Newtonsche Mechanik: Eine Einführung in die klassische Mechanik 9783110822090, 9783110150414


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Table of contents :
Vorwort
Prolog
Übungen – hors d’œuvres
I Der Zugang zur Newtonschen Mechanik
1 Ein Universum aus Teilchen
1.1 Das Teilchenbild
1.2 Elektronen und Nukleonen
1.3 Atomkerne
1.4 Atome
1.5 Moleküle und lebende Zellen
1.6 Sand und Staub
1.7 Andere irdische Objekte
1.8 Planeten und Monde
1.9 Sterne
1.10 Galaxien
1.11 Aufgaben
2 Raum, Zeit und Bewegung
2.1 Was ist Bewegung?
2.2 Bezugssysteme
2.3 Koordinatensysteme
2.4 Kombination von Verschiebungsvektoren
2.5 Die Zerlegung von Vektoren
2.6 Vektoraddition und die Eigenschaften des Raumes
2.7 Zeit
2.8 Einheiten und Standards von Länge und Zeit
2.9 Weg-Zeit-Diagramme
2.10 Geschwindigkeit
2.11 Momentangeschwindigkeiten
2.12 Relativgeschwindigkeit und Relativbewegung
2.13 Planetenbewegung; Ptolemäus gegen Kopernikus
2.14 Aufgaben
3 Beschleunigte Bewegungen
3.1 Beschleunigung
3.2 Die Analyse der geradlinigen Beschleunigung
3.3 Eine Bemerkung über zusätzliche Wurzeln
3.4 Bewegungsprobleme in zwei Dimensionen
3.5 Freier Fall von einzelnen Atomen
3.6 Andere Eigenschaften der Bewegung im freien Fall
3.7 Die gleichförmige Kreisbewegung
3.8 Geschwindigkeit und Beschleunigung in Polarkoordinaten
3.9 Aufgaben
4 Kräfte und Gleichgewicht
4.1 Kräfte im statischen Gleichgewicht
4.2 Einheiten der Kraft
4.3 Gleichgewichtsbedingungen; Kräfte als Vektoren
4.4 Aktion und Reaktion beim Kontakt von Objekten
4.5 Rotationsgleichgewicht; Drehmoment
4.6 Kräfte ohne Kontakt; Gewicht
4.7 Rollen und Seile
4.8 Aufgaben
5 Die verschiedenen Kräfte der Natur
5.1 Die Grundtypen der Kräfte
5.2 Gravitationskräfte
5.3 Elektrische und magnetische Kräfte
5.4 Kernkräfte
5.5 Kräfte zwischen neutralen Atomen
5.6 Kontaktkräfte
5.7 Reibungskräfte
5.8 Schlußbemerkungen
5.9 Aufgaben
6 Kraft, Trägheit und Bewegung
6.1 Das Trägheitsprinzip
6.2 Kraft und träge Masse: Das Newtonsche Grundgesetz
6.3 Einige Bemerkungen zum Newtonschen Grundgesetz
6.4 Maßstäbe für Massen und Kräfte
6.5 Impuls, Arbeit, Kraftstoß und kinetische Energie
6.6 Die Invarianz des Newtonschen Grundgesetzes; Relativität
6.7 Invarianz bei speziellen Kraftgesetzen
6.8 Das Newtonsche Grundgesetz und die Zeitumkehr
6.9 Schlußbemerkungen
6.10 Aufgaben
II Klassische Mechanik bei der Arbeit
7 Die Anwendung des Newtonschen Grundgesetzes
7.1 Einige einführende Beispiele
7.2 Bewegung in zwei Dimensionen
7.3 Die Bewegung auf einer Kreisbahn
7.4 Gekrümmte Bewegung mit veränderlicher Geschwindigkeit
7.5 Kreisbahnen von geladenen Teilchen in Magnetfeldern
7.6 Geladene Teilchen in einem magnetischen Feld
7.7 Massenspektrographen
7.8 Der Bruch von schnellrotierenden Objekten
7.9 Bewegung gegen Widerstandskräfte
7.10 Detaillierte Untersuchung der Bewegung mit Widerstand
7.11 Bewegung in viskosen Medien
7.12 Anwachsen und Abfallen der Geschwindigkeit bei einer Bewegung mit Widerstand
7.13 Luftwiderstand und „Unabhängigkeit der Bewegungen“
7.14 Einfache harmonische Bewegung
7.15 Mehr über die einfache harmonische Bewegung
7.16 Aufgaben
8 Die universale Gravitation
8.1 Die Entdeckung der universalen Gravitation
8.2 Die Umlaufbahnen der Planeten
8.3 Umlaufzeiten der Planeten
8.4 Das dritte Keplersche Gesetz
8.5 Der Mond und der Apfel
8.6 Die Bestimmung der Mondentfernung
8.7 Die Gravitationswirkung einer großen Kugel
8.8 Andere Satelliten der Erde
8.9 Der Wert von G und die Masse der Erde
8.10 Lokale Schwankungen von g
8.11 Die Masse der Sonne
8.12 Die Bestimmung der Entfernung zur Sonne
8.13 Masse und Gewicht
8.14 Schwerelosigkeit
8.15 Die Jupitermonde
8.16 Etwas über andere Planeten lernen
8.17 Die Entdeckung des Neptun
8.18 Gravitation außerhalb des Sonnensystems
8.19 Einsteins Theorie der Gravitation
8.20 Aufgaben
9 Stoßprozesse und Erhaltungssätze
9.1 Die Stoßgesetze
9.2 Die Erhaltung des Impulses
9.3 Impuls als vektorielle Größe
9.4 Aktion, Reaktion und Stoß
9.5 Eine Ausweitung des Prinzips der Impulserhaltung
9.6 Die von einem Teilchenstrom ausgeübte Kraft
9.7 Der Schub eines Fluidstrahls
9.8 Raketenantriebe
9.9 Zusammenstöße und Bezugssysteme
9.10 Die kinetische Energie bei Zusammenstößen
9.11 Das Schwerpunktsystem
9.12 Stoßprozesse in zwei Dimensionen
9.13 Elastische Stöße zwischen Atomkernen
9.14 Unelastische und explosive Prozesse
9.15 Was ist überhaupt ein Stoß?
9.16 Wechselwirkende Teilchen mit äußeren Kräften
9.17 Der Druck eines Gases
9.18 Das Neutrino
9.19 Aufgaben
10 Energieerhaltung; Schwingungen
10.1 Einführung
10.2 Integrale der Bewegung
10.3 Arbeit, Energie und Leistung
10.4 Die potentielle Energie der Gravitation
10.5 Mehr über eindimensionale Situationen
10.6 Die Energiemethode bei eindimensionalen Bewegungen
10.7 Einige Beispiele für die Energiemethode
10.8 Der harmonische Oszillator mit der Energiemethode
10.9 Kleine Oszillationen
10.10 Der lineare Oszillator als Zweikörperproblem
10.11 Stoßprozesse mit Energiespeicherung
10.12 Das zweiatomige Molekül
10.13 Aufgaben
11 Konservative Kräfte und Bewegung im Raum
11.1 Die Ausweitung des Konzepts der konservativen Kraft
11.2 Die Beschleunigung von zwei verbundenen Massen
11.3 Ein Objekt, das sich auf einer senkrechten Kreisbahn bewegt
11.4 Ein Experiment von Galileo
11.5 Eine Masse auf einer parabolischen Bahn
11.6 Das einfache Pendel
11.7 Das Pendel als harmonischer Oszillator
11.8 Das einfache Pendel bei größeren Amplituden
11.9 Die universale Gravitation, eine konservative Zentralkraft
11.10 Die Gravitation einer Kugelschale
11.11 Eine Vollkugel
11.12 Fluchtgeschwindigkeiten
11.13 Mehr über die Kriterien für konservative Kräfte
11.14 Felder
11.15 Äquipotentialflächen und der Gradient der potentiellen Energie
11.16 Bewegung in konservativen Kraftfeldern
11.17 Der Effekt von dissipativen Kräften
11.18 Der Gaußsche Satz
11.19 Anwendungen des Gaußschen Satzes
11.20 Aufgaben
III Einige weiterführende Anwendungen
12 Trägheitskräfte und Nichtinertialsysteme
12.1 Bewegung in nichtbeschleunigten Bezugssystemen
12.2 Bewegungen in einem beschleunigten Bezugssystem
12.3 Beschleunigte Bezugssysteme und Trägheitskräfte
12.4 Beschleunigungsmesser
12.5 Beschleunigte Bezugssysteme und Gravitation
12.6 Zentrifugalkraft
12.7 Zentrifugen
12.8 Corioliskräfte
12.9 Dynamik auf einem Taifunrad
12.10 Allgemeine Bewegungsgleichungen in einem rotierenden Bezugssystem
12.11 Die Erde als rotierendes Bezugssystem
12.12 Die Gezeiten
12.13 Tidenhöhen; Einflüsse der Sonne
12.14 Die Suche nach einem fundamentalen Inertialsystem
12.15 Spekulationen über den Ursprung der Trägheit
12.16 Aufgaben
13 Bewegung unter dem Einfluß von Zentralkräften
13.1 Grundlegende Merkmale des Problems
13.2 Der Flächensatz
13.3 Die Erhaltung des Drehimpulses
13.4 Energieerhaltung bei der Bewegung im Zentralkraftfeld
13.5 Die Interpretation von Effektivpotentialverläufen
13.6 Gebundene Bahnen
13.7 Ungebundene Bahnen
13.8 Kreisförmige Umlaufbahnen in einem r-2-Kraftfeld
13.9 Kleine Störungen einer kreisförmigen Umlaufbahn
13.10 Die elliptischen Umlaufbahnen der Planeten
13.11 Die Ableitung des r-2-Gesetzes aus der Ellipsenbahn
13.12 Elliptische Umlaufbahnen; eine analytische Behandlung
13.13 Die Energie einer elliptischen Umlaufbahn
13.14 Bewegungen in der Nähe der Erdoberfläche
13.15 Interplanetare Übergangsbahnen
13.16 Die Berechnung einer Umlaufbahn aus den Anfangsbedingungen
13.17 Eine Familie von zusammenhängenden Bahnen
13.18 Die Bewegung unter dem Einfluß einer Zentralkraft als Zweikörperproblem
13.19 Ableitung der Gleichung für die Bewegungsbahn aus dem Kraftgesetz
13.20 Rutherfordstreuung
13.21 Streuquerschnitte
13.22 Eine historische Bemerkung
13.23 Aufgaben
14 Ausgedehnte Systeme und Dynamik der Rotation
14.1 Impuls und kinetische Energie eines Vielteilchensystems
14.2 Drehimpuls
14.3 Der Drehimpuls als fundamentale Größe
14.4 Drehimpulserhaltung
14.5 Trägheitsmomente von ausgedehnten Objekten
14.6 Spezialfälle
14.7 Zwei Theoreme über Trägheitsmomente
14.8 Die kinetische Energie rotierender Objekte
14.9 Drehimpulserhaltung und kinetische Energie
14.10 Torsionsschwingungen und starre Pendel
14.11 Bewegung unter der kombinierten Wirkung von Kräften und Drehmomenten
14.12 Kraftstöße und Drehmomente
14.13 Hintergrund zur Kreiselbewegung
14.14 Kreisel mit fester Präzession
14.15 Mehr über Präzessionsbewegungen
14.16 Kreisel in der Navigation
14.17 Atome und Atomkerne als Kreisel
14.18 Kreiselbewegung mit F=ma
14.19 Nutation
14.20 Die Präzession der Tag- und Nachtgleiche
14.21 Aufgaben
Anhang
Das metrische Einheitensystem
Umrechnungsfaktoren
Einige physikalische Konstanten
Literaturverzeichnis
Lösungen ausgewählter Aufgaben
Sachwortregister
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Newtonsche Mechanik: Eine Einführung in die klassische Mechanik
 9783110822090, 9783110150414

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A. R French Newtonsche Mechanik Eine Einführung in die klassische Mechanik

Anthony Ε French

Newtonsche Mechanik Eine Einführung in die klassische Mechanik Übersetzt aus dem Amerikanischen von Frank Epperlein

W DE

G

Walter de Gruyter · Berlin · New York 1996

Titel der Originalausgabe Newtonian Mechanics The Μ . I.Τ. Introductory Physics Series Autor A n t h o n y P. French Professor of Physics, The Massachusetts Institute of Technology Copyright © 1971, 1965 by the Massachusetts Institute of Technology Published

by

W. W. N o r t o n & Company, Inc. 500 Fifth Avenue, New York, Ν. Y. 10110 W. W. N o r t o n & C o m p a n y Ltd., 10 Coptic Street, L o n d o n , W C 1 A 1PU Übersetzer der deutschsprachigen Ausgabe Dipl.-Phys. Frank Epperlein Gabelsberger Straße 28 09456 Annaberg-Buchholz

D a s Buch enthält 318 Abbildungen und 10 Tabellen.

© Gedruckt auf säurefreiem Papier, das die US-ANSI-Norm über Haltbarkeit erfüllt.

Die Deutsche

Bibliothek



CIP-Einheitsaufnahme

French, Anthony P.: Newtonsche Mechanik : eine E i n f ü h r u n g in die klassische Mechanik / A n t h o n y P. French. Übers, aus d e m Amerikan. von Frank Epperlein. — Berlin ; New York : de Gruyter, 1995. Einheitssacht.: Newtonian mechanics < d t . > ISBN 3-11-013880-8 brosch. ISBN 3-11-015041-7 G b .

© C o p y r i g h t 1995 by Walter de G r u y t e r & Co., D-10785 Berlin Dieses Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung a u ß e r h a l b der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Z u s t i m m u n g des Verlages unzulässig und strafbar. D a s gilt insbesondere f ü r Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Printed in Germany. Druck: Druckerei Gerike G m b H , Berlin. Bindearbeiten: Lüderitz & Bauer Buchgewerbe G m b H , Berlin. Einbandentwurf: Hansbernd Lindemann, Berlin.

• ·

Vorwort des Ubersetzers

Man könnte sich fragen, w a r u m es nach den zahlreichen bereits erschienenen Einführungen in das Fachgebiet der klassischen Mechanik sinnvoll ist, dieser reichen Auswahl an Lehrmethodik noch einen weiteren einführenden Band hinzuzugesellen. Nun, es sind vor allem zwei Gründe, die für den „French" sprechen: die Art und Weise des Herangehens an das T h e m a und die Erprobtheit des Buches. Der „French" ist Teil einer mehrbändigen einführenden Reihe 1 in die Physik, die von dem renommierten physikalischen Lehrer Prof. A. P. French in Z u s a m m e n arbeit mit dem Education Research Center a m M.I.T. entwickelt wurde. Dabei erschien jeder Band in einer vorläufigen Ausgabe, von der nach f ü n f j ä h r i g e m (!) Test im Lehrbetrieb des M.I.T. und anderer Bildungseinrichtungen die Endversion abgeleitet wurde. Der „French" stellt Physik so dar, wie sie sich wirklich abspielt: Von der Alltagserfahrung und dem Alltagsdenken ausgehend wird über verfeinerte Argumentationen, gedankliche Reduktion und nachprüfende Experimente zu den Sätzen hin fortgeschritten, die die allgemein anerkannte Axiomatik des Fachgebietes bilden. Dabei bleibt keine gedankliche Klippe außen vor, und immer wieder deutet sich an, wie m a n es vielleicht auch h ä t t e anders machen können. So bleibt immer im Blick, wie die Grundbegriffe und Grundgesetze aus dem Experiment hervorgegangen sind, wie sie geschlußfolgert wurden und inwieweit ihre Konstruktion „gedanklicher Zweckmäßigkeit" geschuldet ist, und m a n ist wenig überrascht, wenn sich mit dem Ubergang zur Relativitätstheorie und Q u a n t e n m e chanik manche Aspekte wieder modifizieren. Durch zahlreiche Zitate und Bemerkungen hat der Autor die tatsächliche historische Abfolge der Ereignisse in diesen G e d a n k e n a u f b a u eingeflochten. Das beleuchtet die Probleme zusätzlich, vermittelt aber auch eine Vorstellung von der gedank-

1 Die a n d e r e n B ä n d e dieser Reihe sind: A. P. French, Special Relativity, A. P. French, Vibrations and Waves, A. P. French und Ε. F. Taylor, An Introduction to Quantum Physics.

vi

Vorwort des Übersetzers

liehen Schärfe und T i e f e unserer Vorgänger und einen Hauch von dem „ A b e n t e u e r Forschung", das in j e d e r Wissenschaft steckt. Solcherart vorbereitet, fällt dann auch die umgekehrte R i c h t u n g , die A n w e n d u n g der gefundenen Sätze auf spezielle Probleme, die A n a l y s e und Zerlegung mechanischer S y s t e m e leichter, denn man hat eine Vorstellung gewonnen, WEIS m a n da tut. Bei alledem ist der „French" ein Buch z u m Lesen, und der Ubersetzer hofft, daß sich ein wenig von der humorvollen und flüssigen Sprache des amerikanischen Originals auch im Deutschen wiederfinden wird. Ich bin sehr vielen Personen zu großem D a n k verpflichtet, die die Entstehung dieser Ubersetzung ü b e r h a u p t erst möglich g e m a c h t haben. Bei einigen möchte ich mich, auch stellvertretend für die ungenannten, besonders bedanken: Zuerst möchte ich Herrn Dr. R u d o l f Weber v o m Verlag de G r u y t e r danken, auf den die A u s w a h l des Buches zur U b e r s e t z u n g zurückgeht. Herzlichen D a n k auch an Herrn Dr. Rainer Schulze v o m Verlag de G r u y t e r , der das Buch begleitet und korrekturgelesen hat, für sein verständnisvolles E n t g e g e n k o m m e n und zahlreiche wertvolle Hinweise zur Ubersetzung; an Frau Ingeborg N e u m a n n v o m Verlag de G r u y t e r für ihr großes E n g a g e m e n t bei der Festlegung und Korrektur des endgültigen L a y o u t s und an Frau Gillian C a g l a y a n v o m Verlag de G r u y t e r . Besonderer D a n k gebührt außerdem noch meiner Frau Manuela, die mir vor allem bei der Erstellung des Sach wort Verzeichnisses eine große Hilfe war. Frank Epperlein Berlin August

und Annaberg 1995

Inhalt

Vorwort Prolog Übungen - hors d'oeuvres

XV xxi xxvii

I

Der Zugang zur Newtonschen Mechanik

1

1

Ein Universum aus Teilchen

3

1.1 1.2 1.3 1.4 1.5 1.6 1.7 1.8 1.9 1.10 1.11 2

Das Teilchenbild Elektronen und Nukleonen Atomkerne Atome Moleküle und lebende Zellen Sand und S t a u b Andere irdische O b j e k t e Planeten und Monde Sterne Galaxien Aufgaben

R a u m , Zeit und Bewegung 2.1 2.2 2.3 2.4 2.5 2.6 2.7 2.8

Weis ist Bewegung? Bezugssysteme Koordinatensysteme Kombination von Verschiebungsvektoren Die Zerlegung von Vektoren Vektoraddition und die Eigenschaften des Raumes Zeit Einheiten und S t a n d a r d s von Länge und Zeit

3 6 7 7 10 12 13 14 15 17 19 23 23 26 27 32 34 38 40 41

VÜi

Inhalt

2.9 2.10 2.11 2.12 2.13 2.14 3

Kräfte im statischen Gleichgewicht Einheiten der Kraft Gleichgewichtsbedingungen; Kräfte als Vektoren Aktion und Reaktion beim Kontakt von Objekten Rotationsgleichgewicht; Drehmoment Kräfte ohne Kontakt; Gewicht Rollen und Seile Aufgaben

Die verschiedenen Kräfte der Natur 5.1 5.2 5.3 5.4 5.5 5.6 5.7 5.8 5.9

6

Beschleunigung Die Analyse der geradlinigen Beschleunigung Eine Bemerkung über zusätzliche Wurzeln Bewegungsprobleme in zwei Dimensionen Freier Fall von einzelnen Atomen Andere Eigenschaften der Bewegung im freien Fall Die gleichförmige Kreisbewegung Geschwindigkeit und Beschleunigung in Polarkoordinaten Aufgaben

Kräfte und Gleichgewicht 4.1 4.2 4.3 4.4 4.5 4.6 4.7 4.8

5

44 45 46 49 51 55

Beschleunigte Bewegungen 3.1 3.2 3.3 3.4 3.5 3.6 3.7 3.8 3.9

4

Weg-Zeit-Diagramme Geschwindigkeit Momentangeschwindigkeiten Relativgeschwindigkeit und Relativbewegung Planetenbewegung; Ptolemäus gegen Kopernikus Aufgaben

Die Grundtypen der Kräfte Gravitationskräfte Elektrische und magnetische Kräfte Kernkräfte Kräfte zwischen neutralen Atomen Kontaktkräfte Reibungskräfte Schlußbemerkungen Aufgaben

Kraft, Trägheit und Bewegung 6.1 6.2 6.3 6.4 6.5

Das Trägheitsprinzip Kraft und träge Masse: Das Newtonsche Grundgesetz Einige Bemerkungen zum Newtonschen Grundgesetz Maßstäbe für Massen und Kräfte Impuls, Arbeit, Kraftstoß und kinetische Energie

63

. . . .

63 65 70 73 75 79 81 83 85 93 94 96 97 100 101 105 107 109 117 117 118 122 124 125 127 129 131 131 139 139 142 145 147 149

Inhalt

ix 6.6 6.7 6.8 6.9 6.10

II 7

Klassische Mechanik bei der Arbeit Die Anwendung des Newtonschen Grundgesetzes 7.1 7.2 7.3 7.4 7.5 7.6 7.7 7.8 7.9 7.10 7.11 7.12 7.13 7.14 7.15 7.16

8

Die Invarianz des Newtonschen Grundgesetzes; Relativität . . . . Invarianz bei speziellen Kraftgesetzen Das Newtonsche Grundgesetz und die Zeitumkehr Schlußbemerkungen Aufgaben

Einige einführende Beispiele Bewegung in zwei Dimensionen Die Bewegung auf einer Kreisbahn G e k r ü m m t e Bewegung mit veränderlicher Geschwindigkeit . . . . Kreisbahnen von geladenen Teilchen in Magnetfeldern Geladene Teilchen in einem magnetischen Feld Massenspektrographen Der Bruch von schnellrotierenden O b j e k t e n Bewegung gegen W i d e r s t a n d s k r ä f t e Detaillierte Untersuchung der Bewegung mit W i d e r s t a n d Bewegung in viskosen Medien Anwachsen und Abfallen der Geschwindigkeit bei einer Bewegung mit Widerstand Luftwiderstand und „Unabhängigkeit der Bewegungen" Einfache harmonische Bewegung Mehr über die einfache harmonische Bewegung Aufgaben

Die universale Gravitation 8.1 8.2 8.3 8.4 8.5 8.6 8.7 8.8 8.9 8.10 8.11 8.12 8.13 8.14 8.15 8.16

Die Entdeckung der universalen Gravitation Die U m l a u f b a h n e n der Planeten Umlaufzeiten der Planeten Das dritte Keplersche Gesetz Der Mond und der Apfel Die Bestimmung der Mondentfernung Die Gravitationswirkung einer großen Kugel Andere Satelliten der Erde Der Wert von G und die Masse der Erde Lokale Schwankungen von g Die Masse der Sonne Die Bestimmung der Entfernung zur Sonne Masse und Gewicht Schwerelosigkeit Die J u p i t e r m o n d e Etwas über andere Planeten lernen

150 153 154 155 158

161 163 164 170 173 175 178 180 181 182 185 187 193 196 199 200 204 208 219 219 220 223 226 229 232 235 238 240 242 244 247 250 255 257 257

X

Inhalt 8.17 8.18 8.19 8.20

9

Die Entdeckung des Neptun Gravitation außerhalb des Sonnensystems Einsteins Theorie der Gravitation Aufgaben

Stoßprozesse und Erhaltungssätze 9.1 9.2 9.3 9.4 9.5 9.6 9.7 9.8 9.9 9.10 9.11 9.12 9.13 9.14 9.15 9.16 9.17 9.18 9.19

Die Stoßgesetze Die Erhaltung des Impulses Impuls als vektorielle Größe Aktion, Reaktion und Stoß Eine Ausweitung des Prinzips der Impulserhaltung Die von einem Teilchenstrom ausgeübte Kraft Der Schub eines Fluidstrahls Raketenantriebe Zusammenstöße und Bezugssysteme Die kinetische Energie bei Zusammenstößen Das Schwerpunktsystem Stoßprozesse in zwei Dimensionen Elastische Stöße zwischen Atomkernen Unelastische und explosive Prozesse Was ist überhaupt ein Stoß? Wechselwirkende Teilchen mit äußeren Kräften Der Druck eines Gases Das Neutrino Aufgaben

10 Energieerhaltung; Schwingungen 10.1 10.2 10.3 10.4 10.5 10.6 10.7 10.8 10.9 10.10 10.11 10.12 10.13

Einführung Integrale der Bewegung Arbeit, Energie und Leistung Die potentielle Energie der Gravitation Mehr über eindimensionale Situationen Die Energiemethode bei eindimensionalen Bewegungen Einige Beispiele für die Energiemethode Der harmonische Oszillator mit der Energiemethode Kleine Oszillationen i Der lineare Oszillator als Zweikörperproblem Stoßprozesse mit Energiespeicherung Das zweiatomige Molekül Aufgaben

11 Konservative Kräfte und Bewegung im Raum 11.1 11.2 11.3

Die Ausweitung des Konzepts der konservativen Kraft Die Beschleunigung von zwei verbundenen Massen Ein Objekt, das sich auf einer senkrechten Kreisbahn bewegt

260 266 270 271 279 280 281 282 284 289 291 295 296 301 303 305 309 312 316 320 321 323 326 327 337 337 338 343 344 348 351 353 362 364 366 370 374 380 393 393 395 . . 397

Inhalt

ΧΪ

11.4 11.5 11.6 11.7 11.8 11.9 11.10 11.11 11.12 11.13 11.14 11.15 11.16 11.17 11.18 11.19 11.20

III

Ein Experiment von Galileo 399 Eine Masse auf einer oarabolischen Bahn 401 Das einfache Pendel 404 Das Pendel als harmonischer Oszillator 407 Das einfache Pendel bei größeren Amplituden 410 Die universale Gravitation, eine konservative Zentralkraft . . . . 412 Die Gravitation einer Kugelschale 415 Eine Vollkugel 419 Fluchtgeschwindigkeiten 422 Mehr über die Kriterien für konservative K r ä f t e 426 Felder 429 Äquipotentialflächen und der Gradient der potentiellen Energie . 431 Bewegung in konservativen Kraftfeldern 433 Der Effekt von dissipativen K r ä f t e n 437 Der Gaußsche Satz 440 Anwendungen des Gaußschen Satzes 443 Aufgaben 445

Einige weiterführende Anwendungen

12 Trägheitskräfte und Nichtinertialsysteme 12.1 12.2 12.3 12.4 12.5 12.6 12.7 12.8 12.9 12.10 12.11 12.12 12.13 12.14 12.15 12.16

Bewegung in nichtbeschleunigten Bezugssystemen Bewegungen in einem beschleunigten Bezugssystem Beschleunigte Bezugssysteme und Trägheitskräfte Beschleunigungsmesser Beschleunigte Bezugssysteme und Gravitation Zentrifugalkraft Zentrifugen Conoliskräfte Dynamik auf einem T a i f u n r a d Allgemeine Bewegungsgleichungen in einem rotierenden Bezugssystem Die Erde als rotierendes Bezugssystem Die Gezeiten Tidenhöhen; Einflüsse der Sonne Die Suche nach einem f u n d a m e n t a l e n Inertialsystem Spekulationen über den Ursprung der Trägheit Aufgaben

13 Bewegung unter dem Einfluß von Zentralkräften 13.1 13.2 13.3 13.4

Grundlegende Merkmale des Problems Der Flächensatz Die E r h a l t u n g des Drehimpulses Energieerhaltung bei der Bewegung im Zentralkraftfeld

457 459 460 461 463 466 469 472 477 479 483 484 489 494 498 501 505 509 519 519 521 524 527

xii

Inhalt 13.5 13.6 13.7 13.8 13.9 13.10 13.11 13.12 13.13 13.14 13.15 13.16 13.17 13.18 13.19 13.20 13.21 13.22 13.23

Die Interpretation von Effektivpotentialverlaufen Gebundene Bahnen Ungebundene Bahnen Kreisförmige Umlaufbahnen in einem r _ 2 -Kraftfeld Kleine Störungen einer kreisförmigen Umlaufbahn Die elliptischen Umlaufbahnen der Planeten Die Ableitung des r~ 2 -Gesetzes aus der Ellipsenbahn Elliptische Umlaufbahnen; eine analytische Behandlung Die Energie einer elliptischen Umlaufbahn Bewegungen in der Nähe der Erdoberfläche Interplanetare Ubergangsbahnen Die Berechnung einer Umlaufbahn aus den Anfangsbedingungen Eine Familie von zusammenhängenden Bahnen Die Bewegung unter dem Einfluß einer Zentralkraft als Zweikörperproblem Ableitung der Gleichung für die Bewegungsbahn aus dem Kraftgesetz Rutherfordstreuung Streuquerschnitte Eine historische Bemerkung Aufgaben

14 Ausgedehnte Systeme und Dynamik der Rotation 14.1 14.2 14.3 14.4 14.5 14.6 14.7 14.8 14.9 14.10 14.11 14.12 14.13 14.14 14.15 14.16 14.17 14.18 14.19 14.20 14.21

Impuls und kinetische Energie eines Vielteilchensystems Drehimpuls Der Drehimpuls als fundamentale Größe Drehimpulserhaltung Trägheitsmomente von ausgedehnten Objekten Spezialfälle Zwei Theoreme über Trägheitsmomente Die kinetische Energie rotierender Objekte Drehimpulserhaltung und kinetische Energie Torsionsschwingungen und starre Pendel Bewegung unter der kombinierten Wirkung von Kräften und Drehmomenten Kraftstöße und Drehmomente Hintergrund zur Kreiselbewegung Kreisel mit fester Präzession Mehr über Präzessionsbewegungen Kreisel in der Navigation Atome und Atomkerne als Kreisel Kreiselbewegung mit F = m a Nutation Die Präzession der Tag- und Nachtgleiche Aufgaben

529 531 533 535 538 540 545 548 552 554 555 558 559 561 563 567 572 577 579 591 592 596 600 601 606 608 610 615 618 622 626 630 633 639 642 645 647 649 652 655 660

Inhalt

xiii Anhang Das metrische Einheitensystem Umrechnungsfaktoren Einige physikalische Konstanten Literaturverzeichnis Lösungen ausgewählter Aufgaben Sachwortregister

671 671 672 674 675 685 695

Vorwort

Die Arbeit des Education Research Center a m M.I.T. (früher: Science Teaching Center) beschäftigt sich mit der Verbesserung des Curriculums, dem Unterrichtsprozeß, Unterrichtshilfen sowie dem Lernprozeß selbst, hauptsächlich bei College- und Universitätsstudenten. Das Center wurde 1960 vom M.I.T. unter dem inzwischen verstorbenen Direktor Professor Francis L. Friedman gegründet. Seit 1961 wird das Center im wesentlichen von der National Science Foundation getragen, großzügige U n t e r s t ü t z u n g wird ihm auch von der Kettering Foundation, der Shell Companies Foundation, der Victoria Foundation, der W . T . G r a n t Foundation und der Bing Foundation zuteil. Die M.I.T. Introductory Physics Series, ein direktes Ergebnis der Arbeit des Centers, ist als Reihe von kurzgefaßten Büchern konzipiert, die in ihrer Gesamtheit die wichtigsten Gebiete der Physik u m s p a n n t . Insbesondere wird die Wechselbeziehung zwischen Experiment und Intuition bei der Entstehung von physikalischen Theorien b e t o n t . Die Bücher dieser Reihe sind dazu gedacht, mögliche Grundlagen für Einführungskurse vorzustellen. Die Bandbreite reicht dabei von Büchern, die das Schwergewicht auf die klassische Physik legen, bis hin zu Büchern, die bereits in stärkerem Maße Atom- und Quantenphysik behandeln. Die verschiedenen Bände sind vom Schwierigkeitsgrad und Stil der Behandlung des jeweiligen Gebietes her vergleichbar, aber nicht als zusammenhängendes Paket gedacht. Im Gegenteil, jedes Buch ist weitgehend in sich abgeschlossen und als eigenständige Komponente in den verschiedensten Lehrveranstaltungen verwendbar. Der vorliegende Band soll eine mehr oder weniger abgeschlossene Einführung in die Newtonsche Mechanik geben, durch die ein Student mit geringen oder gar keinen Grundkenntnissen im Fach - wenn er a m Anfang beginnt - allmählich zu einer beträchtlichen Gewandtheit gelangen kann. Eine erste Anleitung für eine mögliche Nutzung des Buches gibt bereits seine Gliederung in drei Hauptteile:

xvi

Vorwort

T e i l I, Der

Zugang

zur Newionschen

Dynamik,

v e r f o l g t z w e i Ziele: E i n l e i t e n d wer-

d e n die g r u n d l e g e n d e n K o n z e p t e der K i n e m a t i k u n d der D y n a m i k a u f einer sehr e l e m e n t a r e n E b e n e d i s k u t i e r t , u n d a n s c h l i e ß e n d w i r d v e r s u c h t , d a s S t u d i u m der M e c h a n i k in die W e l t der p h y s i k a l i s c h e n E r s c h e i n u n g e n u n d der n o t w e n d i g e r w e i s e u n v o l l s t ä n d i g e n p h y s i k a l i s c h e n T h e o r i e n r i c h t i g e i n z u o r d n e n . D i e s e r Z u g a n g ist eine b e w u ß t e R e a k t i o n des A u t o r s g e g e n die D a r s t e l l u n g der M e c h a n i k a l s „ a n g e w a n d t e M a t h e m a t i k " m i t ihrer L o s l ö s u n g v o n der R e a l i t ä t u n d d e m i r r e f ü h r e n d e n

Ein-

d r u c k v o n S t r e n g e , d e n sie bei G e n e r a t i o n e n v o n S t u d e n t e n e r z e u g t h a t [besonders (leider!) bei d e n e n , die d a s b r i t i s c h e A u s b i l d u n g s s y s t e m d u r c h l a u f e n h a b e n ] . D e r S t u d e n t , der b e r e i t s e i n i g e E r f a h r u n g in der A n w e n d u n g der N e w t o n s c h e n G e s e t z e h a t , w i r d w e n i g A n a l y t i s c h e s o d e r Q u a n t i t a t i v e s in T e i l I lernen, a b e r er k a n n bei der L e k t ü r e W e r t v o l l e s u n d I n t e r e s s a n t e s ü b e r die tiefere B e d e u t u n g dieser G e s e t z e erfahren. T e i l II, Klassische

Mechanik

bei der Arbeit,

ist z w e i f e l l o s d a s H e r z s t ü c k des B u -

ches. M a n c h e m D o z e n t e n w i r d es s i n n v o l l e r s c h e i n e n , hier z u b e g i n n e n u n d T e i l I als H i n t e r g r u n d l e k t ü r e z u e m p f e h l e n . D i e B e t o n u n g liegt hier z u n ä c h s t a u f der A n w e n d u n g des N e w t o n s c h e n G r u n d g e s e t z e s a u f e i n z e l n e O b j e k t e . S p ä t e r v e r s c h i e b t sich der S c h w e r p u n k t z u S y s t e m e n a u s z w e i o d e r m e h r T e i l c h e n u n d a u f die E r h a l t u n g s s ä t z e f ü r I m p u l s u n d E n e r g i e h i n . E i n v e r g l e i c h s w e i s e l a n g e s K a p i t e l ist d e m G e g e n s t a n d g e w i d m e t , der i m g e s a m t e n N e w t o n s c h e n S y s t e m einen h e r a u s r a g e n d e n P l a t z e i n n i m m t - der T h e o r i e der u n i v e r s a l e n G r a v i t a t i o n u n d ihrer E r f o l g e , die n o c h i m m e r e i n e n H ö h e p u n k t in d e m m e n s c h l i c h e n

Bestreben darstellt,

im

u n e r m e ß l i c h e n U n i v e r s u m , in d e m sich der M e n s c h w i e d e r f i n d e t , O r d n u n g e n

zu

entdecken. T e i l III, Einige

weiterführende

Anwendungen,

b e s c h ä f t i g t sich m i t d e n P r o b l e -

m e n n i c h t i n e r t i a l e r B e z u g s s y s t e m e , B e w e g u n g e n u n t e r d e m E i n f l u ß einer Z e n t r a l k r a f t u n d der D y n a m i k der R o t a t i o n . A b g e s e h e n v o n der B e h a n d l u n g der g r u n d l e g e n d e n E i g e n s c h a f t e n der R o t a t i o n s b e w e g u n g u n d des D r e h i m p u l s e s k a n n

das

m e i s t e dieses M a t e r i a l s als o p t i o n a l b e t r a c h t e t w e r d e n , f a l l s d a s B u c h als B a s i s einer e i n f ü h r e n d e n D a r s t e l l u n g der M e c h a n i k v e r w e n d e t w i r d . Z w e i f e l l o s e n t h ä l t d a s B u c h m e h r M a t e r i a l , als in einer e i n s e m e s t r i g e n V o r l e s u n g b e h a n d e l t w e r d e n k a n n . T e i l I u n d T e i l II sind j e d o c h sicherlich ein f ü r E i n s t e i g e r z u b e w ä l t i g e n d e s P a k e t , w ä h r e n d T e i l II u n d T e i l III als T e x t f ü r S t u d e n t e n e m p f e h l e n s w e r t ist, die b e r e i t s über einige V o r b i l d u n g verfügen. E i n e der b e f r i e d i g e n d s t e n Z ü g e an der k l a s s i s c h e n M e c h a n i k ist die A n w e n d b a r k e i t ihrer P r i n z i p i e n a u f e i n e n g e w a l t i g e n B e r e i c h v e r s c h i e d e n a r t i g s t e r

physi-

kalischer S y s t e m e . M i t d i e s e m B u c h w u r d e der V e r s u c h g e m a c h t , a u s d r ü c k l i c h a u f s o l c h e A n w e n d u n g e n h i n z u w e i s e n u n d , w i e in a n d e r e n B ü c h e r n dieser Serie, die D a r s t e l l u n g e n m i t a n g e m e s s e n e n Z i t a t e n a u s O r i g i n a l q u e l l e n zu „ w ü r z e n " . S o m i t ihrer e i g e n e n G e s c h i c h t e a n g e r e i c h e r t b e s i t z t die k l a s s i s c h e M e c h a n i k eine S p a n n u n g , die n a c h M e i n u n g des A u t o r s a u c h n i c h t v o n i r g e n d e i n e r der neueren

physikalischen

Theorien übertreffen wird. D a s B u c h v e r d a n k t , w i e die a n d e r e n in der Serie, eine M e n g e den G e d a n k e n , der K r i t i k u n d d e n V o r s c h l ä g e n vieler M e n s c h e n , s o w o h l S t u d e n t e n als a u c h L e h r e r . E i n s p e z i e l l e r D a n k in V e r b i n d u n g m i t d e m v o r l i e g e n d e n B a n d g i l t P r o f .

A.M.

H u d s o n a m O c c i d e n t a l C o l l e g e in L o s A n g e l e s , der g e m e i n s a m m i t d e m A u t o r an

xvii

Vorwort

der Vorbereitung des vorläufigen Texts gearbeitet h a t , aus dem fünf J a h r e später die Endversion abgeleitet wurde. Herzlichen Dank auch an Eva M. Hakala und William H. I n g h a m für ihre unschätzbare Hilfe bei der Vorbereitung des Manuskripts zur Veröffentlichung. A P. F R E N C H Cambridge, Juli 1970

Massachusetts

Newtonsche Mechanik

Am Anfang

war die

Mechanik. MAX VON LAUE, Die Geschichte

der Physik

(1950)

Ich offeriere diese Arbeit als die mathematischen Prinzipien der Philosophie, weil die gesamte Aufgabe der Philosophie darin zu bestehen scheint, aus den Erscheinungen der Bewegungen auf die Kräfte der Natur zu schließen und dann aus diesen Kräften heraus die anderen Erscheinungen zu erklären. N E W T O N , Vorwort zu den Pnncipia

(1686)

Prolog

Eines der herausragendsten Merkmale des Universums ist die Bewegung. Galaxien bewegen sich in bezug auf andere Galaxien, alle Sterne bewegen sich, die Planeten führen klar erkennbare Bewegungen vor dem Hintergrund des Sternhimmels aus, die Ereignisse, die im täglichen Leben unsere Aufmerksamkeit erregen, haben mit Bewegungen zu tun, und sogar das scheinbar ruhende Buch, das Sie j e t z t gerade lesen, besteht aus Atomen in reisender Bewegung u m ihre Gleichgewichtslage. „ M a n gebe mir Materie und Bewegung", sagte im 17. J a h r h u n d e r t der französische Philosoph Rene Descartes, „und ich werde das Universum a u f b a u e n . " Es kann keinen Zweifel d a r a n geben, daß Bewegung ein P h ä n o m e n ist, mit dem wir uns auf allen Ebenen beschäftigen müssen, wenn wir die Welt u m uns h e r u m verstehen wollen. Newton entwickelte eine präzise und leistungsfähige Theorie der Bewegung, nach der Änderungen der Bewegung irgendeines O b j e k t s das Resultat von Kräflen sind, die an diesem O b j e k t angreifen. D a m i t schuf er das Fachgebiet, u m das es in diesem Buch geht und das klassische oder Newtonsche Mechanik genannt wird. Das war ein Meilenstein in der Geschichte der Wissenschaft, weil d a m i t eine lediglich anschauliche Beschreibung der Erscheinungen durch ein rationales und außerordentlich erfolgreiches Schema von Ursache und W i r k u n g ersetzt wurde. In der T a t h a t t e die strikt kausale N a t u r der Newtonschen Mechanik einen eindrucksvollen Einfluß auf die Entwicklung der westlichen Denkweise und Zivilisation, indem sie f u n d a m e n t a l e Fragen der Wechselbeziehung von Wissenschaft, Philosophie und Religion aufwarf, die Auswirkungen auf gesellschaftliche Ideen und viele andere Gebiete menschlicher Bestrebungen h a t t e n . Die klassische Mechanik ist ein Fach mit einem faszinierend zweiseitigen Charakter: Obwohl sie von alltäglichen Erfahrungen ausgeht, die so alt sind wie die Menschheit selbst, konfrontiert sie uns doch mit einigen der tiefgehendsten Fragen über das Universum, in dem wir uns befinden. Ist es nicht bemerkenswert, daß der Flug eines fortgeworfenen Kieselsteins oder das Herabfallen eines Apfels den Schlüssel zur Himmelsmechanik enthalten und letztlich auch einige der grundlegendsten Fragen einschließen, die wir ü b e r h a u p t über die N a t u r von R a u m und Zeit formulieren können? Manchmal wird Mechanik so dargestellt, als ob sie le-

xxii

Prolog

diglich aus der routinierten Anwendung von selbstverständlichen oder entdeckten Wahrheiten besteht. Nichts könnte weiter davon entfernt sein; sie ist ein prächtiges Beispiel einer physikalischen Theorie, langsam entwickelt und ständig verfeinert durch das kontinuierliche Wechselspiel zwischen Beobachtung und Hypothese. Die Reichhaltigkeit unserer Kenntnis der Mechanik aus erster Hand ist eindrucksvoll - durch das Zusammenwirken von Gefühl, Auge und Hand lösen wir in direkter Aktion unzählige dynamische Probleme ohne Anwendung der mathematischen Analysis. Wie Molieres berühmte Figur, Monsieur Jordan, der gelernt hat, daß er über sein ganzes Leben gesprochen hat, ohne es zu verwirklichen, ist jeder Mensch ein Experte in bezug auf die Folgen der Gesetze der Mechanik, ob er sie nun jemals aufgeschrieben gesehen hat oder nicht. Der trainierte Sportler oder Athlet hat einen beinahe unglaublichen Grad der Beurteilung und Kontrolle von Maß und Richtung der für ein gewünschtes Ergebnis notwendigen Muskelanstrengung erreicht. Es wurde z.B. geschätzt, daß die Baseballweltmeisterschaften 1962 anders ausgegangen wären, wenn ein entscheidender Schlag an den Ball auch nur einen Millimeter tiefer gewesen wäre! 1 Aber Bewegungen in diesem sehr persönlichen Sinne zu erleben und zu kontrollieren, ist etwas ganz anderes, als sie mit physikalischen Gesetzen und Gleichungen zu analysieren. Es ist die Aufgabe der klassischen Mechanik, die wesentlichen Prinzipien aufzudecken und zu formulieren, so daß sie auf jede Situation angewendet werden können, besonders auf unbelebte Objekte, die miteinander in Wechselwirkung stehen. Unsere innere Vertrautheit mit unseren Muskelbewegungen und ihren Folgen stellt dagegen eine Art von Verständnis dar (eine sehr wichtige Art!), die uns hier nicht weiterhilft. Der größte Erfolg der klassischen Mechanik war Newtons eigener Erfolg bei der Analyse dessen, was im Sonnensystem vorgeht - eine großartige Leistung, die sein Zeitgenosse und Bewunderer, der Dichter Alexander Pope, in einem berühmten Zweizeiler verewigt hat: Natur und Naturgesetze lagen in der Nacht verborgen. Gott sprach: „Newton sei!", und es wurde Morgen. 2 Seit undenklichen Zeiten haben die Menschen die Bewegungen der Himmelskörper beobachtet. Sie haben dabei verschiedene Regelmäßigkeiten bemerkt und gelernt, Dinge wie Konjunktionen der Planeten und Sonnen- und Mondfinsternisse vorauszusagen. Später, im 16. Jahrhundert, häufte der dänische Astronom Tycho de Brahe mit peinlicher Sorgfalt vorgenommene Aufzeichnungen der Planetenbewegungen von noch nie dagewesener Genauigkeit an. Sein Assistent, Johannes Kepler, fand

1

P. Kirkpatrick, Am. J. Phys., 3 1 , 606 (1963). Auf das es eine fast genauso berühmte, wenn auch spaßhafte Erwiderung von Sir John Squire gibt: 2

Das war nicht alles; der Teufel heulte, „Ho, Einstein sei." und restaurierte den Status quo.

Prolog

xxiii

nach jahrelangem Ringen mit dieser enormen Menge an Information heraus, daß alle Beobachtungen wie folgt zusammengefaßt werden können: 1. Die Planeten bewegen sich auf Ellipsen, in deren einem Brennpunkt die Sonne steht. 2. Die Linie, die die Sonne mit einem bestimmten Planeten verbindet, überstreicht in gleichen Zeiten gleiche Flächen. 3. Die Quadrate der Umlaufzeiten zweier Planeten verhalten sich wie die dritten Potenzen ihrer mittleren Entfernungen von der Sonne. Das stellte einen großartigen Fortschritt im Wissen des Menschen über die Mechanik des Himmels dar, aber es war noch mehr eine Beschreibung als eine Theorie. Warum? war die Frage, die noch auf eine Antwort wartete. Dann erschien Newton mit seinem Konzept der Kraft als Ursache für Bewegungsänderungen und mit seinem Postulat eines besonderen Kraftgesetzes - des r _ 2 -Gesetzes der Gravitation. Er zeigte, daß Keplers Gesetze gerade eine Konsequenz dieser Annahmen sind, die auch einen fallenden Apfel und andere irdische Bewegungen beschreiben. (Später in diesem Buch werden wir ins Detail der großen Errungenschaften von Newton gehen.) Selbst wenn die universale Gravitation nicht mehr bewirken würde, als UmlaufZeiten und Entfernungen von Planeten aufeinander einzurichten, wäre das heute noch eine großartige Theorie. Aber wie alle anderen guten Theorien in der Physik hatte sie Vorhersagewert, d.h., sie konnte auch auf andere Situationen angewendet werden als die, aus denen sie geschlußfolgert wurde. Die Untersuchung der Vorhersagen einer Theorie kann die Suche nach bisher unbekannten Erscheinungen zur Folge haben, oder sie kann die Erkenntnis bringen, daß ein schon lange vertrautes Phänomen in den neuen Rahmen eingepaßt werden muß. Auf jeden Fall wird die Theorie gründlichen Tests unterzogen, die sie besteht oder nicht. Bei Newtons Gravitationstheorie bestanden die anfänglichen Tests fast ausnahmslos in der Untersuchung von bekannten Effekten - aber das ist dennoch eine beachtliche Aufzählung! Das sind einige der Erscheinungen, für die Newton quantitative Erklärungen gab: 1. die Abplattung von Erde und Jupiter auf Grund ihrer Rotation, 2. die Änderung der Fallbeschleunigung mit der Höhe über der Erdoberfläche, 3. die Entstehung der Gezeiten durch die kombinierte Wirkung von Sonne und Mond, 4. die Wege der Kometen durch das Sonnensystem und 5. die langsame Veränderung der Richtung der Erdachse, hervorgerufen durch gravitative Drehmomente von Sonne und Mond. (Ein kompletter Zyklus dieser Veränderung dauert ungefähr 25000 Jahre, und die sogenannte „Präzession der Tag- und Nachtgleiche" ist eine Manifestation dieser Erscheinung.). Diese wunderbare Beleuchtung der Funktion der Natur stellt den letzten Teil von Newtons Programm dar, den er in unserem Eröffnungszitat wie folgt beschreibt: „... und dann aus diesen Kräften heraus die anderen Erscheinungen zu erklären." Diese schlichten Worte verbergen nicht nur die immense Größe der Errungenschaft, son-

xxiv

Prolog

dem auch die große Rolle der Mathematik bei dieser Entwicklung. Newton schuf mit der Theorie der universalen Gravitation das, was heute ein mathematisches Modell des Sonnensystems genannt wird. Und nachdem er dieses Modell einmal aufgestellt hatte, ging er einer Menge anderer sich daraus ergebender Folgerungen nach. Die Ausarbeitung war rein mathematisch, aber der letzte Schritt - der Test der Schlußfolgerungen - Schloß mit der detaillierten Uberprüfung der Voraussagen anhand der quantitativen Ergebnisse der Astronomie eine Rückkehr zur Welt der physikalischen Erfahrung ein. Obgleich Newtons mechanisches Bild des Universums zu seinen Lebzeiten bereits weitgehend abgeschlossen war, erlebte er einen seiner größten Triumphe nicht mehr: die Anwendung seiner Gesetze zur Aufspürung bisher unbekannter Mitglieder des Sonnensystems. Aus einer sorgfältigen und langatmigen Analyse der Bewegung der bekannten Planeten wurde geschlossen, daß störende Einflüsse anderer Planeten am Werk sein müssen. Auf diese Weise wurden 1846 Neptun entdeckt und 1930 Pluto. Jedesmal wurde berechnet, auf welche Stelle des Himmels ein Teleskop gerichtet werden müßte, um einen neuen Planeten zu entdecken, erkennbar an seiner Bewegung relativ zum Fixsternhintergrund. Welchen schlagenderen und überzeugenderen Beweis für die Brauchbarkeit der Theorie könnte es noch geben? Wahrscheinlich jeder, der dieses Buch liest, hat schon früher einmal Bekanntschaft mit der klassischen Mechanik gemacht und mit ihrer Art, sich in mathematisch präzisen Feststellungen auszudrücken. Und das kann es schwierig machen, zu verstehen, daß, wie bei jeder anderen physikalischen Theorie, ihre Entwicklung gerade eben nicht die unterschiedslose Anwendung der mathematischen Logik auf eine Menge von Daten war. Wurde Newton unausweichlich auf das r _ 2 -Gesetz der Gravitation gestoßen? Keineswegs! Es war das Ergebnis von Vermutungen („Rätselarbeit"), Intuition und Phantasie. In Newtons eigenen Worten: „Ich begann mir vorzustellen, daß die Gravitation bis zur Umlaufbahn des Mondes reicht, und ich dachte an Keplers Gesetz von den Umlaufzeiten der Planeten... . Ich schlußfolgerte, daß die Kräfte, die die Planeten auf ihren Umlaufbahnen halten, umgekehrt proportional zum Quadrat ihrer Abstände von den Zentren sein müssen, um die sie umlaufen. Deshalb verglich ich die Kraft, die notwendig ist, um den Mond auf seiner Umlaufbahn zu halten, mit der Gravitationskraft auf der Erdoberfläche und fand sie ziemlich nahe beieinander." Ein Gedankensprung dieser Art - allerdings selten so bedeutend wie der von Newton - ist an der Entstehung jeder Theorie oder jedes Modells beteiligt. Es ist ein Induktionsprozeß, und er geht „hinter den Fakten" unmittelbar vor sich. Einige Tatsachen können im Interesse der Verfolgung der Hauptidee sogar zeitweise beiseitegelassen oder ignoriert werden, da eine teilweise richtige Theorie oft besser als überhaupt keine Theorie ist. Und auf allen Stufen gibt es ein stetes Wechselspiel zwischen Experiment und Theorie, bei dem ständig neue Beobachtungen ins Spiel kommen und eine Modifikation der Theorie eine allgegenwärtige Möglichkeit ist. Das Diagramm auf der nächsten Seite, das auch über den Bereich der klassischen Mechanik hinaus Gültigkeit besitzt, deutet dieses Muster menschlicher Untersuchungen von Materie und Bewegung an. Der enorme Erfolg der klassischen Mechanik läßt es auf dieser Stufe so scheinen, daß zur Darstellung der gesamten physikalischen Welt nichts anderes mehr notwendig ist. Dieser Glaube erreichte am Ende des 19. Jhrh. einen Höhepunkt, als einige op-

XXV

Prolog Bewegungsgesetze Induktion Experimente und Beobachtungen

materielle

I

Kraftgesetze

Objekte

Deduktion

mathematische Modelle

Vorhersagen

timistische Physiker die Physik im Prinzip für abgeschlossen hielten. Sie hätten sich schwerlich eine unglücklichere Zeit für solche Schlußfolgerungen suchen können, da gerade in den nächsten Jahrzehnten die Physik ihre größte Umwälzung seit Newton erlebte. Die Entdeckung der Radioaktivität, des Elektrons und des Atomkerns und die Feinheiten der Elektrodynamik riefen grundlegend neue Ideen auf den Plan. So wissen wir heute, daß die Newtonsche Mechanik wie jede physikalische Theorie grundsätzliche Grenzen hat. Die Untersuchung von Bewegungen bei extrem hohen Geschwindigkeiten erfordert die Anwendung modifizierter Beschreibungen von Raum und Zeit, wie sie in Einsteins spezieller Relativitätstheorie dargelegt sind. Bei der Untersuchung von Erscheinungen im atomaren oder subatomaren Bereich werden noch drastischere Modifikationen, beschrieben von der Quantentheorie, notwendig. Auch Newtons spezielle Version der Gravitationstheorie mußte Abwandlungen zulassen, die durch die allgemeine Relativitätstheorie verkörpert werden. Aber das ändert nichts daran, daß uns die Newtonsche Mechanik in einem enormen Bereich und bei einer enormen Vielfalt an Situationen die Mittel zur Untersuchung in die Hand gibt und die Bewegungen der physikalischen Objekte vorhersagt, von Elektronen bis zu Galaxien. Ihr Gültigkeitsbereich und ihre Grenzen sind (sehr qualitativ) in der Abbildung auf der nächsten Seite gezeigt. Bei der Entwicklung der klassischen Mechanik in diesem Buch werden wir aufzeigen, wie ihr Anwendungshorizont auf die physikalische Welt und der Horizont des eigenen Standpunkts nach und nach ausgedehnt werden können. Mechanik, wie wir sie darstellen werden, ist überhaupt kein fix und fertiges Fach, das die Bezeichnung „angewandte Mathematik" rechtfertigen würde, bei der die Spielregeln von außen kommen und man nur noch damit beschäftigt ist, sie auf eine Vielzahl von Situationen anzuwenden. Wir wollen einen anderen Zugang anbieten, bei dem man sich auf jeder Stufe bewußt ist, daß man mit speziellen und begrenzten Daten arbeitet und von Annahmen Gebrauch macht, die nicht streng gerechtfertigt werden können. Aber das ist gerade das Wesentliche beim Betreiben von Physik. Newton selbst sagte es ebenso. Am Anfang des Buches III der Principia schlägt er vier „Regeln für das Argumentieren in der Philosophie" vor, deren letzte wie folgt lautet: „In der experimentellen Philosophie sehen wir Behauptungen, die mit der allgemeinen Induktion aus Erscheinungen gefolgert wurden, als wahr oder sehr nahe bei der Wahrheit an, ungeachtet irgendwelcher Hypothesen, die außerdem aufgestellt werden könnten, solange keine anderen Erscheinungen auftreten, durch die sie entweder präzisiert oder Einwänden ausgesetzt werden." Die Person, die auf vollständige Informationen wartet, ist auf einem verhängnisvollen Weg. Nie wird

xxvi

Prolog

unphysikalischer

Lichtgeschwin-

Bereich ??

digkeit relativistische Quantenmechanik

relativistische Physik

relativistische Kosmologie

10

Geschwindigkeit

Quantenmechanik

klassische Mechanik

10~"m

10",0m

Atomkern

Atom

Kosmologie

10

m

Galaxis Größe

sie ein Experiment beenden und nie eine nützliche Theorie konstruieren. Damit das jedoch nicht als Aufforderung zu nachlässigem oder oberflächlichem Denken verstanden wird, werden wir diese Einführung mit einer kleinen Fabel nach George Polya beenden. 3 Er schreibt als Mathematiker, aber die Quintessenz für die Physiker (und andere) ist klar. Der

Logiker,

der Mathematiker

und der

Ingenieur

„Schaut Euch diesen Mathematiker an", sagte der Logiker. „Er beobachtet, daß die ersten 99 Zahlen kleiner als 100 sind und schlußfolgert deshalb, was er Induktion nennt, daß alle Zahlen kleiner als 100 sind." „Ein Physiker glaubt" , sagte der Mathematiker, „daß 60 durch 1, 2, 3, 4, 5 und 6 teilbar ist. Er untersucht einige andere Fälle, z.B. 10, 20, 30, zufällig ausgewählt (wie er sagt). Weil 60 auch durch diese geteilt werden kann, betrachtet er den experimentellen Beweis als ausreichend." „Ja, aber schaut den Ingenieur an!", sagte der Physiker. „Ein Ingenieur vermutet, daß alle ungeraden Zahlen Primzahlen sind. Auf jeden Fall, so argumentiert er, kann 1 als Primzahl betrachtet werden. Dann kommen 2, 3, 5 und 7, alle zweifellos Primzahlen. Dann kommt 9, ein unangenehmer Fall; es scheint keine Primzahl zu sein. Doch 11 und 13 sind wieder Primzahlen. ,Kommen wir auf die 9 zurück', sagte er,'ich nehme stark an, daß bei der 9 ein experimenteller Fehler unterlaufen sein muß.' " Nachdem er so gespottet hat, fügt Polya diese Bemerkung an:

3 Diese warnende Erzählung ist in einem Buch mit dem Titel Induction and Analogy in Mathematics, Princeton University Press, Princeton, N.J., 1954, enthalten. Dieser Band und der dazugehörige Patterns of Plausible Inference sind eine köstliche Lektüre für jeden Wissenschaftler.

Übungen - hors d'ceuvres

XXVÜ

Es ist nur zu klar, daß Induktion zu einem Fehler führen kann. Es ist eher bemerkenswert, daß Induktion manchmal zur Wahrheit führt, obgleich die Chancen für einen Fehler so überwältigend groß sind. Sollen wir mit dem Studium der Fälle beginnen, in denen Induktion fehlschlägt, oder sollen wir mit dem Studium der bemerkenswerten Fälle beginnen, in denen sie Erfolg hat? Das Studium von Edelsteinen ist verständlicherweise attraktiver als das von gewöhnlichen Kieseln. Es waren bei weitem mehr die Edelsteine, die den Mineralogen zur wunderbaren Wissenschaft der Kristallographie führten. Mit dieser E r m u t i g u n g werden wir in K a p i t e l 1 unseren Z u g a n g zur klassischen Mechanik b e g i n n e n , die einer der p e r f e k t e s t e n u n d g l ä n z e n d s t e n Edelsteine in der S c h a t z k a m m e r des Physikers ist. Diesen P r o l o g b e e n d e n wir j e d o c h m i t einigen vorbereitenden Übungen.

Übungen - hors d'ceuvres Die wörtliche B e d e u t u n g der R e d e w e n d u n g „hors d'ceuvres" ist „ a u ß e r h a l b der A r b e i t " . Die u n t e n s t e h e n d e n Ü b u n g e n passen e x a k t zu dieser Definition, obgleich zu hoffen ist, d a ß sie auch den A p p e t i t anregen, wie es hors d'oeuvres t u n sollten. Sie b e s c h ä f t i g e n sich meistens m i t g r ö ß e n o r d n u n g s m ä ß i g e n A b s c h ä t z u n g e n (das sind A b s c h ä t z u n g e n m i t der G e n a u i g k e i t einer Z e h n e r p o t e n z ) u n d gerechtfertigten N ä h e r u n g e n - Dinge, die bei der A n n ä h e r u n g des Physikers a n ein P r o b l e m eine wichtige Rolle spielen, auf die a b e r selten in L e h r b ü c h e r n b e s o n d e r e r W e r t gelegt wird u n d die auch selten in L e h r b ü c h e r n dargestellt werden. Z.B. lernt j e d e r den Binomialsatz, a b e r wieviele S t u d e n t e n denken d a r a n als nützliches Werkzeug zur B e r e c h n u n g eines ziemlich guten W e r t e s f ü r die H y p o t h e n u s e eines rechtwinkligen Dreiecks m i t der N ä h e r u n g

wobei wir b < α a n n e h m e n ? (Sogar i m schlechtestmöglichen Fall, bei 6 = α, ist d a s E r g e b n i s nur u m 6% verkehrt - 1.5 anstelle von 1.414...) D a r ü b e r h i n a u s b e d a r f es der Ü b u n g u n d einiger b e w u ß t e r A n s t r e n g u n g , u m die F ä h i g k e i t zu entwickeln, grob die G r ö ß e u n d relative B e d e u t u n g von verschiedenen möglichen Effekten in einem physikalischen S y s t e m einzuschätzen. K a n n j e m a n d z u m Beispiel bei der B e s c h ä f t i g u n g m i t O b j e k t e n , die sich in Flüssigkeiten bewegen, schnell entscheiden, ob bei einer b e s t i m m t e n Geschwindigkeit die R e i b u n g oder die W i r b e l b i l d u n g die H a u p t q u e l l e des W i d e r s t a n d s eines O b j e k t s m i t gegebenen linearen A b m e s sungen ist? Die K e n n t n i s der Effekte von M a ß s t a b s v e r ä n d e r u n g e n kann wertvolle Einsichten in die Eigenschaften von S y s t e m e n geben. [Ein schönes Beispiel d a f ü r ist d a s w o h l b e k a n n t e Essay von J . B . S . H a i d a n e , „ O n being t h e R i g h t Size", d a s in The World of Mathematics, Vol.11 ( J . R . N e w m a n ed.), S i m o n a n d Schuster, New York, 1956, n a c h g e d r u c k t ist.] Durch den G e b r a u c h solcher M e t h o d e n u n d Wege kann m a n seine E i n s c h ä t z u n g physikalischer Erscheinungen vertiefen u n d das G e f ü h l d a f ü r , was die Welt ist u n d wie sie sich verhält, verbessern.

xxviii

Prolog

Es ist überraschend, wieviel man mit Hilfe eines verhältnismäßig kleinen Grundstocks an Ausgangsinformationen zustandebringen kann - die Ausgangsinformationen könnten Daten wie die folgenden sein: Physikalische

Größen

10 m / s 2 10 3 -10 4 k g / m 2

Fallbeschleunigung Dichte von Festkörpern und Flüssigkeiten Luftdichte auf Meeresspiegelhöhe Länge eines Tages Länge eines Jahres Erdradius Winkel, der von der Fingerbreite am ausgestreckten Arm bedeckt wird Dicke von Papier Masse einer Büroklammer höchste Berge, tiefste Ozeane Abstand Erde-Mond Abstand Erde-Sonne Atmosphärendruck

1 k g / m 3 (näherungsweise) 105 s (näherungsweise) 3.16 χ 10 7 s « 10 7 5 s 6400 km 1° (näherungsweise)

0.1 mm (näherungsweise) 0.5 g (näherungsweise) 10 km (näherungsweise) 3.8 χ 105 km 1.5 χ 10 8 km gleich dem Druck von 1 kg/cm 2 oder einer 10 m hohen Wassersäule 6.0 χ 10 23 kg 1.6 χ 10~ 2 7 bis 4 χ 10" 2 5 kg 10" 1 0 m (näherungsweise) 2.7 χ 10 19

Avogadrozahl Atommassen linare Abmessungen eines Atoms Moleküle/cm 3 in Gas bei Standardbedingungen A t o m e / c m 3 in Festkörpern Elementarladung (e) Elektronenmasse Lichtgeschwindigkeit Wellenlänge des Lichtes

Mathematische

10 23 (näherungsweise) 1.6 x 10~ 19 C 1 0 - 3 0 kg (näherungsweise) 3 χ 108 m / s 6 χ 1 0 - 7 m (näherungsweise)

Größen

π 2 « 10

log 10 4 R3 0.60

e « 2.7

log 10 e « 0.43

log 10 2 RS 0.30

log 10 π sa 0.50

log 10 3 « 0.48

log e 10 « 2.3

„ .. , Bogenmaß (Radiant)

=

Bogenlänge (eingeschl. Kreisumfang)

Übungen - hors d'oeuvres

XXIX

1 rad

«

0.16 χ Vollkreis « 57°

Vollkreis

=

2π rad

Raumwinkel (Steradiant)

=

Vollkugel

=

Oberfläche (eingeschl. Kugeloberfläche) 2 Radius 4π sr

1 sr

«

0.08 χ Vollkugel

Näherungen Binomialsatz: Für ί < 1 gilt ungefähr: (1 + x)n

«

1 + nx

(1 + z ) 3

ss

1 + 3x

(1 — x) 1 ! 2

»

+ x)-112

Für b 1χϊ + Ayj

.

W e n n wir diesen Ausdruck skalar m i t , sagen wir, e i durchmultiplizieren, ergibt sich si + s 2 ( e i · e 2 )

=

Ax(i

· e ^ + ,4y(j · e x ) .

Bei b e k a n n t e n W i n k e l n zwischen den K o o r d i n a t e n a c h s e n ist das eine lineare Gleichung f ü r die beiden U n b e k a n n t e n «i u n d s2. Eine zweite d e r a r t i g e Gleichung e r h ä l t m a n bei skalarer Multiplikation der A u s g a n g s b e z i e h u n g mit e? anstelle m i t e i . D a s e n t s t a n d e n e Gleichungssystem kann nun g e t r e n n t nach «i u n d «2 aufgelöst werden. In diesem Fall sollte m a n b e m e r k e n , d a ß die Basisvektoren e i u n d nicht aufeina n d e r senkrecht stehen, so d a ß ihr S k a l a r p r o d u k t ( e i - β2) nicht m e h r verschwindet. Die A n w e n d u n g solcher K o o r d i n a t e n s y s t e m e b e s c h r ä n k t sich j e d o c h auf sehr spezielle Fälle, so d a ß in der Regel die Zerlegung eines Vektors in K o m p o n e n t e n parallel zu den drei u n a b h ä n g i g e n R i c h t u n g e n eines o r t h o g o n a l e n K o o r d i n a t e n s y s t e m s geb r a u c h t wird.

38

Kapitel 2. Raum, Zeit und Bewegung

ζ

A b b . 2 . 1 2 Aufeinanderfolgende Verschiebungen auf einer Kugeloberfläche sind nicht kommutativ, wenn ihre Beträge nicht klein gegenüber dem Radius der Kugel sind.

2.6

Vektoraddition und die Eigenschaften des R a u m e s

1

Sie k ö n n t e n versucht sein, die G r u n d r e g e l n der V e k t o r a d d i t i o n u n d die T a t s a c h e , d a ß d a s E r g e b n i s u n a b h ä n g i g von der Reihenfolge der a d d i e r t e n Vektoren ist, f ü r m e h r oder weniger offensichtlich zu h a l t e n . Es sei deshalb n o c h m a l s herausgestellt, d a ß dies alles g r u n d l e g e n d d a v o n a b h ä n g t , o b unser R a u m den Regeln der euklidischen G e o m e t r i e g e n ü g t . W e n n wir u n s m i t Verschiebungen in einer zweidimensionalen Welt befassen, wie sie z.B. eine Oberfläche d a r s t e l l t , d a n n ist es eben wesentlich, d a ß diese Oberfläche flach ist. Das ist keine p e d a n t i s c h e Feststellung, weil eines unserer wichtigsten zweidimensionalen B e z u g s s y s t e m e - die E r d o b e r f l ä c h e g e k r ü m m t ist. Solange Verschiebungen klein gegenüber d e m R a d i u s der K r ü m m u n g sind, ist sie a b e r f ü r p r a k t i s c h e Zwecke als flach a n z u s e h e n , unsere B e o b a c h t u n g e n s t i m m e n mit der euklidischen G e o m e t r i e überein, u n d alles ist in O r d n u n g . W e n n die Verschiebungen auf der E r d o b e r f l ä c h e j e d o c h groß genug werden, kann diese Idealisierung nicht m e h r b e n u t z t werden. Eine Verschiebung von 1600 k m nach O s t e n von e i n e m P u n k t auf d e m Ä q u a t o r a u s u n d anschließend von weiteren 1600 k m nach Norden b r i n g t einen nicht an denselben P u n k t wie zwei gleichartige Verschiebungen ( d . h . wieder auf z u e i n a n d e r s e n k r e c h t e n Großkreisen) in u m g e k e h r t e r Reihenfolge; der Fehler liegt bei u n g e f ä h r 60 k m ! ( M a n b e t r a c h t e A b b . 2.12.) D a s heißt im E n d e f f e k t , d a ß die Richtigkeit a n g e n o m m e n e r Regeln f ü r die A d d i t i o n von Vektoren einer e x p e r i m e n t e l l e n B e s t ä t i g u n g b e d a r f , u n d d a ß Abweichungen von diesen a n g e n o m m e n e n Regeln zu Schlußfolgerungen ü b e r die geometrischen Eigen-

1

Dieser Abschnitt kann ohne Verlust des Zusammenhangs ausgelassen werden.

2.6. Vektoraddition und die Eigenschaften des Raumes

39

S c h ä f t e n d e s R a u m e s , in d e m w i r o p e r i e r e n , g e n u t z t w e r d e n k ö n n e n . Z u m Beispiel k ö n n e n w i r a u s d e r M e s s u n g d e r A b w e i c h u n g z w i s c h e n zwei a u f e i n a n d e r f o l g e n d e n V e r s c h i e b u n g e n in u n t e r s c h i e d l i c h e r R e i h e n f o l g e a u f e i n e r K u g e l o b e r f l ä c h e d e n R a dius der Kugel ableiten. W e n n wir a n e r k e n n e n , d a ß d e r R a u m u n s e r e r a l l t ä g l i c h e n E r f a h r u n g w i r k l i c h d r e i d i m e n s i o n a l ist, d a n n b e t r a c h t e n w i r die v o r s t e h e n d e A n a l y s e n a t ü r l i c h v o n einem anderen S t a n d p u n k t aus. W i r bemerken, d a ß Verschiebungen auf einer Kug e l o b e r f l ä c h e a n s t e l l e a l s V e r s c h i e b u n g e n in e i n e r lediglich z w e i d i m e n s i o n a l e n W e l t , d i e n i c h t e u k l i d i s c h ist, a u c h als V e r s c h i e b u n g e n in e i n e r d r e i d i m e n s i o n a l e n W e l t a n gesehen werden k ö n n e n , die der euklidischen G e o m e t r i e g e n ü g t . A n diesem P u n k t d r ä n g t sich s o f o r t e i n e s e h r i n t e r e s s a n t e S p e k u l a t i o n a u f : K ö n n e n wir w i r k l i c h s a g e n , d a ß u n s e r e d r e i d i m e n s i o n a l e W e l t s t r e n g e u k l i d i s c h i s t ? Ist es n i c h t m ö g l i c h , d a ß d a s Ergebnis von h i n t e r e i n a n d e r a u s g e f ü h r t e n Verschiebungen parallel zu den K o o r d i n a t e n a c h s e n in s e h r k l e i n e m G r a d e d o c h v o n d e r R e i h e n f o l g e d e r V e r s c h i e b u n g e n a b h ä n g t ? W e n n d a s d e r Fall w ä r e , k ö n n t e n w i r wie o b e n f o r t f a h r e n u n d e i n e vierte R a u m d i m e n s i o n e i n f ü h r e n , die m i t e i n e m c h a r a k t e r i s t i s c h e n K r ü m m u n g s r a d i u s z u s a m m e n h ä n g t , u n d u n s e r e n n i c h t e u k l i d i s c h e n d r e i d i m e n s i o n a l e n R a u m als e u k l i d i s c h in e i n e m „ H y p e r r a u m " m i t vier D i m e n s i o n e n b e s c h r e i b e n . Einige b e r ü h m t e Wissenschaftler, angefangen bei d e m großen Karl Friedrich G a u s s 2 ( d e m „ F ü r s t e n der M a t h e m a t i k e r " ) , h a b e n versucht, die G ü l t i g k e i t der euk l i d i s c h e n G e o m e t r i e d u r c h d i r e k t e M e s s u n g e n d e r W i n k e l s u m m e e i n e s D r e i e c k s zu t e s t e n . In d e r e u k l i d i s c h e n G e o m e t r i e e r g i b t sie sich zu 180°, in d e r n i c h t e u k l i d i schen G e o m e t r i e h a t sie e i n e n a n d e r e n W e r t . ( B e i e i n e m D r e i e c k in d e r n i c h t e u k l i d i s c h e n G e o m e t r i e a u f e i n e r K u g e l o b e r f l ä c h e a d d i e r e n sich die I n n e n w i n k e l z . B . a u f e i n e n W e r t g r ö ß e r als 1 8 0 ° . ) B e i all d i e s e n M e s s u n g e n h a t m a n k e i n e A b w e i c h u n g e n v o m euklidischen C h a r a k t e r des dreidimensionalen R a u m e s feststellen k ö n n e n . D a s K o n z e p t , d a ß d e r R a u m „ g e k r ü m m t " sein k ö n n t e u n d d a ß diese K r ü m m u n g a u c h h e r v o r t r i t t , w e n n m a n n u r B e o b a c h t u n g e n ü b e r a u s r e i c h e n d g r o ß e D i s t a n z e n vorn e h m e n k a n n , s p i e l t j e d o c h t r o t z d e m in d e r t h e o r e t i s c h e n K o s m o l o g i e e i n e w i c h t i g e Rolle. Sie k ö n n t e n a u c h in e i n e m a n d e r e n Z u s a m m e n h a n g v o n d e r K r ü m m u n g d e s R a u m e s gelesen h a b e n - bei E i n s t e i n s T h e o r i e d e r G r a v i t a t i o n , d i e lokale G r a v i tationseffekt.e durch eine Ä n d e r u n g der G e o m e t r i e des R a u m e s u m ein massives O b j e k t h e r u m , z . B . d i e S o n n e , b e s c h r e i b t . W i r w o l l e n dieses T h e m a h i e r n i c h t weit e r v e r f o l g e n , w e r d e n es a b e r a m E n d e u n s e r e r D a r s t e l l u n g d e r G r a v i t a t i o n n o c h e i n m a l s e h r k u r z b e r ü h r e n ( K a p i t e l 8).

2 Karl Friedrich Gauss (1777-1855) war einer der herausragendsten Mathematiker aller Zeiten. In der Originalität und Spannweite seiner Arbeiten übersteigt ihn niemand und gleicht ihm wahrscheinlich auch niemand. Er drang tief in die Astronomie und Geodäsie ein und war vielleicht der erste, der die Möglichkeit einer nichteuklidischen Geometrie des Raumes erkannte. Siehe auch E.T. Beils Essay über ihn in The World of Mathematics (J.R. Newman, ed.), Simon and Schuster, New York, 1956.

40

Kapitel 2. Raum, Zeit und Bewegung

2.7

Zeit

In den v o r s t e h e n d e n A b s c h n i t t e n h a b e n wir eine g r u n d s ä t z l i c h e Analyse der r ä u m lichen Verschiebungen entwickelt. U m Bewegungen zu beschreiben, müssen wir solche Verschiebungen m i t den Zeitintervallen verbinden, in denen sie sich ereignen. Bevor wir u n s d e m als q u a n t i t a t i v e s P r o b l e m zuwenden, wollen wir noch e i n m a l kurz die B e m e r k u n g e n über die N a t u r der Zeit v o m A n f a n g dieses K a p i t e l s etwas ergänzen. Das ist ein gewaltiger G e g e n s t a n d , der die G e d a n k e n u n d Spekulationen von Menschen - P h i l o s o p h e n , Wissenschaftler u n d H u m a n i s t e n gleichermaßen - d u r c h die Geschichte h i n d u r c h in A n s p r u c h g e n o m m e n h a t u n d noch i m m e r in A n s p r u c h n i m m t . W i r werden nicht m e h r t u n , als ein - zwei A s p e k t e des P r o b l e m s vom S t a n d p u n k t der physikalischen W i s s e n s c h a f t e t w a s zu u n t e r s u c h e n . Das G e f ü h l f ü r d a s Vergehen der Zeit ist tief in j e d e m einzelnen von uns vera n k e r t . W i r wissen in einem e l e m e n t a r e n Sinn, was Zeit ist. A b e r k ö n n e n wir auch sagen, was sie ist? Der b e r ü h m t e niederländische Physiker H.A. K r a m e r 3 h a t e i n m a l b e m e r k t : „Meine eigene Lieblingsidee ist, d a ß die f r u c h t b a r s t e n u n d wichtigsten K o n z e p t e in der Welt der menschlichen G e d a n k e n allgemein u n d speziell in der physikalischen W i s s e n s c h a f t g e r a d e die sind, die m a n unmöglich m i t einer wohldefinierten B e d e u t u n g verbinden k a n n . " Auf vielleicht nichts trifft das ü b e r z e u g e n d e r zu als auf die Zeit. T r o t z d e m sieht m a n , wenn m a n versucht, das P r o b l e m zu analysieren, d a ß es nicht völlig hoffnungslos ist. W e n n einer Definition der Zeit auch schwer b e i z u k o m m e n sein m a g , kann m a n doch erkennen, d a ß unser Begriff v o m Vergehen der Zeit sehr direkt m i t der T a t s a c h e v e r b u n d e n ist, d a ß sich die Dinge verändern. Insbesondere h a b e n wir K e n n t n i s von einigen Ereignissen oder S i t u a t i o n e n , die i m m e r wiederkehren: die Schläge unseres Pulses, die tägliche B a h n der Sonne a m H i m m e l , die J a h r e s z e i t e n usw. W i r b e h a n d e l n sie u n b e w u ß t b e i n a h e so, als o b sie M a r k i e r u n g e n auf einer kontinuierlichen Linie sind, die schon vorher d a war - ähnlich wie die Kilometersteine a n einer Straße. D a b e i ist alles, zu d e m wir direkt Z u g a n g h a b e n , d a s Setzen der M a r k i e r u n g e n ; der Rest ist eine intellektuelle K o n s t r u k t i o n . Obgleich es wertvoll sein k ö n n t e , ein a b s t r a k t e s K o n z e p t einer kontinuierlich vergehenden Zeit zu h a b e n , kennen wir aus erster H a n d nur das b e o b a c h t e t e Verhalten einer Vorrichtung, die „ U h r " g e n a n n t wird. U m eine q u a n t i t a t i v e Messung der D a u e r eines Prozesses oder des Intervalls zwischen zwei Ereignissen v o r z u n e h m e n , verbinden wir einfach Beginn u n d E n d p u n k t mit Ablesevorgängen auf einer Uhr. Es ist nicht u n b e d i n g t notwendig, d a ß die U h r wiederkehrende Vorgänge b e n u t z t - m a n b r a u c h t nur a l t e r t ü m l i c h e Uhren wie Wasser- u n d S a n d u h r e n u n d Kerzen m i t E i n t e i l u n g oder m o d e r n e Parallelen wie eine s t ä n d i g schwächer werdende r a d i o a k t i v e Quelle zu b e t r a c h t e n - , a b e r wir verlangen, d a ß sie uns auf einem e r k e n n b a r e n Weg mit m a r k i e r t e n a u f e i n a n derfolgenden Intervallen versorgt. Die meisten solcher Vorrichtungen nutzen aber t a t s ä c h l i c h sich wiederholende Erscheinungen irgendwelcher A r t aus. Woher wissen wir, d a ß die von unserer a u s g e w ä h l t e n Uhr definierten a u f e i n a n -

3

Physical Sciences and Human Princeton, N.J., 1947.

Values, (a symposium), Princeton University Press,

2.8.

Einheiten und Standards von Länge und Zeit

41

derfolgenden Zeitintervalle wirklich gleichlang sind? Tatsache ist, d a ß wir es nicht wissen; es ist letztlich eine Angelegenheit des Glaubens. Keine Uhr ist perfekt, aber wir haben gelernt, daß einige Uhren „besser" als andere sind - besser in dem Sinn, daß die Abschnitte, in die sie unsere E r f a h r u n g einteilen, dem „gleichlang" näherkommen. Ein Arzt schaut auf seine A r m b a n d u h r und sagt uns, daß unser Puls unregelmäßig ist; seine A r m b a n d u h r stellt sich jedoch selbst als unregelmäßig heraus, wenn sie mit einem kristallgesteuerten Oszillator verglichen wird; der Oszillator wiederum driftet merklich, wenn er mit einer A t o m u h r geprüft wird. O b der gleichmäßige stetige Fluß der Zeit als letzte Abstraktion nun eine physikalische B e d e u t u n g hat oder nicht, bemerkenswerte Tatsache ist, daß wir an die Messung der Zeit so herangehen, als ob dieser stetige Fluß existieren würde. Wir schätzen das Verhalten einer gegebenen Uhr durch Beobachtung ihrer Konsistenz und Reproduzierbarkeit ein, so daß wir bei der Anwendung ihr Meßergebnis für einen Zeitpunkt oder eine Zeitdauer mit einem b e s t i m m t e n möglichen Fehlerbereich angeben können. Wenn wir d a n n von einzelnen Zeitmessungen zu allgemeinen Gleichungen, die die Zeit beinhalten, übergehen, führen wir das Symbol t ein und behandeln t als kontinuierliche Variable im mathematischen Sinn.

2.8

E i n h e i t e n und S t a n d a r d s von Länge und Zeit

Meistens werden wir über Bewegungen in unspezifierten Positionen und Zeiten diskutieren, symbolisch durch r , t usw. wiedergegeben. Man sollte jedoch nicht vergessen, daß die Beschreibung von wirklichen Bewegungen die numerische Messung solcher Größen und den Gebrauch von allgemein anerkannten Einheiten und S t a n d a r d s einschließt. Die Wahl solcher S t a n d a r d s von Länge und Zeit ist das Resultat einer fortlaufenden Suche nach dem höchsten Grad an Unveränderlichkeit und Reproduzierbarkeit bei solchen Messungen. Im folgenden wird kurz die Entwicklung und der gegenwärtige Stand bei diesem Prozeß dargestellt. Länge

Der gegenwärtige Längenstandard - das Meter - wurde gemeinsam mit den anderen Grundgrößen des metrischen Systems im Zuge der wissenschaftlichen und kulturellen O r d n u n g eingeführt, die sich in Frankreich in der zweiten Hälfte des 18. J a h r h u n d e r t s herausgebildet h a t t e . Ursprünglich sollte ein Meter den zehnmillionsten Teil ( 1 0 " ' ) der Entfernung vom E r d ä q u a t o r zu einem Pol entlang eines Längengrades darstellen. Es erwies sich aber als unmöglich, auf der Basis dieser Definition einen ausreichend genauen S t a n d a r d zu konstruieren, so daß das Meter schließlich als die Länge eines besonderen Metallstabes festgelegt wurde, der in Sevres bei Paris a u f b e w a h r t wird. Sehr viel später (1960) wurde diese Definition durch eine andere ersetzt, die ein Meter als ein bestimmtes Vielfaches der Wellenlänge einer charakteristischen orange-roten Spektrallinie des Kryptonisotopes Kr-86 erklärte.

42

Kapitel 2. Raum, Zeit und Bewegung

D a s w a r j e d o c h noch nicht d a s E n d e der Geschichte. Eine Zeitlang schien es so, als ob eine neue Definition des M e t e r s auf der Basis der Wellenlängen einiger a u s g e w ä h l t e r Spektrallinien von Lasern m i t ä u ß e r s t geringer Linienbreite erfolgen würde, a b e r 1983 w u r d e d a n n ein ganz a n d e r e r Weg b e s c h r i t t e n : Die Lichtgeschwindigkeit im V a k u u m w u r d e als universelle K o n s t a n t e a n e r k a n n t . Anstelle des bisherigen W e r t e s m i t b e s t i m m t e r Fehlerschranke (auf G r u n d der Fehler bei der Messung von E n t f e r n u n g u n d Z e i t d a u e r ) setzte m a n sie i m i n t e r n a t i o n a l e n U b e r e i n k o m m e n per Definition auf 299792.458 m / s fest (ohne irgendwelche Fehlergrenzen). (Die Zuweisung eines festen Zahlenwertes f ü r die Lichtgeschwindigkeit ist vor allem in der A s t r o n o m i e u n d G e o d ä s i e m i t wesentlichen Vorteilen v e r b u n d e n . ) Ein Meter ist d a m i t h e u t e als die E n t f e r n u n g definiert, die d a s Licht i m V a k u u m in 1/299792.458 S e k u n d e zurücklegt. Eigentlich b e r u h t es also auf der Definition der S e k u n d e ü b e r A t o m u h r e n , die u n t e n beschrieben wird. Zeit Die Festlegung eines Z e i t s t a n d a r d s unterscheidet sich a n einer Stelle signifikant von der Festlegung eines L ä n g e n s t a n d a r d s . Das h a t Allen Astin so a u s g e d r ü c k t : „ W i r k ö n n e n nicht ein b e s t i m m t e s ,Stück' Zeit a u s w ä h l e n u n d z u m Vergleich in der H a n d b e h a l t e n 5 . " W i r sind d a r a u f angewiesen, einige wiederkehrende Erscheinungen zu identifizieren u n d a n z u n e h m e n , d a ß sie u n s Z e i t a b s c h n i t t e derselben D a u e r liefern. Der Z e i t s t a n d a r d - die S e k u n d e - w u r d e u r s p r ü n g l i c h auf eine a n g e n o m m e n e K o n s t a n z der E r d r o t a t i o n a u f g e b a u t . Zuerst w u r d e sie als der 86 400ste Teil eines m i t t l e r e n S o n n e n t a g e s festgelegt. (Ein m i t t l e r e r S o n n e n t a g ist die ü b e r ein J a h r g e m i t t e l t e d u r c h s c h n i t t l i c h e Z e i t s p a n n e zwischen M i t t a g u n d M i t t a g bzw. Mitternacht u n d M i t t e r n a c h t a n einem b e s t i m m t e n P l a t z auf der Erdoberfläche.) D a s ist eine u n h a n d l i c h e Definition, denn die D a u e r eines T a g e s von M i t t a g zu M i t t a g ist keine K o n s t a n t e . Sie variiert w ä h r e n d des J a h r e s , weil sich die Bahngeschwindigkeit der E r d e u n d ihre E n t f e r n u n g von der S o n n e w ä h r e n d eines U m l a u f e s s t ä n d i g ä n d e r n . Eine logisch befriedigendere Definition der S e k u n d e kann ü b e r den Sternentag gegeben werden - die Zeitspanne, nach der ein beliebiger Stern wieder an dieselbe Stelle a m H i m m e l zurückgekehrt ist. Wenn die E r d e wirklich gleichmäßig rotieren würde, w ä r e j e d e r S t e r n e n t a g gleich lang. Tatsächlich h a t sich nach u n d nach d a n k der außergewöhnlichen G e n a u i g k e i t astronomischer Messungen über T a u s e n d e von J a h r e n hinweg herausgestellt, d a ß weder die D a u e r des S o n n e n j a h r e s noch die Periode der E r d r o t a t i o n wirklich e x a k t k o n s t a n t sind. L e t z t e r e ist dabei sogar geringfügigen S c h w a n k u n g e n u n t e r w o r f e n , die a b r u p t a u f t r e t e n . Es w u r d e h e r a u s g e f u n d e n , d a ß sich d a s J a h r pro J a h r h u n d e r t u m 1 / 2 S e k u n d e verlängert, so d a ß 1956 die S e k u n d e als der 315 569 259 747ste Teil des tropischen J a h r e s 1900 neudefiniert wurde. (Ein tropisches J a h r ist die

5 Allen V. Astin, „Standards of Measurement," Sei. Am., 218 (6), 50 (1968). Einige Menschen würden jedoch argumentieren, daß sogar ein fester, fühlbarer Stab wie ein Längenstandard aus philosophischen und logischen Gründen genauso angreifbar ist.

'2.8. Einheiten und Standards von Länge und Zeit

43

Zeitdauer zwischen zwei a u f e i n a n d e r f o l g e n d e n D u r c h g ä n g e n der Sonne durch die T a g - und Nachtgleiche. W i r wollen hier nicht beschreiben, wie m a n eine S e k u n d e des J a h r e s 1900 f ü r Kalibrationszwecke quasi „ z u r ü c k h o l t " . ) M a n sollte sich klarm a c h e n , d a ß die S c h w a n k u n g e n , die hier d i s k u t i e r t werden, p h a n t a s t i s c h klein sind; d a s k o m m t darin z u m A u s d r u c k , d a ß m a n mit dieser Festlegung d a s J a h r auf 12 Stellen g e n a u in S e k u n d e n a u s d r ü c k e n k a n n . 1967 w u r d e schließlich die A n w e n d u n g von A t o m s c h w i n g u n g e n f ü r die Festlegung eines Z e i t s t a n d a r d s i n t e r n a t i o n a l vereinbart. Die S e k u n d e ist n u n als die D a u e r von 9 19*2 631 770 Schwingungen einer A t o m u h r m i t d e m C ä s i u m i s o t o p 133 definiert. Neben der praktischen H e r a u s f o r d e r u n g der Definition von Zeiteinheiten u n d Z e i t s t a n d a r d s m i t der m a x i m a l erreichbaren G e n a u i g k e i t gibt es auch noch einige Fragen von f u n d a m e n t a l e m Interesse. Bleibt die ü b e r H i m m e l s b e w e g u n g e n definierte Zeit, die von der G r a v i t a t i o n b e s t i m m t wird, i m m e r synchron zu der über a t o m a r e Schwingungen festgelegten Zeit, die von den e l e k t r o m a g n e t i s c h e n K r ä f t e n i n n e r h a l b des A t o m s a b h ä n g t ? P.M. D i r a c 5 schlug 1938 vor, d a ß sich die G r a v i t a t i o n s k o n s t a n t e l a n g s a m m i t der Zeit v e r ä n d e r n k ö n n t e - m i t einer „ Z e i t k o n s t a n te" von der G r ö ß e n o r d n u n g des Alters des U n i v e r s u m s selbst, d.h. von u n g e f ä h r 10 1 0 J a h r e n . W e n n d a s s t i m m t , d a n n w ü r d e n unsere a s t r o n o m i s c h e n u n d a t o m a r e n S t a n d a r d s ü b e r sehr lange Z e i t r ä u m e hinweg Abweichungen aufweisen. E i n h e i t e n u n d S t a n d a r d s sind etwas, über d a s sich die meisten von uns k a u m den Kopf zerbrechen. W i r meinen g u t genug zu wissen, was m i t e i n e m Meter u n d einer S e k u n d e gemeint ist, und ein Lineal oder eine Uhr sind gewöhnlich schnell bei der H a n d . Vielleicht kann die obige Diskussion helfen, nachzuvollziehen, d a ß die detaillierte Geschichte der Definitionen, Neudefinitionen u n d Präzisierungen dieser Basismessungen eine ganz faszinierende Angelegenheit ist - besonders bei der Zeit, wo a s t r o n o m i s c h e B e o b a c h t u n g e n über J a h r h u n d e r t e hinweg D a t e n von einer feist unglaublichen Genauigkeit a n g e h ä u f t h a b e n . 6

5

Dirac, ein britischer theoretischer Physiker, war eine der führenden Personen bei der Entwicklung der Quantenmechanik in den Jahren 1926-1930. Er erhielt für diese Arbeit den Nobelpreis. 6 Für weitere Betrachtungen siehe z.B. An Introduction to the Physics of Mass, Lenght and Time von N. Feather, Edinburgh University Press, Edinburgh, 1959. Für das Gebiet der Zeit, dem vielleicht das größte Interesse gilt, sind die folgenden Bücher und Artikel zu empfehlen: J. T. Fräser (ed.), The Voices of Time, George Braziller, New York, 1966; T . Gold und D. L. Schumacher (eds.), The Nature of Time, Cornell University Press, Ithaca, Ν. Y., 1967; G. M. Clemence, „Standards of Time and Frequency" , Science, 123, 567 (1956); Lee Coe, „The Nature of Time", Am. J. Phys., 37, 810 (1969); Richard Schlegel, Time and the Physical World, Dover, New York, 1968.

44

Kapitel 2. Raum, Zeit und Bewegung

i

Time A b b . 2.13 Beispiel für ein Weg-Zeit-Diagramm einer eindimensionalen Bewegung (aus dem PSSC-Film „Straight Line Kinematics" von E.M. Hafner, Education Development Center Film Studio, Newton, Mass., 1959)

2.9

Weg-Zeit-Diagramme

Ausgangspunkt, bei der Beschreibung einer Bewegung ist i m m e r ein Satz kombinierter Messungen von O r t u n d Zeit. Solche D a t e n können z.B. in F o r m einer Tabelle im B e o b a c h t u n g s b u c h eines A s t r o n o m e n vorliegen oder als einzelne stroboskopische A u f n a h m e wie in A b b . 2.1. I m allgemeinen erfordert die A n g a b e des O r t e s zu einem festen Z e i t p u n k t drei K o o r d i n a t e n e n t s p r e c h e n d den drei u n a b h ä n g i g e n Dimensionen des R a u m e s . Unter vielen U m s t ä n d e n kann die Bewegung j e d o c h auf eine E b e n e begrenzt werden, so d a ß nur zwei K o o r d i n a t e n erforderlich sind, oder sogar auf eine Linie, so d a ß eine einzelne P o s i t i o n s a n g a b e ausreicht. In diesem letzt e n Fall, vor allem bei der Bewegung auf einer geraden Linie, ist eine D a r s t e l l u n g der Bewegung in F o r m eines W e g - Z e i t - D i a g r a m m e s ä u ß e r s t praktisch. D a b e i wird die Zeit als u n a b h ä n g i g e Variable b e t r a c h t e t u n d auf der Abszisse a b g e t r a g e n , u n d der O r t wird als O r d i n a t e eingetragen. A b b . 2.13 zeigt ein derartiges D i a g r a m m . Es h a t den großen Vorzug, ein vollständiges Bild der Bewegung auf eine viel bessere Weise zu v e r m i t t e l n , als es z.B. eine Z a h l e n t a b e l l e k a n n . M a n kann P u n k t e m i t m a x i m a l e m u n d m i n i m a l e m A b s t a n d v o m A u s g a n g s p u n k t sofort erkennen, ebenso Z e i t a b s c h n i t t e , in denen die Bewegung ganz z u m S t i l l s t a n d k o m m t usw.. '

7

Solche graphischen Darstellungen von korrelierten Größen vermitteln oft eine viel unmittelbarere und lebendigere Einsicht in eine Situation als numerische Tabellen oder algebraische Formeln. Sogar eine grobe Freihandskizze kann beim Nachdenken über solche Situationen eine große Hilfe sein. Es lohnt sich, eine gewisse Gewandtheit beim Zeichnen und Interpretieren von Graphen physikalischer Zusammenhänge zu entwickeln.

2.10.

2.10

45

Geschwindigkeit

Geschwindigkeit

Das zentrale Konzept bei der quantitativen Beschreibung der Bewegung ist die Geschwindigkeit. Sie ist eine Vektorgröße. Die quantitative Messung der Geschwindigkeit ist eine der ersten Informationen, die wir aus dem Weg-Zeit-Diagramm einer eindimensionalen Bewegung wie in Abb. 2.13 entnehmen können. Unsere Art, Geschwindigkeiten anzugeben - Kilometer pro Stunde, Meter pro Sekunde usw. - , erinnert ständig daran, daß die Geschwindigkeit eine abgeleitete Größe ist, die auf getrennten Messungen von Weg und Zeit beruht. Ist Ihnen aufgefallen, daß die Physiker niemals spezielle N a m e n für Geschwindigkeitseinheiten eingeführt haben, obwohl sie das sonst bei allen möglichen physikalischen Größen gemacht haben. (Die Seefahrer dagegen haben das mit ihrer Einheit Knoten getan. 1 Knoten entspricht einer nautischen Meile pro Stunde.) In der N a t u r selbst scheinen die Dinge ganz anders zu liegen: Wir haben bisher nichts gefunden, das direkt als f u n d a m e n t a l e Längeneinheit oder Zeiteinheit erkennbar wäre, aber wir haben eine f u n d a m e n t a le Einheit der Geschwindigkeit gefunden - die Lichtgeschwindigkeit (c) im leeren Raum: c = (2.997925 ± 0.000001) χ 10 8 m / s . In der Hochenergiephysik ist es gebräuchlich, Geschwindigkeiten in Bruchteilen von c anzugeben. Beim Flug mit hohen Geschwindigkeiten wird auf ähnliche Weise die Machzahl zur Angabe der Geschwindigkeit in Vielfachen der Schallgeschwindigkeit verwendet. Das ändert aber nichts daran, daß unsere grundsätzliche Angabe einer Geschwindigkeit immer über eine Anzahl von Wegeinheiten pro Zeiteinheit erfolgt. Die Messung einer Geschwindigkeit erfordert wenigstens zwei Messungen der Position eines O b j e k t s und zwei korrespondierende Zeitmessungen. Mit den Bezeichnungen (γι, Τ bewegt sich der Block jedoch, u n d die R e i b u n g s k r a f t Τ kann auch von der Geschwindigkeit a b h ä n g e n . Der einzige eindeutige Bereich ist der, in d e m Gleichgewicht vorliegt u n d in d e m wir Τ — V setzen können (im D i a g r a m m e n t l a n g der 45°-Linie). Eine a n d e r e interessante Sache ist, d a ß der M a x i m a l w e r t der R e i b u n g s k r a f t Τ empirisch u n g e f ä h r p r o p o r t i o n a l zur N o r m a l k r a f t Ν ist, so

130

Kapitel 5. Die verschiedenen Kräfte der Natur

(b)

(α)

A b b . 5.9 (a) Kraft auf eine Kugel in einem strömenden Fluid, (b) die Gesamtkraft der Fluid-Reibung setzt sich aus verschiedenen Anteilen zusammen, die linear bzw. quadratisch von der relativen Flußgeschwindigkeit ν abhängen.

d a ß der Q u o t i e n t dieser K r ä f t e - der Reibungskoeffizient (μ) - eine Eigenschaft der in K o n t a k t s t e h e n d e n Oberflächen ist:

max

=

μΝ .

(5.3)

Die obige Diskussion gilt f ü r den K o n t a k t zwischen zwei festen O b e r f l ä c h e n . W e n n der K o n t a k t „ g e s c h m i e r t " ist, ergibt sich ein ganz anderes Verhalten. M a n m u ß sich d a n n m i t den Eigenschaften eines K o n t a k t e s zwischen einem Fluid (Flüssigkeit oder G a s ) u n d einem Festkörper beschäftigen. Die g r u n d s ä t z l i c h e n Eigenschaften einer solchen Fluid-Reibung können ü b e r die Messung der K r ä f t e s t u d i e r t werden, die ein F l u i d s t r o m m i t der Geschwindigkeit ν auf ein f e s t g e h a l t e n e s O b j e k t a u s ü b t (siehe A b b . 5 . 9 a ) . Uber einen weiten Bereich von ν wird dieser F l u i d - R e i b u n g s w i d e r s t a n d gut von der folgenden Formel beschrieben:

R( v)

=

Av +

Bv~

(5.4)

wobei Α und Β f ü r ein b e s t i m m t e s O b j e k t in einer gegebenen Flüssigkeit jeweils k o n s t a n t sind. Der erste T e r m h ä n g t von der Viskosität der Flüssigkeit ab, der zweite T e r m h ä n g t mit d e m A u f t r e t e n von T u r b u l e n z e n z u s a m m e n . Weil d a s Verhältnis des ersten T e r m s z u m zweiten p r o p o r t i o n a l zur Geschwindigkeit ν ist, weiß m a n , d a ß die T u r b u l e n z bei ausreichend hohen Geschwindigkeiten i m m e r die F l u i d - R e i b u n g d o m i n i e r t , wie klein der Koeffizient B / A auch sein m a g . Dieselbe B e t r a c h t u n g zeigt, d a ß bei niedrigen Geschwindigkeiten der V i s k o s i t ä t s t e r m ü b e r w i e g t , der direkt prop o r t i o n a l zu ν ist (siehe A b b . 5.9 b).

5.8.

5.8

Schlußbemerkungen

131

Schlußbemerkungen

In diesem K a p i t e l h a b e n wir einen kurzen Uberblick ü b e r die drei h a u p t s ä c h l i c h e n physikalischen Wechselwirkungen gegeben u n d die Bereiche aufgezeigt, in denen sie f ü r das Geschehen b e s t i m m e n d sind. Rekapitulieren wir: K e r n k r ä f t e spielen nur in nuklearen Dimensionen eine Rolle, die G r a v i t a t i o n ist nur wesentlich, wenn O b j e k te a s t r o n o m i s c h e r G r ö ß e n o r d n u n g beteiligt sind, u n d b e i n a h e alles h ä n g t letztlich noch mit e l e k t r o m a g n e t i s c h e n Wechselwirkungen z u s a m m e n . D a s B e t r e i b e n von Physik ist im G r u n d e d a s B e s t r e b e n , diese Wechselwirkungen u n d alle ihre Konsequenzen zu verstehen. In der Mechanik h a b e n wir m e i s t e n s d a s wesentlich mod e r a t e r e Ziel, die K r ä f t e als gegeben h i n z u n e h m e n u n d verschiedene d y n a m i s c h e S i t u a t i o n e n zu b e t r a c h t e n , in denen sie eine Rolle spielen. W i r werden jedoch zwei klassische Fälle - G r a v i t a t i o n u n d A l p h a t e i l c h e n s t r e u u n g - b e t r a c h t e n , bei denen u n s die Newtonsche Mechanik den Schlüssel zu den G r u n d g e s e t z e n der K r a f t liefert. Dieses K a p i t e l h a t uns eine A r t Vorausblick verschafft, weil es den S t a n d unseres gegenwärtigen Wissens z u s a m m e n f a ß t , o h n e in eine detaillierte Diskussion d a r ü b e r e i n z u t r e t e n , wie wir zu welchen Erkenntnissen g e k o m m e n sind. Die wirkliche A r b e i t liegt noch vor u n s !

5.9

Aufgaben

5.1 In welcher E n t f e r n u n g von der Erde e n t l a n g der Verbindungslinie E r d e - S o n n e sind die G r a v i t a t i o n s k r ä f t e , die von der E r d e auf eine Masse a u s g e ü b t werden, genauso groß wie die entgegengerichteten G r a v i t a t i o n s k r ä f t e , die von der S o n n e a u s g e ü b t werden? Vergleichen Sie das R e s u l t a t m i t d e m R a d i u s der M o n d u m l a u f bahn. 5.2 U m welchen Winkel (in B o g e n s e k u n d e n ) wird ein Bleilot durch einen 10T o n n e n - T r u c k , der 6 m e n t f e r n t p a r k t , aus der Vertikalen a b g e l e n k t ? W a s denken Sie, kann m a n diesen Effekt nachweisen? 5.3 In einer A p p a r a t u r , ähnlich der von Cavendish (siehe A b b . S. 132), h a b e n die großen Kugeln eine Masse von jeweils 2 kg u n d die kleineren Kugeln von jeweils 20 g. Die V e r b i n d u n g s s t a n g e zwischen den kleinen Kugeln ist 20 cm lang, und die E n t f e r n u n g zwischen den M i t t e l p u n k t e n einer großen u n d einer kleinen Kugel b e t r ä g t δ cm. Der A u f h ä n g u n g s d r a h t h a t eine T o r s i o n s k o n s t a n t e von δ χ 1 0 - 8 m N / r a d . Die W i n k e l a b l e n k u n g des S y s t e m s wird durch die Verschiebung eines reflektierten L i c h t p u n k t s auf einer δ m e n t f e r n t e n Skala angezeigt. (Machen Sie sich klar, d a ß die R i c h t u n g s ä n d e r u n g des reflektierten Lichtstrahls zweimal so groß wie der Drehwinkel des Spiegels ist.) M a n b e o b a c h t e t , d a ß sich die m i t t l e r e Position des L i c h t p u n k t s auf der Skala u m 8 cm verschiebt, wenn m a n die großen Kugeln a u s ihren A u s g a n g s p o s i t i o n e n in äquivalente Positionen auf der a n d e r e n Seite bringt (Strichlinien). (a) Leiten Sie a u s diesen A n g a b e n die Größe von G ab. (Sie können dabei den

132

Kapitel 5. Die verschiedenen K r ä f t e der N a t u r

5 cm

Effekt aus den Einflüssen der jeweils entfernteren großen Kugel auf die kleinen Kugeln vernachlässigen.) (b) Schätzen Sie die prozentuale Korrektur von (a) ein, wenn man diesen Effekt mit einbezieht. 5.4 Das originale Cavendish-Experiment wurde mit einer sehr großen Apparatur vorgenommen, wie es natürlich ist, wenn man Gravitationskräfte und Drehmomente so groß wie möglich machen möchte. Das erfordert jedoch einen sehr starken und damit auch entsprechend steifen Draht zur Aufhängung der Kugeln. Viel später (1895) hat C.V. Boys eine Miniaturapparatur angefertigt, bei der dünne Fäden aus geschmolzenem Quarz für die Aufhängung verwendet wurden. Es ist eine interessante Übung, zu betrachten, wie die erreichbare Empfindlichkeit einer Apparatur von ihrer Größe abhängt. Stellen Sie sich zwei Varianten der Apparatur von Cavendish vor, Α und ß , die beide feste Bleikugeln benutzen. Die Radien und Abstände aller Massen und die Länge des Torsionsdrahtes sollen in der Apparatur Β um den Faktor L kleiner als bei Α sein. Bei beiden Apparaturen wird die höchste Empfindlichkeit hergestellt, indem mit der dünnsten Torsionsfaser gearbeitet wird, die das Gewicht der angehängten Massen gerade noch trägt,. Für eine Torsionsfaser aus einem gegebenen Material mit kreisförmigem Querschnitt ist die maximale Belastung proportional zu d 2 (d sei der Durchmesser), und die Torsionskonstante ist proportional zu d4/l (/ sei die Länge). Vergleichen Sie mit Hilfe dieser Angaben die maximalen Winkelablenkungen, die sich mit den beiden verschieden großen Apparaturen erzielen lassen. (Beachten Sie: Auch die Längen der Torsionsfasern unterscheiden sich um den Faktor L\) 5.5 Nach der ursprünglichen Bohrschen Theorie beträgt der Radius des Wasserstoffatoms 0.5 Ä. (a) Wie groß ist die Coulombkraft zwischen einem Proton und einem Elektron in dieser Entfernung? Wie groß ist die Gravitationskraft? (b) Wie weit müßten Proton und Elektron voneinander entfernt sein, damit

133

5.9. Aufgaben

die C o u l o m b k r a f t genauso groß wie die G r a v i t a t i o n s k r a f t bei einem A b s t a n d von 0.5 Ä ist? Mit welcher v e r t r a u t e n a s t r o n o m i s c h e n E n t f e r n u n g ist d a s vergleichbar?

5.6 A n g e n o m m e n Elektronen k ö n n t e n z u m M o n d u n d zur Erde h i n z u g e f ü g t werden, bis die d a d u r c h hervorgerufene C o u l o m b - A b s t o ß u n g der G r a v i t a t i o n s k r a f t gerade die Balance h ä l t . W i e groß ist die kleinste Gesamtmasse der E l e k t r o n e n , die dazu erforderlich sind? 5.7 W i e groß ist u n g e f ä h r das Verhältnis zwischen den m a x i m a l e n und m i n i m a len G r a v i t a t i o n s k r ä f t e n , die der M o n d i m Laufe eines Tages auf eine Person a m 45. B r e i t e n g r a d a u s ü b t ? (Die V e r ä n d e r u n g resultiert aus der E r d r o t a t i o n , auf G r u n d der die E n t f e r n u n g zwischen der Person u n d d e m M o n d variiert.) W i e zeigen sich die Folgen dieses Effekts in der N a t u r ? 5.8 Sie wissen, d a ß sowohl G r a v i t a t i o n s k r a f t als auch C o u l o m b k r a f t ein r - 2 Gesetz befolgen. A n g e n o m m e n Ihnen w ü r d e m i t g e t e i l t , d a ß die Ursache der G r a v i t a t i o n s k r a f t in einer kleinen Differenz zwischen der n a t ü r l i c h e n Einheit der positiven L a d u n g , wie sie das P r o t o n t r ä g t , u n d der n a t ü r l i c h e n Einheit der negativen L a d u n g , wie sie das E l e k t r o n t r ä g t , liegt. D a m i t wäre die „ n e u t r a l e " Materie, die gleiche A n z a h l e n an P r o t o n e n und E l e k t r o n e n e n t h ä l t , in Wirklichkeit nicht neutral. (a) Welche relative Differenz zwischen positiver u n d negativer E l e m e n t a r l a d u n g w ü r d e zu G r a v i t a t i o n s k r ä f t e n von der richtigen G r ö ß e zwischen A n s a m m l u n g e n gewöhnlicher „ n e u t r a l e r " M a t e r i e f ü h r e n ? (b) Ist die T h e o r i e h a l t b a r ? 5.9 (a) I m T e x t (S. 125) wird ein W e r t f ü r die K e r n k r ä f t e zwischen zwei benachb a r t e n Nukleonen angegeben, gleichzeitig j e d o c h b e m e r k t , d a ß eine Beschreibung der nuklearen Wechselwirkungen als „ K r ä f t e " eigentlich nicht sehr zweckmäßig ist. K ö n n e n Sie einen Weg zur Messung der nuklearen K r a f t vorschlagen? (b) Nach einer der f r ü h e s t e n und einfachsten theoretischen Beschreibungen der nuklearen Wechselwirkung (durch H. Y u k a w a ) ist die A n z i e h u n g s k r a f t zwischen zwei Nukleonen bei großen A b s t ä n d e n durch F(r)

=

r

--e~r'r°

gegeben, wobei die E n t f e r n u n g rο u n g e f ä h r 1 0 - 1 5 m b e t r ä g t u n d die K o n s t a n t e Α etwa einen Wert von 1 0 " 1 1 N m h a t . Bei welcher E n t f e r n u n g zwischen e i n e m P r o t o n u n d einem N e u t r o n ist die K e r n k r a f t u n g e f ä h r gleich zur G r a v i t a t i o n s k r a f t zwischen den zwei Teilchen? 5.10 K ö n n e n Sie sich S y s t e m e oder Prozesse vorstellen, bei denen g r a v i t a t i v e , e l e k t r o m a g n e t i s c h e u n d K e r n k r ä f t e alle eine wichtige Rolle spielen? 5.11

W i e i m Text e r w ä h n t , variiert der langreichweitige Teil der K r a f t zwischen

134

Kapitel 5. Die verschiedenen Kräfte der Natur

-7,6 cmWasserfilm

Ö1g neutralen Molekülen mit 1 / r 7 . F ü r einige Molekülsorten wird der Betrag dieser van der Waals-Kraft größenordnungsmäßig gut durch die Gleichung Fvw

=

-ΙΟ"76/r7

wiedergegeben, wobei Fvw in Newton angegeben ist und r in Metern. Vergleichen Sie die Größe der van der Waals-Kraft mit der Coulombkraft zwischen zwei Elementarladungen (Gl. (5.2) mit q1 = q2 = e = 1.6 χ 10~ 1 9 C): (a) bei r = 4 Ä. (Diese Entfernung entspricht ungefähr dem Durchmesser eines Sauerstoff- oder Stickstoffmoleküls und übersteigt d a m i t k a u m den kleinsten Abs t a n d der Mittelpunkte solcher Moleküle bei einem Zusammenstoß.) (b) für den Wert von r, der der mittleren Entfernung zwischen den Molekülen eines Gases unter S t a n d a r d b e d i n g u n g e n entspricht. 5.12 Eine der scheinbar schwächsten Formen der K o n t a k t k r a f t ist die Oberflächenspannung eines Flüssigkeitsfilms. Eine der scheinbar stärksten ist die Spannung in einem gestrafften Metalldraht. In bezug auf die Kräfte zwischen den einzelnen Atomen, die in Kontakt stehen, sehen sie jedoch nicht so verschieden aus. Berechnen Sie diese K r ä f t e mit Hilfe der folgenden Angaben. (a) Bei einem Wasserfilm von 7.6 cm Breite (siehe Abb. oben) in einem rechteckigen D r a h t r a h m e n m u ß m a n den beweglichen Teil des R a h m e n s mit einer Masse von 1 g belasten, u m ein Zusammenziehen zu verhindern. Diese K o n t r a k t i o n s k r a f t kann aus dem K o n t a k t zwischen den Molekülen abgeleitet werden, die auf jeder Seite des Films in einer monomolekularen Schicht liegen. Angenommen die Moleküle sind 3 Ä groß und liegen dichtgepackt, wie groß ist die K r a f t pro Molekül? (b) Ein K u p f e r d r a h t mit einem Durchmesser von 0.06 cm reißt, wenn ein Gewichtsstück mit einer Masse von 10 kg an sein unteres Ende gehängt wird. Berechnen Sie zuerst diese Bruchkraft in t / c m 2 . Wenn der Bruch als Außeinanderreißen des K o n t a k t s zwischen den Atomen auf jeder Seite der Bruchfläche interpretiert wird (sie liege rechtwinklig zum Draht), welche Kraft pro A t o m ergibt sich in diesem Fall bei einem Atomdurchmesser von 3 Ä? 5.13 Ein alter Trick, die Mitte einer langen Stange zu finden, besteht darin, sie horizontal an zwei beliebigen P u n k t e n mit den Zeigefingern zu unterstützen und die Finger dann zueinanderzubewegen. (Natürlich kann m a n den Balancepunkt auch mit einem Finger sehr gut finden.) Erklären Sie die Wirkungsweise dieser Methode mit Hilfe ihrer Kenntnisse über das statische Gleichgewicht und über die Eigen-

5.9.

135

Aufgaben

schaft der Reibungskräfte, einen maximalen Wert von μ mal der Normalkraft auf der Kontaktoberfläche anzunehmen. 5.14 (a) Ein gespanntes Seil liegt entlang eines Bogens ΑΘ auf einer Stange kreisförmigen Querschnitts mit dem Radius r auf (siehe Abb. oben). Zeigen Sie, daß die Kraft, mit der das Seil radial gegen die Stange gepreßt wird (und damit auch die Normalkraft AN, die die Stange auf das Seil ausübt), gleich ΤΑΘ ist. (b) Zeigen Sie weiter, daß dann die Normalkraft pro Längeneinheit T / r beträgt. Das ist ein Druck, der bei gegebener Seilspannung Τ mit kleiner werdendem r zunimmt. (Das erklärt auch, warum eine Paketschnur an den Kanten, wo r am kleinsten ist, am stärksten einschneidet.)

(c) Wenn der Kontakt nicht perfekt glatt ist, können sich die Werte der Seilspannung an den Enden des Seils um einen geringen Betrag AT unterscheiden, ohne daß das Seil anfängt zu rutschen. Der Wert von AT beträgt μ AN, wobei μ der Reibungskoeffizient zwischen Seil und Stange ist. Leiten Sie daraus das Exponentialgesetz T{9)

=

T 0 e""

ab, wobei To die Spannung ist, die unter einem beliebigen Seilwinkel θ an einem Ende des Seiles vorliegt, und Τ(θ) die Spannung am anderen Seilende. (d) Das obige Resultat drückt auch die Möglichkeit aus, einer großen Spannung Τ in einem Tau durch mehrfaches Schlingen des Taues um einen Zylinder zu widerstehen, ein seit undenklicher Zeit von den Seeleuten ausgenutzter Effekt. Angenommen der Wert von μ beim Kontakt zwischen Tau und· Poller an einer Schiffsanlegestelle liegt bei 0.2. Berechnen Sie für To = 448 Ν die Werte für Τ bei einer, zwei, drei und vier kompletten Umschlingungen des Taus um den Poller. (Es ist interessant zu bemerken, daß Τ proportional zu To ist. Das erlaubt es Seeleuten, durch das Legen eines Taus um eine motorgetriebene Trommel eine beliebige Zugkraft auszuüben. Diese Einrichtung wirkt als Kraftverstärker.) 5.15 Bei einem sehr empfindlichen Torsionsgleichgewichtsexperiment, wie z.B. dem von Cavendish, können die Reibungskräfte eines langsamen Luftstroms, der auf das System gerichtet ist, zu wesentlichen Störungen führen. Um das qualitativ zu erfassen, betrachten Sie das in Aufgabe 5.3 beschriebene Experiment. Für Kugeln der gegebenen Größe (r ss 0.8 cm) ergibt sich die von einem Luftstrom mit der Geschwindigkeit υ ausgeübte Reibungskraft näherungsweise (siehe Gl. (5.4)) zu /?(Newton)

=

2.5 χ 10 _ 6 v + 5 χ 1 0 ~ V

136

Kapitel 5.

Die verschiedenen Kräfte der Natur

wobei ν in m/s anzugeben ist. Bei welchem Wert von υ ruft der Luftstrom an den Kugeln eine Kraft hervor, die der im Experiment angreifenden Gravitationskraft entspricht (d.h. der Kraft, die eine Kugel von 20 kg auf eine Kugel von 2 g in einem Abstand von 5 cm ausübt)? (Hinweis: Plagen Sie sich nicht mit der Lösung einer quadratischen Gleichung für v. Bestimmen Sie einfach die Werte für v, für die die Anteile von R getrennt betrachtet gleich der Gravitationskraft wären. Der kleinere der so gefundenen zwei Werte für ν reicht offensichtlich schon aus, um das Experiment zu verderben.)

Uns zu sagen, dafi alle Dinge mit einer verborgenen spezifischen Qualität ausgestattet sind, die wirkt und offensichtliche Effekte hervorruft, heifit, uns nichts zu sagen. Aber zwei oder drei allgemeine Prinzipien der Bewegung aus Erscheinungen abzuleiten und uns nachher zu sagen, wie die Eigenschaften und Aktionen aller körperlichen Dinge aus diesen offensichtlichen Prinzipien folgen, wäre ein sehr großer Schritt für die Philosophie, auch wenn die Ursachen dieser Prinzipien noch nicht entdeckt wären. N E W T O N , Opticks

(1730)

Kapitel 6

Kraft, Trägheit und Bewegung

6.1

Das Trägheitsprinzip

In d e n v o r s t e h e n d e n K a p i t e l n h a b e n w i r M a t e r i e , B e w e g u n g u n d K r a f t als g e t r e n n t e P u n k t e b e h a n d e l t . J e t z t k o m m e n wir z u m zentralen P r o b l e m der Newtonschen D y n a m i k : W i e w e r d e n die B e w e g u n g e n m a t e r i e l l e r O b j e k t e d u r c h K r ä f t e b e w i r k t ? W i r wollen d a s m i t e i n e r F r a g e e i n l e i t e n , d i e a u f d e n e r s t e n Blick viel e i n f a c h e r ist: W a s k ö n n e n wir ü b e r d i e B e w e g u n g e i n e s O b j e k t e s s a g e n , d a s keinen K r ä f t e n a u s g e s e t z t i s t ? Es w a r d i e A n a l y s e d i e s e s P r o b l e m s d u r c h G a l i l e o , d i e d i e D y n a m i k als W i s s e n s c h a f t e r ö f f n e t e . 1 In K a p i t e l 4 h a t u n s d a s S t u d i u m v o n G l e i c h g e w i c h t s s i t u a t i o n e n zu e i n e m g r u n d l e g e n d e n P r i n z i p g e f ü h r t : W e n n ein O b j e k t r u h t , ist d i e a n g r e i f e n d e G e s a m t k r a f t N u l l . W a s k ö n n t e n ä h e r l i e g e n , als diese F e s t s t e l l u n g e i n f a c h u m z u d r e h e n u n d zu f o l g e r n , d a ß . w e n n die a n g r e i f e n d e G e s a m t k r a f t N u l l i s t , ein O b j e k t in R u h e b l e i b e n m u ß , u n d als e i n e A r t K r ö n u n g d a r a u s zu s c h l i e ß e n , d a ß e i n e G e s a m t k r a f t a u f r e c h t e r h a l t e n w e r d e n r n u ß . u m ein O b j e k t in B e w e g u n g zu h a l t e n . U n s e r e Erf a h r u n g zeigt u n s j a a u c h , d a ß b e w e g t e O b j e k t e a u f d e r E r d o b e r f l ä c h e z u r R u h e k o m m e n , w e n n sie sich selbst ü b e r l a s s e n w e r d e n , u n d d a ß e i n e s t ä n d i g e A n s t r e n -

1 Sie werden ohne Zweifel schon vor der Lektüre dieses Kapitels viele Probleme unter Anwendung des Newtonschen Grundgesetzes gelöst h a b e n . Glauben Sie aber von diesem Gesichtspunkt aus bitte nicht, daß die folgende Diskussion überflüssig ist. Der Wunsch, möglichst schnell zum Geschäft überzugehen - Gleichungen niederzuschreiben und anzuwenden - . ist sehr gesund. Die q u a n t i t a t i v e A n w e n d u n g einer physikalischen Theorie ist ein sehr wichtiger Teil des Spiels, Physik ist schließlich kein Zuschauersport. Um aber wirkliche Einsichten und Verständnis zu erlangen Woher kommen die Gleichungen? Was sagen sie wirklich aus? - . m u ß man auch die G r u n d a n n a h m e n und P h ä n o m e n a betrachten. Einige der größten Fortschritte in der Physik sind in der T a t genau auf diese Weise z u s t a n d e g e k o m m e n . Einstein erhielt die spezielle Relativitätstheorie, weil er tief über die N a t u r der Zeit nachdachte. Und Newton gab, einmal b e f r a g t , wie er zu seinen Einsichten in die Probleme der N a t u r käme, nur zurück: „Indem ich immer d a r a n denke."'

140

Kapitel 6. Kraft, Trägheit und Bewegung

zum Erdmittelpunkt

A b b . 6 . 1 Grenzen des Galileischen Trägheitsprinzips an der Erdoberfläche - ein Objekt, das sich auf einer horizontalen geraden Linie durch Α bewegt, kann den Gipfel eines Berges bei Β erreichen. Dabei muß es langsamer werden.

g u n g n o t w e n d i g ist, u m ein O b j e k t in Bewegung zu h a l t e n . Eine E x t r a p o l a t i o n ü b e r diese A l l t a g s e r f a h r u n g e n h i n a u s ist j e d o c h möglich, u n d Galileo h a t sie als erster in seinem T r ä g h e i t s p r i n z i p a u s g e d r ü c k t . Z u n ä c h s t b e h a u p t e t e dieses P r i n zip einfach, d a ß sich ein O b j e k t ohne alle h e m m e n d e n K r ä f t e m i t u n v e r ä n d e r t e r Geschwindigkeit in einer horizontalen E b e n e weiterbewegen wird. Galileo e r k a n n t e n u n , d a ß diese B e h a u p t u n g nur in einem eingeschränkten Sinn zutreffen k a n n . Weil eine wirklich flache horizontale E b e n e T a n g e n t i a l e b e n e zur E r d o b e r f l ä c h e ist, m ü ß t e d a s a u s ausreichender E n t f e r n u n g so aussehen, als o b sich d a s O b j e k t w a h r n e h m b a r b e r g a u f bewegte (siehe A b b . 6.1), u n d O b j e k t e , die sich a u f w ä r t s bewegen, werden langsamer.2 S p ä t e r stellte Isaac N e w t o n d a s T r ä g h e i t s p r i n z i p in verallgemeinerter F o r m als „erstes Gesetz" der Bewegung in seinen Prtncipia vor: „Jeder K ö r p e r v e r h a r r t in seinem R u h e z u s t a n d oder in geradlinig gleichförmiger Bewegung, solange er nicht von angreifenden K r ä f t e n gezwungen wird, diesen B e w e g u n g s z u s t a n d zu ä n d e r n . " Das ist eine v e r t r a u t e Feststellung, die wir wahrscheinlich alle bei unserer ersten Begegnung m i t der Mechanik kennenlernen. A b b . 6.2 zeigt eine p r a k t i s c h e Illustration dieses Prinzips. W a s s a g t es eigentlich aus? Als erstes m ü s s e n wir erkennen, d a ß j e d e Feststellung über die Bewegung eines gegebenen O b j e k t s die A n g a b e eines B e z u g s s y s t e m s einschließt ( d a s h a b e n wir in Kapitel 2 d i s k u t i e r t ) , wir k ö n n e n Verschiebungen u n d Geschwindigkeiten nur relativ zu a n d e r e n O b j e k t e n messen. D a m i t ist das T r ä g h e i t s p r i n z i p nicht nur eine Feststellung ü b e r das Verhalten von einzelnen O b j e k t e n , es greift viel tiefer. W i r können es in der T a t u m d r e h e n u n d eine T h e s e etwa folgender A r t formulieren: Es gibt b e s t i m m t e B e z u g s s y s t e m e , in d e n e n die B e w e g u n g eines Objektes, an d e m keine äußeren Kräfte angreifen, geradlinig gleichförmig ist ( e i n g e s c h l o s s e n die G e s c h w i n d i g k e i t N u l l ) . Ein B e z u g s s y s t e m , in d e m das Trägheitsgesetz gilt, wird Ineriialsystem genannt. Die Frage, ob ein S y s t e m inertial ist oder nicht, ist d a n n eine Angelegenheit von

2 Für Galileos eigene Diskussion dieses Gegenstandes siehe seine Dialogues Concerning Τιυο Neiv Sciences (Η. Crew und A. de Salvio, Übersetzer), Dover Publications, New York.

141

6.1. Das Trägheitsprinzip

A b b . 6.2 Bewegung mit konstanter Geschwindigkeit - ein Geschoß bei etwa 500 m/s, stroboskopisch photographiert. mit 30000 Licht blitzen pro Sekunde (von Prof. Harold E. Edgerton, M.I.T.)

E x p e r i m e n t u n d B e o b a c h t u n g . Die meisten B e o b a c h t u n g e n , die in den Grenzen eines L a b o r a t o r i u m s auf der E r d o b e r f l ä c h e g e m a c h t werden, legen nahe, d a ß ein mit d e m L a b o r fest v e r b u n d e n e s Bezugssystem b r a u c h b a r ist. Es waren schließlich B e o b a c h t u n g e n in einem solchen S y s t e m , die Galileo ü b e r h a u p t z u m ersten Mal auf das T r ä g h e i t s p r i n z i p b r a c h t e n ! Eine kritischere P r ü f u n g zeigt, d a ß ein solches System doch noch nicht gut genug ist u n d wir weiter h i n a u s s c h a u e n müssen a b e r dazu s p ä t e r . I m M o m e n t wollen wir uns d a m i t b e g n ü g e n , d a ß H a u p t p r i n z i p e i n z u f ü h r e n , d a s von solchen s p ä t e r e n Feinheiten nicht b e r ü h r t wird. Sir A r t h u r E d d i n g t o n , der ein Flair f ü r sowohl scharfsinnige als auch witzige B e m e r k u n g e n h a t t e , offerierte seine eigene Version des T r ä g h e i t s p r i n z i p s so: „Jeder K ö r p e r bleibt in einem Z u s t a n d der R u h e oder der geradlinig gleichförmigen Bewegung, außer er t u t es n i c h t . " 3 Mit anderen W o r t e n b e t r a c h t e t e er es letztlich als d e h n b a r e Angelegenheit. ( U n d b a h n t e d a m i t den Weg f ü r eine Diskussion der allgemeinen R e l a t i v i t ä t u n d G r a v i t a t i o n . ) Diese B e m e r k u n g E d d i n g t o n s lenkt die A u f m e r k s a m k e i t auf farbige Weise d a r a u f , was wirklich die letzte G r u n d l a g e der Newtonschen Mechanik ist: J e d e Abweichung von einer geradlinigen B a h n läßt auf die Existenz einer Kraft schließen. Keine Abweichung, keine K r a f t - und u m g e k e h r t .

A.S. E d d i n g t o n . Tht

Saturt

of tht

Physical

versity of Michigan Press. Ann Arbor. Mich.. 1958.

World ( A n n A r b o r P a p e r b a c k s ) . Uni-

142

Kapitel 6. Kraft, Trägheit und Bewegung

Wir müssen begreifen, daß das Trägheitsgesetz nicht in einem experimentellen Test „ ü b e r p r ü f b a r " ist, weil m a n niemals sicher sein kann, daß das betrachtete O b j e k t wirklich von allen äußeren Kräften frei ist, wie sie z.B. e x t r e m massereiche O b j e k t e in sehr großer Entfernung ausüben. Weiterhin ist es alles andere als trivial, eine gerade Linie in einem physikalischen Sinn zu definieren. Es ist sicher nicht intuitiv klar, es ist aber auch keine rein abstrakte, m a t h e m a t i s c h e Frage. (Wie würden Sie für diesen Zweck eine gerade Linie definieren?) Nichtdestoweniger kann m a n beanspruchen, daß das Trägheitsgesetz eine gültige Verallgemeinerung der E r f a h r u n g ist; es ist eine mögliche Interpretation der beobachteten Bewegungen, und unser G l a u b e an seine Gültigkeit wächst mit der Zahl der Erscheinungen, die mit seiner Hilfe erfolgreich zueinander in Beziehung gebracht werden können.

6.2

Kraft und träge Masse: Das Newtonsche Grundgesetz

Aus dem Trägheitsgesetz folgt, daß der „natürliche" Bewegungszustand eines Obj e k t s die Bewegung mit konstanter Geschwindigkeit ist. Eng d a m i t h ä n g t zusammen, daß sich durch eine Wechselwirkung zwischen einem O b j e k t und einem äußeren physikalischen System der Bewegungszustand des O b j e k t s ä n d e r t . Wir haben zum Beispiel keinen Zweifel daran, daß die Bewegung eines Tennisballs vom Racket beeinflußt wird, daß die Bewegung der Kompaßnadel von einem Magneten beeinflußt wird und daß die Bewegung der Erde von der Sonne beeinflußt wird. Der technische Begriff für diese Eigenschaft, die b e s t i m m t , wie schwer es für eine gegebene Kraft ist, den Bewegungszustand eines O b j e k t s zu ändern, ist träge Masse. Betrachten wir nun, wie diese Beschreibung q u a n t i t a t i v gefaßt werden kann. „ K r a f t " ist ein abstrakter Begriff. Wir haben gesehen, wie m a n diesen abstrakten Begriff mit praktischen Vorgängen verbinden kann wie das Zusammendrücken einer Feder, das Dehnen eines G u m m i b a n d e s usw.. Wir können mit diesen Mitteln leicht die W i r k u n g von Stoß oder Zug auf ein O b j e k t untersuchen und Kräfte bestimmter Größe angreifen lassen. Die Beobachtungen werden besonders gut auswertbar, wenn wir eine Kraft auf ein O b j e k t ausüben, das sich sonst mit konstanter Geschwindigkeit bewegen würde. Eine sehr gute A n n ä h e r u n g an dieses Ideal kann erreicht werden, wenn m a n ein O b j e k t mit flachem Boden auf einem Gaspolster schweben läßt - zum Beispiel, indem m a n das O b j e k t auf einen waagerechten Tisch mit Löchern legt, durch die von unten Luft geblasen wird. Man kann d a n n eine Zugkraft in horizontale Richtung a m O b j e k t angreifen lassen und Beobachtungen wie die folgenden machen (siehe auch Abb. 6.3): 1. Eine Feder, die u m einen bestimmten Betrag auseinandergezogen ist, ruft eine lineare Veränderung der Geschwindigkeit mit der Zeit hervor - d.h., die Beschleunigung eines gegebenen Objektes durch eine gegebene Kraft ist konstant.

6.2. K r a f t und träge Masse: Das Newtonsche G r u n d g e s e t z

143

(a) Beschleunigung = a„

ι Block

1 Feder -jyyyp—-

Beschleunigung = 2 σ0

2 Federn

Beschleunigung = — a 0 (b)

1 Block

1 Feder

1 Block

r m r —

A b b . 6 . 3 (a) Stroboskopische P h o t o g r a p h i e einer gleichmäßig beschleunigten Bewegung; das Zeitintervall zwischen den Lichtblitzen b e t r ä g t 1 / 5 Sekunde (aus PSSC Physics, D.C. Heath. Lexington. Massachusetts, 1960). (b) einfache dynamische Experimente, die als Basis zur Aufstellung des Newtonschen Grundgesetzes herangezogen werden können 2. W e n n e i n e z w e i t e F e d e r , i d e n t i s c h m i t d e r e r s t e n u n d u m d e n s e l b e n B e t r a g a u s e i n a n d e r g e z o g e n , p a r a l l e l z u r e r s t e n b e n u t z t w i r d , v e r d o p p e l t sich d i e B e s c h l e u n i g u n g - d . h . , w e n n wir ( e n t s p r e c h e n d u n s e r e n K r i t e r i e n f ü r d e n Vergleich von K r ä f t e n a u s d e m s t a t i s c h e n G l e i c h g e w i c h t ) die K r a f t v e r v i e l f a c h e n , ist die B e s c h l e u nigung direkt proportional zur G e s a m t k r a f t . D a s e r m ö g l i c h t es u n s , zwei e i n f a c h e G l e i c h u n g e n n i e d e r z u s c h r e i b e n , d i e d i e Beziehung zwischen angreifenden K r ä f t e n F und Beschleunigungen α ausdrücken:

a



kF

F = k'a , w o b e i k u n d k' d i e T r ä g h e i t s e i g e n s c h a f t e n des s p e z i e l l e n O b j e k t s b e s c h r e i b e n . W e l -

144

Kapitel 6. Kraft, Trägheit und Bewegung

che der obigen Formulierungen der Resultate ist günstiger? Wir finden die Antwort durch ein anderes einfaches Experiment: 3. Wenn wir auf dem ersten O b j e k t ein zweites identisches O b j e k t anbringen, reduziert sich die Beschleunigung bei gleicher S p a n n u n g der Federn auf die Hälfte. Wir können das a m einfachsten ausdrücken, wenn wir die zweite der obigen Gleichungen auswählen, so daß die Trägheitseigenschaft additiv wird - d.h., die Trägheitskonstanten k' von zwei verschiedenen O b j e k t e n können einfach addiert werden, und die Beschleunigung des zusammengesetzten Systems unter einer b e s t i m m t e n Kraft F ergibt sich einfach zu F

=

(k[ +k'2)al+2

,

d.h. α

F

~

Ic j

^

Solche oder ähnliche Schritte führen zu der Gleichung, die allgemein als das „Newtonsche Grundgesetz" oder als „zweites Newtonsches Gesetz" bekannt ist: F

dv

= ma =

ι

(61)

wobei der P r o p o r t i o n a l i t ä t s f a k t o r m (identisch mit dem oben benutzten k') träge Masse des O b j e k t s genannt wird und F die angreifende G e s a m t k r a f t ist. Diese Basisformulierung des Newtonschen Grundgesetzes enthält, daß K r a f t und Beschleunigung Vektorgrößen sind und daß die Beschleunigung immer dieselbe Richtung wie die angreifende K r a f t h a t . Ein interessanter, aber oft übersehener historischer Fakt ist, daß Newtons eigene Formulierung des Grundgesetzes der Mechanik nicht die Gestalt von Gl. (6.1) h a t t e ; die Gleichung F = ma erscheint nirgendwo in den Principia. Newton sprach stattdessen von der Veränderung der „Bewegung" (womit er den Impuls meinte) und verband sie mit dem Wert von K r a f t χ Zeitspanne. Seine Version des zweiten Gesetzes der Bewegung war also folgende: FAt

=

mAv

.

(6.2)

Wir werden in Kapitel 9 sehen, daß Newtons Formulierung des Grundgesetzes aus der speziellen Art der Beweise erwuchs, die ihm zur Verfügung standen: den Folgen von Stoßprozessen. Direkte Experimente, wie sie in Abb. 6.3 dargestellt sind, waren mit den begrenzten technischen Mitteln seiner Zeit nicht möglich. (Die einzige gleichmäßig beschleunigte Bewegung, die Newton leicht zugänglich war, war die Bewegung unter dem Einfluß der Gravitation, diese Bewegung erlaubte ihm aber keine anabhängige Kontrolle über den Wert der a m O b j e k t angreifenden Kraft F - erst, die Anwendung einer geneigten Ebene, bei der sich eine treibende K r a f t mg sin # ergibt, konnte diesen Zweck erfüllen.)

6.3.

145

Einige Bemerkungen zum Newtonschen Grundgesetz

Richtung von Q und F

** F e d e r 2

o-wwrFeder 1

(α)

Richtung

F, (b)

Ic)

A b b . 6 . 4 (a) Objekt, das von zwei Federn in verschiedene Richtungen gezogen wird, (b) resultierende Kraft, konstruiert nach den Regeln der Vektoraddition; (c) die beobachtete Beschleunigung des Objekts stimmt mit der überein, die sich mit der Gesamtkraft aus (b) ergibt.

6.3

Einige Bemerkungen zum Newtonschen Grundgesetz

So einfach und vertraut Gl. (6.1) auch ist, sie enthält einen enormen Reichtum an physikalischen Konzepten - tatsächlich fast die gesamte Basis der klassischen Mechanik. Zuerst k o m m t natürlich die A n n a h m e , daß uns quantitative Messungen von Verschiebungen und Zeitintervallen zu einem eindeutigen Wert für die Beschleunigung eines O b j e k t s zu einem gegebenen Zeitpunkt führen. Wenn wir daran denken, daß Verschiebungen nur in bezug auf andere O b j e k t e gemessen werden können, sehen wir, daß alles (wie beim Trägheitsprinzip) auch von der Wahl eines Bezugssystems a b h ä n g t . Tatsächlich setzen wir stillschweigend voraus, daß die Beschleunigung in einem Inertialsystem gemessen wird. Bei unseren Grundexperimenten, die in Abb. 6.3 dargestellt sind, spielt die Erde diese Rolle. Als nächstes ist enthalten, daß der Beschleunigungsvektor die Richtung der G e s a m t k r a f t h a t . Das ist ein wichtiges Ergebnis. Es drückt die Tatsache aus, daß sich die von verschiedenen Kräften hervorgerufenen Beschleunigungen linear zusammensetzen. Angenommen zwei Federn sind an einem O b j e k t befestigt (siehe Abb. 6.4 a). Feder 1 ü b t auf das O b j e k t eine K r a f t F i in x-Richtung aus. Diese Kraft allein würde eine Beschleunigung von Fi/m in x-Richtung hervorrufen. Feder 2 übt eine Kraft F2 in y-Richtung aus. Diese K r a f t allein würde eine Beschleunigung von F^/rn in y-Richtung hervorrufen. Es ist d a n n Sache des Experiments nicht mit purer Logik vorhersagbar - , zu zeigen , daß die von beiden Kräften hervorgerufene Beschleunigung genau die ist, die sich auch bei vorheriger Addition der K r ä f t e F i und F2 zur Resultierenden F ergibt (siehe Abb. 6 . 4 b und 6.4c). Die beobachtete Beschleunigung a beträgt F / m . Dieses Resultat verschafft uns die dynamische Begründung für die „Unabhängigkeit der Bewegungen", die wir bei den Bahnproblemen in Kapitel 3 als rein kinematischen Effekt diskutiert haben. Es bedeutet, daß sich die Momentanbeschleunigung eines O b j e k t s durch lineare Uberlagerung der angreifenden Kräfte oder der Beschleunigungen ergibt, die sie einzeln hervorrufen würden. Wenn dieses Resultat nicht gelten würde, wäre die Vorhersage von Bewegungen bei bekannten Kräften weitaus komplizierter und schwieriger.

146

Kapitel 6. Kraft, Trägheit und Bewegung

3

I

2

ε

0

0,1

0,2

0.3

j

ι

ι

ι

ι

0,4

0,5

0,6

0.7

0.8

ι 0.9

1.0

v/c A b b . 6.5 Anwachsen der trägen Masse mit der Geschwindigkeit, wie es bei Experimenten mit Elektronen bei hohen Geschwindigkeiten auftritt; basierend auf Daten von Kaufmann (1910, leere Kreise), Bucherer (1909, ausgemalte Kreise) und Guy und Lavanchy (1915, Kreuze) (nach R.S. Shankland, Atomic and Nuclear Physics, Macmillan, New York, 1961)

Es sei gestattet, hier noch auf etwas hinzuweisen. Die lineare Überlagerbarkeit momentaner Bewegungskomponenten bedeutet nicht automatisch, daß man immer, sagen wir, die y-Komponente einer Bewegung ohne Rücksicht auf das Geschehen in »-Richtung berechnen kann. Ein Beispiel dafür, das später noch genauer betrachtet wird, ist die Bewegung eines geladenen Teilchens in einem Magnetfeld. Die Komponente der Kraft, in eine gegebene Richtung hängt von der Geschwindigkeitskomponenten senkrecht zu dieser Richtung ab. In so einem Fall müssen wir genau verfolgen, wie sich diese Geschwindigkeitskomponente mit fortschreitender Zeit ändert. Bei einem Objekt, das einer einzigen Kraft ausgesetzt ist, scheint es intuitiv klar, daß Kraft, und Beschleunigung die gleiche Richtung haben. Dennoch stimmt das z.B. bei genügend großen Geschwindigkeiten - ausreichend für die Anwendung der modifizierten Kinematik und Dynamik der speziellen Relativitätstheorie - im allgemeinen auch nicht mehr. Schließlich folgt zuletzt die Annahme, daß die Größe der zeitlichen Änderung der Geschwindigkeit eines Objekts nur von Betrag und Richtung der angreifenden Kraft F und einer einzelnen charakteristischen skalaren Größe abhängt - der trägen Masse m des Objekts. Das ist ein äußerst bemerkenswertes Resultat, das wir noch etwas eingehender betrachten wollen. Das Newtonsche Grundgesetz behauptet, daß die von einer konstanten Kraft, z.B. einer gespannten Feder, hervorgerufene Beschleunigung unter allen Bedingungen denselben Wert hat. Es spielt demnach keine Rolle, ob das Objekt zu Beginn in Ruhe ist oder sich bereits mit hoher Geschwindigkeit bewegt. Ist das wirklich immer richtig? Nein! Es stellt sich heraus, daß die Beschleunigung durch eine angreifende Kraft bei extrem hohen Geschwindigkeiten - groß im Verhältnis zur

147

6.4. Maßstäbe für Massen und Kräfte

Lichtgeschwindigkeit - doch von ν abhängt. Bei solchen hohen Geschwindigkeiten muß die Newtonsche Mechanik durch die von Einstein ersetzt werden, die Inhalt der speziellen Relativitätstheorie ist: Die Trägheit eines gegebenen Objekts wächst systematisch mit der Geschwindigkeit entsprechend der Beziehung ^

=

(l-«VC2)l/2 ·

sin# = vy,

dvr rn—— dt m

dvv —

= =

2

cos6

,

. sm θ .

können wir diese Gleichungen wie folgt

—(Bv)v x v '

,

— mg — (Bv)vy

.

J e d e Gleichung f ü r eine s e p a r a t e G e s c h w i n d i g k e i t s k o m p o n e n t e e n t h ä l t den B e t r a g der gesamten Geschwindigkeit und d a m i t auch, was zu j e d e m Z e i t p u n k t in der a n d e r e n K o o r d i n a t e n r i c h t u n g geschieht. J e größer der B e t r a g von v , u m s o wichtiger wird diese wechselseitige V e r b i n d u n g zwischen den verschiedenen K o m p o n e n t e n der Bewegung. D a m i t können wir die vertikale Bewegung eines fallenden K ö r p e r s nicht o h n e bezug auf die horizontale K o m p o n e n t e berechnen. Die E r i n n e r u n g d a r a n m a g für j e n e heilsam sein, die d a r a n g e w ö h n t sind, die idealisierten Gleichungen

y

X (α)

(b) A b b . 7.25 Widerstandskraft und Gravitationskraft bei einem Teilchen, das sich in einer vertikalen Ebene bewegt

200

Kapitel 7. Die Anwendung des Newtonschen Grundgesetzes

f ü r fallende O b j e k t e als erwiesen a n z u s e h e n . In der Folklore der P h y s i k gibt es die Geschichte des mittellosen S t u d e n t e n , der durch eine W e t t e m i t einem (nichtwissenschaftlichen) B e k a n n t e n Geld verdienen wollte. Er b a t ihn, sich zwei gleiche O b j e k t e vorzustellen. Eines wird aus einer b e s t i m m t e n Höhe ü b e r d e m Boden a u s der R u h e l a g e einfach fallengelassen, das a n d e r e wird i m selben M o m e n t in der gleichen Höhe h o r i z o n t a l a b g e f e u e r t . Welches erreicht den Boden z u e r s t ? D a s O p f e r ( a r m e r I g n o r a n t ! ) h a t oft eine vage Vorstellung, d a ß die schnelle h o r i z o n t a l e Beweg u n g d a s zweite O b j e k t irgendwie länger in der L u f t h a l t e n m ü ß t e . A b e r n a t ü r l i c h ist d a s nachweisbar falsch, o d e r e t w a n i c h t ? B e t r a c h t e n Sie die U n t e r s u c h u n g e n zu Bewegungen u n t e r d e m Einfluß der G r a v i t a t i o n in K a p i t e l 3. Und sogar ein direkter Test w ü r d e dieses E r g e b n i s b e s t ä t i g e n , wenn die Geschwindigkeiten kleing e h a l t e n werden. Die vollständigen Gleichungen, wie sie hier aufgeschrieben sind, zeigen aber, d a ß eine hohe horizontale Anfangsgeschwindigkeit tatsächlich die Zeit f ü r die U b e r w i n d u n g einer b e s t i m m t e n vertikalen D i s t a n z erhöht! Moral: H ü t e n Sie sich vor allzuschnellen Idealisierungen. Beachten Sie, d a ß die x- u n d y - K o m p o n e n t e n der Geschwindigkeit fast una b h ä n g i g b e h a n d e l t werden k ö n n e n , wenn der W i d e r s t a n d rein viskos ist, also mit der ersten P o t e n z von ν a n w ä c h s t . Obwohl m a n als A u s g a n g s p u n k t irgendeines P r o b l e m s mit K r ä f t e n i m m e r eine F o r m u l i e r u n g des N e w t o n s c h e n G r u n d g e s e t z e s aufstellen k a n n , h ä n g t der Weg von d o r t bis zur vollständigen Bewegung s t a r k von der speziellen N a t u r des b e t r a c h t e t e n P r o b l e m s a b .

7.14

Einfache harmonische Bewegung

Eines der wichtigsten d y n a m i s c h e n P r o b l e m e ist das einer Masse, die von einer K r a f t zu e i n e m gegebenen P u n k t hingezogen wird, wobei die G r ö ß e der K r a f t z u m A b s t a n d von diesem P u n k t p r o p o r t i o n a l ist. W e n n sich die Bewegung auf die xAchse b e s c h r ä n k t , h a b e n wir: F(x)

=

-kx

.

(7.38)

Eine g u t e A n n ä h e r u n g an diese S i t u a t i o n ist d u r c h ein O b j e k t auf einem sehr glatten Tisch (z.B. m i t L u f t p o l s t e r ) u n d einer horizontalen Spiralfeder gegeben (siehe A b b . 7.26 a). D a s O b j e k t wird normalerweise in einer Position r u h e n , bei der die Feder weder g e s p a n n t noch z u s a m m e n g e d r ü c k t ist. Die K r a f t , die bei einer kleinen Verschiebung der Masse in irgendeine R i c h t u n g z u s t a n d e k o m m t , wird d a n n gut durch Gl.(7.38) beschrieben. Die K o n s t a n t e k ist die s o g e n a n n t e Federkonstante u n d wird in N e w t o n p r o Meter gemessen. Dieses lineare K r a f t g e s e t z f ü r eine Feder w u r d e 1676 von R o b e r t Hooke e n t d e c k t u n d ist nach i h m b e n a n n t . 8 Eine in

8 Er verkündete es zuerst in einem berühmten Anagram - ceiiinosssttuv - , das er zwei Jahre später als die lateinische Sentenz „ut tensio, sie vis" offenbarte („wie die Ausdehnung, so die Kraft"). Auf diese Art (das war in seinen Tagen populär) konnte

7.14. Einfache harmonische Bewegung

201

A b b . 7.26 (a) Massen-Feder-System auf einer reibungsfreien horizontalen Oberfläche, (b) Masse, die an einer senkrechten Feder aufgehängt ist, (c) graphische Darstellung der Kraft gegen die Auslenkung bei einem linearen Kraftgesetz; die Gleichgewichtssituationen Ο und O' entsprechen den Fällen (a) und (b).

der P r a x i s noch einfachere A n o r d n u n g , theoretisch a b e r ein wenig komplizierter, ist eine a m u n t e r e n E n d e einer Feder a u f g e h ä n g t e Masse, wie sie in A b b . 7.26 b zu sehen ist. In diesem Fall ist die Feder schon in der R u h e l a g e u m einen kleinen B e t r a g g e d e h n t , der ausreicht, d a s Gewicht des O b j e k t s zu t r a g e n . Eine weitere Verschiebung aus dieser Gleichgewichtslage nach oben oder nach u n t e n f ü h r t ebenfalls zu einer nichtverschwindenden G e s a m t k r a f t e x a k t von der F o r m (7.38). Das ist in A b b . 7.26c verdeutlicht, d a s die G r ö ß e der von der Feder a u s g e ü b t e n K r a f t in A b h ä n g i g k e i t von ihrer D e h n u n g y zeigt. W e n n m a n in diesem D i a g r a m m einen neuen K o o r d i n a t e n u r s p r u n g in den P u n k t O' legt, e r h ä l t m a n eine resultierende G e s a m t k r a f t (F — mg) p r o p o r t i o n a l zur Verschiebung aus der R u h e l a g e ( y — j/o)· Die große B e d e u t u n g des d y n a m i s c h e n P r o b l e m s einer Masse an einer Feder liegt d a r i n , d a ß das Verhalten von sehr vielen physikalischen S y s t e m e n bei kleinen Verschiebungen a u s d e m Gleichgewicht derselben G r u n d b e z i e h u n g wie Gl. (7.38) gehorcht. W i r werden d a s in K a p i t e l 10 detaillierter diskutieren; hier wollen wir uns e r s t m a l m i t der Lösung des P r o b l e m s an sich beschäftigen. Das ist eine g u t e Gelegenheit für unsere C o m p u t e r m e t h o d e ; wir werden also mit der C o m p u t e r m e t h o d e anstelle der f o r m a l e n M a t h e m a t i k beginnen. Die Ausgangsgleichung der F o r m F — ma l a u t e t f ü r diese Bewegung wie folgt: =

-kx

.

(7.39)

Das kann m a n als d2x Λ

7

k =

~m

X

Hooke die Priorität für seine Entdeckung beanspruchen, ohne seinen Zeitgenossen zu verraten, was es war.

202

Kapitel 7. Die Anwendung des Newtonschen Grundgesetzes

Abb. 7.27 Auslenkungs-Zeit-Diagramm bei einer einfachen harmonischen Bewegung

schreiben. Wir erkennen, daß k/m eine Konstante der Dimension (Zeit) wir das mit ω 2 bezeichnen, wird unsere Ausgangsgleichung zu W

=

2

ist. Wenn

(7.40)

Wir können das als direkte Formulierung des Weges lesen, auf dem wir die näherungsweise Änderung von dx/dt in einem kleinen Zeitintervall At berechnen können: d ί dx dt \dt bzw.

Δ

(7 41)

(ί) *

·

Deis ist jetzt die Umkehrung des Vorgehens, über das d?x/dt2 ursprünglich definiert wurde (vgl. Kapitel 3). Nehmen wir an, u m konkreter zu sein, daß bei t = 0 χ = χα und ν = Vq beide positiv sind, wie es in Abb. 7.27 der Fall ist. Zur Zeit t = At haben wir dann: χ dX —dt

sa «

x0 + v0At

,

2 AU - ω so At .

Die Verschiebung ist also etwas größer, der Anstieg etwas geringer als bei t = 0. Mit diesen neuen Werten können wir einen weiteren Schritt At gehen, und immer so weiter. Verschiedene Merkmale ergeben sich dabei aus Gl.(7.41): 1. Solange χ positiv ist, nimmt der Anstieg dx/dt ab, wenn wir von t zu t + At übergehen. Das heißt, wenn dx/dt positiv ist, wird es kleiner, wenn es negativ ist, wird es noch negativer. 2. Die Rate der Änderung von dx/dt mit der Zeit ist proportional zu x. Der Graph

203

7.14. Einfache harmonische Bewegung

hat seine größte Krümmung, wenn χ seinen größten Wert erreicht, und bei χ —* 0 wird er fast zur geraden Linie. 3. Solange χ negativ ist, wird dx/dt mit jedem Zeitschritt At weniger negativ oder mehr positiv. Mit Hilfe dieser Betrachtungen können wir das Bild einer Kurve konstruieren, die immer gegen die Linie χ = 0 (d.h. die i-Achse) gekrümmt ist und deshalb notwendigerweise ein periodisches Wellenmuster bildet. Jedem, der einmal die Graphen der trigonometrischen Funktionen gezeichnet hat, wird das Abb. 7.27 bemerkenswert stark an eine Sinus- oder Kosinusfunktion erinnern. Das legt einen Vergleich mit folgendem analytischen Ausdruck für die Auslenkung χ als Funktion der Zeit nahe: χ



A sin(a< + φο) ,

wobei Α der maximale Wert von χ ist und α eine Konstante mit der Dimension ( Z e i t ) - 1 , φο ist ein einstellbarer Winkel, der uns eine Anpassung des Wertes von χ bei t = 0 erlaubt. Wenn wir diese Funktion in die Bewegungsdifferentialgleichung (7.40) einsetzen, müssen wir χ zweimal nach der Zeit ableiten: ν

=

dx — — a A cos (at + φο) , dt

a

=

^—-r= —a2^4sin(a< + φο) - — a2x . dtz

Wir sehen, daß dieser Ausdruck die Gleichung tatsächlich erfüllt, wenn wir α = ω setzen. Deis führt uns auf folgendes Endergebnis: x(t)

=

ik\1 A sin(u>< + φο) , wobei ω = ( — J

/ 2

.

(7.42a)

Gl.(7.42a) ist die charakteristische Gleichung einer sogenannten einfachen harmonischen Bewegung (simple harmonic motion = SHM), und jedes System, das diese Bewegungsgleichung erfüllt, wird harmonischer Oszillator genannt. Die Konstante Α ist die Amplitude der Bewegung, und φο (grch. phi) ist die sogenannte Phasenverschiebung (Phase bei t — 0). Das gesamte Argument der Sinusfunktion, wt + φο, heißt „Phase" der Bewegung zu einem bestimmten Zeitpunkt. Das Ergebnis (7.42a) kann genausogut mit Hilfe einer Kosinusfunktion von t ausgedrückt werden: x(t)

=

Acos(u>t + φ'0)

(7.42b)

mit einem geeigneten Wert für die Phasenverschiebung φ'α • Diese Form der Lösung ist für einige Zwecke praktischer in der Handhabung. Die harmonische Bewegung wird durch ihre Periode Τ charakterisiert, die aufeinanderfolgende Zeitabschnitte festlegt, nach denen sich der Bewegungszustand jeweils exakt sowohl in Geschwindigkeit als auch Richtung wiederholt. Der Wert

204

Kapitel 7. Die Anwendung des Newtonschen Grundgesetzes

von Τ läßt sich leicht aus Gl.(7.42) b e s t i m m e n , wenn m a n berücksichtigt, d a ß die W i n k e l f u n k t i o n e n jeweils nach einer Ä n d e r u n g des A r g u m e n t e s u m 2 π den gleichen W e r t liefern. Also k ö n n e n wir ansetzen: φι

=

u>t ι + φ0 ,

Φι + 2 π

=

w(ii+T) + 0O·

2ττ

=

D a r a u s folgt d u r c h S u b t r a k t i o n : ωί

oder m

Τ

27Γ /TON 1 / 2 = 2 . ( τ ) .

=

(7.43)

Dieses E r g e b n i s s t i m m t m i t unserer A l l t a g s e r f a h r u n g überein: W e n n m größer wird, v e r l ä u f t die S c h w i n g u n g l a n g s a m e r , u n d m i t einer steiferen Feder (größeres k) verläuft die S c h w i n g u n g schneller. Beispiel: Eine Feder von vernachlässigbarer Masse ist senkrecht an einer festen H a l t e r u n g befestigt. W e n n m a n eine Masse von 2kg an die Feder h ä n g t , d e h n t sie sich u m 3 cm. W i e groß ist die Periode der einfachen h a r m o n i s c h e n S c h w i n g u n g dieses S y s t e m s ? Zuerst b e r e c h n e n wir die F e d e r k o n s t a n t e k. An der Masse greift eine G r a v i t a t i o n s k r a f t von 2 x 9 . 8 Ν = 19.6 Ν an. Diese K r a f t b e w i r k t eine D e h n u n g u m 0.03 m, also ist k = 19.6/0.03 N / m = 653 N / m . Mit Gl.(7.43) e r h a l t e n wir d a n n

(2 \ Λ™>)

1 / 2

Γ

2 =

s = 0

-

3 5 s

·

(Sie h a b e n vielleicht b e m e r k t , d a ß wir die Masse gar nicht g e n a u a n z u g e b e n b r a u chen. Eine beliebige Feder, die sich bei einer b e s t i m m t e n a n g e h ä n g t e n Masse u m 3 c m d e h n t , vollführt m i t derselben Masse Schwingungen m i t der P e r i o d e von 0.35 s. W a r u m ? )

7.15 Anpassung

Mehr über die einfache harmonische Bewegung an die

Anfangsbedingungen

W i r e r i n n e r n d a r a n , d a ß zur vollständigen Lösung eines P r o b l e m s u n t e r Anwend u n g des Newonschen G r u n d g e s e t z e s nicht nur die K e n n t n i s des K r a f t g e s e t z e s erforderlich ist, s o n d e r n auch die Vorgabe von zwei u n a b h ä n g i g e n G r ö ß e n , die den I n t e g r a t i o n s k o n s t a n t e n bei der zweimaligen I n t e g r a t i o n von a {—d2x/dt2) nach t entsprechen. Meistens h a b e n wir gesagt, d a ß die A n f a n g s p o s i t i o n x0 u n d die Anfangsgeschwindigkeit VQ vorgegeben sind. Hier, bei unserer U n t e r s u c h u n g der Beweg u n g des h a r m o n i s c h e n Oszillators, b r a u c h e n wir auch A n f a n g s b e d i n g u n g e n o d e r

205

7.15. Mehr über die einfache harmonische Bewegung

ihr Äquivalent. Gegenwärtig erscheinen in Gl.(7.42) die zwei Konstanten Α und φο. Wir haben Α bereits als Amplitude der Bewegung identifiziert und φο als Anfangsphase. Wenn wir Werte für xo und vo vorgeben, können wir wie folgt leicht nach Α und φ ο auflösen: Aus Gl.(7.42a), χ

=

A s i n ^ i 4- φο) ,

erhält man dx — = ω Α ^ ( ω ί + φ0) ; at

(7.44)

damit folgt: xo

— Α sin φο

VQ

=

uiA cos φ

also λ tan

Eine geometrische

Darstellung

= =

W +

( a ) V " •

der einfachen harmonischen

(7-45)

Bewegung

Es besteht eine grundlegende Verbindung zwischen der einfachen harmonischen Bewegung und einer gleichförmigen Kreisbewegung. Das führt auf einen besonders einfachen Weg zur Darstellung und Verdeutlichung der einfachen harmonischen Bewegung. Stellen Sie sich eine horizontale Scheibe mit dem Radius Α vor, die sich mit konstanter Winkelgeschwindigkeit ω um eine vertikale Achse durch ihren Mittelpunkt dreht. Angenommen ein Zapfen Ρ ist auf dem Rand der Scheibe angebracht, wie es in Abb. 7.28 a gezeigt ist. Von der Seite gesehen scheint sich jetzt der Zapfen auf einer waagerechten Bahn vor- und zurückzubewegen (Abb. 7.28 b). Seine Bewegung auf dieser Linie entspricht genau Gl.(7.42a), wenn die Winkelposition des Zapfens bei t = 0 richtig so gewählt wird, daß der Winkel SOP in Abb. 7.28c gleich ωί + φο ist. In dieser Darstellung spielt die Größe ω die Rolle der wirklichen Winkelgeschwindigkeit von Ρ bei der Bewegung auf dem Kreis. Die Geschwindigkeit ν des Zapfens ändert ihre Richtung, hat aber immer den Betrag ωΑ. Die Zerlegung von ν in eine Komponente parallel zu Ox ergibt Gl.(7.44). Die Bewegung des Punktes Β in Abb. 7.28c entspricht damit in jeder Hinsicht der einfachen harmonischen Bewegung eines Teilchens entlang der x-Achse.

Kapitel 7. Die Anwendung des Newtonschen Grundgesetzes

•206

A b b . 7.28 (a) Zapfen auf einer gleichförmig rotierenden Scheibe, (b) Verschiebung des Zapfens, wie sie in der Ebene der Scheibe erscheint, (c) detaillierte Beziehung zwischen einer Kreisbewegung und einer einfachen harmonischen Bewegung

Dynamische bewegung

Beziehungen

zwischen

einfacher

harmonischer

Bewegung

und

Kreis-

Obwohl die gerade beschriebene Analyse ein rein geometrische ist, legt sie eine ebenso enge dynamische Verbindung zwischen der Projektion einer Kreisbewegung und der geradlinigen Bewegung eines harmonischen Oszillators nahe. Die Gültigkeit von F = m a bedeutet, daß dieselbe Bewegung auch von denselben Kräften verursacht wird, was immer ihr spezieller Ursprung sein mag. Diese Äquivalenz kann mit Hilfe von Abb. 7.29 verstanden werden. Ein Teilchen mit der Masse m wird von einer Feder auf einer Kreisbahn mit dem Radius Α gehalten, die im Mittelpunkt Ο der Kreisbahn drehbar befestigt ist. Wenn das Teilchen eine konstante Geschwindigkeit ν hat, ist die Spannung Τ der Feder durch

gegeben. Dabei ist v2/r die Größe der Momentanbeschleunigung ar, die die Masse in Richtung Kreismittelpunkt erfährt.

207

7.15. Mehr über die einfache harmonische Bewegung y

A b b . 7.29 Dynamischer Zusammenhang zwischen einer Kreisbewegung und einer linearen harmonischen Bewegung

Die Gesamt.kraft und Beschleunigung kann nun zu einem beliebigen Z e i t p u n k t in ihre x- und y-Komponenten in einem rechtwinkligen K o o r d i n a t e n s y s t e m zerlegt werden. (Normalerweise wären wir d a r a n nicht interessiert, weil Τ u n d α Γ wohldefinierte k o n s t a n t e Beträge h a b e n . ) F ü r die x-Komponenten allein gilt: Fx

=

ax

=

-T cos θ v~ A

mv

— cos θ , A

cos θ

Die .Ε-Komponente der Vektorgleichung F = m a l a u t e t also Fx = max m i t den obigen Werten für Fx und ax. U m die d y n a m i s c h e U b e r e i n s t i m m u n g dieser B e w e g u n g s k o m p o n e n t e m i t der einfachen harmonischen Bewegung zu zeigen, können wir in den Ausdrücken f ü r Fx und aT die Winkelgeschwindigkeit ω einführen und ν = ω Α setzen. D a n n h a b e n wir: Fz:

=

— mw2 Α cos θ = —ηιω2χ ,

ΑΤ

=

—U>2.4COS(?= —Ω

2

Χ

.

Die erste dieser Gleichungen definiert genau in U b e r e i n s t i m m u n g mit d e m Hookeschen Gesetz eine r ü c k t r e i b e n d e K r a f t , die zur Verschiebung p r o p o r t i o n a l ist (Gl.(7.38)). Die zweite entspricht genau der Gl.(7.40), die unser A u s g a n g s p u n k t bei der kinematischen Analyse des P r o b l e m s war:

208

Kapitel 7. Die Anwendung des Newtonschen Grundgesetzes

W i r sehen, d a ß die d y n a r r r s c h e Ü b e r e i n s t i m m u n g in j e d e r Hinsicht vollständig ist. Das s a g t u n s d a r ü b e r h i n a u s noch, d a ß wir die gleichförmige Kreisbewegung, wenn g e w ü n s c h t , auch als U b e r l a g e r u n g zweier z u e i n a n d e r senkrechter einfacher h a r m o n i scher Bewegungen verstehen k ö n n e n . In m a n c h e m Z u s a m m e n h a n g ist d a s t a t s ä c h lich sehr wichtig u n d hilfreich, wir werden u n s j e t z t a b e r nicht die Zeit n e h m e n , das weiter zu verfolgen.

7.16

Aufgaben

7.1 Zwei identische Segelflugzeuge, j e d e s m i t der Masse τη, werden im schlepp durch die L u f t gezogen (siehe A b b i l d u n g ) . A n f a n g s bewegen sie k o n s t a n t e r Geschwindigkeit, u n d die S p a n n u n g im Schleppseil Α b e t r ä g t Schleppflugzeug beschleunigt d a n n m i t der Beschleunigung a. W i e groß

Tandemsich mit T 0 . Das sind die

S e i l s p a n n u n g e n in Α u n d Β u n m i t t e l b a r n a c h Einsetzen der Beschleunigung? 7.2 Zwei Blöcke mit den Massen Μ = 3 kg u n d m = 2 kg liegen auf einem Tisch (siehe A b b . u n t e n links). Eine k o n s t a n t e horizontale K r a f t F = 5 Ν wird, wie zu sehen, auf den Block m i t der Masse Μ a u s g e ü b t . Es existiert eine konstante R e i b u n g s k r a f t von 2 Ν zwischen d e m Tisch u n d d e m Block m , a b e r es t r i t t keine R e i b u n g s k r a f t zwischen d e m T i s c h u n d d e m ersten Block Μ auf. (a) Berechnen Sie die Beschleunigung der beiden Blöcke. (b) Berechnen Sie die K o n t a k t k r a f t zwischen den Blöcken. 7.3 Ein Schlitten der Masse m wird m i t einer K r a f t der Größe Ρ i m Winkel θ zur Horizontalen gezogen (siehe A b b . u n t e n ) . Der Schlitten gleitet ü b e r eine horizontale Schneefläche. Vom Schnee wird d a b e i eine t a n g e n t i a l e R e i b u n g s k r a f t μΝ auf ihn a u s g e ü b t ( N N o r m a l k r a f t senkrecht zur Schneefläche).

y///////////////, zu 7.3

Μ

zu 7.2

0 zu 7.4

zu 7.5

7.16.

Aufgaben

209

(a) Zeichnen Sie ein D i a g r a m m des isolierten Schlittens mit den K r ä f t e n , die a m Schlitten angreifen. (b) Wie lautet das Newtonsche Grundgesetz f ü r die Vertikal- und Horizontalkomponenten der Bewegung? (c) Leiten Sie einen Ausdruck für die Horizontalbeschleunigung ab, in dem Ρ , θ, m, μ und g vorkommen. (d) Bei welchem Winkel θ ergibt sich für einen gegebenen Wert der Zugkraft Ρ die größte Beschleunigung? 7.4 Ein Block der Masse πΐχ ruht auf einer reibungsfreien horizontalen Oberfläche. Er ist über ein masseloses Seil, das durch ein (ebenfalls reibungsfreies) Öhr läuft, mit einem zweiten Block der Masse m.2 verbunden, der auf einer reibungsfreien schiefen Ebene liegt (siehe Abb. S. 208 unten Mitte). (a) Zeichnen Sie D i a g r a m m e für die isolierten Massestücke und geben Sie die Bewegungsgleichung für jede einzelne Masse an. (b) Bestimmen Sie die Seilspannung und die Beschleunigung von m2. (c) Verifizieren Sie, daß sich für θ = π / 2 Ihre Antworten auf die erwarteten Ergebnisse reduzieren. 7.5 Ρ ist eine Rolle von vernachlässigbarer Masse (siehe Abb. S. 208 unten rechts). Eine äußere K r a f t F greift wie abgebildet an ihr an. (a) Geben Sie die Beziehung zwischen den Seilspannungen auf der linken Seite der Rolle und auf der rechten Seite der Rolle an. Finden Sie auch die Beziehung zwischen F und diesen Seilspannungen. (b) Welche Beziehung zwischen den Bewegungen von Μ , m und Ρ wird durch die Existenz des Seiles erzwungen? (c) Finden Sie mit den obigen Ergebnissen durch Anwendung des Newtonschen Grundgesetzes auf jeden Block die Beschleunigungen von τη, Μ und P, und drücken Sie das Ergebnis durch m, g und F aus. Prüfen Sie, ob ihre Ergebnisse für verschiedene spezielle oder vereinfachte Situationen sinnvoll sind. 7.6 Ein Mann bewegt sich selbst und die P l a t t f o r m , auf der er steht, mit Hilfe der abgebildeten Seilrollenanordnung mit einer Beschleunigung von 0.5 m / s 2 nach oben. Der M a n n hat eine Masse von 100 kg, und die P l a t t f o r m hat eine von 50 kg. Angenommen die Rollen und Seile sind masselos und bewegen sich reibungsfrei, weiterhin werde jeglicher Neigungseffekt auf die P l a t t f o r m vernachlässigt, g betrage 10 m / s 2 . (a) Wrie groß sind die Spannungen in den Seilabschnitten Α, Β und C ? (b) Zeichnen Sie einzelne Diagramme für den M a n n und die P l a t t f o r m , die jeweils alle auf sie ausgeübten K r ä f t e zeigen. Bezeichnen Sie jede K r a f t und zeichnen Sie klar ihre Richtung ein. (c) Wie groß ist die von der P l a t t f o r m auf den M a n n ausgeübte K o n t a k t k r a f t ? 7.7 An einem gleicharmigen Hebel wird eine Masse von 5 mo von den Massen 3 m0 und 2 mo im Gleichgewicht gehalten, die mit einem über eine Rolle laufenden Seil verbunden sind und von einem zusätzlichen Seil A an jeder Bewegung gehin-

210

Kapitel 7. Die Anwendung des Newtonschen Grundgesetzes

dert werden (siehe Abb. oben links). Untersuchen Sie, WEIS passiert, wenn das Seil Α plötzlich durchgetrennt wird, etwa mit einem brennenden Streichholz. 7.8 Ein Gefangener im Zuchthaus beschließt zu fliehen, indem er sich an einem Seil, das ihm ein Komplize besorgt hat, in die Freiheit herablassen will. Er befestigt das obere Ende des Seiles an einem Haken auf der Außenseite des Fensters. Das untere Ende hängt frei über dem Boden. Das Seil hat eine Masse von 10 kg, der Gefangene hat eine Masse von 70 kg. Der Haken kann einer Zugkraft von 600 Ν standhalten, ohne nachzugeben. Wenn das Fenster des Gefangenen in einer Höhe von 15 m über dem Boden liegt, mit welcher Mindestgeschwindigkeit kann er den Grund erreichen, wenn er am oberen Ende des Seiles aus dem Ruhezustand startet?

7.9 (a) Angenommen, ein homogenes Tau der Länge L liegt auf einer reibungsfreien waagerechten Oberfläche und wird durch eine Kraft F , die an einem Ende angreift, in Längsrichtung beschleunigt. Leiten Sie einen Ausdruck für die Spannung Τ an jeder Stelle des Seiles ab. Wie verändert sich der Ausdruck für T, wenn das Seil senkrecht in einem konstanten Gravitationsfeld beschleunigt wird? (b) Eine Masse Μ wird durch das Seil in (a) beschleunigt. Angenommen die Masse des Seiles sei m; berechnen Sie jetzt die Seilspannungen für den horizontalen und vertikalen Fall. 7.10 F. Kirchner führte 1931 ein Experiment aus, um das Masse-Ladungsverhältnis e/m von Elektronen zu bestimmen. Dabei benutzte er folgende Versuchsanordnung: Eine Elektronenkanone (siehe Abbildung) erzeugt einen Elektronenstrahl, der zwei „Tore" aus einem parallelen Plattenpaar passiert, wobei die oberen Platten mit einer Wechselspannungsquelle verbunden sind. Elektronen können die „Tore" nur geradlinig passieren, wenn die Spannungen an den oberen Platten gerade Null sind. Bei einer Entfernung l von 50.35 cm zwischen den beiden Plattenpaaren und einer sinusförmigen Spannung der Frequenz 2.449xl0 7 Hz (1 Hz = 1 Schwingung

7.16. Aufgaben

211

pro Sekunde) fand Kirchner, daß Elektronen bei einer Beschleunigungsspannung Vo von 1735 V beide Tore vollkommen ohne Ablenkung passieren können. Die Flugzeit zwischen den Toren entspricht unter diesen Bedingungen genau einer halben Periode der Wechselspannung. (a) Wie groß ist die Geschwindigkeit der Elektronen, direkt aus / und / abgeleitet? (b) Auf welchen Wert e/m lassen diese Daten schließen? (c) Sind speziellrelativistische Korrekturen notwendig? (Bez. Kirchners Originalpapier siehe Ann. Physik, 8, 975 (1931).) 7.11 Ein besonders beladenes Auto hat seinen Schwerpunkt genau in der Mitte zwischen Vorder- und Hinterachse. Wenn das Auto eine Steigung von 20° hinauffährt, beginnen die Antriebsräder (hinten) durchzudrehen. Wie weit muß die Ladung (die ein Viertel des leeren Autos wiegt) nach hinten geschoben werden, wenn das Auto eine 25°-Steigung hinauffahren soll? (Der Achsabstand beträgt 3.30 m.) 7.12 Ein Kind rodelt einen Schneehang hinab (aus dem Stillstand heraus). Der Hang hat eine Neigung von 15°, am Fuß erstreckt sich ein ausgedehntes flaches Gelände. Das Kind rodelt den Hang insgesamt 17 m hinab und kommt nach weiteren 33 m auf dem flachen Gelände zum Stehen. Finden Sie den Reibungskoeffizienten zwischen Schlitten und Schnee (er soll überall denselben Wert haben). Vernachlässigen Sie den Luftwiderstand. 7.13 Ein Elektronenstrahl aus einer Elektronenkanone passiert zwei parallele Platten mit einem Abstand von 3 mm und einer Länge von 2 cm. Nach Verlassen der Platten trifft er in einer Entfernung von 25 cm auf einen Leuchtschirm auf und ruft einen Lichtpunkt hervor. Der Lichtpunkt soll bei einer Spannung von 100 V zwischen den Platten um 3 cm abgelenkt werden. Wie hoch muß die Beschleunigungsspannung Vo an der Elektronenkanone sein? (Zeigen Sie zuerst, daß die Spannung V'o durch V0 = ( l D / { 1 Y d ) ) gegeben ist, wenn die von den Ablenkplatten hervorgerufene lineare Verschiebung vernachlässigt wird. Y ist die Verschiebung des Lichtpunktes auf dem Bildschirm, die Notation ist dieselbe wie auf S. 172.) 7.14 Ein Ball der Masse m ist an einem Ende einer Feder der Länge / befestigt. Es ist bekannt, daß die Feder bricht, wenn sie mit einer Zugkraft belastet wird.

212

Kapitel 7. Die Anwendung des Newtonschen Grundgesetzes

die neunmal so groß wie das Gewicht des Balls ist. Der Ball, der auf einem waagerechten Tisch liegt, wird in eine horizontale Kreisbewegung versetzt. Das andere Ende der Feder ist dabei drehbar am Punkt Ο befestigt. Wie groß ist die höchste Umdrehungszahl, die die Masse erreichen kann, ohne daß die Feder bricht? 7.15 Eine Masse von 100 g ist an einem Ende eines sehr leichten starren Stabes von 20 cm Länge angebracht. Das andere Ende ist an der Welle eines Motors befestigt. Stab und Masse werden nun in eine vertikale Rotation um diese Achse mit einer Winkelgeschwindigkeit von 7 rad/s versetzt. (a) Zeichnen Sie ein Kräftediagramm mit allen Kräften, die an der Masse angreifen, Der Stab soll in diesem Moment gerade in einem beliebigen Winkel θ zur Senkrechten nach unten stehen. (b) Wie groß sind Betrag und Richtung der von dem Stab auf die Masse ausgeübten Kraft, wenn der Stab gerade horizontal liegt, d.h. θ — 90°? 7.16 Sie fliegen gerade mit ihrer Sopwith Camel mit 60 mph in einer Höhe von 2000 ft bei Saint Michel, als Sie plötzlich entdecken, daß der Rote Baron mit 90 mph 300 ft hinter Ihnen fliegt. Sie rufen sich sofort erbeutete medizinische Daten ins Gedächtnis zurück, aus denen hervorgeht, daß der Rote Baron nur eine Beschleunigung von 4 g aushalten kann, ohne bewußtlos zu werden. Sie selbst widerstehen aber Beschleunigungen bis zu 5 g und fassen, darauf aufbauend, folgenden Plan: Sie tauchen mit voller Leistung senkrecht hinunter und leiten aus, indem Sie einen Kreisbogen bis zur Waagerechten durchfliegen. Ihre Geschwindigkeit nach dem Ausleiten bleibt konstant, und auf dem Kreisbogen waren Sie genau einer Beschleunigung von 5 g ausgesetzt. Weil Sie wissen, daß Ihnen der Rote Baron folgen wird, sind Sie sicher, daß er bewußtlos wird und abstürzt. Beide Flugzeuge sollen mit einer Beschleunigung von 2 g stürzen und den Sturzflug am selben Punkt einleiten (aber mit den oben angegebenen Anfangsgeschwindigkeiten). Bis auf welche Höhe müssen Sie stürzen, damit der Rote Baron beim Versuch, Ihnen zu folgen, entweder bewußtlos wird oder auf dem Boden aufprallt? Der Rote Baron ist ein schlechter Schütze und muß für einen sicheren Abschuß bis auf 100 ft an Sie herankommen. Wird Ihr Plan funktionieren? Nachdem Sie schon in den Sturzflug gegangen sind, erinnern Sie sich daran, daß die Flügel Ihres Flugzeugs bei Geschwindigkeiten über 300 mph abgerissen werden. Wird Ihr Plan von dieser technischen Einschränkung berührt? 7.17 Eine Kurve mit einem Radius von 300 m auf einer waagerechten Straße ist so überhöht, daß bei einer Geschwindigkeit von 25 m / s (=90 k m / h ) die von der Straße auf ein Fahrzeug ausgeübte Kraft genau senkrecht zur Straßenoberfläche angreift. (a) Wie ist der Winkel der Überhöhung? (b) Die Reibung zwischen Reifen und Straße kann eine Kraft von 0.4-mal der Normalkraft auf die Straßenoberfläche übertragen. Was ist die höchste Geschwindigkeit, mit der ein Fahrzeug diese Kurve ohne Rutschen durchfahren kann? 7.18

Eine große Masse Μ hängt (ruhend) am Ende eines Seiles, das durch ein

213

7.16. Aufgaben

m Μ

Zylinderachse

glattes Rohr zu einer Masse m geführt wird, die auf einer Kreisbahn mit dem Radius /sin # herumwirbelt (siehe Abb. oben links). / ist die Länge des Seiles von m bis zum oberen Ende des Rohres. Schreiben Sie die dynamischen Gleichungen auf, die für jede Masse gelten, und zeigen Sie, daß m einen Umlauf in der Zeit von 2π(Im/gM)1^2 zurücklegen muß. Untersuchen Sie, ob es bei dieser Bewegung irgendwelche Einschränkungen für den Winkel θ gibt. 7.19 Eine Modellrakete liegt auf einer reibungsfreien horizontalen Oberfläche und ist über ein Seil der Länge l mit einem festen P u n k t verbunden, so daß sie sich auf einer horizontalen Kreisbahn mit dem Radius / bewegt. Das Seil reißt, wenn die Spannung einen Wert Τ überschreitet. Das Raketentriebwerk übt eine Schubkraft konstanter Größe F in Bewegungsrichtung der Rakete aus. Die Masse m der Rakete soll mit der Zeit nicht merklich abnehmen. (a) Wenn das Triebwerk bei t = 0 in Betrieb genommen wird, zu welcher Zeit 11 bewegt sich die Rakete so schnell, daß das Seil reißt. Vernachlässigen Sie den Luftwiderstand. (b) Wie groß ist die momentane Gesamtbeschleunigung der Rakete zur Zeit 11/2? Drücken Sie die Antwort durch F , Τ und m aus. (c) Welche Strecke legt die Rakete zwischen der Zeit o (nach unten gerichtet); (2) P l a t t e n sind geladen, Endgeschwindigkeit=i>i (nach oben gerichtet). Angenommen die Widers t a n d s k r a f t für eine Kugel mit dem Radius r sei C\rv. Finden Sie die entsprechenden Endgeschwindigkeiten für die kleinere Kugel (auszudrücken durch υι und t ^ ) · 7.25 Untersuchen Sie in der Retrospektive das legendäre Galileische Experiment, das auf dem schiefen T u r m von Pisa s t a t t f a n d . Stellen Sie sich vor, so ein Experi-

7.16.

Aufgaben

215

ment wird mit zwei Eisenkugeln mit den Radien 2 cm bzw. 10 cm vorgenommen, die aus einer Höhe von 15 m fallengelassen werden. Berechnen Sie näherungsweise die Zeitdifferenz, mit der Sie auf dem Boden auftreffen. Denken Sie, daß man diese Zeitdifferenz ohne besondere Meßvorrichtungen nachweisen kann (Dichte von Eisen « 7500 k g / m 3 ) ? 7.26 Schätzen Sie die Endgeschwindigkeit beim freien Fall eines Luftballons mit einem Durchmesser von 30 cm und einer Masse von ungefähr (ohne die Luft im Innern) 0.5 g. Wie lange dauert es etwa, bis der Ballon diese Endgeschwindigkeit bis auf einige Prozent erreicht hat? Versuchen Sie selbst, einige Beobachtungen an Luftballons, aufgeblasen auf verschiedene Größen, zu treffen. 7.27 Eine Feder, die sowohl bei Dehnung als auch Kompression dem Hookeschen Gesetz gehorcht , dehnt sich um 10 cm aus, wenn eine Masse von 2 kg darangehängt wird. (a) Wie groß ist die Federkonstante k? (b) Die Feder mit der 2-kg-Masse wird auf einem glatten Tisch befestigt. Die Masse wird verrückt, bis die Feder um 5 cm gedehnt ist. Bei t — 0 wird die Masse freigegeben. Wie lautet die Bewegungsgleichung der sich ergebenden Bewegung? (c) Wenn die Masse nicht aus der Ruhelage bei χ = 5 cm freigegeben wird, sondern sich bei t = 0 und χ = 5 cm mit einer Geschwindigkeit von 1 m / s in Richtung von wachsendem χ bewegt; wie lautet jetzt die Bewegungsgleichung? 7.28 Wenn die Masse in Bild (a) verdoppelt wird, dehnen sich die Federn um ein zusätzliches Stück h (insgesamt). Wie groß ist die Schwingungsfrequenz der Anordnung in Bild (b)? Alle einzelnen Federn sind gleich.

I 2m I I I (α) 7.29 Jedes teilweise oder ganz in eine Flüssigkeit eingetauchte Objekt erfährt eine Auftriebskraft, die dem Gewicht der verdrängten Flüssigkeit gleich ist. Ein homogener Zylinder mit der Dichte ρ und der Länge l schwimmt aufrecht in einer Flüssigkeit der Dichte p0. Wie groß ist die Frequenz der kleinen vertikalen Schwingungen des Zylinders in der Flüssigkeit? 7.30

(a) Ein kleines Kügelchen der Masse m wird in der Mitte einer Feder

216

Kapitel 7. Die Anwendung des Newtonschen Grundgesetzes

von vernachlässigbarer Masse angebracht. Die Feder der Länge L steht unter einer konstanten Spannung Τ. Finden Sie die Frequenz der einfachen harmonischen Bewegung, die die Masse ausführt, wenn man sie leicht seitlich verschiebt, (b) Finden Sie die Frequenz der einfachen harmonischen Bewegung, wenn die Masse im Abstand D von einem Ende der Feder anstelle im Mittelpunkt befestigt wird. 7.31 Ein Block ruht auf einem Tisch, der einfache harmonische Bewegungen mit der Amplitude Α und der Periode Τ ausführt. (a) Wenn die Schwingung des Tisches in vertikaler Richtung erfolgt und der Block immer in Kontakt mit dem Tisch bleiben soll, wie groß darf dann die Amplitude der Schwingung maximal sein? (b) Wenn die Schwingung des Tisches horizontal erfolgt und der Reibungskoeffizient zwischen Block und Tischplatte μ ist, welchen maximalen Wert kann jetzt die Amplitude annehmen, ohne daß der Block ins Rutschen gerät? 7.32 Die Federn eines Mittelklassewagens mit einer Masse von 1300 kg ergeben beim leeren Auto eine Schwingungsperiode von 0.5 s für kleine vertikale Schwingungen. (a) Um wieviel tiefer liegt das Auto, wenn ein Fahrer und drei Fahrgäste, jeder mit einer Masse von 75 kg, einsteigen? (b) Das Auto fährt mit- seinen Insassen eine ebene Straße entlang, als es plötzlich auf ein Stück mit neuerem Fahrbahnbelag gerät, der 5 cm höher als der alte liegt. Angenommen die Räder und die unteren Enden der Federn werden beim Uberfahren dieser Schwelle schlagartig um 5 cm angehoben, bevor sich die Karosserie des Wagens zu bewegen beginnt. Werden die Insassen beim darauffolgenden Zurückfedern von ihren Sitzen gehoben? Betrachten Sie die maximale Beschleunigung der resultierenden einfachen harmonischen Bewegung.

Wenn es allgemein aufgrund von Experimenten und astronomischen Beobachtungen so scheint, daß alle Körper in der Nähe der Erde von ihr angezogen werden ... proportional zur Quantität an Materie, die jeder einzelne enthält; daß der Mond auf ähnliche Weise ... von der Erde angezogen wird ... und daß alle Planeten wechselseitig gegeneinander angezogen werden und die Kometen in der gleichen Weise von der Sonne, dann müssen wir in der Konsequenz dieser Regel allgemein erlauben, daß alle Körper mit einem Prinzip der gegenseitigen Gravitation ausgestattet sind. NEWTON, Principia

(1686)

Kapitel 8

Die universale Gravitation

8.1

Die Entdeckung der universalen Gravitation

In den K a p i t e l n 6 u n d 7 h a b e n wir eine G r u n d l a g e der D y n a m i k in der A r t aufgeb a u t , wie sie N e w t o n selbst als e r s t e r e r r i c h t e t h a t . K u r z g e s a g t ist d a s die q u a n t i t a t i v e F e s t l e g u n g der K r a f t als U r s a c h e der B e s c h l e u n i g u n g , g e k o p p e l t m i t d e m rein k i n e m a t i s c h e n P r o b l e m des Z u s a m m e n h a n g s zwischen B e s c h l e u n i g u n g , Ges c h w i n d i g k e i t u n d V e r s c h i e b u n g . Die n ä c h s t e n K a p i t e l sollen n u n d a s e r s t e u n d h e r a u s r a g e n d s t e Beispiel d a f ü r z u m G e g e n s t a n d h a b e n , wie a u s d e m S t u d i u m von B e w e g u n g e n auf ein Krafigesetz geschlossen w u r d e . E s ist z w e c k m ä ß i g u n d historisch nicht u n v e r n ü n f t i g , diese E n t d e c k u n g u n t e r drei einzelnen A s p e k t e n zu b e t r a c h t e n : 1. Die A n a l y s e von D a t e n ü b e r die U m l a u f b a h n e n der P l a n e t e n u m die S o n n e bis zur N ä h e r u n g , d a ß diese U m l a u f b a h n e n Kreise m i t der S o n n e als M i t t e l p u n k t s i n d . Einige P e r s o n e n n e b e n N e w t o n w a r e n s t a r k m i t diesem P r o b l e m b e s c h ä f t i g t . 2. Der Beweis, d a ß die G r a v i t a t i o n universal ist - universal in f o l g e n d e m Sinn: D a s K r a f t g e s e t z , d a s die B e w e g u n g von O b j e k t e n in der N ä h e der E r d o b e r f l ä c h e b e s t i m m t , gilt a u c h f ü r die B e w e g u n g der H i m m e l s k ö r p e r . E s scheint sicher, d a ß N e w t o n m i t seiner A n a l y s e der B e w e g u n g des M o n d e s der echte E n t d e c k e r dieses Resultats war. 3. Der Beweis, d a ß die wirklichen P l a n e t e n b a h n e n , die Ellipsen u n d keine Kreise s i n d , d u r c h ein r _ 2 - G e s e t z der K r a f t e r k l ä r t w e r d e n . Diese E r r u n g e n s c h a f t w a r m i t Sicherheit allein d a s E r g e b n i s von N e w t o n s G e n i e . In diesem K a p i t e l k ö n n e n wir n u r den e r s t e n dieser drei P u n k t e voll a u s d i s k u tieren u n d d a b e i u n s e r e g r u n d l e g e n d e n R e s u l t a t e auf d e m G e b i e t der D y n a m i k u n d K i n e m a t i k von Teilchen a n w e n d e n . Die zweite F r a g e e r f o r d e r t von uns, zu lernen (von N e w t o n selbst u r s p r ü n g l i c h a u c h ) , wie m a n die g r a v i t a t i v e n E i g e n s c h a f t e n eines K ö r p e r s u n t e r s u c h e n k a n n , der. wie z.B. die E r d e , kein g e o m e t r i s c h e r P u n k t

220

Kapitel 8. Die universale Gravitation

ist (wenn man nahe genug an der Oberfläche ist). Wir werden einen Zugang zu diesem Problem hier anreißen; die komplette Lösung folgt dann in Kapitel 11, wo dieses spezielle Merkmal des Gravitationsproblems diskutiert wird. Die dritte Frage, die die exakte mathematische Beschreibung der Umlaufbahnen betrifft, werden wir auf dieser Stufe überhaupt noch nicht betrachten; solche Umlaufbahnprobleme sind exklusiv Inhalt von Kapitel 13.

8.2

Die Umlaufbahnen der Planeten

Wir haben in Kapitel 2 beschrieben, wie außerordentlich hoch das Wissen um die Bewegungen der klassischen Planeten - Merkur, Venus, Mars, Jupiter und Saturn - bereits zur Zeit des Astronomen Ptolemäus 150 v.Chr. entwickelt war. Damit meinen wir, daß die Winkelpositionen dieser Planeten am Nachthimmel als Funktion der Zeit mit bemerkenswerter Genauigkeit über eine Zeitspanne, die lang genug für ihre periodische Wiederkehr am Himmel war, katalogisiert waren. Wir haben jedoch auch darauf hingewiesen, daß die Interpretation solcher Daten vom zugrundegelegten Modell des Sonnensystems abhängig ist. Betrachten wir zunächst die ursprünglichen Daten und die Schlüsse, die aus ihnen gezogen werden können, etwas sorgfältiger. Auf jeden Fall ist klar, daß die Erde, ob man sie nun als Mittelpunkt des Universums ansieht oder nicht, das Zentrum aller primären Beobachtungen ist. Von diesem Standpunkt aus kann die Bewegung jedes Planeten in einer ersten Näherung als Bewegung auf einem kleinen Kreis (der Epizykel) beschrieben werden, dessen Mittelpunkt auf einem größeren Kreis (der Deferent) umläuft. Es gibt nun bei der so beschriebenen Bewegung von zwei speziellen Planeten - Merkur und Venus einige Fakten, die den Weg zu weitreichenden Schlußfolgerungen weisen: 1. Die Zeit für einen vollständigen Umlauf des Mittelpunktes C des Epizykels auf dem Deferenten (siehe Abb. 8.1a) beträgt für diese beiden Planeten genau 1 Sonnenjahr, d.h. genau dieselbe Zeit, die die Sonne für einen vollständigen Umlauf auf der Ekliptik benötigt. 2. Die Planeten Merkur und Venus entfernen sich niemals weit von der Sonne. Sie bewegen sich immer innerhalb eines begrenzten Winkelbereichs um die Verbindungslinie von der Erde zur Sonne (ungefähr ± 2 2 1 bei Merkur und ±46° bei Venus). Beiden Fakten wird sehr schön Rechnung getragen, wenn wir zum heliozentrischen, Kopernikanischen System übergehen (Abb. 8.1 b). Wir sehen, daß der größere Kreis aus Abb. 8.1 a in diesem Fall der Erdumlaufbahn um die Sonne entspricht (Radius t\e) und der kleinere Kreis - der Epizykel - der eigenen Umlaufbahn des betrachteten Planeten (in diesem Fall Merkur oder Venus). Mit dieser Interpretation können wir quantitative Schlüsse auf die wirklichen Radien der Planetenumlaufbahnen ziehen. Das ist ein entscheidender Vorteil des Kopernikanischen Systems gegenüber

221

8.2. Die Umlaufbahnen der Planeten

(α)

(b)

A b b . 8.1 (a) Bewegung der Sonne und der Venus, wie sie von der Erde aus gesehen wird; die Venus bewegt sich immer in einem Winkelbereich von ± 0 m um die Richtung zur Sonne, (b) heliozentrisches Bild derselben Situation.

dem Ptolemäischen. Obwohl Ptolemäus ausgezeichnete Daten zur Verfügung standen, waren sie für ihn nur die Quelle für rein geometrische Parameter. Mit Kopernikus aber gelangen wir zu der Basis eines wirklich physikalischen Modells. In Abb. 8.1b bestimmt z.B. die maximale Winkelabweichung 0 m des Planeten Ρ von der Verbindungslinie Erde-Sonne den Radius der Planetenumlaufbahn r: — rE

-

sin 0m (rE > r) .

(8.1a)

Der Radius der Erdumlaufbahn ist selbstverständlich eine natürliche Einheit für die Messung anderer astronomischer Entfernungen und wird auch schon lange für diesen Zweck genutzt: astronomische Einheit (AE)

=

mittlere Entfernung Erde-Sonne

=

(1.496 χ 10 11 ) m .

Mit dieser Einheit haben wir dann für Merkur: für Venus:

r«sin22i°

« 0.38 AE ,

r » sin46°

« 0.72 AE .

Bei den anderen Planeten (Mars, Jupiter und Saturn) ist es gerade umgekehrt: Die Positionen dieser Planeten sind nicht auf die nahe Umgebung der Sonne beschränkt; sie variieren über den gesamten 360°-Vollkreis in bezug auf die Verbindungslinie Erde-Sonne. Das kann leicht erklärt werden, wenn wir die Rollen der Komponenten der zusammengesetzten Kreisbewegung vertauschen. Der größere Kreis, der

222

Kapitel 8. Die universale Gravitation J

(b)

Ια)

A b b . 8.2 (a) Bewegung der Sonne und des Jupiters, wie sie von der Erde aus gesehen wird; der Winkel ß m charakterisiert hier die Größe der rückläufigen (epizyklischen) Bewegung, (b) heliozentrisches Bild derselben Situation

Deferent, stellt jetzt die Umlaufbahn des Planeten selbst dar, diesmal mit einem größeren Radius als die Erdumlaufbahn, und der kleinere Kreis, der Epizykel, wird als Umlaufbahn der Erde um die Sonne angesehen. Im Falle des Jupiter wird z.B. das Ptolemäische Modell durch Abb. 8.2 a wiedergegeben, das Kopernikanische durch Abb. 8.2 b. Die periodische Winkelabweichung 9 m des Epizykels ist nun durch die Beziehung =

sin em ( r E < r)

(8.1b)

(in der die Rollen von r und gegenüber Gl.(8.1a) vertauscht sind) mit dem Verhältnis der Radien der Umlaufbahnen verkoppelt. Ptolemäus aufgezeichnete Werte von 0 m für Mars, Jupiter und Saturn waren ungefähr 41°, 11° bzw. 6°. Das führt auf folgende Ergebnisse für die Bahnradien: für Mars:

r « sin M l 0

fa 1.5 AE ,

für Jupiter:

r sa s i n - 1 11°

« 5.2 AE ,

für Saturn:

r«sin_16°

« 9.5 AE .

Mit dem Kopernikanischen Modell (und das war sein großer Triumph) wurde es also möglich, die lange aufgezeichneten Daten zur Konstruktion eines Planetensystems heranzuziehen, bei dem die Planeten auf konzentrischen Kreisen um die Sonne umlaufen. Abb. 8.3 zeigt eine Reproduktion des historischen Diagramms, mit dem Kopernikus seine Resultate in seinem Buch (De Revolutionibus) verdeutlichte. Die Daten, mit denen Kopernikus arbeitete (und Ptolemäus 1400 Jahre vor ihm auch), waren aber zu genau, u m so ein einfaches Modell des Planetensystems mit konstanten Kreisbewegungen um einen gemeinsamen Mittelpunkt zu erlauben. Also f ü h r t e Kopernikus eine detaillierte Untersuchung durch, um herauszufinden, wie weit der Mittelpunkt jeder Planetenumlaufbahn von der Sonne verschoben ist.

8.3. Umlaufzeiten der Planeten

223

A b b . 8.3 Universum nach Kopernikus (reproduziert aus seinem historischen Werk De Revolutionibus)

A b e r sogar m i t dieser A n o r d n u n g k o n n t e die g e n a u e zeitliche Ä n d e r u n g der W i n kelpositionen der P l a n e t e n a m S t e r n h i m m e l nicht nachgebildet werden, es sei d e n n , die Bewegung auf der U m l a u f b a h n w ü r d e nicht gleichmäßig g e s t a l t e t . K o p e r n i k u s f ü h r t e d a h e r wie sein Kollege P t o l e m ä u s vor i h m Hilfskreisbewegungen ein, u m d a s P r o b l e m zu lösen. A b e r wie wir wissen, war d a s nicht die A n t w o r t , u n d wir wollen deshalb die Details dieser K o n s t r u k t i o n nicht m e h r diskutieren. I m M o m e n t werden wir die Idealisierung der gleichmäßigen K r e i s b e w e g u n g b e n u t z e n u n d die Feinheiten beiseitelassen. Sie w u r d e n s p ä t e r zuerst von Kepler gemeistert, als er die P l a n e t e n b a h n e n als Ellipsen e r k a n n t e .

8.3

U m l a u f z e i t e n der P l a n e t e n

Die B e s t i m m u n g der U m l a u f z e i t e n der P l a n e t e n m u ß g e n a u wie die U n t e r s u c h u n g der B a h n f o r m e n von den v o r h a n d e n e n D a t e n ausgehen, die n u n einmal von der bewegten B e o b a c h t u n g s p l a t t f o r m „ E r d e " a u f g e n o m m e n sind. Bei der wiederkehr e n d e n S i t u a t i o n , die a m leichtesten e r k a n n t werden k a n n , n e h m e n Sonne, E r d e u n d der fragliche P l a n e t nach einer b e s t i m m t e n Zeit dieselben relativen Positionen zueinander ein. Die D a u e r dieser Periode ist als die synodische Periode des b e t r a c h teten P l a n e t e n b e k a n n t . I m heliozentrischen S y s t e m h ä n g t sie auf einfache Weise mit der wahren (siderischen) Periode eines vollständigen U m l a u f s des P l a n e t e n u m die Sonne z u s a m m e n .

224

Kapitel 8. Die universale Gravitation

A b b . 8 . 4 (a) Relative Positionen der Sonne, der Erde und des Jupiter zu Beginn (SEi Ji) und am Ende ( S E 2 J 2 ) einer synodischen Periode, (b) vergleichbares Diagramm für die Sonne, die Erde und die Venus, das berücksichtigt, daß die Venus ein wenig aus der Linie Sonne-Erde verschoben sein mufi, um sichtbar zu sein

Betrachten wir zuerst den Fall eines äußeren Planeten, sagen wir Jupiter. Abb. 8.4 a zeigt eine Situation, die von Zeit zu Zeit beobachtet werden kann. Die Positionen von Sonne, Erde und Jupiter liegen auf einer geraden Linie. (Beobachtungsmäßig ist das der Fall, wenn der Jupiter den Himmelsmeridian genau um Mitternacht passiert, also genau im Winkel von 180° zur Sonne steht.) 1 Wenn nun so ein Ereignis mit den Positionen Ε ι und J \ von Erde und Jupiter zustandekommt, wird das nächste etwas mehr als ein Jahr später auftreten, wenn die Erde einen vollen Umlauf in bezug auf Jupiter vollzogen hat. Das ist mit den Positionen E2 und Jo verdeutlicht. Jupiter hat sich um den Winkel θ weiterbewegt, während die Erde den Winkel 2π + θ durchmessen hat. Sowohl Ptolemäus als auch Kopernikus wußten, daß die Dauer einer synodischen Periode zwischen diesen Konstellationen ungefähr bei 399 Tagen liegt. Wir wollen die synodische Periode allgemein mit dem Symbol τ bezeichnen. Wenn nun die Erde tie vollständige Umläufe pro Zeiteinheit ausführt und Jupiter nj vollständige Umläufe pro Zeiteinheit, haben wir «et

1

=

njr

+ 1 .

Der Himmelsmeridian ist die Projektion der Ebene auf die Himmelskugel, die den Beobachtungspunkt an der Erdoberfläche und die Erdachse enthält. Er stellt damit einen Großkreis auf der Himmelskugel dar, der von Norden nach Süden durch den Zenitpunkt des Beobachters (Punkt senkrecht über ihm) verläuft. Mittag ist der Moment, an dem die Sonne auf ihrem täglichen Weg von Ost nach West den Himmelsmeridian kreuzt.

225

8.3. Umlaufzeiten der Planeten

TIE und nj sind aber die Kehrwerte der Umlaufzeiten TE und Tj der beiden Planeten. Also gilt: T

T ~~ TJ+

ΤΕ



Auflösung nach Tj ergibt: TJ

T

=

1 -

*

TE/T

.

(8.2a)

Mit Te/T « 365/399 « 0.915 finden wir also *

W

Ä

1 L 8 J a h r e

·

Dieselben Beobachtungen und Berechnungen können auch auf Mars und Saturn und die anderen äußeren Planeten angewendet werden, die wir heute zusätzlich kennen. Wenn wir Venus und Merkur betrachten, ist die Situation (wie bei der Untersuchung der Bahnform) ein wenig anders. Da gibt es zuerst die praktische Schwierigkeit, daß wir diese Planeten zumindest mit unbewaffnetem Auge nicht sehen können, wenn sie in einer Linie zur Sonne stehen, weil das einen direkten Blick in die Sonne erfordern würde. Wir können dem leicht aus dem Weg gehen, wenn wir auf eine andere Situation ausweichen (siehe Abb. 8.4b), bei der der Winkel zwischen den Richtungen ES und EV gemessen wird. Dieses spezielle Diagramm zeigt Venus als Morgenstern, der eine Stunde oder eine ähnliche Zeit vor der Sonne über dem Horizont erscheint. Derselbe Wert des Winkels α wird sich nach einer synodischen Periode wiederholen. Das dauert über Jahre - etwa 583 Tage, um genauer zu sein. In diesem Fall hat jedoch die Venus einen Umlauf in bezug auf die Erde ausgeführt (und nicht umgekehrt wie oben). Anstelle der Form der Gleichung für die äußeren Planeten haben wir jetzt ηντ

=

Tv

=

7i£T + 1 ,

die zu dem Resultat (8.2b) 1+ΤΕ/τ

K

'

führt. Mit Te/T ss 365/583 « 0.627 finden wir Tv

«

1.0/7

« 224 Tage .

Es ist kurios, daß Kopernikus in den einführenden Rechnungen zu seinem Modell des Sonnensystems Werte für die Umlaufzeiten der Planeten aufführt, die so ungenau sind, daß man einige sogar als falsch bezeichnen könnte. Diese Werte sind in seinem Diagramm (Abb. 8.3) eingezeichnet und werden in seinem Text wiederholt: Saturn 30 Jahre, Jupiter 12 Jahre, Mars 2 Jahre, Venus 9 Monate, Merkur 80 Tage. Die schlimmsten Fälle sind Mars (2 Jahre anstelle Jahre) und Venus

226

Kapitel 8. Die universale Gravitation

Tabelle 8.1 Daten der Planetenumlaufbahnen

Bahnradius, AE

synodische Periode, Tage

Planet

Kopernikus modern Kopernikus

Merkur Venus Erde Mars Jupiter Saturn

0.376 0.719 1.000 1.520 5.219 9.174

0.3871 0.7233 1.0000 1.5237 5.2028 9.5389

115.88 538.92 -

779.04 398.96 378.09

siderische Periode

Kopernikus

87.97 Tage 224.70 Tage 365.26 Tage 1.882 Jahre 11.87 Jahre 29.44 Jahre

modern

87.97 Tage 224.70 Tage 365.26 Tage 1.881 Jahre 11.862 Jahre 29.457 Jahre

(9 Monate anstelle von Monaten). Das hat einige Leute zu der A n n a h m e geführt, daß Kopernikus nur eine sehr ungenaue Kenntnis der Tatsachen gehabt hat, was sicher nicht der Fall war. Vielleicht war er bei der Auflistung der Umlaufzeiten nicht sorgfältig genug, weil sein eigentliches Interesse in den geometrischen Details der Planetenumlaufbahnen und Entfernungen lag. Die Wahrheit ist, daß seine quantitativen Kenntnisse sowohl der Umlaufzeiten als auch der Bahnradien (wie später in seinem Buch noch beschrieben wird) so gut waren, daß die besten modernen Werte größtenteils nicht wesentlich von den Werten abweichen, die er aufführt. Das ist in Tabelle 8.1 gezeigt, in der sowohl die Daten von Kopernikus als auch die modernen Daten der klassischen Planeten aufgelistet sind. (Gelegentlich sind die Werte, die aus den Daten von Ptolemäus berechnet wurden, beinahe mit den Werten von Kopernikus identisch, ein erstaunlicher Tribut an jene Astronomen, deren Messungen von etwa 750 v.Chr. bis hin zu Ptolemäus eigenen Beobachtungen um 130 v.Chr. die Grundlage seiner Untersuchungen dargestellt haben.)

8.4

Das dritte Keplersche Gesetz

Die Daten von Tabelle 8.1 weisen auf eine klare systematische Beziehung zwischen den Umlaufzeiten der Planeten und den Bahnradien hin. Das ist graphisch in Abb. 8.5 verdeutlicht. Die präzise Form dieser Beziehung wurde zuerst von Johannes Kepler im J a h r e 1618 entdeckt und im darauffolgenden J a h r von ihm in seinem Buch Harmonics Mündt veröffentlicht. Darin schreibt er triumphierend: „Zuerst glaubte ich, ich träume... Aber es ist absolut sicher und exakt, daß das Verhältnis zwischen den Umlaufzeiten zweier beliebiger Planeten genau gleich dem Verhältnis zwischen den f - t e n Potenzen ihrer mittleren Entfernungen (von der Sonne, d.U.) ist..." In Tabelle 8.2 sind die Daten aufgelistet, die Kepler zur Verfügung stan-

8.4. Das dritte Keplersche Gesetz

227

A b b . 8 . 5 Kurve, die die Umlaufzeiten und die Bahnradien der Planeten verbindet Tabelle 8 . 2 Keplers drittes Gesetz

Planet

Bahnradius r des Planeten, AE

Periode T , Tage

r3/T2, (AE)3/(Tage)2 χ 10"6

Merkur Venus Erde Mars Jupiter Saturn

0.389 0.724 1.000 1.524 5.200 9.510

87.77 224.70 365.25 686.98 4332.62 10759.20

7.64 7.52 7.50 7.50 7.49 7.43

den, und auch ein Test der näherungsweisen K o n s t a n z des Verhältnisses r 3 / T 2 . A b b . 8.6 gibt eine andere Darstellung der P l a n e t e n d a t e n (in diesem Fall der Daten des Kopernikus aus T a b e l l e 8 . 1 ) , die hier auf moderne Weise in doppeltlogarithmisches Papier eingetragen sind und so die Beziehung Τ

~

r3/2

(8.3)

veranschaulichen. Das ist als das dritte Keplersche Gesetz bekannt. Kepler fand es 10 J a h r e vor der Formulierung seiner zwei großen Entdeckungen über die elliptischen Umlaufbahnen der Planeten (zitiert im Prolog). Die dynamische Erklärung des dritten Keplerschen Gesetzes mußte bis zu Newtons Diskussion solcher P r o b l e m e in den Prtncipia warten. Eine sehr einfache Analyse wird möglich, wenn wir wieder das vereinfachte Bild der kreisförmigen Planetenumlaufbahnen mit der Sonne als Mittelpunkt benutzen. Es wird dann schnell

228

Kapitel 8. Die universale Gravitation

Abb. 8.6 Doppeltlogarithmische Auftragung der Planetenumlaufzeiten Τ gegen die Bahnradien r mit den Daten von Kopemikus; der Graph zeigt, daß Τ proportioned zu r 3 ' 2 ist (drittes Keplersches Gesetz). klar, daß aus Gl.(8.3) ein r 2 -Gesetz für die Kraft folgt. Für eine kreisförmige Umlaufbahn mit dem Radius r gilt: r

r

Wir drücken ν durch die bekannten Größen r und Τ aus: *

=

2 7ΓΓ ~T'

also ar

=

4 7r2r ———(in Richtung Mittelpunkt). Ti

(8.4)

Aus dem Newtonschen Grundgesetz schließen wir, daß die Kraft auf eine Masse in einer kreisförmigen Umlaufbahn durch Fr

=

mar =

4ir2mr

(8.5)

229

8.5. Der Mond und der Apfel

gegeben sein muß. Das dritte Keplersche Gesetz gibt uns jedoch die Beziehung ψ

=

K

(8·6)

vor, in der Κ Kepler-Konstante genannt werden könnte - für alle Planeten im Sonnensystem derselbe Wert. Aus Gl.(8.6) folgt damit 1/T 2 = K/r3. Einsetzen in Gl.(8.5) liefert dann: Fr

=

4π2Κτη -5—,

, (8.7)

Die dynamische Folgerung aus dem dritten Keplerschen Gesetz ist also (nach der Newtonschen Dynamik), daß die auf einen Planeten ausgeübte Kraft proportional zu seiner trägen Masse m und umgekehrt proportional zum Quadrat seines Abstands zur Sonne ist. Newtons Zeitgenossen Halley, Hooke und Huygens sind anscheinend bei der Untersuchung des Planetenproblems alle auf irgendeine Art r _ 2 -Gesetz gestoßen, obwohl Newtons Formulierung auf Grund seines Konzepts der Kräfte, die an Massen angreifen, die wahrscheinlich klarste war. Die allgemeine Idee eines mit r - 2 abfallenden Einflusses war sicher keine große Neuheit, weil sie von allen denkbaren Überlegungen am natürlichsten scheint - wenn sich etwas ausbreitet und Kugeloberflächen mit immer größeren Radien bedeckt (Fläche proportional zu r 2 ), dann nimmt die Intensität pro Flächeneinheit mit 1/r 2 ab (wie bei Licht, das von einer Quelle ausgestrahlt wird). Die Proportionalität zwischen Kraft und angezogener Masse in Gl.(8.7) ist etwas, dessen volle Bedeutung nur Newton richtig eingeschätzt hat. Mit seinem Konzept von Wechselwirkung als gegenseitig von Körpern aufeinander ausgeübte Einflüsse erkannte Newton, daß diese Gegenseitigkeit bei der gravitativen Anziehung eine Proportionalität der Kraft sowohl zur angezogenen Masse als auch zur anziehenden Masse bedeuten muß. Jedes Objekt ist der anziehende Teil, solange jeweils das andere betrachtet wird. Folglich muß die Größe der auf jedes Objekt ausgeübten Gravitationskraft bei einem Paar von gegenseitig wechselwirkenden Objekten in der berühmten mathematischen Formulierung des allgemeinen Gravitationsgesetzes ausgedrückt werden: f

=

(8-8)

wobei G eine experimentell zu bestimmende Konstante ist; mi und m2 sind die trägen Meissen der Teilchen. Wir werden zur praktischen Bestimmung von G noch einiges anführen, wollen vorher jedoch das Problem diskutieren, das Newton zu einigen seiner größten Entdeckungen in bezug auf die Gravitation geführt hat.

8.5

Der Mond und der Apfel

Es ist eine alte, aber immer noch bezaubernde Geschichte, wie Newton als junger Mann von 23 Jahren über die Bewegung des Mondes auf eine Weise ins Nachdenken kam, auf die vorher noch niemand an das Problem herangegangen war. Der

230

Kapitel 8. Die universale Gravitation

Weg des Mondes durch den Weltraum relativ zu den Fixsternen stellt eine Linie veränderlicher Krümmung dar (immer jedoch zur Sonne hin gekrümmt), die die Erdumlaufbahn immer wieder kreuzt. Natürlich gibt es auch eine viel treffendere Sicht der Dinge - unsere vertraute erdzentrierte - , die zeigt, daß der Mond eine ungefähr kreisförmige Umlaufbahn um die Erde beschreibt. Bis dahin verhält es sich genau wie bei dem gerade diskutierten Problem der Planetenbahnen. Newton konstruierte nun mit außerordentlicher Einsicht eine intellektuelle Brücke zwischen dieser Bewegung und der Bewegung von frei fallenden Objekten - das letztere ist so ein alltäglicher Vorgang, daß es zur Erkenntnis seiner Bedeutung schon eines Genies brauchte. Er betrachtete den Mond als ein auf die Erde fallendes Objekt wie jedes andere auch - z.B. eben der Apfel, der in seinem Garten vom Baum fiel. Sicherlich ist der Mond ein sehr spezieller Fall, weil er so viel weiter von der Erde entfernt ist als alle anderen fallenden Objekte in unserer Erfahrung. Aber vielleicht war das alles ein Teil des selben Musters. Nach seiner eigenen Beschreibung 2 begann Newton 1665 oder 1666 daran zu denken, daß sich die Gravitation der Erde bis zur Mondumlaufbahn erstreckt und einer schon vom dritten Keplerschen Gesetz nahegelegten r - 2 -Beziehung gehorcht. Wir könnten jetzt natürlich wieder die Formel für die Zentripetalbeschleunigung aufführen und sie auf den Mond anwenden, aber es ist erhellender, Newtons eigenem Weg bei der Diskussion dieses Problems nachzuspüren. Im Prinzip sagte er folgendes: Man stelle sich den Mond an einem beliebigen Punkt Α auf seiner Umlaufbahn vor (Abb. 8.7). Wenn keine Kräfte an ihm angreifen, würde er sich auf der geraden Linie AB bewegen, die in Α die Umlaufbahn tangiert. Stattdessen folgt er dem Bogen AP. Wenn Ο der Erdmittelpunkt ist, ist er damit im Endeffekt um die Strecke BP gegen Ο „gefallen", wenn auch seine radiale Enfernung r unverändert geblieben ist. Berechnen wir jetzt, wie weit der Mond in 1 s „fällt" , und vergleichen wir das mit den ungefähr 5 m, die ein nahe der Erdoberfläche horizontal geworfenes Objekt in dieser Zeit herabfällt. Zuerst etwas analytische Geometrie. Wenn wir die Entfernung AB mit χ bezeichnen und die Entfernung BP mit y, kann man in guter Näherung setzen: y

«

(8.9)

Ein Weg, auf dem man dieses Resultat erhalten kann, besteht in der Betrachtung des rechtwinkligen Dreiecks ONP, in dem gilt: O N - r - y

, ΝΡ — χ

,OP

= r.

Nach Pythagoras folgt nun: (•r-y)2+x2

= x~

2

Siehe im Prolog dieses Buches.

=

2ry — y2 .

8.5. Der Mond und der A p f e l

231

A b b . 8.7 Geometrie eines kleinen Ausschnitts aus einer kreisförmigen Umlaufbahn, die die Ablenkung y von der geraden tangentialen Linie AB ( = χ) zeigt, der das Objekt ohne Gravitation folgen würde

W e i l für einen beliebigen kleinen W e r t v o n θ y

( l n l 8 )

2π χ 3.8 χ 10 8 S

2.4 χ 106

=

m

^

1 0 Q 0 m

zurück. In dieser Zeit „ f ä l l t " er nach G l . ( 8 . 1 0 ) u m die vertikale Distanz y\ v o n (in 1 s) v '

«ι

y

«

10® — — J = 1.3 x 1 0 " 3 m . 7.6 χ 10 8

Der M o n d fällt m i t anderen W o r t e n etwas mehr als 1 m m , wenn er eine Strecke von 1000 m in der „ H o r i z o n t a l e n " durchmißt; seine A b w e i c h u n g von einer geraden

232

Kapitel 8. Die universale Gravitation

Linie ist in der Tat sehr gering. Andererseits fällt ein in der Nähe der Erdoberfläche horizontal geworfenes Objekt in 1 s um 1 2/2

9

=

= 4.9 m .

Das Verhältnis dieser Strecken ergibt sich damit zu 1 ^ = 2.7 χ 1 0 - 4 2/2 3700 Newton wußte, daß der Radius der Mondumlaufbahn ungefähr 60-mal dem Erdradius entspricht, wie schon die alten Griechen zuerst gezeigt hatten. Mit einem quadratischen Abnahmegesetz, das für alle radialen Entfernungen vom Erdmittelpunkt gilt, würden wir t/1/2/2 = 3600 erwarten. Das muß richtig sein! Und doch, was für ein erstaunliches Ergebnis! Sogar wenn man ein r~ 2 -Gesetz für die Anziehung zwischen Objekten, die viele Durchmesser voneinander entfernt sind, zugesteht, muß man immer noch zeigen, wieso ein Objekt im Abstand von einigen Metern zur Erdoberfläche von der Erde so angezogen wird, als ob die gesamte Erdmasse in einem Punkt 6300 km unter dem Erdboden konzentriert wäre. Newton hat dieses Ergebnis erst 1685 bewiesen, fast 20 Jahre nach seiner ersten großen Einsicht in das Problem. Er publizierte nichts, bis alles perfekt und komplett in den Principia 1687 herauskam. Ein Weg, dieses Problem zu lösen, folgt ab Seite 235 (nach dem speziellen untenstehenden Abschnitt).

8.6 Der

Die B e s t i m m u n g der Mondentfernung Erdradius

Ungefähr um 225 v.Chr. berichtete Eratosthenes, der in der Gegend von Alexandria an der Nilmündung lebte, über Messungen an Schatten, die von der Mittagssonne am Mittsommertag geworfen wurden. In Alexandria (in Abb. 8.8 mit Α bezeichnet) trafen die Sonnenstrahlen mittags in einem Winkel von 7.2 0 zur Senkrechten auf, während entsprechende Messungen in Syene 900 km südlich (heute liegt dort der Assuan-Staudamm) ergaben, daß die Sonne mittags genau senkrecht über dem Kopf stand. (Syene lag also mit anderen Worten fast genau auf dem Wendekreis des Krebses.) Aus diesen Angaben folgt nun zunächst, daß der Bogen AS mit einer Länge von 900 km einen Winkel von 7.2 0 oder g Radiant zum Mittelpunkt der Erde einschließt. Also gilt: 900 RE

_

1 8

oder Rb

«

6400 km .

233

.6. Die Bestimmung der Mondentfernung ι Nordpol

zur

Sonne

A b b . 8.8 Grundlage der Methode von Eratosthenes zur Bestimmung des Erdradius; wenn die Mittagssonne genau senkrecht über Syene (5) steht, fallen ihre Strahlen in Alexandria (Λ) in einem Winkel von 7.2 0 zur Senkrechten ein.

Die Messung der Mondentfernung

in Erdradien

Hipparchos, ein griechischer Astronom, der meist auf der Insel Rhodos lebte, nahm ungefähr um 130 v.Chr. Beobachtungen vor, die ihn zu einer bemerkenswert genauen Abschätzung der Entfernung des Mondes führten. Seine Methode wurde zuerst von einem anderen großen Astronomen, Aristarchus, etwa 150 Jahre früher vorgeschlagen. Die Methode setzt ein klares Verständnis der relativen Positionen von Sonne, Erde und Mond voraus. Wir wissen, daß Sonne und Mond von der Erde aus gesehen beinahe genau denselben Winkel bedecken. Hipparchos maß diesen Winkel zu 0.553 0 ( « 1/103.5 rad); aus Ergebnissen von Aristarchus vor ihm wußte er auch, daß die Sonne viel weiter von der Erde entfernt ist als der Mond. Hipparchos verwertete dieses Wissen bei einer Analyse einer Mondfinsternis (Abb. 8.9). Der schraffierte Bereich markiert das Gebiet, das vollständig im Schatten liegt; seine Begrenzungslinien PA und QB sind nicht ganz parallel, sondern verlaufen im Winkel α zueinander geneigt, α ist dabei der Winkel zwischen Strahlen von dem äußersten Rand der Sonne. Der Mond passiert während der Finsternis die schraffierte Region. Aus der gemessenen Dauer dieser Passage Schloß Hipparchos, daß der Winkel, unter dem der Bogen BA von der Erde aus erscheint, 2.5-mal so groß ist wie der Winkel, unter dem der Mond selbst erscheint, also I A O B ss 2.5a. Betreiben wir jetzt ein wenig Geometrie: Wenn die Entfernung vom Erdmittelpunkt zum Mond D ist, wird die Länge des Bogens BA sehr gut durch den Erddurchmesser PQ, vermindert um den Betrag aD, angenähert: AB

«

2RE-aD.

Ebenso gilt aber auch: D

«

2.5a

234

Kapitel 8. Die universale Gravitation

A b b . 8.9 Grundlage der Methode von Hipparchos zur Bestimmung der Mondentfernung; die Methode basiert auf der Beobachtung der Dauer (und damit des Winkelbereichs) einer totalen Mondfinsternis, bei der der Mond den Schatten der Erde (Bogen AC) durchläuft.

oder AB

«

2.5aD .

In die erste Gleichung eingesetzt, erhält man: 3.5 aD

AA

2RE

oder D

2

RE

3.5a

Mit α ss 1/103.5 rad liefert das D

»V

2

0

7

iN/

K f Ut K

3.5

RE

Wenn man das mit dem Wert von RE kombiniert, ergibt sich eine Entfernung Erde-Mond von D Moderne

«

378000 km .

Methoden

Verfeinerte Triangulationstechniken ergeben einen mittleren Wert von 3422.6 oder 0.951 0 für den Winkel, unter dem der Erdradius vom Mond aus gesehen erscheint. Mit dem modernen Wert für den Erdradius (RE

=

6378 km)

kommt man auf fast genau 384000 km für den mittleren Abstand des Mondes von der Erde. Diese traditionellen Methoden werden jedoch schon lange von der Radartechnik übertroffen - man nimmt Präzisionsmessungen der Laufzeit eines Radarechos oder eines reflektierten Laserstrahls von der Erde zum Mond und zurück vor. Diese Zeit (ungefähr 2.5 s für Hin-und Rückweg) kann mit einer Genauigkeit im Mikrosekundenbereich gemessen werden. Das ergibt Entfernungsmessungen, die nicht nur von vorher unerreichbarer Genauigkeit sind, sondern auch fast augenblicklich erfolgen.

8.7.

235

Die Gravitationswirkung einer großen Kugel

5

m Γ

(αϊ

Ρ

(b)

A b b . 8 . 1 0 (a) Eine Vollkugel kann aus dünnen konzentrischen Schalen aufgebaut werden, (b) Die Gravitationswirkung einer einzelnen Schale kann gefunden werden, indem man sie in eine Schar von Kreisringen zerlegt.

8.7

Die Gravitationswirkung einer großen Kugel

Lange Zeit hat m a n angenommen, daß Newtons Zögern bei der Publikation seiner Entdeckung des r _ 2 - G e s e t z e s der Erdgravitation bis hin zur Entfernung des Mondes hauptsächlich aus einer numerischen Diskrepanz herrührte, die aus seinem Gebrauch eines fehlerhaften Wertes für den Erdradius resultierte. Ein solcher Fehler f ü h r t über Gl.(8.10) zu einem Fehler bei der Distanz, u m die der Mond „fällt", weil der Radius r der M o n d u m l a u f b a h n nach der Methode von Hipparchos aus dem Erdradius berechnet wurde. Als Newton diese Berechnung zum ersten Mal vornahm, befand er sich auf dem Lande, außerhalb der Reichweite von Nachschlagewerken, und es ist zuverlässig belegt, daß er bei der Berechnung des Erdradius 1 Breitengrad zu 60 Meilen a n n a h m , anstelle den richtigen Wert von 70 Meilen zu verwenden. Wie auch immer, auf jeden Fall ist auch sicher, daß Newton bei seiner besonders gründlichen und kritischen Art der Beschäftigung mit seinen Problemen seine Theorie niemals als vollständig angesehen h ä t t e , bevor nicht das Problem der Gravitationswirkung von ausgedehnten O b j e k t e n gelöst war. Betrachten wir nun einen Weg zur Untersuchung dieses Problems. (In Kapitel 11 werden wir dieses T h e m a noch einmal auf etwas tiefgründigere Weise anpacken.) Angenommen wir haben eine große Vollkugel mit dem Radius RQ, wie sie in Abb. 8.10 a gezeigt ist, und wollen ihre Anziehungskraft auf ein kleines O b j e k t mit der Masse m berechnen, das sich an einer beliebigen Stelle Ρ befindet. Wir wollen dabei voraussetzen, daß die Dichte der Kugel mit dem A b s t a n d vom Mittelpunkt variieren kann (wie das bei der Erde in hohem Maße der Fall ist), für alle P u n k t e mit gleichem Abstand zum Mittelpunkt aber dieselbe ist. Wir können uns die Vollkugel d a n n aus einer sehr großen Zahl von dünnen, homogenen Kugelschalen aufgebaut denken, ähnlich den aufeinanderfolgenden Schichten einer Zwiebel. Die gesamte Gravitationswirkung der Kugel kann nun als Uberlagerung (Superposition, d.U.) der Gravitationswirkung all dieser einzelnen Schalen berechnet werden. Das G r u n d p r o b l e m besteht also darin, die von einer dünnen Kugelschale mit beliebigem Radius ausgeübte G r a v i t a t i o n s k r a f t unter der Voraussetzung zu bestimmen, daß für die Gravitation zwischen P u n k t m a s s e n das grundlegende r ~ 2 - G e s e t z gilt.

236

Kapitel 8. Die universale Gravitation

In A b b . 8.10 b ist eine Kugelschale vernachlässigbarer Dicke mit der Masse Μ und dem R a d i u s R abgebildet. Ein Teilchen der Masse m befindet sich im A b s t a n d r vom Zentrum der Kugelschale. Wenn wir ein kleines Stückchen der Kugelschale z.B. u m den Punkt Α herum betrachten, hat die auf die P r o b e m a s s e m ausgeübte K r a f t die Richtung AP. A u s der S y m m e t r i e des S y s t e m s wird jetzt sofort klar, daß die resultierende K r a f t der gesamten Schale in Richtung OP zeigen muß, weil j e d e K r a f t k o m p o n e n t e quer zu OP, beispielsweise vom Material u m A, durch eine entgegengesetzt gleichgroße K o m p o n e n t e vom Material u m A! ausgeglichen wird. Wenn wir also ein Massenelement dM in der U m g e b u n g von Α haben, brauchen wir nur seinen B e i t r a g zur K r a f t in Richtung OP betrachten, d.h. in radiale Richtung vom Mittelpunkt der Schale zu m. Folglich hat m a n : ^

=

_GmdMcos