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German Pages [212] Year 2014
Nicolas Gillen »Nur Gott vor Augen«
Konflikt, Verbrechen und Sanktion in der Gesellschaft Alteuropas Herausgegeben von
Klaus Lüderssen, Klaus Schreiner, Rolf Sprandel und Dietmar Willoweit Fallstudien Band 11
Nicolas Gillen
»Nur Gott vor Augen« Die Strafgerichtsbarkeit des Patriarchen von Venedig (1451–1545)
2014 BÖHLAU VERLAG KÖLN WEIMAR WIEN
Gedruckt mit freundlicher Unterstützung der Deutschen Forschungsgemeinschaft, Bonn
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© 2014 by Böhlau Verlag GmbH & Cie, Köln Weimar Wien Ursulaplatz 1, D–50668 Köln, www.boehlau-verlag.com Alle Rechte vorbehalten. Dieses Werk ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist unzulässig. Korrektorat: Frank Schneider, Wuppertal Gesamtherstellung: WBD Wissenschaftlicher Bücherdienst, Köln ISBN 978-3-412-22339-7
Inhalt 1 Vorwort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7 2 Arme Sünder und privilegierte Verbrecher – Einleitung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9
2.1 Methode und Quellengattungen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2 Zeitraum (1451–1545) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.3 Inhaltliche Bestimmung: Strafrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.4 Quellenbestand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.5 Forschungsinteresse. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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3 Die Sichel in der fremden Ernte – die Zuständigkeit des geistlichen Gerichts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25
3.1 Das privilegium fori. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.2 Der giurisdizionalismo und der Mythos. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.3 Eigene Regeln in Venedig . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.4 Das Privileg in der Praxis. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.5 Ein Sonderfall: die Klerikernotare. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.6 Formen der Kooperation. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.7 Fazit und Vergleich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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4 Cum autem quam plures sint iudices – die Zuständigkeit innerhalb der Kirche . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 83
4.1 Die Diözese. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 83 4.2 Dalmatien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 87 4.3 Die Neun Kongregationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 88 4.4 Exemptionen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 91 4.5 Regularklerus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 93 4.6 Frauenklöster . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 96 4.7 San Marco . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 101 4.8 Der päpstliche Nuntius . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 106 4.9 Die griechische Gemeinde. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 110 5 Im Tal Josafat – Aufbau und Verfahren des Gerichts. . . . . . . . . . . . . . . . . . . 117
5.1 Verfahrenseinleitung und Verfahrensarten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.2 Organisation des Gerichts. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.3 Verfahrensverlauf. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.4 Beweiswürdigung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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6 Viva voce protestans – Urteil, Strafe und Appellation. . . . . . . . . . . . . . . . . . 141
6.1 Urteil und Strafzumessung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6.2 Haft. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6.3 Bann . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6.4 Degradation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6.5 Im Käfig – die cheba. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6.6 Appellatio. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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7 Herbaria, Häresie und Hexerei – die Inquisition. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 161
7.1 Zuständigkeit ratione materiae. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7.2 Das Tribunal. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7.3 Hexerei. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7.4 Häresie. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
162 165 166 168
8 Die Zähmung des Markuslöwen – Fazit. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 171 9 Anhang. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 173
9.1 Abkürzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9.2 Handschriftliche Quellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9.3 Gedruckte Quellen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9.4 Literatur. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9.5. Personenregister. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9.6 Ortsregister. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9.7 Sachregister. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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1 Vorwort
Als ich die Idee hatte, eine Studie über die Anwendung des kirchlichen Strafrechts in einer norditalienischen Diözese anhand von Gerichtsakten des 15. und 16. Jahrhunderts zu schreiben, hegte ich die Befürchtung, es handele sich um eine eigenartige, um nicht zu sagen „verschrobene“ Beschäftigung, die nur wenige Leute interessieren könne. Eine umso größere Freude mischte sich daher in mein Erstaunen, als ich im Laufe der Arbeit immer mehr Aufmerksamkeit, Förderung und Zuspruch von den verschiedensten Seiten erfuhr. Allen voran möchte ich meinem Doktorvater Professor Bernd Kannowski danken, der diese Arbeit fachlich betreut hat und mit seiner unprätentiösen und unkomplizierten Art ein ständig erreichbarer Ansprechpartner war. Ebenso möchte ich Frau Professor Karin Nehlsen-von Stryk danken, die viel mehr tat, als nur das Zweitgutachten zu erstatten. Sie stand mir nicht nur bei der Themenfindung dieser Arbeit und während des Schreibens immer wieder hilfreich zur Seite, sondern war auch diejenige, die mich schon im ersten Semester meines Studiums mit ihrer Begeisterung für die europäische Rechtsgeschichte ansteckte. Ohne das Deutsche Studienzentrum in Venedig, das mir ein großzügiges Stipendium gewährte, wäre diese Arbeit nicht möglich gewesen. Mein Dank gilt daher auch den Direktoren Professor Uwe Israel und Privatdozentin Sabine Meine sowie dem Präsidenten Professor Klaus Bergdolt. Dem Max-Planck-Institut für europäische Rechtsgeschichte in Frankfurt am Main und seinem Direktor Professor Thomas Duve möchte ich für die freundliche Aufnahme und Unterstützung danken. Mein Dank gilt weiterhin der Studienstiftung des deutschen Volkes, die meine Arbeit mit einem Promotionsstipendium gefördert hat. Nicht zuletzt möchte ich mich bei Herrn Professor Willoweit für die Aufnahme in die vorliegende Reihe und bei der Deutschen Forschungsgemeinschaft für den Druckkostenzuschuss bedanken. Gewidmet sei dieses Buch der Liebe: für Diana.
2 Arme Sünder und privilegierte Verbrecher – Einleitung
„Um die sechzig, dick und mit rotem Kopf, ein Franziskaner mit schwarzem Birett“. So beschreiben mehrere Zeugen übereinstimmend den Übeltäter, der den 13-jährigen Adeligen Vincentino Gisi nach der Messe in der Kirche San Felice entführen wollte. Der Mutter soll er erzählt haben, dass er ihren Sohn in Rom zu einem bedeutenden Herrn machen werde. Er habe dort große Macht.1 Doch Vincentinos Mutter zögerte zunächst, ihren Sohn in fremde Hände zu geben. Zwar hatte sie seit Längerem vor, einen ihrer Söhne zum Priester zu machen.2 Der Fremde sollte sich aber an den Vater wenden. Der Mönch insistierte jedoch. Er wollte dem Jungen schon gleich sein Haus zeigen. Eine dicke Taube habe er gerade im Ofen, fügte er hinzu. Nach einigem Zögern war Vincentinos Mutter einverstanden. Doch als der Mönch mit dem Jungen fortging, wurde sie von einer anderen Frau ermahnt: „Wie kannst du nur deinen Jungen allein wegschicken? Es kann doch ein verkleideter Soldat sein!“3 Darauf sandte sie den großen Bruder Antonio hinterher, der sich aber von dem Mönch abwimmeln ließ. Jetzt erkannte Vincentinos Mutter den Ernst der Lage. In ihrer Sorge entschied sie, dass Antonio nun erst recht den beiden folgen sollte, zusammen mit einem Dienstmädchen. Der Mönch und Vincentino bestiegen schon ein Boot und entfernten sich. Und die Anzeichen für die bösen Absichten des Mönches vermehrten sich. Als Antonio ans Ufer eilte, sprach ihn sein Freund Alvise Grimani an, der die Szene beobachtet hatte. Wohin denn Antonios kleiner Bruder mit dem Kerl gehe, fragte Alvise. Es sei doch ein großer Zuhälter und Sodomit.4 Sofort nahmen sich die beiden Jungen und das Dienstmädchen ein Boot, um den Mönch zu verfolgen und Vincentino zu retten. Sie mussten schnell rudern, 1 ASP CR b. 1, 166 (9.3.1515): el voleva menar a roma et farlo gran maistro. 2 Ebda., 166 (9.3.1515): Era vero che voleva far uno mio fiol prete. 3 Ebda., 166–166’ (9.3.1515): „A che muodo mandestu questo puto solo cum custuj? El potria esser qualche soldao stravestido!” 4 Ebda., 166’ (9.3.1515): „Dove va tu fradello cum questo frate che le uno gran ruffian e un gran sodomitto”
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Arme Sünder und privilegierte Verbrecher
denn der Mönch bemerkte die Verfolger bald. Er legte an, um mit Vincentino in einem Haus zu verschwinden. Doch als die Nachbarinnen schrien und Steine warfen, musste er den Jungen zurücklassen. Nun ruderte er allein davon. Die Gerichtsakten des Patriarchats von Venedig sind voll von spektakulären Geschichten wie dieser aus dem Jahr 1515. Sie scheinen einen „unmittelbaren“ Einblick in das Leben Venedigs in der Renaissance zu geben.5 Die Buntheit und der Lärm der Gassen und Kanäle der quirligen Handelsmetropole scheinen auf einmal ganz nah. Doch was die Dramatik der Akten ausmacht, wirft auch erhebliche Fragen auf. Gab eine Mutter wirklich so leichtfertig ihren Sohn in die Hände eines Unbekannten? Woher wussten alle Nachbarinnen auf einmal, dass der Mönch ein Sodomit sei?6 Die Rekonstruktion des Falles anhand der Zeugenaussagen, die wir besitzen, ist nicht sehr stimmig. Die beiden Jungen wurden nicht einzeln verhört, sondern bestätigten nur die Aussagen der Mutter. Darüber hinaus besitzen wir die Aussage von Alvise Grimani und von einer Nachbarin. Nach Vernehmung dieser Zeugen brechen die Akten ab, vermutlich weil der beschuldigte Mönch nicht aufzufinden war. Solche und ähnliche Probleme stellen sich bei der Analyse von fast allen Gerichtsakten. Die dort zu entnehmenden Sachverhalte sind meist nicht vollständig und basieren auf den Aussagen von Zeugen und Parteien, die die Ereignisse nur verfälscht wiedergeben. In der historischen Forschung ist man sich daher uneins, wie man mit der Quellengattung der gerichtlichen Aussagen umgehen soll.7
2.1 Methode und Quellengattungen Um eine angemessene Methode zu finden, muss man sich zunächst Klarheit darüber verschaffen, wie die Quellen entstanden sind. Auf diese Weise kann man mehrere Faktoren ausmachen, nach denen die Dokumente den historischen Sachverhalt transformieren. Erstens können die Zeugen bei ihrer Aussage nur ihre subjektive Erinnerung an den Sachverhalt wiedergeben. Dabei müssen sie bestimmte Umstände hervor5 Einen solchen Einblick konnte Le Roy Ladurie 1975 seinen Lesern noch versprechen. Montaillou, 9: « le regard direct : le témoignage, sans intermédiaire ». 6 ASP CR b. 1, 168 (9.3.1515): Tuta la vixinanza tien quello frate per uno gran sodomitto. 7 Cristellon Carità, 26 f.
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heben, die ihnen im Gedächtnis geblieben sind, während sie andere bis zur Vernehmung schon vergessen haben. Zweitens sind die Zeugnisse selten unparteiisch. Die Zeugen wurden in der Regel von einer Prozesspartei eingebracht. Daher mussten sie bestimmte Erwartungen erfüllen. In unserem Fall wird die Mutter kaum mit Zeugen vor dem Patriarchen aufgekreuzt sein, die nicht ebenfalls von den bösen Absichten des Mönches überzeugt waren. Doch ging die Parteilichkeit in vielen Fällen wohl noch weiter, sodass die Vermutung nahe liegt, dass die Anwälte der einbringenden Partei die Zeugen vor ihrer Vernehmung anleiteten.8 Der Verdacht, dass es sich hierbei um eine gängige Praxis handelte, wird auch dadurch genährt, dass Zeugen bei ihrer Vereidigung bisweilen eigens versichern mussten, dass sie nicht vorher instruiert (instructus vel doctus) worden seien.9 Dazu kommt noch drittens die spezielle Verhörsituation, in der die Zeugen in Interaktion mit dem Verhörenden traten. Dabei strengten sie sich in der Regel an, besonders glaubwürdig zu wirken.10 Sie erzählten also eher eine glaubhafte Geschichte als alle Einzelheiten des Tathergangs und mussten dabei ihre eigenen Erfahrungen mit kollektiv anerkannten Maßstäben in Einklang bringen.11 Viertens wurde die Vernehmung durch die Fragen der Verhörenden gelenkt.12 Damit wird nicht nur der Zeuge beeinflusst. Der Leser, der die Akten nach Frage und Antwort gegliedert liest, nimmt automatisch die Sichtweise des Verhörenden ein, indem er nur Antworten auf die gestellten Fragen erwarten kann. Fünftens schließlich beinhaltet auch die Protokollierung eine Transformation.13 Zwar galt seit dem Vierten Laterankonzil (1215) eine strenge Protokollpflicht.14 Da der Richter bei der Vernehmung nicht zwangsläufig zugegen war, mussten diese Protokolle hinreichend ausführlich und genau sein, um ihn zu unterrichten. Doch 8 Ferraro Marriage Wars, 25. 9 ASP CSI b. 1, 480’ (10.6.1534). 10 Farge Goût, 99; Cristellon Carità, 110; Dean Crime and Justice, 4; auch für Zeugen zutreffend die Überlegungen von White Fiktion, 146. 11 Crouzet-Pavan Testimonianze, 193, mit dem Beispiel der Beschreibung eines Raumes. 12 Davis Kopf, 18 f. 13 Bsp. aus dem 13. Jh. bei Maire Vigueur Giudice, 115. 14 X 2.19.11 = Conc. Lat. IV c. 38; Helmholz Quoniam contra falsam, 32 ff.; Cristellon Carità, 52; Wetzstein Prozeßschriftgut, 1 ff. Zur Protokollierung von Zeugenaussagen in Inquisitionsverfahren Del Col Criteri, 67.
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wird man auch bei großer Sorgfalt der Schreiber nicht davon ausgehen können, dass sich eine wörtliche Protokollierung verwirklichen ließ. Schon der Umstand, dass die Fragen in den meisten Protokollen in lateinischer Sprache, die Antworten aber auf Italienisch oder in venezianischem Dialekt aufgeschrieben wurden, lässt erahnen, dass die Verhöre kaum so stattgefunden haben, wie wir sie dokumentiert finden. Die Aussagen der Zeugen und erst recht die Aussagen der Beschuldigten sind also mit großer Vorsicht zu genießen. Mit einem gewissen Recht kann man ihren Inhalt als „Fiktion“ bezeichnen.15 Sichere Rückschlüsse auf einen bestimmten Tathergang lassen sie kaum zu. Es ist unmöglich, eine Wahrheit aus ihnen herauszuschälen, indem man sie aller subjektiven Elemente und der Umstände ihrer Dokumentation entkleidet. Schon eine solche Fragestellung würde in die Irre führen. Der Historiker ist nämlich keine Berufungsinstanz. Es ist daher nicht seine Aufgabe, die alten Prozesse aufzurollen und das Urteil zu überprüfen. Er hat andere Fragen an die Gerichtsakten. Seine Erkenntnisse kann er aus diesen Akten nur schöpfen, wenn er sich die Vermitteltheit der Aussagen vor Augen führt. Dies gilt sowohl für die Aussagen der Zeugen als auch für die Parteien. Bei den Zeugenaussagen gibt die Fiktion als solche schon einen wertvollen Aufschluss. Auf diese Weise können wir erfahren, was die Beteiligten für eine kohärente Geschichte hielten. Trotz der sichtlichen Dramatisierung kann man so aus dem Ausgangsfall schließen, dass eine Mutter es wohl begreiflich machen konnte, dass sie einen Sohn abgab, damit dieser in Rom eine bessere Zukunft habe, auch wenn es wohl üblich war, in diesen Fällen auch den Vater zu befragen. Ebenso konnte es nicht völlig außerhalb der Vorstellung liegen, dass Nachbarn einen bestimmten Mönch als frei umherlaufenden Kinderschänder erkennen konnten. In gleicher Weise geben die Argumentationsmuster der Angeklagten einen Einblick in kollektivierte Vorstellungen. Denn die Beschuldigten wollten eine überzeugende Verteidigung vorbringen. Ein bemerkenswertes Beispiel ist in dieser Hinsicht der Fall des Priesters Thomas Solarius. Er stand im Jahr 1513 im Verdacht zu „judaisieren“, also trotz christlicher Taufe den jüdischen Glauben zu verehren. Man erhob diesen Vorwurf gegen ihn wegen seiner Kabbala-Studien. Die Studien verleugnete der Priester auch gar nicht. Damit stellte er den Verhörenden offenbar vor Schwierigkeiten. Dieser fragte ihn, den Angeklagten, darauf selbst, ob die 15 Davis Kopf, passim.
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Wissenschaft der Kabbala verboten sei. Thomas verneinte das. Zur Begründung berief er sich darauf, dass auch Giovanni Pico della Mirandola diese Wissenschaft für einen Weg zur Erkenntnis Gottes gehalten habe.16 Dass die Inquisition auch gegen Giovanni Pico (1463–1494) vorgegangen war, schien dabei angesichts der geistigen und literarischen Bedeutung des Humanisten nicht so sehr ins Gewicht zu fallen. Für Priester Thomas war es jedenfalls klar, dass er sich Picos Verteidigung zu eigen machen konnte.17 In dieser Studie habe ich versucht, von der Frage des Tathergangs im Einzelfall zu abstrahieren, um den Blick auf die rechtlichen und institutionellen Aspekte der Gerichtsverfahren zu lenken. Auf diese Weise tritt bei den Gerichtsakten noch eine weitere Quellengattung ins Rampenlicht, die häufig nur als Beifang behandelt wird und deren Erschließungsmethode in der historischen Forschung weniger Aufmerksamkeit erlangt hat als die Zeugenaussagen. Es handelt sich um die richterlichen Anordnungen. Beispiele sind Ladungen, Fristsetzungen, Inhibitionen, Zulassung und Vereidigung von Zeugen, Urteile und Begnadigungen. Die Anordnungen sind meist knapp, oft formelhaft und selten inhaltlich begründet. Trotz dieser Schwierigkeiten sind jedoch sie es, die den Verlauf des Gerichtsverfahrens bestimmen.18 Sie sind daher der Schlüssel zum Verständnis des zwar hierarchisierten,19 aber dennoch dialogischen20 Verhältnisses, in dem Richter und Verfahrensbeteiligte standen. Auch bei der Quellengattung der richterlichen Anordnungen könnte man auf den ersten Blick von einem „unmittelbaren“ Einblick in die Rechtspraxis des Kirchengerichts sprechen. Schließlich berichten sie nicht von Fakten, sondern schaffen sie. Wenn also in den Akten zu finden ist, dass ein Priester aus der Diözese verbannt wurde, so steht dieses Faktum fest, unabhängig von der Frage, ob sich der Priester an den Bann gehalten hat oder ob er ihm später vielleicht wieder 16 ASP FC f. 2, 11.5.1513: si scientia cabale est prohibita?... respondit quod non et quod est scientia vere theologie & cognitio veri dei prout tractat dictus D. Picus in suis quaestionibus. 17 In der Quaestio quinta, auf die Thomas mit seinem Verweis (in suis quaestionibus) Bezug nahm, wehrte sich Pico gegen die kirchliche Verurteilung seiner These Nulla est scientia quae nos magis certificet de diuinitate Christi quam magia et cabala; Wirszubski Pico, 123. 18 Del Col Criteri, 58. 19 García Cárcel Fuentes, 103. 20 Cristellon Carità, 259; Sbriccoli Fonti, 494: La storia criminale è per forza di cose storia di rapporti, non storia di fatti.
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erlassen wurde. Doch ist das Faktum der Verbannung an sich nicht aufschlussreich. Um die Entscheidung des Richters einzuordnen und zu bewerten, müsste man wissen, was genau den Richter dazu bewogen hat, den Priester zu verbannen. Daher kann man die richterlichen Anordnungen nicht ohne eine weitere Quellengattung behandeln. Nur mit Rücksicht auf die normativen Texte des kanonischen Rechts werden sie verständlich. Bei jeder Anordnung fließen die Bestimmungen des kanonischen Rechts und die Wertungen des Richters zusammen. Am Ende dieses Prozesses stand das Urteil, das der Patriarch üblicherweise mit der Formel „Nur Gott vor Augen“ oder „Nur Gott vor den Augen unseres Geistes habend“ einleitete. Schon diese Formulierung macht deutlich, dass hier ein Prozess innerer Entscheidungsfindung stattfand, der sich der Dokumentation entzieht. Denn der Kirchenrichter konnte nur beteuern, dass er seinem Gewissen gemäß gehandelt hatte und sein Urteil am Tag des Jüngsten Gerichts selbst verteidigen könnte.21 Die Urteilsfindung beruhte jedoch nicht nur auf rein subjektiven Wertungen. Denn die Dokumente folgen schon äußerlich den Regeln des stilus curiae. Das ist einerseits eine bestimmte Art, die gerichtlichen Urkunden abzufassen.22 Andererseits ist es aber auch viel allgemeiner die Vorgehensweise des Gerichts, die bald als Gewohnheit ihrerseits Rechtscharakter erhält. Meistens betrifft dies prozessrechtliche praktische Fragen. So gehört es beispielsweise zum stilus curiae des Gerichts in Venedig, dass Laien, wenn sie als Kläger auftreten wollen, sich für die Eintreibung von Prozesskosten dem geistlichen Forum unterwerfen müssen.23 Der Entstehungsprozess des stilus curiae ist zirkulär. Einerseits bestimmt er die Abfassung der Gerichtsakten, andererseits entsteht er mit ihnen. Der stilus curiae kann dabei von Bistum zu Bistum unterschiedlich sein. Das universale Kirchenrecht war somit für das Gericht des Patriarchen von Venedig nicht die einzige Rechtsquelle. Vor allem bezüglich der Zuständigkeit in Strafsachen gab es eine Reihe von Sonderbestimmungen Venedigs, die einerseits auf speziellen päpstlichen Anordnungen und andererseits auf der venezianischen Praxis beruhten. Damit kommt auch das weltliche Recht der Stadt ins Spiel. Um die Frage zu beantworten, ob die besonderen kirchlichen Bestimmungen für Venedig auch von 21 Näher u. 142. 22 Dazu Frenz Kanzlei, 57 ff. für die Papstkanzlei. 23 ASP AMP b. 23, 17.5.1462 und 14.6.1462; b. 27, 8.2.1465.
Zeitraum (1451–1545) 15
weltlicher Seite eingehalten wurden, musste ich daher auch die Akten der wichtigsten weltlichen Strafgerichte konsultieren.24 Bei der Anwendung der kirchenrechtlichen Grundsätze vor den weltlichen Gerichten ist jedoch eine Besonderheit zu beachten. Die städtischen Richter hatten in Venedig keine juristische Ausbildung. Denn die Stadt Venedig gehörte nach ihrem Selbstverständnis nicht dem Kreis des gelehrten römischen Rechts an. Zwar kann ein römischer Einfluss auf die Gebräuche der Lagunenstadt nicht geleugnet werden.25 Doch spielt das Gelehrte Recht als solches in Venedig als Rechtsquelle keine Rolle.26 In den Statuten des Jahres 1242 wurde den Richtern auferlegt, in Ermangelung einer expliziten statuarischen Bestimmung zunächst nach Analogie oder Brauch vorzugehen. Gebe es auch keinen Brauch, sei der Richter verpflichtet, den Fall so zu entscheiden, wie es ihm gerecht erscheine.27 Damit erteilten die Venezianer der Statutenlehre, nach der das Gemeine Recht subsidiäre Geltung beanspruchen konnte,28 eine Absage. Auch das kanonische Recht war damit zumindest formal für die weltlichen Gerichte keine Rechtsquelle.
2.2 Zeitraum (1451–1545) Die frühesten Gerichtsakten, die ich für diese Studie systematisch ausgewertet habe, stammen aus dem Jahr 1451. In diesem Jahr wurde das Patriarchat von Venedig geschaffen. Zuvor hatten in der Stadt zwei konkurrierende Würdenträger die Gerichtsbarkeit ausgeübt: der Patriarch von Grado und der Bischof von Castello. 24 Die Akten stammen vor allem von dem Rat der Zehn (vgl. Tiepolo Archivi, 245) und den Avogadori di Comun. Diese Institutionen werden unten, 55, vorgestellt. 25 Besta Appunti, XXV; Padovani Politica del Diritto, 307 f.; Nehlsen-von Stryk “Ius comune”, 135. 26 Cozzi Considerazioni, 103; Povolo Sistema, 337. 27 Cessi Statuti, 5 f.: Et si aliquando occurrerint, que precise non sint per ipsa [sc. statuta] decisa, cum plura sint negotia quam statuta, si occurrenti extranee questioni in hiis aliquid simile reperitur, de similibus est ad similia procedendum vel secundum consuetudinem approbatam; alioquin, si penitus est diversum vel consuetudo talis minime reperitur, disponant nostri iudices, sicut iustum et equum eorum providentie apparebit, habentes Deum ante oculos sue mentis. Diese Rechtsquellenlehre galt auch für das Strafrecht, gerade auch im Hinblick auf die Analogie, Zordan L’ordinamento, 206 ff.; Pansolli Gerarchia, 87. 28 Wiegand Studien, 9; Oestmann Rechtsvielfalt, 6; Trusen Römisches und partikuläres Recht, 100 ff.
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Castello ist der Name eines der sechs Stadtteile von Venedig. Der dort residierende Bischof war im Mittelalter für das gesamte Stadtgebiet Venedigs zuständig. Doch auch der Patriarch von Grado residierte in Venedig und übte dort Metropolitanrechte aus. Er stand damit hierarchisch über dem Bischof von Castello, obwohl er nicht über eine nennenswerte eigene Diözese verfügte. Als der Stuhl des Patriarchen von Grado vakant wurde, hob Papst Nikolaus V. das Patriarchat von Grado auf und vereinigte es mit dem Bistum von Castello. Der amtierende Bischof von Castello, Lorenzo Giustiniani, wurde so zum ersten Patriarchen von Venedig. Schon wegen der Personengleichheit wird man zu diesem Zeitpunkt keine Zäsur in der kirchlichen Strafrechtspflege annehmen dürfen. Das Anfangsdatum hat aber dennoch seine Berechtigung, da sich nun der Instanzenzug modifizierte. Bei den meisten Fällen, die nunmehr vor das Gericht von Lorenzo Giustiniani kamen, war der neue Patriarch erste und letzte Instanz. Eine Appellation war nur nach Rom möglich, was vor Einrichtung der Nunziatur in Venedig zu Beginn des 16. Jahrhunderts einen weiten und teuren Weg bedeutete. Das Anfangsdatum hat dazu auch einen praktischen Grund in der Überlieferungssituation. Vor dem 15. Jahrhundert war es üblich, dass die gerichtlichen Dokumente von Notaren in deren Privatarchiven aufbewahrt wurden. Dort sind die einzelnen Dokumente schwer zu finden, wenn sie überhaupt noch existieren.29 Ab der Mitte des 15. Jahrhunderts haben wir hingegen eine reiche Überlieferung in Venedig, da die Dokumente nun von dem Gericht selbst aufbewahrt wurden. Die Studie endet mit der Eröffnung des Konzils von Trient. Auch an diesem Datum hat sich die Strafrechtspflege der Kirche in Venedig nicht schlagartig geändert. Doch fällt das Jahr 1545 in eine Phase des Umbruchs, in der sich im Rahmen der katholischen Reformation sowohl der Charakter der Inquisition als auch die Disziplinierung des Klerus änderten. Damit ist jedoch keine Periodisierung beabsichtigt. Denn hierzu wissen wir noch viel zu wenig über die Kirchenreform in Venedig. Die Diskussion um den Beitrag Venedigs zu der Reform drehte sich bisher vornehmlich um bestimmte herausragende Persönlichkeiten. Das Interesse lag vor allem auf dem venezianischen Kamaldulenser Paolo (=Tommaso) Giustiniani, der mit seinem Ordensbruder Pietro (= Vicenzo) Querini eine bedeutende Reform-
29 Donahue Records I, 27; Orlando Tribunali, 139.
Zeitraum (1451–1545) 17
schrift verfasste.30 Noch wichtiger ist die Gestalt Gasparo Contarinis, eines venezianischen Politikers, der mit den beiden Mönchen befreundet war und sich ebenso für die Kirchenreform einsetzte.31 Später wurde er Kardinal und unternahm bei dem Regensburger Religionsgespräch im Jahr 1541 die letzten ernsthaften Bemühungen um die Einheit der Kirche.32 Diese bedeutenden, humanistisch gebildeten Persönlichkeiten haben fast die gesamte Aufmerksamkeit der Forschung auf sich gelenkt, sodass es kaum Studien zu Reformbemühungen im Patriarchat gibt. Die Einberufung von Synoden, die Durchsetzung des Zölibats, die Besuche des Patriarchen in den Gemeinden und in den Frauenklöstern seiner Diözese waren bis vor kurzem ebenso unerforscht wie die Bestrafung der Kleriker. Erst in den letzten Jahren hat Vuillemin mit seinen Forschungen über die venezianischen Gemeinden erste Lichtflecken in dieses Dunkel geworfen.33 Es fehlen aber immer noch die Grundlagen für eine Periodisierung, die sich an den Begebenheiten in Venedig orientieren könnte. Anders ist es bei der Inquisition. Sie wurde im Jahr 1542 in Rom als Heiliges Offizium reformiert.34 Dieses Datum werteten die Historiker früher als eine Zäsur in ganz Italien.35 In Venedig hat man traditionell einen ähnlichen Einschnitt im Jahr 1547 angenommen.36 In diesem Jahr besiegte Karl V. den Schmalkaldischen Bund bei Mühlberg und erschien für kurze Zeit als alleiniger Herr über Europa. Venedig erließ im gleichen Jahr ein wichtiges Gesetz über die Inquisition, nach dem drei adelige Beisitzer bei dem Inquisitionsgericht mitwirken sollten.37 Und
30 Bowd Reform; Cervelli Storiografia; Tramontin Cultura monastica; ders. Un programma di riforma; Jedin Geschichte I, 103. 31 Gleason Contarini; Jedin Contarini; Fragnito Cultura umanistica; Tramontin Profilo. 32 Jedin Geschichte I, 306 ff. 33 S. die Angaben im Literaturverzeichnis, u., 206. 34 Bullarium VI, 344–346. D’Errico Licet ab initio; Benziger Dezentralisierung, 74; Errera Processus, 4 ff. 35 Jacobson Schutte Periodization, 271 f.; noch in dieser Tradition auch für Venedig z. B. Cairns Bollani, 237. 36 So z. B. Santasuosso Religious Orthodoxy, 476 ff.; ders. The moderate Inquisitor, 171; Ioly Zorattini Jews, 97; Pullan Jews, 5; Martin Witchcraft, 15. Ähnlich Stella Chiesa e Stato, 5; ders. Utopie, 157 ff. 37 Martin Ennemies, 51 ff.; Ioly Zorattini Processi, 42.
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ab dem nächsten Jahr schwillt auch der Bestand der erhaltenen Inquisitionsprozesse im Staatsarchiv von Venedig stark an.38 Dagegen forderte eine neue Generation der italienischen Inquisitionsforscher schon vor einiger Zeit, den Einschnitt später zu setzen. Denn das erste Jahrzehnt der Tätigkeit der römischen Inquisition sei zugleich das Jahrzehnt der größten Verbreitung des Protestantismus in Italien.39 Erst etwa im Jahr 1555 habe sich die Inquisition unter dem Pontifikat Pauls IV. zu einem effektiven Repressionsmittel entwickelt.40 Dass ich es für diese Studie dennoch bei dem Enddatum 1545 belassen habe, liegt daran, dass hier das allgemeine kirchliche Strafverfahren, das bisher viel weniger als die Inquisition erforscht wurde,41 im Vordergrund stehen soll. Dazu konnten die Inquisitionsakten bis zu den 1540er Jahren als Vergleichsgrundlage einbezogen werden. In dem folgenden Jahrzehnt würden sie aber schon wegen ihrer Menge und ihres Umfanges den Rahmen einer allgemeinen strafrechtsgeschichtlichen Studie sprengen. Innerhalb der zeitlichen Eingrenzung habe ich versucht, die Strafrechtpflege als ganze zu betrachten, anstatt sie chronologisch zu entwickeln. Dem liegt die Auffassung zu Grunde, dass man bis zu dem Konzil von Trient von einer einigermaßen konstanten Praxis ohne größere Zäsuren sprechen kann. Zwar möchte man einwenden, dass der Krieg der Liga von Cambrai, die unter Anführung des Papsttums die Republik an den Rand des Abgrundes trieb und wegen derer Venedig im Jahr 1510 auch weite Zugeständnisse an den Heiligen Stuhl machen musste, nicht nur die Außenpolitik, sondern auch das Selbstbewusstsein der Venezianer, ihre Religiosität und ihre Einstellung zu der römischen Kirche nachhaltig verändert habe.42 Denn in dieser tiefen Krise wurde aus Angst vor göttlicher Strafe in Venedig der Ruf nach einem härteren Vorgehen der Strafgerichte zur Aufrechterhaltung von Ordnung und Moral lauter.43 Die Krise beeinflusste nicht nur die weltlichen Gerichte, sondern gab auch dem Patriarchen von Venedig Anlass zur 38 Del Col Inquisizione, 349; ders. Criteri, 64; Pullan Jews, 9. 39 Del Col Inquisizione, 302. 40 Seidel Menchi Periodizzazione; dies. Origine, 315; zustimmend auch Jacobson Schutte Fra Marino, 169 f.; ähnlich Del Col L’inquisizione romana e il potere politico, 230. 41 Zorzi Giustizia criminale, 949. Seine Aussage aus dem Jahr 1989 trifft immer noch zu. 42 Cozzi Politica del diritto, 122; ders. Rapporti, 18 f. 43 Gilbert Venice, 274 ff; Cozzi Domenico Morosini, 455; Martin Ennemies, 60.
Inhaltliche Bestimmung: Strafrecht 19
Reform.44 In den kirchlichen Strafverfahren spiegelt sich dies aber nicht wider. Ich habe zu dieser Zeit keine härtere Gangart des Patriarchen feststellen können. Das hier skizzierte Vorgehen, den Zeitraum von 1451 bis 1545 in vielerlei Hinsicht einheitlich zu behandeln, kennt freilich auch seine Grenzen. Es birgt die Gefahr, dass Entwicklungen in diesem Zeitraum nicht richtig deutlich werden. An manchen Stellen war es daher nötig, von dem Konzept abzuweichen und chronologisch vorzugehen, beispielsweise um die venezianische Politik zu den Kirchengerichten zu erläutern. Damit will ich auch dem falschen Eindruck vorbeugen, dass man von einer einheitlichen Politik der Patriarchen sprechen kann. Unterschiedliche Persönlichkeiten auf dem Patriarchenstuhl wie der kompromissbereite45 Maffeo Girardi (1467–1492) und der prinzipientreue46 Girolamo Querini (1524–1554) unterschieden sich mit ihrem Entgegenkommen zu der venezianischen Regierung und in ihrem Pochen auf die Freiheit der Kirche sehr.
2.3 Inhaltliche Bestimmung: Strafrecht Neben der zeitlichen Begrenzung ist auch die inhaltliche Einschränkung zu erklären. Was ist unter Strafrechtsfällen zu verstehen? Obwohl das Kirchenrecht scharf zwischen Zivil- und Strafverfahren unterschied, ist die Antwort auf diese Frage nicht leicht.47 In dem Recht der Dekretalen, also in den wichtigsten päpstlichen Entscheidungen, die im 13. und im frühen 14. Jahrhundert in juristische Sammlungen aufgenommen wurden, wird eigentlich nur eine bestimmte Prozessart als Strafprozess bezeichnet. Dabei handelt es sich um das Akkusationsverfahren, in dem der Beschuldigte sehr weit reichende Verfahrensgarantien genoss. Es gab aber auch andere Verfahrenstypen, in denen der Beschuldigte eine Bestrafung zu gewärtigen hatte. So hatten auch das Denunziations- und das Inquisitionsverfahren eindeutig Strafcharakter, auch wenn sie zunächst als Zivilklage klassifiziert wurden.48 Am einfachsten sind Strafrechtsfälle zu erkennen, wenn sie in den Akten selbst von den Parteien oder dem Richter (und nicht – wie häufig – erst im 18. Jahrhundert durch eine Randbemerkung des Archivars) als causa criminalis bezeichnet 44 45 46 47 48
S.u. 97 u. 166. Cozzi Giuspatronato, 14. Cozzi Authority, 329. S.a. Pommeray Officialité, 198. X 5.3.32; Hirte Innozenz III, 213; Kéry Inquisitio, 246 u. 267. S.u., 119.
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werden.49 Wenn eine solche Bezeichnung fehlt, muss nach dem Inhalt der Akten entschieden werden. Manchmal, wenn die Klagschriften und das Urteil fehlen, lassen sich die Strafrechtsfälle nur schwer von zivilen Schadensersatzklagen unterscheiden. Bisweilen war die Natur des Rechtsstreits sogar zwischen den Parteien selbst streitig.50 Ich habe daher auch die meisten Grenzfälle in diese Studie mit aufgenommen. Den juristischen Kampf um Benefizien, der bei Anrufung der Rota Romana oder eines weltlichen Gerichts auch schnell zur Bestrafung von weltlicher oder geistlicher Seite führen konnte,51 habe ich dabei jedoch weitgehend ausgeklammert, da sich diese Fälle zu sehr von den übrigen Strafrechtsfällen unterschieden. Etwas anderes gilt jedoch für das Verfahren per exceptionem, bei dem es dem Inhalt nach um normale Verbrechen ging. Zu einem solchen Prozess kam es, wenn ein Konkurrent bei einer Stellenbesetzung gegen einen Promovenden einwendete, dass dieser für die Stelle ungeeignet sei, da er ein Verbrechen begangen habe. Weitere Strafen als den Verlust der Stelle hatte der Promovend in diesem Verfahren nicht zu gewärtigen. Die Einordnung dieses Verfahrens als Zivilverfahren ist daher auch aus heutiger Sicht nachvollziehbar.52 Dennoch ist es für den Zweck dieser Studie sinnvoll, auch solche Prozesse einzubeziehen. Dass die Verfahrensarten sich in der Praxis häufig auch gar nicht klar trennen lassen, zeigt das Beispiel des Priesters Nicolaus Manontus. Dieser wurde zuerst mehrfach von dem Patriarchen väterlich (paterne) ermahnt, die Frau wegzuschicken, mit der er zusammenlebte. Als keine Reaktion erfolgte, drohte ihm der Patriarch mit dem Entzug seines Benefiz und der Deposition von dem Priesterrang.53 Ein Jahr später wohnte Nicolaus aber immer noch mit der Frau zusammen. Er wurde daher vor das Gericht zitiert, „um zu sehen und zu hören, wie er sein Benefiz verliere“.54 Mit einem Urteil entzog der Patriarch dem Nicolaus sein Benefiz und 49 Solche Hinweise finden sich auch dann, wenn es sich nicht um ein Akkusationsverfahren handelt. Die Terminologie war in dem Gerichtsgebrauch des 15. und 16. Jahrhunderts also schon weiter gefasst. 50 ASP AMP b. 16, 31.10.1454. S.a. ASP CDA b. 23, 6.11.1522 (gg. Paulus de Pisauro) wo sich auch der päpstliche Nuntius nicht genau festlegen wollte und die Frage in einem Mandat mit den Worten criminaliter seu forsan civiliter offen ließ. 51 Hierzu Cozzi Venezia e Stati italiani, 121. 52 Kéry Inquisitio, 251. 53 ASP AMP b. 66, 80 (10.1.1531). 54 ASP AMP b. 66, 169 (26.2.1532).
Quellenbestand 21
drohte mit einer Kerkerstrafe, wenn er die Frau nicht verstoße.55 In dem Urteil wird auch klar, was hinter dieser harten Vorgehensweise stand. Nicolaus sollte nun auch sein Haus im Kanonikat räumen, da der nächste Inhaber des Benefiz dort einziehen wollte. Der Patriarch hatte seine Mandate also wahrscheinlich auf Betreiben eines Konkurrenten erlassen. Dennoch handelte es sich nicht um ein Verfahren per exceptionem. In der kanonistischen Literatur werden darüber hinaus häufig noch die Disziplinarsachen von den Strafsachen unterschieden. Die genaue Abgrenzung ist jedoch schwierig.56 Im Allgemeinen bezeichnet man als Disziplinarsachen die Tatbestände, nach denen sich nur Kleriker strafbar machen würden, nicht aber Laien.57 Darunter fallen vor allem Vorschriften zur Kleider- und Barttracht oder zu dem Umgang mit Frauen. In diesen Verfahren herrschte größere Freiheit für den jeweiligen Bischof, indem man nicht immer festgeschriebenen Verfahrensarten folgte. Dies gilt vor allem für die Aufsicht über Klöster. In den Quellen findet sich die Unterscheidung aber nicht in dieser Schärfe. Dies kann daran liegen, dass der Begriff der Klerikerdisziplin seine heutige Prägung erst durch das Konzil von Trient erfahren hat. Obwohl auch schon zuvor der Begriff der disciplina verwendet wird, kann man in größerer Übereinstimmung mit den Quellen zuvor von der honestas clericalis sprechen.58 Verstöße gegen diese Regeln, die sich in Venedig in einigen Sammlungen von Synodalgesetzen finden,59 habe ich in die Untersuchung einbezogen.
2.4 Quellenbestand Die untersuchten Gerichtsakten befinden sich vornehmlich im Archiv des Patriarchates von Venedig in der Abteilung der Curia. Sie setzen sich aus den Serien Criminalia regularium und Criminalia Sanctae Inquisitionis aus dem so genannten „Geheimarchiv“ und den Serien Causarum appellatarum et delegatarum, Causarum 55 56 57 58 59
ASP AMP b. 66, 175’ (13.3.1532). Hinschius Kirchenrecht V, 270. Rees Strafgewalt, 77 f. Vuillemin Réforme, 80 Fn. 44; ders. Coutumes, 205. S. das Synodicon von Lorenzo Giustiniani von 1438, in: Cappelletti Storia VI, 180, Kapitel: de vita et honestate clericorum. Gleicher Titel auch noch nach dem Konzil von Trient bei Trevisan Constitutiones, 35.
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ordinarium sowie der Serie Causarum et aliorum diversorum cleri veneti aus der „alten Sektion“ zusammen. Damit handelt es sich um etwa 100 gut erhaltene Strafprozesse. Im Umfang variieren diese Prozessbündel sehr. Einige bestehen nur aus wenigen, andere aus mehr als 100 Seiten. Letztere sind die Fälle, in denen sich die Parteien anwaltlich vertreten ließen. Die Prozessbündel enthalten meist sehr ausführliche Parteieingaben und Zeugenaussagen und häufig auch ein Urteil. Hinzu kommen die umfangreichen libri actorum des Gerichts. In diesen Büchern hat das Gericht jeden Tag die einzelnen Anordnungen festgehalten. Die Bücher enthalten nur selten Zeugenaussagen und sind oft nicht vollständig. Häufig finden sich Ladungen, Haftbefehle und Auslieferungsgesuche an die weltliche Gewalt. Einzelne Fälle allein aus diesen Akten zu rekonstruieren, ist nicht immer möglich, da meist der streitige Sachverhalt fehlt. Dennoch konnte ich unter Einbeziehung dieser Akten insgesamt Hinweise auf etwa 450 Strafrechtsfälle im Archiv des Patriarchats finden. Einen Einblick in die Überlieferungslücken bietet das Register des Archivars Scomparin aus dem 18. Jahrhundert.60 Dieses Register gibt uns Auskunft, dass es noch eine Serie mit dem Namen Criminalia Presbiterorum gab, die für den hier behandelten Zeitraum etwa 460 Prozessbündel enthielt. Leider ist sie für die Zeit vor 1589 bei einem Umzug des Archivs61 verloren gegangen. Die massiven Überlieferungslücken werden auch bei Durchsicht der Akten aus dem Staatsarchiv deutlich. Bei einer Analyse der wichtigsten strafrechtlichen Archivserien der Zeit, den Archiven der Avogadori di Comun und des Rates der Zehn, bin ich auf mehr als 350 weitere Fälle gestoßen, in denen Kleriker wegen Strafsachen vor weltlichen Gerichten standen. Nicht selten lieferten diese Gerichte nach Abschluss der Ermittlung den Gefangenen dem Patriarchen aus, der ein Urteil fällen sollte. Bisweilen findet man daher auch Kopien der Urteile des Patriarchen bei den Akten der weltlichen Gerichte. Doch nur in 16 Fällen fand ich die Fortsetzung des Prozesses im Archiv des Patriarchen. Da die Strafverfolgung der Kirche gegenüber Laien in Venedig nur eine sehr untergeordnete Rolle spielte, werfen die Akten vor allem ein Licht auf den Lebenswandel des venezianischen Klerus. Dieses Licht scheint zunächst etwas grell. Denn es finden sich in den ausgewerteten Akten häufig schwere Schuldvorwürfe. Diese 60 ASP Scomparin Repertoria. 61 Cavazzana Romanelli Archivio storico, 287; Bortolan Archivio, 178.
Forschungsinteresse 23
reichen vom Diebstahl über Münzfälschung und Spionage bis hin zu zahlreichen Tötungsdelikten. Dass solch ein Verhalten von Klerikern, die mit ihrer Lebensführung und ihrer honestas den übrigen Ständen ein Vorbild sein sollten, ein Skandal war, liegt auf der Hand. Dies gilt besonders für das „schändlichste Verbrechen“ (crimen pessimum) der Sodomie, das in den Akten vielfach Erwähnung findet. Vor allem der weltliche Rat der Zehn ermittelte häufig gegen homosexuelle Kleriker. Dennoch lassen sich aus diesen Vorwürfen kaum sozialgeschichtliche Schlüsse auf eine Verworfenheit und Sittenlosigkeit des venezianischen Klerus ziehen. Denn für quantitative Forschungen ist der lückenhafte und heterogene Quellenbestand unbrauchbar. Und liegt es in der Natur der Überlieferung, dass die Fälle, die Aufsehen erregten und bei denen das Verfolgungsinteresse und die Strafen besonders hoch waren, auch besser dokumentiert wurden. In den Akten spiegelt sich daher vor allem die Heterogenität des Klerikerstandes wider. In der untersuchten Zeit vereinte der Klerus die unterschiedlichsten Lebensformen – von den Mönchen auf den abgeschiedenen Klosterinseln in der Lagune bis hin zu den geschäftstüchtigen Notaren auf den Handelsschiffen. Die devote Hingabe an Gott war somit zwar für manche, aber bei Weitem nicht für alle Kleriker der Grund, die Tonsur anzunehmen. Dies wird noch deutlicher, wenn man sich die Rolle vor Augen führt, die solch eine Entscheidung in der Familienplanung der Eltern des Klerikers spielte. Wie der kleine Vincentino in dem eingangs erwähnten Fall sollten viele Kinder von ihren Eltern noch in einem Alter für den Klerikerstand bestimmt werden, in dem sie sich selbst hierzu noch nicht berufen fühlen konnten. Angesichts dieser Spannweite von persönlichen Schicksalen ist es daher keine Überraschung, wenn sich in den Akten die unterschiedlichsten Vorwürfe gegen Kleriker finden. Die Größe und Vielfalt des Klerikerstandes erklären aber zugleich das Interesse, das die weltlichen Strafverfolgungsorgane in Venedig daran hatten, ihren Einfluss und ihre Gerichtsbarkeit hierauf zu erstrecken.
2.5 Forschungsinteresse Ein Schwerpunkt dieser Arbeit liegt auf der Zuständigkeit des Patriarchen von Venedig – sowohl in Abgrenzung zur weltlichen Gerichtsbarkeit als auch zu anderen kirchlichen Gerichten. Dies liegt nicht nur daran, dass die Reichweite der
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Gerichtsbarkeit als Machtfrage besonders interessant ist. Vielmehr war die Zuständigkeit eine der wichtigsten prozessualen Fragen, die über die Gültigkeit der Prozesse entschied. Es ist daher nicht verwunderlich, dass sich zu ihr besonders viele Quellen finden. Da die Strafrechtsakten des Patriarchates von Venedig bislang noch keine Aufmerksamkeit in der Forschung erlangt haben, geht es in dieser Studie aber auch ganz allgemein um eine institutionelle Beschreibung des kirchlichen Strafgerichtsverfahrens. Dabei sollen möglichst viele Aspekte aufgezeigt werden, die mir bei dem Studium der Akten als besonders wichtig und bemerkenswert erschienen sind. Unter diesem breiten institutionellen Ansatz bin ich auf einen Zusammenhang gestoßen, der mir vorher nicht klar war. Er fußt auf der Beobachtung, dass man die Frage der Zuständigkeit und das Bemühen der weltlichen Gerichtsbarkeit um die Kontrolle des Strafprozesses gegen Kleriker nicht nur unter dem Blickwinkel betrachten kann, dass der Patriarch zu milde Strafen verhängt habe. Zu Konflikten führte meist weniger das Strafmaß als die häufigen Freisprüche für Kleriker. Diese Freisprüche hatten ihren Grund in der Auslegung des Prozessrechtes durch das Patriarchatsgericht, indem es nur ungern von Amts wegen ermittelte. Ebenso hängen sie auch mit dem Aufbau des Gerichts des Patriarchen zusammen, der lange Zeit kaum Raum für Ermittlungsverfahren ließ.62 Ferner war die weit reichende Möglichkeit einer verschleppenden Appellation ein Hindernis für eine effiziente Strafrechtspflege. Die Kooperation und die Konflikte mit der weltlichen Gewalt können daher nur mit Berücksichtigung des Gerichtsaufbaus und des Verfahrensrechts verstanden werden.
62 Zu dem Zusammenhang zwischen der Funktion einer Art der Rechtspflege und dem zugehörigen bürokratischen Apparat s. Damaška Faces, 11.
3 Die Sichel in der fremden Ernte – die Zuständigkeit des geistlichen Gerichts
Zwischen den beiden Säulen auf dem Markusplatz lag häufig das Ende eines Kriminalprozesses im Venedig der Renaissance. Die Beschlüsse der weltlichen Gerichte beschreiben genau, was dort zu geschehen hatte. Dem Beschuldigten wurde „der Kopf so von den Schultern abgeschnitten, dass er stirbt“.1 Nicht selten schnitten ihm die Henker zuvor am Ort des Deliktes ein Körperteil ab und banden es ihm an einer Schnur um den Hals. So trieben sie ihn durch die ganze Stadt, zu Wasser auf einem Schiff und zu Land an den Schweif eines Pferdes gebunden, begleitet von einem Herold, der seine Schuld ausrief.2 Es ist gut nachvollziehbar, dass die Angeklagten alles Mögliche unternahmen, damit ihnen nicht nach dieser weltlichen Strafliturgie3 „die Seele vom Körper getrennt werde“.4 Die Kirche schien manchen einen Ausweg zu eröffnen, da Kleriker von ihr besonders beschützt wurden. Folter, Verstümmelung und Todesstrafe hatten Kleriker nur in Ausnahmefällen zu fürchten. Denn die Kirchenrichter waren nicht zum Vergießen von Blut ermächtigt,5 sofern sie nicht gleichzeitig weltliche Territorialherren waren.6 Wer sich nun rasch eine Kutte überwarf und beim Barbier eine Tonsur scheren ließ, konnte unter Umständen gerettet sein. Zur Sicherheit konnte man versuchen, sich noch irgendwie über einen Verwandten oder einen (bezahlten) Freund ein Ordinationsschreiben ausstellen zu lassen, das man am besten ein paar Jahre vor die Tat datierte. Oder man ließ so ein Schreiben fälschen.7 „Man weiß ja nur zu 1 Z. B. ASVen AC Raspe reg. 3660, 37–37’ (9.9.1504). Dem Angeklagten Daniel Buffarelli wurde dieses Schicksal für den Fall angedroht, in dem er die Bannstrafe übertrete: conducatur in medio duarum columnarum, ubi sibi caput a spatulis amputetur sic quod moriatur. 2 Ruggiero Civic Morality, 175; vergleichend zu diesen Ritualen in den italienischen Städten Zorzi Rituali, 145 ff. 3 Foucault Surveiller et punir, 38: liturgie punitive. 4 ASVen CX Crim. reg. 1, 47, 12.12.1503: sic quod moriatur et anima sua a corpore separetur. 5 X 3.50.5; vgl. X 5.17.4; Siciliano Villanueva Studii sulle vicende, 474. 6 VI. 3.24.3. 7 Sanudo Diarii 29, 256 (1.10.1520): et maxime si fa bole false et non vere.
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gut, wie diese Bullen gemacht werden“ – heißt es diesbezüglich nicht ohne Verbitterung in einem Beschluss des Großen Rats aus dem Jahr 1523.8 Die Idee, den Kleriker zu spielen, war sehr verbreitet. Der Chronist Marin Sanudo überbringt uns die Empörung des Dogen aus dem Jahr 1520: „tutti si fa prete“ – alle werden Priester.9 Wohl wegen der besseren Verbindungen und der größeren Zahlungsfähigkeit galt dies aber vor allem als ein Weg für Adlige.10 Die Rechtsfigur, auf die sie sich berufen konnten, war das Privileg des Gerichtsstandes (privilegium fori), das in den Quellen meist allgemein mit dem Privileg der Kleriker (privilegium clericorum) gleichgesetzt wird. Der Ursprung des Privilegs liegt in der Spätantike, um seine Anwendung und gegen seinen Missbrauch wurde in ganz Europa und besonders in Venedig jahrhundertelang gekämpft.
3.1 Das privilegium fori Das privilegium fori war der wichtigste Kompetenztitel, aufgrund dessen der Patriarch in Strafsachen vorging. Seine Geltung hing nur von dem Status der Person ab, nicht von der Art des Deliktes, das dem Kleriker zur Last gelegt wurde. Das Privileg galt daher ratione personae. Daneben gab es im kanonischen Recht auch eine Zuständigkeit aufgrund des Deliktstyps, also ratione materiae. Auf diese Weise konnte ein Kirchengericht auch die Zuständigkeit gegenüber Laien begründen. Die Zuständigkeit über Laien spielte in Venedig aber nur eine untergeordnete Rolle. Sie wird in dem Kapitel über die Inquisition beschrieben.11 Um mehr über das privilegium fori zu erfahren, können wir den gleichen Weg einschlagen, den die Kanonisten bis ins 20. Jahrhundert wählten. Der Ausgangspunkt ihrer Überlegungen waren die kirchlichen Rechtssammlungen, die im später so genannten Corpus Iuris Canonici vereint wurden. Die erste dieser Sammlungen, das so genannte Decretum Gratiani, entstand etwa in den 1140er Jahren, wobei der genaue Entstehungsprozess und -zeitpunkt umstritten sind.12 8 Leggi Criminali veneti, 26’: “& ancora si po benissimo saper à che modo si faccino le dette Bolle”. 9 Sanudo Diarii 29, 206 (25.9.1520). 10 Contarini De officio, 422; Fragnito Cultura umanistica, 162. 11 S.u., 162. 12 Winroth Making, 193 f.; Kéry Gottesfurcht, 235.
Das privilegium fori 27
Das Decretum ist in seinem hier einschlägigen zweiten Teil so aufgebaut, dass sich an einen fiktiven Fall (Causa) einige Fragen anschließen (quaestiones), zu deren Beantwortung dann die Rechtsregeln (canones) zitiert werden. Diese Rechtsregeln (canones) stammen teils aus der Bibel, teils von römischen Kaisern, teils von Konzilien und zum größten Teil von den Kirchenvätern. Unter den canones findet sich in dem Decretum auch eine Reihe von Fälschungen. Sie wurden im Frankenreich des 9. Jahrhunderts von einer Gruppe von geistlichen Gelehrten angefertigt, die angesichts der politischen Wirren, bei denen die fränkischen Könige in das Leben der Geistlichkeit eingriffen, ihre Unabhängigkeit begründen wollten.13 Dazu fügten die Fälscher Textbausteine aus verschiedensten Quellen zusammen. Die so fabrizierten Texte kennen wir heute als Pseudoisidorische Fälschungen, da der Herausgeber eines Hauptteiles der Fälschungen sich selbst als Isidorus Mercator bezeichnet. Drei Jahrhunderte nach ihrer Abfassung erlebten sie einen großen Aufschwung. Das Decretum Gratiani bediente sich der Fälschungen, wie sie sich schon in anderen kirchenrechtlichen Sammlungen fanden,14 und hob damit viele ihrer Aussagen in den Rang des Kirchenrechts. Der Einfluss der Fälschungen ist besonders groß bei der Thematik des Strafverfahrens gegen Kleriker.15 Die Frage des zuständigen Gerichtes wird in dem Decretum in Causa XI, quaestio 1 aufgeworfen. Dort wird ein Fall geschildert, in dem ein Kleriker einen anderen in einer Grundstücksstreitigkeit vor den weltlichen Richter ziehen will. Die Frage lautet, ob dies zulässig sei. Damit scheint zunächst nur ein Zivilrechtsfall behandelt zu werden. Zwar fallen mehrfach Begriffe wie reus (Angeklagter) und accusare (anklagen), die dem Strafrecht zuzuordnen sind. Doch war diese Begrifflichkeit zu den Zeiten des Decretum Gratiani nicht so differenziert.16 In einem Dictum nach c. 30 wird aber deutlich, dass sich der Autor der Unterscheidung zwischen Zivil- und Strafrecht bewusst ist und hier die Frage in Hinblick auf beide Rechtsmaterien erörtern will. Insgesamt werden in dieser Quaestio 50 canones zitiert. Besonders deutliche Aussagen treten in drei Bestimmungen hervor. Ein Papst Gaius wird mit den Worten zitiert, dass niemand einen Bischof oder sonstigen Kleriker vor einem 13 Yarza Obispo, 14. 14 Landau Gratians Quellen, 164. 15 Fuhrmann Einfluss II, 572; Hinschius Kirchenrecht V, 407; Harburger Privilegium fori, 43. 16 Zu dem Begriff accusare s. Kéry Inquisitio, 230.
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weltlichen Richter anklagen dürfe.17 So auch ein Papst Marcellinus, der gesagt haben soll, dass niemand einen Kleriker, gleich welchen Standes, ohne Erlaubnis seines Pontifex (in dem Kontext wohl des Bischofs) vor einen weltlichen Richter ziehen solle und dass es einem Laien nicht gestattet sei, einen Kleriker anzuklagen.18 Der Papst Sylvester ist sogar noch deutlicher: Wer einen Kleriker vor dem Gericht anklage, verfalle dem Anathema.19 Das Anathema war eine Art der Exkommunikation mit feierlicher Verfluchung. Gratian beeilt sich hinzuzufügen, dass diese Strafe nur den Kläger vor dem weltlichen Gericht, nicht aber vor dem Bischofsgericht treffe.20 Alle drei zitierten Texte stammen aus der Sammlung des Pseudoisidor.21 Ein weiterer wichtiger Text ist keine Fälschung. Es geht um ein Gesetz der römischen Kaiser Valentinian, Theodosius und Arcadius aus dem Jahr 384.22 Die Kaiser legten fest, dass Kirchenleute nicht vor das weltliche Gericht gezogen werden sollen. Sie hätten nämlich ihre eigenen Richter, die für sie zuständig seien. Im Decretum wird aber nicht der ganze Text wiedergegeben. Der entscheidende Nachsatz, nach dem sich die Bestimmung nur auf Kirchensachen bezieht, fehlt.23
17 C.11 q.1 c.1: Nemo umquam episcopum aut reliquos clericos apud iudicem secularem accusare presumat. 18 C.11 q.1 c.3: Clericum cuiuslibet ordinis absque pontificis sui permissus nullus presumat ad seculare iudicium attrahere, nec laico quemlibet clericum liceat accusare. Gratian bediente sich dabei einer Vorlage von Anselm von Lucca, da in den anderen vorgratianischen Dekretalensammlungen der Text mit anderem Subjekt wiedergegeben wurde („clericus... nullum“), Génestal Privilège II, XXI u. 8. 19 C.11 q.1 c.10: Si quis clericus accusans clericum in curiam introierit, anathema sit. S. Landau Gratians Quellen, 173 Fn. 71; vgl. Werckmeister Privilège, 48. 20 C.11 q.1 p.c.10. 21 Hinschius Pseudoisidor, 214 (III); 221 (III); 450 (IV). 22 C.11 q.1 c.4. Nach dem Herausgeber bezeichnet man das Gesetz als eine der Sirmondischen Konstitutionen, Cod. Theod. II, 909 f. (Sirm. 3). 23 Der in C.11 q.1 c.4 reproduzierte Text lautet: Continua lege sanximus, ut nullus episcoporum uel eorum, qui ecclesiae necessitatibus seruiunt, ad iudicia siue ordinariorum siue extraordinariorum iudicum pertrahantur. Habent illi suos iudices, nec quicquam his publicis est comune cum legibus. Nicht wiedergegeben wurde der nächste Satz der Konstitution Sirm. 3 (Cod. Theod. Bd. 1, 910): quantum ad causas tamen ecclesiasticas pertinet, quas decet episcopali auctoritate decidi. Vgl. Werckmeister Privilège, 44; Banfi Habent, 168 ff.
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Wie weit das privilegium fori in der Antike in Kriminalsachen reichte, ist nicht nur in der modernen Forschung umstritten.24 Schon zur Zeit seiner Entstehung hatte der Grundsatz eine wechselvolle Geschichte.25 Zuerst wurde es den Bischöfen gewährt.26 Für die übrigen Kleriker war es nicht so genau definiert. Die einzige Bestimmung, die keine Einschränkungen auf reine Kirchensachen enthält, stammt aus dem Jahr 412.27 Kaiser Valentinian III. hob das Gerichtsstandsprivileg im Jahr 452 jedoch wieder auf.28 Es findet sich dementsprechend auch nicht in der bedeutendsten Sammlung spätantiker Kaisergesetze, dem Codex Justinianus.29 Justinian selbst regelte die Frage bald nach Erlass des Codex neu.30 Die klarsten Belegstellen für die Existenz des privilegium fori bestanden also in gefälschten Dekretalen und in einer verkürzt wiedergegebenen Kaiserkonstitution, die aufgehoben worden war. So viele Fragen diese Quellen aber auch aufwerfen, ist das Ergebnis für die Folgezeit doch eindeutig.31 Der Autor des Dekrets stellt heraus, dass kein Kleriker vor ein Strafgericht gestellt werden dürfe, wenn er nicht zuvor seines Standes enthoben worden sei.32 Spätestens mit der Verbreitung des Decretum Gratiani galt in dem kanonischen Recht damit also der Grundsatz des privilegium fori. Bald bekam das privilegium fori eine Schwester in Form des privilegium canonis. In dem berühmten Kanon Si quis suadente33 stellte Papst Innozenz II. Übergriffe auf Kleriker unter die Strafe des Anathema.34 Der Kanon differenzierte nicht 24 Der Streit dreht sich vor allem um Cod. Theod. 16.2.41. Die Frage ist dabei, ob sich diese Bestimmung nur auf causae ecclesiasticae bezog oder ganz allgemein galt. 25 Banfi Habent, 259. 26 Cod. Theod. 16.2.12; Banfi Habent, 61 ff.; Génestal Origines, 163 ff.; Harbuger Privilegium fori, 16. 27 Cod. Theod. 16.2.41; Génestal Origines, 180 ff.; Harburger Privilegium fori, 19 f. 28 Cod. Theod. Nov. 35 (Bd. II, 142 ff.); Banfi Habent, 249 ff.; Dumas Juridiction, 244; Génestal Origines, 189 ff.; Harburger Privilegium fori, 22 f. 29 Hier findet sich dagegen eine Bestimmung von Justinian selbst, nach der das privilegium fori in Strafsachen nicht galt, Cod. 1.4.29. 30 Mehrere Novellen beschäftigen sich mit der Thematik. Der Endpunkt ist Nov. 123; Banfi Habent, 208 ff.; Génestal Origines, 198 f.; Rodríguez-Arango Díaz Fuero, 42 f. 31 Fraher Becket dispute, 350. 32 C.11 q.1 p.c.30. 33 C.17 q.4 c.29; Kéry Grundlagen, 165; Pommeray Officialité, 232; Génestal Privilegium fori I, III f.; Ferraris Bibliotheca II, 308, Stw. Clericus § 2 Rn. 2. 34 Gratian verstand in diesem Kontext unter dem Anathema jedoch lediglich den Aus-
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danach, ob es sich bei den Übergriffen um private Verbrechen oder um Festnahmen durch weltliche Gerichte und Wachleute handelte.35 Damit standen die Kleriker unter einem doppelten Schutz. Sowohl Festnahme (privilegium canonis) als auch ein Urteil gegen sie (privilegium fori) waren der weltlichen Rechtspflege verboten. Auch die nachfolgenden Sammlungen päpstlicher Rechtssprüche (Dekretalen) bestätigten die alleinige Zuständigkeit der Kirche für straffällige Kleriker. So drohten die Päpste jedem weltlichen Richter mit der Exkommunikation, wenn er es wage, ein Verfahren gegen einen Kleriker zu betreiben.36 Sie stellten darüber hinaus auch klar, dass ein Kleriker auf das Privileg nicht verzichten könne, da es nicht ihm persönlich, sondern seinem gesamten Stand verliehen sei.37 Der Grundsatz des privilegium fori war Teil des Machtanspruches des Reformpapsttums. Daher unternahmen es die Päpste, diesen Grundsatz auch im weltlichen Recht festzuschreiben. Als Gegenleistung für seine Kaiserkrönung im Jahr 1220 verpflichtete sich Friedrich II., eine Reihe von Gesetzen zu erlassen, die der Papst und seine Mitarbeiter schon vorher für ihn formuliert hatten.38 Darunter findet sich auch eine Bestimmung, nach der niemand gegen die kaiserlichen Gesetze und kanonischen Sanktionen einen Kleriker in Straf- oder Zivilsachen vor ein weltliches Gericht ziehen dürfe. Andernfalls verliere der Kläger seinen Anspruch, das Urteil seine Gültigkeit und der Richter sein Amt.39 Diese Konstitutionen ließ Friedrich II. zu den Rechtslehrern nach Bologna senden, die sie nun als Authentica in den Text des Codex Iustinianus, des geltenden römischen Kaiserrechtes, aufnehmen sollten.40 Die Bestimmung des privilegium fori ist dem heutigen Rechtsverständnis so fremd wie die Prozedur seiner Durchsetzung. Wenn der Kanonist Panormitanus
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schluss von der Kommunion und das Verbot, Kirchen zu betreten, C.11 q.3 d.p.c.24. Nach Kéry Gottesfurcht, 605, war dies ein Versuch, dem Umstand zu begegnen, dass diese Strafe latae sententiae eintrat, d. h., ohne dass ein Urteil ausgesprochen werden musste. X 5.39.29; Helmholz Si quis, 428. X 2.2.2. X 2.2.12; Molitor Gerichtsverfahren, 133. De Vergottini Legislazione, 72; Schaller Krönungsgesetze, Sp. 1550. Auth. 1.3.32, MGH Const. II, 108: „4. Statuimus autem, ut nullus ecclesiasticam personam in criminali questione vel civili trahere ad iudicium seculare presumat contra constitutiones imperiales et canonicas sanctiones. Quod si fecerit, actor a iure suo cadat, iudicatum non teneat, et iudex sit ex tunc iudicandi potestate privatus.“ RI V, n. 1204; Stürner Friedrich, I, 251. Sarpi In diffesa, 283, bemerkt hierzu, dass die Konstitution nur im Reich, nicht aber in Venedig, Geltung habe.
Das privilegium fori 31
schrieb, dass Kleriker deshalb nicht von Laien gerichtet würden, da sie als „höher stehend und heiliger“ gelten würden,41 sprach er den Laien Hohn, die von dem Verbrechen eines Klerikers betroffen waren und von der kirchlichen Strafverfolgung kaum Unterstützung erhielten. Man muss jedoch auch berücksichtigen, dass man zur Zeit der Ausbildung der Lehre vom privilegium fori im 12. Jahrhundert in Fragen der gerichtlichen Zuständigkeit weniger in Kategorien der territorialen Zugehörigkeit als in solchen der persönlichen und ständischen Angehörigkeit dachte.42 Das privilegium fori hatte nach der Auffassung der meisten Kanonisten seinen Ursprung im göttlichen Recht (ius divinum).43 Wenn es so grundsätzlich der gesetzgeberischen Disposition entzogen war, so finden sich aber auch Dekretalen, die seinen Missbrauch bekämpfen sollten. Dabei standen vor allem Kleriker mit Ersttonsur oder niederen Weihen im Fokus, deren Lebensweise sich kaum von derjenigen der Laien unterscheiden ließ. Die Kirche schrieb daher in der Dekretalensammlung des Liber Extra (1234) fest, dass sie solchen Klerikern bei Betrugsvorwürfen nicht helfen wolle, wenn sie als Prokuratoren weltliche Geschäfte vertraten.44 Angebliche Kleriker, die ohne Habit und Tonsur umherliefen und sich erst nach der Gefangennahme umfrisierten, um die Bestrafung zu umgehen, sollten nach dreimaliger Ermahnung das Klerikerprivileg verlieren.45 Das Gleiche galt ebenfalls nach dreifacher Ermahnung für Kleriker, die beständig Kriegswaffen mit sich führten.46 Clemens VIII. sah das Gleiche wiederum nach dreimaliger Ermahnung für Kleriker vor, die sich als Metzger oder Schankwirte betätigten.47 In Anlehnung an all diese Bestimmungen entwickelte sich die allgemeine Lehre, dass Kleriker mit niederen Weihen ohne Habit und Tonsur nach dreifacher Ermahnung ihr Privileg verlieren sollten.48 Eine Dekretale Alexanders III. ging noch weiter. Nach ihr sollte die Kirche auch den Klerikern ihren Schutz versagen, die ihr Habit nicht trugen, wie Laien 41 Panormitanus In Decr., X 2.1.10 (III, 26’). 42 Prodi Storia, 52. 43 Innozenz Apparatus zu X 1.33.2 (156’); Helmholz Civil Jurisdiction, 188; s.u., 42 Fn. 96. 44 X 3.50.2 (Eugen III.). 45 X 5.39.45 (Innozenz III.): circumcisis crinibus, ut possint circumvenire vindictam. 46 X 5.39.25 (Clemens III.). Génestal Privilegium fori I, 153 f. 47 Clem. 3.1.1; Génestal Privilegium fori I, 237 ff. 48 Génestal Privilegium fori I, 170.
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umhergingen und bei Verbrechen betroffen wurden (in criminibus comprehensi).49 Der Anwendungsbereich dieser Bestimmung war deshalb besonders umstritten, da hier das Erfordernis einer dreifachen Mahnung nicht ausgesprochen war. Viele Kanonisten legten die Vorschrift daher eng aus und verlangten, dass die Kleriker auf frischer Tat ertappt wurden.50 Eindeutiger waren die Bestimmungen des Zweiten Konzils von Lyon (1274). Dort wurde festgelegt, dass bigame Kleriker mit niederen Weihen von dem privilegium fori ausgeschlossen waren.51 Unter Bigamie verstand man dabei sowohl den Fall, dass der Kleriker zum zweiten Mal heiratete, als auch den Fall, dass seine Frau mit der Heirat eine zweite Ehe schloss, zum Beispiel indem der Kleriker eine Witwe heiratete.52 An diese Regelung knüpfte Bonifaz VIII. an, als er in dem Liber Sextus (1298) festlegte, dass nur Kleriker, die einmalig mit einer Jungfrau eine Ehe schlössen, das Privileg53 beibehielten, wenn sie Habit und Tonsur trügen. Andernfalls verlören sie das Privileg ipso facto und ohne das Erfordernis einer dreimaligen Ermahnung.54 Ein Vierteljahrtausend später baute die kirchliche Gesetzgebung auf dieser Vorschrift auf, als auf dem Konzil von Trient weitere Restriktionen des Klerikerprivilegs beschlossen wurden. Nach der Entscheidung der Konzilsväter sollten nun auch unverheiratete Kleriker mit niederen Weihen allgemein von dem Privileg 49 X 5.9.1: Praeterea clerici, qui, relicto ordine clericali et habitu suo, in apostasia tanquam laici conversantur, si in criminibus comprehensi teneantur, per censuram ecclesiasticam non praecipimus liberari. S.a. X 5.33.27. 50 Génestal Privilegium fori I, 162. 51 Mansi Conc. 24, 91; VI 1.12.1. Zu den verheirateten Geistlichen s.a. X 3.3.9; Royer Église, 109; Martin Vincennes, 30; Génestal Privilegium fori I, 68. 52 Gabel Benefit, 87 f. 53 Gemeint sind privilegium canonis und fori. 54 VI 3.2.1: Clerici, qui cum unicis et virginibus contraxerunt, si tonsuram et vestes deferant clericales, privilegium retineant canonis [...] In ceteris autem, vel nisi, ut praemittitur, tonsuram, vel vestes clericales, etiam in praemissis eos gaudere privilegio nolumus. Mit dieser Dekretale, die die Bestimmungen der Pariser Synode aufnahm (Bautier Clercs, 240), beseitigte Bonifaz die Unklarheiten, die mit X 3.3.7 entstanden waren, wonach verheiratete Kleriker sich überhaupt nicht des Klerikerprivilegs erfreuten. Diese Auffassung hatte sich nämlich nicht durchsetzen können, Génestal Privilegium fori I, 89 ff. Ebenfalls ohne vorige Ermahnung verloren das Privileg die Kleriker, die sich als Schausteller verdingten, VI 3.1.1; Génestal Privilegium fori I, 164. Eine Aufstellung der Bullen, die Ausnahmen von dem Klerikerprivileg in Frankreich vorsahen, bietet Fournier Officialités, 69 Fn. 2.
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ausgeschlossen bleiben, wenn sie nicht ein Benefiz innehätten oder Habit und Tonsur trügen und im Auftrag des Bischofs einen Dienst versähen oder sich in einem Priesterseminar, einer Schule oder einer Universität auf die höheren Weihen vorbereiteten.55 In den Jahrhunderten, die zwischen den großen Dekretalensammlungen und dem Konzil von Trient liegen, stand die Entwicklung des Kirchenrechts nicht still. Die Fortbildung des Rechtes fand hier nur nicht so sehr in einer allgemeinen Gesetzgebung, sondern mehr in den einzelnen Kirchenprovinzen statt. Die Geschehnisse in Venedig bieten hierfür ein Beispiel. Verschiedene Päpste erteilten der Republik von Beginn des 15. Jahrhunderts bis zur Eröffnung des Konzils von Trient eine Reihe von Sondererlaubnissen, die das privilegium fori einschränkten. Wie sich zeigen wird, knüpften diese Sondererlaubnisse an die genannten Vorschriften des allgemeinen Kirchenrechtes an, die den Missbrauch des Privilegs bekämpfen sollten. Die Einschränkungen reichten jedoch in Venedig ein wenig weiter und nahmen damit zum Teil das vorweg, was auf dem Konzil von Trient für die ganze Christenheit, die Rom treu geblieben war, beschlossen wurde.
3.2 Der giurisdizionalismo und der Mythos Die Prostituierte Helena Clauda hatte gerade Besuch, als sie ein Klopfen am unteren Tor ihres Hauses vernahm. Helena öffnete nicht sofort. Stattdessen ging sie an eine kleine Fensterluke, um in den Hof zu sehen. Dort stand Octaviano Minio, wutentbrannt. „Was willst du hier?“, fragte Helena ihn. „Dich“, antwortete Octaviano. „Ich will dir aber nicht öffnen!“56
55 Sess. XXIII c. VI (Alberigo Conc. III, 116): Is etiam fori privilegio non gaudeat, nisi beneficium ecclesiasticum habeat, aut clericalem habitum et tonsuram deferens alicui ecclesiae ex mandato episcopi inserviat, vel in seminario clericorum, aut in aliqua schola vel universitate de licentia episcopi, quasi in via ad maiores ordines suscipiendos versetur. S.a. Lefebvre Système bénéficial, 361. Nach Ferraris Bibliotheca II, 312 Stw. Clericus § 2 Rn. 47 behielten die Kleriker aber dennoch das privilegium canonis. 56 ASP CSI b. 1, 427 (19.4.1532): [Helena] ge disse che voleu tu qua et luj disse avergi et lei replicando disse non vo vogio aprir.
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„Du willst mir nicht öffnen“, wiederholte er verärgert. Er holte ein Schreiben hervor und drohte damit. „Dies ist eine Anzeige gegen dich – wegen Hexerei!“57 Doch ließ er diese Drohung nicht lange wirken. Denn unvermittelt unterbreitete er ihr ein Angebot. Für 50 Dukaten sei er bereit, die Anklage vor dem Patriarchen fallen zu lassen. Nach den übereinstimmenden Aussagen ihrer beiden adeligen Besucher wollte sich Helena auf diesen Handel nicht einlassen. Sie gab sich unbeeindruckt und lehnte das Angebot ab. Die Ablehnung begründete sie mit ihrem Vertrauen in die Justiz: „Und wenn auf der Welt die Gerechtigkeit verloren gegangen ist – in diesem Land wird man sie wiederfinden!“58 Ein solches Bild der Gerechtigkeit abzugeben, war nicht nur ein wesentliches Ziel der venezianischen Politik und ihrer Repräsentation. Es war auch in der politischen Selbstwahrnehmung der regierenden Schicht tief verankert. Dennoch ist die Aussage in zweierlei Hinsicht bemerkenswert. Einerseits sprach hier keine Vertreterin der Regierung, sondern eine Halbweltdame. Andererseits bezog sie das kirchliche Gericht in den Glanz der venezianischen Institutionen ein. Dies zeigt wiederum, wie facettenreich das Problem ist, das in der modernen Forschung als „Mythos Venedig“ bezeichnet wird. Damit ist eine Glorifizierung Venedigs gemeint, die im 16. Jahrhundert das übliche Maß an Patriotismus überschritt und die venezianischen Verhältnisse als Mischverfassung zu einem Leitbild des politischen Denkens erhob.59 Die Gerechtigkeit, die in diesem Staat herrschte, ist das Hauptmotiv des Bildes, das Historiker und politische Theoretiker ebenso wie Künstler, Architekten und Zeremonienmeister von Venedig zeichneten.60 Das Bild wurde im Laufe der Zeit aus den verschiedensten Beweggründen ausgemalt. Der Prostituierten Helena Clauda und ihren Besuchern ging es wohl vornehmlich um eine gute Verteidigung. Sie wollten damit das kirchliche Gericht auf seine Ehre verpflichten. Die Interessen, die andere dazu bewogen, an dem Mythos zu 57 ASP CSI b. 1, 427 (19.4.1532): tu non me vuol aprir et cavo fuora una certa carta digando questa sie una querella la qual e contra detj come herbera. 58 ASP CSI b. 1, 427 (19.4.1532): “et si la Justicia fosse persa la se trova in questa terra”; ähnlich ebda., 433 (24.4.1532): “dio mantegna la Signoria de venetia perche si la Justitia e persa per el mondo, la se trova qua”. 59 Chabod Venezia, 50. Zu den Ursprüngen des Mythos im Mittelalter Fasoli Nascita, 451. 60 Rosand Myths, 97; Wright Venetian Law and Order, 192; Finlay Politics, 28; Chojnacki Crime, 187; Girgensohn Venedig, 504.
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stricken, waren noch vielfältiger. Manchem Venezianer ging es um Propaganda, anderen darum, ein zeitloses Idealbild zu zeichnen, an dem sich die gegenwärtige Generation ein Beispiel nehmen sollte.61 Manchen Ausländern ging es darum, der Republik Venedig den Dank für die Aufnahme auszusprechen, anderen darum, in der Kritik oder der Idealisierung des venezianischen Staatswesens einen Beitrag zur Verfassungsdiskussion in der Heimat zu leisten.62 Die Instrumentalisierung und Mythifizierung der venezianischen Geschichte bereitet besondere Schwierigkeiten für die Darstellung der Gerichtsbarkeit und des privilegium fori. Das liegt vor allem an einer bestimmten Tendenz der Überlieferung, die im frühen 17. Jahrhundert zu voller Blüte kam. Zu dieser Zeit entwickelte sich eine vom staatlichen Souveränitätsdenken beherrschte Sicht auf das Verhältnis von weltlicher und geistlicher Gerichtsbarkeit. Dabei wurde vor allem der Antagonismus zwischen beiden Gewalten betont. Nicht selten wurden in diesem Zuge gedankliche Kategorien des Konfliktes zwischen „Staat“ und „Kirche“,63 wie er zwischen der venezianischen Regierung und dem Papst im 17. Jahrhundert zum Ausbruch kam, schon in die Zeit vor dem Tridentinischen Konzil projiziert.64 So kommt bei der Lektüre der älteren Literatur,65 die diese Tradition bis ins 20. Jahrhundert fortschrieb, oft der Eindruck auf, dass hier Staat und Kirche einen ideologisch aufgeladenen Konflikt führten und wie zwei Monolithen aufeinander trafen. Diese Vorstellung bedarf in doppelter Hinsicht der Korrektur. Einerseits kann man der venezianischen Regierung nur schwer eine einheitliche, planvolle Politik unterstellen. Dazu müsste man alle durch die Regierungsschicht selbst gehenden Risse und Unsicherheiten und die Allmählichkeit der Entscheidungsfindung völlig ausblenden. Andererseits handelte es sich auch bei der Kirche 61 Dies ist auch eine der Tendenzen von Gasparo Contarinis „De magistratibus“, Gilbert Religion and Politics, 112 ff., Finlay Politics, 36; allgemeiner zu diesem Topos vom Goldenen Zeitalter Queller Patriciate, 9. 62 Über Donato Giannotti: Gilmore Myth, 435; allgemeiner: Muir Civic Ritual, 44 ff.; Gilbert Machiavelli and Guicciardini, 9; Pecchioli Crisi fiorentina, 483; Gaeta Considerazioni, 63. 63 Die Kategorien „Staat“ und „Kirche“ wurden für die Zuständigkeit der Gerichte im Mittelalter kritisiert u.a. von Le Bras Privilège, 259; Ullmann Decision, 487 f.; Kritik an der Perspektive äußert auch Prosperi Ortodossia, 146. 64 Grubb Myths, 57. 65 Beispiele sogleich, s.u., 39.
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der Renaissance nicht um eine von Rom gesteuerte Einheit. Denn die vielen in ihr wirkenden Kräfte und sich dort treffenden Interessen standen nicht selten zueinander im Widerspruch. Das Bild von den beiden Monolithen vereinfacht diese Umstände zu sehr. So geht das Bewusstsein für die Gemengelage verloren, in der Vertreter beider Gewalten nicht selten die gleichen politischen Ziele verfolgten.66 Diesem Einwand entgeht man auch nicht, indem man zwischen der „römischen Kirche“ einerseits und der „venezianischen Kirche“ andererseits unterscheidet. Eine solche Differenzierung knüpft an einige religiöse Eigenheiten der Venezianer an.67 Der Markuskult, die fast schon sakrale Stellung des Dogen,68 die zahlreichen religiösen Laienverbände (scuole), die eigene Liturgie (rito patriarchino)69 und die eigenen Bräuche, wie die Eintreibung des Zehnt erst im Todesfall oder die Wahl der Gemeindepfarrer, werden so zu Mosaiksteinen eines Bildes der eigenwilligen Markusrepublik mit ihrer „Nationalkirche“.70 Die Antagonisten sind danach also nicht mehr Kirche und Staat, sondern Venedig und Rom. Doch ist auch dieses Mosaik brüchig. Denn eine Nationalkirche ist in der Zeit vor dem Konzil von Trient ein Anachronismus. Das Patriarchat von Venedig war institutionell im Rahmen der Kirchenhierarchie und des Kirchenrechts fest in die Mutterkirche integriert.71 Außerdem gab es auch personell Überschneidungen zwischen Rom und Venedig ‑ von den adligen Pfründenjägern auf dem venezianischen Festland bis hin zu Kardinälen und Päpsten venezianischer Herkunft.72 Hinzu kommen noch die Mendikantenorden, die überregional organisiert waren und überhaupt nicht in dieses Schema passen. Eine Rückprojektion der Kategorien von Kirche und Staat im Sinne des 19. Jahrhunderts ist nicht nur in Venedig zu finden. Es gibt sie beinahe überall in der Geschichtsschreibung der Zeit, die in Italien von der Römischen Frage und in 66 Bizzocchi Conflitti, 269: i due campi presunti opposti (e per altro comunque destinati a collaborare) di Stato e Chiesa erano ciascuno non un blocco monolitico ma una complessa alchimia di forze e interessi diversi e magari contrastanti. 67 Prodi Structure, 411 ff.; Prosperi Ortodossia, 144. 68 Paolin Chiesa e Stato, 57 f. 69 Der rito wurde in den meisten Kirchen Venedigs (außer S. Marco) in der Mitte des 15. Jahrhunderts abgeschafft, Cozzi Politica, società, instituzioni, 245; Tramontin Dall’episcopato, 70. 70 Chiesa nazionale, Cessi Storia I, 38; Fasoli Nascita, 452. 71 Rando Chiesa, 8 f. Gegen die Annahme einer besonders forschen Haltung Venedigs gegenüber dem mittelalterlichen Papsttum auch Madden Dandolo, 118 u. passim. 72 Del Torre Ecclesiastici, 137.
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Deutschland von dem Kulturkampf geprägt wurde. Sie allein ist noch kein Mythos. Doch geht das Phänomen in der Geschichtsschreibung Venedigs noch viel weiter. Die Republik wurde zu einer liberalen Vorkämpferin für die staatliche Souveränität stilisiert.73 Die Macht dieser Vorstellung wurzelt darin, dass der Konflikt in Venedig schon früh in die modernen Kategorien gefasst wurde.74 Anlass war eine Auseinandersetzung aus den Jahren 1605 bis 1607. Nachdem Venedig zwei Kleriker auf dem Festland verhaftet hatte, verlangte der Papst deren Freilassung. Als die venezianische Regierung sich weigerte, eskalierte dieser zunächst unbedeutende Konflikt. Dies geschah nicht zuletzt, weil auch noch andere Streitpunkte zwischen dem Papsttum und der Republik offen waren. Diese waren vielfältig und reichten von Amortisationsgesetzen bis zur Herrschaft über die Adria.75 Nach Ablauf eines Ultimatums exkommunizierte der Papst den venezianischen Senat und verhängte das Interdikt über die Stadt. Damit war es den Priestern verboten, die Sakramente zu spenden. Die venezianische Regierung drohte ihrerseits allen Klerikern mit Strafe, die sich an die Weisungen aus Rom hielten. Der Orden der Jesuiten verließ die Stadt. Unter Vermittlung des französischen Gesandten wurde der Konflikt schließlich beigelegt. Doch war es zuvor zu einer Propagandaschlacht gekommen. Jede der Parteien glaubte sich im Recht. Und so folgte Flugschrift auf Flugschrift.76 Auf venezianischer Seite stand dabei der Servitenmönch Paolo Sarpi. Seine Schriften zeichnen sich durch Klarheit und gedankliche Brillanz aus – und sind zugleich eine Hypothek für die Geschichtsschreibung Venedigs. Dies hat zwei Gründe. Erstens ist Sarpi von einem Souveränitätsdenken durchdrungen, das er allen historischen Sachverhalten zugrunde legt.77 Das Recht der Republik, über Kleriker zu richten, ist für ihn „von Gott gegeben“.78 Diese Grundannahme ist für Sarpi ein zeitloses Prinzip. In der Zeit vor dem Konzil von 73 Benzoni Rez. zu Stella, 562 ff.; ders. “Teologi”, 31. Die Kirche trat hingegen als dogmatischer, dickköpfiger und von Allmachtsphantasien beherrschter Gegenspieler auf. 74 Chabod Politica, 48. 75 Cozzi Nota introduttiva, 113; Chabod Venezia, 46. 76 Cozzi Rinascimento, 84: guerra delle scritture; Menniti Ippolito Carriere, 3: una copiosa quanto vibrante letteratura; Bouwsma Political Education, 452. 77 Benzoni Perfezione, 194; Bouwsma Political education, 48; Chabod Politica, 60 u. 71 f. 78 Consulti I, 285: ella (sc. la Repubblica) non ha rinonciato la potestà datagli da Dio.
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Trient, als ein solches Souveränitätsdenken die Politik noch nicht nachhaltig prägte, ist es jedoch als Erklärung für die Ereignisse in Venedig nicht ausreichend. Zweitens sind Sarpis Schriften parteiisch. Dies ist nicht weiter verwunderlich, da Sarpi als Anwalt der Republik auftrat. Doch muss man sich bewusst machen, dass Sarpi auch die Darstellung von historischen Sachverhalten instrumentalisiert. Dies gilt nicht nur für seine polemischen Schriften, sondern auch für die Gutachten für die venezianische Regierung während des Interdikts. In dieser Zeit vertrat Sarpi die Auffassung, dass es sich „aus den bestehenden Erinnerungen“ ergebe, „dass die Beamten zu jeder Zeit jede Art von Geistlichen gerichtet haben für jedes Delikt, wenn es ihnen angebracht erschien“.79 Hinter solchen Provokationen verbarg sich eine Strategie. Es ging Sarpi darum zu zeigen, dass die Gerichtsgewalt der weltlichen Gerichte Venedigs über Kleriker nicht auf den vom Papst gewährten Privilegien80 beruhte. In diesem Falle hätte man sich nämlich einerseits an die dort genannten Voraussetzungen halten müssen. Andererseits hätte der Heilige Stuhl die Privilegien möglicherweise widerrufen können.81 Stattdessen bemühte sich Sarpi also darum nachzuweisen, dass man das privilegium fori in Venedig schon immer missachtet habe. Die Lücke in seiner Argumentation, die zwischen der Zeit Justinians und einem venezianischen Senatsgesetz von 1402 klafft, vermag er aber kaum mit seiner Rhetorik ausfüllen.82 Ein weiteres Problem, das an den Einfluss Sarpis anknüpft, hängt noch enger mit dem Mythos Venedigs zusammen. Denn neben der Gerechtigkeit gehörte auch die Harmonie in der Gesellschaft und in der herrschenden Klasse zu dem tradierten mythischen Bild.83 Es war nun auch während des Interdiktes besonders wichtig, Geschlossenheit zu zeigen. So wird in Sarpis Schriften suggeriert, dass in Venedig seit jeher Einigkeit gegen die „Übergriffe“ aus Rom herrschte. Der Prozess 79 Consulti I, 285: nelle memorie che restano si ritrova che in ogni tempo li magistrati hanno giudicato qualonque sorte di ecclesiastici, di qualonque delitti è parso loro esser conveniente. 80 S.u., 46 ff. 81 Sarpi Consulti I, 264 f.; Sarpi Istoria dell’Interdetto, 27; Chabod Politica, 74 f. Zum Widerruf von Privilegien Mohnhaupt Erteilung, 113 ff.; eine Gewohnheit (consuetudo) war demgegenüber eine stärkere Rechtsstellung, die nicht ohne weiteres beseitigt werden konnte, vgl. zu einem Fall aus Bologna de Benedictis Da consuetudo a lex, 218 ff. 82 Sarpi Consulti I, 287 f. 83 Cozzi Cultura politica, 227; Finlay Politics, 32; Chojnacki Crime, 184.
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der Entscheidungsfindung und die Zeit der erbitterten Debatten werden damit übergangen. Indem der Mythos so den Dissens überblendet, wird die Politik der Venezianer gegenüber den Kirchengerichten zu einer ahistorischen Idealposition. Der Art, in der Sarpi die Tagespolitik in ein historisierendes Gewand steckte, entspricht es, wie Sarpis Werk selbst später zur weiteren Politisierung der Geschichte genutzt wurde.84 Gegen Ende des 19. Jahrhunderts schöpften Autoren wie Friedberg, Ruffini, Cecchetti und Molmenti vorwiegend aus Sarpis Werk, um die Geschichte von „Staat und Kirche“ in Venedig zu schreiben.85 Dass es hierbei zu Verzerrungen kommen musste, war unvermeidlich. In der italienischen Forschung hat sich ein Begriff eingebürgert, der das Bestehen auf Souveränitätsrechten gegenüber Ansprüchen der Kirche bezeichnet. Es ist die Rede von dem giurisdizionalismo. Dieser Begriff baut darauf auf, dass unter iurisdictio/giurisdizione nicht nur die bloße rechtsprechende Gewalt fällt. Vielmehr ist iurisdictio ein allgemeines Konzept, das die Kommandogewalt und damit vor allem auch Exekutivrechte bezeichnet.86 Das Bestreben der weltlichen Gewalt, die Prozesse gegen Kleriker zu kontrollieren, wird häufig als der venezianische giurisdizionalismo bezeichnet. Diese Bezeichnung ist mit Vorsicht zu genießen, da sie ein bewusstes politisches Programm evoziert. Für die venezianischen Staatsleute des 15. Jahrhunderts kann man ein solches, von der Kategorie der Souveränität geleitetes Programm nicht ohne Weiteres zugrunde legen. Damit will ich keineswegs bestreiten, dass es Machtkonflikte mit der geistlichen Gewalt gab. Diese aber in den Kontext bewusster absolutistischer oder aufklärerischer Prinzipien zu setzen, ist eine unzulässige Ideologisierung. Zwar gab es auch schon vor dem Konzil von Trient Politiker, die ein bewusstes Programm gegen die kirchlichen Machtansprüche unterstützten. In Venedig ist vor allem Luca Tron zu nennen.87 Doch wird die Entwicklung des Verhältnisses der Gerichtsbarkeiten nur unzureichend beschrieben, wenn man den Endpunkt an ihren Beginn stellt und bereits 84 Getto Sarpi, 30 ff. 85 Cecchetti Republica; Friedberg Grenzen, 688–794; Friedberg/Ruffini Trattato, 99–103; Molmenti Storia II, 28 f.; Auch Bouwsma Defense of Republican Liberty, 78, übernahm die Darstellung von Cecchetti. 86 Costa Iurisdictio, 101 ff.; Petit/Vallejo Categoria, 752; Dumas Juridiction, 236. Zur Einbeziehung von rechtsetzender Gewalt Fransen Juridiction. 87 Cozzi Repubblica e Stati, 121 ff.; s.a. Del Col Inquisizione in Italia, 208.
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aus der ersten Bestrafung von Klerikern durch Laien, einem bloßen Abweichen der Faktizität von der Norm mit Ausnahmecharakter, schon in der Frühzeit einen rechtspolitischen Standpunkt konstruiert.
3.3 Eigene Regeln in Venedig Die Instrumentalisierung der Geschichte reicht in Venedig – wie an anderen Orten auch – noch weit hinter den hier behandelten Zeitrahmen zurück. Dies zeigt sich, wenn man nach einer ersten Bestimmung über das Verhältnis von weltlicher und geistlicher Gerichtsgewalt sucht. Glaubt man dem Dogen Andrea Dandolo, der im 14. Jahrhundert eine Chronik Venedigs verfasste, so besaß schon der erste Doge Gerichtsbarkeit über die Kleriker. Die Befugnisse des Dogen, die ihm bei seiner ersten Wahl eingeräumt wurden, beschreibt Dandolo so:88 decreverunt ducem sibi preesse, qui, equo moderamine, populum sibi subdictum gubernaret et vim atque potestatem haberet in publicis causis generalem concionem advocandi, tribunos ecciam et iudices constituendi, qui in privatis causis, exceptis mere spiritualibus, tam laicis quam clericis equaliter iura tribuerent;89 In privaten Fällen (privatis causis) konnten demnach der Doge und seine Richter also über Kleriker richten, nicht aber in geistlichen Angelegenheiten (causis spiritualibus). Fraglich ist, in welche Kategorie hierbei die Strafsachen gegen Kleriker fallen sollen. Eine Zuständigkeit des Bischofs ratione personae wird nicht erwähnt. Es ist daher möglich, dass unter causis privatis auch Strafrechtsfälle zu verstehen sind. Dafür würde auch die Gegenüberstellung von öffentlichen und privaten Rechtssachen sprechen (publicis causis und privatis causis), da Strafsachen zu der Zeit der ersten Dogenwahl am Ende des siebten Jahrhunderts nicht als öffentliche Angelegenheiten begriffen wurden. 88 Dandolo Chronica, 106; Molmenti Clero, 675. 89 „Sie beschlossen, dass ihnen ein Doge vorstehen solle, der mit gerechtem Steuer das ihm untergebene Volk lenken und die Macht und Befugnis haben sollte, in öffentlichen Fällen eine allgemeine Versammlung einzuberufen, Tribunen und auch Richter zu bestellen, die in privaten Fällen, ausgenommen die rein geistlichen Angelegenheiten, sowohl den Laien als auch den Klerikern in gleicher Weise ihre Rechte gewähren sollten.“
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Dagegen spricht aber, dass der Chronist an anderer Stelle von den alten Rechten der Kirche schreibt, gemäß denen sie auch in Strafsachen zuständig gewesen sei (criminalibus et mere spiritualibus).90 Dies wäre unlogisch, wenn der erste Doge diese Rechte ebenfalls gehabt haben soll. Daher sind die causae privatae hier als reine Zivilrechtsfälle zu verstehen. Auch wenn Dandolo hier also wahrscheinlich nicht auf das Gerichtsstandsprivileg in Strafsachen abhebt, ist die Chronik dennoch ein weiteres Beispiel dafür, wie mit der Projektion späterer Verhältnisse in die frühere Zeit Politik getrieben wurde.91 Eine starke Stellung des Dogen gegen die Gerichtsbarkeit der Kirche seit Urzeiten konnte Dandolo als weltlichem Politiker nur recht sein. Es ist somit auch schon vor der Zeit, in der die Konflikte zwischen der römischen Kurie und Venedig immer offener zu Tage traten, gefährlich, aus der literarischen Überlieferung Venedigs zu schöpfen.92 Die folgende Darstellung soll sich daher zunächst auf normative Quellen stützen. Die älteste sicher überlieferte Vorschrift über die Abgrenzung der Gerichtsbarkeit von Kirche und Staat in Venedig stammt aus einem Statut, dessen Abfassung in die Zeit des Dogen Enrico Dandolo (1192–1205) fällt,93 auch wenn der Inhalt der Bestimmung womöglich älter ist.94 Dort heißt es, dass in den Fällen, in denen ein Kleriker wegen einer Straftat angeklagt werde, allein der Bischof Richter sei und für die Vollstreckung sorge.95 Nur wenige Jahrzehnte darauf wurde diese Bestimmung aber nicht mehr eingehalten, was zu einer ersten Einmischung der Päpste in die Fragen der Gerichtsbarkeit in Venedig führte. Papst Gregor IX. beschwerte sich im Jahr 1233 bei dem 90 Dandolo Chronica, 294. 91 Zum Quellenwert der Notiz kritisch: Rossi Andrea Dandolo, 27; Simonsfeld Andrea Dandolo, 146; Besta Sigillo, 310; allgem. zum Quellenwert Dandolos auch Kehr Rom und Venedig, 3; dagegen Roberti Magistrature I, 17 ff. 92 Ebenso sonderbar wie diese Stelle ist die Erklärung bei Sanudo Vite dei Dogi, 262 für das Jahr 1156: Fo per il papa terminato che li chieresi di Veniexia fosseno sotto lo episcopo di Castello et il populo sotto il doxe, siché più il doxe non si havesse a impazar in cosse ecclesiastiche; e cussì fonno fato do corte, una temporal, l’altra spiritual. 93 Zur Datierung: Rösch Reich, 58 f.; Madden Dandolo, 191–197. 94 Besta/Predelli Statuti, 25 ff. 95 Besta/Predelli Statuti, 208: Si autem de crimine fuerit controuersia solus episcopus iudex erit et complector sententie. In die Statuten von Tiepolo wurde diese Bestimmung nicht aufgenommen, Besta Diritto, XXII, I, 302 f.
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Dogen, dass die Kleriker in Venedig schlechter lebten als unter dem Pharao in Ägypten.96 Der Bischof von Castello habe dem Papst nämlich mitgeteilt, dass der Patriarch von Grado dem Dogen eingeräumt habe, über die ihm unterworfenen Kleriker in Strafsachen zu urteilen.97 Nun nutze der Doge diese Erlaubnis aber aus, um über alle Kleriker zu richten. Reagierten die Kleriker nicht auf die Ladungen, so würden sie verbannt und es war straffrei, sie zu verletzen. Verwandte durften ihnen nicht zur Hilfe kommen. Damit habe der Doge es sich als Laie herausgenommen, Kleriker in gewisser Weise zu exkommunizieren.98 Konsequenz dieser Verkehrtheit sei, dass sich die Übergriffe auf einzelne Kleriker vermehrt hätten. Der Papst forderte den Dogen daher auf, alle Gesetze zurückzunehmen, die der kirchlichen Freiheit widersprachen.99 Nach der Chronik Dandolos endete dieser Konflikt so, dass die Venezianer ihre Gesetze änderten. So sollten fortan nur noch Zivilstreitigkeiten über Immobilien von den weltlichen Gerichten entschieden werden.100 Der genaue Wortlaut dieser Bestimmungen ist jedoch nicht zu finden. Auch in den Statuten von Tiepolo aus dem Jahre 1242, die die Grundlage aller venezianischen Gesetze bleiben sollten, findet sich keine Regelung, die das Kirchengericht betrifft.101 In der Folgezeit drehten sich die gesetzgeberischen Bemühungen vor allem um Kleriker, die unerlaubterweise bewaffnet durch die Stadt zogen. Den patrouillierenden Stadtwächtern, den so genannten Signori di Notte, wurde aufgegeben, dass
96 Dieser Vorwurf war eine Anspielung auf Gen. 47, 22, die wesentliche Bibelstelle, aus der geschlossen wurde, dass das privilegium fori auf göttlichem Recht beruhe, Ferraris Bibliotheca Stw. Clericus § 2 Rn. 78 (Bd. II, 315). 97 Nur wenige Monate zuvor hatte der Papst einem Schiedsspruch zur Abgrenzung der Kompetenzen zwischen dem Patriarchen von Grado und dem Bischof von Castello zugestimmt; s.u., 84. 98 Auvray Registres I, Nr. 1292, Sp. 726: banno supponens eodem, ac novo potentie genere laicus clericos quodammodo excommunicans, statuisti ut, si quis eos in rebus offenderet vel personis, remaneret impunis, et si aliqui eorum consanguinei vel amici eis prestarent auxilium vel favorem, iidem tamquam malefici punirentur. S.a. Hinschius Kirchenrecht V, 419. 99 Auvray Registres I, Nr. 1292, Sp. 727. 100 Dandolo Chronica, 294. 101 Besta/Predelli Statuti, 97. Irrig hingegen Romanin Storia IV, 344. Ihm folgen Friedberg Grenzen, 692 Fn. 2 u. Friedberg/Ruffini Trattato, 101.
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sie die bewaffneten Kleriker zwar nicht bestrafen durften. Wenn möglich, sollten sie aber den Klerikern an Ort und Stelle die Waffen wegnehmen.102 Als die Übergriffe zwischen Klerikern und Laien dennoch weiter zunahmen, wurde im Jahr 1324 eine Kommission gebildet, die sich als Gesandtschaft der weltlichen Regierung wöchentlich mit dem Bischof von Castello treffen sollte, um über streitige Fälle zu entscheiden.103 Doch befriedigte auch diese pragmatische Lösung auf Basis der einzelnen Fälle nicht. Zwanzig Jahre später kam man daher wieder dazu, eine ausführliche normative Regelung zu treffen, die mit dem Bischof von Castello und dem Patriarchen von Grado vereinbart wurde.104 Sie sollte zunächst für ein Jahr gelten, wurde aber später erneut bestätigt105 und auch mit Zustimmung der beiden Repräsentanten der Kirche erweitert.106 Ziehe ein Kleriker seine Waffe gegen einen Laien, wurde damals bestimmt, so sei ihm von der Kirche eine bestimmte Geldstrafe aufzuerlegen. Umgekehrt musste die weltliche Gewalt Laien gleichermaßen bestrafen, die 102 So ein Gesetz, das in einem der Jahre 1268–70 erlassen wurde, BMC Correr 1507, 2’–3: Capta fuit pars quod ordinetur et fiat quod racio fiat clericis de offensionibus eis factis per laycos sicut fiat laycis ita quod per vicarium Episcopatus puniantur clerici cum consilio quinque de pace secundum statuta et constituciones factas per dominum Ducem et Veneciam et layci cum consilio Vicarij et condempnationes factas in clericos debeant per Vicarium excuti et dari procuratoribus illarum ecclesiarum quarum fuerint clerici ad hoc ut ponantur in fabricis ecclesiarum. Et si clerici reperti fuerint de nocte possint temptari et accipi eis arma sicut fit laycis eis afferatur sicut fit laycis. Vgl. die Ausg. von Nani Mocenigo Capitolare, 19. Ähnlich auch der Amtseid der Signori di Notte, Roberti Magistrature III, 21 f.: Verum si clericus inventus arma portare, ego arma ipsa auferam vel aufferri faciam si potero, et si non potero penam non auferam propter hoc, tamen id dabo in noticiam domino duci et suo consilio, ut super id provideat et decernat quod sibi videbitur expedire. 103 ASVen MC Del. reg. 15 (liber Fronesis), 145’ (29.11.1324); Cecchetti Republica I, 144; Romanin Storia IV, 444; Gallicciolli Memorie IV, 204; ebda. V, 292. 104 ASVen AC reg. 23 (liber Philippicus), 117’–119’ (8.8.1344); ASVen SU b. 154, 8.8.1344; Romanin Storia IV, 444. 105 ASVen MC Del reg. 17 (liber Spiritus), 144’ (7.8.1345); ebda., 155 (9.3.1348; unter Einbeziehung der cappellani von S. Marco secundum usum); ebda., 162’ (1.5.1349); ASVen CL b. 135, 134 (1.5.1349); Cecchetti Republica I, 145. Nach Modifikationen im Jahr 1355 wurde aber weiterer Reformbedarf sichtbar. Die Verträge wurden für immer kürzere Intervalle verlängert und zugleich wurden immer wieder Kommissionen zur Überarbeitung der Bestimmungen einberufen, Bacchetti Clero, 47 f. 106 ASVen AC MC Del reg. 24 (liber Saturnus), 92–93 (19.11.1374).
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ihre Waffen gegen Kleriker zogen. Fühlte sich ein Kleriker von einem Laien bedroht, konnte er von der weltlichen Gewalt verlangen, dass sie dem Laien Strafe für den Fall androhte, dass er sich an dem Kleriker verginge. Wiederum galt das Gleiche auch für den umgekehrten Fall. Zahlte ein Kleriker eine Geldstrafe nicht, wurde er verbannt. In diesem Fall konnten ihn auch die weltlichen Behörden fangen und zu dem Kirchenrichter führen, jedoch nur unter Wahrung der Form, soweit dies eben gehe (oneste tantum et curialiter quantum fieri poterit). Überhaupt sollte die geistliche Gewalt die weltlichen Beamten unterrichten, wenn sich Verbannte noch auf dem Gebiet befänden. Wenn ein Laie einen Kleriker wegen einer Straftat anzeigte (per viam accionis, notificationis, denunciacionis), sollte der zuständige Kirchenrichter den Kleriker verhaften oder Bürgen bestellen lassen und den Schuldigen so schnell wie möglich bestrafen. Wenn Kleriker sich an einem verdächtigen Ort aufhielten oder sich unschicklich kleideten (cum habitu inhonesto), konnten sie von weltlichen Beamten auf Waffen untersucht werden. Ferner sollten sie bei unschicklicher Kleidung zu einer Geldstrafe verurteilt werden, die der weltlichen Gewalt zugutekommen sollte. Diese letzte Bestimmung verrät einen Missstand, der zu einem der Hauptpunkte der Auseinandersetzung um die Strafgerichtsbarkeit werden sollte. Vor allem Kleriker mit den niederen Weihen, die ohne Habit umherliefen und sich nach Begehung einer Straftat dem weltlichen Richter entziehen wollten, erregten auch später noch den Ärger der venezianischen Gesetzgeber. Im Jahr 1364 wurde festgelegt, dass Adelige in solch einem Fall ihre Staatsämter verloren. Andere Venezianer sollten sogar den Rechtsschutz der weltlichen Gerichte völlig verlieren. Ausnahmen galten nur bei Verstümmelung oder Tötung. Fremde schließlich sollten in diesem Fall verbannt werden.107 Diese Differenzierung nach Stand und Herkunft der Angeklagten wurde später abgeschafft. Nachdem die venezianische Regierung eine Delegation von drei Verhandlungsführern zu dem Bischof von Castello und dem Patriarchen von Grado entsandt hatte,108 legte man im Jahr 1388 fest, dass alle Kleriker mit Ersttonsur oder niederen Weihen, die sich nicht entsprechend gekleidet hatten, zwar dem 107 ASVen MC Del reg. 19 (Novella), 100’ (14.3.1364); Cecchetti Republica I, 146. 108 ASVen MC Del reg. 21 (Leona), 18’–19 (12.5.1387); Girgensohn Adelige Regierung I, 121.
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Kirchengericht ausgeliefert werden sollten. Anschließend würden sie aber, unabhängig von ihrem Stand, auf ewig aus Venedig verbannt. Es stehe ihnen ja frei, auf ihr Privileg zu verzichten und wie die anderen Bürger behandelt zu werden.109 Doch war auch damit das Problem noch nicht gelöst, wie nicht nur die anschließend erneuten Delegationen an die kirchlichen Würdenträger Venedigs zeigen.110 Dass die Androhung der Bannstrafe, die im Jahr 1468 wiederholt wurde,111 bald ihre Wirkung verlor, wird auch in der Begründung eines Gesetzesvorschlages von 1528 ausgesprochen. Damals sollte diese Bestimmung erneut verschärft werden. Der Antrag fand jedoch im Senat keine Mehrheit.112 Die darüber enttäuschten Strafrichter des Gerichtshofs der Quarantìa erließen daraufhin sechs Jahre später selbst eine solche Bestimmung.113 Auch wenn in Venedig keine Gewaltenteilung herrschte,114 ist eine solche gesetzgeberische Aktivität des Gerichtshofs der Quarantìa doch eher selten.115 An diesem Alleingang nach dem fehlgeschlagenen Reformversuch im Senat, bei dem der eigentlich verhandlungsbereite päpstliche Nuntius nicht einbezogen wurde,116 zeigt sich, dass die unilateral angedrohte Verbannung der Kleriker den Konflikt nicht zu lösen vermochte. Allenfalls besondere Fälle konnten auf diese Weise geregelt werden. Einen Gesetzesvorschlag, wonach Straftäter auch dann bestraft werden sollten, wenn sie nach der Verurteilung die Klerikerweihen empfingen, stellte der Rat der Zehn im Jahr 1455 noch unter den Vorbehalt der Zustimmung des Papstes.117 Aber schon zwei Jahre später erließ er eine Bestimmung ohne Zustimmung der Kurie, nach
109 ASVen MC Del reg. 21 (Leona), 25–25’ (11.10.1388); Girgensohn Adelige Regierung I, 122. 110 ASVen MC Del reg. 21 (Leona), 55 (6.8.1391); ebda., 66 (22.12.1391); Girgensohn Adelige Regierung I, 122. 111 ASVen Sen. Terra reg. 6, 26 (23.6.1468); Gallicciolli Memorie V, 289 f. 112 Sanudo Diarii 47, 525–528 (26.5.1528). 113 ASVen AC Raspe reg. 3667, 207’ (13.6.1534). 114 Ventura Giustizia, 593 f. 115 Nach Zordan Ordinamento, 230, soll es in den Archiven der Quarantìa sehr viele (moltissimi) strafrechtliche Vorschriften geben. Meine Erfahrungen bei der Durchsicht der Raspe der Avogaria di Comun im 15. und 16. Jahrhundert haben dies nicht bestätigt. 116 ASV SS Ven b. 1, 242’ (13.6.1534); Gaeta Nunziature I, 234. 117 ASVen CX Misti reg. 15, 45 (22.4.1455).
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der alle Verbannten, die als Kleriker nach Venedig zurückkehrten, ein Jahr in Haft genommen und sodann wieder verbannt werden sollten.118 Der Senat und der Große Rat verabschiedeten im Jahr 1477 ein ähnliches Gesetz, das allerdings härtere Strafen vorsah.119 Als anschließend ein Verbannter des Rats der Zehn als Kleriker wieder in Venedig auftauchte, debattierte man dort über das Verhältnis der verschiedenen Vorschriften und gelangte zu dem Ergebnis, dass das mildere Gesetz von 1457 anzuwenden sei, da es sich speziell auf die Verbannten des Rats der Zehn beziehe.120 Dieses Ergebnis ist insofern widersprüchlich, als die Verbannung durch den Rat der Zehn gerade bei den schwersten Delikten ausgesprochen wurde. Bei Rückkehr als Kleriker hatten diese besonders gefährlichen Verbrecher nun aber geringere Strafen zu gewärtigen als die übrigen. Der Rat der Zehn bestätigte aber auch später seine Entscheidung, in diesen Fällen das Gesetz von 1457 anzuwenden.121 Eine wirkungsvolle Einschränkung der geistlichen Gerichtsprivilegien jenseits von wirren Bestimmungen für einzelne Fälle konnte daher nur auf dem Weg päpstlicher Konzessionen erreicht werden. Die allgemeinen Einschränkungen für Kleriker, die verheiratet waren und sich wie Laien kleideten, boten hierfür einen Ansatzpunkt. Eingeschlagen wurde dieser Weg der apostolischen Privilegien zu Beginn des 15. Jahrhunderts, als die Umstände eines Einzelfalls das Eingreifen eines Papstes aus Venedig veranlassten. Der Rat der Zehn, das oberste Gericht Venedigs, das sich vor allem mit Staatsschutzdelikten beschäftigte, übernahm im Februar des Jahres 1407 einen besonders aufsehenerregenden Fall, in dem gegen mehr als 30 Personen, Adelige wie Bürgerliche, wegen Homosexualität ermittelt wurde.122 Die Homosexualität wurde wie jede Form des Geschlechtsaktes, die nicht der Fortpflanzung diente, als Sodomie bezeichnet.123 Da die Sodomie als besonders abscheuliches Verbrechen galt, wurden einige der Angeklagten auf dem Scheiterhaufen verbrannt. Drei beschuldigte
118 ASVen CX Misti reg. 15, 130 (18.6.1457). 119 ASVen Sen. Terra reg. 7, 153’ (22.2.1476 m.v.); ASVen CL b. 135, 138–140’ (Kopie); Cecchetti Republica I, 147. 120 ASVen CX Misti reg. 23, 66’ (26.7.1486). 121 ASVen CX Misti reg. 27, 139 (31.5.1497). 122 ASVen CX Misti reg. 8, 135’ (16.2.1406 m.v.). Ausschnitte aus dem Fall sind publiziert in Leggi e memorie venete, 188–190. 123 Labalme Sodomy, 220 f.
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Adlige machten jedoch geltend, Kleriker zu sein, und beriefen sich auf das privilegium fori. Der Rat der Zehn verfasste darauf ein Schreiben an den aus Venedig stammenden Papst Gregor XII. Darin führten die Ratsherren aus, dass es einigen Unwillen (murmuratio) in der Bevölkerung darüber gebe, dass die Bürgerlichen bestraft würden, die Adligen aber davonkämen. Außerdem hätten sich die drei Beschuldigten stets wie Laien gekleidet und als solche Handel getrieben. Bei dem Schreiben findet sich auch eine Notiz, dass man zwar den Prozess nach Rom schicke, dabei aber die Beschlüsse der erstinstanzlichen Richter, die den Klerikerstatus der drei Angeklagten festgestellt hatten, dem Papst vorenthalten solle.124 Der Papst stellte zur Antwort eine Bulle aus, die in verschiedenen Fällen das privilegium fori für Kleriker mit den niederen Weihen in Venedig aufhob. Nicht auf das Privileg berufen konnten sich demnach Kleriker unter dem Grad des Subdiakonats, die nicht den Monat vor Begehung der Straftat hindurch Habit und Tonsur getragen hätten. Das gelte auch, wenn sie nur ohne Habit und Tonsur festgenommen wurden. Das Gleiche gelte für den, der erst nach dem Delikt die Ersttonsur angenommen und dann nicht durchgängig Habit und Tonsur getragen habe oder wenn bei der Ersttonsur das Verbrechen schon notorisch war.125 Papst Gregor legte aber zugleich fest, dass seine Bulle keine Rückwirkung entfalten könne.126 Die drei Kleriker unter Sodomieverdacht mussten daher vor einen Kirchenrichter. Eigentlich wäre der Bischof von Castello hierfür zuständig gewesen, doch war dieser laut einem Schreiben des Rats der Zehn von den Adligen ganz eingeschüchtert (timidissimus).127 Daher übertrug der Papst den Fall auf Bitten des Rats der Zehn dem Bischof von Pola (Pula), Vito Memo.128 Dieser stellte fest, dass der adelige Hauptbeschuldigte kein Kleriker sei. Der Rat der Zehn verurteilte ihn sodann zum Scheiterhaufen.129 Das Schicksal der anderen beiden Mitbeschuldigten ist nicht so gewiss.130
124 ASVen CX Misti reg. 8, 140 (13.4.1407). 125 ASVen Bolle b. 8, n. 240 (Kopie); Gallicciolli Memorie V, 294 ff. Die Bulle stammt vom 18.5.1407. 126 Predelli Libri Comm. III, X, 321 n. 44. 127 ASVen CX Misti reg. 8, 143 (16.6.1407). 128 Predelli Libri Comm. III, X, 324 n. 52; s.a. ASVen CX Misti reg. 8, 143’ (3.8.1407). 129 ASVen CX Misti reg. 8, 146 (31.8.1407). 130 Ruggiero Boundaries, 132; Labalme Sodomy, 223.
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Dieser Fall ist nicht nur deshalb wichtig, weil er dem Rat der Zehn den Anlass gab, sich die Kompetenz über Sodomiefälle anzumaßen, die er nach kurzer Zeit nicht mehr abgab.131 Er eröffnete auch die Reihe der Sonderbestimmungen über das privilegium fori in Venedig von Seiten der Päpste. Für diese Entscheidung gibt es viele Gründe. So lässt sich nicht mehr entscheiden, welches das Hauptmotiv war. Es mag ebenso daran gelegen haben, dass Gregor XII. die örtlichen Verhältnisse kannte,132 oder daran, dass er die „herzlichste und innerste Zuneigung und Hingabe für das Vaterland“ hegte,133 oder daran, dass er in Zeiten des Schismas die Unterstützung der Republik besonders nötig hatte. Die Befugnisse der weltlichen Behörden wurden bald von Martin V.134 und schließlich unter dem nächsten Papst aus Venedig erweitert. Eugen IV., ein Nepot Gregors, hatte erfahren, dass „angestiftet durch die Boshaftigkeit des alten Feindes [d. h. des Teufels] durch mehrere Regular- wie Säkularkleriker Mord, Ehebruch und viele andere profane und enorme Verbrechen verübt worden sind und noch verübt werden“.135 Die weltlichen Beamten würden sich aber wegen der angedrohten Exkommunikation fürchten, Kleriker festzunehmen. Der Papst gestattete ihnen daher, dies auch ohne jeweilige vorige Erlaubnis zu tun, wenn sie die Kleriker bei einer Übeltat ohne Klerikergewand oder mit Waffen oder anderen Verbrechens-
131 Labalme Sodomy, 224; Pavan Police des mœurs, 267. 132 Er selbst schreibt: Debite nostrae mentis oculos convertimus ad ea quæ salubriter disponenda cognoscimus, præsertim erga insignem locum Venet. Castellanæ diœcesis nostræ originis, in quo etiam pontificali dignitate resedimus. Ubi per experientiam cognovimus, quod plures se non gerentes pro Clericis, non deferendo Clericales habitus et tonsuram, quorum aliqui sæpenumero deprehensi, pro suis criminibus varie declinant foro sæculare, Gallicciolli Memorie V, 294 f. [Alternativlesarten unterdrückt]. 133 So schreibt es der Doge in einem Brief an ihn: cordialissimam et intrinsecam affectionem et caritatem quam geritis patrie unde primam traxistis originem, ASVen CX Misti reg. 8, 142’ (16.6.1407). 134 ASVen CX Misti reg. 16, 208 (23.7.1465) u. ebda. 214 (4.9.1465) sprechen von Genehmigungen, die Martin erteilt hätte. 135 ASVen Bolle b. 6, 8.4.1433: ad nostram notitiam est deductum quod in Civitate Venetiarum et in Castellane diœcesi a certis temporibus citra instigante antiqui hostis malitia per diversos clericos regulares et seculares homicidia, adulteria, et multa alia profana et enormia crimina sunt commissa et diebus singulis committuntur contra honestatem et decentiam clericalem.
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werkzeugen ertappten.136 Wenn es nicht anders gehe, durften sie die Kleriker auch kurzzeitig einsperren, um sie am nächsten Tag ihrem Richter vorzuführen.137 Doch damit war es Venedig nicht genug. Durch die Erneuerung des Gesetzes von 1388, nach dem Kleriker, die sich auf das Privileg beriefen, verbannt werden sollten, erhöhte die venezianische Regierung im Jahr 1468 den Druck auf Rom.138 Dort saß wieder ein Venezianer auf dem Papststuhl. Paul II., seinerseits mit Eugen verwandt, ließ die Serie der Sonderbestimmungen für die Vaterstadt nicht abreißen und bestätigte die Bulle Gregors XII. Er weitete ihre Anwendung auf alle Städte und Orte der Republik Venedig aus und stellte dazu ausdrücklich klar, dass ein weltlicher Richter, der gemäß diesen Bestimmungen einen Kleriker richte, sich nichts zu Schulden kommen lasse. Diese Bestimmung, in den Gerichtsakten häufig nur als „Paulina“ bezeichnet, sollte jedes Jahr erneut auf Betreiben der weltlichen Gewalt von dem Patriarchen und den jeweiligen Bischöfen bekannt gemacht werden.139 Bis zu diesem Zeitpunkt war also festgelegt worden, dass Kleriker gefangen und ihrem Richter vorgeführt und Kleriker mit den niederen Weihen unter bestimmten Umständen auch allein von der weltlichen Gewalt gerichtet werden konnten. Priestern durfte die weltliche Gewalt bis dahin aber noch nicht den Prozess machen. Ferner war es schwierig, Kirchenleute foltern zu lassen. Zwar bestand eine Übung des Rates der Zehn, dies in Anwesenheit des Vikars des Patriarchen zu tun.140 Der Rat der Zehn machte auch schon im Jahr 1465 gegenüber Paul III. geltend, über eine entsprechende Befugnis vom apostolischen Stuhl zu verfügen. Der Rat der Zehn begründete sein Interesse, bei den Verhören der Geistlichen zugegen zu sein, vor allem damit, dass man nur so von weltlichen Komplizen erfahren könne. Würde der Kirchenrichter allein die Geistlichen verhören, könnten Laien mit Klerikern
136 Ebda.: tam in crimine vel malo opere deprehensos quam etiam extra clericalem habitum, aut cum armis vel alijs ordinatis ad malum instrumentis. 137 Ebda. 138 ASVen Sen. Terra reg. 6, 26 (23.6.1468), s.o., 45. 139 ASVen Bolle b. 8, n. 240 (26.7.1468); Gallicciolli Memorie V, 294 ff; Cappelletti Storia I, 429 ff. 140 Die Praxis des gemeinsamen Vorgehens von weltlichen und geistlichen Richtern aus den Kommissionen des 14. Jahrhunderts wurde so fortgesetzt. Ein Vorgehen in Anwesenheit des Vikars des Patriarchen wurde dem Papst auch im Jahr 1409 vorgeschlagen, ASVen CX Misti reg. 9, 28–28’ (23.1.1408 m.v.).
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Sodomie treiben, ohne sich vor der Entdeckung zu fürchten.141 Dennoch weigerte sich der Vikar des Patriarchen bisweilen, bei dem Verhör und der Folter mitzuwirken.142 Ein Breve Sixtus’ IV. bestätigte in dem Jahr 1474 die Gewohnheit des Rats der Zehn erneut. Überliefert ist eine knappe Anweisung an den Patriarchen von Venedig. Der Papst habe gehört, dass in Venedig Kleriker sich häufig der Münzfälschung und des Hochverrats schuldig machten (aut monetas adulterasse aut crimen læsæ majestatis admisisse). Wenn ein Kleriker nun wegen eines solchen Verbrechens festgenommen werde (pro delictis hujusmodi), solle der Patriarch seinen Vikar zu den weltlichen Beamten schicken und ihnen die Erlaubnis erteilen, die Komplizen herauszufinden (eisdem licentiam auctoritate nostra concedas, complices facinorum sine alicujus irregularitatis incursu relevandi).143 Wenn es auch nicht expressis verbis ausgesprochen wird, beinhaltet dieses Schreiben eine weit reichende Erlaubnis für weltliche Beamte, Kleriker ohne Rücksicht auf ihren Weihegrad foltern zu lassen. Der Patriarch musste diese Genehmigung jedes Mal von neuem erteilen und seinen Vikar entsenden. Ohne seine Zustimmung war ein Verfahren nicht möglich. Zumindest theoretisch konnte der Patriarch damit zuerst prüfen, ob es sich tatsächlich um ein derart schweres Verbrechen handelte. Dabei ist aber zu beachten, dass der Begriff des Hochverrats (crimen læsæ majestatis) sehr weit war und beinahe jede Auflehnung gegen die öffentliche Ordnung umfasste.144 In Venedig deckte sich dieser Begriff wohl etwa mit dem Zuständigkeitsbereich des mächtigsten Staatsorganes, des Rates der Zehn. Dennoch waren auch diese Bestimmungen noch nicht weit genug. Dies führte zu einem Konflikt zwischen dem Vikar des Patriarchen und den weltlichen Strafrichtern. Der Vikar weigerte sich, zu anderen Verbrechen als zu Münzfälschung, Hochverrat und Sodomie145 zu erscheinen. Er begründete das damit, dass er außer 141 Ebda., 208 (23.7.1465): nam ex hoc sequeretur quod omnes religiosi et clerici cum laicis agere et pati libere et impune possent et laici cum predictis illud iddem ex quo tremendum Juditium ire dei contra nos et universum populum nostrum cito provocaremus. 142 ASVen CX Misti reg. 16, 205 (28.6.1465); ebda., 207’–208’ (18.7.1465 u. 23.7.1465); ebda., 214 (4.9.1465). Das erste Ansinnen zu der Praxis des Verhörs in Anwesenheit des Vikars reicht bis zu dem berühmten Sodomiefall vom Beginn des 15. Jahrhunderts zurück, s. ASVen CX Misti, reg. 9, 27–27’ (23.1.1408 m.v.). 143 Gallicciolli Memorie V, 299; Cappelletti Storia I, 434. 144 Burret Laienspiegel, 242 u. 246, Prodi Storia, 174; Sbriccoli Crimen, bes. 258 ff. 145 Die Sodomie ist nicht wörtlich benannt, ist aber gemeint mit der Formulierung „eius
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in diesen drei Fällen keine Befugnis zu einem solchen Vorgehen habe. Die weltlichen Richter konnten so in anderen Fällen nicht weiter gegen die Beschuldigten vorgehen. Und das, obwohl kaum ein Raub oder ein anderes schweres Verbrechen in Venedig verübt werde, ohne dass ein Kleriker daran schuld sei, wie es der venezianische Botschafter in Rom dem Papst im Jahr 1487 darstellte.146 Mit der Begründung, er erteile seine Privilegien, „um gut zu leben, nicht aber, um Verbrechen zu begehen“, schuf Papst Innozenz VIII. Abhilfe. Die Befugnisse des Vikars wurden in einem Breve dahingehend erweitert, dass er auch bei anderen schweren Delikten wie Diebstahl oder Raub anwesend sein dürfe und müsse (presens esse possis et debeas, In casibus furti, et latrocinij et in alijs atrocibus, et gravibus facinoribus).147 Doch auch damit war der Vikar noch nicht in allen Fällen zur Kooperation bereit. Ein neuer Streit entbrannte, als es um die Bestrafung von Brüdern der Mendikantenorden ging. Zwar hatte schon Sixtus IV. seinem Breve eine kurze Erklärung nachgesandt, dass seine Festlegungen sich auf alle Fälle bezögen, in denen ein Kleriker oder sonstiger Kirchenangehöriger (clericus oder ecclesiastica persona) sich eines entsprechenden Verbrechens schuldig mache.148 Alexander VI. hatte dem Patriarchen außerdem für den Fall des Hochverrats auch die Erlaubnis eingeräumt, dass er selbst das Urteil fällen dürfe, wenn ihm nach Abschluss der in Anwesenheit des Vikars durchgeführten Untersuchung von den weltlichen Behörden Beschuldigte zugeführt wurden, die nicht unter seine Gerichtsbarkeit fielen.149 Dennoch weigerte sich der Vikar des Patriarchen, zu den Vernehmungen der
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[excessibus], cuius causa venit ira dei in filios diffidentie“, ASVen Bolle b. 9, 31.10.1487, vgl. Eph. 5, 6. ASVen Bolle b. 9, 31.10.1487: nullum fere latrocinium aut gravius delictum in Civitate ista venetiarum perpetrari cuius non sit auctor aliquis clericus; Gallicciolli Memorie V, 301. ASVen Bolle b. 9, 31.10.1487; Gallicciolli Memorie V, 301; Cappelletti Storia I, 435 f. Galliciolli Memorie V, 300: ut in omnibus qui in dominio dilecti filii N. V. Ducis Venetiar. ob crimina in literis antedictis expressa deprehensi fuerint, id [sc. mittere vicarium] facere tenearis ac debeas. Cappelletti Storia I, 456; Ughelli Italia Sacra V, 1307. Der Fall, der den Anlass zur Erteilung gab, findet sich in ASVen CX Misti reg. 29, 106’–113 u. 121’, bes. 112’ (12.1.1496 m.v.), s. a. ASP Div. b. 8, 245–245’ (20.3.1497; Abschrift in BNM Lat. IX cod. 74 (3289), 96’–97). Auch in ASP sent. b. 4, 55–55’ (9.9.1501) beruft sich der Patriarch auf dieses Breve.
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Bettelmönche zu erscheinen, wodurch er das Verfahren lähmte. Im Juli des Jahres 1502 sah sich der Rat der Zehn daher gezwungen, ein weiteres Breve zur Klarstellung zu erbitten. In der Anweisung an den Orator wird auf die Dringlichkeit hingewiesen: Es sei dem Rat der Zehn eine Herzensangelegenheit (quoniam res huiusmodi est nobis magnopere cordi).150 Ferner erneuerte der Rat der Zehn am 27. März 1503 bei der Untersuchung eines Sodomiefalls in dem Dominikanerkloster von Zanipolo (SS. Giovanni e Paolo) die Bitte an den venezianischen Orator in Rom, für ein entsprechendes Breve unter Vermittlung eines Kardinals zu sorgen. Der Orator sollte dabei nach seiner Anweisung nicht vergessen, den Fall gehörig zu übertreiben (exaggerando secundo el merito suo la deshonesta del caxo).151 Diese erneute Anweisung nimmt wunder, da Papst Alexander VI. schon am 29. Juli 1502 geantwortet hatte.152 Womöglich ist die Notiz von 1503 also falsch datiert. Jedenfalls „gestattete“ Alexander es dem Vikar unmissverständlich, dem Verhör von Welt- wie von Regularklerus und auch von Mendikanten in allen Fällen beizuwohnen.153 Die Frage der kirchlichen Gerichtsbarkeit blieb auch in der Folgezeit stark mit der Außenpolitik verknüpft und war daher bisweilen auch durch die sprunghafte und treulose Bündnispolitik bestimmt, wenn sich das Kriegsglück der Venezianer wandelte. Am Rand des Abgrunds, im Jahr 1510, versuchte der für die Außenpolitik zuständige Senat Venedigs, den Papst mit allen Mitteln auf seine Seite zu ziehen. Er erteilte daher dem Botschafter in Rom die Vollmacht, dem Papst zu versichern, dass in Venedig ohne die Erlaubnis des apostolischen Stuhls oder eines anderen Kirchenrichters keine Kleriker mehr festgenommen würden.154 Am selben Tag erklärte jedoch das oberste Regierungsorgan, der Rat der Zehn, alle aus den 150 ASVen CX Misti reg. 29, 146–146’ (18.7.1502). 151 ASVen CX Crim reg. 1, 40’–41. 152 BCJ Manin 380 (ex Svajer 764), 199. So auch Gallicciolli Memorie V, 302, auch wenn er auf S. 303 im Monat irrt. Der andere von Gallicciolli angeführte Beleg Svajer 47 (heute BCJ Manin 41), 88, ist ein Fehlzitat. Das Datum 1502 findet sich auch bei der Anm. d. Hg. in Sarpi In diffesa, 290 Fn. 66, mit Hinweis auf weitere Archivquellen. 153 Gallicciolli Memorie V, 303: tibi committimus et mandamus, quatenus examini cujuscumque Clerici, tam Secularis, quam cujuscumque Ordinis Regularis, etiam Mendicantium, interesse, ac alias & alia facere possis & valeas. 154 Sen. Secr. 42, 142 (Senat an Orator in Rom): nec pariter clericos aut ecclesiasticas personas predicta absque expressa licentia sedis apostolice vel alterius ecclesiastici Judicis ad quem spectat carcerari, detineri aut quavis molestia in eorum bonis, personis aut beneficis affici facient aut permittent; Romanin Storia V, 173.
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Verhandlungen des Orators folgenden Verpflichtungen für nichtig, da man zu diesen Zugeständnissen nur durch die politische Zwangslage gebracht worden sei.155 Dem Kontext nach ging es bei den hier angesprochenen Festnahmen jedoch weniger um Strafrecht als um die Zwangsvollstreckung bei Pfründenstreitigkeiten. Doch ließ Venedig auch auf dem Feld des eigentlichen Strafrechts nicht locker. Selbst das schon stark eingeschränkte Gerichtsstandsprivileg war den Strafrichtern Venedigs immer noch ein Dorn im Auge.156 Besonders die Aussicht, dass die Kirche keine Todesstrafe verhängte, soll die Verbrecher nach den Aussagen der venezianischen Botschafter immer dreister gemacht haben. Im Jahr 1530 erteilte Clemens VII. daher eine sehr weitgehende Bulle: Alle verheirateten Kleriker und alle anderen Kleriker ohne höhere Weihen, die kein Benefiz innehatten oder die das Alter erreicht hätten, um die höheren Weihen zu empfangen, diese aber noch nicht empfangen hätten, sollten in Strafsachen von den weltlichen Richtern wie Laien verurteilt werden können. Dass Clemens hier das Benefiz als Unterscheidungsmerkmal heranzog, hatte seine Berechtigung. Auf diese Weise konnten die Kleriker, die von der Kirche alimentiert wurden, von denen unterschieden werden, die selbst für ihren Lebensunterhalt aufkommen und sich daher weltlichen Geschäften widmen mussten. Auch die Bestimmung Clemens’ VII. sollte jedes Jahr an allen Orten der Republik wiederholt bekannt gemacht werden, wobei die weltlichen Richter die Bischöfe daran erinnern sollten. Wenn sich die Bischöfe der Verkündung widersetzten, sollten ihre Einkünfte eingezogen werden.157 Den Lateinkenntnissen der Kleriker traute Clemens dabei so wenig, dass er eigens anordnete, die Bestimmung sei auch in volgare bekannt zu machen.158 Die Verkündung der Bulle erfolgte am
155 ASVen CX Misti reg. 32, 239–240; Romanin Storia V, 173 Fn. 105; Battistella Politica, 403; Seneca Venezia, 146 f. Die Frage der Gültigkeit dieser Vereinbarungen blieb noch lange Zeit offen, Stella Chiesa e Stato, 5. Erst im 18. Jahrhundert ließ die päpstliche Diplomatie diesen Punkt fallen, Bettanini Benedetto XIV, 85. 156 Sanudo Diarii 29, 206 (25.9.1520). “è mala cosa e danno soportar”; ebda., 256 (1.10.1520): non esser cosse da suportar. 157 S.a. Gallicciolli Memorie V, 307. 158 ASVen Bolle b. 11, 11.2.1530 (n. 340); Sanudo Diarii 53, 120 f.; Gallicciolli Memorie V, 303 ff. Die Datumsangabe dort S. 303 ist falsch, da nach Florentiner Inkarnationsstil zu rechnen ist, Grotefend Taschenbuch, 11 f.
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Gründonnerstag,159 womit deutlich gemacht wurde, dass es sich um eine Ausnahme zu der ansonsten jährlich zu verlesenden Bulle In coena Domini handelte, in der weltlichen Richtern mit der Exkommunikation gedroht wurde, wenn sie über Kleriker richteten.160 Während die weltlichen Richter in diesen Fällen also über die Kleriker mit Ersttonsur oder niederen Weihen entscheiden durften, war das in den Fällen von Priestern, die besonders schwere Verbrechen begangen hatten, noch nicht angeordnet. Hier galt immer noch die Praxis, dass der Vikar bei der Vernehmung anwesend sein musste und der Kleriker nach Abschluss der Vernehmung dem Patriarchen ausgeliefert wurde. Dies hatte im Jahr 1542 wieder einen Streit ausgelöst, in dessen Verlauf der Vikar des Patriarchen erneut das Verfahren blockierte, indem er den Prozessen fernblieb. Dabei würden in Venedig bestimmte Beamte, die so genannten Avogadori di Comun, schon seit unvordenklicher Zeit unter Mitwirkung des Vikars jede Art von Kleriker richten, wie es die venezianischen Botschafter in Rom mit größerer Geschicklichkeit als Aufrichtigkeit darstellten.161 Papst Paul III. ordnete nun an, dass der Vikar jedes Mal anwesend sein müsse, wenn die Avogadori ihn wegen einer Straftat in Venedig162 rufen würden (quoties et quando a dictis secularibus judicibus vocati fuerint). Diese weltlichen Beamten sollten immer ermitteln dürfen, wenn ihnen die Kirche nicht zuvorkäme. Paul III. hielt ausdrücklich fest, dass sie dann auch das Urteil fällen konnten. Nur bei Blutstrafe müsse zuvor noch die Degradation erfolgen.163 Die Verbreitung der Kenntnis dieser Vorschrift ließ sich die Republik angelegen sein. Sie wurde sehr zur Empörung eines römischen Kardinals gedruckt und auf dem Rialto verkauft.164 Von dem privilegium fori blieb also am Ende der hier behandelten Zeit fast nichts mehr übrig. Für die Kleriker mit niederen Weihen galt es nur noch, wenn 159 ASP AMP b. 66, 128–128’. 160 S. zu diesem Zusammenhang auch Gaeta Nunziature II, 181 f. (9.8.1538). 161 ASVen Bolle b. 11, 28.10.1542 (n. 346): ab immemorabile tempore citra; Gallicciolli Memorie V, 307 ff. 162 Bei einem in Padua geschehenen Tötungsdelikt wurde die Anwendbarkeit der Bulle von dem päpstlichen Nuntius Della Casa abgelehnt, s. Della Casa Scritti inediti, 31 f. (Brief v. 21.7.1545). 163 ASVen Bolle b. 11, 28.10.1542 (n. 346); Gallicciolli Memorie V, 307 ff. 164 ASVen CX Capi Lettere Ambasciatori b. 23, 105 (27.9.1544). Später wurde das Privileg entgegen seinem Wortlaut auch auf geringere Delikte und auch außerhalb der Stadt Venedig angewendet, Stella Stato e Chiesa, 49 u. 135 f.
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sie ein Benefiz innehatten und rechtzeitig nach den höheren Weihegraden strebten. Für alle, auf die das Privileg noch anwendbar war, hatte es sich bei schwereren Delikten in ein Recht umgewandelt, dass der Vikar zu dem Verfahren zugezogen wurde. Man kommt damit kaum umhin, dem römischen Prälaten zuzustimmen, der dem venezianischen Botschafter über den Umgang mit dem privilegium fori im Jahr 1544 sagte: „Wenn man Euch einen Finger reicht, nehmt Ihr die ganze Hand!“165
3.4 Das Privileg in der Praxis In virtute Sancte Obedientie – „im Namen des heiligen Gehorsams“ forderte der Patriarch bisweilen die weltlichen Gerichte Venedigs auf, ihm bestimmte Beschuldigte auszuliefern.166 Im folgenden Abschnitt soll erörtert werden, inwieweit die weltlichen Beamten dieser heiligen Pflicht auch nachkamen. Hierzu habe ich vor allem die Akten von zwei weltlichen Institutionen untersucht. Die ältere der beiden Institutionen ist die Avogaria di Comun. Die Avogadori waren die „Hüter des Rechts“167 und genossen ein hohes Ansehen.168 Sie hatten die Aufgabe, die Rechtmäßigkeit von Entscheidungen aller venezianischen Organe zu überprüfen.169 Für verurteilte Kleriker aus dem Gebiet der venezianischen Republik gab es so häufig die Möglichkeit eines Verfahrens durch die Avogadori vor dem entsprechenden Organ (in der Regel der Quarantìa Criminal), um die Verurteilung durch einen weltlichen Beamten kassieren zu lassen.170 Daneben nahmen die Avogadori auch die Rolle von Anklägern in Prozessen vor der Quarantìa Criminal wahr. Dort waren sie für schwere Delikte wie Fälschungen und Tötungsdelikte (homicidium) verantwortlich. In dieser Rolle kamen die Avogadori zwar häufiger in den Konflikt mit den Patriarchen von Venedig, wenn Streit über die Zuständigkeit der Gerichte 165 Ebda. 166 Z. B. ASP AMP b. 66, 3’ (16.12.1529) in einem Fall, der sich auf das Kirchenasyl bezieht. 167 Sanudo De origine, 97: observatori della leze; Cozzi Venezia e stati italiani, 96 f. 168 Morosini De rebus, 256: nil civitate sanctius. 169 Cozzi Note, 547; Viggiano Interpretazione, 122. 170 Povolo Aspetti, 210; Manzatto Magistratura, 112.
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entstand. Doch führten die Avogadori die Prozesse nach dem ordentlichen Gerichtsverfahren, also mit weiten Verfahrensgarantien für den Beschuldigten.171 Dies ist das wesentliche Unterscheidungsmerkmal zu der zweiten hier untersuchten Institution, dem Rat der Zehn. Der Rat der Zehn war ein geheimes Polizeiorgan, das mit dem rito, einem straffen Inquisitionsverfahren, vorging. Dieses Verfahren ließ wenig Raum für die Verteidigung des Angeklagten.172 Im Laufe der Geschichte hat der Rat der Zehn als eigentliche Regierung Venedigs immer mehr Kompetenzen an sich gezogen. Ihm oblag die Rechtsprechung vor allem in Bereichen der schwersten Kriminalität, wozu der Hochverrat, die Münzfälschung, die Gotteslästerung, die Homosexualität und ähnliche Delikte zählten. Da der Rat der Zehn in besonderem Maße auch die öffentliche Moral überwachte, überschnitten sich seine Kompetenzen in weiten Feldern mit den Ansprüchen der Kirche. Die überlieferten Dokumente aus dem Archiv der Curia des Patriarchen zeigen, dass ein Großteil der Schreiben des Kirchengerichts, die die Auslieferung von Gefangenen betraf, sich an die Avogadori di Comun wandte. Nicht selten schrieb der Patriarch auch an die so genannten Signori di Notte (die Herren der Nacht),173 eine Polizeiinstitution, die ihre Angeklagten meist wegen Diebstahl oder schwerer Körperverletzung vor die Giudici del Proprio brachte.174 Ihre Akten sind für den untersuchten Zeitraum allerdings weitgehend verloren. Das Gleiche gilt für die Akten der Capi del Sestiere, eines niedrigeren Ordnungsorgans, über deren Festnahmen sich das Gericht des Patriarchen bisweilen beschwerte. Auch die Akten der Cinque Anziani alla Pace, die sich mit Beleidigungen und Schlägereien (rixae) beschäftigten, sind für die hier behandelte Zeit nicht brauchbar. Was geschah nun, wenn der Patriarch davon erfuhr, dass eine der genannten Institutionen einen Kleriker festgenommen hatte? Anders als die Bischöfe in England mit ihren ordinarii175 hatte der Patriarch keinen ständigen Beobachter vor den weltlichen Gerichten, der für Gefangene zuständig war, die sich auf das Klerikerprivileg beriefen. Daher kam die Nachricht von einer solchen Festnahme in der Regel durch die Verwandten des Beschuldigten an das Kirchengericht. Diese 171 172 173 174 175
Cozzi Venezia e Stati italiani, 104 f. Maranini Costituzione II, 460 ff. Pavan Nuit vénitienne, 343. Piasentini Alla luce, 21 ff. Bellamy Criminal Law, 119; Gabel Benefit, 51.
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stellten den Antrag, dass der Patriarch sich zum zuständigen Richter, zum iudex competens, erklären sollte. Tat er dies, so erging zugleich meist ein Schreiben an die weltlichen Richter. Dieses wurde als Inhibition bezeichnet. Mit ihr forderte der Patriarch die weltlichen Richter auf, nicht weiter gegen den Kleriker vorzugehen. Die Inhibition wurde häufig genutzt, wenn der Kirchenrichter zunächst noch über den Klerikerstatus und seine Zuständigkeit in der Hauptsache entscheiden wollte. In anderen Fällen, manchmal auch gleichzeitig mit der Inhibition, verlangte das Gericht des Patriarchen die Auslieferung des Gefangenen und häufig auch die Übersendung der Akten. Wenn die weltlichen Behörden sich zunächst weigerten, einem Auslieferungsgesuch nachzukommen, mussten der Vikar und der Patriarch den Ton verschärfen. Es wundere ihn sehr, schreibt der Patriarch in einem Fall, dass die Quarantìa Criminal sich dem Auslieferungsgesuch noch nicht gefügt hätte, da sie doch stets bereit gewesen sei, sich den päpstlichen Anordnungen zu fügen.176 Er zweifle nicht, fährt er in einem anderen Fall fort, dass die Quarantìa Criminal seiner Aufforderung nachkommen werde, da sie ja nicht die kirchlichen Zensuren erleiden möchten, die von den heiligen canones für diejenigen vorgesehen seien, die ihre Sichel an die fremde Ernte legten.177 Den Signori di Notte erklärt er die Rechtslage ausführlicher, als diese einen Mönch erst nach Zahlung einer Geldstrafe frei lassen wollen: „Dies geht nicht ohne schwerste Schmähungen gegen den Allmächtigen, ohne Beschädigung unseres bischöflichen Amtes und ohne Schaden für Eure Seelen. Denn erstens glauben wir nicht, dass Euch der Text des Kapitels „si quis suadente diabolo XVII q. IIII“ [C.17 q.4 c.29] mit Konkordanzen unbekannt ist, in denen festgelegt wird, dass wer auch immer seine gewalttätigen Hände an Kleriker lege, exkommuniziert sei. Zweitens nämlich glauben wir nicht, dass es Euren besagten Amtsträgern verborgen ist, dass ein Kleriker nicht von einem Laien für jedwedes Verbrechen, egal wie schwer und mit welchen Umständen gerichtet werden kann, wie es in „c. clerici de Judicijs“ [X 2.1.4] und ähnlichen Stellen steht.“178 Außerdem seien Laienrichter, 176 ASP CDA b. 27, 2.3.1526, an die Quarantìa Criminal: de qua re non modicum cepimus amirationem, cognoscentes istud Exm Con. fuisse semper promptum requisitionibus apostolicis obedire. 177 ASP CDA b. 23, 8.4.1523: non dubitamus dominationem vestram illustrissimam esse facturam minimeque velle incurrere censuras ecclesiasticas a sacris canonibus inflictas adversus falcem in missam alienam mittentes. 178 ASP AMP b. 57, 7.7.1509: Que quidem fieri non potuerunt nisi cum maxima omnipo-
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die einen Kleriker verurteilten, exkommuniziert, wie es in „c. si judex laicus“ (VI 5.11.12) und in „c. perpendimus“ (X 5.39.23) und unendlich vielen ähnlichen Stellen stehe.179 Ob die Empfänger der Briefe des Patriarchen diese kanonistische Nachhilfe nötig hatten und ob sie von dieser Rechtsgelehrsamkeit beeindruckt waren, kann man in den meisten Fällen nicht sagen. Häufig jedoch erwiesen sie dem Boten des Patriarchen (in Venedig nuntius genannt), der die Nachricht überbrachte, wenig Ehre. In manchen Fällen drohten sie sogar damit, den Boten zu verprügeln180 oder festzunehmen.181 Die Reaktion des Patriarchen konnte eigentlich nur darin bestehen, die Drohung der Exkommunikation gegen die weltlichen Beamten zu wiederholen. Das kanonische Recht ordnete jedoch bei dem Verstoß gegen das privilegium canonis, also bei der Festnahme eines Klerikers, die Exkommunikation ohne weiteres Urteil an (excommunicatio latae sententiae).182 Um hier noch ein Ultimatum zu stellen, konnte der Patriarch also streng genommen nicht mehr mit der schon eingetretenen Exkommunikation, sondern nur noch mit deren Veröffentlichung (publicatio) in der Stadt drohen.183 Doch wurden auch diese Drohungen im 16. Jahrhundert nicht mehr in jedem Fall ernst genommen. Und wenn sie hundertmal exkommuniziert würden, würden sie nicht gehorchen, antworteten die Signori di Notte dem Gerichtsboten in einem
tentis dei iniuria et pontificalis officij nostri detractione necnon animarum vestrarum detrimento. Primo namque magistracias vestras ignorare non credimus textum capituli si quis suadente diabolo XVII q. IIII cum concordantijs quibus cavetur quod quilibet violentas manus in clericum ponens excommunicatus est. Secundo namque credimus praefatas magistracias vestras non latere quod clericus non potest a laico pro quocumque crimine quantumcumque gravi et qualificato judicari ut est textum in c. clerici de Judicijs cum similibus. 179 Ebda.: cum infinitis similibus. 180 ASP AMP b. 61, 214’–215 (11.11.1517): esser bastonado; ebda., 217’ (24.11. u. 28.11.1517). 181 ASP AMP b. 66, 119’–120’ (6.7. u. 13.7.1531). 182 S.o., 29 Fn. 34. 183 Vgl. ASP CSI RLC b. 1, 26.6.1517 (für Alexander de Landis). In diesem Fall ging es um die Verletzung der kirchlichen Immunität.
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Fall.184 Denn, so ging das Sprichwort, das in einem anderen Fall bemüht wurde, „auch die Exkommunizierten essen Brot“.185 In diesen Fällen war der Ball wieder bei den Patriarchen. Meist konnten sie eine Eskalation verhindern. Nur sehr selten schritten sie daher tatsächlich zur Exkommunikation und deren Veröffentlichung wie gegen den Avogador di Comun Francesco Bollani186 oder den Signor di Notte Vallaresso, dessen Exkommunikation einen Schlagabtausch zwischen dem Patriarchen Querini und dem Politiker Luca Tron im Collegio, einem der verschieden zusammengesetzten Regierungsräte Venedigs, zur Folge hatte.187 Ein solcher Eklat konnte den Patriarchen nicht immer Recht sein. Sie setzten damit nicht nur ihr Ansehen auf das Spiel, sondern konnten es sich auch mit der weltlichen Macht verderben, auf deren Hilfe ihr Gericht in anderen Fällen angewiesen war.188 Sie versuchten daher häufiger, den weltlichen Richtern ins Gewissen zu reden. „Gott zu geben, was Gottes ist“ (Mt. 22, 21),189 „die Sichel nicht an die fremde Ernte zu legen“,190 „Nolite tangere Christos meos – berührt nicht meine Gesalbten“ (Psalm 104, 15),191 waren die Zitate, die die Patriarchen häufig bemüh184 ASP AMP b. 61, 21’–22 (7.12.1515): Non volemo obedir in questo se ge fosse cento scomunication. 185 ASP AMP b. 61, 228 (29.12.1518 a N.D.); ebda. CSI RLC b. 1, 26.6.1517 (für Alexander de Landis); BNM Lat. IX cod. 74 (3289), 87 (18.9.1517); Gallicciolli Memorie V, 314. 186 ASP AMP b. 61, 219–219’ (28.11.1517); ebda. Scomparin Raccolta, 151–153. Francesco Bollani hatte einen Priester freigelassen, den der Patriarch zur Ausführung einer Entscheidung der Rota Romana eingesperrt hatte. Der Patriarch schritt hier wohl zu der Exkommunikation, da er von dem einflussreichen päpstlichen Sekretär Pietro Bembo gedrängt wurde und als apostolischer Exekutor die Autorität des Papstes verteidigen musste. 187 Sanudo Diarii 41, 196 (19.4.1526); Cozzi Venezia e stati italiani, 129; ders. Authority, 329; Niero Patriarchi, 76. 188 Ähnlich für den Archidiakon von Paris Pommeray Officialité, 437. 189 ASP CDA b. 20 (Nicolaus Spiritello), 28.1.1519: Iccirco magnificos et clarissimos Dominos Advocatores Communis venetiarum hortamur in Domino [...] se se veluti veri Catholici christianum nomen honorifire [...] ut ecclesiastica quandocumque servaretur libertas [...] adiudicantes Deo que Dei sunt ac Cesari que sunt Cesaris libere reddendo. 190 ASP CDA b. 23 (Paulus de Pisauro), 22.10.1522. 191 ASP CDA b. 20 (Nicolaus Spiritello), 10.6.1519. S.a. BAV Cod. vat. lat.13454, 11’– 12, Papst Alexander VI. an den Nuntius in Venedig: i Prencipi secolari non possono havere alcuna causa ne alcuna giurisdizione dicendo il Signor per bocca del Profeta, non
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ten. Manchmal wurden sie auch persönlicher und ermahnten die weltlichen Beamten zum frommen Werk der Überstellung der Gefangenen, das sie aus Rücksicht auf ihre Seelen besonders in der Fastenzeit zu unternehmen hätten.192 Auch wenn sie sich äußerlich oft unbeeindruckt zeigten, hatten die weltlichen Beamten in der Sache dennoch meist die päpstlichen Bestimmungen verinnerlicht. Als der Bote des Patriarchen einmal von den Signori di Notte ein bei einem Kleriker beschlagnahmtes Musikinstrument herausverlangte, lachten sie über dieses Ansinnen. „Seht nach, ob auch das Cemballo die Tonsur trägt“, erwiderten sie dem Boten.193 So patzig diese Erwiderung auch sein mag – sie drückt viel darüber aus, wie weit der Inhalt der Papstbullen in das Rechtsbewusstsein der Venezianer aufgenommen worden ist. Die päpstlichen Bestimmungen wurden in Venedig immer wieder zitiert und in den meisten Fällen auch befolgt. Auch vor Gericht bezogen sich die Parteien und die Richter immer wieder auf die Regelungen Gregors XII., die von Paul II. auf das ganze Gebiet Venedigs ausgeweitet worden waren, nach denen Kleriker der niederen Weihen ihr Privileg verloren, wenn sie nicht Habit und Tonsur trugen. Die Regelungen wurden damit dem stilus curiae des Gerichts des Patriarchen von Venedig zugerechnet.194 Die „Paulina“ hatte selbst vorgesehen, dass die weltliche Gewalt jedes Jahr die Bischöfe und den Patriarchen erinnern musste, die Regelungen erneut bekannt zu machen. Unterlasse die weltliche Gewalt dies, so verlören die Bestimmungen ihre Gültigkeit. Da auch diese Schlussbestimmung der Bulle Pauls II. in der Rechtsprechung des Gerichtes des Patriarchen Beachtung fand,195 gab es also allen Ansporn für die weltliche Gewalt, die Verbreitung der Bestimmungen zu fördern.196 Auch die kirchliche Seite machte diese Vorschriften bekannt.197 So fanden sie nicht nur in vogliate toccare i miei Christi; vgl. Gaeta Origine, 24 Fn. 4. 192 ASP AMP b. 61, 258–258’ (2.4.1518): Et quoniam nobis pertinet curam non tantum praedictorum sed etiam animarum vestrarum presertim hoc tempore quadragesime. 193 ASP AMP b. 61, 12 (27.10.1515): Varde sel manachordo ha chierega. 194 ASP AMP b. 61, 295–295’ (8.7.1518); ebda. b. 63, 24 (8.3.1522). 195 In ASP AMP b. 57, 14.12.1511, schreibt der Patriarch an die Signori di Notte: ipse Antonius clericus reperitur in puris terminis Juris comunis et in aliquo non obstat constitutio apostolica appellata la paulina, ut ex eius lectura apparet quia non fuit anni instanti presentata iuxta eius tenorem. 196 S. ASP AMP b. 57, 3.6.1510. 197 Vuillemin Pro reformatione, 224 f. (1407); ASP Scomparin Raccolta, 84 (1465); ebda. Div. b. 3, 288 (16.11.1474). Vgl. zu einem solchen Mandat auf Synoden Fari-
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das Synodicon,198 das Handbuch der Synodalbeschlüsse des ersten Patriarchen von Venedig Lorenzo Giustiniani, sondern später auch noch in strafrechtliche Handbücher für die Gerichtspraxis Eingang.199 Angesichts dieser speziellen Vorschriften kamen die allgemeinen Bestimmungen des Kirchenrechts über verheiratete Kleriker, wie sie Bonifaz VIII. formuliert hatte,200 in Venedig nur selten zur Anwendung. Einzig in Bezug auf die bigamen Kleriker gingen diese Bestimmungen über das hinaus, was für Venedig verfügt worden war. In diesem Fall verlor der Kleriker nämlich unabhängig von Habit und Tonsur sein Privileg. Auch wenn in diesem Kontext die Dekretale Clerici (VI 3.2.1) Erwähnung fand,201 spielte sie in Venedig aber nicht die wichtige Rolle, wie sie es in Frankreich tat.202 Als schließlich Clemens VII. allen verheirateten Klerikern in der Republik das Privileg aberkannte, verlor die Dekretale Bonifaz’ VIII. vollständig ihren Anwendungsbereich in Venedig. Mit der Anwendung der päpstlichen Bestimmungen allein waren jedoch noch nicht alle Streitpunkte ausgeräumt. Die Paulina schrieb zum Beispiel nicht ausdrücklich vor, wer darüber zu entscheiden hatte, ob ihre Voraussetzungen erfüllt waren. Das allgemeine Kirchenrecht gab jedoch Anhaltspunkte. Papst Bonifaz VIII. hatte der in Frankreich vorherrschenden Praxis, nach der die Frage der Anwendbarkeit des privilegium fori vor dem Laiengericht entschieden wurde, wie es in den Coutumes de Beauvaisis überliefert ist,203 eine Absage erteilt. Für ihn gehörte die Frage nach dem Klerikerstatus vielmehr als causa spiritualis, d. h. ratione materiae, nacci Praxis, Q. 7 n. 62; zur Gegenauffassung s. Génestal Privilegium fori I, 174. 198 Synodicon, 285 f. Eine inhaltlich ähnliche Bestimmung, die sich auch auf das Tragen von Habit und Tonsur bezieht, findet sich ebda., 182 und wird dem Bischof Ramberto (Anfang des 14. Jh.) zugeschrieben. 199 Zamboni Isagoge, 66. 200 VI 3.2.1. S.o., 32 Fn. 54. 201 ASP Ord. b. 22, 27.8.1526 (gegen Hieronymus). 202 Le Bras Privilège, 255. 203 Beaumanoir Coutumes I, 168 (n. 353): Donques se uns hons est pris en tel abit par la justice et ses ordinaires le requiert, se la justice laie set qu’il soit clers, il le doit rendre; et s’ele ne le set, il le convient prouver a l’ordinaire en la court laie; et quant il l’a prouvé il li doit estre rendus; et se cil qui est pris en tel abit ne puet prouver qu’il soit clers ne ses ordinaires, il demourra a justicier comme lai. S.a. Friedberg De finium, 135; Génestal Procès, 6 f. Auch in England entschied später der so genannte Ordinarius vor dem weltlichen Gericht über den Klerikerstatus (wenn die weltlichen Richter dies überhaupt zuließen und nicht gleich selbst entschieden), Bellamy Criminal Law, 119 u. 128 f.
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vor das Kirchengericht. Durch diese Begründung als geistliche Angelegenheit entging die Kirche dem Vorwurf der petitio principii, den Klerikerstatus schon in dem Verfahren um seine Anerkennung vorauszusetzen. Der Kirchenrichter musste nach Bonifaz nur den weltlichen Richter und alle anderen, die ein Interesse an dem Fall hätten, zu dem Verfahren herbeirufen.204 In Analogie zu dieser Bestimmung sah der Patriarch auch die Frage der Einhaltung der Paulina als eine causa spiritualis an, deren Entscheidung er für sich beanspruchte.205 Das Vorverfahren unter Herbeirufung eines Notars des weltlichen Gerichts zählte er alsbald zu den Gewohnheiten Venedigs.206 Es wurde auch in Zivilsachen angewendet.207 In diesem Verfahren musste der Beklagte beweisen, Kleriker zu sein208 und Habit und Tonsur getragen zu haben.209 Der stärkste Beweis für den Klerikerstatus lag in der Ordinationsbulle. Konnte er diese nicht vorzeigen, musste der Kleriker meist auch seinen persönlichen Status durch das Tragen von Habit und Tonsur beweisen. Dieser Beweis war aber nach dem Erlass der Bullen Gregors und Pauls ohnehin erforderlich, um das Klerikerprivileg geltend zu machen. Andere Beweismittel traten daher für den Beweis der Klerikereigenschaft in den Hintergrund. Insbesondere finden sich in den Akten Venedigs, anders als in England210 und Frankreich,211 keine Hinweise darauf, dass Schrift- oder Lateinkenntnisse als Indizien für den Klerikerstand gewertet wurden.212 Mit besonderer Vorliebe ließen die Angeklagten die Barbiere zitieren, die die Tonsur geschnitten haben sollten. Diese von der Partei eingebrachten Zeugen bestätigten das meist sehr eifrig. Fast schon komisch sind die Aussagen eines Barbiers, nach denen der Angeklagte immer auf dem Schneiden der Tonsur insis-
204 VI 5.11.12. S.a. Génestal Procès, 9 ff.; Gaudemet Église, 494 f.; Royer Église, 98. 205 ASP AMP b. 63, 227 (28.4.1524). 206 ASP AMP b. 63, 21 (26.11.1521): iuxta formam mandatorum apostolicorum et consuetudinem in similibus semper observatam. 207 ASP FC f. 2, 29.11.1511; ebda. AMP b. 61, 147’–148 (10.6.1517). 208 Farinacci Praxis Q. 7 n. 37: clericatus qualitas non pręsumitur, & propterea qui dicit se clericum, probare debet. 209 Vgl. ASP Ord. b. 12, 9.7.1509. 210 Bellamy Criminal Law, 115 f.; Gabel Benefit, 64 ff. 211 Génestal Procès, 13 u. 29; Martin Vincennes, 292 ff.; Royer Église, 102 f. 212 Bei der weiten Verbreitung von Lesefähigkeiten in Venedig wäre ein solcher Test auch noch weniger zweckmäßig gewesen als in England.
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tiert habe, auch wenn er, der Barbier, ihn gefragt haben will, was er als Glatzkopf denn für eine corona clericalis haben wolle.213 Die weltliche Macht hätte gegen dieses Treiben einwenden können, dass die Frage der Klerikereigenschaft von der Frage des Tragens des Habits recht einfach zu unterscheiden sei und dass diese letztere Frage auch als weltliche Angelegenheit begriffen werden könne,214 obwohl die genauen Kleidervorschriften durch das Kirchenrecht geregelt wurden. Die weltlichen Gerichte Venedigs gingen aber nicht einen derart komplizierten Weg. Die Avogadori di Comun ließen die Gefangenen in aller Regel durch einen Beschluss in der Quarantìa Criminal215 ausliefern. Wenn ein Kleriker aus der Provinz von einem weltlichen Richter verurteilt worden war, so ließen die Avogadori das Urteil meist vor der Quarantìa Criminal kassieren. Eine Ausnahme galt nur für Kleriker, die als Notare fungierten, für die sich die Avogadori die Zuständigkeit vorbehielten.216 Wenn die Klerikereigenschaft umstritten war, reagierten die Avogadori nicht immer positiv auf die Auslieferungsgesuche des Patriarchen. In manchen Fällen lehnten sie es ab, einen angeblichen Kleriker auszuliefern217 oder Zeugen zu seiner Klerikereigenschaft anzuhören.218 Manchmal wollten sie den Fall mit dem Vikar des Patriarchen persönlich besprechen.219 Dennoch zeichnen die raspe der Avogadori, d. h. die Bücher, in denen die Beschlüsse der den Avogadori zugehörigen Institutionen notiert wurden, insgesamt eher ein Bild der Kooperation von weltlichen und geistlichen Gerichten. Erst wenn man in die Akten aus dem Patriarchatsgericht hineinsieht, wird dieses harmonische Bild getrübt. Hier findet man häufig Gesuche des Patriarchen, bestimmte Kleriker auszuliefern, denen die Avogadori und die Quarantìa nur sehr schleppend nachkamen. 213 ASP Ord. b. 13, 22.5.1510: quid vultis me facere coronam omnino estis calvus. 214 So Priori Prattica criminale, 47: La cognitione dell’habito spetta al giudice laico et quella del clericato all’ecclesiastico. Ebenso argumentierten bisweilen auch die weltlichen Gerichte in Frankreich, Martin Vincennes, 288; Lefebvre-Teillard Officialités, 91; Génestal Procès, 11 u. 39. 215 Ein einzelner Avogador war nicht ermächtigt, einen Kleriker auszuliefern, s. ASVen CX Crim. b. 8, 23.3.1520 (eingeordnet bei 1535). 216 S.u., 68 ff. 217 ASVen AC Raspe reg. 3653 II, 45’–46 (23.9.1473) gg. Antonius Zabarella aus Padua. 218 ASVen AC Raspe reg. 3670, 67’ (24.9.1541). 219 ASP AMP b. 57, 22.4.1510.
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Die raspe der Avogadori können daher in die Irre führen. Denn mit ihnen kann man nur herausfinden, ob ein Verurteilter Kleriker war, wenn es dort in den Akten vermerkt wurde. Dies ist zwar häufig der Fall. Bisweilen findet man auch den Verweis, dass sich Angeklagte als Kleriker ausgäben (asserti clerici). Ob dies aber in allen Fällen in die raspe der Avogadori aufgenommen wurde, lässt sich nicht sagen. Doch schritten Avogadori und Quarantìa letztlich in aller Regel, wenn auch nicht selten nach zähem Ringen, zur Auslieferung der Kleriker. Es war daher vielleicht nicht nur Rhetorik, wenn der Patriarch in einem Auslieferungsgesuch schrieb, dass „dieser Hohe Rat immer den päpstlichen Bestimmungen nachgekommen“ sei.220 Für die Signori di Notte ist die Überlieferungssituation schwieriger. Aus den Akten des Patriarchatsgerichts ergibt sich, dass sie häufig mehrfach aufgefordert werden mussten, bis sie Gefangene auslieferten.221 In vielen Fällen taten sie es schließlich. Häufig schritten sie aber auch dazu, Kleriker auf dem Rialto zu proklamieren.222 Die Proklamation war eine förmliche Ladung, nach der der Geladene bei Nichterscheinen ohne Weiteres verbannt war.223 Bestand ein Beschuldigter erst nach der Proklamation auf seinem Klerikerstatus, durften die Signori di Notte den Kleriker nicht dem Patriarchen ausliefern. Sie mussten sich zuerst an die Quarantìa Criminal wenden.224 Als die Signori di Notte sich aber unter Berufung auf diese Vorschrift einmal weigerten, einen Kleriker auszuliefern, zeigte der Patriarch wenig Verständnis und drohte mit der Exkommunikation.225 In anderen Fällen schritten die Signori di Notte gleich zur Verbannung von Klerikern.226 Diese Urteile unterlagen der Kontrolle der Quarantìa Criminal und konnten auf diesem Wege kassiert werden.227 220 ASP CDA b. 27, 2.3.1526 (s.o., 57). 221 Ein exemplarischer Fall ist ASP CR b. 1, 206–213 (1520–1521); ebda. AMP b. 62, 175 (24.1.1521). 222 Z. B. ASVen SN reg. 15, 38 (20.6.1485); 46 (14.11.1488); 64 (22.3.1490). 223 Ferro Dizionario II, 531 f.; Povolo Ordine della Pace, 54. 224 ASVen CL b. 135, 149–149’ (21.9.1523); Cecchetti Republica I, 147; Leggi criminali veneti, 26’–27; Sanudo Diarii 34, 436. 225 ASP AMP b. 66, 12–12’ (5.2.1530); 23’ (6.5.1530); 26’ (18.5.1530); 39 (12.6.1530). 226 ASVen SN reg. 22, 21 (22.9.1525); 28 (6.7.1527 u. 27.5.1530); 67’ (24.3.1540), vgl. zu diesem Fall auch 82 (10.7.1544). 227 Z. B. ASP sent. b. 4, 23–24 (5.10.1509), vgl. zu diesem Fall auch ASVen AC Raspe reg. 3661, 95’ (13.9.1509); weiterer Fall ebda. reg. 3667, 162’ (27.11.1533); Kassierung einer proclamatio: ebda. reg. 3669, 188’ (15.9.1540).
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Mandate des Patriarchen an das mächtigste Gericht Venedigs, den Rat der Zehn, sind hingegen nicht so häufig. Das Verhältnis zwischen dem Kirchengericht und dem Rat der Zehn ist vor allem dadurch geprägt, dass der Rat der Zehn häufig seine Verfahren gegen Kleriker im Beisein des Vikars des Patriarchen durchführte, wie es die zahlreichen päpstlichen Schreiben anordneten. Auffällig ist dabei die Entwicklung, dass der Rat der Zehn ursprünglich erst die Erlaubnis des Patriarchen zur Festnahme eines Gefangenen einholte (cum licentia) und dann im Beisein des Vikars (cum interventu) vorging. In Laufe der 1520er Jahre verschwindet die Notiz aus den Akten, gemäß der der Angeklagte mit Erlaubnis des Patriarchen gefangen genommen wurde. Es findet sich nur noch der Eintrag, dass der Fall im Beisein des Vikars untersucht wurde. Das Erfordernis der Mitwirkung des Vikars des Patriarchen ist später als eine Art Feigenblatt bezeichnet worden.228 In der hier untersuchten Zeit war es alles andere als das. Erschien der Vikar zu den Verfahren nicht, konnte der Rat der Zehn nicht agieren. Der Vikar hatte somit die Möglichkeit, das Verfahren zu obstruieren. Dass die Anwesenheit des Vikars den Prozess entscheiden konnte, zeigt der Fall des Georgius Mainardus vor der Quarantìa Criminal. In einem ersten Prozess wurde er in Abwesenheit verbannt.229 Als sich herausstellte, dass Georgius Kleriker war, wiederholte dasselbe Gericht den Prozess unter Herbeirufung des Vikars.230 Am Ende stand ein Freispruch des Angeklagten.231 Die Mitwirkung des Vikars stellte den geheim tagenden Rat der Zehn mitunter vor Probleme. Aus Gründen der Geheimhaltung entschied man sich daher in manchen Hochverratsprozessen dagegen, den Vikar des Patriarchen herbeizurufen.232
228 Cecchetti Republica I, 350. Der venezianische Botschafter Alvise Contarini sprach im 17. Jahrhundert von la sola ombra di qualche ecclesiastico assistente per semplice honore della Sede Apostolica. 229 ASVen AC Raspe reg. 3662, 70 (11.5.1513). 230 ASVen AC Raspe reg. 3662, 109’ (5.1.1513 m.v.); dieser Beschluss wurde erst nach mehreren Abstimmungen gefasst, s. ebda. XL Crim b. 21, 30–31. 231 ASVen AC Raspe reg. 3662, 116 (3.3.1514). 232 Eine Parallele hierzu findet sich in der Gesetzgebung gegen die so genannten papalisti, d. h. die Angehörigen der Familien, die dem römischen Stuhl durch Benefizien und Ämter verbunden waren. Zur Geheimhaltung schloss man die papalisti ab dem 15. Jahrhundert aus den Beratungen aus, die das Verhältnis zur römischen Kurie betrafen, Del Torre Ecclesiastici, 134.
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Wenn man sich doch dafür entschied, verlangte man von dem Vikar einen Eid, ewiges Schweigen zu bewahren.233 Das Verfahren unter Mitwirkung des Vikars war vor allem durch die Verwendung der Folter gekennzeichnet. Davon versprach man sich sowohl eine bessere Überführung des Beschuldigten als auch die Nennung von Komplizen. Waren diese Ziele erreicht, wurde der Beschuldigte dem Patriarchen zur Verurteilung übergeben (remissio). Hatte sich hingegen die Unschuld des Angeklagten erwiesen, sprach ihn häufig gleich die weltliche Behörde frei. Mit dem Angeklagten wurden dem Patriarchen meist auch Kopien der Prozessakten mitgegeben.234 Häufig schloss sich an diese remissio auch noch eine Ermahnung an den Patriarchen an, den Angeklagten möglichst hart zu bestrafen. Dazu fügte man manchmal auch Kopien der Strafgesetze der weltlichen Gewalt für bestimmte Delikte235 oder die Urteile gegen die Komplizen des Klerikers236 bei. Weder der Rat der Zehn noch die Avogadori di Comun (bzw. die Quarantìa Criminal) haben vor der Bulle Pauls III. aus dem Jahre 1542 regelmäßig im Anschluss an ein Verfahren cum interventu Kleriker verurteilt. Als Paul III. dies anordnete, ging er davon aus, dass er einen bestehenden Rechtszustand bestätigte. In Wahrheit schuf er eine Neuerung. Neben Freisprüchen durch die weltlichen Richter gab es vor der Bulle nur eine weitere Art der Urteile weltlicher Richter gegen Kleriker. Diese lauteten auf Ver-
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ASVen CX Misti reg. 26, 105’ (19.4.1494). Als Beispiel für eine solche remissio mag ASVen CX Crim. b. 7, 30.7.1533, dienen: Die 30 Julii in Consilio X Annus Quartus nunc agitur ex quo reperitur in carcere presbyter Bernardinus de fratribus retentus ex imputatione attentati violenti sodomitii, qui decreto huius consilii examinatus fuit per collegium ordinarium cum interventu R. vicarii Rmi Patriarchæ nostri, et quoniam per ea quę in processu continentur clare constat ipsum presbyterum in hoc casu nullum habere complicem non modo laycum, sed nec etiam ecclesiasticum, conveniens est ut is a suo Judice expediatur, prout in similibus fieri solet. Propterea vadit pars quod casus iste totus remittatur Rmo Patriarchæ nostro simul cum processu et homine Iusticia mediante expediendo, et Judicando per eius Rmam Dominationem aut eius vicarium prædictum. -- [de parte] 11 -- [de non] 1 -- [non sinceri] 4. Die remissio ist auch in ASVen CX Crim. reg. 4, 218’ überliefert. 235 CX Crim reg. 1, 36’ (18.10.1502); ebda. b. 1, 7.10.1502 (Franciscus Donatus). 236 ASVen CX Misti reg. 29, 160’ (17.8.1502).
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bannung.237 Die Verbannung oder die Auflage, in einer bestimmten Stadt zu bleiben, wurden vom Rat der Zehn teils an Stelle des Urteils des Patriarchen gesetzt und teils zusätzlich zu dessen Urteil verfügt.238 Ob die weltlichen Richter zur Verbannung auch berechtigt waren, war Gegenstand des Streits. Anlässlich einer Befreiung von Strafgefangenen durch mehrere bewaffnete Priester sandte der Rat der Zehn im Jahr 1461 an den Patriarchen mit der Bitte, die Verbannung der Priester zu gestatten.239 Der Patriarch stellte sich auf den Standpunkt, dass er dies rechtlich nicht dürfe.240 Der Rat der Zehn sah sich darauf in seiner althergebrachten Freiheit beeinträchtigt.241 Er erklärte daher den Beschluss für nichtig, mit dem man den Boten zum Patriarchen sandte, um die Erlaubnis einzuholen. Die Verbannung der Kleriker löste das Problem der Gerichtsbarkeit aber nicht, sondern verschob es nur. Bei der Verbannung wurde eine Strafe für den Fall des Übertritts des Bannes festgelegt. In diesem Fall stellte sich aber das Problem des Zugriffs auf Kleriker und der Gerichtsbarkeit über sie erneut. In manchen Bannurteilen wurde daher schon festgelegt, dass bei Übertritt die Genehmigung der geistlichen Instanz für die Bestrafung erforderlich sei.242 In anderen Urteilen wurde die Todesstrafe bei Übertritt des Bannes für den Fall der Degradierung durch den Patriarchen angedroht. Unterbleibe die Degradierung, so laute die Strafe auf ewigen Kerker.243 Der Streit um die Verbannungen durch die weltlichen Richter wurde juristisch nie ausgetragen. Der Rat der Zehn fand auch Wege, sich einer juristischen Auseinandersetzung zu entziehen, indem er seine Verbannungen nicht immer als solche bezeichnete und sich das Strafmaß bei einem Übertritt des Bannes vorbehielt. So reichte es bei vielen Beschuldigten aus, wenn man sie aus Venedig verstieß und ihnen für eine Wiederkehr mit der Empörung (indignatio) des Rats der Zehn
237 Bsp. aus dem frühen 15. Jh. bei Bornstein Conseil des Dix, 190. 238 Beispiele für eine zu der Auslieferung an den Patriarchen zusätzlichen Verbannung: ASVen CX Misti reg. 20, 196 (27.8.1482); ebda. reg. 24, 155’ (18.11.1489); ebda. CX Crim. reg. 1, 183 (17.7.1510). 239 ASVen CX Misti reg. 16, 69 (1.7.1461). 240 Ebda. 70’ (23.7.1461): dicendo de iure non posse dare dictam licentiam. 241 Ebda.: contra antiquam libertatem istius consilij. 242 ASVen CX Misti reg. 21, 57’ (19.2.1482 m.v.). 243 ASVen AC Raspe reg. 3668, 61’ (13.10.1535).
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drohte.244 Angesichts der fast unbegrenzten Kompetenzen des Rats der Zehn wird jeder in den venezianischen Verhältnissen bewanderte Angeklagte verstanden haben, dass diese Empörung nach Möglichkeit zu vermeiden war. Auf diese Weise konnte auch die Verbannung geheim gehalten werden, indem die Verurteilten zu der Aussage verpflichtet wurden, sie hätten sich freiwillig aus Venedig entfernt.245
3.5 Ein Sonderfall: die Klerikernotare Eine weitere, wichtige Ausnahme zu dem Grundsatz, nach dem Kleriker in Strafsachen vor den Kirchenrichter kamen, bestand für die Berufsgruppe der Klerikernotare. Stellten diese falsche Urkunden aus, so zogen die weltlichen Gerichte sie zur Rechenschaft. Kleriker, die zugleich als Notare fungierten, hatte es in ganz Italien bis ins 12. Jahrhundert gegeben. Ab dieser Zeit wurden die Notariate dann aber in vielen Gegenden von Laien übernommen. Diese Entwicklung vollzog sich in Venedig jedoch erst wesentlich später.246 Hier finden wir noch bis ins 16. Jahrhundert hinein die Figur des Klerikernotars. Zu Zeiten Papst Eugens IV. erschien dies schon so ungewöhnlich, dass er im Jahr 1433 eine Bulle in seine Heimatstadt sandte, die die Tätigkeit der Klerikernotare in Venedig einschränken sollte. Die Kleriker sollten den Laien überlassen, was deren Sache sei, und sich ihren geistlichen Aufgaben widmen. Ausnahmen sollten aber nach wie vor zum Beispiel für die Errichtung von Testamenten gelten, 244 Z. B. ASVen CX Crim. reg. 3, 228’ (26.11.1533) gegen einen Mönch wegen angeblicher Affären mit Nonnen: Che per convenienti respetti ben noti a questo conseglio, sia per autorita di esso fatto commandamento a frate Zordan da Bressa del ordine de san Domenego da Castello, habitante in patriarchato, or in qual altro luogo el fusse, che immediate debba partirse di questa nostra cita et continuar poi cum diligentia da partir de tute le altre terre et luogi nostri et andar ad habitar in terre aliene, sotto pena de la indignation de questo conseglio, ne possa retornar nel Dominio nostro senza deliberation di esso conseglio, sotto la ditta pena de indignation soa. 245 ASVen CX Misti reg. 28, 228–228’ (14.8.1501). 246 Bartoli Langeli Notai, 61; ders. Documentazione, 861; Hollberg Deutsche, 47; Del Torre Patrizi, 16. Auch in Frankreich gab es noch bis ins 16. Jahrhundert Klerikernotare, Lorcin Notaires, 266 u. passim; zu der Praxis der frommen Legate Girgensohn Kirchenzehnt, 291 ff.
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die als causae piae zu den kirchlichen Angelegenheiten zählen konnten.247 Unter Vermittlung des späteren Patriarchen Lorenzo Giustiniani, der damals noch Bischof von Castello war, wurden dem Verbot anschließend noch weitere Ausnahmen hinzugefügt.248 Die Figur des Klerikernotars überlebte also diese päpstliche Intervention und vollzog auch noch die nächste Differenzierung im Berufsbild des Notars mit, die sich im 15. Jahrhundert vollzog: die endgültige Trennung der Freiberufler von den in Ämtern und Gerichten angestellten Notaren. Um diese Zeit setzte sich auch eine begriffliche Differenzierung dieser beiden Gruppen durch, indem die Freiberufler in Venedig als notai ordinarii oder numerarii, die Amtsnotare hingegen als notai d’ufficio bezeichnet wurden.249 Es war die weltliche Gesetzgebung, die in beiden Berufszweigen dem Klerikernotariat ein langsames Ende bereitete. Zunächst wurde im Jahr 1474 ein Gesetz erlassen, das die Amtsnotare betraf. Bei neu zu besetzenden Stellen vor weltlichen Gerichten sollten nunmehr keine Kleriker mehr, sondern ausschließlich Laien berücksichtigt werden.250 Dieses Gesetz wurde im Jahr 1521 auf weitere von dem vorigen Beschluss ausgenommene Notariate erstreckt.251 Etwas später wurde auch das Wesen der freiberuflichen Notare neu geregelt. Als man im Jahr 1514 die Zahl der Notare beschränkte, geschah dies mit der Maßgabe, dass nun zum letzten Mal auch Klerikern das Notariat verliehen werde.252 Aus einem Gesetz aus dem Jahr 1531 ergibt sich, dass es zwar weiterhin Klerikernotare gab, aber wiederum keine neuen Notariate an sie vergeben werden sollten.253 Die Berufsaufsicht der weltlichen Gewalt über das Notariatswesen ist einer der ältesten Fälle, in denen weltliche Gerichte in Venedig Kleriker bestraften. Sie wird in dem juristischen Traktat des Praktikers Bertaldo erwähnt, der vermutlich zu Beginn des 14. Jahrhunderts entstanden ist. Die Ladung von Klerikernotaren vor
Cappelletti Storia III, 183 f.; Cracco Relinquere, 184. Cappelletti Storia III, 187 f.; Cracco Relinquere, 185. Pedani Fabris Veneta auctoritate, 5. ASVen MC Del reg. 23 (Regina), 153 (19.1.1474 m.v.); Cappelletti Storia III, 188; Sagredo Leggi venete, 195; Papadopoli Leggi venete, 18 f.; Zannini Burocrazia, 40. 251 ASVen MC Del reg. 25 (Deda), 197 (28.6.1521). 252 Pedani Fabris Veneta auctoritate, 193. 253 ASVen Sen. Terra reg. 26, 147–148 (27.4.1531); Pedani Fabris Veneta auctoritate, 195. Der letzte Klerikernotar Venedigs praktizierte bis ins Jahr 1570, ebda., 9. 247 248 249 250
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das weltliche Gericht wird dort als usus bezeichnet.254 Dies deckt sich auch mit gesetzlichen Bestimmungen, nach denen Kleriker ihr Notariat von der weltlichen Macht aberkannt bekommen konnten.255 Wollten sie als Testamentsvollstrecker agieren, mussten sie sich bei den Signori di Notte anmelden.256 Zuständig für die Falschbeurkundungen durch Notare waren die Avogadori di Comun.257 Sie konnten Notare vor der Quarantìa Criminal anklagen. Diese konnte ihnen das Notariat entziehen. Darüber hinaus wurden der Fälschung überführte Kleriker häufig auch gleich verbannt.258 Im Allgemeinen regte sich kaum Widerstand gegen diese Verbannungen. Schließlich war ja in einer schon zitierten Dekretale Eugens III. vorgesehen, dass die Kirche Klerikern nicht zur Hilfe eilen sollte, wenn sie wegen weltlicher Amtsführung unter Betrugsverdacht standen.259 Dennoch für Aufregung sorgte aber die Bestrafung des Priesternotars Hieronymus de Bosiis, der ein Testament gefälscht haben sollte. In diesem Fall wurde nach langen Beratungen beschlossen, den Kleriker acht Tage lang öffentlich in einem Käfig (cheba) an dem Campanile auf dem Markusplatz zur Schau zu stellen.260 Eine solche öffentliche Verletzung der klerikalen Ehre empfand der Papst jedoch als Provokation.261 So etwas kam indes nicht häufig vor. Der Entzug des Notariates und die Verbannung aus der Stadt waren die üblichen Strafen für Fälschungsdelikte der Klerikernotare. Diese Strafen können bis zum Absterben des Phänomens der geistlichen Notare zu den besonderen Gewohnheiten Venedigs gerechnet werden. 254 Bertaldo Splendor, 112: In aliis vero casibus non solet sibi [sc. clerico] fieri preceptum ad curiam secularem per ipsum preconem domini ducis, nisi in casibus officii notarie vel cancellarie, quibus casibus per dictum preconem potest precipi omnibus et singulis clericis, notariis vel cancelariis ad quamlibet curiam secularem, et pena pecuniaria sibi imponi et tolli secundum usum [Fn. ausgelassen]. 255 Sorelli Clero secolare, 28. 256 ASVen AC MC Del. reg. 24 (Saturnus), 93 (19.11.1374); Bacchetti Clero, 50 f. 257 Der Rat der Zehn zog nur vorübergehend solche Fälle an sich, s. ASVen CX Misti reg. 15, 173’ (12.3.1459) u. ebda. 178 (15.5.1459). 258 So geschehen z. B. mit Johannes Marcus de Vegis in Abwesenheit, ASVen AC Raspe reg. 3654, 35’ (10.10.1475) u. ebda. XL Crim. b. 19, 7’–8 (4.8.1475) u. 17’ (4.10.1475). Der Klerikernotar Petrus Paulus wurde in Anwesenheit des Vikars des Patriarchen von den weltlichen Richtern verbannt, ASVen AC Raspe reg. 3656, 138’–139’ (11.5.1487). 259 X 3.50.2 (s.o., 31). 260 ASVen AC Raspe reg. 3657, 126 (8.3.1492); ebda. XL Crim. b. 20, 85–85’ (9.3.1492). 261 Cozzi Politica, 237.
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3.6 Formen der Kooperation Während es so also neben der Befolgung der päpstlichen Bestimmungen zwar einerseits die Tendenz gab, weitere, wenig rechtsförmige Ausnahmen zu der ausschließlichen Zuständigkeit der geistlichen Gerichte für den Klerus hinzuzufügen, gab es andererseits aber auch vielfältige Formen der Kooperation und gegenseitigen Hilfe zwischen dem Gericht des Patriarchen und den weltlichen Beamten. Das politische Ziel der Ahndung von Verbrechen durch den Klerus wurde von beiden Gewalten geteilt. Wenig Konflikte gab es daher, wenn auch das Gericht des Patriarchen von der Notwendigkeit der Bestrafung von Klerikern überzeugt war. Der Patriarch konnte so auf die Hilfe des weltlichen Arms zurückgreifen, um verdächtige Kleriker und Priester festzunehmen. Schon im Jahr 1315 wurde den Signori di Notte in diesen Fällen aufgetragen, dem kirchlichen Gericht Hilfe zu leisten.262 Die weltlichen Beamten konnten auch von dem Patriarchen verbannte Kleriker gefangen nehmen. Dafür wollten sie allerdings auch eine Belohnung haben.263 Ferner verwendete der Patriarch die Kerker der weltlichen Gerichte, besonders den Kerker im Dogenpalast von San Marco, ebenfalls für seine Angeklagten.264 Daneben setzte sich die Regierung Venedigs für die Abschaffung von Missständen ein, die die Jurisdiktionsgewalt des Patriarchen beeinträchtigen konnten. Dies wird besonders deutlich an dem gemeinsamen Kampf gegen Exemptionen, durch die Kleriker sich in vielen Diözesen der ordentlichen Gerichtsbarkeit des Bischofs zu entziehen versuchten. Der Senat verbannte per Gesetz die Kleriker in solchen Fällen zu Beginn des 15. Jahrhunderts aus Venedig265 und später aus allen venezianischen Orten.266 Im Laufe des 15. Jahrhunderts beschloss der Senat noch mehr262 ASVen AC reg. 21 (Neptunus), 17. Vgl. XL Crim b. 14bis, 67 (17.1.1384 m.v.). 263 ASP AMP b. 57, 6.11.1510. Hier verlangte der Capud vardie capitum sexteriorum [...] mercede[m] sibi et sotio suo Francescheto ac talia[m] spectante[m]. Daneben besorgten die weltlichen Beamten bisweilen auch Ladungen für das Kirchengericht: ASP CR b. 2, 150 (3.1.1576 m.v.) durch die Avogaria di Comun. 264 S.u., 146. 265 ASVen MC Del reg. 21 (Leona), 129’ (23.4.1402); ebda. CL b. 135, 136–136’; Girgensohn Adelige Regierung I, 122 Fn. 225. 266 ASVen MC Del reg. 21 (Leona), 225’ (9.7.1413); Cecchetti Republica I, 263 u. 297 f.
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fach, den Papst zu bitten, derartige Befreiungen von der Gerichtsbarkeit zu suspendieren.267 Dazu half die weltliche Gewalt, ein weiteres Problem zu beheben. Bei den engen Grenzen des Patriarchates von Venedig, das kaum über die Lagune hinausreichte, konnten die Verbannungen durch das Gericht des Patriarchen ihre abschreckende Wirkung verfehlen. Zudem widersprach es der Gerechtigkeit, dass ein Laie bei gleichem Delikt aus einem wesentlich größeren Gebiet verbannt werden konnte, als dies bei einem Kleriker möglich war. Der Rat der Zehn erlaubte es daher dem Patriarchen von Venedig, auch selbst Kleriker über seine Diözese hinaus bis zu den so genannten confinia sodomitarum zu verbannen.268 Dieses Gebiet reichte bis zu den Flüssen Mincio und Piave.269 Als der Patriarch sich nicht sicher war, ob diese Ausweitung seiner Kompetenzen kirchenrechtlich möglich sei, bat der Rat der Zehn den päpstlichen Nuntius, dieses Recht zu bestätigen.270 Die Kooperation zur Bestrafung von Klerikern ging nicht nur von der weltlichen Gewalt aus. Auch die Patriarchen trafen eine Vielzahl von Bestimmungen, mit denen sie den Klerus disziplinieren wollten. Unter den vielen Vorschriften zum Lebenswandel der Kleriker, der honestas clericalis, ragt eine Gruppe heraus, die Regelungen für Kleidung, Haar- und Barttracht der Kleriker trifft. Nicht nur in den Synodalgesetzen,271 sondern auch in mehreren Mandaten regelten die Patriarchen diesen Bereich ausführlich. Die Mandate richteten sich mal an den ganzen Klerus,272 mal an Kleriker bestimmter Kirchen273 und mal an einzelne Kleriker.274 Die Wichtigkeit der Durchsetzung dieser Kleidervorschriften ist nicht zu unterschätzen. In der ständischen Gesellschaft war die Kleidung das Merkmal schlechthin, an dem man eine Berufsgruppe erkennen konnte.275 Nur wenn die Kleriker äußerlich als solche erkennbar blieben, konnte verhindert werden, dass sich welt267 268 269 270 271 272 273 274 275
Gallicciolli Memorie V, 291; Corner Ecclesiae Venetae XII, 153. ASVen CX Misti reg. 16, 107’ (24.8.1462). ASVen CX Misti reg. 24, 138’ (23.9.1489). Ebda., 138’ (9.9.1489). Trevisan Constitutiones, 30–34; Niero Honestas, 747 Fn. 2; Turchini Nascita, 232. Zur Situation nach Trient vergleichend Greco Disciplina e sacerdozio, 65 f. BNM Lat. IX cod. 74 (3289), 45–47’ (7.7.1469). ASP AMP b. 67, 153’ (29.12.1537 a N.D.). ASP AMP b. 62, 230 (2.10.1521). Diese Wichtigkeit der Kleidung zeigt sich auch in dem Ritual der Degradation, bei dem Kleriker ihren Status verloren. Hier wurde der Kleriker im Habit der Menge gezeigt. Sodann wurde ihm das Gewand vor aller Augen ausgezogen.
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liche Straftäter zu einem beliebigen Zeitpunkt als Kleriker ausgeben und sich so das Privileg zunutze machen konnten. Darüber hinaus kämpften die Patriarchen dafür, die Ordination von Klerikern unter ihre alleinige Gewalt zu bringen. Dies war nicht nur als Einnahmequelle für den Patriarchen wichtig, sondern diente auch der Kooperation mit den weltlichen Gerichten. Dafür gibt es zwei Gründe. Erstens war es nur so möglich, einen Überblick über alle venezianischen Kleriker zu behalten und gefälschte Ordinationsbullen zu erkennen. Diese sollten schon ab dem Eingreifen Gregors XII. im Jahr 1407 in einem zentralen Register erfasst werden.276 Zweitens sollte mit der Ordination durch den Patriarchen sichergestellt werden, dass nur geeignete Kandidaten befördert wurden. Diese mussten dann bei der Ersttonsur beteuern, keine Geldschuld und ‑ wie von dem kanonischen Recht vorgeschrieben277 ‑ kein Verbrechen begangen zu haben. Dazu wurde auch eine Bürgschaft (fideiussio) eingeholt. Der Bürge musste demnach für Schulden des zu Ordinierenden haften. Hatte der Kandidat ein Verbrechen begangen, so versprach der Bürge, bis zu 100 Dukaten zu zahlen.278 Dennoch gelang es den Patriarchen nicht, die Ordination unter ihre alleinige Kontrolle zu bringen.279 Und seit in Venedig ein Nuntius residierte, erweiterten sich noch die Möglichkeiten, schnell an eine Weihe zu kommen.280 Daher bat der Patriarch Antonio Contarini den Papst, es der weltlichen Gewalt wenigstens zu gestatten, über Kleriker zu richten, die sich die Weihen erschlichen hatten.281 Auch sein Nachfolger, Girolamo Querini, unternahm mehrere Versuche, die Ordination der Kleriker in Venedig zu monopolisieren.282 So heißt es in einem 276 CX Misti reg. 8, 141’ (1.6.1407). Der Rat der Zehn wollte die Einrichtung eines solchen Registers durch einen Boten überprüfen lassen. Die libri ordinationum des Patriarchats sind ab 1470 erhalten. 277 D. 81 c. 1. An dieser Vorschrift, die klar zwischen crimen und peccatum unterscheidet, wird auch die Bedeutung des Ordinationsrechtes für das kirchliche Strafrecht festgemacht, s. Kuttner Schuldlehre, 6 ff.; Kéry Gottesfurcht, 350. 278 Diese Praxis und Höhe der fideiussio ist in den libri ordinationum vielfach bezeugt, z. B. ASP LO b. 4, 8.7.1511; 17.6.1511; 13.9.1512; 31.8.1513 etc. 279 Vuillemin Pro reformatione, 227: 1460 hatten beispielsweise 32 Priester gegen den Willen des Patriarchen ihre Weihe auf der Laguneninsel San Francesco in Deserto erwirkt. 280 Sanudo Diarii 29, 206 (1520); Viggiano Giustizia, 835. 281 Sanudo Diarii 30, 443 u. 447 (1521). 282 ASP Scomparin Raccolta, 68–68’ (18. u. 26.1.1525).
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Edikt aus dem Jahr 1531, dass sich täglich viele Kleriker im Verborgenen von verschiedenen Bischöfen gegen den Willen und die Absicht des Patriarchen und mit großem Schaden für ihre Seelen weihen ließen. Daher sollten die Gemeindepfarrer (plebani) alle Priester, Diakone, Subdiakone und Kleriker senden, die sich nicht von dem Patriarchen hatten weihen lassen. Alle, die nicht beim Patriarchen erschienen, sollten ihre Stellung verlieren.283 Auch der päpstliche Gesandte Gian Pietro Carafa (später Papst Paul IV.) empfahl im Jahr 1532 dem Papst Clemens VII., alle Sondererlaubnisse zur Ordination für die verschiedenen Günstlinge zu widerrufen. Ein solcher Schritt sei an allen Orten nützlich, am meisten jedoch in Venedig, da es den Patriarchen Querini, der die Stadt im Streit verlassen hatte, zur Wiederkehr bewegen könne.284 Das eben beschriebene Kooperationsverhältnis von weltlicher und geistlicher Gewalt wurde immer wieder auf die Probe gestellt. Dies galt insbesondere dann, wenn Kleriker verhaftet wurden. Ein besonderes Anliegen der Patriarchen war es, dass diese Festnahmen ohne Skandal erfolgten. Dass die weltlichen Beamten bei der Verhaftung von Klerikern besonders umsichtig vorgehen und die klerikale Würde (honestas) achten sollten, wurde schon in den Verträgen zwischen geistlicher und weltlicher Gewalt des 14. Jahrhunderts festgeschrieben.285 Der erste Patriarch von Venedig, Lorenzo Giustiniani, legte noch als Bischof von Castello fest, dass die Kleriker entweder in Booten oder an wenig frequentierten Orten ausgeliefert werden sollten. Nehme man Kleriker nachts fest, so sollten sie erst gegen Sicherheit dem zuständigen Gemeindepfarrer (plebanus) übergeben werden, der sie dann am nächsten Tage dem Patriarchen auszuliefern hatte.286 283 ASP AMP b. 66, 18’–19 (24.3.1530); ebda. 103–103’ (27.4.1531): quottidie multi clerici civitatis nostrae furtim se promoveri et ordinari faciunt a diversis episcopis contra mentem et intentionem nostram et in præiuditium animarum suarum. 284 Carafa De Luth., 72: Revochi Sua Stà tutte le licentie d’ordinar [...] Et per la gran turba che so trova già promessa commetta alli ordinarii una con quelli da Sua Stà deputandi, come è detto di sopra che habiano cura anchor d’examinar tutti sacerdoti admettendo li idonei et sospendendo li intolerabili et certiorandosi de li peregrini [...] Et con queste commissioni farà S. Stà gran beneficio a tutti, ma spetialiter a questa terra perchè conforterà questo patriarcha a ritornare a la residentia de la chiesa sua a qua iam diu abest cum magno detrimento gregis et sui ipsius et cum scandalo et murmure omnium. 285 S.o., 43. 286 Synodicon, 289: statuimus, ut postquam captus fuerit aliquis clericus, quam honestius poterunt, eum immediate, si de die hoc evenerit, suo superiori praesentent aut in navicula, aut per loca non nimium frequentata; si de nocte si plebani eorum, aut alii sacerdotes fi-
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Ob das Verfahren der nächtlichen Übergabe an die plebani angewendet wurde, ist nicht überliefert. Im Allgemeinen werden die weltlichen Beamten aber mit Klerikern etwas vorsichtiger umgegangen sein,287 sodass es nur wenige Beschwerden des Patriarchen gab, wie etwa, dass Kleriker bei der Gefangennahme misshandelt288 oder im Beisein einer großen Menschenmenge289 festgenommen worden waren. Doch blieb es ein Problem für die geistliche Gerichtsbarkeit, dass die weltlichen Organe stets den ersten Zugriff auf die Straftäter behielten. Waren die Beschuldigten erst einmal inhaftiert, konnte es sehr lange dauern, bis sie dem Kirchenrichter ausgeliefert wurden. Die Bestimmung, nach der die Signori di Notte die Auslieferung in vielen Fällen nicht ohne Urteil der Quarantìa durchführen konnten, trug ihren Teil dazu bei, dass das Verfahren nur langsam ablief.290 Jedoch waren es nicht nur die eingekerkerten Kleriker, die die Langsamkeit der Verfahren beklagten. Das war vielmehr ein Missstand, der alle Inhaftierten betraf.291
3.7 Fazit und Vergleich Die Einschränkungen des Geltungsbereiches des privilegium fori, die die Päpste Venedig einräumten, nehmen Fäden auf, die schon in der Kanonistik gedreht wurden, und führen die Regelungsgedanken mancher kanonischer Bestimmungen fort. Wenn Gregor XII. bestimmte, dass Kleriker mit niederen Weihen, die ohne Habit und Tonsur umhergingen, das Privileg verlören, so bedeutete das nur einen Verzicht auf das Erfordernis der dreifachen Mahnung, die im allgemeinen Kirchenrecht vorgeschrieben war. Und wenn Clemens VII. den Schutz des privilegium
287 288 289 290
291
dejussionem dederint de eos praesentando immediate, dicti plebanis, vel alicui alteri sacerdoti simili modo assignentur cum optima cautione, ita quod die sequenti honesto modo per eosdem officiales praesentari possit d. episcopo, vel ejus vicario. Vgl. Fadalti/Sovernigo/Rebecca Artigli, 65. ASP AMP b. 61, 298’ (17.6.1518). ASP AMP b. 63, 276’ (19.9.1524). ASV SS Ven b. 17, 12’ (12.2.1526): aviene anchora che in le cause criminali clerici et alle volte che sono in sacris ordinibus sono proclamati dalli Judici seculari; ne admetteno requisitione che siano remessi al suo foro o inhibitione se prima non sono presentati a loro et per ordeni che hanno che non siano remessi se non per iuditio del consiglio delli XLta alle volte restano in pregione mesi et anni et alla fine poi sono remessi. Gaeta Origine, 223. Scarabello Carcerati, 42; Fadalti/Sovernigo/Rebecca Artigli, 41 ff.
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fori für Kleriker mit niederen Weihen, die kein Benefiz innehatten, in Venedig ganz aufgab, so gestand er nur wenig mehr zu, als einige Jahre später auf dem Konzil von Trient zum allgemeinen Gesetz erhoben wurde.292 Die Situation Venedigs hielt sich damit nicht nur im weiteren Rahmen des Kirchenrechtes, sondern auch in einer allgemeinen europäischen Entwicklung. Normative Einschränkungen des Gerichtsstandsprivilegs sowie dessen Nichtbeachtung in der Praxis gab es auch anderswo. Der Vergleich mit anderen Ländern Europas zeigt, dass bei der Einschränkung des Klerikerprivilegs häufig ähnliche Gesichtspunkte wiederkehren. Oft maßte sich die weltliche Gerichtsbarkeit die Zuständigkeit bei schweren Verbrechen an, insbesondere bei Hochverrat. Ferner wurde häufig bei den Klerikern, die nur die niederen Weihegrade bekleideten, das Privileg eingeschränkt. Dies entsprach auch der Auffassung der Kirchengerichte, die eine Verletzung der Privilegien eines Priesters als gravierender betrachteten als bei einem Kleriker mit niederen Weihen.293 Beide Tendenzen lassen sich beispielsweise in England beobachten. Dort galt das privilegium nur in Strafsachen294 und nur bei todeswürdigen Verbrechen.295 Das Verfahren vor den Kirchenrichtern war in England von der Möglichkeit geprägt, dass der Angeklagte durch eine Reinigung (purgatio) recht einfach einen Freispruch erlangen konnte.296 Da außerdem die Klerikereigenschaft ab Mitte des 14. Jahrhunderts vor allem durch Lesefähigkeiten bewiesen wurde, profitierten auch viele Laien von dem Klerikerprivileg.297 Für viele Angeklagte gab es so noch eine zweite Chance, da das Gerichtsstandsprivileg auch noch nach dem Schuldspruch (verdict) durch die Jury geltend gemacht werden konnte. Bemühungen unter Edward IV. aus dem Jahr 1462, nach denen die Jury auf ihren Schuldspruch verzichten und Kleriker mit höheren Weihen sofort dem Kirchenrichter ausliefern sollte, wurden in der Praxis nicht beachtet.298 292 Nach dem Konzil war streitig, ob die dort getroffenen Vorschriften die Privilegien für Venedig aufhoben, Stella Chiesa e Stato, 5. 293 Pommeray Officialité, 235. Nach Lefebvre-Teillard Cum unica, 368, war die hierarchische Abstufung zwischen den Priestern und den Klerikern mit den niederen Weihen eines der Ziele der gregorianischen Reformen. 294 Helmholz Universal, 651; ders. Civil Jurisdiction, 189; Ullmann Decision, 475. 295 Bellamy Criminal Law, 116. 296 Gabel Benefit, 94 ff.; Helmholz Note, 512. 297 Gabel Benefit, 78. 298 Bellamy Criminal Law, 126 f.; Gabel Benefit, 123.
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Stattdessen ordneten die Laiengerichte bei der Auslieferung des Klerikers bisweilen an, dass eine Reinigung nicht möglich sei (absque purgatione).299 Ferner wurde das Privileg durch Gesetz eingeschränkt. Auch von den todeswürdigen Verbrechen galten nicht alle als clergyable. Bei Hochverrat war schon seit jeher anerkannt, dass das Klerikerprivileg nicht geltend gemacht werden konnte. Diese Ausnahme wurde in der Zeit vom 14. bis zum 16. Jahrhundert auf weitere Tatbestände ausgedehnt, wobei bisweilen nur den Klerikern mit den niederen Weihen die Berufung auf das Klerikerprivileg verwehrt wurde.300 Diese Benachteiligung der Kleriker mit den niederen Weihegraden findet sich auch in einem weiteren Gesetz aus der Regierungszeit Heinrichs VII. Dort wurde festgelegt, dass sich nur die Kleriker mit höheren Weihen ein zweites Mal auf das Privileg berufen konnten.301 Ähnliche Gesichtspunkte finden sich auch in dem Verhältnis von geistlicher und weltlicher Strafgerichtsbarkeit in Frankreich. Nachdem im 13. Jahrhundert die Barone des Landes sich gegen die Gerichtsbarkeit der Kirche verbündet, die Kleriker in Opposition hierzu ebenfalls Bündnisse geschlossen und der König meist eine Vermittlerrolle eingenommen hatte,302 ging die Entscheidung über die Anwendbarkeit des privilegium fori nach der Versammlung von Vincennes (1329), in der heftig und ohne klares Ergebnis303 über die Reichweite der geistlichen Gerichtsbarkeit debattiert wurde, vornehmlich auf die Richter des Parlements von Paris über.304 Dieses Gericht wurde in vielen Fällen zum Beschützer des Klerikerprivilegs. Gleichzeitig damit nahm es aber das Recht für sich in Anspruch, über die Reichweite des Privilegs selbst zu entscheiden.305 Eine wichtige Einschränkung des privilegium fori galt auch hier für eine Reihe von bestimmten Tatbeständen, die als cas privilégiés bezeichnet wurden. In diesen Fällen konnten die weltlichen Gerichte auch gegen Kleriker Geldstrafen aussprechen, bis zu deren Bezahlung die Beschuldigten im bischöflichen Kerker verbleiben mussten.306 So bestand aber nicht die Möglichkeit der Todesstrafe. Hierzu waren 299 300 301 302 303 304 305 306
Gabel Benefit, 106; Bellamy Criminal Law, 121. Bellamy Criminal Law, 132 u. 141. Gabel Benefit, 123 f.; Bellamy Criminal Law, 131. Fournier Conflits, 448; ders. Officialités, 111. Martin Vincennes, 197. Martin Vincennes, 225. Génestal Procès, 33; Martin Vincennes, 302. Martin Vincennes, 267; Lefebvre-Teillard Officialités, 103.
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die weltlichen Gerichte immer noch auf die Zusammenarbeit mit den kirchlichen Gerichten zur Degradation der Beschuldigten angewiesen.307 Auch der französischen Krone billigten die Päpste weitere Ausnahmen zu. So erlaubte Clemens VII. dem König von Frankreich, dass weltliche Gerichte über Kleriker entscheiden dürften, die im Dienste des Königs standen und sich dabei strafbar machten.308 Damit legalisierte der Papst eine Praxis, die schon zuvor bestand.309 Eine andere päpstliche Bestimmung erinnert frappierend an die Verhältnisse in Venedig. Nach einer Konstitution Leos X. durften auch in Frankreich Kleriker von den weltlichen Richtern verhaftet, untersucht und gerichtet werden, wenn sie bei Begehung der Tat und vier Monate zuvor Habit und Tonsur nicht getragen hatten. Diese Bestimmung sollte von den französischen Bischöfen jedes Jahr an den ersten drei Sonntagen der Fastenzeit verkündet werden.310 Diese Bestimmung hatte ihren unmittelbaren Vorläufer aber nicht in den für Venedig ausgestellten Privilegien. Sie ist noch enger mit einer Bestimmung Alexanders VI. aus dem Jahr 1497 verwandt, die das Gleiche für die Kleriker mit Ersttonsur in Spanien bestimmte.311 Das klerikale Auftreten macht auch der Sachsenspiegel zur Bedingung für das Privileg. Dort steht, dass man Geistliche wie Laien behandeln sollte, wenn sie anstatt Habit und Tonsur Waffen trügen.312 Diese Regel besagt freilich nicht viel
307 Nach Boyer Notes, 38, wurde in Toulouse die Praxis der Verurteilung der Kleriker regional durch das Herkommen legitimiert. 308 Recueil Général 12, n. 172, 350 f. 309 Lefebvre-Teillard Officialités, 91. 310 Boyer Decisiones, 153 (Decisio Nr. LXIX); Lefebvre-Teillard Officialités, 103. 311 Covarrubias Practicarum Quæst., 665 (Cap. XXXII Nr. 1): Extat tamen inter Regias hujus regni leges Alexandri sexti Pontificis Maximi constitutio hac de re lata, etiam quoad Clericos primæ tonsuræ qui conjugati non sunt. Etenim illic statuitur, Clericos primæ tonsuræ quoscumque etiamsi liberi sint a matrimonio, non esse exemptos nec immunes in criminalibus causis a judicibus sæcularibus, nisi tempore commissi criminis, & quatuor proximis ante mensibus tonsura, & vestibus Clericalibus vsi fuerint. 312 Ssp. Ldr. III, 2: Papen unde jüden die wapen vüren unde nicht geschoren ne sin na irme rechte, dut man in gewalt, man sal in beteren als eme leien, wende sie ne solen nene wapen vüren, die mit des koniges dagelikes vrede begrepen sin. Zu vergleichbaren Vorschriften in anderen Rechtstexten s. Hinschius Kirchenrecht V, 419 Fn. 5; Friedberg De finium, 134 Fn. 2.
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mehr, als im nur wenige Jahre zuvor zusammengestellten Liber Extra zu lesen ist.313 In den deutschen Städten und Gebieten314 variierte indes die Bereitschaft zur Beachtung des privilegium fori stark.315 Im 16. Jahrhundert fand die Verärgerung über die Privilegierung der Kleriker ein Ventil in dem verbreiteten Widerstand gegen die römische Herrschaft. In den „Hundert Beschwerden“, die auf dem Reichstag zu Nürnberg im Jahr 1522 vorgetragen wurden, wird die Erbitterung gegen die milde Bestrafung der Kleriker deutlich und eine Abschaffung der Privilegien gefordert.316 In Italien gab es an den meisten Orten hingegen keine derartig offene Konfrontation mit dem römischen Stuhl. Ohne Mitteilung an den Papst versuchten einige Kommunen, dem Missbrauch des privilegium fori durch Abmachungen mit dem örtlichen Bischof zu begegnen. So bestimmte der Bischof von Siena, Klerikern in bestimmten Fällen seinen Schutz zu versagen.317 Ebenso wurde in der Zeit um die Wende zum 14. Jahrhundert auch im Bistum Florenz angekündigt, dass der Bischof Kleriker ohne Habit und Tonsur nicht mehr
313 X 5.39.25 schreibt indes zunächst eine dreimalige Ermahnung der Kleriker vor, bevor diese ihr Privileg verlieren. 314 Die Entscheidung lag hier bei diesen Körperschaften und nicht beim Kaiser, der sich in der Regel zum Beschützer der Kirche stilisierte, Kirn Geistliches Gericht, 189. Diestelkamp Privilegium fori, 3 f., ist kritisch in Bezug auf die Aussage, dass der Kaiser stets Befürworter des privilegium fori war. 315 Detaillierte Einzelstudien fehlen für den Raum. Von einer größeren Akzeptanz des Privilegium fori sprechen für Augsburg Kiessling Gesellschaft, 86 und für Erfurt May Gerichtsbarkeit, 194. Von einer einvernehmlichen Lösung in Zürich berichtet Bauhofer Zürich, 12 ff. Albert Gemeiner Mann, 119, spricht von einem Vertrag der weltlichen Gewalt mit dem Bischof von Konstanz, nach dem das Privileg bei gemeinschaftlicher Tatbegehung eines Klerikers mit Laien nicht gelten sollte. Eher von Konflikten berichten aus Straßburg Baumgartner Geschichte, 78 f., Rapp Réforme, 109, aus Colmar Demandt Konflikte, 141 ff., aus Würzburg Trusen Auseinandersetzungen, 265, und aus dem Hanseraum Hergemöller Pfaffenkriege I, 397. Aus dem Kursachsen vor der Reformation wird von einem allgemeinen Streben der Landesherrscher berichtet, die geistliche Gerichtsbarkeit in ihre Schranken zu verweisen. Das privilegium fori stand dabei jedoch wohl außer Streit, Lück Zurückdrängung, 172 ff. 316 Harburger Privilegium fori, 49. Über weitere Beschwerden s. Kirn Geistliches Gericht, 191 ff. 317 Trexler Synodal Law, 27 f.; Pivano Stato e chiesa, 308 Fn. 32.
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schützen wolle.318 Die weltliche Gewalt respektierte zu dieser Zeit das privilegium fori in Florenz zwar formal, versuchte aber durch verschiedene Benachteiligungen den so genannten declinantes, die die weltliche Gerichtsbarkeit abgelehnt hatten und sich auf das Klerikerprivileg beriefen, das Leben schwer zu machen.319 Im Jahr 1427 wurden diese Gesetze wieder abgeschafft.320 Mit dem Aufstieg der Medici wurde die personelle Bindung an den Heiligen Stuhl immer stärker.321 Das politische Ziel der Medici war dabei weniger die Kontrolle der weltlichen Macht über die Strafgerichtsbarkeit der Kirche als die Einflussnahme zugunsten ihrer Klientel in einzelnen Fällen.322 Daher ging es vor allem darum, auch die geistlichen Richterstellen mit Günstlingen zu besetzen. So versuchte die Regierung von Florenz die Auswahl des Vikars des Bischofs zu beeinflussen.323 Ferner gelang es ihr in Rom, die Stelle des Auditor litterarum contradictarum, der bei Appellationen in bestimmten Fällen die delegierten Richter aussuchte, meist einem Florentiner zu sichern.324 Da man in Florenz, ebenso wie in Mailand,325 die Konfrontation in Form einer allgemeinen Beschränkung oder Missachtung des privilegium fori vermied, erschien das selbstbewusste Auftreten Venedigs, das Sonderrechte in Anspruch nahm, als bemerkenswert. Ein Botschafter aus Florenz, der von seiner Mission aus Venedig zurückkehrte, berichtete daheim, dass in Venedig der Doge bei Kompetenzkonflikten mit dem Klerus mehrere Leute herbeirief und erklärte, dass er in seiner Stadt Papst sei und dass man ihm gehorchen müsse.326 Dieser schroffe Kontrast zwischen Venedig und Florenz erklärt sich nicht nur dadurch, dass in dem florentinischen Diskurs die Eigenheiten Venedigs einmal mehr überzeichnet wurden, um einen radikalen Reformvorschlag zu begründen. Die unterschiedlichen Vorgehensweisen der beiden Staaten finden ihre Ursache vielmehr in den verschiedenen politischen Motivationen, die die Regierungen 318 319 320 321 322 323 324 325 326
Trexler Synodal Law, 138 f. Bizzocchi Chiesa e potere, 271 f. Trexler Synodal Law, 141. Trexler Synodal Law, 142; Bizzocchi Vescovi, 963. Bizzocchi Vescovi, 964. Bizzocchi Chiesa e potere, 281. Bizzocchi Chiesa e potere, 278. Bizzocchi Chiesa e potere, 303. Mariani Curia arcivescovile, 805 ff. Bizzocchi Chiesa e potere, 276: coram vocatis plurimis, iuxisse ut voluntatem suam exequerentur, et addidisse se in civitate sua pontificem et omnia esse, et fuisse tandem obtemperandum.
Fazit und Vergleich 81
bestimmten. Der venezianischen Regierung ging es nicht um eine Ausnutzung der Kirchengerichte zur Protektion der eigenen Klientel, sondern um die Bestrafung der Kleriker. Dieser Grundsatz führt zu einer wichtigen Unterscheidung. Die Kooperation der Gerichte beider Gewalten funktionierte in Strafsachen immer dann gut, wenn der Patriarch bereit war, eine Strafe gegen den beschuldigten Geistlichen auszusprechen. Konflikte entstanden vor allem, wenn der Patriarch gar nicht oder zu milde strafte. Diese Konflikte wurden besonders auffällig, wenn ein Laie und ein Geistlicher gemeinsam eine Tat begingen und der Laie wesentlich härter bestraft wurde als sein Komplize. Daher ist auch verständlich, dass in der Geschichtsschreibung Venedigs das Bild von dem erbitterten Kampf der weltlichen Gewalt gegen das privilegium fori noch kaum relativiert wurde, obwohl die Forschung an anderen Orten schon längst diesen Weg verlassen hat.327 Dass der Konflikt zwischen Kirche und Staat in Bezug auf das privilegium fori von der Historiografie zu Unrecht überhöht wurde, stellte Le Bras schon im Jahr 1922 fest.328 Dennoch dauerte es noch mehr als 50 Jahre, bis Bizzocchi im italienischen Raum für die Toskana in einer auf Quellen gestützten Einzeluntersuchung dieses Konfliktdenken nachhaltig erschüttern konnte.329 In den letzten Jahren ist diese Erkenntnis auch in die deutsche Forschung vorgedrungen, die nun weniger von einem Konflikt als von einer Überlappung und „Kommunalisierung“ der beiden Gerichtsbarkeiten spricht.330 Die Beschreibung des Verhältnisses der beiden Gerichtsbarkeiten hängt stark von den untersuchten Quellen ab. Beschäftigt man sich eher mit publizistischen Traktaten und außenpolitischen Relationen, so wird die Betonung stets stärker auf dem Konflikt der Gewalten liegen, da sich in diesen Quellen erst dann Nachrichten zu dem Thema finden, wenn die Konflikte schon ein gewisses Ausmaß erreicht haben. Nimmt man hingegen die Gerichtsakten zur Hand, so wird man 327 Außerhalb der Gerichtsbarkeit haben die Historiker das Komplementärverhältnis von geistlichen und weltlichen Einrichtungen in Venedig schon stärker herausgearbeitet, Cairns Diocesan Studies, 82 f. Auch in Ehesachen hat Chojnacki dies schon festgestellt, ders. Valori, 202. 328 Le Bras Privilège, 163. 329 Bizzocchi Chiesa e potere. Allgemeiner ders. Conflitti, 269 ff. 330 Wetzstein Tam inter, 48 Fn. 4; zust. Duve Sonderrecht, 72. Auch Albert Gemeiner Mann, 293, distanziert sich von der älteren Forschung.
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die Zuständigkeit des geistlichen Gerichts
stärker darüber informiert, wie die weltlichen und geistlichen Richter sich in der alltäglichen Ausübung ihres Amtes miteinander arrangieren mussten und einen modus vivendi fanden. Dies gilt auch für Venedig. Auch wenn man die immer wiederkehrenden Spannungen im Verhältnis zwischen dem Patriarchen und den weltlichen Beamten nicht ausblenden darf, so kann man ebenso wenig das Kooperationsverhältnis von weltlicher und geistlicher Gewalt außer Acht lassen, das sich an den gemeinsam geführten Verfahren, den gemeinsam benutzten Kerkern, dem Kampf der Regierung für die Rechtsprechung des Patriarchen als iudex ordinarius, der Hilfe des weltlichen Armes und der Politik der Patriarchen für die Durchsetzung der Vorschriften über Kleidung und Ordination ablesen lässt.
4 Cum autem quam plures sint iudices – die Zuständigkeit innerhalb der Kirche
„Es ist bekannt“, schrieb Bonifaz VIII. in einer Entscheidung, die in die Dekretalensammlung des Liber Sextus aufgenommen wurde, „dass der Bischof in seiner ganzen Diözese die ordentliche Gerichtsbarkeit (iurisdictio ordinaria) innehat“.1 Aus der Zahl der kirchlichen Gerichte, die in Venedig tagten, kam der Curia des Patriarchen, der hier als judex ordinarius fungierte, daher auch die größte Bedeutung zu. Weder das Domkapitel noch ein Archidiakonat machten dem Patriarchen Konkurrenz.2 Wie im folgenden Kapitel dargestellt werden soll, besaß auch die Rechtsprechung anderer Bischöfe, der Kongregationen des Säkularklerus, der Mönchsorden und des Primicerius von San Marco nur eine untergeordnete Bedeutung. Die im 16. Jahrhundert entstehende Parallelstruktur am Gericht des päpstlichen Legaten stand indes hierarchisch über der des Patriarchen von Venedig. Nach den wenigen überlieferten Quellen lässt sich aber nicht sagen, dass sie die Gerichtsbarkeit des Patriarchen stark zurückdrängte. Einzig der in Venedig ansässigen griechischen Gemeinde gelang es im Laufe des 16. Jahrhunderts, sich von der Rechtsprechung des Patriarchen zu emanzipieren.
4.1 Die Diözese Eine relativ einheitliche Zuständigkeit eines geistlichen Gerichtes entstand erst mit der Schaffung des Patriarchates von Venedig im Jahr 1451. Zuvor teilte sich
1 VI 1.16.7: episcopus in tota sua dioecesi iurisdictionem ordinariam noscatur habere. 2 Das Kapitel der Kathedrale war finanziell und personell unterentwickelt, Betto Capitolo, 216; dies. Capitoli, 115. Die wenigen Hinweise auf das Wirken eines Archidiakons im 14. Jahrhundert bleiben in den Dokumenten dunkel, Betto Capitoli, 117. In Statuten des Patriarchen von 1526 stand der Archidiakon dem Kapitel von S. Pietro di Castello vor. Seine Gerichtsgewalt beschränkte sich jedoch darauf, Geldstrafen von bis zu drei librae zu verhängen, wenn ihm ein Mitglied des Kapitels nicht gehorchte, ASP Scomparin Raccolta, 185 (17.9.1526).
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die Zuständigkeit des geistlichen Gerichts
der Bischof von Castello mit dem Patriarchen von Grado die Zuständigkeit für die Stadt. Der Patriarch hatte schon im 11. Jahrhundert seinen Sitz in Grado verlassen und war nach Venedig gezogen. Damals wurde ihm zunächst vom Papst verboten, sich in die Gerichtsbarkeit des Bischofs von Castello einzumischen.3 Nachdem die Gegensätze zwischen dem Metropoliten und seinen Bischöfen auf einem Provinzialkonzil offen zu Tage getreten waren, verfügte jedoch Papst Lucius II., dass die Bischöfe von Castello und Torcello die Appellationen an den Patriarchen von Grado zulassen müssten.4 Die Streitigkeiten waren damit aber nicht beseitigt. Dies lässt sich auch daran ablesen, dass die Bischöfe von Castello es sich im Laufe des 12. Jahrhunderts mehrfach durch die Päpste bestätigen lassen mussten, dass die Patriarchen von Grado nicht in ihre Gerichtsbarkeit eingreifen durften.5 Auch die weltliche Gewalt wurde in diese Auseinandersetzung hineingezogen. Papst Alexander III. verfügte, dass der Doge den Patriarchen in seiner Stadt aufnehmen und unterstützen solle, damit der Streit (materia iurgiorum) mit dem Bischof von Castello endlich beigelegt werde.6 Eine vorübergehende Befriedung brachte ein Schiedsspruch, den Papst Gregor X. im Jahr 1233 bestätigte. Danach unterstand die Stadt Venedig nach wie vor dem Bischof von Castello. Appellationen durfte der Patriarch von Grado nur nach einem Erkenntnisverfahren (causae cognitio) annehmen. Ferner durfte er die Jurisdiktion über den Klerus von fünf Kirchen ausüben: San Silvestro, San Matteo di Rialto, San Canciano, San Giacomo dell’Orio und San Martino.7 Später kam noch San Bartolomeo hinzu.8 3 Leo IX. (1053), Ughelli Italia Sacra V, 1217 f.; Kehr IP VII/2, 130 Nr. 4; Rando Chiesa, 81 f. 4 Paschalis II. (1110–1111), Pflugk-Harttung Acta II, 201, Nr. 241; Kehr Rom und Venedig, 119. 5 Lucius II. (1144), Ughelli Italia Sacra V, 1241 f.; Kehr IP VII/2, 130–131 Nr. 5; Madden Dandolo, 28; Bestätigung des Privilegs: Hadrian IV. (1156), MPL 188, Sp. 1445– 1447 Nr. 82; Kehr IP VII/2, 131 Nr. 7; Ughelli Italia Sacra V, 1242 u. 1245 (zur Datierung). 6 MPL 200, Sp. 1284 f., Nr. 1483; Kehr IP VII/2, 67 f. Nr. 133 (1179–81). 7 Ughelli Italia Sacra V, Sp. 1258–1261; Predelli Libri Comm. III, 127 Nr. 1. 8 Gallicciolli Memorie V, 45; Piva Patriarcato II, 158. Überdies habe S. Trovaso unter einer gemischten Jurisdiktion gestanden.
Die Diözese 85
Mit der Schaffung des Patriarchates von Venedig wurde die Rechtslage wesentlich einfacher. Der Patriarch war nun in erster Instanz für das gesamte Stadtgebiet verantwortlich. Von den übrigen Lagunenbistümern Torcello, Chioggia, Caorle und bis zu seiner Aufhebung im Jahr 1466 auch Jesolo war die Appellation an den Patriarchen von Venedig als Metropoliten möglich. Die Vielzahl dieser übrigen Bistümer in der Lagune bedingte es zugleich, dass der Patriarch die Grenzen der Diözese Venedig stets in Sichtweite hatte. Denn der Lido gehörte schon zu der Diözese Chioggia und auf der Insel Murano residierte der Bischof von Torcello.9 Über die Kleriker dieser Diözesen konnte der Patriarch von Venedig nicht in erster Instanz richten.10 Als der Patriarch einen Priester aus Chioggia wegen einiger Verbrechen lud, damit dieser sich verteidigen könne (ad se deffendendum et expurgandum),11 erschien der Priester zwar, „damit er sich gehorsam zeige“. Vor dem Gericht des Patriarchen wollte er sich jedoch nicht zu den Vorwürfen einlassen, da es doch in Chioggia einen eigenen Bischof gebe.12 Auf dem Festland verfügte die Diözese nur über wenige Kirchen in dem Gebiet um das Kloster S. Ilario (Gambarare).13 Hinzu kamen noch die alten Rechte des Patriarchen von Grado über Latisana und über S. Fior und S. Vendemiano bei Conegliano. Die Gerichtsbarkeit über diese Festlandsbesitzungen übte ein vicarius foraneus aus.14 Die Zuständigkeit in Kriminalsachen bestimmte sich danach, in welcher Diözese das Delikt begangen wurde.15 Als der Bischof von Ceneda einen in seiner Diözese wohnhaften Kleriker richten wollte, der eine Körperverletzung in dem Dorf Zoppè begangen hatte, das zu den wenigen Festlandsbesitzungen des Patriarchen gehörte, protestierte der Patriarch dementsprechend.16 Die Regel der 9 10 11 12
13 14 15 16
Kehr Rom und Venedig, 103. X 1.31.9. ASP AMP b. 66, 121’–122 (13.7.1531). Ebda., 124’: propter comparitionem praedictam non intendat audiri nec judicarj per praefatum Rmum D. Patriarcham cum ipse non sit inmediate Judex super presbiteris et canonicis dicti civitatis clugie existente episcopo in ipsa civitate sed comparuit ut videatur obsequens et obediens. Tramontin Estendersi, 20; Pedani Fabris Veneta auctoritate, 133. ASP Div. b. 8, 3’ (29.11.1492); ebda. Instr. reg. 5, 238 (7.4.1521). C.3 q.6 c.1: Ubi crimen admittitur, ibi causa ventiletur; X 2.2.13–14; Fournier Officialités, 140. ASP AMP b. 61, 359’ (18.2.1519). Der Patriarch beschwerte sich bei dem Vikar des
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die Zuständigkeit des geistlichen Gerichts
Zuständigkeit des Gerichts des Ortes, an dem der Beschuldigte festgenommen werden kann, die anderswo zur Gewohnheit geworden ist,17 findet sich nicht in den Akten aus Venedig.18 Es gab jedoch zwei Fälle, in denen der Patriarch auch bei Verbrechen tätig werde konnte, die nicht in seiner Diözese begangen wurden. Der erste Fall beruht auf den besonderen Erlaubnissen, die die venezianische Regierung von den Päpsten erhalten hatte. Wurde in Venedig ein Geistlicher verhört, so sollte der Vikar des Patriarchen auch dann herbeigerufen werden, wenn der Beschuldigte sonst nicht unter der Gerichtsgewalt des Patriarchen stand.19 Dies umfasste in der Praxis auch den Fall, dass der Patriarch räumlich nicht zuständig gewesen wäre.20 In dem zweiten Fall trat der Patriarch als delegierter Richter auf, wenn nach einer Appellation der Fall an ihn verwiesen wurde. Die Ausgangsfälle stammten dabei meist aus den Nachbardiözesen Padua und Treviso.21 Da der Grundsatz galt, dass der Richter nicht weiter als zwei Tagesreisen von dem Wohnort der Parteien entfernt sein dürfe,22 kam eine Delegation aus anderen Gebieten an den Patriarchen von Venedig auch kaum in Betracht. Gleichwohl gab es auch hier Grenzfälle. Bei einem Fall, in dem der Angeklagte nach einem Verbrechen aus Verona nach Venedig geflohen war, behaupteten die Ankläger, dass es notorisch sei, dass Verona weiter als drei (!) Tagesreisen entfernt liege. Der Beklagte behauptete mit dem gleichen Nachdruck, dass das Gegenteil notorisch sei.23
17 18 19 20 21 22 23
Bischofs von Ceneda mit den Worten: perturbando Iurisdictionem nostram et falcem suam in alienam messem ponendo praeter id quod facere de Iure potest et debet, cum ratione loci in quo commissum est delictum potest Judex ordinarius ipsius loci procedere contra delinquentem ut Juris sunt aperte decisiones et de hoc etiam non latere reverendae paternitati vestrae crediamus. Pommeray Officialité, 200 ff.; Fournier Officialités, 234 Fn. 2. Vgl. zur Tatortregel noch ASP AMP b. 14, 17.3.1452; ebda. b. 66, 2.11.1531 (Brief von dem Bischof von Verona Giberti). Gallicciolli Memorie V, 300. Z. B. ASVen CX Misti reg. 24, 236 (29.12.1490); ebda. CX Crim. reg. 3, 141 (15.2.1521 m.v.) u. ebda. CX Crim. b. 4, 15.2.1521 m.v. Diese Fälle finden sich vor allem in der Serie ASP CDA. X 1.3.28. ASP CDA b. 27 gg. Augustino de Nigrinis, Eingaben vom 10.5. und 13.5.1527.
Dalmatien 87
In seiner Diözese war der Patriarch als iudex ordinarius ausschließlich befugt, die bischöfliche Rechtsprechung wahrzunehmen.24 Dies ist auch deshalb wichtig, da in Venedig neben dem Patriarchen auch immer wieder Bischöfe aus anderen Diözesen und Titularbischöfe residierten. Eine momentane Auflistung einiger Bischöfe, die sich in Venedig befanden, findet sich in einem Urteil, in dem ein Kleriker degradiert wurde. Hierzu war die Anwesenheit von sechs Bischöfen nötig. Der Patriarch brauchte dazu aber nicht in die Nachbardiözesen zu blicken, sondern konnte die sechs Bischöfe in seiner Stadt finden. Diese Bischöfe hatten ihre Diözesen vor allem in dem venezianischen Seereich. So finden sich in der Liste der Erzbischof von Spalato (Split), der Erzbischof von Korfu, der Erzbischof von Korinth, der Bischof von Philadelphia, der Bischof von Sebenico (Šibenik) und der Bischof von Chissamo (Kastelli auf Kreta).25 Wollte ein anderer Bischof in Venedig zu Gericht sitzen, so war dazu eine besondere Erlaubnis des Patriarchen nötig. Eine solche Erlaubnis besaß beispielsweise der Kardinal Francesco Pisani, der als Sohn des berühmten Bankiers Alvise Pisani26 zugleich Bischof von Padua und Treviso27 war, aber zeitweise in Venedig residierte.28 Eine ähnliche Erlaubnis erteilte der Patriarch auch einmal dem Bischof von Veglia (Krk),29 dem Bischof von Kreta30 und in einem Einzelfall dem Bischof von Chissamo.31
4.2 Dalmatien Weitere Zuständigkeiten hatte der Patriarch als Primas von Dalmatien. Die Stellung als Primas hatte der Patriarch von Grado Enrico Dandolo in den Jahren 1154 und 1155 errungen. Der Patriarch wurde in diesen Jahren zum Oberherrn über das Erzbistum Zara (Zadar) mit den drei Suffraganbistümern Veglia (Krk), Ossero 24 25 26 27 28 29 30 31
Zur Entstehung der iurisdictio ordinaria Avril Emploi, 276 f. ASP Sent. b. 4, 9’ (14.12.1501). Lane Venice, 328; Cairns Diocesan Studies, 86. Die Stellung in Treviso war 1527–1534 umstritten, Liberali Documentari II, 55 ff. Die Verwaltung der Diözese übernahm im Jahr 1538 Giorgio Corner. ASP CDA b. 33, 17.2.1531 (gg. Domenicus Bollognatus). ASP AMP b. 66, 173’ (4.3.1532). ASP AMP b. 16, 16.8.1454; BNM Mss. Lat. IX cod. 74 (3289), 75’ (16.8.1454). ASP AMP b. 58, 28.9.1513.
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die Zuständigkeit des geistlichen Gerichts
(Osor) und Arbe (Rab).32 Das Primatialprivileg über Dalmatien ließen sich die Patriarchen von Grado im Laufe des 12. Jahrhunderts mehrfach bestätigen.33 Dabei wurde auch festgelegt, dass eine Appellation von dem Erzbischof von Zara (Zadar) nach Venedig möglich sein sollte.34 Der Titel des Primas von Dalmatien ging auf die Patriarchen von Venedig über. Auch noch zu diesem Zeitpunkt blieb die Appellation von Dalmatien nach Venedig grundsätzlich möglich. Die Patriarchen führten ihren Titel als Primas von Dalmatien daher nicht nur ehrenhalber.35 Umfang und Bedeutung dieser Appellationsgerichtsbarkeit waren indes gering. Zwar gab der Patriarch in Strafsachen bisweilen Anweisungen und nahm Beschwerden entgegen.36 Ein regelrechtes Appellationsverfahren in Venedig zu führen, war aber für die Parteien aus Dalmatien umständlich und teuer. Um den Parteien diese Unannehmlichkeiten zu ersparen, ging der Patriarch häufig dazu über, die Sachen einem Richter in Dalmatien als iudex delegatus aufzutragen.37
4.3 Die Neun Kongregationen Die Neun Kongregationen, in die der Säkularklerus Venedigs unterteilt war, hatten zwar eine eigene Gerichtsbarkeit. In Strafsachen machten sie dem Patriarchen jedoch keine Konkurrenz.
32 Niero Venetiarum Patriarcha, 72 ff.; Rando Chiesa, 182; Kehr Rom und Venedig, 134 ff.; Kehr IP VII/2, 62 f. Nr. 117 u. 118. 33 Felbinger Primatialprivilegien, 148. 34 Smičiklas Codex Diplomaticus II, 161 f. (Nr. 158); Kehr IP VII/2, 67 Nr. 130. 35 Niero Venetiarum Patriarcha, 84; Gallicciolli Memorie IV, 36 f.; Cappelletti Storia II, 689 ff. 36 Z. B. ASP AMP b. 61, 69 (1516) u. 94’–95 (18.11.1516); ebda. 114 (25.2.1517). BNM Mss. Lat. IX cod. 74 (3289), 109’–110 (8.4.1507) über Simonie in der Diözese Veglia (Krk). 37 ASP Div. b. 2 (4.5.1476): attento locorum distantia non parva et pro maiori habilitate et commoditate ambarum partium; ASP AMP b. 63, 189–189’ (17.10.1523): Convenit Iustitię et honestati quod cause et maxime que non sint magne Importantie pro sublevatione partium ab expensis damnis et periculis potius cognoscantur et decidantur in partibus civitatibus et locis ubi degunt et morantur ipse partes et non ad alias longinquas partes.
Die Neun Kongregationen 89
Die ältesten Vereinigungen von Pfarrern und in den Pfarrkirchen tätigen Klerikern sind schon im 12. Jahrhundert gut dokumentiert.38 Sie benannten sich jeweils nach einer Kirche, die den Mittelpunkt der Gemeinschaft darstellte. Dennoch waren sie nicht territorial organisiert. Die Mitglieder einer Kongregation konnten aus der ganzen Stadt kommen.39 Wahrscheinlich waren nicht alle Säkularkleriker Venedigs Mitglieder in den Kongregationen.40 Dennoch wurde der Weltklerus Venedigs häufig mit der Gesamtheit der Kongregationen gleichgesetzt,41 deren Zahl im Laufe der Zeit auf neun anwuchs. Über die Verfassung der Kongregationen sind wir in erster Linie durch ihre Satzungen (lat.: matricula, ven.: mariegola) informiert. Mehrere Schiedssprüche regelten im 15. Jahrhundert das Verhältnis der Kongregationen zueinander und zu der Diözesangewalt. Schiedsrichter waren der Bischof von Castello und später der jeweilige Patriarch von Venedig. Lorenzo Giustiniani, Bischof von Castello und später erster Patriarch von Venedig, legte im Jahr 1433 fest, dass die neun Kongregationen jeweils für zwei Jahre drei Personen bestimmen sollten, die als supramassarii über alle Streitigkeiten entschieden, die zwischen den Kongregationen oder zwischen einzelnen Mitgliedern in Bezug auf die jeweiligen Kongregation auftraten. Diese Gerichtsbarkeit beschränkte sich aber allein auf die Bräuche und Regeln der Kongregationen.42 Von dem Urteil der supramassarii sollten die Parteien zu den Erzpriestern (archipresbiteri), die den Kongregationen vorstanden, appellieren können. In dritter Instanz sei dann der Bischof von Castello für diese Sachen zuständig.43 Am Ende des Schiedsspruches bekräftigte der Bischof seinen Jurisdiktionsanspruch nochmals. Da es ja mehrere Richter in der Diözese von Castello gebe und die Amtsträger der Kongregationen sich auch häufiger an diese wendeten, treffe er eine Regelung, damit in den Kongregationen keine derart große Verwirrung
Betto Congregazioni, 114. Betto Congregazioni, 135. Cappelletti Storia III, 49. Betto Congregazioni, 140; Sartorelli Congregazioni, 40. ASP Instr. reg. 2, 77. Betto Clero di Venezia, 278: in his tantum rebus que spectant circa consuetudines et ordines dictarum congregationum tantum et non aliter. 43 Ebda. 38 39 40 41 42
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die Zuständigkeit des geistlichen Gerichts
herrsche.44 Nach dieser Regelung seien alle Leute zu bestrafen, die sich mit ihren Rechtsstreitigkeiten nicht an den Bischof als Ordinarius wendeten.45 In einem späteren Schiedsspruch aus dem Jahr 1448 musste Lorenzo Giustiniani in diesem Punkt aber etwas zurückrudern. Zwar mussten sich immer noch alle Mitglieder der Kongregationen unter Androhung von Strafe in Rechtssachen an ihn wenden. Doch räumte er nun ein, dass er in Angelegenheiten der Kongregationen nicht als Ordinarius fungiere.46 Bei dieser Regelung blieb es, auch wenn der ursprüngliche Schiedsspruch in anderen Punkten unter dem Patriarchat von Maffeo Girardi noch einige Veränderungen erfuhr. Rund 100 Jahre später stellte der Patriarch Giovanni Trevisan die Rechtslage noch einmal klar.47 Er legte im Jahr 1558 mit Deutlichkeit fest, dass alles, was nicht nur die Kongregationen betreffe, vor sein Gericht gehöre. Wage es jemand, ein anderes Tribunal anzugehen, so würde er nach dem Ermessen des Ordinarius, d. h. des Patriarchen, bestraft.48 Den Statuten der Kongregationen lässt sich entnehmen, dass sie nur in wenigen Fällen in die Nähe der Ausübung von Strafgerichtsbarkeit gerieten. Die Statuten trafen in dieser Hinsicht vor allem Vorkehrungen für die Fälle, dass ein Mitglied fluche (blasphemia)49 oder die Kongregation beleidige (iniuriae).50 Als Strafe war der Ausschluss aus der Kongregation vorgesehen, was finanzielle Nachteile mit sich brachte. Weitergehende Geldstrafen werden nur vereinzelt erwähnt.51 Als die Kongregation von Santa Maria Formosa ein Mitglied ausgeschlossen hatte, das den Archipresbiter der Vereinigung beleidigt hatte, bestätigte der Pat44 Ebda., 284: Cum autem quam plures sint iudices in diocesi Castellana ad quos isti gubernatores et officiales seu alii congregationum persepe se reducunt, ne tanta talisque confusio in istis congregationibus sit, statuimus [...]. 45 Ebda., 285: nullus [...] possit se reducere ad alium iudicem preterquam ad ordinarium – videlicet episcopum – de omnibus litibus, controversiis, discordiis, ordinationibus, statutis et differentiis, preterquam in illis in capitulo 3° superius annotatis, sub pena ab iure statuta et etiam sub pena arbitrio ipsius ordinarii contrafacienti imponenda. 46 Ebda., 302: non tamen tamquam ordinarium. 47 Betto Riflessioni, 216. 48 Cappelletti Storia III, 140 f.: Non sit igitur qui audeat alterius judicis tribunal adire: qui contrafecerit, ordinarij arbitrio puniatur. 49 Ebda., 485 (Cap. 47 der Statuten von San Paolo). 50 Betto Clero di Venezia, 380 (Cap. 65 der Statuten von S. Maria Formosa); ebda., 451 f. (Cap. 29 San Canciano). 51 Ebda., 486 (Cap. 48 San Paolo).
Exemptionen 91
riarch dieses Urteil. Seine Zuständigkeit begründete er gegenüber dem Mitglied, das direkt von der Kongregation an den Papst appellieren wollte, mit dem in dem Schiedsspruch vorgesehenen Instanzenzug.52 In anderen Fällen machte der Patriarch deutlich, wie eng er die Gerichtsbarkeit verstanden wissen wollte, die den Kongregationen für ihre eigenen Angelegenheiten eingeräumt war. In einem Fall, der sich um den Diebstahl eines Silberkreuzes drehte, stellte der Patriarch sogleich fest, dass er nicht aufgrund des Schiedsspruches, sondern als iudex ordinarius tätig werde.53 Ebenso erklärte sich der Patriarch auch in einem Streitfall wegen iniuriae für zuständig, ohne die Entscheidungen der Gerichte der Kongregationen abzuwarten. Hier ging es indes auch nicht um eine Beleidigung der Kongregation durch das Mitglied, sondern um den umgekehrten Fall, in dem das Mitglied sich von dem Erzpriester der Kongregation von San Silvestro beleidigt fühlte.54 Die Strafgerichtsbarkeit der Kongregationen hatte also einen engen Rahmen. Sie waren nur in den Rechtssachen zuständig, die ihre eigenen Regelungen betrafen. In diesen Fällen kam nur der Ausschluss aus der Kongregation als Strafe in Frage. Von einem solchen Urteil blieb die Appellation an den Patriarchen von Venedig möglich.
4.4 Exemptionen Stand so also der gesamte Weltklerus allgemein unter der Gerichtsbarkeit des Patriarchen, so gab es doch Versuche, durch persönliche Befreiungen (Exemptionen) der Gerichtsbarkeit des Ordinarius zu entgehen. Solche Befreiungen waren nicht nur mit manchen hohen Ämtern, sondern oft auch mit der Tätigkeit in bestimmten Kirchen verbunden. In Venedig versuchte man, diesem Unwesen Einhalt zu gebieten. Dafür setzte sich einerseits die weltliche Gewalt ein, indem sie gegen die Vergabe solcher Privilegien kämpfte.55 Andererseits waren auch die Patriarchen gegen diese Angriffe auf ihre Gerichtsbarkeit durch eine Art Gegenprivileg gewappnet. Im Jahr 1471 52 ASP CCV b. 1, n. 4 (1496). 53 ASP CCV b. 1, n. 5 (1499). Die Angelegenheit ist entgegen dem Vermerk des Archivars aber wohl eher eine Zivilsache. 54 ASP CCV b. 1, n. 19 (1530). 55 S.o., 71.
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die Zuständigkeit des geistlichen Gerichts
stellte nämlich der aus Venedig stammende Papst Paul II. dem Patriarchen Maffeo Girardi folgende Ermächtigung aus: „Denn Einige schützen sich mit den vielen Hinterlistigkeiten der Privilegien und der Bezeichnung der Ämter vor ihren Gläubigern und schrecken deshalb nicht davor zurück, Verbrechen zu begehen und auch sonst ein zügelloses Leben zu führen. Wir wollen aber Dir als unserem Bruder diese Menschen überlassen, die den Stand der Kirche aufs Äußerste entehren. Du sollst gegen alle und jeden Säkular- wie Regularkleriker, gleich welcher Würde, welchen Standes oder Ranges, auch wenn er in einer befreiten Kirche Pfründen innehat, auch wenn es Angehörige der Kardinäle der römischen Kurie oder unsere Kaplane oder Beamte sind, die sich außerhalb der römischen Kurie aufhalten, wenn sie nicht gerade von uns oder von den Kardinälen selbst für den Moment und mit ihren Geschäften eigens gesandt wurden, wenn sie in deiner Diözese Verbrechen begehen oder Verträge schließen, strafrechtlich und zivilrechtlich vorgehen und es nicht versäumen, mit unserer Vollmacht Gerechtigkeit walten zu lassen ohne Rücksicht auf Privilegien und Immunitäten, gleich welchen Orden und Personen auch immer sie verliehen worden sind.“56 Die Patriarchen Venedigs beriefen sich in der Folgezeit immer wieder auf dieses Privileg und machten die Bezeichnung als iudex super exemptos nicht selten zum Bestandteil ihrer Titulierung, mit der sie ihre Urteile einleiteten. Das Privileg Pauls II. wurde in einem Zivilfall noch mehr als 50 Jahre nach seiner Erteilung von einem Anwalt vor dem Patriarchen von Venedig reproduziert.57 Wie erfolgreich der Kampf gegen die Exemptionsprivilegien war, lässt sich für den Weltklerus kaum sagen. Sollte der Patriarch tatsächlich die Ambition gehabt haben, auch alle Regularkleriker unter seine Gerichtsbarkeit zu bringen, wie es in 56 ASVen Podocat. b. 1 (6.3.1471): Quia plerique indisciplinati [...] multis versutiis privilegiorum ac officiorum nomine adversus creditores suos se tuentur et maleficia propterea committere ac alias dissolutam vitam ducere non horrescunt. Nos volentes talibus que ecclesie statum maxime dehonestant providere Fraternitati tue committimus ut adversus omnes et singulos clericos seculares et regulares cuiuscumque ordinis status et gradus etiam si in aliqua ecclesia exempta beneficia obtineant, etiam si Romanae curiae cardinalium aut familiares nostri cappellani et officiales extra romanam curiam degentes existunt dummodo a nobis vel ab ipsis cardinalibus pro nunc ac eorum negotiis non fuerint specialiter destinati si in tua diocesi delinquerint aut contraxerint criminaliter et civiliter procedere, et auctoritate nostra Justitiam facere non obmittas, non obstantibus privilegijs et immunitatibus quibuscumque ordinibus et personis concessis. 57 ASP AMP b. 65, 5.6.1528.
Regularklerus 93
dem Privileg Pauls II. angedeutet ist (omnes et singulos clericos seculares et regulares), so war den Bemühungen insoweit sicher kein Erfolg beschieden.
4.5 Regularklerus Zwar unterstanden nach der kanonistischen Grundregel alle Mönche ihren Bischöfen,58 die für ihre Disziplin sorgen sollten.59 Ausnahmen zu dieser Regel mussten bewiesen werden.60 Mit der Zeit hatten die Ausnahmen aber in einem solchen Maß zugenommen, dass nur noch die wenigsten Klöster einem Bischof unterstanden, der dort allenfalls ein Recht zur Visitation besaß. Man sprach von einem großen Meer, mare magnum, von Privilegien und Exemptionen, das den Angehörigen der Mendikantenorden zur Verfügung stand. Seit dem Jahr 1474 war zudem der größte Teil der einzeln den Orden verliehenen Privilegien vergemeinschaftet worden, sodass sich ein Regularkleriker auch auf Privilegien berufen konnte, die einem anderen Orden erteilt worden waren.61 Die vielen Privilegien des Regularklerus62 sorgten auch in der Diözese Venedig für Unmut. Die Konkurrenz der Bettelorden war dem Weltklerus vor allem bei dem Spenden der Sakramente wegen der damit verbundenen Einnahmen verhasst.63 In diese Streitigkeiten wurde auch das Gericht des Patriarchen bisweilen hineingezogen. So machten Vertreter der neun Kongregationen des venezianischen Weltklerus im Jahr 1522 geltend, dass das Spenden der Sakramente durch einen bestimmten Dominikanermönch gegen das Recht der Gemeinden (ius parrochiale) verstoße. Sie beriefen sich hierfür auf ein Privileg, das der Patriarch Maffeo Girardi im Jahr 1476 erhalten hatte.64 Ferner entspreche dies auch den Beschlüssen des Fünften Laterankonzils,65 bei dem in der Tat eine Reihe von Bischöfen eine Bestim58 59 60 61 62 63 64 65
C.16 q.1 c.12. C.18 q.2 c.17. X 3.36.8; Hirte Innozenz III., 241. De Bonhome Juridiction, 102; Naz Communication, 1095 f.; Brambilla Confessione, 516. Zu den Privilegien, die den Mendikantenorden von der venezianischen Regierung verliehen wurden, s. Vuillemin Espace urbain, 54. De Sandre Gasparini Ordini, 238. Eine Kopie dieses Privilegs gibt es in ASP Scomparin Raccolta, 428’ (18.3.1476). Alberigo Conc. II, 647, sessio XI (19.12.1516).
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die Zuständigkeit des geistlichen Gerichts
mung gegen die Privilegienflut für die verschiedenen Orden erreicht hatte.66 Obwohl der Patriarch nach eigenem Bekunden mit dem Mönch Milde walten lassen wollte, blieben die Vertreter der Kongregationen hart und verlangten die Exkommunikation.67 Der Mönch wurde schließlich gegen eine Pönitenz absolviert.68 Die Väter des Fünften Laterankonzils hatten jedoch nicht nur allgemein das Spenden der Sakramente durch die Mendikanten verboten. Sie hatten vielmehr auch das Verhältnis der Gerichtsbarkeit der Bischöfe zu den Orden geregelt. Die Bischöfe durften danach nur die Pfarrkirchen besuchen, die die Mendikanten unterhielten. Kamen die Mönche dort ihren Pflichten nicht nach, durften die Bischöfe sie nach den Regeln ihrer Orden innerhalb ihres Klosters bestrafen.69 So klar diese Regel aussieht, so wenig deckt sie sich mit der Praxis des Patriarchatsgerichtes von Venedig in vortridentinischer Zeit. Die Gerichtsakten lassen stattdessen zwei Fallgruppen erkennen, in denen der Patriarch auch gegen Regularkleriker strafrechtlich vorging. Hinter beiden Fallgruppen verbargen sich Erwägungen der Praktikabilität und kein Machtanspruch über die Klerikergemeinschaften. Der erste Fall betraf die Regularkleriker, die von der weltlichen Macht festgenommen wurden. Hier sendete der Patriarch seinen Vikar, um den Verhören beizuwohnen, auch wenn der Beschuldigte sonst nicht der Gerichtsbarkeit des Patriarchen unterstand. Diese Vorgehensweise wurde schon bei Entstehung des Verfahrens cum interventu vicarii von Papst Sixtus IV. angeordnet. Später bestätigte dies Alexander VI. noch einmal eigens auch für den Fall, dass es sich bei den Beschuldigten um Angehörige der Mendikantenorden handele.70 Hatten die weltlichen Beamten ihre Ermittlungen beendet, wurde der Angeklagte auch dann dem Patriarchen ausgeliefert, wenn er dem Regularklerus angehörte. Der Patriarch stand nun vor der Wahl, entweder selbst ein Urteil über den De Bonhome Juridiction, 112. ASP CR b. 1, 216 (1.7.1522). Ebda., 218. Alberigo Conc. II, 646, sessio XI (19.12.1516): statuimus et ordinamus quod episcopi et eorum superiores et alii praelati praefati parochiales ecclesias ad eosdem fratres ratione locorum suorum legitime spectantes quo ad ea quae ad parochianorum curam et sacramentorum conservationem administrationem que pertinent sine tamen visitatorum insolito gravamine vel impensa visitare et illarum curam gerentes et circa illam delinquentes si religiosi fuerint iuxta ipsius ordinis regularia instituta intra septa regularis loci saeculares vero presbyteros et fratres huiusmodi beneficia obtinentes libere tamquam suae iurisdictioni subiectos punire. 70 S.o., 52. 66 67 68 69
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Beschuldigten zu fällen oder ihn seinem Prior oder anderen Ordensgeistlichen auszuliefern. Der Patriarch entschied sich mal für die eine und mal für die andere Variante.71 Im Allgemeinen stimmte er sich hierzu mit den Orden ab. Dieses von Kooperation geprägte Verhältnis zu den Orden zeigt sich an dem Beispiel des Bruders Thomas, eines aus Bologna stammenden Servitenmönches. Diesem wurde vom Rat der Zehn ein Prozess wegen homosexueller Kontakte mit einem Jungen gemacht. Als der Rat der Zehn den Mönch dem Patriarchen auslieferte,72 erklärten die Serviten, in diesem Fall die Gerichtsbarkeit des Patriarchen anzuerkennen und kein Privileg73 für Thomas geltend zu machen. Thomas sei ein Apostat.74 Der Vikar des Patriarchen konnte in dem Fall also selbst das Urteil sprechen.75 Die hier gegebene Begründung der Apostasie bezeichnet zugleich auch schon die zweite Fallgruppe, in der der Patriarch von Venedig sich an Strafverfahren gegen Regularkleriker beteiligte. Der Tatbestand der apostasia a religione erfasste alle Mönche, die ihr Kloster verließen und zum weltlichen Leben zurückkehrten.76 An die Apostasie konnten sich zwei Rechtsfolgen knüpfen. Erstens war die Apostasie selbst ein Vergehen, das mit der Exkommunikation bestraft wurde.77 Zweitens konnte die Apostasie aber auch als eine Art Verfahrensvoraussetzung zur Folge haben, dass der Patriarch und nicht der jeweilige Orden die Zuständigkeit für sich in Anspruch nahmen, über den betreffenden Mönch zu richten.78 Die weltliche Macht beteiligte sich in Venedig, anders als in England,79 nicht daran, die Mönche wieder zu ihrem Kloster zu bringen. Sie wurde nur bei entlaufenen Nonnen tätig.80
71 Auslieferung z. B. ASP CR b. 1, 224 (12.3.1532); Entscheidung durch den Patriarchen z. B. ebda., 18’ (13.9.1476). 72 ASVen CX Crim reg. 2, 213’ (6.2.1517 m.v.). 73 Womöglich spielten die Serviten dabei auf ein ihnen verliehenes Privileg an, Corner Notizie, 292. 74 ASP CR b. 1, 177 (25.2.1518). 75 Ebda., 183–183’ (19.3.1518). 76 Génestal Privilegium I, 148. 77 VI 3.24.2. 78 Vgl. X 1.31.7. 79 Logan Runaway, 97 ff. 80 S.u., 96 ff.
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Vor dem Konzil von Trient gingen die Patriarchen nur vereinzelt wegen des Deliktes der Apostasie gegen Mönche vor.81 Häufiger kam es vor, dass der Patriarch die entlaufenen Mönche zu ihren Orden zurückführte, die dann über eine Strafe entschieden.82 Dementsprechend verfügten beispielsweise die Franziskaner der Ordensprovinz auch über ein eigenes Gerichtsorgan für solche Fälle, die auditores apostatarum.83 Doch lässt die Rechtsprechung des Patriarchen hier keine klare Linie erkennen. Häufig ging er dem Vorwurf der Apostasie nicht weiter nach und verurteilte entlaufene Regularkleriker wegen anderer Delikte, ohne sie den Orden zu übermitteln.84 Es kam aber auch vor, dass er einen Apostaten erst wegen anderer Delikte zur Kerkerstrafe verurteilte und dann auf ein Gnadengesuch hin seinem Orden auslieferte.85 Erst in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts86 gingen die Patriarchen mit größerer Entschlossenheit gegen das Delikt der Apostasie selbst vor,87 was auch von den päpstlichen Nuntii forciert wurde.88
4.6 Frauenklöster Der Einfluss der Orden auf die Frauenklöster hing von den jeweiligen päpstlichen Bestimmungen für den Einzelfall ab. Insgesamt war er wesentlich geringer als bei den männlichen Gemeinschaften.89 Die Stellung des Ordinarius war somit stärker.
81 ASP CR b. 1, 13–15’ (1463). 82 ASP CR b. 1, 64 (3.9.1493). Die Orden sahen in ihren Statuten bestimmte Strafen für Apostaten vor, Bouché Apostasie, 670; Logan Runaway, 147 ff. 83 ASP CR b. 1, 59 (18.5.1494). 84 Z. B. ASP CR b. 1, 18’ (13.9.1476). 85 ASP CR b. 1, 110 (1506). 86 Die härtere Gangart gegen Apostaten wurde auch auf dem Konzil von Trient angekündigt, sess. XXV, c. XIX de regularibus, Alberigo Conc. III, 158. 87 CR b. 2, 35–38 (1566); ebda., 204–209 (1578); ebda., 216–227 (1578); ebda., 228– 247 (1578). 88 CR b. 2, 439 (22.9.1586): gemeinsames Urteil vom Vikar des Patriarchen und vom Auditor des päpstlichen Nuntius in einer Apostasiesache. Eigentlich hielten die Nuntii sich selbst für zuständig: ebda., 375 (1.7.1585) schreibt der Auditor des Nuntius: apostasiae causa ad hoc tribunal [gemeint ist sein eigenes] pertinet. 89 Zarri Recinti, 45.
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Die größte Konkurrenz in der Disziplinierung der Nonnen hatte der Patriarch daher nicht in den Orden, sondern in den weltlichen Behörden. In der Aufrechterhaltung der Klausur strebten der Patriarch und die weltlichen Politiker dasselbe Ziel an. Sie mussten sich abstimmen, wenn Nonnen und Laien miteinander Kontakt aufnahmen oder sogar die Grenzen der Keuschheit überschritten. Dies wurde als ein besonders schweres Verbrechen betrachtet. Laien, die sich dergleichen zuschulden kommen ließen, mussten mit drakonischen Strafen rechnen.90 Seitens der weltlichen Regierung übernahm der Rat der Zehn die Kontrolle über den Lebenswandel der Nonnen und begründete hier wie im Fall der Sodomie seine Zuständigkeit mit der Angst vor einer göttlichen Strafe, die über die Stadt käme, wenn die Schwestern nicht sittsam lebten.91 In einem Beschluss aus dem Jahr 1518 wurden entsprechende Übertretungen als Beleidigung der göttlichen Majestät (crimen Divine lese Majestatis) bezeichnet.92 Nach diesem Beschluss sollten Nonnen, die ohne Erlaubnis des Patriarchen außerhalb ihres Klosters angetroffen wurden, festgenommen und dem Patriarchen oder einem anderen Superior, also in der Regel der Äbtissin, ausgeliefert werden.93 Auch alle Mönche, Priester oder Kleriker, die mit Nonnen Unterhaltung gepflegt hätten, sollten von den weltlichen Beamten festgenommen und dem Patriarchen ausgeliefert werden. Sie sollten erst freigelassen werden, wenn sie den Fängern eine Prämie von 50 lire di piccoli gezahlt hätten. Jeden Monat wollten die weltlichen Behörden bei dem Patriarchen nachfragen, ob in seinen Prozessen die Namen von Laien aufgetaucht seien, die sich verdächtig gemacht hätten. Schließlich bat man auch noch den Papst, keine weiteren Genehmigungen zum Sprechen mit Nonnen oder zum Betreten von Klöstern zu erteilen.94 Diese Bestimmungen fallen in die Zeit des Wiedererstarkens Venedigs nach der militärischen Niederlage von Agnadello (1509), nach der die Rufe nach einer größeren Disziplin zur Abwendung der göttlichen Strafe lauter geworden waren.95 Auch der Patriarch von Venedig Antonio Contarini ruhte in diesen Jahren nicht. 90 Ruggiero Boundaries, 75 ff. 91 Diesen Zusammenhang stellt vor allem Girolamo Priuli in seinen Tagebüchern kurz nach der Schlacht von Agnadello her, Laven Sex, 865. 92 ASVen CX Misti reg. 37, 120 (11.8.1518); Laven Virgins, 153 (Gesetz von 1514). 93 Der Beschluss greift damit eine ältere Regelung auf, Paschini Monasteri, 48. 94 ASVen CX Misti reg. 37, 121–121’ (11.8.1518). 95 S.o., 18; Laven Sex, 865.
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Er unternahm eine weit reichende Reform der Frauenklöster.96 Durch die Einführung einer strengeren Klausurregel zerfiel die Welt der venezianischen Nonnen bald in zwei Lager.97 Die Observantinnen folgten der strengeren Regel; die Konventualen wollten hingegen bei dem alten Zustand verbleiben.98 Als der Streit zwischen den beiden Gruppen eskalierte, der vornehmlich um die finanzielle Ausstattung der Klöster geführt wurde, und die Konventualen offen gegen den Patriarchen rebellierten, musste die venezianische Regierung eingreifen.99 Der Rat der Zehn richtete im Jahr 1522 mit Billigung des Papstes zunächst für befristete Zeit eine Kommission ein, die die wirtschaftlichen Streitigkeiten zwischen Observantinnen und Konventualen schlichten, die Rechnungen der Klöster und die Einhaltung der Klausur überprüfen sollte.100 Dieser Ausschuss wurde im Jahr 1528 zu einem ständigen Organ,101 den so genannten provveditori sopra monasteri erhoben. Dieses Organ trat im Namen und mit der Autorität des Rates der Zehn auf. Die Klosterreformen des 16. Jahrhunderts boten so in Venedig wie auch in anderen Städten der weltlichen Gewalt die willkommene Gelegenheit, ihren Einfluss auf die Nonnenklöster zu erweitern.102 Die ersten Akten von Prozessen der provveditori sind erst während der Zeit des Konzils von Trient erhalten. Auch die Rechtsprechung des Patriarchen hat vor dem Konzil von Trient kaum Spuren hinterlassen. Eine Archivserie der Curia des Patriarchen, die mit Criminalia Monialium überschrieben war, enthielt bis zum Jahr 1550 nur acht Prozesse.103 Aber auch diese Prozesse sind inzwischen verloren.104 Die in den übrigen Gerichtsakten erhaltenen Strafrechtsfälle, die einen Bezug zu Frauenklöstern aufweisen, richten sich gegen Kleriker oder Mönche, die mit Nonnen Unzucht (Inzest) getrieben haben sollen. Urteile gegen die des Beischlafs bezichtigten Nonnen konnte ich nicht finden. 96 97 98 99 100 101 102 103 104
Schon im Juli 1509 findet sich eine Ermahnung seitens des Patriarchen an die Nonnen Venedigs, ASP AMP b. 57, 22.7.1509; Paschini Monasteri, 44. Laven Virgins, 45 ff. Die Einführung der Observanz in bestehende Klöster schuf auch andernorts Unfrieden, Zarri Recinti, 67 f. Niero Patriarchi, 66. Giuliani Genesi, 115; Laven Virgins, 47. Sperling Convents, 145. Zarri Recinti, 74 f. ASP Scomparin Repertoria, 244. Laven Sex, 868.
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Das Fehlen von Gerichtsprozessen gegen Nonnen ist nicht nur mit der mangelhaften Überlieferungslage zu begründen. Vielmehr wies die Bestrafung von Nonnen noch weniger Rechtsform auf als die Verfahren gegen Mönche. Die meisten Fälle des Ungehorsams sind nicht aus den Mauern der Klöster gedrungen, da die Äbtissin selbst die Sanktion übernahm. Aber auch wenn der Patriarch eingriff, tat er dies wohl weniger durch sein Gericht als vielmehr auf dem Weg der Visitationen, auf denen seine Abgesandten die Disziplin und den Lebenswandel der Nonnen untersuchten. Die Akten der provveditori zeichnen für die Zeit nach Eröffnung des Konzils von Trient eher ein Bild der Kooperation als des Konfliktes von Patriarch und Magistraten. Die provveditori führten ihre Prozesse häufig in Anwesenheit des Vikars des Patriarchen105 oder des Auditors des apostolischen Legaten.106 Die weltlichen und die geistlichen Gerichte informierten einander über das Vorgehen und tauschten dazu auch Prozessakten aus.107 Die Haltung der Frauenklöster selbst zu diesem Eingreifen war sehr unterschiedlich. Sie hing weniger an Prinzipien der kirchlichen Freiheit als vielmehr an den Vorteilen, die man sich im Einzelfall von der Beteiligung der provveditori versprach. Die Nonnen von San Matteo auf der Insel Mazzorbo versuchten zum Beispiel, die provveditori gegen den Patriarchen auf ihre Seite zu ziehen, nachdem dieser ihnen im Rahmen einer Visitation108 auferlegt hatte, einer bestimmten schwangeren Nonne vorübergehend den Unterhalt zu zahlen.109 Die Nonnen erreichten zwar, dass die provveditori dem Patriarchen in der Sache einen Brief schrieben. Doch der Patriarch konnte sich auf eine Absprache berufen. Danach habe er sich mit den provveditori darauf verständigt, dass er den Fall selbst nach seinem Gewissen entscheiden solle.110 105 ASVen PsM b. 263, gg. Franciscus dalle Crosete (1555); ebda. gg. Schwester Cristina und Hieronymus Ferrazuol (1561 m.v.). 106 ASVen PsM b. 263, gg. Stephanus (1556). 107 Doppelt überliefert ist so ein Fall von 1570 gegen eine Reihe von Regularkanonikern, die mit den Nonnen von S. Servolo verkehrt haben sollen. Original: ASP Crim. reg. b. 2; Kopie: ASVen PsM b. 263. 108 ASP Vis. fem. b. 1 109 ASVen PsM b. 263, gg. Catarina und Giustina Corner (1564). 110 Ebda. 15.11.1564: soa signoria Reverendissima [...] rispose, che credeva poter come patriarca da se solo deliberar circa essa monaca quanto li paresse per giustizia [...] tanto piu che le S. soe clarissime l’ultima volta che furono a castello gli dissero, chel dovesse espedir la monaca, secondo che li dicasse la soa conscientia.
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Eine ganz andere Haltung trafen die provveditori hingegen in dem Kloster von Santo Sepolcro an, in dem über die Wahl einer neuen Äbtissin gestritten wurde. Mit dem Versuch, diese Wahl zu beeinflussen, strapazierten die provveditori ihre Kompetenzen sehr. Denn zuvor hatten sich mit dem Fall schon der Patriarch, der apostolische Legat und der Ordensminister befasst. Die Reaktion der Nonnen fiel entsprechend heftig aus. Eine Schwester ließ den provveditori ausrichten, dass sie sich besser um ihre eigenen Angelegenheiten scheren und sich nicht einmischen sollten. Da Gott gesagt habe, man solle seine Gesalbten nicht anfassen (Psalm 104, 15), seien sie exkommuniziert und verflucht. Das Kloster habe alte Privilegien des Papstes und die Nonnen würden nach diesen Konstitutionen bestraft.111 Das Verfahren vor den provveditori richtete sich nach dem Inquisitionsverfahren des Rates der Zehn. Von Übertretungen der Klausur erfuhren die provveditori meist durch eine Anzeige, die auch anonym sein konnte112 und bei der die Denunzianten auf eine Belohnung hoffen durften.113 Anschließend verhörten sie eine Vielzahl von Zeugen. Zur Vereidigung der Nonnen riefen die provedditori einen Priester herbei.114 Waren auch Laien in den Fall verwickelt, nahm man sie fest und folterte sie auch häufig.115 Mit der Übertretung der Klausur versuchte man zugleich auch die Liebesbeziehung zwischen den Angeklagten zu beweisen. Wichtige Indizien waren hier nicht nur Liebesbriefe,116 sondern auch Aussagen darüber, ob das 111 ASVen PsM b. 263, S. Sepolcro (1567), 68–68’: so che voi praticate in casa di m. andrea sanudo signor sopra li monasteri, il qual con li soi compagni vien gia alcuni zorni ad exminarne intravenendo un nostro disturbo, cosa che mai seculari si hanno impazado di questo monastero, onde Dio disse noli tangere christos meos, et per[ci]o sono scomunicati, maledetti, pero dite a sua mria che tendano a far li fatti soi, et lassarne star perche havemo le nostre constitution antiquamente fatte da uno papa, et confirmate dalli altri, che secondo i manchamenti che femo siamo castigate, et che pero tendano a far li fatti soi. Zu der Zeit war der päpstliche Nuntius für das Kloster zuständig, Corner Notizie, 119, zuvor hatte das Kloster unter der Aufsicht der Franziskaner von S. Francesco della Vigna gestanden, Mueller Ambienti, 64. 112 ASVen PsM b. 1, 28’–29’ (29.3.1566); ebda. b. 263, gg. Anwalt Modesto (1568). 113 ASVen PsM b. 1, 28’–29’ (29.3.1566); ebda. b. 263, S. Bernardo di Murano (29.7.1569). 114 Ebda. S. Sepulcro (1567), 5’; ebda. S. Bernardo di Murano (1569); in beiden Fällen wurde von der Vereidigung abgesehen, da kein Priester anwesend war. 115 Z. B. ebda. gg. Franciscus dalle Crosete (1555). 116 Ebda. gg. Bruder Julius (1562).
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angebliche Liebespaar häufig Geschenke austauschte.117 Ein weiteres Indiz war es, ob die Nonne für den Mann häusliche Verrichtungen übernahm, wie zum Beispiel das Waschen oder Nähen der Wäsche, und so Häuslichkeit (domestichezza) zwischen ihnen herstellte.118 Ausreden, bei der Nonne handele es sich um eine Verwandte, wollte man damit begegnen, dass eine Erlaubnis zu dem Besuch der Klöster eingeholt werden musste. Häufig endeten die Verfahren mit der Ermahnung an den Mann, das Kloster und die Nonne bei Androhung einer bestimmten Strafe nicht mehr zu besuchen.119 Die Nonnen sollten so möglichst von der Außenwelt abgeschirmt werden. Einen Schwachpunkt in dieser Abschirmung stellten indes die Beichtväter dar. Sie waren männliche Geistliche, die notwendig in Kontakt mit den Nonnen treten mussten und manchmal, wie eine Nonne es ausdrückte, „mehr Konfusion als Konfession“ schufen.120 Auch in diesen Fällen gingen die provveditori und der Vikar des Patriarchen häufig gemeinsam vor. Die Verfahren endeten meist mit der Versetzung des Beichtvaters, die in Abstimmung mit der geistlichen Gewalt auch von den provveditori selbst „mit der Autorität des Rats der Zehn“ durchgeführt wurde.121
4.7 San Marco Die im politischen Zentrum Venedigs gelegene Kirche San Marco wurde erst im Jahr 1807 zum Sitz des Patriarchen von Venedig. Zuvor nahm die größte und bedeutendste Kirche der Stadt in der Kirchenhierarchie eine Sonderstellung ein. Ihr stand ein Primicerius voran, der von den Päpsten die Erlaubnis erhalten hatte, die gleichen Insignien wie ein Bischof zu führen.122 Der Primicerius übte die Gerichtsgewalt über die in San Marco beschäftigten Kanoniker aus. Er selbst
117 Ebda. gg. den Beichtvater von S. Isepo (1570 m.v.). 118 Laven Sex, 875; dies. Virgins, 176. 119 Z. B. ASVen PsM b. 263, gg. Franciscus dalle Crosete (1555) u. gg. den Beichtvater von S. Isepo (1570 m.v.), 3.2.1570 m.v. (gegen den Bruder des Beichtvaters). 120 ASVen PsM b. 263, gg. Victoria und Bernarda (1566), 9: se pol dir chel non fazza confession ma confusion. Zu der Kontrolle der Beichtväter in Venedig nach dem Konzil von Trient allgem. Miraval Celibato. 121 Ebda., gg. Stephanus (1556). 122 Ughelli Italia sacra V, 1330; Betto Capitolo, 198; Cozzi Giuspatronato, 10.
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hingegen unterstand dem Dogen,123 der als Patron und wahrer Lenker (patronus et verus gubernator) der Kirche auftrat.124 Die Bischöfe von Castello und die Patriarchen von Venedig zeigten oft Unwillen, eine solche Enklave in ihrer Diözese zu dulden. In dem Interessengeflecht aus dem Machtanspruch der Dogen, den Autonomiebestrebungen von Primicerius und Kanonikern von San Marco und dem Einfluss weiterer hoher Politiker konnte sich die Diözesangewalt aber nicht durchsetzen. Die juristische Begründung der bestehenden Machtverhältnisse bereitete indes einige Schwierigkeiten und machte die Position des Dogen als Herrn über die Markuskirche angreifbar. Die Begründung der Ausnahme der Markuskirche aus der diözesanen Kirchenhierarchie war daher bis zum Ende der Republik ein beliebtes Thema für juristische Traktate.125 Die am häufigsten genannte Begründung für die Sonderstellung der Kirche ist, dass sie von den Dogen in ihrem Palast als Kapelle zur Aufbewahrung der Markusreliquien gegründet wurde126 und die Päpste später ihren Sonderstatus bestätigt hätten. Diese Argumentation steht in der Tradition der Chronik des Dogen Andrea Dandolo aus dem 14. Jahrhundert. Der Chronist hatte jedoch selbst einen Streit mit den Kanonikern von San Marco auszufechten, sodass er kein unbefangener Gewährsmann ist. Die Argumentation hat daher auch einige Schwächen, zumindest was die mittelalterlichen Privilegien angeht. So berief man sich einerseits auf verschiedene Privilegien, die ausdrücklich die Unabhängigkeit der Markuskirche von dem Bistum Castello bestätigt hätten, allen voran auf ein angebliches Privileg Alexanders III. Diese Privilegien waren aber kaum aufzufinden.127 Daher führte man andererseits auch Privilegien ins Feld, mit denen die Päpste indirekt die bestehenden Verhältnisse um die Markuskirche anerkannt haben sollten. Dafür wurden sowohl die Privilegien bemüht, die dem Primicerius eine bischofsähnliche Stellung gaben,128
Galante San Marco, 291. Zur Titulatur Cozzi Giuspatronato, 12. Apollonio Primiceri, 52; Molmenti Giuspatronato, 21. Die Gründung war nach der allgemeinen kanonischen Lehre ein Entstehungsgrund für ein Patronatsrecht, Landau Jus Patronatus, 16 ff. Die Rechte des Dogen gingen indes weit über die Rechte eines normalen Patrons hinaus. 127 Apollonio Primiceri, 53. 128 De Faustinis De Immunitatibus, 197. 123 124 125 126
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als auch die Privilegien, mit denen anderen Kirchen Venedigs die gleichen Rechte wie der Markuskirche zugestanden wurden.129 Dagegen gab es aber im 12. und 13. Jahrhundert mindestens zwei päpstliche Schreiben, die das genaue Gegenteil einer Befreiung der Markuskirche von der Gerichtsbarkeit der lokalen Bischöfe und Patriarchen ausdrücken.130 Obwohl diesen in der venezianischen Tradition offiziell wenig Bedeutung beigemessen wurde, entwickelten die Juristen der Republik dennoch noch im 18. Jahrhundert einen zweiten Begründungsansatz, der auf das unsichere Fundament der päpstlichen Privilegien verzichtete. Danach wurde die Herrschaft des Dogen über die Markuskirche mit der Gewohnheit begründet, die auf den frühen Synoden der Diözesen der Lagune bestätigt worden sei.131 Ob die weltliche Herrschaft über die Markuskirche nun gut oder schlecht begründet war, sie hatte auf jeden Fall Bestand. Als sich Papst Gregor IX. im Jahr 1233 darüber beschwerte, dass die Kanoniker von San Marco nicht an den Bischof oder den Patriarchen appellieren durften,132 wurde der Streit nach den Aussagen der Chronik Dandolos bald so beigelegt, dass die Markuskirche in ihrer alten Immunität (in solita immunitate) verblieb.133 Unter dem Dogat eben dieses Chronisten Dandolo kam es in der Mitte des 14. Jahrhunderts zu neuen Streitigkeiten. Durch ein Gesetz wurde verfügt, dass die Priester von San Marco nicht unter der Gewalt des Bischofs von Castello oder des Patriarchen von Grado stehen sollten.134 Ferner nahm der Doge daran Anstoß, dass sich die Priester von San Marco als Kanoniker bezeichneten, da die Bezeichnung Kanoniker zu sehr an das Kapitel eines eigenständigen Bistums gemahnte. Dandolo untersagte daher diese Titulatur und bestand darauf, dass sich die Priester einzig als Kaplane von San Marco auszugeben hätten.135 Diese Maßnahme des Dogen wurde zwar später noch von dem Senat bestätigt.136 Auf lange Sicht hatte 129 Molmenti Giuspatronato, 24. 130 Kehr IP VII/2, 130 f. Nr. 5 (Lucius II. im Jahr 1144); Pressutti Regesta II, 80 Nr. 4038 (Honorius III. im Jahr 1222); s. Rando Chiesa, 60 ff. 131 Apollonio Primiceri, 153. 132 Auvray Registres I, 727 Nr. 1293. 133 Dandolo Chronica, 294. Zeitgleich gab es einen allgemeinen Streit um die geistliche Gerichtsbarkeit, s.o., 42. 134 De Faustinis De Immunitatibus, 201. 135 Dandolo Chronica, CIII; Cozzi Giuspatronato, 10. 136 Betto Capitolo, 34 u. 36 Fn. 45.
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sie jedoch keinen Erfolg, da sich die Bezeichnung der Kanoniker von San Marco einbürgerte.137 Einige Jahre nach dem Tod des Dogen Dandolo spitzte sich der Konflikt mit dem Bischof von Castello wieder zu. Im Jahr 1367 erreichte der Bischof Paulo Foscari von Papst Urban V., dass ihm die Herrschaft über die Markuskirche durch ein päpstliches Schreiben bestätigt wurde.138 Tatsächlich konnte er diese Herrschaft jedoch nicht ausüben, da er bald darauf sein Amt in Venedig verlor, auf Betreiben der Regierung die Stadt verlassen musste und in Patras in Griechenland mit einer neuen Erzdiözese betraut wurde.139 In dem hier näher untersuchten Zeitraum ab Mitte des 15. Jahrhunderts bis zur Eröffnung des Konzils von Trient schlugen die Konflikte um die symbolträchtige Markuskirche nicht mehr ganz so hohe Wellen. Im 16. Jahrhundert war die Sonderstellung der Kirche in der Diözese gesichert und wurde auch von mehreren Päpsten bestätigt.140 Ferner erlangten die Dogen zu dieser Zeit auch eine päpstliche Bestätigung ihrer Patronatsrechte über die Kirchen von San Giovanni Elemosinario und San Giacomo di Rialto.141 Dass den Dogen eine Anerkennung und Ausweitung ihrer Rechte zuteil wurde, heißt jedoch nicht, dass es in dieser Zeit keine Konflikte gegeben hätte. Die Stellung der Dogen wurde aber immer sicherer und die Patriarchen von Venedig hatten dem kaum etwas entgegenzusetzen. Als der Patriarch Tommaso Donà im Jahr 1501 ein Dekret über die Markuskirche erlassen wollte, konnte der Doge ihn daran hindern.142 Streit zwischen dem Patriarchen von Venedig und dem Primicerius von San Marco um die Gerichtsbarkeit über bestimmte Priester konnte sich vor allem dann entzünden, wenn diese sowohl in San Marco als auch in den Gemeinden der Diözese des Patriarchen tätig waren. Nach den Statuten der Kanoniker von 137 Betto Chiesa ducale, 357 f. Von einem weiteren Streit unter dem Dogat Dandolos über die Bestrafung eines Kanonikers durch den Dogen berichtet De Faustinis De Immunitatibus, 201 ff. 138 Cozzi Giuspatronato, 10 ff.; De Faustinis De Immunitatibus, 207. 139 Apollonio Primiceri, 54; Molmenti Giuspatronato, 23. 140 Cozzi Giuspatronato, 17. 141 Cozzi Giuspatronato, 15 f.; Terribile San Giovanni Elemosinario, 61 ff. Auflistung aller zur Markuskirche gehörenden Kirchen bei Betto Chiesa Ducale, 338; Apollonio Primiceri, 55; Piva Patriarcato II, 157. 142 Niero Patriarchi, 48.
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San Marco war es erlaubt, neben dem Amt in der Basilika auch noch eine Stelle als Gemeindepfarrer (plebanus) in der Diözese wahrzunehmen.143 Über diese Priester konnten nun sowohl der Patriarch als auch der Primicerius von San Marco mit einigem Recht die Gerichtsbarkeit beanspruchen. Wurde ein Kanoniker von San Marco vor dem Gericht des Patriarchen angeklagt, so konnte er die Einrede erheben, dass der Patriarch unzuständig sei. In den meisten Fällen erkannte der Patriarch diese Exemption an und verwies den Fall an das Gericht des Primicerius.144 Dementsprechend musste ein Kanoniker von San Marco, wenn er vor dem Gericht des Patriarchen Sicherheit leisten wollte, sich auch diesem Forum unterwerfen.145 Nur selten kam es ‑ wie im Jahr 1520 ‑ dazu, dass ein Patriarch es sich herausnahm, einen Kanoniker von San Marco zu bestrafen und die Einrede der Unzuständigkeit nicht zuzulassen.146 In anderen Fällen kam es zu einer Einigung zwischen Patriarchen und Primicerius, indem die beiden Würdenträger sich verständigten, wer in einem bestimmten Fall vorgehen sollte.147 Akten aus dem Gericht des Primicerius sind ab dem Jahr 1510 erhalten. Auch der Primicerius leistete sich ganz wie ein Bischof einen Vikar, der die Aufgabe der Rechtsprechung für ihn übernahm. Wie der Patriarch von Venedig musste auch der Primicerius seine Zuständigkeit gegen weltliche Beamte behaupten.148 In den Akten sind aber nur wenige Straffälle zu verzeichnen.149 Im Gegensatz zum symbolischen Wert seiner Wirkungsstätte stand die Rechtsprechung des Primicerius damit zumindest in quantitativer Hinsicht im Schatten der Gerichtsgewalt des Patriarchen. Die Sonderstellung der Markuskirche überlebte auch die Reformbemühungen des Konzils von Trient.150 Sie war zu dieser Zeit jedoch schon längst nicht mehr Betto Capitolo, 28 u. 96 f. (Cap. VIII); vgl. auch Niero Patriarchi, 77. ASP AMP b. 67, 75 (1.10.1535), Zivilfall; s. ebda. b. 41, 21.1.1482. ASP AMP b. 61, 152’ (5.5.1523). ASP AMP b. 62, 157–157’ (29.10.1520); Gallicciolli Memorie IV, 233. ASP AMP b. 31, 26.9.1467: dicta declinatoria sua [des Beklagten ...] non obstante attento quod diebus proximis elapsis Idem d. vicarius convenit cum d. vicario S. Marci et post multa dictus d. vicarius S. Marci remisit dictum d. plebanum et eius adversatum ad tribunal ipsius d. vicarii venetiarum. S.a. ASP CDA b. 5, 19.8.1458 (gg. Dominicus Rizzo), wo ein Fall von dem Primicerius an den Rat der Zehn weitergegeben wird, der wiederum den Fall an den Patriarchen von Venedig übergibt. 148 ASVen Canc. inf. b. 194, 35 (18.7.1521); ebda., 52’–53. 149 Z. B. ebda., 103 (23.8.1539), jedoch ohne Urteil. 150 Cozzi Giuspatronato, 30. 143 144 145 146 147
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nur die Privatkapelle des Dogen, sondern eine Kirche des Staates geworden.151 Dementsprechend versuchten auch andere Regierungsorgane, ihren Einfluss auf diese Kirche zu erweitern. Es ging nun also nicht mehr um die Abgrenzung zu der Diözesangewalt oder um das Streben der Kanoniker von San Marco nach mehr Autonomie.152 Die nächste Runde der Auseinandersetzungen um die Macht in der Markuskirche wurde am Ende des 16. Jahrhunderts vielmehr zwischen dem Dogen und anderen weltlichen Politikern, insbesondere den eigentlich für den Bau der Kirche zuständigen Procuratori di San Marco (de supra) ausgetragen.153
4.8 Der päpstliche Nuntius Konkurrenz in der Gerichtsbarkeit hatten die Patriarchen von Venedig auch in der sich allmählich verfestigenden Struktur der ständigen Gesandtschaft des Papstes in Venedig. Die Institution dieser päpstlichen Nuntii der Neuzeit entwickelte sich allmählich nach Vorbild der weltlichen Diplomatie aus den verschiedenen diplomatischen Gesandtschaften zu bestimmten Anlässen und den päpstlichen Steuereintreibern (Kollektoren).154 Die ständigen Nuntii waren aber mehr als einfache Gesandte, da sie neben den diplomatischen Aufgaben auch mit Disziplin und Rechtsprechung in der ihnen zugeordneten Provinz betraut waren.155 Weil sich die Aufgaben der Nuntii allmählich entwickelten, lässt sich kaum sagen, ab wann diese Struktur voll ausgebildet war.156 Schon ab dem Jahr 1486 nahm der päpstliche Gesandte Nicolò Franco eine längere Legation in Venedig wahr.157 Ab dem Jahr 1500158 war Angelo Leonini fünf Jahre lang in Venedig im Amt und verließ die Stadt erst, als sich die diplomatischen Beziehungen verschlech151 152 153 154
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Betto Capitolo, 6. Betto Capitolo, 215. Cozzi Giuspatronato, 48 ff. Biaudet Nonciatures, 12; Richard Origines, 55 f. u. 319. Ob die Entwicklung stärker von den Kollektorien oder stärker von dem Vorbild der weltlichen Gesandtschaften ausging, ist ein alter, etwas müßiger Streitpunkt, Walf Entwicklung, 69 ff. (bes. 74). Andretta Nunziature, 18; Wauters Controverse, 23; Walf Entwicklung, 91. Biaudet Nonciatures, 14. Gaeta Origine, 9 ff.; Blet Histoire, 192. Walf Entwicklung, 64.
Der päpstliche Nuntius 107
terten. Nach seiner Rückkehr nach Venedig im Jahr 1509 wurde die Nuntiatur mit wenigen Ausnahmen kontinuierlich besetzt.159 Damit ist die ständige Nuntiatur in Venedig eine der frühesten in Europa. Die Akten des Gerichts des Nuntius sind jedoch erst ab der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts erhalten.160 Der Umfang der Tätigkeit des Gerichts des Nuntius vor Beginn des Konzils von Trient lässt sich daher nur schwer bestimmen. Sicher ist, dass das Gericht von einem Auditor161 des Nuntius geführt wurde und dass es eigene Prokuratoren162 hatte, die an diesem Gericht die Parteien vertraten.163 Vor dem Gericht wurden Appellationsfälle von dem Patriarchen und auch von den Bistümern des Festlandes verhandelt. Das Gericht des Nuntius hatte dabei ausdrücklich das Recht, in einem summarischen Verfahren vorzugehen.164 Inwieweit das Gericht des Nuntius bis zu dem Konzil von Trient daneben in erster Instanz Zuständigkeiten in Anspruch nahm, ist nicht geklärt. Es ist zu vermuten, dass sich eine solche Tätigkeit des Nuntius nach dem Beginn der Reformation auf den Tatbestand der Häresie konzentrierte. Über ein solches Vorgehen sind wir vor allem aus der Zeit der etwas besser dokumentierten Nuntiatur Hieronymus’ Aleanders (1533–1535) informiert.165 Ein Blick auf die Vollmachten der Nuntii zeigt, dass diese meist mit der Stellung von legati a latere versehen waren.166 Sie konnten zugleich auch Kardinäle sein167 159 160 161 162 163 164
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Biaudet Nonciatures, 17. Roselli Archivio; Cenci Archivio, 280. Hierzu ASP AMP b. 66, 136’–137, 21.10.1531. ASVen CX Crim reg. 6, 41–41’ (11.5.1543) u. 80’ (24.9.1544); ebda. CX Crim b. 10, 21.7.1544. Spätestens der Nuntius Della Casa (1544–1550) hatte auch einen Fiscal, Santasuosso Inquisitor, 168. BAV Cod. vat. lat. 12345, 102–102’ (10.3.1523, Hadrian VI. an Tommaso Campeggi): Et appellationum quarumcumque interpositarum, et interponendarum ab ordinariis delegatis etiam apostolicis, seu aliis tam in iuditio, quam extra, et alias quascumque causas ad forum ecclesiasticum pertinentes per te, vel alium, seu alios quibus illas commisseris sumarie simpliciter, et de plano sine strepitu, et figura iuditii sola facti veritate inspecta audiendi, decidendi, et fine debito terminandi. Gaeta Documenti, 22 ff.; Blet Histoire, 219 ff; Tolomei Nunziatura, 614 ff.; Prodi Chiesa e società, 308; Paschini Venezia e l’Inquisizione, 6. Walf Entwicklung, 91. Nach einer anderen Terminologie waren nur Kardinallegaten zugleich auch legati a latere, Schmutz Representatives, 454. Ich habe diese Terminologie nicht angewendet gefunden. S.u. den Fall von Giovanni della Casa, der die Kardinalswürde nie erreichte,
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und hatten in ihrer Provinz „eine Macht, größer als die aller anderen, ausgenommen den Papst selbst“.168 Das Amt der legati a latere hatte eine lange Tradition.169 Es wurde in den Dekretalen Gregors IX. (1234) und in dem Liber Sextus (1298) näher bestimmt.170 Nach diesen alten Bestimmungen konnten die legati a latere durchaus in der ersten Instanz tätig werden.171 Einzelne Beispiele für eine solche Aktivität gibt es auch im Venedig des 16. Jahrhunderts. So wollte wiederum der Nuntius Hieronymus Aleander für Disziplin im Klerus sorgen.172 In seiner Korrespondenz berichtet er, wie er an einem Priester, der es gewagt hatte, eine ehrbare junge Frau (una giovinetta da bene) zu belästigen, und an einem Kleriker, der einen Diebstahl begangen hatte, ein Exempel statuieren wollte. Auf diese Weise wollte er erreichen, dass die übrigen kriminellen Kleriker sich aus Angst vor dem Nuntius ängstlich wie die Hasen in ihren Höhlen verstecken.173 So würde auch das Gerede aufhören, dass die Kirche zu milde strafe.174 Mit der Einmischung der Nuntii in die Gerichtsbarkeit der Bischöfe war aber auch die weltliche Regierung nicht immer glücklich. Dies zeigt sich zum Beispiel an dem Fall des Priesters Lucas della Borsa aus Padua. Unter Berufung auf die der Republik erteilten Bullen wollten die venezianischen Richter in diesem Fall zusammen mit dem Vikar des Bischofs von Padua vorgehen.175 Der Nuntius Andreassi hingegen hatte zuvor aus Rom die Anweisung empfangen, selbst über den Fall zu Santasuosso Inquisitor, 206. 168 BAV Cod. vat. lat. 12345, 117 (8.12.1535, Paul III. an Hieronymus Verallo): quia cardinales legati nostri de latere cum quibus tu propter tibi per nos ut prefertur pari fungeris potestate maiorem omnibus post Romanum Pontificem auctoritatem provinicia sibi censetur haberi. 169 Schmutz Representatives, 446 ff. 170 Perrin Legatus, 465 f. 171 X 1.30.1. 172 Man muss dabei jedoch auch bedenken, dass Aleander in Venedig Nuntius war, als der Patriarch Querini die Stadt verlassen hatte und Aleander es dadurch auch leichter hatte, dessen Aufgaben zu übernehmen, zur Abwesenheit Querinis Cappelletti Storia I, 469; Aleander missbilligte die Abwesenheit Querinis, Gaeta Aleandro, 57. Nach Gaetas Auffassung, ebda., 105, griff Aleander nur in politisch wichtigen Fällen ein. 173 ASV SS Ven. b. 1, 139’ (24.5.1533): star’ nascosti per le case come conigli nella garrema. Gaeta Nunziature I, 53. 174 Ebda.: accio gli laici non buttino tutto il mal sopra di noi. 175 Gaeta Nunziature II, 302 (3.9.1541). S.a. ASVen AC Raspe reg. 3670, 67’ (24.9.1541).
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richten, sich nicht hineinreden zu lassen und wenn nötig auch den Vikar des Bischofs von Padua zu bestrafen.176 Unzufrieden mit diesem Zustand wandte sich die Republik bei der Ernennung des Nuntius Giovanni della Casa im Jahr 1544 mit der Bitte an den Papst, diesem keine Vollmachten als legatus a latere auszustellen. Sonst würden die Rechte der örtlichen Bischöfe zu sehr beeinträchtigt.177 Der neue Nuntius solle sich wie ein Diplomat nur um Staatssachen kümmern (materie di stato tantum).178 So sei es schließlich zwischen Fürsten üblich (iuxta il solito tra li Principi).179 Die erfindungsreichen venezianischen Diplomaten wollten auch Beispiele anführen, nach denen es von Seiten der päpstlichen Nuntii nicht üblich gewesen sei, sich in die weltlichen Geschäfte einzumischen.180 Gleichzeitig mussten sie jedoch zugeben, dass die Nuntii den örtlichen Bischöfen und ihrer ordentlichen Gerichtsbarkeit nur sehr wenig Respekt entgegengebracht hätten.181 Daraus lässt sich schließen, dass eine Einmischung in die Gerichtsbarkeit der Bischöfe sehr wohl erfolgt war. Dies hatte nach dem Bekunden der venezianischen Verhandlungsführer viel Unordnung und Verwirrung zur Folge, worunter die Gerechtigkeit gelitten habe.182 Einen veritablen Erfolg erzielten die venezianischen Botschafter in diesen Verhandlungen nicht. Giovanni della Casa wurde zum Legaten a latere ernannt, auch wenn seine Gerichtsbarkeit sich in der Praxis nicht sehr weit erstreckte.183 Mit ihrer Forderung nahmen die venezianischen Botschafter aber wieder eine Entwicklung des Kirchenrechts vorweg, die sich später in den allgemeinen Vollmachten der Nuntii niederschlagen sollte. Im Jahr 1563 wurde auf dem Konzil von Trient allgemein beschlossen, dass die erste Instanz den Bischöfen gebühre und dass die Legaten sich hier nicht einmischen durften.184 In die Vollmachten des 176 Gaeta Nunziature II, 282 f. (4.4.1541) u. 294 f. (2.7.1541). 177 Del Col L’Inquisizione romana e il potere politico, 198; Pullan Jews, 26; Sforza Riflessi, 1/19 ff. 178 ASVen CX Capi Lettere b. 23, 99 (30.8.1544). 179 ASVen CX Secr. reg. 5, 125–125’ (4.8.1544). 180 ASVen CX Capi Lettere b. 23, 98 (30.8.1544). 181 ASVen CX Secr. reg. 5, 125–125’ (4.8.1544): vedendoli molti con pochissima riverentia verso li detti ordinarii. 182 ASVen CX Capi Lettere b. 23, 99 (30.8.1544): molti disordini et confusionj [...] concorrendo li tribunali, la giustizia patisce et non ha il debito suo loco. 183 Santasuosso Inquisitor, 126. 184 Alberigo Conc. III, 146 f., Sessio XXIV can. XX de reformatione (11.11.1563): Causae
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Nuntius bei dem deutschen Kaiser wurden diese Bestimmung im Jahr 1565 aufgenommen185 und in die des Nuntius an dem französischen Hof im Jahr 1572.186 Die Zuständigkeit der Nuntii in Fällen der Häresie wurde dadurch aber nicht geschmälert. In den sich in den 1540er Jahren bildenden Inquisitionstribunalen Venedigs nahmen der Nuntius und sein Auditor eine dominierende Rolle ein.187
4.9 Die griechische Gemeinde Das Beziehungsgeflecht zwischen Papst, Nuntius, Patriarch und venezianischer Regierung bestimmte auch die Frage der Gerichtsbarkeit über die griechische Gemeinde. Als die Türken immer weitere Gebiete und schließlich Konstantinopel eroberten, strömten viele Griechen in die Stadt.188 Es wurde ihnen zunächst gestattet, Gottesdienst gemäß den Abmachungen des Konzils von Florenz in griechischer Sprache in der Kirche San Biagio in dem Stadtteil Castello zu halten.189 Diese Kirche mussten sie sich mit den lateinischen Priestern teilen, sodass die Papades dort zunächst ebenso wie die lateinischen Gemeindepfarrer der Gerichtsbarkeit des Patriarchen unterstanden. Dementsprechend wird in einem Fall aus dem Jahre 1484 gegen den griechischen Priester Janni wegen Beleidigung (causa iniuriarum) die Frage der Zuständigkeit des Patriarchen in den Akten auch gar nicht aufgeworfen.190
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omnes ad forum ecclesiasticum quomodolibet pertinentes [...] in prima instantia coram ordinariis locorum dumtaxat cognoscantur [...] Legati quoque, etiam de latere, nuntii, gubernatores ecclesiastici aut alii, quarumcumque facultatum vigore, non solum episcopos in praedictis causis impedire aut aliquo modo eorum iurisdictionem iis praeripere aut turbare non praesumant, sed nec etiam contra clericos aliasve personas ecclesiasticas, nisi episcopo prius requisito eoque negligente, procedant. Walf Entwicklung, 105; Plöchl Geschichte III, 182. Barbiche/De Dainville-Barbiche Légats, 114. S.u., 165. Imhaus Minoranze, 44 f. macht einen Anstieg der Einwanderung ab 1440 aus. D’Antiga/Fedalto Nascita, 35 f. Diese Maßnahme war weniger ein Zugeständnis an die griechische Gemeinde als eine Überwachungsmaßnahme, Manussacas Colonie, 9. ASP AMP b. 44, 15.11.1484. Priester Janni unterlag in diesem Fall und musste die Prozesskosten tragen. Interessant für die Geschichte der griechischen Gemeinde ist dabei, dass schon zu diesem Zeitpunkt eine griechische Bruderschaft (fraternitas) als
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Dennoch suchten die Griechen immer wieder gegen die Gerichtsbarkeit des Patriarchen Schutz, der ihnen bisweilen von dem Rat der Zehn oder dem Papst gewährt wurde.191 Somit stand die griechische Gemeinde Venedigs bis zur Mitte des 16. Jahrhunderts unter einer „doppelten Gerichtsbarkeit“.192 Für die griechischen Geistlichen aus dem venezianischen Seereich galt etwas anderes. Die Kreter waren auch in Venedig zumindest zeitweise dem (lateinischen) Erzbischof von Candia (Kreta) unterstellt. Dies ergibt sich aus einer Sondererlaubnis aus dem Jahr 1454, nach der ein Erzbischof aus Kreta auch in Venedig Recht sprechen durfte.193 Eine ebensolche Erlaubnis erteilte Papst Innozenz VIII. im Jahr 1490 auch dem Hieronymus Lando, der sowohl Erzbischof von Candia als auch lateinischer Patriarch von Konstantinopel war.194 Ihm wurden aber auch schon zuvor Angeklagte von dem Rat der Zehn ausgeliefert, damit er Recht spreche.195 Auch die griechische Gemeinde von San Biagio versuchte im Jahr 1498, sich der Gerichtsbarkeit des lateinischen Patriarchen von Konstantinopel zu unterstellen. Dieses Vorhaben stieß aber auf den Widerstand des Rats der Zehn, der seine Ablehnung damit begründete, dass sonst „die Rechte unseres Patriarchats von Venedig verleugnet würden, die dieses immer über die Griechen hatte“.196 Der Patriarch machte derweil von seinen Rechten Gebrauch und führte eine Inquisition gegen den Papas Andrea Seviro, der aus Modone nach Venedig gekom-
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Klägerin auftritt – lange bevor der Rat der Zehn im Jahre 1498 den Griechen die Gründung einer eigenen Vereinigung (scola) offiziell gestattete, vgl. Mavroidi Aspetti, 16. Anwalt des Papas Janni ist ein Alexander, Sohn des Georgius Alexander legente pad. grece. Dies könnte der um diese Zeit in Padua lehrende Alexander Zeno sein, s. Geanakoplos Greek Scholars, 38 f., Facciolatus Fasti, LV. Papas Janni wurde später noch zwei Mal von dem Patriarchen gerichtet, Fedalto Rapporti, 92; ders. Ricerche, 123 (doc. IX). Fedalto Ricerche, 113. Fedalto Ricerche, 34 ff. ASP AMP reg. 16, 16.8.1454; BNM Mss. Lat. IX cod. 74 (3289), 75’. Fedalto Ricerche, 36. ASVen CX Misti reg. 23, 149, 19.7.1487 und 152, 3.8.1487 gegen Papas Patera Neophita wegen Häresie. Zu dem Verfahren wurde auch der Vikar des Inquisitors hinzugezogen. ASVen CX Misti reg. 27, 225 (1498): essent etiam cum derogatione iurium patriarchatus nostri venetiarum, que semper habuit in dicta natione greca. Cecchetti Republica I, 460 Fn. 1; Fedalto Ricerche, 124 (doc. XI); Tsirpanlis Posizione, 128, geht davon aus, dass damit das Vorhaben für dieses Mal scheiterte; anderer Ansicht D’Antiga/Fedalto Nascita, 37.
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men war. Die Anklagepunkte in diesem Verfahren gingen sehr weit auseinander und reichten von dem Vorwurf der Scheidung einer Ehe197 bis hin zu Schadenszauber und Mord.198 Klarer als in diesem dubiosen Prozess liegen die Dinge in dem Fall von Papas Petros Raptopulos, der aus Korfu stammte und der Spionage für die Türken verdächtig war. Das Verfahren gegen ihn begann auf Korfu, wurde dann aber von dem Rat der Zehn in Venedig übernommen, der auch den Vikar des Patriarchen in die Verhöre einbezog.199 Nach Abschluss der Ermittlungen wurde der Fall dem Patriarchen selbst zur Fällung des Urteils übergeben. Doch machte der Rat der Zehn seine Erwartungen an dieses Urteil schon bei Übergabe des Prozesses an den Kirchenrichter deutlich: dieser Mensch dürfe keinesfalls in seine Heimat zurück, da er durch seine Freundschaft und seinen Umgang mit den Türken den christlichen Interessen schaden könne. Das werde der Patriarch aus den übermittelten Dokumenten schon selbst erkennen.200 Der Patriarch entsprach den Erwartungen. Dabei kam ihm wieder das Breve Papst Alexanders VI. zugute, nach dem er auch über Hochverräter richten durfte.201 Somit lautete das Urteil darauf, dass Petros in Venedig verbleiben und sich alle zwei Wochen bei dem Vikar melden sollte.202 Petros, der als Papas in der Gemeinde von San Biagio tätig war, wurde ein paar Jahre später wieder von dem Rat der Zehn eingekerkert, kam aber bald darauf wieder frei.203 Unzufrieden mit dieser Abhängigkeit von den venezianischen Instanzen erreichten die Griechen im Jahr 1514 schließlich gegen das Versprechen einer jährlichen Abgabe ein Privileg von Papst Leo X., nach dem die Gemeinde, die nun eine eigene Kirche bauen dürfe, unmittelbar dem Papst unterstand. In dem Privileg wird ausdrücklich festgehalten, dass auch das Vorrecht des Patriarchen, über die von 197 Nach byzantinischem Kirchenrecht gingen die Möglichkeiten der Scheidung etwas weiter als nach dem römischen, s. Orlando Mixed Marriages, 109. 198 ASP Greci b. 1/22. Der Prozess von 1497/98 wurde komplett herausgegeben von Mavroidi-Ploumidi, ’ʹΕγγραϕα. 199 ASVen CX Misti reg. 28, 195’ (3.3.1501). 200 ASVen CX Misti reg. 28, 228 (13.8.1501): Quod iste non est homo qui sit permittendus unquam amplius reverti, nec corphoum nec ad partes orientis propter mala, que operari posset ad damnum et iacturam rerum christianarum, propter praticam et amiciciam, quam iste papa petrus habet cum turcis, sicut per scripturas ipsas Rma. d. sua cognoscet. 201 S.o., 51; Cappelletti Storia I, 455. 202 ASP Sent. b. 4, 55–55’ (9.9.1501). 203 ASVen CX Crim reg. 1, 95, 98’ u. 110 (1506/1507).
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der Gerichtsbarkeit Befreiten richten zu dürfen (als iudex super exemptos), insoweit keine Wirkung entfalte.204 Die unmittelbare Unterstellung der griechischen Geistlichen unter den Papst bedeutete, dass nun der Nuntius die Gerichtsbarkeit übernehmen sollte.205 Der Patriarch von Venedig, der gegen den Bau einer griechischen Kirche heftig protestiert und gegen die griechischen Schismatiker gewettert hatte,206 hielt sich jedoch nicht an das Privileg. Auf Beschwerde der griechischen Gemeinde wurden daher im Jahr 1526 drei conservatores mit der Ausführung des päpstlichen Breve beauftragt. Diese Funktion übernahmen der päpstliche Nuntius Altobello Averoldi, der Vikar des Bischofs von Padua und der Abt von San Giorgio.207 Doch zeigte auch diese Maßnahme keine durchschlagende Wirkung.208 Auch nachdem die Griechen die Gemeinde von San Biagio verlassen hatten, war die Frage der Gerichtsbarkeit noch nicht in ihrem Sinne entschieden. Der Patriarch von Venedig fand bald wieder einen Anlass einzugreifen, als er wegen Häresieverdachts im Fall eines Horologion (eines Liturgiebuches) ermittelte.209 Der Papst wies den Nuntius Altobello Averoldi in diesem Fall an, die Inquisition des Patriarchen nicht zu behindern.210 Der Häresievorwurf wurde wahrscheinlich anschließend gemeinsam mit anderen Streitfragen zwischen dem Patriarchen und 204 Der Text des Breve findet sich tlw. bei Fedalto Ricerche, 48, und vollst. bei Cecchetti Republica I, 462 f., und Corner Ecclesiae Venetae XII, 373 f.: tenore praesentium licentiam et facultatem concedimus dictamque ecclesiam ac illi pro tempore servientem præsbiterum praedictum, cum omnibus et singulis suis bonis tam spiritualibus quam temporalibus, ab omni ordinarii jurisditione, superioritate et dominio perpetuo eximimus, ac nobis et S. Sedi apostolicæ sub annuo censu in recognicionem veri dominii quinque librarum ceræ candidæ immediate subicimus, non obstantibus constitutionibus et ordinacionibus apostolicis ac privilegiis contra exemptos. 205 Fedalto Ricerche, 44. 206 Cecchetti Republica II, 349 f. Der Patriarch Antonio Contarini spricht von hereticos und scismaticos. Die Schuld an ihrer Vertreibung aus Byzanz sieht er bei ihnen selbst: Epsi propri greci per le sue vulgate et notissime scisme, hanno perso tutto suo regno et in captivitatem sunt infidelium. 207 Fedalto Ricerche, 126 f. (doc. XV). 208 Fedalto Ricerche, 61: Appare dunque che non risultano affatto operanti la bolla di Leone X, sull’esenzione dall’autorità locale, né quella di Clemente VII del 1526, sulla delega al nunzio, al delegato vescovile di Padova e all’abate di S. Giorgio ad eseguirla. 209 ASP CSI b. 1, 340 ff. (2.8.1527); Mavroidi Inquisitio patriarcale; Fedalto Ricerche, 64. 210 Fedalto Ricerche, 130 f. (doc. XX).
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den Griechen unter Vermittlung des päpstlichen Legaten Gian Pietro Carafa beigelegt.211 In der Folgezeit spielte eine Verfolgung der Griechen durch die Inquisition keine besonders große Rolle.212 Doch nicht nur der Patriarch missachtete die Rechte der griechischen Gemeinde. Auch die weltliche Gerichtsbarkeit nahm es sich zum Beispiel213 heraus, den Fall des griechischen Mönches (calogero) Quartano zu übernehmen. Der Mönch, der aus Korfu stammte, wurde nach einer abenteuerlichen Lebensgeschichte von dem Rat der Zehn in Haft genommen. Zu Beginn des Verfahrens war zwar der päpstliche Nuntius eingeschaltet worden.214 Doch die Berufung des Mönches auf das Klerikerprivileg schützte ihn nicht davor, drei Jahre lang ohne Urteil in den Kerker gesperrt zu werden. Als er im Jahr 1537 endlich gegen Kaution freigelassen wurde, geschah dies mit der Maßgabe, dass der Patriarch von Venedig darüber entscheiden solle, ob er eine Genehmigung erhalte, in der Kirche San Giorgio predigen zu dürfen, die als provisorischer Bau zu dieser Zeit schon die griechische Gemeinde beherbergte.215 Damit konnte Quartano Kollege des Gemeindepriesters Nicolò Tercento (Trizentos) werden. Tercento seinerseits sollte im Jahr 1540 angeklagt werden, da er nach dem Diebstahl einer Ikone von der griechischen Gemeinde (scola) suspendiert wurde. Dieser Fall zeigt einmal mehr, wie wenig die Lage durch das Breve von 1514 geklärt war. Denn die Parteien scheuten sich nicht, alle erdenklichen Instanzen für ihre Belange dienstbar zu machen. Nacheinander ging man den Patriarchen von Venedig, den päpstlichen Nuntius, den Vikar des Bischofs von Padua als conservator des Breve, die Avogaria di Comun und den Rat der Zehn an. Nachdem sich auch noch der ökumenische (d. h. orthodoxe) Patriarch von Konstantinopel
211 Fedalto Ricerche, 66; Follieri Libro greco, 493; Niero Patriarchi, 78. 212 Fedalto Rapporti, 96. 213 Ein anderes Beispiel findet sich in ASVen CX Crim reg. 1, 111’, 114’–115, 115’ u. 219 gegen den angeblichen Erzbischof (assertus archiepiscopus) von Kastoria Petros Achachios (1507–1511). Auch er wurde schließlich freigelassen. 214 ASVen CX Crim reg. 4, 237–239 (1533). 215 ASVen CX Crim. b. 8, 27.9.1537; CX Crim. reg. 5, 114’ (27.9.1537). Vgl. zu der Person auch Liata ‘Ίερεῖς, 96 f. Über die Gründe für das Verfahren kann nur spekuliert werden. Da Quartanus zeitweise im osmanischen Reich gelebt hatte, könnte man an Spionageverdacht denken. Dazu würde auch passen, dass ihm bei der Freilassung vom Rat der Zehn die Auflage gemacht wird, Venedig nicht wieder zu verlassen.
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zu Wort gemeldet hatte,216 verbat sich der Papst im März 1542 diese Einmischung.217 Da sich die Griechen als ihrer Privilegien nicht würdig erwiesen hätten, sollten sie nach diesem Papstbreve wieder dem Nuntius und dem Patriarchen unterstehen, die dort auch Strafgewalt üben sollten.218 Nicolò Tercento wurde wenig später wieder in seine Funktion als griechischer Gemeindepriester eingesetzt.219 Ein nach Venedig entsandter Exarch des ökumenischen Patriarchen von Konstantinopel regelte die Frage zwischen der Gemeinde und dem Papas schließlich fünf Jahre darauf mit diplomatischem Geschick endgültig.220 Bald darauf, im Jahr 1549, ließ Paul III. die Privilegien der griechischen Gemeinde Venedigs wiederherstellen.221 Mit dem Ende des Tridentinischen Konzils im Jahr 1564 schaffte Pius IV. die Exemptionen aller griechischen Gemeinden von der Gerichtsbarkeit der Bischöfe aber schon wieder ab.222 Während das Papsttum so mit der Privilegienvergabe wie ein Kind an einem Lichtschalter spielte, sollte die Lage der griechischen Priester in Venedig bald eine entscheidende Änderung erfahren. Gabriele Severo (Seviros), der im Jahr 1577 von dem ökumenischen Patriarchen von Konstantinopel zum Erzbischof von Philadelphia geweiht worden war, kehrte alsbald nach Venedig zurück und übernahm hier bischöfliche Funktionen in der griechischen Gemeinde.223 Als der ökumenische Patriarch von Konstantinopel darauf (1579) geltend machen wollte, dass die Kirche von San Giorgio in Venedig nun unter seiner Gerichtsbarkeit stünde, protestierte die Gemeinde selbst und verwies dabei auch auf die Privilegien der Päpste und des Rats der Zehn.224 Auf lange Sicht ebnete die Anwesenheit eines eigenen Metropoliten den Weg zu einer Emanzipation von der rechtlichen Herrschaft von venezianischem Patriarchen und päpstlichem Nuntius über die griechische Gemeinde.225 Gaeta Nunziature II, 311. Fedalto Ricerche, 77 ff. Ploumides Βοῦλλαι, 249. Tsirpanlis Posizione, 130; Plumides Βοῦλλαι, S. 250. Tsirpanlis Posizione, 133; Manussacas Comunità greca, 52. Corner Ecclesiae XII, 376 ff.; Manussacas Colonie, 14 f. Fedalto Ricerche, 132 f. (doc. XXII). Nach Tsirpanlis Posizione, 140, wurde die Bulle in Venedig nicht befolgt. 223 Birtachas Un «secondo» vescovo a Venezia, 105 ff. 224 Fedalto Ricerche, 102; zum Verhältnis des Erzbischofs von Philadelphia zu dem Patriarchen in Konstantinopel Manussacas Comunità greca, 61 ff. 225 Tsirpanlis Posizione, 143; Birtachas Clero greco-ortodosso, 84 f. 216 217 218 219 220 221 222
5 Im Tal Josafat – Aufbau und Verfahren des Gerichts
Ob der Täter eines Verbrechens überführt werden konnte, hing vor allem davon ab, wie aktiv sich das Gericht an den Untersuchungen beteiligte. Dieses Maß der gerichtlichen Initiative bestimmte sich gemäß dem klassischen kanonischen Recht nach der Verfahrensart (inquisitio, accusatio etc.). Diese konnte also für die Effektivität der Strafverfolgung den Ausschlag geben. Daher ist die Handhabung der Verfahrensarten vor dem Patriarchatsgericht einer der Schlüssel zum Verständnis für die Gründe der weltlichen Einmischung in die geistliche Strafgerichtsbarkeit. In der Praxis bestimmte sich die Vorgehensweise des Gerichts aber nicht nur nach Verfahrensarten, die sich eindeutig hätten abgrenzen lassen. Stattdessen spielten Aufbau, Organisation und Finanzierung des Gerichts eine zentrale Rolle.1 Diese Faktoren beeinflussten auch den weiteren Gang des Verfahrens bis hin zur Beweiswürdigung.
5.1 Verfahrenseinleitung und Verfahrensarten Die heutige Prozessrechtslehre unterscheidet zwei wesentliche Maximen, die den Umfang der Beteiligung des Gerichtes an dem Verfahren bestimmen: die Offizialund die Instruktionsmaxime. Nach der Offizialmaxime kann der Richter das Verfahren von Amts wegen eröffnen. Eines Antrages des Opfers bedarf es dafür nicht. Nach der Instruktionsmaxime erhebt das Gericht selbst die Beweise und ist nicht darauf angewiesen, dass die Parteien Beweismittel einbringen. In der kanonistischen Doktrin wurden diese beiden Grundsätze häufig zusammen betrachtet. Indem die Gelehrten allgemein die Herrschaft über den Prozess entweder dem Richter oder den Parteien zuordneten, vereinigten sie die beiden Fragestellungen.2 Daher konnte der Mailänder Kriminalist Julius Clarus im 16. Jahrhundert seinen Schülern eine einfache Unterscheidung auf den Weg geben. Trotz der Vielzahl der Bezeichnungen und der Sonderformen gebe es nämlich im Grunde 1 Vgl. Rousseaux Politiques, 497. 2 Nörr Stellung, 91; ders. Prozeßzweck, 186.
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nur zwei Arten von Strafprozessen. Das Verfahren per accusationem einerseits und das Verfahren per inquisitionem andererseits.3 In dem Verfahren per inquisitionem galten die Offizial- und die Instruktionsmaxime, in dem Verfahren per accusationem hingegen nicht. Das Verfahren per accusationem ist das ältere Verfahren, das aber noch in der Rechtslehre des 16. Jahrhunderts als das „ordentliche Verfahren“ bezeichnet wurde.4 In ihm war die Überführung des Täters schwierig, denn der Kreis der Personen, die Anklage erheben durften, war sehr beschränkt.5 Juden, Frauen, Minderjährigen und Regularklerikern stand dieses Recht zum Beispiel nicht zu.6 Ganz allgemein durften auch Laien keine Kleriker mit der accusatio anklagen.7 Ferner oblag die gesamte Beweisführung dem Kläger. Zu Beginn des Verfahrens musste dieser sich für die Talionstrafe einschreiben (inscriptio). Falls der Beweis gegen den Täter misslang, konnte er demnach bestraft werden.8 Alle Beweisstücke und Zeugen musste er selbst beibringen. Dieses Verfahren war also der Initiative der Verletzten überlassen. Damit erfüllte es vor allem eine Befriedungsfunktion. Zur allgemeinen Durchsetzung von Disziplin war es aber nicht geeignet. Die grundsätzliche, programmatische Forderung, die ab dem 13. Jahrhundert immer mehr Aufwind gewann, dass Verbrechen nicht ungestraft bleiben dürfen (ne crimina remaneant impunita),9 konnte so nicht erfüllt werden. Daher entwickelte sich unter dem Pontifikat Papst Innozenz’ III. zu Beginn des 13. Jahrhunderts eine neue Prozessart für Kleriker. In dem Verfahren per inquisitionem mussten die Richter Offizial- und Instruktionsmaxime beachten.10 Herren 3 Clarus Practica, 194 (Quæst. III); so auch Kantorowicz Gandinus I, 63. 4 Z. B. Priori Prattica criminale, 3: ordinariamente per via d’accusa o querela, oder estraordinariamente ex offitio; Clarus Practica, 194 (Quæst. III). 5 Lefebvre-Teillard Officialités, 74. 6 Fournier Officialités, 239 f. 7 X 5.1.10. Bei bestimmten Verbrechen, den so genannten crimina excepta (z. B. Häresie, Simonie und Majestätsbeleidigung), galten diese Regeln nicht. Hier wurden auch eigentlich Unfähige zur accusatio zugelassen, Fournier Officialités, 238. 8 Kéry Inquisitio, 230. Ursprünglich musste er sich zur Wahrung der Gleichheit mit dem Angeklagten auch in das Gefängnis begeben, wenn der Angeklagte inhaftiert wurde. 9 X 5.39.35; Hostiensis kommentiert In Decr. X 5.39.35, 115A: Hic habes notabilem scissum, quo frequenter vtimus dicentes, rei, vel utilitatis publice interest, ne crimina remaneant impunita. Jerouschek Ne crimina, 326 ff.; Fraher Justification, 578 ff. 10 Burret Inquisitionsprozess, 20.
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des Verfahrens waren somit die Richter und nicht mehr die Parteien. Die Rolle der Richter beschränkte sich nun nicht mehr nur darauf, einen Konflikt zu befrieden. Stattdessen wurden sie zu Vertretern einer objektiven Ordnung.11 Mit dem Inquisitionsverfahren verwandt war das Denunziationsverfahren. Beide Verfahren wurden zur Abgrenzung vom Akkusationsprozess als zivile Prozessarten bezeichnet, obwohl es auch bei ihnen um die Bestrafung der Täter ging.12 In den beiden zivilen Verfahrensarten waren die Strafen ursprünglich13 milder als im Akkusationsverfahren.14 Zwischen den beiden zivilen Verfahren war daher auch während des Prozesses noch ein Wechsel möglich.15 Damit konnte auch mit einer Denunziation ein Inquisitionsverfahren herbeigeführt werden. So kann man der denuntiatio auch den Charakter als eigene Verfahrensart absprechen und sie allein als Modus der Verfahrenseinleitung betrachten.16 Das Denunziationsverfahren unterschied sich jedoch von dem Verfahren per inquisitionem insofern, als in ihm nicht die Offizialmaxime galt. Denn das Denunziationsverfahren wurde mit Hinweis auf die Bibelstelle Mt. 18, 15–17 begründet.17 Danach sollten Christen ihre Glaubensbrüder, wenn sie sich an ihnen versündigt hätten, persönlich ermahnen. Helfe das nichts, so sollte man das Gleiche vor Zeugen wiederholen. Habe auch dies keine Wirkung, sollte man den Täter bei der Kirche melden (si non audierit eos, dic ecclesiae). Voraussetzung für ein Denunziationsverfahren war demnach eine brüderliche Ermahnung (monitio).18
11 Angelus Aretinus De Malef., 437’ (de inquisitionibus): inquisitio est iudicis officium ad inveniendum malorum delicta, & pœna debita punienda, favore reipublicæ introductam; vgl. Sbriccoli Vidi communiter, 267; Damaška Faces, 11. 12 Kéry Gottesfurcht, 13. Die Bezeichnung führt auch deshalb in die Irre, weil der Akkusationsprozess die größere Ähnlichkeit mit einem Zivilverfahren hat als die inquisitio, s. Dezza Accusa, 5. 13 Später sollte sich dies ändern, Lefebvre-Teillard Officialités, 84. 14 X 5.3.30; Kéry Aspekte, 258. 15 Kéry Inquisitio, 242; Koch Denunciatio, 59. 16 Clarus Practica, 209 § fin q. 7 Rn. 1: modus procedendi per denunciationem non est modus separatus ab inquisitione. Nam denunciatio nihil aliud operatur, nisi quod succedit loco diffamationis, vt querelae, & sic aperit viam Iudici ad inquirendum ex officio contra aliquem; Fournier Officialités, 233; Lefebvre-Teillard Officialités, 73. 17 Jerouschek/Müller Ursprünge, 5 ff. 18 Durantis Spec. II, 24, lib. III part. I De Denunciatione § 2.
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Das Inquisitionsverfahren hingegen konnte unabhängig von dem Willen des Opfers oder eines Dritten geführt werden. Ausreichend war hier der clamor, d. h. der zu Tage tretende Unmut in der Bevölkerung wegen einer Missetat.19 Das Inquisitionsverfahren konnte der Richter nicht nur selbst einsetzen. Er konnte hier auch selbst die Beweise erheben. Dazu musste er ursprünglich zweistufig vorgehen. Zuerst musste er die fama, d. h. den Leumund des Angeklagten, untersuchen. Erst wenn er eine mala fama, also einen üblen Leumund, festgestellt hatte, konnte der Richter zu der Untersuchung der Tat schreiten.20 Später stand in dem ersten Verfahrensschritt die Persönlichkeit des Angeklagten nicht mehr so sehr im Vordergrund. Stattdessen ermittelte man zuerst über einen konkreten Anfangsverdacht.21 Mit der Einführung des Inquisitionsverfahrens überwand die Kanonistik grundsätzliche Bedenken. Ein Verfahren ohne Anklage schien zuvor unmöglich. Auch Christus hatte schließlich der Ehebrecherin gesagt, dass er sie nicht verurteile, wenn niemand sie anklage.22 Und die neue Verfahrensart schien auch dem Grundsatz zu widersprechen, dass der Kläger nicht zugleich der Richter sein dürfe.23 Diese Einwände wurden jedoch durch eine Fiktion umgangen. Man stellte sich vor, dass die fama selbst die Anklage übernehme.24 Damit ebnete die kanonistische Rechtslehre den Weg zur Geburt des öffentlichen Strafrechts.25 Die Entwicklung blieb aber nicht auf das kanonische Recht beschränkt. Zum Teil in Anlehnung an die kirchlichen Bestimmungen, zum Teil auch in einer parallelen Entwicklung, feierte das Verfahren ex officio seinen Siegeszug auch in den Städten Italiens und fand Eingang in das Gemeine Recht.26 Es verdrängte das ältere akkusatorische Verfahren vor allem in der Praxis.27 So erklärte schon Albertus Gandinus (ca. 1245-ca. 1310), dass überall ex officio vorgegangen 19 X 5.3.31: Tunc enim clamor pervenit ad praelatum, quum per publicam famam aut insinuationem frequentem subditorum sibi referuntur excessus, et tunc debet descendere et videre, id est, mittere et inquirere, utrum clamorem, qui venit, veritas comitetur. 20 Burret Inquisitionsprozess, 101 u. 108 f. 21 Burret Inquisitionsprozess, 101. 22 Jo. 8, 10–11. 23 C.2 q.1 d.p.c.17: nullus simul potest esse accusator et iudex. 24 X 5.1.24: quasi denunciante fama. S.a. Burret Inquisitionsprozess, 50. 25 Esmein Histoire, 66; Kéry Gottesfurcht, 665 ff. 26 Burret Inquisitionsprozess, 28 ff.; Ignor Geschichte, 50 ff. 27 Kantorowicz Studien, 315.
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werde, obwohl dies doch eigentlich der Lehre (wörtlich: dem ius civile) widerspreche.28 Neuere Studien haben jedoch gezeigt, dass die Entwicklung zum Inquisitionsverfahren nicht so linear verlief, wie man lange Zeit glaubte. Im Italien der Renaissance blieb auch das akkusatorische Verfahren am Leben.29 In Venedig wurde die allmähliche Verdrängung des älteren akkusatorischen Verfahrens in der weltlichen Gerichtsbarkeit durch das Machtverhältnis zweier Rechtsprechungsorgane verkörpert.30 Das ältere Verfahren der Avogaria di Comun und der Quarantìa Criminal beinhaltete einige Elemente des Akkusationsprozesses.31 Der Rat der Zehn pflegte hingegen mit seinem rito ein reines Inquisitionsverfahren.32 Da das Verfahren vor dem Rat der Zehn an weniger Formalien gebunden war, wurde es als schneller und effizienter betrachtet. Dies ist einer der Gründe, warum die Macht des Rates der Zehn auf Kosten der anderen Gremien zunehmen konnte.33 Doch gab es in der hier untersuchten Zeit die beiden Prozessarten nicht mehr in der Reinform. Denn im späteren Mittelalter färbte das Verfahren per inquisitionem auf das Verfahren per accusationem ab.34 So kam die inscriptio auch bei der Anklage immer mehr außer Gebrauch.35 Und auch in dem Akkusationsverfahren konnten die Richter bald in höherem Maß selbst Beweise erheben.36 So entstand eine gemischte Prozessart, in der akkusatorische und inquisitorische Elemente ihren Platz fanden. Nicht selten kamen auch in demselben Prozess accusatio, inqui-
28 Gandinus De Maleficiis, 39; Sbriccoli Vidi communiter, 238; ders. Justice, 394 f.; Koch Denunciatio, 61. 29 Lonza Accusatoire, 650 f.; Bellabarba Représentation, 60; Zorzi Aspetti, 541 f. Das Gleiche gilt für das spätmittelalterliche Frankreich, Cohen Inquisitorial Process, 53. 30 Cozzi Repubblica, 97. 31 S.o., 55 f.; Povolo Aspetti, 200; Cozzi Repubblica, 104. 32 S.o., 56; Povolo Ordine, 46 ff. 33 Cozzi Repubblica, 140. 34 Dezza Accusa, 26. 35 Lefebvre-Teillard Officialités, 74. An Stelle der inscriptio trat häufig eine Geldstrafe, s.a. Cohen Inquisitorial Process, 50. Die einzige Verurteilung zur Talionsstrafe, die sich in den Akten findet, wurde nie vollstreckt, s. ASP AMP b. 28, 7.10.1465; ebda. b. 29, 20.10.1466; ebda. b. 31, 25.5.1467. Interessant ist die Erwähnung der Talion bei der Ladung eines Angeklagten vor die Häretikerinquisition, ASP CSI b. 1, 158’ (1510). 36 Nach Bartolus Quaestiones, 243 (Q. XIIII), sind zum Beispiel Zeugenaussagen gültig, die ein Richter ohne Zustimmung des Ankägers einholt.
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sitio und denunciatio zusammen.37 Das genaue Verhältnis, in dem diese Elemente zueinander standen, hing dabei sehr von dem jeweiligen Richter ab. In dem Ermessen über das Maß an Eigeninitiative hatten die Richter ein starkes Machtmittel. Diese Macht wurde kaum durch die juristische Lehre begrenzt. Die Lehre versuchte zwar den verschiedenen Verfahrensarten und ihren Einleitungmodi durch eine Unterscheidung beizukommen. So differenzierte man wie im römischen Recht zwischen crimina publica und crimina privata. Welche Straftaten in welche Kategorie fielen, wurde vor allem anhand von typischen Beispielen erläutert. Typische crimina publica waren demnach der Totschlag (homicidium) oder das Majestätsverbrechen (crimen laesae maiestatis). Typisches crimen privatum war der Diebstahl (furtum). Bei der Zuordnung der Verbrechen spielten aber im weltlichen Recht die lokalen Vorschriften eine große Rolle. Im kanonischen Recht wurden allgemein sehr viele Delikte dem Bereich der crimina publica zugeordnet, sodass der Kriminalist Julius Clarus zu der Aussage kam, dass es im Kirchenrecht eigentlich überhaupt keine Privatdelikte mehr gebe.38 Die theoretische Unterscheidung, die in der juristischen Lehre mit großem Aufwand getrieben wurde, ist aber für die Praxis nicht nur wegen der teils schwierigen Zuordnung der Delikte nicht immer hilfreich. Denn auch über die Rechtsfolge der Zuordnung herrschte Unklarheit. Nach der klassischen Lehre waren bei crimina privata nur die Betroffenen zur Anklage berechtigt. Bei einem crimen publicum war hingegen die Popularklage zugelassen, sodass jeder, der von dem Delikt erfuhr, zur Anklage berechtigt war.39 Mit der Einrichtung eines öffentlichen Anklägers (promotor oder procurator fisci) hatte diese Lehre zur Folge, dass dieser Ankläger bei allen crimina publica aktiv werden konnte.40 Diese neuere Entwicklung setzte sich aber nur langsam durch.41 Sie kann zu der hier beschriebenen Zeit in Venedig nicht als die allgemeine
37 Clarus Practica, 196 § fin. q. III, Rn. 5 f.: Adeo quod modus procedendi, qui hodi[e]rnis temporibus observatur, est quidam modus, in quo postest concurrere mixtura, seu cumulatio vtriusque remedii, scilicet ex officio, & ad instantiam partis; et unum ab altero non impeditur, quinimo multoties concurrunt denunciatio, inquisitio, et accusatio in eodem processu; s.a. Dezza Accusa, 41; Rousseaux Initiative, 72; Sbriccoli Justice, 390 u. 401. 38 Clarus Practica, 2 f., § Prim. Rn. 6. 39 Bellabarba Représentation, 58. 40 Lefebvre-Teillard Officialités, 80. 41 Bellabarba Représentation, 61.
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Rechtslage gelten. In den von mir untersuchten Akten spiegelt sie sich nur zum Teil wider.42 Es stand vielmehr einerseits immer in der Macht des Patriarchen und seines Vikars, ex officio vorzugehen. Zumindest finden sich in den Gerichtsakten keine grundsätzlichen Bedenken dagegen. Das heißt aber andererseits nicht, dass der Patriarch und sein Vikar tatsächlich immer von Amts wegen ermittelten. Zwar galt in dem kanonischen Recht der Satz, dass die Würdenträger die Exzesse ihrer Untergebenen maßregeln mussten.43 Dies geschah aber nicht immer in einem reinen Inquisitionsverfahren. Die Verfahren vor dem Gericht des Patriarchen von Venedig lassen sich nur schwer in die verschiedenen Prozessformen der juristischen Lehre einordnen. Dies gilt schon für die Verfahrenseinleitung, die nicht in das kanonistische Raster von Prozesseinleitung per accusationem oder per denunciationem passt. In den Akten taucht stattdessen vor allem der Begriff der querela auf. Die querela ist eine Art Anklage,44 die aber auch den Anstoß zu einem Inquisitionsverfahren geben kann.45 Auf die Begriffe kam es dabei in der Praxis nicht so genau an. So wollte sich der Priester Nicolaus nach einem Streit mit dem Priester Blasius auch nicht festlegen und zeigte ihn mit den Worten cum querela denuntiat et accusat an.46 Angesichts der lückenhaften Überlieferung und der Schwierigkeiten bei der Zuordnung in Einzelfällen ist es nicht möglich, eine aussagekräftige Statistik darüber anzufertigen, wie häufig das Gericht ex officio ermittelte. Der Kernbereich der Verfahren von Amts wegen lag in der Verfolgung der Häresie und der Hexerei. In diesen Fällen betrieben die Richter das Verfahren engagiert und unabhängig von dem Insistieren einer Partei. Am anderen Ende des Spektrums lagen die Fälle, in denen der Patriarch in zweiter Instanz meist als delegierter Richter über die Appellation eines Klerikers entschied. Hier hing der Ausgang des Prozesses vor allem von dem Engagement 42 Zu dem Wirken des procurator fysci s.u., 130 f. 43 X 5.39.35: praelati excessus corrigere debeant subditorum. Vgl X 5.22.2; Kéry Gottesfurcht, 568. 44 Priori Prattica criminale, 3; Zamboni Isagoge, 17. 45 Ferro Dizionario II, 574; Chiodi Relazioni, XXXIII; Koch Denunciatio, 74 f.; Dezza Accusa, 46. 46 ASP Div. b. 3, 19 (25.5.1469). S.a. ASP CSI b. 1, 242 (20.12.1518), wo der Patriarch von Venedig in einem Urteil die Verfahrenseinleitung mit den Worten visa querella sive denuntia beschreibt.
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der verletzten Partei und des Richters der ersten Instanz ab, die das Ausgangsurteil verteidigen mussten. Dabei kam es für die Vorgehensweise des Gerichts nicht immer auf die Schwere und die Art des Verbrechens an. So sprach der Vikar des Patriarchen auch bei einem Totschlag den Angeklagten in zweiter Instanz frei, als vor seinem Gericht kein Ankläger erschien,47 obwohl es sich bei dem Totschlag um ein crimen publicum handelte.48 Als in einem anderen Appellationsfall, bei dem es um eine Fälschung von Gerichtsakten ging, der Richter des ersten Urteils den Patriarchen eigens darauf aufmerksam machte, dass hier ex officio vorzugehen sei,49 stützte der Patriarch seinen Freispruch aber nicht auf die bloße Abwesenheit eines Klägers, sondern auf die Unschuld des Angeklagten.50 Zwischen den beiden Extremen der forcierten Ketzer- und Hexenverfolgung und der eher passiven Haltung des Gerichts bei Appellationsfällen liegt die Vielzahl der Fälle, in denen es in erster Instanz um Delikte von Klerikern aus der Diözese ging. In diesen Fällen kam es vor allem darauf an, welchen Rechtsbeistand der Angeklagte hatte. Stand dem Angeklagten kein Anwalt zur Seite, nahm das Gericht eine aktivere Rolle bei dem Verhör der Zeugen und der Führung des Prozesses wahr. Das Verfahren entsprach dann eher dem Typ des inquisitorischen Verfahrens. Die klassische Zweiteilung des Verfahrens in eine erste Voruntersuchung über die fama und einen anschließenden Prozess über die Tat war zu dieser Zeit jedoch schon nicht mehr üblich. Stattdessen untersuchten die Richter gleich die Tat.51 In diesen Inquisitionsverfahren kam es häufig zu Verurteilungen. Die Angeklagten hatten kaum eine andere Wahl, als um Gnade zu flehen. Mit der Begründung, dass man nur ein armer Fremder (povero forestier) sei, der in Venedig über keine Beziehungen verfüge, 47 ASP CDA b. 27, 12.2.1528 (gg. Augustinus de Negrinis). 48 Durantis Spec. II, 9, lib. III. part. I § 2. 49 ASP CDA b. 33, 2.6.1531 (gg. Dominicus Bollognatus). Der Anwalt des Vikars des Bischofs von Treviso bringt als exceptio ein, dass von Amts wegen vorgegangen werden müsse, cum per tale publicum delictum lesa etiam sit res publica pro quo bono et interesse rei publice prefata R. D. V. supplere tenetur et prout per totum mundum practicatur in causis criminalibus in quibus absque accusatore proceditur, nam Judex ex offitio propter interesse rei publice suplet. 50 Ebda., 14.7.1531. 51 Clarus Practica, 203 § fin q. VI Rn. 1: Sed certe quicquid sit de iure, totum contrarium docet practica, quę communiter observatur. Die Parteien machten aber dennoch bisweilen den Einwand gegen ein Verfahren geltend, in dem nicht zuerst über die fama ermittelt wurde, ASP CDA b. 34, 9.12.1532 (gg. Franciscus Pantheus).
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versuchten manche Angeklagte, eher das Herz des Richters zu erweichen anstatt eine juristische Verteidigung ins Feld zu führen.52 Einen ganz anderen Charakter nahmen die Verfahren dagegen an, wenn Anwälte im Spiel waren. Sie machten es sich zur Aufgabe, selbst das Gerichtsverfahren durch ihre Anträge zu leiten. Dadurch brachten sie das Verfahren meist in eine Richtung, nach der das Opfer und seine Angehörigen eine wichtigere Rolle einnahmen. Beteiligten sich diese nicht an dem Verfahren, so zeigten die Strafverteidiger regelmäßig deren Säumnis an (contumaciam accusare). In diesen Verfahren kam es erstaunlich oft zu Freisprüchen. Einen gewissen Ansporn zur Aufdeckung von Unregelmäßigkeiten bot indes der Kampf um die Pfründen. Ein begangenes Verbrechen machte einen Konkurrenten für ein Beneficium ungeeignet. So wurden in diesen Streitigkeiten immer wieder vor dem Gericht des Patriarchen die schlimmsten Vorwürfe erhoben und bisweilen auch bewiesen.53 Dies hatte zwar keine unmittelbaren strafrechtlichen Konsequenzen. Dennoch konnten auch so Straftaten ans Licht kommen und die Betroffenen ihre Ämter verlieren.54 Der Neigung der Patriarchen zu solchen adversatorischen Verfahren entspricht es, dass von ihnen außer in Fällen der Hexen- und Ketzerinquisition nicht bekannt ist, dass sie zur Denunziation aufforderten, indem sie wie die weltlichen Gerichte55 Anonymität oder gar eine Belohnung versprachen. Denunzianten waren also besser beraten, auch Kleriker bei der weltlichen Gewalt anzuzeigen. Denn auch wenn die Kleriker nach Festnahme dem Patriarchen ausgeliefert wurden, vergaß die Republik trotzdem nicht, die Hinweisgeber zu belohnen.56 Die Prostituierte Lena hat demnach auch alles richtig gemacht, als sie den Mönch Silverius, der sie mit Falschgeld bezahlen wollte, bei sich einsperrte und die weltlichen Ordnungskräfte herbeirief. Denn obwohl auch der Fall von Bruder Silverius letztlich von
52 Z. B. ASP CR b. 1, 182 (9.3.1518). 53 S. z. B. ASP CDA b. 31, gg. Vincentius de Aurificibus (1.6.1530): Vorwurf des Brudermordes. 54 ASP CDA b. 1, gg. Angelus Ciera (16.6.1452), hier gab der Prior unter dem Druck weltlicher Ermittlungen eine Verzichtserklärung (renunciatio) für sein Amt ab. 55 Pavan Police des mœurs, 273 f. 56 ASVen CX Misti reg. 25, 55 (31.5.1491).
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dem Patriarchen entschieden wurde,57 schenkte ihr der Rat der Zehn eine Aussteuer von 100 Dukaten.58 Das Gericht des Patriarchen wandte solche Methoden nicht an. Auch das kanonische Institut der inquisitio generalis, der allgemeinen Ermittlung wegen Straftaten der Geistlichen in der Diözese ohne den konkreten Verdacht gegen eine bestimmte Person,59 hat keine Spuren in den Akten hinterlassen. Es ist daher davon auszugehen, dass auch diese Vorgehensweise in Venedig keine große Rolle spielte. Vermutlich ist auch hierin einer der Gründe zu sehen, warum die weltlichen Behörden mehr Kontrolle über die Strafverfahren gegen Kleriker gewinnen wollten. In dem Verfahren der weltlichen Richter unter Hinzuziehung (cum interventu) des Vikars des Patriarchen konnten die Angeklagten schon durch die Folter wesentlich leichter zu einem Geständnis gebracht werden. Wenn sie den Kleriker anschließend dem Patriarchen auslieferten, hatte dieser nur wenig Spielraum für einen Freispruch, auch wenn der vorige Prozess für ihn nicht bindend war. So wurde in Venedig die Überstellung (remissio) an den Patriarchen von den weltlichen Behörden zu einer weiteren Art der Verfahrenseinleitung, die entweder gleich zu einem Urteil oder zu einem Inquisitionsverfahren führte. Dass die akkusatorischen Elemente in dem Verfahren des Patriarchates von Venedig noch lebendig waren, heißt indes nicht, dass die Strafverfolgung hier noch keinen öffentlichen Charakter angenommen hatte. Dies sieht man an dem Beispiel der privat geschlossenen Sühnevereinbarung, die in der kanonistischen Lehre des Mittelalters einer der Ausgangspunkte für die Diskussion um den öffentlichen Charakter des Strafrechts waren.60 Obwohl sie sich mit dem öffentlichen Strafanspruch nur schwer in Einklang bringen ließen, verloren die privaten Friedensvereinbarungen auch nach dem Aufkommen der Verfahren ex officio nicht ihre Bedeutung.61 Weder die weltlichen 57 ASP CR b. 1, 25 (4.12.1481). 58 ASVen CX Misti reg. 20, 137 (29.12.1481). 59 Im weltlichen Recht war die Generalinquisition die Ermittlung über die Tat. Sie war die Voraussetzung zur Spezialinquisition, in der die Täterschaft ermittelt wurde. Ursprünglich ging es in der weltlichen Generalinquisition darum, das corpus delicti dingfest zu machen, Ignor Geschichte, 94 ff. Im kanonischen Recht gebrauchte man den Begriff der Generalinquisition etwas weiter und weniger spezifisch, Burret Inquisitionsprozess, 102 ff.; Fournier Officialités, 272. 60 Sbriccoli Vidi communiter, 235 f.; Kéry Aspekte, 259. 61 Niccoli Perdonare, 34 ff.; Edigati Pace, 370 f.
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noch die geistlichen Gerichte verschlossen sich dieser gesellschaftlichen Realität. Sie berücksichtigten vielmehr die privaten Friedensschlüsse bei der Strafzumessung und bei der Begnadigung von Verurteilten.62 Nicht selten wurden diese Frieden unter Vermittlung von Pfarrern geschlossen.63 Auch unter den Klerikern Venedigs war die Vorstellung verbreitet, dass man nach einem Streit durch privaten Friedensschluss die Strafverfolgung abwenden könne, auch wenn man einander Verletzungen zugefügt hatte. Das Gericht des Patriarchen akzeptierte das aber nur in manchen Fällen. Zwar konnten die Priester Blaxius und Johannes de Antelmis ganz frei vor dem Richter erläutern, dass sie sich gestritten, anschließend aber Frieden geschlossen hatten. Blaxius sei bei der Auseinandersetzung an Kopf und Arm verletzt worden, sodass eine Heilbehandlung notwendig wurde.64 Zwischen den Parteien war nur streitig, wer für diese Kosten aufkommen sollte.65 Das Gericht entschied zu Gunsten des Blaxius, ohne auch nur eine Andeutung zu machen, dass dieser Fall auch eine strafrechtliche Dimension aufweisen könnte.66 Anders war es jedoch, wenn der Friedensschluss nach Klageerhebung erfolgte67 wie bei Priester Petrus, der dem Priester Andreas auf einem Friedhof eine Wunde zugefügt hatte. Obwohl die beiden Widersacher bald Frieden schlossen und Priester Andreas seine Klage zurücknehmen wollte,68 wurde Petrus dennoch verurteilt. Er musste dem Andreas die Heilungskosten ersetzen und für den Friedhof, dessen Sakralität verletzt worden war, einen Geldbetrag spenden.69
5.2 Organisation des Gerichts Die Vorgehensweise und die Struktur des Gerichtes bedingten einander gegenseitig. So stärkte die Einrichtung des procurator fysci die Ermittlungen von Amts wegen. Die Zulassung und Tätigkeit der Anwälte hingegen verlagerte den Schwer62 63 64 65 66 67 68 69
Bellabarba Pace, 195. Bellabarba Pace, 192; Brambilla Alle origini, 294. ASP AMP b. 26, 12.6.1466. ASP AMP b. 29, 29.5.1466. ASP AMP b. 30, 3.9.1466. X 5.22.1 u. 2; Kéry Grundlagen, 159; dies. Gottesfurcht, 563; Ullmann Principles, 10. ASP Sent. b. 4, 20 (15.3.1509): Andreas [...] remittens ei omnem querellam. Ebda.
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punkt der richterlichen Tätigkeit wieder stärker zu der Konfliktlösung zwischen zwei Parteien. Ein Blick auf die Organisation des Gerichtes trägt daher zum Verständnis des Verfahrens bei. Die institutionelle Verfestigung des Gerichtes war nicht besonders groß. Der Patriarch richtete als Einzelrichter. Meist ließ er sich von seinem Vikar vertreten. Anders als in den räumlich größer zugeschnittenen Diözesen nördlich der Alpen70 gab es in den Bistümern Italiens nämlich in der Regel keinen Offizial. Dies hatte zur Folge, dass der Generalvikar auch die Aufgaben der Rechtsprechung übernahm.71 Bei den Vikaren handelte es sich häufig um studierte Juristen, die jedoch nicht aus dem Adel stammten und so nur geringe Aussichten darauf hatten, selbst ein Bistum zu bekleiden.72 Daher sah die Kurie in Rom es auch als unüblich an, als der päpstliche Nuntius Hieronymus Aleander bei dem Papst für Cesare Baccono, den Vikar des Patriarchen von Venedig, um die Verleihung des Bistums Durazzo (Durrës) bat.73 Doch auch einige der Vorgänger von Cesare Baccono hatten neben ihrer Tätigkeit als Vikar des Patriarchen auch Bistümer im venezianischen Seereich bekleidet.74 Bei schweren Strafen richtete meist der Patriarch selbst. Er zog nur in wenigen Fällen weitere Hilfe herbei. So achtete er darauf, dass bei der Degradation von Klerikern die nötige Zahl von sechs Bischöfen zusammenkam.75 In seltenen Fällen holte er Rechtsgutachten ein.76 Anders als in manchen italienischen Städten im Mittelalter77 verfügte der Patriarch nicht über einen institutionalisierten Rat, der die Verhandlung und die rechtliche Bewertung übernahm (consilium iurisperitorum). Als Verhandlungsort kam jeder geeignete Ort der Diözese in Betracht. In der Regel fanden die Gerichtsverhandlungen bei dem Sitz des Patriarchen in Castello 70 Vergleiche über die Größe der Bistümer in England und Italien bei Brentano Two Churches, 63 ff. 71 Mariani Attività, 773; Bizzocchi Chiesa e potere, 245 f.; Donati Curie, 221. 72 Bizzocchi Chiesa e potere, 250 ff.; ders. Clero e chiesa, 39. 73 ASV SS b. 1, 224–224’; Gaeta Nunziature I, 220. 74 Der Vikar Antonio Saracho war zugleich Erzbischof von Korinth, ASP CR b. 1, 35 (9.10.1482); der Vikar Domenico d’Aleppo war Bischof von Chissamo (Kastelli auf Kreta), Eubel Hierarchia II, 127; Fedalto Chiesa II, 87. 75 S.u., 152. 76 Z. B. ASP Div. b. 8, 106 (9.4.1495): consideratione cum iuris peritis. 77 Padoa Schioppa Note, 302 f. berichtet von einer solchen Einrichtung im Mailand des 13. Jahrhunderts. In den 1470er Jahren gab es dort drei Auxiliarbischöfe und einen Vikar für Appellsachen, Mariani Attività, 784.
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statt.78 Dort fällte der Patriarch häufig die Urteile in seinen eigenen Gemächern (in camera cubiculari),79 mitunter aber auch in der Sakristei der Kirche (in sacrario ecclesie nostre).80 Auch das Personal des Gerichtes war nicht sehr groß. Vereinzelt finden sich im 15. Jahrhundert Deckblätter der libri actorum, in denen die am Gericht tätigen Personen erwähnt sind.81 Die Deckblätter verraten uns, dass es für die Schreibarbeiten eigene Gerichtsnotare gab. Die Notare nahmen dabei die wichtige Rolle der publica persona ein, die nach der in die Sammlung des Liber Extra übernommenen Vorschrift des Vierten Laterankonzils zu jedem Verfahren hinzugezogen werden musste.82 Darüber hinaus erwähnen die Deckblätter einen oder meist zwei Boten, die die Ladungen vornahmen. Keine Erwähnung findet hier das Amt des procurator fysci, dessen Aufgabe in der Anklage straffälliger Kleriker bestand.83 Die Tätigkeit dieses Anklägers ist in den Akten allgemein nicht gut belegt. Unklar ist vor allem der genaue Zeitpunkt der Einrichtung. Womöglich bestand das Amt zu der Zeit der Abfassung der Deckblätter noch nicht. Eine erste, sichere Notiz zu dem procurator habe ich nämlich erst in einem Fall der Häretikerinquisition aus dem Jahr 1526 gefunden.84 Ab dem Jahr 1530 ist ein größerer Umfang der Tätigkeit verbürgt.85 Sollte das Amt tatsächlich erst im 16. Jahrhundert eingerichtet worden sein, so war dies mehr als ein Jahrhundert später als in anderen Diözesen.86
78 Vgl. Gerson Sermo de off. pastor., 551 sec. part., cons. sec.: Domus autem Prælati Curia est. S.a. Peverada Familia, 602. 79 Z. B. ASP Sent. b. 4, 17 (5.6.1504). 80 ASP CR b. 1, 35’ (9.10.1482). Der eben erwähnte Vikar Cesare Baccono saß hingegen in seiner Kirche San Bartolomeo di Rialto zu Gericht, ASP Scomparin Raccolta, 107’ (20.7.1534). 81 ASP AMP b. 41 (1482); ebda. b. 49 (1492). 82 X 2.19.11 = Conc. Lat. IV c. 38; Chittolini Cenni, 223; Peverada Familia, 639. 83 Der procurator übte damit die gleichen Funktionen aus wie in Nordfrankreich der promotor, Fournier Vicaire général, 211. 84 ASP CSI b. 1, 308 (1.10.1526). 85 ASP Sent. b. 4, 80 ff.; s.a. ASP CR b. 1, 224 (12.3.1532). 86 Lefebvre-Teillard Officialités, 80; Albert Gemeiner Mann, 87. In England wurde ein solches Amt überhaupt nicht eingerichtet, Helmholz Note, 512. In Schottland existierte das Amt hingegen. Sicher nachweisen lässt es sich dort aber auch erst im 16. Jahrhundert, Ollivant Court of the Official, 54 ff.
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Der procurator fysci konnte sowohl eine Anklage unterstützen als auch selbst erheben. Unklar ist wiederum, ob er hierzu noch weitere Mitarbeiter besaß. Die Erwähnung einer camera fyscalis87 könnte einen Hinweis hierauf geben. Die camera tritt jedoch in den Prozessen fast nicht in Erscheinung. Es ist daher nicht davon auszugehen, dass hier ein substantieller Ermittlungsapparat bestand. Weitere Mitarbeiter, die an der Aufklärung der Straftaten beteiligt waren, finden in den Deckblättern keine Erwähnung. Zwar wissen wir aus anderen Gerichtsakten, dass auch ein Cancellarius des Patriarchen an dem Gericht tätig war.88 Doch findet seine Mitarbeit in den Akten der Kriminalverfahren kaum Erwähnung. Dies alles sind Indizien dafür, dass die Ermittlung von Straftaten fast allein bei dem Patriarchen und seinem Vikar lag. Trifft dies zu, so waren die Richter in hohem Maß auf Auskünfte und Mitwirkung von Opfern angewiesen. Dies erklärt, warum die Richter sich bei der Aufklärung von Straftaten zurückhielten und so die adversatorischen Elemente des Verfahrens kultivierten. Schwiegen zudem die Beteiligten, so waren die Chancen der Aufdeckung von Straftaten sehr gering. Dies könnte auch eine Erklärung dafür sein, warum die weltliche Gerichtsbarkeit, die mit nächtlichen Patrouillen und der Belohnung von Denunzianten die Kriminalität bekämpfte, mit der geistlichen Strafverfolgung derart unzufrieden war. Anstelle von Ermittlern oder Wächtern werden bei dem Gerichtspersonal hingegen die bei dem Gericht zugelassenen Anwälte erwähnt. Diese wirkten in Venedig zugleich als Advokaten und als Prokuratoren.89 Daher waren sie sowohl für die juristischen Schriftsätze als auch für die Vertretung der Parteien vor Gericht zuständig. Ihnen sollte der Zugang zu den Gefangenen gewährt werden.90 Zur Vorbereitung der Verteidigung konnten sie – wie auch die Angeklagten selbst – Einsicht in die Gerichtsakten nehmen. Vor allem die Namen der Zeugen waren wichtig, damit der Anwalt Einwände gegen sie erheben konnte.91 Bei Verfahren wegen Hexerei und Häresie war dieses Recht jedoch eingeschränkt.92 Die geringe Zahl der zugelassenen Anwälte fällt besonders ins Auge.93 Waren es in dem Jahr 1482 immerhin vier, so gab es zehn Jahre später nur noch zwei. 87 88 89 90 91 92 93
ASP Sent. b. 4, 82’–83’ (11.1.1531). ASP CSI RLC b. 1, 23.11.1515 (Fall v. Margarita und Marieta). Cristellon Carità, 53. ASP AMP b. 17, 4.7.1455. ASP CR b. 1, 155’ (2.8.1512). S.u., 168. In anderen Diözesen waren die Anwälte viel zahlreicher. S. zu Genf Elsener Justizre-
Organisation des Gerichts 131
Nach einem Privileg aus dem Jahr 1508 wurde Hieronymus Parleo sogar einziger Anwalt bei dem Gericht.94 Damit hatte er eine Monopolstellung inne. Es wog daher umso schwerer, dass die Privilegien der Anwälte die Konkurrenz mit externen Juristen ausschlossen. Außer von den zugelassenen Anwälten durften sich Parteien nur von ihren Verwandten bis zum dritten Grad vertreten lassen.95 Andere Anwälte wurden nur zugelassen, wenn sie gratis für Bedürftige (miserabiles personae) eintraten. Das Anwaltsprivileg wurde daher wie eine Pfründe betrachtet. Es konnte somit auch wie eine solche veräußert werden. Als sich der Anwalt Antonio da Sicilia von seinem Amt zurückzog, übertrug er es seinem Kollegen Johannes Andreas aus Asolo in der Form einer renuntiatio. Johannes Andreas machte mit dieser Renuntiation eine Demarche zu dem Patriarchen, der ihm sein neues Amt „wegen seiner herausragenden Gelehrtheit und einzigartigen Tugendhaftigkeit“ bestätigte.96 Dass die Anwaltstätigkeit als Amt angesehen wurde, brachte den Anwälten jedoch auch Pflichten ein. Den Bedürftigen mussten sie gratis und aus Gottesliebe zur Vergebung ihrer Sünden Rechtsbeistand leisten.97 Damit erfuhren die Armen vor dem kirchlichen Gericht nicht weniger Fürsorge als vor dem weltlichen Gericht, wo ihnen auch ab Mitte des 15. Jahrhunderts sowohl vor als auch nach der Verurteilung ein Pflichtverteidiger zur Seite stand, wenn sie sich in Haft befanden.98 Die mögliche Verpflichtung zur Strafverteidigung konnte den Anwälten aber noch unangenehmere Mandate einbringen. Zu diesen ungeliebten Aufgaben gehörte die Verteidigung von Ketzern. Als Fra Giulio di Milano vor der Inquisition stand, weigerten sich die Anwälte Michael Pegolatus und Baldassar Severinus
94 95 96 97 98
form, 75; zu Frankreich und England Helmholz Note, 511; zu Schottland Ollivant Court of the Official, 57 u. 175 f. Auch im benachbarten Padua war die Konkurrenz größer, Alexander Paduans, 23. ASP AMP b. 57, 23.8.1508 und 1.9.1509. ASP AMP b. 49, 27.2.1493: in dicto foro nostro nullus nisi ipse [der Rechtsanwalt Jacobus Parleo] advocare possit, Excepto tamen quilibet qui in tertio gradu consanguinitatis coniunctus esset principali litiganti; s.a. Cristellon Carità, 52. ASP Div. b. 3, 3.4.1476: considerans excellentem doctrinam et singuram probitatem. ASP AMP b. 57, 1.9.1509: gratis et amore dei et in remissione peccatorum vestrorum patrocinari debeatis; dies galt auch in Ehesachen, Cristellon Carità, 53. Lazzarini Avvocato, 1474 f.; Fadalti/Sovernigo/Rebecca Artigli, 109 ff.; Cecchetti Leggi, 22.
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Aufbau und Verfahren des Gerichts
zunächst, das Mandat zu übernehmen. Der päpstliche Nuntius drohte ihnen darauf mit der Exkommunikation.99 Auch vor dem Gericht des Patriarchen konnte ihre Abhängigkeit die Anwälte vor Probleme stellen. Als der Anwalt Johannes Ritius sich bei einem Streit des Patriarchen Querini mit den Gemeindepfarrern auf Seiten der Pfarrer stellte und dem Patriarchen gegenüber „weniger bescheiden sprach, als schicklich war“, wurde ihm kurzerhand die Erlaubnis entzogen, in Zukunft vor dem Gericht des Patriarchen zu praktizieren.100 Die Bezahlung der Anwälte wie auch die übrige Finanzierung des Gerichtes oblag den Parteien. Es galt im Allgemeinen die Regel, dass die unterlegene Partei dem Sieger die Auslagen für seinen Anwalt zahlen und auch den Gerichtsnotaren eine Gebühr entrichten musste.101 Im Falle einer Verurteilung mussten die Angeklagten auch den procurator fysci bezahlen.102 Dies diente dem procurator wohl als Anreiz, auf die Bestrafung des Beschuldigten hinzuwirken. Gab es keinen Kläger, so musste der Angeklagte nur im Falle einer Verurteilung die Gerichtskosten bezahlen.103 Doch handhabte das Gericht das Kostenrecht mit großem Ermessensspielraum.104 So gab es dennoch Fälle, in denen auch bei Freispruch die Angeklagten zu den Gerichtskosten verurteilt wurden, wenn sie sich verdächtig gemacht hatten.105 Damit treten auch einige Interessenkonflikte zu Tage. So bedeutete ein Freispruch für den Patriarchen einen Einnahmeverlust, wenn er die Kosten nicht auf einen Kläger abwälzen konnte. Aus diesem Grunde war eine Einbindung der verletzten Partei für die Finanzierung des Gerichtes von Vorteil. Denn so verschaffte sich das Gericht einen weiteren potentiellen Schuldner. Ob diese Überlegung tatsächlich die Entscheidungen des Gerichtes beeinflusst hat, lässt sich nicht sagen. Noch im 17. Jahrhundert findet sich aber genau diese Klage gegen weltliche Gerichte 99 100 101 102 103 104 105
ASVen SU b. 1, 22. u. 25.8.1541. Zu dem Prozess s. Del Col Inquisizione in Italia, 291; ders. Organizzazione, 262 f.; Paschini Venezia e l’inquisizione, 10 ff. BNM Mss. Lat. IX cod. 74 (3289),125–125’ (10.3.1537): loqui minus modeste quam decebat (am Rand hinzugefügt: et irreverenter). Litewski Zivilprozeß, 571. ASP Sent. b. 4, 80’–81’ (17.11.1530); ebda., 81’–82’ (7.12.1530); ebda., 82’–83’ (11.1.1531). ASP Sent. b. 4, 52 (8.2.1520). Vgl. Cristellon Carità, 166. ASP AMP b. 31, 1.12.1467.
Verfahrensverlauf 133
auf dem venezianischen Festland, die aus Kostengründen das Akkusationsverfahren favorisierten.106 Wegen der häufig fehlenden Solvenz der Angeklagten wird die Strafgerichtsbarkeit jedoch kaum eine ertragreiche Einkommensquelle für den Patriarchen von Venedig gewesen sein. Das andernorts verbreitete Unwesen, möglichst viele Geldstrafen zu verhängen, um sich auf diese Weise Einnahmen zu verschaffen,107 grassierte vor dem Gericht des Patriarchen nicht. Hier wurden die Geldstrafen in der Regel direkt an wohltätige Einrichtungen gezahlt.
5.3 Verfahrensverlauf Nach der biblischen Verheißung soll Gott am Jüngsten Tage die Völker im Tal Josafat versammeln.108 Das dort zu erwartende Gericht stellte für die Curia des Patriarchen ein nur allzu präsentes Vorbild dar. So berichtete ein Bote des Gerichtes in einer Notiz aus dem Jahr 1518, er habe zwei Vertreter einer beklagten Partei „im Angesicht unseres Herrn Jesus Christus am schrecklichen Tag des Gerichts im Tal Josafat“ vor den Patriarchen geladen.109 In der Regel ging es jedoch weniger endzeitlich zu. Die Ladung des Beschuldigten war in jedem Kriminalverfahren notwendig. Nach kanonischem Recht war eine dreimalige Ladung erforderlich, um den Ladungsungehorsam (contumacia) des Geladenen herbeizuführen. Dennoch stellte das Gericht meist schon in der ersten Ladung klar, dass diese Ladung wie eine dreimalige Ladung gelten solle (unica pro trina monitione).110 Eine Ladung wurde auch dann ausgesprochen, wenn sich der Beschuldigte im Kerker befand.111 Konnte der Bote die Ladung nicht 106 Povolo Aspetti, 186 Fn. 80, zitiert einen Bericht von 1610: non si formavano processi ex officio, benché di misfatti gravissimi, ma solamente a querela delle parti che pagassero l’esame et quanto spettava alli nodari. 107 Pommeray Officialité, 216. S.a. X 5.37.3 u. X 1.31.13 § 2. 108 Joel 3,2: congegrabo omnes gentes et deducam eas in valle Iosaphat. 109 ASP AMP b. 61, 230’ (12.1.1518): Retulit Presbyter Nicolaus Rosmarinus Nuntius Curiae Patriarchalis, se [...] citasse coram conspectu Domini nostri Jesu Christi in die tremendo juditij in vale Josaphat. Gallicciolli Memorie V, 287. 110 Z. B. ASP CDA b. 5, 7.8.1465 (gg. Dominicus Rizzo); ebda. AMP b. 63, 245 (23.6.1524). Dieses Verfahren war schon nach römischem Recht möglich, Dig. 5.1.72. 111 Gaeta Documenti, 48 (in einem Urteil): visa citatione nostra facta dicto magistro Antonio carcerato.
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persönlich überbringen, da er den Beschuldigten nicht antraf, wurde dieser durch Aushang an den Kirchen geladen.112 Befand sich der Betreffende nicht in Venedig, beauftragte das Gericht einen Notar an seinem Aufenthaltsort.113 Häufig hielt man die Angeklagten für die Dauer des Verfahrens gefangen. Dieser Haft konnten sie aber in der Regel entgehen, indem sie einen Bürgen (fideiussor) stellten.114 War dieser Bürge ein Laie, musste er sich mit seinem Vermögen dem kirchlichen Forum unterwerfen.115 Flüchtete der Angeklagte nach seiner Freilassung, konnte man den Bürgen haftbar machen. Er musste dann eine Geldstrafe zahlen.116 Daher achteten die Parteien auch genau darauf, dass es sich bei dem Bürgen um einen solventen Schuldner handelte.117 Erschienen die Parteien vor Gericht, so konnten sie ihre Eingaben vorbringen (producere). Wenn das Verfahren stärkere akkusatorische Elemente aufwies, so geschah dieses Vorbringen wie im Zivilprozess in Form von Klagschriften (libelli) und Schriftsätzen, denen in der Regel Beweisanträge beigefügt waren. Nach diesen sollten bestimmte Zeugen und die gegnerische Partei zu einem von dem Anwalt ausgearbeiteten Fragenkatalog (positiones) Stellung nehmen. Die Fragen waren dabei so formuliert, dass sie mit Ja (credit) und Nein (non credit) beantwortet werden konnten.118 Jedoch ähnlich wie schon die weniger formale querela die rigidere accusa abgelöst hatte, wurde auch die starre Form des libellus in der Praxis häufig vermieden. Viele anwaltliche Klagschriften fangen daher mit der Klarstellung an, dass es sich hier nicht um einen förmlichen Libell, sondern um eine einfache Erzählung des Sachverhaltes handle (facti narratio).119 Ein solches Vorgehen war insbesondere 112 Z. B. ASP CR b. 1, 18 (13.9.1476). 113 Z. B. ASP CDA b. 18, 15.3.1507 (gg. Hieronymus de Castellinis): Ladung in Alonti in der Diözese Vicenza; ebda. b. 20, 23.2.1519 (gg. Nicolaus Spiritello): Ladung von Zeugen in Lesina (Hvar). 114 Dieses Verfahren war weit verbreitet. Zur etwas abweichenden Entwicklung in England: Langbein Prosecuting, 6 ff. 115 ASP AMP b. 62, 28.2.1520. 116 ASP CDA b. 33, 22.12.1530 (gg. Dominicus Bollognatus). 117 ASP CDA b. 34, 27.11.1532 (gg. Franciscus Pantheus): Ablehnung eines Bürgen durch die gegnerische Partei quia senex et non habet in bonis. 118 Cristellon Carità, 69. 119 Z. B. ASP CDA b. 22, 4.6.1520 (gg. Albertus de Castello); ebda. b. 34, 9.12.1532 (gg. Franciscus Pantheus).
Verfahrensverlauf 135
dann möglich, wenn dem Patriarchen ein Fall zur summarischen Entscheidung übertragen worden war.120 Brachten die Parteien positiones ein, so verhörte der Vikar des Patriarchen sie zu den streitigen Punkten.121 Ermittelte der Vikar jedoch selbst, formulierte er die Fragen in den jeweiligen Verhören neu. So konnte er auf die Aussagen der Parteien eingehen und durch genaue Nachfragen mehr an das Tageslicht bringen, als in dem starren Verfahren nach positiones möglich war. Wie Cristellon an den Eheprozessen gezeigt hat, drang ein solches aktives „inquisitorisches“ Handeln des Richters auch in die Zivilprozesse ein.122 Während sich so die Prozessformen vermischten, lag der größte Unterschied in dem Verhör des Beschuldigten. In dem von den Parteien dominierten Verfahren fand dieses gar nicht statt. Die Antworten auf die positiones des Klägers, die so genannten exceptiones, stellten nicht nur die rechtlichen, sondern auch die faktischen Aussagen des Angeklagten dar. Ging der Richter hingegen ex officio vor, wurde das Verhör des Angeklagten zu einem wichtigen Beweismittel. Aber auch bei dem von dem Richter geführten Verhör gab es wesentliche Unterschiede. Das für den Angeklagten vorteilhafteste Verfahren war das Verhör nach capitula oder articuli. In diesem artikulierten Verhör konfrontierte man den Angeklagten mit den gegen ihn erhobenen Vorwürfen. Er hatte dann die Möglichkeit, sich Punkt für Punkt dazu zu äußern.123 Vor allem bei schwereren Verbrechen ging der Vikar aber anders vor. Dem gefangenen Angeklagten teilte er den Grund seiner Festnahme (causa retentionis) nicht mit. Stattdessen eröffnete er das Verhör mit der Aufforderung, der Angeklagte solle selbst den Grund seiner Festnahme nennen. Gab der Angeklagte die Antwort, dass er den Grund nicht kenne, schenkte der Vikar ihm meist keinen Glauben und bestand mehrfach auf seiner Frage.124 Bei dieser Vorgehensweise hatte der Angeklagte keine Möglichkeit, eine überzeugende Verteidigung vorzubringen. Die Lage des Angeklagten verschlechterte sich weiter, wenn der Vikar ihn in der Folterkammer verhörte. Wenn der Angeklagte nicht geständig war, drohte der Vikar Clem. 5.11.2; Minnucci Simpliciter, 179. Cristellon Carità, 101. Cristellon Ufficio, 867. ASP CR b. 1, 13–14 (4.5.1463): Vorwurf des Konkubinats und des Verstoßes gegen Kleidervorschriften. 124 ASP CR b. 1, 43 (20.4.1487). 120 121 122 123
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dort bei schweren Strafen mit der Folter. Reichte diese Drohung nicht aus, so schritt man zur Tat. Dabei gingen die Gehilfen des Vikars ähnlich vor wie bei den Verhören der weltlichen Gerichte. Sie banden die Hände des Gefangenen auf dessen Rücken an einen Seilzug, der an der Decke befestigt war. Zogen die Folterschergen an dem Seil, wurde der Gefangene unter Schmerzen vom Boden empor gehoben.125 Wenn der Beschuldigte ein Geständnis unter Folter ablegte, musste er es anschließend nochmals ohne Folter bestätigen. Widerrief er stattdessen sein Geständnis, konnte der Vikar ihn erneut foltern.126 Das Geständnis des Beschuldigten spielte bei dieser Art des Inquisitionsverfahrens die zentrale Rolle.127 Dies lag in erster Linie an dem hohen Beweiswert.128 Nach römischem Recht durfte ein Geständiger und Überführter (confessus et convictus) darüber hinaus auch keine Appellation einlegen.129 Im kirchlichen Verfahren hatte das nachdrückliche Hinwirken auf ein Geständnis jedoch auch einen religiösen Grund. Denn die confessio des Angeklagten war für seine Erlösung notwendig. So lässt sich erklären, wie sehr die Richter auf dem Geständnis bestanden. „Auch wenn es die Justiz schon auf anderem Wege erfahren hat, will sie es doch aus eurem Mund hören“, heißt es in einem Verhör von Nonnen aus dem Jahr 1591.130 Der Angeklagte musste seine Aussage ebenso wie die Zeugen beeiden. Die Zeugen mussten häufig schon vor ihrer Aussage schwören.131 In der Regel schworen die Beteiligten auf die Bibel, nach Eröffnung des Konzils von Trient auch auf die Eucharistie.132 Juden schworen auf die Tora.133 125 BNM Mss. Lat. IX cod. 74 (3289), 43–44’ (4.3.1458): suspensus aliquantulum a terra. Grendler Roman Inquisition, 55. 126 BNM Mss. Lat. IX cod. 74 (3289), 51’–52 (1461); Marchetti Testis, 81. 127 Cristellon Carità, 75. 128 Der Vikar des Bischofs von Padua berief sich in einem Urteil auf den Grundsatz „in confessum nullę sunt partes Judicis nisi in condemnando“, ASP CDA b. 38, 14.9.1534 (gg. Christophorus). 129 Cod. 7.65.2; Marchetti Testis, 78; Padoa Schioppa Ricerche II, 74 ff. Kleinheyer Rolle des Geständnisses, 378 ff., weist daher für das deutsche Recht auch darauf hin, dass das Geständnis nicht nur Beweismittel, sondern auch Prozesshandlung gewesen sei. 130 ASP CR b. 3, 27.9.1591: Perche se ben la Giustizia l’ha per altra via, la vuol anco dalla vostra bocca. 131 Cristellon Carità, 176. 132 ASP CR b. 2, 5’ (1561 gg. Fra Fabricius). 133 ASP CR b. 1, 42 (19.4.1487): quadam scriptura hebraico idiomate scripta.
Beweiswürdigung 137
Beteuerte der Angeklagte seine Unschuld, gab es für ihn noch eine Sonderform des Eides. Denn wenn der Richter nach der Beweisaufnahme weder von seiner Schuld noch von seiner Unschuld vollends überzeugt war, konnte er ihm die purgatio canonica auferlegen (indicere).134 Dabei musste der Angeklagte seine Unschuld beschwören und Eideshelfer beibringen, die ihrerseits einen Eid auf die Glaubwürdigkeit des Angeklagten ablegten.135 Leistete der Angeklagte die purgatio nicht, verurteilte ihn der Richter.136 Gelang die purgatio hingegen, war der Beklagte von den Vorwürfen gereinigt. Um dies zu erreichen, gingen manche Kleriker das Gericht auch freiwillig an, wenn Gerüchte im Umlauf waren, dass sie Straftaten begangen hätten.137 Das Urteil stellte die Reputation des Verleumdeten dann wieder her. Mit ihm stellte der Richter fest, dass der Betroffene einen guten Ruf genieße.138
5.4 Beweiswürdigung Die Gerichtsakten geben zwar auf die Frage, was den Patriarchen oder seinen Vikar in einem Einzelfall zu einem bestimmten Urteil bewogen hat, kaum eine Antwort.139 Wenn man sie jedoch zusammen betrachtet, lässt sich die Beweiswürdigung der Kirchenrichter in zweierlei Hinsicht charakterisieren. Erstens ging die Curia des Patriarchen recht frei mit den Beweisen um. Zwar galten auch hier rechtliche Grundsätze wie etwa die kanonische Regel, nach der zwei Zeugen einen Vollbeweis erbringen (so genannter Zweizeugenbeweis).140 In 134 Fournier Officialités, 250 u. 266. 135 X 5.34.5; ASP AMP b. 41, 3.1.1482 sagen die Eideshelfer aus secundum eorum conscientias de inocentia dicti presbyteri Andree a criminibus et excessibus de quibus ipse fuit et est diffamatus iuxta tenorem dicte petitionis propter practicam et cognitionem quam habuerunt et habent de vita, moribus et conversatione d. presbyteri Andree. 136 X 5.34.10; ASP CR b. 1, 109 (12.11.1505). 137 ASP AMP b. 23, zw. 8. u. 14.5.1461; ebda. b. 41, 3.1.1482. Diese Vorgehensweise ähnelt dem deutschen Inzichtverfahren und dem französischen se mettre à loy, Müller Inzichtverfahren, 8. 138 ASP AMP Sent. b. 3, 1482: dicimus pronuntiamus sententiamus et declaramus ac terminamus dictum d. Andream belemo fuisse et esse virum et sacerdotem boni testimonii et exempli optimeque conditionis reputationis et fame vite honestis et laudabilis ac laudabilium morum. 139 Zu der Formulierung der Urteile s.u., 141 f. 140 Burret Inquisitionsprozess, 219; Whitman Origins, 100; Cristellon Carità, 77.
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den Gerichtsakten finden sich aber kaum jemals Hinweise auf diese Beweistheorien. Auch die in dieser Zeit wegen weiterer prozessrechtlicher Konsequenzen fundamentale Frage, ob eine Beweislage als notorisch oder manifest zu bezeichnen sei, findet sich nur manchmal und ohne theoretische Begründung in den Ausführungen der Anwälte. Das Gericht selbst hat dazu keine Stellung bezogen.141 Die Beweiswürdigung lag so also nicht in den Fesseln eines übermäßig peniblen Beweisrechtes.142 Der Eindruck, den die Zeugenaussagen auf die Richter machten, lässt sich nicht mehr rekonstruieren. Doch geben die Akten Aufschluss über mehrere Faktoren zur Gewichtung der Aussagen. Zeugen wurden häufig nach wichtigen Aussagen über die Quelle ihres Wissens (causa scientie) befragt.143 Ferner mussten sie sich dazu äußern, ob sie mit dem Angeklagten befreundet oder verfeindet waren144 und ob sie für ihre Aussage instruiert waren.145 Sicher spielten auch die Position und das Geschlecht des Zeugen eine Rolle. Direkte Aussagen finden sich hierzu aber eher in den Eingaben der Parteien. Die Richter bezogen hierzu kaum Stellung. Als sich der Anwalt einer Partei einmal auf den Grundsatz berief, dass Frauen in Kriminalsachen nicht als Zeuginnen zuzulassen seien,146 ließ der Patriarch das Zeugnis der Frauen dennoch zu.147 Ihre Aussagen hatten aber nicht das gleiche Gewicht wie die Aussagen von 141 Der Vikar des Patriarchen machte sich jedoch die Postulierung von Notorietät zu eigen, wenn er von den weltlichen Gerichten die Auslieferung „notorischer Kleriker“ verlangte, ASP AMP b. 63, 271 (1.9.1524). 142 Vgl. Whitman Origins, 115. Ähnlich war es auch vor den weltlichen Gerichten, s. Alessi Palazzolo Prova legale, 30. 143 ASP CDA b. 2, 18.4.1457 (gg. Nicolaus Forlanus). 144 Der Todfeind war als Zeuge schon gar nicht zugelassen, ASP CDA b. 2, 2.2.1458 (gg. Eugenius Memo). Vgl. u., 168 Fn. 49. 145 ASP CSI b. 1, 480’ (10.6.1534). 146 ASP CDA b. 2, 20.2.1458 (gg. Eugenius Memo): mulieres in causa criminali non admittantur in testes. Die Lehre, dass Frauen keine geeigneten Zeugen seien, fußt auf C. 33 Q. 5 c. 17: [Mulier] nec docere potest, nec testis esse, neque fidem dare, nec iudicare. Dies wurde in der Lehre des 12. Jahrhunderts auf Kriminalsachen beschränkt, Minnucci Capacità II, 81, und erfuhr später weitere Ausnahmen, s. X 2.20.3, wo die Rubrik lautet: mulier testificatur contra clericum, quum de crimine agitur. Die andere Partei konnte daher auch in dem zitierten Fall erwidern, dass die Zeuginnen sehr wohl geeignet seien: sunt persone ydonee et bone conditionis. 147 Nach Cristellon Carità, 105, war es eine allgemeine Praxis des Patriarchen, zuerst alle Zeugen zu verhören und erst anschließend über ihre Glaubwürdigkeit zu entscheiden.
Beweiswürdigung 139
Männern. So sprach der Patriarch in einem anderen Fall zwei Angeklagte des Giftmordes an dem Erzbischof von Durazzo (Durrës) frei, da gegen sie nur die Aussagen zweier Frauen vorgelegen hätten.148 Das zweite Charakteristikum sind die hohen Beweisanforderungen, die vor dem Gericht des Patriarchen galten. Schon die kanonistische Lehre des Mittelalters hatte das Prinzip der Unschuldsvermutung formuliert.149 Während dieser Grundsatz wegen des Bedürfnisses nach härterer Strafverfolgung im Spätmittelalter vielerorts ins Hintertreffen geriet,150 wurde er vor dem Gericht des Patriarchen von Venedig häufig ins Feld geführt.151 Auch noch nach dem Konzil von Trient sah ein römischer Gesandter in Venedig eben hierin den Hauptunterschied zwischen geistlicher und weltlicher Gerichtsbarkeit. Nach dem Bericht des päpstlichen Nuntius Bolognetti verurteilten die weltlichen Richter Venedigs ihre Angeklagten wegen bloßer Vermutungen. Da die Kirchengerichte ihnen dies nicht gleichtaten, zögen sie den Unmut der weltlichen Gewalt auf sich.152 Dabei entsprachen die hohen Beweisanforderungen genau dem rechtlichen Grundsatz, dass in Strafsachen die Beweise heller als das Tageslicht sein müssten (luce meridiana clariores),153 den die Strafverteidiger auch vor dem Gericht des Patriarchen ausbreiteten.154 Wenn so die Latte für das Beweismaß recht hoch gelegt wurde, hatte dies an vielen Orten zur Folge, dass sich als Ausgleich das Instrument der Verdachtsstrafe 148 ASVen CX Misti reg. 28, 244–244’ (3.8.1501), zu dem Fall s. ebda., 97–97’ (30.12.1499). In Eheverfahren berichtet Cristellon Carità, 181 u. dies. Giudice, 895, hingegen von einer privilegierten Beziehung der Frauen zu den Richtern. 149 Fraher Presumption of innocence, 493 ff. 150 Fraher Presumption of innocence, 498. 151 ASP CDA b. 18, 19.10.1506 (gg. Hieronymus Castellini): presumptionem juris pro se habet. 152 Bolognetti Relazione, 164: non ostante poi c’habbino così largo il campo delle presuntioni, usano nondimeno di castigare i delitti provati per sole congetture al medesimo modo come se i rei fussero intieramente convinti. Dal che avviene che quando pure in alcune cause di giuridittione il reo vien lasciato al foro ecclesiastico, quasi sempre quei signori si dolgono ch’i delitti non vengono puniti a bastanza. S.a. Documentary History, 102–104. 153 Fournier Officialités, 247; vgl. C.2 q.8 c.2 = Cod. 4.19.25; dazu Schmoeckel Neminem damnes, 197. 154 ASP CDA b. 34 (gg. Franciscus Pantheus), 9.12.1532: cum in criminalibus probationes debeant esse luce meridiana clariores.
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entwickelte.155 Vor dem Gericht des Patriarchen habe ich aber keinen echten Fall der Verdachtsstrafe gefunden. Zwei Fälle kommen dieser Rechtsfigur allerdings nahe. Im ersten Fall hatte sich eine Gruppe von Geistlichen als weltliche Beamte ausgegeben, um in ein Frauenkloster einzudringen. Der Patriarch verbannte daraufhin vier Verdächtige in Abwesenheit. Nachdem sich zwei der Verdächtigen gestellt hatten, räumte der Patriarch ein, dass nicht feststehe, dass diese beiden die Tat wirklich so begangen hätten, wie es in der Denuntiation stehe.156 Er ließ sie daher frei. Einen wirklichen Freispruch bedeutete dies aber nicht. Stattdessen begründete der Patriarch sein Urteil auch damit, dass er sie zuvor verbannt hatte und sie daher schon einige Zeit im Exil hatten zubringen müssen. Er verurteilte sie ebenfalls zu den Gerichtskosten.157 In dem zweiten Fall war der Geistliche Joseph de Carpendolo wegen Blasphemie angeklagt. Die Beweislage war hier nicht eindeutig. Da es besser sei, einen Schuldigen freizusprechen als einen Unschuldigen zu verurteilen, sprach der Vikar des Patriarchen den Angeklagten frei. Da er aber einen Skandal erregt habe und Ausländer sei, gab der Patriarch ihm auf, sich für ein Jahr aus Venedig zu entfernen.158 Bei Übertretung dieses Mandates drohte dem Joseph eine Geldstrafe und ein Monat Kerker.
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Schmoeckel Neminem damnes. ASP AMP b. 31, 11.12.1467: modis et forma prout in dicta denuntia legitur. ASP AMP b. 31, 11.12.1467. ASP CSI b. 1, 483 (20.7.1534): Ex quo blasfemie etiam in fide de qua accusatur prefatus Josefus Diaconus non constitit ut de eo possit debita animadversio fieri & sanctius sit nocentem absolvere quam innocentem condemnare, ipsum Joseph absolvendum esse & absolvi debere prout absolvimus a querella dicte blasfemie, verum quia super dicta blasfemia vulgo scandalum subortum est et ipse Joseph sit forensis, volumus & mandamus ad effectum sedandi scandalum predictum arcerj a civitate & diocesis venetiarum per annum integrum.
6 Viva voce protestans – Urteil, Strafe und Appellation
„Jeder, der gerecht urteilt, führt eine Waage in der Hand. In beiden Waagschalen trägt er Gerechtigkeit und Erbarmen. Durch die Gerechtigkeit fällt er dem Sünder ein Urteil; durch das Erbarmen mäßigt er die Strafe der Sünde. So soll er in einem gerechten Gleichgewicht manches nach Billigkeit zurechtweisen, manches aber aus Barmherzigkeit verzeihen.“1 Strafe einerseits, Barmherzigkeit andererseits – die Stelle aus dem Decretum Gratiani verdeutlicht die beiden entgegengesetzten Pole, die die Entscheidung der Kirchenrichter in ihre Nähe ziehen wollten. Im folgenden Kapitel soll gezeigt werden, wie den Richtern hierbei ein großes Ermessen zustand, mit dem sie die Strafen den genauen Umständen des Einzelfalls zumessen konnten. Dieser Ermessensspielraum bestand nicht nur zu dem Zeitpunkt des Urteils, sondern auch noch anschließend in der Ausgestaltung und manchmal auch in der nachträglichen Abänderung der Strafe. Unter diesen weiten Möglichkeiten des Richters litten die Überprüfbarkeit und der Schutz vor Willkür. Das Appellationswesen konnte nur punktuell Abhilfe leisten, nicht aber eine kohärente Rechtsprechung garantieren.
6.1 Urteil und Strafzumessung Das kanonische Recht stellte für die Gültigkeit von Gerichtsurteilen keine hohen Ansprüche an ihre Formulierung. In der Dekretale Sicut nobis aus dem Liber Extra wird ausdrücklich die Gewohnheit genehmigt, nach der ein Richter „nicht alles“ in ein Urteil schreibe, was ihn zur Entscheidung bewogen habe.2
1 D. 45 c. 10: Omnis, qui iuste iudicat, stateram in manu gestat; in utroque penso iusticiam et misericordiam portat; sed per iusticiam reddit peccatis (ed. Rom.: peccanti) sententiam, per misericordiam peccati temperat penam, ut iusto libramine quedam per equitatem corrigat, quedam uero per miserationem indulgeat. 2 X 2.27.16: Quum autem in plerisque locis, in quibus copia prudentum habetur, id moris exsistat, quod omnia, quae iudicem movent, non exprimantur in sententiis proferendis [...]. Mancuso Exprimere, 135 ff.; Molitor Gerichtsverfahren, 167.
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In der Praxis waren alle Urteile so aufgebaut, dass auf die Anrufung Gottes (In nomine Domini/Christi amen)3 ein begründender und ein anordnender Teil folgten. In der Begründung fehlte jedoch gänzlich eine juristische Argumentation, die unterschiedliche Meinungen aufgriff und einen Grund für die Bevorzugung einer Sichtweise angab.4 Stattdessen zählte der Richter die wichtigsten Verfahrensschritte auf wie die querela, die Vernehmung der Zeugen, die Eingaben der Anwälte und die Ladung zum Endurteil. Damit stellten die Richter nicht nur klar, die Prozessvorschriften eingehalten zu haben, sondern verwiesen auch auf die Prozessakten, aus denen ein Appellationsrichter den Prozessverlauf rekonstruieren konnte. Sehr einfach machte es sich jedoch der Richter, wenn er vereinzelt nur ganz pauschal auf die Gründe verwies, „die man den Akten entnehmen könne“.5 Sonst findet man solche pauschalen Verweise meist nur als salvatorische Klauseln nach der Aufzählung der Prozessschritte. Hier fügten die Richter häufig noch hinzu, dass sie „das zu Erwägende erwogen“ oder „das zu Sehende gesehen“ hätten (consideratis considerandis, visis videndis).6 Zu dem Schuldspruch leiteten die Richter dann meist mit der Formel über, dass sie „nur Gott vor Augen“ hatten, „von dem alle gerechten Urteile ausgehen“ (solum deum pre oculis habentes a quo recta cuncta procedunt iuditia).7 Bei dieser Formel, die weit verbreitet war und in Venedig schon in den Statuten des Dogen Jacopo Tiepolo aus dem Jahre 1242 in ähnlicher Weise auftrat, ging es weniger um eine göttliche Inspiration als darum, dass der Richter sein Urteil später bei dem Jüngsten Gericht vor dem göttlichen Richter rechtfertigen könne.8 War jedoch der Angeklagte abwesend, bekam die Anrufung Gottes eine weitere Dimension. Nun sollte die Anwesenheit des Schöpfers die Abwesenheit des Geschöpfes ersetzen.9
3 Die Anrufung Gottes war auch in den weltlichen Urteilen üblich, Fadalti/Sovernigo/Rebecca Artigli, 34. 4 Padoa Schioppa Note, 306. 5 ASP Sent. b. 4, 80’–81’ (17.11.1530): rationibus ex processu colligi[bi]libus. 6 Z. B. ASP Sent. b. 4, 20 (15.3.1509). 7 ASP CDA b. 5, 24.2.1468 (gg. Domenico Rizzo). 8 Cessi Statuti, 6: habentes Deum ante oculos sue mentis, sic ut in die districti examinis coram tremendo iudice digne possint reddere rationem. 9 Z. B. ASP AMP b. 39, 12.11.1479: cuius absentia altissimi praesentia suppleatur; ebda. b. 31, undatiert (1467 gegen Augustinus Mascharello, Dominicus, Johannes und Antonius q. Petri): quorum absentiam plasmatoris praesentia suppleat.
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An diese Anrufung schloss sich der Schuldspruch an. Bei Freisprüchen sprachen der Patriarch oder sein Vikar explizit aus, dass es sich um eine sententia absolutoria handelte. Bei Verurteilungen legten die Richter dagegen meist sofort das Strafmaß fest. Gleichzeitig entschieden sie in der Regel über die Kosten.10 Dabei bestimmten sie auch die Höhe der Gebühren für die Gerichtsnotare. Auch bei der Bestimmung des Strafmaßes waren dem Ermessen des Patriarchen nur wenige Schranken gesetzt. Hier profitierten die Richter davon, dass das kanonische Strafrecht nicht im modernen Sinne kodifiziert war, sodass jedem umschriebenen Straftatbestand ein bestimmter Strafrahmen entsprochen hätte.11 Die Strafe war dem Richter stattdessen nur bei einem Teil der Delikte vorgeschrieben. Bei diesen poenae ordinariae hatte der Richter ursprünglich keinen Ermessensspielraum.12 Bald setzte sich jedoch in der Lehre die Auffassung durch, dass auch hier der Richter die Strafe mildern durfte.13 Damit verschwand der wesentliche Unterschied zu den poenae extraordinariae, die der Richter nach freiem Ermessen verhängen durfte, wenn keine präzise Strafe vorgeschrieben war. So konnten die kirchlichen Richter eine schuldangemessene Strafe finden. Dazu rekurrierten sie auf die äußerlich erkennbaren Schuldumstände (circumstantiae), die die Strafe milderten oder verschärften.14 Den Richtern stand hierbei ein weites Ermessen zu.15 Auch die Umstände aus dem Gerichtsverfahren, wie etwa eine lange Untersuchungshaft oder ein freiwilliges Geständnis, fanden Eingang in die Bestimmung des Strafmaßes.16 In dieser Hinsicht unterschieden sich also Patriarch und Vikar von Venedig nicht von den übrigen Strafrichtern der Stadt. Denn auch das weltliche Recht räumte den Richtern in Venedig ein großes Ermessen ein.17 Auch wenn ihnen die Statuten meist ein drakonisches Strafmaß vorschrieben, blieben die Urteile doch in der Regel weit unter diesen Strafen.18 10 11 12 13 14 15 16 17 18
Vgl. Litewski Zivilprozeß, 572. Kéry Grundlagen, 167. Mayali Discretionary Punishment, 305. Mayali Discretionary Punishment, 309. Kuttner Schuldlehre, 24 ff.; Kéry Gottesfurcht, 268. Kéry Gottesfurcht, 382; dies. Grundlagen, 151. ASP Sent. b. 4, 83’–84 (20.6.1534). Stern Politics, 220. Ruggiero Boundaries, 75. Bei manchen Delikten wurden aber auch die Höchststrafen angewendet wie bei der Verführung von Nonnen und der Homosexualität.
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Auch der Patriarch und sein Vikar machten von ihren Freiheiten bei der Strafzumessung regen Gebrauch und gaben häufig in den Urteilen an, nicht nach den starren Vorschriften des Rechts zu handeln (non quidem de rigore Juris nos agere deceret).19 Der wichtigste Maßstab war für sie dabei die Verhältnismäßigkeit: „Die Strafen müssen, soweit wie es möglich ist, zu den Delikten ins Verhältnis gesetzt und zugemessen werden, sodass diejenigen, die ein schwereres Verbrechen begehen, auch härter bestraft werden“, heißt es in einem Urteil des Patriarchen.20 Die Richter entschieden dabei nicht nur über die Länge einer Kerkerstrafe oder die Höhe einer Geldstrafe, sondern auch darüber, wem diese Geldstrafe zugutekommen sollte.21 Darüber hinaus durften sie auch über die Art der Strafe entscheiden. So konnten sie ab der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts ebenso wie die weltlichen Gerichte22 dazu übergehen, Galeerenstrafen zu verhängen.23 Häufig sollten die Strafen des Patriarchatsgerichts aber den „heilenden“ Charakter haben (poena medicinalis), der sich auch in der kanonischen Strafzwecklehre findet.24 Wenn eine Geldstrafe „pro penitentia peccati“ verhängt wurde,25 verschwamm damit aber auch die Grenze von innerem und äußerem Forum. Besonders deutlich tritt die spezialpräventive Absicht der Richter hervor, wenn sie an Stelle eines Urteils oder zusätzlich zu einem solchen eine Verwarnung aussprachen, in der eine Strafe für den Fall vorgesehen war, dass der Beschuldigte seinen Widersacher erneut verbal oder tätlich beleidige.26 Sah diese Verwarnung eine Geldstrafe vor, musste der Verwarnte auch häufig dem Gericht eine Sicherheit stellen.27 19 ASP Sent. b. 4, 20 (15.3.1509); s.a. ASP AMP b. 39, 12.11.1479: volentes potius ad misericordiam declinare quam per iuris rigorem incedere. 20 ASP Sent. b. 4, 9 (14.12.1501): pene quantum fieri potest debent commensurari et proportionari delictis ut qui sceleratius delinquunt gravius puniantur. 21 ASP AMP b. 16, 8.11.1545 (= BNM Mss. Lat. IX cod. 74 (3289), 16): an eine deflorierte Jungfrau und deren Mutter; ASP Sent. b. 4, 23–24 (5.10.1509): an das Kloster des Verurteilten. 22 Viaro Pena, 287 ff.; Aymard Chiourmes, 79. 23 Z. B. ASP CR b. 2, 439 (22.9.1586), gemeinsames Urteil vom Vikar des Patriarchen und vom Auditor des Nuntius. 24 VI 5.11.1. 25 ASP Sent. b. 4, 23–24 (5.10.1509). 26 Z. B. ASP AMP b. 63, 183’ (28.9.1523): für Beleidigung in verbis sechs Monate, für Beleidigung in factis ein Jahr Haft. 27 ASP Sent. b. 4, 27 (15.3.1509): Bürgschaft des Vaters des Angeklagten und einer weiteren Person, die sich dem geistlichen Forum unterwerfen.
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Nicht einmal der Zeitpunkt des Urteils setzte dem richterlichen Ermessen bezüglich der Strafe eine Grenze. Dass eine Begnadigung der Verurteilten möglich war, verstand sich zwar eigentlich von selbst. Dennoch stellte der Patriarch nicht selten im Urteil klar, dass er die Bestrafung noch verringern konnte.28 Doch nicht nur das. Manchmal legte der Patriarch sich zum Zeitpunkt des Urteils noch nicht fest und ließ das Strafmaß unbestimmt. So verurteilte er einen Priester zu einer Haftstrafe von „sechs Monaten oder mehr oder weniger nach unserem Dafürhalten“.29 Oder er gab einem anderen Angeklagten auf, mit zweiwöchiger Meldeauflage in Venedig zu bleiben, solange der Patriarch es „für richtig halte“.30 Für die Bestimmung und Ausgestaltung der Strafe der Gefangenen war also die Phase nach dem Urteil ebenso wichtig wie der eigentliche Gerichtsprozess. Das Schicksal der Beschuldigten entschied sich häufig erst nach dem Urteil. Auf diese Phase soll nun der Blick gerichtet werden. Ausgenommen von dieser Betrachtung sind die Geldstrafe und die Suspension vom Priesteramt, die in der Regel mit dem Urteil schon definitiv geregelt waren.
6.2 Haft Die erste Frage bei der Gefangennahme eines Klerikers war stets, in welches Gefängnis man ihn bringen sollte. Zwar verfügte der Patriarch von Venedig über seine eigenen Kerker.31 Dennoch dienten auch die weltlichen Kerker nicht nur der Inhaftierung von Klerikern bis zum Urteil, sondern auch zur Verbüßung der vom Patriarchen bestimmten Strafen. Der Großteil der Gefängnisse der Republik befand sich in dem Dogenpalast. Dort gab es Zellen, die eigens für Kleriker reserviert waren. In den Kerker mit dem Namen „Grandonia“32 in dem Dogenpalast sollten Kleriker eingesperrt werden, 28 ASP Sent. b. 4, 31 (21.3.1510): Reservantes nihilominus nobis facultatem modificandi presentem sententiam nostram […] in bonum. 29 ASP AMP b. 16, 8.11.1545 (= BNM Mss. Lat. IX cod. 74 (3289), 16): condempnamus supradictum presbyterum Marcum ad standum in carceribus menses sex ad arbitrium nostrum plus vel minus tantum postea moderandum. 30 ASP Sent. b. 4, 55–55’ (9.9.1501). 31 ASP Div. b. 7, 132’ (20.9.1490); ebda. AMP b. 66, 34–34’ (1530); Gallicciolli Memorie V, 286. 32 Bacchetti Clero, 51.
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die ein Verbrechen begangen hatten, für das Laien mit dem Tod bestraft worden wären.33 In vielen Urteilen ordnete der Patriarch ausdrücklich an, dass der Gefangene in dem Markuskerker, also im Dogenpalast, die Zeit seiner Haft fristen sollte.34 Dies tat er nicht nur bei besonders schweren Fällen oder wenn die weltlichen Richter zuvor den Prozess gegen den Kleriker geführt hatten. So entschied der Patriarch auch bei kurzen Haftstrafen wegen Körperverletzungen auf die Haft in dem Gefängnis im Dogenpalast.35 Für Frauen gab es ein eigenes Verlies.36 Die Gefangenen mussten, wie allgemein zu dieser Zeit üblich, die Kosten für die Inhaftierung selbst tragen.37 Da sie von den Wächtern nicht vor der vollständigen Zahlung freigelassen wurden,38 konnte sich ihre Haftzeit so erheblich verlängern. Ab dem 17. Jahrhundert kümmerte sich daher eine wohltätige Organisation, die Confraternita del Santissimo Crocifisso, eigens darum, Inhaftierte aus den weltlichen Kerkern Venedigs freizukaufen.39 Die in der hier untersuchten Zeit verurteilten Kleriker kamen nicht in diesen Genuss. Man kann sich das Leben in den venezianischen Kerkern also unerfreulich genug vorstellen. Ein wesentlicher Vorteil für die Gefangenen gegenüber heutigen Vollzugsanstalten bestand jedoch. Die Inhaftierten waren nicht völlig vom öffentlichen Leben ausgeschlossen.40 Im Dogenpalast befanden sie sich im politischen Zentrum der Handelsmetropole und konnten mit der Unmenge von Passanten 33 ASVen AC MC Del. reg. 24 (liber Saturnus), 92’ (19.11.1374): Quod si clericus perpetraverit homicidium in persona layci, vel talem malefitium, delictum, vel excessum propter que laycus qui talia commisisset, deberet mori, secundum ordinamenta dominationis laicalis, ipse talis clericus judicatus per dominationem clericalem, debeat finire vitam suam, seu supplicium mortis sue, in carcere nominato Grandonia deputato clericorum talia commitentibus, ad requisitionem et beneplacitum, dni. Patriarche gradensis et domini Episcopi Castellani, seu vicariorum suorum. 34 ASP AMP b. 57, 10.9.1511, an einen Beschuldigten: in termino dierum octo proximorum futurorum uti filius obedientie presentare te debeas Carceribus S. Marci et illas ingredi in dicto termino. 35 ASP AMP b. 44, 5.11.1484 (sechs Monate Kerkerstrafe); s.a. ebda. b. 13, 9.12.1450 (ebenfalls sechs Monate Kerkerstrafe). 36 ASP AMP b. 61, 350’ (4.2.1519); ebda. CSI b. 1, 143 (4.12.1477) u. 242 (20.12.1518). 37 Wenn sich die Vorwürfe als unbegründet herausstellten, konnten sie aber die Kosten von dem Kläger ersetzt verlangen, AMP b. 63, 116’ (10.1.1523). 38 Vgl. ASP AMP b. 57, 24.7.1511. 39 Scarabello Pena, 328 ff. 40 Scarabello Carcerati, 15.
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Kontakt aufnehmen. Durch die Fenster der Gefängnisse konnten sie versuchen, ihre Geschäfte zu regeln. Der Mönch Joannes Baptista bestellte zum Beispiel aus dem Fenster des Gefängnisses seinen Prokurator, der diese Vollmacht bei dem Gericht einbrachte, um seinen Mandanten verteidigen zu können.41 Die Kontaktmöglichkeiten der Gefangenen waren auch einer der Gründe, weshalb die Flucht aus den Gefängnissen so häufig gelang.42 Der Patriarch stand diesem Problem ebenso hilflos gegenüber wie die weltlichen Richter.43 Die Flucht war derart gängig, dass der Patriarch in manchen Urteilen schon Vorkehrungen für diesen Fall traf. Wenn der Gefangene entkomme, solle man ihn wieder einfangen. Der Gefangene müsse dann dem Fänger auch eine Belohnung zahlen. „Und dies“, fügte der Patriarch in manchen Urteilen formelhaft hinzu, „bei jedem Mal, bei dem das passiert“.44 Hatte der Patriarch noch nichts angeordnet, so blieb ihm nach einer Flucht nichts anderes übrig, als den Entkommenen erneut zu zitieren. Doch es war kaum anzunehmen, dass der Flüchtige dieser Ladung Folge leisten würde. Blieb er also aus, so konnte der Patriarch den Verurteilten aus seinem Gebiet verbannen.45 Floh der Gefangene vor dem Urteil, war eine Verurteilung wegen der Tat in Abwesenheit möglich. Die Flucht wurde dann wie ein Geständnis gewertet.46 Doch auch wenn sich keine Möglichkeit zur Flucht bot, konnten die Verurteilten hoffen, dass sie nicht ihre ganze Haftstrafe tatsächlich im Kerker absitzen mussten. Denn schon die Gefangenen der weltlichen Gerichte konnten wegen einer persönlichen Eingabe, bei religiösen Feiertagen oder militärischen Siegen
41 ASP CDA b. 48 (vormals 49), 26.9.1543 (gg. Joannes Baptista de Tarvisio): ante fenestram carceris leonę. 42 Scarabello Carcerati, 15. 43 In einem Urteil votiert der Patriarch Tommaso Donà sogar für die Degradation (und damit Todesstrafe) für einen Kleriker, da es bei einer lebenslangen Haftstrafe zu viele Möglichkeiten des Entrinnens gebe: ASP Sent. b. 4, 10 (14.12.1501): quia ut experientia docet huiusmodi dampnati ad perpetuos carceres sepissime effractis carceribus aufugiunt et sic resultat nimia inequalitas ad penas legales et ad punicionem laycorum. 44 ASP Div. b. 4, 372 (20.10.1479); ebda. Scomparin Raccolta, 102’–103 (gl. Datum): et hoc totiens quotiens acciderit. 45 ASP AMP b. 57, 10.9.1511; ebda. b. 66, 121’–122 (13.7.1531); ASVen CX Misti reg. 29, 85’ (3.2.1501). 46 ASP Sent. b. 4, 79 (13.7.1530).
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der Republik auf eine Begnadigung hoffen.47 Entsprechend konnten auch die Gefangenen des Patriarchen an dessen christliche Mildtätigkeit appellieren. Den Patriarchen erreichten daher Bittbriefe, in denen die Gefangenen die schlechten Haftbedingungen48 und ihre gesundheitlichen Beschwerden49 schilderten. Wenn der Patriarch sich schon nicht zu einem Erlass der Strafe erbarmte, so kam doch wenigstens eine Erleichterung der Haftbedingungen in Frage. Dies galt besonders für Mönche, denen der Patriarch es als Gnade gestattete, den Rest der Strafe in ihrem Kloster zu verbüßen.50
6.3 Bann In den Urteilen legten der Patriarch und sein Vikar häufig fest, dass sich an die Haftstrafe die Verbannung anschließen sollte. Das Gericht verhängte solche Strafen also nicht nur gegen Abwesende. Dabei ging es um die räumliche Verbannung im Sinne einer Exilierung. Die Exkommunikation oder das Anathema (Kirchenbann) spielten hingegen in den eigentlichen Strafverfahren keine besonders hervorgehobene Rolle, da sie gegenüber Klerikern eher als Beugemittel denn als Vindikativstrafe dienten.51 Der geringe räumliche Umfang seiner Diözese beeinträchtigte auch hier die Wirksamkeit der Anordnungen des Patriarchen. Denn für einen Fremden war es keine sehr empfindliche Strafe, einzig aus Venedig ausgeschlossen zu werden. Nur in den Fällen der Sodomie konnte der Patriarch seine Angeklagten aus einem 47 Fadalti/Sovernigo/Rebecca Artigli, 133 ff.; Scarabello Carcerati, 16; Romano Likeness, 170. Darüber hinaus auch ohne Anlass bei Geldstrafen, die die Gefangenen nicht bezahlen konnten, Romano Adjustment, 260. Allgemein zur Begnadigungspraxis Nubola Giustizia, 13 ff. 48 BNM Mss. Lat. IX cod. 74 (3289), 40’–42 (21.4.1458). Zwei Priester berichten davon, dass vor allem Feuchtigkeit ihr Gefängnis in dem Dogenpalast unerträglich mache, da es sich unter einer Zisterne befinde: piove di e nocte ali dentro ancora nui semo e dormiamo in terra fra due stuore con tanto fredo per la humidita dill’aqua e tanto vermenezo ne magna, ne magna la carne ala vita; pianzemo ogni zorno nui poveriti vedendone esser cusi arivadi in tanta obscurita e miseria. 49 ASP CR b. 1, 110 (1506): egrotat. 50 ASP CR b. 1, 25’ (3.3.1482); ebda., 110 (1506); vgl. ebda., 233 (28.2.1531). 51 Brambilla Confessione, 499; dies. Giuristi, 180.
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weiteren Gebiet verbannen.52 Manchmal war die Bannstrafe sogar noch kleinräumiger. In diesem Fall bezog sie sich nur auf eine einzelne Pfarrgemeinde, die der Verurteilte nicht mehr betreten durfte.53 Doch auch für die häufig lang bemessenen Bannstrafen galt, dass das Gericht des Patriarchen nach dem Urteil oft Gnade walten ließ. Viele Bannstrafen wurden nachträglich verkürzt oder erlassen.54
6.4 Degradation Das kanonische Recht verbot den Kirchenrichtern, die Todesstrafe zu verhängen.55 Wollte ein Bischof dennoch die Hinrichtung eines Angeklagten erwirken, war er auf die Hilfe des weltlichen Armes angewiesen. Der weltliche Richter wiederum durfte zwar grundsätzlich Todesurteile fällen. Es war ihm aber verboten, Hand an einen Kleriker zu legen.56 Einen Ausweg aus diesem Dilemma bot das Verfahren der degradatio. Danach entzog der geistliche Richter dem schuldigen Kleriker seine Standesprivilegien und lieferte ihn dem weltlichen Gericht aus (traditio curiae). Dieses konnte dann ohne Weiteres den Beschuldigten bestrafen, der ja nun kein Kleriker mehr war. Dieses Verfahren ist seit der Antike bekannt57 und findet sich auch im Decretum Gratiani.58 Dennoch lassen sich unschwer Einwände gegen ein solches Vorgehen finden. Offensichtlich ist, dass die Kirche so ihr eigenes Verbot der Blutstrafe umging und der Bischof, der eine Degradation durchführte, sich damit moralisch auch für die anschließende Hinrichtung verantwortlich machte. Einen subtileren Einwand trug im 12. Jahrhundert der Erzbischof von Canterbury Thomas Becket vor, als König Heinrich II. seine Konstitutionen von Clarendon erließ. Der König schrieb darin fest, dass sein Gericht die Kleriker nach ihrer
52 S.o., 72. 53 ASP Sent. b. 4, 19 (1505); ebda., 81’–82’ (7.2.1530). 54 ASP AMP b. 66, 5.1.1532; ebda. CDA b. 48 (vormals 49), 4.9.1553 (gg. Johannes Baptista). 55 X 3.50.5; s.o., 25. 56 C.17 q.4 c.29; s.o., 29. 57 Nov. 83. 58 C.11 q.1 c.18 u. 31; Maitland Henry II, 229 f.; Génestal Privilegium II, 10.
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Degradation bestrafen solle.59 Becket ging jedoch davon aus, dass schon die degradatio selbst als Verlust der klerikalen Würde eine Strafe sei. Wenn nun ein Bischof einen Kleriker für ein Verbrechen degradierte, könne die weltliche Gewalt ihn nicht wegen desselben Verbrechens erneut belangen und auch noch ein Todesurteil gegen ihn aussprechen.60 Denn so verstieße man gegen den Grundsatz des Verbots der Doppelbestrafung, den wir heute als ne bis in idem kennen.61 Nach seinem Martyrium schien Papst Alexander III. dem Erzbischof von Canterbury Recht zu geben. Nach dem Wortlaut der von ihm erlassenen Dekretale At si clerici konnte man davon ausgehen, dass Kleriker nach ihrer Degradation nicht dem weltlichen Richter ausgeliefert werden durften.62 Es bestehen indes Zweifel, ob Papst Alexander dies tatsächlich generell anordnete oder nur auf die von ihm im vorangehenden Halbsatz erwähnten geringeren Vergehen bezog.63 Letztlich ist diese Frage aber nicht so wichtig. Denn obwohl die Bestimmung Alexanders in den Liber Extra aufgenommen wurde, blieb sie dort nicht unwidersprochen. In dem Abschnitt De verborum significatione findet sich nämlich auch eine Regelung des Papstes Innozenz’ III. über die Auslieferung von Klerikern an das weltliche Gericht (curiae tradere).64 Dass diese Bestimmung im Widerspruch zu der extensiven Auslegung der Anordnung Alexanders steht, ist nur eines von mehreren interpretatorischen Problemen der Dekretale. Denn in dem Maße, in dem die Worte Alexanders die Möglichkeit der traditio curiae sehr einengten, öffnete Innozenz das Tor zu diesem Vorgehen sehr weit. Die traditio curiae war nach dieser Bestimmung nicht nur in dem ebenfalls von Innozenz III. angeordneten Ausnahmefall der Fälschung päpstlicher Urkunden65 möglich, sondern auch bei jedem anderen schweren Verbrechen (hoc vel aliud flagitium grave, non solum damnabile, sed damnosum). Zu dem Einwand der Doppel59 Maitland Henry II, 225 ff. 60 Gabel Benefit, 26. 61 Becket zitierte nach einer lateinischen Fassung der Septuaginta Nahum 1, 9: Non judicabit Deus bis in idipsum; Smalley Privilegium, 749 ff.; Barlow Becket, 103. 62 X 2.1.4: De adulteriis vero et aliis criminibus, quae sunt minora, potest episcopus cum suis clericis post peractam poenitentiam dispensare, ut in ordinibus suis deserviant; sed non debet quemlibet depositum pro suis excessibus, quum suo sit functus officio, nec duplici debeat ipsum contritione conterere, iudici tradere saeculari; Génestal Privilegium II, 21 ff.; Fraher Becket Dispute, 355. 63 Für Letzteres Landau Verbot, 142 Fn. 89; Kéry Gottesfurcht, 308 Fn. 276. 64 X 5.40.27; Gabel Benefit, 27; Kéry Grundlagen, 164. 65 X 5.20.7; Kondratuk Délits, 85.
Degradation 151
bestrafung nimmt die Dekretale keine Stellung,66 anders aber zu dem Vorwurf, dass die Kirche so indirekt eine Blutstrafe verhänge. Hierzu entwickelte Innozenz eine pragmatische Lösung. Der Kirchenrichter solle den Schuldigen zwar dem weltlichen Richter zur Bestrafung übergeben. Zugleich solle er aber wirksam dafür eintreten (efficaciter intercedere), dass eine mildere Strafe als der Tod verhängt werde.67 Die weiten Möglichkeiten der Degradation bei jedem schweren Verbrechen, die diese Dekretale eröffnete, haben sich in der kanonistischen Lehre nur teilweise durchgesetzt. Zwar gab es Befürworter einer solchen wörtlichen Anwendung.68 Die überwiegende Lehrmeinung wollte die Degradation und Auslieferung an das weltliche Gericht nur bei bestimmten Tatbeständen zulassen. Zunächst war der wichtigste dieser Tatbestände die Häresie. Bald kam auch der Mord hinzu, sofern bestimmte Qualifikationen erfüllt waren (homicidium per industriam et per insidias). Zur Begründung führte man die Worte des Alten Testaments an, nach denen man solche Mörder von Gottes Altar verstoßen dürfe, sodass sie stürben.69 Dass diese Vorschrift sich eigentlich auf das Asylrecht bezog, trat immer mehr in den Hintergrund.70 Auch der Patriarch Tommaso Donà brachte diese Stelle in den Zusammenhang mit der Degradation. Zur Begründung führte er das eigentümliche Argument an, dass die Vorschrift wegen ihrer Aufnahme in den Liber Extra auch Anwendung finden und nicht nur vergeblich die Pergamentseiten füllen solle.71 66 Erwähnt wird nur: quidam antecessorum nostrorum, super hoc consulti, diversa responderint. 67 Die kirchliche Interzession für Unterdrückte bei den weltlichen Gerichten hat eine Tradition, die bis zur Antike zurück reicht, Shoemaker Sanctuary, 18. 68 Génestal Privilegium II, 82. 69 X 5.12.1: Si quis per industriam occiderit proximum suum et per insidias, ab altari meo evelles eum, ut moriatur. 70 Génestal Privilegium II, 80. Der Kommentar des Hostiensis zu X 5.12.1 (In Decr., 43A) bezieht sich noch sowohl auf das Asyl als auch auf die Frage der degradatio. Der Verweis auf das Erfordernis der incorrigibilitas dient wohl – anders als Génestal es auffasst – nur zur Erklärung der Worte „ut moriatur“. 71 ASP Sent. b. 4, 10 (14.12.1501): si quis per induxtriam occiderit proximum suum et per insidias ab altari meo evelles eum ut moriatur qui textus commode et congruenter intelligi potest in clerico homicida qui commisit homicidium proditorie ut debeat evelli ab altari per degradationem ut moriatur sc. per exequutionem Judicis secularis si sic ei videbitur quia quamvis ille textus sumptus fuerit ex testamento veteri exodi xxi. c. tamen propabiliter credendum est illum redactum esse in volumen decretalium ut servetur, non ut frustra membranas occupet. An dem Urteil ist auffällig, dass es als Ausnahme zu der üblichen Praxis eine sehr ausführliche juristische Begründung enthält.
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Insgesamt beeinflusste die Diskussion um die einzelnen Tatbestände, die zur Degradation führen konnten, die Praxis der Patriarchen jedoch wenig. Stattdessen wandten sie die Bestimmung von Papst Innozenz ihrem Wortlaut nach an.72 Sie schritten nach ihrem Ermessen nur selten und nur bei besonders schweren Verbrechen zur degradatio. Sie fühlten sich dabei aber nicht an bestimmte Tatbestände gebunden. Neben Morden73 und Hochverrat74 boten auch Fälle der Sodomie,75 des wiederholten Diebstahls76 oder ein schwerer Fall des Bruchs des Beichtgeheimnisses77 Anlass zur Auslieferung an den weltlichen Arm, der die Todesstrafe vollzog. Der Patriarch konnte sich die Entscheidung zur degradatio nicht leicht machen. Er begründete die Urteile sorgfältiger als üblich. Darüber hinaus musste er für die Degradation eines Priesters nach den kanonischen Vorschriften sechs Bischöfe hinzuziehen.78 Diese unpraktikable Vorschrift fand zwar in vielen Kirchenprovinzen keine Anwendung.79 Abgeschafft wurde die Regel aber erst auf dem Konzil von Trient.80 Auch in Venedig bereitete sie daher Schwierigkeiten, denn das Patriarchat zählte gar nicht derart viele Bischöfe. Dennoch konnte es dem Patri-
72 In ASP CR b. 1, 35 (9.10.1482) schreibt der Patriarch Maffeo Girardi in einem Degradationsurteil: crimina [...] non solum gravia et enorma vere etiam damnabilia sunt et damnosa. Damit zitierte er X 5.40.27. Ebenso ebda., 49 (14.5.1487). Auch in dem eben zitierten Fall ist diese Vorschrift das zentrale Argument der Urteilsbegründung, ASP Sent b. 4, 11 (14.12.1501). 73 ASP CR b. 1, 49 (14.5.1487); ASVen AC Raspe reg. 3656, 166’–168’ (1.8.1487 m.v.); ASP Sent. b. 4, 9–14 (14.12.1501). 74 ASVen CX Crim b. 3, 18.3.1514; ebda. reg. 2, 119’–120 (18.3.1514). 75 ASVen CX Crim reg. 6, 107–107’ (8.5.1545). In einem anderen Fall der Sodomie lehnte der Patriarch Maffeo Contarini jedoch das vom Rat der Zehn vorgetragene Ansinnen einer degradatio mit der Begründung ab, er sei hierzu nicht ermächtigt, ASVen CX Misti reg. 15, 170’ (14.2.1458 m.v.). 76 ASP CR b. 1, 35 (9.10.1482); ASVen AC Raspe reg. 3655, 122’–123 (10.10.1482); ebda. XL Crim b. 20, 114’–115 (11.8.1492). 77 ASVen AC Raspe reg. 3667, 24–26’ (17.5.1532); Sanudo Diarii 56, 64–65 u. 215–221 u. 268; Viggiano Interpretazione, 121. In diesem spektakulären Fall war jedoch der Bischof von Padua zuständig. 78 C.15 q.7 c.3–5. Eine Ausnahme galt nur bei Häresie, wo der Bischof allein degradieren konnte, VI 5.2.1. 79 Génestal Privilegium II, 54. 80 Sessio XIII de ref. c. 4, Alberigo Conc. III, 59.
Degradation 153
archen gelingen, die erforderliche Zahl von Würdenträgern zu versammeln.81 Es weilten nämlich in der Stadt hinreichend Bischöfe auswärtiger Diözesen, die ihre Ämter vornehmlich in den griechischen Gebieten bekleideten. Wurden sie zum Urteil herbeigezogen, gaben sie jeweils eigenständig ihr Votum ab.82 Der Patriarch konnte also nur ein entsprechendes Urteil fällen, wenn er sie von der Notwendigkeit der degradatio überzeugte.83 Zur Vollstreckung der Urteile ließ der Patriarch neben der verbalen auch eine rituelle degradatio durchführen. Die Regeln hierfür waren von dem kanonischen Recht festgelegt.84 Im Beisein von Schaulustigen wurden dem Kleriker öffentlich die geistlichen Insignien genommen. Besondere Symbolkraft hatte das Ausziehen des Klerikergewandes.85 In der Regel schloss sich an die Degradation die Auslieferung an den weltlichen Arm an. Dies musste aber nicht in allen Fällen so sein.86 Es kam auch vor, dass der Patriarch einen Kleriker zwar zur Strafe degradierte, ihn aber dennoch selbst zu einer Freiheitsstrafe verurteilte, ohne ihn den weltlichen Richtern zu überlassen.87 Umgekehrt bedeutete eine Überlassung an den weltlichen Arm für den Beschuldigten in der Regel ein Todesurteil.88 Dennoch versäumten die Patriarchen es nach der Degradation und Auslieferung nicht, wie vorgeschrieben89 der Form zu 81 Um Venedig zu ergänzen sind daher die Ausführungen von Schimmelpfennig Degradation, 313. 82 ASP CR b. 1, 38 (9.10.1482); ebda., 47 (1.5.1487). 83 X 2.27.3 legt mit der Verwendung des Wortes concors nahe, dass die Entscheidung einstimmig gefällt werden musste: non potest quemquam a sacerdotali gradu, nisi iustis ex causis, concors sacerdotum sententia movere. Die Glossa ordinaria (III, 877) führt hierzu aber aus, dass außer bei der Verurteilung von Bischöfen auch eine Mehrheitsentscheidung reichte. 84 VI 5.9.2; Schimmelpfennig Degradation, 309 ff. 85 ASP CR b. 1, 36 (1482); ebda., 50 (1487). Die Zeremonie weist nicht nur Ähnlichkeiten mit unehrenhaften Entlassungen aus der Armee, sondern auch mit der Absetzung des Dogen Francesco Foscari im Jahr 1457 auf. Auch ihm wurde das Dogengewand ausgezogen, Romano Likeness, 301. 86 Génestal Privilegium II, 59. 87 ASVen CX Crim. reg. 1, 74’ (10.10.1505). 88 Eine Ausnahme bildet ASVen CX Misti reg. 15, 95’, 99’–100 (30.6.1456). Hier verurteilten die weltlichen Richter einen degradierten Kleriker nur zu Kerker bei Wasser und Brot. 89 S.o., 151.
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genügen und bei den weltlichen Richtern um ein mildes Urteil für den ehemaligen Kleriker zu bitten.90
6.5 Im Käfig – die cheba Im März des Jahres 1452 beriet der Rat der Zehn über den Fall des Lucas Sclavonus. Was sollte mit dem Priester geschehen, den man im Beisein des Vikars des Patriarchen der Sodomie überführt hatte? Ein Mitglied des Rates, Victor Capello, schlug vor, Priester Lucas zwar dem Patriarchen auszuliefern. Der Bote sollte aber auf eine bestimmte Strafe dringen, nämlich auf die cheba. Dazu sollte er den Patriarchen an Präzedenzfälle erinnern. Denn die Bischöfe von Castello hätten in solchen Fällen der Sodomie immer zur cheba verurteilt, wie im Jahr 1418 auch einen Priester Franciscus.91 Damit hatte den unglücklichen Franciscus eine Strafe ereilt, die zu den Eigentümlichkeiten Venedigs zählte. Bei der cheba (lat.: cavea; it.: gabbia) handelte es sich um einen Käfig, der an dem Campanile auf dem Markusplatz befestigt wurde. Vor allem homosexuelle Kleriker stellte man dort zur Schau.92 Die Dauer der Strafe und die Art der Versorgung mit Wasser und Nahrung variierten und wurden in dem jeweiligen Urteil näher bestimmt. Dem Priester Lucas sollte ein solches Schicksal erspart bleiben. Denn das Ergebnis der Abstimmung war deutlich. Auf den Vorschlag von Victor Capello entfiel nur eine einzige Stimme. Bei drei Enthaltungen stimmten die übrigen zehn Ratsleute für den Gegenvorschlag. Dieser sah ebenfalls vor, den Priester dem Patriarchen zum Urteil auszuliefern. Die Forderung der cheba sollte aber unterbleiben. Stattdessen wollte man den Patriarchen nur allgemein zur Härte ermahnen. Schließlich lasse der Staat zur Ehre Gottes (pro honore dei) Laien in dem gleichen Fall verbrennen.93 Das Ergebnis der Abstimmung rettete nicht nur den Priester Lucas vor einer möglichen öffentlichen Entehrung. Es zeigt uns auch an einem nicht ungewöhn90 ASP Sent. b. 4, 14 (15.12.1500): Et illico prefatus Reverendissimus patriarcha venetiarum presens satisfaciendo sacris canonibus pro eodem Francisco efficaciter intercessit ut citra mortis penam sententia moderetur; s.a. ebda. CR b. 1, 50 (14.5.1487). 91 ASVen CX Misti reg. 14, 108’–109 (15.3.1452). 92 In anderen venezianisch dominierten Städten wie Rethymnon auf Kreta wurde diese Einrichtung vermutlich kopiert, ASVen Misti reg. 16, 225 (22.1.1465 m.v.). 93 Ebda.
Im Käfig – die cheba 155
lichen Fall, dass die Praxis der cheba zur Zeit der Entstehung des Patriarchates von Venedig schon weitgehend außer Gebrauch war. Victor Capello musste zur Begründung seines Antrags auf einen Präzedenzfall verweisen, der schon 34 Jahre zurück lag. Er bezeichnete diese Vorgehensweise als das alte Herkommen der „Herren Väter Bischöfe von Castello“ (patres domini Episcopi Castelli), die selbst diese Urteile ausgesprochen hätten. Und in der Tat war ein solches Vorgehen ohne Billigung des Patriarchen von Venedig nicht möglich. So konnte sich auch der Patriarch Maffeo Contarini im Jahr 1459 durchsetzen, als der Rat der Zehn von ihm verlangte, einen der Sodomie überführten Kleriker in die cheba stecken zu lassen. Um Rechtszweifel des Patriarchen an einem solchen Vorgehen zu zerstreuen, hatte der Rat ein Gutachten von drei Juristen in Auftrag gegeben.94 Das Gutachten bestätigte, dass der Patriarch zur Verurteilung zur cheba berechtigt war.95 Der Patriarch Contarini verließ sich aber lieber auf seine eigenen Rechtskenntnisse. Er ließ ausrichten, dass er nach seinen Büchern nicht zur cheba anstatt zum Kerker verurteilen dürfe (iuxta libros suos non potest dare dicto Lodovico cabiam pro carcere). Der Rat der Zehn musste sich daraufhin damit zufrieden geben, dass der Patriarch den Kleriker zu ewigem Kerker verurteilte.96 Doch auch wenn die Flamme dieses Brauches somit langsam erlosch, stoben aus der Glut noch ein Jahrhundert lang letzte Funken. Einzelne atavistische Beispiele für die Anwendung der cheba gibt es bis in das 16. Jahrhundert.97 So sorgte der schon zitierte Fall98 des Testamentsfälschers Hieronymus de Bosiis für einige Aufregung. Ihn stellte die Quarantìa Criminal im Jahr 1492 acht Tage lang in der cheba zur Schau. Der Papst schritt in diesem Fall zur Exkommunikation der weltlichen Richter, die aber von dem Patriarchen von Venedig Maffeo Girardi nicht publiziert wurde. Dies führte zu einem Streit zwischen dem Papst und dem Patriarchen.99 94 95 96 97
ASVen CX Misti reg. 15, 170’ (14.2.1458 m.v.). Ebda., 172 (28.2.1458 m.v.). Ebda., 173’ (12.3.1459). Z. B. das Urteil des Patriarchen Contarini gegen einen Priester wegen Blasphemie auf u.a. zehn Tage cheba, Sanudo Diarii 27, 322; Horodwich Civic Identity, 8; dies. Language, 56; s.a. Rubini Giustizia, 146 ff.; Molmenti Storia II, 267. 98 S.o., 70. 99 Cozzi Politica, 237. Bald darauf sollte Maffeo Girardi aber dennoch zum Kardinal ernannt werden, Cappelletti Storia I, 446.
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6.6 Appellatio Die Begnadigung war nicht die einzige Möglichkeit für einen Verurteilten, der Strafe zu entgehen. Vor allem für Angeklagte, die sich einen Rechtsbeistand leisten konnten, war der Weg der Appellation vorzugswürdig. Sie konnten mit der Appellation nicht nur auf eine vollständige Aufhebung ihrer Verurteilung hoffen. Durch die aufschiebende Wirkung des Rechtsmittels gewannen sie darüber hinaus auch noch Zeit bis zu der Vollstreckung. Die Gefahr des Missbrauchs liegt daher auf der Hand. Im weltlichen Recht wurde daher an vielen Orten in Strafsachen die Möglichkeit der Appellation eingeschränkt. In den deutschen Landen war sie in der Frühen Neuzeit bei inquisitorischen Prozessen sogar ganz ausgeschlossen.100 Das kanonische Recht gewährte den Verurteilten jedoch den Rechtsschutz der Appellation ausdrücklich auch in Strafsachen.101 Damit das metropolitane Tribunal ein „Refugium für die Unterdrückten, nicht aber für die Schlechten und Schuldigen“ bleibe,102 gab es aber zwei wichtige Einschränkungen. Beide Einschränkungen waren jedoch in der Praxis schwer zu handhaben. Erstens war die Appellation bei notorischen Verbrechen unzulässig.103 Diese Einschränkung führte aber nicht zu einer Verringerung der Appellationen, sondern letztlich nur dazu, dass man sich in der zweiten Instanz darüber stritt, ob die Tat notorisch sei oder nicht.104 Zweitens war die Appellation bei bloßen Disziplinarmaßnahmen untersagt (correctiones).105 Die Abgrenzung der correctiones zu wirklichen Strafurteilen ist nicht immer einfach. Innozenz IV. wirft in seinem Kommentar zu den Dekretalen 100 Gail Obs., Obs. 1 n. 28 (5 f.); Gail De Pace Publ., c. 20 n. 36 (69 f.); Carpzov Pract. q. 139, n. 14 ff. (Pars III, 411). Die Praxis behalf sich mit der Nichtigkeitsklage. 101 C.2 q.6 c.20. 102 So schrieb der Vikar des Bischofs von Treviso dem Vikar des Patriarchen von Aquileia, ASP CDA b. 33, 17.12.1530 (gegen Dominicus Bollognatus): ne [...] tribunal metropolitanum quod est refugium opressorum fiat refugium malorum et reorum. 103 X 2.28.13, 14 u. 61. 104 ASP CCV b. 1, n. 4, 7.2.1496; München Gerichtsverfahren I, 521. 105 X 1.31.13 u. 2.28.3. Zwar lassen sich beide Dekretalen dem Wortlaut nach auch so auffassen, dass nur der Suspensiveffekt der Appellation entfalle, München Gerichtsverfahren I, 592 (zu X 1.31.13). Doch stellt die Glossa ordinaria zu X 2.28.3 (906) klar: A correctione enim non appellatur; s.a. Litewski Appeal, 174.
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sogar die Frage auf, ob überhaupt ein Unterschied bestehe.106 Dennoch lassen sich die Disziplinarmaßnahmen charakterisieren. Sie ergehen nicht wegen allgemeiner Delikte, sondern wegen Ungehorsams oder wegen des Verstoßes gegen besondere kirchliche Vorschriften, zum Beispiel beim Bruch des Zölibats. Das Verfahren der correctio war wenig rechtsförmig und ließ demjenigen, der für die Disziplin sorgte, einen beträchtlichen Ermessensspielraum. Es betraf vor allem Mönche.107 Denn das Recht der Regularen war weniger streng und von weniger Verfahrensgarantien geprägt als das Recht des Weltklerus.108 Dennoch stand auch diese zweite Einschränkung der Appellationsmöglichkeiten häufig nur auf dem Papier. Auch wer von einer correctio betroffen war, konnte nämlich appellieren, wenn die Disziplinierung das Maß überschritt.109 Wenn nun der Appellant behauptete, dass dies der Fall sei,110 konnte wiederum nur der Richter in zweiter Instanz entscheiden, ob diese Behauptung zutraf. Bei entsprechendem Einfallsreichtum gab es auch noch weitere Möglichkeiten. So versuchte ein Priester, der von einer correctio betroffen war, diese mit einer appellatio extraiudicialis zur Überprüfung zu bringen.111 Mit diesem Instrument konnte man allgemein „administratives“ Handeln der Kirche anklagen. Doch war die Appellation von einer correctio eigentlich keine der typischen Fallgruppen der schwer konturierbaren appellatio extraiudicialis.112 106 Innozenz Apparatus zu X 2.28.3. Vor allem bezüglich der Rechtsfolgen waren die Unterschiede schon zu seiner Zeit gering: hodie non videtur differentia inter regulares & alios, & inter correctionem, & alium processum, cum semper liceat appellare, si excedat quod idem est, ac si gravet. 107 Durantis Spec. lib. II Partic. III De Appellationibus n. 14 (I, 833) ist der Auffassung, dass nur Säkularkleriker von correctiones appellieren dürften. 108 ASP CDA b. 1, 13.10.1452 (gg. Angelus): nam in causis clericorum regularium non requiritur tanta discussio quam requiritur in causis clericorum secularium, quia in causis regularium ordo iuris non est usque quaquam servandus. Sed facilius et liberius possunt a suis administrationibus amoveri. 109 So die Rubrik von X 2.28.3: A correctione legitima non appellatur, nisi modus excedatur. Der Text der Dekretale wurde hier in der Rubrik um einen allgemeinen Rechtsgrundsatz erweitert. Die Glossa ordinaria (906) verweist zur Begründung auf X 1.29.27 und X 2.28.31. 110 ASP CCV b. 1, n. 4, 7.2.1496. 111 Ebda. 112 Nörr Baustein, 476, nennt stattdessen vor allem den Ablauf von Wahlen und die Vergabe von Pfründen als typische Anwendungsbeispiele.
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Mit der Appellation ging die Entscheidungsmacht auf die nächsthöhere Instanz über (Devolution). So war eine Appellation von Entscheidungen der Suffraganbischöfe in Torcello oder Chioggia an den Patriarchen von Venedig als zuständigen Metropolitan möglich. Auch eine Appellation aus den Diözesen Dalmatiens an den Patriarchen als Primas war denkbar, kam in Strafsachen aber kaum vor. Der Vikar des Patriarchen bildete keine eigene Instanz, sodass eine Appellation von dem Vikar an den Patriarchen selbst nicht möglich war.113 Stattdessen musste der Appellant sich wie bei Urteilen des Patriarchen selbst direkt an das Gericht des Papstes wenden. Der lange Weg nach Rom wurde mit der Einrichtung der päpstlichen Nuntiatur in Venedig zu Beginn des 16. Jahrhunderts jedoch wesentlich erleichtert. Brachte ein verurteilter Kleriker seinen Appell nach Rom, so ließ der Papst den Fall häufig an einen anderen Richter in der Nähe des Wohnortes der Parteien delegieren. In Rom selbst wurden die Appelle in Strafsachen nicht entschieden.114 Die Delegation war auch der Hauptweg, auf dem der Patriarch zum Richter in zweiter Instanz wurde. Häufig wurden ihm Appellationsfälle aus den Nachbardiözesen Treviso und Padua übertragen. Die Zuständigkeit in zweiter Instanz als Metropolitan trat demgegenüber in den Hintergrund.115 Dies zeigt, dass die Appellation vor allem ein Weg für Angeklagte war, die nicht nur über rechtlichen Beistand verfügten, sondern auch die Kosten für einen Gang nach Rom tragen konnten. Ein Appell an die weltliche Gewalt wegen eines Urteils des Patriarchen von Venedig spielte in der untersuchten Zeit in Strafsachen keine Rolle.116 Darin liegt ein großer Unterschied zu der Lage in Frankreich, wo der „appel comme d’abus“ an das Parlement auch in Strafsachen in der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts immer mehr an Bedeutung gewann.117 So blieb den Parteien in Venedig nur der Weg vor dem kirchlichen Gericht. Dazu mussten sie zunächst bei dem Patriarchen selbst als Ausgangsgericht (iudex 113 VI. 1.4.2 u. 2.15.3 (letztere Stelle bezieht sich auf den Offizial); Narbona De App., 18 ff.; Molitor Gerichtsverfahren, 198; Müller Einfluß, 92. 114 Auch das Gericht der Rota Romana beschäftigte sich fast ausschließlich mit Streitigkeiten um Pfründen, Albert Gemeiner Mann, 148; Nörr Rota, 228. 115 Von den 23 Strafrechtsfällen, die bis 1545 in der Archivserie „Causarum delegatarum et appellatarum“ des Archivs der Kurie des Patriarchen überliefert sind, gelangten 22 durch Delegation aus Rom an den Patriarchen von Venedig. Daneben ist hier nur eine einzige Appellation an den Patriarchen als Metropolitan eingeordnet. 116 Anders aber in Zivilverfahren, s. Caron Appello, 115 f. 117 Pommeray Officialité, 440 f.; Lefebvre-Teillard Officialités, 70.
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a quo) die Appellation einlegen. Dies konnte mündlich (viva voce) oder schriftlich geschehen.118 Darauf mussten der Patriarch oder sein Vikar reagieren, indem sie die Apellation entweder zuließen oder ablehnten. In beiden Fällen mussten sie ein Schreiben ausstellen (apostolici). Die apostolici waren eigentlich eine Bedingung für den Fortgang der Appellation, von der nur in einigen, engen Ausnahmefällen abgerückt werden konnte.119 Die Regelung der apostolici schuf jedoch mehr Verwirrung als Klarheit.120 Denn die Appellationsrichter (iudices ad quem) haben die Fälle häufig auch ohne diese Schreiben oder auch bei Nichtzulassung der Appellation durch den erstinstanzlichen Richter angenommen.121 Damit gab dieses Verfahren dem iudex a quo die Möglichkeit, zu Vorwürfen gegen seinen Prozess Stellung beziehen. Die Appellation effektiv verhindern konnte er mit den apostolici jedoch nicht.122 Wenn ein Appellant mit den apostolici des Ausgangsgerichts oder einem päpstlichen Delegationsschreiben in zweiter Instanz vor dem Patriarchen auftauchte, musste dieser gegenüber dem erstinstanzlichen Richter eine Inhibition aussprechen, die Gegenpartei laden und sich einen Überblick über die Prozessgeschichte verschaffen. Um die Darstellung der Appellanten zu überprüfen, reichte das Ausgangsurteil nicht aus, da es ja in der Regel keine juristische Argumentation beinhaltete und die wichtigsten Teile des Verfahrens nur sehr kursorisch beschrieb.123 Daher musste sich der Patriarch darum bemühen, die Prozessakten von dem erstinstanzlichen Richter zu erhalten. Häufig lud der Patriarch auch den erstinstanzlichen Richter, der sich sowohl gegen die Inhibition wehren als auch sein Urteil 118 Guyader Appel, 39. Meist vermerkten die Gerichtsakten nur, dass appelliert wurde. Nur selten kann man das Pathos des tatsächlichen Vortrages erfassen wie bei der Appellation der Klägerin „in causa coram vobis vertente ut dicitur inter D. Franciscum Pantheum assertum clericum Adriensem ex una et honestam, ac infelicem matronam dominam Cassandram de Almino matrem Domini Camilli interfecti, ASP CDA b. 34, 22.2.1533. Ein Beispiel für eine ausformulierte Appellation findet sich bei Joannis Andreae Ordo Iudiciarius, 145. 119 Zu den Ausnahmen Clem. 2.12.2. 120 Später wurden sie ungebräuchlich, ohne formal abgeschafft zu werden, Litewski Appeal, 207. 121 ASP CDA b. 33, 27.9.1531 (gg. Hieronymus del Pupo). 122 Aus diesem Grund sendete der Vikar des Patriarchen bisweilen auch die Gründe für die Nichtzulassung der Appellation an den Papst, ASP CDA b. 22, 17.7.1520 (gg. Albertus de Castello). 123 S.o., 142.
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in der Sache verteidigen konnte.124 Der Ausgangsrichter wurde dabei wie eine Partei behandelt. War er mit der Kassation seines Urteils unzufrieden, kam es vor, dass auch er seinerseits gegen die zweitinstanzliche Entscheidung an den Papst appellierte.125 Die Appellanten konnten in der zweiten Instanz jedoch häufig darauf bauen, dass sich ihre Gegenpartei nicht auf die Appellation einließ. In diesem Fall konnten sie die contumacia ihrer Gegner anklagen126 und in deren Abwesenheit ein günstiges Appellationsurteil erwirken.127 Ließen sich die Verteidiger des Ausgangsurteils hingegen auf das Appellationsverfahren ein, verlief ihre Argumentation bei den Delegationsfällen fast immer nach demselben Schema. Sie gaben an, dass die Delegation erschlichen sei (subrepticius). Hätte der Papst die wahre Sachlage gekannt, hätte er den Fall niemals zur erneuten Entscheidung an einen anderen Richter delegiert.128 War ein Fall schon in das Stadium der Appellation gelangt, so konnte der Appellationsrichter den Rechtsfrieden nur selten mit einem Urteil wiederherstellen. Häufig riefen die Parteien dagegen parallel mehrere Richter an, die durch den Erlass von Inhibitionen um ihre Zuständigkeit kämpfen sollten.129 Auch die Regel des kanonischen Rechts, nach der von einer Entscheidung nur zwei Mal appelliert werden durfte,130 konnte diese Unordnung kaum beseitigen. 124 ASP CDA b. 2, 12.4.1459 (gg. Nicolaus Forlanus); ebda., 33, 26.5.1531 (gg. Dominicus Bollognatus). 125 S. die Appellation des Erzbischofs von Zara (Zadar), ASP Div. b. 4, 63 (30.10.1476). S.a. ASP CDA b. 18, 1.10.1506 (gg. Hieronymus Castellini). 126 S.o., 125. 127 ASP CDA b. 3, 37 (1461; gg. Lucas Leonus); ebda. b. 22, 8.3.1520 (gg. Albertus de Castello); ebda. b. 27, 22.3.1527 (gg. Augustinus de Nigrinis); ebda. b. 33, 26.5.1531 (gg. Hieronymus Bollognatus); ebda. b. 38, 1.2.1535 (gg. Christophorus de Padua). 128 ASP CDA b. 22, 30.3.1520 (gg. Jacobus Regolinus): si vera fuissent summo pontifici narrata non comisisset sua Beatitudo huiuscemodi commissionem; s.a. ebda. b. 18, 19.10.1506 (gg. Hieronymus Castellini); ebda. b. 23, 12.1.1523 (gg. Paulus de Pisauro); ebda. b. 27, 10.5.1527 (gg. Augustinus de Nigrinis). 129 ASP CDA b. 18, 1.10.1506 (gg. Hieronymus Castellini); ebda. b. 22, 8.3.1520 (gg. Albertus de Castello); ebda, b. 49 (ex 50), 27.4.1545 (gg. Jacobus a Valle); ebda. b. 31, 1.6.1530 (gg. Vincentius de Aurificibus): in diesem Fall hat sich die parallele Anrufung der weltlichen Gerichtsbarkeit nicht gelohnt, da diese Anlass zu einer Bestrafung durch den Patriarchen gab, ASP Sent. b. 4, 82’–83’ (11.1.1531). Es bestand auch die Möglichkeit eines Appells vor dem Endurteil, X 2.28.12. 130 X 2.28.65.
7 Herbaria, Häresie und Hexerei – die Inquisition
„Mehr dem Namen nach als in der Sache“ soll nach Paolo Sarpi die Inquisition in Venedig in dem Jahrhundert vor der Reformation bestanden haben.1 Wie so oft muss man sich auch bei dieser Aussage davor hüten, das historische Argument in einem Gutachten für die venezianische Regierung mit Geschichtsschreibung gleichzusetzen.2 Hätte Sarpi nämlich die Akten des Patriarchates konsultiert, so wäre ihm aufgefallen, dass dort eine ganze Reihe von Inquisitionsprozessen dokumentiert worden war, bevor die Lehren Luthers die italienische Halbinsel erreichten. Doch auch wenn Sarpi die Prozesse gekannt hätte, wären sie ihm für sein Anliegen nicht hilfreich gewesen. Denn in dem Gutachten ging es Sarpi darum aufzuzeigen, dass die seit dem 13. Jahrhundert in Venedig existierende Inquisition immer unter der weltlichen Vorherrschaft gestanden habe.3 Um diese Sichtweise zu unterstützen, spielte Sarpi die Tätigkeit der Inquisition vor dem Jahr 1547 herunter. Denn erst ab diesem Zeitpunkt ordnete die Republik in der Neuzeit dem kirchlichen Inquisitionstribunal drei weltliche Beisitzer zu.4 Die Darstellung Sarpis, die die Tätigkeit der Inquisition in Venedig in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts akzentuierte, geht dennoch nicht ganz an der Sache vorbei. Denn in der Tat änderte sich der Charakter der Inquisition mit der Verbreitung der protestantischen Lehren fundamental. Venedig stand damit im Sog der allgemeinen Entwicklung Italiens, wo die römische Inquisition im Jahr 1542 neu organisiert wurde.5 Doch nicht nur die Umgestaltung der Inquisition in Venedig als Reaktion auf die Verbreitung der protestantischen Lehren hat Sarpi erfasst. Denn obwohl die Inquisition in Venedig in dem Jahrhundert vor der Reformation durchaus aktiv war, ist es richtig, dass sie zu dieser Zeit in der venezianischen Gerichtslandschaft 1 Sarpi Opere, 1206: l’ufficio dell’inquisizione restò più tosto in nome che in effetti; Grendler Roman Inquisition, 36; Pullan Jews, 15; Martin Witchcraft, 13; Cecchetti Republica I, 18. 2 Del Col Inquisizione in Italia, 343; Davidson Rome, 16. 3 Vgl. Wootton Sarpi, 124. 4 In dem zitierten Gutachten nennt Sarpi das Datum 1551, in dem die venezianische Praxis von dem Papsttum offiziell gebilligt wurde, Sarpi Opere, 1206. 5 S.o., 17.
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keine besonders wichtige Stellung einnahm. Dies gilt sogar nicht nur für die eigentliche Inquisition, sondern auch ganz allgemein für den Patriarchen von Venedig, wenn er allein in Kriminalfällen gegen Laien vorgehen wollte.
7.1 Zuständigkeit ratione materiae Das kanonische Recht schrieb vor, dass die Kirchenrichter bei bestimmten Delikten auch gegen Laien strafrechtlich vorgehen konnten. Diese Kompetenz ergab sich aus der Natur der Sache (ratione materiae). Beispiele für solche Delikte sind die Häresie, der Ehebruch, der Meineid oder die Sodomie.6 Doch blieb von diesen Verfehlungen nur die Häresie allein der Kirche vorbehalten. Die anderen Tatbestände waren dagegen so genannte delicta mixti fori, bei denen eine konkurrierende Zuständigkeit der Gerichte beider Gewalten bestand.7 Dies bedeutete für den Beschuldigten, dass er sich in foro externo, also außerhalb der Konfession, nur vor einem der beiden Gerichte verantworten musste. Nach der gemeinrechtlichen Lehre war das Gericht zuständig, das zuerst angegangen wurde (praeventio).8 In Venedig war dies fast immer das weltliche Gericht. Dies war so selbstverständlich, dass das Präventionsprinzip in den strafrechtlichen Quellen keinen Niederschlag gefunden hat. Der Patriarch ging außer bei Hexerei und Häresie nur in seltenen Fällen gegen Laien vor. Und auch dann ließ die Effektivität dieser sporadischen Rechtspflege zu wünschen übrig. Zwar erließ der Patriarch Mandate gegen Laien. Zum einen drohte er bisweilen mit der Exkommunikation bei Übergriffen auf die geistliche Gerichtsbarkeit – etwa bei Verstoß gegen das privilegium fori.9 Diese Drohungen machte er aber fast nie wahr.10 Bei den Mandaten gegen Laien, die keine Ämter innehatten, verhielt es 6 Hinschius Kirchenrecht V, 314 ff. 7 Clarus Practica Lib. V § 1 n. 7 (3) nennt diese Delikte communia; Veronese Misto foro, 43 ff.; Albert Gemeiner Mann, 45; vgl. X 2.2.8. 8 Ausgangspunkt für die Lehre war X 2.2.19. Vergleichend Helmholz Note, 517; Brambilla Alle origini, 285. 9 S.o., 29. 10 Auch wenn die Exkommunikation bei dem Verstoß gegen das privilegium canonis ohne weiteres Urteil eintrat, konnte der Patriarch auch in diesen Fällen immerhin Diskretion wahren, s.o. 58.
Zuständigkeit ratione materiae 163
sich ähnlich. So rügte der Patriarch vereinzelt die Bigamie,11 den Ehebruch12 oder die Verleumdung eines Priesters.13 Auch an die Konkubine eines Priesters sendete er ein Mandat,14 obwohl vor dem Konzil von Trient15 in der Regel in solchen Fällen nur der Priester selbst mit Strafe bedroht wurde.16 Trotz der in den Mandaten ausgesprochenen Drohungen kam es jedoch nur sehr selten wirklich zu einer Bestrafung.17 Die Gerichtsbarkeit des Patriarchen über Laien war daher auch kaum in dem Bewusstsein verankert. Als der Patriarch eine Prostituierte durch einen Boten aufforderte, aus dem Haus eines Priesters auszuziehen, erwiderte diese: „Ich habe mit dem Patriarchen nichts zu tun.“18 Dass der Patriarch die Kontrolle über die Sittlichkeit in der Stadt nicht übernehmen konnte, lag vor allem daran, dass in Venedig schon eine starke weltliche Justiz damit betraut war. Anders als in anderen Diözesen19 versprachen sich die Kläger und Denunzianten in Venedig daher mehr von einem Verfahren vor den weltlichen Behörden.
11 ASP CSI b. 1, 171–173’ (15.2.1512). 12 ASP AMP b. 61, 286–286’ (21.5.1518): an die Quarantìa Criminal; ebda. b. 66, 84 (31.1.1531); ebda., 178 (21.3.1532). 13 ASP AMP b. 62, 179–179’ (1521). 14 ASP AMP b. 63, 132’–133, 135 (4. bzw. 9.3.1523). 15 Die Konzilsväter von Trient belegten hingegen – zumindest bei dem Konkubinat unter Laien – die Frauen mit den höheren Strafen, sess. XXIV can. super ref. circa matr. c. 8, Alberigo Conc. III, 130; Romeo Amori proibiti, 11 u. 20. 16 ASP AMP b. 21, 19.11.1460; ASP Div. b. 3, 132’ (13.11.1472); ASP AMP b. 57, 17.7.1509. Die gleiche Beobachtung macht auch Kelleher Like Man and Wife, 352, für die Diözese Barcelona im 13. Jahrhundert. 17 ASP CM b. 12, 14.1.1513 (gg. Giandomenico Cechi) ist der einzige mir bekannte Fall. In diesem Eheverfahren stellte sich heraus, dass der Mann nacheinander drei verschiedene Frauen geheiratet hatte. Der Vikar des Patriarchen verurteilte ihn „ex officio“ zu einer nicht näher bestimmten Strafe: Prefatumque demum Joannem Dominicum Cechum ratione assertorum matrimoniorum sit contra canonicas et divinas leges per ipsum temere et de facto cum dicta Camila et Angelica postea contractorum legitime et canonice puniendum et castigandum ex officio nostro per presentem sententiam decernimus et determinamus et ad sui correctionem et aliorum exemplum. S.a. Cristellon Carità, 206 f. 18 ASP AMP b. 61, 33’–34 (10.1.1516): Io non ho da far cum el patriarcha. In diesem Fall konnte der Patriarch jedoch auf die Hilfe des weltlichen Arms zurückgreifen. 19 Mariani Attività, 801 f. (Mailand); Chomel Notes, 55 (Dauphiné).
164
Herbaria, Häresie und Hexerei – die Inquisition
Die Forderungen nach eben dieser weltlichen Kontrolle des gesellschaftlichen Lebens wurden nach den militärischen Niederlagen zu Beginn des 16. Jahrhunderts noch lauter.20 Die venezianische Regierung reagierte, indem sie ihre Sittenwacht weiter institutionalisierte. Paradigmatisch ist die Einrichtung der Esecutori contro la bestemmia im Jahr 1537.21 Die Esecutori waren dem Rat der Zehn angegliedert und führten mit dem inquisitorischen Ritus zunächst Verfahren wegen blasphemischer Flüche, die noch nicht die Schwelle zur Häresie überschritten. Der Rat der Zehn wollte so die Blasphemie, die lange Zeit aus weltlicher Sicht22 kein sehr schweres Delikt dargestellt hatte, auf höchster Ebene und mit schweren Strafen bekämpfen.23 Damit stimmte Venedig in den Chor der Zeit ein, in der die weltliche Gewalt immer weitere Bereiche des Lebens obrigkeitlich regelte. Es überrascht daher nicht, dass die Esecutori zu ihren ursprünglichen Aufgaben bald immer weitere hinzu erhielten.24 In der sittlichen Kontrolle des städtischen Lebens gruben die weltlichen Behörden so dem Patriarchen das Wasser ab.25 Die Zuständigkeit in Strafsachen konnte sein Gericht gemeinsam mit dem Inquisitor nur in Fällen der Häresie und der Hexerei behaupten.26
20 S.o., 18. 21 Prodi Chiesa di Venezia, 71. Weitere Beispiele sind die Überwachung der Frauenklöster durch die Provveditori sopra monasteri, s.o., 98, und die stärkere Regulierung des Heiratsmarktes, Chojnacki Marriage Regulation, 63. 22 Anders in der theologischen Diskussion um die Sündhaftigkeit, Casagrande/Vecchio Peccati, 229. In der Theorie standen daher auch schon im Mittelalter hohe Strafen auf die Blasphemie, ebda., 235 f. 23 Im 15. Jahrhundert war die Kompetenz für die Blasphemie in Venedig noch auf die verschiedenen Polizeiorgane und Gerichte auf unterer Ebene verteilt, Piasentini Indagine, 527 f. Die Strafen waren damals auch noch nicht so hoch, Horodowich Language, 60. 24 Cozzi Vicende, 12; Grendler Roman Inquisition, 80; Buganza Potere della Parola, 125 f.; Horodowich Language, 80. 25 S.a. im Vergleich mit Florenz Brambilla Alle origini, 310. 26 Nach einem Senatsgesetz vom 28.10.1410 war bei Schadenszauber das weltliche Gericht für den Schaden (malefizio) zuständig, die Inquisition hingegen für den häretischen Aspekt des Verbrechens, Cappelletti Storia I, 652.
Das Tribunal 165
7.2 Das Tribunal Der Inquisitor entstammte in Venedig seit dem Mittelalter dem Orden der Franziskaner. Er war nicht nur für Venedig, sondern für das gesamte historische Gebiet der Mark von Treviso (marca trevigiana) zuständig. Im 15. Jahrhundert hatte er das Recht, mit zwölf bewaffneten Helfern aufzutreten.27 Der Rat der Zehn konterkarierte dieses Recht allerdings, indem er nicht entsprechend vielen Helfern die Erlaubnis zum Waffentragen erteilte.28 Zu Beginn des 16. Jahrhunderts gingen Inquisitor und Patriarch von Venedig in der Inquisition meist gemeinsam vor. Ab den 1530er Jahren nahm die gemeinschaftliche Inquisitionstätigkeit von Patriarch und Inquisitor jedoch ab. Denn ab nun sollte der päpstliche Nuntius die zentrale Rolle in dem Inquisitionstribunal in Venedig spielen.29 Zwar schrieben die alten Regeln des kanonischen Rechts noch vor, dass Inquisitor und Ordinarius die entscheidenden Verfahrenshandlungen in Prozessen gegen Häretiker gemeinsam vornehmen mussten.30 In der Praxis traten diese beiden Richter jedoch hinter dem päpstlichen Nuntius und seinem Auditor zurück, deren Amt und Kompetenzen sich in den vorangegangenen Jahrzehnten immer weiter verstetigt hatten. Durch die Dominanz des Nuntius und die weltliche Mitwirkung verloren die engen Grenzen des Patriarchats von Venedig für das Inquisitionstribunal ihre Bedeutung. Das Inquisitionsgericht entschied so über Fälle aus dem gesamten Gebiet der Republik. Nach Zuordnung der weltlichen Beisitzer im Jahr 1547 erhöhte sich auch aus diesem Grund die Anzahl der in Venedig verhandelten Inquisitionsprozesse beträchtlich.31 Vor allem in der älteren Literatur kann man lesen, dass die weltlichen Beisitzer (Tre Savi sopra l’eresia) die Tätigkeit des Inquisitionsgerichts „kontrollieren“ sollten.32 Diese Aussage ist missverständlich. Denn man kann zwar annehmen, dass die Tre Savi als weltliche Politiker höchsten Ranges sensibel für die außenpolitischen und wirtschaftlichen Konsequenzen ihrer Tätigkeit waren. Doch lässt sich daraus nicht auf eine inquisitionsfeindliche Intention bei der Einrichtung des Amtes 27 28 29 30 31 32
ASVen SU b. 154, 11.2.1450 m.v. ASVen Frari b. 91, p. 50. Del Col Inquisizione in Italia, 344. Clem. 5.3.1; Del Col Organizzazione, 247. S.o., 18; Del Col Inquisizione in Italia, 349; ders. Organizzazione, 275. Friedberg/Ruffini Trattato, 102.
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Herbaria, Häresie und Hexerei – die Inquisition
schließen.33 Die venezianische Regierung betonte immer wieder, dass es auch in ihrem Interesse lag, den reinen Glauben in der Stadt zu bewahren, da die neuen Lehren nach einer verbreiteten Vorstellung die Stabilität des Gemeinwesens gefährdeten.34 Die frühzeitige Abstimmung von weltlicher und geistlicher Gewalt während des Inquisitionsverfahrens stellte jedenfalls sicher, dass der weltliche Arm die Urteile der Inquisition tatsächlich vollstreckte.35 Damit wurde das Konfliktpotenzial in zweifacher Hinsicht minimiert. Einerseits konnte es nicht mehr zu dem Skandal kommen, dass die weltliche Macht die Kirche brüskierte, indem sie einmal gefällte Entscheidungen im Kampf für den rechten Glauben nicht ausführte. Andererseits wurde die Findung eines Kompromisses auf weltlicher Seite auf drei Fachleute übertragen, die bei dem Gerichtsverfahren anwesend waren und daher die nötige Sachkenntnis besaßen.
7.3 Hexerei Die Verfolgung der Hexerei fand in verschiedenen Wellen statt. Während des 15. Jahrhunderts sind aus Venedig kaum Prozesse wegen Hexerei bekannt. In den Jahren 1516 bis 1519 nahm die Zahl der erhaltenen Prozesse stark zu.36 Sie sollte aber bald wieder abnehmen und trat gegen die Verfolgung der protestantischen Lehren in den Hintergrund. Erst in den 1580er Jahren machten die Verfahren wegen Hexerei dann wieder einen größeren Anteil der Inquisitionsprozesse aus.37 Grund für das verschärfte Vorgehen gegen die Hexerei in den Jahren 1516–19 war unter anderem eine Initiative des Patriarchen Antonio Contarini, der sich nach den kriegerischen Ereignissen in dem vorangegangenen Jahrzehnt für eine
33 Davidson Rome, 31; dieser Eindruck entstand wohl ebenfalls durch die Interdiktskontroverse, ebda., 17. 34 Prosperi Ortodossia, 150; Davidson Sant’Uffizio, 90; Gaeta Aleandro, 123. 35 Martin Witchcraft, 17. 36 In der Serie ASP CSI gibt es fünf Angeklagte der Hexerei in der Zeit von 1461 bis 1500. In den Jahren 1514 bis 1519 sind es hingegen 17 Angeklagte. 37 Martin Witchcraft, 261.
Hexerei 167
moralische Erneuerung Venedigs einsetzte.38 Mit einem Edikt drohte er allen mit der Exkommunikation, die von Hexerei wüssten und dies nicht anzeigten.39 Die Anzeigen, die daraufhin bei dem Patriarchen eingingen, weisen häufig Übereinstimmungen bezüglich des sozialen Milieus auf. Die Angeklagten waren fast alle Frauen40 und fast alle ausländischer Herkunft.41 Sie stammten vor allem aus Dalmatien und aus Griechenland.42 Dass vor allem die Griechinnen mit Hexerei in Verbindung gebracht wurden, entsprach einem verbreiteten Vorurteil. So erklärte denn auch ein Zeuge dem Patriarchen und dem Inquisitor: „Alle sagen, dass Griechenland voll von diesen Dingen ist.“43 Wahrscheinlich stieß der Denunziant mit diesen Worten bei dem Patriarchen Contarini, der selbst kein Freund der Griechen war,44 auf einen bereitwilligen Zuhörer. Doch nicht nur Herkunft und Geschlecht verbanden die Angeklagten. In vielen Fällen ähnelten sich auch ihre Geschichten. Häufig waren es Prostituierte.45 Bei der Magie ging es meist um Liebeszauber.46 Damit sollen sich die Prostituierten ihre Freier gefügig gemacht haben.47 Während der Patriarch einerseits zu der Denunziation aufforderte, gab es andererseits in dem Verfahren aber auch einen rudimentären Schutz gegen falsche 38 Niero Patriarchi, 57 ff. 39 Del Col Organizzazione, 250; s.a. ASP CSI b. 1, 288 (18.1.1519): praecipitur et mandatur sub pena Excommunicationis late sententie unica pro trina monitione praemissa Et quam proferitur contra contrafacientes ex nunc prout ex tunc et e converso omnibus et singulis utriusque sexus noticiam aliquam habentibus de aliquibus stricibus tam maribus quam feminis in hac civitate commorantibus tam pubblicis quam occultis ut debeant manifestare et denunctiare in certo termino. 40 Damit unterschieden sich die Angeklagten der Hexerei von denen, die sonst in das Visier der Inquisition gerieten, Jacobson Schutte Storia al femminile, 92. 41 ASP CSI b. 1, 141–145’ (1477); ebda., 194–196 (1515); ebda., 198’–203 (1516); ebda., 204–205 (1516); ebda., 214–223’ (1516); ebda., 247–247’ (1518).; ebda., 272– 279’ (1518). 42 Vgl. auch Martin Witchcraft, 231 ff. 43 ASP CSI b. 1, 214 (2.7.1516): ut ab omnibus dicitur la gretia esser copiosa de tal cosse. 44 S. seine Diatribe gegen den Bau einer griechischen Kirche, o., 113 Fn. 206. 45 ASP CSI b. 1, 141–145’ (1477); ebda., 198’–203 (1516); ebda., 354–454’ (1532). 46 ASP CSI b. 1, 1–6 (1461); ebda., 194–196 (1515); ebda., 229–246’ (1516); ebda., 247–247’ (1518); zu den einzelnen Praktiken Hacke Wirkungsmächtigkeit, 311 ff. 47 ASP CSI b. 1, 247–247’ (1518); 348–349 (1529). Einen besonderen Anreiz zur Denunziation gab es für die Verwandten, wenn sie eine Heirat befürchteten, Ruggiero Binding Passions, 95.
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Herbaria, Häresie und Hexerei – die Inquisition
Beschuldigungen. Die Angeklagten wurden nämlich in der Regel gleich zu Beginn ihres Verhörs nach ihren Feinden gefragt.48 Nannten sie hier die Namen der Denunzianten und der Belastungszeugen, verloren deren Aussagen an Beweiskraft.49 Das Hauptproblem für die Angeklagten war daher, dass die Namen der Denunzianten und der Zeugen im Inquisitionsverfahren nicht genannt werden sollten.50 Viele der Denunziationen haben sich wohl im Sande verlaufen. Zumindest bricht der Großteil der Gerichtsakten nach dem Verhör einiger Zeugen ab. Die erhaltenen Urteile hingegen lauten auf den Pranger und das Exil.51
7.4 Häresie Auch die Fälle der Häretikerinquisition sollten erst nach der Einrichtung des Inquisitionstribunals mit weltlicher Beteiligung stark anschwellen. Während vor der Reformation Patriarch und Inquisitor gemeinsam Einzelfälle der Häresie verfolgt hatten, fiel die Verbreitung der protestantischen Lehren, die in den Quellen meist pauschal als heresia lutherana bezeichnet werden,52 schon in die Zeit, in der der päpstliche Nuntius eine beherrschende Stellung einnahm.53 Als einer der Ersten profilierte sich der Nuntius Hieronymus Aleander (1533–1535) bei der Verfolgung der Protestanten.54 Besonders vor der Reformation verband die Angeklagten der Häresie ihre außergewöhnliche Biographie. Entsprechend vielfältig waren die Tatbestände. Der Mathematiker Amadeus de Lando leugnete die Heiligkeit des Bernardinus von Siena (1461).55 Der Rechtsanwalt Joannes Fugaza soll mit der Taufe seiner Kinder 48 Martin Witchcraft, 22. 49 Dies galt besonders für Todfeinde (inimici mortales), s.o. 138, Fn. 144. 50 ASP CSI b. 1, 235 (10.12.1516): de consuetudine nomine testium non essent sibi [der Angeklagten] danda. Eine andere Angeklagte verteidigte sich daher sehr pauschal, ebda., 273 (19.1.1519): tuta la mia vizinanza me vol mal. 51 ASP CSI b. 1, 242 (20.12.1516); ebda., 275–276 (26.1.1518); Niero Patriarchi, 63; Del Col Organizzazione, 250. 52 Gaeta Documenti, 33: aliquis hereticus seu, ut vulgo dicitur, lutherinus. 53 Die Angeklagten wurden zum Teil auch von dem Patriarchen an den Nuntius ausgeliefert, ASP AMP b. 67, 169’ (12.5.1537). 54 S.o., 107. 55 ASP CSI b. 1, 7–67; Vuillemin Pro reformatione, 229; Gazzini Scuola, 219 Fn. 11.
Häresie 169
ungewöhnlich lange gewartet haben (1484).56 Der entlaufene Mönch Bernardus Barbadicus leugnete die Sündhaftigkeit des außerehelichen Verkehrs (1510).57 Guido Donatus traf der Vorwurf, er habe behauptet, Gott wirke keine Wunder, da er sich nicht mit „Bagatellen“ befasse (1512).58 Einige jüdische Ärzte sollen gegen den christlichen Glauben geredet haben (1512).59 Dem Priester Thomas Solarius wurde schließlich die innerliche Hinwendung zum jüdischen Glauben vorgeworfen (1513).60 In der Folgezeit wurde der Vorwurf des Protestantismus häufiger.61 Die ersten Anhänger der neuen Lehren hatten diese häufig in anderen Gegenden kennen gelernt. Durch die geographische Lage schien Venedig schließlich geradezu prädestiniert, sich von dem deutschen Virus anstecken zu lassen.62 Die Angeklagten der Häresie waren allesamt männlich. Nicht selten handelte es sich bei den Angeklagten um Geistliche, vor allem um Angehörige der Mendikantenorden.63 Denn die mündliche Predigt war zu dieser Zeit der wichtigste Weg, auf dem sich die protestantischen Lehren verbreiteten.64 Doch konnten auch hier die Exemptionen der verschiedenen Orden ein Hindernis für die Inquisition bilden. Zwar galt im Mittelalter der Grundsatz, dass Exemptionen bei Häresie nicht vor dem Gericht des Bischofs schützten.65 Doch der Umstand, dass Papst Paul III. im Jahr 1542 dies noch einmal im Hinblick auf die Inquisitoren anordnen musste, ist ein Zeugnis dafür, dass die Verfolgung der Häresie in den eigenen
56 57 58 59 60 61 62 63 64 65
ASP CSI b. 1, 152–155’. ASP CSI b. 1, 158–170’. ASP CSI b. 1, 174–179. ASP CSI b. 1, 180–185’ S.o., 12. ASP FC f. 2, 2.5.1513; zuvor schon ein anderer Fall Judaisierens in ASP CSI b. 1, 135–140’ (1473), Ioly Zorattini Processi I, 339–340. ASP CSI b. 1, 304–307’ (1525); ebda., 308–339’ (1526); ASVen CX Crim reg. 5, 156’ (28.4.1540). So Hieronymus Aleander an Paul III. (19.10.1534), Gaeta Nunziature I, 288; ders. Aleandro, 127; Oswald Inquisition, 17. Del Col Inquisizione, 288; Carafa De Luth., 67, beschwerte sich in seinem 1532 aus Venedig an den Papst gesandten Bericht vor allem über die Franziskaner in der Stadt; vgl. auch ASVen SU b. 153, 4.1.1542 m.v. Seidel Menchi Origine, 295. X 5.7.9.
170
Herbaria, Häresie und Hexerei – die Inquisition
Reihen in der Zwischenzeit dennoch vorwiegend bei den jeweiligen Orden gelegen hatte.66 Da sich die erste Salve von Prozessen gegen Protestanten vor allem gegen öffentliche scandala richtete, zeichnen sie sich durch die große Anzahl der vernommenen Zeugen aus. Neben dem Eid, die Wahrheit zu sagen, mussten diese Zeugen auch Verschwiegenheit beschwören.67 Meist konnten die Angeklagten mit einem milden Urteil rechnen. Zentraler Bestandteil dieses Urteils war das Abschwören der Irrlehren, die so genannte abiuratio. Waren sie zu einer solchen abiuratio nicht bereit oder wurden sie rückfällig, gestaltete sich ihre Situation schwieriger. In diesem Fall war ein hartes Urteil bis zur Auslieferung an den weltlichen Arm zur Blutstrafe möglich.68 Gleiches galt, wenn das Gericht sie nicht nur für einen Häretiker, sondern gar für einen Häresiarchen hielt, der die Irrlehren aktiv verbreitete. So erging es beispielsweise dem Galeotto da Narni, der im Jahr 1478 verurteilt wurde, da er ein Buch mit ketzerischen Thesen vertrieben haben soll. Nach dem Urteil des Patriarchen und des Inquisitors sollte Galeotto eine öffentliche abiuratio leisten und anschließend eine lebenslange Freiheitsstrafe verbüßen.69 Aber auch in den Inquisitionsverfahren gelten ähnliche Beobachtungen wie beim curiae tradere bei anderen Delikten.70 Je härter die angedrohte Strafe, desto stärker war das Verfahren formalisiert. Das Inquisitionsgericht griff auch in diesen Fällen häufiger als sonst auf juristische Gutachten zurück.71
Bullarium VI, 318–320 (14.1.1542); Seidel Menchi Origine, 296 ff. ASVen SU b. 1, 2.4.–8.6.1541. X 5.7.9; Génestal Privilegium II, 148. ASP Scomparin Raccolta, 101–102’ (24.4.1478). Die gleiche Strafe erhielt im Jahr 1533 der Schreiner Antonius Fabrus, der lutherische Irrlehren gepredigt haben soll. Sein Verfahren leitete Hieronymus Aleander, Gaeta Documenti, 47 ff. Derart harte Strafen sind indes vor den 1540er Jahren noch recht selten. 70 S.o., 152. Beachte aber VI 5.2.1, wonach zur Degradation bei Häresie nicht wie sonst sechs Bischöfe notwendig waren. 71 ASVen SU b. 1, 27.6.1541; Gaeta Documenti, 43–47 (1534). 66 67 68 69
8 Die Zähmung des Markuslöwen – Fazit
„Mein Unwohlsein setzt sich fort und wächst jeden Tag, wie auch die unerträglichen, unsäglichen, unglaublichen Belästigungen wachsen durch diese verfluchten okkulten Häresien und Störungen der geistlichen Gerichtsbarkeit“, schrieb der päpstliche Nuntius Hieronymus Aleander im Jahr 1534 nach Rom. Seine Heiligkeit solle ihn daher um Gottes willen aus Venedig zurückrufen, wenn ihr etwas an seinem armseligen Leben liege. Man solle ihn an einen anderen Ort senden, damit er seine Ehre bewahren könne.1 Hieronymus Aleander hatte natürlich allen Grund, seine Korrespondenten in Rom von der Schwierigkeit seiner Mission zu überzeugen. Denn vor einem solch schwarzen Hintergrund musste der Glanz seiner diplomatischen Erfolge umso heller erstrahlen.2 Das Zeugnis lässt sich aber dennoch nicht nur mit diesem rhetorischen Effekt erklären. Zu gut passt es in das seit Jahrhunderten bestehende Bild der venezianischen Republik als einer katholischen Macht, die fast beständig mit Rom im Clinch lag. Die vorliegende Studie kann und soll dieses Bild für die geistliche Gerichtsbarkeit nicht völlig zerstören. Denn in der Tat bemühten sich die weltlichen Politiker mit Nachdruck und Selbstbewusstsein, die Gerichtsbarkeit über straffällige Kleriker unter ihre Kontrolle zu bringen. Diese offensive Tendenz ist für eine Republik auf italienischem Boden außergewöhnlich und nicht nur mit der Größe und Macht der venezianischen Herrschaft zu erklären. Die Studie soll das Bild aber ein wenig gerade rücken. Sie hat nämlich auch gezeigt, dass das Verhältnis an vielen Stellen komplexer ist, als man zunächst anzunehmen geneigt ist. Die venezianische Politik in dieser Frage als ein einheitliches und geplantes Vorgehen zu charakterisieren, dem eine ideologisch gefärbte anti1 ASV SS b. 1, 222: questa mia indisposition procede laqual ogni di piu cresce, come crescono le molestie intolerabili, indicibili, incredibili, perconto di queste maledette occulte heresie et turbationi della Jurisdittion ecclesiastica, et rechiami di ogni banda di querelle pretesche, et fratesche, mi sarà forza supplicar sua Santita che per l’amor di Dio, et se ha cara questa misera Vita me revochi omnino sotto nome di mandarme in qualche altro luoco accio con questo se mi conservi lhonor mio. Gaeta Nunziature I, 218. 2 Prodi Chiesa e società, 316.
172
Die Zähmung des Markuslöwen – Fazit
kuriale Haltung zu Grunde gelegen habe, vereinfacht die Problematik zu sehr. Allzu oft wurden dazu auch politische Kategorien des 17. Jahrhunderts in die vorherige Zeit zurückprojiziert. Gegen diese Vereinfachung will ich drei Differenzierungen ins Feld führen. Erstens kann man nicht sagen, dass die weltlichen Richter in Venedig das kanonische Recht missachteten. Vielmehr hielten sie sich in den meisten Fällen sehr genau an die Privilegien, die die Republik von den Päpsten erhalten hatte. Dass die Republik diese Privilegien mit Hilfe von persönlichen Beziehungen, politischem Druck und mit List immer erweiterte, ändert nichts an dem konsensualen Charakter der Lösung. Es unterscheidet die venezianische Diplomatie auch nicht von derjenigen anderer Staaten. Zweitens war die Zusammenarbeit zwischen dem Patriarchen und den weltlichen Gerichten meist gut, wenn es darum ging, bestimmte Kleriker zu bestrafen. Die weltliche Gewalt leistete hier in der Regel bereitwillig Vollzugshilfe. Im Kampf gegen die Exemptionen schwang sie sich sogar dazu auf, die Jurisdiktionsrechte des Patriarchen zu verteidigen. Die Patronage von Verwandten oder Klienten der Adeligen, die man vor einer kirchlichen Strafe hätte beschützen wollen, spielte dagegen kaum eine Rolle. Konflikte entstanden also meist nur dann, wenn die weltliche Gewalt gegen den Willen des Patriarchen die Bestrafung eines Verbrechens sehen wollte. Drittens sind die Ursachen für Konflikte in diesen Fällen vielschichtiger, als es auf den ersten Blick scheint. Den Unmut der weltlichen Gerichte zog der Patriarch nämlich nicht nur wegen zu lascher Urteile auf sich. Vielmehr ist das gesamte Verfahren der Strafverfolgung des Patriarchen nicht von Effektivität gekennzeichnet. Dies führte nicht nur zu milden Urteilen, sondern auch dazu, dass Verfahren nicht eröffnet wurden, abbrachen oder zu zweifelhaften Freisprüchen führten. Grund hierfür ist das geringe Maß an Eigeninitiative, das das Gericht bei der Verfolgung von Straftaten an den Tag legte. Dementsprechend fehlte ein personell, organisatorisch und finanziell ausgestatteter Ermittlungsapparat. Gleichzeitig wurde das Prozessrecht in einer Weise angewandt, die sich noch stark auf die Mitwirkung des Opfers und seiner Angehörigen verließ. Das schlecht geordnete Appellationswesen der Zeit tat sein Übriges. Die weltlichen Richter übernahmen daher zuerst die Führung des Verfahrens und erst später auch das Fällen des Urteils.
9 Anhang
9.1 Abkürzungen a N.D. Anm. b. C. c. Clem. Cod. ders./dies. Dig. ebda. et al. f. Fn. Hg. Jh. MEFRM m.v. ND Nov. n.s. p. Q. QFIAB RDC reg. Rn. sc. s.o. Sp. Stw.
a Nativitate Domini, Jahresbeginn am 25.12. Bei Datumsangaben zwischen 25.12. und 1.1. ist also ein Jahr abzuziehen. Anmerkung busta Causa canon Clementina Codex Iustinianus derselbe/dieselbe Digesten ebenda et alii filza/folgende/folio Fußnote Herausgeber Jahrhundert Mélanges de l’École française de Rome: moyen-âge more veneto, Jahresbeginn am 1.3. Bei Datumsangaben im Januar oder Februar ist also ein Jahr hinzuzurechnen. Neudruck Novella nuova serie pezzo Quaestio Quellen und Forschungen aus italienischen Archiven und Bibliotheken Revue de droit canonique registro Randnummer scilicet siehe oben Spalte Stichwort
174 s.u. u. vgl. VI X ZRG KA zust.
Anhang
siehe unten und vergleiche Liber Sextus Liber Extra Zeitschrift für Rechtsgeschichte – Kanonistische Abteilung zustimmend
Handschriftliche Quellen 175
9.2 Handschriftliche Quellen 1. Archivio Storico del Patriarcato di Venezia (ASP) a.) Sezione antica – – – – – – – – – –
AMP = Libri Actorum, Mandatorum et Praeceptorum, b. 13–67 CCV = Causarum et aliorum diversorum Cleri Veneti, b. 1 CDA = Causarum delegatarum et appellatarum, b. 1–49 CM = Causarum matrimoniorum, b. 12 Div. = Diversorum, b. 1–8 FC = Filciae causarum, f. 1–4 Greci = Scritture antiche e recenti della chiesa dei Greci, b. 1 Instr.= Instrumentorum, reg. 1–5 Ord.= Causarum ordinarium, b. 1–24 Scomparin Raccolta = Raccolta di norme e decreti circa diverse materie di Giovanni Battista Scomparin – Scomparin Repertoria = Repertoria Causarum Civilium et Criminalium Curiae Patriarchalis Venetiarum di Giovanni Battista Scomparin – Sent. = Libri Sententiarum, b. 1–4
b.) Archivio segreto – – – – –
CR = Criminalia Regularium, b. 1–3 CSI = Criminalia Sanctae Inquisitionis, b. 1 CSI RLC = Criminalia Sanctae Inquisitionis, Retenti in loco sacro, b. 1 LO = Libri Ordinationum, b. 4 Vis. fem.= Visite pastorali a monasteri femminili, b. 1
2. Archivum Secretum Vaticanum (ASV) – SS Ven = Segretaria di Stato – Venezia b. 1
3. Archivio di Stato di Venezia (ASVen) – – – – – –
AC = Avogaria di Comun, reg. 21, 23 AC MC Del. = Avogaria di Comun – Deliberazioni del Maggior Consiglio, reg. 24 AC Raspe = Avogaria di Comun Raspe, reg. 3650–3670 Bolle = Bolle ed atti della Curia romana, b. 6, 8, 9, 11 Canc. inf. = Cancelleria inferiore (Doge), b. 194 CL = Compilazione delle leggi, b. 135
176
Anhang
– CX Capi Lettere Ambasciatori = Capi del Consiglio dei Dieci – Lettere degli Ambasciatori, b. 23 – CX Crim. = Consiglio dei Dieci, Criminali, reg. 1–6 u. b. 1–10 – CX Misti = Consiglio dei Dieci, Deliberazioni Miste, reg. 8, 9, 14–32, 37, 47 – CX Secr. = Consiglio dei Dieci, Secreti, reg. 5 – Frari b. 91 – MC Del. = Deliberazioni del Maggior Consiglio, reg. 15–25 – Podocat. = Collezione Podocataro, b. 1 – PsM = Provveditori sopra Monasteri b. 1, 263 – Sen. secr. = Senato secreti b. 42 – Sen. Terra = Senato Terra b. 6, 7, 26 – SN = Signori di Notte, reg. 15, 22 – SU = Sant’Uffizio b. 1, 153, 154 – XL Crim. = Quarantìa Criminal, reg. 14bis, 18–22
4. Biblioteca Apostolica Vaticana (BAV) – Cod. Vat. Lat. 1234 – Cod. Vat. Lat. 13454
5. Biblioteca Civica Vincenzo Joppi, Udine (BCJ) – Manin 41 (ex Svajer 47) – Manin 380 (ex Svajer 764)
6. Biblioteca Nazionale Marciana, Venedig (BNM) – Lat. IX cod. 74 (3289)
7. Biblioteca del Museo Correr, Venedig (BMC) – Correr 1507
Gedruckte Quellen 177
9.3 Gedruckte Quellen Alberigo Conc. II
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Facciolatus Fasti Farinacci Praxis Gaeta Documenti
Gaeta Nunziature Gail De Pace Publ. Gail Obs.
Gallicciolli Memorie
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Aspetti e problemi dell’amministrazione della giustizia penale nella Repubblica fiorentina, in: Archivio Storico Italiano 145 (1987), 391–453 u. 527–578 – Giustizia criminale e criminalità nell’Italia del tardo medioevo: studi e prospettive di ricerca, in: società e storia 46 (1989), 923–965 – Rituali e cerimoniali penali nelle città italiane (secc. XIII-XVI), in: Chiffoleau/Martines/Paravicini Bagliani [Hg.]: Riti e rituali nelle società medievali, Spoleto 1994, 141–157
208
Anhang
9.5. Personenregister Aleander, Hieronymus 107, 108, 128, 168, 171 Alexander III. 31, 84, 102, 150 Alexander VI. 51, 52, 78, 94, 112 Andreassi, Giorgio 108 Antonio (da Sicilia) 131 Averoldi, Altobello 113 Baccono, Cesare 128 Barbadicus, Bernardus 169 Becket, Thomas 149, 150 Bollani, Francesco 59 Bolognetti, Alberto 139 Bonifaz VIII. 32, 61, 62, 83 Clarus, Julius 117, 122 Clemens VII. 53, 61, 74, 75, 78 Contarini, Antonio 73, 97, 166, 167 Contarini, Gasparo 17 Contarini, Maffeo 155 da Narni, Galeotto 170 Dandolo, Andrea 40, 41, 42, 102, 103, 104 Dandolo, Enrico (Doge) 41 Dandolo, Enrico (Patriarch von Grado) 87 de Bosiis, Hieronymus 70, 155 de Lando, Amadeus 168 della Casa, Giovanni 109 della Mirandola, Giovanni Pico 13 Donà, Tommaso 104, 151 Donatus, Guido 169 Edward IV. (England) 76 Eugen III. 70 Eugen IV. 48, 49, 68 Franco, Nicolò 106 Friedrich II. 30 Fugaza, Joannes 168 Gandinus, Albertus 120 Girardi, Maffeo 19, 90, 92, 93, 155 Giulio (Fra Giulio di Milano) 131 Giustiniani, Lorenzo 16, 61, 69, 74, 89, 90 Giustiniani, Paolo 16 Gregor IX. 41, 103, 108 Gregor X. 84 Gregor XII. 47, 48, 49, 60, 62, 73, 75 Heinrich II. (England) 149 Heinrich VII. (England) 77
Innozenz II. 29 Innozenz III. 118, 150, 151, 152 Innozenz IV. 156 Innozenz VIII. 51, 111 Johannes Andreas (di Asolo) 131 Karl V. 17 Lando, Hieronymus 111 Leonini, Angelo 106 Leo X. 78, 112 Lucius II. 84 Martin V. 48 Nikolaus V. 16 Panormitanus 30 Parleo, Hieronymus 131 Paul II. 49, 60, 62, 92, 93 Paul III. 49, 54, 66, 115, 169 Paul IV. 18, 74 Pegolatus, Michael 131 Pisani, Alvise 87 Pisani, Francesco 87 Pius IV. 115 Quartano 114 Querini, Girolamo 19, 59, 73, 74, 132 Querini, Pietro 16 Raptopulos, Petros 112 Ritius, Johannes 132 Sanudo, Marin 26 Sarpi, Paolo 37, 38, 39, 161 Scomparin, Giovanni Batttista 22 Severinus, Baldassar 131 Severo, Gabriele 115 Seviro, Andrea 111 Sixtus IV. 50, 51, 94 Solarius, Thomas 12, 169 Tercento, Nicolò 114, 115 Tiepolo, Jacopo 42, 142 Trevisan, Giovanni 90 Tron, Luca 39, 59 Urban V. 104 Vallaresso 59
Ortsregister/Sachregister 209
9.6 Ortsregister Arbe. s. Rab Caorle 85 Castello 15, 16, 42, 43, 44, 47, 69, 74, 84, 89, 102, 103, 104, 110, 128, 154, 155 Ceneda 85 Chioggia 85, 158 Chissamo. s. Kastelli Conegliano 85 Dalmatien 87, 88, 158, 167 Durazzo. s. Durrës Durrës 128, 139 England 56, 62, 76, 95 Florenz 79, 80, 110 Frankreich 61, 62, 77, 78, 158 Gambarare 85 Grado 15, 16, 42, 43, 44, 84, 85, 87, 88, 103 Jesolo 85 Kastelli 87 Korfu 87, 112, 114
Korinth 87 Krk 87 Lido 85 Mailand 80 Murano 85 Osor 87, 88 Ossero. s. Osor Padua 86, 87, 108, 109, 113, 114, 158 Philadelphia 87, 115 Rab 88 Sebenico. s. Šibenik Siena 79, 168 Split 87 Torcello 84, 85, 158 Treviso 86, 87, 158, 165 Veglia. s. Krk Verona 86 Vincennes 77 Šibenik 87
9.7 Sachregister abiuratio 170 Akkusationsverfahren 19, 118, 119, 121, 123, 133 Apostasie 95, 96 apostolici 159 Appellation 16, 24, 80, 84, 85, 86, 88, 91, 123, 136, 141, 156, 157, 158, 159, 160 archipresbiter 89, 90, 91 Auditor 80, 96, 99, 107, 110, 165 Avogadori di Comun 22, 54, 55, 56, 63, 64, 66, 70, 114, 121 Bann 13, 14, 45, 46, 64, 67, 68, 70, 72, 148 Barttracht 21, 72 Begnadigung 13, 127, 145, 148, 156 Beichtvater 101 Blasphemie 140, 164 Cancellarius 130 Capi del Sestiere 56 cheba 70, 154, 155 Cinque Anziani alla Pace 56 confinia sodomitarum 72
Consiglio dei Dieci 22, 23, 45, 46, 47, 48, 49, 50, 52, 56, 65, 66, 67, 68, 72, 95, 97, 98, 100, 101, 111, 112, 114, 115, 121, 126, 154, 155, 164, 165 contumacia s. Säumnis correctio 156, 157 Decretum Gratiani 26, 27, 29, 141, 149 degradatio 54, 78, 128, 149, 150, 151, 152, 153 Denuntiationsverfahren 19, 123 Diebstahl 23, 51, 56, 91, 108, 114, 122, 152 disciplina 21 Disziplin 16, 93, 97, 99, 106, 108, 118, 156, 157 Doge 26, 36, 40, 41, 42, 80, 84, 102, 103, 104, 106, 142 Dominikaner 52, 93 Erzpriester s. archipresbiter Esecutori contro la Bestemmia 164 exceptiones 135 Exemption 71, 91, 93, 105, 115, 169, 172
210 Exkommunikation 28, 30, 48, 54, 58, 59, 64, 94, 95, 132, 148, 155, 162, 167 fama 120, 124 Folter 25, 50, 66, 126, 136 Franziskaner 9, 96, 165 Geldstrafe 43, 44, 57, 77, 90, 133, 134, 140, 144, 145 Gemeinde 17, 83, 93, 104, 110, 111, 112, 113, 114, 115, 149 Gerichtskosten 132, 140 Giudici del Proprio 56 giurisdizionalismo 33, 39 Grandonia 145 Großer Rat s. Maggior Consiglio Habit 31, 32, 33, 44, 47, 60, 61, 62, 63, 75, 78, 79 Hexerei 34, 123, 130, 161, 162, 164, 166, 167 Homosexualität s. Sodomie honestas clericalis 21, 72 Häresiarch 170 Häresie 107, 110, 113, 123, 130, 151, 161, 162, 164, 168, 169, 171 In Coena Domini 54 Inhibition 13, 57, 159, 160 Inquisition 13, 16, 17, 18, 21, 26, 111, 113, 114, 131, 161, 162, 165, 166, 169 Inquisitionsverfahren 19, 56, 100, 119, 120, 121, 123, 124, 126, 136, 166, 168, 170 Inquisitor 164, 165, 167, 168, 169, 170 Instruktionsmaxime 117, 118 Interdikt 37, 38 iudex delegatus 88 Jesuiten 37 Kabbala 12, 13 Kanoniker 101, 102, 103, 104, 105, 106 Klausur 97, 98, 100 Konkubine 163 Konventuale 98 Konzil – Viertes Laterankonzil 11, 129 – Konzil von Lyon 32 – Konzil von Florenz 110 – Fünftes Laterankonzil 93, 94 – Konzil von Trient 16, 18, 21, 32, 33, 36, 38, 39, 76, 96, 98, 99, 104, 105, 107, 109, 136, 139, 152, 163 Legat s. Nuntius
Anhang
Leumund s. fama Liber Extra 31, 79, 129, 141, 150, 151 Liber Sextus 32, 83, 108 Liebeszauber 167 Liga von Cambrai 18 Maggior Consiglio 26, 46 Mendikantenorden 36, 51, 93, 94, 169 Mythos 33, 34, 37, 38, 39 Münzfälschung 23, 50, 56 Neun Kongregationen 88, 89, 93 Notar 16, 23, 62, 63, 68, 69, 70, 129, 134 Notorietät 47, 86, 138, 156 Nuntius 45, 58, 72, 73, 83, 99, 100, 106, 107, 108, 109, 110, 113, 114, 115, 128, 132, 139, 165, 168, 171 Observanten (-innen) 98 Offizialmaxime 117, 119 Ordination 73, 74, 82 Paulina 49, 60, 61, 62 positiones 134, 135 Primicerius von San Marco 83, 104, 105 procurator fysci 122, 127, 129, 130, 132 Procuratori di San Marco 106 Prostituierte 33, 34, 125, 163, 167 Provveditori sopra monasteri 98, 99, 100 Pseudoisidor 27, 28 purgatio canonica 137 Quarantìa Criminal 45, 55, 57, 63, 64, 65, 66, 70, 121, 155 Rat der Zehn s. Consiglio dei Dieci rito patriarchino 36 Rota Romana 20 San Bartolomeo 84 San Biagio 110, 111, 112, 113 San Canciano 84 San Felice 9 San Giacomo dell’Orio 84 San Giacomo di Rialto 104 San Giorgio 113, 114, 115 San Giovanni Elemosinario 104 San Marco 71, 83, 101, 102, 103, 104, 105, 106 San Martino 84 San Matteo di Mazorbo 99 San Matteo di Rialto 84 San Silvestro 84, 91 Santa Maria Formosa 90
Sachregister 211
Santi Giovannie e Paolo 52 Santo Sepolcro 100 scuole 36 Senat 37, 45, 46, 52, 71, 103 Serviten 95 Signori di Notte 42, 56, 57, 58, 60, 64, 70, 71, 75 Sodomie 23, 46, 50, 56, 97, 148, 152, 154, 155, 162 Souveränität 37, 39 stilus curiae 14, 60 supramassarius 89
Synodicon 61 Säumnis 125, 133, 160 Talion 118 Todesstrafe 25, 53, 67, 77, 149, 152 Tonsur 23, 25, 31, 32, 33, 47, 60, 61, 62, 75, 78, 79 Totschlag 122, 124 Unschuldsvermutung 139 Verbannung s. Bann vicarius foraneus 85 Zweizeugenbeweis 137
KONFLIK T, VERBRECHEN UND SANK TION IN DER GESELLSCHAF T ALTEUROPAS FALLSTUDIEN HERAUSGEGEBEN VON KLAUS LÜDERSSEN, KLAUS SCHREINER, ROLF SPRANDEL UND DIETMAR WILLOWEIT
EINE AUSWAHL
BD. 7 | SVEN SCHULTHEISS GERICHTSVERFASSUNG
BD. 3 | REINHOLD SCHORER
UND VERFAHREN
DIE STRAFGERICHTSBARKEIT DER
DAS ZENTGERICHT BURGHASLACH IN
REICHSSTADT AUGSBURG 1156–1548
FRANKEN (14.–19. JAHRHUNDERT)
2001. XI, 221 S. BR.
2007. XXXIV, 558 S. BR.
ISBN 978-3-412-09800-1
ISBN 978-3-412-20023-7
BD. 4 | CHRISTIAN SZIDZEK
BD. 8 | THORSTEN GUTHKE
DAS FRÜHNEUZEITLICHE VERBOT DER
DIE HERAUSBILDUNG DER
APPELLATION IN STRAFSACHEN
STRAFKLAGE
ZUM EINFLUSS VON REZEPTION UND
EXEMPLARISCHE STUDIEN ANHAND
POLITIK AUF DIE ZUSTÄNDIGKEIT
DEUTSCHER, FRANZÖSISCHER UND
INSBESONDERE DES REICHSKAMMER
FLÄMISCHER QUELLEN
GERICHTS
2009. 289 S. BR. | ISBN 978-3-412-20078-7
2002. XXIX, 185 S. BR. ISBN 978-3-412-06601-7
BD. 9 | SIBYLLE SCHNYDER TÖTUNG UND DIEBSTAHL
BD. 5 | CHRISTIANE BIRR
DELIKT UND STRAFE IN DER
KONFLIKT UND STRAFGERICHT
GELEHRTEN STRAFRECHTSLITE RATUR
DER AUSBAU DER ZENTGERICHTS
DES 16. JAHRHUNDERTS
BARKEIT DER WÜRZBURGER FÜRST
2010. 209 S. BR. | ISBN 978-3-412-20545-4
BISCHÖFE ZU BEGINN DER FRÜHEN NEUZEIT
BD. 10 | ELLEN FRANKE
2002. LXXXVIII, 394 S. BR.
VON SCHELMEN, SCHLÄGERN,
ISBN 978-3-412-16201-6
SCHIMPF UND SCHANDE KRIMINALITÄT IN EINER FRÜHNEUZEIT
BD. 6 | DANIELA FRUSCIONE
LICHEN KLEINSTADT – STRASBURG IN
DAS ASYL BEI DEN GERMANISCHEN
DER UCKERMARK
STÄMMEN IM FRÜHEN MITTELALTER
2013. 276 S. 9 FARB. UND 3 S/W-ABB. BR.
2003. XXXIV, 222 S. BR.
ISBN 978-3-412-20952-0
ISBN 978-3-412-06902-5 BD. 11 | NICOLAS GILLEN „NUR GOTT VOR AUGEN“ DIE STRAFGERICHTSBARKEIT DES PATRIARCHEN VON VENEDIG (1451–1545)
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