, Aufhüpfen, Krieg, Biwakieren, Dienst, Stillgestanden). 962 Die Frauen legen Kinesias aufgrund seiner Dauererektion nahe, sich als Komödienschauspieler bei Aristophanes zu bewerben. 963 Zur Stelle s. auch o. 3.3.1.2.3 u. ebd. Anm. 165.

Porträts der ausgewählten Übersetzungen und Bearbeitungen der Lysistrate  

schrockenen Ausruf antizipiert die Darstellerin der Lysistrate mögliche entrüstete Reaktionen der Zuschauer. Sie distanziert sich von der im Textbuch vorgegebenen obszönen Anspielung, indem sie sie den weniger prüden „Griechen“, d. h. dem griechischen Ausgangstext anlastet. Zugleich hat ihre Stellungnahme apologetischen Charakter: Im Namen der für die aktuelle Inszenierung Verantwortlichen räumt sie ein, dass es trotz großer Anstrengungen noch nicht gelungen sei, den Text vollständig von anstößigen Stellen zu reinigen. Eine ähnliche Distanzierung vom Komödientext findet sich auch ganz am Ende der eben beschriebenen Fluchtszene. Lysistrate bemüht sich nunmehr unter Aufbietung aller Mittel, die Frauen zum Bleiben zu bewegen. Unter anderem zitiert sie einen Orakelspruch, der den Frauen in Form eines Vogelgleichnisses ausschließlich dann Erfolg verheißt, wenn sie auch weiterhin zusammenhalten und ihrem Enthaltsamkeitseid treu bleiben. Andernfalls hätten sie um ihren guten Ruf zu fürchten, wie Lysistrate ihnen – wiederum durch eine überbietend-akkumulierende Synonymenreihe – deutlich macht: Λυ.

„ἢν δὲ διαστῶσιν καὶ ἀνάπτωνται πτερύγεσσιν ἐξ ἱεροῦ ναοῖο χελιδόνες, οὐκέτι δόξει ὄρνεον οὐδ’ ὁτιοῦν καταπυγωνίστερον εἶναι.“ (774 f.)

Lysistrate:

Wenn aber, wehe, die Schwalben Sich untereinander entzweien Und mit schwirrenden Federn Aus dem heiligen Tempel entfliehen: Vom selbigen Tag an Wird „Schwalbe“ heißen: „Unzüchtig“, „buhlerisch“, „geil“ und „verkommen“. (S. 53) 964

Nachdem die Frauen – nunmehr zum Durchhalten entschlossen – die Bühne verlassen haben, lässt sich Jens’ Lysistrate ihre letzten Worte noch einmal durch den Kopf gehen: Lysistrate:

(nimmt den Orakel-Zettel heraus): Das hättest du dir auch nicht träumen lassen, Wie, Lysistrate, Daß du noch mal Orakelsprüche Formulieren würdest?

 964 Der Stoßseufzer der Lysistrate, die mit dem gleichen Adjektiv die Triebhaftigkeit ihrer Geschlechtsgenossinnen geißelt, wird bei Jens dagegen zu einem sprachlich unanstößigen Vergleich abgewandelt: ὢ παγκατάπυγον θἠμέτερον ἅπαν γένος (Lys. 137). Ihr seid ja schlimmer noch als ... Männer, / Und die, bei Gott, sind schlimm genug! (S. 20). Vgl. auch o. 3.3.3.3.3.

  Deutsche Aristophanes-Übersetzungen im Vergleich (liest) „Buhlerisch, geil und verkommen“ ... Ein bißchen allzu dick ist das, s’ könnte knapper sein. Doch überzeugend klingt es schon. Zeus schätzt ja Worte, Die ein bißchen rundlich sind. Wo eins genügt, da nimmt er drei. Nun ja, er ist ein Mann. (S. 53 f.)

Die Darstellerin der Lysistrate fällt hier zwar nicht gänzlich aus ihrer Rolle, doch wird auch hier im Rahmen eines reflektierenden Monologs die Verantwortung für die anstößige Ausdrucksweise auf eine höhere Instanz verlagert: Zeus, der oberste Gott selbst und noch dazu ein Mann, wird als Verfasser des Orakelspruchs namhaft gemacht. Auch hier werden mögliche Vorbehalte der modernen Theaterzuschauer dadurch abgefedert, dass Lysistrate die Formulierung zwar als „allzu dick“ aufgetragen und männertypisch bezeichnet, sie wegen ihrer Überzeugungskraft und weil sie göttlichem Willen entspricht aber dennoch akzeptiert. 965 Gegen die derben Beschimpfungen, mit denen Kalonike seine Polizisten bedenkt, 966 verwahrt sich schließlich Jens’ athenischer ‚Offizier‘: Offizier:

Da! Habt ihr das gehört, Und noch von einer Frau? Macht eure Zoten im Theater, Aber nicht vor uns! Drei Tage kostet das! (S. 46)

Zum einen rügt der Offizier Kalonike, weil sie in seinen Augen gegen weibliche Verhaltensnormen verstößt. Zum anderen verweist er das Vorbringen von ‚Zoten‘ grundsätzlich in den Bereich des Theaters. Auf diese Weise lässt Jens auch hier die Grenze zwischen Realität und Fiktion kurzzeitig verschwimmen und entschärft Kalonikes grobe Äußerung gewissermaßen dadurch, dass sie sogleich von offizieller Seite geahndet wird.  965 Vgl. auch Jens (B), Die Friedensfrau (1986), 39. Lysistrate bezieht sich hier auf den Umstand, dass die Darstellerinnen der Athenerinnen (gemäß einer entsprechenden Regieanweisung; s. S. 36) während der Wassergussszene mit entblößten Brüsten auf der Bühne agieren (vgl. auch Aristoph., Lys. 686 f.). In Richtung Publikum beiseite sprechend verwahrt sie sich gegen die Annahme, diese Idee könne auf sie selbst zurückgehen: „Der Einfall mit den nackten Busen übrigens / War nicht von mir. Ich war dagegen, Wurde aber überstimmt. Sei’s drum.“ Die mögliche Empörung der Zuschauer wird abermals abgewehrt, indem hier als höhere Instanz eine Art ‚demokratischer‘ Entscheidung eingeführt wird, die das Skandalon gewissermaßen legitimiert und der man sich deshalb zu fügen habe. 966 Vgl. Jens (B), Die Friedensfrau (1986), 45: ‚Sonst trampel’ ich so lange auf euch rum, / Bis dir die Kacke kommt‘; s. auch o. 3.3.4.2.3 u. ebd. Anm. 947.

Porträts der ausgewählten Übersetzungen und Bearbeitungen der Lysistrate  

Die Technik des Aus-der-Rolle-Fallens bietet Jens schließlich auch die Möglichkeit zu allgemeinen Reflexionen über die Funktion des Obszönen in der (Alten) Komödie. So führt seine Lysistrate im Rahmen ihrer Überlegungen zu Spiel und Wirklichkeit (s. o. 3.3.4.2.2 u. ebd. Anm. 920) den folgenden Gedanken aus: Lysistrate:

Das hier ist ernst, ihr Fraun, Und weil’s so ernst ist, Nur mit Witz und Spiel, Im kecken Gleichnis zu ertragen. Krieg verlangt Gelächter, freche Zoten, nicht nur Tränen, Um durchschaut zu werden. (Pause) (S. 25)

Gemäß dieser Grundsatzüberlegung erscheint die Tragödie weitaus weniger als die Komödie dazu geeignet, eine produktive Auseinandersetzung mit dem Thema Krieg anzustoßen, da sie lediglich zu ‚Tränen‘ und passivem Mitleiden animiert. Die Komödie hingegen macht das alltägliche Leid des Krieges nicht nur erträglich, indem sie zum Lachen anregt, sondern ihr demaskierender Witz ist zugleich Ausdruck von Angriffsbereitschaft. Die „Zote“ dient gewissermaßen als schlagkräftige Waffe im verbalen Kampf. Mit ihrer Hilfe wird nicht nur das Handeln der Kriegstreiber als unbesonnen und lächerlich bloßgestellt, sondern auch der von ihnen in Werk gesetzte Krieg als solcher muss in der Folge als sinnlos und bar jeder rationalen Grundlage erscheinen. Die Lysistrate des Aristophanes erscheint für Jens somit gerade wegen ihres obszönen Potenzials in Verbindung mit einer antikriegerischen Grundtendenz dazu prädestiniert, sein eigenes pazifistisches Anliegen durch dramaturgische Anverwandlung des antiken Stoffes zu transportieren. Ebenso wie Fried betrachtet er die Aristophanische Komödie nicht als historisches Relikt von lediglich antiquarischem Wert, sondern als ein frühes politisches Friedensmanifest, das auch am Ende des 20. Jahrhunderts angesichts des atomaren Wettrüstens zweier Supermächte nichts an Aktualität eingebüßt hat. Ebenso auffällig wie bei Fried ist allerdings auch hier die Diskrepanz zwischen einer – von wenigen Ausnahmen abgesehen – sehr zurückhaltenden Wiedergabe obszöner Begriffe und Inhalte und dem offensichtlichen Bestreben, Zuschauer und Leser gleichwohl auf andere Weise mit der Obszönitätsproblematik zu konfrontieren. Bei Jens wird diese Konfrontation nicht durch Paratexte oder Bilder bewirkt, sondern, wie gezeigt, durch gestisch-mimische Ersatzhandlungen und ironischdistanzierende Äußerungen des Bühnenpersonals. Ähnlich wie bei Fried kann auch hier vermutet werden, dass Jens kein Interesse daran hatte die Adressaten seines Friedensappels, die Theaterbesucher und Leser, durch eine anstoßerregende Sprache zu verstören und damit die erhoffte Wirkung seiner Aristophanes-Adaptation im Keim zu ersticken.

  Deutsche Aristophanes-Übersetzungen im Vergleich .... Rezensionen / Urteile / Stellungnahmen Wie sich an den Rezensionen zur Hamburger Uraufführung ablesen lässt, polarisiert Jens die Kritiker nicht nur im Hinblick auf die politischen Implikationen seiner Lysistrate-Bearbeitung, sondern auch hinsichtlich seines Umgangs mit den Aristophanischen obscena. Was zunächst das Politische angeht, so bezeugt Peter Schütt im Theater der Zeit, dass das Stück „beim Hamburger Publikum“ durchaus gut angekommen sei, während „die lokale Kritik [...] eher skeptisch“ reagiert habe: „Beifall und Beistand für die Jubilarin [sc. Ida Ehre; Anm. d. Verf.] mischte sie mit vorurteilsgefärbter Kritik an Walter Jens’ parteilicher Stückvorlage.“ 967 Schütt, der selbst auf Jens’ Seite steht, zieht den Vergleich zu der ebenfalls kontroversen Aufnahme von Rolf Hochhuths politischer Tragödie Judith, die nur wenige Monate zuvor in Hamburg zur Aufführung gekommen war 968: „Beide Dramatiker, Hochhuth wie Jens, benutzen eine klassische Vorlage, um die Hauptfrage unserer Epoche, Krieg oder Frieden, theaterwirksam auf die Bühne zu bringen.“ Trotz aller Unterschiede in der Behandlung des Stoffes handle es sich um „aktuelle Stücke gleicher Tendenz“ und jedes zeige auf seine eigene Weise, „wie produktiv das Friedensthema für die zeitgenössische Dramatik sein kann.“ 969 Zu einem ganz anderen Urteil kommt die Rezensentin des Theatermagazins Theater heute, Ulrike Kahlo, die die Friedensfrau als „unsäglich schlechtes Stück“ bezeichnet, an dem nur ein einziger Aspekt funktioniere: „[D]ie Männlichkeit des Krieges wird vereinfacht und erschreckend deutlich.“ 970 Darüber hinaus sei Jens’ Bearbeitung des antiken Stoffes jedoch „[h]ausbacken von hinten bis vorne“, 971 nicht zuletzt wegen seines verharmlosenden Umgangs mit den Aristophanischen Obszönitäten „im Zeitalter der omnipräsenten Pornographie“: [Jens] machte die in der Antike beliebten und vertrauten Zoten zahm, das ist: unerträglich abgeschmackt. Er hätte sie elegant umschreiben sollen, die vielen Pfeile, Speere, Spieße, Ständer, Hähne. Phalli, Phallarum, ohne Witz und Pfiff: Im Zeitalter der omnipräsenten Pornographie hätte Professor Jens schon was Originelleres einfallen müssen, als aus ‚steifer Rute‘ (der alten Reclam-Übersetzung) einen ‚gezückten Spieß‘ zu machen. Ein wenig umgehört in den vielen Sub-sub-Szenen der Heteros und Homos, ein wenig nachgelesen bei den neuesten Phallokra-

 967 Schütt (1986), 71. 968 Hochhuth überträgt hier den alttestamentarischen Judith-Stoff (Ermordung des Tyrannen Holofernes) in die US-amerikanische Gegenwart und thematisiert die Option eines Attentats auf den US-Präsidenten (seinerzeit Ronald Reagan) als Gebieter über Massenvernichtungswaffen durch eine amerikanische Friedensaktivistin. Die Uraufführung fand 1984 in Glasgow statt. Im August 1985 kam das Stück – nach der deutschen Erstaufführung in Kiel – auch im Hamburger Ernst-DeutschTheater auf die Bühne. 969 Vgl. Schütt (1986), 71. 970 Vgl. Kahlo (1986), 45. 971 Vgl. Kahlo (1986), 46.

Porträts der ausgewählten Übersetzungen und Bearbeitungen der Lysistrate  

ten oder den Szene-Anzeigen und Lexika! Da hätten wir alle jedenfalls gelacht und nicht peinlich berührt ob der braven Verdummdeutschung alle Aufmerksamkeit hinfahren lassen. 972

Auch von der Hamburger Regieleistung Neidhardt Nordmanns ist Kahlo – aus ähnlichen Gründen – enttäuscht: Mit Mühe hält der Regisseur das Niveau einer mäßigen Schüleraufführung. Und am Schluß, als endlich Frieden ist, weil die Männer ja nur das eine wollen, die Frauen übrigens auch, aber um des lieben Friedens willen können sie schon mal drauf verzichten, – am Ende gibts keine Massenorgie, nein, weit gefehlt: Wie bei einem Pfadfindertreffen sitzen am Ende Männlein und Weiblein zusammen und beten. 973

Erika Stephan wiederum, die im Jahr 1989 in Theater der Zeit die DDRErstaufführung des Stückes in Gera rezensiert, zeigt sich begeistert von einer „gelungene[n] Inszenierung, mit der der Regisseur Bernd Michael Baier „das gesamte Ensemble zwei Stunden lang in Atem [hält]“ 974: Das uralt-unvergängliche, noch immer brennend aktuelle Stück vom Bettkampf der Athenerinnen [...] entwickelt sich unter seiner Hand zu einem sinnlich-kräftigen Spektakel in einer Spielweise, die Burleskes mit Besinnlichem, Komisch-Derbes mit klugem Argument und durchaus auch apellativer [sic] Dringlichkeit verbindet. 975

Auch die von Kahlo (1986) geäußerte Kritik an der allzu zaghaften Behandlung der obscena durch Jens wird von Stephan nicht unterstützt. Vielmehr vertritt sie die Auffassung, Jens habe „mit Geschmack und ohne Prüderie die derbe Erotik des Urbildes in kesse Direktheit heutigen Vokabulars“ übertragen. 976 Im Jahr 2000 hat schließlich Markus Janka eine ausführliche vergleichende Studie zu den Aristophanes-Bearbeitungen von Erich Fried und Walter Jens vorgelegt. In seinem abschließenden Resümee spricht er von „zwei Rezeptionsintentionen“, die sich voneinander abgrenzen ließen: ‚Dichtung im Sinne des Originals’ zur Entfaltung von dessen überzeitlicher Gewalt (Fried) steht einer Dichtung im Sinne der Gegenwart mit dem überzeitlichen Original als Muster resp. Hintergrundtext (Jens) gegenüber. Damit rühren wir an das Kunstverständnis der beiden Autoren: Fried baut auf die ästhetische Gültigkeit der klassischen Komödie und appelliert auf eine eher indirekte, aber umso eindringlichere Weise an sein Publikum. Jens dagegen stellt seine indivi-

 972 Kahlo (1986), 45. 973 Kahlo (1986), 46. 974 Stephan (1989), 4. 975 Stephan (1989), 3. 976 Stephan (1989), 4.

  Deutsche Aristophanes-Übersetzungen im Vergleich dualisierende (Ida Ehre) und aktualisierende Verlebendigung antiker Ästhetik in den Dienst einer direkt appellativen Belehrung seiner Zuschauer. 977

Auch wenn das Thema ‚Obszönität‘ an dieser Stelle gar nicht mehr zur Sprache kommt, so lässt sich doch – im Rückgriff auf Jankas einleitende Überlegungen zu den vielfältigen Problemen der Aristophanes-Übersetzung – jeder der beiden hier vorgestellten ‚Rezeptionsintentionen‘ eine bestimmte Strategie zuordnen, um das Obszöne „am sinnfälligsten in unser ‚Zeitalter der Pornographie‘“ zu transportieren 978: Der auf überzeitliche Geltung angelegten Dichtung Erich Frieds die „unverkrampfte Eleganz von gestern“, Jens’ gegenwartsbezogener, aktualisierender Bearbeitung das „ironische Naserümpfen“ der Lysistrate, „die einmal altersprüde aus ihrer Rolle fällt und den Stoßseufzer tut: Lysistrate

(fällt aus der Rolle): O je! Ist das ein Text! Und dabei haben wir das Schlimmste schon gestrichen. Nein, prüde waren diese Griechen wirklich nicht.“ 979

 977 Janka (2000), 598. 978 Das Binnenzitat ist Ulrike Kahlos Theaterrezension zur Uraufführung von Walter Jens’ Lysistrate-Adaptation Die Friedensfrau entnommen; vgl. Kahlo (1986). S. auch o. 3.3.4.2.4 und Einleitung. 979 Janka (2000), 583.

Zwei prominente Lysistrate-Bearbeitungen des 20. Jahrhunderts  

. Durchführung des Übersetzungsvergleichs Für die vergleichende Betrachtung einzelner längerer Übersetzungspassagen wurden insgesamt fünf Textbeispiele ausgewählt, die sich besonders durch ihren obszönen Inhalt auszeichnen: Textbeispiel 1: Lys. 21b–30 Textbeispiel 2: Lys. 107–110 Textbeispiel 3: Lys. 119–135 Textbeispiel 4: Lys. 142b–159 Textbeispiel 5: Lys. 407–419 An eine kurze Einordnung des jeweiligen Textbeispiels in den Handlungszusammenhang und die Wiedergabe des Originaltextes schließt sich jeweils ein ausführlicher Stellenkommentar an, der insbesondere den obszönen Aussagegehalt der ausgewählten Passage berücksichtigt und in diesem Zusammenhang bestimmte Schlüsselbegriffe identifiziert, die sich für die Entfaltung der obszönen Pointe jeweils als konstitutiv erweisen. Diese Schlüsselbegriffe werden im Anschluss an den Stellenkommentar unter der Überschrift ‚Einzelbetrachtungen‘ aufgelistet. Es folgen jeweils die Wiedergabe des gesamten Textbeispiels in deutscher Übersetzung bzw. Bearbeitung 980 und eine tabellarische Gegenüberstellung 981 der zuvor bestimmten Schlüsselbegriffe mit den von den einzelnen Übersetzern hierfür gewählten Termini und Formulierungen. Eine knappe Auswertung dieser tabellarischen Gegenüberstellung soll belegen, ob und inwieweit die einzelnen Übersetzerentscheidungen den im Kommentar jeweils ermittelten Aussagegehalt adäquat wiederzugeben vermögen. Für den Fall, dass alle im Kommentar aufgeführten Bedeutungsaspekte (nach Auffassung der Verfasserin) auch in der Übersetzung deutlich werden, wird das Kürzel (=K) eingeführt. Verweise auf vergleichbare Übersetzungslösungen bei anderen Übersetzern / Bearbeitern werden durch das Symbol → und Namenskürzel gekennzeichnet:

 980 Die ersten beiden Textbeispiele umfassen vollständig alle elf untersuchten Übersetzungen und Bearbeitungen; für die Textbeispiele 3 bis 5 werden jeweils drei ausgewählte Übersetzungen und je eine Bearbeitung einem detaillierten Übersetzungsvergleich unterzogen; die restlichen Übertragungen werden zusammenfassend abgehandelt. Bisweilen werden Übersetzungen bzw. Bearbeitungen ausführlicher zitiert als der Originaltext, wenn dies zur Verdeutlichung bestimmter Übersetzungsentscheidungen angebracht erscheint, z.B. Lys. 21b–30 [Vorwegnahme von Dinge in Vers 20]. 981 Ein ähnliches tabellarisches Verfahren findet sich in Janka (2000), der ausgewählten griechischen Originalstellen der Aristophanischen Lysistrate die jeweils entsprechenden Passagen aus der (‚dokumentarischen‘) Übersetzung von Wolfgang Schadewaldt sowie aus den Bearbeitungen von Erich Fried und Walter Jens gegenüberstellt.

  Deutsche Aristophanes-Übersetzungen im Vergleich B D F Ho Hu J M Scha Schö Se V

Borheck Droysen Fried Holzberg Humboldt Jens Minckwitz Schadewaldt Schöner Seeger Voß

Besonderheiten der einzelnen Übersetzungen, die eine komplexere Betrachtung erfordern, werden im Anschluss an die tabellarische Darstellung kurz erörtert.

Textbeispiel 1: Lys. 21b–30  

.. Textbeispiel 1: Lys. 21b–30 Die Komödie Lysistrate spielt im Athen des Jahres 411 v. Chr., im zwanzigsten Jahr des Peloponnesischen Krieges. Als Ort des Prologs ist ein Platz nahe den Propyläen anzunehmen. 982 Die Handlung setzt ein mit einem kurzen Monolog der Protagonistin, die zunächst allein auf der Bühne steht. Sie äußert sich verärgert darüber, dass andere Frauen, mit denen sie hier offenbar verabredet ist, bislang noch nicht eingetroffen sind (1–6a) 983. Doch erscheint wenigstens ihre Nachbarin Kalonike, bei der sie sich über das mangelnde Engagement der anderen Frauen beschwert, die sich der Beratung „über eine nicht geringe Sache“ (οὐ περὶ φαύλου πράγματος) (14) entzögen (6b–15a). Kalonike versucht, Lysistrate zu beschwichtigen (15b–19). Doch diese beklagt sich erneut, dass den Frauen anderes dringlicher sei als „dieses“ (ἕτερα τῶνδε προὐργιαίτερα) (20). Kalonike will nun vordergründig Genaueres wissen, doch geht es ihr in erster Linie darum, einen obszönen Scherz anzubringen. Hierzu hat ihr Lysistrate mit dem Wort πρᾶγμα die Vorlage gegeben, auf das sich Kalonike nun mit ihrer Frage bezieht: 21b 22 23a 23b 23c 24a 24b 25 26 27 28 29 30

Κα.

Λυ. Κα. Λυ. Κα. Λυ.

Κα. Λυ.

τί δ’ἐστίν, ὦ φίλη Λυσιστράτη, ἐφ’ ὅ τι ποθ’ ἡμᾶς τὰς γυναῖκας ξυγκαλεῖς; τί τὸ πρᾶγμα; πηλίκον τι; μέγα. μῶν καὶ παχύ; νὴ τὸν Δία καὶ παχύ. κᾆτα πῶς οὐχ ἥκομεν; οὐχ οὗτος ὁ τρόπος· ταχὺ γὰρ ἂν ξυνήλθομεν. ἀλλ ἔστιν ὑπ’ ἐμοῦ πρᾶγμ’ ἀνεζητημένον πολλαῖσί τ’ ἀγρυπνίαισιν ἐρριπτασμένον. ἦ πού τι λεπτόν ἐστι τοὐρριπτασμένον. οὕτω γε λεπτὸν ὥσθ’ ὅλης τῆς Ἑλλάδος ἐν ταῖς γυναιξίν ἐστιν ἡ σωτηρία. 984

... Kommentar Schon dadurch, dass Kalonike nach der Größe des πρᾶγμα fragt (23a), kündigt sich der obszöne Scherz an, der durch die komödiengeeignete Doppeldeutigkeit des Wortes ermöglicht wird. 985 Lysistrate, ganz von ihrer politischen Mission erfüllt,

 982 Vgl. Henderson (Ed./K) (1987), 65. 983 Versangaben nach Wilson (Ed.) (2007) II, 7–65. 984 Zitiert nach Wilson (Ed.) (2007) II, 8. 985 Vgl. Henderson (1991), 116: „πρᾶγμα, like English thing, appears at L 23, 26, 661, 994 in puns; at N 196 f. Strepsiades jokingly expresses a desire to share πραγμάτιόν τι, a certain little thing, with Socrates’ (pathic) pupils. At T 581 the πρᾶγμα δεινὸν καὶ μέγα, large and remarkable thing, seems to refer to the Relation’s phallus. The young man’s joke at E 1089 may possibly contain a punning

  Deutsche Aristophanes-Übersetzungen im Vergleich antwortet μέγα (23b) (und meint dabei: wichtig) und gibt eben dadurch Kalonike die Möglichkeit, die kaum mehr verschleiernde Frage μῶν καὶ παχύ; (Etwa auch dick?) (23c) nachzuschieben. 986 Und als sie auch dies, weiterhin im Bann ihres Anliegens, gedankenlos bestätigt: νὴ τὸν Δία καὶ παχύ (Bei Zeus, auch dick!) (24a), 987 bedarf es eines sehr deutlichen ironischen Signals, eines ‚Stoßseufzers‘ von Seiten Kalonikes: κᾆτα πῶς οὐχ ἥκομεν (Und warum sind wir dann nicht da?) (24b), dass Lysistrate das Spiel begreift und klarstellt: οὐχ οὗτος ὁ τρόπος (Nicht ist es das, was ich meine) (25). 988 Sie nimmt den Scherz aber durchaus humorvoll auf und stimmt Kalonike sogar zu: Dann, wenn es sich um ein πρᾶγμα jener anderen Art handeln würde, hätten in der Tat wir alle uns eingefunden: ταχὺ γὰρ ἂν ξυνήλθομεν (25). Doch der obszöne Scherz ist damit nicht abgeschlossen. Lysistrate, nun wieder ganz ernsthaft, will Kalonike das von ihr gemeinte πρᾶγμα näher erläutern. Sie will deutlich machen, dass es sich bei diesem πρᾶγμα um eine Idee handelt, die von ihr, Lysistrate, selbst (ὑπ’ ἐμοῦ ist betont vorangestellt) erdacht (ἀνεζητημένον) und in schlaflosen Nächten oftmals hin und her gewälzt (ἐρριπτασμένον) wurde (26 f.). Doch lässt sich Kalonike die obszöne Vorstellung, die πρᾶγμα ἐρριπτασμένον ermöglicht (‚Ding, (im Bett) hin und her gewälzt‘), nicht entgehen. 989 Scheinbar teilnahmsvoll und desillusioniert (in Anbetracht der ursprünglichen Erwartung: μέγα und sogar παχύ) fragt sie: Dann also ist es schwach (λεπτόν), das Hinundhergewälzte? (28). Gemeint ist: durch starke nächtliche Inanspruchnahme. 990 Lysistrates Antwort (29 f.), die λεπτόν aufnimmt, lässt sich auf zweierlei Weise verstehen:  reference to this euphemism.“ [Ebd. Anm. 50: „For πρᾶγμα see further PMag. 7.186.“] Vgl. v. a. auch Lys. 994: Κι.: Τί τὰ πράγμαθ’ ὑμῖν ἐστι τἀν Λακεδαίμονι; – ‚Wie stehen die Dinge bei euch in Lakedaimon?‘ [Ü d. Verf. nach Seeger] 986 Wie Henderson (Ed./K) (1987) in seinem Kommentar nachweist, findet sich die Kombination von μέγα und παχύ in Bezug auf das männliche Glied auch in anderen Aristophanes-Komödien, so z. B. in Ach. 787, Pax 1351 und Eccl. 1047 f. Vgl. auch Henderson (1991), 116: „[...] μέγας (often with πηχύς) is often found as an adjective describing erect phalli: L 23 ff., P 927, 1351 f., E 1048, A 787, N 539, Fr 130.3.“ 987 παχύ wäre hier etwa im Sinne von gewichtig, scherwiegend zu verstehen, ist in dieser übertragenen Bedeutung aber sonst nirgends belegt; vgl. dazu Wilamowitz (K) (1927), 124 [zu Vers 23]: „πηλίκον wird schon gefragt, um die Zote mit παχύ hereinzubringen. Niemals konnte παχύ so im Ernste gesagt werden. [...]“ Vgl. auch Eccl. 1048. παχύ in Bezug auf längliche Gegenstände ist mehrfach belegt: Il. 18.416 σκῆπτρον; Od. 22.18 αὐλὸς αἵματος; Aristoph. Nub. 59 θρυαλλίδες. 988 Mit τρόπος bezieht sich Lysistrate entweder auf die falsch aufgefasste Wortbedeutung (Rede‚Wendung‘) von πρᾶγμα oder sie weist Kalonike darauf hin, dass sie das Wort πρᾶγμα nicht in der richtigen ‚Art und Weise‘ verstanden habe. 989 Vgl. Henderson (Ed./K) (1987), 71 [zu ἐρριπτασμένον]: „ῥιπτάζεσθαι means ‚to toss oneself about‘ in bed (Hp. Morb. 2. 69, Plu. Cic. 37 τῇ γνώμῃ πολλὰ ῥιπτασθεὶς ἐπ’ ἀμφότερα). Here the πρᾶγμα (which can refer to the penis: Henderson 116) is personified to set up Kal.’s joke (Lys. meant that she had done the tossing about).“ 990 In ähnlicher Bedeutung wird λεπτός bereits von Alkaios verwendet. In fr. 94 Snell = Ζ 23 (a) Lobel/Page, vv. 4 f. werden den durch Weingenuss und Sommerhitze liebeslüsternen Frauen

Textbeispiel 1: Lys. 21b–30  

1.

2.

als ironisch-sarkastischer Kommentar, der die Unangemessenheit der abwertenden Bezeichnung hervorhebt: So schwach freilich, dass von ganz Griechenland die Rettung bei den Frauen liegt. als positive Umdeutung des Adjektivs im Sinne von subtil, raffiniert (eine Bedeutung, die im 5. Jh. aufkommt 991): So subtil freilich, dass von ganz Griechenland nun die Rettung bei den Frauen liegt.

Keine der beiden Möglichkeiten verdient eindeutig den Vorzug vor der anderen. Eine Wiedergabe im Deutschen, die beide entsprechend in einem Wort bewahrt, ist nicht erkennbar. Der Übersetzer muss sich für eine der beiden Möglichkeiten entscheiden. Festzustellen ist schließlich – und dies gilt für das gesamte Stück –, dass sämtliche obszönen Anspielungen von Kalonike ausgehen. Lysistrate bleibt stets ernsthaft bei der Sache und geht weder auf Kalonikes Anzüglichkeiten ein noch lässt sie sich selbst zu obszönen Äußerungen hinreißen. ... a) b) c) d)

Einzelbetrachtungen πρᾶγμα (23a u. 26) die Entfaltung der Obszönität von πηλίκον bis παχύ (23a–24a) ἐρριπτασμένον (27 u. 28) λεπτόν (28 u. 29)

 (γυναῖκες μιαρώταται) die aus denselben Gründen abgeschlafften Männer (λέπτοι δ’ἄνδρες) gegenübergestellt. 991 Vgl. Henderson (Ed./K) (1987), 71 [zu λεπτόν]: „The earliest use of this metaphor is E. Med. 529, cf. Hp. 923, and it may have been associated especially with him: Ach. 445 (Εὐρ) δώσω· πυκνῇ γὰρ λεπτὰ μηχανᾷφρενί. Aristophanes uses it in several plays, Dover at Nu. 153, J. D. Denniston, CQ 21 (1927), 119.“ Vgl. ferner Dover (Ed./K) (1968), 114 [zu Nub. 153]: „τῆς λεπτότητος: The earliest datable instance of λεπτός in the sense ‚subtle‘, ‚ refined‘ is E. Md. 529 (cf. Hp. 923 λεπτουργεῖς, and the parody of Euripides in Ach. 445). It is naturally a recurrent word in this play (cf. 230 ff., 320, 359). And is freely used by Ar. thereafter, e.g. Av. 318 λεπτὼ λογιστά. Cf. Denniston, CQ xxi (1927), 119.“

  Deutsche Aristophanes-Übersetzungen im Vergleich ... Übersetzungen .... Wilhelm von Humboldt (1795) [Lys. Kal.

Lys. Kal. Lys. Kal. Lys.

Kal. Lys.

Allein ganz andre grössre Dinge warten ihrer / hier.] Welche doch, geliebteste Lysistrata? Warum rufst Du die Weiber hier zusammen? Was für ein Ding – Ein grosses. Auch ein dickes? Beim Zeus, ein dickes. Und sie kommen dennoch nicht? Pfui doch, das mein ich nicht, längst wären sie sonst da. Allein ein Ding ist es, mit Müh’ von mir ersonnen, in viel schlaflosen Nächten lang herumgewälzt. Was Du so lang gewälzt, ist sicherlich nur klein. Ja, ja, so klein, dass an den Weibern nur Das Wohl des ganzen Hellas einzig hängt. 992

a) πρᾶγμα

beide Male: Ding

=K Davor ist in V.  Dinge ergänzt (→ B, Se, Schö); hierdurch ent-

(a; )

steht eine im Original nicht angelegte, leicht irritierende Spannung zwischen Plural und Singular. Die Pluralform besitzt im Deutschen kein Potenzial zur Obszönität. b) πηλίκον (a)

was für ein [...]

Dadurch, dass die aufeinanderfolgenden kurzen Fragesätze τί τὸ πρᾶγμα; und πηλίκον τι; in einen deutschen Fragesatz zusammengeführt sind (Was für ein Ding?), ist die Möglichkeit, πηλίκον in seiner quantitativen Bedeutung (wie groß?) bereits als Vorbereitung des obszönen Scherzes zur Geltung zu bringen, aus der Hand gegeben (→ B, D, Se, M).

μέγα (b)

groß

=K

παχύ (c; a)

beide Male: dick

=K

herumgewälzt ()

=K

gewälzt ()

=K

klein ()

=K

klein ()

=K (Variante )

c) ἐρριπτασμένον (; ) d) λεπτόν (28; 29)

In Vers 25 fügt Humboldt in den deutschen Text eine Entrüstungsfloskel (Pfui doch) ein, die Lysistrates Tendenz zur Zurückweisung obszöner Anspielungen noch verstärken soll. Es ist kein Stellenkommentar vorhanden.  992 Zitiert nach Humboldt (Ü), Aristophanes Lysistrata (1795), 251. Die Anordnung von Sprecherangaben und Sprechtext wurde bei sämtlichen Zitaten aus Gründen der Übersichtlichkeit und Vergleichbarkeit von der Verf. vereinheitlicht. Die in der Textvorlage vorgegebenen Versenden sind, soweit es sich nicht um Prosa-Übersetzungen handelt, beibehalten worden.

Textbeispiel 1: Lys. 21b–30  

.... August Christian Borheck (1806) [Lys. Kal.

Lys. Kal. Lys. Kal. Lys.

Kal. Lys.

O, hier sind andre Dinge noch zu thun Für sie, die zehnmal wicht’ger sind!] So sag mir denn, Lysistrata, was ist’s? Wozu hast du uns Weiber rufen lassen? Was sind’s für Dinge? und wie sehn sie aus? Groß sind sie. Sind sie denn auch dick? Fürwahr das sind sie, groß und dick dazu! Und dazu sollten wir nicht kommen? Das Ist nicht der Fall, da kämen wir bald alle! Nein, einem Dinge hab’ ich nachgespäht, Und manche liebe lange Nacht Mich drüber schlaflos hin und her geworfen. Das muss wol schlüpfrig seyn das Hinundhergeworfne! So schlüpfrig, daß das Heil von ganz Hellenien Die Weiber izt in ihren Händen haben. 993

a) πρᾶγμα

Dinge (a)

(a; )

Der Plural Dinge in V.  ist in der Ü. ergänzt (→ Hu, Se, Schö). Indem der Übersetzer den Plural dann auch in a gegen den griechischen Text beibehält, wird das Erfassen des obszönen Aspekts beeinträchtigt.

b) πηλίκον (a)

Ding ()

=K

wie sehn sie aus?

Der quantitative Aspekt des Fragepronomens (wie groß?), der im griechischen Text die Obszönität vorbereitet, ist nicht berücksichtigt (→ Hu, D, Se, M).

μέγα (b)

groß

=K

παχύ

dick (c);

=K

(c; a)

groß und dick dazu (a)

Durch die Wiederholung von groß wird der obszöne Aspekt noch stärker betont. Die Obszönität geht von Lysistrate aus.

c) ἐρριπτασμένον (; )

d) λεπτόν (28; 29)

drüber [...] hin und her gewor-

=K

fen (); das Hinundhergeworfene ()

=K

beide Male: schlüpfrig

Das gewählte Adjektiv entspricht nicht den möglichen Bedeutungen von λεπτός. Zudem wird es im Deutschen eher kommentierend oder konstatierend auf obszöne Sachverhalte angewandt, besitzt selbst aber kaum Potenzial zu obszöner Doppeldeutigkeit.

Die Stelle ist unkommentiert.

 993 Zitiert nach Borheck (Ü), Lysistrata (1806), 2 f.

  Deutsche Aristophanes-Übersetzungen im Vergleich .... Johann Heinrich Voß (1821) GÜ Kal.

Lys. Kal. Lys. Kal. Lys.

Kal. Lys.

Was ist denn, o geliebte Lysistrata, Wozu du jetzt uns Weiber hier zusammenrufst? Was doch für ein Wesen? und wie groß? Sehr groß. Auch dick? Ja wahrlich, dick auch. Dann warum nicht kommen wir? Nein, solcher Art nicht! Schnell ja heran wol kämen wir. Vielmehr von mir wird eine Sach izt aufgesucht, Und stets in viel schlaflosen Nächten umgewälzt. Gelt, etwas Feines ist das Umgewälzete. So Feines wahrlich, daß dem gesamten Hellasland An uns den Weibern haftet alles Wohlergehn. 994

a) πρᾶγμα (a; )

ein Wesen (a)

Der für die Entfaltung des obszönen Scherzes konstitutive Doppel-

eine Sach ()

sinn von πρᾶγμα wird in der Übersetzung nicht erfasst. Überdies haben auch beide deutschen Begriffe für sich kein Potenzial für Obszönität (→ D, Schö).

b) πηλίκον (a)

wie groß

=K

μέγα (b)

sehr groß

Der elativische Ausdruck wurde vom Übers. hinzugefügt.

παχύ (c; a) beide Male: dick

=K In Anbetracht des Vorangehenden (a) ist die Wörtlichkeit hier nahezu funktionslos.

c) ἐρριπτασμένον (; ) d) λεπτόν (28; 29)

umgewälzt ()

=K

das Umgewälzete ()

=K

etwas Feines ()

Die obszöne Antithese zu μέγα und παχύ ist nicht erfasst (→ M).

so Feines ()

=K (Variante )

Die Stelle ist unkommentiert.

 994 Zitiert nach Voß (Ü), Aristofanes (1821), Bd. 2, 234 f.

Textbeispiel 1: Lys. 21b–30  

.... Johann Gustav Droysen (1838) GÜ Kal.

Lys. Kal. Lys. Kal. Lys.

Kal. Lys.

Was ist’s denn, liebe Lysistrate, Weshalb du heut uns Frauen zusammengerufen hast? Was hast du denn? was ist es? Groß ist’s! (pfiffig) Hart wol auch? Ja hart, bei Gott! Wie säumten wir da doch, hier zu sein! Das ist’s ja gar nicht; schnell beisammen wären wir sonst! Vielmehr ein Etwas ist es, das ich aufgespürt, In oft durchwachten Nächten mit mir herumgewälzt – Gewiß was Geriebenes ist es, womit du dich ‘rumgewälzt? Dermaßen Geriebnes, daß des ganzen Griechenthums Wohlfahrt und Rettung nur bei uns, den Frauen, steht! 995

a) πρᾶγμα (a; )

b) πηλίκον (a)

was hast du denn?

Der Doppelsinn von πρᾶγμα wird in der Übers. nicht erfasst. Beide

(a);

deutsche Ausdrücke besitzen kein Potenzial für Obszönität (→ V,

ein Etwas ()

Schö).

was ist es?

Der quantitative Aspekt des Fragepronomens, der im griech. Text die Obszönität vorbereitet, ist nicht berücksichtigt (→ Hu, B, Se, M).

μέγα (b)

groß

=K

παχύ

beide Male: hart

Die Bedeutung des griechischen Wortes wird nicht adäquat wieder-

(c; a)

gegeben. Stattdessen wurde ein deutsches Adjektiv gewählt, das ebenfalls ein obszönes Verständnis ermöglicht (→ J). Evtl. soll auf diese Weise auch der Aspekt der harten (=‚beschwerlichen‘) Angelegenheit mit zum Ausdruck gebracht werden.

c) ἐρριπτασμένον (; )

herumgewälzt ();

=K

ʼrumgewälzt ()

=K

d) λεπτόν (28; 29) was Geriebenes ()

Die Obszönität ist hier auf andere Weise angelegt. Der Aspekt des ‚Reibens‘ lässt sich von dem griechischen Verb λέπω zwar herleiten; die von Aristophanes intendierte Antithese zu μέγα und παχύ ist damit jedoch nicht erfasst.

dermaßen Geriebnes

Geriebnes kann hier nur in obszöner Weise verstanden werden. Ein

()

Missverständnis von Seiten Lysistrates ist ausgeschlossen. Indem sie das Wort aufnimmt, lässt sie sich, im Gegensatz zum Original, selbst zu einer obszönen Äußerung hinreißen.

Die Stelle ist unkommentiert.

 995 Zitiert nach Droysen (Ü), Des Aristophanes Werke. Dritter Theil (1838), 142 f.

  Deutsche Aristophanes-Übersetzungen im Vergleich .... Ludwig Seeger (1848) GÜ [Lys. Kal.

Lys. Kal. Lys. Kal. Lys.

Kal. Lys.

Ei, andere Dinge, zehnmal wichtiger, / Gibt’s hier zu tun!] Ei, sag mir doch, lieb Herzchen: Was ist’s, wozu du uns hierher berief’st? Wie ist das Ding gestaltet? Groß! Auch dick? Auch dick! Wie? – Und da zögern wir zu kommen? Nicht so! – Da wären wir wohl schnell beisammen! – Nein, ausgespürt hab’ ich ein Ding, und schlaflos Mich manche Nacht damit herumgewälzt. War schön das Ding, mit dem du dich gewälzt? So schön, daß Wohl und Weh von Hellas jetzt In unsern, in der Frauen Händen liegt! 996

a) πρᾶγμα

beide Male: Ding

=K Davor ist in V.  Dinge ergänzt (→ Hu, B, Schö); hierdurch entsteht

(a; )

eine im Original nicht angelegte, leicht irritierende Spannung zwischen Plural und Singular. Die Pluralform besitzt im Deutschen kein Potenzial zur Obszönität. b) πηλίκον (a)

wie ist [...] gestaltet?

Dadurch, dass die aufeinanderfolgenden kurzen Fragesätze τί τὸ πρᾶγμα; und πηλίκον τι; in einen deutschen Fragesatz zusammengeführt sind (Wie ist das Ding gestaltet?), ist die Möglichkeit, πηλίκον in seiner quantitativen Bedeutung (wie groß?) bereits als Vorbereitung des obszönen Scherzes zur Geltung zu bringen, aus der Hand gegeben (→ Hu, B, D, M).

μέγα (b)

groß

=K

παχύ

beide Male: dick

=K

(c; a)

Seeger weist den Leser seiner Übersetzung mit folgender Anmerkung dezidiert auf den obszönen Aspekt dieser Stelle hin: „[...] Ueber das ‚dicke Ding‘ cf. Priapeia, carm. VII: Nimirum sapiunt videntque magnam / Matronae quo¬que mentulam libenter.“ 997

c) ἐρριπτασμένον (; ) d) λεπτόν

herumgewälzt ();

=K

gewälzt ()

=K

schön ()

Das gewählte deutsche Attribut ist sehr unpräzise. λεπτός wurde offenbar nicht als obszöner Gegensatz zu μέγα und παχύ erkannt.

Die Stelle ist unkommentiert.

 996 Zitiert nach Seeger (Ü), Aristophanes, Bd. 3 (1848), 22. 997 Vgl. Seeger (Ü), Aristophanes, Bd. 3 (1848), 90 Anm. 6.

Textbeispiel 1: Lys. 21b–30  

.... Johannes Minckwitz (1855–1864) GÜ Kal.

Lys. Kal. Lys. Kal. Lys.

Kal. Lys.

Was ist’s, o teure Lysistrate, Weswegen du uns, die Frauen hier zusammenrufst? Was für ein Ding ist’s? Wie gestaltet? Groß! Auch fett zugleich? Auch fett, bei Zeus! Und wir sind so faul und kommen nicht? (das Mißverständnis der Freundin bemerkend). Du irrst dich, Beste! Schnell gerannt sonst kämen wir. Vielmehr, ich hab’ ein andres Ding ausspintisiert Und schlummerloser Nächte viel umhergezaust. Gewiß was Feines, das du da umhergezaust! Etwas so Feines, daß das Heil ganz Griechenlands In der Frauenzimmer Macht allein gegeben ist. 998

a) πρᾶγμα (a; )

beide Male: Ding =K

b) πηλίκον (a)

wie gestaltet?

Der quantitative Aspekt des Fragepronomens, der im griechischen Text die Obszönität vorbereitet, ist nicht berücksichtigt (→ Hu, B, D, Se).

μέγα (b)

groß

=K

παχύ (c; a)

beide Male: fett

Das gewählte deutsche Adjektiv liegt zwar innerhalb des Bedeutungshorizontes von παχύ, besitzt aber nur wenig Potenzial zur Obszönität. In Bezug auf Lysistrates πρᾶγμα erscheint es zudem völlig unpassend.

c) ἐρριπτασμένον (; )

beide Male:

Das mit der Präposition umher verbundene, altertümliche Verb zausen

umhergezaust

kann u. a. auch im Sinne von ‚herumstoßen‘ verwendet werden, 999 ist offenbar aber auch im . Jahrhundert schon nicht mehr gebräuchlich und erschwert (möglicherweise gewollt) das Verständnis der Stelle.

d) λεπτόν (; )

was Feines ()

Die obszöne Antithese zu μέγα und παχύ ist nicht erfasst (→ V).

etwas so Feines

=K (Variante )

()

 998 Zitiert nach Minckwitz (Ü)/Wessely (Ü), Aristophanes II (Lysistrate) (1855–1911), 32 f. 999 Vgl. Deutsches Wörterbuch von Wilhelm und Jacob Grimm, Bd. 23 (zuerst 1936), Sp. 1286, zu: ‚umzausen‘, Verb: „1) trennbar, herum-, umherzausen, -zerren“. Von Minckwitz möglicherweise in der bei Grimm aufgeführten Bedeutung ‚sich herumtreiben‘ verwendet, wofür folgende Belegstelle geliefert wird: „sie ist ein weib bey achtzig jaren ... / und (ich) soll bey ir im hausz umbzausen [sc. Hans Sachs; Anm. d. Verf.] 5, 238“. URL: http://www.woerterbuchnetz.de/DWB?lemma=umzausen (zuletzt gesehen: 17.09.2019). S. aber auch ebd. Bd. 31 (zuerst 1956), Sp. 419 f. zum transitiven Verb ‚zausen‘: „[...] 1) zausen, zupfen, ziehen, zerren. a) eig. haare, ohren und alles einzelne aus einer masse [...]; c) die bedeutung entfaltet sich α) wenn den händen keine beschränkung auferlegt ist, zum begriff schlagen, stoszen, prügeln; [...] indem wir ... uns wacker herumb zauseten A. OLEARIUS pers. ros. 89 [i. e. Persianischer Rosenthal. {...} Vor 400 Jahren von {...} Schich Saadi in Persischer Sprach beschrieben. Jetzo aber {...} übersetzet {...}, Schleszwig 1654; Anm. d. Verf.]; [...].“ URL: http://www.woerterbuchnetz.de/DWB?lemma=zausen (zuletzt gesehen: 17.09.2019).

  Deutsche Aristophanes-Übersetzungen im Vergleich Die Übersetzung entfernt sich weit vom griechischen Text. Die obszönen Anspielungen werden stark verharmlost. Das deutsche Wort ausspintisiert (26) erscheint eher selbstironisch abwertend, während der so übersetzte griechische Ausdruck ὑπ’ ἐμοῦ ἀνεζητημένον gerade Lysistrates Stolz auf die eigene geistige Leistung hervorhebt. Die Stelle ist unkommentiert.

Textbeispiel 1: Lys. 21b–30  

.... Wolfgang Schadewaldt (1958) Kal.

Lys. Kal. Lys. Kal. Lys.

Kal. Lys.

Was ist es denn, liebe Lysistrata! Weswegen du uns Frauen zusammenrufst? Was für ein Ding? wie groß? Groß! Und auch dick? Sehr dick, beim Zeus! Ists möglich dann, daß wir nicht kommen? Nicht von der Art! schnell wär man sonst beisammen! Nein! eine Sache ist es, die ich aufgespürt Und schlaflos viele Nächte mich damit gewälzt. Was Glattes wohl, womit du dich gewälzt? So glatt und fein, daß – von ganz Griechenland Die Rettung einzig bei uns Frauen steht … 1000

a) πρᾶγμα (a; )

Ding (a);

=K

Sache ()

Der zweite Teil des obszönen Scherzes, der sich aus der Doppeldeutigkeit von πρᾶγμα ergibt, ist hier nicht erfasst. Der deutsche Begriff besitzt nur wenig Potenzial zur Obszönität.

wie groß?

=K

μέγα (b)

groß

=K

παχύ

dick (c);

=K

(c; a)

sehr dick ()

Der elativische Ausdruck wurde vom Übersetzer offenbar in der Ab-

b) πηλίκον (a)

sicht hinzugefügt, den obszönen Aspekt des Wortes zu betonen. Da es sich um Lysistrates Antwort handelt, die in dieser Weise kaum arglos ausgesprochen werden kann, scheint sich Lysistrate hier – im Gegensatz zum Original – auf Kalonikes obszöne Anspielungen einzulassen (→ Schö). c) ἐρριπτασμένον (; )

[mich damit]

=K

gewälzt (); [womit du dich]

=K

gewälzt () d) λεπτόν (28; 29)

was Glattes ()

Das gewählte Adjektiv soll offenbar einen obszönen Sachverhalt andeuten, entspricht aber nicht den möglichen Bedeutungen von λεπτός. Auch die obszöne Antithese zu μέγα und παχύ ist nicht erfasst.

so glatt und fein

Das griechische Wort wird hier durch eine Kombination zweier Adjek-

()

tive wiedergegeben, wobei das zuvor im eher obszönen Sinne verwendete glatt wiederaufgenommen und durch Hinzufügen des neutralen fein in verharmlosender Weise umgedeutet wird. Der Bedeutungsgehalt dieser Formulierung entspricht Variante .

 1000 Zitiert nach Schadewaldt (Ü), Griechisches Theater (1983), 406. Keine Änderung des Wortlautes in der später im Insel-Verlag erschienenen Druckfassung des Bühnenmanuskripts; vgl. Schadewaldt (Ü), Aristophanes, Lysistrata (1972), 8.

  Deutsche Aristophanes-Übersetzungen im Vergleich Vers 21b ist nahezu wortidentisch mit Droysens Übersetzung. In 29 bezeichnet die durch einen Gedankenstrich markierte Kunstpause den Übergang von dem spielerischen Umgang mit mehrdeutigen Begrifflichkeiten zum eigentlichen, durchaus ernsthaften Kern der Aussage: Griechenland bedarf der Rettung, und diese hängt allein von den Frauen ab. Kein Stellenkommentar vorhanden.

Textbeispiel 1: Lys. 21b–30  

.... Wolfgang Schöner (1989) GÜ [Lys. Aber andere Dinge wären wahrlich dringender für sie als das.] Kal. Was ist es denn, oh liebe Lysistrate, wozu du uns Frauen zusammenrufst? Was für eine Sache? Ist sie groß? Lys. Ja. Kal. Vielleicht auch dick? Lys. Knüppeldick, bei Zeus. Kal. Und wieso kommen wir dann nicht? Lys. So ist es nicht gemeint. Wenn es ums Kommen ginge, dann kämen freilich alle schnell. Nein, sondern es ist etwas, das ich durchdacht habe in vielen schlaflosen Nächten und mich hin und her gewälzt darüber. Kal. Dann wird es wohl ein wenig dünn geworden sein. Lys. So dünn, daß für ganz Griechenland die Rettung von den Frauen abhängt! Kal. Von den Frauen? Dann hängt sie wohl an einem Haar. 1001 a) πρᾶγμα (a; )

Sache (a)

Der Plural Dinge ist in V.  der Übersetzung ergänzt (→ Hu, B,

etwas ()

Se). Da der Übers. im Folgenden jedoch πρᾶγμα mit zwei unterschiedlichen Begriffen wiedergibt, kommt der für die Entfaltung des obszönen Scherzes konstitutive Doppelsinn im Deutschen nicht zur Geltung. Überdies besitzen die gewählten deutschen Begriffe für sich kein Potenzial für Obszönität (→ V, D).

b) πηλίκον (a) μέγα (b)

Ist sie groß?

=K

Ja.

Lysistrates Antwort groß, die Kalonikes obszönen Scherz erst befeuert, wird hier durch eine neutrale Bestätigungsformel ersetzt (→ J).

παχύ

dick (c);

=K

(c; a)

knüppeldick (a)

Die einfache Wortwiederholung des Ausgangstextes wird in der Übersetzung durch eine Übertreibungsfloskel wiedergegeben, die den obszönen Aspekt von παχύ besonders hervorhebt. Da es sich um Lysistrates Antwort handelt, die in dieser Weise kaum arglos ausgesprochen werden kann, scheint sich Lysistrate hier – im Gegensatz zum Original – auf Kalonikes obszöne Anspielungen einzulassen (→ Scha).

c) ἐρριπτασμένον (; )

[mich] hin und her

=K

gewälzt [darüber] (); [Dann wird] es [wohl...]

Die Wortwiederholung, die im Original die obszöne Bedeutung

()

von ἐρριπτασμένον gerade sichtbar macht, wird hier durch folgernd-konstatierende Partikeln ersetzt (dann ... wohl).

d) λεπτόν (28; 29)

ein wenig dünn ();

=K Die obszöne Antithese zu μέγα und παχύ kommt zum Ausdruck.

so dünn ()

=K (Variante )

 1001 Zitiert nach Schöner (Ü), Aristophanes. Die elf erhaltenen Komödien (1989), 285 f.

  Deutsche Aristophanes-Übersetzungen im Vergleich Schöner überbietet den Aristophanischen Scherz an einer Stelle, indem er das in V. 24b erscheinende unauffällige griechische Verb ἥκειν in seiner Übersetzung mit der obszönen Nebenbedeutung des deutschen Verbs Kommen i. S. v. ‚zum sexuellen Höhepunkt gelangen‘ auflädt. 1002 Die Stelle ist unkommentiert.

 1002 S. auch o. 3.3.3.2.3.

Textbeispiel 1: Lys. 21b–30  

.... Niklas Holzberg (2009) [Lys. Aber es gäbe andere Dinge, die wichtiger wären für sie.] Kal. Was ist es denn, liebe Lysistrate, wozu du uns Frauen zusammenrufst? Was ist das Ding? Wie groß ist es? Lys. Groß! Kal. Etwa auch dick? Lys. Auch dick, beim Zeus! Kal. Und wieso sind wir dann nicht da? Lys. Nicht von der Sorte! Dann wären wir nämlich schnell zusammengekommen! Nein, es ist ein Ding, das ich aufgespürt habe und womit ich mich in vielen schlaflosen Nächten herumgewälzt habe. Kal. Herumgewälzt? Dann ist es wohl jetzt ein labiles Ding? Lys. So labil jedenfalls, dass des ganzen Griechenlands Heil in den Händen der Frauen liegt ... Kal. In den Händen der Frauen? Dann ist es wenig, worauf es sich stützt. 1003 a) πρᾶγμα (a; )

das Ding (a);

=K

ein Ding () Wie groß?

=K

μέγα (b)

Groß.

=K

παχύ

beide Male: dick

=K

beide Male: herumgewälzt

=K

labil ();

=K

labil ()

=K (eher Variante )

b) πηλίκον (a)

(c; a) c) ἐρριπτασμένον (; ) d) λεπτόν (28; 29)

Zu πηλίκον (23a) wird angemerkt: Mit ‚groß‘ meint Lysistrate ‚wichtig‘, aber Kalonike bezieht das Adjektiv auf einen Penis. 1004 Auch der Doppelsinn von λεπτόν (28; 29) wird in einer Anmerkung ausführlich erläutert: Im Original steht hier wie vorher leptón, was ‚dünn, klein‘ bedeutet – insofern passt es zur Vorstellung von dem durch vieles ‚Herumwälzen‘ klein gewordenen ‚Ding‘ –, aber auch für ‚subtil, fein, delikat‘ steht und damit auf die politische Situation Athens im Jahre 411 anwendbar ist; mit dem deutschen ‚labil‘ versuche ich, beides zu verbinden. 1005

 1003 Zitiert nach Holzberg (Ü), Aristophanes. Lysistrate (2009), 7 f. 1004 Holzberg (Ü), Aristophanes. Lysistrate (2009), 69 Anm. 3. 1005 Holzberg (Ü), Aristophanes. Lysistrate (2009), 69 Anm. 4.

  Deutsche Aristophanes-Übersetzungen im Vergleich ... Bearbeitungen .... Erich Fried (1985) [Frieds Bearbeitung der ausgewählten Passage weicht oftmals stark vom Wortlaut der griechischen Vorlage ab und weist zudem zahlreiche erläuternde oder verdeutlichende Ergänzungen auf. Gleichwohl lässt sich die Grundstruktur des Dialogs beinahe versgenau nachvollziehen. Die obszönen Anspielungen und Doppeldeutigkeiten des Aristophanes-Textes werden hier in beinahe übertriebener Weise herausgearbeitet. So kündigt Lysistrate bereits in Entsprechung zu Vers 14 (οὐ περὶ φαύλου πράγματος) ein großes Ding – / Ein großes wichtiges Ding an, das beraten werden müsse.] [Lys. Kal.

Lys. Kal. Lys. Kal. Lys.

Kal. Lys.

Mir aber liegt ein größeres Ding am Herzen!] Größer? – Am Herzen? Hm: Ein Wunderding?! Und darum rufst du alle Frauen zusammen? – Beschreib mir doch das Ding? Groß. – Mehr als groß … Und auch entsprechend stark? So stark ihr wollt! Und das verschlafen Frauen?! Das nicht! Sonst ständen alle längst hier Schlange. Nein, mit dem Ding, von dem ich sprech, hab ich mich Schlaflos herumgewälzt, schon viele Nächte. So lang? Dann ist das Ding jetzt wohl ganz schwach? So schwach, daß jetzt die Rettung Griechenlands von uns abhängt: Uns Fraun! In unsrer Hand liegts! 1006

a) πρᾶγμα

Ding

(a; )

Das deutsche Wort Ding in Analogie zu πρᾶγμα wird im ersten Teil der ausgewählten Textpassage (vgl. b–) insgesamt dreimal wieder aufgegriffen: zunächst von Lysistrate selbst (Mir aber liegt ein größeres Ding am Herzen!), dann von Kalonike (Größer? – Am Herzen? Hm: Ein Wunderding?!), die gleich darauf – in Analogie zu a – noch bittet: Beschreib mir doch das Ding. Auch in der zweiten Hälfte der Passage (vgl. –) kommt das Wort Ding – bei Aristophanes mit πρᾶγμα nur einmal vertreten – noch weitere zwei Male vor: Nein, mit dem Ding von dem ich sprech, [...] und Dann ist das Ding jetzt wohl ganz schwach.

b) πηλίκον (a)

Größer?

Die Frage, mit der Kalonike im griechischen Text ihren obszönen Scherz einleitet, wird hier der Bitte um Beschreibung des πρᾶγμα vorangestellt; vgl. Komm. zu a). In Frieds Bearb. kann somit bereits an dieser Stelle kein Zweifel mehr über das obsz. Verständnis von Ding bestehen, so dass das rasche Frage-Antwort-Spiel zwischen Kalonike und Lys. (vgl. a– a) lediglich der weiteren Zuspitzung und Übertreibung dient.

 1006 Zitiert nach Fried (B), Lysistrata (1985), 33 f.

Textbeispiel 1: Lys. 21b–30  

Groß. – Mehr als

Das ursprünglich nicht weiter spezifizierte Attribut μέγα wird durch

groß (b)

eine komparativische Wendung erweitert.

παχύ

auch entsprechend

Das ursprünglich nicht weiter spezifizierte Attribut παχύ wird in

(c; a)

stark? (c);

beiden Fällen durch adverbiale Ergänzungen erweitert.

μέγα (b)

so stark ihr wollt! (a) c) ἐρριπτασμένον

herumgewälzt ()

(; )

Da das auf πρᾶγμα bezogene Partizip ἀνεζητημένον (26), mit dem Lysistrate ursprünglich auf ihre eigene geistige Leistung verweist, bei Fried keine Entsprechung findet, kann sich dessen ‚intellektueller‘

Aspekt

auch

nicht

weiter

auf

das

Verständnis

von

ἐρριπτασμένον (27) auswirken, das nun allein in seiner obszönen Bedeutung zur Geltung kommt: mit dem Ding [...] hab ich mich schlaflos herumgewälzt. Eine Wiederholung von ἐρριπτασμένον () zum Zwecke der obszönen Umdeutung wäre daher in Frieds Bearbeitung überflüssig. d) λεπτόν (28; 29)

schwach ()

Kalonikes Frage – λεπτός wird hier ebenfalls nur in seiner obszönen Bedeutung verwendet 1007 – kommt hier eher konstatierend daher: Dann ist das Ding jetzt wohl ganz schwach?

schwach ()

Lysistrates Antwort darauf lautet in Entsprechung zu Variante : So schwach, daß jetzt die Rettung Griechenlands von uns abhängt. Uns Fraun! In unsrer Hand liegts.

 1007 Die obszöne Antithese zu μέγα und παχύ kommt auch im Deutschen (entsprechend stark – ganz schwach) zum Ausdruck.

  Deutsche Aristophanes-Übersetzungen im Vergleich .... Walter Jens (1986) [Obwohl Jens noch weitaus stärker als Fried vom Wortlaut des Originals abweicht und den Dialog erheblich erweitert, lässt sich die Struktur des Ausgangstextes doch immer noch so gut nachvollziehen, dass ein Stellenvergleich in den meisten Fällen möglich ist. Aus der Anlage des Dialoges ist nicht eindeutig zu ersehen, ob Jens Kalonikes Äußerungen als vorsätzlichen obszönen Scherz oder als wirkliches Missverständnis verstanden wissen will.] [Lys. [...] (sehr leise) Die Sache, um die’s geht, mein Kind, ist groß.] Kal. Wie? Groß? Lys. O ja! Kal. Auch … hart? Lys. Und ob! Kal. Entfaltungsfähig? Lys. Sogar sehr. (für sich) Das trifft’s genau. Kal. Am Anfang winzig und am Ende riesengroß – Ein Rausch des Glücks. Lys. Man kann’s so nennen, ja. (ernst) Das Glück braucht seine Vorbereitungszeit. Kal. Für Mann und Frau. Lys. Ich sehe, du verstehst mich gut. Kal. (zeigt, wie Lysistrate vorher, auf die leere Straße) Wie dumm wir sind. Wir müßten laufen, Wenn es darum geht. Lys. (plötzlich begreifend) Närrin, doch darum nicht! Dann wär’ der Platz längst überfüllt! Nein, Kalonike, ich hab’ etwas ausgedacht, In langen Nächten, Als ich wach lag Und vor Sorgen keinen Schlummer fand. (hält inne) Komm näher. Hör mich an: Ich hab’ mir überlegt, weißt du, Es ist so einfach und zugleich so wunderlich … Kal. Nun red’ schon, du. Lys. (bedeutungsvoll) Die Rettung Griechenlands Hängt von uns Frauen ab. Von uns allein. 1008

 1008 Zitiert nach Jens (B), Die Friedensfrau (1986), 14 f.

Textbeispiel 2: Lys. 107–110  

a) πρᾶγμα

die Sache (a)

(a; )

Abweichend vom Originaltext ist es hier nicht Kalonike, die sich nach der Beschaffenheit des πρᾶγμα erkundigt, sondern Lys. selbst lässt verlauten: Die Sache, um die’s geht, mein Kind, ist groß (in Entsprechung zu a). Eine Entsprechung zu πρᾶγμα (26) findet sich nicht.

b) πηλίκον (a)

Wie? Groß?

Die an Lysistrates Erwähnung des πρᾶγμα (a) anknüpfende FrageAntwort-Reihe ist wesentlich umfangreicher als diejenige des Ausgangstextes (vgl. a–a). Das einleitende Fragenpaar Kalonikes (Wie? Groß?) lehnt sich an Vers a an: τί τὸ πρᾶγμα; πηλίκον τι;

μέγα (b)

O ja!

In Lysistrates Antwort wird die nähere Gegenstandsbestimmung μέγα durch eine neutrale Bestätigungsformel ersetzt (→ Schö)

παχύ

Auch … hart?

Die durch Auslassungspunkte markierte Spannungspause lenkt die Auf-

(c; a)

(c)

merksamkeit des Rezipienten bewusst auf das Attribut hart, das zwar die Bedeutung des griechischen Wortes nicht adäquat wiedergibt, aber im Deutschen ebenfalls ein obszönes Verständnis ermöglicht (→ D).

Und ob! (a)

Lysistrates bestätigende Wiederholung καὶ παχύ (a) wird ebenfalls durch eine neutrale Formulierung ersetzt.

c) ἐρριπτασμένον

---

Das Partizip ἐρριπτασμένον hat in Jens Bearbeitung keine Entsprechung.

---

Das Adjektiv λεπτόν hat in Jens Bearbeitung keine wörtliche Entspre-

(; ) d) λεπτόν (28; 29)

chung, findet aber in anderer Weise Berücksichtigung (s. u. ).

Die in Jens’ Version mit Entfaltungsfähig? eingeleitete dritte Frage Kalonikes besitzt keine unmittelbare Entsprechung im Ausgangstext. Sie mutet zunächst ungewöhnlich an, erweist sich aber bei näherer Betrachtung als Versuch, den Bedeutungsgehalt von λεπτός (27 u. 28) genauer zu fassen. So schwingt hier einerseits der Aspekt des ‚Kleinen‘ oder ‚Erschlafften‘ und daher Wieder-in-Form-zuBringenden mit (Variante 1), andererseits auch die intellektuelle Komponente des ‚subtilen‘ Gedanken, der das Potenzial zur weiteren Entfaltung in sich birgt (Variante 2). Ebenso scheint auch Kalonikes nächste Äußerung die begriffliche Dimension von λεπτός weiter auszuloten: Am Anfang winzig und am Ende riesengroß […]. Offenbar soll damit der (obszöne) Kontrast zu μέγα (23b) und παχύ (23c; 24a) auf engstem Raum zusammengeführt werden. Wenn Kalonike in diesem Zusammenhang von einem Rausch des Glücks spricht, scheint sie ausschließlich an den Zustand sexueller Befriedigung zu denken. Lysistrate dagegen fasst die Äußerung politisch auf und fügt – laut Regieanweisung – „ernst“ hinzu: Das Glück braucht seine Vorbereitungszeit. Kalonike wiederum ergänzt zustimmend: Für Mann und Frau, was Lysistrate als Forderung nach politischer Gleichberechtigung der Geschlechter deutet: Ich sehe, du verstehst mich gut. Die Aufklärung des Missverständnisses oder Scherzes verläuft dann ähnlich wie im Original (vgl. 24b–25). Während allerdings Aristophanes im Anschluss daran das Spiel mit der Doppeldeutigkeit von πρᾶγμα noch weiterführt, findet in Jens’ Bearbeitung ein unerwarteter Wechsel zur Ernsthaftigkeit statt. Lysistrate spricht nun ganz sachlich über das, was sie sich in schlaflosen, sorgenvollen Nächten ausgedacht hat, und wird auch von Kalonike nicht mehr durch obszöne Anspielungen unterbrochen. Es finden sich keine (weiteren) Entsprechungen zu πρᾶγμα, ἐρριπτασμένον oder λεπτόν. Die Passage endet mit Lysistrates Feststellung: Die Rettung Griechenlands hängt von uns Frauen ab. Von uns allein.

  Deutsche Aristophanes-Übersetzungen im Vergleich .. Textbeispiel 2: Lys. 107–110 Nachdem schließlich alle Frauen eingetroffen sind – neben den Athenerinnen auch die Frauen der Kriegsgegner aus Sparta, Korinth und Boiotien –, will Lysistrate ihnen sogleich ihr gemeinsames Anliegen vor Augen führen und spricht sie deshalb auf die lange Abwesenheit ihrer kriegführenden Männer an. In die daraufhin einsetzenden allgemeinen Unmutsäußerungen stimmt auch Kalonike ein, die jedoch die Gelegenheit nutzt, um die Klagen der Frauen durch eine obszöne Pointe auf die Spitze zu treiben: 107 108 109 110

Κα. 1009 ἀλλ᾿ οὐδὲ μοιχοῦ καταλέλειπται φεψάλυξ. ἐξ οὗ γὰρ ἡμᾶς προὔδοσαν Μιλήσιοι, οὐκ εῖδον οὐδ᾿ ὄλισβον ὀκτωδάκτυλον, ὅς ἦν ἂν ἡμῖν σκυτίνη ᾿πικουρία.

... Kommentar Während die übrigen Frauen lediglich die Abwesenheit ihrer Ehemänner beklagen, konstatiert Kalonike in komischer Verzweiflung – und indem sie das entsprechende Frauenklischee bedient – dass der Krieg den Frauen auch zum Ehebruch keine Gelegenheit bietet, denn ‚nicht einmal von einem Ehebrecher (μοιχοῦ) ist (auch nur) ein Fünkchen (φεψάλυξ 1010) übrig geblieben‘ (107). Und selbst dieser Mangel wird nach Auffassung Kalonikes noch dadurch übertroffen (γάρ ist hier proleptisch aufzufassen), dass nach dem Abfall des früheren Bündnispartners Milet 1011 auch die Versorgung mit den dort produzierten Lederphalloi 1012 – sie verwendet das vulgäre Wort ὄλισβος 1013 – zusammengebrochen sei (108). Solche künstlichen Phalloi, deren Länge Kalonike mit ὀκτωδάκτυλος (‚acht Finger breit‘) angibt, seien, so Kalonike,

 1009 Die Passage wird in den meisten älteren Ausgaben der Lysistrate zugeordnet. Für die Zuschreibung an Kalonike (oder eine andere Frau), wie sie auch von Wilson mit Berufung auf MacDowell vorgenommen wurde (vgl. Wilson [Ed.] [2007] II, 12), spricht allerdings, dass Lysistrate selbst sich im gesamten Stückverlauf mit obszönen Äußerungen auffällig zurückhält. Kalonike dagegen hatte sich bereits in Lys. 20b–30 als Stichwortgeberin obszöner Anspielungen präsentiert. Im Folgenden werden die von den Übersetzern gewählten Zuschreibungen beibehalten. 1010 Von φεψαλόω: ‚zu Rauch, Asche machen, einäschern, verbrennen‘ (Pape, Bd. 2 [1843]). 1011 Im Jahr 412, ein Jahr vor der Aufführung der Lysistrate, war Milet auf Betreiben des Alkibiades vom Attischen Seebund zum Peloponnesischen Bund übergetreten [vgl. Thuk. 8, 17]. 1012 Von in Kleinasien hergestellten Lederphalloi ist auch bei Herondas 6, 19 und 58 die Rede: In dem Dialog zweier Freundinnen geht es um einen Dildo (βαυβών), der von einem Schuster „aus Chios oder aus Erythrae“ (ἢ ̕ χ Χίου τις ἢ ̕ ρυθρέων), angefertigt wurde. Vgl. hierzu Crusius, Die Mimiamben des Herondas (1967), 138 u. 142. 1013 Vgl. Henderson (1991), 222. Das Wort ist möglicherweise verwandt mit ὀλισθαίνω (gleiten, aus-, weggleiten); s. Frisk, Bd. 2 (1970), 377. Weitere Belege: Aristoph. (fr. 332, 13 K.–A.), Kratinos (fr. 354 K.–A.).

Textbeispiel 2: Lys. 107–110  

immerhin als σκυτίνη ᾿πικουρία (110), 1014 als ‚ledernes Hilfsmittel‘, geeignet: ‚Ja, seitdem uns die Milesier verraten haben, | sah ich nicht einmal einen acht Finger breiten Dildo | der uns ein lederner Helfer sein könnte.‘ ... a) b) c)

Einzelbetrachtungen μοιχοῦ [...] φεψάλυξ (107) ὄλισβον ὀκτωδάκτυλον (109) σκυτίνη ᾿πικουρία (110)

 1014 Der Ausdruck σκυτίνη ̕ πικουρία soll lt. Σ parodistischen Anklang an das sprichwörtliche συκίνη ᾿πικουρία (‚feigenhölzerne‘ bzw. ‚gebrechliche Stütze‘) wecken, das sich offenbar auf unzureichende oder unzuverlässige Hilfsmaßnahmen bezog (Henderson: „inadequate or unreliable help“; Holzberg: „nutzlose Hilfe“): Feigenholz galt als äußerst zerbrechlich. Vgl. Henderson (Ed./K) (1987), 81; RE s. v. ‚Olisbos‘, 2481; Henderson (1991), 221 Anm. 48; Holzberg (Ü), Aristophanes. Lysistrate (2009), 70 Anm. 15 (vgl. u. 3.4.2.3.9 u. ebd. Anm. 1038). Seeger merkt – mit Verweis auf Athenaios (Schweighäuser [Ed.], Bd. 11 S. 527) – an, dass auch die Phalloi, die bei Bacchusprozessionen herumgetragen wurden, zumeist aus Feigenholz waren; Seeger (Ü), Aristophanes, Bd. 3 (1848), 92 Anm. 15 (vgl. o. 3.3.2.2.3 [Exkurs] u. ebd. Anm. 502).

  Deutsche Aristophanes-Übersetzungen im Vergleich ... Übersetzungen .... Wilhelm von Humboldt (1795) Lys.

Auch nicht das kleinste Stück von einem Buhlen ist zurückgeblieben, und seit uns Milet verrathen, seh ich auch nicht einmal nur ein achtzölliges Godemüchet, das, wenn von Leder gleich, doch immer eine Hülfe war. 1015

a) οὐδὲ μοιχοῦ [...] nicht das kleinste Stück φεψάλυξ (107) b) ὄλισβον ὀκτωδάκτυλον

=K

von einem Buhlen ein achtzölliges

Die vulgäre Bezeichnung ὄλισβος wird durch einen entsprechen-

Godemüchet

den, dem Französischen entlehnten, Terminus wiedergegeben. 1016

()

Die griechische Längenangabe wird aktualisierend in deutsche ‚Zoll‘ umgewandelt 1017 (→ V, D, Se, M, Scha); das Zahladverb ὀκτώ wird wörtlich übersetzt. 1018

c) σκυτίνη ᾿πικουρία

wenn von Leder gleich,

Die einfache Adjektiv-Substantiv Konstruktion des Griechischen

doch immer eine Hülfe

wird im Deutschen zu einer konzessiven Antithese erweitert, die

()

den (obszönen) Gegensatz zwischen ‚echtem‘ und ‚künstlichem‘ Phallos noch hervorhebt.

Kein Stellenkommentar vorhanden.

 1015 Zitiert nach Humboldt (Ü), Aristophanes Lysistrata (1795), 254. 1016 S. hierzu auch o. 3.3.1.1.3 u. ebd. Anm. 96. 1017 Vgl. Brockhaus Enzyklopädie Online, „Zoll (Messwesen)“: „[...] 1) alte deutsche Längeneinheit, entsprechend einer Daumenbreite, unterschiedliche Werte zwischen 2,2 und 3 cm; [...]“ [Onlinefassung] URL: https://brockhaus-1de-100883djo0626.erf.sbb.spk-berlin.de/ecs/julex/article/zollmesswesen (zuletzt gesehen: 17.09.2019). 1018 Vgl. Mlasowsky, „Daktylos (δάκτυλος)“ (DNP): „Der d., lat. digitus, bezeichnet als Längenmaß die Fingerbreite, wobei vier dáktyloi eine Handfläche (παλαιστή, lat. palmus), 16 d. einen Fuß (πούς, lat. pes) [...] ausmachen. [...] Der d. orientiert sich nach dem Fuß, der zwischen 29,4 und 35,4 cm gemessen wird. Er schwankt somit zwischen 1,84 und 2,21 cm.“ Die Gleichsetzung von ὀκτωδάκτυλον und ‚achtzöllig‘ ist demnach möglich (vgl. o. 3.4.2.3.1 Anm. 1017). S. aber auch unten 3.4.2.3.4 Anm. 1026.

Textbeispiel 2: Lys. 107–110  

.... August Christian Borheck (1806) Lys.

Kein Funk ist mehr von einem Buhler übrig. Seitdem uns die Milesier verrathen, Hab’ ich nicht einen einz’gen mehr gesehn, Der uns den Mann im Bett’ ersetzen könnte, Nicht ein Verschnittner ist uns übrig izt, Der uns ein Bisschen Lust erkünsteln könnte! 1019

a) οὐδὲ μοιχοῦ [...] Kein Funk [...] mehr von φεψάλυξ (107)

=K

einem Buhler einen einz’gen [...],

Der vulgäre Begriff ὄλισβος hat hier keine konkrete dt. Entspre-

ὀκτωδάκτυλον

[d]er uns den Mann im

chung; stattdessen wird eine weitschweifige Umschreibung ge-

()

Bett’ ersetzen könnte

wählt, die kaum Rückschlüsse auf den im Original gemeinten

b) ὄλισβον

Gegenstand zulässt. Die Längenangabe ὀκτωδάκτυλον bleibt unübersetzt. ein Verschnittner [...],

Auch hier wird der knappe griech. Ausdruck durch eine umständli-

᾿πικουρία

[d]er uns ein Bisschen

che Umschreibung ersetzt, die den obsz. Witz zerstört und die

()

Lust erkünsteln könnte

Übersetzung – im Vgl. zum Original – um zwei Verse ausdehnt.

c) σκυτίνη

Der Begriff Verschnittner ist offenbar der Luther-Bibel entnommen, wo er jedoch keinen künstlichen Phallos sondern einen Kastraten bezeichnet. 1020

Im Kommentarteil wird zum Stichwort ‚Die Milesier‘ Folgendes angemerkt: „Sie waren wegen ihrer üppigen Liebeleien bekannt.“ 1021

 1019 Zitiert nach Borheck (Ü), Lysistrata (1806), 9. 1020 Vgl. dazu Deutsches Wörterbuch von Wilhelm und Jacob Grimm, Bd. 25 (zuerst 1854), Sp. 1130– 1136, zu ‚verschneiden‘, verb.: Unter Gliederungspunkt 5) (Sp. 1132 f.) wird hier neben älteren Verwendungsweisen des Wortes ‚verschneiden‘ im Sinne von ‚ab-, zer- oder beschneiden‘ eine jüngere „speziellere Verwendung“ angeführt: „nämlich einen mann oder ein männliches thier seiner mannheit berauben, verstümmeln, castrieren.“ Als Belegstelle hierfür wird Jacobsson 8, 80b“ [i. e. Rosenthal (Hg.), Johann Karl Gottlieb Jacobssons technologisches Wörterbuch [...], Bd. 8 (1795), S. 80 Sp. b ‚Verschneiden‘; Anm. d. Verf.] angeführt; ferner folgendes Zitat aus der Lutherbibel: „denn es sind etliche verschnitten, die sind aus mutterleibe also geborn, und sind etliche verschnitten, die von menschen verschnitten sind, und sind etliche verschnitten, die sich selbs verschnitten haben, umb des himelreichs willen. Matth. 19, 12, vgl. Luther 2, 163a“ Vgl. auch ebd. weiter unten mit Bezug auf die Verwendung des substantivierten Partizips: „c) das particip wird häufig als nomen gebraucht: verrschnitten oder verschnittner, ein halber mann, semivir, semimas, castratus, eviratus, spado, emasculatus, virilitatis ademptae homo. [...] es sol kein zestoszener noch verschnittener in die gemeine des hern komen. 5 Mose 23, 1; und der verschnitten sol nicht sagen, sihe ich bin ein dürrer bawm. Jes. 56, 3; (der reiche) ist wie ein verschnittener, der bey einer jungfrawen ligt, und seuffzet. Sirach 30, 21. [...].“ [Onlinefassung] URL: http://www.woerterbuchnetz.de/DWB?lemma=ver schneiden (zuletzt gesehen: 17.09.2019). 1021 Borheck (Ü), Lysistrata (1806), 92.

  Deutsche Aristophanes-Übersetzungen im Vergleich .... Johann Heinrich Voß (1821) GÜ Lys.

Doch selbst von Buhlschaft blieb auch nicht ein Fünkelchen. Denn seit Verrath ausübten uns die Milesier, Nie sah ich einen Tröster mehr acht Zolle lang, Der uns auch nur als lederner Nothknecht dienete. 1022

a) οὐδὲ μοιχοῦ [...] von Buhlschaft [...] φεψάλυξ (107) b) ὄλισβον ὀκτωδάκτυλον

=K

nicht ein Fünkelchen einen Tröster [...]

Die vulgäre Bedeutung von ὄλισβος kommt in dem euphemistischen

acht Zolle lang

Ersatzbegriff Tröster nicht mehr zum Ausdruck (→ Se).

()

Die griechische Längenangabe wird aktualisierend in deutsche ‚Zoll‘ umgewandelt (→ Hu, D, Se, M, Scha); das Zahladverb ὀκτώ wird wörtlich übersetzt.

c) σκυτίνη ᾿πικουρία

als lederner Noth-

Die Kürze des griechischen Ausdrucks (Adjektiv – Substantiv) bleibt

knecht

erhalten. Das von Voß gewählte Wort Nothknecht 1023 deckt jedoch

()

nicht nur den Bedeutungsgehalt von ἐπικουρία ab, sondern liefert offenbar eine weitere – den obszönen Aspekt stärker betonende – Entsprechung zu ὄλισβος nach (→ Se).

Voß fügt seiner Übersetzung eine kurze Anmerkung zum historischen Sachverhalt bei, bleibt bei der Erklärung des obszönen Scherzes aber sehr vage: „Milet war auf Anrathen des Alkibiades von den Spartanern eingenommen. Sprichwörtlich waren damals die Ausschweifungen der vor hundert Jahren so tapferen Milesier.“ 1024

 1022 Zitiert nach Voß (Ü), Aristofanes (1821), Bd. 2, 241 f. 1023 Vgl. Deutsches Wörterbuch von Wilhelm und Jacob Grimm, Bd. 13 (zuerst 1854), Sp. 944 f., wo sich zum Stichwort ‚nothknecht‘ – neben der hier besprochenen Voß-Übersetzung – ein Hinweis auf eine frühere Verwendung des Wortes in dem 1770 erschienenen und seinerzeit sehr populären Roman Sophiens Reise von Memel nach Sachsen von Johann Timotheus Hermes findet. Hier wird es im Sinne von „person oder sache, deren hilfe man nur im nothfalle gebraucht“, verwendet [Onlinefassung] URL: http://www.woerterbuchnetz.de/DWB?lemma=nothknecht (zuletzt gesehen: 17.09.2019). An der betreffenden Stelle des Romans erfährt man von einem jungen Mädchen, das aus Kummer über eine vom Vater vereitelte Hochzeit an einer Art hysterischer Krankheit leidet. Ärzte raten dringend zur „Verheirathung“, doch hat das Vorgehen des Vaters nunmehr auch andere Freier abgeschreckt, wie eine Tante des Mädchens berichtet: „Wir sahn uns in der traurigen Nothwendigkeit welche [sc. Freier; Anm. d. Verf.] zu suchen. Ich gesteh daß es Nothknechte waren. Sie wies alles ab.“ Hermes, Sophiens Reise von Memel nach Sachsen. Zweiter Theil (1776), 115. 1024 Voß (Ü), Aristofanes (1821), Bd. 2, 242 (Anm. zu v. 108).

Textbeispiel 2: Lys. 107–110  

.... Johann Gustav Droysen (1838) GÜ Lys.

Von galanten Buhlern giebt’s ja auch kein Stümpfchen mehr; Denn seit von uns die Milesier abgefallen, hab’ Ich nicht einmal ‘nen Siebenzöllner mehr gesehn, Der den ledernen Nothdienst allenfalls gewähren könnt’. 1025

a) οὐδὲ μοιχοῦ [...] [v]on galanten Buhlern φεψάλυξ (107)

[...] kein Stümpfchen

Der Übersetzer ergänzt hier – möglicherweise aus metrischen Gründen – das Attribut galant, das im griechischen Original keine Entsprechung hat.

b) ὄλισβον

’nen Siebenzöllner

Der vulgäre Begriff ὄλισβος findet hier keine direkte Entsprechung,

ὀκτωδάκτυλον

sondern ist in dem substantivierten Ausdruck Siebenzöllner impli-

()

zit enthalten (→ Scha). Die griechische Längenangabe wird aktualisierend in deutsche ‚Zoll‘ umgewandelt (→ Hu, V, Se, M, Scha). Das Zahladverb ὀκτώ wird im Deutschen mit sieben wiedergegeben, wozu möglicherweise das Bemühen um eine exaktere Umrechnung der Maßangabe den Ausschlag gab. 1026 [...], [d]er den ledernen

Der Ausdruck, der im Griechischen appositionell gebraucht ist,

᾿πικουρία

Nothdienst (allenfalls

wird im Deutschen in Form einer enallagetischen Wendung zum

()

gewähren könnt’)

Objekt des Nebensatzes. Damit steht er nicht mehr als unmittelba-

c) σκυτίνη

res Synonym zu ὄλισβος, sondern verweist in distanzierender Weise lediglich auf dessen Funktion (→ Scha, Schö, Ho).

Droysen gibt in seiner Anmerkung zum Abfall Milets eine genaue Datierung an, beruft sich aber bei der Erläuterung des obszönen Scherzes auf Voß’ diesbezüglich sehr vagen Stellenkommentar: Die Milesier waren im Sommer 412, durch Alkibiades aufgeregt, von Athen abgefallen. „Sprüchwörtlich waren damals die Ausschweifungen der vor hundert Jahren so tapferen Milesier.“ Voß. 1027

 1025 Zitiert nach Droysen (Ü), Des Aristophanes Werke. Dritter Theil (1838), 149. 1026 S. dazu o. 3.4.2.3.1 Anmm. 1017 und 1018. Die Länge eines daktylos ist tendenziell etwas geringer als die eines ‚Zolls‘ anzusetzen. 1027 Droysen (Ü), Des Aristophanes Werke. Dritter Theil (1838), 149 (Anm. zu v. 108).

  Deutsche Aristophanes-Übersetzungen im Vergleich .... Ludwig Seeger (1848) GÜ Lys.

Die Buhler auch sind rein wie weggeblasen! Seit die Milesier uns verrathen, kam Mir kein achtzölliger Tröster mehr vor Augen, Ein Nothknecht nicht einmal, ein lederner! – 1028

a) οὐδὲ μοιχοῦ [...] Die Buhler [...] sind φεψάλυξ (107)

Der Übersetzer weicht vom originalen Wortlaut ab und wählt mit rein

rein wie weggeblasen wie weggeblasen eine umgangssprachliche Wendung (→ F). Der semantische Gehalt des Ausgangstextes bleibt dennoch erhalten.

b) ὄλισβον

achtzölliger Tröster

Die vulgäre Bedeutung von ὄλισβος kommt in dem – von Voß über-

ὀκτωδάκτυλον

nommenen – euphemistischen Ersatzbegriff Tröster nicht mehr zum

()

Ausdruck (→ V). Die griechische Längenangabe wird aktualisierend in deutsche ‚Zoll‘ umgewandelt (→ Hu, V, D, M, Scha); das Zahladverb ὀκτώ wird wörtlich übersetzt.

c) σκυτίνη ᾿πικουρία ()

[e]in Nothknecht [...],

Der Übersetzer greift wiederum eine Voß’sche Wendung auf (→ V).

ein lederner

Durch die veränderte – gesperrte – Wortstellung wird hier jedoch die Kürze des griechischen Ausdrucks (Adjektiv – Substantiv) aufgegeben. Zudem wird der Relativsatz οὐδ᾿ ὄλισβον [...], / ὅς ἦν ἂν ἡμῖν [...] ᾿πικουρία durch ein neu einsetzendes [e]in Nothknecht nicht einmal [...] ersetzt, so dass Tröster und Nothknecht hier als zwei unterschiedliche Gegenstände erscheinen. Die Formulierung Nothknecht deckt dabei nicht nur den Bedeutungsgehalt von ἐπικουρία ab, sondern liefert offenbar eine weitere – den obszönen Aspekt stärker betonende – Entsprechung zu ὄλισβος nach (→ V).

In seinem Kommentar gibt Seeger eine ausführliche Erläuterung zum achtzölligen Tröster. 1029

 1028 Zitiert nach Seeger (Ü), Aristophanes, Bd. 3 (1848), 26. 1029 S. o. 3.3.2.2.3 [Exkurs] u. ebd. Anm. 502.

Textbeispiel 2: Lys. 107–110  

.... Johannes Minckwitz (1855–1864) GÜ Lys.

Kein Stümpfchen eines Buhlen selbst verblieb noch uns! Denn seit das Volk der Milesier uns so schnöd verriet, Kam selbst mir kein achtzölliger Pflock vor Augen mehr, Kein lederner Tröster unsrer Not. – 1030

a) οὐδὲ μοιχοῦ [...] φεψάλυξ (107) b) ὄλισβον

[k]ein Stümpfchen

=K

eines Buhlen achtzölliger Pflock

Die vulgäre Bezeichnung ὄλισβος wird durch einen metaphorischen

ὀκτωδάκτυλον

Begriff ersetzt, der jedoch – in Verbindung mit der zugehörigen

()

Längenangabe – Rückschlüsse auf die äußere Gestalt des gemeinten Gegenstandes zulässt. Die griechische Längenangabe wird aktualisierend in deutsche ‚Zoll‘ umgewandelt (→ Hu, V, D, Se, Scha); das Zahladverb ὀκτώ wird wörtlich übersetzt.

c) σκυτίνη ᾿πικουkρία

lederner Tröster

Durch die dreigliedrige Wiedergabe von ᾿πικουkρία mit Tröster unse-

unsrer Not

rer Not wird die Kürze des griechischen Ausdrucks (Adjektiv – Sub-

()

stantiv) aufgegeben. Gleichwohl erscheint das von Voß ursprünglich abschwächend für ὄλισβος eingeführte Wort Tröster hier in Bezug auf ᾿πικουkρία semantisch adäquat.

Minckwitz Stellenkommentar geht inhaltlich nicht über die entsprechenden Anmerkungen von Voß und Droysen hinaus: Die Milesier waren, auf Anstiften des rachsüchtigen Alkibiades, im 20. Jahre des Peloponnesischen Krieges, ein Jahr von der Aufführung unseres Stücks, von den Athenern abgefallen und zu Sparta übergegangen. Nächst Korinth stand damals Milet am meisten im Rufe der sinnlichsten Ausschweifungen aller Art, die man anderwärts nachahmte. 1031

 1030 Zitiert nach Minckwitz (Ü)/Wessely (Ü), Aristophanes II (Lysistrate) (1855–1911), 38 f. 1031 Minckwitz (Ü)/Wessely (Ü), Aristophanes II (Lysistrate) (1855–1911), 119 (Anm. zu v. 108).

  Deutsche Aristophanes-Übersetzungen im Vergleich .... Wolfgang Schadewaldt (1958) Kal. 1032

Und auch von Liebhabern kein Fünkchen mehr! Denn seit Milet von uns ist abgefallen, Hab ich auch keinen Achtzölligen, der Den ledernen Notdienst leisten könnte, mehr gesehn. 1033

a) οὐδὲ μοιχοῦ [...] φεψάλυξ (107) b) ὄλισβον ὀκτωδάκτυλον

von Liebhabern

=K

kein Fünkchen (keinen) Achtzöl- Der vulgäre Begriff ὄλισβος findet hier keine direkte Entsprechung, ligen

()

sondern ist in dem substantivierten Ausdruck Achtzölliger implizit enthalten (→ D). Die griechische Längenangabe wird aktualisierend in deutsche ‚Zoll‘ umgewandelt (→ Hu, V, D, Se, M); das Zahladverb ὀκτώ wird wörtlich übersetzt.

[...], der [d]en

Der Übersetzer greift hier – mit leichten Änderungen – eine Formulie-

᾿πικουρία

ledernen Not-

rung Droysens auf.

()

dienst

Der Ausdruck, der im Griechischen appositionell gebraucht ist, wird im

leisten könnte

Deutschen in Form einer enallagetischen Wendung zum Objekt des

c) σκυτίνη

Nebensatzes. Damit steht er nicht mehr als unmittelbares Synonym zu ὄλισβος, sondern verweist in distanzierender Weise lediglich auf dessen Funktion (→ D, Schö, Ho).

Kein Stellenkommentar vorhanden.

 1032 Zur Personenzuordnung dieser Passage s. auch o. 3.4.2.1 Anm. 1009. 1033 Zitiert nach Schadewaldt (Ü), Griechisches Theater (1983), 411. Keine Änderung des Wortlautes in der später im Insel-Verlag erschienenen Druckfassung des Bühnenmanuskripts; vgl. Schadewaldt (Ü), Aristophanes, Lysistrata (1972), 13.

Textbeispiel 2: Lys. 107–110  

.... Wolfgang Schöner (1989) GÜ Lys.

Und an Ehebrechern ist auch nichts mehr vorhanden, nicht eine Haaresbreite. Und seitdem die Milesier von uns abgefallen sind, hab ich auch keinen einzigen Lederphallos mehr gesehen, der uns Abhilfe schaffen könnte. 1034

a) οὐδὲ μοιχοῦ [...] φεψάλυξ (107)

b) ὄλισβον

an Ehebrechern [...] auch

=K

nichts mehr [...], nicht

Das griechische Wort φεψάλυξ wird allerdings in redundanter

eine Haaresbreite

Weise durch eine zweiteilige Wendung wiedergegeben.

Lederphallos

Auf die Angabe des Längenmaßes wird verzichtet.

ὀκτωδάκτυλον

Der Terminus ὄλισβος findet hier ein unmittelbares, wenn

()

auch hochsprachliches Äquivalent. Die Information über dessen materielle Beschaffenheit wird hier bereits vorweggenommen.

c) σκυτίνη ᾿πικουρία

[...], der uns Abhilfe

Die Übersetzung weist hier syntaktische, wenngleich keine

schaffen könnte

terminologischen Parallelen zu Droysen und Schadewaldt auf.

()

Der Ausdruck, der im Griechischen appositionell gebraucht ist, wird im Deutschen in Form einer enallagetischen Wendung zum Objekt des Nebensatzes. Damit steht er nicht mehr als unmittelbares Synonym zu ὄλισβος, sondern verweist in distanzierender Weise lediglich auf dessen Funktion (→ D, Scha, Ho). Das Adjektiv σκυτίνη wurde bereits an anderer Stelle in der Übersetzung berücksichtigt.

Die Stelle ist unkommentiert.

 1034 Zitiert nach Schöner (Ü), Aristophanes. Die elf erhaltenen Komödien (1989), 287.

  Deutsche Aristophanes-Übersetzungen im Vergleich .... Niklas Holzberg (2009) GÜ Lys.

Ja, nicht der Schatten eines Trösters ist übrig geblieben! Denn seit die Milesier von uns abgefallen sind, habe ich nicht einmal einen 15-Zentimeter-Dildo gesehen, der uns ledernen Notdienst leisten könnte. 1035

a) οὐδὲ μοιχοῦ [...] nicht der Schatten φεψάλυξ (107)

eines Trösters

Das von Voß ursprünglich euphemistisch für ὄλισβος eingeführte Wort Tröster wird hier bereits in Bezug auf μοιχός verwendet. Unterstützt durch die syntaktische Gestaltung (γάρ hier explanatorisch aufgefasst) wird damit von Anfang an eine Gleichsetzung von μοιχός und ὄλισβος insinuiert, während bei Aristophanes zunächst von einem männlichen Ehebrecher die Rede zu sein scheint, dessen kriegsbedingtes Fehlen schließlich aufgrund der beschriebenen Situation auch nicht mehr durch ein künstliches Hilfsmittel kompensiert werden kann.

b) ὄλισβον ὀκτωδάκτυλον

einen -Zentimeter-

=K

Dildo

Der Terminus ὄλισβος findet hier eine unmittelbare Entsprechung.

()

Das griechische Längenmaß wird aktualisierend in deutsche ‚Zentimeter‘ umgewandelt. Dabei wird das zugehörige Zahladverb entsprechend auf ‚‘ angepasst. 1036 der uns ledernen

Der Übersetzer greift hier – mit leichten Änderungen – eine Formulie-

᾿πικουρία

Notdienst leisten

rung auf, die sich bereits bei Droysen und Schadewaldt findet.

()

könnte

Der Ausdruck, der im Griechischen appositionell gebraucht ist, wird

c) σκυτίνη

im Deutschen in Form einer enallagetischen Wendung zum Objekt des Nebensatzes. Damit steht er nicht mehr als unmittelbares Synonym zu ὄλισβος, sondern verweist in distanzierender Weise lediglich auf dessen Funktion (→ D, Scha, Schö).

Dass es sich bei der griechischen Wendung σκυτίνη ᾿πικουρία um ein Aristophanisches Wortspiel handelt, 1037 erläutert Holzberg in seinem Endnotenkommentar: In Milet, das im Sommer 412 von Athen abfiel, wurden offenbar Lederphalloi hergestellt. Im griechischen Text steht skytínē epikouría (‚lederne Hilfe‘), ein Wortspiel mit sykínē epikouría, das, wörtlich ‚Hilfe aus Feigenholz‘ bedeutend, im Sinne von ‚nutzlose Hilfe‘ verwendet wurde. 1038

 1035 Zitiert nach Holzberg (Ü), Aristophanes. Lysistrate (2009), 11. 1036 Wenn gemäß o. 3.4.2.3.1 Anm. 1018 davon ausgegangen wird, dass die Breite eines daktylos zwischen 1,84 und 2,21 cm beträgt, so ergibt sich – multipliziert mit 8 – ein Wert zwischen 14,72 und 17,68 cm. 1037 S. auch o. 3.4.2.1 Anm. 1014. 1038 Holzberg (Ü), Aristophanes. Lysistrate (2009), 70 Anm. 15.

Textbeispiel 3: Lys. 119–135  

... Bearbeitungen .... Erich Fried (1985) Lys.

Auch alle Liebhaber sind einfach weggeblasen! Und seit Milet nur noch den Feind beliefert, gibts auch nicht die Lederdinger zum Ersatz, die helfen könnten Uns Fraun! 1039

a) οὐδὲ μοιχοῦ [...] φεψάλυξ (107)

alle Liebhaber sind

Frieds Formulierung nähert sich stark der Seeger’schen Überset-

einfach weggebla-

zung dieser Stelle an („Die Buhler auch sind rein wie weggebla-

sen!

sen!“) (→ Se). Damit weicht auch Fried hier zugunsten einer umgangssprachlichen Wendung vom originalen Wortlaut ab. Der semantische Gehalt des Ausgangstextes bleibt jedoch erhalten.

b) ὄλισβον

die Lederdinger

Mit der etwas unbestimmten Wendung Lederdinger wird der vulgä-

ὀκτωδάκτυλον

re Terminus ὄλισβος zwar nicht ganz adäquat wiedergegeben,

()

gleichwohl wurde der abschwächend-verallgemeinernde Begriff Ding von Fried, wie gesehen, bereits an anderen Stellen im obszönen Sinn verwendet (s. o. ....).

c) σκυτίνη ᾿πικουρία ()

(die Lederdinger)

Im Zusammenspiel mit dem Relativsatz (die helfen könnten uns

zum Ersatz,

Fraun) lässt sich das mit Lederdinger Gemeinte leicht erschließen.

die helfen könnten Uns Fraun

Offenbar zum leichteren Verständnis der abschließenden Pointe ist bei Fried – im Unterschied zum Original – nicht allgemein vom ‚Verrat‘ durch die Milesier, sondern vielmehr von Milets kriegsbedingtem Handelssanktionen gegenüber Athen die Rede, die für den von den Frauen beklagten Versorgungsengpass verantwortlich gemacht werden.

.... Walter Jens (1986) Bei Jens findet sich keine eindeutige Parallelstelle zu den hier behandelten Versen. Lediglich allgemeines Wehklagen der Athenerinnen über die Abwesenheit ihrer Männer ist hier zu verzeichnen, bevor Lysistrate die Frage stellt, ob die Frauen bereit seien, ihr zu folgen, wenn sie ein Mittel zur Beendigung des Krieges wüsste. 1040

 1039 Zitiert nach Fried (B), Lysistrata (1985), 36. 1040 Vgl. Jens (B), Die Friedensfrau (1986), 19.

  Deutsche Aristophanes-Übersetzungen im Vergleich .. Textbeispiel 3: Lys. 119–135 Nachdem es Lysistrate schließlich gelungen ist, alle Frauen – neben den Athenerinnen auch die Frauen der Kriegsgegner von der Peloponnes und aus Boiotien – zu versammeln, beginnt sie mit der Vorstellung ihres Friedensplanes. Die Frauen, die unter der Abwesenheit ihrer Männer sehr zu leiden haben (99–110), erklären sich auf Lysistrates Nachfrage hin zunächst bereit, auch die größten Mühen auf sich zu nehmen (111–118), um endlich einen Friedensschluss zu erzielen. Lysistrate enthüllt ihnen daraufhin die Hauptidee ihrer Friedensstrategie: 119 120 121 122a 122b 122c 123 124 125 126 127 128 129 130 131 132 133 134 135

Λυ.

Κα. Λυ. Μυ. Λυ.

Κα. Μυ. Λυ. Κα.

λέγοιμ’ ἄν· οὐ δεῖ γὰρ κεκρύφθαι τὸν λόγον. ἡμῖν γάρ, ὦ γυναῖκες, εἴπερ μέλλομεν ἀναγκάσειν τοὺς ἄνδρας εἰρήνην ἄγειν, ἀφεκτέ’ ἐστι – τοῦ; φράσον. ποιήσετ’ οὖν; ποιήσομεν, κἂν ἀποθανεῖν ἡμᾶς δέῃ. ἀφεκτέα τοίνυν ἐστὶν ἡμῖν τοῦ πέους. τί μοι μεταστρέφεσθε; ποῖ βαδίζετε; αὗται, τί μοιμυᾶτε κἀνανεύετε; τί χρὼς τέτραπται; τί δάκρυον κατείβεται; ποιήσετ’ ἢ οὐ ποιήσετ’; ἢ τί μέλλετε; οὐκ ἂν ποιήσαιμ’, ἀλλ’ ὁ πόλεμος ἑρπέτω. μὰ Δί’ οὐδ’ ἐγὼ γάρ, ἀλλ’ ὁ πόλεμος ἑρπέτω. ταυτὶ σὺ λέγεις, ὦ ψῆττα; καὶ μὴν ἄρτι γε ἔφησθα σαυτῆς κἂν παρατεμεῖν θἤμισυ. ἄλλ’ ἄλλ’ ὅ τι βούλει. κἄν με χρῇ, διὰ τοῦ πυρὸς ἐθέλω βαδίζειν. τοῦτο μᾶλλον τοῦ πέους. οὐδὲν γὰρ οἷον, ὦ φίλη Λυσιστράτη.

... Kommentar Lysistrate spannt die Frauen mit ihrer Antwort auf die Folter: in Form einer paratragischen Klimax bekräftigt sie zunächst wortreich, ihren Plan nicht mehr länger für sich behalten zu wollen (119), zögert ihre Aussage aber immer weiter hinaus, indem sie noch einmal auf das Ziel ihres Plans – die Männer zum Friedensschluss zu bewegen – hinweist (120 f.). Schließlich setzt sie mit ἀφεκτέ’ ἐστι (122a) zur Auflösung an, erlaubt sich aber noch eine kleine Kunstpause, so dass die Frauen die Spannung kaum noch aushalten und sich zur Nachfrage gedrängt fühlen (122b). Bevor Lysistrate endgültig mit ihrer Antwort herausrückt, sollen die Frauen ihr nochmals ihre grundsätzliche Opferbereitschaft zusichern (122c), und erst als diese sich bereit erklären, nötigenfalls sogar den Tod auf sich zu nehmen (123), verkündet sie – die Spannung bis zum Ende haltend – den Kern ihres Planes: ἀφεκτέα τοίνυν ἐστὶν ἡμῖν τοῦ πέους (124).

Textbeispiel 3: Lys. 119–135  

Als Schlusspunkt dieser paratragischen Klimax und im Kontrast zur soeben erklärten Todesbereitschaft der Frauen entfaltet das obszöne τοῦ πέους hier eine besonders komische Wirkung, 1041 die sich schließlich auch in der folgenden Handlung fortsetzt: Die Frauen zeigen sich – wie aus Lysistrates Ausführungen deutlich wird – entsetzt und verstört: sie wenden sich ab, verziehen den Mund, werden bleich und brechen sogar in Tränen aus (125–127). Von Lysistrate zur Rede gestellt (128), erklären sie sich außer Stande, den geforderten Verzicht zu leisten. Lieber solle der Krieg weitergehen (129 f.). Kalonike, die kurz zuvor noch beteuert hatte, sich notfalls wie ein Plattfisch in zwei Teile spalten zu lassen (131 f.), erklärt nun, sie wolle angesichts der unerfüllbaren Forderung lieber durchs Feuer laufen (133 f.); dies sei immer noch besser als sich des πέος zu enthalten: τοῦτο μᾶλλον τοῦ πέους (134). Die eigentlich notwendige Ergänzung des Verbs ἀπέχεσθαι fehlt hier; offenbar besitzt Lysistrates pointierte Aussage (vgl. 124) in den Ohren der Frauen einen so starken Nachhall, dass das knappe τοῦ πέους für sie bereits die gesamte Tragweite der als unzumutbar empfundenen Forderung umfasst. Nichts sei nämlich, so Kalonike, dem πέος vergleichbar: οὐδὲν γὰρ οἷον (135). Die bisweilen anzutreffende Übersetzung dieser Wendung im Sinne von ,es ist keinesfalls möglich (den geforderten Verzicht zu leisten)‘ entspricht nicht dem griechischen Text, da ein verkürztes οἷόν τε [ἐστί] – οὐδὲν wäre dann als accusativus graecus zu verstehen – nicht ohne nachgestelltes τε auskommt. ... Einzelbetrachtungen Obwohl hier mit πέος dasselbe griechische Wort innerhalb weniger Verse zweimal auftritt, wird es nicht von allen Übersetzern in der selben Weise übersetzt. Eine getrennte bzw. vergleichende Betrachtung beider Stellen erscheint daher angebracht. a) b)

ἀφεκτέα τοίνυν ἐστὶν ἡμῖν τοῦ πέους (124). τοῦτο μᾶλλον τοῦ πέους (134).

 1041 Vgl. dazu auch Henderson (1991), 108.

  Deutsche Aristophanes-Übersetzungen im Vergleich ... Ausgewählte Übersetzungen .... Übersetzungsbeispiel 1: Wilhelm von Humboldt (1795) Lys.

So sag’ ichs denn, warum sollt’ ichs verbergen? Wir müssen uns, ihr Weiber, wenn wir wollen zum Frieden plötzlich unsre Männer zwingen, enthalten — Myr. Wessen? sprich nur! Lys. Wollt Ihrs thun? Myr. Wir thuns, und sollt’ es unser Leben gelten. Lys. Enthalten müssen wir uns, hört es wohl, des – Schwanzes. – Was schneidet ihr Gesichter, lauft davon? Seid Ihr dieselben noch? Was schüttelt Ihr den Kopf? Warum so bleich? warum vergiesst Ihr Thränen? Wollt Ihr mir folgen? wollt Ihr nicht? was zaudert Ihr? Myr. Nein, niemals thu’ ich das, es bleibe ewig Krieg! Kal. Noch ich, beim Jupiter, es bleibe ewig Krieg! Lys. Und das sprichst Du, du Auster, die so eben Dich für den Frieden in zwei Hälften spalten wolltest? Kal. Ach! Alles was du willst! Durchs Feuer will ich gehn, wenns seyn muss; nur den Schwanz, den Schwanz nicht lassen! Das ist unmöglich, theuerste Lysistrata. 1042 a) ἀφεκτέα τοίνυν

Enthalten müssen

ἐστὶν ἡμῖν

wir uns [...] des –

τοῦ πέους

Schwanzes.

=K

() b) τοῦτο μᾶλλον

nur den Schwanz,

Da die elliptische Wendung im Deutschen nicht wörtlich nachzubilden

τοῦ πέους

den Schwanz nicht

ist, verzichtet der Übersetzer hier auf den Vergleichsaspekt und wählt

()

lassen!

stattdessen die Form eines pathetischen Ausrufs, bei dem das Verb lassen (ἀπέχεσθαι) ergänzt und die Nachhallwirkung des obszönen τοῦ πέους durch Wiederholung des Wortes Schwanz besonders hervorgehoben wird.

Kein Stellenkommentar vorhanden.

 1042 Zitiert nach Humboldt (Ü), Aristophanes Lysistrata (1795), 254 f.

Textbeispiel 3: Lys. 119–135  

.... Übersetzungsbeispiel 2: Johannes Minckwitz (1855–1864) GÜ Lys.

Vernehmt denn jetzt; denn offen red’ ich nun zu euch. Wir müssen, liebe Frauen, falls es Ernst uns ist, Das Männergeschlecht zu zwingen, daß es Frieden hält, Fortan entsagen – – (Sie hält bedenklich inne.) Kal. Welchem Ding? Lys. (immer noch bedenklich). Gehorcht ihr auch? Kal. Wir gehorchen, wahrlich, stünde selbst der Tod darauf! Lys. (langsam und sehr bedächtig). So wißt, entsagen müssen wir hinfort – dem Stift. (Allgemeine Bewegung unter den Frauen. Eine kurze Pause.) Was kehrt ihr mir den Rücken zu? Wo wollt ihr hin? Warum in die Lippe beißt ihr und schüttelt die Köpfe? He! Was wechselt ihr die Farbe schon? Wie, ihr weint sogar? Gehorcht ihr oder gehorcht ihr nicht? Entschließt euch kurz! Myr. Ich gehorche nimmer! Lassen dem Krieg wir seinen Lauf! Kal. Bei Zeus, ich auch nicht! Lassen dem Krieg wir seinen Lauf!? Lys. (aufgebracht zu Kalonike) So redest du, Seebutte? Hast doch eben erst Erklärt, halbieren ließest du dich im Fall der Not. Kal. Sonst alles, alles! Ja, ich will im schlimmsten Fall Durchs Feuer laufen; lieber das, als den Verlust. Nichts Gleiches gibt’s ja, meine beste Lysistrate! 1043 a) ἀφεκτέα τοίνυν

[...] entsagen

Mit dem Wort Stift für πέος wählt der Übers. eine metaphorisch-

ἐστὶν ἡμῖν

müssen hinfort – abmildernde und im Dt. (wohl auch um ) 1044 eher unübliche Bezeich-

τοῦ πέους

dem Stift.

()

nung für das πέος, deren Plastizität jedoch in Anbetracht des Gesamtkontextes sehr eindeutig auf den obsz. Gehalt von Lysistrates Aussage verweist. 1045

b) τοῦτο μᾶλλον

lieber das, als

Der komparative Ausdruck wird bewahrt. Da das in V.  verwendete

τοῦ πέους

d e n Verlust.

Wort Stift nicht wiederholt wird, kommt die Nachhall-Wirkung des Origi-

()

nals in der Übersetzung nicht zum Tragen. Stattdessen greift der Übersetzer mit dem Wort Verlust den Aspekt des ‚Entsagens‘ (ἀφεκτέα ἐστίν) wieder auf. Der gesperrt gedruckte Artikel den leistet dabei den konkreten Rückverweis auf den zuvor benannten Gegenstand des Entsagens.

Im Kommentarteil findet sich lediglich eine konstatierende, inhaltlich belanglose Bemerkung zu Vers 124: „Der Kardinalpunkt des ganzen Lustspiels.“ 1046

 1043 Zitiert nach Minckwitz (Ü)/Wessely (Ü), Aristophanes II (Lysistrate) (1855–1911), 39 f. 1044 Im Deutschen Wörterbuch der Brüder Grimm findet sich kein Hinweis auf eine obszöne Verwendung des Wortes ‚Stift‘. 1045 Vgl. Bornemann (1974), Bd. 1, s. v. ‚Stift: 1)‘. 1046 Minckwitz (Ü)/Wessely (Ü), Aristophanes II (Lysistrate) (1855–1911), 119 (Anm. zu v. 124).

  Deutsche Aristophanes-Übersetzungen im Vergleich .... Übersetzungsbeispiel 3: Wolfgang Schöner (1989) GÜ Lys.

Dann will ich sprechen. Denn nicht verbergen muß ich mein Wort. Wir nämlich, oh Frauen, wenn wir die Männer zwingen wollen, daß sie Frieden machen, wir müssen uns fernhalten von ... Myr. Wovon? Sag! Lys. Werdet ihr’s tun? Myr. Wir tun es, und wenn wir sterben müßten! Lys. Wir müssen uns also fernhalten vom Glied. – Warum dreht ihr euch weg von mir? Wo geht ihr hin? Weshalb preßt ihr die Lippen zusammen und sagt nein? Und wechselt die Farbe? Und Tränen fließen euch herab! Tut ihr’s oder tut ihr’s nicht? Oder was wollt ihr? Myr. Ich tu es nicht, Der Krieg soll weitergehen. Kal. Bei Zeus, ich auch nicht! Der Krieg soll weitergehen. Lys. Das sagst du, oh Plattfisch? Und eben noch hast du verkündet: selbst wenn du die Hälfte von dir schneiden müßtest? Kal. Anderes, anderes, was du willst! Und wenn es nötig ist, dann geh ich durchs Feuer! Lieber als das mit dem Glied. Denn es ist nicht möglich, oh liebe Lysistrate. 1047 a) ἀφεκτέα τοίνυν

Wir müssen uns also

Die deutsche Übersetzung liefert hier eine umgangssprachlich neu-

ἐστὶν ἡμῖν

fernhalten vom Glied. trale und damit unanstößige Bezeichnung für das männliche Ge-

τοῦ πέους

schlechtsorgan, bei dem der obszöne Aspekt des griechischen πέος

()

ausgespart bleibt.

b) τοῦτο μᾶλλον τοῦ πέους

Lieber als das mit

Der komparative Ausdruck wird bewahrt. Der Nachhall von Lysistrates

dem Glied.

Forderung kommt hier in dem rückbezüglichen das zum Ausdruck:

()

gemeint ist eben ‚dasjenige‘, was Lysistrate zuvor im Hinblick auf das Glied gesagt hatte.

Die Stelle ist unkommentiert.

 1047 Zitiert nach Schöner (Ü), Aristophanes. Die elf erhaltenen Komödien (1989), 288.

Textbeispiel 3: Lys. 119–135  

.... Restliche Übersetzungen Während sich die Frauen bei Borheck (1806) 1048 vom Bettspiel und bei Voß (1821) 1049 der Manneskraft enthalten sollen, entscheiden sich in der Folgezeit nahezu alle Übersetzer, beginnend mit Johann Gustav Droysen (1838) 1050 und endend mit Wolfgang Schadewaldt (1958) 1051, für eine abmildernde Wiedergabe (totum pro parte) von πέος durch Mann oder Männer. Seeger wählt zudem für Vers 134 eine verschleiernde Reimübersetzung: ‚Ich geh / Durch Feuer dir, nur laß den Theuern mir!‘ 1052 Mit Anklang an Minckwitz wiederum (s. o.) gibt Schadewaldt πέος an dieser Stelle durch einen demonstrativ zu betonenden Artikel (im Druckbild durch Kursivierung markiert) wieder: – ‚Denn über den geht nichts, liebe Lysistrata!‘ Somit stellt Minckwitz’ metaphorische Übersetzung Stift (s. o.) innerhalb dieses Zeitraums eine Ausnahme dar. Schöners Übersetzung von 1989 (s. o.) bemüht sich zwar um eine – wenn auch noch sehr gemäßigte – Wiedergabe der obszönen Begrifflichkeiten des Aristophanischen Originals (Glied), das deutsche Wort ‚Schwanz‘ allerdings, das in seinem obszönen Gehalt recht genau dem griechischen πέος entspricht und das Wilhelm von Humboldt bereits im Jahr 1795 in seiner Übersetzung des ersten Lysistrate-Aktes gewählt hatte (s. o.), erscheint in Deutschland – erstmals 1053 wieder in Niklas Holzbergs Lysistrate-Übertragung aus dem Jahr 2009 1054. Borheck, Voß, Droysen und Schadewaldt lassen die Stelle unkommentiert. Seeger gibt insgesamt zwei Anmerkungen. In einem Fall handelt es sich um eine Parallelstellenangabe zu Vers 128 f.: „Laß’t dem Krieg den Lauf, wie Ritter 670.“ 1055 Außerdem erläutert er seine Reimübersetzung in v. 134: „Feuer – Theuer – im Griech. πῦρ ignis, πέος penis.“ 1056 Holzberg, der semantisch adäquat übersetzt, gibt in diesem Zusammenhang Auskunft über die Rhythmisierung seiner Übersetzung der Verse 124–128: Diese Fragesätze spricht Lysistrate im pathetischen Tonfall der Tragödie; daher sind sie hier in jambischen Trimetern wiedergegeben. 1057

 1048 Vgl. Borheck (Ü), Lysistrata (1806), 9 f. 1049 Vgl. Voß (Ü), Aristofanes (1821), Bd. 2, 242 f. 1050 Vgl. Droysen (Ü), Des Aristophanes Werke. Dritter Theil (1838), 150. 1051 Vgl. Schadewaldt (Ü), Griechisches Theater (1983), 412. 1052 Herv. Seeger. 1053 Eine Ausnahme stellt die Theaterbearbeitung der Lysistrate von Joachim Knauth aus dem Jahr 1975 dar, auf die hier jedoch nicht näher eingegangen wird, da Knauths Version offenbar nur wenige Aufführungen erlebte (DDR-Uraufführung: 20.01.1990, Landesbühnen Sachsen, Radebeul, Regie: Hermann Schein) und lediglich als Bühnenmanuskript zugänglich ist. Hier heißt es unter anderem: ‚Müssen wir also ab heute entsagen – dem Schwanz. –‘ bzw. ‚Nur nicht den Schwanz, denn er ist das beste, o liebe Lysistrata.‘ Vgl. Knauth, Lysistrata. Komödie nach Aristophanes [1975], 9 f. 1054 Vgl. Holzberg (Ü), Aristophanes. Lysistrate (2009), 12 f. 1055 Seeger (Ü), Aristophanes, Bd. 3 (1848), 92 Anm. 18. 1056 Seeger (Ü), Aristophanes, Bd. 3 (1848), 92 Anm. 19. 1057 Holzberg (Ü), Aristophanes. Lysistrate (2009), 70 Anm. 19.

  Deutsche Aristophanes-Übersetzungen im Vergleich ... Ausgewählte Bearbeitung .... Bearbeitungsbeispiel 1: Erich Fried (1985) [Fried bleibt insgesamt nah am Aristophanischen Wortlaut, gibt aber πέος in beiden Fällen abmildernd wieder.] Lys.

Nun gut, so hört meinen geheimen Plan: Wenn wir die Männer wirklich zwingen wollen, Fraun, Zum Friedenschließen, müssen wir verzichten erst ... Myr. Auf was? Lys. Doch wollt ihr es auch wirklich tun? Myr. Wir wolln es tun, und wenn wir sterben müßten dran! Lys. Nun, gut: Wir dürfen mit den Männern nicht ins Bett. Was habt ihr denn? – Wohin so eilig? Sagt!? Was beißt ihr euch die Lippen, schüttelt euren Kopf? Was werdet ihr so blaß und plärrt? – Wollt ihr es nicht tun? Ja? Oder ... Myr. Nein! Ich nicht! ... da soll der Krieg Doch weitergehn! Kal. Ich auch nicht! Lieber Krieg! Lys. Ach, ihr! – Ihr schwurt, ihr wollt euch In Stücke schneiden lassen! Ja, Frau Butt! Kal. Sonst alles, was du willst: Ich geh durchs Feuer, wenn Du’s sagst. Nur eins: Die Liebe lasse mir! 1058 a) ἀφεκτέα τοίνυν ἐστὶν ἡμῖν

Wir dürfen mit den Män-

An die Stelle des primär obszönen Wortes πέος tritt hier mit

nern nicht ins Bett.

Bett abschwächend die Angabe des Ortes, der im Allgemeinen

τοῦ πέους (124) b) τοῦτο μᾶλλον τοῦ πέους (134)

mit sexuellen Handlungen in Verbindung gebracht wird. Sonst alles, was du willst:

πέος wird hier euphemistisch-abstrahierend mit Liebe wieder-

[...] Nur eins: Die Liebe

gegeben. 1059

lasse mir!

Jens’ Wiedergabe der Passage weicht wesentlich stärker vom originalen Wortlaut ab als diejenige Frieds. Für Fall a) (ἀφεκτέα τοίνυν ἐστὶν ἡμῖν τοῦ πέους; 124) wählt er – wie auch an anderen Stellen 1060 – eine mehrgliedrige Wendung mit ebenfalls abschwächender Wirkung: Verzichten auf die Liebe. Auf den Mann. Die Lust. Das Bett. 1061 Fall b) (τοῦτο μᾶλλον τοῦ πέους (134) findet hingegen in seiner Bearbeitung keine Entsprechung.

 1058 Zitiert nach: Lysistrata. Die Komödie des Aristophanes. Neu übersetzt von Erich Fried. Kommentiert von Barbara Sichtermann. Mit einer Materialsammlung von Heinke Lehmann, Berlin 1985, 36 f. 1059 S. hierzu auch o. 3.3.4.1.3. 1060 S. u. 3.4.4.4.1 u. ebd. Anm. 1092. 1061 Zitiert nach: nach Jens (B), Die Friedensfrau (1986), 20. Vgl. hierzu auch o. 3.3.4.2.3.

Textbeispiel 4: Lys. 142b–159  

.. Textbeispiel 4: Lys. 142b–159 Die entsetzten Reaktionen auf ihre Forderung nach Enthaltsamkeit haben Lysistrate zu der Feststellung geführt, dass die Lüsternheit der Frauen nicht ganz zu Unrecht von Dichtern immer wieder zum Thema von Tragödien gemacht wird. 1062 Dennoch resigniert Lysistrate nicht, sondern versucht, die Spartanerin Lampito, die sich als einzige noch nicht zu dem Friedensplan geäußert hat, als Verbündete zu gewinnen. Lampito wägt nun auch das Für und Wider einer solchen Entscheidung ab und stellt sich schließlich auf Lysistrates Seite: 142b 143 144 145 146 147 148a 148b 149 150 151 152 153 154 155 156 157 158 159

Λα.

Λυ. Μυ. 1063

Λυ.

Λα. Μυ. Λυ. Μυ.

χαλεπὰ μὲν ναὶ τὼ σιὼ γυναῖκάς ἐσθ’ ὑπνῶν ἄνευ ψωλᾶς μόνας. ὅμως γα μάν· δεῖ τᾶς γὰρ εἰράνας μάλ’ αὖ. ὦ φιλτάτη σὺ καὶ μόνη τούτων γυνή. εἰ δ’ ὡς μάλιστ’ ἀπεχοίμεθ’ οὗ σὺ δὴ λέγεις, ὃ μὴ γένοιτο, μᾶλλον ἂν διὰ τουτογὶ γένοιτ’ ἂν εἰρήνη; πολύ γε νὴ τὼ θεώ. εἰ γὰρ καθῄμεθ’ ἔνδον ἐντετριμμέναι, κἀν τοῖς χιτωνίοισι τοῖς Ἀμοργίνοις γυμναὶ παρίοιμεν δέλτα παρατετιλμέναι, στύοιντο δ’ ἄνδρες κἀπιθυμοῖεν σπλεκοῦν, ἡμεῖς δὲ μὴ προσιείμειθ’, ἀλλ’ ἀπεχοίμεθα, σπονδὰς ποιήσαιντ’ἂν ταχέως, εὖ οἶδ’ὅτι. ὁ γῶν Μενέλαος τᾶς Ἑλένας τὰ μᾶλά πᾳ γυμνᾶς παραϝιδὼν ἐξέβαλ’, οἰῶ, τὸ ξίφος. τί δ’ ἢν ἀφίωσ’ ἅνδρες ἡμᾶς, ὦ μέλε; τὸ τοῦ Φερεκράτους, κύνα δέρειν δεδαρμένην. φλυαρία ταῦτ’ ἐστὶ τὰ μεμιμημένα.

... Kommentar Auch Lampito fällt es – wie den übrigen Frauen – schwer, sich auf die von Lysistrate vorgeschlagene Friedensstrategie einzulassen und bringt dies in ihrer Antwort in obszöner Direktheit zum Ausdruck: für Frauen sei es nun einmal schwierig, ohne ψωλή (den erigierten Penis 1064) zu schlafen. Aristophanes lässt Lampito hier in spar 1062 In 138 f. wird auf die Tragödie Tyro von Sophokles angespielt, in der die von Poseidon verführte Titelheldin die aus der Verbindung hervorgegangenen Zwillinge Pelias und Neleus in einem Kahn aussetzt. 1063 Die hier von Wilson als Sprechpartien der Myrrhine gekennzeichneten Verse (146–148 a; 157; 159) werden von anderen Herausgebern (Henderson), sowie einigen Übersetzern (Voß, Droysen, Minckwitz, Schadewaldt, Schöner, Holzberg) und Bearbeitern (Fried, Jens) oftmals ganz oder teilweise auch der Kalonike zugeschrieben. Im Folgenden werden die von den Übersetzern bzw. Bearbeitern gewählten Zuschreibungen beibehalten. 1064 Vgl. Henderson (1991), 110.

  Deutsche Aristophanes-Übersetzungen im Vergleich tanischem Dialekt, einer Unterform des Dorischen, sprechen. Die komische Wirkung dieser Dialektpassagen beruht im Griechischen vor allem darauf, dass der dorische Dialekt, der in der Regel gerade in der hohen Dichtung (Chorlyrik, Tragödie) seine Verwendung findet, hier auf die Ebene der Alltags- bzw. Vulgärsprache herabgeführt wird. Die obszönen Begrifflichkeiten werden dabei jedoch lediglich in ihrer Aussprache (ψωλά statt attisch ψωλή) verfremdet, nicht jedoch – wie in einigen deutschen Übersetzungen – durch abschwächende oder verniedlichende mundartliche Bezeichnungen ersetzt (s. z. B. u. 3.4.4 [Seeger; Holzberg]). Trotz aller Vorbehalte zeigt Lampito schließlich als einzige der anwesenden Frauen nicht nur Einsicht in die Notwendigkeit eines baldigen Friedensschlusses, sondern ist offenbar auch bereit, für dieses Ziel ihre eigenen sexuellen Interessen zurückzustecken (144). Dafür wird sie von Lysistrate gelobt (145). Lampitos Beispiel lässt nun auch die übrigen Frauen wieder einlenken. Zaghaft erkundigen sie sich nach den tatsächlichen Erfolgschancen einer für sie so entbehrungsreichen Maßnahme (146 f.). Um die Frauen von der Wirksamkeit ihres Planes zu überzeugen, führt Lysistrate ihnen ein entsprechendes Szenario vor Augen: Die Frauen sollen sich ihren Männern zu Hause so verführerisch wie möglich – geschminkt (149), in durchsichtigem Gewand (150) und mit zum Dreieck gezupftem Schamhaar (151) – präsentieren und sie so sehr reizen, dass sie ihre Lust kaum noch zurückhalten können. Lysistrate bedient sich dabei wiederum einer recht drastischen Ausdrucksweise: Das Verb στύεσθαι 1065 bezeichnet in primär obszöner Weise das Aufrichten des männlichen Gliedes, σπλεκοῦν 1066 den sexuellen Akt. Wenn nun also die Männer dermaßen erregt seien, die Frauen sich ihnen jedoch nicht näherten, sondern Enthaltsamkeit übten (153), könnten die Männer sehr schnell zum Abschluss eines Friedensvertrages bewegt werden (154). Lampito unterstützt Lysistrates Versicherung, dass die Liebe den Krieg überwinden könne, passenderweise durch ein spartanisches Beispiel aus dem TrojaMythos: Auch habe ja Menelaos beim Anblick der Brüste – Lampito bezeichnet sie hier scherzhaft als ‚Äpfel‘ (τὰ μᾶλα) – seiner Frau Helena sofort sein Schwert fallen lassen (155 f.). 1067

 1065 Das Verb στύειν bzw. στύεσθαι (eine Erektion haben bzw. bekommen) findet bei Aristophanes in der Regel dort Verwendung, wo von einer bevorstehenden sexuellen Vereinigung die Rede ist; meistens steht es in Begleitung eines Verbs, das auf den Geschlechtsakt selbst verweist (Ach. 1220, Plut. 728, Av. 557 u. 1256, Lys. 214, 598, Thesm.157 f.); s. Henderson (1991), 112. 1066 Das Verb σπλεκοῦν geht möglicherweise auf die Redewendung (ἐ)ς πλέκος (‚in den Sack‘) zurück [vgl. σκορακίζω von (ἐ)ς κόρακας], wird aber zur Zeit des Aristophanes nur noch im Sinne einer primären Obszönität zur Bezeichnung des Geschlechtsaktes verwendet; vgl. Frisk, Bd. 2 (1970), 769 und Henderson (1991), 35 u. 154; s. auch o. 1.3 u. ebd. Anm. 115. 1067 Aristophanes spielt hier auf Eur. Andr. 629 ff. an (vgl. Henderson [Ed./K] [1987], 86), wo Peleus folgende Worte an Menelaos richtet: ‚Du hast die Frau nicht getötet, nachdem du sie in deine Gewalt gebracht hattest, sondern bekamst, als du beim Anblick ihrer Brüste dein Schwert weg-

Textbeispiel 4: Lys. 142b–159  

Auf Myrrhines (bzw. Kalonikes) 1068 Befürchtung, die Männer könnten ihre Frauen wegen ihrer Verweigerung auch verstoßen (τί δ’ ἢν ἀφίωσ’ ἅνδρες ἡμᾶς) (157), antwortet Lysistrate mit einem Zitat des zeitgenössischen Komödiendichters Pherekrates: dann müsse man eben ‚den geschundenen Hund schinden‘ (κύνα δέρειν δεδαρμένην) (158), eine für Zeitgenossen deutliche Anspielung auf den Einsatz von aus Hundeleder gefertigten Dildos. 1069 Doch Myrrhine (Kalonike) weist dies zurück und erklärt bündig, dass sie derartigen Ersatz (τὰ μεμιμημένα) für Unfug (φλυαρία) halte (159). ... a) b) c)

Einzelbetrachtungen ἄνευ ψωλᾶς (143) στύοιντο δ’ ἄνδρες κἀπιθυμοῖεν σπλεκοῦν (152) κύνα δέρειν δεδαρμένην (158)

 warfst, einen Kuss, einer verräterischen Hündin schmeichelnd, von Natur aus der Liebe erlegen, du Nichtsnutz.‘ (Ü: K. L.) 1068 S. o. 3.4.4 Anm. 1063. 1069 Das Wort κύων konnte im Griechischen auch den männlichen Penis selbst bezeichnen; vgl. Henderson (Ed./K) (1987), 86 (unter Verweis auf Plat. Com. 174. 16 und Hesych). Dass hier auf Dildos aus Hundeleder angespielt wird, ist nur aus der Kombination dieser Stelle mit Lys. 107–110 erschließbar: Kalonike bedauert hier, dass nach dem Abfall des früheren Bündnispartners Milet die Versorgung mit den dort produzierten künstlichen Phalloi (Sg. ὄλισβος) zusammengebrochen sei (108), die den Frauen, wie sie sagt, als ‚ledernes Hilfsmittel‘ (σκυτίνη ᾿πικουρία) dienen könnten (110).

  Deutsche Aristophanes-Übersetzungen im Vergleich ... Ausgewählte Übersetzungen .... Übersetzungsbeispiel 1: Johann Gustav Droysen (1838) GÜ Lam.

Lys. Kal.

Lys.

Lam. Kal. Lys. Kal.

An swärli Ding, so wåhr mir Zeus, So Frauen allein ohn’ Manns Gemächten slåfa soll’n. Doch åber wes’ es. Friede müoß’mer ändli hån. O herrliche Frau, du unter allen einzige – Und wenn wir uns auch, was du sagtest – Gott bewahr’ – Versagen wollten, würde dann im Geringsten drum Ehr Friede werden? Bei den Göttern allerdings! Denn säßen daheim wir frisch gesalbt und wohlgeschmückt, Und gingen im leichten Morgenröckchen an ihnen hin, Halb bloß der Busen, unten das Schößchen schier und glatt, Gleich fühlten sie’s prickeln, streckten nach uns die Arme aus, Wir aber kämen nicht heran, wir eilten fort, So würden sie schnell Verträge schließen, glaub’ es mir! Und dår [i.S. v. ‚als‘; d. Verf.] Menelås Heläne’s nackige Bůse såh, Da wůrf er’s Swärt ha, wůßte nimmer, wie ihm geschåh. Doch wie, wenn uns – o Grausen – die Männer lassen gehn? Dann rettet uns ein Rettig, sagt Pherekrates! Ach eitel Spiel ist’s, was du unterschieben willst! 1070

a) ἄνευ ψωλᾶς ()

ohn’ Manns Ge-

Droysen gibt ψωλά mit dem etwas altertümlichen Begriff Gemächt(e) 1071

mächten (Pl.)

wieder und wählt damit eine unmissverständliche, wenn auch nicht mit obsz. Beiklang behaftete Bezeichnung für das männliche Geschlechtsteil. Die Aussage wird durch den von Droysen verwendeten Kunstdialekt, vor allem durch die ungewöhnliche Wortstellung und -deklination verfremdet und abgeschwächt.

Gleich fühlten

Droysen verzichtet hier auf eine wörtliche Wiedergabe. Die männliche

δ’ ἄνδρες

sie’s prickeln,

Erektion (στύοιντο) wird zu einer eher leichten Reizempfindung (prickeln)

κἀπιθυμοῖεν

streckten nach

abgeschwächt.

σπλεκοῦν

uns die Arme

Der im Original sehr drastisch beschriebene Wunsch der Männer nach

()

aus

sexueller Vereinigung (κἀπιθυμοῖεν σπλεκοῦν) findet in der Übers. lediglich

b) στύοιντο

in einer harmlosen Handlung, dem Ausstrecken der Arme nach den Frauen, Ausdruck. c) κύνα δέρειν δεδαρμένην ()

Dann rettet uns

Das Zitat des Pherekrates wird völlig aufgegeben und durch ein anderes

ein Rettig […]

Wortspiel ersetzt, das dem dt. Leser ein unmittelbares Verständnis des Gemeinten ermöglichen soll: Anstatt auf das Material (Hundeleder) des Dildos zu verweisen, spielt Droysen mit Rettig auf dessen äußere Form an.

 1070 Zitiert nach Droysen (Ü), Des Aristophanes Werke. Dritter Theil (1838), 151. 1071 S. hierzu o. 3.3.2.1.3 Anm. 371.

Textbeispiel 4: Lys. 142b–159  

Auf den Originalwortlaut des Pherekrates-Zitats geht Droysen in seinen Anmerkungen nicht ein. Er beschränkt sich auf die biographische Information: „Pherekrates ist einer der vorzüglichsten Komiker der Zeit.“ 1072

 1072 Droysen (Ü), Des Aristophanes Werke, Bd. 3 (1838), 151.

  Deutsche Aristophanes-Übersetzungen im Vergleich .... Übersetzungsbeispiel 2: Ludwig Seeger (1848) GÜ Lam.

Lys. Myr.

Lys.

Lam. Myr. Lys. Myr.

a) ἄνευ ψωλᾶς ()

Das ist bi Gott verflucht! Me cha doch ohni Chilter nid in ds Bett – (Sinnt nach) Nu, we’s nit anders ist, ‘s muß Friede gä’! 1073 (bittend) O Liebste, Du, das einz’ge Weib von Allen – Und wenn wir nun – was Gott verhüt’! – uns wirklich Enthielten, brächten wirs dadurch denn eher Zum Frieden? Bei Demeter! ganz gewiß! Wir sitzen hübsch geputzt daheim, wir gehn Im Florkleid von Amorgos, halbentblöst Mit glattgerupfter Schoos vorbei an ihnen, Die Männer werden brünstig, möchten gern, Wir aber kommen nicht – rund abgeschlagen! – Sie machen Frieden, sag’ ich euch, und bald! Chum het der Menelaus der blutte ’Lena Ds Vorume gseh, so gheit er ds Schwert grad weg. 1074 Und wenn die Männer dann uns sitzen lassen? Dann folg dem Rathe des Pherekrates, Und „schinde den geschundnen Hund“! Dumm Zeug Solch Affenspiel! 1075 ohni Chilter

Seeger ersetzt das obsz. Wort ψωλά durch den wenig geläufigen bern-

(Seeger’sche

deutschen Begriff Chilter 1076, der, wie sich aus Seegers schriftsprachli-

Auflösung in

cher Auflösung (Kiltgänger) ergibt, einen nächtlich erscheinenden

„Schriftdeutsch“:

Liebhaber bezeichnet. Somit gehört auch Seeger in die Reihe der

ohne Buhlen/

Übersetzer, die eine totum-pro-parte-Übertragung (‚Mann‘) der konkre-

Kiltgänger)

ten Benennung des Geschlechtsteils vorziehen. Die vielen kehligen Reibelaute der berndeutschen Mundart (verflucht, cha, doch, Chilter), die sich – neben anderen Eigenheiten des Dialekts – für den Leser auch in dem ungewöhnlichen Schriftbild widerspiegeln, verleihen Lampitos Äußerung eine besondere komische Wirkung, die

 1073 Sämtliche in berndeutschem Dialekt gehaltenen Passagen gibt Seeger am Ende seines Anmerkungsteils auch noch in einer wörtlichen Übertragung ins „Schriftdeutsche“ wieder; s. Seeger (Ü), Aristophanes, Bd. 3 (1848), 108–112. Die hier besprochene Stelle lautet dort folgendermaßen: — Das ist bei Gott verflucht: / Man kann doch ohne Buhlen (Kiltgänger) nicht ins Bett.— / Nun, wenns nicht anders ist, s’muß Frieden geben! (ebd. 109). 1074 In Seegers Übertragung ins „Schriftdeutsche“ (s. o. 3.4.4.3.2 Anm. 1073): —Kaum hatte Menelaos der nackten Helena / Brüste gesehen, so warf er das Schwert weg. Seeger (Ü), Aristophanes, Bd. 3 (1848), 109. 1075 Zitiert nach Seeger (Ü), Aristophanes, Bd. 3 (1848), 28 f. 1076 S. hierzu o. 3.3.2.2.3 u. ebd. Anm. 492.

Textbeispiel 4: Lys. 142b–159  

möglicherweise diejenige des Originals (wo vor allem attisches η durch dorisches ᾱ ersetzt wird) noch übertrifft (s. o. Kommentar). Der obsz. Aspekt des Originals jedoch ist aus der Übersetzung nicht ersichtlich und wird an dieser Stelle auch nicht durch eine Anmerkung erläutert. Die Männer wer-

Die direkte Benennung der männlichen Erektion wird vermieden. Um

δ’ ἄνδρες

den brünstig,

den Erregungszustand der Männer dennoch zu charakterisieren wählt

κἀπιθυμοῖεν

möchten gern

Seeger das üblicherweise für Tiere gebrauchte und daher hier metapho-

b) στύοιντο

σπλεκοῦν

rische Eigenschaftswort brünstig.

()

Bei der Wiedergabe der Wendung κἀπιθυμοῖεν σπλεκοῦν hält Seeger es mit Borheck und anderen (s. o.), indem er in elliptischer Weise den kupitiven Aspekt von ἐπιθυμεῖν besonders betont ([sie] möchten gern), das obszöne Verb σπλεκοῦν aber unübersetzt lässt. Die Ergänzung des Wunschsatzes wird dem Leser anheimgestellt. Und „schinde den

Das Zitat wird in der Übersetzung wörtlich wiedergegeben, auf seine

δεδαρμένην

geschundnen

obsz. Bedeutung wird in einer ausführl. Fußnote eingegangen (s. u.).

()

Hund“!

c) κύνα δέρειν

Seeger kommentiert – wie stets - sehr detailliert. Seine insgesamt drei Anmm. zur Stelle dienen sowohl der Erläuterung von Orts- und Personennamen als auch der Erklärung Aristophan. Anspielungen auf kulturelle Bräuche (wie z. B. die Intimrasur) und Dichterzitate (Eurip., Pherekrat.): Amorgos, eine der sporadischen Inseln im Archipel, jetzt Morgo, bekannt als Heimath des Dichters Simonides, aber auch durch die feine, durchsichtige Leinwand, die hier verfertigt wurde (Mousselinelaine). Hier wuchs der feinste Flachs. cf. v. 731 f. – Glattgerupft – wie noch jetzt im Orient, von wo aus die Sitte der Depilation nach Hellas und Rom kam, cf. Eccles. 718. – Ran. 515. – Horat. Sat. I. (mirator cunni Cupiennius albi i. e. rasi, depilati). Rosenbaum 1077 gibt medicinische Gründe dafür an S. 356. 1078 Menelaos – die Spartanerin erzählt ein Beispiel aus ihrer eigenen Landesgeschichte. cf. Euripdes, Andromache 628, wo Peleus zum Menelaos sagt: du erschlugst dein Weib nicht, als du sie in deine Gewalt bekamst, beim Anblick ihres Busens warfst du dein Schwert weg, geküßt liebkostest du die hündische Verräterin, nicht ward dir gegen Kypris Kraft, Ohnmächtiger. 1079 „Schinde den geschundenen Hund“ ein Witz aus einem schon für den Schol. verlornen Lustspiel des alten Komikers Pherekrates, der sprüchwörtlich geworden war. Voß erklärt: in doppelter Noth sitzen. Hier. Müller: Misglücktes versuchen, bis es glückt! Die Beziehung auf den obenerwähnten hundsledernen Nothknecht ist klar und schon von Schol. hervorgehoben. cf. v. 109 f. Rosenbaum S. 251 1080 findet darin das gegenseitige cunnilingere, weil das cunnum lambere Sitte der Hunde sei, und vergleicht Plaut. Trinumm. II 4, 27: mutuum mecum facit. 1081

 1077 Rosenbaum, Geschichte der Lustseuche. Erster Theil. Die Lustseuche im Alterthume (1839). 1078 Seeger (Ü), Aristophanes, Bd. 3 (1848), 93 Anm. 21 [zu Lys. 150 f.]. 1079 Seeger (Ü), Aristophanes, Bd. 3 (1848), 93 Anm. 22 [zu Lys. 155]. 1080 Rosenbaum, Geschichte der Lustseuche. Erster Theil. Die Lustseuche im Alterthume (1839). 1081 Seeger (Ü), Aristophanes, Bd. 3 (1848), 93 Anm. 23 [zu Lys. 158].

  Deutsche Aristophanes-Übersetzungen im Vergleich .... Übersetzungsbeispiel 3: Niklas Holzberg (2009) Lam. Lys. Kal. Lys.

Lam. Kal. Lys. Kal.

Bei die zwoa Götter, es is scho schwar für d’Weiber, so ganz alloa schlaffa, ohne a steifs Bibberl! Aber freili, an Friedn, den braucht’s scho! Ach Liebste, du bist die einzige richtige Frau unter allen diesen hier! Aber wenn wir uns nun so weit wie möglich enthalten von dem, den du meinst – was Gott verhüte! –, kann es deshalb eher zum Frieden kommen? Viel eher, bei den zwei Göttinnen! Wenn wir nämlich geschminkt zu Hause säßen und in unseren durchsichtigen Hemdchen an ihnen vorbeiliefen, halbnackt und unten in Dreiecksform gezupft, die Männer dann einen Steifen hätten und geil aufs vögeln wären, wir aber nicht zu ihnen gingen, sondern uns enthielten, dann würden sie schnell Frieden schließen – das weiß ich genau. Der Menelaos, ja freili, wia er d’Äpfe vo da nackerten Helena nur a bissl vo der Seitn gseng hat, da hat er, glaub i, sei Schwert weggschmissn.21 Aber was, wenn die Männer uns links liegen lassen, meine Liebe? Dann heißt es – frei nach Pherekrates – (deutet mit dem Finger auf ihren Unterleib) dem ledernen Hund die Lederhaut abwetzen.22 Humbug ist doch das, was das Echte nur nachmacht! 1082

a) ἄνευ ψωλᾶς ()

ohne a steifs

ψωλά wird durch die altbairische Bezeichnung steifs Bibberl 1083 wieder-

Bibberl!

gegeben. Der obszöne Aspekt wird durch die dialektale Verfremdung und die Diminutivform etwas abgeschwächt, bleibt aber grundsätzlich erhalten.

die Männer dann

Holzberg übersetzt das Verb στύοιντο mit dem äquivalenten deutschen

δ’ ἄνδρες

einen Steifen

Ausdruck „einen Steifen haben“, der die männliche Erektion in obszö-

κἀπιθυμοῖεν

hätten und geil

ner Weise direkt benennt.

σπλεκοῦν

aufs vögeln wären

Der obsz. Aspekt von κἀπιθυμοῖεν σπλεκοῦν kommt in der Übersetzung

b) στύοιντο

deutlich zum Ausdruck. Durch die Wiedergabe von ἐπιθυμεῖν mit geil

()

sein erhält das Verb des Begehrens im Deutschen bereits eine eindeutige sexuelle Denotation, die im Kontext von σπλεκοῦν, das hier vulgär mit vögeln übersetzt wird, durchaus passend erscheint. c) κύνα δέρειν

(deutet mit dem

Das Sprichwort wird in der Übersetzung in leicht verändertem Wortlaut

δεδαρμένην

Finger auf ihren

wiedergegeben. Der ‚geschundene‘ Hund (κύνα δεδαρμένην) wird hier

()

Unterleib)

zu einem ‚ledernen‘ Hund und damit für den deutschen Leser eindeutig

dem ledernen

zu einem Sachobjekt. Auch δέρειν erhält in der Übersetzung erläutern-

Hund die Leder-

de Zusätze (die Lederhaut abwetzen), die den Leser offenbar auf die

haut abwetzen

richtige Fährte zur Deutung des Dichterzitates führen sollen. Die szenische Anweisung gibt hier zudem eine auf den Unterleib gerichtete Geste vor. Der genaue Wortlaut des Zitats und seine Bedeutung werden zudem in einer Fußnote ausgiebig erläutert (s. u).

 1082 Zitiert nach Holzberg (Ü), Aristophanes. Lysistrate (2009), 12 f. 1083 S. dazu auch o. 3.3.3.3.3 Anm. 816.

Textbeispiel 4: Lys. 142b–159  

Holzberg erläutert zunächst in Anm. 21 (s. o.) Aristophanes’ frivole Anspielung auf eine Szene aus der Euripides-Tragödie Andromache in Lys. 155 f.: Leicht entstellte Wiedergabe der in dem (verlorenen) Epos Kleine Ilias dargestellten Szene, in der Menelaos nach der Eroberung Trojas sich durch den Anblick der Schönheit Helenas davon abbringen ließ, sie zu töten; vermutlich spielt hier die Fassung des Mythos in der um 430 v. Chr. aufgeführten Andromache (V. 627–631), einer Tragödie des Euripides (485/480–406 v. Chr.), herein. 1084 Sehr genau wird ferner in Anm. 22 (s. o.) die obszöne Bedeutung des Pherekrates-Zitats (Lys. 158) erklärt: Wörtlich stand in einer verlorenen Komödie des Pherekrates (5. Jh. v. Chr.): ‚den enthäuteten Hund enthäuten.‘ Lysistrate benutzt hier ‚Hund‘, wie in Athen offenbar durchaus üblich, für Penis, meint aber den bereits durch ‚Enthäutung‘ entstandenen Dildo, den die von den Männern links liegen gelassenen Frauen ‚abwetzen‘ sollen, um sich an ihm ersatzweise zu befriedigen. 1085

 1084 Holzberg (Ü), Aristophanes. Lysistrate (2009), 70 Anm. 21. 1085 Holzberg (Ü), Aristophanes. Lysistrate (2009), 70 Anm. 22.

  Deutsche Aristophanes-Übersetzungen im Vergleich .... Restliche Übersetzungen Wilhelm von Humboldt scheut sich – wie bereits festgestellt – nicht, in seine Übersetzung auch deutsche Vulgarismen einzubauen, die in ihrem obszönen Potenzial dem Original sehr nahe kommen: a) ohne Eichel 1086, b) [wenn] dann der Schwanz den Männern allen schwölle und sie zu vögeln brennten. Die sinngemäße – nicht wörtliche – Wiedergabe von c) dürfte dabei die Verständlichkeit der Anspielung für Humboldts „ungriechisches“ 1087 Publikum eher erhöht haben: Dann […] hilft man selbst sich wie man kann. Borheck dagegen greift bei a) – wie später auch Schadewaldt – zu einer abmildernden metonymischen Übersetzung (Synekdoche), bei der totum pro parte der „Mann“ stellvertretend für die konkrete Bezeichnung des Geschlechtsteils eingesetzt wird. 1088 Der in b) mit στύεσθαι direkt benannte sichtbare Erregungszustand des Mannes wird bei Borheck durch eine eher metaphorische Umschreibung wiedergegeben, die auf ein anderes, jedoch weniger sichtbares und damit auch weniger anstößiges Merkmal sexueller Erregung abzielt: das (gefühlte) Ansteigen der Körpertemperatur (dann werden sie erhitzt). Ähnlich übersetzen später auch Minckwitz (der Männer Glutbegier) und Schadewaldt (ihnen wird heiß, den Männern). Voß weist dagegen zumindest andeutungsweise auf gewisse körperliche Spannungsphänome hin: dann spannten die Männer. Der Ausdruck κἀπιθυμοῖεν σπλεκοῦν wird von Borheck gewissermaßen elliptisch übersetzt, indem er den in ἐπιθυμεῖν enthaltenen Aspekt des Wollens und Begehrens stark hervorhebt, den obszönen Gehalt von σπλεκοῦν aber nicht weiter zur Sprache bringt: [die Männer] fangen an in uns zu dringen und uns zu bestürmen. Zu erraten, worauf genau sich das stürmische Begehren der Männer richtet, bleibt dem Leser überlassen. Parallelen hierzu finden sich bei Minckwitz (der Männer […] Sehnen) und Schadewaldt (und sie wollen …). Nur bei Voß wird das Ziel des Verlangens auch benannt, allerdings fernab von obszöner Ausdrucksweise: voll Begier nach Umklammerung. Wolfgang Schöner hält sich bei allen Bemühungen, auch die anstößigen Stellen möglichst wortgenau zu übersetzen, wiederum sehr stark an mittlerweile hochsprachlich eingebürgerte – und somit gerade nicht (mehr) als obszön empfundene – Ausdrücke: a) ohne einen einzigen Phallos; b) und den Männern schwillt der Stamm und sie wollen schlafen mit uns. Das Pherekrates-Zitat c) wird von Borheck wie auch von den meisten anderen Übersetzern wörtlich wiedergegeben. Ohne Kommentierung bleibt es für einen modernen Leser jedoch nahezu unverständlich und somit auch unanstößig, wie sich etwa bei Borheck, Minckwitz und Schadewaldt zeigt. Voß (s. u. 3.4.4 u. ebd. Anm. 111) hingegen fügt, wie Seeger (s. o. 3.4.4) und (im 21. Jh.) Holz-

 1086 Vgl. Deutsches Wörterbuch von Wilhelm und Jacob Grimm, Bd. 3 (zuerst 1862), Sp. 79, zu: ‚Eichel, f.‘: „glans, ahd. eichilâ, mhd. eichel, gebildet wie büchel von buche. MAALER 122b; nnl. eckel und eikel. ἄκυλος f. gleicht fast zu sehr, ohne lautverschiebung. da benennungen des baums und der frucht leicht zusammenfallen, namentlich in βάλανος und juglans, läge nah eichilâ auch zum lit. auźolas zu halten; unsern übrigen dialecten mangelt das wort. [...] eichel heiszt aber auch nach dem latein glans penis.“ [Onlinefassung] URL: http://www.woerterbuchnetz.de/DWB?lemma=eichel (zuletzt gesehen: 17.09.2019). 1087 S. dazu auch o. 3.3.1.1 (Exkurs 1). 1088 Vgl. Lausberg (1990), §§ 193 u. 195.

Textbeispiel 4: Lys. 142b–159  

berg (s. o. 3.4.4), seiner – ebenfalls fast wörtlichen – Übersetzung eine ausführliche Anmerkung bei. Von der gängigen Praxis einer wörtlichen Übersetzung des Pherekrates-Zitats weicht lediglich Schöner ab, dessen Wiedergabe sich weit vom griechischen Text entfernt und offenbar vor allem den Sentenzcharakter nachahmen soll: Dann gießen sie [sc. die Männer] nur selbst Öl ins Feuer (Schöner). 1089 Die Übersetzungen von Humboldt, Borheck, Minckwitz, Schadewaldt und Schöner enthalten keinen Stellenkommentar bzw. lassen diese Stelle unkommentiert. Voß gibt in seiner Anmerkung zum Pherekrates-Zitat zunächst eine – nicht ganz zutreffende – sinngemäße Umschreibung der von ihm wörtlich übersetzten Stelle, liefert dann aber eine vergleichsweise deutliche Inhaltserklärung nach: Einen geschundenen Hund schinden, so viel als, in doppelter Noth sizen. In dem Sinne sprach es der Komiker Ferekrates. Hund aber bedeutet zugleich den ledernen Nothknecht (110), der wahrscheinlich aus Hundsleder war. 1090

 1089 Hieronymus Müller wählte in seiner hier nicht näher betrachteten Gesamtübersetzung von 1843 ff. ebenfalls eine sentenzartige Wiedergabe: Versuch Mißglücktes bis es glückt; vgl. Müller (Ü), Die Lustspiele des Aristophanes, Bd. 2 (1844), 390. 1090 Voß (Ü), Aristofanes (1821), Bd. 2, 245, Anm. zu Lys. 158.

  Deutsche Aristophanes-Übersetzungen im Vergleich ... Ausgewählte Bearbeitung .... Bearbeitungsbeispiel 1: Walter Jens (1986) Lys.

[...] Lampitochen, sag schon was! Lam. nach langer Pause: Leicht ist das wirklich nicht, Ich mein’, für eine Frau, Allein, ohne den Petermann, Den Lorenz, wenn du mich verstehst, Nein? Dann: den Schwartenmichel, Schön, den Käsedolch, ins Bett zu gehn, Den Lausewenzel eben, alte Frau. Lächelt, Lysistrate lächelt, Einverständnis zeigend, ebenfalls. Es geht nicht anders, wie? Geht wirklich nicht? Lysistrate schüttelt den Kopf. Dann muß es sein. Du hast mich überzeugt, Lysistrate. Ich mache mit. [...] Resümee der folgenden 25 Verse: Auf Kalonikes Frage, ob ein Verzicht wirklich zum Frieden führen würde, antwortet Lysistrate „Meine Hand darauf.“ Sie wisse, dass alle Männer, ob alt oder jung, dick oder dünn „in einem alle sich gleich“ seien. Lys.

Und auf dies eine eben ist mein Plan gebaut. Winkt die Frauen zu sich heran. Ihr braucht nicht mehr zu tun, Als still im Haus zu sitzen, Schön geschminkt, Den leichten Morgenrock über den Schultern – Geste: so, Den Busen frei, Den Feigenkranz rasiert ... Und dann, ganz langsam, Steht ihr auf, Sehr lässig – ja nicht rasch! – Und streicht mit eurem losen Kleid, So nahe, daß es ihn beinahe berührt, An eurem Mann entlang. Das prickelt, sag’ ich euch, das juckt und brennt Und reckt – wie sagtest du doch, Lampito? – Den Petermann. Doch dann zurück. Kein Kuß! Distanz! Eindrücklich: Di-stanz, hört ihr? Und rasch davon! Das wird ein Friede, Fraun! So schnell ist nie ein Waffenstillstand Abgeschlossen worden.

Textbeispiel 4: Lys. 142b–159  

Lam. Ihr, die hat recht. Schlagt im Homer nach: Als Menelaos seine Helena – Sie, die er töten wollte, Weil sie ihn betrog – Nach Jahren wiedersah, Zog sie das Hemdchen aus. Er sah die Brust, Und schon, was glaubt ihr wohl? Geste. Weg war das Schwert. Es hinderte. Lachen und Beifall. Myr. Recht amüsant, ja, find’ ich auch. Was aber ist, wenn sie uns einfach sitzenlassen? Uns verschmähn? Lys. Sei unbesorgt. Schlafzimmer sind nicht Klöster, Wo gebetet wird. 1091 a) ἄνευ ψωλᾶς ()

ohne den Petermann, Das primär obszöne Wort ψωλά wird durch eine mehrgliedrige Wen[d]en Lorenz, […] den

dung 1092

Schwartenmichel,

personifizierenden Ersatzbegriffen 1093 wiedergegeben, die an kindliche

[s]chön, den Käse-

Bezeichnungen für den männlichen Penis erinnern. Sowohl die Vielzahl

dolch […],

der Bezeichnungen als auch die verniedlichende Ausdrucksweise bewir-

[d]en Lausewenzel

ken, dass das obszöne Potenzial des Originals hier vollständig ent-

eben

schärft wird.

von

insgesamt

fünf,

mit

Ausnahme

von

Käsedolch,

Das prickelt, sag’ ich

Die Tendenz zur verbalen Übertreibung und zugleich zur Bagatel-

δ’ ἄνδρες

euch, das juckt und

lisierung zeigt sich auch hier: Die beiden im Originalvers vorgegebenen

κἀπιθυμοῖεν

brennt

Aspekte der sichtbaren männl. Erektion (στύοιντο) und des Verlangens

σπλεκοῦν

[u]nd reckt – wie

nach sexueller Vereinigung (κἀπιθυμοῖεν σπλεκοῦν) werden von Jens

()

sagtest du doch,

nicht unterschieden. Stattdessen wählt er zunächst drei allenfalls leicht

Lampito? – [d]en

schlüpfrige Ausdrücke (prickeln 1094, jucken, brennen), die die sexuelle

Petermann

Erregung der Männer andeuten sollen, und greift am Ende einen der

b) στύοιντο

unter a) aufgezählten Phantasiebegriffe für den Penis wieder auf (Petermann), der im (verharmlosten) Sinne von στύοιντο ‚gereckt‘ wird. Sei unbesorgt.

Das Pherekrates-Zitat wird vollkommen übergangen. Lysistrates Ant-

δεδαρμένην

Schlafzimmer sind

wort auf Myrrhines besorgte Frage wird in eine äußerst banale Aussage

()

nich [sic] Klöster,

umgewandelt, die den Sinn des Zitates (‚Hilfe zur Selbsthilfe‘) geradezu

[w]o gebetet wird

umkehrt (‚Männer und Frauen werden auch weiterhin gemeinsam Spaß

c) κύνα δέρειν

im Schlafzimmer haben‘). Der Hinweis auf die christliche Institution des Klosters erscheint für das antike Setting der Komödie eher unpassend.

 1091 Zitiert nach Jens (B), Die Friedensfrau (1986), 21–23. 1092 S. auch o. 3.4.3.4.1 u. ebd. Anm. 1060. 1093 Zur Herkunft dieser Ersatzbegriffe s. auch o. 3.3.4.2.3 u. ebd. Anm. 932. 1094 Auch Droysen verwendet an dieser Stelle das Wort ‚prickeln‘ (s. o. 3.4.4.3.1).

  Deutsche Aristophanes-Übersetzungen im Vergleich Jens’ Lysistrate-Bearbeitung sticht bei dieser Passage vor allem deshalb hervor, weil sie den bei Aristophanes recht gedrängten Dialog (insgesamt 18 Verse) durch zahlreiche Ergänzungen und Ausschmückungen auf über 70 Verse ausdehnt.

.... Zur Bearbeitung von Erich Fried (1985) Fried vermeidet auch an dieser Stelle semantisch adäquate Übertragungen primär obszöner Ausdrücke und eindeutig sexueller Anspielungen: In a) entfällt die Wiedergabe von ψωλά. In b) ersetzt Fried die von den Frauen imaginierte körperliche Reaktion ihrer sexuell erregten Ehemänner – στύοιντο δ’ ἄνδρες (152) – metaphorisch-abmildernd durch die zu dieser Reaktion führenden Aktivität der Ehefrauen: Da machen wir sie scharf. Das ebenfalls in b) durch die eindeutig obszöne Wendung κἀπιθυμοῖεν σπλεκοῦν (152) bezeichnete sexuelle Verlangen der Männer wird mit einer allgemeinen Floskel umschrieben: Und dann, wenns soweit ist [...] (i. S. v. ‚wenn wir sie scharf gemacht haben‘). Das Zitat des Pherekrates c) wird ebenfalls aufgegeben und durch die Kombination zweier deutscher Redewendungen ersetzt, die für sich genommen gänzlich unobszön sind, in dem gegebenen Kontext jedoch auch als Anspielung auf weibliche Selbstbefriedigung verstanden werden können: Dann / Sind wir uns selbst die Nächsten, Schatz! Selbst ist der Mann! Die mit dem griechischen Pherekrates-Zitat implizierte Vorstellung eines hundsledernen Dildos geht damit allerdings verloren.

Textbeispiel 5: Lys. 407–419  

.. Textbeispiel 5: Lys. 407–419 Die Frauen haben Lysistrates Plan letztlich gebilligt und ihr EnthaltsamkeitsBündnis mit einem Eid besiegelt (181–237). Anschließend haben sie gemeinsam die Akropolis besetzt und deren Tore verriegelt (240–253). Nachdem sie sich gegen die Vertreibungsversuche der Männer (254–318) erfolgreich zur Wehr setzen konnten (319–351), liefern sich beide Seiten einen heftigen Schlagabtausch mit groben Verbalattacken (352–386). Es tritt ein athenischer Probule auf, der sich als Vertreter der staatlichen Ordnungsmacht einen Überblick über die Situation verschaffen will (387 ff.). Er zeigt für die Klagen der Männer über das anmaßende Verhalten der Frauen nur wenig Verständnis und vertritt die Ansicht, dass die Männer dieses Verhalten geradezu selbst förderten, indem sie sich mit dem schlechten Benehmen der Frauen solidarisierten (ξυμπονηρευώμεθα) und sie zur Aufmüpfigkeit erst animierten (διδάσκωμεν τρυφᾶν) (403–405). 407 408 409 410 411 412 413 414 415 416 417 418 419

Πρ.

οἳ λέγομεν ἐν τῶν δημιουργῶν τοιαδί· „ὦ χρυσοχόε, τὸν ὅρμον ὃν ἐπεσκεύασας, ὀρχουμένης μου τῆς γυναικὸς ἑσπέρας ἡ βάλανος ἐκπέπτωκεν ἐκ τοῦ τρήματος. ἐμοὶ μὲν οὖν ἔστ’ εἰς Σαλαμῖνα πλευστέα· σὺ δ’ ἢν σχολάσῃς, πάσῃ τέχνῃ πρὸς ἑσπέραν ἐλθὼν ἐκείνῃ τὴν βάλανον ἐνάρμοσον.“ ἕτερος δέ τις πρὸς σκυτοτόμον ταδὶ λέγει νεανίαν καὶ πέος ἔχοντ’ οὐ παιδικόν· „ὦ σκυτοτόμε, τῆς μου γυναικὸς τοῦ ποδὸς τὸ δακτυλίδιον πιέζει τὸ ζυγόν, ἅθ’ ἁπαλὸν ὄν· τοῦτ’ οὖν σὺ τῆς μεσημβρίας ἐλθὼν χάλασον, ὅπως ἂν εὐρυτέρως ἔχῃ.“

... Kommentar Der Probule exemplifiziert seine Einschätzung durch zwei Beispiele aus dem Handwerkermilieu (vgl. 407). Im ersten Fall bittet ein Mann einen Goldschmied, die defekte Kette (ὅρμος) (408) seiner Frau zu reparieren, da ihr beim Tanzen (ὀρχουμένης μου τῆς γυναικός) 1095 der ‚Verschluss‘ (βάλανος) aus der ‚Öse‘ (τρῆμα) gefallen sei. Er selbst müsse für eine Weile nach Salamis fahren, der Goldschmied jedoch möge, wenn er

 1095 Der Genitivus absolutus ὀρχουμένης τῆς μου γυναικὸς (‚während meine Frau tanzte‘) (409) – wohl mit obszönem Anklang an ὄρχεις (‚die Hoden‘) – kann der Satzkonstruktion nach auch als Genitivus separativus zu ἐκπέπτωκεν (‚meiner tanzenden Frau ist der Zapfen herausgefallen [aus dem Loch]‘) oder als Genitivus possessivus zu τοῦ τρήματος (‚meiner Frau ist beim Tanzen der Zapfen aus ihrem Loch gefallen‘) aufgefasst werden und ist in beiden Fällen obszön zu verstehen; vgl. Henderson (Ed./K) (1987), 121.

  Deutsche Aristophanes-Übersetzungen im Vergleich Zeit habe, gegen Abend zu der Ehefrau gehen (411), um ihr den Verschluss ‚mit aller Kunst‘ (πάσῃ τέχνῃ) wieder ‚einzupassen‘ (ἐνάρμοσον) (412 f.). Im zweiten Beispiel des Probulen wendet sich ein Mann mit seinem Anliegen an einen Flickschuster (414), der in einem Nachsatz als ‚junger Mann mit einem gar nicht knabenhaften Penis‘ (νεανίαν καὶ πέος ἔχοντ’ οὐ παιδικόν) (415) beschrieben wird: Den ‚kleinen Zeh‘ (δακτυλίδιον) seiner Frau drücke der ‚Riemen‘ (ζυγόν) (417), weil er so zart sei. Der Schuster möge daher um die Mittagszeit vorbeikommen und ‚diesen‘ (τοῦτο) etwas ‚lockern‘ (χάλασον), ‚damit er sich weite‘ (ὅπως ἂν εὐρυτέρως ἔχῃ) (419). Beide Beispiele sind durch ihren analogen Aufbau formal nahezu identisch: so findet sich Anruf des Handwerkers ὦ χρυσοχόε (408) bzw. ὦ σκυτοτόμε (416) jeweils am Versanfang; die Einführung der Ehefrau erfolgt in beiden Fällen durch die Genitivwendung τῆς μου γυναικός (409 u. 416); in beiden Fällen wird – in nahezu wortgleicher Konstruktion – die Bitte um einen Besuch zu einer bestimmten Tageszeit ausgesprochen: σὺ δ’ [...] πρὸς ἑσπέραν ἐλθών (412 f.) bzw. σὺ τῆς μεσημβρίας ἐλθών (418 f.); die Aufforderung, tätig zu werden, wird durch den Imperativ Aorist ausgedrückt: ἐνάρμοσον (413) bzw. χάλασον (419). Aristophanes verwendet in beiden Beispielen Begriffe aus der Handwerkersprache, die jeweils für sich genommen als unanstößig gelten können (βάλανος, τρῆμα, ἐναρμόζειν, δακτυλίδιον, χαλᾶν etc.). Durch ihre Zusammenstellung und den situativen Kontext werden sie jedoch mit obszöner Doppeldeutigkeit aufgeladen. Die Entfaltung der Doppeldeutigkeit vollzieht sich allerdings in mehreren Etappen und läuft dabei der soeben konstatierten formalen Analogie zuwider. Das erste Beispiel ist – zumindest auf der Sprachebene – noch recht unauffällig. Wir finden im Text keinen primär obszönen Ausdruck. Lediglich die geschilderte Situation weist einige Merkwürdigkeiten auf: Der Ehemann sucht den Goldschmied in seiner Werkstatt auf, hat den zu reparierenden Schmuck aber nicht dabei; stattdessen bittet er ihn, seine Ehefrau zu Hause aufzusuchen, und zwar während seiner dienstlich bedingten Abwesenheit; der Besuch des Handwerkers soll zudem nicht zur üblichen Geschäftszeit stattfinden, sondern in dessen Freizeit (ἢν σχολάσῃς), vorzugsweise in den Abendstunden (πρὸς ἑσπέραν). Ob in Anbetracht dieser situativen Konstellation die grundsätzlich neutralen Begriffe βάλανος, τρῆμα, ἐκπίπτειν und ἐναρμόζειν auch obszön umgedeutet werden können (etwa im Sinne von: meiner Frau ist der ‚Zapfen‘ aus dem ‚Loch‘ gefallen; passe ihn ihr mit aller Kunstfertigkeit wieder ein) hängt an dieser Stelle wohl vor allem von der Aufmerksamkeit und vom Assoziationsvermögen des Zuschauers oder Lesers der Komödie ab. Die eigentliche Wendung zum obszönen Verständnis der Passage findet jedoch erst in Vers 415 statt, der dem zweiten Beispiel unmittelbar vorangestellt ist. Anders als zuvor der Goldschmied erhält der Schuster hier eine Charakterisierung, die ganz unzweideutig auf dessen sexuelle Potenz hinweist: νεανίαν καὶ πέος ἔχοντ’ οὐ παιδικόν. Durch diesen Einschub erhält letztlich das gesamte Anliegen des Ehemanns einen obszönen Beiklang, zumal auch hier die Situation recht sonderbar

Textbeispiel 5: Lys. 407–419  

anmutet: Wiederum erscheint ein Ehemann in der Werkstatt eines Handwerkers, ohne den reparaturbedürftigen Gegenstand dabei zu haben; auch er bittet den Handwerker um einen Hausbesuch bei seiner Frau zu einer Tageszeit, zu der er selbst für gewöhnlich nicht zu Hause sein dürfte (τῆς μεσημβρίας). Der vorangeschickte Hinweis auf die Größe des πέος evoziert nun fast zwangsläufig eine ins Obszöne gewendete, metaphorische Lesart der Passage, nach der sich nicht mehr der Schuhriemen der Ehefrau als zu eng für ihren kleinen Zeh erweist (μου τῆς γυναικὸς τοῦ ποδὸς / τὸ δακτυλίδιον πιέζει τὸ ζυγόν; 416 f.), sondern ihre Vagina (τὸ ζυγόν) als zu eng für den Penis ihres Mannes (δακτυλίδιον). 1096 Aufgabe des Schusters nun soll es sein, diesem Übel abzuhelfen, indem er die zu enge Öffnung – offenbar unter Zuhilfenahme seines πέος – weiter macht (χάλασον, ὅπως ἂν εὐρυτέρως ἔχῃ). ... a) b) c) d) e)

Einzelbetrachtungen ἡ βάλανος ἐκπέπτωκεν ἐκ τοῦ τρήματος (410) πάσῃ τέχνῃ [...] ἐκείνῃ τὴν βάλανον ἐνάρμοσον (412 f.) [σκυτότομον ...] νεανίαν καὶ πέος ἔχοντ’ οὐ παιδικόν (414 f.) τὁ δακτυλίδιον πιέζει τὸ ζυγὸν (417) τοῦτ[ο ...] χάλασον, ὅπως ἂν εὐρυτέρως ἔχῃ. (418 f.)

 1096 Henderson (Ed./K) (1987), 122 und Sommerstein (Ed./Ü) (1990), 175 weisen darauf hin, dass Aristophanes hier möglicherweise auch mit den wortidentischen Diminutiva von δάκτυλος = ‚Zeh‘ (δακτυλίδιον mit kurzem ι) und δακτύλιος = ‚Ring‘ (δακτυλίδιον mit langem ι) spielt, indem er δακτυλίδιον metrisch so in den Vers einbaut, dass das ι in eine lange Silbe fällt; der ‚kleine Ring‘, auf den hiermit angespielt wird, kann im Griechischen auch für den Anus stehen; vgl. Chantraine (2009), 239. In diesem Fall wäre das Demonstrativpronomen τοῦτο (413), mit dem das zu lockernde (χάλασον) bzw. zu weitende (ὅπως ἂν εὐρυτέρως ἔχῃ) Objekt bezeichnet wird, sowohl auf δακτυλίδιον (‚Anus‘) als auch auf ζυγόν (‚Schuhriemen‘) zu beziehen. Zum Verständnis von Vers 417 trüge diese Variante meines Erachtens aber nichts bei.

  Deutsche Aristophanes-Übersetzungen im Vergleich ... Ausgewählte Übersetzungen .... Übersetzungsbeispiel 1: August Christian Borheck (1806) Der Probule:

[...] Wir sprechen in den Künstlerbuden so: O lieber Goldschmied, aus dem Halsband, das Du meiner Frau verfertigt, ist ihr gestern Beim Abendtanz die Eichel ausgefallen Aus ihrem Loch; und ich muss izt Nach Salamis sogleich zu Schiffe gehn, Komm also doch, wenns irgend möglich ist, Am Abend, ihr mit aller Kunst Die Eichel wieder in das Loch zu drücken. Ein andrer sagt wol so zum jungen Schuster, Der einen Leist hat, welcher nicht zu klein ist: Die kleine Zeh am Fusse meiner Frau Wird von dem Schuh gedrückt, weil sie Noch zart ist, komm also nach Mittag her, Und zieh ihn auf den Leist, dass er sich weite! 1097 ist ihr [...] die Eichel

Die Übersetzung bleibt sehr nahe am originalen Wortlaut.

ἐκπέπτωκεν

ausgefallen [a]us

Das Wort Eichel zur Bezeichnung eines Kettenverschlusses

ἐκ τοῦ τρήματος

ihrem Loch

[βάλανος] ist im Deutschen zwar ungebräuchlich, die Bedeutung

a) ἡ βάλανος

()

lässt sich jedoch aus dem Kontext leicht erschließen. Die Wiedergabe von βάλανος mit Eichel trifft zudem eine weitere Grundbedeutung des griechischen Wortes (Eichel als Baumfrucht) und besitzt im Dt. eine eindeutig obszöne Nebenbedeutung (Eichel = Penis 1098). Das Wort Loch wird hier im Deutschen ebenso doppeldeutig eingesetzt wie das griechische τρῆμα (1. Öffnung; . obszön für Vagina). Das weibliche Personalpronomen (der Frau ist die Eichel ausgefallen aus ‚ihrem‘ Loch) lässt sich sowohl auf die ‚Eichel‘ als auch auf die ‚Frau‘ beziehen; damit wird auch hier die Doppeldeutigkeit des Originals bewahrt.

b) πάσῃ τέχνῃ [...]

[...] ihr mit aller Kunst Ebenso wie das griechische βάλανος wird auch im Dt. das Wort

ἐκείνῃ

[d]ie Eichel wieder in

Eichel wiederholt. Die Wiederholung von Loch hat dagegen im

τὴν βάλανον

das Loch zu drücken

Original keine Entsprechung.

ἐνάρμοσον

Die Einfügung des bei Aristoph. nicht vorhandenen Repetitions-

( f.)

adverbs wieder bewirkt eine stärkere Fokussierung auf den unanstößigen Aspekt der Ketten-re-paratur.

 1097 Zitiert nach Borheck (Ü), Lysistrata (1806), 28 f. 1098 Vgl. o. 3.4.4.3.4 Anm. 1086.

Textbeispiel 5: Lys. 407–419  

c) [σκυτότομον ...] νεανίαν καὶ πέος

zum jungen Schuster, Das primär obszöne πέος wird im Dt. durch eine dem aktuellen [d]er einen Leist hat,

Sujet (Schusterwerkstatt) angepasste Metapher (Leist) ersetzt; der

ἔχοντ’ οὐ παιδικόν welcher nicht zu klein Doppelsinn v. Leist lässt sich aber insbes. durch dessen Charakteist

risierung als nicht zu klein gut erschließen. 1099

d) τὁ δακτυλίδιον

Die kleine Zeh am

Da im Dt. kein äquivalentes Wortspiel mit den Diminutiva von ‚Zeh‘

πιέζει τὸ ζυγὸν

Fusse meiner Frau

und ‚Ring‘ (δακτυλίδιον) möglich ist, wählt Borheck eine sujetnahe

()

[w]ird von dem Schuh neutrale Übers., die hier noch keine obsz. Anklänge aufweist;

( f.)

gedrückt

durch die Wiedergabe von ζυγόν (417) mit Schuh statt ‚Riemen‘ wird jedoch bereits auf das folgende hingeführt [s. u. zu e)].

Und zieh ihn auf den

Die Doppeldeutigkeit, die sich aus dem Wortspiel mit δακτυλίδιον

χάλασον, ὅπως ἂν

Leist, dass er sich

und dem unklaren Bezug von τοῦτο ergibt, wird in der Übers. durch

εὐρυτέρως ἔχῃ.

weite!

eine Werkzeugmetapher hergestellt, die ein vergleichbares obsz.

e) τοῦτ[ο ...]

( f.)

Bild impliziert (‚den Schuh über den Leist ziehen‘). 1100 Bes. deutlich wird die sexuelle Ansp. durch das Wiederaufgreifen v. Leist, das bereits als metaphor. Ersatz für πέος eingeführt wurde [s. o. zu c)].

Die Stelle ist unkommentiert.  1099 Zum Begriff ‚Leist‘ bzw. ‚Leisten‘ vgl. Brockhaus Enzyklopädie Online, „Leisten“: „Leisten, bei der Schuhherstellung als Maßstab, bei der Reparatur als Gegenhalter benutzte Fußnachbildung aus Holz, Kunststoff oder Metall.“ [Onlinefassung] URL: https://brockhaus-1de-100883dec0757.erf. sbb.spk-berlin.de/ecs/enzy/article/leisten (zuletzt gesehen: 17.09.2019). Vgl. auch – mit vergleichbarem Beispiel aus der dt. Literatur – Deutsches Wörterbuch von Wilhelm und Jacob Grimm, Bd. 12 (zuerst 1885), Sp. 720, ‚Leist, m.‘: „4) leist, die fuszform des schusters: calopodium leist, laist Dief. 91b; [...] o ja, antwortet der meister (dem manne den der schuh drückt), nur heraus mit dem schuh, so will ich ihn ein wenig über den leist spannen und dem übel bald abgeholfen haben! der patient folgte mehr als gern, und der schuh wurde abgezogen, genetzt und ein laist hinein gezwängt. Simpl. 3, 403 Kurz; [...].“ [Onlinefassung] URL: http://www.woerterbuchnetz.de/DWB?lemma=leist (zuletzt gesehen: 17.09.2019). 1100 Hierbei – wie auch bei den folgenden Übersetzungsbeispielen – ist allerdings zu beachten, dass die Vorstellungen von ‚Schuh‘ im antiken Griechenland (eher geschnürte Sandale) und in Deutschland (eher festes Lederschuhwerk) grundsätzlich voneinander abweichen. Daraus erklären sich auch die unterschiedlichen genannten Werkzeuge und Bearbeitungsmethoden im Originaltext und in der Übers. Während im griechischen Text die Riemen der drückenden Sandale lediglich gelockert werden sollen, erfolgt in der Übers. mit dem Aufspannen des Schuhs auf einen hölzernen ‚Leist(en)‘ (vgl. o. 3.4.5.3.1 Anm. 1099) – der hier zugleich als Werkzeugmetapher den primär obszönen Begriff πέος ersetzt – eine Angleichung an die Vorstellungs- und Begriffswelt des zielsprachlichen Publikums. Vgl. Hurschmann, „Sandale“ (DNP): „(πέδιλον, σανδάλον, -ιον; lat. sandalion, solea, alle meist im Pl.). Die S. (eine Sohle, die durch Riemen am Fuß befestigt wird und bis zum Knöchel oder nur wenig darüber reicht) war sicherlich die am häufigsten getragene, in unterschiedlichen Varianten gefertigte ant. Fußbekleidung. Griech. S. wurden mit dünnen Riemen bis zu den Knöcheln geschnürt [...]; erst in der röm. Kaiserzeit tauchten die bandartigen Lederriemen auf, die sich über dem Fuß kreuzten oder schräg zusammenliefen. [...] S. wurden von Frauen wie Männern getragen. S. wurden aus Leder, Holz, Kork und anderen leichten Materialien hergestellt [...].“ [Online-Fassung] URL: https://referenceworks-1brillonline-1com-10073a4if07d4.erf.sbb.spk-berlin.de/ entries/der-neue-pauly/sandale-e1100700?s.num=0&s.q=sandale (zuletzt gesehen: 17.09.2019).

  Deutsche Aristophanes-Übersetzungen im Vergleich .... Übersetzungsbeispiel 2: Johann Gustav Droysen (1838) GÜ Probulos:

[...] Wir gehn ja selbst zum Meister Goldschmidt, sagen ihm: „Mein lieber Goldschmidt, an dem Schmuck, den du gemacht, Hat gestern Abend meinem Weibchen unversehns Beim Tanz der Bummel aus der Fassung sich gelöst; Nun hab’ ich heut gen Salamis zu fahren vor; Drum, wenn du Zeit hast, komm, wenn Feierabend ist, Und thu’ den Bummel meiner Frau gehörig ein.“ Ein andrer wieder redet so den Schuster an, Den jungen Schuster, orthgewandt und flickgeschickt: „Mein lieber Schuster, auf dem einen Fuße drückt Die Sandale meine Frau da vorn am kleinen Zeh’, Der gar zu zart ist; komm in der Mittagsstunde doch Mit deinem Pfriem und mach’s ihr etwas weiter vorn!“ 1101

a) ἡ βάλανος

[h]at [...] meinem

Für βάλανος wird hier ein ungewöhnliches, quasi-dialektales 1102

ἐκπέπτωκεν

Weibchen unversehns Wort (Bummel) eingeführt, das dem Leser oder Hörer ein relativ

ἐκ τοῦ

[...] der Bummel aus

freies Assoziieren ermöglicht. Die Klangähnlichkeit mit ‚Bommel‘

τρήματος (410)

der Fassung sich

und ‚baumeln‘ evoziert dabei die Vorstellung von etwas Herab-

gelöst

hängendem. 1103 Dass sich das Wort hier auf einen Schmuckgegenstand bezieht, wird aus dem Kontext deutlich (‚Goldschmidt‘, ‚Schmuck‘, ‚Fassung‘); dass darüber hinaus noch auf etwas anderes angespielt werden soll, zeigt sich darin, dass gerade kein gebräuchliches Wort aus diesem Bereich gewählt wurde. Die Formulierung meinem Weibchen [hat] unversehens der Bummel aus der Fassung sich gelöst lässt, ähnlich wie der Genitivus absolutus im Griechischen, die Zuordnung von Fassung (τρῆμα) etwas unklar erscheinen: der Bummel hat sich entweder aus ‚seiner‘ (eigenen) oder auch aus ‚ihrer‘ (sc. der Frau) Fassung gelöst. Die obszöne Doppeldeutigkeit kommt somit auch in der Übersetzung deutlich heraus.

thu’ den Bummel

Bummel wird hier in Entsprechung zu βάλανος, wiederholt.

[...] ἐκείνῃ

meiner Frau gehörig

Das griechische Demonstrativpronomen ἐκείνη wird in der

τὴν βάλανον

ein

Übers. (meiner Frau) aufgelöst; obwohl das entsprechende

b) πάσῃ τέχνῃ

ἐνάρμοσον (412 f.)

deutsche Personalpronomen ‚ihr‘ (Dat. Sg. f.) auch einen zwischen ‚Frau‘ und ‚Fassung‘ changierenden Bezug erlaubt hätte,

 1101 Zitiert nach Droysen (Ü), Des Aristophanes Werke. Dritter Theil (1838), 166. 1102 Vgl. dazu auch Kitzbichler (2014), 128 f. 1103 Vgl. Deutsches Wörterbuch von Wilhelm und Jacob Grimm, Bd. 2 (zuerst 1860), Sp. 515, zu: ‚Bummel, m. f.‘: „quod pendens huc illuc fertus, die im ring bummelnde eichel, ohrbummel, franz. pendant, gr. βάλανος“. Im Anschluss wird die Stelle aus Droysens Übersetzung zitiert. Ferner wird auf das niederländische „bommel“ verwiesen; [Online-Fassung] URL: http://www.woerterbuchnetz. de/DWB?lemma=bummel (zuletzt gesehen: 17.09.2019); vgl. auch Kitzbichler (2014), 129 Anm. 75.

Textbeispiel 5: Lys. 407–419  

wird dieser hier bewusst ausgeschlossen. Das Adverb gehörig (für πάσῃ τέχνῃ) verleiht dem Ausdruck ‚wie es sich gehört‘ noch einen besonderen Nachdruck. 1104 In der Formulierung ‚der Frau den Bummel gehörig eintun‘ schwingt eine gewisse Aggression mit, 1105 die – sehr viel eindeutiger als das Original – auf den obszönen Aspekt der Aussage hinweist. c) [σκυτότομον ...]

Den jungen Schuster, Das primär obszöne πέος wird in der Übersetzung vermieden;

νεανίαν καὶ

orthgewandt und

der junge Schuster wird stattdessen durch zwei dreisilbige

πέος ἔχοντ’ οὐ

flickgeschickt

Phantasieattribute (orthgewandt; flickgeschickt) charakterisiert,

παιδικόν (414 f.)

die dem Leser der Übersetzung durch ihren ungewöhnlichen Klang –ähnlich wie das Wort ‚Bummel‘ – die Möglichkeit zum freien Assoziieren geben. [auf dem einen Fuße]

Das Wortspiel mit den unterschiedlichen Silbenlängen von

πιέζει τὸ ζυγὸν

drückt [d]ie Sandale

δακτυλίδιον kann im Deutschen nicht nachvollzogen werden. Die

()

meine Frau da vorn

Ergänzung der Angabe da vorn (→ F) bereitet aber die folgende

am kleinen Zeh’

Doppeldeutigkeit bereits vor (vgl. u. zu  f.).

d) τὁ δακτυλίδιον

komm [...] doch [m]it

Das Spiel mit den unklaren Bezügen von τοῦτο wird in der Über-

ὅπως ἂν εὐρυτέρως

deinem Pfriem und

setzung nicht nachgebildet. Stattdessen führt Droysen – ähnlich

ἔχῃ. (418 f.)

mach’s ihr etwas

wie Borheck (s. o.) – einen Begriff aus dem Schusterhandwerk

weiter vorn!

(Pfriem 1106) ein, der im Deutschen auch in obszöner Bedeutung

e) τοῦτ[ο ...] χάλασον,

(=Penis) verwendet werden kann 1107.

 1104 Vgl. Deutsches Wörterbuch von Wilhelm und Jacob Grimm, Bd. 5 (zuerst 1897), Sp. 2526–2530, ‚gehörig‘: „gehörig, adj. zu gehören, gehör, [...] 5) zu gehören (13) zukommen, gebüren, geziemen. [...] c) aber auch, eben wie ziemlich, für ziemlich grosz, sehr u. ä.: [...] das ist im leben viel gebraucht, meist mit einem besondern ton, z. b. die suppe ist gehörig gesalzen, eigentlich: wie sichs gehört, mit einem eignen nachdruck gesprochen aber: sie ist zu sehr gesalzen, auch gehörig versalzen, stark. sehr. entstanden ist diese steigerung oder übertreibung des begriffes (wie bei ordentlich, ziemlich u. ähnl.) in fällen wie etwa bei einer schadhaften mauer, die gehörig gestützt werden musz, wobei man denn mehr thut als eben im eigentlichen sinne gehörig, zweckentsprechend ist, oder wenn man eine ungebür gehörig straft. [...].“ [Online-Fassung] URL: http://www.woerterbuchnetz.de/DWB?lemma=gehoerig (zuletzt gesehen: 17.09.2019). 1105 Vgl. etwa die deutschen Wendungen „eine gehörige Tracht Prügel“, „jemandem gehörig die Meinung sagen“. 1106 Der Begriff ‚Pfriem‘ wird synonym zu ‚Ahle‘ verwendet. Vgl. hierzu Brockhaus Enzyklopädie Online, „Ahle“: „Ahle, Pfriem, Werkzeug zum Löchervorstechen (und -aufweiten) in Leder u. a. Werkstoffe; Schuhmacher verwenden meist krumme, Sattler gerade Ahlen, zum Teil mit Öhr zum Fadendurchziehen; [...].“ [Online-Fassung] URL: https://brockhaus-1de-100883djo062d.erf.sbb. spk-berlin.de/ecs/enzy/article/ahle (zuletzt gesehen: 17.09.2019). Zum Aussehen und zur Beschaffenheit dieses Werkzeugs vgl. auch Deutsches Wörterbuch von Wilhelm und Jacob Grimm, Bd. 13 (zuerst 1889), Sp. 1793 f., ‚Pfriem‘: „pfriem, pfriemen, m., pfrieme, f. an einem hefte befestigte eisenspitze zum bohren, [...]. 1) im eigentlichen sinne. a) im singular. α) der pfriem, pfriemen (vergl. pfriemer, pfriend): der pfriemen, ein spitzig instrument von stahl gemacht, mit einem hölzernen handgriff. HÜBNER naturlex. 1404; [...]. [Online-Fassung] URL: http://www.woerterbuchnetz.de/ DWB?lemma=pfriem (zuletzt gesehen: 17.09.2019).

  Deutsche Aristophanes-Übersetzungen im Vergleich

Die Aufforderung an den Schuster mach’s ihr etwas weiter vorn! nimmt die Ergänzung zu V.  (‚da vorn [am kleinen Zeh]‘) wieder auf (s. o.). Dadurch erhält die Übersetzung auch an dieser Stelle einen Doppelsinn, der sich einerseits auf den handwerklichen Aspekt der fiktiven Rede bezieht, andererseits auf das – nach üblicher Redeweise – ‚vorn‘ befindliche weibliche Genital.

Die Stelle ist unkommentiert.

 1107 Dies wird nicht nur durch seine äußere Form nahegelegt, sondern das Deutsche Wörterbuch der Brüder Grimm (vgl. o. 3.4.5.3.2 Anm. 1106) vermerkt explizit, dass ‚Pfriem‘ in der Jägersprache auch „das männliche glied des hundes“ bezeichnen kann (dort belegt durch: BEHLEN 5, 176).

Textbeispiel 5: Lys. 407–419  

.... Übersetzungsbeispiel 3: Wolfgang Schöner (1989) GÜ Probule:

[…] Denn zu den Handwerkern sagen wir: „Oh Goldschmied, bei dem Halsband, das du gemacht hast, da ist, wie meine Frau tanzte des Abends, das Riegelchen aus dem Schloß gefallen. Ich zwar muß fortsegeln nach Salamis. Du aber, wenn du Zeit hast, komm unbedingt am Abend und paß ihr den Riegel ein!“ Und ein anderer sagt zu einem Schuster, der jung ist und einen Phallos hat nicht wie ein Knabe: „Oh Schuster, der Riemen drückt meiner Frau am Fuß die kleine Zehe, weil sie so zart ist. Also komm zu Mittag und mach den harten weich, damit der Druck nachläßt!“ 1108 [...] da ist [...]das

Zur Wiedergabe von βάλανος wird die Diminutivform von ‚Riegel‘

ἐκπέπτωκεν

Riegelchen aus dem

verwendet; ein obszöner Nebensinn wird durch diese Verniedlichung

ἐκ τοῦ

Schloß gefallen

ebensowenig suggeriert wie durch die Übersetzung von τρῆμα mit

a) ἡ βάλανος

τρήματος

‚Schloß‘ 1109 (geht es im Griechischen doch gerade um eine ‚Öffnung‘).

()

Auch die Konstruktion des Satzes insgesamt weist keine schwankenden Bezüge auf, die auf obszöne Doppeldeutigkeit schließen lassen.

b) πάσῃ τέχνῃ [...] ἐκείνῃ

paß ihr den Riegel

In der Wiederholung wird der Diminutiv (Riegelchen) durch das

ein

reguläre Substantiv Riegel ersetzt, das im Deutschen auch obszöne

τὴν βάλανον

Bedeutung haben kann (=Penis 1110). Da jedoch zuvor kein deutliches

ἐνάρμοσον

Signal für ein obszönes Wortspiel gegeben wurde (s. o. zu ) und

( f.)

die Übersetzung sich hier sehr nah an den (recht neutralen) Wortlaut des Originals hält (‚den Riegel einpassen‘), bleibt der Doppelsinn auch an dieser Stelle nahezu unbemerkt. zu einem Schuster,

Der Übersetzer gibt den Wortlaut des Originals recht genau wieder.

νεανίαν καὶ

der jung ist und

Anstelle eines primär obszönen Begriffs für πέος wählt er jedoch das

πέος ἔχοντ’

einen Phallos hat

gehobene und [insbesondere in der Kunstbetrachtung] eingebürgerte

οὐ παιδικόν

nicht wie ein Knabe

griechische Lehnwort Phallos.

c) [σκυτότομον ...]

( f.)

 1108 Zitiert nach Schöner (Ü), Aristophanes. Die elf erhaltenen Komödien (1989), 298. 1109 Zu berücksichtigen sind hier allerdings die zeitlich bedingten unterschiedlichen Vorstellungen von ‚Schloss‘: In der griechischen Antike verstand man hierunter in der Regel einen in eine Öffnung geschobenen Riegel, in der Neuzeit eher ein mit einem genau angepassten Schlüssel zu bedienendes Tür- oder Vorhängeschloss. Zu dem im 5. Jh. v. Chr. aufkommenden sogenannten Balanos-Schloss, „das an Toren, Haus- und Zimmertüren (Aristoph. Thesm. 421–423) angebracht wurde“ vgl. Hurschmann, „Schloß, Schlüssel“ (DNP): „Der Schl[üssel] mit ein oder mehreren Zinken (γόμφιος/gómphios) hebt die in den Riegel sperrend eingreifenden Klötzchen (βάλανοι/bálanoi; lat. pessuli; „Eicheln“) hoch, schiebt sie zur Seite und löst so den Verschluß des Riegels.“ Der βάλανος entspricht in dieser Konstruktion gerade nicht dem Riegel, sondern ist Bestandteil des Schlosses und kann aus diesem auch nicht herausfallen. 1110 Vgl. Bornemann (1974), Bd. 1, s. v. ‚Riegel‘.

  Deutsche Aristophanes-Übersetzungen im Vergleich

der Riemen drückt

Das Wortspiel mit δακτυλίδιον kann im Deutschen nicht wiedergege-

πιέζει τὸ ζυγὸν

meiner Frau am Fuß

ben werden, findet aber in Schöners Übersetzung auch keinen adä-

()

die kleine Zehe

quaten Ersatz. Allenfalls die Übersetzung von ζυγόν mit Riemen (im

d) τὁ δακτυλίδιον

Deutschen auch obszön für ‚Penis‘ 1111) kann einen Anhaltspunkt für Doppeldeutigkeit bieten. mach den harten

Erst an dieser Stelle wird auch in der Übersetzung ein obszöner

χάλασον,

weich, damit der

Doppelsinn deutlich. Das Pronomen τοῦτο wird durch eine attributive

ὅπως ἂν

Druck nachläßt!

Umschreibung zu ‚Riemen‘ ersetzt (den harten); χάλασον wird zwar

e) τοῦτ[ο ...]

εὐρυτέρως

adäquat mit ‚weich machen‘ wiedergegeben, aber ebenso wie die

ἔχῃ. (418 f.)

Wendung ὅπως ἂν εὐρυτέρως ἔχῃ – beides bezieht sich im Original auf das zu weitende δακτυλίδιον (langes ι; Dim. zu ‚Ring‘=Anus; s. o. ... Anm.  – im Deutschen dem Bezugswort (‚Riemen‘=Penis) angepasst: dieser soll weich, d. h. ‚schlaff‘ gemacht werden, damit der Druck nachlasse. Damit ist zwar auch in der Übersetzung ein Doppelsinn erkennbar, die Funktion der beiden Beispiele im Original wird jedoch außer Acht gelassen (s. o. ...).

Die Stelle ist unkommentiert.

 1111 Vgl. Bornemann (1974), Bd. 1, s. v. ‚Riemen‘.

Textbeispiel 5: Lys. 407–419  

.... Restliche Übersetzungen In Wilhelm von Humboldts Übertragung der ersten 251 Verse ist diese Passage nicht mehr enthalten. Drei der übrigen Übersetzer (Voß, Seeger, Minckwitz) entscheiden sich – ebenso wie Borheck – für eine wörtliche Wiedergabe von a) βάλανος mit Eichel, während Holzberg hier – semantisch fast gleichwertig – Zapfen wählt. Auch b) τρῆμα wird insgesamt dreimal in Entsprechung zu Borheck mit Loch wiedergegeben (Seeger, Minckwitz, Holzberg). Die im Original angelegte Doppeldeutigkeit beider Wörter (Verschlussteil eines Schmuckstücks bzw. männliches / weibliches Genital) bleibt damit weitgehend gewahrt. Dagegen geben Schadewaldts Übersetzung von βάλανος mit Klunker und das von Voß und Schadewaldt gewählte Wort Einfassung für τρῆμα den obszönen Nebensinn der beiden griechischen Begriffe nur unzureichend wieder. Bei dem eindeutigen Hinweis auf das πέος des jungen Schusters c) gehen die genannten Übersetzer recht unterschiedlich vor. Eher umschreibend-verallgemeinernd übersetzt Voß: dem strozt von Jugend jeder Nerv, nicht kindisch mehr. Seeger und Minckwitz ersetzen, ebenso wie Borheck, primär obszönes πέος durch eine – in ihrer obszönen Doppeldeutigkeit aber leicht erschließbare – Werkzeugmetapher: der [...] den größten Leist besitzt (Seeger) bzw. eines tüchtigen Pfriems Besitzer (Minckwitz). Bei Schadewaldt und Holzberg schließlich ist von einem jungen Kerl die Rede, der in dem einen Fall abschwächend-verallgemeinernd mit einem mordsmäßigen Ding ausgestattet ist (Schadewaldt), in dem anderen Fall – dem Original semantisch am nächsten kommend – mit einem Schwanz, der aber keineswegs minderjährig ist (Holzberg). Der sich anschließende obszöne Scherz über den drückenden Schuh d) und e) wird von Voß, Minckwitz und Holzberg mit der Vorstellung einer antiken Sandale verbunden, deren Geriem (Voß), Riemenglied (Minckwitz) bzw. Riemen (Holzberg) das kleine Zehlein der Frau drücke (Voß; die anderen ähnlich) und der durch den Schuster deshalb gelöst, weiter gemacht oder gelockert werden solle. Bei Seeger und Schadewaldt herrscht dagegen – in Analogie zu Droysen – das Bild eines modernen Lederschuhs vor, der (grad da) vorn (beide Übersetzer) gewaltig drücke (Seeger) bzw. zu eng sei (Schadewaldt) und deshalb über den Leist(en) gezogen werden müsse (beide). Die obszöne Pointe wird – in der jeweiligen Ausgestaltung der aufeinander folgenden Aussagen und Kombination der einzelnen Begriffe – bei allen genannten Übersetzern deutlich. Anmerkungen zur Stelle finden sich nur bei Voß und Seeger. Beide weisen hier allein durch Hervorhebungen im Schriftbild auf das obszöne Potenzial der Passage hin. Voß bezieht sich hierbei auf die ungewöhnlichen Tageszeiten, zu denen der Ehemann die Handwerker einbestellt: Der Goldschmied soll zu Abend kommen, der Schuster zu Mittag. Nach der Mahlzeit war die allgemeine Schlummerstunde bei Göttern und Menschen: Vög. 81. Äschyl. Ag. 556. 1112 Seegers Kommentar erläutert den Scherz mit den zu engen Schuhen: Was die „Schuhe“ betrifft, die der Schuster erweitern soll, so ist zunächst gemeint der über den Zehen liegende Riemen oder das schmale Oberleder, „Joch“ genannt, das zu eng ist. 1113

 1112 Voß (Ü), Aristofanes (1821), Bd. 2, 265, Anm. zu Lys. 419.

  Deutsche Aristophanes-Übersetzungen im Vergleich ... Ausgewählte Bearbeitung .... Bearbeitungsbeispiel 1: Erich Fried (1985) Rathsherr:

Wir gehn für sie zum Goldschmied, und wir sagen ihm: „Erinnerst du dich noch ans Halsband meiner Frau? Du selber hasts gemacht. – Nun, gestern fiel beim Tanz Die Schließe ab. – Und ich muß heut nach Salamis ... Drum wenn du irgendwie heut kannst, so komm vorbei und setz ihr kunstgerecht den Zapfen wieder ein!“ Was sagt ihr jetzt dazu? Ein zweiter Dummkopf geht Zum Schuster, (der schon so ein geiles Mannsbild ist Mit seinem Werkzeug, das so groß ist und zu schwer Als daß ein Junge es ihm halten könnt) – und sagt: „Hör, lieber Schuster: Meine arme Frau, die drückt Der Schuh ganz schlimm, dort vorne wo. Sie ist Recht zart; Drum sei so lieb und geh zu Mittag hin. Und mach ihrs weiter, wo’ s ihr jetzt so eng ist.“ 1114 [gestern] fiel [beim

βάλανος wird durch das im Deutschen unverdächtige Wort Schließe

ἐκπέπτωκεν

Tanz] [d]ie Schließe

wiedergegeben; τρῆμα bleibt unübersetzt. Auch das Wort ‚abfallen‘

ἐκ τοῦ τρήματος

ab

impliziert keinerlei obszöne Nebengedanken.

a) ἡ βάλανος

() setz ihr kunstgerecht

In inkonsequenter Weise wird βάλανος in der Wiederholung durch

[...] ἐκείνῃ

den Zapfen wieder

ein anderes deutsches Wort (Zapfen) wiedergegeben, das aller-

τὴν βάλανον

ein!

dings mehr Potenzial zur Doppeldeutigkeit besitzt (auch obszön für

b) πάσῃ τέχνῃ

ἐνάρμοσον

‚Penis‘ 1115 ).

( f.)

Die Satzkonstruktion (setz ihr den Zapfen wieder ein) lässt ebenfalls obszönes Verständnis zu. [z]um Schuster, (der

Auffällig ist hier die Ausdehnung der vergleichsweise knappen

νεανίαν καὶ

schon so ein geiles

griechischen Formulierung in der deutschen Bearbeitung.

πέος ἔχοντ’ οὐ

Mannsbild ist [m]it

νεανίας bleibt unübersetzt bzw. findet sich in dem Ausdruck schon

παιδικόν (414 f.)

seinem Werkzeug,

so ein geiles Mannsbild.

das so groß ist und

Die Wendung πέος ἔχοντ’ οὐ παιδικόν wird dann geradezu aus-

zu schwer [a]ls daß

schweifend kommentiert: Fried will hier offenbar sein Verständnis

ein Junge es ihm

des Originals an dieser Stelle dokumentieren, nach dem – wie sich

halten könnt)

aus seiner Wiedergabe erschließen lässt – παιδικόν nicht ‚knaben-

c) [σκυτότομον ...]

 1113 Seeger (Ü), Aristophanes, Bd. 3 (1848), 97 Anm. 45. In der Neuauflage von Newiger/Rau (1976) wurde der Wortlaut des Übersetzungstextes an dieser Stelle weitgehend beibehalten. Eine Anmerkung zur Stelle fehlt jedoch. Vgl. Seeger (Ü)/Newiger/Rau (Hgg.), Antike Komödien. Aristophanes (1968/1976), 379 f. 1114 Zitiert nach Fried (B), Lysistrata (1985), 46. 1115 Vgl. Bornemann (1974), Bd. 1, s. v. ‚Zapfen‘.

Textbeispiel 5: Lys. 407–419  

haft‘ bedeute, sondern im Sinne von ‚mit Knaben verkehrend‘ zu verstehen sei. Das obszöne πέος wird nicht wörtlich wiedergegeben, sondern durch einen metaphorischen Begriff aus dem Handwerksbereich ersetzt (Werkzeug). [sc. meine Frau]

Auf das doppeldeutige Wortspiel mit δακτυλίδιον muss im Deut-

πιέζει τὸ ζυγὸν

drückt [d]er Schuh

schen verzichtet werden. Die Ergänzung der Angabe dort vorne wo

()

ganz schlimm, dort

= ‚irgendwo dort vorne‘ (→ D) bereitet aber die folgende Doppel-

vorne wo

deutigkeit bereits vor (vgl. u. zu  f.).

d) τὁ δακτυλίδιον

mach ihrs weiter,

Das Spiel mit den unklaren Bezügen von τοῦτο wird in der Überset-

χάλασον,

wo’s ihr jetzt so eng

zung nicht nachgebildet. Stattdessen wird auf das zuvor ergänzte

ὅπως ἂν

ist

dort vorne wo (s. o. zu ) zurückgegriffen. Dort nämlich, wo’s ihr

e) τοῦτ[ο ...]

εὐρυτέρως

jetzt so eng ist [umschreibende Anspielung auf die Vagina], soll der

ἔχῃ. (418 f.)

Schuster tätig werden und ‚es ihr weiter machen‘. Trotz starker Abweichung vom Wortlaut bleibt die ursprüngliche Funktion des Beispiels (s. o.) erhalten.

.... Zur Bearbeitung von Walter Jens (1986) Die beiden Handwerkerepisoden kommen in Jens’ Bearbeitung nicht vor. An ihre Stelle tritt ein sehr allgemeines, in unzusammenhängenden Phrasen vorgetragenes Lamento des ‚Offiziers‘ (dem Aristophanischen Probulen) über den Dilettantismus und den Unverstand der Männer, das schließlich in die nüchterne Feststellung mündet: Kein Wunder, daß die Frauen immer dreister werden Und am Ende glauben, / Sie bestimmten jetzt die Politik, / Nicht wir. 1116 Die obszönen Doppeldeutigkeiten der hier betrachteten Aristophanes-Passage finden somit bei Jens keine Entsprechung.

 1116 Zitiert nach Jens (B), Die Friedensfrau (1986), 37 f.

4 Auswertung der Arbeitsergebnisse 4.1 Ergebnisse des Übersetzungsvergleichs Das Erkenntnisinteresse der vorliegenden Untersuchung richtete sich, wie bereits dargelegt, insbesondere auch auf den Aspekt der durch Übersetzung oder Bearbeitung bewirkten Transformation der Alten Komödie. Konkret ging es also darum, am Beispiel des gattungskonstituierenden Elementes des Obszönen zu verdeutlichen, inwiefern der übersetzerische Umgang mit bestimmten Parametern eines antiken Ausgangstextes den Blick etwa auf die literarische Gattung, auf den Autor oder letztlich auch auf ‚die‘ griechische Antike insgesamt beeinflusst: ‚Welcher Aristophanes kommt in einer bestimmten Übersetzung zum Vorschein?‘ Im Folgenden werden die diesbezüglichen Ergebnisse noch einmal zusammenfassend dargestellt.

4.1.1 Wilhelm von Humboldt Wie aus Humboldts Äußerungen deutlich wurde, betrachtete er den Komiker Aristophanes neben dem Epiker Homer, dem Tragiker Sophokles und dem Chorlyriker Pindar als einen der vier bedeutendsten Dichter der griechischen Antike, die für ihn zugleich die eigentlichen „Quellen und Muster des griechischen Geistes“ darstellten (s. o.). Insbesondere die Bekanntschaft mit den Werken des Aristophanes und dessen vielfältigem Sprach-, Formen- und Stilrepertoire eröffnete Humboldt, nach eigener Aussage, eine neue Perspektive auf die griechische Kultur insgesamt, deren literarische Äußerungen neben erhabener Dichtersprache und ausgefeilter Diktion durchaus auch vulgäre Komik enthalten konnten, ohne dass hierdurch, wie Humboldt zunächst befürchtet hatte, seine „idealische Vorstellung“ von der griechischen Literatur beeinträchtigt worden wäre. Um auch seinen engsten Freunden – vor allem den ebenfalls an antiken Stoffen interessierten, aber der griechischen Sprache nur teilweise mächtigen Dichtern Goethe und Schiller – diesen Variationsreichtum der griechischen Literatur am Beispiel des Aristophanes unverstellt vor Augen zu führen und sie, seinem Übersetzungsverständnis zufolge, in die „Manier“ und den „Geist“ des Dichters „einzuweihen“, wählte Humboldt mit der Lysistrate und den Ekklesiazusen zwei Komödien aus, die – nicht zuletzt wegen ihres obszönen Inhaltes – bis zu diesem Zeitpunkt noch nicht ins Deutsche übertragen worden waren. Auch die hieraus von Humboldt – erstmals semantisch adäquat – übersetzten Auszüge zeichnen sich durch eine hohe Dichte an obszönen Scherzen aus. Diese sowohl selektive als auch übersetzerische Fokussierung auf das Element des Obszönen, das als charakteristisches Merkmal der Gattung aufgefasst wird, ist – an der Grenze vom 18. zum 19. Jahrhundert – nicht nur als äußerst innovativ zu bewerten, sondern belegt zugleich auch eine deutliche Distanzierung von der zeitgenössischen

https://doi.org/10.1515/9783110625196-005

Ergebnisse des Übersetzungsvergleichs | 459

Übersetzungstheorie und -praxis, die jenen Bereich, wie gesehen, in der Regel weitgehend auszublenden pflegte. Gleichwohl konnte eine derartige Überschreitung gesellschaftlicher und sprachlicher Konventionen in jener Zeit offenbar nur im geschützten Raum des engsten Freundeskreises stattfinden.

4.1.2 August Christian Borheck Ähnlich wie für Humboldt nimmt Aristophanes auch für Borheck im Kanon der griechischen Dichter einen der ersten Ränge – unmittelbar neben den drei großen Tragikern Aischylos, Sophokles und Euripides – ein. Zudem vertritt Borheck, wie auch schon Wieland, die Auffassung, dass die Komödien des von ihm als „Nazionaldichter“ bezeichneten Aristophanes nicht allein der Belustigung der Athener gedient hätten, sondern darüber hinaus auch politisch ambitioniert gewesen seien. Da sich in ihren Handlungen und Motiven zahlreiche zeitgeschichtliche Parallelen zur politischen Situation der eigenen Gegenwart erkennen ließen, erscheint Borheck die Gattung geradezu als musterhaft für eine neu zu begründende „nazionale“ Komödientradition, die vergleichbare, an Ereignisse der deutschen Geschichte geknüpfte Stoffe auf ähnliche Weise in deutscher Sprache verarbeite. Übersetzungen sollen dabei offenbar als vermittelnde Instanzen fungieren, um potenziellen Nachahmern Anschauungsmaterial an die Hand zu geben. Einer der im Hinblick auf ihre Aktualitätsbezüge herausragenden, aber bis dato noch nicht in deutscher Übersetzung erschienenen Komödien, der Lysistrate, will Borheck sich selbst annehmen, nicht ohne zu betonen, dass das Stück – vor allem wegen seiner zahlreichen Obszönitäten – als „eines der am schweresten zu übertragenden Theaterstücke aus dem ganzen Alterthum“1 gelte. Der hiermit verbundenen Herausforderung will Borheck sich nunmehr als Erster stellen, doch schwebt ihm dabei nach eigenem Bekunden – und ganz im Gegensatz zu Humboldt – ein Aristophanes vor, der sich den herrschenden gesellschaftlichen Konventionen so weit anpasse, dass er letztlich auch in „feiner Gesellschaft“2 bestehen könne. Mit dieser Zielsetzung bekundet Borheck, dessen Wahl einer bislang unübersetzten Aristophanes-Komödie durchaus innovatives Potenzial besitzt, zugleich auch seine eigene Anpassung an überkommene Übersetzungskonventionen. Von dem durch Johann Heinrich Voß in der Praxis bereits angestoßenen und in der Folgezeit durch Schleiermacher und Humboldt auch theoretisch untermauerten übersetzerischen Paradigmenwechsel hin zu einer stärker sprachmimetisch verfahrenden Übersetzungsweise vollkommen unberührt, präferiert er einen – noch stark an aufklärerischen Prinzipien orientierten – transponierend-modernisierenden Übersetzungs-

|| 1 Vgl. Borheck, [Vorrede zu Aristophanes: Lysistrata] (1806), VII. 2 Vgl. Borheck, [Vorrede zu Aristophanes: Lysistrata] (1806), V.

460 | Auswertung der Arbeitsergebnisse

modus, der nicht zuletzt auch eine rein sinngemäße Wiedergabe anstößiger Stellen gestattet. Somit wird die erste deutsche Übersetzung der Lysistrate schließlich in einer die Obszönitäten teilweise reduzierenden oder metaphorisch substituierenden, keineswegs jedoch eliminierend-entstellenden Form publiziert, die von der zeitgenössischen Kritik allerdings weitgehend ignoriert wird. Borhecks Prophezeiung einer genuin deutschsprachigen Komödientradition im Stile des Aristophanes hingegen sollte sich – wenngleich wohl kaum durch ihn selbst befördert – im Laufe der folgenden Jahrzehnte erfüllen.

4.1.3 Johann Heinrich Voß Der Anstoß zu Voß’ Aristophanes-Übertragung – der ersten deutschsprachigen Gesamtübersetzung des Dichters überhaupt – war eher beiläufig durch die kritische Auseinandersetzung mit und die Konkurrenz zu den Übersetzungen der Wolken (1811) und der Acharner (1812) von Friedrich August Wolf gegeben worden. Dass der Komiker für Voß einen besonderen Rang unter den griechischen und römischen Dichtern eingenommen hätte, ist ebensowenig belegt wie wertende oder interpretierende Stellungnahmen Voß’ zu den Aristophanischen Komödien als solche oder zu deren spezifischer Übersetzungsproblematik. Auch stellt die Übersetzung selbst keinen Höhepunkt in Voß’ Übersetzungstätigkeit dar, sondern reiht sich ein in die umfangreiche Serie der von Voß übersetzten Gesamtwerke antiker Dichter, die mit den Epen Homers ihren Anfang genommen hatte. Sie fällt zeitlich in Voß’ späte Schaffensperiode und wurde innerhalb nur eines Jahres fertiggestellt. Wie in seinem gesamten Übersetzungswerk wandte Voß auch bei Aristophanes die maßgeblich von ihm selbst entwickelte und in der Praxis erprobte Methode des sprachmimetischen Übersetzens an, deren Fokus sich in erster Linie auf die möglichst genaue Nachbildung sowohl der antiken Metren als auch der ursprünglichen Satzstruktur und Wortfolge richtet. Die obszönen Termini und Inhalte, die von Voß offenbar als weniger bewahrenswerte und daher zu vernachlässigende Gattungselemente eingestuft wurden, stellen hierbei erkennbar eine Ausnahme dar. Insbesondere in Bezug auf die Sexualia verfolgt Voß eine konsequente – an die aufklärerische Übersetzungstradition anknüpfende – Strategie des Verharmlosens, die den Aussagegehalt der griechischen Vorlage erheblich verfremdet. Diese widersprüchliche Verfahrensweise, die bei aller Bemühung um Form und Wortlaut der antiken Vorlage eines der Hauptmerkmale der Gattung weitgehend ausblendete, wurde von Seiten der zeitgenössischen Übersetzungskritik ausführlich thematisiert und durchaus unterschiedlich bewertet. Die Diskussion um die übersetzerische Behandlung des Obszönen erscheint dabei weitgehend versachlicht. Moralisierende Argumente, wie sie die Aristophanes-Rezeption des 18. Jahrhunderts dominiert hatten, finden sich kaum noch.

Ergebnisse des Übersetzungsvergleichs | 461

4.1.4 Johann Gustav Droysen Droysens erklärter Absicht, dem deutschen Lesepublikum Übersetzungen griechischer Dramendichtung vorzulegen, die – befreit vom klassizistischen Sprachduktus Voß’scher Prägung – eine „Gesamtansicht des antiken Kunstwerks“ und einen Einblick in die antike Lebenswirklichkeit bieten sollten, kamen die Komödien des Aristophanes sehr entgegen. Ihre Entstehungszeit charakterisierte Droysen als eine Epoche der kriegsbedingten Dekadenz, als deren idealtypischer Vertreter ihm der Dichter Aristophanes galt, dessen Stücke mit ihren teils umgangssprachlich, teils dialektal gefärbten Dialogpassagen sowie mit ihren oft derb-obszönen Anspielungen genügend Anhaltspunkte boten, um auch die alltagsweltliche Seite der – aus Droysens Sicht in der Vergangenheit allzu idealistisch-verklärten – Antike näher zu beleuchten. Sicher nicht zufällig bezeichnete er gerade den Plutos, die seit der Renaissance wegen ihrer Unanstößigkeit und ihres moralischen Anspruchs meistübersetzte Aristophanes-Komödie, als dasjenige Stück des Dichters, das „vielleicht den geringsten Werth“ habe, während die Vögel für ihn Aristophanes’ „ganze wunderherrliche Kunst“ repräsentierten. Die Frauenkomödien wiederum, insbesondere die Lysistrate, stehen auf Droysens Bewertungsskala ebenfalls auf einer niedrigeren Stufe, da in ihnen das Element politisch motivierten Spotts vermehrt durch eher belanglose obszöne Scherze ersetzt worden sei. Auch wenn Droysen sich noch nicht von dem auf Voß zurückgehenden und seit Beginn des 19. Jahrhunderts in Deutschland vorherrschenden Übersetzungsverfahren im ‚Versmaß des Urtextes‘ lösen mag, so zeigt seine Übersetzung doch mit ihrer weniger strikten Beachtung metrischer Quantitäten und Zäsuren, der Einführung von Endreimen, dem sinngemäßen Ersetzen griechischer Idiotismen und Wortspiele durch vergleichbare idiomatische Wendungen des Deutschen sowie der historischen Kontextualisierung durch die Beigabe einleitender und inhaltlich kommentierender Begleittexte eine deutliche Distanzierung von der hauptsächlich auf metrisch-philologische Mimesis ausgerichteten klassizistischen Übersetzungspraxis. Die insgesamt zu konstatierende Inhomogenität der Droysen’schen Aristophanes-Übersetzung, die sich durch ein Nebeneinander von mimetischen und transponierenden Elementen, von metrischer Nachbildung und Endreimen, von Gräzismen und Aktualisierungen auszeichnet, setzt sich auch im Bereich der obscena fort, die bald in überbietend-verstärkender, bald in abschwächend-metaphorisierender Weise übersetzt werden. Dieses von Kitzbichler als bewusste „Doppelstrategie“ identifizierte Übersetzungsverfahren setzte der Historiker Droysen nicht nur dazu ein, potenziellen Lesern, seinem eigenen Anspruch gemäß, eine Vorstellung von der lebendigen Wirkung des antiken Kunstwerks – einschließlich der anstößigen Stellen – zu vermitteln, sondern in ihnen zugleich auch das Bewusstsein für die „histo-

462 | Auswertung der Arbeitsergebnisse

rische Distanz“ zwischen Übersetzung und Ausgangstext, zwischen Gegenwart und Antike zu wecken.3 In den zeitgenössischen (wie auch späteren) Rezensionen und Stellungnahmen zu Droysens Aristophanes wird, im Unterschied zu den Reaktionen auf die 15 Jahre zuvor erschienene Voß-Übersetzung, der Bereich des Obszönen zugunsten metrischer und stilistischer Fragen wieder weitestgehend ausgeblendet.

4.1.5 Ludwig Seeger Für den Dichter und demokratischen Politiker Ludwig Seeger war das Übersetzen der Komödien des Aristophanes ein geradezu programmatischer Akt. Ebenso wie Wieland und Borheck verortete er Aristophanes auf Seiten der attischen Demokraten und wies auf historische Parallelen zwischen den Parteikämpfen des 5. vorchristlichen Jahrhunderts und denjenigen seiner eigenen Zeit – in diesem Fall die Demokratiebewegung des deutschen Vormärz – hin. Im Unterschied zu Wieland erkennt Seeger in den Komödienstoffen jedoch nicht abschreckende Beispiele einer entfesselten Volksherrschaft, sondern verbindet mit ihnen vielmehr – wie Borheck – die Hoffnung, der vorbildliche ‚Patriotismus‘, der in ihnen zum Ausdruck komme, möge schließlich auch das „deutsche Nationalgefühl“ beflügeln. Um eine solche Entwicklung in Gang zu setzen, hält Seeger es für notwendig, alle Bürger, auch diejenigen ohne höhere Schulbildung, mit den Inhalten der Aristophanischen Komödien in verständlicher Sprache und vertrauten poetischen Formen bekannt zu machen. Mit seiner Entscheidung, die antiken Versmaße durch fünfhebige Iamben (im Rückgriff auf Wieland) und die lexikalisch-syntaktischen Eigenheiten des Griechischen durch einen stark an deutscher Umgangssprache und Idiomatik orientierten Sprachduktus zu substituieren, distanziert sich Seeger stärker noch als Droysen von der mimetisch-klassizistischen Übersetzungspraxis Voß’scher Tradition. Der übersetzerische Fokus verschiebt sich damit von den – Seegers Auffassung nach – zufälligen Aspekten des Ausgangstextes (Metrik, Idiomatik, syntaktische Struktur) auf dessen „wesentliche Züge“ (Sinngehalt und Wirkung). Ein wesentliches Charakteristikum, das für die intendierte Wirkung der Aristophanischen Komödie – das Gelächter des Publikums – ausschlaggebend gewesen sei, erkennt Seeger in den obszönen Scherzen. Als relevantes Stilmittel – in den Frauenkomödien sogar als handlungstragendes Element – dürften sie demnach vom Übersetzer nicht beseitigt werden, sondern sollten stets erkennbar bleiben, um auch auf das Zwerchfell des Lesers der Übersetzung ihre unmittelbare Wirkung üben zu können.

|| 3 Vgl. hierzu Kitzbichler (2014), 202. S. auch o. 3.3.2.1.2 (Formale Gestaltung) u. ebd. Anm. 357.

Ergebnisse des Übersetzungsvergleichs | 463

Mit seinem eigenen Übersetzungstext wird Seeger dieser Forderung allerdings nicht ganz gerecht, passt sich hier vielmehr weitgehend den zeitgenössischen Übersetzungskonventionen des metaphorisierenden, paraphrasierenden Abmilderns an. Sein kommentierender Anhang hingegen stellt in seiner Ausführlichkeit – insbesondere hinsichtlich der obscena – ein absolutes Novum dar, wenngleich auch hier des Öfteren auf (unübersetzte) lateinische Zitate älterer Kommentatoren zurückgegriffen wird. Paradoxerweise erhielt Seegers Gesamtübersetzung von späteren Herausgebern oftmals gerade wegen seiner zurückhaltenderen Behandlung des Obszönen den Vorzug vor der – als philologisch zuverlässiger geltenden – Übertragung Droysens, während sein umfassender Kommentar in keine der zahlreichen Neueditionen übernommen, sondern stets durch neue, zumeist wesentlich kürzere und das Obszöne lediglich streifende Anmerkungsapparate ersetzt wurde.

4.1.6 Johannes Minckwitz Eine sämtliche aktuellen politischen Bezüge ausblendende, ja geradezu ignorierende Beschäftigung mit Aristophanes lässt sich – zehn Jahre nach Seegers auf dem Höhepunkt der demokratischen Reformbewegung erschienenen Gesamtübersetzung – bei dem vom Preußischen König Friedrich Wilhelm IV. protegierten Johannes Minckwitz erkennen. Mit seinen in erster Linie auf Form und Lexik, weniger auf Ausdeutung des Sinngehalts bedachten Gesamtübersetzungen griechischer ‚Klassiker‘ (Aischylos, Sophokles, Euripides, Aristophanes) und als letztes Glied einer von ihm selbst konstruierten, hundertjährigen übersetzerischen Traditions- und Legitimationslinie (Klopstock – Voß – Platen – Minckwitz) erweist er sich als idealtypischer Vertreter der restaurativen Epoche, in der nach dem Ende der Märzrevolution von 1848 jegliche Kritik an den herrschenden Verhältnissen und die politische Auseinandersetzung mit demokratischen Ideen unerwünscht war. Seine Aristophanes-Übersetzung, deren erster Band in demselben Jahr (1855) erschien, in dem Minckwitz auf Fürsprache von Gottfried Hermanns konservativem Nachfolger auf dem Leipziger Lehrstuhl für Klassische Philologie, Reinhold Klotz, sein lange ersehntes Habilitationsverfahren zum Abschluss bringen konnte, ist frei von politischen Interpretationsansätzen und knüpft – in neoklassizistischer Manier – wieder an das mimetische Übersetzungsverfahren von Johann Heinrich Voß an. Allerdings erhebt Minckwitz dabei den Anspruch, dieses Verfahren unter Berücksichtigung jüngster Fortschritte auf dem Gebiet deutscher Verskunst (hiermit ist vor allem die Dichtung Platens gemeint) einer umfassenden Revision und Modifikation unterzogen zu haben, die eine stärkere Anpassung des Übersetzungstextes an deutsche Sprachkonventionen ermögliche und damit – so hofft er – auch das zeitgenössische Publikum wieder für formbewahrende Übersetzungen antiker Dichtung begeistern könne.

464 | Auswertung der Arbeitsergebnisse

So weist denn auch Minckwitz’ Übersetzung selbst weitaus weniger lexikalische und grammatikalische Gräzismen auf als die Voß’sche Vorgängerversion, gleichwohl ist auch ihr eine gewisse – der Rücksicht auf die metrische Gestaltung geschuldete – sprachliche Schwerfälligkeit zu eigen. An den Komödien des Aristophanes schätzt Minckwitz – wie schon sein Vorbild Platen – die sprachlich-metrische Komplexität und stilistische Vielfalt, die für den Übersetzer jedoch auch große Herausforderungen darstellten. Zu diesen zählen für ihn insbesondere die Obszönitäten, die er – seiner eigenen Aussage zufolge – zwar als Gelegenheiten verstanden wissen will, seine sprachliche Gewandtheit zu demonstrieren und sich mit dem antiken Dichter in der Eleganz des Ausdrucks zu messen; denen er im Grunde aber doch eher distanziert gegenübersteht. Minckwitz’ eher halbherzigen apologetischen Stellungnahmen zugunsten des Aristophanes, in denen er auf althergebrachte Defensionstopoi zurückgreift, lässt sich sehr deutlich entnehmen, dass er mit seiner Übersetzung zeitgenössische Konventionslinien keineswegs überschreiten will, sondern diese vielmehr ausdrücklich anerkennt, indem er einräumt, dass Aristophanes’ Komödien vieles enthielten, „was uns heutzutage mißfällt“, dass man ihn daher modernen Dichtern „nicht als Vorbild empfehlen“ dürfe – was wohl auch als Distanzierung von den Aristophaniden des Vormärz zu verstehen ist – und dass im Grunde hinsichtlich der Obszönitäten ein „Wetteifer mit dem antiken Muster nicht möglich“ sei. Dementsprechend werden die obszönen Termini weitgehend zurückhaltend und nur selten semantisch adäquat (hier v. a. die Fäkalia) übersetzt. Obszöne Wortspiele und Scherze werden durch eine wortgenaue Wiedergabe eher verschleiert als verdeutlicht und finden auch im Kommentar, der oft auf den recht kargen Anmerkungsapparat von Voß d. J. verweist, selten eine ausführliche Erklärung. Als Neuerung und Charakteristikum der Minckwitz’schen Übersetzung kann allein das Einfügen zahlreicher Handlungsanweisungen angesehen werden, die dazu dienen, obszöne Anspielungen von der verbalen auf die – vom Leser der Übersetzung zu imaginierende – gestische Ebene zu verlagern. Während diese Verlagerungsstrategie, derer sich in jüngerer Zeit auch Walter Jens oder Niklas Holzberg bedienten, von den zeitgenössischen Rezensenten eher negativ aufgenommen und als übertrieben kritisiert wurde, fanden vor allem Minckwitz’ apologetische Bemühungen um Aristophanes ein positives Echo. Gleichwohl konnten seine Übersetzungen nicht den von ihm gewünschten Erfolg erzielen und blieben diesbezüglich weit hinter den – von Minckwitz einst scharf kritisierten – Aristophanes-Übertragungen von Droysen und Seeger zurück. Sein Übersetzungstext wurde nur in einem einzigen Fall für eine Neuausgabe herangezogen. Dabei handelte es sich ausgerechnet um eine limitierte Sonderedition der Lysistrate mit den berühmten obszönen Illustrationen von Aubrey Beardsley.

Ergebnisse des Übersetzungsvergleichs | 465

4.1.7 Wolfgang Schadewaldt Schadewaldt, der das Übersetzen geradezu als „genuine Aufgabe des Philologen“ auffasste, trat im 20. Jahrhundert wie kein anderer Vertreter seines Faches sowohl als einflussreicher Übersetzungstheoretiker wie auch als erfolgreicher Übersetzer antiker, insbesondere griechischer Dichtung hervor. Nicht nur mit seinen berühmten Übertragungen der homerischen Epen, sondern auch mit einer großen Zahl von Tragödien- und Komödienübersetzungen – in Zusammenarbeit mit namhaften Theaterregisseuren seiner Zeit – erprobte er das von ihm entwickelte Konzept des ‚dokumentarischen Übersetzens‘ in der Praxis. Eine wesentliche Neuerung des Schadewaldt’schen Übersetzungskonzepts gegenüber älteren übersetzungstheoretischen Ansätzen bestand in dem bewussten Verzicht auf die exakte Nachbildung der metrischen Gestalt des Originals zugunsten einer möglichst präzisen Wiedergabe des ursprünglichen Sinngehalts. Während Schadewaldt allerdings bei der Übertragung „großer und ernster Dichtung“ – dazu gehörten für ihn vor allem das Epos und die Tragödie – eine strenge Befolgung der drei von ihm aufgestellten Übersetzungsmaximen (Vollständigkeit; Bewahrung der ursprünglichen Bilder und Vorstellungen; Bewahrung der ursprünglichen Reihenfolge dieser Bilder und Vorstellungen) forderte, gestattete er dem Übersetzer von stärker ‚redensartlich‘, d. h. umgangssprachlich geprägten Texten – hier ist auch der Witz der Komödie miteinbezogen – eine modifizierende Abweichung von diesen Regeln, die er selbst als „dokumentarisches Transponieren“ bezeichnete. Diese Modifizierung erlaubt es nicht nur, umgangssprachliche Wendungen und Witze durch entsprechende redensartliche Wendungen der Zielsprache zu ersetzen, sondern darüber hinaus auch, bestimmte zeitbedingte Elemente wie z. B. Beinamen von Göttern oder Anspielungen auf antike Ereignisse oder Personen mit kommentierenden Erläuterungen zu versehen oder sie ggf. sogar ganz zu streichen. Diese modifizierte Variante des ‚dokumentarischen Übersetzens‘ wendet Schadewaldt auch auf die Aristophanische Komödie an, da diese sich – obgleich dem Bereich der „großen und ernsten Dichtung“ zugehörig – durch einen hohen Anteil ‚redensartlicher‘ Wendungen auszeichne. Schadewaldts Übersetzungsprinzipien – einschließlich der angekündigten Modifikationsmaßnahmen – erfahren dabei, wie die Analyse der Lysistrate-Übersetzung ergab, auf den Gesamttext bezogen eine recht konsequente Umsetzung. Eine deutliche Ausnahme hiervon stellt allerdings die Behandlung der Obszönitäten dar. Obgleich Schadewaldt sie in seiner theoretischen Grundlegung als charakteristische Merkmale der Alten Komödie identifiziert, die „dem Ganzen nicht zu missende Akzente“ verliehen und ihre „eigenen künstlerischen Valeurs“ besäßen, so werden sie doch im Übersetzungstext selbst einem – im Vergleich zu anderen Elementen des Originaltextes – unverhältnismäßigen Transponierungsverfahren unterzogen. Dies betrifft nicht nur – wie Schadewaldts eigene Äußerungen erwarten lassen – die „extremsten Fälle“, in denen Konzessionen an zeitgenössische Tabus zugelassen sein sollten, sondern nahezu alle Passa-

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gen, in denen das Original obszöne Termini oder Anspielungen aufweist. Zu den angewandten Transponierungsstrategien gehören dabei Begriffssubstitution, der Einsatz von Metaphern und Paraphrasen, Verharmlosung durch dialektale Verfremdung und Reimverse, Anleihen bei älteren Übersetzern sowie die – im Vergleich zu politischen oder personellen Anspielungen – deutlich geringere Frequenz erläuternder Einschübe. Mit wenigen Ausnahmen – etwa Jürgen Fehlings Leserbrief an den Tagesspiegel – wurde die von Schadewaldt proklamierte Sonderstellung der Alten Komödie im Rahmen seiner ansonsten vergleichsweise kohärenten Übersetzungskonzeption sowie die daraus folgende Modifizierung des ‚dokumentarischen Übersetzens‘ zu einem ‚dokumentarischen Transponieren‘ weder von zeitgenössischen Rezensenten noch von späteren Darstellern seiner Übersetzungstheorie problematisiert und einer kritischen Erörterung unterzogen, obgleich Schadewaldt hier – zumindest hinsichtlich der obscena – deutlich gegen seine eigenen Hauptmaximen verstößt: Die obszönen Begriffe und Anspielungen – als Wesensmerkmale der Alten Komödie von Schadewaldt durchaus erkannt – werden in seiner Übersetzung weder vollständig, noch in ihrer ursprünglichen Bildhaftigkeit oder gar in der genauen Abfolge der Bilder und Vorstellungen wiedergegeben. Dem deutschen Theaterpublikum der 1950er und 1960er Jahre wurde somit – trotz des hohen übersetzungstheoretischen Anspruchs und der philologischen Expertise des Übersetzers – ein in dieser Hinsicht noch stark verfremdeter, wenn nicht gar entstellter Aristophanes präsentiert.

4.1.8 Wolfgang Schöner Den Anstoß zu der einzigen deutschsprachigen Aristophanes-Gesamtübersetzung des 20. Jahrhunderts hatte – dem Übersetzer Wolfgang Schöner zufolge – das Missbehagen über die von Hans-Joachim Newiger und Peter Rau herausgegebene Neuauflage der Seeger’schen Gesamtübertragung gegeben. Am deutlichsten zeigt sich die Distanzierung zu dieser (in ihrer ursprünglichen Fassung) 140 Jahre älteren, in fünfhebigen Iamben abgefassten Vorgängerübersetzung in Schöners Entscheidung für die durchgehende Prosaform. Lediglich die Chorpartien werden von ihm in einer – offenbar von Schadewaldt inspirierten – rhythmisierten Sprache, jedoch ohne Rückbindung an das Originalmetrum wiedergegeben. Schöners Übersetzungsauffassung, soweit dokumentiert oder aus den Übersetzungen erschließbar, zeigt gleichfalls Übereinstimmungen mit den Übersetzungsprinzipien Schadewaldts, insofern als eine möglichst enge Anlehnung an den originalen Wortlaut angestrebt wird, die jedoch in bestimmten Fällen (zeitbedingte Begriffe und Anspielungen, idiomatische Wendungen) zugunsten transponierender Eingriffe des Übersetzers auch aufgegeben werden kann. Im Unterschied zu Schadewaldt, der bei erklärungsbedürftigen Begriffen oder Inhalten hauptsächlich auf das Mittel erläuternder Einschübe zurückgriff, geht

Ergebnisse des Übersetzungsvergleichs | 467

Schöner jedoch wesentlich radikaler vor und entscheidet sich insgesamt weitaus öfter für die vollständige Streichung von Personen- und Ortsnamen oder die Substitution griechischer Idiotismen durch modernisierende deutsche Wendungen und entfernt sich damit deutlich weiter vom Originaltext als jener. Bei der Behandlung der obscena hingegen ergibt sich ein umgekehrtes Bild. Während Schadewaldt hier, wie gesehen, fast ausnahmslos auf verharmlosende Metaphern oder Umschreibungen auswich, gibt Schöner die primär obszönen Termini – seinem ästhetischen Anspruch gemäß, „nicht schäbig oder vulgär“ zu sein – zumeist durch deren hochsprachlich etablierte Eigennamen wieder. Dies stellt, trotz des immer noch vorhandenen semantischen Gefälles, im Gesamtvergleich mit sämtlichen älteren Aristophanes-Übersetzungen ein Novum dar. Teilweise werden obszöne Wortspiele des Ausgangstextes sogar durch doppeldeutige Wendungen des Deutschen, die sich, wie Schöner selbst mitteilt, bisweilen zufällig aus der Übersetzung ergeben hatten („sich auf etwas versteifen“, „besorgen“ etc.), überboten. An anderen Stellen führen freiere Übersetzungsvarianten hingegen auch zur Verunklarung obszöner Anspielungen, die aufgrund des äußerst knappen Anmerkungsapparates auch an anderer Stelle nicht erläutert werden. Da die im Selbstverlag erschienene Übersetzung Schöners bislang nur wenig Verbreitung fand, wurde sie auch von Kritikerseite kaum zur Kenntnis genommen. Nur eine einzige Stellungnahme bezieht sich auf Schöners Behandlung der Obszönitäten. Hier wird der Übersetzung, durch entsprechende Übersetzungszitate und alternativen beispielhaft belegt, wegen ihrer „gschamige[n] Umschreibungen für Sexuelles und Fäkalisches“ das Verfehlen der „richtigen Stilebene“ attestiert. Insgesamt betrachtet tritt den Lesern von Schöners Aristophanes-Übersetzung ebenso wie den Verfassern literarischer oder wissenschaftlicher Texte, die diese Übersetzung bisweilen als deutschsprachige Zitiergrundlage und Alternative zu den Gesamtübersetzungen des 19. Jahrhunderts heranziehen, ein zwar deutlich verjüngter und recht flüssig zu lesender, im philologischen Detail allerdings nicht immer zuverlässiger und hinsichtlich der obscena politisch sehr korrekter Aristophanes entgegen.

4.1.9 Niklas Holzberg Holzbergs Aristophanes-Übersetzungen fügen sich nahtlos ein in das konsequente, seine wissenschaftliche Biographie prägende Engagement gerade für diejenigen Dichter der griechischen und römischen Antike, die, da sie in ihren Werken auch sexuelle Themen behandeln, bis ins 20. Jahrhundert hinein einen eher zweifelhaften Ruf genossen. Nicht zufällig stehen wohl auch in der Reihe der sechs bislang von Holzberg übersetzten Stücke des Aristophanes die als besonders obszön geltenden Frauenkomödien an erster Stelle. Und wie bereits bei Catull, Ovid oder Martial geht Holzbergs übersetzerische Auseinandersetzung mit Autor und Werk auch bei

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Aristophanes einher mit einer monographisch dokumentierten Gesamtinterpretation, die auch eine präzise Verortung und Kontextualisierung des Obszönen umfasst. Anknüpfend an Vorbilder aus dem angelsächsischen Raum – die zwischen 1980 und 2007 erschienenen Aristophanes-Übersetzungen von Alan H. Sommerstein und Jeffrey Henderson – löst Holzberg sich bei seinen Übertragungen fast vollständig von den formalen Charakteristika der antiken Metrik und wählt für seine Übersetzung – mit Ausnahme der rhythmisierend wiedergegebenen Chorpartien – eine betont schlichte Prosasprache, die ausdrücklich ein modernes Lesepublikum ansprechen soll, das mit antiker Literatur gar nicht oder nur wenig vertraut ist. Der Unterschied zu Schadewaldt besteht vor allem darin, dass dessen Übersetzungen sich gerade durch einen vergleichsweise elaborierten Sprachstil, eine auch die Dialogpartien umfassende Rhythmisierung sowie ein transponierendes Umgehen obszöner Begrifflichkeiten auszeichnen, während die Differenz zu Schöners Gesamtübersetzung sowohl an Holzbergs größerer philologischer Genauigkeit als auch an seiner semantisch adäquateren Wiedergabe der von Schöner mit den nomina propria übersetzten Obszönitäten festzumachen ist. Holzbergs AristophanesÜbersetzungen übertreffen sämtliche zuvor erschienenen deutschsprachigen Übersetzungen an drastischer Deutlichkeit. Die hieraus bereits abzulesende klare Distanzierung von klassizistischen Deutungs- und Übersetzungsmustern wird noch deutlicher erkennbar in Holzbergs interpretatorischen Ausführungen, in denen er den Deutungsaspekt einer vorrangig politisch-moralischen Wirkungsabsicht des Autors entschieden zurückweist und stattdessen den rein unterhaltenden Charakter – Belustigung und erotische Stimulation – der Aristophanischen Werke hervorhebt, auf den allein die zahlreichen obszönen Scherze zurückzuführen seien. Nicht nur Holzbergs seit dem Jahr 2004 erschienenen AristophanesÜbersetzungen und seine flankierende Monographie Aristophanes. Sex und Spott und Politik (2010), die nicht zuletzt den Stellenwert und die Funktion des Obszönen in der Aristophanischen Komödie in den Blick nimmt, weisen auf einen gravierenden Wandel der gesellschaftlichen Normen hin, der sich in den letzten Jahrzehnten des 20. Jahrhundert vollzogen hat, sondern, wie bereits dargelegt, auch die mit diesen Publikationen verbundenen Vermarktungskonzepte der Verlage und die thematische Fokussierung der verschiedenen Rezensionsmedien. Während bei nahezu allen zuvor betrachteten Aristophanes-Übersetzungen Aspekte der Metrik, der philologischen Zuverlässigkeit oder der politischen Relevanz im Vordergrund gestanden hatten, der übersetzerische Umgang mit den obscena hingegen kaum einmal Erwähnung fand, so verhält es sich im Hinblick auf Holzbergs Arbeiten gerade umgekehrt: Eine detaillierte kritische Übersetzungsanalyse nach philologischen Gesichtspunkten ist bislang noch nicht erschienen, doch gibt es kaum einen Werbetext oder Rezensionsartikel, der nicht auf Holzbergs unverstellte Wiedergabe der Aristophanischen Obszönitäten abhebt. Die Hauptleistung des Übersetzers wird nicht zuletzt darin erkannt, die Rolle eines Tabubrechers übernommen und dem deutschsprachigen Lesepublikum mit seiner unverblümten Übersetzung des atti-

Ergebnisse des Übersetzungsvergleichs | 469

schen Komikers einen neuen, unerwarteten Blick auf die bei vielen Zeitgenossen als elitär-verstaubtes Bildungsgut geltende ‚antike‘ Literatur eröffnet zu haben.

4.1.10 Erich Fried Erich Frieds Bearbeitung der Lysistrate steht in engem Zusammenhang mit dessen friedenspolitischem Engagement in der Zeit des atomaren Wettrüstens der beiden großen Verteidigungsbündnisse, NATO und Warschauer Pakt, in den 1980er Jahren. Seine politisierende und aktualisierende Deutung der Komödie gründet Fried auf die historische Parallele des folgenreichen Konflikts der beiden von Athen bzw. Sparta angeführten griechischen Bündnissysteme – Attischer Seebund und Peloponnesischer Bund –, vor dessen Hintergrund sich die Handlung des Stückes entfaltet. Um seine pazifistische Deutung der Komödie und sein damit verbundenes friedenspolitisches Anliegen auch dem deutschen Theaterpublikum zu vermitteln, gestattet sich Fried in seiner Lysistrate-Bearbeitung weitaus größere Freiheiten als in seinen zuvor erschienenen, eher als konventionell einzustufenden Übertragungen der Werke Shakespeares: Leichte bis erhebliche Abweichungen vom Ausgangstext finden sich – bei weitgehendem Anschluss an die inhaltliche Grundstruktur – sowohl im Hinblick auf die metrische Gestalt und den Wortlaut als auch hinsichtlich des Handlungsverlaufs und der Personenkonstellationen. Entsprechende Eingriffe dienen dem Bearbeiter in der Regel dazu, seine pazifistische Interpretation durch das gezielte Hervorheben bzw. Zurücktretenlassen bestimmter Aspekte des Originals pointiert zu untermauern: So lässt er die Frauen ihren Friedenseid nicht – wie Aristophanes – auf Wein, sondern auf Muttermilch schwören, um auf diese Weise die Diskrepanz zwischen der als männlich konnotierten Kriegstreiberei und dem auf die Frauen projizierten Friedensengagement zu veranschaulichen. Auf sprachlicher Ebene arbeitet Fried vor allem mit den Mitteln der pointierenden Verknappung und inhaltlichen Verdichtung. Zudem weist sein Text zahlreiche modernisierende Idiotismen (‚Bullen‘) auf, die die Aktualitätsbezüge der antiken Komödie noch verdeutlichen sollen. Die obscena des Ausgangstextes werden von Fried nur mit äußerster Zurückhaltung wiedergegeben, teilweise auch ganz eliminiert. Gleichwohl zeigt sich Fried bei den hierfür ersatzweise eintretenden Umschreibungen und Metaphern äußerst kreativ und variationsfreudig. Floskelhafte Ersatzbegriffe, wie sie in zahlreichen älteren Aristophanes-Übersetzungen zu finden sind (z. B. ‚Mann‘ für πέος) werden vermieden. Wo es seinem friedenspolitischen Anliegen allerdings dienlich erscheint, greift Fried auch zum Mittel der verbalen Überbietung, so etwa in der auch hinsichtlich der Personenkonstellation abgewandelten (Schlüssel-)Szene, in der Lysistrate und Lampito das Bedeutungsspektrum der deutschen Begriffe ‚stehen‘ und ‚hart‘ ausloten. Während Frieds Bühnentext primäre Obszönitäten nahezu gänzlich ausspart –

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möglicherweise auch um die pazifistische Botschaft nicht durch brüskierte Publikumsreaktionen in den Hintergrund treten zu lassen –, wird das Element des Obszönen in der Buchpublikation seiner Lysistrate-Bearbeitung einerseits durch die flankierenden Begleittexte, andererseits durch die Einbandgestaltung und die ausgewählten Illustrationen gleichwohl auf textexterner Ebene präsent gehalten.

4.1.11 Walter Jens Ebenso wie Erich Frieds Bearbeitung der Lysistrate ist auch diejenige von Walter Jens weitgehend den friedenspolitischen Ambitionen des Bearbeiters untergeordnet. Doch nimmt Jens noch weitaus stärkere Eingriffe in Text und Handlungsablauf der Komödie vor. So finden sich – neben der ganz auf die Hauptdarstellerin der Uraufführung zugeschnittene Rollenzeichnung der Lysistrate als ältere, lebenskluge Frau – eine Vielzahl an Streichungen, Kürzungen, motivischen Verschiebungen und aktualisierenden Hinzufügungen, die einen Stellenabgleich mit dem Ausgangstext erheblich erschweren. Des Öfteren arbeitet Jens zudem mit dem Mittel der Illusionsbrechung, indem er Schauspieler aus ihrer Rolle fallen lässt, um bestimmte Situationen aus aktueller Perspektive zu kommentieren oder sich von bestimmten Handlungselementen zu distanzieren. Die Obszönitäten des Ausgangstextes werden, sofern sie nicht von vornherein den umfangreichen Textstreichungen zum Opfer gefallen sind, ähnlich wie bei Fried, mit verbaler Dezenz wiedergegeben. Die eingesetzten Verharmlosungsstrategien sind dabei vielfältig und reichen von elliptischen oder metaphorischen Ausdrücken über pronominale Umschreibungen bis hin zu akkumulierenden Aufzählungen bagatellisierender Ersatzbegriffe. Darüber wird das Element des Obszönen, auch hier eine Parallele zu Fried, häufig auf eine nonverbale Ebene verlagert. Bei Jens betrifft dies in erster Linie Bereiche der dramatischen Aktion wie Gestik, Blickführung und Körpersprache (z. B. Grotesktanz des erektionsgeplagten Kinesias). Eine weitere Verlagerungsstrategie im Umgang mit den komischen Obszönitäten betrifft das Stilmittel der ironischen Illusionsbrechung: Der Akteur – konfrontiert mit dem Aristophanischen Text – fällt scheinbar entrüstet aus seiner Rolle und reflektiert die anstößige Ausdrucksweise auf offener Bühne. Indem er die Verantwortung hierfür dem Dichter oder einer anderen, höheren Instanz (z. B. Zeus) zuweist, kann sich der Akteur vom Komödientext distanzieren und auf diese Weise zugleich möglichen empörten Publikumsreaktionen zuvorkommen. Denn auch Jens ging es offenbar hauptsächlich darum, das antike friedenspolitische Manifest von aktueller Dimension, als das er die Lysistrate verstand, mit größtmöglicher Wirkung zu verbreiten, ohne dessen Adressaten durch einen allzu offensiven Umgang mit obszönem Vokabular zu verprellen und dadurch sein eigentliches Anliegen zu konterkarieren.

Typologie der beobachteten Übersetzungsverfahren | 471

Von Rezensentenseite wird Jens’ Umgang mit den obscena mehrfach thematisiert. Die Auffassungen hierzu sind allerdings gespalten und reichen von der affirmativen Feststellung, Jens habe das Obszöne „mit Geschmack und ohne Prüderie“ ins Deutsche übertragen bis hin zu scharfer Polemik gegen eine durchweg verharmlosende und abgeschmackte Wiedergabe, die nicht mehr in das „Zeitalter der omnipräsenten Pornographie“ passe.

4.2 Typologie der beobachteten Übersetzungsverfahren Die im Rahmen der vorliegenden Untersuchung identifizierten vielfältigen Übertragungsstrategien hinsichtlich der Aristophanischen obscena werden im Folgenden noch einmal nach typologischen Gesichtspunkten zusammengestellt. Unterschieden wird hier zunächst – nach dem Zeitpunkt ihres Einsatzes – zwischen prätranslatorischen, translatorischen und posttranslatorischen Strategien, wobei naturgemäß das größte Verfahrensarsenal den translatorischen Strategien angehört. Innerhalb dieser Gruppe werden die aufgeführten Übersetzungsverfahren, soweit dies möglich war, in ‚aufsteigender‘ Reihenfolge – beginnend mit dem höchsten Verfremdungseffekt (Eliminieren) und endend mit der größtmöglichen Annäherung an den Originalwortlaut (Intensivieren) – präsentiert und durch eine über die Sphäre des eigentlichen Übersetzungstextes hinausreichende Darstellung von kommentierenden bzw. nonverbalen Strategien im Hinblick auf den Umgang mit obszönen Inhalten (Kommentieren, Transferieren) ergänzt.

4.2.1 Prätranslatorische Strategien 1. Selektieren Der Übersetzer trifft bereits im Vorfeld seiner Übersetzungsarbeit eine Auswahl aus der Gesamtheit der überlieferten Komödien und übersetzt lediglich solche Stücke, die bestimmte Kriterien erfüllen. Ein mögliches Kriterium kann z. B. die Häufigkeit des Vorkommens obszöner Wörter und Scherze sein.4 Explizit äußert sich hierzu z. B. Anne Dacier, die Ende des 17. Jahrhunderts den Plutus und die Wolken ins Französische übersetzte: [...] les deux [comédies] que j’ay traduites sont les seules qui puissent être bien mises en nostre langue.5

|| 4 Vgl. auch Wetzel (2002), v. a. 237–241 und 249–252, und Dover (1980), 56 u. 62. 5 Dacier, Préface (1684), [12].

472 | Auswertung der Arbeitsergebnisse

4.2.2 Translatorische Strategien 1. Eliminieren Obszöne Termini oder Inhalte des Originals finden keinen Eingang in die Übersetzung. Das Eliminieren kann dabei auf unterschiedliche Weise erfolgen: a) stillschweigendes Übergehen obszöner Termini oder Inhalte z. B. Nub.193 Στ.

τί δῆθ’ ὁ πρωκτὸς ἐς τὸν οὐρανὸν βλέπει;

Strepsiades : Aber, lieber, was machen die, / So krum gebuckelt sitzen hie. (Fröreisen, Nubes [1613], S. 176)

b) stillschweigendes Auswechseln der obszönen Pointe z. B. Lys. 157 f. Μυ. Λυ.

τὶ δ’ ἢν ἀφίως’ ἅνδρες ἡμᾶς, ὦ μέλε; τὸ τοῦ Φερεκράτους, κύνα δέρειν δεδαρμένην.

Myrrhine:

Was aber ist, wenn sie uns einfach sitzenlassen? Uns verschmähn? Sei unbesorgt. Schlafzimmer sind nicht Klöster, Wo gebetet wird. (Jens, S. 23)

Lysistrate:

z. B. Lys. 954 ff. Κι.

οἴμοι τί πάθω; τίνα βινήσω, τῆς καλλίστης πασῶν ψευσθείς; πῶς ταυτηνὶ παιδοτροφήσω; ποῦ Κυναλώπηξ; μίσθωσόν μοί τινα τίτθην.

Kinesias:

O Zeus! Was für ein Krampf, / Der mir den Rücken krümmt. (versucht zu gehen) (zum Publikum) Ihr seht, ich lieb’ sie immer noch, / Und eines Tags, / Wenn Frieden ist, Dann kehrt sie heim, / Und dann gibt’s keine Kissen, Salben und Matratzen mehr, / Nur du und ich / Und unser Kind. (Jens, S. 65)

Typologie der beobachteten Übersetzungsverfahren | 473

c) angekündigte Auslassung mit Entrüstungsfloskel des Übersetzers Dieses Verfahren findet vor allem Anwendung in den Aristophanes-Übersetzungen des 17. und 18. Jahrhunderts.6 Die Übersetzung einer Passage wird unvermittelt abgebrochen. An ihre Stelle tritt eine entschuldigende Bemerkung des Übersetzers, dass die Stelle wegen der ‚délicatesse de notre langue‘ nicht übersetzbar sei:7 Il y a autrement dans le Grec; dont on a crû devoir s’écarter en cet endroit, pour ne pas tomber dans des grossiéretez, que notre langue ne peut souffrir. (J. Boivin, Les Oiseaux [1729], 218 in Bezug auf Av. 63 ff.) Die folgende Spöttereyen über einzige andere Nichtwürdige sind zu persönlich, als daß sie intereßiren könnten, und die Wahrheit zu sagen zu unartig, als daß sie sich übersetzen ließen! (J. G. Schlosser, Frösche [1783], S. 15 in Bezug auf Ra. 422–430)

d) markierte Auslassung Ein im Ausgangstext enthaltener obszöner Begriff wird in der Übersetzung übergangen und durch Sternchen, Auslassungspunkte oder Gedankenstriche gekennzeichnet: z. B. πρωκτός (Nub. 193) P**x (für ‚Podex‘) (Herwig)

z. B. ὅτι χεζετιᾷς (Ra. 8) [du sagst,] du müßtest sch... (Schlosser)

z. B. βινεῖν βούλομαι (Lys. 934) ich will ja nur – (Droysen, Schadewaldt); Ich muß ... (Jens, S. 63)

z. B. κἀπιθυμοῖεν σπλεκοῦν (Lys. 152) und sie wollen … (Schadewaldt)

z. B. ὥσπερ ἐνεουρηκότας (Lys. 402) so als hätte man sich ... (Schadewaldt)

|| 6 S. hierzu auch o. 2.3.3.3 und 2.3.4.2. 7 Vgl. Dover (1980), 57 ff. u. 67 ff. S. ferner Wetzel (2002), 46.

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2. Substituieren Primär obszöne Begriffe oder Inhalte des Ausgangstextes werden in der Übersetzung durch stellvertretende, zumeist abschwächende Ausdrucksmittel ersetzt: a) Resümee Längere Passagen obszönen Inhalts bleiben unübersetzt und werden stattdessen in Form einer oftmals sehr knappen, die Obszönitäten aussparenden Zusammenfassung dargeboten: z. B. L. Poinsinet de Sivry, Théatre d’Aristophane (1790), Bd. 2, S. 413: Auslassung und (teilweise) resümierende Wiedergabe der Verse Lys. 865–1246, die u. a. die Verführungsszene zwischen Myrrhine und Kinesias, den Dialog eines erektionsgeplagten spartanischen Gesandten mit einem Athener [ohne Resümee] sowie die von obszönen Wortspielen mit geographischen Bezeichnungen durchsetzten Friedensverhandlungen der beiden Kriegsparteien enthalten.8

z. B. C. A. Clodius, Versuche aus der Literatur und Moral, Zweytes Stück (1767) und Drittes Stück (1768): Rein resümierende Darstellungen aller elf Aristophanes-Komödien, wobei obszöne Passagen explizit übergangen werden.9

b) Paraphrase Obszöne Termini oder Inhalte werden durch eine ausweichende Umschreibung ersetzt: z. B. πέος, ψωλή, σάθη ἢν μὴ διδῷ τὴν χεῖρα, τῆς σάθης ἄγε (Lys. 1119) an einem Orte, wo er’s fühlt (Borheck, S. 78) du weißt schon wo (Droysen) an anderen Ecken und Enden (Fried, S. 69) τοῦτο μᾶλλον τοῦ πέους (Lys. 133 f.) lieber das, als den Verlust (Minckwitz) τὸ πέος ἐπιδείξας τοδί (Lys. 1012) mit Hinweis auf den Stand der Dinger hier! (Droysen)

|| 8 Weitere Beispiele s. o. 2.3.3.5 Anm. 197. 9 S. hierzu auch o. 2.3.4.2 Anm. 244.

Typologie der beobachteten Übersetzungsverfahren | 475

νεανίαν καὶ πέος ἔχοντ’ οὐ παιδικόν· (Lys. 415) [Zum Schuster], (der schon so ein geiles Mannsbild ist / Mit seinem Werkzeug, das so groß ist und zu schwer / Als daß ein Junge es ihm halten könnt) – [...] (Fried, S. 46)

z. B. βινεῖν τίνα βινήσω; (Lys. 954) Was tu ich nur? (Fried, S. 64) μὴ βινῶν τοὺς ὄρθρους (Lys. 966) [Wie könnte der Mann abschütteln ein Weh, Das foltert und straff / ausspannt] ein Gesäß [sic]10, Das, ach! kein Frührotstanz labt? (Minckwitz) Wenn morgens das Auge umsonst sich umsieht nach dem, was zu tun wär! (Fried, S. 64)

z. B. κἀπιθυμοῖεν σπλεκοῦν (Lys. 152) [Die Männer] möchten gern (Seeger)

z. B. στύειν, στύεσθαι ἐστύκαμεν (Lys. 1178) sieh unsre Noth! (Droysen) Ἔστυκα γάρ (Lys. 869) Ach ich schlaf’ allein! (Droysen) Denn mir steht’s nach anderem (Schöner, S. 313) ἀλλ’ ὅστις ἔτι στῦσαι δυνατὸς – (Lys. 598) Aber jeder Mann, der noch etwas zustande bringt ... (Schöner, S. 304)

z. B. ἐπιχεσεῖ πατούμενος (Lys. 440) bis du dein eigener Nachttopf wirst! (Schöner, S. 298 f.) [sonst trample ich dir] deine Därme leer (Fried, S. 47)

|| 10 S. auch o. 3.3.2.3.3 Anm. 592.

476 | Auswertung der Arbeitsergebnisse

c) Umdeutung homoerotischer zu heterosexueller Liebe Anspielungen auf homosexuelle Beziehungen werden in der Übersetzung oder im Kommentar durch Umdeutung zu rein freundschaftlichen bzw. heterosexuellen Verhältnissen oder durch die Verwendung geschlechtsneutraler Formulierungen abgemildert.11 z. B. Ch. Mylius, Plutus, S. 464: zu Aristoph. Plut. 149: In einer Anmerkung zu Plut. 149 ff. wird das Wort πρωκτός, mit dem im Original recht eindeutig auf die homosexuelle Praktik analer Penetration angespielt wird, stark verallgemeinernd zum „Gegenstand der venerischen Wollust“ umgedeutet.12

d) Pronominalform Primär obszöne Begriffe des Ausgangstextes werden durch Personal- oder Demonstrativpronomina ersetzt: z. B. τοῦτο μᾶλλον τοῦ πέους (Lys. 133 f.) Denn über den geht nichts, liebe Lysistrata! (Schadewaldt)

z. B. τὸ πέος ἐπιδείξας τοδί (Lys. 1011 f.) [Ich trag’s ihm vor,] und zeig’ ihm, wie Er steht! (Seeger, v. 999)

z. B. ἀλλ’ ἦ τὸ πέος τόδ’ Ἡρακλῆς ξενίζεται (Lys. 928) Zurüstungen für dich, als käm’ Herakles! (Seeger, v. 916) Du wirst bewirtet wie ein Gott. (Jens, S. 63)

Bei Schadewaldt wird an dieser Stelle zudem ein lateinisches Demonstrativpronomen eingefügt, das – in eine Regieanweisung eingebettet – als Goethezitat fungiert (s. o. 3.3.3.1.3 Anm. 684): Kinesias

zu seinem Iste Armer! so saumselig wirst du bedient wie Herakles, Wenn er in den Komödien vor Hunger stirbt! (Schadewaldt)

z. B. βινεῖν βούλομαι (Lys. 934) [Ich will ja keine Decke], ich will dich! (Fried, S. 63)

|| 11 Vgl. hierzu auch Dover (1980), 60 f. und Wetzel (2002), 245, die diese Strategie auch im Zusammenhang mit älteren Platon- und Catull-Übersetzungen beschreiben. 12 S. hierzu auch o. 2.3.4.1.

Typologie der beobachteten Übersetzungsverfahren | 477

z. B. ἀλλ’ ὅστις ἔτι στῦσαι δυνατός (Lys. 598) Aber wenn doch ein Mann noch zum Stehen Ihn bringt (Seeger)

z. B. Ἔστυκα γάρ. (Lys. 869) Ich will sie! (Fried, S. 60)

e) Pluralform Ein im Singular als anstößig empfundener Begriff (z. B. ‚Glied‘ = Penis) wird durch Pluralbildung (‚Glieder‘ = Körperteile) oder Verallgemeinerung (‚jedes Glied‘ = Körperteil) und damit verbundene Bedeutungsverschiebung abgeschwächt: z. B. Lys. 662 f. Χογε.

ποῖος γὰρ ἂν νέφρος ἀντίσχοι, ποία ψυχή, ποῖοι δ’ ὄρχεις, ποία δ’ὀσφῦς, ποῖος δ’ὄρρος κατατεινόμενος

Chor der Männer:

Ach, wie ertragens die Nieren im Leib? Jedes Glied fühlt Ausgesperrt, arbeitslos sich, betrogen und unnütz, [...] (Fried S. 64)

z. B. Lys. 967 Κι.

ὦ Ζεῦ, δεινῶν ἀντισπασμῶν. (967)

Kinesias:

Oh, die furchtbare nutzlose Spannung in all meinen Gliedern. (Fried S. 64)

In Walter Jens’ Lysistrate-Bearbeitung findet sich eine vergleichbare Erscheinung in einer frei hinzugefügten Szene, die auf Motiven aus Lys. 980–1013 (Athener und spartanischer Herold) und Lys. 1076–1105 (athenische und spartanische Gesandte) beruht: (Kinesias tanzt immer verzweifelter, seine Schritte beginnen langsam zu werden) Erste und zweite Frau: Nun mal im Ernst: / Das kommt vom Krieg! Vom Biwakieren im geflickten Zelt / Und vom verfluchten Dienst, Dem Stillgestanden, / Das die Glieder steif sein läßt. (Jens, S. 66)

Auch bei der Übersetzung von πρᾶγμα, das im Griechischen ebenso zweideutig verwendet werden kann wie das deutsche Wort ‚Ding‘, wird durch Pluralbildung (‚Dinge‘ oder ‚Dinger‘) eine gewisse Abmilderung durch Verallgemeinerung erzielt: z. B. τί τὸ πρᾶγμα; πηλίκον τι; (Lys. 23) Was sind’s für Dinge? und wie sehn sie aus? (Borheck)

478 | Auswertung der Arbeitsergebnisse

f) Euphemismus z. B. πέος, ψωλή, σάθη Manneskraft (Lys. 124; Voß) Mannsbrofheit (Lys. 143; Voß) Bettspiel (Lys. 124 u. 134; Borheck S. 10) Ding (Lys. 124, 415, 1012; Schadewaldt) Liebe (Lys. 124; Fried S. 37)

z. B. κύσθος, σάκανδρος, ὕσσαξ Ding (Lys. 1158; Seeger v. 1150) ein Stück [...] Hüfte (Lys. 1158; Schadewaldt)

z. B. βινεῖν, κινεῖν umarmen (Lys. 934, 954; Borheck, Seeger) herzen (Lys. 934; Voß) kosen (Lys. 934; Minckwitz) sich kühlen (Lys. 1179; Seeger, v. 1171) [sich] vergreifen [an] (Lys. 1092; Seeger, v. 1084) βινητιῶμεν (Lys. 715) [...] sie sind zusammen mannstoll! (Borheck, S. 48) wir Frau’n sind männertoll (Seeger, v. 711) Uns Frauen männert (Voß) es männert uns! (Droysen, Schadewaldt) Uns plagt das Männerfieber (Minckwitz) Wir wollen zum Mann (Schöner, S. 309) τίνα βινήσω; (Lys. 954) wo find ich ein Weib? (Seeger, v. 941; Schadewaldt) wen drück’ ich ans Herz? (Minckwitz) κᾶτα τίνα κινήσομεν; (Lys. 1166) Wen können wir dann sonst noch – schikanieren? (Schadewaldt)

z. B. στύειν umarmen (Lys. 214 f.; Borheck) mit Verlangen (Lys. 214; Schadewaldt) weibertoll (Lys. 989; Schöner S. 316)

Typologie der beobachteten Übersetzungsverfahren | 479

ἀλλ’ ὅστις ἔτι στῦσαι δυνατὸς – (Lys. 598) Wer aber Lendenkraft von uns noch hat! (Borheck, S. 42) Aber jeder Mann, der noch etwas zustande bringt ... (Schöner, S. 304)

z. B. ὄλισβον ὀκτωδάκτυλον (Lys. 109) einen Tröster [...] acht Zolle lang (Voß) achtzölliger Tröster (Voß, Seeger) Siebenzöllner (Droysen) die Lederdinger (Fried S. 36)

g) totum-pro-parte-Übersetzung / Synekdoche Es handelt sich um eine von den Übersetzern des Aristophanes sehr häufig eingesetzte Variante der euphemistischen Wiedergabe obszöner Termini, die deshalb hier gesondert aufgeführt wird: In der Übersetzung steht der erweiterte Begriff „der Mann“ oder „die Frau“ stellvertretend für im Original vorkommenden obszönen Bezeichnungen ihrer jeweiligen Sexual- oder Ausscheidungsorgane: z. B. ἀφεκτέα τοίνυν ἐστὶν ἡμῖν τοῦ πέους (Lys. 124) Versagen also müssen wir uns hinfort dem Mann! (Droysen) Der Männer müssen wir uns streng enthalten! (Seeger) Enthalten müssen wir uns des – des Manns (Schadewaldt)

z. B. ἄνευ ψωλᾶς (Lys. 143) des Mannes entbären (Borheck) ohni Chilter (Seeger) ohni Ma (Schadewaldt).

z. B. τὸ πέος τόδ’ (Lys. 928) Kerl (Voß 937)

z. B. Lys. 1157 f.: Λα. Αθ.

οὔπα γυναῖκ’ ὄπωπα χαἱωτέραν. ἐγὼ δὲ κύσθον γ’ οὐδέπω καλλίονα.

Der Gesandte (für sich.) Nie hab’ ich je ein reizenders Geschöpf, Als dieses Weib gesehn! Polycharides (für sich.) O schönstes Weib, Dich möcht ich gleich umarmen! (Borheck, S. 80)

480 | Auswertung der Arbeitsergebnisse

z. B. Lys. 1148: Λακ.

[...] ἀλλ’ ὁ πρωκτὸς ἄφατον ὡς καλός

Der Gesandte (für sich) O unaussprechlich schön ist dieses Weib! (Borheck, S. 79)

h) Metapher z. B. πέος, ψωλή, σάθη Stock (Lys. 1012; Borheck S. 71), Pfahl (Lys. 978; Borheck S. 68) der Pfahl des Mannes (Lys. 979; Seeger v. 966; Schadewaldt) steife Lanze (Lys. 1012; Minckwitz) nackende Lanze (Lys. 979; Minckwitz) Spieß (Lys. 143; 1119; Minckwitz) Schaft (Lys. 978; Voß v. 988; Lys. 1012; Voß v. 1021) Stift (Lys. 124; Minckwitz) Pfriem (Lys. 415; Minckwitz) Prick (Lys. 1119; Voß v. 1127) Leist (Lys. 415; Borheck S. 29; Seeger v. 416) Schweif (Lys. 1119; Seeger v. 1111) Nerv (Lys. 415; Voß v. 416; vgl. auch Voß vv. 599 u. 854),

z. B. κύσθος, σάκανδρος, ὕσσαξ Samtsack (Lys. 824; Minckwitz) Täschchen (Lys. 1195; Minckwitz) Lippen [, die zwei oberen und die zwei unteren] (Lys. 1158; Schöner S. 322) Delta (Lys. 1001; Schöner S. 317)

z. B. ὄλισβον ὀκτωδάκτυλον achtzölliger Pflock (Lys. 109; Minckwitz)

z. B. βινεῖν, κινεῖν μὴ βινῶν τοὺς ὄρθρους (Lys. 966) Nicht werkeln dürfen im Morgengraun! (Schadewaldt) τίνα βινήσω; (Lys. 954) wo ergieß’ ich mich hin [...]? (Droysen)

Typologie der beobachteten Übersetzungsverfahren | 481

κᾶτα τίνα κινήσομεν; (Lys. 1166 f.) Wen denn hudeln wir hinfort? (Voß v. 1174) Wen denn hudeln fernerhin? (Droysen) –[Laßt’s ihnen, Freund!] / –Den prächt’gen Ankerplatz? (Seeger)

z. B. στύειν, στύεσθαι Die Männer werden brünstig (Lys. 152; Seeger) Ihnen wird heiß, den Männern (Lys. 152; Schadewaldt) Den Krampf hab ich. – (Lys. 869; Schadewaldt Die trägt mir noch den Starrkrampf ein! (Lys. 869; Jens S. 58) Den Starrkrampf hat er. (Lys. 989; Jens S. 66) Das Reißen plagt uns! (Lys. 1178; Schadewaldt)

3. Bagatellisieren Primär obszöne Begriffe des Ausgangstextes werden durch – zumeist einfache – stilistische Eingriffe des Übersetzers so verändert, dass sie ihren unmittelbar provokativen Charakter verlieren: a) Diminutivverwendung Ein primär obszöner Begriff oder eine obszöne Metapher des Originals wird in der Übersetzung durch eine verniedlichende Bezeichnung wiedergegeben: z. B. πέος, ψωλή, σάθη ohne a steifs Bibberl! (Lys. 143; Holzberg, S. 12)

z. B. κύσθος, σάκανδρος, ὕσσαξ Lendchen (Lys. 1158; Droysen) Puselchen (Lys. 1157; Voß, v. 1166)

z. B. βάλανος (doppeldeutig) ἡ βάλανος ἐκπέπτωκεν ἐκ τοῦ τρήματος (Lys. 410) [...] da ist [...] das Riegelchen aus dem Schloß gefallen (Schöner, S. 298)

b) Reimübersetzung Ein – zumeist bereits durch andere Übersetzungsstrategien abgeschwächter – obszöner Terminus oder Inhalt wird in ein Reimschema eingebunden. Der komische Reimeffekt – im Rahmen einer ansonsten reimlosen Übersetzung – überlagert hier die Anstößigkeit des Begriffs:

482 | Auswertung der Arbeitsergebnisse

z. B. Fried S. 69 (eigene Hinzufügung) Athener:

Der Morgen regt uns auf, der Abend drückt uns nieder. Das Unglück legt sich uns auf alle Glieder.

z. B. Lys. 133 f. Κα.

[...] κἄν με χρῇ, διὰ τοῦ πυρὸς ἐθέλω βαδίζειν. τοῦτο μᾶλλον τοῦ πέους.

Kalonike:

Ich geh / Durch Feuer dir, nur laß den Theuern mir! (Seeger)13

z. B. Lys. 987 f.: Κι. Κη. Κι. Ratsherr

Herold

Ratsherr

τί δὴ προβάλλει τὴν χλαμύδ’; ἦ βουβωνιᾷς ὑπὸ τῆς ὁδοῦ; Ϝαλεός γα ναὶ τὸν Κάστορα ἄνθρωπος. ἀλλ’ ἔστυκας, ὦ μιαρώτατε. [...] was ziehst du dir Den Mantel vor? Hast du die Gicht14 Dir auf dem Marsch geholt? Da Kchärli isch Verruckt! bim Kchaschtor! (Es reißt ihn.) Nein, das Reißen hast du, armer Wicht! (Schadewaldt)

z. B. Lys. 598 ἀλλ’ ὅστις ἔτι στῦσαι δυνατὸς – (Lys. 598) Allein wenn man noch kann – als Mann ... (Schadewaldt)

c) Dialektübersetzung Die von Aristophanes in einem dem spartanischen Dorisch nachempfundenen Kunstdialekt abgefassten Passagen werden vom Übersetzer in eine deutsche Mundart oder in einen Kunstdialekt übertragen. Bei primär obszönen Begriffen kann dies eine distanzierende Verfremdung bewirken. Die beiden frühesten Lysistrate-Übersetzer, Wilhelm von Humboldt (1795) und August Christian Borheck (1806), übersetzen die Passagen der Lampito und weiterer spartanischer Akteure wie auch alles Übrige ins Hochdeutsche.15

|| 13 Herv. Seeger. 14 S. auch o. 3.3.3.1.3 Anm. 690. 15 Borheck gibt allerdings im Anhang seiner Übersetzung Beispiele für eine niedersächsische Wiedergabe der Dialektpassagen; s. auch o. 3.3.1.2.2 (Dialekt) u. ebd. Anm. 156.

Typologie der beobachteten Übersetzungsverfahren | 483

Nachdem als erster Johann Heinrich Voß (1821) die Dialektpassagen des Originals in einer an das Plattdeutsche angelehnten Kunstsprache wiedergegeben hatte, taten es ihm in der Folgezeit zahlreiche Übersetzer gleich. So wurde der etwas herbe spartanische Zungenschlag Lampitos schließlich auch ins Berndeutsche (Seeger), in angedeutetes Schwäbisch (Minckwitz), ins Schwytzerdütsche (Schadewaldt) und Altbairische (Holzberg) übertragen, oder, wie bei Droysen, der für den von ihm als hart aber dennoch „vornehm und wacker“ empfundenen Charakter des Spartanischen keine Entsprechung unter den deutschen Mundarten fand, in ein selbst konstruiertes Gemisch dialektaler Formen16. Durch den ungewohnten Höreindruck, der häufig auch selbst komische Wirkung entfaltet, wird die Derbheit des obszönen Ausdrucks erheblich abgemildert und tritt auf diese Weise in den Hintergrund: z. B. ἄνευ ψωλᾶς (Lys. 143) ohni Chilter (Seeger) ohne a steifs Bibberl! (Holzberg)

z. B. ἔπειτα τἄλλαι ταὶ [...] / γυναῖκες [...] / ἀπηλάἁν τὼς ἄνδρας ἀπὸ τῶν ὑσσάκων (999 f.) und nacha habn die andern Weiber [...] die Männer ausgsperrt vo ihre Punzn (Holzberg)

z. B. ταὶ γὰρ γυναῖκες οὐδὲ τῶ μύρτω σιγῆν / ἐῶντι [...] (Lys. 1004 f.) Weil die Weiber lassn uns ned ihre Fotzn olanga [...] (Holzberg)

z. B. ἅπαντες ἐστύκαντι· Παλλάνας δὲ δεῖ (Lys. 996) [...] alle Büondnerschaft hat swollen Zumpet; Phikkaleien müoss’n mer hån (Droysen) Ganz Lakedämon stoht gereckt, und die Bündner rings Hen Alle g’steifte Gliede: Nur „Pellene“ hilft (Minckwitz) Des ganze Sparta hat si wia ein Mann erhobn, und die Verbündeten stengan alle stramm in Reih und Gliedern. Mia braucha jetzt Mösien! (Holzberg)

z. B. γυμνάδδομαί γα καὶ ποτὶ πυγὰν ἅλλομαι. (Lys. 82) Ouch üb’ i mi nakicht, und zu dem Oorsch uf hoppt mien Been. (Voß) Drum turn i brav und schlah d’Füß recht a ds Füdle. (Droysen) Mach ich doch alli Tag Gymnaschtikch und üeb de Spagat! (Schadewaldt) I mach halt mei Gymnastik, und wenn i hupf, dann kumm i nauf bis zum Arsch mit meine Fiaß. (Holzberg)

|| 16 S. dazu Droysen (Ü), Des Aristophanes Werke, Bd. 3 (1838), 139 f.

484 | Auswertung der Arbeitsergebnisse

z. B. ἀλλ’ ὁ πρωκτὸς ἄφατον ὡς καλός (Lys. 1148) åber main! wie drall der Stoiß! (Droysen) Was het Die nes prächtigs Füdle! (1140 Seeger) [...] – Aber schier nöt zsäge, / Was dië det e chaibe schöns Füdli hät! (Schadewaldt) Aber ned zum sagn, wia schee der Arsch da is! (Holzberg)

d) Akkumulation Ein obszöner Begriff des Ausgangstextes wird in der Übersetzung auf mehrere bagatellisierende Einzelwörter der Zielsprache verteilt: z. B. ἀφεκτέα τοίνυν ἐστὶν ἡμῖν τοῦ πέους (Lys. 124) Verzichten auf die Liebe. Auf den Mann. Die Lust. Das Bett. (Jens, S. 20)

z. B. ἄνευ ψωλᾶς (Lys. 143) ohne den Petermann, [d]en Lorenz, […] den Schwartenmichel, […], den Käsedolch […], [d]en Lausewenzel eben (Jens, S. 22).

z. B. στύοιντο δ’ ἄνδρες (Lys. 152) Das prickelt, sag’ ich euch, das juckt und brennt (Jens, S. 23)

4. Mystifizieren Der Originaltext, der eine für das griechische Komödienpublikum unmittelbar verständliche obszöne Anspielung (Wortspiele oder Anspielungen auf Namen, Orte und Gegenstände, die zeitgenössisches Allgemeinwissen erfordern) enthält, wird in der Übersetzung wörtlich wiedergegeben, bleibt aber unkommentiert, so dass dem modernen Leser der ursprünglich obszöne Aspekt nahezu verborgen bleibt: z. B. κύνα δέρειν δεδαρμένην (Lys. 158, Pherekrates-Zitat): man muß dem geschundnen Hund die Haut abziehn (Borheck); den geschundnen Hund zu schinden (Minckwitz); schinde den geschundnen Hund (Schadewaldt)

z. B. Σκυτάλα Λακωνικά (Lys. 991, Anspielung auf Erektion des lakonischen Gesandten): Rathsvormann: Herold:

Was ist denn das dir? Das? a lakonischer Riemenstab (Voß, v. 1000)

Typologie der beobachteten Übersetzungsverfahren | 485

5. Transponieren Sprichwortartige Sentenzen oder Wortspiele obszönen Inhalts, die – wörtlich übersetzt – in der Zielsprache schwer verständlich sind, werden, oft zugleich in verschleiernder Absicht, frei interpretierend oder durch verallgemeinernde Wendungen wiedergegeben: z. B. κύνα δέρειν δεδαρμένην (Lys. 158): [d]ann […] hilft man selbst sich wie man kann (Humboldt); [d]ann gießen sie nur selbst Öl ins Feuer (Schöner, S. 288); Dann / Sind wir uns selbst die Nächsten, Schatz! Selbst ist der Mann! (Fried, S. 37)

z. B. ἀλλ’ ὅστις ἔτι στῦσαι δυνατὸς (Lys. 598) Ich kann noch viel: / Bei mir steht’s gut! (Jens, S. 44)

z. B. ὢ παγκατάπυγον θἠμέτερον ἅπαν γένος (Lys. 137) O Fraun! Wie sind wir ohne allen Halt! (Fried, S. 37)

z. B. Lys. 229 ff. Λυ. / Μυ.

οὐ πρὸς τὸν ὄροφον ἀνατενῶ τὰ Περσικά. οὐ στήσομαι λέαιν’ ἐπὶ τυροκνήστιδος.

Lysistrate:

Und keine Kunststücke, Daß ihr’s nur wißt! (Jens, S. 28)

6. Reproduzieren (Fremdanleihe) Der Übersetzer greift bei der Wiedergabe obszöner Termini und Inhalte auf bereits eingeführte Übersetzungslösungen von Vorgängern zurück: z. B. σκύτινον καθειμένον, / ἐρυθρὸν ἐξ ἄκρου, παχύ (Nub. 538 f.) in einem possirlichen und unanständigen Aufzug (Herwig [1772], S. 75) ↑ in einem possirlichen und leichtfertigen Anzuge (Goldhagen [1768], S.122 f.) ↑ des habits deshonnestes & ridicules (Dacier [1684], S. 172)

z. B. σκυτίνη ᾿πικουρία (Lys. 110) [e]in Nothknecht [...], ein lederner (Seeger [1848]) ↑ als lederner Nothknecht (Voß [1821])

486 | Auswertung der Arbeitsergebnisse

einen 15-Zentimeter-Dildo […], der uns ledernen Notdienst leisten könnte (Holzberg [2009]) ↑ […] keinen Achtzölligen, der / Den ledernen Notdienst leisten könnte (Schadewaldt [1958]) ↑ ‘nen Siebenzöllner […], / Der den ledernen Nothdienst allenfalls gewähren könnt’ (Droysen [1838])

z. B. ψωλή (Lys. 979) Pfahl des Mannes (Schadewaldt [1958]) ↑ Pfahl des Mannes (Seeger [1848], v. 966)

z. B. βινητιῶμεν (Lys. 715) es männert uns! (Schadewaldt [1958]) ↑ es männert uns! (Droysen [1838]) ↑ Uns Frauen männert! (Voß [1821], v. 722)

z. B. τίνα βινήσω (Lys. 954) Wo find ich ein Weib […]? (Schadewaldt [1958]) ↑ Wo find ich ein Weib […]? (Seeger [1848])

Anleihen bei älteren Aristophanes-Übersetzern finden sich bisweilen auch in den Anmerkungen. So beruft sich etwa Minckwitz in seiner Gesamtübersetzung (1855– 1864) sehr häufig auf die kommentierenden Ausführungen von Heinrich Voß d. J. (1821): „Poseidon und Kahn, d. i. schwanger werden und gebären. Sie denkt an Sophokles’ ‚Tyro‘, die dem Poseidon zwei Söhne, Nereus und Pelias, gebar und sie in einem Kahn aussetzte. Mit einer Liebesszene mochte das Stück beginnen, mit dem Kahn endigen. Anfang und Ende vom Lied wurden zum Sprichwort.“ Voß17

7. Sublimieren Primär obszöne Begriffe werden durch hochsprachlich etablierte Ausdrücke oder Eigennamen bezeichnet:18

|| 17 Minckwitz, Anm. zu Lys. 139, in: Minckwitz (Ü)/Wessely (Ü), Aristophanes II (Lysistrate) (1855– 1911), 119. 18 Vgl. auch Roberts (2015), 320.

Typologie der beobachteten Übersetzungsverfahren | 487

z. B. πέος, ψωλή, σάθη Glied (Lys. 1119; Schadewaldt) Glied (Lys. 124, 134, 1119; Schöner) Phallos (Lys. 143, 415, 928, 978, 1012; Schöner)

z. B. ὥσπερ ἐνεουρηκότας (Lys. 402) als hätten wir uns naßgemacht! (Fried, S. 46) als hätten wir sie genäßt (Schöner, S. 299)

z. B. ἐπιχεσεῖ πατούμενος. (Lys. 440) daß du den Durchfall kriegst! (Droysen) daß du den Durchfall haben sollst! (Minckwitz)

z. B. πρωκτός, πυγή Steiß (Nub. 193; Schütz, S. 21) Hintern (Nub. 193; Goldhagen) Hinterteil (Lys. 1148; Schöner, S. 322) Hinterbacken (Lys. 82; Schöner, S. 287) Hintern (Lys. 82; Fried, S. 35) Hintern (Lys. 1148; Fried, S. 70) Po (Lys. 82; Fried, S. 17)

z. B. βινεῖν Beischlaf haben (Lys. 966; Droysen) schlafen will ich mit dir, schlafen! (Lys. 934; Schöner, S. 315) Mit wem schlaf ich jetzt [...]? (Lys. 952; Schöner, S. 316) mit niemand zu schlafen? (Lys. 966; Schöner, S. 316)

z. B. στύειν, στύεσθαι mit prallem Glied (Lys. 214; Schöner, S. 290) [...] Phalloi stehen senkrecht in die Höhe und [...] sind prall zum Bersten (Lys.995 f.; Schöner, S. 317)

z. B. ὄλισβον ὀκτωδάκτυλον Lederphallos (Lys. 109; Schöner, S. 287)

488 | Auswertung der Arbeitsergebnisse

8. Imitieren Primär obszöne Begriffe des Ausgangstextes werden durch primär obszöne Begriffe in der Übersetzung wiedergegeben: z. B. πέος (Lys. 124, 134) Schwanz (Humboldt, Holzberg)

z. B. ψωλή (Lys. 143) Eichel (Humboldt, Holzberg)

z. B. κύσθος (Lys. 1058) Fotze (Holzberg)

z. B. ἐνεουρηκότας (Lys. 402) drein gepisst (Borheck) angebrunzt (Voß) bepißt (Droysen) darauf gepißt (Minckwitz) reingepisst (Holzberg)

z. B. ἐπιχεσεῖ πατούμενος. (Lys. 440) gleich bescheißest du dich (Voß) trample ich auf dir herum, bis du scheißen musst! (Holzberg) [...] ich trample auf dir herum, bis daß du kackst (Schadewaldt) Sonst trampel’ ich so lange auf euch rum, / Bis dir die Kacke kommt [...] (Jens, S. 45)

z. B. πρωκτός (Lys. 1148) Arsch (Holzberg)

z. B. παγκατάπυγον (Lys. 137) durch und durch verfickt (Holzberg)

z. B. βινεῖν (Lys. 934, 954, 966) ficken (Holzberg)

z. B. κινεῖν (Lys. 1166) bumsen (Holzberg)

Typologie der beobachteten Übersetzungsverfahren | 489

z. B. σπλεκοῦν (Lys. 152) vögeln (Humboldt)

z. B. στύειν, στύεσθαι Stanzen [haben] (Lys. 976, 1170; Seeger) mit steifem Schwanz (Lys. 214; Holzberg) mir steht er stramm (Lys. 869; Holzberg) du hast ja einen Steifen (Lys. 989; Holzberg)

z. B. κακκᾶν kacken (Nub. 1384; Goldhagen)

z. B. (κατα)χέζειν geschissen (Nub. 174; Schütz) bekackt (Nub. 174; Wieland)

z. B. οὐρεῖν pissen (Nub. 373; Schütz)

z. B. ὄλισβον ὀκτωδάκτυλον ein achtzölliges Godemüchet (Lys.109; Humboldt) einen 15-Zentimeter-Dildo (Lys. 109; Holzberg)

Ein obszönes Wortspiel des Ausgangstextes wird weitestgehend wörtlich übersetzt, ohne dass hierdurch das unmittelbare Verständnis beeinträchtigt wird: z. B. Lys. 937 Μυ. Κι.

ἔπαιρε σαυτόν· ἀλλ’ ἐπῆρται τουτογί.

Myrrhine: Kinesias:

Komm hoch! Nun, der da ist bei mir schon hochgekommen! (Schadewaldt)

Myrrhine: Kinesias:

(kommt mit Decke oder Schafspelz.) So! Steh jetzt auf. Ich steh! (Fried, S. 63)

9. Intensivieren (Ausdrucksverstärkung) Der obszöne Gehalt des Ausgangstextes wird nicht nur durch eine semantisch äquivalente, sondern durch eine das Original überbietende Wendung wiedergegeben:

490 | Auswertung der Arbeitsergebnisse

a) Ersetzen einer metaphorischen oder paraphrasierenden, ggf. auch gänzlich unobszönen Wendung durch einen primär-obszönen Terminus z. B. ποτὶ πυγὰν (Lys. 82)19 an den Arsch (Humboldt) nauf bis zum Arsch (Holzberg)

z. B. οἴκοι δ’ἀταυρώτη διάξω τὸν βίον – (Lys. 217 f.) „Zu Hause will ich ungevögelt bleiben, –“ (Humboldt)

b) Amplifizierender Ausdruck z. B. γυμνάδδομαί γα καὶ ποτὶ πυγὰν ἅλλομαι. (Lys. 82)20 Auch üb’ ich mich nicht träg, und schlag’ im nakten Tanz, des Rhythmus Weisen folgsam, an den Arsch die Ferse. (Humboldt)

z. B. ἀλλ’ ὅστις ἔτι στῦσαι δυνατὸς – (Lys. 598) Doch wem sein Glied sich noch bäumet, noch schäumt – (Droysen)

z. B. Lys. 962 ff. ΧΟΡΟΣ ΓΕΡΟΝΤΩΝ ποῖος γὰρ ἂν νέφρος ἀντίσχοι, ποία ψυχή, ποῖοι δ’ ὄρχεις, ποία δ’ ὀσφῦς, ποῖος δ’ ὄρρος21 κατατεινόμενος καὶ μὴ βινων τοὺς ὄρθρους. Chor der Alten: Weß’ Niere vermag’s und hält das aus, Weß’ männlich Gemüth, weß’ Hoden und Strang, Weß’ Lend und Gemächt, weß’ Ruthe vermag’s, Wenn empor sie sich steift, Und doch nicht Beischlaf Nachts hat!22 (Droysen)

|| 19 Zu πυγή s. auch o. 3.3.1.1.3 Anm. 94. 20 Zur Stelle s. auch u. 3.3.1.2.3 u. ebd. Anm. 160. 21 Vgl. Henderson (1991), 129: „ὄρρος, usually tail or rump [i.e. Schwanz, Schweif, Hinterteil, Hintern; Anm. d. Verf.] is known to have meant phallus (Ammonius Diff. p. 27, cf. Poll. 2.173); that is indeed its meaning at L 964.“ Ebd. Anm. 112: „Cf. also Suda s.v. ταῦρος. In Ruf. Onom. 101 ὄρρος = τράμις.“ 22 Herv. d. Verf.

Typologie der beobachteten Übersetzungsverfahren | 491

c) Freiere, den obszönen Aspekt hervorhebende Wiedergabe z. B. Lys. 227 ff. κακῶς παρέξω κοὐχὶ προσκινήσομαι. (Lys. 227 u. 228) οὐ πρὸς τὸν ὄροφον ἀνατενῶ τὼ Περσικά. (Lys. 229 u. 230) οὐ στήσομαι λέαιν’ ἐπὶ τυροκνήστιδος. (Lys. 231 u. 232) „da liegen, wie ein Klotz, und nicht den Arsch bewegen; –“ „nicht aus dem Bett empor die Schenkel brünstig heben, –“ „noch über ihn mich knieen, auf allen Vieren stehend!“ (Humboldt)

d) Ersetzen unverständlicher Wortspiele und Pointen der Originalsprache durch verständliche Wortspiele der Zielsprache Ein im Ausgangstext vorhandenes obszönes Wortspiel, das bei wörtlicher Übersetzung in die Zielsprache unverständlich würde, wird durch Austauschen der Pointe in ein sinngemäßes, in der Zielsprache unmittelbar verständliches Wortspiel umgewandelt: z. B. κύνα δέρειν δεδαρμένην (Lys. 158) [d]ann rettet uns ein Rettig (Droysen)

z. B. Παιονίδης Κινησίας (Lys. 852) der Beischlafide Kinesias (Droysen) Kinesias aus Fickingen (Holzberg)

z. B. ἅπαντες ἐστύκαντι· Παλλάνας δὲ δεῖ (Lys. 996) […] alle Büondnerschaft hat swollen Zumpet; Phikkaleien müoss’n mer hån. (Droysen) Des ganze Sparta hat si wia ein Mann erhobn, und die Verbündeten stengan alle stramm in Reih und Gliedern. Mia braucha jetzt Mösien! (Holzberg)

e) Einfügen obszöner Wortspiele, die sich bei wörtlichem oder sinngemäßem Übersetzen anbieten und nur in der Zielsprache funktionieren Κα. Λυ.

κᾆτα πῶς οὐχ ἥκομεν; οὐχ οὗτος ὁ τρόπος· ταχὺ γὰρ ἂν ξυνήλθομεν. (Lys. 24 f.)

Kalonike: Lysistrate:

Und wieso kommen wir dann nicht? So ist es nicht gemeint. Wenn es ums Kommen ginge, dann kämen freilich alle schnell. (Schöner, S. 285)

Λυ.

ἔα αὐτά, μηδὲν διαφέρου περὶ σκελοῖν. (Lys. 1172)

Lysistrate:

Laßt doch; versteif dich nicht aufs Becken! (Schöner, S. 322)

492 | Auswertung der Arbeitsergebnisse

Λυ.

„ἢν δὲ διαστῶσιν καὶ ἀνάπτωνται πτερύγεσσιν ἐξ ἱεροῦ ναοῖο χελιδόνες, οὐκέτι δόξει ὄρνεον οὐδ’ ὁτιοῦν καταπυγωνίστερον εἶναι.“ (774 f.)

Lysistrate

„Wenn sich jedoch entzwein und empor mit den Fittichen fliegen aus dem heiligen Tempel die Schwalben, dann heißt es inskünftig, keiner unter den Vögeln sei stärker aufs Vögeln versessen.“ (Holzberg)

Κι.

ἥ τοι γυνὴ φιλεῖ με, δήλη ’στὶν καλῶς. (919)

Kinesias:

Jetzt glaub ich steif und fest, sie liebt mich doch! (Fried, S. 62)

Κι.

ἀπολώλεκέν με κἀπιτέτριθεν ἡ γυνὴ (952)

Kinesias:

Betrogen hat sie mich und stehen lassen. – (Fried, S. 64)

10. Kommentieren Obszöne Anspielungen des Ausgangstextes erfahren – übersetzungsintern oder -extern – eine nähere Erläuterung durch den Übersetzer. Dabei weisen die möglichen Kommentierungsarten und Verweissysteme große Unterschiede auf: Kommentierender Einschub im Übersetzungstext, Fußnotenkommentar, Endnotenkommentar, Beigabe von (weiteren) Begleittexten; vorhandene Verweiszeichen (auf Vers, Seite; durch Zahl, Asterisk, sonstige Zeichen), fehlende Verweiszeichen. a) Integrieren Die Kommentierung einer obszönen Anspielung erfolgt nicht separat, sondern durch erläuternde Zusätze in der Übersetzung selbst: z. B. ὄλισβον ὀκτωδάκτυλον (wörtl: ‚acht Finger breit‘) (Lys. 109) einen 15-Zentimeter-Dildo (Holzberg)

z. B. οὐ στήσομαι λέαιν’ ἐπὶ τυροκνήστιδος. (Lys. 231 u. 232) „noch über ihn mich knieen, auf allen Vieren stehend!“ (Humboldt)

b) Präzisieren Ein im Original dargestellter obszöner Sachverhalt, der durch wörtliche oder abmildernde Übersetzung nicht unmittelbar verständlich oder erkennbar ist, wird durch kommentierende Anmerkungen des Übersetzers genauer erläutert. Diese Kommentierungspraxis wird vor allem in philologischen bzw. mimetischen Übersetzungen angewandt, in denen das unmittelbare Verständnis von tagespolitischen, personellen, poetologischen oder auch obszönen Anspielungen durch die angestrebte möglichst wörtliche Wiedergabe des Originals bisweilen stark eingeschränkt ist.

Typologie der beobachteten Übersetzungsverfahren | 493

Als Beispiel können hier die Anmerkungen zum Pherekrates-Zitat (Lys. 158) dienen, dessen metaphorische Anspielung auf künstliche Phalloi aus Hundeleder (κύνα δέρειν δεδαρμένην) dem modernen Leser in einer wörtlichen Übersetzung in der Regel unverständlich bleibt.23 Bei Humboldt, der den Inhalt des Zitats nur sinngemäß wiedergibt (s. o. 3.3.1.1.3), und Borheck bleibt die Passage noch unkommentiert. Heinrich Voß d. J. jedoch merkt in einer Fußnote an: Einen geschundenen Hund schinden, so viel als, in doppelter Noth sizen. In dem Sinne sprach es der Komiker Ferekrates. Hund aber bedeutet zugleich den ledernen Nothknecht (110), der wahrscheinlich aus Hundsleder war.24

Damit verweist er einerseits auf den vermutlich nicht obszönen Ursprungskontext des Zitats bei Pherekrates und erläutert andererseits die durch Aristophanes vorgenommene Umdeutung, die von einer auch sexuell konnotierten Lesart des Wortes ‚Hund‘ im Sinne von ‚Lederphallos‘ ausgeht. Als Beleg für diese obszöne Lesart wird Lys. 110 angeführt, wo explizit von in Milet gefertigten Lederphalloi die Rede ist.25 Der an dieser Stelle sehr frei übersetzende Johann Gustav Droysen (Dann rettet ihn ein Rettig) informiert seine Leser lediglich darüber, dass Pherekrates „einer der vorzüglichsten Komiker der Zeit“ gewesen sei, lässt sie aber über den originalen Wortlaut des Zitats im Unklaren. Der wörtlich übersetzende Ludwig Seeger greift in seiner Anmerkung zur Stelle die Kommentare von Voß d. J. und Hieronymus Müller auf. Er stellt allerdings die von Müller angezweifelte Beziehung auf Lys. 110 außer Frage und geht mit einem Verweis auf die kulturhistorisch-etymologischen Untersuchungen von Julius Rosenbaum26 und eine Belegstelle bei Plautus mit seiner Texterklärung sehr viel weiter als seine Vorgänger: „Schinde den geschundenen Hund“ ein Witz aus einem schon für den Schol. verlornen Lustspiel des alten Komikers Pherekrates, der sprüchwörtlich geworden war. Voß erklärt: in doppelter Noth sitzen. Hier. Müller: Misglücktes versuchen, bis es glückt! Die Beziehung auf den ebenerwähnten hundsledernen Nothknecht ist klar und schon von Schol. hervorgehoben. cf. v. 109 f. Rosenbaum S. 251 findet darin das gegenseitige cunnilingere, weil das cunnum lambere Sitte der Hunde sei, und vergleicht Plaut. Trinumm. II 4, 27: mutuum mecum facit.27

Seegers ausführlicher Anmerkungsteil wurde, wie bereits dargelegt, von sämtlichen späteren Herausgebern entweder erheblich gekürzt (Scheffer, J. Werner, Seel, Newiger/Rau) oder ganz fortgelassen (Fischer/Schmid). So heißt es zur selben Stelle in || 23 Zur Stelle s. auch o. 3.3.1.1.3 und 3.4.4. 24 Aristofanes von Johann Heinrich Voss mit erläuternden Anmerkungen von Heinrich Voss, Bd. 2, Braunschweig 1821, 245. 25 S. o. 3.4.2. 26 Rosenbaum (1839); s. auch o. 3.3.2.2.3 (Exkurs) u. ebd. Anm. 502. 27 Seeger (Ü), Aristophanes, Bd. 3 (1848), 93 Anm. 23.

494 | Auswertung der Arbeitsergebnisse

der Neuausgabe von Seegers Aristophanes-Übersetzung von Thassilo von Scheffer (1913) nur noch knapp: Ein Zitat aus einem verlorenen Lustspiel des alten Komikers Pherekrates. Der Sinn liegt in Anm. 13.28

Die hier angeführte Anm. 13 bezieht sich auf die milesischen Lederphalloi in Lys. 110: Die Milesierinnen waren bekannt als Tribaden, die mit künstlichen Hilfsmitteln arbeiteten. Man bediente sich eines Penis aus Leder.29

Jürgen Werner fügt seiner Überarbeitung der Seeger’schen Lysistrate-Übersetzung von 1967 ebenfalls nur sehr kurze Anmerkungen bei, die nach Seitenzahlen angeordnet im Anschluss an die Übersetzung abgedruckt sind; die erläuterten Stellen werden jedoch im Text selbst nicht durch Ziffern oder Sonderzeichen markiert. Die Endnote zu Lys. 158 lautet: „schinde den geschundenen Hund“ – Der Sinn des Zitats ergibt sich aus der Anmerkung zu S. 207.30

In der erwähnten Anmerkung zu S. 207 (Lys. 110) findet sich der Vermerk: achtzöllige Tröster – Offenbar in Milet hergestellte künstliche Phalloi aus Hundeleder.31

Otto Seel kommentiert in seinen Anmerkungen zu Seegers 1969 bei Reclam neu abgedruckter Lysistrate-Übersetzung den Vers 159 [entspr. nach Wilsons Zählung v. 158; K. L.] folgendermaßen: Zitat aus einem Lustspiel des Pherekrates, eines älteren Zeitgenossen des Aristophanes; vgl. zu Vers 108 [entspr. nach Wilsons Zählung v. 110; K. L.].32

Auch hier also der Verweis auf die Lederphalloi aus Milet: In Milet wurden Phallen aus Hundsleder (vgl. das Wortspiel Vers 159) hergestellt und exportiert. […].33

|| 28 Seeger (Ü)/Scheffer (Hg.), Aristophanes (1913), Bd. 2, 477 Anm. 19. 29 Seeger (Ü)/Scheffer (Hg.), Aristophanes (1913), Bd. 2, 477 Anm. 13. 30 Seeger (Ü)/Werner/Hofmann (Hgg.), Aristophanes (1963), Bd. 2, 663. 31 Seeger (Ü)/Werner/Hofmann (Hgg.), Aristophanes (1963), Bd. 2, 663. 32 Seeger (Ü)/Seel (Hg.), Aristophanes, Lysistrate (1969) [Nachdr. 2004], 65 Anm. [zu] 159. 33 Seeger (Ü)/Seel (Hg.), Aristophanes, Lysistrate (1969) [Nachdr. 2004], 65 Anm. [zu] 108.

Typologie der beobachteten Übersetzungsverfahren | 495

Ebenso wie Jürgen Werner fügen auch die Bearbeiter der Seeger-Übersetzung Newiger und Rau ihrer Ausgabe zwar nach den Seitenzahlen angeordnete Endnoten bei, ohne jedoch die erläuterten Stellen im Text selbst durch Ziffern oder Sonderzeichen zu markieren. Zu Lys. 158 wird hier angemerkt: „schinde den / Geschundenen Hund“: D. h. bediene dich des Lederphallos, vgl. Anm. zu S. 368; Pherekrates wohl der Komiker.34

Eine Erklärung der hier lediglich konstatierten Synonymie von „Hund“ und „Lederphallos“ wird weder hier noch in der zum Vergleich angeführten Anmerkung zu Lys. 110 gegeben: Seit die Milesier: Aus Milet wurden Lederphalloi importiert; auf sie wird in den ‚Frauenstücken‘ mehrfach angespielt.35

Die späteren Übersetzer Schadewaldt und Schöner sowie sämtliche Bearbeiter der Lysistrate haben auf das Hinzufügen von Anmerkungen verzichtet. Erst Niklas Holzberg bietet in seiner Neuübersetzung der Komödie von 2009 wieder eine ausführlichere Kommentierung: Wörtlich stand in einer verlorenen Komödie des Pherekrates (5. Jh. v. Chr.): „den enthäuteten Hund enthäuten.“ Lysistrate benutzt hier „Hund“, wie in Athen offenbar durchaus üblich, für Penis, meint aber den bereits durch „Enthäutung“ entstandenen Dildo, den die von den Männern links liegen gelassenen Frauen „abwetzen“ sollen, um sich an ihm ersatzweise zu befriedigen.“36

Holzberg erläutert hier den originalen Wortlaut des Zitats und weist auf die möglichen obszönen Lesarten des griechischen Wortes für ‚Hund‘ hin. Selbst auf die Verwendungsweise („abwetzen“) und die Funktion der Lederphalloi (ersatzweise Befriedigung) wird explizit eingegangen. c) Delegieren Der Übersetzer umgeht in seinen eigenen Anmerkungen die nähere Erläuterung eines obszönen Zusammenhangs durch Verweis auf andere Informationsquellen. Dies geschieht einerseits durch das Nachreichen des originalen (griechischen)

|| 34 Seeger (Ü)/Newiger/Rau (Hgg.), Antike Komödien. Aristophanes (1968/1976), Anm. zu S. 370 [zu Lysistrate, v. 158], 659. 35 Seeger (Ü)/Newiger/Rau (Hgg.), Antike Komödien. Aristophanes (1968/1976), Anm. zu S. 368 [zu Lysistrate, v. 110], 659. 36 Holzberg (Ü), Aristophanes: Lysistrate (2009), 70 Anm. 22.

496 | Auswertung der Arbeitsergebnisse

Wortlautes bzw. einer semantisch adäquaten Übersetzung in einer Drittsprache (z. B. Latein37, Italienisch): z. B. Mylius, Der erste Aufzug des Plutus (1744), 464 f.: Χρ.

καὶ τάς γ’ ἑταίρας φασὶ τὰς Κορινθίας, [...] τὸν πρωκτὸν αὐτὰς εὐθὺς ὡς τοῦτον τρέπειν. (Plut. 149 ff.)

Chremylus:

Man sagt, daß die korinthischen Mägdgen, [...], sich sogleich in seine [sc. eines reichen Mannes] Gewalt ergeben. (15)

In der zugehörigen Fußnote heißt es unter Angabe des griechischen Originaltextes: (15): „Wir haben diese Stelle mit Fleiß im Deutschen nicht völlig so geben wollen, wie es der Grundtext erfodert, welcher also heist: τὸν προκτὸν αὐτὰς ἐυθὺς ὡς τοῦτον τρέπειν. Προκτὸς bedeutet hier ohne Zweifel nichts anders, als den Gegenstand der venerischen Wollust überhaupt, und ins besondre, wie auch Girard, anmerket, τὰ αἰδοῖα. In der folgenden Rede des Cario ist es ebenfalls in dem erstern allgemeinen Verstande genommen, da es heist: καὶ τούς γε παῖδας Φασὶ ταυτό τοῦτο δρᾶν, scil. τὸν προκτὸν πρός τοῦτον τρέπειν. Ob es gleich vielleicht hier auch zugleich im eigentlichen Verstande genommen werden kan.“ (Mylius, Plutus, S. 464)

z. B. Brotier, Théâtre des Grecs, par le P. Brumoy. Nouvelle Èdition, Bd. 12 (1788), S. 560: Κινησίας

ἐγὼ δ’ἑτέρους ἐνθένδε τῇ βουλῇ φράσω πρέσβεις ἑλέσθαι τὸ πέος ἐπιδείξας τοδί. (Lys. 1011 f.)38

Le Magistrat39:

[...] je vais engager le sénat à en envoyer d’ici, en leur montrant dans quel état je suis 1.

Ebd. Anm. 1 wird eine wörtliche italienische Übersetzung gegeben: Mostrandoli questo membro.40

|| 37 Vgl. hierzu auch Dover (1979), 67 f. 38 Zur Stelle s. auch o. 3.3.2.2.3. 39 Wilson (Ed.) (2007) II ordnet diese Partie dem Kinesias zu, andere Herausgeber einem namenlosen athenischen Prytanen. 40 Weitere Beispiele o. 2.3.3.4.

Typologie der beobachteten Übersetzungsverfahren | 497

z. B. Wieland, Acharner (1794): Die Übersetzung von χεσείω (Nub. 295) wird ausgelassen und durch einen Gedankenstrich ersetzt. In der zugehörigen Anmerkung bietet Wieland eine wörtliche italienische Übersetzung: Ho voglia di cacare, sagt der wörtlich getreue italiänische Uebersetzer.41

z. B. Schütz, Die Wolken (1798): Aristophanes’ direkte Anspielung auf die Lederphalloi der Schauspieler (Nub. 538 f.) wird in der deutschen Übersetzung durch die Wendung ‚abgeschmackte Gaukelpossen‘ abgeschwächt (S. 55 f.)42. In der zugehörigen Anmerkung wird sie hingegen in der lateinischen Übersetzung Bruncks wortgenau wiedergegeben: Die deutsche Uebersetzung mußte sich hier in allgemeinen Ausdrücken halten. Wörtlich lautet die Stelle nach Brunk’s lateinischer Uebersetzung also: Quam vero modestis sit moribus, videte. Quae primum quidem non ingressa est, consutum quiddam habens coriaceum, pendulum, rubrum in summo, crassum, ut pueris risus excitetur; [...].43

Zum anderen wird im Anmerkungsteil häufig auch auf andere – vermeintlich besser informierte – Instanzen wie antike, mittelalterliche oder moderne Kommentare bzw. medizinische oder kulturgeschichtliche Abhandlungen verwiesen: z. B. οὐ στήσομαι λέαιν’ ἐπὶ τυροκνήστιδος (Lys. 231 f.): Und ohne mich so vor ihm hinzustellen, Wie eine Löwinn an dem Käsemesser. (Borheck, S. 17)

Anmerkung Borhecks zur Stelle mit Verweis auf „die Scholiasten“: Wie eine Löwinn.) Eine Anspielung auf die Stellung der Löwinnen beim Poliren der Bildhauer. Mehr haben die Scholiasten und Florens Christianus bei dieser Stelle.44

Noch stell’ ich die Löwin auf der Käseschabe vor. (Minckwitz)

Anmerkung Minckwitz’ zur Stelle mit Verweis auf Voß und die Scholien:

|| 41 Wieland (Ü), Die Wolken des Aristofanes (1798), 97 Anm. 34. 42 S. auch o. 2.3.5.2 u. ebd. Anm. 363. 43 Schütz (Ü), Die Wolken (1798), 143 Anm. 10. 44 Borheck, Anmerkungen zur Lysistrata (1806), 93.

498 | Auswertung der Arbeitsergebnisse

Die Ausleger bemerken, daß auf den elfenbeinernen Heften der Käseraspeln oder Käseschaben, deren die Hellenen sich bedienten, häufig eine Löwin mit einwärts gebogenen Füßen abgebildet war. Diese Stellung in den Mysterien der Aphrodite, mutmaßt Voß, war wohl eine Erfindung der Buhlerin Kyrene, die wegen der zwölf Weisen das eine Vergnügen immer neu zu gestalten, die Zwölfkundige, Dodekamechanos, hieß (Scholien zu „Thesmophorienfest“ V. 98 und „Frösche“ V. 1325).45

11. Transferieren Ein obszöner Terminus oder Inhalt wird in der Übersetzung aus dem eigentlichen Lese- bzw. Sprechtext herausgelöst und auf eine andere, zumeist nonverbale Ebene verlagert. Dies gilt zum einen für Übersetzungen, die in erster Linie als Lesetexte konzipiert sind. Hier befördern vor allem beigefügte Szenenhinweise oder Hervorhebungen im Druckbild die Imagination der Leser: a) Szenenbeschreibung Der Gehalt einer primär obszönen Äußerung wird in der Übersetzung nur indirekt auf der Ebene einer – zumeist in Klammern gesetzten – Szenenbeschreibung vermittelt: z. B. Lys. 928: Kι.

Ἀλλ’ ἦ τὸ πέος τόδ’ Ἡρακλῆς ξενίζεται;

Kinesias

(zu seinem Phallus): Zurüstungen für dich, als käm’ Herakles! (Seeger, v. 916)

Kinesias

(inzwischen auf das Bett sich streckend und auf ein Glied deutend). Fürwahr, der Kerl da wird ja bedient wie ein Herakles! (Minckwitz)

b) Hervorhebung Hinweise auf obszönen Nebensinn in Text oder Kommentar werden durch Hervorhebungen im Druckbild (Sperrung, Kursivierung, Gedankenstriche oder -punkte) gegeben: z. B. Lys. 134: τοῦτο μᾶλλον τοῦ πέους lieber das, als d e n Verlust (Minckwitz) Denn über d e n geht nichts, liebe Lysistrata! (Schadewaldt)

|| 45 Minckwitz, Anm. zu Lys. 231, in: Minckwitz (Ü)/Wessely (Ü), Aristophanes II (Lysistrate) (1855– 1911), 121.

Typologie der beobachteten Übersetzungsverfahren | 499

z. B. Lys. 1166 κᾶτα τίνα κινήσομεν; (1166) Wen können wir dann sonst noch – schikanieren? (Schadewaldt)

z. B. Lys. 23: Κα. Λυ. Κα.

τί τὸ πρᾶγμα; πηλίκον τι; μέγα.

[Lysistrate:

[...] (sehr leise) Die Sache, um die’s geht, mein Kind, ist groß.] Wie? Groß? O ja! Auch … hart? (Jens)

Kalonike: Lysistrate: Kalonike:

μῶν καὶ παχύ;

z. B. Minckwitz, Anm. zu Lys. 231 f. (Οὐ στήσομαι λέαιν’ ἐπὶ τυροκνήστιδος.) […] Diese Stellung in den Mysterien der Aphrodite, mutmaßt Voß, war wohl eine Erfindung der Buhlerin Kyrene, die wegen der zwölf Weisen das eine Vergnügen immer neu zu gestalten, die Zwölfkundige, Dodekamechanos, hieß (Scholien zu „Thesmophorienfest“ V. 98 und „Frösche“ V. 1325).46

c) Visualisierung (Illustrationen) Bisweilen wird das aus dem Übersetzungstext weitgehend eliminierte Element des Obszönen auch auf die Ebenen des Editorischen und der Buchgestaltung verlagert. Ein Beispiel hierfür ist die Buchausgabe von Erich Frieds Lysistrate-Bearbeitung. Während der eigentliche Bühnentext nahezu frei von primären Obszönitäten ist, enthält die Publikation zahlreiche Illustrationen mit obszönen bis pornographischen Motiven (zumeist Abbildungen antiker Vasenbilder). Der Leser des Bandes wird somit nicht in erster Linie sprachlich-literarisch, sondern vor allem visuell mit dem Thema Obszönität konfrontiert. d) Reflektion (Komplementärtexte) Auch hierfür ist Erich Frieds Bearbeitung der Lysistrate paradigmatisch. Das Fehlen primär obszöner Sprache im Dramentext wird kontrastiert durch zwei flankierende Abhandlungen pazifistischen und kulturgeschichtlichen Inhalts, in denen auch das Thema Obszönität jeweils ausführlich Berücksichtigung findet.

|| 46 Minckwitz, Anm. zu Lys. 231, in: Minckwitz (Ü)/Wessely (Ü), Aristophanes II (Lysistrate) (1855– 1911), 121.

500 | Auswertung der Arbeitsergebnisse

Zum anderen – und in weitaus höherem Maße – wird die Strategie des Transferierens auch wirksam in Übersetzungen und Bearbeitungen, die von vornherein die Realisierung auf einer Theaterbühne zum Ziel haben. Die Dimension des Obszönen vermittelt sich hier vor allem auf visuellem Weg durch das Erfassen bezeichnender nonverbaler Aktionen der Schauspieler: e) Gesten, Blicke und Bewegungen z. B: Lys. 928: Κι.

ἀλλ’ ἦ τὸ πέος τόδ’ Ἡρακλῆς ξενίζεται;

Kinesias

zu seinem Iste Armer! so saumselig wirst du bedient wie Herakles, Wenn er in den Komödien vor Hunger stirbt! (Schadewaldt)

Kinesias

(zu seinem Penis): Du wirst bewirtet wie ein Gott. (Jens, S. 63)

In Anlehnung an Lys. 46–48 heißt es bei Jens – unter Beifügung gezielter gestischer Hinweise: Lysistrate:

Das habe ich gemeint, als ich von Rettung sprach: Den Lippenstift, Den Flitterrock, Die Bluse (wenn sie eine ist) Und (auf Kalonikes Busen deutend) das Und (auf Kalonikes Hintern weisend) das Und das ... Du weißt ja schon. (Jens, S. 15)

Vgl. ferner Jens’ ausführliche Regieanweisung für den von einer Dauererektion heimgesuchten Kinesias: stürzt gekrümmten Leibes davon [...]. Grotesktanz, begleitet von den Frauen, die – erst wenige, dann immer mehr – einander aufmerksam machen und den Tänzer, in einer ständig burlesker werdenden Szene verspotten.47

Dramaturgische Hinweise können zudem – auf beiden Darstellungsebenen – eine kommentierende Funktion haben, wenn die Obszönität im Ausgangstext nicht durch primär sexuelle oder skatologische Begriffe, sondern durch Wortspiele oder Doppeldeutigkeiten zum Ausdruck gebracht wird:

|| 47 Jens, Die Friedensfrau (1987), 65.

Typologie der beobachteten Übersetzungsverfahren | 501

z. B. Lys. 991 f. Κι. Κη. Κι.

τί δ’ ἐστί σοι τοδί;

Ratsherr: Herold: Ratsherr

Was ist denn das?

σκυτάλα Λακωνικά. εἴπερ γε, χαὔτη ‘στὶ σκυτάλη Λακωνική.

E guet spartan’scher Schrybstock. (auf seinen Phallos deutend): Dann hab auch ich ‘nen gut spartan’schen Schreibstock! (Seeger, v. 978 f.)

z. B. Lys. 861 f. Λυ. Κι.

Τί οὖν; Δώσεις τί μοι; Ἔγωγε νὴ τὸν Δί’, ἢν βούλῃ γε σύ.

Lysistrate: Kinesias:

Gibst du mir, sprich, etwas dafür? Mein Alles sollst du haben, hier – den lieben Schatz! (Er fügt einen bezeichnenden Gestus hinzu.) (Minckwitz)

z. B. Lys. 855 Λυ.

ἀεὶ γὰρ ἡ γυνή σ’ἔχει διὰ στόμα. (855)

Lysistrate:

Denn ständig führt dich deine Frau – (öffnet die Lippen wie zur Fellatio) im Munde [...] (Holzberg)

z. B. Lys.947 Μυ. Κι.

λαβὲ τόνδε τὸν ἀλάβαστον.

Myrrhine:

(kehrt mit einem länglichen, phallosförmigen Fläschchen zurück). Nimm dieses Fläschchen hier! (zeigt auf seinen Phallos). Aber ich habe doch schon eines! (Holzberg)

Kinesias:

ἀλλ’ ἕτερον ἔχω.

z. B. Lys. 847 f. Λυ. Κι. Λυ. Κι. Lysistrate: Kinesias: Lysistrate: Kinesias

τίς οὗτος οὑντὸς τῶν φυλάκων ἑστώς; ἐγώ. ἀνήρ; ἀνὴρ δῆτ’. Wer da? Ich. Offenbar ein Mann. (schaut an sich herab) Das kann man sagen, ja. (Jens, S. 56)

502 | Auswertung der Arbeitsergebnisse

f) Ironische Illusionsbrechung Eine weitere Form des dramaturgischen Verlagerns obszöner Inhalte auf eine andere Ebene findet sich mehrfach in der Lysistrate-Bearbeitung von Walter Jens: Der Textvorlage entsprechend fallen Bühnendarsteller aus ihrer Rolle, um sich – auf unterschiedliche Weise – von obszönen Ausdrücken oder Inhalten, die auf der Bühne zumeist gar nicht ausgesprochen werden, zu distanzieren. Die Verantwortung für die anstößigen Stellen wird dabei unter anderem von den Schauspielern auf den griechischen Autor abgewälzt: Lysistrate :

O je! Ist das ein Text! Und dabei haben wir das Schlimmste schon gestrichen. Nein, prüde waren diese Griechen wirklich nicht. (Jens, S. 51)

An anderer Stelle wiederum werden – im Rahmen der adaptierten Bühnenhandlung – die von Kalonike vorgebrachten obszönen Äußerungen gegen staatliche Ordnungskräfte nicht nur mit dem Theatermilieu in Verbindung gebracht, sondern auch sofort durch das Aussprechen einer Haftstrafe geahndet: Offizier:

Da! Habt ihr das gehört, Und noch von einer Frau? Macht eure Zoten im Theater, Aber nicht vor uns! Drei Tage kostet das! (S. 46)

4.2.3 Posttranslatorische Strategien 1. Dissimulieren (Publikationsverzicht) Der Übersetzer verzichtet auf eine Publikation und lässt seine Übersetzung höchstens im Freundes- und Bekanntenkreis kursieren, wie z. B. Wilhelm von Humboldt (Auszüge aus Lysistrate und Ekklesiazusen, 1795) oder Gotfryd Ernest Groddeck (Ekklesiazusen, 1797).48 2. Anonymisieren Der Übersetzer publiziert seine Übersetzung ohne Namensangabe oder unter einem Pseudonym: z. B. Christlob Mylius, Teilübersetzung des Plutos (1744): Anonym erschienen.

|| 48 Vgl. hierzu auch Dover (1980), 59.

Typologie der beobachteten Übersetzungsverfahren | 503

z. B. Johann Georg Schlosser, Die Frösche (1783): Sowohl namentlich als auch anonym erschienen.

z. B. Friedrich August Wolf, Die Wolken (1811), Acharner (1812): Beide anonym erschienen.

z. B. André Charles Brotier, Übersetzung der Aristophanes-Komödien (1787– 1789) in der Überarbeitung des von Pierre Brumoy begründeten Théâtre des Grecs: Pseudonym M.***.

z. B. Carl Friedrich Schnitzer, Weibervolksversammlung (1836): Pseudonym Dr. Glypheus.

z. B. Robert Friedlaender-Prechtl, Bearbeitung der Ekklesiazusen, erschienen unter dem Titel Der Weiber Staat (1920): Pseudonym Pankrazius Pfauenblau.

3. Exkludieren Bestimmte Teile einer bereits vorliegenden Übersetzung (z. B. Kommentar), werden von späteren Herausgebern oder Bearbeitern ausgesondert und in eine Neuedition nicht mehr übernommen. Markantestes Beispiel hierfür ist der Endnotenkommentar zu Ludwig Seegers Gesamtübersetzung des Aristophanes.49

|| 49 S. hierzu auch o. 3.3.2.2.3 (Exkurs).

Literaturverzeichnis Aristophanes: Textausgaben (Ed.), Kommentare (K), Übersetzungen (Ü) und Bearbeitungen (B) Aretino, Rinuccio (Ü), Die Fabula Penia des Rinucius Aretinus, hg., eingel. u. komm. v. Walther Ludwig (Humanistische Bibliothek II 22), München 1975. Aristophanes, Fragmente, zitiert nach: Poetae Comici Graeci (PCG). Edd. R. Kassel et C. Austin, Vol. III 2, Berlin/New York 1984. Bagordo, Andreas (Ü/K), Aristophanes fr. 590–674. Übersetzung und Kommentar, (Fragmenta Comica [FrC]; 10.9), Heidelberg 2016. Bagordo, Andreas (Ü/K), Aristophanes fr. 675-820. Übersetzung und Kommentar, (Fragmenta Comica [FrC]; 10.10), Heidelberg 2017. Beardsley, Aubrey, s. u. [Smith, Samuel] (Ü) und [Minckwitz, Johannes] (Ü). Boivin, Jean (Ü), Les Oiseaux, Comédie d’Aristophane, in: Œdipe, Tragédie de Sophocle, et Les Oiseaux, Comédie d’Aristophane. Traduites par feu M. Boivin, de l’Académie Françoise, Paris 1729, 181–382. Borheck, August Christian (Ü), Lysistrata. Ein Lustspiel des Aristophanes. Aus dem Griech. verdeutscht v. A. C. B., Köln 1806. Borheck, August Christian (Ü), Der Friede. Ein Lustspiel des Aristophanes. Aus dem Griech. verdeutscht v. A. C. B., Köln 1807. Bremer, Claus (Ü), Lysistrata von Aristophanes. Deutsch von C. B. Komödie (dt. Erstaufführung: 02.10.1966 Staatstheater Kassel), Bühnenmanuskript in PDF-Form zugänglich über die Homepage des Verlages Hartmann und Stauffacher: https://www.hsverlag.com/werke/detail/t477 (zuletzt gesehen: 15.09.2019). Bremer, Dieter (Ü)/Holzberg, Niklas (Ü), Aristophanes. Ekklesiazusen. Übers. v. D. B. u. N. H. zus. mit Gerd Udo Feller, München 1983. Bremer, Dieter (Ü)/Holzberg, Niklas (Ü), Aristophanes. Frauen in der Volksversammlung [= Ekklesiazusen]. Übers. u. f. d. Bühne einger. v. D. B. u. N. H. Mit Anm. u. Literaturhinw. v. N. H. u. einem Nachw. v. Maria H. Dettenhofer, (Reclams Universal-Bibliothek; 18305), Stuttgart 2004 [überarbeiteter Neudruck der Fassung von 1983 s. o.]. [Brotier, André Charles] [Pseud. M.***] (Ü) s. auch u. Théâtre des Grecs, par le P. Brumoy (1785– 1789). Brumoy, Pierre (Ü), Le Théâtre des Grecs, Par le R. P. Brumoy, de la Compagnie de Jesus, 3 Bde., Paris 1730. Brumoy, Pierre (Ü), The Greek Theatre of Father Brumoy, Translated by Mrs Charlotte Lennox, 3 Bde., London 1759. [Brunck, Richard Franz Philipp] (Ü), Aristophanis Comoediae in Latinum sermonem conversae, 3 Bde., Straßburg 1781. Brunck, Richard Franz Philipp (Ed.), Aristophanis Comoediae ex optimis exemplaribus emendatae studio R. F. Ph. B., 3 Bde., Straßburg 1783. Burmann, Peter (Ed.), Aristophanis Comoediae undecim, Graece et Latine, ad fidem optimorum Codicum MSS. emendatae cum nova octo Comoediarum interpretatione Latina & notis ad singulas ineditis Stephani Bergleri nec non Caroli Andreae Dukeri ad quattuor priores. Accedunt deperditarum Comoediarum fragmenta, a Theod. Cantero et Gul. Coddaeo collecta earumque Indices a Joh. Meursio & Joh. Al. Fabricio digesti. Curante Petro Burmanno Secundo, qui Praefationem praefixit, 2 Bde., Leiden 1760. Clodius, Christian August (B), Versuche aus der Literatur und Moral, 4 Bde., Leipzig 1767–1769.

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506 | Literaturverzeichnis

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Personenregister Achilleus Tatius 24 Adelung, Johann Christoph 22 Ailian (Claudius Aelianus) 82 Aischylos 52, 91, 96, 110, 136ff., 142, 145f., 158f., 161, 179f., 204, 206f., 210f., 213f., 228, 233, 259, 261, 266, 281, 284, 294, 296, 368, 459, 463 Aisopos 318 Albrecht, Michael von 333f. Alkaios 394 Alkibiades 193, 253, 412, 416f., 419 Alpheios von Mytilene 138 Ammonios von Alexandreia 224, 490 Amyot, Jacques 45 Anakreon 24, 67, 80, 115, 232 Anna Amalia, Herzogin von Sachsen Weimar Eisenach 69, 107, 145 Apel, Friedmar 360 Arat 138, 182 Archilochos von Paros 10 Aretino, Rinuccio 51 Aristophanes von Byzanz 48 Aristoteles 10f., 39ff., 56, 65f., 82, 84, 96, 108, 137, 144 Arrian 157 Athenaios 138, 413 Bachtin, Michail 13, 27, 64 Bagordo, Andreas 48 Baier, Bernd Michael 389 Bakchylides 48 Bartels, Adolf 281 Bataille, Georges 25 Bausch, Hans 28 Bayle, Pierre 22ff. Beardsley, Aubrey 52, 283, 349, 464 Bebel, Johannes 50 Beck, Christian Daniel 104 Becker, August 231 Bekker, Immanuel 220 Béranger, Pierre-Jean de 232 Bergk, Theodor 227 Bgh. (Rezensent zu Herwig) 99 Binder, Hermann 261 Bion von Smyrna 80, 89, 182 Bisetus, Odoardus 49, 63, 173

https://doi.org/10.1515/9783110625196-007

Blei, Franz 185 Blume, Horst-Dieter 307ff. Bodmer, Johann Jakob 87, 97, 116 Boeckh, August 178, 203, 206, 258, 280 Boie, Heinrich Christian 174 Boileau, Nicolas 36, 65, 83 Boivin de Villeneuve, Jean 70ff., 77f., 98, 101f., 112, 164, 473 Borberg, Karl 232 Borheck, August Christian 37, 125, 127, 135, 156ff., 200, 226, 232, 365, 392, 397, 415, 429, 437, 440f., 448f., 451, 455, 459f., 462, 474, 477ff., 482, 484, 488, 493, 497 Bornemann, Ernest 340, 375 Bowdler, Thomas 34 Breitinger, Johann Jakob 87, 97 Bremer, Claus 125, 327, 350 Bremer, Dieter 328, 336 Brotier, André Charles [Pseud. M.***] 67, 76ff., 90, 102, 104, 114, 176, 496, 503 Brülow, Caspar 57 Brumoy, Pierre 49, 51f., 67, 70, 74ff., 89f., 102f., 114, 137, 164, 496, 503 Brunck, Philipp 57, 67, 76f., 79, 103, 112, 157, 187, 497 Bruni, Leonardo 51 Buchanan, George 57 Büchner, Georg 231 Büchner, Karl 367 Bürger, Gottfried August 154, 174f., 184f. Burmann, Peter 104 Caesar, Gaius Iulius 142 Calenzio, Eliseo 22 Campanella, Tommaso 262 Catull (Gaius Valerius Catullus) 16, 24f., 34f., 328, 331ff., 467, 476 Chrestien, Florent [=Florens Christianus] 173, 497 Chrysostomos, Johannes 49, 59, 75, 94, 96 Cicero, Marcus Tullius 20f., 23, 54, 56, 75, 91, 110, 115, 157, 161, 204, 206 Clodius, Christian August 38, 86, 88ff., 95, 103, 117, 125, 138f., 242, 474 Clodius, Christian August Heinrich, Sohn von Clodius, Christian August 88

554 | Personenregister

Col, Pierre 23 Conz, Karl Philipp 114, 135, 195 Coulon, Victor 249 Cramer, Carl Friedrich 107 Cratander, Andreas 50 Crusius, Johann Paul 57 Crusius, Martin 53 Dacier, André 67 Dacier, Anne [=Le Fèvre, Anne] 45f., 66ff., 74f., 82, 91f., 94, 100, 109, 122, 267, 471, 485 Dalberg, Karl Theodor von 147 de Meun, Jean 23 Degen, Johann Friedrich 115, 119, 157 Demosthenes 46, 370 Denkler, Horst 203, 233f. Denniston, John Dewar 395 Dickens, Charles 262 Didymos von Alexandria 48 Dindorf, Wilhelm 104, 216, 220 Dion Chrysostomos [=Dion von Prusa] 116 Dionysiades 48 Diopeithes 40 Divus, Andreas 52 Dodds, Eric Robertson 19 Domitian (Titus Flavius Domitianus) 332 Donat (Aelius Donatus) 65 Donner, Johann Jakob Christian 200, 261, 282f., 310 Dörffeldt, Siegfried 126, 350 Dostojewski, Fjodor Michailowitsch 13 Dover, Kenneth James 34, 395 Droysen, Gustav 205 Droysen, Johann Gustav 1f., 34, 36ff., 127, 174, 178, 198ff., 202ff., 234f., 238ff., 246ff., 252, 254ff., 260ff., 265, 267f., 280, 282f., 297, 303, 306, 339, 392, 399, 404, 417, 419ff., 429, 431, 434f., 443, 450f., 455, 461ff., 473ff., 478ff., 483f., 486ff., 490f., 493 Dulk, Albert 234 Eck, Johannes 61 Eckermann, Johann Peter 292 Ehre, Ida 368f., 388, 390 Eliot, T[homas] S[tearns] 352 Enges, Heinz 352 Erasmus, Desiderius [=Erasmus von Rotterdam] 23, 46, 57, 61

Eratosthenes von Kyrene 48 Eschenburg, Johann Joachim 141 Estienne, Robert 22f. Euphronios 48 Eupolis 42, 45, 300 Euripides 8, 41, 46, 52, 74, 106, 110, 115f., 140, 142, 159, 208, 211, 228, 261, 281, 285, 290, 292, 297, 352f., 358, 368, 395, 439, 459, 463 Fantino, Enrica 128f. Feder, Johann Georg Heinrich 96 Fehling, Jürgen 307f., 466 Feller, Gerd Udo 328 Fénélon, François 66, 83 Festus, Sextus Pompeius 24 Fichte, Johann Gottlieb 110 Fiedler, Richard [Pseud. Martin Isenbiel] 125, 283, 349 Fischer, Hermann 231, 257, 493 Flashar, Hellmut 285, 349 Flaubert, Gustave 27 Fleckenstein, Günther 286 Forcellini, Egidio 23 Fraenkel, Eduard 153 Franke, Eckhard 367 Freud, Sigmund 12, 26 Freytag, Holk 367 Fried, Erich 1, 27, 126f., 230, 298, 351ff., 355ff., 374f., 383, 387, 389ff., 408ff., 423, 430f., 444, 456, 469f., 474ff., 482, 485, 487, 489, 492, 499 Friedlaender-Prechtl, Robert [Pseud. Pankrazius Pfauenblau] 125, 503 Friedländer, Paul 107, 230 Friedrich Wilhelm IV., König von Preußen 259, 280, 463 Frischlin, Nicodemus 37, 46, 53ff., 61, 67, 69, 71, 75f., 85, 96, 109 Fröreisen, Isaac 3, 49, 57ff., 69, 81, 91, 101, 119, 214, 472 Garbe, Gottfried 138, 143 Garthwaite, John 332 Garve, Christian 116, 161 Geibel, Emanuel 288 Gellius, Aulus 251 Genelli, Hans Christian 202, 207, 269 Gersdorf, Ernst Gotthelf 260

Personenregister | 555

Gerson, Jean 23 Girard, Charles 86, 496 Giunta, Bernardo 50 Glaßbrenner, Adolf 234 Gleim, Johann Wilhelm Ludwig 139, 182 Goedeke, Karl 184 Goethe, Johann Wolfgang 70, 81, 88, 105ff., 110, 114, 135, 139f., 142, 145, 147, 162, 175ff., 182, 200f., 205, 235, 239f., 242, 247, 284, 292, 303, 312, 458, 476 Goldhagen, Johann Eustachius 49, 70, 81, 86, 91ff., 97ff., 103, 114, 485, 487, 489 Gottsched, Johann Christoph 22, 82ff., 86f., 96ff., 121 Greiner, Leo 125, 349 Grimm, Jacob und Wilhelm 23 Grisebach, Eduard 185 Groddeck, Gotfryd Ernest 125, 135, 160, 502 Gruppe, Otto Friedrich 38, 199, 201, 262, 281 Grynaeus, Simon 61 Gutzkow, Karl 233 Hacks, Peter 350 Hafis 263 Häntzschel, Günter 182, 185 Häntzschel, Hiltrud 185 Harder, Richard 333 Haupt, Moriz 259, 280 Hebbel, Friedrich 288 Hédelin d'Aubignac, François 64f., 94, 96 Heeren, Anton Herrmann Ludwig 116 Hegel, Georg Wilhelm Friedrich 25, 201ff., 229f. Heine, Heinrich 38, 198, 201 Heinz, Familie von, Nachfahren W. v. Humboldts 143 Heliodor 24 Henderson, Jeffrey 2f., 12ff., 18ff., 26, 29f., 32, 38, 151, 153, 225f., 314f., 319, 330, 345, 431, 468 Heraklit 9, 309 Herder, Johann Gottfried 105, 107, 139f., 368f. Hermann, Gottfried 203, 227, 258ff., 263, 280, 463 Hermes, Johann Timotheus 416 Herodot 46, 91, 115, 141 Herondas 412 Hertzberg, Wilhelm 333 Herwig, Johann Justus 26, 49, 60, 81, 94ff., 108ff., 114, 135, 194, 211, 239, 473, 485

Hesiod 48, 141, 182, 255 Hesych 433 Heyme, Hansgünther 286 Heyne, Christian Gottlob 116, 125, 136, 156, 174f. Hilsenbeck, Fritz 81 Hippias 317 Hochhuth, Rolf 27, 125, 350, 388 Hoffmann von Fallersleben, August Heinrich 263 Hoffmann, Heinrich 202, 234 Höfler, Max 251 Hofmann, Walter 257, 494 Hofmannsthal, Hugo von 257, 336, 349 Holberg, Ludvig 84 Hölderlin, Friedrich 140, 284 Holtermann, Martin 37f., 200ff., 326 Holzberg, Niklas 4, 126f., 168, 257, 278, 284, 310, 328ff., 364, 392, 407, 413, 422, 429, 431f., 438f., 441, 455, 464, 467f., 481, 483f., 486, 488ff., 495, 501 Homer 10, 19, 40f., 46, 48f., 63, 67, 70, 81f., 89, 105, 111, 119, 137, 140f., 143, 158, 160f., 175f., 180ff., 185, 193, 199, 213, 238, 264f., 281, 284f., 287, 289f., 296, 311, 346, 443, 458, 460, 465 Horaz (Quintus Horatius Flaccus) 11, 39, 45f., 48, 53, 55f., 65, 67f., 82, 109, 115, 119, 153, 174, 182, 328, 437 Hub, Ignaz 281 Hugo, Victor 232 Humboldt, Alexander von 136, 280 Humboldt, Caroline von 136, 138f., 141f., 147 Humboldt, Wilhelm von 4, 37, 98, 110, 125, 127, 135ff., 160ff., 164, 174ff., 178f., 198, 228, 288f., 392, 396, 414, 426, 429, 440f., 455, 458f., 482, 485, 488ff., 502 Hunold, Günther 29f. Immermann, Karl Leberecht 201 Ingen, Ferdinand von 367 Invernizzi, Filippo 104 Isidor von Sevilla 23 Isokrates 115 Jacobs, Friedrich 178 Jacobsson, Johann Karl Gottlieb 415 Jaeger, Werner 284 Jahn, Friedrich Ludwig 251

556 | Personenregister

Janka, Markus 1f., 153, 298, 351, 389f. Jean Paul [=Richter, Johann Paul Friedrich] 197, 236 Jens, Walter 1f., 27, 126f., 278, 298, 351, 367ff., 374ff., 410f., 423, 430f., 442ff., 457, 464, 470ff., 476f., 481, 484f., 499ff. Joost, Ulrich 186 Joseph Eduard 262 Juvenal (Decimus Iunius Iuvenalis) 25 Kahlo, Ulrike 2, 388ff. Kallimachos 24, 91, 137f. Kanngießer, Peter Friedrich 202, 269 Karl August, Herzog von Sachsen Weimar Eisenach 110, 115 Karsch, Walther 307f. Kaukoreit, Volker 352 Keck, Karl Heinrich 234 Kitzbichler, Josefine 36, 38f., 128f., 203f., 206, 216f., 220ff., 226, 238, 240, 461 Kleist, Heinrich von 284, 296 Kleisthenes 109, 250, 299, 316, 359 Kleitagoras 298, 316 Kleomenes 299 Kleon 9, 50, 209, 256 Kleonymos 9 Klopstock, Friedrich Gottlieb 87, 104ff., 162, 174, 181, 263, 463 Klotz, Christian Adolph 94, 96 Klotz, Reinhold 204, 227, 259, 463 Knauth, Joachim 125, 327, 350, 429 Knebel, Karl Ludwig 145, 178 Kock, Theodor 249 Koller, Hermann 326f. Körner, Theodor 233 Körte, Wilhelm 142f. Kortner, Fritz 27f., 125, 350 Krates 40 Kratinos 40, 42, 45, 55, 300, 412 Kraus, Karl 310 Krebs, Johann Philipp 110 Küster, Ludolph 67, 103, 157 La Motte, Antoine Houdard de 67 Lachmann, Karl 259 Landfester, Manfred 4, 126, 284 Lavardin, Hildebert de [=Erzbischof Hildebert] 138 Lawrence, David Herbert 26, 28

Le Fèvre, Tanneguy [=Faber, Tanaquil] 66, 69, 76 Le Loyer, Pierre 54, 62, 64 Lehmann, Heinke 230, 353ff. Leitzmann, Albert 137ff., 142f., 148, 150 Lenz, Jakob Michael Reinhold 105ff., 201 Lessing, Gotthold Ephraim 83, 87f., 97, 114, 140, 162, 247 Livius, Titus 91 Löffler, Josias Friedrich Christian 136 Longin [=Pseudo-Longinos] 23, 36, 65 Longos 24 Ludwig XIV., König von Frankreich 64, 66 Ludwig, Herzog von Württemberg 53 Lukian 14, 46, 64, 71f., 89, 91, 115f., 119, 264, 281, 327 Lukrez (Titus Lucretius Carus) 25, 138 Luther, Martin 61, 85, 196, 238, 251, 265, 415 Lygdamus 182 Lykophron (Dichter der Alexandra) 188 Lykophron aus Chalkis (Grammatiker) 48 Lysias 91 MacDowell, Douglas M. 412 Manso, Johann Caspar Friedrich 118 Manutius, Aldus 49f. Marcuse, Herbert 27 Marg, Walter 333 Martial (Marcus Valerius Martialis) 22, 24f., 35, 253, 328, 331ff., 467 Massieu, Guillaume 72 Masson de Pezay, Alexandre-Frédéric-Jacques 16 Meffert, Peter 185 Melanchthon, Philipp 61 Mell, Max 349 Meltzl von Lomnitz, Hugo 264 Ménage, Gilles 71 Menander 8, 11, 42ff., 46f., 55, 64ff., 80, 106, 257, 285, 294, 308 Mendelssohn, Moses 107 Mendelssohn-Bartholdy, Fanny 205 Mendelssohn-Bartholdy, Felix 198, 204ff. Michelangelo 309 Mikon 298, 315 Miller, Henry 26ff. Milton, John 87 Minckwitz, Johannes 127, 191, 200, 227f., 255, 258ff., 310, 344, 349, 380, 392, 401, 419,

Personenregister | 557

427, 429, 431, 440f., 455, 463f., 474f., 478, 480,483, 484, 486ff., 497ff., 501 Mindt, Nina 287 Mitchell, Thomas 176 Molière 66, 69, 84 Montaigne, Michel de 24 Montefeltro, Federigo Conte de, Herzog von Urbino 50 Montreuil, Jean de 23 Morus, Thomas 262 Moschos 80, 89, 182 Mounin, Georges 71 Müller, Hans von 185 Müller, Hieronymus 38, 200, 254f., 265, 268, 437, 441, 493 Münster, Claus 350 Musaios 89 Musurus, Marcus 50 Mylius, Christlob 81, 83ff., 88, 95, 114, 268, 476, 496, 502 Myrtilos (Komödiendichter) 24 Napoleon (Napoleon Bonaparte) 159, 200f. Nelson, Horatio 159 Nepos, Cornelius 142 Nestle, Walter 367 Nestroy, Johann 311 Newiger, Hans-Joachim 254, 257, 266, 310, 456, 466, 493, 495 Nordmann, Neidhardt 389 Opitz, Martin 174 Orff, Carl 284 Orpheus 89 Orth, Christian 48 Ostermeier, Thomas 329 Ovid (Publius Ovidius Naso) 20, 24f., 34f., 63, 89, 91, 153, 182, 328, 331ff., 467 Paley, Frederic Apthorp 16 Pausanias 91 Pe. (Rezensent zu Herwig) 99 Perikles 118 Perrault, Charles 66, 69 Perrot d’Ablancourt, Nicolas 71 Petron (Titus Petronius Arbiter) 24f., 34 Pherekrates 154, 225f., 305, 325, 362, 379, 431, 433ff., 443f., 472, 484, 493ff. Philemon (Komödiendichter) 80

Philetas von Kos 24 Pindar 48, 72, 137f., 140, 143, 185, 232, 263f., 281, 285, 458 Pirckheimer, Willibald 61 Piron, Alexis 186 Pizan, Christine de 23 Platen-Hallermünde, August von 38, 201, 260, 263ff., 269f., 281, 463f. Plath, Sylvia 352 Plato Comicus 42, 433 Platon 15, 34, 56, 68, 75, 91, 96, 107f., 116, 137, 143, 158, 161, 232, 346, 476 Plautus (Marcus Accius Plautus) 11, 24, 53f., 56, 65ff., 89, 91, 95, 157, 162f., 257, 437, 493 Plinius d. J. (Gaius Plinius Caecilius Secundus) 91 Plutarch 11, 39, 42ff., 47, 53ff., 64ff., 75f., 82, 116, 251 Poinsinet de Sivry, Louis 79ff., 102, 104, 114, 176, 214, 242, 474 Poiss, Thomas 128f. Poldo d’Albenas, Jean 22 Pollux (Iulius Pollux) 224, 490 Portus, Aemilius 49, 62f. Prechtel, Adrian 346f. Prevost, Pierre 76 Priscian (Priscianus Caesariensis) 20 Properz (Sextus Aurelius Propertius) 182 Prutz, Robert 202, 233f. Ptolemaios Philadelphos 48 Quintilian (Marcus Fabius Quintilianus) 23 Rabelais, François 13, 64 Racine, Jean 64 Radermacher, Ludwig 249 Randolph, Thomas 51 Rapin, René 45, 65f., 75 Rapp, Moritz 202 Rau, Peter 4, 126, 254, 257, 266, 284, 310, 456, 466, 495 Ravenhill, Mark 329 Reagan, Ronald 388 Reimer, Georg Andreas 183 Reinhardt, Max 308, 349 Reisig, Karl Christian 254 Resch, Ingrid 308 Rétif de la Bretonne, Nicolas Edme 349 Reuchlin, Johannes 52

558 | Personenregister

Richelieu, Armand-Jean du Plessis, duc de [=Kardinal Richelieu] 64f. Richter, Julius Hermann 235f. Riedel, Friedrich Justus 94f. Robert, Friederike 198 Roberts, Deborah H. 35 Robson, James 12 Ronsard, Pierre 51, 69 Rosenbaum, Julius 252f., 437, 493 Rosenkranz, Karl 25, 202, 233 Rositini de Prat’Alboino, Bartolomeo u. Pietro 52, 78, 114, 176 Rösler, Wolfgang 2, 13 Rubens, Annik 345 Rückert, Friedrich 201 Rüdiger, Horst 137, 285, 309 Rufus von Ephesos 224, 490 Ruge, Arnold 233 Ruhkopf, Friedrich Ernst 157 Rumpius, Heinrich 61 Sachs, Hans 51f., 57, 401 Sade, Donatien Alphonse François de 2, 349 Sanders, Daniel 235, 251 Sappho 80, 285 Sartre, Jean-Paul 25 Scaliger, Julius Caesar 57, 65 Schadewaldt, Maria 301 Schadewaldt, Wolfgang 126ff., 165, 284ff., 311, 315, 319, 335, 337f., 348, 365, 391f., 403, 420ff., 429, 431, 440f., 455,465, 466ff., 473, 476, 478ff., 486ff., 495, 498ff. Schaller, Rudolf 184 Scheffer, Thassilo von 253, 257, 493f. Schein, Hermann 429 Schiller, Friedrich 110, 114, 135, 138ff., 147, 155, 160, 175, 184, 233, 238ff., 247, 255, 284, 288, 458 Schlabrendorf, Gustav von 142 Schleef, Einar 367 Schlegel, August Wilhelm 14, 124, 139ff., 145, 148, 183, 195, 199, 232, 238 Schlegel, Friedrich 14, 27, 139f., 145 Schleiermacher, Friedrich 15, 98, 112, 146, 160f., 163, 175, 179f., 211f., 238, 240, 288f., 459 Schlosser, Johann Georg 36, 49, 70, 81, 100, 108ff., 114, 145, 155, 200, 473, 503 Schmid, Wilhelm 199, 229, 257, 493

Schmidt, Jochen 367 Schmitzer, Ulrich 2 Schneider, Romy 350 Schnitzer, Carl Friedrich [Pseud. Dr. Glypheus] 125, 200, 268, 503 Schnitzler, Artur 27 Schnorr von Carolsfeld, Franz 184 Schöner, Wolfgang 4, 126f., 165, 279, 283, 309ff., 348, 392, 405f., 421, 428f., 431, 440f., 453f., 466ff., 475, 478ff., 485, 487, 491, 495 Schreber, Johannes David 24f. Schroeder, [Otto?] 249 Schulz, Wilhelm 241 Schummel, Johann Gottlieb 91, 101, 104, 115 Schuster, Clemens 326 Schütt, Peter 388 Schütz, Christian Gottfried 34, 36f., 81, 108, 110ff., 145, 487, 489, 497 Schwab, Gustav 264 Scott, Walter 262 Scribe, Eugène 233 Seeger, Ludwig 4, 14, 37, 80, 127, 191, 199f., 202f., 207, 216, 229, 231ff., 261f., 265f., 268, 276, 280, 283, 302f., 310,319, 334ff., 365, 367, 392, 394, 400, 413, 418, 429, 432, 436f., 440, 455, 462ff., 466, 475ff., 489, 493ff., 498, 501, 503 Seel, Otto 250, 253f., 257f., 336, 493f. Seemann, Otto 234 Sellner, Gustav Rudolf 285f., 308 Semonides von Amorgos 10, 437 Shakespeare, William 34, 105, 115f., 119, 141, 176, 178, 182ff., 232f., 237, 242, 284, 290, 292, 352, 356, 358, 360, 469 Sichtermann, Barbara 353f. Sicking, Christiaan Marie Jan 188 Simonides von Keos 138 Smith, Samuel 52 Snell, Bruno 367 Sokrates 8, 50, 52, 54, 60, 68, 82, 87, 90, 92, 106f., 109, 111, 120, 122, 209, 353 Solger, Karl Wilhelm Ferdinand 183, 238 Solon von Athen 10 Sommerstein, Alan H. 10, 330, 333, 335, 345, 468 Sophokles 41, 70, 74, 142f., 151, 157, 159, 161, 190, 228, 232, 237, 259ff., 269, 275, 281,

Personenregister | 559

284, 289f., 294, 300, 368, 431, 458f., 463, 486 Spangenberg, Wolfhart 57 Stadler, Peter Bruno 143 Stäger, Friedrich 260 Stanley, Thomas 51 Stark, Isolde 12f. Stephan, Erika 389 Stephanus Byzantinus 173 Stephanus, Henricus 23 Stolberg-Stolberg, Christian zu 174 Stolberg-Stolberg, Friedrich Leopold zu 158, 174f., 184ff., 239 Stolle, Gottlieb 69 Stymmel, Christoph 62 Sueton (Gaius Suetonius Tranquillus) 25 Sulzer, Johann Georg 14, 104 Susarion 42 Süß, Wilhelm 70, 229f. Symmachos 48 Szlezák, Thomas Alexander 309 Telamon 298, 316 Terenz (Publius Terentius Afer) 11, 49, 53f., 65ff., 95, 257 Teuffel, Wilhelm Sigismund 266 Theokrit 9, 24, 89, 116, 182 Thiersch, Friedrich 238, 266, 280 Thoma, Ludwig 308 Thomas von Aquin 309 Thomas, Dylan 352 Thukydides 159, 209, 233, 255, 346 Tibull (Albius Tibullus) 182 Tieck, Ludwig 201 Tobler, Georg Christoph 158 Trelde, Alfred von 185 Tutsch, Josef 346 Tyrtaios 80 Uhland, Ludwig 231 Varro, Marcus Terentius 19f. Venatorius, Thomas 52 Venzky, Georg 98 Vergil (Publius Vergilius Maro) 34, 72, 82, 175, 179, 182, 255, 309, 328, 334 Viterius, Petrus 61 Vitruv (Marcus Vitruvius Pollio) 207 Voltaire 45, 82, 91

Voß, Abraham 176, 182f. Voß, Adam 183 Voß, Ernestine 140 Voß, Heinrich [=Heinrich Voß d. J., =D.A.E.] 113, 176ff., 182ff., 187, 192ff., 197, 275, 279, 464, 486, 493, 497ff. Voß, Johann Heinrich 15, 37, 81, 102, 105f., 111, 116, 118ff., 127, 135, 139, 144ff., 160, 162, 174ff., 204, 207, 212f., 216ff., 220, 223f., 226f., 229, 237ff., 244ff., 254f., 257, 260ff., 268f., 272, 274, 280f., 290, 303, 306, 333f., 365, 392, 398, 416ff., 422, 429, 431, 437, 440f., 455, 459ff., 478ff., 483ff., 488 Walter, Uwe 347f. Wehr, Johann Thomas Ludwig 186 Weinreich, Otto 257 Welcker, Friedrich Gottlieb 37, 135, 178, 197f., 205ff., 213f. Werner, Jürgen 36f., 58, 102, 120, 122, 142, 155f., 165, 174, 177, 257, 285, 327, 493ff. Wessely, Ignaz Emanuel 191, 200, 261f., 272, 310 Wheelwright, Charles 52 Wiedeburg, Friedrich August 125, 135, 138 Wieland, Christoph Martin 37f., 46, 52, 70, 81, 105ff., 113ff., 135, 139f., 145, 149, 158, 174, 176, 196f., 199ff., 211, 229, 232, 234, 239, 242, 244, 247, 252, 255, 257, 327, 459, 462, 489, 497 Wilamowitz-Moellendorff, Ulrich von 155f., 230, 240, 249, 284, 288, 311 Wilbrandt, Adolf 125, 348 Wilson, Nigel Guy 78, 139, 187, 216, 220, 222, 243f., 252, 255, 271, 278, 314, 343, 363, 378, 393, 412, 431, 494, 496 Winckelmann, Johann Joachim 104, 140, 331 Winter, Gerhard 308 Wit-Tak, Thalien de 14 Wolf, Friedrich August 37, 135ff., 142ff., 147ff., 155, 157, 175ff., 183, 187, 192f., 196ff., 238, 270, 460, 503 Xenophon 20, 91, 110, 115f., 137, 141, 157, 159, 161 Zadek, Peter 352 Zehetner, Ludwig 340 Zellweger, Laurenz 116

560 | Personenregister

Zelter, Carl Friedrich 182 Zieler, Gustav 349

Zimmermann, Bernhard 47, 347f. Zimmermann, Johann Georg 116