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German Pages 278 [280] Year 2015
Nietzsche • Werke
Nietzsche Werke Kritische Gesamtausgabe Begründet von Giorgio Colli und Mazzino Montinari Weitergeführt von Volker Gerhardt, Norbert Miller, Wolfgang Müller-Lauter und Karl Pestalozzi Neunte Abteilung Der handschriftliche Nachlaß ab Frühjahr 1885 in differenzierter Transkription Herausgegeben von Marie-Luise Haase und Hubert Thüring in Verbindung mit der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften Zehnter Band
De Gruyter
Friedrich Nietzsche Zehnter Band Arbeitshefte W II 8 und W II 9 Bearbeitet von Marie-Luise Haase, Michael Kohlenbach, Thomas Riebe, Beat Röllin, René Stockmar und Daniel Weißbrodt
De Gruyter
Erarbeitet mit Unterstützung durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft den Schweizerischen Nationalfonds die Fritz Thyssen Stiftung die Freiwillige Akademische Gesellschaft Basel die Hamburger Stiftung zur Förderung von Wissenschaft und Kultur
ISBN 978-3-11-031269-0 e-ISBN (PDF) 978-3-11-031279-9 e-ISBN (EPUB) 978-3-11-038317-1 Library of Congress Cataloging-in-Publication Data A CIP catalog record for this book has been applied for at the Library of Congress. Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.dnb.de abrufbar. © 2015 Walter de Gruyter GmbH, Berlin/Boston Einbandgestaltung: +malsy, Bremen Satz und Layout: René Stockmar Druck: H. Heenemann GmbH & Co., Berlin Buchbinderische Verarbeitung: Hendricks & Lützenkirchen GmbH, Kleve Gedruckt auf säurefreiem Papier Printed in Germany www.degruyter.com
Vorwort der Abteilungsherausgeber
KGW IX 7, W II 3, 160,18–20
Wir verdanken es Jan Philipp Reemtsma, daß dieser Band nun endlich vorliegt. Durch sein großherziges Engagement konnte die Arbeit an der IX. Abteilung der Kritischen Gesamtausgabe von Nietzsches Werken in Deutschland wieder aufgenommen werden.
Auf die Veröffentlichung der ersten drei Bände der IX. Abteilung der KGW mit den vier Notizheften N VII 1 bis N VII 4 folgten die Bände 4–9 mit den Arbeitsheften W I 3 bis W I 8 und W II 1 bis W II 7. Der vorliegende zehnte Band enthält die Transkription der Arbeitshefte W II 8 und W II 9, von denen eine vollständige Faksimilierung auf CD-ROM beiliegt. Besondere Erwähnung und Dank verdienen unsere Basler Mitarbeiter, Beat Röllin und René Stockmar, die während der vierzehn Monate, in denen für die deutsche Arbeitsgruppe keine Finanzierung gefunden wurde, die Arbeit allein weitergeführt haben. Im folgenden möchten wir erneut unseren Dank gegenüber Personen und Institutionen ausdrücken, die für die Erarbeitung dieses Bandes unentbehrliche Hilfe und Unterstützung gewährt haben. Dem Direktor des Goethe- und Schiller-Archivs Weimar, Dr. Bernhard Fischer, und den Mitarbeiterinnen des Benutzerdienstes sind wir für das freundliche und kompetente Entgegenkommen bei der Bereitstellung der Archivalien zu großem Dank verpflichtet. Wir sind froh darüber, in den Räumlichkeiten des Archivs einen privilegierten Arbeitsplatz nutzen zu dürfen, was unsere Arbeit sehr erleichtert hat. Dem Deutschen sowie dem Philosophischen Seminar der Universität Basel, deren Infrastruktur den Mitarbeitern in großzügiger Weise zur Verfügung steht, sprechen wir unseren Dank aus. Desgleichen danken wir dem Institut für Philosophie der HumboldtUniversität zu Berlin und der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften für die administrative Betreuung der Arbeitsgruppe in Berlin und Weimar. Herzlich gedankt sei weiterhin Dr. Gertrud Grünkorn, Cheflektorin des Verlags Walter de Gruyter, und dem Hersteller-Team. Bei Sigrid Montinari, die uns nun schon über viele Jahre die Materialien aus dem Nachlaß von Mazzino Montinari zur Benutzung überlassen hat, bedanken wir uns besonders herzlich.
Berlin und Basel, März 2015
Marie-Luise Haase
Hubert Thüring
Editorische Vorbemerkung – Hinweise zur Benutzung Die Wiedergabe von Handschrift im typographischen Satz ist auch bei einer noch so differenzierten Druckgestaltung nicht als Abbildung (,mimesis‘), sondern eher als Resultat einer Übersetzung (,interpretatio‘) von einem polymorphen in ein stereotypes Schreibsystem zu verstehen. Das Schreiben und Lesen von Manuskripten toleriert Spielräume, die auch die Grenzen der genauesten Umschrift im Druck sprengen. Das betrifft sowohl ihre Gesamtkomposition als auch die Materialität schon jedes einzelnen Zeichens. Jede Handschrift besitzt neben generellen auch situative, dem Schreibprozeß unterliegende Merkmale, die in der drucktechnischen Reproduktion fortfallen müssen. Was an einem Manuskript individuell ist, wird im Druck ,typisiert‘. Die Einmaligkeit des handschriftlichen Schreibflusses widersetzt sich jeder Manuskriptdokumentation, die auf normierte Druckbuchstaben angewiesen ist. Zu solchen nicht quantifizierbaren Phänomenen eines Manuskripts gehören, zum Beispiel, die Verteilung des Schriftquantums in der Zeile und auf der Seite, der mal penible, mal fahrige Schriftduktus, die variierende Größe der Buchstaben, die Abhängigkeit der Schriftfigur vom jeweiligen Schreibgerät, von der jeweiligen Aufschreibefläche, die schwankende Tendenz zu kalligraphischer Realisation oder privater Stenographie. Bei den Nachlaßaufzeichnungen Nietzsches kommt hinzu, daß sie in ihrer überlieferten Gestalt keineswegs als Druckvorlage dienen sollten; ihr Schreiber konnte sich als ihr wahrscheinlich einziger Leser verstehen, das heißt er konnte private, für ihn selbstverständliche Weisen des Auf- und Nieder-, Ab-, Um-, Weiter- und Überschreibens realisieren. So sind Zeichen für Flüchtigkeit oder Insistenz, Binnen- und Endverschleifungen, private Abkürzungen und Kürzel, Sonder- und Privatzeichen zwar in Nietzsches Manuskripten, nicht aber im Setzkasten für den Buchdruck vorhanden. Sie erschweren der Transkription, Befund, Deutung und Darstellung in Einklang zu bringen. Die Forderung nach der authentischen Umschrift klingt wie ein unerfüllbarer Imperativ, wenn, auch nach Jahren der Entzifferungspraxis, kein schlüssiges Kriterium dafür gefunden werden kann, ob ein graphematisch keinesfalls korrumpierter Schriftzug nun durch „unseren“, „unsern“ oder „unsren“ wiedergegeben werden soll. Es ließen sich gewichtigere Beispiele zuhauf nennen. Nietzsches Handschrift der späten Jahre gilt als schwer lesbar; sie ist hochgradig individualisiert. Das Varianzspektrum einzelner Grapheme ist beträchtlich, ihre Differenzierbarkeit dagegen oft unzureichend. Polyvalente Einzelzeichen kommen ebenso vor wie nicht unterscheidbare Wortbilder mit offenkundig unterschiedlicher Bedeutung. Ein Wille zur Einheitlichkeit und Konformität ist kaum zu erkennen. Die nicht mundierten Aufzeichnungen sind zum Teil mehrfach, nicht selten unsystematisch und unvollständig überarbeitet. Die Niederschriften können als Material zur Relektüre für ihren Verfasser charakterisiert werden, der sein Schreiben offenbar als einen immer wieder neu nicht abschließbaren Prozeß empfand. Die in der neunten Abteilung der Kritischen Gesamtausgabe transkribierten Manuskripte aus Nietzsches Nachlaß werden auf der jeweils mitgelieferten CD-ROM in digitalisierter Faksimilierung präsentiert. Dadurch ist der Vergleich der Transkription mit den handschriftlichen Aufzeichnungen gewährleistet. Angesichts dieser direkten Anschaulichkeit erübrigen sich weitgehend umfängliche Erklärungen genereller Transkriptions- und Darstellungskriterien. Die Druckseite zeigt das farblich unterlegte Transkriptionsfeld (I) im jeweiligen Format des Manuskripts mit den von Nietzsches Hand stammenden Aufzeichnungen in differenzierter Umschrift. Die zum äußeren Seitenrand hin anschließende Spalte (II) bietet innenbündig Raum erstens für die Zeilenmarkierung, zweitens für die aus dem Transkriptionsfeld ausgegliederten, gleichfalls farblich unterlegten Manuskriptsegmente und drittens für Hinweise zu Anschlüssen bei nicht habituellem Schriftverlauf; außenbündig werden in dieser Spalte Notate und Markierungen fremder Hand verzeichnet. Am Fuß der Seite (III) werden die Druckorte aus KGW, KSA und KGB sowie kritische Anmerkungen zur Transkription lemmatisch mitgeteilt. Manuskriptseiten, die nach Drehung des Heftes beschrieben sind, werden auch im Druck um 90°, 180° oder 270° gewendet; das dreigegliederte Layout ist entsprechend angepaßt. Anders als bei Schriftzeichen läßt sich bei Seiten- und Passagenstreichungen, Randanstreichungen und Markierungen nicht immer entscheiden, ob diese von Nietzsche oder von späteren Bearbeitern herrühren. Für die Dokumentation solcher redaktioneller Spuren im Manuskript wurde folgende Differenzierung vorgenommen: stammen sie mit Sicherheit von Nietzsches Hand, werden sie im Transkriptionsfeld gezeigt; sind sie sicher oder mit großer Wahrscheinlichkeit einer fremden Hand zuzuordnen, werden sie in der Randspalte verzeichnet; bei unsicherer Herkunft werden sie zwar ins Transkriptionsfeld aufgenommen, ihre Zuschreibung in den Fußnoten jedoch in Frage gestellt.
VIII
Editorische Vorbemerkung – Hinweise zur Benutzung
I Die Wiedergabe der Schriftverteilung auf den Manuskriptseiten (Ränder, Einzüge, Zeilenabstände etc.) ist nach Maßgaben des Drucks standardisiert; Aufzeichnungen mit Schriftzeilen, die im Transkriptionsfeld nicht Platz fänden, sind kondensiert, das heißt enger gesetzt. Die Transkription unternimmt es nicht, die in den Aufzeichnungen wechselnde Deutlichkeit der Schrift abzubilden. Abkürzungen werden als solche wiedergegeben, die zahlreichen Ligaturen und Verschleifungen aber aufgelöst. In deutscher Schreibschrift niedergeschriebene Passagen sind im Druck durch Antiquaschrift, in lateinischer Schreibschrift oder Druckschrift geschriebene Passagen sind in serifenloser Schrift gesetzt; wo diese Schriftarten in Nietzsches Handschrift in Abweichungen oder gemischt vorkommen, wird nur der jeweils vorherrschende Duktus berücksichtigt. Die Verwendung verschiedener Schreibmittel wird im Druck durch unterschiedliche Farben dargestellt; es wird zwischen schwarzen, braunen und violetten Tinten sowie zwischen Blei-, Rot- und Blaustiften unterschieden. Bei der Vielzahl verwendeter Tinten und Stifte identifizieren die Druckfarben nicht ein einzelnes Schreibgerät oder -mittel, sondern zeigen deren jeweilige Unterscheidbarkeit an. Eine zusätzliche Druckfarbe (,grün‘) signalisiert einen differenzierbaren Korrekturvorgang mit einer bereits verwendeten Tintenfarbe; diese wird als „Tinte der letzten Korrektur“ bezeichnet. Um darüber hinaus einzelne Schreib- und Korrekturvorgänge zu unterscheiden, benutzt die Transkription verschiedene Schriftgrößen. Erste Niederschriften sind in normaler Größe wiedergegeben; als Einfügungen oder nicht selbständige Hinzufügungen gewertete Aufzeichnungen erscheinen in kleiner Schrift (petit); an diesen vorgenommene Änderungen oder Zusätze werden in einer noch kleineren Schrift gesetzt, falls dieser Vorgang nicht schon durch die Position der Aufzeichnung oder durch das differente Schreibmittel erkennbar ist. Aufzeichnungen, die nicht entziffert werden konnten, werden durch eine Reihe von Kreuzen „xxxxx“ dargestellt. Graphische Elemente im Manuskript (Streichungen, Abtrennungslinien, Anschlußstriche, Einfügungs- und Fortsetzungsschlaufen, Zeichnungen etc.) sind stilisiert; insbesondere gibt die Transkription nur über die Häufigkeit, nicht aber über unterschiedliche Weisen der Tilgung einzelner Wörter oder Zeilen Auskunft; diagonale Passagen- und Seitenstreichungen werden als solche wiedergegeben, andere Formen (Parallel- oder Mehrfachstreichungen, Schraffur- oder Kreuzstreichungen etc.) werden als X-förmige Tilgung gezeigt. Die Vielzahl der Manuskript-,Verschmutzungen‘ (Tintenflecke und -abdrücke, andere mit Sicherheit unabsichtliche ,Verunreinigungen‘, auch von fremder Hand, etc.) läßt eine systematische Dokumentation nicht zu; wo Tintenabdrücke bereits zu Fehlentzifferungen geführt haben, wird dies unter den Berichtigungen im Nachbericht mitgeteilt.
II Zeilenmarkierung: Für eine differenzierte Umschrift, die auch die typographischen Aspekte des Manuskripts berücksichtigt, ist eine regelrechte Zeilenzählung bezüglich vieler Manuskriptseiten oft nicht praktikabel, bisweilen unmöglich. Bei der hier vorgenommenen Zeilenmarkierung, die ausschließlich der Funktion einer bequemeren Referenz dient, sind die indizierten Zeilen mit geraden Zahlen bezeichnet; die dadurch eingeschlossenen Zwischenräume werden durch die entsprechenden, in der Zeilenzahlleiste nicht ausgedruckten ungeraden Zahlen repräsentiert. Ausgegliederte Manuskriptsegmente: Die neben die Zeilenmarkierung plazierten, farblich unterlegten Segmente (etwa W II 8, 39,18), die zum Transkriptionsfeld gehören, enthalten die im Manuskript durch Überschreibung getilgte Schrift (im Beispiel: „um“). Sie korrespondieren mit den auf gleicher Zeilenhöhe im Transkriptionsfeld hervorgehobenen Segmenten, in denen die überschreibende Schrift (im Beispiel: „mir“) wiedergegeben ist. Befinden sich mehrere dieser Segmente auf einer Höhe (etwa W II 8, 93,22), so folgen sie einander entsprechend der Leserichtung. Anschlußpfeile: Auf den unmittelbaren Fortgang des Schreibverlaufs, sofern dieser nicht offensichtlich ist, weisen als Lesehilfe Anschlußpfeile hin. Diese sind entweder optisch verfolgbar in den Seitenfalz gesetzt (etwa W II 8, 115,16 → 116,6 oder W II 9, 42,44 → 43,24) oder außen an die Zeilenleiste mit entsprechender Zeilen- beziehungsweise Seiten- und Zeilenzahl (etwa W II 8, 66,38 → 66,9 beziehungsweise W II 8, 70,40 → 69,2); so bedeutet zum Beispiel Fortsetzung auf Zeile 9 derselben Seite → 9 Fortsetzung von Zeile 38 derselben Seite 38 → Fortsetzung auf Seite 69, Zeile 2 → 69,2 Fortsetzung von Seite 70, Zeile 40. 70,40 → Wenn der Fortgang der Aufzeichnung nicht vom unmittelbaren Zeilenende ausgeht oder nicht zum unmittelbaren Zeilenanfang führt, wird neben dem Lesepfeil der direkte Anschluß aus dem Transkriptionsfeld zitiert (etwa W II 9, 66,20 → 65,2 oder W II 8, 70,1 → 69,6).
Bearbeitungsspuren fremder Hände: Randanstreichungen (etwa W II 9, 90,1–3) und (zumeist vertikal-zentrierte) Passagen- (etwa W II 7, 142,36–40) oder Seitenstreichungen (etwa W I 8, 211,2) werden unter Angabe der in der Transkription betroffenen Zeilen in der Randspalte außenbündig mitgeteilt. Markierungen wie „–“ (etwa N VII 1, 1,1), „ד (etwa W I 8, 123,15), „/“ (etwa W II 4, 116,9) oder „//“ (etwa W II 6, 138,3) und Kommentare oder andere Notizen (etwa W II 9, 22,1 oder W II 8, 3,17) sind transkribiert; den (ungefähren) Ort dieser Aufzeichnungen im Manuskript signalisiert ein ins Transkriptionsfeld gesetzter Platzhalter „x“. Nicht unter die verzeichneten Spuren fremder Hand werden die stereotypen Prozeduren von Paginierung und Foliierung aufgenommen; sie sind in der Beschreibung der Manuskripte dokumentiert.
Editorische Vorbemerkung – Hinweise zur Benutzung
IX
III In den Fußnoten werden die Druckorte für solche Aufzeichnungen angegeben, die als Vorlage für die „Nachgelassenen Fragmente“ in KGW VII 3 und KGW VIII 1–3, für die „Vorstufen“ und „Fassungen“ in KGW VII 4/2 und KSA 14 und für die in die Briefwechselausgabe übernommenen „Briefentwürfe“ in KGB interpretiert werden konnten. Wichtige frühere Druckorte der Aufzeichnungen sowie ihre Eingliederung in die Kompilation „Der Wille zur Macht“ werden in der „Konkordanz der Druckorte“ im Nachbericht mitgeteilt. Ebenfalls in den Fußnoten werden kritische Anmerkungen zur Transkription mitgeteilt, deren Art und Anzahl sich auch subjektiver Entscheidung verdanken. Ist die vor dem Lemma stehende Zeilenzahl unterstrichen (etwa W II 9, 40, Anmerkung zu Zeile 6), so bezieht sich die Mitteilung auf die ausgegliederten Manuskriptsegmente der entsprechenden Zeile. Mit „?“ wird auf unsichere Entzifferungen hingewiesen, mit „¿“ auf Verschreibungen und stark verschliffene oder „atypische“ Schreibweisen (durch Fettdruck hervorgehoben) und mit „Vk“ auf nachträgliche Verdeutlichungskorrekturen im Manuskript (ebenfalls durch Fettdruck hervorgehoben). Schreibfehler werden nur dort nach „>“ von den Herausgebern korrigiert (beziehungsweise nach „>?“ bei einem aus mehreren möglichen Verbesserungen gewählten Vorschlag), wo sie als Lesehilfen nötig erscheinen; ebenso wird bei Auflösungen von Abkürzungen verfahren. Insbesondere die bei Änderungen im Manuskript nicht systematisch durchgeführten grammatikalischen Anpassungen sind in diesen Anmerkungen nicht ergänzt; der Ausdruck „nach Korrektur des Kontextes >“ macht aber (etwa W II 8, 66, Anmerkung zu Zeile 20) auf den Umstand aufmerksam, daß ein im Manuskript nicht verbesserter Schriftzug dank seiner Gestalt schon als die von den Herausgebern mitgeteilte, dem korrigierten Kontext entsprechende Lesart interpretiert werden kann. Um nicht die Kohärenz von Aufzeichnungen zu konstituieren, werden allenfalls thematisch naheliegende, von der Manuskriptgestalt her aber nicht gesicherte oder lediglich vermutete Fortsetzungen (etwa W II 7, 3, Anmerkung zu Zeile 36) nur in den Fußnoten mitgeteilt.
IV Der auf der CD-ROM gegebene Nachbericht enthält die Beschreibung der Manuskripte, Querverweise zu den Abschreibprozessen, einen Stellenkommentar (inklusive eines Literaturverzeichnisses), Berichtigungen, eine Konkordanz der „Fragmente“ und „Briefentwürfe“, eine Konkordanz früherer Druckorte sowie einen Namenindex. Alle diese Mitteilungen entsprechen dem vorläufigen Erkenntnisstand und haben transitorische Gültigkeit. Sie sollen die Arbeit mit der Manuskriptdokumentation schon während des Zeitraums ihres Entstehens erleichtern. Der definitive Nachberichtband wird nach Abschluß der Manuskriptdokumentation publiziert.
V In der Transkription benutzte Schriften und Farben: Schrift (Weidemann) deutsche Schreibschrift Schrift (News Gothic) lateinische Schreibschrift oder Druckschrift Schrift (Bodoni) deutsche Schreibschrift (Diktat Ns) Schrift (Futura) lateinische Schreibschrift oder Druckschrift (Diktat Ns) normal erste Niederschriften petit Einfügungen und Zusätze petit spätere Einfügungen und Zusätze Schrift schwarze Tinte Schrift Bleistift Schrift braune Tinte Schrift Rotstift Schrift violette Tinte Schrift Blaustift Schrift „Tinte der letzten Korrektur“ In den Randspalten und Fußnoten benutzte Schriften: Zitate aus dem Transkriptionsfeld sowie fremde Hand Schrift (Frutiger Light Italic) Mitteilungen der Herausgeber Schrift (Frutiger Light)
Zeichen und Abkürzungen: nicht entziffert ? unsichere Entzifferung ¿ „atypische“ Schreibweise > Korrektur >? Korrekturvorschlag Vk Verdeutlichungskorrektur im Manuskript
xxxxx
X
Editorische Vorbemerkung – Hinweise zur Benutzung
Anm. Anmerkung Be Briefentwurf KGW Kritische Gesamtausgabe, Werke KSA Kritische Studienausgabe, Werke KGB Kritische Gesamtausgabe, Briefe KSB Kritische Studienausgabe, Briefe Ms Manuskript N Nietzsche In KGW gebräuchliche Siglen für Nietzsches Werke und Schriften: GT Die Geburt der Tragödie UB Unzeitgemässe Betrachtungen DS David Strauss der Bekenner und der Schriftsteller HL Vom Nutzen und Nachtheil der Historie für das Leben SE Schopenhauer als Erzieher WB Richard Wagner in Bayreuth GMD Das griechische Musikdrama ST Socrates und die Tragoedie DW Die dionysische Weltanschauung GG Die Geburt des tragischen Gedankens UZ Ursprung und Ziel der Tragoedie SGT Sokrates und die griechische Tragoedie BA Ueber die Zukunft unserer Bildungsanstalten CV Fünf Vorreden zu fünf ungeschriebenen Büchern NJ Ein Neujahrswort an den Herausgeber der Wochenschrift „Im neuen Reich“ PHG Die Philosophie im tragischen Zeitalter der Griechen WL Ueber Wahrheit und Lüge im aussermoralischen Sinne MD Mahnruf an die Deutschen MA Menschliches, Allzumenschliches VM Vermischte Meinungen und Sprüche WS Der Wanderer und sein Schatten M Morgenröthe IM Idyllen aus Messina FW Die fröhliche Wissenschaft FWS „Scherz, List und Rache“ FWP Lieder des Prinzen Vogelfrei Za Also sprach Zarathustra JGB Jenseits von Gut und Böse GM Zur Genealogie der Moral WA Der Fall Wagner GD Götzen-Dämmerung NW Nietzsche contra Wagner EH Ecce homo AC Der Antichrist DD Dionysos-Dithyramben
Arbeitsheft W II 8
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W II 8
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W XIV. schwarze Tinte, mit Bleistift gestrichen W II 8 Bleistift
68 Bl Bleistift 199 Rotstift 71/164 Bleistift
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WXIV Rotstift, mit Bleistift gestrichen
W II 8 Bleistift
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8
u )1
6
4
2
u
11 )
absurde
die solchen Wöchnerinnen = Zuständen
die
Kleine
u. Wehrlosigkeit überhaupt gegen alles
nicht mehr mit einer
Widerstände
im Großen verbraucht,
6: logisch] ? 8: fertig, mit einer] ? 12: Haut=Empfindlichkeit] ? 22: Reizungen] Vk
der kleinsten Defensiv =Instinkte nach sich zieht: gleichsam, all die Kraft,
Lähmung
ungeheure Reizungen u. Entladungen eine Art Ohnmacht
daß mir, daß die die Gewöhnung an Ungeheures u.
man wird eher noch mit dem Schicksal fertig als mit einer Fliege . Es scheint,
die Gewöhnung an ungeheure Widerstände u Lasten rächt sich gleichsam durch Wöchnerinnen =Zuständen eigenthümlich ist absurde Verwundbarkeit
Ein Drittes ist die absurde Haut =Empfindlichkeit gegen kleine Reize Stiche, die solchen
Fliege fertig ..
barkeit: man wird mit dem Schicksal fertig, mit einer
wöhnung an Ungeheures u. Sublimes rächt sich gleichsam logisch durch eine absurde Verwund-
ich möchte deutlicher sagen gegen die Berührung mit zu kleinen Gegenständen: die Ge-
Ein Drittes ist die extreme Haut =Empfindlichkeit gegen kleine Stiche,
an ungeheure Widerstände u Lasten
eigenthümlich sind
$
$
2 W II 8
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Ich habe seit 2
4
gegen mich
suche vergebens in meiner Erinnerung nach einem Zeichen von Takt, von délicatesse, – die „unbewußte Brutalität“ gieng so 6
einigen Naturen
es
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14
12
10
8
weit, daß esAkeinen Widerstand machte, den Verkehr mit mir u zugleich mit einem solchen Hanswurst wie W aufrecht für das
aus meinen Erfahrungen
zu erhalten … Welche feindselige Behutsamkeit gegen meine Bücher! Ich könnteBeine Schule dafür gründen,
die weder rechts noch links, weder N. noch W. auseinanderzuhalten weiß …
schlechten Willen“ sondern nur die vollkommene Instinkt =Verlogenheit der „Germanen“
Und nochmals gesagt, im Hintergrund von dem Allem finde ich nicht den
was ich schleichende Unverschämtheit nenne … In meinem ganzen guten
$
4: Brutalität“] ? 6: W] > Wagner 14: schlechten] > „schlechten 14: Verlogenheit] ? 14: Germanen] ? 16: N.] > Nietzsche
siehe G III Bleistift
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3 W II 8
4
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$
Antichrist p. 232 (VIII Bd.) Bleistift
10 nöthigt die Genese des christl. Gottesbegriffs. –
Zu einem gleichen Schlusse
16
1
Zur
2
Geschichte des Gottesbegriffs. Auch die Entstehung
1
4
1
16 noch
eigenen
1 auf
.
für sich.
Ein Volk, das noch an sich selbst glaubt, hat auchAseinenAGott. nochA. In
6
seine Tugenden
ihm verehrt es die Bedingungen, durch die es obenauf ist,A– es pro=
8
jicirt seine Lust an sich, sein Machtgefühl in ein Wesen, dem man
10
dafür danken kann.AReligion, innerhalb solcher Voraussetzungen, ist
12
u
ein zu … Wer reich ist, will abgeben: die stolzen Völker braucht einen Gott, um opfern zu können …
m
: Man ist für sich selber dankbar: dazu braucht man einen Gott. –
Folge
eine Form{der Dankbarkeit.AEin solcher Gott muß nützen und schaden
14
können, muß Freund und Feind sein können:ADie widernatürliche
16
wie im : man bewundert ihn im Guten u Schlimmen. bloß
en …
d
läge hier
Castration eines Gottes zu einem GottAdes Guten kommt diesen
18
außerhalb aller Wünschbarkeit. Man hat den bösen Gott so gut nöthig als den guten; man verläge
starken Realisten nicht in den Sinn. Was liegt an einem Vol-
20
ke, das nicht furchtbar sein kann? Was liegt an einem Gotte,
22
ja die eigene der dankt seine Existenz nicht seiner Toleranz … gerade der Toleranz, der Menschenfreundlichkeit!…
läge Hohn, List, kennt, dem selbst nicht einmal der nicht Zorn, Rache, Neid,AGewaltthat und vielleichtAnicht ein= wären fremd sind? Man würde einen berauschenden entzückenden mal dieAgefährlichenAardeurs der Zerstörung?kennt? – Wenn Freilich: wenn solchen Gott nicht verstehen: wozu sollte man ihn haben? –
…
Furcht einflößte?
ein Volk zu Grunde geht; wenn es den Glauben an seine seine Hoffnung auf
24
26
28
endgültig
Zukunft, anAFreiheit und ÜberMachtAschwinden fühlt; wenn ihm
30
die Unterwerfung als erste Nützlichkeit, die Tugenden der Unter-
32
worfenen als Erhaltungsbedingungen ins Bewußtsein treten: dann
34
muß sich
verändern.
m
jetzt
freilich ändert sich auch sein Gott.AEr wirdADuckmäuser, furchtsam,
36
bescheiden, räth zum „Frieden der Seele“, zum Nicht - mehr - hassen,
38
Er moralisirt beständig
zur Nachsicht, zur „Liebe“ selbst gegen Freund und Feind. ErA, kriecht
2-40: KGW VIII 17[4] 321,1-23
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11: stolzen Völk] nach unvollständiger Korrektur > stolzes Volk
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Antichr. p. 233 Bleistift
jeder
2
In der That, es EsAgiebt keine andere Alternative für Götter: entweder sind sie der Wille zur Macht Privatmann u so lange werden sie Volksgötter sein für Jedermann, wird
in die Höhle der Privattugend, zurück, wird der Gott der „kleinen
wird Kosmopolit … Ehemals stellte er mehr ein Volk, die Stärke eines Volkes, seine alles Aggressive u. Machtdurstige 4
ein 6 8 10
.
12
Leute, – er stellt nichtAmehr die aggressive und machtdurstige
Ehemals war er dessen auch … so lange aus der Seele eines Volkes dar … Gott ist entweder der Wille zur Macht – u dann ist er auch Seele eines Volkes, seinen Willen zur Macht dar … Jetzt ist der „gute Gott“.. bloß noch Volksgott: oder die Ohnmacht zur Macht: u dann wird er Privatmann. – Kosmopolit. – Und so allein bleibt Denn das ist seine bedeutet ist Gott sind sie Dies nämlich ist die Alternative eines Gottes: entweder ist er der Wille zur Macht – u so lange wird werden sie gut und daheim daheim er Volksgott sein – oder aber die Ohnmacht 2. zur Macht: – u dann wird er nothwendig Kosmopoliten – in irgend welcher Form Der christl. Gott ist Kosmopolit. – in aller W Der Cosmopolitism gehört zu den guten Göttern
)
Wo dieser Wille, der Wille zur Macht, niedergeht, giebt es
14
auch einen physiolog. Rückgang, eine
16
jedes MalAdécadence. Die Gottheit der décadence, beschnitten
18
an ihren männlichstenAGliedern und Tugenden, wird nunmehr
Tugenden u. Trieben
nothwendig zum
selbst der physiolog. Zurückgegangenen, der Guten. der Schwachen. Sie heißen sichA„die Guten“…
20
zu einem GottAdes Guten. Ihr Cultus heißt „Tugend“; ihre
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Anhänger sind die „Guten und Gerechten“. – Man versteht,{in
ohne daß ein Wink noch
noth thäte, in
24
m
der Geschichte
Fiktion
Awelchen Augenblicken{erst der dualistische Gegensatz eines guten u eines bösen Gottes möglich wird. Denn
28
mit dem die Unterworfenen ihren Gott zum „Guten an sich“ her-
30
unterbringen, streichen sie aus dem Gotte ihrer Überwinder die
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guten Eigenschaften aus. Sie nehmen Rache an ihren Herren, dadurch daß
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indem sie deren Gott verteufeln. –
Mit
nämlich
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demselben Instinkte{,
Gott u Teufel: Beide nunmehr BeideAConceptionen sindAgleich absurd. –
Der gute Gott, ebenso wie der Teufel: Beide sind Ausgeburten der décadence. – so viel geben die Einfalt der christl. Theologen nachmachen A
12 11 17
36
38
daß man
40
heute 3. noch wie es selbst Renan thut, sich so einfältig stellen und
Wie kann man, mit der Einfalt des geistreichen Renan,
Amit ihm dekretirt,
en
12
Gottes
=Idee
vom Volksgotte bis
Adie Fortentwicklung des GottesAbegriffs vom Gott Israels{Azum christl. Gotte, dem Inbegriff alles Guten sei ein
42
Inbegriffs=Gott alles GutenAeinen Fortschritt? nennenB! Als ob –
Aber selbst Renan thut es! ..
2-42: KGW VIII 17[4] 321,23-322,10
W II 8a 1-41.indd 8
1: zu Zeile 6-13 1: Alternative] ¿ 3: in Ms nicht übereinander 3: Machtdurstige] ¿ 4: Leute] > Leute“ 6: ist] > ist er
)
6: der] Vk 11: daheim] > „daheim 37: selbst] ¿ 39: ihm] nach Korrektur des Kontextes > ihnen 41: in Ms nicht übereinander
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Antichr. p. 234. Bleistift
springt doch in die Augen. greift sich
Renan ein Recht auf Einfalt hätte!.. Das Gegentheil liegt ja mit
2
des aufsteigenden Lebens
auf der Händen. Wenn die Voraussetzungen eines starken aufblüh= enden
wenn alles Starke, Tapfere, Herrische, Stolze Lebens,Aaus dem Gottesbegriffe eliminirt
wirden, wenn
4
a .
6
e
eines Rettungsankers
er Schritt für Schritt zum Symbol der Hülfe für alles Müde, Er-
8
par excellence Arme = Leute - Gott
wird Ertrinkende wird heruntersinkt
schöpfte, bloß noch Vegetirende wird, wenn erASünder= Gott, Kran=
10
ken =Gott, Heiland, Erlöser par excellence wird: wovon zeugt
12
das Alles? – Freilich, seindasReichAistAgrößer geworden. (– müßte er
14
) elt“… par exc wird
u. das Prädikat „Heiland“ „Erlöser“ gleichsam übrig bleibt als göttl. Prädikat wird
redet eine solche Verwandlung? eine solche Reduktion des Göttlichen? das Gottes damit auch
selbst damit schon größer geworden sein?..) Ehedem hatte er „auserwähltes Volk“
das an sich glaubt
nur sein Volk, seine „Auserwählten“: jedes Volk hält sich auf hält sich für das auserwählte Volk.
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gieng er, wie sein Volk selber, in die Fremde
seiner Höhe für „auserwählt“. InzwischenAgieng erA, auf die Waner
16
seitdem
20
überall heimisch
derschaft, u saßAnirgendswo mehr still,: – bis er endlich zum Coswurde, der große Cosmopolit, – bis er
22
u die halbe Erde
mopoliten wurde und die „große Zahl“Aauf seine Seite bekam.
24
Aber der Gott der „großen Zahl“{bleibt nichtsdestoweniger ein Win=
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kelgott,Ader Gott aller kranken Ecken, aller ungesunden Quar-
28
Er blieb Jude, der große Demokrat unter allen Göttern, wurde trotzalledem kein stolzer Heidengott:
dunklen Ecken u. Stellen er blieb der Gott der Winkel schlimmen wunden Stellen u Seelen, Ecken u.
bloß nach wie vor
tiere der ganzen Welt .. Sein Weltreich istAein Unterwelt= ein Hospital,
=Reich … ein Ghetto - Reich …
30
w blieb
Reich, ein Souterrain verborgnen Elends … Und er selbst ist so
blieb nach wie vor wurde dabei , so blaß, so décadent
schwach, so krank!.. Beweis:ASelbst die Schwächsten der Schwachen, die Metaphysiker und ScholastikerAwurden über ihn noch Herr! – a
34
s
36
e ,
38
s
Begriffs =NarrenAlbinos. waren noch stärker als er:
die Herren Diese
32
Blassesten der Blassen wurden noch Herr über ihn, –
Beweis:
bis er, hypnotisirt durch ihre Bewe selbst Spinne, selbst Metagungen zu ihrem so lange zur
Sie{spinnenAum physikus
ihn herum, in ihn hinein, bis er ihr Abbild, eine spann
wieder
– sub specie Spinozae –
Spinne wirde. Nunmehr spinnt erAdie Welt aus sich heraus,{nun=
40
transfigurirte er sich ins immer Dünnere u. Blässere, ward I Ideal, ward evaporirte er wurde u mehr wird er zum ewigen Metaphysikus, nunmehr wirde er
42
) .
von Anbeginn
„Geist,“
zum Ideal, zum Geist
transfigurirte er sich ins immer Dünnere, ward zum Ideal
2-42: KGW VIII 17[4] 322,11-32
W II 8a 1-41.indd 9
6: Einfügungszeichen verlängert 9: heruntersinkt] ¿ 11: in Ms nicht übereinander 13: in Ms nicht übereinander 30: Einfügungszeichen verlängert 33: Blassen] Vk
36: Einfügungszeichen verlängert 40: wirde] nach unvollständiger Korrektur > wurde
15.05.15
W II 8
7
$
VIII 235. Bleistift
zum
zur zum „reine Vernunft“,A„Ding an sich“… Verfall eines Gottes: Gott ward Ding an sich!!.
2
„purer Geist“… Der christliche Gottesbegriff – Gott als Krankengott,
4
Gott als Spinne, Gott als Geist – ist der niedrigste Gottesbegriff,
6
der auf Erden erreicht wurde: er stelltAden Höhepunkt{der
8
décadence in der absteigenden Entwicklung des GötterAidee dar.
)
einer der corruptesten
die
r o s vo
worden sind
vielleicht selbst Pegel
Typus
10
Gott zum Widerspruch des Lebens abgeartet, statt dessen Verklä=
i
12
rung und ewiges Ja zu bedeuten!; In Gott dem Leben, der Na=
;
14
tur, dem Willen zum Leben die Feindschaft angesagt! Gott die
16
Formel für jede Verleumdung desALebens, für jede Lüge vom
18
„Jenseits“! In Gott das Nichts vergöttlicht, der Wille zum Nichts
20
heilig gesprochen!… So weit haben wirs gebracht!…
zu sein!
Diesseits
;i
22
24
3
W II 8a 1-41.indd 10
stische Religion – um ihres Gottes willen …
4.
26
28
2-40: KGW VIII 17[4] 322,32-323,22
Weiß man es noch nicht? das Christenthum ist eine nihili=
12. 18
Daß die jungen starken Rassen des nördlichen Europa den christlichen
30
Gott nicht von sich gestoßen haben, macht ihrer religiösen Begabung wahr-
32
lich keine Ehre, um nicht vom Geschmacke zu reden. Mit einer solchen
34
krankhaften u altersschwachen Ausgeburt der décadence hätten sie fertig
36
werden müssen. Aber es liegt ein Fluch auf ihnen dafür, daß sie
38
nicht mit ihm fertig geworden sind: – sie haben die Krankheit, den
40
Widerspruch, das Alter in alle ihre Instinkte aufgenommen, – sie haben
5: selbst] ¿ 28: des] ¿
15.05.15
8
W II 8
$
VIII 236. Bleistift
) ..
seitdem keinen Gott mehr geschaffen! Zwei Jahrtausende beinahe:
2
und nicht ein einziger neuer Gott! Sondern immer noch und wie
4
zu Recht bestehend, wie ein ultimatum und maximum der
6
gottbildenden Kraft, des creator spiritus im Menschen, dieser er=
8
barmungswürdige Gott des europäischen Monotono = theismus! dies
10
Widerspruch
hybride Verfallsgebilde aus Null, Begriff undAGroßpapa, in dem alle Feigheiten u Müdigkeiten des Geistes Seele Décadence = Instinkte,Aihre Sanktion erlangt haben!…
alle 15 14 14 Typus des Erlösers Chr. u. Buddhism 16 17
12
!
14
14 Weder die Moral
3
berührt $
5.
15 Buddhis.
– Und wie viele neue Götter sind noch möglich!… Mir selber,
16
Vergl. W. XII, Seite 188. rote Tinte
18
zur Unzeit
in dem der religiöse, das heißt gottbildende Instinkt mitunterAwieder
20
wird:
lebendig werden will: wie anders, wie verschieden hat sich mir
22
jedes Mal das Göttliche offenbart!.. So vieles Seltsame gieng
24
schon an mir vorüber, in jenen zeitlosen Augenblicken, die in’ s
26
Leben hinein wie aus dem Monde fallen, wo man schlechterdings
28
nicht mehr weiß, wie alt man schon ist und wie jung man noch
30
sein wird … Ich würde nicht zweifeln, daß es viele Arten Götter
32
giebt .. Es fehlt nicht an solchen, aus denen man selbst einen ge=
34
nicht
wissen Halkyonismus und Leichtsinn hinwegdenken darf … Die leich=
36
selbst
ten Füße gehören vielleicht sogar zum Begriffe „Gott“.. Ist
38
mit Vorliebe
es nöthig, auszuführen, daß ein Gott sich jeder Zeit jenseits alles
2-40: KGW VIII 17[4] 323,22-324,11
W II 8a 1-41.indd 11
40
4: Gott] Vk 15: Buddhism] ¿ 21: wird] Vk 26: Augenblicken] ¿
15.05.15
W II 8
9
u Vernunftgemäßen
2
Vernünftigen u BiedermännischenAzu halten weiß? jenseits
4
auch, anbei gesagt, von Gut u Böse? „Er hat die Aussicht
6
frei“ – mit Goethe zu reden. – Und um für diesen Fall die
8
nicht genug zu schätzende Autorität Zarathustras anzurufen: Za=
unter uns
10
rathustra geht so weit, von sich zu bezeugen „ich würde nur
12
an einen Gott glauben, der zu tanzen verstünde“..
14
Nochmals gesagt: wie viele neue Götter sind noch mög= : der glaubt weder an alte noch neue
16
lich! – Zarathustra selbst freilich ist bloß ein alter Atheist.
18
Man verstehe ihn recht!Z. Zarathustra sagt zwar, er würde –,
20
aber Zarathustra wird nicht …
)
Er
– er wird nicht …
*
Zarathustra wird nicht ..
* *
KGW VIII 17[4] 324,11-21
W II 8a 1-41.indd 12
2: Biedermännischen] Vk
15.05.15
10
W II 8
$
Vergl. W XII, 124. Bleistift
2
Wir Hyberboreer.
2
1.
4
wir Hyperboreer
Wenn anders wir Philosophen sind, es scheint jedenfalls,
6
durch
Wir sind durchaus keine Moralisten …
daß wir es anders sind als man ehemals Philosoph war. Wir trauen
unsern Ohren nicht, wenn wir sie reden hören, alle diese Ehe= )
Götter.
maligen. „Hier ist der Weg zum Glücke“ – damit springt ein
Jeder von ihnen auf uns los, mit einem Recept in der Hand und
8
10
12
14
machen wir mit dem
einem viereckigen offnen Maule. „Aber was geht uns das Glück?
16
was kümmert uns das Glück? –
an?“ fragen wir ganz erstaunt. „Hier ist der Weg zum Glück – heiligen
fahren sie fort, diese zudringlichen Schreiteufel: undAdie Tugend neue
18
dies da ist
20
wir
ist, derAWeg zum Glück!“ – Aber ich bitte Sie, meine Herrn! Was
22
machen wir mit kümmert uns gar Ihre geht uns gar derATugend?! Wozu
24
Unsereins
geht man denn abseits,
wird Philosoph, wird Rhinozeros, wird Höhlenbär, wird Gespenst?
26
Ist es nicht, um die Tugend und das Glück los zu sein?…
28
Wir sind von Natur viel zu glücklich, viel zu tugendhaft, meine
30
Moralprediger
32
fänden, Philosophen zu werden: das heißt Immoralisten u
34
Abenteurer … Wir haben für das Labyrinth eine eigne Neu-
36
gierde, wir möchten hinein, wir bemühen uns darum, die Be=
38
W II 8a 1-41.indd 13
an
Versuchung
HerrnAMarktschreier, als daß wir nicht eineAWollust darin
2-14: KGW VIII 23[3] 411,25-32
ie
5: Hyperboreer] ¿ 26: Philosoph] Vk
15.05.15
W II 8
11 Was kümmert uns Ihr Strick, der wieder hinaus führt – wir bitten Sie inständigst, sich daran aufzuhängen
kanntschaft des Herrn Minotaurus zu machen: was liegt uns
4
an Ihrem ZwirnsfadenA, der hinaus führt – zu „Glück“ u
Strick
von Weisheit
zu Ihnen meine Herren Moralisten damit uns
6
…
kümmert uns
2
Und nicht nur uns!
uns
8
es
„Tugend“?.. Sie wollenAretten – u wir, so scheint, wir wollenAverderben …
nur!…
Sie auch noch!.. Warten Sie ein wenig!
würden lieber sehen, daß sie sich daran aufhängten
2.
10
Zuletzt: wir wissen kein anderes Mittel mehr,
12
?
– Und giebt es ein anderes Mittel, die Philosophie wieder u vor den alten Weibern zu retten
14
16
zu erlösen?..
als indem wir sie losmachen von
zu Ehren zu bringenA? Wir Hyperboreer, wir machen aus eine Gefahr, wir verändern ihren Begriff, wir Lehrer lehren Philos. wie könnten wir ihr besser ihr einen lebensgefährlichen Begriff: was könnten wir
)
als einen
12,13 ) 18
unsterbli Idiosynkrasien sie von ihren alten kuriren mit ihrem Glück u Tugend erobert sie die alten Weiber u. macht sie zum alten Weibe wird sein
Besseres thun? – besser zu Hülfe kommen?…
20
Ein Begriff war der Menschheit immer so viel werth, als er
22
ihr Opfer gekostet hat, – Menschenopfer. Wenn Niemand Be=
24
denken trägt, für den Begriff „Vaterland“ „Fürst“ „Freiheit“
26
Hekatomben zu opfern, womit kann sich der höhere Werth des
28
Begriffs Philosophie, ihr Vorrang vor solchen Popular = Werthen,
30
wie „Vaterland“, „Fürst“, „Freiheit“ beweisen, wenn nicht dadurch,
32
daß sie mehr opfert{, – größere Hekatomben? – Wir kennen
34
die Menschheit genug, sie glaubt an Nichts, woran sie nicht fast
36
verblutet ist. Blut beweist; Blut ist ihr „Beweis der Kraft“.
Gott
Vorrang
kostet
bisher war die
38
nicht kostspielig
– Moral:Adie Philosophie war bisher nicht gefährlich{ge Es sind zu Wenige an ihr zu Grunde gegangen …
40
nug.ADaher ihre décadence. – Verfall. –
5: in Ms nicht übereinander 9: daran] Vk 14: Einfügungszeichen verlängert 15: in Ms nicht übereinander 15: verändern] Vk 16: Einfügungszeichen verlängert
W II 8a 1-41.indd 14
17: unsterbli] ?
15.05.15
12
W II 8
Weibern u von den alten zu erlösen wieder
was hilft es! Es giebt kein anderes Mittel, mehr
1 Hülfe
Zuletzt: wir man wissen schlechterdings kein Mittel mehr, die Philos.
zu Ehren zu bringen, als indem wir ihren alten Idiosynkrasien ein Ihren Idiosynkrasien – das will sagen
4
die Philosophie das Recept
Ende machen – ein Ende mit Schrecken! So lange sie von
6
überredete zu reden nöthig hat ge hat gehörte hatte, verführte sie nur
von
„Glück“ u „Tugend“ redete,{gehörte sieAden alten Weibern: man großen Weisen ihre Verführten darauf an, alle diese Philosophen an war
8
war war
sehe sich die Philosophen darauf – wie viel an ihnen istA„altes
10
Weib“! Wir Hyperboreer, wir machen aus ihr eine Gefahr, wir
12
3
)
2
kommen: man muß sie von ihren Idiosynkrasien kuriren! mit
den
Phil. als
den ) 11,17
verändern ihren Begriff, wir lehren einen lebensgefährlichen Begriff. Phi-
14
losophie: wie könnten wir ihr besser zu Hülfe kommen?…
16
2. So lange sie von Glück u Tugend“ redete, überredete sie nur die alten Weiber … Sehen Sie doch den großen diesen „Weisen“ insgesammt ins Gesicht …
Zuletzt: was hilft es! Es giebt kein anderes Mittel, die Phizuerst ihre
18
ern
von den alten Weiblein
losophie zu Ehren zu bringen: man muß sie zuerst von ihren drei Verehrer in die Flucht schlagen
Idiosynkrasien erlösen …
Man
20
nämlich so erst
erlöst sie nicht eher von den
alten Weibern! Denn man erwäge doch: So lange die Philos. mit
verwechselt wurde
22
m
24
s
immer nur zuerst
von Glück u Tugend redete, überredete sieAnur die alten
26
Weiber: Man sehe sich Alle diese grauen Weisen u. Biedermänner
28
eingerechnet die männlichen Jungfern u die die weibl. Junggesellen heimlichsten Instinkte … – sie wendete sich damit an die geschwätzigen Ciceroni u Lebensretter, die sich unter ihrem Namen bisher zu Ehren brachten
waren
die ihr Gefolge durch die Jahrhunderte machen – sind das „Männer“?..
30
Mütter schon eher, in jenem lebensgefährlichen Sinne, in welchem Faust
32
das Wort „Mütter“ braucht …
34
Meister
sie schmeichelten den heimlichsten Instinkten … Alle diese großen von weisen Sätzen u.
36
an ihnen war immer
Weisen: wie viel „altes Weib“! war immer
38
unaufhaltsamer Rede
13: als] ¿ 17: Glück] > „Glück 26: redete] ¿ 26: Einfügungszeichen verlängert 27: die die] > die 27: Lebensretter] ?
W II 8a 1-41.indd 15
37: Sätzen] ¿
15.05.15
W II 8
13
$
VIII 146 Bleistift
Gegen meinen Begriff Jenseits v Gut u Böse hat sich, wie Ob wir moralischer geworden 3sind. –
)
zart, sehr verletzlich,
Wir modernen Menschen, sehr vielAdelikater u. hundert Rücksichten
2
in der That diese zärtliche
4
e
diese Fülle von erreichter Hülfs Einmüthigkeit gegenseitigem von
ein 6
:
8
10
en
von Solidarität mit Einem Wort
Schonung, Hülfsbereitschaft,AVertrauen, „Solidarität“ mit Einem Worte sei
in der
in
im
zb. weit über
ein positiver „Fortschritt“ – damit seien wir zb. den Menschen der der Renaissance
so denkt jede Zeit, so muß sie denken. so muß sie denken hinaus. Aber das ist ein Irrthum, eine op bloß optische Täuschung.
überlegen. Gewiß, daß wir uns nicht hineinstellen
nicht hineinstellen dürften, nicht einmal unsere Imagination hielte jene Wirklichkeit nicht
12
em
die wir darstellen
nehmend u gebend, bilden unsAein, die große Summe von Menschlichkeit,A
14
16
18
dürften in Renaissance = Zustände{; selbst unsere Imagination hielte diese
hineindenken: unsere Nerven hielten jene Wirklichkeit nicht aus, gar nicht aus: Nicht zu reden von unseren Muskeln … Bilder nicht aus. Mit diesem „Unvermögen“ ist aber kein Fortschritt zu reden von unseren Muskeln … eine schwächere zärtlichere bloß andere eine spätere Folge
bewiesen, sondernAeineAzärtlichere Beschaffenheit, die als Maaß daraus
verletzlichere, aus der sich nothwendig aus der sich verletzlichere, unsere physiol. Alterung
20
bedingt. erzeugt.
eine rücksichtenreiche Moral geschaffen hat. Denken wir unsere Zartverlöre
Moral der unsere extreme „Vermenschlichung“
heit u Spätheit{weg, so hätte auch diese menschlich-allzumenschliche ihren
– an sich hat keine Moral werth – selbst
22
Moral keinen Werth mehr: sie würde uns Geringschätzung machen. – Zwei-
24
feln wir{nichtA, daß die „Modernen“Aeine gute KomödieBfür die Zeit-
andererseits daran wir
eine Komödie zum Todtlachen abgeben würden … In summa: die
für Zeit= 26
zum Todtlachen
{genossen Cesare Borgia’ s abgäben … Die Abnahme der feindseligen
u mißtrauenweckenden 28
gerade mit unserer Samthandschuh-Moral Menschlichkeit bei einem
dick wattirten
eine der Folgen in der
AInstinkte stellt nurAdie allgemeine Abnahme der Vitalität dar:
30
es kostet hundert Mal mehr Mühe, ein so bedingtes u. spätes Dasein
32
durchzusetzen – da hilft man sich gegenseitig, da ist jeder Kranker
34
u. jeder Krankenwärter. Das heißt dann „Tugend“ – in der
36
Renaissance, wo man das Leben voller, leidenschaftlicher fühlte,
38
hätte man es anders genannt … „Feigheit, Schlaffheit, Weichlich-
40
keit, Erbärmlichkeit, Altweiber =Moral“ –
42
In summa: die Milderung der Sitten ist eine Folge des Niedergangs;
unter Menschen
die das Leben noch anders kannten, voller, glühender, überwallender vielleicht
5: in Ms nicht übereinander 10: Gewiß] > Gewiß ist 13: in Ms nicht übereinander 15: in Ms nicht übereinander 18: rücksichtenreiche] Vk 21: in Ms nicht übereinander
W II 8a 1-41.indd 16
25: in Ms nicht übereinander 42: Niedergangs] ¿
15.05.15
14
)
W II 8
wie zu erwarten auch ins Zeug geworfen gegen alle Begriffe bisher nur die Ferocität der Dummheit bahngebrochen man hat aus mir einen Bewunderer C. B. gemacht u. mir den Hintergedanken kann eine
von
an
sein
die Härte u Schrecklichkeit der Sitte die Folge eines Überschusses von Leben, so daß
ge
2
viel herausgefordert, viel vergeudet werden kann. was
welches vielAwagt, viel trägt, viel hinnimmt, das uns sofort zu
4
wäre für uns
Grunde richtete … Was Würze ehedem des Lebens war, ist für
6
– auch das ist eine Form der Stärke – gleichfalls zu alt
uns Gift … Indifferent zu sein – dazu sind wir nicht mehr stark zu spät
8
einer physiologischen Reizbarkeit, die allein uns als alt
genug; unsere Moral ist ein Ausdruck unserer extremen}ImpressionaMitleids -Moral
bilität … im Großen u Kleinen …
die Alles, was alt wird,
10
gefährlichen Reizbarkeit u kennzeichnet ..
kennzeichnet
12
Die Zeiten sind zu messen nach den positiven Kräften – u dann
14
ergiebt sich jene so verschwenderische u. verhängnißreiche Zeit als eine
16
große Zeit – u wir, mit unserer ängstlichen Selbstfürsorge u.
18
„Weisheit“, mit unserer Tugend der Arbeit, der Anspruchslosigkeit,
20
– sammelnd, ökonomisch, machinal –
bloß
der Wissenschaftlichkeit, des gegenseitigen Vertrauens u. Helfens als
22
schwache Zeit … Unsere Tugenden sind bedingt, sind herausgefordert durch
24
unsere Schwäche …
26
impressionisme morale
Die „Gleichheit“ – eine gewisse thatsächliche Anähnlichung, ge= hört zum Niedergang: die
zwischen M u M. der Typen Klüfte, die Vielheit, die stark
28
30
u
der Muth, sich abzuzeichnen
abgezeichnete Individualität,Agehört zur starken Zeit. eines Volkes.
32
wird
Die Spannkraft, die Spannweite zwischen den Extremen ist immer
34
zuletzt jetzt
kleiner geworden – die Extreme verwischen sichAzu Ähnlichkeiten … ihre Werthung
im
ihre
Aus der Optik der Zeit heraus ist dies allein die Rechte,Aunsere u einzige
gar
36
38
as
werden
Moral die höchsteA… Anders kann man nicht empfinden{: denn
40
die Moral drückt nur aus, was ein Volk als höchste Erhaltungsbe-
42
unter bestimmten Verhältnissen oberste Necessität
empfinden wird.
– die Bedingung der Erhaltung …
dingung fühlt: das ändert sich je nach seinem Alter –
3: in Ms nicht übereinander 10: Moral] Vk 22: Wissenschaftlichkeit] ¿ 31: sich] ¿ 36: Einfügungszeichen verlängert 40: kann] Vk
W II 8a 1-41.indd 17
44
40: empfinden] nach Korrektur des Kontextes > empfunden 41: in Ms nicht übereinander
15.05.15
W II 8
15 einer anglaise Randbemerkung zur englischen niaiserie. der Moral. – 4 2
„Was du nicht willst, daß dir die Leute thun, das thue ihnen auch nicht“.
4
Das gilt als Weisheit; das gilt als Klugheit; das gilt als Grund
6
der Moral – als „güldener Spruch.“ Aber der Spruch hält nicht den
8
leichtesten Angriff aus. Der Calcul „thue nichts, was dir selber nicht an-
John Stuart Mill u. wer nicht unter Engländern glaubt daran …
10
gethan werden soll“ verbietet Handlungen um ihrer schädlichen Folgen willen:
12
der Hintergedanke ist, daß eine Hdl.Aimmer vergolten wird. Wie nun,
14
wenn Jemand, mit dem „principe“ in der Hand, sagte „gerade solche Hand-
16
lungen muß man thun, damit Andere uns nicht zuvorkommen – damit
18
wir Andere außer Stand setzen, sie uns anzuthun?“ – Andererseits:
20
denken wir uns einen Corsen, dem seine Ehre die vendetta gebietet. Auch
22
er wünscht keine Flintenkugel in den Leib: aber die Aussicht auf eine
24
solche, die Wahrscheinlichkeit einer Kugel hält ihn nicht ab, seiner Ehre
26
zu genügen … Und sind wir nicht in allen anständigen Hdl. eben
28
absichtlich gleichgültig, gegen das, was daraus für uns kommt? Eine Hdl. zu
30
vermeiden, die schädliche Folgen für uns hätte – das wäre ein Verbot
32
für die Moral überhaupt …
immer
anständige Hdl.
34
KGW VIII 22[1] 391,1-392,5
W II 8a 1-41.indd 18
Dagegen ist der Spruch werthvoll, weil er einen Typus Mensch verräth:
36
es ist der Instinkt der Heerde, der sich mit ihm formulirt – man
38
ist gleich, man nimmt sich gleich: „wie ich dir, so du mir“ – Hier
40
wird wirklich an eine Äquivalenz der Hdl. geglaubt, die, in
42
allen realen Verhältnissen, einfach nicht vorkommt. Es kann nicht
1: zur] ¿ 2: willst] ¿ 10: verbietet] ¿ 16: muß] Vk 20: Corsen] Vk 28: kommt] Vk
34: verräth] Vk 38: dir, so] Vk 38: Hier] Vk
15.05.15
16
W II 8
u xxxxxxxxxxxx
jede Hdl. zurückgegeben werden: zwischen wirklichen „Individuen“ giebt
2
es keine gleiche Hdl, folglich auch keine „Vergeltung“… Wenn ich etwas
4
dergleichen
thue, so liegt mir der Gedanke vollkommen fern, daß überhaupt diese
6
es
Hdl. irgend einem Menschen möglich sei: sie gehört mir … Man kann
8
mir
mir gar Nichts zurückzahlen, man würde immer eine „andere“ Hdl.
10
gegen mich begehen –
12
zum Beispiel meine Götzendämmerung“ mit dem Hammer schreibe –
14
John Stuart Mill u wer nicht unter Engländern glaubt daran …
*
n
16
die daß es mir um eine Abschaffung
36 )
aller anständigen Gefühle zu Engländer =
Die Heerden-Moral oder die englische Moral. –
thun sei … Ich erlaube
18
mir, als Antwort, die Frage aufzuwerfen ob wir wirklich moralischer geworden
$
sind
Gegen meinen Begriff von Jenseits v G u Böse, hat sich wie zu erwarten
Götzendämerung p. 145. Bleistift 20
deutschen
mit selten xxxxxxx die ganze Ferocität derADumm heit ins Zeug geworfen
22
en
in Sonderh vor Allem
– ich hätte eine artige Geschichte davon zu erzählen. Man gab mirAdie Überlegen
24
heit unserer Zeit in moral. Dingen zu überdenken: ein Cesare Borgia sei durchaus
26
höherer Mensch oder eine Art Übermensch
nicht werth, von mir als MusterAaufgestellt zu werden … der moralischen Verdummung wie zu erwarten stand, die ganze Ferocität der deutschen Dummheit – u nicht ohne Achtung für den von mir bezeugten Muth – – u abseits aller bösen
ins Zeug geworfen – ich hätte artige
nicht nicht ohne Achtung für mein en M Geschichten davon zu erzählen. Ein Schweizer R. vom Bund gieng so weit, mein Buch dahin zu „verstehen“. –
2-12,16: KGW VIII 22[1] 392,5-11, 391,4-5
W II 8a 1-41.indd 19
2: zwischen] Vk 8: Hdl.] ¿ 8: möglich] Vk 8: gehört] Vk 10: immer eine] Vk 10: Hdl.] ¿
28
30
32
34
S
36
) 17
14: zu Zeile 6 14: Götzendämmerung] > „Götzendämmerung 18: englische] ¿ 32: geworfen] Vk 33: nicht nicht] > nicht 34: R.] > Redakteur
15.05.15
W II 8
17
xxxxxxxxxxxx –
2
4
ausschließlich zum
6
Geschenk machen
4-6: zum Geschenk machen] ?
W II 8a 1-41.indd 20
15.05.15
18
Nach dieser Aufklärung
2
Aber – für die Sinne ein schweres, dh. vorwiegendes
4
6
schwerwiegendes Buch: Vorsichtig Wort um Wort umwenden wie ein die nicht geschriebenen Gedanken so deutlich ablesen
8
v
10
ablesen
wie die geschriebenen
12
Nochmals „Jenseits v Gut u Böse“. – Um diesem Werk
14
beizukommen, muß man es lesen, wie ehemals die guten Philologen
16
es machten – seine verborgenen Zeilen ins Ohr, Auge u Gehör
18
hinein bis verborgene
20
Auch verspreche ich denen, welche überhaupt ein Recht darauf, ein Buch
22
von mir in die Hand nehmen zu dürfen, eine nicht unbedenkliche Lust:
24
– sie halten hinterdrein keine andere Litteratur mehr aus, Alles
26
ist zu flach
28
4: Aber] ? 6: vorwiegendes] ? 8: schwerwiegendes] ¿ 8: umwenden] Vk 14: Nochmals „Jenseits] ¿ 22: darauf] >? darauf haben
W II 8a 1-41.indd 21
W II 8
24: Lust] ? 26: Litteratur] ¿
15.05.15
W II 8
19
$
Ecce S. 98. Bleistift
2
welche Sprache wird ein solcher Geist reden, wenn er mit redet
4
Die Sprache des Dithyrambus. Ich bin der Erfinder des Dithyrambus. Auch
6
die tiefste Sehnsucht eines solchen „Dichters“ ist noch Dithyrambus; ich
8
nehme, zum Zeichen, das Nachtlied, die unsterbliche Klage, durch
10
seine Überfülle an Licht, an Kraft verurtheilt zu sein, nicht
12
geliebt zu werden.
2: mit] vgl. EH Also sprach Zarathustra 7, 343,17-18 > mit sich allein 4: Erfinder] ?
W II 8a 1-41.indd 22
15.05.15
20
W II 8a 1-41.indd 23
W II 8
15.05.15
W II 8
W II 8a 1-41.indd 24
21
15.05.15
22
$
Ähnlich VIII 312 Bleistift Ecce S. 110. Bleistift
$ Bei solchen Sätzen ist es zu Ende mit meiner Geduld u ich habe
2
Lust, den Deutschen einmal zu sagen, was sie Alles auf dem
4
Gewissen haben! Alle großen Cultur- malheurs von 4 Jahr
6
hunderten haben sie auf dem Gewissen! Und immer aus dem
8
gleichen Grunde – aus ihrer innerlichsten Feigheit vor
10
der Realität, die auch die Feigheit vor der Wahrheit
12
ist, aus ihrer bei ihnen Instinkt gewordenen Unwahrhaftigkeit
14
aus „Idealismus“…
16
W II 8a 1-41.indd 25
W II 8
23,40 )
15.05.15
W II 8
23
$
Ecce S. 108. Bleistift
träger
2
noch mehr freilich auf die in geistigen Dingen immer ärmer u. instinktärmer werdende
4
deutsche Nation, die mit einem beneidenswerthen Appetit fortfährt, sich
6
von Gegensätzen zu nähren u. Christenthum so gut wie Wissenschaftlichkeit,
8
die christliche Liebe so gut wie den Antisemitism, den Willen zur Macht
den „Glauben“
die
10
(zum Reich“) so gut wie das évangile des humbles) ohne
12
Verdauungsbeschwerden hinunterschluckt … Diese Stumpfheit, „dies „Nicht
14
wissen - was - man -thut heißt sich „Idealismus“… Bei meinem letzten
16
Besuch Deutschlands, fand ich den deutschen Geschmack sehr unsicher darüber,
ist ohne
18
Dieser Mangel an Partei zwischen
Mangel an Partei
Neutralität zwischen Gegensätzen „Selbstlosigkeit“
20
Gegensätzen! Diese Selbstlosigkeit! diese Anonymität um jeden Preis, ist ohne
22
Dieser gerechte Sinn, der
24
Allem gleiche Rechte giebt!..
26
Kein Zweifel, die D.
28
sind Idealisten …
30
Als ich das letzte Mal Deutschland besuchte, war der D. Geschmack
32
bemüht, Wagner u. dem Trompeter von Säckingen „gleiche Rechte“ zuzu-
34
gestehen; wir aber selber war eigenhändig ZeugeA, wie zur Ehren eines
36
der ächtesten u. deutschesten Musikers, des alten Heinrich Schütz ein
38
Liszt =Verein gegründet wurde, mit dem Zweck der Pflege
40
listiger Kirchenmusik .. Ohne Zweifel, die D. sind „Idealisten“
Zweifel Idealismus
gleiche Rechte gar nicht anders als Alle s gleich z u setzen u. in seinen Magen hinunterzuschlucken –
bin
: ) 22,2
: Wiedergeburt sittliche
44
4: beneidenswerthen] ¿ 10: Reich] > „Reich 14: was-] ¿ 14: thut] > thut“ 20: diese Anonymität] ? 24: anders] >? anders kann
W II 8a 1-41.indd 26
gewesen
Nochmals gesagt,
42
24,42 )
der gerechte Sinn, der
34: wir] > ich 34: eines] Vk
15.05.15
24
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$
Ecce S. 109. Bleistift
– Aber hier soll mich Nichts hindern, ernst zu reden u den D. ein
2
paar grobe Wahrheiten zu sagen: ich rede von ihrer Unzucht in
4
rebus historicis. Nicht nur, daß den deutschen Historikern der
6
n
gänzlich
große Blick für den Gang, für die Werthe der Cultur abhanden
8
gekommen ist; er ist von ihnen in Bann gethan. Man muß
10
vorerst „deutsch“ sein, „Rasse“ sein: dann darf man über
12
– man setzt sie fest …
alle Werthe u. Unwerthe entscheiden.AEs giebt ein
„Deutsch“ ist ein Argument,
14
16
Deutschland D über Alles ein Princip; die Germanen sind die
18
„sittliche Weltordnung“ in der Geschichte; im Verhältniß zum
20
imperium Romanum sind sie das Princip der Freiheit; im
22
Verhältniß zum 18 Jh. die Wiederhersteller der Moral, des
24
„kateg. Imperativs“… Es giebt eine preußische Ge-
26
schichtsschreibung, es giebt, fürchte ich, selbst eine antisemitische
28
Geschichtsschreibung, es giebt – u hier weiß es alle Welt –
30
selbst eine Hof =Geschichtsschreibung – u Herr von T. schämt
32
wurde machte
sich nicht … Jüngst gieng eine Hornvieh = Dummheit eines verblichenen
in
die Runde
Schwaben, des alten Ästhet. VischerAdurch die deutschen Zeitungen u. nicht ohne
34
Worte
36
zu Ehren am Leibe dieses bewundert
unter den schmeichelhaften Handbewegungen an dieses Säugethier. Der
38
Sinn war ungefähr: Die Renaissance – u die Reformation, erst zu
40
wie ein Satz, zu dem jeder Deut. Ja sagen müsse Handbewegungen
zu Ehren
m
als
aesthet
sammen machen sie ein Ganzes: die sitt künstlerische Wiedergeburt u die
42
) 23,44
4: grobe] Vk 12: darf] ¿ 22: Romanum] ¿ 22: das] Vk 32: T.] > Treitschke
W II 8a 1-41.indd 27
15.05.15
W II 8
25
2
– Und Alles wurde öde u. krank. Die Wissenschaft verschwand; die ganze Cultur-
4
Arbeit war umsonst gewesen. Die Schönheit wurde gehaßt; die Kunst
6
wandelte sich in eine Carikatur. Der Nihilismus formulirte sich zum Maaß:
8
es soll nichts Lebendiges mehr lebendig bleiben. Die Wahrheit ist: folglich
10
darf nicht mehr geforscht werden. Die Moral ist da: folglich darf nicht mehr Die Kirche ist da
12
gelebt azurne
14
ar.
Das Werk steht durchaus für sich: es ist durch eine azurne gedichtet
seiner
16
Einsamkeit gegen Alles abgegrenzt, was bis Gedicht wurde In dieser ungeheuren
18
Spannung u. Freiheit könnte kein ein Goethe, ein Sh. nicht einen Augenblick
Freiheit der Luft der Kraft
ern
noch an den Schätzen
der Jahrhunderte
20
athmen; alles, was ersten Ranges ist unter den Dichtungen aller Zeiten,
22
klingt wie ein Volksdialekt gegen diese Sprache. . Die Voraussetzungen
24
sind nie auch nur ähnliche gewesen, unter denen Zarathustra entstand:
26
hier wird ein Schicksal u Mittag, ein Wendepunkt, ein Verhängniß
28
zum Dichter; hier ist der MenschAwie ein Stoff, an dem
30
ein Bildner arbeitet mit einer Kraft
32
Ich habe das Wort dionysisch entdeckt; ich habe dasAewige höchste
selbst
der Menschheit
d
34
Typus eines dionysischen Kunstwerks gegeben.
36
ich habe die höchste dionysische That gethan, die je als ich den Z.
38
erschuf. Hier sind die tragischen Bedingungen: das Jasagende durch eine ungeheure
)
Begriff
16: bis] > bisher 18: Sh.] > Shakespeare 32: ich habe] Vk
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15.05.15
26
W II 8
$
VIII 314. Bleistift
Und man rechnet die Zeit nach dem dies nefastus, mit diesem das Verhängniß anhob!..
2
4
Einsamkeit
von einer azurnen Leidenschaft jenseits alles Das Werk steht durchaus für sich: xxxxxxxxxxxxxxxxx jenseits, daß der ganze
6
8
Rest von Poesie wie ein Volksdialekt klingt.
10
In dieser Höhe u Leidenschaft würde ein Goethe, ein Sh. nicht einen Augenblick
12
athmen können.
14
dessen was bis gedichtet
) 16
16
6)
es ist
steht
lebt durchaus für sich: durch eine azurne Einsamkeit
18
abgegrenzt
)
abgegrenzt gegen AllesA, was bis gedichtet wurde. In dieser Luft
20
könnte ein Goethe ein Sh. nicht einen Augenblick athmen. Der
22
Begriff „dionysisch“, die ungeheure Spannung, in der die alten Gegensätze
24
der Seele sich bedingen u sich immer höher steigern
26
Aufgabe, die zerdrücken u vernichten kann, gleichsam ins Unmögliche
28
hinausgewachsen; die höchste Gegnerschaft heraufbeschworen, um die große
30
Begeisterung zu empfinden; Alles, was sonst zerstört, die Einsamkeit,
32
– eine Aufgabe, durch die die Geschichte
34
in zwei Hälften auseinanderbricht, eine Umwerthung aller Werthe, keine Heterodoxie
36
bloß
38
Das Nein, wie es immer da war: wie? sollte es nicht
das Ja in der Regel verneinen? – Dies ist das psych. Problem.
ins
40
4: diesem] > dem 16: bis] > bisher 20: bis] > bisher 32: empfinden] ¿
W II 8a 1-41.indd 29
15.05.15
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27
$
VIII 312 Bleistift
2
Ich erhebe gegen die christliche Kirche die furchtbarste Anklage, die je ein Ankläger bisher in den Mund genommen hat. Sie hat nichts unberührt mit
6
ihrer Verderbniß gelassen, sie hat aus jedem Werth einen Unwerth, aus
8
jeder Lüge eine Wahrheit, aus jeder Rechtschaffenheit eine Seelen =Niedertracht
+
4
Niedertracht
y
10
gemacht. Man wage es noch, mir von ihren „humanitären“
12
Segnungen zu reden. Irgend einen Nothstand abzuschaffen gienge wider ihre
14
tiefste Nützlichkeit: sie lebte von Nothständen, sie schuf Nothstände, diese der Sünde
Wurm
16
um sich zu verewigen … Die „Sünde“, der Wurm als Physiognomie der
18
Seele – das ist ein Nothstand, den dieser fluchwürdige Betrüger u.
20
Zerstörer =Instinkt der Kirche in den Menschen hinein „verewigt“ hat
den erst der mit
die Mh. beschenkt hat
gelegt hat
das ist ein Wurm, den erst 22
iese
Die „Gleichheit“ der Seelen vor Gott, die Formel für die rancunes von Begriff
24
aller S niedrigen Seelen – dieses Verhängniß, das immer endlich Revolution,
26
K „moderne Idee“, Niedergangsgang =Princip der ganzen Politik geworden
28
ist, ist ist ein christliches Vermächtniß, ein nihilistischer
30
Dynamit des Begriffes für alles Gedeihen, für alle Zukunft auf Erden …
32
Humanitäre Wirkungen des Christenthums! Aus der humanitas eine Miß-
34
geburt, eine Selbstschändung, einen Willen zur Lüge, eine Verachtung
36
aller guten u ehrbaren Dinge herauszupräpariren – das war bisher
Sprengstoff
Sch
)
8: Niedertracht] ¿ 15: in Ms nicht übereinander 24: das] aus unvollständiger Korrektur 24: Revolution] Vk 26: Niedergangsgang=Princip] > Niedergangs=Princip 34: Selbstschändung] ¿
W II 8a 1-41.indd 30
15.05.15
+
28
höchste aller denkbaren Sie ist die höchste aller denkbaren Corruptionen, sie hat den Willen
W II 8
war sten einen
zur allerletzten aller möglichen Corruption. nur auch nur
$
VIII, 313. Bleistift
diese
Ich will die ewige Anklage des Christenthums alle
2
immer
an die Wände die e malen, wo es nur Wände giebt:
4
bisher
es giebt Es gab nur Einen großen Fluch, Eine große lange ewige
6
e
8
e
unter
Niederträchtigkeit, Einen Instinkt der Vergiftung mit den heimlichsten u verlogensten Mitteln in der ganzen Geschichte bisher – das ist das Christenthum
Ein
10
ewiges Verbrechen an
e 12
der Mheit
Der Parasitism des Lebens, mit den bleichsüchtigen Idealen jedes Blut, jede Liebe, jede Hoffnung des Lebens austrinkend die Kirche als Formel für eine heimliche Verschwörung gegen Gesundheit,
)
Schönheit, Wohlgerathenheit, Tapferkeit, Witz der Seele … Christenthum! Humanitäre Wirkungen des Christenthums! –
14
16
18
20 22 24
1: aller möglichen] Vk 2: Christenthums] ¿ 3: immer] ? 4: nur] nach Korrektur des Kontextes >? es
W II 8a 1-41.indd 31
15.05.15
W II 8
29
$
VIII, 305. Bleistift
32,28 )
2
es hat die ungeheure Arbeit der Römer, um den Boden für eine große Cultur
4
zu gewinnen, über Nacht ungethan gemacht … Versteht man es noch nicht?
6
Das imp. rom. war ein Anfang, sein Bau war berechnet,
8
sich mit Jahrtausenden zu beweisen, – es ist bis heute nie
10
so gebaut, nie nur so geträumt worden vom großen Stil im
12
Bauen … Diese Organisation war fest genug, schlechte
14
Kaiser auszuhalten: sie war nicht fest genug gegen die
16
corrupteste Art der Sterblichen, gegen den Christen … Dies
18
heimliche Gewürm, das anAsich in Nacht, Nebel u. Zweideutigkeit
20
an alle Einzelnen heranschlich u. ihnen den Ernst für wahre
22
Dinge nahm, – das ihnen mit
unermüdlich
24
hat Schritt für
den Instinkt für Realitäten aussog
26
Schritt die „Seelen“ diesem ungeheuren Bau entfremdet, – die
28
M. die daran glaubten, die die Macht=Wohlthat Roms
30
verehrtenA… Die Mucker -Blindschleicherei, die Conventikel = Luft,
32
die Lügen =Gespinste von „Jenseits“, „Sünde“ „Kreuz“ „Erlösung“
34
– diese ganze naturwidrigste Giftmischerei, der schon in
36
ihrer Vor = existenz Epicur den Krieg gemacht hatte – man lese
38
Lucrez, um zu begreifen, daß es nicht das Heidenthum, sondern
40
das in unterirdischen Culten präexistente Christenthum, worüber
, die für sie lebten
Opfertod
)
6: imp. rom.] > imperium romanum 16: corrupteste] ¿ 28: Macht=] ? 32: Erlösung] Vk 34: Giftmischerei] Hinzufügung 30,27 40: Christenthum] > Christenthum war
W II 8a 1-41.indd 32
15.05.15
30
$
W II 8 VIII, 306 /7. Bleistift
Diese Bewegung
Diese Bewegung beerbte das Chr: errathen zu haben,
2
alle
womit man wie man die unterirdischen Culte, die decadent Tschandala-
4
Culte vom ganzen imperium gleichsam unter Eine Formel, u
6
vereinige
ein furchtbares Symbol bringe, das war das Genie, das
8
war das große Verbrechen des Paulus … Sein Instinkt dabei
10
war so sicher, daß er alle die Vorstellungen, die in jenen Culten
12
das Übergewicht hatten, die fascinirten, mit schonungsloser Fälschung
14
dem „Heilande“ seiner Religion in den Mund gab, – daß er
16
nach jenem Bedürfniß die ganze Begriffs = u. Symbol = Welt
18
Christenthums
der ersten Gemeinde umdichtete … Dies war der Augenblick von
20
Damaskus: er begriff, daß er den Unsterblichkeits = Glauben
22
der Mysterienkulte nöthig hatte – folglich „hatte er eine
24
Vision“
26
diese wurde Herr über Rom – dieselbe Art von Religion der schon Epicur
die große Aufklärung gab – Epicur der Erlöser des Alterthums )
Ep seinen Fluch spricht u
von der Lüge „Jenseits“ „Sünde“ „Opfertod“ „Hölle“ –
28
30
32
6: u] ? 19: Christenthums] ¿ 27: Hinzufügung zu 29,34 28: Erlöser] Vk
W II 8a 1-41.indd 33
15.05.15
W II 8
31
$
VIII 304 Bleistift
2
In der That, man darf eine vollkommene Gleichung zwischen Christ u. Anarchist ansetzen.
4
Der Beweis für diesen Satz ist mit furchtbaren Schriftzeichen in das Schicksal der Menschheit
6
eingeschrieben. Lernten wir eben eine Religion kennen, deren Zweck war, die
einer entsetzlichen Deutlichkeit aus dem Schicksal
Europas
abzulesen
Vernunft =Ertrag 8
aus Zeiten der
Unsicherheit
langer Mühsal
zum längsten Nutzen
en
Mühsal
Arbeit{von Jahrhunderten zu verewigen, die Ernte von langer Arbeit, Gefahr,
10
Selbstüberwindung in nützlichster Fülle für lange Zeit heimzubringen: so schreibt
12
sich der Gegenzweck der christlichkeit in seiner furchtbarsten Anklage an
14
die Wand der Geschichte
16
In der That, es macht einen Unterschied, zu welchem Zweck gelogen wird:
18
ob man damit erhält, ob man damit zerstört. Man darf zwischen Christ
20
u Nihilist eine vollkommene Gleichung aufstellen: ihr Zweck, ihr Instinkt
22
geht auf Zerstörung . Der Beweis ist für diesen Satz oft mit entsetzlicher
24
Deutlichkeit aus der Geschichte abzulesen: ich erinnere nur an das, was Jeder
26
schon weiß. Lernten wir eben eine religiöse Gesetzgebung kennen, deren Zweck war
28
die oberste Bedingung für Gedeihen u Wachsen des Lebens, eine große Organisationsform
30
der Gesellschaft zu „verewigen“, so Das das Christenthum hat seine Mission
32
darin gefunden, einer alten solchen Organisations =, weil in ihr das Leben gedieh,
34
ein Ende zu machen. Dort sollte der Vernunft =Ertrag aus Zeiten langer Mühsal
36
u. Unsicherheit zum fernsten Nutzen angelegt werden u die Ernte groß, reichlich
38
vollständig heimgebracht werden: hier sollte umgekehrt zerstört werden,
40
zu Nichts gemacht werden, was gesammlet war. Das, was „aere perennius“
42
da stand, das imp. rom, die großartigste Genie = leistung organisirender
44
Kräfte auf Erden – diese heiligen Nihilisten haben eine Frömmigkeit
46
daraus gemacht, keinen Stein darin auf dem anderen zu lassen
Anarchist
.
erinnere
dafür, daß das Leben gedeiht
Wachsthum
eben
daraus
der
Anarchisten
4: Satz] Vk 6: Religion] ¿ 8: Anschluß 32,8 10: nützlichster] Vk 12: christlichkeit] > Christlichkeit 22: Zerstörung] ¿ 30: Das das Christenthum] ¿, > das Christenthum
W II 8a 1-41.indd 34
32: Organisations=] ¿, > Organisations=Form 32: gedieh] Vk 34: Mühsal] ? 40: gesammlet] Vk 42: imp. rom] > imperium romanum 42: leistung] Vk 44: Kräft] nach unvollständiger Korrektur > Kraft
15.05.15
32
einer Organisations =Form, in der das Leben
2
gedieh, eine kleine Ewigkeit zu geben, den Vernunft
4
ertrag von Jahrhund. der Mühe u. der Unsicherheit heimzubringen aus
6
aus Fehlgriff, Versuc h, Selbstüberwindung aller Art zum längsten langer Mühsal u Unsicherheit, aber ebenso
8
Vortheil heimzubringen: so schreibt sie der Gegen=Zweck des Christenthums
10
als seine furchtbare Anklage an die Wand der Geschichte. Das
12
Christenthum wollte gerade diese Ernte, diesen Vernunft - ertrag, die
14
erreichte Organisationsform, in der das Leben gedeiht, in Grund
16
u Boden zerstören – es hat das imp rom zerstört …
18
einer Organisations =Form, in der das Leben gedieh, eine kleine Ewigkeit zu
20
geben, den Vernunft -Ertrag aus Zeiten langer Unsicherheit u. Mühsal zum fernsten
22
Nutzen heim ein heimzubringen anzulegen u. die große Ernte von ihnen
24
heimzubringen
26
Das Chr. war der Vampyr des imp. rom.
Typen der décadence, beide unfähig, anders als auflösend vergiftend, verkümmernd, blutaussaugend zu wirken …
W II 8
28
) 29,2
30
40 )
32 34 36
die Welt“ dh. heißt das imp. rom. zu vernichten u keinen Stein in
38
ihm auf dem anderen zu lassen. Der Christ u der Anarchist: beide
40
) 30
8: Anschluß zu 31,8 10: sie] > sich 34: verkümmernd] Vk 38: die] > „die 38: dh. heißt] > das heißt S. 33-34 unbeschrieben
W II 8a 1-41.indd 35
15.05.15
W II 8
W II 8a 1-41.indd 36
35
15.05.15
W II 8a 1-41.indd 37
15.05.15 16: schwerste] > Schwerste 22: siegte] Vk 28: er er] > er
Entwurf zu letzter Wille (Dionys Dithyramben) rote Tinte
,
$
wie ich ihn einst sterben sah –,
4
so sterben,
2
göttlich in meine dunkle Jugend warf:: –
8
den Freund, der Blitze u. Blicke
6
st schwer, nachdenklich, vordenklich
20
auf seinem Schicksal ein Schicksal stehend
18
unter Siegern der schwerste
16
unter Kranken der Heiterste,
14
in der Schlacht wie ein Tänzer
12
muthwillig u. tief,
10
Kriegern
hart,
!
u er er befahl, daß man vernichte …
28
befehlend, als er starb –
26
jauchzend darüber, daß er sterbend siegte
24
erzitternd darob, daß er siegte
22
siegend u vernichtend …
34
wie ich ihn sterben sah:
32
So sterben,
30
36
W II 8
W II 8
37
$
Ecce Bleistift
geschah.
2
4
ein gänzliches Mich - nicht - mehr -Verstehen, legte sich aus dem tiefsten u heil-
6
kräftigsten Instinkt des Lebens wie ein Schleier über mich. Man hätte damals mir
8
beweisen können, daß ich der Vater Z. sei: wer weiß, ob ich geglaubt hätte? –
10
Jedenfalls wollte ich das Buch nicht mehr sehen, ich besaß es ein paar Jahre
12
nicht. In einem unvorsichtigen Augenblick, als ich, mitten in der Stille
14
des Oberengadin, zufällig Druckbogen daraus wiederfand, war das über
16
mich zusammenstürzende Gefühl so stark, daß ich in Thränen ausbrach
18
u. zwei Tage krank lag. –
+
es
Und das erfüllte sich. Eines Tages war ich mit Allem fertig. Eine Fremdheit,
wecken
22
24
26
28
v
30
32
Und in der That, es hatte Gefahr in sich, mich hierin aufzu= wecken. Aber man höre doch, was Z. selber zu verstehen, – was er
*
20
Warum ich so gut schreibe
insbesondere seine dritte Menschen - Klugheit nannte.
Was hat doch Zarathustra selber gesagt p. 95. Was immer er seine dritte Menschen-Klugheit Und wahrlich, ihr Guten u Gerechten, an euch ist Viel zum Lachen u zumal eure Furcht vor dem, was bisher Teufel hieß
kein Bedürfniß
6: über] ¿ 8: daß ich] aus unvollständiger Korrektur 8: ob ich] > ob ich es 14: Druckbogen] ¿ 16: Thränen] Vk 22: verstehen] ?, >? verstehen gab
W II 8a 1-41.indd 38
24: schreibe] ¿ 33: zu 38,43
15.05.15
38
Zwische Von diesen zehn - tägigen Perioden nzeiten abgesehen, waren die 4 Jahre während u nach dem Z. ein Nothstand ohne Gleichen. Man büßt es schwer, unsterblich zu sein: man stirbt dafür mehrere Tode Es giebt Etwas, daß ich die rancune des Großen nenne: alles Große,
W II 8
Akten
4.
Werk, That, –
bei Lebzeiten. –
2 4 6
8
ein Werk, eine That –, die Größe hat – wendet sich, vollbracht, unverzüglich
10
gegen den, der sie that. Eben damit, daß er es that, ist er nunmehr
12
aus
schwach, – er hält seine Thaten nicht mehrA, er sieht ihr nicht mehr
14
in s Gesicht … Etwas hinter zu sich zu haben, das man nie wollen durfte, Etwas
16
ist nunmehr fühlt mans auf sich
worin vielleicht das Schicksal der Menschheit eingeknüpft – und sich schwach fühlen ..
18
es zerdrückt beinahe ..
Die rancune des Großen!.. Ein Anderes ist die unbeschreibliche Stille,
20
. a
um sich
die man hört. Die Einsamkeit hat sieben Häute: es geht
22
nichts mehr hindurch. Man kommt zu Menschen, man begrüßt Freunde. Neue
24
Öde. Kein Blick grüßt mehr. Im besten Fall eine Art Revolte. – Eine
26
solche Revolte erfuhr ich, in sehr verschiedenem Grade, aber fast von Jedermann der
28
mir nahe stand nahe stand. Die M. hassen nichts mehr als ein plötzliches
30
Sichtbarwerden von Distanz, wo sie an gleiche Rechte glaubten. – In einzelnen
32
der
einen Fremden
,k
meinem
Fällen, wo ein Zufall Fernerstehende{mit meinem Z. in Berührung brachte,
34
bekam ich sofort Wuth u. Gift als Antwort: ich schmeichle ihnen sogar
36
wenn ichs Gift nenne – es war etwas Anderes, es roch schlecht … Diese Jahre
38
waren die wundenärmstenreichsten, die trostärmsten meines Lebens: es war ein
40
E
so Etwas
tiefer Mißgriff psychol. Mißgriff, zu glauben, daß das Bewußtsein, solcher gethan zu haben,
42
ein Bedürfniß wie
Thaten einen obenauf hielte. Man hat umgekehrt keinen höheren Wunsch
44
nach einer Genesung von seiner That:
als das Bewußtsein abzuschütteln: das Vergessen können, das Sich selbst
46
allein
nicht mehr verstehen; u. denn unser Recept istA, daß man sie vergißt ..
6: daß] > das 12: es] > sie 16: hinter zu] Vk, > hinter 30: nahe stand nahe stand] > nahe stand 30: plötzliches] Vk 34: Z.] Durchstreichung?
W II 8a 1-41.indd 39
48
36: ihnen] Vk 48: Recept] Vk
15.05.15
W II 8
39
$
Ecce Bleistift
3. 2
. –
seltsamer u.
Ich lag einige Wochen hinterdrein in Genua krank. Dann folgte ein schauderhafter wo ich das Leben hinnahm.
dort
zu laut etwas Taubstummes war xxxxxxxxxxxxx
4
Frühling in Rom{. Im Grunde war mirAAlles gleich;AEine Melodie gieng damals
6
um mich herum, deren letzten Sinn ich in den Worten hörte „hin zur Un
8
sterblichkeit“ Ich wohnte an der piazza Barberini; auf einer loggia hoch Lied
10
12
14
über ihr ist das einsamste Gedicht entstanden, was vielleicht gedichtet worden ist Nacht ist es, nun reden lauter alle springenden Brunnen. Aber auch meine selbst
– ich suchte, wo ich michAnoch hören
16
um
18
konnte. Eine Melodie gieng beständig
20
mich, herum, deren letzten Sinn ich in dem ihrem
22
Refrain hörte „hin zur Unsterblicheit“. Ich Ein Versuch mit
24
wechseln, unter
M
26
anderem mit 28
.
30
–
32
Aquila im
mir
Meine Versuche den Ort zu
mit
ein ander mal Aquila; ich fürchte daß einmal, ganz harmlos, im palazzo Quirinale angefragt habe, ob es hier nicht ein
den Abruzzen ehedem;
stilles Zimmer gebe. Um diese Zeit wohnte
34
ich an der piazza Barberini. Auf einer
36
loggio hoch über derselben, wurde jenes einsamste
38
Lied gedichtet, was vielleicht je aus einem
40
einsamen Abgrunde meiner Einsamkeit
wo man Rom übersieht
das
Nachtlied betitelt ist: ein einsames Abgrund der Einsamkeit
42
das vielleicht je gedichtet worden ist.
44
Nacht ist es nun reden lauter alle springenden Brunnen.
2: lag] ¿ 8: piazza] ¿ 16: hören] Vk 18: mir] aus unvollständiger Korrektur 20: mich] nach Korrektur des Kontextes > nach 26: daß] > daß ich 29: im] > in
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31: Abruzzen] ¿ 31: ehedem] ? 34: Barberini] Vk 36: loggio] > loggia 37: betitelt] ¿ 44: Nacht] ¿
15.05.15
40
$
W II 8 Ecce homo Bleistift
heiligen
Im Sommer, heimgekehrt zu jener Stelle, wo der erste Blitz des
2
Zarathustra-Gedankens geleuchtet hatte, fand ich den zweiten Theil Zarathustra.
4
Zehn Tage genügten: ich habe in keinem Falle, weder beim ersten, noch beim
6
dritten Z. mehr gebraucht. Im Winter darauf, unter dem halkyonischen
8
diesen Winter
leuchtete
Himmel Nizzas, derAzum ersten Mal in mein Dasein hineinmalte
10
fand ich den dritten Zarathustra – u war fertig. Etwas vom Entscheidendsten
12
davon die alten u neuen Tafeln dichtete ich im beschwerlichsten Aufstieg
14
von der Station Eza nach diesem wunderbaren Maurenneste in den Felsen
16
: – die Muskel-Behendheit war bei mir immer am größten, wenn die
18
am reichsten floß.
+
schöpferische Kraft am lebendigsten war. Ich konnte damals, ohne einen
20
–
Begriff von Ermüdung, 7, acht Stunden auf Bergen unterwegs sein:
22
ich schlief gut, – ich war von einer vollkommenen Rüstigkeit u. an
24
* Man hat mich oft tanzen sehen
Leib u Seele. 2.
26
können davon
– Hat Jemand, Ende des 19 Jh., einen deutlichen BegriffA, was alte Dichter Inspiration nannten? Ich will’ s ihm beschreiben. – der starken Zeiten
Andernfalls will ichs ihm beschreiben. –
28
30
32
10: hineinmalte] ? 12: Entscheidendsten] ¿ 19: reichsten] Vk 25: tanzen] Vk 28: Ende des] ¿
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15.05.15
W II 8
41 wieder im Herbst 1886
kleine vergessene
2 4
Ecce Bleistift
6
$
ich war zufällig wieder dort, als er das letzte Mal in dieser friedlichsten Stille der Erde weilte.: –
diese Welt von Frieden Glück besuchte. –
1.
friedfertigsten S
Ich erzähle nunmehr die Geschichte des Zarathustra. Die Grundconception des Werks – der Ewige höchste
8
die erreicht werden kann
Wiederkunfts -Gedanke, diese Formel der Bejahung, par excellence gehört in den August des
12
1888: er ist auf einen Zettel geschrieben, mit der Unterschrift: 6000 Fuß über allen jenseits von Mensch u Ort Welt. Ich gie ng am See von S. durch den Wald; an einem mächtigen menschlichen Dingen. Ich gieng
14
pyramidal aufgethürmten BlockAmachte ich Halt. Da kam mir dieser Ged. Rechne ich
16
von jener Zeit Tage bis zur plötzlichen u unter den unwahrscheinlichen Verhältnissen eintre
18
tenden Niederkunft im Feb. des Jahres 1883 – der Schluß = des Werks wurde wie
20
ich mit absoluter Sicherheit festgestellt habe, in der halben Stunde geschrieben, in der
22
Wagner in Venedig starb: so ergeben sich achtzehn Monate für die Schwangerschaft.
24
Diese Zahl gerade von 18 Monaten dürfte den Gedanken nahe legen, unter
26
Buddhisten zum Mindesten, daß ich im Grunde ein Elephanten -Weibchen bin. –
28
In diese Zwischenzeit gehört die „gaya scienza“, die hundert Anzeichen eines
30
von der der Nähe von Etwas Unvergleichem hat; zuletzt giebt den Anfang des
32
Zarathustra selbst, sie giebt im vorletzten Stück den Grundgedanken des Zarathustra
34
Hören wir, wie er sich selber ausnimmt. –
10
auf der in der Nähe von Surlei
Seite
g
sie
(für Chor u Orchester) 36
Insgleichen gehört in diese Zwischenzeit jener Hymnus auf das Leben, dessen
38
Partitur vor 2 Jahren erschienen ist: ein nicht unbedeutender Wink über
40
den Zustand jenes Jahres, wo eine Art von jenes Pathos, das ich tragisch
42
nenne, im höchsten Grade mir innewohnte. Der Text, dieses Hymnus ist, aus-
44
drücklich bemerkt, um einem Mißverständniß hierüber nicht Dauer zu geben, ist nicht
46
von mir: er ist die ausgezeichnete Hervorbringung einerARussin, mit der ich damals Umgang
bei E W Fr in Leipzig
vielleicht
Symptom
jasagende
par excellence
hierüber
merkwürdige Inspiration
jungen
erstaunliche Inspiration
1-5: zu 42,2 2: diese] ¿ 10: 1888] > Jahres 1881 12: S.] > Silvaplana 16: von] Vk 16: unwahrscheinlichen] > unwahrscheinlichsten
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30: Unvergleichem] > Unvergleichlichem 34: selber] ¿ 37: E W Fr] > Ernst Wilhelm Fritzsch 37: Leipzig] ¿ 47: Inspiration] Vk
15.05.15
42
D. näher gerückt; ich selbst war bei seinem letzten Aufenthalt an diesem herrlichsten Ort der Welt
2
W II 8 46 )
gleichfalls
$
Ecce Bleistift
überhaupt
hatte, des Fl. Lou von Salomé. Wer den letzten Worten des Gedichts einen
4
Sinn zu entnehmen weiß, wird errathen, warum ich gerade dies Gedicht vorzog
6
u. bewunderte: der Schmerz gilt nicht als Einwand gegen das Leben … Den
8
darauf folgenden Winter lebte ich in jener schwermüthig-stillen Bucht von Rapallo
10
Cagliari u
die sich zwischen{dem Vorgebirge von Portofino u. dem einschneidet. Meine
12
selbst der Winter war kalt u. regnerisch;
ge
Gesundheit war nicht die beste; eine laute Wohnung, Nahrung, Nachtruhe
14
ein kleines Albergo, unmittelbar am Meer ge
16
beinahe
legen, so daß die hohe See Nachts den Schlaf unmöglich machte, bot in Allem ungefähr ungefähr
18
werthen
das Gegentheil des Wünschens. Trotzdem u beinahe zum Beweis meines Satzes, daß
20
baren
Thaten, Werke, Männer
alle entscheidenden Dinge (die sog. großen Männer eingerechnet) vollkommen unabhängig Gunst u Ungunst
„Zeitgeist“
22
unabhängig
von Zufällen; Nothständen, Widerständen, „öffentl Meinungen“ u. anderen in die Welt treten, daß für sie der Augenblick der Entstehung nichts beweist, nichts zu thun hat, mit dem was
24
26
entsteht, war es dieser Winter u diese Ungunst der Verhältnisse, unter denen der Z.
28
entstand.
30
Trotzdem u. beinahe zum Beweis für meinen Satz, daß daß es sein trotzdem in
32
alle alles Entscheidenden „trotzdem“ entstehe, war es dieser Winter u die Ungunst dieser Verhältnisse, unter denen
34
mein Z. entstand
36
stieg
entstand. Den Vormittag gieng ich in südlicher Richtung auf der herrlichen Straße nach Zoagli in die Höhe, an Pinien vorbei u. weitaus
e e
38
d
40
das Meer überschauend: des Nachmittags, so oft es mir die Gesundheit erlaubte,
42
u diese Ortschaft
umgieng ich die ganze Bucht von St. Margherita bis hinter nach Portofino. Dieser
44
fühlte
Weg ist durch die große Liebe, welche Kaiser Fried. III für sie bezeigte, den Herzen der
2: herrlichsten] ¿ 4: Fl.] > Fräulein 6: dies] Vk 6: vorzog] ¿ 11: Cagliari] > Chiavari 16: unmittelbar] ¿ 18: Schlaf] Vk 19: werthen] ¿
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46
)2
22: entscheidenden] ¿ 25: treten] ¿ 30: Beweis] ¿ 32: sein] ? 36-38: entstand entstand] > entstand 40: herrlichen] ¿ 40: Zoagli] ¿ 44: Margherita] ¿
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W II 8
43
$
Ecce Bleistift
2
3.
Zuletzt Ich sage zugleich, vorläufig, ein allgemeines Wort über meine Kunst des die
4
eingerechnet das 6
Spannung von
eines
auch durch
Stils. Einen Zustand, eine innere Attitüde des Pathos durch Zeichen, durch dieser
u
ein tempo der Zeichen, mitzutheilen – das ist der Sinn jedes Stils; noch in
Anbetracht der 8
–
der Vielheit innerer Zustände giebt es demgemäß viele Möglichkeiten von
10
Stil. „Guter Stil“ ist jeder Stil, der den inneren Zustand wirklich
12
mittheilt. … immer nochA, wie sich versteht, auch solchen, die überhaupt
14
fähig des gleichen PathosAsind. Mein „Zarathustra“ zum Beispiel sucht
16
einstweilen nach Solchen, – ach! er wird lange zu suchen haben – :
vorausgesetzt
daß es
giebt
fähig
man muß dessen
st
bis dahin
Niemanden geben
20
die{werth sind, ihn zu hören. Und vorher wird es auch Niemanden die Kunst die hier verschwendet ist – geben, der begreift, daß hier das neueste u. unerhörteste Kunstmittel
22
verwendet ist, das je ein Dichter, ein Genie der Kunst der
24
Mittheilung verwendet hat,
18
– es hat nie Jemand vorher vor mehr an erhörten
mirAdie unxxxxxxxxx Kunstmittel
26
verschwenden können ..
28
30
Daß dergleichen mit deutscher Sprache möglich war,
32
war zu beweisen, – ich selbst hätte es am härtesten vorher abgelehnt.
34
Man weiß vor mir nicht, was ka man mit deutschen Wörtern kann … Die
36
Kunst des Rhythmus, die Periodik,, die periodische Symbolik zum Ausdruck
38
des
40
entdeckt. Mit einem Liede wie dem letzten des dritten Theil Z.
42
die „sieben Siegel“Afordere ich alle die Dichter aller Jahrtausende in die Schranken.
vorher der
großen
eines s
Sprache
der große Stil in der Periodik von sublimer
ungeheuren inneren Auf u Nieder höchster Leidenschaft ist von mir erst Hymnus
überschrieben,
18: sind] nach Korrektur des Kontextes > sein 36: Rhythmus] Vk 38: inneren] ? 39: Hymnus] ¿
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15.05.15
44
$
W II 8
Ecce Bleistift
man wird aus den letzten Worten entnehmen warum ich das Gedicht vorzog u. bewunderte:
4
der Schmerz wird nicht als Einwand gegen das Leben
6
gefühlt, – im Gegentheil …
8
das
Hervorbringung
2
nicht
Der Text, damit darüber kein MißverständnißAfortdauert,
10
ist nicht von nicht: es ist die ausgezeichnete Hervor-
12
Leistung einer Russin, die
14
bringung
mit der der ich damals Umgang hatte, des Fl. Lou
16
von Salomé.
18
Zuletzt, ins Große gerechnet, waren auch noch diese Erfahrungen unschätzbar. Der
20
Schmerz ist für mich kein Einwand; u insofern der Schmerz ein Thorweg, durch den
22
man zu neuen Erkenntnissen eintritt, wird er sogar heilig … Für den, der
24
die Aufgabe auf sich, den großen Krieg gegen die Tugendhaften zu als der Erste zu
26
an Erfahrung
beginnen, war EinigesAunerläßlich u selbst wünschenswerth, sei es selb auch, daß es jedem
lebensgefährl. im untersten Sinn des Wortes war
die Gefahr keine kleine war, sich selber u seine Aufgabe dabei einzubüßen.
12: von nicht] > von mir 16: der der] > der 16: Fl.] > Fräulein 22: Thorweg] > Thorweg ist 22: durch] ¿ 26: sich] >? sich hat
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28
30
26: großen] Durchstreichung?
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W II 8
45
1)
2
stellen,
4
überfielen mich damals die Kleinheiten des M. bis zur
6
hi
Und wie um mich über mein Ja zum Leben auf die Probe zu
Seekrankheit am Leben. Denn man es erwäge ernst:
8
10
die Kleinheit des M bleibt der schlimmste Einwand, –
12
mit allem Furchtbaren wird man fertig, weil es Größe hat. am M
3.
14
,
Mir graute damals vor meinem eigenen Gedanken: wie? die
16
ewige Wiederkunft, die auch ewig all das Kleine
18
Erbärmliche „Tugendhafte“ wieder herauf bringt?…
immer
3, S. 97, 4 Verse
20
2) 22
Um jene Zeit machte ich meine reichlichste Erfahrung über die sogenannten guten:
24
Menschen: es ist nicht auszurechnen, was sich Alles unter dem Anschein eines
26
Kampfes gegen das Böse von schlechten, von rachsüchtigen, vonArücksichtslosen
28
Instinkten versteckt. Die andere Seite – nicht weniger verhängnißvoll: diese
30
„guten Menschen“ erwecken Zutrauen, man glaubt an „blaue Augen“ u
32
andere Weiblichkeiten. Und, hinterdrein besehen, schuf diese im Guten
34
Instinkt gewordene Unwahrhaftigkeit, dies Nicht sehen - Wollen des Wirklichen
36
um jeden Preis, das Übertünchen von Mensch u. Dingen mit „Rosenfingern“
38
des Ideals Unheil über Unheil an …
vollkommen
zweite
ies Anfassen
den
6: damals] ¿ 8: es erwäge] > erwäge es 26: rachsüchtigen] ¿ 36: Mensch] Vk 38: Unheil an] > Unheil
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15.05.15
46
Und wie um mich auf die Probe zu stellen, was es mit meinem Ja zum Leben habe
die
mit
W II 8
2
Seekrankheit am Leben
auf sich, überfielenBmich die Kleinheiten des Menschen bis zumAÜbelriechenden
4
mich das Leben
: – u der schlimmste Einwand bleibt die Kleinheit, – man wird
6
mit allem Furchtbaren fertig, weil es Größe hat … In jener
8
reichste
darüber, was im Grunde der
Zeit machte erhielt gewann ich die bösartigste Erfahrung über das was man sogenannte
10
wie viel
werth ist
den „guten Menschen“ heißt, – es ist nicht auszurechnen, was sich Alles unter
12
dem Anschein eines Kampfes gegen das Böse von schlechten, von rachsüchtigen,
14
von vollkommen rücksichtslosen Instinkten verbirgt. Die andere Seite –
16
nicht weniger verhängnißvoll – : man traut diesen „guten Menschen, man glaubt
18
an „blaue Augen“ u. andere Weiblichkeiten. Und, hinterdrein be
20
im Guten
sehen, richtete dieseAInstinkt gewordene Unwahrhaftigkeit, dies Nicht
22
sehen-Wollen des Wirklichen, dieses Fehlgreifen über Mensch u
24
Dinge aus „rosenrother“ Unschuld Unheil über Unheil an …
26
„lilienweißer“
Man erinnert sich der Katastrophe im Einsiedler = Glück des Za-
28
rathustra, seiner sieben Tage Krankheit, nachdem er seinen
30
„abgründlichsten Gedanken“ herauf gerufen hat. Weiß man, welcher
32
dieser Gedanke ist? „Ewig kehrt er wieder, der M, deß du müde
34
bist, der kleine Mensch“…
36
Der Überdruß am M
bis ach Ekel! Ekel Ekel.
38
erinnerte sich seiner Krankheit
8: fertig] ¿ 18: verhängnißvoll] ¿ 18: Menschen] > Menschen“ 22: dies] ¿ 26: Unschuld] ¿ 28: Katastrophe] ¿
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36: bist] Vk
S. 47-54 unbeschrieben
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55
allen 2
redet
zu ist
Daß man aus meinen Schriften einen Psychologen herauserkennt, der nicht seines Gleichen hat,
4
ist vielleicht die erste Einsicht, zu der ein aufmerksamer Leser – einer der mich liest
6
wie gute alte Philologen ihren Horaz lasen – gelangen wird. Die Sätze, worüber
8
im Grunde alle Welt einig war, von den Aller = Welts =Philosophen gar nicht
10
zu reden, den Moral =Philosophen, erscheinen bei mir als Naivetäten des Fehlgriffs:
12
zb. besteht ein Gegensatz von „egoistisch u „unegoistisch“ oder „der Mensch
14
strebt nach Glück“ oder „das Glück ist der Lohn der Tugend““ oder
16
daß Lust u Unlust Gegensätze sind sein sollen … Die Circe der
18
Menschheit, die Moral, hatte alle psychologica in Grund u Boden ge-
20
fälscht – bis zum schauderhaften Unsinn, in der Liebe einen Ausdruck
22
des „Unegoistischen“ zu erkennen … Wer nicht fest auf sich sitzt, wer
24
nicht tapfer auf zwei Beinen steht, der kann gar nicht lieben – das
26
wissen die Weiblein nur zu gut … Man gestatte mir die Behauptung
28
daß über das Weib Niemand tiefer, radikaler, unabhängiger geschrieben
30
hat als Nietzsche. Aber es es ist ein Maß der psychol. Tiefe etc. …
32
Euch,
34
wie die Herren Pariser die das Weib als Krankheit für die Lösung
36
vom Problem des Weibes nehmen: man muß ein wenig unsere Geschichte des
38
Weibes, kennen auch Ethnolo
Glaube an
ie …
das Urtheil über das Ewig Weibliche
Herren Gelehrte, Man muß hier nicht aus dem Winkel urtheilen
sein sollte, ist historisch damit u
40
6: lasen] ¿ 8: einig war] ¿ 10: Philosophen] ¿ 12: egoistisch] > egoistisch“ 20: Ausdruck] ¿ 22: Unegoistischen] ¿
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Daß an sich das Weib das „schwächere“ Geschlecht
30: es es] > es 32: Euch … Gelehrte] ? 32: urtheilen] ¿ 38: Weibes, kennen] > Weibes kennen, 40: ist] ¿
15.05.15
56
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wie das ego selbst ein „höherer Schwindel“, ein bloßes „Ideal“ ist
ethnologisch damit widerlegt, daß fast überall Culturformen sich finden, wo
2
die Herrschaft beim Weib ist. Es ist ein Ereigniß, wenn man will, eine
4
Entscheidung im Schicksal der Cultur, daß das Weib zuletzt unterlag, –
6
daß alle Instinkte des Unterliegens darob übereinkamen, zweifeln wir nicht
8
klug,
listig
daß es seitdem nur bezaubernd, interessant, ein Filigran von
10
krausen u. seltsamen Dingen ist
12
unbegreiflichen u. angenehmen verborgenen Dingen Psychologie ist … Was würde
14
die Mh. Mann sich langweilen, wenn das Weib nicht ein Genie der
16
würde man sich langweilen,
Unterhaltung u. Anmuth ge-
18
worden wäre … Auch in
20
Bosheit: unterschätzen wir die
22
erster
Bosheit nicht … Es ist mein Einwand
24
gegen den christlichen Himmel, daß die Engel
26
nicht boshaft sind …
28
1: zu 55,12 6: Entscheidung] ¿ 12: krausen] ? 26: Himmel] ¿ S. 57-64 unbeschrieben
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15.05.15
W II 8
65
$
Ecce Bleistift
die Frage „wie hast du dich zu ernähren?“ Ich komme zu einem
2
Die Ernährung, ein Problem, das, wie bekannt, etwas ernsthafterer Natur ist, als das
4
der Religion oder der Moral u. andere Leichtfertigkeiten das Problem vom Dasein Gottes Frage, welche Religion Jemand
6
8
zum Problem der Ernährung. Es ist, in Kürze die Frage
u andere Christlichkeiten – die Frage, kurz gesagt: wie hast du dich zu ernähren? von moralinfreier Tugend
10
um dein maximum von Kraft, von virtù im Renaissance =Sinne, zu erreichen
12
– die Ernährung $
Ecce Bleistift
Ich komme zu einem Problem, das, wie bekannt, etwas ernsthafterer Natur ist,
14
16
als das Problem vom Dasein Gottes u andere Christlichkeiten, – zum Problem der Ernährung.
18
Es ist, in Kürze, die Frage: wie hast du dich zu ernähren, um dein
20
maximum von Kraft, von virtù im Renaissance=Sinne, von moralinfreier
22
Tugend zu erreichen?… Meine Erfahrungen hierbei sind so schlimm wie möglich: ich
24
bin erstaunt, gerade hier nicht früher zur Vernunft gekommen zu sein. Nur die völlige Nichtswürdigkeit
26
Erziehung
Verlogenheit der deutschen Bildung, welche von Anfang an die Realitäten aus den Augen verlieren lehrt
28
lehrt, um völlig problematischen Zielen, zb. „klassischer Bildung“ (– ein klassisch ge
30
bildeter Leipziger! ich bitte …) nachzujagen, rächte sich erklärt mir einigermaßen,
32
weshalb ich hier gerade rückständig bis zur Heiligkeit war. Ich habe, bis zu meinen „reifsten“
34
Jahren, immer nur schlecht gegessen, will sagen „unegoistisch“, „altruistisch“ „un-
36
„persönlich“ – Leipziger Küche zum Beispiel … Sich zum zum Zweck unzureichender
38
Ernährung auch noch den Magen verderben – dies Problem löstAzum Bewundern die
40
Leipziger Küche, – sie „verneint“ den Willen zum Leben. Derart erlöst studirte
42
ich Schopenhauer. –
man denke sich!
mir
2: als das] ¿ 16: Christlichkeiten] ¿ 26: Verlogenheit] Vk mit Tinte der letzten Korrektur 32: reifsten“] Vk 36: Sich zum zum] ¿, > Sich zum 38: löst] Vk
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40: studirte] Vk
15.05.15
66
Distanz =Gefühl
W II 8
das zuletzt physiologisch sein möchte
Ein physiol. Widerstands{ = GefühlAbin ich in der allernächsten Nähe W’ s nie los
2
geworden: ich empfinde die Distanz, reinlicher zu sein in jedem Verstande, gleichsam
4
unvers
6
unvermischbar u. obenauf im Vergleich zu einem trüben Elemente
8
geradezu viehische Zu-
unvermischbar u. o
10
38 )
gießung der Alcoholica, Mein Vorrecht, mein Voraus vor den M. überhaupt ist, in
12
einer Menge
einer Fülle unerlebter Welten zu Hause gewesen zu sein: wer meinen
14
in einer Fülle von unerlebter Zustände zuerst gelebt zu haben
selber darin Z. Zeile für Zeile liest, wird hierin Unterscheidungen machen machen.
16
seltener u. neuester Zustände
eine Fülle neuer u. seltener Zustände von höchster Reinheit erlebt zu zwischen
18
u
haben, wo einen Geist oder eine Seele zu benennen ein Cynismus wäre
20
höchster
eine Fülle seltener u. neuester Zustände erlebt zu haben, in Bezug auf welche
22
zwischen Geist u Seele zu trennen ein Cynismus wäre. Unzweifelhaft
24
muß man Philosoph sein, tief sein bis zum Schrecklichen, um in diese
26
Lichtfülle hinauszutreten: aber die Richtigkeit des Gefühls, die
28
lange Tyrannei einer großen Aufgabe sind die noch wesentlicheren Vorbe-
30
dingungen zu dazu.
32
Diät=
Die deutsche Küche hat seit al die drei größten Dummheiten auf dem Gewissen, die
34
Suppe vor der Mahlzeit (man hieß das ehedem in Italien alla tedesca), die ausge-
36
kochten Fleische u. die schweren Mehlspeisen. Rechnet man noch die
38
2-12,22-32: KGW VIII 22[29]
W II 8b 42-107.indd 49
)9
2: W’s] > Wagner’s 8: unvermischbar] ¿ 11: Alcoholica] ¿ 14: Welten] Vk 20: benennen] nach Korrektur des Kontextes > trennen 36: tedesca] Vk
15.05.15
W II 8
67 ) 10
ie
2
Im Punkte der Hygiene habe ich meine bösesten Fehler gemacht: jene fehlerhafte Bescheidenheit , das Wort weit u fein genommen
2)
4
Sehr bedingt u. nur unter einem ausgesuchten u. feinen System von Gewohnheiten zu sich selbst
6
zurückkommend, will sagen zu seiner Aufgabe, zum Recht, zum Wohlgefühl an seiner
8
Aufgabe welche in Deutschland beinahe Tugend selber heißt u.
10
Gleich=
mit
12
sich die{Behandlung wie Jedermann nicht nur zugesteht, sondern
14
anbefiehlt, war im Grunde das Unglück meines Lebens.
xxxxxxxx
Und gerade sie habe ich bei weitem zu theuer erkauft: daß
16
jeder Wink
18
* selbst ein Vorbild
20
gefehlt hat
Rath u Zuspruch
Zufall *
einer selbsteigenen
in diesem Punkte jede Erziehung, jeder Ansatz zur Erziehung meiner Jugend
fehlt, rechne ich unter die größten Verhängnisse unserer Art Cultur
22
Das maximum an Kraft, das ein undurchschnittl. Mensch erreicht,
24
ist im strengsten Sinne bedingt durch fünfzig Klugheiten des Alltags-
26
Lebens: hier sich vergreifen, hier mit nur 49 selbst eine
28
Einzige Dummheit eine Gewöhnung werden kann ein Dasein
30
um seine höchste Erfüllung betrügen. Die höhere Obhut
32
über sich selbst – von unserer Moral nicht gelehrt u beinahe
34
als „feinerer Egoismus“, abgelehnt, in Verruf gebracht –
36
ist für mich der Inbegriff der Pflicht selbst geworden:
38
man taugt etwas, um den Preis, in jenem Sinne jener Obhut
40
unerbittlich gegen sich zu sein. Der Rest folgt daraus: steht Je-
42
mand wieder auf seinen eigenen Beinen u. auf dem Schicksale seiner Aufgabe,
44
so hat er auch seine Art von Menschen =liebe, – er weiß,
seines
u sich sich an Einem Punkte in jenen Gewöhnungen zu vergreifen
bei
wieviel er gerade im großen Sinne nützlich ist, wieviel er allein
46 48
nützlich sein kann …
4: zu] Vk 6: Recht] Vk 12: Jedermann] ¿ 20: gefehlt] Vk 24: fünfzig] ¿ 26: Lebens] ¿
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26-28: hier … werden] ? 27: sich sich] > sich 35: bei] > beinahe 38: jener] ¿ 40: sich] ¿ 42: seinen] Vk
15.05.15
68
Im Punkte der Hygiene habe ich meine bösesten Fehler gemacht, u. den Mangel an Vernunft so weit getrieben
2
Sich zum Zweck unzureichender Ernährung auch noch den Magen verderben:
4
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sagen wir die deutsche wie sie wenigstens im Norden noch
dies Problem löst zum Bewundern die Leipziger{KücheA. Auch die englische
6
beschaffen war.
die ich später
Diät, wie ich sie nur zu lange durch meine Nizzaer Hotel =Erfahrungen kennen lernte,
8
scheint mir meinem Instinkt tief zuwider: – ich meine, daß sie den Geist schwerfällig
10
u. englisch macht. Daß mir Alcoholica nachtheilig sind u im Grunde ein
12
an sich
Glas Wein oder Bier des Tags völlig ausreicht, mir das Leben unerträglich zu u es zu „verneinen“
14
als
machen, habe ich ein wenig spät erst in meine Welt ein Ich habe überall, wo ich bis gelebt
16
begriffen, – erlebt hatte ich es eigentlich
schlecht gegessen, will sagen
von Kindheit an. Als Knabe glaubte ich, Weintrinken „unpersönlich“, „altruistisch“ sei wie Tabakrauchen bloß eine vanitas junger Leute –
18
20
22
Zu glauben
u später eine Angewöhnung … Daß der Wein erheitert,
24
dazu müßte ich Christ zu sein, will sagen glauben
26
eine Absurdität ist
was für mich nicht wahr ist … Seltsam genug, bei einer Verstimmbarkeit
Verstimmbarkeit
28
durch
extremen Irritabilität gegen kleine Dosen Alkohol bin ich unerschütter-
30
seemännischen
lich beinahe gegen starke Dosen: und mit einem Grog wirft
32
seemännischen Kalibers
vom Kaliber wirft man mich am wenigsten um … liebe ich freilich dafür das Wasser.
34
.–
liebe ich auch freilich
Jetzt, in der Mitte meiner „Weisheit“ trinke ich sehr oft Wasser
36
– ich liebe Orte, wo man überall Gelegenheit hat, aus
38
fließenden Brunnen zu schöpfen (– Nizza, Turin zb.)
40
Nachts
ich trage immer ein Glas bei mir .. NichtAaufwachen, ohne
42
einen Schluck Wasser zu trinken … Ich werde nie zugeben
44
Meine Wahrheit ist: heißt:
in vino veritas. der Geist schwebt über dem Wasser …
46
:
48
5: Norden] ¿ 26: Christ zu] > Christ 45: Meine] Vk 46: dem] Vk
W II 8b 42-107.indd 51
15.05.15
W II 8
69 viel Mangel so arger Mangel aus Distanz -Gefühl 70,40 )
2
u Feindseligkeit. Es ist so viel Zudringliches, im Glauben, wohlthun zu können
4
: ich habe öfter das Wohlwollen =wollen unter den allgemeinen Begriff der
6
Brutalität gefaßt
thun=
70,1 ) Es
u. Wo
Es sind junge lüderliche Burschen von xxxxxxxxx zu Besuch Gelehrten, unter dem Vorwande mich zu verehren xxxxxxxxx zu mir gekommen, um mich „anzupumpen“
8
10
12
Woran ich nie gelitten habe: „unerkannt“ zu sein, nicht gelesen zu werden Noch in meinem 45 ten Jahre geben mir Gelehrte der Berliner Universität
14
in aller Gutmüthigkeit zu verstehen, die litterarische Form meiner Schriften sei
16
der Grund, weshalb man mich nicht lese, – ich sollte das anders machen
zur Erziehung
18
Im Grunde gehöre ich zu jenen unfreiwilligen Erziehern, welche keine Prinzipien{ Die
20
brauchen, noch haben: aber die Eine Thatsache, daß ich in 7 Jahren
22
Unterricht keinen Grund hatte, eine Strafe zu verhängen, u daß, wie mir später
24
bezeugt worden ist, die Faulsten für mich fleißig waren, zeugt dafür.
26
Eine kleine Klugheit ist mir im Gedächtniß geblieben: im Fall, wo ein
28
Schüler, im Wiederholen dessen, was ich die Stunde vorher auseinandergesetzt hatte, durchaus
30
unzureichend blieb, nahm ich immer die SchuldAauf mich, – sagte, es sei Jeder
stets
um
Recht
von mir eine
32
Rechts, wenn ich mich zu kurz, zu unbestimmt ausdrücke, mich
Aufklärung
34
zu bitten. Resultat Ein Lehrer habe die Aufgabe, jeder Intelligenz sich
verlangen
36 38
2-16: KGW VIII 22[28] 404,27-405,8
W II 8b 42-107.indd 52
zugänglich zu machen … Man hat mir gesagt, daß dieser Kunstgriff stärker wirkte als irgend ein Tadel
1: aus] > an 2: wohlthun] Vk 7: verehren] Vk 16: lese] Vk 18: Prinzipien] Vk 30: Jeder] > Jedermanns
32: eine] aus unvollständiger Korrektur
15.05.15
70
W II 8
sie die Schutz u Wehr =Instinkte des M. zu schwächen, – ich wußte mich gegen zudringliche Hülfsbereitschaft so wenig wie gegen zudringliche Verehrung genug faust zu vertheidigen
Gegen die Jahre der Krankheit würde ich einzuwenden haben, daß sie mir durch
) 69,6 2
völlig unzureichende, aber zudringlich wohlwollende M. verdorben worden sind. Nicht
4
einmal meine Arbeitsstille in Nizza ist geehrt worden. Man hat,
6
mit einer unbescheiden Ein Kranker hat Mühe damit, Dinge loszuwerden,
8
Menschen eingerechnet: ein gewisser Fatalism, der „sich in den Schnee“
10
legt, nach Art eines russischen Soldaten, wenn die Härte u. das Schicksal
12
zu groß sind, ist mir am stärksten im Gedächtniß aus meiner
14
kranken Zeit geblieben. Die unzuträglichsten Verhältnisse, nachdem sie
16
einmal, durch irgend einen Zufall, gegeben waren, wurden festgehalten, –
18
zähe, Jahre hindurch. –
20
Die Kunst, mich zu trennen, – auseinanderzuhalten,
22
Eine Hälfte Jahre lang zu vergessen …
24
Vortheil aus meiner Krankheit ziehen: die Entlastung von der
26
großen Spannung
28
das liebevolle Wahrnehmen =Lernen für das Kleine
30
Es würde mir unmöglich sein, zu erklären, was ich als den schlimmsten Zu-
32
fall meines Lebens betrachte, – es klänge nicht nur paradox, es klänge
34
undankbar u. niedrig.
36
Die Art Wohlwollen, die ich erfahren habe, hat in vielen Fällen auf
38
f
mich einen schlimmeren Eindruck gemacht als ihre irgend eine Art Bosheit
40
) 69,2
22-40: KGW VIII 22[28] 404,17-27
W II 8b 42-107.indd 53
40: Bosheit] ¿
15.05.15
W II 8
71
2
d
Das Kunststück meines Lebens liegt in der Bescheidenheit, – in dem Willen, in der
4
Kraft dazu, sich klein zu machen .. Nicht sich klein zu stellen: sondern
6
gleichsam Etwas zu vergessen, von sich ablösen, eine Distanz schaffen in
8
sich – anders ausgedrückt: ein Bewußtsein vollkommener Freiheit erlangen
10
vor der Aufgabe, dem Willen, dem unbarmherzigen Instinkt, den sie
12
bedingt ..
14
Das Kunststück war, das viele Arme, Schwache, Leidende meines Lebens mir
16
zu Hülfe zu nehmen, um an einer großen Aufgabe nicht zu Grunde
18
zu gehen: – mich gleichsam zu zertheilen – u die andere Hälfte
20
übrigbehalten zur Freundlichkeit, Menschenfreundlichkeit, Geduld, Zugänglichkeit
22
für alles Kleine u Kleinste. Es ist auch die Seite, wo ich raffinirt u.
24
klug bin in Dingen des Genießens, – ein guter Leser, ein guter Hörer …
26
Hier gefallen mir auch Dinge, die vielleicht eine große Liberalität, noch mehr
28
verlangen als eine feine Intelligenz; zb Petronius, auch Heinr Heine,
30
Offenbach mit seinen unsterblichen Texten …
in der Güte
32
Gegen die Thatsache, daß fast jede Berührung mit M. mir den Begriff
34
gab vom Thier mit unfreiwilligem Humor gab, erwuchs bei mir nicht
36
gerade eine Geringschätzung: ich habe mich in allen Fällen, wo eine
38
Art Rancune oder Ferocität gegen mich zu Tage, bemüht, irgend
40
etwas meinerseits zu thun, um meine Erinnerung damit auszuwischen. u. keinen Um - so -Humaneres
42
KGW VIII 22[26]
W II 8b 42-107.indd 54
Grund zu haben, etwas nachzutragen
30: unsterblichen] ¿ 38: oder] ? 38: Tage] > Tage trat 40: thun] Vk 40: Erinnerung] ¿
15.05.15
72
$
Zarathustra 2, 33 S. 33
Ihr
seht nur des Geistes Funken: aber ihr kennt den
Ambos nicht, der er ist, u nicht die Grausamkeit seines Hammers!
Ich habe weder e
W II 8
Vorgesehene Verbesserung der Stelle: mit Zuordnungslinie, rote Tinte
2
4
i
6
8
: Thier mit unfreiwilligem Humor:
10
Ich habe nie daran gelitten, nicht geehrt zu sein, – ich finde einen
12
Vortheil darin. Andererseits habe ich so viel Auszeichnung u Ehre in meinem
14
Leben, von früher Jugend an erlebt, daß ich mich
16
12-16: KGW VIII 22[27]
W II 8b 42-107.indd 55
15.05.15
W II 8
73
2
I
Die Erlösung vom Christenthum
: der Antichrist
4
II
von der Moral
: der Immoralist
6
III
von der „Wahrheit“
: der freie Geist
8
IV
vom Nihilismus
:
= der Nihilism als die nothwendige Folge von
10
Christenthum, Moral u. Wahrheits=Begriff der
12
Philosophen
14
C
20
ich verstehe unter „Freiheit des Geistes“ etwas sehr Bestimmtes: hundert Mal den Philosophen $ u anderen Jüngern „der Wahrheit“ durch Strenge gegen sich, durch Lauterkeit u
22
Muth, durch den unbedingten Willen, Nein zu sagen, wo das Nein gefährlich
24
ist – ich behandle die bisherigen Philosophen als verächtliche
18
A
überlegen sein Bleistift
ich verstehe unter „Freiheit des Geistes“ etwas sehr Bestimtes: hundert Mal die Philosophen und andre Menschen „der Wahrheit“ durch Verneinen Strenge gegen sich?, durch Liberalität und Lauterkeit und Muth, durch den unbedingten Willen, Nein zu sagen, wo das Nein gefährlich ist – ich behandle die bisherigen Philosophen als verächtliche libertins unter der Kapuze des Weibes „Wahrheit“… rote Tinte und Bleistift
KGW VIII 22[24]
W II 8b 42-107.indd 56
Die Zeichen des Nihilism …
16
unter der Kapuze
libertins im Dienste des Weibes „Wahrheit …
26
$
20: sich] >? sich überlegen sein 26: Dienste] Vk 26: Wahrheit] > Wahrheit“
15.05.15
74
W II 8
Der Immoralist.
der Herkunft nach ist Moral: Summe der Erhaltungs-Bedingungen einer armen, halb oder ganz mißrathenen Art Mensch : diese kann die „große Zahl“ sein – daher ihre Gefahr. :
2
4
6
8
10
ihrer Benutzung nach ist sie das Hauptmittel des Priester-
12
Parasitism im Kampf mit den Starken, den
14
Kritik der
Lebenbejahenden – sie gewinnen „die große
16
„Verbesserer“
Zahl“ (die Niedrigen, die Leidenden in allen
18
Ständen – die Verunglückten aller Art –
20
– eine Art Gesammt=Aufstand gegen die
22
kleine Zahl der Gutgearteten …
24
ihren Folgen nach die radikale Falschheit u Verderbniß selbst
Kritik der „Guten“
KGW VIII 22[25]
W II 8b 42-107.indd 57
26
jener Ausnahme=Schichten: welche schließlich,
28
um sich nur auszuhalten, in keinem Punkte
30
mehr wahr gegen sich sein dürfen: die
32
vollkommene psycholog. Corruption mit dem,
34
was daraus folgt:
36
2: Erhaltungs-] Vk 18: Niedrigen, die] Vk 26: Falschheit] Vk
15.05.15
W II 8
75
Juden = Gesetz Verbot 2
Der Satz „du sollst nicht tödten“ ist eine Naivetät im Ernst meines meines Verbots an die décadents
alle 4
Schlimmeres
Verhältniß zu demASatzes „du sollst nicht zeugen“, es ist vielals eine Naivetät, es ist dessen Geg der Widerspruch dazu es war Schlimmeres noch …
6
leicht an sich schon eine Naivetät, wenn nicht gar Schlimmeres …
8
Das höchste Gesetz des Lebens verlangt, daß man ohne Mitleid
10
sei mit allem Ausschuß u Abfall des Lebens, – daß man vernichte,
12
was für das aufsteigende Leben bloß Hemmung, Gift, Verschwörung, unter-
14
irdische Gegnerschaft sein würde. Es ist unmoralisch zu sagen: du
16
sollst nicht tödten“…
18
Das Bibel = Verbot voller Judain „du sollst nicht tödten“ ist eine Naivetät
20
im Vergleich zu meinem Verbot an die décadents „ihr sollt nicht zeugen! – es ist
22
Schlimmeres noch, es ist der Widerspruch dazu … Das höchste Gesetz des Lebens,
24
von Zarathustra formulirt, verlangt, daß man ohne Mitleid sei mit
26
allem Ausschuß u Abfall des Lebens, – daß man vernichte, was für das
28
aufsteigende Leben bloß Hemmung, Gift, Verschwörung, unterirdische Gegnerschaft
30
sein würde, – Christenthum mit Einem Wort … Es ist unmoralisch
32
zu sagen: du sollst nicht tödten …
es ist widernatürlich im tiefsten Verstande
18-32: KGW VIII 22[23]
W II 8b 42-107.indd 58
3: décadents] ¿ 5: in Ms nicht übereinander 20: décadents] ¿ 20: zeugen!] > zeugen!“
15.05.15
76
W II 8
$
an Hans v. Bülow, Turin, 9. Okt. 1888. Bleistift
Verehrter Herr
2
Sie haben auf meinen Brief nicht geantwortet.
4
Sieh sollen ein für Alle Mal vor mir
6
nunmehr Ruhe haben, das verspreche ich Ihnen.
8
Ich denke, Sie haben einen Begriff davon,
10
daß der erste Geist des Zeitalters Ihnen
12
einen Wunsch ausgedrückt hatte.
14
F. N.
r V
16
4: geantwortet.] ¿ 8: verspreche] Vk
W II 8b 42-107.indd 59
15.05.15
W II 8
77
2
4
6
„selbstlose“ Hdl. giebt es gar nicht
Hdl., in denen das Individ. seinen eigenen Instinkten untreu wird u nachtheilig wählt, sind Zeichen der décadence (– eine Menge der berühmtesten sog. „Heiligen“
8
sind einfach durch ihren Mangel an
10
„Egoismus“ überführt, décadents zu
12
sein
14
16
s
18
selbstisch“, daß sie gerade der Beweis eines sehr starken
20
u. reichen Selbst sind
22
KGW VIII 22[21]
W II 8b 42-107.indd 60
die Hdl. der Liebe, des „Heroismus“ sind so wenig „un-
– das Abgeben =können steht den „Armen“ nicht frei …
24
ebenso wenig die große Verwegenheit u. Lust am Aben-
26
teuer, die zum „Heroism“ gehört
28
nicht „sich opfern“ als Ziel, sondern Ziele
30
durchsetzen, über deren Folgen man aus Übermuth u Zutrauen
32
zu sich nicht besorgt ist, gleichgültig ist …
2: selbstlose] Vk 2: Hdl.] ¿ 16: Hdl.] ¿ 26: gehört] Vk 30: Zutrauen] Vk
15.05.15
78
a)
die falsche Ursächlichkeit
2
Lust Unlust Wille Zweck „Geist“
b)
W II 8
die falsche Einheit „Seele“, „ich“, „Person“
womöglich „unsterbl. Person“
– damit eine falsche Alternative gegeben „ich“ und „Andere“
4
6
8
10
12
(Egoism – Altruism)
„Subjekt“ „Objekt“ c)
KGW VIII 22[22]
W II 8b 42-107.indd 61
14
die vollkommene Verachtung des Leibes ließ die Hauptsache
16
nicht sehen, die vollkommene wundervolle Art
18
seines Organisations =Spiels zur Selbst = Erhal-
20
tung u. Steigerung der Art der Gattung: – mit
22
anderen Worten den unendl. Werth der Einzel=
24
Person als Träger des Lebens = prozesses
26
u. folglich, ihr allerhöchstes Recht auf
28
Egoism, – wie alle ihre Unmöglichkeit,
30
es nicht zu sein …
32
Thatsächlich ist alles „Unegoistische“
34
décadence = Phänomen.
36
4: Wille] Vk 16: Leibes] Vk
15.05.15
W II 8
79
$
Vorwort z. „Götzendämerung“ Bleistift
Eine 2
Die
Umwerthung aller Werthe, dies Fragezeichen so schwarz, so ungeheuer, daß es Schatten
4
auf den wirft, der es setzt, – ein solches Schicksal von Aufgabe zwingt
6
jeden Augenblick in die Sonne zu laufen, einen schweren, allzuschwer gewordenen
8
Ernst von sich zu schütteln. Jedes Mittel ist dazu recht, jeder
10
„Fall“ ein Glücksfall. Vor Allem der Krieg. Der Krieg war immer
12
die große Klugheit aller zu innerlich, zu tief gewordenen Geister;
14
selbst in der Verwundung liegt Heilkraft. Ein Spruch, dessen Herkunft
16
ich der gelehrten Neugierde vorenthalte, ist seit langem mein Wahl-
18
spruch:
20
22
increscunt animi, virescit volnere virtus.
Eine andere Genesung, unter Umständen mir noch erwünschter ist
24
– Götzen aushorchen … Es giebt mehr Götzen als Realitäten in
26
der Welt – das ist mein „böser Blick“ für diese Welt …
28
Es ist auch mein böses Ohr … Hier einmal mit dem Hammer
30
Fragen stellen u, vielleicht, als Antwort jenen berühmten
32
hohlen Ton bekommen, der von öden{Eingeweiden redet
34
– welches Entzücken für Einen, der Ohren auch noch hinter den Ohren
36
hat, – für mich alten Psychologen u Rattenfänger, vor dem gerade
38
was still bleiben möchte, reden muß …
geblähten
e
b
40
Auch diese Schrift – der Titel verräth es – ist vor Allem eine
42
Erholung, ein Sonnenfleck, ein Seitensprung in den Müßiggang eines
)
20: increscunt] ¿ 22: unter Umständen] ¿ 42: in] Vk
W II 8b 42-107.indd 62
15.05.15
80
Diese kleine Schrift ist eine große Kriegserklärung; u was die Götzen betrifft, an die hier mit dem Hammer gerührt
W II 8
2
4
überhaupt
wird, so giebt es keine älteren, keine aufgeblaseneren, keine
6
keine hohleren …
„überzeugteren“… Auch sind sie fern davon, zumal in ihrem vornehmsten Fall, sich für Götzen anzu Das hindert nicht
10
daß sie die geglaubtesten sind: auch sagt man, zumal
12
im vornehmsten Falle, durchaus nicht Götze …
14
welches Entzücken für Einen, der Ohren auch noch hinter den
16
Ohren hat – für mich alten Rattenfänger u Musikanten, vor dem
18
gerade, was still bleiben möchte, reden muß …
20
Und was das Aushorchen von Göttern anlangt, so dürften
22
das dies Mal die ältesten, vielleicht auch die dicksten sein, an
24
welche mit dem Hammer wie mit einer Stimmgabel gerührt wird …
26
Auch sagt man, nicht zumal in dem vornehmsten Fall, durchaus
28
nicht Götze …
30
Götzen ausgehorcht?…
)
8
Psychologen. Vielleicht auch ein neuer Krieg? Und werden neue
18: alten] Vk 18: Musikanten] Vk 18: dem] Vk 20: bleiben möchte] Vk 24: das] aus unvollständiger Korrektur 24: dicksten] ?
W II 8b 42-107.indd 63
es
32
34 )
34
) 32
S. 81-82 unbeschrieben
15.05.15
W II 8
83 meine Man kennt die beiden Worte
meine , man kennt die Formeln Symbol
Das „Wort „Immoralist“, die Formel „Jenseits v G u Böse“ Das xxxx
2
xxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxx
4
mein
Symbol u Kerbholz = Wort Eins
wie das Andere
: ich handhabe das Eine wie das Andere gleichsam als
6
jenen
Fackeln stärksten Lichts, um in einen Abgrund von Leichtfertig-
8
u Lüge
10
keitAhinabzuleuchten, der bisher „Moral“ hieß“. Die Jahr-
12
tausende, die Völker, die Ersten u Letzten, die Philosophen
14
u die alten Weiber – in diesem Punkte sind sie allesammt
16
einander würdig … Der M war bisher, als das
alle
ein 18
„moralische Wesen“ u als solches absurder, als
20
irgend ein Affe verlogener, eitler, leichtfertiger, sich
22
selber nachtheiliger als irgend ein Verächter des M. auch
24
nur es auszudenken vermöchte. Die Moral war die Circe der
26
Mh: – ich habe früher schon gesagt, daß sie auch die
28
Circe der Philosophen war … Es ist nicht der Irrthum
30
nicht der jahrtausendelange Mangel an Selbstbesonnenheit, wenn
selbst auch der gründlichste
selbst
auch von ferne errathen könnte
vermöge dessen
Niemand bisher sich auch heute
erst heute das vollkommen Erstunkene u Erlogene des ganzen
sich
des höchsten Ansehens erfreut
34
M Moral=Begriffe klar hat, was mich entsetzt: es ist der
36
Mangel an Instinkt, der Mangel an Selbst=Erhaltungs=Energie Natur
2: Immoralist] Vk 2: Das xxxx] Vk 8: Fackeln] Vk 18: Wesen] Hinzufügung 84,17 30: jahrtausendelange] ¿ 32: Erlogene] Vk mit Tinte der letzten Korrektur
W II 8b 42-107.indd 64
)
32
Instinkt,
34: klar] >? klar gemacht
15.05.15
84
Der Moralist will den M „verbessern“; der Immoralist – ich zb will die Mh insofern verbessern dh. besser stellen, als er die Moralisten vernichtet …
W II 8
2
4
6
„Immoralist“ Jenseits v Gut u Böse – meine Worte.
Diese Führer, wie sie sie immer nennen, Philosophen, Priester,
8
Socialisten, „Heilige“ – sie alle waren Moralisten, sie
10
glaubten an die Moral, sie hielten als oberstes Ziel fest, den
12
M zu verbessern
14
umgekehrt
Was wird ein Immoralist von sich verlangen? was stelle
16
)
– eine Spezialität ohne Gleichen in der Welt –
ich mir mit diesem Buche als Aufgabe! Gleichfalls
18
die Mh. verbessern – nämlich sie von der Moral losmachen,
20
der die Mh. nicht längst vor dieser gefährlichsten, verder-
22
berischsten Form des Irrthums gewarnt hat … Nicht sich irren
24
) 40
darüber
sondern sich zu vergreifen über das, was nützlich u schädlich ist –
26
kranke Natur
kennzeichnet die Schwäche, die Erschöpfung, die décadence: wie
28
ist es möglich, daß in allen Hauptsachen nur schädliche
30
Wünschbarkeiten als oberste Wünschbarkeiten von den Führern
32
der Mh. bisher aufgestellt worden sind?… Die Eine
34
Möglichkeit Antwort wäre, daß gerade jene Führer decadents
36
gewesen seien – – –
38
ihren
von den gefährlichsten Führern losmachen
40
20 )
42
8: sie sie] vgl. Mp XVII, Bl. 127r > sie sich auch 17: Hinzufügung zu 83,18 20: verbessern] ¿ 24: irren] Vk
W II 8b 42-107.indd 65
15.05.15
W II 8
85
2
Thesen: es giebt gar keine unegoist. Handlung
4
: es giebt auch kein egoistisches Handeln
6
: Glück ist niemals Zweck des Handelns, Unlust niemals
8
Ursache
10
(– die Unlust könnte noch so groß sein: wäre der Mechanismus nicht frei, so gäbe es dennoch
12
keine Hdl.
14
Lust u Unlust sind keine Ursachen, sie
16
setzen nichts in Bewegung, – sie begleiten nur …
18
20
In wiefern alle Niedrigen, Lasterhaften, Brutalen, Listig=Raffinirten
22
bloß symptomatisch sind für Degenerescenz
der Heerden-Instinkt
24
26
Kritik der Mitgefühle
28
Kritik der Selbstgefühle
30
KGW VIII 22[19]
W II 8b 42-107.indd 66
warum Wahrheit?
8: Ursache] Vk 14: Hdl.] Vk 16: Ursachen] Vk 22: Degenerescenz] ¿
15.05.15
86
Falsche Consequenzen des Glaubens ans „ego“
der Mensch strebt nach Glück: aber in diesem Sinne giebt es keine Einheit „welche strebt“…
6
durchaus nicht Glück – Glück ist eine Begleiterscheinung –
10
beim Auslösen ihrer Kraft: was Handeln macht, ist
12
nicht das Bedürfniß, sondern die Fülle, welche auf
14
einen Reiz hin sich entladet
16
gegen die pessimist. Theorie, als ob alles Handeln auf Los -
18
20
22
werden - wollen einer Unbefriedigung hinausgienge
24
als ob Lust an sich Ziel irgend welchen Handelns
26
wäre …
W II 8b 42-107.indd 67
4
8
jene Spannung ist ein großer Reiz ..
KGW VIII 22[20]
2
u. wonach alle Einheiten streben, das ist
nicht die „Unlust“ Voraussetzung der Thätigkeit
W II 8
28
2: ans] Vk 6: Sinne] Vk 12: Auslösen ihrer] Vk 26: Lust] Vk 26: Ziel] Vk 26: Handelns] Vk
15.05.15
W II 8
87
2
4
Leibnitz u d große
Leibnitz, die deutsche Ph., die Freiheits
das d Reich lauter
jedes Mal ein Umsonst für Etwas was bereits da
Alles alles, was sich versteckt,
ll
verbirgt, aus Instinkt aushorcht …
,
6
Turin, am 30. Sept. 1888, Götzen aushorchen
8
10
12
14
am Tage, wo das erste Buch der Umwerthung beendet wurde.
Kein Ding geräth, an dem nicht der Übermuth seinen Theil hat: Erst das Zuviel von Kraft ist der Beweis der Kraft. – setzt
16
Inmitten einer düsteren u über die Maaßen verantwortlichen Sache seine Heiterk.
18
aufrecht erhalten ist nichts Kleines von Kunststück: u doch was wäre
20
nöthiger als Heiterkeit? –
auch noch
22
24
welches Entzücken für Einen, der Ohren hinter den Ohren will sagen, – für einen alten Musiker, der im Grunde Seelen aushorcht. –
26
welches Entzücken für Einen, der Ohren auch noch hinter den
28
Ohren hat, – für einen alten Musikanten, der im
30
Grunde SeelenAaushorcht …
gleich mir
u andere Hohlräume aus Instinkt
Auch diese Schrift ist – der Titel
)
12: Übermuth] ¿ 15: setzt] vgl. GD Vorwort, 51,9 30: Einfügungszeichen mit Tinte der letzten Korrektur verlängert
W II 8b 42-107.indd 68
15.05.15
88
die schlechten Hdl., die der décadents sind gerade durch ihren
2
Mangel an „Egoismus“ gekennzeichnet, – sie sind nicht auf den
4
letzten Nutzen gerichtet
6
Psychologie der sog. unegoistischen Handlungen
W II 8
8
strengstens
– in Wahrheit sind sieAauf den Selbst = Erhaltungs Instinkt hin regulirt
das Umgekehrte ist bei den sog. egoist Hdl der Fall:
10
12
14
16
hier fehlt gerade der dirigirende Instinkt, –
18
das tiefe Bewußtsein des Nützlichen u Schädlichen
20
Alle Stärke, Gesundheit, Vitalität zeigt von der vermehrten Spannung hin zum commandirenden Instinkt des Selbst alles Locker = werden ist décadence
22
24
26
– der Titel verräth es Auch diese Schrift, ist, gleich dem „Fall Wagner“ vor Allem )
verräth es – vor Allem eine Erholung, ein Sonnenfleck
2-26: KGW VIII 22[18]
W II 8b 42-107.indd 69
2: Hdl.] ¿ 4: gekennzeichnet] Vk 6: Nutzen] Vk 8: Handlungen] Vk 9: strengstens] ¿ 14: Umgekehrte] ¿
28
14: Hdl] ¿ 20: Nützlichen] Vk 27: verräth es] ¿
15.05.15
W II 8
89
versteckte
2
die kleine Rachsucht Herr geworden! Alles Erbärmliche, An sich Leidende, von schlechten
4
Gefühlen Heimgesuchte, u das ganze Ghetto der Seele mit Einem Male obenauf. $
Antichr. No 61. Bleistift 6
8
noch hundert Mal schmerzlichere
– Ich berühre eine für Deutsche noch schmerzhaftere Geschichte. Die D. haben uns um die letzte große Cultur =Ernte gebracht, um die der Renaissance. Versteht man
10
hi endlich, will man verstehen, was die Ren. war? die Umwerthung der
12
christlichen Werthe, der Versuch, mit allen Mitteln, mit allen Inst. mit
14
allem Genie unternommen, die Gegen =Werthe, die vornehmsten Werthe zum Sieg zu bringen! – das jenem einen Versuch zu Gebote stand
16
Es gab bisher nur diesen großen Krieg – es gab nie eine entscheidendere
18
Fragestellung, als die welche die Renaissance stellte … Es gab auch nie eine
20
radikalere, geradere, in ganzer Front geführte Form des Angriffs
22
An der entscheidenden Stelle, im Sitz des Chr. selbst die
24
vornehmen Werthe auf den Thron zu bringen, will sagen in die Instinkte, in
26
die untersten Bedürfnisse u. Begehren der dort Thronenden … Es gab eine
28
Möglichkeit, von vollkommen sublimem Charakter, es hätte beinahe ein
30
Schauspiel gegeben, an dem alle Götter des Olymp einen Anlaß zu un-
32
sterblichem Gelächter gehabt hätten – Cesare Borgia als Papst
Zauber
Schönheit
so schön, so wunderlich
nach dem ich heute allein verlange
34
Wohlan: das wäre der Sieg gewesenA– damit war das
2: Rachsucht] Vk 2: Erbärmliche,] ¿ 4: Ghetto] Vk 8: Renaissance] ¿ 14: vornehmsten] ¿ 16: entscheidendere] ¿ 18: Renaissance] ¿
W II 8b 42-107.indd 70
22: entscheidenden] ¿ 22: selbst] ¿ 24: bringen,] ¿ 26: der] ¿ 29: Hinzufügung 90,27 32: sterblichem] ¿
15.05.15
90
$
W II 8 VIII 311 Bleistift
Christenthum abgeschafft! – Was geschah? Ein deutscher Mönch, Luther
2
kam nach Rom … Dieser Mönch, mit allen rachsüchtigen Instinkten
4
eines verunglückten Pr. im Leibe, empörte sich in Rom gegen
6
die Renaissance … Statt mit ewig tiefster Dankbarkeit das
8
Ungeheure zu verstehen, das geschehen war, die Überwindung des Chr. an
10
seinem Sitz – verstand sein Haß daraus seine Nahrung zu gewinnen –
12
er sah die Verderbniß des Papstes, während gerade das Gegentheil
14
der Fall war: die alte Verderbniß, das peccatum originale,
16
das Christenthum saß nicht mehr auf dem Stuhl des
18
Papstes … Und Luther stellte die Kirche wieder her …
20
Das soll man den Deutschen nie verzeihen: sie haben die
22
ganze Renaissance =Bewegung um ihr Ziel, um ihren Sinn
24
gebracht …
26
so schön, so wunderlich paradox, daß
6: Pr.] > Priesters 10: das] ¿ 27: Hinzufügung zu 89,29 27: wunderlich] ¿
W II 8b 42-107.indd 71
15.05.15
W II 8
91
von germanischem Hornvieh
92,1 )
wunderbare
2
Daß die wunderbare spanische
niedergetreten wurde
4
Cul maurische C. Spaniens von germanischem
6
Hornvieh niedergetreten wurde – diese
8
Cultur, die wieder vornehmsten Instinkten ihre Entstehung
mußte!
wiederum
10
verdankte, die wieder Ja sagte zum Leben, zu allen gr hohen Aspekten des
12
Lebens!
wiederum
ausgesuchten u. stolzen allen seltenen u. raffinirten Kostbarkeiten des Lebens
14
Die Kreuzfahrer bekämpften Etwas, vor dem in dem Staub zu liegen die
16
einzig ihnen schickliche Attitüde gewesen wäre … Und daß die für
ampf
18
Kirche mit germanischem Adel den Krieg führen konnte gegen die vornehmen
20
Werthe auf Erden, das gehört zu den schmerzhaftesten eines für einen Deutschen
22
24
92,42 )
2-13: KSA 14, 447, zu AC 60 26-36: KSA 14, 448, zu AC 60
W II 8b 42-107.indd 72
,
! Die Germanen,
jeder Zeit die Dienstboten =Rasse aller schlechten Instinkte der Kirche!
26
Im Grunde wäre es ja eine Sünde wider den Geist, auch
28
nur die Frage aufzuwerfen, was mehr Werth hat,
30
Chr oder Islam! Es sind ja Gegensatz = Werthe
32
Man kann, wenn man vornehme Instinkte im Leibe hat,
34
gar nicht anders wählen als der Hohenstaufer Fr der 2.
36
Kampf gegen Rom, Friede, Freund. mit dem Islam!…
5: mußte] ¿ 8: vornehmsten] ¿ 10: Aspekten] ¿ 12: Lebens] ¿ 16: einzig] ¿ 17: für] >? für sie
Freundschaft
Friede, mit dem Islam
18: germanischem] ¿ 18: Krieg] aus unvollständiger Korrektur 18: vornehmen] ¿ 31: Islam] ¿
15.05.15
92 u daß diese wunderbare
) 91,1
in Spanien, aus jenen Aspekten vornehmer Instinkte
die maurische Cultur, die in Spanien, mit Hülfe
W II 8
2
der Hornvieh=Rasse par excellence, den Germanen durch
4
vornehmen
das Christenthum vernichtet wurde, hatte wieder jenen Geist
6
wieder
in sich, der aus vornehmen Instinkten stammend, die Tschandala Werthe des Christen, des Priesters aufs Tödtlichste reizt
es war einfach deren Cultur. Und als später das Chr. wieder über die maurische Cultur in Spanien
8
,
10
12
14
gerade
– u daß die Kirche mit germanischem Adel den Krieg gegen
16
die Vornehmheit der Instinkte, gegen die
18
„vornehmen Werthe“ auf Erden zu Gunsten der Tschandala-
20
Werthe führte, gehört zu den schmerzhaftesten Formen der
22
Die Germanen, diese Dienstboten =Rasse aller schlechten
24
Instinkte der Kirche!
26
für einen Deutschen zu den schmerzhaftesten Erinnerungen Wie kann man auch nur die Frage aufzuwerfen,
28
30 32
was man zu wählen hat, wo es sich um Islam u Chr. handelt!
34
Es sind ja Werth =Gegensätze in beiden Rel. ausgedrückt!
36
Entweder ist man Tschandala oder man ist vornehm …
38
Ein vornehmer Deutscher kann gar nicht anders empfinden als der
40
Kaiser Hohenstaufer Friedr. der 2.
42
2-10: KSA 14, 447, zu AC 60 16-42: KSA 14, 448, zu AC 60
W II 8b 42-107.indd 73
Krieg gegen Rom
91,29 )
1: Aspekten] ? 16: Adel] ¿ 18: Vornehmheit] ¿ 34: Islam] ¿ 36: Rel.] > Religionen 42: der] ¿
15.05.15
W II 8
93
$
Antichr. No 59. Bleistift
das
en
2
Die ganze Arbeit der antiken Welt umsonst!: ich habe kein Wort dafür, um mein
4
Gefühl bei etwas so Ungeheures auszudrückt. Und insofern ihre Arbeit eine Vorar-
6
beit, insofern eben erst der Unterbau zu einer Arbeit von Jahrtausenden mit gra-
8
nitenem Selbstbewußtsein gelegt war, der ganze „Sinn“ der antikenAum-
über
Welt
sonst?.. Wozu Griechen? Wozu Römer! Und nicht von einem
10
14
Natur = Ereigniß überwältigt, nicht durch eine Brutalität, eine wie zb von Germanen oder anderen Species Rhinozeros nicht durch Germanen u. andere
16
nordischen schweren Unthieren vom Norden niedergetreten
18
nicht durch schweres xxxxx = Elephanten u. andere „Thiere“ niedergetreten
12
er
20
sten sten sten
22
s h
24
nicht durch Deutsche u. andere Schwerfüßler niedergetreten: – sondern von von schwersten der listigen, von
Germanen
unsichtbaren
Species
heimlichen, schwächsten, blutärmen Gegnerschaft zu Schanden bloß
sogen
26
gemacht! Nicht besiegt, – nur ausgesaugt … Man lese nur den sog. heiligen Augustin zb. mit welchen was christl. Agitator zb. irgend einen „Kirchenvater“, um zu riechen, was das ganze Gesindel
28
werth ist, das hier zum Herren wurde … Wenn der Islam
30
das Christenthum verachtet, so hat er tausend Mal recht
32
dazu: der Islam hat Männer zur Voraussetzung – nicht dieses
34
Halb -Castraten u. Feiglinge … Das, was wir mit jedem
36
Schlag unseres Herzens loben u. hoch halten 55
$
Antichr. No 60. Bleistift 38
)
Cultur
Das Chr. hat uns um die Ernte der antiken Welt betrogen:
40
es hat uns später wieder um die Ernte der Islam - Cultur ge
42
bracht. Die Kreuzfahrer bekämpften Etwas, vor dem im
44
Staube zu liegen ihre schickliche Position gewesen wäre.
einzig
34-36: KSA 14, 447, zu AC 59
W II 8b 42-107.indd 74
6: insofern] Vk 20: andere Schwerfüßler] Vk 22: blutärmen] nach unvollständiger Korrektur > blutarmen 32: Männer] Vk 32: Voraussetzung] ¿ 38: uns] Vk
15.05.15
94
zu anständigen, reinlichen Instinkten zu achtbaren, rechtschaffenen, sauberen, bloß jeder Ansatz zu
2 4
6
: – die Natur hat bei ihnen nicht einmal den Ansatz zu achtbaren anständigen reinlichen Instinkten gemacht
W II 8
30 )
8
10
gar betrügen, wenn
gearbeitet hat )
würde sich ganz u.
was für unsauberen Gesellen die Kirche immer arbeitet. Man soll nie zu
12
lassen, daß es hier an Verstand fehle – oh sie sind klug, giftig
14
klug, diese Herren Kirchenväter! Was fehlt, ist der leiseste
16
Begriff von redlichen, sauberen, vornehmen Instinkten
18
daß man irgend welche unzureichende Bildung“, irgendwelchen Mangel der Intelligenz Man
a
20
22
würde sich ganz u gar betrügen, wenn man irgend welchen Mangel an
Verstand bei den Führern der christl. Bewegung voraussetzte: oh sie sind
24
m
26
en
– klug
klug bis zur „Heiligkeit“, diese Herren Kirchenväter, – was ihnen abgeht,
28
ein
ist bloß die Achtbarkeit, bloß der geringste Ansatz zu selbst
14-16: KSA 14, 447, zu AC 59
W II 8b 42-107.indd 75
30
)6
6: jeder] ¿ 20: Bildung] > „Bildung 20: irgendwelchen] ? 30: ist bloß] Vk
15.05.15
W II 8
95
$
kl. Ausgabe VIII, S. 319f. Bleistift
2
die Ursächlichkeit des Handelns
der Zweck falsch angesetzt:
4
Glück
6
„egoistisch“
8
„unegoistisch“
Sch., der auch noch
12
c) fremdes Leid
14
d) eigenes Leid
hinzufügt: was natürlich nur
16
18
Spezifikationen des Begriffs
20
„eigenes Glück“ sind (a) wenn Glück Zweck der Hdl. ist, so muß
22
24
Unbefriedigung dem Handeln vorausgehen: pessimist.
26
Fälschung des Thatbestandes. Die Unlust als
28
Motiv zum Handeln.
30
W II 8b 42-107.indd 76
b) fremdes
(– tiefster Mangel an Selbstbesinnung bei
10
KGW VIII 22[17] 398,15-399,3
a) eigenes
Meine Theorie: Lust, Unlust, „Wille“, „Zweck“ vollkommen bloß
32
Begleit -Erscheinungen, – niemals ursächlich … Alle sog. „geistige“
34
Ursächlichkeit ist eine Fiktion
12: Sch.] > Schopenhauer 22: wenn] Vk 22: Hdl.] ¿ 24: Unbefriedigung] ¿
15.05.15
96
Ursächlichkeit des Handelns
2
Unlust u. Lust Motive
4
der Wille als ursächlich im Handeln
6
Vorausgesetzt: daß die ganze Vorge-
8
schichte in der Sphäre des Bewußtseins
10
liegt
12
daß die eigentl. Ursächlichkeit eine geistige ist … daß die „Seele“ weiß, was sie
18
will u. daß der Werth des
20
Willensaktes bedingt ist durch ihr
22
Wissen ..
24
Willen u. folglich
W II 8b 42-107.indd 77
14
16
daß die Seele „frei“ ist im
KGW VIII 22[17] 399,4-12
W II 8
26
28
8: Vorge-] ¿ 18: Seele] Vk 24: Wissen] Vk
15.05.15
W II 8
97
2
Umwerthung aller Werthe.
4
Der Antichrist. Versuch einer Kritik des Christenthums.
6
Der Immoralist. Kritik der verhängnissvollsten Art von Unwissenheit, der Moral.
8
10
Wir Jasagenden. Kritik der Philosophie als einer nihilistischen Bewegung.
12
14
16
18
20
Dionysos.
Philosophie der ewigen Wiederkunft.
Zarathustra’ s Lieder
Aus sieben Einsamkeiten.
KGW VIII 22[14]
W II 8b 42-107.indd 78
15.05.15
98
Zarathustra’ s Versuchung.
2
Oder:
4
an wem Mitleiden
6
eine
würde.
8
äre
Von
10
Friedrich Nietzsche
12
Der Fall Wagner. Ein Musikanten - Problem.
14
Götzen = Dämmerung. Oder: wie man mit dem
16
zur
Sünde
Hammer philosophirt. Zarathustra’ s Versuchung. Oder: an wem Mitleiden zur Sünde würde.
2-12: KGW VIII 22[15] 14-22: KGW VIII 22[16]
W II 8b 42-107.indd 79
W II 8
18
20 22
6: zur] aus unvollständiger Korrektur 6: Sünde] Vk
15.05.15
W II 8
99
2
Vom höheren Menschen.
4
Oder:
6
die Versuchung Zarathustra’ s.
8
Zarathustra’ s Versuchung.
10
Oder:
12
Mitleid als letzte Sünde.
14
wem Mitleiden eine Sünde wäre.
KGW VIII 22[13] 397,11-16
W II 8b 42-107.indd 80
15.05.15
100
58. Was man dem Chr. verdankt
W II 8
2
was wichtig ersten Ranges ist
die furchtbare Einbuße, das Alles, was werth hatA, nicht ernst genommen worden ist, – vernichtet worden ist …
– jetzt fangen wir an, Gesundheit, Nahrung, Wetter, Wohnung, ernst zu nehmen … die Vergeudung aller großen Leidenschaft, aller Begeisterung, aller Tiefe u. Feinheit des Geistes
Ich schreibe dem Christenthum seine ewige Anklage an die
4
6
8
10
12
14
16
Wände, – ich habe Buchstaben dafür, an denen die Blinden
18
sehen lernen w werden …
20
2-14: KGW VIII 22[12] 22-28: KGW VIII 22[13] 397,17-20
W II 8b 42-107.indd 81
Zarathustra’ s Versuchung.
22
Oder:
24
wie Mitleiden eine Sünde wird.
26
wem Mitleiden zur Sünde würde.
28
so
3: Ranges] Vk 4: das] > daß 16: Anklage] Vk
15.05.15
W II 8
101
$
Antichr. No 56. Bleistift
Zuletzt kommt es darauf an, zu welchem Zweck man lügt. Daß in der christl. die heiligen Zwecke fehlen, ist mein Einwand gegen ihre Mittel: nur schlechte Zwecke, Vergiftung, Verleumdung, Verneinung des Lebens – folglich sind ihre M schlecht. (
2
Wie kann man ein Buch in den Händen von Kindern u Frauen dulden, daß
4
das niederträchtige Wort enthält: „um der Hurerei willen
6
habe ein Jeder sein eigenes Weib u eine Jegliche habe ihren eigenen
8
Mann: es ist besser freien denn Brunst leiden.“) Das Gesetzbuch des M.
10
Robespierre,
$
Antichr. S. 294 u. Bleistift
12
Erwägt man, wie nothwendig den Allermeisten ein Regulativ ist, das sie von außen her bindet
14
u festmacht, wie der Zwang, in einem höheren Sinn die Sklaverei die einzige u letzte
16
Bedingung ist, unter der der willensschwächere M, das Weib zumal, gedeiht: so versteht
18
man auch die Überzeugung. Der M der Überzeugung hat in ihr sein Rückgrat: viele Dinge
20
nicht zu sehen, in keinem Punkte unbefangen zu sein, eine strenge u einzige Optik
22
in allen Werthen haben – das allein bedingt es, daß er gedeiht. – Ein solcher M ist
24
der Gegensatz, der Antagonist des Wahrhaftigen. Es steht ihm nicht frei, die
26
Frage wahr u unwahr überhaupt ernst zu nehmen, – er gienge sofort zu Grunde, wenn
28
er er nicht wüßte, was für ihn wahr ist. Genau diese pathologische Bedingtheit seiner
30
Optik macht aus dem Überzeugten den Fanatiker, den Gegensatz Typus= des freien, des starken
32
Geistes. Dem Überzeugten nächstverwandt ist der Lügner Aber die große Attitüde der Fa-
34
natiker war bisher
nothwendige
überhaupt
102,46 )
32-40: KSA 14, 446, zu AC 54
W II 8b 42-107.indd 82
,
36
der gefährlichste
38
Hemmschuh der Er-
40
kenntniß …
(
mit Nothwendigkeit
Eine letzte Stelle: alle Öffnungen des Leibes oberhalb des Nabels sind rein, alle unterhalb sind unrein – nur beim Mädchen ist der ganze Körper rein.
1: christl.] > christlichen Religion 2: daß] > das 11: zu Z. 28-32; vgl. AC 54, 235,12-16 16: zumal] ¿ 22: in] ¿ 24: des Wahrhaft] nach unvollständiger Korrektur > der Wahrheit
28: er er] > er 30: Gegensatz Typus=] > Gegensatz=Typus
15.05.15
102
$
W II 8
Antichr. S. 298/9. Bleistift
jedes Mal
auch
deutet, psychologisch nachgerechnet{: der Priester lügt … Er weiß es,
2
man zweifle nicht daran: zum Mindesten in dem Geschlecht, wo man
4
die „Offenbarung“, die heiligen B. macht … In dieser Beziehung
6
lese ich nie ohne neue Bewunderung das Gesetzbuch des Manu –
8
Jenes
anbei gesagt, ein unvergleichlich geistigeres u. feinere Werk
10
als die Bibel oder vielmehr schon durch die Vergleichung mit der das mit der Bibel zu vergleichen Bibel auch nur zu vergleichen ein Fehler gegen den guten Geschmack wirkliche
103,42 )
es
12
14 16
u. in sich
wäre. Es hat eine{Philosophie hinter sich, – nicht bloß armseliges u. Sünden = Schacher“ „Schriftgelehrsamkeit“
Judain von Aberglauben. u.
18
giebt
– es zieht selbst den
20
verwöhntesten Psychologen an etwas zu beißen. (was nicht Gar nicht
22
zu reden von jener Grundverschiedenheit: daß es einem vornehmen Stand
24
der Gelehrten u der Krieger die Macht in die Hände giebt, – daß es
26
gerade die
an denen
alle Dinge ernst, tief, voll Ehrfurcht behandelt, wo das Christensich
28
unergründliche
thum leichtfertig seine zügellose Gemeinheit ans Licht bringt (– die Zeugung endlose
30
bloß stellt
die Ehe überhaupt. Auch kenne ich kein Buch, wo vom Weib so viele
32
;a
.
gütige u. zarte Dingen gesagt würden)... diese alten Graubärte u
34
Heiligen haben eine Art, artig zu sein, die durchaus nicht übertroffen
36
ist. Der Mund einer Frau – sagen sie zb – der Busen eines Mädchens,
38
das Gebet eines Kindes, der Rauch des Opfers sind immer rein.
40
Eine
anderer Stelle: es giebt gar nichts Reineres als das Licht der Sonne den Schatten einer Kuh, die Luft, das Wasser, das Feuer u den Athem eines Mädchens.
An
42
44 46
) 101,35
8: Gesetzbuch] ¿ 22: beißen] Vk 29: unergründliche] Vk 31: endlose] ? 32: überhaupt] Vk 42: Reineres] ¿
W II 8b 42-107.indd 83
15.05.15
W II 8
103 sie sehen nicht weit genug,
Man lasse sich nicht irreführen: große Geister sind Skeptiker 2
)
Die Stärke, die Freiheit aus der Kraft beweist sich durch Skepsis. M. der Überzeugung
4
sind kommen für alles Grundsätzliche von Werth u. Unwerth gar nicht in Betracht.
6
Überzeugungen sind Gefängnisse. Es ist nicht ohne Grund von mir gesagt worden
8
(M. A.) daß „Überzeug. gefährlichere Feinde der W. sind als Lügen. Sind
schon lange von mir zur Erwägung anheim gegeben worden
10
Überzeugung u Lüge überhaupt Gegensätze? –
Überzeugungen hat!“
Welt, wir leben u sterben für sie! Ehrfurcht vor Allem, was 104,46 )
:
–
12
Partei sind in irgend einem Sinne. Der Priester, Partei durch u. durch,
14
hat von den Juden die Klugheit übernommen, hier den „Imperativ“
16
der göttlichen Geburt Willens Gottes“ einzuschieben (– auch Kant
18
war auf demselben Wege) Es giebt Fragen, wo über Wahrheit u
20
Nichtwahrheit der M. unzureichend ist: alle obersten Fragen, der
22
Werth der Werthe finden ihn zu arm, zu eng, zu niedrig gesinnt –
24
seine „Vernunft“ in Sonderheit reicht nicht soweit … Darum gab
26
Gott dem M die Offenbarung: der M. kann von sich nicht wissen
28
was gut u. böse ist … Der Priester lügt nicht: denn Gott
30
hat ihm gar nicht die Freiheit gegeben, über wahr u. wahr zu
32
entscheiden … Dieses Kunststück von Priester=Klugheit ist durch
34
aus nicht nur christlich; die „Offenbarung“, das „heilige Buch“, der
36
„Wille Gottes“ – Alles nur Worte für das System von Bedingungen, mit
38
denen Priester zur Macht kommen, mit denen Macht aufrecht erhalten –
40
findet sich auf dem Grunde aller Priester=Organisationen, bei Manu zb
42
bei Muhamed, bei Confucius,A„Die Wahrheit ist da“: dies be-
un
) 102,2
.
bei Plato
2: aus der Kraft] ¿ 5: worden] ¿ 6: Überzeugungen] ¿ 8: Lügen] > Lügen“ 11: vgl. AC 55, 236,18-21 16: Willens] > „Willens
W II 8b 42-107.indd 84
28: gut] Vk 36: Alles] ¿ 38: mit denen] > mit denen sie ihre 40: Organisationen] ¿
15.05.15
104
)
sie sehen nicht unter sich. Man muß fünfhundert „Überzeugungen“ unter
2
sich sehen, um über Werth u Unwerth mit reden zu Solche Worte habe ich selbst aus dem Munde
W II 8
4
dürfen. –
$
schmutziger Antisemiten gehört.
z
6
Antichr. No 55. Bleistift
8
Es ist schon lange von mir zur Erwägung anheimgegeben worden, ob
10
nicht. Dies Mal möchte ich die entscheidende Frage thun:
12
ist zwischen Lüge u Überzeugung überhaupt ein Gegensatz? – Alle Welt
14
glaubt es: aber was liegt an aller Welt! – Eine jede
16
Überzeugung hat ihre Geschichte, ihre Vorformen, ihre Tentativen u Fehl-
18
griffe: sie wird Überzeugung, nachdem sie es lange nicht ist, nachdem
20
sie es noch länger kaum ist. Könnte unter diesen Embryonal=
22
Formen der Lüge nicht auch die Lüge sein? – Es bedarf oft
24
Überzeugung
dazu nur eines Personen Wechsels: im Sohn wird Überzeugung, was
26
im Vater noch Lüge war. – Ich nenne Lüge Etwas nicht
28
sehen wollen, was man man sieht, Etwas nicht so sehen wollen,
30
wie man es sieht: – ob die Lüge vor Zeugen oder vor
32
oder ohne Zeugen statt hat, ob man sich belügt oder Andere
34
auch
macht kommt nicht in Betracht. Genau zugesehen: setzt jeder
36
Verkehr mit sich, will sagen jede Bewußtseins = Phäno-
38
menalität eine Art Zweiheit, kurz einen Zeugen voraus. Wenn
40
man sich belügt, belügt man Etwas sich an sich … Nun
42
ist dies Nicht- sehen -wollen, was man sieht, das Nicht so sehen
44
n
wollen, wie man sieht, beinahe die erste Bedingung für Alle, die
46
) 103,12
34-42: KSA 14, 446, zu AC 55
W II 8b 42-107.indd 85
2: fünfhundert] ¿ 12: nicht.] vgl. AC 55, 235,23-25 12: entscheidende] ¿ 30: man man] > man 42: sich belügt] ¿ 42: sich an] > an
15.05.15
W II 8
105
2
Ich habe Fälle erlebt, wo junge Männer achtbarer Herkunft, die lange zuletzt in
4
ihrem Leben kein Ziel zu geben wußten, schließlich sich an in geradezu
6
schmutzigen Bewegungen verloren{, – nur weil diese ihnen ein Ziel gaben: Einige von
8
ihnen wurden zum Beispiel Antisemiten …
Bewegungen vollkommen verschwanden wurden sogar
Einige zb. wurden sogar Antisemiten …
10
in geradezu schmutzigen Bewegu ngen verschwanden
KGW VIII 22[11]
W II 8b 42-107.indd 86
5: vollkommen] ¿ 6: Bewegungen] ¿ 10: sogar] Vk 11: Bewegungen] Vk
15.05.15
106
W II 8b 42-107.indd 87
W II 8
15.05.15
W II 8
107
$
Ecce h. über Götzendämerung Bleistift
schreibe heiter u. verhängnißvoll im Ton, wie Alles was ich das Werk
Diese Schrift von noch nicht 150 Seiten, geschrieben in so wenig Tagen, daß
2
Buch hieß
s
4
ich Anstand nehme, die Ziffer zu sagen, ist unter allem, was bisher geschrieben
6
wurde das Substanzen =reichste, das Unabhängigste, das Umwälzendste. Will
8
man sich kurz einen Begriff machen, wie vor mir Alles auf dem Kopfe stand
stürzendste
10
so mache man den Anfang mit dieser Schrift: – das was „Götze“ auf
12
dem Titelblatt heißt istAeinfach das was bisher Wahrheit
14
genannt wurde Götzen=Dämmerung – heißtA: es geht zu Ende mit
16
der alten Wahrheit …
18
Es giebt keine Realität,Adie in dieser Schrift nicht berührt würde –
20
„berühren – was für ein Euphemismus in diesem Fall .. +Alle
22
politischen „modernen Ideen“, die Reichs Idee eingerechnet, die aller
ganz
auf deutsch
will sagen keine „Idealität“
…
das Problem des „Verbrechens“, des freiwilligen Todes Idee
24
)
modernste, die „Arbeiterfrage - Idee“, die Ehe ganze litterarische Ideen-
26
Aberglaube an „große Themen“, der ernste Erziehungs = Nothstand
28
unsere aesth. Wahrheiten – ein großer Wind bläst zwischen den
30
Bäumen u. überall fallen Früchte nieder … Und überhaupt wird
32
man eine kardinale Entscheidung in die Hände bekommen, weil ich
34
erst einen Maßstab für WertheAder Mh. besitze …
36
könnte von mir sagen, es sei in mir ein zweites Bewußtsein
38
gewachsen, als hätte sich in mir „der Wille“ ein Licht zur
40
Verneinung der schiefen Bahn angezündet, auf der er bisher lief
42
Und allen Ernstes, erst von mir an wieder Hoffnungen, Aufgaben, vorzuschreibende
44
Wege der Cultur …+Ich sehe öfter öfter mit einigem Mißtrauen meine Hand
bekommt
radikale
m
allein den endlich einen
überhaupt
einen
Man
gelaufen ist
–
mitunter meine Hand an
2: in] nach Korrektur des Kontextes > von 6: Substanzen=] ¿ 6: Unabhängigste] ¿ 20: berühren] > berühren“ 26: Nothstand] Vk 32: weil] ¿
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36: Bewußtsein] ¿ 38: Wille] Vk 42: an wieder] ¿, > an giebt es wieder 44: Hand] ¿
15.05.15
108
W II 8
ich habe Gründe dazu
öfter anA, – es scheint mir, daß ich das Schicksal der Mh in der
2
Hand habe …
4
Diese Schrift von noch nicht 150 Seiten, heiter u verhängnißvoll im Ton, wie Alles, was ich schreibe, das Werk von so wenig Tagen, daß ich Anstand nehme, ihre Zahl zu nennen, ist von Allem, was bisher Buch hieß,
6
8
10
Umwerfendste.
+
das Substanzreichste, das Unabhängigste, das Schrecklichste das Umstürzendste
)
12
s
nicht bloß die ewigen Probleme, sonst auch die politischen „modernen Ideen“,
, der Ehe
Ich sehe mitunter meine Hand an, nicht ohne einiges Mißtrauen: denn es scheint mir, ich habe das Schicksal der Mh. in der Hand …
deren
16
Was Wunder, wenn ich
Ich ich bin ein froher Botschafter … Trotzdem sehe ich
*
14
18
mir ansehe
mir mitunter meine Hand an mit Mißtrauen, – es scheint mir, ich habe
20
das Schicksal der Mh. in der Hand
22
Was Wunder, wenn ich mitunter meine Hand mir ansehe, u nicht ohne
24
?–
Mißtrauen! – es scheint mir, ich habe das Sch. der M in der Hand
26
12: Unabhängigste] ¿ 13: sonst] > sondern
S. 109 -112 unbeschriftet
W II 8c 108-154.indd 111
15.05.15
W II 8
113
1.
Man vermeide den Umgang mit Solchen, die nach wie vor Christen bleiben,
2
– das aus
2.
aus{Gründen der Reinlichkeit.! Die Fälle in Betracht gezogen, wo Christenthum
4
ersichtlich bloß
von Nervenschwäche u
sei
6
ersich ein Folge = Symptom physiol. décadence, verhüte man mit allen Mitteln,
8
daß von solchen Herden aus die Ansteckung um sich greift.
10
3. Daß die Bibel ein schlechtes Buch ist, daß man Vorsicht gegen
12
dasselbe zu lernen hat, – daß es unreifen Altersklassen nicht einmal
14
in die Hand gegeben werden darf Priester
16
4 daß man die Priester wie eine Art Tschandala betrachtet u behandelt
18
5. Alle Stätten, Einrichtungen, Gewohnheit, xxxxxx =
Erziehung
des Priesters
20
KGW VIII 22[10] 396,14-28
W II 8c 108-154.indd 112
reinigen von der Befleckung
22
6.
Feste „Heilige „Erlöser“
24
7.
Zeit=Datirung
2: Umgang] ¿ 4: Gründen] Vk 12: nicht einmal] ? 18: Gewohnheit] ? 18-20: Befleckung des Priesters] ? 22: Heilige] > Heilige“
15.05.15
114
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W II 8
15.05.15
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115
$
VIII, 311. Bleistift
2
Dieser Mönch, mit allen rachsüchtigen Instinkten eines verunglückten Priesters im Leibe,
4
empörte sich in Rom gegen die Renaissance … Statt mit tiefer Dankbark.
6
das Ungeheure zu verstehen, das geschehen war, die Überwindung des Christenthums an seinem Sitz
8
die Heraufkunft höherer vornehmer menschlicher Werthe v er sah
sa
10
verstand sein Haß daraus seine Nahrung zu ziehen – die Verderbniß
12
des Papstes – während gerade das Gegentheil der Fall war: die
14
alte Verderbniß, das Christenthum saß nicht mehr auf dem
16
Stuhl Petri.
die alte Verderbniß, das Christenthum war
18
Man soll es den D. nie vergeben, die Ren. um ihr Ziel, um ihren
20
Sinn gebracht, – den Sieg über das Christenthum. Die deutsche
22
Reformation ist ein dunkler Fleck … Und noch drei Mal hat diese
24
Unglücks =Rasse sich dazwischen geworfen, um den Gang der Cultur zu
26
hemmen – die deutsche Ph., die Freiheitskriege, die Erfindung
28
des Reichs am Ende des neunzehnten Jahrhund. – lauter große
30
Verhängnisse der Cultur!
)
ihr
60. Cap. meine Forderungen.
32
16: KSA 14, 448, zu AC 61 18-30: KGW VIII 22[9] 32: KGW VIII 22[10] 396,13
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10: daraus] Vk 20: gebracht] > gebracht zu haben 24: Rasse sich] Vk 26: Ph.] > Philosophie 28: Reichs] ¿
15.05.15
116
2
mit den rachsüchtigen Instinkten eines verunglückten Pr s überladen
4
*
Dieser Mönch, mit allen Instinkten
W II 8
daß erst Mitte dieses Jahrh. die Fragen Nahrung, Wohnung, Gesundheit ernstgenommen wurden
)
abgeschafft, die vornehmen Werthe waren selbst über Rom Herr
6
geworden, – man hätte es erlebt, den prachtvollsten Ausdruck der
8
„Ren“ in jedem großen Sinne Cesare Borgia als Papst
10
wäre
zu sehen … Das war die Erlösung der Menschh. vom
12
gewesen
Fluche des Christenthums{: – versteht man das?
57. Cap.
die heiligen Zwecke: Manus Gedanken bei seiner Lüge
58. Cap. *
59. Cap.
5,16-32: KGW VIII 22[10] 396,1-12
W II 8c 108-154.indd 115
14
16
18
nie soll man humanitäre Wirkungen des Chr. zugeben,
20
es hat Alles verdorben – Die furchtbare Einbuße
22
die Alles alle werthvollen Dinge erlebt haben,
24
daß der Ernst an imaginäre, an schädliche ver-
26
schwendet wurde
28
der große Versuch der Gegenwerthe – die Renaissance die Deutschen
!
30 32
14: das?] Vk 26: daß] Vk 30: Renaissance] ¿
15.05.15
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117
$
Antichr. No 53. Bleistift
2
Daß Märtyrer etwas für die „Wahrheit“ einer Sache beweisen, ist so wenig wahr, daß ich
4
leugnen möchte, es habe je ein Märtyrer überhaupt etwas mit der Wahrheit zu thun
6
gehabt. In dem Tone, in dem ein Märtyrer sein Für wahr -halten der Welt an
8
den Kopf wirft, drückt sich bereits ein so niedriger Grad von intell. Rechtschaffenheit
intell.
w
10
aus, eine solche Stumpfheit für die Frage Wahrheit, daß man einen M nie zu widerlegen hat …
12
– sein Martyrium Die „Wahrheit“ ist nichts, was einer hätte u was ein Anderer nicht
14
hätte: so denken Bauern oder bäurische Priester wie{Luther über die Wahrheit.
können
in der Art
denken 16
Man darf sicher sein, daß auch der Gewissenhafteste in Dingen des Geistes die Beje nach dem Grade immer größer wird
18
scheidenheit in diesem Punkte zunimmt: in fünf Sachen wissen – im Falle u. mit
20
großer Zartheit sich erlauben, sonst nicht zu wissen
22
zarter Hand es abweisen, sonst zu wissen … „Wahrheit“ wie es jeder Prophet
24
oder „Sektirer“ oder „Freigeist“ oder „Anarchist“ oder „Priester“ versteht, ist
26
ein vollkommener Beweis dafür, daß auch noch nicht der Anfang der strengen Zucht u.
28
u. Selbstüberwindung gemacht ist, die zum Finden irgend einer kleinen, noch so kleinen
30
Wahrheit noth thut. – Die Märtyrer =Tode, anbei gesagt, sind ein
32
großes UnglückAgewesen, – sie verführten … Der Schluß aller Idioten, daß
,
34
eine Sache, für die Jemand in den Tod geht, etwas auf sich hat, ein Idioten Schluß
v
36
comme il faut, ist der Prüfung, dem Geist der Prüfung u. Vorsicht unsäglich
38
nachtheilig gewesen. Noch in diesem Jahrhundert haben wir am Beispiel Carlyle ein
40
Zeugniß, wie jene grobe Crudität, Hinrichtungs=scene mit Worten aller Art die Sym-
42
pathie für Sache erweckt, eine Art Vorurtheil zu Gunsten einer Sache
das Wort
in der Geschichte
ersten Ranges
heute bedarf es nur einer Crudität der Verfolgung, um einer Sache einen
einer
auf
,
Mißhandlung, Hinrichtung
ehrenhaften Namen zu machen
38-42: KSA 14, 446, zu AC 53
W II 8c 108-154.indd 116
6: Märtyrer] ¿ 16: Gewissenhafteste] nach Korrektur des Kontextes > Gewissenhaftigkeit 22: Prophet] ¿ 26-28: u. u.] > und 34: auf] Vk
42: für] > für eine 42: Gunsten] ¿
15.05.15
118
$
W II 8
VIII 292 u. Bleistift
Wie! was ändert es am Werth einer Sache, daß Jemand dafür mit dem
2
Leben zahlt? – Ein Irrthum, der ehrenhaft wird, ist ein Irrthum, der
4
einen Verführungs =Reiz mehr besitzt: glaubt ihr, daß wir
6
euch Anlaß geben würden, für eure Lüge „Märtyrer“ zu werden? –
8
Man widerlegt eine Sache, indem man sie achtungsvoll aus Eis
10
welthist
legt … Gerade das war die Dummheit aller welthist. Verfolger
12
daß sie der gegnerischen Sache den Anschein des „Ehrenhaften“, des „Heroischen“
14
gaben. – Das Weib liegt noch heute auf den Knien vor einem Irrthum,
16
weil Jemand für ihn am Kreuze starb. Ist denn das Kreuz ein Argument? –
18
Über alle diese Dinge hat Zarathustra das wahrste Wort gesagt, das je umsonst
20
gesagt worden ist
22
um einer Sache einen ehrenhaften Namen zu machen. –
6: besitzt] ¿ 10: aus] > auf’s 16: Irrthum] Vk 20: umsonst] ¿ 23: zu 117,37-43
W II 8c 108-154.indd 117
15.05.15
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119
$
VIII 290 u. Bleistift
2
Ein anderes Abzeichen des Theologen ist sein Unvermögen zur Ph. Ich verstehe hier Ph.
4
in einem sehr allgemeinen Sinne, als die Kunst, gut zu lesen, – Thatsachen ablesen
6
können, ohne sie durch Interpretation zu fälschen, ohne im Verstehen =Wollen die Vorsicht,
8
die Geduld, die Feinheit zu verlieren. – Die Art, wie ein Theolog, gleichgültig ob
10
in Berlin oder Rom, ein „Schriftwort“ auslegt, oder ein Erlebniß, in
12
der höheren Beleuchtung des „Wortes Gottes“ ist immer
14
dergestalt, daß ein Philolog dabei an allen
16
Wänden emporläuft: nicht zu reden davon, wenn
18
schwäbische KüheAihren erbärmlichen Alltags =Zufälle sich mit dem „Finger Gottes“
20
zu einem Wunder von „Gnade“, von „Wink“, von „Vorsehung“ auslegen. zurechtmachen.
22
Der bescheidenste Aufwand von Geist, um nicht zu sagen von Anstand müßte diese
24
Interpreten doch dazu bringen, das vollkommen Willkürliche u. Kindischen eines solchen „Einblicks
26
in die göttliche „Fingerfertigkeit“ zu überführen. Mit einem noch so kleinen Maße
28
Frömmigkeit im Leibe ist ein Gott, der uns zur rechten Zeit vom Schnupfen
30
curirt oder in einem Augenblick in die Kutsche steigen läßt, wo gerade ein starker
32
Regen losbricht, ein so absurder Gott, das man ihn abschaffen müßte, wenn
34
er existirte … Ein Gott als Domestik, im Grunde ein Wort für jeden
36
glücklichen Zufall – – Die „göttliche Vorsehung“, wie sie fast jeder dritte M.
38
versteht, ist ein Einwand gegen Gott, wie er stärker gar nicht gemacht werden
40
kann
einen Sieg des
vaterländischen Heeres z. B.
wenn Pietisten u andere Kühe aus dem Schwabenlande
doch
des
G
Kammerdiener
42
34-36: KSA 14, 446, zu AC 52
W II 8c 108-154.indd 118
Ph. als Ephexis in der Interpretation …
2: zur Ph.] > zur Philologie 6: Interpretation] ¿ 23: des] vgl. AC 52, 232,1 > sich des 24: Einblicks] > Einblicks“ 32: das] > daß 36: dritte] ¿
15.05.15
120
Ein Glaube, der sich auf heilige Bücher stützt, der Wunder aus
2
Büchern gelten läßt, der Bücher durch Offenbarung mitgetheilt
4
denkt, der die Wahrheit nimmt aus etwas, das gegeben ist, das
6
feststeht, nicht als etwas, wohin nur in den kleinsten Schritten u Schrittchen
8
schrittweise u. mit unsäglicher Selbstbezwingung u -Zucht, ein Glaube der
W II 8
10
hat
nie den Willen, seine heiligen Bücher zu verstehen, der auch über die Interpreten
12
bereits durch „Offenbarung“ entschieden sichergestellt ist sein typischer Zustand
14
$
VIII 290, o. Bleistift
Weil die Krankheit zum Wesen des Chr gehört, muß auch der
16
„Glaube“ eine Krankheit sein – : u alle natürlichen, geraden,
18
rechtschaffenen Wege zur Erkenntniß müssen als verbotene Wege
20
von der Kirche geleugnet werden … Der vollkommene Mangel an Recht-
22
122,22 )
bloß
schaffenheit im Priester ist die Folge davon, daß die Krankhaf-
24
über
tigkeit bei ihm den Werth der Werthe entscheidet den Grund abgiebt, von dem aus Werth u. Unwerth
26
28
bestimmt wird. Was krank macht, ist gut; was aus der Macht, aus der
30
Fülle, aus dem Überfluß stammt, ist böse …
32
2-15: KGW VIII 22[8]
W II 8c 108-154.indd 119
6: aus] >? als
15.05.15
W II 8
121 , daß Irrenhaus Irrenhaus ist.
$
Antichr. S. 287 M. Bleistift
2
Nicht freilich einen Priester: denn der leugnet aus Instinkt, daß Krankheit Krankheit
4
ist. Das Christenthum hat die Krankheit nöthig, – krank -machen ist der geheime
6
Absicht
Hinter-
Sinn .
die Kirche ist das Irrenhaus als Ideal.
der ganzen Heils =Prozeduren der Kirche; Wenn es mir erlaubt seinBmuß, sollte
8
einen medizinischen Ausdruck, der keinen Zweifel läßt, auf die Realität dieses
10
Prozeduren-Systems anzuwenden: so würde ich Der religiöse M., wie ihn die
12
Kirche will, ist ein typischer décadent; der Zeitpunkt, wo die religiösen
14
Crisen über ein Volk Herr werden, sind große Krankheits=Zeiten; die innere
16
Welt des rel. M. sieht der inneren Welt von Entnervten u. Überreizten zum
18
Verwechseln ähnlich … der ganze christl. Buß- u Erlösungs = training kann
20
als eine willkürlich erzeugte folie circulaire bezeichnet werden,
22
wie billig, auf einem bereits dazu vorbereiteten, das heißt gründlich mor-
;
24
biden Boden erzeugt. EineAReligion, die den Leib verachten lehrt! die aus
;
26
der unzureichenden Ernährung ein „Verdienst“ macht! die im Leibe, in
;d
28
den „Sinnen“ eine Art Feind, Teufel, Todfeind bekämpft! Die sich einre-
30
dete, man könne einen „achtbaren M. Seele in einem Cadaver von Leib
hat alle Anzeichen des
wird
immer durch gekennzeichnet Zeiten großer Nerven=Epidemien epidem Nervenkrankheiten
,
alle Ich habe mir erlaubt einmal erlaubt
zu bezeichnen
. – Wie muß man eine verachten
„vollkommene Seele“ 32
herumtragen, der dazu nöthig die „Vollkommenheit der Seele“ sich zurecht zu machen,
34
ein bleiches, krankhaftes, idiotisch =schwärmerisches Wesen als sogenannte
36
„Heiligkeit“… Die christl. Bewegung, als europäische Bewegung, ist eine
38
Degenerescenz -Bewegung aus Ausschuß - u Abfalls -Elementen aller Art: sie
40
drückt nicht den Niedergang einer Rasse aus, sie ist von Anfang an eine nicht das Alterthum verfällt (– wie der gelehrte Idiotism heute noch aufrecht erhält.
4-6: KSA 14, 446, zu AC 51
W II 8c 108-154.indd 120
2: Priester] Vk 4: krank-] ¿ 5: Irrenhaus] ¿ 13: in Ms nicht übereinander 17: alle] Hinzufügung 122,1 18: christl.] ¿ 20: bezeichnet] ¿
24: biden] ¿ 26: Leibe] Vk 30: achtbaren] ¿ 32: nöthig] > nöthig hatte, 38: Degenerescenz] ¿ 41: Hinzufügung zu 122,4; vgl. AC 51, 229,31-230,1
15.05.15
122
W II 8
als „Werth aller Werthe“ über der Mh. aufhängt als Heil „höchsten“ Zustände, die die Kirche kennt, sind jedem Irrenharzt bekannt.
aus
$
VIII S. 288 u. Bleistift
Aggregat =Bildung sich zusammendrängender u sich suchender Krankheits
2
-Gebilde. Sie ist deshalb nicht „national“, nicht rassebedingt, –
4
das Christenwendet wendet sich an die „Enterbten“ des Lebens von
6
überall … Sie hat die rancune der Kranken auf dem Grunde – die
8
rancune gegen die Gesunden – alles Wohlgerathene, Stolze, Über-
10
müthige klingt thut ihr weh in Augen u Ohren, – sie braucht
12
ein Symbol, welches den Fluch auf die Wohlgerathenheit u. die
14
Macht darstellt. Sie steht auch im Gegensatz zu jeder geistigen
16
Wohlgerathenheit, – sie kann nur die kranke Vernunft als christliche
18
Vernunft gebrauchen: sie nimmt die Partei aller Idioten, sie spricht
20
den Fluch gegen den Geist, die superbia des Geistes
22
1: KSA 14, 446, zu AC 51
W II 8c 108-154.indd 121
) 120,16
1: Hinzufügung zu 121,17 1: Irrenharzt] nach unvollständiger Korrektur > Irrenarzt 4: Hinzufügung 121,41; vgl. AC 51, 229,31-230,1 6: Christenwendet] > Christenthum 16: geistigen] ¿ 20: spricht] ¿
15.05.15
W II 8
123
2
4
Aus der Vielheit zur Einheit kommen, Ein Plan, seine Mittel, Ein
Viel unheimlicher steht es mit einem anderen „Criterium der Wahrheit“, – dem „Beweis
6
durch die Leidenschaft“, wie man sagen könnte. D Jedermann ungefähr glaubt, daß in
8
einer Überzeugung der Gegensatz der Lüge gegeben sei. –
2: Ein … Ein] ? 4: Criterium] ¿ 4: Wahrheit] Vk 8: gegeben] ¿
W II 8c 108-154.indd 122
15.05.15
124
Gegen den „Beweis der Lust“, über den
W II 8
2
der
Viel gefährlicher ist ein anderer „Beweis – durch die Leidenschaft. Man
4
hält eine Sache für wahr, weil man für sie sich opfert, weil
6
man alle große Überwindung in ihrem Dienste übt, – weil man jede
8
andere Sache sie uns verstärkt, zur Einheit umschafft, zum Gefühl der Macht bringt
10
Die Menschen des „starken Glaubens“, der Überzeugung, sind im Grunde nach E einer
12
solchen Verstärkung mit ihren Instinkten gemindert, – u einzig deshalb, weil sie
14
ein solches Pathos im Auge haben, fehlt ihnen die vorsichtige u. vornehme
16
Kunst, um in der Wahl, wofür, wodurch –
18
Eine Sache, für die man sich opfern kann, zu der man sich zur Einheit formt,
…
20
$
Antichr. 51. VIII 287. Bleistift
unter Umständen
aber die Seligkeit“ aus
Daß der „GlaubeAselig macht“, daß die fixe Idee durch die Seligkeit nicht keine wahre
aber 22
genügt sei den „Gläubigen“
macht
zur wahren Idee, – ein flüchtiger Gang durch ein IrrenhausAunterrichtet zur
24
Genüge klärt zur Genüge hierüber auf. – Viel gefährlicher steht es mit den sog
26
Überzeugungen – das Kriterium der Wahrheit ist hier nicht die Lust, sondern die
28
Leidenschaft, in deren Dienst eine Sache für wahr gehalten wird. „wahr“ sein muß …
30
.
4: Beweis] > Beweis“ 14: gemindert] ? 21: Seligkeit] > „Seligkeit 23: Gläubigen] ¿ 30: wahr“] Vk
W II 8c 108-154.indd 123
15.05.15
W II 8
125
$
VIII 285 u. Bleistift
, wie es billig ist,
2
– Ich erlasse Niemandem eine Kritik des „Glaubens“, am wenigsten{den „Gläubigen“.
4
Vielleicht giebt es heute immer noch Wenn es heute noch solche geben solle, die es nicht
6
wissen, in wiefern „gläubig sein“ unanständig, morgen sollen sie es wissen …
noch nicht fehle
ist
werden 8
Ich habe die Stimme auch für harthörige Gewissen …
$
VIII 286 M. Bleistift
Setzen wir aber, mit einiger Nachgiebigkeit, daß das Selig = machen durch
10
3.
12
den Glauben bewiesen sei – nicht nur gewünscht, nicht nur durch den
14
etwas verdächtigen Mund vom Priester versprochen: wäre Seligkeit, sachlich
16
Ge geredet Lust, jemals ein Beweis für Wahrheit? – So wenig
18
daß es beinahe den Gegenbeweis, jedenfalls den höchsten Argwohn
20
gegen „Wahrheit“ abgiebt, wenn Lustempfindungen über die Frage „was
22
ist wahr? entscheiden … Der „Beweis der Lust“ ist ein Be-
24
weis für „Lust“: woher um alles in der Welt stünde es
26
fest, daß gerade wahre Urtheile selig machten, angenehm wären? –
28
Die Erfahrung jedes strengen, jedesAtiefen M. ist das Umgekehrte:
30
er hat jeden Schritt Breit Wahrheit sich abringen müssen, er hat
So wenig
*
tiefer gesinnten Geistes ist
breit 32
34
2,28-30,36-38: KSA 14, 446, zu AC 50
W II 8c 108-154.indd 124
die Bedürfnisse nach das Bedürfniß nach Frieden, Ruhe, Sicherheit, nach Wohlgefühl u.
36
gegen die gebieterische Stimme zurückdrängen müssen … Die Lust schmei=
38
chelt, die Lust betrügt – der Glaube macht selig, folglich
3: fehle] ¿ 10: aber,] Vk 16: Beweis] Vk 20: Lustempfindungen] Vk 22: wahr?] > wahr?“ 36: schmei=] Vk
)
38: Lust] Vk
15.05.15
126
W II 8
Psychologie 1. Ich erlasse Niemandem eine Kritik des „Glaubens“, am wenigsten den Gläubigen
inwiefern es
Wenn es heute noch an Solchen nicht fehle, die es nicht wissen, daß es
2
(– oder ein Zeichen von Krankheit) schon
ist
unanständig gläubig zu sein, morgenAwerden sie es wissen. Meine Stimme ist stark
4
genug auch für harthörige Gewissen …
6
t en, eit, Fried k r e it e H , Gefühle en, Ruhe „schöne en müss b h e c r g u is d e r t gen p sich nich lles dage n nicht, e s ssen is er hat A w e den zu la sein G e t r r a e h b r ü e g, – Erfüllun – oder ein Zeichen von décadence, von gebrochenem „Willen“ – utrauen, Sicherhei
+
erreicht auch
Z
8
10
Vertrauen
$ 2.
VIII 286 o. Bleistift
mich nicht verhört
unter Christen es eine
Es scheint mir, wenn anders ich recht gehört habe, daß es im Christenthum
12
eine Art Kriterium der Wahrheit giebt, das man „den Beweis der Kraft“
14
nennt. Der Glaube macht selig: also ist er wahr. Man dürfte
16
einwenden
hier zunächst einwenden, daß gerade das selig machen nicht bewiesen
18
sondern nur versprochen ist als Wirkung des Glaubens: man soll selig
20
werden, weil man glaubt … Aber daß thatsächlich der Glaube
22
selig macht, wer beweist das? – Der angebl „Beweis der
24
Kraft“ ist also im Grunde wieder ein Glaube; nämlich daß
26
die Wirkung nicht ausbleibt, die man sich vom Gl. verspricht
28
ist er wahr …
– ich glaube daß Glaube selig macht: folglich glaube ich
30
– Aber damit sind wir schon am Ende … Das „folglich“
32
ist das absurdum als Bedingung des Glaubens
34
Bedingung = )
Bedingung für „Kriterium der Wahrheit“
lügt er …
3,7-10,20: KSA 14, 446, zu AC 50
W II 8c 108-154.indd 125
36
2: fehlt] ¿ 3: in Ms nicht übereinander 7: Ruhe] Vk 8: nicht, sich] > , sich 8: Gefühle] > Gefühle“ 11: zu Zeile 3
26: daß] Vk 29: ist] Vk 34: Bedingung] ¿ 35: Bedingung] ¿ 35: Bedingung für] ¿ 36: lügt er] Vk
15.05.15
W II 8
127
$
VIII 292 / 3. Bleistift
Daß Märtyrer etwas für Psychologie des „Glaubens“ die Wahrheit einer Sache beweisen ist
) 15
Wie?
2
wird
wirklich
Jemand
– Ihr meint,Aeine Sache würde dadurch ehrenhaft, daß ihr{mit eurem Leben dafür Und gesetzt sie würde es:
:g
4
zahlt?… Ein Irrthum, der ehrenhaft wird, ist ein Irrthum, der eine Verführungs=
6
kunst mehr besitzt. Glaubt ihr, daß wir wünschen würden, euch für eure „Lüge“ zum
8
„Opfertod“ zu ermuthigen? – Gerade das war die welthist. Dummheit in der Verfolgung
noch
Martyrium
anzu
Gerade
ihrer gegnerischen Sache
noch das
Dummheit
Ehrenhaften des
10
aller Verfolger, daß sie ihren Gegnern{den Anschein desA„Heroischen“ gaben – Das
12
Weib liegt heute noch auf den den Knien vor einer Lehre, deren Lehrer am
14
Kreuz gestorben ist. Ist denn das Kreuz ein Argument?..
weil Jemand einmal
denn
es sei jemals jemand für die so wenig wahr, daß ich den Fall überhaupt leugne, daß dafür je ein M für eine
1)
Wahrheit gestorben 16
„Zwischen einer Lüge u einer Überzeugung besteht ein Gegensatz: es giebt keinen
18
größeren.“ – Aber es ist mit Recht gesagt worden, daß Überzeugungen gefährlichere
20
Feinde der Wahrheit sind als Lügen. Eine jede Überzeugung hat ihre Geschichte, ihre Vor-
22
formen, ihre Tentativen u Fehlgriffe: sie wird Überzeugung, nachdem sie es lange nicht
24
ist u noch länger kaum ist. Könnte unter diesen Embryonal = Formen der
26
Überzeugung nicht auch die Lüge sein? – Es bedarf oft nur eines Personen = Wechsels:
28
im Sohn wird Überzeugung, was im Vater noch Lüge war.
30
Was macht es, daß ein Lügner uns einen Irrthum für eine Wahrheit ver-
32
kauft? – Unser Vortheil (unsere „praktische Vernunft“ – würde Kant sagen)
34
36
Was macht es, daß man zwischen verschiedenen Möglichkeiten sich entscheidet? Unser Vortheil, nochmals.
6: besitzt] Vk 8: muthigen] nach Korrektur des Kontextes > rathen 12: auf den] ¿ 15: jemals] ¿ 34: sich entscheidet] ¿
W II 8c 108-154.indd 126
15.05.15
128
Was macht es, daß man zwischen mehreren Hypothesen so u so wählt? – Unser
2
Vortheil.
4
Welcher Unterschied bleibt zwischen einem Überzeugten u einem Belogenen Belogenen:
6
Keiner, wenn er gut belogen ist
8
Was macht es, das alle Philosophen bestimmt, ihre Überzeugungen für Wahrheiten zu
10
ß
halten? Ihr Vortheil.
12
26 )
Nicht der „Geist“: denn es gehört kein Scharfsinn dazu, um
14
den „Schwindel“ zu durchschauen, den
16
W II 8
Genau in dem Tone,
Die christliche Praxis ..
in dem ein M.
man dabei treibt wie es in zurückbildenden Gegenden
eine Überzeugung nicht mehr
18 20
42 )
durch Gründe, sondern
folie circulaire.
durch
gegen Renan. Ursprung der Religion
Ich empfinde das
zb. in Schwaben möglich ist, was
22
da zurückgebildet, ist immer
24
die Rechtschaffenheit …
26
) 12
nach christl. Manier
Das{InterpretirenAals tiefe Leichtfertigkeit. Sein Leben sich so auslegen,
28
wie es schwäbische Christen thun, scheint mir durchaus unanständig, – es gehört
30
Mangel an der großen Rechtschaffenheit dazu, um nicht zu entdecken, was
32
man hier ganz frei hinein zu interpretiren – u. daß es ein armseliges Kunststück
34
wenn
ist
– was die Wissenschaftlichkeit nicht das Gewissen führt, so
36
ist immer ein Rückstand da von Tüchtigkeit, – um nicht schwach
38
feige, , b geistlos, in einer christl. Weise sich sein Leben zurecht
40
zu legen
42
12-42: KGW VIII 22[7]
W II 8c 108-154.indd 127
2: wählt] Vk 12: denn] ? 15-23: zu 127,15 17: M.] > Märtyrer 20: zurückbildenden] ¿ 27: empfinde] ¿
) 20
27: Manier] Vk 32-34: was … hinein] ? 34: interpretiren] >? interpretiren wagt 36-38: nicht … von] ?
15.05.15
W II 8
129
$
VIII 285 Bleistift
bloß „moralische“ Consequenzen für eine Art, so u so zu handeln Creaturen Creaturen
durch Begriffs-Gespenster des Aberglaubens,
sondern durch Wesen des Aber-
2
glaubens, durch „Götter“, „Geister“
4
s
6
8
bewirkt sind, wenn eine Wirkung nicht folgt auf eine Ursache, sondern nur moralische Consequenz
10
einer Art, so u so zu handeln ist
12
so hat man das größte Verbrechen von der Welt, die
14
Erfindung der Sünde … Die Sünde, nochmals, gesagt
16
ist erfunden, um die Wissenschaft zu untergraben: der
18
Priester herrscht durch die Erfindung der Sünde …
20
nur folgend, nicht nothwendig
Der Anfang der Bibel enthält die ganze Psychologie des Priesters.
$
VIII 285. Bleistift
1: Consequenzen] ¿ 2: Anschluß zu 130,16 8-9: zu 130,14-16 14: nochmals, gesagt] > nochmals gesagt,
W II 8c 108-154.indd 128
15.05.15
130
$ gegen die Ablösung des M vom Priester.
VIII 284 / 5 Bleistift 2
Der M. soll nicht hinaus, soll in sich sehen: er soll nicht neu-
4
gierig u klug in die Dinge sehen, er soll gar keine Dinge sehen –
6
er soll leiden … Und er soll so leiden, daß er jeder Zeit
8
den Priester nöthig hat … Der Schuld= u Strafbegriff, eindie Lehre
von der
W II 8
132,40 )
10
der „Gnade“ der „Erlösung“
gerechnet die „Lehre“, verdirbt ein für alle Mal den Ursachen=
12
Sinn des M. Wenn die natürlichen Folgen einer That nicht mehr
14
„natürlich“ sind, sondern Lohn oder Strafwirkungen einer jenseitig
16
waltenden Macht, so ist die Voraussetzung zum Erkennen
18
zerstört. Mit dem Begriff „Lohn u Strafe“ ist die Wissenschaft
20
abgeschafft
22
mit den feigsten listigsten niedersten Instinkten gehandhabt
12-22: KSA 14, 445, zu AC 49
W II 8c 108-154.indd 129
2: vom] Vk 16: Anschlußzeichen zu 129,2 23: zu Zeile 10-14
15.05.15
W II 8
131
$
VIII 282 u. Bleistift
2
Der alte Gott, ganz „Geist“, ganz hohepriesterlich, ganz Vollkommenheit, lust-
4
wandelt in seinen Gärten: nur daß er sich langweilt. Gegen die Langeweile
6
kämpfen Götter selbst vergebens. Was thut er? Er schafft den Menschen –
8
der Mensch ist unterhaltend … Aber siehe da! auch der M. langweilt
10
sich. Das Erbarmen Gottes mit der einzigen Noth, die es bis dahin gab, kannte keine
12
Grenzen: er schuf noch andere Thiere. Aber der M. fand sie nicht unter-
14
haltend: – er herrschte über sie, er wollte nicht „Thier“ sein. – Folglich
16
schuf Gott das Weib. Und in der That, mit der Langeweile hatte es nun
18
ein Ende – aber auch mit Anderem noch! Das Weib war der zweite
20
Fehlgriff Gottes … „Das Weib ist seinem Wesen nach eine Schlange, eine
22
Heva“ – jeder Priester weiß das; vom Weib kommt jedes Unheil in der
24
Welt – jeder Priester weiß das: folglich kommt von ihm die
26
Wissenschaft!“ – Erst durch das Weib lernte der M. vom Baum
28
der Erkenntniß kosten … Eine Höllenangst ergriff den alten Gott: was
30
war geschehen! Der Mensch selbst war sein größter Fehlgriff ge-
32
worden, – er hatte sich einen Rivalen geschaffen, die Wissenschaft macht
34
gottgleich, es ist mit Priestern u Göttern zu Ende, wenn der Mensch
36
wissenschaftlich wird! – Moral: die Wissenschaft ist das an
38
sich VerboteneA; die Wissenschaft ist die erste Sünde, der Keim
40
aller die Erbsünde. Dies allein ist Moral: du sollst nicht
42
erkennen … Die Höllenangst Gottes verhinderte ihn, klug zu
44
sein.: „Wie wehrt man sich gegen die Wissenschaft? das wurde sein
Erster Fehlgriff Gottes: der
an sich
w
2: hohepriesterlich] Vk 14: Thier] Vk 20: seinem] ¿ 22: in der] ¿ 24: folglich] > „folglich 28: Höllenangst] ¿
W II 8c 108-154.indd 130
40: aller] > aller Sünde, 42: Höllenangst] ¿ 42: ihn] vgl. AC 48, 225,13-14 > ihn nicht
15.05.15
132
$
W II 8 283 u. Bleistift
Hauptproblem Antwort: fort mit dem M. aus dem Paradiese! Das
2
Glück, der Müßiggang bringt ihn auf Gedanken – alle Ge-
4
danken sind schlechte Gedanken … Der M soll nicht denken ..
6
Der „Priester an sich“ erfindet den Tod, die Noth, die
8
Schwangerhafschaft, jede Art von Krankheit, Elend, Mühsal –
10
– Alles im Kampf mit der Wissenschaft! Die Noth er-
12
laubt dem M nicht, zu denken … Und trotzdem,
14
entsetzlich! Das Werk der Erkenntniß thürmt sich
16
auf, himmelstürmend, götterdämmernd -andämmernd …
18
Der alte Gott erfindet den Krieg: er trennt die Völker, er
20
macht, daß die M sich gegenseitig vernichten … Unglaublich!
22
die Erkenntniß, die Emancipation vom Priester, nimmt selbst
24
durch den Krieg noch zu. Und ein letzter Entschluß
26
kommt dem alten Gotte: der M. ward wissenschaftlich –
28
man muß ihn ersäufen! –
30
Man hat mich verstanden. kennt
Moral: Der Priester hat nur Eine große Gefahr: das ist die Wissenschaft. Aber die W. gedeiht nur in glücklichen Ver-
32
34
: dies war jeder Zeit die Logik des Priesters.
hältnissen. Folglich muß man den M. unglücklich machen … Man
36
gemäß der Logik
erräth, nach dieser Logik, wieA„die Sünde“Bin die Welt gekommen
38
ist. Der Schuld- u Strafgebegriff ist erfunden gegen die Wissenschaft
40
überhaupt
) 130,2
10: Schwangerhafschaft] > Schwangerschaft 10: Krankheit] ¿ 18: himmelstürmend] ¿ 22: gegenseitig] Vk 40: Strafgebegriff] > Strafbegriff 40: Wissenschaft] ¿
W II 8c 108-154.indd 131
15.05.15
W II 8
133
2
Götzen = Dämmerung.
4
Oder:
6
wie man mit dem Hammer
8
philosophirt.
10
Von
12
Friedrich Nietzsche.
KGW VIII 22[6] 394,25-30
W II 8c 108-154.indd 132
15.05.15
134
„Gott“, will sagen der „Geist“, der „Priester an sich“ liebt schöne
W II 8
2
andere
Gärten u.AUnterhaltungen für Müssiggänger
4
$
VIII 60. Bleistift
welches Entzücken für einen Psychologen, zumal
6
zumal wenn er, wie in meinem Falle, im Grunde nichts mehr als
8
ein alter Musikant ist …
10
Auch diese Schrift ist, gleich dem „Fall Wagner“ vor Allem eine Er-
12
Vielleicht
holung, ein Sonnenfleck, ein Seitensprung.AAuch ein neuer Krieg? Und
14
werden wieder Götter umgeworfen? – Diese kleine Schrift ist eine große Kriegserklärung
16
: u was die Götzen, so
18
t
20
,
$
VIII 60. Bleistift
wenigstens
Auch sagt man,Aim vornehmsten Falle wenigstens, durchaus nicht „Götze“…
6-10: KSA 14, 411, zu GD Vorwort
W II 8c 108-154.indd 133
22
6-8: zumal zumal] > zumal 14: Und] ¿
15.05.15
W II 8
135 sofort wenn auch Rechte kommt, die u dahinfällt, sobald nur an einem P. die Wirkl. zu
$
VIII 281 M. Bleistift
sich
2
Eine Religion, die in keinem Punkte sich mit der Wirklichkeit berührt, muß
4
billigerweise gegen die Erkenntniß, die Zucht des Geistes, die Sauberkeit im Fragen
6
u. Forschen einen bösartigen Fanatism des intell. Gewissens einen Kriegszug ohne Schonung
8
führen: denn „die Weisheit der Welt“, auf deutsch: die Wissenschaft
jeden geraden Weg zur gegen jede die
jede die
jeden
10
gegenAgeraden Weg, der zur Erkenntniß führt, gegen jede Zucht des Geistes
12
gegen jede Rechtschaffenheit u Lauterkeit imAGewissens einen Vernichtungs u Verleumdungskrieg
14
bis aufs Leben u Tod führen. Paulus begriff, was{hier noth that: die Kirche
16
begriff Paulus … Jener Gott, den Paulus sich erfand, der die „Weisheit der
18
Welt“ (unsere Wissenschaft, mit Verlaub) gesagt –) zu Schanden macht, ist
20
in Wahrheit bloß ein „frommer Wunsch: die Realität heißt: wir,
22
ich, Paulus wollen zusehen, sie zu Schanden zu machen – „Gott“ ist
24
das Wort für Alles, was Paulus will … Jener Gott ist im Grunde
26
nur die Höllenangst vor der Erkenntniß … So ist es priesterlich par
28
excellence. Zeugniß die berühmte Geschichte von der Angst Gottes am
30
Anfang des alten Testaments
Dingen des
auf
–
Vernichtungskrieg
daß dies
resoluter Entschluß dazu
die Wissenschaft
Grunde hatten die Herren Priester
Im Grunde nämlich die Herren Pr. vor der Erkenntniß eine Höllenangst: u
32
folglich hat auch Gott, das ins Dunkle projicirte
34
„ g
„Geist“ ist, PriesterGeist vornehmlich, eine Höllenangst
36
vor der Erkenntniß
38
berühmte
Hat man eigentlich die xxxxxxx Geschichte verstanden, die am Anfang der
40
$
No 48. Bleistift
steht
42
Bibel, – von der Höllenangst Gottes vor der Wissenschaft … Das Priester =Buch
44
par excellence beginnt, wie billig, mit seiner großen inneren Schwierigkeit, – er hat
46
nur Eine große Gefahr, folglich hat „Gott“ nur Eine große Gefahr …
der
10-24: KSA 14, 445, zu AC 47
W II 8c 108-154.indd 134
10: Zucht] Vk 18: unsere] ¿ 20: Wunsch] > Wunsch“ 24: Jener] nach Korrektur des Kontextes > Im 26: Höllenangst] ¿ 32: nämlich] > nämlich hatten
des Priesters
36: Höllenangst] ¿ 42: Höllenangst] ¿
15.05.15
136
Götzen = Hammer.
2
Oder:
4
wie ein Psycholog Fragen stellt.
6
Von
8
Friedrich Nietzsche
10
Leipzig,
12
Verlag von C. G. Naumann
14
1889.
16
W II 8
KGW VIII 22[6] 394,17-24
W II 8c 108-154.indd 135
15.05.15
W II 8
KGW VIII 22[6] 394,12-16
W II 8c 108-154.indd 136
137
2
Götzen = Hammer.
4
Müssiggang
6
eines Psychologen
8
Von
10
Friedrich Nietzsche.
6: Psychologen] Vk
15.05.15
138
Götzen = Hammer.
W II 8
2
Oder Fragezeichen
KGW VIII 22[6] 394,3-11
W II 8c 108-154.indd 137
Heiterkeiten
4
eines Psychologen.
6
Götzen = Hammer.
8
Oder:
10
wie ein Psycholog Fragen stellt.
12
Von
14
Friedrich Nietzsche.
16
6: Psychologen] Vk 8: Hammer] ¿
15.05.15
W II 8
139
2
4
Paulus: er sucht Macht gegen das regierende Judenthum, – seine Bewegung ist zu schwach …
bei Seite gethan – : aber das hieß das Fundament negiren:
6
8
der „Märtyrer“, der „Fanatiker“, der „Werth“ allen starken Glaubens …
10
des S. 113 (unter Cap. 58) Bleistift
KGW VIII 22[4]
W II 8c 108-154.indd 138
Umwerthung des Begriffs „Jude“: die „Rasse“ wird
12
Nie zugestehen, daß die humanitären Wirkungen für das Christenthum
14
sprechen …
16
Das Chr. ist die Verfalls=Form der alten Welt in tiefster Ohnmacht:
$
18
so daß die kränksten u. ungesündesten Schichten u. Bedürfnisse oben
20
auf kommen.
2: Macht] Vk
15.05.15
140
W II 8
Einheit
Folglich mußten andere Instinkte in den Vordergrund treten, um eine Einheit,
2
eine sich wehrende Macht zu schaffen –, kurz eine Art Nothlage war
4
nöthig, wie jene, aus der die Juden ihren Instinkt zur Selbsterhaltung
6
gewonnen hatten …
8
Unschätzbar sind hierfür die Christen = Verfolgungen – die Gemeinsamkeit in der Gefahr, die Massen=Bekehrungen als
10
12
einziges Mittel, den Privat =Verfolgungen ein Ende zu machen (– man
14
nimmt es folglich so leicht als möglich mit dem Begriff „Bekehrung“)
16
KGW VIII 22[5]
W II 8c 108-154.indd 139
a
14: einziges Mittel] Vk
15.05.15
W II 8
141
Wesen
daß der Gesammtheit aller{jeder Einzelne das Heil jedes
2
4
Einzelnen eine unsterbliche Wichtigkeit hat, – daß kleine Mucker u.
6
Lügen -Heilige sich für eine Art Mittelpunkt = Interesse Gottes
8
halten dürfen
Eckensteher
diese unverschämteste Wiederherstellung der Mucker= Selbstsucht
10
12
unter dem Anschein „höherer Aufgaben“ Anspruch auf
Der Glaube an das
14
Vorrecht der Meisten, der
16
18
Revolutionen macht, ist bloß
20
eine Übersetzung christl. Werthurtheile in die Muskeln …
22
KSA 14, 443, zu AC 43
W II 8c 108-154.indd 140
2: der] > in der 2: aller] Vk 10: Wiederherstellung] ¿ 10: Mucker=] ¿
15.05.15
142
Daß Jeder als „unsterbliche Seele“ gleichen Rang hat u. im Gesammt=Rang der Wesen
W II 8
2
4
nicht weniger als
u daß für ihn so gut wie für jeden Anderen der Erlöser gestorben
6
ist, ist bedeutet die große Massen =Verführungslist des Christenthums
8
wodurch es allen Niedrigen, Schlechtweggekommenen, dem ganzen Auswurf
10
mit der Mit der Seelen = Atomistik
u Abhub der Mh. schmeichelt. Das Seelen=Atom, das
12
Lebens mit dem
„gleiche Rechte für Alle“, war das Chr. jeder Zeit die heimliche
sähte das Christenthum jeder Zeit das Gift der aufrühre-
14
16
rischen Haltung, das ressent. gegen alles Vornehme, Schöne, Zu-
18
friedene aus – der Demokratism, der Revolutionen macht, ist bloß eine
20
Praxis der mehr jenes christlichen
22
11-22: KSA 14, 443, zu AC 43
W II 8c 108-154.indd 141
8: bedeutet] ? 16: sähte] > säete
15.05.15
W II 8
143
$
VIII 270. Bleistift
42.
2
u
Man sieht, was mit dem Tode am Kreuze zu Ende war, – ein neuer, ein
4
durchaus ursprünglicher Ansatz zu einer buddhist. Friedensbewegung, e zu einer thatsäch=
6
lichen u nichtAversprochenen „Erlösung“… Der frohen Botschaft folgte auf dem
8
Fuß die allerschlimmste: die des Paulus. In Paulus verkörpert sich der Gegensatz-
bloß
10
Typus zum „frohen Botschafter“, das Genie im Haß, in der Vision des
12
Hasses, in der rücksichtslosen Logik des Hasses{. Was hat P. dem Haß
14
geopfert? Vor allem den Erlöser: er schlug ihn an sein Kreuz.
16
Das Leben, das Beispiel, die Lehre, der Tod,A– Alles war nicht
18
mehr vorhanden, als dieser Falschmünzer aus Haß begriff, was allein er
20
brauchen konnte … Noch einmal vollzog der Priester =Instinkt des Juden
– der Dysangelist
der ganze Typus des Erlösers
Nicht die Realität!…
das große
eine Vergangenheit
22
jenes{Verbrechen an der Historie – er strich die Vergangenheit ein Vorge-
24
stern aus, er schuf sich Erlöser, Lehre, Tod, Sinn des Typus nach seinen
26
Bedürfnissen … Aber sein Bedürfniß war die Macht: in
28
Paulus wollte nochmals der Priester zur Macht, – er konnte nurAMittel,
30
Lehren, Symbole brauchen, mit denen man tyrannisirt … Was
32
entlehnte Muhamed dem Christenthum? – Das Mittel des Paulus,
durch
Begriffe
Erfindungen
das Mittel zur Tyrannei 34
36
144,38 )
38 40
die Tyrannei des Unsterblichkeits-Begriffs … Damit kann er Furcht er= regen … Damit
über Seelen, dieBUnsterblichkeit Seelen=
Mysterien = Culte
34-36: KSA 14, 443, zu AC 42
W II 8c 108-154.indd 142
hinsichtlich des Werthes von Mensch u Mensch. Ein unsterblicher
42
44
ein Priester selbst
Petrus ist eine Blasphemie gegen jede
2: neuer] Vk 4: Friedensbewegung] ¿ 22: jenes] ¿ 28: Priester] Vk 28: Macht] ¿ 37: Culte] Vk
15.05.15
144
W II 8
$
VIII 273 (Nr. 44.) Bleistift
43. bereits unaufhaltsame
Die Evangelien sind unschätzbar als Zeugniß für die vollkommene
2
innerhalb
Corruption schonAin der ersten Gemeinde: – was Paulus später mit
4
der prachtvollen Instinkt-Sicherheit eines Rabbiners zu Ende führte,
6
war trotzdem nur der Verfalls=Prozeß, der sofort mit dem Tode
8
Cynismus
ein Verfalls = Prozeß
des Erlösers eintrat. – Hier wird ein ein Wort nicht ungelegen sein, das
10
dem ganzen neuen Testamente gilt Diese Evangelien kann man nicht behutsam genug
12
lesen: diese Art Bücher hat die größte Schwierigkeit an sich. Was hier zu
14
Worte kommt, ist der Gegensatz aller naiven Verderbniß, – die Evangelien
16
sind das Raffinement der Verd par excell. in der Verderbniß.
18
$
Wenn man das Schwergewicht des Lebens nicht ins Leben, sondern
20
ins „Jenseits“ verlegt – das heißt ins Nichts – hat man
22
dem Leben überhaupt sein Schwergewicht genommen. Die große
24
Lüge von der Personal -Unsterblichkeit untergräbt allen
26
Ernst, allen guten Willen, alle erhabene Gesinnung, alles Zutrauen
28
u. Mithelfen = wollen, allen Zusammenhang von Geschlecht, Volk, Fa-
30
milie
32
No 43. Bleistift
S
sinn
alle wohlthätigen Instinkte des Lebens, – alles Gemeingefühl, alle Dankbarkeit
34
gegen Herkunft u. Vorfahren, alle zutrauende u mitarbeitende Gesinnung, alle
36
u Distanz= Gefühl h Art Pflicht u Ehrfurchts -Gefühl gegen Größe insichtlich
38
1-18: KSA 14, 443-444, zu AC 44
W II 8c 108-154.indd 143
u.
) 143,40
4: was Paulus] Vk 28: alles] ¿ 34: alle wohlthätigen] Vk 36: mitarbeitende] ¿
15.05.15
W II 8
145
$
VIII 266 M. Bleistift
in der Vorstellung
i
kommt
2
Daß In der Vorstellungs =Welt des Christen{nichts vorkommt, was s die Wirklichrührt auch
4
nur anrührt, – dagegenAein Instinkt=Haß gegen die Wirklichkeit eben das
6
treibende, das einzig treibende Element in der Wurzel des Christenthums. ist: so folgt
d
8
daraus, Daß auch in psycholog. der Irrthum radikal dh. wesen=ausmachend
im
10
des
12
Christenthum rollt ins Nichts …
erkannten wir im
Was folgt daraus?
weg hier weg
geworden
Christenthum{ist. Ein Begriff weniger{ – u. das
Substanz geradezu
Eine einzige Realität an dessen Stelle
fremde
14
Aus der Höhe gesehen, bleibt die ungeheure Thatsache, eine durch den Irrthum nur in allein
nur
nur in
16
nicht auf bedingte, sondern{auf schädliche, auf leben- u weltvergiftende
18
Irrthümer abzielende Religion ein Schauspiel für „Götter“: erfinderische u selbst geniale
welche Philosophen sind
)
für –
20
jene Gottheiten Epicurs, zu zugleich
denen ich ich auch die Psychologen rechne,
22 24
Im Augenblick, wo der
26
Ekel beiAuns weicht, sind
28
wir dem Christenthum dankbar
30
: der Christ, falsch bis zur Unschuld ist weit über dem Affen
32
in Hinsicht auf Christen bleibt die Herkunfts = Theorie einiger Na-
34
turforscher eine bloßen Höflichkeit …
möchten um keinen Preis diese „unschuldigen“
ihnen (– u bei uns!)
+
wird
Affen, die Christen
eine bekannte
zur
20-22: KSA 14, 443, zu AC 39
W II 8c 108-154.indd 144
2: Wirklichrührt] > Wirklichkeit 4: eben] ? 22: ich ich] > ich 27: Hinzufügungszeichen zu 146,28 30: falsch] ¿ 30: dem] Vk
15.05.15
146
$
$
W II 8 No 39. Bleistift
Ich erzähle die Geschichte des Christenthums. Im Grunde gab es nur Einen Christen:
2
der starb am Kreuze. – Was von diesem Augenblick an „Christenthum „Evangelium hieß,
4
war bereits der Gegensatz des „Evangeliums. Es ist das tiefste Mißverständniß, wenn
6
man den Glauben an die Erlösung durch Chr. als das Abzeichen der Christen ansieht:
8
macht
die christl. das Praktik, das Leben so wie es der am Kreuze Gestorbene lebte, macht
10
das Christenthum. Der „Glaube“ ist das Grundflasche des Begriffs „Evangelium“
12
VIII 265. Bleistift
A
Grundfalsche
Nicht ein „Glauben“, sondern ein „Thun“
14
ein „Sein“… Bewußtseins =Zustände – jeder
)
16
Psychologe weiß das – sind ja vollkommen gleichgültig u. fünften
18
Ranges gegen den Werth der Instinkte – das Chr. auf ein „Für
20
wahr -halten zu reduziren heißt es annulliren …
22
jenen u denen ich zb. bei den berühmten Zwiegesprächen auf Naxos
24
begegnet bin
26
für den Anblick der Christen
28
12-13: KSA 14, 443, zu AC 39
W II 8c 108-154.indd 145
4: Christenthum „Evangelium] > Christenthum“ „Evangelium“ 6: Evangeliums] > Evangeliums“ 8: Christen] Vk 22: halten] > halten“ 28: Hinzufügung zu 145,27
15.05.15
W II 8
147
$
Antichr. No 38. Bleistift
schwärzer als
Es giebt Tage, ich bekenne es, wo ein Gefühl mich heimsucht, schwarz{wie die
2
4
schwärzeste Melancholie – die Veracht Menschen-Verachtung. Und damit ich keinen Zweifel
6
darüber lasse, was ich verachte, wen ich verachte: der Mensch von heute ist es,
8
der Mensch, mit dem ich verhängnißvoll gleichzeitig bin. Wir Erkennenden sind gegen
10
alles Vergangene an eine große Toleranz gewöhnt: wir gehen durch die
12
Irrenhaus =Welt ganzer Jahrtausende, heiße es Christenthum „oder christlicher
14
Glaube, christliche Kirche, mit einer düsteren Selbstbezwingung hindurch – wir
16
machen die Menschheit nicht für ihre Geistes-Krankheit verantwortlich Aber
18
unser Gefühl verändert sich mit Einem Male, sobald wir in die neuere
20
in unsere Zeit kommen: das, was ehemals krankAward, wurde heute
22
unanständig – ist es unanständig, heute Christ zu sein. Und hier
24
beginnt unser Ekel. – Ich sehe mich um: es ist kein Wort mehr
26
übrig geblieben, von dem, was ehemals die Mh. „Wahrheit“ nannte –
28
Jedermann weiß es, Jedermann wed könnte es wissen, daß es weder
30
einen Gott, noch „Sünder“, noch „freien Willen“, noch sittliche Welt
sie z. B.
bloß
war
ward
von dem
w
hieß
noch Erlöser,
ie
32
34
en
ordnung giebt; daß der Kirche
36
Blutaussauger des Lebens; daß das Christen der Wille zur
thum die große Naturunterwerfung, die Selbst =schändung des Menschheit Niedergang,
38
war – daß „Jenseits“, „Unsterblichkeit“ der Seele, die „Seele
40
selbst virtuose Lügen geworden sind.
42
44
W II 8c 108-154.indd 146
an allem starken ist ist
der Wille zum Nichts, der Wille zum
ist
28-40: KSA 14, 442, zu AC 38
große große der der Vampyr, u.
von widerlichster Art die schlimmste Art gewesen ist Priester ein Parasit des Lebens, daß die bloß
daß mit der Kirche die Selbstschändung des M. als Ziel, als Aufgabe, als „Heiligkeit“
8: verhängnißvoll gleichzeitig] ¿ 8: Erkennenden] Vk 14: Glaube] Vk 20: was] ¿ 22: ist es] > es ist 30: Willen] Vk
31: in Ms nicht übereinander 32: Priester] Anschluß 148,30 32: Parasit] Vk 36: schändung] ¿ 38: „Seele] > „Seele“
15.05.15
148
$
W II 8 VIII 264 u. Bleistift
Trotzdem bleibt Alles beim Alten: u. gerade, weil
2
Alles neu, Alles modern geworden ist, erregt das Beim - Alten-
4
Bleiben Verachtung … Es ist das letzte Gefühl von innerem
6
Anstand verloren gegangen, wenn unsere Staatsmänner heute sich
8
Christen nennen u. zum Abendmahl gehen. Ein Junger Fürst, an der
10
Spitze seiner Regimenter, prachtvoll als Typus der nationalen
12
Selbstsucht u. Selbstüberhebung – aber, ohne jede Scham,
14
Wen
sich Christ nennend … Was verneint das Christenthum? –
16
was heißt seine „Welt“?… Daß man Soldat, daß man
18
Richter, daß man Patriot ist; ist daß man sich wehrt, daß
20
,
22
.
daß man seinen Vortheil will;
man auf seine Ehre hält; daß man stolz ist … Jede Praktik von Lüge
jedes Augenblicks ist antichristlich – was für eine Mißgeburt
24
muß der moderne M. sein, um nicht daran zu leiden sich
26
nicht zu schämen, Christ zu sein heißen …
28
bloß die widerlichste species der Parasiten ist, daß mit dem
30
großen Vampyr Kirche die Selbst =Schändung des M. als Ziel
32
angestrebt worden ist
34
die Blut = aussaugung alles gesunden
gesetzt war; daß ihre unheimlichsten
Lebens
Hülfsbegriffe „wie „Jenseits“ „jüngstes Gericht“ Unsterblichkeit der
…
36
38
heute
Seele, die Seele selbst virtuose Lügen geworden sind.
2-6: KSA 14, 442, zu AC 38
W II 8c 108-154.indd 147
40
16: sich] ¿ 18: heißt] > heißt es 30: Anschluß zu 147,32 34: Blut=aussaugung] Vk
15.05.15
W II 8
149
2
Buch 2
Zu beweisen, daß die nihilist Denkungsweise die Folge
4
vom Glauben an die Moral u. Priester Werthe ist: wenn
6
man den Werth falsch angesetzt hat, so erscheint, bei der
8
Einsicht in diese Falschheit, die Welt entwerthet …
10
Buch 3.
die Moral in Hinsicht auf Entstehung, auf Mittel,
12
auf Absicht das unmoralischste Faktum der
14
Geschichte …
16
ihre Selbst=Widerlegung, insofern sie, um ihre Werthe
18
aufrecht zu erhalten, die Gegenwerthe prakticiren
20
muß …
KGW VIII 22[3]
W II 8c 108-154.indd 148
15.05.15
150
$
$
W II 8c 108-154.indd 149
W II 8
Buch II. Zu beweisen, dass die nihilistische Denkungsweise die Folge vom Glauben an die Moral= und Priester= Werthe ist: wie wenn man denie Werthe falsch angesetzt hat, so erscheint, bei der Einsicht in diese Falschheit, die Welt entwerthet … rote Tinte und Bleistift
Buch III. Die Moral, in Hinsicht auf Entstehung, auf Mittel, auf Absicht, das unmoralischste Faktum der Geschichte … ihre Selbst=Widerlegung, insofern sie, um ihre Werthe aufrecht zu erhalten, die Gegenwerthe praktiziren muss … rote Tinte
15.05.15
W II 8
151 aus Princip
– dieser Parasit, dieser Giftmischer des Lebens par excellence Vampyr 2
par excellence
Capitel über Paulus
von Instinkt
4
die jüdische Familie der diaspora
6
die „Liebe“
8
die „freie“ Zurechtmachung von Jesus ganz jüdisch - priesterlich
10
12
a) Tod für unsere Sünden
14
b) der „Erlöste“ ist unsterblich
16
)
der tiefe Haß gegen die Cultur. – bereits jüdisch (Genesis 52 u die Erkenntniß
18
die „unsterbliche“ Seele
Psychologie der „Sterbenden“ 18 der Priester als „böser Engel“ 10
20
22
was Alles verdorben ist durch die Kirche
24
1) die Aksese
26
2) das Fasten
28
3) das „Kloster“
30
4) die Feste
32
5) die Mildherzigkeit
34
36
38
40
42
66
Liebe Güte Heroismus Psychologie der ersten Christen 197
243. „richtet“ nicht“ 11
. 63 Protestant
184
große Lügen der Historie
17
1: KSA 14, 442, zu AC 38 2-42: KGW VIII 22[2]
W II 8c 108-154.indd 150
15.05.15
152
)
W II 8
dieser Parasit u Giftpilz des Lebens
von versch. Seiten zb auch von Spitteler
Ich habeAwahre Huldigungsschreiben für meine Schrift über W von versch. Seiten bekommen. Man findet sie nicht nur ein psychol. Meisterstück ersten Ranges, auf
4
einem Gebiete, wo Niemand außer mir überhaupt bisher Augen gehabt hat
6
: man nannte die erste Einsicht über den Decadence - Charakter
8
unserer Musik überhaupt ein kulturhistor. Ereigniß. – in der Psychologie der Musiker – Herbst
bis
10
12 14
conte Robilant.
16
concorso di bellezza
1: KSA 14, 442, zu AC 38
W II 8c 108-154.indd 151
2-5: Bleistiftspur
2
18
2: Huldigungsschreiben] ¿ 18: concorso] ¿
15.05.15
W II 8
153
October bis Ende December
2
500
4
1
600
90 6
fr. 5
an Mutter schreiben
450 150 fr.
600 fr. franz
8
28 10
1000 schweiz.
21 – 21
28 3
12
59 Wohnung 125 2 50
1
180 45
1
14
225
20
22
14-22: KGW VIII 25[21]
W II 8c 108-154.indd 152
285
25 35
9
60
6300
60 10 % = 6 fr. " 90
285 63 fr. fr. 348 610
63
60 16
18
60
1600 fr.
condamno te ad vitam diabole vitae
Indem ich dich vernichte Hohenzollern, vernichte ich die Lüge
21: %] ? 22: " 90] ?
15.05.15
154
Wohnung. 21 Oct.
2
Barbier
4
23 Oct.
W II 8
21
Ein sehr böser Fehler steht auf
: ich bilde mir sogar
S. 20 Z. 3 von unten
ein, ihn ver-
bessert
Der statt Das
6
ch
8
10
zu haben
24 Z. 3 von unten
12
diesen
14
$
Druckfehler im „Fall Wagner“ mit Zuordnungslinie, rote Tinte
2: Oct.] Vk 5: 2 1] ? 9: bessert] Vk
W II 8c 108-154.indd 153
15.05.15
Arbeitsheft W II 9
W II 9a 1-42.indd 1
15.05.15
W II 9a 1-42.indd 2
15.05.15
W II 9a 1-42.indd 3
WXV Rotstift, mit Bleistift gestrichen
W II 9 Bleistift
Ecce homo Bleistift
es
v
12: im] ¿ 22: That] Vk 25: außen] ¿
äußerer Reize.
30
dieselbe ist nur möglich bei einem
künstlich isolirte That
von außen her
dieselbe geschieht gleichsam vermauert gegen Reize u Zufälle
Zufällen u Reizen von außen her.
: dieselbe ist gleichsam herausgelöst aus allen
v
die schöpferische Concentration That zur Voraussetzung hat, als eine aus dem Innersten u gleichsam
Ein Drittes ist die absurde Hautreizbarkeit, eine Art Wehrlosigkeit gegen Kleines., vor allem Kleinen Man wird eher noch mit dem Schicksal fertig als mit einer Fliege. Es scheint überhaupt. mir in der ungeheuren Verschwendung aller Defensiv =Kräfte bedingt, welche
gegen kleine Stiche
im Ganzen verschwendet
Defensiv
Lähmung der kleinsten Defensiv =Instinkte nach sich zieht: dieBKraft ist
die lange Gewöhnung an Reizungen u Widerstände im großen Stile eine
noch mit dem Schicksal fertig als mit einer Fliege. Es scheint mir daß
vollendeten System des Abschließens, Ausschließens,
$
vor allem Kleinen. Man wird eher
eine Art
Ein Drittes ist die absurde Hautreizbarkeit gegen kleine Stiche, die Wehrlosigkeit überhaupt
28
26
24
22
20
18
16
14
12
10
8
6
4
2
$
$
1 W II 9
15.05.15
W II 9
siehe W XII 164. Bleistift
W II 9a 1-42.indd 4
2
$
15.05.15
3
W II 9
$
VIII 122/3. Bleistift
1.
Zur Physiologie der Kunst.
2
Damit es Kunst giebt, damit es irgend ein1.ästh. Thun u. Schauen, ist eine physiol. Voraussetzung
4
unumgänglich: der Rausch
Physiologisch nachgerechnet, ist die Voraussetzung aller Kunst, al-
6
les aesthetischen Thuns u Schauens der Rausch. Der Rausch muß erst
8
kommt es
die Erregbarkeit der ganzen Maschine gesteigert haben; eher giebt zu
keine Kunst. Alle noch so verschieden bedingten Arten des dazu
12
es
zu dieser Erregung
Rausches habenAdie Kraft: dazu: voran
diese allgemeinste
des Rausches Form
der Rausch der Geschlechtserregung, seine älteste u. ursprünglichste Insgleichen
10
der
aller
aller
14
16
eine
kommt
der Rausch,Aim GefolgeAgroßer Begierden, großer Affekte
18
Festes, des
der Rausch des Wettkampfs, des Bravourstücks, des Siegs, aller extremen Bewegung
der Rausch des Festes
der Zerstörung
der Rausch der Grausamkeit; der Rausch in der Zerstörung
20
der 22
24
unter dem Banne narkotischer Mittel
der Rausch nach Gebrauch oder Mißbrauch der narcotica
26
der Rausch unter gewissen meteorolog. Einflüssen, zb
28
der Rausch fluß insgleichen unter dem Einflusse der Narcotica endlich
der Frühlings = Rausch
30
aus
rausch der Rausch eines
der Rausch als WillensAmacht,Ades überhäuften u geschwellten Willens 2.
32
t
34
36
Das Wesentliche am Rausch ist das Gefühl der Kraftsteigerung und
38
3: Schauen] > Schauen giebt 3: physiol. Voraussetzung] ¿
W II 9a 1-42.indd 5
15.05.15
W II 9
4
$
VIII 123 M. Bleistift
waltigt sie man zwingt sie von uns zu nehmen, man verge=
2
Fülle. Aus diesem Gefühle giebt man an die Dinge ab: das
Man heißt diesen Vorgang Idealisiren. Dieses die Dinge
4
heißt, man idealisirt sie. Idealisiren ist nicht, wie gemeinhin
6
geglaubt wird, einAAbziehen u AbrechnenAvieler kleiner Züge:
8
vielmehr ein ungeheures Heraustreiben der Hauptzüge, so daß
bloßes
der kleinen, der Nebenzüge
Ich nenne
logischen
10
die anderen darüber verschwinden (– Hierin ist es jenem Prozeß
12
verwandt, der fälschlich „Abstrahiren“ genannt wird)
14
Man bereichert in diesem Zustande Alles aus seiner eigenen Fülle; stark,
16
was man sieht u will, man sieht es geschwellt, gedrängt, ü=
18
berladen mit Kraft. Der Mensch dieses Zustandes verwandelt die
20
Dinge, bis sie ihn wiederspiegeln, bis sie Reflexe seines Zustandes
22
sind: dies Verwandeln -MüssenAist Kunst. Alles, was nicht
24
er ist, wird trotzdem ihm zur Lust an sich; in der Kunst
26
genießt sich derARausch selbst.
seine Macht
Vollkommenheit
ins Vollkommene
Mensch als Vollkommenheit
28
Es wäre erlaubt, sich einen gegensätzlichen Zustand auszudenken,
30
ein spezifisches Antikünstlerthum, – eine Art zu sein, welche
32
alle Dinge verarmte, verdünnte, verbleichen machte. Und in der
34
That, die Geschichte ist reich an solchen Antiartisten, an solchen Aus=
36
gehungerten des Lebens, im Bilde zu bleiben: welche mit Noth-
38
wendigkeit die Dinge noch an sich nehmen, sie auszehren, sie ma=
40
gerer machen müssen. Das ist zum Beispiel der Fall des
42
ächten Christen; ein Christ, der zugleich Künstler wäre, kommt
schwindsüchtig
3: in Ms nicht übereinander 30: spezifisches] ¿
W II 9a 1-42.indd 6
15.05.15
5
$
W II 9 VIII 124 Bleistift
nicht vor … Man sei nicht kindlich u wende mir Raf-
2
fael ein: Raffael sagte Ja, Raffael machte Ja, –
4
folglich war Raffael kein Christ …
6
3.
8
Was bedeutet der Gegensatz „apollinisch“ u „dionysisch“,
10
beide als Arten des Rausches verstanden? – Der apollinische
12
Rausch hält vor allem das Auge erregt, so daß es die
14
Kraft der Vision bekommt. Der Maler, der Plastiker, der E=
16
piker sind Visionäre par excellence. Im dionysischen Zu-
18
stand ist das gesammte System der Affekte erregt u. gesteigert:
20
mit Einem Male
so daß es alle seine Mittel des AusdrucksAentladet und die
22
Kraft des Darstellens, Nachbildens, Transfigurirens, Verwandelns, alle
24
zugleich
Art von Mimik u SchauspielereiAheraustreibt. Das Wesentliche bleibt
26
die Unfähigkeit, nicht zu reagiren.
ist die Leichtigkeit der Metamorphose,A: so daß der Affekt,
kaum angedeutet, sofort zur Realität übergeht. Es ist dem dioihm
28
dionys. Mensch
auf den leisesten Wink hin in jede Haut, in jeden Affekt eingeht
30
Absicht
nys. Menschen nicht möglich, irgend ein Zeichen von Affekt zu über-
32
er hat im höchsten Grade die Reizbarkeit für jede Suggestion,
sehen: es entladet sofort in ihm den ganzen Affekt, er ver-
34
sofort
wandelt sichAunter jeder Suggestion.
36
die ja
Musik, wie wir sie jetzt verstehen, Musik,Aebenfalls als eine
38
ist wäre
Gesammt =Erregung u Entladung der AffekteA, ist gleichsam nur eine
W II 9a 1-42.indd 7
40
15.05.15
W II 9
6
$
VIII 125. Bleistift
Survival
2
ursprünglich
Reiche des Ausdrucks u. der Affekt-
Abstraktion aus einemAviel volleren ursprünglichen{Ausdruck der Gezu nennen bloßes
4
sammt= Entladung{: einAresiduum des dionys. Histrionismus.
6
Man hat, zur Ermöglichung der Musik an sich, eine Anzahl Sin-
8
ne, vor allem den Muskelsinn still gestellt (relativ wenigstens:
als Sonderkunst
Grade
noch
u nur zu ihnen
10
denn in einem gewissen Sinne redetAaller Rhythmus zu unseren Muskeln{);
12
so daß der Mensch nicht mehr Alles, was er fühlt, sofortAnachahmt
14
u darstellt. Trotzdem ist das der eigentliche dionys. Normalzu
16
stand; die Musik ist eine langsam erreichte Spezifikation{auf
18
Unkosten anderer{dionys. Künste.
leibhaft
desselben
der nächstverwandten
20
Vermögen …
Der Schauspieler, der Mimiker, der Tänzer, der Musiker, der in ihren Instinkten
um
22
Lyriker sindAgrundverwandt u an sich Eins; aber allmählich spe-
24
zialisirt u abgetrennt von einander bis zum Widerspruch. Der
26
Lyriker blieb am längsten mit dem Musiker geeint; u der
28
Schauspieler mit dem Tänzer. Der
4. den Willen, der Berge versetzt, stellt weder einen dionys. noch einen apollin Zustand dar. Hier ist es Architekt stellt der großen Willensakt, den Rausch
einen
30
i die
32
des großen Willens, dar,: Im Bauwerk sollte sich
34
Wille zur Macht{versichtbaren. Architektur ist dieABeredsamkeit
der zur Kunst verlangt. Die Inspiration des mächtigsten M. haben immer die Architekten inspi= ihre Macht, der ihr
der Stolz, der Sieg, der Wille zur Macht
…
der Macht im Unterwerfen u.
)
ein Commandiren in Raumformen, eine
selbst schmeichelnd *: in milden Formen überredend, mehr noch, er befiehlt.
36
des Willens in Raumformen: der Wille redet u. überredet, {
38
Das höchste Gefühl der Macht inhärirt allen klassischen Typen.
40
Schwer reagirenA; eine gewisse Impassibilität; kein Gefühl, im
42
KampfA; die Ruhe der Nothwendigkeit: das gehört zum klassischen
)
kommt in dem zum Ausdruck von Stolz u ist in dem ausgedrückt Sicherheit dem, was großen Stil hat. die Macht die
antworten, keinen Zeugen um sich fühlen; keinen Beweis nöthig haben.
im
zu sein
als
Fatum seines Seins
des So -u So - seins
44
17: nächstverwandten] ¿ 29: in Ms nicht übereinander 30: Willensakt] ¿ 35: in Ms nicht übereinander 35: Hinzufügungszeichen zu 7,14 37: in Ms nicht übereinander
W II 9a 1-42.indd 8
großen Stil.
Typus.
38: Gefühl] Vk 39: Zeugen] ¿ 41: Fatum] Vk 42: Ruhe der] Vk
15.05.15
7
Multum in parvo.
2
Meine Philosophie
4
im Auszug.
6
Von
8
Friedrich Nietzsche
10
W II 9
11-15: Abgrenzungslinie, Bleistift
)
rirt: der Architekt war immer unter der Suggestion der Macht.
12
eine
)
Architektur ist eine Beredsamkeit in Formen höheren allen großen in den obersten Formen bloß befehlend.
14
16
Beweis
Die Macht, die keinen Beweis nöthig hat; die schwer antwortet; die keinen Zeugen um sich
18
gegen sie
fühlt; die ohne Bewußtsein lebt, daß es Widerspruch giebt; die in sich ruht, fatalistisch,
20
als Gesetz unter Gesetzen: das redet als großer Stil von sich.
22
2-10: KGW VIII 19[5]
W II 9a 1-42.indd 9
14: Hinzufügung zu 6,35
15.05.15
W II 9
8
$
(W XII, 98.) Bleistift
2
Was der Rausch Alles vermag, der Liebe heißt u der noch Etwas Doch
4
Anderes ist als Liebe!, darüber hat Jedermann seine Wissenschaft. Die Mus=
6
kelkraft eines Mädchens wächst, wenn{nur ein Mann in seine Nähe
8
kommt; man hat Instrumente, dies zu messen. Bei einer noch näh=
sobald
es giebt
10
eren Beziehung der Geschlechter, wie sie zum Beispiel der Tanz und
12
andere gesellschaftliche Gepflogenheiten mit sich bringen, nimmt dies Wachs
14
thumAdergestalt zu, um zu wirklichen Kraftstücken Anlaß zu geben:
16
man trautAdabeiAseinen Augen nicht – u seiner Uhr! Hier ist aller-
18
dings einzurechnen, daß der Tanz an sich schon, gleich jeder sehr geschwinden
20
Bewegung eine Art Rausch für das gesammte Gefäß = Nerven - u Muskel
22
system hervorbringt: so daß wir in diesem Fall mit den Wirkungen
diese Kraft
zu befähigen:
an Muskelkraft
mitunter endlich
mit sich bringt. Man hat in diesem Fall
fo
24
26
combinirten
Und wie weise es mitunter ist eines doppelten Rausches zu rechnen. – Und welche Realität wird das Weib in solchem zweier combinirter Rauschesrmen zu thun haben. Die Realität ist vieleinen kleinen Stich zu haben!… Es giebt Realitäten, die man selbst nie sich eingestehen darf; dafür ist solche
leichtAbis zum Affreusen widerlich; eine marktmäßige Aus-
man Weib, dafür hat man alle weiblichen pudeurs … Diese jungen Geschöpfe dürfte
28
der
;
stellung des Geschlechts scheint, wie man voraus zu vermuthen geneigt ist, die dort tanzen, empören
sind
ersichtlich
sind jenseits
aller
Realität: sie tanzen ersichtlich
30
alle weiblichen pudeurs gegen sich haben. Man irrt sich, man hat
32
jenen Zauberer vergessen, jenen Idealisten uAFalschmünzerA, der mit
34
jeder Realität fertig wird, – den Rausch. Diese jungenAGeschöpfe sehen
handgreiflichen nur mit lauterAIdealen, sie sehen sogar, was mehr ist, noch
ewigen
von Anbeginn
Ideale um sich sitzen: die Mütter!.. Gelegenheit, den Faust zu citiren … berauschten
in
sind
durchaus abseits der Wirklichkeit: sie tanzen mit lauter Idealen, sie sehen selbst Ideale um zurecht sogar die 36
nicht mehr idealisiren sich ihre Tänzer, ja, was mehr bedeuten will, ihre sich sitzen, die
38
Mütter … vielleicht sich selbst. Sie sehen unvergleichlich besser aus, die hübschen Creaturen
40
.
wenn sie dergestalt ihren kleinen Stich haben; diese absurden mitunter sind wie werden sie werden sogar
42
auch die absurden Thiere – oh wie gut sie das wissen!
weil sie das wissen! –
liebenswürdig sie werden, weil sie es wissen? –
W II 9a 1-42.indd 10
ihr Putz ist ihr dritter kleiner Rausch!
.
KGW VIII 17[5] 324,22-325,14
noch ihr
sie sogarAliebenswürdiger, Zuletzt inspirirt sie auch der Putz; es giebt ein
23: in Ms nicht übereinander 23: doppelten] ¿ 33: in Ms nicht übereinander 35: in Ms nicht übereinander
15.05.15
9 diesen Glauben? Sie
Dieser Glaube macht selig! Selbstbewunderung?
–u glauben an ihren Schneider, wie sie an Gott glauben: u{wer widerriethe ihnen eine kleine Und die Selbstbewunderung ist gesund! –
s
Glück an seinen Schneider zu glauben, das nicht geringer als das Glück
2
jenes anderen Glaubens ist, – die Selbstbewunderung berauscht. Sie schützt
4
eine solche Selbstbewunderung schützt vor Erkältung. Die Selbstbewunderung ist Und die Selbstbewunderung ist gesund. Sie vermag schützt ist gesund.
Problem: sogar gesund: sie schützt Beweis: Frage auchAvor Erkältungen: hat sich
W II 9
selbst
noch
vor
das
je ein hübsches Weib erkältet, wenn
6
Nie u nimmermehr! Ich setze den Fall
es sich gut bekleidet wußte? Und sei es{selbst, daß sie kaum
8
selbst
bekleidet war …
10
$
KGW VIII 17[5] 325,14-20
W II 9a 1-42.indd 11
VIII 64 (Nr. 25.) Bleistift
1: die Selbstbewunderung] ¿ 3: in Ms nicht übereinander 7: nimmermehr] ¿
15.05.15
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10
$
VIII, 130/1. Bleistift
1. 2
Nichts ist bedingter, sagen wir beschränkter als unser Gefühl des Schö=
4
nen. Wer es losgelöst von der Lust des Menschen am M. denken wollte,
6
verlöre sofort Grund u. Boden unter den Füßen. Das „Schöne an sich“ ist
8
bloß ein Wort, nicht einmal ein Begriff. Im Schönen setzt sich der Mensch
10
als Maaß der Vollkommenheit; in ausgesuchten Fällen betet er sich darin
12
selbst an. Eine Gattung kann gar nicht anders, als dergestalt zu sich allein
14
ja sagen. Ihr unterster Instinkt, der der Selbst Erhaltung u Selbst = Erweiterung,
16
strahlt noch in solchen Sublimitäten aus. Der Mensch glaubt die Welt selbst mit
18
Schönheiten überhäuft: – er vergißt sich als deren Ursache. Er allein hat
20
sie mit Schönheit beschenkt, ach! mit einer sehr menschlich - allzu
22
menschlichen Schönheit … Im Grunde spiegelt sich der Mensch in den Dingen,
24
er hält Alles für schön, was ihm sein Bild in den Dingen zurückwirft: –
26
das Urtheil „schön“ ist seine Gattungs=Eitelkeit … Dem Skeptiker
kleiner Argwohn die Frage ins Ohr flüstern nämlich hier hier verdacht 28
Adarf eine FrageAnicht verargt{werden: ist wirklich damit die Welt gerade
nimmt
30
verschönert, daßAder M sie für schönAhält? Er hat sie vermenschlicht,
32
das ist Alles. Aber nichts, gar nichts verbürgt uns, daßAder Mensch an sich
gerade
das
ie t
34
ein Modell des Schönen abgäbe. Wer weiß, wie er sich in den Augen eines
,
36
höheren Geschmacksrichters ausnimmt? VielleichtAkomisch, vielleicht erheiternd?
38
vielleicht ein wenig arbiträr?… „O Dionysos, Göttlicher, warum ziehst du mich
gewagt?
einmal
in jenem Ariadne, in jenem berühmten Zwiegespräche, einstmals auf Naxos, einstmals
40
an den Ohren, fragte einst auf Naxos Ariadne{ihren philosoph. Liebhaber
42
„Ich finde eine Art Humor in deinen Ohren, Ariadne: warum sind sie nicht noch länger?…
44
26: seine] Vk 27: in Ms nicht übereinander 30: daß] ¿ 30: vermenschlicht] ¿ 38: ziehst] ¿ 40: Ohren] > Ohren?“
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selbst
44: länger?…] > länger?…“
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$
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VIII 131/2. Bleistift
2.
„Nichts ist schön, nur der M. ist schön“ – auf dieser Naivetät ruht
2
alle Ästhetik, sie ist deren erste Wahrheit. Fügen wir sofort noch deren
4
entartende
zweite hinzu: Nichts ist häßlich als der mißrathene Mensch: damit ist das
6
Reich des ästhet. Urtheils umgrenzt. – Physiologisch nachgerechnet, schwächt u.
8
betrübt alles Häßliche den Menschen. Es erinnert ihn an Verfall, Gefahr,
10
Ohnmacht; er büßt thatsächlich dabei Kraft ein. Man kann die Wirkung
12
des Häßlichen mit dem Dynamometer messen. Wo der M überhaupt niedergedrückt
14
wird, da wirkt die Nähe von etwas „Häßlichem“. Sein Gefühl der Macht,
16
sein Muth, sein Stolz
sein Wille zur Macht,A– das fällt mit dem Häßlichen, das wächst mit dem
18
Schönen … Im einen wie im anderen Falle machen wir einen Schluß: die
20
Prämissen dazu sind in ungeheurer Fülle im Instinkte aufgehäuft. Das Häß=
22
liche wird verstanden als ein Wink u Symptom der Degenerescenz: was im Ent=
24
ferntesten an Degenerescenz erinnert, so wirkt in uns das Urtheil „häßlich“. Je-
26
des Anzeichen von Erschöpfung, von Schwere, von Alter, von Müdigkeit, jede Art
28
als Wirrsal,
der
die
die
Auflösung, der
Unfreiheit, als Krampf, als Lähmung,Avor allem Geruch, Farbe, Form derAVerwe=
30
der letzten
sung, und sei es auch in einer Verdünnung zum Symbol: was zu Grunde das Alles ruft die
32
gleiche Reaktion hervor: das Werthurtheil „häßlich“. Ein Haß springt
34
haßt da der Mensch
da hervor: wem gilt dieser Haß? Aber es ist kein Zweifel: dem
36
Niedergang seines Typus. gilt er, Er haßt da aus dem tiefsten Instinkte der Gattung
38
heraus; in diesem Haß ist Schauder, Vorsicht, Tiefe, Fernblick; es ist der
40
tiefste Haß, den es giebt. Um seinetwillen ist die Kunst tief …
42
s
4: sofort] ¿ 18: Häßlichen] Vk 26: Degenerescenz] ¿ 30: allem] Vk 40: Fernblick] ¿
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$
Ecce. Geb. d. Tr. 2. Bleistift
Erfahrung
4
Dieser Anfang ist über alle Maaßen merkwürdig. Ich hatte zu meinem innersten Instinkt das u S e i t e n s tü ck, das die Geschichte hat, entdeckt, – ich hatte, einzige Gleichniß, den
6
ebendamit das wundervolle Phänomen des Dionys. zum ersten Mal begriffen. Man
8
weiß Insgleichen war damit daß ich Sokrates als décadent erkannte, ein völlig
2
10
unzweideutiger Beweis gegeben, wie wenig die Sicherheit meines psycholog. Griffs durch
12
irgend eine Moral = Idiosynkrasie beeinträchtigt be Gefahr laufen würde: – die
14
Moral als décadence =PSymptom ist eine Neuerung, eine Einzigkeit ersten Ranges
. über
16
in der Geschichte der Wahrheit Erkenntniß. Wie hoch war ich mit beiden
ein
18
Einsichten über das erbärmlicheAGeschwätz von „Optimismus“ u „Pessimismus“
20
hinweggesprungen! – Ich sah den eigentlichen Gegensatz – den entartenden
22
Instinkt, der sich gegen das Leben mit heimlichster Rachsucht wendet
24
– Christenthum, die Philosophie Schopenhauers, in gewissem Sinne schon die
26
Philosophie Platos, der ganze „Idealismus“ als Typus – ; u eine
28
aus der Fülle, der Überfülle gewachsene Jasagende Weltverklärungs=
30
Formel der Welt=Verklärung, – ein Jasagen ohne Vorbehalt, zum Schmerz,
32
zur SchuldA, zu allem Fragwürdigen u. Fremden des Daseins … Dieses
34
letzte, freudigste, überschwänglich =übermüthiges Ja ist auch nicht
36
nur das höchsteA, es ist auch das tiefste, das an Wahrheit u. Wissenschaft
38
am meisten Gründlichsten am strengsten bestätigte u. aufrecht erhaltene. Hier
40
wird der Muth, aus der Kraft heraus, am weitesten sich wagen können, wird
42
auch am nächsten die Wahrheit erreicht: ebenso nothwendig, als
beeinträchtigt
e
l =
Flachkopf =
höchsten Bejahung
selbst
selbst
Einsicht
Einsicht von
8: Sokrates] ¿ 14: eine Einzigkeit ersten Ranges] ¿ 26: Platos] ¿ 28: Jasagende] ¿ 32: Dieses] Vk 34: übermüthiges] > übermüthigste
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13
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$
Ecce Bleistift
unter der Inspiration der Schwäche, die Feigheit vor der Realität das
2
Reich der Lüge nöthig hat – das „Ideal“ Wer das Wort „Dio
4
nysisch“ nicht nur begreift, sondern sich in dem Wort „dionysisch be
6
greift, hat keine Widerlegung Platos oder des Chr. oder Schopen
8
hauers nöthig – er riecht die Verwesung …
10
letzte
In wiefern ich ebendamit den Begriff „tragisch“, die endliche
12
darüber
Erkenntniß, was „Tragödie“ ist, gefunden hatte, habe ich zuletzt noch
14
der
16
"
zum Ausdruck gebracht.
In diesem Sinne habe ich das Recht, mich selber als den ersten
18
tragischen Philosophen zu verstehen – das heißt den äußersten Gegensatz
20
u. Antipoden eines pessimistischen Philosophen . . Vor mir
22
giebt es diese zur Erkenntniß gewordene Umsetzung des Dionysischen
24
in Philosophie, die Weisheit
26
in das
philosoph. Pathos, in eine tragische Weisheit nicht: ich habe vergebens
28
nach Anzeichen davon den den großen Griechen, denen der 2 Jahrhunderte vor
30
Sokrates gesucht. Ein Zweifel blieb mir zurück bei Heraklit.: die
32
Bejahung des Vergehens u Vernichtens – das Entscheidende einer dionysischen
34
ein
Daseins=Bejahung
Philosophie – das Jasagen zu Gegensatz u. Krieg, das Werden,
36
selbst
mit tiefer Ablehnung auchAdes Begriffs „Sein“ – darin muß
38
ich unter allen Umständen das mir Verwandteste anerkennen, das
40
radikaler
v
bisher
je gedacht worden ist. Die Lehre der „ewigen Wiederkunft“ das
42
heißt des unbedingten u. unendlich wiederholten Kreislaufes aller Dinge
44
6: dionysisch] > dionysisch“ 16: der "] vgl. EH Die Geburt der Tragödie 3, 310,12-13 > in der Götzen-Dämmerung Seite 139 20: Gegensatz] ¿ 30: den den] > bei den 34: Vernichtens] ¿
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) 15,4
34: Entscheidende] ¿
15.05.15
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14 weiter
Hier erfriert „das Genie“, eine Ecke weg erfriert1.„der Heilige“
2
Ecce homo Bleistift 4
$
am Schluß
dort erfriert der Glaube
die Überzeugung
das Denkmal einer Krisis.
fast überall
6
M. Allz. ist ein psychologisch schwieriger Fall. Das Buch heißt sich ein Buch
8
für „freie Geister“: fast jeder Satz darin drückt einen Sieg aus – ich habe mich unechten
10
mit demselben von meiner ganzen Vergangenheit freigemacht. In keinem anderen Sinne will darf
12
hat das Wort „freier Geist“ hier verstanden werden: ein freigewordener Geist, der von sich
14
seiner selber wieder Besitz ergriffen hat. Der Ton, der Stimmklang, hat sich hart
16
18
20
völlig verändert: man wird das Buch klug, kühl, unter Umständen geistreich scheint sich u spöttisch finden, – eine gewisse Geistigkeit vornehmen Geschmacks ist mit eine zu wehren. beständig geg en jede leidenschaftlichere Bewegung auf dem Grunde obenauf zu erhalten. Willkür In diesem Zusammenhang hat es Sinn
im Grunde
es war, was die womit
22
Ich möchte nicht vergessen, daß die hundertjähr. Todesfeier Voltaires seine erste Ausgabe
24
als Anlaß dafür, daß es jetzt schon veröffentlicht wurde die Herausgabe des Werks schon schon für
26
gleich entschuldigt wird
im Jahr 1888 bedingte. Der Name „Voltaire“ auf einem Buch von mir, – war
gerechtfertigt wird
28
das ist wirklich ein Schritt zur Vernunft … Sieht man näher zu, so
30
entdeckt man einen unbarmherzigen Geist, der alle Schlupfwinkel kennt,
32
wo das „Ideal“ wächst, – wo es seine Burgverließe u. gleichsam
34
seine letzte Sicherheit hat. Eine Fackel in den Händen, die durchaus
36
kein „fackelndes“ Licht giebt, – mit einer schneidenden Helle wird in alle
38
diese Winkel hineingeleuchtet. Es ist der Krieg, e aber ein Krieg ohne
40
Lärm u. Dämpfe, – ohne kriegerische Attitüden, ohne Pathos u. ver-
42
renkte Gliedmaaßen. Ein Irrthum wird gelassen auf Eis gelegt, – das
44
„Ideal“ wird nicht widerlegt – es erfriert …
heimisch
Pulver
9: unechten] ? 12: freigewordener] ¿ 18: spöttisch] Vk 20: leidenschaftlichere Bewegung] Vk 25: für] > für das 25: gleich] > gleichsam
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26: 1888] > 1878 28: näher] ¿ 40: Dämpfe] Vk
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15
die Ende des neunzehnten Jahrhund. mit dem Papstthum paktiren u
$
2
W II 9
D
34 ) unbenutzt Bleistift
– diese Lehre Zarathustras könnte zuletzt schon von Heraklit gelehrt worden sein. Zum Mindesten hat die Stoa, die in den meisten grundsätzlichen Vorstellungen Heraklit beerbt hat, Spuren
4
6
8
davon. (– unsere „tiefen“ deutschen Philosophen Historiker der Ph. haben
10
immer bloß Ironie für diese Vorstellung …)
12
Lutherfeste feiern – als $
13,44 )
14
Ecce Bleistift
Pamphlet
Um dieser Schrift gerecht zu werden, muß man am Schicksal der Musik wie an einer offenen Wunde leiden. Gesetzt aber, daß man dergestalt in
in
16
18
lebt,
die Musik wie eine eigene Sache u Leidenschaft empfindet, wird man die
20
Schrift voller Rücksichten u über die Maßen mild finden. Heiter zu sein u
22
sich selber verspotten – das ist in solchen Fällen die Humanität selbst …
24
Wer zweifelt daran, daß ich, als der alte Artillerist, der ich, im Stande
26
wäre, mein schweres Geschütz hier aufzufahren? – Ich hielt alles Entscheidende
28
Zuletzt liegt
noch in mir zurück … Daß ein Angriff auf W, noch mehr auf
30
die in jedem Sinne instinktlos u. stumpfgewordene deutsche Nation im
32
Sinn u Wege meiner Aufgabe liegt
: diese Deutschen
den Willen zur Macht u. das „évangile des humbles“
34 36
)2
heute mit gutem Ge
38
42 )
wissen hinunterfressen –
40
ißt
42
) 39
die alle Gegensätze
Christenthum u Wissenschaft
18: dergestalt] ¿ 26: der ich,] > der ich bin, 28: hielt] ¿ 28: Entscheidende] ¿ 42: Wissenschaft] Vk
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16
2
Ah diese Deutschen, was sie mir im Wege sind! Wie viel Gründe ich habe
4
meine Sache von der ihrigen abzutrennen! – Heute sind sie der Ruin der
6
Musik: sie selber wähnen, damit „dem Ideal zu dienen“. Aber so
8
haben sie es immer gemacht. Seit 4 Jahrhunderten haben sie alle
das
ist ihr altes Spiel
10
großen Cultur - malheurs auf dem Gewissen – u immer aus dem gleichen
12
Grunde, aus der Feigheit vor der Realität, die auch die Feigheit vor
ihrer innerlichsten
14
der Wahrheit, aus der Instinkt gewordenen Unwahrhaftigkeit, aus
16
deutschem „Idealismus“… Die D. haben uns um Europa um
18
die Ernte, um den Sinn der letzten großen Zeit, der Renaissance-
20
Zeit gebracht: in einem Augenblick, wo die höhere Ordnung der Werthe,
22
die vornehmen, die zum Leben jasagenden, das Leben Werthe zum
24
Siege gelangt an dem Sitz der entgegengesetzten, in den Instinkten
26
der dort Sitzenden, hat jenes Verhängniß von Mönch, Luther die
28
Kirche u, was tausend Mal schlimmer ist, das Christenthum
30
wiederhergestellt – das Christenthum, die Religion der decadence,
32
der Wille zur Religion gewordene Weltverleumdung u Menschen-
34
Schändung!… Und Ende des neunzehnten Jahrhunderts feiert
36
man in Deutschland Lutherfeste!… Die Deutschen haben
38
zwei Mal, als mit ungeheurer Mühe u Aufwand Tapferkeit eine
40
rechtschaffene, unzweideutige, wissenschaftlichere sich Stellung zu den
eine
eben
e
eine
eine strenge,
eine vollkommen
42
14: Wahrheit] > Wahrheit ist 16: Europa] ¿ 22: jasagenden] ¿ 24: gelangt] ¿, > gelangt waren 26: Sitzenden] ¿ 30: wiederhergestellt] ¿
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Selbstüberwindung
Denkweise erreicht war
)
32: Wille] ? 34: Jahrhunderts] ¿
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17
mehr, ich las jahrelang nicht mehr – die größte Wohlthat, die ich mir
2
je erwiesen habe … Jenes unterste Selbst, gleichsam verschüttet, gleichsam
4
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19,44 )
still geworden
erdrückt unter immer einem beständigen u. verschwenderischen
6
Hören =müssen auf andere Selbste (– das ist ja lesen! –) erwachte langsam, schüchtern,
8
10
zweifelhaft: aber endlich redete es wieder … Nie habe ich so viel
12
Glück an mir gehabt, als in den kränksten u schmerzhaftesten
14
Zeiten meines Lebens: man hat nur die Morgenröthe u. den etwa den
16
„Wanderer u seinen Schatten“ sich anzusehen,
diese meine um die „Rückkehr
zur mir“
18
meiner von
„Natur“ als eine zugleich erreichte höchste ArtAGenesung zu
20
erkennen. erkennen.
22
4
Menschl. Allzumensch., dies Denkmal einer rigorösen Selbstzucht, mit der
)
24
ich allem eingeschleppten „höheren Schwindel“ „Idealism“ „schönen“ Gefühl u
26
anderen Weiblichkeiten schmerzlos ein Ende machte, wurde in allen Haupt-
28
sachen in Sorrent niedergeschrieben; es bekam seinen Schluß, seine endgültige in einem
30
Basler, Winter, unter unvergleichlich ungünstigeren Verhältnissen, als denen in
32
Sorrent. Im Grunde hat Herr P. G. – das Buch überhaupt erst
34
möglich gemacht.
36
Ablehnung der Wissenschaft zu finden gewußt Schleichwege zum alten „Ideal“, „Versöhnung“en zwischen Gegensätzen, u im Grunde die Todfeindschaft gegen die Wahrheit Realität eine unterirdische Formel für die ein Recht auf die „Unwahrhaftigkeit“
20: Einfügungszeichen verlängert 20: Genesung] Vk 24: mit der] ¿ 30: endgültige] ¿, vgl. EH Menschliches, Allzumenschliches 5, 325,7 > endgültige Form 32: Basler,] > Basler
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:
42 )
38
40 42
) 36
32: ungünstigeren] Vk 34: P. G.] > Peter Gast 36: gemacht] ¿ 38: alten] Vk 42: die ein] > ein
15.05.15
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18
$
Ecce Bleistift
3. 2
Es war nicht nur ein Bruch mit W., was sich damals bei mir entschied, – ich empfand
4
eine Gesammt =Abirrung meines Instinkts, von der der einzelne Fehlgriff, heiße er
6
nun Wagner oder sonstwie, bloß ein Zeichen war. Eine Ungeduld mit mir überfiel mich:
8
ich sah ein, daß es die höchste Zeit sei, mich auf mich zurückzubesinnen.
10
Mit Einem Male war mir auf eine schreckliche Weise deutlich, wie viel Zeit
12
bereits verschwendet sei, wie nutzlos, wie willkürlich sich meine ganze
14
Philologen -Existenz an meiner Aufgabe ausnahm. Zehn Jahre hinter mir, wo
16
ganz eigentlich die Ernährung in Hinsicht auf meine Aufgabe gefehlt hatte, –
18
wo ich nichtsAhinzugelernt hatte, u unsinnig viel über einem Krimskrams von
20
Staub u Gelehrsamkeit vergessen hatte. Ich kam mir so mager, so abge-
war
stillgestellt war
Brauchbares
bestaubter 22
wo
hungert vor: die Realitäten fehlten gerade zu innerhalb meines brennender
r
erwachte
nach
Realitäten
24
Wissens, – nichts als; ein geradezu brennender Durst erwachte nach Realitä-
26
ten. In der That habe ich von da nichts mehr getrieben als Physiologie,
28
Medizin, Naturwissenschaften: – zu eigentlichen historischen Studien bin ich
30
erst wieder zurückgekehrt, als die Aufgabe mich gebieterisch dazu zwang.
32
Damals verstand ich auch den Zusammenhang zwischen einer instinktwidrig gewählten
34
Thätigkeit, einem sog. „Beruf“ zu dem man am letzten berufen
36
ist – u jenem Bedürfniß nach einer Narkosirung des subjektiven
38
Oede =Armuts=Gefühls durch die Wagnersche Kunst. Beim sorgfältigeren
innerlichen
n
Hunger 40
Zusehen habe ich entdeckt, daß für eine große Zahl junger Männer dieser der
42
Mißbrauch der Kunst zur Narkosirung auf gleiche Weise bedingt ist:
44
in Deutschland, im „Reich“ – um unzweideutig zu reden, ist jeder
fast
12: wie nutzlos] ¿ 17: Brauchbares] Vk 17: wo] > wo ich 20: Staub] Vk 34: zu] ¿ 36: Narkosirung] > Narkotisirung
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38: Oede=] Vk mit Tinte der letzten Korrektur 38: Armuts=] ¿ 39: Hunger] Vk 42: Narkosirung] > Narkotisirung
15.05.15
19
W II 9
$ eine Überzahl der
Höherbgeartete
Naturen junge M.
Ecce Bleistift
gewählten Zwiespalt
Mensch beinahe in diesem Zwiespalt einer instinktwidrigen
dritte Mann beinahe,
2
h
4
aber unabwerfbar gewordenen Lebens =Aufgabe. Man geht ins Theater, man
6
hört diese alle Begierden überredende Musik, um sich einen Augenblick
8
los zu sein …
10
ein
Damals entschied sich mein Instinkt unerbittlich gegen jedes noch
12
längere Nachgeben, Mitgehen u Sich selbst verwechseln. Jede Art Leben,
14
Bedingungen
Armut
die ungünstigsten Bedingungen, Krankheit, Armut, – Alles ist
16
jener unwürdigen „Selbstlosigkeit“ vorzuziehen, in die ich zuerst
18
gerathen in der aus Jugend gerathen war, in der mir
aus Unwissenheit, weiterhin später aus Trägheit u. Selbstvergessen gerathen
20
war.
22
– dem sogenannten „Pflichtgefühl“ – nicht genug zu zu
hängen geblieben war hängen blieb. – Hier kam mir auf eine vollkommen bewundernde Weise
24
schlimme Erbschaft
wundervolle Hülfe Weise jene Vererbung von Seiten meines Vaters her zu
26
Hülfe, – im Grunde eine Vorbestimmung zu einem frühen Tode. Die
28
Schritt für Schritt langsam
Krankheit löste michAheraus, – sie ersparte mir jeden „Bruch, jede Absicht auf gewaltthätiges u. anstößiges Bei-Seite=
30
gerade damals mir
32
zu dem Nothwendigkeit eines
Schritts, Die Krankheit gab Umkehr aller Gewohnheiten
34
B
mir insgleichen ein Recht auf eine vollkommene Vertauschung von Buch, Buch, Gedankensie erlaubte, sie gebot mir Vergessen, – sie beschenkte mich bewegungen, mit jener Nöthigung zum Stillliegen, zum „Müßiggang“ zum
.
36
38
Thätigkeit 40
Augen
Warten u Geduldig - sein.
die Augen allein erlösten mich vom „Buch“ – ich las nicht
42 44
) 17,2
12: unerbittlich] ¿ 18: Selbstlosigkeit] ¿ 19: mir] > ich 25: bewundernde] ¿ 30: Bruch] > Bruch“ 42: Geduldig-] Vk mit Tinte der letzten Korrektur
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15.05.15
W II 9
20
$
Ecce Bleistift
2. 2
Ich kenne einigermaßen meine Vorrechte als Schriftsteller; u in einzelnen Fällen ist es
4
mir auch bezeugt, bis zu welchem Grade das Studium meiner Schriften „den Geschmack ver-
6
dirbt“. Man hält einfach Bücher nicht mehr, am wenigsten philosophische;
8
flach, querköpfig, biedermännisch, banal bis zum Ich komme aus einer anderen
aus.
tugendhaft
geschwätzig auch
10
Tiefe, ich komme insgleichen aus einer Höhe: – man weiß vor mir nicht, was
12
tief, was hoch ist. Zuletzt fehlt mir alles Biedermännische; ich denke nie
am letzten
14
daran, Schwaben u. andere Kühe zu mir zu überreden. Am wenigsten wird vielleicht
ist wie sehr
16
zu übersehen, daß meine Tapferkeit verwöhnt: – Plato, um nicht
,
18
vom Philosophen des HintersinnsAzu reden, von Kant, ist einfach gegen
ein
20
mich
22
stehen, die je ein Philos. gesprochen hat – noch dazu die formelärmste, die
24
lebendste u. künstlerischste – sich an die umgekehrte Prozedur ge-
26
wöhnen, als das Studium der Philosophie mit sich bringt: diese muß
28
man condensiren, mich muß manAals einen Anlaß benutzen, um
30
selber in die Tiefe zu steigen u die Gedanken zusammen zu holen, die hier
von Kant
als
erscheint
Feigling. Man muß, um die abgekürzteste Sprache zu ver-
die am meisten
bedingt
meine Sätze
ausführlich zu werden, – um
u eben so
e
Alles
eigenen Herzen zu gehen u. alles
herauf u zusammen
was
in der Philos.
32
verborgen sind: – eine ausreichende Das Schweigen ist mir ebenso Instinkt
34
wie den Herren Engländern in der Philos. das Schwätzen. Es ist eine
36
Voraussetzung, der die wenigsten Leser gewachsen sind: ein Problem an die
38
rechte Stelle zu setzen{– nämlich in den Zusammenhang der mit den zuge-
40
hörigen Problemen.: Man muß die Winkel, die schwierigeren Gegenden
Philos.
,
bloß
giebt schließlich wolle
ge
sein
kennen
42
einer ganzen Reihe von Wissenschaften aus eigener Erfahrung kennen, zu wissen,
10: Höhe] > anderen Höhe 22: Philos.] ¿ 33: schließlich] ¿ 34: Schwätzen] Vk 40: Man] ¿ 40: schwierigeren] Vk
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42: zu] > um zu
15.05.15
21
$
W II 9 Ecce Bleistift
die die Niemand mehr erlebt hat von
wohin dieser u jener Wink weist; wo von er abweist. – Zuletzt rede ich nur vom Erlebten, nicht bloß vom Gedachten: u das allein genügt
2
einer
4
sieben
um mich in eine vollkommene Distanz gegen sieben Achtel aller
6
Hier
sogenannten Philosophen zu stellen. Bei mir fehlt der Gegensatz von
8
u der Praxis die Einer wird,
„denken“ u „thun“, von „Theorie“ u „Praxis“: man hat aber handeln , – die Wahrheit folgt aus einer Praxis
10
gesetzt er ist fern
) 32
die Hemmungen zur That nöthig gehabt, die oder, um es in der Sprache Zarathustras zu sagen
harten u. vielfachen Praxis
12
O
davon harmlos zu sein.
das verwegene Wagen, das lange Mißtrauen, das grau-
14
16
same Nein, der Überdruß, das Schneiden ins Lebendige – wie selten
18
kommt das zusammen! Aus solchem Samen aber wird – Wahrheit
20
gezeugt.
22
Alles, was den Guten böse heißt, muß zusammen kommen, daß Eine Wahrheit geboren werde …
24
26
gedacht, was vor Allem
um Alles herauf u zusammen zu bringen, was hier „hintergedacht“ ist
u 28
um selber
umfänglich u. tief zu werden –
Theorie wächst aus meiner Praxis oh Meine Erkenntnisse
30
u Leben fehlt bei mir. aus einer
u unbedenklichen
ah! durchaus nicht aus einer harmlosen Praxis …
32
Hören wir, was uns Zarathustra darüber zu verstehen giebt, derselbe
34
der den Satz hinstellt „gute M. reden nie die Wahrheit“:
36
1: zu Zeile 11? 1: die die] > die 6: aller] Vk 8: fehlt] Vk 10: denken“] Fortsetzung Z. 31 10-12: aber die Hemmungen] ?
W II 9a 1-42.indd 23
11 )
24: zusammen] ¿ 28-30: zu 20,29-31 31: u … mir] Fortsetzung von Z. 10 34: was] Vk 36: Satz] ¿
15.05.15
W II 9 an Overbeck Bleistift
22
$
[Turin, ca. 14. Nov. 88.] Bleistift
$
an Dich es scheint mir erlaubt, zu dem Ausnahme -Fall des 16 Nov. Dir{ein Paar
f
Zeilen zu schreiben, obschon ich vor nicht langem erst Dir von erzählt habe.
m n
2
Lieber F.,
Mit
mir hat sich Nichts verschlechtert; u da es sehr gut geht,
4
geht es sogar immer besser. Ich darf gar nicht wagen, zu erzählen, was ich Alles
6
inzwischen wieder unternommen u. zum Theil erledigt habe. Ein{Tag kommt wie der
8
andere in unbändiger Lichtfülle u. Reinheit herauf: da ist es kein
wieder
Ein
10
Wunder, es ist die einfache Schicklichkeit, wenn man selber wie ein
12
Gott lebt. Ich habe noch nie gewußt, was schönes Wetter, was ein schöner
14
Herbst ist. Der ganze Oktober ein Claude Lorrain in glühender
16
Helbe u. zartem Blau von Himmel u. Wasser. – Ein Ofen, Carbon-
18
Natron = Nieske = Dresdner Herkunft, ist unter bestellt. Wir haben
a
20
jetzt das junge fürstliche Paar wieder hier, den Duc d’ Aosta mit seiner
,
22
Laetitia. de Buonaparte. Als tiefer Verlust wurde der Tod des Grafen
24
Robilant empfunden: in ihm verehrte man denABTypus des piemontes.
l
Paar
der Buonaparte
obersten
zuletzt
26
Adels. Das istA, anbei gesagt, ein merkwürdig tüchtiger Typus: ich wollte
28
von Herzen, daß unsere preuß. Junker da in die Schule giengen. –
30
32
23,46 )
22 Jahr alt u de Suidae fontibus nachgraben – ist das nicht eine Gotteslästerung?…
34
der Kalkberge Nizzas
36
vor, wo man das Meer
38
hat u sonst den Kalk …
1: von] > von mir 2: F.] > Freund 4: Alles] Vk 6: habe] Vk 6: wie der] Vk 8: Lichtfülle] Vk 8: Reinheit] Vk 10: Schicklichkeit] ¿
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allerersten
12: schönes Wetter] Vk 16: Helb] nach unvollständiger Korrektur > Gelb 16: zartem] Vk 18: Dresdner] ¿ 22: Verlust] Vk 24: piemontes.] ¿ 26: tüchtiger] Vk 30: nachgraben] ?
15.05.15
23
Mit Nizza habe ich einen Bruch gemacht. Ich lasse mir eben die Bücher von dort
W II 9
2
woher
kommen. Weißt Du, ein wahrer Kummer ist mir die Einsicht dabei, woher diese
4
tiefe
Schwäche, diese lange tiefe Depression, die relative Arbeits =Unfähigkeit den letzten
6
Winter daselbst stammt, – ich könnte fast vom verlorenen Winter reden. Eine vollkommen
8
unzuträgliche
unzureichende Ernährung, noch dazu eine mir persönlich antagonistische, mir un –
Nichts
10
nichts
12
,
viel
weiter ist die Ursache. Im Oberengadin, u ebenso, vielleicht mehr mehr hier in Turin, in
h vermag ichA10 Tagen, was ich in Nizza in einem Winter vermochte – u. zuletzt
14
ist es dem Werthe nach noch gar kein Vergleich. – Dazu kam die wirklich er-
16
barmungswürdige Gesellschaft um mich herum, – ein Hauch von niederster englischer
18
Stupidität
eine Art Mitleiden=Müssen nicht an seinem Gegensatz, xxxxxxxxx,
sondern an Ewig u Unsäglich=Gl Banalem .. – ein Degout an Allem, was dort
20
22
e u a
24
da
u
lebt, Heimische, Fremde. Mein Erschlaffen Erschlaffen daselbst hat sich
ll ,
unter Anderem
curioser Weise in einer nicht unbedenklichen Gleichgültigkeit gegen die
26
ordentlicher
honneurs, die man sich selber schuldig ist, zb. in gewählter Kleidung,
zu
28
ge
erscheinen.
zeigt. Was jene Ernährung betrifft, so stand es mir nicht frei, es besser zu
30
habe
haben: daß ich probirt u probirtA, versteht sich von selber. Gesetzt, ich
32
hätte 5 Mal (ohne jede Übertreibung,) so viel gezahlt als ich hier
34
vielleicht
fast ebenso gehabt
Turin, hätte ich’ s auch so haben können. Hier ist Alles Substanz, – Nahrung
36
u. Küche; u., beinahe, erste Substanz. In Nizza lebt man entweder
38
sehr theuer – oder schlecht. Da war die pension de Genève relativ Und Alles
40
behandelt mich mit größter Distinktion: der gemäß ich mich auch betrage.
42
Ich Zuletzt ziehe ich selbst landschaftlich die wundervolle Wald = Berg- u. Flußlandschaft der um Turin herum der bleichen Einöde
bei Beschriftung nach hinten geknickte Seitenecke 4: dabei] Vk 6: Depression] Vk 6: Arbeits= Unfähigkeit] Vk 8: könnte] Vk 8: reden] Vk 10: unzureichende] Vk 12: mehr hier] Vk
W II 9a 1-42.indd 25
44 46
) 22,34
16: Werthe] ? 24: Erschlaffen Erschlaffen] Vk 28: zu] aus unvollständiger Korrektur 30: besser] Vk 34: hier] > hier in 36: haben] Vk 38: erste] Vk 46: bleichen] ?
15.05.15
W II 9
24
2
Herr Köselitz hat wirklich einen Begriff von mir:
4
etwas, das mich immer noch ebenso in Erstaunen setzt als
6
das Gegentheil davon mich kalt läßt. Ich sehe mitunter
8
meine R rechte Hand draufhinA, daß ich das Schicksal
an
Herr Köselitz hat wirklich einen Begriff von mir: etwas, das mich imer noch ebenso in Erstaunen setzt als das Gegentheil davon mich kalt lässt. Ich sehe mitunter meine rechte Hand daraufhin an, dass ich das Schicksal der Menschheit in der Hand habe – : ich breche sie (die Geschichte) unsichtbar in 2 Stücke auseinander, vor mir, nach mir … rote Tinte und Bleistift
KGW VIII 25[5]
W II 9a 1-42.indd 26
10
der Mh. in der Hand habe, – : ich breche sie ent
12
unsichtbar in 2 Stücke auseinander, vor mir, nach mir …
$
bei Beschriftung von S. 23 nach vorn geknickte Seitenecke 8: daß] ¿
15.05.15
25
W II 9
1-3: Bleistiftspur
Zarathustra ist auch noch in einem anderen Sinne eine große Form der Selbstüberwindung:
2
überwunden
in ihm ist der religiöse M bis zu zu seinen Gegensatz verwandelt. Aus ihm
4
in
redet kein Wille, gehört zu werden: es ist nichts von Prophet, nichts von Fanatiker
6
N
von Menschen =Verbesserer an ihm. Er predigt nicht, – xxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxx
8
Glauben zu machen
xxxxxxxxxxxxxxxx … Das Wort Religion auf das, was er sagt, anzuwenden wäre das verächtlichste
10
Mißverständniß. Ein Z. zieht Handschuhe gegen Alles, was R ist – bloße Pöbel = Affären!
12
Man darf ihm auf Worts glauben, daß er sich „Gläubige“ verbittet. Was
14
räth er doch zuletzt seinen Jüngern an?
16
* *
2: Zarathustra] ¿ 6: von Prophet, nichts von Fanatiker] ¿ 10: verächtlichste] ¿ 12: Handschuhe] > Handschuhe an 14: auf Worts] > aufs Wort 16: räth] Vk
W II 9a 1-42.indd 27
15.05.15
W II 9
26
$
Zar. (VI, 309/10.) Bleistift
Und was für Schaden auch die Bösen thun mögen: der Schaden der
2
Guten ist der schädlichste Schaden!
4
Und was für Schaden auch die Welt -Verleumder thun mögen: der Schaden
6
der Guten ist der schädlichste Schaden
8
Die Guten nämlich – die können nicht schaffen: sie sind immer
10
der Anfang vom Ende
12
– sie kreuzigen den, der neue T Werthe auf neue Tafeln schreibt,
14
sie opfern sich die Zukunft, – sie kreuzigen alle Menschen = Zukunft …
16
VI 310. Bleistift
18
die
$
Bei Welchen liegt doch die größte Gefahr aller Menschen = Zukunft? Ist es nicht bei den Guten u Gerechten?
20
Zerbrecht zerbrecht mir die Guten u Gerechten!
22
VI 311. Bleistift
,
24
$
Als ich euch die Guten u Gerechten zerbrechen hieß u die Tafeln der Guten: da erst schiffte ich den Menschen ein auf seine hohe See.
26
Und nun erst kommt ihm der große Schrecken, das große Um - sich - sehen,
28
die große Krankheit, der große Ekel, die große See - Krankheit.
30
Falsche Küsten u falsche Sicherheiten lehrten euch die Guten:
32
34
in Lügen der Guten wart ihr geboren u geborgen. Alles ist in den
36
Grund Gr
hinein verlogen u verbogen durch die Guten. *
VI 88. Bleistift
38
$
Eure Nächstenliebe ist eure schlechte Liebe zu euch selber …
14: schreibt] ¿ 16: opfern] Vk 24: hieß] ¿
W II 9a 1-42.indd 28
15.05.15
27
$
W II 9
VI 132. Bleistift
Kirchen heißen sie ihre süßduftenden Höhlen. Oh über dies verfälschte
2
Licht, diese verdumpfte Luft! Hier, wo die Seele zu ihrer
4
Höhe hinauf nicht fliegen darf!
6
Sonderlich also gebietet ihr Glaube: „auf den Knien die Treppe hinan, ihr Sünder!“
8
10
Wahrlich, lieber sehe ich noch den Schamlosen, als die verrenkten Augen ihrer Andacht.
12
14
Wer schuf sich solche Höhlen u Bußtreppen? Waren es nicht
16
solche, die sich verbergen wollten, – die sich vor dem reinen
18
Himmel schämten?…
20
* $
$
Voll ist die Erde von Überflüssigen, verdorben ist das Leben
22
durch die Viel - zu -Vielen. Möge man sie mit dem „ewigen
24
Leben“ aus diesem Leben weglocken!
26
Sie wollen gerne todt, u wir sollten ihren Willen gut heißen.
28
Hüten wir uns, diese Todten zu erwecken u diese lebendigen
30
Särge zu versehren!
32
VI 63. Bleistift
VI 64. Bleistift
* $
Wahr sein – das können Wenige! Und wer es kann, der will es noch nicht! Am wenigsten aber können es die Guten. Oh diese Guten! – Gute Menschen reden nie die Wahrheit; für den Geist ist solchermaßen gut sein eine Krankheit.
34
VI 293. Bleistift
36
38
40
8: Sonderlich] ?, > Sondern 8: gebietet] ¿ 14: ihrer] Vk 28: todt] Vk, > todt sein 28: gut] Vk 30: lebendigen] ¿
W II 9a 1-42.indd 29
15.05.15
W II 9
28
Bleibt der Erde treu u. glaubt Denen nicht, welche euch von überirdischen
2
Hoffnungen reden! Giftmischer sind es, ob sie es wissen oder nicht.
4
Verächter des Lebens sind es, Absterbende u. selbst Vergiftete, deren die
6
Erde müde ist: so mögen sie dahinfahren!
8
*
Einst blickte die Seele verächtlich auf den Leib: u damals war diese
10
12
Verachtung das Höchste: – sie wollte ihn mager, gräßlich, verhungert. So
14
dachte sie ihm u. der Erde zu entschlüpfen. Oh diese Seele war selber noch mager, gräßlich u verhungert …
16
* VI, 42. Bleistift
*
18
20
22
$
*
Leiden wars u. Unvermögen – das schuf alle Hinterwelten; u jener kurze Wahnsinn des Glücks, den nur der Leidendste erfährt. Müdigkeit, die mit Einem Sprunge zum Letzten will, mit einem
24
Todessprunge, eine arme unwissende Müdigkeit, die nicht einmal mehr wollen
26
will: die schuf alle Götter u Hinterwelten.
28
30
32
34
36
38
Der Leib wars, der am Leibe verzweifelte, – der tastete mit den Fingern des bethörten Geistes an die letzten Wände. Der Leib wars, der an der Erde verzweifelte, – der hörte den Bauch des Seins zu sich reden. Und da wollte er mit dem Kopfe durch die letzten Wände, u nicht nur mit dem Kopfe, – hinüber zu „jener Welt“…
4: Giftmischer] Vk 18: Unvermögen] ¿ 20: Leidendste] ¿ 20: erfährt] Vk
W II 9a 1-42.indd 30
15.05.15
29
W II 9
Wollen wir dieselben harten Wahrheiten noch einmal aus dem Munde eines Zarathustra hören!
$
Kranke u. Absterbende waren es, die verachteten Leib u Erde u. erfanden das Himmlische u. die erlösenden Blutstropfen …
2
VI 43 Bleistift
4
* $
Vieles krankhafte Volk gab es immer unter Denen, welche gottsüchtig sind: wüthend hassen sie den Erkennenden u jene jüngste der Tugenden, welche heißt: Redlichkeit.
6
VI 44 M Bleistift
8
10
* $
Untergehen will euer Selbst, u darum wurdet ihr zu Verächtern
12
des Leibes! Denn nicht mehr vermögt ihr über euch hinaus zu schaffen.
14
Und darum zürnt ihr nun dem Leben u der Erde. Ein ungewußter Neid ist im scheelen Blick eurer Verachtung.
VI, 48. Bleistift
16
18
* $
Wahrlich, diese Erlöser selber kamen nicht aus der Freiheit u. der Freiheit siebentem Himmel! Wahrlich, sie selber wandelten niemals auf den Teppichen der Erkenntniß.
22
26
Lücke hatten sie ihren Wahn gestellt, ihren Lückenbüßer, den sie
28
Gott nannten.
30
Eifrig trieben sie u mit Geschrei ihre Heerde über ihren Steg: wie
32
als ob es zur Zukunft nur Einen Steg gäbe. Wahrlich, auch diese Hirten
34
gehörten noch zu den Schafen.
36
Und nicht anders wußten sie ihren Gott zu lieben, als indem sie den Menschen ans Kreuz schlugen.
VI 133 M. Bleistift
24
Aus Lücken bestand der Geist dieser Erlöser; aber in jede
$
20
*
38
133 o. Bleistift
40
12: ihr] ¿ 14: vermögt] Vk 30: nannten] ¿ 32: trieben] Vk 40: Menschen] ¿
W II 9a 1-42.indd 31
15.05.15
W II 9
30 wie Wollen wir aus dem Munde Z. hören, wie dieselben Wahrheiten
Ecce Bleistift
2
$
Daß man sich über den Klang seiner Stimme nicht vergreife! Z.
4
redet nicht auf dem Markt, – er redet, wenn es mir erlaubt ist, im
6
Gleichniß zu reden, auch nicht Bühne …
8
2 Seite 17.
10
2, Seite 5.
12
14
16
18
20
Daß man ihm aufs Wort glaube, wo er sich gegen „Gläubige“ wehrt! Was sagt er doch zuletzt noch seinen Jüngern geht fort von mir u. wehrt
Wollen wir dieselben harten Wahrheiten, die ich eben sprach, noch einmal aus dem Munde eines Zarathustra hören. für den Fall, daß wir
31,27 )
an einen Gott glauben müssen
2: Daß man] ¿ 2: vergreife] ¿ 6: Bühne] ?, >? auf der Bühne 8: Seite] ¿ 10: Seite] Vk 16: wehrt] ¿
W II 9a 1-42.indd 32
15.05.15
31
W II 9
$
Ecce Bleistift
Zarathustra ist auch noch in einem anderen Sinne
+ wo die Luft frei u. kühl ist
eine große Form der Selbstüberwind.
überhaupt
Hier redet kein Fanatismus; hier wird nicht „Glauben“ verlangt, hier wirdAnicht gepredigt:
2
das Wort Religion hier anzuwenden wäre das verächtlichste Mißverständniß. Ein Zarathustra zieht an Handschuhe vor allem, was Religion ist – bloße Pöbel = Affären … Z. redet g liegt gern * er liegt zufrieden auf dem allerhöchsten Berge * u Glücks= Tiefe
quillt hier fällt
4
6
Af
auf
in der Sonne, aus einer unsäglichen Lichtfülle herab tropft sein Wort für Wort
8
wie Tropfen Thaus
der Ernst ist ihm schon ein Einwand: die Güte erlaubt ihm nicht finster
10
zuletzt mehr mehr
zu blicken … Wer weiß! Zarath. ist hat viel Muthwillen im Leibe als
12
?
er ist
ich selbst … Wir sind keine Heiligen, ich denke dies ist unser
14
nimmt
wir nehmen das Wort „tugendhaft“ xxxxxxx
Vorzug vor
xxxxxxxxxxxxxxxxxxx … es gehört seiner „Höhe“ zu unserem Begriff „Höhe der Seele“ daß wir ist alles, was schwere Füße Verdrossene alles Schwere, Viereckige, Dumpfe, Biedermännische hat, – der Biedermann –
16 18
20
Aus
u das
Biedere
zum Beispiel, bis auf 6000 Meilen verbannt.
: a
22
24
26
xxxx
–
Stern - Distanzen Wollen wir sein Glaubensbekenntniß für den äußersten Fall –
) 30,21
Ich würde nur an einen Gott glauben, der zu tanzen verstünde:
28
Und als ich meinen Teufel fand, da fand ich ernst, gründlich, tief
30
feierlich – es war der Geist der Schwere, – durch ihn fallen alle
32
Dinge.
xxxxxxxxxxxxx seinem Teufel ähnlich – die Tugend … 34
1: frei] Vk 2: redet] ¿ 4: Mißverständniß] ¿ 6: Affären] Vk 7: zufrieden] ? 7: Tiefe] Vk 8: aus] Vk
W II 9a 1-42.indd 33
8: tropft] ¿ 10-12: erlaubt … blicken] ? 14: unser] Vk 22: Höhe] Vk 26: zum] ¿ 27: in Ms nicht übereinander 30: fand ich] > fand ich ihn
15.05.15
W II 9
32
$
Ecce Bleistift
zunächst hier
jenes
Was bedeutet hierAder Name des alten Persers? Zarathustra? – Man weiß,
2
Zarathustra
4
worin er der Erste war – daß er in der Moral das Entscheidende, die das eigentl. Entscheidende
6
eigentliche Willens- u Schicksals Bewegung in allen Dingen – er schuf diesen
8
Irrthum. Folglich muß er auch der Erste, der ihn als solchen entdeckt
10
: denn die Perser sind wahrhaftiger gegen sich als andere Völker
12
Die Selbstüberwindung der Moral, aus Wahrhaftigkeit, das bedeutet der
14
Name Zarathustra.
16
da er im Kampf des Guten u Bösen das eigentl. Rad im Getriebe der Dinge
18
sah, – daß erAdie MoralAins Metaphysische übersetzte. Er schuf
zuerst
zuerst
entdeckte
:
22
diesen Irrthum: folglich mußte er auch der Erste sein, der ihn erkannte. hier das Wesentliche ist die Er hatAnicht nur länger u. mehr Erfahrung als irgend Jemand, er ist vor
,
24
allem wahrhaftiger als irgend Jemand: die Perser=Religion lehrte, als oberste
26
Tugend, die Wahrhaftigkeit. Die Selbstüberwindung der Moral, aus W., – das
28
bedeutet der Zarathustra.
20
) 30
Inder seine
seines Satzes
21 )
30
w
32
34
die höchste die längste
die
Ordnung der Welt glücklicherZum Glück ist die
weise nicht „sittlich
Ordnung der Welt nicht „sittlich“
36
38
die Experimental =Widerlegung d, daß die
– die Experimental=Widerlegung daß Satzes, daß die Welt „sittlich“ angeordnet ist, kommt stärksten
in ihm zuerst zumASchluß …:
40
(– ich habe nicht das Geringste davon bemerkt.)
4: Entscheidende] Vk 6: Willens-] ¿ 6: Dingen] > Dingen sah 8: muß er] ¿ 8: Erste] > Erste sein 12: bedeutet] ¿
W II 9a 1-42.indd 34
28: der] > der Name 30: Experimental=] ¿ 34: sittlich] > sittlich“ 38: daß Satzes] > des Satzes 41: Hinzufügung zu 33,36-38
15.05.15
33
W II 9
$
Ecce Bleistift
Hören wir, wie im Munde Z. die Sätze klingen, die ich eben mit der Härte des Psychologen aussprach:
2
4
– das will sagen der Gedanke anders ausgedrückt die „Lehre von der ewigen Wiederkunft“ diese
Die erste Conception des Zarathustra – das will sagen die höchste Formel der Daseins=Bejahung, die bisher erreicht wurde Bejahung, die bisher erreicht wurde
eigentlichen
6
8
gehört in einen August =Tag des
e
10
Jahres 1881. Rechne ich von da bis zu der
12
so kommen 18 Monate heraus: woraus ein Buddhist
14
zuletzt den Gedanken nahe legen
den Schluß ziehen dürfte, daß ich im Grunde ein ElephantenWeibchen sei.
16
18
Die erste Conception des Zarathustra – das will sagen der Gedanke der ewigen Wiederkunft, diese höchste Formel der Bejahung, die bisher erreicht worden ist den 1 gehört in einen August =Tag des Jahres 1881. Ich war gieng am See von S. durch die Wälder; an einem mächtigen pyramidal gest
20
22
24
0
auf
8
26
aufgerichteten
hingestellten Block machte ich Halt. Dort kam mir dieser
28
Gedanke. – Rechne ich von diesem Tage bis zu jener plötzlichen
30
e
unter den xxxxxxxxx Bedingungen eintretenden
u. im höchsten Grade unwahrscheinlichen gewordenen Niederkunft im SpätFebr.
Jan.
32
dann
herbst 1883, so ergeben sich 17 Monate für die eigentliche Schwangersch. welche
34
1 8
mir nicht als solche im Bewußtsein war
( : während der, wie sich von selbst versteht, nicht die entfernteste was im Tiefsten
36
Grunde bei mir sich birgt
Ahnung in mir darüber bestand, womit ich im Tiefsten beschäftigt sei. Diese
38
dürften zuletzt
Zeit Diese 18 MonateA, im Vertrauen gesagt, dürften einem Buddhisten einen Fingerzeig dafür geben,
Die Zahl dieser 17 Monate
5: Wiederkunft] ¿ 6: Conception] ¿ 14: Buddhist] ¿ 26: S.] > Silvaplana 26: Wälder] Vk 31: xxxxxxxxx] vgl. Mp XVI, Bl. 85r: ungünstigsten
W II 9a 1-42.indd 35
40 42
8
33: dann] ? 36: entfernteste] ¿ 36-38: Hinzufügung 32,41
15.05.15
W II 9
34
$
Ecce Bleistift
2
Die Entdeckung der Moral ist ein Ereigniß, das sich nicht seines Gleichen hat, eine :
4
wirkliche Katastrophe. man lebt vor derselb vorher vor ihr
6 8
oder
nach ihr
oder nachher
Der Blitz
der Wahrheit traf das, was bis am Höchsten stand: wer weiß, was
10
da vernichtet wurde, mag zusehen, was er überhaupt noch in den Händen
12
hat. Wer die Moral entdeckt, hat den Unwerth aller bisherigen Werthe über-
entdeckt
mit
entdeckt
majeure
icht
er
ge
14
haupt, an die geglaubt wird: er ist eine force, er ist das
16
Schicksal, er brach in seiner Hand etwas mehr auseinander, als
18
August der Starke, der seine Thaler auseinander brach – er bricht
20
die Geschichte der Mh. auseinander.
selbst
Wendepunkt aller Schicksale
22
ihrem ewigen
An diesem Stelle der Entscheidung, zum unsterblichen Denkmal für
24
die Entscheidung aller Entscheidungen, habe ich meinen Zarathustra d hingestellt
26
– das tiefste, vor allem das höchste Buch das die Mh. hat
28
die ganze Thatsache „Mensch“ liegt in ungeheurer Ferne unter ihm. wo Alles sich entscheidet, zum unsterbl. Gedächtniß
30
eines
32
dieses Ereignisses ohne Gleichnisse habe ich meinen Z. gedichtet: dieses
34
höchste Buch, gegen das gehalten jedes andere im Finstern tappt –
36
die ganze Thatsache „Mensch“ liegt in ungeheurer Ferne unter ihm …
das die Mh. das es giebt
Buch flach u. arm ist.
niedrig u. arm ist flach ist
xx
38
40
Hören wir sofort, wie Z. die Sätze, die eben aussprach in seinem Munde verwandelt verwandelt
2: das sich] > das 6: nachher] ¿ 8: bis] > bisher 8: weiß] ? 12: über-] Unterstreichung? 24: Entscheidung] ¿
W II 9a 1-42.indd 36
24: Entscheidungen,] ¿ 32: Gleichnisse] > Gleichen 38: eben] > ich eben
15.05.15
35
W II 9
$
Ecce Bleistift
Er sieht in dem Begriff Gott alles Schädliche, Verleumderische
2
Heimlich = Vampyrische
Vergiftende, vor der Realität
4
die eigentliche Todfeindschaft gegen das Leben in eine entsetzliche Formel gefaßt
E Der Begriff „Jenseits“ ein Begriff erfunden
8 10
das Diesseits zu entwerthen
12
Der Begriff „unsterbliche Seele“ erfunden, um den Schanden
6
14
aus
Leib zu Grunde zu richten, – um die decadence
16
zur Religion zu erheben eine Religion zu machen
zu verewigen!
18
den Selbstzer Der Begriff „selbstlos“ erfunden, um an der
) 26 20
Sünde
Natur, an den Grundinstinkten des Lebens zu leiden, krank zu werden
22
24
s“ erfunden er sieht den Begriff „selbstlostörungs=Instinkt des décadent zum
) 36 26
19 )
28
dieses
insgleichen das tiefste Buch, das es giebt, – ein unerschöpflicher Brunnen
30
ohne mit Gold, Güte u Weis
in den kein Eimer hinabtaucht, der nicht voll von Gold u Güte heraufkommt
32
mit Gold u Güte gefüllt heraufzukommen
selbstlos
34
, um eine willkürliche
36
das eigentliche Krankheits = Ab-
38
zeichen zum Werth = zeichen der
40
überhaupt zu machen
25 )
42
16: richten] nach Korrektur des Kontextes > machen 17: eine Religion] ¿ 30-33: zu 34,32-36 30: insgleichen das] ¿ 31: Weis] > Weisheit 40: Werth=] Vk
W II 9a 1-42.indd 37
15.05.15
W II 9
36
$
Ecce üb. „Morgenröthe“. Bleistift
37,46 )
2
Wer hat auch nur zu ahnen gewagt, daß es Höhlen sind? Wer unter den Philosophen
W II 9a 1-42.indd 38
4
war überhaupt vor mir Psychologe u. nicht viel mehr dessen
6
Gegenstück „höherer Schwindler“, „Idealist“?… Es kann ein
8
Fluch sein, es ist jedenfalls ein Schicksal, hier der Erste zu
10
sein – denn man verachtet hier auch als der Erste … Der
12
Ekel ist meine Gefahr …
15.05.15
37
„Es giebt so viele Morgenröthen, die noch nicht geleuchtet haben“ – diese
2
Inschrift steht auf der Thür zu diesem Buche. Wo sucht das
4
W II 9
38,36 )
entdeckte
Buch jenen neuen Morgen, jenes noch bis unbekannte zarte Roth
6
was wi mit dem sich wieder ein Tag ankündigt?… In einer Umwerthung aller
10
Werthe, – in einem Loskommen von allen Moral =werthen, in einem Jasagen
12
8
tiefen
u. Vertrauen =Gewinnen zu alledem, was bisher verboten, verachtet, ver-
14
flucht worden ist … Dies Jasagende Buch strömt sein Licht, seine
16
Liebe, seine Zärtlichkeit auf lauter „schlimme“ Dinge aus – es
18
giebt ihnen die „Seele“, das gute Gewissen, das hohe Recht
20
u Vorrecht auf Dasein wieder zurück. Die „Moral“ wird nicht
22
mehr
angegriffen, sie wird nichtAgehört … „Jenseits von Gut u. Böse“ ..
24
Zeichen
An dieser Prozedur wird man mich immer wieder erkennen: die „Morgenröthe, die meine „gaya scienza“,
mein Zarathustra im höchsten u größten
lauter
26
vor Allem
28
bloß
Maaße sind jasagende Thaten – die Verneinung ist ein Schluß,
30
sie folgt, sie geht nicht voran …
32
Dies soll mich nicht hindern, hier diesen Schluß zu ziehen. Ich habe
34
für mich das Wort „Immoralist“ erfunden, – ich glaube damit, eine Höhe, eine
36
Weite des Blicks, eine bisher vollkommen ungeahnte psychologische
38
Abgründlichkeit bewiesen zu haben, daß ich die Moral als unter mir
40
fühle. Ich bin damit mehr Psycholog
42
Wer ist vor mir eingestiegen die in Höhlen, aus denen die giftigen Dämpfe des „Ideals“ gequollen sind?
4: Thür] Vk 6: bis] > bisher 12: Moral=werthen] ¿ 16: Jasagende] ¿ 27: Morgenröthe] > Morgenröthe“ 34: ziehen] Vk
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i
44 46
) 36,2
38: psychologische] ¿ 44: die in] > in die
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38
$
Ecce Bleistift
Ich habe für mich das Wort „Immoralist erfunden.
Mit der „Morgenröthe“ beginne ich einen Kriegszug gegen die Moral. Es ist mir nicht zur
2
gedacht hat
4
Dergleichen
mein
6
läuft in die gedankenlosen Ohren meiner Zeitgenossen hinein, ungefähr wie das J vom
8
Wort Jenseits v Gut u. Böse – u läuft wieder heraus. – Ich hätte Lust
es
10
14
auch
diese hin u her laufenden diese Ohren ein wenig anzunageln, bis ihnen der Schmerz deutlich macht, was
12
v
Mein
Genüge gegenwärtig, ob irgend Jemand dabei sich Etwas zu denken vermag. – das Wort Immoralist
ich von ihnen will, – gehört werden … Was mich auszeichnet, ist zum folglich,
16
ersten Mal die Moral entdeckt zu haben u, gegen sie gegen sie eines Wortes be-
18
dürftig zu sein, das den Sinn einer Kriegserklärung hat. Moral scheint mir die größte
20
Unsauberkeit, die die Mh. auf dem Gewissen hat, eine Instinkt gewordene Unwahrhaftigkeit
22
eine Falschmünzerei in psychologicis bis zum Verbrechen. Moral scheint mir das
24
Verbrechen selbst am Leben….
26
In
Schlechtigkeit
an sich
der das arme Eidechslein anspießte,
39,44 )
wieder aus der Tiefe ziehe.
28
zarte
Die hier 30
Seine Kunst ist nicht klein darin, Dinge, die flüchtig u.
32
ohne Geräusch vorüberhuschen, Augenblicke die ich „göttliche Eidechsen“
34
nenne, ein wenig festzuhalten – nicht etwa mit der Grausamkeit
machen
) 37,2
36
jenes jungen Griechengottes, aber immer doch mit etwas Spitzem – mit der Feder ..
1: Immoralist] > Immoralist“ 8: läuft wieder heraus] Vk 8: hätte] Vk 14: gehört] ¿ 14: zum] ¿ 16: Wortes] ¿
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etwa
22: psychologicis] ¿ 24: Leben] Vk 27: Hinzufügung zu Z. 36 27: anspießte] ¿ 36: Griechengottes,] Hinzufügung Z. 27
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39
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$
Ecce Bleistift
gewissen
In anderen Fällen ist es nicht die Feigheit, die große
2
Vogelscheuchen der Moral oder andere Heilige hervorbringt, sondern
4
eine unterirdische Rache seitens Schlechtweggekommener, welche mit
6
der „Moral“ den Glücklichen, den Wohlgerathenen das Gleichgewicht
8
nehmen u. die Instinkte verwirren wollen – Ich habe Gründe, bei dieser
h
10
Ab
Vorstellung gerade jetzt Halt zu machen, da in der Reihenfolge meiner
12
Schriften mein erster Kriegszug gegen die Moral, die „Morgenröthe“, an die
14
Reihe kommt. Nicht daß diese Schrift den geringsten Pulvergeruch an sich
16
hätte: sie liegt in der Sonne, sie strahlt alle Entzückungen u. Licht
18
Schauder einsamer südlicherer Nacht Nächte zurück
20
dies Mal fährt der alte Artillerist, der ich bin, weder großes noch kleines Geschütz auf. Man hat mit einiger Feinheit zwischen der Wirkung
,
22
24
die es dazu anwendet –
des Buchs zu unterscheiden u den Mitteln, aus denen, wie ein
26
Schluß, die Wirkung, folgt. Daß man von dem Buche Abschied nimmt
28
scheuen
mit einem abgründlichen Mißtrauen gegen Alles, was bisher unter dem
30
Namen „Moral“ zur Ehre u selbst zur Anbetung gekommen ist, steht
32
nicht damit im Widerspruch, daß im ganzen Buch kein negatives Wort
34
steht – kein Angriff, keine Bosheit; daß es vielmehr in der Sonne
36
mit rund, glücklich wie ein Seegethier in
mit
liegt, in einer südlichen Nachmittags=Sonne, dem Geruch des Meeres,
38
dem Halkyonismus ungeheurer Fernen eines eingeschlafenen Glücks. Noch
40
jetzt, bei der Berührung mit diesem Buche, wird mir jede Stelle beinahe
42
zum Zipfel, an dem ich irgend etwas Unheimliches von Erinn Erlebniß
44
nachmittäglichen
) 38,28
4: der] ¿ 6: Rache] Vk 18: sie strahlt] ? 32: Ehre] Vk
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40
$
Ecce Bleistift
mit dem „Buche für freie Geister“
2
da hier
tr
der F.
6
erst die beiden Bücher erreicht, wo wirklich die dünne Luft weht – jene dünne bewegte mit der man geistige, reine Luft, die mit der Gegensatz zum Du Dunstkreis des
8
„Ideals“ ist
4
dem dumpfen dem schwülen Dunstkreis Erbarmen
, bei der man mit Verachtung
10
Sumpfluft da 12
14
wird
Eine Höhe ist wird Alles, was mit der 3 Unzeitgemäßen versprochen war, hier ist es bereits erfüllt. Man lese
als der
da unten zurückdenkt … zurückdenkt
die Luft „vom Thale“ „vom Ideale“
zurückdenkt .. Von jetzt ab wehrte ich
mich nicht mehr mit Gründen gegen unsaubere
; – ein Instinkt der Reinlichkeit, Ideals
die verlogene Welt „des Jenseits,“ der „Moral“ der „Wahrheit“
16
„des Jenseits“ 18
eine Art Haut =Gefühl genügte mir.
* * 20
22
Ich habe mit absoluter Sicherheit nachgerechnet, daß ich diesen Schluß des Zarathustra in derselben halben Stunde schrieb, in der Wagner in Venedig starb. – * *
2: 3] > 3. 3: F.] > Freiheit 4: die dünne] ¿ 6: tr] ? 12: Von] ¿
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41
$
W II 9 Ecce Bleistift
diesem Schluß
Mit der Beendigung des Zarathustra ist ein geheimnißvoller Zufall
2
verknüpft. Ich habe mit absoluter Sicherheit ausgerechnet, daß in eben der halben
4
schrieb,
Stunde, wo ich diese WorteAschrieb Richard Wagner in Venedig starb. –
in dieser Schrift plötzlich zum Vorschein kommt: es drückt das
6
8
darüber bei mir
Distanz=Gefühl aus, – die tiefe Sicherheit, was Aufgabe, was
10
Zwischenakt u. Nebensache in meinem Leben ist sei.
12
Es ist meine Klug., Vieles Vielerorts gewesen zu sein, um Eins sein
14
43,32 )
,
12: sei] Vk 14: Vielerorts] ¿
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42
$
Ecce. Über „Schop. als Erzieher“. Bleistift
Einzelnes, wie billig, ausgenommen, zum Beispiel, wenn bereits mit tiefer Instinkt=
2
e
Elementarische
eine
4
Sicherheit das Elementarische in der Natur W. als seine Schauspieler =Begabung bezeichnet wird,
6
die sich in seinen angeborenen Mitteln u. Absichten nur nur ihre Folgerungen zieht. Im
8
Grunde wollte ich viell. mit diesen Schriften etwas ganz Anderes, als Psychologie treiben: beim Schopf
10
ins Große gerechnet faßte ich zwei berühmte u. ganz u gar noch unbekannte Typen
12
wie man eine „Gelegenheit“ beim Schopf nimmt, um Etwas auszusprechen, um
14
ein Paar Formeln, Zeichen, Sprachmittel mehr in den Händen zu haben, Jetzt, wo ich
16
aus einiger Ferne auf jene Zustände zurücksehe, deren Zeugniß diese Schriften
18
sind, möchte ich nicht verkennen, daß sie im Grunde bloß von mir reden, In
20
Wahrheit ist in „Schop. als Erzieher“ meine innerste Geschichte eingeschrieben. Vor
22
Allem auch mein Gelöbniß … Was ich heute bin, oh wie fern
24
davon war ich damals! Aber ich sah das Land, – ich betrog mich nicht
26
einen Augenblick über Weg, Meer, Gefahr – und Erfolg! Die große
28
Ruhe im dem Versprechen, das glückliche Hinausschauen in eine Zukunft
30
welche nicht nur „Verheißung“ bleiben soll!… Hier ist jedes Wort erlebt
32
tief, innerlich; es fehlt nicht am Schmerzhaftesten, es sind Worte darin, die
34
geradezu blutrünstig sind. Aber ein Wind der großen Freiheit bläst
36
über Alles weg; die Wunde gilt nicht als Einwand … Wie
38
ich den Philosophen“ verstehe, wie ich meinen Begriff „Philosoph“
40
tief abtrennte von einem Begriff, der sogar einen Kant noch in
wo ich heute bin
n
anden
der
42
sich einschließt, nicht zu reden von den achtbaren „Wiederkäuern“ u
44
{Universitäts =Gelehrten der Philosophie: dafür ist diese Schrift eine unschätzbare
)
anderen
4: W.] > Wagners 10: faßte] ¿ 18: reden,] > reden. 28: Hinausschauen] ¿ 32: Schmerzhaftesten] ¿ 38: Philosophen] > „Philosophen
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$
Ecce Bleistift
jene abgründliche
die
Ich gebe eine Psychologie des Gelehrten, wie sie genannten
2
wie von
in der Schrift auf einmal, plötzlich, aus einer unsäglichen
4
Erfahrung emporgeschleudert
Erfahrung u Tiefe heraus, Einem ins Gesicht springt
6
in jener angenehmen Verdorbenheit, die uns Thüringer auszeichnet
8
wir ziehen selbst für die Wahrheit die Schleichwege vor. Ich möchte hiermit
10
meinem allernächsten Landsmann, Leopold von Ranke eine Ehre, erweisen …
12
mich
Will man eine Probe davon, wie ich selber damals empfand, – entartet
14
beinahe zum Gelehrten, ein Bücherwurm mehr, der die antiken
16
mit Akribie u schlechten Augen
eingesperrt
drei Viertel
Metriker um- u umwendete, in ein Handwerk, welches nicht nur drei Viertel
18
)
irgend welchen
meiner Kraft verbrauchte, welches mir keine Zeit selbst ließ, aufAErsatz der
20
Kraft zu denken
22
Belehrung, zugegeben selbst, daß im Grunde nicht Sch. als Erzieher
24
hier zu Worte kommt, sondern sein Gegensatz, „Nietzsche als
26
Erzieher“. – In Anbetracht, daß mein Handwerk damals das eines Gelehrten
28
was man mir glauben
war u, wenn man mir glauben, daß ich mein Handwerk verstand, ist vielleicht ein herbes Stück Psychologie des Gelehrten nicht ohne Reiz, das mitten
30
32
) 41,8
Bedeutung
3: genannten] ¿ 4: unsäglichen] Vk 6: Erfahrung] ¿ 6: springt] ¿ 12: eine Ehre,] > , eine Ehre 18: drei Viertel] ¿
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44
$
Ecce Bleistift
2
4
Es war dasselbe Jahr, in dem die Deutschen, sehr unwürdig dessen, was sich damals begab, zum Festspiel der Weltverleumdung u. Menschenschändung, genannt Parsifal nach BayBühnen= Entweihung Menschheits =
6
reuth strömten
ein Wille zum Ende
8
trotzdem dasselbe ein Weltverleumdungs-
10
Menschheits- u. Menschenv
12
u
trotzdem daß dasselbe bloß ein nihilistisches, ein Decadence = Ideal ist ist
Lebens= Vergiftungs = Ideal =
14
Antwort auf die Frage
ist
des Priester Ideals stammt
woher im Grunde die ungeheure Macht des ask. Ideals („des christlichen“ –)
45,42 )
16
;
18
stammt, obwohl dasselbe bloß negirt, u. sogar nihilistisch ist? Antwort:
20
nicht weil Gott hinter den Priestern thätig war, sondern weil es bisher
22
das einzige Ideal war, weil es keinen Concurrenten hatte … es
nicht
sondern
viell. menschheits
. Vor Allem
fehlte
ein
24
gab vor Allem kein Gegen=Ideal – bis auf Zarathustra …
26
Man hat mich verstanden. Drei entscheidende Vorarbeiten eines Psychologen für
28
eine Umwerthung aller Werthe
4: begab,] ¿ 7-14: zu Zeile 16 20: sondern] ¿
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15.05.15
45
$
Diese 3 Abh.
der Schleichwege Nicht Hintergedanken in Form, in Absicht, in der KunstAder Spannung Widerspruchs Überraschung Unheimlichste sind vielleicht, das Verwirrendste, was bisher geschrieben
worden ist. Jedes Mal ein Anfang, der irre führen soll, kühl, wissenschaftlich ironisch
im
im
u im
absichtlich hinhaltend
Ecce Bleistift
2
4
Ein
; allmählich
A
mehr Unruhe, einzelnes;
langsam im tempo u den Fragen u Antworten; allmählich einzelnes Wetterleuchten; sehr , absichtlich Vordergrund, absichtlich hinhaltend. mit dumpfem Gebrumm
W II 9
6
werdend
unangenehme Wahrheiten werden in der Ferne{laut, – es kommt immer hier
8
näher, bis am Schluß jedes Mal eine ungeheure Spannung erreicht,
10
wo jedes Wort wie aus einer Nacht von bösen Wolken herauskommt
12
nur in
– wo alle Wahrheiten mit der Stimme Sprache schauerlicher
14
Detonationen zu reden wissen
16
nur noch mit Hülfe
– bis endlich
allmählich ein tempo feroce
eine
s
18
ist
erreicht, wo Alles auf
20
Gewalt
Psychologie des Chr.
mit einer ungeheuren Spannung vorwärts
22
p
treibt. – Am Schluß unter
24
a
vollkommen schauerlichen Detonationen
26
eine neue Wahrheit zwischen
28
schwarzen Wolken sichtbar werdend …
30
Antwort auf die Frage
Die erste Wahrheit ist die Einsicht darüber ist
woraus das Chr. gewachsen: die wuchs
Geburt des Chr. aus dem Geiste des und nicht
Ressentiment, – keineswegs aus dem „Geiste!“ – Die zweite Wahrheit
dicken …
32
Psychologie
giebt die Herkunft des Gewissens:
34
vielmehr
das Gewissen, keineswegs eine Stimme Gottes im M, sondern, ursprünglich Instinkt der
weil der als er
36
er
die rückwärts gewendete Grausamkeit, als der Instinkt der Grausamkeit
38
sich nicht mehr nach außen entladen konnte konnte. Die dritte Wahrheit ist die
40
.
Antwort auf
42
) 44,16
2: Abh.] > Abhandlungen 2: Einfügungszeichen verlängert 2: Verwirrendste] ? 6: Antworten] Vk 7: in Ms nicht übereinander 30: werdend] Vk
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31: dicken] Vk 40: entladen] Vk
15.05.15
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46
$
Ecce Bleistift
des – ich bin der Gegensatz = Begriff eines Idealisten. 2
Ich bin zum Beispiel durchaus kein Popanz, kein Moralist. Das Letzte, was ich
4
versprechen würde, wäre, die Mh zu „verbessern“. Von mir werden keine neuen
6
Götzen aufgerichtet: die alten mögen zusehen, daß sie nicht umfallen. Ich bin
stehen wackeln bleiben
was es
wozu was es mit thönernen Beinen auf sich hat.
10
der Todtfeind jedweden „Ideals“; Götzen umwerfen gehört zu meinem Handwerk. um ihren Werth, ihren Sinn gebracht, damit Man hat den Werth der Realität werthlos, sinnlos, falsch
12
das man ein Ideal erlog … Die Lüge des Ideals war bisher der
14
Fluch über der Realität
8
daß man Götzen aufrichtete
Man hat die Realität in dem Grade um ihren Werth, ihren Sinn
16
18
ihre Wahrhaftigkeit gebracht, als man das Ideal erlog … Die
20
Lüge des Ideals war der bisher der Fluch über der Realität
22
„Idealist“: in meinem Munde ein Wort für Verbrecher …
mit ihr
die Menschheit selbst{ist
24
heruntergekommen bis zur Anbetung der
26
heruntergekommen sind die mit denen
umgekehrten Werthe, als die, ihr das
28
30
mit denen
ihr das
Gedeihen, die Zukunft, das hohe Zukunft
,
erst verbürgt ist …
Recht auf Dasein geben.
32
34
Vielleicht, daß es mir gelingt
36
eine Gegensatz=Natur zu der Art M. die bisher verehrt wurde, in einer menschenfreundlichen
38
Weise darzustellen; vielleicht auch, was mir werthvoller wäre, daß Andere
40
an meinem „Ecce homo“ einen Anlaß mehr finden, über sich nachzudenken – ob
42
nicht auch in ihrem Leben „das Ideal“ bloß als Ver Verhängniß, als Gift, als großer
„böses Princip“
)
12: das] > daß 12: ein] ¿ 27: in Ms nicht übereinander 28: ihr] > die ihr
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47
Ecce homo.
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2
lernen Die alten mögenAzusehen, was es mit thönernen Beinen auf sich hat.
– „Ideale“ –
Meine Philosophie ist Todtfeind jedweden „Ideals“: Götzen umwerfen gehört zu meinem Handwerk.
4
f
6
Es fehlt mir die Erinnerung, daß ich je bemüht hätte, – es ist kein Zug von Ringen an meinem Leben erkennbar.
8
10
nach
Jemand der in seinem 44 Jahre sagen kann, daß er sich nie um Ehren
12
um Weiber, um Geld bemüht hat! .. Nicht daß sie mir gefehlt hätten …
14
in ihre untersten Instinkte hinein wurde
.
u falsch
bis in in Grund Boden falsch u. verlogen gemacht –
Die Mh. selbst ist mit ihr bis zur Anbetung der Umgekehrten Werthe herunter-
16
erst
gekommen, als die sind, mit denen ihr das Gedeihen, die Zukunft, das hohe überhaupt
18
sind sein würde.
Recht auf Zukunft erstAverbürgt ist. Idealist: in meinem Munde
20
die größten Falschmünzer
)
ein Wort für Verbrecher …
22
Verführer mitspielte
24
8: ich] > ich mich 15: Grund] > Grund und
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48
$
4.
Ecce Bleistift
nicht zu umgehen Ich berühre jetzt An dieser Stelle ist es an der Reihe
Antwort auf die Frage Das Meisterstück des Selbsterhaltungs=Instinkts, ist das eigentliche Problem
2
der Entwicklung zu dem, was man ist „wie man wird, was man ist“ zu
4
in
6
geben. Und damit berühre ich das Meisterstück in der Kunst der Selbsterhaltung. Gesetzt
8
nämlich, daß die Aufgabe, die Bestimmung, das Schicksal in der Aufgabe
10
über ein durchschnittliches Maß bedeutend hinausliegt, so würde keine Gefahr größer
12
sein als es plötzlich in seiner eigentlichsten Abnormität vor sich zu sehen.
sich selbst
zu Gesicht zu bekommen. Daß man wird, was man ist
14
heit
in dieser Aufgabe
16
setzt voraus, daß man nicht im Entferntesten ahnt, was man ist … Aus diesem
18
Gesichtspunkte haben die Fehlgriffe des Lebens einen eigenen Sinn u. Werth, –
20
die zeitweiligen Nebenwege u. Abwege, der Ernst auf Aufgaben verschwendet
22
die jenseits der Aufgabe liegen. Darin kann eine große Klugheit, sogar
24
die oberste Klugheit zum Ausdruck kommen: sich vergessen, sich mißverstehen
26
sich verkleinern, verengern, vermittelmäßigen – „Bescheidenheit“ in Einem
28
Wort – die ganze Oberfläche des Bewußtseins rein gehalten von
30
irgend welchen großen Imperativen. Inzwischen wächst u wächst die orga-
32
nisirende u dirigirende „Idee“ in der Tiefe:Aim Augenblick, wo
erst
dominirende
34
sie reif ist, wo sie: sie beginnt zu befehlen, sie leitet langsam
36
aus den Nebenwegen u. Abwegen heraus, – sie bereitet einzelne Qualitäten vor,
38
die einmal als Mittel zum Ganzen sich unentbehrlich
40
erweisen werden: sie bildet der Reihe nach alle
42
dienenden Vermögen aus, bevor sie irgend Etwas von der dominirenden
44
Aufgabe, von „Ziel“, „Zweck“, „Sinn“ verlauten läßt. – Nach dieser Seite hin betrachtet ist mein
46
)
, einzelne Tüchtigkeiten
6: Meisterstück] ¿ 10: durchschnittliches] ¿ 14: man ist] ¿
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49
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$
Ecce Bleistift
Zur Aufgabe einer Umwerthung der Werthe
4
glaubt, als Niedergangs = Symptome begreift
Ecce homo.
– das sind alles plötzliche
beisammen gewesen sind: vor
Oder „Offenbarungen“: ich kam mir vor Allem Gegensätze von Vermögen, ohne als fertig, in allem wie man wird, was man ist. daß sie sich stören, zerstören durften … was in mir bewußt wurde .. )
6
8
10
12
in mir war
einfach
Leben vollkommen wundervoll. Die Instinkt=Obhut war immer in dem stark
2
50 )
sämmtliche obersten Werthe, woran die Menschheit
waren vielleicht mehr Vermögen nöthig wie je in einem Einzelnen
niedersteigenden Leben
14
ich
Maaße Herr, daß in einer vollkommenen Unschuld u. Gleichgültigkeit ich in die Begriffe „Absicht“ „Zweck“ „Ziel“, Wunsch
16
18
auch nur geahnt
keinem Falle gewußt habe, was in mir wächst, – daß alle meine Fähigkeiten plötz-
20
lich, reif, in ihrer letzten Vollkommenheit eines Tages hervorsprangen. Etwas wollen,
22
nach Etwas streben, ein Ziel, einen Wunsch im Auge haben. Das fehlt
24
noch
meine
vollkommen in meiner Erfahrung: so daßAin diesem Augenblick ich die ganze glatte
26
– ich will nicht im Geringsten etwas anders daran
Zukunft wie eine Fläche vor mir sehe, ohne im Geringsten sagen zu können,
28
als es heute ist
ich
warum ich nicht in 20 Jahren genau so weit wie Es fehlt in mir die Er. daß ich mich
etwas Anderes zu anders zu
wollen als es heute ist. Ich habe nie einen immer
30 32 34
Wunsch gehabt. Was ich nöthig hatte, warAeines Tages da … So war ich eines
36
Tages Universitätsprofessor – ich hatte nicht im Entferntesten dergleichen im Auge
38
zwei Jahre vorher
gehabt. So war ichAeines Tages Philologe – in dem Sinne, daß meine erste phil.
einige 40
mein Anfang in jedem Sinne
litterarische Aufzeichnung, wenn man will, meine erste Arbeit, überhaupt{von meinem der einzige geniale Gelehrte, den ich bis gesehen habe
:
42
– Ritschl
Lehrer Ritschl für sein rhein. Museum zum Druck verlangt wurde. Jene
44
viel höheren Qualitäten, die des Dichters eines Zarathustra, die des Immoralisten
46
Typus
u. Gegensatz =Begriffs zu allen philos. Typen bis heute, die des ersten Werth
48
Werth = Fragestellers, der vom aufsteigenden oder vom
50
großen Stils
3: sämmtliche] ¿ 3-5: woran … glaubt] ? 13: was in mir] ? 16: Unschuld] ¿ 24: streben] ¿ 32: Er.] vgl. 47,10 > Erinnerung
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)1
43: bis] > bisher 44: rhein.] ¿
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50
$
Ecce Bleistift
Stücken
2
4
51,42 )
Eine andere Klugheit ist, daß man die Initiative in allenADingen braucht, daß man nicht zu einem bloßen Reagens herunterkommt.
6
Dasselbe gilt noch einmal von Büchern. Der Gelehrte, der im Grunde nur noch
8
im Verkehr mit Büchern lebt, verliert zuletzt ganz das Vermögen, von sich
10
aus zu denken: er antwortet auf einen Reiz („einen Gedanken“) wenn er
12
denkt, er reagirt zuletztAu. giebt seine ganze Kraft bloß noch im
14
Ja und NeinsagenAaus – er selbst sagt nichts mehr … Der Instinkt der
16
Selbstvertheidigung ist bei ihm mürbe geworden: im anderen Falle würde
18
er sich gegen Bücher wehren … Die décadence des Geistes bei begabten Philo-
20
logen, die in den zwanziger Jahren beinahe einem Genie ähnlich sehen u. bereits in
22
den 30 gern bloß Ameisen u. Nagewürmer sind … Frühmorgens beim Anbruch
24
des Tages, in aller Frische, ein Buch lesen – das nenne ich
nur noch
zu bereits gedachten Gedanken
denkt
in der „Morgenröthe“ seiner Kraft 26
lasterhaft! –
2: Initiative] ¿ 6: nur] Vk
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51
W II 9
$
Ecce Bleistift
3. von
In alledem, in der Wahl von Nahrung, Ort u Klima, von Erholung
2
gebietet ein Instinkt der Selbsterhaltung, der sich als Instinkt der Selbstver-
4
theidigung am scha unzweideutigsten ausspricht. Vieles nicht sehen, nicht
6
hören, nicht an sich herankommen lassen – erste Klugheit, erster Beweis dafür
8
52,18 )
gangbare
daß man kein Zufall, sondern eine Necessität ist. Das populäre
10
Wort für diese Selbstvertheidigungs= Instinkt ist Geschmack. Sein Impe-
12
,
wo ein Ja eine „Selbstlosigkeit“ sein würde
rativ ist nicht nur, Nein zu sagen,Awo sondern auch so wenig als
14
möglich Nein zu sagen: möglichst sich trennen, sich abscheiden von
16
dem, was Neinsagen nöthig machen würde. Die Vernunft darin ist,
18
daß auch Defensiv =Ausgaben, selbst noch so kleine, zur Regel,
20
zur Gewohnheit werdend eine außerordentl. u. vollkommen überflüssige
22
Verarmung bedingen. Das Abwehren, das Nicht - heran - kommen ist
24
eine Ausgabe: man täusche sich hierüber nicht – eine zu negativen
26
Zwecken verschwendete Kraft. Gesetzt, ich trete aus meinem Hause heraus
28
u. fände die deutsche Kleinstadt vor mir, – der Instinkt sperrt sich
30
u. drängt Alles zurück, was aus dieser Welt plattgedrückten u. feigen
32
Realität hereinkommt. Oder ich fände die deutsche Großstadt vor mir
34
– dies gebaute Laster, von in dem Nichts wächst, in dem
36
jedes Ding eingeschleppt ist, Gutes u Schlimmes. Müßte ich nicht
38
darüber zum Igel werden? Aber Stacheln zu haben ist eine Vergeu-
40
dung von Kräften, wo es freisteht, kein Igel zu sein …
42
) 50,6
24: kommen] > kommen-lassen 38: jedes] ¿
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15.05.15
W II 9
52
$
Ecce Bleistift
*
2
geistig an ihr ist … Daß sie
4
Bosheiten in den Füßen hat …
6
Jeder Versuch, in diesen 6 Jahren, W. mir zu Gemüthe
8
zu führen, mißrieth; ich lief nach jedem ersten Akte, tödtlich
10
. er
süß, sonderbar, fein u
davon.
sparsam u. klug
„Genie“
12
gelangweilt,AWie arm, wie bürgerlich=arm ist dieses Geist
14
Wie
k
16
Wie viele Magen muß erAhaben, um immer noch einmal wiederzu
51,2 )
18
käuen, was er ebenAgekäut hat …
53,38 )
20
übel nehme, in jungen Jahren bereits diesem Laster gehuldigt zu
22
haben. Wagner u. Jugend – das ist ja das soviel wie
24
Gift u Jugend … Erst seit sechs Jahren weiß ich wieder
26
was Musik ist – eine tiefe Zurückbesinnung auf meinen hier fast
28
vergessenen Instinkt u das unschätzbare Glück, einen Nächstverwandten
30
im Instinkte zu finden, der mir die Musik schuf, die Niemand
32
mir sonst geben kann … Was ich von der Musik will? – Daß
34
sie heiter u tief ist, wie ein Nachmittag des Herbstes. Mild,
36
gütig, – nicht heiß … Daß sie in der Sonne liegt, daß Alles *
von der Natur angelegt!
welche Geduld muß man haben, bis ihm Etwas wieder einfällt selber
schon uns vor
2: fein] Vk 22: ja das] > ja
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15.05.15
53
W II 9
$
Ecce Bleistift
„Ernste“
Diese souveraine Freiheit vor der „Moral“, vor dem „Bewundern“,
2
vor dem eigenen sublimen Geschmack, dies Raffinement in der Mischung
4
von Vulgär u. „Bildungs“ Latein, diese unbändige gute Laune, die
6
über alle Animalitäten der antiken „Seele“ mit Grazie u. Bosheit
8
hinwegspringt – ich wüßte kein Buch zu nennen, das einen gleich befreienden
10
Eindruck auf mich machte. In Fällen, wo ich nöthig habe, mich
12
rasch von einem widrigen Eindruck zu erholen – ich setze den
14
Fall, daß ich in die Sümpfe des Apostel Paulus hineinzu-
16
waten hatte – genügen mir, als heroisches Mittel, ein Paar
18
Seiten Petronius: u ich bin wieder gesund. –
20
54,44 )
2.
Die Musik – um des Himmels Willen! Halten wir sie
22
fest als Erholung u als nichts Anderes!.. Um keinen Preis
24
uns
als
man sie
darf sie{das sein, was heute, durch erbarmungswürdigen Mißbrauch dienen muß als
ihr Loos,
26
als
ein Aufregungs=Mittel, einen Peitschenschlag
aus ihr gemacht hat
28
30
mehr für erschöpfte Nervensysteme!, –
als
32
Nichts ist gefährl icher als der Wagnerische Mißbrauch der Musik unter Wagnerischer
34
allem möglichen „idealistischen“ Hokuspokus: crede experto. – Ich
36
nehme mir wenigBso übel, wie ich die Instinktwidrigkeit mir
38
ein
) 52,20
Dinge
8: mit] Vk
W II 9b 43-86.indd 53
15.05.15
W II 9
54
$
Ecce Bleistift
55,40 )
g
2
Ich muß ein halbes Jahr zurückrechnen, daß ich mich mit einem Buch in der Hand finde:
4
was war es? Eine ausgezeichnete Studie von Victor Brochard Les Sceptiqu
6
Sceptiques Grecs, in der auch meine Laertiana gut benutzt sind. Sonst
8
nehme ich meine Zuflucht fast immer zu einer kleinen Zahl berühmter u. für
derselben
bereits für mich 10
u.
von Büchern,
gerade zu den
vielleicht
Amich bewiesener alter Büchern. Es liegtAnicht in meiner Art, Viel u Vielerlei
12
zu lesen, – so wenig etwa als Viel u Vielerlei zu lieben. Vorsicht, selbst
14
Feindseligkeit gegen neue Bücher ist mir natürlicher als „Toleranz“, als
16
Herankommen -lassen. Von Franzosen erquickte mich von jeher, vielleicht aus
18
Temperaments =Verwandtschaft Montaigne – wir haben Beide viel Muthwillen
20
im Geiste, wer weiß? vielleicht auch im Leibe … Seit zehn Jahren
22
ungefähr unterhalte ich mit Stendhal, eine meiner angenehmsten Bekanntschaften
24
im Zufall der Bücher: seine psycholog.ANeugierde, u ein unter Franzosen
26
geradezu unschätzbar ehrlicher Atheismus geben ihm ein Recht auf
28
meine Sympathie. – Emerson, in seinen Essays, ist mir ein guter Freund
30
u Erheiterer in schwarzen Tagen gewesen: selbst als Knabe schon hörte ich
32
ihm gerne zu. Er hat so viel Skepsis, so viele „Möglichkeiten“, daß
34
bei ihm sogar die Tugend geistreich wird – ein einziger Fall vielleicht …
36
Als Knabe zog ich unter engl. Büchern den Tristram Shandy vor, aus ähnlichen
38
Gründen, die mich Lichtenberg unter deutschen Büchern vorziehen ließen: Lichtenberg,
40
ein Deutscher, der nicht langweilt.. Einen der unerwartetsten starken E.
42
verdanke ich jenem übermüthigsten u., vielleicht, anmuthigsten Geiste des Alter
44
thums, Petronius.
gehört eher zu meinen Instinkten
Abenteurer=
sein harter Realitäten = Sinn Anspruch
, der
) 53,2
6: Laertiana] Vk 18: Temperaments=] ¿ 22: mit] > mich mit 22: eine] Vk 40: Einen] Vk 40: unerwartetsten] ¿
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40: E.] > Eindrücke
15.05.15
55
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$
Ecce Bleistift
1.
Die Wahl der Ernährung; die Wahl von Klima u Ort; das Dritte, ist worin man
2
um keinen Preis einen Fehlgriff thun darf, ist die Wahl seiner Art Erholung. Auch
4
hier sind in dem Grade, in dem ein Geist sui generis ist, die Grenzen des
6
ihm Erlaubten, das heißt Nützlichen sehr eng. In meinem Fall gehört alles Lesen
8
zu meinen Erholungen: folglich zu dem, was mich von mir losmacht, was mich
10
in fremden Landschaften u. Seelen spaziren gehen läßt, – was ich nicht ernst
12
nehme. Es erholt mich eben meinem Ernste. In den Zeiten tief arbeitsamen
14
Zeiten, sieht man keine Bücher bei mir: ich würde mich hüten, Jemanden
16
in meiner Nähe reden oder gar denken zu lassen – u das hieße
18
ja lesen … Hat man bemerkt, daß in jener tiefen Spannung, nebst zu der
20
Schwangers
die fruchtbare Periode der Fruchtbarkeit den Geist u im Grunde den gesammten
22
Organismus verurtheilt, die Zufälle, an jede Art Reiz von außen her, zu
24
vehement wirkt, zu tief „einschlägt“… Man muß den Zufällen, den
26
Reizen jeder Art aus dem Wege gehen: eine Art Selbstverschneidung -
28
– Selbstvermauerung gehört zu den Klugheiten der großen Schwangerschaft. Wie
30
Gedanke heimlich über die Mauer werde ich erlauben, daß ein fremder, gar ein
32
steigt?.. Und das hieße ja lesen … Auf die Zeiten der Arbeit u.
34
Fruchtbarkeit folgt die der Erholung: heran mit euch, ihr ange=
36
nehmen, ihr geistreichen u. schlauen Bücher?… Werden es deutsche
38
Schlechte Bücher
Bücher sein?… Das schlechteste Buch ist immer noch interessanter als das beste deutsche Buch.
40
) 54,2
42
8: Erlaubten] Vk 12: Landschaften] Vk 14: eben] > eben von 21: Schwangers] > Schwangerschaft 24: Organismus] ¿ 38: Bücher?] > Bücher!
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15.05.15
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56
„Vernünftigkeit“ u Instinkt – erstere ein lebensg gefährliches, ein leben=
2
untergrabendes Prinzip …
4
Tiefes feindseliges Stillschweigen über das Chr: es ist weder
6
negirt
8
Ecce Bleistift
weder apollinisch, noch dionysisch: es ist ist allen aesthetischen
$
Werthe
Werthe, die
Werthen – den einzigen{die „die G. der Trag.“ anerkennt: todtfeindlich
10
christliche
der Priester wird einmal als „bösartiger Zwerg“ angedeutet …
12
44 )
14
abhold,
tückischer
es ist „Moral“
Die zwei entscheidenden Neuerungen des Buches sind das Ernstnehmen des dessen – es giebt die erste Psychologie des Orgiasmus, es sieht in ihm die
16
ganzen dionys. Phänomens, als Wurzel=Phänomen für die griech. Kunst; sodann das Ernstnehmen
18
20
die Eine Wurzel
des
der ganzen
die erste Einsicht über den Sokratismus, – einen erster Schritt der griech. decadence.
als gr. Sokrates ein Werkzeug der Auflösung, ein decadent typ. décadent.
Gegen die „Geburt der Trag.“ gerecht zu sein, wird mir heute nicht leicht u selbst fascinirt
22
Sie hat mit dem gewirktA, worin sie verfehlt war – mit ihrer Nutzan-
24
wendung auf die Wagnerei, als ein Aufgangs=Zeichen; dabei ist das nicht
26
gehört worden, was sie neuen Einsichten u Unerhörtestem enthält. Mit
28
aller Neutralität in die Hand genommen, sieht sie sehr unzeitgemäß aus:
30
wie als ob sieA40 Jahre älter wäre, sehr{Hegelisch im Grunde, wie
32
Jedermann nur in einzelnen Formeln noch mit dem Geruche Schopenhauers
mindestens
34
) 14
. in
behaftet. Eine „Idee“ – der Gegensatz dionysisch u. apollinisch. Beide
36
ins Metaphysische übersetzt – dieser Gegensatz als Erklärungs=Princip
38
der menschl. Entwicklung, im engeren Sinne der Geschichte gehandhabt
40
unter dieser Optik Dinge, die sich noch nie einander in s Gesicht
42
gesehen haben, plötzlich gegenübergestellt, aus einander begriffen u
44
beleuchtet … Wär es in der Geschichte nicht artistisch zugegangen
6-8: weder weder] > weder 8: es ist] ¿, > es 14: entscheidenden] ¿ 18: erster] ¿ 22: Sie] ¿ 24: die Wagnerei,] Vk
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verdammt
24: Aufgangs=] Vk 26: neuen] > an neuen 26: Unerhörtestem] Vk 32: Schopenhauers] Vk 44: Wär] ? 44: zugegangen] ¿
15.05.15
57
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$
Ecce Bleistift
Erfolge voller Wunden mit den
29 )
aber die Wunde nicht als Einwand …
Daß es die auf die Namen Wagner u Schopenhauer getauften Schriften sonderlich zum Verständniß
2
beigetragen hätten
oder zur psycholog. Problemstellung beider Fälle beitrügen, möchte ich nicht auch nur
Zuletzt lag mir dergleichen vollkommen fern.
4
6
nächste
behaupten. Im Grunde warenBes bloße beim Schopf ergriffene „Gelegenheiten“,
8
Sch. wie Wagner
um einen Typus zu malen, der mir am Herzen lag. Zuletzt, aus
10
beide Schriften
der Ferne gesehen, enthalten sie eine außerordentlich werthvolle
12
das Werthvollste über mich, was bisher
14
geschrieben ist: ohne daß es es wußte, sprach ich meine innersten Gelöbnisse
16
aus, indem ich diese zwei Typen hinmalte. Will man in jungen
18
Jahren einen starken u. rücksichtslosen Zuspruch Wort über sich selbst u.
20
schließe man sich
an.
gegen sich selbst hören, so schenke man diesen beiden Schriften das Ohr: Vor
u.
22
empfehlungswürdig ist
allem mein „Schopenhauer als Erzieher“, das stärkste Paraineticon
der intellektuellen Rechtschaffenheit, das es in deutscher Sprache giebt.
zur
24
v er
26
zur Rechtschaffenheit des Geistes
Hier ist jedes Wort er-
, zur Selbstzucht des Geistes, das innerlich tief, erlitten, unter Umständen selber ein schmerzhaft lich
ein Buch voller Wunden
versteht
w
zuletzt
lebt, ein wenig blutrünstig unter Umständen,Aerlitten: aber eine unbefast
28
30
durchaus
dingte Härte u. Tapferkeit nimmt die WundeAnicht als Einwand … sondern
32
als
34
Höhe
, die aus jedem Worte spricht athmet
)1
,
athmet
Ich erkenne junge Männer, die einmal zu mir gehören werden, an der tiefen Verzau-
36
berung u. Versenkung, mit der in die sie die Berührung mit dieser Schrift versetzt. –
38
1: Erfolge] ? 2: Daß es] > Daß 16: es es] > ich es 29: lich] ¿
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15.05.15
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W II 9b 43-86.indd 58
58
15.05.15
59
W II 9
$
Ecce
Die Nachwirkung dieser Schrift ist geradezu unschätzbar in meinem Leben. Ich hatte, ohne sie zu kennen, eine Maxime Stendhals in Praxis übersetzt: Eintritt
2
20 )
4
ktik
über „David Strauss, der Bekener etc. Bleistift
zu
seinenAAnfang in der Gesellschaft mit einem Duell machen. Und ich hatte mir
6
der
mit dem nicht zu spaßen war
einen Gegner gewählt, der mich als den errathen hatteAwas ich war – ich hatte den ersten Freigeist der D. herausgefordert u. ihn ausgelacht: eine neue
8
as
10
bis dahin
{Freigeisterei kam damit zum ersten Ausdruck, für dieAdas Ohr, der
12
den Deutschen bis dahin gefehlt hatte
Begriff u. selbst das Wort – ich gab es den Deutschen Wort,A: Immoralist …
den
Deutschen fehlte. Heute haben sie das
Anbei gesagt: aus jener Schrift ist
14
im ich
16
welcher gerade
– jener Muth, derAdie Lieblinge einer Nation auf die Anklagebank
18
61,44 )
20
)2
der
deutschen u Schrift
imASprachAgebrauche, sonderlich in der
bringt …
Zeitungs=Polemik das Wort „Bildungsphilister“ übrig geblieben. –
22
6: Gesellschaft] Vk 8: was] Vk 14: haben] Vk
W II 9b 43-86.indd 59
15.05.15
W II 9
60
$
Ecce Bleistift
entmenschten falschen Ökonomie 1.der ARäderwerk u Mechanismus an der ang
war
Gegentheil Sie beweisen, daß ich ich das
„Theilung der wissenschaft Arbeit 2
von
war
Die vier Unzeitgemäßen sind durchaus kriegerisch. „Hans der Träumer“ bewies, mir
ziehen
vielleicht
gefährlich
4
daß es ihm Vergnügen macht, den Degen zu führen – auch, daß er das HandgelenkAfrei
be
6
hatte. Der erste Angriff wendete sich in ganzer Front gegen die deutschen Bildung, die
, ein
8
mit schonungsloser Verachtung behandelt. Ohne Sinn, ohne Substanz, ohne Ziel:
galt
schlagend
wurde
souveräner
Vorurtheil
In d
10
eine bloße Einbildung. Kein bösartigeres Mißverständniß als zu glauben, der große
12
Waffen =Erfolg der D. beweise den Sieg dieser „Bildung“{über Frankreich … Der
14
zweiten Unzeitgemäßen wird das Lebens Gefährliche, u. Leben =Annagende{in unserer Art
16
des Wissenschafts=Betriebs ans Licht gestellt; das „Historische wird“ hier zum
18
ersten Mal als Krankheit, alsAdecadence - Symptom dargestellt
Etwas zu Gunsten dieser Bildung – oder gar ihren Sieg
zieht
das
u. Vergiftende
modernen Art
typisches
xxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxx xxxxxxxxxxxxxxxxxxxx
s
20
In der dritten u. vierten Unzeitg.
+ als Fingerzeige u deren „Symptom“, ein zwei wird, als Gegenstück, dazu das Bilder
dagegen aufgestellt
S
unserem modernen Typus p. excell.
der härtesten
unzeitgemäße
22
Selbstsucht, Selbstzucht dagegengestellt, kriegerische Typen par excellence, voll
24
von souverainer Verachtung gegen Alles, was um sie herum „Zeit“ „Bildung“
26
„Erfolg“ ist. – Wagner u. Schopenhauer. *
einem zuAeinem höheren Begriff der Erziehung Cultur,
28
Von diesen 4 vier Attentaten hat das erste einen außerordentl. Erfolg.
30
Der Lärm, den es hervorrief, war vollkommen prachtvoll.AIch hatte eine siegreiche
32
Nation an ihrer wunden Stelle angerührt, – daß ihr Sieg nicht ein
34
Cultur =Ereigniß sei, sondern vielleicht, vielleicht etwasAAnderes …. Zu
in jedem Sinne
– oh was ich gelacht habe!…
ganz
Die Angriffe
kamen von allen Seiten, u durchaus nicht bloß 36
nächstAwaren es die alten Freunde u Verehrer Straußens, welche mit schwäbischer Grobheit
38
u. Breite den Kampf gegen mich aufnahmen – leider ohne Witz, ohne brio, ohne
40
die alten Tugenden derselben, die man ihnen Unbedingt für mich entschieden sich einige alte
ins Feld zogen …
ohne xxxxx
eigentlichen
1: entmenschten … Arbeit] zu Zeile 16 1: Gegentheil] ? 1: Räderwerk] ¿ 1: Arbeit] > Arbeit“ 5: galt] Vk 8: behandelt] Durchstreichung? 8: Sinn] ¿ 8: ohne Ziel] ¿ 10: Einbildung] ?
W II 9b 43-86.indd 60
12: Waffen=Erfolg] ¿ 12: über] Vk 12: Der] nach unvollständiger Korrektur > Die 16: Betriebs] ¿ 16: Historische wird“] > Historische“ wird 18-19: unserem … excell.] zu Zeile 14 19: in Ms nicht übereinander 26: höheren Begriff] Vk 28: hat] > hatte
15.05.15
61
W II 9
$
Ecce Bleistift
aus gemischten u zum Theil unausfindlichen Gründen
Herren; darunter Ewald in Göttingen, der zu verstehen gab, mein Attentat sei Insgleichen
2
an dem
für St. tödtlich abgelaufen. Dann der alte Hegel. Bruno Bauer, der ich von da einen meiner
4
gehabt habe.
von da zu den aufmerksamsten Lesern meiner Schriften gehörte: Er hat, in seinen
6
,e
Jahren
letzten Zeilen, gern auf mich verwiesen, zum Beispiel den Herren Historiographen des „Reichs“
8
etwa
Preußens, in Sonderheit Herrn von Treitschke angerathen, sich bei mir einige
10
Auskunft über den Begriff „Cultur“ zu holen. Die nachdenklichste, auch
12
längste Betrachtung über das Buch u. seinen Autor kam von einem alten
14
Schüler Baaders, dem Prof. Hoffmann in Würzburg. Er sah aus der Schrift
16
eine große Bestimmung für mich voraus – eine Art Krisis u. höchster B Ver=
18
im
schärfung im Problem des Entscheidung über das Problem des Atheismus, dessen auch
in mir
20
errieth.
instinktivsten u. rechtschaffensten rücksichtslosesten Typus er in mich sah. Das
22
Liebenswürdigste, vor allem das Tapferste, was damit Bei weitem am besten
24
gehört, auch am bittersten empfunden wurde eine außerordentlich starke
26
von Seiten des sonst so milden
u. tapfere FürspracheAKarl Hillebrands in der „Augsburger Zeitung“. Hier
28
war die Schrift als Ereigniß, „Wendepunkt“, erste Selbst = Besinnung
30
inmitten der deutschen décadence
allerbestes ZeichenAdargestellt, – als eine wirkliche Wiederkehr des
32
deutschen Ernstes u. Werthbegriffs in Fragen der
34
Antwort
der deutschen Leidenschaft in geistigen Dingen: Zugleich als
36
ein Muster guten Geschmacks in dem für Deutsche so gefährlichen Handwerk der
38
Hillebrand verhielt sich
zu dem
Polemik.; unbedingt jasagend, sogar verschärfend,Awas ich über die
40
tiefe Sprach -Verlumpung der Deutschen selbst bei ihren „ersten“ Schriftstellern
42
er erkannte die Schrift
Art
gewa zu sagen gewagt hatte;Aendlich als Beweis für den höchsten Muth
1: unausfindlichen] ¿ 4: Hegel.] > Hegelianer 5: da] > da an 8: verwiesen] Vk 10: einige] Vk 22: mich] > mir 26: bittersten] Vk
W II 9b 43-86.indd 61
,
44
) 59,18
26: außerordentlich] ¿ 30: erste] Vk 31: inmitten] ? 32: Zeichen] Vk 35: zu 60,33 36: deutschen] Vk
15.05.15
W II 9
62
$
Ecce Bleistift
sprechen mir nie von dergleichen.
vo
Daß ich nie
2
4
meiner Bücher
{Ich war gegen alle Besprechungen{, sonderlich in Zeitungen die längste Zeit xx das u. bin, wird man mir verzeihen müssen. Alles ohne jedwede NeugierdeA, – meine Verleger wußten, daß ich sprachen mir nie Meine Verleger, , meine Freunde wissen das u.
6
davon. In einem besonderen Falle kam mir einmal Alles zu Gesicht, was über
8
mein Jenseits v G. u Böse „gesündigt“ worden war: ich könnte einen sehr er-
lustigen
Kindlichkeiten
10
heiternden Bericht darüber abstatten, denn es waren unbezahlbareAKindereien darunter
12
Sollte man es glauben, daß die NationalzeitungAmein Buch als ein Zeichen der
14
Zeit zu verstehen wußte, – als die echte rechte Junker=Philosophie, zu
16
der es der Kreuzzeitung nur an Muth gebreche?…
alles Ernstes
63,40 )
will sagen als „idealistischer“ Begriff
18
eines höheren Typus. Wem ich ins Ohr
20
einem
flüsterte, er solle sich eher nachACesare
22
der
Borgia umsehen,Atraute seinen Ohren nicht …
24
4: nie] Vk 16: der es] Vk 20: Wem] Vk 22: Cesare] ¿
W II 9b 43-86.indd 62
15.05.15
63
W II 9
$
Ecce Bleistift
hätte;
Nicht daß es hier an dem allerbesten Willen gefehlt hatte;!
2
64,44 )
4
w
kommenste u. Feinste unter den Heutigen.{– Ich versuche den Fall
6
f
zu erklären. Zu guterletzt kann Niemand mehr aus den Dingen, die
8
an der der
mir
Einer sogar Einer
noch weniger an Intelligenz. Herr Spitteler ist einAder mir
Will-
Allem, was jetzt schreibt. Kritik übt.
Bücher eingerechnet, heraushören, als er schon weiß: wofür man
10
nicht vom Erlebnisse her Zugang hat, dafür hat man kein Ohr.
12
Denken wir uns nun einen äußersten Falle, daß ein Buch von
14
lauter Erlebnissen spricht, die gänzlich außer der Möglichkeit
16
häufigen
nur
einer häufigen oder auch nur einer selteneren Erfahrung liegen: daß
18
es die erste Sprache für eine erste neue Reihe von Er-
20
gehört
fahrungen ist. In diesem Falle wird einfach Nichts verstanden:
22
mit der optischen Täuschung, daß wo nichts gehört wird,
24
en
n
meine
auch nichts da ist … Das ist zuletzt die durchschnittliche
26
u,
Erfahrung,{wenn man will, die Originalität meiner Erfahrung: wer
28
Etwas von mir verstanden zu haben glaubte, hatte sich Etwas
30
– nicht selten den Gegensatz von mir;
aus mir zurechtgemacht; wer nichts verstanden hatte, leugnete,
32
daß ich überhaupt in Betracht komme. – Das Wort „Über
34
,
sehr
mensch“ zum Beispiel, das im Munde Zarathustras einAnachdenkliches
36
wird
WortA, ist fast überall mit voller Unschuld im Sinne der
38
Werthe verstanden worden, deren Vernichter, deren Todfeind Z. ist
40
) 62,18
4: an Intelligenz] ¿ 10: heraushören] Vk 14: Falle] > Fall 18: liegen] Vk 20: es] Vk 28: Originalität] ¿
W II 9b 43-86.indd 63
15.05.15
W II 9
64
$
Ecce Bleistift
irgendwie als es sichAschickt
2
Ich berühre nur so nachlässigAals möglich die Frage nach dem Verstanden - oder Nichtver -
4
standenwerden: sie ist durchausAnicht an der Zeit. Es wäre ein vollkommener Widerspruch zu
6
mir, wenn es heute bereits Ohren u. Münder für meine „Wahrheiten“ gäbe, – es
8
versteht sich von selbst, daß man weder hört, noch nimmt … Nochmals gesagt,
noch
Widerspruch
Hände
hört,
sichtbar
10
nichts ist weniger an meinem Leben sichtbar als böser Wille, auch von litterarischem „bösen
12
Willen“ wüßte ich keinen Fall zu erzählen. Es scheint mir, eine so hohe Auszeichnung
14
die Jemand sich erweist, ein Buch von mir in die HandAnehmen; – ich sagte es
16
einmal, dem Dr Heinrich von Stein, sechs Sätze aus meinem Zarathustra verstanden das heißt
18
erlebt zu haben hebe in eine höhere Ordnung der Wesen hinauf. Wie hätte ich
20
je wünschen können, von diesen „Modernen“, die ich kenne –, gelesen zu
22
werden? Es waren nicht nur bescheidene, u veracht – Umgekehrt hat
24
mir die Unschuld im Neinsagen zu meinen Schriften einiges
26
Vergnügen gemacht. Noch im Sommer 1888, wo
der seltensten
zu
hinauf.
Mein Triumph ist der umgekehrte von dem Schopenhauers: non legor, non legar . –
..
vielmals
7
zu einer Zeit
selben Zeit wo 28
v
65,40 )
) 63,2
im Stande gewesen
in wohlmeinend
Akonnte, gab mir ein Prof. der Berliner Univers.Azu verstehen, ich sollte mich lese
kein Mensch.
32
doch einer anderen Form bedienen: so etwas könne Niemand{lesen Zu-
34
letzt war es nicht Deutschland, sondern die Schweiz, die zwei extreme
36
Fälle geliefert hatte – beide im „Bund“. Ein Aufsatz des
38
Dr. V Widmann über Jenseits v G. u Böse
40
u. ein Gesammt =Bericht des Hr Karl Spitteler
42
über meine Litteratur überhaupt sind ein Maximum in meinem Leben – ich
Wegleugnung der Realität …
sage nicht von was …
44
10: böser] Vk 10: „bösen] Vk 12: Willen“ wüßte] Vk 16: Heinrich] ¿ 22: Es … veracht] ? 24-26: die … sehen] zu 65,23
W II 9b 43-86.indd 64
mit Schrecken sehen überhaupt
Aich ungefähr mit meiner Litteratur den Rest von Litteratur überhaupt aufwiegen
aufwiegen konnte 30
die wir heute
27: überhaupt] ¿ 28: überhaupt] ¿ 32: könne] ¿
15.05.15
65
W II 9
$
Ecce Bleistift
angestrengtesten sich hieraus
großen
Es erklärenAalle Fehlgriffe u.AInstinkt-Abirrungen meines Lebens, zb. daß ich Philologe wurde, daß ich Schopenhauer u. Wagner mir zu Gemüthe, ach wie ganze
2
66,20 )
4
bei meiner excessiven Thätigkeit
sehr zu Gemüthe! führte, daß meine Diät nicht nur unzureichend
6
Personal= Privat
sondern d ohne jede feinere Selbstigkeit u. höhere Vernunft war., aus der
8
Erst
Unwissenheit in physiologicis Als ich fast am war
war
10
in der Basler Zeit
Ende, dadurch daß ich fast am Ende, wurde
12
erst
ich nachdenklich über diese Grund =Unvernunft meines Lebens. Man büßt nichts
aus christlichen
denn u. die Wahrscheinlichkeit ist groß, daß man
es theuer, aus Familien zu stammen; denn Christenthum als daran zu Grunde geht. gegen die. Ich stelle
14
an Stelle da-
, 16
Ich möchte nicht
mir vor, daß Die grundsätzliche Leichtfertigkeit, mit
unter
18
seit 2 Jahrtausenden
der Leib seit der Herrschaft christl. Werthurtheile behandelt worden ist scheint mir
20
u. Unsauberheit zu sein
viel zu frühe
ist, die Hauptursache für dieAgeistige Versumpfung der Europas ist, – u frühe Alterung
die heute immer noch so groß ist.
Christenthum nicht, wie die „Freigeister“ sich einbilden, als Verbot der
22
) 33 24
genau in
die je nach dem Grade, in dem das Chr. Herr wurde oder unterlag, zunahm Täuschung
26
psychologischen , die es je gegeben hat münzerei
oder zurückgieng. Nicht als Moral, nicht als Fälschung der Vernunft ist ist
:i d
,
28
Europas
das Laster die große „Fatalität, sondern als Verachtung des Leibes, als Glaube an die „Sünde“, an die „unsterbl.
einem Jenseits … Seele“, als Lüge von
30
32
groß ist, daß unsere ersten Staatsmänner sich nicht scheuen,
… 23 )
Christen zu heißen.
Ein Christ denkt nie über die eigentlich wichtigen Fragen nach: er beschäftigt
34
sich mit lauter solchen, bei denen Alles von vornherein falsch u. Lüge ist
36
die Begriffe „Gott“, „Sünde „Erlösung“ haben nicht das geringste Recht in der
38
drei
Realität, sie sindAdie bösartigste Verlästerung u
4: mir] ¿ 15: denn] ? 16: denn] ? 16-18: dagegen die] ? 17: möchte] ? 20: der] > der der 20-22: worden ist ist] Vk, > worden ist 22: Versumpfung] ? 24: einbilden] ?
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40
) 64,39
27: in Ms nicht übereinander 27: Täuschung] ? 27-28: Fälschmünzerei] nach unvollständiger Korrektur > Falschmünzerei 30: Fatalität] > Fatalität“ 33: Staatsmänner] ¿ 38: Sünde] > Sünde“ 38: in] Vk 39: drei] ?
15.05.15
W II 9
66
$
Ecce Bleistift
vollzog sich,
68,16 )
2
Ich denke heute mit tiefer Dankbarkeit an diese Los Bruch mit Wagner: er geschah gesprochen
4
ohne daß irgend ein verletzendes WortA, irgend eine Aufwallung niedrigerer Affekte dabei
6
mitgespielt hätte – wie eine Necessität, ernst, einfach, tief – ein Aus=
8
einandergehen zweier Schiffe, die sich kreuzen konnten, die sich eine kleine Zeit nahe-
streng,
düster
in
10
stehen u lieben konnten, – bis ihre Aufgabe sie nach entgegengesetzten Welten Zielen
12
rief … trieb
42 )
absoluten unbestreitbaren
etwa denAMangel an zureichender
14
Gesellschaft: denn dieser besteht
16
26 )
18
giebt. ) 65,2
20
Ausgleichung, keine Gegenrechnung
heute wie er immer bestand, ohne daß er mich hinderte, ausreichend heiter u tapfer
giebt.
22
zu sein. Die Unwissenheit in physiol.
24
ist das eigentl. Verhängniß meines Lebens, etwas Überflüssiges
26
u. Dummes, aus dem nichts Gutes gewachsen, für das es keine
das
darin
) 18
verschiedenen 67,44 )
28
die Eisenbahn Fahrt
kurzen Reisen schon die Grade der Luftfeuchtigkeit, durch die eine Eisenbahn=Reise
32
mich führt – zwischen Mailand u. Turin zum Beispiel – an ihren physiol. Folgen spüre, denke ich m it Schrecken an die unheimliche Thatsache, daß mein Leben bis abzählen kann
34
auf die letzten 10 Jahre, bis auf die lebensgefährlichen Jahre, immer nur in diesen
36
als falsch u geradezu mir verbotenen Orten abgespielt hat. Naumburg, Thüringen
38
überhaupt, Leipzig, Basel – ebensoviele Unglücks=Orte für meine Physiologie
40
Wenn ich von meiner Kindheit, meiner Jugend überhaupt keine willkommene Erinnerung habe,
42
so wäre es eine Thorheit, hier sog. „moralische“ Ursachen geltend zu machen
30
Schulpforta,
ganzen Kindheit u
) 14
14: Einfügungszeichen verlängert 18: Gegenrechnung] Vk 34: immer] > immer sich 38: Physiologie] Vk
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15.05.15
67
W II 9
$
Ecce Bleistift
die seine ganze Kraft herausfordern,
Mit der Frage der Ernährung ist nächstverwandt die Fr. nach Ort u. Clima. Es steht Niemandem frei, überall zu leben: u wer große Aufgaben zu lösen hat, hier sogar Der klimat. Einfluß auf den Stoff wechsel, seine hatAeine sehr enge Wahl., wo er überhaupt leben darf Beschleunigung oder Verlangsamung, geht so weit, daß ein Fehlgriff in Ort u. Clima Jemanden nicht nur seiner Aufgabe entfremden kann, sondern ihm dieselbe überhaupt
2
4
6
8
10
vorenthalten kann.
nie zum Bewußtsein kommen läßt. Der anmimalische vigor ist nie groß
12
geworden
genugA, daß jene ins Geistigste überströmende Freiheit erreicht wird, wo
14
zur schlechten Gewohnheit gewordene noch so kleine
Jemand erkennt: das kann ich allein … Eine kleineADyspepsie ist voll-
16
kommen ausreichend, ein Genie zu vermittelmäßigen, zu „verdeutschen“,
18
wenn man mir diesen Wink eines Zaunspfahl vergeben will; ein deutsches
20
selbst
Eingeweide
Clima ist vollkommen ausreichend, um starke u. heroische Mägen zu
22
…
„vermittelmäßigen, zu „verdeutschen“., zu vermittelmäßigen. Das tempo des
24
nämlich
Stoffwechsels stehtAin einem genauen Verhältniß zur Flug Schwung u.
26
Beweglichkeit oder Schwerfälligkeit der geistigen Bewegung: letztere selbst
28
bloß
einen Fall
ist ja nur eine Art des Stoffwechsels. Ich habe Fälle vor Augen, wo u frei
ein bedeutendAangelegter
30
Geist bloß durch Fehlgriffe oder Unwissenheit in physiologicis M. eng, verkrochen, Spezialist u Eckensteher
Sauertopf
sich
32
u. Bücherwurm wurde, insgleichen mit einem so versauerten Charakter als
34
Charakter versauerte.
36
durch Mangel an Instinkt =Feinheit im Klimatischen
Ich
selbst hätte leicht selber dieser Fall werden können, gesetzt daß mich
38
die Krankheit nicht zur „Vernunft“, zum Nachdenken über die Vernunft in der
40
Realität gezwungen hätte. Jetzt, wo ich die Wirkungen klimat u. meteorol
42
Ursprungs
an
,
dergestalt
zuverlässigen u feinen
C. Ursachen mit Feinheit von meinem sehr nuancenreichen Instrumente ablese u. bei
44
) 66,28
Sicherheit
1: Hinzufügung zu Z. 4 4: hat] Hinzufügung Z. 1 10: überhaupt] ¿ 15: Gewohnheit] ¿ 20: Zaunspfahl] > Zaunpfahls 24: „vermittelmäßigen] > „vermittelmäßigen“
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26: Stoffwechsels] Vk 44: C.] >? Causalitäten
15.05.15
W II 9
68
$
Ecce Bleistift
34 )
ein, mit der Widmung
2
meinem theuren Freunde Nietzsche Rich W
4
Kirchenrath
6
Diese Kreuzung der zwei Bücher – es war als ob ich
8
als ob sich Degen
10
einen ominösen Ton dabei hörte – war es nicht wie die Kreuzung
12
von Degen?… Jedenfalls empfanden wir es Beide so: denn
14
wir schwiegen Beide … Seitdem gab es nie wieder eine
16
briefliche oderBpersönliche Beziehung zwischen W. u. mir. –
kreuzten?..
) 66,2
eine unmittelbare
69,44 )
18
20
22
immer physiologisch unterliegend, die Tendenz zur Genesung, zum Leben, zur starken u. rücksichtslosen Bejahung der Realität im Geistigen bei mir zum Sieg gebracht hatte. – Das Buch wurde, unter bedeutend verschlechtertem Verhältnissen
)2
24
Befinden, in Basel zu Ende gebracht: mein Fr. Köselitz hat es
26
im Grunde auf dem Gewissen – ich diktirte, er schrieb ab, er corrigirte
28
ich nannte ihn damals den er war der eigentl. Schriftsteller, ich selber bloß
30
der Autor … Als das Buch fertig war, sandte ich, unter Anderem 2 Exempl.
32
nach Bayreuth. Durch ein Wunder von Sinn im Zufall traf gleich
34
zeitig bei mir ein schönes Exemplar des Parsifaltextes, von W gesandt
auch,
8: Kreuzung] ¿ 20: rücksichtslosen] ¿ 20: Realität] Vk 20: Geistigen] Vk 24: Fr.] > Freund
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15.05.15
69
W II 9
$
Ecce Bleistift
mitten drin
Genug, ich reisteAfür ein Paar Wochen ab, sehr plötzlich, mich bei
2
W nur mit einem Telegramm von etwas ominösem u. fatalist. Ausdruck ent-
4
schuldigend. In einem kleinen Walddorfe des Böhmer = Waldes Klingenbrunn
6
70,30 )
wie eine Krankheit
trug ich meine MelancholieAmit mir herum – u schrieb von Zeit zu
8
harte
Zeit einen Satz in mein Taschenbuch, lauterApsychologica, die sich
10
wieder in M. A. wiederfinden lassen. Es war nicht ein Bruch bloß
12
mit der Wagnerei, ich empfand eine radikale Nöthigung, den
14
vielen gefährlichen „Idealismus“, den ich in mich eingeschleppt hatte,
16
durch eine Realitäts=Kur rigoröser Art loszuwerden. Diese
18
Umstimmung
bis in ihre Gründe die immer
Einsicht dabei
Mißbrauch meiner ganzen Natur{, die{tiefe Überzeugung, wie nutzlos, wie will-
20
kürlich u. verbraucht eine ganze Reihe Jahre mein Leben sich meiner eigentl.
22
Gefühl davon werdende
Aufgabe gegenüber
nahm ausnahm,
– das Recht – mehrere Jahre xxxxxxxxxx
dieser Zweifel an mir, an einem Recht auf meine Aufgabe meine eigene Aufgabe – das
der damit bedingte brachte
gab
als
Ganzen eine Erschütterung auch meiner Gesundheit mit sich. Man ist
24
28
ent
30
im : m
32
hörte die Widerstands -Kraft des Instinkts bei mir
34
nach, – u, Schritt
s immt
26
genau in dem Maße gesund, als man mit sich im Einklang ist. Damals
ließ
er
vom Vater her
für Schritt, kam jeneAvererbte Degenerescenz zum Übergewicht über
36
die gesündere u. lebensvollere Mitgift in meiner Natur. Was stark blieb,
38
das war jene rigoröse A Zucht gegen allen „höheren Schwindel“, will
40
sagen Idealism. Ein Winter in Sorrent, in dem der größte Theil von
42
Mensch Allzumenschl. niedergeschrieben wurde, beweist, daß ich, wie sehr auch
44
u.
) 68,18
12: wieder] ¿ 18: Diese] aus unvollständiger Korrektur 21: in Ms nicht übereinander 30: Ganzen] ¿ 36: Degenerescenz] ¿
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15.05.15
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70
$
Ecce Bleistift
war wenig werth; war wenig Werth 38 )
2
mir widerstand ich fand vor Allem
Wag.
Die Aufführung selbst mißrieth im Grunde; mir persönlich war die Wag M. daß die
gelegt hatte
4
das Orchester so tief zu legen{, daß die Stimmführung, die eigentl. musik.
6
Logik vollkommen „mystisch“ wurde, und statt Musik nur eine
8
Art harmonischer Nebel einem zum Bewußtsein kam, im höchsten Grade ermü-
10
dend. Ich zweifle, ob ich mich je so gelangweilt habe, wie im Bayreuther
12
Opernhaus. ich langweilte mich tödtlich bei dieser
14
vollkommen unhörbar gewordenen Musik, die, durch
16
eine absurde Tieferlegung des Orchesters, nur noch wie ein als
18
bisweilen auch
harmonischer (unharmonischer..) Nebel … Einem zum Bewußtsein kam.
20
hier
22
ist
Was die „Rückkehr zur Natur“, will sagen die vollkommene Durchsichtigkeit des einzelnen
24
der Linien, jeder Linie, die Verwendung jedes Instruments in seiner spezifi. Farbe
26
u. in seiner ihm naturgemäßesten u. wohlthuendsten Sprache – bei W lernte ich
, der sparsamste Gebrauch der Instr. überhaupt
der Instrumente, des
31 ) der
28
diese Vergewaltigung alles Individuellen, das künstlich aufrecht
) 69,2
30
erhaltene Chaos
Bunde
der Dritte im
später an der Orchestration Bizets begreifen: – Genius loci, nicht
) 28
die Nohl, Pohl, Kohl – letzterer bloß als
71,42 )
32
34
;
Der Rest waren die Idioten, die eigentl. Wagnerianer, eine gott- u geistverlassene Gesellschaft, die Alles hinunterfrißt, was der Meister mit starkem Magen
36
„abfallen“ läßt … Die
ja
)2
W. Musik bestehtAaus „Abfällen“…
38
2: M.] >? Manier 24: Linien] Vk 27-31: zu Zeile 32 32: waren die] Vk
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15.05.15
71
$
abgethan die extrem antiliberal behandelt bis zur Härte besprochen werden.
– fast alle Probleme kommen darin, wie kurz auch immer, vor, die politischen, extrem antiliberal besprochenen, eingerechnet.
M. A. ist ein psychologisch curioser Fall. Wer es, bloß mit der Tagedieb =Manier eines „gebildeten“ Lesers durchblättert, findet es klug, mit sehr vielen Härten,
hart
W II 9 Ecce Bleistift
voll von Realitäten –
2
4
hart
kühl, unter Umständen boshaft, in anderen Fällen witzig … Man versteht
6
das Buch erst, wenn man das, was mit jedem Satze abgelehnt wird, in
8
cynisch
aller Stärke hört – dann drückt fast jeder Satz einen Sieg aus
10
bei neutrale vornehme fast
– u die kühle, geistige, nüchterne Attitüde ist ein Sieg mehr …
12
Es ist der Widerspruch, der nicht mehr widerspricht, – der jasagen gelernt
14
ironische
Herkunft
hat … Die Hervorbringen dieses Buchs gehört mitten in die Zeit der ersten Bayreuther
16
Festspiele hinein: eine heftige Krisis gegen Alles, was mich dort umgab, war
18
as in
damals
seine Voraussetzung. Nicht nur, daß mirAdas Vollkommen Gleichgültige u Illusorische
20
deutlicher wurde
der Art „Ideal“ von den Brettern herab handgreiflich deutlich wurde: ich sah
22
vor Allem, wie selbst den Nächstbetheiligten im Grunde die „Sache“ nicht die
24
war
HauptsacheA, – wie ganz andere Dinge wichtiger, leidenschaftlicher genommen wurden
26
als gerade die Kunst. Dazu diese erbarmungswürdige Gesellschaft der
28
Patronats =Herren u Patronats =Weiblein: man hatte die ganze müssiggängerische
30
Europas
WeltAbeisammen, u. jeder „Fürst“ gieng in W s Hause aus u ein, wie
32
als ob es sich um einen Sport mehr handelte … Und im Grunde war es auch
34
Kunst = Vorwand
in
nicht mehr. Man hatte ein Luxus=Bedürfniß für den Müssiggang für
36
mehr in Scene gesetzt – die „große Oper“ noch einmal; man hatte
38
das
die durch ihre geheime Sexualität überredende Musik Ws als Bindeerkannt
mittel für eine GesellschaftA, in der JedermannAseinen plaisirs nachgieng
1: Hinzufügung zu Z. 5 5: Realitäten –] Hinzufügung Z. 1 17: Hervorbringen] ¿ 17: mitten] aus unvollständiger Korrektur 18: gegen Alles] ¿ 20: Voraussetzung] Vk
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40
vor Allem
42
) 70,32
20: Vollkommen] > vollkommen 42: nachgieng] Vk
15.05.15
W II 9
72
$
Ecce Bleistift
dem während u. nach dem Zarath.
Zuordnungslinie über den Falz, Bleistift 2
$
Das Problem, über die letzten 4 Jahre hinwegzukommen, war ungeheuer. Das zu thun, etwas
4
Gefühl mit sich, herumzutragen, etwasAgethan zu haben, was über alles Menschen - Mögliche
i
6
hinausliegt, mehr noch, Etwas, woran der KnotenAim Schicksal der Mh. ge-
rz
8
schüptA– u, hinterdrein, die Oede, die Todtenstille, besten Falls eine
Knoten
ist
als Antwort … Eine solche Revolte mir nahe stehenden in irgend einem Grade
10
Art Revolte gegen mich (die ich fast an allenAM. die mir bekannt sind bewurde von mir fast bei
beobachtet habe
u
im
12
merkt habe, als Antwort auf meinen Zarathustra … Meine Kur war, wie
14
sich begreifen läßt, das Vergessenkönnen um jeden Preis – Vergessen, was gethan war,
16
was ich auf mich genommen hatte. Eine Veränderung, ein Wille zum An-
18
deren, zum GegensätzlichenA… So wenig Zarathustra wie möglich so fern von
20
Zarathustra wie möglich .. Ich durfte ihn nicht mehr sehen, ich besaß ihn
22
nicht mehrA. In ein paar Fällen, wo ich einmal,Aim Engadin, eine Stelle
24
darin nachschlug, war das über mich zusammenstürzende Gefühl so stark,
26
daß ich wie zerbrochen war u. ein paar Tage krank lag. Die ungeheure
28
Leidenschaft in jedes Wort gedrängt bis zu einer Sprengstoff = Intensität ge-
30
drängt, das Zusammen= u. In Eins -nehmen aller fünf Gefühle, die große
32
Verantwortlichkeit, das Abenteuer bis zum Verbrecherischen, die Einsamkeit bis zur
34
Furcht vor der Stille Schrecken vor sich
um jeden Preis
selbst
fern von
das Buch
mehr
m
in der Stille des
Etwas
großen Zustände Die
vom Verbotensten
ein
gar das
mehr=
36
Eine Fremdheit, ein Gänzlich= NichtAverstehen trat mitunter ein – insgleichen
38
die tiefste u heilsamste Instinkt =Reaktion, die es in solchen Fällen geben kann
40
Man hätte es mirAbeweisen müssen, daß ich der Urheber des Zarathustra sei: wer weiß
42
ob ich’s trotzdem geglaubt hätte?…
in solchen Zuständen können
5: Knoten] Vk 6: woran] Vk 8: schüpt] nach unvollständiger Korrektur > knüpft 8: Oede] ¿ 8: eine] Vk 9: in Ms nicht übereinander 10: Revolte] Vk 14: war] ?
W II 9b 43-86.indd 72
16: was] Vk 22: mehr] nach Korrektur des Kontextes > einmal 24: Gefühl] Vk 28: jedes] Vk 34: vor der] ? 34: gar das] ? 38: die es] ¿ 40: mir] ¿
15.05.15
73
W II 9
$
Ecce Bleistift
$ Ich füge ein paar Recepte aus der großen Vernunft der südl. Hyper-
Zuordnungslinie über den Falz, Bleistift 2
bei
boreer, – solchen vorbeh zugedacht, denen eine Aufgabe, ein Schicksal von
4
haben.
Aufgabe auf die Schulter gelegt ist. Die größte Klugheit besteht darin,
6
dies sich zu verbergen –, eine große Bestimmung sich so wenig wie möglich
8
in das Bewußtsein dringen lassen, gegen sie eine Scham, eine Art
10
Augen -zu-machen festhalten. Die Mittel dazu sind: sich gegen sie
12
oder seinem
hinter seiner
seinem
durch Bescheidenheit, oder Muthwillen, oder Raffinement des Geschmacks
14
hinter
selbst durch seine Krankheiten u Schwächezustände verstecken Man muß
16
bloß ihre Gebote thun, nicht wissen wollen, was sie ist, wann sie
18
befiehlt. Man muß keine Worte, keine Formeln, keine Attitüden für sie
20
haben, – man muß leiden, ohne zu fragen, wozu, man muß das Beste
22
thun, ohne sich darin zu verstehen …
24
Die ungeheure Leidenschaft in jedem Wort bis zu zu einer Sprengstoff - Intensität gespannt,
d
26
xxxxxxx
die große Verantwortlichkeit vor einem höheren Willen, das Gefühl des Abenteuers
28
von lauter Verbotenem, die Einsamkeit bis zum Schrecken vor sich selber
30
inmitten eines Labyrinths erlebte ich
Eine solche Revolte, wurde, in verschiedenen Graden, aber fast von Jedermann, der mir nahe stand Die M hassen ein plötzliches Sichtbarwerden von Distanz, – nichts mehr als
v
34
…
Aufblitzen
, wo sie gleiche Rechte zu haben glauben, xxxxxxxxxxxxxxxxxxx, weshalb der Prophet im Vaterlande nichts gilt. –
2: Vernunft] ¿ 8: dies] >? dies vor 26: zu zu] > zu 26: Intensität] Vk 31: Labyrinths] ¿ 34: Sichtbarwerden] ¿
W II 9b 43-86.indd 73
32
36 38 40
35: Aufblitzen] ?
15.05.15
W II 9
74
$
Meÿsenbug Bleistift
, mit allen anständigen Naturen,
Also Sie nichts von dem Ekel begriffen, mit dem ich mich vor 10 Jahren von dem *
2
4
Bayreuther „Schwindel“ wegkehrte! Sie kennen die tiefe Erbitterung der rechtschaffenen
6
Musiker nicht, wenn sie diese Pest der W. Musik, die zugleich eine vollkommene
8
Charakter -Corruption der Musiker ist, immer mehr um sich greifen sehen? *
von Musik
sobald er handgreiflich wurde, durch die ersten Bayreuther Blätter?
10
Sie haben nichts davon gemerkt, daß ich seit 10 Jahren eine Art Gewissensrath deutscher
12
Musiker bin u. die Rechtschaffenheit, den edlen Geschmack, den tiefsten
14
Haß gegen die ekelhafte Sexualität der W. Musik an allen möglichen
16
Stellen angepflanzt habe? Daß der letzte klass. Musiker, mein
18
Fr Köselitz aus meiner Phil. u. Erziehung herkommt? – Sie haben nie
20
ein Wort von mir verstanden, nie einen Schritt von mir verstanden: es
22
hilft nichts, ich liebe e reinliche Verhältnisse u. ertrage es nicht,
24
von Menschen verehrt zu werden, die einen Wagner verehren können …
wieder
vornehmen
2: Sie] ¿, > Sie haben 8: Charakter-] ¿ 10: Gewissensrath] ¿ 14: ekelhafte] ¿ 18: Fr] > Freund 18: Sie haben] ¿
W II 9b 43-86.indd 74
15.05.15
75
W II 9
$
an die Meysenbug. Bleistift
Vergeben Sie mir, daß ich noch einmal das Wort nehme: es könnte das
2
letzte Mal sein. Ich habe allmählich fast alle meine menschl. Beziehungen
4
abgeschafft, aus Ekel darüber, daß man mich für Etwas Anderes nimmt als
6
ich bin. Jetzt sind Sie an der Reihe. Seit Jahren sende ich Ihnen
8
meine Schriften zu, damit Sie mir endlich einmal, rechtschaffen u naiv, sagen
10
„ich perhorreszire jedes Wort“. Und Sie hätten ein Recht dazu.
12
Denn Sie sind „Idealistin“: – u ich behandle den Idealism als
14
eine Instinkt gewordene Unwahrhaftigkeit, als ein Nicht - sehen Wollen
16
des Wirklichen: jedes Wort meiner Schriften enthält die Verachtung des
18
Idealism. Es giebt gar keinen größeren Fluch über der bisherigen Mh., als
20
s
die sich Ideal. nennt
diese Abkehr von der intellekt Unsauberkeit: man hat den
22
Realität
24
erlog … Verstehen Sie nichts von meiner Aufgabe? Was
26
es heißt „Umwerthung aller Werthe?… Warum Z. die
28
*
Tugendhaften
Art
Moralmenschen als die Verhängnißvollsten M. hinstellt? wenn
30
er sagt zerbrecht zerbrecht mir die Guten u Gerechten“
32
die
weshalb er der Vernichter der Moral sein muß? –
6: mich] ¿ 6: nimmt] ? 12: perhorreszire] ¿ 14: behandle] ¿ 20: Mh.] Vk 28: Werthe] > Werthe“
W II 9b 43-86.indd 75
*
Werth allerADinge entwerthet, damit daß man eine ideale Welt
32: zerbrecht zerbrecht] > „zerbrecht, zerbrecht
15.05.15
W II 9
76 auch
Eben lese ich im J. des débats, daßAein Engländer in einer engl.
2
…
4
Zeitschrift einen Gesammt =Angriff auf W in ganzer Front gemacht hat. Der Red
6
bemerkt, man habe auf eine entschiedene Gegenbewegung gegen W. jetzt
8
Tag für Tag rechnen müssen. Nach dem, was mitgetheilt war, ist freilich
10
mein Angriff anderen Ranges – eher ein Dolchstich … Ich treffe die
12
verwundbare Stelle, ich kenne sie …
gefährlicher …
2.
14
.
während jeder ernsthafte Leser meiner Schriften wissen muß, daß ein Typus M
16
der mir nicht Ekel machen soll, gerade der Gegensatz =Typus zu den bisherigen
18
Ideal =Figuren der Mh. ist: ein Typus Cesare Borgia ist als ein Typus Christus.
eher noch
20
22
1
Sie haben Sich – Etwas, das ich nie verzeihe – aus meinem Begriff „Übermensch“ wieder einen „höheren Schwindel“ zurechtgemacht, Etwas
24
aus der Nachbarschaft von Sybillen u Propheten! Und wenn Sie
26
gar, in meiner Gegenwart, den ehrwürdigen Namen M A.
28
im Athem Einem Athem mit einer durch u durch unsauberen
30
u. falschen Creatur wie W. aussprechen, so erspare ich mir
32
u Ihnen das Wort für mein Gefühl dabei.
Sibylle
34
– Sie haben sich Ihr Lebenlang in Jedermann getäuscht, – nicht wenig Unheil,
36
auch in meinem Leben, geht darauf zurück, daß man Ihnen Vertrauen schenkt u.
38
daß Ihr Urtheil absolut vertrauensunwürdig ist
40
sich noch zwischen Wagner u Nietzsche – Und indem ich das sage, schäme ich mich, meinen Namen
2: J.] > Journal 4: Red] > Redakteur 12: sie] Vk 20: Sich] > sich 20: Begriff] ¿ 26: M A.] > Michel Angelo
W II 9b 43-86.indd 76
: zuletzt vergreifen Sie
36: darauf] Vk 38: ist] danach Tintenabdruck von S. 77
15.05.15
77
$
W II 9 Meysenbug Bleistift
Verstocktesten Naturen daß dieAVerschiedenstenAder Richtung u Begabung noch vor mir wurden ehrlich geworden sind –
Sie müssen wissen, daß ich seit Jahren eine Art Gewissensrath für deutsche
2
die Verschiedensten xxxxxxxxxxxx an mir ehrlich geworden sind
Musiker gewesen bin u. daß man vor mir Nichts verbirgt; insgleichen daß
4
ni
Componisten
ich den letzten klassischen Musiker, den es giebt, meinen Fr. Köselitz, der
6
Erziehung herkommt
aus meiner Philosophie u. Aesthetik gewachsen ist (– der in 18 Takten Besseres
8
ein
u. Höheres ausdrückt als W je hat empfinden können (– die Musik, die wir Beide lieben der beständig in einer hohen u gütigen Welt der Formen lebt, von der W. nicht gehört
einmal einmal geträumt hat –
10 12 14
zu,
ist in einer Welt zu Hause, in die
16
tr
ein
W. nicht einmal einen Schritt hinaus getreten ist) über W mit meiner Schrift aus
18
mit Schrift
ist … Ich spreche ein sehr verbreitetes, Urtheil aus, nicht, wie billig, ein Laien=
20
Urtheil.: ein Anderes ist es zuletzt, den Muth zu haben, öffentlich sich
24
zu einem solchen Urtheil zu bekennen. Jetzt, wo Kaiser u Reich aus der
26
22
freilich
Sache W s eine Ehrensache der Nation machen, compromittirt esAgründlich,
28
mehr,
den Handschuh aufzunehmen. Aber das ist ein Grund,Adafür, ihn aufzu-
30
nehmen … Als man sich in D. noch mit einer Fürsprache für W. com-
32
promittirte, hat es mir auch dazu nicht an Muth gefehlt (– Sie wissen
34
vielleicht nicht, was mich meine Wagnerei gekostet hat: meine Berufung
36
an deutsche Universitäten –) Aber ich habe seit Jahren grundsätzlich keinen
38
Schritt gethan, der für mich nicht schlechte Folgen gehabt hätte: das ist meine
40
Schule, meine Vorbereitung, wenn man will – wüßten Sie, wer ich
42
eigentlich bin, so wüßten Sie auch, wozu meine Vorbereitung …
44
1: Naturen] ¿ 1: Richtung] ? 2: deutsche] ¿ 5: Componisten] ¿ 8: gewachsen] ¿ 14: hohen u gütigen] Vk 16: Welt] Vk
W II 9b 43-86.indd 77
S
17: einmal einmal] > einmal 18: Schritt] Vk 18: getreten] Vk 19: meiner] Vk 30: dafür] Vk 42: wüßten Sie] Vk 44: Sie] Vk
15.05.15
W II 9
78
$
Meysenbug Bleistift
Verehrte Freundin, Haben Errathen Sie eigentlich errathen
h
2
i
4
„Todesurtheil über W“ „Exekution W“ überhaupt diese „Vernichtung W s“
immer
Sehen Sie,Averehrte Freundin,Anoch nicht, warum ich Ihnen diese „Vernichtung Wagners“ zu-
zugesandt habe
dafür
nie
A sandte? Ich wollte Ihnen einen Beweis mehr dafür{in die Hand geben, daß Sie weder ein Wort, von mir verstanden haben
6
noch einen Schritt m verstehen{. Die Gründe, warum ich vor 10 Jahren W. mit
8
Ekel den RückenA, – alle anständigen NaturenAmit mir – stehen in dieser Schrift öffentlich
kehrte
in meiner Nähe
maßvoll,
sind
so heiter
10
einfach in eine litterarische Form gebracht – so wohlwollend,Awie möglich, anbei
12
gesagt: denn ich hätte hart u. mit Verachtung reden. Ich halte alle
14
meine Hauptpfeile noch zurück … Dieser tiefe Mangel an Instinkt, an
können
behalten
Mangel
Freiheit 16
einen
Freiheit vor dem Unterschied von „wahr“ u. „falsch“, den ich dem modernen M. vorwerfe
s
18
vorwerfe – Sie sind ja selber ein extremer Fall davon, Sie, die sich
i
20
Ihr
nur
fast
sogar über Wagner,
Leben langAüber Jedermann getäuscht haben,Aum noch wieviel um wie viel
mehr über einen etwas sehr
schwierigeren Fall, über
denn
22
mehr überAmich!… Wogegen habe ichAin seit 18 Jahren gekämpft?
24
Gegen das die Verlogenheit um jeden Preis, gegen das „Nicht - sehen -wollen“
26
der Realität, kurz, gegen den „Idealism“ von Plato abA, der ein größerer
des „schönen Gefühls“
– bis Malvida:
Verhängniß
as
immer
scheint zu sein scheint
28
Fluch für die Mh. gewesenAist als irgend etwas Anderes, – selbst noch als
30
das Christenthum …
32
es mich berührt, es
Wie glauben Sie wohl, daß ichA empfinde, wenn ich aus meinem Begriff „Idealist“ kleinen
zurechtgemacht
34
wieder einen solchen „höheren Schwindel“ gemacht sehe, ein „Ideal“ aus der
36
Nachbarschaft von Sybillen u Propheten?… Jeder ernste Leser weiß aus
38
hundert Stellen meiner Schriften, wie ich mir einen höheren, wohlgerathenen
40
Typus M. vorstelle,Aals Instinkt=Gegner des „Ideals“, der „Moral“ oder
Heiligen“
unter Anderem aus Jenseits v G. u Böse“
u überhaupt
Arten
42
aller „höheren Lüge“, an der bisher die Mh. krank gewesen ist – ein
3: nie] Vk 4: dafür] Vk 4: Wort] Vk 5: haben] Vk 12: hart] Vk 12: halte] nach Korrektur des Kontextes > habe 14: tiefe] Vk 20: viel] Vk 21: schwierigeren] nach Korrektur des Kontextes > schwierigen
W II 9b 43-86.indd 78
22: über] danach Einfügungszeichen verlängert 31: berührt] Vk 32: empfinde] Vk 34: höheren] Vk 35: Heiligen] > „Heiligen 39: Jenseits] > „Jenseits 40: Einfügungszeichen verlängert 40: Moral] Vk 42: ist] Vk
15.05.15
79
ein Typus M., bei dem die Verachtung der Mh. nicht mehr jedenfalls
vielleicht
2
Christus
Cesare BorgiaAhundert Mal ähnlicher als einem „Idealisten“… Sobald
Sie müssen wissen, daß ich eine Art xxxxxxxxx u. „gutes Gewissen“ für d. Musiker bin u. daß niemand vor mir Etwas verbirgt –
Ein ander
W II 9
4
der „Schwindel“ Ws unzweideutig zu Tage kam, in den
6
ersten Heften der Bayr.-Blätter, schnitt ich den Verkehr ab: ich habe der schönst geb eine Fest
mit Widmung
8
mehr
auf die Zusendung eines prä schön gebundenen Parsifal = Exemplars{nichtAgeantwortet.
10
eines prächtigen schönen
vielleicht
Sie wissenAnicht, wie klug W. in Tr. gegen mich gewesen ist: er
12
spielte damals ganz vorzüglich den Atheisten – er wußte, in welchen
14
er hatte Etwas
Dingen ich keine Halbheit zulasse, es giebt in der „Geb. der T.
16
sehr harte Ausdrücke … verstanden …
18
Unter wirkl. Musikern giebt es übrigens gar keinen Zweifel über die Falschmünzerei u. Armut der Kunst
20
*
absolute Falschheit u. Verlogenheit der Kunst W s: ein Anderes ist es,
22
dies
den Muth zu haben, es öffentlich zu sagen. – jetzt, wo Kaiser
24
aus Bayreuth
u Reich“Aaus W eine nationale Ehrensache gemacht haben. Ich weiß sehr gut, wie
wie tief
Noch eine Gewißheit ist gerade die Überzeugung, wie sehr ich
mit meinem Angriffe
26
wieder ein= mich heute mal
28
aber das ist mir
mit m compromittire,Aein Grund, anzugreifen: als man sich in mit
30
der Fürsprache für W. compromittirte, habe ich auch dazu den Muth
32
vielleicht
gehabt (– Sie wissen nicht, was mich die W. gekostet hatt – meine agnerei
34
seit Jahren
Beförderung an deutsche Universitäten …) Ich thueAgrundsätzlich nicht
36
für mich
einen Schritt, der immer nicht schlechte Folgen hat – das gehört zu meiner Vorbereitung, um einmal – – –
errathen
dazu um als Vorbereitung, um – – – Ach Sie ahnen nicht, wer wer ich bin … ich eigentlich bin …
38
errathen nimmermehr, wer
40
42
44
46
N 12: Tr.] > Tribschen 15: Etwas] Vk 16: T.] > Tragödie“ 22: Anderes] ¿ 24: Kaiser] Vk, > „Kaiser 25: Wagner] ¿ 26: nationale] Vk
W II 9b 43-86.indd 79
28: Gewißheit] Durchstreichung? 28: heute] Vk 30: in] > in Deutschland 36: Beförderung] Vk 38: immer] ? 38: hat] Vk 44: d.] > deutsche
15.05.15
W II 9
80
$
Briefbd. III, S. 318. Bleistift
ich
Über die Wirkung des Tristan hätte ich auch bei mir Wunder zu erzählen. Ins-
2
4
gleichen daß eine tüchtige Dosis Seelen =Qual ein ausgezeichnetes Tonicum
6
vor einer W. Mahlzeit ist. Der alte Reichsgerichtsrath Dr Wiener gab
8
mir zu verstehen, auch eine Karlsbader Kur mache sehr für W em
diene zu gleichem Zweck dazu …
10
s b
pfänglich … Wir kamen überein, Sprachen-Unmensch
ich
Ach was Sie arbeitsam sind! Und ichAHyperboreer, der nicht
12
einmal 14
{dänisch versteht …
Sprachen = Idiot
6: W.] > Wagnerischen 14: Sprachen=] Vk
W II 9b 43-86.indd 80
15.05.15
81
W II 9
$
an G. Brandes, 20. Okt. 88 Bleistift
Wieder kam ein angenehmer Wind von Norden mit Ihrem Briefe: – zu-
2
der überhaupt ein Gesicht
letzt war es bisher der einzige Brief, der ein „gutes Gesicht“ zu meinem
4
Denn man schreibt mir nicht
meinem Attentat auf W machte. Ich habe meiner näheren Um Beziehungen einen allg. Schrecken im Kreise u. Nächsten hervorgebracht
6
8
mein alter
selbst meiner „Näheren“ gemacht: da ist zb. mein Freund, der
10
dortigen
Baron Seydlitz in München unglücklicherweise gerade Präsident des M Dr Förster
einer
Wagner Vereins; Mein Schwager{in Südamerika war der eifrigste –u
12
verehrenswürdige
14
in Versailles
Mitarbeiter der Bayreuther Blätter; meineAFreundin M v Meysenbug
16
noch immer
die Verf. der „Memoiren einer Idealistin“ verwechseltAW mit Michel
18
Angelo – .. Andererseits hat man mir zu verstehen gegeben, daß
20
ich nur vor den Wagnerianerinnen auf der Hut sein sollte: in gewissen
22
Fällen haben sie keine Skrupel … Vielleicht wehrt man sich, auf
24
reichsdeutsche u. „kaiserliche“ Manier, durch eine Interdiktion
26
meiner
der Schrift: „der Kaiser“ ist ja in diesem Falle Partei.: viel-
28
leicht versteht man den Satz „wir kennen alle den unästhe-
30
tischen Begriff des christlichen Junkers“ als Majestätsbelei-
32
digung …
34
Ihre Intervention zu Ehren der Wittwe Bizet hat mir großes
36
Vergnügen gemacht. Geben Sie mir die Adresse, vielleicht auch die
38
die
rus
w
Peters russische Adresse des Fürsten Usuroff. Ein Ex. an die
40
Fürstin Dmitrievna Ténicheff ist abgegangen
42
2: Wieder] ¿ 9: hervorgebracht] ¿ 12: des M] ¿ 18: Memoiren] ¿ 22: Wagnerianerinnen] Vk 24: Skrupel] ¿
W II 9b 43-86.indd 81
.. V
28: Kaiser] Vk 30: unästhe-] ¿ 40: Ex.] > Exemplar
15.05.15
W II 9
82
$
Meÿsenbug Bleistift
2
Sehen Sie, verehrte Freundin! Das kommt vom Id.! Sie haben sich über
4
Ihr ganzes Leben über Jedermann getäuscht – u.Anun mehr vergreifen Sie
6
sich zwischen W. u. Nietzsche – Und indem ich das schreibe
8
schäme ich, meinen Namen in sei eine so unsaubere Nachbarschaft
zuletzt
10
12
ere
gebracht zu haben …
Vergeben Sie mir, daß ich schmutzige decadents wie P Bourget, die sich als hundert Mal als
jene
species
14
solche bezeichnen u bekennen,A höher als dieAviel gefährlichste Natur der decadents,
16
die „Idealisten“
sympathischer finde
die „unbewußten“
2: Id.] > Idealismus 2: Sie haben] ¿ 8: ich] > ich mich 12: daß] ¿
W II 9b 43-86.indd 82
15.05.15
83
W II 9
$
Meysenbug Bleistift
innere Erregung Erbitterung
Wer an dieser ganzen bisherigen Misere ohne innere Erbitterung theilgenommen hat, kommt für mich nicht in Betracht: dazu muß man Idealist bisher
2
4
einen unerbittlichen Krieg bisher geführt habe gekämpft habe
b
sein wollen Etwas, wogegen ich mich mit Händen u Füßen wehre.
6
Unter wirkl. Musikern giebt es übrigens gar keinen Zweifel über
8
die absolute Falschheit u Falschmünzerei W’ s: zum Glück
10
bin ich Musiker von Instinkt, u. wenn Sie einen Begriff hätten,
12
mit welchem Ingrimm ich diese immer mehr um sich greifende Corruption
14
(– ich thue zuletzt Carmen Unrecht, wenn ich ihn mit einem W. vergleiche)
der Musik seit Jahren ansehe, so würden Sie mir dankbar
16
mir Glück dazu wünschen
sein, daß ich den Muth, hiergegen einmal meinen I meinen endlich einen meiner
18
öffentlich dagegen geschleudert habe.
Blitz der Verachtung zu schleudern … Ich leide seit Jahren
20
unser am Schicksal der er Musik wie an einer unerträglichen Wunde,
22
– u wie viele wahre Musiker mit mir! Bemerken Sie doch
24
daß noch nie mir Jemand in meinem Werthurtheil über W
26
ein Musiker
widersprochen hat!
Ein Anderes ist es, den Muth
28
zu haben, öffentlich gegen „Kaiser u Reich“, gegen die
30
deutsche „Verdummung“ aufzutreten ..
32
„Idealism“
5: in Ms nicht übereinander 18: hiergegen einmal meinen I] ?
W II 9b 43-86.indd 83
15.05.15
W II 9 Meÿsenbug Bleistift
84 . 2
haben ) 38
4
$
wahrscheinlich
wieder umsonst vielleicht ist es wieder umsonst noch einmal
Ich sage Ihnen noch ein Wort, vielleicht ist es das letzte. Im Grunde hätte ich Ihnen seit Jahren beweisen können, daß Sie nie ein Wort von mir verstanden haben wirklich
)
)
Die Verlogenheit um jeden Preis, das Nicht - sehen -Wollen der Realität
6
scheint ist
von Plato ab
8
kurz der „Idealismus“, der nach meiner Einsicht ein größerer Fluch der
10
Menschh. gewesen ist als irgend etwasA, als selbst das Christenthum ….
Anderes
auch nur
der Fall Ihres Ortes Sie haben nieAgeahnt, wogegen ich kämpfe.
12
mir
Haben Sie noch nie geahnt, wogegen ich kämpfe? – Daß Sie mir zuletzt
14
16
noch gar aus meinem Begriff „Übermensch“ einen „höheren Schwindel“ machen dürfen
18
ist geradezu klassisch zum Beweis der Unmöglichkeit, mich zu ver-
giebt einen vollgültigen Beweis dafür. Ich verstehe damit
22
stehen.AEine stärkere, wohlgerathene, zum Leben im höchsten Grade Instinkt Gegner Jasagende Art M., die, in anderen Zeiten als den unseren, auch dage-
24
wesen ist u. schlechterdings gewollt, gezüchtet werden muß:
20
) 30
Beweis 26
Cesare Borgia zb war ein solcher „Übermensch“ Und Sie
28
reden mir von Sybillen u Propheten
bei deren Anblick kurz M, um deren Willen man keine Gründe mehr hat, die Mh. zu verachten
21 )
des „Ideals“, der „Moral“, kurz der „höheren Lüge“ die
30
bisher die Mh. verdorben hat. krank gewesen ist – …
32
(zb von Jenseits v G u Böse)
mir
34
Die ernsten Leser meiner Schriften haben mich auch durchaus verstanden u. mir zb. erklärt,
36
ich hielte C. B. für einen solchen „Übermenschen“: das ist einfach wahr. –
daß
unzweideutig
4)
38
noch weniger einen Schritt. Als der „Schwindel“ W mir zu Tage kam,
40
durch die „Bayreuther Bl“, habe ich auf der Stelle ihm den Rücken gekehrt
42
: alle anständigen Naturen, die mir nahestehen, mit mir. Sie wissen nicht, wie
10: Menschh.] ¿ 12: Sie haben] ¿ 14: Daß Sie] aus unvollständiger Korrektur 30: Moral] ? 36: einfach] Vk 40: Bl] > Blätter
W II 9b 43-86.indd 84
)
40: ihm] Vk
15.05.15
85 )
umsonst.
$
VIII 166. Bleistift
Im Verkehr mit den Alten )
W II 9
2
gehört haben.
Zum Schluß ein Wort über jene Welt, zu der ich Zugänge gesucht,
4
der der vielleicht einen neuen Zugang gefunden habe – zur alten Welt. Mein
6
hat hier
Geschmack, der der Gegensatz eines duldsamen Geschmacks sein mag, weiß nicht so
8
leicht Ja zu sagen als er Nein sagt; am liebsten sagt er gar nichts
10
u. bleibt kalt. Das gilt von Culturen, das gilt von Büchern – das
12
gilt auch von Orten u Landschaften.
14
Ja
Was ich von den Alten verstand.
ist auch hier fern von jedem Gutheißen in Bausch u Bogen: er sagt nicht
Im Verkehr mit den Alten.
m
16
18
am liebsten
so leicht Ja als er Nein sagt, – er zieht
20
sagt er
es zuletzt, gar nichts zu sagen, still zu
22
bleiben.
24
Zum Schluß ein Wort über jene Welt, zu der ich Zugänge gesucht
26
zu der ich vielleicht einen neuen Zugang gefunden habe – die alte Welt.
28
Mein Geschmack, der der Gegensatz eines duldsamen Geschmacks sein mag, ist
30
auch hier fern davon, einfach Ja zu sagen: er sagt überhaupt nicht
32
Ja
gern{, lieber noch Nein, am allerliebsten gar nichts … Das gilt von
34
ganzen Culturen, das gilt von Büchern, – es gilt auch von Orten u.
36
Landschaften.
38
zb. meine G. der Trag. verräth es ihnen zur Genüge
Anhang. )
klug W in den
Geb. der Trag. um zu verstehen, wie ferne ich damals von
46 ) Geb.
40
irgend einer Zweideutigkeit in diesem P. war.
Tribschener gegen mich
Ecce homo.
keine Halbheit vertrage keinen er wußte, daß ich in gewissen Dingen
gewesen: damals spielte er offen den Atheisten – lesen Sie doch einmal meine
42 44
46
) 38
u. daß ich in diesen in welchen D. ich keine Halbheit omiß vertrage ich da keinen Compr vertrage
20-22,40-42: KGW VIII 24[9]
W II 9b 43-86.indd 85
6: der der] > zu der ich 8: weiß] Vk 14: Orten] Vk 22: zuletzt] > zuletzt vor 41: P.] > Punkte 44: Tribschener] >? Tribschener Tagen
46: offen] Vk
15.05.15
W II 9
86
$
Meysenbug Bleistift
2
n
Das sind keine Dinge, worin ich Widerspruch zulasse. Ich bin in Fragen
4
der décadence, die höchste Instanz, die es auf Erden giebt; die jetzigen M
6
in ihrer vollkommenen Instinkt =Entartung dürften sich glückl. schätzen, Jemanden zu haben
8
der ihnen einem schwierigeren Fall reinen Wein einschenkt. Daß dieser Hanswurst
10
verstanden hat, von sich den Gl zu erwecken, was Sie mit voller der wie Sie es mit verehrungswürdiger
12
14
Unschuld ausdrücken, der „letzte Ausdruck der schöpferischen Natur zu sein“
16
dazu bedarf es in der That des Genies – aber eines Genies der
18
Lüge .. Ich habe die Ehre, Etwas Anderes zu sein – ein
20
Genie der Wahrheit –
8: einem] nach Korrektur des Kontextes > in einem 8: schwierigeren] ? 10: Gl] > Glauben
W II 9b 43-86.indd 86
15.05.15
87
W II 9
$
Meysenbug Bleistift
Da sehen Sie, verehrte Freundin, was bei dem „Idealismus“ herauskommt! – Sich zwischen Wagner u. Nietzsche zu vergreifen!… Und
2
4
mich
indem ich das schreibe, schäme ich,Ameinen Namen in eine so unsaubere
6
Nachbarschaft gebracht zu haben. – Definition des Idealism: der Wille,
8
keinen
um keinen Preis die Wahrheit zu sehen … Anbei gesagt: mein Sohn Zarathustra wehrt sich mit Händen u Füßen dagegen,
10
12
aus aus
mit
daß aus seinem Begriff „Übermensch“ irgend ein „höherer Schwindel“ gemacht
14
wird. In seinem Sinne ist zb. Cesare Borgia ein Übermensch.
16
zb.
Und Sie behaupten, Etwas von mir verstanden zu haben!…
18
20
4: zu] Vk 8: Definition] Vk 8: Wille] Vk 10: zu] Vk 14: seinem] Vk
W II 9c 87-132.indd 87
15.05.15
W II 9
88
$
Over- Bleistift
2
Lege, wenn ich bitten darf, auch noch
4
die 500 frs.Abei der Handwerkerbank nieder
6
Ich muß jetzt mit allen Kräften Ökonomie
8
machen, um die ungeheuren Druckkosten der
d
4
von denen Du schreibst
10
nächsten 3 Jahre vorzubereiten. (Ich
12
nehme also an, daß die am Ende Sept
14
fälligen 1000 frs. jetzt ganz daselbst
16
niedergelegt sind. Ende Dezember werden
18
dann freilich die 500 frs sehr dringend
20
nöthig sein. –
deponirt
Übrigens hat „Margareth“ das Quartett
22
Die allerliebste („eine provencalische Hochzeit
26
K. schreibt ganz
betitelt u mir gewidmet) an ihren
entzückt über die Philharmonie - Concerte 28
den das
30
32
Kogel
u. den DirigentenA: er hofft da, seine Ouvertüre oder
seinen
Czárdás oder
„Pastorale Claude Lorrain“ aufzu-
sein
Lehrer de Ahna gegeben – jetzt, wo die Weiblein mitspielen, wird s schon *
*
24
Graf
gehen … Auch zuAHochberg hat man
führen. Beziehungen … Meine Bemühungen, den Löwen
34
36
s
38
bei der Menagerie Pollini anzubringen, sind mißglückt. Bülow hat
daraufhin von mir Aeinen sehr
energischen groben Brief von mir daraufhin bekommen. –
12: daß] ¿ 24: Hochzeit] > Hochzeit“ 29: hofft] Vk 32: man] ¿ 36: bei] ¿ 38: Einfügungszeichen verlängert
W II 9c 87-132.indd 88
38: groben] Vk
15.05.15
89
W II 9
$
beck? Bleistift
gute
Sehr schöne Nachrichten aus Kopenhagen: Eine Verbindung zwischen mir eingeleitet
große
e
soll
u der charmanten Wittwe Bizets hergestellt. Insgleichen hat der ein „wahres Genie“
2
ganz
4
eingenommen sein;
erste schwedische Schriftsteller August Strindberg für mich erklärt,
6
ebenso
auch einige Mitglieder der gesellschaftl. u geistigen Aristokratie in Berlin SW Lindenstr. 116. IV. l.
St. Petersburg.
8
10
inzwischen
Noch bessere Nachrichten von Köselitz, der unter sehr veränderten ge
hat
12
u hübschen Mädchen
Bedingungen{lebtA. Sonderbar! mit lauter Grafen u Gardelieutenants{ sich
14
hinter
u zwar als der „Siegreiche“, der mitten auf einemApommerschen
16
mit nur zu viel Erfolg um
Herrensitze die schöne zweite Tochter des Hauses, eine hat
18
jetzt
veritable „Carmen“ bemühtA… Zu diesem Zweck Übersiedelung
20
nach Berlin, wo die vornehme Familie, deren Gast er war,
22
einen Pallast besitzt. Diese Herren Musikanten! Natürlich
24
betet „Margareth“ eine gewisse Musik an u. geigt sie
26
u singt sie in die Wälder hinein … xxxxxxxxxxxxxxxx
28
xxxxxxxx … Jenes Liebesduett gehörte natürlich Niemandem anders
30
an. Die Beziehung geht auf Venedig zurück: sonderbar,
32
ü n
=Wildniß in Hinterpommern eine
der
in dem prachtvollen Wald =schloß giebt esAächte venetianische
34
Gondeln, u sogar bis vor Kurzem einen ächten venet.
36
Gondoliere, der aber jüngst gestorben ist. Nun haben sie
38
t,
zu dem Allen, auch noch „den Löwen von Venedig“
40
zu
42
…
sich zu Gemüthe
selbst
geführt –
4: hat] > hat sich 10: l.] > links 14: Gardelieutenants] ¿ 16: auf] Vk 26: gewisse] Vk 33: in Ms nicht übereinander
W II 9c 87-132.indd 89
15.05.15
W II 9
90
$
Turin, ca. 16. Okt. 1888. Bleistift
$
Overbeck? Bleistift
Hand,
1-3: Randanstreichung links, Rotstift 2
Ich machte gestern, mit Deinem Brief in der Tasche meinen gewohnten Nachmittags-
4
Spaziergang außerhalb Turins u. dachte Viel unterwegs an Dich. Reinstes Oktober=
6
Licht überall: der herrliche Baumweg, der mich etwa eine Stunde dicht dicht
8
am Po entlang, führt, vom Herbste noch kaum berührt. Ich bin jetzt der
10
dankbarste M von der Welt: denn Alles geräth mir, obwohl schwerlich
12
Jemand schon so große Dinge unter den Händen gehabt hat. Daß das erste
14
Buch der Umwerthung der Werthe fertig ist, druckfertig, dies melde ich
16
Dir mit einem Gefühle, für das ich keine Worte habe. Es sind 4 Bücher:
18
sie erscheinen einzeln. Dies Mal führe ich, als alter Artillerist, mein großes
20
Geschütz vor: ich fürchte, ich schieße die Geschichte der Mh. in zwei
22
Hälften aus einander … Mit jener Schrift, von der schon in meinem
24
letzten Brief eine Andeutung machte, geht der Druck alsbald zu Ende.
26
Dein Citat aus Mensch. kam vollkommen zur rechten Zeit, um einge
28
schrieben zu werden. Sie ist bereits eine hundertfältige Kriegserklärung mit
30
einem fernen Donner im Gebirge: im Vordergrund viel „Lustiges“ von
32
der Art meiner bedingten Lustigkeit … Man kann sich zum
34
Erstaunen leicht mit dieser Schrift über meinen Grad von Heterodoxie
36
aufklären, die in der That keinen Stein auf dem anderen ge-
38
lassen. Gegen die Deutschen gehe ich darin in ganzer Front
40
vor: Du wirst Dich nicht über „Zweideutigkeit“ zu beklagen haben
42
Diese unverantwortliche Rasse, die in allen entscheidenden Momenten
e, in
die alle großen malheurs in der Cultur auf dem Gewissen hat, die
4: Oktober=] Vk 6: dicht dicht] > dicht 12: schon so] ¿ 12: unter] Vk 22: der] > der ich 27-28: hundertfäche] nach unvollständiger Korrektur > hundertfache
W II 9c 87-132.indd 90
)
che
der Geschichte
36: in der] ¿ 42: unverantwortliche] ¿ 43: in Ms nicht übereinander 43: malheurs] ¿
15.05.15
91
Größte Klugheit: eine große Bestimmung so wenig wie möglich in das Bewußtsein dringen lassen, – gegen sie die Scham bewahren
sich gegen sie durch Bescheidenheit, Muthwillen, Raffinement des Geschmacks, selbst durch seine Krankheiten u. Schwäche = Zeiten
2
4
6
8
gleichsam verstecken …
10
man muß nur ihre Gebote thun, nicht wissen wollen,
12
was sie ist, wann sie befiehlt …
W II 9
14
man muß keine Worte, keine Formeln, keine Attitüden für sich
16
verstehen
sie haben, – man muß leiden, ohne zu wissen, man muß
18
sich darin
das Beste thun, ohne es{zu verstehen –
20
(– des Einzigen der aus Europa eine polit. Einheit hätte
Vademecum.
22
schaffen können.) Von
Aus der Vernunft meines Lebens.
24
)
hat
etwas Anderes im Kopfe – die Reformation zur Zeit der Renaissance,
26
(dem Einzigen der
die „Freiheits =Kriege“ beim Erscheinen Napoleons, Kantische Philo-
28
sophie, als eine wissenschaftl. Denkweise in England u. Frankreich
30
mit Mühe durchgesetzt war – hat heute das „Reich“ im
32
Kopfe, in einem Augenblick, wo die große Werthfrage zum
34
ersten Mal gestellt wird …
36
(– diese Rekrudescenz der Kleinstaaterei Europas –)
2-20: KGW VIII 24[7] 22-24: KGW VIII 24[8]
W II 9c 87-132.indd 91
14: wann] Vk 21-23: Hinzufügung zu Z. 28 28: Napoleons] Hinzufügung Z. 21-23 32: Reich“] Hinzufügung Z. 36-37 36-37: Hinzufügung zu Z. 32
15.05.15
W II 9
92
$
Ecce Bleistift
gewiß
*
i
2
Man hat Ruhe vor mir, ich werde keine heißt bei mir
neuen Götzen aufrichten: „Götze“ nenne ich
4
jedes Ideal.
6
32 )
v
8
Vielleicht
auch, was mir wichtiger wäre
a
10
daß Andere in meinem „ecce homo“
daß Andere in meinem „Ecce homo“
12
einen Grund mehr fänden, über
einen Grund mehr fänden, über sich
14
„den Menschen“ nachzudenken –
nachzudenken, was bei ihnen „der
16
u ob nicht der wirkliche M.
Mensch“ ist, was er sein könnte …
18
hundert Mal mehr werth ist
20
als ein bloß idealer Mensch …
„den Menschen“
sehr viel
u ob ob der wirkliche M. nicht mehr Werth ist als jeder bloß ideale Mensch.
zu sagen: Hört mich! denn ich bin der u der.
22
Verwechselt mich vor Allem nicht! – Ich bin zum
26
zum Beispiel durchaus kein Popanz, kein „„Moralist“.“ Das
28
Letzte, was ich versprechen würde, wäre die Menschheit
30
zu „verbessern“… Vielleicht daß es mir gelingt, das
32
auf eine menschenfreundliche Weise zu sagen; vielleichtA, daß Andere
*
24
auch, was mir wichtiger wäre
sagen ) 8
in in meinem „ecce homo“
bei ihnen der Mensch ich
36
mehr
fänden
bei dem, was ich von mir erzähle, einen Grund{haben, über sich selber
34
er
nachzudenken – was sie thun sollten – was sie sein könnten …
14: der] Vk 16: Mensch“] Vk 18: ob ob] > ob 20: idealer] Vk 24-26: zum zum] > zum 35: ich] > ist
W II 9c 87-132.indd 92
15.05.15
93
W II 9
meines
Die Klugheit des Instinkts besteht darin, die eigentlichen Nothstände u Gefahren für mich als solche zu fühlen
4
insgleichen die Mittel zu errathen, mit denen man ihnen aus
6
dem Wege geht oder sie zu seinem Vortheile ein-
10
herum organisirt.
12
14
mit der Krankheit
16
mit dem Zufall von Herkunft, Bildung, Gesell-
18
schaft …
20
mit der großen erdrückenden Verantwortlichkeit
22
mit der Vielheit der Bedingungen seiner Aufgabe
24
Verwechselt mich vor Allem nicht!“..
(– welche Isolation brauchen
26
zum Beispiel
Zum: Beispiel: Ich bin durchaus kein Popanz, kein Moralist. Das Letzte was ich versprechen würde, wäre die Menschheit zu „verbessern“…
W II 9c 87-132.indd 93
8
ordnet u. gleichsam um eine höhere Absicht
Der Kampf mit der Vereinsamung
2-26: KGW VIII 24[6]
2
28
.
i
30
28: Popanz] Vk
15.05.15
W II 9
94 (oder Großstadt!) beständig vom Leibe zu halten.
Wenn man verurtheilt ist zur Vereinsamung, so will die Klugheit des Instinkts, daß man
2
4
nicht daran leidet, – daß man sich auch nicht im Gegensatz =Gefühl u. beständiger Defensive
6
verarmt. Denn, Alles wohl erwogen, sind es die beständigen kleinen Ausgaben von Kraft, die
8
eine Natur arm machen: die gemeinhin übersehene, weggerechnete Ausgabe, die sich
10
zum Beispiel in der Nothwendigkeit liegt, eine Umgebung, eine Gesellschafts = Moral, Klein eine ganze Stadt gleichsam vom Leibe zu halten
zur Wehr zu setzen
16
selbst die verstörenden Einflüsse eines häßlichen Gesichts, eines häßlichen Wohnraums,{ Aus seinem Hause heraustreten u. eines häßlichen Wetters deutschen Kleinstadt beständig zu überwinden, gar nicht Jegliches, Gebärden, Gesichter, Geräusche, Gerüche zu sich im an sich herankommen lassen.
18
Widerspruch finden u. entschlossen, wie ein Igel, sich verbarrikadiren gegen
20
alle Art Ausflüsse u. Einflüsse aus jener widrigen Welt: das ist kostspielig,
22
das macht auf die DauerAschwindsüchtigA, man mag noch so reich
12
14
(wie es mir in Deutschland geht)
fremden
würde
auch die vollste Börse
machen
ich immer
26
sein … Nicht die „Versuchungen“ sind es, denen man aus dem Wege gegangen bin umgekehrt dem, was uns nicht „versuc ht“, dem, was uns zu gehen hat, sondern den „Nicht=Versuchungen“
28
nichts angeht, nicht in uns hineingeht, nicht uns locken u. reizen
30
darf
32
Gleichgültigen …
24
gerade uns
dem Widrigen, dem Reizlosen, dem Verstörenden, dem Ewigwird
dies
Vielleicht ist es mir gelungen, das auf
34
sagen
eine menschenfreundliche Weise zu thun –
36
38
werthvoller
geht ist Anderen bei dem, was ich von mir erzählte
vielleicht auch, was ich noch mehr mir wichtiger
sagte, aufgegangen, was sie selber
scheint, habe ich Andere gelehrt, indem ich von
ist es Anderen
40
sein könnten 42
ist es Anderen bei dem was ich von
1: zu Zeile 11 12: Wohnraums] ? 15: Gesichter] Vk 20: kostspielig] Vk 28: locken] ? 30: Reizlosen] Vk
W II 9c 87-132.indd 94
mir sprach, was sie selber sein könnten …
thun sollten, – was sie selber sein könnten …
39: mir] Vk 40: Andere] Vk 40: von] Vk
15.05.15
95
W II 9
$
Ecce Bleistift
der Voraussicht, Anbetracht Erwägung
Vorwort.
In Anbetracht, daß ich über Kurzem mit der schwersten Forderung an muß
gestellt
war
2
schien
die Menschheit herantreten will, die je an sie gemacht wurde, scheint es mir
4
meinen Freunden
unerläßlichAzu sagen, wer ich bin. Im Grunde dürfte mans wissen:
6
denn ich habe mich nicht „unbezeugt gelassen“. Das Mißverhältniß aber
8
ieses
besteht
das
zwischen der Größe meiner Aufgabe u der Kleinheit meiner Zeitgenossen{ist darin
10
zum Ausdruck gekommen, daß man mich weder gehört, noch auch nur
12
vielleicht
gesehen hat … Ich lebe auf meinen eigenen Credit hin: es istA
14
bloß nur
Vorurtheil
bloß ein Vorurtheil, daß ich lebe?… Ich brauche nur einen Gelehrten
16
irgend„Gebildeten“, der nach Sils-Maria kommt kommt der den Sommer über nach ins Oberengadin kommt Aeinen
der Berliner Universität zu sprechen umAmich zu überzeugen, daß ich zu sprechen
giebt
18
Pflicht
nicht lebe … Unter solchen Umständen giebt es eine Pflicht, gegen
20
noch mehr der Stolz meiner
die im Grunde alle meine Gewohnheiten, meine sehr stolzen Instinkte
22
denn
revoltirt
revoltiren, zu sagen: „Hört mich!! ich bin der u der“…“ ist es mir gelungen daß gelingt
24
einer möglichst leidlich
Vielleicht{gelingt es mirA, dies in der humansten einer menschenfreundlichen sagen
mein Loos
26
selber damit
Weise zu thun! – u gegen mich selber, gegen mein LebenAmeine tiefe
28
Schuld der Dankbarkeit abzutragen …
30
zu sprechen den der im{Sommer ins Oberengadin kommt, zu sprechen, wichtiger
damit
das
Loos
das mich auszeichnet, gegen mein Leben, das eine große Vernunft ist einen ist, bescheidenen Ausdruck der Dankbarkeit zu finden tiefe Schuld der Dankbarkeit abzutragen – tiefe meine Schuld
mein
34
36
Dankbarkeit abzutragen …
38
2: der schwersten] Vk 8: Mißverhältniß] ¿ 18: Universität] ¿ 21: mehr] Vk 21: meiner] Vk 25: in Ms nicht übereinander
W II 9c 87-132.indd 95
32
damit meine Schuld tiefer der
der Dankbarkeit abzutragen.
?
damit
vielleicht auch, was mir mehr Werth ist,Agegen
meine meine
:
40
28: tiefe] ¿ 31: zu Zeile 17-19 32: Einfügungszeichen verlängert
15.05.15
W II 9
96 Rach - u.
2 4 6
8
10
12
ein
Wer den Ernst kennt, mit dem meine Philos. das Problem der Nach - u Rachgefühle behandelte, wird verstehen, weshalb ich meine persönl. Verhältnisse dabei klären muß Das Ress. aus der Schwäche geboren, Niemandem schädlicher als dem Schwachen selber: im Anderen Fall, wo eine reiche Natur die Voraussetzung, ein überflüssiges Gefühl, ein Gefühl, über das Herrz zu bleiben, beinahe der Beweis des Reichthums ist In den Zeiten der dec. verbot ich sie mir als schädlich; in Zeiten, wo
14
das Leben reich u stolz genug, verbot ich sie mir als unter mir. xxxxxxxxxxxx
16
xxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxx von Affekten abschaffen dürfte: zum
18
Vortheil derer, die am schlimmsten darunter leiden, der Schwachen …
20
Ich sage ein Wort über meinen Geschmack, der der Gegensatz eines deutschen
22
Geschmacks ist. Das gilt von Zeiten, das gilt von Büchern, – das gilt von Orten
24
u. Landschaften. Eine kleine deutsche Stadt riecht wie eine Unverdaulichkeit: die
26
Gr deutsche Großstadt, das „gebaute Laster“, wo Alles eingeschleppt, nachgemacht, falsch
28
gemacht ist, jagt mich in die
30
Flucht. Ich habe keine Lust, mich
32
in Defensiv =Ausgaben gegen Alles u Jedes zu verschwenden: Igel zu sein ist kein Ideal.A–
34
Aber auch im Verkehr mit Büchern
Die
nach
das
Dyspepsie
eingeschleppt
noch in der selbst das Wort Mittelkeit zum Euphemism wird
*
Mediokrität für mich!
D
erquickt
aus
Von Franzosen erquickt mich wie eine Art Blutsverwandtschaft die Art Montaignes: wie eine
38
Art Sensibilitäts = Verwandtschaft die Art Stendhals. Von Engländern war ich als Knabe
In psychologicis
,
schon
allen englischen B vorzuziehen unter
40
bereits verführt ganz zu den Tristram Shandy vorzuziehen, von deutschen Büchern Lichtenberg: von
6: Ress.] > Ressentiment 12: dec.] > décadence 20: deutschen] Vk 24: Stadt] ¿, Hinzufügung Z. 29 29: Hinzufügungszeichen zu Z. 24 29: Mittelkeit] > Mittelmäßigkeit
W II 9c 87-132.indd 96
aus einer
Stil u Gebärde
36
)
38: Sensibilitäts=Verwandtschaft] ¿ 39: in Ms nicht übereinander
15.05.15
97
W II 9
es fehlt alle Sauberkeit in
Probleme es fehlen die reinen
das Fehlen reiner Probleme Alles ist Mischmasch,
reinen
Typen u Probleme. – Der Spiegel.
4
Es fehlen die reinen Typen u
achtzehntes Jhd, „Zufall“, decadence der Cultur –
2
6
reinen Es ist Alles Cultur=
8
u. gemischt, décadence,
e a
10
achtzehntes Jahrhundert, „Zufall“:
– die Probleme, wie die
12
Faust zu schaffen habe
Typen
14
Versuch
ein Philosoph mit dem
16
einer Selbstschilderung.
was Einer aus dem Faust
18
44 )
20
–
Selbstabschilderung.
zu lernen habe. Weder Faust, noch Mephistopheles
Von
22
sind Typen: es gehörte Bildung, tiefste Kenntniß Friedrich Nietzsche.
24
des 18 Jhd dazu, um
Den D. fehlt jedwedes Buch, das sich an raffinirter
sie zu verstehen 26
Geistigkeit u. Güte mit Em Essays vergleichen ließe: sie D. sind zu sehr
28
Idealist dazu.
30
Von Goethe ist mein Eindruck durch die allererste Berührung
32
mir schon ein für alle Mal bestimmt gewesen: die „Löwen - Novelle“ entschied im Genießen u. im Sehen
34
heißt
– diese verklärt =reine holde Herbstlichkeit desAGlücks u. Blicks – das heißt bei eben
36
dieses
mir Goethisch. Ich habe später den Nachsommer Stifters, wegen des Goethischen herausgenommen. Faust – aus Herbst =Farbentons der ganzen Litteratur nach Goethe allein gemocht
38
40
für den, der den Erdgeruch der deutschen Sprache zu riechen weiß
das ist für die Heimlichkeiten meines deutschen Sprachgefühls ein Genuß ohne Gleichen: als
42
bloß ein Stück von
Dichtung einAStückwerk, als Philosophie nicht einmal eine Halbheit. Ich begriff nie,
44
) 19
Zufall von
möchte
)
Amerikanern Emerson nicht unerwähnt lassen, der mir in der Heiterkeit verwandt ist.
11-24: KGW VIII 24[5]
W II 9c 87-132.indd 97
28: sie] > die 30: Idealist] ¿ 34: mir schon] ? 34: entschied] ¿ 36: Blicks] ¿ 40: Herbst=] Vk
46
42: Heimlichkeiten] Vk 45: möchte] > ich möchte 46: unerwähnt] ?
15.05.15
W II 9
98
3.
nämlich
auch hier wieder
auch hier wieder
ZuletztArathe ich immer wieder den Deutschen, sich vor den Franzosen zu schämen: wer von ihnen wäre
2
4
denn im Stande, eine solche geistreich heitere u liebenswürdige Musik zu machen wie zb
6
Audrans Mascotte? eine Musik ohne Zoten, meine Herren Wiener?… Mit welchem
8
Ekel bin ich vor der gebildeten Gemeinheit des „Zigeunerbaron“ davongelaufen! Ich will
zuletzt
gegen
. 10
nicht unbillig sein lassen diese Oper hat, mit Verlaub, nichts Wienerisches an sich. Viel
aber
viel
Boccaccio noch gelten: eine gewisse südländische, in diesem Fall dalmatinische viel Ihre
ist
erst es erst sehr viel
12
Anmuth u. Sicherheit des Gefühls, viel Derbes u Naives, wie es nicht in Deutschland
14
wächst südlicher wächst.
lauter gute Dinge, die erst sehr viel südlicher wachsen, zum Beispiel in Dalmatien …
16 18 20 22
24
Den Deutschen verdanke ich im Grunde nur Hemmungen: ein kurzer Aufenthalt an einer d. Universität bezahlt sich bei mir mit Müdigkeit, wie in der Nähe eines Sumpfes. Das Problem.
das Wort „Mittelmäßigkeit“ selbst zum Euphemismus wurde: die große
28
deutsche Großstadt, Berlin zb ist ein gebautes Laster, – etwas
30
vollkommen Falsches u Importirtes.
34
36 38
v. 3.
Die deutsche Kleinstadt erinnert an kleine, sehr kleine Menschen, unter denen
26
32
Den D. verdanke ich im Grunde nur Hemmungen: ein kurzer Aufenthalt an einer deutschen U. bezahlt sich bei mir mit Müdigkeit, wie in der Nähe eines Sumpfes. Jede Reise nach D. war für m ein Entschluß: ich hatte Gründe mich mit einem naturwissenschaftl. Reime zu stärken, zum Beispiel
9: in Ms nicht übereinander 10: dalmatinische] Vk 14: gute] Vk 15: südlicher] Vk mit Bleistift 24: Kleinstadt] ¿ 28: Laster] ¿
W II 9c 87-132.indd 98
Schluss
)
30: Falsches] ¿ 34: deutschen] ¿ 38: naturwissenschaftl.] ¿
15.05.15
99
zuletzt nur anstößig ist bloß mit Verlaub bloß
anbei gesagt
2.
W II 9
der Deutschen selber
Die Gemeinheit, die Deutsche an Offenbach findet, istAim Geschmack der Deutschen.
2
auch noch
deutscher Theater an Offenbach. Aber südländisch Wenn man nicht esprit in jedem
4
in den
Knöchel hat, hat man kein Recht auf Offenbach, – man transponirt ihn in eine deu Wiener Zote. wenn man
6
transponirt
unfreiwillig in eine ins „Deutsche“.
8
die Bosheit nichtAaus göttliche
in jeder Fußzehe
Laune in der Bosheit fühlt. Auch
10
ne eine
dort wird er langweilig.
in Italien ist man außer Stande, Offenbach zu spielen:Adie artigsten
12
keinem Muskel erlaubt
still
Weiberchen stehenAherum u. wissen nicht, daß esprit nicht einen Augenblick
14
keinem Bein nicht einmal der Zeit geschweige den Weiberchen
stehen
erlaubt still zu stehen. Auch Carmen fand ich in deutscher Aufführung
erlaubt still zu stehen vulgarisirt heruntergezogen – ins Deutsche, mit Verlaub.
unerträglich trivialisirt; der Typus Carmen selbst Auch sagte man mir
n 16
18
a
Dresdner
A unverhohlen, von Süden könne ja gar nicht die Rede sein, das dem letzten Musiker, der nichts Anderes sein wollte als was er war
sei völlig unarabisch. – 1.
20
– ein genialer Buffo, im Grunde der letzte Musiker, der noch
Ich möchte aber dasselbe auch von Offenbach behaupten: es ist Pariser Genie als
24
armselig,
als
selbst, was bei ihm Musik wurde, – uAwas für eine Musik! Wie unbeMusik wie gemacht gemacht gabt, ist WagnersAgegen
22
seinen
arbiträr,
Offenbach, gar nicht zu reden von dem Ver-
26
28
sein
suchen Ws witzig zu wollen … Die unsterbliche Erfindung war nicht einmal ein schlechter Witz …
30
Musik machte
Beckmessers gehört in die ist selber
32
– und nicht
witzig! Wagner, dieser Beckmesser des Humors!…
Litteratur …
34
Wagners Witz!…
)
um das Rhinozeros zu sehn
36
beschloß ich, nach Berlin zu geh’ n …
38
2: die] > die der 2: ist] danach Einfügungszeichen zweimal verlängert 2: im Geschmack] ? 6: Knöchel] ? 7: unfreiwillig] ? 8: in] Vk 8: Zote] Vk
W II 9c 87-132.indd 99
17: in Ms nicht übereinander 18: man mir] nach Korrektur des Kontextes > mir ein 19: Dresdner] ¿ 30: Erfindung] ¿ 34: Beckmesser] Vk mit Bleistift 34: Humors] Vk
15.05.15
W II 9
100
2
Der größte Neinsager, den es gegeben hat, wird Herr über das Gegensatz=
4
Gefühl, trägt nicht mehr an seiner Aufgabe, – leidet nicht mehr an
6
dem, was unter ihm ist
8
10
sondern vollzieht aus einer Mysterien Heimlichkeit heraus seine Worte u. seinen Sinn – ein Wort, das nie Wort der Vernunft ist
12
die Höhe der Seele, nicht durch die Vernunft getrübt
14
das ist das Credo der dionysischen Kraft …
16
Das psychol. Problem ist: wie, der der in neuem Sinn u Maaß Nein
18
sagt zu Allem, wozu man bisher Ja sagte, trotzdem der
20
Gegensatz eines verneinenden Geistes ist? wie der, welcher das
22
schwerste von Schicksal von Aufgabe tragende Geist trotzdem
24
der leichteste u jenseitigste ist; wie der, welcher
26
die härteste, die furchtbarste Einsicht in die Realität
28
in ins den Charakter der Realität einen Grund mehr findet
30
das Dasein zu bejahen – ein ewiges Ja zu allen
32
Dingen zu sein.
sein kann
,
sein kann
selbst
34
Aber das ist der Begriff des Dionysos selbst
8: Mysterien Heimlichkeit] ? 16: wie, der] > wie der, 20-22: der, welcher das schwerste] > der das Schwerste 28: Realität] > Realität hat,
W II 9c 87-132.indd 100
15.05.15
101
Man hört, man sucht nicht; man nimmt, man
W II 9
2
fragt
auf
weiß nicht, was da giebt; wie ein Blitz leuchtet ein Gedanke
4
ein Geschenk
in Einem, mit Nothwendigkeit, in seiner Form ohne Zögern, ganz
6
–
8
Eine
Entzückung, bei der der Schritt unwillkürlich bald stürmt,
Die
auf
die
deren
bald langsam wird; bei der eine ungeheure Spannung mitunter sich in
10
eine
– ich habe nie die Wahl gehabt. –
einen Thränenfluß auslöst
12 14
ein vollkommenes Außer - sich -sein mit dem distinktesten Bewußtsein
16
einer Unzahl feiner Schauder u. innerer Erzitterungen
18
Überrieselungen bis in die Fußzehen
,
20
Eine Glückstiefe, in der das Schmerzlichste u Düsterste nicht als
22
Gegensatz wirkt, sondern wie bedingt, wie herausgefordert, wie
24
s d
eine
über als nothwendige Farbe in einem solchen Licht = Überfluß ein Instinkt rhythmischer Verhältnisse, der weite
26
28
Räume von Formen überspannt: die Länge, das Bedürfniß an
30
einem weitgespannten Rhythmus ist beinahe das Maaß für die
32
deren
Gewalt der Inspiration, – eine Art Ausgleich gegen diese
34
Gewalt u. Spannung … Alles geschieht im höchsten Grade unfrei-
36
einem
xxxxxxxxxxxxxxx
innerer
willig – aber mit dem unbedingten Gefühl der Freiheit, des
38
Ja -thuns, des Unbedingt= Seins
40
brausenden Sturm von
wie in einem Sturme von Freiheit, von
stur
Unbedingt= Sein, von Macht, von Göttlichkeit
5: Geschenk] Vk 16: Außer-] ¿ 24: Gegensatz] ¿ 30: an] > nach
W II 9c 87-132.indd 101
15.05.15
W II 9
102
würde man
2
Mit dem geringsten Rest von Aberglauben in sich scheint mir in der That Incarnation, nur
4
die Vorstellung, daß man nur Werkzeug, nur Mundstück, wieder ein
6
medium übermächtiger Gewalten ist, kaum abweisbar: der Begriff
zu
können
10
„Offenbarung“ in dem Sinn, daß plötzlich, mit einer unsäglichen ohne daß irgend ein Sicherheit u. Feinheit, Etwas sichtbar, hörbar wird, Einem geschenkt
12
wird, ist einfach exakt.
8
Wunsch, Wille,
14
dadurch bis in daß man erschüttert ist, ohne
16
Etwas, das
18
seine untersten Instinkte
Einen erschüttert u umwirft bis in die
20
beschreibt 22
24
{ist einfach der
letzten
Thatbestand.
4: wieder ein] ? 5: zu] > zu sein 6: abweisbar] nach Korrektur des Kontextes > abweisen 16: daß] ¿
W II 9c 87-132.indd 102
15.05.15
103
Fridericus Nietzsche
2
de vita sua.
4
Ins Deutsche übersetzt.
6
W II 9
KGW VIII 24[4]
W II 9c 87-132.indd 103
15.05.15
W II 9
104
Ecce homo.
2
Erste Aufzeichnungen
4
eines Vielfachen.
6
KGW VIII 24[3]
W II 9c 87-132.indd 104
8
1.
Der Psycholog redet.
10
2.
Der Philolog redet.
12
3.
Der Dichter redet.
14
4.
Der Musikant redet.
16
5.
Der Schriftsteller redet.
18
6.
Der Erzieher redet.
4: Aufzeichnungen] Vk 6: Vielfachen] Vk 10: Philolog] Vk
15.05.15
105
Der physiol. Widerspruch.
2
Vom Verbrecher.
4
Was ich den Alten verdanke.
6
Philologie.
8
Musik
xxx
KGW VIII 24[2]
W II 9c 87-132.indd 105
W II 9
10
die Bücher charakterisirt.
12
In media vita.
14
Aufzeichnungen eines
16
Dankbaren.
18
Von
20
F. N.
22
8: Philologie] ¿
15.05.15
W II 9
106
109,44 )
2
oder Landschaften verkehrt: er ehrt, indem er wählt, indem er zuläßt,
g
4
indem er vertraut. Er reagirt auf alle Art Reize langsam, mit
6
jener Langsamkeit, die eine lange Vorsicht u ein gewollter Stolz ihm
8
eingezüchtet haben, – er prüft den Reiz, der herankommt, er ist fern
25 )
10
davon, ihm entgegenzukommen. Er glaubt weder an „Unglück“, noch an
12
„Schuld“: er ist stark genug, daß ihm Alles zum Besten gereichen
14
muß. – Wohlan, ich bin das Gegenstück eines decadent: denn ich
16
beschrieb eben mich. –
18
20
22
24
2.
: ich bin andererseits vielleicht mehr deutsch als die jetzigen Deutschen
Waffen u Wehr - Instinkt.
die Reichsdeutschen es noch sind.
Langeweile.
Diese doppelte Reihe von Erfahrungen, diese
Zugänglichkeit zu anscheinend getrennten Welten wiederholt sich in meiner Natur in jeder Hinsicht. Meine Abkunft erlaubt mir, 3. jenseitsjeder einen Blick der bloß national bedingten Perspektiven: ich
bin ein „guter Europäer“ nicht
* Ich habe viel milit. Instinkte im
nur dem Willen, sondern dem Instinkt nach
) 17
Man hält mich für einen Deutschen: Zum Mindesten bin ich kein Jude selber trotzdem ich bin es auch.
26
28
lib. veto.
– Bin ich eigentlich ein D.? Meine Vorfahren waren poln. Edelleute; u wenn ich denke, wie oft ich unterwegs schon als Pole angeredet worden bin, von Polen selber, so *
30
Leibe, vielleicht sogar das
Meine Mutter ist jedenfalls etwas sehr Deutsches; insgleichen Erdmuthe Krause
scheint es, daß ich vielleicht nur deutsch angesprenkelt bin. Meine Großmutter väterlicher
Seite
jedenfalls
,
2-16: KGW VIII 24[1] 444,4-12
W II 9c 87-132.indd 106
32
Seits warAetwas sehr Deutsches: sie gehörte in die gute alte Zeit Weimars, ihr Bruder
34
der Prof. der Theol. Krause in Königsberg, wurde später Generalsuperintendent von Weimar.
36
Es ist nicht unmöglich, daß ihre Mutter in dem Goetheschen Jahr Tagebuche unter dem
38
Namen „Muthgen“ vorkommt. – Sie war zum zweiten Mal mit dem Superin. Nietzsche in
40
Eilenburg verheirathet: an dem Tage des großen Kriegsjahrs 1813, wo Napoleon mit
4: reagirt] ¿ 6: Langsamkeit] Vk 25: lib.] > liberum 29: in Ms nicht übereinander 30: väterlicher] danach Einfügungszeichen mit Bleistift verlängert 34: Generalsuperintendent] ¿
15.05.15
107
W II 9
seinem Generalstab in Eilenburg einzog, am 10 Okt., hatte sie ihre Nieder
2
kunft. Sie war, als Sächsin, eine große Bewunderin Verehrerin Napoleons: viel-
4
leicht bin ich s auch. Mein Vater, 1813 geboren, starb 1849. Er lebte
6
–
als junger Theolog, ein bevor ich das Pfarramt der Gemeinde Röcken auf dem bei
8
L
Lützen übernahm, einige Jahre auf dem Altenburger Schlosse u. unterrichtete
10
die 4 Prinzessen daselbst. Seine Schülerinnen sind die Königin von Hannover, die
12
Großfürstin Therese, die Hroßherzogin v Sachsen-Altenburg u die in Altenburg
14
u.
er litt unsäglich am Jahre 1848
lebende Prinzeß Therese. Er war ein großer Verehrer Fr W des vierten{:
16
Hohenzollern=
ich selbst, an dessen Geburtstage geboren, trage den königlich preußischen Einen
18
,
hatte jedenfalls
Namen: Friedr Wilhelm. Ein Vortheil war die Wahl dieses Tages: mein Geburtstag
20
war immer ein Festtag. – Ich betrachte es als ein großes Vorrecht, einen solchen
22
– es erklärt mir jede andere Art Vorrecht, das ich habe Absicht . Vor allem, daß
Vater gehabt zu haben. Es gehört für mich nicht Wille, sondern bloßes Abwarten dazu, bedarf,
unfreiwillig
umAin eine Welt hoher u. zarter Dinge einzutreten: ich bin dort mit einem „HauptLeidenschaft meiner Natur
Jahren todt wäre?..
26
für dieses Vorrecht
theil meines Wesens zu Hause. Daß ichAbeinahe dafür mit dem Leben zahlte, ist trotzdem ein billiger
24
des der intimsten
: man hätte mich wohl zu beneiden, wenn ich auch seit einigen Handel.: das Leben an sich gesetzt, ich wäre
Um nur Etwas von meinem Z. zu verstehen, muß
28
30 32
vielleicht
manAähnlich bedingt sein, wie ich es bin, – muß man eine Unzahl gröberer Dank seiner Herkunft als unter sich gehabt haben
auch
34
überhaupt
Realitäten nie gesehen, gehört, gefühlt haben. Daß man eine Leidenschaft
36
in eine so leichte u. entrückte Luft gi Welt giebt, daß fast jeder
38
Satz aus meinem Z. unter Entzückungen u Schaudern concipirt worden ist: das
40
wird niemand lernen, das weiß man oder man weiß es nicht …
42
ein für alle Mal
Ich habe nie die Kunst verstanden
44
2: Generalstab] ¿ 4: Sächsin] Vk 8: ich] > er 8: Pfarramt] ¿ 14: Hroßherzogin] > Großherzogin 18: königlich] Vk 20: dieses] Vk mit Tinte
W II 9c 87-132.indd 107
N
22: immer ein] Vk mit Tinte 26: um] Vk 28: theil] > theil“ 28: dafür] Vk 35: in Ms nicht übereinander 40: Schaudern] ?
15.05.15
W II 9
108
$
Ecce. Bleistift
111,44 )
2
Eine lange, allzulange Reihe von Jahren bedeutet bei mir Genesung, –
4
sie bedeutet leider auch Rückfall, Verfall u. Periodik einer Art décadence.
6
Brauche ich zu sagen, daß ich in Fragen der dec. erfahren bin? ich habe sie vorwärts u
8
rückwärts buchstabirt Selbst jene Kunst des Sehens, jene Augen für nuances, jene{
Greifens u Begreifens Finger
u
vielleicht
damals
ganze
das eigentliche
10
Psychologie des „Um die Ecke Sehens“, die mich auszeichnet, ist erlernt, ist wie ein Geschenk aus
12
jener Zeit, wo}Alles sich verfeinerte, die BeobachtungAu die Organe der Beobachtung. Von
14
der Kranken -Optik aus nach gesünderen Begriffen u Werthen u. wiederum umgekehrt
16
blicken aus der Fülle u. Selbstgewißheit des vollen Lebens hinuntersehen in die
18
Filigran = Arbeit des decadent =Instinkts – das ist meine rechte
20
Übung, meine längste{ErfahrungA: wenn irgendworin, so bin ich hier Meister.
22
Ich habe es in der Hand, ich habe die Hand dafür, Perspektiven
24
umzustellen: weshalb für mich allein eine Umwerthung der Werthe über-
26
haupt möglich war.
sowohl als
in der
eigentliche
längste
gewesen
11.
28
davon
30
Abgerechnet nämlichA, daß ich ein décadent bin, bin ich dessen Gegentheil
32
im vollsten Sinne. Mein Beweis dafür ist, daß ich instinktiv auch gegen jene
34
schlimmen Zustände die rechten Mittel wählte: während der decadent an
36
sich instinktiv die schädlichen Mittel wählt. Als summa summarum war
38
ich gesund: als Winkel, als Spezialität war ich décadent. Jene
40
Energie der absoluten Vereinsamung u Herauslösung aus gewohnten Verhältnissen u
42
Aufgaben, der Zwang gegen mich selbst, mich nicht besorgen, bedienen, beärzteln zu lassen
44
KGW VIII 24[1] 442,20-443,12
W II 9c 87-132.indd 108
8: Selbst] ¿ 12: verfeinerte] Vk 18: Instinkts] ¿ 24: umzustellen] Vk 38: Spezialität] ¿ 40: Energie] Vk
42: besorgen, bedienen] Vk
15.05.15
109
$
W II 9 Ecce. Bleistift
– das verräth die unbedingte Instinkt =Gewißheit darüber, was noth thut. Ich
2
selbst
nahm michAin die Hand, ich machte mich gesund: die Voraussetzung dafür
4
im Grund
ist – jeder Physiologe wird mir das zugestehen – daß manAgesund ist.
6
Ein spezifisch Kran kran morbider M. wird nicht gesund: für einen
8
spezifisch Gesunden kann krank sein ein energisches Stimulans sein. So
10
in der That erscheint mir jetzt jene lange Krankheits = Periode:
12
ich entdeckte das Leben gleichsam neu, ich schmeckte alle guten u
14
selbst kleinen Dinge, wie sie ein Gröberer Anderer nicht leicht geschmeckt
16
haben wird, – ich machte aus meinem Willen zur Gesundheit, zum
18
Leben meine Philosophie … Denn man gebe Acht darauf: die
20
meiner
Jahre der niedrigsten Vitalität waren es, wo ich aufhörte, Pessi=
22
mist zu sein, – jener Instinkt der Selbst = Wiederherstellung verbot
24
nenne
mir eine Philosophie der Armut u Entmuthigung … Ich definire
26
Woran erkennt man im Grunde
gern die Zeichen, an denen ich die Wohlgerathenheit? erkenne. Ein
28
ist
wohlgerathener Mensch, der meinem Herzen wohlthun soll, aus einem Holze ge
30
schnitzt, welches hart zart u wohlriechend ist, – erkennt sich darin er thut
32
selbst noch unserem Geruchssinn wohl. Ihm schmeckt, was ihm zuträglich ist;
34
sein Gefallen, seine Lust hört auf, wo das Maß des Zuträglichen überschritten ist.
36
Er erräth Heilmittel gegen Schädigungen, er nützt schlimme Zufälle zu seiner
38
Verstärkung aus. Er sammlet instinktiv aus Allem, was er sieht, hört,
40
erlebt, seine Summe: er ist ein auswählendes Princip, er läßt viel
42
durchfallen. Er ist immer in seiner Gesellschaft, ob er mit Büchern, Menschen
44
KGW VIII 24[1] 443,12-444,3
W II 9c 87-132.indd 109
) 106,2
4: dafür] Vk 12: That] Vk 22: aufhörte] Vk 26: Entmuthigung] Vk 38: nützt] Vk
15.05.15
W II 9
110 10.
$
Ecce. Bleistift
Einzigkeit vielleicht Daseins, seine Einzigkeit
111,20 )
f
2
Räthselform in Form eines
Das Glück meiner Art Dasein{liegt in seinem Verhängniß: ich bin, um es als Räthsel
4
auszudrücken, als mein Vater bereits gestorben, als meine Mutter lebe ich noch. Diese doppelte
6
Herkunft, gleichsam aus der obersten u der untersten Sprosse an der Leiter des Lebens –
8
decadent zugleich u. Anfang – dies, wenn irgend Etwas, gestattet mir
10
jene Neutralität, jene Freiheit von ParteiAim großen Gesammt = Problem
12
des Lebens{. Ich bin Beides, ich kenne Beides. – Mein Vater starb mit 36
14
Jahren: er war zart, liebenswürdig u. fein, wie ein nur zum Vorübergehen
16
bestimmtes Wesen, – eher eine gütige Erinnerung ans Leben als das Leben selbst.
heraus
erklärt
gegen das im Verhältniß
die mich auszeichnet kenne
bin
morbid
u e
bloß
gütige
20
In dem gleichen Jahr, wo sein Leben abwärts gieng, gieng auch das meine abwärts: kam ich auf den niedrigsten Punkt meiner im 36ten Jahr erreichte meine decadence, meine Halb Vitalität, – ich lebte
22
noch, doch ohne drei Schritt weit vor mich zu sehen. Im Jahr 1879 legte ich meine
24
Basler Professur nieder, lebte den Sommer über wie ein Schatten, in St. Moritz u
26
den nächsten Winter, den sonnenärmsten meines Lebens, in Naumburg. Dies war mein
28
minimum: der Scha „Wanderer u sein Schatten“ entstandAdabei. Unzweifel-
30
haft, ich war sah kannte michAals Schatten … Im Winter darauf, in der
18
währenddem.
damals
brachte die jene
meinem ersten Genueser Winter
die mit
Verarmung
Muskel
34
wunderlichsten Vergeistigung, wie sie eine extreme Armut an Fleisch u. Blut unter beinahe bedingt ist, die „Morgenröthe“ hervor. Die vollkommene Helle u. Heiterkeit Umständen
36
des Geistes verträgt sich bei mir nicht nur mit der tiefsten physiol. Schwäche, sondern
32
ununterbrochener
40
sogar mit einem extremen Schmerzgefühl. In jenen Höllenqualen, die ein dreitägiger Dialektiker= besaß mühseligemmühselig Schleim= stem Erbre chen mit sich bringt, hatte ich dasAgeistige Schmerz unter heftigem
42
Raffinement eines Dialektikers u. dachte Dinge durch, denen ich denen ich inAnormalen
d sche
Klarheit
zu
par excellence
gesünderen
Kletterer genug bin.
Verhältnissen nicht gewachsen bin.
44
Alle
)
38
nicht raffinirt
KGW VIII 24[1] 441,6-442,3, 442,6
W II 9c 87-132.indd 110
9: Verhältniß] > Verhältniß zum 10: Partei] Vk 12: kenne] Vk 28: entstand] Vk 30: kannte] Vk 31: Verarmung] Vk
32: Vergeistigung] ¿ 38: dreitägiger] Vk
15.05.15
111
W II 9
$
VIII 173. Bleistift
zum Leben
noch
fremdesten
Das Jasagen{selbst zu den höchsten u furchtbarsten Problemen, des Lebens, der Wille
2
en
4
-
noch
zum Leben im Opfer seiner höchsten TypenAseine eigene Unerschöpflichkeit genießend
113, 44 )
verstand
nießend suchend – das nannte ich dionysisch, das empfand ich als eine hohe hinein
6
Psychologie
als die eigentliche Brücke hinein ins Problem des tragischen Dichters. Nicht
8
um von Sch um von Schrecken u Mitleiden loszukommen, um sich von
10
einem gefährl Affekt wie durch eine vehemente Entladung desselben zu reinigen
12
– das war der Weg des Aristoteles: sondern über Schrecken u Mitleiden
14
hinaus die ewige Lust des Schaffens u Werdens zu genießen, seinen
16
Schrecken, sein Mitleiden unter sich zu haben …
18
10.
jene
Halbbetäubung, die das Fieber im Gefolge hat
20
)
krankhaften Störungen des Intellekts, selbst die Fieber mit ihren Betäubungen sind
die 10. ) 110,2
22
heute
mir bis auf die letzte Zeit vollkommen fremde Dinge, über deren Häufigkeit ich mich erst belesen
Wege zu hatte. gelehrtem habe unterrichten müssen.
Mein Blut läuft
je
Ein
24
Niemand langsam. kein
26
länger
Arzt hat Fieber bei mir constatiren können. Mein mich zuletzt als Nervenleidenden
;
+
auf
28
Nein!
behandelte, sagte zuletzt „nein von meinen an den Ihren
30
n
selber bin nur
Nerven liegts nicht, ich bin nervös.“ Voll-
32
*
lokale
kommen unnachweisbar irgend eine organische Entartung; keinBMagenleiden, wie sehr auch immer, als Folge organisch bedingtes
– ich hatte in den Krank34
heits =Jahren den Puls Napoleons:
36
dem Blindwerden sich gefährlich annähernd
der tiefsten Erschöpfung, die tiefste Schwächung des Auch das Augenleiden{Folge,
38
gastr. Systems hervortrat
40
Gesammt=
nicht ursächlich: so daß mit jeder Zunahme an Lebenskraft auch
42
die Sehkraft, als Gebrauchs = Funktion zugenommen hat. (Meine Leser wissen, in wiefern ich Dialektik als decadence =Symptom betrachte zum Beispiel
allerberühmtesten im, Fall, desBSokrates) dem des
KGW VIII 24[1] 440,28-441,6, 442,3-20
W II 9c 87-132.indd 111
:
44
w
) 108,2
46 48
2: Wille] Vk 4: im] Vk 4: seiner] Vk 6: suchend] Vk 6: dionysisch] ¿ 14: sondern] > sondern um 16: Werdens] ¿
16: genießen] ? 20: im] ¿ 24: letzte] ? 27: Ein] vgl. EH Warum ich so weise bin 1, 263,20-21 > Ein Arzt, der 30: Nervenleidenden] Vk 37: bedingtes] ¿ 44: Gebrauchs=Funktion] ?
15.05.15
W II 9
112
$
VIII 171. Bleistift
115,48 )
h
u
f
2
hat es mit allem Aufwande von Gelehrsamkeit zu verstehen gegeben, eigentlich habe es nichts
4
auf sich mit all diesen Curiositäten. In der That möchten die Priester den
6
Theilhabern solcher Orgien Einiges mitgetheilt haben, zum Beispiel daß
8
der Wein zur Lust anrege, daß der M. von Früchten lebe, daß die
10
Pflanzen im Frühling aufblühen, im Winter welken. Dazu hatte Was den
12
Ursprung der Riten u Mythen orgiast. Ursprungs betrifft, so wird er noch
14
um einen Grad geistreicher. Die Gr., sagt er Aglaoph. I, 672, hatten sie
16
nichts Anderes zu thun, so lachten, sprangen, rasten sie umher, oder,
18
da der M. mitunter auch dazu Lust hat, so saßen sie nieder, weinten
20
u jammerten. Andere kamen dann später hinzu u. suchten doch irgend
22
einen Grund für dies auffallende Wesen, und so entstanden zur Er=
24
klärung jener Gebräuche zahllose Festsagen u Mythen. Auf der anderen
26
Seite glaubte man, jenes possirliche Treiben, welches einmal an den
28
Festtagen stattfand, gehöre nun auch nothwendig zur Festfeier u. hielt
30
es als einen unentbehrlichen Theil des Gottesdienstes fest. – Aber selbst
Reichthum
abgesehen noch
32
selbst von diesem verächtlichen Unsinn dürfte man geltend machen, daß mit jenem dem ganzen dem
Adem ganzen Begriff „griechisch“, noch mehr dem Begriff „klassisch“, den Winckelmann unverträglich ist
34
u Goethe gebildet hatten, wird das dionys. Element unzugänglich: – ich
36
fürchte, Goethe selber schloß etwas derartiges grundsätzlich von den Möglichkeiten
38
der hell. Seele aus. Und doch spricht sich in den M dionys. Mysterien erst
40
der ganze Untergrund des hell. Instinkts aus. Denn was verbürgte sich der Hellene
42
mit diesen Mysterien? Das ewige Leben, die ewige Wiederkehr des Lebens,
erst
KGW VIII 24[1] 439,10-440,3
W II 9c 87-132.indd 112
4: sich] Vk 12: Ursprungs] Vk 14: Aglaoph.] ¿ 24: zahllose] ¿ 30: es] Vk 31: Unsinn] Vk
34: wird] nach Korrektur des Kontextes > uns 36: derartiges] ¿ 38: Mysterien] ¿ 42: Mysterien] ¿
15.05.15
113
$
W II 9 VIII 172 M. Bleistift
die Zukunft in der Zeugung verheißen u geweiht, das triumphirende
2
Jasagen über zum Leben über Tod u. Wandel hinaus, das wahre
4
Leben als das Gesammt =Fortleben in der Gemeinschaft, Stadt, Geschlechts=
6
Verbindung; das geschlechtl. Symbol als das ehrwürdigste Symbol über=
8
haupt, der eigentliche Symbol =Inbegriff der ganzen antiken Frömmigkeit;
10
die tiefste Dankbarkeit für jedes Einzelne im Akt der Zeugung der
12
Schwangerschaft, der Geburt. In der Mysterienlehre ist der Schmerz heilig
14
gesprochen: die „Wehen der Gebärerin“ heiligen den Schmerz überhaupt
16
alles Werden, Wachsen, alles Zukunft = Verbürgende bedingt den
18
Schmerz; damit es die ewige Lust des Schaffens giebt, muß es
20
ewig die Qual der Gebärerin geben … Ich kenne keine höhere
22
Symbolik – Erst das Chr. hat aus der Geschlechtlichkeit eine
24
Schmutzerei gemacht: der Begriff imm concep war der Inbe-
26
griff der höchsten seel. Grausamkeit, die bisher auf Erden
28
erreicht worden ist , .. sie warf den Schmutz in den Ursprung des
30
seelischen Niedertracht Niedertracht
Lebens …
32
$
VIII 173 (Nr. 5) Bleistift
Die Psychologie des Orgiasmus, als eines überströmenden Lebensgefühls, innerhalb dessen selbst der Schmerz nur als Stimulans wirkt, gab mir den Schlüssel zum
34
36
in Sonderheit
tragischen Gefühl, das sowohl von Aristoteles, als von Seiten der Pessimisten
38
im Tiefsten mißverstanden worden ist. Die Tragödie ist so fern davon, etwas
40
für den Pessimismus der Hellenen im Sinne Sch s zu beweisen, daß sie umgekehrt
42
Z
äußerste
gerade dessen extreme Überwindungsform ist Gegensatzform ist
KGW VIII 24[1] 440,4-28
W II 9c 87-132.indd 113
44
) 111,2
2: Zeugung] ¿ 26: imm concep] > immaculata conceptio 42: Sch s] > Schopenhauers 44: extreme] ¿
15.05.15
W II 9
114
$
VIII 168 u. Bleistift
117,46 )
2
in der „Moral“… Von der jämmerlichen Schönfärberei, die der klassisch gebil=
4
dete Deutsche als den Lohn für seinen „Ernst“ im Verkehr mit dem Alter-
6
thum einerntet, kurirt nichts so gründlich als Thukydides. Man muß
8
ihn Zeile für Zeile umwenden u. sein Nicht -Geschriebenes so deutlich ablesen
12
wie seine Worte: es giebt wenige so substanzenreiche Denker. In ihm kommt zu ihrem vollendeten die Sophisten =Cultur, will sagen die Realisten=Cultur in den Anfängen des
14
Ausdruck: diese unschätzbare Bewegung inmitten des eben allerwärts los-
16
brechenden Moral - u Ideal =Schwindels“ der sokratischen Schulen. Die griech. Philo-
18
sophisch als die decadence des griech. Instinkts; Thukydides als
20
die große Summe aller starken, strengen, harten Thatsächlichkeit, die dem
22
älteren Hellenen im Instinkte lag. Der Muth unterscheidet solche Naturen wie
24
Plato u Thukydides: Plato ist ein Feigling – folglich flüchtet
26
er ins Ideal – Thukydides hat sich in der Gewalt, folglich behält
28
er auch die Dinge in der Gewalt.
10
allen
der
VIII 169. Bleistift
30
32
9.
$
– „goldene Mitten u.
In den Griechen nicht „schöne Seelen“, „harmonische Bildwerke“ u niaiserie Allemande
harmonische Einheiten
KGW VIII 24[1] 437,20-438,13
W II 9c 87-132.indd 114
34
Winckelmannsche „hohe Einfalt“ wiederzuerkennen – vor solchemAUnfugAwar
36
ich durch den Psychologen behütet, den ich in mir trug. Ich sah ihren
38
stärksten Instinkt, den Willen zur Macht; ich sah sie zittern vor der
40
unbändigen Gewalt dieses Triebs, – ich sah alle ihre Institutionen wachsen
42
aus den Schutzmaßregeln, sich vor einander gegen ihren inwendigen Explosiv-
44
stoff zu schützen. Die ungeheure Spannung im Innern entlud sich dann in
2: Schönfärberei] ¿ 2: klassisch] Vk 6: Thukydides] ¿ 8: ihn Zeile] Vk 10: substanzenreiche] ¿ 12: Realisten=Cultur] Vk 16: Moral-] > „Moral18: sophisch] > sophie
20: harten] Vk 24: Thukydides] ¿ 24: Feigling] Vk 26: Thukydides] ¿ 30: Mitten] > Mitten“ 33: harmonische] ¿ 40: Institutionen] ¿
15.05.15
115
$
W II 9 VIII 169 u. Bleistift
rücksichtsloser Feindschaft gegen alles Auswärtige: die Stadtgemeinden
2
damit
zerfleischten sich, weil die Stadtbürger um diesen Preis sich selber
4
nicht zerfleischten. Man hatte nöthig, stark zu sein, – die pracht-
6
volle u geschmeidige Leiblichkeit des Griechen ist eine Noth, nicht
8
eine „Natur“ gewesen. Sie folgte, – sie war durchaus nicht von An-
10
fang an da. Und mit Festen u Künsten wollte man auch nichts Anderes
12
als
immer sichAstärker,
er
schön, vollkommener fühlen – : es sind Mittel der Die Griechen eigerungsmittel Selbstverherrlichung, Steigerungmittel des Willens zur Macht. – Das „Schöne Moral nach ihren Philosophen be an sich“, die objektive urtheilen! die Moral=Weisheit der philos. Schulen zu Aufschlüssen benutzen, was griechisch war! Dergleichen galt mir immer Feinheit
16
M
18
,
20
Geschmack.
22
die Gegenbewegung gegen den klassischen Geschmack
auszeichnet
Deutschen haben … Die Philos. sind ja die décadent des Griechenthum!{ predigt
24
zu fehlen anfiengen
Die sokrat. Tugenden wurden gepredigt, weil sie den Griechen fehlten … das auf den zum Verständniß des älteren Hellenen Ich war der Erste, derAjenes wundervolle Phänomen, dionysischen Ursprungs Namen Dionysos getauft ist, zum Verständniß des älteren Hellenen{ernst nahm. Will sehe
26
28
*
wieder
*
a
gegen den vornehmen
als immer nur als Beweis deutscher für das psychol. Genie, das die
$
14
30
aus der Nähe
man den Gegensatz, so lese man die verächtliche LeichtfertigkeitAan,
32
mit der seiner Zeit der berühmte Philologe Lobeck diese Dinge behandelt hat
34
Mein verehrungswürdiger Freund Jakob Burckhardt in Basel verstand durchaus, daß
36
damit Etwas Wesentliches gethan sei: er fügte seiner Cultur der Griechen
38
einen eigenen Abschnitt über das Problem bei.
40
Lobeck, der mit der ehrwürdigen Sicherheit eines zwischen Büchern ausgetrockneten
42
Wurms in diese Welt geheimnißvoller Zustände hineinkriecht u sich überredet
VIII 171. Bleistift
44
wenn
eben damit wissenschaftlich zu sein, daß er nur bis zum Ekel frivol u anmaaßlich ist
KGW VIII 24[1] 438,13-439,10
W II 9c 87-132.indd 115
46 48
) 112,2
4: zerfleischten] ¿ 10: folgte] Vk 24: décadent des Griechenthum] > décadents des Griechenthums 31: sehe] Vk 34: diese] Vk
15.05.15
W II 9
116
$
VIII 167. Bleistift
119,44 )
2
Nicht anders ergieng es mir bei der ersten Berührung mit Horaz. Bis heute habe ich
4
an keinem anderen Dichter dasselbe artistische Entzücken wiedergefunden, das mir eine
6
Horazische Ode macht. In gewissen Sprachen, zb. im Deutschen ist das, was hier er-
8
reicht nicht, nicht einmal zu wollen. Dies Mosaik von Worten, wo jedes Wort,
10
als Klang, als Ort, als Begriff, nach rechts links u. über das Ganze hin seine Kraft
12
ausströmt, dies minimum von Umfang der Zeichen, dies damit erreichte maxi-
14
mum von Energie des Zeichens – das Alles ist römisch u, wenn man mir
16
glaubenA, vornehm par excellence: der ganze Rest von Poesie wird
18
dagegen eine Gefühls =Geschwätzigkeit. Ich möchte am wenigsten den Reiz
20
vergessen, der im Contrast dieser Granitenen Form u. der anmuthigsten liber-
22
tinage liegt: – das Ohr ist entzückt über diesen Widerspruch von Ernst
m
24
u Spiel. Der dritte unvergleiche Eindruck, den ich den Latein{ver-
ser
26
danke, ist Petronius. Dies geistreiche Übermuths in Wort, Satz, Raf-
will
mein
Form
Sinn.
ern
prestissimo des
u Sprung der Gedanken
sich vor nichts in der Mischung AfinementAdes Vulgär = u. „Bildung“=Lateins, diese unbändige gute Laune, die jede Art
dies Raff 28
u.
jede Art
muthwilligste
Animalitäten
u. Bestialität
30
fürchtet u. über die ausgelassenste Animalität der antiken Welt mit Grazie hinweg-
32
springt, diese absolute Freiheit vor der „Moral“, vor den tugendhaften Armselig-
34
keiten „schöner Seelen“ – ich wüßte kein Buch zu nennen, das im Entferntesten
36
einen ähnlichen Eindruck auf mich gemacht hätte. Daß der Dichter ein Provencale
38
ist, ist beinahe mein physiologischer Instinkt: man muß den Mistral im Leibe
40
haben, um solche Sprünge zu machen. Unter Umständen, wenn ich nöthig hatte, mich
42
von einem niedrigen Eindruck zu befreien, zum Beispiel von einem Studium des
souveräne
sagt mir
44 46
KGW VIII 24[1] 435,29-436,26
W II 9c 87-132.indd 116
Apostel Paulus, genügten mir ein Paar Seiten Petronius, um mich vollkommen wieder gesund zu machen.
6: Horazische] ¿ 6: Deutschen] Vk 8: nicht,] > ist, 24: unvergleiche] > unvergleichliche 28: Bildung“=] > Bildungs“= 38: physiologischer] ¿
44: Apostel] ¿
15.05.15
117
W II 9
$
VIII 167. Bleistift
u wenn man glauben will, die Gr. können uns das nicht sein, was die Römer sind. Man imperativ 8. lernt nicht von den Griechen, – sie sind uns zu fremd, sie sind sind auch zu flüssig, um gesetzlich zu wirken
Den Griechen verdanke ich durchaus keine verwandten Eindrücke; im Verhältniß u habe nie ein gründlicher namentlich zu Plato bin ich zu sehr Skeptiker, um zu in die Bewunderung des Artisten Plato, die unter Gelehrten üblich ist, einzustimmen vermocht. Er wirft, wie mir scheint, alle Formen des Stils durcheinander: er hat Etwas Ähnliches
auf dem Gewissen, wie die Cyniker, welche die Satura Me
2
4
6
8
10
12
ä
Platonische
nippea erfanden. Daß derADialog, die entsetzlich selbstgefällige
14
als Reiz wirken kann
u kindliche Dialektik reizvoll sei, dazu müßte man niemals gute Fran
16
zosen gelesen haben. Zuletzt geht mein Mißtrauen in die Tiefe bei Plato:
18
ich finde ihn so abgeirrt von allen Grundinstinkten des Hellenen, so
20
verjüdelt, so präexistent =christlich in seinen letzten Absichten, daß
22
ich von dem ganzen Phänomen Plato eher das harte Wort „höherer
24
Schwindel“ gebrauchen möchte als irgend ein anderes. Man hat theuer
26
dafür bezahlt, daß dieser Athener bei den Ägyptern in die Schule
28
u
wahrscheinlich
gieng (– zuletztAbei den Juden in Aegypten …) In dem großen Ver
30
hängniß des Christenthums ist Plato eine jener verhängnißvollen Zweideutig-
32
keiten, die den edleren Naturen des Alterthums es machlich machten, die
34
Brücke zu betreten, die zum „Kreuz“ führte … Meine Erholung,
36
meine Vorliebe, meine Kur von allem Platonismus war jeder Zeit Thuky-
38
dides. Thukydides u, vielleicht, der principe Macchiavells, sind mir
40
ten
verwandt
selber am meisten verwandt, durch den unbedingten Willen, sich nichts
42
vorzumachen u. die Vernunft in der Realität zu sehen, – nicht
44
in der „Vernunft“, noch weniger
KGW VIII 24[1] 436,27-437,20
W II 9c 87-132.indd 117
1: man] > man mir 3: sind sind] > sind 4: Eindrücke;] Hinzufügung Z. 1-3 10: alle] ¿ 12: Ähnliches] ¿ 34: machlich] nach unvollständiger Korrektur > möglich
46
…
) 114,2
40: Thukydides] ¿ 40: Macchiavells] ¿ 46: weniger] Vk
15.05.15
118
+
W II 9
$
Ecce homo Bleistift 121,42 )
2
die Grobheit nicht unterschätzt wissen: sie ist die humanste Form eines Widerspruchs. immer noch
Auch scheint es mir, daß der gröbste Brief gutartiger ist als Schweigen. +
Ich möchte überhaupt 4
Solchen, die schweigen, fehlt es immer an Feinheit und Höflichkeit des
6
Herzens. – Wenn man reich genug dazu ist, ist es ein Glück, Unrecht
8
zu haben; man verträgt sich auf s Beste mit mir, wenn man mir eine Gelegenheit giebt,
.
10
von Zeit zu ZeitAerlaubt Unrecht zu haben. Nichts verbessert
12
eine Freundschaft so als von
14
Fällen, wo ich ein entschiedenes Nein bis zum Krieg aufs Messer
16
bekenne, würde man einen argen Fehlschluß machen, gerade da
18
eine im Hintergrunde verborgene Fülle schlimmer Erfahrungen voraus=
20
zusetzen. Wer einen Begriff von mir hat, darf umgekehrt schließen.
22
Ich gestatte mir keine Sachen-Feindschaft,Awo die geringsten Per-
24
sonen=ZwiespältigkeitAmitspielt. Wenn ichBdem Christenthum den Krieg mache,
N
immer wieder aus nichts giebt ihr eine solche Frische … Grunde,AIn jenen nicht unbekannten
solange
noch
Ich zeichne dort aus, wo ich angreife. zu
Daß
zb
aus
26
so steht mir dies einzig deshalbA, weil ich nie von dieser SeiteATrübes u.
28
Trauriges erlebt habe, – umgekehrt die schätzenswerthesten Menschen, die ich
30
kenne, sind Christen ohne FalschA, ich trage es den Einzelnen am letzten nach,
32
was das Verhängniß von Jahrtausenden ist. Meine VorfahrenAwaren protestan
34
tische Geistliche: hätte ich nicht einen hohen und reinlichen Sinn von
36
ihnen her mitbekommen, so wüßte ich nicht, woher mein Recht zum Kriege mit
38
dem Christenthum stammte.AEin anderer Fall: ich habe aus meinen Be=
40
ziehungen zu Wagner u zu Frau Wagner nur die erquicklichsten und er-
42
hebendsten Erinnerungen{: genau dieser Umstand erlaubte mir
daß ich hundert Gründe habe gewesen
selbst
) 43
ist
da selbst Meine Formel für : der Antichrist ist die nothwendige Logik eines echten Christen in der Entwickl eines echten Christen
zurückbehalten
37 )
KGW VIII 24[1] 434,8-435,2
W II 9c 87-132.indd 118
: in mir überwindet sich das Chr. selbst
10: verbessert] Vk 12: unbekannten] Vk 14: aufs Messer] Vk 20: schließen.] Vk 22: geringsten Per-] Vk, > geringste Per38: Einfügungszeichen verlängert
42: erlaubte] Vk
15.05.15
119
des Blicks
überhaupt
jene NeutralitätA, das Problem WagnerAals Cultur =Problem zu sehn für
2
W II 9
O
denen ich, wie
und vielleicht zu lösen … Selbst gegen Antisemiten, als Charaktere,
4
man weiß, am wenigsten hold bin
als achtbare und willensstarke, wie sehr auch immer befangene Naturen
6
manches
würde ich, meinen nicht unbeträchtlichen Erfahrungen nach, vieles Günstige geltend zu machen haben: dies hindert nicht, dies bedingt viel=
8
10
– er ist einer der krankhaftesten Auswüchse der so absurden, so unberechtigten
mehr, daß ich dem Antisemitismus einen schonungslosen Krieg mache.
12
Wo ich verachte, mache ich keinen Krieg: – da soll man vorübergehn.
14
Also sprach Zarathustra.
reichsdeutschen Selbst=
16
=Anglotzung … bewunderung …
18
Auch haben mir strenge Chr eine große Achtung erwiesen, als Einem der
7.
auf seine Weise fromm ist u. den „Vortheil“ verachtet.
Es liegt nicht in meiner Art, Vieles u Vielerlei zu lieben: auch
20
in meinem Verkehr mit Büchern habe ich im Ganzen mehr eine Feind-
22
seligkeit als eine Toleranz, ein „Herankommen = lassen“ im meinem Instinkte. Und
24
das von Kindesbeinen an. Es ist im Grunde eine kleine Anzahl Bücher, die
26
in meinem Leben mitzählen; es sind die berühmtesten nicht darunter
28
Mein Sinn für
für das Epigramm als Stil Stil,Aerwachte fast mit
Einem Schlage bei der ersten
n
30
Berührung mit Sallust: ich vergesse das Erstaunen meines verehrten Lehrers
32
geben
Corssen nicht, als er seinem schlechtesten Lateiner die allererste Censur wegen , – er lud mich zu sich ein. mußte, die er
34
so
einer Arbeit vergeben konnte. Gedrängt, streng, mit viel Substanz auf
36
als möglich
dem GrundeA, – eine kalte Bosheit gegen das „schöne Wort“ u das „schöne“
38
Gefühl“: daran errieth ich mich. Man wird, bis in meinen Zarathustra
40
eine sehr
eine ernsthafte
hinein, eine Art Ambition nach römischem Stil, nach dem
42
„magnum in parvo“, nach dem „aere perennius“ wiedererkennen.
44
KGW VIII 24[1] 435,2-29
W II 9c 87-132.indd 119
) 116,2
12: Krieg] Vk
15.05.15
W II 9
120 fast jedem Instrumente etwas Besonderes abzu
)
Thier Auch wußte ich im Verkehr mit dem Zufall von Mensch uAB
122,42 )
2
auch war mir für den Verkehr, vorausgesetzt, daß ich nicht krank war, Jeder noch
4
Etwas Anhörbares mit den Fingern abzugewinnen wußte
Aein Instrument, dem ich seine ungewohntesten Töne abgewann. Wie von den „Instrumenten“ selber die sich noch nie so gehört hatten, –
6
oft habe ich das zu hören bekommen, eine Art Verwundern, über sich gleichsam als ob …
d
8
selber seitens meiner Unterredner: „Dergleichen ist mir nie bisher
10
in den Sinn gekommen“… Am schönsten vielleicht von jenem un=
12
verzeihlich jung verstorbenen Heinrich von Stein, der einmal,
14
nach sorgsam eingeholter Erlaubniß, auf drei Tage in Sils er-
16
schien, Jedermann erklärend, daß er nicht des Engadin wegen
18
gekommen sei. Dieser ausgezeichnete Mensch, der mit der ganzen eines pre ußi
eines
ungestümen
schen
Junkers
mitten
20
tapferen EinfaltAseiner Natur in den Wagner’ schen Sumpf hinein-
22
gewatet{ bis an die Ohren – „ich verstehe nichts von Musik“
24
bekannte er mir – war diese drei Tage lang wie umgewan-
26
delt durch einen StromAvon Freiheit, gleich Einem, der plötzlich
28
in seinAElement geräth und Flügel bekommt. Ich sagte ihm im-
war (– und außerdem auch noch in den Dühringschen!…)
Sturm
Höhe
30
neuer
gehoben wird
mer, das mache die gute Luft hier oben, so gehe es Jedem, man sei nicht umsonst 6000 Fuß über Bayreuth –,
32
Aaber er wollte mir’sBnicht glauben … Wenn trotzdem an mir durchaus
34
mancherlei große und kleine Missethat verübt ist worden ist, so war
36
nicht der „Wille“, am wenigsten der böse Wille der Grund davon:
38
eher schon hätte ich mich über den guten Willen zu beklagen, der keinen kleinen
40
Adaß er Unfug in meinem Leben angerichtet hat. Meine Erfahrung überhaupt
42
KGW VIII 24[1] 432,27-433,16
W II 9c 87-132.indd 120
giebt mir ein Anrecht auf MißtrauenAhinsichtlich der hülfbereiten,
19: in Ms nicht übereinander 20: Einfügungszeichen verlängert 28: Flügel] Vk 31: über] Vk
15.05.15
121
)
daß mir Etwas Übles angethan
gewinnen – u was für verstimmte Instrumente ertönten ..
W II 9
27 )
werden kann
zu Rath, zu Thaten schreitenden „Nächstenliebe“ –, ich werfe ihr vor, mit ihren die Scham, die Ehrfurcht, der Instinkt für Distanzen daß ihr die Delikatesse,Aleicht abhanden kommt, daß sie die in in in hülfbereiten HändenAein erhabenes GeschickA, eine Vereinsamung unter Wunden, ein Vorrecht auch Ehrfurcht, das Vorrecht, das Sonder=Geschick im Glauben zu Leiden
selbst
2
4
6
unter Umständen geradezu
nützen, leicht schädigt{auf großesAUnrechtAunheilvoll hinein=
8
zerstörerisch
Nicht ohne Grund ich
greift. – Ich habe als „Versuchung Zarathustra’ s einen Fall gedichtet
10
wo ein großer Nothschrei an ihn kommt, wo das Mitleiden wie
12
eine letzte Sünde ihn überfallen will: hier Herr bleiben,
14
hier die Höhe seiner Aufgabe rein halten von den viel
16
niedrigeren und kurzsichtigeren Antrieben, welche in den soge=
18
nannten selbstlosen Handlungen thätig sind, dies ist eine Probe,
20
u wer Seines Gleichen ist
die letzte Probe, die ZarathustraAvor sich selber abzulegen hat. –
22
st das
bloß mein Vater u sein Leben nach dem Tode. 6.bin ich bloß der eine Art Noch in einem anderen Punkte
24
diesem
Gleich Jedem, der nie unter seines Gleichen lebt und ausAseinem
26
glaube ich nicht daran, daß mir irgend Etwas vergolten werden kann
)1
Schicksal zuletzt seine Kunst und Menschenfreundlichkeit macht, wehre ich
28
mich in Fällen, wo eine kleine oder sehr große Thorheit gegen mich
30
Vergeltung
begangen wurde, gegen irgend eine Gegenmaßregel, es sei denn die,
32
der Dummheit so schnell wie möglich eine Klugheit nachzuschicken:
34
ein
so holt man sie vielleicht nochA. Man hat nur Etwas an mir schlimm
36
zu machen, ich vergelte es, dessen sei man sicher: ich finde in
38
dem Übelthäter Missethäter
Kürze eine Gelegenheit,Aihm meinen Dank für irgend Etwas auszudrücken ist
zu
oder ihn um Etwas zu bitten (– was verbindlicherAalsAgeben …)
KGW VIII 24[1] 433,17-434,8
W II 9c 87-132.indd 121
40
5: erhabenes] Vk 8: großes] Vk 9: in Ms nicht übereinander 10: Zarathustra’s] > Zarathustra’s“ 18: niedrigeren] Vk 18: Antrieben] Vk
42˙
) 118,2
20: selbstlosen] ¿ 32: Gegenmaßregel] Vk 39: Missethäter] ¿ 40: Kürze] Vk 40: auszudrücken] Vk
15.05.15
W II 9
122
$
Ecce Bleistift
125,42 )
2
zu unfaßlich ausdrücke, von mir eine Erläuterung, eine Wiederholung zu
4
verlangen. Ein Lehrer habe die Aufgabe, sich jeder Intelligenz zu=
6
gänglich zu machen … Man hat mir gesagt, daß dieser Kunstgriff stär-
8
ker wirkte, als irgend ein Tadel. – Ich habe weder im Verkehr mit
10
Schülern, noch mit Studenten, je eine Schwierigkeit empfunden, obschon
12
zu Anfang meine vierundzwanzig Jahre mich ihnen nicht nur näherten.
14
Insgleichen gab mir das Prüfen bei Doktor =Promotionen keinen Anlaß,
16
irgend welche Künste oder MethodenAzuzulernen: was ich instinktiv handhabte,
18
war nicht nur das Humanste in solchen Fällen, – ich befand mich dabei
20
selber{vollkommen wohl, wenn{ich die Promovenden in gutes Fahrwasser{
noch
em auf
es
erst
sobald
gebracht hatte.
wußte
22
Abrachte. Jedermann hat in solchen Fällen so viel Geist – oder so
24
wenig – als der verehrliche Examinator hat … Hörte ich zu, so
26
schien es mir immer, daß im Grunde dieAExaminatoren geprüft wür=
28
den. –
Herrn
5.
30
– auch das verdanke ich meinem unvergleichlichen Vater sogar
Ich habe nie die Kunst verstanden, gegen mich einzunehmen, selbst
32
noch 34
Ich bin sogar, wie sehr das auch unchristlich sein mag, nicht einmal gegen mich
wenn es mir von großem Werthe schien:, zu diesem Ziele zu gelangen.{Man
)
scheinen keine
36
mag mein Leben hin und herwenden, man wird darin nicht die An-
38
zeichen davon finden, daß je Jemand bösen Willen gegen mich
b
40
gehabt hate. Meine Erfahrungen selbst mit Solchen, an denen Jeder=
) 120,2
42
mann schlechte Erfahrungen macht, sind ohne Ausnahme zu deren Gunsten;
sprechen
sittsam. : ich zähme jeden Bär, ich mache die Hanswürste ernst. ernst.
KGW VIII 24[1] 432,4-27
W II 9c 87-132.indd 122
2: Wiederholung] Vk 12: nur] Vk 30: unvergleichlichen] ¿
15.05.15
123
)
eingenommen.
allein Was mirAnicht gelingt, Deutsche intelligent machen …
W II 9c 87-132.indd 123
W II 9
2
4
15.05.15
W II 9
124
beinahe
127,44 )
2
Ich habeAunerträgliche Verhältnisse, Orte, Wohnungen, Gesellschaft, nach-
4
dem sie einmal, durch Zufall, gegeben waren, jahrelangAfestgehalten,
zäh
ohne Widerspruch von vornherein
6
nicht mit Willen, sondern zäh, aus jenem Instinkt heraus, – es
8
war jedenfalls weiser als zu ändern,Azu „experimentiren“. Das Ex-
10
perimentAgegen den Instinkt des Leidenden: in einem hohen Sinn
12
könnte man esAden Beweis der Kraft nennen. Aus seinem Leben
14
selbst ein Experiment machen – das erst ist Freiheit des Geistes,
16
das wurde mir später zur Philosophie …
als
geht
geradezu
es …
3.
18
20
Die Langeweile gehört, wie mir scheint, nicht gerade zu den Leiden der
22
Leidenden; wenigstens fehlt mir alle Erinnerung dafür. Umgekehrt war die
24
böse Zeit meines Lebens reich für mich durch eine gewisse neue Erfindsamkeit –
26
die Kunst der nuances, die feine FingerfertigkeitAder nuances. Ich würde
28
das raffinement überhaupt verstehen als eine Verzärtelung des Getasts
30
bis ins Geistigste hinauf; auch noch jene Art liebevoller Rücksicht und
32
Vorsicht im Verkehr, die Kranken eignet, gehört dahin, – sie scheuen die{
34
$Berührung …
36
man transponirt sie gleichsam: der Alltags =Zufall wird durch ein sub-
38
limes Sieb gesiebt u. sieht sich selber nicht mehr gleich. Zuletzt war ich da-
40
mals über die Maaßen dankbar, wenn irgend etwas Feines und Ausgewähltes
42
von Intelligenz,Asich in meine Nähe verschlug, während eine gewisse Ungeduld gegen
in der Handhabung von
allzu nahe
Man hört in diesen Zuständen selbst gemeine Sachen ungemein,
von Charakter
Litteratur!…
125,43 )
KGW VIII 24[1] 430,15-431,7, 431,24
W II 9c 87-132.indd 124
8: weiser] Vk 22: Erinnerung] Vk 24: Lebens] Vk 26: Fingerfertigkeit] Vk 30: noch jene] Vk 30: liebevoller] Vk
32: die Kranken eignet] Vk 34: diesen Zuständen] Vk 34: gemeine Sachen] Vk 38: selber] Vk 40: und] Vk 42: Nähe] Vk
15.05.15
125
immer mehr
Deutsche und DeutschesAdamals bei mir Instinktiv wurde. Mit Deutschen verlor
2
ich meine gute Laune, meinen Geist – und nicht minder meine Zeit …
4
Die Deutschen machen die Zeit länger … Anders steht es, wenn der
6
mir
W II 9
i
genug
Deutsche zufällig Jude oder Jüdin ist. Es ist wunderlich, wenn ich her
8
meine
Anachrechne, daß zwischen 1876–86 ich fast alleAangenehmen Augenblicke im Zufall des Verkehrs ich Juden oder
sind werden. JüdinnenAverdanktA. Die Deut-
10
zu
12
e
darin liegt
schen unterschätzen, welche WohlthatAes ist, einem Juden zu begegnen, –
14
man darf sogar ungestraft
man hat keine Gründe mehr, sich zu schämen, intelligent zu sein … fand
16
immer
IchAhalte die DeutschenAfür zu flach, als daß es sich lohnte, mit ihnen über= es
nehmen. –
{ernst zu werden. –
18
umsomehr in D euts chl a Vielleicht bin ich jetzt wieder gesund genug für mich gelohnt hätte nd
20
22
Höhe als Franzosen, nicht als Juden. –
Im Grunde gehöre ich zu jenen unfreiwilligen Erziehern, welche keine
24
26
daß ich in 7 Jahren Unterricht an der obersten Klasse des Basler
28
Pädagogiums keinen Anlaß hatte, eine Strafe zu verhängen, und daß,
30
wie mir später bezeugt worden ist, die Faulsten bei mir noch fleißig
32
waren, zeugt einigermaßen dafür. Eine kleine Klugheit aus jener Pra=
34
xis ist mir im Gedächtniß geblieben: im Fall, wo ein Schüler im Wiederho=
36
len dessen, was ich die Stunde vorher auseinandergesetzt hatte, durchaus
38
unzureichend blieb, nahm ich die Schuld davon stets auf mich, – sagte
40
zum Beispiel, es sei Jedermann’ s Recht, wenn ich mich zu kurz,
42
Ich möchte dasselbe auch von Offenbach behaupten, diesem unzweideutigen Musiker, der nichts Anderes was er war – sein wollte als ein genialer Buffo, im Grunde der letzte M. der noch M. machte u nicht
2: und Deutsches] Vk 2: bei] Vk 2: wurde] Vk 2: Deutschen verlor] Vk 4: Geist] Vk 4: meine Zeit…] Vk 6: machen] Vk 6: der] Vk 10: ich] Vk
ie ) 43
Principien zur Erziehung brauchen, noch haben. Die Eine Thatsache,
W II 9c 87-132.indd 125
.
haupt
. sogar für Deutsche. – In Frankreich sehe ich die Nothwendigkeit nicht ein, warum es Juden giebt,: 4. Meilhac u Halévy, die besten Dichter, denen mein Geschmack Unsterblichkeit verspricht, erreichen diese
KGW VIII 24[1] 431,7-432,4
, unter auf
Palmen wandeln …
) 122,2
. 23 ) ) 124,43
10: angenehmen Augenblicke] Vk 12: ich Juden] Vk 14: einem Juden zu begegnen] Vk 16: keine] Vk 16: intelligent zu] Vk 18: daß] Vk 19: es] Vk 23: Meilhac] ¿ 43: M. der noch M.] > Musiker der noch Musik
15.05.15
W II 9
126
e
in Einer Nachtwache niederzuschreiben Ehrgeiz
128,44 )
2
lateinische Abhandlung, mit der heimlichen Ambition, es meinem
4
Vorbilde Sallust in Strenge und GedrängtheitAgleichzuthun,Adies stand
6
schon als ich Schüler in der ehrwürdigen Pforta war, nicht im
8
Widerspruch zu meiner Physiologie,A– wie sehr auch immerAzur
des Stils u einigen Grog dabei nachzugießen,
auch nicht zu Sallust …
vielleicht
10
ehrwürdigen Pforta!.. Später, gegen die Mitte des Lebens hin,
12
entschied ichAfreilich immer strenger gegen jedwedes „geistige“ Ge-
14
tränk. Ich ziehe Orte vor, wo man überall Gelegenheit hat, aus flie-
16
ßenden Brunnen zu schöpfen (– Nizza, Turin, Sils); ich wache
18
Nachts nicht auf, ohne Wasser zu trinken. In vino veritas: es
20
scheint, daß ich auch hier wieder über den Begriff „Wahrheit“
22
mit aller Welt uneins bin, – der Geist schwebt{über dem
24
Wasser …
mich
– ich, ein Gegner des Vegetarismus aus Erfahrung, weiß nicht hoch genug die absolute Enthaltung von Alcohol. anzupreisen.
bei mir
Die Freiheit vom Ressentiment – wer2. weiß, wie sehr ich darin auch meiner langen Krankheit zu ernstesten
26
Dank verpflichtet bin. Das Problem ist nicht gerade einfach. 28
Gegen die Krankheit, deren Wohlthaten gerade von mir am we= gewürdigt werden
30
in ihr sich der 32
Wenn irgend Etwas gegen Krankheit überhaupt geltend gemacht werden kann, so ist es daß
nigstens unterschätzt werden sollen, würde ich einzuwenden haben, daß u Wehr
Man weiß nicht
sie die Wehr- und Waffen-{Instinkte des Menschen schwächt. Ich habe mich loszukommen, man weiß nicht fertig zu werden, man weiß nicht zurückzustoßen
) 43 34
lange Jahre hindurch weder gegen eine wohlwollend zudringliche
36
Hülfsbereitschaft, noch gegen tölpelhafte, ins Haus fallende „Ver
38
ehrer“ und anderes UngezieferAzu vertheidigen gewußt; jene Fäl-
40
le, wie billig, noch abgerechnet, denen Niemand entgeht, etwa
genügend
wenn
42
33 )
Adaß junge lüderliche Gelehrte, unter dem Vorwande der „Verehrung“, alle alle die Dinge kommen, wie die M. zudringlich nahe, die Erlebnisse treffen zu tief, die Erinnerung ist eine offene Wunde.
KGW VIII 24[1] 429,2-25
W II 9c 87-132.indd 126
13: Alcohol.] ¿ 14: Gelegenheit] Vk 27: verpflichtet] ¿ 29: ist es] ¿ 29: gewürdigt] ¿ 30: nigstens] > nigsten
40: etwa] Vk 42: unter] Vk
15.05.15
127
W II 9
* sein Kunststück ist, Dinge überhaupt nicht mehr anzunehmen, hineinzunehmen, – eine Art Fatalism.
Einen „anzupumpen“ ins Haus fallen. Ein Kranker hat Mühe Menschen u.
Erinnerungen
2
*
damit, Dinge loszuwerden, Menschen{eingerechnet: eine Art
4
Fatalismus, der „sich in den Schnee legt“, nach Art eines russi=
6
welchem
endlich
schen Soldaten,Adem der FeldzugAzu hart wird., ein Fatalismus
8
Selbst=erhaltungs=
ohne Revolte gehört zu seinen untersten Instinkten. Man versteht, Viel
dh.
10
zu immer schmerzhaften
vom Weibe, als einem zum Leiden verurtheilten und unfrei=
12
v
u. heftigen überreizbarenResonanzen der Eindrücke
s
willig fatalistischen Wesen, wenn man diese Art Selbst=Erhaltungs=
14
allzulangen
Instinkt begreift. So wenig Kraft wie möglich ausgeben, – sich
16
mehr
nicht mit Reaktionen verschwenden – eine gewisse SparsamkeitA
18
im
aus der Armut an Kraft: dies ist die große VernunftAjenes Fata-
20
lismus. Physiologisch ausgedrückt: eine Herabsetzung des Stoff=
22
verbrauchs, dessen Verlangsamung, – mit nichts brennt man
24
N
26
r
AKranke die schädlichsten aller möglichen Zustände: eine Religion,
28
er
wie die Buddha’ s, welche wesentlich mit Geistig = Raffinirten und
30
g r
Physiologisch =Ermüdeten
zu thun hatte, wendete sich deshalb mit
32
p
dem Hauptgewicht seiner Lehre gegen das Ressentiment. „Nicht
34
r
durch Feindschaft kommt Feindschaft zu Ende: durch Freundschaft
36
der Ärger, die Lust nach Rache
rascher ab als mit Affekten. Das RessentimentAzumalAist für – das sind für
ihrer
war
kommt Feindschaft zu Ende.“ Der BuddhismusAist keine Moral,
38
=Cruditäten
– es wäre ein tiefes Mißverständniß, ihn nach solchen VulgärAforEuropas
das
ist,
war
men, wie Judenthum u. Christenthum{, abzuwürdigen: erAist eine Hygiene. –
KGW VIII 24[1] 429,26-430,14
W II 9c 87-132.indd 127
40
42
44
) 124,2
8: hart] Vk 12: verurtheilten] Vk 20: Fata-] Vk 28: aller] Vk 40: Vulgärfor-] Vk 42: eine] Vk
15.05.15
W II 9
128 „Vorfahren“
130,42 )
a
2
seit Alters her Alles auf dem Gewissen! Die Suppe vor der Mahlzeit
4
(– noch in italiänischen Kochbüchern des 16ten Jhds alla tedesca genannt);
6
die ausgekochten Fleische; die fett u. schwer gemachten Gemüse;
8
die unverdauliche Species der MehlspeisenA. Rechnet die gerade viehi=
k
r
zum M MagenKlotz
Entartung
Briefbeschwerer zum Holzklotz
man noch
auch
Biedermanns
10
schen Nachguß = Bedürfnisse unserer des deutschenAVorzeit hinzu, so ver-
12
steht man die Herkunft des „deutschen Geistes“ – aus dem ver-
14
dorbenem Magen … Aber auch die englische Diät, die, im Vergleich zur
16
deutschen, eine wahre Rückkehr zur „Natur“,Aauch zur Vernunft
18
ist – geht meinem eigenen Instinkt tief zuwider: es scheint mir, daß
20
sie dem Geiste „schwere Füße“ giebt, – Engländerinnen- Füße …
22
Daß mir Alcoholica nachtheilig sind, daß ein Glas Wein oder
24
Bier des Tags vollkommen ausreicht, mir das LebenAunerträglich
kranken dem Eingeweiden …
auch
der deutsche Geist ist eine Indigestion …
n
will sagen zum Rostbeaf,
*
um
aus dem
eine Schopenhauerei
„Jammerthal“
g
26
zu machen, habe ich auch ein wenig zu spät begriffen, – erlebt hatte
28
ich’ s eigentlich von Kindesbeinen an. Als Knabe glaubte ich, Weintrin-
30
ken sei wie Tabakrauchen anfangs nur eine vanitas junger Bur-
32
schen, später eineAAnGewöhnung.AZu glauben, daß der Wein erhei=
34
terte, dazu müßte ich Christ sein, will sagen, glauben, wasAfür mich
36
eine Absurdität ist. Seltsam genug, bei einer extremen Verstimm-
38
barkeit durch stark verdünnte,Anoch so kleine Dosen Alkohol bin ich bei-
40
nahe unempfindlich gegen starke Dosen: und mit einem Grog see-
42
männischen Kalibers wirft man mich am wenigsten um. Eine lan-
schlechte
Vielleicht war daran auch der Naumburger Wein schuld. – gerade
außerordentlichen
wenn auch
ein Seemann
letzten
) 126,2
KGW VIII 24[1] 428,10-429,2
W II 9c 87-132.indd 128
44
ernsthaften Kalibers . Schon als Knabe hatte ich hierin meine Tapferkeit.
ge
1: zu Zeile 9 8: Mehlspeisen] Vk 8: gerade] > geradezu 20: schwere Füße] Vk 43: Kalibers] ¿ 44: meine] Vk
15.05.15
129
W II 9
Es ist mir gänzlich entgangen, inwiefern ich ein „sündhafter“ M sein sollte. 2.
kenne ich nicht aus Erfahrung
Eigentliche religiöse Schwierigkeiten sind mir immer fremd geblieben. Was ich
ein Skrupel ist, weiß ich nicht. Insgleichen
ein zuverlässiges Criterium dafür Erlebniß dafür fehlt mir jedes Erfahrung darüber,
mir ein zuverlässiges Criterium dafür,
waren
,i
nicht einmal
auch 10
kenne
Fragen
genugAgewesen., hier noch Probleme zu sehen. Ich habe den Atheismus nicht als – es ist
12
bei mir von selbst bei mir als Instinkt
ein Ergebniß, noch weniger als einen Lohn: er versteht sich als Voraussetzung, – ich war zu neugie
8
als Kind schon
Zweifel fieng damit an, ob man nicht das Böse, – ich binAnicht kindlich dazu
6
Nachdenkens
dies Sünde – dergleichen sind mir nie Gegenstand desAZweifels gewesen: mein
auf seine
14
auf eine bescheidene Weise Weise neugierig
vorausgesetzt, damit nämlich daß manArechtschaffen ist geboren{ist … Die Welt ist
16
man
u. räthselhaft
anziehend{genug, daß man sich überflüssiger Fragen entschlagen darf, – um wie viel :
er
ist eine Frage mehr
18
doch nur erklärt nichts, sie will
sie
mehr überflüssiger Antworten. Gott ist eine überflüssige Antwort{. Gesetzt er
4
Erlösung
Awas ein Gewissensbiß ist. „Gott“, „Unsterblichkeit“ der Seele“, „die Erlösung“ Jenseits
2
20
sie
man ihn abschaffen müssen. Er ist das fünfte Rad am Wagen.
er existirte, so würde er die Schwierigkeit vermehren; zum Glück ist
22
sein Dasein
er unschuldig daran, dazusein – die Theologen haben ihn auf dem Gewissen. außer Acht lassen können … käme er trotzdtrotzdem em nicht in Betracht. Er bliebe immer das fünfte Rad
ich war zu neugierig von Instinkt, um mir so 1.
an allen Wagen. –
* Meine Moral ist: eine starke Mahlzeit ist leichter zu verdauen als eine kleine.
26
28
Warum ich Einiges mehr weiß? Ich habe nie über Fragen nachgedacht,
die keine sind, – ich habe mich nicht verschwendet …
24
30
trocken, sei es sei es
in Die ital. minestra, sehr substantiell, selbst als brodo, ist ges ünder als irgend eine andere Diät Faustd
32
in brodo
tölpelhafte Antworten gefallen zu lassen … Gott
34
36 38
ist der zuDaß der Magen als Ganzes in Thätigkeit ist, ist die Voraussetzung zu guter
faust grobe
ist eine faustgrobe Antwort …
ist keine Erklärung, bleibt ein
Man muß die Größe seines Magens kennen. – Verdauung. –AKeine Zwischenmahlzeiten. – trotzdem
trägl. Anfang einer Mahlzeit. Faustschlag. – an
Gesetzt selbst, er existirte, so kämeAer nicht in Betracht. Er bliebe immer das fünfte
40
42
44
Kafe verdüstert: Nachmittags Kafe schlechte Angewöhnung. Thee, nur morgens zuträglich:
Rad an allen
aber Wenig, sehr energisch. – Wagen.sehr nachtheilig, wenn er einen Grad zu schwach.
1: aus] ¿ 2: geblieben] ¿ 2: Was ich] >? Was 3: in Ms nicht übereinander 7: Nachdenkens] ? 8: dies] nach unvollständiger Korrektur > das 10: Einfügungszeichen verlängert 10: nicht] ¿ 14: Lohn] Vk
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46
,
16: man] danach Einfügungszeichen verlängert 17: räthselhaft] ¿ 28: allen] Vk 39: faust] Vk 42-46: zu Zeile 19-25 42: Faustschlag] Vk 45: Nachmittags] Vk 45: schlechte] Vk
15.05.15
W II 9
130 Theologie – 1. Ganz anders interessirt mich eine Frage, an der mehr das „Heil“ der Mh“ hängt als an aller
der
Frage
2
– Ich komme zu einem Problem, das, wie mir wenigstens scheint, etwas ernsthafte=
4
rer Natur ist als das Problem vom „Dasein Gottes“ und andere Christlichkeiten, –
Frage vo
Man kann, zum Handgebrauch, sich so formuliren: gerade
die Frage
6
zum Problem der{Ernährung. Es ist, in Kürze, die Frage: wie hast du dich Man kann sie, zum Handgebrauch, so formuliren:
8
zu ernähren, um zu deinem maximum von Kraft, von virtù, von moralinfreier
10
zu kommen?…
ATugend im Sinne der Renaissance-Vernunft zu kommen? – Meine sie
12
zu
hier
Erfahrungen sind hier so schlimm als möglich: ich bin erstaunt, so spät, an begriffen, über sie
aus ihnen aus ihnen
gelernt zu haben.
14
dieser Stelle gerade „zur „Vernunft“ gekommen zu sein, zu spät in ge-
16
wissem Verstande: und nur die vollkommene Nichtswürdigkeit unserer deut-
18
schen Bildung erklärt mir einigermaßen, weshalb ich gerade hier rück=
20
ständig bis zur „Heiligkeit“ war. Diese „Bildung“, welche von Anfang
22
an die RealitätenAaus den Augen verlieren lehrt, umAproble-
24
matischenAZielen, zum Beispiel einer sogenannten „klassischen Bil-
26
dung“ nachAjagen! – als ob es nichtAzum Todtlachen wäre „klas-
28
sisch“ u. „deutsch“ zusammen in den Mund zu nehmen{. Man denke
30
sichAeinen „klassisch gebildeten“ Leipziger! – In der That, ich habe,
32
bis zu meinen reifsten Jahren, immer nur schlecht gegessen, – mo-
34
ralisch ausgedrückt „unpersönlich“, „unegoistisch“, „altruistisch“: ich
36
verneinte, durch Leipziger Küche zum Beispiel,Ameinen „Willen zum
38
Leben“. Sich zum Zweck unzureichender Ernährung auch noch den Magen
Be-
40
zu verderben – dies Problem scheint mir die genannte Küche zum
) 128,2
42
wundern zu lösen. Aber die deutsche Küche überhaupt – was hat sie
grundsätzlich
um durchaus
sog „idealen“
:
zu
der
von vornherein verurtheilt
in Einen Begriff zu einigen! Mehr noch, es wirkt erheiternd: man
doch
selbstlos“
den
KGW VIII 24[1] 427,6-428,10
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meinen
5: in Ms nicht übereinander 5: Handgebrauch, sich] ¿, > Handgebrauch sie sich 22: um] Vk 34: altruistisch“] Vk, Hinzufügung 131,14 36: Beispiel,] Hinzufügung 131,16 36: „Willen] Vk
Ver=
38: den Magen] Vk 40: scheint] Vk 40: Küche] Vk 42: Küche] Vk
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131
Ecce homo.
2
Oder:
4
Ein Psychologen=Problem.
6
warum ich Einiges mehr weiss.
8
Von
10
Friedrich Nietzsche.
12
Köche zum Heile der „Mitmenschen u anderer Köche Mitmenschen
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14
Mitmenschen gleichzeitig mit meinem ersten Studium Sch., sehr ernsthaft meinen „Willen zum Leben“
2-12: KGW VIII 24[1] 427,1-5
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16
8: mehr] Vk 14: Hinzufügung zu 130,34 14: „Mitmenschen] > „Mitmenschen“ 14: Mitmenschen] ¿ 16: Hinzufügung zu 130,36 16: Sch.] > Schopenhauers
15.05.15
W II 9
132
Aber die Deutschen sind canaille.
2
in meinem Leben
Umsonst, daß ich nach einem Zeichen von Takt, von delicatesse
4
gegen mich suche: der erste M aller Jahrtausende hat unter
6
der größten Entscheidung
D. gelebt wie unter Vieh. Ich nehme Niemanden aus, eingerechnet
8
) 24
meine Freunde: seit Jahren ist
10
es fehlt mir
nicht, vor dem äußersten Blitzschlag
im Bewußtsein der welthistorischen Ironie, die in meinem Schicksal liegt,
12
Wetterschlag 14
so habe
ich jetzt, unmittelbar vor dem großen Donnerschlag der „Umwerthung“
16
den Fall W in die Welt geschickt; die Deutschen, Alles alle
18
was mir nahe steht, sollten sich noch einmal in aller Billigkeit
meine Freunde vergessen
hierin
10 )
20
an mir prostituiren … Habe ichs erreicht?… Soeben schrieb
22
mir eine alte Fr, sie lächle über mich: – u dies in einem Augenblicke
24
fast jeder Brief, der mich erreicht, ein Cynismus, –
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es liegt mehr Cynismus im Wohlwollen gegen mich wie
28
in irgend einem Haß. Und so wie ich, Einer der
30
welthist. Ironie liebt, u die Paradoxie meines
im Mißverhältniß
von mir 32
meiner
gerne aufs Äußerste
Zar u der Kleinheit meiner Zeitgenossen aufs Äußerste zu
treibt jetzt
34
treiben weiß, habe ichA, ein Jahr ungefähr vor dem
36
zerschmetternden Blitzschlag der „Umwerthung“
9: eingerechnet] ? 16: Alles] ? 17: vergessen] > nicht zu vergessen 19: hierin] ? 20: ichs] Vk 22: Fr] > Freundin
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30-32: meines Zar] ? 34: habe] ¿
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