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German Pages 33 [36] Year 1914
Vortrag der theologischen Konferenz zu Liehen ■ 136. Folge ■
Neuere Arbeiten auf dem Gebiete derFrankfurterKirchenjeit der Reformation. Von
Dr. B. Dechens Pfarrer und Konliftoriafrat in Frankfurt a, sl).
Versag von Alfred Töpefmann (normals 3. Ricker) • Liehen ♦ 1914.
Neuere Arbeiten
auf dem Gebiete der Frankfurter Kirchen geschichte seit der Reformation.') ie Forschungen über Frankfurts Kirchengeschichte haben
wenig Beachtung auswärts
gefunden.
Liegt der
Grund etwa darin, daß auf diesem Gebiete nicht gearbeitet worden ist?
Das möchte einigermaßen, wenn auch
nicht ganz, für das Mittelalter zutreffen, das für uns hier nicht in Betracht kommt; was aber die neuere Zeit angeht, so wäre diese
Annahme nicht berechtigt.
Ueber
die
Reformation in
Frankfurt liegen umfangreiche und mustergültige Untersuchungen
von Theologen und Laien vor, und auch über
die folgenden
Jahrhunderte fehlt es nicht ganz an Material.
Oder ist die
Frankfurter Kirchengeschichte deshalb wenig berücksichtigt worden, weil sie nichts Interessantes bietet? Richtig ist, daß der Ent wicklungsgang des evangelischen Kirchenwesens in der alten
Mainstadt keine Gesichtspunkte bringt, die nicht auch auf andern Gebieten unS entgegentreten; immerhin gab es Zeiten, in denen
dieses kleine Kirchenwesen die Blicke der Evangelischen Deutsch lands auf sich lenkte — wir erinnern nur an die Tage,
als
SpenerS Pia Desideria ausgingen, sowie an die Entstehung vieler kirchlichen Vereine, die am Ende des 19. Jahrhunderts
hier gegründet wurden. *) Vortrag, gehalten in der Gießener theologischen Konferenz am 22. Mai 1913. Das Thema für die theologische Konferenz wurde von mir nicht selbst gewählt, sondern auf Ersuchen bearbeitet, nachdem ein andrer Redner in letzter Stunde versagt hatte. Einige Zusätze waren mit Rücksicht auf neueste Arbeiten notwendig, da die Drucklegung erst im Januar 1914 erfolgte.
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Die Ursache, weshalb viele sorgfältige Arbeit die gebührende
Beachtung nicht gefunden hat,
liegt vielmehr in dem Um
stande, daß es an einer Zusammenfassung des in zahlreichen
Schriften und Monographien zerstreuten Materials gefehlt hat.
Im 18. Jahrhundert (1726) hatte allerdings der fleißige Forscher Johann Balthasar Ritter, der letzte Pfarrherr aus einem Geschlecht, das der Stadt Frankfurt sechs Geistliche (von der Reformation bis zur Hälfte des 18. Jahrhunders) geliefert hat,
eine Geschichte des Reformationsjahrhunderts unter dem Titel: »Evangelisches Denkmal der Stadt Frankfurt a. 9)1.' verfaßt; aber leider ist nur der erste Teil (bis 1654) ver
öffentlicht worden**), während der zweite Band, der die Er eignisse bis zum Jahre 1600 weiterführt, noch nicht gedruckt
ist?) Außerdem ist das für seine Zeit sehr wertvolle Werk in mancher Hinsicht selbstverständlich veraltet.
Im 19. Jahrhundert hat ein anderer fleißiger Pfarrer, Karl Christian Becker, »Beiträge zu der Frankfurter Kirchen geschichte der evangelisch-lutherischen Gemeinde zu Frankfurt a. M., mit besonderer Beziehung auf Liturgie' herausgegeben?) Wenn also auch dieses Werk viel wertvolles Material enthält, so bietet
es doch keine zusammenhängende Darlegung des ge
schichtlichen
Verlaufes.
Der
unermüdliche
Forscher,
Senior
Dr. Eduard Steitz, hat seine Studien, die allerdings fast ledig lich dem 16. Jahrhundert galten, nie in einem größeren Werke
zusammengefaßt; nur ein Artikel in der Theologischen Real encyclopädie von Herzogs) und eine kleine Festschrift gelegentlich
der Hauptversammlung des Gustav Adolf-Vereins zu Frankfurt im Jahre 1877 sind hier zu erwähnen.
Eine besondere Be-
’) Frankfurt, Fleischer 1726. (Alle hier besprochenen Schriften sind in Frankfurt erschienen, soweit nicht das Gegenteil bemerkt ist.) 2) Das Manuskript befindet sich in dem Archiv des lutherischen Predigerministeriums (Riedenau 58). ’) Zimmer 1852. *) Der Artikel ist in der 3. Auflage weggefallen.
5 rücksichtigung deS kirchenhistorischen Gebietes
hatte
auch
die
Geschichte der Stadt Frankfurt von Pfarrer Anton Kirchner') gebracht.
Aber dieses Buch schließt leider schon mit dem Jahre
1612 ab.
Die verdienstlichen Werke von Hornes und Bo the^) über die Geschichte Frankfurts behandeln nur das religiöse Leben des
16. Jahrhunderts eingehend,
während sie in den folgenden
Jahrhunderten das kirchliche Interesse wenig mehr berühren.
So fehlt es an einem zusammenfassenden Werk über die
kirchliche Entwicklung Frankfurts von der Reformation bis zur Gegenwart. Aber es ist doch viel Material dafür vorhanden. Es kann sich indessen nur um Arbeiten handeln, welche entweder neues Material erschließen, oder wenigstens irgendwie neue Gesichtspunkte bringen.
Wenn ich nun nach einem Anfangstermin suche für die
über die neueren Forschungen auf dem Frankfurter Kirchengeschichte, so empfiehlt sich
Berichterstattung
Gebiete
der
mir infolge meiner Erstlingsarbeit auf diesem Felde das Todesjahr von Steitz (1879). In diesem Jahre erhielt ich
den Auftrag seitens des hiesigen Vereins für Geschichte und Altertumskunde eine Gedächtnisrede für diesen meinen väter lichen Freund, dem ich reiche Anregung verdanke, zu halten und dabei ein Bild seines literarischen Schaffens, mit besonderer
Berücksichtigung seiner Forschungen über die vaterstädtische Geschichte, zu entwerfen.^) Hier wurden freilich nicht alle *) Geschichte der Stadt Frankfurt a. M. Jaeger u. Eichenberg. Bd. I, 1807, Bd. II, 1810. ’) Anton Hörne. Geschichte von Frankfurt a. M. in gedrängter Darstellung. Leipzig und Frankfurt. Kesselring. 4. Aust. 1902. •) Friedrich Böthe. Geschichte der Stadt Frankfurt in Wort und Bild. A. Diesterweg. Bd. I, 1913. ‘) Zur Erinnerung an Herrn Senior Dr. theol. Georg Eduard Steitz. Zwei Reden, gehalten von Konsistorialrat Pfarrer Dr. Jung und Prediger Dr. Dcchent. Alt u. Neumann 1879.
6 Beiträge zur Frankfurter Kirchengeschichte, die damals vorlagen, erwähnt; aber die Arbeiten von Steitz überwiegen die übrigen
Veröffentlichungen so sehr an Bedeutung, daß sich aus ihnen ein ziemlicher Ueberblick über den damaligen Stand der kirchen historischen Forschung auf Frankfurter Gebiete ergibt. Dieser Anfangstermin für die Berichterstattung empfiehlt sich aber auch aus anderen Gründen.
Um dieselbe Zeit setzt der
in Frankfurt wohnende und wirkende JohannesJanssen ein und versucht den Gesamteindruck der reformatorischen Bewegung durch seine Deutsche Geschichte') und andere Arbeiten um
zugestalten. Mag man über den Erfolg seines Vorstoßes denken, wie man will, so ist doch dankbar zu begrüßen,
Forschung manche neue Probleme gestellt
daß er der
und viel frisches
Material zur Stelle gebracht hat.
Die Angriffe der Janssenschen Schule auf die protestan tische Geschichtsschreibung führten zu der Gründung des Vereins
für Reformationsgeschichte (1883), dessen zahlreiche Veröffent lichungen viele Gebiete neu beleuchteten und allseitig befruchtend
wirkten.
Auch insofern hat bald nach Steitz eine neue Zeit,
die eine besondere Behandlung verdient,
begonnen.
Solche,
die sich für die älteren Vorarbeiten über das evangelische Leben in Frankfurt interessieren, finden viel Material in einer 1885 erschienenen Zusammenstellung, die der damalige Frankfurter
Stadtarchivdirektor Dr. Grotefend herausgegeben hat:
»Ver
zeichnis von Abhandlungen und Notizen zur Geschichte Frank furts aus Zeitschriften und Sammelwerken**?) Wir gedenken zunächst einiger Veröffentlichungen, die für
das
Gesamtgebiet
der
Frankfurter
geschichte von Bedeutung sind.
Kirchen
Hier sind vor allem die
mancherlei Schriften des rührigen FrankfurterBereins für Geschichte
und
Altertumskunde
zu
nennen.
Dieser
*) 8 Bände von 1876 an bei Herder, Freiburg, erschienen. *) Bei Voelcker 1885.
7 Verein, der zuerst den Namen
.Gesellschaft für Frankfurts
Geschichte und Kunsts trug, gibt seit langen Jahren ein .Archiv für Frankfurts Geschichte und Kunsts heraus.
dieser Veröffentlichungen beginnt
Die erste Reihe
mit dem Jahre 1839 und
endet 1858 (8 Bände), kommt also hier nicht mehr in Betracht. Auch die meisten Bände der .Neuen Folge', die mit 1860 anhebt und 1884 abschließt (im ganzen 11 Bände), liegen noch
vor der Periode, welcher unsere Berichterstattung gilt. Mit dem Jahre 1888 beginnt die .Dritte Folge', deren 11. Band soeben
ausgegeben wurde. Diese dritte Reihe enthält viele Forschungen, die für die Kirchengeschichte der alten Kaiserstadt am Maine und überhaupt für die ganze Reformationsgeschichte wichtig sind. Neben der .Neuen Folge' ließ der Verein von 1860 an
in zwangloser Folge sieben Bände .Mitteilungen' erscheinen, in welchen Veröffentlichungen von kleinerem Umfange enthalten sind.
Auch hier ist manches wertvolle Material enthalten.
Derselbe Verein versandte auch längere Zeit an seine Mitglieder .Neujahrsblätter',die besondersBiographieen hervorragender
Frankfurter enthalten. In neuester Zeit (seit 1909) veröffentlicht der Verein eine Vierteljahrsschrift: .Alt-Frankfurt', welche das Interesse an der Vorzeit in die weitesten Kreise der Bürger schaft zu tragen und durch Wort und Bild für die orts geschichtliche Forschung, für die Denkmalspflege und den Heimat
schutz zu wirken und zu werben sucht. **) Von Wichtigkeit für die historische Forschung ist ferner das .Historische Archiv der Stadt Frankfurt a. M., seine Bestände und seine Geschichte, herausgegeben von Stadtarchiv direktor Prof. Dr. Jung?) Hier ist besonders der 12. Abschnitt
(Kirchen- und Schulwesen), sowie der 14. (milde Stiftungen) für unsern Zweck von Bedeutung. Dagegen kommen die Inventare deS Frankfurter Stadtarchivs?) von denen bis jetzt 4Bände ’) Verlag von Minjon. a) 1. Ausl. Voelcker 1896; 2. Ausl. Baer 1909. •) Bei Voelcker 1888—1894 erschienen.
8 erschienen sind, hier nicht in Betracht, weil sie nur bis zum
Jahre 1500 reichen. Soeben erschien ein sehr inhaltreicher Katalog über die kirchliche Frankofurtensien-Literatur derStadtbibliothek von Herrn Bibliothekar vr.Richel
herausgegeben. Als eine für die lokale Kirchengeschichte wichtige
Publikation darf auch die Landgemeinden'
„Geschichte der Frankfurter
angesehen werden,
die der
ehemalige
Senator Schulin verfaßt hat.') Ein verdienstvolles Unternehmen, das über das Weichbild unserer Stadt hinaus Beachtung verdient, ist die Veröffentlichung der „Quellen zur Geschichte Frankfurts'?)
Der erste
Band, von Prof. Dr. Froning herausgegeben, enthält Frankfurter Chroniken und annalistische Aufzeichnungen aus dem Mittelalter,
kommt also hier nicht in Betracht; der zweite Band aber, von Jung bearbeitet, bringt das gleiche Material auS der Reformationszeit und ist deshalb für die lokalhistorische For
schung von grundlegender Bedeutung. Seit einigen Jahren besteht hier eine städtische historische Kommission, die sich die Aufgabe gestellt hat, die ganze Ge schichte Frankfurts zusammenhängend darzustellen.
Bis jetzt
sind erst zwei Bände über das 19. Jahrhundert von Prof. Sch wem er erschienen?) Im Zusammenhänge mit dieser Kom
mission zur systematischen Erforschung der Vergangenheit von Frankfurt a.M. stehen auch die von Prof. Dr. Küntzel heraus
gegebenen „Frankfurter historische Forschungen', die seit 1909 zwanglos erscheinen?) Auch in den „Jahrbüchern ') Herausgegeben von Jung auf Veranlassung und aus den Mitteln der Böhmerschen Nachlatzadministration, die schon viele wichtige Veröffentlichungen ermöglicht hat. Im übrigen ist für die Geschichte der Frankfurter Landgemeinden noch wenig geschehen, ob wohl es nicht an Pfarrchroniken fehlt, die wertvolles Material ent halten. *) Bei Zügel 1884 u. 1888 erschienen. ’) Bei Joseph Baer. Bd. I, 1910, Bd. II, 1912. *) Bei Joseph Baer.
9 des Freien deutschenHochstifts' finden sich einzelne
Beiträge, die unser Gebiet berühren.') Geplant ist neuerdings eine .Frankfurter Biographie', die viel wertvolles Material für unseren Zweck bringen würde.
Vorläufig sind wir noch auf die .Allgemeine Deutsche Bio graphie * angewiesen, deren kirchenhistorische Artikel großenteils
von mir herrühren. Einige hervorragende Frankfurter Persön lichkeiten sind auch in dem neuen Handwörterbuch«: .Die Religion in Geschichte und ) Dechent, Kirchengeschichte von Frankfurt a. M., Leipzig. Frankfurt. Kesselring (Ed. v. Mayer), Bd I, 1913.
Von demselben Verfasser erschienen:
Goethes schöne Keele, Susann« Katharina von Klettenberg (Lebensbild und Sonderausgabe der Bekenntnisse), Gotha, F. A. Perthes, 1895.
Lnthertage in Arankfnrt am Main, Festspiel, 2. Auflage. Frankfurt, Scheffel, 1912.
Ms an -en Ja- getren, Festspiel, Gießen, Töpelmann, 1904.
Kerder und die ästhetische Betrachtung -er heiligen Schrift, Gießen, Töpelmann, 1904.
Ker-er über das Stn-inm -er Theologie (Auszug aus den Briefen 1—24), Leipzig, Scheffer, 1905.
Geschichte der Stadt Arankfnrt in der Weformationszeit in den kleinen Schriften des Reformationsvereins. 1906.
Z>ie Aeligion im Leven der Gegenwart (Predigtsammlung), Göttingen, Vandenhoeck u. Rupprecht, 1910.
Kirchengeschichte von Arankfnrt am Main seit der Wefor-
mation. Band I. (312 S., 50 Illustrationen) Frankfurt, Kesselring, 1913.
Ans dem Leven einer Wfarrfran. Gedichte von Marie Dechent. Frankfurt, Scheffel, 1889. Herausgegeben von H. Dechent.