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German Pages 384 [385] Year 1981
JnRGEN WOLTER
Objektive und personale Zurechnung von Verhalten, Gefahr und Verletzung in einem funktionalen Straftatsystem
Strafrechtliche Abhandlungen· Neue Folge Herausgegeben von Dr. Eberhard Schmidhäuser ord. Professor der Remte an der Universität Hamburg
iu Zusammenarheit mit den Strafrechtelehrern der deutschen Universitäten
Band 40
Objektive und personale Zurechnung von Verhalten, Gefahr und Verletzung in einem funktionalen Straftatsystem
Von
Prof. Dr. Jürgen Wolter
DUNCKER &
HUMBLOT / BERLIN
In die Reihe aufgenommen als Habilitationsschrift Als Habilitationsschr,ift auf Empfehlung der Rechts- und Staatswissenschaftlichen Fakultät der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität in Bonn gedruckt mit Unterstützung der Deutschen Forschungsgemeinschaft
Alle Rechte vorbehalten & Humblot, Berlln 41 Gedruckt 1981 bei Berliner Buchdruckerei Union GmbH., Berlin 61 Printed in Germany
© 1981 Duncker
ISBN 3 428 04886 5
Claus Roxin und Hans-Joachim Rudolphi gewidmet
Vorwort Die Arbeit hat Anfang 1979 der Rechts- und Sta'atswissenschaftlichen Fakultät der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität Bann als Habilitationsschrift vorgelegen. Rechtsprechung und Literatur sind bis September 1980, zum Teil bis Anfang 1981 nachgetragen. Mein aufrichtiger Dank gilt allen, die an meinem wissenschaftlichen Werdegang entsche~dend beteiligt sind, mich bei der Abfassung und Veröffentlichung der Arbeit erheblich unterstützt und mit ihrem Werk und Rat wesentliche Partien der Schrift beeinfiußt haben. Genannt seien hier nur die Herren Professoren Manfred BurgstalZer, Wolfgang Frisch, WilheZm Gallas, GeraZd GrünwaZd, A rmin Kaufmann, KarZ Lackner, Friedrich Schaffstein und Eberhard Schmidhäuser, der darüber hinaus die Arbeit in die Reihe der Strafrechtlichen Abhandlungen aufgenommen und für den Druck wertvolle Anregungen gegeben hat. Der Deutschen Forschungsgemeinschaft schulde ich großen Dank, weil sie die Habilitation durch ein Stipendium und die Publikation der Schrift durch einen erheblichen Druckkostenzuschuß ermöglicht hat. Das Buch ist meinen bei den verehrten wissenschaftlichen Lehrern gewidmet: Herrn Professor Dr. CZaus Roxin, der mich auf meinem wissenschaftlichen Weg bis heute und vor 'allem in meiner Göttinger Studien- und Promotionszeit in steter Anteilnahme begleitet und gefördert hat; und Herrn Professor Dr. Hans-Joachim RudoZphi, dem ich fünf von großem Verständnis und Vertrauen geprägte Assistentenjahre und auch nach der Habilitation vielfältige Unterstützung verdanke. Heidelberg, im April 1981
Jürgen Wolter
Inhaltsverzeichnis Erstes Kapitel
Normtheoretische, unrechts- und deliktssystematische sowie methodologische Grundlagen A. Objektive und personale Zurechnung; Unrecht und Schuld in einem funktionalen Straftatsystem 0
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Io Teleologische objektive Zurechnungslehre
17
II. Teleologische personale Zurechnungslehre
18
IIIo Teleologische Rechtfertigungslehre
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IV. Teleologisches (funktionales) Straftatsystem V. Methodologie
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VI. Unrechtsbegründung und Unrechtsausschluß ("Unrechtsidee") 1. Rechtsgüterschutz als Aufgabe des Strafrechts
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2. Verhaltens- und Bewertungsnorm; Rechtsgutsverletzung und Unrecht
25
3. Vermittlung der Rechtsgutsverletzung durch Schaffung eines adäquaten (und rechtlich mißbilligten) Risikos als regulatives Leitprinzip des Unrechts der Erfolgsdelikte
29
4. Generalpräventiver Ansatz und ex ante-Urteil bei der Risikoschaffung ..............
31
5. Rechtlich mißbilligte Risikoschaffung und "Risikoerhöhung" ..
31
6. Unrechtsbegründung und Unrechtstypisierung (Ergebnis) .
37
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7. Unrechtsausschluß und Rechtfertigungsgründe .
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VII. Schuld und "Schuldidee"; funktionales Straftatsystem und Strafzumessung; "horizontaler Dualismus" von Tat und Täter . . 1. Personale Zurechnung ...
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2. Erfolgsunrecht und Strafzumessungsschuld (funktionales Strafzumessungssystem) .. 0
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Inhal tsverzeichnis
10
3. Doppelrelevanz der subjektiven Zurechnung (insbesondere Fahrlässigkeit) für Unrecht und Schuld ..... . . . . . . . . . . . . . . . . .
42
4. "Horizontal dualistisches Straftatsystem"; Tat und Täter im Unrecht wie in der Schuld (personales und soziales Unrecht sowie "personale und soziale Schuld") .......................
43
5. Personale und objektiv-soziale Zurechnung ...... . .... . . . ....
45
B. Verhaltensnorm, Bewertungsnorm, Sanktionsnorm
46
I. Verhaltens- und bewertungsnormtheoretischer, gefährlichkeitsorientierter sowie genera/präventiver Ansatz ...................
46
II. Gefahr- und Verletzungserfolg, Bewertungsnorm und General-
prävention; Bewertungsnorm und Unrecht; zur Struktur des Unrechtsbegriffs ...............................................
48
III. Unrecht und Schuld (Strafwürdigkeit), Strafbedürftigkeit und Sanktionsnorm; Normschutzzweck und VerhaZtensnorm (Grundlagen) .........................................................
51
c.
Einwände gegen die Untersuchung; Sozialadäquanz und erlaubtes Risiko (Grundlagen) ..............................................
57
Zweites Kapitel
Gefährdungs- und VerletzungsdeIikte A. Übersicht ........ . ......
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B. Verletzungsdelikte (sekundäres Verletzungserfolgsunrecl1t) ........ I. "Objektive Zurechnung" ......
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IIo Sekundäres Erfolgsunrecht ..... III. ex post-Betrachtung .
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a) Die "Modellgefahrtheorie" von Jakobs
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1. Bei verletzungsausschließenden Umständen
2. Bei verletzungsbegründenden Umständen?
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b) Stellungnahme (General prävention und "objektive Zurechnung") o. 0"
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3. Ergebnis .......
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Inhaltsverzeichnis
c. Potentielle Verletzungsdelikte (primäres Verletzungserfolgsunrecht
= Gefährlichkeitsunrecht)
11
........................................
75
I. Beendete taugliche Verletzungsversuche durch Begehung und Unterlassung ...................................................
75
1. Konkrete Verletzungsgefahr ex ante ...................... . . .
75
a) Der beendete untaugliche Verletzungsversuch durch Begehung (Handlungsunrecht) ................................
77
b) Der beendete objektiv fehlgeschlagene Verletzungsversuch durch Begehung (Anfangsrisikounrecht) ..................
81
c) Der beendete taugliche Verletzungsversuch durch Begehung
82
(1) Primäres Erfolgsunrecht = Gefährlichkeitsunrecht ....
82
(2) Einschränkung durch ex post-Erkenntnisse? ......... . . (a) Die ex ante-ex post-Kombination bei Spendel ...... (b) Stellungnahme (ex ante-Urteil beim primären Erfolgsunrecht = Gefährlichkeitsunrecht) ............. (c) Lösung der Ausgangsfälle (B.III.) .................. (d) Ergebnis ...........................................
83 84 85 89 94
d) Der beendete taugliche Verletzungsversuch durch Unterlassung ..................................................
95
(1) Konkrete Verletzungsgefahr oder "letzte Eingriffsmöglichkeit"? .............................................
99
(2) Konkrete Verletzungsgefahr oder "Aus-der-Hand-Geben" der Tat? .................. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
104
(3) Ergebnis ..............................................
108
2. Zur Begründung des (primären) Erfolgsunrechts (Gefährlichkeitsunrechts) ...............................................
109
a) Die Konzeption Zielinskis (Handlungsunrecht und Schuld i. e. S. beim tauglichen Versuch und bei vollendeter Tat) ..
110
b) Stellungnahme (primäres Erfolgsunrecht, Generalprävention und Schuld i. w. S. beim tauglichen Versuch) .........
113
c) Sekundäres Erfolgsunrecht, Generalprävention und Schuld i. w. S. bei vollendeter Tat ... . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
127
d) Normtheoretische, unrechtssystematische und strafzumessungsrechtliche Folgerungen ............... . . . . . . . . . . . . . . .
132
(1) Bewertungsnorm ......................................
132
(2) Verhaltensnorm und gesetzlicher Unrechtstatbestand; Gesamtunrechtstatbestand ............................. (a) Unrechtsbegründende Merkmale .................... (b) Rechtfertigungsgründe ............................. (c) Gesetzlicher Unrechtstatbestand, Unrechtsbewußtsein und Schuld i. e. S. von Andershandelnkönnen .......
132 133 134 135
12
Inhal tsverzeichnis (d) Gesamtunrechtstatbestand .......................... (aa) Verhaltens- und Bewertungsnorm bei Rechtfertigungsgründen ............................... (bb) ex ante-Betrachtung bei Rechtfertigungsgrunden (ce) "Gesetzlicher Gesamtunrechtstatbestand" und besondere objektiv-subjektive oder subjektive Gesamtunrechtsmerkmale (z. B. in §§ 113 StGB, 127 IStPO) ................................... (dd) Primärer Rettungschancenwert und sekundärer Rettungserfolgswert bei Rechtfertigungsgrunden (ee) Zusammenfassung ............................
136 136 137
143 165 173
(3-7) Verletzungsversuche, vollendete Verletzung und Strafzumessung ....................................
174
3. Zwischenbilanz und Ausblick ...... . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
177
a) Personale und objektive Zurechnung ................. . ...
177
b) Unwert und Unrecht .....................................
179
c) Die Reichweite der objektiven Zurechnung zum Unrecht; Grade des Unrechts und rationale Strafzumessung ........
180
d) Der Fortgang der Untersuchung ................. . . . . . . . . .
182
H. Vorsätzliche potentielle VerletzungsdeZikte (unechte UnternehmensdeZikte); z. B. §§ 126, 130, 166, 186, 229 ......................
184
1. Meinungsstand ..............................................
184
2. Würdigung .................................................
186
3. Ausblick ....................................................
191
IH. Fahrlässige potentielle VerletzungsdeZikte und "fahrlässige Ver-
letzungsversuche" .............................................. 1. Vollendete fahrlässige potentielle Verletzungsstraftaten (un-
192
echte Unternehmensdelikte) .................................
192
2. "Fahrlässige Verletzungsversuche" ..........................
193
D. Konkrete Gefährdungsdelikte (sekundäres Gefährdungserfolgsunrecht) ............................................................
197
I. Grundlagen ................................................ . ...
197
1. Bedeutung der konkreten Gefährdungsdelikte ...............
198
2. Sekundäres Gefahrerfolgs- bzw. Gefährdungserfolgsunrecht; "extensive Gefährdungsrisikotheorie" (Eb. Schmidt) ..........
199
3. Ablehnung der "restriktiven Gefährdungsrisikotheorie" (h. M.)
200
a) Schaffung eines adäquaten Gefährdungsrisikos minderer Qualität .................................................
202
Inhaltsverzeichnis
13
b) Schaffung eines adäquaten Verletzungsrisikos ("Erjolgsgejahrtheorie
c)
U
)
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204
von adäquatem Gefährdungs- und Verletzungs...................................................
205
d) Identität von Gefährdungs- und Verletzungsvorsatz ......
209
e) Folgerungen (Identität von Gefährdungs- und Verletzungsverooten; -versuchen) ....................................
215
I~~ntität
nsiko
4. Die drei Lösungsansätze einer "GejahrerjoZgstheorie u
.••.•...
217
a) Grundlagen ..............................................
217
b) "Normative Gefahrerfolgstheorie" (z. T. BGH; Cramer; Schü-
nemann) .................................................
217
c) "Modifizierte normative Gefahrerfolgstheorie" ............
219
d) "Naturwissenschaftliche Gefahrerfolgstheorie" (Horn) ....
220
5. Regelungsintention bei den konkreten Gefährdungsdelikten
und Gefahrerfolgsbegrlff ....................................
220
H. Die "modifizierte normative Gejahrerjolgstheorie" ..............
223
1. Kombination von Prognose ex ante (1. Adäquanzurteil), Prognose ex post (2. AdäquanzurteiI) und weitreichender Diagnose
ex post .....................................................
223
a) Thesen ..................................................
223
b) Nachträgliche Berücksichtigung von "Rettungschancen eröffnenden Umständen" ..................................
227
c) Ergebnis und Einwände ........ . . . ......................
230
2. Zurückweisung der Einwände ...............................
231
a) ex post-Betrachtung bei gefahrerfolgsbegründenden Umständen; Realisierung eines "Modellgefährdungsrisikos"? ..
231
b) AdäquanzurteiI und konkrete Betrachtungsweise ... . . . . . . .
235
c) Zur Kritik an der "naturwissenschaftlichen Gefahrerfolgstheorie" (strikte Diagnose ex post) ........................
237
3. Verifikation des "normativen Gefahrerfolgsbegriffs" anhand
höchstrichterlicher Entscheidungen ..........................
IH. Ergebnis; Abschajjung der konkreten GejahrerjoZgsdelikte de lege
jerenda? .......................................................
241 247
14
Inhal tsverzeichnis
E. Potentielle konkrete Gefährdungsdelikte (primäres Gefährdungserfolgsunrecht = Gefährlichkeitsunrecht) ......................... I. Beendete taugliche Gejährdungs- (und Verletzungs-)Versuche
254
durch Begehung bzw. Unterlassung ............................
255
II. Unbeendete taugliche Gefährdungs- und Verletzungsversuche ...
256
1. Begehungsversuche und "adäquates Anfangsverletzungsrisiko"
als objektive Unrechtsuntergrenze ...........................
256
2. Unterlassungsversuche und Rücktritt vom unbeendeten tauglichen Versuch ..............................................
258
3. Ergebnis und Ausblick ......................................
266
IH. § 223 a I 4. Alt.: Kombination von vorsätzlicher Verletzungsstraf-
tat und "vorsätzlichem potentiellen konkreten Gefährdungs- bzw. Verletzungsdelikt" .............................................
268
1. Meinungsstand ......................... . ....................
268
2. Würdigung
273
IV. "UneigentHche abstrakte Gefährdungsdelikte": Kombination von vorsätzlicher Tat und "fahrlässigem potentiellen konkreten (Lebens-)Gefährdungsdelikt" (§ 306 Nr.2) .......................
276
1. Grundlagen (§ 306 Nr.2 als abstraktes Gefährdungsdelikt?) ...
276
2. § 306 Nr. 2 als "eingeschränktes abstraktes Gefährdungsdelikt"?
280
3. § 306 Nr.2 als "potentielles konkretes Gefährdungs- bzw. VerletzungsdeIikt" ..............................................
282
a) Schaffung eines vollumfänglichen adäquaten Verletzungsrisikos ................................................... (1) Mangelnder subjektiver Bezug (Baumann)? ............ (2) Voller Vorsatz- oder Fahrlässigkeitsbezug (§ 151 AE) ... (3) Zumindest Fahrlässigkeitsbezug ....................... (a) Die Auffassungen von Rudolphi und Hirsch ......... (b) Die Auffassung von Volz ........................... (c) Die Auffassungen von Brehm und Horn............ (d) § 306 Nr. 2 als "fahrlässig-untaugliches potentielles konkretes Gefährdungs- bzw. VerletzungsdeIikt"
282 282 284 284 284 286 287
(Schünemann)? .....................................
288
b) Schaffung eines adäquaten Verletzungsrisikos minderer Qualität mit "verdünntem" Vorsatzbezug (Cramer) .......
291
4. § 306 Nr.2 als konkretes GefährdungsdeIikt (Binding; Rabl,
Schröder)? ..................................................
294
5. Ergebnis und eigene Lösung ................................
296
V. Fahr!ässige potentielle konkrete Gefährdungs- (und Ver!etzungs-) Delikte ("fahrlässige Versuche") ................................
299
Inhaltsverzeichnis
15
F. Beendete untaugliche Gefährdungs- und Verletzungsversuche durch Tun oder Unterlassen; Vollendungstaten mit alleinigem Handlungsbzw. Unterlassungsunrecht ... . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
301
I. Restriktive Interpretation ......................................
301
Ir. Der untaugHche Versuch bei unechten Unterlassungsdelikten und beim "untauglichen Subjekt" ...................................
305
IIr. Zusammenfassung .............................................
308
G. Beendete objektiv fehlgeschlagene Gefährdungs- und Verletzungsversuche (objektives Anfangsrisikounrecht) .......................
309
H. Unbeendete Gefährdungs- und Verletzungsversuche (Teilunrecht); "unbeendete Rettungsversuche" (Teilchancenwert) .................
312
I. Unbeendete Gefährdungs- und Verletzungsversuche ........... . .
312
Ir. "Grade des Unrechts" und Strafzumessung .....................
315
IIr. Zum Rücktritt von den unbeendeten Gefährdungs- und Verlet-
zungsversuchen ................................................
IV. "Unbeendete Rettungsversuche"
315 317
J. "Eigentliche" und "besondere abstrakte Gefährdungsdelikte" ("potentielles Erfolgsunrecht"); "abstrakte, generelle und konkrete Risikodelikte" mit "potentieller genereller Kausalität" ............
319
I. "Eigentliche abstrakte Gefährdungsdelikte" (§§ 316 StGB, 167 AE)
319
Ir. "Prüfstellendelikte" (§§ 152 ff. AE) ..............................
320
IIr. Weitere Sonderformen des abstrakten Gefährdungsdelikts ......
321
1. "Generell gefährliche Delikte" mit "potentiellem Erfolgsunwert" (Gallas); §§ 3, 11 LebMG. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
321
2. Abstrakt-konkrete Gefährdungsdelikte (Schröder)? ...... . ...
324
a) §§ 3, 11 LebMG ..........................................
324
b) § 308 I 2. Alt. .............................................
324
IV. "Risikodelikte" mit "potentieller genereller KausaHtät" .. . ......
325
1. "Abstrakte Risikodelikte" (§ 131 StGB) ......................
325
2. Generelle und konkrete Risikodelikte" (§§ 157, 151 AE) ......
326
V. Zusammenfassung ....... . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
326
K. Delikte mit "vergeistigtem Zwischenrechtsgut" ("mediatisiertes Erfolgsunrecht") ....................................................
328
16
Inhal tsverzeichnis Drittes Kapitel
Die rechtliche Mißbilligung (Sozialinadäquanz) von adäquater Risikoschaffung und RisikoreaIisierung A. Grundlagen ...................................................... B.
330
Di~ ~ehre vom rechtmäßigen Alternativverhalten (RisikoerhöhungsprInzIp) ..........................................................
334
Die Lehre vom Schutzzweck der Norm .... . .......................
341
D. Subjektiver Unrechts-/Schuldbezug und Irrtum bei der Sozialinadäquanz ("rechtlichen Mißbilligung") ...........................
350
Die wesentlichen Ergebnisse der Untersuchung ......................
356
Literaturveneichnis .............................................. . ..
363
Sachveneichnis .................................................. . ..
377
c.
Abkürzungen Bei den Abkürzungen wird den Vorschlägen von H. Kirchner (Abkürzungsverzeichnis der Rechtssprache, 2. Aufl. 1968) sowie des "Systematischen Kommentars zum Strafgesetzbuch" gefolgt.
Erstes Kapitel
Normtheoretische, unrechts- und deliktssystematische sowie methodologische Grundlagen A. Objektive und personale Zurechnung; Unrecht und Schuld in einem funktionalen Straftatsystem I. Teleologische objektive Zurechnungslehre Die Untersuchung verfolgt - wie ihr Titel nicht vollends ergibt im wesentlichen ein vierfaches Ziel (I.-IV.). Es geht zum einen um den Versuch, die verzweigten, z. T. schon unübersichtlichen und jeweils nur Einzelaspekte herausgreifenden Ansätze zur sog. "objektiven Zu rechnung"l im Strafrecht zu einer "teleologischen Handlungs- und Zurechnungslehre" zu verbinden!!. Eine monographische Bearbeitung fehlt. Die hauptsächliche Stoß richtung der bisherigen Einzelversuche offenbart freilich einen Generalkonsens und ist durchaus begrüßenswert. Sie dienen fast durchweg einer den Grundsätzen des strikten Rechtsgüterschutzes3 , der Geeignetheit des Mittels4 und der Subsidiarität des Strafrechts 5 verpflichteten Eingrenzung der Zurechenbarkeit, die mit den herkömmlichen Prinzipien der Kausalität 6 und subjektiven (finalen) ZuZum Begriff etwa Rudolphi SK, Rn 38 ff. vor § 1. Vgl. die Forderung von Roxin ZStW 83, 383; ferner etwa Ebert Jura 1979, 561; Kienapfel JuS 1974, 7; Rudolphi aaO, Rn 58; Schönke I Schröder I Lenckner, Rn 95 ff. vor § 13; Schünemann JA 1975, 715; Spendel JuS 1974, 749; WesseIs AT, 41. 8 Dazu Rudolphi aaO, Rn 2 ff. m. Nachw.; Seiler, Maurach-Festschr., 80 (näher sogleich unter VI. 1.). Zur Bestimmung des Rechtsguts als werthafte Funktionseinheit Rudolphi, Honig-Festschr., 152 ff., 163 f.; SK, Rn 8 vor § 1 m. Nachw.; Otto, SchrÖder-Gedächtnisschr., 53. Zur Abgrenzung der Rechtsgutsverletzung als "Beeinträchtigung des Achtungsanspruchs" von der Angriffsobjektsverletzung Jescheck AT, 211; Schmidhäuser, Engisch-Festschr., 444 (näher unten 2. Kap. E.IV. Fußn.827; F.!.5.a) m. Nachw. in Fußn.836). 4 Dazu Rudolphi aaO, Rn 13 m. Nachw.; s. a. unten 2. Kap. D.III.2. Fußn.718. 5 Roxin JuS 1966, 382; Rudolphi aaO. Rn 14 m. weit. Nachw.; s. a. Arthur Kaufmann, Henkel-Festschr., 89 ff.; otto aaO, 57 Fußn.16. o Zur Kausalität vgl. 2. Kap. B.II!.1. Fußn. 18 m. Nachw.; zur "potentiellen generellen Kausalität" 2. Kap. J.IV. (grundlegend dazu Armin Kaufmann JZ 1971, 572 ff.); zur "Kausalität" bei Unterlassungsdelikten Rudolphi SK, Rn 15 -16 a vor § 13. Insgesamt ist der Kausalitätszusammenhang im Grundsatz nicht zu ersetzen (so aber otto NJW 1980, 417 ff.), sondern lediglich einzu1
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1. Kap.: Normtheoretische und deliktssystematische Grundlagen
rechenbarkeit erheblich zu weit gesteckt ist. Von diesem Ansatzpunkt her stellt sich die Aufgabe, den gesamten Rechtsstoff an Hand von regulativen Prinzipien schrittweise durchzusehen. So gilt es z. B., die den leitenden Zurechnungsprinzipien der "adäquaten (objektiv vorhersehbaren) und rechtlich mißbilligten Risikoschaffung" (2. Kap. C., E.; 3. Kap.), des "rechtlich relevanten Risikozusammenhanges" zwischen Gefahrschaffung und Risikorealisierung in der Tatobjektsverletzung" (bzw. -gefährdung) (2. Kap. B., D.), der "Risikoerhöhung", der "Risikoverringerung", der "Risikoabnahme" bzw. des "Schutzzwecks der Norm" (3. Kap.) zugrunde liegenden (gesetzlichen) Wertmaßstäbe zu ermitteln und diese Regelungsgrundsätze anhand von spezifischen Fallgruppen und der ihnen gemeinsamen Einzelaspekte mit Konturen zu versehen7 • Daß es bei alledem auch um eine Synthese zwischen den Impulsen der finalen und personalen Handlungs- und Unrechtslehre und den Forderungen der vorausgehenden, vom Wert- und Zweckgedanken bestimmten Strafrechtslehren geht, sei schon jetzt ausdrücklich hervorgehoben8• 11. Teleologische personale Zurechnungslehre 1. Dies lenkt uns auf ein zweites Ziel der Arbeit. Es geht bei den genannten Zurechnungsprinzipien durchaus nicht allein bzw. durchweg um objektive Zurechenbarkeit. Hinzu kommen muß vielmehr vielfach eine personale (objektiv-subjektive) Zurechnung, d. h. ein Vorsatz-/ Fahrlässigkeits- und Schuldbezug zum objektiven Zurechnungsmerkmal. Dieser personale Bezug muß grundsätzlich - nimmt man zunächst einmal die Vorsatzdelikte - bis hin zur Beendigung des Versuchs vorhanden sein. D. h. z. B., daß die Schaffung eines adäquaten und rechtlich mißbilligten Erfolgsrisikos regelmäßig auch vom Vorsatz sowie der Schuld i. e. S. der §§ 20,17 und des Andershandelnkönnens mitgetragen sein muß (zu den Ausnahmen unten VI.2.a) und 2. Kap. C.I.2.b). Wollte man nun aber etwa den Zurechnungsprinzipien der Risikoerhöhung und des Normschutzzwecks Einfluß auf die Frage einräumen, ob das vom Täter adäquat (= objektiv vorhersehbar) geschaffene Risiko auch rechtlich zu mißbilligen isfl a , so müssen auch diese bisher objektiv schränken (s. a. Ebert Jura 1979, 561 ff.; Fincke, 42 ff., 72; Jescheck LK, Rn 48 vor § 13; Schlüchter JuS 1976,314). 7 In dieser Richtung vor allem Roxin, Honig-Festschr., 133 ff.; Gallas-Festschr., 241 ff.; s. a. Burgstaller, Fahrlässigkeitsdelikt, 96 ff.; Rudolphi JuS 1969, 550 ff.; Schünemann JA 1975, 575 ff., 647 ff., 715 ff., 787 ff.; jüngst Ebert, otto aaO. 8 Dazu Gallas ZStW 67, 47; Roxin, Gallas-Festschr., 258. 8a Zur Unterscheidung und zur Unabhängigkeit der Zurechnungsgrundsätze der "Adäquanz" und der rechtlichen Mißbilligung etwa Bottke JA 1979, 436; P. Frisch, Fahrlässigkeitsdelikt, 98ff.; Rudolphi SK, Rn 57 vor § 1; Wolter GA 1977, 257 ff.; Zipf ZStW 82,633 ff.; näher unten VI.3., 5.
A. Objektive und personale Zurechnung im Straftatsystem
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gefaßten Rechtsinstitute einen personalen Bezug aufweisen. Vergleichend zu erörtern ist bei der Risikoerhöhung stets zuerst das sorgfaltsgemäße Alternativverhalten, nicht etwa das Problem, ob das sorgfaltswidrige Verhalten oder Unterlassen des Täters - verglichen mit dem ordnungsgemäßen Verhalten - einen Risikoerhöhungserfolg nach sich gezogen hat oder nicht. Dies wird in der Lehre z. T. übersehen, teilweise deshalb nicht beachtet, weil jedenfalls bei den hier bisher im Vordergrund stehenden Fahrlässigkeitsdelikten mit der mangelnden Erfolgszurechnung (wegen fehlenden RiSikoerhöhungserfolgs) auch die Strafbarkeit entfällt. Sobald man freilich die Vorsatzdelikte (unten VI.5.b) oder - de lege ferenda (unten 2. Kap. C.III.2., E.V.) - die fahrlässigen Versuche in den Blick nimmt, wird die Differenzierung zwischen personalem ordnungsgemäßen Alternativverhalten und etwaigem objektiven Risikoerhöhungserfolg nach diesem hypothetischen Verhalten unumgänglich. Oder, zunächst noch sehr vereinfacht und wichtige Varianten beiseitelassend ausgedrückt: die objektive Erfolgszurechnung, um die sich die bisherige Diskussion weitgehend dreht, basiert auf einer personalen Verhaltensund Risikozurechnung. 2. Andererseits bildet die Deliktsspanne zwischen Beendigung des Verhaltens und Eintritt des Deliktserfolgs i. S. v. Verletzungs- oder Gefährdungserfolg (sog. Risikozusammenhang) zwangsläufig die Domäne der objektiven Zurechnung. Das ergibt sich daraus, daß der Täter z. B. seinen Vorsatz bis zur Beendigung des Versuchs durchzuhalten braucht. Schon § 24 bietet für diese These den entscheidenden Anhaltspunkt. Eine ganz andere Frage in diesem Zusammenhang ist freilich, ob man insoweit nicht wenigstens einen (verdünnten) personalen Bezug i. w. und auch strafzumessungsrechtlichen S. fordern muß (näher unten VII.2. und 2. Kap. C.I.2.c). 3. Es kommt noch ein dritter Punkt bei der teleologischen Zurechnung hinzu. Es g~bt nicht nur eine objektive Zurechnung; und nicht nur eine personale (objektiv-subjektive) Zurechenbarkeit, die den allgemeinen Regeln der §§ 16, 17 folgt. Vielmehr begegnen uns auch Merkmale, die besonderen (personalen) Zurechnungs regeln unterliegen. Zu nennen ist einmal die "Rechtmäßigkeit der Diensthandlung" in den §§ 113, 136, deren spezielle Irrtumsregelungen erheblich von den §§ 16, 17 abweichen. - Und es finden sich daneben besondere strikt subjektive unrechtsbegTÜndende Merkmale ohne Pendant im objektiven Unrechtstatbestand, wie z. B. die Zueignungsabsicht in § 242. 4. Insgesamt wird es also bei der Abhandlung zunächst auf ein dreifaches ankommen. Einmal auf die Durchschreitung und Analyse des 2'
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1. Kap.: Normtheoretische und deliktssystematische Grundlagen
gesamten Rechtsstoffes, um die verschiedenartigen Zurechnungsstrukturen herauszuarbeiten: objektive Zurechnung; objektiv-subjektive Zurechnung i. S. der §§ 16, 17; besondere objektiv-subjektive Zureclmung i. S. der §§ 113, 136; und strikt subjektive Zurechnung etwa bei der Zueignungsabsicht. Dabei machen die drei letzten Zurechenbarkeitsvarianten das Spektrum der personalen Zurechnung aus. Zum zweiten wird Stellung zu der Frage zu beziehen sein, ob insbesondere die objektiven Zurechnungsmerkmale Unrechtsrelevanz besitzen. Das wird z. B. bezüglich des Deliktserfolgs (i. S. v. Gefährdungsoder Verletzungserfolg), z. T. sogar hinsichtlich der Schaffung eines objektiven (Erfolgs-)Risikos bestritten (näher unten VI.2.a) und 2. Kap. C.I.2.). Und drittens wird man versuchen müssen - wenn man die personale Verhaltens- und Risikozurechenbarkeit gleichsam als das Fundament der objektiven Erfolgszurechnung betrachtet -, sämtliche Grade und Stadien der Objektivierung und Verwirklichung des Willensentschlusses unter der Perspektive der Unrechtsbegründung zu betrachten. Das Spektrum reicht vom unbeendeten untauglichen Versuch bis hin zum vollendeten Verletzungsdelikt. Zwischenschritte sind etwa der beendete taugliche Versuch, das vollendete konkrete Gefährdungsdelikt, die abstrakten Gefährdungsstraftaten und andere Risikodelikte (dazu 2. Kap.).
111. Teleologische Rechtfertigungslehre Und dennoch bilden die bisher genannten Ziele nur einen roten Faden der Abhandlung. Ein anderer liegt in der These, daß es ganz entsprechende Grade und Stadien der Objektivierung des Willensentschlusses, ganz entsprechende personale und objektive Zurechnungsprobleme auch beim Unrechtsausschluß, d. h. den Rechtfertigungsgründen gibt. Auch hier ist etwa zwischen unbeendeten und beendeten Rettungsversuchen, der Schaffung von Rettungschancen und dem Eintritt eines Rettungserfolgs zu unterscheiden; auch hier gibt es strikt subjektive unrechtsausschließende Merkmale wie etwa die Strafverfolgungsabsicht in § 127 I StPO (näher unten VI.7. und 2. Kap. C.I.2.d). Insofern reichen die Ziele der Untersuchung weiter als der Titel der Arbeit Auskunft geben kann. Es geht also um eine umfassende Analyse der Struktur des gesamten Unrechts (der Unrechtsbegründung wie des Unrechtsausschlusses), die das Verhalten (Handeln und Unterlassen), die Risikoschaffung, den Erfolg und die Deliktsspanne zwischen risikoschaffendem Verhalten und Erfolg gleichermaßen umfaßt und so die herkömmliche Gegenüberstellung von Handlung und Erfolg durch Differenzierungen letztlich auflöst.
A. Objektive und personale Zurechnung im Straftatsystem
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Insgesamt liegt das Schwergewicht der Arbeit eindeutig bei dem Unrecht der Straftat. Die Diskussion ist nach den jüngsten Arbeiten von Horn und Zielinski; Armin Kaufmann und SchatJstein (Welzel-Festschr.); Stratenwerth und Schünemann (Schaffstein-Festschr.); Gallas und KTÜmpelmann (Bockelmann-Festschr.) sowie Rudolphi (SchröderGedächtnisschr.) in große Unruhe geraten. Hingegen wird die Schuld nur insoweit berücksichtigt wie es um die Schuldrelevanz der personalen Zurechnung einschließlich der Irrtumsfragen geht.
IV. Teleologisches (funktionales) Straftatsystem Nach allem kann man auch das vierte und letzte Ziel der Abhandlung und einen weiteren roten Faden umschreiben. Die Entfaltung einer teleologischen personalen und objektiven Zurechnungslehre bedarf eines entsprechenden systematischen Rahmens 9. "Daß sich heute jeder strafrechtliche Systementwurf nur legitimieren kann, wenn und soweit er teleologisch ausgerichtet ist, seine Entscheidungen also an der Funktion des Strafrechts in der modernen Gesellschaft orientiert"9a, scheint ausgemacht. Mit Recht formuliert Schmidhäuser10 das Ziel jeder systematischen Bemühung dahin, daß immer auf die Rechtsfolge der Strafe hin zu fragen ist, wenn es um die Merkmale der Straftat und deren Ordnung geht. Man mag nur hinzufügen, daß im Einzelfall auch schon die "andere Spur" des Strafrechts, der Bereich der Maßregeln der Besserung und Sicherung in den Blick zu nehmen istl~a. Daß bei diesem Ausgangspunkt der Funktion von Maßregeln und Strafe Unrecht und Schuld als (funktionale) Systemkategorien im Vordergrund stehen1 t, ergibt sich dann nahezu zwangsläufig. Der Gesetzgeber hat diesen Kategorien etwa in den §§ 17, 20, 32, 35, aber auch in § 46 hinreichend Ausdruck verliehenl2 . Die Lehre vom Verhalten ("Handlungslehre") als Oberbegriff der rechtswidrigen und schuldhaften13 Tat spielt schon von daher nur noch 9 Dazu a. Roxin, Kriminalpolitik, 10; Radbruch-Gedächtnisschr., 264 f.; s. a. Achenbach, 229 f.; Jakobs, Studien, 18; Rödig, Lange-Festschr., 58 m. Fußn. 43. Da Lackner JZ 1978, 211. 10 AT, 6/1 f. m. Nachw.; s. a. Achenbach, 227 ff.; Naucke, 17 ff.; näher unten C.!. l~a Dazu Naucke, 32. 11 Schmidhäuser AT, 6/5; vgl. a. otto, SchrÖder-Gedächtnisschr., 53 ff., 70. 12 Ob man neben dem "gesetzlichen Straftatbestand" einen "Straftatbestand der objektiven Zurechenbarkeit" ("Strafwürdigkeitstatbestand"; in dieser Richtung Langer, 275 ff., 327 ff., 360 ff., 363; dagegen Sax JZ 1977, 332 m. Fußn. 62; s. a. otto aaO, 57 ff.) bilden soll, ist eine zweitrangige Frage. Dazu 3. Kap. D.III.2. 13 Zur Abgrenzung des Unrechts und der Schuld von Rechtswidrigkeit und Schuldhaftigkeit s. 2. Kap. C.!.2.d) Fußn. 348 ff.; zur Tatbestandsmäßigkeit als nur unselbständiger Deliktskategorie daselbst bei Fußn. 317 ff.
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1. Kap.: Normtheoretische und deliktssystematische Grundlagen
eine untergeordnete Rolle; sie wird bei einer teleologisch ausgerichteten Straftatlehre nachgerade unwichtig14 • - Daß angesichts des mit Verfassungs rang ausgestatteten Schuldprinzips die objektiven Bedingungen der Strafbarkeit bzw. entsprechende Strafausschließungsgründe ("Strafbedürftigkeit" ; dazu B.III.2.) auf das Minimum schlechterdings nicht an Unrecht und Schuld zu bindender Merkmale zu beschränken sind, versteht sich ebenfalls. Auch bedarf heute keiner näheren Begründung mehr, daß die Errichtung eines solchen funktionalen Straftatsystems von Unrecht und Schuld nicht nur einer zusammenfassenden Ordnung mit dem Ziel der praktischen Umsetzung15 und der Vorbereitung einer Lösung von "Tagesfragen von morgen"16 dient, sondern daß es a limine auch inhaltsbestimmende, die rechtliche Qualifikation des "Materials" implizierende Bedeutung besitzt17. Ein (funktionales) Straftatsystem hat auch - wie Radbruch18 formuliert hat - "Erkenntniswert". Und es verhilft so dem Gleichheitsgedanken als wesentlichem Teil der Gerechtigkeit zum Durchbruch19.
v. Methodologie 1. Die Verbindung der vier Hauptziele der Untersuchung läßt sich noch - zunächst unter methodologischem Aspekt - verdeutlichen. Es geht darum, den die beiden Systemkategorien 'prägenden und "überwölbenden" regulativen Leitprinzipien, d. h. den "Ideen" des Unrechts und der Schuld20, "beim Durchschreiten des Rechtsstoffs durch die ständig zunehmende Fülle seiner Ausprägungen allmählich Form und Inhalt" zu geben21 .
Dieses induktive Verfahren vermeidet die Fehlleitungen durch eine vorgegebene, abstrakte und definitorische Formel; sie vermag "Problemund Systemdenken" miteinander zu verbinden. Das entstehende "offene 14 Dazu Schmidhäuser AT, 6/4; WoIter GA 1977, 272 m. Nachw.; jüngst Naucke, 8, 17. 15 Schünemann, Schaffstein-Festschr., 176; s. a. Roxin, Radbruch-Gedächtnisschr., 265. 1e Münzberg, Verhalten, 5 Fußn. 12. 17 Schmidhäuser AT, 6/1 m. Nachw.; zum Verhältnis von Rechtsidee und Rechtsstoff Roxin aaO, 260 ff.; weitergehend Naucke, 13 f., 33 f., 39 f. 18 Frank-Festg. I, 159 (bezogen auf das teleologische System). 19 Vgl. a. Marxen, 268 f.; Gössel, Peters-Festschr., 57; Schünemann JA 1975, 436; weitergehend Naucke aaO. 20 Dazu Roxin aaO, 262 f.; zur "Schuldidee" a. Achenbach, 2 ff. 21 Dazu Roxin, Täterschaft, 528 ff. u. Radbruch-Gedächtnisschr., 264 f.; s. a. Engisch, DJT-Festschr. I, 409; GaUas ZStW 67, 16; NoU ZStW 77, 3; zum grundsätzl. "genetischen Primat" des Rechtsproblems vor dem Rechtssystem (d. h. dem Verbot, konkrete Rechtsfolgeentscheidungen durch eine insoweit blinde systematische Einordnung zu präjudizieren), vgl. Schünemann JA 1975, 436.
A. Objektive und personale Zurechnung im Straftatsystem
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System" kann dabei auch Widersprüchliches oder Gegensätzliches in sich aufnehmen. Insofern kann es gelingen, z. B. die "Sphinx der §§ 113 IH, IV"22 in das Straftatsystem zu integrieren; und dies macht es denkbar, strikt objektive Zurechnungsmerkmale ohne Vorsatz- oder subjektiven Fahrlässigkeitsbezug in das Unrecht der Straftat einzugliedern23 • Die Rechtsgutsverletzung als objektives und vorsatz- wie schuldunabhängiges Unrechtsmerkmal ist in einem funktionalen Straftatsystem kein Fremdkörper. 2. In diesem Zusammenhang noch ein Wort zu dem Aufbau der vorliegenden Untersuchung: Nachdem bisher in erheblicher Vereinfachung versucht worden ist, die roten Fäden der Abhandlung kenntlich zu machen, wird im folgenden in einem Doppelschritt der gesamte Rechtsstoff entfaltet. In einem ersten Schritt geht es vornehmlich um die normtheoretischen und deliktssystematischen Grundlagen sowie die Struktur des Unrechtsbegriffs (verbleibendes 1. Kap.). In einem umfangreichen zweiten Schritt werden die mannigfachen Erscheinungsformen der Straftaten de lege lata et ferenda - von den vollendeten Verletzungsdelikten über die Versuchsformen bei Begehung und Unterlassung bis hin zu den konkreten und abstrakten Gefährdungsdelikten - einer eingehenden Analyse unter Einschluß der Rechtfertigungslehre unterzogen (2. Kap.) sowie die Zurechnungsprinzipien der "Risikoerhöhung" und des "Normschutzzwecks" näher entwickelt (3. Kap.). Ein solches Vorgehen ist sicher mit erheblichen Nachteilen für den Leser behaftet. Denn manches der nachfolgenden grundlegenden Ausführungen wird vollends erst bei den späteren Einzelanalysen deutlich. Aber dies hängt einerseits mit der schrittweisen Entstehung der Arbeit auf der Grundlage eines normtheoretischen und (offenen) unrechtssystematischen Generalkonzepts zusammen. Zum anderen würde man angesichts der Fülle des Rechtsstoffes ohne einige vorangestellte regulative Prinzipien und Wegweiser möglicherweise noch mehr verunsichert. Insofern erscheint die hier gewählte Verbindung des Deduktiven mit dem Induktiven, der vorweggenommenen Gesamtbeurteilung mit der nachfolgenden Einzelbegutachtung, des Allgemeinen mit dem Besonderen als eine zugleich anspruchsvolle wie angemessene Methode. Wenden wir uns also zunächst noch allgemein der "Unrechtsidee" (A.VI.), der "Schuldidee" (A.VII.), der "Normtheorie" (B.) und am Ende den verbleibenden Einwänden gegen die dann hinreichend umrissene Untersuchung (C.) zu. :22 Dreher, SchrÖder-Gedächtnisschr., 367 ff.; näher unten 2. Kap. C.I.2.d) bei Fußn. 407 ff. 23 Dazu grundsätzl. a. otto, SchrÖder-Gedächtnisschr., 64 f.; s. a. GoUner MDR 1976, 189; Arthur Kaufmann JZ 1963, 429.
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1. Kap.: Normtheoretische und deliktssystematische Grundlagen
VI. Unrechtsbegründung und Unrechtsausschluß ("Unrechtsidee") 1. Rechtsgüterschutz als Aufgabe des Strafrechts
Geht man vom Rechtsgüterschutz als der Aufgabe des Strafrechts aus, so geraten zunächst einmal die Gefährdungen und Verletzungen von Rechtsgütern als Ausprägungen der Sozialgefährlichkeit und der Sozialschädlichkeitl!4 in den Blick. Es ist nicht die primäre Funktion des Strafrechts, elementare sozialethische Handlungswerte 25 und dadurch nur mittelbar auch Rechtsgüter zu schützen. Sinn und Zweck der Strafe ist es vielmehr, auf tatsächlich und zurechenbar gefährliche Verhaltensweisen, Gefährdungen und Verletzungen hin einzuschreiten und auf diese Weise unmittelbaren Rechtsgüterschutz zu betreiben. Die Strafdrohung besteht nicht (allein), um das sozialethische Urteil der Bürger zu formen, ihre rechtstreue Gesinnung zu stärken und zukünftigen, möglicherweise tatsächlich gefährlichen Verhaltensweisen zu widerstreiten, sondern sie besteht in erster Linie deshalb, um die Verhaltensweise aus in ihr selbst liegenden Gründen, nämlich wegen ihrer spezifischen (dann gegebenenfalls in einem Gefahr- oder Verletzungserfolg realisierten) Gefährlichkeit zu verhindern26 • Insofern ist die Aufgabe des Strafrechts, insbesondere der Strafdrohung sowie der Tat- und Schuldfeststellung im Strafverfahren27, weniger oder jedenfalls nicht allein mit der Bekämpfung von Verhaltensunwerten, sondern primär mit der Verhinderung von (objektiven) Gefahren - i. S. v. "Gefährlichkeiten" und "Gefährdungen" - und Verletzungen zu umschreiben. Man könnte ergänzend den Blickwinkel auch auf den konkreten Täter verengen: im Vordergrund stehen weniger die Verhaltens- bzw. Intentionsunwerte als primärer Anknüpfungspunkt der Individualprävention27a, sondern die Risiken (im genannten doppelten Sinne) und Verletzungserfolge als eigentlicher Ansatzpunkt für Generalprävention. Und noch ein letzter Strich in dieser ersten Skizze: Die Aufgabe des Strafrechts, der Rechtsgüterschutz, ist mehrdimensional. Das Strafrecht wirkt nicht nur mit Hilfe von Verbots- und Gebotsnormen präventiv, 24 Zum Umfang der Sozialgefährlichkeit und Sozialschädlichkeit Rudolphi SK, Rn 1 vor § 1 m. Nachw.; s. a. otto, Schröder-Gedächtnisschr., 56. 25 VgI. aber z. B. Welzel Lb, 4. 2t Treffend dazu Rudolphi, Maurach-Festschr., 71 f.; SK, Rn 2 vor § 1 m. Nachw. Zur Unterscheidung von Gefährlichkeit des Verhaltens und Gefährdung als Erfolg etwa Burgstaller, Fahrlässigkeitsdelikt, 37 ff.; WoIter JuS 1978, 750 ff. 27 Näher WoIter GA 1980, 81 ff. 27a Obwohl die Resozialisierung und Sicherungsindividualprävention letztlich auch Formen des Rechtsgüterschutzes sind; s. a. Roxin ZStW 81, 617 Fußn.
21.
A. Objektive und personale Zurechnung im Straftatsystem
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sondern auf dem Wege der Mißbilligung und der Schaffung von Genugtuung für das Opfer auch repressiv. Der mögliche Gefährdungs- oder Verletzungserjolg ist nicht nur Motiv für die Aufstellung von Verhaltensnormen, sondern auch maximaler Ansatzpunkt für Mißbilligung und Restitution. Dies alles ist im folgenden noch zu verdeutlichen (vgl. auch unter B.H.). 2. Verhaltens- und Bewertungsnorm; Rechtsgutsverletzung und Unrecht
Daß ein wirksamer Rechtsgüterschutz allein durch das Verbot oder Gebot menschlichen Verhaltens, d. h. (zunächst) durch Bekämpfung von bloßen Handlungs- und Unterlassungsunwerten ohne zwingende Rücksicht auf in der Verhaltensweise begriffene etwaige Gefährlichkeit (sunwerte), erzielt werden kann, steht dem skizzierten Ausgangspunkt nicht entgegen. In der Tat erfordert jede strafrechtliche Sanktion den Verstoß gegen eine Verhaltensnorm und damit die Realisierung eines Verhaltensunwerts ("Intentionsunwerts"). Nur Verhaltensweisen, nicht aber Gefährdungen oder Verletzungen können verboten werden27b • Dabei ist freilich auch an dieser Stelle der Unterschied zwischen der Gefährlichkeit des Verhaltens und der Gefährdung als Erfolg der Handlung oder Unterlassung im Auge zu behalten28 • Aber dennoch: die Verhaltensnormverletzung ist auch (und bereits vollständig) gegeben, wenn der Täter bei seiner Tat kein wirkliches Risiko ("keine Gefährlichkeit"), sondern nur eine vermeintliche Gefahr für ein Tatobjekt schafft. Und doch ist der ungefährliche (untaugliche) Versuch nicht der Prototyp des strafrechtlichen Unrechts28 • Der Gegenstand des Unrechts ist nicht identisch mit dem Gegenstand der Verhaltensnorm. Unrecht ist nicht nur Verhaltensunrecht. ",Verboten' i. S. eines rechtlichen Unwerturteils ist" - wie Gallas 29 treffend formuliert - "die deliktische Handlung nicht als Ausdruck von Rechtsungehorsam, sondern wegen der mit ihr verbundenen realen Chance einer Rechtsgutsverletzung" und damit der "Bedrohung" des Rechtsgutsträgers. Das Unrecht ist primär Tat-, nicht Willensunrecht. a) In diesen letzten Sätzen steckt schon ein ganzes Programm der Untersuchung. Es geht darum, die Schaffung dieser "realen Chance" bzw. "Bedrohung" als einen eigenständigen Teil der Unrechtsbegründung neben dem "Handlungsunwert" ("Handlungsversuchsunwert") her27b Armin Kaufmann, Normentheorie, 105 ff.; Münzberg, Verhalten, 3 ff. m. umfass. Nachw.; Stratenwerth SchwZStr 79,245. 28 Anders Zielinski, Handlungsunwert, 130 ff. (näher dazu 2. Kap. C.I.2.a), b); dagegen mit Recht Gallas, Bockelmann-Festschr., 159; Stratenwerth, Schaffstein-Festschr., 178 ff. 29 aaO; s. (aber) a. Münzberg, Verhalten, 62, 64.
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1. Kap.: Normtheoretische und deliktssystematische Grundlagen
auszuarbeiten. Die Eigenständigkeit dieses "Gefährlichkeitsunwerts" ("primären Erfolgsunwerts")30 offenbart sich dabei vor allem dann,
wenn Täterplanverwirklichung (und damit auch: Realisierung des Handlungsunwerts) und wirkliches Risiko (Schaffung eines objektiven Gefährlichkeitsunwerts) unwesentlich - und deshalb objektiv zurechenbar - voneinander abweichen31 • b) Eine solche Sicht bricht freilich mit der verbreiteten und insbesondere von Zielinski untermauerten Erkenntnis, daß sich Verhaltensnorm und Bewertungsnorm, finaler Akt und Unrecht vollauf decken. Neben dem finalen Akt beansprucht nach der hier flüchtig skizzierten Auffassung (näher 2. Kap. C.I.2.) auch ein vom Vorsatz (oder von der subjektiven Fahrlässigkeit) nicht umfaßter Tat-Bestandteil Platz im Unrechtssystem. Neben der Regelung des menschlichen Verhaltens hat die Norm auch eine zweite Seite: die mißbilligende Bewertung des verbotenen Verhaltens. Die Bewertungsnorm ist (so) "umfassender" als die Bestimmungsnorm32 • Die Norm besitzt eine motivierende und eine Wertmaßstäbe setzende Kraft33 • Beides kann sich decken wie bei einem in Planverwirklichung und Realität identischen (gefährlichen, tauglichen) Versuch, beides kann aber auch voneinander abweichen. Oder, noch einmal anders formuliert: Die Verhaltensnormen sind zwar imperativisch gefaßte und notwendig subjektivierte Bewertungsnormen3 '; die Bewertung geht dem Gesetzesbefehl logisch voraug3'a; der mögliche Erfolg ist nur Motiv für die Aufstellung der NormMb; in Bezug auf die Handlung fallen Verhaltensnorm und Bewertungsnorm zusammen34C ; und insoweit ist "der Gegenstand der Norm auch identisch mit dem Gegenstand eines zugehörigen Werturteils"3'letzungsstraftaten noch nicht einmal die erforderliche (reduzierte) Anfangsgefahr beim unbeendeten tauglichen Versuch begründen könnte (näher unten E.II.2., 1.; vgl. auch schon oben C.I.1.d)(2)a.E.). Selbst wenn man also das adäquate Gefährdungsrisiko nicht mit der adäquaten Verletzungsgefahr gleichstellen wollte (dazu aber sogleich b), c) und dementsprechend für die Gefährlichkeit des Verhaltens beim beendeten (tauglichen) Gefährdungsvemuch und dann auch vollendeten Gefährdungsdelikt ein erheblich vermindertes Risiko ausreichen lassen wollte: selbst eine solche reduzierte Gefahr i:st hier niehrt gegeben. Materietl gehören die nachhleibeooen Minimalgefahren entweder ins Vorberettungsstadium oder in den Bereich eines erheblich in das Vorfeld des unbeendeten tauglichen Verletzungsversuchs ausgedehnten unbeendeten tauglichen Gefährdungsversuchs. Dafür aber, daß die "Gefährdungsrisikotheorie" ernstlich das gegenüber dem ohnehin reduzierten adäquaten Gefährdungsrisiko des beendeten Gefährdungsversuchs noch einmal verminderte "Anfangsgefährdung,srisiko" des nnbeendeten Gefährdungsversuchs für die vollendete Gefährdung ausreichen lassen will, ist nichts ersichtlich. Und würde das vertreten, so wäre das nicht haltbar. "Die Gefahr der Gefahr der Verletzungsgefahr" Normen 1,389; s. a. Bassenge aaO. VgI. dazu a. OLG Frankfurt NJW 1975, 840 m. zustimm. Anm. Blei JA 1975, 382 u. abI. Anm. W~Iter JuS 1978, 748. 574
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2. Kap.: Gefährdungs- und Verletzungsdelikte
kann nicht - ließe sie sich überhaupt dogmatisch. sinnvoll einfangen (dagegen e) - die VoLlendung eines konkreten Gefährdungsdelikts tragen. Sofern man andererseits (immerhin) das (verminderte) adäquate Gefährdungsrisiko des beendeten tauglichen Gefährdungs;versuchs zur Voraussetzung der vollendeten konkreten Gefährdung erhebt, bleibt freilich immer noch der Einwand der Gleichstellung von Gefährlichkeit des Verhaltens und GefährdungaJs, Erfolg. b) Schaffung eines adäquaten Verletzungsrisikos
("Erjolgsgefahrtheorie")
Diesem Einwand ist allerdings auch diejenige Strömung in Rechtsprechung und Lehre ausgesetzt, die für die Vollendung des konkreten Gefährdungsdclikts zumindest die Herbeiführung eines adäquaten Verletzungsrisikos voraUlSSetzt:'i16 ; dies jedenfalls dann, wenn man - was sogleich näher zu begründen ist (e) - das adäquate Gefährdungsrisiko mit der adäquaten Verletzungsgefahrgleichsetzt. Denn dann steht wiederum der Gefäh~lichkeitsunwert der Handlung und damit des beendeten taugLichen GefährdJungsversuchs mit dem Gefährdungsunwert des Erfolgs gleich. Konkrete Erfolgsgefahr (primärer Erfolgsunwert) und konkreter Gefahrerfolg (sekundärer Erfolgmnwert) sind nachgerade identisch517• Allein das Wirkungsobjekt wird gegebenenfalls nachträglich ermittelt. Der Erfolgscharakter des konkreten Gefahrbegriffs wird ansonsten vernachlässigt. Auch hier beansprucht das farblos'e Generalkriterium des "zufälligen Ausbleibens der Rechtsgutsverletzung" wieder Geltung (5. schon 2., 3. vor a). Zur Veranscllaulichung diene der BGHFal1578, daß der Täter mit hoher Geschwindigkeit auf der Autobahn so dicht auf den Vordermann auffährt, daß schon die geringste (und ernsthaft mögliche: z. B. Ablenkung des Blicks; Anzünden einer Zigarette) Fahrtverzögerung des Betroffenen einen Unfall fast unvermeidlich macht; zufällig bleibt jedoch die geringfügige Geschwindigkeitsherabsetzung aus (das Wirkungsobjekt tritt nicht in den "Kreis der schädlichen Bedingungen" ein). Schon das Schaffen einer adäquaten Verletzungsgefahr soll m. a. W. den Gefahrerfolg tragen.
Vgl. schon die Nachw. in Fußn. 569 a. E.; ferner Fußn. 577. s. schon oben C.I.l.c) m. Nachw. in Fußn. 75; ferner etwa BGHSt 22, 344 ff.; 19, 268 f. (weit. Rechtsprechungsnachw. unten II.3. Fußn. 699); z. T. Demuth VOR 1973, 440 (s. aber noch unten t.d) Fußn. 622 sowie II.3.b) Fußn. 714). 578 BGHSt 22,344 ff.; näher dazu unten II.3.a) bei Fußn. 699 ff. ~79
577
D. Konkrete Gefährdungsdel. (sekund. Gefährdungserfolgsunrecht)
205
c) Identität von adäquatem Gefährdungs- und Verletzungsrisiko
Bevor wir uns freilich mit denjenigen (Gefahrerfolgs-)Theorien befassen, di:e wegen des Erfolgscharak1lers des konkreten Gefahrbegriffs den Eintritt des konkreten Wirkungsobjekts 'in den Gefahrenkreis eines adäquaten Verletzungsrisikos zur Voraussetzung erheben (4.b), c), bleibt die Frage nach der Identität von adäquatem Gefährdu.ngs- und Verletzungsrisiko zu klären. Denn nur dann, wenn schon der beendete taugliche Gefährdungsversuch die Schaffung einer adäquaten Verletzungsgefahr fordert, wird man der "Erfolgsgefahrtheorie" berechtigt vorwerfen können, den Gefahrerfolg in einer Prognose ex ante zur Zeit der Verhaltensbeend~gung zu bestimmen und sohin mit der konkreten E,rfolgsgefahr im wesentlichen gleichzusteHen. (1) Man ist zunächst versucht, da:s adäquate Gefährdungsrisiko mit minderer ErfolglSnähe aus~tten als die adäquate Verletzungsgefahr. Dafür ließe sich geltend machen, daß der Gesetzgeber die Verteidigungslinie bei den konkreten Gefährdungsdelikten nach vorn verschoben hat. Wenn schon der bloße GefahrerfoJg ohne Rechtsgurtsbeeinträchtigung anstelle der eigentlichen GutsverletzUiIlg die Vollendungsstrafe tragen soll, dann mÜSSen - so könnte man folgern - auch die Versuchsgrenzen nach vorn verlagert sein~7~. Auch eine handfeste Umschreibung oder doch Parallele des dann qualitativ minderen Gefährdungsrisikos wäre zur Hand. Man könnte einmal eben diejenige "Gefahr der konkreten Gefährdung" zugrundel~en, die emmer bei den (uneigentlichen) abstrakten GefähIldungsidelikten wie z. B. § 306 zur Voraussetzung erhebt (näher oben C.ILl.b), 2.c); unten E.IV.3.b). Und man könnte andererseits auf dasjenige "Anfangsverletzungsrisiko" rekurrieren, das den unbeendeten tauglichen Verletzungsversuch auszeichnet. Denn dieses Anfangsrisiko kann durchaus entscheidend geringer sein als die bei Beendigung des Versuchs erZiielte konkrete Verietzulligsgefahr. Man denke etwa an die LebelllSrisiken bei einem Ratengiftmord: am Anfang mag nur das Wohlbefinden des Opfers beeinträchtigt und seine Gesundheit bedroht sein; allmählich steigert sich die Gefahr bis hin zur adäquaten Lebensgefahr. Das so verstandene "Gefährdurrgsrisiko" als "Anfangsverletzungsrisiko" markiert also - jedenfalls für den Bereich der Verletzungsdelikte - die Untergrenze des. strafrechtlich relevanten Risikos. (2) Dem läßt sich auch nicht entgegenhalten, daß die "objektive Gefahr einer Gefahr"580 sowie das dazugehörige "Bewußtsein des Risikos Vgl. a. Binding, Normen 1,375. Insbes. Arthur Kaufmann JZ 1963, 433; s. a. Horn, Gefährdungsdelikte, 15 Fußn. 31, aber a. 24 Fußn. 88; ferner Puppe GA 1974, 105 m. Fußn. 30. 679
680
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2. Kap.: Gefährdungs- und Verletzungs delikte
eines Risikos"581 ein logischer Fehler82 bzw. eine nicht mehr mögliche und sinnvolle Differenzierung;sa sei.S84 • Denn jede konkrete VeI11etzungsgefahr durchläuft das Vorstadium der tatsächlichen oder adäquaten Gefahr dieser Verletzungsgefahr. Dies macht nicht nur die Phase des Unheendetseirus eines (VerletzUDJgJS-)Versuchs deutlich. Die Schwierigkeit liegt allein darin, die Grenze dieser Vorgefahr zur Vorbereitung zu finden. Aber dies ist ein allgemeines Problem, das sich jedem in den Weg stellt, der die UnteI1grenze eines strafrechtlich relevanten Risikos finden will (dazu näher E.IL1.).
Im übrigen läßt sich die Unterncheidung einer ernsthaften "Gefahr der konkreten Verletzungs:gefahr" (eines "Anfangsverletzungsrisikos") von einem konkreten "VerletzungsriBiko" nicht allein dann rechtfertigen, wenn sich die beiden Gefahren auf verschiedene Gegenstände beziehenS85 • Denn auch bei mehreren Gegenständen ist ebenso wie bei einer einzigen (kontinuierlich) wachsenden Gefahr von jeweils unteI1Schiedlichen Standpunkten aus ein jeweils einheitliches Gefahrurteil abzugeben588• Es geht nicht rein begrifflich um dli:e "Gefahr einer Gefahr" (die "Wahrscheinlichkeit einer Wahrscheinlichkeit"), sondern jeweils um eine Situation, die eine nachfolgende Sachlage als naheliegend erscheinen läßt, von der aus dann die Rechtsgutsverletzung selbst ernsthaft möglich i;st587. Dies gilt um so mehr, wenn man bei diesen Voten die (allmähliche) Verwirklichung des Tatplam einbeziehen kann. (3) Und dennoch: trotz der vorgezogenen Verteid.igungslinie bei den konkreten Gefährdungsdel!i.kten (1) und trotz der dogmatischen Haltbarkeit des Begriffs "Gefahr der Ver1etzungsgefahr" (2) wird man einen beendeten tauglichen Gefährdungsvemuch nicht schon dort annehmen können, wo der taugliche Verletzungsversuch gerade das Vorbereitungsstadium verläßt und in einen unb€endeten Versuch mündet. Dagegen sprechen im wesentlichen drei Grunde:
581 EngiSch, Untersuchungen, 405 ff.; Rabl, Gefährdungsvorsatz, 42; s. a. Volz, Unrecht, 51. 582 Arthur Kaufmann, Rabl aaO. 583 Lackner JuS 1968,220. 584 Wie hier a. Henck:el, Gefahrbegriff, 39; v. Hippel, Strafrecht, Bd. II, 405; Rudolphi SK, § 93 Rn 28; Spendei, Stock:-Festschr., 101 Fußn. 42; Schwander SchwZStr 66, 453, 461; Schünemann JA 1975, 798; s. noch Volz, Unrecht, 51; Wolter JuS 1978, 751 f. 585 Vgl. das Fährmann-Beispiel bei Engisch, Untersuchungen, 406 f. (Gefahr des Unwetters sowie Risiko des Kenterns im Falle des Gewitters); s. a. die Erörterungen bei Brehm, Dogmatik, 80, 83; Gallas, Niederschr., Bd. VIII, 1959, 423; ferner unten d) Fußn. 593. 586 Engisch aaO, 407; Wolter, Alternative Verurteilung, 189 m. Fußn. 230. 587 Vermander, Unfallsituation, 40; s. a. Brehm aaO; Horn, Gefährdungsdelikte, 24 Fußn. 88; Schünemann JA 1975, 798; Volz, Unrecht, 51; vgl. noch Fußn.816.
D. Konkrete Gefährdungsdel. (sekund. Gefährdungserfolgsunrecht)
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(a, b) Zunächst würde man jedenfalls den unbeendeten tauglichen Gefährdungsversruch unerträglich weit in das Vorfeld der eiJg:entlichen Strafbarke1t ausdehnen und zudem dien Bezug zu einem dogmatischen Rüstzeug verlieren. Wollte man - wenn die adäquate "Gefahr der Verletzungsgefahr" die Beendigung des tauglichen Gefährdungsversuchs kennzeichnet - den Beginn dieses Versuchs markieren, so käme man systematisch und logisch konsequent zu der "adäquaten Gefahr" dieses "GefähIrlungsrisikos". Daß ein solches Gefahrurteil ("Gefahr der Gefahr der Verletzungsgefahr") nicht mehr sinnvoll gefälLt werden kann, liegt auf der Hand. Noch eindringlicher ist der Hinweis, daß ein Rechtsgut unter dem Aspekt eines wirkungsvollen und nicht überd~hnten Rechtsgürterschutzes streng genommen noch nicht auf rechtlich relevante Weise tangiert sein kann, wenn nur "die ernsthafte Gefahr für eine Situation besteht, in der das Rechtsgut nachfolgend in eine Lage .geraten kann, in der die spätere Verletzung sicher oder erns.tlich möglich ist". Dieses schon sprachlich schwer einzufangende Minimalrisiko brächte eine zu weitreichende Vorverlagerung des Rechtsgüterschutzes.
Man kann sich auch de lege lata nicht damit helfen, daß man (punktuell) nur den beendeten tauglichen Gefährdungsversuch für pönalisiert hält. Denn nichts in den §§ 315 lI-3l5e II deutet auf eine solche Restriktion hin. § 24 I S. 1 1. Alt. ist nicht außer Kraft gesetzt. (e) Noch gewichtiger als dieser kriminalpolitische und dogmatische Einwand ist jedoch der Hinweis auf die Struktur des beendeten tauglichen Versuchs. Wir hatten gesehen, diaß der taugliche VerZetzungsversuch erst dann beendet ist, wenn der Täter nach seiner Auffassung (und bei "gradlinigem Delikt" zugleich nach dem DafürhaLten des objektiven Beobachters) alles zur Herbeiführung einer Recht5gutsverletzung in die Wege geleitet (bzw. unterlassen) hat; wenn er m. a. W. eine konkrete Verletzungsgefahr geschaffen hat, in der nur noch ganz außergewöhnliche RettungSUInStände ein Ausbleiben der Rechtsgutsverletzung garantieren (C.!.1.; 1.d)[l]). Der Ratengiftmörder muß die entscheidende letzte Dosis verabreichen, bevor von einer Beendigung des tauglichen Mordversuchs die Rede sein kann. Nichts anderes kann aber auch für denjenigen gelten, der "nur" e~nen konkreten "Lebensgefahrerfolg" als Vorstaruum der Lebensvemichtung herbeiführt (das Opfer wird "wie durch ein Wunder" gerettet!), wie irruner man den Gefahrerfolg im einzelnen bestimmt (näher 4.b)-d). Da:bei wird hier stillschweigend vorausgesetzt, daß (auch) eine Identität von Gefährdungs- und Verletzungsvorsatz besteht (dazu sogleich d). Auch der Lebensgefährdung,stäter kann sich nur dann sagen, a1les für einen Kampf um Leben und Tod des Opfers getan zu haben, wenn er die :Letzte GiftdOSlis, die erst und erstmals ein adäquates Tooesrisiko herbeiführt, verabfolgt hat.
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2. Kap.: Gefährdungs- und Verletzungsdelikte
(4) Nach allem ergibt sich für den objektiven Bereich der konkreten Gefährdungsdelikte wie der Verletzungsstraftaten, daß sie im Rahmen der objektiven Gefährlichkeit des Verhaltens und damit im Risiko- hzw. primären Erfolgsunrecht dieselbe Struktur aufweisen588, hingegen (allein) im sekundären ErfaLgsunrecht (Gefahr- bzw. Verletzungserfolg) differieren: (a) Beide Male ist der taugliche Versuch begonnen, ein Anfangsrisikounrecht geschaffen, wenn der Täter im Beispi1elsfall die erste(n) Giftrate(n) verabreicht und jedenfalls eine nicht unerhebliche Gesundheitsgefahr des Opfers verursacht hat. Jetzt schon (aber auch: erst nunmehr) ist objektiv "die Feuerprobe der kritischen Situation" für einen Lebensgefahr- wie einen Todeserfolg bestanden. Adäquates Anfangsgefährdungsrisiko beim konkreten Gefährdungsdelikt und adäquates Anfangsverletzungsrisiko bei der Verletzungsstraftat sind identisch. Dieses Anfangsrisiko markiert eine absolute Strafbarkeitsuntergrenze für sämtliche (konkreten) Gefährdungs- und VerletzungSiStraftaten. (b) Beide Male ist der taugliche Versuch beendet, wenn der Täter ein adäquates Todesrisiko (mit der letzten Giftrate) erzielt hat. Jetzt erst ist alles zur Erfolgsherbeiführunggetan. Adäquates Gefähroungsrisiko beim konkreten GefährdunJgsdelikt und adäquates Verletzungs risiko bei der Verletzungsstraftat sind identisch. Beide Male entsteht erst jetzt die Erfolgsabwendungspflicht nach § 24 I S. 1 2. Alt. Der Täter trägt das Risiko der Vollendung. - Damit erweist sich im Ergebnis auch die Auffassung von emmer (oben C.II.2.e) als unzutreffend, nach der die "Eignung, konkret zu gefährden" ein minderes Risiko beinhaltet a1s die "Eignung zu verletzen". (e) Bei der Vollendung zeigt sich freilich (erst) die vorgezogene Verteidigungslinie der konkreten Gefährdungsdelikte. Der Täter wird schon wegen voJ1endeter (Gefährdungs-)Tat (ohne Rücktrittsmöglichkeit) bestraft, wenn sich das geschaffene adäquate Verletzungsrisiko in einem Gefahrerfolg ohne nachfolgende RechtSigutsverletzung realisiert.
Wann ein solcher Gefahrerfolg vorliegt, ist - wie bereits angedeutet - höchst umstritten. Die "Erfolgsgefahr"- bzw. "Verletzungsrisikotheorie" (oben b) läßt hierfür, wie man nunmehr bestätigen kann, das bloße Gefährlichkeitsunrecht des beendeten tauglichen Gefährdungs(= Verletzungs-)Versuchs genügen. Allein beim Wirkungsobjekt, das bei einer Ratengiftlebensgefährdung nicht in Frage steht, greift eine ex post-Betrachtung Platz. Das führt dann dazu, daß das lebensgefährliche Überholmanöver des Panzerfahrers am Berg bei starkem Gegenverkehr 588
Meine insoweit z. T. entgegenstehende (z. T. nur mißverständliche) Auf-
fassung in JUS 1978, 751 ff. gebe ich auf.
D. Konkrete Gefährdungsdel. (sekund. Gefährdungserfolgsunrecht)
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zwar ein beendeter tauglicher Gefährdungs- und Verletzun.gsversuch ist, nicht aber als voLlendete konkrete Gefährdung geahndet werden kann, wenn zufällig - wie sich später herausstellt - im überholzeitpunkt niemand entgegengekommen ist. Andererseits gebietet das sehr dichte Auffahren auf der Autobahn die Vollendungsstrafe nach § 315c auch dann, wenn das (vorausfahrende) "Wirkungsobjekt" zufällig die Geschwindigkeit beibehält und so erst gar nicht in den Wirkungsbereich des geschaffenen Verletzungsrisikos gerät. Hier wird also letztlich bereits der beendete taugliche Gefährdungsversuch aJLc; vollendete Gefährdungstat beurteilt, die Vollendungsgrenre dadurch noch einmal nach vorn verschoben und der Erfolgscharakter des konkreten Gefährdungsbegriffs erheblich vernachlässigt. (5) Bevor dieser "Erfolgsgefahrtheorie", die den Gefahrerfo1g in einer Prognose ex ante zur Zeit des Verhaltens (.gegebenenfalls kombiniert mit einer Ei.nzeldiagnose ex post bezüglich des Wirkungsobjekts) zu bestimmen versucht, die drei heute verfochtenen eigentlichen "Gefahrerfolgstheorien" gegenüber gestelil.t werden (4.b)-d), sind einige Bemerkungen rur Identität von Gefährdungsvorsatz und Verletzungsvorsatz angezeigt. Denn nur dann, wenn sich zu der Gleichsetzung von adäquatem Gefährdungsrisiko und adäquatem Verletzungsrisiko auch die subjektive Gleichstellung dies dazugehörigen Vorsatzes gesellt, kann von einer Identität von Gefährdungs- UIlld Verletzungsversuch sowie von einerrege1mäßigen Gleichschaltung von beendetem tauglichen (GefährdUl1!gs- bzw. VerletzUIligs-)Versuch und vollendeter konkreter Gefährdung die Rede sein. d) Identität von Gefährdungs- und Verletzungsvorsatz
Angesichis der Identität von adäquatem Gefährdungs- und Verletzungsrisiko dürfte die Gleichsetzung von Gefährdungs- und Verletzungsvorsatz ei.gentlich nicht llWeifelhaft sein. Das gilt besonders bei einem gradlinigen Delikt, bei einer Tat also, bei der sich die Voten des objektiven Betrachters und des Täters bezüglich der Adäquanz des Verletzungsrisikos vollauf decken. Nimmt der Täter - objektiv zu Recht - an und will er auch, daß die Verabreichung der letzten Giftrate das Opfer in einen (fast) aussichtslosen Kampf um Leben und Tod stürzt, so hat er nicht nur objektiv, sondern auch vomätzlich ein adäquates Todesrisiko geschaffen, wie es nicht nur den beendeten tatllg'lichen Verletzungsversuch, sondern auch den entsprechenden konkreten Gefährdungsversuch sowie (nach der "Verletzungsrisikotheorie" angesichts des vorhandenen "Wirkungsobjekts") die vol1endete konkrete Gefährdungsstraftat auszeichnet.
14 Wolter
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2. Kap.: Gefährdungs- und Verletzungsdelikte
(1) Nun offenbart jeder Blick in die EntscheWungssammlungen und Literatur, daß die Identitätsthese "Gefährdungsvorsatz gleich Verletzungsvorsatz" nach wie vor ,gewagt ist589 • Die h. M. se.tzt den Gefährdiungsvorsatz mit der (bewußten) Verletzungsfahrlässigkeit gleich590 • Die Begründungen, die dafür geliefert werden, le.sen sich freilich weniger wie eine dogmatisclle Rechtfertigung, sondern eher wie eine Abwehr gegen die für unannehmbar erachteten Fo}gen einer Gleichstellung beider Vorsatzarten. So findet sich :z;war wiederholt der Hinweis, daß sich mit dem Vorsatz der Gefährdung regelmäßig die Ühel7.eugung des Täters verbinde, daß es .gelingen werlde,die Gefahr zu meistem, die Verletzung also zu vermeiden591 • Auch verweist man - etwa im sog. Polizeisperren-Fa1l592 - darauf, daß der Täter mit dem Zufahren auf den Polizi.sten zwar dessen Lebensgefährdung, wegen der wesentlich höheren Hemmungsschranke jedoch nicht dessen Tötung in Kauf nehme593 • Aber vor allem glaubt man, mit dem strikten Auseinanrlerhalten der beiden Vorsatzarten der mißlichen Konsequenz aus dem Wege gehen zu mfussen, daß (sonst) mit dem vollend'eten Gefahrerfolgsdelikt bzw. der "gefahrerfolgsqualifizierten Straftat" zugleich ein versuchtes Verletzungsdeliktgegeben ist5H• Und gleiche.rmaßen befürchtet 589
Dafür aber insbes. Horn, Gefährdungsdelikte, 204 ff. u. SK, Rn 13 f. vor
§ 306 m. Nachw.; s. a. Binavince, 156; Schmidhäuser JuS 1980, 245 Fußn. 33.
590 Etwa BGHSt 22, 73 f.; 26, 182; Arzt, SchrÖder-Gedächtnisschr., 142; Bokkelmann DAR 1961, 187; Brehm, Dogmatik, 134 f.; Engisch, Untersuchungen, 400 ff.; v. Hippel ZStW 75, 449; Arthur Kaufmann JuS 1967, 150; Küper NJW 1976, 546 Fußn. 27; Rabl, Gefährdungsvorsatz, 40 ff., 47 ff., 60 ff., 63 ff.; Rödig, Lange-Festschr., 60; Schaffstein, OLG-Celle-Festschr., 180; Schwander SchwZStr 66, 456 f.; s. a. Scbroeder LK, § 16 Rn 120; Wolter, Verurteilung, 188 ff. m. weit. Nachw. (dieser Standpunkt wird im folgenden aufgegeben; vgl. a. die jüngste Kritik bei Schmidhäuser aaO). Freilich weist v. Hippel (aaO, 451) auf die Tendenz in der Rechtsprechung hin, Gefährdungs- und Verletzungsvorsatz ineinszusetzen. Vgl. noch § 110 II AE (Begründ. S. 49). 591 Vgl. z. B. Bockelmann DAR 1961, 187; v. Hippel ZStW 75, 449; Schwander SchwZStr 66, 456. 692 BGHSt 22, 74; 26, 179; näher unten II.3.b) (1) bei Fußn. 709 ff. (der bedrohte Polizist bringt sich durch einen Sprung zur Seite in Sicherheit). 593 BGH VRS 50, 94 u. bei Holtz MDR 1978, 458. Daß bei den konkreten Gefährdungsstraftaten die subjektiven Unrechts- und Schuldformen dolus directus, dolus eventualis und luxuria ähnlich wie bei den Verletzungsdelikten voneinander abgrenzbar sind, ist zwar nicht unumstritten (dagegen etwa Welzel, Niederschr., Bd. VIII, 1959, 422, 427), sollte jedoch nicht zweifelhaft sein; der Täter mag auch nur ernsthaft mit dem Eintritt des für möglich gehaltenen konkreten Gefahrerfolgs rechnen und diesen in Kauf nehmen (vgl. a. BGHSt 22, 74; BGH aaO bei Holtz; Fritz, Niederschr. aaO, 428; Schafheutle aaO, 431). Daß ein solches Möglichkeitsurteil allein denkbar sei, wenn sich der Vorsatz auf zwei verschiedene Gegenstände bezieht (s. etwa Gallas aaO, 423; Bockelmann aaO; Jescheck aaO; dagegen Dreher aaO, 429), ist schon im objektiven Bereich beim "adäquaten Gefährdungsrisiko" als unnötige Differenzierung herausgestellt worden (oben c) (2) bei Fußn. 580 ff.). 594 s. a. BGHSt 26, 182 zu § 113 II Nr. 2; dazu a. Heimann / Trosien LK, § 113 Rn 51.
D. Konkrete Gefährdungsdel. (sekund. Gefährdungserfolgsunrecht)
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man, daß anderenfalls ein Lebensgefähroungsdelikt wie z. B. § 221 im FaHe des Todeseintritts (§ 221 III) zugleich vorsätzliche Tötung sei591i • (2) All' diesen Begriindungen ist jedoch zu widersprechen. Sie verkennen das Wesen des Gefährdungsvorsatzes ebenso wie die besonderen VoraUSSletzungen der erfolgs qualifizierten Delikte.
(a) Vorausgeschickt seien freilich zwei allgemeine Bemerkungen. Die aufgeworfene Problematik stellt sich nicht, wenn es wm die Frage geht, ob der (primäre) Verletzungsvorsatz des Täters subsidiär auch einen Gefährdungsvorsatz enthält. Dies wird im alLgemeinen mit dem Hinweis bejaht, daß derjenige, der die Verletzung wolle, auch ihr zwangsläufiges Durchgangsstadium i. S. des konkreten Gefahrerfolgs bzw. der konkreten Erfolgs:gefahr in seinen Willen ei:nbeziehe59i1 • Betrachtet sei deshalb im folgenden allein die umgekehrte Fragestellung, ob der G€fährdungsvorsatz zugleich auch das Verletzungsbewußtsein und den Verletzungswillen enthält. - Die Problematik wäre gleichfalls gegenstandslos, wenn man mit einem Teil des Schrifttwns die Fälle der herkömmLichen bewußten VerletzunglSfahrlässigkeit bereits dem dolus eventualis bei den Verletzungsstraftaten zuschlagen wollt~97. Doch läßt sich nach der hier verfochtenen Auffassung zur Abgrenzung von dolus eventualis und bewußter Fahrlässigkeit, die die letztere subjektive Unrechts- und Sclruldform mit dem "Vertrauen auf das Ausbleiben der für möglich erachte;ten RechllSigutsverletzung" kennzeichnet"98, das Problan gerade nicht umgehen. (b) Was bedeutet auf dieser Grundlage nun z. B. "bedingter GefährdungiSvorsatz"? Wir haben bereits gesehen, daß der Täter eines beenideten tauglichen Gefährdungsvemuchs bzw. eines vollendteten konkreten Gefährdungsdelikts bewußt und willentlich ein adäquates Verletzungsrisiko geschaffen haben muß, das sich (bei Vollendung) auf adäquate und objektiv zurechenbare Weise in einem konkreten Getahrerfolg nicht unbedingt in einer Rechtsgutsverletrung - realisiert haben muß. Der "Ratengiftlebens,gefähroer" muß die letzte Giftrate verabfolgt haben. Diese letzte Dosds muß nach Auffassung des Tätem (und bei gradlinigem Delikt: auch nach dem Dafürhalten des objektiv-sachverständigen Betrachte~s) lebensgefährlich insofern sein, als nur noch auße~geInsbes. Rabl aaO, 60 f. Dazu Horn, Gefährdungsdelikte, 204 m. Nachw.; vgl. aber a. Rabl aaO, 41 Fußn. 10: nur Verletzungsvorsatz. 597 A. dazu Horn aaO, 206 m. Nachw.; vgl. zu dieser Ausdehnung des bedingten Vorsatzes die Nachw. C.I.2.d) Fußn. 369; ferner etwa Grünwald, H. Mayer-Festschr., 288. 598 Näher Roxin JuS 1964, 61; Rudolphi SK, § 16 Rn 43 ff.; Wolter, Verurteilung, 178 ff. jew. m. weit. Nachw. 595
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2. Kap.: Gefährdungs- und Verletzungsdelikte
wölmliche Maßnahmen VOn Dritten oder unerwartete Konstitutionsstärken des Opfers oder sonstige Zufälle eine Erfolgsabwendungschance eröffnen. Ein RücktrittiJSt also nicht unmöglich, jedoch mit erheblichen Risiken, die nach § 24 I S. 1 2. Alt. der Täter zu tragen hat, belastet. Ein Täter aber, der in seiner LaJiensphäre ein solch' massives adäquates Todesrisiko erkennt (für möglich hält) und seine Realisierung will (in Kauf nimmt), der m. a. W. dem angegriffenen Rechtsgut keine ernsthaften Rettungschancen mehr einräumt, besitzt nicht nur (bedingten) Gefährdungsvorsatz, sondern auch (bedingten) VerletzungsvoI'satz. Oder - mit den treffenden Worten von Horn -: "die Behauptung, ein Opfer könne in Gefahr geraten, a:ber passieren werde ihm nichts, wäre als Prognose ein Widerspruch599 ." Wer dem etwa i. R. des "PolizJeisperren-Falles" oder des "Rabenmutter-Beispiels" entgegenhalten wollte, der Autofahrer habe doch der festen Überzeugung sein können, die Polizeistrei.fe würde rechtzeitig zur Seite treten 61lO (bzw. er selbst könne notfalls noch früh genug abbremsen und ausweichen), oder, die Mutter habe doch jederzeit die Ernährung des Kindes wiederaufnehmen können, verkennt entweder das Wesen des adäquaten Verletzung.o;risikos oder vermengt die Problematik unzulässig mit durchaUiS eiJgenständig'€n Rücktrittsüberlegungen. Liegen die Dinge so, daß der Täter von vornherein fähig und willens war, die Rechtsgutsverletzung bzw. den Gefahrerfolg zu vermeiden, so kommt weder ein adäquates Gefährdungs-( = Verletzungs-}Risiko noch ein Gefährdungsvorsatz und dann auch kein Verletzung,svorsatz in Betracht601 • Denn dann läßt sich weder objektiv noch täterpsychisch bescheinigen, daß mit Blick auf das weitere Geschehen keine ernsthaften Rettungschancen für das Rechtsgut bestehen. Ganz entsprechendes gilt, wenn man (bzw. der Täter) ohne weiteres davon ausgehen konnte, daß der aufmerksame Po1izist mit einem kleinen Schritt zwi!Schen geparkte Autos jeder Gefahr zu entgehen in der Lage war. - Ist dagegen mit entsprechendem Todesgefahrbewußtsein und ohne uI'SIPrünglichen Vermeidewillen ein adäquates Verletzungsrisiko bereits selbständig g'€schaffen worden (etwa nachdem das hungernde Kleinkind nicht nur erhebLich zu leiden begonnen hat, sondern in einen Unterernährungszustand geraten ist, in dem nur noch eine gezielte und unverzügliche künstliche Ernährung Aussicht auf Erfolgsabwendung verspricht), so bleibt zwar für den nunmehr reuevollen Täter eine erfolgversprechende Rücktrittsmöglichkeit bestehen; dies ändert jedoch nichts an dem zunächst zu befürwortenden mit Lelbensgefährdun~vorsa.tz beendeten tauglichen Lebensgefährdungsvemuch und mit (bedingtem) Tötungsvor599 aaO, 199, 204 ff.; s. a. Brehm, Dogmatik, 99. eoo Dazu a. BGHSt 22, 75; Horn aaO, 205 Fußn. 16. 601 s. a. unten 1I.l.a) bei Fußn. 642 ff.; ferner Horn aaO.
D. Konkrete Gefährdungsdel. (sekund. Gefährdungserfolgsunrecht)
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satz beendeten tauglichen Totschlagsversuch. Der Rücktritt unter Vorsatzaufgabe wäre eine eigenständige rückläufige psychische Entwicklu~.
Nach allem aber wäre es unverständlich, wenn man mit der h. M. in diesen letzteren Fällen behaupten wollte, der Täter habe mit dem Hungem1assen des Kindes zwar dessen Lebensgefährdung in Kauf genommen, nicht aber zugleich die "wesent1ich höhere Hemmungsschranke des bedingten Tötungsvorsatzes" überwunden593. Gleiches muß im Pollzeisperren-Fall jedenfalls dann gelten, wenn dem Pol.izisten nur eine "hauchdünne", auf Zufälligkeiten aufgebaute Rettungschance (durch einen waghalsigen und. "halsbrecherischen" Sprung zur Seite) b1e1bt. Nur in diesem Fall ließe sich - wie begründet - von einem adäquaten Gefährdungsrisiko und bedingten Gefährdungsvorsatz ausgehen. Dann aber kann man auch ein adäquates Verletzungsrisiko und einen bedingten Verletzungs'Vorsatz nicht mehr in Abrede stellen. (c) Sieht man die Dinge so, dann befürchtet die h. M. freilich ~u Recht, daß mit einem vollendeten konkreten Lebensgefährdungsde1ikt bzw. mit einern "gefahrerfolgsqualifizierten" Straftatbestand (z. B. § 250 I Nr.3) stets zugleich ein (beendeter tauglicher) Totschlagsversuch gegeben is~3. Aber: Die (wei1;gehende) Identität von vollendetem konkreten Lebens'gefährdungsdelikt und Totschlagsversuch ergibt sieh nur deshalb, weil dieselbe h. M. für die vollendete Gefährdungsstraftat die entsclri.eden ~u weitreichende "Verle,tzunglSris:ikotheorie" verficht. Der Erfolgscharakter der konkreten GefährdUing wird bjs auf das Wirkungsobjekt vernachläss1igt. Gleiches gilt für die Inei.nssetzung des "lebensgefahrerfolgsqualifizierten" Delikts mit dem Totschla,gsversuch. Der h. M. ist zwar darin zu folgen, daß insoweit § 15 (Vorsatz) und nicht § 18 (Fahrlässigkeit) zum Zuge kommtOO4 • Ob aber der beendete taugliche LebensvernichtungsverDazu a. Roxin, Maurach-Festschr., 216, 232. s. oben (1) bei Fußn. 594; zur Konkurrenz von konkretem Gefährdungsdelikt und Verletzungsversuch vgl. Baumann DAR 1962, 98. 606 Das gilt für die "gefahrerfolgsqualifizierten Straftaten" wie z. B. § 250 I Nr.3 ebenso wie für die sachentsprechend gestalteten Regelbeispiele in §§ 113 I! Nr.2, 121 II! Nr.3, 125a S.2 Nr.3 (BGHSt 26, 180 ff., 244; Backmann MDR 1976, 969; Baumann AT, § 16 II! Ib; Blei AT, § 83 II!; Heimann / Trosien LK, § 113 Rn 51; Küper NJW 1976, 543; Meyer-Gerhards JuS 1976, 231; Rudolphi SK, § 18 Rn 2; Samson SK, § 250 Rn 13; Schönke / Schröder / Eser, § 113 Rn 67; anders Dreher / Tröndle, § 18 Rn3; Gössel, Lange-Festschr., 222; Blei JA 1976, 311 für die qualifizierten Tatbestände). Das folgt zwar - entgegen dem BGH - nicht schon daraus, daß ein konkreter Gefahrerfolg nicht als "besondere Folge der Tat" begriffen werden kann (dazu Küper aaO, 544; WoIter JuS 1978, 748 m. Nachw.; näher unten 5. bei Fußn. 630 ff.), läßt sich jedoch sowohl aus dem Sinn und Zweck des § 18 als auch aus der systematischen Stellung der genannten Vorschriften herleiten (zur historischen Auslegung vgl. Backmann, Küper, Meyer-Gerhards aaO). § 18 betrifft die Fälle der Realisierung einer im Grunddelikt angelegten spezifischen Gefahr in einem Verletzungserfolg (Rudolphi aaO, Rn 2, 1). Nur für derartige Fälle ~02
603
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2. Kap.: Gefährdungs- und Verletzungs delikte
such bei Vorliegen eines Wirkungsobjekts ("Verletzungsrisiko,theorie") stets schon eine vollendete vorsätzliche Lebensgefährdung ausmacht, dies gerade ist die Frage (näher sogleich 4.)605. (d) Und w:as schließlich die Befürchtung angeht, daß ein vollendetes Lebensgefährdungsdelikt wie z. B. § 221 Un Falle des Todese.intritts (§ 221 IU) zugleich vollendeter vorsätzlicher Totschlag oder Mord sei, so werden zumindest die Voraussetzungen dies "verletzungserfolgsqualifizierten" Delikts verkannt. Zunächst ist freilich schon zweifelhaft, ob § 221 I allein einen konkreten LebeIllSgefa:hrerfolg voraussetzt oder nicht auch eine schwere GesundheitsgefährdJung außerhalb des § 224 genügen läßt606 • Wenn man sich einmal auf den engeren Standpunkt stellt, so ist nach der hier begründeten Auffassung .in der Tat mit dem Todese.intritt ein vollendeter Totschlag gegeben. Aber das bedeutet nicht, daß zugleich auch stets das verletzungserfolgsqualifizierte Delikt des § 221 IU zu befürworten ist. Die Erfolgsqualifikation setzt vielmehr zusätzlich ein doppeltes voraus: die Grundtat (des AUiSSetzens) muß einmal eine besonders gravierende, spezifisch nahe Todesgefahr schaffen807 ; und der Tod muß auf "grunddeliktsa:däquate Weise", d. h. gerad'e im GefoLge des VerlasSleIlS des Opfers .in h.ilJfloser Lage und nicht etwa aufgrund anderer - wenn auch objektiv vorhersehbar herbeigefüh~ter - Todesgefahren eintreten608 • Insoweit ist (qualifizierte) Fahrlässigkeit genügend, aber auch erforderlich~09. scheint ein bloßer (qualifizierter) FahrlässigkeUsbezug angemessen (s. a. Backmann aaO, 973 Fußn. 41). Wollte man anders entscheiden, so müßte man z. B. auch § 223a dem § 18 unterwerfen (Küper aaO, 546). Man hätte auch den Einwand gegen sich, daß jedenfalls alle anderen Qualifikationen und Regelbeispiele in den genannten Vorschriften vorsätzlich verwirklicht sein müssen (Küper aaO; Backmann aaO, 974 Fußn. 50). Schließlich spricht auch die systematische Besonderheit, daß grundsätzlich bei sämtlichen fahrlässigen Gefährdungen entweder keine Mindeststrafe angedroht ist oder sogar eine Geldstrafe für strafangemessen gehalten wird, für die hier verfochtene Vorsatzlösung (dazu Meyer-Gerhards aaO, 232 m. Rechtfertigung der Ausnahme in § 310b II; Blei JA 1976, 392). - Freilich kann der Gesetzgeber die Frage ausdrücklich anders entsdleiden; vgl. § 218 II Nr.2. 60s Sofern das gefahrerfolgsqualifizierte Delikt im Einzelfall (und dann daneben stets der beendete taugliche Totschlagsversuch) zu bejahen ist, wird man bei der Strafzumessung die (fakultativ gemilderte) Untergrenze bei §§ 212, 22 beachten müssen. Dies ist zwar nicht bei § 250 I Nr. 3, wohl aber z. B. bei § 113 II Nr. 2 von Bedeutung. Vgl. noch unten III.3.b). 606 Nachw. bei Schönke / Schröder lEser, § 221 Rn I, 8. 607 s. a. BGE 69 IV, 231; 74 IV, 85 (dazu a. Schubarth ZStW 85, 777 m. Fußn. 89); Boldt ZStW 55, 50; 68, 356; Arthur Kaufmann, Schuldprinzip, 243; Oehler ZStW 69, 514 Fußn. 28; Ulsenheimer GA 1966, 268; JZ 1973, 67; z. T. a. Hirsch GA 1972, 74, 77. 608 Dazu insbes. Geilen, Welzel-Festschr., 672 ff.; M. L. Müller, Bedeutung des Kausalzusammenhanges, 62 ff.; s. a. Oehler ZStW 69, 508, 515; noch enger OGHSt 2, 337; BGH 4 StR 378/53 MDR 1954, 150 f. bei Dallinger; zum Ganzen jüngst Wolter JuS 1981, 168 ff.
D. Konkrete Gefährdungsdel. (sekund. Gefährdungserfolgsunrecht)
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e) Folgerungen (Identität von Gefährdungs-
und Verletzungsverboten; -versuchen)
Die Folgerungen, die aus der Identität von Gefährdungs- und Verletzungsrisiko sowie von Gefährdungs- und Verletzungsvonsatz (und dann auch: Gefährdungs- und Verletzungsfahrlässigkeit) gezogen werelen können, sind 'beträchtlich. Dabei sei freilich betont, daß jedenfalls die Gleichstellung von Gefährdungs- und. Ver1etzungsvorsatz eine normative Frage beantwortet, die auch anders, nämlich i. S. der Identität von Gefährdungsvorsatz und (bewußter) Verletzungsfahrlässigkeit, gelöst werden könnte. Dennoch sprechen - wie gezeigt worden ist - die wohl besseren Gründe für eine Vorsatzidentität610 : Dann a:ber hat bis auf einen Punkt Rom611 recht, daß es keinen Unterschied gebe "zwischen Verletzungs- und Gefährdungshandlungen, zwischen Verletzungs- und Gefährdung,sverboten, zwischen Verletzungs- und Gefährdungsunrecht, zwischen VerletzunglS- und Gefährdungsschuld - kurz: zwischen Verletzungs- und Gefährdungs-Delikten": (1) In der Tat Slind die Verletzungs- und Gefährdungs hand lungen identisch. Der beendete taugliche Gefährdungsversuch entspricht dJem beendeten tauglichen Verletzungsvel:such. Gleiches gilt für die anderen Versuchsar:ten. Vgl. noch (5). (2) Insoweit - v,gl. aber (4) - harmoniert auch das Unrecht der konkreten (gegebenenfalls vermeintlichen) Gefährlichkeit beim Gefährdungs- und Verletzungsverhalten. Objektives und subjektives Handlungsunrecht (beim untauglichen Versuch), Anfangsgefährlichkeitsunrecht (beim unbeendeten tauglichen bzw. beim objektiv fehlgeschlagenen Versuch) und primäres Erfolgsunrecht (= volles Gefährlichkeitsunrecht beim beendeten tauglichen Versuch) sind identisch. Entsprechendes gilt für die Schuld i. e. S. v. Andershandelnkönnen. (3) Deshalb sind auch die Gefährdungs- und Verletzungl>verbote Dem Täter ist beide Male verboten, adäquate Verletzungsgefahren zu schaffen. Dieses Verbot ist teilweise verletzt, wenn der Täter - wie beim unbeendeten untauglichen bzw. tauglichen Versuch - ein "adäquates (Plan- bzw. Real-)Anfangisrisiko" (näher E.IL1., 2.a) herbeiführt. Ihm ist vollauf zuwider gehandelt, wenn der Täter - wie identisch~12.
609 Bei der Strafzumessung wäre man an die Mindeststrafe von § 212 gebunden. uo Insofern entbehrt auch die Forderung de lege ferenda, die fahrlässigen Verletzungsstraftaten in vorsätzliche Gefährdungsdelikte umzuwandeln (vgl. etwa Busch, Moderne Wandlungen der Verbrechenslehre, 1949, 43 Fußn. 56; zit. bei Seiler, Maurach-Festschr., 84 Fußn. 43), der dogmatischen Grundlage. ~11 Gefährdungsdelikte, 210. 612 s. a. Brehm, Dogmatik, 98 ff.
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2. Kap.: Gefährdungs- und Verletzungsdelikte
beim beendeten Vers,uch - ein objektiv ,adäquates Verletzungsrisiko bzw. ein entsprechendes Planrisikoschafft (näher zum ganzen oben C.L1.a)---d), 2.d) am Ende). (4) Andererseits besteht - entgegen Horn - durchaus ein Unterschied im Gesamtunrecht der Gefährdungs- und Verletzungsdelikte. Er liegt im ~sekundären) Erfolgsunrecht. Während ,sich die konkreten Gefährdungsdelikte mit einer Verwirklichung des adäquaten Verletzungsrisikos (= Gefährdunrgsrisdkos) im Gefahrerfolg begnügen, müssen sich bei den Verletzungsstraftaten Verootzungsrisiko (und Gefahrerfolg) in einem Ver1etzungserfoLg realisieren61s • Entsprechend differiert die Schuld i. w. und generalpräventiven S. (dazu oben C.L2.c).
(5) Insgesamt besteht also (jedenfalls) auch eine Identität von "potentiellem Verletzungsdelikt" und "potentielLem Gefährdungsdelikt". Den unterschiedlichen Eignungsklause1n bei den §§ 88a, 126, 130, 130a, 166, 187 1. und 2. Alt., 229 I ("Eignung zu verletzen, stören, zerstören" usf.) und bei den §§ 187 3. Alt., 223a I 4. Alt ("Eignung zu gefährden") kommt keine maßgebliche Bedeutung zu. Sämtliche Straftaten sind sowohl "potentielle GefährdUllglS"- wie "potentielle VerletzunglSdellkte". Der Täter muß jeweils ein adäquates Verletzungsrisiko schaffen. Der Gesetzgeber hat mit einer "Gefährdungseignungsklausel" im wesentlichen zum Ausdruck gebracht, daß er sich dlie Delikte - wollte er einmal einen Erfo1g als 7JUSätzliches Merkmal fordern - auch schon als konkrete Gefahrerfolgsdelikte vorstellen könnte (näher C.IL2.c). Ähnliches gilt, wenn man von herkömmlichen konkreten Gefahrerfolgsdelikten de Lege ferenda sozusagen "einen Schritt zurück" zu dann "potentiellen Gefährdu.ng)5delikten" geht. Diesen Weg hat § 151 AE beschritten (näher E.IV. 3.a). Im Gesetzestext findet sich hier zwar die Formel, daß "im Zeitpunkt der Handlung eine Schädigung nicht aus:zuschließen" sein d:a:rf, was als "Verletzungseignungsklausel" i. S. eines "potentiellen Verletzungsdelikts" a.nzus.ehen i!sit; aber in der Begründung614 heißt es dann z. B. auch, daß der Täter strafbar sei, wenn "im Zeitpunkt des Handelns ein Rechtsgut gefährdet werden konnte, auch wenn in Wirklichkeit ein Rechtsgut nicht in Gefahr geriet, weil ein Zufall dies verhinderte". Für § 223a in der Variante der lebensgefährdenden Behandlung hat diese Ld'entität von potentiellen Verletzungs- und Gefährdungsdelikt die noch näher zu erörternde (KIlL) KOIlISequenz, daß zugleich ein (beend~ ter tauglicher) Totschlagsvel"such verwirklicht ist. GIS Anders freilich Horn (aaO, 78 ff. u. SK, § 46 Rn 43; dazu oben C.I.2. bei Fußn. 177 ff.), der jeweils den eigentlichen Erfolg nicht zum Unrecht der Straftat zählt. 614 S.57; vgl. a. Rudolphi, Maurach-Festschr., 60 zu § 306; näher dazu E.IV.3.a) (2), (3a).
D. Konkrete Gefährdungsdel. (sekund. Gefährdungserfolgsunrecht)
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(6) Scliließlich besteht keine Identität zwischen beendetem tauglichen Gefährdungs- bzw. Verletzungsversuch und vollendetem Gefahrerfolgsdelikt brlw. gefahrerfolgsqua1ifizierteIn Delikt (so aber we "extensive
Gefährdungsrisikotheori.e" oben 2.). Auch die "Verletzungsrisikotheorie" ("Erfolgsgefahrtheorie"), von der .die überlegungen llIusgegangen sind (b) stellrtdas (primäre) Gefährlichkeitsunrecht der Hanrllung mit dem (sekundären) Gefahrerfo1gsunrecht (jedenfalls weitgehend) gLeich. Bis auf das Wirkungsobjekt (gegebenenfarlls Diagnose ex post) erschöpft sich das GefährdungsurteiJ. in einer Gefährlichkeitsprognooe ex ante. Der Tatsache, daß das konkrete GefährdJungsobjekt - wenn auch zufällig erst gar nicht in den WirkungskreilS des VerletzllIlg\Slrisäk06eingetreten ist (der auf der Autobahn Bedrängte behält die rettende Geschwindigkeit bei) wiIrl keine Bedeutung ZJUgemessen. Daß diese Lehre dem Gefahrerfolgsbegriff nicht gerecht wird, ist mehrfach betont worden. 4. Die drei Lösungsansätze einer "Gefabrerfolgstheorie"
a) Grundlagen
So nimmt es niclJ.t wunder,daß es heute in Rechtsprech'U.Ilg und Lehre verschiedene Ansätre gibt, den Erfolgscharakter der konkreten Gefährdung schärfer und weitreichender herauszuaI1beiten. Entweder versucht man daibei, die Prognose ex an:te durch eine Prognose ex post zu ersetzen (b), c) oder man verlegt sich auf eine strikte Diagnose ex post (d). Diesen drei DeutunglSVemuchen 81011 im folgenden ohne endgültige Stellungnahme (dazu Ir.) nachgegangen werden.
b) "Normative Gefahrerfolgstheorie" (z. T. BGH; emmer, Schünemann) Die erste Auffassung fordert immerhin, daß das konkrete Wirkungsobjekt auch wirklich in den Gefahrenkreis der konkreten Erfolgsgefahr hineingerät (im Beispielsfull des dichten Auffahrens· auf der Autobahn bremst der Vordermann also tatsächlich leicht aib). Das Gefahrurteil wird nur unter der Voraussetzung und vom Standpunkt des Eintritts de& Tatobjekts in den WirkungslQreis der schädHchen Bedingungen abgegeben. Nach dieser "normativen Gefahrerfolgstheorie" ist das Tatobjekt also emt dann in seiner "Daseinsgewißheit erschüttert" worden, besitzt seine Exi!Sten~rise mithin "soziale Realität" und ist der Bürger - ähnlich wie beim Verletzungserfolg - wegen der gireifblllren Nähe und Plastizität des Gefahrerfo1gs von dem Geschehen nachhaltig beeindruckt, wenn die (.sodann erfolgende) Rettung des Rechts:guts auß&gewöhnlichen, objektiv-final nicht einsetzbaren und deshalb durchaus inadäquat-zufälUgen Umständen zu verdanken ist~115. Das Tatobjekt muß e15 In dieser Richtung SchÜflemann JA 1975, 796 f.; Welzel Lb, 37, 137; im übrigen a. BGH VOR 1973, 462, 465; Cramer, Straßenverkehrs recht, § 315c
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2. Kap.: Gefährdungs- und Verletzungs delikte
aufgrund einesaußergewölmlichen und objektiv nicht zumutbaren Einsatzes von Rettungsibemühungen (z. B. durch Dritte oder das Opfer selbst) bzw. durch objektiv unvorhersehbare Naturgewalten "allen objektiven Befürchtungen zum Trotz" ("wie durch ein Wunder"e16; "um Haaresbreite" 617) aus den schädlichen Bedingungen wieder herausgelangt sein. Der BGH618 hat diese Voraussetzung in den in zahlreichen Fällen durchaus zutreffenden Satz gelcleidet,dlaß die Gefahr auf einen unmittelbar bevorstehenden Unfall hindeuten müsse, "wenn keine plötzliche Wendung eintritt, etwa dadurch, daß der Bedrohte infolge eines mehr oder weniger gefüh1smäß~gen Erahnerus oder Wahrnehmens der Gefahr eine Schutzmaßnahme trifft"e19. Das Herausgelangen aus den schädlichen Bedingungen bedarf (also) stets einer "aktiven" Rettung. Nicht (allein) das "zufällige Ausbleiben der Rechtsgutsvel'letzung", das auch bei nicht vorhandenem Wirkungs~ objekt (oben 2.), bei nichtgegeben.er Erfo~g5gefahr (oben 3.a) und schließlich bei mangelndem Eintritt des Tatobjekts in den Wirkung,sbereich der Erfolgsgefahr (oben 3.b) zu begründen iSit, sondern die "zufällige (,aktive') Rettung des Wirkungsobjekts aus dem Wirkungskreis Rn 49a ff.; Mayr, BGH-Festschr., 275; Wessels BT/1, 134; z. T. a. Binding,
Nonnen I, 378; Demuth VOR 1973, 454 u. Schwander SchwZStr 66, 450 (dazu unten II.3.b) Fußn. 714); ähnl. noch (z. T. gegen BGHSt 22, 344; s. Fußn. 577 f.) BayObLG VRS 35, 194; OLG Hamm VRS 33, 132. Näher zum ganzen unten 1I.3.a) bei Fußn. 699 ff.; b) bei Fußn. 709 ff. 616 Spendei, Stock-Festschr., 102. m OLG Frankfurt NJW 1975, 841. e18 BGHSt 18, 273; s. a. BGHSt 19, 373; 22, 74, 344; BGH VOR 1973, 465; OLG Hamm VRS 33, 132; dazu a. Horn, Gefährdungsdelikte, 179 Fußn. 87 m. Nachw. 819 Freilich hat die Rechtsprechung diesen restriktiven Ansatz fast durchweg nicht verwertet. Die nachfolgenden Entscheidungen liegen weitgehend auf der Linie der "Erfolgsgefahrtheorie" (oben 3.b); näher unten 11.3. bei Fußn. 699 ff.). - Im übrigen ist es terminologisch verfehlt, wenn die Rechtsprechung z. T. (vgl. etwa BayObLG VRS 35, 193) bereits das Entstehen des adäquaten Verletzungsrisikos als "Eintreten des Wirkungsobjekts in den Gefahrenbereich" bezeichnet, obwohl das Tatobjekt diesen Gefahrenkreis nicht derart schneidet, daß es nunmehr einer "plötzlichen Wendung" und damit eines "WiederaustTitts" aus dem Risikobereich durch außergewöhnliche Schutzmaßnahmen bedürfte. Im Fall des bedrängten, jedoch seine Geschwindigkeit ("passiv") beibehaltenden Vordennanns auf der Autobahn sollte deshalb - zur präzisen dogmatischen Erfassung der unterschiedlichen Fallgruppen - allein von der Bildung eines für einen konkreten Gefahrerfolg relevanten Gefahrenkreises (eines adäquaten Verletzungsrisikos), nicht jedoch von dem Eintritt des Wirkungsobjekts in diesen Bereich der schädlichen Bedingungen die Rede sein. Erst die Fahrtverzögerung des Betroffenen führt zum Eintreten des Tatobjekts in den Gefahrenkreis. Den konkreten Gefahrerfolg macht sodann - kommt es nicht zu einer adäquaten Rechtsgutsverletzung die plötzliche, objektiv unerwartete Wendung des Geschehens (die Verhinderung der unvermeidlich erscheinenden Kollision) aufgrund objektiv-final nicht einsetzbarer "aktiver" Rettungsmaßnahmen oder Naturgewalten aus.
D. Konkrete Gefährdungsdel. (sekund. Gefährdungserfolgsunrecht)
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der schädlichen Bedingungen" iJSt das Kennzeichen des konkreten Gefahrerfolg;s. Sieht man die Dinge so, so erzielt man einen doppelten Effekt zugunsten der beim konkreten Gefahrerfo1g als Erfolgsbegriff erforderlichen weitreichenden ex post-Betrachtung. Man veil"größert den Rahmen der Diagnose ex post (siJe gilt nicht mehr nur bezügLich des Wirkungsobjekts, sondern auch hinsichtlich des Eintritts dieses Objekts in den Wirkungsbereich der schädlichen Bedingungen). Und man verschiebt vor allem im Einzelfall auch die Urteilsbasis bei der Gefahrprognose. Man fragt nämlich nicht mehr stets vom (exante-)Zeitpunkt der Erfolgsgefahr, sondern gegebenenfalls und regelmäßig später vom Standpunkt des Eintritts des Wirkungsobjekts in den Gefahrenkrets dieses adäquaten VerletrungsrilSli.kos620 , ob eine Rettung ernsthaft möglich ist. Nach der "normativen Gefahrerfolgstheorie" gerät das Gefahrurteil zu einer Kombination einer (eingeschränkten) Prognose ex post mit einer weitreichenden Diagnose ex post. c) "Modifizierte normative GefahrerfolgstheoTie"
Die Diagnose ex post wird noch einmal verstärkt, ohne daß das soeben beschriebene (b) prognostische Element auf,gegeben wird ("strenge Prognose ex post und Diagnose ex post"), wenn man neben d€m Wirkungsobjekt und dem Eintritt dieses Tatobjekts in den WirkungSIbereich der schädlichen Bedingungen auch "Rettungschancen eröffnende Umstände" nachträglich bei der Gefahl'prognose berücksichtigt. Diese "modifizderte normative Gefahrerfolgstheorie", die neben den erfolgsausschließenden Momenten (kein WirklIDgsobjekt; Nichteintritt eines vorhandenen Tatobjekrtls in den KreiJS der konkreten E.rfolgsgefahr) auch ,.möglicherweise erfolgSiaussch1:ießenden" Um:s:tänden Bedeutung Z'UiIIlißt, ist an anderer Stelle skizzenhaft begründet worden«21. Sie erlaubt es z. B. im Bergkuppen-Beispirel, das (erst nachträglich erkannte, jedoch zur Zen der Gefahrprognose - und damit bei Eintritt des entgegenkommenden Fahrzeugs in den Gefahrenbereich - objektiv nicht ersichtliche) meisterliche Fahrkönnen des Betroffenen in das Gefahrurteil einzubringen. Ein konkreter Gefahrerfolg ist danach ausgeschJ.OiSSen, wenn das Ausweichen für den Meisterfahrer eine "leichte übung" war und 620 Dazu Welzel Lb, 137; Wolter JuS 1978, 753; s. a. Schwander SchwZStr 66, 450; Hirsch, Ehre, 168. - Unklar Lackner (Gefährdungsdelikt, 18), der einerseits für den Standpunkt "zur Zeit der Tat" plädiert, was für die vorstehend (3.b) erörterte "Verletzungsrisikotheorie" spricht, andererseits für den Zeitpunkt votiert, "in dem der regelwidrige Zustand, über den das Gefahrurteil gefällt werden muß, Gegenwart" ist, was eine Prognose ex post durchaus zuläßt (dazu und grundsätzl. a. Horn, Gefährdungsdelikte, 20, 171). 621 JuS 1978, 748 ff.; s. a. bereits oben C.I.l.c); C.I.2.d) bei Fußn. 454 ff. m. Nachw.; näher unten II.l.b).
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2. Kap.: Gefährdungs- und Verletzungsdelikte
sein mußte. Das konkrete Gclährdungsdelikt ist hingegen vollendet, wenn die Situation auch für einen außergewöhnlichen Spitzenfahrer sehr bedrohlich ist und die GefahrprQgnose eine Rettung des Betroffenen als bloßen Zufall ausweist (etwa bei einem auch für einen überragenden Fahrer waghaJs,i,gen Ausweichananöver oder bei Eingreifen einer n.iJCht kalkulierbaren Naturgewalt wie z. B. einer Sturmbö). d) "Naturwissenschaftliche Gefahrerfolgstheorie" (Horn)
Demgegenüber verzichiet schließlich die (hier sog.) "naturwissenschaftliche Gefahrerfolgstheorie" auf jedes Element der Prognose ex post (b), c). Sie beurteilt die Gefahrenlage stattdeSisen in einer strikten Diagnose ex post vom Standpunkt der Hauptverhandlung aus und befürwortet einen konkreten Gefahrerfolg nur dann, wenn entweder der Nichteintritt des Wirkungsobjekts in den Gefahrenkreis oder die Rettung des Opfers aus dem Wirkungsbereich dler schädlichen Bedingungen auch nachträglich (naturwissenschaftlich) unerklärbar bleibtW2 • Das führt in dem zuletzt genannten Beispielsfall dazu, daß auch bei einer objektiv unvorhersehbaren rettenden Sturmbö oder bei einem waghalsigen und nur durch Verkettung zahlreicher glücklicher Umstände zufällig glimpflich verlaufenden Ausweichmanöver eines Meisterfahrers ein konkreter Gefahrerlolg ausscheidet, sofern diese Rettungsfaktoren nur ex post naturwissenschaftlich begründbar sind. 5. Regelungsintention bei den konkreten Gefährdungsdelikten und Gefahrerfolgsbegrifl
Bevor versucht werden soll, die "modifizierte normative Gefahrerfolgstheorie" (4.c) zu präzisieren und gegenüber den Lö~n zu 4.b) und d) zu verteidigen, sind noch einige allgemeine Bemerkungen zur Regelungsintention bei den konkreten Gefährdungsdelikten und zum Gefahrerfolgsb€griff angezeigt. Der beendete taugliche Versuch (die gefährliche Handlung) kann sich in einem konkreten Gefahrerfolg und sodann in einer Rechtsgutsverletzung realisieren623 • Dies ist für die Verletzungsdelikte der normale Lauf der Dinge, für die Gefährdungsstraftaten jedenfalls von der rechtlichen RegelunglSintention her der AUlsnahmefall. Zwar entspricht es der normalen Entwicklung eines adäquaten Gefährdungs- bzw. Verletzungsrisikos (Gefährlichkeits- hzw. primäres Erfolgsunrecht), wenn es sich in einem konkreten Gefahrerfolg ('sekundäres Gefahrerfolgsunrecht) 6%2 Dies ist die Konzeption von Horn, Gefährdungsdelikte, 104 ff., 128 ff., 144 ff., 159 ff., 182 ff. u. SK, Rn 5 ff. vor § 306; s. a. Demuth VOR 1973, 454 ff.; zur Kritik s. unten II.2.c). 623 s. a. Rudolphi SK, Rn 69 vor § 1.
D. Konkrete GefährdungsdeI. (sekund. Gefährdungserfolgsunrecht)
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und sodann in einem Verletzungserfolg ("tertiäres Gefahrerfolgs"~' bzw. ,sekundäres Verletzungserfolgsunrecht) verwirkJ:icht; der eigentliche Anwendungsfall des vollendeten Gefährdungsrlelikts ist jedoch der, daß sich der konkrete Gefahrerfolg (zufällig) gera:d!e nicht in einer Rechtsgutsverletzung realis,iert625 • Für diese Fälle der mangelnden Rechtsgutsverletzung, jedoch der offensichtlichen Exißtenzkrise des Rechtsguts, sind die konkreten Gefährdungsde1ikte mit ihrer vorverlagerten Verteidigungslinie geschaffen worden. Denn bed. EJntritt auch der Rechtsgutsverletzung sind diese Delikte ,gegenüber den Verletzungsstraftaten grundsätzlich subs.idiä~. Ihre eigentliche Bedeutung erlangen die Ged:ährdungsdeliklte erst, wenn die Rechtsgutsver1etzung wider objektives Erwarten zufällig ausbleibt. Sie sind FäLle einer "Erschütterung der Daseinsgewißhe'it ohne Existenzvernichtung," und damit gleichsam Konstellationen einer "objektiv fehlgeschlagenen Rechtsgutsverletzung"ll27. Sie haben zwar anfangs, :im Zeitpunkt der Prognose ex post, nicht aber mehr am Ende der Beurteilung, etwa bei der Diagnose im Zeitpunkt der HaUIPtverhand1ung, Erfolgscha.I1akter; slie sind Delikte mit sekundärem, j·edoch ohne tertiäres Gefährdungserfolgsunrech~. Sie ändern ihr "objektives Gesicht" innerhalb einer ex post-Betrachtung. Auch insoweit trifft der BGWZ9 grundsätzlich das richtige, wenn er den Gefahrerfolg als "ein nachträgliches Wahrscheinlichkeiisur:teil über die naheliegende Möglichkeit des Eintritts eines schädlichen Edolges" bezeichnet, "der aber in Wirklichkeit nicht eingetreten ist". 62. Vgl. a. Begründ. zu § 162 AE: "materielle Vollendung" bei Umschlagen der Gefahr in die Verletzung. - Das "tertiäre Gefährdungserfolgsunrecht" hat z. B. bei den §§ 315 ff. (allein) eine strafzumessungsrechtliche (straferhöhende) Bedeutung. 625 s. a. Demuth VOR 1973, 447; Henckel, Gefahrbegriff, 45; Lackner, Gefährdungsdelikt, 14. 828 Vgl. a. Samson SK, Rn 69 vor § 52; Schönke / Schröder / Stree, Rn 120 vor § 52; Demuth VOR 1973, 445; WoIter, Alternative Verurteilung, 202. Eine andere Frage ist, ob z. B. die §§ 315 ff. in der Variante der Leibes- und Lebensverletzung idealkonkurrierend neben den §§ 223 ff., 211 ff. bestehen können (dazu etwa Schönke / Schröder / Cramer, § 315b Rn 23; 315e Rn 45 m. Nachw.). Vgl. noch Fußn. 624. 827 Zu den objektiv fehlgeschlagenen Verletzungsversuchen mit anfänglichem, jedoch nicht mehr bei Beendigung der Tat gegebenem Verletzungsrisiko (sog. "Anfangs-Risikounwert") vgl. oben C.I.1.b) bei Fußn. 63 ff.; 2.d) (7) bei Fußn. 471 f.; zum objektiv fehlgeschlagenen Rettungsversuch C.I.2.d) Fußn. 431. Diese objektiv fehlgeschlagenen Versuche ändern ihr "objektives Gesicht" innerhalb einer ex ante-Beurteilung. 628 Soweit sich der konkrete Gefahrerfolg also gerade durch die Nichtverletzung des Rechtsguts auszeichnet, ist es nicht unproblematisch, ihn als "teilweise Verletzung" zu begreifen (grundsätzl. krit. a. Henckel, Gefahrbegriff, 14; Volz, Unrecht, 27). Andererseits beinhaltet er immerhin ein anteiliges Erfolgsunrecht i. S. des "sekundären Gefährdungserfolgsunrechts" bzw. des dann ebenfalls gegebenen "primären Verletzungserfolgsunrechts"; vgI. dazu a. den folgenden Text. 629 BGHSt 26,181; 18, 272; vgl. aber a. Fußn. 619.
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2. Kap.: Gefährdungs- und Verletzungs delikte
Freilich kann man entgegen dem BGH 630 aus diesem Wesen des konkreten Gefahrerfolgs I1!icht die These ableiten, er sei mangels einer sinnlich wahrnehmbaren Veränderung in der Außenwelt nicht als "Folge" einer Tat, sondern led.i:glich als "Vorstufe einer Folge" zu begreifen. Ein solcher Erfologshegriff ist in mehrfacher Hinsicht zu eng. Küper031 weist einerseits mit Recht darauf hin, daß z. B. "die miteinander verketteten ,Erfolge', die etwa beim Betrug zur Delik1lsvollendung erforderlich sind - Irrtum, Verfügung, Schaden -, keineswegs durch sinnlich wahrnehmbare Außenweltsveränderungencharakterisiert werden", und daß "beim Erfolg der Dieibstahl:shandlung, dem Gewahrsamswechsel, das Kennzeichnende nicht in irgendeinem sensuell faßbaren ,Außenweltere.i;gnis', sondern in der Veränderung eines sozialen Herrschafts- und ZuordnungsverhäLtn.issies besteht". Insofern mag es - wie beim Verletzungserfolg - auch beim ko.nkreten Gefahrerfolg im Eiinzelfall an einer smnlich wahrnehmbaren Außenwelrtsveränderung fehlen. - Ob man andererseits bei der dargestellten zw:iSic:henzeirt1ichen Krise des Rechtsguts wirklich von mangelnder Feststell!barkeit e:iner - wenn auch nur vorübergehenden - Ve:ränderung der ungestörten Existenz eines Wirkung.9objekts in der Außenwelt sprechen sollte, ist durchaus zweifelhaft632 • Denn mit gutem Grund weist Gallas633 darauf hin, daß sich die "soziale Realität" des konkreten Gefahrerfolgs insbesondere in den (außergewöhnlichen, objektiv unerwavteten und auch nicht zumutbaren und deshalb besonders "spektakulären") Reaktionen der Umwelt oder in den Abwehrmaßnahmen des Täters offenbart. Des weiteren läßt s~ch mit dem BGH letztlich auch nur dann vo.n einer "Vo.rstufe einer Rechtsgutsverletzung"03· ausgehen, wenn man dem konkreten Gefahrerfolg seLbst die Eigenschaft 2Jumißt, Fol.ge einer gefährlichen Handlung zu sein635 • Da:bei sind die Tathestandsd:assun.gen der §§ 315 ff.636 und zahlreiche Voten des BGH637 ein deutlicher Beleg für die Möglichkeit einer Verbindung zwjschen gefährlicher HandJung und konkretem Gefahrerfolg. (Gefahr- hzw. Verletzungs-)Erfolg - so. könlllte man formulieren - ist der nicht schon in der Handlung enthaltene, a:ber daraus resultierende Sachverhaltj;G38. In diesem Zusammenhang sei auch 030 BGHSt 26, 181; vgl. a. Henckel, Gefahrbegriff, 14: Gefahr sei noch nichts Wirkliches, Reales; ferner JA 1975, 805. e31 NJW 1976, 544; s. a. Horn SK, Rn 4 vor § 306; JA 1975, 805. 632 s. a. Horn aaO. e33 Heinitz-Festschr., 176; vgl. a. Binding, Normen I, 378; Horn aaO, Rn 5; Wolter JuS 1978, 749. 634 Vgl. schon Rotering GA 31, 270, 276 (krit. Volz, Unrecht, 26). e35 s. a. Backmann MDR 1976, 971 Fußn. 17; Küper aaO; Rudolphi SK, Rn 69 vor § 1 (dazu Fußn. 623); zu punktuellen Taten s. bei Fußn. 585. 638 arg. "dadurch"; vgl. a. Backmann aaO, 970. 637 Z. B. BGHSt 25,307; zahlr. weit. Beisp. bei Backmann aaO.
D. Konkrete Gefährdungsdei. (sekund. Gefährdungserfolgsunrecht)
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erwähnt, daß man z. B. beim Betrug die aus der Täuschungshandlung resultierende konkrete Gefahr für einen Vennögensschaden als "VerletzWllgS€lrfo1g" hinreichen läßt. Aber auch davon abgesehen beinhaltet der konkl'ete Gefahrerfolg als sekundärer Gdährdungserfol~sunwert nach der hier vertretenen Konzeption immerhin einen anteiligen Erfolgsunwert. Er ist eigenständige Zwischenstufe zum tertiären Gefährdung;serfolgsunwert auch dann, wenn der Verletzungserfolg einmal zufällig ausb1e:iht; und er besttzt auch die (Mindest-)Vora~ungen des primären Verletzungserfolgsunwerts und erscheint so gleichennaßenals Zwischenstufe zum sekundären Verletzungserfolg5lunwert. Und was schließlich das Unbehagen des BGHangeht, ein prognostisches Wahrscheinlichkeitsurteil als "Erfolg" anzusehenG39 , so :iSIt dlieses Bedenken durch die hier verfochrtene "normative Gefahrerfolgstheorie" ausgeräumt, die nicht wie der BGH (oben 3.b) eine weitreichende Prognose ex ante vom Standpunkt der Tat anstellt, sondern eine Kombination von Prognose ex post tIiIlid Diagnose ex post ~ur Voraussetzung erhebt (ob€n 4.b), cl. Ein Wah:rschein1ichkeitsurteil jenseitS' der Tathandlang kann aber durchaus ein Erfoligsurteil sein. 11. Die "modifizierte normative Gefahrerfolgstheorie" 1. Kombination von Prognose ex ante (1. Adäquanzurteil), Prognose ex post (2. Adäquanzurteil) und weitreichender Diagnose ex post
a) Thesen Nach alLem kann man darangehen, die bisher skizzierte "modifizierte nonnative Gefahrerfolgstheorie" (oben I.4.c) zu präzisieren und zu verteidigen. Nimmt man das Ergebnis vorweg&4Q, so setzt die Veru.meülung wegen eines vollendeten konkreten GefähroungsdeLikts "in leitender Hinsicht" voraus, daß dalS Rechtsgut inf01ge des vom Täter geschaffenen adäquaten Gefährdungsrisikos derart in den Wirkungsbereich eines konkreten Verletzungsrisikos geraten ist, daß seine Rettung von diesem S1landpunkrt: aus dem objektiven BetI'lachter als unvorhersehbar und des838 Vgl. Horn, Gefährdungsdelikte, 9; Küper aaO, Fußn. 12; Montenbruck GA 1978, 239; Dreher / Tröndle, Rn 13 vor § 1. 63g Treffend zu dieser Fragestellung Küper aaO, 544. UQ Wie es in JuS 1978, 748 ff. i. R. einer Urteilsanmerkung unter Außerachtlassung zahlreicher Details und des reichhaltigen Rechtsprechungsmaterials (dazu unten 3.) entwickelt worden ist. Unberücksichtigt bleiben im folgenden allerdings besondere Zurechnungsmerkmale wie z. B. die "Risikoerhöhung"; dazu Cramer, Straßenverkehrsrecht, § 315c Rn 53 ff.; unten 3. Kap.
B.
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2. Kap.: Gefährdungs- und Verletzungsdelikte
halb zufällig erscheinen muß. Allein dieses außergewöhnliche "Wiederherausg.elangen" des Tatobjektsaus der bedrohlichen Situation durch "aktive" RettungJsmaßnahmen odIer Natul'gewalten vermittelt dem Bürger - vergleichbar mit dem Verletzungserfolg - den nachhaltigen Eindruck einer Exil5tenzkrisle des Rechtsgu1s.. Ebenso wie bei den Verletzungsdelikten der nur zufällig, aufgrund eines "aUgemeinen Le!bensrrisikos" eintret~nde Verletzungserfolg objektiv nicht :rurechenbar ist, l1echtfertigt das zufällige, einer nur "allgemeinen Lebensrettungschance" zu verdankende Ausbleiben der RechtsgutsverletzUIlJg d!ie vo1l:e Strafe wegen vollendeter konkreter Gefährdungstat. Im einzelnen setz:t die Verurteilung wegen eines vollendeten konkreten Gefährd~e1ikts in erheblicher übereinstimmung mit den vollendeten Vedetzung,sstraftaten (oben B.) - ein (frei1ich doppeltes) Adäquanzurteil kombiniert mit einer weitreichenden Diagnose ex post voraus. (1) Der Täter muß ein adäquates Gefährdungsrisiko (= VerZetzungsrisiko) schaffen. Das erste Adäquanzurteil erforoe'rt eine Prognose ex ante vom Standpunkt d€)'! beendeten Gefährdungsversuchs. Wiro der
spätere konkrert;e Gefahredolg und der etwaige nachfolgende Verletzungserfolg nicht durch dieses adäquate Gefährdungsrisliko vermittelt, so sind Gefährdungsrisiko, Gefahr- und VerletzunglSerfolg zwar als Voraussetzungen der Sanktionsnorm tatsächlich feststellbar, nicht jedoch als primärer, sekundärer und tertiärer Gefährdungserfolgsrunwert objektiv zurechenbar&41. Bereits an der objektiven Zurechenbarkeit des erforderlichen Gefährdungsrisikos (und dann auch an der Zurechnung des faktisch nachfoLgenden Gefahr- und VerletzungserfoLgs) fehl!t es, (a) wenn mit Rücksicht auf den typischen und ordnungsgemäßen Verlauf der Dinge sich der Betroffene bei Beendigung des Gefährorungs-
versuchs nicht in der ernsthaften Gefahr für den Eintritt eines konkre-
641 Vgl. dazu (i. R. der Verletzungsdelikte) oben B.III.2.b); C.I.3.b); Wolter JuS 1978, 750 ff. s. im übrigen dazu, daß jede (tatsächliche) Rechtsgutsverletzung als Durchgangsstadium nicht nur eine (faktische) konkrete Erfolgsgefahr und damit das objektive Risiko der versuchten Verletzung, sondern auch den (tatsächlichen) konkreten Gefahrerfolg und mithin das objektive Risiko der vollendeten Gefährdung enthält, etwa Horn, Gefährdungsdelikte, 52 ff. m. Nachw.; BGH VRS 8, 201; Demuth VOR 1973, 446; Schröder ZStW 81, 12 f.; vorsichtiger Lackner, Gefährdungsdelikt, 18; vgl. ferner bei Fußn. 689, Fußn. 697; oben I.3.c). - In jedem Fall ist es mißverständlich, wenn der Gefahrerfolg als "überwiegend tatsächlicher, nicht rechtlicher" Begriff bezeichnet wird (etwa BGHSt 18, 272; s. a. RG Rspr 6, 99; OGHSt 3, 394; gegen einen normativen Gefahrbegriff noch Rabl, Gefährdungsvorsatz, 7). Soweit man damit lediglich die erforderliche konkrete Betrachtungsweise (dazu unten 2.b) anspricht (z. B. RG Rspr 10, 594; RGSt 29, 246; 30, 179; 61, 363 f.; BGH VRS 11, 62; OLG Hamm VRS 33, 132), ist dagegen nichts einzuwenden. Im übrigen aber ist der Gefahrerfolg - ebenso wie die Verletzungserfolgsgefahr oder der Verletzungserfolg (vgl. C.I.3.b) - je nach Zurechnungslage sowohl ein tatsächlicher wie ein rechtlicher (normativer) Begriff. Vgl. noch Gollner MDR 1976, 186 Fußn. 38.
D. Konkrete Gefährdungsdel. (sekund. Gefährdungserfolgsunrecht)
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ten Gefahrerfolgs und einer nachfol!g€nden Reclltsgutsverletzung befindet, sei es, daß der Betroffene selbst zu einer b€5'tilnmten Aufmerksamkeit verflichte:t ist (etwa im Bereicll eines Bahnübel1gangs), sei es, daß Dritte zur GefahrvermeidUßIg von vornherein fähig und verpflichtet sind (z. B. Kontrol'lbeamte beim Eisenbahnbetmeb). Verletzt das Opfer bzw. der Dritte im EinzelJfall seine Pflichten (der Betroffene ist vor €inem vorschriftswidrig ungesicherten Bahnübergang b€sonders unkonz€ntriert; die Balmbeamten vernachlässiJg€n ihre Sicherungspflichten bei Signalen oder Weichen), so ist das daraus resultierende GefährdungsriSiko = Ve111etzungsri:siko nur tatsächlich feststel:lbar, nicht jedoch als primärer GefährdUßIgserfolgsunwert (Gefährlich:keitsunweITt) objektiv zurechenba~2. Um ein Wort Bindings 643 abzuwandeln: eine gefährliche Handlung, welch:er im steten Fortschritt der Stachel der Gefahr (nicht nur genommen wird, sondern) genommen werden muß, ist contramc1lio in adjecto. DOgJIIlati.sch fonnuliert: risiko begründende Tatumstände (wie z. B. die außergewöhnl.iche Unaufmerksamkeit des Betroffenen) dürfen nur bei objektiver Erkennbarkei,t ex ante (d. h. zur Zeit der Tat) in das erste Adäquanzurteil (Gefährdungsri.s:ikourteil oder: Gefährlichkei.tsurteil) eingehen. - Am adäquaten Gefährdungsrisiko fehlt es aIUch, (b) wenn der Täter aufgrund seiner (auch außergewöhnlichen) Aufmerksamkeit oder Vorbiildung von vornherein fähig und im übrigen will€ns ist, dem Eintreten des konkreten Wirkungsobjekts in den Gefahrenkreis eines adäquaten Erfo]gsrisikos entgegenzuwirken. Daß hier auch untypisches (hier freilich risikoausschließendes) "Täterwissen" .in das Gefährdungsrisikourteil eingebracht wllird, entspricht der herkömme(2 Insofern hat das OLG Frankfurt (NJW 1975, 841) im BahnschrankenFall grundsätzlich insoweit recht, als es nicht auf die besondere Unaufmerksamkeit, sondern auf die verkehrsgerechte Konzentration des Betroffenen abstellt (vgl. a. Wolter JuS 1978, 751; Henckel, Gefahrbegriff, 28 m. Nachw.; Horn aaO, 169 ff.; Schünemann JA 1975, 795, 797 im Sonntagsfahrer-Fall). Und ebenso prinzipiell ist dem Reichsgericht (RGSt 10, 177 f.) beizupflichten, wenn es bei dem Gefahrurteil beim Bahnbetrieb auch die Kontrollpflichten von besonderen Bahnbeamten zur Ausschaltung einzelner Pflichtvernachlässigungen (z. B. beim fälschlichen Freigeben der Strecke) berücksichtigt; (verfehlt hingegen RGSt 25,314; 30, 181 f. - dazu Fußn. 569). Das OLG Frankfurt und RGSt 10 schließen freilich ausdrücklich nur - statt bereits des adäquaten Gefährdungsrisikos - den konkreten Gefahrerfolg aus (was bei fahrlässiger Tat mangels Versuchsstrafbarkeit unschädlich ist). Wenn also sämtlichen Kontrollbeamten zufällig ein Pflichtverstoß zur Last fällt und (erst) dieses Zusammenspiel von Pflichtvernachlässigungen zu einem Eisenbahnunglück führt, wird man im Einzelfall dem Erstverursacher nicht ohne weiteres das Schaffen eines adäquaten Gefährdungsrisikos bescheinigen können (Binding, Normen I, 386; Henckel, Gefahrbegriff, 28; aber a. Horn aaO, 171, der den Rettungsverpflichtungen Dritter "für sich genommen keinen Einfluß auf die Gestaltung der Situation als einer gefährlichen oder ungefährlichen" einräumen möchte). e43 aaO; s. a. Henckel aaO; Meyer-Gerhards JuS 1976,228 m. Nachw.; dazu Wolter JuS 1978, 754.
15 Wolter
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2. Kap.: Gefährdungs- und Verletzungsdelikte
lichen Ausstattung des objektiven (Adäquanz-)Betrachters&". Dann trifft das von Binding geprägte Wort schon im ursprünglichen Sinne zu: Wer z. B. auf dem Boden eines Waldes ein Feuer entfacht, schafft noch nicht einmal das adäquate Risdko einer Brandgej]ahr i. S. v. § 310a, wenn er von vornherein entschlos.sen und aufgrund besonderer Erfahrung und Aufmerksamkeit in der Lage :ist, die Ausdehnung des Feuers über den engen Bereich der Feuerstelle hinaus zu verhindernS45 • überschätm der Täter freiJ..ri.ch seine Möglichkciten oder iSIt er außergewöhnlich ungeschickt, so befreit das nicht von der objektiven Zurechenbarkeit des Risikos648 • (2) Das vom Täter geschaffene adäquate Gefährdungsrisiko = Verle.tzungsrisiko muß sich in einem konkreten Gefahrerfolg realisieren. Eine solche Risikoverwirklichung ist gegeben, wenn für das konkrete Wirkungsobjekt in einer Prognose ex post (bzw. im Einzelfall: ex ante) vom Standpunkt seines Eintritts in den Wirkungsbereich des adäquaten Gefährdungsrisikos - auch unter Berucksichtigung der zur Zeit dieses zweiten Adäquanzurteils feststehenden, jedoch erst nachträglich erkennbaren Re.ttungsumstände - keine ernsthafte RettungsaUSSlicht mehr besteht. An dieser Rtsikorealis1erung i. S. einer "Daseinserschütterung" bzw. ExilStenzkl'iJSe des Rechtsguts fehlt es also nicht nur, wenn (a) sich - entgegen der Prognose exante bei Begehung der Tat nachträglich (Diagnose ex post!) das Fehlen des Wirkungsobjekts heraU&'rtellt (Oiben 1.2.); (b) das konkrete Wirkungsobjekt nicht in den Gefahrenkreis der konkreten Erfolgsgefahr eintritt (zweite Diagnose ex post; oben I.3.a), b); sondern auch oben I.4.b)
trotz Vorliegens von (a) und (b) -, wenn (entgegen
(c) mit Rücksicht auf die zur Zeit des zweiten Adäquan.zurteiJs feststehenden, jedoch erst in einer (dritten) Diagnose ex post feststellbaren "Rettungschancen begründenden Tatumstände" beim Betroffenen oder auch bei Dritten die Rettung des Rechtsguts als objektiv vorhersehbar (bezweckbar, Wiiederholbar und deshalib nicht als Zufall) erscheint. Dies gilt nicht nur für typische Wahrnehmungen, Rettungsabsichten und -fähigkeiten des Opfers oder von Dritten (der Betroffene erkennt die Nachw. in Fußn. 36; s. a. Schmidhäuser AT, 8/33. Vgl. das Beisp. von Meyer-Gerhards JuS 1976, 228 (s. a. Horn aaO, 169 ff.). Beide schließen freilich wiederum (s. Fußn. 642) ausdrücklich allein den konkreten Gefahrerfolg aus; dazu a. Wolter aaO, 754. e46 Dazu a. Meyer-Gerhards aaO, 228 f. m. Beisp.; Wolter aaO, 754. Vgl. allgemein zur Untergrenze der Unrechtstat oben C.I.2.d) bei Fußn. 388 ff. sowie dazu, daß sich die Adäquanz an durchschnitUichen Fähigkeiten ausrichtet, Wolter GA 1977, 270. 644
e46
D. Konkrete Gefährdungsdel. (sekund. Gefährdungserfolgsunrecht)
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bedrohliche Situation rechtzeitig und weicht erwartungsgemäß und seinen Fähigkeiten entsprechend aus)&47; dieser Gesichtspunkt entfaltet vielmehr seine besondere Bedeutung bei außel1geJwöhnlichen und durchaus zufälLigen Umständen (etwa bei dem überragenden Fahrkönnen des Entgegenkommenden im Bergkuppen-Beispiel oder dem objektiv nicht zumutbaren, freilich chancenreichen Rettungsentschluß eines Dritten). Nur wenn die Rettung auch mit Rücksicht auf diese Reitungschancen eröffnenden Momente abstrakt gering und weitgehend aUSSlichtslos erscheint (für den Meis:terfahrer reicht - gemäß der Prognose ex postdie überdurchschnittliche Fahrkunst nicht aus; der kühne Rettungsentschluß des Dritten grenzt an Selbstmord), kommt ein vollendetes konkretes Gefährdungsdelikt in Betracht (oben IA.c). b) Nachträgliche Berücksichtigung von "Rettungschancen eröffnenden Umständen"
Die solchermaßen umrissene "mocNfizierte normative Gelahrerfolgstheorie" wahrt in besonderem Maße dl:!n ErfoLgJScharakter des Gefahrbegriffs und erzielt damit ,ein "Optimum an Wahrheitsgarantie" (1) sowie ein "Höchstmaß an Normativität". Sie zeichnet sich darüber hinaus unter normtheoretischem Aspekt durch ein "Maximum an Einübbarkeit von Rechtstreue (Generalprävention)" (2) aus: (1) Was zunächst die weitreichende Wahrung des Erfolg.scharakters des Gefahrbegriffs angeht, so erreicht dies'e Theorie zwar nicht ein "Maximum an Wahrheitsgarantie", wie es aU' jene Auffassungen für sich in Anspruch nehmen können, die entweder in einer strengen und naturwissenschaftlichen Diagnose ex post auf jedes prognostische Gefahrelement verzichten ("naturwissenschaftliche Gefahreriolgstheorie"; dazu oben I.4.d); unten 2.C)&t8 oder die auch nachträglich erkannte gefahrerfolgsbegründende Tatumstände in die Gefahrprognose einbringen (dazu unten 2.a)649. Letztere widerntreiten in jedem Fall einem "normativen" bzw. "generalpräventiven" Ansatz. Sieht man a:ber von diesen extremen Auffassungen, die sogleich zu erörtern sind, ab, so erzielt die hier verfochtene "modifizierte normative Gefahrerfolgstbeorie" (I.4.c) immerhin g,egenüber allen anderen "Ged'ahrprogn05letheorien" (oben 1.2.-4.b) ein "Optimum an Wahrheitsgarantie". Sie ist ihnen ge.genüber deshalb auch vorzugswürdig. Denn sie wahrt den Erfolgscharakter des Gefahrbe.gI'iffs in besonderem Maße dadurch, daß sie sämtliche möglicherweise oder sicher gefahrerfolgsausschLießenden Tatumstände in
&47 Dazu Meyer-Gerhards aaO, 228 f.; grundsätzl. a. Horn aaO, 171; JA 1976,
391.
648 649
15·
V gl. Horn SK, Rn 7 vor § 306. Gallas, Heinitz-Festschr., 178.
228
2. Kap.: Gefährdungs- und Verletzungs delikte
einer Diagnose ex post und (gegebenenfalls) wider die Vollendungsstrafbarkeit beriicksichtigt. Dies gilt für den Mangel am Wirkungsobjekt (anders d~e "extensive GefährdUillgsrisikotheome"; 1.2.); für das Fehlen eines adäquaten Verletzungsrisikos (anders die "restriktive Gefährdungsrisikotheorie" ; 1.3.a); für den mangelnden Eintritt des konkreten Wirkungsobjekts in den Kreis des adäquaten V,erletzungsrisikos (anders die "Erfolgsgefahrtheorie"; I.3.b) und schließlich für die Einbeziehung von "Rettungschancen eröffnenden Tatumständen" (anders die ursprüngliche "nonnative Gefahrerfolgstheorie"; 1.4.b). Diese letzte Ausprägung des Gefahrerfolgsbegriffs (dazu 1.4.c) erweist sich dabei als der eigentliche Kern der wegweisenden Thesen von SpendeI und GalLas650 • Mit guten Gründen untel1scneidet Spendel einerseits die "gegenwärtigen, unabhängig vom Täter bestehenden Tatumstände", die als etwas "von vornherein Feststehendes (wenn auch vielleicht erst später FeSlts,telibares) und insofern Gewisses" einer ex post-Betrachtung (Diagnose) zugänglich ISled.en, und auf der anderen Seite die ,,:in die Zukunft weisenden, eine bestimmte objektive Tendenz zur Rechtsgutsverletzung" oder Rettung aufweisenden Momente, für die als "in der Entwicklung B€findliches und !insofern Ungewisses" eine Prognose am Platze sei. Spendel bezieht \Seine Thesen Z/War vornehm1ich auf den taugli.clren Verletzungsversuch, für den sie wegen der dort erforderlichen strikten ex ante-Betrachtung aus generalpräventiven Gründen gerade nicht in Anspruch zu nehmen ,sind (dazu im ein2lelnen C.1.1.c); ferner dehnt er diese Auffassung ebenso wie GalLas auf (gefahr)erfolg;sbegründende Tatumstände aus, was ähnlich wie bei den VerletzAlngsdelikten auch für die konkreten Gefahrerfolgsstraftaten unter generalpräventivem Aspekt nicht haltbar ist (dazu oben B.II1.2.b); C.I.1.c); unten 2.a). Wohl aber hat diese Differenzierung für dlie möglicherweise gefahrerfolgsausschließenden Umstände bei den konkreten Gefährdun,gsdelikten Bestand, die Spende! jedenfalls beiläufig in seine Erörterungen einbezieh~51.
Spendels Unterscheidung ennöglicht z. B. in dem Bergkuppen-überholfall mit einem Meisterfahrer als B€troffenem ein sinnvolles und sachgerechtes Ergebnis. Während die" ursprüngliche nonnative Gefahrerfolgsltheorie" (I.4.b) etwa in dem Fall, daß das Ausweichmanöver für einen durchschnittlichen Krarftfahrer ein nicht 2lU meisterndes Unterfangen, für den konkret Betroffenen hingegen eine "leichte übung" ist, ein vollendetes konkretes Gefährdungsdelikt annehmen müßte (denn 650 SpendeI, Stock-Festschr., 105 f. (näher dazu oben C.I.1.c); Gallas aaO, 178 f.; in dieser Richtung a. Schönke I Schröder I Lenckner, § 34 Rn 12, 15 (dazu oben C.1.2.d) bei Fußn. 454 ff.); Roxin, Honig-Festschr., 138 Fußn. 18. 651 aaO, 106 Fußn. 62 (die Deliktsgruppe der konkreten Gefährdungsstraftaten biete "interessante Parallelen").
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die Fahrkunst des konkret betroffenen Meisterfahrers sei ja nicht objektiv vorhersehbar, final einsert;zbar und deshalb nur zufällig)652, gelangt die rner verfochtene Abwandlung dieser Theorie - unter Berücksichtigung der Thesen Spendels, Gatlas' und Lenckners - ledi.glich. zum beendeten tauglichen Gefährdungsversuch (bzw. bei Fawlässigkeit de lege lata zur Straflosigkeit). Denn das AlJJ~weiclunanöver des Meisterfahrers ist, sofern man nur um dessen überragendes Fahrkönnen weiß, durchaus final einse:tzbar, wiederhoLbar und deshalb gerade nicht zufällig. Und daß der Umstand der besonderen Fahrkunst des Betroffenen als im BeurteiJun~1Jpunkt bereits feststehender, wenn auch noch nicht erkennbarer, Rettungschancen eröffnender Tatumstand zugunsten des Angeklagten in das nachträgliche Gefahl1Urteil Eingang nehmen muß, gebietet der Erfo1gscharakrtler des Geiahrbegriffs. Nur auf diese Weise erzielt man das bei. einer PrQgIlOS€ ex post erreichbare "Optimum an Wahrheitsgarantie"653. (2) Und allein so gelangt man auch zu einem "Maximum an Normativität und Einübbarkeit von Rechtstreue (GeneraZprävention)". Denn die
objektive Zurechenbarkeit des Gefahrerfolgs hängt hier strikt davon ab, daß die Rettung des Betroffenen für den Bürger (etwa bei der Rekonstruktion des Ges.cheheIllS im Gerichtssaal) a:I:s objektiv nicht bezweckbar und nicht mehr nachvollziehbar und nicht etwa als "leichte übung" und jederzeit wiederholbar erscheint. Bei dieser Rekonstruktion des Geschehens und bei dJer Feststellung eines (Gefahr-)Erfolgs und damit einer vollendeten Straftat i. S. einer nachiha1tigen Daseinserschütterung des geschützten RechJtsguts wird man dem BÜl'ger venrtändlich machen müssen und können, daß (zugunsten des Angeklagten) allein die zur Zeit der Tat (ex ante) erkennbaren gefahrerfolgsbegTÜndenden Tatumstände und daneben sämt1i.che (auch) nachträglich erkannten Rettung;schancen eröffnenden Momente berücksichtigt werden dürfen. Dieser einsichtige und rechtstreue Bürger wird dann in der Tat dIie Lebensrettung des mit leichter Hand ausweichenden Meisterfahrers nicht als glückliche überwindung einer bedrohlichen Existenzkrise des Rech.tsguts empfinden. Wohl Biber wird er die Rettung des Betroffenen als "glücklichen Zufall", "wie durch ein WundJer", "um Haaresbreite" beschreiben, ~nn auch für den. MeilSterfahrer nur noch das tollkühne, allein durch das ZUSiaJIIlffienspiel vJeler glücklicher Umstände (von der Witterung über die Straßenverhältnisse bis hin zu der entscheidungsbeemflussenden "Stimmung" des Entgegenkommenden) - dann gut aulS~ Vgl. Schünemann JA 1975, 796 f. Insofern ist es nicht widerspruchsfrei, wenn Schünemann (aaO, 794) einerseits darauf hinweist, daß jede Beschränkung des Gefahrurteils auf eine unzulässige Fiktion zu Lasten des Angeklagten hinauslaufe, andererseits jedoch die Gefahrprognose selbst beschneidet (bei Fußn. 652). 852
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2. Kap.: Gefährdungs- und Verletzungs delikte
gehende - Ausweichmanöver Erfolgsabwendung versprach. Lediglich in diesem Fall ist der Bürger von dem Geschehen - über rue .gefährliche Handlungsweise hinaus - ähnliich wie bei einem Verletzungserfolg "beeindruckt", läßt sich eine wegen des sekundären Gefährdungserfolgsunrechts erhöhte Strafe rechtfertigen, kann man auch wegen eines greübaren Handlungserfolgs Rechtstreue einüben bzw. festigen und damit eine "negative Vorbildwirkung" erzielen. Das Höchstmaß an generalpräventiver Wirkung wird also - wie mehrlach angeklungen ist - nicht nur durch die nachträgliche Einbe-ziehung möglicherweis.e gefahrausschiließender Umstände, sondern vor allem auch dadurch erreicht, daß man gefahrerfolgsbegründende Momente nur dann berücksichtigt, wenn sie zur Zeit der Tat (ex ante) objektiverkennbar sind. Man wird dem Bürger in der so~alen Rolle des Täters die Haftung für einen (Gefahr-)Erfolg nicht klarmachen können, den er bei Begehung der Tat nicht als Risiko hat voraussehen können. Der objektiv zurechenbare Gefahrerfolg setzt ein adäquates GefährdungsI'isiko = Verletzungsrisiko voraus. Die Haftung für den Gefahrerfolg wird stets vermittelt durch dte Haftung für das (Gefährdungs-) Risiko, auf dem er beruht. Dieses fundamentale Prinzip gilt für die konkreten GefährdungroelLkte ebenso wie für die Verletzungsstraftatenil54 • c) Ergebnis und Einwände Freilich giLt es im folgenden (2.), die unter b) herausgestellten drei wesentliichen Thesen zum Gefahrerfolgsbegriff gegen einige Einwände und Gegenpositionen zu verteidigen. Denn der ersten These ("Optimum an Wahrheitsgarantie": ex post-Betrachtung allein bei gefahrerfolgsausschließenden Tatumständen) wlrd der GrundISatzeines "Maximums an Wahrheitsg.arantie" und damit die Forderung entgegengehalten, auch gefahrerfolgsbegründende Momente in das nachträgliche Gefahrurteil (2. Adäquanzurteil) einzubeziehen (dazu 'sowie zur Theorie der "Realisierung eines Modellgefährdungsrisikos" unten 2.a). - Gegen jeglJiches Adäquanzurteil (und damit auch gegen die zweite These des "Maximums an Generalprävention") wird darüber hinaus geltend gemacht, daß der Adäquanzmaßstab wegen seiner Generalisierung und Abstraktion nicht passe, und daß das zugrunde liegende WahrscheinlichkeJitsurteil1etztlich nur quantitativabstufbar sei (dazu 2.b). - Und die dritte These ("Maximum an Normativität")~st schließlich gegenüber der "natu.rw1ssensch:aftlichen Gefahrerfolgstheorie" zu rechtfertigen, die ebenfalls dem Prinzip eines "Maximums an Wahrheitsgarantie" den Vorrang einräumt (dazu 2.c). 654 Oben B.III.2.b); weit. Nachw. in Fußn. 226, 311 (für die Verletzungsdelikte); Wolter JuS 1978, 751 für die konkreten Gefährdungsstraftaten (s. a. Schwander SchwZStr 66, 450; Schünemann JA 1975, 794; Welzel Lb, 47, 137).
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2. Zurückweisung der Einwände
a) ex post-Betrachtung bei gefahrerjolgsbegründenden Umständen; Realisierung eines "ModeUgefährdungsrisikos"? Jede Auffassung, die zur Zeit der Tat (d. h. ex ante bei Begehung eines tauglichen Gefährdungsversuchs) objektiv nicht erkennbare gefahrerfolgsbegründende 'I'atumstände zur Begründung eines objektiv zurechenbaren Gefährdungserfolgs heranZlieht, die also den Schluß von dem tartsächlichen ErfoLg auf seine objektrl.ve Zurechenbarkeit ohne weiteres erlaubt, läßt sich aus normtheoretischen, vor a.lLem generalpräventiv:en Gründen nicht durchhalten. Dies ist i. R. der Ver1etzungsdelikte im einzelnen dargelegt worden und braucht hier nur entsprechend herangezogen zu werden. Die Haftung für den (Gefährdungs- bzw. Verletzungs-)ErfoLg muß stets vermittelt werden durch die Haftung für das (Gefährdungs- bzw. Verletzungs-)Risiko, auf dem er beruht654 • Tritt also eine RechJtsgutsverletzung oder ein konkreter Gefährdung.s;erfolg bei einer unter objektivem Lebensgefahraspekt an sich "harmlosen" Messerstecherei nur wegen der 'exotischen Verschmutzung des Messers ein oder kommt im Bergkuppen-Beispiel nachts auf völlig einsamer und ruhiger Straße zufälHg doch ein sehr schwach beleuchtetes und außergewöhnlich geräuschaI'IIle5 Fahrzeu:g entgegen, so ist nach dem hier verfochtenen genel1alpräventirven Ansatz eine Vollendungstat ausgeschlossen. Das gilt im Bergkuppen-Fall auch dann, wenn der Entgegenkommende (nur deshalb) tatsächliich konkret gefälmiet oder sogar verletzt wird (weil der Täter das überholverbot mißachtet hat). Denn die jeweiligen Erfolge waren zur Zelit der Tat objektiv nicht vorhersehbar und sind deshalb auch nicht zurechenbar. Es hat (bei vorsätzlicher Tat) - da objektiv noch nicht einmal ein adäquates Erfolgsmiko bescheinigt werden kann - mit einem untauglichen bzw. objektiv fehlgeschlagenen Versuch sein Bewendlen (dazu C.L1.e). Beachtet man diese Grundsätze, so ist zwei Entwicklungslinien in der Lehre Einhalt zu gebieten, die hier dennoch entweder sogar zur Vollendungsstrafbarkeit ,gelangen oder doch zumindest die objektive Zurechnung der jeweiligen Erfolge und allein mangels subjektiver Zul'echenbarkeit die Ve11SUchsstraiibarkeit (bzw. bei fahrlässiger Tat die Straflosigkeit) befürworten. Beides ist verfehLt. Die beiden Varianten der "Vollendungplösung" (la, b) befriediigen schon wegen des Iliicht mehr sachgerechten EI1gebrrisses nicht; gegen die drei Auffassungen der "Versuchslösung" (2a-c) ist zumindest systematis:cher, dogmatischer und strafzumessungsrechtlicher Widerspruch geboten. (1) Die "VollendungsWsung" ist letztlich eine konsequente - wenn auch nicht ausdrücklich unternommene - Weiterentwicklung der Ansätze von Jakobs (oben B.IIL2.a) und Spendel (oben c.1.l.e).
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2. Kap.: Gefährdungs- und Verletzungs delikte
(a) Jakobs läßt es beka.zmtlich bei. den Verletzungsdelikten (z. B. auch im Messerfall) ausreichen, wenn 'Sich in einer umfassenden ex post-Betrachtung zur Zeit der HauptverhandLung herausstellt, daß sich die Sp€zifischen Bedingungen einer Modellgefahr (Messerstechereli) im Verletzungßrerfolg realisiert haben. Ganz enrosprechendes muß dann aber gelten, wenn sich das Modellgefähroungsrisiko einer Messerstecherei in einem Gefahrerfo1g verwlirkllicht, das Opfer dann aber auf außergewöhnliche Weise dennoch rufällig gerettet wird. (b) Spendel beschreitet - weitet man wiederum seine Kone.eption bei den Verletzungsdelikten auf dli.e von ihm nur beiläufig behandelten konkreten Gefährdungsstraftaten aUIS - einren anderen Weg. Er befürwortet nicht eine stnikte ex post-Betrachtung wie Jakobs (die dann freilich durch diie Eliminierung unspezJifischer Bedingungen "entschärft" wird); vielmehr unterscheidet er in einer ex ante-ex post-Kombination auch bei den erfolgsbegTÜndenden Umständen ~en den zur Zeit der Tat fe5llstehenden, aber OIbjektiv nicht erkennbaren Momenten, die einem ex post-Urteil unterliegen und für die dann erfolgende Gefahrprognose verwertet werden können, und den im Prognosezeitpunkt (ex ante!) noch in der EntwickLung befindlichen Tatgegebenheiten, die von vornherein einer ex ante-Einschätzung unterfallen. Beispielhaft: Verletzt der Messerstecher das Opfer in Lebensgefährdungsa:bsicht nur ganz leicht, erreicht er den Gefährdungserfolgaber zufällig dennoch wegen der objektiv unvorhersehbaren Blutereigenschaft des Betroffenen, so geht dieser außergewöhnliche Umstand - da er zur Zeit der Tat bereits fes1stand - in die (dann im Vollendungssinne :ru entscheidende) Gefahrerfolgsprognose ein. (c) Daß beide Auffassungen trotz ihrer Restriktionen ("Modellgefahr"
bzw. weitreichendes ex ante-UrteiJ) in die Nähe des "versari :in re i:lli-
cita" geraten, bedarf keiner Begründung mehr.
(2) Die "Versuchslösung" befürwortet ,in ähnlich gelagerten Fällen zwar ebenfaJlJs die objektive Zurechenbarkeit von Gefährdungsrisiko und Gefahrerfol~, gelangt jedoch überwiegend mangels "subjektiver Zwrechenbarkeit"656 im Ergebn.ilS zum Ausschluß der Vollendungsstrafharkeit. Ihre drei Varianten zeichnen sich durch die unterschiedliche Reichweite der "objektiven Zurechenbarkeit" und durch die verschiedenartigen Begrundun,g:sversuche aus. Sieht man davon ab, daß die jeweilige Argumentation grundJsätzlich skeptisch zu beurteilen ist, so 65,'; s. z. B. Demuth VOR 1973, 446; Gallas, Heinitz-Festschr., 178 ("Erfolgsunwert"). S66 Vgl. etwa Demuth aaO; Sehröder ZStW 81, 12 ff.; s. a. Baldus, Niedersehr., Bd. VIII, 1959, 428; Koffka aaO, 429.
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steht ihnen gemeinsam vor allem entgegen, daß sie bei Vorsatz des Tätern irn.m:erhln die Verurteilung wegen tauglichen heendeten Gefährdungsversu.chs zuließen. Dies widersprä~ jedoch - da bereits das tatsächJiche Gefährdung,srisiko objektiv nicht zurechenbar ist und da im übrigen der taugliche Versuch schärfer bestraft werden sollte als untaugliche oder objektiv fehlgeschJagene Vorhaben - den Werbungen in dia>er Untel"SlUchung. Hinzu kommt, daß sich auf diese Weise auch die Rücktrittsvoraussetzungen verschärfen würden. Denn der Täter eines beendetlen tauglichen Vel1SUcbs mit nachfolgendem nicht zurechenharen Erfolg hat jedenfalls objektiv rettung:sgeei.gnete Maßnahmen zu ergreifen (§ 24 I S. 1 2. Alt.) und sich niehrt; nur aus seiner Sicht ernsthaft um die ErfolgsabiWendung zu bemühen (§ 24 I S. 2)667. Lm einzelnen gilt folgendes: (a) Gau'as, der der Auffassung von Spendel nahekommt, verweist bei der Einbezi.ehung auch erfolgsbegriindender Umstände in das ex postGefahrurteil vornehmlich auf das Erfordern:is ein€S "Maximums an Wahrheitsgarantie". Er beschränkt seine These freilich auf solche Tatmomente, die im Tatzeitpunkit (ex ante) menschlicher Erkenntnis immerhin prinzipiell ~u:gänglich sindG68. Die (eher natu.rw:issenschaftlichJe) Wahrheitsgarantie findet jedoch wie hier nicht mehr im einzelnen hervorgehoben zu werden braucht an den nomm.tiven Prinzipien der Adäquanz und Generalprävention seine Grenze. (ob) Weitergehend will Schröder auch :solche Umstände berücksichtigen, die zwar wiederum zur Zeit der Tat vorgelegen haben, jedoch zu diesem Zeitpunkt der mensch1ichen Erkenn1:näs noch gl"Ulldsätzlich entzogen gewesen sind (z. B. im Contergan-FaLl). Zur Be.gründung bezieht er sich insbesondere für den Fall dler nachfolgenden (tatsächlichen) Rechisgutsverletzung auf dlie Konsequenzen der Äquivalenztheorie s0wie auf den Umstand, daß es wenig sinnvoll erscheine, eine Situation als ungefährlich zu bezeiclmen, obwohl feststehe, daß sie einen schädlichen Erfolg a~elöst habe. Dabei beruft er sich auf den Standpunkt der Rechtsprechung, "diie nicht gezögert hat, von einer erheblichen Verletzung auf die besOilidere Gefährlichkeit der sie verursachenden Handlung zu schließen"659.
657 Oben C.!.2.d) bei Fußn. 465 f., 472 sowie C.!.1. m. Fußn. 46, 65, 68. e68 aaO, 179. e69 aaO, 12 Fußn. 10 m. Hinw. auf die Rechtsprechung zu § 223a (RGSt 4, 397; 10, 1 f.); s. a. Demuth aaO, 445 Fußn. 45; Horn, Gefährdungsdelikte, 55 m. Hinw. auf BGH VRS 8, 201 (s. a. oben Fußn. 641); ferner Schmidhäuser AT,8/33.
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2. Kap.: Gefährdungs- und Verletzungsdelikte
Dieser Begründung ist jedoch zu widersprechen. Daß. die vornehmlich naturwissenschaftliche Äquivalenztheorie66o durch eine normative Adäquanz- und Zurechenbarkeitslehre zu ergänzen ist, bedarf als Leitprinzip der vorliegenden Untersuchung keines Einzelbelegs mehr. Von dem tatsächlichen Eintritt eines Erfolgs kann nicht zwangsläufig auf seine objektive Zurechenbarkeit geschlossen werden. An den normativen Grundsätzen der objektiven Bezweckbarkeit und Generalprävention findet das tatsächliche Wahrheitsprinzip seine Grenze. Und der Hinweis auf die Rechtsprechung ist z. T. halbherzig und teilweise in seiner Unvollkommenheit auch falsch. Denn die Schlußfolgerung vom Gefahrerfolg auf die Gefährlichkeit der Handlung bzw. vom Verletzungserfolg auf die konkrete Gefährdung ist entweder abgeschwächt6e1 oder gänzlich aufgegeben worden. Insbesondere bei der von Schröder zitierten Rechtsprechung zu § 223a in der Variante der lebensgefährdenden Behandlung hat das Reichsgericht ausdrücklich betont, daß von der eingetretenen Verletzung bzw. dem konkreten Lebensgefährdungserfolg keinesfalls auf die Eignung der Handlung zur Herbeiführung einer Lebensgefährdung geschlossen werden k önne 6G1!. (e) Einen extremen Standpunkt verficht schließlich Demuth, wenn er auch erst jenseits der Tat eintretende Tatsachen und Ereignisse in das konkrete Gefahrurteil einbringen will 663 • Nach seiner Auffassung kann die entscheidende Haftungskorrektur dann im Rahmen von Vorsatz und Schuld vorgenommen werden658 ; es geIte hier nichts anderes als bei den Kausalabweichungen bei den Verletzungsdelikten. Auch insoweit ist Widerspruch geboten. Es ist in jedem Fall eine unverhältnismäßige überdehnung des objektiven Haftungsprinzips, wenn auch jenseits der eigentlichen Tatbegehung und damit jenseits des allein erforderlichen und möglichen Vorsatz- und Schuldbezuges (oben C.L2.e) erst zur Entstehung gelangende Tatumstände zu Lasten des Täters verwertet werden sollen664 • Und es ist zudem systematisch verfehlt, wegen Dazu oben B.IIl.I. Fußn. 18. s. BGHSt 8, 31 u. VRS 16, 452 ("angesichts eines späteren Unfalls wird die Annahme einer Gemeingefahr naheliegen"; die hier zit. Entscheid. BGH VRS 8, 201 spricht noch von "Unzweifelhaftigkeit" der Gemeingefahr); ganz entsprechendes läßt sich schon aus RGSt 4, 398 und RGSt 10, 2 ("der Erfolg wird nicht selten einen Rückschluß auf die Art der Mißhandlung gestatten") selbst entnehmen; in diesem, lediglich den Indizcharakter des eingetretenen Erfolgs betonenden Sinne a. Lackner, Gefährdungsdelikt, 18. 662 Z. B. RG HRR 1929 Nr. 1799 (Gefahr tödlicher Infektion nach harmlosem Stoß in einen Graben genüge nicht den Erfordernissen des § 223a); a. RGSt 4, 398 (dazu Fußn. 659) läßt sich in diesem Sinne interpretieren (s. aber a. Horn, Gefährdungsdelikte, 54 Fußn. 69); näher zu § 223a als einem "potentiellen konkreten Gefährdungsdelikt" unten E.IlI. 6e3 VOR 1973, 450 f. 664 Dagegen ausdrückl. a. Gallas, Heinitz-Festschr., 179; stillschweigend Schröder aaO, 13 f. 660
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objektiver Unvorhersehbarkeit dieser Tatumstände und damit wegen objektiv-wesentlicher Kausalabweichung sodann die subjektive Zurechenbarkeit des Geschehens auszuschließen665 • Daß man im übrigen nicht jedes objektive Haftungsproblem in das systematisch unzureichende Vorsatz- und Schuldgewand kleiden kann, zeigen z. B. die Fälle der "Risikoverringerung" (näher 1. Kap. A.VI.5.). Der "Täter", der durch sein vorsätzliches Verhalten das von einem Dritten gesetzte sichere Todesrisiko nach bestem Vermögen zu einer Körperverletzung herabmindert, kann allein aus objektiven Gründen nach §§ 223 H. freigesprochen werden. (3) Nach allem besitzen also sämtliche Auffassungen, die auch gefahrerfolgsbegTÜndende Tatumstände, die erst jenseits der Tatbegehung objektiv erkennbar werden (oder sogar dann erst entstehen), in das Gefahrerfolgsurteil einbeziehen, keine überzeugungskraft. In all' diesen Fällen fehlt es an der objektiven Zurechenbarkeit sowohl des tatsächlichen Gefahrerfolgs als auch des vorgelagerten faktischen Gefährdungsrisikos. Die "Vollendungslösung" (1), die hier ein vollendetes konkretes Gefährdungsdelikt befürwortet, ist ebenso abzulehnen wie die "Versuchslösung" (2), die die Verurteilung wegen tauglichen Gefährdungsversuchs und deshalb immerhin den Schluß von einem tatsächlichen auf ein adäquates (objektiv erkennbares und zurechenbares) Gefährdungsrisiko zuließe. b) Adäquanzurteil und konkrete Betrachtungsweise
\Vas zum zweiten den Generalisierungseinwand6el sowie den Vorwurf eines nur quantitativabstufbaren Maßstabs 667 beim objektiv zurechenbaren primären (Gefährdungsrisiko) wie sekundären Adäquanzurteil (Gefährdungserfolg) angeht, so läßt sich in aller Kürze folgendes festhalten: (1) Zutreffend ist zwar, daß jeder Prognose (und damit sowohl dem 1. wie dem 2. Adäquanzurteil bei den konkreten Gefährdungsdelikten) eine gewisse Generalisierung und Abstraktion immanent ist668 • Doch sieht man von diesem Prognosegrundelement ab (das bei der Feststellung eines adäquaten Gefährdungsrisikos und damit der Tauglichkeit des Dazu oben C.I.2.c) Fußn. 231; 3.c) (2). Z. B. Dernuth VOR 1973, 448; Schröder ZStW 81, 9 f.; Spendel, StockFestschr., 103 f.; s. (aber) a. Henckel, Gefahrbegriff, 13, 47 ff.; allgern. Horn, Gefährdungsdelikte, 107 ff. 667 Etwa Lackner, Gefährdungsdelikt, 21; s. a. RG Rspr 6,190; Rudolphi JuS 1973, 23; Samson WuV I, Fall 28, S. 159; Schröder ZStW 81, 8; Schwander SchwZStr 66, 446. 668 Gallas, Heinitz-Festschr., 175. 6115
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Gefährdungsversuchs unabdingbar und das bei der Ausmittlung des konkreten Gefahrerfolgs gegenüber der "naturwissenschaftlichen Diagnose ex post" - dazu sogleich c) - zu verteidigen und im übrigen durch nachträgliche Verwertung z. B. von Rettungschancen eröffnenden Umständen weitreichend präzisiert ist), so ist nach heute (zu Recht) h. M. ohnehin ein Optimum an konkreter Betrachtung gewährleistet und geboten 669 • Es kommt also z. B. nicht darauf an, bei welcher Unterschreitung des Sicherheitsabstandes auf der Autobahn bei einer Geschwindigkeit von 100 km/h generell eine gefährliche Situation entsteht670 , sondern entscheidend ist allein die ganz konkrete Verkehrslage (belebte Straße oder "freie Bahn"; Witterungs-, Licht- und Straßenverhältnisse usf.). Der "Rest von schlechtem Gewissen"e71, das sich bei jeder Generalisierung im Strafrecht einstellt, ist also vergleichsweise gering. (2) Daß das Adäquanzurteil im übrigen nicht nur ein bloß quantitativ abstufbares Wahrscheinlichkeitsvotum, sondern i. S. "objektiv-sozialer Finalität" und eines "objektiven Vertrauensgrundsatzes i. w. S." auf der Grundlage der tatsächlichen konkreten Tatgegebenheiten672 ein haftungseinschränkender, durch und durch normativer und qualitativ abschichtbarer Maßstab ist673, ist an anderer Stelle eingehend dargelegt worden874 • Die Rechtsprechung ist dem inzwischen auch dadurch näher gekommen, daß sie von der ursprünglichen Wendung, nach der "der Eintritt eines Schadens wahrscheinlicher als dessen Ausbleiben sein müsse"875, in der Formulierung abgerückt ist676 • Stattdessen findet e69 Etwa RG Rspr 6, 100; 7, 130; 10, 595; RGSt 30, 179; 61, 363 f.; BGH VRS 11, 62 f. m. Anm. Martin; BGHSt 18, 272; 19, 273; 22, 346; BGH VOR 1973, 462, 465; OLG Frankfurt NJW 1975, 841; 1970, 1560 (dazu Förste DAR 1973, 180 Fußn. 79); OLG Celle VRS 7, 459; BayObLG VRS 35, 193; OLG Hamm VRS 33, 132; Rüth LK, § 315 Rn 33; Schönke / Schröder / Cramer, Rn 4b vor § 306; Wolter JuS 1978, 750; s. a. Horn aaO, 108 ff., 144 ff., 159; Meyer-Gerhards JuS 1976, 228. Vgl. grundsätzl. zur konkreten Betrachtungsweise beim Adäquanzurteil Wolter ZStw 89, 677 f. m. Nachw.; GA 1977, 269 ff. 870 s. aber z. B. OLG Karlsruhe VRS 34, 296; 37, 300; BayObLG VRS 40, 291 (weit. Nachw. bei Demuth VOR 1973, 441); Bassenge, Gefahrbegriff, 25 . • 71 Vgl. Albrecht, Versuch, 89; Schröder ZStW 81, 13. 872 Backmann MDR 1976, 970; s. a. JA 1975, 805. er3 Reinh. v. Hippel ZStW 75, 455; Gefahrurteile, 107 (dazu Engisch ZStW 88, 435); Lackner, Gefährdungsdelikt, 20; Schünemann JA 1975, 796; Volk GA 1976, 169 m. Nachw.; s. im übrigen Eser, Strafr. I, Fall 16 Anm. 34; Geilen JuS 1972, 76; Armin Kaufmann ZfRV 1964, 54; Welzel-Festschr., 402; Roxin, Honig-Festschr., 136; Rudolphi JuS 1969, 552; Schmidhäuser AT, 10/39; Wessels AT, 38. er' Oben C.!.!. Fußn. 36; C.!.2.d) bei Fußn. 444 ff. m. Nachw.; s. dazu a. Schmidhäuser AT, 8/33. 875 Etwa RG Rspr 6, 100; BGHSt 8, 31; 13, 70; BGH VRS 11, 62; 13, 205; 16, 131,452; OLG Frankfurt NJW 1975, 841 m. Nachw.; weit. Nachw. bei Cramer, Straßenverkehrsrecht, § 315e Rn 48.
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sich die in der Sache nicht unzutreffende Formel, daß "nach der allgemeinen Lebenserfahrung im Einzelfall der Eintritt eines Schadens naheliegen" muß 677 • Wollte man dies im Sinne der normativen AdäquanzformelG74 präzisieren, so könnte man etwa für das zweite Adäquanzurteil bezüglich des Gefahrerfolgs formulieren: ein konkreter Gefahrerfolg liegt vor, wenn vom Standpunkt des Eintritts des Tatobjekts in den Wirkungsbereich einer konkreten Erfolgsgefahr der Richter - ausgestattet mit dem Tatsachen- und Erfahrungswissen eines Mitglieds des vom Täter beanspruchten spezifischen und spezialisierten Verkehrskreises sowie den standardisierten Sonderfähigkeiten, der Sinneskraft und dem Sonderwissen des Täters; mit Rücksicht auch auf die zur Zeit dieser Prognose ex post feststehenden, jedoch erst nachträglich erkennbaren Rettungschancen eröffnenden Tatumstände - in Abwägung der Interessen (u. a.: Wert des Rechtsguts; Umfang der drohenden Beeinträchtigung; Aufwand zur Gefahrverringerung) den Eintritt des Verletzungserfolgs für ernsthaft möglich hält und nicht etwa ernstlich auf einen guten Ausgang vertraut. Sind also die möglichen Rettungsfaktoren nicht objektivfinal einsetzbar, wäre die Rettung nur auf eine abstrakt geringe (allgemeine und zufällige) Rettungschance zurückzuführen, so ist nicht die Rettung des Rechtsguts, sondern seine Verletzung ernsthaft möglich, ein objektiv zurechenbarer konkreter Gefahrerfolg mithin gegeben. c) Zur Kritik an der "naturwissenschaftlichen GefahrerfoZgstheorie" (strikte Diagnose ex post)
Was nach allem bleibt, ist eine Abwägung der Leistungsfähigkeit dieser Gefahrprognose ex post und damit des hier zum Leitprinzip erhobenen "objektiven Vertrauensgrundsatzes i. w. S." im Rahmen der "modifizierten normativen Gefahrerfolgstheorie" mit der Gestaltungskraft der "naturwissenschaftlichen Gefahrerfolgstheorie" (oben I.4.d). Diese setzt an die Stelle des 2. Adäquanzurteils und mithin einer weitreichenden Gefahrprognose ex post zur Zeit des Eintritts des Wirkungsobjekts 676 Vgl. a. BGHSt 18, 272, der mit Recht eine Art Prozentrechnung (,,49 010 oder 51010") ablehnt; ebenso Cramer aaO, Rn 49; Demuth VOR 1973, 456; Lack:ner aaO, 20; Mayr, BGH-Festschr., 275; Schaffstein, Bruns-Festschr., 104; Schönke / Schröder / Lenck:ner, § 34 Rn 15; Schröder zStW 81, 8; Schünemann JA 1975, 796. 677 BGHSt 18, 272; s. a. RG Rspr 6, 99, 190; 7, 130; 10, 594; RGSt 29, 246; 30, 179; BGHSt 8,31; 22, 74; ferner etwa Coenders JW 1932, 3351; Finger, FrankFestg. I, 231; Rabl, Gefährdungsvorsatz, 7; Dreher, Niederschr., Bd. VIII, 1959, 418; Welzel aaO, 421; Wessels BT/l, 128. - Dies schließt freilich nicht aus, sämtliche konkret auf die Rechtsgutsverletzung hinwirkenden Faktoren mit den entgegenwirkenden Kräften zu vergleichen (dazu etwa RG Rspr 6, 100; BGHSt 18, 272; OLG Frankfurt NJW 1975, 841; Binding, Normen I, 387; krit. Henck:el, Gefahrbegriff, 29 Fußn. 72).
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in den Kreis einer adäquaten Verletzungsgefahr die strikte Gefahrdiagnose ex post zur Zeit der Hauptverhandlung. Sie erzielt auf diese Weise ein "Maximum an Wahrheitsgarantie" und vermeidet jedes Generalisierungs- und Abstraktionsmoment. Jedoch erkauft sie diese umfassende (naturwissenschaftliche) Aufklärung und Konkretisierung mit dem Verzicht auf einen normativen Gefahrbegriff: Reduziert man die Konzeption von Horn, dem Hauptvertreter der "naturwissenschaftlichen Gefahrerfolgstheorie"678, auf ihre wesentliche Aussage, so ist der konkrete Gefahrerfolg ein Sachverhalt, der entsprechend einem abstrakten Erfahrungssatz regelgerechte (typische·79) Ursache einer Rechtsgutsverletzung ist, ohne daß das Ausbleiben dieses Erfolges ex post (zur Zeit der Hauptverhandlung) durch ein gegenüber dem Erfahrungssatz spezielleres konkretes "Unmöglichkeitsgesetz" erklärt werden kann; oder kürzer: Gefahr ist "ein Sachverhalt, der bereits als Ursache einer bestimmten Verletzung erfahren worden ist, aber nicht als Nicht-Ursache einer solchen Verletzung erklärt werden kann"68o. Solche Unerklärbarkeiten können nach Horn trotz Berücksichtigung aller (auch der atypischen oder erst nachträglich erkennbaren) Umstände des Einzelfalls681 und damit trotz eines "Maximums an Wahrheitsgarantie" z. B. auftreten, wenn es an der Einsicht in das konkrete "Wie" einer Gesetzmäßigkeit, wie z. B. bei bestimmten menschlichen Entschlüssen oder Reaktionen68'"2, fehlt oder wenn "die unübersehbare Vielfalt der Lebensumstände es. .. als von vornherein ausgeschlossen erscheinen läßt, überhaupt ein Gesetz auszuformulieren, dem man wenigstens die Chance zutrauen könnte, daß damit auch der konkrete Sachverhalt zutreffend erfaßt würde"683. Diese Konzeption erteilt zunächst der älteren "subjektiven Gefahrtheorie" eine Absage, die bei einer kausalgesetzlichen Betrachtungsweise ex post nur die Alternative der Verletzung oder Integrität des Rechtsguts kannte, den Gefahrerfolg als "subjektive Schlußfolgerung" und "Kind unserer Unwissenheit" abtat684 , aus der Tatsache der Nicht678 Gefährdungsdelikte, 104 ff., 128 ff., 144 ff., 159 ff., 182 ff.; SK, Rn 5 ff. vor § 306; vgl. a. Demuth VOR 1973, 454 ff.; grundsätzl. noch Stratenwerth, GallasFestschr., 233. Bassenge (Gefahrbegriff, 44) empfiehlt allein für das nomologische Wissen einen strengen ex post-Standpunkt (s. im übrigen Fußn. 569). 679 Demuth (aaO, 458 m. Fußn. 96) schließt mit der "Typizität" entgegen
Horn Sachverhalte aus, die nur einmal als Verletzungsursache erfahren worden sind. 680 Horn aaO, 159 ff., 187 ff., 191; SK aaO. a81 SK, Rn 7 vor § 306. 682 Dazu a. Bassenge aaO, 40; Stratenwerth aaO (z. B. zum Arzt-PatientVerhältnis bei einer riskanten Therapie); Schmidhäuser AT, 8/33. G83 Horn aaO, 190 f. 684 Vgl. den überblick bei Henckel, Gefahrbegriff, 3 ff.; Horn aaO, 57 f.; anders a. schon Binding, Normen 1,377.
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verletzung durchweg den Schluß mangelnder objektiver Gefährdung zor und den objektiven Gefahrbegriff als Fiktion des Gesetzgebers ansah686 • Zwar mag es bei einer kausalgesetzilchen Betrachtung regelmäßig zutreffend sein, daß beim Ausbleiben der Rechtsgutsverletzung auch nicht die reale (naheliegende) Möglichkeit des Schadenseintritts bestanden haben kann687 • Doch bedeutet das nicht, daß aus der Tatsache der Nichtverletzung der rechtliche Schluß der Ungefährlichkeit der Situation abgeleitet werden kann 6B8 • Es wäre in der Tat nicht verständlich, in dem Bergkuppen-Beispiel von einer Fiktion der Lebensgefahr zu sprechen, wenn der entgegenkommende Meisterfahrer nur durch ein waghalsiges und wider Erwarten glücklich ausgehendes Ausweichmanöver oder durch eine plötzlich auftretende Sturmbö "um Haaresbreite" mit dem Leben davonkommt689 • Hier besitzt die Existenzkrise des Rechtsguts "soziale Realität". D. h.: selbst wenn man mit Horn sämtliche auch erst ex post erkennbaren Tatumstände berücksichtigen und damit auf jede Generalisierung verzichten wollte, bleibt wegen der Komplexität und Unerklärbarkeit vieler Vorgänge (etwa der Entscheidung des Lkw-Fahrers für das waghalsige und zum Selbstschutz auch nicht erforderliche Ausweichmanöver; z. B. das plötzliche Eintreten der Sturmbö) Raum für ein konkretes Gefahrerfolgsurteil690 • Von daher besitzt die Konzeption Horns also durchaus überzeugungskraft. Sie verbürgt des weiteren in zahlreichen Fällen (etwa in den genannten Varianten des Bergkuppen-Beispiels) auch sachgerechte Ergebnisse. Denn die glückliche Rettung des Entgegenkommenden läßt sich regelmäßig im nachhinein weder im Fall des fast aussichtslosen Ausweichmanövers noch in der Variante der plötzlichen Naturgewalt erklären891 • Und doch setzt an dieser Stelle die Kritik ein692 • Der von Horn zum Leitprinzip erhobene besondere Eindruck beim Täter "von der Unwertige85 s. RGSt 8, 202 für den Fall des Abtreibungsversuchs einer Nichtschwangeren; vgl. a. die Nachw. bei Horn aaO; sehr weitgehend a. BGH 1 StR 574/54 bei BGHSt 13, 69 (dagegen zu Recht BGHSt aaO). 696 V. Buri, Beiträ~, 281; s. a. die Nachw. bei Henckel aaO, 4 f. 687 Dazu a. Demuth VOR 1973, 444 f.; Lackner, Gefährdungsdelikt, 17; Bemmarm GA 1961, 71. - Vgl. nur OLG Frankfurt NJW 1975, 841; Demuth aaO, 445; Horn aaO, 57 ff. jew. m. Nachw.; Wolter JuS 1978, 749; ferner Bassenge, Gefahrbegriff, 24; Coenders JW 1932, 3351; Maurach / Zipf AT/I, 235; aber a. SpendeI, StockFestschr., 106. e89 s. a. Stratenwerth, Gallas-Festschr., 232. 696 Vgl. Demuth VOR 1973, 453; Horn aaO, 111 f.; dazu a. Gallas, HeinitzFestschr., 176; Stratenwerth aaO, 233; im übrigen zum Indeterminismus im Mikrokosmos sowie zu den wahrscheinlichkeitstheoretischen Ansätzen der modernen Wissenschaftstheorie Bassenge aaO, 21 m. Fußn. 2; SpendeI, StockFestschr., 102; Schünemarm JA 1975, 795f. m. Nachw. 691 Vgl. zur Sturmbö-Variante Horn aaO, 175, 191. 692 Zum folgenden Schünemarm JA 1975, 795 f.; Wolter JuS 1978, 753 f.
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2. Kap.: Gefährdungs- und Verletzungsdelikte
keit seiner Handlung"693 bzw. beim Bürger, "daß hier mehr passiert ist als der bloße Verstoß gegen eine Ordnungsnorm"696, kann nicht vom Zufall der nachträglichen naturwissenschaftlichen Erklärbarkeit der Rettung des Rechtsguts abhängen. Es bleibt - jedenfalls bei Zugrundelegung des normativen Aspekts eines besonderen Eindrucks beim Täter wie beim Bürger - auch dann bei der "Daseinserschütterung" des Rechtsguts, wenn sich die plötzliche Sturmbö in der späteren Hauptverhandlung auf physikalische, chemische und thermische Gesetzlichkeiten zurückführen läßt. Andererseits: selbst wenn sich beim dichten Auffahren auf der Autobahn in dem Fall, daß der Vordermann seine Geschwindigkeit über lange Zeit "rettend" beibehält, dieser Umstand wegen der Komplexität der äußeren Situation und der psychischen Vorgänge nicht in ein Unmöglichkeits gesetz gießen läßt, darf diese naturwissenschaftliche Resignation aus normativer Sicht nicht zur Befürwortung eines vollendeten konkreten Gefährdungsdelikts führen 6115 • Man übersieht, daß das Rechtsgut hier - wenn auch zufällig - erst gar nicht in den Wirkungsbereich der schädlichen Bedingungen hineingeraten und deshalb in seiner Daseinsgewißheit auch nicht eigentlich erschüttert worden ist. Allein das adäquate Risiko des Gefahrerfolgs und damit das objektiv-primäre Gefährdungserfolgsunrecht (Gefährlichkeitsunrecht) läßt sich in diesem Fall begründen. Wollte man die Kritik an der in vieler Hinsicht bedeutsamen Fortentwicklung des Gefahrbegriffs durch Horn zusammenfassen, so kann man ihm sicher nicht uneingeschränkt das Verhaften am kausalmonistischen Weltbild vorhalten69G • Denn Horns Konzeption lebt gerade von den Unerklärbarkeiten menschlicher Entscheidungen und natürlicher Gewalten. Wohl aber wird man einwenden müssen, daß sie bei dem umfassenden naturwissenschaftlichen Aufklärungsversuch halt macht und nach dieser Erhellung des Sachverhalts nicht mehr die in einem "objektiv-teleologischen Unrecht" maßgebliche weitere Frage nach der objektiven Bezweckbarkeit des Erfolgs bzw. der Rettung des Rechtsguts stelUS97 ; und dies, obwohl Horn mit seinem Hinweis auf die "Beeindruckbarkeit" bei Täter und Bürger im Ergebnis ebenfalls einen normativen Ansatz verficht. Insgesamt ist deshalb die hier entwickelte "modifizierte 693 aaO, 108. 6~ SK, Rn 5 vor § 306; s. a. Lackner, Gefährdungsdelikt, 15. 695 s. aber Horn, Gefährdungsdelikte, 108; Demuth VOR 1973, 440, 452 ff. Ob man freilich trotz dieser Übereinstimmung des Ergebnisses (vollendete Tat!) mit der Rechtsprechung (insoweit: Erfolgsgefahrtheorie; s. oben I.3.b) der Konzeption Horns bescheinigen darf, sie decke sich weitgehend mit den Entscheidungen der Judikatur (so Demuth aaO, 454 f.) ist durchaus zweüelhaft. 89G Vgl. aber Schünemann JA 1975, 795 f. 697 Schünemann aaO, 796.
D. Konkrete Gefährdungsdel. (sekund. Gefährdungserfolgsunrecht)
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normative Gefahrerfolgstheorie" letztlich vorzugswürdig. Sie verzichtet zwar wegen der in engen Grenzen verbleibenden Gefahrprognose auf eine allumfassende Sachaufklärung, erzielt hingegen neben einem Höchstmaß an Normativität auch ein Optimum an Plausibilität beim Bürger wie beim Täter. Der fahrlässig und rücksichtslos überholende Fahrer am Berg, dessen gefährliche Fahrweise nur wegen einer rettenden Sturmbö nicht zu einem Unfall geführt hat, wäre zweifellos überrascht, wenn er von der Anklage der Straßenverkehrsgefährdung allein deshalb freigesprochen würde, weil mehrere Fachgutachter die plötzliche Naturgewalt am Berg nachträglich zu erklären vermochten. Beiden Auffassungen, der normativen wie der naturwissenschaftlichen Gefahrtheorie, läßt sich freilich - das soll nicht verschwiegen werden - wegen der weitreichenden bzw. strikten Diagnose ex post und damit wegen der Bürde mehr oder weniger umfassender Aufklärung der Vorwurf der Unpraktikabilität machen 698 • Doch läßt sich dieses Problem allein de lege ferenda lösen (näher IH.). 3. Verifikation des "normativen Gefabrerfolgsbegrifts" anband höchstrichterlicher Entscheidungen
Bevor zu der Abschaffung der konkreten Gefahrerfolgsdelikte de lege ferenda Stellung bezogen werden soll, empfiehlt es sich abschließend, die Tragweite der "modifizierten normativen Gefahrerfolgstheorie" anhand von einigen höchstrichterlichen Entscheidungen zu ermessen: a) Auffahr-Autobahn-Fall: Dieses schon mehrfach herangezogene Beispiel (der Täter fährt auf der Autobahn mit hoher Geschwindigkeit für eine nicht unerhebliche Zeit so dicht auf den Vordermann auf, daß schon eine geringfügige Fahrtverzögerung des Betroffenen, die aber zufällig ausbleibt, mit großer Wahrscheinlichkeit oder sogar Sicherheit zu einem Unfall geführt hätte) zeichnet sich dadurch aus, daß der Täter zwar das erforderliche adäquate Gefährdungsrisiko und damit auch ein adäquates Verletzungsrisiko (eine "konkrete Erfolgsgefahr") für ein konkretes Wirkungsobjekt schafft, daß aber das Tatobjekt - durchaus zufällig - erst gar nicht in den Wirkungskreis der schädlichen Bedingungen eintritt699 • Da also der Vordermann (zufällig) nicht abbremst, 698 Vgl. zur "naturwissenschaftlichen Gefahrerfolgstheorie" Horn selbst (aaO, 212); ferner Demuth VOR 1973, 460; Schünemann aaO, 795; Stratenwerth, Schaffstein-Festschr., 192 Fußn. 59; Meyer-Gerhards JuS 1976, 229; zur "modifizierten normativen Gefahrerfolgstheorie" Wolter JuS 1978, 753 f.; s. noch BayObLG VRS 35, 194 zum Auffahr-Beispiel auf der Autobahn: "kriminalpolitisch verfehlte Ergebnisse" (vgl. dazu a. 3.). 699 Vgl. dazu BGHSt 22, 344 ff.; 19, 268 f.; OLG Frankfurt NJW 1970, 1560 (näher dazu Förste DAR 1973, 180 Fußn. 79); Demuth VOR 1973, 440; grundsätzl. a. OLG Karlsruhe VRS 34, 296; 37, 300; BayObLG VRS 40, 291 (dazu
16 Wolter
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2. Kap.: Gefährdungs- und Verletzungs delikte
scheidet ein vollendetes konkretes Gefährdungsdelikt (insbesondereentgegen der "Erfolgsgefahrtheorie"699) nach der hier verfochtenen "normativen Gefahrerfolgstheorie" von vornherein aus700 . Wenn die Rechtsprechung hier dennoch (de lege lata!) wegen vollendeter Gefährdungstat zu verurteilen bereit ist, so wendet sie sich von einer vielfach verfochtenen Ausgangsthese ab, der schon erwähnten Formel nämlich, daß ein Gefahrerfolg (nur dann) gegeben sei, wenn die Gefahrenlage auf einen unmittelbar bevorstehenden Unfall hindeute, "wenn keine plötzliche Wendung eintritt, etwa dadurch, daß der Bedrohte infolge eines mehr oder weniger gefühlsmäßigen Erahnens oder Wahrnehmens der Gefahr eine Schutzmaßnahme trifft"701. Die Abweichung von diesem Ausgangspunkt begründen die Gerichte dabei im wesentlichen mit drei Hinweisen:
Erstens bedürfe es in diesen Fällen keiner besonderen Schutzmaßnahme des Betroffenen, um die Verkehrsgefahr abzuwenden, vielmehr sei die Kollision gerade deshalb nicht eingetreten, weil niemand in den Geschehensablauf (aktiv) eingegriffen habe 702. - Zweitens hätten z. T. ernsthafte Anhaltspunkte dafür bestanden, daß der Vordermann im Auffahr-Fall seine Geschwindigkeit herabsetzen würde. Genannt werden u. a. Hindernisse auf der Fahrbahn (z. B. kreuzendes Wild), ein Defekt am Kraftwagen (Reifenpanne, Motorschaden, Ausgehen des Brennstoffs), Anzünden einer Zigarette, Aufheben eines auf den Wagenboden gefallenen Gegenstandes, plötzliche Ablenkung des Blicks; mit solchen Möglichkeiten müsse der Täter ebenso rechnen wie mit provozierten unfallträchtigen Reaktionen des Vordermanns 703. Das Bayaber bei Fußn. 670); s. im übrigen Text und Nachw. oben I.3.b) bei Fußn. 578 f. Rechtlich ebenso zu behandeln sind diejenigen Fälle, in denen der Täter bis zum Eintritt eines adäquaten Verletzungsrisikos unterläßt; so liegt es etwa im Bahnschranken-FaH (der Täter läßt den beschrankten Bahnübergang bis zum Eintritt einer konkreten Erfolgsgefahr für einen Kraftfahrer ungesichert; ein Zusammenstoß mit einem herannahenden Zug unterbleibt, weil der aufgrund seiner Schreckhaftigkeit zu Fehlreaktionen neigende Kraftfahrer wegen eines zufälligen Gesprächs mit dem Beifahrer im entscheidenden Moment unkonzentriert ist; dazu OLG Frankfurt NJW 1975, 840 f. m. abI. Anm. Wolter JuS 1978, 74811.). - Rechtlich gleichgelagert wären auch diejenigen Konstellationen, in denen sich das vom Täter (nur) geschaffene adäquate ..Anfangsrisiko" in der Folge (ohne weiteres Zutun) vorsätzlich zu einer konkreten Erfolgsgefahr steigert; dazu würde etwa die entsprechende Variante des Dammbruch-Beispiels von Binding gehören (oben 1.3.a) bei Fußn.574). 700 s. dazu oben I.4.b), c) bei Fußn. 61511.; in dieser Richtung in den Auffahr-Fällen a. BayObLG VRS 35,194 (= Vorlage gericht gegenüber BGHSt 22, 34111.; vgl. dazu aber a. den folgenden Text); OLG Hamm VRS 33,132. 701 Oben I.4.b) bei Fußn. 618 f. m. Nachw. 702 BGHSt 22,344 im Auffahr-Fall; OLG Frankfurt NJW 1975, 841 im Bahnschranken -Beispiel. 703 BGHSt 22, 34411.; 19, 268 f. (vgl. a. die Nachw. in Fußn. 699); s. noch das OLG Frankfurt aaO, das nicht auf die tatsächliche Unaufmerksamkeit des
D. Konkrete Gefährdungsdel. (sekund. Gefährdungserfolgsunrecht)
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ObLG7M will freilich die Ausnahme von dem Erfordernis eines Eintritts des Tatobjekts in den Gefahrenkreis durch tatsächliches Abbremsen etwas einschränkend davon abhängig machen, daß entweder "nach der konkreten Verkehrslage ernstlich zu befürchten ist, der Vordermann könne alsbald zu einer Bremsbetätigung genötigt werden" (z. B. dichter Verkehr auf der vor ihm liegenden überholspur) oder "der Hintermann so dicht aufgefahren ist, daß er selbst einer geringen Geschwindigkeitsschwankung des Vorausfahrenden... nicht mehr Rechnung zu tragen vermag". Dabei verweist das Gericht auch auf das "geringe Nachlassen des Drucks auf das Gaspedal, das jederzeit auch unbeabsichtigt auftreten kann". - Und drittens schließlich wird insbesondere im AuffahrBeispiel darauf hingewiesen, daß anderenfalls das Vorliegen eines konkreten Gefahrerfolgs von Umständen (Abbremsen) abhängig gemacht werde, "bei deren Eintritt bereits eine Schädigung des Betroffenen gegeben wäre"; die Gefährdung, deren Wesen gerade in der Ungewißheit des schädlichen Erfolgs bestehe, und die Schädigung selbst würden so praktisch zusammenfallen70s • Gegen diese Beweisführung ist aber in allen Punkten Widerspruch geboten. Um es zu wiederholen: man kann nicht durchweg und allgemein das "zufällige Ausbleiben der Rechtsgutsverletzung" sowie die hypothetische Erwägung, was bei einer falschen (aber nicht erfolgten) Reaktion des Betroffenen mit großer Wahrscheinlichkeit oder Sicherheit passiert wäre, zum leitenden Kriterium machen. Entscheidende Voraussetzung für einen zurechenbaren (und typischen) Gefahrerfolg (ohne nachfolgenden Verletzungserfolg) ist vielmehr, daß - trotz Abbremsens und damit trotz Eintritts des Tatobjekts in den Wirkungsbereich der Gefahr - aufgrund einer plötzlichen Wendung und einer nunmehr (erst) erfolgenden Schutzmaßnahme des Täters (Ausweichen; Abbremsen) bzw. des Betroffenen (etwa sofortiges Beschleunigen) objektiv unerwartet nichts passiert ist. Daß andererseits - wenn erwartungsgemäß doch etwas passiert - das "Hineingeraten des Wirkungsobjekts in den Gefahrenkreis ohne ernsthafte Rettungschance" und damit der konkrete Gefahrerfolg mit der Schädigung praktisch zusammenfällt, hindert weder die logische und normative Trennung beider Erfolgsarten7!H1 noch die Bestrafung etwa aus den §§ 315 ff. Allenfalls bei der Strafzumessung ist erschwerend der Eintritt einer objektiv zurechenkonkret betroffenen Kraftfahrers durch sein Gespräch, sondern auf die hypothetische verkehrsgerechte und dann zur ernstlichen Kollisionsgefahr führende (vgl. Fußn. 699) Konzentrationspflicht eines durchschnittlichen Verkehrsteilnehmers hinweist; ferner OLG Karlsruhe VRS 37, 299. 7M VRS 35, 194; s. a. OLG Hamm VRS 33, 132. 70S BGHSt 22, 343 f.; s. grundsätzl. a. OLG Karlsruhe VRS 37, 300. 7!H1 s. nochmals oben bei Fußn. 553. 16"
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2. Kap.: Gefährdungs- und Verletzungs delikte
baren Rechtsgutsverletzung als "tertiäres Gefährdungserfolgsunrecht" zu berücksichtigen 707 • Insofern bedeutet es eine Verkürzung der Argumentation, wenn die Rechtsprechung in solchen Fällen (Auffahr-Beispiel; BahnschrankenFalF02) vorträgt, es bedürfe hier keiner besonderen Schutzmaßnahme des Betroffenen, um die Verkehrsgefahr abzuwenden, vielmehr sei die Kollision gerade deshalb nicht erfolgt, weil niemand in den Geschehensablauf eingegriffen habe. Das Geschehen bedarf einfach deshalb (und so lange) keiner "plötzlichen Wendung", weil (und wie) das Opfer noch nicht in den Wirkungskreis der Verkehrsgefahr eingetreten ist. So betrachtet erweist sich die ursprüngliche und von der Rechtsprechung später zu Unrecht eingeschränkte oder aufgegebene Formel von der "plötzlichen Wendung" nicht zuletzt (s. noch b) als eine plastische Umschreibung dieses "Eintrittserfordernisses" . Im übrigen kann es nicht darauf ankommen, ob für den Eintritt des Wirkungsobjekts in den Kreis der konkreten Erfolgsgefahr gewichtige (so der BGH) oder höchst dringliche (so das BayObLG) Anhaltspunkte bestanden haben, sofern dieses Hineingeraten des Tatobjekts in den Wirkungskreis dann mehr oder weniger zufällig doch noch ausgeblieben ist. Kritisch anzumerken ist freilich noch, daß der BGH auch solche Gesichtspunkte als ernsthaft und naheliegend heranzieht, deren Auftreten bereits ihrerseits als Zufall zu werten wäre. Dies gilt etwa für kreuzendes Wild, sofern nicht gerade eine Wildwechselstrecke in der Dämmerung befahren wird, oder für die Reifenpanne, den Motorschaden, das Ausgehen des Brennstoffs sowie das Aufheben eines auf den Boden gefallenen Gegenstandes 708 • In diesen Fällen fehlt es bereits an der auch von der Rechtsprechung i. R. der "Erfolgsgefahrtheorie" prinzipiell zur Voraussetzung erhobenen adäquaten Verletzungsgefahr für das konkrete Wirkungsobjekt. b) (1) Polizeisperren-FaH: Auf einer z. T. ähnlich extensiven Linie liegen die mehrfach entschiedenen Fälle, in denen sich ein Polizist bei einer Straßensperre vor einem mit seinem Wagen herannahenden Autofahrer, der die Sperre zu durchbrechen sich anschickt, durch einen Schritt oder Sprung zur Seite in Sicherheit bringt. Hier ist zwar im Gegensatz zu den bisher erörterten Beispielen (a) das Tatobjekt in den Wirkungsbereich einer adäquaten Erfolgsgefahr insofern geraten, als Oben Fußn. 623, 626. Gegen eine solche Ausweitung a. BGHSt 26,179 ("Versagen der Lenkung oder des Fahrwerks"); s. aber a. RGSt 30, 182. Anderes gilt etwa für das erwähnte Zigarettenanzünden, die kurze Ablenkung des Blicks, das geringfügige Nachlassen des Drucks auf das Gaspedal, die möglichen Verzögerungen bei dichtem Verkehr oder die falschen Reaktionen des Vordermanns aufgrund der aggressiven Fahrweise des Täters. 707
70S
D. Konkrete Gefährdungsdel. (sekund. Gefährdungserfolgsunrecht)
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es nunmehr einer aktiven rettenden Maßnahme des Polizisten bedarf. Der BGH gelangt hier aber ausnahmslos - ganz gleich, ob der Betroffene sich mit einem kurzen gezielten Schritt oder nur mit letzter Kraft durch einen mächtigen Sprung zur Seite in Sicherheit bringen konnte schon deshalb zur vollendeten Gefährdungstat, weil der Polizist ohne Ausweichen mit Sicherheit überfahren worden wäre709 • Dem ist jedoch (jedenfalls z. T.) zu widersprechen. Auch hier wird das Ursprungserfordernis der "plötzlichen Wendung" durch die allgemeine hypothetische Erwägung ersetzt, was ohne die tatsächliche und nur im Einzelfall auch zufällige Rettungshandlung des Betroffenen geschehen wäre 710 • Es ist keine "plötzliche Wendung" und damit das hier zur Voraussetzung erhobene "aktive zufällige Retten aus einer fast ausweglosen Gefahrensituation", wenn der Polizist der drohenden Kollision - sei es sehenden Auges oder auch nur aufgrund eines gefühlsmäßigen Erahnens der Gefahr - durch einen kleinen gezielten Schritt auf den Gehsteig "entgehen" kann. Diese plötzliche Wendung ist erst dann auszumachen, wenn der Betroffene dem Zusammenstoß allein durch einen waghalsigen mächtigen Sprung zur Seite, der allein wegen der Reaktionsschnelligkeit und der in Lebensgefahrsituationen freiwerdenden Kräfte gerade noch ohne schwerwiegende Folgen bleibt, "entrinnt"711 (obwohl im Einzelfall durchaus auch mit einem "Fehlverhalten" des - die Gefahr etwa nur gefühlsmäßig erahnenden - Polizisten ernsthaft zu rechnen war712). Erst dann kann auch von einer nachhaltigen Daseinserschütterung bzw. einer Existenzkrise des Rechtsguts die Rede sein.
(2) Holzscheit-Fall: Die neueste Rechtsprechung des BGH (mit weitreichender Zustimmung des Schrifttums) bestätigt diese nur im Grundsatz zutreffende, jedoch im Einzelfall zu weit gezogene Linie. Hier hatten die Täter große Holzscheite von einer Autobahnbrücke so unmittelbar vor verschiedene Fahrzeuge geworfen, daß den Fahrern keine Möglichkeit zum Ausweichen blieb. Der BGH hat hier durchweg wegen vollendeten konkreten Gefährdungsdelikts bestraft, sei es, daß es zu Unfäl709 BGHSt 22,74; 26, 179; s. a. BGH DAR 1968, 81 (dazu Horn, Gefährdungsdelikte, 179 Fußn. 87). 710 Vgl. a. die Erörterungen zum Auffahr-Beispiel vor Fußn. 706 sowie den Bahnschranken-Fall (Fußn. 703); krit. a. Meyer-Gerhards JuS 1976, 229. 711 In dieser Richtung mit Recht OLG Celle VRS 7, 459 (konkreter Gefahrerfolg, wenn ein Passant durch Beiseitetreten "gerade eben noch dem Angefahrenwerden entgehen" konnte); OLG Hamm VRS 11, 57 f.; Meyer-Gerhards aaO; Rüth LK, § 315 Rn 33. Auch BGHSt 13, 70 liegt auf dieser Linie: konkreter Gefahrerfolg dann, wenn ein Lkw-Fahrer erst nach dem Notsignal eines - einen unbeschrankten, jedoch mit Warnblinkanlage ausgestatteten Bahnübergang passierenden - Zuges eine Vollbremsung einleitet und 50 cm vor dem Zug zum Stehen kommt. Vgl. andeutungsweise a. WoIter JuS 1978, 753 Fußn. 68. 712 Meyer-Gerhards aaO.
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2. Kap.: Gefährdungs- und Verletzungsdelikte
len gekommen war bzw. die Fahrer mit außergewöhnlicher Anstrengung ihr schleuderndes Fahrzeug wieder unter Kontrolle gebracht hatten, sei es, daß sie arglos über ein (bereits) liegendes Holzscheit hinweggefahren waren und "ohne große Mühe" ihr Fahrzeug in der Gewalt behalten hatten. Begründet wird das mit der schon eingangs in dieser Allgemeinheit abgelehnten Formel, daß es hier "immer (auch) dem Zufall überlassen bleibt, ob die Gefahr gemeistert und ein Personenschaden abgewendet wird"713. Grundsätzlich zutreffend ist zunächst die hier befürwortete - freilich von den Einzelfallumständen zwangsläufig vorgegebene - Voraussetzung, daß das Wirkungsobjekt in den Gefahrenkreis eines adäquaten Verletzungsrisikos hineingeraten ist. Widerspruch gegen die Verurteilung wegen vollendeter Gefährdungstat ist jedoch in der Fallvariante geboten, in der es einem Fahrer z. B. aufgrund seiner (stets) konzentrierten und geschickten Fahrweise "ohne große Mühe" gelungen war, sein Fahrzeug in der Gewalt zu behalten. Hier ist zwar das Tatobjekt in den Wirkungsbereich einer konkreten Erfolgsgefahr geraten, es ist daraus aber nicht nur zufällig gerettet worden. Denn bezieht man mit der hier verfochtenen "modifizierten normativen Gefahrerfolgstheorie" den zur Zeit der nachträglichen Gefahrprognose bereits feststehenden - wenn auch noch nicht objektiv erkennbaren und insofern zufälligen - Rettungschancen eröffnenden Umstand der überdurchschnittlichen Fahrkunst des konkret Betroffenen in das Gefahrurteil mit ein, so erscheint das Verhindern der Rechtsgutsverletzung im Einzelfall durchaus als objektiv bezweckbar714 • 713 BGH VOR 1973, 465; zustimm. Demuth VOR 1973, 442; s. a. emmer, Straßenverkehrsrecht, § 315c Rn 49a u. Schönke I Schröder, Rn 4b vor § 306; Lackner, § 315c Anm. 5a aa; Mayr, BGH-Festschr., 275; Rüth LK, § 315b Rn 6; Wesseis BT/l, 134; im übrigen oben I.4.b). 71-10 In diesem differenzierten Sinne (s. a. ansatzweise Wolter aaO) wären a. der Baumstamm-Fall (dazu Demuth VOR 1973, 454) sowie das Aufzug-Beispiel (Schwander SchwZStr 66, 448 f., 450 f.) zu entscheiden. In beiden Fällen wurde der bereits in den Wirkungskreis einer konkreten Erfolgsgefahr geratene Betroffene (der Autofahrer kurz vor einem von dem Täter an unübersichtlicher Stelle auf die Straße gewälzten Baumstamm; der Liftbenutzer in unmittelbarer Nähe eines defekten Aufzugs) von einem Dritten (zufällig und gerade noch rechtzeitig) gewarnt. Das zufällige Erkennen der gefährlichen Situation durch einen Dritten und sein (übrigens dann objektiv zu erwartender) Warnungsentschluß sind - wenn auch erst aufgrund nachträglicher Erkenntnisse - in das Gefahrurteil einzubringen (s. a. H.l. nach Fußn. 647). Kann der Betroffene nach dieser Warnung "ohne große Mühe" der Schädigung entgehen, so kommt (bei Tätervorsatz) wiederum allein das primäre Gefährdungserfolgsunrecht des beendeten tauglichen Gefährdungsversuchs in Betracht (hingegen durchweg für vollendete Tat Schwander aaO; allgemein gegen die Vollendung Demuth aaO; vgl. noch Schultz SchwZStr 92, 416). Man wird freilich in all' diesen Fällen bei der Strafzumessung erwägen können, das adäquate Eintreten des Wirkungsobjekts in den Gefahrenkreis eines konkreten Verletzungsrisikos strafschärfend zu berücksichtigen.
D. Konkrete GefährdungsdeI. (sekund. Gefährdungserfolgsunrecht)
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c) Faßt man die Rechtsprechungsanalyse kurz zusammen, so ergibt sich ein vielfältiges Bild. Z. T. stehen die Gerichte auf dem Boden der hier de lege lata abgelehnten "restriktiven Gefährdungsrisikotheorie", begnügen sich also mit der Schaffung eines adäquaten Gefährdungsrisikos minderer Art für ein konkretes Wirkungsobjekt (oben I.3.a). Zu einem weiteren Teil verficht die Judikatur die "Erfolgsgefahrtheorie", setzt also darüber hinaus die Herbeiführung bzw. den Eintritt eines adäquaten Gefährdungsrisikos i. S. eines adäquaten Verletzungsrisikos voraus (oben I.3.b); Auffahr-Autobahn-Fall; Bahnschranken-Beispiel). Und schließlich identifiziert sie sich auch mit der "ursprünglichen normativen Gefahrerjolgstheorie", die zusätzlich das Erfordernis des Eintritts des Wirkungsobjekts in den Kreis der konkreten Erjolgsgefahr aufstellt (oben I.4.b); Polizeisperren-Fall; Holzscheit-Fall).
IH. Ergebnis; Abschaffung der konkreten Gefahrerfolgsdelikte de lege ferenda? 1. Wollte man das Ergebnis der Untersuchung auf den einfachsten Nenner bringen, so ließen sich zwei Aussagen machen: erstens ist de lege lata die in Rechtsprechung und Schrifttum im Vordringen begriffene "ursprüngliche normative Gefahrerfolgstheorie" (I.4.b) allen anderen Gefahrprognosetheorien der Judikatur und Lehre ("extensive Gefährdungsrisikotheorie", I.2.; "restriktive Gefährdungsrisikotheorie", I.3.a); "Erfolgsgefahrtheorie", I.3.b) vorzuziehen. Sie ist freilich wegen des strikten Erfolgscharakters des Gefahrbegriffs durch die Einbeziehung auch erst nachträglich erkennbarer "Rettungschancen begründender Tatumstände" in die Gefahrprognose ex post zu modifizieren (I.4.c); II.l.b).
Diese "modifizierte normative Gefahrerfolgstheorie" erzielt nicht nur die bisher vermißte (I.l.) "genaue wissenschaftliche Umschreibung" des Gefahrbegriffs. Sie ist auch gegenüber der vergleichbar restriktiven "naturwissenschaftlichen Gefahrerfolgstheorie" mit strenger Diagnose ex post vorzugswürdig (I.4.d); II.2.c). Die normativen und naturwissenschaftlichen Gefahrtheorien (I.4.b)-d) sind jedoch wegen der von den Gerichten schwerlich zu bewältigenden mehr oder weniger umfassenden Aufklärungsarbeit weitgehend unpraktikabel. De lege ferenda bietet es sich (zweitens) deshalb durchaus an, auf die Grundgedanken der Gefährdungsrisikotheorien einschließlich der Erfolgsgefahrtheorie (I.2.-3.b) zurückzugreüen. Im einzelnen ist dabei folgendes hervorzuheben: 2. Insbesondere die theoretisch am ehesten befriedigende modifizierte normative sowie die naturwissenschaftliche Gefahrerfolgstheorie sind
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2. Kap.: Gefährdungs- und Verletzungsdelikte
praktisch kaum durchführbar, weil die Gerichte nicht nur wegen der auch hier gebotenen strikt konkreten Betrachtungsweise (II.2.b), sondern vor allem wegen der erforderlichen (nahezu) umfassenden Aufklärung hoffnungslos überfordert sind715 • Dies liegt weniger an der großen Anzahl von Gefährdungstaten z. B. im Straßenverkehr; mit Recht führt das OLG Karlsruhe freilich insoweit aus, ... daß bei einem derartig massenhaften und unfallträchtigen Verkehrsverstoß, wie ihn mangelhafter Sicherheitsabstand auf Autobahnen darstellt ... , einfache, klare, praktikable und feste Regeln ein dringendes Gebot sind"716. Vielmehr ist die Aufklärungsarbeit von vornherein dadurch erschwert, daß in dem typischen Fall vollendeter konkreter Gefährdung die Rechtsgutsverletzung gerade ausgeblieben ist717 • Gelingt also z. B. dem Meisterfahrer im BergkuppenBeispiel oder auch dem Vordermann auf der Autobahn nach leichtem Abbremsen (gerade noch) ein Ausweichmanöver und fährt der Betroffene verärgert, aber unbekümmert weiter, so wird - auch wenn etwa der überholte oder ein sonstiger Dritter den gefährlichen Vorgang zur Anzeige bringt - der eigentlich Betroffene nur in Ausnahmefällen als Zeuge zur Verfügung stehen. Ohne ihn wird man keine nachträgliche Gefahrprognose unter Berücksichtigung seiner besonderen Fahrkunst anstellen können (modifizierter normativer Gefahrbegriff) ; ohne ihn wird man auch nicht seine geschickte Reaktion wissenschaftlich erhellen können (naturwissenschaftlicher Gefahrbegriff). Eine erhebliche, möglicherweise auch mißbräuchliche Heranziehung des Grundsatzes "in dubio pro reo" wäre die Folge. Denn die Beispiele ließen sich ohne weiteres vermehren. Abhilfe verspricht deshalb in diesen Fällen allein eine Lösung de lege ferenda, die das Schwergewicht der Betrachtung auf die gefährliche Verhaltensweise des Täters legt718. Damit könnte man nicht nur das genannte Bergkuppen-Beispiel und den (abgewandelten) Auffahr-Autobahn-Fall sowie etwa die Polizeisperren- und Holzscheit-Beispiele (11.3.) sinnvoll regeln und ahnden, sondern auch sämtliche weiteren Fälle erfassen, bei denen der Betroffene zwar nicht in den Wirkungsbereich der gefährlichen Handlung bzw. ihrer Folgen gerät, in denen jedoch das 715 Dazu a. Demuth VOR 1973, 460; Horn, Gefährdungsdelikte, 212 Fußn. 2; Schneider, 141. 718 NJ'W 1971, 1819; Demuth und Horn aaO deuten diese Urteilspassage als Hilferuf an den Gesetzgeber. 717 Vgl. a. AE, Vorb. vor § 163, Begründ. S. 101. 718 s. a. Horn, Gefährdungsdelikte, 213; SK, Rn 2 vor § 306; Schneider, 141, 246 ff., 277; oben C.III. bei Fußn. 545. Vgl. allgemein dazu, daß nach dem Grundsatz der "Geeignetheit des Mittels" die Strafgesetze praktikabel, d. h. vor allem mit Hilfe des Strafprozeß- und Strafvollzugsrechts durchsetzbar und für den Rechtsgüterschutz effektiv sein müssen, Rudolphi SK, Rn 13 vor §1.
D. Konkrete Gefährdungsdel. (sekund. Gefährdungserfolgsunrecht)
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Ausbleiben der Rechtsgutsverletzung letztlich einem Zufall zu verdanken ist. So liegt es etwa in dem ursprünglichen Autobahn-Auffahr-Beispiel, in dem der Vordermann trotz ernsthafter Anhaltspunkte für eine kollisionsträchtige Fahrtverzögerung zufällig die "rettende" Geschwindigkeit beibehält. Man könnte schließlich auch Konstellationen in den Strafbarkeitsbereich eingliedern, bei denen sogar das Ausbleiben des konkreten Wirkungsobjekts einem Zufall zuzuschreiben ist. Zu denken ist etwa an das waghalsige überholen vor einer leichten Bergkuppe zur Nachtzeit, obwohl ein Lichtschein auf ein entgegenkommendes Fahrzeug ernstlich hindeutet; im nachhinein wird jedoch erkennbar, daß das Licht zu einem Motorrad gehört, dessen Fahrer wegen Einhaltung des rechten Fahrstreifens nicht konkret gefährdet wird. Man erkennt unschwer, daß für die anzustrebende Lösung de lege ferenda Elemente und Argumente von Gefahrtheorien herangezogen werden, die - in unzulässiger Weise - bereits de lege lata verfochten werden. Gemeint sind die Gefährdungsrisikotheorien einschließlich der Erfolgsgefahrtheorie. Gegenüber der "restriktiven Gefährdungsrisikotheorie" (I.3.a) bzw. der "Erfolgsgefahrtheorie" (I.3.b) besteht freilich der Unterschied, daß de lege ferenda sogar auf das gegebenenfalls erst ex post zu ermittelnde konkrete Wirkungsobjekt verzichtet wird. (Dabei ist nicht der allgemeine Gedanke maßgebend, daß es z. B. im Bergkuppen-Beispiel stets vom Zufall abhänge, "ob jemand entgegenkommt oder nicht"719, sondern enger, daß - da ja immerhin zur Befürwortung eines adäquaten Gefährdungsrisikos (= Verletzungsrisikos) ernsthafte Anzeichen für ein Wirkungsobjekt vorhanden sein müssen - das "Ausbleiben des Tatobjekts" einem Zufall zuzuschreiben ist). 3. In der Tat sprechen die Gesichtspunkte der Beweisschwierigkeiten, der Unpraktikabilität und der z. T. ungerechten Ergebnisse bei den herkömmlichen konkreten Gefahrerfolgsdelikten für eine weitgehende Abschaffung dieser Deliktsform zugunsten von "potentiellen konkreten Gefährdungsdelikten". Ihr leitendes Prinzip ließe sich dahin zusammenfassen, daß das Ausbleiben von Wirkungsobjekt und/oder Rechtsgutsverletzung allein auf einen glücklichen Zufall und damit eine "allgemeine, objektiv nicht erkennbare und deshalb nicht final einsetzbare (bezweckbare) Rettungschance" zurückzuführen ist. Das Unrecht dieser Deliktsform wäre strikt auf das Gefährlichkeitsunrecht beschränkt. Der Gefahrerfolg wäre m. a. W. schon der "primäre Gefährdungs- bzw. VerletzungserfoZg". Das Gefahrurteil wäre ausschließlich auf eine Prognose ex ante vom Standpunkt der Handlung begrenzt. Jede Diagnose ex post (bezüglich: Wirkungsobjekt; Eintritt des Tatobjekts in den Gefahren718 s. aber Demuth VOR 1973, 460; grundsätzl. zu diesem in dieser Allgemeinheit unzutreffenden Zufallsargument oben I.3. m. Fußn. 565 u. Nachw.
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2. Kap.: Gefährdungs- und Verletzungs delikte
kreis; Rettungschancen eröffnenden Umständen), jede Prognose ex post {Ermittlung der Rettungschancen des Wirkungsobjekts vom Standpunkt seines Eintritts in den Bereich der schädlichen Bedingungen) entfiele. Die konkreten Gefahrerfolgsstraftaten gerieten zu "potentiellen kon-
kreten Gefährdungsdelikten" .
a) Diese Lösung hat mit Recht bereits zahlreiche Anhänger gefund en7'20. Auch der AE hat z. T., insbesondere mit § 151 AE 12" diesen Weg beschritten. Anzuerkennen ist in diesem Zusammenhang auch, daß man - soweit möglich, d. h. insbesondere im Straßenverkehrs-, Lebens- und Arzneimittelrecht - die Straftatbestände durch Kodifikation typischer Verhaltensweisen präzisieren und einschränken möchte= und z. B. auch auf ein "allgemeines Lebensgefährdungsdelikt"123 zu verzichten bereit ist. Auch wäre es - jedenfalls unter systematischem und dogmatischem Aspekt - von Vorteil, mit den Rechtsfiguren des jetzigen beendeten konkreten Gefährdungsversuchs (s. noch E.I.), der Kreditgefährdung i. S. v. § 187 3. Alt. oder § 223a in der Variante der lebensgefährdenden Behandlung (dazu E.IU.) einen vorgeformten Rahmen für das zukünftige vorsätzliche konkrete Gefährdungsdelikt zu besitzen. Sofern man darüber hinaus de lege ferenda etwa die §§ 315 ff. auf das Gefährlichkeitsunrecht verkürzt, hätte man auch eine Entscheidung zugunsten der fahrlässigen (beendeten tauglichen) Gefährdungs- (näher E.V.) bzw. Verletzungs-Versuche (dazu schon C.UI.) getroffen. b) Und doch wird man eine solche "Radikalkur" nicht in jedem Fall, und schon gar nicht ohne eine eingehende kriminalpolitische Analyse aufgrund psychologischer und soziologischer Forschungsergebnisse7H für die jeweilige Einzelbestimmung, verordnen können. Mit Recht differenziert etwa auch der AE bei den Gefährdungsdelikten vierfach zwischen 720 Vgl. vor allem Demuth VOR 1973, 460 f.; Seiler, Maurach-Festschr., 85 m. Nachw.; ferner Baumann ZVR 1967, 119; Bockelmann. Aufsätze, 133; Geerds JZ 1968, 392; Horn SK, Rn 2 vor § 306 u. Gefährdungsdelikte, 213; Schneider, 141, 249 ff., 277. 121 Dazu schon oben I.3.e) bei Fußn. 614; freilich besteht die Besonderheit des § 151 AE darin, daß auch die Fälle bei noch offener Kausalität des Tatmittels für den Schadenseintritt erfaßt werden (dazu oben A. Fußn. 2; näher unten E.IV.3.a) (2), J.IV.2.); s. nocll Armin Kaufmann JZ 1971, 576. 722 Demuth aaO, 461; Seiler aaO, 89 (Seiler, 88, fordert daneben eine "besonders hohe Wahrscheinlichkeit" der Rechtsgutsverletzung aufgrund der Handlung); kriminologisch fundierte Vorschläge zu § 315c I Ziff. 2 finden sich bei Schneider, 249 ff. 723 Gegen die Einführung einer solchen Vorschrift z. B. Henckel, Gefahrbegriff, 81 f. m. Nachw.; Schröder ZStW 81, 26 ff.; s. a. Baldus, Niederschr., Bd. H, 1958, 258; Lange aaO, 259; vgl. aber a. Schafheutle aaO, 259; Schneider JR 1955, 415. 72'0\ Dazu grundsätzl. Roxin, Kriminalpolitik, 32 Fußn. 68; s. im übrigen Schröder ZStW 81, 17 (dazu unten E.IV.1.c) Fußn. 786) sowie den beachtI. Versuch von Schneider, 249 ff., 3 ff. zu § 315c I Ziff. 2, HI.
D. Konkrete Gefährdungsdel. (sekund. Gefährdungserfolgsunrecht)
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den (herkömmlichen) "konkreten Gefahrerfolgsstraftaten" (§§ 159, 161 AE); einer Unterart "potentieller konkreter Gefährdungsdelikte" (§§ 151, 157 AE; näher J.IV.); sog. "Prüfstellendelikten" als einer besonderen Form der abstrakten Gefährdungsstraftaten (z. B. §§ 155, 156 AE; näher J.II.) sowie den "eigentlichen abstrakten Gefährdungsdelikten" (§§ 167, 168 AE; § 316 StGB; näher E.IV.l.a); J.I.). So ist es gewiß diskutabel, bei den sieben (§ 315c) bzw. zehn Todsünden im Straßenverkehr (§ 167 AE) aus lerntheoretischen Gründen, d. h. zur Erzielung eines "kollektiven Gefahrenbewußtseins", die konkreten Gefährdungsdelikte herkömmlichen Typs (z. B. § 315c) in abstrakte Gefährdungsstraftaten umzuwandeln (vgl. § 167 AE). Die bei den "eigentlichen abstrakten Gefährdungsstraftaten" zu fordernden Kautelen der weitreichenden Bestimmtheit der Verhaltensweisen sowie eines besonderen Schweregrades der Verstöße wären hier ohne weiteres gewährleistet. Entsprechendes gilt für die Vorschläge von Schneidern!. Andererseits mag es aber auch Straftatbestände geben, bei denen am konkreten Gefahrerfolg in dem hier dargelegten strengen, den Erfolgscharakter erschöpfenden Sinne festzuhalten ist. Zu denken ist etwa auch im Hinblick auf die einschneidende Untersuchungshaftvorschrift in § 112 III StPO - an § 311 I-III. Gleiches gilt etwa für die "gefahrerfolgsqualifizierten Straftaten" (z. B. §§ 250 I Nr.3; 113 II Nr.2) mit z. T. drastischer Strafdrohung, die etwa beim schweren Raub (Freiheitsstrafe nicht unter fünf Jahren) nicht allein damit gerechtfertigt ist, daß die Herbeiführung der Todesgefahr beim Raub in jedem Fall schon einen beendeten tauglichen Totschlagsversuch enthält725 ; immerhin bleibt nach geltendem Recht insoweit die fakultative Strafmilderung. Darüber hinaus wird für bestimmte Straßenverkehrsgefährdungen ähnlich wie heute schon z. B. bei den §§ 316, 315c I Nr. la - in Betracht zu ziehen sein, sie auf doppelte (abstrakte und potentiell konkrete) Weise mit Strafe zu bewehren. § 315c Nr.2b etwa könnte dann in der Fassung der (potentiellen) konkreten Gefährdung lauten: "Wer im Straßenverkehr grob verkehrswidrig und rücksichtslos in einer Weise falsch überholt, die Leib oder Leben eines anderen oder fremde Sachen von bedeutendem Wert zu gefährden (bzw.: verletzen) geeignet ist, wird ... bestraft". Daß in solchen Fällen (de lege ferenda!) schon die (volle) Vollendungsstrafe eingreift, wird man dem Bürger ohne weiteres klarmachen können. Der rücksichtslose (grob fahrlässige) überholer am Berg auf sehr belebter Straße wird schon dann erfaßt, wenn durch Zufall niemand entgegenkommt bzw. wenn der zufällig betroffene Meisterfahrer die gefährliche Situation seiner Fahrkunst entsprechend mit sicherer Hand gerade noch meistert. Der grob verkehrswidrig nötigende 725
Zum ganzen a. oben I.3.d) m. Fußn. 603 ff.
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2. Kap.: Gefährdungs- und Verletzungs delikte
Schnellfahrer auf der Autobahn kann auch dann wegen vollendeter Gefährdungstat verurteilt werden, wenn der Vordermann zufällig seine Fahrt über Kilometer hinweg auch nicht geringfügig verzögert. Solche Ergebnisse scheinen kriminalpolitisch überzeugend. e) Auch das ab 1. 7. 1980 geltende Gesetz zur Bekämpfung der Umweltkriminalität (näher oben C.III.1.) unterscheidet mit gutem Grund und besonders deutlich zwischen konkreten Gefahrerfolgsdelikten (z. B. § 3lle: Fehlerhafte Herstellung einer kerntechnischen Anlage; § 330: Schwere Umweltgefährdung); vorsätzlichen und fahrlässigen potentiellen Gefährdungs- und Verletzungsstraftaten (etwa § 311d: Freisetzen ionisierender Strahlen) sowie abstrakten Gefährdungsdelikten (z. B. §§ 327-329: Unerlaubtes Betreiben von Anlagen; Unerlaubter Umgang mit Kernbrennstoffen; Gefährdung schutzbedürftiger Gebiete). 4. Zieht man ein letztes Fazit, so muß man der "extensiven Gefährdungsrisikotheorie" (oben 1.2.), aber auch der "Verletzungsrisikotheorie" (oben I.3.b) bescheinigen, das richtige Gespür für die allein praktikable Lösung des "konkreten Gefährdungsstrafrechts" zu besitzen726 • Und dennoch: de lege lata lassen sich diese Thesen nicht durchsetzen. Entgegen der "extensiven Gefährdungsrisikotheorie" wird man nach geltendem Recht das Betroffensein eines konkreten Wirkungsobjekts zur Voraussetzung erheben müssen. Und entgegen der "Verletzungsrisikotheorie" wird man sich auch nicht mit dem Gefährlichkeitsunrecht des beendeten tauglichen Gefährdungsversuchs begnügen dürfen. "Die lex lata will" - wie Horn727 formuliert - "tatsächlich für jede, einen ,konkreten Gefährdungstatbestand' erfüllende Handlung noch zusätzlich geprüft haben, ob dadurch eine konkrete Gefahr ,wirklich' eingetreten ist". Dieser Prüfungspflicht wird nach der bestehenden Gesetzeslage allein durch die "naturwissenschaftliche Gefahrerfolgstheorie" Horns (1.4.d); II.2.e) oder durch die "modifizierte normative Gefahrerfolgstheorie" (1.4.c), wie sie hier verfochten wird (II.!.), weitgehend genügt. Sämtliche Einschränkungsversuche verfehlen demgegenüber den Erfolgscharakter des vom Gesetz bisher verwendeten Gefahrbegriffs. Nach allem ist auch der Einwand, der gegen die hier verfochtene Konzeption mit Sicherheit kommen wird, im Grundsatz relativiert. Man wird nicht ohne Grund kritisch fragen, ob es denn wirklich unausweichlich sei, den Gefahrerfolgsbegriff so zu fassen, daß er unpraktikabel wird; sollte es nicht doch möglich sein - so wird man fortfahren - , den Erwägungen, die hier zu Vorschlägen de lege ferenda geführt haben, bereits bei der Auslegung des geltenden Rechts Geltung zu verschaffen? 726
727
s. a. Wolter JuS 1978, 754.
Gefährdungsdelikte, 213; s. a. Schneider, 140 f.
D. Konkrete Gefährdungsdel. (sekund. Gefährdungserfolgsunrecht)
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- Aber es ist zu wiederholen, daß der Gesetzgeber bei den konkreten Gefährdungsdelikten gerade nicht diejenige Linie weiterverfolgt hat, die er mit den "Eignungsdelikten", z. B. mit den §§ 126, 130, 166, 186, 187, 223a, 229, vorgezeichnet hat (näher C.II.; D.L3.c)-e); unten E.IlL). Vielmehr hat er mit den konkreten Gefährdungsstraftaten und ihrer Voraussetzung des Gefahrerfolgs ein "Mehr" gegenüber der Eignung des Verhaltens (ex ante), eine Rechtsgutsverletzung herbeizuführen, gefordert. Dies zeigt das neue Gesetz zur Bekämpfung der Umweltkriminalität mit aller Deutlichkeit (oben 3.c). Daran kommt man nicht vorbei. Auch ist betont worden, daß es durchaus Delikte gibt, bei denen der enge Gefahrerfolgsbegriff eine wichtige haftungsbegrenzende Funktion besitzt und behalten sollte (oben 3.b), 3.c). Klar vorgezeichnet ist nach allem nur die Generallinie eines zukünftigen und wirksamen Risikostrafrechts. Es muß wegführen von den Erfolgsdelikten, insbesondere den Gefahrerfolgsstraftaten, und hinführen zu einer Vielgestalt von Eignungsdelikten: von den vorsätzlichen Verletzungsversuchen über diejenigen vorsätzlichen (und fahrlässigen) Eignungsstraftaten, die bereits die Vollendungseigenschaft ohne Rücktrittsmöglichkeit nach § 24 besitzen (z. B. §§ 126, 130, 186, 223a, 311d sowie die reformierten konkreten Gefährdungsdelikte; näher C.Il., IILl.; D.IIL), bis hin zu den fahrlässigen Verletzungsversuchen (oben C.IIL2.). Diese Generallinie mag im folgenden mit einer abschließenden Würdigung der "potentiellen konkreten Gefährdungsstraftaten" mit "primärem Gefahrerfolgsunrecht" = Gefährlichkeitsunrecht bis an ihr Ende gezogen werden.
E. Potentielle konkrete Gefährdungsdelikte (primäres Gefahrerfolgsunrecht = Gefährlichkeitsunrecht) Der Gang der Untersuchung ist durch zahlreiche Zwischenergebnisse sowie durch die sachentsprechenden Erörterungen zu den "potentiellen Verletzungsstraftaten" (C.I1.2.c); D.1.3.e), III.3.a) bereits vorgezeichnet. Zunächst wird kurz auf den Prototyp des "potentiellen konkreten Gefährdungsdelikts", den beendeten tauglichen Gefährdungsversuch durch Begehung bzw. Unterlassung, einzugehen sein (1.). Diese Rechtsfigur deckt sich nach den bisherigen überlegungen nach geltendem Recht vollumfänglich mit dem be endeten tauglichen Verletzungsversuch (dazu C.I.1.c), d); D.1.3.c), e)728 sowie dem vollendeten vorsätzlichen konkreten Gefährdungsdelikt, wie es hier de lege ferenda vorgeschlagen wird (D.II1.3.a). - So dann wird mit Blick auf die Folgeerörterungen zu den unbeendeten tauglichen Gefährdungs- und Verletzungsversuchen Stellung zu beziehen sein (11.). Hierbei geht es nicht allein um die Frage, ob dem entsprechenden Unterlassungsversuch die Existenzberechtigung abzusprechen ist (11.2.; vgl. dazu schon C.1.1.d), sondern vor allem um das allgemeine Problem, wo die Grenze zwischen "Vorbereitungsrisiko" und "strafrechtlich relevantem Anfangsrisiko" anzusetzen ist (11.1.). Dieses Gefährdungs- bzw. Verletzungsrisiko minderer Qualität (jedenfalls im Vergleich zur adäquaten Verletzungsgefahr beim beendeten tauglichen Versuch; dazu schon C.II.1.c); D.1.3.a) bildet die allgemeine Untergrenze des strafrechtlich bedeutsamen Versuchs. Ein Gefährdungsversuch minderer Qualität wird auch bei § 223a in der Alternative der lebensgefährdenden Behandlung als "gesetzmäßiges Risiko" diskutiert (dazu unten III.; oben C.I1.2.c); D.1.3.e). Des weiteren wird zu erwägen sein, ob § 306 im objektiven Bereich mit Hilfe dieser Untergrenze des Unrechts teleologisch zu reduzieren ist (unten IV.). - Die überlegungen wird eine Stellungnahme zu den fahrlässigen beendeten tauglichen Gefährdungsversuchen abschließen (V.). Der Vorschlag zu ihrer Einführung de lege ferenda ist freilich letztlich schon gemacht. Denn die ihnen im Handlungs- und Gefährlichkeitsunrecht vollauf entsprechenden Verletzungsversuche (vgl. a. D.1.3.e) sind bereits als Modell des künftigen Rechts befürwortet worden (C.II1.). Darüber hinaus ist de lege ferenda 728 Der Auffassung von Albrecht (Versuch, 99), den untauglichen und tauglichen Gefährdungsversuch gleichermaßen als untauglichen Versuch zu behandeln (krit. dazu SchuItz SchwZStr 92, 416), kann schon deshalb nicht gefolgt werden, weil davon gleichfalls die Verletzungsversuche betroffen wären.
E. Potentielle konkr. Gefährdungsdel. (Gefährlichkeitsunrecht)
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erwogen worden, die Realisierung dieses Versuchsunrechts bereits für ein vollendetes Gefährdungsdelikt hinreichen zu lassen (D.III.3.a). I. Beendete taugliche Gefährdungs- (und Verletzungs-) Versuche durch Begehung bzw. Unterlassung Die Betrachtung des beendeten tauglichen Gefährdungsversuchs (durch Begehung und Unterlassung) als dem Prototyp der potentiellen konkreten Gefährdungsstraftaten kann angesichts der Identität mit dem entsprechenden Verletzungsversuch (C.L1.c), d); D.L3.c)-e) kurz und schlicht wiederholend ausfallen: Der Gefährdungsversuch ist beendet. wenn der Täter nach seiner Auffassung alles zur Herbeiführung eines konkreten Gefahrerfolgs (und damit auch einer nachfolgenden Rechtsgutsverletzung) notwendige getan hat (C.L1.vor a). Maßgebend und ausreichend ist (also) das Bewußtsein des Täters, ein ernstliches Risiko für den Eintritt dieser Erfolge ("adäquates Gefährdungs- bzw. Verletzungsrisiko") geschaffen zu haben. Rechtlich unerheblich ist, ob der Täter weitere Ausführungshandlungen "zur Sicherheit" eingeplant und ins Werk gesetzt hat (C.L1. vor a). - Der beendete Gefährdungsversuch ist tauglich, wenn auch der objektive Betrachter (Richter) in objektivnachträglicher Prognose bei (rechtlicher) Beendigung der Tat ein adäquates Gefährdungs- (= Verletzungs-)Risiko auszumachen vermag. Dieses (vollumfängliche) adäquate Verletzungsrisiko setzt nach den bisherigen Erkenntnissen eine derartige Bedrohung des Rechtsguts am Ende des Täterverhaltens voraus, daß nur noch objektiv-final nicht mehr einsetzbare (außergewöhnliche, zufällige) Maßnahmen von Dritten, des Täters oder des Opfers bzw. unvorhersehbare Naturgewalten Aussicht auf Erfolg verheißen; objektiv ernstlich vertrauen kann man auf solche "allgemeinen Rettungschancen" nicht729 • Mit dem (bewußten) Schaffen dieses adäquaten Gefährdungs-(Verletzungs-)Risikos enden auch beim konkreten Gefahrerfolgsdelikt nicht nur der Versuch und die ex ante-Betrachtung, sondern auch der Bezug von Vorsatz und Schuld730 ; hier beginnt die ,,(Gefahr-)Erfolgsabwendungspflicht" nach § 24 I S. 1 2. Alt. Mit dem beendeten tauglichen Begehungsversuch zur Herbeiführung eines (Gefahr-)Erfolgs fallen die Grenzen des (subsidiären) beendeten tauglichen Unterlassungsversuchs der Wahrnehmung von geeigneten Rettungschancen zur Verhinderung des (Ge729 Dazu C.I.1.c) bei Fußn. 67 ff.; s. noch C.I.1. Fußn. 36; C.I.1.d); C.I.2.d) bei Fußn. 444 ff.; D.II.2.b) bei Fußn. 666 ff. Der Einfachheit halber wird hier und im folgenden (beIm unbeendeten tauglichen Versuch: 11.) von einem "gradlinigen Delikt" und damit von einer Deckungsgleichheit von subjektiver und objektiver Tateinschätzung ausgegangen. 730 Dazu C.I.2.b) bei Fußn. 223.
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2. Kap.: Gefährdungs- und Verletzungs delikte
fahr-)Erfolgs zusammen731 • Daß der beendete (taugliche) Versuch auch durch Unterlassen verwirklicht werden kann, ist im übrigen unbestritten. Kontrovers ist dagegen, ob es daneben auch einen unbeendeten (Verletzungs- oder Gefährdungs-)Versuch durch Unterlassen (dazu II.2.) und ob es einen untauglichen (be endeten oder unbeendeten Verletzungsbzw. Gefährdungs-)Versuch durch Unterlassen (dazu F.lIo) gibt. Mit der (bewußten) Herbeiführung eines adäquaten (Gefährdungs-) Risikos und damit mit dem primären (Gefährdungs-)Erfolgsunrecht (Gefährlichkeitsunrecht) sowie dem objektiv-subjektiven (Gefährdungs-) Handlungsunrecht hat es schließlich auch dann sein Bewenden, wenn sich das vom Täter herbeigeführte Risiko auf objektiv nicht zurechenbare Weise in einem ("tatsächlichen") Gefahrerfolg (und nachfolgend gegebenenfalls in einer "faktischen" Rechtsgutsverletzung) realisiert (C.Io3. b). Da der Täter den Erfolgseintritt tatsächlich nicht verhindern kann, genügt und ist aber auch für den strafbefreienden Rücktritt erforderlich, daß der Täter freiwillig objektiv zur Abwendung des (Gefahr-) Erfolgs geeignete Maßnahmen ergreift (C.Io1.c).
11. Unbeendete taugliche Gefährdungs- und Verletzungsversuche (vorsätzliche Schaffung eines adäquaten "Anfangsverletzungsrisikos") Erheblich schwieriger als das adäquate Verletzungsrisiko beim beendeten tauglichen Versuch ist das (geminderte) "Anfangs(verletzungs-) risiko" beim unbeendeten tauglichen Versuch einzufangen. Es mangelt - wie Armin Kaufmann7n zu Recht hervorhebt - an einer eindeutigen "Strukturgrenze" zwischen Vorbereitungshandlung und unbeendetem (tauglichen) Versuch. Andererseits ist gerade diese Scheidelinie von großer Bedeutung, markiert sie doch die objektive Untergrenze des Unrechts (oben D.Io3.c). 1. Begehungsversucbe und "adäquates Anfangsverletzungsrisiko" als objektive Unrecb.tsuntergrenze
Daß es ein solches strafrechtlich relevantes "Anfangsverletzungsrisiko" minderer Qualität gibt, ist jedenfalls für die Begehungsdelikte nicht zu bezweifeln. Der Gesetzgeber stellt mit § 24 l S.l 1. Alt. einerseits eine Regelung für den Rücktritt vom (dann strafrechtlich relevanten) unbeendeten tauglichen Versuch auf, begnügt sich andererseits aber im Gegensatz zur 2. Alt. und damit anstelle einer aktiven Vollendungsverhinderung nach vollumfänglicher Schaffung eines adäquaten Verletzungsrisikos mit dem bloßen (freiwilligen, passiven) Aufgeben der 731 732
s. a. C.I.1.d) bei Fußn. 114. ZStW 80, 52.
E. Potentielle konkr. GefährdungsdeI. (Gefährlichkeitsunrecht)
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weiteren geplanten Tatausführungen. Daraus läßt sich schließen, daß es Begehungsversuche gibt, bei denen sich ein minderes, aber schon strafrechtlich relevantes (Anfangs-)Risiko erst im Laufe der Tatplanrealisierung zu einer vollumfänglichen Verletzungsgefahr auswächst, ein Risiko also, das für sich allein noch nicht (durch bloßes Zuwarten des Täters) zum Erfolg führen könnte (zu den Ausnahmen unten 2.b). Auch ein - schon mehrfach herangezogenes - Beispiel ist zur Hand: bei einem Ratengiftmord brauchen die ersten Giftraten durchaus noch nicht lebensgefährlich zu sein. Die Frage ist nun, wann dieses noch nicht lebensgefährliche Anfangsrisiko dem Stadium der Vorbereitungshandlung entwächst und Grundlage des unbeendeten tauglichen Mordversuchs wird. Dies muß nicht unbedingt schon bei der ersten Giftdosis sein. Man denke an den Fall, daß der Täter das Opfer über Monate oder Jahre hinweg mit sich immer mehr steigernden Giftdosen geradezu an das schließlich tödliche Gift "gewöhnen" will. Hier mag die erste verschwindend geringe Menge des Gifts noch nicht einmal das Wohlbefinden des Opfers beeinträchtigen. Nun kann hier nicht die eigentliche Abgrenzungsarbeit zwischen Vorbereitung und Versuch (der Tötung) geleistet werden. Annäherungsweise abgesteckt werden kann nur diejenige Grenze, bei der das Vorbereitungsstadium auf jeden Fall verlassen ist. Sie ist im Giftbeispiel dort anzusetzen, wo dem Opfer eine erhebliche Gesundheitsbeeinträchtigung droht und/oder wo es erheblich zu leiden beginnt. Der Täter muß also ein adäquates Gesundheitsverletzungsrisiko schaffen, gleichsam einen beendeten tauglichen Gesundheitsbeschädigungsversuch - noch nicht einmal: Gesundheitszerstörungsversuch - begehen. Oder er muß das Opfer durch die Giftgaben bereits zu "quälen" oder "roh zu mißhandeln" beginnen. Bei der Ausfüllung dieser Merkmale können § 229 (bei dem die Gesundheitsbeschädigung freilich in ein subjektives Merkmal gefaßt ist und der Gesundheitszerstörungsversuch i. S. eines "potentiellen Verletzungsdelikts" bereits Vollendungsqualität besitzt) sowie § 223b wertvolle Hilfe leisten. - Spätestens dann also, wenn das Gift diese quälende und gesundheitsbedrohende Wirkung - wenn auch noch (längst) nicht lebensgefährlichen Charakter - besitzt, hat der Täter mit einem tauglichen Totschlags- oder Mordversuch begonnen. Oder - unrechtssystematisch und normtheoretisch formuliert: Das Tötungshandlungs- sowie Tötungsrisiko- (= primäre Tötungserfolgs-) Unrecht ist auch dann schon (teilweise) realisiert, das Tötungsverbot schon dann (anteilig) verletzt, wenn nach dem Stande der Tatplanverwirklichung zwar noch keine adäquate Todesgefahr, wohl aber eine ernsthafte Gesundheitsgefahr besteht. Denkt man nämlich die weitere Realisierung des Tatplans hinzu, so erscheint die bisher verwirklichte 17 Wolter
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2. Kap.: Gefährdungs- und Verletzungsdelikte
(qualitativ andere und quantitativ mindere) ernstliche Gesundheitsgefahr auch schon als adäquate "Anfangstodesgefahr" . Zuzugeben ist, daß bei anderen Straftatbeständen oder auch bei anderen Sachlagen die Grenze zwischen Vorbereitungshandlung und unbeendetem tauglichen Versuch schwieriger zu ziehen ist. Aber es wird bei der Ermittlung dieser Untergrenze strafrechtlichen Unrechts stets um eine Gefahr gehen, die sich (unmittelbar) in räumlich-zeitlicher oder "funktionaler" Nähe (C.I.1.d) [2]) zur eigentlichen Tatbestandsverwirklichung befindet. Es geht objektiv wie subjektiv darum, daß der Täter mit seinen riskanten Handlungen die "Feuerprobe der kritischen Situation" besteht. 2. Unterlassungsversuche und Rücktritt vom unbeendeten tauglichen Versuch
Bei den Unterlassungsversuchen anders zu entscheiden, besteht kein Anlaß. Es ist durchaus nicht so, daß es nur ein Analogon zu dem beendeten (tauglichen Verletzungs-)Versuch der Begehungsdelikte gibt733 • Vielmehr kennzeichnet auch hier das unter 1. eingefangene "adäquate Anfangsverletzungsrisiko" die Grenze zwischen "Vorbereitungsunterlassen" und Beginn des tauglichen Unterlassungsversuchs, markiert das vollumfängliche "adäquate Verletzungsrisiko" die Trennungslinie zwischen unbeendetem und beendetem tauglichen Versuch durch Unterlassen. Münzt man diese theoretischen Formeln wiederum auf einige praktische Beispiele um (dazu C.I.1.d), so beginnt der Totschlagsversuch durch Unterlassen im Rabenmutter-Fall etwa dann, wenn das hungernde Kind erheblich zu leiden anfängF34, im Streckenwärter-Beispiel (frühestens) dann, wenn der Beamte den Betrunkenen auch dann noch in Tötungsabsicht auf den Gleisen liegen läßt, wenn der nächste Zug im nahegelegenen Bahnhof bereits abgefertigt ist735 • Jetzt schon, aber auch 783 s. aber Roxin, Maurach-Festschr., 232; Rudolphi SK, Rn 56 vor § 13 sowie die weit. Nachw. u. Erörterungen oben C.I.l.d). 734 Dazu treffend Grünwald JZ 1959, 49; weit. Nachw. C.I.l.d)[I]; anders freilich hier und im nachfolgenden Streckenwärter-Fall Armin Kaufmann, Dogmatik, 212 ff., 216, 217 (der hier verfochtene Standpunkt setzt freilich wie schon bei den Begehungsversuchen zu 1. begründet - voraus, daß die durch vorsätzliches Zuwarten "geschaffene" Gesundheitsgefahr mit Blick auf den weiteren Tatplan zugleich schon als "Anfangstodesgefahr" zu begreifen ist; das Garantengebot zur Abwendung des Todes erfordert (bei einem tötungswilligen Täter) nicht nur, daß im letzten Augenblick die lebenserhaltende Nahrungsdosis verabreicht wird - s. aber a. Armin Kaufmann aaü, 217 -, sondern auch schon, daß die "gesundheitsbewahrende" Nahrung zugeführt wird. Vgl. noch den nachfolgenden Text zu a). 735 Dies ist bei Tötungsvorsatz des Streckenwärters auch nicht als "reines Gesinnungsstrafrecht", ~ondern durchaus als "Bestehen der Feuerprobe der
E. Potentielle konkr. Gefährdungsdel. (Gefährlichkeitsunrecht)
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frühestens in diesen Zeitpunkten besteht die ernsthafte Gefahr, daß sich das vom Täter bewußt "geschaffene" Anfangsrisiko nachfolgend (bei Realisierung des weiteren Tatplans) zu einem adäquaten Verletzungsrisiko / einem konkret€n Gefahrerfolg sowie hernach auch zu einer Rechtsgutsverletzung fortentwickelt. - Der Totschlagsversuch durch Unterlassen verläßt das Stadium des Unbeendetseins und wird zu einem (tauglichen) be endeten Versuch, wenn sich das adäquate Anfangsrisiko durch weiteres Zuwarten des Täters zu einem adäquaten Verletzungsrisiko verdichtet hat. Davon kann man in den Beispielsfällen etwa dann ausgehen, wenn die Rettung des fast verhungerten Kindes nur noch durch außergewöhnliche und durchaus zufällige Maßnahmen (künstliche Ernährung; Notarzt) gelingen kann bzw. wenn der Betrunkene allein noch durch glückliche Umstände (etwa dem zufälligen und waghalsigen Eingreifen von Dritt€n) oder durch außergewöhnlichen Einsatz von Hilfsmitteln (Notsignale, Weichen, Notbremsen) vor dem sonst sicheren überfahrenwerden zu bewahren ist (näher C.I.1.d). Die beiden Begründungen, die gegen diese Unterscheidung von unbeendetem und be€ndetem (Verletzungs-)Versuch durch Unterlassen noch ins Feld geführt werden, besitzen zwar Gewicht, greifen jedoch im Ergebnis nicht durch: a) So wird einmal vorgetragen, mit dieser Differenzierung beziehe man auch Fälle in die Strafbarkeit ein, die dem straflosen Vorbereitungsstadium zugehörten. Da die pflichtgemäße Handlung nach Eintritt eines adäquaten Anfangsrisikos (etwa die Wiederaufnahme der Ernährung des leidenden Kindes; das immer noch rechtzeitige Herunternehmen des Betrunkenen von den Gleisen) den Verletzungserfolg noch ohne weiteres verhindern könne, sei es mit der Funktion der Garantengebote nicht mehr vereinbar, schon in diesem Vorfeld der Untätigkeit zu bestrafen. Denn das Garantengebot gegenüber dem Täter gehe dahin, erst, aber auch immer dann einzuschreiten, wenn späteres Eingreifen sicher oder möglicherweise die drohende Rechtsgutsverletzung nicht mehr abwenden könnte 7:le. (1) Prinzipiell zutreff€nd ist dabei zunächst die Umschreibung des Garantengebots (dazu näher C.I.1.d). Der Rechtsgüterschutz griffe zu kurz, ,wenn das Garantengebot allein das Ergreifen der letztmöglichen Erfolgsabwendungschance erfassen würde (C.I.1.d)[1]). Er würde andererseits überdehnt, wenn bereits das Verstreichenlassen der ersten Ret(ersten) kritischen Situation", als die (erste) "maßgebliche Entscheidung über das Ob der Tat", als das "nach der Vorstellung des Täters von seiner Tat unmittelbare (zeitlich-räumliche bzw. funktionale) Ansetzen zur Verwirklichung des Tatbestandes" (§ 22) zu begreifen (s. aber a. Armin Kaufmann aaO,216). 736 Etwa Rudolphi aaO, Rn 51, 56. 17*
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2. Kap.: Gefährdungs- und Verletzungs delikte
tungsmöglichk.eit zur Strafbarkeit führen sollte (C.I.1.d)[2]). Mit Recht kennzeichnet Rudolphi'38 das Garantengebot gegenüber dem Täter grundsätzlich dahin, schon, aber auch immer dann einzuschreiten, wenn er durch sein Zuwarten eine konkrete Verletzungsgefahr für das geschützte Rechtsgut "geschaffen" bzw. diese Gefahr durch Ergreifen von Rettungschancen nicht gemindert hat. Doch kann es damit nicht bewenden. Man gäbe einen wesentlichen Teil unabdingbaren Rechtsgüterschutzes preis, wollte man die Erfolgsabwendungspflicht erst bei Eintritt einer konkreten Verletzungsgefahr eingreifen lassen. Denn das würde bedeuten, da nun einmal ein konkretes Verletzungsrisiko erst bei nur noch abstrakt geringen, zufälligen, objektiv nicht mehr bezweckbaren und vorhersehbaren Rettungschancen zu befürworten ist (C.I.1.d); E.I.), daß das Garantengebot zu einem Zeitpunkt einsetzt, in dem das Rechtsgut zwar noch nicht unrettbar verloren, jedoch schon weitgehend preisgegeben ist. Vielmehr ist die Garantenpfiicht (teilweise) stets schon dann verletzt, wenn der Garant durch sein Nichttun die ernsthafte Gefahr für eine Situation "geschaffen" hat, in der späteres Eingreifen die Rechtsgutsverletzung (fast) sicher nicht mehr abwenden könnte. Schon, aber auch erst mit der "Herbeiführung" dieses konkreten (adäquaten) Anfangsrisikos hat der Täter das geschützte Rechtsgut auf rechtlich erhebliche Weise angegriffen, setzt die Erfolgsabwendungspfiicht (i. S. v. § 24 I S. 1 1. Alt. analog) und damit der Rechtsgüterschutz ein 737 • Oder - unrechtssystematisch gewendet: der Täter hat zwar mit der bewußten "Schaffung" einer konkreten Verletzungsgefahr das Garantengebot erst vollumfänglich verletzt und damit volles objektiv-subjektives Verletzungshandlungsunrecht sowie primäres Verletzungserfolgsunrecht realisiert; gegen die Garantenpflicht ist jedoch bereits teilweise verstoßen, das jeweilige Verletzungsunrecht deshalb auch schon zwn Teil verwirklicht, wenn die Nichttätigkeit des Garanten zu einem adäquaten Anfangsrisiko führt. (2) Wollte man diese überlegungen allgemeiner - auch unter Berücksichtigung der parallelen Begehungsversuche - fassen, so läßt sich folgendes festhalten: den Verletzungsdelikten (wie den konkreten Gefährdungsstraftaten) liegen insofern bereits Gefährdungsverbote und Gefahrminderungsgebote zugrunde, als die Erfolgsabwendungspflicht in vollem Umfange (und mit vollem Risiko für den Täter) mit der Schaffung einer adäquaten Verletzungserfolgsgefahr einsetzt. Dieses adäquate Verletzungsrisiko markiert die Grenzen zwischen strafbarer Verhaltensbeendigung und rückläufigem (möglicherweise) strafbefreienden - die 737 Für einen unbeendeten (tauglichen) Versuch durch Unterlassen deshalb a. zu Recht die h. M.; Nachw. C.I.1.d) Fußn. 115.
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Vollendung verhindernden - Rücktritt, bzw. zwischen Verletzungsgefahrschaffung und Gefahrrealisierung (näher C.I.1.d)[l]). - Diese Gefährdungsverbote und Gefahrminderungsgebote sind jedoch bereits dann (teilweise) tangiert, wenn der Täter durch Tun oder Unterlassen ein "adäquates Anfangsrisiko" geschaffen hat. Die Herbeiführung dieses adäquaten Anfangsverletzungsrisikos ist stets (bei Hinzudenken des weiteren Tatplans) auch der Beginn der Schaffung einer vollumfänglich-adäquaten Verletzungsgefahr. Demjenigen Täter, der sein Opfer durch Gift in Raten (oder wiederholten Nahrungsentzug) töten will, ist (jedenfalls) bereits verboten (bzw. geboten), eine erhebliche Gesundheitsgefahr herbeizuführen (bzw. das entsprechende erhebliche Leiden des Opfers abzuwenden). Ein Täter, der in Tötungsabsicht bis hin zur adäquaten Gefahr einer Gesundheitsschädigung handelt (oder unterläßt), hat (bei Hinzunahme seines Tatplans) auch eine "Anfangstodesgefahr" geschaffen. Dieses adäquate Anfangsrisiko markiert die Grenze zwischen strafrechtlich irrelevantem Vorbereitungsverhalten und rechtlich bedeutsamem Verletzungsverhalten738 • - Der Gesetzgeber hat diesen beiden Scheidelinien (Vorbereitung / Beginn des Versuchs und unbeendeter! beendeter Versuch) in §§ 2.2, 24 I S. 1 auch hinreichend Ausdruck verliehen (zu § 24 noch unten b). (3) Freilich gibt es zahlreiche Stimmen - und insofern ist den Befürchtungen Rudolphis weitgehend Raum zu geben - die das Versuchsstadium über das adäquate Anfangsverletzungsrisiko hinaus bis in den Bereich des eigentlichen "Vorbereitungsunterlassens" ausdehnen, etwa im Rabenmutter-Fall die Strafbarkeit auch schon beim Verweigern der ersten Mahlzeit(en) bzw. beim Entfernen aus dem "Herrschaftsbereich" unmittelbar nach der letzten Mahlzeit befürworten. Diesen Weiterungen ist in der Tat zu begegnen739 • 738 Dabei mag hier die Frage weitgehend offen bleiben, ob sich die Anfangsrisiken bei Begehungs- und Unterlassungsversuchen in jedem Einzelfall und vor allem auch dann decken, wenn dasselbe Geschehen unter Begehungsund Unterlassungsblickwinkel betrachtet wird. Denkbar bleibt, den Beginn des Unterlassungsversuchs dann - über die bisher vorgenommene allgemeine parallele Grenzziehung hinweg - im Einzelfall einmal im Beendigungszeitpunkt des Begehungsversuchs oder auch im Vorbereitungsstadium des Begehungsdelikts anzusiedeln. Beispielhaft: Besorgt sich der Begehungstäter ein Gewehr (noch: Vorbereitungsstadium), um kurze Zeit soäter mit einem Schuß eine Lawine auszulösen, so ist dem Unterlassungstäter schon jetzt geboten, die Todesgefahr von Spaziergängern und Skiläufern abzuwenden. Denn jedes spätere Eingreifen könnte die drohende Rechtsgutsverletzung sicher oder doch möglicherwe.ise nicht mehr abwenden (s. a. Rudolphi bei Fußn. 736). Auch ließen sich Beispiele für den gegenläufigen Extremfall (Beginn des Unterlassungsversuchs bei Beendigung des Begehungsversuchs) finden. Sieht man die Dinge so, dann gelangt man hier im Ergebnis durchaus in eine gewisse Nähe zu den Ausgangspositionen von Armin Kaufmann, Roxin und Rudolphi (Nachw. in Fußn. 733, 734); vgl. noch den folgenden Text zu b). 739 Vgl. dazu i. e. C.I.1.d) m. Nachw. in Fußn. 116; C.I.1.d) (1) u. (2).
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2. Kap.: Gefährdungs- und Verletzungsdelikte
b) Im übrigen ist es letztlich nur eine terminologische Frage, ob man das Schaffen eines rechtlich relevanten Anfangsrisikos, wie es im Rabenmutter-Beispiel etwa bei Beginn des erheblichen Leidens des Kindes anzunehmen ist, mit Roxin740 als "Anfang des be endeten Versuchs" oder wie hier als Beginn des Versuchs überhaupt und damit als "unbeendeten Versuch" bezeichnet. Ohnehin bleibt auch bei der Ausdrucksweise Roxins die Grenze der "Beendigung des beendeten Versuchs" durchaus offen. Freilich taucht in diesem Zusammenhang das zweite Argument auf, das gegen die Unterscheidung von unbeendetem und beendetem Unterlassungsversuch vorgebracht wird. Es geht dahin, daß der Rücktritt vom Unterlassungsversuch jeweils (erfolgreiche) tätige Reue und damit ein Verhalten verlange, das allein nach beendetem Versuch vorausgesetzt wird (vgl. dazu § 24 I S. 1 2. Alt.)741. Aber auch dieser Hinweis greift letztlich nicht durch. (1) Zunächst sind auch unbeendete Versuche durch Begehung möglich, bei denen ebenfalls nicht das bloße Aufgeben der weiteren Ausführung der Tat nach § 24 I S. 1 1. Alt. für den Rücktritt faktisch und rechtlich ausreichen könnte, vielmehr eine Erfolgsabwendungspflicht ähnlich § 24 I S. 1 2. Alt. zu postulieren wäre. Eine solche Begehungsvariante ist immer dann gegeben, wenn der Täter schon im Vorbereitungsstadium alles zur Verletzungserfolgsherbeiführung notwendige getan hat und nunmehr durch Abwarten ein adäquates Anfangsrisiko für den Betroffenen schafft. Man denke an das vielzitierte Beispiel, daß der Täter lange Zeit vor der Rückkehr des Opfers Gift unter das Kaffeepulver mischt und der coffeinhungrige Betroffene nachfolgend derart in die Nähe des Kaffees gerät, daß mit einer Kaffeezubereitung in Selbstbedienung alsbald zu rechnen ist. Auch hier muß der Täter - will er die Realisierung des adäquaten Anfangsrisikos in einer konkreten Erfolgsgefahr / einem konkreten Gefahrerfolg und einer nachfolgenden Rechtsgutsverletzung verhindern - aktiv eingreifen, d. h. das vergiftete Pulver verstecken oder durch ein genießbares ersetzen. Des weiteren sind auch Fälle denkbar, in denen der Täter bis zum Eintritt eines adäquaten Anfangsrisikos handelt und nunmehr (erst) dem Geschehen risikosteigernd seinen Lauf läßt. Besonders in diesem zweiten Fall empfiehlt es sich, statt vom "Anfang eines beendeten Begehungsversuchs" weiterhin von einem unbeendeten Begehungsversuch zu sprechen. Denn immerhin hat der Täter hier durch Tun unmittelbar zur Verwirklichung Maurach-Festschr., 213 ff., 232 m. Fußn. 54; s. a. JuS 1979, 9, 13. Roxin aaO, 232 Fußn. 54; JuS 1979, 9; Rudolphi SK, Rn 56 vor § 13. Daß § 24 I S. 1 1. Alt. für den Rücktritt vom unbeendeten tauglichen Unterlassungsversuch nicht unmittelbar paßt, da die Rücktrittsmodalität des Unterlassens weiterer Tätigkeit nicht in Betracht kommt, versteht sich (vgl. nur Blei AT, § 86 III 3; Jescheck LK, § 13 Rn 49 u. AT, 520; Schönke! Schröder / Eser, § 24 Rn 30; Schröder JuS 1962, 86). Vgl. noch Armin Kaufmann, Dogmatik, 215. 740
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des Tatbestandes angesetzt. Sein Ende findet dieser Versuch stets erst mit dem Eintreten (lassen) einer konkreten Verletzungserfolgsgefahr. Sieht man von diesen terminologischen Fragen ab, so besteht in der Sache mit der Auffassung Roxins weitgehend durchaus Harmonie. Denn auch Roxin grenzt die rechtlich irrelevante Vorbereitungshandlung von dem beendeten (tauglichen Begehungs-)Versuch dadurch ab, daß er das Versuchsstadium erst dann für erreicht ansieht, wenn das Opfer durch das Zuwarten des Täters in "unmittelbare Gefahr" geraten ist742 • Worum es hier geht, ist nichts anderes als die Aufschlüsselung dieser "unmittelbaren Gefahr" in ein adäquates Anfangsrisiko (unbeendeter tauglicher Versuch bzw. "Anfang des be endeten Versuchs") und ein weitergehendes adäquates Verletzungsrisiko (beendeter tauglicher Versuch bzw. "Ende des beendeten Versuchs"). (2) Selbst wenn man sich nun auf den eingangs mitgeteilten Standpunkt stellen wollte, daß i. R. der Unterlassungsversuche der Täter bei beiden Gefahrenlagen einheitlich das Risiko des mißlungenen Rücktritts zu tragen habe 741 - gegen diese These aber sogleich (3) -, so sprechen für die Unterscheidung von unbeendetem und beendetem (tauglichen) Versuch dennoch zwei grundsätzliche Gesichtspunkte. Dabei sei schon davon abgesehen, daß man diese These konsequent auch auf die soeben geschilderten besonders gelagerten Begehungsversuche übertragen miillte. Einmal hat der Täter beim Zurücktreten vom unbeendeten tauglichen Verletzungsversuch auch unter diesem "Rücktrittserfolgszwang" entscheidend weniger zu leisten. Abzuwenden ist in diesem Stadium der Tat allein das Umschlagen des geschaffenen adäquaten Anfangsrisikos in ein vollumfängliches adäquates Verletzungsrisiko, das beim beendeten tauglichen Verletzungsversuch ja bereits eingetreten ist. Gelingt dies, so ist der freiwillig handelnde Täter straflos. Dies gilt im übrigen auch, wenn sich das adäquate Anfangsrisiko wegen der vom Täter ergriffenen "objektiv geeigneten Rettungschancen" nur zufällig zu einer (dann nur "tatsächlichen", inadäquaten) Verletzungsgefahr 748 und diese dann zur Rechtsgutsverletzung erhöht. Denn die Haftung für die Rechtsgutsverletzung (sekundäres Verletzungserfolgsunrecht) wird dann nicht mehr vermittelt durch die Haftung für die Verletzungsgefahr (primäres Verletzungserfolgsunrecht), auf der sie beruht. Es fehlt am "Erfolgs74'2 aaO, 216, 218 u. ö.; JuS 1979, 9; anders freilich beim vorzeitigen willentlichen Herrschaftsverlust (krit. dazu C.I.1.d) [2]). 743 Vgl. dazu, daß bei zufälligem Eintritt von (Gefahr-)ErfoLgen für den Rücktritt (vom beendeten tauglichen Versuch) das freiwillige Ergreifen von "objektiv rettungsgeeigneten Maßnahmen" hinreicht, C.I.1.c) Fußn. 68; E.I. am Ende. Der gleiche Grundsatz kann auch für den zufälligen Eintritt von Erfolgsgefahren eingreifen, so daß für den Rücktritt vom unbeendeten tauglichen Versuch das freiwillige Wahrnehmen von "objektiv geeigneten Rettungschancen" ausreicht. s. a. H.HI.1.
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2. Kap.: Gefährdungs- und Verletzungsdelikte
unrechtszusammenhang"744. Hingegen wird der Täter beim Rücktritt vom beendeten tauglichen Verletzungsversuch nur dann straflos, wenn
er das Umschlagen des bereits herbeigeführten adäquaten Verletzungsrisikos in die Rechtsgutsverletzung verhindert bzw. - bei zufälligem Erfolgseintritt - objektiv rettungsgeeignete Maßnahmen ergreift. Mißlingt ihm das, so ist er wegen vollendeter Tat strafbar.
Zum zweiten empfiehlt sich die Aufschlüsselung des (tauglichen) Verletzungsversuchs in ein unbeendetes und ein beendetes Vorhaben auch mit Blick auf das objektiv-subjektive Handlungs- bzw. "Unterlassungs"Unrecht (sowie das primäre Verletzungserfolgsunrecht) und damit auch mit Rücksicht auf die Strafzumessung. Der Täter eines unbeendeten (tauglichen Begehungs- bzw. Unterlassungs-)Versuchs - der zwar dem geschaffenen Anfangsrisiko bewußt und erfolgreich Einhalt gebietet, jedoch z. B. mangels Freiwilligkeit nicht in den Genuß des Rücktrittsprivilegs kommt - hat das objektiv-subjektive Handlungs- bzw. Unterlassungs-Unrecht (sowie das primäre Erfolgsunrecht = Gefährlichkeitsunrecht) nur teilweise realisiert. Er ist deshalb auch milder als bei der Verwirklichung des be endeten tauglichen Versuchs mit jeweils vollem Versuchsunrecht zu bestrafen. De lege ferenda bietet sich sogar eine obligatorische Strafmilderung an745 • (3) Nach allem kann man auch der Frage nachgehen, ob der Täter eines unbeendeten tauglichen Unterlassungsversuchs wirklich ebenso wie beim be endeten tauglichen Versuch das volle Risiko des fehlgeschlagenen Rücktritts zu tragen hat. Diese These ist nicht nur umstritten (dazu sogleich) und wäre konsequenterweise auf einen Teil der Begehungsdelikte zu übertragen (1), ihr stehen auch nicht allein wesentliche Gesichtspunkte für eine Aufschlüsselung beider Versuchsarten entgegen (2), gegen sie ist vielmehr, da sie trotz der - wenn auch erfolglosen Rücktrittsbemühungen des Täters zur Vollendungsstrafbarkeit führt748 , aus normtheoretischen und unrechtssystematischen Gründen Widerspruch geboten. Das gleiche gilt freilich für die Gegenposition, die bei Freiwilligkeit des fehlgeschlagenen Rücktritts zum Freispruch bzw. im Einzelfall zur fahrlässigen Tat gelangt741 • Vorzuschlagen ist demgegenVgl. dazu a. oben C.1.2.d) m. Fußn. 312 f. Zu dieser scharfen Unrechtsgrenze zwischen beendetem und unbeendetem (tauglichen) Versuch grundsätzl. Armin Kaufmann ZStW 80, 51 f.; Zielinski, Handlungsunwert, 144; s. a. Wolter ZStW 89, 699 f. m. weit. Nachw. und - von anderen Ansatzpunkten aus - Arzt GA 1964, 2 ff.; zur obligatorischen Strafmilderung oben C.1.2.d) bei Fußn. 466; näher unten H.I.1.b) bei Fußn. 858; s. a. Burkhardt, Rücktritt, 18 f. 748 Blei AT, § 86 III 3; Rudolphi SK, Rn 56 vor § 13; s. a. Roxin, MaurachFestschr., 232 Fußn. 54. 747 Jescheck LK, § 13 Rn 49 u. AT, 520; Lönnies NJW 1962, 1952; Schönke I Schröder / Eser, § 24 Rn 30 m. weit. Nachw.; Schröder JuS 1962, 86. 744
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über eine vermittelnde Lösung, die dem Täter statt des vollen "Vollendungsrisikos" nur und immerhin ein anteiliges "Versuchsrisiko" aufbürdet: Die Vollendungsstrafbarkeit z. B. beim Unterlassungsdelikt ist deshalb zu verneinen, weil der Garant seine Tat und damit die Realisierung des objektiv-subjektiven "Unterlassungsunrechts" nicht vollauf durchgehalten hat. Es fehlt deshalb auch dann am "Unterlassungsunrechtszusammenhang", wenn sich das vom Täter geschaffene adäquate Anfangsrisiko in der Folge trotz (bzw. wegen) seiner (objektiv ungeeigneten) Rettungsbemühungen zu einer adäquaten Verletzungsgefahr und schließlich zu einer objektiv zurechenbaren Rechtsgutsverletzung verdichtet. Damit hat sich zwar das primäre Verletzungserfolgsunrecht vollends und das sekundäre Verletzungserfolgsunrecht vollumfänglich verwirklicht ("Unrechtsplus" gegenüber dem unbeendet-tauglichen Verletzungsversuch); es fehlt jedoch - da der Täter seinen Verletzungsvorsatz zwischenzeitlich aufgegeben hat - am "subjektiven", und - da er dem Geschehen auch nicht mehr mit Verletzungsbewußtsein seinen Lauf gelassen hat - auch am "objektiven Unterlassungsunrecht" ("Unrechtsminus" gegenüber der vollendeten Tat). Es liegt hier nicht anders als beim Rücktritt vom unbeendet-tauglichen Verletzungsversuch durch Begehung mit adäquat-verfrühtem Erfolgseintritt (Beispiel: das Opfer stirbt wider Tätererwarten, aber objektiv erkennbar einige Zeit nach der ersten Giftrate; der Täter nimmt unmittelbar nach Verwirklichung des ersten Teilstücks der Tat freiwillig von seinem weiteren Tun Abstand)748. Andererseits ist in diesen Fällen einer Kombination von unbeendetem tauglichen Verletzungsversuch und vollendeter Tat auch nicht ein strafbefreiender Rücktritt vom Versuch sowie allenfalls eine Bestrafung wegen fahrlässiger Tat angezeigt. Denn man kann nicht an der Tatsache der adäquaten Verletzungsgefahr und nachfolgenden Rechtsgutsverletzung und damit an dem Umstand vorbeigehen, daß die vom Täter ergriffenen Rücktrittsmaßnahmen zur Erfolgsabwendung objektiv ungeeignet gewesen sind. Der strafbefreiende Rücktritt nach § 24 I S. 1 1. Alt. hat z. B. bei den unbeendet-tauglichen Unterlassungsversuchen zur Voraussetzung, daß gerade durch die Wahrnehmung der ursprünglichen Garantenpflicht - z. B. im Rabenmutter-Fall durch die (Wieder-)Aufnahme der weitgehend normalen Ernährung des Kindes - der Erfolg der Tat ausbleiben kann. Ganz entsprechend verlangt das Rücktrittsprivileg bei den unbeendet-tauglichen Begehungsversuchen, daß die Rechtsgutsverletzung gerade durch die bloße Tataufgabe (z. B. der Vgl. dazu oben C.I.2.d) Fußn. 314 m. Nachw. Auch Rudolphi (aaO sowie freilich auch hier mit abweichendem Ergebnis (Vollendungsstrafe) - auf diese Parallele. 748
§ 24 Rn 16) verweist -
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2. Kap.: Gefährdungs- und Verletzungsdelikte
Nichteingabe weiterer Giftraten) vermieden werden kann749 • Nur wenn sich die Rechtsgutsverletzung bei Wahrnehmung der Garantenpflicht bzw. Abstandnahme von der weiteren Tatausführung auf objektiv unvorhersehbare Weise realisiert, wird man dem Täter das Risiko des mißlungenen Rücktritts vollauf abnehmen können. 3. Ergebnis und Ausblick
a) Faßt man zusammen, so lassen sich nicht nur beim tauglichen Begehungsversuch (1.), sondern auch beim entsprechenden Unterlassungsversuch (2.) die bei den vom Gesetz in § 24 I S. 1 vorgezeichneten Stadien des Anfangs und der Beendigung des Vorhabens mit adäquatem Anfangsverletzungsrisiko und voller Verletzungsgefahr am Ende des Verhaltens ausmachen. Insbesondere beim Unterlassungsversuch gibt es durchaus nicht nur ein Analogon zum beendeten (tauglichen) Begehungsversuch. Eine solche Beschränkung gebieten weder etwaige Abgrenzungsschwierigkeiten zum "Vorbereitungsunterlassen" (2.a) noch etwaige Hindernisse bei den hier zwar (wegen der jeweils erforderlichen tätigen Reue) ähnlichen, jedoch immerhin noch deutlich unterscheidbaren Rücktrittspflichten (2.b). Sieht man die Dinge so, dann erscheint die vorzuschlagende vermittelnde Lösung als eine Verbindung des jeweiligen Grundgedankens der beiden Extrempositionen. Das Rücktrittsprivileg kann dem Täter nicht zugute kommen, weil die Tat objektiv (zurechenbar) weit über das Versuchsstadium hinaus gediehen ist. Insofern kann sich der Täter Straffreiheit in der Tat nur durch erfolgreiche tätige Reue verdienen. Das Risiko des adäquaten Erfolgseintritts ("Vollendungsrisiko") kann ihm aber andererseits auch nicht angelastet werden, weil er das dafür notwendige (Handlungs- bzw. Unterlassungs-)Unrecht des beendeten Versuchs nicht (voll) verwirklicht, seinen Verletzungsvorsatz nicht bis zum rechtlichen Ende der Tat durchgehalten hat. Insofern behält die Unterscheidung des be endeten und unbeendeten Versuchs ihren Sinn und braucht die beim unbeendeten Unterlassungsversuch analog § 24 I S. 1 1. Alt. erforderliche tätige Reue (anders als beim beendeten Versuch; 2. Alt.) gerade nicht erfolgreich zu sein. Zugerechnet werden kann dem Täter lediglich und immerhin das "Versuchsrisiko" (anteiliges Unterlassungsunrecht und Anfangsrisikounrecht) und gegebenenfalls die fahrlässige Erfolgsherbeiführung. Die Freiwilligkeit des Rücktritts schlägt (mildernd) allein bei der Strafzumessung zu Buche, bei der freilich (schärfend) auch die Tatsache der adäquaten Risikoverwirklichung zu berücksichtigen ist. 749 Näher zu den Begehungsversuchen Wolter ZStW 89, 659 ff.; zu der andersgelagerten Problematik bei den Rechtfertigungsgründen C.I.2.d) Fußn.
314.
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b) Es ist schon mehrfach erwähnt worden (D.1.3.e) am Ende; E. vor 1.), daß diese beiden Gefahren - das adäquate Anfangsrisiko wie das volle Verletzungsrisiko - vielfach bei der Auslegung von Vorschriften wie § 223a in der Variante der lebensgefährdenden Behandlung oder § 306 herangezogen werden. (1) So soll nach h. M. § 223a I 4. Alt. (näher unten III.) als potentielles konkretes Lebensgefährdungsdelikt - und das heißt nach dem hier verfochtenen Standpunkt auch: als potentielles Lebensvernichtungsdelikt (D.1.3.c) - gestaltet sein. Erforderlich sei (allein) die Realisierung eines Gefährlichkeitsunrechts beim Verhalten des Täters, wie es auch den be endeten tauglichen Lebensgefährdungsversuch (und dann auch: Totschlagsversuch) auszeichne. § 223a gerät, da es danach auf einen konkreten Gefahrerfolg nicht ankommt, zum unechten Unternehmensdelikt (zum ganzen schon C.II.2.c), oder genau genommen - da § 223a nur auf der Grundlage einer vorsätzlichen einfachen Körperverletzung erfüllt ist - zu einer Kombination einer vorsätzlichen Körperverletzung mit einer vorsätzlichen potentiellen Lebensgefährdung bzw. -verletzung. Der Gesetzgeber habe also mit seiner "Gefährdungseignungsklausel" (bei der Kreditgefährdung in § 187 3. Alt. sprachlich noch deutlicher als in § 223a I 4. Alt.) dargetan, daß es allein auf die Gefährlichkeit der (Be-) Handlung ankomme. Hingegen ist es letztlich ohne Gewicht, ob sich insoweit im Gesetz eine "Gefährdungseignungs-" oder eine "Verletzungseignungsklausel" - wie z. B. in §§ 126, 130, 186, 187 1. Alt. - findet, da es beide Male um die Herbeiführung eines vollumfänglichen adäquaten Verletzungsrisikos für einen (gesetzlich nicht vorausgesetzten) Gefahrbzw. Verletzungserfolg geht. Der Gesetzgeber hat mit einer "Gefährdungseignungsklausel" lediglich zum Ausdruck gebracht, daß er sich bei einer etwaigen Gestaltung der Straftat zum Erfolgsdelikt auch schon das Mindesterfordernis des Gefahrerfolgs hat vorstellen können. Bei § 223a I 4. Alt. bot sich ohnehin nicht die Wendung "mittels einer das Leben verletzenden Weise" an (näher C.II.2.c); D.1.3.e). (2) Nach verbreiteter Auffassung erfährt § 306 (näher IV.) auf objektivem Felde eine sachentsprechende Auslegung wie § 223a I 4. Alt. Erforderlich sei die Herbeiführung eines (vollumfänglichen) adäquaten Todesrisikos für einen Menschen. Subjektiv begnügt man sich de lege lata freilich überwiegend mit der Fahrlässigkeit. § 306 gerät (in teleologischer Reduktion) zu einer Kombination einer vorsätzlichen Brandstiftung mit einer fahrlässigen potentiellen Lebensgefährdung bzw. -verletzung (sog. uneigentliches abstraktes Gefährdungsdelikt). Freilich stellen sich bei dem objektiven Erfordernis eines vollumfänglichen adäquaten Todesrisikos Bedenken insofern ein, als im Wortlaut des § 306 eine Gefährdungs- oder Verletzungseignungsklausel gerade
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2. Kap.: Gefährdungs- und Verletzungs delikte
fehlt. Objektiv subintelligiert werden kann deshalb - so ist auf der Grundlage des in § 306 letztlich wohl angestrebten Lebensschutzes zumindest zu diskutieren - allein das strafrechtlich relevante Minimaltodesrisiko. Dies könnte aber direkt zu jenem adäquaten "Anfangsrisiko" führen, das z. B. auch den unbeendeten tauglichen Totschlagsversuch auszeichnet (näher oben 1.). (3) Auf dieser Linie liegt es, wenn Cramer für § 306 und andere Vorschriften das minder gewichtige Risiko der (abstrakten) "Gefahr der konkreten Gefährdung" fordert (näher C.II.2.c). Aber die Dinge komplizieren sich, wenn man hinzunimmt, daß Cramer diese geminderte Gefahr auch bei § 223a zugrundelegt. Und die Diskussion wird nachgerade buntscheckig, wenn man bedenkt, daß es für beide Delikte vielzählige abweichende objektive wie subjektive Einordnungsvorschläge gibt (abstrakte Gefährdungsdelikte, konkrete Gefahrerfolgsstraftaten mit Vorsatz-, verdünntem Vorsatz-, Fahrlässigkeitsbezug oder auch ohne jede subjektive Beziehung usf.). Alledem sei im folgenden näher nachgegangen.
111. § 223a I 4. Alt.: Kombination von vorsätzlicher Verletzungsstraftat und "vorsätzlichem potentiellen konkreten Gefährdungs- bzw. Verletzungsdelikt" 1. Meinungsstand
Verkürzt man die Meinungsvielfalt auf ihre wesentlichen Stränge, so lassen sich im objektiven Bereich drei Auffassungen auffinden. § 223a wird - über die Grundvoraussetzung der vorsätzlichen Körperverletzung hinaus - als abstraktes Lebensgefährdungsdelikt (a), als konkrete Lebensgefahrerfolgsstraftat (c) sowie - in mehreren Schattierungenals potentielles konkretes Lebensgefährdungsdelikt begriffen (b). Dabei gibt es einige Stimmen, die die objektiven Unterschiede von c) und b) entweder übersehen oder bewußt nivellieren. - Insbesondere bei der hier favorisierten Mittellösung (b) verzweigt sich auf subjektivem Felde noch einmal die Problematik. Überwiegend "verdünnt" man den konkreten Vorsatzbezug ähnlich wie bei den abstrakten Gefährdungsdelikten (Kennen allein der die Gefährlichkeit der Handlung ausmachenden Umstände); von anderen werden die Maßstäbe des konkreten Gefährdungsvorsatzes und damit - nach der hier verfochtenen Auffassung (D.I.3.d) - auch des Verletzungsvorsatzes angelegt (Bewußtsein, ein adäquates Gefährdungsrisiko geschaffen zu haben); z. T. verzichtet man freilich auch auf jeden Vorsatzbezug und erhebt die lebensgefährdende Behandlung damit zu einem strikt "objektiven Zurechnungsmerkmal". Im einzelnen gilt folgendes:
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a) Der Bundesgerichtshor~o begreift von einer Außenseiterposition her § 223a als abstraktes Lebensgefährdungsdelikt. § 223a bedrohe bestimmte Fallgruppen, z. B. die lebensgefährdende Behandlung, mit erhöhter Strafe, weil die genannten Begehungsweisen allgemein als besonders gefährlich erscheinen. Freilich brauche der Täter dieses Werturteil subjektiv nicht nachzuvollziehen. Es genüge die Kenntnis derjenigen Umstände, die Taten dieser Art als allgemein gefährlich erscheinen lassen. Dafür spreche auch, "daß sonst der bedenkenlose, unbesonnene Schläger, dem eben wegen seiner Bedenkenlosigkeit und Unbesonnenheit der lebensgefährdende Charakter seines Verhaltens gar nicht zu Bewußtsein kommt, besser dastehen würde als derjenige Täter, der weniger bedenkenlos und weniger unbesonnen ist und infolgedessen die Lebensgefahr erkennt". Das dürfe nicht Rechtens sein7~1. b) Die h. M. (überwiegende Rechtsprechung des Reichsgerichts; Judikatur der Obergerichte; erheblicher Teil der Lehre) sieht § 223a als ein "potentielles konkretes Lebensgefährdungsdelikt" an, fordert also objektiv, daß der Täter mit Rücksicht auf die konkreten Einzelumstände der Tat ein adäquates Gefährdungsrisiko (= Verletzungsrisiko) für das geschützte Rechtsgut schafft7~2. Bei Beendigung der Tathandlungen (ex ante) muß sich m. a. W. die ernsthafte Gefahr eines Lebensgefährdungserfolgs (Todeserfolgs) abzeichnen. Ob sich dieses adäquate Gefährdungsrisiko nachträglich in einem konkreten Gefahrerfolg oder sogar in einer Rechtsgutsverletzung realisiert, ist unbeachtlich763 . Andererseits kann von derartigen Erfolgen, sofern sie sich ex ante objektiv nicht als naheliegend ausmachen ließen, nicht auf ein adäquates Gefährdungsrisiko geschlossen werden7M . BGHSt 19, 353 f. 751 In BGHSt 2, 163 wird demgegenüber die Frage der abstrakten oder konkreten Betrachtungsweise noch offengelassen, das Vorsatzproblem allerdings sachentsprechend gelöst; die Berufung auf die RG-Rechtsprechung (in RGSt 10, 1; RG HRR 1929 Nr.1799; JW 1932, 3350; dazu Fußn. 752) deutet aber darauf hin, daß der BGH objektiv der Lösung i. S. eines "potentiellen konkreten Gefährdungsdelikts" (b) den Vorzug einräumt; s. noch BGH GA 1961, 241; MDR 1957, 652 bei Dallinger; im übrigen Gallas, Heinitz-Festschr., 183; Maurach / Schroeder BT/l, 101; ferner v. Hippel, Gefahrenurteile, 93, 95 (weitgehende Identität von genereller Eignung und konkreter Gefahr); Eser, Strafr. 111, Fall 6 Anm. 56. 752 RGSt 6, 396; 26, 61 f.; RG Rspr 9, 464; RG LZ 1915, 219; RG HRR 1929 Nr. 1799; JW 1932, 3351; s. a. RGSt 2, 108; 10, 2 f., 102; BayObLGSt 3 (1904), 207; 10 (1911), 265; Horn SK, § 223a Rn 26; Olshausen, § 223a Rn 9; WesseIs BT/l, 27; zweifelnd Dreher / Tröndle, § 223a Rn 5; zur Sonderauffassung eramers s. bei Fußn. 759 f. 753 Etwa RG LZ 1915, 219; BayObLGSt 3 (1911), 265; WesseIs aaO; s. a. RGSt 10,2. 7.14 So schon RG HRR 1929 Nr. 1799; s. dazu bereits oben D.II.2.a) bei Fußn. ß62. Damit bestätigt sich auch an dieser versteckten Stelle der in dieser Untersuchung als fundamental herausgehobene Grundsatz, daß die Haftung für 750
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2. Kap.: Gefährdungs- und Verletzungsdelikte
Zur Begründung verweist man im wesentlichen auf den Wortlaut und die Entstehungsgeschichte der Vorschrift. Daraus ergebe sich unzweideutig, daß der Gesetzgeber nicht auf die eingetretenen Folgen der Tat, sondern auf die Art der Begehung, die "Behandlung", die nur nach Maßgabe der konkreten Verhältnisse des Einzelfalles eingeschätzt werden könne, abgestellt habe 755 • Insofern reiche es hin, wenn die Behandlung geeignet gewesen sei, einen konkreten Lebensgefahrerfolg herbeizuführen. Diese Erkenntnis wird insbesondere in der Rechtsprechung des Reichsgerichts (z. T.) wieder verschüttet: Man stellt nämlich ganz ausdrücklich das adäquate Gefährdungsrisiko mit dem konkreten Gefährdungserfolg gleich. "Denn" - so formuliert etwa das Reichsgericht 7W - "durch die gegen einen Menschen angewendete Behandlung, welche geeignet ist, das Leben desselben zu gefährden, wird selbstverständlich eben deshalb, weil die Handlung jene Eigenschaft hat, das Leben auch gefährdet". Diese Identifizierung überrascht freilich nicht, wenn man sich vergegenwärtigt, daß das Reichsgericht und ein Großteil des Schrifttums bei den eigentlichen konkreten Gefahrerfolgsdelikten (z. B. §§ 315 ff.) die "restriktive Gefährdungsrisikotheorie" vertreten (haben). Danach reicht es für den Gefahrerfolg bereits aus, daß der Täter ein adäquates Gefährdungsrisiko (allerdings) für ein wirklich vorhandenes Wirkungsobjekt, das jedoch bei einer gefährlichen Körperverletzung stets betroffen ist - schafft (oben D.I.3.). Deshalb paßt es auch ins Bild, wenn Binding757 als einer der Vertreter dieser Gefährdungsrisikotheorie es gleichermaßen für die Lebensgefährdung bei § 223a für ausreichend hält, wenn der Täter die "Anwendung des Mittels vollendet" und damit den Gefährdungsversuch beendet758 • einen Erfolg stets vermittelt sein muß durch die objektive Zurechenbarkeit der zugrunde liegenden Gefahr (Nachw. C.I.2.d) Fußn. 311). Ist dies nicht der Fall, so kommt bei den Erfolgsdelikten die Zurechnung weder wegen vollendeter Tat noch wegen beendeten tauglichen Versuchs in Betracht (näher B.III.2.b) bei Fußn. 31a; C.I.1.c) bei Fußn. 93; D.II.2.a) bei Fußn. 654 ff.; E.II.2.b) bei Fußn. 744). Im Hinblick auf § 223a als einem zur Vollendung erhobenen Fall eines beendeten tauglichen (Gefährdungs-)Versuchs bedeutet das: Straflosigkeit. Auch hier ist die These einer weitreichenden ex post-Betrachtung bzw. die Theorie von der Realisierung eines Modell(gefährdungs-) risikos (näher D.II.2.a) aus generalpräventiven Gründen abzulehnen. Gleiches gilt für den Gesichtspunkt, daß es dem Richter schwerfallen könne, sich nicht vom Ausgang des Geschehens leiten zu lassen (dazu aber a. Bassenge, Gefahrbegriff, 24). 755 Etwa RGSt 6, 396 f.; RG Rspr 8, 725; s. a. Horn SK, § 223a Rn 26; Jescheck, Niederschr., Bd. 11, 1958, 259. 756 Rsp 8, 725 (vgl. Fußn. 755); s. a. Ebermayer LK4, § 223a Rn 6. 757 Normen 1,385,388, 390, 393. 758 Nun vertritt freilich Brehm (Dogmatik, 58) die Auffassung, daß Binding der Vorwurf einer Gleichstellung von Gefährdungsrisiko und Gefährdungserfolg (vgl. etwa a. Cramer, Vollrauschtatbestand, 52 f.; Vermander, Unfall-
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Auf der Linie der "restriktiven Gefährdungsrisikotheorie" (in ihrer Spielart mit einer Gefahr minderer Qualität), wie sie insbesondere Binding verfochten hat (D.I.3.a), liegt auch die These von Cmmer. Denn Cmmer läßt für Straftaten wie §§ 186, 306, 223a, die er "abstrakte Gefährdungsdelikte" nennt, eine minder schwere Gefahr ausreichen. Nicht die ,,(konkrete) Gefahr der Verletzung" soll hier erforderlich, vielmehr die ,,(abstrakte) Gefahr der konkreten Gefährdung" hinreichend sein759 • Freilich ist bereits begründet worden, daß es sich bei diesen Gefahren durchaus um identische Risiken, nämlich jeweils eine konkrete Verletzungsgefahr, handelt (D.I.3.c). Zusammenfassend kann man - trotz der aufgezeigten Schwankungen im einzelnen (Nähe zum konkreten Gefahrerfolgsdelikt einerseits; Parallele zum - uneigentlichen - abstrakten Gefährdungsdelikt wie z. B. § 306 andererseits) - auf objektivem Felde eine gewisse Harmonie der Auffassungen insofern herstellen, als (allein) ein mehr oder weniger großes adäquates Lebensgefährdungsrisiko als Begleitgefahr der "Behandlung" gefordert wird. § 223a I 4. Alt. bleibt - was die Qualifizierung der einfachen Körperverletzung angeht - "potentielles konkretes Gefährdungsdelikt". Es kommt allein auf die Gefährlichkeit des Verhaltens (primäres Lebensgefährdungserfolgsunrecht), nicht auf einen Gefahrerfolg (dazu aber c) an 760 • Diese Harmonie geht freilich unvermittelt wieder verloren, wenn man die Vorsatzproblematik in die Betrachtung einbezieht. Hier werden drei unversöhnlich nebeneinanderstehende Varianten verfochten: (1) Nach der ersten Ansicht ist hinsichtlich des adäquaten Lebensgefährdungsrisikos überhaupt kein Vorsatz- (oder Fahrlässigkeits-)Bezug erforderlich. "Nach subjectiver Richtung unterscheidet sich der Thatbestand des § 223a von dem des § 223 nicht761 " • Das mit der vorsätzsituation, 38 Fußn. 62) nicht zu machen sei, weil er wiederholt (aaO, 390 f.) das Handeln mit tauglichen Mitteln allein als Gefährdungsversuch qualifiziere. Dem ist jedoch nicht nur i. R. der Gefahrerfolgsdelikte das DammbruchBeispiel (s. dazu oben D.1.3. m. Fußn. 574; Binding aaO, 389), sondern auch der wiederholte Hinweis Bindings (aaO, 385 ff., 393) entgegenzuhalten, daß die vollendete übertretung der Norm stets schon die Bewirkung der Gefahr sei; da die Norm auf den beendeten Versuch gestellt und bei vollständiger Anwendung des tauglichen Mittels alles geschehen sei, was die Norm verbiete, sei ein vollendetes Gefährdungsdelikt und nur bei unvollständiger Anwendung der Mittel ein Versuch gegeben (aaO, 386, 393). - Vgl. noch RGSt 2, 108; 10, 2 f., 102; ferner die Nachw. in Fußn. 752. 759 Vollrauschtatbestand, 51, 68 f., 73 (näher C.II.2.c). 760 Zur z. T. unberechtigten Kritik an Cramers Auffassung vgl. unten IV.3.b) m. Fußn. 816. 761 RG Rspr 8,726; RGSt 10, 103; 2, 108 m. Hinw. auf den Wortlaut und die Entstehungsgeschichte des § 223a.
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2. Kap.: Gefährdungs- und Verletzungs delikte
lichen Körperverletzung geschaffene adäquate Lebensgefährdungsrisiko gerät zum strikt "objektiven Zurechnungsmerkmal". (2) Eine zweite (heute vorherrschende) Auffassung verlangt zwar einen Vorsatzbezug, läßt jedoch ein "verdünntes Gefährdungsbewußtsein" genügen762 • Der Täter braucht allein die die Gefährlichkeit der Behandlung ausmachenden konkreten Tatumstände zu kennen. Das Werturteil, daß mit der Handlung ein adäquates Lebensgefährdungsrisiko geschaffen wird, braucht er hingegen nicht nachzuvollziehen. Damit wird diejenige Unterscheidung aufgegriffen, die auch bei den abstrakten Gefährdungsdelikten - dort freilich unter generellem Aspekt - getroffen wird. (3) Die verbleibende dritte Ansicht fordert hingegen konsequent die subjektive Parallelwertung763 • Der Täter muß sich also (beim hier angesprochenen potentiellen konkreten Gefährdungsdelikt ebenso wie bei der vollendeten konkreten Gefahrerfolgsstraftat) bewußt sein, ein adäquates Lebensgefährdungsrisiko (Todesrisiko) geschaffen zu haben. Wollte man dem folgen, so würde das nach der hier verfochtenen Auffassung zugleich bedeuten, daß der Täter einen beendeten tauglichen Totschlagsversuch begangen hat (näher oben D.I.3.c)-e). c) Eine starke Mindermeinung (d. h. die noch h. L.) begreift § 223a I 4. Alt. schließlich als konkretes Lebensgefährdungsdelikt'M. Freilich ist diese Auffassung objektiv zu relativieren. Denn sofern man bei den konkreten Gefährdungsdelikten (mit der h. M.) die "restriktive Gefährdungsrisikotheorie" (oben D.I.3.a), b) zugrunde legt, steht man letztlich wiederum auf dem Boden des zuvor (unter b) abgehandelten "potentiellen konkreten Gefährdungsdelikts" . Denn bis auf das grundsätzlich gegebenenfalls ex post feststellbare, bei der gefährlichen Körperverletzung jedoch ohnehin stets vorhandene, Wirkungsobjekt verlangt diese Theorie nichts anderes als die Schaffung eines adäquaten Lebensgefährdungs- bzw. Todesrisikos. Wer allerdings ernst mit dem Gefahrerfolgserfordernis macht, wird über das ex ante auszumittelnde Lebensgefährdungsrisiko hinaus in einer weitreichenden ex post-Betrachtung den 762 Etwa RGSt 17, 280; RG JW 1925, 973; 1932, 3351; BGHSt 2, 163; BayObLGSt 3 (1904), 207; 10 (1911), 265; Coenders JW 1932, 3350; Cramer, Vollrauschtatbestand, 106 f.; Dreher 1 Tröndle, § 223a Rn 5; Horn SK, § 223a Rn 27; WesseIs BT/1, 27; s. im übrigen Blei BT, § 13 II 3 (dazu Fußn. 764); Maurach 1 Schroeder BT/1, 101 (dazu Fußn. 751); Preisendanz, § 223a Anm. 6; Welzel Lb, 292 (dazu Fußn. 764). 763 Dazu Herdegen, BGH-Festschr., 203; Lackner, § 223a Anm. 5; s. a. BGH 3 StR 322/55 v. 13. 10. 1955; offengelassen in BGH MDR 1956, 526 bei Dallinger; vgl. noch Arthur Kaufmann JZ 1963, 432. 7M Backmann MDR 1976, 976; Blei BT, § 13 II 2; Frank, § 223a Anm. II 4 m. weit. Nachw.; Hirsch LK, § 223a Rn 3; Schönke 1 Schröder 1 Stree, § 223a Rn 12; Stree Jura 1980, 292; Schröder JZ 1967, 523; ZStW 81, 20; Welzel Lb, 292.
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Eintritt des am Körper verletzten Rechtsgutsträgers in den Wirkungsbereich einer adäquaten Lebensverletzungsgefahr ohne ernsthafte Rettungschancen fordern müssen (näher D.I.4.b), c), 11.). - Subjektiv wird in diesem Fall konsequent das Bewußtsein des Täters bei Beendigung der Tat verlangt und vorauszusetzen sein, ein adäquates Lebensgefährdungsrisiko geschaffen zu haben765. - Die Ausgestaltung des § 223a als konkretes Lebensgefahrerfolgsdelikt liegt schließlich auch § 148 I Entw. 1962 zugrunde766. 2. Würdigung
Bei der Stellungnahme zu den variantenreichen Vorschlägen bei § 223a mag die hier favorisierte Lösung vorangestellt werden: § 223a in der Alternative der lebensgefährdenden Behandlung ist eine Kombination eines vollendeten vorsätzlichen Körperverletzungsdelikts mit einer potentiellen vorsätzlichen konkreten Lebensgefährdungs- (bzw. Lebensverletzungs-)Straftat. Neben der vorsätzlichen Körperverletzung genügt objektiv die Schaffung eines adäquaten Lebensgefährdungs-(Todes-) Risikos, und ist subjektiv (i. S. einer maximalen psychischen Beziehung) das Bewußtsein des Täters erforderlich, eine solche Gefahr herbeigeführt zu haben. Die einfache Körperverletzung ist durch einen beendeten tauglichen Lebensgefährdungs- und damit Totschlagsversuch qualifiziert ("versuchsqualifiziertes Delikt"). Zu dem vollen Unrecht des § 223 muß das objektiv-subjektive Handlungsunrecht (§ 16) sowie das primäre Erfolgsunrecht einer Lebensgefährdung ("Gefährlichkeitsunrecht") hinzutreten. Insofern könnte man auch von einem "besonderen erfolgsqualifizierten Delikt" sprechen, das die subjektiven Anforderungen anhebt (§§ 15, 16 I S. 1 anstelle von § 18), die objektiven Voraussetzungen hingegen abschwächt (primäres statt sekundäres Gefährdungserfolgsunrecht). Im einzelnen gilt folgendes: a) Die bei § 223a vereinzelt verfochtene These des abstrakten Lebensgefährdungsdelikts (1.a) ist auch dann nicht unproblematisch, wenn man bei dem generellen Gefahrurteil auch individuelle Gegebenheiten (z. B. Alter, Gesundheit des Opfers)167 berücksichtigt. Dabei mag zunächst darauf verwiesen werden, daß man als abstrakte Gefährdungsdelikte nur solche betrachten sollte, bei denen "ausschließlich die gefahrbegründenden Umstände als solche (ohne Nennung des Merkmals Gefahr selbst) im Tatbestand aufgeführt werden"76B (z. B. §§ 316 StGB, 167 AE). Gewichtiger ist der Gesichtspunkt, daß § 223a ausschließlich dem Schutz 765 s. aber a. Blei, Welzel aaO (oben Fußn. 762); im übrigen die Nachw. in Fußn.763. 766 Dazu Backmann aaO, 975 m. Fußn. 58 f. 767 Dazu Gallas, Heinitz-Festschr., 182. 768 So Backmann MDR 1976, 976. 18 Wolter
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dessen dient, der Opfer einer Körperverletzung ist und infolgedessen auch nur solche Gefahren gemeint sein können, die ganz konkret gerade diesem Betroffenen drohen7e9. Wesentlich ist jedoch vor allem der schon in anderem Zusammenhang (C.II,2.b) vorgetragene Gedanke, daß man unter normativen Aspekten eine bloße abstrakte Gefährdung als Kriminalunrecht allenfalls bei solchen Verhaltensweisen hinreichen lassen kann, bei denen es zur Vermeidung von (erheblichen) Rechtsgutsverletzungen aus lerntheoretischen Gründen geboten ist, die Strafe an den bloßen (präzise formulierten) Regelverstoß zu knüpfen770 • Dies kommt etwa bei den Massenhandlungen im Straßenverkehr (§§ 316 StGB, 167 AE), nicht aber bei einer derart "individualen" Verhaltensweise wie der lebensgefährdenden Behandlung in Betracht. Selbst wenn man aber den (objektiven) Standpunkt des abstrakten Lebensgefährdungsdelikts halten wollte, kann es (subjektiv) für den abstrakten' Gefährdungsvorsatz keinesfalls ausreichen, daß der Täter nur die die generelle Gefährlichkeit tragenden Tatwnstände kennt. Eine solche Deutung widerspricht dem aus § 16 I S. 1 abzuleitenden Gebot der "Parallelwertung in der Laiensphäre"783. Der Täter muß auch: das Werturteil nachvollziehen, eine generell lebensgefährliche Handlung zu begehen. Insofern ist es - entgegen dem BGH - sehr wohl Rechtens, wenn der "bedenkenlose Schläger" im Einzelfall einmal nicht von der Vorschrift des § 223a erfaßt wird. b) Andererseits widerspricht es dem Wortlaut wie der Effektivität bei § 223a, wenn man den Tatbestand - was die lebensgefährdende Behandlung angeht - als konkretes Lebensgefahrerfolgsdelikt und damit § 223a insgesamt als "gefahrerfolgsqualifizierte Körperverletzungsstraftat" auffassen wollte (l.c). Denn das Gesetz hebt - wie auch seine Entstehungsgeschichte erweist - nicht darauf ab, daß der Täter mit der Körperverletzung auch einen Lebensgefährdungserfolg verursacht, sondern pönalisiert bereits die lebensgefährdende (d. h. zur Herbeiführung eines Lebensgefahrerfolges und einer Lebensverletzung geeignete) ,,(Be-) Handlung"75,';. Des weiteren wäre § 223a de lege lata auch nur noch in vergleichsweise wenigen Fällen anwendbar, wenn man mit der Forderung nach einem konkreten Lebensgefahrerfolg ernst machen wollte. Dann nämlich wären z. B. all' diejenigen Fälle nicht abgedeckt, in denen das Opfer durch Zufall nicht in den Wirkungskreis der Gefahr geraten ist; die Beweisschwierigkeiten etwa bei der Berücksichtigung von "Rettungschancen eröffnenden Tatumständen" täten ein übriges, um § 223a Schröder JZ 1967, 523. Nachw. C.II,2.b) bei Fußn. 506 ff.; s. a. D.III,3.a) bei Fußn. 724. Backmann (aaO, Fußn. 67 m. Hinw. auf Brehm JuS 1976, 22 u. GaUner MDR 1976, 182 ff.) bezeichnet das abstrakte Gefährdungsdelikt mit gutem Grund als "eine ohnehin nicht ganz unbedenkliche Rechtsfigur" (näher IV., J.I.). 769
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jedenfalls nach geltendem Recht zur Bedeutungslosigkeit herabsinken zu lassen (näher D.III.2.). Selbst wenn man jedoch diesen objektiven Standpunkt beibehalten wollte, müßte man sich noch über die subjektive Seite (§ 15 oder § 18) klarwerden771 • § 16 I gebietet in jedem Fall das (parallel wertende) Kennen oder Kennenmüssen des Werturteils "adäquates Lebensgefährdungsrisiko". Die bloße Kenntnis der "Anknüpfungstatsachen" reicht hier wiederum nicht aus765 • Da es sich nach der hier erörterten Auffassung um eine "lebensgefahrerfolgsqualifizierte Körperverletzung" handeln würde, käme freilich nur ein Vorsatzbezug in Betracht (näher D.I.3.d)[2c]). c) Vorzugswürdig, wenn auch nicht nachgerade zwingend geboten scheint nach allem die (objektiv) vermittelnde Lösung (1.b), die § 223a als "tötungs- bzw. lebensgefährdungsversuchsqualifiziertes Delikt" begreift. Freilich muß der Täter - entgegen Cramer - hier ein vollumfängliches adäquates Todesrisiko für das Opfer schaffen. Für die subjektive Seite hat diese Betrachtungsweise das (volle) Vorsatzerfordernis zur Konsequenz: Entgegen der überwiegenden Auffassung702 genügt auch hier nicht die bloße Kenntnis der das Werturteil "adäquates Lebensgefährdungs- und Todesrisiko" tragenden Umstände. Andererseits reicht auch nicht das Kennenmüssen und Nachvollziehenkönnen dieses Gefahrurteils i. S. v. § 18 aus. Denn § 18 ist auf die eigentliche Erfolgsqualifikation (Rechtsgutsverletzung) zu beschränken und nicht auf den Zwischenerfolg des tauglichen Versuchs auszudehnen (D.1.3.d)[2c]). Und die weitere Auffassung, die die lebensgefährdende (Be-)Handlung als strikt objektives Zurechnungsmerkmal begreift781 , widerspricht dem in §§ 15, 16 I S.l, (18) niedergelegten Grundsatz, daß sämtliche unrechtsbegründenden und damit zu Lasten des Täters wirkenden (gesetzlichen) Tatbestandsmerkmale eines Vorsatz- (bzw. Fahrlässigkeits-)Bezuges bedürfen. Dieses Merkmal in den Kreis der "eigentlichen objektiven Zurechnungsmerkmale" aufzunehmen, besteht kein Anlaß. Die strikt objektive Zurechnung ist auf "Tatbestandssituationen" zu beschränken, in denen der grundsätzlich notwendige Vorsatz-(Fahrlässigkeits-)Bezug unmöglich geworden bzw. bereits voll "verbraucht" ist (näher C.1.3.a). Insofern erfordert § 223a I 4. Alt. entweder, daß der Täter bewußt ein reales Lebensgefährdungsrisiko schafft, oder zumindest, daß er ein von der realen lebensgefährlichen Behandlung unwesentlich abweichendes Lebensgefährdungsrisiko bewußt ins Werk setzt. Im zweiten Fall wird die Lebensgefährlichkeit der Behandlung zwar objektiv zugerechnet. 771
IS·
s. a. Küper NJW 1976, 546.
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2. Kap.: Gefährdungs- und Verletzungsdelikte
aber sie ist um deswillen zur VOTsatztat zurechenbar, weil sie nur unwesentlich von der geplanten und ins Werk gesetzten (untauglichen) lebensgefährlichen Behandlung abweicht. Die hier verfochtene Lösung hat freilich - wie bemerkt - zur Konsequenz, daß der Täter des § 223a in der Variante der lebens gefährdenden Behandlung zugleich einen beendeten tauglichen Totschlagsversuch begeht. § 223a I 4. Alt ist die Kombination eines vorsätzlichen vollendeten Körperverletzungsdelikts mit einem vorsätzlichen potentiellen (versuchten) Tötungs- bzw. Lebensgefährdungsstraftatbestand. Daß dies de lege lata nicht mit den Strafzumessungsmöglichkeiten und -bindungen harmoniert, ist unbestreitbar. Denn einem Mindestmaß von fünf Jahren Freiheitsstrafe bei §§ 212, 22 (das freilich fakultativ auf zwei Jahre reduzierbar ist) steht eine Höchststrafe von fünf Jahren bei § 223a gegenüber. De lege ferenda wird § 223a I 4. Alt. allerdings ohnehin aus seinem Schattendasein zu lösen772 , systematisch präziser in die "Straftaten gegen das Leben" einzuordnen und in seinem Strafrahmen zu überdenken sein. Nach allem bleibt zu untersuchen, inwieweit diese Auslegungs- und Strafzumessungsprobleme auf den in mancher Hinsicht parallelen § 306 durchschlagen. IV. "Uneigentliche abstrakte Gefährdungsdelikte": Kombination von vorsätzlicher Tat und "fahrlässigem potentiellen konkreten (Lebens-)Gefährdungsdelikt" (§ 306 Nr.2) 1. Grundlagen (§ 306 Nr.2 als abstraktes Gefährdungsdelikt?)
a) Der Gedanke, die abstrakten Gefährdungsdelikte in zwei große Gruppen, die "eigentlichen" und die "uneigentlichen abstrakten Gefährdungsstraftaten"773, zu unterteilen, ist nicht neu. Er durchzieht das Schrifttum, insbesondere seitdem Binding 774 diese Deliktsgruppe teils den konkreten Gefährdungsdelikten, teils (als "einfachen Ungehorsam") den nichtkriminellen "großen Polizeiübertretungen" zugewiesen hat. Sieht man von diesen speziellen Zuordnungsfragen ab, so gilt es heute jedenfalls als gesicherte Erkenntnis, daß die abstrakten Gefährdungsdelikte zumindest in zwei (bzw. drei) Untergruppen (1-3) zerfallen775 • Vgl. a. Jescheck, Niederschr., Bd. Ir, 1958, 247; Lange daselbst, 256. Zur Terminologie vgl. Henckel, Gefahrbegriff, 71 ff. im Anschluß an Finger. 774 Normen I, 368 ff., 394 ff. 775 Zu den Strafvorschriften mit "mediatisiertem Zwischenrechtsgut" als weiteren Sonderfall der "abstrakten Gefährdungsdelikte" (z. B. §§ 153 ff., 267, 331 ff.) vgl. Schönke I Schröder I eramer, Rn 3a, d vor § 306; Schünemann JA 1975, 798; unten K. 772 773
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(1) Zum einen geht es - wie bereits mehrfach hervorgehoben - um Massenhandlungen (etwa im Straßenverkehr), bei denen es aus lerntheoretischen Gründen geboten ist, die Strafe an den bloßen Regelverstoß zu knüpfen. Nur auf diese Weise läßt sich eine Entlastung des täglich vielfach betroffenen Bürgers bewirken, um dadurch genügend Aufmerksamkeit für die zahlreichen atypischen Gefahren freizusetzen. Allein dadurch ist auch der erheblichen Unfallgefahr zu begegnen, die bei Massenhandlungen zwangsläufig einträte, wenn es dem einzelnen erlaubt wäre, im konkreten Fall über die Verbindlichkeit des Verbots selbst zu entscheiden776 • Und im übrigen entgeht man auch nur durch diese Konzeption den Beweisschwierigkeiten, die bei einem auf dem Prinzip der konkreten Gefährlichkeit aufgebauten Straßenverkehrs recht unweigerlich auftreten werden777 • Wichtigste Beispiele dieser Deliktsgruppe sind § 167 AE, der die "zehn Todsünden" im Straßenverkehr ohne Rücksicht auf ein konkretes Gefährdungsrisiko oder einen konkreten Gefahrerfolg pönalisiert, sowie der geltende § 316 StGB. Daß auch ohne diesen Bezug zur konkreten Gefahr der handfeste Schutz von Leib und Leben hinter diesen Vorschriften steht, bedarf nicht der Betonung778 • Dieser Schutzgedanke ist freilich nicht unmittelbar Inhalt der Norm, sondern lediglich Motiv des Gesetzgebers (s. noch unten J.I.). Doch geht es nicht allein im Verkehrsrecht um die Sicherstellung von Ordnungswerten und den mittelbaren Schutz von Rechtsgütern wie Leib und Leben oder bedeutende Sachwerte. Deshalb spielen die genannten "lerntheoretischen Gründe" auch nicht in jedem Fall eine maßgebende Rolle. Im Paß- und Meldewesen sowie im "Umweltschutzrecht" stehen die Gesichtspunkte der Kontroll- und Überwachungsmöglichkeit im Vordergrund779 (s. noch unten J.II.). Der solchermaßen umgrenzte Deliktskreis der "eigentlich abstrakten Gefährdungsdelikte" ist nun andererseits in doppelter Weise von den anderen Erscheinungsformen abstrakter Gefährdungstaten abzugren770 Dazu im einzelnen etwa Brehm JuS 1976, 24 (Unterscheidung zwischen "Handlungs- und Regelutilitarismus"); Henckel aaO, 60 ff.; Schünemann JA 1975, 798; s. a. Baumann DAR 1962, 98; Jescheck AT, 212 Fußn. 40; Lackner, Gefährdungsdelikt, 9; sowie oben C.II.2.b); D.III.3.a); E.III.2.a); aber a. Horn, Gefährdungsdelikte, 95 Fußn. 114. - Zur Unterscheidung von "genereller" und "abstrakter Gefahr" vgl. Binding, Normen I, 376 ff.; Brehm, Dogmatik, 10 f.; s. im übrigen unten J.III.l. zu der Sonderform der "generell gefährlichen Delikte". 777 Schröder ZStW 81, 16. 778 Baumann DAR 1962, 99 Fußn. 57; Cramer, Vollrauschtatbestand, 54; Henckel, Gefahrbegriff, 61; Arthur Kaufmann JZ 1963, 432; Lackner, Gefährdungsdelikt, 4; s. a. AE, Begr. vor § 163, S. 101. 779 Schönke / Schröder / Cramer, Rn 3c vor § 306; s. a. Schröder ZStW 81, 16 zu den Gefahren beim Rauschgifthandel und Waffenbesitz; ferner Lampe ZStw 83, 201.
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2. Kap.: Gefährdungs- und Verletzungs delikte
zen. Angesprochen sind damit teils die bloßen Ordnungswidrigkeiten (2), teils die "uneigentlichen abstrakten Gefährdungsdelikte" (3): (2) Aus dem Kreis der "eigentlichen abstrakten Gefährdungsdelikte" fallen zunächst all' diejenigen "abstrakten Gefährdungstaten" heraus, die nicht dem (mittelbaren) Schutz vor gravierenden Rechtsgutsgefährdungen und -verletzungen dienen und die zudem nicht mit Hilfe einer präzisen Umschreibung der in Betracht kommenden Verhaltensweisen mit dem Bestimmtheitsgebot versöhnt sind. Mit Recht hat Armin Kaufmann780 eine entsprechende "Aufwertung" der abstrakten Gefährdungsdelikte gefordert und die Ausgestaltung des § 167 AE (neben den "Prüfstellendelikten"; dazu J.II.) als einen Schritt in die richtige Richtung bezeichnet. In der Tat hat der AE in § 167 Verhaltensweisen erfaßt und deutlich umgrenzt, die Ursache der schwersten und häufigsten Unfälle und deshalb auch ersichtlich und typischerweise mit einer Gefährdung von Leib und Leben verbunden sind (dazu gehören die Handlungsweisen in § 315c sowie das Fahren mit unzureichenden Bremsen, Reifen, Scheinwerfern). Diese (notwendige) Aufwertung bedeutet zugleich, daß sämtliche vergleichbaren abstrakten Gefährdungstaten, die diesen strengen Erfordernissen nicht genügen, aus dem Kriminalunrecht zu verbannen sind. Der Gesetzgeber ist dieser Forderung mit der Abschaffung der übertretungen bzw. ihrer Umwandlung in Ordnungswidrigkeiten in nicht unerheblichem Maße gefolgt. Und insofern ist das eingangs erwähnte Anliegen von Binding jedenfalls zu einem gewichtigen Teil durchaus berechtigt. (3) Daneben gibt es jedoch (sog.) "abstrakte Gefährdungsdelikte" , die nicht in den Kreis der kriminal rechtlich relevanten Massenhandlungen (1) und auch nicht in den Bereich der Ordnungswidrigkeiten (2) einzubeziehen sind, vielmehr strafrechtlich bedeutsamen "Individualcharakter" tragen. Bei diesen "uneigentlichen abstrakten Gefährdungsstraftaten" wäre es ein Verstoß gegen die Grundsätze von Kriminalunrecht781 und Schuld782 , wenn man die - in den Verhaltensweisen durchaus präzise formulierten und zumindest dem mittelbaren Schutz wichtiger Rechtsgüter dienenden - Vorschriften ohne unmittelbaren Bezug zur konkreten Gefährlichkeit bzw. Gefährdung für Leib, Leben (oder auch im Einzelfall bedeutende Sachwerte783) im Strafrecht belassen wollte. Klassisches und viel diskutiertes Beispiel ist § 306 Nr.2, dessen unbeJZ 1971, 576. s. Rudolphi, Maurach-Festschr., 60. 782 Etwa Arthur Kaufmann JZ 1973, 432; Schmidhäuser AT, 8/103 Fußn. 74; Schünemann JA 1975, 797; Brehm, Dogmatik, 38 ff.; s. a. Cramer, Vollrauschtatbestand, 50 ff. u. in Schönke / Schröder, Rn 3a vor § 306; grundsätzl. a. Stree JuS 1962, 95. 783 s. a. Horn, Gefährdungsdelikte, 95. 780 781
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strittener Sinn und Zweck es letztlich ist, die in dem in Brand gesetzten Gebäude wohnenden Menschen vor Lebensgefährdungen und Tod zu bewahren. Wenn sich nun aber der Täter vor der Brandlegung (zutreffend) vergewissert hat, daß sich keine Menschen in dem Gebäude befinden, so fehlt es im Hinblick auf eine adäquate Lebensgefährlichkeit oder sogar einen Gefahr- oder Verletzungserfolg an jeglichem Handlungsund (primären bzw. sekundären) Erfolgsunrecht sowie an jeglicher Schuld. Man wird deshalb in teleologischer Reduktion ein unrechts- und schuldbegründendes Merkmal subintelligieren müssen, etwa die vorsätzliche oder fahrlässige Schaffung eines adäquaten Lebensgefährdungsrisikos (näher 2.-5.). Erst eine solche "Anreicherung" und Beschränkung des § 306 Nr.2 erhebt diese Vorschrift in den Kreis strafrechtlich relevanter Verhaltensweisen und erklärt ihre drastische Strafdrohung (mindestens ein Jahr Freiheitsstrafe). b) Der bis vor kurzem noch fast einhellig verfochtenen Auffassung, hier ohne Bezug auf ein konkretes Lebensgefährdungsrisiko wegen vollendeter (abstrakter) Gefährdungsstraftat zu verurteilen7l'.t, kann deshalb nicht gefolgt werden. Die Begründung, daß der Schutz der Menschen nicht unmittelbarer Norminhalt, sondern allein Motiv des Gesetzgebers sei, läßt sich hier nicht mehr aufrechterhalten. Wollte man in diesen Fällen des § 306 zu einer Sanktion gelangen, so müßte man diese Vorschrift - "entgegen seiner Stellung im StGB und entgegen seiner drastischen Strafdrohung als bloße Ordnungswidrigkeit" betrachten785 • c) Ist man sich in der modernen Lehre auch weitgehend einig, daß § 306 Nr.2 788 entgegen der noch h. M. nicht als "eigentliches abstraktes 71M Etwa RGSt 23,103; BGHSt 1, 245; Dreher/Tröndle, §306 Rn 1; Lackner, § 306 Anm. 1; Maurach BT6, 528; Olshausen, § 306 Anm. 5; Werner LK8, § 306 Anm. UI 1; s. a. Münzberg, Verhalten, 168 Fußn. 334. Henckel (Gefahrbegriff, 75 f.) unterscheidet zwar klar zwischen den "eigentlichen" (Gefahr als gesetzseberisches Motiv) und "uneigentlichen abstrakten Gefährdungsdelikten" (Gefahr als fingiertes Tatbestandsmerkmal), knüpft an diese Differenzierung jedoch keine besondere Behandlung der letzteren Deliktsgruppe. Der BGH (BGHSt 26, 121 ff.; zustimm. Blei JA 1976, 99; Jescheck AT, 212) hält zwar grundsätzlich an der Deutung des § 306 Nr. 2 als abstraktes Gefährdungsdelikt fest, unternimmt jedoch ein paar tastende Schritte zur teleologischen Reduktion dieser Vorschrift (näher 2.). In diesen Zusammenhang gehört auch, daß eine Räumlichkeit dann nicht mehr zur Wohnung von Menschen dient, wenn sie vom (Allein-)Eigentümer "entwidmet" worden ist (dazu Horn SK, § 306 Rn 6; Schönke / Schröder / Cramer, § 306 Rn 6 m. Nachw. aus der Rspr.). 785 Treffend Rudolphi aaO, 59 f. 7se "In welchen (anderen) Fällen eine einschränkende Anwendung abstrakter Gefährdungsdelikte geboten erscheint ... , ist eine Frage der Interpretation der einzelnen Tatbestände" (so mit Recht Schröder ZStW 81, 17). Mit Schröder (aaO) wird man als Richtlinie den Satz aufstellen können, daß eine einschränkende Interpretation immer dann zulässig sein muß, "wenn der Tatbestand dem Schutz bestimmter konkretisierter Objekte dient, bei denen
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2. Kap.: Gefährdungs- und Verletzungsdelikte
Gefährdungsdelikt" behandelt werden darf, so gehen doch die Wege bei der tatbestandlichen teleologischen Reduktion dieser Vorschrift weit auseinander. Betrachtet man sowohl die objektiven wie die subjektiven Beschränkungsversuche, so bleiben nicht weniger als sieben Lösungsvorschläge innerhalb von drei (2.-4.) grundsätzlichen Meinungsgruppen abzuwägen (vgl. 5.). Dazu zählen die Auffassungen, die § 306 Nr.2 als "eingeschränktes abstraktes Gefährdungsdelikt" (2.); als "potentielles konkretes Gefährdungs- bzw. Verletzungsdelikt" mit vollem adäquaten Verletzungsrisiko (3.a) und dabei ohne jeden subjektiven Bezug (1), mit vollem Vorsatzbezug (2) sowie mit Fahrlässigkeitsbezug (3a); als "potentielles konkretes Gefährdungs- bzw. Verletzungsdelikt" mit vermindertem Verletzungsrisiko und "verdünntem" Vorsatzbezug (3.b) sowie schließlich als konkretes GefahrerfolgsdeIikt (4.) begreifen. Hinzu kommen die Sonderauffassungen von Binding (4.a), Volz (3.a) Ziff. 3b), 13rehm und Horn (3c) sowie Schünemann (3d). Im einzelnen gilt folgendes: 2. § 306 Nr. 2 als "eingeschränktes abstraktes Gefährdungsdelikt"?
a) Der BGH787 trägt in einer neuen Entscheidung zu § 306 Nr.2 den Bedenken der Lehre insoweit Rechnung, als er in den Fällen, in denen eine konkrete "Gefährdung von Menschenleben nach der tatsächlichen Lage absolut ausgeschlossen ist", von einer Verurteilung wegen "abstrakter Gefährdung" abzusehen bereit ist. Der Täter müsse sich aber "durch absolut zuverlässige Maßnahmen vergewissert haben, daß die durch § 306 Nr.2 verbotene Gefährdung nicht eintreten kann". Dies sei nur bei kleinen (einräumigen) Hütten und Häuschen der Fall, nicht aber z. B. bei einem dreistöckigen Hotel. Zur Abstützung seiner Grundregel verweist das Gericht auf die Gesetzesmaterialien, in denen eine konkrete Gefährdung des Rechtsguts gerade nicht gefordert worden war; zur Rechtfertigung der engen Ausnahme nimmt es auch auf § 151 I AE Bezug. b) Diese Einschränkung des § 306 Nr. 2 ist jedoch halbherzig und vermag nicht zu befriedigen. Der BGH faßt die Ausnahme so eng, daß es für sämtliche Gebäude und größeren Schiffe bei der Grundregel der unrechtsbegründenden "abstrakten Gefährlichkeit" verbleibt788 • Diese Grundregel aber für sämtliche Fälle des § 306 Nr.2 aufzugeben, sofern nur nicht ex ante (bei der Tat) ein objektiv-adäquates Lebensgefährim Einzelfall mit Sicherheit festgestellt werden kann, ob sie tatsächlich in Gefahr gebracht worden sind". Das ist bei § 306 Nr.2 ohne weiteres der Fall. 787 BGHSt 26, 124 f.; zustimm. Blei JA 1976, 99; Jescheck AT, 212; Wessels BT/1129; s. noch unten Fußn. 824 sowie Eser, Strafr. III, Fall 19 Anm. 22; vgl. a. Walder SchwZStr 93, 119 Fußn. 6 sowie oben Fußn. 784. 788 s. a. Brehm JuS 1976, 23.
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dungsrisiko besteht, verbieten nicht die Gesetzesmaterialien und ermöglicht der vom BGH ebenfalls angesprochene § 151 AE. Denn wenn sich die Gesetzesmaterialien gegen das Erfordernis einer konkreten Gefährdung des Rechtsguts und damit gegen die Notwendigkeit eines konkreten Lebensgefahrerfolgs aussprechen, so bedeutet das nicht, daß man für den § 306 Nr.2 - will man schon der historisch€n Auslegung wesentliches Gewicht beimessen - de lege lata nicht das Erfordernis eines adäquaten Lebensgefährdungsrisikos zur Zeit der Tat unterlegen könnte 789 • § 151 I Nr. 1 AE beschreitet de lege ferenda diesen Weg, indem es (nur) jede erhebliche Brandverursachung, insbesondere in einem Gebäude, pönalisiert, bei der im Zeitpunkt der Handlung eine Schädigung anderer an Leib oder Leben objektiv nicht auszuschließen ist. c) Eine KlarsteIlung ist freilich schon an dieser Stelle angebracht. Eine Verurteilung aus § 306 Nr.2 ist grundsätzlich schon dann ausgeschlossen, wenn der Täter bei seiner Brandstiftung kein objektiv-adäquates (Lebens)Gefährdungsrisiko geschaffen hat. D. h.: bescheinigt der Richter in objektiv-nachträglicher Prognose vom Stand- und Zeitpunkt der Brandstiftungshandlung (spätestens: bei Beendigung des Brandstiftungsversuchs), daß kein Mensch in (Lebens-)Gefahr ist oder geraten kann, so fehlt es bereits an der objektiven Seite des von § 306 Nr. 2 vorausgesetzten kriminellen Unrechts. In dieses objektive Gefahrurteil ist zwar wie bei jedem Adäquanzurteil das Sonderwissen des Täters (etwa von einem Stadtstreicher im verlassenen Hotel) einzubeziehen, im übrigen sind jedoch die psychischen Tätermomente z. B. bei der Vergewisserung über die "Nichtbewohnung" des in Brand gesetzten Gebäudes der Beurteilung von Vorsatz und Fahrlässigkeit zugehörig790 :
Dies bedeutet im einzelnen, daß § 306 Nr. 2 ausscheidet, wenn - entgegen der objektiven (und subjektiven) Erwartung (oder Erwartbarkeit) zur Zeit der Tat - dennoch ein Mensch in dem in Brand gesetzten Gebäude gefährdet oder (tödlich) verletzt wird. Hier fehlt es objektiv (wie subjektiv) an der zurechenbaren Schaffung eines (Lebens-)Gefährdungsrisikos. - Nimmt der Täter nach seiner "Vergewisserung" hingegen nur irrtümlich an, eine Gefährdung bzw. Verletzung eines anderen sei ausgeschlossen, so wird man - je nach Konzeption - entweder im Anschluß an § 151 111 AE (Begr. 57/59) nach § 309 oder vorzugswürdig (dazu 3., 5.) nach § 306 Nr.2 verurteilen müssen791 • - Der umgekehrte Fall schließlich, daß der Täter irrtümlich ein adäquates (Lebens-)Gefährdungsrisiko für gegeben hält (vgl. auch § 151 11 AE), bedarf im folgen789 Mit Recht hält Brehm (aaO) dem BGH eine Vermengung der "gefährlichen Handlung" mit dem "konkreten Gefahrerfolg" vor. 790 Richtig AE, Begr. zu § 151, S. 57; unzutreffend Brehm aaO, 25. 791 s. grundsätzl. a. Baumann DAR 1962, 99.
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2. Kap.: Gefährdungs- und Verletzungs delikte
den noch näherer Betrachtung (s. 3.a) Ziff. 3d, 3.b), 5.b). Die Frage nach der Strafbarkeit gern. § 306 Nr.2 bei untauglichem Versuch einer (Lebens-)Gefährdung hängt davon ab, ob man die "vermeintliche Schaffung eines adäquaten Risikos" als Untergrenze kriminellen Unrechts ausreichen lassen will. Dies gilt verstärkt für den entsprechenden Fahrlässigkeitsfall (dazu 3.a) Ziff. 3d). d) Wie auch immer, entgegen dem BGH wird man für sämtliche Anwendungsfälle des § 306 Nr. 2 jedenfalls im Regelfall die objektive Schaffung eines adäquaten Risikos verlangen müssen. Von welcher Qualität dieses adäquate Risiko freilich sein muß, ist wie bei § 223a umstritten (vgl. schon oben 11.3.; II1.1.b). Im wesentlichen stehen sich erneut die Auffassung der überwiegenden Lehre, die eine vollumfängliche adäquate Verletzungsgefahr fordert (unten 3.a), und die Ansicht Cramers gegenüber (3.b), der ein Risiko minderer Qualität ("abstrakte Gefahr der konkreten Gefährdung") zur Voraussetzung erhebt. Diese Frage ist schon i. R. von § 223a gegen Cramer entschieden worden (oben II1.1.b); D.1.3.c), wird aber noch einmal unter anderem Blickwinkel aufzugreifen sein (unten 3.b). - Offen ist darüber hinaus, ob § 306 Nr. 2 (neben Lebens-) auch vor Leibesgefahren und -verletzungen zu schützen bestimmt ist. - Selbst wenn man im objektiven Bereich noch eine gewisse Harmonie der Standpunkte vermitteln könnte, geht jede Einheitlichkeit der Linie verloren, wenn man im folgenden auch die subjektive Seite des adäquaten Risikos in die überlegungen miteinbezieht. 3. § 306 Nr. 2 als "potentielles konkretes Gefährdungsbzw. Verletzungsdelikt"
a) Schaffung eines vollumfänglichen adäquaten Verletzungsrisikos Dabei seien diejenigen subjektiven Lösungswege nachgezeichnet, die sich bei der objektiven Voraussetzung der Schaffung eines vollumfänglichen adäquaten (Leibes- oder Todes-)Risikos ergeben. (1) Mangelnder subjektiver Bezug (Baumann)?
Baumann792 schlägt de lege ferenda für das Straßenverkehrs recht (anstelle der §§ 315 ff.), aber auch mit Blick z. B. auf die Brandstiftungsregelungen im ausländischen Recht, vor, daß von Strafe schon dann abgesehen werden könne, wenn im Einzelfall nicht die (geringste) Wahrscheinlichkeit des konkreten Gefahrerfolgs (und damit auch: Verletzungserfolgs) bestand. Das adäquate Risiko gerät zur objektiven Bedingung der Strafbarkeit; ein Vorsatz- oder Fahrlässigkeitsbezug wird 792 DAR 1962, 99 f. m. Fußn. 60, 61a; vgl. dazu Horn, Gefährdungsdelikte, 26 f. Zu § 323a de lege lata s. a. GoUner MDR 1976, 188 f. Fußn. 60.
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(deshalb) nicht verlangt. Diese subjektiven Feststellungen würden - so den Gerichten erhebliche Beweisschwierigkeiten bereiten. Im übrigen läge in dem Verzicht auf sie auch kein Verstoß gegen das Schuldprinzip, da schon die objektive Strafbarkeitseinschränkung für den Täter günstiger sei (so sei er z. B. auch "bei Nichtkenntnis der Unmöglichkeit der Gefährdung ... straffrei"). "Ganz notfalls" könne man dem Täter sogar das Risiko des non liquet aufbürden, da er aus der allgemeinen Ordnung ausgebrochen sei. Baumann -
Diesen Vorschlägen ist jedoch zu widersprechen. Die These vom adäquaten Risiko als objektiver Bedingung der Strafbarkeit widerstreitet dem Grundsatz, daß sämtliche für den Rechtsgüterschutz konstitutiven Merkmale dem Unrecht zuzuschlagen sind. Dies ist z. B. für das Merkmal der "Rechtmäßigkeit der Diensthandlung" eingehend begründet worden703 • Wenn man aber § 306 Nr.2 dahin teleologisch reduziert, daß allein die Schaffung eines (konkreten) adäquaten (Gesundheits- oder) Todesrisikos für einen Menschen bei der Brandstiftungshandlung die Vorschrift erfüllt, so ist auch dieses einschränkende Merkmal unrechtskonstitutiv und bedarf eines Vorsatz- oder Fahrlässigkeitsbezuges (§§ 15, 16 I, 18)1M. Die Ausnahme eines strikt objektiven Zurechnungs- und Unrechtsmerkmals kommt hier schon deshalb nicht zum Tragen, weil die notwendige Vorsatz- bzw. Fahrlässigkeitsbeziehung weder unmöglich oder doch unnötig (wie bei der Deliktsspanne zwischen beendetem Versuch und Vollendung) noch "verbraucht" ist (wie z. B. bei unwesentlich abweichendem Risiko) (näher oben III.2.c); C.I.3.a). - Sieht man die Dinge so, dann kann den Gesichtspunkten der Beweisschwierigkeiten und der immerhin gegenüber den "abstrakten Lösungen" (1., 2.) erzielten Strafbarkeitseinschränkung kein maßgebliches Gewicht zukommen. Die non liquet-Entscheidung schließlich widerstreitet - mag sie auch für die objektiven Bedingungen der Strafbarkeit nicht grundsätzlich ausgeschlossen sein795 - jedenfalls im Unrechtsbereich dem Grundsatz in dubio pro reo. Daß die "Schaffung eines adäquaten Risikos" nach allem eines subjektiven Bezuges nicht entbehren darf, ist denn auch der Ansatz aller weiteren Anhänger des § 306 Nr. 2 als "potentielles konkretes (Lebens-) Gefährdungs- bzw. Verletzungsdelikt" (2-3d). Freilich differieren die gestellten Anforderungen erheblich:
Oben C.I.2.d) bei Fußn. 407 ff.; s. noch unten (3a) zu § 186. Ganz entsprechende überlegungen gelten auch für § 186; dazu sogleich unter (3a). s. noch oben III.2.c). 795 Näher Stree JuS 1962, 95 ff. 703
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2. Kap.: Gefährdungs- und Verletzungs delikte
(2) Voller Vorsatz- oder Fahrlässigkeitsbezug (§ 151 AE) Am weitesten geht (freilich de lege ferenda) § 151 AE, der hinsichtlich des adäquaten (Leibes- oder Lebens-)Risikos grundsätzlich Vorsatz verlangt (Abs. 1)796, jedoch - mit der Folge einer minderen Strafdrohung auch Fahrlässigkeit ausreichen läßt (Abs. 3). Mit § 151 IH AE sind dabei auch diejenigen Fälle abgedeckt, bei denen der Täter die Grundhandlung vorsätzlich vornimmt, jedoch fahrlässig-irrig glaubt, ein adäquates Risiko sei ausgeschlossen (Begr. 57/59). Es unterliegt keinem Zweifel, daß man de lege ferenda so vorgehen kann797 • § 306 Nr.2 geriete je nach Sachlage zu einer Kombination der vorsätzlichen Brandstiftung mit einem vorsätzlichen oder auch fahrlässigen potentiellen konkreten Leibes- oder Lebensgefährdungsdelikt. Da das vorsätzliche Schaffen eines adäquaten Lebensgefährdungsrisikos nach der hier verfochtenen Auffassung auch einen beendeten tauglichen Totschlagsversuch enthält, rechtfertigt sich auch ohne weiteres eine drastische Strafe (nach § 151 I AE Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren). Die entscheidende Frage, die sich de lege lata angesichts der in § 306 zwar drakonischen (mindestens ein Jahr), jedoch noch erheblich unterhalb der Grenzen der §§ 212, 22, 23 H, 49 I liegenden Strafe (mindestens zwei bzw. fünf Jahre) stellt, ist die, ob man hier nicht die subjektive Fahrlässigkeit genügen lassen kann. Dafür spricht auch der Gesichtspunkt, daß man bei einer teleologischen Reduktion (und das bedeutet hier auch: bei einer Divergenz von legislatorischer Entscheidung und Schuldprinzip) nach dem Grundsatz der kleinsten gemeinsamen Basis zu verfahren hat798 • Und dies ist im Bereich von subjektivem Unrecht und Schuld die Fahrlässigkeit. (3) Zumindest Fahrlässigkeitsbezug (a) Die Auffassungen von Rudolphi und Hirsch Dies ist dann auch die wegweisende These von RudolphF 99 • Er setzt für § 306 (und ähnliche "uneigentliche abstrakte Gefährdungsdelikte") voraus, daß der Täter neben der vorsätzlichen Vornahme der Brandstiftung zumindest fahrlässig den von dieser Vorschrift mißbilligten (sekundären) Erfolgsunwert des konkreten Gefahr- oder Verletzungserfolgs "erstrebt" haben muß; d. h.: der Täter muß neben dem vollen Unrecht der Brandstiftung zumindest den objektiv-subjektiven (jeden796 Vgl. grundsätzl. a. Arthur Kaufmann JZ 1963, 432; zu der im Erg. vergleichbaren Auffassung von Binding s. unten 4.a) bei Fußn. 817 f.; hingegen mißverständl. GoUner MDR 1976, 188 f. Fußn. 60. 797 Vgl. noch J.IV.2.; zu § 151 AE a. Horn, Gefährdungsdelikte, 213 ff. 798 Schünemann JA 1975, 798. 799 Maurach-Festschr., 60; s. a. Wolter GA 1977, 259 Fußn. 22.
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falls fahrlässigen) Handlungsunwert sowie den objektiv-primären Erfolgsunwert (= Gefährlichkeitsunwert) des konkreten Gefahrerfolgsdelikts bzw. der Verletzungsstraftat realisiert haben. Auf den Eintritt eines konkreten Gefahrerfolgs oder einer Rechtsgutsverletzung kommt es hingegen nicht an. § 306 gerät zu einer Kombination einer vorsätzlichen vollendeten Brandstiftung mit einem "fahrlässigen (beendeten) tauglichen Gefährdungs- bzw. Verletzungsversuch" und sohin mit einem "fahrlässigen potentiellen konkreten Gefährdungs- bzw. Verletzungsdelikt". - Rudolphi beruft sich dabei auch auf die Überlegungen von Volz - dazu (b) - sowie die den Tatbestand des § 186 einschränkende Lehre von Hirsch (dazu sogleich). Seine Überlegungen sind unlängst von Brehm und Horn weitgehend bestätigt worden (c). In der Tat bietet sich hier die Parallele der einschränkenden Auslegung des § 186 an. Mit guten Gründen verweist Hirsch soo bei § 186 darauf, daß die Kundgabe ehrenrühriger Tatsachen schlechthin (noch) nicht tatbestandsmäßig und damit verboten sein könne. Man müsse auch über ehrenrührige Tatsachen sprechen können. Die spezifische sozialethische Funktion des Ehrbegriffs sei nur dann zu bewahren, wenn man § 186 restriktiv dahin auslege, daß zumindest Sorgfaltswidrigkeit bezüglich der Wahrheitsfrage gegeben sein muß. Dabei untergliedert Hirsch den § 186 in drei Tatbestände; diese Unterteilung besitzt z. T. auch Bedeutung für die Interpretation des § 306: erstens die vorsätzliche ehrverletzende üble Nachrede (Unwahrheitsvorsatz und objektiv erweisliche Unwahrheit); zweitens die fahrlässig ehrverletzende üble Nachrede (Sorgfaltswidrigkeit bezüglich der Wahrheitsfrage und entweder objektive Unwahrheit oder nicht erweisliche Wahrheit); drittens die mit dem Unwahrheitsvorsatz begangene (versuchte) üble Nachrede (Unwahrheitsvorsatz und non liquet bei der objektiven Unwahrheitsfrage). Dabei fungiert der Wahrheitsbeweis nach Hirsch im zweiten und dritten Fall jeweils als Strafausschließungsgrund. Läßt man einmal für § 306 den unproblematischen, weil sicher strafbaren Fall des vollen Vorsatzbezuges hinsichtlich der Schaffung eines adäquaten Gefährdungsrisikos beiseite, so stellen sich zwei Fragen. Einmal wird das Problem zu lösen sein, ob dem von Hirsch angesprochenen, wegen des Erweislichkeitsmerkmals in § 186 besonders gelagerten Versuchsfall nicht i. R. des § 306 der Fall des untauglichen Versuchs gleichgestellt werden kann. Die eine Frage geht also dahin, ob die (vorsätzlich-)vermeintliche Schaffung eines Gefährdungsrisikos für die Verurtei800 Ehre, 168 ff., 198 ff., 203; ähnl. Rudolphi SK, § 186 Rn 15; Welzel Lb, 313 f.; E. A. Wolff ZStW 81, 907 f.; demgegenüber gegen einen Vorsatz- bzw. Fahrlässigkeitsbezug im Hinblick auf die Unwahrheit der behaupteten oder verbreiteten Tatsache z. B. Dreher / Tröndle, § 186 Rn 10; Herdegen LK, § 186 Rn 3 ff.; Lackner, § 186 Anm. 6; Schönke / Schröder / Lenckner, § 186 Rn 10.
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lung nach § 306 hinreicht (vgl. schon oben 2.c). Sie wird unten ([d] und B.b) zu diskutieren sein. Vor allem aber stellt sich die weitere Frage, ob man mit Rudolphi und im Anschluß an Hirsch die fahrlässig-taugliche Schaffung eines adäquaten Gefährdungsrisikos bei einer vorsätzlichen (i. S. v. § 308 einfachen) Brandstiftung für die Bestrafung wegen vorsätzlicher schwerer Brandstiftung nach § 306 genügen lassen kann. Der AE (§ 151 III) käme hier wie bemerkt - nur zu einer Verurteilung aus § 309. Zu einer vergleichbaren Lösung käme man bei der analogen Anwendung des § 16 I (analog deshalb, weil das in einer teleologischen Reduktion gewonnene Unrechtsmerkmal der "Risikoschaffung" nicht zum gesetzlichen Unrechtstatbestand i. S. des § 16 I gehört). Auch § 18 ist nicht einschlägig, da diese Vorschrift auf Verletzungs- (noch nicht einmal: Gefahr-)Erfolge i. S. eines sekundären Erfolgsunwerts zu beschränken (oben III.2.c) und nicht auf die handlungsbezogene (-begleitende) Schaffung eines primären Erfolgsunwerts zu erstrecken ist. § 11 II ist deshalb ebenfalls nicht betroffen. - Dennoch wird man angesichts der drastischen Strafdrohung in § 306 (Verbrechen!) mit der fahrlässigen Schaffung eines adäquaten Gefährdungs- (= Verletzungs-)Risikos die unterste Stufe des subjektiven Unrechts wie der Schuld genügen lassen können (näher 5.a). (b) Die Auffassung von Volz
Nur mit erheblichen Vorbehalten verwertbar ist jedoch der Hinweis auf die Erörterungen von VOlZ B01 • Zwar unterlegt Volz den abstrakten Gefährdungsdelikten mit dem Merkmal des vorsätzlichen oder fahrlässigen "Risikoeingehens" ein einschränkendes Merkmal. Seine Auffassung unterscheidet sich jedoch wesentlich von der zuvor (a) erörterten Variante des "zumindest fahrlässigen potentiellen konkreten Gefährdungsdelikts". Denn einmal will Volz entgegen Rudolphi nicht auf das konkrete Risiko des Gefahrerfolgs, sondern auf die generelle Möglichkeit des Erfolgs "ohne Rücksicht auf die Handlungswirkung" abstellenB02 • Dabei bleibt unerfindlich nicht nur, wie man ein "Risikoeingehen" ohne Berücksichtigung der Handlungswirkung beurteilen, sondern auch, wie man dieser nur generellen Gefahr dann aber beim "Risikoausschluß" in concreto entgegenwirken sollB03. Volz räumt denn auch ein, daß das generelle Risiko auch im Einzelfall das erlaubte Risiko erhöhtB04 . - Und zum anderen läßt er bei § 306 nicht etwa Fahrlässigkeit aus801
Unrecht, 143 ff.; vgl. a. die Hinw. von Horn aaO, Fußn. 80; Jescheck AT,
212 Fußn. 40.
BOl aaO, 803 aaO, mit Recht 804 aaO,
144, 147, 161 f. u. Ö. 161 (Volz erkennt hier selbst seine Widersprüchlichkeit); gegen ihn a. Brehm, Dogmatik, 86 Fußn. 4, 88 m. weit. Argumentation. 110 f., 144.
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reichen, sondern verlangt insoweit Vorsatz805 • - Schon diese beiden Hinweise offenbaren, daß Volz nicht Gewährsmann der unter (a) favorisierten Lösung (§ 306 als Kombination vorsätzlicher Brandstiftung und "fahrlässiger potentieller konkreter Gefährdung bzw. Verletzung") sein kann. (c) Die Auffassungen von Brehm und Horn In die Richtung der grundlegenden überlegungen von Rudolphi (und Volz) weisen auch die Ausführungen von BrehmB06 und Horn B07 • Beide verlangen neben der vorsätzlichen Brandstiftung die fahrlässige Schaffung eines adäquaten Todes- (Brehm) bzw. Leibes- oder Todesrisikos (Horn). Doch ähnlich wie gegen die Lösung von Volz sind auch gegen ihre Vorschläge im einzelnen erhebliche Vorbehalte anzumelden:
BrehmB08 setzt zunächst zu Recht das Gefährdungs- mit dem Verletzungsverbot gleich und gelangt so zu einer Identität von objektivem Gefährdungs- und Verletzungsrisiko, wie sie auch hier verfochten wird (D.I.3.e)[3]). Doch ist es dann nicht konsequent, wenn Brehm mit der h. M. den Gefährdungsvorsatz mit der (bewußten) Verletzungsfahrlässigkeit gleichstellt (dagegen oben D.I.3.d) und so § 306 letztlich zu einem vorsätzlichen potentiellen konkreten Gefährdungsdelikt aufwertet. Dies widerspricht dem Grundsatz der kleinsten gemeinsamen Basis bei einem Ausgleich von legislatorischem Versäumnis und Schuldprinzip (oben [2]). Denn der kleinste gemeinsame subjektive Nenner wäre dann die Gefährdungsfahrlässigkeit. Im übrigen kann nach den Thesen von Brehm auch nicht mehr von einer vollen Identität von Gefährdungs- und Verletzungsverbot, das objektive wie subjektive Momente (z. T. dialektisch) vereinigt809, die Rede sein. Aber auch die weiteren Einzelheiten vennögen bei Brehm nicht zu überzeugen. So will es nicht einleuchten, daß die objektive Schaffung eines adäquaten Gefährdungs- bzw. Verletzungsrisikos schon dann ausgeschlossen sein soll, wenn der (möglicherweise minder begabte) Täter ohne vorwerfbare Fehler das in Brand gesetzte Haus vorher durchsucht hat und dann entgegen seiner subjektiven Erwartung doch ein Mensch gefährdet, verletzt oder getötet wird806 • Hier wird man doch - wenn der objektive Beobachter präziser vorzugehen in der Lage ist - allenfalls die subjektive Fahrlässigkeit des Täters, nicht aber die objektive Herbeiführung eines Risikos ausschließen können. - Insgesamt wird aaO, 152 f. Dogmatik, 126 ff., 137 m. Fußn. 1 (m. Hinw. auf Volz); s. a. JuS 1976, 24. 807 Gefährdungsdelikte, 22 f., 28, 94 f., 218 f. (m. Hinw. auf Rudolphi und Volz). 808 aaO, 99 f. 809 Dazu oben C.I.2.b) bei Fußn. 239 ff.; d) bei Fußn. 277 ff., 294, 364 ff., 375 ff. 805
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man also - trotz des beachtlichen Grundansatzes von Brehm - nach einer dogmatisch eher überzeugenden Lösung Ausschau halten müssen. Eine solche Lösung wird allerdings auch nicht von H orn&07 geliefert. Denn sein Vorschlag, § 306 um einen objektiv sorgfaltswidrigen Leibesoder Lebensverletzungsversuch zu erweitern, ist zwar wiederum im Grundanliegen zutreffend; gleiches gilt hier für die Gleichsetzung von zungsvorsatz sowie (dann auch konsequent) von Gefährdungs- und Verletzungsverbot810 • Jedoch ist bei der Irrtumsproblematik erneut Widerspruch geboten. In einern gegenüber Brehm umgekehrten Sinne verGefährdungs- und Verletzungsrisiko, von Gefährdungs- und Verletwechselt auch Horn in einern Irrtumsfall die objektive mit der subjektiven Seite des Unrechts. So will er in dem Fall, daß der Täter irrig die Herbeiführung eines adäquaten Lebensverletzungsrisikos annimmt, die objektive Sorgfaltswidrigkeit bejahen811 • Dies ist aber kein Fall der objektiven, sondern der vermeintlichen Schaffung eines adäquaten Risikos und damit eine Konstellation des untauglichen Versuchs. (d) § 306 Nr. 2 als "fahrlässig-untaugliches potentielles konkretes Gefährdungs- bzw. Verletzungs delikt" (Schünemann)? Nimmt man diese letzte Fallkonstellation, dann ist der Vorwurf
Schünemanns 812 gegenüber Horn, hier werde der unwissend objektiv
sorgfaltsgemäß handelnde Täter ungerechtfertigt privilegiert, jedenfalls für diesen Teilbereich unberechtigt. Im übrigen ist es durchaus zweifelhaft, ob man den Lösungsvorschlägen von Schünemann zustimmen kann:
Schünemann erteilt zunächst den mit einern "fahrlässig-tauglichen Gefährdungs- bzw. Verletzungsversuch operierenden Grundlösungen Brehms und Horns (c) eine Absage, "weil die ex ante aufzustellende Sorgfaltsnorrn bei einer ex post-Betrachtung durchaus in concreto sinnlos erscheinen kann". So dann skizziert er seinen eigenen Ansatz, der § 306 Nr.2 als eine Kombination der vorsätzlichen Brandstiftung mit einem fahrlässig-untauglichen Gefährdungs- bzw. Verletzungsversuch erscheinen läßt: Die Fahrlässigkeit als subjektive Voraussetzung entspreche dem mit Rücksicht auf die das Schuldprinzip in § 306 vernachlässigende 810 Freilich wird man Horn entgegen Schünemann (JA 1975, 798) nicht dahin interpretieren können, daß neben der objektiven Fahrlässigkeit nicht auch die subjektive Sorgfaltswidrigkeit verlangt wird (s. a. Horn aaO, 23: Unterschied zum sonstigen Fahrlässigkeitsdelikt nur bezüglich der Folgenlosigkeit; vgl. ferner die Hinw. aaO, 22 Fußn. 80 auf die objektiv-subjektiven Lösungsvorschläge von Rudolphi und Volz). Wenn Schünemann recht hätte, so stände Horn das zu (1) Gesagte zusätzlich entgegen. 811 aaO, 218 f.; dagegen a. Krümpelmann, Bagatelldelikte, 92 Fußn. 123. 812 JA 1975, 798.
E.
Potentielle konkr. Gefährdungsdel. (Gefährlichkeitsunrecht)
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legislatorische Entscheidung - Grundsatz der kleinsten gemeinsamen Basis (vgl. schon [2, 3e]). Und die Untauglichkeit des "fahrlässigen Gefährdungs- bzw. Verletzungsversuchs" sei ebenfalls ausreichender Anknüpfungspunkt für eine Verurteilung, denn: "wer den Tatbestand des § 306 erfüllt, ohne die aus seiner Sicht und seinem Vermögen erforderlichen Maßnahmen zur Ausschaltung jeglicher Schadensmöglichkeit zu treffen, verdient aufgrund seiner Gefährlichkeit auch dann die Bestrafung aus dem abstrakten Gefährdungstatbestand, wenn seine Maßnahmen bei objektiver Berücksichtigung aller Umstände als ausreichend erscheinen" . Dieser Konzeption ist aber im Grundansatz zu widersprechen. Der Hinweis, daß eine ex ante aufgestellte Sorgfaltsnorm bei einer ex postBetrachtung in eonereto sinnlos erscheinen kann, ist zwar für sich genommen unanfechtbar. Doch kann man daraus nicht den Schluß ziehen, daß auf ein objektives ex ante-Urteil und damit auf ein objektives Eignungs- bzw. Gefahrvotum grundsätzlich verzichtet werden könnte. Wollte man dem folgen, so würde man das Rechtsinstitut des tauglichen Versuchs mit seinen besonderen Rücktrittsvoraussetzungen, das auf taugliche Vorhaben beschränkte unechte Unternehmens delikt (dazu C.IL3.) sowie die Existenz von "Eignungsdelikten" (z. B. §§ 126, 130, 166, 186, 187, 223a, 229, 311d; dazu C.II.2., III.1.; E.I1L) verleugnen. Schünemanns Ansatz mag deshalb für die Risikoerhöhungslehre, bei der es nicht um die konkret sorgfaltswidrige Handlung, sondern um das hypothetische Alternativverhalten geht, brauchbar sein813 • Für die teleologische Reduktion der "uneigentlichen abstrakten Gefährdungsdelikte" ist er hingegen untauglich. Und was Schünemanns eigene Konzeption angeht, so ist allein der Gesichtspunkt zutreffend, daß die subjektive Fahrlässigkeit die kleinste gemeinsame Basis zur Versöhnung des § 306 mit dem Schuldprinzip (und dann auch: den Anforderungen des subjektiven Unrechts) ausmacht. Aber der fahrlässig-untaugliche Gefährdungs- bzw. Verletzungsversuch bildet nicht (auch de lege ferenda nicht) die Untergrenze strafrechtlich relevanten und damit rechtswidrig-schuldhaften Verhaltens. Vielmehr gibt es nur eine alternative Untergrenze: entweder den "vorsätzlich-untauglichen" Versuch (und diesen schon de lege lata nur in eingeschränktem Maße); oder den fahrlässig-tauglichen Versuch (der :zmar de lege lata nicht strafbar, jedoch de lege ferenda zu befürworten ist dazu oben C.I1L2.; unten V. - und deshalb auch bereits dem geltenden § 306 im Wege teleologischer Reduktion unterlegt werden kann). Hingegen verschöbe es die Strafbarkeitsgrenzen zu weit nach vorn bzw. wäre § 306 noch immer nicht mit eindeutigem kriminellen Unrechts813
JA 1975, 652 ff.; dazu 3. Kap. B., 1. Kap. A.IV.5.
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2. Kap.: Gefährdungs- und Verletzungsdelikte
und Schuldgehalt versehen, wenn man aus bei den Versuchsarten als Synthese den fahrlässig-untauglichen Versuch bilden wollte. Dies gälte selbst dann, wenn man mit Schünemann immerhin das "fahrlässigvermeintliche" Herbeiführen eines vollumfänglichen Verletzungsrisikos und damit einen "beendeten" (und dann: bewußt) fahrlässig-untauglichen Versuch fordern wollte. Das sei im folgenden noch verdeutlicht: Der Anwendungsbereich des vorsätzlich-untauglichen Versuchs ist auf die ganz eindeutigen Fälle der Rechtsfriedensstörung zu beschränken (näher C.I.l.a). Nicht nur haben grob unverständige Vorhaben, Versuche mit "unbeachtlich geringem Risiko" oder "irreale Versuche" auszuscheiden; der vorsätzlich-untaugliche Versuch kommt vielmehr (z. B.) auch nicht bei untauglichem Subjekt, im gesamten Bereich der unechten Unternehmensdelikte sowie bei sämtlichen unechten Unterlassungsdelikten in Betracht (näher F.I.6. m. weit. Beisp.; F.II.). Schon von daher ist er als Mittel teleologischer Reduktion nur mit Bedacht und den genannten Einschränkungen zu verwenden (näher 5.b). Ein fahrlässiger Versuch kann hingegen de lege ferenda nur bei Tauglichkeit und damit Gefährlichkeit des Verhaltens (i. S. der Schaffung eines adäquaten Gefährdungs- und Verletzungsrisikos) zur Anwendung gelangen (näher oben C.III.; unten V.). Nur insoweit besteht ein kriminalpolitisches Bedürfnis für eine Pönalisierung; denn da das Ausbleiben des konkreten Gefahr- bzw. Verletzungserfolgs ein Zufallsprodukt und insbesondere der Gefahrerfolg nur unter erheblichen Beweisschwierigkeiten und mit kaum noch praktikablem Aufwand feststellbar ist (D.III.2.,3.), besteht kein Anlaß, den ein immerhin adäquates Verletzungsrisiko schaffenden Fahrlässigkeitstäter straffrei ausgehen zu lassen. Hingegen fehlt es dann, wenn der Täter (z. B. bewußt) fahrlässig (und dann: irrtümlich und vermeidbar) noch nicht einmal ein objektives Risiko, vielmehr eine bloße "Plangefahr" herbeiführt, an einem Strafbedürfnis. Wenn aber schon der vorsätzlich-untaugliche Versuch erheblichen Beschränkungen unterliegt und der fahrlässige Versuch nur bei objektivem Risiko i. R. künftigen Rechts denkbar ist, dann ist gleichsam von zwei Seiten der Weg versperrt, den § 306 mit einem fahrlässig-untauglichen Gefährdungs- bzw. Verletzungsversuch teleologisch zu reduzieren. Im übrigen ist es unerfindlich, woran denn bei einem objektiv nicht vorhandenen Verletzungsrisiko i. R. von § 306 der Vorwurf insbesondere der unbewußten Fahrlässigkeit anknüpfen soll. Wenn sich also - für den objektiven Betrachter ohne weiteres erkennbar - in der in Brand gesteckten Hütte niemand aufgehalten hat, dann wird man die Fahrlässigkeitsfrage bei einem ohne jede Vergewissserung sorglos handelnden Täter gar nicht mehr sinnvoll formulieren können. Denn da es schon
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keinen objektiven Anknüpfungspunkt für eine Vergewisserung über Bewohner gibt, kann man das "individuelle Erkennenkönnen" nicht mehr sachgerecht untersuchen. Was Schünemann letztlich vorwerfen will, ist dann auch nicht Fahrlässigkeit bezüglich einer Leibes- oder Lebensgefährdung, sondern die schlichte Verletzung einer Prüfungspflicht. Diese Verletzung der "pflichtgemäßen Prüfung" vermag jedoch weder bei den Rechtfertigungsgründen814 noch bei der Vermeidbarkeit des Verbotsirrtums81~ noch schließlich wie hier bei der teleologischen Reduktion des § 306 eine dogmatische Eigenständigkeit zu entfallen. Denn die Vergewisserung hätte für das geschützte (im konkreten Fall gar nicht betroffene) Rechtsgutsobjekt keine Verbesserung der Rettungschancen erbracht. Man kann nicht das bloße Unterlassen einer Erkundigung ohne objektiven Anlaß, d. h. bei Fehlen einer durch die gebotene Prüfung bewirkbaren Erhöhung der Rettungschancen, als strafrechtlich relevanten Angriff auf das geschützte Rechtsgut werten. b) Schaffung eines adäquaten VerZetzungsrisikos minderer Qualität mit "verdünntem" Vorsatzbezug (Cramer) (1) Nach allem kann man festhalten, daß sämtliche bisher erörterten Auffassungen (mit Ausnahme der von Schünemann) de lege lata auf objektivem Felde die Schaffung eines volZumfänglichen adäquaten Leibes- oder Lebensverletzungsrisikos voraussetzen. Unentschieden ist objektiv allein die Frage, ob § 306 nur den Lebensschutz oder auch schon die Bewahrung der Körperintegrität bezweckt (dazu 5.a). Umstritten, doch bereits entschieden ist die zweite Frage, welche Anforderungen an das subjektive Unrecht sowie die Schuld zu stellen sind. Hier wird man - da man auf einen subjektiven Bezug nicht vollständig verzichten kann (vgl. a)[l]) grundsätzlich ~mindestens) Fahrlässigkeit als kleinste gemeinsame Basis bei einer teleologischen Reduktion ausreichen lassen müssen. Vorsatz (vgl. aber auch § 151 I AE) ist nicht erforderlich. Freilich wird man dann, wenn der Täter kein adäquates Körperverletzungs- bzw. Todesrisiko herbeigeführt hat, auch die vorsätzlichvermeintliche Schaffung eines solchen Risikos für die Vollendung des § 306 genügen lassen können (s. auch § 151 II AE, der dann allerdings zur Versuchsstrafbarkeit gelangt; näher 5.b). Hier liegt eine alternative "kleinste gemeinsame Basis" bei einem Ausgleich eines legislatorischen Regelungsversäumnisses mit dem subjektiven Unrechts- bzw. Schuldprinzip vor. (Nur) insoweit hat Schünemann mit der Einbeziehung auch untauglicher Vorhaben recht. 814 Umfassend dazu Rudolphi, Schröder-Gedächtnisschr., 73 ff.; s. a. oben C.I.2.d) Fußn. 284, bei Fußn. 440. 81S Wolter JuS 1979, 484 f.
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2. Kap.: Gefährdungs- und Verletzungs delikte
(2) Einen ganz anderen Weg geht emmer. Er fordert objektiv ein vermindertes Risiko i. S. der ,,(abstrakten) Gefahr der konkreten Gefährdung" und subjektiv einen "verdünnten" Vorsatz i. S. des Kennens der das Gefahrurteil tragenden Anknüpfungstatsachen ohne bewußten Nachvollzug dieses Werturteils. Es bedarf nicht mehr der Begründung, daß beide Einschränkungen einer überprüfung nicht standhalten (näher D.L3.c); E.IIL1.b), 2.a), IV.2.d). Ein reduzierter Vorsatz widerstreitet den Erfordernissen der Parallelwertung in der Laiensphäre und damit schon § 16 I S. 1; der volle Vorsatz ginge andererseits über die kleinste gemeinsame Basis (vollumfängliche Fahrlässigkeit) hinaus. - Die (abstrakte) Gefahr der konkreten Gefährdung ist dagegen stets zugleich die konkrete (adäquate) Gefahr der Verletzung. Es bleibt also dabei, daß § 306 insoweit nur (und schon) mit der "fahrlässigen Schaffung eines adäquaten Verletzungsrisikos" und damit einem beendeten fahrlässig-tauglichen Verletzungsversuch teleologisch zu reduzieren ist. Nun könnte man freilich daran denken, den Gedanken emmers auf objektivem Felde modifizierend dahin zu verwenden, daß man statt des vollen adäquaten Verletzungsrisikos allein das Anfangsverletzungsrisiko des (fahrlässigen) unbeendet-tauglichen Versuchs zur Voraussetzung erhebt. Man hätte dann das Argument auf seiner Seite, daß man auch im objektiven Bereich auf die kleinste gemeinsame Basis, nämlich das Anfangsrisiko als Untergrenze des objektiven Unrechts (näher oben II.1.), zurückgreift. Aber dem wäre aus mehreren Gründen zu widersprechen. Einmal führt auch hier (vgl. schon oben a) (3d) zum beendeten fahrlässig-untauglichen Versuch) die Kombination zweier Untergrenzen zu einer Rechtsfigur, die man wegen mangelnder Strafwürdigkeit de lege ferenda nicht befürworten könnte. Der fahrlässige unbeendet-taugliche Versuch muß straflos bleiben. Pönalisieren kann man sinnvoll allein die fahrlässige Schaffung eines vollen Verletzungsrisikos (auch dazu näher oben a) [3d]). - Zum anderen läßt sich insbesondere bei der unbewußten Fahrlässigkeit schwerlich zwischen Anfang und Beendigung eines Versuchs unterscheiden. Denn diese Einschnitte hängen - wie begründet (oben C.L1.) - allein vom Tatplan ab, den der unbewußt Handelnde nicht hat.
Im Ergebnis könnte man allenfalls dadurch eine gewisse Harmonie herstellen, daß man bereits die Schaffung von vollumfänglichen adäquaten Gesundheitsgefahren bei § 306 hinreichen läßt. Denn gerade die vollumfängliche Herbeiführung eines Gesundheitsrisikos macht (jedenfalls bei Tötungsvorsatz und bewußter Tötungsfahrlässigkeit) das Anfangstodesrisiko aus (oben 11.1.). Aber es wird sich erweisen, daß
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§ 306 von vornherein auf den Lebensschutz zu beschränken ist (unten 5.a). Dann aber muß vom Täter zwnindest fahrlässig ein vollumfängliches adäquates Todesrisiko geschaffen werden816 • Bevor wir uns freilich mit der Frage nach dem Schutzgut näher befassen, sei ein Blick auf diejenigen Lösungsalternativen geworfen, die über ein adäquates Gefährdungs- bzw. Verletzungs risiko hinaus den Eintritt eines Gefahrerfolgs verlangen und so dem Anspruche nach die vorsätzliche Brandstiftung mit einem vorsätzlichen vollendeten konkreten Gefährdungsdelikt kombinieren. Der Sache nach freilich wird z. T. (objektiv) nicht wesentlich mehr verlangt, als es eramer tut. Dies gilt namentlich für die Thesen von Binding (4.a), die wiederum eng mit den Vorschlägen von Rabl und Schröder (4.b) zusammenhängen.
816 Insgesamt sei gegenüber den Kritikern von Cramer (vgl. etwa a. Schünemann JA 1975, 798; Tiedemann, Tatbestandsfunktion, 167) hervorgehoben, daß mit der "abstrakten Gefahr der konkreten Gefährdung" (Cramer, Vollrauschtatbestand, 50 ff., 62 ff., 68; zustimm. Vermander, Unfallsituation, 38 ff.; s. a. Sax JZ 1976, 11 Fußn. 27) nicht etwa ein konkreter Gefahrerfolg gemeint ist (so aber Arthur Kaufmann JZ 1963, 433; s. a. Volz, Unrecht, 52; Volk GA 1976, 172), und daß der Vorwurf, Cramer unternehme mit der Einführung dieses Merkmals einen letzten Versuch, beim abstrakten Gefährdungsdelikt doch noch einen Erfolg nachzuweisen (Brehm, Dogmatik, 83; s. a. Horn, Gefähdungsdelikte, 23 ff.), an der Sache vorbeigeht. Denn Cramer (aaO, 65, 68; s. a. Vermander aaO) bezieht sich mit seinem Merkmal ausdrücklich und mit Recht auf das gefährliche Verhalten (die "Angriffsintensität") beim abstrakten Gefährdungsdelikt. Freilich ist - und dies läßt den Einwand von zwei Seiten her als verfehlt erscheinen -, die Schaffung eines wie immer gearteten objektiven Gefährdungs- und Verletzungsrisikos stets auch schon als "primäres Erfolgsunxecht" (Gefährlichkeitsunrecht) zu begreifen. Insofern handelt es sich nicht um einen unzulässigen letzten, vielmehr um einen im Ansatz durchaus berechtigten - wenn auch im Ergebnis abzulehnenden - Versuch., die (uneigentlichen) abstrakten Gefährdungsdelikte durch ein gewisses Risiko- bzw. Erfolgsunrecht teleologisch zu reduzieren. - Wenn man an der Deduktion von Cramer weitere Kritik üben will, so bleibt allein seine Argumentation vom untauglichen Versuch her, der eine vergleichbare abstrakte Gefahr enthalten soll (näher aaO, 63 ff.). Es ist entgegen Cramer nun aber durchaus nicht so, daß sich zwischen konkreter und abstrakter Gefährdung "ähnliche verbrechensstrukturelle Aspekte ergeben wie im Verhältnis zwischen tauglichem und untauglichem Versuch" (64). Denn der untaugliche Versuch enthält stets allein ein objektiv-subjektives Handlungsunrecht; es mangelt gerade an der objektiven Gefährlichkeit des Verhaltens und damit an einem objektiven Risiko- und primären Erfolgsunxecht. Zusammenfassend rechtfertigt sich deshalb die Feststellung, daß die Autoren (Cramer, Vermander) wie ihre Kritiker (vor allem Brehm, Horn, Volz) aneinander vorbeireden, weil sie das Rechtsinstitut des Risiko- bzw. primären Erfolgsunrechts noch nicht in seiner dogmatischen Eigenständigkeit erkennen (dazu i. e. oben II.; C.I.1a), cl; 2.b).
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2. Kap.: Gefährdungs- und Verletzungsdelikte 4. § 306 Nr. 2 als konkretes Gefährdungsdelikt (Binding; Rabl, Schröder)?
a) Es wurde eingangs (1.a) bereits erwähnt, daß Binding773 die abstrakten Gefährdungsdelikte teils den "großen Polizeiübertretungen", teils den konkreten Gefährdungsdelikten zuschlägt. Grundlage ist für ihn dabei das Empfinden, daß die Pönalisierung einer unwiderleglichen Gefährdungsvermutung und damit in vielen Fällen einer schlichten Fiktion mit den Grundsätzen des Strafrechts unvereinbar sei, so daß die abstrakten Gefährdungsdelikte entweder aus dem Kriminalstrafrecht zu eliminieren oder i. S. eines konkreten Gefährdungsdelikts auszulegen seien. Da Binding nun freilich bei den konkreten Gefährdungsdelikten die "restriktive Gefährdungsrisikotheorie" verficht817 , steht er (und mit ihm auch die weiteren Vertreter dieser Theorie) zumindest objektiv auf dem Boden der Auffassung von Cramer. Denn Binding läßt gleichfalls die Schaffung eines adäquaten Gefährdungs- bzw. Verletzungsrisikos minderer Qualität genügen. Die "uneigentlichen abstrakten Gefährdungsstraftaten" geraten zu "vorsätzlichen potentiellen konkreten Gefährdungsdelikten" mit verminderter Gefährlichkei~18. (b 1) Rabls Konzeption liegt zunächst insofern auf einer Linie mit Bindings Lehre, als auch nach ihm der Bestand der Rechtsgüter außer durch Verletzung nur durch konkrete Gefährdung angegriffen werden kann, soll nicht ein "Mangel am Tatbestand" vorliegen; wie Binding bestimmt auch er die konkrete Gefahr ex ante 819 • Sodann trennen sich jedoch die Wege insofern, als Rabl den abstrakten Gefährdungsdelikten die im Prozeß widerlegliche Gefährdungsvermutung unterlegt B20.
Dieser Konzeption ist freilich ebenso zu widersprechen. Zunächst ist unerfindlich, wie die von Rabl ausdrücklich ex ante bestimmte konkrete Gefährdung nachträglich im Prozeß dann doch soll widerlegt werden könnenB21 . - Des weiteren widerstreitet es der vom Gesetzgeber vorgezeichneten kriminalpolitischen Wertung, wenn ein deliktisches Geschehen, das zur Zeit der Tat für den objektiven Beobachter als außergewöhnlich gefahrträchtig erscheint, dann wegen der Widerlegung des Gefahrurteils im Prozeß für straflos erklärt werden mußB22. Denn der 817 Oben D.I.3.a) bei Fußn. 571 ff.; E.III.1.b) m. Fußn.758. Vgl. im übrigen zur berechtigten Kritik an der Binding'schen Konzeption Cramer, Vollrauschtatbestand, 52 ff, 60 f. Ob Binding gerade § 306 zu den konkreten Gefährdungsdelikten zählt, ist freilich zweifelhaft (vgl. Normen I, 397 Fußn.47); doch behalten seine Ausführungen für den Gesamtkomplex der "uneigentlichen abstrakten Gefährdungsdelikte" ihren Wert. 81B Zur Vorsatzfrage vgl. Binding, Normen 1,386. 819 Gefährdungsvorsatz, 4, 19 f. 820 aaO, 19 f., 21. 821 s. a. Brehm, Dogmatik, 69. 822 Vgl. a. Brehm aaO, 71.
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"Versuch der abstrakten Gefährdungsdelikte", der dann nachbleibt, ist vielfach - wenn auch nicht bei § 306 - straflos. Der Gesetzgeber hat aber gerade die gefährlichen Verhaltensweisen als solche pönalisieren wüllen. - Und vür allem verstößt Rabls Auffassung gegen den Grundsatz in dubio pro. reü 823 • Denn da er den Erfülg der künkreten Gefahr zum Unrechtstatbestand zählt, vün einem Mangel am Tatbestand jedüch nur bei nachträglicher Widerlegung des Gefahrurteils ex ante ausgeht, ist er bereit, bei einem Zweifel über ein unrechtsbegründendes Merkmal zu Lasten des Täters zu entscheiden. (2) Ganz ähnliche Vürbehalte sind auch gegenüber der Lösung vün Schröder geltend zu machen, der bei Straftatbeständen wie § 306 dem Gericht die Befugnis einräumt, "den Gegenbeweis gegen die Gefährlichkeit im Einzelfall zu führen und den Tatbestand dann nicht anzuwenden, wenn festgestellt werden kann, daß die Tat zu keiner denkbaren Gefährdung vün Menschenleben geführt hat"824. Denn nimmt man Schröders Bezugnahme auf Rabl ernst, dann gerät man erneut in Künflikt mit dem in-dubiü-Satz. Fürdert man hingegen, daß dem Täter die Gefährdung vün Menschenleben ausnahmslüs nachgewiesen werden muß 825, so. verwandelt man die "uneigentlichen abstrakten (= pütentiellen künkreten) Gefährdungsdelikte" in künkrete Gefahrerfülgsdelikte-. Auch hier süll es dann bei zufälligem Ausbleiben des Gefahrerfülgs entgegen den Intentiünen des Gesetzgebers - nicht mehr hinreichen, daß vüm Zeit- und Standpunkt der Tatbegehung die Handlung ernsthaft gefährlich für den Eintritt einer Lebensgefährdung und des Tüdes vün Menschen gewesen ist. c) Faßt man zusammen, so. beruhen die Auslegungsschwierigkeiten insbesündere für Binding und Rabl auch darauf, daß sie nur den Verletzungs- und künkreten Gefahrerfolgen und damit allein den sekundären Erfülgsunwerten ein eigenständiges Gewicht bei der Unrechtsbegründung beimessen. Sie übersehen, daß gewissen Erscheinungsfürmen der Straftat, etwa den beendeten tauglichen vürsätzlichen üder fahrlässigen Gefährdungs- und Verletzungsversuchen (oben C.L, IlL2.; E.L; unten V.), den vürsätzlichen oder fahrlässigen po.tentiellen Gefährdungsund Verletzungsdelikten (oben C.Il., IlI.1.; E.IlL) sowie den "uneigent823 Brehm aaO, 70; Cramer, Vollrauschtatbestand, 56 ff.; Horn, Gefährdungsdelikte, 22; Verrnander, Unfall situation , 38 Fußn.62; s. a. v. Hippel, Gefahrenurteile, 91; grundsätzl. Stree JuS 1962, 95 ff. 824 ZStW 81, 16; s. a. JZ 1967, 525 (zu § 308 I 2. Alt.) jew. m. Hinw. auf Rabl u. weit. Nachw.; a. die oben zu 2. dargestellte Lösung des BGH geht ansatzweise in diese Richtung (vgl. a. Baumann AT, § 12 11 2b; Arthur Kaufmann JZ 1963, 432; Schmidhäuser AT, 8/103 Fußn. 74). 825 Was bei einer Interpretation der Schräder'schen Thesen näher liegt (s. a. Horn aaO, 25). 82t So. a. Ho.rn aaO, 26; Schünemann JA 1975, 797.
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2. Kap.: Gefährdungs- und Verletzungs delikte
lichen abstrakten Gefährdungsdelikten" (E.IV.), das objektive Unrechtselement des "primären Erfolgsunwerts" (Gefährlichkeitsunwerts) zugrunde liegt 827 • 5. Ergebnis und eigene Lösung
Nach allem steht ein wesentliches Zwischenergebnis fest. § 306 Nr.2 ist nur dann erfüllt, wenn der Täter neben der vorsätzlichen Brandstiftung (shandlung) entweder (zumindest) fahrlässig ein (vollumfängliches) adäquates Verletzungsrisiko als primären Erfolgsunwert (Gefährlichkeitsunwert) schafft oder (vorsätzlich und irrtümlich) ein solches Risiko herbeizuführen meint. Beide Alternativen wahren die bei einer teleologischen Reduktion gleichermaßen erforderlichen und ausreichenden Untergrenzen von Unrecht und Schuld: entweder Fahrlässigkeit und reale Gefährlichkeit (i. S. eines vollumfänglichen adäquaten Verletzungsrisikos) oder Vorsatz und vermeintliche Gefährlichkeit. Die gefundene Zwischenlösung verwirklicht die Grundanliegen von Rudolphi und Hirsch (3.a) Ziff. 3a) sowie von Horn und Schünemann (3.a) Ziff. 3c, d). - Offen geblieben sind freilich zwei Fragen: erstens: ob es sich bei dem vollumfänglichen adäquaten Verletzungsrisiko um eine Leibesoder Lebensgefahr handelt (dazu oben 3.b) sowie sogleich a) und zweitens: welche Reichweite die vorsätzlich-vermeintliche Schaffung dieses Risikos besitzt (s. schon 3.a) Ziff. 3d) und 3.b); unten b). a) Entgegen der h. M. 828 wird man § 306 Nr.2 nur die Funktion zuschreiben können, Menschenleben vor Gefährdungen und Verletzungen zu schützen. Dafür sprechen jedenfalls die Systematik (arg. §§ 307 Nr. 1, 309) sowie die drastische Strafdrohung829 • Denn wenn der beendete taugliche vorsätzliche Totschlagsversuch mit Rücksicht auf die fakultative Strafmilderung (vgl. noch unten H.H.) mit mindestens zwei (bzw. fünf) Jahren Freiheitsstrafe bewehrt ist, so rechtfertigt sich bei einer vollendeten vorsätzlichen Brandstiftung i. V. m. einem beendeten taug827 Rabl (Gefährdungsvorsatz, 15 f.) kommt dieser Betrachtungsweise freilich schon nahe, wenn er auch den Tätigkeitsdelikten einen Erfolg zuschreibt ("temporale Gleichzeitigkeit von Ausführungshandlung und Erfolg"); s. dazu grundsätzl. a. Jescheck AT, 211. Für die "uneigentlichen abstrakten Gefährdungsdelikte" (u. a. Deliktstypen) hätte es für Rabl nur noch des weiteren Denkschritts bedurft, daß eine "handlungsbewgene" Rechtsgutsbeeinträchtigung i. S. einer Verletzung des Achtungsanspruchs (Jescheck aaO; Schmidhäuser AT, 8/28) nicht nur durch die reine Verwirklichung der Handlung wie beim Tätigkeitsdelikt oder auch beim untauglichen Versuch ("Handlungsunwert"; dazu oben C.I.1.a) m. Fußn.47), sondern auch durch die Schaffung einer adäquaten Erfolgsgefahr (eines primären Erfolgsunwerts) möglich ist. Vgl. noch unten F.I.5.a) bei Fußn. 835 sowie Schönke / Schröder / Lenckner, Rn 57 vor § 13 m. Nachw. 828 Vgl. etwa Horn, Gefährdungsdelikte, 22 f. (s. grundsätzl. a. 94 f.: "bedeutende Sachwerte"); Rudolphi, Maurach-Festschr., 59 f.; § 151 AE. 829 Vgl. a. etwa BGHSt 26, 124 f.; Brehm JuS 1976, 24; Schröder ZStW 81,16.
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lichen (nur) fahrlässigen Tötungsversuch die Mindeststrafe von einem Jahr. Sofern man die Strafdrohung in § 308 (Mindeststrafe bei einfacher Brandstiftung ebenfalls ein Jahr) für berechtigt hält, wird die Strafe nach § 306 Nr.2 im konkreten Fall sogar über dieses Mindestmaß hinausreichen müssen. Nach allem ist unrechts- und schuldsystematisch anzufügen, daß die "zumindest fahrlässige Schaffung eines adäquaten Todesrisikos" als ein sog. "besonderes objektiv-subjektives (positives = begründendes; haftungseinschränkendes) Unrechtsmerkmal" zu werten ist. Es gehört in eine Reihe z. B. mit dem Merkmal der "Rechtmäßigkeit der Diensthandlung" in §§ 113, 136, das ebenfalls spezifischen Regeln folgt (§ 113 In, IV; näher oben C.I.2.d). Die Besonderheit besteht bei § 306 darin, daß das objektive Merkmal der Herbeiführung eines adäquaten Todesrisikos nicht im Gesetz steht und (deshalb) auch nicht (zwingend) § 16 I (Vorsatz!) wie bei der Brandstiftung selbst, sondern ein bloßes Fahrlässigkeitserfordernis eingreift830 • § 306 Nr.2 gerät so zu einer Art "versuchsqualifiziertem Delikt", ohne daß freilich die Eigentümlichkeiten der erfolgsqualifizierten Straftat nach § 18 (dazu schon D.I.3.d) am Ende) zum Zuge kommen. Dieses Merkmal nimmt deshalb i. R. des "besonderen objektiv-subjektiven Gesamtunrechtstatbestandes" einen eigenständigen Platz ein. Fehlt es, so greift allein § 308 Platz. b) Nun gibt es nach dem bisherigen Erkenntnisstand (oben 3.a) Ziff. 3d); 3.b) noch eine zweite Untergrenze bei der teleologischen Reduktion: die vorsätzlich-vermeintliche Herbeiführung des adäquaten Todesrisikos. Die vorsätzliche (vollendete) Brandstiftung wird hier also mit einem unselbständigen beendeten untauglichen Totschlagsversuch "angereichert". Auch bei diesem Merkmal handelt es sich um ein "besonderes objektiv-subjektives (positives = begründendes; haftungseinschränkendes) Unrechtsmoment". Fehlt es, so kommt allein § 308 zum Zuge. Liegt es vor, so kommt sogleich die Vollendung des § 306 Nr.2 in Betracht. Der Kritiker wird nun ein dreifaches einwenden: es sei zunächst nicht einzusehen, daß der mit allem Bedacht heranzuziehende und weitreichend als strafrechtlich irrelevant eingestufte untaugliche Versuch (so bei grobem Unverstand, unbeachtlich geringem Risiko, Irrealität, unechten Unternehmens- und Unterlassungsdelikten usf.; näher F.) ausgerechnet für die teleologische Reduktion eines Straftatbestandes herangezogen werde. Die weitgehende Verbannung des untauglichen Versuchs aus dem Strafrecht - so könnte der Kritiker fortfahren - habe auch in § 113 In einen gewissen Ausdruck gefunden. Selbst mit der extensiven 830 Die demgegenüber engere analoge Anwendung der §§ 16 I, 17; 113 III, IV kommt deshalb hier nicht in Betracht (vgl. dazu die Erörterungen oben C.I.2.d) bei Fußn. 410 ff.; unten 3. Kap. D.).
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2. Kap.: Gefährdungs- und VerletzungsdeIikte
Lösung Baumanns (oben 3.a) Ziff. 1), der die Schaffung eines adäquaten Risikos als objektive Bedingung der Strafbarkeit ohne Schuldbezug ansieht, gelange man hier immerhin zur Straflosigkeit. - Und weiter: wenn der untaugliche Versuch hier schon angewendet werde, dann sei wenigstens nur wegen versuchter schwerer Brandstiftung zu strafen, wie es auch § 151 II AE nahelege. Immerhin erscheine eine objektiv nicht lebensbedrohliche Brandstiftung in einem milderen Licht als die fahrlässige Herbeiführung eines wirklichen Todesrisikos. - Schließlich: Dann aber ergäbe sich bei der Strafzumessung vollkommene Disharmonie. Selbst wenn man de lege ferenda bei einem selbständigen beendeten untauglichen Totschlagsversuch die obligatorische Strafmilderung nach § 49 I befürworten wollte (näher unten F.I.1l.; H.II.) und selbst wenn man es bei dem mit Hilfe eines unselbständigen beendeten untauglichen Totschlagsversuchs teleologisch reduzierten § 306 bei der Vollendungsstrafe belassen wollte, klaffen die Mindeststrafmaße auseinander: zwei Jahre bzw. nur ein Jahr Freiheitsstrafe. Diese Lücke müßte sich vergrößern, wenn man allein wegen versuchter schwerer Brandstiftung verurteilen wollte. Alle drei Einwände sind jedoch zurückzuweisen. Das zuletzt angesprochene StrafzumessungsprobZem läßt sich freilich nur durch eine Sperrwirkung der Mindeststrafe bei den §§ 212, 22, 23, 49 I lösen. Aber man hat bei dem Parallelfall der schweren Brandstiftung mit fahrlässig herbeigeführter Todesgefahr (oben a) bereits gesehen, daß man mit der Mindeststrafe von einem Jahr nicht ohne weiteres hinkommt. Was des weiteren die Strafbarkeit überhaupt angeht, so kann man nicht an der Tatsache vorbei, daß der Gesetzgeber den untauglichen Versuch im Grundsatz als strafbares Verhalten sanktioniert hat, wenn auch - wie § 23 III erweist - als Untergrenze strafrechtlich relevanter Handlungsweisen. Gerade diese Untergrenze ist aber heranzuziehen, wenn es (bei einer teleologischen Reduktion) darum geht, einen Ausgleich zwischen gesetzlicher Regelungslücke und Wahrung des Unrechtsund Schuldprinzips zu erzielen. Das bedarf keiner weiteren Begründung mehr. Freilich wird man auch i. R. v. § 306 diejenigen Fälle untauglichen Vorgehens ausschließen müssen, die für sich allein genommen nicht strafbar wären. Die vorsätzliche Brandstiftung mit einem grob unverständigen (untauglichen) Tötungsversuch unterfiele also allein dem § 308. Im übrigen sei darauf verwiesen, daß sich der hier entwickelte Standpunkt im Ansatz mit der von Hirsch verfochtenen Lösung bei der teleologischen Einschränkung des § 186831 deckt. 831
Oben 3.a) Ziff. (3a). Wegen des besonderen Erweislichkeitsmerkmals in
§ 186 stellt sich dort der "Versuchsfall" freilich anders dar: betroffen ist im
wesentlichen die Konstellation, in der der Täter bezüglich der Unwahrheit
E. Potentielle konkr. Gefährdungsdel. (Gefährlichkeitsunrecht)
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Und was schließlich die Vollendungsstrafe betrifft, so sei der Hinweis wiederholt, daß es hier um eine teleologische Auslegung der vollendeten Brandstiftung i. S. des § 306 - freilich mit einem der Tötungsversuchslehre entlehnten zusätzlichen einschränkenden Merkmal - geht. Ein untauglicher Versuch des § 306 käme nur dann in Betracht, wenn der Täter über diese Einschränkung hinaus z. B. das Mittel zur Inbrandsetzung irrtümlich für geeignet hält832 • - Insofern ist es auch angemessen, daß die Höchststrafe bei einem obligatorisch nach § 49 I gemilderten selbständigen untauglichen Totschlagsversuch geringer ausfällt als bei der vollendeten schweren Brandstiftung mit vermeintlicher Herbeiführung einer Todesgefahr. c) Zusammengefaßt bildet § 306 Nr.2 in erster Linie eine Kombination von vorsätzlicher Brandstiftung mit einem fahrlässigen potentiellen Lebensgefährdungsdelikt; in zweiter Linie sind auch die Fälle der vorsätzlichen Brandstiftung mit vermeintlicher Schaffung eines Todesrisikos erfaßt. d) Nach allem ist auch die Brücke zu den weiteren Erörterungen geschlagen. Es geht im folgenden um eine abschließende Würdigung sowohl der fahrlässigen beendeten tauglichen (V.) wie der vorsätzlichen beendeten untauglichen (F.) Gefährdungs- und Verletzungsversuche, freilich nicht mehr als unselbständige Merkmale bei der teleologischen Reduktion eines Straftatbestandes wie z. B. § 306, sondern als selbständige Rechtsinstitute de lege ferenda et lata.
V. Fahrlässige potentielle konkrete Gefährdungs(und Verletzungs-)Delikte ("fahrlässige Versuche") Zu der Einführung fahrlässiger potentieller Gefährdungsdelikte (fahrlässiger be endet-tauglicher Gefährdungsversuche) ist - wenn man nunmehr die Ausführungen unter D.I.3.c)-e), E.IV. berücksichtigt eigentlich schon alles unter C.III.2. gesagt worden. Denn danach decken sich adäquates Gefährdungs- und adäquates Verletzungsrisiko sowie Gefährdungs- und Verletzungsfahrlässigkeit. Hervorgehoben sei aber noch einmal folgendes: der behaupteten Tatsache Vorsatz besitzt, sich aber i. S. eines non liquet nicht klären läßt, ob die Tatsache objektiv unwahr ist (dazu Hirsch, Ehre, 199 m. Fußn. 128). Hingegen ist der eigentliche Fall des untauglichen Versuchs (Unwahrheitsvorsatz und objektive Wahrheit der Tatsache) wegen der strafausschließenden Kraft des Wahrheitsbeweises (Hirsch aaO, 199; Welzel Lb, 314) im Ergebnis straflos. 832 Im übrigen ließe sich ein untauglicher Versuch des § 306 nur dann (in Umkehrung der in § 16 I S.2 getroffenen Regelung) befürworten, wenn die "Schaffung eines Risikos" als Unrechtsmerkmal ausdrücklich Eingang in den Tatbestand gefunden hätte (vgl. a. § 151 II AE).
300
2. Kap.: Gefährdungs- und Verletzungsdelikte
1. Die Zeit für eine Tendenzwende - weg von den erfolgsbezogenen Delikten und hin zu den handlungsbezogenen Straftaten, die allein eine objektive Eignung für den Gefahr- oder Verletzungserfolg aufweisen, ist herangereift833 • Der Gesetzgeber hat schon zahlreiche Tatbestände im Vorsatzbereich als Eignungsdelikte geformt (C.IL; ferner E.IlL zu § 223a). Auch im Fahrlässigkeitsbereich gewinnt das Eignungsdelikt Gestalt. Die Auslegung des § 306 ist das eine hervorstechende Beispiel (oben IV.3.a) Ziff.3a-c). Noch gewichtiger ist die jüngst erfolgte Einführung "konkreter vollendeter fahrlässiger potentieller Verletzungsstraftaten" (z. B. § 311d; dazu oben C.IlL1.); daneben finden sich auch entsprechende "generell gefährliche Delikte" (z. B. §§ 3, 11 LebMG; dazu unten J.IIL1.). - Hinzu kommt die These de lege lata (D.L2.) oder ferenda (D.IlL3.a), die fahrlässige Schaffung eines adäquaten Gefährdungs- bzw. Verletzungsrisikos schon zur vollendeten Gefährdungsstraftat zu erheben (zu den Ausnahmen D.IlL3.b). Hier wird letztlich der beendete "fahrlässig-taugliche" Gefährdungs- bzw. Verletzungsversuch zur vollendeten Straftat aufgewertet. In der Tat kann dem Täter das zufällige Ausbleiben des Erfolgs nicht in jedem Fall strafbefreiend zugutekommen. Dies hieße - insbesondere im Straßenverkehr - ein gutes Stück notwendigen Rechtsgüterschutzes aufzugeben. Immerhin hat der Täter ein konkretes Verletzungsrisiko fahrlässig herbeigeführt, das nur glücklich wider objektives Erwarten (oder wegen unüberwindbarer Beweisschwierigkeiten) nicht zu einem (zurechenbaren) Erfolg geführt hat. 2. Freilich wird man bei den beendet-tauglichen Versuchen (durch Begehung oder Unterlassung) einschränkend zur Voraussetzung machen müssen, daß auch der vorsätzliche Versuch mit Strafe bedroht ist (z. B. §§ 315 Il-315c Il) oder doch bewehrt sein sollte (vgl. schon C.IlL2.b). 3. Die Pönalisierung unbeendet-tauglicher fahrlässiger Versuche kommt nicht in Betracht (oben IV.3.b). 4. Schließlich verbietet sich auch die Pönalisierung (beendeter) fahrlässig-untauglicher Gefährdungs- oder Verletzungsversuche (näher oben IV.3.a) Ziff.3d). Auch ein solcher Versuch hätte nichts mehr mit einem wirkungsvollen, auf erhebliche Fälle eingeschränkten Rechtsgüterschutz zu tun.
833
s. a. Seiler, Maurach-Festschr., 82.
F. Beendete untaugliche Gefährdungs" und Verletzungsversuche durch Tun oder Unterlassen; Vollendungstaten mit alleinigem Handlungs" bzw. Unterlassungsunrecht Nach Abhandlung der potentiellen Verletzungs- (C.) und potentiellen Gefährdungsdelikte (E.) sowie der Rettungsversuche bei den Rechtfertigungsgründen (C.I.2.d) ist es nunmehr auch möglich, einige zusammenfassende Bemerkungen zu den beendeten untauglichen Gefährdungsund Verletzungsversuchen durch Begehung (I.) und Unterlassung (Il.) sowie zu den weiteren Delikten mit alleinigem Handlungs- bzw. Unterlassungsunrecht (I.) zu machen. Gleiches gilt im folgenden für die beendeten objektiv fehlgeschlag€nen (G.) sowie die unbeendeten Versuche (H.) unter Einschluß der Rettungsversuche (H.IV.).
I. Restriktive Interpretation 1. Ausgemacht ist zunächst, daß den beendeten untauglichen Gefährdungs- und Verletzungsversuchen durch Tun lediglich ein (vollständiger) objektiv-subjektiver Handlungsunwert (-unrecht) eigen ist, es ihnen hingegen an jedem Gefährlichkeitsunwert (primären Erfolgsunwert) und (sekundären) Erfolgsunwert mangelt. D€r Versuch ist untauglich und off€nbart (nur und immerhin) einen vollumfänglichen Verstoß gegen die VerhaltensnoTm, wenn sich allein subjektiv nach der Tätervorstellung, nicht aber objektiv bei Beginn der Tathandlungen ein (gegebenenfalls gemindertes) Anfangsverletzungsrisiko und bei Beendigung der Tatausführungen ein (vollumfängliches) adäquates Verletzungsrisiko ausmitteln läßt (näher C.I.1.a); C.I.2.d)(4); D.I.3.c), e). Kommt es auf objektiv inadäquatem Wege dennoch zu einer ("tatsächlichen") Rechtsgutsverletzung bzw. zu einem ("faktischen") Gefahrerfolg, so sind weder diese Erfolge noch die vorgelagerten "tatsächlichen Verletzungsrisiken" objektiv zurechenbar (vgl. noch C.I.3.b). Für den Rücktritt vom Versuch nach § 24 I S. 2 genügt das freiwillige und ernsthafte Bemühen des Täters um Erfolgsabwendung aus seiner Sicht, d. h. gegebenenfalls auch mit objektiv (generell) untauglichen Mitteln (näher C.I.1.a). 2. Die Fälle des strafrechtlich relevanten untauglichen Versuchs sind streng auf die ernst zu nehmenden Verstöße gegen die Verhaltensnorm zu begrenzen. Die erforderliche RechtsfTiedensstörung und damit ein
302
2. Kap.: Gefährdungs- und Verletzungs delikte
mittelbarer, den Bürger beeindruckender Angriff auf das geschützte Rechtsgut liegt (de lege lata) weder bei den "irrealen Versuchen" noch bei den "Versuchen mit unbeachtlich geringem realen Risiko" vor. Bei
untauglichen Versuchen aus (von einem objektiven Durchschnittsbeobachter ermittelten) "grobem Unverstand" wird (de lege ferenda) der realisierte objektiv-subjektive Handlungsunwert und damit die volle Verwirklichung des gesetzlichen Unrechtstatsbestandes i. S. v. § 16 I aufgehoben (näher C.L1.a); 3.a).
3. Diese restriktive Handhabung der untauglichen Versuchsstrafbarkeit ist die Konsequenz des grundsätzlich allein dem unmittelbaren Rechtsgüterschutz verpflichteten Strafrechts834 • Diesem rechtsstaatlichen Gebot wird dadurch Genüge getan, daß regelmäßig nur objektiv gefährliche Versuche - sei es als beendeter objektiv fehlgeschlagener Versuch mit vorübergehender Gefährlichkeit = Anfangs-Risikounwert (C.L1.b), sei es als unbeendeter tauglicher Versuch mit eben diesem Anfangs-Gefährlichkeitsunwert (H.L), sei es schließlich als beendeter tauglicher Versuch mit (voll)adäquater Gefährlichkeit = primärem Erfolgsunwert (C.L1.c), 111.2.; E.L, V.) -; ferner vollendete Straftaten mit primärem Erfolgsunwert (z. B. potentielle Verletzungs- und Gefährdungsdelikte: C.lL, 111.1.; D.I.3.e); KilL, IV.) sowie vollendete Delikte mit sekundärem Erfolgsunwert (Verletzungsdelikte; konkrete Gefahrerfolgsstraftaten: B.; D.) pönalisiert werden (s. noch unten 5.). Die untauglichen Versuche bilden eine eng zu interpretierende und insoweit freilich auch für das künftige Recht unabdingbare Ausnahme. Doch muß es sich dabei stets um Fälle handeln, in denen ein Risiko- oder (primärer) Erfolgsunwert nicht von vornherein für jeden vernünftigen Bürger erkennbar ausgeschlossen isf!34 (näher C.L1.a). 4. Diese Grundsätze führen de lege ferenda - wie bemerkt (2.) etwa dazu, daß bei "grobem Unverstand" das Handlungsunrecht zwingend ausgeschlossen wird. Für das künftige Recht empfiehlt sich deshalb auch nicht die Einführung fahrlässig-untauglicher Versuche (E.lV.5.b); vgl. auch C.IIL, KV.). Und es ist schließlich schon de lege lata unstatthaft, die (vollendeten) "uneigentlichen abstrakten Gefährdungsdelikte" wie z. B. § 306 als Kombination einer vorsätzlichen Brandstiftung mit einem fahrlässig-untauglichen Lebensverletzungsversuch zu interpretieren (näher E.IV.3.a) Ziff. 3d, 5.). 5. Auch die vollendeten Straftaten mit alleinigem Handlungsunrecht sind restriktiv auszulegen. Zu denken ist einmal an die schlichten Tätigkeitsdelikte, zum anderen an die "eigentlichen abstrakten Gefährdungs-
delikte".
834 Vgl. nur Rudolphi, Maurach-Festschr., 69 ff. A.VI.I.,2.
ffi.
Nachw.; näher 1. Kap.
F. Beendete untaugliche Versuche / Vollendungen mit Handlungsunrecht 303
a) Die Tätigkeitsdelikte (z. B. § 17383S) enthalten zwar i. S. der "Verletzung des Achtungsanspruchs" auch eine Rechtsgutsverletzung; sie erfordern hingegen nicht die von der Handlung logisch, dogmatisch und gegebenenfalls raum-zeitlich abgesetzte Gefährdung oder Verletzung eines HandlungsobjektsS36 als Risiko- oder Erfolgsunwert. Von den schlichten Tätigkeitsdelikten sind freilich die oft in einem Atemzug genannten Straftaten mit "mediatisiertem Zwischenrechtsgut" (z. B. §§ 153 ff. 83S , 267, 331 ff.; dazu schon oben A.I.3.) zu unterscheiden. Diese Delikte mit "mediatisiertem Erfolgsunwert" bilden eine Unterart der "abstrakten Gefährdungsdelikte". Sie sind ähnlich wie die "uneigentlichen abstrakten Gefährdungsstraftaten" (z. B. § 306; dazu E.IV.2.-5.) teleologisch zu reduzieren (näher K.). b) Die "eigentlichen abstrakten Gefährdungsdelikte" (z. B. §§ 316 StGB, 167 AE) sind insofern restriktiv zu handhaben, als für sie nur (präzise gefaßte) Verhaltensweisen in Betracht kommen, die generell Ursache schwerster Rechtsgutsgefährdungen und -verletzungen sein können (näher D.III.3.b); E.IV.1.a); unten J.I.). 6. Die unter 2.-5. dargestellten Grundsätze haben aber auch weitere Auswirkungen bis hinein in die kleineren Verästelungen des Deliktsgefüges. a) So ist bereits begründet worden, daß bei den unechten Unternehmensdelikten durch Tun (etwa §§ 111, 113, 125, 257, 292, 316a) oder Unterlassen (z. B. § 323c) allein die tauglichen Versuche zur vollendeten Tat erhoben sind (näher C.II.3.). b) Ganz entsprechend wird man mit Rudolphi837 i. R. v. § 334 III die Strafbarkeit dann ausschließen müssen, wenn der Täter die Pflichtwidrigkeit beim Verhalten z. B. des Amtsträgers nur irrtümlich annimmt. c) Auch unterliegt die Planung oder Ausführung eines untauglichen Versuchs nicht der Anzeigepflicht nach § 138838 • Denn die Aufgabe des § 138 ist restriktiv dahin zu interpretieren, diejenigen Rechtsgüter vor wirklichen Gefährdungen und Verletzungen zu schützen, gegen die sich die anzeigepflichtigen Straftaten richten839 • s. etwa Wessels AT, 6. Vgl. Jescheck AT, 211; Walder SchwZStr 93, 119 Fußn. 3; zur Unterscheidung von Angriffsobjekt und Rechtsgut treffend a. Schmidhäuser, Engisch-Festschr., 444. Diese wohl fundierte begriffliche Trennung ist im Rahmen der Untersuchung nicht streng durchgehalten. 837 SK, § 334 Rn 8; a. A Schönke / Schröder / Cramer, § 334 Rn 11 jew. m. weit. Nachw. 838 So mit Recht Heimann / Trosien LK, § 138 Rn 11; Rudolphi SK, § 138 Rn 7; Schöne, Erfolgsabwendungen, 122 ff.; Schönke / Schröder / Cramer, § 138 Rn 2; Schwarz, Verbrechensanzeige, 45; a. A. Dreher / Tröndle, § 138 Rn 3. 83S
838
304
2. Kap.: Gefährdungs- und Verletzungsdelikte
7. Welche Schwierigkeiten die Einbeziehung des untauglichen Versuchs bereiten kann, zeigt sich auch bei Strafantragsdelikten. Soll wirklich dann, wenn der Täter irrtümlich seine eigene Sache zerstört, der vermeintliche Eigentümer ein Antragsrecht besitzen? Der materiellrechtliche Versöhnungsgedanke, der § 303 III zugrunde liegt840 , wäre hier überdehnt. 8. Andererseits gibt es (scheinbare) Ausnahmen von der restriktiven Handhabung der untauglichen Versuchsstrafbarkeit. So ist bei der teleologischen Reduktion des § 306 als "uneigentZiches abstraktes Gefährdungsdelikt" begründet worden, daß - abgesehen von der vorsätzlichen Brandstiftung - neben der fahrlässig-tauglichen auch die vorsätzlich-untaugliche Schaffung eines adäquaten Verletzungsrisikos hinreichen kann. Aber diese Einbeziehung des (wiederum eng auszulegenden) untauglichen Versuchs liegt allein darin begründet, daß er nun einmal bei der Versöhnung der unzureichenden legislatorischen Entscheidung zu § 306 (schlichtes abstraktes Gefährdungsdelikt) mit den regelmäßigen Mindestvoraussetzungen kriminellen Unrechts und krimineller Schuld die andere Untergrenze strafrechtlich relevanten Verhaltens bildet (näher E.IV.3.a); 5.b). 9. Vollkommen ungelöst ist demgegenüber das Problem, ob auch der untaugliche Versuch bei den unechten Unterlassungsdelikten sowie generell der Versuch bei "untauglichem Subjekt" strafbar ist. Bevor dieser Frage näher nachgegangen wird (IL), sei jedoch eine kurze übersicht über die sonstige Reichweite der untauglichen Versuchsstrafbarkeit gegeben (10.) sowie zur Strafzumessung Stellung genommen (11.): 10. Der untaugliche Versuch (durch Begehung) ist nicht nur als beendeter (oben 1., 2.), sondern auch als unbeendeter möglich (teilweise realisiertes objektiv-subjektives Handlungsunrecht) ; der Täter glaubt hier irrig, (zumindest) ein adäquates Anfangsrisiko geschaffen zu haben (näher H.L). 11. Bei den selbständig strafbaren untauglichen Versuchen empfiehlt sich de lege ferenda eine obligatorische Strafmilderung nach § 49 I. Denn es mangelt ihnen, wie hervorgehoben (1.), an jeglichem objektiven Gefährlichkeits- (primären) und (sekundären) Erfolgsunwert. Sie offenbaren allein einen (beim unbeendeten Versuch: nur anteiligen) objektivsubjektiven Handlungsunwert. Das Erfordernis des Handlungsunwerts ist zwar die Konsequenz der auch hier verfochtenen personalen (Gesamt-)Unrechtslehre. Doch folgt daraus lediglich, daß der Gesetzgeber "die ihm gestellte Aufgabe des Rechtsgüterschutzes nur in dem durch 839 840
Rudolphi aaO, Rn 2 f. Dazu Maiwald GA 1970, 37; WoIter GA 1974, 165 Fußn. 37.
F. Beendete untaugliche Versuche / Vollendungen mit Handlungsunrecht 305
den Handlungsunwert abgesteckten Rahmen verwirklichen kann, m. a. W., daß er nur ein solches Verhalten unter Strafe stellen kann, das einen personalen Handlungsunwert aufweist"841. Dagegen zwingt dies den Gesetzgeber nicht, das strafrechtlich relevante Unrecht ausschließlich in den Handlungsunwerten zu erblicken und daher schon bei ihrem alleinigen Vorliegen in vollem Umfange zu strafen (näher 1. Kap. A.; 2. Kap. C.I.2.b), c). Im Gegenteil, unmittelbar betroffen sind die geschützten Rechtsgüter erst bei der Realisierung eines Anfangs-Risikounwertes bzw. eines primären und sekundären Erfolgsunwerts. Eine Verurteilung bei der Verwirklichung von bloßen Handlungsunwerten dient allein dem mittelbaren Rechtsgüterschutz und ist deshalb nicht nur von vornherein restriktiv zu handhaben (2.-6.), sondern auch im Falle unzweifelhafter Strafwürdigkeit deutlich milder auszugestalten. Sofern man es also beim beendeten tauglichen Versuch (vgl. zu den unbeendeten Versuchen unten H.) bei der fakultativen Strafmilderung entsprechend § 23 II belassen will, empfiehlt sich für den selbständigen beendeten untauglichen Versuch die obligatorische Strafmilderung nach § 49 1842 • Wollte man anders entscheiden, so wäre bei beendetem untauglichen Mordversuch gegebenenfalls die lebenslange Freiheitsstrafe zu verhängen843 • - Bei den selbständigen unbeendeten untauglichen Versuchen sollte der Richter den durch § 49 I gesteckten Rahmen nahezu ausschöpfen. Man wird sogar daran denken können, § 23 III analog anzuwenden und im Einzelfall von Strafe abzusehen. 11. Der untaugliche Versuch bei unechten Unterlassungsdelikten und beim "untauglichen Subjekt" Es würde gut ins Bild der restriktiven Handhabung der untauglichen Versuchsstrafbarkeit (oben 1.2.-6.) passen, wenn man den untauglichen Versuch bei den unechten Unterlassungsdelikten und (generell) beim "untauglichen Subjekt" straflos ließe. Beide Fragen sind sehr umstritten544 und geben deshalb auch Hinweise für die Begründbarkeit der Straflosigkeit. Beide Probleme hängen auch insofern miteinander zusammen, als man die irrige Annahme eines die Garantenpflicht begründenden Sachverhalts als den wichtigsten Anwendungsfall des "untauglichen Täters" ansehen kann84.5. Die Dinge komplizieren sich freilich daRudolphi, Maurach-Festschr., 70. Dazu schon C.I.2.d)(5) m. Fußn. 466; s. a. Schönke / Schröder / Eser, § 23 Rn 7. Zum unselbständigen Versuch i. R. v. § 306: E.IV.5.b). 843 Oben C.I.2.d)(6) Fußn. 470. 844 Nachw. bei Bruns GA 1979, 161 ff.; Rudolphi SK, Rn 55 vor § 13, § 22 Rn 28; Stratenwerth, Bruns-Festschr., 59 Fußn. 2; vgl. schon zum untauglichen Unterlassungsversuch C.I.1.d) Fußn. 117. 84.5 Stratenwerth aaO, 62; AT, Rn 675. 541
M2
20 WoIter
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2. Kap.: Gefährdungs- und Verletzungsdelikte
durch, daß es Stimmen gibt, die beide Fälle unterschiedlich behandeln8H • Man wird deshalb am ehesten dadurch zu einer Lösung gelangen, daß man den Gründen für eine etwaige Straflosigkeit in diesen Fällen nachspürt. 1. Für die Straflosigkeit beim Unterlassungsversuch wird im wesentlichen vorgetragen, daß hier sonst ein bloßer Gesinnungsunwert bestraft werde. Denn von der Auflehnung des Willens gegen die Rechtsordnung dringe hier nichts nach außen. Es könne nur unmoralische Gesinnung und Gedankensünde, nicht aber Totschlagsversuch sein, wenn der Vater das Geschrei des temperamentvoll spielenden Kindes für Angstrufe vor dem Ertrinken hält und dennoch nichts unternimmt847 •
Diese Begründung ist zwar in ihrem Grundanliegen zutreffend (s. noch 4.), zieht aber streng genommen den Kreis der straflosen Fälle zu weit. Denn es ist nicht nur so, daß auch zahlreiche andere Fälle des "untauglichen Subjekts" in einem äußerlich ganz unauffälligen Verhalten bestehen können (die "Fahnenflucht" des von Freunden scherzhaft Einberufenen erscheint äußerlich als Auslandsreise; und hier will man ja z. T. zur Strafbarkeit gelangen846). Vielmehr kann jeder untaugliche Versuch durch Begehung, auch der mit untauglichen Mitteln oder der mit untauglichem Objekt, nach außen vollkommen harmlos erscheinen848 • 2. Insofern hilft auch diejenige Variante der "Eindruckstheorie" nicht weiter, die entscheidend auf den äußerlich erkennbaren Eindruck: der Gefährlichkeit abhebt848 • Denn auch mit dieser These wären weite Bereiche der untauglichen Versuchsstrafbarkeit durch Begehung miterfaßt. Ohnehin ist für eine Ausgestaltung der "Eindruck:stheorie" zu plädieren, die sich gleichsam an den Bürger im Gerichtssaal wendet, der von der Gesinnung des rettungsunwilligen Vaters durch ein Geständnis erfährt. Dieser Bürger wird durchaus den Eindruck: der Gefährlichkeit gewinnen können und auf die Verurteilung des Vaters dringen mögen848a • 3. Wenn also weder die These vom Gesinnungsunwert (1.) noch die Eindruck:stheorie (2.) einen Schlüssel für die Eliminierung der Fälle mit 846 Etwa Rudolphi SK, Rn 55 vor § 13 (Straflosigkeit beim Unterlassungsversuch), § 22 Rn 28 (Strafbarkeit beim untauglichen Subjekt). Dagegen konsequent für jeweilige Straflosigkeit Schmidhäuser AT, 15/59f., 17/27f., 16/64; Gallas-Festschr., 96 f.; Stratenwerth AT, Rn 675 f. u. Bruns-Festschr., 63 ff. Wieder anders Bruns GA 1979, 173 ff., 179, der bei einem Teil der Fälle ("faktisch taugliche Täter") sogar zur Vollendungsstrafe gelangt. 847 Z. B. Rudolphi SK, Rn 55 vor § 13 m. weit. Argumentation; s. a. Schmidhäuser, Gallas-Festschr., 97. 848 Stratenwerth, Bruns-Festschr., 63. 846a Vgl. a. Bruns GA 1979, 165.
F. Beendete untaugliche Versuche / Vollendungen mit Handlungsunrecht 307 untauglichem Subjekt aus dem Strafbarkeitsbereich bereithält, so scheint die Versuchslehre insoweit insgesamt "untauglich" zu sein. Die Interpretation hat an ganz anderer Stelle anzusetzen, nämlich - worauf Schmidhäuser846 und besonders nachdrücklich Stratenwerth848 hingewiesen haben - bei der Lehre vom Unrecht bei Sonderpflichten und Sonderdelikten. Die Sonderstraftaten zeichnen sich dadurch aus, daß der betreffende Täter "rechtlich geschützte Interessen eher als andere wahren und verletzen kann" (Stratenwerth). Dies trifft nicht nur für die echten Amtsdelikte, sondern auch für § 142 oder auch für die unechten Unterlassungsdelikte zu. Der Täter, der sich solche Sonderpflichten einbildet, verwirklicht schon keinen Handlungsunwert. Die Untauglichkeit des Versuchs ist hier nicht "Zufall in dem Sinne, daß er auch hätte tauglich sein können" (wie etwa bei einem Schuß mit einer irrtümlich für scharfe Munition gehaltenen, zufällig in den Lauf geratenen Platzpatrone; vgl. auch oben C.I.1.a). Mit Recht bemerkt Stratenwerthll409 : "Die subjektive Versuchstheorie bedeutet zwar den Verzicht auf jeden Erfolgsunwert in Gestalt auch nur der Gefährdung eines bestimmten Rechtsguts, aber sie kann nicht auch den Verzicht auf einen Handlungsunwert bedeuten, der in wirklicher (und nicht nur vermeintlicher) Zuwiderhandlung gegen das Gesetz besteht". 4. Diese Argumentation trifft sich im Ergebnis mit der eingangs geschilderten These vom bloßen Gesinnungsunwert, nimmt aber im Gegensatz zu dieser eine zutreffende begrenzte Zahl von "untauglichen Vorhaben" aus der Versuchsstrafbarkeit heraus. Wer dieser Konzeption nicht zu folgen bereit ist und - logisch unangreifbar - militärische Pflichten nach einem scherzhaften Einberufungsbefehl bzw. Erfolgsabwendungspflichten auch bei einem irrtümlich als Hilferuf angesehenen Kindergeschrei verletzt sieht, muß auf den Begriff des Sonderdelikts insgesamt verzichten850 • 5. Angemerkt sei am Ende, daß sich auch der AE in § 25 IU Nr. 1 für die Straflosigkeit des Versuchs ausgesprochen hat, "wenn er in der irrigen Annahme einer besonderen PflichtensteIlung begründet ist". Und in der Begründung des 2. StrRG (BTDrS VJ4095, 11) wird immerhin die Überzeugung zum Ausdruck gebracht, daß die Rechtsprechung in den Fällen des untauglichen Täters auch ohne ausdrückliche gesetzliche Regelung Straflosigkeit annehmen werde. Dies vermag die Gerichte zwar nicht zu binden, sollte aber dennoch ihr Leitprinzip sein.
849 Bruns-Festschr., 69, 60; s. a. Schmidhäuser, Gallas-Festschr., 97; AT, 15/ 59; krit. Bruns GA 1979, 166. 850 Stratenwerth aaO, 69.
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2. Kap.: Gefährdungs- und Verletzungsdelikte
III. Zusammenfassung Faßt man zusammen, so ergibt sich ein eng begrenztes Bild des strafrechtlich allein relevanten Handlungsunwerts ohne jeden Risiko- oder Erfolgsunwert. Bei den untauglichen Versuchen scheiden sämtliche unechten Unterlassungsversuche aus der Strafbarkeit aus (11.). Bei den untauglichen Begehungsversuchen sind die Vorhaben mit "untauglichem Subjekt" (11.); mit "irrealem Hintergrund"851; mit "unbeachtlich geringem realen Risiko" und (de lege ferenda) "aus grobem Unverstand" ohne strafrechtliche Relevanz (1.2.). - Die Einführung fahrlässig-untauglicher Versuche scheitert an den nicht erreichten Untergrenzen kriminellen Unrechts und krimineller Schuld (1.4.). - Die "eigentlichen abstrakten Gefährdungsdelikte" erfordern exakt beschriebene Verhaltensweisen und den mittelbaren Bezug auf schwerste Rechtsgutsgefährdungen und -verletzungen (1.5.b). - Die unechten Unternehmensdelikte verlangen taugliche Versuchshandlungen oder -unterlassungen (L6.a). Entsprechendes gilt bei § 334 III (L6.b). - Die Planung oder Ausführung eines untauglichen Versuchs ist nicht nach § 138 anzeigepflichtig (1.6.c). Ist nach allem die Verwirklichung von bloßem Handlungs- oder Unterlassungsunrecht ausnahmsweise strafrechtlich bedeutsam, so empfiehlt sich in jedem Fall eine Strafmilderung (1.11.).
851 Der von Gössel (GA 1971, 229) angesprochene "tauglich-irreale Versuch" gehört freilich nicht hierher. Wenn der Täter irrig bei seinem Tun irreale Kräfte für die Herbeiführung eines Verletzungsrisikos (und -erfolgs) in Anspruch nimmt, in Wirklichkeit jedoch ein reales adäquates Verletzungsrisiko schafft, so handelt es sich weder um einen (beendeten) vorsätzlich-tauglichen Versuch (so Gössel) noch um ein strafrechtlich von vornherein irrelevantes Vorhaben. Vielmehr kann im Einzelfall, d. h. wenn der Täter das Realrisiko zu erkennen in der Lage gewesen ist, ein (de lege ferenda zu bestrafender; C.III., E.V.) beendeter fahrlässig-tauglicher Versuch (mit über das Handlungsunrecht hinausreichendem primären Verletzungserfolgunrecht) in Betracht kommen.
G. Beendete objektiv fehlgeschlagene Gefährdungsund Verletzungsversuche (objektives Anfangsrisikounrecht) I. Beim beendeten objektiv fehlgeschlagenen Gefährdungs- und Verletzungsversuch (zwn entsprechenden unbeendeten Versuch unten H.I.3. b)852 realisiert der Täter über das objektiv-subjektive Handlungsunrecht und damit den vollumfänglichen Verhaltensnormverstoß hinaus das sog. objektive "Anfangsrisikounrecht". Dieses Anfangsverletzungsrisikounrecht ist Teil der Bewertungsnorm. Der Versuch ist objektiv fehlgeschlagen, wenn sich zu Beginn (und gegebenenfalls während) der Tatausführungen ein (gemindertes Anfangs-) Verletzungsrisiko ausmachen und unter Hinzunahme der weiteren geplanten Tathandlungen eine vollwnfängliche Verletzungsgefahr prognostizieren läßt. Dieses vollwnfängliche adäquate Verletzungsrisiko bleibt dann aber bei Beendigung der Tatausführungen aus. Der objektiv fehlgeschlagene Versuch erscheint demnach als Kombination eines unbeendeten tauglichen Versuchs mit einem beendeten untauglichen Versuch (C.I.1.b); 2.d)(7), dort auch zu "unwesentlich abweichenden Taten"). Aus dieser Erkenntnis sind für Strafzwnessung (1.) und Rücktritt (2.) unterschiedliche Folgerungen zu ziehen: 1. Bei der Strafzumessung ist einerseits die Erhöhung des bloßen objektiv-subjektiven Handlungsunwerts wn einen anteiligen Gefährlichkeitsunwert ("Anfangsrisikounwert") zu berücksichtigen. Andererseits ist nicht zu verkennen, daß der Täter das erstrebte vollwnfängliche adäquate Verletzungsrisiko (den vollen Gefährlichkeitsunwert = "primären Erfolgsunwert") sowie den beabsichtigten Gefahr- oder Verletzungserfolg ("sekundären Erfolgsunwert") gerade nicht erreicht hat. Das zumindest geschaffene Anfangsverletzungsrisiko hat sich im Laufe der Tat (wider objektives Anfangserwarten) nicht zu einem vollen adäquaten Verletzungsrisiko verdichtet und dieses hat sich nachfolgend dann auch nicht (jedenfalls nicht auf objektiv zurechenbarem Wege) in einem Gefahr- oder Verletzungserfolg realisiert. Das Ursprungsrisiko hat sich vielmehr bis zur Beendigung der Tat verflüchtigt. Am Ende steht die Tat deshalb grundsätzlich mit dem beendeten untauglichen Verletzungsversuch auf einer Wertungs- und Strafzwnessungsstufe. Daher kommt (de lege ferenda) weder die volle Strafe (wie beim vollendeten Delikt) noch 852 Zum beendeten "subjektiv fehlgeschlagenen Versuch" vgl. Burkhardt, Rücktritt, 91; Eser, Strafr. H, Fall 33 Anm. 31 11., 34, 37, 39.
310
2. Kap.: Gefährdungs- und Verletzungs delikte
die nur fakultative Strafmilderung nach § 23 II (wie beim beendeten tauglichen Versuch), sondern vorzugsweise die obligatorische Strafmilderung nach § 49 I (wie beim beendeten untauglichen Versuch) in Betracht8.\3. Freilich ist wegen des zusätzlich realisierten objektiven Anfangsrisikounwerts zu empfehlen, innerhalb des zwingend gemilderten Strafrahmens eine höhere Strafe festzusetzen als sie bei einem beendeten untauglichen Versuch ausgeworfen worden wäre8.\4. 2. Beim Rücktritt vom beendeten objektiv fehlgeschlagenen Versuch gelten sogar in vollem Umfange die gleichen Grundsätze wie beim beendeten untauglichen Versuch. Denn insoweit muß das "Gesicht" der Tat zur Zeit der Beendigung der Tatausführungen maßgeblich sein. Dies führt dazu, daß für den strafbefreienden Rücktritt nach § 24 I S. 2 das freiwillige ernsthafte Bemühen um Erfolgsabwendung hinreicht und daß es bei den gewählten Rettungsmitteln wiederum auf die Sicht des Täters und nicht etwa auf eine generelle objektive Rettungseignung (für den hypothetischen Fall einer tatsächlichen Rechtsgutsbedrohung) ankommt (vgl. schon C.I.1.b). II. Zusammenfassend wird man zweierlei festhalten können. Die in ihrer Eigenständigkeit neu vorzuschlagende Rechtsfigur des (beendeten) objektiv fehlgeschlagenen (Verletzungs-)Versuchs hat wegen ihre Näheverhältnisses zum beendeten untauglichen Verletzungsversuch vergleichsweise geringes dogmatisches Gewicht. Dies zeigt sich ansatzweise bei der Strafzumessung und deutlich beim Rücktritt vom Versuch. Doch sollte diese enge Verbindung zum untauglichen Versuch andererseits nicht dazu verleiten, die Selbständigkeit des objektiv fehlgeschlagenen Versuchs zu bestreiten85li • Denn auch wenn die dogmatischen Folgerungen nicht erheblich sind, bleibt es ein wesentliches Anliegen, die "Grade des Unrechts" systematisch einzufangen-. Nur auf diese Weise kann 853 s. schon C.I.2.d) Fußn. 472. 854 Vgl. a. die sachentsprechende überlegung im umgekehrten Fall des "objektiv fehlgeschlagenen Rettungsversuchs" (oben C.I.2.d) Fußn. 431). 855 Mit Recht bemerkt Münzberg (Verhalten, 184 Fußn. 362 m. Nachw.), daß das Verletzungsrisiko (die "Eignung") "für jeden Zeitpunkt eines Verhaltens gesondert geprüft werden muß, falls sich die Situation geändert hat". Dies legt es nahe, eine solche Prüfung zumindest in den beiden vom Gesetz vorgeformten Versuchszeitpunkten (Anfang der Ausführungen nach § 22 und Beendigung der Tat gemäß § 24 I S. 1 2. Alt.) vorzunehmen (vgl. noch die weitere Differenzierung unten H.I.3.). Ist beide Male Untauglichkeit bzw. Tauglichkeit zu bescheinigen, so handelt es sich um einen untauglichen bzw. tauglichen Versuch; ist anfangs Untauglichkeit, am Ende Tauglichkeit anzunehmen, so ist ein tauglicher Versuch gegeben (oben C.I.1. Fußn. 35); ist umgekehrt bei Beginn der Tat Tauglichkeit, bei ihrer Beendigung hingegen Untauglichkeit auszumachen, so gelten die hier behandelten Grundsätze des beendeten objektiv fehlgeschlagenen Verletzungsversuchs. Dies alles ist auch auf die entsprechenden Rettungsversuche anwendbar. 811e Näher C.I.2.d) Fußn. 405.
G. Objektiv fehlgeschlagene Versuche (Anfangsrisikounrecht)
311
eine gerechte und nachprüfbare Strafzumessung gelingen. Wie bemerkt (1.1.), empfiehlt es sich beim (beendeten) objektiv fehlgeschlagenen Versuch unter generalpräventivem Aspekt853 wegen des erhöhten Unrechts durchaus, i. R. eines nach § 49 I obligatorisch geminderten Strafrahmens über die für einen untauglichen Versuch auszuwerfende Strafe hinauszugehen. Im übrigen liefert die Rechtsfigur des beendeten objektiv fehlgeschlagenen Verletzungsversuchs wegen seiner Teilidentität mit dem unbeendeten tauglichen Verletzungsversuch wesentliche Anhaltspunkte zur (strafzumessungs-)rechtlichen Behandlung dieser Versuchsform. Mit der Betrachtung der unbeendeten Versuchsstrafbarkeit insgesamt soll im folgenden (H.) das Bild der Versuchslehre abgerundet werden.
H. Unbeendete Gefährdungs- und Verletzungsversuche (Teilunrecht); "unbeendete Reltungsversuche" (Teilchancenwert) I. Unbeendete Gefährdungs- und Verletzungsversuche Vorausgeschickt sei (erneut), daß sich die unbeendeten Gefährdungsund Verletzungsversuche im Unrecht decken (näher oben D.L3.e). Das jeweilige objektiv-subjektive (Verletzungs-)Handlungsunrecht ist bei den untauglichen Versuchen nur anteilig realisiert. Bei den tauglichen und objektiv fehl geschlagenen Versuchen kommt ein "Anfangsrisikounwert" hinzu. Im einzelnen gilt: 1. a) Der unbeendete taugliche Versuch ist durch Tun (E.ILl.) und Unterlassen (E.II.2.) denkbar. Der Täter hat das objektiv-subjektive Handlungs- bzw. Unterlassungsunrecht sowie das objektiv-primäre Erfolgsunrecht (= Gefährlichkeits- bzw. Verletzungsrisikounrecht) nur teilweise verwirklicht ("Anfangsverletzungsrisikounrecht").
Auch beim unbeendeten tauglichen Versuch ist eine "unwesentliche Abweichung vom Kausalverlauf" möglich (zum beendeten tauglichen Verletzungsversuch vgl. insoweit oben C.L2.b). Der Täter meint hier ein anderes als das tatsächlich geschaffene adäquate Anfangsrisiko herbeizuführen. b) Bei der Strafzumessung ist der unbeendete (taugliche) Versuch deutlich von dem beendeten (tauglichen) Versuch abzusetzen. Denn der Täter eines unbeendeten tauglichen Versuchs hat (zunächst) gegen die den Gefährdungs- und Verletzungstatbeständen zugrunde liegende Verhaltensnorm (Gefährdungsverbotsnorm) nur teilweise verstoßen (anteiliges objektiv-subjektives Handlungsunrecht). Er hat darüber hinaus nicht nur seinen Vorsatz nicht vollständig durchgehalten, sondern auch das erstrebte Verletzungsrisiko nur teilweise - als adäquates Anfangsverletzungsrisiko - geschaffen. Sofern für den beendeten tauglichen Versuch die fakultative Strafmilderung nach § 23 II beibehalten wird, empfiehlt sich deshalb für den unbeendeten tauglichen Versuch de lege ferenda die obligatorische Strafmilderung nach § 49 [8S7. Dieser Gedanke ist mit großer Überzeugungskraft schon früher von Armin Kaufmann und Zielinski vorgetragen worden858• Der Gesetzgeber 857
s. schon C.I.2.d) Fußn. 466; E.II.2.b) m. Fußn. 745.
H. Unbeendete Versuche; Grade des Unrechts und Strafzumessung
313
hat dieser scharfen Unrechtsgrenze zwischen unbeendetem und beendetem Versuch zumindest ansatzweise durch die unterschiedliche Formulierung der Rücktrittspflichten in § 24 I S. 1 1. und 2. Alt. Ausdruck verliehen. Der Täter allein des beendeten tauglichen Versuchs hat das sog. "Vollendungsrisiko", d. h. die Gefahr des Scheiterns der Rücktrittsbemühungen, zu tragen. Als eine Konsequenz dieser Betrachtungsweise ist i. R. der Abhandlung mehrfach hervorgehoben worden, daß der Täter eines unbeendeten tauglichen Versuchs, dessen Tat auf ungewollte, jedoch objektiv zurechenbare (adäquate) Weise zur Vollendung führt, nicht wegen vollendeter Tat zu haften braucht (s. dazu noch unten III. l.d). Die Haftung für die Rechtsgutsverletzung (bzw. den Gefahrerfolg) wird hier nicht vermittelt durch die Haftung für die Verletzungsgefahr, auf der sie (er) beruht850• Doch steht mit dem Votum für eine obligatorische Strafmilderung nach § 49 I beim unbeendeten tauglichen Verletzungsversuch durch Tun allein der grundsätzliche Strafrahmen fest. Es sei daran erinnert, daß eine entsprechende Milderung auch für den beendeten untauglichen (F,I.l1.) und den beendeten objektiv fehlgeschlagenen Versuch (G.I.1.) vorgeschlagen worden ist. Beim beendeten objektiv fehlgeschlagenen Versuch wurde jedoch innerhalb des von § 49 I gesteckten Rahmens wegen des zusätzlichen objektiven Anfangsrisikounwerts eine gewisse Strafanhebung empfohlen. Beim unbeendeten tauglichen Versuch ist es nun so, daß er zwar dieses erhöhende Moment des Anfangsrisikounwerts ebenfalls aufweist, daß aber "zum Ausgleich" das objektiv-subjektive Handlungsunrecht nur anteilig realisiert ist. Im Ergebnis wird man deshalb hier die nicht erhöhte regelmäßige Strafe nach § 49 I auswerfen können. Damit stehen letztlich der unbeendete taugliche Versuch und der beendete untaugliche Versuch auf einer vergleichbaren Strafzumessungsstufe. Der Vollständigkeit halber sei angemerkt, daß der unbeendete taugliche Versuch durch Unterlassen (näher E.II.2.) gemäß § 13 II noch ein858 Armin Kaufmann, Welzel-Festschr., 404; Zielinski, Handlungsunwert, 144; vgl. a. Kern ZStW 64, 278 m. Fußn. 2 und Hinw. auf Art. 57, 60, 62 BayStGB v. 1813 und die der gemeinrechtlichen Doktrin entnommene Unterscheidung zwischen entferntem und nächstem Versuch; weit. Nachw. oben Fußn. 824. Freilich gehen die Standpunkte diametral auseinander, wenn man vergleichsweise den beendeten untauglichen Verletzungsversuch in den Blick nimmt: während hier ebenfalls eine obligatorische Strafmilderung empfohlen wird (vgl. F.I.11. sowie den folgenden Text), käme etwa Zielinski zur vollen (gegebenenfalls lebenslangen; dagegen C.I.2.d) Fußn. 379; F.I.11.) Strafe. Demgegenüber spricht sich J. Meyer ZStW 87, 613 f. gegen eine obligatorische Strafmilderung beim unbeendeten Versuch aus. - Burkhardt (Rücktritt, 18 f.) befürwortet zwar grundsätzl. die obligatorische Strafmilderung beim unbeendeten Versuch, verneint aber dennoch den wertungsmäßigen Unterschied zum beendeten Versuch. 859 Nachw. in Fußn. 226, 311; s. noch C.I.2.d) Fußn. 314.
2. Kap.: Gefährdungs- und Verletzungs delikte
314
mal liegt.
nunmehr freilich fakultativ -
nach § 49 I der Milderung unter-
2. a) Der unbeendete untaugliche Versuch ist hingegen nur in der Alternative der Begehung strafrechtlich relevant (näher F.IL). Der Täter hat hier nur vermeintlich (zumindest) ein adäquates Anfangsrisiko geschaffen und damit allein das objektiv-subjektive Handlungsunrecht und dies wiederum nur teilweise verwirklicht. b) Für die Strafzumessung (de lege ferenda) bedeutet das, daß der Richter wegen des alleinigen und nur anteiligen Handlungsunrechts den durch § 49 I gesteckten Rahmen nach unten nahezu auszuschöpfen hat. Man wird sogar daran denken können, § 23 Irr analog anzuwenden und im Einzelfall von Strafe abzusehen (s. schon oben F.Lll.). 3. a) Bei den überlegungeI?- zum unbeendeten tauglichen (1.) sowie untauglichen (2.) Versuch wurde bisher davon ausgegangen, daß der Täter seine Tat gleichsam mit dem Anfang der Ausführungen und damit mit der wirklichen oder vermeintlichen Schaffung eines adäquaten Anfangsrisikos wieder aufgibt. So mag in der Tat eine Reihe von Fällen liegen. Die praktisch im Vordergrund stehenden Fälle des unbeendeten Versuchs sind freilich anders gelagert. Hier handelt der Täter über die Schaffung eines adäquaten Anfangsverletzungsrisikos ("Anfang des unbeendeten Versuchs") hinaus, ohne freilich bis zur Herbeiführung eines vollumfänglichen adäquaten Verletzungsrisikos ("beendeter Verletzungsversuch") vorzudringen. Er schafft hier (vermeintlich oder wirklich) ein Risiko mittlerer Höhe. Entsprechend ist dann auch das (anteilig) verwirklichte Handlungsunrecht sowie (beim unbeendeten tauglichen Versuch) das realisierte "Anfangs-Gefährlichkeitsunrecht" gegenüber dem Stadium des "Anfangs des unbeendeten Versuchs" gesteigert. Auch diese "Grade des Unrechts" könnten - hier freilich ohne feste Grenzwerte wie bei den adäquaten Anfangs- und End-Verletzungsrisiken860 im Einzelfall bei der Strafzumessung eine gewisse Berücksichtigung finden. b) Sieht man die Dinge so, so wird auch ein "unbeendeter objektiv fehlgeschlagener V ersuch" dogmatisch faßbar (zum entsprechenden be-
endeten Versuch oben G.). Er zeichnet sich dadurch aus, daß der Täter zwar zu Beginn seiner Ausführungen ein adäquates Anfangsrisiko geschaffen hat, daß sich aber bei dem späteren Abbruch der Tat vor Beendigung der Tathandlungen und mit Rücksicht auf den ursprünglichen Tatplan objektiv bescheinigen läßt, daß die Ausführungen doch nicht zu einem vollumfänglichen adäquaten Verletzungsrisiko geführt hätten. Beispiel: A will B langfristig durch zehn Giftraten ermorden. Bei der 860
s. a. G .ll. Fußn. 855.
H. Unbeendete Versuche; Grade des Unrechts und Strafzumessung
315
ersten Dosis ("Anfang des unbeendeten Versuchs" i. S. v. § 22) ist der objektive Betrachter in nachträglicher Prognose der Auffassung, daß die geplante Giftmenge bei der Konstitution des B hinreicht (insoweit tauglicher "Anfang des unbeendeten Versuchs"). A bricht die Tat nach der siebten Dosis ab (d. h. noch: unbeendeter Versuch). Schon jetzt erkennt der objektive Betrachter"5S, daß B wegen seiner überraschenden Widerstandskraft auch die letzten drei Giftraten überlebt hätte (im Ergebnis also: unbeendeter objektiv fehlgeschlagener Versuch). Bei der Strafzumessung wird man den unbeendeten objektiv fehlgeschlagenen Versuch in die Nähe des unbeendeten tauglichen Verletzungsversuchs (oben l.b) und des beendeten untauglichen Verletzungsversuchs (oben F.I.1l.) rücken können. 11. "Grade des Unrechts" und Strafzumessung Nach allem ergibt sich z. B. für die Verletzungsdelikte durch Begehung - abgestuft nach den Graden des Unrechts - für die Strafzumessung die folgende Rangfolge: unbeendeter untauglicher Versuch (Absehen von Strafe oder obligatorische Strafmilderung nach § 49 I untere Grenze); unbeendeter tauglicher, unbeendeter objektiv fehlgeschlagener und beendeter untauglicher Versuch (obligatorische Strafmilderung nach § 49 I Mittelwerte); beendeter objektiv fehlgeschlagener Versuch (obligatorische Strafmilderung nach § 49 I obere Grenze); beendeter tauglicher Versuch (fakultative Strafmilderung; § 23 II); Vollendung (volle Strafe). 111. Zum Rücktritt von den unbeendeten Gefährdungsund Verletzungsversuchen 1. a) Beim Rücktritt vom unbeendeten tauglichen Gefährdungs- oder Verletzungsversuch durch Begehung hat der Täter die weitere Tataus-
führung aufzugeben (§ 24 I S. 1 1. Alt.).
b) Beim Rücktritt vom entsprechenden Unterlassungsversuch (zu dieser Versuchsform näher E.II.2.b) bzw. von vergleichbar gelagerten Begehungsversuchen (näher E.II.2.b): z. B. Kaffee-Gift-Fall) muß der Täter durch tätige Reue derart seiner normalen Erfolgsabwendungspflicht nachkommen, daß sich das "geschaffene" adäquate Anfangsrisiko nicht nachfolgend zu einer vollumfänglichen adäquaten Verletzungsgefahr (= beendeter tauglicher Verletzungsversuch) und weiter zu einer objektiv zurechenbaren konkreten Gefährdung bzw. Rechtsgutsverletzung (= vollendete Tat) realisiert. Im Rabenmutter-Fall muß die Täterin die Ernährung wiederaufnehmen; im Kaffee-Gift-Fall ist das vergiftete Kaffeepulver wegzunehmen.
316
2. Kap.: Gefährdungs- und Verletzungs delikte
c) Treten Verletzungsrisiko, Gefahr und Verletzungserfolg (tatsächlich und zufällig) ein, obwohl der Täter freiwillig "objektiv geeignete Rettungschancen" (zur Kompensation des adäquaten Anfangsrisikos) ergriffen hat, so wird er ebenfalls straflos (näher E.II.2.b). d) Besonderer Erwähnung bedarf noch der Sonderfall, in dem der Täter sein Vorhaben aufgibt, obwohl schon - von ihm unerkannt sein bisheriges Tun ein vollumfängliches adäquates Verletzungsrisiko geschaffen hat, das sich dann aber zufällig nicht in einem (Gefahr- oder) Verletzungserfolg realisiert. Während Ulsenheimer8'1 bei dieser Mischform von unbeendetem und voll tauglichem (normalerweise dann auch beendeten) Versuch einen beendeten tauglichen Versuch annimmt und für den strafbefreienden Rücktritt stets eine auf Erfolgsabwendung abzielende Aktivität fordert (§ 24 I S.l 2. Alt.), will Rudolphi86'l schon bei freiwilliger Tataufgabe nach § 24 I S.2 Straffreiheit gewähren ("ernsthaftes und freiwilliges Bemühen, die Vollendung der Tat durch bloße Tataufgabe zu verhindern"). Beide Auffassungen vermögen jedoch nicht zu befriedigen. Im Beispielsfall handelt es sich entgegen Ulsenheimer nicht um einen beendeten (tauglichen) Versuch, da der Täter nach seiner Auffassung noch nicht alles zur Herbeiführung eines adäquaten Verletzungsrisikos Notwendige getan hat (dazu oben C.!.1.). Andererseits kann sich der Täter aber auch nicht durch bloße Tataufgabe Straffreiheit verdienen, da damit unberücksichtigt bliebe, daß er immerhin ein objektiv-adäquates Verletzungsrisiko herbeigeführt hat, das im Falle der Beendigung des Versuchs das Ergreifen von objektiv rettungsgeeigneten Maßnahmen (gerade auch bei zufälligem Ausbleiben der Rechtsgutsverletzung) erfordert hätte88a • Eine angemessene Lösung ergibt sich vielmehr, wenn man den Parallelfall des verfrühten adäquaten Verletzungs erfolgs heranzieht864 • Während in diesem Fall der Täter wegen der Nichtbeendigung seines Vorhabens nicht das "Vollendungsrisiko" zu tragen braucht, wegen des adäquaten Erfolgseintritts aber auch nicht in den Genuß des Rücktrittsprivilegs nach § 24 I S. 1 1. Alt. kommt, ist im Ausgangsfall dem Täter nicht das "Verletzungsrisiko" zuzurechnen (kein beendeter tauglicher Versuch!), wegen des adäquaten Risikoeintritts jedoch das Rücktrittsprivileg nach § 24 I S.2 (dazu noch sogleich unter 2.) bzw. § 24 I S. 1 1. Alt. zu versagen. Der Täter könnte sich Straffreiheit allein durch das Rücktritt, 224 ff. SK, § 24 Rn 15a m. Nachw.; ebenso Wolter zStW 89, 695 Fußn. 195 (dieser Standpunkt wird im folgenden aufgegeben). 8t3 Grundsätzl. dazu Wolter aaO, 691 Fußn. 182. 8&« Dazu C.I.2.d) Fußn. 314; E.II.2.b) bei Fußn. 746 ff. 8411
861l
H. Unbeendete Versuche; Grade des Unrechts und Strafzumessung
317
Ergreifen von objektiv zur Rettung geeigneten Maßnalunen verdienen. Bleibt er wie hier lediglich untätig, so kommt er - entgegen der Konzeption von Ulsenheimer - immerhin in den Genuß der obligatorischen Strafmilderung wegen unbeendeten tauglichen Versuchs. 2. Für den Rücktritt vom unbeendeten untauglichen Gejährdungsund Verletzungsversuch durch Begehung (der entsprechende Unterlas-
sungsversuch ist straflos; oben F.I!.) fehlt eine Regelung in § 24. § 24 I S.2 ist auf den Rücktritt vom beendeten untauglichen Versuch zugeschnitten (ernsthaftes Bemühen um Erfolgsabwendung). Man wird hier analog § 24 I S.l 1. Alt. i. V. m. § 24 I S.2 das freiwillige Abstandnehmen von der weiteren Tatausführung hinreichen lassen müssen. Es genügt, daß der Täter glaubt, daß sich dadurch das (vermeintlich) geschaffene (adäquate Anfangs-)Risiko nicht zu einem entsprechenden vollen Verletzungsrisiko und dann zu einem (Gefahr- oder) Verletzungserfolg erhöht. 3. Für den Rücktritt vom unbeendeten objektiv jehlgeschlagenen Versuch (dazu !.3.b) gelten entsprechende Grundsätze wie beim Rücktritt
vom unbeendeten untauglichen Versuch (vgl. auch G.!.2.).
IV. "Unbeendete Rettungsversucb.e" In Umkehrung der unbeendeten Gefährdungs- und Verletzungsversuche sind auch" unbeendete Rettungsversuche i. R. der Rechtfertigungsgründe" denkbar886• 1. Die unbeendeten untauglichen und objektiv jehlgeschlagenen Rettungsversuche etwa i. R. der §§ 32, 34 vermögen unrechtssystematisch nicht zu Buche zu schlagen. Zwar wird bei den entsprechenden beendeten Rettungsversuchen wegen Putativrechtfertigung entweder der vor-
sätzliche Handlungsunwert in einen fahrlässigen Handlungsunwert umgewandelt und im Ergebnis wegen fahrlässiger vollendeter Straftat verurteilt oder sogar (bei Unvermeidbarkeit des Irrtums) mangels Handlungsunwerts freigesprochen. Dies gilt aber nicht bei den genannten unbeendeten Rettungsversuchen. Um nur ein Beispiel für einen unbeendeten untauglichen Rettungsversuch zu nehmen: B tötet A mit zahlreichen Messerstichen; die Tat war insgesamt nicht durch Notwehr geboten; anfangs nimmt B irrig die Voraussetzungen einer Notwehrlage an; später erkennt er seinen Irrtum, sticht aber weiter todbringend auf A ein, um ihn loszuwerden. Hier ist die Strafe wegen vollendeten (vor886 Zu den beendeten untauglichen Rettungsversuchen vgl. C.1.2.d) bei Fußn. 429 f.; zu den entspr. tauglichen Versuchen C.1.2.d) bei Fußn. 314a bzw. objektiv fehlgeschlagenen Versuchen C.1.2.d) Fußn. 431.
318
2. Kap.: Gefährdungs- und Verletzungs delikte
sätzlichen) Totschlags angezeigt. Der anfängliche fahrlässige Teilhandlungsunwert (bzw. der anfänglich fehlende Handlungsunwert) mag allenfalls bei der Strafzumessung Berücksichtigung finden. 2. Unterschiedliche Ergebnisse finden sich auch bei den tauglichen Rettungsversuchen. Während die Straftat bei einem beendeten tauglichen Rettungsversuch stets insgesamt gerechtfertigt ist, kommt bei einem unbeendeten tauglichen Rettungsversuch ein (beendeter) untauglicher Verletzungsversuch mit gemilderter Strafe in Betrachtsoo .
soo Dazu C.I.2.d) Fußn. 314.
J. "Eigentliche" und "besondere abstrakte Gefährdungsdelikte"
("potentielles Erfolgsunrecht"); "abstrakte, generelle und konkrete Risikodelikte" mit "potentieller genereller Kausalität" Im Anschluß an die Erörterungen zu E.IV.1. ("uneigentliche" und "eigentliche abstrakte Gefährdungsdelikte") sowie F.L, III. (Delikte mit alleinigem Handlungs- bzw. Unterlassungsunrecht) sind im folgenden (J. und K.) einige Sonderformen der "abstrakten Gefährdungsdelikte" vorzustellen. Dabei rechtfertigt sich die Zusammenfassung von im einzelnen durchaus heterogenen Deliktsformen deshalb, weil sie jeweils des Elements der "generellen Kausalität" (näher IV.) und/oder des (primären) Erfolgsunwerts (zumindest i. S. eines adäquaten "Anfangsrisikounwerts") entbehren. An ihrer Stelle wird z. T. eine "potentielle generelle Kausalität" (IV.) bzw. ein "potentieller Erjolgsunwert" gesetzt (IIL1.). - Die Erörterungen können dabei vergleichsweise kurz ausfallen, weil es in dieser Untersuchung in erster Linie um den Nachweis von "wirklichen Risiko- und Erfolgsunwerten" auf der Grundlage "genereller Kausalität" geht und weil einige Deliktsformen in anderem Zusammenhang bereits näher diskutiert worden sind (1.; IV.2.). Zu betrachten sein werden danach die "eigentlichen abstrakten Gefährdungsstraftaten" (1.) sowie die "Prüfstellendelikte" des AE (11.); des weiteren etwaige Sonderformen wie die sog. "generell gefährlichen Delikte" (Gallas) (IIL1.) und "abstrakt-konkreten Gefährdungsdelikte" (Schröder) (IIL2.); ferner "Risikodelikte" (§§ 131 StGB, 151 AE) mit allein "potentieller genereller Kausalität" (IV.). - Einige abschließende Bemerkungen gelten den Delikten mit "vergeistigtem Zwischenrechtsgut" und damit (nur) "mediatisiertem Erfolgsunwert" (K.). I. "Eigentliche abstrakte Gefährdungsdelikte" (§§ 316 StGB, 167 AE) Das Wesen und die Grenzen der "eigentlichen abstrakten Gefährdungsdelikte" (etwa §§ 316 StGB, 167 AE) sind bereits ausgemacht (E.IV. 1.a). Es geht z. B. um Massenhandlungen im Straßenverkehr, bei denen es aus lerntheoretischen Gründen geboten ist, die Strafe an den bloßen Regelverstoß und damit an die Realisierung des alleinigen objektivsubjektiven Handlungsunrechts zu knüpfen. Der Schutz von konkreten Rechtsgütern ist nicht unmittelbar Inhalt der Norm, sondern lediglich
320
2. Kap.: Gefährdungs- und Verletzungsdelikte
Motiv des Gesetzgebers ("mittelbare Erfolgsunwerte"). Daneben stehen auch (wie z. B. im Paß- und Meldewesen, im sog. "Umweltschutzrecht", beim Rauschgifthandel oder Waffenbesitz) Kontroll- und überwachungsmöglichkeiten im Vordergrund. Doch kann es in einem vornehmlich dem unmittelbaren Rechtsgüterschutz verpflichteten Strafrecht damit nicht bewenden. Die "eigentlichen abstrakten Gefährdungsdelikte" sind vielmehr - sollten sie kriminellen Gehalt aufweisen - deutlich aufzuwerten. Dies kann im wesentlichen auf zwei Wegen geschehen. Entweder man beschränkt diese Deliktsform auf präzise formulierte Verhaltensweisen mit einem mittelbaren Bezug zu ganz erheblichen Rechtsgutsgefährdungen und -verletzungen (Leben, Leib, bedeutende Sachwerte)867. Oder man schafft im Anschluß an die §§ 152 ff. AE sog. "Prüfstellendelikte", macht also z. B. das In-den-Verkehr-Bringen von generell oder möglicherweise gefährlichen Stoffen und Mitteln von der Freigabe durch eine Prüfstelle abhängig. Mit Recht formuliert Armin Kaufmann 9flll , der sich besonders nachdrücklich für die Aufwertung der abstrakten Gefährdungsdelikte eingesetzt hat: "wer ohne die erforderliche Zulassung oder entgegen den Auflagen der Prüfstelle handelt, dessen Handlung trägt den kriminellen Akzent, das Risiko für Leib oder Leben anderer nicht zu scheuen". - Den "Prüfstellendelikten" sei deshalb im folgenden weitere Aufmerksamkeit geschenkt. 11. "Prüfstellendelikte" (§§ 152 ff. AE) Dabei soll weniger die kriminalpolitische Fundierung und dogmatische Einzelausgestaltung dieser Vorschriften betrachtet werden889 als die durch sie eröffnete Möglichkeit, zwei wesentliche Probleme der Gefährdungsstrafbarkeit zu entschärfen. Beide Probleme werden im folgenden i. R. der "generell gefährlichen Straftaten" (lILl.) sowie der "Risikodelikte" (IV.) Bedeutung erlangen: 1. Wenn z. B. der Vertrieb von ungeprüften Arzneimitteln (§ 155 AE) oder Chemikalien (§ 156 AE) von der Freigabe einer Prüfstelle abhängt, so "versteht es sich von selbst, daß diese Prüfstellen die Zulassung auch 887 Ob dies auf sämtliche heute gemeinhin als abstrakte Gefährdungsdelikte eingestuften Straftaten zutrifft, ist durchaus zweifelhaft. Einzelanalysen sind hier nicht möglich. Es sei nur auf einige als "abstrakt" angesehene Vorschriften verwiesen: §§ 84, 86, 86a, 88, 99, 100, 106a, 109f, 132, 142, 145, 219b, 219c (dazu jeweils Rudolphi SK); vgl. a. Samson SK, § 264 Rn 7, § 265b Rn 28; ferner BVerfG v. 12. 8. 1977 - 1 BvR 237, 802, 803/76 (NJW 1977, 1141, IV) zu § 184 I Nr.7. 868 JZ 1971, 576. 869 Vgl. die überzeugende Begründ. des AE, S. 49 ff.; s. a. ASJ RuP 1975, 219; Backes JZ 1973, 340 f.; krit. Horn, Welzel-Festschr., 729 ff.
J. Abstrakte Gefährdungsdelikte und Risikostraftaten
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dann zu versagen hätten, wenn nach dem Stande der Wissenschaft die Eignung zur Verletzung von Leib oder Leben zwar nicht gesichert ist, aber als möglich erscheint"868. Damit kann im Vorfeld gravierender Rechtsgutsgefährdungen und -verletzungen im Einzelfall zum Schutze des Bürgers auch auf den Nachweis "genereller Kausalität" (näher IV.; III.l.c) verzichtet werden. Diese Möglichkeit ist auch bei der "Verursachung von gemeiner Gefahr" (§ 151 AE) sowie bei der (nicht über die Zulassung von Prüfstellen zu regelnde) "Herstellung gesundheitsschädlicher Lebensmittel" (§ 157 AE mit Begründ.) von erheblicher Bedeutung (näher III.l.c); IV.2.). 2. Zum anderen bekommt man mit der "Prüfstellensystematik" insbesondere auf dem Sektor des "Vertriebs ungeprüfter Arzneimittel" Gefährdungshandlungen in den Griff, die heute in den §§ 6, 44 ArznMG nur unzureichend geregelt sind. Die genannten Vorschriften des ArznMG bedienen sich dabei eines Regelungsprinzips, das i. S. "generell gefährlicher Delikte" auch den §§ 3, 11 LebMG zugrunde liegt und das im folgenden im Anschluß an Gallas näher betrachtet werden soll. III. Weitere Sonderformen des abstrakten Gefährdungsdelikts? Als weitere Sonderformen des abstrakten Gefährdungsdelikts werden neben den "generell gefährlichen Delikten mit potentiellem Erfolgsunwert" (1.) auch die sog. "abstrakt-konkreten Gefährdungsstraftaten" wie z. B. § 308 I 2. Alt. diskutiert (2.): 1. "Generell gefährliche Delikte" mit "potentiellem Erfolgsunwert" (Gallas); §§ 3, 11 LebMG
a) Gallas unterscheidet zunächst grundsätzlich zwei Spielarten des abstrakten Gefährdungsdelikts. Einmal die "eigentlich abstrakten Gefährdungsstraftaten" (oben 1.), bei denen der Rechtsgüterschutz insofern Motiv des Gesetzgebers geblieben ist, als er stets von der generellen Gefährlichkeit des pönalisierten Verhaltens ausgeht (z. B. §§ 316 StGB, 167 AE). Zum anderen solche Straftatbestände, bei denen der Gesetzgeber die generelle Gefährlichkeit der Tat im Wege einer ausfüllungsbedürftigen Wertformel zum Tatbestandsmerkmal erhoben und es so dem Richter überlassen hat, an seiner statt das Verhalten des Täters als generell gefährlich zu qualifizieren. Als Beispiel für diese zweite Spielart nennt er § 3 Nr.1a i. V. m. § 11 LebMG, der (ähnlich wie §§ 6, 44 ArznMG) voraussetzt, daß der Täter dem Verbot zuwiderhandelt, "Lebensmittel für andere derart... herzustellen ... , daß ihr Genuß die menschliche Gesundheit zu schädigen geeignet ist". 21
W~Iter
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2. Kap.: Gefährdungs- und Verletzungsdelikte
Gallas knüpft nun bei der dogmatischen Präzisierung dieser zweiten Spielart der abstrakten Gefährdungsstraftaten im wesentlichen an seine Konzeption bei den konkreten Gefährdungsdelikten an870 • Beiden Deliktsformen, der abstrakten Gefährdungsstraftat in seiner zweiten Form und dem konkreten Gefährdungsdelikt, sei das Gefahrmoment als wertausfüllungsbedürftiges Tatbestandsmerkmal gemeinsam. Zwar unterschieden sich die abstrakten von den konkreten Gefährdungsdelikten dadurch, daß bei ersteren eine generelle Gefährlichkeit des Verhaltens erforderlich und ausreichend sei. Auch brauche hier kein bestimmtes Rechtsgut (Körperintegrität des X) betroffen zu sein und scheide deshalb "zugleich die Herbeiführung eines realen Gefährdungserfolgs als Tatbestandsmerkmal aus". Die generelle Gefährlichkeit des Verhaltens bestehe vielmehr darin, daß von ihm nur die Verletzung von Rechtsgütern bestimmter Art ("menschliche Gesundheit") zu befürchten sei.Andererseits zeigt sich nach Gallas die dogmatische Gemeinsamkeit beider Deliktsformen wiederum darin, daß bei der Bestimmung des Handlungsunwerts des generell gefährlichen Delikts eine ex ante-Betrachtung zu Gebote steht und daß - ähnlich wie beim konkreten Gefährdungsdelikt - die (generelle) Gefährlichkeit der nachträglichen überprüfung unterliegt. Man könne - so Gallas - wegen dieses ex post verifizierbaren objektiven Tatbestandsmerkmals von einem "potentiellen Erfolgs- oder Gefährdungsunwert" der Handlung sprechen. b) Es steht außer Frage, daß Gallas mit der "Entdeckung" und Präzisierung der "generell gefährlichen Delikte" als einer weiteren Spielart der abstrakten Gefährdungsstraftaten ein wesentlicher dogmatischer Fortschritt zu verdanken ist. Auch ist ihm in seiner Kritik gegenüber Schröder871 beizupflichten, der hier wegen des vom Richter konkret auszufüllenden Merkmals der "Eignung zur Schädigung menschlicher Gesundheit" von einer "echten Kombination zwischen konkreten und abstrakten Gefährdungselementen" ausgeht (näher zu den "abstrakt-konkreten Gefährdungsdelikten" Schröders sogleich unter 2.). Der Richter hat bei § 3 LebMG allein einen generalisierenden Maßstab anzulegen, d. h. zu prüfen, ob die Lebensmittelherstellung bei Durchschnittskonsumenten die Aussicht auf Gesundheitsverletzungen in ernst zu nehmender Weise erhöht, und nicht etwa zu untersuchen, ob der Täter bestimmte (vielleicht insoweit immune) Personen der realen Gefahr einer Gesundheitsbeschädigung aussetzt8n. 870 Heinitz-Festschr., 174 f., 180 ff.; zustimm. Horn, Gefährdungsdelikte, 28 ff.; zu den Thesen von Gallas bei den konkreten Gefährdungsdelikten s. oben D.II.1.b) bei Fußn. 650 ff.; 2.a) bei Fußn. 655 ff. 871 JZ 1967, 522, 525; ZStW 81,22 f.; vgl. a. Schünemann JA 1975, 793. 872 Gallas aaO, 175, 181.
J. Abstrakte Gefährdungsdelikte und Risikostraftaten
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Bedenken stellen sich jedoch ein, wenn Gallas zur Straflosigkeit (oder bloßen Versuchsbestrafung) immer dann gelangen will, wenn sich ex post (etwa in der Hauptverhandlung) herausstellt, daß das ex ante generell höchst gefährliche Lebensmittel doch nicht für die menschliche Gesundheit schädlich gewesen ist. Es sind hier ähnliche Vorbehalte zu machen wie gegen die (Rablsche) Auslegung des § 306 Nr.2 als Gefährdungsdelikt mit widerleglicher Gefährdungsvermutung (E.IVA.a). Es widerstreitet der vom Gesetzgeber vorgezeichneten kriminalpolitisch.en Wertung (und auch der dogmatisch und systematisch gewählten "Eignungsklausel"), wenn ein zur Zeit der Tat außergewöhnlich gefahrträchtiges ("geeignetes") Geschehen wegen Widerlegung des Gefahrurteils im Prozeß für straflos erklärt werden muß. Denn der nachbleibende "Versuch des generell gefährlichen Delikts" ist nicht selten (anders allerdings §§ 11 Il LebMG, 44 Il ArznMG) strafrechtlich irrelevant. c) De lege lata vorzugswürdig erweist sich deshalb die Auslegung von § 3 LebMG u. ä. Bestimmungen als "potentielles generelles Gefährdungs- bzw. Verletzungsdelikt". Es unterliegt m. a. W. einer vergleichbaren Interpretation wie z. B. die §§ 223a I 4. Alt.,' 187 3. Alt. (dazu C.Il. 2.c)-e); D.l.3.c)-e); E.Ill.) bzw. die §§ 126, 130, 166, 186, 187 1. Alt., 229 (dazu C.Il.2., 3.; D.l.3.c)-e), nur mit dem Unterschied, daß nunmehr ein generalisierender Maßstab anzulegen ist. Der Täter macht sich also nach §§ 3 LebMG, 6 ArznMG strafbar, wenn er vorsätzlich ein generelles Gesundheitsverletzungsrisiko schafft; daß sich dieses Risiko aufgrund nachträglicher Erkenntnisse und Tests nicht auch in einer Art "generellem Gesundheitsgefahrerfolg bzw. Gesundheitsverletzungserfolg" i. S. der ernsthaften Bedrohung einer unbestimmten Anzahl von Durchschnittskonsumenten realisiert, ist für· die (volle) Strafbarkeit unerheblich. Auch dann, wenn sich z. B. der handfeste Krebsverdacht zur Zeit der Tat aufgrund nachträglicher wissenschaftlicher Untersuchungsmethoden nicht bewahrheitet, trägt das Verhalten des Täters den kriminellen Akzent, das Risiko für die Gesundheit anderer nicht zu scheuen. De lege ferenda ist freilich (anstelle des § 3 LebMG) im Anschluß an § 157 AE ein "generelles Risikodelikt" ("potentielles generelles Gefährdungs- bzw. Verletzungsdelikt" mit "potentieller genereller Kausalität") vorzuschlagen (näher IV.2.)873. Danach braucht der Täter (vorsätzlich oder fahrlässig) also wiederum allein ein "bei üblicher (= genereller) Verwendung" des Lebensmittels auszumachendes (generelles) Leibes873 Ein Prüfverfahren durch Prüfstellen kommt hier (anders als bei § 6 ArznMG; vgl. § 155 AE m. Begründ.) nicht in Betracht. Die Vielfalt, oftmals leichte Verderblichkeit sowie die häufig fehlende exakt gleichbleibende Zusammensetzung der Lebensmittel schließen eine solche Regelung aus (Begründ. zu § 157 AE).
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2. Kap.: Gefährdungs- und Verletzungsdelikte
oder Lebensverletzungsrisiko zu schaffen; er wird aber auch dann bestraft, wenn die Schädigung anderer - mangels Feststellbarkeit einer generellen Kausalität (näher IV.) - nicht auszuschließen ist (s. zu dem vergleichbaren § 151 AE als "potentielles konkretes Gefährdungs- bzw. Verletzungsdelikt mit potentieller genereller Kausalität" oben E.IV.3.a) Ziff.2). 2. Abstrakt-konkrete Gefährdungsdelikte (Schröder)?
a) §§ 3, 11 LebMG Die Auslegung, die demgegenüber Schröder871 z. B. den §§ 3, 11 LebMG zuteil werden läßt, ist nicht zustimmenswert. Sieht man davon ab, daß Schröder derartige Delikte aus eher formalen Gründen als eine "wirkliche Kombination von abstrakten und konkreten Elementen" ("abstrakt-konkrete Gefährdungsdelikte") bezeichnet (dagegen oben l.b), so will er vor allem - etwa bei einem immunen Einzelkonsumenten den Gegenbeweis gegen die generelle Gefährlichkeit zulassen. Entweder widerstreitet eine solche Lösung aber - ähnlich wie die entsprechende Auslegung des § 306 - dem Grundsatz in dubio pro reo oder sie verwandelt unzulässig das generelle Gefährdungsdelikt in eine konkrete Gefahrerfolgsstraftat (näher E.IV.4.b). b) § 308 I 2. Alt.
Schröder874 untersucht freilich mit § 308 I 2. Alt. noch eine zweite (uneigentliche) Form des abstrakt-konkreten Gefährdungsdelikts. Konkret zu beurteilen sei nach dem Gesetzeswortlaut allein die Beschaffenheit und Lage des in Brand gesteckten Objekts (daneben auch der durch die Brandstiftung gefährdeten Räumlichkeiten und Gegenstände87~). Im übrigen sei § 308 I 2. Alt. als ein abstraktes Gefährdungsdelikt mit der Folge zu beurteilen, daß auch bei einer für den Übergriff des Feuers "aussichtslosen" Wind- und Wetterlage grundsätzlich zu strafen sei. Freilich will Schröder auch hier wieder (insoweit) den Gegenbeweis der konkreten Ungefährlichkeit zulassen. Daß diese Lösung nicht zu befriedigen vermag, ist schon i. R. der Erörterungen zu §§ 3, 11 LebMG (oben a) und § 306 (E.IVA.b) begründet worden. Auch die Einordnung als "abstraktes"87. oder "konkretes"877 Gefährdungsdelikt überzeugt nicht (dazu auch E.IV.1.b), 2., 4.). m JZ 1967, 524 f.; ZStW 81, 19, 21 f. m. Nachw.; s. a. Schünemann JA 1975, 793. 87~ JZ 1967, 524; s. a. Horn SK, § 308 Rn 7. 876 Vgl. nur BGH NJW 1951, 726; Gallas, Heinitz-Festschr., 183; Lackner, § 308 Anm. 3b; Welzel Lb, 455. 877 Blei BT, § 86 !II 2b m. weit. Nachw.
J. Abstrakte Gefährdungsdelikte und Risikostraftaten
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Vorzuschlagen ist vielmehr eine zweigeteilte Auslegung, die den Tatbestand (einerseits) als "vorsätzliches potentielles konkretes Gefährdungs- bzw. Verletzungsdelikt" begreift, soweit die Eignungsklausel betroffen ist (dazu C.IL2.c)-e); D.I.3.c)-e); E.IlL); die aber (andererseits) die Grundsätze der teleologischen Reduktion bei § 306 als "uneigentliches abstraktes Gefährdungsdelikt" heranzieht (E.IV.5.)878. Diese Haftungseinschränkung führt - wie begründet - dazu, daß der Täter ein zumindest fahrlässig-taugliches oder ein vorsätzlich-untaugliches Lebensverletzungsrisiko schaffen muß. Die drastische Strafdrohung in § 308 (1 bis 10 Jahre Freiheitsstrafe) gebietet insbesondere diese letztere dem § 306 angeglichene teleologische Reduktion. Der Täter hat danach neben der bewußten Brandlegung - vorsätzlich (bezüglich der Lage und Beschaffenheit der betroffenen Objekte) die voll umfängliche adäquate "Feuerübergriffsgefahr" sowie zumindest fahrlässig die genannte Lebensgefahr für die in den gefährdeten Räumlichkeiten befindlichen Menschen herbeizuführen. Mehr (aber auch weniger) erfordert § 308 I 2. Alt. nicht. IV. "Risikodelikte" mit "potentieller genereller Kausalität" Abschließend bleibt auf zwei besondere Arten von sog. "Risikodelikten" einzugehen, bei denen entweder der Gesetzgeber (§ 131) oder die Gestalter des künftigen Rechts (§§ 157, 151 AE) auf das Erfordernis der "generellen Kausalität" verzichtet haben. Unter genereller Kausalität ist dabei im Anschluß an die wegweisende Untersuchung von Armin Kaufmann 879 die Frage zu verstehen, ob überhaupt ein auf den konkreten Einzelfall anwendbares naturwissenschaftliches Kausalgesetz existiert. Bleibt ein solches Kausalgesetz, unter das das konkrete Geschehen subsumiert werden könnte, im maßgebenden Fachkreis umstritten, so ist der Richter nicht befugt, es im Wege subjektiver überzeugungsbildung dennoch seiner Entscheidung zugrunde zu legen. Hingegen unterliegt die Begründung der konkreten Kausalität, d. h. die Feststellung des konkreten, unter ein generelles Kausalgesetz subsumierbaren Sachverhalts, allein der subjektiven überzeugungsbildung des Richters. 1. "Abstrakte Risikodelikte" (§ 131 StGB)
Mit § 131 hat der Gesetzgeber eine sehr problematische Vorschrift geschaffen. Die Verherrlichung von Gewalt z. B. durch Herstellen oder Verbreiten von Schriften ist unter Strafe gestellt, obwohl "bisher ge878 Vgl. a. Dreher I Tröndle, § 308 Rn 3, Rn 13 vor § 1: "potentielles Gefährdungsdelikt" (dazu a. oben C.II. Fußn. 492, 512). 879 JZ 1971, 572 ff.; weit. Nachw. oben A. Fußn. 1.
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2. Kap.: Gefährdungs- und Verletzungsdelikte
sicherte Erkenntnisse der einschlägigen wissenschaftlichen Disziplinen über Zusammenhänge zwischen gewaltverherrlichenden ... Darstellungen und später begangenen Gewalttätigkeiten fehlen"880. Da es (damit) anders als bei den "eigentlichen abstrakten Gefährdungsdelikten" (I.) an dem Erfordernis der generellen Kausalität mangelt und da es des weiteren im Gegensatz zu den "generell gefährlichen Delikten" (dazu oben III.1.) auch an einer Eignungsklausel fehlt (vielmehr der Schutz des einzelnen und der Allgemeinheit vor Gewalttätigkeiten Motiv des Gesetzgebers geblieben ist), kann man § 131 nur als "abstraktes ,Risikodelikt' neuen Typs mit potentieller genereller Kausalität" einstufen. Bedenkt man nun weiter, daß die pönalisierten Verhaltensweisen bis weit in das Vorbereitungsstadium hineinreichen und daß mit der "Verherrlichung" bzw. "Verharmlosung" auch wenig präzise Tatbestandsmerkmale in die Vorschrift eingegangen sind, so wird man diese Strafbestimmung entweder als verfassungsrechtlich bedenklich ablehnen oder durch eine sehr enge Interpretation zur Wirkungslosigkeit verurteilen müssen881 . 2. "Generelle und konkrete Risikodelikte" (§§ 157,151 AE)
Diese Vorbehalte gelten nicht, wenn man die "Risikodelikte mit potentieller Kausalität" entweder in Anlehnung an §§ 3, 11 LebMG gleichzeitig zu "potentiellen generellen Verletzungs- bzw. Gefährdungsdelikten" ("generellen Risikodelikten") (dazu oben III.L, Lc) oder entsprechend dem de lege ferenda neu gefaßten § 306 (dazu E.IV.3.a) Ziff. 2) zu
"potentiellen konkreten Verletzungs- bzw. Gefährdungsdelikten" ("konkreten Risikodelikten") aufwertet. Den ersten Weg ist § 157 AE, den zweiten § 151 AE gegangen.
V. Zusammenfassung Faßt man kurz zusammen, so lassen sich die abstrakten Gefährdungsdelikte de lege lata in "uneigentliche" (E.lV.L; vgl. auch J.III.2. zu § 308) und "eigentliche abstrakte Gefährdungsstraftaten" (E.lV.L; J.I.) sowie in "abstrakte Risikodelikte mit potentieller genereller Kausalität" (IV. 1.) und schließlich "potentielle generelle Gefährdungs- bzw. Verletzungsdelikte" (III.Lc) untergliedern. Hingegen kommt den sog. "abstraktkonkreten Gefährdungsdelikten" (III.2.) kein eigenständiges dogmatisches Gewicht zu. De lege ferenda bietet es sich an, diese Vielfalt durch die "Prüfstellendelikte" (11.) zu bereichern und die "generell gefährlichen Delikte" (lILI.) im Einzelfall durch die "generellen Risikodelikte 880 881
Rudolphi SK, § 131 Rn 2; Gerhardt NJW 1975, 375 f. Vgl. a. Rudolphi aaO, Rn 2, 3.
J. Abstrakte Gefährdungsdelikte und Risikostraftaten
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mit potentieller genereller Kausalität" (IV.2.) zu ersetzen (III.1.c). Nach geltendem Recht sind die "generell gefährlichen Delikte" als sog. "potentielle generelle Gefährdungs- bzw. Verletzungsdelikte" zu interpretieren (III.1.c). Im folgenden (K.) sei zur Abrundung des Bildes noch eine letzte Sonderform der abstrakten Gefährdungsdelikte behandelt: die Straftaten mit "vergeistigtem Zwischenrechtsgut"882.
882 Zu dieser Einordnung a. Schünemann JA 1975, 793, 798; Tiedemann ZStW 87, 273 (zu Tiedemann treffend Loos, Welzel-Festschr., 892 Fußn. 57).
K. Delikte mit "vergeistigtem Zwischenrechtsgut" ("mediatisiertes Erfolgsunrecht" ) Schünemann882 sondert aus dem Kreis der abstrakten Gefährdungsdelikte mit gutem Grund solche aus, "bei denen die sozialen Anschauungen ein ,vergeistigtes Zwischenrechtsgut' konstitutiert haben, dessen Verletzung einen eigenen Unwert darstellt und das daher die Brücke zu den Verletzungsdelikten i. e. S. (d. h. mit substantiell faßbarem Rechtsgut) schlägt". Beispiele bilden das Vertrauen der Bevölkerung in die Reinheit der Amtsführung bei §§ 331 ff., die Sicherheit des Rechtsverkehrs bei § 267, die gerichtliche Wahrheitsfindung bei §§ 153 ff. oder die "Ordnungsmäßigkeit von Bilanzen" und die "Richtigkeit der Wirtschaftswerbung" im Wirtschaftsstrafrech~82; aber auch etwa die Funktionsfähigkeit der Institution "Anwaltschaft" bei § 356883 • Die Ausarbeitung und Vertiefung dieser Deliktsgruppe kann hier nicht geleistet werden. Freilich kann man auf die eindrucksvollen Vorarbeiten von Loos8 84 aufbauen. Loos unterscheidet zwei wesentliche Gruppen von abstrakten Gefährdungsdelikten. Bei der ersten werden "Potentiale" wie Leben oder Gesundheit und damit Rechtsgüter i. S. eines Substanzhaften, unmittelbar Verletzbaren (potentiell) verletzt. Diese abstrakten Gefährdungsdelikte i. S. "potentieller Verletzungsstraftaten" untergliedern sich noch einmal in solche, bei denen schon eine einzelne Gefährdungshandlung die Verletzung eines - freilich unbestimmten - Menschen (oder anderen Rechtsguts) auslösen könnte, und in diejenigen, bei denen - wie z. B. im Bereich der Umweltbeeinträchtigung durch Emissionen - erst eine Summierung von Gefährdungshandlungen zu einer Verletzung führen könnte. - Die Delikte mit vergeistigtem Zwischenrechtsgut als zweite Gruppe der abstrakten Gefährdungsdelikte bilden nach Loos eine Parallele zu dem letztgenannten Unterfall. Auch hier könne das (mediatisierte) Rechtsgut nur durch eine Vielzahl von Angriffen verletzt werden; die einzelne Gefährdungshandlung beeinflusse das "Vertrauen des Publikums in die Sachlichkeit von Verwaltungsentscheidungen" (bei §§ 331 ff.) noch nicht885. Dieses Zwi883 Dazu a. Rudolphi SK, § 356 Rn 5; s. a. § 331 Rn 4; dagegen ordnet Rudolphi (Rn 10 vor § 153) die §§ 153 ff. mit der h. M. (vgl. a. Schröder ZStW 81, 14 f.) als abstrakte Gefährdungsdelikte ein; Wessels (AT, 6) betrachtet die Aussagestraftaten als schlichte Tätigkeitsdelikte (dazu oben F.I.5.a). 884 Welzel-Festschr., 879, 887 ff.; s. a. Rudolphi SK, § 331 Rn 4. 885 Loos aaO, 888 ff., 891 (mit Recht weist Loos, 889 neben dieser "äußeren Seite" des Rechtsguts auch auf die innere der "Beeinträchtigung des Amts-
K. Delikte mit mediatisiertem Erfolgsunrecht
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schenrechtsgut besitze dabei i. S. eines Institutionenschutzguts durchaus eigenständige Bedeutung gegenüber den Individualschutzgütern wie Leben oder Gesundheit. Während nämlich der Schwund des Vertrauens in die Integrität der Verwaltung die Bereitschaft der Bevölkerung zur Abnahme von Entscheidungen und damit eine Funktionsbedingung staatlichen Verwaltens unmittelbar beeinträchtige, würde fehlendes Vertrauen in die Sicherheit des Lebens nur dann zur Gefährdung des Lebens führen, "wenn deshalb Lebenserhaltungsmaßnahmen unterlassen werden oder die Abschreckungswirkung auf potentielle Täter abnimmt " 8!M1. Zusammenfassend kann man also festhaIten, daß "die (abstrakten Gefährdungs-)Delikte mit mediatisiertem Zwischenrechtsgut" über den bloßen Handlungsunwert hinaus - d. h. anders als die abstrakten Gefährdungsstraftaten der ersten Gruppe (vgl. ferner die Zusammenstellung unter J.V.) - auch einen sog. "mediatisierten Erfolgsunwert" aufweisen. Sie sind abstrakte Gefährdungsdelikte "eigener Art"887. Hervorgehoben sei am Ende, daß bei diesen Delikten - ähnlich wie bei dem "uneigentlichen abstrakten Gefährdungsdelikt" des § 306 eine restriktive Tatbestandsauslegung zur Eliminierung von Minimalverstößen (etwa bei kleinen GefäIligkeitsgesch€nken i. R. v. §§ 331 ff.) angezeigt ist888 •
ethos der Verwaltungsfunktionäre" hin); s. a. Rudolphi SK, § 356 Rn 5; § 331 Rn4. 881 Loos aaO, 890. 887 Rudolphi SK, § 331 Rn 4. 888 Vgl. a. Schünemann JA 1975, 798 im Anschluß an Cramer (dazu a. Schönke / Schröder / Cramer, Rn 3d vor § 306); zur Lösung Cramers oben E.IV.3.b). - Insoweit kann man freilich auch mit dem Gesichtspunkt der fehlenden "formalen Tatbestandsmäßigkeit" helfen (dazu Jescheck LK, Rn 45 vor § 13; oben 1. Kap. C.III.1. Fußn. 183).
Drittes KapiteL
Die rechtliche Mißbilligung (Sozialinadäquanz) von adäquater Risikoschaffung und Risikorealisierung A. Grundlagen I. In einem abschließenden Kapitel sei nunmehr endgültig zu dem ebenso unrechts begründenden wie haftungseinschränkenden (1. Kap. A.VI.5.b) Merkmal der Sozialinadäquanz (rechtlichen Mißbilligung) von adäquater Risikoschaffung und Risikoverwirklichung Stellung bezogen. Die ersten Grundlagen sind bereits im 1. Kapitel gelegt worden (A.VI.5.; C.III.). Sie konnten aber nicht zuende geführt werden, weil wesentliche Erkenntnisse aus dem 2. Kapitel der Untersuchung mitberücksichtigt werden müssen. Um nur zwei Beispiele zu nehmen: (1) Bei dem Merkmal der Sozialinadäquanz und damit z. B. bei den Fragen der Risikoerhöhung (dazu sogleich B.), des Schutzzwecks der Norm (näher unten C.), der Risikoverringerung (1. Kap. A.VI.5.a); 2. Kap. D.II.2.a) am Ende) oder der "hypothetischen KausaLverLäufe"l geht es um die teleologische Reduktion von Straftatbeständen, und zwar sämtlicher - vorsätzlicher (1. Kap. A.VI.5.b) wie fahrlässiger - Delikte. Dennoch sind insoweit auch diejenigen überlegungen von Wert, die bei der teleologischen Reduktion von Einzeltatbeständen, insbesondere des § 306 (2. Kap. E.IV.), angestellt worden sind. - (2) Bei der Risikoerhöhung als einem wichtigen und sogleich zu erörternden Teilstück der Sozialinadäquanz kommt man andererseits ohne die klare Unterscheidung von Gefährlichkeit des Verhaltens (2. Kap. C.) und Gefahrerfolg (2. Kap. D.), aber auch von Schaffung konkreter Verletzungsgefahren (2. Kap. C.I.1.c), d) und Herbeiführung geeigneter Rettungschancen (2. Kap. C.I.2.d) nicht aus.
11. Dies lenkt den Blick auf einen zweiten wesentlichen Punkt. Bei sämtlichen teleologisch-restriktiven Unrechtsmerkmalen innerhalb der Sozialinadäquanz ist strikt zwischen personaler und objektiver Zurechnung zum Unrecht zu unterscheiden. Es geht nicht nur um objektive Erjolgszurechnung. Das wird in der Lehre z. T. übersehen, teilweise deshalb nicht beachtet, weil jedenfalls bei den Fahrlässigkeitsdelikten mit der mangelnden Erfolgszurechnung auch die Strafbarkeit entfällt. 1
Dazu 2. Kap. C.I.l.c) Fußn. 105.
A. Grundlagen
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Sobald man freilich die Vorsatzdelikte (dazu 1. Kap. A.VI.5.b) oder auch - de lege ferenda - die fahrlässigen Versuche (dazu 2. Kap. C.I!I.2.; E.V.) in den Blick nimmt, wird die Differenzierung zwischen z. B. risikoerhöhendem (rechtswidrigen) Verhalten und Risikoerhöhungserfolg, zwischen personalem rechtmäßigen Alternativverhalten und objektivem (möglicherweise erheblich verminderten) Risikoerfolg nach diesem hypothetischen Verhalten unumgänglich. Dies ist eingangs ausführlich begründet worden (1. Kap. A.VI.5.b). Soweit man also das haftungseinschränkende Merkmal der Sozialinadäquanz anerkennt, begrenzt man (zuerst) bereits die Verhaltensnorm (vgl. noch 2. Kap. C.I.3.c). Es geht zunächst stets um personale Zurechnung. Die Unterscheidung von personaler und objektiver Zurechnung führt dabei etwa bei der Risikoerhöhung dazu, daß ein ex post auszumachender Risikoerhöhungserfolg dann nicht zur Erfolgszurechnung hinreicht, wenn sich ex ante nicht ein risikoerhöhendes Verhalten feststellen läßt. Der Erfolgsunwert wird hier nicht vermittelt durch ein rechtlich mißbilligtes Risiko und ist deshalb als Erfolgsunrecht nicht zurechenbar (1. Kap. A.VI.5.b) Ziff.2). Andererseits ist aber auch möglich, daß sich zwar ex post ein Risikoerhöhungserfolg verneinen, vom Standpunkt der Tat (ex ante) hingegen ein risikoerhöhendes Verhalten bescheinigen läßt. Dann kommt im Einzelfall durchaus ein tauglicher (adäquater und sozialinadäquater) Versuch in Betracht (1. Kap. A.VI.5.b) Ziff. 4.). II!. Was nun die grundsätzliche Berechtigung der Risikoerhöhungslehre und der anderen haftungseinschränkenden Merkmale angeht, so ist der Ausgangspunkt der überlegungen ebenfalls schon umrissen worden (1. Kap. A.VI.5.a): Die Funktion der Normen wird man unter dem Aspekt strengen Rechtsgüterschutzes (1. Kap. A.VI.l.) nur dahin verstehen können, daß sie die Rechtsgüter vor meßbarer Verschlechterung ihrer Funktionsbedingungen schützen (sollen). Ihr Zweck zielt auf Erhaltung der Rechtsgüter, nicht auf Sanktionierung jedweder Mißachtung2 • Dies führt dann konsequent zu einer gewissen Berücksichtigung "hypothetischer Kausalverläufe"" aber auch zu der Frage, ob ein rechtmäßiges Verhalten nicht das Rechtsgut ebenso gefährdet oder verletzt hätte. Die Verhaltensnormen richten sich ausschließlich gegen solche Verhaltensweisen, die einen über das rechtmäßige (gebilligte) Maß (wesentlich) hinausgehenden Gefährlichkeitsgrad aufweisen3• Es reicht also bei weitem nicht hin, die Risikoschaffung und Risikorealisierung durch die Filter der Kausalität und Adäquanz (objektiven 2
3
s. nochmals Stratenwerth AT, Rn 221. Näher Rudolphi SK, Rn 66 vor § 1.
332
3. Kap.: Sozialinadäquanz von Risikoschaffung und -realisierung
Vorhersehbarkeit) zu betrachten'. Dies mögen - auch was die Kausalität angeh~ - notwendige erste normative Schritte zur Haftungsbegrenzung seiniI. Sie bilden den objektiven Mindeststandard des Unrechts (1. Kap. A.VI.5.a). Allein fehlt ihnen immer noch der eigentliche normative Bezugspunkt, der hier mit Sozialinadäquanz bzw. rechtlicher Mißbilligung der kausalen und adäquaten Risikoschaffung und -realisierung bezeichnet wird. Ohne diesen zusätzlichen Maßstab ist man jedenfalls nicht in der Lage, zwischen rechtlich relevanten (mißbilligten) und rechtlich zulässigen Risiken zu unterscheiden (1. Kap. A.VI.5.a). IV. Die Problematik der "rechtlichen Mißbilligung" und damit auch des sozialinadäquaten Risikos ist nicht zu verwechseln mit den Phänomenen, daß die Rechtfertigungsgründe mit Ausnahme allenfalls der Einwilligung (dazu 1. Kap. A.VI.7.a); C.III.3.) auf dem Prinzip des "erlaubten Risikos" beruhen (näher 1. Kap. A.VI.7.a); C.III.2.). V. Insgesamt wird man der Lehre von der Sozialinadäquanz ("rechtlichen Mißbilligung") einen relativ geringen Stellenwert für die Praxis einräumen müssen. Regelmäßig wird es in Fällen der sozial adäquaten Risikoschaffung und Risikorealisierung erst gar nicht zur Anklage kommen? Dies darf freilich nicht hindern, das teilweise selbstverständliche Bewußtsein bzw. Rechtsgefühl der Straflosigkeit mit theoretischer Begründung und systematischen Konturen zu versehen7 • VI. Wenn es im folgenden im wesentlichen um die beiden tragenden Prinzipien der Lehre von der Sozialinadäquanz ("rechtlichen Mißbilligung") geht, der These vom "rechtmäßigen Alternativverhalten" (Risikoerhöhungsprinzip; dazu B.) und der Lehre vom Schutzzweck der Norm (C.), so hat das eine doppelte Bewandtnis. Einmal lassen sich fast sämtliche Zurechnungsprinzipien jenseits von Kausalität und Adäquanz auf diese beiden tragenden Säulen zurückführen (näher 1. Kap. C.III.1.). Beim Schutzzweck der Norm geht es etwa um die Fragen des "Regreßverbots", der Auf teilung der "Verantwortungsbereiche" (auch und gerade bei "Arbeitsteilung"), der "Risikoabnahme" usf. - Zum anderen sind zu den weiteren Prinzipien - sofern sie nicht ohnehin dem "erlaubten Risiko" bei den Rechtfertigungsgründen zuzuordnen sind 4 6 G
s. aber a. Bindokat JZ 1977, 551 f.
1. Kap. A.I. Fußn. 6; 2. Kap. B.III.1. Fußn. 18. Näher 1. Kap. A.VI.5.a), 5.b) Fußn. 58; 2. Kap. B.II!.1. Fußn. 18 (zur Nor-
mativität der Kausalität). 7 s. a. Otto NJW 1980, 418; Schönke I Schröder I Lenckner, Rn 95 vor § 13. Freilich gibt es auch praktisch relevante Fälle: bekanntestes Beispiel zum "rechtmäßigen Alternativverhalten" ist der Radfahrer-Fall (BGHSt 11, 1); vgl. a. OLG Wien ZVR 1980, 48 (dazu Burgstalleröst. Anw. 1980, 101 ff.); weit. Nachw. bei Otto aaO, 420.
A. Grundlagen
333
bereits einige grundlegende Bemerkungen gemacht: etwa zur "Risikoverringerung" (1. Kap. A.VI.5.a); 2. Kap. D.H.2.a) am Ende), zu den "hypothetischen Kausalverläufen"l; zur "mangelnden Interessenverletzung" (1. Kap. C.III. vor 1.). VII. Andererseits sind die Lehren vom rechtmäßigen Alternativverhalten (Risikoerhöhungsprinzip) und vom Schutzzweck der Norm bei der rechtlichen Durcharbeitung strikt voneinander zu trennen. Dies gilt zwar nicht für den normtheoretischen Ausgangspunkt (oben IH.) und auch nicht - wie sich zeigen wird (unten D.) - für die Problematik des subjektiven Bezugs und Irrtums. Aber die Unterschiedlich.keit beider Grundsätze zeigt sich, wenn man den jeweiligen Bezugspunkt der überlegungen betrachtet. Beim Schutzzweck der Norm wird die tatsächliche rechtswidrige Verhaltensweise (einschließlich der dadurch bewirkten Erfolge) beurteilt, beim Risikoerhöhungsprinzip hingegen das hypothetische rechtmäßige Alternativverhalten (nebst daraus erwachsendem -Gefahr-Erfolg) berücksichtigt. Schon von daher empfiehlt sich neben der sachlichen auch eine terminologische Aufspaltung8 • In jedem Falle ist die rechtlich mißbilligte Gefahr und Risikorealisierung und auch dann noch nicht hinreichend umschrieben, wenn man an das adäquate Geschehen auch die Elle des hypothetischen rechtmäßigen Alternativverhaltens (der Risikoerhöhung) anlegt. Denn es gibt durchaus Fälle, bei denen trotz risikoerhöhenden Verhaltens und Risikoerhöhungserfolgs die Zurechnung von Risikoschaffung und -verwirklichung unterbleiben mußD. Mitentscheidend ist regelmäßig vielmehr die Frage, ob die adäquat und risikoerhöhend geschaffene Gefahr (und ihre Realisierung im Erfolg) auch dem Normschutzzweck unterfällt.
8 Dazu a. Burgstaller, Fahrlässigkeitsdelikt, 96 ff.; Schlüchter JuS 1977, 107 f. In der Lehre herrscht ohnehin "Sprachverwirrung", die hier nicht entschlüsselt werden soll; für einen umfassenden Oberbegriff "Risikoerhöhung" Otto NJW 1980,417 ff.; für die Oberbezeichnung "Normschutzzweck" Rudolphi SK, Rn 57 ff. vor § 1. - Zur Unterscheidung der echten von den unechten Normschutzzweck-Fällen unten C.!.1. 9 Vgl. a. Ebert Jura 1979, 575; Krümpelmann, Bockelmann-Festschr., 463 f., zum Rangverhältnis 450 Fußn. 40, 463 Fußn. 86; näher unten B.II.4.d) bei Fußn. 38 ff.
B. Die Lehre vom rechtmäßigen Alternativverhalten (Risikoerhöhungsprinzip) I. Doch beginnen wir mit der Lehre vom rechtmäßigen Alternativverhalten und damit auch mit dem Risikoerhöhungsprinzip. Es ist eingangs (A.IU.) im Zusammenhang mit der Unterscheidung von personaler und objektiver Zureclmung (von risikoerhöhendem Verhalten und Risikoerhöhungserfolg) bereits betont worden, daß sich die Verhaltensnormen ausschließlich gegen solche Verhaltensweisen richten, die einen über das rechtmäßige (gebilligte) Maß (wesentlich) hinausgehenden Gefährlichkeitsgrad aufweisen.
11. 1. Steht nun fest, daß das Verhalten bei rechtmäßigem Handeln ebenso gefährlich gewesen wäre und daß der Erfolg mit Sicherheit ebenso eingetreten wäre, so ist ein Gefährlichkeits- und Erfolgsunrecht zu verneinen. Denn dann ist es ja das gebilligte Maß an gefährlicher Verhaltensweise, das sich im Erfolg realisiert hat. Und dann kann auch der Erfolg - da nicht durch ein rechtlich mißbilligtes Risiko vermittelt nicht rechtswidrig sein10 • Abzulehnen ist daher jedenfalls die extreme Auffassung11 , die selbst in diesem Fall noch eine Zurechnung befürworten wilpo. Sie leugnet letztlich die Tatsache des geltenden Rechts, daß ein gewisses Maß von Risikoschaffung (z. B. bei 1 m Seitenabstand im Straßenverkehr) zulässig ist12 • Auch verkennt sie, daß die den Mindestseitenabstand gebietende Norm hier vollkommen ihren Sinn verfehlt und schlechterdings "versagt". Und schließlich müßte man nach dieser Extremthese "selbst dann strafen, wenn das konkrete rechtswidrige Verhalten das Risiko des Erfolgseintritts sogar gemindert hätte"13. Sie wird deshalb mit Recht sowohl von der Gefahrsteigerungslehre als auch von denjenigen für verfehlt gehalten, die der Risikoerhöhungslehre selbst keinen Beifall zollen14 • 2. Die zuletzt angesprochenen Gegner der Risikoerhöhungslehre1s lassen demgegenüber eine Bestrafung nur dann zu, wenn der Erfolg bei s. a. RGSt 15, 153; 63, 214. Spendel JuS 1974, 18 f.; s. a. Binavince, 221; Bindokat JZ 1977, 551 f.; Reinelt NJW 1968, 2153. 12 s. a. Roxin ZStW 78, 217 Fußn. 5. 13 Rudolphi SK, Rn 67 vor § 1; Schünemann JA 1975, 648. 14 Etwa Samson SK, Anh. § 16 Rn 45,27. 1~ Neben Samson aaO, Rn 25, 27 m. Nachw. etwa Ebert Jura 1979, 572 f.; Schönke I Schröder I Cramer, § 15 Rn 170 ff.; Schroeder LK, § 16 Rn 190; Ulsen10
11
B. Rechtmäßiges AIternativverhaIten (Risikoerhöhungsprinzip)
335
sorgfaltsgemäßem Verhalten mit Sicherheit ausgeblieben wäre. Und man kann auf dem Boden der vorliegenden Untersuchung hinzufügen: auch schon dann, wenn das rechtmäßige Alternativverhalten mit Sicherheit ungefährlich gewesen wäre. Dieser Zusatz ist angesichts der (teilweisen) "Personalität" der Problematik des hypothetischen rechtmäßigen Alternativverhaltens (oben A.II.) erneut zu unterstreichen. Und er ist durchaus nicht mit dem Argument zu relativieren, daß das Risiko bei rechtswidrigem Verhalten ex ante stets höher sei als bei rechtmäßigen Handlungen l8 • Dieser mit Blick auf die Risikoerhöhungslehre formulierte Einwand trifft in dieser Allgemeinheit nur bei abstrakter Betrachtungsweise, nicht aber bei der (stets erforderlichen) Würdigung sämtlicher konkreten Einzelfallumstände zu. 3. a) Damit ist auch schon hinreichend angedeutet, welchen Mittelweg die Risikoerhöhungslehre beschritten hat. Sie will schon dann die Zurechnung von Verhalten und Erfolg zum Unrecht befürworten, wenn das pfiichtwidrige Verhalten im Vergleich zum hypothetischen rechtmäßigen Alternativverhalten die Gefährlichkeit der Handlung "erheblich" erhöht hat und wenn der aus der rechtswidrigen Verhaltensweise entwachsene konkrete Gefahr-Erfolg wesentlich größer ist als diejenige konkrete Gefährdung des Rechtsgutsträgers, die sich nach sorgfaltsgemäßer Handlung verwirklicht hätte. Dabei ist bereits begründet worden, daß gegen ein solches Verfahren namentlich auf der Erfolgsebene nicht der Einwand durchgreift, die Risikoerhöhungslehre verwandele die Verletzungsdelikte in konkrete Gefährdungsstraftaten (1. Kap. AVI. 5.b) Ziff. 4). Darauf sei hier verwiesen17• b) Doch darf man überhaupt den Schritt wagen, den die Risikoerhöhungslehre geht? Darf man den Täter schon dann verurteilen, wenn gar nicht sicher ist, ob der Erfolg bei rechtmäßigem Verhalten nicht doch ausgeblieben wäre? Oder - von der Gegenposition aus betrachtet darf man den Täter jedenfalls dann von der Haftung freistellen, wenn seine Tat ein immerhin geringfügig (wenn auch nicht wesentlich) höheres Risiko (i. S. von Gefährlichkeit und Gefährdung) beinhaltet hat als es bei rechtmäßigem Verhalten realisiert worden wäre? Roxinl8 hat sich heim er JZ 1969, 366 u. Verhältnis, 143 ff.; i. Erg. a. BGHSt 11, 7 (freilich ist die "Kausalitätslösung" des BGH unzutreffend; otto NJW 1980, 420; Samson aaO, Rn 26 m. Nachw.; s. a. Schönke I Schröder I Lenckner, Rn 95 vor § 13; Schönke I Schröder I Cramer, § 15 Rn 161). 18 s. aber a. Samson aaO, Rn 27; Uisenheimer JZ 1969, 366. 17 Freilich zeigt sich hier besonders deutlich, daß es beim Erfolgsunrecht in erster Linie auf den Zusammenhang und die Spanne zwischen Verhalten und Erfolg ankommt (dazu 1. Kap. A.VI.2.c) bei Fußn. 37a; 2. Kap. C.I.2.c). Denn der Gefahrerfolg liegt gleichsam in der Mitte von Verhalten und Verletzungserfolg (näher 2. Kap. D.I.4.c), 5.). 18 ZStW 74, 432.
336
3. Kap.: Sozialinadäquanz von Risikoschaffung und -realisierung
insoweit auf den Gleichheitssatz berufen und Münzberg 19 und Schünemann20 haben ergänzend darauf verwiesen, daß in diesen Fällen die Norm immer noch ihren Sinn verfehlt und im Einzelfall "versagt" habe.
4. a) Dies ist jedenfalls im Grundsatz überzeugend. Es ist nicht einzusehen, daß Handlungen nur dann verboten sein sollen, wenn die rechtmäßige Verhaltensweise mit absoluter Sicherheit oder doch an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit ungefährlich und erfolglos geblieben wäre. Hier wird die Gewährleistungsnorm für den Rechtsgutsträger (näher 1. Kap. A.VI.2.d) mißachtet, der Rechtsgüterschutz zu weit eingeschränkt. Dies gilt übrigens auch - obwohl hier "erhöht" kontrovers für die Unterlassungsdelikte21 . "Daß Handlungen zur Rettung eines bedrohten Rechtsguts nur dann geboten sein sollten, wenn der Rettungserfolg so gut wie sicher ist, aber nicht, wenn sie die Rettungschance ,nur' wesentlich erhöhen würden - das ist eine Konsequenz der herrschenden Lehre, für die bislang ... noch niemand auch nur den Versuch der Rechtfertigung unternommen hat"2"l. Man stelle sich die rigorose Anwendung dieser Regel im Krankenhaus oder bei Löscharbeiten einmal vor!
Andererseits ist es durchaus sinnvoll, die Handlungsfreiheit des Täters zu Lasten des Rechtsgutsträgers und der ihn schützenden Gewährleistungsnorm jedenfalls dann maßvoll zu erhöhen, wenn das Verhalten des Täters das rechtmäßige Risiko zwar gesteigert hat, aber nur um ein rechtlich nicht mehr "meßbares" Quantum. Denn in diesen Bereich der "unwägbaren" ("maßvollen") Risikoerhöhung vermag die Norm ihren Schutzzweck noch nicht sinnvoll, für den Bürger deutlich nachvollziehbar zu entfalten. Hier wäre es in der Tat ein Verstoß gegen den Gleichheitsgrundsatz, wollte man verurteilen. b) Aber: Was heißt nun "deutliche"23, "meßbare"24, "erhebliche"25, "wesentliche"OO, "eindeutige,m, "echte" und "nachweisbare"28 Risiko1U Verhalten, 137. 20 JA 1975, 653 f.; s. a. Burgstaller, Fahrlässigkeitsdelikt, 138. 21 Stratenwerth, Gallas-Festschr., 239; s. a. otto NJW 1980, 423 f.; Rudolphi SK, Rn 16, 16a m. Nachw.; anders aber z. B. Burgstaller, Fahrlässigkeitsdelikt, 132 u. Schünemann JA 1975, 655, die nur für das "positive Tun" die Risikoerhöhungslehre verfechten (aaO, 135 ff. bzw. 651 ff.). 22 Stratenwerth aaO; s. a. Roxin, Honig-Festschr., 139; zStW 78, 218. (Ein - freilich nicht überzeugender - Versuch findet sich neuerdings bei Fincke, 42 ff.). 23 Lackner, § 15 Anm. III 1 a bb. 24 Roxin ZStW 74, 433. 25 Jescheck AT, 474; Preuß, 118; Rudolphi SK, Rn 67 vor § 1; s. a. Schaffstein, Honig-Festschr., 170, 173; Schünemann JA 1975, 653. U Roxin, Honig-Festschr., 139; Stratenwerth aaO, 239. 27 Roxin ZStW 78,'219 Fußn. 7.
B. Rechtmäßiges Alternativverhalten (Risikoerhöhungsprinzip)
337
erhöhung? Genau an dieser Stelle bricht die heutige Diskussion ab. Sie bleibt die Antwort darauf schuldig, was denn noch eine rechtlich irrelevante, maßvolle Steigerung des rechtmäßigen Risikos sei. Stratenwerths 29 Deutungsversuch, damit sei eine - i. S. der Einhaltung des indubio-pro-reo-Grundsatzes - eindeutige Feststellung der Erhöhung gemeint, ist jedenfalls zu relativieren. Denn Roxin30 als Begründer der Lehre will den in-dubio-Satz hier nicht anwenden, verlangt aber gleichwohl eine "meßbare" bzw. "eindeutige" Gefahrsteigerung. Dabei sei am Rande erwähnt, daß das in-dubio-Prinzip - entgegen Roxin - schon deshalb volle Anwendung erheischt, weil es sich bei der Risikoerhöhung (zwar um ein haftungsbeschränkendes, aber zugleich) um ein unrechtstypisierendes und unrechtskonstitutives Merkmal handeW1 • - Wann also ist die Risikoerhöhung erheblich? c) Der skizwnhafte Versuch einer Antwort fällt leicht, wenn man auf die hier erarbeiteten Grundsätze zum adäquaten Verletzungs risiko (2. Kap. C.I.1.c), d);ID.1.3.c)---e); E.I.) sowie zum konkreten Gefahrerfolg (2. Kap. D.II.) einerseits und z. B. zu den adäquaten Rettungschancen (2. Kap. C.1.2.d) andererseits zurückgreift. Dabei ist betont worden und soll hier nicht im einzelnen wiederholt werden, daß das Adäquanzurteil auf einer umfassenden Interessenabwägung beruht. Auf diesem Hintergrund läßt sich z. B. sagen, daß es sich stets dann um ein (erheblich) risikoerhöhendes Verhalten handelt, wenn das hypothetische rechtmäßige Alternativverhalten anstelle eines adäquaten Verletzungsrisikos eine adäquate (ernsthafte) Rettungschance vermittelt hätte. D. h.: Meßbarkeit, Eindeutigkeit und Erheblichkeit der Gefahrsteigerung lassen sich jedenfalls dann bescheinigen, wenn sich die Adäquanzurteile geradezu umkehren. Während das adäquate Verletzungsrisiko - das als Grundlage vollendeter rechtswidriger Tat hier stets zwingend gegeben ist - durchaus gewisse (aber vergleichsweise geringe) Rettungschancen offenläßt, birgt die adäquate Rettungschance umgekehrt gewisse (aber nunmehr ebenfalls "abstrakt geringe") Verletzungsrisiken in sich. Der objektive Betrachter kann bei einer adäquaten Verletzungsgefahr nicht ernstlich auf Rettung vertrauen; sie wäre Zufall. Bei einer adäquaten Rettungschance kann er andererseits durchaus auf das Ausbleiben der s. a. Walder SchwZStr 93,161. aaO,236. 30 ZStW 74, 434. 31 Vgl. a. Burgstaller, Fahrlässigkeitsdelikt, 143; Jescheck: aaO; Rudolphi aaO, Rn 69; Stratenwerth aaO, 235 f. (näher oben 1. Kap. A.VI.5.b); s. noch Arthur Kaufmann JZ 1963, 429; Wald er SchwZStr 93,161. - Daß das so verstandene Risikoerhöhungsprinzip immer noch gegen den in-dubio-Satz verstoßen soll (Finck:e, 50 ff., 68 ff.; Samson, Kausalverläufe, 47 u. SK, Anh. § 16 Rn 27; Schlüchter JuS 1977, 107 f.; Schönke / Schröder / Cramer, § 15 Rn 172; Schroeder LK, § 16 Rn 190; Ulsenheimer JZ 1969, 366), ist nicht erftndlich (Rudolphi aaO). 28
2g
22 Wolter
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3. Kap.: Sozialinadäquanz von Risikoschaffung und -realisierung
verletzungsriskanten Faktoren vertrauen; träten sie ein, so wäre das ein "allgemeines Lebensrisiko" . M. a. W.: Hätte das hypothetische rechtmäßige Alternativverhalten die rechtlich unbedeutenden Rettungschancen zu ernstlichen und adäquaten Rettungsmöglichkeiten erhöht bzw. wären die tatsächlichen adäquaten Verletzungsrisiken bei sorgfaltsgemäßem Handeln auf ein rechtlich irrelevantes Maß herabgesunken (und damit meßbar verringert) worden, dann liegt ein rechtlich relevantes risikoerhöhendes Verhalten vor. Ein solcher Adäquanzvergleich ist dem Richter auch zumutbar. Er hat solche Urteile i. R. tauglicher Versuche und vorsätzlicher wie fahrlässiger Vollendungstaten sowie i. R. geeigneter Rettungschancen bei Rechtfertigungsgründen tagtäglich zu fällen 32 • Ganz entsprechendes gilt auf der Ebene des Erfolgsunrechts. Ließe sich auch nach rechtmäßigem Alternativverhalten - unter weitgehender Berücksichtigung von ex post-Faktoren (näher 2. Kap. D.II.)33 - ein konkreter Gefahrerfolg für das geschützte Rechtsgut ausmachen, mag er auch nicht von demselben Gewicht wie derjenige nach pftichtwidriger Handlung sein, dann liegt eine wesentliche Risikoerhöhung (hier i. S. eines Risikoerhöhungserfolgs) nicht vor. Daß dies - angesichts des hier verfochtenen normativen Gefahrbegriffs - auch zu einer normativen Risikoerhöhungslehre 34 führt, versteht sich. - Und daß bei Befürwortung einer Risikoerhöhung im Einzelfall der in-dubio-Satz auch nicht deshalb tangiert ist, weil sich hier möglicherweise der "rechtmäßige Teil des Risikos" im Erfolg realisiert hat, sei ebenfalls hervorgehoben. Denn es ist nicht möglich, zwischen einem erlaubten und einem unerlaubten Teil des Risikos zu trennen35. 32 Wie zu entscheiden ist, wenn sich das Verletzungsrisiko bei rechtmäßigem Alternativverhalten von einer sicheren Gefahr zu einem nur ernstlich möglichen Risiko vermindert hätte (vgl. die entsprechende Abstufung von dolus directus und dolus eventualis im Bereich der subjektiven Zurechnung; zu dieser Parallele Wolter GA 1977, 273), mag hier letztlich offen bleiben. Doch da das Verletzungsrisiko hier zwar meßbar, aber nicht herunter bis zu einer nicht mehr ernsthaften Verletzungsmöglichkeit abgemildert worden wäre, wird man die Erheblichkeit der Risikoerhöhung (mangels ernsthafter Rettungschancen bei sorgfaltsgemäßem Verhalten) im Ergebnis verneinen müssen. 33 Insofern liegt der Lösungsversuch weitgehend auf der Linie von Roxin, Honig-Festschr., 138 Fußn. 18 (es gelten nur diejenigen Einschränkungen, die gegen die von Roxin in Anspruch genommene Lehre Spendeis anzubringen waren; dazu 2. Kap. D.II.2.a). Auch die übrigen Verfechter der ex post-Lehre beim Erfolgsunrecht erfahren hier eine gewisse Bestätigung; wie weit man bei der ex post-Betrachtung zu gehen bereit ist, hängt letztlich von der Konzeption beim konkreten Gefährdungsdelikt ab. 340 Dazu a. Rudolphi SK, Rn 65 ff. vor § 1; Schünemann JA 1975, 651 ff.; Volk GA 1976, 168; Walder SchwZStr 93, 160 f., 162. 35 Rudolphi JuS 1969, 554; SK, Rn 68 vor § 1; s. a. Stratenwerth, GallasFestschr., 238.
B. Rechtmäßiges Alternativverhalten (Risikoerhöhungsprinzip)
339
Und daß schließlich die Differenzierung Stratenwerths36 zwischen prinzipiell behebbaren (dem in-dubio-Satz unterfallenden) Zweifeln und prinzipiell unbehebbaren Unklarheiten sinnvoll ist und letztere geradezu das (hinzunehmende) Fundament der konkreten Gefährdungsdelikte sind, braucht desgleichen nicht mehr begründet zu werden (näher 2. Kap. D.L1., 4.d); II.2.c). Auch insoweit bleibt das in-dubio-Prinzip unangetastet37• d) Daß andererseits mit dieser Skizze einer "normativen Risikoerhöhungslehre" nicht sämtliche Zweifelsfragen beseitigt sind, sei durchaus zugestanden. Dies gilt z. B. für das Problem, welches rechtmäßige Alternativverhalten im einzelnen zugrundezulegen ist38• Dazu nur vier Bemerkungen: Erstens wird man das alternative pflichtgemäße Verhalten stest auf die ganz konkrete Tatsituation zu beziehen haben39 • - Zweitens muß es stets das größtmögliche Risiko in sich bergen (etwa den jeweiligen Mindestseitenabstand beim überholen oder die zulässige Höchstgeschwindigkeit). - Drittens darf man nicht solche Alternativverhaltensweisen heranziehen, die unter Schutzzweckgesichtspunkten gar nicht verlangt werden dürfen. Ist beispielsweise bei einem Zusammenstoß mit einem von rechts nach links laufenden Fußgänger festzustellen, daß der Täter sowohl zu schnell als auch vorschriftswidrig links gefahren ist, daß aber die Einhaltung des Rechtsfahrgebots nicht nur nicht dem Fußgängerverkehr von rechts zu dienen bestimmt ist, sondern in concreto den Aufprall noch erheblich verstärkt hätte, so kann allein die gebotene Mindergeschwindigkeit (und nicht auch das Rechtsfahren) als "pflichtgemäßes Risiko" zugrundegelegt werden. Anderenfalls würde ein außerhalb des Schutzzweckzusammenhanges stehendes Gebot haftungsbegründend wirken39a•
Viertens darf man allein dasjenige Risiko als "erlaubt" heranziehen, das auch wirklich einer Pflicht entspricht. Ist ein letztlich zu schnell fahrender Täter nicht verpflichtet, einen bestimmten zusätzlichen Sicher36 aaO, 230 ff.; AT, Rn 219; ZStW 87, 968; s. a. Walder SchwZStr 93, 160 ff.; Horn, Gefährdungsdelikte, 104 ff., 159 ff. 37 s. aber a. Samson SK, Anh. § 16 Rn 27, 27a; Schlüchter JuS 1977, 107. 38 Dazu a. Burgstaller Ost. Anw. 1980, 102; Krümpelmann, BockelmannFestschr., 459; Medicus NJW 1977, 1097; Schönke/ Schröder / Cramer, § 15 Rn 164. 3g s. a. Fincke, 65 f. 3ga Treffend Burgstaller aaO. In diese Richtung zielen auch die eindrucksvollen überlegungen von Krümpelmann (aaO, 463 f.), wenn er eine ungerechte Bestrafung mit Hilfe des Prinzips der Risikoerhöhung dann befürchtet, wenn sie auf einem bloßen "Schutzreflex" (aaO, 447; s. a. Schönke / Schröder / Cramer, § 15 Rn 172) beruht (zu diesen unechten Fällen des Normschutzzwecks sogleich unter C.II.). Dies legt übrigens die systematische Konsequenz nahe, den Schutzzweck stets vor der Risikoerhöhung zu erörtern (zum Rangverhältnis - drastischer - Krümpelmann aaO, 450 Fußn. 40; 463 Fußn. 86).
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3. Kap.: Sozialinadäquanz von Risikoschaffung und -realisierung
heits-Seitenabstand von 2 m einzuhalten, weil er bei engerem Abstand auch die Fahrgeschwindigkeit auf Schrittempo reduzieren könnte (und müßte), so ist dann, wenn er zu dicht fährt, allein das Schrittempo (nicht etwa der Mindestsicherheitsabstand) die pflichtgemäße alternative VerhaI tensweise 39b •
39b
Überzeugend Krümpelmann aaO, 459.
C. Die Lehre vom Schutzzweck der Norm LI. Zu der Lehre vom Normschutzzweck sind bereits einige grundsätzliche überlegungen angestellt worden. Sie ist sachlich und terminologisch von der Lehre vom rechtmäßigen Alternativverhalten strikt zu unterscheiden (oben AVII.) und geht systematisch dem Prinzip der Gefahrerhöhung vor39a• Freilich könnte man sagen, daß auch ein nicht risikoerhöhendes Verhalten ohne Risikoerhöhungserfolg nicht dem Schutzzweck der Norm unterfällt, etwa wenn der Radler im RadfahrerFalF bei erlaubtem Seitenabstand von mindestens 1 m mit Sicherheit oder hoher Wahrscheinlichkeit ebenso unter die Räder des Lastwagens geraten wäre. Denn man rechnet die fahrlässige Tötung hier nicht zu, weil der Sinn der Straßenverkehrsnorm (im konkreten Fall) verfehlt ist (oben RII.1., 3.b). Aber dies sind unechte Fälle des Normschutzzwecks (näher IL). Bei der eigentlichen Schutzzweckproblematik steht nicht die übertretene vorgelagerte Schutznorm und damit die Frage im Vordergrund, ob sich eine "dem Normverstoß immanente Gefahr verwirktlicht" hat, sondern in den Blick gerät der (nachgeordnete) Straftatbestand des § 222 selbst40 • Dies wird besonders deutlich dann, wenn sich bei einer fahrlässigen Körperverletzung oder Tötung ein Verstoß gegen ein diesen Straftatbeständen vorgelagertes spezifisches Schutzgesetz gar nicht ausmachen läßt. 2. Zwei Beispiele der eigentlichen Schutzzweckproblematik sind bereits im 1. Kapitel (B.IIL3.) erörtert worden: die Schockschaden-Fälle und die Konstellationen mit zurückbleibenden Dauerschäden. Es ist dort näher begründet worden, daß z. B. der (drohende und dann eingetretene) Nervenzusammenbruch der Mutter, der vom "Täter" die Nachricht von dem tödlichen Unfall ihres Kindes übermittelt wird, jedenfalls im Fahrlässigkeitsbereich nicht von der dem § 230 zugrunde liegenden Verhaltens- und Bewertungsnorm gedeckt ist. - Entsprechendes gilt, wenn eine vorsätzlich oder fahrlässig herbeigeführte Körperverletzung zu einem Dauerschaden (Beinamputation) führt und das wanderbegeisterte Opfer in der Folge stürzt. Hier fehlt es bereits objektiv am Schutzzweck (zusammenhang). Der Verantwortungsbereich des Täters wird von vornherein durch die Tatsache begrenzt, daß die Tat mit der Beinamputation eine gewisse "Wende" genommen hat, und die Körperver4~ Treffend Roxin, Gallas-Festschr., 242 f.; s. a. Schönke / Schröder / Lenckner, Rn 102 vor § 13; Walder SchwZStr 93,106; Burgstaller aaO, 101.
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3. Kap.: Sozialinadäquanz von Risikoschaffung und -realisierung
letzung gleichsam "zum Stillstand" gekommen ist (zu den Einzelheiten 1. Kap. B.IIL3.). Folgt man dem, so kommt es in diesen Fällen - anders als bei den sogleich unter IIL3. zu erörternden Beispielen des sog. Regreßverbots mit besonders abgesteckten Verantwortungsbereichen zwischen Täter und Opfer - von vornherein nicht darauf an, in welchem Grade dem Opfer eine "Obliegenheitsverletzung" (entsprechend dem Vorsatz, der Leichtfertigkeit oder der leichten Fahrlässigkeit) zur Last fällt. Man kann insofern von einer ersten Gruppe aus dem Bereich der echten Fälle des Normschutzzwecks sprechen. II. Doch bevor die andere - und wesentliche - Gruppe der echten Fälle untersucht wird (III.) noch zwei weitere Beispiele für die von vornherein auszuscheidenden unechten Fälle des NOTmschutzzwecks: 1. Erreicht ein Kraftfahrer wegen (fahrlässiger) überschreitung der zulässigen Geschwindigkeit oder wegen überfahrens einer Straße bei "Rot" eine Kreuzung früher und verursacht er dort trotz inzwischen ordnungsgemäßer Fahrweise einen Unfall (weil ihm unerwartet ein zuvor durch parkende Fahrzeuge verdecktes Kind vor den Wagen läuft), so sind die §§ 222, 230 von vornherein nicht betroffen. Hier geht es allein um das Problem, daß sich das dem Verbot der Geschwindigkeitsüberschreitung immanente Risiko nicht verwirklicht hat. Denn dieses Verbot will nicht die Anwesenheit von Kraftfahrzeugen an bestimmten Orten und zu bestimmten Zeiten verhindernU. - Unter dem Aspekt der §§ 222, 230 fehlt es bereits - wenn nicht schon an der objektiven, so doch zumindest - an der subjektiven Vorhersehbarkeit. Einer Schutzzwecküberlegung bedarf es insoweit nicht. Im Ergebnis kommt jeweils ein Verstoß gegen die StVO in Betracht, nicht aber ein risikoschaffendes Verhalten sowie eine Risikorealisierung i. S. der §§ 222, 230~o.
2. Wird andererseits etwa bei fahrlässiger Brandlegung ein Zuschauer von einer herbeieilenden Spritze überfahren oder erleidet der Feuerwehnnann auf dem Wege zum Brandort einen (von ihm unverschuldeten, aber möglicherweise objektiv und vom Täter subjektiv vorhersehbaren) Unfall, so ist das dem Brandstifter ebenfalls von vornherein nicht zuzurechnen. Auch hier ist noch nicht die eigentliche Nonnschutzzweckproblematik angesprochen. Diese käme etwa im Feuerwehr-Fall erst dann zum Zuge, wenn der Retter unmittelbar beim Löschen einen 41 s. (aber) a. etwa Samson SK, Anh. § 16 Rn 28 ffi. Nachw., der zwar ebenfalls eine Strafbarkeit verneint, jedoch hinzufügt, daß der "eingetretene Erfolg nicht in den Schutzbereich der verletzten Norm fällt"; dieser Schutzzwecküberlegung bedarf es jedoch i. R. der §§ 222, 230 nicht (vgl. den folgenden Text); vgl. noch Schänke / Schröder / Lenckner, Rn 102 vor § 13; Schänke I Schräder / Cramer, § 15 Rn 165; Schlüchter JuS 1977, 108; Ebert Jura 1979, 575.
C. Die Lehre vom Schutzzweck der Norm
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Unfall erleidet; diese Variante wird sogleich zu erörtern sein (III.). Im Ausgangsfall geht es hingegen um die Entscheidung im Vorfeld, daß Gefahren und Erfolge, die gleichsam "bei Gelegenheit" der Tat eintreten, dem Täter nicht zuzurechnen sind42 • Eine ganz ähnliche Problematik findet sich z. B. auch bei den erfolgsqualifizierten Delikten43 • III.1. Man kann deshalb die eigentliche Schutzzweckproblematik abgesehen von der oben I.2. gekennzeichneten ersten Fallgruppe - so umreißen, daß der Täter eine objektiv und subjektiv vorhersehbare bzw. vorhergesehene (unmittelbare) Gefahr für ein Rechtsgut geschaffen hat (etwa mit der Brandstiftung eine ernstliche Verletzungsgefahr für den löschenden Feuerwehrmann), die sich dann auch auf objektiv vorhersehbare Weise im Erfolg realisiert hat, daß aber entweder der Erfolg oder auch schon die Risikoschaffung (etwa wegen der "Leichtsinnigkeit" des Retters) möglicherweise nicht zurechenbar ist44 • Wie diese Rettungshandlung beschaffen sein muß, um nicht auf den Täter durchzuschlagen, dies ist dann das (normative) Problem. 2. Vor einer Stellungnahme sei freilich noch einmal darauf hingewiesen (näher 1. Kap. B.III.3.), daß - über alle Schutzzwecldragen hinweg - im Vorsatzbereich (z. B., wenn der Brandstifter auf eine Verletzung des verhaßten Feuerwehrmanns bei den Löscharbeiten hofft) stets zu verlangen ist, daß der Täter seinen Verletzungsvorsatz bis zur Erreichung eines adäquaten Verletzungsrisikos durchhält. Denn anderenfalls mögen die Verletzungsgefahr und die Verletzung des Retters im Einzelfall zwar objektiv vorhersehbar und unter Normschutzzweckgesichtspunkten auch zurechenbar sein, aber sie würden nicht durch das (objektiv-subjektive) Handlungsunrecht des beendeten Versuchs vermittelt. Der Täter wäre hier nur wegen unbeendeten tauglichen Verletzungsversuchs strafbar4.';. 3. Nach allem kann die fast unübersichtliche Stoffülle der Normauf die Kernfrage des sog. Regreßverbots und des Förderns fremder Selbstgefährdungen (bei gefährlichen Rettungsmaßnahmen) verkürzt werden. Dies wird einen Maßstab zutage fördern, der "übergreifendes" Gewicht hat und auch in anderen Fällen (dazu 4.) schutzproblematik~
42 Dazu Burgstaller, Fahrlässigkeitsdelikt, 110 m. Hinw. auf die öst. Rechtsprechung. '3 Etwa Schäfer LK, § 239 Rn 42; Geilen, Welzel-Festschr., 682 gegen BGH 1 StR 203/60; s. a. RGSt 40,324; Wolter JuS 1981,175. 44 Vgl. a. Roxin, Gallas-Festschr., 243; unzutreffend dagegen der Ausgangspunkt von OLG Stuttgart JZ 1980, 621 (dazu unten Fußn. 67). 45 s. a. 2. Kap. C.I.2.d) Fußn. 314. ~ Vgl. die übersicht bei Rudolphi SK, Rn 71 ff. vor § 1 m. Nachw.
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3. Kap.: Sozialinadäquanz von Risikoschaffung und -realisierung
gleichermaßen zur Lösung beiträgt, der freilich im Einzelfall der Korrektur bedarf (dazu 5.). Die ursprüngliche Abgrenzung der Regreßverbotslehre47 , die schematisch bei vorsätzlichem Dritt- oder Opferverhalten dem (fahrlässig handelnden) Täter das Risiko abgenommen, bei leichter wie grober Fahrlässigkeit des Opfers oder Dritter hingegen den Regreß zugelassen hat48 , muß einer funktionalen Lehre von den Verantwortungsbereichen weichen49 50. Dabei wird sicherlich auf die Besonderheiten des je in Frage stehenden Tatbestandes zu achtenS! als auch im Einzelfall zwischen vorsätzlichem und fahrlässigem Verhalten des "Erstverursachers" zu unterscheiden sein (dazu auch 1. Kap. B.III.3.). Davon abgesehen wird man sich aber möglicherweise zunächst auf die folgenden Leitlinien verständigen können52 : a) Sind die Rettungsmaßnahmen rechtlich geboten, so sind die Risiken und Verletzungen des Retters dem Täter durchweg zuzurechnen. Dagegen wird zwar geltend gemacht, daß die Rechtsordnung das von ihr selbst dem Hilfspflichtigen aufgebürdete Risiko nicht auf den Erstverursacher abwälzen dürfe und zudem dem Täter nicht solche Folgen zugerechnet werden dürften, denen er nicht vorbeugen darf53• Aber es wird dabei 47 Vgl. dazu, daß diese Lehre unter Kausalitätsgesichtspunkten von vornherein nicht haltbar ist, Rudolphi SK, Rn 49 vor § 1 m. Nachw.; s. schon Frank, § 1 Anm. III 2 a; ferner Lampe ZStW 71,614. 48 Etwa Frank aaO; H. Mayer AT, 138; Naucke ZStw 76, 408 ff., 431 ff.; i. Erg. a. Ebert Jura 1979, 570; grundsätzl. gegen das Regreßverbot Schlüchter Jus 1976, 379. 49 Dazu Jakobs ZStW 89, 17 ff.; Maurach / Zipf AT/I, 267 ff.; Roxin, Täterschaft, 542 ff.; Gallas-Festschr., 246; Schönke / Schröder / Lenckner, Rn 101 ff. vor § 13; Schönke / Schröder / Cramer, § 15 Rn 146, 154 ff., 177; Schünemann JA 1975, 718 f.; s. a. otto, Maurach-Festschr., 98 ff.; Jus 1974, 706 ff.; NJW 1980, 422; Schroeder LK, § 16 Rn 184; Stratenwerth AT, Rn 1161 ff.; Eb. SchmidtFestschr., 390 ff.; Welp, Vorangegangenes Tun, 310 ff., 314 f., 318; JR 1972, 429; weit. Nachw. 2. Kap. C.I.1.c) Fußn. 106. 50 Dabei empfiehlt sich weder die Unterscheidung zwischen "primärem" Dazwischentreten Dritter (vor Schadenseintritt = Regreßverbotsfälle) und "sekundärem" Dazwischentreten (nach einem Primärerfolg = Folgeschadenfälle) (so aber Burgstaller, Fahrlässigkeitsdelikt, 118 Fußn. 111; dagegen Schünemann aaO, 719) noch die Differenzierung von Schünemann (aaO, 722) zwischen vom Erstverursacher geschaffenen und gesteuerten Gefahrenquellen einerseits und bereits vorhandenen Gefahrenquellen andererseits. Denn es kann teleologisch keinen Unterschied machen, ob der Dritte an einen bereits vorhandenen Unfall anknüpft (Kunstfehler-Fall) oder nicht (Flinten-Theatergarderoben-Fall); ebensowenig kann die Haftung aber davon abhängen, ob der Erstverursacher "mit Feuer oder Wasser spielt", d. h. den Dritten in den geschaffenen Brandherd oder in die vorhandene Nordsee "schickt" (krit. a. Jakobs ZStW 89, 15 Fußn. 56; Rudolphi SK, Rn 81 vor § 1). Die eigentliche Haftungsfrage nach den Risiken und den Verpflichtungen bei der Rettung bleibt hier offen. U s. a. Rudolphi SK, Rn 72 vor § 1. 52 Vgl. a. Wolter JuS 1981, 174 f.
C. Die Lehre vom Schutzzweck der Norm
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übersehen, daß das Strafrecht auch sonst Fälle (etwa im Bereich der mittelbaren Täterschaft) kennt, in denen der Täter die Folgen rechtmäßigen Verhaltens nicht verhindern darf54 • Und es wird verkannt, daß der Retter hier wegen seiner Rettungsverpflichtung nicht frei entscheiden kann55 • Er steht deshalb teleologisch betrachtet auf einer Stufe mit demjenigen, den der Täter in eine notstandsähnliche Lage bringt. In diesem letzteren Fall ist an der Zurechenbarkeit jedenfalls nicht zu zweifeln. Es kommt noch ein Gesichtspunkt hinzu: Wenn die Rechtsordnung den Retter zum Einschreiten zwingt, dann bestehen gerade wegen der schon aus § 35 ablesbaren erhöhten Einsatzpflichten des Retters auch erhöhte Rettungschancen für das Brandstiftungsopfer. Die Realisierung dieser Rettungschancen kommt dem Täter zugute. Die Rechtsordnung nimmt also dem Täter mit dem rechtlichen Rettungsgebot ein wesentliches Risiko ab5G • b) Schwieriger ist die Auf teilung der Verantwortungsbereiche zu entscheiden, wenn der Retter zum Einschreiten (z. B. wegen erhöhter eigener Lebensgefahr) nicht mehr verpflichtet ist. Hier ist - wenn man sich auf einen skizzenhaften Versuch der Grenzziehung beschränken will folgendermaßen zu differenzieren: erscheint das Verhalten des Retters von objektiver Warte aus als in erheblichem Maße leichtsinnig und leichtfertig, so ist die Verantwortung allein dem Retter aufzubürden57 • Mit solchen "Heldentaten" brauchen die Rechtsgemeinschaft wie der Täter nicht zu rechnen. Verletzungsrisiko und Verletzungserfolg beim Retter können nicht dem Täter aufgebürdet werden. - Ist hingegen die Rettungshandlung aus der Gefahrenlage heraus (objektiv) "verständlich" und "erklärlich", so fallen die daraus erwachsenden Risiken und Verletzungen des Retters noch in den Verantwortungsbereich des Täters. Dies hat unlängst Jakobs511 eindrucksvoll begründet. Denn angesichts der weit nach vorn verschobenen Zumutbarkeitsgrenzen (arg. § 35), angesichts der auf dem Spiele stehenden (meist gewichtigen) Interessen und angesichts der Kurzfristigkeit der anstehenden Entscheidungen ist auch unter objektivem Blickwinkel ein "Irrtum" über das Hilfsgebot oftmals verständlich. Dies gilt wie gesagt für den konkreten FeuerBurgstaller, Fahrlässigkeitsdelikt, 115; Roxin, Gallas-Festschr., 142 f. Rudolphi SK, Rn 80 vor § 1. 55 Rudolphi aaO; Schönke / Schröder / Crarner, § 15 Rn 156; Schroeder LK, § 16 Rn 182. se Dazu Rudolphi aaO, Rn 81; all gern. zum obj. Zurechnungsprinzip der Risikoabnahme Roxin, Honig-Festschr., 143; WoIter ZStW 89, 654 Fußn. 22. j7 Treffend Burgstaller, Fahrlässigkeitsdelikt, 119 f.; s. a. otto JuS 1974, 709 (zu § 222); Ulsenheirner JZ 1973, 67 (zu § 224). 58 ZStW 89, 34; s. a. Schönke / Schröder / Lenckner, Rn 102 b vor § 13. 53 54
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3. Kap.: Sozialinadäquanz von Risikoschaffung und -realisierung
wehnnann ebenso wie für den "objektivierten" Retter in der konkreten Situation. In diese Richtung zielt auch die von Rudolphis9 empfohlene Interessenabwägung". Im zivilen Haftungsrecht werden diese Thesen unterstützt. Auch dort wird der "Schutzzweck(zusammenhang)" befürwortet, wenn sich das Opfer (oder der Dritte) herausgefordert fühlen durfte und seine Reaktion nicht ungewöhnlich warn. Man denke in diesem Zusammenhang auch an Risiken und Verletzungen, die i. R. einer bedeutsamen polizeilichen Fahndung bzw. Verfolgung eintreten. 4. Mit diesen wenigen Leitlinien wird man - wie gesagt - auch bei anderen Normschutzzweckproblemen einen ersten Maßstab liefern können: Wehrt sich etwa das selbstmörderische Opfer erfolgreich gegen die grundsätzlich rettungsgeeigneten (ernsthaften und freiwilligen) Erfolgsabwendungsbemühungen des Täters, so ist dem Täter insoweit ohne weiteres Straffreiheit zuzubilligen. Das Opfer hat das Todesrisiko selbst übernommen82 • Wegen der "vorsätzlichen Obliegenheits verletzung" beim Opfer käme man hier mit den Maßstäben der Regreßverbotslehre zum gleichen Ergebnis. Dabei sei freilich klargestellt, daß diese Grundsätze allein bei einer freien und voll verantwortlichen Selbsttötung - wie auch sonst bei einem verantwortungsfähigen Vordennann - Geltung beanspruchenM. - Oder: überläßt Adern B das Steuer seines Pkw, und verursacht B auf objektiv und subjektiv durchaus vorhersehbare (vielleicht sogar altersbedingt) leichtsinnige Weise einen Unfall mit erheblicher Eigenverletzung, so sind dem A die GeJahr des Unfalls und seine Folgen nicht zuzurechnen; B hat dem A i. R. der genannten Selbstverantwortlichkeit (bereits) das "Risiko" abgenommene,. 59 aaO; s. a. Schroeder LK, § 16 Rn 182; a. A. insoweit Schönke / Schröder / Cramer, § 15 Rn 156. eo VgI. zu der hier insgesamt stets erforderlichen, aber auch ausreichenden objektiven Betrachtungsweise Burgstaller, Fahrlässigkeitsdelikt, 119 (s. noch bei Fußn. 66). et OLG Düsseldorf NJW 1973, 1930 m. Nachw. zur BGH-Rspr.; Palandt / Heinrichs, Anm. 5 e bb vor § 249 m. Nachw.; vgI. (aber) a. Schönke / Schröder / Cramer, § 15 Rn 155 f. 82 Dazu bereits 2. Kap. B.I. Fußn. 11 m. Nachw. 83 Näher Rudolphi SK, Rn 79 vor § 1 m. Nachw.; s. a. Marxen / Winter JuS 1979, 208; Schönke / Schröder I Cramer, § 15 Rn 146; offen gelassen von BGH JR 1979, 430 m. abI. Anm. Hirsch. Dabei mögen sich die Grenzen von Freiheit und Selbstverantwortung eines Suizidenten durchaus zu Lasten des Täters verschieben (Schroeder LK, § 16 Rn 183; grundsätzI. Schönke / Schröder / Eser, Rn 34 ff. vor § 211). Nicht haltbar ist es allerdings, wenn der BGH (aaO) in dem Fall der Verursachung des Todes von Rauschgiftsüchtigen durch Verordnung von Suchtmitteln die Strafbarkeit des Arztes schon auf dessen Garantenpflicht (und besondere Sorglosigkeit) gründet (Hirsch aaO; insoweit a. Schroeder aaO; vgI. (aber) a. Schönke / Schröder / Cramer, § 15 Rn 157; Schönke / Schröder / Lenck:ner, Rn 102 b vor § 13; Jakobs ZStW 89, 1 ff.).
C. Die Lehre vom Schutzzweck der Norm
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Oder auch: Kommt der vom Täter lebensgefährlich Verletzte durch einen (im Einzelfall sogar objektiv und subjektiv erkennbaren65) groben Kunstfehler eines Arztest6 zu Tode, so ist (hier nur) der Todeserfolg dem Ersttäter ebenfalls nicht objektiv zurechenbar67 • Bei wertender Betrachtungsweise realisiert sich nicht mehr die Gefahr des durch die Körperverletzung begründeten Todesrisikos, sondern eine andere Gefahr. Mit Blick auf die strafrechtlichen Verhaltensnormen wird man auf das Ausbleiben derartig pflichtwidriger Schädigungen ausnahmslos vertrauen können. - Was bei etwaigem Vorsatz des Ersttäters nachbleibt, ist ein beendeter tauglicher Tötungsversuch (mit adäquatem Todesrisiko). Hinsichtlich der Herbeiführung des Todeserfolgs ist die Verantwortung auf den behandelnden Arzt übergegangen. 5. Zusammengefaßt sind es für die bisher behandelten Fälle also die grob fahrlässigen (leichtfertigen, leichtsinnigen) Obliegenheitsverletoe Marxen / Winter aaO; vgl. (aber) a. Schönke / Schröder / Cramer, § 15 Rn 154. 65 Vgl. dazu, daß das grob fahrlässige oder sogar vorsätzliche Verhalten eines Dritten durchaus vorhersehbar sein kann, Burgstaller, Fahrlässigkeitsdelikt, 117; Roxin, Täterschaft, 540. Insofern ist es methodisch unzulänglich, bei leichtfertigem ("völlig unvernünftigen") Opfer- oder Drittverhalten bereits den Adäquanzzusammenhang auszuschließen (so aber P. Frisch, Fahrlässigkeitsdelikt, 42, 96 f.). Die Schutzzweckproblematik tritt - wie schon erwähnt - erst dann eigenständig zutage, wenn jedenfalls der Adäquanzzusammenhang zu befürworten ist (Burgstaller aaO, 108 f.; otto JuS 1974, 706; Roxin, Gallas-Festschr., 243, 248 f. u. Honig-Festschr., 142). Außerdem hängt die Zurechnung eines ärztlichen Kunstfehlers nicht etwa von der mehr oder weniger deutlichen (objektiven) Vorhersehbarkeit und damit auch von der statistischen Häufigkeit derartigen Fehlverhaltens (Maurach / Zipf ATII, 268), sondern davon ab, inwieweit man auf das Ausbleiben derartiger Schädigungen durch Dritte vertrauen kann (vgl. Roxin, Täterschaft, 540; Rudolphi SK, Rn 73 vor § 1 sowie den folgenden Text). 66 Burgstaller aaO, 119 beschränkt die Betrachtung insoweit wiederum auf die objektiv grobe Fahrlässigkeit; s. a. den Text unter 3.b) m. Fußn. 60. 67 Burgstaller aaO, 117; Otto JuS 1974, 709 u. NJW 1980, 422; s. a. Schönke / Schröder / Cramer, § 15 Rn 156; weitergehend Roxin, Täterschaft, 540 u. Gallas-Festschr., 257 f., der qua Vertrauensgrundsatz schon den leicht(fahrlässig herbeigeführt)en Kunstfehler dem Ersttäter nicht mehr zurechnet (ähnl. Rudolphi SK, Rn 73 f. vor § 1; JuS 1969, 556, der freilich bei Unterlassungen mit Rücksicht auf § 24 anders entscheidet, s. a. OLG Stuttgart JZ 1980, 620 f.; dagegen Burgstaller, 118; ähnl. a. P. Frisch, Fahrlässigkeitsdelikt, 118 ff. bei leicht fahrlässigen Obliegenheitsverletzungen des Opfers; dagegen Schultz SchwZStr 92, 412 f.; Schünemann JA 1975, 723); entschieden enger hingegen Schünemann (aaO, 719), der bei einer lebensgefährlichen Verletzung durch den Ersttäter diesen auch bei einem groben Kunstfehler des Arztes über § 222 haften lassen will (in dieser Richtung a. OLG Stuttgart JZ 1980, 621, das aber verkennt, daß sich der ausdrücklich hervorgehobene umgekehrte Fall - das tödliche Risiko ist nicht durch die Primärverletzung vorgezeichnet - bereits wegen fehlenden Adäquanzzusammenhanges zurechnungsausschließend lösen läßt; s. schon oben bei Fußn. 44). Hier wird die Rechtsgutsverletzung von vornherein nicht durch ein vom Ersttäter geschaffenes adäquates Todesrisiko vermittelt.
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3. Kap.: Sozialinadäquanz von Risikoschaffung und -realisierung
zungen und Gefahrschaffungen des Dritten oder des Opfers, die dem Täter die Verantwortung für die Verletzungserfolge (oder - je nach Sachlage - auch schon für die Erfolgsgefahren) abnehmen. Dabei mag zwar auf den ersten Blick die schematische Abgrenzung der Regreßverbotslehre (Nichtzurechnung bei vorsätzlichem Dritt- oder Opferverhalten) ersetzt worden sein durch eine ebenso schematische neue Leitlinie (Nichtzurechnung bei zumindest objektiv leichtfertigem Dritt- oder Opferverhalten). Aber einmal kommt man nur mit dieser Verschiebung der Verantwortungsbereiche zu vertretbaren Ergebnissen. - Zum anderen ist diese Leitlinie - wie schon hervorgehoben - durch ganz verschiedenartige Erwägungen in jedem Einzelfall zu konkretisieren. Man hat also nicht nur auf die Besonderheiten des je in Frage stehenden Straftatbestandes im Besonderen Teil zu achten, nicht allein jeweils eine eigenständige umfassende Interessenabwägung vorzunehmen sowie nicht nur danach zu unterscheiden, ob der (Erst-)Täter vorsätzlich oder fahrlässig gehandelt hat. Man muß vielmehr auch z. B. die berufliche Situation des "Obliegenheitsverletzers" berücksichtigen. Der Feuerwehrmann oder Polizist wird regelmäßig später die Leichtfertigkeitsgrenze erreichen als der Privatmann (Rechtsgedanke des § 35). Diese Filigranarbeit am jeweils konkreten Einzelfall kann hier nicht mehr geleistet werden. - Drittens aber ist mit diesen Leitlinien allein der Hauptteil der in Rechtsprechung und Literatur diskutierten Fälle abgedeckt, der sich mit Stichworten wie "Haftung des Ersttäters für die Zweitschädigung" (Kunstfehler-Fall) sowie "Veranlassen bzw. Fördern fremder Selbstgefährdungen und -verletzungen" (Feuerwehrmann-, Verfolgungs-, Selbstmord- und Unfall-Beispiel) kennzeichnen läßt. In einem weiteren Fall, bei dem die Lehre vom Regreßverbot auch ihren Ausgang genommen hat, vermögen sich die Maßstäbe hingegen erheblich zu verschieben. Ist z. B. für den Hintermann erkennbar, daß es zu einer Vorsatztat des Vordermanns kommt, so wird man im Einzelfall durchaus - wiederum im Gegensatz zur Regreßverbotslehre an eine Haftung des Hintermanns denken können; dies zwar nicht, wenn bei dem Vordermann noch gar kein Tatentschluß erkennbar ist, entgegen Schroeder68 regelmäßig auch dann noch nicht, wenn die" Tatgeneigtheit" eines anderen ersichtlich ist, wohl aber dann, wenn der Vordermann erkennbar zum Delikt entschlossen ist~9 und - so mag man hinzufügen - ersichtlich mit Beendigung der Handlung des Hintermanns objektiv zur Tat bereits nahezu (unmittelbar) ansetzt. Der 68 LK, § 16 Rn 184; wie hier grundsätzl. a. Schönke / Schröder / Lenc1rner, Rn 102 a, b vor § 13. 69 Stratenwerth AT, Rn 1162 ff. m. dem Beispiel der Messeraushändigung an einen Täter, der im Begriff ist, sich auf seinen Gegner zu stürzen; anders wohl Schönke / Schröder / Lenckner aaO; zur Ingerenz Rudolphi SK, § 13 Rn 42.
C. Die Lehre vom Schutzzweck der Norm
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Hintermann muß m. a. W. fahrlässig unmittelbar die Gefahr einer fremden Straftat begründen. In diesem Fall kann es den Hintermann regelmäßig nicht entlasten, daß der Zweittäter sogar vorsätzlich gehandelt hat. Den Verantwortungsbereich des fahrlässig handelnden Hintermanns so weit auszudehnen, steht im Einklang mit den Grundsätzen zur Anstiftung und IngerenzG9 und entspricht dem Grundanliegen des in dieser Untersuchung entwickelten Risikostrafrechts. Doch sind auch bei dieser "Korrektur der Regreßverbotslehre" die Einzelheiten durchaus zweifelhaftG9 • Sie müssen hier ebenfalls ungeklärt bleiben.
D. Subjektiver Unrechts- / Schuld bezug und Irrlum bei der Sozialinadäquanz ("rechtlichen Mißbilligung") 1. Wohl aber muß wie bereits angekündigt (1. Kap. A.VL5.b); 2. Kap. C.L3.d) - Stellung bezogen werden zu dem Problem, welcher subjektive (Unrechts- und Schuld-)Bezug bei den unrechtsbegründenden und zugleich haftungsbegrenzenden Merkmalen der Sozialinadäquanz ("rechtlichen Mißbilligung") zu fordern ist und wie die Irrtumsfragen zu lösen sind. Dieses Problem taucht insbesondere und verstärkt deshalb auf, weil diese Rechtsinstitute hier auch auf die Vorsatzdelikte erstreckt werden (oben A.IL). Da diese Erweiterung andererseits noch der Durchsetzung harrt, steht die wissenschaftliche Diskussion der Irrtumsproblematik bisher noch ganz am Anfang70 •
Weitreichende Einigkeit besteht freilich insofern, als die irrtümliche Annahme der nicht vorhandenen Voraussetzungen z. B. der Risikoerhöhung oder des Normschutzzwecks zum untauglichen Versuch führen muß71 • Insoweit bleibt es also bei der Umkehrung des in § 16 I niedergelegten Prinzips72. Im übrigen aber - d. h. insbesondere für den einfachen Irrtum (Nichtkenntnis - der Voraussetzungen - dieser Rechtsinstitute) - trennen sich die Wege. Es finden sich im wesentlichen drei: 1. Die erste Auffassung behandelt die in teleologischer Reduktion gewonnenen Merkmale der Sozialinadäquanz als Momente des gesetzlichen Straftatbestandes, wendet also insgesamt die §§ 16, 17 an73 • Beim einfachen Irrtum kommt also allenfalls eine FahrZässigkeitsstrafbarkeit in Betracht. 70 Grundsätzlich zu dieser normativen Frage v. Scheurl, Rücktritt, 34; Sax JZ 1976, 15 (Frage des krinllnalpolitischen Bedürfnisses); zur eigenen Sachproblematik der Irrtumsfragen Gössel GA 1977, 350; NoH ZStW 77, 5 f.; Schmidhäuser, Engisch-Festschr., 455. 71 Nachw. 1. Kap. A.VI.5.b) Fußn. 61; B.III.3. bei Fußn. 148; vgl. ferner Sax JZ 1975, 150; anders - Straflosigkeit - Wolter GA 1977, 263 (dieser Standpunkt wird im folgenden aufgegeben). Vgl. noch den Text unter 2. 72 Zur Relativierung des Umkehrprinzips grundsätzl. m. Recht Engisch, Heinitz-Festschr., 187 ff. 73 Etwa Rudolphi SK, § 86 Rn 16, 20; Schönke I Schröder I Lenckner, Rn 92 vor § 13; s. a. Klug, Eb. Schmidt-Festschr., 264; Schaffstein ZStW 72, 396 (die für eine analoge Anwendung der §§ 16,17 plädieren; dazu aber unten II.4.; zur analogen Anwendung der §§ 16, 17 bei den Rechtfertigungsgründen 2. Kap. C.I.2.d) Fußn. 286).
D. Die Irrtumslehre bei der Sozialinadäquanz
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2. Der Gesichtspunkt der teleologischen Reduktion legt freilich auch einen ganz anderen, zweiten Weg nahe. Man kann erwägen, eben jene Grundsätze eingreifen zu lassen, die bei den §§ 306 Nr. 2, 186 haftungseinschränkend entwickelt worden sind (oben 2. Kap. E.IV.5.). Dies würde bedeuten, daß schon der fahrlässige Bezug des Täters zur Risikoerhöhung bzw. zum Normschutzzweck die Verurteilung wegen vorsätzlicher Tat rechtfertigt (näher 2. Kap. E.IV.3.). Und dies müßte auch beim umgekehrten Irrtum anstelle des untauglichen Versuchs zur vollendeten vorsätzlichen Tat führen (näher 2. Kap. E.IV.5.b). 3. Verfochten wird schließlich eine dritte These, die sich eng an die §§ 17, 113 IV, 13674 anlehnt und letztlich einen Mittelweg zwischen den bisher referierten Auffassungen einschlägt75. Bei irrtümlicher Annahme der nicht vorhandenen Voraussetzungen der Sozialinadäquanz verbleibt es danach zwar beim untauglichen Versuch (anders oben 2.: Vollendung; anders auch § 113 IU: Straflosigkeit); aber beim einfachen Irrtum kommt man durchaus zur Vorsatzbestrafung. Und lediglich bei einem (vermeidbar-)positiven Irrtum (y,gl. die Regelung in § 113 IV im Gegensatz zu § 17)1', der gerade auch in der Form der "Tatsachenverkennung" ein "Irrtum über Recht und Unrecht" ist75 , kommt analog §§ 113 IV, 17 wenigstens eine Strafmilderung in Betracht. Zur Begründung dieser auf der Linie der "strengen Schuldtheorie" liegenden These wird im wesentlichen darauf verwiesen, daß der Täter schon mit der vorsätzlichen Schaffung eines adäquaten Risikos (ganz unabhängig von den objektiv ebenfalls gegebenen Voraussetzungen der Sozialinadäquanz) immerhin das "Risiko des Strafbaren" eingegangen sei77 • Wer sich darüber arglos hinwegsetze - indem er sich über die rechtliche Mißbilligung z. B. i. S. des Normschutzzwecks keine Gedanken mache - verdiene die volle Vorsatzstrafe. Und nur derjenige, der sich dieses Risiko bewußt mache 76, die" Warnfunktion" des Risikoeingehens also nicht gedankenlos übergehe, könne - wenn seine Abwägung vermeidbar zum falschen Ergebnis führe - wenigstens in den Genuß einer Strafmilderung kommen. IL1. Vor einer Abwägung dieser drei Standpunkte sollte man sich noch einmal den unrechtsystematischen Rahmen vergegenwärtigen. Bei 74
Näher 2. Kap. C.I.2.d) bei Fußn. 407 ff.
75 Sax JZ 1976, 430 f.; Zipf ZStW 82, 636 Fußn. 4; s. a. WoIter GA 1977, 264
(dazu in Fußn. 71). 78 Der Täter könne also dem eingegangenen Risiko allein durch bewußte Abwägung entgehen (Sax, Laufke-Festschr., 342; s. a. Zipf ZStW 82, 636 m. Fußn. 4; für § 113 a. Schönke / Schröder / Eser, § 113 Rn 55). 77 Für § 113 entspr. Dreher, SchrÖder-Gedächtnisschr., 365; Schönke / Schröder lEser, § 113 Rn 1 ("faktische Vermutung des Rechtswidrigen"); grundsätzl. a. Schweikert ZStW 70, 394 ff.
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3. Kap.: Sozialinadäquanz von Risikoschaffung und -realisierung
der Sozialinadäquanz ("rechtlichen Mißbilligung") handelt es sich in jedem Fall um ein unrechtsbegTÜndendes (haftungseinschränkendes) und objektiv-subjektives Merkmal. D. h., es ist zunächst hinsichtlich der (objektiv) rechtlich mißbilligten Risikoschaffung (irgend)ein subjektiver Unrechtsbezug (Vorsatz 78 oder Fahrlässigkeit) erforderlich; es geht insoweit um personale, nicht etwa um strikt objektive Zurechnung (vgl. schon 2. Kap. C.L3.a). - Und: Betroffen sind nicht die Rechtfertigungsgründe, damit auch nicht ohne weiteres die (analoge) Anwendung der §§ 16 I, 17 beim Unrechtsausschluß19 und deshalb auch nicht von vornherein der gesetzliche Gesamtunrechtstatbestand79 ; betroffen ist vielmehr die Unrechtsbegründung. ' Und bei der Unrechtsbegründung ist nun durchaus offen, ob die Sozialinadäquanz wie die Adäquanz 80 als (ungeschriebenes) gesetzliches Tatbestandsmerkmal i. S. der §§ 16 I, 17 oder aber als besonderes objektiv-subjektives Unrechtsmerkmal zu begreifen ist. Als solche besonderen objektiv-subjektiven Unrechtsmerkmale sind bisher zwei näher herausgearbeitet worden: Die Rechtmäßigkeit der Diensthandlung bei den §§ 113, 13674 und die fahrlässige bzw. (vorsätzlich-)vermeintliche Schaffung eines adäquaten Todesrisikos i. R. v. § 306 Nr.2 (oben E.IV. 5.)81. 2. Was nun zunächst die übertragbarkeit der (Irrtums-)Regeln der §§ 113 IV, 17 auf die Sozialinadäquanz angeht (oben 1.3.), so wäre das nur dann haltbar, wenn wirklich bereits von der - vorsätzlichen oder fahrlässigen - adäquaten (objektiv vorhersehbaren) Risikoschaffung eine vollständige (oder doch hinreichende) "Warnfunktion" ausginge, wenn der Täter also in der Tat "das Risiko des Strafbaren" eingegangen wäre, zu seinen Lasten die (faktische) "Vermutung des Rechtswidrigen"77 spräche. Es müßte bereits mit der schlichten Adäquanz eine vollumfängliche oder doch hinreichende Unrechtstypisierung vorgenommen und dürften darüber hinaus lediglich Merkmale betroffen sein, die das Un78 s. (aber) a. Krauß ZStW 76, 48 Fußn. 131 dazu, daß (jedenfalls) ein Vorsatzbezug nicht unbedingt maßgebend ist. 79 Dazu 2. Kap. C.I.2.d) mit Fußn. 286. 80 Dazu 2. Kap. C.I.2.b) mit Fußn. 242; 2.d) bei Fußn. 277 ff. - Triffterer (Bockelmann-Festschr., 201 Fußn. 1a) hat zwar in Auseinandersetzung mit meiner in GA 1977, 263 gemachten Aussage damit recht, daß sich der Vorsatz des Täters nicht auf die Risikoschaffung als objektiv vorhersehbar (adäquat) zu beziehen braucht; aber dies ändert nichts daran, die Adäquanz ebenso wie z. B. täterschaftliche Merkmale oder die Garantenpflicht strikt an § 16 zu binden. 81 Weitere besondere objektiv-subjektive Unrechtsmerkmale finden sich etwa bei den erfolgsqualijizierten Delikten (hier in dem spezifischen Merkmal der "Unmittelbarkeit und Leichtfertigkeit"; s. oben 2. Kap. D.I.3.d) bei Fußn. 607 ff.; näher WoIter JuS 1981, 168 ff.); oder auch bei dem teilw. vergleichbaren erfolgsbegründenden Delikt des § 323a; oder schließlich bei den unrechtsrelevanten sog. objektiven Bedingungen der Strafbarkeit (dazu sogleich Fußn. 83).
D. Die Irrtumslehre bei der Sozialinadäquanz
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recht der ganz konkreten Tat, die Gültigkeit der übertretenen Norm, betreffen. Ein Irrtwn könnte lediglich die Quelle für die Verkennung des Unrechts der ganz konkreten Tat sein. Insofern käme auch nur ein positiver Irrtum in Betracht. Und insoweit wäre auch der positive Voraussetzungsirrtum (die "Tatsachenverkennung") stets Verbots-, d. h. "Gültigkeits"-Irrt~.
Daß es solche ("Gültigkeits"-)Merkmale gibt, hat Armin Kaujmann f12 eindrucksvoll (und entschieden zu wenig beachtet) an der Verjassungsmäßigkeit der Norm und an den "Amtsbejehlen" aufgezeigt. Und dieser Gedanke mag - ohne daß dies hier verfolgt werden kann - auch bei der "Rechtmäßigkeit der Diensthandlung" in den §§ 113, 136 durchschlagen. Aber er kann nicht für die Sozialinadäquanz (und damit etwa die Risikoerhöhung oder den Normschutzzweck) herangezogen werden. Dies ist in anderem Zusammenhang längst begründet worden (1. Kap. AVI.5.a); oben A.IU.). Ohne das Kriteriwn der Sozialinadäquanz ist man nicht in der Lage, zwischen rechtlich relevanten (mißbilligten) und rechtlich zulässigen Risiken zu unterscheiden. Ohne den Gesichtspunkt der rechtlichen Mißbilligung läßt sich die Verhaltensnorm nicht hinreichend umschreiben. Und wenn sich bei lediglich adäquater vorsätzlicher oder fahrlässiger (bzw. vermeintlich-adäquater) Risikoschaffung noch kein hinreichender Verstoß gegen die Verhaltensnorm ausmachen läßt, dann kann von einem solchen Verstoß auch keine "Warnfunktion" ausgehen, kann der Täter nicht bereits "im Risikobereich des Strafbaren" angelangt sein. 3. Freilich: Der Ausschluß der analogen Anwendung der §§ 17, 113 IV bedeutet noch nicht die Anwendbarkeit des § 16. Denn da die Merkmale der Sozialinadäquanz im Wege teleologischer Reduktion gewonnen werden, könnte man auch an eine entsprechende Heranziehung der bei § 306 Nr. 2 vorgeschlagenen Regeln denken (oben 1.2.). Dies würde - wie dargelegt - hinsichtlich des (auch hier ausreichenden) Fahrlässigkeitsbezuges zum haftungseinschränkenden Merkmal auf das gleiche hinauslaufen wie die Anwendung der §§ 17, 113 IV. Aber dies wäre zwnindest hinsichtlich der irrtümlichen Annahme der Voraussetzungen der Sozialinadäquanz (etwa i. R. einer im übrigen vorsätzlich-adäquaten Tat) von nicht mehr hinnehmbarer Tragweite. Denn anstelle des allgemein befürworteten untauglichen Versuchs (oben I. vor 1.) käme man nunmehr zur vollendeten (vorsätzlichen) Straftat. Dies mag bei der teleologischen Reduktion eines Einzeltatbestandes wie § 306 Nr.2 möglich sein (zur Begründung 2. Kap. E.IV.5.)83, kommt jedoch für die übergreifenden Merkmale der Sozialinadäquanz nicht in Betracht. 82
Normentheorie, 96 ff., 158 f.
23 Wolter
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3. Kap.: Sozialinadäquanz von Risikoschaffung und -realisierung
4. Damit ist auch bereits die hier favori~ierte Lösung angedeutet. Bei der Risikoerhöhung und dem Normschutzzweck handelt es sich nicht um besondere (objektiv-subjektive) Unrechtsmerkmale in einzelnen Straftatbeständen (z. B. in den §§ 113, 136, 306 Nr. 2), sondern um allgemeine ("gesetzliche"), die gerade auch bei den §§ 113, 136, 306 (zusätzlich) zur Anwendung kommen könnten. Sie unterliegen deshalb auch den allgemeinen - direkt 73 anzuwendenden - Irrtumsregeln der §§ 16 1,17. Wer hier befürchtet, daß zu ungeschriebenen und dem Bürger deshalb weniger bekannten Unrechtsmerkmalen ein voller Vorsatzbezug nicht so ohne weiteres herstellbar sei, sei an die Parallele der Adäquanz, an die "Parallelwertung in der Laiensphäre" und an das "Mitbewußtsein" erinnert. III.1. Mit diesen skizzenhaften Strichen soll es sein Bewenden haben. Schon eingangs (I.) ist betont worden, daß es sich hier um normative Fragen handelt, die noch nicht einmal ansatzweise in der Wissenschaft diskutiert worden sind und die deshalb auch anders beantwortet werden mögen. Die hier angestellten überlegungen sollen nicht mehr als ein Anstoß zur weiteren Diskussion sein. 2. Wenn man diesen Thesen folgt, so empfiehlt sich - um am Ende noch einmal den Bogen zum Straftatsystem zu schlagen - jedenfalls eines nicht: die strikte Zweiteilung des Systems, insbesondere des Unrechtstatbestandes, in einen "gesetzlichen Straftatbestand" und einen "Strafwürdigkeitstatbestand"84. Denn die wesentlichen Teile des sog. Strafwürdigkeitstatbestandes, etwa die Risikoerhöhung oder der Normschutzzweck und damit die "rechtliche Mißbilligung der Straftat", gehören bereits zum gesetzlichen Straftatbestand85• Und dennoch: es gibt zahlreiche Unrechtsmerkmale, die sich gerade nicht in den gesetzlichen 83 Entspr. mag übrigens für diejenigen sog. "objektiven Strafbarkeitsbedingungen" gelten, die eigentlich zum Unrechtstatbestand zu zählen sind, wie z. B. der Tod in § 227 (s. 1. Kap. B.III.2.b); vgl. ferner Sax JZ 1976, 430, der den Rechtsgedanken des § 113 IV überträgt. Freilich sollte man - wie unter 2. angedeutet worden ist - den Rechtsgedanken des § 113 IV allenfalls auf solche Unrechtsmerkmale beschränken, die jenseits der "hinreichenden Unrechtstypisierung" auf einer zweiten Stufe der Unrechtsbeschreibung anzusiedeln sind (zu der Besonderheit der §§ 113, 136 allgern. Dreher, SchröderGedächtnisschr., 363 ff.). Dies ist bei den genannten Bedingungen nicht der Fall (vgl. 1. Kap. B.III.2.b); sie typisieren durchaus noch das Unrecht auf einer ersten Stufe. Ohne daß dies hier näher verfolgt werden soll, wird man für § 227 als "Mindeststandard" und "kleinsten gemeinsamen Nenner" die subjektiv fahrlässige Todesherbeiführung fordern müssen. 84 Nachw. 1. Kap. A.IV. Fußn. 12. 85 Insofern lassen sich "gesetzlicher Unrechtstatbestand" und sonstiger Unrechtstatbestand in der Tat nicht trennen (Schönke / Schröder / Cramer, § 16 Rn 8; vgl. a. Schönke / Schröder / Lenckner, Rn 92 vor § 13); s. aber den folgenden Text.
D. Die Irrtumslehre bei der Sozialinadäquanz
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Unrechtstatbestand einordnen lassenIlII; strikt subjektive, strikt objektive und besondere objektiv-subjektive81 Unrechtsmerkmale (vgl. schon 2. Kap. C.I.3.a)87. Diesen Merkmalen einmal nachzugehen, war eine wesentliche Aufgabe der vorliegenden Untersuchung88.
l1li Grundsätzl. a. Sax JZ 1976, 12 ft., 80 ft., 429 ft.; Wolter GA 1977, 264. 87 Ebensowenig empfiehlt es sich, das Unrecht strikt in eine personale (unter Einschluß der gesetzlichen, subjektiven und besonderen objektiv-subjektiven Unrechtsmerkmale) und eine objektive Spur aufzugliedern. Diese Unterscheidung zieht sich zwar durch die gesamte Unrechts- und Schuldlehre (vgl. 1. Kap. A.VII.4., 5.; 2. Kap. C.I.3.a), läßt sich jedoch nicht konsequent durchhalten: So muß etwa das Realrisiko, je nach dem, ob es vom Planrisiko unwesentlich abweicht oder mit ihm deckungsgleich ist, einmal zum objektiven, das andere Mal zum personalen Unrechtstatbestand gerechnet werden (näher 2. Kap. C.I.2.b). Und das strikt objektive Unrechtsmerkmal des "groben Unverstands" schließt nach der hier de lege ferenda verfochtenen Auffassung das personale Handlungsunrecht aus (2. Kap. C.I.3.a) und besitzt insofern sogar "übergreüende Kraft". 88 Das Schwergewicht lag - wie schon eingangs betont (1. Kap. A.lII.) insgesamt beim Unrecht der Straftat. Freilich ist das System durchaus "offen" (näher 1. Kap. A.V.) für weitere Systemteile, etwa die Gesinnungsmerkmale oder die subjektiv gefaßten Schuldmerkmale (dazu Schönke / Schröder / Lenckner, Rn 122, 123 a vor § 13; weiterführend Warda Jura 1979, 78 f.).
23·
Die wesentlichen Ergebnisse der Untersuchung Angesichts der Fülle der in dieser Abhandlung angesprochenen Probleme ist es nicht möglich, sämtliche Ergebnisse von Belang hier noch einmal aufzuführen. Eine erste Orientierung wird das Studium der Zwischenergebnisse (2. Kap. B.III.3.; C.I.3.; C.II.3.; D.III.; E.II.3.; E.IV.5.; J.V.) sowie der kürzer gehaltenen Passagen liefern, etwa zu den Zielen der Untersuchung (1. Kap. A.I.-IV.); zum normtheoretischen und generalpräventiven Ansatz (1. Kap. A.VI., B.); zum Straftatsystem (1. Kap. A.IV., VII.; 3. Kap. D.III.2.); zur Methodologie (1. Kap. A.V.); zur Unterscheidung von Unwert und Unrecht (2. Kap. C.I.3.b); zur Struktur des Unrechtsbegriffs (1. Kap. B.II.3.); zur Unterscheidung von Adäquanz (objektiver Vorhersehbarkeit) und Sozialinadäquanz ("rechtlicher Mißbilligung") (1. Kap. A.VI.5.; C.III.; 3. Kap.); zur Risikoerhöhung (1. Kap. A.VI.5.; 3. Kap. B.) und zum Normschutzzweck (1.Kap. B.III.3.; 3. Kap. C.) als den wesentlichen Teilstücken der Sozialinadäquanz; schließlich zu den zahlreichen Erscheinungsformen des abstrakten Gefährdungsdelikts (2. Kap. J., K.). Darüber hinaus seien einige der wichtigsten Ergebnisse der Untersuchung noch einmal festgehalten: I. Strafrechtliches Unrecht ist - entgegen Zielinski - nicht nur Handlungsunrecht. Prototyp der Unrechtsbegründung ist nicht der untaugliche (Begehungs-)Versuch mit bloßem objektiv-subjektiven Handlungsunrecht (zu den Ausnahmen 2. Kap. C.I.1.a), F.I.); ein untauglicher Unterlassungsversuch ist dessen ungeachtet von vornherein ebensowenig anzuerkennen wie der Begehungsversuch beim "untauglichen Subjekt" (2. Kap. F.II.); bei "Irrealität"; bei "grobem Unverstand" (2. Kap. C.I.1.a). - (Prototyp des Unrechtsausschlusses ist nicht die Putativrechtfertigung mit alleinigem objektiv-subjektiven Handlungswert.) Verhaltensnorm und Bewertungsnorm sind nicht identisch (näher unten XVI.). Es gibt kein striktes Aufeinanderbezogensein von finalem Akt und objektivem Unrecht (2. Kap. C.I.2.). II. Vielmehr ist strafrechtliches Unrecht auch Gefährlichkeits- (11.) und Erfolgsunrecht (III.). Prototyp der Unrechtsbegründung ist die vorsätzliche (oder fahrlässige) Schaffung eines adäquaten und rechtlich mißbilligten Risikos und damit die Herbeiführung eines über das objektiv-subjektive Handlungsunrecht hinausreichenden (objektiven) Gefährlichkeitsunrechts = "primären Erfolgsunrechts" (2. Kap. C.I.2.). Typische
Die wesentlichen Ergebnisse der Untersuchung
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Erscheinungsformen dieses Prototyps sind der vorsätzliche (oder - de lege ferenda -: fahrlässige) beendete taugliche Gefährdungs- oder Verletzungsversuch durch Begehung oder Unterlassung (2. Kap. C.L1.c), d); II.; IIL2.; E.L, V.) sowie die vorsätzlichen oder fahrlässigen (vollendeten) potentiellen Gefährdungs- und Verletzungsdelikte (2. Kap. C.II., IILl.; D.IIL; E.IIL). (Prototyp des Unrechtsausschlusses ist die Schaffung einer geeigneten Rettungschance als primärer Erfolgswert; vgl. noch VI.). Verhaltensnorm und Bewertungsnorm sind schon insoweit nicht identisch (vgl. noch III.). Die Norm besitzt eine motivierende und eine Wertmaßstäbe setzende Kraft. Verboten ist die deliktische Handlung nicht als Ausdruck VOn Rechtsungehorsam, sondern wegen der mit ihr verbundenen "Bedrohung" des Rechtsgutsträgers bzw. der realen Chance einer Rechtsgutsverletzung (1. Kap. A.VL2. vor a), 2.d), B.L2.). Mit der objektiven Risikoschaffung tritt - neben der Verhaltensnorm - die Schutzund Gewährleistungsnorm (Bewertungsnorm) für den Rechtsgutsträger in den Blick (1. Kap. A.VL2.a), d). Dies wird besonders deutlich, wenn Planrisiko und Realrisiko nur unwesentlich (damit gerade nicht zufallsbedingt) und deshalb zurechenbar voneinander abweichen. Finaler Akt und objektives Unrecht sind schon insoweit nicht strikt aufeinander bezogen. Und: das vom finalen Akt nur unwesentlich abweichende (vgl. unten XL) objektive Realrisiko ist - entgegen Zielinski - Teil des Unrechts (2. Kap. C.L2.b), d). III. Auch die Deliktsspanne zwischen Beendigung des tauglichen Versuchs und Erfolgseintritt ("Risikozusammenhang"; "Risikorealisierung") gehört zum Unrecht und zur Bewertungsnorm. Der Risikozusammenhang einschließlich des Erfolgs ist strikt objektives Unrecht. Er braucht - da jenseits der Versuchsbeendigung - nicht vom Vorsatz und von der Schuld i. e. S. VOn Andershandelnkönnen begleitet zu sein (arg. § 24); in Betracht kommt allein eine objektivierte Schuld i. w. und strafzumessungsrechtlichen S. Auch insoweit fehlt es an der Beziehung von finalem Akt und objektivem Unrecht. Der Erfolg ist - entgegen Zielinski - nicht Zufallsprodukt, sondern adäquate und sozialinadäquate ("handlungsadäquate") Fortentwicklung des geschaffenen Risikos (1. Kap. A.VI.2.c). Er macht das sog. "sekundäre Erfolgsunrecht" aus (2. Kap. C.I.2.c). Der Erfolg kann Verletzungserfolg (2. Kap. B.) oder konkreter Gefährdungserfolg (2. Kap. D.) sein. Es ist deutlich zwischen Gefährlichkeit des Verhaltens und Gefährdungserfolg zu unterscheiden (2. Kap. D., E.; vgl. noch VIIL, XVII.). IV. Bei den Rechtfertigungsgründen ist entsprechend I.-III. zwischen objektiv-subjektivem Handlungswert, objektivem Rettungschancenwert und objektivem Rettungserfolgswert zu unterscheiden (2. Kap. C.1.2.d) Ziff. 2d, aa, bb, dd). Diese Elemente vermögen die Handlungs-, Gefähr-
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Die wesentlichen Ergebnisse der Untersuchung
lichkeits- und Erfolgsunwerte von Risikoschaffung und Risikorealisierung zu kompensieren. V. Die adäquate und sozialinadäquate (rechtlich mißbilligte) Risikorealisierung (vgl. III.) ist freilich auch dann nicht zurechenbar, wenn sie nicht auf einer entsprechenden Risikoschaffung beruht. Die Zurechnung der Tatobjektsverletzung oder -gefährdung muß stets vermittelt sein durch die Zurechenbarkeit des Risikos, auf dem sie beruht (1. Kap. A.VI. 3. vor a); 2. Kap. B.III.2.b). An der Zurechenbarkeit des geschaffenen Risikos und dann auch an der Risikorealisierung kann es z. B. mangels Sozialinadäquanz (rechtlicher Mißbilligung) der Gefahr (1. Kap. A.VI.5.b) Ziff. 2), aber auch wegen der Herbeiführung einer geeigneten Rettungschance fehlen. Denn der Rettungschancenwert kompensiert den Gefährlichkeitsunwert (oben IV.), und dann beruht der etwaige Erfo1gsunwert nicht mehr auf einer zurechenbaren Risikoschaffung (näher 2. Kap. C.I. 2.d) Ziff. 2d), bb). VI. Andererseits: Das zufällige Ausbleiben des Erfolgs kommt dem Täter ebenso zugute wie der zufällige Eintritt eines den zurechenbaren Erfolgsunwert kompensierenden Rettungserfolgsunwerts (zum ganzen 2. Kap. C. I.2.d) Ziff. 2d), bb): es bleibt jeweils bei der zurechenbaren Risikoschaffung und damit beim (beendeten tauglichen) Versuch. VII. Die Risikoschaffung (bzw. Herbeiführung einer Rettungschance) wird strikt ex ante (2. Kap. C.I.1.c), 2.d), die Risikorealisierung bei den Verletzungsdelikten vollumfänglich (2. Kap. B.III.), bei den konkreten Gefährdungsdelikten weitreichend ex post (2. Kap. D.I.4.c), 11.) beurteilt. Beim Gefahrerfolg ist vom Standpunkt des Eintritts des Wirkungsobjekts in den Gefahrenkreis des adäquaten Erfolgsrisikos (regelmäßig) in einer Prognose ex post zu fragen, ob für das bedrohte Rechtsgut noch eine adäquate Rettungschance besteht; gegebenenfalls sind in einer Diagnose ex post sämtliche bereits im Zeitpunkt des Gefahrurteils feststehenden, Rettungschancen begründenden Umstände zu berücksichtigen. VIII. Die Risikoschaffung ist die Domäne personaler Zurechnung; die Risikorealisierung ist das ausschließliche Feld objektiver Zurechnung (oben III.). Dies bedeutet, daß Adäquanz (objektive Vorhersehbarkeit) und Sozialinadäquanz (rechtliche Mißbilligung) als die beiden die "kausale Haftung" einschränkenden Unrechtsmerkmale (3. Kap. A.) bis zur Beendigung des tauglichen Versuchs (d. h. bis zur vollumfänglichen Risikoschaffung) auch von Vorsatz/Fahrlässigkeit und Schuld i. e. S. von Andershandelnkönnen umfaßt sein müssen (1. Kap. A.VI.5.b) Ziff. 2, B. III.3.; 2. Kap. C.I.3.c); 3. Kap. A.II., D.II.). Z. B. bei der Risikoerhöhung als wesentlichem Teilstück der Sozialinadäquanz (1. Kap. A.VI.5.; 3. Kap.
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B.) ist deshalb - beim Vorsatz delikt (1. Kap. A.VL5.b) - zunächst das vorsätzliche risikoerhöhende VerhaUen zu untersuchen. Fehlt dies bei der erforderlichen ex ante-Betrachtung (oben VIL), so ist auch der etwaige - weitgehend ex post und strikt objektiv zu ermittelnde - Risikoerhöhungserfolg (3. Kap. B.IL4.c) nicht zurechenbar (oben V.). IX. Die subjektive Fahrlässigkeit besitzt wie der Vorsatz nicht nur Bedeutung für die Schuld, sondern als doppeldeutiges Merkmal primär Relevanz für das Unrecht der Straftat (1. Kap. A.VII.3.; 2. Kap. C.L2.d) Ziff. 2d, cc). X. Bei der personalen Zurechnung der Risikoschaffung zum Unrecht sind drei Arten von Unrechtsmerkmalen zu unterscheiden: erstens solche des sog. "gesetzlichen Unrechtstatbestandes" i. S. der §§ 16, 17 (z. B. Kausalität i. S. v. "Verursachungseignung"; Adäquanz; Sozialinadäquanz) - dazu 2. Kap. C.L2.b), d); 3. Kap. D.IL -; zweitens solche des "besonderen objektiv-subjektiven Unrechtstatbestandes" (etwa "Rechtmäßigkeit der Diensthandlung" in §§ 113, 136; fahrlässige oder vorsätzlich-vermeintliche Schaffung eines Todesrisikos in § 306 Nr. 2; zumindest fahrlässige Todesherbeiführung in § 227) - dazu 2. Kap. C.L2.d); E.IV.5.; 3. Kap. D.IIL3. - ; sowie drittens "strikt subjektive Unrechtsmerkmale" wie z. B. die Zueignungsabsicht (zum ganzen 2. Kap. C.L2.d); 3.a). XI. Bei der Zurechnung der Risikoschaffung zum Unrecht kommen jedoch auch "strikt objektive Unrechtsmerkmale" ins Spiel. So ist bei unwesentlich abweichender Tat die subjektive Beziehung zur Tat mit dem Inswerksetzen des Planrisikos verbraucht. Das objektiv geschaffene Realrisiko wird zur Vorsatztat jedenfalls dann zugerechnet, wenn zwischen Plan- und Realrisikoschaffung eine "objektive Gleichwertigkeit" ("objektive Vorsatzadäquanz") besteht (2. Kap. C.L2.b); 3.a) Ziff. 2b, f). XII. Neben dem vollen objektiven Gefährlichkeitsunrecht beim risikoschaffenden beendeten tauglichen Versuch gibt es das objektive Anfangsrisikounrecht. Es zeichnet den unbeendeten tauglichen Begehungsversuch (2. Kap. E.ILI.; H.L) sowie den anzuerkennenden unbeendeten tauglichen Unterlassungsversuch (2. Kap. E.IL2.) ebenso aus wie den "objektiv fehlgeschlagenen Versuch", bei dem lediglich am Anfang der Tatausführung ein objektives Risiko auszumachen ist (2. Kap. C.Ll.b), 2.d) (7); G.). XIII. Daneben gibt es strikt objektive Merkmale, die auf den personalen (objektiv-subjektiven) Handlungsunwert und damit auch auf den
möglichen Verhaltensnormverstoß durchschlagen. So ist (de lege ferenda) der objektiv-subjektive Handlungsunwert des untauglichen Ver-
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suchs bei "grobem Unverstand" nicht zurechenbar (2. Kap. C.1.3.a) Ziff. 2e). XIV. Insgesamt besteht keine Identität von Verhaltens- und Bewertungsnorm (oben 11., 111.), von Verhaltensnorm und personaler Zurechnung (oben XIII.) , von Verhaltensnorm und gesetzlichem Unrechtstatbestand (oben XL), von gesetzlichem Unrechtstatbestand und Unrechtstypisierung (2. Kap. C.1.2.d). Denn das Unrecht wird auch durch strikt subjektive und besondere objektiv-subjektive Merkmale typisiert (oben X.). Dabei ist zwischen hinreichender und vollständiger Unrechtstypisierung zu unterscheiden. Das Unrecht ist hinreichend typisiert, wenn es eine "Warnfunktion" ausüben kann und der Täter sich mit seiner Verwirklichung bereits in den "Risikobereich des Strafbaren" begibt. Diese hinreichende Unrechtstypisierung untergliedert sich - was die subjektiven Bezüge (und Irrtumsregeln) zu den objektiven Unrechtsmerkmalen betrifft - noch einmal in die. sämtlichen Straftatbeständen eigene allgemeine und geschriebene Regelung der §§ 16, 17 und spezifischen ungeschriebenen Grundsätzen, die (zusätzlich) bei besonderen Einzeldelikten eingreifen (z. B. bei den §§ 306, 227; dazu X.). - Unrechtsmerkmale hingegen, die diese "Warnfunktion" nicht zwingend zu übernehmen haben, können - was z. B. die Irrtumsregeln angeht - besonders eng gefaßten Vorschriften ([analog] §§ 17, 113 IV) unterliegen. Dazu gehören im Anschluß an Armin Kaufmann die Verfassungsmäßigkeit der Norm und die Amtsbefehle; dazu mag auch die "Rechtmäßigkeit der Diensthandlung" in §§ 113, 136 zählen. XV. Erst jenseits der vollständigen Unrechtstypisierung ist Raum für die RechtfertigungsgTÜnde (1. Kap. A.III., VI.6., 7.). Sie sind - ohne negative Tatbestandsmerkmale zu sein - negative Voraussetzungen des Unrechtstatbestandes, basieren auf dem Prinzip des "erlaubten Risikos" und verbinden sich mit dem unrechtstypisierenden Tatbestand zu einem Gesamtunrechtstatbestand. Inhalt und Grenzen der strafrechtlichen Verhaltens- und Bewertungsnormen ergeben sich daher letztlich erst aus dem Zusammenspiel der Verbots- und Gebotsnormen einschließlich der Gewährleistungsnormen (oben 11.) einerseits und der entsprechenden Erlaubnissätze andererseits (2. Kap. C.1.2.d) Ziff. 2d). - Die Rechtfertigungsgrunde sind zunächst einmal und in aller Regel negative Voraussetzungen des gesetzlichen (personalen) Unrechtstatbestandes (analoge Anwendung der §§ 16, 17) sowie des objektiven Gefährlichkeits- und Erfolgsunrechts. Besondere Unrechtsausschließungselemente oder -grunde i. S. eines "besonderen objektiv-subjektiven Unrechtsausschlusses" mit speziellen Irrtumsregeln (analog § 113 IV) sind nicht ersichtlich (2. Kap. C.1.2.d) Ziff. 2c, 2d, ce). Wohl aber finden sich "besondere subjektive Unrechtsausschlußelemente" (näher XX.). - Insgesamt ist we-
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gen dieser strikt subjektiven sowie der ausschließlich objektiven Unrechtsauschließungsmerkmale der gesetzliche Gesamtunrechtstatbestand nicht identisch mit dem vollständigen Gesamtunrechtstatbestand (vgl. für die Unrechtsbegründung oben II.-IV., X.). XVI. Die Verhaltensnorm umfaßt das objektiv-subjektive Handlungsunrecht einschließlich der objektiv-subjektiven Handlungswerte (personales -Handlungs-Unrecht) sowie objektive handlungsunrechtsausschließende Merkmale wie z. B. den "groben Unverstand". Die Bewertungsnorm umgreift darüber hinaus die objektiven Merkmale des Gefährlichkeitsunrechts (11.) bzw. Anfangsrisikounrechts (XII.) und des Erfolgsunrechts einschließlich der Rettungschancen- und Rettungserfolgswerte (III., IV.). Es besteht Identität zwischen Bewertungsnorm und Gesamtunrecht. Unrecht und Schuld machen die Strafwürdigkeit aus. Zur Sanktionsnorm zählen neben der Schuld auch die strikt objektiven (unrechtsirrelevanten) Bedingungen der Strafbarkeit (1. Kap. RIII.). XVII. Den Verletzungsdelikten liegen ebenso wie den konkreten Gefährdungsdelikten Gefährdungsverbote und Gefahrsteigerungsverbote bzw. Gefahrminderungsgebote zugrunde (1. Kap. A.VI.5.b) Ziff. 4; 2. Kap. C.I.2.b) Ziff. 3d; D.I.3.e). Gefährdungs- und Verletzungsrisiko, Gefährdungs- und Verletzungsvorsatz, Gefährdungs- und Verletzungsfahrlässigkeit, Gefährdungs- und Verletzungsversuch sind identisch (2. Kap. D.I.3.c)-e). - In § 223a I 4. Alt. steckt deshalb ein Totschlagsversuch (2. Kap. E.III.2.). Verletzungs- und konkrete Gefährdungsdelikte unterscheiden sich nicht im Handlungs- und Gefährlichkeitsunrecht (Risikoschaffung), sondern im (sekundären) Erfolgsunrecht (Risikorealisierung) (dazu oben III., VII.). XVIII. Bei der Risikoschaffung ist schon wegen der Unterscheidung und Unterscheidbarkeit von Handlungs- und Gefährlichkeitsunrecht (oben II.) an dem Doppelmaßstab von objektiver und subjektiver Vorhersehbarkeit bzw. Voraussicht festzuhalten. Die objektive Vorhersehbarkeit ist der objektive Mindeststandard im Unrecht des vorsätzlichen wie des fahrlässigen Delikts. Die individualisierende Fahrlässigkeitslehre vermag nicht mehr zwischen tauglichem und untauglichem fahrlässigen Versuch zu unterscheiden; nur der erstere ist (in der Form der Beendigung) für das künftige Recht mit Strafe zu bewehren (2. Kap. C.III.2.c); E.V.). Auch die individualisierende Fahrlässigkeitslehre erliegt der Gefahr, das Unrecht unter der Flagge des "personalen Unrechts" übermäßig zu subjektivieren. XIX. Die Differenzierung der Versuchsarten und Versuchsstadien (oben XII.) sowie der Erfolgsarten und Erfolgsstadien (oben VII.) führt zu einer Struktur des Unrechts, die meßbare Gradabstufungen der Ob-
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Die wesentlichen Ergebnisse der Untersuchung
jektivierung und Verwirklichung des Willensentschlusses (vom unbeendeten untauglichen Versuch bis zum vollendeten Verletzungsdelikt) zuläßt und letztlich (vgl. noch XX.) die herkömmliche Gegenüberstellung von Handlung und Erfolg durch Differenzierungen auflöst. XX. Diese Differenzierungen werden vervollständigt durch ihr Spiegelbild beim Unreehtsaussehluß (vgl. schon oben IV., V., XV.). Auch bei den Rechtfertigungsgründen gibt es u. a. unbeendete, untaugliche, objektiv fehlgeschlagene (Rettungs-)Versuche. Auch bei ihnen finden sich neben den objektiv-subjektiven und strikt objektiven Merkmalen "ausschließlich subjektive Elemente" (z. B. die Strafverfolgungsabsicht in § 127 I StPO). Ihr Fehlen schließt zwar eine Rechtfertigung aus, die verbleibenden Rechtfertigungselemente können jedoch zur Strafmilderung - wegen "Teilreehtfertigung" - führen (2. Kap. C.I.2.d) Ziff. 2d, ce). XXI. Insgesamt erlauben die verschiedenen Grade und Stadien der Unrechtsbegründung und des Unrechtsausschlusses nicht nur eine rationale Strafzumessung. Sie vermögen auch zahlreiche Entscheidungen des Gesetzgebers zu erklären: die verschiedenen Rücktrittsvoraussetzungen bei den Versuchsarten (dazu auch 2. Kap. C.I.l.a)-e); die fakultative Strafmilderung beim Versuch; die (bisherige) Straflosigkeit bei der folgenlosen Fahrlässigkeit (1. Kap. A.VII.2.; 2. Kap. C.I.2.d) Ziff. 3-7; H.II.). Sie führen darüber hinaus zur Bestätigung einer Tendenzwende in der Strafgesetzgebung: weg von den Erfolgs- und hin zu den vorsätzlichen oder fahrlässigen unechten Unternehmensdelikten (z. B. §§ 126, 130, 166, 186, 223a, 229, 311d). Und sie mögen schließlich entsprechende Wertungen des zukünftigen Gesetzgebers begründen: etwa die weitreichende Abschaffung der konkreten Gefährdungsdelikte (2. Kap. D.III. 3.); die Einführung der (beendeten tauglichen) fahrlässigen Gefährdungs- und Verletzungsversuche (2. Kap. C.III.2., E.V.) oder die Schaffung von "Risikodelikten mit potentieller genereller Kausalität" (2. Kap. J.V.). Schon diese Ergebnisse allein mögen die vorliegende Untersuchung rechtfertigen.
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Sach verzeichnis Die Zahlen beziehen sich auf die Seiten, im Einzelfall auch auf Fußnoten (77 Fn 42). Bei häufig vorkommenden Stichworten sind nur die wichtigeren FundsteUen angegeben. Die Hauptfundstellen sind durch kursiven Druck hervorgehoben. Wichtige Straftatbestände sind mit ihrer amtlichen überschrift in das Sachverzeichnis aufgenommen. Achtungsanspruch 296 Fn 827 Adäquanz (objektive Vorhersehbarkeit) 29, 76 Fn 36, 133, 154 ff., 170, 179, 182, 225, 233, 235-237, 331 f. Adäquanzzusammenhang 347 Fn 65, 67 Alternativentwürfe 175 Fn 466, 250 f., 319-327 Alternativverhalten, ordnungsgemäßes (s. a. Risikoerhöhung) 19, 28, 33, 334 ff., 340 "Amtsbefehle" 353 Amtsdelikte, echte 307, 328 Anfangsgefährdungsrisiko 203, 208 Anfangsrettungschancenwert 168 Fn431 Anfangs(verletzungs)risiko 189, 203, 205 f., 208, 256 ff., 261 Fn 738, 292 Anfangsrisikounwert (-unrecht) 66, 81 f., 132, 176, 309-311 Angriffsart 177 Angriffsobjekt 303 Fn 836 Äquivalenztheorie (s. a. Kausalität) 233 Arbeitsteilung 60 Arzneimittelrecht 193, 321 ff. Bedingungen der Strafbarkeit, objektive 22, 51 f., 65, 69, 77, 162, 354 Fn 83 Bedrohung 25, 28, 48, 131 Fn 269 0 Bestechung (§ 334) 303 Bestimmungsnorm (s. Verhaltensnorm) Beteiligung an einer Schlägerei (§ 227) 52,354 Fn 83 Beweisschwierigkei ten - bei konkreten Gefährdungsdelikten 247 ff. - beim Straßenverkehrsrecht 277 - bei uneigentlich abstrakten Gefährdungsdelikten 283
Bewertungsnorm (s. a. Gewährleistungsnorm) 26, 28, 48 f., 51, 73, 116, 131 mit Fn 269 0, 150,165-167, 176 Beziehun·gsunwert 48 Fn 119 Brandstiftung -, einfache (§ 308) 324 -, schwere (§ 306) 183, 267 f., 276 ff. Contergan-Fall 180, 193, 233 Dauerschaden (s. Schutzzweck der Norm) Deliktsaufbau (s. Straftatsystem) Diagnose ex post (s. a. ex post-Urteil) 200, 217 ff., 226 f., 237 ff., 249 Duldungspflicht (s. Rechtfertigung) Durchschnittsbeobachter 78 Fn 45, 80 Fn 57 Eindruckstheorie 78 Fn 48, 306 Eingriffsbefugnis (s. Rechtfertigung) Eingriffsmöglichkeit, letzte 99-104 Einverständnis 63 Einwilligung 38, 63, 140 Fn 313 -, mutmaßliche 62, 140 mit Fn 312, 167 mit Fn 427 Erfolgseintritt (s. Gefährdungserfolg, Verletzungserfolg) -, verfrühter 141 Fn 314 Erfolgsfähigkeit (s. Verletzungseignung) Erfolgsgefahrtheorie 202, 214, 217, 242 Erfolgsmächtigkeit 110 Fn 178 Erfolgsqualifizierte (verletzungserfolgsqualifizierte) Delikte 183, 211, 214, 275, 286 -, besondere 273 Erfolgsrisiko (-gefahr) (s. Gefährdungs- bzw. Verletzungsrisiko) Erfolgsstrafrecht, Restriktion des 190
378
Sachverzeichnis
Erfolgsunrechtszusammenhang 140 mit Fn 313, 263 f. Erfolgsunwert (Erfolgsunrecht) 50, 65, 77,133 -, mediatisierter 66, 303, 328 f. -, mittelbarer 320 -, potentieller 319, 321 ff. -, primärer (s. a. Gefährlichkeitsunwert) 26, 65, 69, 75-196 (82 f., 109 ff., 174 f. mit Fn 467), 197 f., 223, 249, 296 -, sekundärer 66, 68 f., 74, 90, 116, 127 ff., 175 mit Fn 467, 223 Zurechnung von - 331 Erfolgswertzusammenhang 140 Fn 312 Erfolgszurechnung (s. a. Zurechnung von Gefahr- bzw. Verletzungserfolgen) 180 -, objektive 33, 181 Erlaubnissätze, Erlaubnisnormen (s. a. Rechtfertigung) 136 ff., 146 "Erschütterung der Daseinsgewißheit" 201, 217, 226, 229, 245 ex ante-Urteil 31, 34 f., 48, 72, 75 ff., 83 ff., 197 - beim konkreten Gefährdungsdelikt 198, 225 ff. - bei Rechtfertigungsgrunden 137 ff. - bei der Risikoerhöhung (s. Alternativverhal ten, ordnungsgemäßes) ex post-Urteil 31, 34 f., 48, 69 ff., 83 ff., 172 - bei Gefährdungserfolgen 197 - bei gefahrerfolgsausschließenden Umständen 197, 200 - bei möglicherweise gefahrerfolgsausschließenden Umständen 197, 219, 227 ff. - bei gefahrerfolgsbegrundenden Umständen 228, 231 ff. - bei generell gefährlichen Delikten 323 - bei konkreten Gefährdungsdelikten 199 ff., 217 ff., 237 ff. - bei Rechtfertigungsgrunden 171 - bei der Risikoerhöhung 338 mit Fn 33 - bei verletzungsausschließenden Umständen 70 f. - bei verletzungsbegründenden Umständen 71-73 - bei Verletzungserfolgen 69 ff. Fahrlässigkeit 43 Fn 104 Doppelrelevanz der subjektiven 42 f., 51, 153 ff. -, unbewußte 119 Fn 230 Finalität 46 mit Fn 114,121 Fn 238 -, objektive 76 Fn 36, 138 Fn 302, 170, 236
Finalitätszusammenhang 111 ff., 115 Fn 208 Folgeschaden (s. Schutzzweck der Norm) Garantenpflicht 177, 259, 305 Garantiefunktion des Tatbestandes 62 Geeignetheit des Mittels 17, 58 "Gefahr der Gefahr der konkreten Gefährdung" (s. Anfangsgefährdungsrisiko ; Anfangsverletzungsrisiko) "Gefahr der Gefahr der Verletzungsgefahr" (s. Anfangsverletzungsrisiko ; Anfangsgefährdungsrisiko ) Gefahrbegriff, normativer (s. a. "normative Gefahrerfolgstheorie") 224 Fn 641 Gefährdetheit 28 Gefährdung (s. a. Gefährdungsdelikte; Gefährdungserfolg) -, abstrakte 186 ff. -, konkrete 186, 197 ff. Gefährdungsdelikte Abschaffung der konkreten 247 ff. -, abstrakte sui generis (mit mediatisiertem Zwischenrechtsgut) 66, 303,328 f. -, abstrakt-konkrete 193, 324 f. -, eigentlich abstrakte 65, 183 f., 193 f., 251, 273, 276, 302, 319 ff. -, eingeschränkt abstrakte 280-282 -, konkrete 66, 185, 197 ff., 250 -, potentielle generelle 66, 188 mit Fn 512, 323 f. -, potentielle konkrete 65, 185, 188, 200 ff., 216, 250 ff., 254 ff., 285, 324 f. - und Prufstellendelikte 320 f. -, uneigentlich abstrakte 187, 267 f., 276 ff., 325 Gefährdungseignung (s. Gefährdungsrisiko) Gefährdungserfolg 66, 89, 196, 198 ff. -, konkrete Gefahr eines - 187 Gefährdungserfolgsunwert (-unrecht) -, primärer 200 ff., 225, 240, 249, 254 ff. -, sekundärer 89, 94, 197 ff., 224 -, tertiärer 221 ff., 244 Gefährdungsrisiko 188, 198 ff. - minderer Qualität 187 f., 202 ff. Gefährdungsrisikotheorie -, extensive 199 f., 217, 228, 252 -, restriktive 200 ff., 228, 270 Gefährdungsunwert (-unrecht) (s. a. Gefährdungserfolgsunwert, sekundärer) 197
Sachverzeichnis Gefährdungsverbot 33 ff., 124, 137 f., 194, 215, 260 Gefährdungsvorsatz 209 ff. Gefahrerfolg (s. Gefährdungserfolg) Gefahrerfolgsqualifizierte Delikte 211, 213 f. Fn 604 f., 251, 272 Gefahrerfolgstheorie -, modifizierte normative 219 f., 223 ff., 241 ff., 252 -, naturwissenschaftliche 220 ff., 237 ff,. 252
-, normative 217 ff., 228 f. Gefährlichkeit (s. a. Gefährlichkeitsunwert) 24 ff. Gefährlichkeitsunwert (-unrecht) (s. a. Erfolgsunwert, primärer; Gefährdungserfolgsunwert, primärer) 26, 50, 65, 68, 75 ff. (82 f.), 85 ff., 109 ff., 133, 190, 197, 203, 240, 249, 296 -, genereller 66, 322 -, objektiver (s. a. Gefährlichkeitsunwert) 6S Gefahrminderungsgebot 35, 100, 194, 260 Gefahrsteigerungsverbot 137 f. Gefahrtheorie, subjektive 238 Generalprävention 24, 29 ff., 48 ff., 59, 72, 86 f., 89, 92, 125 mit Fn 259, 127, 156, 176 Fn 472, 190,227 ff. Genugtuung 25, 131 Gesamthandlungswert 160 Gesamthandlungsunrecht 159 Gesamtunrechtstatbestand 143 ff. -, erweiterter 150 ff. -, gesetzlicher 147, 161 ff., 352 -, objektiv-sozialer 177,182 -, personaler (objektiv-subjektiver) 143, 177, 181f., 297 -, strikt subjektiver 177, 182 Gesinnungsmerkmale 355 Fn 88 Gesinnungsunwert 152, 156, 306 Gültigkeitsirrtum 353 Gewährleistungsnorm (s. a. Bewertungsnorm) 26, 28, 49, 331, 336 Gewaltverherrlichung (§ 131) 325 f. Gleichheitssatz 156 Gradlinige Delikte 115 ff., 127, 138, 175 f. Grunddeliktsadäquanz 214 Handlung, unbewußt-finale 154 Fn 376 Handlungsadäquanz 27, 29 Handlungserlaubnis 38 Fn 76 Handlungslehre (s. a. Unrechtslehre) -, finale 18, 46, 109, 133 Fn 281, 152 -, personale 18 -, teleologische 17
379
Handlungsunrechtszusammenhang 141 Fn 314, 159, 343 Handlungsunwert (-unrecht) 24, 26 Fn 30, 54, 77 ff., 113, 121, 133 f., 139 f., 152, 160, 165, 174, 304, 307 -, final-personaler 154 -, objektiver 65 -, personaler (objektiv-subjektiver) 65, 150 ff., 159, 173, 355 Fn 87 -, strikt subjektiver 65 -, subjektiver 65, 151, 158, 173 Handlungsversuchsunwert 25, 78 Fn 47 Handlungswert 38, 67, 134, 139, 160, 166 ff.
-, personaler 67 -,sozialethischer 24 -, subjektiver 158 Handlungswertzusammenhang 141 Fn 314, 160 Individualmögliches 45 Fn 110 in dubio pro reo 283, 295, 324 - bei der Risikoerhöhung (s. dort) Ingerenz 349 Institutionenschutzgut 329 Intentionsunwert (s. Handlungs- bzw. Unterlassungsunwert) Interesse, überwiegendes 138 Interessenverletzung, mangelnde 60, 62 Internalisierung von Rechtsnormen 156 Irrtum (5. bei Rechtfertigung; Risikoerhöhung; Schutzzweck der Norm; Sozialinadäquanz) Jemandmögliches 171 Kausalabweichung 26, 83 Fn 70, 114 ff. (115 Fn 208, 120 ff.), 167 f., 174, 182, 235, 312 Kausalität 17 Fn 6, 52 mit Fn 133, 70 mit Fn 18, 73, 332 -, fehlende 193 -, generelle 66, 323 ff. -, haftungsausfüllende 53 f. -, konkrete 325 -, potentiell generelle 326 -, überholende 71, 85, 92 Kausalverläufe, hypothetische 31 f., 92 Fn 105, 331 Körperverletzung, gefährliche (§ 223a I 4. Alt.) 216, 267, 268 ff. Kriminalpolitik 58, 64, 164, 190 Kriminologie 57 f., 130 Kunstfehler 347 Fn 65, 67
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Sachverzeichnis
Lebensgefährdungsdelikt, allgemeines 250 Lebensmittelrecht 192, 321 ff. Lebensrettungschance, allgemeine 224 Lebensrisiko, allgemeines 29, 72, 76 Fn 36, 91 f., 224, 338 Maßregeln der Besserung und Sicherung 51,156 Methodologie 22 f. Mißbilligung, rechtliche (s. Sozialinadäquanz) Mitbewußtsein 146, 354 Modellgefahrtheorie 71-73, 90, 232 Nichtanzeige geplanter Straftaten (§ 138) 303 Normschutzzweck (s. Schutzzweck der Norm) Notstand, rechtfertigender 167 mit Fn 427 Obliegenheitsverletzung 342, 347 mit Fn 67 Opfer (s. Unrechtslehre) Ordnungswidrigkeit 278 Parallelwertung in der Laiensphäre 272, 274, 292, 354 Parteiverrat (§ 356) 328 Pflicht, soziale 30 Planrisiko (s. a. Realrisiko) 115 Fn 208, 119 ff., 355 Fn 87 Poenologie 57 Prävention (s. Schuld; Spezialprävention) Prognose ex ante (s. a. ex ante-Urteil) 224 Prognose ex post (s. a. ex post-Urteil) 217 ff. Prozeßvoraussetzungen 51 Fn 127 Prüfstellendelikte (s. Gefährdungsdelikte) Prüfung, pflichtgemäße 134 Fn 284, 170,291 Putativnotstand 171 Putativrechtfertigung 39, 165 ff. (168 Fn 431),177,317 Realrisiko (s. a. Planrisiko) 115 Fn 208, 119 ff., 355 Fn 87 Rechtfertigung 38 ff., 132 ff., 157 ff., 165 ff. - und Duldungspflicht 39, 169 - und Eingriffsbefugnis 38 mit Fn 76, 146, 169 -, gradlinige 166 - und Irrtum 146 f. Maßstab bei der - 170 ff. Prototyp der - 39
Rechtfertigungsgründe (s. a. Rechtfertigung) Alternativität von - 167 Fn 427 -, unvollkommen zweiaktige 157161 Rechtfertigungslehre, teleologische 20f. Rechtfertigungsmerkmale, strikt subjektive (s. a. Strafverfolgungsabsicht) 66 Rechtfertigungszusammenhang 140 Fn 312,160 Rechtliche Mißbilligung (s. Sozialinadäquanz) Rechtmäßigkeit der Diensthandlung 20,23,162 ff., 297, 351, 353 Rechtsfreier Raum 149 Fn 349 Rechtsfriedensstörung 49, 79, 131 ff., 173 ff., 301 Rechtsgüterschutz 17, 24 t., 131, 136 f., 194, 207, 259, 300 ff., 331, 336 Rechtsgeschichte 57 Rechtsgutsverletzung (s. Verletzungserfolg) -, objektiv fehlgeschlagene 221 Rechtsvergleichung 57 Rechtswidrigkeit 143, 148 -, formelle und materielle 149 Fn 350 - und Haftung 129 Fn 268 Vermutung der - (s. dort) Reduktion, teleologische 31, 33, 279, 284 ff., 298, 325, 353 Regreßverbot 68, 94 Fn 106, 344 ff. Restitution 25, 131 Resozialisierung 24 Fn 27a, 125 Fn 259 Rettungschance(nwert) 38, 50, 67, 135, 139 ff., 166 ff., 170, 178, 181, 337 Rettungschancen eröffnende Umstände (s. a. ex post-Urteil bei möglicherweise gefahrerfolgsausschließenden Umständen) 197 Rettungseintritt, verfrühter 141 f. Fn 314 Rettungserfolg(swert) 38, 50, 67, 134, 139 ff., 181 primärer Rettungserfolgswert (s. Rettungschancenwert) sekundärer Rettungserfolgswert 67, 166 ff. Rettungsversuchswert 38 Fn 76 Rettungsversuche -, beendet-taugliche 141, 318 -, beendet-untaugliche 168 -, objektiv fehlgeschlagene 168 Fn 431,317 -, taugliche 67 -, unbeendete 317 f. -, unbeendet-taugliche 141 Fn 314, 318
Sachverzeichnis -, untaugliche (s. a. Putativrechtfertigung) 67 Risiko (s. Gefährdungs- bzw. Verletzungsrisiko) -, erlaubtes (sozialadäquates) 38, 62 f. Risikoabnahme 18, 61, 68, 345 ff. Risikodelikt -, abstraktes 64, 325 f. -, generelles 323, 326 -, konkretes 326 Risikoeingehen 351 ff. Risikoerhöhung (s. a. Alternativverhalten, ordnungsgemäßes) 18, 33 ff., 181, 334 ff. -, erhebliche 336 ff. - und ex ante-Urteil (s. dort) - und ex post-urteil (s. dort) - und Gefährdungsdelikte 35, 335 - und Gleichheitssatz 336 - und in dubio pro reo 337 f. mit Fn 31 - und Irrtum 350 ff. -, normative 338 - und Risikoerhöhungserfolg 19, 181, 334 ff. - und Unterlassungsdelikte 336 Risikorealisierung (s. a. Risikozusammenhang) 18, 50, 330 ff. Risikoschaffung 18, 50, 54, 178, 330 ff. -, adäquate (objektiv vorhersehbare) 29 ff. -, rechtlich mißbilligte 29 ff., 330 ff. Risikostrafrecht 36, 57 Fn 152, 253, 349 Risikoverringe!l."l.lllg 18, 32, 235 Risikozusammenhang (s. a. Risikorealisierung) 18 f., 28, 36, 49 ff., 127 ff., 178, 181 Rücktritt vom Versuch 77 ff. mit Fn 42, 46, 65, 68; 96, 124 Fn 250, 263 Fn 743, 256 f., 301, 310, 315 ff. - bei Unterlassungsdelikten 262 ff. Sachverhaltsunrecht (s. Erfolgsunrecht) Sanktionsnorm 51 ff., 71, 224 Selbstgefährdung, Fördern fremder (s. Schutzzweck der Norm) Selbstmord 346 Fn 63 Sonderpflichten (Sonderdelikte) 307 Sorgfaltspflichtverletzung 195 Sozialadäquanz 62 f. Sozialgefährlichkeit 24 Sozialinadäquanz 18, 32, 62, 179, 330 ff. - und Irrtum 350 ff. Sozialmögliches 44, 171 Sozialperson 46 Sozialschädlichkeit 24 Spezialprävention (s. a. Resozialisierung) 24, 59, 176 Fn 472
381
Subsidiarität - der konkreten Gefährdungsdelikte 221 - des Strafrechts 17 Schockschaden (s. Schutzzweck der Norm) Schuld - i. e. S. von Andershandelnkönnen 18, 42, 115 ff., 125 Fn 259, 164, 175 ff., 215 f. - im strafzumessungsrechtlichen Sinne 19, 42 ff., 59, 124, 135, 175 ff., 215 f. - im weiteren Sinne 19, 42 ff., 59, 119, 124 ff., 135, 150, 175 ff., 215 f. - ohne Unrecht 225 Fn 462 -, personale 44 - und Prävention 125 ff. (mit Fn 259), 150, 175 f. -, soziale 44 Schuldhaftigkeit 143, 148 mit Fn 348 Schuldidee 40 ff. Schuldinterlokut 59 Schuldmerkmale, subjektiv gefaßte 355 Fn 88 Schuldtheorie -, eingeschränkte 159 -, strenge 351 Schutzreflex 339 Fn 39a Schutzzweck der Norm 18, 53 ff., 181, 341 ff. - und Dauerschaden 53 ff., 341 - und Folgeschaden 344 Fn 50 - und Fördern fremder Selbstgefährdungen 343 ff. - und Irrtum 350 ff. - und Regreßverbot (s. dort) - und Risikoabnahme (s. dort) - und Schockschaden 55 f., 341 unechte Fälle des - 341 ff. - und Verantwortungsbereiche 341, 344 ff. Schutzzweckzusammenhang (s. a. Schutzzweck der Norm) 346 Strafantrag 53, 59 Strafantragsdelikte 304 Strafbedürftigkeit 51 Strafprozeßsystem, funktionales 53, 58 Strafrecht Aufgabe des - 24 -, repressives 24 Straftatsystem 22 Fn 51, 354 f. -, funktionales 21 f., 53, 58 -, generalpräventives 59 - und gesetzlicher Straftatbestand 60, 354 f. -, horizontal-dualistisches 43
382
Sachverzeichnis
-, individual präventives 59 - und Strafprozeßsystem (s. dort) - und "Strafwürdigkeitstatbestand" 60, 354 f. - und Strafzumessungssystem (s. dort) -, teleologisches 21 f., 59 -, zwei- bzw. dreistufiges 143 Strafverfahrensrecht 58 Strafverlolgungsabsicht (s. a. Zurechnung, subjektive) 66, 157 ff., 177 Strafvollzugsrecht 58 Strafwürdigkeit 51 Strafwürdigkeitstatbestand (s. Straftatsystem) Strafzumessung 59, 175 f., 264, 304 f., 309 ff., 312 ff., 315, 318 -, rationale 42, 182 Strafzumessungsschuld (s. a. Schuld) 42 Strafzumessungssystem 41, 58 Strafzweck 24 Strafzwecklehre 58 Tatbestandsirrtum 162 Tatbestandsmäßigkeit 143 -, formale 110, 329 Fn 888 Tatbestandsmerkmale Lehre von den negativen - 144 ff. -, negativ gefaßte 145 Fn 328, 146 Tatbewußtsein 132 ff., 146 f., 173 -, potentielles 135, 155, 173 TäterschaftIiche Merkmale 177 Tätigkeitsdelikte 65, 302 Tatobjektsgefährdung (s. Gefährdungserlolg) Tatobjektsverletzung (s. Verletzung) Teilchancenwert 317 f. Teilhandlungsunwert 318 Teilrechtfertigung 160 Teilunrecht 312 ff. Umweltkriminalität 192 f., 252, 277, 328 üble Nachrede (§ 186) 285, 298 Unrecht Gegenstand des - 25, 49 Grade des - 42, 148 Fn 348, 160 Fn 405, 182, 310, 315 ff. Individualisierung des - 154 f., 195, 361 -, objektiv-soziales 44, 173 -, objektiv-teleologisches 240 -, personales 44,147 ff. (165, 177) Prototyp des - 25, 27, 47 ff., 81, 109, 168 f. - und Rechtswidrigkeit 148 Fn 348 - bei Sonderpflichten (Sonderdelikten) 307
i. S. v. Tatunrecht 25, 116 Untergrenze des - 30, 205, 256 ff. - und Unwert 34, 54 f., 179 f. - beim Versuch 75 ff. - i. S. v. Willensunrecht 25, 116 Unrechtsaufhebungsgrund, personaler (finaler) (s. a. Rechtfertigung) 134 Unrechts ausschluß (s. a. Rechtfertigung) 149 Fn 349, 165, 168, 181 Unrechtsbegründung 25 f., 37 ff., 150, 352 -, gradlinige 166 Unrechtsbewußtsein 135 ff., 147 -, potentielles 135, 155, 173 Unrechtserhöhende Merkmale 148 Fn 348,177 Unrechtsidee 24 ff., 29 Unrechtslehre -, extrem finalistische 26, 29, 81, 109 ff., 168 -, finale 18, 44, 46, 60, 154, 181 - und Opfer 48 -, personale 18, 33, 44, 60, 147 ff. mit Fn 341, 181,. 304 Unrechtsmerkmale (s. a. unrechtserhöhende Merkmale) -, besondere objektive handlungsunrechtsausschließende 150, 177 ff. -, besondere objektiv-subjektive (personale) 162 ff., 297, 352 -, besondere objektive unrechtsbegründende 150, 177 ff. -, besondere subjektive unrechtsausschließende 157 ff. -, besondere subjektive unrechtsbegründende 150 ff., 177 ff. -, gesetzliche 150, 177 ff., 352, 354 -, objektive 177 f., 355 Fn 87, 359 -, personale 177, 355 Fn 87, 359 Unrechtsplus (-minus) 265 Unrechtsstruktur 49 ff. Unrechtstatbestand (s. a. Gesamtunrechtstatbestand; Unrechtsmerkmale) -, finaler 177 ff., 182 -, gesetzlicher 122, 132 ff., 135 ff., 150, 164, 354 Fn 85, 359 -, objektiver 177, 355 Fn 87, 359 -, objektiv-subjektiver 177, 359 -, personaler 177 ff., 182, 355 Fn 87, 359 Unrechtstypisierung 33 ff., 37 ff., 62, 144, 150, 164, 352 -, hinreichende 352 f. mit Fn 83 -, vollständige 352 f. mit Fn 83 Unrechts zusammenhang (s. a. Handlungs- bzw. Erlolgsunrechtszusammenhang) 172
-
Sachverzeichnis Unterlassene Hilfeleistung (§ 323c) 95 Fn 110, 103 Fn 154, 191 Fn 525 Unterlassungsunrecht (-unwert) 24, 265 f. -, objektives bzw. subjektives 265 Unterlassungsunrechtszusammen hang 265 Unterlassungsversuch -, beendet-tauglicher 88 Fn 89, 95 ff. -, unbeendet-tauglicher 258 ff. Unternehmensdelikte, unechte 65, 184 ff., 267
Unverstand, grober (s. Versuch) Unwert (s. Unrecht) Urkundenfälschung (§ 267) 328 Verantwortungsbereiche (s. Schutzzweck der Norm) Verbotsirrtum (s. a. Unrechtsbewußtsein) 135, 162, 353 Verbotsmaterie 148 Fn 348 "Verfassungsmäßigkeit der Norm" 353 Verhaltensnorm 24, 33, 46 ff., 49, 51, 80, 116, 121 f., 131 mit Fn 2690, 151 ff., 165 ff., 173, 181, 331, 353 - bei Rechtfertigungsgrunden 136 ff. Verhaltensunwert (s. Handlungsbzw. Unterlassungsunwert) Verhaltenszurechnung (s. Zurechnung) Verjährung 53, 59 Verkehrslage, kritische 54 Fn 141 Verkehrsrichtiges Verhalten 62 Verletzung (s. Verletzungserfolg) Verletzungsdelikte (s. a. Verletzungserfolgsdelikte) -, potentielle abstrakte 328 -, (vollendete) potentielle fahrlässige 193 -, potentielle generelle 66, 321 ff. -, potentielle konkrete 65, 75 ff., 189 -, (vollendete) potentielle vorsätzliche 184 ff., 216 -, verkappte 186 Verletzungseignung (s. a. Verletzungsrisiko) 81, 110, 115, 184 ff. Verletzungserfolg 17 Fn 3, 52, 68 ff. Verletzungserfolgsdelikte 68 ff., 186 Verletzungserfolgsunwert (s. Erfolgsunwert) Verletzungsfahrlässigkeit 210 ff. Verletzungsrisiko 188, 204 ff., 316 Verletzungsrisikotheorie (s. Erfolgsgefahrtheorie) Verletzungsverbot 33, 215 Verletzungsvorsatz 209 ff. Vermeidbarkeit (s. a. Sorgfaltspflichtverletzung) 30
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"Vermutung des Rechtswidrigen" (s. a. "Warnfunktion") 352 versari in re illicita 30, 72, 87, 232 Verstrickungsbruch (§ 136) (s. Rechtmäßigkeit der Diensthandlung) Versuch -, beendeter 75, 174, 207 f., 255 f. -, beendeter objektiv fehlgeschlagener 66, 81 f., 176, 309 ff. -, beendet-tauglicher 65, 72, 82 ff., 89, 176, 255 f. -, beendet-untauglicher 77 ff., 301, 305 -, fahrlässiger 64, 193 ff., 285, 290, 299 f. -, irrealer 78 ff. mit Fn 48, 114 - mit unbeachtlich geringem realen Risiko 79 f. mit Fn 56, 57, 114, 182 Rücktritt vom - (s. dort) -, tauglicher 75 ff., 174 -, tauglich-irrealer 308 Fn 851 -, unbeendeter 207, 312 ff. -, unbeendeter objektiv fehlgeschlagener 314 f. -, unbeendet-tauglicher 66, 176, 256 ff., 312 -, unbeendet-untauglicher 305 -, untauglicher 84 Fn 74, 135, 140, 157, 174, 176, 301 ff. -, untauglicher bei unechten Unterlassungsdelikten und untauglichem Subjekt 305 ff. - bei Unterlassungsdelikten (s. Unterlassungsversuch) - aus grobem Unverstand 59, 78 ff. mit Fn 48, 57, 114, 150, 165, 178, 302, 355 Fn 87 Versuchsqualifiziertes Delikt 273, 275, 297 Versuchsrisiko 266 Versuchstheorie -, objektive 77 Fn 44 -, subjektive 307 Vertrauensgrundsatz 30, 60, 72, 141 Fn 313, 347 mit Fn 65, 67 - im weiteren Sinne 76 Fn 36, 138 Fn 302, 171, 236 f. Vollendung 175 Vollendungsrisiko 266, 313, 316 Vollrauschtatbestand (§ 323a) 52, 156, 183 Vorhersehbarkeit, objektive (s. Adäquanz) Vorsatz, Doppelrelevanz des - 42, 152 Vorsatzadäquanz, objektive 120, 179 Wagnis 78 Fn 47 Wahrheitsprinzip 230 ff., 234
Sachverzeichnis
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Wahrscheinlichkeitstheorie 57 "Warnfunktion" (s. a. Risikoeingehen; "Vermutung des Rechtswidrigen")
-
"Wertung des Objekts" 43 Fn 107 Wertungsstufen, rechtliche 144 Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte (§ 113) (s. Rechtmäßigkeit der Diensthandlung) Wirtschaftsstrafrecht 328
-
von Gefahrerfolgen 29 f., 35, 48, 223 ff., 269 Fn 754, 301, 313 -, haftungsausfüllende 53 -, objektive (objektiv-soziale) 18, 32 f., 45, 133 Fn 282, 139, 177 ff.,
Zielunwert 78 Fn 47 Zivilrecht 53, 55 ff. mit Fn 145 Zueignungsabsicht (s. a. Zurechnung, subjektive) 150 ff., 177 Doppelrelevanz der - 153 Zufall 29, 69 mit Fn 14, 72, 91 f., 110,
-
351 ff.
114 ff., 138, 179, 180, 194, 199, 201, 204, 218, 224, 227, 243, 246, 249, 300, 337
Zurechnung, Zurechnungslenre - von Erfolgen (s. - von Gefahrerfolgen bzw. Verletzungserfolgen; s. a. Erfolgszurechnung) - des Erfolgsunwerts 331 -, finale 17 f., 133
von Gefahren (i. S. v. Gefährlichkeit) 19, 29 f., 33 f., 35, 48, 73, 90, 100, 118, 139, 141 Fn 313, 181, 235, 263, 269 Fn 754, 301, 313
181, 272, 275, 283, 330, 352
-, objektiv-subjektive 33, 133, 181 -, personale 18 ff., 33, 45, 133, 177, 181, 330, 352
der Rechtfertigung 140 Fn 312, 160 von Risiken (s. - von Gefahren bzw. Gefahrerfolgen) -, subjektive 150 ff. -, teleologische 17 ff. - von Verhalten 19, 33 - von Verletzungserfolgen 29 f., 35, 48, 73, 90, 100, 118, 139, 141 Fn 313, 180 ff. (181), 223 f., 235, 263, 269 Fn 754, 301, 313
Zwangsläufigkeitstheorie 108 Zweiaktige Delikte, unvollkommene 150 ff., 157 ff.