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German Pages 272 [273] Year 2005
BEN MICHAEL RISCH
Neue Instrumente zur Begrenzung des Bodenverbrauches
Schriften zum Umweltrecht Herausgegeben von Prof. Dr. Michael Kloepfer, Berlin
Band 140
Neue Instrumente zur Begrenzung des Bodenverbrauches Eine Untersuchung am Maßstab des Bundesrechts und des Rechts des Freistaates Sachsen
Von
Ben Michael Risch
Duncker & Humblot · Berlin
Die Juristische Fakultät der Technischen Universität Dresden hat diese Arbeit im Jahre 2004 als Dissertation angenommen.
Bibliografische Information Der Deutschen Bibliothek Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über abrufbar.
Alle Rechte vorbehalten © 2005 Duncker & Humblot GmbH, Berlin Fremddatenübernahme und Druck: Berliner Buchdruckerei Union GmbH, Berlin Printed in Germany ISSN 0935-4247 ISBN 3-428-11699-2 Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier entsprechend ISO 9706 Θ
Internet: http://www.duncker-humblot.de
Vorwort Die vorliegende Arbeit wurde i m Sommersemester 2004 von der juristischen Fakultät der Technischen Universität Dresden als Dissertation angenommen. Die Verteidigung fand am 30. Juni 2004 statt. Das Vorwort ist der Ort, an dem ich Dank für die mir zugekommene Unterstützung sagen will. Dieser Dank gebührt an erster Stelle meinem Doktorvater Herrn Professor Dr. Martin Schulte. Ohne seine intensive Betreuung und die Möglichkeit, als wissenschaftlicher Mitarbeiter an seinem Lehrstuhl tätig zu sein, hätte diese Arbeit nicht entstehen können. In fachlicher, wie in persönlicher Hinsicht ist eine bessere und angenehmere Betreuung und Zusammenarbeit nicht vorstellbar. Für die gewährte Unterstützung, insbesondere die Erstellung des Zweit- und Drittgutachtens ist Herrn Professor Dr. Dieter Wyduckel und Herrn Dr. Albrecht Fiedler zu danken. Auch sie haben wesentlichen Anteil am Gesamtergebnis. Ebenfalls bedanke ich mich bei Herrn Professor Dr. Michael Kloepfer, der sich bereit erklärte, die Untersuchung i n die Schriften zum Umweltrecht aufzunehmen. M i t wertvollen Anregungen hat Herr Dr. Rainer Schröder zum Gelingen der Arbeit beigetragen. Auch ihm danke ich. Schließlich bin ich allen Mitarbeitern des Lehrstuhles verbunden, ohne ihre tatkräftige Mithilfe hätte ich die Arbeit wohl kaum zum Erfolg führen können. Der erfolgreiche Abschluss der Arbeit ist auch Verdienst meiner Eltern und Großeltern. Ohne ihren Zuspruch und ihre Unterstützung wäre die Dissertation nicht entstanden. A n letzter Stelle danke ich meiner Frau. Ohne sie wäre alles nichts. Ihr sei die Arbeit in ganz besonderer Weise gewidmet. Dresden, i m Oktober 2004
Ben Michael Risch
Inhaltsübersicht Teil 1 Einleitung
19
§ 1 Einführung und Fragestellung der Arbeit
19
§ 2 Das Problem der Flächenversiegelung
20
§ 3 Die Kriterien zur Bewertung von jetzigem Zustand und neuen Instrumenten
30
Teil 2 Das geltende Recht
34
§ 1 Der verfassungsrechtliche Rahmen des Bodenschutzes
34
§ 2 Der vorsorgende Bodenschutz
62
§ 3 Der nachsorgende Bodenschutz
151
§ 4 Gesamtergebnis des 2. Teils
177
Teil 3 Neue Instrumente zur Begrenzung des Bodenverbrauches
180
§ 1 Der Gang der Darstellung
180
§ 2 Grundlagen
180
§ 3 Die handelbaren Ausweisungsrechte
189
§ 4 Die Versiegelungsrechte
234
§ 5 Zwischenergebnis
247
Teil 4 Ergebnis der Untersuchung
248
Literaturverzeichnis
251
Stichwortverzeichnis
271
Inhaltsverzeichnis Teil 1 Einleitung
19
§ 1 Einführung und Fragestellung der Arbeit
19
§ 2 Das Problem der Flächenversiegelung
20
I. Begrifflichkeiten
20
II. Die Folgen der Flächenversiegelung und deren Auswirkungen III. Die Entwicklung des Flächenverbrauchs
22 24
1. Die versiegelte Fläche
24
2. Die Urheber der Versiegelung
26
3. Die Ursachen der Versiegelung
27
§ 3 Die Kriterien zur Bewertung von jetzigem Zustand und neuen Instrumenten I. Der Begriff des Defizits
30 30
II. Der Begriff des rechtlichen Defizits
30
1. Die Definition des rechtlichen Defizits
31
2. Die Kriterien der Untersuchung
31
3. Die Anwendung der herausgearbeiteten Kriterien
32
Teil 2 Das geltende Recht § 1 Der verfassungsrechtliche Rahmen des Bodenschutzes I. Die bodenschützenden Normen des Grundgesetzes
34 34 34
1. Der Art. 20 a GG
34
2. Das Sozialstaatsprinzip
37
3. Der Art. 2 Abs. 1 GG als Schranke der Flächenversiegelung
37
4. Der Art. 2 Abs. 2 GG als ökologisches Existenzminimum
38
5. Der Art. 2 Abs. 2 GG als Recht auf Leben und Gesundheit
38
6. Die bodenschützende Wirkung des Art. 14 GG
39
7. Zwischenergebnis
40
10
Inhaltsverzeichnis II. Der grundgesetzliche Schutz des aktiven Bodenverbrauches
40
1. Ein Recht auf Versiegelung aus Art. 14 Abs. 1 GG
40
2. Ein Recht auf Bodennutzung aus Art. 2 Abs. 2 GG
43
3. Der Art. 5 Abs. 3 GG als Grundlage der Rächen Versiegelung
43
4. Die Versiegelung von Rächen aufgrund von Art. 12 Abs. 1 GG
43
5. Die Verpflichtung zum Flächen verbrauch aufgrund des Sozialstaatsprinzips
44
6. Die Planungshoheit der Gemeinden
45
a) Abstrakte Einschränkung
45
b) Konkrete Regelungen
51
7. Kompetenz- und Verwaltungsnormen als Verpflichtung zur Boden Versiegelung
52
8. Zwischenergebnis
53
III. Der verfassungsrechtliche Schutz der vorhandenen Bebauung
54
1. Der Bestandsschutz vorhandener Versiegelung nach Art. 14 GG
54
2. Andere Grundrechte
57
3. Die kommunale Planungshoheit
57
4. Die Verwaltung des Staates
58
5. Zwischenergebnis
59
IV. Bodenschützende Aspekte der Verfassung des Freistaates Sachsen V. Ergebnis der verfassungsrechtlichen Überlegungen VI. Schlussfolgerung § 2 Der vorsorgende Bodenschutz I. Zum Vorgehen II. Bodenschutzgebiete
59 60 61 62 62 62
1. Das Naturschutzgebiet (§ 23 BNatSchG, § 16 SächsNatSchG)
63
2. Der Nationalpark (§ 24 BNatSchG, § 17 SächsNatSchG)
65
3. Das Biosphärenreservat (§ 25 Abs. 2 BNatSchG, § 18 SächsNatSchG)
66
4. Das Landschaftsschutzgebiet (§ 26 BNatSchG, § 19 SächsNatSchG)
67
5. Der Naturpark (§ 27 BNatSchG, § 20 SächsNatSchG)
69
6. Der Objektschutz in den Naturschutzgesetzen (§§ 28 ff. BNatSchG, §§ 21 f., 26 SächsNatSchG) 7. Der Schutz der Uferzonen
70 72
a) Durch BNatSchG und SächsNatSchG
72
b) Durch das SächsWG
73
8. Das Netz „Natura 2000"
73
9. Das Bundeswaldgesetz und das Waldgesetz für den Freistaat Sachsen
77
10. Die wasserrechtlichen Schutzgebiete
78
Inhaltsverzeichnis 11. Die straßenrechtlichen Schutzgebiete
81
12. Bewertung und Zwischenergebnis
82
a) Wirksamkeit in der Fläche
82
b) Prinzipielle juristische Eignung
84
ΠΙ. Raumplanerische Instrumente
86
1. Einführung
86
2. Der Bodenschutz durch die Gesamtplanung
86
a) Die Bedeutung des Gesamtplanungsrechts für den Bodenschutz
86
b) Die Entscheidungen über den Bodenverbrauch
88
(1) Der Grundsatz der nachhaltigen Raumentwicklung nach § 1 Abs. 3 ROG
89
(2) Die Grundsätze der Raumordnung nach § 2 Abs. 2 ROG
91
(3) Die Verträglichkeitsprüfung in besonderen Schutzgebieten
93
(4) Die Strategische Umweltprüfung
94
(5) Die besonderen Einflüsse auf den Regionalplan
96
c) Zwischenergebnis
96
3. Das Fachplanungsrecht
97
a) Die Bedeutung des Planung nach BFStrG für den Bodenverbrauch (1) Die Bedarfsplanung auf europäischer Ebene (2) Die Bedarfsplanung auf nationaler Ebene
97 98 99
(3) Die Linienbestimmung
101
(4) Die Zulassungsentscheidung
102
b) Die Entscheidung über den Boden verbrauch
103
(1) Entscheidung und Einflussfaktoren auf europäischer Ebene
103
(2) Entscheidung und Einflussfaktoren bei der Bedarfsplanung
103
(3) Entscheidung und Einflussfaktoren bei der Linienbestimmung
107
(4) Entscheidung und Einflussfaktoren bei der Zulassungsentscheidung
109
c) Zwischenergebnis
110
4. Die kommunale Planung
110
a) Die Bedeutung der kommunalen Planung für den Boden verbrauch
110
(1) Der Flächennutzungsplan
111
(2) Der Bebauungsplan
112
(3) Die kommunale Landschaftsplanung
113
b) Die Einflussfaktoren (1) Die Entscheidung über die Aufstellung und Inhalt des Flächennutzungsplans
113 114
(2) Die Entscheidung über die Aufstellung und Inhalt des Bebauungsplans 117 c) Zwischenergebnis 5. Bewertung und Zwischenergebnis
118 119
12
Inhaltsverzeichnis a) Wirksamkeit in der Fläche
119
b) Prinzipielle juristische Eignung
119
IV. Der quantitative Bodenschutz in der Einzelfallentscheidung
121
1. Einleitung
121
2. Der Flächenschutz mittels § 4 Abs. 1 BBodSchG
121
a) Die Auswirkungen auf die Funktionen des Bodens
121
b) Das Verhältnis der Funktionen zueinander
122
c) Bodenversiegelung als im Sinne des § 2 Abs. 3 BBodSchG nichtschädliche Bodenveränderung 125 (1) Der Zweck des Gesetzes
126
(2) Der Nutzungsbezug der bodenbezogenen Pflichten
126
(3) Die Probleme bei der Anwendung des § 4 Abs. 4 BBodSchG
127
(4) Entsiegelung - nach welcher Vorschrift?
128
(5) Die Geltung der Subsidiaritätsvorschriften
128
(6) Der Wille des Gesetzgebers
129
(7) Antithese
129
(8) Schlussfolgerung
129
d) Zwischenergebnis
130
3. Die Landesbodenschutzgesetze
130
4. Die Naturschutzrechtliche Eingriffsregelung
131
a) Die unmittelbare Anwendung der §§ 18 ff. BNatSchG
131
(1) Anwendungsbereich und Eingriffstatbestand
131
(2) Die Rechtsfolgen des Eingriffes
134
(a) Die Vermeidbarkeit der Eingriffsfolgen
134
(b) Ausgleich und Ersatz der Eingriffsfolgen
134
(c) Die Untersagung des Eingriffs
136
(3) Das Verhältnis der Naturschutzrechtlichen Eingriffsprüfung zu anderen Zulassungsentscheidungen 137 (4) Zwischenergebnis
139
b) Die Eingriffsregelung und das kommunale Planungsrecht
140
c) Zwischenergebnis
142
5. Das Bauen im unbeplanten Innenbereich
142
6. Das Bauen im Außenbereich
143
7. Der Flächenschutz mittels § 8 Abs. 1 SächsBO
147
8. Bewertung und Zwischenergebnis
148
a) Wirksamkeit in der Fläche
148
b) Prinzipielle juristische Eignung
148
Inhaltsverzeichnis V. Ergebnis der Untersuchung des vorsorgenden Bodenschutzes
149
1. Wirksamkeit in der Fläche
149
2. Prinzipielle juristische Eignung
150
§ 3 Der nachsorgende Bodenschutz I. Bodenschutzgebiete
151 151
1. Die Schutzgebiete des BNatSchG
152
2. Wasserrechtliche und sonstige Schutzgebiete
153
3. Zwischenergebnis
154
II. Die raumplanerischen Instrumente
154
1. Gesamtplanung und Fachplanung
154
2. Die kommunale Planung
155
3. Zwischenergebnis
156
III. Der quantitative Bodenschutz in der Einzelfallentscheidung
156
1. Der Flächenschutz durch das Bauordnungsrecht
156
2. Die Entsiegelung aufgrund von § 179 Abs. 1 BauGB
156
a) Das Verhältnis der beiden Gebote des § 179 BauGB zueinander
157
b) Die AnwendungsVoraussetzungen
158
(1) Der räumlicher Anwendungsbereich
158
(2) Die Anforderungen an das Objekt
159
(3) Die Gründe der Entsiegelung
160
(4) Die Verfahrensweise
160
c) Zusammenfassung 3. Die Entsiegelung mittels § 5 BBodSchG
161 162
a) Die Abgrenzung zu anderen Regelungen
162
b) Die Anwendungsvoraussetzungen
167
(1) Die dauerhaft nicht mehr genutzte Fläche
167
(2) Der Widerspruch zu planungsrechtlichen Festsetzungen
168
(3) Das Ziel der Entsiegelung
169
(4) Möglichkeit und Zumutbarkeit
169
c) Zwischenergebnis 4. Der unbeplante Innenbereich
172 173
a) Art. 14 GG im unbeplanten Innenbereich
173
b) Die Ungleichbehandlung von beplantem und unbeplantem Innenbereich
174
c) Ergebnis
175
5. Sonstige Regelungen
175
6. Zusammenfassung
176
14
Inhaltsverzeichnis IV. Ergebnis
176
1. Wirksamkeit in der Fläche
176
2. Prinzipielle juristische Eignung
177
§ 4 Gesamtergebnis des 2. Teils
177
Teil 3 Neue Instrumente zur Begrenzung des Bodenverbrauches
180
§ 1 Der Gang der Darstellung
180
§ 2 Grundlagen
180
I. Das Verhältnis der ökonomischen Verhaltenssteuerung zum Ordnungsrecht ... II. Die Struktur der Instrumente ökonomischer Verhaltenssteuerung
180 184
1. Preisinstrumente
185
2. Mengenistrumente
185
3. Diskussion der Instrumente
186
4. Zwischenergebnis
188
ΠΙ. Schlussfolgerung § 3 Die handelbaren Ausweisungsrechte I. Wirkungsmechanismen
188 189 189
1. Die Eigenschaften der Ausweisungsrechte
189
a) Die grundsätzlichen Eigenschaften
189
b) Die Menge der handelbaren Ausweisungsrechte
190
c) Der Anknüpfungspunkt
190
d) Die Unterteilung der Ausweisungsrechte
191
e) Die Rechtsfolgen für den Einzelnen
192
f) Die zeitliche Geltung
193
g) Zusammenfassung der Eigenschaften
194
2. Die Zuteilung und der Handel mit Ausweisungsrechten
194
3. Die Verflechtung mit dem bestehenden Recht
196
4. Zwischenergebnis
196
II. Die rechtlichen Rahmenbedingungen
197
1. Die Kompetenzfrage
197
2. Die kommunale Selbstverwaltung
200
a) Die handelbaren Ausweisungsrechte und die kommunale Selbstverwaltung 200 b) Der Kernbereich der kommunalen Selbstverwaltung
201
Inhaltsverzeichnis c) Das verfassungsrechtliche Aufgabenteilungsprinzip
201
(1) Die betroffenen Belange des Gemeinwohls
201
(2) Die Einschränkungen der kommunalen Selbstverwaltung
202
(a) Die planerischen Gestaltungsmöglichkeiten
202
(b) Die finanzielle Belastung
203
(c) Der erhöhte Verwaltungsaufwand
205
(d) Die Verschärfung des interkommunalen Wettbewerbes
205
(e) Zwischenergebnis
206
(3) Die weiterbestehenden Spielräume kommunaler Planung
206
(4) Die Streitentscheidung
207
d) Ergebnis
209
3. Die handelbaren Aus Weisungsrechte und die Finanzverfassung
209
a) Transaktionen zwischen Land und Kommunen
209
b) Transaktionen zwischen den Kommunen
209
c) Transaktionen zwischen Bürger und Gemeinde
210
(1) Die unmittelbare Heranziehung des Bürgers (a) Die Zulässigkeit von Ressourcennutzungsgebühren (aa) Erstes Gegenargument: Die fehlende Gegenleistung
211 211 211
(bb) Zweites Gegenargument: Verstoß gegen das Prinzip des Steuerstaates 215 (cc) Drittes Gegenargument: Verstoß gegen die finanzverfassungsrechtliche Kompetenzordnung
216
(dd) Viertes Gegenargument: Ressourcennutzungsgebühren als unzulässiger „Preis der Freiheit"
217
(ee) Zwischenergebnis
218
(b) Die Neubaulandgebühr
219
(aa) Die Gegenleistung (α) Die bauliche Nutzung als grundrechtliche Freiheit ...
219 220
(aa) Die Position der herrschenden Meinung
220
(ßß) Die Ansicht der Mindermeinung
221
(77) Stellungnahme
222
(δδ) Zwischenergebnis
225
(ß) Das Bewirtschaftungsregime (bb) Die Rechtfertigung vor dem Steuerstaatsprinzip
226 226
(cc) Die Rechtfertigung vor dem Prinzip der Belastungsgleichheit 226 (dd) Die Vollständigkeit des Haushaltsplans
227
(ee) Zusammenfassung
227
(2) Die mittelbare Heranziehung der Bürger d) Zwischenergebnis
227 227
16
Inhaltsverzeichnis 4. Die Grundrechte der Bürger
228
5. Der Rechtsschutz
229
6. Die Prinzipien des Umweltrechts
230
7. Zwischenergebnis
231
III. Abschließende Bewertung
231
1. Die Wirksamkeit in der Fläche
231
2. Die Wirksamkeit in vor- und nachsorgender Perspektive
231
3. Die prinzipielle juristische Eignung
232
4. Zusammenfassung
233
§ 4 Die Versiegelungsrechte I. Wirkungsmechanismen 1. Die Eigenschaften handelbarer Versiegelungsrechte
234 234 234
a) Grundgedanke
234
b) Die Menge der Versiegelungsrechte
235
c) Die regionale und funktionale Unterteilung
236
d) Die zeitliche Geltung
236
e) Handelbarkeit und Bindung des Versiegelungsrechtes an ein Grundstück
236
f) Zusammenfassung
237
2. Die Zuteilung und der Handel mit Versiegelungsrechten
237
a) Die bestehende Versiegelung
237
b) Die Neuzuteilung
238
c) Der Handel mit Versiegelungsrechten
238
3. Das Verhältnis zum geltenden Recht
238
4. Zwischenergebnis
239
II. Die rechtlichen Rahmenbedingungen 1. Die Kompetenzfrage 2. Die Grundrechte
240 240 241
a) Die Einschränkung der Eigentumsfreiheit
242
b) Die Verletzung der Berufsfreiheit
243
c) Die Rechtsweggarantie
243
3. Die Vereinbarkeit mit der Finanzverfassung
243
4. Die kommunale Selbstverwaltung
244
5. Die Prinzipien des Umweltrechts
244
6. Wettbewerbsrechtliche Aspekte handelbarer Versiegelungsrechte
244
7. Zusammenfassung
244
Inhaltsverzeichnis III. Abschließende Bewertung
245
1. Die Wirksamkeit in der Fläche
245
2. Die Wirksamkeit in vor- und nachsorgender Perspektive
245
3. Die prinzipielle juristische Eignung
245
4. Zusammenfassung
247
§ 5 Zwischenergebnis
247
Teil 4 Ergebnis der Untersuchung
248
Literaturverzeichnis
251
Stichwortverzeichnis
271
2 Risch
Teil 1
Einleitung § 1 Einführung und Fragestellung der Arbeit Die dem Erlass des Bundesbodenschutzgesetzes vorangegangene Diskussion zeigte deutlich, dass der mediale Schutz der Umweltgüter im Bereich des Bodens eine Lücke aufwies. Diese Lücke wurde von dem Gesetzgeber vor 6 Jahren geschlossen, so dass die Vermutung nahe lag, dass die Relevanz des Themas „Boden" in der wissenschaftlichen Diskussion langsam schwinden würde. Diese Prognose ist nicht eingetreten.1 Ursächlich hierfür ist, dass der Boden nicht nur durch stoffliche Beeinträchtigungen, sondern auch durch die Versiegelung von Flächen bedroht wird. Die Gefahr, die dem Boden durch die fortschreitende Versiegelung immer größerer Flächen droht, ist - bedingt durch die zeitlich verzögerten Auswirkungen - erst in letzter Zeit in das Zentrum der wissenschaftlichen Auseinandersetzung gerückt. Sie muss inzwischen sogar als eines der ungelösten Kernprobleme des Umweltrechts,2 wichtigster Teil des Bodenschutzrechts3 und drängende politische Aufgabe4 bezeichnet werden. Daher ist die Verhinderung der weiteren Versiegelung von Flächen mittlerweile Gegenstand bodenkundlicher, wirtschaftswissenschaftlicher und juristischer Forschung. Dem Gesetzgeber werden Vorschläge zur Lösung des Problems unterbreitet, die von einer Verschärfung des bestehenden Ordnungsund Planungsrechts, über steuerrechtliche Lösungen bis hin zu bislang nur theoretisch erprobten Konzepten ökonomischer Verhaltenssteuerung reichen.
1 Peine, Franz-Joseph: Die Kritik am Bundes-Bodenschutzgesetz - nach fünf Jahren revisited, in: UPR 2003, S. 406 ff. 2 So der Rat von Sachverständigen für Umweltfragen: Für eine Stärkung und Neuorientierung des Naturschutzes, Sondergutachten 2002, S. 12 f. 3 Peine, Franz-Joseph: Die Kritik am Bundes-Bodenschutzgesetz - nach fünf Jahren revisited, in: UPR 2003, S. 407. 4 Vgl. Enquete-Komission „Schutz der Menschen und der Umwelt - Ziele und Rahmenbedingungen einer nachhaltig zukunftsverträglichen Entwicklung": Abschlussbericht, in: BTDrs. 13/11200, S. 129 ff.; Bundesregierung: Perspektiven für Deutschland, Unsere Strategie für eine nachhaltige Entwicklung, S. 287 ff. (www.dialog-nachhaltigkeit.de); jüngst: Rat für Nachhaltige Entwicklung: Entwurf für Empfehlungen des Ratesi für Nachhaltige Entwicklung, passim (www.nachhaltigkeitsrat.de).
2*
20
Teil 1 : Einleitung
Was jedoch bislang fehlt, ist eine juristische Auseinandersetzung mit den rechtlichen Rahmenbedingungen dieser neuen Instrumente. Diese wird die vorliegende Arbeit leisten. Die neuen Instrumente zur Begrenzung des Bodenverbrauchs betreffen allerdings keine bislang vom Recht unbehandelte Materie. Bodenschutz ist in direkter oder indirekter Weise Gegenstand einer Vielzahl bestehender Gesetze. Wenn es nicht zu Regelungswidersprüchen und unnötigen Doppelregelungen kommen soll, ist es daher notwendig, die neuen Instrumente mit dem bestehenden Recht in Einklang zu bringen. Voraussetzung dessen ist die Analyse und Systematisierung des geltenden Rechts, sowie seine Untersuchung auf Defizite. Aus diesem Grunde kann sich die vorliegende Arbeit nicht auf eine Überprüfung der rechtlichen Rahmenbedingungen der neuen Instrumente beschränken. Vielmehr ist zu fragen, ob das bestehende flächenschützende Recht Defizite aufweist und es möglich ist, diese Defizite durch den Einsatz neuer Instrumente zu beheben. Die Beantwortung dieser Kernfrage setzt zunächst voraus, dass die gesamtgesellschaftliche Bedeutung der Fragestellung herausgestellt wird. Dazu ist es notwendig, die naturkundlichen Probleme des Bodenverbrauchs in der gebotenen Kürze zu erläutern und das Ausmaß des Flächenverbrauches darzustellen. Anschließend soll Klarheit über den Begriff des Defizits hergestellt werden. Diesem einleitenden Teil folgt ein zweiter Teil, in dem das geltende Recht auf seine Systematik und Schwachpunkte hin untersucht wird. In einem dritten Teil sollen die vorgeschlagenen neuen Instrumente der Steuerung des Bodenverbrauchs auf ihre Vereinbarkeit mit den rechtlichen Rahmenbedingungen hin überprüft werden. Hier werden zwei auf Zertifikatsmodeilen basierende Ansätze vorgestellt und auf ihre Vereinbarkeit mit dem Grundgesetz, ihre Kompatibilität mit dem geltenden Recht und die Erfüllung der erwarteten Leistungen hin überprüft. Die Arbeit schließt in Teil vier mit einer Zusammenfassung.
§ 2 Das Problem der Flächenversiegelung I. Begrifflichkeiten Die im Rahmen dieser Arbeit verwendeten Begriffe weichen in ihrem Bedeutungsgehalt zum Teil vom juristischen oder umgangssprachlichen Sprachgebrauch ab und müssen daher erläutert werden. Wenn im Folgenden von der Versiegelung des Bodens5 die Rede ist, so soll darunter verstanden werden, dass der Boden durch die künstliche Aufbringung von Material oder eine künstliche Veränderung 5
Der Begriff des Bodens ist in § 2 Abs. 1 BBodSchG definiert. Vergleiche zu den Einzelheiten: Henke, Andreas: Funktionaler Bodenschutz, S. 13 ff., sowie die Kommentare zum BBodSchG. Für eine bodenkundliche Definition: Blume, Hans-Peter, Bodenschutz: Warum, wogegen und wie?, in: Barz, Wolfgang/Bonus, Holger/Brinkmann, Bernd/Hoppe, Werner/ Schreiber, Karl-Friedrich (Hrsg.): Bodenschutz, S. 35 ff.
§ 2 Das Problem der Flächenversiegelung
21
seiner Struktur nach oben hin abgeschlossen wird. 6 Kennzeichnend für eine Versiegelung ist demnach, dass der darunter befindliche Boden durch sie von den Stoffkreisläufen des Naturhaushalts getrennt wird und seine natürlichen Funktionen i m Sinne des § 2 Abs. 2 Nr. 1 BBodSchG nicht mehr erfüllen kann. 7 Der Begriff der Versiegelung ist auf von Menschen verursachte Handlungen beschränkt. Für ihn ist es nicht relevant, in welchem Ausmaß die Abschließung der Bodenoberfläche erfolgt. 8 Erfasst werden auch Strukturen, die entweder aufgrund ihrer Beschaffenheit begrenzt luft- und wasserdurchlässig sind (ζ. B. poröse Stoffe, verdichtete Rächen) oder Lücken aufweisen (ζ. B. Pflasterung und Rasensteine), sofern von ihnen zumindest eine gewisse Beeinträchtigung der natürlichen Bodenfunktionen ausgeht. Leitbild der Versiegelung ist die Bedeckung des Bodens mit baulichen Anlagen, jedoch werden andere Erscheinungsformen wie ζ. B. verdichtete Flächen oder Aufschüttungen mit einbezogen. Unterflurversiegelungen - beispielsweise durch U-Bahnen oder Tunnel - sollen aufgrund ihrer vergleichsweise geringen Bedeutung hier nicht behandelt werden und sind daher in den Begriff Versiegelung nicht einbezogen. 9 Flächenversiegelung meint die Bedeckung einer bestimmten Räche mit einer Versiegelung. Synonym werden die Termini Bodenversiegelung, Boden- bzw. Rächenverbrauch 10 verwandt.
6 Im Gegensatz zu Burghardt [.Burghardt, Wolfgang: Form und Wirkung der Versiegelung, in: Barz, Wolfgang / Bonus, Holger/Brinkmann, Bernd /Hoppe, Werner /Schreiber, KarlFriedrich (Hrsg.): Bodenschutz, S. 114] beschränkt sich der Begriff auf horizontale Versiegelungen. Zum Begriff der Versiegelung: Münchow, Birgit: Literaturübersicht, in: Breuste, Jürgen/Keidel, Thomas / Meindel, Gotthard / Münchow, Birgit/Netzband, Maik/Schramm, Michael (Hrsg.): Erfassung und Bewertung des Versiegelungsgrades befestigter Flächen, UFZ Bericht 12.1996, S. I I - 3 ff.; Brand, Edmund/Sanden, Joachim: Verfassungsrechtliche Zulässigkeit neuer übergreifender Rechtsinstrumente zur Begrenzung des Flächenverbrauchs, S. 1. 7 Ebenso: Schönfeld, Thomas, in: Oerder, Michael/Nürnberger, Ulrich /Schönfeld, Thomas: Bundes-Bodenschutzgesetz, § 5 Rn. 9; Versteyl, Ludger-Anselm, in: Versteyl, LudgerAnselm/Sondermann, Wolf-Dieter: Bundes-Bodenschutzgesetz, § 5 Rn. 10. 8 Wie hier: Sanden, Joachim, in: Sanden, Joachim/Schoeneck, Stefan: Bundes-Bodenschutzgesetz, § 5 Rn. 15; differenzierender: Burghardt, Wolfgang: Form und Wirkung der Versiegelung, in: Barz, Wolfgang/Bonus, Holger/Brinkmann, Bernd/Hoppe, Werner/ Schreiber, Karl-Friedrich (Hrsg.): Bodenschutz, S. 114. 9 Zu diesen: Burghardt, Wolfgang: Form und Wirkung der Versiegelung, in: Barz, Wolfgang/Bonus, Holger/Brinkmann, Bernd/Hoppe, Werner/Schreiber, Karl-Friedrich (Hrsg.): Bodenschutz, S. 113 f. 10 Natürlich ist zuzugeben, dass der Boden als solcher nicht verbraucht werden kann und auch nach einer Versiegelung noch existiert. Insofern ist der Begriff unscharf. Jedoch ist anzumerken, dass er zum einen in Literatur und Äußerungen der Politik Verwendung findet. Zum anderen werden die biologischen Potentiale des Bodens durch eine Versiegelung so nachhaltig beeinträchtigt, dass eine Regeneration erst in ca. 10000 Jahren zu erwarten ist und es angemessen erscheint, von Verbrauch zu sprechen. Vgl. Franz, Thorsten: Freiraumschutz und Innenentwicklung, S. 27 f.
Teil 1: Einleitung
22
Unter quantitativem Bodenschutz soll, gleichsam im Gegensatz zum qualitativen Bodenschutz, der den Boden in seiner Qualität gegenüber Verunreinigungen schützt, dessen mengenmäßiger Schutz gegenüber der Bodenversiegelung verstanden werden. 11 Die Formulierungen: Schutz des Bodens bzw. der Fläche vor Verbrauch oder Versiegelung sind gleichbedeutend und werden nur aus Gründen der sprachlichen Varianz gebraucht.
II. Die Folgen der Flächenversiegelung und deren Auswirkungen Die Folgen der Versiegelung des Bodens für dessen natürliche Funktionen12 sind vielgestaltig und schwerwiegend. Eine Versiegelung wirkt sich negativ auf alle natürlichen Bodenfunktionen im Sinne des § 2 Abs. 1 BBodSchG aus.13 Seine Funktion als Lebensgrundlage und Lebensraum 14 kann der Boden nur mehr sehr eingeschränkt erfüllen, da Bodenorganismen durch die Versiegelung in von Größe und Dichte der Versiegelung abhängigem Maße - von der Sauerstoffund Wasserzufuhr abgeschnitten werden. Für Pflanzen stellt eine versiegelte Fläche einen sehr lebensfeindlichen Standort dar. 15 Tiere und Menschen leiden indirekt unter den schlechten Standortbedingungen von Pflanzen, was sich u. a. daran zeigt, dass in versiegelten Bereichen zumeist nur Tiere anzutreffen sind, die keine intakte natürliche Umwelt benötigen. Die Versiegelung des Bodens führt des Weiteren dazu, dass der Boden seine Funktion als Bestandteil des Naturhaushalts nur noch eingeschränkt wahrnehmen kann. Wenn die Bodenoberfläche versiegelt wird, 11 Bei strenger Betrachtung zeigt sich, dass der Boden durch Versiegelung nicht in seiner Quantität betroffen ist. Die Menge des Bodens bleibt gleich. Vielmehr ist er auch hier allein in seiner Qualität beeinträchtigt. In quantitativer Hinsicht ist allein die verfügbare Fläche naturnahen Bodens betroffen. Dennoch soll hier mit dem eingeführten und allgemein akzeptierten Begriff des quantitativen Bodenschutzes gearbeitet werden. 12
Zu den natürlichen Funktionen des Bodens: Bosch, Christof: Ökologische Bodenfunktionen: Beiträge der Bodenökologie zum Bodenschutz, in: Rosenkranz, Dietrich/Bachmann, Gunther/Einsele, Gerhard/Harreß, Heinz-Michael (Hrsg.): Bodenschutz, S. 12 ff. (Stand Sep. 1994); vgl. umfassend zu den wirtschaftlichen und sozialen Folgen der Flächenversiegelung: Rat für Nachhaltige Entwicklung: Entwurf für Empfehlungen des Rates für Nachhaltige Entwicklung, S. 9 ff., 15 ff. (www.nachhaltigkeitsrat.de). 13 Vgl. Blossey, Sabine/Gösch, Johanna/Dahlmann, Irene /Drechsler, Hartwig / Feldwisch, Norbert/Henke, Andreas/Jessen-Hesse, Volker /Oeser, Golz-Hagen /Penndorf, Olaf/ Schürer, Steffen: Bodenbezogene Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen in der Bauleitplanung, in: Bodenschutz 2002, S. 86 f. 14 Dazu: Vogg, Reiner, in: Landel, Christoph/Vogg, Reiner/Wüterich, Christoph: BundesBodenschutzgesetz, § 2 Rn. 33 ff. 15 Burghardt, Wolfgang: Form und Wirkung der Versiegelung, in: Barz, Wolfgang / Bonus, Holger/Brinkmann, Bernd/Hoppe, Werner/Schreiber, Karl-Friedrich (Hrsg.): Bodenschutz, S. 116 f.
§ 2 Das Problem der Flächenversiegelung
23
werden verschiedene Stoffkreisläufe beeinträchtigt oder unterbrochen. 16 Exemplarisch ist auf den vom Gesetzgeber in § 2 Abs. 1 Nr. 1 b) HS. 2 BBodSchG besonders hervorgehobenen Wasserkreislauf einzugehen. Wenn Wasser auf unversiegelten Boden trifft, fließt ein Teil an der Oberfläche ab, der weitaus größere Teil versickert jedoch. Dieses Sickerwasser verdunstet, dient Pflanzen und Bodenorganismen als Lebensgrundlage oder bildet das Grundwasser. Wenn der Boden versiegelt ist, kann keine direkte Wasserzufuhr mehr erfolgen. 17 Das Wasser fließt an der Oberfläche ab und steht dem Naturhaushalt nicht mehr zur Verfügung. Versiegelter Boden ist demnach kein vollwertiges Element des Wasserkreislaufs. 18 Schließlich wirkt sich die Versiegelung des Bodens negativ auf dessen Funktion als Abbau-, Ausgleichs- und Aufbaumedium aus, da die abzubauenden, auszugleichenden oder aufzubauenden Stoffe entweder nicht in den Boden gelangen, diesen nicht verlassen oder aufgrund des fehlenden Zugangs anderer Stoffe nicht gebildet werden können. Langfristig können dadurch Schadstoffsenken entstehen, welche die ohnehin schon sehr langwierigen Bodenneubildungsprozesse weiter verlangsamen. Hinzu kommt, dass die Regelungsfunktion des Bodens wesentlich durch dessen organische Zusammensetzung bestimmt ist und daher nachzulassen beginnt, wenn diese infolge der Versiegelung negativ verändert wird. 19 Die hier aufgezeigten Beeinträchtigungen der natürlichen Funktionen des Bodens gehen in ihren Auswirkungen über das eben Beschriebene hinaus und sind auch von lokaler, regionaler und globaler Relevanz. Auf lokaler Ebene führt die Versiegelung einer Fläche - abgesehen von den dargestellten Folgen für das unmittelbar betroffene Areal - zu einer Vielzahl von Auswirkungen auf benachbarte Grundstücke. Zu nennen ist hier der erhöhte Zufluss von Oberflächenwasser, der zu Erosion führen 20 und negative Folgen für die Qualität als Standort für Pflanzen und Tiere haben kann. Des Weiteren sind angrenzende Grundstücken von einer zumeist erfolgenden Absenkung des Grundwasserspiegels ebenso betroffen, wie von der Unterbrechung der sonstigen Stoffkreisläufe. Hinzu kommt eine Veränderung des lokalen Klimas. Auch ist darauf hinzuweisen, dass die Versiegelung des Bodens eine Barriere für Tier- und Pflanzenarten darstellt, was sich wiederum 16 Vogg, Reiner, in: Landel, Christoph/Vogg, Reiner/Wüterich, Christoph: Bundes-Bodenschutzgesetz, § 2 Rn. 44 benennt die Kreisläufe von Kohlenstoff, Sauerstoff, Stickstoff, Phosphor, Schwefel und Kalium. 17 In Einzelfällen kann eine ausreichende Durchfeuchtung des Bodens durch seitlich eindringendes Wasser und Grundwasser erfolgen. Doch dies ist nur in Einzelfällen denkbar und nicht auf andere Stoffkreisläufe übertragbar. 18 Burghardt, Wolfgang: Form und Wirkung der Versiegelung, in: Barz, Wolfgang / Bonus, Holger/ Brinkmann, Bernd/Hoppe, Werner/Schreiber, Karl-Friedrich (Hrsg.): Bodenschutz, S. 117, 123. 19 Vogg, Reiner, in: Landel, Christoph/Vogg, Reiner/Wüterich, Christoph: Bundes-Bodenschutzgesetz, § 2 Rn. 36. 20 Burghardt, Wolfgang: Form und Wirkung der Versiegelung, in: Barz, Wolfgang/Bonus, Holger/Brinkmann, Bernd/Hoppe, Werner/Schreiber, Karl-Friedrich (Hrsg.): Bodenschutz, S. 117.
24
Teil 1: Einleitung
negativ auf deren Lebensraum auswirkt (Zerschneidungswirkung). 21 Schließlich ergeben sich Probleme daraus, dass es zu einer starken Summationswirkung kleiner und für sich betrachtet gering beeinträchtigender oder sogar folgenloser Versiegelungen kommt, die erst in ihrer Gesamtheit zu schwerwiegenden Folgen führen. Auf regionaler Ebene ist festzustellen, dass die Versiegelung eines größeren Anteils der Fläche einer Region zum einen zu einer gesteigerten Hochwassergefahr 22 und zum anderen zu einer Verinselung von Biotopen führt. Am Maßstab einer Region betrachtet kann die oben angesprochene Zerschneidungswirkung dazu führen, dass der verbliebene, unzerschnittene Lebensraum für bestimmte Arten nicht mehr ausreicht und diese aussterben.23 Bei weniger mobilen Tieren oder Pflanzen führt die Verinselung zu einem Verlust an genetischer Variabilität und lässt die lokalen Populationen anfälliger für Krankheiten werden. 24 Schließlich trägt die Versiegelung von Rächen zum Klimawandel bei, bewirkt eine Verringerung der Biodiversität und ist damit ein Problem globalen Ausmaßes. Abschließend ist festzustellen, dass die Versiegelung des Bodens Ursache einer Reihe schwerwiegender ökologischer Folgen ist. 25 Natürlich können die genannten Auswirkungen nicht im Sinne einer monokausalen Zurechnung allein auf die Versiegelung des Bodens rückbezogen werden, aber zweifelsohne bestehen hier Wirkungszusammenhänge.
III. Die Entwicklung des Flächenverbrauchs 1. Die versiegelte Fläche
Die Versiegelung von Flächen ist weder ein Vorgang, der ausschließlich von Menschen verursacht wird, noch ein Prozess, der lediglich in den letzten Jahren 21 Franz, Thorsten: Freiraumschutz und Innenentwicklung, S. 30 f.; Burghardt, Wolfgang: Form und Wirkung der Versiegelung, in: Barz, Wolfgang/ Bonus, Holger/Brinkmann, Bernd/Hoppe, Werner/Schreiber, Karl-Friedrich (Hrsg.), Bodenschutz, S. 117; Ritter, ErnstHasso: Flächenverbrauch durch Siedlungen, Verkehr und Rohstoffgewinnung, in: Barz, Wolfgang/Bonus, Holger/Brinkmann, Bernd /Hoppe, Werner/Schreiber, Karl-Friedrich (Hrsg.): Bodenschutz, S. 129. 22 Niehoff, Daniel/Bronstert, Axel: Landnutzung und Hochwasserentstehung: Modellierung anhand dreier mesoskalischer Einzugsgebiete, in: Wasser & Boden 2002, S. 23 ff.; Beyer, Stefanie: Amtspflichtwidrige Bauleitplanung in überschwemmungsgefährdeten Gebieten, in: NWVB1 2004, S. 49; BMU/BfN: Hochwasserschutz und Flutkatastrophen - Hintergrundpapier vom 22. 8. 2002, S. 4 f. (www.bfn.de / 7 /hochwasser-hintergrund-deich.pdf). 23 Rat von Sachverständigen für Umweltfragen: Für eine Stärkung und Neuorientierung des Naturschutzes, Sondergutachten 2002, S. 12 f. 24 Henle, Klaus: Konzeptionelle Grundlagen und Bedeutung von Biotop Verbundsystemen, in: Oldiges, Martin (Hrsg.): Perspektiven des Naturschutzes, S. 86 f.; zum Aspekt der Biodiversität: Troge, Andreas /Hülsmann, Wulf/ Burger, Andreas: Ziele und Handlungsansätze einer flächensparenden Stadtentwicklung, in DVB1. 2003, S. 85. 25 Vgl. zum Ganzen auch: Henke, Andreas: Funktionaler Bodenschutz, S. 29 ff. m. w. N.
§ 2 Das Problem der Flächenversiegelung
25
akut wurde. Versiegelt wurde vielmehr seit vorgeschichtlichen Zeiten. Z u einem der bedeutenden Umweltprobleme wurde die Versiegelung des Bodens jedoch erst in jüngerer Zeit, als sowohl die Größe der versiegelten Fläche, als auch deren Zuwachs rapide anstiegen. Die folgende Tabelle gibt einen Überblick über die versiegelte Fläche in absoluten Zahlen und i m Verhältnis zur Gesamtfläche Deutschlands. 2 6 Aus Gründen der Vergleichbarkeit beziehen sich diese Angaben und die aller folgenden Tabellen auf die Fläche der alten Bundesländer.
Tabelle 1 Entwicklung der Versiegelung in Deutschland27 Jahr
Fläche in km 2
Fläche in %
1953
15789
6,37
1957
16730
6,75
1961
18325
7,4
1965
19761
7,8
1969
21172
8,5
1973
22467
9,07
1977
(27886)
(11,3)
1981
26713
10,74
1985
28264
11,36
1989
29276
11,78
1993
30351
12,21
1997
31675
12,75
2001
34311
13,8
26 Hinzuweisen ist auf eine Reihe von Problemen, die bei der Auswertung dieser Daten zu berücksichtigen sind. Zum einen ist das verwandte Datenmaterial nicht sehr exakt. Insbesondere bei den älteren Daten kann Qualität und Vollständigkeit nur bedingt eingeschätzt werden. Hinzu kommt, dass die Maßstäbe der Zuordnung von Flächen in einzelne Kategorien im Lauf der Jahre verändert wurden, was den statistischen Ausreißer 1977 erklärt. Zum anderen handelt es sich bei der hier ausgewiesenen Fläche nicht um durchgehend versiegelte Areale. Das Statistische Jahrbuch verwendet die Kategorien „Gebäude und Freiflächen" und „Verkehrsflächen", die jeweils unversiegelte Teile wie ζ. B. Vorgärten, Betriebsflächen und Böschungen einschließen. Münchow gibt einen zwischen 90% (Stadtzentrum) und 20% (Einfamilienhäuser, großer Garten) schwankenden Anteil tatsächlich versiegelter Fläche an [Münchow, Birgit: Literaturübersicht, in: Breuste, Jürgen/Keidel, Thomas/Meindel, Gotthard/ Münchow, Birgit/Netzband, Maik/Schramm, Michael: Erfassung und Bewertung des Versiegelungsgrades befestigter Rächen, UFZ Bericht 12.1996, S. II-7]. Daher können hier lediglich Tendenzaussagen getroffen werden. Vgl.: Rat von Sachverständigen für Umweltfragen: Schritte ins nächste Jahrtausend, Umweltgutachten 2000, S. 227. 27 Quelle: Statistisches Bundesamt: Statistisches Jahrbuch für die Bundesrepublik Deutschland (1955, 1958,1962,1966,1970,1979,1981,1986,1990,1994,1998,2002).
26
Teil 1: Einleitung
Bei Betrachtung der Tabelle wird deutlich, dass sich die Größe der versiegelten Fläche innerhalb der letzten ca. 50 Jahre mehr als verdoppelt hat. Auch wenn der Zuwachs der versiegelten Fläche nicht mehr so stark ist wie in den Jahren zwischen 1966 und 1970, in denen eine tägliche Versiegelung von 138,1 ha zu beobachten war, 2 8 ist festzustellen, dass zur Zeit ca. 129 ha täglich versiegelt werden 2 9 und ein Anhalten dieses Trends wahrscheinlich i s t . 3 0
2. Die Urheber der Versiegelung Die Versiegelung des Bodens ist kein einheitliches Phänomen, das auf einen einzigen Urheber zurückzuführen ist. Vielmehr kann zwischen zwei Gruppen von Verursachern differenziert werden. Z u m einen sind hier staatliche Institutionen zu nennen, deren Versiegelungstätigkeit sich auf die Errichtung von Infrastruktur konzentriert. I m Gegensatz dazu beschränkt sich die von Privaten veranlasste Versiegelung nahezu vollständig auf die Errichtung von Gebäuden. In Tabelle 2 sind die Entwicklung der in erster Linie Privaten zuzurechnenden gebäudebedingten Versiegelung und der primär staatlich veranlassten Versiegelung durch Verkehrsanlagen gegenübergestellt. 31
28 Rat von Sachverständigen für Umweltfragen: Schritte ins nächste Jahrtausend, Umweltgutachten 2000, S. 227; im Gegensatz dazu sieht Ritter die Periode des größten Zuwachses in der zweiten Hälfte der 70er Jahre [Ritter, Ernst-Hasso: Flächenverbrauch durch Siedlungen, Verkehr und Rohstoffgewinnung, in: Barz, Wolfgang/Bonus, Holger/Brinkmann, Bernd/ Hoppe, Werner/Schreiber, Karl-Friedrich (Hrsg.): Bodenschutz, S. 128]. 29 Dosch, Fabian: Räumliche Facetten und Trends des Flächenverbrauchs, in: Rosenkranz, Dietrich/Bachmann, Gunther /Einsele, Gerhard/Harreß, Heinz-Michael (Hrsg.): Bodenschutz, S. 2 (Stand Jan. 2002); Troge, Andreas /Hülsmann, Wulf /Burger, Andreas: Ziele und Handlungsansätze einer flächensparenden Stadtentwicklung, in DVB1. 2003, S. 86. 30 Rat von Sachverständigen ßr Umweltfragen: Schritte ins nächste Jahrtausend, Umweltgutachten 2000, S. 229; Dosch, Fabian: Räumliche Facetten und Trends des Rächen Verbrauchs, in: Rosenkranz, Dietrich/Bachmann, Gunther/Einsele, Gerhard /Harreß, Heinz-Michael (Hrsg.): Bodenschutz, S. 30 ff. (Stand Jan. 2002); Bundesregierung: Perspektiven für Deutschland, Unsere Strategie für eine nachhaltige Entwicklung, S. 289 (www.dialog-nachhaltigkeit.de). 31 Natürlich verfügt auch die öffentliche Hand über Gebäude und Private sind Eigentümer von Verkehrsanlagen, jedoch ändern diese Ausnahmen nichts an der im Regelfall zulässigen Zuordnung der Verkehrsanlagen zur öffentlichen Hand und der Gebäude zu Privaten. Genauer differenzierende Angaben sind infolge eines Mangels an Daten nicht möglich.
§ 2 Das Problem der Flächenversiegelung
27
Tabelle 2 Verteilung der Versiegelung32 Jahr
Gebäudefläche in km 2
In %
1953
6853
1957
7450
1961
8331
1965
9223
1969 1973
Verkehrsfläche in km 2
In %
43,0
8936
57,0
44,5
9280
55,5
45,5
9994
54,5
46,7
10538
53,3
10165
48,0
11007
52,0
11023
49,1
11444
50,9
1976
11827
50,3
11688
49,7
1981
13602
53,8
11690
46,2
1985
14885
55,1
12105
44,9
1989
15484
55,4
12422
44,6
1993
16209
56,0
12740
44,0
1997
17142
56,7
13091
43,3
2001
18021
57,5
13315
42,5
Dabei fällt auf, dass die von Verkehrsanlagen in Anspruch genommene Fläche zwar auch im Anstieg begriffen ist, sich der Anstieg auf 149% der 1953 versiegelten Fläche jedoch als relativ gering bezeichnen lässt, wenn man ihn mit dem 263% Anstieg der von Gebäuden in Anspruch genommenen Räche vergleicht. 33 Da zur Zeit keine Gründe ersichtlich sind, die eine Umkehr oder auch nur Verlangsamung des Anstieges des Anteils der durch Gebäude versiegelten Fläche begründen könnten, 34 kann geschlussfolgert werden, dass eine rechtliche Begrenzung der Flächenversiegelung insbesondere auf die durch Gebäude, d. h. durch Private verursachten Versiegelungen eingehen muss. 3. Die Ursachen der Versiegelung Fragt man nach den Gründen der zunehmenden Versiegelung, geraten Wachstum der Bevölkerung und der Wirtschaft als mögliche Ursachen in das Blickfeld. Dass der Zuwachs der versiegelten Fläche nicht auf ein in gleichem Maße erfol32 Quelle: Statistisches Bundesamt: Statistisches Jahrbuch für die Bundesrepublik Deutschland (1955,1958, 1962, 1966, 1970,1979,1981,1986, 1990, 1994,1998, 2002). 33 Vgl. auch: Bundesregierung: Perspektiven für Deutschland, Unsere Strategie für eine nachhaltige Entwicklung, S. 99 (www.dialog-nachhaltigkeit.de). 34 Ein etwas abweichendes Bild ergibt sich bei der Beobachtung des Situation in den neuen Bundesländern, in denen die durch Verkehrsanlagen versiegelte Fläche in den letzten Jahren ebenfalls stark stieg.
Teil 1: Einleitung
28
gendes Anwachsen der Bevölkerung zurückzuführen ist, zeigt sich deutlich, wenn man anhand der nachfolgenden Tabelle 3 die Entwicklung der Bevölkerungszahlen und die Entwicklung der versiegelten Fläche pro Einwohner betrachtet. 3 5 Es ist klar erkennbar, dass das Wachstum der Versiegelung vom Wachstum der Bevölkerung völlig abgekoppelt i s t . 3 6 Eine Aussage, die durch den Blick auf die Entwicklung i m Freistaat Sachsen - wo es trotz sinkender Einwohnerzahl zu einem signifikanten Anstieg der versiegelten Fläche gekommen ist - bestätigt wird (Tabelle 4).
Tabelle 3 Entwicklung der Bevölkerung in Deutschland37 Jahr
Einwohnerzahl in 1000
Versiegelte Fläche pro Einwohner in m 2
1953
51350
307,5
1957
53656
311,8
1961
56175
326,2
1965
59012
333,4
1969
60848
347,9
1973
61987
362,4
1977
61419
(454,0)
1981
61663
433,2
1985
60975
463,5
1989
62063
471,7
1993
65534
463,3
1997
66647
475,3
2001
67019
512,0
35
Vgl. auch: Dosch, Fabian: Räumliche Facetten und Trends des Flächenverbrauchs, in: Rosenkranz, Dietrich/Bachmann, Gunther/Einsele, Gerhard/Harreß, Heinz-Michael (Hrsg.): Bodenschutz, S. 10 Abb. 2 (Stand Jan. 2002); Happe, Michael/Mohs, Bernhard/Ohligschläger, Gerd/Grabe, Christian/Kaschlun, Waither: Bodenschutz und Landschaftsverbrauch, S. 11. 36
Troge, Andreas /Hülsmann, Wulf /Burger, Andreas: Ziele und Handlungsansätze einer flächensparenden Stadtentwicklung, in DVB1. 2003, S. 86. 37 Quelle: Statistisches Bundesamt: Statistisches Jahrbuch für die Bundesrepublik Deutschland (1955, 1958, 1962, 1966, 1970, 1979, 1981, 1986, 1990, 1994, 1998, 2002).
§ 2 Das Problem der Flächenversiegelung
29
Tabelle 4 Entwicklung des Flächenverbrauchs und der Bevölkerung in Sachsen38 Jahr
Fläche in km 2
Fläche in %
Einwohnerzahl in 1000
Fläche pro Einwohner in m 2
1993
1824,00
9,9
4667,66
390,7
1997
1952,55
10,6
4522,41
431,7
2001
2072,88
11,2
4384,19
472,8
Ursache des voranschreitenden Flächenverbrauchs ist vielmehr das Wachstum der Wirtschaft, 3 9 insbesondere der Trend zur weitgehenden Automatisierung, der eine flächenintensive, einstöckige Bauweise fördert. 4 0 Hinzu kommt eine Erhöhung des allgemeinen Wohlstands, die sich in der Vergrößerung der Wohnfläche pro Einwohner niederschlägt. 41 Eine weitere Ursache der zunehmenden Flächenversiegelung ist der kontinuierliche Ausbau der Verkehrswege, 42 der durch Wiedervereinigung und Europäische Einigung zusätzlich forciert wurde bzw. w i r d . 4 3 Schließlich ist darauf hinzuweisen, dass das Problembewusstsein in Politik, Verwaltung und Bevölkerung nur gering ausgeprägt ist. Angesichts der - zum Teil nur vordergründig vorliegenden - Notwendigkeit einer Entscheidung zwischen Bodenschutz und Gewerbeansiedlungen, Arbeitsplätzen, geringen Baukosten bzw. der problemlosen Durchführung von Infrastrukturvorhaben, fällt die Entscheidung zu selten zu Gunsten des Bodenschutzes aus. 4 4
38
Quelle: Statistisches Landesamtßrden Freistaat Sachsen: Statistisches Jahrbuch Sachsen 1998, 2001; Statistisches Bundesamt: Statistisches Jahrbuch für die Bundesrepublik Deutschland 1994. 39 Rat von Sachverständigen für Umweltfragen: Schritte ins nächste Jahrtausend, Umweltgutachten 2000, S. 227. 40 Kauch, Petra: Bodenschutz aus bundesrechtlicher Sicht, S. 17. 41 Wüstenrot Stiftung (Hrsg.): Nutzungswandel und Städtebauliche Steuerung, S. 63 ff.; Ritter, Ernst-Hasso: Flächenverbrauch durch Siedlungen, Verkehr und Rohstoffgewinnung, in: Barz, Wolfgang/Bonus, Holger/Brinkmann, Bernd/Hoppe, Werner/Schreiber, KarlFriedrich (Hrsg.): Bodenschutz, S. 129; Kauch, Petra: Bodenschutz aus bundesrechtlicher Sicht, S. 17; Franz, Thorsten: Freiraumschutz und Innenentwicklung, S. 29; Dosch, Fabian: Räumliche Facetten und Trends des Flächen Verbrauchs, in: Rosenkranz, Dietrich/Bachmann, Gunther/Einsele, Gerhard/Harreß, Heinz-Michael (Hrsg.): Bodenschutz, S. 4 (Stand Jan. 2002); Ewer, Wolfgang, in: Landmann, Robert von/Rohmer, Gustav, Umweltrecht, 9, Vorb.BodSchRecht, Rn. 15 (Stand März 1999). 42
Kauch, Petra: Bodenschutz aus bundesrechtlicher Sicht, S. 17. Ritter, Ernst-Hasso: Flächenverbrauch durch Siedlungen, Verkehr und Rohstoffgewinnung, in: Barz, Wolfgang / Bonus, Holger/Brinkmann, Bernd/Hoppe, Werner/Schreiber, Karl-Friedrich (Hrsg.): Bodenschutz, S. 129. 44 Rat von Sachverständigen ßr Umweltfragen: Schritte ins nächste Jahrtausend, Umweltgutachten 2000, S. 230 f. 43
30
Teil 1: Einleitung
Abschließend ist daher festzustellen, dass die Ursache der voranschreitenden Flächenversiegelung in der Abhängigkeit des Flächenbedarfs von der Wirtschaftsund Wohlstandsentwicklung zu sehen ist. Solang diese Faktoren nicht entkoppelt werden, besteht wenig Hoffnung, den Versiegelungstrend zu stoppen.45
§ 3 Die Kriterien zur Bewertung von jetzigem Zustand und neuen Instrumenten Die Frage, ob das geltende Flächenschutzrecht Defizite aufweist und diese durch den Einsatz neuer Instrumente zu beheben sind, setzt zunächst Klarheit darüber voraus, welcher Zustand als defizitär und welcher als anstrebenswert empfunden wird.
I. Der Begriff des Defizits Als defizitär soll im Folgenden ein Zustand bezeichnet werden, in dem der Verbrauch an Freiflächen fortschreitet und sich der Anteil versiegelter Rächen an der Gesamtfläche erhöht. Anstrebenswert ist hingegen ein Zustand, in dem der Trend des Flächenverbrauchs gestoppt und umgekehrt worden ist, sowie die Größe der dem Naturhaushalt zur Verfügung stehenden Fläche wächst. Der hier verwandte Begriff des Defizits geht von einer bodenzentrierten ökologischen Betrachtungsweise aus. Diese Position wird mit Hinblick darauf eingenommen, dass eine gesamtgesellschaftliche Perspektive, die alle an den Boden als Fläche gerichteten Nutzungsansprüche umfassend berücksichtigt, den Rahmen der Arbeit bei weitem sprengen würde. Daher werden die dem Schutz der Fläche als Naturraum entgegenstehenden Nutzungsinteressen im Folgenden lediglich als dem hier verfochtenen Ziel widerstrebende Belange wahrgenommen. Ebenso werden alle dem quantitativen Bodenschutz entgegenstehenden ökologischen Belange vernachlässigt.
II. Der Begriff des rechtlichen Defizits Der oben statuierte Begriff des Defizits führt zunächst einmal nur zu einer beschreibenden Perspektive, die bestrebt ist, die Entwicklung des Flächenverbrauches zu beobachten und zu bewerten. Um allerdings die juristische Beobachtung 45 Optimistisch: Dosch, Fabian: Räumliche Facetten und Trends des Flächenverbrauchs, in: Rosenkranz, Dietrich/Bachmann, Gunther/Einsele, Gerhard /Harreß, Heinz-Michael (Hrsg.): Bodenschutz, S. 5 (Stand Jan. 2002); pessimistisch: Happe, Michael/Mohs, Bernhard /Ohligschläger, Gerd/Grabe, Christian/Kaschlun, Waither: Bodenschutz und Landschaftsverbrauch, S. 20.
§ 3 Bewertung von jetzigem Zustand und neuen Instrumenten
31
des Flächenverbrauches durchführen zu können, ist es notwendig, den hier verwandten Begriff des Defizits in einen juristischen umzuformen.
1. Die Definition des rechtlichen Defizits Ein rechtliches Defizit im Sinne der Kernfrage ist gegeben, wenn das Recht nicht in der Lage ist, den Boden in der rechtlich bestmöglichen Weise vor Versiegelung zu schützen. Welches Maß an Bodenschutz das rechtlich Bestmögliche ist, ergibt sich aus der Analyse des einschlägigen Verfassungsrechts. 46
2. Die Kriterien der Untersuchung Im Gegensatz zum zunächst verwandten Begriff des Defizits lässt sich ein rechtliches Defizit nicht durch die Beobachtung der Versiegelung von Flächen in der Realität erfassen. Notwendig sind vielmehr Kriterien, anhand derer das Vorliegen eines Defizits bzw. die Fähigkeit eines neuen Vorschlages zur Problemlösung ermittelt werden kann. Diese Kriterien sind im Folgenden zu entwickeln. Ein erstes mögliches Kriterium könnte darin bestehen, zu überprüfen, ob das Recht den Boden vor allen denkbaren beeinträchtigenden Handlungen schützt. Die diesem Ansatz zugrundeliegende Differenzierung zwischen der Beeinträchtigung des Bodens durch Auftrag von Material und einer Beeinträchtigung durch Verdichtung führt jedoch in erster Linie zu naturwissenschaftlichen Fragestellungen und ist als juristisch unergiebig nicht weiter zu verfolgen. 47 Ein zweites Kriterium könnte die Überprüfung bodenschützender Normen auf ihre Vollziehbarkeit und Befolgung in der Praxis hin in den Mittelpunkt der Überlegungen stellen. Leitunterscheidungen wären demnach: vollziehbar/nicht vollziehbar und sozial akzeptiert/nicht akzeptiert. Dieser Ansatz würde in die Bereiche der empirischen Sozialforschung und der Verwaltungswissenschaft übergreifen. Eine Beurteilung bodenschützender Normen anhand dieses Kriteriums würde eine vertiefte Auseinandersetzung mit den genannten Wissenschaften verlangen, die den hier vertretenen juristisch-dogmatischen Ansatz sprengen würde und nicht weiter verfolgt werden soll. Ein drittes Kriterium könnte in zeitlicher Hinsicht differenzieren. 48 Demnach ist zwischen der erstmaligen Inanspruchnahme unversiegelten Bodens und der zeitlich Siehe dazu Teil 2. Vgl. zu einer derartigen Differenzierung: Gaßner, Hartmut/Willand, Achim/Fischer, ioohoxi/Pippke, Nicole: Anforderungen an die Wiederherstellung von Bodenfunktionen nach der EntSiegelung, S. 39 ff., 50 ff. 48 Vgl. Brand, Edmund/Sanden, Joachim: Verfassungsrechtliche Zulässigkeit neuer übergreifender Rechtsinstrumente zur Begrenzung des Flächenverbrauchs, S. 4. 47
32
Teil 1 : Einleitung
nachgelagerten Entsiegelung des Bodens zu trennen. Der erstgenannte Aspekt soll im Folgenden als vorsorgender Bodenschutz, der zweitgenannte als nachsorgender Bodenschutz bezeichnet werden. Gegenstand des vorsorgenden Flächenschutzes ist der Schutz bislang unversiegelter Flächen gegenüber der erstmaligen Inanspruchnahme. Dieser Aspekt des quantitativen Bodenschutzes zielt auf eine Bewahrung des zur Zeit bestehenden Verhältnisses versiegelter zu freier Fläche. Die größte denkbare Leistung von Normen des vorsorgenden Bodenschutzes wäre ein möglichst geringes Wachstum des Flächenverbrauches. Im Gegensatz dazu betrifft der nachsorgende Flächenschutz bereits versiegelte Flächen, die entsiegelt und dem Naturhaushalt wieder zugeführt werden sollen. Dieser Ansatz zielt auf eine Erhöhung des Anteils der Freiflächen an der Gesamtfläche Deutschlands. Für die Eignung dieser Unterscheidung spricht, dass diese Differenzierung die mit den beiden Ansätzen jeweils verbundenen unterschiedlichen rechtlichen Probleme angemessen darstellt. Dem vorsorgenden Flächenschutz begegnen Widerstände in erster Linie in Gestalt anderer Entwicklungsinteressen des Raumes. Die Bewahrung freier Rächen konkurriert mit anderen Ansprüchen an die Nutzung des Raums und den Interessen der Eigentümer der freizuhaltenden Rächen. Dagegen findet der nachsorgende Bodenschutz seine Grenzen am Bestandsschutz bestehender Versiegelungen. Ein weiteres Kriterium könnte fragen, ob das Recht alle Rächen erfasst. Zu überprüfen wäre daher, ob die gesamte Räche der Bundesrepublik Deutschland bzw. des Freistaates Sachsen von bodenschützenden Normen erfasst wird. Für dieses Kriterium spricht neben der relativ leichten Überprüfbarkeit insbesondere, dass es Anschluss an die traditionellen Kategorien des Planungsrechts findet. Ein fünftes Kriterium, anhand dessen die Leistungsfähigkeit flächenschützender Gesetze überprüft werden kann, ist die prinzipielle juristische Eignung einer Norm zur Erreichung des Zieles, den Rächenverbrauch zu begrenzen bzw. Rächen zu entsiegeln. Innerhalb dieses Kriteriums wäre zu fragen, ob bodenschützende Aspekte in genügendem Maße in die (Abwägungs-)Entscheidung einfließen, ob der Schutz der Räche vor Versiegelung vom Anwendungsbereich einer Norm erfasst wird und ob die Regelung bei rein normativer Betrachtung ausreichend vollziehbar erscheint. Der Rahmen des rechtlich Möglichen wird dabei vom Verfassungsrecht vorgegeben.
3. Die Anwendung der herausgearbeiteten Kriterien Die drei letztgenannten Kriterien, die der weiteren Untersuchung zugrundegelegt werden sollen, können jedoch nicht unterschiedslos auf alle zu beurteilenden Bereiche angewandt werden. Vielmehr muss auch an dieser Stelle unterschieden werden. Das geltende Recht soll allein anhand der Kriterien „Wirksamkeit in der Räche" und „prinzipielle juristische Eignung" überprüft werden. Dagegen soll die zeitliche
§ 3 Bewertung von jetzigem Zustand und neuen Instrumenten
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Differenzierung allein zur Gliederung der Darstellung herangezogen werden. Ein Defizit besteht im Bereich des geltenden Rechts insofern, als in Kraft befindliche Normen entweder einzelne Teilflächen nicht erfassen oder aufgrund fehlender prinzipieller juristischer Eignung keinen Beitrag zum Bodenschutz leisten. Im Gegensatz dazu müssen die hier vorgeschlagenen neuen Instrumente anhand abweichender Kriterien beurteilt werden. Ihre Aufgabe ist es, die Schutzlücken des bestehenden Rechts zu schließen. Daher ist bei der Bewertung dieser neuen Instrumente zu fragen, ob sie bestehende Lücken exakt schließen, ohne Flächen, in denen der Boden schon ausreichend geschützt wird, in unnötiger Weise zu regulieren. Diese Bewertung erfolgt in erster Linie anhand der Kriterien „vor- und nachsorgender Bodenschutz" und „Wirksamkeit in der Räche". Das Kriterium der „prinzipiellen juristischen Eignung" vermag dagegen nur in eingeschränktem Maße zur Beurteilung beizutragen. Da es sich lediglich um Vorschläge handelt, kann allein die abstrakte Eignung zur Problemlösung betrachtet werden. Konkrete Analysen sind mangels eines Rechtstextes nicht möglich. Die Eignung eines neuen Instrumentes zur Verbesserung der Situation des Bodens besteht daher, wenn ein Instrument in der Lage ist, in zeitlicher oder räumlicher Hinsicht vorhandene Lücken zu schließen und eine prinzipielle juristische Eignung aufweist.
3 Risch
Teil 2
Das geltende Recht Die Berechtigung eines Reformvorschlages hängt entscheidend davon ab, ob es überhaupt Bedarf an Reformen gibt. Daher ist es notwendig, das geltende Recht einer gründlichen Bestandsaufnahme und Analyse zu unterziehen. Ziel dieses Teils der Arbeit ist es, das geltende Bodenschutzrecht darzustellen und vorhandene Schwachstellen zu lokalisieren. Zu Beginn soll mit einer Überprüfung der verfassungsrechtlichen Grundlagen gleichsam der Rahmen aufgespannt werden, in dem sich das geltende Recht bewegt und Reformvorschläge sich bewegen müssen. Anschließend steht das Recht des vorsorgenden Bodenschutzes im Zentrum der Aufmerksamkeit. Der dritte und vierte Paragraph sind schließlich dem nachsorgenden Bodenschutz und der Zusammenfassung des zweiten Teils gewidmet.
§ 1 Der verfassungsrechtliche Rahmen des Bodenschutzes Die hier angestrebte Untersuchung der verfassungsrechtlichen Rahmenbedingungen des Bodenschutzes erfolgt mit dem Ziel zu ermitteln, in welchem Maße Grundgesetz und Sächsische Verfassung den Schutz des Bodens vor Versiegelung verlangen oder ihm entgegenstehen. Dazu sollen zunächst die bodenschützenden Normen des Grundgesetzes dargestellt werden. Dem folgend ist auf die Artikel des Grundgesetzes einzugehen, die den Bürgern das Recht zu Versiegelung einräumen, bzw. dem Staat die Pflicht zu Versiegelung auferlegen. Diese stehen dem vorsorgenden Bodenschutz entgegen. Schließlich sind auch die verfassungsrechtlichen Aspekte zu beleuchten, die dem nachsorgenden Bodenschutz - verstanden als die Entsiegelung bislang versiegelter Flächen - entgegenstehen. Am Ende des Paragraphen steht ein Überblick über gesetzliche Handlungsmöglichkeiten im vorsorgenden bzw. im nachsorgenden Bodenschutz.
I. Die bodenschützenden Normen des Grundgesetzes 1. Der Art. 20 a GG Die Staatszielbestimmung des Art. 20 a GG verpflichtet den Staat zum Schutz der natürlichen Grundlagen des Lebens. Auch wenn unter natürlichen Lebens-
§ 1 Der verfassungsrechtliche Rahmen des Bodenschutzes
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grundlagen eigentlich nur die Güter zu verstehen sind, ohne die Leben nicht über einen längeren Zeitraum bestehen könnte, 1 geht der Schutzumfang des Art. 20 a GG jedoch über dieses ökologische Existenzminimum hinaus und schützt alle Umweltgüter, die Grundlage menschlichen, tierischen oder pflanzlichen Lebens sind. 2 Die Existenz unversiegelten Bodens ist - wie oben dargestellt 3 - für nahezu alle Formen pflanzlichen Lebens, sowie indirekt für Menschen und Tiere unabdingbare Lebensvoraussetzung. Er muss daher nicht nur in seiner stofflichen Zusammensetzung, sondern auch als unversiegelte Fläche erhalten werden. Daher zählt der Boden auch in quantitativer Hinsicht zu den natürlichen Lebensgrundlagen i m Sinne des Art. 20 a G G . 4 Die an diese Zuordnung geknüpften Konsequenzen sind jedoch von beschränkter Reichweite. Artikel 20 a GG ist eine Staatszielbestimmung, die weder zu einem subjektiven Recht auf Umweltschutz führt, 5 noch einen abstrakten Vorrang des
ι Murswiek, Dietrich: Staatsziel Umweltschutz (Art. 20 a GG), in: NVwZ 1996, S. 224; Kloepfer, Michael: Umweltschutz als Verfassungsrecht: Zum neuen Art. 20 a GG, in: DVB1. 1996, S. 76; Schulze-Fielitz, Helmuth, in: Dreier, Horst: Grundgesetz Kommentar Band II, Art. 20 a Rn. 28, 39 ff.; Peters, Heinz-Joachim: Art. 20 a GG - Die neue Staatszielbestimmung des Grundgesetzes, in: NVwZ 1995, S. 555; Himmelmann, Steffen, in: Himmelmann, Steffen /Pohl, Andreas/Tünnesen-Harmes, Christian: Handbuch des Umweltrechts, A 1 Rn. 52 (Stand: April 1995). 2 Murswiek, Dietrich, in: Sachs, Michael: Grundgesetz Kommentar, Art. 20 a Rn. 27; Kloepfer, Michae/, in: Dolzer, Rudolf/Vogel, Klaus/Graßhof, Karin: Bonner Kommentar zum Grundgesetz, Art. 20 aRn. 51 (Stand Okt. 1996); Hoppe, Werner/Beckmann, Martin/ Kauch, Petra: Umweltrecht, § 4 Rn. I l m . w. N.; ähnlich Wolf, Rainei; in: Alternativkommentar, Art. 20 a Rn. 15 (Stand 2001). 3 Siehe oben Teil 1, § 2 II. 4 BVerwG, in: NJW 1995, S. 2648 (2649); Kloepfer, Michael: Umweltrecht, § 3 Rn. 26; Murswiek, Dietrich, in: Sachs, Michael: Grundgesetz Kommentar, Art. 20 a, Rn. 30; Brockmeyer, Hans Bernhard, in: Schmidt-B leibtreu, Bruno/Klein, Franz: Kommentar zum Grundgesetz, Art. 20 a Rn. 13; Jarass, Hans, in: Jarass, Hans/Pieroth, Bodo: Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland, Art. 20 a Rn. 2; Scholz, Rupert, in: Maunz, Theodor/Dürig, Günter: Grundgesetz Kommentar, Art. 20 a Rn. 36 (Stand: Juni 2002); Kloepfer, Michael, in: Dolzer, Rudolf/Vogel, Klaus/Graßhof, Karin: Bonner Kommentar zum Grundgesetz, Art. 20 a Rn. 50 (Stand Okt. 1996); Schulze-Fielitz, Helmuth, in: Dreier, Horst: Grundgesetz Kommentar Band II, Art. 20 a Rn. 14; Peters, Heinz-Joachim: Art. 20 a GG - Die neue Staatszielbestimmung des Grundgesetzes, in: NVwZ 1995, S. 555; Ewer, Wolfgang, in: Landmann, Robert von/Rohmer, Gustav: Umweltrecht, 9, Vorb.BodSchRecht, Rn. 58 (Stand März 1999); Franz, Thorsten: Freiraumschutz und Innenentwicklung, S. 90 ff. 5 BVerwG, in: NVwZ RR 2003, S. 171 (171); BVerwG, in: NVwZ 1998, S. 1080 (1081); BVerwG, in: NJW 1995, S. 2648 (2649); Brockmeyer, Hans Bernhard, in: Schmidt-Bleibtreu, Bruno/Klein, Franz: Kommentar zum Grundgesetz, Art. 20 a Rn. 3; Kloepfer, Michael: Umweltrecht, § 3 Rn. 24; Scholz, Rupert, in: Maunz, Theodor /Dürig, Günter: Grundgesetz Kommentar, Art. 20 a Rn. 32 (Stand Juni 2002); Kloepfer, Michael, in: Dolzer, Rudolf/Vogel, Klaus/Graßhof, Karin: Bonner Kommentar zum Grundgesetz, Art. 20 a Rn. 10 ff. (Stand Okt. 1996); Schulze-Fielitz, Helmuth, in: Dreier, Horst: Grundgesetz Kommentar Band II, Art. 20 a Rn. 20; Himmelmann, Steffen, in: Himmelmann, Steffen/Pohl, Andreas/TünnesenHarmes, Christian: Handbuch des Umweltrechts, A 1 Rn. 51 (Stand: April 1995). 3'
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Teil 2: Das geltende Recht
Umweltschutzes vor konkurrierenden Belangen herstellt. 6 Vielmehr handelt es sich um einen mit weitem Ermessen versehenen Handlungsauftrag, der primär an den Gesetzgeber, aber auch an Verwaltung und Rechtsprechung gerichtet ist. 7 Jedoch wäre die Vorstellung verfehlt, Artikel 20 a GG sei ohne jeden Einfluss auf den quantitativen Bodenschutz. Z u m einen vermag Art. 20 a GG die Auslegung unbestimmter Rechtsbegriffe zu lenken. 8 Für Ermessensausübung und planerische Abwägung entfaltet die Regelung dahingehend Wirkung, dass die Aspekte des Umweltschutzes - und damit auch die des quantitativen Bodenschutzes - unmittelbar aufgrund des Art. 20 a GG in diese einfließen müssen. 9 Daher ist auch i m Rahmen von Abwägungsentscheidungen, bei denen das zugrundeliegende Gesetz Umweltbelange nicht ausdrücklich benennt, auf Aspekte des Bodenschutzes einzugehen. 10 Z u m anderen ist Art. 20 a GG als Schranke des Grundrechtsgebrauches in der Lage, flächenbeanspruchendem Grundrechtsgebrauch entgegenzutreten. 11 Des Weiteren verleiht Art. 20 a GG den für die Entsiegelung eines
6 BVerwG, in: NVwZ RR 2003, 171 (171); BVerwG, in: NuR 1997, 440 (440); Murswiek, Dietrich, in: Sachs, Michael: Grundgesetz Kommentar, Art. 20 a GG Rn. 52 ff.; Scholz, Rupert, in: Maunz, Theodor/Dürig, Günter: Grundgesetz Kommentar, Art. 20 a GG Rn. 13 f. (Stand Juni 2002), 41 ff.; Kloepfer, Michael, in: Dolzer, Rudolf/Vogel, Klaus / Graßhof, Karin: Bonner Kommentar zum Grundgesetz, Art. 20 a Rn. 15 f. (Stand Juni 2002); Wolf, Raines in: Alternativkommentar, Art. 20 a Rn. 12 (Stand 2001); Sellmann, Christian: Die eigentumsrechtliche Inhalts- und Schrankenbestimmung - Entwicklungstendenzen, in: NVwZ 2003, S. 1419 f. 7
Murswiek, Dietrich, in: Sachs, Michael: Grundgesetz Kommentar, Art. 20 a GG Rn. 60 ff.; Himmelmann, Steffen, in: Himmelmann, Steffen/Pohl, Andreas/Tünnesen-Harmes, Christian: Handbuch des Umweltrechts, A 1 Rn. 51 (Stand: April 1995); Wolf, Raines in: Alternativkommentar, Art. 20 a Rn. 12 f. (Stand 2001); Vosskuhle, Andreas: Rechtsfragen der Einführung von Emissionszertifikaten, in: Hendler, Reinhard /Marburger, Peter/Reinhardt, Michael / Schröder, Meinhardt (Hrsg.): Energierecht zwischen Umweltschutz und Wettbewerb, S. 186 f. s VGH Mannheim, NuR 2003, 29 (29 f.); Kloepfer, Michael: Umweltrecht, § 3 Rn. 24; Murswiek, Dietrich, in: Sachs, Michael: Grundgesetz Kommentar, Art. 20 a Rn. 66 ff.; Schulze-Fielitz, Helmuth, in: Dreier, Horst: Grundgesetz Kommentar Band II, Art. 20 a Rn. 64; Wolf, Raines in: Alternativkommentar, Art. 20 a Rn. 47 (Stand 2001). 9
Kloepfer, Michael: Umweltrecht, § 3 Rn. 40 f.; Brockmeyer, Hans Bernhard, in: SchmidtBleibtreu, Bruno/Klein, Franz: Kommentar zum Grundgesetz, Art. 20 a Rn. 16; Murswiek, Dietrich, in: Sachs, Michael: Grundgesetz Kommentar, Art. 20 a GG Rn. 69 ff.; Hoppe, Werner/Beckmann. Martin/Kauch, Petra: Umweltrecht, § 4 Rn. 29 ff.; Wolf, Raines in: Alternativkommentar, Art. 20 a Rn. 46 f. (Stand 2001); Kloepfer, Michael, in: Dolzer, Rodulf/Vogel, Klaus/Graßhof, Karin: Bonner Kommentar zum Grundgesetz, Art. 20 a Rn. 40 ff. (Stand 1996); Schulze-Fielitz, Helmuth, in: Dreier, Horst: Grundgesetz Kommentar Band II, Art. 20 a GG Rn. 65 f.; Peters, Heinz-Joachim: Art. 20 a GG - Die neue Staatszielbestimmung des Grundgesetzes, in: NVwZ 1995, S. 557. 10 Henneke, Hans Günter: Der Schutz der natürlichen Lebensgrundlagen in Art. 20 a GG, in: NuR 1995, S. 332. » BVerwG, in: NuR 1997, 440 (440); BVerwG, in: NJW 1995, 2648 (2649); Murswiek, Dietrich, in: Sachs, Michael: Grundgesetz Kommentar, Art. 20 a Rn. 72; Jarass, Hans, in: Jarass, Hans/Pieroth, Bodo: Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland, Art. 20 a
§ 1 Der verfassungsrechtliche Rahmen des Bodenschutzes
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Grundstücks sprechenden Argumenten Verfassungsrang. Schließlich wäre es mit Art. 20 a GG unvereinbar, wenn der Staat die natürlichen Lebensgrundlagen offenkundig missachtet oder eine dezidiert umweltfeindliche Gesetzgebung betriebe. 12 Die Norm begründet sowohl in vorsorgender, wie in nachsorgender Blickrichtung einen Minimalschutz des Bodens.
2. Das Sozialstaatsprinzip Unter dem Gesichtspunkt der Notwendigkeit, die Umweltbedingungen zu sichern, um langfristig menschenwürdiges Dasein zu ermöglichen, wurde versucht, aus dem Sozialstaatsprinzip eine Pflicht des Staates zum Umweltschutz herzuleiten. 13 Da menschenwürdiges Leben ein ausreichend hoher Anteil unversiegelter Fläche voraussetzt, würde diese Pflicht auch den Schutz des Bodens vor Versiegelung beinhalten. Diesem Ansatz ist jedoch entgegenzuhalten, dass er zum einen zu einer inhaltlichen Überfrachtung des Sozialstaatsprinzips führen würde, zum anderen würde lediglich der Gehalt des Art. 20 a GG dupliziert, woran kein Bedarf besteht.14
3. Der Art. 2 Abs. 1 GG als Schranke der Flächenversiegelung Der Versiegelung des Bodens können nicht nur öffentliche Belange - in Gestalt des Art. 20 a GG - sondern auch die Interessen Privater, geschützt durch ihre jeweiligen Grundrechte, entgegenstehen. Dabei ist jedoch zu bedenken, dass die Grundrechte nur gegenüber Versiegelungsmaßnahmen der öffentlichen Hand direkt geltend gemacht werden können, im Verhältnis zu privaten Versiegelungsvorhaben sind die Grundrechte nur im Rahmen der mittelbaren Drittwirkung 15 bzw. der grundrechtlichen Schutzansprüche16 von Gewicht. Aus der allgemeinen Handlungsfreiheit lassen sich jedoch keine grundrechtlichen Abwehransprüche gegen Rn. 10; Wolf, Raines in: Alternativkommentar, Art. 20 a Rn. 38 (Stand 2001); Schulze-Fielitz, Helmuth, in: Dreier, Horst: Grundgesetz Kommentar Band II, Art. 20 a Rn. 73 ff.; vgl. auch: Urteil des BVerfG vom 20. 4. 2004, AZ 1 BvR 1748/99, 1 BvR 905/00, Rn. 57, 63,65. 12 Murswiek, Dietrich, in: Sachs, Michael: Grundgesetz Kommentar, Art. 20 a Rn. 34; Wolf, Raines in: Alternativkommentar, Art. 20 a Rn. 42 (Stand 2001). 13 Soell, Hermann: Umweltschutz, ein Grundrecht?, in: NuR 1985, S. 211 f. m. w. N. 14 Hoppe, Werner /Beckmann. Martin/Kauch, Petra: Umweltrecht, § 4 Rn. 92; Himmelmann, Steffen, in: Himmelmann, Steffen / Pohl, Andreas / Tünnesen-Harmes, Christian: Handbuch des Umweltrechts A 1 Rn. 54 (Stand: April 1995). 15 Siehe dazu nur: Sachs, Michael: in: Sachs, Michael: Grundgesetz Kommentar, vor Art. 1 Rn. 32 f. 16 Dazu: Correli, Cathrin, in: Alternativkommentar, Art. 2 Abs. 2 Rn. 137 f. (Stand 2001); Szekalla, Peter: Die sogenannten grundrechtlichen Schutzpflichten im deutschen und europäischen Recht, S. 92 ff.
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Umweltbelastungen ableiten.17 Es besteht kein Recht auf Naturgenuss18 oder auf unversiegelte Rächen. Die Versiegelung von Flächen berührt den Schutzbereich des Art. 2 Abs. 1 GG nicht.
4. Der Art. 2 Abs. 2 GG als ökologisches Existenzminimum Es ist möglich, aus Art. 2 Abs. 2 GG 1 9 oder Art. 2 GG i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG 2 0 die Verpflichtung des Staates, ein ökologisches Existenzminimum zu wahren, herzuleiten. Dieser Anspruch greift jedoch erst dann ein, wenn die unmittelbaren Grundlagen des menschlichen Lebens bedroht sind. Er bleibt daher in zweifacher Hinsicht hinter dem Schutzniveau des Art. 20 a GG zurück, da zum einen nur die Lebensgrundlagen des Menschen geschützt werden, zum anderen nur ein absoluter Minimalschutz gewährleistet wird 2 1 .
5. Der Art. 2 Abs. 2 GG als Recht auf Leben und Gesundheit Grundsätzlich ist es denkbar, Abwehr- und Beseitigungsansprüche gegen umweltbelastende Vorhaben auf den Schutz des Lebens und der Gesundheit nach Art. 2 Abs. 2 GG zu stützen. Voraussetzung ist jedoch eine durch diese Umweltbelastung hervorgerufene Gefährdung der Schutzgüter des Art. 2 Abs. 2 GG. 2 2 Allein von der Versiegelung einer Fläche gehen in der Regel keine negativen Folgen für Gesundheit oder Leben von Grundrechtsträgern aus.23 Der Schutzbereich des Art. 2 Abs. 1 GG ist daher nur in außergewöhnlich gelagerten Fällen eröffnet. 24 17 BVerwGE 54, 211 (221); Kloepfer, Michael: Zum Grundrecht auf Umweltschutz, in: Schriftenreihe der Berliner juristischen Gesellschaft, Heft 56, 1978 S. 28; Hoppe, Werner/ Beckmann. Martin/Kauch, Petra: Umweltrecht, § 4 Rn. 68 n.w.N. 18
Hoppe, Werner/Beckmann. Martin/Kauch, Petra: Umweltrecht, § 4 Rn. 71. Kloepfer, Michael: Zum Grundrecht auf Umweltschutz, in: Schriftenreihe der Berliner juristischen Gesellschaft, Heft 56, 1978 S. 27; Correli, Cathrin, in: Alternativkommentar, Art. 2 Abs. 2 Rn. 82 (Stand 2001); vgl. auch: BVerfGE 77, 170 (214,222 ff.). 20 Rupp, Hans Heinrich: Die Verfassungsrechtliche Seite des Umweltschutzes, in: JZ 1971, S. 402; Himmelmann, Steffen, in: Himmelmann, Steffen / Pohl, Andreas/TünnesenHarmes, Christian: Handbuch des Umweltrechts, A 1 Rn. 62 (Stand: Juni 1994). 21 Kloepfer, Michael: Zum Grundrecht auf Umweltschutz, in: Schriftenreihe der Berliner juristischen Gesellschaft, Heft 56, 1978 S. 27. 19
22 Correli, Cathrin, in: Alternativkommentar, Art. 2 Abs. 2 Rn. 84 (Stand 2001); vergleiche zu den Problemen der Kausalitätsfeststellung: BVerwG 54, 211 (223); Schmidt-Aßmann, Eberhard: Anwendungsprobleme des Art. 2 Abs. 2 im Immissionsschutzrecht, in: AöR: 106, S. 205 ff. 23 Die negativen Folgen, die über die pure Versiegelung der Fläche hinausgehen, wie beispielsweise der auf einer Straße stattfindende Verkehr und die daraus resultierenden Immissionen müssen hier außer Betracht bleiben.
§ 1 Der verfassungsrechtliche Rahmen des Bodenschutzes
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6. Die bodenschützende Wirkung des Art. 14 GG Die Versiegelung einer Fläche ist in aller Regel von negativen wirtschaftlichen Auswirkungen sowohl für das direkt betroffene Grundstück als auch für angrenzende Grundstücke begleitet. Daher stellt sich die Frage, in welchem Maße das durch Art. 14 GG garantierte Eigentum durch Flächenverbrauch tangiert wird. Auch wenn das Eigentum am Grundstück zu den von Art. 14 GG geschützten Rechten gehört, kann aus der Eröffnung des Schutzbereiches nicht geschlussfolgert werden, dass jegliche Flächenversiegelung den Eigentümer in seinen Rechten verletzt. Vielmehr ist zwischen direkter und indirekter Inanspruchnahme des Eigentums zu trennen. Eine direkte Inanspruchnahme des Eigentümers liegt dann vor, wenn das Grundstück selbst versiegelt werden soll. Dies betrifft öffentliche Vorhaben wie Straßen oder Schienenbau. Die Durchführung dieser Vorhaben gegen den Willen des Eigentümers setzt die Enteignung des Grundstücks nach Art. 14 Abs. 3 GG voraus. 25 Die Enteignung des Grundstücks zugunsten des Vorhabenträgers ist unabhängig vom Ausmaß der Betroffenheit nur unter den in Absatz 3 genannten Bedingungen zulässig.26 Daher stellt das Eigentum am Grundstück einer direkten Inanspruchnahme hohe aber nicht unüberwindliche Hürden entgegen. Zum zweiten sind Konstellationen denkbar, bei denen sich ein Eigentümer gegen die Versiegelung eines fremden Grundstückes wendet, oder die Entsiegelung dessen verlangt. Sein Eigentum ist in diesem Fall nur indirekt - beispielsweise in der Form eines erhöhten Wasserzuflusses oder eines Wertverlustes - betroffen. Eine derartige Beeinträchtigung kann infolge des Fehlens einer Güterbeschaffung nicht Enteignung, sondern nur eine Inhalts- und Schrankenbestimmung des Eigentums nach Art. 14 Abs. 2 GG sein. 27 Ein Eingriff in den Schutzbereich des Art. 14 GG ist in diesen Fällen nur gegeben, wenn dieser schwer und unerträglich betroffen ist. 28 Eine derartige schwere und unerträgliche Betroffenheit wurde von der 24
Zu denken wäre hier an die Gefahren des Hochwassers, bei deren rechtlicher Betrachtung jedoch das Problem besteht, dass ein Ursachenbezug zwischen Schaden und einer einzelnen Versiegelung zumeist nicht hergestellt werden kann. Anders stellt sich die Situation bei der Beplanung hoch wassergefährdeter Flächen dar. Vgl. dazu: Beyer, Stefanie: Amtspflichtwidrige Bauleitplanung in überschwemmungsgefährdeten Gebieten, in: NWVB12004, S. 49 ff. 2 5 Vergleiche: § 19 BFStrG; § 30 PBefG; § 22 AEG; § 44 WaStrG; § 9 d AtG. 26 Zur Enteignung: Depenheuer, Otto, in: v. Mangoldt, Hermann / Klein, Friedrich/Starck, Christian: Das Bonner Grundgesetz Band 1, Art. 14 Rn. 408 ff. 2 ? BVerfGE 104, S. 1 (10); 79, S. 174 (191 f.); Haas, Evelyn: Die Baulandumlegung Inhalts- und Schrankenbestimmung des Eigentums, in: NVwZ 2002, S. 274; Papier, HansJürgen: Eigentum in der Planung, in: Erbguth, Wilfried/Oebbecke, Janbernd/Rengeling, Hans-Werner/Schulte, Martin (Hrsg.): Planung, Festschrift für Werner Hoppe zum 70. Geburtstag, S. 213, 214 f.; Hendler, Reinhard: Zur Inhalts- und Schrankenbestimmung des Eigentums, in: Max-Emanuel Geis/Dieter Lorenz (Hrsg.): Staat Kirche Verwaltung, Festschrift für Hartmut Maurer, S. 128 ff. 2
« BVerwGE 61, S. 295 (303); BVerfGE 50, S. 282 (287).
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Teil 2: Das geltende Recht
Rechtsprechung bisher noch nie allein auf die durch die Versiegelung hervorgerufenen Beeinträchtigungen gestützt.29 Wenn dies doch erfolgen sollte, wäre zu überprüfen, ob der Eingriff verfassungsrechtlich gerechtfertigt ist. 30 Ebenfalls als Inhalts» und Schrankenbestimmung des Eigentums ist es zu betrachten, wenn der Eigentümer einer Versiegelung, beispielsweise durch das Denkmalschutzrecht, dazu verpflichtet wird, diese beizubehalten.31 Eine derartige Verpflichtung ist jedoch erst dann mit Art. 14 Abs. 2 GG nicht vereinbar, wenn es für den Eigentümer der Versiegelung keine Möglichkeit zur privatnützigen Verwendung gibt. 32 Aus diesem Grund vermag das Eigentumsrecht des Art. 14 Abs. 1 GG der Versiegelung eines fremden Grundstücks nur sehr selten entgegenzustehen und nur in noch selteneren Fällen das Entsiegelungsbegehren zu tragen.
7. Zwischenergebnis Abschließend ist festzustellen, dass der Schutz des Bodens vor Versiegelung im Grundgesetz keine herausragende Position innehat. Die Staatszielbestimmung des Art. 20 a GG schließt zwar den Schutz des Bodens von Versiegelung ein, jedoch sind daran nur wenige Rechtsfolgen geknüpft. Aus der Norm lässt sich keine unmittelbare Verpflichtung des Staates zum Schutz des Bodens entnehmen. Solange ein ökologischer Mindeststandard gewahrt bleibt, liegt der Umfang der Gesetzgebungsaktivitäten zum Schutz des Bodens im Ermessen des Gesetzgebers.33 Das verfassungsrechtliche Gewicht des Bodens wird auch durch die Grundrechte nicht wesentlich erhöht. Diesen ist gemein, dass sie der Versiegelung des Bodens bzw. der unterlassenen Entsiegelung nur sehr selten entgegenstehen. Grundrechte können daher nur in atypischen Fällen zum Schutz des Bodens instrumentalisiert werden.
II. Der grundgesetzliche Schutz des aktiven Bodenverbrauches 1. Ein Recht auf Versiegelung aus Art. 14 Abs. 1 GG Auch wenn die bauliche Nutzung eines Areals unter Umständen Grundrechte verletzt, so dient sie im Regelfall dem Eigentümer und ist Teil der Verwirklichung 29 Vergleiche etwa: BVerwGE 50, S. 282 (288); 47, S. 144 (154 f.); 32, S. 173 (178 f.). 30 Dazu statt vieler: Papier, Hans-Jürgen: Eigentum in der Planung, in: Erbguth, Wilfried/ Oebbecke, Janbernd/Rengeling, Hans-Werner/ Schulte, Martin (Hrsg.): Planung, Festschrift für Werner Hoppe zum 70. Geburtstag, S. 216, 218; Rozek, Jochen: Die Unterscheidung von Eigentumsbindung und Enteignung, S. 297 ff. 31 BVerfGE 100, S. 226 (239). 32 BVerfGE 100, S. 226 (243). 33 BVerfGE 104, S. 1 (11); Scholz, Rupert, in: Maunz, Theodor/Dürig, Günter: Grundgesetz Kommentar, Art. 20 a GG Rn. 47 ff. (Stand Juni 2002).
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seiner Freiheit. Daher stellt sich die Frage, ob und in welchem Ausmaß die Versiegelung des Bodens von den Grundrechten geschützt ist. Das Eigentum an Grund und Boden stellt in der Regel den wirtschaftlich wertvollsten Eigentumsgegenstand eines Menschen dar. 34 Der Wert eines Grundstücks ergibt sich im Wesentlichen aus seiner baulichen Nutzung bzw. der Hoffnung auf zukünftige bauliche Nutzbarkeit. Wenn die Bebaubarkeit eines Grundstücks dauerhaft ausgeschlossen wird, handelt es sich um eine schwerwiegende Beeinträchtigung der Interessen des Eigentümers. Sein Grundstück verliert einen Teil des Marktwerts. Sämtliche Ansätze des vorsorgenden Bodenschutzes beruhen darauf, dass die Versiegelung bisher unversiegelten Bodens beschränkt oder zumindest reguliert wird. Das Spektrum reicht von einem totalen Versiegelungsverbot in Naturschutzgebieten bis hin zur bloßen Ordnung der Versiegelung im Rahmen der Bauleitplanung. Ihnen allen ist jedoch gemein, dass die Freiheit des Grundstückseigentümers, sein Grundstück nach Belieben zu versiegeln, beschränkt wird. Daher stellt sich die Frage, welche Schranken Art. 14 Abs. 1 GG dem Schutz des Bodens vor Versiegelung setzt. Bezüglich der Enteignung eines Grundstücks aus Gründen des Bodenschutzes gilt das oben Gesagte sinngemäß,35 sie ist nur unter den Voraussetzungen des Art. 14 Abs. 3 GG zulässig. Dagegen stellt sich bei Regelungen, welche die bauliche Nutzbarkeit eines Grundstücks betreffen, die Frage, ob der Schutzbereich des Art. 14 Abs. 1 GG berührt ist. Nach Ansicht der Rechtsprechung und der in der Literatur herrschenden Meinung ist die Freiheit der baulichen Nutzung eines Grundstücks vom Schutzbereich des Art. 14 Abs. 1 GG umfasst. 36 Ein Teil der Literatur 37 widerspricht 34 Vgl.: Statistisches Bundesamt: Statistisches Jahrbuch für die Bundesrepublik Deutschland 2002, S. 637 Tabelle 24.5, das den Wert aller Bauten mit 8469,21 Mrd. € angibt. 35 Siehe oben Teil 2, § 11. 6. 36 BVerfGE 104, S. 1 (11); 35, S. 263 (276); BVerwGE 48, S. 271 (273); 45, S. 309 (324); 42, S. 115 (116); 2, S. 172 (174); BVerwG, in: DVB1. 1979, S. 67 (69); BGH, in: DVB1. 2001, S. 1619 (1621); BGHZ 88, S. 51 (59 f.); 67, S. 320 (326 f.); 65, S. 182 (186); 60, S. 112 (115); Papier, Hans-Jürgen, in: Maunz, Theodor/Dürig, Günter: Grundgesetz Kommentar, Art. 14 Rn. 57 ff. (Juni 2002); Leisner, Walter: Baufreiheit oder staatliche Baurechtverleihung?, in: DVB1. 1992, S. 1067; Leisner, Walter, in: Isensee, Josef/Kirchhof, Paul (Hrsg.): HbStR Band VI, § 149 Rn. 104; Huber, Peter M.: Rechtliche Grenzen von Planwertausgleich und städtebaulichen Verträgen, in: DÖV 1999, S. 174 f.; Badura, Peter: Möglichkeiten und Grenzen des Zivilrechts, in: AcP 176 (1976), S. 139 ff.; Just, Jan-Dirk, in: Hoppe, Werner/ Bönker, Christian/Grotefels, Susan: Öffentliches Baurecht, § 2 Rn. 55 f.; Grziwotz, Herbert: Baufreiheit und Schutzanspruch des Dritten angesichts einer Änderung der Sach- und Rechtslage, in: AöR 113, S. 232; Haas, Evelyn: Die Baulandumlegung - Inhalts- und Schrankenbestimmung des Eigentums, in: NVwZ 2002, S. 273, 276; Krebs, Walter, in: Schmidt-Aßmann, Eberhard (Hrsg.): Besonderes Verwaltungsrecht, 4. Abschnitt Rn. 27 ff.; Wendt, Rudolf, in: Sachs, Michael: Grundgesetz Kommentar, Art. 14 Rn. 45 f.; Papier, Hans-Jürgen: Eigentum in der Planung, in: Erbguth, Wilfried/Oebbecke, Janbernd/Rengeling, Hans-Werner/ Schulte, Martin (Hrsg.): Planung, Festschrift für Werner Hoppe zum 70. Geburtstag, S. 213, 220 f.; Christ, Josef: Die Umlegung als Instrument des privatnützigen Ausgleichs der Eigentümerinteressen, in: DVB1. 2002, S. 1524 f.; jeweils m. w. N.; vergleiche auch: BVerfGE 83, S. 201 (208 f.).
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dem, kann jedoch - bezüglich des Status quo - nicht überzeugen. Eine Beschränkung der Baufreiheit führt nicht zu einer Entziehung des Grundstückes, sondern regelt die Art und Weise der Nutzung, sie stellt nach Ansicht des Β VerfG 38 und der in der Literatur herrschenden Ansicht 39 eine Inhalts- und Schrankenbestimmung des Eigentums nach Art. 14 Abs. 1 S. 2 GG dar. Inhalts- und Schrankenbestimmungen des Eigentums sind zulässig, wenn sie die Institutsgarantie 40 des Art. 14 Abs. 1 GG nicht verletzen und durch hinreichende Gründe des Gemeinwohls gerechtfertigt sind. Zur Institutsgarantie kann bemerkt werden, dass die Baufreiheit nicht Teil des Kernbereiches ist. 41 Selbst einer weitgehenden Beseitigung der Baufreiheit und Überführung in eine öffentlich-rechtliche Nutzungsordnung stünde Art. 14 Abs. 1 GG nicht entgegen.42 Bezüglich der Rechtfertigung durch hinreichende Gründe des öffentlichen Wohls ist insbesondere an die oben genannten negativen ökologischen Folgen der Versiegelung, deren Gewicht infolge der Aufnahme des Art. 20 a in das Grundgesetz gestiegen ist, die erhöhte Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers bei der Behandlung von Eigentumsobjekten mit starkem Sozialbezug,43 sowie andere öffentliche oder private Interessen zu denken. Gegenstand der Abwägung sind aber auch die entgegenstehenden Interessen des Eigentümers, insbesondere die angemessene Berücksichtigung der grundsätzlichen Privatnützigkeit des Eigentums, der Verfügungsbefugnis und der Bedeutung des Eigentums für die freie Lebensführung. 44 Beschränkungen der baulichen Nutzung von Grundstücken sind daher grundsätzlich zulässige Inhalts- und Schrankenbestimmungen des Eigentums,45 auch wenn die Proportionalität gegebenenfalls 37 Schulte, Hans: Das Dogma Baufreiheit, in: DVB1. 1979, S. 133; Rittstieg, Helmut, in: Alternativkommentar, Art. 14/15 Rn. 98 (Stand 2001); angedeutet bei Bryde, Brun Otto, in: v. Münch, Ingo/Kunig, Philip, Grundgesetz-Kommentar Band 1, Art. 14 Rn. 14. 38 BVerfGE 25, 112 (115); 58, 300 (320); 100, 226 (239 ff.); 102,1 (15 f.). 39 Lege, Joachim: Zwangskontrakt und Güterdefinition, S. 73 ff.; Hendler, Reinhard: Zur Inhalts- und Schrankenbestimmung des Eigentums, in: Max-Emanuel Geis/Dieter Lorenz (Hrsg.): Staat Kirche Verwaltung, Festschrift für Hartmut Maurer, S. 128 ff. Papier, Hans-Jürgen: Eigentum in der Planung, in: Erbguth, Wilfried/Oebbecke, Janbernd /Rengeling, HansWerner/Schulte, Martin (Hrsg.): Planung, Festschrift für Werner Hoppe zum 70. Geburtstag, S. 215, 221. 40 Dazu: BVerfGE 24, 367 (389 f.); Stern, Klaus: Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland Band III/1, 1988, S. 827. Siehe dazu die vertiefte Darstellung unter Teil 3, § 3 II. 3. c) (1) (b) (aa). Schulte, Hans: Baufreiheit als Inhalt des Grundeigentums, in: Günter Brambring / Dieter. Medicus/Max Vogt (Hrsg.), Festschrift für Horst Hagen, S. 203 ff.; Schulte, Hans: Freiheit und Bindung des Eigentums im Bodenrecht, in: JZ 1984, S. 299 und 301; Schulte, Hans: Das Dogma Baufreiheit, in: DVB1. 1979, S. 139; Dähne, Harald: Die sogenannte Baufreiheit, in: JURA 2003, S. 456 ff. 43 BVerfGE 104, S. 1 (12); 102, S. 1 (17). 44 BVerfGE 102, S. 1 (15, 21 ff.); 50, S. 290 (339 ff.); 42, S. 263 (294 f.); 31, S. 229 (249); 26, S. 215 (222 f.); 24, S. 367 (389). 45 Vergleiche beispielsweise: BVerfGE 25, S. 112 (117); BVerwG, in: NJW 1985, S. 1354 (1356). 42
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durch Ausgleichszahlungen hergestellt werden muss. Ein vollständiger Entzug der Baufreiheit ist dann zulässig, wenn hinreichende Gründe dafür geltend gemacht werden können.
2. Ein Recht auf Bodennutzung aus Art. 2 Abs. 2 GG Ein Recht des Bürgers auf Versiegelung einer Fläche kann sich aus Art. 2 Abs. 2 GG ergeben. Wenn von der unversiegelten Räche Gefahren für Leib und Leben beispielsweise in Form einer chemischen Belastung46 - ausgehen, handelt es sich um einen Eingriff in Art. 2 Abs. 2 GG 4 7 bzw. im Falle einer Beeinträchtigung durch Private um eine Verletzung staatlicher Schutzpflichten. Ob die Fläche versiegelt werden muss, hängt vom konkret in Rede stehenden Ausmaß der gesundheitlichen Beeinträchtigung ab. Situationen, in denen die Versiegelung der Fläche die einzige Möglichkeit ist, der staatlichen Schutzpflicht nachzukommen, sind allerdings selten.48 Daher ergibt sich aus Art. 2 Abs. 2 GG nur in Sonderfällen ein Recht der Bürger auf Versiegelung einer Fläche.
3. Der Art. 5 Abs. 3 GG als Grundlage der Flächenversiegelung Die in Art. 5 Abs. 3 GG verankerte Kunstfreiheit schützt auch die Errichtung eines flächenversiegelnden Kunstwerkes. Jedoch spielt der kunstbedingte Flächenverbrauch nur eine geringe Rolle, da zum ersten nur wenige Kunstwerke die Inanspruchnahme bisher unversiegelter Fläche erfordern und zum zweiten andere Güter von Verfassungsrang, einschließlich des Art. 20 a GG, begrenzend wirken. 49 Daher ergibt sich aus Art. 5 Abs. 3 GG nur selten ein Recht zur Versiegelung.
4. Die Versiegelung von Flächen aufgrund von Art. 12 Abs. 1 GG Beschränkungen der Neuversiegelung von Flächen betreffen das Tätigkeitsspektrum einer Vielzahl von Berufen des Bauhaupt- und -nebengewerbes. Die Neuversiegelung von Rächen ist für diese Berufe jedoch nur ein Teil eines umfassenderen Berufsbildes, das auch Arbeiten an bereits errichteten Gebäuden einschließt. Daher 46
Vgl. § 5 Abs. 4 BBodSchV; dazu: Bichel, Christian: Bundesbodenschutzgesetz, BBodSchV Fn. 30. 47 Vergleiche allgemein zur Gefährdung durch Umweltbelastungen: Correli , Cathrin, in: Alternativkommentar, Art. 2 Abs. 2 Rn. 84, 100 (Stand 2001). 48 Relevant wird diese Möglichkeit nur bei Schadstoffen, die aus dem Boden nicht entfernt werden können. Im Regelfall sind andere Formen der Sanierung naheliegender. Vergleiche dazu: Bichel, Christian: Bundesbodenschutzgesetz, § 2 Rn. 35. 4 9 BVerwG in: NJW 1995, S. 2648 (2649).
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wirken den Bodenverbrauch begrenzende Normen lediglich als Berufsausübungsregelungen, die durch jede vernünftige Gemeinwohlerwägung 50, also im Regelfall auch durch die eingangs genannten ökologischen Motive, gerechtfertigt werden können. Aus dem Grundrecht des Art. 12 Abs. 1 GG ergibt sich daher kein Recht, zusätzliche Flächen zu versiegeln.
5. Die Verpflichtung zum Flächenverbrauch aufgrund des Sozialstaatsprinzips Wenn man in Übereinstimmung mit der allgemeinen Meinung 51 davon ausgeht, dass das Sozialstaatsprinzip den Staat dazu verpflichtet, dass er „Mindestvoraussetzungen für ein menschenwürdiges Dasein seiner Bürger schafft" 52 , liegt es nahe zu fragen, ob dies den Staat nicht dazu zwingt, beispielsweise Sozialwohnungen zu errichten und damit Fläche zu versiegeln. Einer derartigen Pflicht zur Errichtung von Sozialwohnungen steht jedoch entgegen, dass sich das Sozialstaatsprinzip primär an den Gesetzgeber wendet53 und sich ihm daher regelmäßig kein Gebot entnehmen lässt, soziale Leistungen in bestimmtem Umfang zu gewähren. 54 Ergänzend sei noch hinzugefügt, dass der Bau von Sozialwohnungen wohl kaum zu dem vom GG verfassungsrechtlich garantierten Mindeststandard zu zählen ist 5 5 und dass der Bau neuer Sozialwohnungen keineswegs zwangsläufig mit der Inanspruchnahme bisher unversiegelter Fläche verbunden sein muss.56 Gleiches gilt in Bezug auf die Einrichtungen der Daseinsvorsorge. Das Sozialstaatsprinzip verpflichtet den Staat dazu, die Versorgung mit lebensnotwendigen Gütern und Infrastrukturdienstleistungen sicherzustellen, 57 jedoch ist davon auszugehen, dass die so Ständige Rechtsprechung, seit: BVerfGE 7, S. 377 (405 f.); dazu: Tettinger, Petes in: Sachs, Michael: Grundgesetz Kommentar, Art. 12 Rn. 100 ff. 51 Ständige Rechtsprechung, seit: BVerfGE 1, S. 97 (105); Brockmeyer, Hans Bernhard, in: Schmidt-Bleibtreu, Bruno/Klein, Franz: Kommentar zum Grundgesetz, Art. 20 Rn. 44 a; Leibholz, Gerhard/Rink, Hans-Justus / Hesselberger, Dieter: Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland, Art. 20 Rn. 293 (Stand Juli 2001); alle m. w. N. 52 BVerfGE 82, S. 60 (80). 53 BVerfGE 33, S. 303 (331); Gröschner, Rolf, in: Dreier, Horst: Grundgesetz Kommentar Band II, Art. 20 Rn. 31; Schiek, Dagmaç in: Alternativkommentar, Art. 20 Abs. 1 - 3 V Rn. 71 ff. (Stand 2001). 54 BVerfGE 94, S. 241 (263); 82, S. 60 (80); Sachs, Michael: in: Sachs, Michael: Grundgesetz Kommentar, Art. 20 Rn. 47, 50. 55 Vergleiche die Aufzählungen der Kernelemente des Sozialstaatsprinzips von Gröschner, Rolf, in: Dreier, Horst: Grundgesetz Kommentar Band II, Art. 20 Rn. 36; Brockmeyer, Hans Bernhard, in: Schmidt-Bleibtreu, Bruno/Klein, Franz: Kommentar zum Grundgesetz, Art. 20 Rn. 45 ff.; a.A. im Hinblick auf Völkerrechtliche Verpflichtungen; Schiek, Dagmai; in: Aiternati vkommentar, Art. 20 Abs. 1 - 3 V Rn. 61 (Stand 2001). 56 Vergleiche die §§ 2 Abs. 1 Nr. 2 - 4 , 6 Nr. 9 des Gesetzes über die soziale Wohnraumförderung (Art. 1 des Gesetzes zur Reform des Wohnungsbaurechts, BGBl. I vom 19. 9. 2001 S. 2376) einerseits, aber auch §§ 2 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 andererseits.
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vorhandene Infrastruktur den Minimalanforderungen des Sozialstaatsprinzips gerecht wird und ein weiterer mit Flächenverbrauch verbundener Ausbau von Verfassung wegen nicht erforderlich ist.
6. Die Planungshoheit der Gemeinden Die kommunale Selbstverwaltung genießt in der Bundesrepublik Deutschland aufgrund der verfassungsrechtlichen Garantie des Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG eine vergleichsweise starke Position. Dies macht es unumgänglich zu klären, ob sich aus Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG ein Recht der Gemeinden auf freiflächeninanspruchnehmende Planung ergibt. 58 Bei der Beantwortung dieser Frage muss zwischen Situationen, in denen die Planungshoheit aller Gemeinden abstrakt eingeschränkt wird und Situationen, in denen der Gesetzgeber die Planungshoheit einer individuellen Gemeinde beschneidet, unterschieden werden.
a) Abstrakte Einschränkung Gegenstand der kommunalen Selbstverwaltungsgarantie sind alle Angelegenheiten, die ihren Ursprung in der örtlichen Gemeinschaft haben.59 Sowohl vorbereitender als auch verbindlicher Bebauungsplan behandeln die städtebauliche Ordnung des Gemeindegebiets,60 sie sind - nicht zuletzt aufgrund des Bezuges zu Gebietshoheit61 - stark lokal geprägt und unterfallen der Garantie des Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG. 6 2 Da jedoch Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG die kommunale Selbstverwaltung nur im Rahmen der Gesetze gewährleistet, stellt sich die Frage nach dem Umfang des Schutzes, der der Planungshoheit zukommt. Das Bundesverfassungsgericht betrachtet 57 BVerfGE 66, S. 248 (258) [Energieversorgung]; 45, S. 63 (78) [Wasserversorgung]; Schiek, Dagmai; in: Alternativkommentar, Art. 20 Abs. 1 - 3 V Rn. 92 (Stand 2001); Gröschner, Rolf, in: Dreier, Horst: Grundgesetz Kommentar Band II, Art. 20 Rn. 54. 58 Zum Begriff der Planungshoheit: BVerwGE 34, S. 301 (304). 59 BVerfGE 91, S. 228 (236); 79, S. 127 (152); 50, S. 195 (201); 8, S. 122 (134). 60 Vgl. § 2 Abs. 1 und § 5 Abs. 1 bzw. § 8 Abs. 1 S. 1 BauGB. 61 Oebbecke, Janbernd: Die verfassungsrechtlich gewährleistete Planungshoheit der Gemeinden, in: Erbguth, Wilfried/Oebbecke, Janbernd/Rengeling, Hans-Werner/ Schulte, Martin (Hrsg.): Planung, Festschrift für Werner Hoppe zum 70. Geburtstag, S. 245. 62 BVerfGE 56, S. 298 (317); OVG Münster, in: NuR 2001, S. 530 (531); Dreier, Horst, in: Dreier, Horst: Grundgesetz Kommentar Band II, Art. 28 Rn. 130; Widern, Bernd: Zur verfassungsrechtlichen Gewährleistung gemeindlicher Planungshoheit, S. 83 ff.; Stern, Klaus: Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland Band I, § 12 I I S. 413; Brand, Edmund /Sanden, Joachim: Verfassungsrechtliche Zulässigkeit neuer übergreifender Rechtsinstrumente zur Begrenzung des Flächen Verbrauchs, S. 65; vgl. auch die Entscheidung des Staatsgerichtshofes in RGZ 126, Anhang S. 14 (22).
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Art. 28 Abs. 2 GG als institutionelle Garantie 63 und verzichtet deswegen konsequent auf die Heranziehung des Übermaßverbotes, 64 sondern gewährleistet die kommunale Selbstverwaltung mittels eines Kernbereiches und eines weniger intensiv geschützten Randbereiches.65 Das der Planungshoheit zukommende Schutzniveau hängt demnach davon ab, ob sie in den Kernbereich der Selbstverwaltungsgarantie fällt 6 6 oder nicht. 67
63 BVerfGE 79, S. 127 (143); 1, S. 167 (174 f.); vergleiche auch die Nachweise bei Maurer, Hartmut: Verfassungsrechtliche Grundlagen der kommunalen Selbstverwaltung, in: DVB1. 1995, S. 1041 Fn. 37; kritisch: Ipsen, Jörn: Schutzbereich der Selbstverwaltungsgarantie und Einwirkungsmöglichkeiten des Gesetzgebers, in: ZG 1994, S. 195 ff. 64 Schock, Friedrich: Zur Situation der kommunalen Selbstverwaltung nach der RastedeEntscheidung des Bundesverfassungsgerichts, in: VerwArch Band 81 (1990), S. 32 f.; Ehlers, Dirk: Die verfassungsrechtliche Garantie der kommunalen Selbstverwaltung, in: Ehlers, Dirk /Krebs, Walter (Hrsg.): Grundfragen des Verwaltungsrechts und des Kommunalrechts, S. 68 ff.; Henneke, Hans-Günter: Kommunale Eigen Verantwortung bei zunehmender Normdichte, in: ZG 1994, 240; mit Abweichungen: BVerwGE 67, 321 (322 f.). 65 Dem folgend: Dreier, Horst, in: Dreier, Horst: Grundgesetz Kommentar Band II, Art. 28 Rn. 92, 115; Knemeyer, Franz-Ludwig /Wehr, Matthias: Die Garantie der kommunalen Selbstverwaltung nach Art. 28 Abs. 2 GG in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, in: VerwArch 92. Band (2001), S. 318, 332 ff.; Clemens, Thomas: Kommunale Selbstverwaltung und institutionelle Garantie: Neue verfassungsrechtliche Vorgaben durch das BVerfG, in: NVwZ 1990, S. 834 f.; mit Abweichungen: BVerwGE 67, 321 (322 f.). 66 Im Detail werden dazu verschiedene Ansichten vertreten. Zum Teil wird angenommen, dass sowohl Flächennutzungsplan als auch Bebauungsplan vom Kernbereich umfasst sind: Schmalholz, Michael: Zur rechtlichen Zulässigkeit handelbarer Flächenausweisungsrechte, in: ZUR 2002, S. 161; Widera, Bernd: Zur verfassungsrechtlichen Gewährleistung gemeindlicher Planungshoheit, S. 123 f. und 127; Stüer, Bernhard, in: Hoppenberg, Michael/de Witt, Siegfried: Handbuch des öffentlichen Baurechts, Β Rn. 57 ff. (Stand April 2000); Koch, Hans Joachim/Hendler, Reinhard: Baurecht, Raumordnungs- und Landesplanungsrecht, S. 157 Rn. 7; zum Teil wird der Kernbereich der Planungshoheit auf den Bebauungsplan beschränkt: Dreier, Horst, in: Dreier, Horst: Grundgesetz Kommentar Band II, Art. 28 Rn. 130; SchmidtAßmann, Eberhard: Kommunale Selbstverwaltung „nach Rastede", in: Franßen, Everhardt/ Redecker, Konrad/Schlichter Otto/Wilke, Dieter (Hrsg): Bürger - Richter - Staat, Festschrift für Horst Sendler, S. 134; Just, Jan-Dirk, in: Hoppe, Werner/Bönker, Christian / Grotefels, Susan: Öffentliches Baurecht, § 2 Rn. 35. 67 BVerfG, in: ZUR 2001, S. 404 (406); BVerfGE 79, S. 127 (146); VerfGH NW, in: NWVB1 1995, S. 126 (128); etwas unklar: BVerwGE 67, S. 321 (322 f.); siehe auch: Schoch, Friedrich: Der verfassungsrechtliche Schutz der kommunalen Selbstverwaltung, in: JURA 2001, S. 126, 130; Knemeyer, Franz-Ludwig /Wehr, Matthias: Die Garantie der kommunalen Selbstverwaltung nach Art. 28 Abs. 2 GG in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, in: VerwArch 92. Band (2001), S. 339; Schoch, Friedrich: Zur Situation der kommunalen Selbstverwaltung nach der Rastede-Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts, in: VerwArch Band 81 (1990), S. 29; Clemens, Thomas: Kommunale Selbstverwaltung und institutionelle Garantie: Neue verfassungsrechtliche Vorgaben durch das BVerfG, in: NVwZ 1990, S. 838; Spannowsky, Willy: Gewichtsverschiebung im Verhältnis zwischen der örtlichen Bauleitplanung und der überörtlichen Landes- und Raumplanung, in: DÖV 1997, S. 761; offengelassen von: BVerfGE 96, S. 1 (26); 76, S. 117 (118 f.); 56, S. 298 (312 f.); BVerfG DVB1. 1999, S. 697 (698); OVG Münster, NuR 2001, S. 530 (531 f.).
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I m Gegensatz dazu gehen Teile der Rechtsprechung 68 und der Literatur 6 9 davon aus, dass die Charakterisierung des Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG als institutionelle Garantie weder mit der Systematik des Grundgesetzes vereinbar 7 0 , noch vom Schutzumfang her angemessen sei 7 1 . Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG sei als subjektives Recht 7 2 grundrechtsähnlicher Struktur 7 3 vielmehr entsprechend des Prinzips der Verhältnismäßigkeit zu schützen. 74 Das Bundesverfassungsgericht stützt seine Darlegung i m Wesentlichen auf ein historisches Argument. Demnach sei es das Ziel des Grundgesetzgebers gewesen, die Regelung des Art. 127 W R V - die eine institutionelle Garantie darstellte 75 unverändert beizubehalten. 76 Bisweilen wird diesem Argument mit der Begründung widersprochen, dass es unzulässig sei, die historische Auslegung des Normtextes allein anhand der W R V durchzuführen und die vor dem GG entstandenen Länderverfassungen, welche gegen eine Ausgestaltung als institutionelle Garantie 68 BVerwG, in: NVwZ 2003, S. 1263 (1263 f.); NdsStGH NVwZ 1997, S. 58 (59). 69
Ehlers, Dirk: Die verfassungsrechtliche Garantie der kommunalen Selbstverwaltung, in: Ehlers, Dirk /Krebs, Walter (Hrsg.): Grundfragen des Verwaltungsrechts und des Kommunalrechts, S. 71; Maurer, Hartmut: Verfassungsrechtliche Grundlagen der kommunalen Selbstverwaltung, in: DVB1. 1995, S. 1037 jeweils m. w. N.; vgl. auch die Nachweise bei Widera, Bernd: Zur verfassungsrechtlichen Gewährleistung gemeindlicher Planungshoheit, 1985, S. 55 ff. 70 Maurer, Hartmut: Verfassungsrechtliche Grundlagen der kommunalen Selbstverwaltung, in: DVB1. 1995, S. 1041; Ehlers, Dirk: Die verfassungsrechtliche Garantie der kommunalen Selbstverwaltung, in: Ehlers, Dirk/Krebs, Walter (Hrsg.): Grundfragen des Verwaltungsrechts und des Kommunalrechts, S. 71; Waechter, Kay: Einrichtungsgarantien als dogmatische Fosilien, in: Die Verwaltung 29 (1996), S. 47 ff. 7
* NdsStGH, NVwZ 1997, S. 58 (59); Ehlers, Dirk: Die verfassungsrechtliche Garantie der kommunalen Selbstverwaltung, in: Ehlers, Dirk/Krebs, Walter (Hrsg.): Grundfragen des Verwaltungsrechts und des Kommunalrechts, S. 81 ff.; Ipsen, Jörn: Schutzbereich der Selbstverwaltungsgarantie und Einwirkungsmöglichkeiten des Gesetzgebers, in: ZG 1994, S. 196; a.A. bezüglich des Schutzumfangs: Clemens, Thomas: Kommunale Selbstverwaltung und institutionelle Garantie: Neue verfassungsrechtliche Vorgaben durch das BVerfG, in: NVwZ 1990, S. 835. 72 Maurer, Hartmut: Verfassungsrechtliche Grundlagen der kommunalen Selbstverwaltung, in: DVB1. 1995, S. 1042. 73 Oebbecke, Janbernd: Die verfassungsrechtlich gewährleistete Planungshoheit der Gemeinden, in: Erbguth, Wilfried/Oebbecke, Janbernd / Rengeling, Hans-Werner/ Schulte, Martin (Hrsg.): Planung, Festschrift für Werner Hoppe zum 70. Geburtstag, S. 242. 74
Oebbecke, Janbernd: Die verfassungsrechtlich gewährleistete Planungshoheit der Gemeinden, in: Erbguth, Wilfried/Oebbecke, Janbernd/Rengeling, Hans-Werner/ Schulte, Martin (Hrsg.): Planung, Festschrift für Werner Hoppe zum 70. Geburtstag, S. 242, 250 ff.; Koch, Hans Joachim/Hendler, Reinhard: Baurecht, Raumordnungs- und Landesplanungsrecht, S. 158 Rn. 8; vergleiche auch die Nachweise bei Schoch, Friedrich: Zur Situation der kommunalen Selbstverwaltung nach der Rastede-Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts, in: VerwArch Band 81 (1990), Rn. 39. 7 5 Staatsgerichtshof in RGZ 126, Anhang S. 17 (22 f.). 76 BVerfG 1, S. 167 (175); zustimmend: Widera, Bernd: Zur verfassungsrechtlichen Gewährleistung gemeindlicher Planungshoheit, S. 24 f.
Teil 2: Das geltende Recht
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sprächen, außer Acht zu lassen. 77 Dieser Kritik ist jedoch entgegenzuhalten, dass die Entstehungsgeschichte des Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG diesen Befund nicht zu bestätigen vermag. Sowohl der Zuständigkeitsausschuss 78 als auch der Hauptausschuss 79 nahmen ausdrücklich auf Art. 127 W R V Bezug. Auch die Ausgestaltung des Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG, die es vermeidet, den Gemeinden weitreichende Rechte zu geben und dadurch die Länder über das gebotene Maß hinaus zu verpflichten, 8 0 spricht in historischer Perspektive für den Charakter einer institutionellen Garantie. 81 Die Kritik an der Position des BVerfG wird des Weiteren darauf gestützt, dass dem Grundgesetz die Trennung der Garantie der kommunalen Selbstverwaltung in Kernbereich und Randbereich nicht zu entnehmen sei. 8 2 Angesichts der langjährigen und insoweit eindeutigen Ausformung der institutionellen Garantie durch Rechtsprechung 83 und Literatur 8 4 vermag dieser Einwand jedoch nicht zu überzeugen. Ein dritter Ansatz der Kritik fokussiert das unzureichende Schutzniveau, welches eine institutionelle Garantie gewährleistet. 85 Dieser Kritik ist insoweit zuzustimmen, als die alleinige Annahme eines Kernbereiches in der Tat lediglich einen 77 Maurer, Hartmut: Verfassungsrechtliche Grundlagen der kommunalen Selbstverwaltung, in: DVB1. 1995, S. 1039 v.a. Fn. 25; Kenntner, Markus: Zehn Jahre nach „Rastede", in: DÖV 1998, S. 703. 78 Vorschlag des Abgeordneten Dr. Horch am 29. 9. 1948 bzw. 8. 10. 1948 in: JÖR Band 1 (1951) S. 253. 79 Ausdrücklich der Abgeordnete Dr. Greve am 18. 11. 1948 in: JÖR Band 1 (1951) S. 256. 80
So die Bedenken des Vorsitzenden Abgeordneten Dr. v. Mangoldt am 14. 10. 1948 (JÖR Band 1 [1951] S. 254) bzw. die Einwände des Abgeordneten Dr. Dehler am 18. 11. 1948 (JÖR Bandi [1951] S. 256). 81 So auch Knemeyer, Franz-Ludwig /Wehr, Matthias: Die Garantie der kommunalen Selbstverwaltung nach Art. 28 Abs. 2 GG in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, in: VerwArch 92. Band (2001), S. 319 ff. und Clemens, Thomas: Kommunale Selbstverwaltung und institutionelle Garantie: Neue verfassungsrechtliche Vorgaben durch das BVerfG, in: NVwZ 1990, S. 835, der auf die verfassungsprozessuale Ausgestaltung verweist. 82 Ehlers, Dirk: Die verfassungsrechtliche Garantie der kommunalen Selbstverwaltung, in: Ehlers, Dirk/Krebs, Walter (Hrsg.): Grundfragen des Verwaltungsrechts und des Kommunalrechts, S. 81 m. w. N.; Ipsen, Jörn: Schutzbereich der Selbstverwaltungsgarantie und Einwirkungsmöglichkeiten des Gesetzgebers, in: ZG 1994, S. 197 f.; Waechter, Kay: Einrichtungsgarantien als dogmatische Fosilien, in: Die Verwaltung 29 (1996), S. 53. S3 BVerfGE 79, S. 127 (142); 76, S. 107 (108 f.); 56, S. 298 (312 ff.); 1, S. 167 (174 f.). 84 Vgl. die Nachweise bei Stern, Klaus: Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland Band I, § 12 II S. 408 f. 8 5 BVerwGE 67, S. 321 (323); NdsStGH, in: NVwZ 1997, S. 58 (59); Ehlers, Dirk: Die verfassungsrechtliche Garantie der kommunalen Selbstverwaltung, in: Ehlers, Dirk /Krebs, Walter (Hrsg.): Grundfragen des Verwaltungsrechts und des Kommunalrechts, S. 81 ff.; Maurer, Hartmut: Verfassungsrechtliche Grundlagen der kommunalen Selbstverwaltung, in: DVB1. 1995, S. 1041; Kenntner, Markus: Zehn Jahre nach „Rastede", in: DÖV 1998, S. 709.
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Minimalstandart zu schützen vermag. 8 6 Jedoch schützt das BVerfG seit der Rastede-Entscheidung auch dem Kernbereich vorgelagerte Aspekte der Selbstverwaltungsgarantie. 87 Angesichts dieses - dem von der Literatur propagierten Verhältnismäßigkeitsprinzip sehr ähnlichen 8 8 - Schutzes kann sich auch dieser Ansatz der Kritik nicht verfangen. 89 Schließlich ist zu bemerken, dass die systematische Stellung des Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG i m staatsorganisatorischen Teil des Grundgesetzes für die Ansicht des BVerfG spricht. 9 0 Die schlagkräftigeren Argumente sprechen daher für eine Charakterisierung des Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG als institutionelle Garantie. Angesichts dessen stellt sich die Frage, ob die Planungshoheit dem Kernbereich der kommunalen Selbstverwaltung zuzurechnen ist. Von dieser Zurechnung geht ein Teil der Literatur trotz entgegenstehender historischer Argumente unter Bezugnahme auf die enorme faktische Bedeutung 9 1 der Planungshoheit für die Gemeinden aus. 9 2 Dieser Ansicht wurde jedoch durch die Rastede-Entscheidung des BVerfG 9 3 der Boden entzogen. Demnach ist der Kernbereich der Selbstverwaltungsgarantie nicht durch einen bestimmten Aufgabenkreis - also auch nicht durch die Einbeziehung der Planungshoheit 94 - gekennzeichnet. 95 Diese Ansicht vermag
86 BVerfGE 79, S. 127 (148); vgl. BVerwG, in: ZUR 2001, S. 404 (406 f.). 87 BVerfGE 79, S. 127 (148 ff.). 88 Der VerfGH NW [NWVB195, S. 26 (128)] bezeichnet das materielle Aufgabenteilungsprinzip sogar als Verhältnismäßigkeitsprinzip. Ebenso das BVerfG selbst [BVerfG, in: ZUR 2001, S. 404 (406)]; ähnlich: Maurer, Hartmut: Verfassungsrechtliche Grundlagen der kommunalen Selbstverwaltung, in: DVB1. 1995, S. 1044; Spannowsky, Willy: Gewichtsverschiebung im Verhältnis zwischen der örtlichen Bauleitplanung und der überörtlichen Landes- und Raumplanung, in: DÖV 1997, S. 761; Kenntner, Markus: Zehn Jahre nach „Rastede", in: DÖV 1998, S. 709 ff. 89 Knemeyer, Franz-Ludwig /Wehr, Matthias: Die Garantie der kommunalen Selbstverwaltung nach Art. 28 Abs. 2 GG in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, in: VerwArch 92. Band (2001), S. 329. 90 Stern, Klaus: Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland Band I, § 12 I I S. 405; Widera, Bernd: Zur verfassungsrechtlichen Gewährleistung gemeindlicher Planungshoheit, 1985, S. 24; a.A. Maurer, Hartmut: Verfassungsrechtliche Grundlagen der kommunalen Selbstverwaltung, in: DVB1. 1995, S. 1041. 91 Widera, Bernd: Zur verfassungsrechtlichen Gewährleistung gemeindlicher Planungshoheit, S. 106 ff.; Angedeutet von: BVerfGE 56, 298 (312 f.). 92 Schmalholz, Michael: Zur rechtlichen Zulässigkeit handelbarer Flächenausweisungsrechte, in: ZUR 2002, S. 161; Widera, Bernd: Zur verfassungsrechtlichen Gewährleistung gemeindlicher Planungshoheit, S. 123 f. und 127; Stüer, Bernhard, in: Hoppenberg, Michael/ de Witt, Siegfried: Handbuch des öffentlichen Baurechts, Β Rn. 57 ff. (Stand April 2000); Dreier, Horst, in: Dreier, Horst: Grundgesetz Kommentar Band II, Art. 28 Rn. 130; SchmidtAßmann, Eberhard: Kommunale Selbstverwaltung „nach Rastede", in: Franßen, Everhardt/ Redecker, Konrad/Schlichter Otto/Wilke, Dieter (Hrsg.): Bürger - Richter - Staat, Festschrift für Horst Sendler, S. 134; Just, Jan-Dirk, in: Hoppe, Werner/ Β önker, Christian/Grotefels, Susan: Öffentliches Baurecht, § 2 Rn. 35 f. 93 BVerfGE 79, S. 127 ff. 4 Risch
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sich auch gegen die gelegentlich geäußerte K r i t i k 9 6 durchzusetzen, da sie in gebotener Weise die Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers gewährleistet 97 und damit auch der Intention des historischen Gesetzgebers Rechnung trägt. 9 8 Daher ist festzustellen, dass die Planungshoheit nicht in den Kernbereich der Selbstverwaltungsgarantie fällt, sondern vielmehr durch das materiell verstandene verfassungsrechtliche Aufgabenverteilungsprinzip 99 des Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG geschützt w i r d . 1 0 0 Entsprechend dieses Prinzips kann eine Aufgabe den Gemeinden nur aus Gründen des Gemeininteresses entzogen werden, 1 0 1 ein Entzug setzt eine Abwägungsentscheidung voraus. 1 0 2 I m Rahmen dieser Abwägung sind zum einen die für die Begrenzung der Planungshoheit sprechenden Argumente, insbesondere die - infolge des Art. 20 a GG Verfassungsrang genießenden - Belange
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Knemeyer, Franz-Ludwig/ Wehr, Matthias: Die Garantie der kommunalen Selbstverwaltung nach Art. 28 Abs. 2 GG in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, in: VerwArch 92. Band (2001), S. 339; Clemens, Thomas: Kommunale Selbstverwaltung und institutionelle Garantie: Neue verfassungsrechtliche Vorgaben durch das BVerfG, in: NVwZ 1990, S. 838; Schoch, Friedrich: Zur Situation der kommunalen Selbstverwaltung nach der Rastede-Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts, in: VerwArch Band 81 (1990), S. 42. 9 5 BVerfG, in: ZUR 2001, S. 404 (406 f.); BVerfGE 79, S. 127 (146). 96 Schmidt-Aßmann, Eberhard: Kommunale Selbstverwaltung „nach Rastede", in: Franßen, Everhardt/Redecker, Konrad/Schlichter Otto/Wilke, Dieter (Hrsg.): Bürger - Richter - Staat, Festschrift für Horst Sendler, S. 134. 97 Vgl. Ehlers, Dirk: Die verfassungsrechtliche Garantie der kommunalen Selbstverwaltung, in: Ehlers, Dirk /Krebs, Walter (Hrsg.): Grundfragen des Verwaltungsrechts und des Kommunalrechts, S. 86; Schoch, Friedrich: Zur Situation der kommunalen Selbstverwaltung nach der Rastede-Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts, in: VerwArch Band 81 (1990), S. 38; Clemens, Thomas: Kommunale Selbstverwaltung und institutionelle Garantie: Neue verfassungsrechtliche Vorgaben durch das BVerfG, in: NVwZ 1990, S. 841. 98 Vergleiche die Stellungnahme des Vorsitzenden Abgeordneten Dr. v. Mangoldt vom 14. 10. 1948 (JÖR Band 1 (1951) S. 254). 99
BVerfGE 91, S. 228 (239). Zustimmend: Schoch, Friedrich: Zur Situation der kommunalen Selbstverwaltung nach der Rastede-Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts, in: VerwArch Band 81 (1990), S. 28; Brand, Edmund/Sanden, Joachim: Verfassungsrechtliche Zulässigkeit neuer übergreifender Rechtsinstrumente zur Begrenzung des Flächen Verbrauchs, S. 78 ff. 101 BVerfGE 79, S. 127(153). 102 Das BVerfG vermied den Terminus Abwägungsentscheidung, führte sie aber der Sache nach und inzwischen auch offen durch. BVerfG, in: ZUR 2001, S. 404 (406 f.); dazu: NWVerfGH, in: NVwZ 2003, S. 202 (203); Ehlers, Dirk: Die verfassungsrechtliche Garantie der kommunalen Selbstverwaltung, in: Ehlers, Dirk/Krebs, Walter (Hrsg.): Grundfragen des Verwaltungsrechts und des Kommunalrechts, S. 82; Maurer, Hartmut: Verfassungsrechtliche Grundlagen der kommunalen Selbstverwaltung, in: DVB1. 1995, S. 1044 f.; der Sache nach auch: Clemens, Thomas: Kommunale Selbstverwaltung und institutionelle Garantie: Neue verfassungsrechtliche Vorgaben durch das BVerfG, in: NVwZ 1990, S. 839; Spannowsky, Willy: Gewichtsverschiebung im Verhältnis zwischen der örtlichen Bauleitplanung und der überörtlichen Landes- und Raumplanung, in: DÖV 1997, S. 761; zum gesamten Komplex: Heusch, Andreas: Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit im Staatsorganisationsrecht, passim, v.a. S. 184 ff. 100
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des quantitativen Bodenschutzes103 einzubeziehen. Bedacht werden muss auch, dass die - bei weiterer Verschärfung der Flächenverbrauchsproblematik wohl anzunehmende - Unfähigkeit der ordnungsgemäßen Aufgabenerfüllung durch die Kommunen, 104 nach Ansicht des BVerfG ein den Entzug einer Aufgabe rechtfertigendes Gemeininteresse darstellt. Auf der Gegenseite ist der hohe Wert zu bedenken, den der Grundgesetzgeber einer wirkungsvollen Selbstverwaltung beigemessen hat. 1 0 5 Ebenfalls zu berücksichtigen ist das Ausmaß des Entzuges der Planungshoheit; eine Verlagerung der auch jetzt schon stark überregional geprägten vorbereitenden Bauplanung ist unter geringeren Voraussetzungen zulässig als der Entzug des Rechtes der verbindlichen Bauleitplanung. Eine Begrenzung des Wachstums der bebauten Räche ist eher mit dem verfassungsrechtlichen Abgabenteilungsprinzip vereinbar als ein vollständiger Entzug der Planungshoheit. Abschließend ist daher festzustellen, dass Art. 28 Abs. 2 GG kein umfassendes Recht der Gemeinden auf freiflächeninanspruchnehmende Planungstätigkeit beinhaltet. Die sogenannte Planungshoheit kann vielmehr durch Gesetz geregelt und beschränkt werden, wobei das verfassungsrechtlich fundierte Prinzip der Aufgabenverteilung zu beachten ist.
b) Konkrete Regelungen Gegenstand der gerichtlichen Auseinandersetzung waren bisher in erster Linie Regelungen, welche die Planungshoheit einer konkreten Gemeinde betrafen. In diesen Fällen ist der - lediglich den institutionellen, nicht aber den individuellen Schutz regelnde - Kernbereich der Planungshoheit nicht betroffen. 106 Daher sind derartige Einschränkungen der Planungshoheit nur am verfassungsrechtlichen Aufgabenteilungsprinzip 107 bzw. nach alter Rechtsprechung am Verhältnismäßig103 Siehe dazu Teil 1, § 2 II.; vgl. BVerfG, in: ZUR 2001, S. 404 (407 f.). 104 BVerfGE 79, S. 127(153). 105 Schmidt-Aßmann, Eberhard: Kommunale Selbstverwaltung „nach Rastede", in: Franßen, Everhardt/ Redecker, Konrad/Schlichter Otto/Wilke, Dieter (Hrsg.): Bürger - Richter - Staat, Festschrift für Horst Sendler, S. 137; Clemens, Thomas: Kommunale Selbstverwaltung und institutionelle Garantie: Neue verfassungsrechtliche Vorgaben durch das BVerfG, in: NVwZ 1990, S. 840. 106 BVerfGE 76, S. 107 (119); VerfGH NW, in: NWVB1 1995, S. 126 (128); Widera, Bernd: Zur verfassungsrechtlichen Gewährleistung gemeindlicher Planungshoheit, S. 136; Schmidt-Aßmann, Eberhard: Kommunale Selbstverwaltung „nach Rastede", in: Franßen, Everhardt /Redecker, Konrad/ Schlichter Otto/Wilke, Dieter (Hrsg.): Bürger - Richter Staat, Festschrift für Horst Sendler, S. 137.
107 Dies nimmt Ehlers, Dirk: Die verfassungsrechtliche Garantie der kommunalen Selbstverwaltung, in: Ehlers, Dirk/Krebs, Walter (Hrsg.): Grundfragen des Verwaltungsrechts und des Kommunalrechts, S. 68 f. an. 4*
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keitsprinzip 108 zu messen. Bei der Abwägung gilt das oben Gesagte, wobei in diesen Fällen zu bedenken ist, dass die Gemeinden einer situationsbedingten Bindung unterliegen 109 und daher gegebenenfalls allein aufgrund ihrer räumlichen Lage weitreichende Einschränkungen ihrer Planungshoheit hinnehmen müssen.110
7. Kompetenz- und Verwaltungsnormen als Verpflichtung zur Bodenversiegelung Eine Vielzahl von Kompetenznormen begründet das Recht des Bundes bzw. der Länder, Gesetze zu erlassen, die flächen versiegelnde Maßnahmen regeln. 111 Aus der Nennung dieser Sachgebiete im Kompetenzkatalog des Grundgesetzes kann jedoch nicht geschlussfolgert werden, dass der Staat zur Durchführung der entsprechenden Versiegelungen verpflichtet sei, da Kompetenznormen weder Staatsziele noch Gesetzgebungsaufträge darstellen, sondern lediglich Handlungsmöglichkeiten eröffnen. 112 Aus den Gesetzgebungskompetenzen kann daher keine Verpflichtung abgeleitet werden, flächenversiegelnde Vorhaben zu betreiben oder auch nur zu dulden. Die in den Artikeln des VIII. Teils des Grundgesetzes niedergelegten Verwaltungskompetenzen113 in Verbindung mit dem Bundesstaatsprinzip verpflichten die Länder 114 dazu, zur Ausführung von Bundesgesetzes verwaltend tätig zu werden, 115 mithin also auch dazu, ihre Verwaltung nach Art, Umfang und Leistungsvermögen entsprechend den Anforderungen sachgerechter Erledigung auszugestal108 BVerfGE 95, S. 1 (26 f.); 76, S. 107 (119); 56, S. 298 (313). 109 BVerfGE 76, S. 107(123). no Vgl.: BVerfGE 95, S. 1 (26); BVerwG, in: NVwZ 2003, S. 1263 (1265). m Vgl. Art. 72 Abs. 2; Art. 73 Nr. 1, 6, 6a, 7, 10, Art. 74 I Nr. 10 a, 11, 11 a, 17, 18, 21, 22, 23, 24, Art. 75 Abs. 1 Nr. 3,4 GG. h 2 Rozek, Jochen, in: v. Mangoldt, Hermann / Klein, Friedrich/Starck, Christian: Das Bonner Grundgesetz Band 3, Art. 70 Rn. 44 ff.; Kunig, Philip, in: v. Münch, Ingo/Kunig, Philip: Grundgesetz-Kommentar Band 3, Art. 70 Rn. 4; Degenhart, Christoph, in: Sachs, Michael: Grundgesetz Kommentar, Art. 70 Rn. 59; Becker, Joachim: Materielle Wirkung von Kompetenz-, Organisations- und Zuständigkeitsregelungen des Grundgesetzes, in: DÖV 2002, S. 397 ff.; Zum Teilgebiet des Wehrwesens a.A.: BVerfGE 28, 243 (261); 69, 1 (21); Speziell zu Art. 74 Abs. 1 Nr. 11 a GG: Di Fabio, Udo: Der Ausstieg aus der wirtschaftlichen Nutzung der Kernenergie, S. 77 f.; Roßnagel, Alexandei; in: Rossnagel, Alexander/Roller, Gerhard, Die Beendigung der Kernenergienutzung durch Gesetz, S. 22; Schmidt-Preuß, Matthias: Rechtsfragen des Ausstiegs aus der Kernenergie, S. 56. 113 Vergleiche: Art. 83 ff., 95, 96, 108 Abs. 1 S. 2, Abs. 2 GG. 114
Der Bund ist zur Errichtung von Verwaltungsstrukturen nur verpflichtet, soweit sich dies, wie etwa in Art. 95 I GG, direkt aus dem Grundgesetz ergibt [Detterbeck, Steffen, in: Sachs, Michael: Grundgesetz Kommentar, Art. 95 Rn. 3]. us BVerfGE 37, S. 363 (385).
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ten. 116 Aus dieser Pflicht folgt jedoch nicht die Pflicht zur Errichtung zusätzlicher Verwaltungsgebäude, vielmehr ist angesichts der allgemein beklagten „Bürokratisierung" 117 davon auszugehen, dass die bestehende Verwaltung grundsätzlich ausreichend ist. Eine andere Beurteilung ist möglicherweise aufgrund der Art. 87 e Abs. 4 S. 1 und 87 f. Abs. 1 GG in den Sachgebieten Eisenbahnwesen und Telekommunikation angebracht. Die angesprochenen Normen verpflichten den Bund zum Ausbau und Erhalt des Schienennetzes bzw. erteilt einen Infrastruktursicherungsauftrag 118 bezüglich Post und Telekommunikation. Allerdings führen diese Verpflichtungen nicht zu einem gesteigerten Flächenverbrauch, da beide Staatszielbestimmungen119 verfassungsrechtlich lediglich eine - ausweislich des Art. 87 e Abs. 4 S. 2 bzw. 87 f. Abs. 1 1. HS GG vom Gesetzgeber mit weitem Einschätzungsspielraum 120 zu bestimmende - Grundversorgung garantieren. 121 Eine Verpflichtung zu fortschreitendem Flächenverbrauch ist den beiden Artikeln des Grundgesetzes daher nur in Ausnahmefällen zu entnehmen.122
8. Zwischenergebnis Auch bezüglich der „versiegelungsförderlichen" Regelungen hält sich das Grundgesetz mit Aussagen weitestgehend zurück. Im grundrechtlichen Bereich ist festzustellen, dass lediglich die in Art. 2 Abs. 2 und Art. 14 Abs. 1 GG verbrieften Grundrechte zu einem Recht auf Flächenversiegelung führen können. Während der Schutz von Leben und Gesundheit durch Versiegelung nur in wenigen Fällen eine Rolle spielt, ist das Eigentumsgrundrecht von hoher Relevanz. Bedeutsam sind dabei insbesondere die Hindernisse, die Art. 14 Abs. 1 GG einer Einschränkung der sogenannten Baufreiheit bereitet. Der Staat selbst wird durch das Grundgesetz nicht zur Durchführung bodenverbrauchender Maßnahmen verpflichtet. Weder aus dem Sozialstaatsprinzip noch aus 116 BVerfGE 55, S. 274 (318). 1 17 Vgl. z. B. die Programme zur Normenreduzierung in den Bundesländern Sachsen und Hessen; Henneke, Hans-Günter: Kommunale Eigenverantwortung bei zunehmender Normdichte, in: ZG 1994, S. 213. h 8 Dazu: Uerpmann, Robert, in: v. Münch, Ingo/Kunig, Philip: Grundgesetz-Kommentar Band 3, Art. 87 f. Rn. 7; Gersdorf, Hubertus, in: v. Mangoldt, Hermann/Klein, Friedrich/ Starck, Christian: Das Bonner Grundgesetz Band 3, Art. 87 f. Rn. 20; Windhorst, Kay, in: Sachs, Michael: Grundgesetz Kommentar, Art. 87 f. Rn. 8 m. w. N. 119 Gersdorf, Hubertus, in: v. Mangoldt, Hermann /Klein, Friedrich / Starck, Christian: Das Bonner Grundgesetz Band 3, Art. 87 e Rn. 73; Art. 87 f. Rn. 49. ι 2 0 Dazu: Gersdorf, Hubertus, in: v. Mangoldt, Hermann/Klein, Friedrich/Starck, Christian: Das Bonner Grundgesetz Band 3, Art. 87 e Rn. 74, 80; Art. 87 f. Rn. 50, 56. 121 Gersdorf, Hubertus, in: v. Mangoldt, Hermann/Klein, Friedrich/Starck, Christian: Das Bonner Grundgesetz Band 3, Art. 87 e Rn. 71; Art. 87 f. Rn. 42 f. 122 Die Herstellung gleichwertiger Infrastrukturbedingungen in den neuen Bundesländern ist unter Umständen ein Beispiel für die Notwenigkeit, Infrastruktur neu aufbauen zu müssen.
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Kompetenz und Verwaltungsnormen lässt sich eine Verpflichtung zur fortgesetzten Inanspruchnahme von Grund und Boden herleiten. Bedacht werden muss jedoch, dass aufgrund des Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG die Planungshoheit der Gemeinden zu gewährleisten ist. Die Planungshoheit fällt zwar nicht in den unveränderbaren Kernbereich der institutionellen Garantie, aber sie ist infolge des hohen Ranges, den der Grundgesetzgeber der kommunalen Selbstverwaltung eingeräumt hat, nicht ohne weiteres einschränkbar.
III. Der verfassungsrechtliche Schutz der vorhandenen Bebauung Ebenso wie der vorsorgende Bodenschutz an seine Grenzen stößt, kann auch der nachsorgende Bodenschutz nicht ohne jede Beschränkung agieren. Daher ist hier zu klären, in welchem Maße Grundrechte bzw. Normen des Staatsorganisationsrechts der Entsiegelung des Bodens entgegenstehen.
1. Der Bestandsschutz vorhandener Versiegelung nach Art. 14 GG Die bedeutendeste der Entsiegelung von Rächen entgegenstehenden Norm stellt zweifellos der die Interessen des Eigentümers der Versiegelung schützende Art. 14 GG dar. Schutzgegenstand des Eigentumsgrundrechts ist in erster Linie das Eigentum im überkommenen, bürgerlich-rechtlichen Sinn. 123 Dieses umfasst die eigentliche Versiegelung nicht als eigenständigen Schutzgegenstand, da eine Versiegelung - sei es in Gestalt eines Hauses oder einer Asphaltdecke - nicht sonderrechtsfähig, sondern nach § 94 Abs. 1 S. 1 BGB wesentlicher Bestandteil eines Grundstückes ist. Schutzgegenstand des Art. 14 GG ist daher allein das Grundstück, auf dem sich die Versiegelung befindet. 124 Verlangt nun der Staat vom Eigentümer eines Grundstückes die Beseitigung der darauf befindlichen Versiegelung, so kann dies in zwei Formen erfolgen. Zum einen ist es möglich, das Grundstück zu enteignen, um es anschließend zu entsiegeln. Diese Form der Entsiegelungsanordnung unterscheidet sich in ihren rechtlichen Auswirkungen nicht von dem Normalfall der Enteignung und soll daher hier 123 BVerfGE 83, S. 201, 208; Depenheuer, Otto, in: Mangoldt, Hermann/Klein, Friedrich/Starck, Christian: Das Bonner Grundgesetz Band 1, Art. 14 Rn. 113 ff.; kritisch: Mampel, Dietmar: Art. 14 GG fordert sein Recht, in: NJW 1999, S. 975 ff. 124 Zum Grundeigentum als Bestandteil des Eigentums: Depenheuer, Otto, in: Mangoldt, Hermann/Klein, Friedrich/Starck, Christian: Das Bonner Grundgesetz Band 1, Art. 14 Rn. 117 ff.; Papier, Hans-Jürgen, in: Maunz, Theodor/Dürig, Günter: Grundgesetz Kommentar, Art. 14 Rn. 55 ff. (Stand Juni 2002).
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nicht vertieft behandelt werden. 125 Hinzuweisen ist allein darauf, dass Art. 14 Abs. 3 GG sehr strenge Voraussetzungen an eine Enteignung aus bodenschützenden Gründen stellt und diese daher äußerst selten angewandt wird. Weitaus üblicher ist eine zweite Form der Beeinträchtigung des Eigentums, die das Eigentum am Grundstück beim Inhaber belässt und diesem lediglich die Beseitigung der Versiegelung aufgibt. 126 Derartige Einschränkungen führen nicht zu einer Veränderung der sachenrechtlichen Zuordnung, sind kein Güterbeschaffungsvorgang, wahren die formal weiterbestehende Position des Grundstückseigentümers und sind daher als Inhalts- und Schrankenbestimmung des Eigentums zu betrachten. 127 Inhalts- und Schrankenbestimmungen des Eigentums sind grundsätzlich zulässig und nicht ausgleichspflichtig. Unzulässig sind sie, wenn die Maßnahme die Institutsgarantie verletzt, sie nicht der Allgemeinheit dient, das Prinzip des Vertrauensschutzes missachtet oder unverhältnismäßig wäre und sich die Verhältnismäßigkeit auch nicht durch eine Ausgleichszahlung herstellen lässt. 128 Die Abgrenzung zwischen ausgleichspflichtiger und nicht ausgleichspflichtiger Inhalts- und Schrankenbestimmung kann nach allgemeiner Ansicht nicht abstrakt vorgenommen werden, sondern nur in Ansehung des Einzelfalles entschieden werden. 129 Für die hier in Rede stehende Inhalts- und Schrankenbestimmung des Eigentums durch Entsiegelungsanordnungen ist zu fragen, ob diese den genannten Voraussetzungen entspricht. Kein Hindernis für den nachsorgenden Bodenschutz stellt - jedenfalls unter der Voraussetzung, dass es nicht zu einer vollständigen Unmöglichkeit der baulichen Nutzung von Grundstücken kommt - die Institutsgarantie dar. Ebenso wenig vermag das Kriterium der Allgemeinwohlbindung einer Entsiegelung entgegenzustehen, da die hier angezielte Entsiegelung aus ökologischen Gründen primär der Allgemeinheit dient. Relevant ist daher allein das Verhältnismäßigkeitsprinzip und das darin aufgehende Prinzip des Vertrauensschutzes 130. Aus der Perspektive des Grundstückseigentümers ist zu bedenken, dass eine Entsiegelungsanordnung, 125 Siehe oben Teil 2, § 11. 6. 126 Vgl. § 179 BauGB, § 5 BBodSchG; siehe zu diesen auch: Teil 2, § 3 III. 127 Auch wenn in der Abgrenzung von Enteignung und Inhalts- und Schrankenbestimmung des Eigentums Unterschiede bestehen ist man sich im hier gefundenen Ergebnis einig. Vgl. nur: Depenheuer, Otto, in: Mangoldt, Hermann / Klein, Friedrich / Starck, Christian: Das Bonner Grundgesetz Band 1, Art. 14 Rn. 306; Sauden, Joachim, in: Sanden, Joachim/Schoeneck, Stefan: Bundes-Bodenschutzgesetz, § 5 Rn. 6 ff.; Hendler, Reinhard: Zur Inhalts- und Schrankenbestimmung des Eigentums, in: Max-Emanuel Geis/Dieter Lorenz (Hrsg.): Staat Kirche Verwaltung, Festschrift für Hartmut Maurer, S. 129 f.; Kischel, Uwe: Wann ist die Inhaltsbestimmung ausgleichspflichtig?, in: JZ 2003, S. 606 ff.; grundlegend: Rozek, Jochen: Die Unterscheidung von Eigentumsbindung und Enteignung, S. 135 ff.; Lege, Joachim: Zwangskontrakt und Güterdefinition, S. 73 ff.; a.A. Papier, Hans-Jürgen, in: Maunz, Theodor/Dürig, Günter: Grundgesetz Kommentar, Art. 14 Rn. 481 (Stand Juni 2002). 128 Depenheuer, Otto, in: Mangoldt, Hermann/Klein, Friedrich/Starck, Christian: Das Bonner Grundgesetz Band 1, Art. 14 Rn. 224 ff. 129 Depenheuer, Otto, in: Mangoldt, Hermann/Klein, Friedrich/Starck, Christian: Das Bonner Grundgesetz Band 1, Art. 14 Rn. 258 ff. 130 Rozek, Jochen: Die Unterscheidung von Eigentumsbindung und Enteignung, S. 36 ff.
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vor allem wenn sie eine bauliche Anlage betrifft, unter Umständen eine schwere Belastung für diesen darstellt. Insbesondere ist dabei auf die freiheitssichernde Funktion des Eigentums, 131 den möglicherweise gegebenen starken persönlichen Bezug, die Höhe der im Vertrauen auf den Fortbestand der Nutzungsmöglichkeit getätigten Investitionen und die Minderung der privatnützigen Verwendungsmöglichkeiten 132 einzugehen. Auf der Gegenseite ist zu bedenken, dass beachtliche und aufgrund von Art. 20 a GG grundrechtlichen Status genießende ökologische Belange, unter Umständen Aspekte des Grundrechtschutzes, sowie die Situationsgebundenheit des Grundstücks 133 für eine Entsiegelung sprechen. Exemplarisch für den hier notwendigen Ausgleich der divergierenden Interessen ist der als Ausfluss des Eigentumsgrundrechts zu betrachtende einfachrechtliche Bestandsschutz baulicher Anlagen. Demnach folgt aus Art. 14 GG das Recht, eine legal errichtete Versiegelung bzw. eine, die eine längere Zeit den gültigen Vorschriften entsprach, deren Nutzung nicht aufgegeben wurde, 134 zu erhalten und weiter zu nutzen. 135 Bei dem Bestandsschutz handelt es sich jedoch nicht um eine Grenze, welcher der Gesetzgeber bei der Inhalts- und Schrankenbestimmung des Eigentums unterliegt, vielmehr bildet dieser Topos eine Kategorie ab, in der generell davon auszugehen ist, dass die von Art. 14 GG geschützten Interessen des Eigentümers sich gegenüber gegenläufigen Belangen durchsetzen. 136 Zu einer anderen Beurteilung kann es nur kommen, wenn die Verhältnismäßigkeit entweder aufgrund zusätzlicher, für 131 Depenheuer, Otto, in: Mangoldt, Hermann / Klein, Friedrich /Starck, Christian: Das Bonner Grundgesetz Band 1, Art. 14 Rn. 11 ff. 132 Zu diesem, seiner Ansicht nach entscheidenden Kriterium: Papier, Hans-Jürgen: Eigentum in der Planung, in: Erbguth, Wilfried/Oebbecke, Janbernd / Rengeling, Hans-Werner/ Schulte, Martin (Hrsg.): Planung, Festschrift für Werner Hoppe zum 70. Geburtstag, S. 222. 133 Zu diesem nicht unumstrittenen Argument: Depenheuer, Otto, in: Mangoldt, Hermann/Klein, Friedrich/Starck, Christian: Das Bonner Grundgesetz Band 1, Art. 14 Rn. 289 ff.; Rozek, Jochen: Die Unterscheidung von Eigentumsbindung und Enteignung, S. 268 ff.; Papier, Hans-Jürgen, in: Maunz, Theodor/Dürig, Günter: Grundgesetz Kommentar, Art. 14 Rn. 385 ff. (Stand Juni 2002); kritisch: Kischel, Uwe: Wann ist die Inhaltsbestimmung ausgleichspflichtig?, in: JZ 2003, S. 608 f.; Bartelsperger, Richard: Die öffentlichrechtliche Eigentumsbeschränkung im situationsbedingten Gemeinschaftsinteresse, in: DVB1. 2003, S. 1473 ff. v.a. S. 1486. 134
Witt,
Zum Erlöschen des Bestandsschutzes: Kasten, Wolfgang, in: Hoppenburg, Michael/de (Hrsg.): Handbuch des öffentlichen Baurechts, A I Rn. 182 f. (Stand Dez.
Siegfried
2001).
135 Zum Bestandsschutz: BVerwGE 106, 228, 228; Just, Jan-Dirk, in: Hoppe, Werner/ Bönker, Christian/Grotefels, Susan: Öffentliches Baurecht, S. 59 ff.; Götze, Roman: Bestand und Wandel: Der passive Bestandsschutz im Baurecht auf dem Weg zu einem einfachrechtlichen Modell, in SächsVBl 2001, S. 257; jüngst: Lieder, Jan: Der Bestandsschutz im Baurecht, in: ThürVBl 2004, S. 53 ff. 136 Rozek, Jochen: Die Unterscheidung von Eigentumsbindung und Enteignung, S. 252; Götze, Roman: Bestand und Wandel: Der passive Bestandsschutz im Baurecht auf dem Weg zu einem einfachrechtlichen Modell, in: SächsVBl 2001, S 261; vgl. Nürnberger, Ulrich, in: Oerder, Michael / Nürnberger, Ulrich / Schönfeld, Thomas: Bundes-Bodenschutzgesetz, § 5 Rn. 10.
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die Entsiegelung sprechender Belange oder infolge von Ausgleichszahlungen und Überleitungsfristen gewahrt bleibt. 137 Abschließend kann daher festgestellt werden, dass das Eigentumsgrundrecht der Entsiegelung von im Eigentum von Grundrechtsträgern befindlichen Grundstücken wesentliche Hinderungsgründe in den Weg stellt. Die Entsiegelung eines Grundstücks kommt - von der nur begrenzt einsetzbaren Enteignung abgesehen - nur in Fällen in Betracht, in denen entweder eine aktive Nutzung nicht mehr stattfindet und der Bestandsschutz daher erloschen ist, oder soweit besonders schwerwiegende Argumente für eine Entsiegelung sprechen.
2. Andere Grundrechte Als weitere Grundrechte, die gegen eine Entsiegelung von Flächen ins Feld geführt werden könnten, kommen die Artikel 12 und 2 Abs. 2 GG in Betracht. Die Berufsfreiheit ist angesichts der Vielzahl von Berufen des Bauhaupt- und -nebengewerbes prinzipiell von einer Normierung der Entsiegelung betroffen. Jedoch handelt es sich bei dieser Betroffenheit - solange der Gesetzgeber nicht die vollständige Entsiegelung Deutschlands anordnet, was zweifellos eine objektive Berufszulassungsschranke darstellen würde - lediglich um eine Regelung der Berufsausübung. Diese kann durch Erwägungen des Gemeinwohls, also auch durch die hier angeführten ökologischen Belange, gerechtfertigt werden. Die Berufsfreiheit steht einer Entsiegelung daher nur im Extremfall entgegen. Vergleichbares gilt für ein aus Art. 2 Abs. 2 GG bzw. den grundrechtlichen Schutzpflichten abzuleitendes Recht auf Beibehaltung von Versiegelungen. Im Einzelfall kann es aus verfassungsunmittelbaren Gründen notwendig sein, eine Versiegelung beizubehalten, jedoch ist dieses Recht auf Fälle beschränkt, in denen eine Grundrechtsausübung ohne Eingreifen des Staates unmöglich sein würde. 138
3. Die kommunale Planungshoheit Eine forcierte Entsiegelung bislang versiegelter Flächen würde in erster Linie der kommunalen Planung unterfallende Flächen betreffen. Angesichts dessen stellt sich die Frage, ob die kommunale Planungshoheit dem nachsorgenden Bodenschutz nicht entgegensteht. Das von Art. 28 Abs. 2 GG garantierte Selbstverwaltungsrecht umfasst entsprechend dem oben Dargestellten die Planungshoheit der Kommunen nicht in seinem Kernbereich, sondern schützt sie lediglich im Rahmen 137
Skeptisch: Wendt, Rudolf, in: Sachs, Michael: Grundgesetz Kommentar, Art. 14 Rn. 125. 138 Vgl. § 5 Abs. 4 BBodSchV; zu Schutzpflichten statt aller: Sachs, Michael, in: Sachs, Michael: Grundgesetz Kommentar, vor Art. 1 Rn. 35 ff.
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Teil 2: Das geltende Recht
des materiell verstandenen verfassungsrechtlichen Aufgabenverteilungsprinzipes. 139 Demnach sind Normen, die die Entsiegelung des Bodens vorschreiben, ohne der Gemeinde angemessene Einflussmöglichkeiten einzuräumen, nur zulässig, wenn sie dieses Prinzip achten und eine Abwägung ergibt, dass die überwiegenden Argumente für diese Einschränkung der Planungshoheit sprechen. Für eine Einschränkung der kommunalen Planungshoheit sprechen die oben genannten ökologischen Belange bzw. die evtl. zukünftig zu diagnostizierende Unfähigkeit der Kommunen, diesen Belangen zur Durchsetzung zu verhelfen. 140 Gegen eine derartige Hochzonung des Planungsrechts kann geltend gemacht werden, dass das Grundgesetz der kommunalen Selbstverwaltung einen hohen Wert zugemessen hat, 1 4 1 der stark geschmälert werden würde, wenn Kommunen an Entscheidungen über die Entsiegelung ihres Gebietes nicht beteiligt würden. Hinzu kommt, dass Entsiegelungsanordnungen notwendigerweise parzellenscharf sein müssen und daher eher auf der Ebene des Bebauungsplanes als auf der des Flächennutzungsplanes eingreifen, was wiederum dem oben betonten besonderen lokalen Charakter der verbindlichen Bauleitplanung widersprechen würde. 142 Auf Grundlage dieser Argumente ist festzustellen, dass die Entscheidung über die Entsiegelung einer Fläche den Gemeinden nur dann genommen werden darf, wenn sie angemessen an den Entscheidungsprozessen beteiligt werden, die Wegnahme durch besondere Umstände gerechtfertigt ist oder in relativ geringem Umfang erfolgt. Im Ergebnis stehen der Entsiegelung von Flächen auch in Bezug auf die kommunale Planungshoheit wesentliche Belange entgegen.
4. Die Verwaltung des Staates Wie schon dargelegt wurde, sind Bund und Länder zur Bereitstellung einer gewissen (Verwaltungs-)Infrastruktur verpflichtet. 143 Die Erfüllung dieser Verpflichtung setzt zwar ein gewisses Maß an Gebäuden voraus, jedoch lassen sich aus diesen Normen keine konkreten Angaben für das bauliche Ausmaß entnehmen. Ein gewisses Einsparungspotential ist auch im Hinblick auf den Bodenverbrauch sicherlich zuzugeben, jedoch darf die Entsiegelung keinen Umfang annehmen, in dem die Funktionsfähigkeit der Gerichtsbarkeit und Verwaltung gefährdet wäre. 139 BVerfGE 91, S. 228 (239). Siehe dazu auch oben Teil 2, § 1 II. 7. a). 140 Siehe oben Teil 1, §2111. 2. 141 Schmidt-Aßmann, Eberhard: Kommunale Selbstverwaltung „nach Rastede", in: Franßen, Everhardt/Redecker, Konrad/Schlichter Otto/Wilke, Dieter (Hrsg.): Bürger - Richter - Staat, Festschrift für Horst Sendler, S. 122 ff. und 137; Clemens, Thomas: Kommunale Selbstverwaltung und institutionelle Garantie: Neue verfassungsrechtliche Vorgaben durch das BVerfG, in: NVwZ 1990, S. 840. 142 Just, Jan-Dirk, in: Hoppe, Werner/Bönker, Christian/Grotefels, Susan: Öffentliches Baurecht, § 2 Rn. 35 m. w. N.; siehe auch oben Teil 2, § 1 II. 7. a). 143 BVerfGE 55, S. 274 (318); siehe auch oben Teil 2, § 1 II. 7. b).
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5. Zwischenergebnis Im Ergebnis kann festgestellt werden, dass die Handlungsfreiheit des Gesetzgebers im nachsorgenden Bodenschutz wesentlich geringer ist als im vorsorgenden Bereich. Insbesondere die starke grundrechtliche Position des Eigentümers einer versiegelten Fläche macht es schwer, Flächen gegen den Willen ihres Eigentümers zu entsiegeln. Zusätzliche Hindernisse entstehen durch weitere Grundrechte, die von Art. 28 Abs. 2 GG geschützte kommunale Selbstverwaltung, die einer Entsiegelung zwar materiell nicht entgegensteht, sie aber von einer angemessenen Beteiligung der Kommunen abhängig macht, sowie durch die Verpflichtung des Staates, Verwaltungs- und Gerichtsstrukturen bereitzuhalten. Die Entsiegelung einer Fläche ist demnach nur möglich, wenn es sich entweder um eine private Versiegelung handelt, der kein Bestandschutz zukommt bzw. deren Bestandsschutz überwunden werden kann, oder sie sich im Eigentum der öffentlichen Hand befindet und von dieser nicht mehr benötigt wird.
IV· Bodenschützende Aspekte der Verfassung des Freistaates Sachsen Die Sächsische Verfassung nimmt in einer Vielzahl von Normen Bezug auf den Schutz des Bodens vor Versiegelung 144 bzw. dem Schutz entgegenstehende Argumente 145 . Unter diesen Normen nimmt die Staatszielbestimmung146 des Art. 10 SächsVerf. eine herausgehobene Stellung ein. Diese schließt den Boden ausdrücklich in die Schutzgüter ein 1 4 7 und verpflichtet - insoweit über den vergleichbaren Art. 20 a GG hinausgehend148 - nicht nur das Land, sondern „alle [ . . . ] im Land". Jedoch ergeben sich aus dieser Formulierung keine unmittelbaren Rechtspflichten einzelner. 149 Das im Absatz 3 des Art. 10 SächsVerf. anerkannte Recht auf Naturgenuss setzt zwar ein Mindestmaß an natürlicher und damit unversiegelter Umwelt 144 Art. 1, 10 Abs. 1 und 3,16 Abs. 1, 31 Abs. 1 und 2 S. 2 2. HS, 32 SächsVerf. 145 Art. 16 Abs. 1, 31 Abs. 1, 32, 82 Abs. 2, 84 SächsVerf. 146 Degenhart, Christoph, in: Degenhart, Christoph/Meissner, Claus (Hrsg.): Handbuch der Verfassung des Freistaates Sachsen, § 6 Rn. 22; Kunzmann, Bernd, in: Kunzmann, Bernd/Haas, Michael/Baumann-Hasske, Harald: Die Verfassung des Freistaates Sachsen, Art. 10 Rn. 3; Degenhart, Christoph, in: Stober, Rolf (Hrsg.): Handbuch des sächsischen Staats- und Verwaltungsrechts, § 2 Rn. 19. 147 Art. 10 Abs. 1 S. 2 SächsVerf. 148 Kunzmann, Bernd, in: Kunzmann, Bernd/Haas, Michael/Baumann-Hasske, Harald: Die Verfassung des Freistaates Sachsen, Art. 10 Rn. 21. 149 Degenhart, Christoph, in: Degenhart, Christoph/Meissner, Claus (Hrsg.): Handbuch der Verfassung des Freistaates Sachsen, § 6 Rn. 28; Degenhart, Christoph, in: Stober, Rolf (Hrsg.): Handbuch des sächsischen Staats- und Verwaltungsrechts, § 2 Rn. 21; Kunzmann, Bernd, in: Kunzmann, Bernd/Haas, Michael/Baumann-Hasske, Harald: Die Verfassung des Freistaates Sachsen, Art. 10 Rn. 6.
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Teil 2: Das geltende Recht
voraus. Allerdings handelt es sich um eine Staatszielbestimmung,150 aus der sich keine konkreten Konsequenzen ableiten lassen. Im Übrigen gilt das zu Art. 20 a GG Gesagte. Im grundrechtlichen Bereich kann aufgrund der beinahe wörtlichen Übernahme 1 5 1 des Grundgesetztextes durch die Sächsische Verfassung auf die obigen Ausführungen verwiesen werden. Die vom Wortlaut des Art. 14 Abs. 2 S. 2 GG abweichende Formulierung des Art. 31 Abs. 2 S. 2 2. HS SächsVerf. ist aufgrund des Art. 142 G G 1 5 2 dahingehend zu interpretieren, dass das Wohl der Allgemeinheit exemplarisch konkretisiert wurde. Eine ökologisch motivierte Einschränkung der Eigentumsfreiheit wäre mit Art. 142 GG nicht vereinbar. Des Weiteren ist die landesverfassungsrechtliche Garantie der kommunalen Selbstverwaltung der Art. 82 Abs. 2 und 84 SächsVerf. zu bedenken. Diese Norm wiederholt den Inhalt des Art. 28 Abs. 2 G G 1 5 3 und wird selbst vom SächsVerfGH unter Zugrundelegung der Rechtsprechung des BVerfG ausgelegt154, sodass sich bezüglich der Planungshoheit keine Abweichungen zum Grundgesetz ergeben. Abschließend kann festgestellt werden, dass der Inhalt der Verfassung des Freistaates Sachsen dem Grundgesetz in Hinblick auf den Bodenschutz weitgehend gleicht, jedoch in einzelnen Aspekten etwas umweltfreundlicher ausgestaltet ist. 1 5 5
V. Ergebnis der verfassungsrechtlichen Überlegungen In vorsorgender Hinsicht weist das Grundgesetz dem Gesetzgeber bei der Ausgestaltung des den Bodenverbrauch berührenden Rechtes einen weiten Gestaltungsspielraum zu. Grenzen sind diesem Gestaltungsspielraum auf der einen Seite durch die aus Art. 20 a bzw. Art. 2 Abs. 2 GG hergeleiteten Pflichten gezogen, einen ökologischen Minimalstandard zu gewährleisten. Diese Grenzen verwehren es dem Gesetzgeber, die Flächenversiegelung soweit zu fördern, dass die Grundlagen des menschlichen Lebens bedroht sind. Auf der anderen Seite ist es dem Gesetzgeber von Grundgesetz wegen nicht möglich, die Flächenversiegelung ohne weiteres stark zu begrenzen bzw. zu unterbinden. Die Grenzen werden diesbezüglich zum einen durch die so genannte Bauiso SächsVerfGH, in: LKV 1997, S. 251 (251). 15 1 ' Degenhart, Christoph, in: Stober, Rolf (Hrsg.): Handbuch des sächsischen Staats- und Verwaltungsrechts, § 2 Rn. 33. 152 Dazu: BVerfGE 36, 342 (366).
1 53 Degenhart, Christoph, in: Degenhart, Christoph /Meissner, Claus (Hrsg.): Handbuch der Verfassung des Freistaates Sachsen, § 14 Rn. 7 und 70. 154 SächsVerfGH, in: SächsVBl 1994, S. 281 (282 ff.); vergleiche dazu auch Meissner, Claus, in: Degenhart, Christoph/Meissner, Claus (Hrsg.): Handbuch der Verfassung des Freistaates Sachsen, § 14 Rn. 70 ff. v.a. Fn. 211, 212, 215, 219. 155 Beispielsweise Art. 1, 10 Abs. 1 S. 1, 31 Abs. 2 S. 2 2. HS Sächs Verf.
§ 1 Der verfassungsrechtliche Rahmen des Bodenschutzes
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freiheit gezogen, die zwar nicht in den Kernbereich der Institutsgarantie des Art. 14 GG fällt, aber eine Einschränkung der Freiheit, ein Grundstück baulich zu nutzen, nur dann zulässt, wenn diese - insbesondere angesichts der enormen wirtschaftlichen Bedeutung baulicher Tätigkeit - verhältnismäßig ist. Eine weitere Grenze gesetzgeberischen Spielraumes wird durch die institutionelle Garantie des Art. 28 Abs. 2 GG statuiert. Auch wenn die Planungshoheit der Gemeinden nicht vom Kernbereich der Garantie umfasst wird, setzt eine Einschränkung doch voraus, dass sie dem verfassungsrechtlichen Aufgabenteilungsprinzip gerecht wird. Andere Grundrechte, Staatsprinzipen und staatsorganisationsrechtliche Normen verlangen bzw. verbieten die Versiegelung von Rächen nur in Einzelfällen. Im Ergebnis erscheint daher eine vollständige Unterbindung der Versiegelung bislang unversiegelter Flächen nicht machbar. Insbesondere die entgegenstehenden Grundrechte stellen sicher, dass ein gewisses Maß an Versiegelung zulässig sein muss. In nachsorgender Hinsicht ist zu konstatieren, dass dem Spielraum des Gesetzgebers vergleichsweise enge Grenzen gesetzt sind. Die hier zu bedenkenden ökologischen Aspekte haben infolge der zumeist geringeren ökologischen Wertigkeit bereits versiegelter Flächen keine große argumentative Kraft. Im Gegensatz dazu sind die Belange, die für den Erhalt einer Versiegelung sprechen, im Regelfall durchdringender. Begrenzende Wirkung kommt dabei vor allem dem Eigentumsgrundrecht des Art. 14 GG zu. Demnach ist die Anordnung der Entsiegelung eines Grundstück nur möglich, wenn entweder die Belange des Eigentümers infolge der vorangegangenen Aufgabe der Nutzung von geringem Gewicht sind, oder wenn wesentliche andere Aspekte des Gemeinwohls - wie beispielsweise der Hochwasserschutz - die Entsiegelung notwendig machen. Hinzu kommt, dass Eingriffe in bestehende Bausubstanz in vielen Fällen nur zulässig sind, wenn eine Entschädigung bzw. ein Ausgleich gezahlt wird. Ein zweiter Aspekt, der der Entsiegelung entgegensteht, ist darin zu sehen, dass der Staat eine hinreichende Verwaltungsstruktur zur Verfügung stellen muss. Im Ergebnis ist daher festzustellen, dass die Forderung nach einer möglichst umfassenden Entsiegelung der Fläche vor dem Maßstab des Verfassungsrechts nicht zu bestehen vermag. Die Entsiegelung des Bodens kommt grundsätzlich nur in Randbereichen in Betracht. Die Sächsische Verfassung bestätigt das Ergebnis jeweils.
VI. Schlussfolgerung Der oben entwickelte Begriff der prinzipiellen juristischen Eignung erhält im Ergebnis der verfassungsrechtlichen Überlegungen deutliche Konturen. Festzustellen ist demnach, dass eine rechtliche Begrenzung der Inanspruchnahme bislang unversiegelten Bodens in relativ umfassendem Maße möglich ist. Grenzen bestehen allein in Bezug auf die angemessene Berücksichtigung der entgegenstehenden Argumente, die es notwendig machen, Versiegelungen in begrenztem Umfang zu-
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Teil 2: Das geltende Recht
zulassen. Ein Schutz des Bodens in rechtlich bestmöglicher Weise kann daher nie zu einem totalen Verbot der Neuversiegelung führen. In nachsorgender Hinsicht kann es infolge der Vorgaben des Grundgesetzes nicht darum gehen, jegliche Flächenversiegelung zu beseitigen. Rechtlich mögliches Optimum ist vielmehr eine Regelung, die alle bei Wahrung der Verhältnismäßigkeit entsiegelbaren Flächen einbezieht. Dies betrifft in erster Linie Areale, die nicht mehr genutzt werden und solche, die aufgrund anderer ökologischer Faktoren einer erhöhten Sozialbindung unterliegen.
§ 2 Der vorsorgende Bodenschutz I. Zum Vorgehen Eine Untersuchung des vorsorgend wirksamen Bodenschutzrechts ist begriffsnotwendig in die Zukunft gerichtet. Sie hinterfragt das geltende Recht, um zu ermitteln, in welchem Maß bislang unversiegelter Boden vor zukünftiger Versiegelung geschützt wird, bzw. im welchem Umfang Aspekte des Bodenschutzes in Entscheidungen Eingang finden, die primär der Durchführung bodenverbrauchender Maßnahmen dienen. Diese zukunftsgewandte Perspektive legt nahe, zunächst zu fragen, welche Areale der Versiegelung überhaupt zur Verfügung stehen und in welchen eine Versiegelung rechtlich nicht möglich ist. Daher wird die Untersuchung mit der Darstellung der Normen eröffnet, die die Ausweisung von Bodenschutzgebieten ermöglichen. Anschließend gilt es, die Normen zu thematisieren, die sich dem Problem der Flächenversiegelung von der planerischen Seite nähern. Eine dritte Gruppe bodenschützender Normen beinhaltet gesetzliche Regelungen, die konkrete, gleichsam quadratmeterscharfe Regelungen treffen. Dazu gehören in erster Linie Verhaltenspflichten, aber auch die kompensatorisch wirkende naturschutzrechtliche Eingriffsregelung. Der Abschnitt schließt mit einer zusammenfassenden Darstellung der Normen des vorsorgenden Bodenschutzes und einer Bewertung der vorliegenden Defizite.
II. Bodenschutzgebiete Unter einem Bodenschutzgebiet soll im Folgenden eine Fläche verstanden werden, deren Versiegelung durch das Recht unmöglich oder von einer besonderen Rechtfertigung abhängig gemacht wird. Hier stellt sich die Frage, ob das Recht derartige Bodenschutzgebiete156 kennt und welches Maß an Schutz sie gewähren. 156
Allgemein zu den Schutzgebieten des BNatSchG: Soell, Herrmann: Schutzgebiete, in: NuR 1993, S. 301 ff.; Morgenthaler, Gerd: Der Schutz der Landschaft im Wandel, in: DÖV 1999, S. 766 ff.; Gassner, Erich: Das Recht der Landschaft, S. 191 ff.
§ 2 Der vorsorgende Bodenschutz
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Zur Beantwortung sollen die einzelnen Schutzgebietstypen im Folgenden vorgestellt, in ihren Ausweisungsvoraussetzungen und ihren Rechtsfolgen dargestellt sowie im Rahmen einer abschließenden Würdigung auf ihre Defizite hin untersucht werden.
1. Das Naturschutzgebiet (§ 23 BNatSchG, § 16 SächsNatSchG) Das Naturschutzgebiet ist die traditionsreichste 157 und ranghöchste Schutzkategorie 158 des deutschen Naturschutzrechts. Die Unterschutzstellung eines Areals nach § 23 BNatSchG setzt voraus, dass die Schutzziele betroffen sind und Natur und Landschaft in diesem Gebiet sowohl schutzwürdig als auch schutzbedürftig sind. Die Schutzziele des § 23 Abs. 1 Nr. 1 bis 3 BNatSchG schließen den Schutz des Bodens vor Versiegelung nicht ein und machen daher die Ausweisung eines allein bodenschützenden Naturschutzgebietes aufgrund der abschließenden Aufzählung der Schutzzwecke159 unzulässig. Jedoch kann der Schutz des Bodens ein mittelbar zu verfolgendes Ziel sein. 160 Schutzwürdig ist eine Fläche dann, wenn Bestandsaufnahme und Bewertung eine Unterschutzstellung vernünftigerweise als geboten erscheinen lassen und die Fläche zumindest eine naturnahe Kulturlandschaft ist. 1 6 1 Infolge der Betonung des Entwicklungsgedankens im Rahmen der Novellierung des Naturschutzgesetzes ist es zukünftig möglich, 162 Flächen als Naturschutzgebiet auszuweisen, die zur Zeit noch nicht schutzwürdig sind, deren Entwicklung hin zur Schutzwürdigkeit jedoch angestrebt wird. 1 6 3 Allerdings führt 157 Zur historischen Entwicklung: Morgenthaler, Gerd: Der Schutz der Landschaft im Wandel, in: DÖV 1999, S. 769 ff.; Meßerschmidt, Klaus: Bundesnaturschutzrecht, § 23 Rn. 3 ff. (Stand Feb. 2004). 158 Meßerschmidt, Klaus: Bundesnaturschutzrecht, § 23 Rn. 1 (Stand Feb. 2004); Gassner, Erich: Das Recht der Landschaft, S. 208.
159 Meßerschmidt, Klaus: Bundesnaturschutzrecht § 23 Rn. 38, 54 (Stand Feb. 2004); Schmidt-Räntsch, Jürgen, in: Gassner, Erich /Bendomir-Kahlo, Gabriele / Schmidt-Räntsch, Jürgen: Bundesnaturschutzgesetz, § 23 Rn. 21; Kolodziejcok, Karl-Günther, in: Kolodziejcok, Karl-Günther/Recken, Josef/Apfelbacher, Dieter/Iven, Klaus: Naturschutz Landespflege, § 23 Rn. 13 (Stand Sep. 2003). 160 Meßerschmidt, Klaus: Bundesnaturschutzrecht, § 23 Rn. 54 (Stand Feb. 2004); vgl. Kauch, Petra: Bodenschutz aus bundesrechtlicher Sicht, S. 43 ff. 161 OVG Schleswig, in: NuR 1996 S. 633 (633); VGH München, 9 Ν 94 2711, Beschluss vom 15. 5. 1997; dazu: Meßerschmidt, Klaus: Bundesnaturschutzrecht, § 23 Rn. 56 ff. (Stand Feb. 2004); OVG Nds, in: NdsVBl 2004, S. 15 (16). 162 Eine Pflicht der Landesgesetzgeber zur Nutzung dieser Möglichkeit besteht nach Ansicht von Meves nicht [Meves, Nicolas: Landesrechtliche Spielräume bei der Umsetzung der Naturschutzrechts-Novelle, in: Oldiges, Martin (Hrsg.): Perspektiven des Naturschutzes, S. 32]. 163 Louis, Hans Walter: Das Gesetz zur Neuregelung des Rechts des Naturschutzes und der Landschaftspflege (BNatSchG NeuregG), in: NuR 2002, S. 388; Meßerschmidt, Klaus: Bundesnaturschutzrecht, § 23 Rn. 30 (Stand Feb. 2004); Rehbinder, Eckard: Wege zum
Teil 2: Das geltende Recht diese gesetzgeberische Reaktion auf das Urteil des BVerwG zum Nationalpark Elbtalaue 1 6 4 nicht zur voraussetzungslosen Ausweisung von Naturschutzgebieten und zur Schaffung einer künstlichen N a t u r , 1 6 5 vielmehr setzt auch ein Entwicklungsnationalpark ein Mindestmaß an natürlicher Ausstattung, oder aber einen tragfähigen Grund der Entwicklung voraus. 1 6 6 Dieser kann sich beispielsweise daraus ergeben, dass ein Naturschutzgebiet als Teil eines neu zu entwickelnden Biotopverbundes ausgewiesen werden s o l l . 1 6 7 Schutzbedürftigkeit bedeutet, dass die gesetzlichen Schutzgüter ohne Festsetzung des Naturschutzgebietes abstrakt gefährdet w ä r e n , 1 6 8 bzw. die Erreichung des Entwicklungs- oder Wiederherstellungszieles sonst unmöglich wäre. Die Rechtsfolgen der Festsetzung eines Gebietes als Naturschutzgebiet hängt vom Inhalt der Schutzgebietsverordnung a b . 1 6 9 Diese hat aufgrund des § 23 Abs. 2 S. 1 BNatSchG die Zerstörung, Beschädigung oder Veränderung des Gebietes zu untersagen. 170 I m Regelfall schließt dies ein Verbot der Errichtung baulicher wirksamen Naturschutz - Aufgaben, Ziele und Instrumente des Naturschutzes, in: NuR 2001, S. 365; kritisch: Meßerschmidt, Klaus: Wiedervorlage oder Innovation? Zum Entwurf einer Gesamtnovellierung des Bundesnaturschutzgesetzes vom 2. Februar 2001, in: ZfU 2001, S. 245. 164 BVerwG, in: DVB1. 2000, S. 190 (190 ff.). 1 65 Dies befürchtet: Meßerschmidt, Klaus: Wiedervorlage oder Innovation? Zum Entwurf einer Gesamtnovellierung des Bundesnaturschutzgesetzes vom 2. Februar 2001, in: ZfU 2001, S. 245 f.; Meßerschmidt, Klaus: Bundesnaturschutzrecht, § 23 Rn. 30 (Stand Feb. 2004); a. Α. Rehbinder, Eckard: Wege zu einem wirksamen Naturschutz - Aufgaben, Ziele und Instrumente des Naturschutzes, in: NuR 2001, S. 365. 1 66 Rehbinder, Eckard: Wege zu einem wirksamen Naturschutz - Aufgaben, Ziele und Instrumente des Naturschutzes, in: NuR 2001, S. 365; Gellermann, Martin: Das modernisierte Naturschutzrecht, in: NVwZ 2002, S. 1031; Gellermann, Martin, in: Landmann, Robert von/ Rohmer, Gustav: Umweltrecht, 11, § 1 BNatSchG, Rn. 16 (Stand Aug. 2002); Kolodziejcok, Karl-Günther, in: Kolodziejcok, Karl-Günther/Recken, Josef/Apfelbacher, Dieter/Iven, Klaus: Naturschutz Landespflege, § 22 Rn. 25 (Stand Sep. 2003); zurückhaltender: Meßerschmidt, Klaus: Bundesnaturschutzrecht, § 23 Rn. 30 (Stand Feb. 2004). 1 67 Louis, Hans Walter: Rechtliche Anforderungen an einen Biotopverbund, in: Oldiges, Martin (Hrsg.): Perspektiven des Naturschutzes, S. 99 ff.; vgl. dazu bereits: Gassner, Erich: Das Recht der Landschaft, S. 212; zu den Einzelheiten: Dietrich, Björn: Der Biotopverbund - mögliche Instrumente der Ausweisung und Sicherung, in: UPR 2004, S. 168 ff. 168 BVerwG, in: NVwZ RR 1998, S. 225 (226); BVerwG, in: NuR 1989, S. 37 (38); OVG Nds, in: NdsVBl 2004, S. 15 (16 f.); VGH München, in: NVwZ RR 2002, S. 106 (107 f.); OVG Lüneburg, in: NVwZ RR 2002, S. 423 (424 ff.); VGH München, in: NuR 2001, S. 519 (520); Meßerschmidt, Klaus: Bundesnaturschutzrecht, § 23 Rn. 59 f. (Stand Feb. 2004); Soell, Herrmann: Schutzgebiete, in: NuR 1993, S. 304. 169 Meßerschmidt, Klaus: Bundesnaturschutzrecht, § 23 Rn. 71 ff. (Stand Feb. 2004); allgemein zu den an das Schutzregime zu stellenden Anforderungen: Louis, Hans Walter: Wirksamkeitsvoraussetzungen und Regelungsinhalt naturschutzrechtlicher Verordnungen, in: DVB1.1990, S. 803 f. 1 70 Gassner, Erich: Das Recht der Landschaft, S. 209 f.; Gellermann, Martin, in: Landmann, Robert von/Rohmer, Gustav: Umweltrecht, 11, § 23 BNatSchG, Rn. 14 f. (Stand Mai 2003).
§ 2 Der vorsorgende Bodenschutz
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A n l a g e n 1 7 1 , der Anlage von Wegen und Straßen 1 7 2 ein und unterbindet damit nahezu jegliche Form der Flächenversiegelung. 173 Jedoch kann die Schutzgebietsverordnung Befreiungen vorsehen, die in Extremfällen den flächenschützenden Effekt eines Naturschutzgebietes wesentlich mindern k ö n n e n . 1 7 4 Hinzu treten die speziellen Probleme der in geltendes Recht übergeleiteten D D R Schutzgebiete, deren Schutz vor Versiegelung i m Regelfall gering i s t . 1 7 5
2. Der Nationalpark (§ 24 BNatSchG, § 17 SächsNatSchG) Einen der Wirkung nach vergleichbaren Schutz des Bodens vor Versiegelung gewährt die Festsetzung eines Areals als Nationalpark i m Sinne des § 24 BNatSchG. Voraussetzungen der Festsetzung sind die großräumige Ausdehnung, die besondere Eigenart des Gebietes, welches zum überwiegenden Teil die Voraussetzungen des § 23 BNatSchG erfüllt, sowie der von Menschen nicht oder gering beeinflusste Zustand, bzw. nach § 24 Abs. 1 Nr. 3 2. HS BNatSchG die Möglichkeit, einen ökologisch vorteilhaften Zustand zu entwickeln. 1 7 6 Seit 171 Beispielsweise: Verordnung des Regierungspräsidiums Chemnitz zur Festsetzung des Naturschutzgebietes „Syrau - Kauschwitzer Heide" von 16. Juli 1999, in: SächsABl. 1999 S. 665, § 4 Abs. 2 Nr. 1; Verordnung des Regierungspräsidiums Dresden zur Festsetzung des Naturschutzgebietes „Moorwald am Pechfluß bei Meidingen" vom 15. Juli 1999, in: SächsABl 1999, S. 705, § 4 Abs. Nr. 1; BVerwG, in: NVwZ 1986, S. 639 (639); OVG Münster, in: NVwZ RR, 2000, S. 210 (211); Schmidt-Räntsch, Jürgen, in: Gassner, Erich/ Bendomir-Kahlo, Gabriele / Schmidt-Räntsch, Jürgen: Bundesnaturschutzgesetz, § 23 Rn. 25. 172
Beispielsweise: Verordnung des Regierungspräsidiums Chemnitz zur Festsetzung des Naturschutzgebietes „Syrau - Kauschwitzer Heide" von 16. Juli 1999, in: SächsABl. 1999 S. 665, § 4 Abs. 2 Nr. 2; Verordnung des Regierungspräsidiums Dresden zur Festsetzung des Naturschutzgebietes „Moorwald am Pechfluß bei Meidingen" vom 15. Juli 1999, in: SächsAbl. 1999 S. 705, § 4 Abs. 2 Nr. 2; vgl. auch: VGH Mannheim, in: NuR 1980, S. 70 (74). 173
Vgl. die Aufzählung bei Meßerschmidt, Klaus: Bundesnaturschutzrecht, § 23 Rn. 81, 84 (Stand Feb. 2004); vgl.: VGH München, in: NuR 2001, S. 519 (520). 174 Vgl. Schmidt-Räntsch, Jürgen, in: Gassner, Erich/Bendomir-Kahlo, Gabriele / SchmidtRäntsch, Jürgen: Bundesnaturschutzgesetz, § 23 Rn. 31; Soell, Herrmann: Schutzgebiete, in: NuR 1993, S. 302; vgl. andererseits zur Notwendigkeit von Ausnahmeregelungen: OVG Lüneburg, in: NuR 2002, S. 99 (100 f.); OVG Lüneburg, in: NVwZ RR, 2002, S. 423 (425 f.); ebenfalls sehr restriktiv: OVG Nds, in: NdsVBl 2004, S. 15 (18). 175 Vgl. nur: Naturschutzgebiet Wollschank-Zschark, festgesetzt durch Beschluss des Rates des Bezirkes Dresden vom 23. 07. 1983, in: Mitteilungen für die Staatsorgane im Bezirk Dresden, 1983, Heft 3, S. 22. Die den Schutzumfang bestimmende Naturschutzverordnung beinhaltet keine Aussagen zur Zulässigkeit von Versiegelungen. [Erste Durchführungsverordnung zum Landeskulturgesetz - Schutz und Pflege der Pflanzen- und Tierwelt und der landschaftlichen Schönheiten (NaturschutzVerordnung), in: Gesetzblatt der DDR, 1989 Teil 1 Nr. 12, vom 19. 06. 1989, S. 159]. Meßerschmidt, Klaus: Bundesnaturschutzrecht, § 14 Rn. 26 ff. (Stand Okt. 2000); Schmidt-Räntsch, Jürgen, in: Gassner, Erich/Bendomir-Kahlo, Gabriele / Schmidt-Räntsch, Jürgen: Bundesnaturschutzgesetz, § 24 Rn. 5 ff.; Gassner, Erich: Das Recht der Landschaft, S. 213 f.; zur rechtspolitischen Diskussion: Stock, Martin: Nationalparke in Deutschland: 5 Risch
Teil 2: Das geltende Recht der Neuregelung des BNatSchG ist auch die Ausweisung von Zielnationalparks möglich.177 Rechtsfolge der Ausweisung ist ein Schutz, der dem eines Naturschutzgebietes entspricht. 1 7 8 Die Versiegelung von Flächen ist in Nationalparks grundsätzlich nicht gestattet 1 7 9 . Wobei jedoch infolge der Großräumigkeit und der Besiedlung der Gebiete, sowie aufgrund der besonderen Ziele des § 24 Abs. 2 S. 2 BNatSchG Ausnahmen zu machen sind. Daher ist die Versiegelung von Flächen beispielsweise in Siedlungsenklaven 1 8 0 , oder um die Erreichbarkeit durch die Allgemeinheit sicherzustell e n , 1 8 1 in geringem Umfang zulässig aber nicht unbedingt geboten. 1 8 2
3. Das Biosphärenreservat (§ 25 Abs. 2 BNatSchG, § 18 SächsNatSchG) Seit 1998 kennt das BNatSchG den Schutzgebietstypus des Biosphärenreservates, 1 8 3 welches bereits 1993 in den § 18 des SächsNatSchG aufgenommen wurde. Den Entwicklungsgedanken gesetzlich absichern und konkretisieren!, in: ZUR 2000, S. 198 ff.; Peine, Franz-Joseph: Das Recht des Nationalparks: Errichtung, Bestandsschutz, Nutzung, in: LKV 2002, S. 441 ff. 177 Gesetzentwurf der Fraktionen SPD und Bündnis 90/Die Grünen: Entwurf eines Gesetzes zur Neuregelung des Rechts des Naturschutzes und der Landschaftspflege und zur Anpassung anderer Rechtsvorschriften (BNatSchNeuregG), in: BT-Drs. 14/6378, S. 51 f.; Lorz, Albert/Müller, Markus/Stockei, Heinz: Naturschutzrecht, § 24, Rn. 3; kritisch: Meßerschmidt, Klaus: Wiedervorlage oder Innovation? Zum Entwurf einer Gesamtnovellierung des Bundesnaturschutzgesetzes vom 2. Februar 2001, in: ZfU 2001, S. 245; zur alten Rechtslage: BVerwG, in: DVB1. 2000, S. 190 (192); Meßerschmidt, Klaus: Bundesnaturschutzrecht, § 14 Rn. 37 f. (Stand Okt 2000); Morgenthaler, Gerd: Der Schutz der Landschaft im Wandel, in: DÖV 1999, S. 774; Gellermann, Martin, in: Landmann, Robert von/Rohmer, Gustav: Umweltrecht, 11, § 24 BNatSchG, Rn. 2, 7 ff. (Stand Mai 2003); zur unzureichenden Situation in Sachsen: Stock, Martin: Nationalparke in Deutschland: Den Entwicklungsgedanken gesetzlich absichern und konkretisieren!, in: ZUR 2000, S. 201. 178 Vgl. zu den Rechtsfolgen: Peine, Franz-Joseph: Das Recht des Nationalparks: Errichtung, Bestandsschutz, Nutzung, in: LKV 2002 S. 442,444 ff. 179 § 6 Abs. 1 Nr. 1, 2, 6 der Verordnung des Sächsischen Staatsministeriums für Umwelt und Landwirtschaft über die Nationalparkregion Sächsische Schweiz vom 23. 10. 2003, in: SächsGVBl 2003, S. 663; Verordnung über den Nationalpark Bayrischer Wald in der Fassung der Bekanntmachung vom 12. September 1997, in: BayGVBl 1997, S. 513, § 9 Abs. 3 Nr. 1 und 4; Verordnung über den Alpen- und den Nationalpark Berchtesgaden in der Fassung der Bekanntmachung vom 16. Februar 1987, in: BayGVBl. 1987 S. 63 § 9 Abs. 3 Nr. 1 und 4; Thüringer Gesetz über den Nationalpark Hainich und zur Änderung naturschutzrechtlicher Vorschriften vom 19. Dezember 1997, in: GVB1 Th 1997, S. 546, 8 Abs. 2 Nr. 11 und 12. 180 Verordnung über den Nationalpark Bayrischer Wald in der Fassung der Bekanntmachung vom 12. September 1997, in: BayGVBl 1997, S. 513, § 2 Abs. 2, vergleiche auch die Karte zum Nationalpark Bayrischer Wald. 181 Verordnung über den Nationalpark Bayrischer Wald in der Fassung der Bekanntmachung vom 12. September 1997, in: BayGVBl 1997, S. 513, § 11 Abs. 1 Nr. 35 und 7. 182 BVerwG, in: UPR 2004, S. 74 (75).
§ 2 Der vorsorgende Bodenschutz
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Bei diesem handelt es sich um ein großflächiges Gebiet einer repräsentativen Kulturlandschaft 184, die in wesentlichen Teilen, d. h. zu 3 - 2 0 % der Gesamtfläche, die Voraussetzungen eines Naturschutzgebietes erfüllt und überwiegend, d. h. zu 40-51%, als Landschaftsschutzgebiet ausgewiesen werden könnte. 185 Schutzzweck ist die Bewahrung und Entwicklung der im Umgang mit der Natur als vorbildhaft empfundenen Kulturlandschaft und die Förderung besonders naturschonender Wirtschaftsweisen, einschließlich besonders naturschonender Infrastruktur. 186 Rechtsfolge der Festsetzung ist ein gestaffeltes Schutzniveau. Während Rächen, die den Anforderungen des § 23 BNatSchG genügen, wie ein Naturschutzgebiet geschützt werden, 187 kommt den restlichen Rächen aufgrund des § 25 Abs. 2 BNatSchG ein § 26 BNatSchG vergleichbarer Schutz zu, unabhängig davon, ob die konkrete Räche die Voraussetzungen des § 26 BNatSchG erfüllt. 188 Dieser zusätzliche Schutz - der bis zu 49% der Räche eines Biosphärenreservats zugute kommen kann - wird jedoch durch die Ausnahmeregelung des § 25 Abs. 2 BNatSchG relativiert. Dieser zur Folge ist bei Rächen, welche als solche die Voraussetzungen des § 26 BNatSchG nicht erfüllen, eine Minderung des Schutzniveaus bis hin zum völligen Fortfall des Gebietsschutzes möglich. 189 Insgesamt kann jedoch infolge der Verweise auf §§ 23, 26 BNatSchG von einer starken flächenschützenden Wirkung des Biosphärenreservates gesprochen werden.
4. Das Landschaftsschutzgebiet (§ 26 BNatSchG, § 19 SächsNatSchG) Aufgabe des Landschaftsschutzgebietes ist es, den Gesamtcharakter eines Gebietes zu wahren. 190 Ausweisungsvoraussetzung ist die Erfüllung einer der in § 26 183 Eingeführt durch das dritte Gesetz zur Änderung des Bundesnaturschutzgesetzes vom 26. 8. 1998, BGBl. IS. 2481, Artikel 1 Nr. 8. Durch das BNatSchNeuregG unverändert. 184 Dazu: Gassner, Erich: Das Recht der Landschaft, S. 243. 185 Kolodziejcok, Karl-Günther, in: Kolodziejcok, Karl-Günther/Recken, Josef/Apfelbacher, Dieter/Iven, Klaus: Naturschutz Landespflege, § 25 Rn. 16 ff. (Stand Sept. 2003). 186 Kolodziejcok, Karl-Günther, in: Kolodziejcok, Karl-Günther/Recken, Josef / Apfelbacher, Dieter/Iven, Klaus: Naturschutz Landespflege, § 25 Rn. 28 (Stand Sept. 2003). 187 Vgl. z . β . § 15 i.V.m. § 7 Abs. 1, 4, 8 Abs. 1, 2 der Verordnung des Sächsischen Staatsministeriums für Umwelt und Landesentwicklung über die Festsetzung des Biosphärenreservates „Oberlausitzer Heide- und Teichlandschaft" (Bioferowy Rezerwat „Hornjoluiska Hola a Haty") und der Schutzzonen I und I I dieses Biosphärenreservates als Naturschutzgebiet, vom 18. 12. 1997, in: SächsGVBl 1998, S. 27.
188 Vgl. § 8 Abs. 1 der Verordnung des Sächsischen Staatsministeriums für Umwelt und Landesentwicklung über die Festsetzung des Biosphärenreservates „Oberlausitzer Heideund Teichlandschaft" (Bioferowy Rezerwat „Hornjoluiska Hola a Haty") und der Schutzzonen I und I I dieses Biosphärenreservates als Naturschutzgebiet, vom 18. 12. 1997, in: SächsGVBl 1998, S. 27. 189 Kolodziejcok, Karl-Günther, in: Kolodziejcok, Karl-Günther/Recken, Josef/Apfelbacher, Dieter/Iven, Klaus: Naturschutz Landespflege, § 25 Rn. 34 (Stand Sept. 2003).
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Teil 2: Das geltende Recht BNatSchG genannten Bedingungen. Eine erste Fallgruppe thematisiert den Schutz der Leistungs- und Funktionsfähigkeit des Naturhaushaltes und umfasst geschädigte Landschaften, die der Wiederherstellung 1 9 1 bedürfen und Entwicklungslandschaftsschutzgebiete, die beispielsweise dem Biotopverbund des § 3 BNatSchG als Verbindungselemente bzw. Verbindungsflächen dienen sollen. 1 9 2 Andere Gründe der Festsetzung eines Landschaftsschutzgebietes sind die ästhetischen bzw. kulturhistorischen Kriterien des § 26 Abs. 1 Nr. 2 BNatSchG/§ 19 Abs. 1 Nr. 2 SächsNatSchG oder die besondere Bedeutung für die Erholung. Hinzu muss die Schutzwürdigkeit und Schutzbedürftigkeit des Gebietes k o m m e n . 1 9 3 Rechtsfolge der Ausweisung ist i m Regelfall das Verbot der Versiegelung von Flächen. 1 9 4 Dieses Verbot wird in den Schutzgebietsverordnungen jedoch nur in Ausnahmefällen als absolutes Veränderungs- bzw. Versiegelungsverbot ausgestalt e t 1 9 5 , vielmehr handelt es sich üblicherweise um ein Verbot mit Erlaubnisvorbehalt 1 9 6 . Ob ein bestehendes Versiegelungsverbot tatsächlich zum Erhalt der un190 Schmidt-Räntsch, Jürgen, in: Gassner, Erich / Bendomir-Kahlo, Gabriele / SchmidtRäntsch, Jürgen: Bundesnaturschutzgesetz, § 26 Rn. 3 ff.; zu den einzelnen Funktionen: Gassner, Erich: Das Recht der Landschaft, S. 221 ff. 191 Vertiefend: Wolff, Dietmar: Die „Wiederherstellung" geschädigter Natur und Landschaft durch Landschaftsschutzgebiete, in: NuR 1998, S. 298 f. 192 Louis, Hans Werner: Aussprache zu den Beiträgen von Prof. Dr. D. Czybulka, Priv. Doz. K. Henle und Prof. Dr. H. W. Louis, in: Oldiges, Martin (Hrsg.): Perspektiven des Naturschutzes, S. 105 f.; Lorz, Albert/Müller, Markus/Stockei, Heinz: Naturschutzrecht, § 3 Rn. 9; die Errichtung eines Entwicklungslandschaftsschutzgebietes ist nach dem SächsNatSchG nicht möglich, jedoch besteht infolge des Angebotscharaktes des Bundesrechts kein Anpassungsbedarf. [Meves, Nicolas: Landesrechtliche Spielräume bei der Umsetzung der Naturschutzrechts-Novelle, in: Oldiges, Martin (Hrsg.): Perspektiven des Naturschutzes, S. 32]; zur Anpassung der Landesnaturschutzgesetze allgemein: Schräder, Christian: Das Naturschutzrecht der Länder in der Anpassung an das neue Bundesnaturschutzgesetz, in: NuR 2003, S. 80 ff. 193 Carlsen, Claus /Fischer-Hüftle, Peter: Rechtsfragen und Anwendungsmöglichkeiten des Landschaftsschutzes, in: NuR 1993, S. 313 f.; siehe dazu Teil 2, § 2 II. 1. 194 Verordnung des Sächsischen Staatsministeriums für Umwelt und Landwirtschaft über die Nationalparkregion Sächsische Schweiz vom 23. 10. 2003, in: SächsGVBl 2003, S. 663, § 10 Abs. 2 Nr. 4, 5, 6, § 11 Abs. 1 Nr. 1,5; Verordnung des Regierungspräsidiums Leipzig zur Festsetzung des Landschaftsschutzgebietes „Leipziger Auwald", vom 6. 6. 1998, in: SächsGVBl. 1998, S. 302, § 5 Abs. 2 Nr. 1, 2; Verordnung des Regierungspräsidiums Leipzig zur Festsetzung des Landschaftsschutzgebietes „Dübener Heide", vom 30. 3. 1998, in: SächsGVBl 1998, S. 160, § 5 Abs. 2 Nr. 1, 6; Verordnung des Regierungspräsidiums Leipzig zur Festsetzung des Landschaftsschutzgebietes „Partheaue" vom 17. 2. 1994, in: SächsGVBl 1994, S. 692, § 5 Abs. 2 Nr. 1, 5, 6; vgl. Carlsen, Claus/Fischer-Hüftle, Peter: Rechtsfragen und Anwendungsmöglichkeiten des Landschaftsschutzes, in: NuR 1993, S. 317. 195 Verordnung des Sächsischen Staatsministeriums für Umwelt und Landwirtschaft über die Nationalparkregion Sächsische Schweiz vom 23. 10. 2003, in: SächsGVBl 2003, S. 663, § 10 Abs. 2 Nr. 4, 5, 6; Meßerschmidt, Klaus: Bundesnaturschutzrecht, § 15 Rn. 6 (Stand 1977); Carlsen, Claus/Fischer-Hüftle, Peter: Rechtsfragen und Anwendungsmöglichkeiten des Landschaftsschutzes, in: NuR 1993, S. 316 f.; vgl. OVG Lüneburg, in: NVwZ RR 2002, S. 343 (346); Mahlburg, Stefan/Müller, Chris: Rechtsfragen bei der Ausweisung von Landschaftsschutzgebieten in Sachsen, in: SächsVBl 2000, S. 18.
§ 2 Der vorsorgende Bodenschutz
versiegelten Landschaft führt oder ob es durch Erlaubnisse außer Kraft gesetzt werden kann, hängt in erster Linie von dem mit der Festsetzung verfolgten Schutzziel ab. 1 9 7 In einem primär aus ökologischen Gründen festgesetzten Landschaftsschutzgebiet stehen der Versiegelung viel weitreichendere Bedenken entgegen, als in einem hauptsächlich aufgrund der Vielfalt, Eigenart oder Schönheit des Landschaftsbildes ausgewiesenen Gebietes, dessen Schutzgüter nur durch optisch wahrnehmbare Versiegelungen, ζ. B. Hochbauten, beeinträchtigt werden. 198
5. Der Naturpark (§ 27 BNatSchG, § 20 SächsNatSchG) Auch wenn die bislang bestehenden Zweifel an der Zugehörigkeit des durch § 27 BNatSchG/§ 20 SächsNatSchG geschützten Naturparks zu den Schutzgebieten des BNatSchG 199 durch die Neuregelung des BNatSchG nicht vollständig beseitigt werden konnten, so ist doch festzustellen, dass eine gewisse „Ökologisierung" des Schutzgebietes eingetreten ist. Diese äußert sich in der Einbeziehung des Entwicklungs- und Wiederherstellungsgedankens sowie einer Verschiebung hin zu naturnahem Erholungsbetrieb. Jedoch ändert dies nichts daran, dass der Schutzzweck der Ausweisung weiterhin in erster Linie in der Sicherung der Erholungsfunktion der Landschaft besteht. Die Festsetzungsvoraussetzungen konzentrieren sich daher auf den besonderen Erholungswert des Gebietes (§ 27 Abs. 1 Nr. 1 - 4 ) . Die Voraussetzungen der Nr. 5 und 6 sind an die des § 25 BNatSchG angelehnt und verfolgen das Ziel der Erhaltung, Entwicklung oder Wiederherstellung einer gewachsenen Kulturlandschaft. Die Rechtsfolge der Erklärung zum Naturpark ergeben sich aus der relativ frei gestaltbaren Schutzgebietserklärung. 200 Vorgaben des Bundes- und Landesrechts bestehen nur bezüglich des Planungs- und Entwicklungsauftrages des § 27 Abs. 2 BNatSchG, respektive in Gestalt der auch zukünftig gültigen §§20 Abs. 2 und 3 SächsNatSchG. Daher trifft die Schutzgebietserklärung primär Aussagen, die sich auf die Erholungsfunktion des Gebietes beziehen, schließt jedoch aufgrund des 196 Verordnung des Sächsischen Staatsministeriums für Umwelt und Landwirtschaft über die Nationalparkregion Sächsische Schweiz vom 23. 10. 2003, in: SächsGVBl 2003, S. 663, § 11 Abs. 1 Nr. 1, 5; Schmidt-Räntsch, Jürgen, in: Gassner, Erich/Bendomir-Kahlo, Gabriele / Schmidt-Räntsch, Jürgen: Bundesnaturschutzgesetz, § 26 Rn. 21; Lorz, Albert /Müller, Markus/Stockei, Heinz: Naturschutzrecht, § 26 Rn. 12; Carlsen, Claus / Fischer-Hüftle, Peter: Rechtsfragen und Anwendungsmöglichkeiten des Landschaftsschutzes, in: NuR 1993, S. 317; vgl. OVG Lüneburg, in: NuR 2003, S. 567 (569). 1 97 Schmidt-Räntsch, Jürgen, in: Gassner, Erich/Bendomir-Kahlo, Gabriele / SchmidtRäntsch, Jürgen: Bundesnaturschutzgesetz, § 26 Rn. 22; Gassner, Erich: Das Recht der Landschaft, S. 217. 198 Gassner, Erich: Das Recht der Landschaft, S. 226 f. m. w. N. 1 99 Meßerschmidt, Klaus: Bundesnaturschutzrecht, § 16 Rn. 1 (Stand 1977); Morgenthaler, Gerd: Der Schutz der Landschaft im Wandel, in: DÖV 1999, S. 771 ff. 200 Dazu: Gassner, Erich: Das Recht der Landschaft, S. 230 f.
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Teil 2: Das geltende Recht
§ 27 Abs. 2 BNatSchG die Berücksichtigung der Belange von Natur und Landschaft ein. 2 0 1 Für den Schutz des Bodens vor Versiegelung ergeben sich im Regelfall nur geringe Folgen. Die Schutzgebietserklärungen enthalten typischerweise keine Nutzungsverbote 202 und gewähren daher Rächen, die nicht aufgrund des § 20 Abs. 2 S. 2 SächsNatSchG weiterhin durch § 23 bzw. 26 BNatSchG geschützt werden, nur wenig Sicherheit gegenüber Versiegelung. Jedoch ist zu bedenken, dass von der Funktion „öffentliche Erholung" eine den Flächenverbrauch zumindest begrenzende Wirkung ausgeht. Der Schutz der allein dem Regime des § 27 BNatSchG und nicht § 23 bzw. 26 BNatSchG unterfallenden Teile eines Naturparks geht daher über den einer ungeschützten Fläche hinaus. 203
6. Der Objektschutz in den Naturschutzgesetzen (§§ 28 ff. BNatSchG, §§ 21 f., 26 SächsNatSchG) Schutzobjekt der §§ 28 bis 30 BNatSchG/21, 22, 26 SächsNatSchG ist im Unterschied zu den vorangegangenen Regelungen nicht die Natur in der Fläche, sondern eine bestimmte Einzelschöpfung 204, die allerdings ausweislich des § 28 Abs. 1 BNatSchG bzw. § 21 Abs. 1 SächsNatSchG eine Ausdehnung von bis zu 5 ha haben kann 205 . Die drei Kategorien des Objektschutzes unterscheiden sich in erster Linie durch den Gegenstand. Denkmalartige Einzelschöpfungen werden durch die, in begrenztem Umfang an die Regelung des Naturschutzgebietes angelehnten, §§ 28 BNatSchG/21 SächsNatSchG geschützt.206 Sollen Einzelschöpfungen auf-
201 Vgl.: Verordnung des Sächsischen Staatsministeriums für Umwelt und Landwirtschaft über den „Naturpark Dübener Heide" Teilgebiet Sachsen vom 1. Dezember 2000, in: SächsGVBl 2000 S. 542, § 3 Abs. 1, 2 Nr. 4 - 8 , § 6 Abs. 2 S. 2; Kolodziejcok, Karl-Günther, in: Kolodziejcok, Karl-Günther/Recken, Josef/Apfelbacher, Dieter/Iven, Klaus: Naturschutz Landespflege, § 27 Rn. 25,44 (Stand Sep. 2003). 202 Vgi # : Verordnung des Sächsischen Staatsministeriums für Umwelt und Landwirtschaft über den „Naturpark Dübener Heide" Teilgebiet Sachsen vom 1. Dezember 2000, in: SächsGVBl 2000 S. 542; vgl. auch: Verordnung des Sächsischen Staatsministeriums für Umwelt und Landesentwicklung über den Naturpark „Erzgebirge/ Vogtland" vom 9. 5. 1996, in: SächsGVBl. 1996, S. 202 (Die in den §§ 8, 9 niedergelegten Verbote beziehen sich nur auf die Schutzzonen I und II). 203 Schmidt-Räntsch, Jürgen, in: Gassner, Erich/Bendomir-Kahlo, Gabriele/SchmidtRäntsch, Jürgen: Bundesnaturschutzgesetz, § 27, Rn. 11. 204 Gassner, Erich: Das Recht der Landschaft, S. 232; Schmidt-Räntsch, Jürgen, in: Gassner, Erich/Bendomir-Kahlo, Gabriele/Schmidt-Räntsch, Jürgen: Bundesnaturschutzgesetz, § 28 Rn. 4 ff.; Beispiele bei Meßerschmidt, Klaus: Bundesnaturschutzrecht, § 17 Rn. 1 (Stand 1977). 205
Zur Diskussion: Gassner, Erich: Das Recht der Landschaft, S. 233 m. w. N. Schmidt-Räntsch, Jürgen, in: Gassner, Erich/Bendomir-Kahlo, Gabriele/SchmidtRäntsch, Jürgen: Bundesnaturschutzgesetz, § 28 Rn. 4 ff.; Meßerschmidt, Klaus: Bundesnaturschutzrecht, § 17 Rn. 2 (Stand 1977); Kolodziejcok, Karl-Günther, in: Kolodziejcok, 206
§ 2 Der vorsorgende Bodenschutz
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grund ihrer Funktion für den Naturhaushalt, ihres ästhetischen Wertes, zur Abwehr schädlicher Einwirkungen oder als Lebensstätte von Tieren und Pflanzen bewahrt werden, so ist dies durch die Festlegung als geschützter Landschaftsbestandteil möglich (§ 29 BNatSchG/§ 22 SächsNatSchG).207 Praktisch bedeutsam ist diese Form des Schutzes in erster Linie für durch Baumschutzsatzungen geschützte Alleen, Baumreihen und Bäume. 208 Der in § 30 BNatSchG bzw. § 26 SächsNatSchG geregelte Biotopschutz thematisiert den durch die jüngste Neufassung des BNatSchG erweiterten 209 gesetzlichen Schutz besonders wertvoller Teile der Natur. 210 Rechtsfolge der Unterschutzstellung ist jeweils das Verbot der Zerstörung, Beschädigung oder Veränderung (§ 28 Abs. 2, 29 Abs. 2 BNatSchG/§ 21 Abs. 5, 22 Abs. 3, 26 Abs. 2 SächsNatSchG).211 Da der Versiegelung einer Fläche zwangsläufig die Zerstörung des Naturdenkmals, geschützten Landschaftsbestandteils oder Biotops, etwa durch Fällen des Baumes oder Sprengen des Felsens, vorangeht, ist sie in jedem Fall unzulässig.212 Dieses für den vorsorgenden Bodenschutz sehr positive Ergebnis wird auch nicht durch die in § 26 Abs. 5 SächsNatSchG bzw. den Schutzgebietsfestlegungen enthaltenen Ausnahmeregelungen untergraben, da diese jeweils relativ eng gefasst sind und die Versiegelung im Regelfall repressiv untersagen 213 oder unter Erlaubnisvorbehalt stellen. 214
Karl-Günther/Recken, Josef/Apfelbacher, Dieter/Iven, Klaus: Naturschutz Landespflege, § 28 Rn. 7 ff. (Stand Sep. 2003). 207 Gassner, Erich: Das Recht der Landschaft, S. 235 ff.; Schmidt-Räntsch, Jürgen, in: Gassner, Erich/Bendomir-Kahlo, Gabriele / Schmidt-Räntsch, Jürgen: Bundesnaturschutzgesetz, § 29 Rn. 3 ff.; den funktionalen Charakter betonend: Meßerschmidt, Klaus: Bundesnaturschutzrecht, § 18 Rn. 2 (Stand 1977). 208 BVerwG, in: NJW 1996, S. 1487 (1488 ff.); BVerwGE, 96, S. 110 (110 ff.); Kunz, Marianne: Geschützte Landschaftsbestandteile: zum Baumschutz im Freistaat Thüringen, in: ThürVBl. 2001, S. 49 und 81; Höreth-Marquard, Gabriele/Wedekind, Brigit: Bäume - rechtliches Konfliktpotential in einer Großstadt?, in: DÖV 2001, S. 1034; Gassner, Erich: Das Recht der Landschaft, S. 238 ff.; Günther, Jörg-Michael: Baumschutzvorschriften im Spiegel der aktuellen Rechtsprechung und Literatur, in: NuR 2002, S. 587 ff. 209 Gesetzentwurf der Fraktionen SPD und Bündnis 90/Die Grünen: Entwurf eines Gesetzes zur Neuregelung des Rechts des Naturschutzes und der Landschaftspflege und zur Anpassung anderer Rechtsvorschriften (BNatSchNeuregG), in: BT-Drs. 14/6378, S. 52. 210 Gassner, Erich: Das Recht der Landschaft, S. 256 ff.; Schmidt-Räntsch, Jürgen, in: Gassner, Erich/Bendomir-Kahlo, Gabriele /Schmidt-Räntsch, Jürgen: Bundesnaturschutzgesetz, § 30 Rn. 5 ff. 211 Meßerschmidt, Klaus: Bundesnaturschutzrecht, § 18 Rn. 4, § 20 c Rn. 2 (Stand 1977/1989); Gassner, Erich: Das Recht der Landschaft, S. 238. 212 Schmidt-Räntsch, Jürgen, in: Gassner, Erich/Bendomir-Kahlo, Gabriele/SchmidtRäntsch, Jürgen: Bundesnaturschutzgesetz, § 28 Rn. 13, § 29 Rn. 18, § 30 Rn. 9 f. 213 Vgl. die Verordnung des Landratsamtes Freiberg als untere Naturschutzbehörde zum Schutz des Flächennaturdenkmals „Teiche an der alten Schäferei" / „Halsbacher Teiche" / „Pauls Teich", vom 3. 1. 1994, in: SächsGVBl. 1994 S. 186/188/190, jeweils § 4 Abs. 2 Nr. 1 und 2.
Teil 2: Das geltende Recht
7. Der Schutz der Uferzonen a) Durch BNatSchG und SächsNatSchG Die Uferzonen von Gewässern werden aufgrund ihrer allgemein anerkannten besonderen ökologischen Bedeutung durch den neu eingeführten § 31 BNatSchG in verstärktem Maße geschützt.215 Ziel dieser Regelung ist zum einen die Erhaltung der Uferstreifen als Lebensraum und Lebensstätte, zum anderen der Erhalt bzw. die Entwicklung als Verbindungsglied im Biotopenverbund. 216 Ausweisungsvoraussetzung ist daher im ersten Fall der besondere ökologische Wert einer Uferzone, im zweiten Fall die Bedeutung als Verbindungsglied und die zumindest entwicklungsfähige ökologische Bedeutung der Räche. In räumlicher Hinsicht umfasst der Schutzbereich des § 31 BNatSchG Uferstreifen in dem Umfang, in dem sie notwendig sind, um ihre ökologische Vernetzungsfunktion erfüllen zu können. 217 Rechtsfolgen ergeben sich aus dem nur als Rahmenrecht geltenden § 31 BNatSchG nicht. Jedoch ist zu erwarten, dass die Länder bei der Anpassung ihrer NatSchG - insbesondere in Anbetracht des hohen Weites, den Uferzonen zum einen als Biotop, zum anderen als Vernetzungselement haben - strenge veränderungs- und damit versiegelungsfeindliche Regelungen erlassen. 218 Unabhängig vom BNatSchG geht das Sächsische Naturschutzgesetz in § 34 SächsNatSchG auf den Schutz der Uferstreifen ein. Die Regelung dient ausweislich des § 34 Abs. 2 Nr. 2 und Abs. 3 SächsNatSchG primär dem Schutz des Erholungsinteresses der Bevölkerung, jedoch kommt ihr auch eine flächenschützende Wirkung zu. Voraussetzung der Ausweisung ist die Lage des Schutzstreifens an einer Bundeswasserstraße oder einem Gewässer erster Ordnung und im Außenbereich. Rechtsfolge der Ausweisung ist das Verbot der Errichtung und wesentlicher Änderung baulicher Anlagen innerhalb eines 50 m breiten Schutzstreifens. Dieser Schutz wird durch die Ausnahmeregelung des § 34 Abs. 2 SächsNatSchG 214 Verordnung der Stadt Chemnitz zur einstweiligen Sicherstellung von Geschützten Landschaftsbestandteilen, vom 27. 1. 1994, in: SächsGVBl. 1994, S. 305, § 5 Abs. 2 Nr. 1 und 6. 215
Vgl. nur: Gesetzentwurf der Fraktionen SPD und Bündnis 90/Die Grünen: Entwurf eines Gesetzes zur Neuregelung des Rechts des Naturschutzes und der Landschaftspflege und zur Anpassung anderer Rechtsvorschriften (BNatSchNeuregG), in: BT-Drs. 14/6378, S. 53. 2,6 Stich, Rudolf: Das neue Bundesnaturschutzgesetz, in: UPR 2002, S. 167; Gellermann, Martin: Das modernisierte Naturschutzrecht, in: NVwZ 2002, S. 1028; Schmidt-Räntsch, Jürgen, in: Gassner, Erich/Bendomir-Kahlo, Gabriele/Schmidt-Räntsch, Jürgen: Bundesnaturschutzgesetz, § 31 Rn. 6; Lorz, Albert/Müller, Markus /Stockei, Heinz: Naturschutzrecht, §31 Rn. 3. 217 Gesetzentwurf der Fraktionen SPD und Bündnis 90/Die Grünen: Entwurf eines Gesetzes zur Neuregelung des Rechts des Naturschutzes und der Landschaftspflege und zur Anpassung anderer Rechtsvorschriften (BNatSchNeuregG), in: BT-Drs. 14/6378, S. 53. 218 Schmidt-Räntsch, Jürgen, in: Gassner, Erich/Bendomir-Kahlo, Gabriele / SchmidtRäntsch, Jürgen: Bundesnaturschutzgesetz, § 31 Rn. 8.
§ 2 Der vorsorgende Bodenschutz
relativiert. Die Versiegelung von Flächen kann ausnahmsweise zugelassen werden, wenn es sich um eines der in § 34 Abs. 2 Nr. 1 - 4 SächsNatSchG exemplarisch aufgezählten privilegierten Vorhaben handelt und die gemäß § 34 Abs. 3 SächsNatSchG notwendige Abwägung ein Überwiegen des Durchführungsinteresses ergibt. Die Erteilung einer Ausnahmengenehmigung kommt demnach nur für bauliche Anlagen in Betracht, die in Gewässernähe errichtet werden müssen bzw. die im Vorgriff auf einen zu erwartenden Bebauungsplan errichtet werden oder hinter denen so schwerwiegende Interessen stehen, dass die gemäß § 34 Abs. 3 SächsNatSchG zu berücksichtigenden Belange des Naturschutzes, die auch den Bodenschutz einschließen, zurückstehen. 219 Die Errichtung baulicher Anlagen, hinter denen lediglich private Interessen stehen oder die nicht unbedingt in Gewässernähe errichtet werden müssen, ist indessen nahezu unmöglich.
b) Durch das SächsWG Eine § 34 SächsNatSchG vergleichbare Regelung enthält § 50 Abs. 3 Nr. 4 SächsWG, der die Errichtung baulicher Anlagen innerhalb des Gewässerrandstreifens untersagt. Gewässerrandstreifen bestehen nur an von der unteren Wasserbehörde festgelegten Gewässern und ausschließlich im unbeplanten Außenbereich. Sie sind 5 m breit, wobei Abweichungen möglich sind. Aufgrund des § 50 Abs. 3 Nr. 4 2. HS SächsWG sind bauliche Anlagen, deren Errichtung in Gewässernähe unbedingt erforderlich ist, von dem Verbot ausgenommen. Da dies jedoch nur Versiegelungen betrifft, mit denen unmittelbar der Benutzungstatbestand erfüllt wird, 2 2 0 ermöglicht es § 50 SächsWG, den Gewässerrandstreifen von nahezu jeder Bebauung freizuhalten. 8. Das Netz „Natura 2000" Nicht originär dem deutschen, sondern vielmehr dem europäischen Recht entstammen die in den §§ 32 ff. BNatSchG geregelten, dem Aufbau des Europäischen ökologischen Netzes „Natura 2000" dienenden Schutzgebiete. Das Europäische ökologische Netz „Natura 2000" strebt die Verwirklichung zweier Richtlinien an, der Vogelschutzrichtlinie 221 und der FFH-Richtlinie 222 . Schutzgegen219 Entwurf der Staatsregierung, Sächsisches Gesetz über Naturschutz und Landschaftspflege (Sächsisches Naturschutzgesetz SächsNatSchG), in: Drs. des Sächsischen Landtags 1 /1625, Begründung S. 25. 220
Zeppernick, Volker /Habel, Wolfgang: Das Wasserrecht in Sachsen, § 50 Rn. 10. Richtlinie des Rates vom 2. April 1979 über die Erhaltung wildlebender Vogelarten (79/409/EWG), in: ABl. Nr. L 103 S. 1; geändert durch: Richtlinie 97/49EG der Kommission vom 29. Juli 1997 zur Änderung der Richtlinie 79/409/EWG des Rates über die Erhaltung der wildlebenden Vogelarten, in: ABl. Nr. L 223, S. 9. 221
222 Richtlinie 92/43/EWG des Rates vom 21. Mai 1992 zur Erhaltung der natürlichen Lebensräume sowie der wildlebenden Tiere und Pflanzen, in: ABl. Nr. L 206, S. 7; geändert
Teil 2: Das geltende Recht
stand der Vogelschutzrichtlinie ist aufgrund des Art. 4 der Richtlinie die Erhaltung der in Anhang I erwähnten besonders gefährdeten Vogelarten. Um dieses Ziel zu erreichen, werden die Mitgliedsstaaten durch Art. 4 der Richtlinie dazu verpflichtet, bestimmte, nach ornithologischen Kriterien zu beurteilende Rächen als Schutzgebiete auszuweisen.223 Die FFH Richtlinie wurde gemäß des Art. 2 erlassen, um die Artenvielfalt durch den Erhalt von Lebensräumen, Tieren und Pflanzen zu schützen. Sie verfolgt dieses Ziel ebenfalls mittels Schutzgebieten, zu deren Errichtung die Mitgliedsstaaten durch Art. 4 der Richtlinie verpflichtet sind. 224 Die Auswahl dieser Schutzgebiete erfolgt allein anhand der Kriterien des Anhang III der Richtlinie, für nicht naturschutzfachliches Ermessen besteht ebenso wie bei der Gebietsauswahl nach der Vogelschutzrichtlinie kein Raum. 225 Rechtsfolge der Gebietsauswahl ist zum einen der Schutz der Räche durch das nationale Recht, im Falle Deutschlands also nach § 33 Abs. 2 BNatSchG durch die im 4. Abschnitt des BNatSchG benannten Schutzgebiete. Welches Schutzgebiet von den Ländern zur Bewahrung des FFH- bzw. Vogelschutzgebietes gewählt werden muss, hängt von dem mit der Auswahl verfolgten Ziel ab. Im Regelfall muss der Kernbereich eines Gebietes nach den §§ 23, 24, 25 BNatSchG unter Schutz gestellt werden, da nur so dem Verschlechterungsverbot des Art. 6 Abs. 2 FFH Richtlinie entsprochen werden kann. 226 Insbesondere gilt dies für den Lebensraum einer - aufgrund des Art. 1 h) der FFH Richtlinie besonders zu schützenden - prioritären Art bzw. einen prioritären Lebensraum. Dagegen können Randgebiete nach § 26 BNatSchG geschützt werden. 227 Die Versiegelung von Rächen ist in all diesen Gebieten im Regelfall nicht zulässig, da sie zur Zerstörung des Lebensraumes
durch: Richtlinie 97/62/EG des Rates zur Anpassung der Richtlinie 92/43/EWG des Rates vom 21. Mai 1992 zur Erhaltung der natürlichen Lebensräume sowie der wildlebenden Tiere und Pflanzen an den technischen und wissenschaftlichen Fortschritt, in: ABl. Nr. L 305, S. 42. 223 Dazu, statt vieler: BVerwG, in NVwZ 2004, S. 735. 224 Umfassend zu den Zielen der FFH-Richtlinie: Wirths, Volker: Naturschutz durch europäisches Gemeinschaftsrecht, S. 112 ff. 225 EUGH, Slg. 1993, S. 4 2 2 1 (4278 f.) - Santona; 1991, S. 883 (930) - L e y b u c h t ; B V e r w G , in: N V w Z 2004, S. 98 (98); B V e r w G , in: U P R 2003, S. 183 (185); dazu: Mecklen-
burg, Wilhelm: Anmerkungen zur Rechtsfigur des potentiellen FFH-Gebietes, in: UPR 2002, S. 125 f.; Fisahn, Andreas: Defizite bei der Umsetzung der FFH-RL durch das BNatSchG, in: ZUR 2001, S. 253; Apfelbacher, Dieter/Adenauer, Ursula/Iven, Klaus: Das zweite Gesetz zur Änderung des Bundesnaturschutzgesetzes, in: NuR 1999, S. 65; Spannowsky, Willy: Vorgaben der räumlichen Gesamtplanung für die Ausweisung besonderer Schutzgebiete, in: U P R 2000, S. 4 2 ff.
226 Apfelbacher, Dieter/Adenauer, Ursula/Iven, Klaus: Das zweite Gesetz zur Änderung des Bundesnaturschutzgesetzes, in: NuR 1999, S. 66; Fischer-Hüftle, Peter: Zur Umsetzung der FFH Richtlinie in das Bundes- und Landesnaturschutzrecht, in: ZUR 1999, S. 67; enger: Niederstadt, Frank: Die Umsetzung der Flora-Fauna-Habitatrichtlinie durch das Zweite Gesetz zur Änderung des Bundesnaturschutzgesetzes, in: NuR 1998, S. 518. 227 Apfelbacher, Dieter/Adenauer, Ursula/Iven, Klaus: Das Zweite Gesetz zur Änderung des Bundesnaturschutzgesetzes, in: NuR 1999, S. 66.
§ 2 Der vorsorgende Bodenschutz schützenswerter Arten führt bzw. diesen durchschneidet und damit dem Schutzzweck zuwiderlaufen würde. Das Schutzniveau wird dadurch verstärkt, dass § 34 BNatSchG die Zulassung von Projekten und Plänen in FFH- oder Vogelschutzgebieten von einer Verträglichkeitsprüfung abhängig m a c h t . 2 2 8 Projekte 2 2 9 , bzw. nach § 35 BNatSchG auch P l ä n e 2 3 0 , sind nach § 34 Abs. 2 BNatSchG unzulässig, wenn die Verträglichkeitsprüfung ergibt, dass Erhaltungsziel oder Schutzzweck erheblich 2 3 1 beeinträchtigt werden. Die Versiegelung von Boden ist, unter Zugrundelegung eines gebotenen niedrigen Eingriffsmaßstabes, immer als erheblicher Eingriff in FFH- und Vogelschutzgebiete zu bewerten. 2 3 2 Ausnahmen sind nur bei Projekten oder Plänen zulässig, für die keine zumutbare Alternative besteht, 2 3 3 die aus zwingenden Gründen notwendig s i n d 2 3 4 und soweit der Erhalt des Netzes Natura 2000 durch Ausgleichsmaßnahmen sichergestellt ist (Art. 6 Abs. 4 FFH Richtlinie, § 34 Abs. 5 BNatSchG). 2 3 5 Wenn allerdings prioritäre Biotope oder A r t e n 2 3 6 betroffen sind, 228
Das BNatSchG setzt die europäischen Vorgaben allerdings nur unzureichend um, sodass mit Nachbesserungen zu rechnen ist. Dazu: Wirths, Volker: Defizite bei der Umsetzung der FFH-Verträglichkeitsprüfung im neuen BNatSchG und ihre Konsequenzen, in: NuR 2003, S. 152 ff.; allgemein zur Verträglichkeitsprüfung: Hösch, Ulrich: Die FFH-Verträglichkeitsprüfung im System der Planfeststellung, in: NuR 2004, S. 210 ff. 229 Zum Umfang des Projektbegriffes: Fisahn, Andreas: Defizite bei der Umsetzung der FFH-RL durch das BNatSchG, in: ZUR 2001, S. 253 f. 230 Zum Umfang des Planbegriffes: Jarass, Hans: EG-rechtliche Folgen ausgewiesener und potentieller Vogelschutzgebiete - Zugleich ein Beitrag zum Rechtsregime für FFH Gebiete, in: ZUR 2000, S. 185; Lambrecht, Heiner: Die Erforderlichkeit einer FFH-Verträglichkeitsprüfung für den Bundesverkehrswegeplan und die Bedarfspläne, in: NuR 2002, S. 265. 231 Zu diesem Kriterium: Cosack, Tilman: Erheblichkeitsschwelle und Ausnahmeregelung nach § 34 BNatSchG - Garanten für eine ausgewogene FFH-Verträglichkeitsprüfung?, in: UPR 2002, S. 251 ff.; Gellermann, Martin/Schreiber, Matthias: Zur „Erheblichkeit" der Beeinträchtigung von Natura-2000-Gebieten und solchen, die es werden wollen, in: NuR 2003, S. 205 ff.; vgl. auch: BVerwG, in: DVB1. 2003, S. 1061 (1064); zur praktischen Umsetzung: Burmeister, Joachim: Zur Prüfung der Erheblichkeit von Beeinträchtigungen der Natura2000-Gebiete gemäß § 34 BNatSchG im Rahmen einer FFH-Verträglichkeitsprüfung (LANA-Empfehlungen), in: NUR 2004, S. 296 ff. 232 Gellermann, Martin/Schreiber, Matthias: Zur „Erheblichkeit" der Beeinträchtigung von Natura-2000-Gebieten und solchen, die es werden wollen, in: NuR 2003, S. 208, 210 ff.; a.A. Schink, Alexander: Die Verträglichkeitsprüfung nach der Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie der EG, in: DÖV 2002, S. 53; Cosack, Tilman: Erheblichkeitsschwelle und Ausnahmeregelung nach § 34 BNatSchG - Garanten für eine ausgewogene FFH-Verträglichkeitsprüfung?, in: UPR 2002, S. 251 f.; Stüer, Bernhard/Hermanns, Caspar: Fachplanungsrecht: Grundlagen - Naturschutz, in: DVB1. 2003, S. 721. 233 Vgl. Stüer, Bernhard/Hermanns, Caspar: Fachplanungsrecht: Grundlagen - Naturschutz, in: DVB1. 2003, S. 721. 234 Dazu: BVerwGE 110, S. 302 (310 ff.). 235 Jarass, Hans: EG-rechtliche Folgen ausgewiesener und potentieller Vogelschutzgebiete Zugleich ein Beitrag zum Rechtsregime für FFH Gebiete, in: ZUR 2000, S. 186 ff.; Apfelbacher, Dieter/Adenauer, Ursula/Iven, Klaus: Das zweite Gesetz zur Änderung des Bundesnaturschutzgesetzes, in: NuR 1999, S. 76 f.
Teil 2: Das geltende Recht kann ein Projekt oder Plan nur zugelassen werden, sofern Gründe des Gesundheitsschutzes, der öffentlichen Sicherheit dies erfordern oder die Kommission eine entsprechende Stellungnahme abgegeben h a t . 2 3 7 , 2 3 8 Als problematisch erweist sich die Tatsache, dass die Bundesrepublik Deutschland ihrer Verpflichtung zur Umsetzung der Richtlinien nicht rechtzeitig nachgekommen i s t . 2 3 9 U m die in Deutschland und anderen Mitgliedsstaaten entstandene Schutzlücke zu schließen, entwickelte der EuGH die Rechtsfigur des „faktischen Vogelschutzgebietes", welches entsteht, wenn ein Mitgliedsstaat ein Gebiet ornithologisch deutlich herausgehobener Position vertragswidrig nicht schützt. 2 4 0 Rechtsfolge dessen ist die unmittelbare Geltung des Art. 4 Abs. 4 der Vogelschutzrichtlinie.241 Ähnliches gilt für so genannte „potentielle FFH-Gebiete" 2 4 2 , die ebenfalls der unmittelbaren Geltung der Richtlinie und damit der des § 34 BNatSchG unterfallen 2 4 3 bzw. bei denen eine gemeinschaftsrechtliche Stillhaltepflicht jegliche Beeinträchtigung untersagt 2 4 4 . 236 Vögel werden von der Liste prioritärer Arten nicht erfasst, daher können Vogelschutzgebiete diesem strengen Schutz nicht unterfallen [Jarass, Hans: EG-rechtliche Folgen ausgewiesener und potentieller Vogelschutzgebiete - Zugleich ein Beitrag zum Rechtsregime für FFH Gebiete, in: ZUR 2000, S. 188 f.]. 237 Zur Stellungnahme der Kommission: Berg, Gunhild: Die Stellungnahme der Europäischen Kommission nach Art. 6 Abs. 4 UabS. 2 FFH-RL bzw. § 34 Abs. 4 S. 2 BNatSchG, in: NuR 2003, passim. 238 Vertiefend: Louis, Hans Walter/Weihrich, Dietmar: Das Verhältnis der naturschutzrechtlichen Eingriffsregelung zu den speziellen Artenschutzregelungen der FFH- und Vogelschutzrichtlinie, in: ZUR 2003, S. 387 ff.; vgl. Niederstadt, Frank: Die Umsetzung der FloraFauna-Habitat Richtlinie durch das Zweite Gesetz zur Änderung des Bundesnaturschutzgesetzes, in: NuR 1998, S. 524; Schillhorn, Kerrin: Naturschutz in der Bauleitplanung - nach der Novelle des Bundesnaturschutzgesetzes 2002 [1], in: BauR 2002, S. 1808 f. 239 Fisahn, Andreas: Defizite bei der Umsetzung der FFH-RL durch das BNatSchG, in: ZUR 2001, S. 252 ff. v.a. S. 254 f. 240 EUGH: Urteil v. 7. 12. 2000, Rs. C-374/98 (Basses Corbieres), in: ZUR 2001, S. 75; dazu: Winter, Gerd: Die Dogmatik der Direktwirkung von EG-Richtlinien und ihre Bedeutung für das EG-Naturschutzrecht, in: ZUR 2002, S. 315 f. 241 EuGH, in NuR 2001, S. 210 (212) - Basses Corbieres; EuGH, Slg. 1993, 4221 (4280 ff.) - Santona; siehe auch: BVerwG, in: UPR 2003, S. 183 (184); Gellermann, Maitin, in: Landmann, Robert von/Rohmer, Gustav: Umweltrecht, 11, vor § 32 BNatSchG, Rn. 7 f. (Stand Aug. 2002). 242 Dazu: Mecklenburg, Wilhelm: Anmerkungen zur Rechtsfigur des potentiellen FFH-Gebietes, in: UPR 2002, S. 124 ff.; Kirchhof, Florian: Welches Schutzregime gilt in potenziellen FFH Gebieten?, in: NuR 2001, S. 666 ff.; Niederstadt, Frank: Die Umsetzung der Flora-Fauna-Habitat-Richtlinie durch das Zweite Gesetz zur Änderung des Bundesnaturschutzgesetzes, in: NuR 1998, S. 520 f.; Wirths, Volker: Naturschutz durch europäisches Gemeinschaftsrecht, S. 132 ff.; Gellermann, Martin, in: Landmann, Robert von/Rohmer, Gustav: Umweltrecht, 11, vor § 32 BNatSchG, Rn. 9 f. (Stand Aug. 2002). 243 Mecklenburg, Wilhelm: Anmerkungen zur Rechtsfigur des potentiellen FFH-Gebietes, in: UPR 2002, S. 126 ff.; Kirchhof, Florian: Welches Schutzregime gilt in potenziellen FFH Gebieten?, in: NuR 2001, S. 668 f.; Apfelbacher, Dieter/Adenauer, Ursula//ven, Klaus: Das zweite Gesetz zur Änderung des Bundesnaturschutzgesetzes, in: NuR 1999, S. 72.
§ 2 Der vorsorgende Bodenschutz
9. Das Bundeswaldgesetz und das Waldgesetz für den Freistaat Sachsen Den Waldgesetzen des Bundes und des Freistaates Sachsen kommt ein enormes Gewicht für den Schutz des Bodens vor Versiegelung zu. Diese Bedeutung erklärt sich dadurch, dass der Anteil mit Wald bedeckter - und damit nicht oder nur in sehr geringem Umfang versiegelter - Räche an der Gesamtfläche sehr groß ist und nach Ansicht der Gesetzgeber gesteigert oder zumindest konstant gehalten werden soll. 2 4 5 Dieses Erhaltungs- und Mehrungsziel 246 ist in den §§ 1 der Waldgesetze des Bundes und des Freistaates Sachsen ausdrücklich niedergelegt. Rechtsfolge der Eigenschaft einer Fläche als Wald ist aufgrund von § 9 BundesWaldG bzw. § 8 SächsWaldG die Genehmigungsbedürftigkeit einer Rodung oder Umwandlung in eine andere Nutzungsart. Diese Genehmigung darf nur erteilt werden, wenn die Interessen des Waldbesitzers gegenüber denen der Allgemeinheit überwiegen, wobei das Gewicht der öffentlichen Belange durch die Gewichtungsregel des § 9 Abs. 1 S. 3 BundesWaldG und die Aufzählung vorrangiger öffentlicher Interessen in § 9 Abs. 1 S. 3 2. HS BundesWaldG erhöht wird. 2 4 7 Diese dreigliedrige Entscheidungsstruktur 248 stellt sicher, dass die Umwandlung von Wald in eine andere Nutzungsart nur in wenigen Fällen in Betracht kommt. 2 4 9 Wälder, denen eine besondere ökologische Funktion im Sinne des § 12 BundesWaldG/§ 29 SächsWaldG oder Bedeutung gemäß § 10 FStrG bzw. § 26 SächsStrG zukommt, können zu Schutzwäldern erklärt werden. 250 Rechtsfolge dessen ist nach § 29 Abs. 4 SächsWaldG eine gesteigerte Erhaltungspflicht. Eine weitere dem Erhalt des Waldes und damit dem Schutz des Bodens vor Versiege244 BVerwG, in: ZUR 2003, S. 22 (22); BVerwG, in: DVB1. 2001, S. 386 (390); BVerwGE, 107, S. 1 (21 ff.); VG Oldenburg, in: NVwZ RR 2002, S. 25 (27); Niederstadt, Frank: Die Umsetzung der Flora-Fauna-Habitatrichtlinie durch das Zweite Gesetz zur Änderung des Bundesnaturschutzgesetzes, in: NuR 1998, S. 522; kritisch: Zeichner, Wolfgang: FFH und Planung von Verkehrstrassen - Beispiel A 20 (Wakenitzniederung), in: NVwZ 1999, S. 35. 245 Klose, Franz/Orf, Siegfried: Forstrecht, § 1 Rn. 26; vgl. Gesetzentwurf der Staatsregierung, Waldgesetz für den Freistaat Sachsen (SächsWaldG), in: Drs. Sächs.LT, 1/924, S. 7 der Begründung. 246 Vgl. z u m Aspekt der Waldmehrung: Köpf, Ernst Ulrich /Triebet, Jens: Walderhaltung und Waldmehrung - von der Schwierigkeit Landschaftsentwicklung zu beeinflussen, in: Wissenschaftliche Zeitschrift der TU Dresden, 4-5/2002, S. 125 ff. 247 Büllesbach, Rudolf: Aktuelle Probleme der forstrechtlichen Rodungs- und Umwandlungsgenehmigung, in: NVwZ 1991, S. 24 f.; Schmidt-Aßmann, Eberhard: Die Entscheidungsstruktur der Umwandlungsgenehmigung nach § 9 BWaldG, in: NuR 1986, S. 105; Gassner, Erich: Das Recht der Landschaft, S. 86. 248 Dazu: Schmidt-Aßmann, Eberhard: Die Entscheidungsstruktur der Umwandlungsgenehmigung nach § 9 BWaldG, in: NuR 1986, S. 98 ff.; Klose, Franz/Orf, Siegfried: Forstrecht, § 9 Rn. 161 ff. 249 Vgl. Klose, Franz/Orf, Siegfried: Forstrecht, § 9 Rn. 170 ff. 250 Vgl. OVG Frankfurt (Oder), in: NuR 2001, S. 161 (162 ff.).
Teil 2: Das geltende Recht
lung dienliche Regelung findet sich in § 45 Abs. 5 SächsWaldG, der den Freistaat dazu anhält, den in seinem Eigentum befindlichen Wald zu erhalten. 251
10. Die wasserrechtlichen Schutzgebiete Das Wasserrecht kennt - abgesehen von dem schon oben behandelten Schutz der Gewässerrandstreifen - zwei weitere bedeutsame Schutzgebiete: Wasserschutzgebiete im Sinne des § 19 WHG/§ 48 SächsWG und Überschwemmungsgebiete (§ 32 WHG/§ 100 SächsWG). Voraussetzung der Festsetzung eines (Trink-)Wasserschutzgebietes ist die Eignung des Gebietes zur Erfüllung der in dem unmittelbar geltenden252 § 19 Abs. 1 WHG genannten Schutzziele.253 Demnach kann sich der Schutz des § 19 Abs. 1 WHG bzw. der auf dieser Grundlage erlassenen Verordnungen lediglich auf unmittelbar dem Gewässerschutz dienende Flächen erstrecken, 254 ist jedoch nicht auf den Schutz bestehender Nutzungen beschränkt, sondern kann ausweislich des § 19 Abs. 1 Nr. 1 WHG auch zukünftig für die Wasserversorgung relevante Flächen erfassen 255. Die Festsetzung eines Schutzgebietes ist erforderlich, sobald dies zur Verminderung von Risiken für die Wasserqualität vernünftigerweise geboten ist. 2 5 6 Die Rechtsfolge der Festsetzung hängt davon ab, welche der durch § 48 Abs. 3 S. 1 SächsWG für Trinkwasserschutzgebiete vorgeschriebenen Zonen betroffen ist. 2 5 7 Die in § 48 Abs. 3 S. 2 SächsWG angesprochene weite Schutzzone ist unter dem Gesichtspunkt des quantitativen Bodenschutzes nicht relevant. Im Gegensatz dazu ist in der die eigentliche Trinkwasserentnahmestelle umgebende Fassungszone (§ 48 Abs. 3 S. 4 SächsWG) und in der diese umfassenden engen Schutzzone (§ 48 Abs. 3 S. 3 SächsWG) sowohl die Errichtung oder Erweiterung 251 Gesetzentwurf der Staatsregierung, Waldgesetz für den Freistaat Sachsen (SächsWaldG), in: Drs. des Sächs. Landtag 1/924, S. 40 der Begründung. 252 Gößl, Thomas, in: Sieder, Frank/Zeitler, Herbert/Dahme, Heinz/Knopp, Günther-Michael: Wasserhaushaltsgesetz Abwasserabgabengesetz, § 19 Rn. 2 a (Stand Aug. 1999); Czychowski, Manfred/Reinhard, Michael: Wasserhaushaltsgesetz Kommentar, § 19 Rn. 3. 253 Gößl, Thomas, in: Sieder, Frank/Zeitler, Herbert/Dahme, Heinz/Knopp, Günther-Michael: Wasserhaushaltsgesetz Abwasserabgabengesetz, § 19 Rn. 4 ff. (Stand Aug. 1999); Czychowski, Manfred/Reinhard, Michael: Wasserhaushaltsgesetz Kommentar, § 19 Rn. 6 if.; Zeppernick, Volker / Habel, Wolfgang: Das Wasserrecht in Sachsen, § 48 Rn. 11; speziell zur Schutzwürdigkeit: OVG Saarlouis, NVwZ 1994, S. 1029 (1030 f.). 254 Kotulla, Michael: Rechtliche Instrumente des Grundwasserschutzes, S. 799 m. w. N. 255 Czychowski, Manfred/Reinhard, Michael: Wasserhaushaltsgesetz Kommentar, § 19 Rn. 31. 2 56 BayVGH, in: BayVBl. 2001, S. 311 (312) m. w. N. 257 Für sonstige Wasserschutzgebiete ist die Einteilung in Zonen entsprechend des § 48 Abs. 2 SächsWG möglich, aber nicht vorgeschrieben. Da die sonstigen Wasserschutzgebiete in der Praxis keine große Rolle spielen, werden sie hier nicht weiter behandelt [Kotulla, Michael: Rechtliche Instrumente des Grundwasserschutzes, S. 798].
§
Der vorsorgende Bodenschutz
baulicher Anlagen als auch die von Straßen, Wegen und Bahnlinien untersagt. 2 5 8 Diese strengen Versiegelungsverbote erfahren durch die in allen Trinkwasserschutzgebietsverordungen enthaltene Möglichkeit einer Befreiung eine gewisse Aufweichung. 2 5 9 Diese vermag die bodenschützende Wirkung jedoch nicht wesentlich zu beeinträchtigen, da die Befreiung nur unter sehr strengen Bedingungen gewährt werden kann, was infolge des sehr großen Gemeinwohlbezuges der Trinkwasserversorgung nahezu niemals v o r k o m m t . 2 6 0 Ebenfalls von sehr großer Bedeutung für den Schutz des Bodens vor Versiegelung ist das in § 31 W H G / § 100 SächsWG normativ erfasste Instrument des Überschwemmungsgebietes. 261 Voraussetzung der Festsetzung einer Fläche als Überschwemmungsgebiet ist die Erfüllung der in § 32 Abs. 1 S. 1 W H G genannten Kriterien. Demnach handelt es sich bei Überschwemmungsgebieten u m Flächen, die von einem sogenannten hundert-jährigen Hochwasser betroffen sein können. 2 6 2 Dieser definitorische Rahmen erlaubt die Einbeziehung relativ weiter Flächen in das Schutzregime des § 32 W H G . Unzulässig ist eine Festsetzung erst dann, wenn die Fläche unter keinen Gesichtspunkten geeignet wäre, dem Hochwasserschutz zu dienen. 2 6 3 258 Verordnung des Landratsamtes des Niederschlesischen Oberlausitzkreises zur vorläufigen Festsetzung eines Wasserschutzgebietes vom 25. 4. 1995, erneut verkündet am 27. 7. 1999, in: SächsGVBl. 1999, S. 457, § 4 Abs. 1 Nr. 1, 3 und § 5 S. 1; Verordnung des Landratsamtes Hoyerswerda zum Schutz des Grundwassers im Einzugsgebiet der Trinkwassergewinnungsanlage Bärwalde vom 17. 7. 1995, erneut verkündet durch das Landratsamt des Niederschlesischen Oberlausitzkreises vom 27. 7. 1999, in: SächsGVBl. 1999, S. 461, § 3 Abs. 2 Nr. 1 und 3, Abs. 3 S. 3.; Verordnung des Regierungspräsidiums Chemnitz zum Schutz des dem Rohwasserstollen zwischen den Talsperren Saidenbach und Einsiedel zusitzenden Grundwassers vom 11.1. 2000, in: SächsGVBl. 2000, S. 20, § 3 Abs. 2, § 4 Nr. 2, 5, 6. [Die Verordnung wurde durch Urteil des SächsOVG vom 26. 4. 2001 für nichtig erklärt, ist aber weiterhin repräsentativ]; vgl. BayObLG, in: NVwZ RR 2000, S. 750 (750); Gößl, Thomas, in: Sieder, Frank/Zeitler, Herbert/Dahme, Heinz/Knopp, Günther-Michael: Wasserhaushaltsgesetz Abwasserabgabengesetz, § 19 Rn. 26, 34a (Stand Aug. 1999); Zeppernick, Volker /Habel, Wolfgang: Das Wasserrecht in Sachsen, § 48 Rn. 18; vgl. auch: Ochtendung, Bernd: Wasserschutzgebiete in den neuen Ländern, in: NuR 1998, S. 297. 259 Vgl. BVerwG, in: DVB1. 2003, S. 1074 (1075). 260 Gößl, Thomas, in: Sieder, Frank /Zeitler, Herbert/Dahme, Heinz/Knopp, Günther-Michael: Wasserhaushaltsgesetz Abwasserabgabengesetz, § 19 Rn. 23 a (Stand Aug. 1999); Zeppernick, Volker ! Habel, Wolfgang: Das Wasserrecht in Sachsen, § 48 Rn. 45 f.; vgl. BGHZ 133, S. 271 (275, 280); BayObLG, NVwZ RR 2000, S. 751. 261 Vgl. Handlungsempfehlungen der Ministerkonferenz für Raumordnung zum vorbeugenden Hochwasserschutz vom 14. Juni 2000, abgedruckt in: Sieder, Frank/Zeitler, Herbert/ Dahme, Heinz /Knopp, Günther-Michael: Wasserhaushaltsgesetz Abwasserabgabengesetz, Anhang I I 32 (Stand Nov. 2001); Burgi, Martin/Deichmöller, Sigrid: Bauen im Überschwemmungsgebiet, in: DÖV 2003, S. 358 ff. 262 Czychowski, Manfred/Reinhard, Michael: Wasserhaushaltsgesetz Kommentar, § 32 Rn. 3; Knopp, Günther-Michael, in: Sieder, Frank/Zeitler, Herbert/Dahme, Heinz/Knopp, Günther-Michael: Wasserhaushaltsgesetz Abwasserabgabengesetz, § 32 Rn. 8 ff. (Stand Nov. 2001). 263 Knopp, Günther-Michael, in: Sieder, Frank/Zeitler, Herbert/Dahme, Heinz/Knopp, Günther-Michael: Wasserhaushaltsgesetz Abwasserabgabengesetz, § 32 Rn. 19 (Stand Nov.
0
Teil 2: Das geltende Recht
Die Rechtsfolgen einer Festsetzung als Überschwemmungsgebiet ergeben sich aus dem unmittelbar geltenden Absatz 2 des § 32 WHG, 2 6 4 § 100 SächsWG oder einer auf dessen Grundlage erlassenen Rechtsverordnung. Aufgrund des § 32 WHG sind Überschwemmungsgebiete in ihrer Funktion als natürliche Rückhalteflächen zu erhalten. Aus der Erhaltungspflicht resultiert ein Verbot jeglicher Nutzung, die diese Funktion beeinträchtigen würde. Eine der Erhaltung als Rückhaltefläche abträgliche Nutzung stellen auch Versiegelungen dar, 265 da diese dem ungestörten Ablauf des Wassers entgegenstehen bzw. das Versickern des Wassers erschweren. Eine vertiefte Ausgestaltung erfährt der Erhaltungsgrundsatz durch das SächsWG, das in § 100 Abs. 2 Nr. 3 SächsWG die Errichtung baulicher Anlagen und in § 100 Abs. 2 Nr. 1 SächsWG die Ausweisung neuer Baugebiete in Überschwemmungsgebieten untersagt. 266 Zusätzliche Verstärkung erfährt der Schutz der Überschwemmungsgebiete durch die den Gemeinden bei unzulässiger Überplanung drohenden Ansprüche aus Amtshaftung. 267 Von dem Grundsatz der Erhaltung der Überschwemmungsgebiete können nach § 32 Abs. 2 2. HS WHG/§ 100 Abs. 1 S. 4, Abs. 6 SächsWG Ausnahmen und Befreiungen zugelassen werden. Da eine Ausnahme infolge des sehr hohen Stellenwertes, der der Hochwasservorsorge zukommt, nur bei einem wesentlichen Überwiegen der für sie sprechenden Argumente in Betracht kommt, 268 kann als Ergebnis festgehalten werden, dass die Versiegelung des Bodens in Überschwemmungsgebieten grundsätzlich unzulässig
2001); zurückhaltender: Czychowski, Manfred /Reinhard, Michael: Wasserhaushaltsgesetz Kommentar, § 32 Rn. 21 f. 264 Reichert, Ronald: Verfassungsmäßigkeit der Novelle zum Wasserhaushaltsgesetz? Grenzen der Rahmengesetzgebung, in: NVwZ 1998, S. 19 if. v.a. S. 21; Knopp, Günther-Michael, in: Sieder, Frank/Zeitler, Herbert/Dahme, Heinz/Knopp, Günther-Michael: Wasserhaushaltsgesetz Abwasserabgabengesetz, § 32 Rn. 6 a (Stand Nov. 2001); a.A. Czychowski, Manfred/Reinhard, Michael: Wasserhaushaltsgesetz Kommentar, § 32, Rn. 20. 265 Burgi, Martin/Deichmöller, Sigrid: Bauen im Überschwemmungsgebiet, in: DÖV 2003, S. 361. 266 Vgl. Czychowski, Manfred/Reinhard, Michael: Wasserhaushaltsgesetz Kommentar, § 32 Rn. 30; zur verfassungsrechtlichen Zulässigkeit: Pieroth, Bodo/Bromm, Elke: Die Verfassungswidrigkeit des ausnahmslosen Bauverbots im Uferbereich von Gewässern, in: NuR 1992, S. 372 ff. 267 Beyer, Stefanie: Amtspflichtwidrige Bauleitplanung in überschwemmungsgefährdeten Gebieten, in: NWVB12004, S. 49 ff. 268 Knopp, Günther-Michael, in: Sieder, Frank/Zeitler, Herbert/Dahme, Heinz/Knopp, Günther-Michael: Wasserhaushaltsgesetz Abwasserabgabengesetz, § 32 Rn. 27 ff. (Stand Nov. 2001); zurückhaltender: Czychowski, Manfred/Reinhard, Michael: Wasserhaushaltsgesetz Kommentar, § 32 Rn. 14, 33 ff. 269 Vgl. zu den Einzelheiten: Burgi, Martin/Deichmöller, Sigrid: Bauen im Überschwemmungsgebiet, in: DÖV 2003, S. 362 ff.
§ 2 Der vorsorgende Bodenschutz
1
11. Die straßenrechtlichen Schutzgebiete Auch wenn Fernstraßengesetz und sächsisches Straßengesetz nicht zum Kernbestand des bodenschützenden Rechts zählen, so geht von ihnen doch eine gewisse flächenschützende Wirkung aus. Ziel der straßenrechtlichen Schutzgebiete ist die Erhaltung der Sicherheit und Leichtigkeit des Verkehrs. Zur Erreichung dieses Zieles weisen § 9 Abs. 1 FStrG und § 24 Abs. 1 SächsStrG an bedeutenden im unbeplanten Außenbereich 270 gelegenen Straßen einen Schutzstreifen aus. Rechtsfolge der Festsetzung ist gemäß § 9 Abs. 1 FStrG / § 24 Abs. 1 SächsStrG 271 ein Errichtungsverbot für Hochbauten in einem engen Schutzstreifen, in einem weiteren Streifen besteht nach § 9 Abs. 2 Nr. 1 FStrG eine besondere Genehmigungsbedürftigkeit der Errichtung baulicher Anlagen. Die Untersagung bzw. Versagung der Genehmigung ist jedoch aufgrund der besonderen Zielrichtung des Gesetzes nur dann rechtmäßig, wenn das Verbot zur Erhaltung der Sicherheit und Leichtigkeit des Verkehrs notwendig ist. 2 7 3 Bezüglich der Ausnahmegenehmigung folgt dies ausdrücklich aus § 9 Abs. 3 FStrG, 274 betrifft der Fall das Verbot des § 9 Abs. 1 FStrG - bei dem allein ein Dispens 275 nach § 9 Abs. 8 FStrG möglich ist folgt dies aus dem Zweck des Gesetzes in Verbindung mit Art. 14 Abs. 1 GG. 2 7 6 Insbesondere dem Verkehr dienende Anlagen 277 sowie nur im Außenbereich errichtbare Anlagen 278 müssen daher einen Dispens erhalten. Infolgedessen ist die flächenschützende Wirkung des FStrG und des SächsStrG sehr gering. 279 270 Vgl. Aust, Manfred, in: Kodal, Kurt/Krämer, Helmut (Hrsg.): Straßenrecht, § 28 Rn. 41 ff.; Grupp, Klaus, in: Marschall, Ernst/Schroeter, H./Kastner, Fritz: Bundesfernstraßengesetz Kommentar, § 9 Rn. 13 f. 271 § 24 SächsStrG ist entsprechend des Willens des Gesetzgebers [Gesetzentwurf der Sächsischen Staatsregierung, Sächsisches Straßengesetz, in: Drs. Sächs. LT 1/2057, S. 11 der Begründung] § 9 FStrG inhaltlich nahezu gleich. Im folgenden wird daher nur das Bundesrecht behandelt. Dazu: Mönkemann, Petra/Hoffmann, Fritz-Egbert: Straßenrecht des Freistaats Sachsen, § 24. 272 Der Begriff der Hochbauten entspricht nicht dem der Bauordnung, sondern ist selbstständig und durch das Merkmal der fernstraßenrechtlichen Relevanz geprägt [Grupp, Klaus, in: Marschall, Ernst/Schroeter, H./Kastner, Fritz: Bundesfernstraßengesetz Kommentar, § 9 Rn. 3; Aust, Manfred, in: Kodal, Kurt/Krämer, Helmut (Hrsg.): Straßenrecht, § 28 Rn. 32 ff.]. 273 Grupp, Klaus, in: Marschall, Ernst/Schroeter, H./Kastner, Fritz: Bundesfernstraßengesetz Kommentar, § 9 Rn. 1; Infolge grundrechtlicher Bindung besteht übrigens auch im Fall des § 9 Abs. 8 FStrG kein Ermessen. [Aust, Manfred, in: Kodal, Kurt/Krämer, Helmut (Hrsg.): Straßenrecht, § 28 Rn. 45.5]. 274 Dazu: Grupp, Klaus, in: Marschall, Ernst/Schroeter, H./Kastner, Fritz: Bundesfernstraßengesetz Kommentar, § 9 Rn. 31 ff. v.a. Rn. 35. 275 BVerwG, DÖV 1975, S. 572 (573). 276 Die zur Erteilung eines Dispenses notwendige Härte ist bei der Errichtung baulicher Anlagen gegeben [BVerwG, DÖV 1975, S. 574 (575)]. 277 BVerwG, DÖV 1975, S. 574 (576). 278 Grupp, Klaus, in: Marschall, Ernst/Schroeter, H./Kastner, Fritz: Bundesfernstraßengesetz Kommentar, § 9 Rn. 16. 6 Risch
Teil 2: Das geltende Recht
12. Bewertung und Zwischenergebnis a) Wirksamkeit
in der Fläche
Eine Bewertung der Schutzgebiete anhand ihrer Wirksamkeit in der Räche sollte zunächst die von Schutzgebieten zur Zeit umfasste Räche in das Zentrum der Überlegungen stellen. Diese ist - wie Tabelle 1 zeigt - beeindruckend. Zwar ist die sehr strengen Schutzregimen wie Naturschutzgebiet, Nationalpark und Trinkwasserschutzgebieten der Zone I und I I unterworfene Räche relativ gering. Jedoch nehmen Areale, die einem mittleren oder leichten Versiegelungsschutz unterliegen, einen wesentlichen Anteil der Gesamtfläche ein. Allerdings dürfen die beeindruckenden Zahlen nicht zu einer verfehlten Addition der geschützten Rächen verleiten. Es ist nicht so, dass sich 93% der Räche des Freistaates Sachsen und sogar 105% der Bundesfläche in einem Schutzgebiet befinden. Vielmehr kommt es im Regelfall zur Überdeckung verschiedener Schutzmaßstäbe auf einer Räche. Ein von einem Gewässer durchflossenes Waldstück kann gleichzeitig Naturschutzgebiet, Teil eines Nationalparks oder Biosphärenreservats, Schutzgebiet nach der FFH Richtlinie, Vogelschutzgebiet, Uferzone im Sinne des § 31 BNatSchG, Gewässerrandstreifen und Trinkwasserschutzgebiet sein. 280 Das Ausmaß der zumindest einem Schutzmaßstab unterstehenden Rächen kann daher nur geschätzt werden. 281
279
Ebenfalls zurückhaltend: Kauch, Petra: Bodenschutz aus bundesrechtlicher Sicht,
S. 90. 280 Vgl. § 3 Abs. 1 der Verordnung des Sächsischen Staatsministeriums für Umwelt und Landwirtschaft über die Nationalparkregion Sächsische Schweiz vom 23. 10. 2003, in: SächsGVBl 2003, S. 663. 281 Zu einer bewaldeten Fläche von 29,5% kommen nicht bewaldete strenge Schutzgebiete, die in erster Linie aus Vogelschutzgebieten, Uferbereichen, und Trinkwasserschutzgebieten bestehen dürften. Daher ist eine relativ streng geschützter Anteil von 30-35% der Fläche der Bundesrepublik Deutschland denkbar. Hinzu kommen nur eingeschränkt versiegelungsverhindernde Landschaftsschutzgebiete und straßenrechtliche Schutzgebiete, die allerdings zum Teil schon erfasste Flächen beinhalten. Im Ergebnis kann von 40-45% geschützter Fläche ausgegangen werden, vgl. zum Offenlandanteil an Naturschutzgebieten: Landesamt für Umwelt und Geologie, Freistaat Sachsen: Vorschläge zur Weiterentwicklung des Systems von Naturschutzgebieten im Offenland des Freistaates Sachsen, S. 16.
§ 2 Der vorsorgende Bodenschutz Tabelle 5
Ausdehnung der Schutzgebiete282 Bundesrepublik Deutschland in km 2
Prozentual
Freistaat Sachsen in km 2
Prozentual
357022
100%
18412,94
100%
Naturschutzgebiete
9248
2,6
484,16
2,6
Nationalparke
7286
2,04
92,92
0,5
Schutzgebiet Gesamtfläche
Biosphärenreservate
16065,99
4,5
Landschaftsschutzgebiete
96038,92
26,9
5321,04
28,9
Naturparke
74543
20,88
1855
10,07
37
0.23
Flächennaturdenkmale Schutzgebiete nach der FFHRichtlinie
-
-
300
1,63
22830,13
6,4
644,85
3,5
Schutzgebiete nach der Vogelschutzrichtlinie
8573,15
2,4
782,82
4,25
Straßenrechtliche Schutzgebiete
7609,2
2,13
350,4
1,9
1053141
29,5
4878,84
26,49
38050
10,66
2221,8
12,1
445,7
2,42
Wald Trinkwasserschutzgebiete Davon Zone I und I I
-
-
Neben dem aktuellen Erfassungsgrad ist im Rahmen einer Untersuchung der Wirksamkeit in der Fläche zu prüfen, in welchem Maße das bestehende System der Schutzgebiete erweiterungsfähig ist. Grenzen sind der zukünftigen Ausweisung von Schutzgebieten in erster Linie dadurch gesetzt, dass deren Festsetzung von den oben dargestellten Voraussetzungen abhängt. Diese Kriterien beinhalten ökologische Aspekte, die sich vor allem auf die natürliche Ausstattung einer Fläche beziehen. Diese natürliche Ausstattung ist jedoch nicht überall vorhanden. Exemplarisch ist dies einsichtig, wenn man den Schutzgebietstypus des Überschwemmungsgebietes betrachtet, dessen Ausweisung die Nähe zu einem Wasserlauf voraussetzt und daher auch bei konsequenter Unterschutzstellung aller denkbaren Überschwemmungsgebiete nur eine begrenzte Fläche erfassen kann. Ähnliches gilt für den Schutzgebietstyp des Nationalparks. Auch wenn es in Deutschland erfreulicherweise noch eine Anzahl ausreichend großer naturnaher Gebiete gibt, so ist doch festzustellen, dass auch die Ausweisung aller 4 ange282
6*
Zusammengestellt aus Daten des Umweltbundesamtes (www.umweltbundesamt.de).
Teil 2: Das geltende Recht
dachten neuen Nationalparke 283 die fortschreitende Flächenversiegelung allein nicht aufzuhalten vermag. 284 Das Problem der teilweise sehr hohen natürlichen Voraussetzungen, die ein Gebiet erfüllen muss, um als Schutzgebiet ausgewiesen werden zu können, wurde im Rahmen der Novellierung des BNatSchG durch die Stärkung des Entwicklungsgedankens teilweise behoben. Zu bedenken ist jedoch, dass auch Zielschutzgebiete nicht zu einem voraussetzungslosen Naturschutz führen können 285 und ihrer Ausweisung daher ebenfalls Grenzen gesetzt sind. Abschließend ist daher festzustellen, dass das Recht der Schutzgebiete in Bezug auf die Wirksamkeit in der Fläche als ausreichend betrachtet werden kann. Für eine Vielzahl von Arealen besteht die Möglichkeit, sie einem Bodenschutzgebiet zu unterwerfen. Problematisch ist allein, dass die Ausweisung eines Schutzgebietes in jedem Fall vom Vorhandensein anderer Schutzgüter abhängt. Die Ausweisung eines reinen Bodenschutzgebietes ist nicht möglich. Daher kann es auf Flächen, die unter sonstigen naturschutzfachlichen Gesichtspunkten von eher geringem Interesse sind, zu Schutzlücken kommen. Hier ist zu klären, ob das Planungsrecht Mittel bereithält, diese Schutzlücken zu schließen, oder ob hier tatsächlich ein Defizit besteht.
b) Prinzipielle juristische Eignung Im Rahmen der Überprüfung der prinzipiellen juristischen Eignung der bestehenden Schutzgebietstypen ist zunächst festzustellen, dass die normative Ausgestaltung der Schutzgebiete prinzipiell zufriedenstellend ist. Streng ausgestaltet und damit im Sinne der hier angestrebten Klärung positiv zu bewerten sind die Schutzgebietstypen des Naturschutzgebietes, des Nationalparks, die Gebiete des Objektschutzes, FFH- und Vogelschutzgebiete, sowie die Schutzgebiete des Waldund Wasserrechts. In diesen ist die Versiegelung des Bodens grundsätzlich unzulässig. Hier kann man von „relativer Unantastbarkeit" 286 sprechen. Grundsätzlich weniger streng ausgestaltet sind Biosphärenreservat, Landschaftsschutzgebiet, Natur283
Stock, Martin: Nationalparke in Deutschland: Den Entwicklungsgedanken gesetzlich absichern und konkretisieren!, in: ZUR 2000, S. 205. 284 Hinzuweisen ist hier allerdings auf ein in den neuen Ländern bestehendes Potential von 70.000 ha [Stock, Martin: Zur Pflege des nationalen Naturerbes: Was wird aus den Treuhandflächen in ostdeutschen Großschutzgebieten?, in: Hendler, Reinhard/Marburger, Peter/ Reinhardt, Michael / Schröder, Meinhardt (Hrsg.): Jahrbuch des Umwelt- und Technikrechts 2002, S. 259]. 285 Meßerschmidt, Klaus: Wiedervorlage oder Innovation? Zum Entwurf einer Gesamtnovellierung des Bundesnaturschutzgesetzes vom 2. Februar 2001, in: ZfU 2001, S. 245 f.; Rehbinder, Eckard: Wege zu einem wirksamen Naturschutz - Aufgaben, Ziele und Instrumente des Naturschutzes, in: NuR 2001, S. 365. 286 Czybulka, Detlev: Der europäische und nationale Rechtsrahmen der Biotopvernetzung, in: Oldiges, Martin (Hrsg.): Perspektiven des Naturschutzes, S. 67.
§ 2 Der vorsorgende Bodenschutz
park und Gewässerrandstreifen. Diese Schutzgebiete ermöglichen es zwar prinzipiell, eine Fläche von der Versiegelung frei zu halten, lassen aber infolge ihrer weniger restriktiven Ausgestaltung eine Reihe von Ausnahmen zu und sind in ihrer flächenschützenden Wirkung begrenzt. Bei den Randstreifen des Straßenrechts handelt es sich schließlich nicht um Schutzgebiete im hier gebrauchten Sinn. Die flächenschützende Wirkung dieser Ausweisung ist sehr gering. Die unterschiedlich strenge Ausgestaltung der Schutzgebiete ist im Sinne der prinzipiellen juristischen Eignung jedoch als nicht problematisch zu betrachten. Vielmehr ist ein abgestuftes System der Schutzgebiete unter Gesichtspunkten der Verhältnismäßigkeit geradezu notwendig. 287 Bedenklich ist allein, dass alle Schutzgebiete, insbesondere jedoch die an zweiter Stelle genannte Gruppe der weniger streng geschützten Gebiete, offen gegenüber Ausnahmen sind. 288 Problematisch ist daher nicht der Regelfall des zufriedenstellenden Schutzes des Bodens, sondern der Ausnahmefall, in dem das Schutzgebietsregime sehenden Auges durchbrochen wird, um ein als höherrangig eingestuftes Ziel zu erreichen. Die Relevanz dieses Aspektes zeigt sich beispielsweise daran, dass infolge der Ausnahmeregelungen des § 34 Abs. 3 und 4 BNatSchG die eigentlich sehr strengen FFHGebiete so weit relativiert wurden, dass bislang sämtliche kritische Großprojekte eine Ausnahmegenehmigung erhalten haben 2 8 9 Auch Überschwemmungsgebieten wird regelmäßig entgegengehalten, dass es aus jeweils ganz besonderen und einmaligen Gründen notwendig sei, Ausnahmen zu machen. 290 Auch wenn ein Teil dieser Ausnahmeregelungen aus Gründen der Verhältnismäßigkeit notwendig ist, 2 9 1 so ist doch festzustellen, dass in diesem Bereich gesetzgeberischer Nachbesserungsbedarf besteht. Abschließend kann festgehalten werden, dass die normative Ausgestaltung der Schutzgebiete allein bezüglich der Ausnahmeregelungen defizitär ist.
287 Vgl. OVG Nds, in: NdsVBl 2004, S. 15 (17). 288 Die Möglichkeit der Befreiung von Schutzgebietsvorschriften wurde durch das neue BNatSchG nicht ausgeschlossen, sondern den Ländern zur Regelung überantwortet [vgl. die Stellungnahmen von Lütkes und Meves in der Aussprache zu den Beiträgen von Lütkes und Meves, in: Oldiges, Martin (Hrsg.): Perspektiven des Naturschutzes, S. 37 f.]. Vgl. auch: BVerwG, in: NuR 2003, S. 624 (624); eingeschränkt positiv allerdings: VGH München, in: NuR 2003, S. 752 (752). 289
Cosack, Tilman: Erheblichkeitsschwelle und Ausnahmeregelung nach § 34 BNatSchG - Garanten für eine ausgewogene FFH-Verträglichkeitsprüfung?, in: UPR 2002, S. 253; vgl. aber auch: BVerwG, in: UPR 2003, S. 183 (183 ff.). 290 Geiler, Nikolaus: Die Chronologie des Hochwasserschutzes in der 6. WHG Novelle, in: ZUR 1997, S. 78. 29 1 BVerwG, in: DVB1. 2003, S. 1074 (1075); OVG Lüneburg, in: NuR 2003, S. 567 (569 f.); OVG Lüneburg, in: NuR 2002, S. 99 (100 f.); VGH Kassel, in: NuR 1996, S. 621 (623); Schmidt-Räntsch, Jürgen, in: Gassner, Erich / Bendomir-Kahlo, Gabriele / SchmidtRäntsch, Jürgen: Bundesnaturschutzgesetz, § 22 Rn. 24, 51 f.; Lorz, Albert /Müller, Markus/ Stockei, Heinz: Naturschutzrecht, § 23 Rn. 19.
Teil 2: Das geltende Recht
III. Raumplanerische Instrumente 1. Einführung Nachdem im vorangegangenen Abschnitt dargelegt wurde, welche beachtliche bodenschützende Wirkung Schutzgebieten zukommt, ist im Folgenden zu fragen, ob das raumbedeutsame Planungsrecht in Bezug auf den quantitativen Bodenschutz von ähnlich hoher Relevanz ist. Im Gegensatz zur grundsätzlich „bodenfreundlichen" Intention der Bodenschutzgebiete geht das Planungsrecht von einem anderen Paradigma aus. Zum einen soll es die Entwicklung eines bestimmten Raumes steuern - was auf die Gesamtplanung und zum Teil auf die kommunale Planung zutrifft. Zum andern kommt dem Planungsrecht die Funktion zu, bestimmte Nutzungsinteressen möglichst günstig über den Raum zu verteilen (Fachplanung). Demnach steht das Planungsrecht den verschiedenen Nutzungen des Raums und damit auch der Versiegelung entweder neutral gegenüber oder forciert die Versiegelung durch vorhabenbezogene Planung. Daher sind im Folgenden jeweils zwei Fragen zu beantworten. Zum einen ist zu klären, welche Bedeutung der jeweiligen Planungsnorm in Bezug auf den quantitativen Bodenschutz zukommt, wobei zur Beantwortung dieser Frage sowohl auf den durch dieses Planungsinstrument hervorgerufenen Flächenverbrauch, als auch auf die planungsrechtlichen Möglichkeiten zur Verhinderung weiteren Flächenverbrauchs einzugehen ist. Zum anderen soll geklärt werden, durch welche Normen bodenschützender Einfluss auf die planerische Entscheidung genommen wird.
2. Der Bodenschutz durch die Gesamtplanung a) Die Bedeutung des Gesamtplanungsrechts für den Bodenschutz Die Relevanz der Gesamtplanung für den Schutz des Bodens vor Versiegelung offenbart sich schon bei einem ersten Blick in das SächsLPIG. Dieses dient ausweislich des § 1 Abs. 1 SächsLPIG der Planung und Entwicklung des Landes. Dieser Auftrag wird durch den landesweit geltenden Landesentwicklungsplan und die Regionalpläne umgesetzt. Durch den aufgrund von § 2 ff. SächsLPIG erlassenen Landesentwicklungsplan wird die Verteilung von Verdichtungsräumen, Zentren, Entwicklungsachsen und Räumen für besondere Entwicklung über die Fläche des Landes festgelegt. 292 Die Entscheidung der planenden Behörde einer Stadt beispielsweise, den Status eines Oberzentrums zu verleihen, kann weitreichende Folgen für die Versiegelung von Flächen haben. Eine derartige Entscheidung bindet bei entsprechender Ausgestaltung die nachfolgenden Planungsebenen und führt 292 Vgl. BayVerfGH, in: DÖV 2003, S. 78 (79).
§ 2 Der vorsorgende Bodenschutz
unter Umständen dazu, dass durch eine Verbesserung der Infrastrukturanbindung oder Bebauung neuer Stadtteile, großflächig Boden versiegelt wird. 2 9 3 Dem Landesentwicklungsplan kommt demnach die Funktion zu, weitere Planung - und damit weiteren Flächenverbrauch - zu ermöglichen. 294 Dies gilt in kleinerem Maßstab auch für die nach § 6 ff. SächsLPIG aufzustellenden Regionalpläne. Jedoch wäre es verfehlt, die alleinige Verantwortung für den Flächenverbrauch der Gesamtplanung zuzuschreiben. Diese eröffnet lediglich Möglichkeiten, deren Realisierung von nachfolgenden Planungsebenen und der Annahme der gemachten Angebote durch Bau- bzw. Versiegelungswillige abhängt. Allerdings sollte die den Flächenverbrauch vorzeichnende Wirkung der Gesamtplanung nicht unterschätzt werden, da nahezu aller Flächenverbrauch auf einer vorangegangenen gesamtplanerischen Entscheidung beruht. Auf der Gegenseite darf nicht unerwähnt bleiben, dass das Gesamtplanungsrecht - insbesondere der Landesentwicklungsplan Sachsen, der infolge des § 3 Abs. 1 S. 4 SächsLPIG auch die Funktion des Landschaftsprogrammes übernimmt 2 9 5 - auch Möglichkeiten beinhaltet, den Boden mittels entsprechender planerischer Festsetzungen vor Versiegelung zu bewahren. 296 Abhängig von der Bedeutung, die dem Erhalt der Freifläche von Seiten der Planung zugemessen wird, kann die Ausweisung als Freifläche entweder in Form eines nach § 4 Abs. 1 ROG strikt bindenden Zieles 297 oder in Form eines nach § 4 Abs. 2 ROG lediglich berücksichtigungspflichtigen Grundsatzes 298 erfolgen. Die Geltung der Ziele und Grundsätze wird von einer Reihe planungssichernder Regelungen flankiert. 299 Auf 293
Vgl. die Ziele des Landesentwicklungsplans Sachsen (2003): (in Auswahl) G 2.2.1, G. 2.2.4 ff., G 2.5.1 ff., Ζ 2.6.1, Ζ 6.2.1 ff., G 10.1 ff., Ζ 16.3.3 ff. [Verordnung der Sächsischen Staatsregierung über den Landesentwicklungsplan Sachsen (LEP 2003) vom 16. 12. 2003, in: SächsGVBl 2003, S. 915]; vgl. auch: Happe, Michael/Mohs, Bernhard/ Ohligschläger, Gerd/Grabe, Christian/Kaschlun, Walther: Bodenschutz und Landschaftsverbrauch, S. 68 ff. 294 Rat von Sachverständigen für Umweltfragen: Für eine Stärkung und Neuorientierung des Naturschutzes, Sondergutachten 2002, S. 111. 295 Zur Landschaftsplanung im neuen BNatSchG: Gellermann, Martin: Das modernisierte Naturschutzrecht, in: NVwZ 2002, S. 1029 f. 29 6 Vgl. ζ. B.: BVerwG, in: NuR 2002, S. 49 (50 ff.); skeptischer: Rat von Sachverständigen für Umweltfragen: Für eine Stärkung und Neuorientierung des Naturschutzes, Sondergutachten 2002, S. 112 f. 297 Vergleiche dazu: BVerwGE 90, S. 329 (332 ff.); Schroeder, Werner: Die Wirkung von Raumordnungszielen, in: UPR 2000, S. 52 ff.; Runkel, Peter: Das neue Raumordnungsgesetz und das Umweltrecht, in: NuR 1998, S. 450 f.; Hoppe, Werner: „Ziele der Raumordnung und Landesplanung" und „Grundsätze der Raumordnung und Landesplanung" in normtheoretischer Sicht, in: DVB1. 1993 S. 682 f. 298 Vergleiche dazu: Goppel, Konrad: Grundsätze der Raumordnung in Raumordnungsplänen, in: BayVBl 1999 S. 331 ff. 299 Vergleiche dazu: Schoen, Hendrik: Bundesrechtliche Vorgaben zur landesplanerischen Untersagung und Mittel zur Sicherung städtebaulicher Planungsabsichten - Eine vergleichende Betrachtung, in: NuR 2000, S. 138 ff.; Hopp, Wolfgang: Das Raumordnungsverfahren im Spiegel geänderter bundesrechtlicher Vorgaben, in: NuR 2000, S. 301 ff.
Teil 2: Das geltende Recht
der Ebene des Landesentwicklungsplanes ist es mittels des § 2 Abs. 2 Nr. 4 und indirekt mittels Nr. 1 SächsLPIG möglich, Räume gegenüber nachfolgenden Planungsebenen als grundsätzlich nicht oder nur eingeschränkt versiegelbar auszuweisen. Auf regionalplanerischer Ebene ermöglicht es § 6 Abs. 2 SächsLPIG, regionale Grünzüge (Nr. 2), auf Eigenentwicklung angewiesene Gemeinden (Nr. 3), schutzbedürftige Naturräume (Nr. 4) und land- und forstwirtschaftliche Flächen festzulegen. Den so festgelegten Räumen ist gemein, dass die Versiegelung von Rächen in ihnen nur in sehr eingeschränktem Maße zulässig ist. Beispielsweise verhindert die Beschränkung einer Gemeinde auf die Eigenentwicklung nach § 6 Abs. 2 Nr. 3 SächsLPIG jegliche Ausweisung zu bebauender Flächen im Außenbereich. Der Flächenverbrauch wird dadurch in den Innenbereich gelenkt und somit begrenzt. In Anbetracht dieser weitreichenden Möglichkeiten ist jedoch anzumerken, dass die Festsetzung eines Zieles der Raumordnung nach § 3 Nr. 2 ROG eine abschließende Abwägung voraussetzt. 300 Demnach können Flächen gegenüber den nachfolgenden Planungsebenen nur dann als von der Versiegelung freizuhaltend ausgewiesen werden, wenn die konkret abgewogenen entgegenstehenden Belange, einschließlich der aufgrund des § 1 Abs. 2 S. 1 ROG zu berücksichtigenden nachhaltigen wirtschaftlichen und sozialen Entwicklung, als geringwertiger befunden wurden. 301 Aufgrund dieser relativ strengen Anforderungen sind flächenschützende Ziele der Raumordnung auf landesplanerischer Ebene - im Gegensatz zur Regionalplanung - selten. 302
b) Die Entscheidungen über den Bodenverbrauch Die Entscheidung über den Inhalt der Raumordnungspläne erfolgt nach § 6 Abs. 3 SächsLPIG i.V.m. § 7 Abs. 7 ROG durch Abwägung. Angesichts der Ergebnisoffenheit von Abwägungsentscheidungen stellt sich die Frage, ob und in welchem Maße die Aspekte des quantitativen Bodenschutzes in die Abwägung einbezogen werden. Die Betrachtung orientiert sich zunächst an der Entscheidung 300 BVerwGE 90, S. 329 (334); VGH Kassel, in: NVwZ 2003, S. 229 (231); Hendler, Reinhard: Raumordnungsziele als landesplanerische Letztentscheidungen, in: UPR 2003, S. 257 ff.; Spoerr, Wolfgang: Raumordnungsziele und gemeindliche Bauleitplanung, in: Erbguth, Wilfried/Oebbecke, Janbernd/Rengeling, Hans-Werner/ Schulte, Martin (Hrsg.): Planung, Festschrift für Werner Hoppe, S. 348 ff. 301 Zum Spielraum der nachfolgenden Planungsebenen: Hendler, Reinhard: Raumordnungsziele als landesplanerische Letztentscheidungen, in: UPR 2003, S. 257 ff. 302
Der Landesentwicklungsplan Sachsen (2003) enthält zwar eine Reihe von flächenschützenden Zielen, diese sind jedoch entweder als „Soll-Ziele" ausgestaltet oder beinhalten lediglich einen mit Ermessen versehenen Handlungsauftrag an die Regionalplanung. Auf der Ebene des Landesentwicklungsplans können daher allein die Ziele Ζ 4.1.6 und Ζ 4.1.7 (Erhalt und Entwicklung der Nationalparkregion Sächsische Schweiz bzw. des Biosphärenreservats Oberlausitzer Heide) als unmittelbarflächenschützende Ziele betrachtet werden. [Verordnung der Sächsischen Staatsregierung über den Landesentwicklungsplan Sachsen (LEP 2003) vom 16. 12. 2003, in: SächsGVBl 2003, S. 915]; vgl. VGH Kassel, in: NVwZ 2003, S. 229 (231).
§ 2 Der vorsorgende Bodenschutz über den Inhalt des Landesentwicklungsplanes, berücksichtigt aber in einem fünften Punkt die Besonderheiten der Regionalplanung. Über die hier zu nennenden Punkte hinaus können i m Einzelfall aufgrund von § 7 Abs. 7 S. 3 ROG weitere öffentliche oder private Belange in die Abwägung einzustellen sein. Diese sind jedoch nicht in jedem Fall von bodenschützender Bedeutung und daher i m Rahmen der hier angestrebten allgemeinen Betrachtung nicht zu beachten.
(1) Der Grundsatz der nachhaltigen Raumentwicklung nach § 1 Abs. 3 ROG Der durch § 1 Abs. 1 S. 2 SächsLPIG in Bezug genommene § 1 Abs. 3 ROG erklärt die nachhaltige Raumentwicklung zur Leitvorstellung des ROG. Der vom Raumordnungsgesetz verwendete Begriff der Nachhaltigkeit 3 0 3 schließt in Übereinstimmung mit den zugrunde liegenden Dokumenten der U N soziale, wirtschaftliche und ökologische Aspekte e i n . 3 0 4 Die drei Aspekte werden als gleichwertig betrachtet. 3 0 5 Ob die Versiegelung des Bodens mit der Leitvorstellung der Nachhaltigkeit vereinbar ist, muss i m Rahmen einer Gesamtschau der drei Aspekte geklärt werden. In ökologischer Hinsicht ist zu bemerken, dass die Versiegelung des Bodens zu seiner vollständigen Zerstörung führt und daher nicht mit dem in § 1 Abs. 2 S. 2 ROG angesprochenen - in Anlehnung an Art. 20 a GG zu interpretierenden 306 303 Zum Begriff: Beaucamp, Guy: Das Konzept der zukunftsfähigen Entwicklung im Recht, S. 11 ff.; Ketteier, Gerd: Der Begriff der Nachhaltigkeit im Umwelt- und Planungsrecht, in NuR 2002, S. 513 ff.; Erbguth, Wilfried: Konsequenzen der neueren Rechtsentwicklung im Zeichen nachhaltiger Raumentwicklung, in: DVB1. 1999, S. 1082 ff.; Bückmann, Walter /Rogali, Holger: Nachhaltigkeit - rechtliche und wirtschaftswissenschaftliche Aspekte, in: UPR 2001 S. 121 ff.; Rehbinder, Eckard: Das deutsche Umweltrecht auf den Weg zur Nachhaltigkeit, in: NVwZ 2002, S. 657 ff.; eher skeptisch: Leidig, Guido: Nachhaltigkeit als umweltplanungsrechtliches Entscheidungskriterium, in: UPR 2000 S. 374 m. w. N. 304 Auch wenn diese Ableitung unzutreffend ist, wie Murswiek überzeugend darlegt, ändert sich nichts an dem im ROG verwandten Begriff der Nachhaltigkeit [Murswiek. Dietrich: „Nachhaltigkeit" - Probleme der rechtlichen Umsetzung eines umweltpolitischen Leitbildes, in NuR 2002, S. 641 ff.]. Vgl. auch: § 1 Abs. 5 S. 1 BauGB. 305 Runkel, Peter, in: Bielenberg, Walter/Runkel, Peter/Spannowsky, Willy: Raumordnungsrecht des Bundes und der Länder, § 1 Rn. 60 (Stand Mai 2001); Beaucamp, Guy: Das Konzept der zukunftsfähigen Entwicklung im Recht, S. 412; Erbguth, Wilfried: Konsequenzen der neueren Rechtsentwicklung im Zeichen nachhaltiger Raumentwicklung, in: DVB1. 1999, S. 1084; Mitschang, Stephan: Der Plangrundsatz der Nachhaltigkeit, in: DÖV 2000, S. 16; Runkel, Peter: Das neue Raumordnungsgesetz und das Umweltrecht, in: NuR 1998, S. 450; Ketteier, Gerd: Der Begriff der Nachhaltigkeit im Umwelt- und Planungsrecht, in: NuR 2002, S. 516, 520; Sieben, Peter: Was bedeutet Nachhaltigkeit als Rechtsbegriff?, in: NVwZ 2003, S. 1175. 3 06 Nach Ansicht von Erbguth geht der allgemeine Nachhaltigkeitsgrundsatz des ROG über den des Art. 20 a GG hinaus [Erbguth, Wilfried: Konsequenzen der neueren Rechtsentwicklung im Zeichen nachhaltiger Raumentwicklung, in: DVB1. 1999 S. 1084 ff.].
Teil 2: Das geltende Recht
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Schutz und der Entwicklung der natürlichen Lebensgrundlagen vereinbar ist. 3 0 7 Auch stellt § 1 Abs. 2 S. 2 Nr. 1 ROG die freie Entfaltung der Persönlichkeit unter den Vorbehalt der Verantwortung für zukünftige Generationen und verpflichtet somit dazu, Raumnutzungen zu vermeiden bzw. einzuschränken, die irreversible Auswirkungen haben. 308 Die Versiegelung einer Fläche führt zu Schäden des Bodens, die innerhalb menschlich überblickbarer Zeiträume nicht reversibel sind. 309 Vergleichbares gilt - gerechtfertigt durch die Gefahren versiegelungsbedingten Hochwassers und Klimawandels 310 - in Bezug auf den Vorbehalt der Interessen der Gemeinschaft. Die Versiegelung von Flächen kann daher auf der Basis ökologischer Aspekte nicht als nachhaltig beurteilt werden. In Bezug auf die sozialen und wirtschaftlichen Aspekte stellt sich die Situation allerdings anders dar. Die Versiegelung des Bodens ist Voraussetzung einer Vielzahl sozialer und wirtschaftlicher Nutzungen 311 und in einigen Situationen geradezu notwendig, um eine nachhaltige soziale und wirtschaftliche Entwicklung zu ermöglichen. 312 Zusammenfassend kann daher festgestellt werden, dass es angesichts der divergierenden Teilaussagen nicht möglich ist, ein eindeutiges Urteil zu treffen. 313 Dem Kriterium der Nachhaltigkeit ist keine klare Information über die Zulässigkeit des Bodenverbrauches zu entnehmen.314 Jedoch kann der Leitvorstellung der nachhaltigen Raumentwicklung entnommen werden, dass keiner der drei Aspekte völlig in den Hintergrund gedrängt werden darf, da eine raumplanerische Abwägung fehlerhaft ist, wenn die Leitvorstellung der Nachhaltigkeit deutlich verfehlt wurde. 315 Aus diesen Gründen widerspräche 307 Bückmann, Walter/Rogali, Holger: Nachhaltigkeit - rechtliche und wirtschaftswissenschaftliche Aspekte, in: UPR 2001 S. 123; Bunzel, Arno: Nachhaltigkeit - ein neues Leitbild für die kommunale Flächennutzungsplanung. Was bringt das novellierte Baugesetzbuch?, in: in NuR 1997, S. 584. 308 Runkel, Peter, in: Bielenberg, Walter/Runkel, Peter/Spannowsky, Willy: Raumordnungsrecht des Bundes und der Länder, § 1 Rn. 76 (Stand Mai 2001). 309 Kühner, Sabine: Bodenschutz als Planungsaufgabe, S. 78. 310 Siehe dazu oben Teil 1, § 2 II.
311 Siehe § 1 Abs. 2 S. 2 Nr. 1, 3, 6, 7 ROG. 312
Vgl. dazu: Bückmann, Walter /Rogali, Holger: Nachhaltigkeit - rechtliche und wirtschaftswissenschaftliche Aspekte, in: UPR 2001, S. 127 ff. 313 Leidig, Guido: Nachhaltigkeit als umweltplanungsrechtliches Entscheidungskriterium, in: UPR 2000 S. 375; Murswiek. Dietrich: „Nachhaltigkeit" - Probleme der rechtlichen Umsetzung eines umweltpolitischen Leitbildes, in NuR 2002, S. 642; Beaucamp, Guy: Das Konzept der zukunftsfähigen Entwicklung im Recht, S. 37 ff. 314 Rat von Sachverständigen für Umweltfragen: Für eine Stärkung und Neuorientierung des Naturschutzes, Sondergutachten 2002, S. 112; vgl. die ähnlich gelagerte Auseinandersetzung um die Interpretation des § 2 Abs. 2 BBodschG. Dazu: Henke, Andreas: Funktionaler Bodenschutz, S. 124 ff. 315 Erbguth, Wilfried: Verkehrsvermeidung durch Raumordnung, in: NVwZ 2000, S. 31; vgl. auch: Sieben, Peter: Was bedeutet Nachhaltigkeit als Rechtsbegriff?, in: NVwZ 2003, S. 1176.
§ 2 Der vorsorgende Bodenschutz
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es der Leitvorstellung der Nachhaltigkeit, wenn die ökologischen Aspekte - insbesondere der bei jeder raumbedeutsamen Planung relevante Aspekt des Flächenverbrauches - völlig weggewogen würde. 316 Jedoch vermag diese „nachhaltigkeitsbedingte Wegwägsperre" lediglich die völlige Missachtung eines Belanges zu verhindern, mit qualitativen Kriterien ist sie nicht verbunden. Sie ist daher nur als Mindestschutz zu verstehen. 317 Die Umsetzung der Leitvorstellung der Nachhaltigkeit erfolgt infolge der §§ 2 Abs. 1 und 7 Abs. 1 S. 1 ROG bei der Auslegung dieser Normen. 318 Der Gedanke der Nachhaltigkeit geht jedoch nicht direkt in die Abwägung ein 3 1 9 und enthält keine Gewichtungsvorgaben für diese 320 . Daher ist die Leitvorstellung der Nachhaltigkeit sowohl inhaltlich unbestimmt als auch von geringer rechtlicher Verbindlichkeit. 321
(2) Die Grundsätze der Raumordnung nach § 2 Abs. 2 ROG Die in § 2 Abs. 2 ROG erfolgte Aufzählung der Grundsätze der Raumordnung besticht zunächst durch die Vielzahl der Punkte, unter denen direkt oder indirekt auf den Schutz des Bodens vor Versiegelung eingegangen wird. 3 2 2 Aus dem großen textlichen Gewicht kann jedoch nicht geschlussfolgert werden, dass sich die Aspekte des Freiraumschutzes gegen konkurrierende Raumnutzungen durchsetzen. Dies könnte nur angenommen werden, wenn die Durchsetzungsfahigkeit der freiraumerhaltenden Grundsätze gesichert wäre. 316
Erbguth, Wilfried: Verkehrsvermeidung durch Raumordnung, in: NVwZ 2000, S. 31. Im Ergebnis auch: Kuschnerus zitiert von Stüer, Bernhard/Honig, Dietmar: Nachhaltige Städtebauliche Entwicklung, in: DVB1. 1999, S. 1721; ebenfalls kritisch: Beaucamp, Guy: Das Konzept der zukunftsfähigen Entwicklung im Recht, S. 413 ff. v.a. S. 415. 318 Krautzberger/Stemmler sprechen von einer „Handlungs- und Auslegungsmaxime" [Krautzberger, Michael/Stemmler, Johannes: Zum Rechtsbegriff der nachhaltigen räumlichen Entwicklung, insbesondere § 1 Abs. 5 Satz 1 BauGB und § 1 Abs. 2 Satz 1 ROG, in: Erbguth, Wilfried/Oebbecke, Janbernd/Rengeling, Hans-Werner/ Schulte, Martin (Hrsg.): Planung, Festschrift für Werner Hoppe, S. 321]. 319 Runkel, Peter, in: Bielenberg, Walter/Runkel, Peter/Spannowsky, Willy: Raumordnungsrecht des Bundes und der Länder, § 1 Rn. 93 (Stand Mai 2001). 320 Bückmann, Walter/Rogali, Holger: Nachhaltigkeit - rechtliche und wirtschaftswissenschaftliche Aspekte, in: UPR 2001 S. 124; vgl. auch: Murswiek. Dietrich: „Nachhaltigkeit" Probleme der rechtlichen Umsetzung eines umweltpolitischen Leitbildes, in NuR 2002, S. 642. 321 Runkel, Peter, in: Bielenberg, Walter/Runkel, Peter /Spannowsky, Willy: Raumordnungsrecht des Bundes und der Länder, § 1 Rn. 71 (Stand Mai 2001). 317
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§ 2 Abs. 2 Nr. 1 S. 1, 3, 6 S. 4, 8, 10,14 ROG; Runkel, Peter: Das neue Raumordnungsgesetz und das Umweltrecht, in: NuR 1998, S. 450; zur bodenschützenden Wirkung der einzelnen Grundsätze: Brand, Edmund/Sanden, Joachim: Verfassungsrechtliche Zulässigkeit neuer übergreifender Rechtsinstrumente zur Begrenzung des Flächenverbrauchs, S. 46; vgl. zum alten Recht: Kauch, Petra: Bodenschutz aus bundesrechtlicher Sicht, 1993, S. 50 ff.
Teil 2: Das geltende Recht Grundsätze der Raumordnung sind infolge des § 4 Abs. 2 ROG in der Abwägung zu berücksichtigen. Jedoch können die benannten Aspekte infolge ihres Abstraktionsniveaus 3 2 3 nicht selbst in den eigentlichen Prozess der Abwägung i m Sinne einer Bewertungs- bzw. Entscheidungsphase 324 einbezogen werden. 3 2 5 Vielmehr entfalten die Grundsätze des § 2 Abs. 2 ROG nur dahingehend Wirkung, dass es sich bei ihnen um „generell berücksichtigungspflichtige Z i e l e " 3 2 6 handelt. 3 2 7 Sie bilden einen Katalog von Richtpunkten, die der Gesetzgeber abstrakt für berücksichtigenswert h ä l t 3 2 8 und die von einer planenden Instanz auf Betroffenheit i m Einzelfall und Einbeziehung in die Abwägung überprüft werden müssen. 3 2 9 Die Wirkung der Grundsätze des § 2 Abs. 2 ROG beschränkt sich daher auf die Hinweisfunktion 3 3 0 . Hinzu kommt, dass die in § 2 Abs. 2 ROG genannten Grundsätze gleichberechtigt nebeneinander stehen 3 3 1 . Ein Vorrang der ökologischen Aspekte, insbesondere der Belange des Bodenschutzes, kann aus der Vielzahl der Nennungen nicht hergeleitet werden 3 3 2 . Abschließend kann festgestellt werden,
323 Vgl. dazu die ständige Rechtsprechung des BVerwG, seit BVerwGE 34 S. 301 (309); Just, Jan-Dirk: Ermittlung und Einstellung von Belangen bei der planerischen Abwägung, S. 70; Dreier, Johannes: Die normative Steuerung der planerischen Abwägung, S. 66, 69 f., 72 ff., 79 f. m. w. N. 324 Zu den verschiedenen Phasenmodellen: Dreier, Johannes: Die normative Steuerung der planerischen Abwägung, S. 56 ff. 325 Runkel, Peter, in: Bielenberg, Walter/Runkel, Peter/Spannowsky, Willy: Raumordnungsrecht des Bundes und der Länder, § 3 Rn. 183 (Stand Sep. 1998). 326 Zum Begriff: Just, Jan-Dirk: Ermittlung und Einstellung von Belangen bei der planerischen Abwägung, S. 85 ff.; Dreier bezeichnet sie als Planungsleitlinien und geht auf S. 185 auf alternative Benennungen ein [Dreier, Johannes: Die normative Steuerung der planerischen Abwägung, S. 185]. 327 Just, Jan-Dirk: Ermittlung und Einstellung von Belangen bei der planerischen Abwägung, S. 65; Dreier, Johannes: Die normative Steuerung der planerischen Abwägung, S. 103 f., 185 ff.; zur Begründung sei insbesondere auf das hohe Abstaktionsniveau und die Entstehung der Norm verwiesen. Siehe dazu: Gesetzentwurf der Bundesregierung: Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Baugesetzbuchs und zur Neuregelung des Rechts der Raumordnung (Bau- und Raumordnungsgesetz 1998 - BauROG), BT-Drs. 13/6392 S. 40, 78 f.; zur alten Rechtslage: Kauch, Petra: Bodenschutz aus bundesrechtlicher Sicht, S. 50 m. w. N. 328 Dreier, Johannes: Die normative Steuerung der planerischen Abwägung, S. 186, 198; Goppel, Konrad: Grundsätze der Raumordnung in Raumordnungsplänen, in: BayVBl 1999, S. 332. 329 Just, Jan-Dirk: Ermittlung und Einstellung von Belangen bei der planerischen Abwägung, S. 103 ff.; Dreier, Johannes: Die normative Steuerung der planerischen Abwägung, S. 196 ff. 330 Dreier, Johannes: Die normative Steuerung der planerischen Abwägung, S. 196. 331 Die Begründung des Gesetzentwurfes spricht von „abstrakt gleichwertigen Handlungsmaximen" [Gesetzentwurf der Bundesregierung: Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Baugesetzbuchs und zur Neuregelung des Rechts der Raumordnung (Bau- und Raumordnungsgesetz 1998 - BauROG), BT-Drs. 13/6392 S. 79]; Runkel, Peter, in: Bielenberg, Walter/Runkel, Peter/Spannowsky, Willy: Raumordnungsrecht des Bundes und der Länder, § 2 Rn. 5 (Stand Juni 2001).
§ 2 Der vorsorgende Bodenschutz
dass sich die rechtliche Verbindlichkeit der in § 2 Abs. 2 ROG benannten Grundsätze der Raumordnung darauf beschränkt, die genannten Belange für generell berücksichtigungspflichtig zu halten. 333
(3) Die Verträglichkeitsprüfung in besonderen Schutzgebieten § 6 Abs. 3 S. 2 SächsLPIG legt fest, dass bei der Aufstellung von Raumordnungsplänen auch die Erhaltungsziele der FFH- und Vogelschutzgebiete zu berücksichtigen sind. Demnach ist bei Plänen, die im Sinne des § 10 Abs. 1 Nr. 12 BNatSchG geeignet sind, ein FFH- oder Vogelschutzgebiet erheblich zu beeinträchtigen, eine Prüfung der Verträglichkeit mit den jeweiligen Schutzzielen nach §§ 35 i.V.m. 34 BNatSchG durchzuführen. 334 Wenn festgestellt wurde, dass der Raumordnungsplan eine erhebliche Beeinträchtigung verursacht, ist er nach § 34 Abs. 2 BNatSchG unzulässig, sofern nicht die Ausnahmetatbestände des § 34 Abs. 3 BNatSchG einschlägig sind. In Gebieten, die dem Schutz prioritärer Arten dienen, sind beeinträchtigende Planungen nur unter den erschwerten Bedingungen des Abs. 4 zulässig. Daher ist festzuhalten, dass zu Flächenversiegelung führende Planung - die in der Regel mit einer erheblichen Beeinträchtigung der Schutzziele verbunden ist - nur in den genannten Ausnahmefällen zulässig ist. Europäische Vogelschutzgebiete bzw. Gebiete, die der FFH Richtlinie unterliegen, sind daher einer ihrem Schutzzweck widersprechenden Überplanung weitgehend entzogen.335 Die Verträglichkeitsprüfung ist eine echte Schranke der Abwägung, die nicht durch entgegenstehende Belange überwunden werden kann. 336 332
So zur alten, aber inhaltlich nicht veränderten Rechtslage: Dreier, Johannes: Die normative Steuerung der planerischen Abwägung, S. 204. 333 Zu den Problemen, die mit einer Raumordnung durch Grundsätze verbunden sind: Goppel, Konrad: Grundsätze der Raumordnung in Raumordnungsplänen, in: BayVBl 1999, S. 332 ff. 334 Zu den Einzelheiten der Abstimmung von Raumplanung und europäischem Naturschutzrecht: Schink, Alexander: Europäisches Naturschutzrecht und Raumplanung, in: NuR 2001, S. 255 f.; Erbguth, Wilfried: Pflichten der räumlichen Gesamtplanung im Hinblick auf ausgewiesene und potentielle Schutzgebiete - am Beispiel der Raumordnung, in: Jarass, Hans (Hrsg.): EG-Naturschutzrecht und räumliche Gesamtplanung, S. 61 ff.; Schink, Alexander: Umweltverträglichkeitsprüfung - Verträglichkeitsprüfung - naturschutzrechtliche Eingriffsregelung - Umweltprüfung, in: NuR 2004, S. 647 ff. 335 Zum Schutz potentieller FFH- und Vogelschutzgebiete: Erbguth, Wilfried: Pflichten der räumlichen Gesamtplanung im Hinblick auf ausgewiesene und potentielle Schutzgebiete - am Beispiel der Raumordnung, in: Jarass, Hans (Hrsg.): EG-Naturschutzrecht und räumliche Gesamtplanung, S. 73 ff.; vgl. zur parallel gelagerten Bauleitplanung: Schink, Alexander: Der Einfluss der FFH-Richtlinie auf die Bauleitplanung, in: Erbguth, Wilfried/Oebbecke, Janbernd/Rengeling, Hans-Werner/ Schulte, Martin (Hrsg.): Planung, Festschrift für Werner Hoppe, S. 606 f. 336 Vgl. Schink, Alexander: Europäisches Naturschutzrecht und Raumplanung, in: NuR 2001, S. 256; a.A. Erbguth, Wilfried: Pflichten der räumlichen Gesamtplanung im Hinblick
Teil : Das geltende Recht I m Gegensatz dazu kommt den übrigen Schutzgebieten keine abwägungsleitende Funktion zu. Sie sind als sonstige öffentliche Belange i m Sinne des § 7 Abs. 7 S. 3 ROG zu berücksichtigen und können wegen der hinter ihnen stehenden besonderen natürlichen Ausstattung der Schutzgebiete nicht ohne weiteres überplant werden. Jedoch fehlt ihnen der besondere durch die Verträglichkeitsprüfung vermittelte Schutz, sodass die übrigen Schutzgebiete ggf. durch entgegenstehende Abwägungsbelange überwunden werden k ö n n e n . 3 3 7
(4) Die Strategische Umweltprüfung Eine weiterer Aspekt des Bodenschutzes - die Pflicht zur Prüfung der Umweltverträglichkeit von Raumordnungsplänen - ergibt sich aus der Richtlinie über die Prüfung der Umweltauswirkungen bestimmter Pläne und Programme 3 3 8 . Diese war bis zum 21. 7. 2004 in nationales Recht umzusetzen, 3 3 9 was i m Rahmen des E A G B a u 3 4 0 erfolgte. 3 4 1 I m Folgenden ist daher zu klären, ob die strategische Umweltprüfung 3 4 2 auf Raumordnungspläne anwendbar ist, und welche Folgen sich daraus für die Berücksichtigung des Bodenschutzes in der Gesamtplanung ergeben.
auf ausgewiesene und potentielle Schutzgebiete - am Beispiel der Raumordnung, in: Jarass, Hans (Hrsg.): EG-Naturschutzrecht und räumliche Gesamtplanung, S. 66 f.; zur Fachplanung: BVerwG, in: UPR 2003, S. 183 (184). 337 Anders stellt sich die Lage in Bundesländern dar, in denen Nationalparke durch Gesetz festgelegt werden. 338 Richtlinie 2001/42/EG des europäischen Parlamentes und des Rates vom 27. Juni 2001 über die Prüfung der Umweltauswirkungen bestimmter Pläne und Programme, in: ABl. EG Nr. L 197, S. 30). 339
Zur Umsetzung in nationales Recht: Schreiber, Robert: Die Umsetzung der Plan-UPRichtlinie im Raumordnungsrecht - eine Zwischenbilanz, in: UPR 2004, S. 50 ff.; Schmidt, Michael /Riitz, Nicole/Bier, Sascha: Umsetzungsfragen bei der strategischen Umweltprüfung (SUP) in nationales Recht, in: DVB1. 2002, S. 360 ff.; Spannowsky, Willy: Rechtsund Verfahrensfragen einer „Plan-UVP" im deutschen Raumplanungsrecht, in: UPR 2000, S. 207 ff. 340 Gesetz zur Anpassung des Baugesetzbuches an EU-Richtlinien (Europarechtsanpassungsgesetz Bau - EAG Bau) vom 24. Juni 2004, in: BGBl. 2004, S. 1359; dazu: Erbguth, Wilfried: EAG BauE: Änderungen des Raumordnungsrechts, in: NuR 2004, S. 92 f.; Krautzberger, Michael: Zur Novellierung des Baugesetzbuchs 2004, in: UPR 2004, S. 41 ff. 341 Bis zur Umsetzung durch die Länder gelten die §§ 7 Abs. 5 - 1 0 , 10 Abs. 2 ROG nach § 22 S. 2 ROG unmittelbar. 342 Terminologisch erfolgt eine Orientierung an Hendler, Reinhard: Zum Begriff der Pläne und Programme in der EG-Richtlinie zur strategischen Umweltprüfung, in: DVB1. 2003, S. 227; Hendler, Reinhard: Der Geltungsbereich der EG-Richtlinie zur strategischen Umweltprüfung, in: NuR 2003, S. 2; Stiier, Bernhard: Strategische Umweltprüfung in der Verkehrswege-, Landes- und Regionalplanung, in: UPR 2003, S. 97. Gebräuchlich ist auch die Bezeichnung als Plan-UVP oder Plan-UP.
§ 2 Der vorsorgende Bodenschutz
Die erstgenannte Frage, die vor Erlass des EAG Bau stark umstritten war, 343 wurde durch § 7 Abs. 5 ROG und § 16 UVPG dahingehend beantwortet, dass nunmehr für die Aufstellung und Änderung von Raumordnungsplänen eine Umweltverträglichkeitsprüfung durchzuführen ist. 3 4 4 Eine Einschränkung dieser Pflicht besteht nach § 7 Abs. 5 S. 5 - 7 ROG nur in dem Fall, dass lediglich eine geringfügige Änderung von Raumordnungsplänen vorgenommen wird. Inhaltlich richtet sich die strategische Umweltprüfung aufgrund des § 7 Abs. 5 ROG nach § 16 UVPG und der SUP-RL. Sie setzt sich aus einer vorbereitenden Untersuchung, der Erstellung eines Umweltberichtes, der Öffentlichkeitsbeteiligung sowie der Berücksichtigung der Ergebnisse in der Entscheidung über den Plan zusammen.345 Demnach ist zunächst auf Basis einer dem Abstraktionsgrad räumlicher Planung angemessenen Untersuchung der Umweltauswirkungen ein Bericht zu erstellen. Dieser Bericht beinhaltet infolge des § 7 Abs. 5 S. 2 ROG (Art. 5 Abs. 1 S. 1 SUPRL) nicht nur die Prüfung der Verträglichkeit des eigentlichen Planobjekts, sondern auch eine der vernünftigen Alternativen. Demnach müssen auch vernünftige - d. h. mit dem angestrebten Ziel vereinbare und praktikable 346 - Alternativen in die Erstellung des Berichtes einbezogen werden. Diese Alternativenprüfung darf zwar angesichts des hohen Abstraktionsgrades raumordnender Pläne und der Tatsache, dass keineswegs zwangsläufig die umweltfreundlichste Alternative gewählt werden muss, 347 nicht überbewertet werden, jedoch kann sie unter Umständen zur Wahl einer umweltverträglichen Lösung führen. 348 Hinzu kommt, dass die Nichtberücksichtigung einer sich aufdrängenden Alternative nicht zwangsläufig lediglich einen Verfahrensfehler, sondern einen gegebenenfalls die Gültigkeit des ganzen Plans betreffenden Abwägungsfehler darstellt. 349 Der Umweltbericht, sowie die nach § 7 Abs. 6 ROG (Art. 6 f. SUP-RL) erfolgende Beteiligung der Öffentlichkeit sind nach § 7 Abs. 7 S. 2 ROG (Art. 8 SUP-RL) bei der Entscheidung über den Plan zu berücksichtigen. Diese Pflicht zur Berücksichtigung führt dazu, dass
343 Vgl. Hendler, Reinhard: Zum Begriff der Pläne und Programme in der EG-Richtlinie zur strategischen Umweltprüfung, in: DVB1. 2003, S. 231 ff. 344 Allerdings besteht in § 23 Abs. 3 ROG eine Übergangsregelung. 34 5 Zum Ablauf der SUP: Schmidt, Michael /Rütz, Nicole /Bier, Sascha: Umsetzungsfragen bei der strategischen Umweltprüfung (SUP) in nationales Recht, in: DVB1. 2002, S. 359; Ginzky, Harald: Die Richtlinie über die Prüfung der Umweltauswirkungen bestimmter Pläne und Programme, in UPR 2002, S. 50 ff. 346 Ginzky, Harald: Die Richtlinie über die Prüfung der Umweltauswirkungen bestimmter Pläne und Programme, in UPR 2002, S. 50 f. 347 Ginzky, Harald: Die Richtlinie über die Prüfung der Umweltauswirkungen bestimmter Pläne und Programme, in UPR 2002, S. 50; Spannowsky, Willy: Rechts- und Verfahrensfragen einer „Plan-UVP" im deutschen Raumplanungsrecht, in: UPR 2000, S. 208. 348 Spannowsky, Willy: Rechts- und Verfahrensfragen einer „Plan-UVP" im deutschen Raumplanungsrecht, in: UPR 2000, S. 207. 349 Spannowsky, Willy: Rechts- und Verfahrensfragen einer „Plan-UVP" im deutschen Raumplanungsrecht, in: UPR 2000, S. 207, 209 f.; a.A. Ginzky, Harald: Die Richtlinie über die Prüfung der Umweltauswirkungen bestimmter Pläne und Programme, in: UPR 2002, S. 51.
Teil 2: Das geltende Recht
der Umweltbericht als normaler, nicht bevorzugter Belang in die raumplanerische Abwägung eingestellt wird. 3 5 0 Zusammenfassend kann festgestellt werden, dass die strategische Umweltprüfung sicherstellt, dass die Umweltauswirkungen eines Planes in der gebotenen Tiefe erforscht und in die Entscheidung eingestellt werden. Eine darüber hinausgehende, dem Bodenschutz zu einem erhöhten Stellenwert verhelfende Wirkung kommt ihr nicht zu.
(5) Die besonderen Einflüsse auf den Regionalplan Die Regionalplanung nach § 3 SächsLPIG/§ 9 ROG ist nicht nur den voranstehend genannten, sondern auch einigen weiteren Bindungen unterworfen. Zum einen sind hier die aus § 4 Abs. 2 S. 1 SächsLPIG/§ 9 Abs. 2 S. 1 ROG folgende Pflicht zur Entwicklung aus dem Landesentwicklungsplan und die gemäß § 4 ROG bestehende Bindewirkung der Erfordernisse der Raumordnung zu nennen. Durch diese wird sichergestellt, dass die bodenschützenden Aussagen des Landesentwicklungsplans durch die Regionalplanung aufgenommen und weitergeführt werden. 351 Zum anderen ist zu bedenken, dass der Regionalplan aufgrund von § 9 Abs. 2 S. 2 SächsLPIG nur genehmigungsfähig ist, wenn er sonstigen Rechtsvorschriften, also auch solchen, die Bodenschutzgebiete ausweisen, nicht widerspricht. Daraus folgt, dass der Regionalplan im Gegensatz zum Landesentwicklungsplan nicht nur auf Schutzgebiete der FFH- und der Vogelschutzrichtlinie Rücksicht nehmen muss, sondern auch an die auf dieser Planungsebene relevanten sonstigen Schutzgebiete gebunden ist. Daher können ζ. B. Naturschutzgebiete oder Naturparke durch den Regionalplan nicht anderweitig überplant werden. Auf der anderen Seite ist zu bedenken, dass der Umfang der strategischen Umweltprüfung nach § 7 Abs. 5 S. 8 ROG reduziert werden kann, wenn bereits der Landesentwicklungsplan einer SUP unterworfen wurde.
c) Zwischenergebnis Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass dem Recht der Gesamtplanung eine hohe Bedeutung für die Steuerung und Begrenzung des Flächenver350 Ginzky, Harald: Die Richtlinie über die Prüfung der Umweltauswirkungen bestimmter Pläne und Programme, in UPR 2002, S. 51. 351 Bodenschützende, die Regionalplanung verpflichtende Ziele und Grundsätze enthält der Landesentwicklungsplan Sachsen (2003) in folgenden Punkten: Ζ 2.5.4, Ζ 2.5.7, Ζ 2.5.12, Ζ 2.6.3, G 4.1, G 4.2, Ζ 4.1.1, Ζ 4.1.2, G 4.1.3, Ζ 4.1.5, G 4.1.8, Ζ 4.1.9; G 4.2.1, Ζ 4.2.2, G 4.2.3, Ζ 4.3.2, G 4.3.3, G 4.3.5, Ζ 4.3.8, G 4.4.3, G 5.1.1, Ζ 5.1.3, Ζ 5.1.4, Ζ 5.1.5, Ζ 5.1.9 [Verordnung der Sächsischen Staatsregierung über den Landesentwicklungsplan Sachsen (LEP 2003) vom 16. 12. 2003, in: SächsGVBl 2003, S. 915]; vgl. BVerwG, in: NVwZ 2003, S. 1263 (1266 ff.).
§ 2 Der vorsorgende Bodenschutz
brauchs zukommt. Auf dieser planerischen Ebene werden die wesentlichen Weichenstellungen für die zukünftige Versiegelungstätigkeit gestellt. Allerdings kann die Gesamtplanung nicht als alleinige Ursache zunehmender Flächenversiegelung betrachtet werden, da sie lediglich eine Angebotsplanung darstellt und die tatsächlich erfolgende Versiegelung nur ermöglicht, nicht determiniert. In flächenschützender Hinsicht ist zu bemerken, dass die Gesamtplanungsgesetze in ausreichendem Maße Regelungen beinhalten, die es ermöglichen, Flächen als nicht versiegelbar auszuweisen.352 Auf die Ausgestaltung der auf die planerische Entscheidungsfindung einwirkenden Normen bezogen kann festgestellt werden, dass diese den zu stellenden Ansprüchen genügen. Aspekte des Bodenschutzes fließen durch eine Reihe gesetzlicher Regelungen in ausreichender Form in die Abwägung ein.
3. Das Fachplanungsrecht Ein wesentlicher Anteil des Flächenverbrauches ist auf Infrastrukturvorhaben wie Straßen-, Eisenbahn- und Wasserstraßenbau, aber auch Flughäfen und Abfallbeseitigungsanlangen zurückzuführen. 353 Es stellt sich daher die Frage, in welchem Maße Gesetze der räumlichen Fachplanung auf den Schutz des Bodens vor Versiegelung eingehen. Die Zulassung eines Infrastrukturvorhabens richtet sich nach dem jeweiligen Fachplanungsgesetz. Jedoch soll hier nicht zwischen den einzelnen, in Bezug auf den Bodenverbrauch sehr ähnlich strukturierten Gesetzen differenziert werden. Vielmehr erfolgt die Darstellung - entsprechend der klassischen Linie der Literatur - anhand des BFStrG. 354 Zunächst ist daher zu fragen, welche Bedeutung der Fachplanung für den Bodenschutz zukommt. Schließlich ist an zweiter Stelle zu überprüfen, ob und durch welche Normen Aspekte des Bodenschutzes in die Entscheidung über die Durchführung eines Projektes einfließen.
a) Die Bedeutung des Planung nach BFStrG für den Bodenverbrauch Das gestufte System der Planung von Straßenverkehrswegen besteht aus 4 Ebenen. Als Planungsebenen lassen sich die europäische bzw. nationale Bedarfsplanung, die Linienbestimmung und die eigentliche Zulassungsentscheidung unterscheiden. Diese Elemente bauen aufeinander auf, sind durch eine jeweils unter352
So zur alten Rechtslage: Kauch, Petra: Bodenschutz aus bundesrechtlicher Sicht, S. 61; siehe auch Kühner, Sabine: Bodenschutz als Planungsaufgabe, passim, v.a. S. 160 ff., 209 f. 3 3 5 Siehe dazu oben Teil 1, § 2 III. 2. 354 Im Übrigen sind hier zu nennen: Gesetz über den Bau und den Betrieb von Versuchsanlagen zur Erprobung von Techniken für den spurgeführten Verkehr; Bundeswasserstraßengesetz; Personenbeförderungsgesetz; Allgemeines Eisenbahngesetz; Luftverkehrsgesetz; Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetz.
7 Risch
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schiedliche Distanznahme gekennzeichnet und gestalten den Aus- und Umbau der Verkehrsinfrastruktur von einer übergreifenden, aber abstrakten europäischen Ebene bis hin zur konkreten, einzelfallbezogenen Entscheidung über die Zulassung eines Vorhabens. Die Mehrstufigkeit führt dazu, dass jede Planungsebene spezifische Umweltbelastungen verursacht und daher hier separat zu behandeln ist.
(1) Die Bedarfsplanung auf europäischer Ebene Die Realisierung des europäischen Binnenmarktes, die Stärkung des wirtschaftlichen und sozialen Zusammenhaltes und die Verwirklichung der europarechtlichen Freiheiten setzen unter anderem auch eine europaweit flächendeckende und angemessene Verkehrsinfrastruktur voraus. Daher ist es nach der Art. 3 Abs. 1 lit. ο und Art. 154 EGVeine Aufgabe der Union, zu Auf- und Ausbau transeuropäischer Netze beizutragen. 355 In Wahrnehmung dieser Kompetenz haben Rat und europäisches Parlament die entsprechenden Leitlinien erlassen. 356 Diese regeln Zweck und Ziel der Schaffung eines transeuropäischen Verkehrs- bzw. Energienetzes und benennen nach Ansicht des Rates besonders wichtige Projekte. 357 Diesen Leitlinien kommt in Bezug auf den Flächenverbrauch eine nicht zu unterschätzende Bedeutung zu. Sie stellen in für die Mitgliedsstaaten verbindlicher Weise den vordringlichen Aus- und Neubaubedarf fest. 358 Diese Feststellung führt 355 Dazu: Europäische Kommission: Weißbuch der Kommission, Zur europäischen Verkehrspolitik bis 2010: Weichenstellung für die Zukunft, passim (www.europa.eu.int/comm/ energy_transport / de / lb_de.html). 3 56 Entscheidung Nr. 1692/96/EG des europäischen Parlamentes und des Rates vom 23. Juli 1996, ABl L Nr. 228 S. 1; Entscheidung Nr. 1346/2001 /EG des europäischen Parlaments und des Rates vom 22. Mai 2001, in: ABl L Nr. 185 S. 1; Entscheidung Nr. 1254/96/EG des europäischen Parlamentes und des Rates vom 5. Juni 1996, in: ABl L Nr. 161 S. 147, geändert durch die Entscheidung Nr. 1047/97/EG des europäischen Parlamentes und des Rates vom 29. Mai 1997, in: ABl L Nr. 152 S. 12, geändert durch die Entscheidung Nr. 1741/99/EG des europäischen Parlamentes und des Rates 29. Juli 1999, in: ABl L Nr. 207 S. 1; Entscheidung Nr. 761/2000/EG der Kommission vom 16. November 2000, in: ABl L Nr. 305 S. 22. 357
Anhang III der Entscheidung Nr. 1692/96/EG des europäischen Parlamentes und des Rates vom 23. Juli 1996, in: ABl L Nr. 228, S. 103; geändert durch Art. 1 Nr. 7 der Entscheidung Nr. 1346/2001 / EG des europäischen Parlaments und des Rates vom 22. Mai 2001, in: ABl L Nr. 185 S. 4.; Weitere Projekte wurden von der Kommission vorgeschlagen, siehe dazu: Pressemitteilung vom 2. 10. 2001 www.europa.eu.int/rapid/start/cgi/guesten.ksh ? paction.gettxt=gt&doc=ip / Ol /1357101 RAPID&lg=de. 358 Gatawis, Siegbert: Grundfragen eines europäischen Raumordnungsrechts, 2000, S. 117 ff.; Erberich, Ingo, in: Bleckmann, Albert: Europarecht, Rn. 2734; Steinberg, Rudolf/ Berg, Thomas /Wickel, Martin: Fachplanung, § 7 Rn. 45; Jürgensen, Thomas: Gemeinschaftsrechtliche Aspekte beim Ausbau transeuropäischer Verkehrsnetze, in: UPR 1998, S. 14; Ronellenfitsch, Michael: Umweltschutz und Verkehr, in: Rengeling, Hans-Werner: Handbuch zum europäischen und deutschen Umweltrecht Band 2.2 Besonderes Umweltrecht, Rn. 86; zurückhaltender: Wahl, Rainer: Europäisches Planungsrecht - Europäisierung des
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- auch wenn die Einzelheiten der Umsetzung nachfolgenden Planungsebenen vorbehalten sind - bei Realisierung zwangsläufig zu einem gewissen Flächenbedarf. An dieser den Flächenverbrauch vorauszeichnenden Wirkung können auch die Vorbehalte der planerischen Umsetzung und ausreichenden Finanzierung 359 nichts Wesentliches ändern. Vorhaben, die einen Teil eines transeuropäischen Netzes bilden, sind von der nationalen Planung vorrangig zu berücksichtigen, 360 wurden bislang durchgehend - auch entgegen schwerwiegender Belange des Naturschutzes realisiert und sind auf den nachfolgenden Planungsebenen praktisch nicht mehr zu verhindern. 361 (2) Die Bedarfsplanung auf nationaler Ebene In diesem vom Europarecht vorgegebenen Rahmen entfaltet die deutsche Bedarfsplanung, die sich in den Bundesverkehrswegeplan 362 und die Ausbau- bzw. Bedarfsgesetze 363 gliedert, ihre Wirkung. Die Grundlage bildet hier der Bundesverkehrswegeplan, der den Bedarf an nationalen Infrastrukturvorhaben ermittelt und benennt. Dieser bildet die Begründung für die darauf basierenden und ihn ausformenden bzw. umsetzenden Aufbau- und Bedarfsgesetze. Dem Bundesverkehrswegeplan kommt damit eine große praktische Bedeutung für die Steuerung des Flächenverbrauches zu. Zu Flächenversiegelung führende Straßenneubau- bzw. Ausbauprojekte, die in ihm als besonders dringlich benannt werden, finden sich durchgehend in den entsprechenden Bedarfsgesetzen wieder. Jedoch wohnt ihm selbst keine Rechtskraft inne, es handelt sich um ein allein der Politik zuzurechnendes Dokument. 364 deutschen Planungsrechts, in: Grupp, Klaus/Ronellenfitsch, Michael (Hrsg.): Planung Recht - Rechtsschutz, Festschrift für Willi Blümel zum 70. Geburtstag am 6. Januar 1999, S. 627 jeweils m. w. N. 359 Art. 1 Abs. 2 S. 2 der Entscheidung Nr. 1692/96/EG des europäischen Parlamentes und des Rates vom 23. Juli 1996, in: ABl L Nr. 228 S. 1. 360 Steinberg, Rudolf /Berg, Thomas / Wickel, Martin: Fachplanung, § 7 Rn. 45; vgl. auch: BVerwG, in: ZUR 2003, S. 22 (25 f.). 361 Cosack, Tilman: Erheblichkeitsschwelle und Ausnahmeregelung nach § 34 BNatSchG - Garanten für eine ausgewogene FFH-Verträglichkeitsprüfung?, in: UPR 2002, S. 253. 362 Der Bundesverkehrswegeplan ist zu finden unter: http://www.bmvbw.de/Anlage 15944 / Bundesverkehrswegeplan-2003-Beschluss-der-Bundesregierung-vom-02.-Juli-2003. pdf. 3 3 ^ Fernstraßenausbaugesetz in der Fassung vom 15. 11. 1993, BGBl. I S. 1879, Berichtigt am 29. 12. 1994, BGBl. I 1995 S. 13; Bundesschienenwegeausbaugesetz in der Fassung vom 15. 11. 1993, BGBl. I S. 1874; Magnetschwebebahnbedarfsgesetz vom 19. Juli 1996, BGBl. I S. 1018, aufgehoben durch das Gesetz zur Aufhebung des Magnetschwebebahnbedarfsgesetz vom 17. 11. 2001, BGBl. I S. 3106; vergleiche auch die eine ähnliche Funktion erfüllende Genehmigungspflicht von Flugplätzen nach § 6 Abs. 3 LuftVG. 364
Stüer, Bernhard: Strategische Umweltprüfung in der Verkehrswege-, Landes- und Regionalplanung, in: UPR 2003, S. 99; Stüer, Bernhard: Habitatschutz auch in der Bundesverkehrswegeplanung?, in: NVwZ 2002, S. 1164; Lambrecht, Heiner: Die Erforderlichkeit 7*
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Im Gegensatz zum Bundesverkehrswegeplan kommt dem Fernstraßenausbaugesetz nicht nur eine praktische, sondern auch eine rechtliche Bedeutung zu. Aufgrund des § 1 Abs. 2 FStrAusbauG besteht für die in den Bedarfsplan aufgenommenen Projekte ein verbindlich festgestellter Bedarf. 365 Auf nachfolgenden Planungsebenen kann - von offensichtlichen fehlerhaften Einschätzungen des Gesetzgebers abgesehen366 - nicht mehr überprüft werden, ob die dem Straßenbau zugrundeliegende Bedarfsermittlung tatsächlich zutreffend ist. 3 6 7 Dem Projekt können andere Aspekte entgegengehalten werden - auch solche des Bodenschutzes - aber es kann nicht mehr an der fehlenden Notwendigkeit scheitern. Die Folgen dieser Regelung für den quantitativen Bodenschutz sind sehr weitreichend. Durch die Aufnahme in das FStrAusbauG wird der Flächenverbrauch in weiten Teilen vorgezeichnet. Festlegungen bestehen nicht nur in Bezug auf den - wenn auch sehr grob vorgezeichneten - Streckenverlauf, sondern auch bezüglich des Umfanges des Neu- oder Ausbaus. Nachfolgenden Planungsebenen ist es nicht möglich vom beispielsweise 6-spurigen Neubau einer Bundesautobahn abzuweichen und stattdessen eine 4-spurige zu errichten. 368 Die Bedeutung der Aufnahme eines Projektes in den Bedarfsplan zeigt sich auch daran, dass Straßenbauvorhaben, die nicht in den Bedarfspan des FStrAusbauG aufgenommen wurden, nur im begrenzten Rahmen des § 6 FStrAusbauG zulässig sind. 369 Andererseits ist auch zu berücksichtigen, dass zum einen, trotz aller Vorgaben, noch große Spielräume der nachfolgenden Planungsebenen bestehen,370 die auch die Abstandnahme von der Planung einschließen.371 Zum anderen werden die in den Bedarfsplan aufgenommenen Projekte nicht gleichsam automatisch realisiert, sondern sie stehen nach § 2 FStrAusbauG unter dem Vorbehalt der Finanzierbarkeit. Zusammenfassend kann festgestellt werden, dass dem Fernstraßenausbaugesetz eine - in Bezug auf den Bodenschutz der Gesamtplanung vergleichbare - Schlüsselposition zukommt. Der Flächenverbrauch wird auf dieser Ebene zwar nicht deeiner FFH-Verträglichkeitsprüfung für den Bundesverkehrswegeplan und die Bedarfspläne, in: NuR 2002, S. 267. 365 BVerwGE, 100, S. 238 (254 f.); 94, S. 339, (345 f.). 366 Die nach der Rechtsprechung des BVerwG praktisch ausgeschlossen ist: BVerwG, in: NVwZ 1999, S. 528 (529); BVerwGE 98, S. 339 (347). 367 BVerwG, in: DVB1. 2003, S. 534 (536); BVerwGE, 100, S. 238 (254 f.); Stüer, Bernhard: Strategische Umweltprüfung in der Verkehrswege-, Landes- und Regionalplanung, in: UPR 2003, S. 99. 368 BVerwG, in: DVB1. 2003, S. 534 (536); BVerwGE 100, S. 370 (385); Rinke, Siegfried, in: Kodal, Kurt /Krämer, Helmut (Hrsg.): Straßenrecht, Kap. 33 Rn. 7 ff.; a.A. Steinberg, Rudolf/Berg, Thomas /Wickel, Martin: Fachplanung, § 7 Rn. 66. 369 Vgl. Lambrecht, Heiner: Die Erforderlichkeit einer FFH-Verträglichkeitsprüfung für den Bundesverkehrswegeplan und die Bedarfspläne, in: NuR 2002, S. 268. 370 BVerwGE 100, S. 370 (385). 371 BVerwGE 104, S. 236 (248 f.).
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terminiert, aber doch ermöglicht. Dem ebenfalls der nationalen Bedarfsplanung zugehörigen Bundesverkehrswegeplan kommt als „geronnene Politik" 3 7 2 keine rechtliche Bedeutung zu.
(3) Die Linienbestimmung Die sich in einzelnen Bereichen des Fachplanungsrechts anschließende Linienbestimmung stellt eine vorbereitende Grundentscheidung 373 dar, die Verlauf und wesentliche Merkmale des Verkehrsweges darstellt. Sie findet ihre rechtliche Grundlage in § 16 FStrG bzw. § 13 WaStrG 374 und erfolgt nur bei Neubau oder einem die Trassenführung verändernden Ausbau. 375 Die Linienbestimmung ist in diesen Fällen gesetzlich vorgesehen, aber nicht zwingend notwendig. 376 Die Bedeutung der Linienbestimmungen für den Flächenverbrauch ergibt sich daraus, dass das Projekt zum einen auf dieser Ebene erstmals in konkreter Form auf die ökologische Verträglichkeit überprüft wird und daher auch an unüberwindbaren, entgegenstehenden Belangen scheitern kann. 377 Zum anderen ist der genaue Verlauf und die Ausgestaltung des Verkehrsweges von erheblichem Einfluss auf den Flächen verbrauch 378. Hinzuzufügen ist jedoch, dass die Bedeutung der Linienbestimmung vom Detailgrad der Aussage des Bedarfsplanes abhängt. Wenn der Bedarfsplan - um ein Beispiel Lambrechts zu zitieren 379 - lediglich eine nordwestliche Radiallinie um Hamburg zieht, so geht von dieser Festlegung keine über eine sehr grobe Führung hinausgehende Wirkung aus. Andererseits sind in Bedarfsplänen auch sehr konkrete Vorgaben denkbar, die keinen Raum 372
Stüer, Bernhard: Strategische Umweltprüfung in der Verkehrswege-, Landes- und Regionalplanung, in: UPR 2003, S. 99. 373 BVerwGE 104, S. 236 (251); 62, S. 342 (344). 374 Das Sächsische Straßengesetz kennt das Instrument der Linienbestimmung nicht. Siehe: Rinke, Siegfried, in: Kodal, Kurt/Krämer, Helmut (Hrsg.): Straßenrecht, Kap. 33 Rn. 5.3. 375 Rinke, Siegfried, in: Kodal, Kurt/Krämer, Helmut (Hrsg.): Straßenrecht, Kap. 33 Rn. 3 ff.; Ronellenfitsch, Michael, in: Marschall, Ernst/Schroeter, H./Kastner, Fritz: Bundesfernstraßengesetz, § 16 Rn. 10. 376 Ronellenfitsch, Michael, in: Marschall, Ernst/Schroeter, H./Kastner, Fritz: Bundesfernstraßengesetz, § 16 Rn. 6. m. w. N. 377 BVerwGE 104, S. 236 (248 ff.); Steinberg, Rudolf /Berg, Thomas/Wickel, Martin: Fachplanung, § 7 Rn. 70. 378 Zum Beispiel bewirkt eine Verkürzung der Ausbaustrecke einer 4-spurigen Bundesautobahn um einen Kilometer eine Verringerung den Flächenbedarf um ca. 2 ha. Vgl. Steinberg, Rudolf: Umweltschutz in der Verkehrswegeplanung, in: DÖV 2000, S. 86. 379 Lambrecht, Heiner: Die Erforderlichkeit einer FFH-Verträglichkeitsprüfung für den Bundesverkehrswegeplan und die Bedarfspläne, in: NuR 2002, S. 270; vgl. zur Bindungswirkung auch: Rinke, Siegfried, in: Kodal, Kurt/Krämer, Helmut (Hrsg.): Straßenrecht, Kap. 33 Rn. 7 ff.
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für eine wesentliche Einflussnahme der Linienbestimmung auf den Flächenverbrauch mehr lassen. 380
(4) Die Zulassungsentscheidung Das FStrG kennt verschiedene nach der Bedeutung des Vorhabens abgestufte Zulassungsverfahren. Zum einen ist hier die verfahrenslose Zulassung nach § 17 Abs. 2 FStrG / § 39 Abs. 3 SächsStrG 381 zu nennen, die infolge ihrer Beschränkung auf unbedeutender Veränderungen von Bundesstraßen bei Vorhaben, die zu einer Flächenversiegelung führen, nicht zum Einsatz kommen kann 3 8 2 und daher hier nicht weiter thematisiert werden soll. Eine zweite Form der Zulassung stellt die Plangenehmigung nach § 17 Abs. 1 a FStrG / § 39 Abs. 2 SächsStrG dar. Diese ist nur bei solchen Vorhaben möglich, die weder einer UVP bedürfen (§17 Abs. 1 a Nr. 1 FStrG), noch die Rechte anderer wesentlich beeinträchtigen (§ 17 Abs. 1 a Nr. 3 FStrG). Angesichts des Kataloges der Nr. 14.3, 14.4, 14.5 und 14.6 der Anlage zum UVPG bzw. der Nr. 2 der Anlage zum SächsUVPG, der alle flächenverbrauchenden Neubauvorhaben von Bundes- bzw. Landesstraßen erfasst, und der bei Straßenausbau oder Neubau grundsätzlich anzunehmenden wesentlichen Betroffenheit anderer, 383 liegt es nahe zu vermuten, dass der Plangenehmigung unter Gesichtspunkten des Flächenverbrauches keine Bedeutung zukommt. Diesem - durch die jüngere gesetzgeberische Entwicklung bestätigten - Urteil ist für das Gebiet der alten Bundesländer bezüglich des Neubaus zuzustimmen. Da jedoch § 17 Abs. 1 b FStrG für das Gebiet der neuen Bundsländer einen viel weitreichenderen Anwendungsbereich der Plangenehmigung vorsieht, und die Anwendung der Plangenehmigung für Ausbaumaßnahmen zumindest denkbar erscheint, soll sie hier dennoch thematisiert werden. 384 Schließlich ist hier auf den gesetzlichen Normalfall der Straßenzulassung das in den §§ 72 ff. VwVfG und § 17 FStrG / § 39 Abs. 1 SächsStrG geregelte Planfeststellungsverfahren - einzugehen. Dieses Verfahren, welches infolge der Gesetzessystematik alle nicht den vorangehend dargestellten Zulassungsverfahren unter380 Vgl. BVerwGE, 100, S. 370 (384 ff.); Ronellenfitsch, Michael, in: Marschall, Ernst/ Schroeter, H./Kastner, Fritz: Bundesfernstraßengesetz, § 16 Rn. 37. 381 Auf Landesebene ist § 39 SächsStrG einschlägig. Da sich das Sächsische Straßengesetz ausweislich des Wortlautes und der Begründung eng an das FStrG anlehnt, kann eine eigenständige Analyse hier entfallen. [Drs. Sächs. LT, 1/2057, S. 23 der Begründung]. 382 Vgl. Steinberg, Rudolf /Berg, Thomas /Wickel, Martin: Fachplanung, § 1 Rn. 76; Dürr, Hansjochen, in: Kodal, Kurt/Krämer, Helmut (Hrsg.): Straßenrecht, Kap. 34 Rn. 7.32 ff. 383 Vgl. aber Urteil des BVerwG vom 15. 12. 1995, AZ 4A 19/95. 384 Steinberg macht darauf aufmerksam, dass im Jahre 1995 ca. 50% aller fernstraßenrechtlichen Genehmigungen in den neuen Ländern in der Form einer Plangenehmigung getroffen wurden. [Steinberg, Rudolf: Umweltschutz in der Verkehrswegeplanung, in: DÖV 2000, S. 87]; kritisch zur Vorgehensweise des Gesetzgebers: Wickel, Martin /Müller, Henrik: Plangenehmigung und Umweltverträglichkeitsprüfung in der Verkehrswegeplanung, in NVwZ 2001, S. 1134 f.
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fallenden Vorhaben beinhaltet, erfasst alle Neubauten und wesentlichen Umbauten von Bundesstraßen und Bundesautobahnen. Die Bedeutung dieser letzten Zulassungsebene für den Flächenverbrauch erklärt sich aus zwei Faktoren. Zum einen besteht auch hier noch ein durch die vorangegangenen Planungsebenen freilich stark eingeschränkter Spielraum für flächenrelevante Entscheidungen. Auch wenn der Streckenverlauf durch Bedarfsplan oder Linienbestimmung festgelegt ist, 3 8 5 besteht doch die Möglichkeit, durch Details wie das Ausmaß der Trenn-, Rand-, Seiten- und Sicherheitsstreifen, der Nebenanlagen, Lage und Gestaltung der Zu- und Abfahrten etc., Einfluss auf das Ausmaß der Versiegelung zu nehmen. 386 Zum anderen erfolgt auf dieser Ebene die exakteste Prüfung der Umweltauswirkungen, was sich unter anderem daran zeigt, dass erst hier eine naturschutzrechtliche Eingriffsprüfung nach § 18 BNatSchG erfolgt.
b) Die Entscheidung über den Bodenverbrauch (1) Entscheidung und Einflussfaktoren auf europäischer Ebene Die Entscheidung über die Aufnahme eines Projektes in das transeuropäische Verkehrsnetz richtet sich nach dem europäischen Recht. Es handelt sich um eine Abwägungsentscheidung, in die bodenschützende Aspekte in erster Linie in Form der auch bodenschützenden Querschnittsklausel des Art. 6 EGV einfließen. Hinzu kommen die Vorgaben aus der Entscheidung des europäischen Parlamentes und des Rates, die dazu führen, dass der Umweltschutz bei der Auswahl zu berücksichtigen ist, 3 8 7 vorrangig die Nutzung vorhandener Infrastruktur anzustreben ist 3 8 8 und bei Aus- oder Neubau eine Prüfung der Umweltverträglichkeit sowie ggf. der Verträglichkeit mit FFH Gebieten zu erfolgen hat. 3 8 9
(2) Entscheidung und Einflussfaktoren bei der Bedarfsplanung Auch in Bezug auf die Entscheidungsfindung und die möglicherweise einwirkenden bodenschützenden Aspekte muss zwischen dem Bundesverkehrswegeplan und dem FStrAusbauG differenziert werden. 385 Zur Bindung an die höherstufige Planung: Steinberg, Rudolf /Berg, Thomas /Wickel, Martin: Fachplanung, § 3 Rn. 36 f.; Rinke, Siegfried, in: Kodal, Kurt/Krämer, Helmut (Hrsg.): Straßenrecht, Kap. 33 Rn. 7. 38 6 Vgl. BVerwG, in: UPR 2003, S. 388 (389). 387 Entscheidung Nr. 1692/96/EG des europäischen Parlamentes und des Rates vom 23. Juli 1996, in: ABl L Nr. 228 S. 1; Erwägungsgrund 2 und 9, Art. 2 Abs. 2 a, Art. 5 d. 388 Entscheidung Nr. 1692/96/EG des europäischen Parlamentes und des Rates vom 23. Juli 1996, in: ABl L Nr. 228 S. 1; Erwägungsgrund 3, Art. 2 Abs. 2 d. 389 Entscheidung Nr. 1692/96/EG des europäischen Parlamentes und des Rates vom 23. Juli 1996, in: ABl L Nr. 228 S. 1; Erwägungsgrund 8 und 9, Art. 8.
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Teil 2: Das geltende Recht
Der Bedarf an Infrastrukturnetzen wird durch den Bundesverkehrswegeplan im Rahmen einer Abwägungsentscheidung ermittelt. Da es sich bei ihm um ein politisches Dokument handelt, unterliegt die Abwägungsentscheidung - abgesehen von der Bindung an die Verfassung, insbesondere Art. 20 a GG - keinen rechtlichen Regeln. Eine strategische Umweltprüfung ist - auch wenn sie ratsam wäre 3 9 0 nicht erforderlich, da die SUP-RL rein politische Programme und Pläne explizit vom Anwendungsbereich ausnimmt. 391 Ebenso scheidet die Durchführung einer FFH-Verträglichkeitsprüfung nach § 35 BNatSchG / Art. 6 Abs. 3 FFH-RL bei rechtlich unverbindlicher, regierungsinterner Willensbildung aus 392 , wird aber im begrenzten Rahmen dennoch von der Bundesregierung durchgeführt. 393 Jedoch ergibt sich aus dem Bundesverkehrswegeplan selbst die Pflicht zur Berücksichtigung bodenschützender Belange. Diese werden innerhalb der Umwelt- und naturschutzrechtlichen Beurteilung 394 abgearbeitet, welche in die Abwägung einfließt. 395 Das Gewicht, dass den Belangen des quantitativen Bodenschutzes auf diesem Weg zukommt, ist relativ gering. 396 Ebenso wie bei dem Bundesverkehrswegeplan erfolgt die Entscheidung über die Aufnahme eines Projektes in den Bedarfsplan des FStrAusbauG im Rahmen einer Abwägung aller Belange. Diese Abwägungsentscheidung ist aufgrund der Rechtsnatur des als Gesetz ergehenden Planes ebenfalls keiner Bindung durch andere Gesetze unterworfen. Allein über den mit weitem gesetzgeberischen Handlungsspiel390 Stüer, Bernhard: Strategische Umweltprüfung in der Verkehrswege-, Landes- und Regionalplanung, in: UPR 2003, S. 101 ff.; Hendler, Reinhard: Zum Begriff der Pläne und Programme in der EG-Richtlinie zur strategischen Umweltprüfung, in: DVB1. 2003, S. 232; a.A. (zur FFH-Verträglichkeitsprüfung): Beckmann, Martin /Hiinnekens, Georg: Zur Erfordernis einer FFH-Verträglichkeitsprüfung bei der Bundesverkehrswegeplanung, in: DVB1. 2002, S. 1516 f. 391 Hendler, Reinhard: Zum Begriff der Pläne und Programme in der EG-Richtlinie zur strategischen Umweltprüfung, in: DVB1. 2003, S. 228 f.; Stüer, Bernhard: Strategische Umweltprüfung in der Verkehrswege-, Landes- und Regionalplanung, in: UPR 2003, S. 99; a.A. Ginzky, Harald: Die Richtlinie über die Prüfung der Umweltauswirkungen bestimmter Pläne und Programme, in: UPR 2002, S. 48. 392 Beckmann, Martin/Hünnekens, Georg: Zur Erfordernis einer FFH-Verträglichkeitsprüfung bei der Bundes Verkehrs wegeplanung, in: DVB1. 2002, S. 1511 f.; Lambrecht, Heiner: Die Erforderlichkeit einer FFH-Verträglichkeitsprüfung für den Bundesverkehrswegeplan und die Bedarfspläne, in: NuR 2002, S. 267; a.A. Stüer, Bernhard: Habitatschutz auch in der Bundesverkehrswegeplanung?, in: NVwZ 2002, S. 1167 f., der eine Bindung an das materielle Entscheidungsprogramm der FFH-RL annimmt. 393 Bundesverkehrswegeplan 2003, S. 14 ff. 394 Bundesverkehrswegeplan 2003, S. 9, 12, 13 ff. 395 Bundesverkehrswegeplan 2003, S. 22. 396 im Bundes Verkehrs wegeplan selbst wird der Bodenverbrauch nicht direkt als abwägungserheblicher Belang aufgeführt. Anders noch der Entwurf zum Bundesverkehrswegeplan. Dort erfolgte die Berücksichtigung allein auf der Seite der Maßnahmenintensität, die neben dem Boden verbrauch auch die negativen Folgen für das Landschaftsbild abdeckt, und auch an dieser Stelle nur als einer von vier Aspekten des Raumwiderstandes. [Entwurf des Bundesverkehrswegeplans 2003, S. 49 f. 13 ff., v.a. Abbildung 20.].
§ 2 Der vorsorgende Bodenschutz
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räum versehenen Art. 20 a GG fließen Umweltaspekte in die Entscheidung ein. Jedoch stellt sich die Frage, ob der in der Anlage zum FStrAusbauG befindliche Bedarfsplan nicht einer strategischen Umweltprüfung oder einer FFH-Verträglichkeitsprüfung unterfällt. Bezüglich der strategischen Umweltprüfung ist festzustellen, dass der Bedarfsplan nach FStrAusbauG der SUP-RL nicht unterfällt. 397 Der als Anhang zum FStrAusbauG aufgestellte Bedarfsplan erfüllt zwar den ersten Teil der Plandefinition des Art. 2 lit. a SUP-RL, ist jedoch nicht aufgrund einer Rechtsoder Verwaltungsvorschrift aufzustellen, sondern wird ohne normative Verpflichtung erlassen und ist somit kein Plan im Sinne der SUP-RL. 398 Des Weiteren ist zu klären, ob der als Anlage zum FStrAusbauG erstellte Bedarfsplan einer FFH-Verträglichkeitsprüfung zu unterziehen ist. Anzumerken ist zunächst, dass sich die FFH-Verträglichkeitsprüfung infolge der Unabhängigkeit des Bundesrechts vom Landesnaturschutzrecht nicht aus dem gemäß § 11 BNatSchG nicht unmittelbar geltenden § 35 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 BNatSchG ergibt, sondern unmittelbar aus der FFH-RL. 3 9 9 Demnach ist zu fragen, ob der Planbegriff der FFH-RL erfüllt ist. Der Inhalt des Planbegriffes kann nicht unter Bezugnahme auf den der SUP-RL ausgelegt werden, 400 da eine später ergangene Richtlinie nicht zur Interpretation der FFH-RL herangezogen werden kann. 401 Zutreffender erscheint es, den eurparechtskonform ausgestalteten Planbegriff des § 35 BNatSchG zur Auslegung heranzuziehen. 402 Demnach handelt es sich um einen Plan, soweit er bei der behördlichen Entscheidungsfindung zu beachten oder zu berücksichtigen ist und geeignet ist, zu einer Beeinträchtigung eines FFH- oder Vogelschutzgebie-
397 Hendler, Reinhard: Zum Begriff der Pläne und Programme in der EG-Richtlinie zur strategischen Umweltprüfung, in: DVB1. 2003, S. 231 ff.; zurückhaltend: Stüer, Bernhard: Strategische Umweltprüfung in der Verkehrs-, Landes- und Regionalplanung, in: UPR 2003, S. 1001 ff. 398 Stüer, Bernhard: Strategische Umweltprüfung in der Verkehrs-, Landes- und Regionalplanung, in: UPR 2003, S. 100. 399 Stüer, Bernhard: Habitatschutz auch in der Bundesverkehrswegeplanung?, in: NVwZ 2002, S. 1165; a.A. Lambrecht, Heiner: Die Erforderlichkeit einer FFH-Verträglichkeitsprüfung für den Bundesverkehrswegeplan und die Bedarfspläne, in: NuR 2002, S. 266. 400 So aber: Stüer, Bernhard: Habitatschutz auch in der Bundesverkehrswegeplanung?, in: NVwZ 2002, S. 1165 f.; Jarass, Hans: EG-rechtliche Folgen ausgewiesener und potentieller Vogelschutzgebiete - Zugleich ein Beitrag zum Rechtsregime für FFH Gebiete, in: ZUR 2000, S. 185. 401 Beckmann, Martin/Hünnekens, Georg: Zum Erfordernis einer FFH-Verträglichkeitsprüfung bei der Bundesverkehrswegeplanung, in: DVB1. 2002, S. 1510. 402 Beckmann, Martin/Hünnekens, Georg: Zum Erfordernis einer FFH-Verträglichkeitsprüfung bei der Bundesverkehrswegeplanung, in: DVB1. 2002, S. 1510; Allerdings ist kritisch anzumerken, dass sich aus der Europarechtskonformität des in § 35 BNatSchG verwandten Planbegriffes nicht zwangsläufig die Identität der Planbegriffe des Art. 6 Abs. 3 FFH-RL und des § 35 BNatSchG ergibt. Der Planbegriff des § 35 BNatSchG kann durchaus über den des Art. 6 Abs. 3 FFH-RL hinausgehen. Ebenfalls für einen weiten Planbegriff eintretend: Wirths, Volker: Defizite bei der Umsetzung der FFH-Verträglichkeitsprüfung im neuen BNatSchG und ihre Konsequenzen, in: NuR 2003, S. 152 ff.
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Teil 2: Das geltende Recht
tes zu führen. An der Entscheidungserheblichkeit des Bedarfsplanes besteht angesichts des § 1 Abs. 2 FStrAusbauG kein Zweifel, ebenso wenig ist fraglich, ob der Bedarfsplan geeignet ist, zu Beeinträchtigungen von FFH- oder Vogelschutzgebieten zu führen. Streitig ist daher allein, ob die durch den Bedarfsplan hervorgerufenen Beeinträchtigungen erheblich im Sinne des Art. 6 Abs. 3 FFH-RL sind. Diese Frage wird im Schrifttum kontrovers beantwortet. Zum Teil wird darauf verwiesen, dass der Bedarfsplan zu abstrakt sei, um konkrete Beeinträchtigungen herbeizuführen. 403 Dem ist jedoch entgegenzuhalten, dass es angesichts der oben dargestellten Bindungswirkung des Bedarfsplanes durchaus denkbar erscheint, dass einzelne Teile des Bedarfsplans bereits so konkret auf die Beeinträchtigung eines FFH-Gebietes hinführen, dass von einer erheblichen Beeinträchtigung auszugehen ist. Dies wäre beispielsweise anzunehmen, wenn die im Bedarfsplan vorgenommene Trassenwahl zu einer voraussichtlich unvermeidbaren Zerschneidung des Gebietes führt. 404 Allerdings ist zu beachten, dass die Prüfung der Verträglichkeit nach Art. 4 Abs. 3 FFH-RL bzw. die Prüfung des Ausnahmetatbestandes nach Art. 4 Abs. 4 FFH-RL infolge des abstrakten Maßstabes nicht in der üblichen Form, sondern nur summarisch erfolgen kann. 405 Im Rahmen der Betrachtung des Bedarfsplanes darf natürlich die in § 4 FStrAusbauG angeordnete Anpassung nicht unbeachtet bleiben. Diese erfolgt nach § 4 S. 2 FStrAusbauG durch Gesetz. Da ein Gesetz aber infolge der Normenhierarchie keine rechtswirksame Verpflichtung zum Erlass eines weiteren Gesetzes beinhalten kann, 406 handelt es sich bei der Anpassung nach § 4 FStrAusbauG der Sache nach um eine Neufassung des Bedarfsplanes. Demnach erfüllt auch die Anpassung nicht den Planbegriff des Art. 2 lit. a SUP-RL, da es an einer wirksamen Verpflichtung zum Normerlass fehlt. 407 Ebenfalls ohne jeden normativen Gehalt ist die in § 4 S. 1 FStrAusbauG angeordnete Berücksichtigung der Belange des Bodenschutzes - auch hier kann das FStrAusbauG dem Anpassungsgesetz keine bindenden Vorgaben machen. Relevant sind daher allein die von Art. 20 a GG und der eventuell erfolgenden FFH-Verträglichkeitsprüfung ausgehenden bodenschützenden Impulse. 403 Beckmann, Martin/Hünnekens, Georg: Zum Erfordernis einer FFH-Verträglichkeitsprüfung bei der Bundesverkehrswegeplanung, in: DVB1. 2002, S. 1512 ff.; Stüer, Bernhard: Habitatschutz auch in der Bundesverkehrswegeplanung?, in: NVwZ 2002, S. 1166 f. 404 Vgl. Lambrecht, Heiner: Die Erforderlichkeit einer FFH-Verträglichkeitsprüfung für den Bundesverkehrswegeplan und die Bedarfspläne, in: NuR 2002, S. 273 ff.; Michler, HansPeter: Die Umsetzung der FFH-Richtlinie in das deutsche Straßenrecht, in: VB1BW 2004, S. 89. 405 Vgl. Stüer, Bernhard: Habitatschutz auch in der Bundesverkehrswegeplanung?, in: NVwZ 2002, S. 1167 f.; kritisch: Beckmann, Martin/Hünnekens, Georg: Zur Erfordernis einer FFH-Verträglichkeitsprüfung bei der Bundesverkehrswegeplanung, in: DVB1. 2002, S. 1515 ff. 406 Zur Bindung in der Praxis: Rinke, Siegfried, in: Kodal, Kurt/Krämer, Helmut (Hrsg.): Straßenrecht, Kap. 32 Rn. 8.2. vgl. auch Rn. 9.2. 407 Ginzky, Harald: Die Richtlinie über die Prüfung der Umweltauswirkungen bestimmter Pläne und Programme, in UPR 2002, S. 48.
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Zusammenfassend kann festgestellt werden, dass die nationale Bedarfsplanung auf die Belange des Bodenschutzes allein im von Art. 20 a GG abgesteckten Rahmen eingehen muss. Nur auf der Ebene des im Anhang zum FStrAusbauG befindlichen Bedarfsplanes ist der Schutz der FFH-Gebiete zu bedenken. Die Berücksichtigung bodenschützender Belange ist demnach relativ schwach ausgeprägt.
(3) Entscheidung und Einflussfaktoren bei der Linienbestimmung Die Entscheidung über die Linienbestimmung wird nach § 16 Abs. 2 S. 1 FStrG in Form einer Abwägung getroffen. Bodenschützende Faktoren können in die Entscheidung auf verschiedenen Wegen einfließen. Zu nennen sind hier in erster Linie die nach § 16 Abs. 2 S. 1 FStrG zu berücksichtigende Umweltverträglichkeitsprüfung. 408 Kerngehalt der Umweltverträglichkeitsprüfung ist die nach § 6 UVPG erforderliche Ermittlung der Umweltauswirkungen eines Vorhabens und die Prüfung von Vermeidungs-, Verminderungs- oder Ausgleichsmöglichkeiten. Der quantitative Bodenschutz geht zum einen aufgrund seiner Einbeziehung in den Umweltbegriff des § 2 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 UVPG in die Überprüfung ein. Zum anderen schließen die Ermittlungs- und Prüfungspflichten des § 6 Abs. 3 Nr. 1 UVPG ausdrücklich den quantitativen Bodenschutz ein. 4 0 9 Die besondere Relevanz der UVP bei der Linienbestimmung rechtfertigt sich aus drei Gründen. Erstens erhöht die vom UVPG geforderte Ermittlung der Umweltaspekte eines Vorhabens das faktische Gewicht der Umweltbelange - und damit auch der Belange des Bodenschutzes in der Abwägung, da diese nach § 11 UVPG zusammengefasst dargestellt werden. 410 Zweitens umfasst die Prüfung der Umweltverträglichkeit nach § 6 Abs. 3 Nr. 5 UVPG auch die naheliegenden Alternativen, was unter Umständen zu einer unter Gesichtspunkten des Flächenschutzes vorteilhaften Verlagerung des Vorhabens führen kann. 411 Schließlich kommt dem Ergebnis der UVP nach § 16 Abs. 1 S. 2 FStrG eine materielle Wirkung zu. 4 1 2 Jedoch dürfen die bodenschüt408
Siehe dazu auch oben Teil 2, § 2 III. 3. a) (4); speziell zur UVP bei der Verkehrswegeplanung: Wickel, Martin /Müller, Henrik: Plangenehmigung und Umweltverträglichkeitsprüfung in der Verkehrswegeplanung, in NVwZ 2001, S. 1133 ff. 409 Vgl: BVerwG, in: DVB1. 2001, S. 386 (390) wobei die Flächeninanspruchnahme dort nur unter dem Aspekt des Lebensraums betrachtet wird. Ausdrücklich aber: VGH Mannheim, in: NuR 2002, S. 155 (157); VGH Mannheim, in: NVwZ RR 1991, S. 399 (400). 410 BVerwGE 104, S. 236 (243). Steinberg, Rudolf /Berg, Thomas/Wickel, Martin: Fachplanung, § 1 Rn. 145, 153; Schink, Alexander: Umweltverträglichkeitsprüfung - Verträglichkeitsprüfung - naturschutzrechtliche Eingriffsregelung - Umweltprüfung, in: NuR 2004, S. 647. 4Π Zur Alternativprüfung statt vieler: BVerwG, in ZUR 2003, S. 22 (24 ff.); BVerwG, in: UPR 2003, S. 183 (185 f.). 412 Ronellenfltsch, Michael, in: Marschall, Ernst/Schroeter, H./Kastner, Fritz: Bundesfernstraßengesetz, § 16 Rn. 49.
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zenden Auswirkungen der UVP nicht überbewertet werden, da diese das rechtliche Gewicht der Umweltbelange in der Entscheidung nicht erhöhen. 413 Außerdem kann die Prüfung infolge des Charakters der Linienbestimmung als vorbereitende Entscheidung und der daraus resultierenden Abstraktheit nicht in der Tiefe einer vorhabensbezogenen UVP erfolgen. 414 Des Weiteren kann der Umfang der Umweltverträglichkeitsprüfung nach § 16 Abs. 3 UVPG reduziert werden, wenn der zugrundeliegende Raumordnungsplan bereits eine SUP durchlaufen hat. An zweiter Stelle der möglicherweise bodenschützenden Abwägungsaspekte ist das ebenfalls nach § 16 Abs. 2 S. 1 FStrG obligatorisch durchzuführende Raumordnungsverfahren zu nennen. Dessen bodenschützende Qualität erklärt sich daraus, dass in seinem Rahmen die möglicherweise bodenschützenden Aussagen der Gesamtplanung in die Linienbestimmung eingebracht werden. Zum zweiten ist nach § 16 Abs. 2 UVPG auch bei der Durchführung eines Raumordnungsverfahrens eine Prüfung der Umweltverträglichkeit erforderlich. 415 Allerdings ist zu berücksichtigen, dass der Einbringung bodenschützender Argumente durch das Raumordnungsverfahren, aufgrund der nach § 5 ROG beschränkte Bindungswirkung der Ziele der Raumordnung gegenüber den Straßenbauträgern, Grenzen gesetzt sind. Des Weiteren ist die aus § 3 Abs. 1 S. 2 FStrG folgende allgemeine Pflicht zur Berücksichtigung von Belangen des Umweltschutzes als ein Einflussfaktor zu nennen. Deren Bedeutung wird jedoch dadurch eingeschränkt, dass ihr lediglich eine Hinweisfunktion zukommt und das von ihr verlangte Ausmaß an Berücksichtigung nicht über das vom Abwägungsgebot geforderte hinausgeht.416 Schließlich ist es im Einzelfall möglich, dass die Linienbestimmung ein Bodenschutzgebiet betrifft. In diesem Fall ist zwischen der Betroffenheit eines FFH-Gebietes und der Überplanung sonstiger Bodenschutzgebiete zu unterscheiden. Im ersteren Fall ist nach § 35 S. 1 Nr. 1 BNatSchG eine FFH-Verträglichkeitsprüfung durchzuführen 4 1 7 Bei sonstigen Bodenschutzgebieten ist dagegen gesetzlich keine besondere Verträglichkeitsprüfung vorgesehen. Diese Gebiete fließen aufgrund der ihre Ausweisung rechtfertigenden natürlichen Ausstattung jedoch in die UVP ein und sind in der Abwägung zu berücksichtigen. 418 413 BVerwGE 104, S. 236 (243); 100, S. 370 (376); 100, S. 238 (243 ff.); zum Meinungsstand in der Lit.: Steinberg, Rudolf /Berg, Thomas /Wickel, Martin: Fachplanung, § 3 Rn. 79 ff. 414
Ronellenfitsch, Michael, in: Marschall, Ernst/Schroeter, H./Kastner, Fritz: Bundesfernstraßengesetz, § 16 Rn. 34. Steinberg, Rudolf/Zterg, Thomas /Wickel, Martin: Fachplanung, § 7 Rn. 67 f. 415 Da aber nach § 15 Abs. 1 S. 2 UVPG in diesem Fall die UVP bei der Linienbestimmung entfällt kommt es hier nicht zu einer Dopplung der UVP. Dazu: Ronellenfitsch, Michael, in: Marschall, Ernst/Schroeter, H./Kastner, Fritz: Bundesfernstraßengesetz, § 16 Rn. 32. 41 6 Grupp, Klaus, in: Marschall, Ernst/Schroeter, H./Kastner, Fritz: Bundesfernstraßengesetz, § 3 Rn. 11. 4 17 Siehe exemplarisch: BVerwG, in: NVwZ 2004, S. 732 ff.
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Zusammenfassend kann festgestellt werden, dass die Belange des Bodenschutzes in ausreichendem Maße in die Entscheidungsfindung der Linienbestimmung eingehen. Hervorzuheben ist hier insbesondere die Umweltverträglichkeitsprüfung. Ein über die Berücksichtigung in der Abwägung hinausgehender Schutz des Bodens besteht - vom speziellen Schutz der FFH-Gebiete abgesehen - nicht, was allerdings angesichts der primären Ausrichtung der Fachplanung auf die Durchführung der Projekte nicht verwunderlich ist.
(4) Entscheidung und Einflussfaktoren bei der Zulassungsentscheidung Die Entscheidung über die Zulässigkeit eines Vorhabens wird ausweislich des § 17 Abs. 1 FStrG in den beiden hier interessanten Verfahren ebenfalls durch Abwägung getroffen. Bezüglich der Einflussfaktoren ist jedoch zu differenzieren. In die Planfeststellung fließen Aspekte des in Form der durch § 3 Abs. 1 S. 2 FStrG angeordneten Berücksichtigung vom Umweltschutzaspekten, der nach § 17 Abs. 1 S. 2 FStrG vorgeschriebenen Umweltverträglichkeitsprüfung 419 und der nach § 35 S. 1 Nr. 1 BNatSchG erforderlichen FFH-Verträglichkeitsprüfung ein, bezüglich derer auf das bereits Gesagte verwiesen sei. 4 2 0 Hinzu kommt in jedem Fall die naturschutzrechtliche Verträglichkeitsprüfung nach § 18 BNatSchG, der eine erhebliche Bedeutung zur Verhinderung bzw. zum Ausgleich des Flächenverbrauches zukommt. 421 Außerdem besteht in dem Fall, dass die Planfeststellung ein Areal betrifft, das gleichzeitig ein Bodenschutzgebiet ist, ein strikt zu beachtendes Beeinträchtigungsverbot (z. B. § 23 Abs. 2 BNatSchG/§ 16 Abs. 2 SächsNatSchG). 422 Die Planfeststellung ist demnach nur zulässig, wenn die Voraussetzungen der Erteilung einer Ausnahmegenehmigung erfüllt sind, bzw. das Schutzgebiet aufzuheben ist. Insofern kommt auf der Ebene der Zulassungsentscheidung nicht nur den europäischen Schutzgebieten, sondern auch den nationalen Schutz418 Ronellenfitsch, Michael, in: Marschall, Ernst/Schroeter, H./Kastner, Fritz: Bundesfernstraßengesetz, § 16 Rn. 53. Eine Ausnahme besteht bei durch Gesetz festgelegten Nationalparks, diese stehen überregionalen Infrastrukturvorhaben im Weg. Dazu: Peine, FranzJoseph: Das Recht des Nationalparks: Errichtung, Bestandsschutz, Nutzung, in: LKV 2002, S. 442. 419 Zur UVP, speziell im Straßenplanungsverfahren: Dürr, Hansjochen, in: Kodal, Kurt/ Krämer, Helmut (Hrsg.): Straßenrecht, Kap. 35 Rn. 3 ff.; beachtlich ist auch hier der ggf. nach § 16 Abs. 3 UVPG reduzierte Umfang. 4 20 Siehe dazu oben Teil 2, § 2 III. 2. b) (3); weiterführend: Steinberg, Rudolf: Umweltschutz in der Verkehrswegeplanung, in: DÖV 2000, S. 85 ff.; vgl. BVerwG, in: DVB1. 2003, S. 534 (536 ff.); Michler, Hans-Peter: Die Umsetzung der FFH-Richtlinie in das deutsche Straßenrecht, in: VB1BW 2004, S. 84 ff. 421 Bezüglich der Eingriffsregelung sein auf die Darstellung unter Teil 2, § 2IV. 4. verwiesen, die sich umfassend der Regelung des § 18 BNatSchG widmet. 422 Steinberg, Rudolf/Berg, Thomas /Wickel, Martin: Fachplanung, § 3 Rn. 24; Steinberg, Rudolf: Umweltschutz in der Verkehrswegeplanung, in: DÖV 2000, S. 89; Dürr, Hansjochen, in: Kodal, Kurt/Krämer, Helmut (Hrsg.): Straßenrecht, Kap. 34 Rn. 46.3 ff.
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gebieten der Rang einer durch Abwägung nicht zu überwindenden Schranke zu. 4 2 3 Die Plangenehmigung unterliegt mit Ausnahme der nach § 17 Abs. 1 a S. 1 Nr. 1 FStrG bzw. § 17 Abs. 1 b S. 1 FStrG nicht durchzuführenden Umweltverträglichkeitsprüfung den gleichen Einflussfaktoren wie die Planfeststellung. c) Zwischenergebnis Abschließend kann festgestellt werden, dass die Fachplanung und dabei insbesondere die Straßenplanung wesentlichen Anteil an der Versiegelung von Rächen hat. Daher kommt auch dem die Errichtung von Infrastrukturvorhaben normativ regelnden Fachplanungsrecht eine hohe Bedeutung für den Bodenschutz zu. Im Gegensatz zu diesem, einheitlich für alle Planungsebenen geltenden Ergebnis, fällt die Betrachtung der Wertigkeit von Aspekten des quantitativen Bodenschutzes nicht so uniform aus. Bundesverkehrswegeplan und die Bedarfsgesetze unterliegen, von der Verfassung, den im jeweiligen Plan bzw. Gesetz enthaltenen Aussagen und der bei Bedarfsgesetzten notwendigen FFH-Verträglichkeitsprüfung abgesehen, keinen bodenschützenden Einflussfaktoren - worin allerdings angesichts der Rechtsform dieser Pläne bzw. Gesetze kein Defizit zu erblicken ist. Im Gegensatz dazu fließt der Schutz der Fläche vor Versiegelung auf den nachgeordneten Planungsebenen durch eine Vielzahl von Aspekten ein. Von Bedeutung sind hier insbesondere die Umweltverträglichkeitsprüfung, die FFH-Verträglichkeitsprüfung und die naturschutzrechtliche Eingriffsregelung, sodass insgesamt von einem zufriedenstellenden Maß an Beachtung des Bodenschutzes ausgegangen werden kann.
4. Die kommunale Planung Das unter dem Gesichtspunkt der Flächenversiegelung bedeutsamste Teilgebiet des Planungsrechts stellt die hier zu behandelnde Planungstätigkeit der Kommunen dar. Obwohl die kommunale Planung thematisch eigentlich als Teil der Gesamtplanung zu betrachten ist, soll sie aufgrund ihrer spezifischen Eigenheiten und Bindungen im folgenden Abschnitt separat behandelt werden.
a) Die Bedeutung der kommunalen Planung für den Bodenverbrauch Die besondere Wichtigkeit der kommunalen Planung für den Flächenverbrauch erklärt sich aus zwei Faktoren. Zum einen ist darauf zu verweisen, dass der in den letzten Jahren zu beobachtende Anstieg der Flächenversiegelung in erster Linie 423 So zur Vogelschutzrichtlinie: BVerwG, in: UPR 2003, S. 183 (184).
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auf die private, nicht infrastrukturelle Bebauung zurückzuführen ist, 4 2 4 was für ein steigendes Gewicht der kommunalen Bauleitplanung spricht. 425 Zum anderen ist darauf hinzuweisen, dass die kommunale Planungshoheit auch die Gestaltung zukünftiger Gemeindestraßen einschließt, womit den Kommunen ein - wenn auch geringer - Teil der Infrastrukturplanung zufällt. 426 Insgesamt erscheint es daher angemessen, von einer Schlüsselfunktion der Gemeinden beim Bodenschutz zu sprechen. 427 Inhaltlich lässt sich der hier relevante Teil des Planungsrechts in mehrere Teilgebiete auftrennen. Die größte Bedeutung kommt der Bauleitplanung zu, die ihrerseits in die vorbereitende Flächennutzungsplanung und die konkret vollziehende Bebauungsplanung zerfällt. Hinzu tritt die ebenfalls von den Gemeinden durchzuführende Landschaftsplanung.
(1) Der Flächennutzungsplan Die oberste Ebene der kommunalen Bauplanungstätigkeit bildet der Flächennutzungsplan. Dieser beinhaltet nach § 5 Abs. 1 BauGB eine das gesamte Gemeindegebiet umfassende Darstellung der beabsichtigten Entwicklung. Auf dieser Ebene entscheidet die Gemeinde über die grundsätzlichen Fragen der zur Verfügung Stellung neuer Bauflächen bzw. der Konzentration auf die innerstädtische Entwicklung. 428 Die Beachtung dieser Entscheidungen wird durch die in § 8 Abs. 2 BauGB begründete Pflicht zur Entwicklung des Bebauungsplans aus dem Flächennutzungsplan sichergestellt. Des Weiteren wird der Flächennutzungsplan als entscheidendes Mittel zur Umsetzung der - an späterer Stelle ausführlicher darzustellenden - naturschutzrechtlichen Eingriffsregelung in der Bauleitplanung angesehen. 429 Ein zusätzlicher Grund der großen Bedeutung des Flächennutzungsplanes
424 Siehe dazu oben Teil 1, § 2 III. 2. 425 Schink, Alexander: Naturschutz aus der Sicht der Kommunen, in: Oldiges, Martin (Hrsg.): Perspektiven des Naturschutzes, S. 163. 426 Zu Möglichkeiten und Grenzen des Straßenbaus mittels der Bauleitplanung: BVerwG, in: DVB1. 2003, S. 204 (205); BVerwGE 94, S. 100 (103 ff.); BayVGH, in: DÖV 2002, S. 211 (212 f.); Schmidt-Eichstaedt, Gerd: Straßenplanung und Bauleitplanung, in: BauR 2001, S. 337; Steinberg, Rudolf /Berg, Thomas/Wickel, Martin: Fachplanung, § 5 Rn. 64 ff. 427 Louis, Hans Walter/Wolf, Verena: Bodenschutz in der Bauleitplanung, in: NuR 2002, S. 61. 428 Franz, Thorsten: Freiraumschutz und Innenentwicklung, S. 33; Schink, Alexander: Die Berücksichtigung von Umweltbelangen in der Bauleitplanung, in BauR 1998, S. 1167; kritisch zur Steuerungswirkung der Flächennutzungsplanung: Lüers, Hartwig: Der Bedeutungszuwachs für die Flächennutzungsplanung durch das Bau- und Raumordnungsgesetz 1998, in: UPR 1997, S. 348 f.; Söfker, Wilhelm, in: Emst, Werner/Zinkahn, Willy/Bielenberg, Walter/Krautzberger, Michael: Baugesetzbuch, § 1 Rn. 23 (Stand Sept. 2000). 429 Lüers, Hartwig: Der Bedeutungszuwachs für die Flächennutzungsplanung durch das Bau- und Raumordnungsgesetz 1998, in: UPR 1997, S. 350 ff.; vgl. zum Aspekt des „Ökokontos": BVerwG, in: DVB1.2003, S. 204 (206 f.); OVG Koblenz, in: NuR 2003, S. 38 (39 f.).
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ist darin zu sehen, dass § 5 Abs. 2 BauGB eine Reihe von Möglichkeiten flächenschützender Festlegungen enthält. 430 Jedoch darf auch hier aus der übergeordneten Position der Flächennutzungsplanung keine umfassende Steuerungswirkung dieser abgeleitet werden. Zum einen handelt es sich bei der gesamten Bauleitplanung um Angebotsplanung, woraus folgt, dass die Umsetzung und damit die tatsächliche Versiegelung zumeist nicht in der Hand der Gemeinde, sondern beim Bürger liegt. 431 Zum anderen besteht infolge der Ausnahmen vom Entwicklungsprinzip in § 8 Abs. 2 S. 2, Abs. 3, 4 BauGB, sowie der in den §§ 34, 35 BauGB eingeräumten Möglichkeiten der Bebauung ohne Plan, keine durchgehende Bindung an den Flächennutzungsplan. Abschließend ist festzustellen, dass der Flächennutzungsplan ein wichtiges, aber kein entscheidendes Instrument zur Steuerung und Begrenzung des Flächenverbrauches in der kommunalen Planung darstellt.
(2) Der Bebauungsplan Die zweite Ebene der Bauleitplanung bildet der in den §§ 8 ff. BauGB geregelte verbindliche Bauleitplan (Bebauungsplan). Ihm kommt die Funktion zu, die vorher nur projektierten und infolge des § 1 Abs. 3 S. 2 BauGB auch nicht einklagbaren Möglichkeiten bzw. Grenzen der Flächenversiegelung zu konkretisieren und in eine außenwirksame Satzung umzusetzen. Die besondere Bedeutung des Bebauungsplanes für den quantitativen Bodenschutz liegt darin begründet, dass erst auf dieser Planungsebene verbindliche Entscheidungen über die Nutzung einer Fläche getroffen werden. Durch einen Bebauungsplan werden Besitzstände geschaffen, die sowohl zukünftige Versiegelung vorzeichnen, als auch einer Entsiegelung ggf. entgegenstehen.432 Zum zweiten können erst auf dieser Ebene Entscheidungen über die exakte Art und den Umfang der Versiegelung getroffen werden. 433 Jedoch handelt es sich bei dem Bebauungsplan nicht allein um ein Instrument zur Ermöglichung fortschreitender Flächenversiegelung, vielmehr beinhaltet er in § 9 Abs. 1 BauGB auch eine Reihe von Möglichkeiten, Flächen von der Versiegelung frei zu halten 4 3 4 Schließlich ist darauf hinzuweisen, dass der Bebauungs430 Vgl. die Darstellung bei Otto, Franz: Die Verpflichtung zum Schutz des Bodens nach dem Baugesetzbuch, in: NVwZ 2000, S. 48 f. 431 Louis, Hans Walter/Wolf, Verena: Bodenschutz in der Bauleitplanung, in: NuR 2002, S. 65. 432 Schink, Alexander: Der Bodenschutz und seine Bedeutung für die nachhaltige städtebauliche Entwicklung, in: DVB1. 2000, S. 226. 433 Schink, Alexander: Die Berücksichtigung von Umweltbelangen in der Bauleitplanung, in: BauR 1998, S. 1167. 434 Vgl. die Aufzählungen bei Louis, Hans Walter/Wolf, Verena: Bodenschutz in der Bauleitplanung, in: NuR 2002, S. 68 f.; vgl. auch OVG Lüneburg, in: NVwZ RR 2002, S. 171 (171); OVG Münster, in: BauR 2001, S. 62 (64 f.); Otto, Franz: Die Verpflichtung zum
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plan infolge seiner teilweise sehr einzelfallbezogenen, quasi quadratmeterscharfen Festlegungen im von ihm erfassten Bereich bodenschützende Einzelanordnungen ersetzt.
(3) Die kommunale Landschaftsplanung Eine weitere Erscheinungsform der kommunalen Planung bilden die beiden den Gemeinden zugeordneten unteren Ebenen der Landschaftsplanung. Aufgrund des § 6 SächsNatSchG sind die Kommunen dazu verpflichtet, für ihr gesamtes Gebiet einen Landschaftsplan (§ 6 Abs. 1 SächsNatSchG) und für Teile des Gemeindegebietes einen Grünordnungsplan (§ 6 Abs. 2 SächsNatSchG) aufzustellen. Ziel der Landschaftsplanung ist - ausweislich des § 4 SächsNatSchG - die Analyse, Entwicklung und Planung von Natur und Landschaft. 436 Eine Außenwirkung kommt der Landschaftsplanung in Sachsen aufgrund der Regelungen des § 6 Abs. 1 S. 1 bzw. Abs. 2 S. 1 SächsNatSchG nicht zu. Vielmehr handelt es sich bei Landschaftsplan und Grünordnungsplan lediglich um ökologische Grundlagenplanung, die als Abwägungsgrundlage der Bauleitplanung herangezogen wird. Aus dieser relativ schwachen Stellung folgt, dass der kommunalen Landschaftsplanung nur wenig eigene Steuerungswirkung zukommt, 437 sondern dass es sich bei ihr um einen, auf die Entscheidung über die Bauleitplanung einwirkenden, Faktor handelt. Daher sei für weitere Ausführungen nach unten verwiesen.
b) Die Einflussfaktoren Die Entscheidung über die Aufstellung und den Inhalt von Flächennutzungsplan und Bauleitplan ergeht aufgrund des § 1 Abs. 6 BauGB im Rahmen einer Abwägung. Daher sind im Folgenden zum einen alle bodenschützenden Normen zu nennen, die in die Abwägung eingehen. Zum andern sind die gesetzlichen Regelungen zu nennen, die nicht der Abwägung unterliegen und daher für die Gemeinden strikt beachtliches Recht darstellen. 438 Schutz des Bodens nach dem Baugesetzbuch, in: NVwZ 2000, S. 49; Peine, Franz-Joseph: Quantitativer Bodenschutz - innerhalb und außerhalb des Bundes-Bodenschutzgesetzes, in: Dolde, Klaus-Peter (Hrsg.): Umweltrecht im Wandel, S. 550 ff. 435
Vgl. § 16 ff. BauNVO; siehe zum Zurücktreten der Einzelanordnungen Teil 2, § 3 IV. 4. a) (3). 436 Vgl. § 14 BNatSchG; dazu: Lütkes, Stefan: Eckpunkte des neuen Naturschutzrechts, in: Oldiges, Martin (Hrsg.): Perspektiven des Naturschutzes, S. 22; Gassner, Erich, in: Gassner, Erich/Bendomir-Kahlo, Gabriele/Schmidt-Räntsch, Jürgen: Bundesnaturschutzgesetz, § 14 Rn. 6 ff. 437 Rat von Sachverständigen für Umweltfragen: Für eine Stärkung und Neuorientierung des Naturschutzes, Sondergutachten 2002, S. 71, 115; Gassner, Erich, in: Gassner, Erich/ Bendomir-Kahlo, Gabriele / Schmidt-Räntsch, Jürgen: Bundesnaturschutzgesetz, § 15 Rn. 9.
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Teil 2: Das geltende Recht
(1) Die Entscheidung über Aufstellung und Inhalt des Flächennutzungsplans Die für die Entscheidung über Aufstellung und Inhalt des Flächennutzungsplans relevanten Abwägungsfaktoren finden durchgehend ihren Widerhall in den §§ 1 und 1 a BauGB. Demnach ist bei der Bauleitplanung dem Aspekt der städtebaulichen Nachhaltigkeit Rechnung zu tragen (§ 1 Abs. 5). Diesem Kriterium kommt jedoch, infolge der geringen Fassbarkeit des im ROG und BauGB zugrunde gelegten Konzeptes der Nachhaltigkeit, keine den Bodenverbrauch begrenzende Wirkung zu. 4 3 9 Ob die im Rahmen des EAG Bau erfolgte Stärkung der Umweltaspekte in § 1 Abs. 5 BauGB 4 4 0 tatsächlich Wirkung zeigt, kann noch nicht beurteilt werden. Ähnliches kann über die in § 1 Abs. 6 Nr. 1 BauGB erwähnten Anforderungen an gesunde und sichere Wohnverhältnisse gesagt werden. Dieser Aspekt könnte unter dem Gesichtspunkt der Hochwassergefahr im Sinne des quantitativen Bodenschutzes nutzbar gemacht werden, kann aber letztlich nicht überzeugen, da ihm nur die Auswirkungen, nicht aber die versiegelungsbedingten Ursachen des Hochwassers unterfallen. 441 Bedeutsamer ist dagegen die von § 1 Abs. 4 BauGB ausgesprochene Bindung an die Ziele der Raumordnung. 442 Demnach sind die Gemeinden an die bodenschützenden Festlegungen des Regionalplans gebunden, soweit es sich um abschließend erwogene Ziele der Raumordnung handelt. 443 Wurde die Festlegung dagegen in der Form eines Grundsatzes der Raumordnung getroffen, besteht nach § 4 Abs. 2 ROG lediglich eine Pflicht zur Berücksichtigung in der Abwägung. 444
438
Vgl. zu den für die Innenentwicklung beachtlichen Faktoren: Franz, Thorsten: Freiraumschutz und Innenentwicklung, S. 85 ff. 439 Siehe dazu oben Teil 2, § 2 III. 2. b) (1); vgl. auch: Schink, Alexander: Die Berücksichtigung von Umweltbelangen in der Bauleitplanung, in: BauR 1998, S. 1163 f., der explizit auf die Einbeziehung ökonomischer und sozialer Aspekte in den Begriff der Nachhaltigkeit verweist. 440
Krautzberger,
Michael: Zur Novellierung des Baugesetzbuchs 2004, in: UPR 2004,
S. 46. 441
Lüers, Hartwig: Baurechtliche Instrumente des Hochwasserschutzes, in: UPR 1996, S. 241 ff.; Beyer, Stefanie: Amtspflichtwidrige Bauleitplanung in überschwemmungsgefährdeten Gebieten, in: NWVB12004, S. 49. 442 Dazu: Schink, Alexander: Bodenschutz in der Bauleitplanung (Teil 1), in: ZfBR 1995, S. 180; Franz, Thorsten: Freiraumschutz und Innenentwicklung, S. 134 f.; Runkel, Peter, in: Ernst, Werner/Zinkahn, Willy /Bielenberg, Walter/Krautzberger, Michael: Baugesetzbuch, § 1 Rn. 43 ff. (Stand Nov. 1999). ^3 Zum Umfang der Bindung: BVerwG, in: NuR 2003, S. 489 (491 f.); Hendler, Reinhard: Raumordnungsziele als landesplanerische Letztentscheidungen, in: UPR 2003, S. 256 ff.; vgl. auch: VGH Kassel, in: NuR 2003, S. 299 (301). 444
Runkel, Peter, in: Ernst, Werner/Zinkahn, Willy/Bielenberg, Walter/Krautzberger, Michael: Baugesetzbuch, § 1 Rn. 44, 73 ff. (Stand Nov. 1999); vgl. VGH Kassel, in: NuR 2003, S. 758 (760).
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Ähnlich hohe Relevanz kommt den umweltschützenden Belangen des § 1 a BauGB zu. Diese Norm erwähnt den Schutz des Bodens vor Versiegelung an prominenter Stelle, indem sie in § 1 a Abs. 2 die Verpflichtung ausspricht, Bodenversiegelungen auf das notwendige Maß zu beschränken. 445 Diese Regelung verpflichtet die Gemeinden zu einem sparsamen Umgang mit Boden. Sie sind nach § 1 a Abs. 2 S. 1 BauGB gehalten, vorrangig eine Innenentwicklung anzustreben, 446 anstelle von Neuausweisungen auf Flächenrecycling zu setzen 447 und die vorhandene Innenbereichsbebauung nachzuverdichten. Außerdem führt das Optimierungsgebot des § 1 a Abs. 2 BauGB dazu, dass die Gemeinden von Flächenneuausweisungen Abstand nehmen müssen, wenn ähnliche bereits versiegelte Areale nicht in Anspruch genommen werden. 448 Schließlich entspringt § 1 a Abs. 2 BauGB ein Verfahrensaspekt, 449 der zu besonders sorgfältiger Abwägung der Belange des quantitativen Bodenschutzes zwingt und die Rechtfertigungslast einer entgegenstehenden Entscheidung erhöht. 450 Rechtlich kommt der Regelung der Charakter eines Optimierungsgebotes zu, der Belang des Bodenschutzes ist daher kein „normaler" Abwägungsbelang, sondern vielmehr von besonderem Gewicht und daher nach Möglichkeit optimal zur Geltung zu bringen. 451 Allerdings bleibt er weiterhin durch Abwägung überwindbar. Ebenfalls ein Optimierungsgebot stellt der in § 1 Abs. 5 S. 2 BauGB niedergelegte Grundsatz der Erhaltung von Landwirtschafts- bzw. Waldflächen dar. 452 Auch wenn diesem neben dem Sparsamkeitsgebot der Bodenschutz445
Zu dieser statt vieler: Franz, Thorsten: Freiraumschutz und Innenentwicklung, S. 231 ff. Louis, Hans Walter /Wolf, Verena: Bodenschutz in der Bauleitplanung, in: NuR 2002, S. 63 f.; Söhnlein, Bernd: Die Bauleit- und Landschaftsplanung in Bayern im Dienst der Umweltvorsorge, in BayVBl 1998, S. 418; Krautzberger, Michael: Die Bodenschutzklausel des § 1 a Abs. 1 BauGB: Regelungsgehalt und Wirkung, in: ZUR 2002, S. 137; Franz, Thorsten: Freiraumschutz und Innenentwicklung, S. 255 ff.; Brandt, Edmund/Sanden, Joachim: Verstärkter Bodenschutz durch die Verzahnung zwischen Bau- und Raumordnungsrecht und Bodenschutzrecht, in: UPR 1999, S. 368; Krautzberger, Michael: Zur Novellierung des Baugesetzbuchs 2004, in: UPR 2004, S. 46. 446
447 Stich, Rudolf: Rechtsprobleme bei der Umsetzung der Forderungen des Umweltschutzes nach § 1 a BauGB 1998 in die Städtebauliche Planung und bei deren Vollzug, in: UPR 1998, S. 122.; vgl. OVG Münster, in: NuR 2003, S. 183 (185). 448 Schink, Alexander; Der Bodenschutz und seine Bedeutung für die nachhaltige städtebauliche Entwicklung, in: DVB1. 2000, S. 227. 449 Stich, Rudolf: Rechtsprobleme bei der Umsetzung der Forderungen des Umweltschutzes nach § 1 a BauGB 1998 in die Städtebauliche Planung und bei deren Vollzug, in: UPR 1998, S. 121 f. 450 Louis, Hans Walter/ Wolf, Verena: Bodenschutz in der Bauleitplanung, in: NuR 2002, S. 63; Peine, Franz-Joseph: Quantitativer Bodenschutz - innerhalb und außerhalb des Bundes-Bodenschutzgesetzes, in: Dolde, Klaus-Peter (Hrsg.): Umweltrecht im Wandel, S. 548 f. 451 Louis, Hans Walter /Wolf, Verena: Bodenschutz in der Bauleitplanung, in: NuR 2002, S. 63; Krautzberger, Michael: Die Bodenschutzklausel des § 1 a Abs. 1 BauGB: Regelungsgehalt und Wirkung, in: ZUR 2002, S. 136 f.; Schink, Alexander: Die Berücksichtigung von Umweltbelangen in der Bauleitplanung, in: BauR 1998, S. 1167 f. 4 52 Söfker, Wilhelm, in: Ernst, Werner/Zinkahn, Willy/Bielenberg, Walter/Krautzberger, Michael: Baugesetzbuch, § 1 Rn. 178 (Stand Sept. 2000).
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klausel keine eigenständige Bedeutung zukommt, 453 verstärkt er doch das Gewicht der Belange des quantitativen Bodenschutzes.454 Eine andere Regelung von großer Bedeutung ist die in § 1 a Abs. 6 Nr. 7 g) BauGB begründete Pflicht zur Berücksichtigung von Landschaftsplänen. Auf diesem Wege wird das bei der Erstellung des Landschaftsplanes gewonnene Wissen über Natur und Landschaft und die daraus entwickelten planerischen Vorstellungen in die Abwägung einbezogen,455 das Gewicht der bislang unversiegelten Fläche erhöht sich entsprechend. 456 Des Weiteren verlangt § 1 a Abs. 2 Nr. 3 BauGB die Beachtung der in die Bauleitplanung integrierten naturschutzrechtlichen Eingriffsregelung. Demnach unterfällt sowohl das Ausmaß wie auch der Ort der nach der naturschutzrechtlichen Eingriffsregelung notwendigen Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen der Abwägung der Gemeinde.457 An sechster Stelle ist die allgemeine Pflicht des § 1 Abs. 6 Nr. 7 BauGB zur Beachtung von Umweltaspekten zu nennen, die in lit. a explizit den Boden aufnimmt. Eine weitere Stärkung der Belange des Bodenschutzes ergibt sich aus der in § 17 UVPG und § 2 Abs. 4 BauGB vorgeschriebenen Durchführung einer Umweltverträglichkeitsprüfung. Dieser kommt in der neuen Systematik des Baurechts die Funktion eines zentralen Trägerverfahrens zu. 4 5 8 Das Ergebnis der UVP ist aufgrund von § 2 Abs. 4 S. 4 BauGB in der Abwägung zu berücksichtigen. Schließlich werden in § 1 a Abs. 4 BauGB die Erhaltungsziele und Schutzzwecke der FFH- und Vogelschutzgebiete als zu berücksichtigende Belange erwähnt. Diese Regelung eröffnet der Gemeinde allerdings nicht die Möglichkeit, die Schutzgebietsfestlegungen für FFH- und Vogelschutzgebiete in die Abwägung einzubeziehen und ggf. zu überwinden. 459 Die Gemeinde bleibt vielmehr an das höherrangige
453
Kauch, Petra: Bodenschutz aus bundesrechtlicher Sicht, S. 65. Franz, Thorsten: Freiraumschutz und Innenentwicklung, S. 159. 455 Schink, Alexander: Die Berücksichtigung von Umweltbelangen in der Bauleitplanung, in: BauR 1998, S. 1169 f. 456 Rat von Sachverständigen fiir Umweltfragen: Für eine Stärkung und Neuorientierung des Naturschutzes, Sondergutachten 2002, S. 114; Söhnlein, Bernd: Die Bauleit- und Landschaftsplanung in Bayern im Dienst der Umweltvorsorge, in: BayVBl 1998, S. 418 f. 4 57 BVerwGE 104, S. 68 (73 ff.); VGH Mannheim, in: NuR 2001, 697 (698); Louis, Hans Walter/Wolf, Verena: Bodenschutz in der Bauleitplanung, in: NuR 2002, 67 f.; Schink, Alexander: Die Berücksichtigung von Umweltbelangen in der Bauleitplanung, in: BauR 1998, S. 1176; vertiefend unter Teil 2, § 2IV. 4. b). 454
458
Krautzberger,
Michael: Zur Novellierung des Baugesetzbuchs 2004, in: UPR 2004,
S. 44. 459
Louis, Hans Walter/Wolf, Verena: Bodenschutz in der Bauleitplanung, in: NuR 2002, S. 62; Schink, Alexander: Die Berücksichtigung von Umweltbelangen in der Bauleitplanung, in: BauR 1998, S. 1173.
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Recht gebunden und ist infolge des § 6 Abs. 2 BauGB nicht berechtigt, diesem entgegenstehende Planinhalte festzusetzen. Ergänzend ist hier zu erwähnen, dass die Gemeinde nach § 6 Abs. 2 BauGB auch an auf nationalem Recht beruhende Schutzgebiete gebunden ist. 4 6 0 Abschließend ist festzustellen, dass die kommunale Entscheidung über Aufstellung und Inhalt von Flächennutzungsplänen durch zwei Gruppen von Faktoren beeinflusst wird. Zum einen sind die der Abwägung entzogenen, strikt beachtlichen bodenschützenden Regelungen zu nennen. Bei diesen handelt es sich um die europäischen und nationalen Schutzgebiete, sowie die Festlegungen der höherrangigen Planung, die als Ziele der Raumordnung erfolgen. Eine zweite Gruppe von Belangen ist für die Gemeinde nicht bindend, sondern lediglich in die Abwägung einzubeziehen. Hierbei handelt es sich um die in § 1 Abs. 6 und § 1 a BauGB erwähnten Aspekte der gesunden Wohn- und Arbeitsverhältnisse, Forst- und Landwirtschaft, die naturschutzrechtliche Eingriffsprüfung, die im einschlägigen Regionalplan niedergelegten Grundsätze der Raumordnung, die Bodenschutzklausel des § 1 a Abs. 2 BauGB, das Optimierungsgebot des § 1 a Abs. 2 S. 2 BauGB, die aus § 1 Abs. 6 Nr. 7 g BauGB folgenden Pflichten zur Berücksichtigung von Landschaftsplänen, sowie die Pflicht zur Berücksichtigung des Ergebnisses der UVP nach § 2 Abs. 4 S. 4 BauGB.
(2) Die Entscheidung über die Aufstellung und Inhalt des Bebauungsplans Die Entscheidung über die Aufstellung und den Inhalt des Bebauungsplans wird ausweislich des § 1 Abs. 7 BauGB ebenfalls in der Form einer Abwägungsentscheidung getroffen. Auf diese Entscheidung wirken grundsätzlich auch die schon oben erwähnten Faktoren ein. Unterschiede sind allein in Bezug auf die Berücksichtigung der Flächennutzungsplanung zu verzeichnen. Die Besonderheit besteht hier darin, dass die Gemeinde nach § 8 Abs. 2 BauGB bei der Erstellung des Bebauungsplans im Regelfall an den Flächennutzungsplan gebunden ist. 4 6 1 Zwar be460 BVerwG, in: NVwZ 2003, S. 1259 (1259); BVerwG, in: NuR 1990, S. 464 (464); BVerwG, in DVB1. 1987, S. 499 (500); VGH Kassel, in: NuR 2003, S. 299 (300); VGH München, in: NuR 2003, S. 752 (752); Gaentzsch, Günter: Entwicklungslinien des Naturschutzrechts in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, in: Dolde, Klaus-Peter (Hrsg.): Umweltrecht im Wandel, S. 480 ff.; Hermanns, Caspar David/Hönig, Dietmar: Das Verhältnis von naturschutzrechtlicher Schutzgebietsausweisung zu kommunaler Bauleitplanung, in: NuR 2001, S. 28 ff.; Egner, Margit: Landschaftsschutz und Bauleitplanung, in: NuR 2003, S. 737 ff.; siehe zur Bindung an Überschwemmungsgebiete: Burgi, Martin/Deichmöller, Sigrid: Bauen im Überschwemmungsgebiet, in: DÖV 2003, S. 362 ff. Eine Ausnahme besteht hier bezüglich der Baumschutzsatzungen, die nach § 50 Abs. 1 Nr. 4 SächsNatSchG von den Gemeinden festzusetzen sind und daher auch von diesen aufgehoben werden können. 461 Dazu: BVerwG, in: UPR 2003, S. 230 (230 f.) m. w. N.
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steht aufgrund des § 8 Abs. 2 S. 2, Abs. 3 und Abs. 4 BauGB die Möglichkeit, auf die vorherige Aufstellung des Flächennutzungsplans zu verzichten, jedoch handelt es sich hierbei um eine Ausnahmeregelung, die nach § 10 Abs. 2 BauGB einer erhöhten Kontrolle unterliegt. Ergänzend ist darauf hinzuweisen, dass auf der Ebene der verbindlichen Bauleitplanung auch schon vor Erlass des EAG Bau eine UVP erfolgte. Diese betraf nach § 1 a Abs. 2 Nr. 3 BauGB a.F. i.V.m. § 17 UVPG a.F. Bebauungspläne, welche die in Nr. 18 der Anlage 1 des UVPG a.F. bezeichneten Vorhaben ermöglichten, sowie solche, die ein bestimmtes Vorhaben im Sinne der Anlage 1 des UVPG möglich machten. 462 Mit der neuen Regelung erfolgte eine Erweiterung der Pflicht. 463
c) Zwischenergebnis Abschließend ist festzuhalten, dass der kommunalen Bauleitplanung eine herausragende Position für die Steuerung und Begrenzung der Bodenversiegelung zukommt. Hierfür spricht sowohl die Tatsache, dass der größte Teil der Neuversiegelung der kommunalen Planung unterfällt, als auch das Vorhandensein ausreichender Möglichkeiten, um Rächen von der Versiegelung frei zu halten. Relativ positiv fällt das Bild der auf die Entscheidung der Gemeinde einwirkenden Einflussfaktoren aus. Hier ist mit den auf die Abwägung einwirkenden gesetzlichen Regelungen der Eingriffsregelung, Umweltverträglichkeitsprüfung sowie den sonstigen nach §§ 1 und 1 a BauGB beachtlichen Belangen eine ausreichende Einflussnahme gegeben. Hinzu kommen die nicht der kommunalen Abwägung unterliegenden Vorgaben aus europäischen wie nationalen Schutzgebietsfestsetzungen und Raumordnungszielen. Insgesamt kann daher von einer ausreichenden Berücksichtigung der Belange des Bodenschutzes in der kommunalen Bauleitplanung gesprochen werden.
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Dazu: Schink, Alexander: Umweltverträglichkeitsprüfung in der Bauleitplanung, in: UPR 2004, S. 81 ff.; Rühl, Christiane: Das Verhältnis von Umweltverträglichkeitsprüfung bei Bauleitplänen und nachfolgender Umweltverträglichkeitsprüfung in Vorhabenzulassungsverfahren, in: UPR 2002, S. 129 ff.; Mitschang, Stephan: UVP-pflichtige Bebauungspläne, in: GewArch 2002, S. 274 ff.; Krautzberger, Michael: Durchführung der Umweltverträglichkeitsprüfung in der Bauleitplanung, in: UPR 2001, S. 1 ff.; Stüer, Bernhard: Der UVP-pflichtige Bebauungsplan, in: BauR 2001, S. 1195 ff.; Krautzberger, Michael/Stemmler, Johannes: Die Neuregelung der UVP in der Bebauungsplanung durch die UVPG-Novelle 2001, in: UPR 2001, S. 241 ff.; Runkel, Peter: Umweltverträglichkeitsprüfung in der Bebauungsplanung, in: DVB1. 2001, S. 1377 ff.; Kuschnerus, Ulrich: Die Umweltverträglichkeitsprüfung in der Bauleitplanung, in: BauR 2001, S. 1211 ff.; Kuschenrus, Ulrich: Die Umweltverträglichkeitsprüfung in der Bauleitplanung Teil 2, in: BauR 2001, S. 1346 ff.; Stollmann, Frank: Umweltverträglichkeitsprüfung im Bauplanungsrecht, in: NuR 2003, S. 586 ff. 463 Vgl. zur Integration der Vorläuferregelung: Krautzberger, Michael: Zur Novellierung des Baugesetzbuchs 2004, in: UPR 2004, S. 44 f.
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5. Bewertung und Zwischenergebnis a) Wirksamkeit
in der Fläche
Die Beurteilung der Flächenwirksamkeit des Planungsrechtes fällt ebenso kurz wie positiv aus. Sowohl das Recht der Gesamtplanung, als auch das der kommunalen Planung gehen ausdrücklich davon aus, dass sie die relevante Fläche vollständig erfassen. 464 Daher ist von einer umfassenden planerischen Erfassung des Landes- und Bundesgebietes auszugehen. Insofern schließen kommunale Planung und Gesamtplanung eine oben festgestellte Lücke in der räumlichen Wirksamkeit von Schutzgebieten, indem sie es ermöglichen, auch nicht einem besonderen Schutzregime unterfallende Flächen von Versiegelung frei zu halten. Eine negative Ausnahme besteht allein in Bezug auf die kommunale Planung, wo im unbeplanten Innenbereich und im Außenbereich nur gering beplante Gebiete vorhanden sind. Der umfassende Ansatz des Planungsrechts ist insbesondere für die konkret bodenschützenden Normen von Bedeutung, die sich nahezu vollständig akzessorisch verhalten. Kein umfassender räumlicher Anspruch kommt dem Fachplanungsrecht zu. Dies ist allerdings, angesichts der vorhabensbezogenen Perspektive des Fachplanungsrechts, aus Sicht des Bodenschutzes nicht negativ zu bewerten.
b) Prinzipielle juristische Eignung Bei der Überprüfung der prinzipiellen juristischen Einigung der Instrumente des Planungsrechts ist zwischen zwei Aspekten zu unterscheiden. Zum einen ist zu fragen, ob es mittels planungsrechtlicher Festsetzungen möglich ist, den Boden vor Versiegelung zu schützen. Zum anderen stellt sich die Frage, ob Aspekte des Bodenschutzes in ausreichendem Maße in die Entscheidung über die Zulässigkeit eines Vorhabens eingehen. Bezüglich des ersten Punktes kann festgestellt werden, dass das geltende Recht nicht als defizitär bezeichnet werden kann. Raumordnungsgesetz, Sächsisches Landesplanungsgesetz und Baugesetzbuch stellen ausreichend Möglichkeiten zur Verfügung, Areale beispielsweise durch Ausweisung als Vorranggebiete für Landwirtschaft oder als Grünflächen (§ 5 Abs. 2 Nr. 5 BauGB) vor der Versiegelung zu bewahren. Ebenfalls als ausreichend zu bewerten ist der Schutz, den diese Festsetzungen der jeweiligen Räche einräumen. Dass der Umfang des Schutzes Grenzen kennt und problemlos von den jeweiligen Normgebern durch Umplanung wieder beseitigt werden kann, liegt in der Natur der Sache und ist in einem demokratischen Rechtsstaat nicht zu bemängeln. Etwas problematischer ist hingegen der zweite hier anzusprechende Aspekt. Wie oben dargestellt wurde, fällt die Entscheidung über den Inhalt eines Planes 464 Vgl. § 8 Abs. 1 S. 1, § 9 ROG; § 2 SächsLPIG; § 5 Abs. 1 S. 1 BauGB.
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Teil 2: Das geltende Recht
jeweils im Rahmen planerischer Abwägung. In diesen Entscheidungsprozess werden jeweils in ausreichendem Maße bodenschützende Belange eingespeist. Dies erfolgt durch die Pflicht zur Berücksichtigung der Ergebnisse der UVP, die strategische Umweltprüfung, allgemeine Umweltberücksichtigungs- oder Nachhaltigkeitsklauseln, Grundsätze, Art. 20 a GG, Raumordnungsverfahren, Landschaftspläne oder spezielle Bodenschutzklauseln. Jedoch ist immer wieder zu beobachten - der forschreitende und nur langsam abflachende Flächenverbrauch gibt davon Zeugnis - dass die Belange des Bodenschutzes trotzdem relativ durchsetzungsschwach sind. Dies ist ursächlich durch die Struktur einer Abwägungsentscheidung bedingt. Solange der quantitative Bodenschutz lediglich als Belang von normalem oder erhöhtem Gewicht in die Abwägung eingeht, kann er auch „weggewogen" werden. 465 Bewältigt wird dieses Problem vom geltenden Recht zum Teil dadurch, dass bestimmte Aspekte des Bodenschutzes der Abwägung entzogen sind. Zu nennen sind hier die europäischen Schutzgebiete, sowie die zumindest in einem Teil der Planungsvorgänge strikt beachtlichen nationalen Schutzgebiete und die ebenfalls nur beschränkt bindende naturschutzrechtliche Eingriffsregelung. Allerdings können diese Instrumente die Schwäche des Bodenschutzes in der Abwägung nicht kompensieren, da sie entweder auf relativ begrenzte Räume beschränkt sind (Schutzgebiete) bzw. lediglich einen „Reparaturbetrieb des Naturschutzrechts" darstellt und Eingriffe nur sehr selten verhindert (naturschutzrechtliche Eingriffsregelung). Daher ist abschließend festzustellen, dass die prinzipielle juristische Eignung der planerischen Instrumente unzureichend ist. Die nachgeordnete Position des Bodenschutzes in der Abwägung ist auch Ergebnis der gesetzlichen Ausgestaltung der Entscheidungsfindung. Hier könnte mit der Erhöhung der allgemein beklagten, fehlenden Operationalisierbarkeit des Mediums Boden 466 ein gewichtiger Beitrag zum Bodenschutz geleistet werden.
465
Vgl. bereits: Bückmann, Walter: Bodenschutzrecht, S. 46 f., 66 ff. Rat von Sachverständigen für Umwellfragen: Für eine Stärkung und Neuorientierung des Naturschutzes, Sondergutachten 2002, S. 63, 70 f., 111 f.; Brand, Edmund/Sanden, Joachim: Verfassungsrechtliche Zulässigkeit neuer übergreifender Rechtsinstrumente zur Begrenzung des Flächenverbrauchs, S. 4 f.; Schink, Alexander: Die Berücksichtigung von Umweltbelangen in der Bauleitplanung, in: BauR 1998, S. 1168; Schink, Alexander: Bodenschutz in der Bauleitplanung (Teil 1), in: ZfBR 1995, S. 185; Bückmann, Walter: Bodenschutzrecht, S. 46; Schink, Alexander: Der Bodenschutz und seine Bedeutung für die nachhaltige städtebauliche Entwicklung, in: DVB1. 2000, S. 226; Brandt, Edmund/Sanden, Joachim: Verstärkter Bodenschutz durch die Verzahnung zwischen Bau- und Raumordnungsrecht und Bodenschutzrecht, in: UPR 1999, S. 369. 466
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IV. Der quantitative Bodenschutz in der Einzelfallentscheidung 1. Einleitung Als eine dritte Gruppe bodenschützender Regelungen können solche angesehen werden, die lediglich für den unmittelbaren Einzelfall anwendbar sind, also im Unterschied zu den Schutzgebieten und den planerischen Instrumenten kein generalistisches Element aufweisen. Zu nennen sind hier die Verhaltenspflichten des BBodSchG und der Landesbodenschutzgesetze, die naturschutzrechtliche Eingriffsregelung, die §§34 und 35 BauGB, die die Zulässigkeit von Einzelvorhaben betreffen, sowie § 8 Abs. 1 SächsBO. Die bodenschützende Eignung dieser Normen wird im Folgenden zu überprüfen sein.
2. Der Flächenschutz mittels § 4 Abs. 1 BBodSchG § 4 Abs. 1 BBodSchG begründet die allgemeine Handlungspflicht, schädliche Bodenveränderungen zu unterlassen. Diese Handlungspflicht wird von einer Vielzahl von Autoren auch im Sinne des quantitativen Bodenschutzes nutzbar gemacht. 467 Diese Position ist jedoch nur dann haltbar, wenn es sich bei der Versiegelung des Bodens tatsächlich um eine schädliche Bodenveränderung im Sinne des § 2 Abs. 3 BBodSchG handelt, was im Folgenden zu prüfen ist. § 2 Abs. 3 BBodSchG definiert eine schädliche Bodenveränderung als eine Beeinträchtigung der Bodenfunktion, die geeignet ist, Gefahren, erhebliche Nachteile oder erhebliche Beeinträchtigungen für den Einzelnen oder die Allgemeinheit herbeizuführen. Zu klären ist daher, wie sich die Versiegelung des Bodens auf die einzelnen, in § 2 Abs. 2 BBodSchG benannten Bodenfunktionen auswirkt.
a) Die Auswirkungen auf die Funktionen des Bodens Durch die Versiegelung einer Fläche werden die natürlichen Funktionen des Bodens (§ 2 Abs. 2 Nr. 1 BBodSchG) stark behindert beziehungsweise unterbunden. 468 Nur beispielhaft sei erwähnt, dass der Boden seine Funktion als Pflanzen467 Schlabach, Erhard/ Landel, Christoph /Notier, Harald: Schädliche Boden Veränderung - eine Annäherung an einen unbestimmten Rechtsbegriff, in: ZUR 2003, 74; Vogg, Reinei; in: Landel, Christoph / Vogg, Reiner/Wüterich, Christoph: Bundesbodenschutzgesetz § 1 Rn. 28; Sanden, Joachim, in: Sanden, Joachim /Schoeneck, Stefan: Bundesbodenschutzgesetz § 2 Rn. 40 f.; Wolf, Rainer: Bodenfunktionen, Bodenschutz und Naturschutz, in: NuR 1999, S. 549; Neun, Andreas: Das Bundes-Bodenschutzgesetz, in: NJ 1999, S. 124; Erbguth, Wilfried/Stollmann, Frank: Das neue Bodenschutzrecht des Bundes, in: GewArch 1999, S. 226; Tomerius, Stephan: Bundes-Bodenschutzgesetz und kommunales Flächenrecycling, in: ZUR, 1999 S. 82.
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Teil 2: Das geltende Recht
Standort, als Filter und als Puffer für stoffliche Einwirkungen verliert. 469 In Bezug auf die natürlichen Funktionen des Bodens handelt es sich um eine Beeinträchtigung. 470 Im Gegensatz dazu hat die Versiegelung einer Fläche auf Nutzungsfunktion (§ 2 Abs. 2 Nr. 3 BBodSchG) keine negativen Auswirkungen - im Gegenteil, die Versiegelung ist die Verwirklichung der Standortfunktion. 471 Die Archivfunktion des Bodens steht der Versiegelung schließlich mangels Auswirkungen neutral gegenüber. 472 Im Ergebnis ist daher festzustellen, dass zwischen Nutzungsfunktion und natürlicher Funktion des Bodens ein nicht zu überbrückender Gegensatz besteht. 473 Die Verwirklichung der Nutzungsfunktion durch Versiegelung ist zwangsläufig mit der schweren Beeinträchtigung der natürlichen Funktion verbunden. 474 Wenn dagegen die natürlichen Funktionen des Bodens geschützt werden sollen, ist eine Nutzung der Räche als Standort praktisch nicht möglich. Der Gegensatz der Funktionen ist unüberwindbar. 475
b) Das Verhältnis der Funktionen zueinander Angesichts dessen stellt sich die Frage, ob eine schädliche Bodenveränderung bereits dann vorliegt, wenn die natürlichen Funktionen des Bodens beeinträchtigt werden. Dies wäre der Fall, wenn aus dem BBodSchG ein Vorrang der natürlichen Bodenfunktionen abzuleiten wäre. Diese Ansicht ist in der Literatur weit verbrei468 Siehe dazu oben Teil 1, § 2 II.; Vogg, Reinei; in: Landel, Christoph/Vogg, Reiner/Wüterich, Christoph: Bundesbodenschutzgesetz, § 2 Rn. 71; Ewer, Wolfgang, in: Landmann, Robert von/Rohmer, Gustav: Umweltrecht, 9. Vorbemerkungen Rn. 16,18 (Stand: März 1999). 469 Gesetzentwurf der Bundesregierung: Entwurf eines Gesetzes zum Schutz des Bodens, in: BT-Drs. 13/6701, S. 20. 4 ™ LG Karlsruhe, in: DÖV 2002, S. 349 (350); Gesetzentwurf der Bundesregierung: Entwurf eines Gesetzes zum Schutz des Bodens, in: BT-Drs. 13/6701, S. 29; Sanden, Joachim, in: Sanden, Joachim/Schoeneck, Stefan: Bundesbodenschutzgesetz, § 2 Rn. 30; Vogg, Reinei; in: Landel, Christoph/Vogg, Reiner/Wüterich, Christoph: Bundesbodenschutzgesetz, § 2 Rn. 80, § 5 Rn. 9; Holzwarth, Fritz, in: Holzwarth, Fritz/Radtke, Hansjörg /Hilger, Bernd: Bundesbodenschutzgesetz, Einführung Rn. 6, § 2 Rn. 27. 4 ?i LG Karlsruhe, in: DÖV 2002, S. 349 (350). 472 Henke, Andreas: Funktionaler Bodenschutz, S. 143; a.A. Sanden, Joachim, in: Sanden, Joachim/Schoeneck, Stefan: Bundesbodenschutzgesetz, § 2 Rn. 41. 473 Ganz abgesehen von den Problemen, die infolge der Einbeziehung der Nutzungsfunktionen in den Schutzgegenstand des BBodSchG entstehen. Dazu: Henke, Andreas: Funktionaler Bodenschutz, S. 124 ff. 474 Henke, Andreas: Funktionaler Bodenschutz, S. 28 f., 44, 52; Vogg, Reinei; in: Landel, Christoph/Vogg, Reiner/Wüterich, Christoph: Bundesbodenschutzgesetz § 2 Rn. 65, 71; Bickel, Christian: Bundes-Bodenschutzgesetz, § 2 Rn. 11; Nürnberger, Ulrich, in: Oerder, Michael/Nürnberger, Ulrich /Schönfeld, Thomas: Bundes-Bodenschutzgesetz, § 2 Rn. 9. 475 Erbguth, Wilfried/Stollmann, Frank: Das neue Bodenschutzrecht des Bundes, in: GewArch 1999, S. 225.
§ 2 Der vorsorgende Bodenschutz
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tet. 4 7 6 Sie stützt sich auf § 1 S. 3 BBodSchG, demnach Beeinträchtigungen der natürlichen Funktionen und der Archivfunktion des Bodens so weit wie möglich vermieden werden sollen, 477 die Nutzungsfunktion von dem Vermeidungsgrundsatz dagegen nicht umfasst wird. 4 7 8 Aus der Nichtnennung der Nutzungsfunktion in § 1 S. 3 BBodSchG kann man demnach schlussfolgern, dass die Norm ein besonderes Gewicht der natürlichen Funktionen des Bodens zum Ausdruck bringt. Dass diese Schlussfolgerung keineswegs zwingend ist, zeigt sich bei Betrachtung der Gegenargumente. Ein erstes Argument ergibt sich aus dem Wortlaut des § 1 S. 3 BBodSchG. Hier fällt auf, dass § 1 S. 3 BBodSchG im Gegensatz zu S. 2 nicht von „nachteiligen Einwirkungen", sondern nur von „Einwirkungen" spricht. Der Unterschied in der Wortwahl ist keineswegs zufällig, 479 sondern stellt den Regelungsgehalt des § 1 S. 3 BBodSchG klar. § 1 S. 3 BBodSchG ist erst dann einschlägig, wenn festgestellt wurde, dass es sich um eine „Einwirkung" - also einen zulässigen, nicht negativen Eingriff - handelt. 480 Auch die systematische Auslegung des Gesetzes kann die oben gezogene Schlussfolgerung nicht bestätigen. Zum einen ergibt sich aus der Stellung des § 1 S. 3 BBodSchG im Gesetz, dass es sich nicht um eine Pflicht, sondern um einen bloßen Programmsatz handelt. 481 Zum anderen löst das BBodSchG auch an anderer Stelle den Konflikt der Funktionen nicht zugunsten der natürlichen Bodenfunktionen auf. In § 1 S. 1 BBodSchG werden die Funktionen unterschiedslos unter Schutz gestellt, 482 in § 2 Abs. 2 BBodSchG ohne jede 476 Sondermann, Wolf Dieter, in: Versteyl, Ludger-Anselm/Sondermann, Wolf Dieter: Bundes-Bodenschutzgesetz, § 1 Rn. 29; Holzwarth, Fritz, in: Holzwarth, Fritz/Radtke, Hansjörg/Hilger, Bernd: Bundesbodenschutzgesetz, Einführung Rn. 73, § 1 Rn. 4, 10; Nürnberger, Ulrich, in: Oerder, Michael /Nürnberger, Ulrich/Schönfeld, Thomas: Bundes-Bodenschutzgesetz, § 2 Rn. 12; Vogg, Reinei; in: Landel, Christoph/Vogg, Reiner/Wüterich, Christoph: Bundesbodenschutzgesetz § 1 Rn. 37; Ewer, Wolfgang, in: Landmann, Robert von/Rohmer, Gustav: Umweltrecht, 9. Vorbemerkungen Rn. 184 (Stand: März 1999); Kobes, Stefan: Das Bundes-Bodenschutzgesetz, in: NvwZ 1998, S. 788; Wolf, Rainer: Bodenfunktionen, Bodenschutz und Naturschutz, in: NuR 1999 S. 549; Schink, Alexander: Der Bodenschutz und seine Bedeutung für die nachhaltige städtebauliche Entwicklung, in: DVB1. 2000, S. 226; Erbguth, Wilfried/Stollmann, Frank: Das Umweltmedium „Boden" im Spannungsfeld des Bauplanung- und Naturschutzrechts, in: UPR 2002, S. 412. 477 Radtke, Hansjörg, in: Holzwarth, Fritz/Radtke, Hansjörg/Hilger, Bernd: Bundesbodenschutzgesetz, § 1 Rn. 10. 478 Nürnberger, Ulrich, in: Oerder, Michael/Nürnberger, Ulrich/Schönfeld, Thomas: Bundes-Bodenschutzgesetz, § 2 Rn. 12; Vogg, Reinei; in: Landel, Christoph/Vogg, Reiner /Wüterich, Christoph: Bundesbodenschutzgesetz § 1 Rn. 37. 479 Bickel, Christian: Bundes-Bodenschutzgesetz, § 1 Rn. 7. 480 Sanden, Joachim, in: Sanden, Joachim/Schoeneck, Stefan: Bundesbodenschutzgesetz, § 2 Rn. 28; Henke, Andreas: Funktionaler Bodenschutz, S. 109. 481 Henke, Andreas: Funktionaler Bodenschutz, S. 93 f.; Schoeneck, Stefan, in: Sanden, Joachim/Schoeneck, Stefan: Bundesbodenschutzgesetz, § 1 Rn. 16; Nürnberger, Ulrich, in: Oerder, Michael/Nürnberger, Ulrich/Schönfeld, Thomas: Bundes-Bodenschutzgesetz, § 1 Rn. 1; a.A. Vogg, Reinei; in: Landel, Christoph/Vogg, Reiner/Wüterich, Christoph: Bundesbodenschutzgesetz § 1 Rn. 37.
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Teil 2: Das geltende Recht
Wertung aufgezählt, 4 8 3 und in § 3 Abs. 1 BBodSchG wird schließlich sogar ein faktischer Vorrang der Nutzungsfunktion begründet. Die entscheidenden Normen treffen also selbst eine Entscheidung, wie die Funktionen des Bodens zueinander stehen - sie stehen grundsätzlich gleichrangig nebeneinander 484 . Angesichts dieses klaren Inhaltes des Gesetzes kann nicht aufgrund des § 1 S. 3 BBodSchG ein Vorrang der natürlichen Bodenfunktionen angenommen werden. Eine derartige Auslegung würde den Bedeutungsgehalt des § 1 S. 3 BBodSchG weit überschätzen. Zumal ein Vorrang der natürlichen Funktionen des Bodens in § 2 Abs. 2 BBodSchG weitaus günstiger und klarer hätte verankert werden können. 4 8 5 Ein weiteres Argument ergibt sich aus der historischen Entwicklung des B B o d S c h G . 4 8 6 Die Entstehungsgeschichte des BBodSchG ist in Bezug auf den Konflikt der Nutzungsfunktionen dadurch gekennzeichnet, dass sich die Positionen von Bundesregierung und Bundestag - welche die Nutzungsfunktion gleichwertig einbeziehen w o l l t e n 4 8 7 - und die des Bundesrates und der Opposition, die nur die natürlichen Bodenfunktionen schützen bzw. diesen wenigstens einen Vorrang gegenüber den Nutzungsfunktionen einräumen w o l l t e n , 4 8 8 unvereinbar gegenüber standen. Der Satz 3 des § 1 BBodSchG wurde erst i m Vermittlungsverfahren eingeführt. 4 8 9 A n ihm kann ermessen werden, welche Vorstellung sich letztendlich durchgesetzt hat.
482 Sondermann, Wolf Dieter, in: Versteyl, Ludger-Anselm/Sondermann, Wolf Dieter: Bundes-Bodenschutzgesetz, § 1 Rn. 16; Schoeneck, Stefan, in: Sanden, Joachim/Schoeneck, Stefan: Bundesbodenschutzgesetz, § 1 Rn. 6. 483
Bickel, Christian: Bundes-Bodenschutzgesetz, § 2 Rn. 7; Sanden, Joachim, in: Sanden, Joachim / Schoeneck, Stefan: Bundesbodenschutzgesetz, § 2 Rn. 25; Erbguth, Wilfried/Sto//mann, Frank: Das Umweltmedium „Boden" im Spannungsfeld des Bauplanung- und Naturschutzrechts, in: UPR 2002, S. 412; a.A. Nürnberger, Ulrich, in: Oerder, Michael/Nürnberger, Ulrich/Schönfeld, Thomas: Bundes-Bodenschutzgesetz, § 2 Rn. 13. 484
Stahr, Karl: Bodenfunktionen und Bodenschutz, in: Hendler, Reinhard/Marburger, Peter/Reinhardt, Michael / Schröder, Meinhard (Hrsg.): Bodenschutz und Umweltrecht, S. 29; Sanden, Joachim, in: Sanden, Joachim / Schoeneck, Stefan: Bundesbodenschutzgesetz, § 2 Rn. 25; Rengeling, Hans Werner: Bodenfunktionen und Bodenschutz, in: Hendler, Reinhard/ Marburger, Peter /Reinhardt, Michael / Schröder, Meinhard (Hrsg.): Bodenschutz und Umweltrecht, S. 52; a.A. Radtke, Hansjörg, in: Holzwarth, Fritz/Radtke, Hansjörg/Hilger, Bernd: Bundesbodenschutzgesetz, § 1 Rn. 10; Nies, Volkmar, in: Landmann, Robert von/ Rohmer, Gustav: Umweltrecht, 9.1, § 2 BBodSchG, Rn. 15 (Stand Okt. 1998). 485
Henke, Andreas: Funktionaler Bodenschutz, S. 110. 486 Vgl. z u r Geschichte des BBodSchG: Sanden, Joachim/Schoeneck, Stefan: Bundesbodenschutzgesetz, Einführung Rn. 79; speziell zum Konflikt der Nutzungen: Henke, Andreas: Funktionaler Bodenschutz, S. 124 ff. 487
Gesetzentwurf der Bundesregierung: Entwurf eines Gesetzes zum Schutz des Bodens, in: BT-Drs. 13/6701, S. 7 und 28 f.; Ausschusses für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit: Beschlussempfehlung, in: BT-Drs 13/7891 S. 6. 488 Vgl. nur die Darstellung in: Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit: Beschlussempfehlung und Bericht, in: BT-Drs. 13/7891 v.a. S. 41 ff.; dazu: Henke, Andreas: Funktionaler Bodenschutz, S. 125 ff. 489 Ausschuss nach Art. 77 GG (Vermittlungsausschuss): Beschlussempfehlung des Gesetzes zum Schutz des Bodens, in: BT-Drs. 13/9637 S. 2.
§
Der o r g e n d e Bodenschutz
Wenn sich die Position des Bundesrates tatsächlich durchgesetzt hätte, wären entscheidendere Änderungen notwendig gewesen. Beispielsweise hätte ein echter Vorrang der natürlichen Bodenfunktionen eine Klarstellung in § 2 Abs. 2 BBodSchG, eine Relativierung der nach § 4 Abs. 4 BBodSchG äußerst nutzungsbezogenen Sanierung 490 und eine den faktischen Vorrang der Nutzungsfunktion 491 mindernde Änderung des § 3 Abs. 2 BBodSchG 492 notwendig gemacht. Daran, dass sich die vom Bundesrat bewirkte Änderung auf eine Programmnorm beschränkte, ist zu ersehen, dass sich der Bundesrat nicht durchgesetzt hat. 493 Das Vermittlungsverfahren hat den grundlegenden Ansatz des § 1 BBodSchG - die Gleichrangigkeit aller Funktionen - nicht verändert. 494 Daher kann festgehalten werden, dass die Funktionen des Bodens gleichwertig nebeneinander stehen. Aus dem Gesetz ist kein Vorrang einzelner Funktionen des Bodens ersichtlich. 495 Die Versiegelung des Bodens ist nicht schon aufgrund der Beeinträchtigung der natürlichen Bodenfunktionen eine schädliche Bodenveränderung 4 9 6
c) Bodenversiegelung als im Sinne des § 2 Abs. 3 BBodSchG nichtschädliche Bodenveränderung Angesichts der Tatsache, dass das Gesetz keine Anhaltspunkte dafür enthält, wie die Zielkollision der unterschiedlichen Funktionen des Bodens aufzulösen ist, stellt sich die Frage, welche Auswirkungen diese Erkenntnis auf die Bewertung der Versiegelung des Bodens hat. Eine mögliche Lösung des Problems ist es anzunehmen, dass es sich entgegen der h.M. 4 9 7 bei einer Versiegelung nicht um eine schädliche 490
Schoeneck, Stefan, in: Sanden, Joachim/Schoeneck, Stefan: Bundesbodenschutzgesetz, § 4 Rn. 52 ff.; Oerder, Michael, in: Oerder, Michael /Nürnberger, Ulrich/Schönfeld, Thomas: Bundes-Bodenschutzgesetz § 4 Rn. 45. 491 Schönfeld, Thomas, in: Oerder, Michael / Nürnberger, Ulrich / Schönfeld, Thomas: Bundes-Bodenschutzgesetz § 3 Rn. 6. 492 Vgl.: Bundesrat: Unterrichtung über die Anrufung des Vermittlungsausschusses, in: BT-Drs. 13/8182 S. 2. 493 Henke, Andreas: Funktionaler Bodenschutz, S. 130, 147 f.; a.A. Radtke, Hansjörg, in: Holzwarth, Fritz / Radtke, Hansjörg/Hilger, Bernd: Bundesbodenschutzgesetz, § 1 Rn. 4. 494 Schoeneck, Stefan, in: Sanden, Joachim / Schoeneck, Stefan: Bundesbodenschutzgesetz § 1 Rn. 3. 495 Kritisch dazu: Leitzke, Claus: Kritische Anmerkungen zum Entwurf des Bundesbodenschutzgesetzes, in: ThürVBl 1997, S. 146; Erbguth, Wilfried/Stollmann, Frank: Das neue Bodenschutzrecht des Bundes, in: GewArch 1999 S. 225; Schoeneck, Stefan, in: Sanden, Joachim/Schoeneck, Stefan: Bundesbodenschutzgesetz § 1 Rn. 6. 4
*> LG Karlsruhe, in: DÖV 2002, S. 349 (350). Schlabach, Erhard/Landel, Christoph/Notter, Harald: Schädliche Bodenveränderung - eine Annäherung an einen unbestimmten Rechtsbegriff, in: ZUR 2003, 74; Sondermann, Wolf Dieter, in: Versteyl, Ludger-Anselm / Sondermann, Wolf Dieter: Bundes-Bodenschutz497
Teil 2: Das geltende Recht Bodenveränderung handelt. Für diese Position lässt sich eine Reihe von Argumenten finden.
(1) Der Zweck des Gesetzes In der Begründung des BBodSchG wird an mehreren Stellen auf die Gefahren aufmerksam gemacht, die dem Boden aufgrund der Flächenversiegelung droh e n . 4 9 8 Tatsächlich ist das Gesetz jedoch fast ausschließlich ein Altlastensanierungsgesetz. 499 Dies wird deutlich, wenn man das Instrumentarium der BBodSchV betrachtet. Die BBodSchV konzentriert sich auf die stoffliche Belastung des Bodens und geht nur an einer Stelle auf die Versiegelung des Bodens ein - § 5 Abs. 4 BBodSchV erklärt die Versiegelung zu einer zulässigen Sanierungsmethode.
(2) Der Nutzungsbezug der bodenbezogenen Pflichten Ein zusätzlicher Anhaltspunkt dafür, dass der Gesetzgeber bei Erstellung des BBodSchG, von der Ausnahme des § 5 BBodSchG abgesehen, ausschließlich an die stoffliche Belastung des Bodens dachte, ergibt sich aus den Problemen, die mit der Anwendung des Begriffes der schädlichen Bodenveränderung und des Nutzungsbezuges auf Versiegelungen verbunden s i n d . 5 0 0 Bei einer stofflichen Belas-
gesetz, § 2 Rn. 41; Vogg, Reinei; in: Landel, Christoph/Vogg, Reiner/Wüterich, Christoph: Bundesbodenschutzgesetz, § 1 Rn. 28; Sanden, Joachim, in: Sanden, Joachim/Schoeneck, Stefan: Bundesbodenschutzgesetz, § 2 Rn. 40 f.; aufgrund einer Fehlinterpretation der Gesetzesbegründung auch: Wolf, Rainer: Bodenfunktionen, Bodenschutz und Naturschutz, in: NuR 1999, S. 549; Neun, Andreas: Das Bundes-Bodenschutzgesetz, in: NJ 1999, S. 124; Erbguth, Wilfried/Stollmann, Frank: Das neue Bodenschutzrecht des Bundes, in: GewArch 1999, S. 226; Tomerius, Stephan: Bundes-Bodenschutzgesetz und kommunales Flächenrecycling, in ZUR 1999, S. 82; Peine, Franz-Joseph: Die Kritik am Bundes-Bodenschutzgesetz - nach fünf Jahren revisited, in: UPR 2003, S. 407 f. 498
Gesetzentwurf der Bundesregierung: Entwurf eines Gesetzes zum Schutz des Bodens, in: BT-Drs. 13/6701, S. 15, S. 20. 499 Schink, Alexander: Verantwortlichkeit für die Gefahrenabwehr und die Sanierung schädlicher Bodenveränderungen nach dem Bundesbodenschutzgesetz, in: DÖV 1999 S. 798; Peine, Franz-Joseph: Das Bundes-Bodenschutzgesetz, in: NuR 1999, S. 124; Notter, Harald: Bodenschutz ist mehr als Bundes-Bodenschutzgesetz, in: NuR 1999, S. 541; Himmelmann, Steffen, in: Himmelmann, Steffen/Pohl, Andreas/Tünnessen-Harmes, Christian: Handbuch des Umweltrechts, Β 8 Rn. 3 (Stand Aug. 2000); Peine, Franz-Joseph: Quantitativer Bodenschutz - innerhalb und außerhalb des Bundes-Bodenschutzgesetzes, in: Dolde, Klaus-Peter (Hrsg.): Umweltrecht im Wandel, S. 557; Peine, Franz-Joseph: Die Kritik am Bundes-Bodenschutzgesetz - nach fünf Jahren revisited, in: UPR 2003, S. 410; a.A. Sanden, Joachim/ Schoeneck, Stefan: Bundesbodenschutzgesetz, Einführung Rn. 38. 500 Nicht ohne jeden Grund bildet der Gesetzgeber sein Beispiel für eine schädliche Bodenveränderung anhand einer stofflichen Beeinträchtigung. [Gesetzentwurf der Bundesregierung: Entwurf eines Gesetzes zum Schutz des Bodens, in: BT-Drs. 13/6701, S. 19].
§
Der o r g e n d e Bodenschutz
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tung des Bodens widersprechen sich natürliche Funktion und Nutzungsfunktion des Bodens nicht. Die chemische Verunreinigung des Bodens ist für beide Funktionen negativ. 501 Konflikte treten allein bei der Ermittlung des Sanierungszieles auf. 502 Dagegen sind bei der Versiegelung des Bodens Belastung der natürlichen Funktion und Verwirklichung der Nutzungsfunktion identisch. Die Funktionen des Bodens widersprechen sich. 503 Eine von wesentlichen Widersprüchen freie Auslegung des Gesetzes ist nur möglich, wenn man annimmt, dass eine Versiegelung keine schädliche Bodenveränderung ist.
(3) Die Probleme bei der Anwendung des § 4 Abs. 4 BBodSchG Ein weiteres Argument dafür, dass der Begriff der schädlichen Bodenveränderung die Flächenversiegelung nicht umfassen kann, ergibt sich aus § 4 Abs. 4 BBodSchG. Dieser Vorschrift zur Folge ist bei der Bestimmung der sich aus dem BBodSchG ergebenden Pflichten die planungsrechtlich zulässige Nutzung zu berücksichtigen. 504 Diese ergibt sich grundsätzlich aus dem Bebauungsplan des Gebietes. 505 Bei einer stofflichen Belastung des Bodens ist diese Regelung relativ einfach anzuwenden. Ein Kinderspielplatz erfordert eine andere, intensivere Sanierung als ein Industriegebiet 506. Anders ist die Situation dagegen bei der Belastung des Bodens durch Versiegelung. Hier kann es in Gebieten, die keiner planungsrechtlichen Festsetzung unterliegen, zu der Situation kommen, dass die geplante Maßnahme Maßstab ihrer selbst ist. Ursächlich für diese Lage ist die Heranziehung des § 4 Abs. 4 S. 2 BBodSchG. Demnach sind bei unbeplanten Flächen die Prägung des Gebietes und die zukünftige Nutzung als Maßstäbe heranzuziehen. In Bezug auf die Flächenversiegelung besteht das Problem darin, dass die Belastung des Bodens durch die Flächenversiegelung mit der zukünftigen Nutzung des Bo501 Wolf, Rainer: Bodenfunktionen, Bodenschutz und Naturschutz, in: NuR 1999, S. 549 (mit einer für den Bereich der stofflichen Belastung zutreffenden Schlussfolgerung). 502
Bickel, Christian: Bundes-Bodenschutzgesetz, § 4 Rn. 51; Vogg, Reinei; in: Landel, Christoph/Vogg, Reiner/Wüterich, Christoph: Bundesbodenschutzgesetz, § 1 Rn. 9, § 4 Rn. 168 ff. 503 Leitzke bemängelte diesen Widerspruch bereits am Entwurf des BBodSchG. [Leitzke, Claus: Kritische Anmerkungen zum Entwurf des Bundesbodenschutzgesetzes, in: ThürVBl 1997, S. 146]; Bundesrat: Unterrichtung über die Anrufung des Vermittlungsausschusses, in: BT-Drs. 13/8182 S. 2. 504 Vierhaus spricht von „nutzungsadäquater Sanierung". [Vierhaus, Hans-Peter: Das Bundes-Bodenschutzgesetz, in: NJW 1998 S. 1266]. 505 Oerder, Michael, in: Oerder, Michael/Nürnberger, Ulrich/Schönfeld, Thomas: Bundes-Bodenschutzgesetz § 4 Rn. 44. 506 Vgl. ζ. B. Anhang 2 zur BBodSchV Nr. 1.4; Oerder, Michael, in: Oerder, Michael/ Nürnberger, Ulrich/Schönfeld, Thomas: Bundes-Bodenschutzgesetz, § 4 Rn. 43; Holzwarth, Fritz, in: Holzwarth, Fritz/Radtke, Hansjörg /Hilger, Bernd: Bundesbodenschutzgesetz, Einführung Rn. 85.
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Teil 2: Das geltende Recht
dens, eben dieser Flächenversiegelung, identisch ist. Demnach kann § 4 Abs. 4 BBodSchG auf Bodenversiegelungen nicht sinnvoll angewandt werden. 507 Es ist daher nicht möglich zu beurteilen, ob es sich bei einer Versiegelung um eine schädliche Bodenveränderung handelt.
(4) Entsiegelung - nach welcher Vorschrift? Eine Vorschrift, anhand derer es sich ebenfalls demonstrieren lässt, dass die Annahme, eine Flächenversiegelung sei eine schädliche Boden Veränderung, nicht zweckdienlich ist, ist § 5 BBodSchG. Wenn eine Versiegelung eine schädliche Bodenveränderung sein würde, wäre sie entsprechend des § 4 Abs. 3 S. 1 BBodSchG zu sanieren. Unter einer Sanierung ist aufgrund des § 2 Abs. 7 Nr. 3 BBodSchG die Beseitigung der schädlichen Veränderung der physikalischen Beschaffenheit des Bodens - mit anderen Worten eine Entsiegelung - zu verstehen. Eine Entsiegelungsanordnung könnte auf der Grundlage von § 4 Abs. 3 BBodSchG ergehen. Paragraph 5 BBodSchG wäre überflüssig. 508 Daher beweist die Existenz des § 5 BBodSchG, dass es sich bei einer Versiegelung nicht um eine schädliche Bodenveränderung handeln kann. 509
(5) Die Geltung der Subsidiaritätsvorschriften Schließlich kann auch das inhaltliche Auseinanderfallen der in § 3 Abs. 1 BBodSchG und § 5 S. 1 BBodSchG enthaltenen Subsidiaritätsvorschriften als Argument für die hier vertretene Position herangezogen werden. Wenn es sich bei einer Versiegelung um eine schädliche Bodenveränderung handelt, würde für die Entsiegelung nach § 5 BBodSchG nicht nur die in § 5 S. 1 BBodSchG enthaltene Einschränkung des Anwendungsbereiches gelten, sondern auch die Subsidiaritätsklausel des § 3 Abs. 1. Dieses Ergebnis wäre im besten Fall als verwirrend zu bezeichnen. Betrachtet man dagegen Versiegelungen nicht als schädliche Bodenveränderungen, so gilt für die Entsiegelung allein die Einschränkung des § 5 S. 1 BBodSchG. 510
507 Vgl. dazu: Schoeneck, Stefan, in: Sanden, Joachim /Schoeneck, Stefan: Bundesbodenschutzgesetz § 4 Rn. 54, der den Sinn des § 4 Abs. 4 S. 1 2. HS darlegt. 508 LG Karlsruhe, in: DÖV 2002, S. 349 (350); Bickel, Christian: Bundes-Bodenschutzgesetz, §4 Rn. 5, § 5 Rn. 1. 509 Gegen die Annahme, dass das Problem der Flächenversiegelung im BBodSchG behandelt wird spricht auch, dass § 5 BBodSchG im allgemeinen als Sondervorschrift bezeichnet wird [Tomerius, Stephan: Bundes-Bodenschutzgesetz und kommunales Flächenrecycling, in ZUR 1999, S. 80].
510 Siehe dazu auch unten Teil 2, § 3 III. 3.
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(6) Der Wille des Gesetzgebers Das entscheidende Argument für die genannte These ist aber der Wille des Gesetzgebers. Dieser wollte das Problem des Flächenverbrauches weiterhin mittels des Bau- und Raumplanungsrechtes lösen. 511 Angesichts des Willens des Gesetzgebers, die Flächenversiegelung gerade nicht im BBodSchG zu behandeln, wäre es widersinnig anzunehmen, dass eine Versiegelung eine schädliche Bodenveränderung sei. (7) Antithese Gegen die hier dargestellte These spricht nach Meinung vieler Autoren der Wortlaut der Gesetzesbegründung, dem eindeutig zu entnehmen sei, dass die Versiegelung einer Fläche eine schädliche Bodenveränderung sei. 512 Zur Begründung wird auf den Gesetzentwurf der Bundesregierung verwiesen. 513 Dieser Verweis ist jedoch nicht zutreffend. Die Begründung des Gesetzentwurfes - die nur Indiz für den Willen des Gesetzgebers sein kann und keinen Kommentar des Gesetzgebers darstellt 514 - besagt nur, dass die Versiegelung des Bodens eine Beeinträchtigung der Bodenfunktionen sei. Sie besagt nicht, dass durch die Versiegelung des Bodens Gefahren [ . . . ] für den Einzelnen oder die Allgemeinheit herbeigeführt werden. Aus der Begründung des Gesetzentwurfes sind daher keine Argumente gegen die dargestellte These ableitbar.
(8) Schlussfolgerung Wenn die Argumente, die für die These sprechen, mit denen verglichen werden, die sie zu widerlegen versuchen, ist festzustellen, dass die stärkeren Argumente für die hier aufgestellte Behauptung sprechen. Auf die hier dargestellte Weise lässt sich der im Gesetz angelegte Konflikt der Funktionen des Bodens zwar nicht lösen, 511 Radtke, Hansjörg: Gesetzgebungsvorhaben Bundes-Bodenschutzgesetz, in: Oldiges, Martin (Hrsg): Das neue Bundes-Bodenschutzgesetz - Fragen und Erwartungen, S. 19 f.; Himmelmann, Steffen, in: Himmelmann, Steffen / Pohl, Andreas/Tünnesen-Harmes, Christian: Handbuch des Umweltrechts, Β 8 Rn. 27 (Stand August 2000); Schink, Alexander: Der Bodenschutz und seine Bedeutung für die nachhaltige städtebauliche Entwicklung, in: DVB1. 2000, S. 223. 512 Wolf, Rainer: Bodenfunktionen, Bodenschutz und Naturschutz, in: NuR 1999, S. 549; Neun, Andreas: Das Bundes-Bodenschutzgesetz, in: NJ 1999, S. 124; Erbguth, Wilfried/ Stollmann, Frank: Das neue Bodenschutzrecht des Bundes, in: GewArch 1999, S. 226; Tomerius, Stephan: Bundes-Bodenschutzgesetz und kommunales Flächenrecycling, in: ZUR 1999, S. 82. 513 Gesetzentwurf der Bundesregierung: Entwurf eines Gesetzes zum Schutz des Bodens, in: BT-Drs. 13/6701, S. 29. 514 Bichel, Christian: Bundes-Bodenschutzgesetz, Vorwort S. VI.
9 Risch
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aber zumindest umgehen. Das hier gefundene Ergebnis mag unter ökologischen Gesichtspunkten nicht wünschenswert sein, es ist aber das einzige durch Auslegung des Gesetzestextes erzielbare Ergebnis. Daher ist die Versiegelung einer Fläche nie eine schädliche Bodenveränderung. d) Zwischenergebnis Abschließend kann festgehalten werden, dass es sich bei der Versiegelung von Flächen nicht um eine schädliche Bodenveränderung im Sinne des § 2 Abs. 3 BBodSchG handelt. Die Versiegelung einer Fläche kann nicht mittels des § 4 Abs. 1 BBodSchG verhindert werden. 515 Folge dieser Feststellung ist, dass auch die in § 7 BBodSchG niedergelegte Vorsorgepflicht einer Versiegelung des Bodens nicht entgegensteht, da diese Norm ebenfalls auf den Begriff der schädlichen Bodenveränderung Bezug nimmt. Daher ist festzustellen, dass das BBodSchG keinen Beitrag zum quantitativen Bodenschutz zu leisten vermag.
3. Die Landesbodenschutzgesetze Das BBodSchG ist nicht das einzige Gesetz, dass sich dem Schutz des Bodens verschrieben hat. Die meisten Bundesländer haben eigene Bodenschutzgesetze erlassen.516 Daher stellt sich die Frage, ob die Bodenschutzgesetze der Länder Instrumente beinhalten, mit denen die fortschreitende Flächenversiegelung begrenzt werden kann. Das als Beispiel herangezogene SächsABG erklärt die Abwehr schädlicher Boden Veränderungen in § 7 Abs. 1 S. 2 SächsABG zum Ziel des Gesetzes. Der Begriff der schädlichen Bodenveränderung entspricht seit der Anpassung des SächsABG an das BBodSchG 517 dem bundesrechtlichen Begriff. 518 Da der bundesrechtliche Begriff der schädlichen Bodenveränderung Flächenversiegelungen nicht umfasst, kann es auch der inhaltsgleiche landesrechtliche Begriff nicht. Das SächsABG kann keinen Beitrag zum quantitativen Bodenschutz leisten. Dieser Zustand ist besonders bedauerlich, wenn man bedenkt, dass das alte SächsEGAB auch Flächenversiegelungen einschloss.519 515 So, aber mit anderer Begründung auch: Peine, Franz-Joseph: Quantitativer Bodenschutz - innerhalb und außerhalb des Bundes-Bodenschutzgesetzes, in: Dolde, Klaus-Peter (Hrsg.): Umweltrecht im Wandel, S. 556. 516 Vertiefend: Peine, Franz-Joseph: Umfassender Bodenschutz in einem Landesbodenschutzgesetz und die Kompetenz des Landesgesetzgebers, in: NVwZ 1999, S. 1165 ff.
517 Gesetz zur Änderung des ersten Gesetzes zur Abfall Wirtschaft und zum Bodenschutz im Freistaat Sachsen vom 31. Mai 1999, in: SächsGVBl S. 261. 518 Die inhaltliche Angleichung des SächsABG an das BBodSchG war das Ziel der Gesetzesänderung. [Drs-Sächs. LT 2/10570 S. 17 f. der Begründung]. 519 Staatsregierung: Entwurf eines ersten Gesetzes zur Abfallwirtschaft und zum Bodenschutz im Freistaat Sachsen, in: Drs-Sächs. LT 1 / 519 S. 24 der Begründung.
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4. Die Naturschutzrechtliche Eingriffsregelung Die naturschutzrechtliche Eingriffsregelung stellt nach einhelliger Meinung eines der wichtigsten Instrumente zum Schutz der Umwelt dar. Daher liegt es nahe zu fragen, ob und in welchem Umfang die Regelung der §§ 18 ff. BNatSchG im Sinne des quantitativen Bodenschutzes nutzbar gemacht werden kann. Im Folgenden soll zunächst die Funktionsweise der Eingriffsregelung thematisiert werden. Anschließend sollen die mit der Verknüpfung von Eingriffsregelung und Fachplanung bzw. kommunaler Planung verbundenen Probleme im Zentrum der Betrachtung stehen.
a) Die unmittelbare Anwendung der §§ 18ff. BNatSchG Nach § 19 Abs. 1 BNatSchG ist der Eingriff in erster Linie zu unterlassen, in zweiter Linie gemäß § 19 Abs. 2 BNatSchG auszugleichen oder in sonstiger Weise zu kompensieren. Werden diese Bedingungen nicht eingehalten, so kann der Eingriff infolge des § 19 Abs. 3 BNatSchG nach Abwägung aller Belange untersagt werden. (1) Anwendungsbereich und Eingriffstatbestand Entsprechend der oben gestellten Frage soll hier untersucht werden, ob Versiegelungen in den Anwendungsbereich der §§ 18 ff. BNatSchG fallen und ob sie Eingriffe im Sinne des Gesetzes darstellen. Der Anwendungsbereich des BNatSchG ist - abgesehen von noch zu diskutierenden Sonderformen - umfassend. Die in der Literatur gelegentlich diskutierte Einschränkung des BNatSchG durch das BBodSchG ist angesichts der oben festgestellten Aussagelosigkeit des BBodSchG zur Flächenversiegelung nicht relevant. 520 Daher sind nur noch die Einschränkungen der Eingriffsregelung beachtlich, die sich aus den Vorbehalten der Absätze 2 bis 4 des BNatSchG bzw. der Landesnaturschutzgesetze ergeben, sowie die von der Eingriffsdefinition des § 18 Abs. 1 BNatSchG ausgehenden. Zur erstgenannten Gruppe der Vorbehalte kann hier in aller Kürze gesagt werden, dass diese den Bodenverbrauch nicht betreffen; weder beinhalten die auf Grundlage des § 18 Abs. 4 BNatSchG erlassenen Positivlisten Rächen Versiegelungen, noch schließt die land- und forstwirtschaftliche Bodennutzung die Versiegelung ein. 5 2 1 520 Die von Bickel und Wolf angenommene Überschneidung der beiden Gesetze geht von der unzutreffenden Prämisse aus, dass es sich bei Versiegelungen um schädliche Bodenveränderungen im Sinne des BBodSchG handelt [Bickel, Christian: Bundesbodenschutzgesetz, § 3 Rn. 5 f.; Wolf, Rainer: Bodenfunktionen, Bodenschutz und Naturschutz, in: NuR 1999, S. 552 f.]. 521 BVerwG, in: NuR 1985, S. 275 (275); Meßerschmidt, § 18 Rn. 38 (Stand März 2003). 9*
Klaus: Bundesnaturschutzrecht,
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Teil 2: Das geltende Recht
Infolgedessen ist allein zu klären, ob es sich bei einer Bodenversiegelung um einen Eingriff handelt. Auf landesrechtlicher Ebene ist hier zu bemerken, dass die meisten Versiegelungen bzw. Verdichtungen der Eingriffs Vermutung des § 8 Abs. 2 Nr. 2 und 4 SächsNatSchG unterfallen. 522 Da diese Norm jedoch weder alle Versiegelungen umfasst, 523 noch unwiderleglich ist, 5 2 4 muss dennoch geprüft werden, ob auch die Eingriffsdefinition des § 18 Abs. 1 BNatSchG erfüllt ist. Demnach handelt es sich um einen Eingriff, wenn entweder Gestalt oder Nutzung von Grundflächen oder der Grundwasserspiegel verändert werden und es entweder zu einer erheblichen Beeinträchtigung der Leistungs- und Funktionsfähigkeit des Naturhaushalts oder zu einer erheblichen Beeinträchtigung des Landschaftsbildes kommt. Diese Kriterien werden bei der Versiegelung einer Fläche nahezu durchgehend erfüllt. Durch die Versiegelung wird zum einen die Gestalt der Grundfläche - verstanden als die äußere Erscheinungsform der Erdoberfläche, bestehend aus prägendem Landschaftsprofil und dem charakteristischen Bewuchs einer Landschaft 525 - verändert 526. Zum anderen geht die Versiegelung des Bodens üblicherweise mit einer Veränderung der - planerisch zu interpretierenden 527 Nutzung einher, oder stellt zumindest eine ebenfalls beachtliche528 Intensivierung der Nutzung dar. 529 Auch kann die Versiegelung zu einer Veränderung des Grundwasserspiegels führen. 530 Schließlich ist darauf hinzuweisen, dass eine Versiegelung im Regelfall auch den zweiten Teil der Definition des § 18 Abs. 1 BNatSchG erfüllt. Die Erheblichkeit der Beeinträchtigung, die gegeben ist, wenn es sich um 522 § 18 BNatSchG gilt aufgrund des § 11 BNatSchG nicht unmittelbar, beinhaltet aber eine inhaltliche Vollregelung, von der die Länder nicht abweichen können [BVerwGE 85, S. 348 (357 ff.)]. Der bundesrechtliche Begriff des Eingriffes steht daher nicht zur Disposition des Landesgesetzgebers [BVerwG, in: BauR 2001, S. 358 (359 f.)]. 523 Nicht umfasst werden Versiegelungen, die keine baulichen Anlagen darstellen sowie eine Vielzahl von Verdichtungen. 524 BVerwGE 85 S. 348 (354 f.). 525 OVG Koblenz, in: NuR 1989, S. 397 (398); Gassner, Erich, in: Gassner, Erich/Bendomir-Kahlo, Gabriele / Schmidt-Räntsch, Jürgen: Bundesnaturschutzgesetz, § 18 Rn. 5; Gellermann, Martin, in: Landmann, Robert von/Rohmer, Gustav: Umweltrecht, 11, § 18 BNatSchG, Rn. 5 ff. (Stand Aug. 2002). 526 VGH Mannheim, in: NuR 2002, S. 155 (157); Meßerschmidt, Klaus: Bundesnaturschutzrecht, § 18 Rn. 10 ff. (Stand März 2003); vgl. für weitere Nachweise: Schmidt, Jörg: Die Rechtsprechung zum Naturschutzrecht 1995 - 1997, in: NVwZ 1999, S. 365. 527 Gassner, Erich, in: Gassner, Erich / Bendomir-Kahlo, Gabriele / Schmidt-Räntsch, Jürgen: Bundesnaturschutzgesetz, § 18 Rn. 6. 528 Gassner, Erich, in: Gassner, Erich / Bendomir-Kahlo, Gabriele / Schmidt-Räntsch, Jürgen: Bundesnaturschutzgesetz, § 18 Rn. 6 m. w. N.; vgl. auch: Schink, Alexander: Die Eingriffsregelung in Naturschutz- und Landschaftsrecht, in: DVB1. 1992, S. 1394. 529 Gellermann, Martin, in: Landmann, Robert von/Rohmer, Gustav: Umweltrecht, 11, § 18 BNatSchG, Rn. 8 f. (Stand Aug. 2002). 530 Vgl. dazu die unter Teil 1, § 2 II. dargelegten wasserwirtschaftlichen Auswirkungen der Versiegelung. Allerdings dürften diese Auswirkungen nur bei relativ großflächigen Versiegelungen zum Tragen kommen.
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eine ohne weiteres feststellbare, nicht nur unwesentliche Beeinträchtigung der Leistungsfähigkeit des Naturhaushaltes oder des Landschaftsbildes handelt, 531 kann bei Versiegelungen in den meisten Fällen angenommen werden. Zur Begründung sei bezüglich des Aspekts der Leistungsfähigkeit des Naturhaushaltes auf die eingangs dargestellten ökologischen Folgen sowie auf die erhebliche Dauerhaftigkeit der Versiegelungsauswirkungen verwiesen. 532 Allerdings muss berücksichtigt werden, dass nicht jede Versiegelung eine erhebliche Beeinträchtigung darstellt. Auch wenn eine „Mindestfläche" zur Annahme der Erheblichkeit nicht konkret benannt werden kann, 533 darf die in Rede stehende Räche nicht zu klein sein. Wenn keine besonderen Umstände, beispielsweise in Gestalt einer besonderen ökologischen Wertigkeit oder erwartbarer Summationseffekte vorliegen, ist eine rein durch Versiegelung begründete Erheblichkeit ab einer Fläche von ca. 2000 m 2 anzunehmen. In Bezug auf die Auswirkungen auf das Landschaftsbild erklärt sich die Erheblichkeit der Beeinträchtigung durch die zumindest im Außenbereich zumeist gegebene erhebliche und nachhaltige optische Wirkung der Versiegelung auf die umgebende Landschaft. 534 Daher kann abschließend festgestellt werden, dass es sich bei einer Versiegelung im Regelfall um einen Eingriff im Sinne des § 18 Abs. 1 BNatSchG handelt. 535
531 Der Begriff der Erheblichkeit schließt auch eine zeitliche Komponente ein, die vor der Novellierung des Naturschutzrechts unter der Begriff der Nachhaltigkeit gefasst wurde [Anger, Christoph: Die neue naturschutzrechtliche Eingriffsregelung gem. § 18 ff. BNatSchG 2002, in: NVwZ 2003, S. 319; Gassner, Erich, in: Gassner, Erich/Bendomir-Kahlo, Gabriele / Schmidt-Räntsch, Jürgen: Bundesnaturschutzgesetz, § 18 Rn. 19; Stich, Rudolf: Das neue Naturschutzgesetz, in: UPR 2002, S. 166]. 532 Siehe dazu oben Teil 1, § 2 II.; vgl. auch: Gassner, Erich, in: Gassner, Erich/Bendomir-Kahlo, Gabriele / Schmidt-Räntsch, Jürgen: Bundesnaturschutzgesetz, § 18 Rn. 10 a; Lorz, Albert/Müller, Markus/Stockei, Heinz: Naturschutzrecht, § 18 Rn. 21; Louis, Hans Werner/Engelke, Annegret: Bundesnaturschutzgesetz, § 8 Rn. 23 ff. 5 33 Vgl. VGH Mannheim, in: NuR 2002, S. 288 (288 ff.); OVG Lüneburg, in: NuR 1997, S. 301 (302); VGH Mannheim, in: NVwZ 1997, S. 594 (597); OVG Lüneburg, Urteil vom 12.3. 1997, Az: 7S 919/97; OVG Münster, in: NVwZ RR 1995, S. 10 (14); VGH Kassel, in: NVwZ 1994, S. 252 (253); VG Gießen, in: NuR 1993, S. 37 (38); VG Gießen, in: NuR 1991, S. 37 (38). 554 OVG Lüneburg, in: NuR 1997, S. 301 (302); OVG Münster, in: NVwZ RR 1995, S. 10 (12); vgl. Lorz, Albert /Müller, Markus/Stockei, Heinz: Naturschutzrecht, § 18 Rn. 22. 535 Vgl. OVG Münster, in: NVwZ RR 1995, S. 10 (12); VGH Mannheim, in: NuR 1994, S. 234 (237); VGH Kassel, in: NuR 1993, S. 382 (287); Jannasch, Alexander: Ausgleich und Ersatz nach dem Naturschutzgesetz im straßenrechtlichen Planfeststellungsverfahren, in: VB1BW 1998, S. 1 f.; Louis, Hans Werner/Engelke, Annegret: Bundesnaturschutzgesetz, § 8 Rn. 26, 31; Gaßner, Hartmut/Willand, Achim/Fischer, Jochen/Pippke, Nicole: Anforderungen an die Wiederherstellung von Bodenfunktionen nach der Entsiegelung, S. 23 f.; kritisch: OVG Lüneburg, in: NVwZ 1993, S. 401 (402).
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(2) Die Rechtsfolgen des Eingriffes Die Rechtsfolgen eines Eingriffes in Natur und Landschaft ergeben sich aus § 19 Abs. 2 und 3 BNatSchG bzw. aus § 9 SächsNatSchG. Demnach sind vermeidbare Beeinträchtigungen von Natur und Landschaft zu unterlassen, 536 sollten sie nicht vermeidbar sein, so sind sie gemäß Abs. 2 auszugleichen oder in sonstiger Weise zu kompensieren. 537 Ein Verbot des Eingriffs kommt seit der Neufassung des BNatSchG nur in Betracht, wenn zum einen der Eingriff trotz Vermeidbarkeit nicht unterlassen wird oder ein Ausgleich oder eine Kompensation nicht stattfindet und zum anderen die Belange des Natur- und Landschaftsschutzes vorrangig sind. (a) Die Vermeidbarkeit
der Eingriffsfolgen
Bezogen auf die Versiegelung des Bodens ist daher zunächst zu untersuchen, ob es sich bei dieser um eine vermeidbare Beeinträchtigung handelt. Diese Frage ist angesichts der engen Verknüpfung von angestrebtem Zweck einer Versiegelung und deren Auswirkungen im Regelfall negativ zu beantworten. Zwar sind Fälle denkbar, in denen die Versiegelung in geringerem Umfang, 538 an einem ökologisch weniger wertvollen Ort erfolgen oder eine massive Deckschicht durch Verbundpflaster ersetzt werden kann. 539 Jedoch ändert dies nichts daran, dass die Versiegelung für die meisten Nutzungen unabdingbar ist. 5 4 0 Daher sind nur wenige Versiegelungen vermeidbar im Sinne der Eingriffsregelung. 541 (b) Ausgleich und Ersatz der Eingriffsfolgen Bei der Beurteilung der Frage, ob die von dem Eingriff ausgehenden Beeinträchtigungen von Natur und Landschaft ausgeglichen oder in sonstiger Weise kompensiert werden können, ist zwischen dem Landschaftsbild und dem Naturhaushalt zu trennen. 536 Das Vermeidungsgebot ist striktes Recht [BVerwG, in: NuR 1997, S. 404 (405 f.); BVerwG, in NVwZ 1993, 565 (568); OVG Mannheim: in NuR 1994, S. 234 (237 ]; zu den Grenzen: BVerwG, in: UPR 2003, S. 388 (390). 537 BVerwG, in: UPR 2001, S. 144 (145 f.); OVG NRW, in: UPR 2004, S. 36 (36). 538 Gellermann, Martin, in: Landmann, Robert von /Rohmer, Gustav: Umweltrecht, 11, § 19 BNatSchG, Rn. 5 f. (Stand Aug. 2002). 539 Wobei anzumerken ist, dass die Beeinträchtigung des Bodens durch den Einsatz von Verbundpflaster nicht vollständig vermindert wird {Sanden, Joachim, in: Sanden, Joachim/ Schoeneck, Stefan: Bundesbodenschutzgesetz, § 5 Rn. 15). Allerdings geht der VHG Kassel [VGH Kassel, in: NVwZ RR 1994, S. 252 (253)] von einer 50% Minderung des Ausgleichsbetrages aus. 540 VGH Kassel, in: NVwZ RR 1994, S. 252 (253); Henke, Andreas: Funktionaler Bodenschutz S. 65 f. 541 BVerwG in DVB1. 2001, S. 386 (391); VG Gießen, in: NuR 1991, S. 37 (38).
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Eine durch Versiegelung hervorgerufene Beeinträchtigung des Landschaftsbildes ist im strengen Sinne weder ausgleichbar noch auf andere Weise zu kompensieren, jede Veränderung bleibt optisch wahrnehmbar. Da jedoch eine derart strenge Auslegung des Gesetzes keine Veränderung des Landschaftsbildes zulassen würde, geht die Rechtsprechung davon aus, dass ein Ausgleich bereits dann erfolgt ist, wenn das wesentliche optische Beziehungsgefüge fortgeführt wird. 5 4 2 In Anbetracht dieses Maßstabes kann die Ausgleichbarkeit bzw. sonstige Kompensation der Versiegelungsauswirkungen grundsätzlich angenommen werden. 543 Ähnlich ist die Situation in Bezug auf die Beeinträchtigungen des Naturhaushaltes zu bewerten. Hier muss jedoch streng zwischen den im Einzelnen betroffenen Funktionen des Naturhaushaltes sowie den jeweils notwendigen Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen unterschieden werden. 544 Führt die Versiegelung einer Fläche beispielsweise zu nach § 2 Abs. 1 Nr. 8, 9, 11 BNatSchG naturschutzrechtlich beachtlichen Zerschneidung von Lebensräumen, so ist ein Ausgleich in Form von Wildbrücken oder Untertunnelungen ohne weiteres möglich. Wird die Beeinträchtigung der Funktion „Lebensraum" im weiteren Umfeld, ζ. B. durch die Vernetzung zweier bislang getrennter Biotope kompensiert, wäre darin ein Ersatz im Sinne des § 19 Abs. 3 S. 3 zu sehen. Vergleichbares gilt in Bezug auf die Beeinträchtigung der Wasseraufnahmefähigkeit. Hier können verschiedene Maßnahmen der Erhöhung der Wasseraufnahmefähigkeit als Ausgleich bzw. Ersatz angesehen werden. 545 Im Gegensatz zu den erstgenannten Beispielen ist der Ausgleich /Ersatz für die meisten der unmittelbar im zu versiegelnden Boden vorhandenen Funktionen des Naturhaushaltes problematisch. Die Lebensraumfunktion des Bodens kann eigentlich nur durch die Entsiegelung entsprechender Flächen und nicht durch sonstige Maßnahmen ausgeglichen bzw. ersetzt werden. 546 Diese Art der Kompensation, die je nach Entfernung zum Eingriffsort als Ausgleichs- oder Er542 BVerwG Beschluss vom 4. 10. 1994, Az. 4B 196/94; VGH Mannheim, in: NuR 2002, S. 155 (157); OVG Münster, in: NuR 1995, S. 46 (48); siehe auch: Gassner, Erich, in: Gassner, Erich/Bendomir-Kahlo, Gabriele/Schmidt-Räntsch, Jürgen: Bundesnaturschutzgesetz, § 19 Rn. 26, 30 a, 32; Gellermann, Martin, in: Landmann, Robert von/Rohmer, Gustav: Umweltrecht, 11, § 19 BNatSchG, Rn. 14 (Stand Aug. 2002). 543 Abweichende Urteile und Stellungnahmen sind zumeist durch die erhöhte optische Wahrnehmbarkeit und nicht durch die eigentliche Versiegelung bedingt. Daher kann die zu Windkraftanlagen ergangene Rechtsprechung hier nicht herangezogen werden. 544 Vgl. zur notwendigen Genauigkeit der Bilanzierung: Gassner, Erich, in: Gassner, Erich /Bendomir-Kahlo, Gabriele/Schmidt-Räntsch, Jürgen: Bundesnaturschutzgesetz, § 19 Rn. 23; Gellermann, Martin, in: Landmann, Robert von/Rohmer, Gustav: Umweltrecht, 11, § 19 BNatSchG, Rn. 10 (Stand Aug. 2002). 545 OVG Lüneburg, in: NuR 1997, 301 (302); OVG Münster, in: NVwZ RR 1995, S. 10 (14); VGH Kassel, in: NVwZ RR 1994, S. 252 (254). 546 OVG Münster, in: NVwZ RR 1995, S. 10 (13); VG Gießen, in: NuR 1991, S. 37 (38, 40); Rat von Sachverständigen für Umweltfragen: Schritte ins nächste Jahrtausend, Umweltgutachten 2000, S. 231 Nr. 460; Gaßner, Hartmut/Willand, Achim/Fischer, Jochen/Pippke, Nicole: Anforderungen an die Wiederherstellung von Bodenfunktionen nach der Entsiegelung, S. 25 ff.
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satzmaßnahme zu betrachten wäre, ist jedoch nur selten möglich, es stehen einfach nicht genug Flächen zur Entsiegelung zur Verfügung. 547 Aus diesem Grund lässt die Rechtsprechung auch andere Arten des Ausgleiches bzw. Ersatzes z u 5 4 8 und vermeidet somit das sonst möglicherweise notwendige Verbot des Eingriffs nach § 19 Abs. 3 BNatSchG. Im Detail ist diese Rechtsprechung kritikwürdig, da sie zu stark auf die problemlos ausgleichbaren natürlichen Funktionen abstellt 549 und noch keine erkennbaren allgemeinen Kriterien zur Ermittlung der Größe notwendiger Ausgleichsflächen gefunden hat. 5 5 0 Insgesamt erscheint sie jedoch mit der neuen Fassung des BNatSchG vereinbar, so dass im Ergebnis auch andere Maßnahmen als die Entsiegelung zumindest als Ersatz in gleichwertiger Weise zu betrachten sind. 551 (c) Die Untersagung des Eingriffs Insofern ein Eingriff unvermeidbar und nicht ausgleichbar oder kompensierbar ist, muss er nach § 19 Abs. 3 BNatSchG untersagt werden, wenn die Belange von Naturschutz und Landschaftspflege bei Abwägung aller Anforderungen an Natur und Landschaft vorrangig sind. Die Abwägung erfolgt nicht nur zwischen den Belangen des Naturschutzes, sondern aufgrund des rechtsstaatlichen Abwägungsgebotes zwischen allen Belangen. 552 Zwar kann die Abwägung der einander widerstrebenden Gründe für oder gegen eine Versiegelung nur im Einzelfall erfolgen, jedoch soll hier auf einige Aspekte von allgemeiner Bedeutung hingewiesen werden. Zu denken ist an die Größe der zu versiegelnden Fläche, die Seltenheit der 547 VGH Mannheim, in: NuR 2002, S. 155 (157). 548 VGH Mannheim, in: NuR 2002, S. 155 (157); OVG Münster, in: NVwZ RR 1995, S. 10 (13); VGH Kassel, in: NVwZ RR 1994, S. 252 (253 ff.); Jannasch, Alexander: Ausgleich und Ersatz nach dem Naturschutzgesetz im straßenrechtlichen Planfeststellungsverfahren, in: VB1 BW 1998, S. 2. 549 ζ . B.: VG Frankfurt a. M., in: NVwZ RR 1991, S. 144 (145). 550 Das Verhältnis, in dem versiegelte Fläche und Fläche der Ausgleichs-/ Ersatzmaßnahme stehen, beträgt je nach Gericht und Umständen des Einzelfalls: 2:1 [OVG Lüneburg, in: NuR 1997, S. 301 (302 f.)], 1:1 [OVG Münster, in: NVwZ RR 1995, S. 10 (14)] oder 1:2 [VGH Mannheim, in: NuR 2002, S. 288 (288 f.); OVG Lüneburg, Urteil vom 12. 3. 1997, Az. 7S 7M919/97; VGH Mannheim, in: NuR 1994, S. 234 (238); VGH Mannheim, in: NVwZ RR 1994, S. 373 (378)]. 551 Ergänzend ist darauf hinzuweisen, dass es zu keiner Verdopplung der Kompensationspflichten kommt, wenn der Eingriff sowohl § 19 BNatSchG als auch dem FFH Regime unterfällt [Durner, Wolfgang: Kompensation für Eingriffe in Natur und Landschaft nach deutschem und europäischem Recht, in: NuR 2001, S. 610]. 552 BVerwG, in: NVwZ 1991, S. 364 (367); VGH München, in: UPR 1992, S. 29 (30); Schink, Alexander: Die Eingriffsregelung in Naturschutz- und Landschaftsrecht, in: DVB1. 1992, S. 1400; Sparwasser, Reinhard /Engel, Rüdiger/Vosskuhle, Andreas: Umweltrecht, § 6 Rn. 150 ff.; Lorz, Mozft /Miiller, Markus /Stockei, Heinz: Naturschutzrecht, § 19 Rn. 29; einschränkend: Gellermann, Martin, in: Landmann, Robert von/Rohmer, Gustav: Umweltrecht, 11, § 19 BNatSchG, Rn. 24 ff. (Stand Aug. 2002).
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betroffenen Böden und an die Ausgleichs-/ Ersatzbilanz. Wenn der Eingriff nicht ausgeglichen oder kompensiert werden konnte und die Ausgleichsbilanz daher gegen Null tendiert, wächst die Wahrscheinlichkeit, dass der Eingriff zu untersagen ist. 5 5 3 Des Weiteren ist der erhöhte Schutz von Biotopen gemäß § 19 Abs. 3 S. 2 BNatSchG zu achten. 554 Auf der anderen Seite sind die für den Eingriff sprechenden Belange, vor allem die hinter der Privilegierung des § 35 Abs. 1 BauGB stehenden Argumente zu bedenken. Daher ist festzuhalten, dass die Untersagung des Eingriffs nach § 19 Abs. 3 BNatSchG zwar möglich ist, aber angesichts der „Wegwägbarkeit" ökologischer Belange nur in wenigen Fällen, vor allem solchen des § 19 Abs. 3 S. 2 BNatSchG, zu erwarten ist. 5 5 5 Eine Schärfung des ökologischen Profils des § 19 BNatSchG erfolgt auch nicht durch die von § 19 Abs. 4 BNatSchG eröffnete und durch § 9 Abs. 4 SächsNatSchG wahrgenommene Möglichkeit der Erhebung von Ausgleichsabgaben.556
(3) Das Verhältnis der Naturschutzrechtlichen Eingriffsprüfung zu anderen Zulassungsentscheidungen In Anbetracht der soeben dargestellten Möglichkeit, einen Eingriff aufgrund der Vorrangigkeit der Belange des Naturschutzes zu untersagen, stellt sich die Frage, in welchem Verhältnis die naturschutzrechtliche Zulassungsprüfung zu anderen Zulas-
553 VGH Mannheim, in: NuR 2002, S. 155 (158); Halama, Günter: Fachrechtliche Zulässigkeitsprüfung und naturschutzrechtliche Eingriffsregelung, in: NuR 1998, S. 637; Lorz, Alb&ri/Müller, Markus/Stockei Heinz: Naturschutzrecht, § 19 Rn. 27; kritisch dazu: Wolf, Rainer: Zur Flexibilisierung des Kompensationsinstrumentariums der naturschutzrechtlichen Eingriffsregelung, in: NuR 2001, S. 483. 554 Dazu: Louis, Hans Walter: Das Gesetz zur Neuregelung des Rechts des Naturschutzes und der Landschaftspflege (BNatSch NeuregG), in: NuR 2002, S. 388; Gellermann, Martin: Das modernisierte Naturschutzrecht, in: NVwZ 2002, S. 1030; Stich, Rudolf: Das neue Naturschutzgesetz, in: UPR 2002, S. 167; Gellermann, Martin, in: Landmann, Robert von /Rohmer, Gustav: Umweltrecht, 11, § 19 BNatSchG, Rn. 28 ff. (Stand Aug. 2002). 555 Louis, Hans Walter /Wolf, Verena: Flächenverbrauch und Kompensation: Die naturschutzrechtliche Eingriffsregelung als Mittel der Flächenhaushaltspolitik, in: ZUR 2002, S. 149; Schräder, Christian: Das Naturschutzrecht der Länder in der Anpassung an das neue Bundesnaturschutzgesetz, in: NuR 2003, S. 84; Meßerschmidt, Klaus: Wiedervorlage oder Innovation? Zum Entwurf einer Gesamtnovellierung des Bundesnaturschutzgesetzes von 2. Februar 2001, in: ZUR 2001, S. 244; Gellermann, Martin: Das modernisierte Naturschutzrecht, in: NVwZ 2002, S. 1030; Rehbinder, Eckard: Wege zu einem wirksamen Naturschutz Aufgaben, Ziele und Instrumente des Naturschutzes, in: NuR 2001, S. 365; Louis, Hans Walter: Das Gesetz zur Neuregelung des Rechts des Naturschutzes und der Landschaftspflege (BNatSch NeuregG), in: NuR 2002, S. 388; Anger, Christoph: Die neue naturschutzrechtliche Eingriffsregelung gem. § 18 ff. BNatSchG 2002, in: NVwZ 2003, S. 319. 556 Vgl. zum Aspekt der Ausgleichsabgaben: VGH Kassel, in: NVwZ RR 1994, S. 252 (S. 253); VG Gießen, in: NuR 1991, S. 37 (40).
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sungsentscheidungen, beispielsweise nach § 35 BauGB oder § 17 FStrG, steht. Insbesondere erscheint das Verhältnis der fachplanerischen Abwägung zur naturschutzrechtlichen untersuchungsbedürftig. 557 Eine Antwort bieten zwei von Rechtsprechung und Literatur entwickelte Lösungsmöglichkeiten. Zum einen erscheint es denkbar, die naturschutzrechtliche Abwägung nach § 19 Abs. 3 BNatSchG in die fachplanerische Abwägung zu integrieren. 558 In diesem Fall wäre das Ergebnis der naturschutzrechtlichen Abwägung für die nachfolgende Zulassungsentscheidung bindend. 559 Eine zweite Position, das sogenannte „Separationsmodell", geht dagegen von der strikten Trennung der beiden Abwägungsvorgänge aus. 560 Bei einer Orientierung an diesem Modell wäre es denkbar, dass ein Vorhaben zulässig im Sinne des Fachplanungsrechts bzw. des § 35 BauGB, aber aus naturschutzrechtlichen Gründen insgesamt unzulässig ist. Für die erstgenannte Position sprechen eine Reihe von Argumenten, die zumeist praktischer Natur sind. Zum einen wird geltend gemacht, dass es nicht sachangemessen sei, über ein Vorhaben zweimal zu entscheiden.561 Zumal nur durch eine Zusammenführung der Entscheidungen Widersprüchlichkeiten zwischen den einzelnen Zulassungsverfahren zu vermeiden seien. 562 Des Weiteren sprächen keine Argumente für eine Trennung der Abwägungsvorgänge, insbesondere kenne die Planungspraxis nur eine einheitliche Abwägung 563 . Außerdem sei die fachplanerische Abwägung umfassender, sodass es nicht denkbar wäre, dass sich die gegen das Vorhaben sprechenden Belange in der umfassenderen fachplanerischen Entscheidung nicht durchsetzen, während sie in der Entscheidung nach § 19 Abs. 3 BNatSchG Gehör fänden. 564 Schließlich wird darauf hingewiesen, dass das Sepa557
Auf sonstige, nicht streitige Aspekte des Zusammenspiels der naturschutzrechtlichen Eingriffsprüfung mit anderen Zulässigkeitsprüfungen soll hier nicht eingegangen werden. Vgl. insoweit: Gassner, Erich, in: Gassner, Erich/Bendomir-Kahlo, Gabriele /SchmidtRäntsch, Jürgen: Bundesnaturschutzgesetz, § 19 ff. 558 Wahl, Rainer /Dreier, Johannes: Entwicklung des Fachplanungsrechts, in: NVwZ 1999, S. 619; Lorz, Albert/Müller, Markus/Stockei, Heinz: Naturschutzrecht, § 18 Rn. 4. 559 VGH Mannheim, in: NVwZ 2000, S. 1063 (1064). 560 Halama, Günter: Fachrechtliche Zulässigkeitsprüfung und naturschutzrechtliche Eingriffsregelung, in: NuR 1998, S. 633 ff.; Kuschnerus, Ulrich: Perspektiven der naturschutzrechtlichen Eingriffs- und Ausgleichsregelung, in: Oldiges, Martin (Hrsg.): Perspektiven des Naturschutzes, S. 47; Louis, Hans Werner/Engelke, Annegret: Bundesnaturschutzgesetz, § 8 Rn. 184; Wolf, Rainer: Entwicklungslinien der Eingriffsregelung, in: NuR 2004, S. 7. 561 Gassner, Erich, in: Gassner, Erich /Bendomir-Kahlo, Gabriele/Schmidt-Räntsch, Jürgen: Bundesnaturschutzgesetz, § 18 Rn. 13. 562 VGH Mannheim, in: NVwZ 2000, S. 1063 (1064); Franz, T., zitiert von: Aussprache zum Beitrag von RiOVG Kuschnerus, in: Oldiges, Martin (Hrsg.): Perspektiven des Naturschutzes, S. 53. 563 Ramsauer, Ulrich: Die Bedeutung der naturschutzrechtlichen Eingriffsregelung für die Planfeststellung am Beispiel der Transrapid-Planung, in: NuR 1997, S. 421; Steinberg, Rudolf: Umweltschutz in der Verkehrswegeplanung, in: DÖV 2000, S. 89. 564 Ramsauer, Ulrich: Die Bedeutung der naturschutzrechtlichen Eingriffsregelung für die Planfeststellung am Beispiel der Transrapid-Planung, in: NuR 1997, S. 423 f.; Wahl, Rainer/
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rationsmodell nur scheinbar eine bessere Berücksichtigung des Naturschutzes biete. 5 6 5 Gegen diese Position werden von den Vertretern des Separationsmodells mehrere Gegenargumente ins Feld geführt. In erster Linie ist mit dem BVerwG 566 festzustellen, dass der Gesetzgeber das Separationsmodell in der Struktur des § 1 9 Abs. 3 BNatSchG angelegt hat. Diese Position erfährt ihre Begründung zum einen durch systematische Gesichtspunkte. Auch nach der Neufassung des BNatSchG fehlt eine § 21 BNatSchG entsprechende Regelung für das Verhältnis zu anderen Zulassungsentscheidungen.567 Des Weiteren ist - als historisches Argument - darauf zu verweisen, dass keine Anzeichen dafür erkennbar sind, dass der Gesetzgeber von der Position des BVerwG abweichen wollte. 5 6 8 Zieht man den hier dargelegten Gehalt des Gesetzes in die Betrachtung ein, so verlieren auch die übrigen, zugunsten der erstgenannten Position geltend gemachten Argumente beachtlich an Überzeugungskraft. Natürlich kann angenommen werden, dass eine dem Separationsmodell folgende Abwägung unzweckmäßig, nicht praxiskonform und außerdem von geringem naturschützerischem Wert sei, aber diese Kritik ist letztlich rechtspolitisch. Außerdem ist zu bemerken, dass auch die Separation der Abwägungsentscheidungen nicht zwangsläufig zu unterschiedlichen Ergebnissen führen muss. 569 Abschließend ist festzuhalten, dass die naturschutzrechtliche Eingriffsprüfung einschließlich der Abwägung nach § 19 Abs. 3 BNatSchG unabhängig neben sonstigen Zulassungsentscheidungen steht.
(4) Zwischenergebnis Die naturschutzrechtliche Eingriffsregelung stellt ein wichtiges Instrument zur Begrenzung des Flächenverbrauches dar. Sie erfasst nahezu jegliche VersiegelunDreier, Johannes: Entwicklung des Fachplanungsrechts, in NVwZ 1999, S. 619; Jannasch, Alexander: Ausgleich und Ersatz nach dem Naturschutzgesetz im straßenrechtlichen Planfeststellungsverfahren, in: VB1 BW 1998 S. 3. 565 Steinberg, Rudolf: Umweltschutz in der Verkehrswegeplanung, in: DÖV 2000, S. 90; Ramsauer, Ulrich: Die Bedeutung der naturschutzrechtlichen Eingriffsregelung für die Planfeststellung am Beispiel der Transrapid-Planung, in: NuR 1997, S. 421. 566 Ständige Rechtssprechung seit: BVerwGE 104, S. 144 (147); zuletzt: BVerwG, in: DVB1. 2002, S. 706 (707); Gaentzsch, Günter: Entwicklungslinien des Naturschutzrechts in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, in: Dolde, Klaus-Peter (Hrsg.): Umweltrecht im Wandel, S. 483 ff. 567 BVerwG, in: DVB1. 2002, S. 706 (707). 568 Lütkes, S.: zitiert von: Aussprache zum Beitrag von RiOVG Kuschnerus, in: Oldiges, Martin (Hrsg.): Perspektiven des Naturschutzes, S. 58; zuzugeben ist allerdings, dass die Rezeption der Rechtsprechung hier nicht so klar wie ζ. B. in der BT-Drs 14/8277 S. 6 ausgedrückt wurde. 569 BVerwG, in: DVB1. 2002, S. 706 (707).
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Teil 2: Das geltende Recht
gen und macht deren Genehmigung von einer möglichst starken Begrenzung der versiegelten Fläche und der Durchführung von Ausgleichs- oder Ersatzmaßnahmen abhängig. Jedoch dürfen die in die Eingriffsregelung gesetzten Erwartungen nicht übertrieben werden, der weite Begriff der Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen sowie die nachgeordnete Abwägung des § 19 Abs. 3 S. 1 BNatSchG nehmen der Regelung viel von ihrer Wirksamkeit. Letztlich wird deutlich, dass die naturschutzrechtliche Eingriffsregelung eher einen kompensatorisch ausgerichteten Reparaturbetrieb darstellt, als einen ernst zu nehmenden Genehmigungstatbestand. Weder nach der alten, noch nach der neuen Rechtslage ist eine Untersagung des Eingriffs mehr als ein seltener Sonderfall. 570
b) Die Eingriffsregelung
und das kommunale Planungsrecht
Der eigentlich umfassende und nahezu jegliche Versiegelung beinhaltende Anwendungsbereich der Eingriffsregelung weist eine bedeutende Lücke auf. Er geht nicht auf das den größten Teil der Versiegelung verursachende kommunale Bauplanungsrecht ein. Dieses Rechtsgebiet erfährt in § 21 BNatSchG vielmehr eine spezielle Regelung. Daher ist im Folgenden auf die versiegelungsspezifischen Besonderheiten des sogenannten Baurechtskompromisses einzugehen.571 Der Anwendungsbereich des § 21 BNatSchG erstreckt sich ausweislich seines Abs. 1 auf die Aufstellung, Änderung, Ergänzung oder Aufhebung von Bebauungsplänen oder Satzungen nach § 34 Abs. 4 S. 1 Nr. 3 BauGB. 572 Der Baurechtskompromiss umfasst somit die prominentesten Ursachen der Flächenversiegelung, ist allerdings infolge der weitgehenden Nichteinbeziehung des § 34 BauGB nicht umfassend. Inhaltlich zielt der Baurechtskompromiss auf die Vermeidung naturschutzrechtlicher Doppelprüfungen und integriert daher die Eingriffsprüfung in die Entscheidungsfindung nach dem BauGB. Praktisch erfolgt die Integration durch die Einbeziehung der Eingriffsregelung in die bauplanerische Abwägung. Diese Abwägung befindet sich in einem Spannungsfeld zwischen inhaltlichen Vorgaben und Ergebnisoffenheit. Der Aspekt der Bindung findet seinen Ausdruck in der von §21 Abs. 1 BNatSchG angeordneten Einhaltung der Bearbeitungsschritte der naturschutzrechtlichen Eingriffsregelung, dem in § 1 a Abs. 2 Nr. 2 und Abs. 1 BauGB fundierten Vorrang der Vermeidung sowie der ausdrücklichen Erwähnung 570 Vgl. ζ. B. OVG Lüneburg, in ZUR 2002, S. 37 (40); Rat von Sachverständigen für Umweltfragen: Für eine Stärkung und Neuorientierung des Naturschutzes, Sondergutachten 2002, S. 128. 571 Allgemein zur städtebaulichen Eingriffsregelung: Köck, Wolfgang: Die städtebauliche Eingriffsregelung, in: NuR 2004, S. 1 ff.; Tophoven, Christof: Die naturschutzrechtliche Eingriffs- und Ausgleichsregelung im Bauplanungsrecht, passim; vgl. zu den Unterschieden: Wolf, Rainer: Entwicklungslinien der Eingriffsregelung, in: NuR 2004, S. 8 ff. 572 Dazu: Gassner, Erich, in: Gassner, Erich /Bendomir-Kahlo, Gabriele / SchmidtRäntsch, Jürgen: Bundesnaturschutzgesetz, § 21 Rn. 14 f.
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von Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen in § 200 a B a u G B . 5 7 3 Der entgegengesetzte Aspekt der Ergebnisoffenheit findet seinen Niederschlag darin, dass dem Grundprinzip der Ergebnisoffenheit von Abwägungsentscheidungen folgend sowohl die Durchführung als auch der Umfang der Eingriffsregelung der Entscheidung der Gemeinde o b l i e g t . 5 7 4 Nicht möglich ist lediglich ein vollständiges „Wegwägen" der Belange des Naturschutzes. 575 Der Sache nach stößt die Eingriffsregelung in der Bauleitplanung jedoch auf dieselben Probleme wie die normale Eingriffsregelung - durch Versiegelung verursachte Beeinträchtigungen von Natur und Landschaft sind i m strengen Sinne nur selten ausgleichbar oder kompensierbar. Allerdings steht den Kommunen mit dem Ökokonto (§ 19 Abs. 4 S. 1 BNatSchG, § 135 a BauGB) eine Möglichkeit offen, Ausgleichs- und Kompensationsmaßnahmen vorab zu bündeln. 5 7 6 Nicht Gegenstand der Regelung des § 21 BNatSchG ist der unbeplante Innenbereich mit Ausnahme der Abrundungssatzungen nach § 34 Abs. 4 S. 1 B a u G B . 5 7 7 I m unbeplanten Innenbereich ist die naturschutzrechtliche Eingriffsregelung nicht anwendbar, stattdessen besteht ausweislich des § 21 Abs. 4 S. 2 BNatSchG lediglich das Erfordernis, mit der zuständigen Naturschutzbehörde Benehmen herzustellen. 5 7 8 Da hieraus keine rechtliche Bindung der Genehmi57 3
Gassner, Erich, in: Gassner, Erich/Bendomir-Kahlo, Gabriele / Schmidt-Räntsch, Jürgen: Bundesnaturschutzgesetz, § 21 Rn. 21 ff.; Kukk, Alexander: Naturschutzrechtliche Eingriffs· und Ausgleichsprüfung beim innerstädtischen „Flächenrecycling", in: UPR 2001, S. 181; Gassner, Erich: Aktuelle Fragen der naturschutzrechtlichen Eingriffsregelung, in: NuR 1999, S. 80. 574 BVerwGE 104, S. 68 (71 ff.); VGH Mannheim, in: NuR 2001, S. 697 (698); OVG Münster, in: NVwZ RR 1999, S. 113 (113); Durner, Wolfgang: Kompensation für Eingriffe in Natur und Landschaft nach deutschem und europäischem Recht, in: NuR 2001, S. 604; Gassner, Erich, in: Gassner, Erich/Bendomir-Kahlo, Gabriele / Schmidt-Räntsch, Jürgen: Bundesnaturschutzgesetz, § 21 Rn. 29 ff.; Schillhorn, Kerrin: Naturschutz in der Bauleitplanung - nach der Novelle des Bundesnaturschutzgesetzes 2002 [1], in: BauR 2002, S. 1805 f.; Schink, Alexander: Neuerungen zum Baurechtskompromiss, in: DVB1. 1998, S. 611 f. 575 OVG Münster, in: NVwZ RR 1999, S. 113 (113); einschränkend: OVG Koblenz, in: NuR 2001, S. 54 (54 f.). 576 Dazu: Anger, Christoph: Naturschutzrechtliche Eingriffsregelung und Kompensationspools, in: UPR 2004, S. 7 ff.; Schillhorn, Kerrin: Naturschutz in der Bauleitplanung - nach der Novelle des Bundesnaturschutzgesetzes 2002 [1], in: BauR 2002, S. 1805 ff.; Gassner, Erich, in: Gassner, Erich/Bendomir-Kahlo, Gabriele / Schmidt-Räntsch, Jürgen: Bundesnaturschutzgesetz, § 21 Rn. 26 f., 30; Köck, Wolfgang: Die städtebauliche Eingriffsregelung, in: NuR 2004, S. 2 ff. 577 Gassner, Erich, in: Gassner, Erich/Bendomir-Kahlo, Gabriele / Schmidt-Räntsch, Jürgen: Bundesnaturschutzgesetz, § 21 Rn. 13; Lorz, Albert /Müller, Markus/Stockei, Heinz: Naturschutzrecht, § 21 Rn. 7; frühere Streitigkeiten über den Umfang der Geltung im unbeplanten Innenbereich haben damit ihre Relevanz verloren. Vgl. nur: Reese, Moritz: Eingriff und Ausgleich bei der städtebaulichen Beplanung von Innenbereich und Konversionsflächen, in: UPR 2000, S. 292 ff.; zur Problematik des Ausgleichs auf innerstädtischen Brachflächen: Köck, Wolfgang: Die städtebauliche Eingriffsregelung, in: NuR 2004, S. 5 f.
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gungsbehörde folgt, ist von einer Schwachstelle im gesetzlichen Regelsystem zu sprechen. Im Ergebnis ist festzuhalten, dass die Umsetzung der Eingriffsregelung in der Bauleitplanung mit einer wesentlichen Erweitung des kommunalen Handlungsspielraumes einhergeht, 579 so dass auch von diesem Instrument keine wesentliche Einflussnahme auf den Flächenverbrauch zu erwarten ist.
c) Zwischenergebnis Eine Gesamtbetrachtung der naturschutzrechtlichen Eingriffsregelung zeigt, dass diese - unter der Voraussetzung der Einbeziehung der bauplanungsrechtlichen Erscheinungsform - über einen geographisch nahezu umfassenden Anwendungsbereich verfügt. Auch in inhaltlicher Hinsicht werden, von Kleinstflächen abgesehen, nahezu sämtliche Spielarten der Flächenversiegelung erfasst. Im Gegensatz zum Anwendungsbereich kann die Rechtsfolgenseite der Eingriffsregelung nicht uneingeschränkt positiv bewertet werden. Schwächen ergeben sich hier insbesondere aus dem Abwägungsvorbehalt des § 19 Abs. 3 S. 1 BNatSchG bzw. des § 1 Abs. 6 BauGB. Allerdings darf nicht vergessen werden, dass die naturschutzrechtliche Eingriffsregelung zumeist im Verbund mit anderen Instrumenten zum Einsatz kommt, was ihre Wirkungsschwäche relativiert. 580
5. Das Bauen im unbeplanten Innenbereich In Anbetracht der oben festgestellten Nichtanwendbarkeit der naturschutzrechtlichen Eingriffsregelung im unbeplanten Innenbereich, stellt sich die Frage, ob § 34 BauGB selbst Ansatzpunkte für die Berücksichtigung bodenschützender Aspekte enthält. Dies ist jedoch - mit Ausnahme der durch § 29 Abs. 3 BauGB für anwendbar erklärten FFH-Verträglichkeitsprüfung nach § 34 BNatSchG - nicht der Fall. Weder der Flächennutzungsplan581 noch die Ziele der Raumordnung 582 können ei578 Vgl. dazu: Lorz, Albert/Müller, Markus/Stockei, Heinz: Naturschutzrecht, § 21 Rn. 23; Gellermann, Martin, in: Landmann, Robert von/Rohmer, Gustav: Umweltrecht, 11, § 21 BNatSchG, Rn. 11 ff. (Stand Aug. 2002). 57 9 Durner, Wolfgang: Kompensation für Eingriffe in Natur und Landschaft nach deutschem und europäischem Recht, in: NuR 2001, S. 604. 580 Louis, Hans Walter /Wolf, Verena: Flächenverbrauch und Kompensation: Die naturschutzrechtliche Eingriffsregelung als Mittel der Flächenhaushaltspolitik, in: ZUR 2002, S. 149. 581 BVerwG, in: NJW 1970, S. 1939 (1940); Dürr, Hansjochen, in: Brügelmann, Hermann: BauGB, § 34 Rn. 85 [Stand: Dez. 2002]. 582 BVerwG, in: UPR 1993, S. 263 (264 f.); Söfker, Wilhelm, in: Ernst, Werner/Zinkahn, Willy /Bielenberg, Walter /Krautzberger, Michael: Baugesetzbuch, § 34 Rn. 74 (Stand Feb.
2000).
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ner Zulässigkeit nach § 34 BauGB im Wege stehen.583 Unter bodenschützenden Gesichtspunkten ist im unbeplanten Innenbereich allein auf FFH-Verträglichkeitsprüfung 584 , Schutzgebiete585 sowie - mit einigen Einschränkungen - das Artenschutzrecht 586 zu verweisen.
6. Das Bauen im Außenbereich Wesentlich bedeutender für den Bodenschutz als der für die Natur ohnehin schon zu weiten Teilen „verlorene" Innenbereich ist der Außenbereich. Dieser ist zu weiten Teilen unbebaut und steht den durch Versiegelung potentiell beeinträchtigten Naturprozessen und Vorgängen ohne Einschränkung zur Verfügung. Daher verwundet es nicht, dass sich Aspekte des Bodenschutzes im § 35 BauGB in verstärktem Maße wiederfinden. Zu denken ist hier in erster Linie an die in den ersten vier Absätzen des § 35 BauGB enthaltene strikte Begrenzung des Außenbereichsversiegelung. Das gesetzgeberische Ziel, das mit § 35 BauGB verfolgt wird, ist die grundsätzliche Freihaltung des Außenbereichs von jeglicher Bebauung. Gesetzesbegründung, Rechtsprechung und Literatur geben die Notwendigkeit, Flächen für Landwirtschaft, räumlich festgelegte Nutzungen und Erholung freizuhalten, die Sicherung von Naturräumen und die Verhinderung von Zerschneidung und Zersiedlung als Gründe an. 5 8 7 Von diesem Ziel werden in viererlei Hinsicht Abstriche gemacht. Zum einen finden sich im ersten Absatz eine Reihe privilegierter Vorhaben, die nach Ansicht des Gesetzgebers im Außenbereich errichtet werden sollten. 588 Rechtsfolge dieser Privilegierung ist die prinzipielle Zulässigkeit dieser Vorhaben, 589 sofern öffentliche Belange nicht entgegenstehen. Unter der hier ver583 Allein eine gewisse Beeinflussung erscheint denkbar [Söfker, Wilhelm, in: Ernst, Werner/Zinkahn, Willy / Bielenberg, Walter/Krautzberger, Michael: Baugesetzbuch, § 34 Rn. 75 (Stand Feb. 2000)]. 584 Fü r die Einzelheiten sei auf die Darstellung der FFH-Verträglichkeitsprüfung Teil 2, § 2 III. 2. b) (3) zu verweisen.
585 Bemerkenswert sind hiervon insbesondere Baumschutzsatzungen und Landschaftsschutzverordnungen, deren Verhältnis zu § 34 BauGB umstritten ist. Vgl. BVerwGE 55, S. 272 (276 ff.); BVerwGE 35, S. 256 (261); Dürr, Hansjochen, in: Brügelmann, Hermann: BauGB, § 34 Rn. 86 [Stand: Dez. 2002]; Günther, Jörg-Michael: Baumschutz Vorschriften im Spiegel der aktuellen Rechtsprechung und Literatur, in: NuR 2002, S. 587 (588 f.); vgl. auch: BVerwG, in: BauR 2001, S. 918 (920 ff.). 586 BVerwG, in: NuR 2001, S. 385 (386 ff.). 587 BVerwG, in: BauR 2001, S. 227 (231); BVerwG, in: BauR 1977, S. 403 (403); Bracher, Christian-Dietrich, in: Gelzer, Konrad/Bracher, Christian-Dietrich/Reidt, Olaf: Bauplanungsrecht, Rn. 2390; Bönker, Christian, in: Hoppe, Werner/Bönker, Christian/Grotefels, Susan: Öffentliches Baurecht, S. 365 Rn. 274 ff. 588 Zu den Einzelheiten statt vieler: Bracher, Christian-Dietrich, in: Gelzer, Konrad/Bracher, Christian-Dietrich /Reidt, Olaf: Bauplanungsrecht, Rn. 2391 ff.
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folgten Fragestellung ist das Kriterium der entgegenstehenden öffentlichen Belange von Bedeutung, da es das Einfallstor bodenschützender Belange in die als nachvollziehende Abwägung 590 erfolgende Zulassungsentscheidung bildet. Aus der sehr umfassenden Menge öffentlicher Belange sind daher entgegenstehende Darstellungen des Flächennutzungsplanes,591 des Landschaftsplanes oder anderer Pläne, unwirtschaftliche Erschließungsaufwendungen, 592 Naturschutz und Bodenschutz, die städtebaulichen Ziele des § 35 Abs. 3 Nr. 7 BauGB, 593 Ziele der Raumordnung (§ 35 Abs. 3 S. 2 1. HS BauGB), 594 Erhaltung von Erholungsgebieten, Waldschutz und Verhinderung von Zersiedelung zu nennen. Diese Belange schließen jeweils Aspekte des Versiegelungsschutzes ein, auch wenn sie nicht unbedingt direkt auf diesen zielen. Beispielsweise stellt das Kriterium der unwirtschaftlichen Erschließungsaufwendungen eigentlich ausschließlich auf den öffentlichen Belang der Gemeindefinanzen ab, 5 9 5 jedoch begrenzt die Regelung reflexartig die Versiegelungstätigkeit durch Außenbereichsbebauung und Erschließungsanlagen. Allerdings geht die Wirkung nicht über eine gewisse Begrenzung hinaus, da sie privat finanzierter Erschließungsversiegelung nicht entgegensteht.596 Uneingeschränkt bodenschützend sind die Belange des Naturschutzes und des Bodenschutzes. Wobei letzteres Kriterium nach hier vertretener Auffassung explizit nicht im Sinne des BBodSchG zu deuten ist, da der Begriff der schädlichen Bodenveränderung Versiegelungen nicht erfasst. 597 Vielmehr ist ein eigenständiger, baurechtlicher und in erster Linie versiegelungsbezogener Begriff des Bodenschutzes heranzuziehen. 598 Im Ergebnis kann daher von einem ausrei589 Jäde, Henning, in: Jäde, Henning/Dirnberger, Franz/Weiß, Josef: Baugesetzbuch, § 35 Rn. 251; Söfker, Wilhelm, in: Ernst, Werner/Zinkahn, Willy /Bielenberg, Walter/Krautzberger, Michael: Baugesetzbuch, § 35 Rn. 21 (Stand Feb. 2000). BVerwG, in: DVB1. 2002, S. 706 (707 ff.); Bönker, Christian, in: Hoppe, Werner/Bönker, Christian/Grotefels, Susan: Öffentliches Baurecht, S. 368 Rn. 292 ff.; Bracher, Christian-Dietrich, in: Geizer, Konrad/Bracher, Christian-Dietrich / Reidt, Olaf: Bauplanungsrecht, Rn. 2538 f. 591 Vgl. zum gesamten Komplex: Bracher, Christian-Dietrich, in: Gelzer, Konrad/Bracher, Christian-Dietrich/Reidt, Olaf: Bauplanungsrecht, Rn. 2539 ff. 592 BVerwG, in: DÖV 1985, S. 832 (833); BVerwG, in: DÖV 1972, S. 827 (827 f.). 593 BVerwG, in: NVwZ 2001, S. 1282 (1283 f.). 594
Zu diesen: Spoerr, Wolfgang: Raumordnungsziele in der Vorhabenzulassung nach § 35 BauGB, in: DVB1. 2001, S. 90 ff.; Kment, Martin: Die strikte Rechtsbindung Privater an die Ziele der Raumordnung im Rahmen des § 35 Abs. 3 Sätze 2 und 3 BauGB, in: UPR 2002, S. 428 ff.; Heitsch, Christian: Raumordnungsziele und Außenbereichsvorhaben: Steuerungswirkung und Rechtsschutz, in: NuR 2004, S. 22 ff. 595 BVerwG, in: Buchholz 406.11 § 35 BBauGB, Nr. 97 a, Az. IV C 121.68. 596 Bracher, Christian-Dietrich, in: Gelzer, Konrad/Bracher, Christian-Dietrich / Reidt, Olaf: Bauplanungsrecht, Rn. 2557. m Siehe dazu oben Teil 2, § 2IV. 2. c). 5 98 A.A.: Bracher, Christian-Dietrich, in: Gelzer, Konrad/Bracher, Christian-Dietrich/ Reidt, Olaf: Bauplanungsrecht, Rn. 2556; Tyczewski, Thomas; in: Hoppenberg, Michael /de Witt, Siegfried: Handbuch des öffentlichen Baurechts, A III Rn. 133 (Stand Dez. 2001).
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chenden Einfließen bodenschützender Belange in den Abwägungsvorgang gesprochen werden. Auf der Gegenseite sind jedoch die Belange, die für die gesetzlich zuerkannte Privilegierung sprechen, in angemessenem Maße zu berücksichtigen. 599 Ihnen kommt eine relativ starke Stellung zu. 6 0 0 Auch wenn die Entscheidung über die Zulassung nur im Einzelfall getroffen werden kann, so ist hier doch festzustellen, dass die Errichtung privilegierter Vorhaben im Außenbereich infolge der generellen ersatzplanerischen Entscheidung601 nur selten verhindert werden kann. Steuerbar ist zumeist allein die Frage des konkreten Standorts602 Eine zweite Gruppe von Versiegelungen, die im Außenbereich möglicherweise zulässig sind, besteht aus den in § 35 Abs. 2 BauGB erfassten sonstigen Vorhaben. Diese sind nur unter weitaus größeren Einschränkungen zulässig. Der Rechtsanspruch auf Genehmigung603 besteht nur, soweit es nicht zu einer Beeinträchtigung öffentlicher Belange kommt. Demnach ist die Realisierungswahrscheinlichkeit hier wesentlich geringer, da zum einen weder besondere Privilegierungstatbestände für die Zulassung sprechen und zum anderen der vom Gesetzgeber als für die Versagung ausreichend betrachteten Beeinträchtigung öffentlicher Belange ein besonders hohes Gewicht zukommt. 604 Sonstige Vorhaben sind daher regelmäßig unzulässig.605 Die dritte Gruppe möglicherweise zulässiger Vorgaben wird von den sogenannten teilprivilegierten Vorgaben gebildet, denen nach Abs. 4 weder die in Abs. 3 Nr. 1 und Nr. 7 enthaltenen Argumente, noch der Landschaftsplan oder die natürliche Eigenart der Landschaft entgegengehalten werden können. Diese Verkürzung der öffentlichen Belange, gerade um aus Sicht des Flächenschutzes besonders wichtige Punkte, führt zu einem steigenden Gewicht der für die Bebauung sprechenden Belange in der Abwägung. § 35 Abs. 4 BauGB führt demnach zu einer verstärkten baulichen Inanspruchnahme des Außenbereichs, die weder mit der 599 BVerwG, in: DVB1. 2002, S. 706 (707); BVerwGE 48, S. 109 (114 f.); BVerwGE 28, S. 148 (150 ff.); OVG Münster, in: NuR 2001, S. 710 (711); Krautzberger, Michael, in: Battis, Ulrich/Krautzberger, Michael/Lohr, Rolf-Peter: Baugesetzbuch, § 35 Rn. 5 f. 600 BVerwG, in: BauR 1991, S. 579 (581); BVerwG, in: AgrarR 1986, S. 146 (147); BVerwG, in: DÖV 1979, S. 905 (907); BVerwGE 48, S. 109 (114); VGH Bad-Württ, in: DÖV 2003, 822 (823). 601 BVerwGE 79, S. 318 (323); BVerwGE, 28, S. 148 (150). 602 Vgl. BVerwG, in: NVwZ 1988, S. 54 (54 ff.); OVG Münster, in: NuR 2001, S. 710 (711); VGH Bad.-Württ, in: DÖV 2003, S. 822 (823). 603 So, entgegen des Gesetzeswortlautes und der hier vertretenen Auffassung das BVerwG [ständige Rechtsprechung seit: BVerwGE 18, S. 247 (250); Krautzberger, Michael, in: Battis, Ulrich/Krautzberger, Michael / Lohr, Rolf-Peter: Baugesetzbuch, § 35 Rn. 43]; siehe dazu auch Teil 3, § 3 II. 3. c) (1) (b). 604 BVerwGE 48, S. 109 (114 f.); Krautzberger, Michael, in: Battis, Ulrich/ Krautzberger, Michael /Lohr, Rolf-Peter: Baugesetzbuch, § 35 Rn. 40. 605 BVerwGE 25, S. 161 (162); 19, S. 75 (76). 10 Risch
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grundsätzlich intendierten Nutzung des Außenbereiches verträglich, 606 noch verfassungsrechtlich notwendig ist. 6 0 7 Schließlich ist die in § 35 Abs. 6 BauGB eröffnete Möglichkeit zur Aufstellung von Außenbereichssatzungen zu nennen. Diese ermöglichen der Gemeinde die Genehmigung von Vorhaben, ohne dass auf den entgegenstehenden Inhalt des Flächennutzungsplans oder Belange des § 35 Abs. 3 S. 1 Nr. 7 BauGB Rücksicht genommen werden muss. 608 Diese Verkürzung der der Versiegelung entgegenstehenden öffentlichen Belange, 609 bewirkt ebenso wie die Satzungen nach § 34 Abs. 4 BauGB 6 1 0 eine Aufweichung des Versiegelungsschutzes im Außenbereich. Anzumerken ist allerdings, dass die Voraussetzungen des Satzungserlasses im Rahmen der mit dem EAG BAU verbundenen Änderungen verschärft wurden. 611 Eine Stärkung des Bodenschutzes erfolgt dagegen in § 35 Abs. 5 BauGB, der den baulichen Anlagen, die die hohe Zulassungsschwelle der ersten Absätze übersprungen haben, eine möglichst flächensparende Bauweise auferlegt. Hierbei handelt es sich nicht um eine weitere Schranke der Zulässigkeit, 612 sondern vielmehr um eine Regelung der Vorhabensdurchführung. 613 Bedeutung kommt der Norm insbesondere bei der Genehmigung privilegierter Vorhaben zu, da sie dort eine gewisse Feinsteuerung des Flächenverbrauches ermöglicht, 614 wo ein Nichterteilung der Zulassung an den Privilegierungsgründen scheitern würde. Jedoch darf nicht zu viel erwartet werden, da sich das jeweilige „notwendige Maß, das nicht überschritten werden darf, eben auch aus der einschlägigen Privilegierung ergibt. 606 Bönker, Christian, in: Hoppe, Werner/Bönker, Christian/Grotefels, Susan: Öffentliches Baurecht, S. 396 Rn. 399; Kauch, Petra: Bodenschutz aus bundesrechtlicher Sicht, S. 209. 607 BVerwG, in: NVwZ 1998, S. 842 (844 f.); Bönker, Christian, in: Hoppe, Werner/Bönker, Christian/Grotefels, Susan: Öffentliches Baurecht, S. 396 Rn. 399. 608 Kritisch dazu: Dolde, Klaus-Peter: Novellierung des Baugesetzbuches, in: NVwZ 1996, S. 210. 609 Die Zulassung kann natürlich weiterhin an anderen öffentlichen Belangen scheitern (§ 35 Abs. 4 S. 1 1. HS). 610 Kauch, Petra: Bodenschutz aus bundesrechtlicher Sicht, S. 275. 6Π Siehe: §§ 34 Abs. 5, 35 Abs. 6 S. 4 - 6 BauGB. 612 So aber Jäde, Henning, in: Jäde, Henning / Dirnberger, Franz/Weiß, Josef: Baugesetzbuch, § 35 Rn. 161; Ehebrecht-Stüer, Eva-Maria: Der Außenbereichsschutz in Gesetzgebung und Rechtsprechung, S. 193; für eine Berücksichtigung im Rahmen der öffentlichen Belange: Brachen Christian-Dietrich, in: Gelzer, Konrad/Bracher, Christian-Dietrich/Reidt, Olaf: Bauplanungsrecht, Rn. 2535. 613 BVerwG, in: BauR 1991, S. 589 (581); Dürr, Hansjochen, in: Brügelmann, Hermann: BauGB, § 35 Rn. 171 [Stand: Feb. 2000]; Söfker, Wilhelm, in: Ernst, Werner/Zinkahn, Willy/Bielenberg, Walter/Krautzberger, Michael: Baugesetzbuch, § 35 Rn. 165 (Stand April 2000); Kauch, Petra: Bodenschutz aus bundesrechtlicher Sicht, S. 74. 614 Zu den Einzelheiten: Söfker, Wilhelm, in: Ernst, Werner/Zinkahn, Willy/Bielenberg, Walter /Krautzberger, Michael: Baugesetzbuch, § 35 Rn. 165 (Stand April 2000).
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Schließlich ist darauf hinzuweisen, dass neben § 35 BauGB sowohl die naturschutzrechtliche Eingriffsregelung 615 als auch evtl. vorhandene Schutzgebietsregelungen 616 anwendbar sind. Zusammenfassend kann festgestellt werden, dass § 35 BauGB zwar prinzipiell die „grundlegende Natur- und Umweltschutznorm des gesamten Baurechts" 617 darstellt, die umweltschützende Zielrichtung jedoch stark eingeschränkt ist. Potential für einen verbesserten Flächenschutz besteht hier in erster Linie bei der Zurückdrängung nicht privilegierter Bauten. 618 Die Versiegelung des Außenbereiches durch privilegierte Vorhaben ist in gewissem Umfang hinzunehmen.
7. Der Flächenschutz mittels § 8 Abs. 1 SächsBO Schließlich ist im Rahmen der Darstellung der in der Einzelfallentscheidung anwendbaren bodenschützenden Normen auf § 8 Abs. 1 SächsBO einzugehen. Diesem kommt im Gesamtsystem des Bodenschutzes eine flankierende, feinsteuernde Funktion zu. § 8 Abs. 1 SächsBO begründet die Verpflichtung, nicht überbaute Teile eines Grundstücks wasseraufnahmefähig zu gestalten.619 Eine Ausnahme besteht nur, soweit die Versiegelung für eine zulässige Nutzung benötigt wird. 6 2 0 Die Norm wird mittels § 72 Abs. 1 SächsBO vollzogen, sodass ein Vorhaben, das den Voraussetzungen des § 8 Abs. 1 SächsBO nicht entspricht, nicht genehmigt werden kann. 621 Jedoch darf der auf den ersten Blick recht vielversprechende Gehalt des § 8 Abs. 1 SächsBO nicht überbewertet werden, da er über zwei wesentliche Schwachpunkte verfügt. Zum einen erfasst die Norm inhaltlich nur die unbebauten Teile eines Grundstücks, ist also in gewisser Weise akzessorisch zur grundlegenden Planentscheidung der Bebaubarkeit des Grundstücks. Zum anderen ist anzumer615
Zum Verhältnis zwischen Eingriffsregelung und sonstigen Zulassungen: siehe oben Teil 2, § 2IV. 4. a) (3). 616 BVerwG, in: NVwZ 2001, S. 1048 (1048 ff.). 617 So Koch, Hans-Joachim/Hendler, Reinhard: Baurecht, Raumordnungs- und Landesplanungsrecht, § 25 Rn. 77; ähnlich: Runkel, Peter: Beitrag zur Podiumsdiskussion: Städtebau und Bodenschutz, in: Hendler, Reinhard /Marburger, Peter/Reinhardt, Michael/Schröder, Meinhard (Hrsg.): Bodenschutz und Umweltrecht, S. 279. 618 Sparwasser, Reinhard/Engel, Rüdiger/Vosskuhle, Andreas: Umweltrecht, § 6 Rn. 19. Zur eine andere Sprache sprechenden und daher wenig Anlass zur Hoffnung gebenden Gesetzgebungsgeschichte: Ehebrecht-Stüer, Eva-Maria: Der Außenbereichsschutz in Gesetzgebung und Rechtsprechung, S. 4 ff. 619 Schlotterbeck, Karlheinz, in: Schlotterbeck, Karlheinz/Büchner, Hans/Musai, Peter: Sächsische Bauordnung, § 9 Rn. 1 (Stand März. 1995). 620 Dirnberger, Franz, in: Jäde, Henning /Dirnberger, Franz/Böhme, Günter: Bauordnungsrecht Sachsen, § 8 Rn. 10 (Stand Nov. 1999). 621 Degenhart, Christoph, in: Degenhart, Christoph: Sächsische Bauordnung, § 8 Rn. 5 (Stand April 2000); Dirnberger, Franz, in: Jäde, Henning/Dirnberger, Franz/Böhme, Günter: Bauordnungsrecht Sachsen, § 8 Rn. 15 (Stand Nov. 1999). 10*
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Teil 2: Das geltende Recht
ken, dass der Anwendungsbereich durch die Ausnahmeregelung des § 8 Abs. 1 2. HS SächsBO weiter reduziert wird. Diese nimmt sämtliche üblichen Formen der Versiegelung von Freiflächen von der Anwendung aus. 622 Im Ergebnis ist § 8 Abs. 1 SächsBO daher nur für die Versiegelungen ein Hindernis, für die kein vernünftiger, durch die Nutzung des Grundstücks gerechtfertigter Anlass besteht.
8. Bewertung und Zwischenergebnis a) Wirksamkeit
in der Fläche
Die Bewertung der Flächenwirksamkeit der hier besprochenen Instrumente leidet unter dem schwerwiegenden Problem, dass drei der hier genanten Normen (§ 4 BBodSchG, die Landesbodenschutzgesetze und § 34 BauGB) keine bodenschützenden Aussagen treffen. Daher kann hier nur um die Flächenwirksamkeit der übrigen drei Regelungen (naturschutzrechtliche Eingriffsregelung, § 35 BauGB und § 8 Abs. 1 SächsBO) in Rede stehen. Bezüglich dieser fällt die Bilanz eher negativ aus. Universelle Geltung beansprucht allein § 8 SächsBO. Die anderen Instrumente sind entweder nur im Außenbereich abwendbar (§ 35 BauGB) oder erstrecken sich auf Außenbereich und in modifizierter Form auch auf den beplanten Innenbereich (§ 18 ff. BNatSchG). Daher kommt es im unbeplanten Innenbereich zu der Situation, dass allein § 8 Abs. 1 SächsBO der Versiegelung Grenzen setzt. Ein Umstand, der um so schwerer wiegt, da dieses Defizit auch nicht durch planerische Instrumente ausgeglichen werden kann. Im Ergebnis ist die Wirksamkeit in der Fläche unzureichend.
b) Prinzipielle juristische Eignung Im Gegensatz zur schwachen Bilanz der Wirksamkeit in der Räche fallt die Bewertung der prinzipiellen juristischen Eignung positiv aus. Von den drei betrachtenswerten Regelungen ist nur einer (§ 8 Abs. 1 SächsBO) zu attestieren, dass sie nur wenig geeignet sei, das Problem des Flächenverbrauches zu bewältigen. Diese fehlende Eignung liegt in der zu engen, nahezu jede bedeutende Form der versiegelnden Nebenanlagen ausschließenden Fassung des Anwendungsbereiches. Dagegen gehören die beiden verbliebenen Regelungen zu den am besten geeigneten Instrumenten des Bodenschutzes überhaupt. Sowohl der naturschutzrechtlichen Eingriffsregelung als auch § 35 BauGB ist eine starke bodenschützende Wirkung zu bescheinigen. Innerhalb ihres unmittelbaren Anwendungsbereiches erfassen die 622
Schlotterbeck nennt Stellplätze, Zu- und Abfahrten, Freizeitflächen, Arbeits- und Lagerflächen als Beispiele. [,Schlotterbeck, Karlheinz, in: Schlotterbeck, Karlheinz/Büchner, Hans/Musai, Peter: Sächsische Bauordnung, § 9 Rn. 1 (Stand März. 1995)]; vgl. auch: Degenhart, Christoph, in: Degenhart, Christoph: Sächsische Bauordnung, § 8 Rn. 3 (Stand April
2000).
§
Der o r g e n d e Bodenschutz
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§ 18 ff. BNatSchG nahezu jegliche Form der Versiegelung. Auch die Rechtsfolgenseite ist im Sinne des Bodenschutzes ausreichend ausgestattet, da es zumindest theoretisch möglich ist, die Zulassung einer Versiegelung von einer entsprechenden Entsiegelung abhängig zu machen. Ähnlich positiv ist die prinzipielle juristische Eignung des § 35 BauGB zu beurteilen. Das Gesetz ermöglicht es, die Versiegelung des Außenbereiches auf das unbedingt notwendige Maß zu beschränken. Ein völliges Freihalten ist nicht erreichbar, aber angesichts der Sachzwänge und verfassungsrechtlicher Schranken auch nicht möglich. Jedoch sind auch die beiden hier zuletzt bewerteten Instrumente nicht frei von Schatten. Als problematisch erweisen sich auch hier die Abwägungsvorschriften. In der unmittelbaren Anwendung der §§ 18 ff. BNatSchG setzt die nach § 19 Abs. 3 BNatSchG notwendige Abwägung der Belange des Naturschutzes mit den entgegenstehenden Belangen der Wirksamkeit Grenzen. Allerdings sei bemerkt, dass auf diese Vorschrift schon im Hinblick auf die dahinterstehenden Grundrechte nicht verzichtet werden kann. Die Probleme liegen also nicht in der hier zu beurteilenden prinzipiellen juristischen Eignung begründet, sondern in der Anwendung. Nicht ausschließlich auf Anwendungsfehler zurückzuführen ist dagegen der Schwachpunkt der Eingriffsregelung in der Form des § 21 BNatSchG. Hier ist die starke Schwächung des Bodenschutzes schon in der Norm angelegt, die es der planenden Gemeinde erlaubt, auch über Umfang und Art der Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen zu entscheiden. Ähnliche Kritik trifft die Regelung des § 35 BauGB, die durch zu umfangreiche und verfassungsrechtlich nicht notwendige Ausnahmeregelungen geschwächt wird. Die größte Schwäche des Bodenschutzes in der Einzelfallentscheidung liegt jedoch darin, dass es weder eine auf Versiegelungen anwendbare, § 4 Abs. 1 BBodSchG vergleichbare allgemeine Handlungspflicht, noch im unbeplanten Innenbereich anwendbare Normen gibt.
V. Ergebnis der Untersuchung des vorsorgenden Bodenschutzes Die endgültige Bewertung der Instrumente des vorsorgenden Bodenschutzes fällt zwiespältig aus. Auch wenn die Gesamtsituation relativ erfreulich ist, so fallen doch drei Problembereiche auf, von denen einer der Wirksamkeit in der Fläche zuzuordnen ist und zwei unter das Kriterium der prinzipiellen juristischen Eignung fallen. 1. Wirksamkeit in der Fläche Die Bilanz der Flächenwirksamkeit der vorsorgenden bodenschützenden Regelungen fällt auf den ersten Blick sehr positiv aus. Sowohl Schutzgebiete als auch
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Teil 2: Das geltende Recht
planungsrechtliche Instrumente verfügen über einen prinzipiell umfassenden Anwendungsbereich. Hinzu kommt, dass die Instrumente im Verbund sogar in der Lage sind, ein Teil der Schutzlücken, die in den Einzelbetrachtungen aufgefallen sind, zu schließen. Beispielsweise sei die auf Seite 84 beklagte fehlende Möglichkeit zur Unterschutzstellung von Flächen, die unter sonstigen naturschutzfachlichen Gesichtspunkten von geringem Interesse sind, erwähnt. Dieses Defizit wird durch die planungsrechtlichen Instrumente zumindest gemindert. 623 Auf der anderen Seite darf nicht unerwähnt bleiben, dass das Netz der bodenschützenden Instrumente nicht umfassend ist. Insbesondere der Blick auf die Flächenwirksamkeit der nur im Einzelfall anwendbaren Normen offenbart eine bedenkliche Lücke, die der Bodenschutz im unbeplanten Innenbereich zeigt. Im unbeplanten Innenbereich fehlen - mangels entsprechender naturräumlicher Ausstattung - Schutzgebiete fast völlig. Das Planungsrecht behandelt dieses Areal im Prinzip schon, jedoch nicht auf der besonders rechtserheblichen Ebene der verbindlichen Bauleitplanung. Von den Einzelfallnormen ist nur der relativ schwache § 8 Abs. 1 SächsBO anwendbar, sodass hier von einem Defizit zu sprechen ist. Besondere verfassungsrechtliche Gründe für diese Behandlung des unbeplanten Innenbereiches sind nicht ersichtlich, sodass hier auch von einem rechtlichen Defizit im Sinne der angestrebten Untersuchung gesprochen werden kann.
2. Prinzipielle juristische Eignung Wenn das geltende vorsorgende Bodenschutzrecht auf seine Problembewältigungsfähigkeit hin untersucht wird, fällt zunächst ins Auge, dass eine Vielzahl der eingangs aufgestellten Kriterien erfüllt sind. Aspekte des Bodenschutzes fließen in - vom unbeplanten Innenbereich abgesehen - jegliche Zulassungsentscheidung ein. Dieses Einfließen mag sich nicht immer explizit auf den Bodenschutz beziehen, beispielsweise kennt das Naturschutzrecht keine Bodenschutzgebiete, jedoch ist der Versiegelungsschutz immer angemessen repräsentiert. Auch beinhalten sämtliche untersuchten Normen rechtliche Möglichkeiten zum Schutz des Bodens. Nicht versiegelbare Bereiche können sowohl auf der Grundlage des Schutzgebietsrechts, als auch auf der des Planungsrechts festgelegt werden. Jedoch vermag die Praxis diesen positiven Befund nicht zu bestätigen, was zu der Vermutung führt, dass dennoch Defizite vorhanden sind. Diese finden ihre Ursachen - einmal abgesehen davon, dass keines der betrachteten Gesetze an die Obergrenze des verfassungsrechtlich Möglichen auch nur heranreicht - in zwei Problemkreisen. Zum einen ist hier die Struktur der meisten Entscheidungen als Abwägung, genauer gesagt, die mangelhafte Operationalisierung des Mediums Bo623 Von einer vollständigen Beseitigung des Defizits kann nicht gesprochen werden, da der Schutz, den planungsrechtliche Instrumente einräumen, meist hinter dem zurückbleibt, was Schutzgebiete zu leisten vermögen.
§ 3 Der nachsorgende Bodenschutz
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den zu nennen. Diese äußert sich darin, dass der Bodenschutz zwar in nahezu alle Entscheidungen einfließt, aber das Ergebnis nur selten prägt. Zum anderen weisen beinahe sämtliche Normen neben ihrer eigentlichen und begrenswerten bodenschützenden Stoßrichtung auch Ausnahmevorschriften auf, die einen Großteil der Wirksamkeit nehmen. Zum Beispiel sei hier auf die Ausnahmeregelungen der meisten Schutzgebietssatzungen und auf den auch als Ausnahme begreifbaren Abs. 4 des § 35 BauGB zu verweisen. Im Ergebnis ist daher festzustellen, dass das geltende vorsorgende bodenschützende Recht nicht völlig unzureichend ist, aber doch hinter dem Notwendigen und Möglichen zurückbleibt.
§ 3 Der nachsorgende Bodenschutz Auf den vorangegangenen Seiten ist deutlich geworden, dass sich die Versiegelung von Flächen begrenzen, aber nicht verhindern lässt. Daher liegt es nahe zu fragen, ob quantitativer Bodenschutz nicht an einem anderen Punkt ansetzen kann. Zu denken ist hier an eine forcierte Entsiegelung von Flächen. 624 Diese weist den wesentlichen Vorteil auf, dass es durch die Renaturierung von Flächen möglich ist, die Flächenbilanz auch bei fortschreitender Bautätigkeit neutral zu halten. Somit könnte das Recycling von Brachflächen einen Beitrag zur nachhaltigen Siedlungsentwicklung leisten. 625 Daher ist im folgenden zu prüfen, in welchem Maße das geltende Recht Vorschriften zur Entsiegelung beinhaltet. 626
I. Bodenschutzgebiete Angesichts der Tatsache, dass Schutzgebiete üblicherweise auf Flächen ausgewiesen werden, die sich in einem möglichst naturnahen Zustand befinden, somit keine Versiegelung aufweisen und daher auch nicht entsiegelt werden können, erscheint es zunächst nicht naheliegend, diese Kategorie der Bodenschutznormen überhaupt in die Untersuchung einzubeziehen. Jedoch täuscht der erste Blick hier. Zum einen kann es auch in bestehenden Schutzgebieten durchaus Bebauung geben, 624
Zum Begriff der Entsiegelung: Sanden, Joachim, in: Sanden, Joachim / Schoeneck, Stefan: Bundes-Bodenschutzgesetz, § 5 Rn. 15; Vogg, Reinei; in: Landel, Christoph/ Vogg, Rainer/Wüterich, Christoph: Bundesbodenschutzgesetz, § 5 Rn. 7 ff.; zur Bedeutung: Simsch, Klaus/Brüggemann, Jürgen/Lietmann, Christoph/Fischer, J./Schulz-Bödecker, Kai-Uwe/ Heinrici, Sabine: Handlungsempfehlungen für ein effektives Flächenrecycling, passim. 625 Sanden, Joachim/Schoeneck, Stefan: Bundesbodenschutzgesetz, Einführung Rn. 18. 626 Zu außerrechtlichen Einflussfaktoren: Simsch, Klaus /Brüggemann, Jürgen/Lietmann, Christoph/Fischer, J./Schulz-Bödecker, Kai-Uwe/Heinrici, Sabine: Handlungsempfehlungen für ein effektives Flächenrecycling, S. 56 ff., 69 ff.
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Teil 2: Das geltende Recht
zum anderen ist kaum eine Erweiterung oder Neuausweisung eines Schutzgebietes denkbar, bei der keine versiegelten Flächen betroffen sind. Daher muss auch das Recht der Bodenschutzgebiete auf seine nachsorgende Relevanz hin untersucht werden. 1. Die Schutzgebiete des BNatSchG Die meisten der im BNatSchG enthaltenen Schutzgebiete können entsprechend des Gesetzeswortlautes nicht nur bei einer bereits bestehenden entsprechenden naturräumlichen Ausstattung erlassen werden, sondern auch dann, wenn nur die Wiederherstellung beabsichtigt ist. 6 2 7 Aus dem Begriff der Wiederherstellung könnte nun geschlussfolgert werden, dass hierunter auch die Wiederherstellung der Natur durch Entsiegelung bislang versiegelter Flächen zu verstehen ist. Eine Lesart, die durch das allgemeine Verständnis des Begriffes als Beseitigung negativer menschlicher Einflüsse 628 bestätigt zu werden scheint. Jedoch ist diese Schlussfolgerung unzutreffend. Der Begriff der Wiederherstellung bezieht sich allein auf die Neufestsetzung von Schutzgebieten, aber nicht auf konkrete Anordnungen. 629 Auch der in der Begründung des Regierungsentwurfes zum Ausdruck gebrachte Wille des Gesetzgebers macht deutlich, dass die Beseitigung der vorhandenen Bebauung nicht Ziel des Gesetzgebers war. 630 Schließlich ist darauf hinzuweisen, dass Versiegelungen, denen Bestandsschutz zukommt, dem Schutzgebietsregime insoweit entzogen sind, als dem Eigentümer infolge der Genehmigung eine feste Position zugebilligt wurde, die durch Naturschutzrecht nicht beseitigt werden kann. 631 Zulässigerweise errichtete Versiegelungen können daher in Schutzgebieten weiterhin bestehen bleiben. Eine Beseitigung ist erst dann möglich, wenn der Bestandsschutz nicht mehr besteht, was entweder bei Illegalität des Vorhabens, 632 dem Erlöschen des Bestandsschutzes durch Wegfall der die Zulassung rechtfertigenden Privilegierung 633 oder bei einem Widerruf nach § 49 627 §§ 23, 25, 26, 27, 29, 31 BNatSchG, Der Entwicklungsgedanke findet sich auch in § 24 BNatSchG. 628 Lorz, Albert/Müller, Markus/Stockei, Heinz: Naturschutzrecht, § 23 Rn. 8; SchmidtRäntsch, Jürgen: in: Gassner, Erich / Bendomir-Kahlo, Gabriele / Schmidt-Räntsch, Jürgen, Bundesnaturschutzgesetz, § 23 Rn. 12. 629 ion, Albert/Müller, Markus/Stockei, Heinz: Naturschutzrecht, § 23 Rn. 12; einschränkend dazu: Gellermann, Martin, in: Landmann, Robert von/Rohmer, Gustav: Umweltrecht, 11, § 1 BNatSchG, Rn. 16 (Stand Aug. 2002). 630 Gesetzentwurf der Fraktionen SPD und Bündnis 90/Die Grünen: Entwurf eines Gesetzes zur Neuregelung des Rechts des Naturschutzes und der Landschaftspflege und zur Anpassung anderer Rechtsvorschriften (BNatSchNeuregG), in: BT-Drs. 14/6378, S. 51. 631 Zur verfassungsrechtlichen Grundlage des Bestandsschutzes: siehe oben Teil 2, § 1 III. 1. 632 VGH Kassel, in: NuR 1993, S. 36 (37). 633 BVerwG, in: UPR 1994, S. 447 (447); BVerwG, in: UPR 1982, S. 203 (204); OVG Münster, in: NuR 2000, S. 57 (58).
§ 3 Der nachsorgende Bodenschutz
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VwVfG der Fall ist 6 3 4 . Hier kann die Entsiegelung auf Grundlage des § 41 SächsNatSchG oder nach § 5 BBodSchG angeordnet werden. Ein wesentlich geringerer Schutz kommt den Versiegelungen der öffentlichen Hand zu, die Bestandsschutz nur im einfachgesetzlichen Rahmen und nicht in seiner grundrechtlichen Dimension geltend machen kann. Der Entsiegelung stehen hier lediglich kompetenzielle Belange entgegen. Beispielsweise kann eine Straße ohne die Zustimmung des Baulastträgers nicht entwidmet und beseitigt werden. Ergänzend ist auf die Möglichkeit der Entsiegelung von versiegelten Rächen innerhalb von Schutzgebieten zu verweisen, die sich aus vertraglichen Vereinbarungen nach § 8 BNatSchG bzw. § 39 SächsNatSchG ergibt. Insbesondere angesichts des sehr starken Bestandsschutzes kann in vertraglichen Vereinbarungen bisweilen der einzig gangbare Weg die Entsiegelung sein. 635 Flankiert wird dieser Weg durch die in den §§36 und 37 SächsNatSchG enthaltenen Vorkaufs- bzw. Enteignungsrechte. Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass die naturschutzrechtlichen Schutzgebiete in nur sehr geringer Weise zum nachsorgenden Flächenschutz beitragen können. Eine Entsiegelung kommt erst nach Beseitigung des Bestandsschutzes in Betracht.
2. Wasserrechtliche und sonstige Schutzgebiete In Bezug auf den nachsorgenden Bodenschutz muss zwischen den verschiedenen Schutzgebieten differenziert werden. Der Schutzgebietstypus des Gewässerrandstreifens ist allein auf den Erhalt des Bestehenden gerichtet und umfasst daher keinerlei Entsiegelungsvorschriften. Dagegen sind Überschwemmungsgebiete nach § 32 Abs. 2 S. 2 WHG prinzipiell auch auf Erweiterung angelegt, jedoch strebt das Gesetz nur die Rückgewinnung natürlicher Rückhalteflächen an, 6 3 6 sodass eine Einbeziehung bereits versiegelter Flächen ausscheidet.637 Schließlich ermöglicht es § 19 Abs. 2 Nr. 2 WHG, den Eigentümern von in Trinkwasserschutzgebieten gelegenen Grundstücken Duldungspflichten aufzuerlegen. 638 Auch wenn es somit möglich scheint, dem Eigentümer die Duldung der Entsiegelung aufzuerlegen, so stellt sich doch auch hier das Problem des Bestandsschutzes. Daher ist eine Entsiegelungsanordnung auch hier nur nach Wegfall des Bestandsschutzes möglich. Bei bestandsschutzlosen Versiegelungen kann eine Entsiegelung auf der 634
Louis, Hans Werner/Engelke, Annegret: Bundesnaturschutzgesetz, § 12 Rn. 31, 90. Lorz, Albert/Müller, Markus/Stockei, Heinz: Naturschutzrecht, § 31 Rn. 4. 636 Knopp, Günther-Michael, in: Siedler, Frank /Zeitler, Herbert/Dahme, Heinz: Wasserhaushaltsgesetz und Abwasserabgabengesetz, § 32 Rn. 22, 33 (Stand Nov. 2001). 637 A.A. Czychowski, Manfred/Reinhardt, Michael: Wasserhaushaltsgesetz, § 32 Rn. 16. 638 Dazu: Gößl, Thomas, in: Siedler, Frank/Zeitler, Herbert/Dahme, Heinz: Wasserhaushaltsgesetz und Abwasserabgabengesetz, § 19 Rn. 31 ff. (Stand Aug. 1999); Czychowski, Manfred/Reinhardt, Michael: Wasserhaushaltsgesetz, § 19 Rn. 67 ff. 635
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Teil 2: Das geltende Recht
Grundlage einer Rechtsverordnung nach § 48 Abs. 1 SächsWG, nach § 179 BauGB oder aufgrund von § 5 BBodSchG erfolgen. 639 Die übrigen Schutzgebietstypen enthalten keine speziellen nachsorgend bodenschützenden Aussagen.640 Insoweit ist auf die Einzelfallregelungen zu verweisen.
3. Zwischenergebnis Als Ergebnis ist festzuhalten, dass die Bodenschutzgebiete primär durch einen bewahrenden Ansatz gekennzeichnet sind und daher nur sehr wenige Aussagen zur Entsiegelung beinhalten. Darin ist jedoch kein Defizit zu sehen. Zum einen ist der potentielle Anwendungsbereich der Entsiegelungsnormen angesichts des zumeist entgegenstehenden Bestandsschutzes relativ gering. Zum anderen wird dieser noch bestehende Anwendungsbereich in - wie noch zu zeigen sein wird - ausreichender Weise von den Einzelfallregelungen ausgefüllt.
II. Die raumplanerischen Instrumente 1. Gesamtplanung und Fachplanung Die Instrumente der Gesamt- und Fachplanung spielen für die Entsiegelung des Bodens keine Rolle. Bezüglich der Gesamtplanung liegt dies darin begründet, dass Entsiegelung in Deutschland nicht in dem Maße stattfindet, in dem eine gesamtplanerische Bearbeitung notwendig wäre. Bisher erfolgte und in näherer Zukunft zu erwartende Entsiegelungen erfolgen in einem sehr kleinen, mit den Mitteln des Gesamtplanungsrechts nicht erfassbaren Rahmen. Auch im Stadtumbau Ost findet eine übergreifende Planung bislang allein in inhaltlicher und nicht in räumlicher Hinsicht statt. 641 Die Schwäche des Fachplanungsrechtes im nachsorgenden Bereich findet ihre Ursache darin, dass sich die einschlägigen Normen auf die Beseitigung des rechtlichen Status, beispielsweise einer Straße, beschränken und bezüglich der tatsächlichen Beseitigung keine Aussagen treffen. 642
639 Lüers, Hartwig: Baurechtliche Instrumente des Hochwasserschutzes, in: UPR 1996, S. 245; vgl. OVG Lüneburg, in: NVwZ RR 2002, S. 346 (347). 640 Die FFH-RL geht zwar an einigen Stellen auf die Entwicklung und Wiederherstellung der Gebiete ein, jedoch werden daran auf europäischer und nationaler Seite keine Rechtsfolgen geknüpft. 641 Vgl. für weitere Nachweise: Goldschmidt, Jürgen /Taubenek, Olaf: Stadtumbau Übersicht über die aktuellen Rechtsentwicklungen ab 2002, in: LKV 2003, S. 446 ff. 642 Vgl. Grupp, Klaus, in: Marschall, Ernst/Schroeter, H./ Kastner, Fritz: Bundesfernstraßengesetz, § 2 Rn. 64.
§ 3 Der nachsorgende Bodenschutz
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2. Die kommunale Planung Im Rahmen der kommunalen Planung kann die Entsiegelung durch die Umplanung bislang als versiegelt beplanter Flächen vorangetrieben werden. Dabei sind zwei Fälle zu trennen. Ist das betreffende Areal tatsächlich versiegelt, so ist auch hier der Bestandsschutz der bestehenden Bebauung zu beachten. Es ist nicht möglich, der vorhandenen Bebauung ihre Legalität durch Umplanung zu nehmen. 643 Flächenschützende Wirkung kann hier allein für die Zukunft entfaltet werden. Ist die Fläche praktisch noch nicht versiegelt, aber als versiegelbar beplant, fallen die Restriktionen der Kommune geringer aus. Eine Umplanung ist möglich, muss aber die vom Planschadensrecht gesetzten Grenzen achten und kann daher erst nach Ablauf der sieben-Jahres-Frist des § 42 Abs. 3 BauGB entschädigungslos erfolgen. 644 Somit kann zumindest die rechtlich eingeräumte Versiegelungsmöglichkeit relativ problemlos planerisch beseitigt werden. Jedoch darf die Bedeutung der Umplanung bislang real oder rechtlich versiegelter Flächen nicht unterschätzt werden. Wie auch schon im vorsorgenden Bereich kommt dem Planungsrecht eine vorbereitende Rolle zu, die sich darin niederschlägt, dass die Entsiegelungsinstrumente der Einzelfallebene jeweils an einer entsprechenden Planung ansetzen.645 Daher ist im Ergebnis festzuhalten, dass der planungsrechtlichen Festsetzung der Entsiegelung zwar keine unmittelbare Wirkung zukommt, jedoch ohne diese keine Entsiegelung möglich ist. Ergänzend sei noch auf die städtebauliche Sanierung verwiesen, die nach § 136 Abs. 3 Nr. 2 c bzw. Abs. 4 Nr. 3 BauGB zumindest theoretisch im Sinne des Bodenschutzes instrumentalisiert werden kann. Da Ziel einer städtebaulichen Sanierung jedoch im Kern die Verbesserung der baulichen Substanz ist, kann eine Entsiegelung zur Herstellung von Grünflächen nur in kleinem Umfang erwartet werden. Dem Instrument kommt daher primär eine ergänzende, den Flächenbedarf in den Innenbereich lenkende Bedeutung zu. 6 4 6 Ob die neu eingeräumten Möglichkeiten der §§ 171 a ff. BauGB zum Stadtumbau genutzt werden und ob somit eine Entsiegelungsplanung erfolgt, lässt sich noch nicht beurteilen. 647
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Vgl. Jäde, Henning, in: Jäde, Henning/Dirnberger, Franz /Böhme, Gunther: Bauordnungsrecht Sachsen, § 77 Rn. 1 (Stand März 2002). 644 Siehe dazu nur: Bielenberg, Walter/Runkel, Peter, in: Ernst, Werner/Zinkahn, Willy/ Bielenberg, Walter/Krautzberger, Michael: BauGB, § 42 Rn. 91 ff. (Stand Mai 2001). 645 Hasche, Frank: Die Pflichten des Bundes-Bodenschutzgesetzes, in: DVB1. 2000, S. 91 und 100; siehe auch unten Teil 2, § 3 III. 3. b) (2). 646
Franz, Thorsten: Freiraumschutz und Innenentwicklung, S. 219 f.; Stich, Rudolf: Förmliche städtebauliche Entwicklungsmaßnahmen, in: GewArch 2001, S. 139; Schimansky, Christian: Die rechtlichen Vorgaben für die Entsiegelung von Boden im deutschen Recht nach dem Erlass von § 5 BBodSchG, in: NuR 2001, S. 612. 647 Dazu: Krautzberger, Michael: Zur Novellierung des Baugesetzbuchs 2004, in: UPR 2004, S. 48.
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Teil 2: Das geltende Recht
3. Zwischenergebnis Im Ergebnis kommt dem Planungsrecht in nachsorgender Perspektive eine etwas geringere Bedeutung zu als unter dem Gesichtspunkt der Vorsorge. Diese geringere Relevanz ist insbesondere daran ablesbar, das Gesamt- und Fachplanungsrecht keine Aussagen treffen und die kommunale Planung auf eine vorbereitende Rolle beschränkt ist.
III. Der quantitative Bodenschutz in der Einzelfallentscheidung 1. Der Flächenschutz durch das Bauordnungsrecht Auch wenn der Begriff der Versiegelung mit dem der baulichen Anlage nicht identisch ist, so ist doch festzustellen, dass ein erheblicher Teil der vorhandenen Versiegelungen auf bauliche Anlagen zurückzuführen ist. Daher liegt es nahe zu fragen, ob die Sächsische Bauordnung Vorschriften zur Entsiegelung enthält. Eine derartige Regelung findet sich in § 80 SächsBO, dem zu Folge von der Bauaufsichtsbehörde die Beseitigung einer im Widerspruch zu öffentlich-rechtlichen Vorschriften errichteten oder geänderten baulichen Anlage verlangt werden kann. Anwendungsvoraussetzungen sind daher die Eigenschaft als bauliche Anlage sowie die aus dem Widerspruch zu öffentlich-rechtlichen Vorschriften folgende formelle und materielle Illegalität. 648 Das Kriterium der Illegalität stellt heraus, dass auch hier der Bestandsschutz zu achten ist, und zwar in der Gestalt, dass nur die Beseitigung von baulichen Anlagen in Betracht kommt, denen eben kein Bestandsschutz zukommt. Angesichts dessen wird deutlich, dass § 80 SächsBO im eigentlichen Sinne kein Instrument des nachsorgenden Flächenschutzes ist. Zielrichtung ist es nicht, die Versiegelung von Flächen zu verhindern, sondern sicherzustellen, dass die Versiegelung nur legal, also auf den dafür vorgesehenen Rächen erfolgt. Jedoch kommt der Vorschrift indirekt eine nicht zu unterschätzende Bedeutung zu, da die Anwendung des § 80 SächsBO die in der Praxis wohl häufigste Form der Entsiegelung darstellt. Zum anderen wäre dem nachsorgenden Rächenschutz schon stark gedient, wenn wenigstens die illegalen baulichen Anlagen beseitigt würden. § 80 SächsBO stellt hierfür ein taugliches Mittel zu Verfügung.
2. Die Entsiegelung aufgrund von § 179 Abs. 1 BauGB Im System des nachsorgenden Bodenschutzes kommt der Entsiegelung nach § 179 Abs. 1 S. 1 und S. 2 BauGB sowohl aus geographischen Gründen als auch 648 Jäde, Henning, in: Jäde, Henning/Dirnberger, Franz/Böhme, Gunther: Bauordnungsrecht Sachsen, § 77 Rn. 1 ff. (Stand März 2002).
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aufgrund der Bezugnahme durch Schutzgebiets- und Planungsrecht eine zentrale Position zu. 6 4 9 Werden die Anwendungsvoraussetzungen des Entsiegelungsgebotes in das Zentrum der Betrachtung gerückt, so fällt auf, dass es sich eigentlich um zwei Gebote handelt, das Rückbaugebot des § 179 Abs. 1 S. 1 BauGB und das Entsiegelungsgebot des S. 2. Die Gebote weichen in Ihren Anwendungsvoraussetzungen voneinander ab. Über die Kriterien des Rückbaugebotes hinausgehend ist das Entsiegelungsgebot nur im Falle einer „dauerhaften Nichtnutzung" anwendbar. Aus diesem Grund stellt sich die Frage, in welchem Verhältnis die beiden Gebote zueinander stehen.
a) Das Verhältnis der beiden Gebote des §179 BauGB zueinander Die wohl herrschende Meinung differenziert nicht zwischen den beiden Geboten. Unter Verweis auf die Intention des Gesetzgebers geht man davon aus, dass es sich bei dem Entsiegelungsgebot lediglich um eine Klarstellung des Anwendungsbereiches der Norm handelt. 650 Diese Position wird von Stock unter Verweis auf den Wortlaut des § 179 BauGB angegriffen. 651 Seiner Ansicht nach ist das Entsiegelungsgebot gegenüber dem Rückbaugebot vorrangiges lex specialis, wenn das Ziel der Planung explizit ökologisch motiviert ist. 6 5 2 Daraus würde folgen, dass die hier interessierende Freilegung des Bodens allein aus ökologischen Gründen prinzipiell auf der Grundlage von § 179 Abs. 1 S. 2 BauGB erfolgen könnte. Stehen dagegen nicht allein ökologische Gründe im Vordergrund, sondern erfolgt die Entsiegelung ζ. B. auch aus städtebaulichen Gründen, so wäre § 179 Abs. 1 S. 1 BauGB anwendbar. Die von Stock vorgebrachte Kritik erscheint jedoch bei näherer Betrachtung nur eingeschränkt tragfähig zu sein. Zum einen ist anzumerken, dass die Beschränkung des Anwendungsbereiches des § 179 Abs. 1 S. 1 BauGB durch den Willen des Planungsträgers kein geeignetes und trennscharfes Abgrenzungskriterium darstellt. Die Kommunen würden die Entsiegelung neben ökologischen Gründen auch auf die städtebaulichen Belange der Belüftung, Besonnung etc. stützen und damit das Entsiegelungsgebot leer laufen lassen. Zum anderen würde bei dieser Lesart der 649 Vgl. BVerwG, Urteil vom 22. 6. 1988 Az. 4 NB 13/88, in: Buchholz 406.11 § 39 d BBauGNr. 1. 650 Neuhausen, Karl-Heinz, in: Brügelmann, Hermann: BauGB, § 179 Rn. 7 ff. (Stand Aug. 1999); Hasche, Frank: Die Pflichten des Bundes-Bodenschutzgesetzes, in: DVB1. 2000, S. 99; Schimansky, Christian: Die rechtlichen Vorgaben für die Entsiegelung von Boden im deutschen Recht nach dem Erlass von § 5 BBodSchG, in: NuR 2001, S. 612; Liters, Hartwig: Baurechtliche Instrumente des Hochwasserschutzes, in: UPR 1996, S. 245; Erbguth, Wilfried /Wagner, Jörg: Bauplanungsrecht, J III Rn. 493. 651 Stock, Jürgen, in: Ernst, Werner/Zinkahn, Willy / Bielenberg, Walter/Krautzberger, Michael: BauGB, § 179 Rn. 37, 40 (Stand Mai 2001). 652 Stock, Jürgen, in: Ernst, Werner/Zinkahn, Willy/Bielenberg, Walter/Krautzberger, Michael: BauGB, § 179 Rn. 40 (Mai 2001).
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Teil 2: Das geltende Recht
Inhalt des § 179 Abs. 1 S. 1 BauGB geändert, was im Widerspruch zum Willen des Gesetzgebers steht. 653 Daher verdient die h.M. den Vorzug, auch wenn ihr hier nur unter der Maßgabe zugestimmt wird, dass die Unterschiede der Anwendungsvoraussetzungen auf der Ebene der Tatbestandsvoraussetzungen abgearbeitet werden. Nach der hier vertretenen Position ist das Auseinanderfallen der beiden Gebote dadurch zu bewältigen, dass das Entsiegelungsgebot eine inhaltliche Erweiterung des Rückbaugebotes, eben um dauerhaft nicht genutzte und anders als durch eine bauliche Anlage versiegelte Flächen, darstellt. Diese Deutungsweise kann zwar ebenfalls nicht erklären, warum der Gesetzgeber das zusätzliche Kriterium der „dauerhaften Nichtnutzung" eingeführt hat, 6 5 4 löst aber wenigstens die mit der Abgrenzung verbundenen Probleme. Daher ist für die Entsiegelung grundsätzlich § 179 Abs. 1 S. 1 BauGB anwendbar, während S. 2 zu einer Erweiterung auf dauerhaft nicht genutzte sonstige Versiegelungen sowie um die hier nicht interessierende sonstige Wiedernutzbarmachung 655 führt.
b) Die Anwendungsvoraussetzungen Die Anwendung des § 179 BauGB ist an vier Voraussetzungen geknüpft, die als räumlicher Anwendungsbereich, Anforderungen an das Objekt, Gründe der Entsiegelung und Verfahrensweise bezeichnet und nachfolgend untersucht werden sollen.
(1) Der räumlicher Anwendungsbereich Nach § 179 Abs. 1 S. 1, 2 BauGB können Rückbau- bzw. Entsiegelungsgebote nur innerhalb des Geltungsbereiches eines Bebauungsplanes erlassen werden. Das betreffende Grundstück muss sich also innerhalb eines einfachen oder qualifizierten Bebauungsplanes befinden. 656 Im unbeplanten Innenbereich oder im 653
Gesetzentwurf der Bundesregierung: Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Baugesetzbuchs und zur Neuregelung des Rechts der Raumordnung (Bau- und Raumordnungsgesetz 1998 - BauROG), BT-Drs. 13/6392, S. 72 f.; dazu: Neuhausen, Karl-Heinz, in: Brügelmann, Hermann: BauGB, § 179 Rn. 1 (Stand Aug. 1999); Krautzberger, Michael, in: Battis, Ulrich/Krautzberger, Michael/Lohr, Rolf-Peter: Baugesetzbuch, § 179 Rn. 1; Landel, Christoph, in: Landel, Christoph/Vogg, Rainer/Wüterich, Christoph: Bundesbodenschutzgesetz, § 3 Rn. 23; vgl. auch: Kratzenberg, Rüdiger: Berührungen und Überschneidungen des Bundes-Bodenschutzgesetzes mit dem Städtebaurecht, in: Oldiges. Martin (Hrsg.): Das neue Bundes-Bodenschutzgesetz - Fragen und Erwartungen, S. 54. 654 Ebenfalls ratlos: Stock, Jürgen, in: Ernst, Werner/Zinkahn, Willy/Bielenberg, Walter/ Krautzberger, Michael: BauGB, § 179 Rn. 37 (Stand Mai 2001). 655 Diese ist unter anderem auf die erneute Bebauung gerichtet. Dazu: Neuhausen, KarlHeinz, in: Briigelmann, Hermann: BauGB, § 179 Rn. 20 (Stand Aug. 1999); a.A. Stock, Jürgen, in: Ernst, Werner/Zinkahn, Willy/Bielenberg, Walter/Krautzberger, Michael: BauGB, § 179 Rn. 30 (Stand Mai 2001).
§ 3 Der nachsorgende Bodenschutz
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Außenbereich kann keine Anordnung auf der Grundlage von § 179 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 bzw. S. 2 BauGB ergehen. Diese Regelung ist Ausdruck der Tatsache, dass sowohl die Rückbauanordnung als auch die Entsiegelungsanordnung planakzessorisch sind. 657
(2) Die Anforderungen an das Objekt Die Anordnung der Duldung der Entsiegelung kann nach § 179 Abs. 1 S. 1 BauGB entweder an einer baulichen Anlage, oder gemäß S. 2 an einer dauerhaft nicht genutzten versiegelten Fläche ansetzen. Der Inhalt des Begriffes der baulichen Anlage ist bundesrechtlich zu deuten. 658 Im Gegensatz zum klaren Begriff der baulichen Anlage ist relativ unklar, was unter einer dauerhaft nicht genutzten Versiegelung zu verstehen ist. Aus bereits oben geschilderten Gründen kann sich das Entsiegelungsgebot nicht auf die Beseitigung baulicher Anlagen beziehen - es sei denn, man wollte die Gebote parallel führen und somit überflüssig machen. Daher stellt sich die Frage, welche Objekte eigentlich § 179 Abs. 1 S. 2 BauGB unterfallen. Das Gesetz selbst enthält hier nur den Begriff der Versiegelung. Da dieser aus systematischen Gründen bauliche Anlagen nicht enthalten kann, können darunter nur sonstige Versiegelungen verstanden werden. Zu denken ist hier beispielsweise an verdichtete Flächen. 659 Diese versiegelten Flächen können jedoch nur dann von der Gemeinde entsiegelt werden, wenn sie dauerhaft nicht genutzt sind. Was genau unter Dauerhaftigkeit zu verstehen ist, ergibt sich weder aus dem Gesetz, noch aus dem Regierungsentwurf. Der Gesetzgeber wollte sich offensichtlich nicht auf Zahlenwerte festlegen. Ein angemessenes Kriterium dürfte die Verwirkung des legitimen Nutzungsinteresses sein. 660
656 Bielenberg, Walter/Stock, Jürgen, in: Ernst, Werner/Zinkahn, Willy / Bielenberg, Walter/Krautzberger, Michael: BauGB, § 179 Rn. 18 (Stand Mai 2001); Krautzberger, Michael, in: Battis, Ulrich/Krautzberger, Michael / Lohr, Rolf-Peter: Baugesetzbuch, § 179 Rn. 2. 657 Erbguth, Wilfried/Wagner, Jörg: Bauplanungsrecht, J III Rn. 493; Schlichter, Otto/ Stich, Rudolf: Berliner Schwerpunkte-Kommentar zum Baugesetzbuch 1998, § 179 Rn. 3; Krautzberger, Michael, in: Battis, Ulrich/Krautzberger, Michael / Lohr, Rolf-Peter: Baugesetzbuch, § 179 Rn. 2, 9; zu den Grenzen der Festsetzung: BVerwG, Urteil vom 22. 6. 1988 Az. 4 NB 13/88, in: Buchholz 406.11 § 39 d BBauG Nr. 1; vgl. auch: BVerwG, in: NVwZ RR 1994, S. 9 (9). 658 Stock, Jürgen, in: Ernst, Werner/Zinkahn, Willy/Bielenberg, Walter/Krautzberger, Michael: BauGB, § 179 Rn. 18 (Stand Mai 2001); Hasche, Frank: Die Pflichten des BundesBodenschutzgesetzes, in: DVB1. 2000, S. 98. 659 Hasche, Frank: Die Pflichten des Bundesbodenschutzgesetzes, in: DVB1. 2000, S. 99; kritisch dazu: Stock, Jürgen, in: Ernst, Werner/Zinkahn, Willy /Bielenberg, Walter/Krautzberger, Michael: BauGB, § 179 Rn. 35 (Stand Mai 2001). 660 Stock, Jürgen, in: Ernst, Werner/Zinkahn, Willy/Bielenberg, Walter/Krautzberger, Michael: BauGB, § 179 Rn. 36 (Stand Mai 2001); siehe auch die Diskussion zu § 5 BBodSchG, unten Teil 2, § 3 III. 3. b) (4).
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Teil 2: Das geltende Recht
(3) Die Gründe der Entsiegelung Ein weiteres Tatbestandsmerkmal des Rückbau- bzw. Entsiegelungsgebotes stellt das Vorliegen einer der in § 179 Abs. 1 Nr. 1 oder 2 BauGB benannten Gründe dar. Demnach muss die bauliche Anlage bzw. Versiegelung entweder planwidrig sein oder Missstände oder Mängel aufweisen. Planwidrig ist eine Anlage oder Versiegelung dann, wenn sie mit den Festsetzungen des Bebauungsplanes nicht übereinstimmt und an diesen nicht angepasst werden kann. 661 Das Kriterium der Missstände oder Mängel wird in § 177 Abs. 2 bzw. 3 BauGB erläutert. Zu denken ist dabei an bauliche Anlagen oder Versiegelungen, die nicht den in puncto Wohn- und Arbeitsverhältnisse zu stellenden Ansprüchen genügen, nicht mehr bestimmungsgemäß benutzt werden, das Ortsbild beeinträchtigen oder erneuerungsbedürftig sind. 662 Hinzu muss jeweils kommen, dass die Duldungsanordnung im Sinne des § 175 Abs. 2 BauGB notwendig ist. 6 6 3 Demnach reicht es nicht aus, dass der bauliche Zustand „nur" im Widerspruch zur Planung steht. Notwendig ist vielmehr, dass die Gemeinde durch den Zustand der baulichen Anlage in ihrer städtebaulichen Entwicklung behindert wird 6 6 4 . Es müssen besondere städtebauliche Gründe vorliegen. 665 (4) Die Verfahrensweise Schließlich darf die Entsiegelung nach § 179 BauGB nur unter Einhaltung bestimmter Verfahrensweisen stattfinden. So setzt § 175 Abs. 1 BauGB die Erörterung der Maßnahme mit den Betroffenen voraus. 666 Des Weiteren ist zu beachten, 661
Krautzberger, Michael, in: Battis, Ulrich/ Krautzberger, Michael/Lohr, Rolf-Peter: Baugesetzbuch, § 179 Rn. 4; Beispiele für solche Festlegungen finden sich bei: Lüers, Hartwig: Baurechtliche Instrumente des Hochwasserschutzes, in: UPR 1996, S. 245; Stock, Jürgen, in: Ernst, Werner/Zinkahn, Willy/Bielenberg, Walter/Krautzberger, Michael: BauGB, § 179 Rn. 12 (Stand Mai 2001). 662 Neuhausen, Karl-Heinz, in: Brügelmann, Hermann: BauGB: § 179 Rn. 12 (Stand Aug. 1999); siehe auch OVG Bremen, in: NVwZ 1986, S. 764 (765). 663 Bielenberg, Walter/Stock, Jürgen, in: Ernst, Werner/Zinkahn, Willy /Bielenberg, Walter/Krautzberger, Michael: BauGB, § 179 Rn. 46 (Stand Mai 2001); Neuhausen, Karl-Heinz, in: Brügelmann, Hermann: BauGB, § 175 Rn. 17 (Stand Aug. 1999). 664
Krautzberger, Michael, in: Battis, Ulrich/Krautzberger, Michael/Lohr, Rolf-Peter: Baugesetzbuch, § 179 Rn. 6; vgl. auch: Köhler, Horst, in: Schrödter, Hans: Baugesetzbuch, § 175 Rn. 19 ff.; Bielenberg, Walter/Stock, Jürgen, in: Emst, Werner/Zinkahn, Willy/Bielenberg, Walter/Krautzberger, Michael: BauGB, § 175 Rn. 38 ff. (Stand Jan. 2003); SchmidtEichstaedt, Gerd: Sind die Vorschriften des BauGB zu den Städtebaulichen Geboten zum Zwecke der Bewältigung des Stadtumbaus novellierungsbedürftig?, in: DVB1. 2004, S. 267 f. 665 BVerwG, in: DVB1. 1990, S. 576 (579); Schimansky, Christian: Die rechtlichen Vorgaben für die Entsiegelung von Boden im deutschen Recht nach dem Erlass von § 5 BBodSchG, in: NuR 2001, S. 612; Neuhausen, Karl-Heinz, in: Brügelmann, Hermann: BauGB, § 179 Rn. 14 (Stand Aug. 1999); Neuhausen, Karl-Heinz: Die Planverwirklichungsgebote nach der Neufassung des Bundesbaugesetzes, in: NJW 1977, S. 784 und 786.
§ 3 Der nachsorgende Bodenschutz
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dass Entsiegelungs- und Rückbaugebot eine Inhalts- und Schrankenbestimmung des Eigentums darstellen. 667 Diese kann ausgleichspflichtig sein. Daher ordnet §179 Abs. 3 BauGB an, dass dem Eigentümer und sonstigen Nutzungsberechtigten für die durch die Beseitigung entstandenen Vermögensnachteile angemessen Entschädigung zu leisten ist. 6 6 8 Kein Kriterium ist dagegen die wirtschaftliche Zumutbarkeit, da es sich nur um ein Duldungsgebot handelt und dem Eigentümer der Abbruch nicht selbst aufgegeben wird. 6 6 9 Ebenfalls nicht zu berücksichtigen sind Aspekte des Bestandsschutzes, da es sich bei den Geboten des § 179 BauGB jeweils um verfassungsrechtlich unbedenkliche Konkretisierungen der Sozialbindung des Eigentums handelt. 670 Daher kann auf Grundlage des § 179 BauGB auch die Beseitigung legal errichteter baulicher Anlagen oder Versiegelungen verlangt werden. 671 c) Zusammenfassung Abschließend kann festgestellt werden, dass § 179 BauGB für den beplanten Innenbereich ein universell einsetzbares Instrument des nachsorgenden Bodenschutzes zur Verfügung stellt. In der Praxis wird die Norm allerdings nur zögerlich angewandt, was in erster Linie auf die aus verfassungsrechtlichen Gründen notwendigen Ausgleichszahlungen sowie die von der Gemeinde zu tragenden Kosten zurückzuführen ist. 6 7 2 666 Siehe dazu: Neuhausen, Karl-Heinz, in: Brügelmann, Hermann: BauGB, § 175 Rn. 8 ff. (Stand Aug. 1999). 667 Krautzberger, Michael, in: Battis, Ulrich / Krautzberger, Michael/Lohr, Rolf-Peter: Baugesetzbuch, vor 175-179 Rn. 4; Köhler, Horst, in: Schrödter, Hans: Baugesetzbuch, § 175 Rn. 6; a.A. Papier, Hans-Jürgen, in: Maunz, Theodor/Dürig: Günter: Grundgesetz Kommentar, Art. 14 Rn. 481 ff. (Stand Juni 2003). 668 Bielenberg, Walter/Stock, Jürgen, in: Ernst, Werner /Zinkahn, Willy / Bielenberg, Walter/Krautzberger, Michael: BauGB, § 179 Rn. 50 (Stand Mai 2001); vgl. auch: SchmidtEichstaedt, Gerd: Sind die Vorschriften des BauGB zu den Städtebaulichen Geboten zum Zwecke der Bewältigung des Stadtumbaus novellierungsbedürftig?, in: DVB1.2004, S. 269 ff., der hier rechtspolitischen Handlungsbedarf sieht. 669 Bielenberg, Walter/Stock, Jürgen, in: Ernst, Werner/Zinkahn, Willy /Bielenberg, Walter/Krautzberger, Michael: BauGB, § 179 Rn. 15 (Stand Mai 2001); Krautzberger, Michael, in: Battis, Ulrich/Krautzberger, Michael / Lohr, Rolf-Peter: Baugesetzbuch, § 179 Rn. 7. 67 0 Stock, Jürgen, in: Ernst, Werner/Zinkahn, Willy/Bielenberg, Walter /Krautzberger, Michael: BauGB, § 179 Rn. 63 f. (Stand Jan. 2003); vgl. auch: Breuer, Rüdiger: Die Bodennutzung im Konflikt zwischen Städtebau und Eigentumsgarantie, S. 417 ff. 671 Deutlich: OVG Bremen, in: NVwZ 1986, S. 764 (765). 67 2 Schimansky, Christian: Die rechtlichen Vorgaben für die Entsiegelung von Boden im deutschen Recht nach dem Erlass von § 5 BBodSchG, in: NuR 2001, S. 613; Schink, Alexander: Der Bodenschutz und seine Bedeutung für die nachhaltige städtebauliche Entwicklung, in: DVB1. 2000, S. 230; Rat von Sachverständigen für Umweltfragen: Schritte ins nächste Jahrtausend Umweltgutachten 2000, S. 46 Rn. 90; Hasche, Frank: Die Pflichten des BundesBodenschutzgesetzes, in: DVB1. 2000, S. 101.
11 Risch
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Teil 2: Das geltende Recht 3. Die Entsiegelung mittels § 5 BBodSchG
Den Aussagen des Gesetzgebers folgend, soll es sich bei § 5 BBodSchG u m eine der zentralen Normen des nachsorgenden Bodenschutzes handeln. 6 7 3 Ob dem tatsächlich so ist, wird auf den nachfolgenden Seiten zu zeigen sein. Vornweg ist jedoch zu bemerken, dass der Gesetzgeber bislang von der in § 5 S. 1 BBodSchG enthaltenen Ermächtigung zum Erlass einer Rechtsverordnung, durch die Grundstückseigentümer verpflichtet werden, Flächen, deren Versiegelung i m Widerspruch zu planungsrechtlichen Festsetzungen stehen, zu entsiegeln, noch nicht Gebrauch gemacht hat. Da jedoch ausweislich des § 5 S. 2 BBodSchG die nach Landesrecht zuständigen Behörden bis zur Geltung dieser Rechtsverordnung i m Einzelfall entsprechende Anordnungen treffen können, tut das gesetzgeberische Unterlassen des Bundes der Gesetzesanwendung keinen Abbruch.
a) Die Abgrenzung zu anderen Regelungen In der Literatur herrscht weitgehende Einigkeit darüber, dass das BBodSchG gegenüber den Normen des Baurechtes und anderen Gesetzen subsidiär ist. Jedoch besteht Uneinigkeit darüber, aufgrund welcher Vorschrift das Subsidiaritätsverhältnis besteht. Die herrschende Ansicht stützt den Vorrang auf die Abgrenzungsregelung des § 3 B B o d S c h G . 6 7 4 Demnach ergibt sich aus der Erwähnung der Formulierung „soweit" in § 3 Abs. 1 BBodSchG eine Abgrenzung der Anwendungsberei67 3 Gesetzentwurf der Bundesregierung: Entwurf eines Gesetzes zum Schutz des Bodens, in: BT-Drs. 13/6701, S. 15, 20 36. 67 4 Sondermann, Wolf Dieter/Terfer, Stephanie, in: Versteyl, Ludger-Anselm/Sondermann, Wolf Dieter: BBodSchG, § 3 Rn. 63; Bickel, Christian: Bundes- Bodenschutzgesetz, § 5 Rn. 2; Schönfeld, Thomas, in: Oerder, Michael/Nürnberger, Ulrich/Schönfeld, Thomas: Bundes-Bodenschutzgesetz, § 5 Rn. 2; Sanden, Joachim, in: Sanden, Joachim/Schoeneck, Stefan: Bundesbodenschutzgesetz, § 3 Rn. 13 ff.; Erbguth, Wilfried/Stollmann, Frank: Das neue Bodenschutzrecht des Bundes, in: GewArch 1999, S. 227; Hasche, Frank: Die Pflichten des Bundes-Bodenschutzgesetzes, in: DVB1. 2000, S. 97 f.; Tomerius, Stephan: Bundes-Bodenschutzgesetz und kommunales Flächenrecycling, in: ZUR 1999, S. 81; Schimansky, Christian: Die rechtlichen Vorgaben für die Entsiegelung von Boden im deutschen Recht nach dem Erlass von § 5 BBodSchG, in: NuR 2001, S. 614; Otto, Franz: Zum Nebeneinander von Städtebaurecht und Bundesbodenschutzgesetz, in: BauR 2000, S. 313 f.; Notter, Harald: Bodenschutz ist mehr als Bundes-Bodenschutzgesetz, in: NuR 1999, S. 541; Dombert, Matthias, in: Landmann, Robert von/Rohmer, Gustav: Umweltrecht, 9.1. BBodSchG, § 5 Rn. 16 (Stand Mai 2000); Kratzenberg, Rüdiger: Berührungen und Überschneidungen des BundesBodenschutzgesetzes mit dem Städtebaurecht, in: Oldiges Martin (Hrsg.): Das neue BundesBodenschutzgesetz - Fragen und Erwartungen, S. 50; a.A. Vogg, Reinei; in: Landel, Christoph/Vogg, Rainer/Wüterich, Christoph: Bundesbodenschutzgesetz, § 5 Rn. 5; Hendler, Reinhard: Das Bodenschutzgesetz im System des Umweltschutzes, in: Hendler, Reinhard/ Marburger, Peter/Reinhardt, Michael / Schröder, Meinhard (Hrsg.): Bodenschutz und Umweltrecht, S. 107; Gaßner, Hartmut/Willand, Achim/Fischer, Jochen/Pippke, Nicole: Anforderungen an die Wiederherstellung von Bodenfunktionen nach der Entsiegelung, S. 11 ff.
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che. § 5 BBodSchG wäre also gegenüber den in den in § 3 Abs. 1 BBodSchG genannten Gesetzen enthaltenen Regelungen des nachsorgenden Bodenschutzes nachrangig. Dieser Ansicht ist jedoch zu widersprechen. Der Anwendungsbereich der Abgrenzungsvorschrift des § 3 Abs. 1 BBodSchG findet ausweislich seines ersten Satzes ausschließlich auf schädliche Bodenveränderungen und Altlasten Anwendung. Aus den bereits oben dargelegten Gründen handelt es sich bei der Versiegelung des Bodens jedoch nicht um eine schädliche Bodenveränderung. 675 Daher richtet sich die Abgrenzung zwischen § 5 BBodSchG und dem übrigen Recht ausschließlich nach § 5 BBodSchG. 676 Ein Subsidiaritätsverhältnis besteht daher allein gegenüber den Normen des Baurechtes. Fraglich ist, nach welchen Kriterien beurteilt wird, ob neben § 179 Abs. 1 BauGB noch Raum für die Anwendung des § 5 BBodSchG ist. In der Literatur werden zu diesem Problem verschiedene Meinungen vertreten. Einer ersten Ansicht folgend regelt § 179 Abs. 1 BauGB allein zunächst einmal nichts. 677 Die Norm begründe lediglich eine Duldungspflicht, keine Handlungspflicht. Eine Duldungspflicht sei aber keine im Sinne des BBodSchG ausreichende Einschränkung, sodass bezüglich einer Entsiegelungspflicht eine Regelungslücke bestünde.678 Diese Ansicht verkennt aber, dass § 5 BBodSchG kein bestimmtes Niveau der Regelung verlangt und daher auch eine Duldungspflicht eine ausreichende Regelung darstellt. 679 Des Weiteren geht aus der Begründung zum Regierungsentwurf des BBodSchG klar hervor, dass der Gesetzgeber den Anwendungsbereich des § 5 BBodSchG mittels des § 179 Abs. 1 BauGB einschränken wollte. 6 8 0 Dieser Ansatz ist daher zu verwerfen. Eine weitere Möglichkeit, dem Anwendungsvorrang von Bauordnungs- und Bauplanungsrecht gerecht zu werden, besteht darin, den Begriff der baulichen An675 siehe oben Teil 2, § 2IV. 2. c). 676 Vogg, Reinei; in: Landel, Christoph/Vogg, Rainer/Wüterich, Christoph: Bundesbodenschutzgesetz, § 5 Rn. 5; Hendler, Reinhard: Das Bodenschutzgesetz im System des Umweltschutzes, in: Hendler, Reinhard/Marburger, Peter/Reinhardt, Michael / Schröder, Meinhard (Hrsg.): Bodenschutz und Umweltrecht, S. 107; Gaßner, Hartmut/Willand, Achim/Fischer, Jochen/Pippke, Nicole: Anforderungen an die Wiederherstellung von Bodenfunktionen nach der Entsiegelung, S. 11 ff. 677 Otto, Franz: Zum Nebeneinander von Städtebaurecht und Bundesbodenschutzgesetz, in: BauR 2000, S. 313 f.; Peine, Franz-Joseph: Risikoabschätzung im Bodenschutz, in: DVB1. 1998, S. 160 f. 678 Peine, Franz-Joseph: Risikoabschätzung im Bodenschutz, in: DVB1. 1998, S. 160 f. 679 Hasche, Frank: Die Pflichten des Bundes-Bodenschutzgesetzes, in: DVB1. 2000, S. 98; Bickel, Christian: Bundes-Bodenschutzgesetz, § 3 Rn. 1; Landel, Christoph, in: Landel, Christoph/Vogg, Rainer /Wüterich, Christoph: Bundesbodenschutzgesetz, § 3 Rn. 7; Versteyl, Ludger-Anslem, in: Versteyl, Ludger-Anselm/Sondermann, Wolf Dieter: BBodSchG, § 5 Rn. 13. 680 Vgl. Gesetzentwurf der Bundesregierung: Entwurf eines Gesetzes zum Schutz des Bodens, in: BT-Drs. 13/6701, S. 23, 32, 36. 1
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Teil 2: Das geltende Recht
läge heranzuziehen. 681 Demnach sei das Rückbau- und Entsiegelungsgebot des § 179 Abs. 1 BauGB bezüglich der Beseitigung baulicher Anlagen eine speziellere Norm, und das BBodSchG wäre auf bauliche Anlagen nicht anwendbar. 6 8 2 Folglich bliebe § 5 BBodSchG nur in den Fällen einschlägig, in denen die Versiegelung nicht durch eine bauliche Anlage verursacht wurde. Zur Begründung wird darauf verwiesen, dass der Gesetzgeber in der Begründung zum BBodSchG ausdrücklich davon spricht, dass § 5 BBodSchG auf baulichen Anlagen keine Anwendung finden solle, da dieser Fall bei der Änderung des BauGB berücksichtigt w u r d e . 6 8 3 Was eine bauliche Anlage ist, ergebe sich aus den Bauordnungen der Länder. 6 8 4 Jedoch ist dieser Ansatz zur Bestimmung des Anwendungsbereiches von § 5 BBodSchG mit mehreren schwerwiegenden Problemen befangen. Z u m einen legen die Vertreter dieser Ansicht der Auslegung in unzutreffender Weise den bauordnungsrechtlichen Begriff der baulichen Anlage zugrunde. Wenn in Gesetz und Gesetzesbegründung der Begriff der baulichen Anlage erwähnt wird, ist darunter jedoch eine bauliche Anlage i m Sinne des BauGB zu verstehen. 6 8 5 Wenn der zutreffende bundesrechtliche Begriff der baulichen Anlage zugrunde gelegt wird, schrumpft der Anwendungsbereich des § 5 BBodSchG erheblich, was zu einer substanziellen Entwertung der Norm f ü h r t . 6 8 6 Dies kann nicht Ziel des Gesetzgebers 681
Sanden, Joachim, in: Sanden, Joachim / Schoeneck, Stefan: Bundesbodenschutzgesetz, § 5 Rn. 4; Bickel, Christian: Bundes-Bodenschutzgesetz, § 5 Rn. 1 f.; Dombert, Matthias, in: Landmann, Robert von/Rohmer, Gustav: Umweltrecht, 9.1. BBodSchG, § 5 Rn. 16 ff. (Stand Mai 2000); Himmelman, Steffen: in Himmelmann, Steffen / Pohl, Andreas /Tünnessen-Harmes, Christian: Handbuch des Umweltrechts, Β 8, Rn. 50 (Stand Aug. 2000); Brandt, Edmund /Sanden, Joachim: Verstärkter Bodenschutz durch die Verzahnung von Bau- und Raumordnungsrecht und Bodenschutzrecht, in: UPR 1999, S. 369; Notier, Harald: Bodenschutz ist mehr als Bundes-Bodenschutzgesetz, in: NuR 1999, S. 541; Knopp, Lothar/Lohr, Dirk: Das Bundes-Bodenschutzgesetz in der betrieblichen und steuerlichen Praxis, Rn. 334; Vierhaus, Hans-Peter: Das Bundes-Bodenschutzgesetz, in: NJW 1998, S. 1263. 682
Bickel, Christian: Bundes-Bodenschutzgesetz, § 5 Rn. 2; Sanden, Joachim, in: Sanden, Joachim/Schoeneck, Stefan: Bundesbodenschutzgesetz, § 5 Rn. 3 f.; Brandt, Edmund/Sanden, Joachim: Verstärkter Bodenschutz durch die Verzahnung von Bau- und Raumordnungsrecht und Bodenschutzrecht, in: UPR 1999, S. 369. 683 Gesetzentwurf der Bundesregierung: Entwurf eines Gesetzes zum Schutz des Bodens, in: BT-Drs. 13/6701, S. 23, 32. 684 Himmelman, Steffen, in: Himmelmann, Steffen / Pohl, Andreas / Tünnessen-Harmes, Christian: Handbuch des Umweltrechts, Β 8, Rn. 50 (Stand Aug. 2000); Bickel, Christian: Bundes-Bodenschutzgesetz, § 5 Rn. 2; Sanden, Joachim, in: Sanden, Joachim / Schoeneck, Stefan: Bundesbodenschutzgesetz, § 5 Rn. 4. 6S5 Hasche, Frank: Die Pflichten des Bundes-Bodenschutzgesetzes, in: DVB1. 2000, S. 98; Schönfeld, Thomas, in: Oerder, Michael / Nürnberger, Ulrich / Schönfeld, Thomas: BundesBodenschutzgesetz, § 5 Rn. 4; vgl. Gesetzentwurf der Bundesregierung: Entwurf eines Gesetzes zum Schutz des Bodens, in: BT-Drs. 13/6701, S. 23, 32, 36. 686
Hendler, Reinhard: Das Bodenschutzgesetz im System des Umweltschutzes, in: Hendler, Reinhard/Marburger, Peter/Reinhardt, Michael / Schröder, Meinhard (Hrsg.): Bodenschutz und Umweltrecht, S. 108; Versteyl, Ludger-Anslem, in: Versteyl, Ludger-Anselm / Sondermann, Wolf Dieter: BBodSchG, § 5 Rn. 15.
§ 3 Der nachsorgende Bodenschutz
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gewesen sein. 687 Zum anderen regelt § 179 Abs. 1 BauGB mitnichten die Beseitigung jeglicher baulichen Anlagen, sondern nur die der im beplanten Innenbereich gelegenen. Das entscheidende Argument ergibt sich jedoch daraus, dass § 179 Abs. 1 BauGB keineswegs nur die Beseitigung baulicher Anlagen regelt. Aufgrund des § 179 Abs. 1 S. 2 BauGB können auch Flächen, die nicht aufgrund baulicher Einwirkungen versiegelt wurden, sondern ζ. B. verdichtet sind, entsiegelt werden. 688 Dieser Ansatz ist daher als nicht tragfähig zu verwerfen. Schließlich ist hier ein dritter Lösungsansatz zu erwähnen, der die Anwendungsbereiche von Bauplanungs- bzw. Bauordnungsrecht und Bodenschutzrecht mittels des räumlichen Geltungsbereiches des Bebauungsplanes abgrenzt. 689 Demnach sei § 179 Abs. 1 BauGB nur im Geltungsbereich eines Bebauungsplanes anwendbar. In den Gebieten, für die kein Bebauungsplan besteht, ist dagegen der Anwendungsbereich des § 5 BBodSchG eröffnet. Die Vertreter dieser Position begründen ihre Ansicht damit, dass nur bei Nutzung dieses Abgrenzungskriteriums dem Willen des Gesetzgebers wirklich Rechnung getragen werde. Bei Erlass des BBodSchG verfolgte der Gesetzgeber mehrere Ziele. Zum einen soll der Boden als wichtiges Umweltmedium vor Versiegelung geschützt und nach Möglichkeit entsiegelt werden. 690 Zum anderen war der Gesetzgeber bestrebt, durch eine trennscharfe Abgrenzung zum BauGB Abgrenzungsprobleme zu vermeiden. 691 Ein ernstzunehmender Schutz des Bodens vor Versiegelung setzt einen weiten Anwendungsbereich der Normen voraus, die den Boden schützen bzw. Entsiegelungsanordnungen zulassen. Die beiden Gesetze, die Entsiegelungspflichten ermöglichen, sollten 687 Dem § 5 BBodSchG würde sonst weitestgehend das Merkmal des programmierten Vollzugsdefizits anhaften. [Leitzke, Claus: Kritische Anmerkungen zum Entwurf des Bundesbodenschutzgesetzes, in: ThürVBl 1997, S. 145]. 688 Schlichter, Otto/Stich, Rudolf: Berliner Schwerpunkte-Kommentar zum Baugesetzbuch 1998, § 179 Rn. 3; Hendler, Reinhard: Das Bodenschutzgesetz im System des Umweltschutzes, in: Hendler, Reinhard/Marburger, Peter/Reinhardt, Michael / Schröder, Meinhard (Hrsg.): Bodenschutz und Umweltrecht, S. 109 ff.; Hasche, Frank: Die Pflichten des BundesBodenschutzgesetzes, in: DVB1. 2000, S. 99; Schimansky, Christian: Die rechtlichen Vorgaben für die Entsiegelung von Boden im deutschen Recht nach dem Erlass von § 5 BBodSchG, in: NuR 2001, S. 615. 689
Hendler, Reinhard: Das Bodenschutzgesetz im System des Umweltschutzes, in: Hendler, Reinhard/Marburger, Peter /Reinhardt, Michael / Schröder, Meinhard (Hrsg.): Bodenschutz und Umweltrecht, S. 112; Vogg, Reinei; in: Landel, Christoph/Vogg, Rainer/Wüterich, Christoph: Bundesbodenschutzgesetz, § 5 Rn. 5; Versteyl, Ludger-Anslem, in: Versteyl, Ludger-Anselm/ Sondermann, Wolf Dieter: BBodSchG, § 5 Rn. 15; Tomerius, Stephan: Bundes-Bodenschutzgesetz und kommunales Flächenrecycling, in: ZUR 1999, S. 80 f.; Schink, Alexander: Der Bodenschutz und seine Bedeutung für die nachhaltige städtebauliche Entwicklung, in: DVB1. 2000, S. 223, 230; Gaßner, Hartmut/Willand, Achim/Fischer, Jochen/ Pippke, Nicole: Anforderungen an die Wiederherstellung von Bodenfunktionen nach der Entsiegelung, S. 14 ff. 690
Gesetzentwurf der Bundesregierung: in: BT-Drs. 13/6701, S. 15, 36. 691 Gesetzentwurf der Bundesregierung: in: BT-Drs. 13/6701, S. 31.
Entwurf eines Gesetzes zum Schutz des Bodens, Entwurf eines Gesetzes zum Schutz des Bodens,
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Teil 2: Das geltende Recht
gemeinsam alle denkbaren versiegelten Flächen erfassen. Dies ist notwendig, um ein Gegengewicht zum Rächenverbrauch einer Industriegesellschaft zu schaffen. 6 9 2 Diese flächendeckende Wirkung ist nur bei der hier vorgeschlagenen Abgrenzung gewährleistet. 693 Zum zweiten muss der Regelungsbereich des § 5 BBodSchG klar zu dem des § 179 Abs. 1 BauGB abgrenzbar sein. 694 Nur so kann die dem Anliegen des Versiegelungsschutzes hinderliche Unsicherheit über die anzuwendende Rechtsgrundlage einer Anordnung vermieden werden. Diesem Ziel kann ebenfalls nur die hier dargestellte Meinung voll entsprechen. Das Abgrenzungskriterium des Geltungsbereiches eines Bebauungsplanes ist für die zuständige Behörde leicht zu handhaben. Im Regelfall reicht ein Blick in den Bebauungsplan aus, um festzustellen, ob die Entsiegelungsanordnung nach § 5 BBodSchG oder nach § 179 Abs. 1 BauGB ergehen kann. 695 Jedoch sieht sich diese Position dem Einwand ausgesetzt, das entgegen des Wortlautes der Gesetzesbegründung, der Anwendungsbereich des BBodSchG auch bei Versiegelungen eröffnet wäre, die auf bauliche Anlagen zurückzuführen sind. Eine derartige Auslegung des § 5 BBodSchG widerspräche dem deutlich geäußerten Willen des Gesetzgebers, jegliche Rächenversiegelung aufgrund baulicher Anlagen im BauGB zu behandeln.696 Der auf den Seiten 23, 32 und 36 der Gesetzesbegründung gebrauchten Formulierung, dass die Pflicht für bauliche Anlagen nicht in Betracht kommt, da durch die Änderung des BauGB speziellere Vorschriften geschaffen wurden, liegt scheinbar die Ansicht zugrunde, dass jegliche Versiegelung aufgrund baulicher Anlagen nach dem BauGB beseitigt werden kann. Tatsächlich regelt das BauGB aber nur die Versiegelung im Geltungsbereich eines Bebauungsplanes.697 Es handelt sich hier also um einen Widerspruch zwischen der Vorstellung, welche der Begründung des BBodSchG zugrundegelegt wurde, und dem tatsächlichen Regelungsgehalt des § 179 Abs. 1 BauGB. Dieser Widerspruch kann aufgelöst werden, wenn man das Ziel berücksichtigt, dass der Gesetzgeber mit dem Erlass des BBodSchG verfolgte. Entstehen sollte ein schlagkräftiges, der Dringlichkeit der Problemlage angemessenes Bodenrecht. 698 Diesem Anliegen kann nur entsprochen werden, wenn die hier 692 Gesetzentwurf der Bundesregierung: Entwurf eines Gesetzes zum Schutz des Bodens, in: BT-Drs. 13/6701, S. 36. 693 Versteyl, Ludger-Anslem, in: Versteyl, Ludger-Anselm/Sondermann, Wolf Dieter: BBodSchG, § 5 Rn. 15. 694 Sanden spricht von der Vermeidung von Doppelregelungen [Sanden, Joachim, in: Sanden, Joachim /Schoeneck, Stefan: Bundesbodenschutzgesetz, § 3 Rn. 1]. 695 Die von Leitzke geforderte Rechtsklarheit und Überschneidungsfreiheit ist gegeben [Leitzke, Claus: Kritische Anmerkungen zum Entwurf des Bundesbodenschutzgesetzes, in: ThürVBl 1997 S. 145]. 696 Notier, Harald: Bodenschutz ist mehr als Bundes-Bodenschutzgesetz, in: NuR 1999, S. 541. ™ Siehe oben Teil 2, § 3 III. 2. b) (1). 698 Gesetzentwurf der Bundesregierung: Entwurf eines Gesetzes zum Schutz des Bodens, in: BT-Drs. 13/6701, S. 1, 15 f., 19 f.; Ausschuss fir Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit: Beschlussempfehlung und Bericht, in: BT-Drs. 13/7891 S. 26, 28.
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vorgeschlagene räumliche Abgrenzung der Anwendungsbereiche vorgenommen wird. Eine am Wortlaut der Gesetzesbegründung orientierte Lösung würde dagegen zu dem nicht tragbaren Ergebnis führen, dass § 5 BBodSchG praktisch nicht anwendbar wäre. Im Ergebnis verdient daher die dritte Meinung den Vorzug. Der Abgrenzungsvorschrift des § 5 BBodSchG wird dahingehend entsprochen, dass das Rückbaugebot des § 179 Abs. 1 BauGB die Beseitigung baulicher Anlagen im Geltungsbereich eines Bebauungsplanes abschließend regelt. Auch für eine ergänzende Anwendung des § 5 BBodSchG im beplanten Innenbereich besteht kein Raum. 699 Ebenfalls gegenüber § 5 BBodSchG vorrangig ist die Entsiegelungsvorschrift des § 80 SächBO. 700 Nur soweit diese Normen keine Regelung treffen, ist § 5 BBodSchG anwendbar.
b) Die Anwendungsvoraussetzungen (1) Die dauerhaft nicht mehr genutzte Fläche Eine Voraussetzung einer Entsiegelungsanordnung ist, dass es sich um eine dauerhaft nicht mehr genutzte Räche handelt. 701 Unter einer dauerhaften Nichtnutzung ist gemäß des Regierungsentwurfes eine Räche zu verstehen, deren Versiegelung nicht nur kurz oder mittelfristig nicht mehr benötigt wird. 7 0 2 Die frühere Nutzung muss endgültig eingestellt sein. 703 Wie lange die Nichtnutzung schon andauern muss, damit von Dauerhaftigkeit ausgegangen werden kann, ergibt sich nicht aus dem Gesetz. Von Seiten der Literatur wird eine an § 24 LG NW orientierte 3-Jahres-Grenze vorgeschlagen. 704 Diese Überlegung ist plausibel, widerspricht 699 Versteyl, Ludger-Anslem, in: Versteyl, Ludger-Anselm/Sondermann, Wolf Dieter: BBodSchG, § 5 Rn. 17; Schimansky, Christian: Die rechtlichen Vorgaben für die Entsiegelung von Boden im deutschen Recht nach dem Erlass von § 5 BBodSchG, in: NuR 2001, S. 615; Schäfer, Kurt: Zur Subsidiarität des Bundes-Bodenschutzgesetzes, in: UPR 2001, S. 326; a.A. Schönfeld, Thomas, in: Oerder, Michael/Nürnberger, Ulrich/Schönfeld, Thomas: Bundes-Bodenschutzgesetz, § 5 Rn. 6; Schink, Alexander: Der Bodenschutz und seine Bedeutung für die nachhaltige städtebauliche Entwicklung, in: DVB1. 2000, S. 230. 700
Sanden, Joachim, in: Sanden, Joachim/Schoeneck, Stefan: Bundesbodenschutzgesetz, § 5 Rn. 12. 701 Zum Begriff der Fläche: Sanden, Joachim, in: Sanden, Joachim/Schoeneck, Stefan: Bundesbodenschutzgesetz, § 5 Rn. 14; Versteyl, Ludger-Anselm: Die Sanierung kontaminierter Flächen nach dem Bundes-Bodenschutzgesetz, in: Hendler, Reinhard/Marburger, Peter/ Reinhardt, Michael/Schröder, Meinhard (Hrsg.): Bodenschutz und Umweltrecht, S. 153 f. 702 Vgl. Gesetzentwurf der Bundesregierung: Entwurf eines Gesetzes zum Schutz des Bodens, in: BT-Drs. 13/6701, S. 36. 703 Schönfeld, Thomas, in: Oerder, Michael/Nürnberger, Ulrich/Schönfeld, Thomas: Bundes-Bodenschutzgesetz, § 5 Rn. 10; Vogg, Reiner, in: Landel, Christoph/Vogg, Rainer/ Wüterich, Christoph: Bundesbodenschutzgesetz, § 5 Rn. 18.
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aber der Intention des Gesetzgebers, sich nicht auf feste Zahlenwerte festzulegen. Letztendlich dürfte daher die zeitliche Grenze am ehesten in der Verwirkung des legitimen Nutzungsinteresses zu sehen sein. 705 Inhaltlich wird das Kriterium der dauerhaften Nichtnutzung durch zwei Faktoren gerechtfertigt. Zum einen wird der Anwendungsbereich der Norm durch dieses auf die Versiegelungen beschränkt, denen kein Bestandsschutz zukommt. 706 Zum anderen ist die Beschränkung dadurch begründet, dass § 5 BBodSchG keine Entschädigungsregelung beinhaltet und daher schon auf der Seite des Tatbestandes eine Eingrenzung auf weniger wertvolle Flächen notwendig ist.
(2) Der Widerspruch zu planungsrechtlichen Festsetzungen Damit eine Entsiegelungsanordung ergehen kann, muss es sich des Weiteren um eine Versiegelung handeln, die im Widerspruch zu planungsrechtlichen Festsetzungen steht. Gemeint ist damit, dass die Fläche in einem Plan in ausreichend konkreter Weise als nicht versiegelte Räche ausgewiesen wurde. 707 Das Kriterium der Planakzessorietät wurde schon im Gesetzgebungsverfahren angegriffen, 708 ist aber sachgerecht. 709 Eine wirksame Flächenentsiegelungspolitik, bei der auch darauf geachtet wird, größere entsiegelte Freiflächen zu schaffen, setzt am günstigsten auf planerischer Ebene an. Außerdem ist nur so der Gleichlauf mit dem ebenfalls planakzessorischen Rückbau und Entsiegelungsgebot zu gewährleisten. 710 704 Sanden, Joachim, in: Sanden, Joachim/Schoeneck, Stefan: Bundesbodenschutzgesetz, § 5 Rn. 18 f.; Gaßner, Hartmut/Willand, Achim/Fischer, Jochen/Pippke, Nicole: Anforderungen an die Wiederherstellung von Bodenfunktionen nach der Entsiegelung, S. 59 ff. 705 Statt vieler: Stock, Jürgen, in: Ernst, Werner/Zinkahn, Willy/Bielenberg, Walter/ Krautzberger, Michael: BauGB, § 179 Rn. 36 m. w. N. (Stand Mai 2001). 706 Sanden, Joachim, in: Sanden, Joachim / Schoeneck, Stefan: Bundesbodenschutzgesetz, § 5 Rn. 10, 17; Schönfeld, Thomas, in: Oerder, Michael/Nürnberger, Ulrich/Schönfeld, Thomas: Bundes-Bodenschutzgesetz, § 5 Rn. 10; Versteyl, Ludger-Anslem, in: Versteyl, LudgerAnselm/Sondermann, Wolf Dieter: BBodSchG, § 5 Rn. 18; Dombert, Matthias, in: Landmann, Robert von/Rohmer, Gustav: Umweltrecht, 9.1. BBodSchG, § 5 Rn. 31 f. (Stand Mai 2000).
™7 Vgl. Versteyl, Ludger-Anslem, in: Versteyl, Ludger-Anselm / Sondermann, Wolf Dieter: BBodSchG, § 5 Rn. 19; zu den Einzelheiten: Gaßner, Hartmut/Willand, Achim/Fischer, Jochen/Pippke, Nicole: Anforderungen an die Wiederherstellung von Bodenfunktionen nach der Entsiegelung, S. 61 ff. 708 Beispielsweise verzichteten die Änderungsanträge der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen zum Gesetzesentwurf der Bundesregierung auf dieses Kriterium [Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit: Beschlussempfehlung und Bericht, in: BT-Drs. 13/7891 S. 57]. 709
Sanden, Joachim, in: Sanden, Joachim / Schoeneck, Stefan: Bundesbodenschutzgesetz, § 5 Rn. 22 ff.; skeptisch: Schönfeld, Thomas, in: Oerder, Michael/Nürnberger, Ulrich/ Schönfeld, Thomas: Bundes-Bodenschutzgesetz, § 5 Rn. 11. 7 10 Wobei hier nicht verschwiegen werden soll, dass das Rückbau- bzw. Entsiegelungsgebot gegenüber dem verbindlichen Bebauungsplan akzessorisch ist und insofern aufgrund der Anknüpfung an verschiedene Pläne kein vollständiger Gleichlauf gewährleistet ist.
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(3) Das Ziel der Entsiegelung Ziel einer Anordnung auf Grundlage von § 5 BBodSchG ist allein die Erhaltung und Wiederherstellung der Leistungsfähigkeit der Bodenfunktionen im Sinne des § 1 BBodSchG. In Bezug auf den nachsorgenden Bodenschutz ist nur die Wiederherstellung der Leistungsfähigkeit von Interesse. Diese wird in der Literatur ausschließlich auf die natürlichen Funktionen des Bodens bezogen,711 was auch der hier vertretenen Ansicht entspricht. Zur Abstützung der Argumentation sei außerdem darauf verwiesen, dass Wiederherstellung mit dem Ziel einer wirtschaftlichen Bodennutzung auf der Grundlage von § 5 BBodSchG nicht erfolgen kann, da diese an dem hier vorausgesetzten entgegenstehenden Plan scheitern würde.
(4) Möglichkeit und Zumutbarkeit Schließlich macht § 5 BBodSchG die Entsiegelungsanordnung von der Möglichkeit und Zumutbarkeit der Erhaltung oder Wiederherstellung der Leistungsfähigkeit des Bodens abhängig. Die Entsiegelungsanordnung ist dann möglich, wenn sie sowohl technisch machbar als auch unter Beachtung anderer Gesetze durchführbar ist. 7 1 2 Die zweite Einschränkung, welcher der Anwendungsbereich des § 5 BBodSchG unterworfen ist, ergibt sich aus dem Kriterium der Verhältnismäßigkeit. Darunter ist zu verstehen, dass die Belastung des Eigentümers und die Belange der Allgemeinheit gegeneinander abgewogen werden müssen. Da diese Abwägung stark durch verfassungsrechtliche Aspekte geprägt ist, soll zunächst auf die verfassungsrechtliche Beurteilung des § 5 BBodSchG eingegangen werden. Erst nachdem geklärt ist, welche verfassungsrechtlichen Vorgaben bei der Auslegung des Begriffes der Verhältnismäßigkeit zu beachten sind, kann eine nähere Bestimmung dieses Kriteriums erfolgen. Die zentrale verfassungsrechtliche Bedeutung kommt hier Art. 14 GG zu. Dem entsprechend muss zunächst geklärt werden, ob die Lasten, die auf den Eigentümer der zu entsiegelnden Räche zukommen, den Schutzbereich des Eigentums berühren. Schutzgegenstand des Art. 14 GG ist das Eigentum im verfassungsrechtlichen Sinn. Dieses ist die Summe der vom Gesetzgeber gewährten Vermögenswerten Rechte. 713 Durch die Entsiegelungsanordnung verliert der Betroffene die Ver711 Vogg, Reinei; in: Landel, Christoph / Vogg, Rainer/Wüterich, Christoph: Bundesbodenschutzgesetz, § 5 Rn. 8 ff.; Sanden, Joachim, in: Sanden, Joachim/Schoeneck, Stefan: Bundesbodenschutzgesetz, § 5 Rn. 31 f. 712 Vogg, Reinei; in: Landel, Christoph / Vogg, Rainer/Wüterich, Christoph: Bundesbodenschutzgesetz, § 5 Rn. 15; Sanden, Joachim, in: Sanden, Joachim/Schoeneck, Stefan: Bundesbodenschutzgesetz, § 5 Rn. 34.
713 BVerfGE 58, S. 300 (336); 58, S. 81 (109 f.); 24, S. 367 (396); Depenheuer, Otto, in: Mangoldt, Hermann / Klein, Friedrich /Starck, Christian: Das Bonner Grundgesetz Band 1, Art. 14 Rn. 113.
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Teil 2: Das geltende Recht
Siegelung. Die Versiegelung als solche kann entsprechend § 94 Abs. 1 BGB in Verbindung mit § 93 BGB nicht Gegenstand besonderer Rechte sein und ist daher kein Recht im Sinne des Art. 14 GG. Ebenfalls nicht von Art. 14 GG geschützt ist das durch die Anordnung der Entsiegelung geschmälerte Vermögen des Betroffenen. 714 Daher kann allein das Grundstück bzw. dessen Wertverlust Anknüpfungspunkt für Art. 14 GG sein. Im Folgenden ist daher zu fragen, ob der durch Entsiegelung möglicherweise eintretende Wertverlust des Grundstückes als Enteignung im Sinne des Art. 14 Abs. 3 GG oder als Inhalts- und Schrankenbestimmung im Sinne des Art. 14 Abs. 1 S. 2 GG zu bewerten ist. Die Anordnung, eine Fläche zu entsiegeln, erfüllt die Kriterien des vom BVerfG geprägten Enteignungsbegriffes nicht. 715 Weder liegt ein Güterbeschaffungsvorgang vor, noch wird die sachenrechtliche Zuordnung verändert. Außerdem ist die Ensiegelungsanordung nicht auf die Entziehung des Eigentums gerichtet, sondern bezweckt die Erhaltung oder Wiederherstellung der Leistungsfähigkeit des Bodens. 716 Daher handelt es sich bei der Entsiegelungspflicht um eine abstrakt generelle Inhaltsbestimmung des Eigentums. 717 An die hier getroffene Einordnung anschließend ist die Frage zu beantworten, ob die hier vorliegende Inhalts- und Schrankenbestimmung ausgleichspflichtig ist. Grundsätzlich ist eine Inhalts- und Schrankenbestimmung entschädigungslos. 7 1 8 Die grundgesetzliche Gewährleistung des Eigentums verlangt aber, dass der Gesetzgeber einen Ausgleich vorsieht, wenn andernfalls der einzelne Eigentümer unverhältnismäßig belastet würde. 719 Aus diesem Grund ist ein Ausgleich bei einer Inhalts- und Schrankenbestimmung erst dann zwingend, wenn der angestrebte Zweck in keinem Verhältnis zu dem bei dem Pflichtigen eingetretenen Rechtsverlust steht. 720 Erforderlich ist daher die der Schwere des Eingriffs für den Betroffenen angemessene Berücksichtigung im Rahmen einer Abwägung. 721 714 Ständige Rechtsprechung seit: BVerfGE 4, S. 7 (17); Wendt, Rudolf, in: Sachs, Michael: Grundgesetz Kommentar, Art. 14 Rn. 38 f.; Papier, Hans-Jürgen, in: Maunz, Theodor/ Dürig, Günter: Grundgesetz Kommentar, Art. 14 Rn. 3, 160 (Stand Juni 2002). 715 BVerfGE 58, S. 300 (331); Sanden, Joachim, in: Sanden, Joachim/Schoeneck, Stefan: Bundesbodenschutzgesetz, § 5 Rn. 6; Depenheuer, Otto, in: Mangoldt, Hermann / Klein, Friedrich/Starck, Christian: Das Bonner Grundgesetz Band 1, Art. 14 Rn. 164 ff. 716 Sanden, Joachim, in: Sanden, Joachim/Schoeneck, Stefan: Bundesbodenschutzgesetz, § 5 Rn. 6. 717 Versteyl, Ludger-Anslem, in: Versteyl, Ludger-Anselm/Sondermann, Wolf Dieter: BBodSchG, § 5 Rn. 3; Sanden, Joachim, in: Sanden, Joachim/Schoeneck, Stefan: Bundesbodenschutzgesetz, § 5 Rn. 6. 718 BVerfGE 100, S. 226 (245); Papier, Hans-Jürgen, in: Maunz, Theodor/Dürig, Günter: Grundgesetz Kommentar, Art. 14 Rn. 343 ff. (Stand Juni 2002). 719 BVerfGE 58, S. 137 (150); Bryde, Brun-Otto, in: v. Münch, Ingo/Kunig, Philip: Grundgesetz-Kommentar Band 1, Art. 14 Rn. 63; Papier, Hans-Jürgen, in: Maunz, Theodor/ Dürig, Günter: Grundgesetz Kommentar, Art. 14 Rn. 348 (Stand Juni 2002). 720 Vgl. Depenheuer, Otto, in: Mangoldt, Hermann /Klein, Friedrich/Starck, Christian: Das Bonner Grundgesetz Band 1, Art. 14 Rn. 244; Ossenbühl, Fritz: Ausgleichspflichtige
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Das Interesse der Allgemeinheit an der Beseitigung nicht mehr benötigter Versiegelungen ergibt sich aus dem ökologischen Wert unversiegelten Bodens. Hinzuweisen ist insbesondere auf den Ausgleich des Flächenverbrauches, 722 die Verhinderung von Hochwasser durch Wiederherstellung geeignete Versickerungsflächen 723 und die Beseitigung der schädlichen Auswirkungen der Flächenversiegelung auf das Klima. 7 2 4 Des Weiteren ist nur der unversiegelte Boden Träger elementarer ökologischer Funktionen. Schließlich wird das Gewicht der Belange der Allgemeinheit durch die erhöhte Sozialbindung des Bodens noch verstärkt. 725 Der Gesetzgeber ist demnach in besonderem Maße befugt, das Rechtsgebiet der Bodennutzung öffentlich-rechtlich auszugestalten.726 Auf der anderen Seite muss das Ausmaß des finanziellen Verlustes für den Eigentümer bedacht werden. Dessen Grundstück erleidet einen Wertverlust in Höhe des Wertes der Versiegelung. Allerdings muss auch berücksichtigt werden, dass eine Beseitigungsanordnung nach § 5 S. 1 BBodSchG nur ergehen kann, wenn die Versiegelung dauerhaft nicht mehr genutzt wird und im Widerspruch zu planungsrechtlichen Festsetzungen steht. Es handelt sich also um Versiegelungen, die nicht mehr genutzt werden können und bei denen eine erneute Nutzung, an der diese ausschließenden planungsrechtlichen Festsetzung scheitern würde. Der auf die Anwesenheit der Versiegelung zurückzuführende Wertzuwachs des Grundstückes ist daher im Regelfall klein. 7 2 7 Das finanzielle Interesse des Eigentümers am Erhalt einer Versiegelung ist zumeist von geringem Gewicht. Bei der Bewertung der Belange der Allgemeinheit und der des Eigentümers stellt man fest, dass die Belange der Allgemeinheit im Regelfall von überwiegenInhaltsbestimmungen des Eigentums, in: Wendt, Rudolf/Höfling, Wolfram/Karpen, Ulrich/ Oldiges, Martin (Hrsg.): Staat, Wirtschaft, Recht, Festschrift für Karl Heinrich Friauf zum 65. Geburtstag, S. 400. 721 Zu den Einzelheiten der Abgrenzung: Depenheuer, Otto, in: Mangoldt, Hermann/ Klein, Friedrich/Starck, Christian: Das Bonner Grundgesetz Band 1, Art. 14 Rn. 258 ff.; Bryde, Brun-Otto, in: v. Münch, Ingo/Kunig, Philip: Grundgesetz-Kommentar Band 1, Art. 14 Rn. 65. 722 Gesetzentwurf der Bundesregierung: Entwurf eines Gesetzes zum Schutz des Bodens, in: BT-Drs. 13/6701, S. 36; vgl. auch: Vogg, Reinei; in: Landel, Christoph/Vogg, Rainer/ Wüterich, Christoph: Bundesbodenschutzgesetz, Einführung A, Rn. 71 ff.; Sanden, Joachim, in: Sanden, Joachim/Schoeneck, Stefan: Bundesbodenschutzgesetz, § 5 Rn. 1. 723 Sanden, Joachim, in: Sanden, Joachim/Schoeneck, Stefan: Bundesbodenschutzgesetz, § 5 Rn. 8. 724 Siehe dazu oben Teil 1, § 2 II. 72 5 BVerfGE 104, S. 1 (12); 52, S. 1 (32 f.); 21, S. 73 (82 f.); Depenheuer, Otto, in: Mangoldt, Hermann/Klein, Friedrich/Starck, Christian: Das Bonner Grundgesetz Band 1, Art. 14 Rn. 289 ff. 72 * BVerfGE 21, S. 73 (82 f.); Bryde, Brun-Otto, in: v. Münch, Ingo/Kunig, Philip: Grundgesetz-Kommentar, Art. 14 Rn. 14. 727 Dombert, Matthias, in: Landmann, Robert von /Rohmer, Gustav: Umweltrecht, 9.1. BBodSchG, § 5 Rn. 32 (Stand Mai 2000); Sanden, Joachim, in: Sanden, Joachim/Schoeneck, Stefan: Bundesbodenschutzgesetz, § 5 Rn. 9.
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Teil 2: Das geltende Recht
dem Gewicht sind. Daher handelt es sich bei einer Entsiegelungsanordnung um eine Inhalts- und Schrankenbestimmung, die zumeist nicht ausgleichspflichtig ist. Denkbar sind jedoch Fälle, in denen die Versiegelung trotz aktueller Nichtnutzung und fehlender zukünftiger Nutzbarkeit einen hohen Wert hat und den Interessen des Eigentümers entsprechend schwerer wiegen. Wenn in diesem Fall das Interesse der Allgemeinheit an einer Entsiegelung gering wiegt, kann es dazu kommen, dass die Entsiegelungsanordnung zu einer unverhältnismäßigen Belastung des Eigentümers führt. In diesen Fällen wäre die Inhalts- und Schrankenbestimmung des Eigentums ausgleichspflichtig. Allerdings sieht das BBodSchG für den Falle einer unverhältnismäßigen Belastung des Eigentümers keinen Ausgleich vor. Ein Gesetz, das zu einer ausgleichspflichtigen Inhalts- und Schrankenbestimmung führt, aber keinen Ausgleich vorsieht, ist insoweit nichtig. 728 Daraus folgt, dass das BBodSchG auf die Fälle in denen die Entsiegelungsanordnung zu einer ausgleichspflichtigen Inhalts- und Schrankenbestimmung des Eigentums führt, nicht anwendbar ist. Im Ergebnis ist daher festzuhalten, dass das Kriterium der Verhältnismäßigkeit nur dann gewahrt ist, wenn es sich bei der Entsiegelungsanordnung um eine nicht ausgleichspflichtige Inhalts- und Schrankenbestimmung handelt. 729 Übersteigt dagegen das Interesse des Betroffenen die Belange der Allgemeinheit signifikant, so handelt es sich um eine verfassungswidrige, weil unverhältnismäßige Anwendung des Gesetzes.
c) Zwischenergebnis Am Ende der Untersuchung des § 5 BBodSchG steht die Erkenntnis, dass diese Regelung ein nützliches und zum Teil taugliches Instrument des nachsorgenden Bodenschutzes bildet. Betrachtet man den räumlichen Anwendungsbereich, so fällt auf, dass dieser alle unbeplanten Flächen in Innen- und Außenbereich erfasst und damit die von § 179 Abs. 1 BauGB hinterlassenen Lücken abdeckt. In inhaltlicher Hinsicht ist zu bemerken, dass § 5 BBodSchG zwar nur über einen stark eingegrenzten Tatbestand verfügt, diese Einschränkungen jedoch angesichts des verfassungsrechtlichen und realpolitischen Rahmens als angemessen zu bezeichnen sind. Eine effektivere bodenschützende Regelung wäre nur zum Preis von Ausgleichszahlungen möglich gewesen. Insofern scheint die gegenüber § 5 BBodSchG vorgebrachte Kritik 7 3 0 unangemessen. 728 BVerfGE 52, S. 137 (152); BVerwGE 94, S. 1 (8); Depenheuer, Otto, in: Mangoldt, Hermann / Klein, Friedrich / Starck, Christian: Das Bonner Grundgesetz Band 1, Art. 14 Rn. 248. 729 So auch: Gaßner, Hartmut/ Willand, Achim/Fischer, Jochen/Pippke, Nicole: Anforderungen an die Wiederherstellung von Bodenfunktionen nach der Entsiegelung, S. 111 f. 730 Siehe ζ. B. Schimansky, Christian: Die rechtlichen Vorgaben für die Entsiegelung von Boden im deutschen Recht nach dem Erlass von § 5 BBodSchG, in: NuR 2001, S. 617; Erbguth, Wilfried/Stollmann, Frank: Das neue Bodenschutzrecht des Bundes, in: GewArch 1999, S. 231.
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4. Der unbeplante Innenbereich Ein besonderes Problemfeld des quantitativen Bodenschutzes ist der unbeplante Innenbereich im Sinne des § 34 BauGB. Dieser ist weder mit dem unbeplanten Außenbereich noch mit dem beplanten Innenbereich wirklich vergleichbar. Daher stellt sich die Frage, ob eine Entsiegelung nach § 5 S. 1 BBodSchG, die prinzipiell möglich erscheint, auch tatsächlich durchführbar ist. Probleme stellen sich hier allein in verfassungsrechtlicher Hinsicht. Infolge der abweichenden Voraussetzungen ist hier zu prüfen, ob das oben zu Art. 14 GG gefällte Urteil auch hier Bestand haben kann. Des Weiteren ist zu klären, ob die unterschiedliche Behandlung von beplantem und unbeplantem Innenbereich in kostenrechtlicher Hinsicht mit Art. 3 Abs. 1 GG vereinbar ist.
a) Art. 14 GG im unbeplanten Innenbereich Wie oben dargestellt, verbirgt sich hinter der Frage nach der Zumutbarkeit einer Entsiegelungsanordnung das Problem, bis zu welcher Grenze eine Inhalts- und Schrankenbestimmung des Eigentums ohne Ausgleich verhältnismäßig ist. Daher ist zu klären, ob eine Entsiegelung im unbeplanten Innenbereich ebenfalls eine zulässige und nicht ausgleichspflichtige Inhalts- und Schrankenbestimmung ist. Auch im Innenbereich ist bei einer Untersuchung der für die Verhältnismäßigkeit auch ohne Ausgleich sprechenden öffentlichen Belange in erster Linie an ökologische Gründe zu denken. Auch der Innenbereich erfüllt - wenn auch in geringerem Umfang als der Außenbereich - wichtige ökologische Funktionen. 731 Exemplarisch kann hier auf die Wertung des § 2 Abs. 1 Nr. 10 BNatSchG verwiesen werden. 732 Im Gegensatz dazu hat sich das Gewicht der in Rede stehenden Belange des Eigentümers nicht verändert. Der einzige private Belang, der berücksichtigt werden muss, ist der durch die erzwungene Beseitigung der Versiegelung entstandene Wertverlust des Grundstücks. Bei der Bewertung der einschlägigen privaten und öffentlichen Belange ist festzustellen, dass die Belange der Allgemeinheit auch hier in der Regel von überragendem Gewicht sind. Eine Entsiegelungsanordnung nach § 5 BBodSchG ist daher auch im unbeplanten Innenbereich eine nicht ausgleichspflichtige Inhalts- und Schrankenbestimmung. Jedoch hängt die Schwelle der Ausgleichspflicht hier infolge des höheren Grundstückswertes und des etwas geringeren Gewichts der Belange der Allgemeinheit tiefer als im Außenbereich.
731
Siehe zu den Funktionen des unversiegelten Bodens Teil 1, § 2 II. Dazu: Gellermann, Martin, in: Landmann, Robert von /Rohmer, Gustav: Umweltrecht, 11, § 1 BNatSchG, Rn. 11 (Stand Aug. 2002). 732
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Teil 2: Das geltende Recht
b) Die Ungleichbehandlung von beplantem und unbeplantem Innenbereich Eine zweite bedenkenswerte verfassungsrechtliche Vorgabe ist die des Art. 3 Abs. 1 GG. Es stellt sich die Frage, ob die ungleiche Behandlung von beplantem und unbeplantem Innenbereich Art. 3 Abs. 1 GG verletzt. Eine Verletzung des Art. 3 Abs. 1 GG liegt vor, wenn eine Gruppe von Normadressaten im Vergleich zu anderen Normadressaten anders behandelt wird, obwohl zwischen beiden Gruppen keine Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, dass sie die ungleiche Behandlung rechtfertigen können. 733 Daher sind im Folgenden zunächst die Unterschiede der beiden Entsiegelungsvorschriften aufzuzeigen. Anschließend stellt sich die Frage, ob die Ungleichbehandlung durch entsprechende Unterschiede in der Sache gerechtfertigt ist. Zu einer Ungleichbehandlung von Grundstückseigentümern im beplanten Innenbereich im Verhältnis zu denen von Grundstücken im unbeplanten Innenbereich kommt es in Bezug auf die Kosten der Entsiegelung. Im beplanten Innenbereich erfolgt die Entsiegelung auf der Grundlage von § 179 Abs. 1 BauGB. Das heißt, dem Eigentümer wird lediglich die Duldung der Beseitigung einer baulichen Anlage bzw. sonstigen Versiegelung aufgegeben. Die Kosten der Beseitigung trägt die Gemeinde. Im Gegensatz dazu ist der Eigentümer einer im unbeplanten Innenbereich gelegenen Fläche nach § 5 BBodSchG selbst zur Entsiegelung verpflichtet. Angesichts dieser Ungleichbehandlung stellt sich die Frage, ob diese durch in der Sache liegenden Unterschiede gerechtfertigt ist. Zu denken wäre hier - in Anlehnung an die Unterschiede zwischen Innenbereich und Außenbereich - an die ökologische Funktion des Bodens, an raumplanerische Überlegungen sowie an die unterschiedliche Belastung des Betroffenen. In Bezug auf den ökologischen Wert der Fläche ist festzustellen, dass zwischen unbeplantem und beplantem Innenbereich insoweit keine Unterschiede bestehen. Im Gegensatz zum Außenbereich ist der unbeplante Innenbereich nicht durch eine intaktere Natur, unzerschnittene Flächen oder durch seine Funktion als Lebensraum gekennzeichnet. Er weist in seiner naturräumlichen Ausstattung üblicherweise keine Unterschiede zum beplanten Innenbereich auf. Daher lässt sich eine unterschiedliche Behandlung der beiden Räume nicht durch ökologische Gründe rechtfertigen. Auch aus raumplanerischen Überlegungen bietet sich hier kein ausreichender Grund für die Differenzierung. Der unbeplante Innenbereich ist dem beplanten Innenbereich in Bezug auf das Bauplanungsrecht weitgehend gleichgestellt.734 Beide Räume sind prinzipiell für die Bebauung und damit für die Versiegelung vorgesehen. Schließlich stellt sich die Frage, ob nicht die Höhe der Belastung des jeweilig Betroffenen eine unter-
733 BVerfGE 55 S. 72 (88); vgl. dazu statt vieler: Starck, Christian, in: Mangoldt, Hermann/Klein, Friedrich/Starck, Christian: Das Bonner Grundgesetz Band 1, Art. 3 Rn. 10 ff. 734 Vgl. nur Dürr, Hansjochen, in: Briigelmann, Hermann: BauGB, § 34 Rn. 2 ff. (Stand: Dez. 2002).
§ 3 Der nachsorgende Bodenschutz
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schiedliche Belastung rechtfertigt. Dies wäre dann der Fall, wenn Eigentümer von Grundstücken im beplanten Innenbereich durch die Anordnung der Entsiegelung insgesamt schwerer getroffen würden als die Eigentümer solcher im unbeplanten Innenbereich. Unter diesen Umständen wäre es gerechtfertigt, durch die unterschiedliche Behandlung im Punkt Entsiegelungskosten einen Ausgleich vorzunehmen. Jedoch stellt sich die Situation gerade gegenteilig dar. Der Eigentümer einer Versiegelung im beplanten Innenbereich ist gemäß § 179 Abs. 3 BauGB für Vermögensnachteile zu entschädigen, er ist also auch in diesem Punkt nicht schlechter gestellt. Daher ist die Höhe der Belastung ebenfalls kein hinreichender Grund für die Ungleichbehandlung. Abschließend ist festzuhalten, dass die ungleiche Behandlung von Grundstückseigentümern in beplantem bzw. unbeplantem Innenbereich nicht durch entsprechende Unterschiede in der Sache gerechtfertigt ist. 7 3 5 c) Ergebnis Die Anordnung der Entsiegelung einer Fläche im unbeplanten Innenbereich auf Grundlage des § 5 BBodSchG ist infolge des zwangsläufig mit der Normanwendung verbundenen Verstoßes gegen Art. 3 Abs. 1 GG nicht möglich. 736 Für die Entsiegelung von Flächen im unbeplanten Innenbereich ergibt sich daher folgende Situation. Paragraph 179 I BauGB ist mangels Bebauungsplanes nicht anwendbar. Die Entsiegelung nach § 80 SächsBO kommt nur in speziellen Fällen in Betracht. Und § 5 S. 1 BBodSchG ist wegen Verstoßes gegen Art. 3 Abs. 1 GG nicht anwendbar. Für eine Entsiegelung von aufgrund baulicher Anlagen versiegelter Flächen im unbeplanten Innenbereich gibt es daher - abgesehen von § 80 SächsBO keine Rechtsgrundlage. Eine Entsiegelungsanordnung kann nicht ergehen.
5. Sonstige Regelungen Der umfassende Ansatz der Untersuchung gebietet es zu überprüfen, ob das BBodSchG oder die Bodenschutzgesetze der Länder weitere Normen beinhalten, die für den nachsorgenden Bodenschutz von Bedeutung sein könnten. Im Bereich des BBodSchG erscheint eine Entsiegelungsanordnung auf der Grundlage von § 4 Abs. 3 BBodSchG möglich. Diese scheitert jedoch daran, dass es sich bei Versiegelungen nicht um eine in § 4 Abs. 3 BBodSchG für die Anwendung vorausgesetzte schädliche Bodenveränderung handelt. Ähnliches gilt für die Bodenschutzgesetze 735 Ergänzend ist darauf hinzuweisen, dass auch nach alter Rechtsprechung des BVerfG [BVerfGE 12, S. 341 (348)] keine Rechtfertigung möglich ist. 736 Vgl. für die Gegenauffassung: Sanden, Joachim, in: Sanden, Joachim/Schoeneck, Stefan: Bundes-Bodenschutzgesetz, § 5 Rn. 9; Versteyl, Ludger-Anslem, in: Versteyl, LudgerAnselm/Sondermann, Wolf Dieter: BBodSchG, § 5 Rn. 3.
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Teil 2: Das geltende Recht
der Länder. Da die Landesbodenschutzgesetze auf dem bundesrechtlichen Begriff der schädlichen Bodenveränderung aufbauen, kann eine Entsiegelungsanordnung nicht im Rahmen der allgemeinen Sanierungsvorschriften (§ 7 Sächs ABG) ergehen. Eine § 5 BBodSchG vergleichbare Regelung enthalten die Bodenschutzgesetze der Länder nicht.
6. Zusammenfassung Abschließend ist festzustellen, dass der nachsorgende Bodenschutz auf der Ebene der Einzelfallentscheidung durch 3 Elemente geprägt ist. Universell anwendbar ist die Möglichkeit, die Beseitigung illegal errichteter baulicher Anlagen mittels der Bauordnungen der Länder durchzusetzen. Im beplanten Bereich erfolgt die Entsiegelung ehemaliger baulicher Anlagen und sonstiger Versiegelungen auf der Grundlage von § 179 Abs. 1 BauGB. Im unbeplanten Außenbereich kann eine Entsiegelungsanordnung nach § 5 BBodSchG ergehen. Einzig im unbeplanten Innenbereich besteht, abgesehen von § 80 SächsBO, keine Möglichkeit, die Entsiegelung einer Fläche zu verlangen.
IV. Ergebnis Zieht man eine Bilanz über die Regelungen des nachsorgenden Bodenschutzes, so fallen zwei Dinge auf. Zum einen wird der nachsorgende Bodenschutz ganz wesentlich von den einzelfallbezogenen Regelungen geprägt. Schutzgebiete spielen in nachsorgender Hinsicht nahezu keine, planungsrechtliche Instrumente nur eine begrenzte Rolle. Diese etwas ungleichgewichtige Verteilung schlägt sich auch in den zu beobachtenden Defiziten nieder. Zum anderen ist festzustellen, dass das Ergebnis der Untersuchung über den nachsorgenden Bodenschutz mit dem des vorangegangenen Paragraphen vergleichbar ist. Auch im nachsorgenden Bereich sind sowohl die prinzipielle Eignung der vorhandenen Gesetze zur Problemlösung, als auch eine Reihe von Problemen festzustellen.
1. Wirksamkeit in der Fläche Im allgemeinen ist festzustellen, dass das Recht des nachsorgenden Bodenschutzes den Anforderungen durchaus genügt. Im beplanten Innenbereich ist eine Umplanung hin zu unversiegelten Flächen und der entsprechende Vollzug zumindest prinzipiell möglich. Im Außenbereich erscheint es angesichts des geringen Versiegelungsgrades angemessen, es mit dem geltenden Recht bei Regelungen des Einzelfalles bewenden zu lassen. Die fehlenden Aussagen planungsrechtlicher Normen sind daher kein Defizit. Als problematisch erweist sich jedoch der unbeplante
§ 4 Gesamtergebnis des 2. Teils
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Innenbereich. In diesem ist allein der nicht universell einsetzbare § 80 SächsBO anwendbar. Daher ist es angemessen, von einem Defizit im unbeplanten Innenbereich zu sprechen. 2. Prinzipielle juristische Eignung Bei der Bewertung der prinzipiellen juristischen Eignung der Instrumente des nachsorgenden Bodenschutzes ist zunächst zu bemerken, dass die Erwartungen schon aus verfassungsrechtlichen Gründen nicht zu weit gespannt werden dürfen. Aus den bereits oben dargestellten Gründen steht der Bestandsschutz einer Entsiegelung des Grundstücks grundsätzlich entgegen. Raum für eine Beseitigung der Versiegelung besteht daher nur in drei Fällen: einer illegalen Versiegelung, einer Versiegelung, die als sozialwidrig einzustufen ist oder in dem Fall, dass der Bestandsschutz infolge längerer Nichtnutzung erloschen ist. Daher ist zu fragen, ob das geltende Recht innerhalb dieses - zugegebenermaßen sehr schmalen Rahmens - möglichst umfassend zum Bodenschutz beiträgt. Die Antwort fällt - mit gewissen Einschränkungen - positiv aus. Der Gesetzgeber hat in allen drei Bereichen jeweils angemessene Regelungen geschaffen. Die getroffenen Regelungen gehen zwar nicht immer an die Grenze des Möglichen, sind insgesamt aber sowohl in Bezug auf die Entscheidungsfindung, die Tatbestandsvoraussetzungen und die Rechtsfolgen ausreichend. Probleme bestehen jedoch in zwei Bereichen. Zum einen ist die auch schon an anderer Stelle beklagte fehlende Operationalisierung des Bodens zu nennen, die sich hier insbesondere in planerischen Entscheidungen äußert. Zum anderen ist die extrem wirkungshemmende unzureichende finanzielle Ausstattung der für die Entsiegelung Verantwortlichen zu nennen. Ein schärferes Entsiegelungsrecht muss geradezu zwangsläufig stärker in die Rechte der Bürger eingreifen und ist daher unbedingt auf entsprechende Mittel angewiesen, um die Verhältnismäßigkeit durch Ausgleichszahlungen herstellen zu können. Als Folgewirkung der unzureichenden Mittel weist § 5 BBodSchG keine Regelung für Ausgleichszahlungen auf und ist in seinem Anwendungsbereich stark beschränkt. Daher ist das geltende Recht im nachsorgenden Bereich ebenfalls als teilweise defizitär einzuschätzen.737
§ 4 Gesamtergebnis des 2. Teils Fragt man nun, wie die Gesamtbilanz des geltenden Bodenschutzrechtes ausfällt, so ist die Antwort ambivalent. Natürlich ist es im Bodenschutzrecht in den letzten Jahren zu bedeutenden Fortschritten gekommen. Ereignisse, wie das der Schärfung der Bodenschutzklausel durch das BauROG oder die Einführung des 737 Vgl. dazu bereits: Kauch, Petra: Bodenschutz aus bundesrechtlicher Sicht, S. 220. 12 Risch
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Teil 2: Das geltende Recht
BBodSchG, haben die Situation wesentlich verbessert. Im Unterschied zu älteren Arbeiten ist es jetzt überhaupt möglich, die selbständige Kategorie des nachsorgenden Bodenschutzes zu untersuchen. 738 Jedoch darf diese positive Entwicklung nicht zu verfehltem Optimismus verleiten. Die geltende Rechtslage weist eine Vielzahl von Mängeln auf. Im Einzelnen ist auf die folgenden Problempunkte aufmerksam zu machen. Die Wirksamkeit in der Fläche ist besonders im unbeplanten Innenbereich unzureichend. Auf diesen Flächen kommt weder eine Anwendung der entscheidenden planungsrechtlichen Normen, noch die durchschlagender einzelfallbezogener Regelungen in Betracht. Außerdem gibt es - von § 80 SächsBO abgesehen - keine Entsiegelungsvorschrift, die den unbeplanten Innenbereich erfasst. Zwar ist zuzugeben, dass es dem Problem angesichts der meist eher schlechten naturräumlichen Ausstattung des Innenbereiches und der Tatsache, dass die Konzentration der Versiegelung im Innenbereich sinnvoll ist, an Dringlichkeit mangelt, jedoch ist der Zustand dennoch defizitär. An zweiter Stelle ist zu beklagen, dass die Operationalisierbarkeit des Mediums Boden zu gering ist. Der quantitativen Bodenschutz fließt zwar in nahezu alle ihn betreffenden Entscheidungen ein, jedoch ist der Einfluss auf das Ergebnis begrenzt. Dieses aus dem Umweltschutzrecht allgemein bekannte Problem ist hier insbesondere bei den planerischen Instrumenten von Bedeutung. In der Praxis äußert sich das Problem dahingehend, dass die praktisch getroffenen planerischen Entscheidungen zumeist weit hinter dem zurückbleiben, was gesetzlich möglich und unter bodenschützenden Gesichtspunkten wünschenswert wäre. Ein dritter in negativer Hinsicht bemerkenswerter Punkt ist die Vielzahl bedeutender Ausnahmeregelungen, die sich in bodenschützenden Gesetzen finden. Natürlich kann - insbesondere in Anbetracht der oben aufgespannten verfassungsrechtlichen Rahmenbedingungen - die Notwendigkeit von Ausnahmeregelungen nicht bestritten werden, jedoch wurde im Bodenschutzrecht bisweilen stark über das Notwendige hinausgegangen.739 Beispielsweise sind hier § 8 Abs. 1 SächsBO, die Normen der Schutzgebiete, § 35 Abs. 4 BauGB aber auch die naturschutzrechtliche Eingriffsregelung zu nennen. In all diesen Fällen kommt es in der Praxis häufig zu einer Fehlgewichtung des Ausnahmefalles, die am Ende auch in der geringen Operationalisierung des Mediums Boden begründet ist. Des Weiteren ist zu bemängeln, dass im quantitativen Bodenschutzrecht keine § 4 Abs. 1 BBodSchG vergleichbare allgemeine Handlungspflicht besteht. Deren Fehlen führt dazu, dass keinerlei Pflicht für den Bürger besteht, den Boden über das in den Spezialgesetzen verlangte Maß hinaus zu schützen. Schließlich wird die Wirksamkeit des geltenden Bodenschutzrechts, vor allem im nachsorgenden Bereich, stark durch die unzureichende monetäre Ausstattung 738 739
Siehe dazu: Kauch, Petra: Bodenschutz aus bundesrechtlicher Sicht, S. 31 ff. Vgl. dazu bereits: Kauch, Petra: Bodenschutz aus bundesrechtlicher Sicht, S. 208.
§ 4 Gesamtergebnis des 2. Teils
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gehemmt. In vielen Bereichen des Bodenschutzrechts besteht die Notwendigkeit, die Verhältnismäßigkeit der Belastung durch Ausgleichszahlungen herzustellen. Zu denken ist nur an die Ausweisung von Schutzgebieten, die Umplanung vorher bebaubarer Areale oder die Entsiegelung. Wenn der Gesetzgeber nun entweder auf Ausgleichsregelungen verzichtet und damit den Anwendungsbereich der Normen verringert oder Normen aufgrund fehlender Mittel faktisch nicht vollziehbar sind, so liegt darin ein erhebliches Defizit. Eine Lösung der hier genannten Probleme wäre demnach in einem Instrument zu suchen, das flächendeckend anwendbar ist, die Operationalisierbarkeit des Bodens erhöht, wenige Ausnahmeregelungen aufweist, universell einsetzbar ist und im Idealfall zu einem Finanzaufkommen führt. Ob es ein Instrument gibt, das diese Anforderungen erfüllen kann und mit der Verfassung vereinbar ist, wird im dritten Teil zu klären sein.
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Teil 3 Neue Instrumente z u r Begrenzung des Bodenverbrauches § 1 Der Gang der Darstellung Angesichts der soeben diagnostizierten Defizite des geltenden Rechts stellt sich die Frage, ob die im Folgenden zu diskutierenden neuen Instrumente Abhilfe schaffen können. Zur Klärung dessen soll zunächst eine überblicksartige Darstellung der vertretenen ökonomischen Ansätze erfolgen. Diese wird mit einer Eingrenzung des Untersuchungsgegenstandes einhergehen. Die Vorstellung der beiden hier zu diskutierenden Instrumente - der handelbaren Flächenausweisungsrechte und der Versiegelungsrechte - schließt sich an. Diese werden jeweils in ihrer Gestaltung, ihrer rechtlichen Zulässigkeit, sowie in ihrer praktischen Wirkung beleuchtet. Das Schwergewicht liegt dabei auf der Auseinandersetzung mit den grundlegenden verfassungsrechtlichen Problemen. Dieser Teil der Arbeit schließt mit einer Bewertung der neuen Instrumente in Bezug auf ihre Eignung zur Defizitminderung.
§ 2 Grundlagen I. Das Verhältnis der ökonomischen Verhaltenssteuerung zum Ordnungsrecht Bei den hier in Rede stehenden neuen Instrumenten zur Begrenzung des Bodenverbrauches handelt es sich um solche, die auf dem Gedanken der ökonomischen Verhaltenssteuerung beruhen. Dieser ursprünglich finanzwissenschaftliche Ansatz basiert im Gegensatz zum Ordnungsrecht nicht auf Geboten oder Verboten, sondern auf der indirekten Beeinflussung des Bürgers. Die Mittel der Beeinflussung sind in diesem Fall monetär, das heißt, ein bestimmtes Verhalten - hier die Versiegelung des Bodens - wird nicht untersagt, sondern mit einer Abgabenpflicht oder der Notwendigkeit, Zertifikate zu erwerben, verknüpft. 1 Angesichts dieses mögli1
Hendler, Reinhard: Umweltzertifikate und Umweltordnungsrecht, in: Eberle, Carl-Eugen/Ibler, Martin /Lorenz, Dieter (Hrsg.): Der Wandel des Staates vor den Herausforderungen der Gegenwart, Festschrift für Winfried Brohm zum 70. Geburtstag, S. 377 f.
§ 2 Grundlagen
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chen Wechsels der gesetzgeberischen Herangehensweise stellt sich zunächst die Frage, warum hier der Einsatz von Instrumenten der ökonomischen Verhaltenssteuerung und nicht eine Verschärfung des Ordnungsrechtes in Betracht gezogen wird. 2 Bevor die aufgeworfene Frage beantwortet werden kann, muss jedoch noch einmal Klarheit über den Hintergrund der Fragestellung hergestellt werden. Wenn sogleich eine Gegenüberstellung des Ordnungsrechtes und der ökonomischen Instrumente vorgenommen wird, so erfolgt dies allein in Hinblick auf den konkreten Untersuchungsgegenstand, den Schutz des Bodens vor Versiegelung. Ein - letztlich fruchtloser 3 - abstrakter Vergleich staatlicher Handlungsformen soll nicht erfolgen. Für eine Bewältigung der Bodenversiegelungsproblematik mittels einer Verschärfung des Ordnungsrechtes sprechen zunächst die bekannten Qualitäten des Ordnungsrechtes. Diese bestehen in der unbestrittenen Eignung zur Herstellung eines verbindlichen Mindest-Umweltstandards 4 und in der Möglichkeit der Verwaltung, schnell auf Notfälle zu reagieren. 5 Weiterhin stellen lokale Konzentrationsprobleme (hot Spots) für das Ordnungsrecht kein Problem dar. 6 Schließlich ist her-
2
Vgl. zum gesamten Komplex: Franz, Holger: Implementierung eines Systems handelbarer Emissionszertifikate in das deutsche Recht nach dem Vorbild des amerikanischen Acid Rain Program, S. 14 ff. 3 Rat von Sachverständigen flir Umweltfragen: Für eine dauerhaft-umweltgerechte Entwicklung, Umweltgutachten 1994, S. 150; Lübbe-Wolf Gertrude: Instrumente des Umweltrechts - Leistungsfähigkeit und Leistungsgrenzen, in: NVwZ 2001, S. 481 ff.; Hendler, Reinhard: Umweltzertifikate und Umweltordnungsrecht, in: Eberle, Carl-Eugen/Ibler, Martin/ Lorenz, Dieter (Hrsg.): Der Wandel des Staates vor den Herausforderungen der Gegenwart, Festschrift für Winfried Brohm zum 70. Geburtstag, S. 381 f., 384; Rehbinder, Eckard: Übertragbare Umweltgenehmigungen (Lizenzen) aus juristischer Sicht, in: Bonus, Holger (Hrsg.): Umweltzertifikate, Ζ AU Sonderheft 9, S. 71; Schulte, Martin: Wer steuert den Umweltstaat Ordnungsrecht oder Marktwirtschaft, in: Oebbecke, Janbernd/Bauer, Joachim/Faber, Angela (Hrsg.): Umweltrecht und Kommunalrecht, S. 88 ff.; vgl. auch: Franz, Holger: Implementierung eines Systems handelbarer Emissionszertifikate in das deutsche Recht nach dem Vorbild des amerikanischen Acid Rain Program, S. 46 f.; siehe dazu auch die Gutachten, Referate und Diskussionsbeiträge zum 63. deutschen Juristentag [Ständige Deputation des deutschen Juristentages: Verhandlungen des dreiundsechzigsten deutschen Juristentages, S. E 12 ff., E 18 ff., E 24, E 27 f., Ν 26 ff., Ν 103]. 4
Rat von Sachverständigen für Umweltfragen: Für eine dauerhaft-umweltgerechte Entwicklung, Umweltgutachten 1994, S. 149; Lübbe-Wolf, Gertrude: Instrumente des Umweltrechts - Leistungsfähigkeit und Leistungsgrenzen, in: NVwZ 2001, S. 483. 5 Hendler, Reinhard: Umweltzertifikate und Umweltordnungsrecht, in: Eberle, Carl-Eugen/Ibler, Martin / Lorenz, Dieter (Hrsg.): Der Wandel des Staates vor den Herausforderungen der Gegenwart, Festschrift für Winfried Brohm zum 70. Geburtstag, S. 375. 6 Lübbe-Wolf, Gertrude: Instrumente des Umweltrechts - Leistungsfähigkeit und Leistungsgrenzen, in: NVwZ 2001, S. 484; vgl. Franz, Holger: Implementierung eines Systems handelbarer Emissionszertifikate in das deutsche Recht nach dem Vorbild des amerikanischen Acid Rain Program, S. 33.
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Teil 3: Neue Instrumente zur Begrenzung des Bodenerbrauches
vorzuheben, dass unter Zugrundelegung ordnungsrechtlicher Instrumente keine nennenswerten Umgehungsmöglichkeiten bestehen. Jedoch gibt es auch Faktoren, die gegen eine alleinige Problembewältigung durch eine Verschärfung des Ordnungsrechtes sprechen. Der bedeutendste Nachteil ordnungsrechtlicher Lösungen besteht darin, dass diese mit Grenzwerten arbeiten, ζ. B. in Gestalt der maximal überbaubaren Grundstücksfläche (§16 Abs. 2 Nr. 1 BauNVO) und kein Anreiz gesetzt wird, diese zu unterschreiten. 7 Der Eigentümer eines Grundstückes verhielte sich sogar ökonomisch unvernünftig, wenn er die ihm behördlicherseits zuerkannte Versiegelungsgenehmigung nicht bis zum Letzten ausreizt. Des Weiteren wird dem Ordnungsrecht ein mit dem Freiheitsanspruch der Bürger wenig konformer repressiver Charakter zugeschrieben.8 Schließlich weisen rein ordnungsrechtliche Ansätze den Nachteil auf, dass sie in ökonomischer Hinsicht ineffizient sind.9 Bei der Neuversiegelung von Flächen kann es zu einer unter wirtschaftlichen und sozialen Maßstäben unangemessenen Verteilung der Neuversiegelung kommen. Die unnötig ausgewiesenen und erschlossenen Gewerbegebiete der neuen Bundesländer legen hiervon Zeugnis ab. Auch bei der Entsiegelung wäre eine ähnliche Ineffizienz zu befürchten. Mittels ordnungsrechtlicher Instrumente kann - unterschiedliche Entsiegelungskosten unterstellt - nicht sichergestellt werden, dass die Entsiegelung an den geeignetsten Orten erfolgt. Angesichts der dargelegten Vor- und Nachteile stellt sich die Frage, ob anstelle einer vollständigen Fixierung auf das Ordnungsrecht hier nicht ein ergänzender Einsatz ökonomischer Instrumente in Betracht kommt. Hierzu ist auf der einen Seite auszuführen, dass ökonomische Instrumente in den Aspekten Vorzüge aufweisen, in denen die Nachteile des Ordnungsrechtes zu suchen sind. Sie erzeugen nicht nur bis zur Erreichung eines Grenzwertes Handlungsdruck, sondern knüpfen 7
Rat von Sachverständigen für Umweltfragen: Für eine dauerhaft-umweltgerechte Entwicklung, Umweltgutachten 1994, S. 149 f.; Hendler, Reinhard: Umweltzertifikate und Umweltordnungsrecht, in: Eberle, Carl-Eugen/Ibler, Martin/Lorenz, Dieter (Hrsg.): Der Wandel des Staates vor den Herausforderungen der Gegenwart, Festschrift für Winfried Brohm zum 70. Geburtstag, S. 376; Hendler, Reinhard /Heimlich, Jörn: Lenkung durch Abgaben, in: ZRP 2000, S. 326. 8 Hendler, Reinhard: Umweltzertifikate und Umweltordnungsrecht, in: Eberle, Carl-Eugen/Ibler, Martin/Lorenz, Dieter (Hrsg.): Der Wandel des Staates vor den Herausforderungen der Gegenwart, Festschrift für Winfried Brohm zum 70. Geburtstag, S. 375. 9 Rat von Sachverständigen für Umweltfragen: Für eine dauerhaft-umweltgerechte Entwicklung, Umweltgutachten 1994, S. 149; Hendler, Reinhard: Umweltzertifikate und Umweltordnungsrecht, in: Eberle, Carl-Eugen/Ibler, Martin/Lorenz, Dieter (Hrsg.): Der Wandel des Staates vor den Herausforderungen der Gegenwart, Festschrift für Winfried Brohm zum 70. Geburtstag, S. 377; Bonus, Holger: Preis- und Mengenlösungen in der Umweltpolitik, in: Jahrbuch für Sozial Wissenschaft 1991 S. 345; vermittelnd: Gawel, Erik: Umweltordnungsrecht - ökonomisch irrational? Die ökonomische Sicht, in: Gawel, Erik/Lübbe-Wolff, Gertrude (Hrsg.): Rationale Umweltpolitik - Rationales Umweltrecht, S. 250 ff., 269 ff.; skeptisch hierzu: Lübbe-Wolf, Gertrude: Instrumente des Umweltrechts - Leistungsfähigkeit und Leistungsgrenzen, in: NVwZ 2001, S. 482, 486; vgl.: Franz, Holger: Implementierung eines Systems handelbarer Emissionszertifikate in das deutsche Recht nach dem Vorbild des amerikanischen Acid Rain Program, S. 35 f.
§ 2 Grundlagen
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an jeden einzelnen versiegelten Quadratmeter Folgen. 10 Da jeder einzelne Quadratmeter mit der Abgabe bzw. dem Zertifikat belastet wird, entsteht ein andauernder Anreiz zur geringeren Versiegelung bzw. Entsiegelung. Des Weiteren lassen sie dem Bürger mehr Freiräume, eigenverantwortliche Entscheidungen zu treffen. 11 Außerdem stellen ökonomische Instrumente in erhöhter Weise sicher, dass Flächen nur noch für die Nutzungen in Anspruch genommen werden, die tragfähig sind. Insofern erhöht sich sowohl die Effizienz der Flächennutzung, als auch die der Entsiegelung.12 Schließlich ist daraufhinzuweisen, dass ökonomische Instrumente den Vorteil aufweisen, dass sie den oben formulierten Erwartungen genügen.13 Durch die Koppelung an eine finanzielle Belastung wird der Boden operationalisierbar - er erhält einen einfach auszudrückenden Wert. 14 Auch sind ökonomische Instrumente immer mit Einnahmen verbunden und daher aus Sicht des Bodenschutzes ebenfalls positiv zu bewerten. Auf der anderen Seite ist zu bedenken, dass ökonomische Instrumente keineswegs ein umweltpolitisches Allheilmittel darstellen, die keinerlei Nebenwirkungen aufweisen. Eine erste negative Eigenschaft ist darin zu sehen, dass ökonomische Instrumente nicht in der Lage sind, einen ökologischen Mindeststandard zu gewährleisten. Ein Verbot der Versiegelung einer bestimmten Fläche - ζ. B. eines Biotops - kann mit diesen nicht sichergestellt werden. Wenn der Versiegelungswillige die entsprechende Steuer/Gebühr zahlt oder Zertifikate erwirbt, gibt es keine Möglichkeit, ihn aufzuhalten. Jedoch ist dieser Nachteil vermeidbar. Wie oben schon angedeutet wurde, stellt sich hier nicht die Frage, ob das geltende Recht durch ökonomische Instrumente ersetzt werden soll, vielmehr geht es allein um eine Ergänzung. 15 Aus diesem Grunde stellt sich die Frage des Mindeststandards eigentlich nicht, da dieser durch das weitergeltende Ordnungs- und Planungsrecht sichergestellt wird. Insbesondere Schutzgebietsregelungen üben weiterhin ihre be10
Zimmermann, Horst /Hansjürgens, Bernd: Zertifikate im Instrumenten vergleich aus ordnungspolitischer Sicht, in: Bonus, Holger (Hrsg.): Umweltzertifikate, ZAU Sonderheft 9, S. 49 ff. 11
Rehbinder, Eckard: Übertragbare Umweltgenehmigungen (Lizenzen) aus juristischer Sicht, in: Bonus, Holger (Hrsg.): Umweltzertifikate, ZAU Sonderheft 9, S. 70; Zimmermann, Horst/Hansjürgens, Bernd: Zertifikate im Instrumentenvergleich aus ordnungspolitischer Sicht, in: Bonus, Holger (Hrsg.): Umweltzertifikate, ZAU Sonderheft 9, S. 57 f.; Lübbe-Wolf, Gertrude: Instrumente des Umweltrechts - Leistungsfähigkeit und Leistungsgrenzen, in: NVwZ 2001, S. 486; Hendler, Reinhard/Heimlich, Jörn: Lenkung durch Abgaben, in: ZRP 2000, S. 326. 12 Die von Lübbe-Wolf [Lübbe-Wolf, Gertrude: Instrumente des Umweltrechts - Leistungsfähigkeit und Leistungsgrenzen, in: NVwZ 2001, S. 482] befürchtete Nivellierung der Grenzkosten, ist bei der Entsiegelung nicht zu erwarten. 13 Siehe oben Teil 2, § 4. 14 Rat von Sachverständigen für Umweltfragen: Für eine dauerhaft-umweltgerechte Entwicklung, Umweltgutachten 1994, S. 153; Bizer, Kilian: Marktanaloge Instrumente im Naturund Landschaftsschutz, S. 109. 15 Rat von Sachverständigen für Umweltfragen: Für eine dauerhaft-umweltgerechte Entwicklung, Umweltgutachten 1994, S. 155; vgl. auch Teil 3, § 3 3. und Teil 3, § 4 3.
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Teil 3: Neue Instrumente zur Begrenzung des Boden Verbrauches
grenzende Wirkung aus. Ähnlich gelagert ist die Problematik der lokalen Konzentrationen (hot Spots), deren Bildung ebenfalls allein mittels ökonomischer Instrumente nicht zu verhindern ist. 16 Jedoch ist hierin kein Defizit zu erblicken, da insbesondere das geltende Bauplanungsrecht übermäßige Versiegelungskonzentrationen an einem Ort zu begrenzen weiß. Schließlich wird bezüglich der ökonomischen Instrumente zu bedenken gegeben, dass diese letztlich eine Kontingentierung darstellen, auf die von Seiten der Bürger üblicherweise mit Umgehungsversuchen reagiert wird. Jedoch stellt sich dieses Problem hier nicht - ein Schwarzhandel mit Bauland ist nicht denkbar. 17 Abschließend kann daher hier festgestellt werden, dass die Instrumente der ökonomischen Verhaltenssteuerung durchaus zur Problemlösung geeignet scheinen.18 Insbesondere angesichts der vielen Vorzüge dieser ist es lohnend, die Untersuchung auf sie zu konzentrieren. Aus diesen Gründen beschränkt sich die weitere Untersuchung allein auf die Frage der Eignung ökonomischer Instrumente zur Minderung des Defizits im Bodenschutz. Das weiterhin notwendige Ordnungsrecht wird nur so weit thematisiert, wie es aus Gründen des Zusammenspiels mit den ökonomischen Instrumenten und zur Vermeidung der auftretenden Nachteile notwendig ist.
I I . Die Struktur der Instrumente ökonomischer Verhaltenssteuerung Angesichts der soeben festgestellten Vorzugswürdigkeit ökonomischer Instrumente stellt sich sodann die Frage, wie diese ihrerseits zu untergliedern sind. Üblicherweise erfolgt die Differenzierung ökonomischer Instrumente anhand ihrer Wirkungsweise. Demnach sind Preis- und Mengeninstrumente zu unterscheiden.19 16
Dazu: Rehbinder, Eckard: Übertragbare Umweltgenehmigungen (Lizenzen) aus juristischer Sicht, in: Bonus, Holger (Hrsg.): Umweltzertifikate, ZAU Sonderheft 9, S. 72 f.; Karl, Helmut: Die räumliche Dimension einer Umweltpolitik mit Hilfe von Zertifikaten, in: Bonus, Holger (Hrsg.): Umweltzertifikate, ZAU Sonderheft 9, S. 82 ff. 17 Lübbe-Wolf, Gertrude: Instrumente des Umweltrechts - Leistungsfähigkeit und Leistungsgrenzen, in: NVwZ 2001, S. 488. 18 Rat von Sachverständigen für Umweltfragen: Für eine dauerhaft-umweltgerechte Entwicklung, Umweltgutachten 1994, S. 155; Bonus, Holger/Häder, Michael: Zertifikate und Neue Institutionen-Ökonomik, in: Bonus, Holger (Hrsg.): Umweltzertifikate, ZAU Sonderheft 9, S. 32; Lübbe-Wolf, Gertrude: Instrumente des Umweltrechts - Leistungsfähigkeit und Leistungsgrenzen, in: NVwZ 2001, S. 488; skeptisch: Schulte, Martin: Wer steuert den Umweltstaat - Ordnungsrecht oder Marktwirtschaft, in: Oebbecke, Janbernd /Bauer, Joachim/ Faber, Angela (Hrsg.): Umweltrecht und Kommunalrecht, S. 97 f. 19 Grundlegend: Bonus, Holger: Preis- und Mengenlösungen in der Umweltpolitik, in: Jahrbuch für Sozialwissenschaft 1991, S. 345 ff.; Maier-Rigaud, Gerhard: Umweltpolitik in Mengen und Märkten, S. 43 ff.; siehe auch: Franz, Holger: Implementierung eines Systems handelbarer Emissionszertifikate in das deutsche Recht nach dem Vorbild des amerikanischen Acid Rain Program, S. 26 ff.
§ 2 Grundlagen
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1. Preisinstrumente Preisinstrumente sind dadurch gekennzeichnet, dass für ein bestimmtes Gut oder Recht ein Preis festgelegt wird. Dieser Preis ist von allen an dem Gut oder Recht interessierten Marktteilnehmern zu entrichten. Nicht verbindlich festgelegt ist dagegen die Menge der verfügbaren Güter oder Rechte. Daher erhält jeder Marktteilnehmer, der bereit ist, den festgelegten Preis zu entrichten, ein Gut bzw. Recht. Eine Beeinflussung der nachgefragten Menge ist aus diesem Grund allein über die Wahl des Preises möglich. Erst wenn bestimmte Preisreaktionsschwellen überschritten sind, vermindert sich die Nachfrage. Zu den Preisinstrumenten zählen ζ. B. die Grundsteuer 20, Abgaben21, aber auch die naturschutzrechtliche Ausgleichsabgabe nach §§19 Abs. 4 BNatSchG/§ 9 Abs. 4 SächsNatSchG.
2. Mengenistrumente Mengeninstrumente sind demgegenüber dadurch gekennzeichnet, dass die Menge der in den Markt eingespeisten Güter bzw. Rechte fixiert ist. 22 Nicht festgelegt ist dagegen der Preis, sodass es infolge des am Markt vorhandenen Verhältnisses von Angebot und Nachfrage zu einer Preisbildung kommt. Der am Markt erzielte Preis kann daher vom Herausgeber der Güter oder Rechte allein über die Menge beeinflusst werden. Wird das Angebot bei gleichbleibender Nachfrage erhöht, sinken die Preise, umgekehrt kommt es bei einer starken Verknappung des Angebots zu einer Erhöhung des Preises. Zu den Mengeninstrumenten zählen Zertifikate, 23 wie sie ζ. B. im Emissionshandel zum Einsatz kommen und - auch wenn es sich bei ihr nicht um ein ökonomisches, sondern um ein ordnungsrechtliches Instrument handelt - die Versiegelungsbegrenzung auf raumordnerischer Ebene.24
20
Zur Reform dieser: Rodi, Michael: Die Grundsteuer als Instrument einer Flächenhaushaltspolitik, in: ZUR 2002, S. 164; Apel, Dieter: Ökonomische Instrumente zur flächensparenden und ressourcenschonenden Siedlungsentwicklung, in: Bergmann, Axel/Einig, Klaus/ Hutter, Gerard/Müller, Bernhard / Siedentop, Stefan (Hrsg.): Siedlungspolitik auf neuen Wegen, S. 245 ff. 21
Bizer, Kilian/Linscheid, Bodo/Ewrigmann, Dieter: Umweltabgaben in NordrheinWestfalen, S. 214 ff.; Bizer, Kilian /Linscheid, Bodo: Umweltabgaben in Nordrhein-Westfalen, in: ZfU 1999, S. 215. 22 Hendler, Reinhard: Umweltzertifikate und Umweltordnungsrecht, in: Eberle, Carl-Eugen/Ibler, Martin/Lorenz, Dieter (Hrsg.): Der Wandel des Staates vor den Herausforderungen der Gegenwart, Festschrift für Winfried Brohm zum 70. Geburtstag, S. 379. 23 Zu diesen sogleich unter Teil 3, § 3. 24 Einig, Klaus/Spieker Margarethe: Die rechtliche Zulässigkeit regionalplanerischer Mengenziele zur Begrenzung des Siedlungs- und Verkehrsflächen Wachstums, in: ZUR 2002, S. 150 ff.; Brand, Edmund/Sanden, Joachim: Verfassungsrechtliche Zulässigkeit neuer übergreifender Rechtsinstrumente zur Begrenzung des Flächen Verbrauchs, S. 22 ff.
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Teil 3: Neue Instrumente zur Begrenzung des Boden Verbrauches
3. Diskussion der Instrumente Im Sinne der hier verfolgten Zielstellung stellt sich nun die Frage, welche der beiden Instrumentengruppen vorzugswürdig ist. Auf den ersten Blick erscheinen Preisinstrumente als besser geeignet. Diese weisen den Vorteil auf, dass sie bei geeigneter Ausgestaltung zum einen den Anschluss an das geltende Steuerrecht, insbesondere die Grundsteuer, wahren können und daher ihrer Struktur nach für den Bürger planbar und verständlich sind. 25 Zum anderen beinhaltet die Marktbeeinflussung über den Preis die Möglichkeit, die Höhe des Preises sozial- bzw. industrieverträglich zu gestalten.26 Problematisch sind allerdings zwei Aspekte. Erstens sind die oben angesprochenen Schwellenwerte, ab deren Erreichung erst eine Verhaltensänderung einsetzt, unbekannt. Sie können auch nur empirisch, d. h. im „trial and error" Verfahren, ermittelt werden. Daher besteht die ernstzunehmende Gefahr, dass ein langjähriger Anpassungsprozess der Preishöhe notwendig ist, 27 der letztlich wenig zur Transparenz für den Bürger beiträgt. Ein zweiter Nachteil besteht in der mangelnden ökologischen Treffsicherheit von Preislösungen.28 Wie oben dargestellt wurde, ist es bei einer Preislösung nicht möglich, die Nachfrage direkt zu beeinflussen. Wenn der Bürger also bereit ist, auch dann Rächen zu versiegeln, wenn diese Tätigkeit zu einer hohen Abgabenbelastung führt, so wird das ökologische Lenkungsziel verfehlt. Auch wenn bei ent-
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Einig, Klaus /Hutter, Gerard: Durchsetzungsprobleme ökonomischer Instrumente - das Beispiel handelbarer Ausweisungsrechte, in: Bergmann, Axel /Einig, Klaus /Hutter, Gerard/ Müller, Bernhard /Siedentop, Stefan (Hrsg.): Siedlungspolitik auf neuen Wegen, S. 293. 26 Bonus, Holger: Preis- und Mengenlösungen in der Umweltpolitik, in: Jahrbuch für Sozialwissenschaft 1991, S. 348 f. 27 Zimmermann, Horst /Hansjürgens, Bernd: Zertifikate im Instrumenten vergleich aus ordnungspolitischer Sicht, in: Bonus, Holger (Hrsg.): Umweltzertifikate, ZAU Sonderheft 9, S. 52 f.; Kirchhof, Ferdinand: Die Tauglichkeit von Abgaben zur Lenkung des Verhaltens, in: DVB1. 2000, S. 1171; Rat von Sachverständigen für Umweltfragen: Für eine dauerhaft-umweltgerechte Entwicklung, Umweltgutachten 1994, S. 152; Einig, Klaus: Handelbare Lizenzen als marktwirtschaftliche Instrumente zur Steuerung der baulichen Bodeninanspruchnahme, in: Breuste, Jürgen (Hrsg.): 3. Leipziger Symposium Stadtökologie „Stadtnatur - quo vadis", S. 73 f.; Bonus hält das Erreichen des angemessenen Preises sogar für unmöglich [Bonus, Holger: Preis- und Mengenlösungen in der Umweltpolitik, in: Jahrbuch für Sozialwissenschaft 1991, S. 347]. 28 Zimmermann, Horst/Hansjürgens, Bernd: Zertifikate im Instrumentenvergleich aus ordnungspolitischer Sicht, in: Bonus, Holger (Hrsg.): Umweltzertifikate, ZAU Sonderheft 9, S. 50; Selmer, Peter/Brodersen, Carsten: Die Verfolgung ökonomischer, ökologischer und anderer öffentlicher Zwecke durch Instrumente des Abgabenrechts, in: DVB1. 2000, S. 1157; Bareis, Peter/Eisner, Thomas: Anforderungen an Lenkungssteuern und die Beurteilung der „ökologischen Steuerreform" aus ökonomischer Sicht, in: DVB1. 2003, S. 1184 f.; Einig, Klaus: Handelbare Lizenzen als marktwirtschaftliche Instrumente zur Steuerung der baulichen Bodeninanspruchnahme, in: Breuste, Jürgen (Hrsg.): 3. Leipziger Symposium Stadtökologie „Stadtnatur - quo vadis", S. 72 f.
§ 2 Grundlagen
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sprechend hoch gewählten Preisen eine gewisse Verhaltensbeeinflussung eintreten mag, so ist der Lenkungseffekt doch zweifelhaft. 29 Angesichts der dargestellten Schwächen von Preisinstrumenten stellt sich die Frage, ob nicht doch Mengeninstrumente die geeignetere Lösung darstellen. Diese weisen den Vorteil auf, dass an ihrer ökologischen Wirksamkeit dank der wesenimmanenten Mengenbegrenzung kein Zweifel besteht.30 Allerdings ist zu fragen, ob sie auch über den Preisinstrumenten vergleichbare Vorteile verfügen. Zu dem Punkt der Bürgernähe ist zu bemerken, dass - soweit die Vorteile einer Preislösung nicht ohnehin schon durch den notwendigen Nachbesserungsprozess gemindert sind - keine gravierenden Nachteile bestehen. Zum einen dürfte sich die Zahl der Berührungspunkte der normalen Bevölkerung mit dem Marktpreis für Rechte, die die Versiegelung des Bodens gestatten, in engen Grenzen halten und eigentlich nur die ausreichend informierte Gruppe der Bauwilligen betreffen. Zum anderen ist die Preisbildung am Markt keineswegs undurchschaubar. Der möglicherweise an Mengeninstrumente gerichtete Vorwurf der unangemessenen Härte der einmal festgelegten Menge ist ebenfalls nicht tragfähig. Wenn das politische Ziel der Reduzierung des Flächen Verbrauches in Deutschland um 90% tatsächlich umgesetzt werden soll, 31 kommt es zwangsläufig zu Härten und unerwünschten sozialen Nebenwirkungen. Diese werden unabhängig von der Wahl einer ordnungsrechtlichen-, einer Preis- oder einer Mengenlösung eintreten. 32 Bei den unerwünschten sozialen Folgewirkungen handelt es sich daher um solche, die Folge des gewählten Zieles, nicht des Instrumentes und daher hier unbeachtlich sind. 33 29
Die Bedenken gehen allerdings nicht so weit, dass an der Geeignetheit im juristischen Sinn Zweifel bestehen würden. Hierzu: Kirchhof, Ferdinand: Die Tauglichkeit von Abgaben zur Lenkung des Verhaltens, in: DVB1. 2000, S. 1169. 30 Hendler, Reinhard: Umweltzertifikate und Umweltordnungsrecht, in: Eberle, Carl-Eugen /Ibler, Martin /Lorenz, Dieter (Hrsg.): Der Wandel des Staates vor den Herausforderungen der Gegenwart, Festschrift für Winfried Brohm zum 70. Geburtstag, S. 379, 381; Rat von Sachverständigen für Umweltfragen: Für eine dauerhaft-umweltgerechte Entwicklung, Umweltgutachten 1994, S. 150. Bonus, Holger: Preis- und Mengenlösungen in der Umweltpolitik, in: Jahrbuch für Sozialwissenschaft 1991 S. 350; vgl. auch: Franz, Holger: Implementierung eines Systems handelbarer Emissionszertifikate in das deutsche Recht nach dem Vorbild des amerikanischen Acid Rain Program, S. 28, 33. 31
Enquete-Komission „Schutz der Menschen und der Umwelt - Ziele und Rahmenbedingungen einer nachhaltig zukunftsverträglichen EntwicklungAbschlussbericht, in: BT-Drs. 13/11200, S. 129; Rat von Sachverständigen für Umweltfragen: Schritte ins nächste Jahrtausend, Umweltgutachten 2000, S. 227, 251. 32 Michaelis [Michaelis, Peter: Ökonomische Instrumente zur Steuerung des Flächenverbrauchs, in: ZUR 2002, S. 130] spricht von Abgabensätzen in Höhe von mehreren hundert DM pro m 2 . Vgl. auch: Troge, Andreas /Hülsmann, Wulf /Burger, Andreas: Ziele und Handlungsansätze einer flächensparenden Stadtentwicklung, in: DVB1. 2003, S. 91; Rat von Sachverständigen für Umweltfragen: Für eine Stärkung und Neuorientierung des Naturschutzes, Sondergutachten, 2002, S. 79. 33 Rat von Sachverständigen für Umweltfragen: Schritte ins nächste Jahrtausend, Gutachten 2000, S. 256; Schmalholz, Michael: Zur rechtlichen Zulässigkeit handelbarer Flächenaus-
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Teil 3: Neue Instrumente zur Begrenzung des Boden Verbrauches
4. Zwischenergebnis Im Ergebnis ist festzustellen, dass Mengeninstrumente unter den hier zugrunde gelegten ökologischen Kriterien das am besten geeignete Mittel zur effektiven Begrenzung des Bodenverbrauches darstellen. 34 Mit dieser Erkenntnis ist eine Verengung des Untersuchungsfeldes verbunden. Aufmerksamkeit kommt in der folgenden Darstellung nur den beiden in der Literatur diskutierten Mengeninstrumenten zu. Auf Preisinstrumente wird lediglich im Rahmen einer ergänzenden Betrachtung zum kombinierten Einsatz der Instrumente einzugehen sein. Ergänzend sei darauf hingewiesen, dass Mengenistrumente auch im wissenschaftlichen Sinne untersuchungswürdiger sind, da Preisinstrumente an die vorhandenen Kategorien des Steuerrechtes anschließen und folglich vergleichsweise gut untersucht sind. Im Gegensatz dazu sind Mengenistrumente im Bereich des Bodenschutzes rechtlich nur höchst oberflächlich untersucht und sehen sich daher immer wieder dem Verdacht der verfassungsrechtlichen Unzulässigkeit ausgesetzt,35 sodass in der Erforschung dieses Gegenstandes auch ein wissenschaftliches Desiderat zu sehen ist.
I I I . Schlussfolgerung In Anbetracht der eingangs erhobenen Forderung nach dem effektiven und effizienten Schutz des Bodens vor Versiegelung können als Resultat der Diskussion ökonomischer Instrumente der Verhaltensteuerung zwei Erkenntnisse festgehalten werden. Zum einen stellen ökonomische Instrumente die im Vergleich zum Ordnungsrecht wahrscheinlich vorzugswürdige Möglichkeit dar, das vorgefundene Defizit des bodenschützenden Rechtes zu mildern. Zum anderen wurde ermittelt, dass unter den ökonomischen Instrumenten am ehesten eine Mengenlösung in Betracht kommt. Folge dieser Erkenntnis ist die Verengung der hier zu behandelnden „neuen Instrumente" auf handelbare Ausweisungsrechte und Versiegelungsrechte. Auf den nächsten Seiten wird daher zu klären sein, ob die beiden vorgeschlagenen Mittel tatsächlich zur Problemlösung geeignet sind. Dazu sollen sie zunächst vorgestellt und anschließend auf ihre rechtlichen Anwendungsrestriktionen, ihre praktische Handhabbarkeit sowie ihre Eignung zur Defizitminderung untersucht werden. Weisungsrechte, in ZUR 2002, S. 163; Bizer, Kilian/Ewringmann, Dieter/Bergmann, Eckhardt /Dosch, Fabian/Einig, Klaus /Hutter, Gerard: Mögliche Maßnahmen, Instrumente und Wirkungen einer Steuerung der Verkehrs- und Siedlungsflächennutzung, S. XXI. 34 So auch: Bonus, Holger: Preis- und Mengenlösungen in der Umweltpolitik, in: Jahrbuch für Sozialwissenschaft 1991 S. 350, 358; Zimmermann, Horst/Hansjürgens, Bernd: Zertifikate im Instrumentenvergleich aus ordnungspolitischer Sicht, in: Bonus, Holger (Hrsg.): Umweltzertifikate, ZAU Sonderheft 9, S. 59 f.; Michaelis, Peter: Ökonomische Instrumente zur Steuerung des Flächenverbrauchs, in: ZUR 2002, S. 132. Damit soll natürlich nicht gesagt werden, dass Preislösungen per-se die schlechtere Alternative darstellen. 35 Siehe Teil 3, § 3 II.
§ 3 Die handelbaren Ausweisungsrechte
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§ 3 Die handelbaren Ausweisungsrechte Ein erstes hier vorzustellendes und zu untersuchendes Zertifikatsmodel zur Begrenzung des Bodenverbrauches stellt das der sogenannten „handelbaren Ausweisungsrechte" dar. Dieses Modell stammt ursprünglich aus der Finanzwissenschaft, es wurde maßgeblich von Bizer 36 ausgeformt und durch den Rat von Sachverständigen für Umweltfragen bekannt gemacht.37 Es basiert auf dem Gedanken, die planerische Ausweisung von Bauflächen durch die Gemeinden zu begrenzen und damit indirekt auf den Bürger einzuwirken.
I. Wirkungsmechanismen 1. Die Eigenschaften der Ausweisungsrechte a) Die grundsätzlichen Eigenschaften Handelbare Ausweisungsrechte ermöglichen es den Kommunen, auf bislang unversiegelten Flächen Versiegelungen zuzulassen. Sie geben ihnen das Recht, planerisch tätig zu werden und ihnen selbst oder Dritten die bauliche Nutzung von Grundstücken zu eröffnen. Ohne handelbare Ausweisungsrechte könnte eine Gemeinde daher keine Erweiterung ihrer beplanten Fläche vornehmen, ihr wäre nur eine Entwicklung im bestehenden planerischen Bestand, ζ. B. die Umplanung bereits beplanter Flächen, möglich. Handelbare Ausweisungsrechte gelten jeweils für eine bestimmte Fläche, die je nach vom Gesetzgeber gewünschter Genauigkeit einzelne, mehrere Quadratmeter oder Hektar umfassen kann. Ausweisungsrechte über einen Hektar ermöglicht die Eröffnung von Bebauungsmöglichkeiten durch Plan oder Satzung auf einer Fläche eben dieser Größe. Die Zertifikate ermöglichen eine einmalige Nutzung. Nachdem das Ausweisungsrecht genutzt wurde und eine städtebauliche Planung ermöglichte, verfällt es. 38 36 Bizer, Kilian: Marktanaloge Instrumente im Natur- und Landschaftsschutz, S. 104 ff.; Bizer, Kilian/Ewringmann, Dieter/Bergmann, Eckhardt/Dosch, F a b i a n K l m s / H u t ter, Gerard: Mögliche Maßnahmen, Instrumente und Wirkungen einer Steuerung der Verkehrs- und Siedlungsflächennutzung, S. 44 ff., 71 ff.; Bizer, Kilian: Flächennutzungssteuer und Flächenausweisungsrechte - ergänzende Anreizinstrumente zum Bauordnungs- und Bauplanungsrecht, in: Bergmann, Axel /Einig, Klaus / Hutter, Gerard/Müller, Bernhard/Siedentop, Stefan (Hrsg.): Siedlungspolitik auf neuen Wegen, S. 279; Bizer, Kilian: Handelbare Flächenausweisungsrechte zur Lenkung der gemeindlichen Ausweisung von Siedlungs- und Verkehrsflächen, in: Köhn, Jörg/ Weifers, Maria (Hrsg.): Neue Ansätze in der Umweltökonomie, S. 367 ff.; vgl. Wüstenrot Stiftung (Hrsg.): Nutzungswandel und städtebauliche Steuerung, S. 180 f. 37 Rat von Sachverständigen für Umweltfragen: Schritte ins nächste Jahrtausend, Gutachten 2000, S. 252 f.; Rat von Sachverständigen für Umweltfragen: Für eine Stärkung und Neuorientierung des Naturschutzes, Sondergutachten, 2002, S. 77 ff.
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Teil 3: Neue Instrumente zur Begrenzung des Boden Verbrauches
b) Die Menge der handelbaren Ausweisungsrechte Um die ökologische Treffsicherheit und die Marktgängigkeit der handelbaren Ausweisungsrechte sicherzustellen, ist es notwendig, deren Menge zu begrenzen. Die Aufgabe, diese Begrenzung vorzunehmen, fällt der herausgebenden Körperschaft zu. Diese hätte jedes Jahr zu entscheiden, wie viele Zertifikate den Gemeinden bzw. dem Markt zugeteilt werden. 39
c) Der Anknüpfungspunkt Anknüpfungspunkt der handelbaren Ausweisungsrechte ist die Ebene der verbindlichen Bauleitplanung und nicht die der vorbereitenden Bauleitplanung.40 Grund hierfür ist, dass dem Flächennutzungsplan keine Außenwirkung zukommt und daher das Verhalten der Versiegelungswilligen durch ihn nur höchst indirekt zu beeinflussen ist. Außerdem ist der Flächennutzungsplan nach § 5 Abs. 1 S. 1 BauGB verpflichtend für das ganze Gemeindegebiet aufzustellen, sodass schon aus rechtlichen Gründen keine weniger umfangreiche Flächennutzungsplanung möglich ist. Des Weiteren ist der Flächennutzungsplan nicht geeignet, das Ausmaß der Versiegelung des Bodens zu dokumentieren, da er zumeist große land- oder forstwirtschaftlich genutzte Flächen umfasst, die nicht versiegelt sind 4 1 Schließlich erwiese sich das Ansetzen auf Ebene des Flächennutzungsplanes als kontraproduktiv, da nur selten mit einer Neufassung zu rechnen ist und daher nur ein geringes Umlenkungspotential besteht. Im Gegensatz dazu ist die Ebene der verbindlichen Bauleitplanung weit besser geeignet, um mittels Zertifikaten auf die Planung der Gemeinde Einfluss zu nehmen. Pläne und Satzungen auf dieser Ebene entfalten Außenwirkung, ihre Erstellung liegt im Ermessen der Gemeinden, d. h. auf dieser Ebene besteht die Möglichkeit, tatsächlich eine Verhaltensänderung zu erreichen. Schließlich erfassen Pläne und Satzungen auf dieser Ebene zumindest zu einem großen Teil tatsächlich versiegelte Flächen. Folge dieses Anknüpfungspunktes ist es, dass Planungen auf der Ebene der verbindlichen Bauleitplanung nur dann zulässig wären, wenn die Gemeinde über entsprechende Ausweisungsrechte verfügt. Dies betrifft in erster Linie den Bebau38
Einig, Klaus: Handelbare Lizenzen als marktwirtschaftliche Instrumente zur Steuerung der baulichen Bodeninanspruchnahme, in: Breuste, Jürgen (Hrsg.): 3. Leipziger Symposium Stadtökologie „Stadtnatur - quo vadis", S. 78. 39 Michaelis, Peter: Ökonomische Instrumente zur Steuerung des Flächenverbrauchs, in: ZUR 2002, S. 132; Bizer, Kilian: Marktanaloge Instrumente im Natur- und Landschaftsschutz, S. 108; Brand, Edmund/Sanden, Joachim: Verfassungsrechtliche Zulässigkeit neuer übergreifender Rechtsinstrumente zur Begrenzung des Flächen Verbrauchs, S. 26. 40 Bizer, Kilian: Marktanaloge Instrumente im Natur- und Landschaftsschutz, S. 112. 41 Bizer, Kilian: Marktanaloge Instrumente im Natur- und Landschaftsschutz, S. 112 f.
§ 3 Die handelbaren Ausweisungsrechte
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ungsplan im Sinne des § 8 BauGB, aber auch Vorhaben und Erschließungspläne im Sinne des § 12 BauGB. Ebenfalls vom Vorliegen von Ausweisungsrechten abhängig ist der Erlass von planvertretenden Satzungen nach § 34 Abs. 4 und § 35 Abs. 6 BauGB, da sonst Ausweichreaktionen der Kommunen zu erwarten wären. 42 Die strikte Bindung der Planung bzw. des Satzungserlasses an das Vorhandensein von Ausweisungsrechten besteht aus Gründen der Vollziehbarkeit und der Kontrolle 4 3 unabhängig vom Inhalt der Planung. Das heißt, auch wenn die Kommune einen Bebauungsplan zur Errichtung einer Parkanlage nach § 9 Abs. 1 Nr. 15 BauGB erlässt, muss sie über eine entsprechende Anzahl von Versiegelungsrechten verfügen. Nicht abhängig vom Kriterium der Ausweisungsrechte sind dagegen die Aufstellung des Flächennutzungsplanes, sowie bauliche Tätigkeiten, die auf der Grundlage des § 35 BauGB oder fachplanerischer Zulassungsverfahren erfolgen.
d) Die Unterteilung der Ausweisungsrechte Handelbare Ausweisungsrechte sollten nicht als ein einziger, für alle Formen der Planung anwendbarer Typus geschaffen werden. Vielmehr bietet sich eine Unterteilung in mehrere Kategorien und räumliche Geltungsbereiche an. Vorgeschlagen wird, für Wohnbauflächen, Gewerbe- und Industrieflächen, gemischte Flächen, Sonderbauflächen 44 und Verkehrsflächen 45 jeweils separate Zertifikate zu schaffen. Hintergrund sind sozialpolitische Erwägungen, da anderenfalls zu befürchten wäre, dass Wohnnutzungen mit Gewerbenutzungen um Ausweisungsrechte konkurrieren, was zu unerwünschten sozialen Folgewirkungen führen könnte. 46 Dem ist allerdings entgegenzuhalten, dass die Abwendung unerwünschter sozialer Folgen nicht Aufgabe der Umweltpolitik ist und dass hierfür geeignetere Instrumente zur Verfügung stehen. Außerdem ist darauf hinzuweisen, dass mit einer Fragmentierung des Marktes Effizienzverluste einhergehen.47 Neben der inhaltlichen Differenzierung stellt sich die Frage, ob der Markt für Ausweisungsrechte in räumlich getrennte Teilmärkte untergliedert werden sollte. Eine derartige Unterteilung würde sich angesichts der Unterschiede zwischen strukturstarken und strukturschwachen Regionen anbieten und würde sicherstellen, 42
Bizer, Kilian/Ewringmann, Dieter/Bergmann, Eckhardt/Dosch, Fabian/Einig, Klaus/ Hutter, Gerard: Mögliche Maßnahmen, Instrumente und Wirkungen einer Steuerung der Verkehrs- und Siedlungsflächennutzung, S. 132. 43 Bizer, Kilian: Marktanaloge Instrumente im Natur- und Landschaftsschutz, S. 104. 44 So: Bizer, Kilian: Marktanaloge Instrumente im Natur- und Landschaftsschutz, S. 110. 45 So: Bizer, Kilian/Ewringmann, Dieter/Bergmann, Eckhardt/Dosch, Fabian/£/m'g, Klaus /Hutter, Gerard: Mögliche Maßnahmen, Instrumente und Wirkungen einer Steuerung der Verkehrs- und Siedlungsflächennutzung, S. 46. 46 Bizer, Kilian: Marktanaloge Instrumente im Natur- und Landschaftsschutz, S. 110 f. 47 Michaelis, Peter: Ökonomische Instrumente zur Steuerung des Flächenverbrauchs, in: ZUR 2002, S. 133.
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Teil 3: Neue Instrumente zur Begrenzung des Boden Verbrauches
dass der Preis der Ausweisungsrechte nicht ausschließlich von einigen wachstumsstarken, zentralen, städtischen Gemeinden bestimmt w i r d . 4 8 In der Literatur wird über die von den meisten Autoren als selbstverständlich betrachtete Beschränkung auf das Gebiet eines Bundeslandes hinaus 4 9 - vorgeschlagen, die Schaffung von Ausweisungsrechtsmärkten auf Ebene eines abstrakten, zwischen städtischen und peripheren Regionen unterscheidenden Modells durchzuführen. 50 Für diesen Vorschlag spricht, dass so eine zu tiefe regionale Zergliederung des Marktes, die dessen Funktionsfähigkeit und damit die Wirksamkeit des gesamten Modells gefährden würde, vermieden w i r d , 5 1 andererseits aber den erwähnten unterschiedlichen Strukturen Rechnung getragen werden kann.
e) Die Rechtsfolgen für den Einzelnen Des Weiteren wird von Seiten der Literatur nahegelegt, die Gemeinden dazu zu verpflichten, die Kosten des Erwerbes der Ausweisungsrechte auf den Eigentümer der Rächen umzulegen. 5 2 Zur Begründung wird darauf verwiesen, dass nur durch diese Verpflichtung erreicht werden kann, dass zum einen der Preisimpuls auch den Letztnachfrager erreicht und damit unmittelbar auf diesen einwirkt. Z u m anderen ist es notwendig, einen Mechanismus zu implementieren, der den Gemeinden 48 Ein fiktiver auf dem Quadratmeter umgelegter Zertifikatspreis von 10 € pro m 2 verteuert den Erwerb von Bauland bei einem Baulandpreis von 500 € um 2%. Beträgt der Baulandpreis dagegen 20 € erhöht er sich um 50%. Vgl. zur Illustration: Bizer, Kilian/Ewringmann, Dieter/Bergmann, Eckhardt/Dosch, Fabian/Einig, Klaus/Hutter, Gerard: Mögliche Maßnahmen, Instrumente und Wirkungen einer Steuerung der Verkehrs- und Siedlungsflächennutzung, Tabelle 7.3 S. 73. 49 Michaelis, Peter: Ökonomische Instrumente zur Steuerung des Flächenverbrauchs, in: ZUR 2002, S. 132; Bizer, Kilian: Marktanaloge Instrumente im Natur- und Landschaftsschutz, S. 111; Bizer, Kilian/Ewringmann, Dieter /Bergmann, Eckhardt /Dosch, Fabian/Einig, Klaus /H utter, Gerard: Mögliche Maßnahmen, Instrumente und Wirkungen einer Steuerung der Verkehrs- und Siedlungsflächennutzung, S. 46; Bizer, Kilian: Flächennutzungssteuer und Flächenausweisungsrechte - ergänzende Anreizinstrumente zum Bauordnungs- und Bauplanungsrecht, in: Bergmann, Axel/Einig, Klaus / Hutter, Gerard/Müller, Bernhard/Siedentop, Stefan (Hrsg.): Siedlungspolitik auf neuen Wegen, S. 285, 287. 50 Vgl. Michaelis [Michaelis, Peter: Ökonomische Instrumente zur Steuerung des Flächenverbrauchs, in: ZUR 2002, S. 133], der allerdings vor einer zu starken Zersplitterung des Marktes warnt. 51 Bizer, Kilian: Marktanaloge Instrumente im Natur- und Landschaftsschutz, S. 111 f.; Brand, Edmund/Sanden, Joachim: Verfassungsrechtliche Zulässigkeit neuer übergreifender Rechtsinstrumente zur Begrenzung des Flächenverbrauchs, S. 27. 52 Bizer, Kilian: Marktanaloge Instrumente im Natur- und Landschaftsschutz, S. 115; Bizer, Kilian/Ewringmann, Dieter/Bergmann, Eckhardt/Dosch, Fabian /Einig, Klaus /Hutter, Gerard: Mögliche Maßnahmen, Instrumente und Wirkungen einer Steuerung der Verkehrs- und Siedlungsflächennutzung, S. 76; Bizer, Kilian: Flächennutzungssteuer und Flächenausweisungsrechte - ergänzende Anreizinstrumente zum Bauordnungs- und Bauplanungsrecht, in: Bergmann, Axel/Einig, Klaus / Hutter, Gerard/Müller, Bernhard/Siedentop, Stefan (Hrsg.): Siedlungspolitik auf neuen Wegen, S. 286.
§ 3 Die handelbaren Ausweisungsrechte
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die Möglichkeit gibt, die durch die Ausweisungsrechte verursachten Kosten abzuwälzen. Und schließlich entzerrt eine Umlagepflicht den interkommunalen Wettbewerb um Ansiedlungen, da es der Gemeinde nicht mehr möglich ist, auf eine Überwälzung zu verzichten und sich somit Wettbewerbsvorteile zu verschaffen. 53
f) Die zeitliche Geltung Schließlich wird von Seiten der Literatur vorgeschlagen, die zeitliche Geltung der Ausweisungsrechte einzuschränken.54 Folge dieses Vorschlages wäre, dass die Zertifikate nach dem Verstreichen einer Zeitspanne - vorgeschlagen werden drei bis fünf Jahre - ihre Wirksamkeit verlieren. 55 Hintergrund dieses Vorschlages ist die Sorge vor Spekulationen. Jedoch erweist sich diese Befürchtung bei näherer Betrachtung als unbegründet. 56 Teilnehmer des Marktes, an dem die Ausweisungsrechte gehandelt werden, sind - schon aufgrund der Anbindung an den kommunalen Planungsprozess - allein die Gemeinden. Spekulationen dieser sind kaum zu erwarten und wären mit den Mitteln des kommunalen Wirtschaftsrechtes geeigneter zu unterbinden als durch die vorgeschlagene zeitliche Befristung der Zertifikate. 57 Des Weiteren ist darauf hinzuweisen, dass sich Ausweisungsrechte gerade aufgrund ihrer fehlenden inhaltlichen Differenzierung kaum dazu eignen, andere Wettbewerber um eine bestimmte Ansiedlung aus dem Feld zu schlagen - es wäre hier notwendig, alle verfügbaren Ausweisungsrechte zu erwerben. 58 Schließlich 53
Bizer, Kilian/Ewringmann, Dieter/Bergmann, Eckhardt /Dosch, Fabian/Einig, Klaus/ Hutter, Gerard: Mögliche Maßnahmen, Instrumente und Wirkungen einer Steuerung der Verkehrs- und Siedlungsflächennutzung, S. 82. 54 Bizer, Kilian/Ewringmann, Dieter / Bergmann, Eckhardt /Dosch, Fabian/Einig, Klaus/ Hutter, Gerard: Mögliche Maßnahmen, Instrumente und Wirkungen einer Steuerung der Verkehrs- und Siedlungsflächennutzung, S. 45 f.; Michaelis, Peter: Ökonomische Instrumente zur Steuerung des Flächenverbrauchs, in: ZUR 2002, S. 132; Einig, Klaus/Hutter, Gerard: Durchsetzungsprobleme ökonomischer Instrumente - das Beispiel handelbarer Ausweisungsrechte, in: Bergmann, Axel/Einig, Klaus / Hutter, Gerard/Müller, Bernhard/Siedentop, Stefan (Hrsg.): Siedlungspolitik auf neuen Wegen, S. 293; Rat von Sachverständigen für Umweltfragen: Für eine Stärkung und Neuorientierung des Naturschutzes, Sondergutachten, 2002, S. 78. 55 Michaelis, Peter: Ökonomische Instrumente zur Steuerung des Flächenverbrauchs, in: ZUR 2002, S. 132. 56 So auch: Kottmeier, Birgit: Recht zwischen Umwelt und Markt, S. 137 ff. Zumal hier im Gegensatz zu den Emissionszertifikaten - weder die Regulierung eines Massestroms, die eine zeitliche Befristung notwendig macht, noch eine Abwertung der Zertifikate oder sonstige Verminderung des Bestandes angestrebt ist. Hier geht es allein um eine Begrenzung des Zuwachses. 57 So bestünden erhebliche Zweifel, ob die Errichtung einer kommunalen Gesellschaft, die Ausweisungsrechte erwirbt, mit § 97 Abs. 1 Nr. 1 SächsGemO vereinbar wäre. Der Erwerb durch die Gemeinde selbst stieße auf die Grenze des § 89 Abs. 2 SächsGemO. 58 So auch zu Emissionszertifikaten: Kottmeier, Birgit: Recht zwischen Umwelt und Markt, S. 140 f.
13 Risch
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Teil 3: Neue Instrumente zur Begrenzung des Boden Verbrauches
weist eine zeitliche Befristung zwei schwere Nachteile auf. Zum einen entstehen durch die Befristung starke Preisschwankungen der Zertifikate, da ein nur noch wenige Wochen lang gültiges Ausweisungsrecht erheblich weniger wert sein dürfte als ein noch mehrere Jahre gültiges - insofern begünstigt die Befristung, was sie zu bekämpfen vorgibt. Zum anderen reagieren Kommunen auf den baldigen, verlustreichen und damit rechtfertigungsbedürftigen Verfall ihrer Ausweisungsrechte wahrscheinlich mit der Beplanung von Flächen. Somit wird durch die Befristung die unüberlegte Erstellung von Bauleitplänen forciert. Daher ist eine zeitliche Begrenzung der Gültigkeit abzulehnen.59
g) Zusammenfassung der Eigenschaften Die in ihrer Menge begrenzten und nur einmalig nutzbaren handelbaren Ausweisungsrechte ermöglichen den Gemeinden die Aufstellung von Bebauungsplänen oder vergleichbaren Satzungen für eine bestimmte Fläche. Diese Rechte treten in jedem Bundesland in zwei Formen auf, Ausweisungsrechte für periphere und solche für zentrale Regionen. Sie sind in ihrer zeitlichen Gültigkeit nicht begrenzt. Die Kosten für den Erwerb der Zertifikate müssen auf die Eigentümer der neu beplanten Flächen umgelegt werden.
2. Die Zuteilung und der Handel mit Ausweisungsrechten Nachdem voranstehend geklärt wurde, welche Eigenschaften die Zertifikate aufweisen und wozu die Kommunen sie benötigen, ist nun zu untersuchen, in welcher Form sie diese erhalten bzw. mit ihnen Handel treiben können. Bezüglich der Erstzuteilung der Ausweisungsrechte an die Kommunen werden zwei Modelle diskutiert: die kostenfreie und die mit Kosten verbundene Zuteilung. Obwohl die kostenpflichtige Zuteilung den Vorteil aufweisen würde, dass vom ersten Moment an eine wirtschaftliche Beeinflussung der Planungsprozesse und damit wahrscheinlich eine wirtschaftlich effiziente Verteilung der Ausweisungsrechte erfolgte, befürwortet die einhellige Ansicht der Literatur diese nicht. 60 Die Gründe 59 Grundlegend zum Thema Spekulation: Leisner, Walter: Spekulation - ein politisches Schlagwort, in: Isensee, Josef (Hrsg.): Eigentum, S. 758 ff. 60 Bizer, Kilian /Ewringmann, Dieter/Bergmann, Eckhardt/Dosch, Fabian/Einig, Klaus/ Hutter, Gerard: Mögliche Maßnahmen, Instrumente und Wirkungen einer Steuerung der Verkehrs· und Siedlungsflächennutzung, S. 45; Michaelis, Peter: Ökonomische Instrumente zur Steuerung des Flächenverbrauchs, in: ZUR 2002, S. 132; Bizer, Kilian: Flächennutzungssteuer und Flächenausweisungsrechte - ergänzende Anreizinstrumente zum Bauordnungs- und Bauplanungsrecht, in: Bergmann, Axel /Einig, Klaus/Hutter, Gerard/Müller, Bernhard/Siedentop, Stefan (Hrsg.): Siedlungspolitik auf neuen Wegen, S. 285; vgl. auch: Bonus, Holger/ Häder, Michael: Zertifikate und Neue Institutionenökonomik, in: Bonus, Holger (Hrsg.): Umweltzertifikate, ZAU Sonderheft 9, S. 38; Zimmermann, Horst/Hansjürgens, Bernd:
§ 3 Die handelbaren Ausweisungsrechte
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hierfür liegen sowohl i m rechtlichen als auch i m politischen Bereich. Zum einen wird davon ausgegangen, dass eine zumindest teilweise kostenfreie Zuteilung der Ausweisungsrechte den Kommunen mehr Freiräume belässt und daher eher mit Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG vereinbar wäre. 6 1 Z u m anderen fällt der zu erwartende Widerstand der Kommunen gegen handelbare Ausweisungsrechte geringer aus, wenn die Zuteilung kostenfrei erfolgt. 6 2 U m jedoch die Vorteile einer marktanalogen Zuteilung nicht vollständig zu vergeben, wird eine zweistufige Zuteilung vorgeschlagen. 63 Demnach erhalten die Gemeinden ein gewisses Kontingent an Ausweisungsrechten kostenfrei zugeteilt. Die Höhe dieses Kontingentes richtet sich nach dem Maß der notwendigen Eigenentwicklung und wäre politisch festzulegen. Die übrigen Ausweisungsrechte würden dagegen versteigert. Hierfür wäre auf Landesebene eine Börse zu schaffen. Von den Gemeinden nicht genutzte Ausweisungsrechte können von diesen über die Börse verkauft werden. 6 4 Dabei müsste von Seiten der Börse kontrolliert werden, ob die Ausweisungsrechte tatsächlich noch frei verfügbar sind und nicht schon zur Durchführung einer Planung genutzt wurden. 6 5
Zertifikate im Instrumentenvergleich aus ordnungspolitischer Sicht, in: Bonus, Holger (Hrsg.): Umweltzertifikate, ZAU Sonderheft 9, S. 57. 61 Michaelis, Peter: Ökonomische Instrumente zur Steuerung des Flächenverbrauchs, in: ZUR 2002, S. 132; Schmalholz, Michael: Zur rechtlichen Zulässigkeit handelbarer Flächenausweisungsrechte, in ZUR 2002, S. 161; Rat von Sachverständigen für Umweltfragen: Für eine Stärkung und Neuorientierung des Naturschutzes, Sondergutachten, 2002, S. 78; siehe auch unten Teil 3, § 3 II. 2. 62
Rat von Sachverständigen für Umweltfragen: Für eine Stärkung und Neuorientierung des Naturschutzes, Sondergutachten, 2002, S. 78; Einig, Klaus /Hutter, Gerard: Durchsetzungsprobleme ökonomischer Instrumente - das Beispiel handelbarer Ausweisungsrechte, in: Bergmann, Axel/Einig, Klaus / Hutter, Gerard/Müller, Bernhard/Siedentop, Stefan (Hrsg.): Siedlungspolitik auf neuen Wegen, S. 304 f.; Michaelis, Peter: Ökonomische Instrumente zur Steuerung des Flächenverbrauchs, in: ZUR 2002, S. 132. 63
Bizer, Kilian/Ewringmann, Dieter/Bergmann, Eckhardt/Dosch, Fabian/Einig, Klaus/ Hutter, Gerard: Mögliche Maßnahmen, Instrumente und Wirkungen einer Steuerung der Verkehrs· und Siedlungsflächennutzung, S. 45; Bizer, Kilian: Flächennutzungssteuer und Flächenausweisungsrechte - ergänzende Anreizinstrumente zum Bauordnungs- und Bauplanungsrecht, in: Bergmann, Axel /Einig, Klaus/Hutter, Gerard/Müller, Bernhard/Siedentop, Stefan (Hrsg.): Siedlungspolitik auf neuen Wegen, S. 285. 64 Zu den Einzelheiten: Bizer, Kilian/Ewringmann, Dieter/Bergmann, Eckhardt/Dosch, Fabian/Einig, Klaus /Hutter, Gerard: Mögliche Maßnahmen, Instrumente und Wirkungen einer Steuerung der Verkehrs- und Siedlungsflächennutzung, S. 45. 65 Vgl. hierzu: Fraktion SPD und Fraktion Bündnis 90/Die Grünen: Entwurf eines Gesetzes über den Handel mit Berechtigungen zur Emission von Treibhausgasen (TreibhausgasEmissionshandelsgesetz TEHG) § 14, in: BT-Drs. 15/2328, S. 4. 13*
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Teil 3: Neue Instrumente zur Begrenzung des Boden Verbrauches
3. Die Verflechtung mit dem bestehenden Recht Schließlich ist auf die Frage einzugehen, wie das Verhältnis zwischen handelbaren Ausweisungsrechten und dem geltenden Recht zu gestalten wäre. Diesbezüglich ist die Literatur einheitlich der Auffassung, dass handelbare Ausweisungsrechte das geltende Recht nicht ersetzen, sondern lediglich ergänzen.66 Daher würde das geltende Recht vollumfänglich in Kraft bleiben. Aus diesem Zusammenspiel ergeben sich zwei wesentliche Folgen. Zum einen können die Ausweisungsrechte nur in dem Rahmen von den Gemeinden zur Planung genutzt werden, in dem ihnen bereits das geltende Recht dies ermöglicht. Das heißt, eine Gemeinde, die durch den Landesentwicklungsplan auf die Innenentwicklung beschränkt ist, kann sich nicht durch den Erwerb von Ausweisungsrechten Expansionsmöglichkeiten verschaffen. 67 Handelbare Ausweisungsrechte können demnach nie zu einer Erweiterung des kommunalen Spielraumes führen, sondern nur zu einer Gestaltung dessen. Zum anderen wäre gegebenenfalls sogar über eine Verschärfung des geltenden Rechtes nachzudenken, wenn nur so die Nebenfolgen zu kontrollieren bzw. die Umgehungsversuche einzudämmen wären. 68
4. Zwischenergebnis Abschließend ist festzustellen, dass es sich bei den handelbaren Ausweisungsrechten um ein schon tiefgreifend durchdachtes Instrument zum Schutz des Bodens vor Versiegelung handelt, an dessen prinzipieller ökologischer Wirksamkeit keine Zweifel bestehen.69 Wenn die Mengenrestriktion nur hart genug ausfällt, ist es sogar möglich, die gewählten anspruchsvollen ökologischen Ziele zu erreichen. 70 Je66 Schmalholz, Michael: Zur rechtlichen Zulässigkeit handelbarer Flächenausweisungsrechte, in ZUR 2002, S. 159; Michaelis, Peter: Ökonomische Instrumente zur Steuerung des Flächenverbrauchs, in: ZUR 2002, S. 132; Bizer, Kilian: Marktanaloge Instrumente im Naturund Landschaftsschutz, S. 112. 67
Bizer, Kilian: Marktanaloge Instrumente im Natur- und Landschaftsschutz, S. 112. 68 Vgl. ζ. B. Einig, Klaus /Hutter, Gerard: Durchsetzungsprobleme ökonomischer Instrumente - das Beispiel handelbarer Ausweisungsrechte, in: Bergmann, Axel /Einig, Klaus/ Hutter, Gerard/Müller, Bernhard / Siedentop, Stefan (Hrsg.): Siedlungspolitik auf neuen Wegen, S. 298; Bizer, Kilian/Ewringmann, Dieter / Bergmann, Eckhardt /Dosch, Fabian/Einig, Klaus /Hutter, Gerard: Mögliche Maßnahmen, Instrumente und Wirkungen einer Steuerung der Verkehrs- und Siedlungsflächennutzung, S. 132. 69
Rat von Sachverständigen für Umweltfragen: Schritte ins nächste Jahrtausend, Gutachten 2000, S. 256; Bizer, Kilian: Marktanaloge Instrumente im Natur- und Landschaftsschutz, S. 114 f.; Schmalholz, Michael: Zur rechtlichen Zulässigkeit handelbarer Flächenausweisungsrechte, in ZUR 2002, S. 163; Michaelis, Peter: Ökonomische Instrumente zur Steuerung des Flächenverbrauchs, in: ZUR 2002, S. 132. 70 Rat von Sachverständigen für Umweltfragen: Schritte ins nächste Jahrtausend, Gutachten 2000, S. 252, 256; Schmalholz, Michael: Zur rechtlichen Zulässigkeit handelbarer Flächenausweisungsrechte, in ZUR, 2002 S. 163; Bizer, Kilian/Ewringmann, Dieter/Bergmann,
§ 3 Die handelbaren Ausweisungsrechte
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doch können die handelbaren Ausweisungsrechte nicht uneingeschränkt als positiv bewertet werden. Insbesondere bezüglich ihrer verfassungsrechtlichen Zulässigkeit werden immer wieder Zweifel erhoben. 71 Ein Umstand, der durch die bis jetzt noch nicht zureichende rechtliche Überprüfung dieses Instrumentes nur bestärkt wird. 72 Daher soll auf den folgenden Seiten eine Überprüfung der Zulässigkeit handelbarer Ausweisungsrechte erfolgen. Dabei wird sich zeigen, ob das Recht Zertifikatslösungen tatsächlich „unüberwindbare Hürden" entgegenstellt,73 oder ob diese zu bewältigen sind. 74
II. Die rechtlichen Rahmenbedingungen Bedenken an der rechtlichen Zulässigkeit handelbarer Ausweisungsrechte machen sich an sechs Punkten fest. Zum einen ist fraglich, wer für die Einführung eines Systems handelbarer Ausweisungsrechte in kompetenzieller Hinsicht berechtigt wäre. Zum zweiten ist zu klären, ob dieses nicht zu einer unzulässigen Einschränkung der kommunalen Selbstverwaltung (Art. 28 Abs. 2 GG) führen würde. Im unmittelbaren Zusammenhang damit steht die Frage, wie es um die Vereinbarkeit mit der Finanzverfassung bestellt ist. Des Weiteren ist klärungsbedürftig, ob es zu einer Beeinträchtigung von Grundrechten der Bürger kommt. Schließlich ist auf Aspekte des Rechtschutzes und der Vereinbarkeit mit den Prinzipien des Umweltrechtes einzugehen.
1. Die Kompetenzfrage In der Literatur bislang nur in geringem Umfang behandelt ist die Frage, wer über die Kompetenz zur Einführung handelbarer Ausweisungsrechte verfügt. 75 Eckhardt/Dosch, Fabian/Einig, Klaus /Hutter, Gerard: Mögliche Maßnahmen, Instrumente und Wirkungen einer Steuerung der Verkehrs- und Siedlungsflächennutzung, S. 131 ff. 71 Einig, Klaus /Hutter, Gerard: Durchsetzungsprobleme ökonomischer Instrumente - das Beispiel handelbarer Ausweisungsrechte, in: Bergmann, Axel/Einig, Klaus / Hutter, Gerard/ Müller, Bernhard / Siedentop, Stefan (Hrsg.): Siedlungspolitik auf neuen Wegen, S. 297, 301, 303; vgl. auch: Rat von Sachverständigen fiir Umweltfragen: Schritte ins nächste Jahrtausend, Gutachten 2000, S. 253. 72 Verdienstvoll, aber nicht umfassend: Schmalholz, Michael: Zur rechtlichen Zulässigkeit handelbarer Flächenausweisungsrechte, in ZUR 2002, S. 158 ff. 73 So: Bonus, Holger: Preis- und Mengenlösungen in der Umweltpolitik, in: Jahrbuch für Sozialwissenschaft 1991, S. 352. 74 So: Schmalholz, Michael: Zur rechtlichen Zulässigkeit handelbarer Flächenausweisungsrechte, in ZUR 2002, S. 163. 7 5 Brand, Edmund/Sanden, Joachim: Verfassungsrechtliche Zulässigkeit neuer übergreifender Rechtsinstrumente zur Begrenzung des Flächenverbrauchs, S. 35 ff.; vgl. dazu: Bizer, Kilian: Marktanaloge Instrumente im Natur- und Landschaftsschutz, S. 109.
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Teil 3: Neue Instrumente zur Begrenzung des Boden Verbrauches
Im Kern handelt es sich bei dieser Zertifikatslösung um ein gesetzgeberisches Eingreifen im Bereich des Bauplanungsrechtes. Handelbare Ausweisungsrechte erhöhen die Anforderungen, die an die Kommunen bei der Bauleitplanung gestellt werden. Neben die bisherigen Verpflichtungen, ζ. B. zur ordnungsgemäßen Abwägung, zum Beschluss durch Satzung etc., tritt die neue Verpflichtung, Eigentum an einer entsprechenden Anzahl an Ausweisungsrechten nachzuweisen. Es handelt sich um Regeln der Nutzung des Bodens,76 die der konkurrierenden Kompetenz des Bundes nach Art. 74 Abs. 1 Nr. 18 GG unterfällt. 77 In zweiter Linie wohnt dem Konzept der handelbaren Ausweisungsrechte eine raumgestaltende Wirkung inne. Das mit dem Vorhaben verfolgte Ziel der Verringerung des Flächenverbrauches geht über die unmittelbare Regelung der Nutzung des Bodens hinaus und greift in planerische Aspekte über. Daher muss für den übergreifenden, flächenschonenden Aspekt eine separate Kompetenzgrundlage gesucht werden, die in Art. 75 Abs. 1 S. 1 Nr. 4 GG zu finden ist. 78 Entscheidungen über die Verteilung der Ausweisungsrechte in einem Land und dessen Teilung in zentrale und periphere Regionen berühren Fragen der unfassenden, übergeordneten Planung und Ordnung des Raumes.79 Daher ist in diesem Punkt nur eine Rahmenkompetenz des Bundes gegeben. Praktisch folgt daraus, dass der Bund die grundsätzlichen Eigenschaften der Zertifikate, ζ. B. die zeitliche Geltung oder die Leitlinien des Handels, festlegt, den Ländern dagegen die allein auf ihr Territorium bezogenen Entscheidungen verbleiben. 80 Dabei sollten die Länder die gesetzlichen Regelungen auf ein Mindestmaß beschränken und die Festlegungen, die eine periodische Anpassung notwendig machen, als Rechtsverordnung treffen. So wäre es empfehlenswert, die Aufteilung der Landesfläche in Regionen im Rahmen des nach § 7 Abs. 1 SächsLPIG als Rechtsverordnung erlassenen Landesentwicklungsplanes vorzunehmen. Ebenso sollte die jährliche Festlegung der Höhe der kostenfreien Grundzuteilung, die der zur Verfügung gestellten Gesamtfläche sowie die regionale Verteilung durch Rechts Verordnung getroffen werden. 81
76 BVerfGE, 3, 407 (424); Oeter, Stefan, in: v. Mangoldt, Hermann/Klein, Friedrich/ Starck, Christian: Das Bonner Grundgesetz, Art. 74 Abs. 1 Rn. 160; Degenhart, Christoph, in: Sachs, Michael: Grundgesetz Kommentar, Art. 74 Rn. 64 f. 77
A.A. Brand, Edmund/Sanden, Joachim: Verfassungsrechtliche Zulässigkeit neuer übergreifender Rechtsinstrumente zur Begrenzung des Flächenverbrauchs, S. 36 ff. Brand und Sanden gehen jedoch von einem abweichenden Modell der Ausweisungsrechte aus, für das ihre Schlussfolgerung zutreffend ist. 78 Brand, Edmund/Sanden, Joachim: Verfassungsrechtliche Zulässigkeit neuer übergreifender Rechtsinstrumente zur Begrenzung des Flächenverbrauchs, S. 44 ff., 92 ff., 96 f.; vgl. Einig, Klaus/Spieker Margarethe: Die rechtliche Zulässigkeit regionalplanerischer Mengenziele zur Begrenzung des Siedlungs- und Verkehrsflächenwachstums, in: ZUR 2002, S. 150 ff. 79 BVerfGE 3,407 (425). 80 So auch: Bizer, Kilian: Flächennutzungssteuer und Flächenausweisungsrechte - ergänzende Anreizinstrumente zum Bauordnungs- und Bauplanungsrecht, in: Bergmann, Axel/Einig, Klaus/Hutter, Gerard/Müller, Bernhard /Siedentop, Stefan (Hrsg.): Siedlungspolitik auf neuen Wegen, S. 287.
§ 3 Die handelbaren Ausweisungsrechte
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Des Weiteren umfasst das hier vorgeschlagene Konzept die verpflichtende Umlage der durch den Erwerb der Ausweisungsrechte entstandenen Kosten auf den Grundstückseigentümer. Eine derartige Umlagepflicht berührt zum einen das Recht der Erschließungsbeiträge und unterfällt infolge des 42. Gesetzes zur Änderung des Grundgesetzes82 nicht mehr der Kompetenz des Bundes, sondern der der Länder. Zum zweiten wird den Bürgern die Pflicht zur Zahlung einer Neubaulandgebühr auferlegt. Diese Gebühr verfolgt Lenkungszwecke und ist damit unmittelbar über die betreffende Sachkompetenz fundiert. 83 Das Recht zur Erhebung einer Neubaulandgebühr folgt demnach aus Art. 74 Abs. 1 Nr. 18 GG und steht dem Bund zu. Daher sind die Länder berechtigt, die Kommunen zur Umlage der Kosten zu verpflichten, die als Erschließungsbeiträge zu betrachten sind. Soweit die Kosten dagegen als Neubaulandgebühren zu betrachten sind, ist der Bund zuständig. Schließlich umfasst das hier vorgestellte Konzept handelbarer Ausweisungsrechte die kostenpflichtige Zuteilung der Zertifikate an die Gemeinden. Die somit begründete Zahlungspflicht der Kommune unterfällt - wie auch der Seitenblick auf die vergleichbaren Zahlungspflichten der §§ 26 ff. SächsFAG zeigt - der Landeshoheit für das Kommunalwesen.84 Zur Regelung dieses Aspektes wäre demnach ein Landesgesetz notwendig. Nicht von Belang ist dagegen der Kompetenztitel des Art. 75 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 GG, da hier nur mittelbar ein naturschützendes Ziel verfolgt wird. Die vorangehend vorgeschlagenen Sachkompetenzen erscheinen - insbesondere wenn sie in den Vergleich mit den ähnlichen, bestehenden Regeln des Bau- und Raumplanungsrechtes gesetzt werden - bedeutend sachnäher.85 Zusammenfassend kann hier festgehalten werden, dass die Einführung handelbarer Ausweisungsrechte sowohl die Kompetenz des Bundes als auch die der Länder berührt. Bundesrechtlich wäre die Pflicht der Gemeinden zum Eigentum an Ausweisungsrechten sowie Rahmenvorgaben für die Zuteilung und den Handel 81 Vgl. hierzu den Nationalen Allokationsplan des Emissionshandels, der ebenfalls in einen Makroplan (Gesamtmenge) und einen Mikroplan (Zuteilungsmuster) unterteilt ist. [Bundesregierung: Antwort der Bundesregierung auf die Große Anfrage der Abgeordneten Dr. Peter Paziorek, Marie-Luise Dött, Dr. Klaus W. Lippold (Offenbach), weiterer Abgeordneter der Fraktion der CDU /CSU „Nationale Umsetzung des Emissionshandels" BT-Drs. 15/1282, BT-Drs. 15/2390 4 f.]; Schlüter, Jochen: Emissionshandel ante portas, in: NVwZ 2003, S. 1214 f. 82 Vom 27. 10. 1994, BGBl. I, S. 3146. 83 BVerfG, in: DÖV 2003, S. 549 (549); Sacksofsky, Ute: Umweltschutz durch nicht-steuerliche Abgaben, S. 231 ff. 84 Nicht zutreffend wäre hier die Fundierung in Art. 74 Abs. 1 Nr. 1 GG, da handelbare Ausweisungsrechte nicht dem Bürger, sondern nur Kommunen zugänglich sind. Insofern fehlt es an einem Individualrechtsverhältnis. 85 Brand, Edmund/Sanden, Joachim: Verfassungsrechtliche Zulässigkeit neuer übergreifender Rechtsinstrumente zur Begrenzung des Flächen Verbrauchs, S. 41 f.; siehe zu den Kriterien kompetenzrechtlicher Zuordnung: Rozek, Jochen, in: v. Mangoldt, Hermann/Klein, Friedrich/Starck, Christian: Das Bonner Grundgesetz, Art. 70 Rn. 53.
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Teil 3: Neue Instrumente zur Begrenzung des Boden Verbrauches
mit diesen sowie die Neubaulandgebühr zu begründen. Auf Landesebene bedürfen die Fragen der Umsetzung der Minderungsziele, der kostenpflichtigen Erstzuteilung, die Verpflichtung zur Weitergabe der Kosten sowie die Umlage der Erschließungsbeiträge auf den Bürger einer gesetzlichen Fundierung. Die für eine bundesrechtliche Erfassung nach Art. 72 Abs. 2 GG notwendige Erforderlichkeit einer bundeseinheitlichen Regelung kann angesichts der nationalen Dimension des Problems der Flächenversiegelung und aus Gründen des Gleichlaufs mit dem ebenfalls national orientierten BauGB unterstellt werden. 86
2. Die kommunale Selbstverwaltung Die Beantwortung der Frage, ob ein System handelbarer Ausweisungsrechte die durch Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG garantierte Selbstverwaltung der Kommunen in verfassungsrechtlich unzulässiger Weise einschränkt, setzt zunächst Klarheit darüber voraus, ob diese hier berührt ist. Anschließend ist zu fragen, ob durch die oben vorgeschlagenen Zertifikate der Kernbereich der kommunalen Selbstverwaltung verletzt wird. Schließlich soll die Vereinbarkeit mit dem verfassungsrechtlichen Aufgabenteilungsprinzip - auch bekannt als Randbereich der kommunalen Selbstverwaltung - überprüft werden.
a) Die handelbaren Ausweisungsrechte und die kommunale Selbstverwaltung Durch die Einführung handelbarer Ausweisungsrechte werden die Kommunen in einem wichtigen Teilbereich der kommunalen Planungshoheit beschnitten.87 Die Ausübung ihres planerischen Ermessens wird über die geltenden Gesetze hinaus durch die Notwendigkeit beschränkt, vor der Verabschiedung eines Bebauungsplanes oder einer entsprechenden Satzung Ausweisungsrechte in angemessenem Umfang vorzuweisen. Die lokale Planung erfährt hier - insbesondere wenn das Ziel der starken Verringerung der Neuversiegelung mit bedacht wird - eine weitreichende Einschränkung. Daher erscheint es angemessen, von einer Berührung der kommunalen Planungshoheit, die ihrerseits ein wichtiger Teil der kommunalen Selbstverwaltung ist, 88 zu sprechen.
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So auch, aber auf etwas abweichender Basis: Brand, Edmund/Sanden, Joachim: Verfassungsrechtliche Zulässigkeit neuer übergreifender Rechtsinstrumente zur Begrenzung des Flächen Verbrauchs, S. 48 ff. 87 Brand, Edmund/Sanden, Joachim: Verfassungsrechtliche Zulässigkeit neuer übergreifender Rechtsinstrumente zur Begrenzung des Flächenverbrauchs, S. 65, 76 ff., 83 ff. 88 Siehe oben Teil 2, § 1 II. 7. a).
§ 3 Die handelbaren Ausweisungsrechte
201
b) Der Kernbereich der kommunalen Selbstverwaltung Wie bereits oben dargelegt wurde, wird die kommunale Selbstverwaltung hier als eine institutionelle Garantie im Sinne der Rastede-Entscheidung des BVerfG verstanden.89 Infolge des damit verbundenen, nicht-gegenständlichen Inhaltes der Selbstverwaltungsgarantie ist davon auszugehen, dass die Planungshoheit nicht vom Kernbereich der Selbstverwaltungsgarantie umfasst und daher dieser durch die handelbaren Ausweisungsrechte nicht verletzt wird. 90
c) Das verfassungsrechtliche
Aufgabenteilungsprinzip
In Anbetracht dessen, dass der Kernbereich der kommunalen Selbstverwaltung durch die Einführung handelbarer Ausweisungsrechte nicht verletzt wird, kann die Überprüfung allein am Maßstab des verfassungsrechtlichen Aufgabenteilungsprinzipes erfolgen. Das materiell verstandene verfassungsrechtliche Aufgabenteilungsprinzip des Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG lässt die Beschränkung des kommunalen Aufgabenkreises prinzipiell zu, macht diese aber von entsprechend gewichtigen und sich im Rahmen einer Abwägung durchsetzenden Belangen des Gemeinwohls abhängig.91 Daher ist hier zu fragen, welche Belange des Gemeinwohls die Einführung handelbarer Ausweisungsrechte notwendig machen. Anschließend ist zu klären, in welcher Weise die Gemeinde durch die Implementierung eines Zertifikatsystems in ihrer Handlungsfreiheit eingeschränkt wird und welche Spielräume ihr noch verbleiben. 92
(1) Die betroffenen Belange des Gemeinwohls Durch die Errichtung eines Systems handelbarer Ausweisungsrechte wird primär die Verringerung des Wachstums der versiegelten Räche beabsichtigt. Als sekundäres Ziel wird die möglichst effiziente Verteilung der zu versiegelnden Räche verfolgt. Hinter dem zuerst genannten Ziel stehen die bereits eingangs erwähnten naturwissenschaftlichen Beweggründe, die es untragbar erscheinen lassen, das weitere Wachstum des Rächenverbrauches ungebrochen hinzunehmen.93 Lebensraumverlust, Zerschneidungswirkung, Hochwassergefahr, Erosion, Verlust an Bio89 Siehe oben Teil 2, § 1II. 7. a). 90
So auch: Schmalholz, Michael: Zur rechtlichen Zulässigkeit handelbarer Flächenausweisungsrechte, in: ZUR 2002, S. 161. 91 BVerfG, in: ZUR 2001, S. 404 (406 f.); BVerfGE 79, S. 127 (253 f.). 92 Einen abweichenden, an einer Grundrechtsprüfung orientierten Aufbau verfolgt Schmalholz [Schmalholz, Michael: Zur rechtlichen Zulässigkeit handelbarer Flächenausweisungsrechte, in: ZUR 2002, S. 160 ff.]. 93 Siehe oben Teil 1, § 2 II.
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Teil 3: Neue Instrumente zur Begrenzung des Boden Verbrauches
diversität und mögliche Klimaveränderungen sind Folgen der fortschreitenden Versiegelung und gefährden letztlich auch die natürlichen Lebensgrundlagen der Menschen. Verfassungsrechtlich sind diese Belange in Art. 20 a GG fundiert. Das Gewicht dieses Belanges wird durch die oben nachgewiesene,94 zumindest teilweise bestehende Unfähigkeit des geltenden Rechts zur Problemlösung noch verstärkt. 95 Zu dem in zweiter Linie verfolgten Ziel der effizienten Allokation versiegelter Flächen ist zu bemerken, dass hinter diesem ebenfalls Gemeinwohlinteressen von hohem Rang stehen. Die eben skizzierte ökologische Gefährdungslage führt zwangsläufig zu einem hohen Handlungsbedarf des Staates, den Flächenverbrauch zu verringern. Forderungen - wie die des Rates von Sachverständigen für Umweltfragen 96 - die Neuversiegelung auf 10% des bisherigen Niveaus zu begrenzen, sind nicht unangebracht. Ein derartig deutlicher Richtungswechsel in der Nutzung des Landes kann natürlich nicht ohne Brüche und Belastungen für planende Kommunen erfolgen. Nicht nur politisch, sondern im Hinblick auf Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG und den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz ist es daher geboten, nach einem Mittel zu suchen, das nicht nur die Erreichung des ökologischen Zieles sicherstellt, sondern auch zu möglichst geringen Nebenfolgen der sozialen und wirtschaftlichen Entwicklung führt. 97
(2) Die Einschränkungen der kommunalen Selbstverwaltung Auf der Gegenseite sind im Rahmen der nach dem materiell verstandenen verfassungsrechtlichen Aufgabenteilungsprinzip notwendigen Abwägung auch die mit dem Zertifikatssystem für die Kommunen verbundenen Nachteile zu berücksichtigen. Einschränkungen werden von den Kommunen in Bezug auf ihre planerischen Gestaltungsmöglichkeiten, die finanzielle Belastung, den gesteigerten Verwaltungsaufwand und durch eine mögliche Verschärfung des interkommunalen Wettbewerbs befürchtet. (a) Die planerischen Gestaltungsmöglichkeiten Ein erster problematischer Aspekt der handelbaren Ausweisungsrechte ist darin zu sehen, dass diese auf der Ebene des Bebauungsplanes eingreifen. Der gewählte Ansatzpunkt trifft die Gemeinden auf einer Ebene, die infolge ihres starken Bezuges zu der örtlichen Gemeinschaft geradezu den Prototyp der kommunalen Selbst94 Siehe oben Teil 2, § 4. 95 Vgl. zu diesem Kriterium: BVerfGE 79, S. 127 (153). 96 Rat von Sachverständigen für Umweltfragen: Schritte ins nächste Jahrtausend, Gutachten 2000, S. 251. 97 Vgl. Michaelis, Peter: Ökonomische Instrumente zur Steuerung des Flächenverbrauchs, in: ZUR 2002, S. 134.
§ 3 Die handelbaren Ausweisungsrechte
203
Verwaltung darstellt. 98 Der bislang weite Handlungsrahmen der Kommune bei der Erstellung von Bebauungsplänen wird stark eingeengt, auch kleinere Erweiterungen der versiegelten Gemeindefläche werden zukünftig von der Verfügung über Zertifikate abhängig gemacht. Somit handelt es sich - im Vergleich zu einem Eingreifen auf der Ebene der schon jetzt stark überregional geprägten Flächennutzungsplanung - um eine relativ schwerwiegende Beeinträchtigung. Erschwerend kommt hinzu, dass die kommunale Bauleitplanung einer der letzten Bereiche ist, in denen den Gemeinden wirkliche Gestaltungsmöglichkeiten offen stehen. Schließlich ist zu berücksichtigen, dass die kommunale Planungshoheit unter Zugrundelegung des oben angesprochenen Zieles der Enquetekommission des Bundestages99 und des Rates von Sachverständigen für Umweltfragen, 100 auch in quantitativer Hinsicht eine starke Einschränkung erfährt. Wenn der Zuwachs der versiegelten Fläche auf 10% des jetzigen Standes gebracht wird, stehen den Gemeinden nur noch sehr geringe Expansionsmöglichkeiten offen. 101 Abschließend ist daher festzustellen, dass die Einführung handelbarer Ausweisungsrechte die Gemeinden schwerwiegend in ihrer Planungshoheit beschränkt. (b) Die finanzielle Belastung Ein weiterer bedenkenswerter Aspekt handelbarer Ausweisungsrechte ist die Frage, ob deren Einführung nicht zu einer erhöhten finanziellen Belastung der Kommunen führt. 102 Finanzielle Belastungen könnten für die Gemeinden entstehen, wenn sie über das ihnen zugeteilte Grundkontingent hinaus planerisch tätig werden wollen und daher weitere Ausweisungsrechte am Markt zukaufen müssen. Rechtlich beachtlich sind diese Mehrbelastungen dann, wenn sie nicht mit Art. 85 Abs. 2 SächsVerf. oder Art. 28 Abs. 2 S. 3 GG in Einklang stehen.103
98 Nicht ohne jeden Grund wird der Entzug der verbindlichen Bauleitplanung von den meisten Autoren als Verletzung des Kernbereiches der Selbstverwaltungsgarantie betrachtet. Diese Aussage ist zwar dogmatisch nicht mit der hier gewählten Betrachtungsweise des Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG vereinbar, illustriert aber die Bedeutung, die der verbindlichen Bauleitplanung im Gefüge der kommunalen Selbstverwaltung zukommt; siehe dazu die Nachweise unter Teil 2, § 1 II. 6. a) Fn. 66. 99 Enquete-Komission „Schutz der Menschen und der Umwelt - Ziele und Rahmenbedingungen einer nachhaltig zukunftsverträglichen Entwicklung Abschlussbericht, in: BT-Drs. 13/11200, S. 129. 100 Rat von Sachverständigen für Umweltfragen: Schritte ins nächste Jahrtausend, Gutachten 2000, S. 227 f., 251. 101 Schmalholz, Michael: Zur rechtlichen Zulässigkeit handelbarer Flächenausweisungsrechte, in ZUR 2002, S. 162 f. 102 Zum Problem der Gefährdung der kommunalen Selbstverwaltung durch unzureichende Finanzausstattung: Nierhaus, Michael, in: Sachs, Michael: Grundgesetz Kommentar, Art. 28 Rn. 67 ff.; Mückl, Stefan: Finanzverfassungsrechtlicher Schutz der kommunalen Selbstverwaltung, S. 34 ff.; Wagner, Christian /Rechenbach, Dagmar: Konnexitätsprinzip ins Grundgesetz!, in: ZRP 2003, S. 308 f.
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Teil 3: Neue Instrumente zur Begrenzung des Boden Verbrauches
Dieses Argument kann jedoch aus mehreren Gründen nicht durchdringen. Zum einen ist zu fragen, ob die Kommunen überhaupt finanziell belastet werden. Gegen eine derartige Belastung spricht, dass das Grundkontingent an Ausweisungsrechten kostenfrei zugeteilt wird. 1 0 4 Daher ist eine begrenzte Entwicklung ohne Kosten möglich. Auch ist zu bedenken, dass die Kommunen zur Umlegung der durch den Zertifikatserwerb entstandenen Kosten auf die Bauwilligen verpflichtet sind, die Kosten in den meisten Fällen also nicht selbst tragen. 105 Ausnahmen bestehen hier nur in den Fällen, in denen die Gemeinde einen Bebauungsplan nicht umlagefähigen Inhalts erlässt. Schließlich ist zu berücksichtigen, dass die Kommunen unter Umständen aus dem Zertifikatsmodell sogar Gewinn ziehen können, indem sie ihr Grundkontingent nicht selbst nutzen, sondern an ausweisungswillige Gemeinden verkaufen. Zum zweiten ist fraglich, ob die der Gemeinde entstehenden Kosten beachtlich wären. Besonderes Augenmerk verdient dabei die Tatsache, dass es sich bei der Bauleitplanung um eine Pflichtaufgabe bzw. Pflichtige Selbstverwaltungsaufgabe der Kommunen handelt. 106 Die Gemeinden sind nach § 1 Abs. 3 BauGB zwar zur Planung verpflichtet, wenn die städtebauliche Entwicklung und Ordnung dies notwendig machen, aber bezüglich der Einschätzung dieser Notwendigkeit besteht ein weiter Spielraum. 107 Daraus folgt, dass die Kommunen nur in den seltensten Fällen zu einer expansiven Bauplanung verpflichtet sind. Angesichts dieser weitreichenden Möglichkeiten der Kommune, auf ihre finanzielle Belastung durch den Zertifikatserwerb Einfluss zu nehmen, stellt sich die Frage, ob derartige, freiwillig übernommene Belastungen überhaupt im Rahmen der Selbstverwaltungsgarantie berücksichtigt werden können. Dies ist in Anbetracht des auf die Abwehr staatlicher Eingriffe ausgelegten Konnexitätsprinzipes zu verneinen. 108 Bei der freiwilligen Selbstbelastung von Kommunen besteht kein vergleichbares Schutzbedürfnis.
103
Zum Konnexitätsprinzip: Remmert, Barbara: Die verfassungsrechtliche Stellung der Gemeinden bei der Zuweisung überörtlicher Aufgaben durch Bundesgesetz, in: VA 2003, S. 459; Schliesky, Utz: Gemeindefreundliches Konnexitätsprinzip, in: DÖV 2001, S. 714. 104 Rat von Sachverständigen für Umweltfragen: Schritte ins nächste Jahrtausend, Gutachten 2000, S. 253. 105 Zu den Einzelheiten der Zulässigkeit der Kostenumlegung, siehe unten Teil 3, § 3 II. 3. c). 106 Schmidt-Aßmann, Eberhard, in: Schmidt-Aßmann, Eberhard (Hrsg.): Besonderes Verwaltungsrecht, S. 32; Seewald, Otfried, in: Steiner, Udo (Hrsg.): Besonderes Verwaltungsrecht, S. 41 je m. w. N. 107 Statt vieler: BVerwG, in: NuR 2002, S. 42 (43); Söfker, Wilhelm, in: Ernst, Werner/ Zinkahn, Willy /Bielenberg, Walter/Krautzberger, Michael: Baugesetzbuch, § 1 Rn. 30 f., 39 (Stand Sept. 2000). 108 SächsVerfGH, in: LKV 2001, S. 223 (224 f.); Remmert, Barbara: Die verfassungsrechtliche Stellung der Gemeinden bei der Zuweisung überörtlicher Aufgaben durch Bundesgesetz, in: VA 2003, S. 468 ff., 472; Nierhaus, Michael, in: Sachs, Michael: Grundgesetz Kommentar, Art. 28 Rn. 71; Mückl, Stefan: Finanzverfassungsrechtlicher Schutz der kommunalen Selbstverwaltung, S. 96 ff.; Wagner, Christian/Rechenbach, Dagmar: Konnexitätsprinzip ins Grundgesetz!, in: ZRP 2003, S. 309.
§ 3 Die handelbaren Ausweisungsrechte
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In Anbetracht der Tatsachen, dass es zumeist zu keiner finanziellen Mehrbelastung der Kommunen kommt bzw. diese, so sie gegeben wäre, unbeachtlich sein würde, ist festzustellen, dass die Einschränkung der Selbstverwaltungsgarantie, die auf finanziellen Gründen beruht, als unbeachtlich einzuschätzen ist. (c) Der erhöhte Verwaltungsaufwand Keine Beeinträchtigung der kommunalen Selbstverwaltung ist in Hinblick auf den Umfang des Verwaltungsaufwandes und der damit verbundenen finanziellen Belastungen zu erwarten. 109 Zwar wird sich der Verwaltungsaufwand jedes einzelnen Planes infolge der Notwendigkeit, Zertifikate zu erwerben und zu verwalten, erhöhen. Jedoch sinken Anzahl und Umfang der neuen Bebauungspläne, sodass die Belastung im Saldo zumindest gleich bleibt. (d) Die Verschärfung
des interkommunalen Wettbewerbes
Eine weitere mit der Einführung handelbarer Ausweisungsrechte verbundene Sorge besteht darin, dass diese zu einem Verdrängungswettbewerb zwischen den Gemeinden führen könnte. 110 Konkret wird befürchtet, dass sich die bauliche Expansion auf die finanzkräftigeren, zum Erwerb von Ausweisungsrechten im Stande befindlichen Kommunen konzentriert 111 und somit dem Ziel gleichwertiger Lebensverhältnisse im gesamten Bundesgebiet (Art. 72 Abs. 2 GG) zuwider gehandelt wird. Dieser Sorge ist insoweit zuzustimmen, als mit der Einführung eines Mengeninstrumentes notwendigerweise eine Verknappung des Flächenangebotes verbunden ist. Daher wird sich der Wettbewerb zwischen den Kommunen verschärfen. Dennoch sind die Befürchtungen in der dargestellten Schärfe nicht angebracht. Zum einen wird durch die kostenfreie Grundzuteilung sichergestellt, dass nahezu jeder Gemeinde eine gewisse Möglichkeit der Expansion offen steht und somit eine völlige Verdrängung nicht möglich ist. 1 1 2 Des Weiteren ist fraglich, ob über109 Ring, Irene: Ökonomische Instrumente in der kommunalen Naturschutz- und Umweltpolitik: Einsatzfelder und Zukunftsperspektiven, in: Breuste, Jürgen (Hrsg.): 3. Leipziger Symposium Stadtökologie „Stadtnatur - quo vadis", S. 85; a.A. jedoch ohne Begründung: Bizer, Kilian /Ewringmann, Dieter / Bergmann, Eckhardt/Dosch, Fabian/Zs/rag, Klms/Hutter, Gerard: Mögliche Maßnahmen, Instrumente und Wirkungen einer Steuerung der Verkehrs· und Siedlungsflächennutzung, S. 87. 110 Zu den Auswirkungen von Zertifikaten auf den Wettbewerb: Weimann, Joachim: Wettbewerbspolitische Aspekte von Zertifikaten, in: Bonus, Holger (Hrsg.): Umweltzertifikate, S. 61 ff. 111 Vgl. Bizer, Kilian/Ewringmann, Dieter/Bergmann, Eckhardt/Dosch, Fabian/Einig, Klaus/Hutter, Gerard: Mögliche Maßnahmen, Instrumente und Wirkungen einer Steuerung der Verkehrs- und Siedlungsflächennutzung, S. 83, 87. 112 Weimann, Joachim: Wettbewerbspolitische Aspekte von Zertifikaten, in: Bonus, Holger (Hrsg.): Umweltzertifikate, S. 64 f.
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Teil 3: Neue Instrumente zur Begrenzung des Bodenverbrauches
haupt ein Zusammenhang zwischen der Baulandausweisungspolitik einer Gemeinde und deren Finanzen bzw. den Lebensverhältnissen der Einwohner besteht. 113 Schließlich erweist sich die Sorge als rechtlich wenig tragfähig, da das Ziel gleichwertiger Lebensverhältnisse im gesamten Bundesgebiet nur begrenzt justiziabel ist 1 1 4 und sich daraus keine Verpflichtung des Gesetzgebers ergibt, expansive Flächenausweisungen zu ermöglichen bzw. von einer Einschränkung dieser abzusehen. (e) Zwischenergebnis Durch die Einführung handelbarer Ausweisungsrechte wird die kommunale Selbstverwaltungsgarantie in Hinblick auf die planerische Gestaltungsfreiheit in hohem Maße beeinträchtigt. Als unbeachtlich erweisen sich dagegen die finanziellen, verwaltungstechnischen und wettbewerblichen Auswirkungen der Zertifikate.
(3) Die weiterbestehenden Spielräume kommunaler Planung Von Seiten des Bundesverfassungsgerichtes wird betont, dass die Möglichkeiten des Gesetzgebers zur Einschränkung der kommunalen Selbstverwaltungsgarantie geringer werden, je mehr diese an Substanz verliert. 115 Daher stellt sich die Frage, welche Entscheidungsspielräume den Gemeinden bei der Einführung handelbarer Ausweisungsrechte noch verbleiben. Handlungsmöglichkeiten bestehen hier in zwei Aspekten, in inhaltlicher und in quantitativer Hinsicht. Bezogen auf den Inhalt der Planung ist festzustellen, dass die Kommunen hier keinerlei neuen Einschränkungen auferlegt werden. Handelbare Ausweisungsrechte nehmen auf den Inhalt der Planung keinen Einfluss. Insofern besteht die kommunale Planungshoheit ohne Einschränkung fort. In quantitativer Hinsicht verbleiben den Gemeinden auch nach der Einführung der Zertifikate Möglichkeiten zur eigenverantwortlichen Planung. Diese betreffen die verbindliche Bauleitplanung im Rahmen der Grundzuteilung, die gesamte Flächennutzungsplanung, die Umplanung bereits beplanter Flächen sowie die Zulassung der Bebauung nach §§ 34, 35 BauGB.
113 Vgl. Junkerheinrich, Martin: Wohnen versus Gewerbe? Fiskalische Effekte von Baulandausweisung, in: Informationen zur Raumentwicklung, Heft 1/2 1994, S. 61; Bizer, Kilian /Ewringmann, Dieter /Bergmann, Eckhardt/Dosch, Fabian/Einig, Klaus /Hutter, Gerard: Mögliche Maßnahmen, Instrumente und Wirkungen einer Steuerung der Verkehrs- und Siedlungsflächennutzung, S. 10 f., 32 f. 114 Degenhart, Christoph, in: Sachs, Michael: Grundgesetz Kommentar, Art. 72 Rn. 11; Oeter, Stefan, in: v. Mangoldt, Hermann / Klein, Friedrich/Starck, Christian: Das Bonner Grundgesetz, Art. 72 Rn. 96 f. us BVerfGE, 79, S. 127 (153).
§ 3 Die handelbaren Ausweisungsrechte
207
(4) Die Streitentscheidung Zu entscheiden ist hier, ob die mit der Einführung handelbarer Ausweisungsrechte verbundene Schwächung der kommunalen Planungshoheit zu einer noch hinnehmbaren 116 Einschränkung der Selbstverwaltungsgarantie des Art. 28 Abs. 2 GG führt. Zu berücksichtigen ist auf der einen Seite der hohe Wert, der der Planungshoheit innerhalb der kommunalen Selbstverwaltung zukommt. Bei dieser handelt es sich um einen der letzten Bereiche in dem den im Übrigen bereits sehr stark eingeschränkten Kommunen 117 noch wirkliche Gestaltungsmöglichkeiten verbleiben. Auch ist zu betonen, dass es sich bei der kommunalen Selbstverwaltung und damit auch bei der Planungshoheit nicht um eine Formalie, sondern um eine Wertentscheidung des Verfassungsgebers zugunsten einer dezentralen Verwaltungsgliederung handelt. 118 Schließlich handelt es sich bei dem hier zentral in Rede stehenden Bauplanungsrecht um einen Belang, der einen besonders starken örtlichen Charakter aufweist. 119 Jedoch verlangen auch die für die Einführung handelbarer Ausweisungsrechte sprechenden Argumente nach Berücksichtigung. So kann gegen das Argument der traditionell örtlichen Fundierung der Bauleitplanung vorgebracht werden, dass dieses die ökologische Dimension des Problems der Flächenversiegelung nicht ausreichend würdigt. Bei der Bauleitplanung handelt es sich vielmehr um ein Gut, dem sowohl ein lokaler, als auch ein nationaler Charakter innewohnt. Von nationaler Bedeutung ist die Bauleitplanung in ihrer umfassenden, ökologischen Dimension, die ζ. B. in den oben geschilderten Gefahren durch Hochwasser, Bodenfruchtbarkeitsverlust, Klimaänderung und Biodiversitätsverlust 120 erkennbar wird. In diesen Fällen sind die Auswirkungen fortschreitender Versiegelung nicht allein im Gemeindegebiet, sondern erst auf regionaler oder nationaler Ebene spürbar. Deutlich wird diese nationale Komponente der Bauleitplanung, wenn von Seiten der Wirt116 Zur Nichtanwendung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes auf Art. 28 Abs. 2 GG: Ipsen, Jörn: Schutzbereich der Selbstverwaltungsgarantie und Einwirkungsmöglichkeiten des Gesetzgebers, in: ZG 1994, S. 205, 208 ff.; Ehlers, Dirk: Die verfassungsrechtliche Garantie der kommunalen Selbstverwaltung, in: DVB1. 2000, S. 1303 f., 1308; Kenntner, Markus: Zehn Jahre nach „Rastede", in: DÖV 1998, S. 709 ff.; vgl. auch S. 35 Fn. 102. Die Folge dessen ist ein relativ weiter Spielraum des Gesetzgebers. 117 Siehe dazu: Hennecke, Hans-Günter: Kommunale Eigenverantwortung bei zunehmender Normdichte, in: ZG 1994, S. 217 ff.; zur Einschränkung der kommunalen Spielräume durch finanzielle Lasten; Mückl, Stefan: Finanzverfassungsrechtlicher Schutz der kommunalen Selbstverwaltung, S. 30 ff. us BVerwGE 79, S. 127 (149); Schmidt-Aßmann, Eberhard: Kommunale Selbstverwaltung „nach Rastede", in: Franßen, Everhardt/Redeker, Konrad/Schlichter, Otto/Wilke, Dieter (Hrsg.): Bürger - Richter - Staat, Festschrift für Horst Sendler, S. 122 ff., 136 f. h 9 Koch, Hans-Joachim/Hendler, Reinhard: Baurecht, Raumordnungs- und Landesplanungsrecht, S. 156 ff.; siehe auch oben Teil 2, § 1 II. 7. a). 120 Siehe oben Teil 1,8 211.
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Teil 3: Neue Instrumente zur Begrenzung des Boden Verbrauches
schaftswissenschaft festgestellt wird, dass der Freiflächenerhalt als ein nationales Gut einzuschätzen ist, gegenüber dem sich Gemeinden wie Private, d. h. eigennützig verhalten. 121 Mit dieser Einschätzung soll natürlich nicht bestritten werden, dass die kommunale Bauleitplanung eine tief verwurzelte Angelegenheit der örtlichen Gemeinschaft darstellt, aber es handelt sich eben nicht ausschließlich um eine solche. 122 Angesichts dessen erscheint es - auch in Anbetracht der Befugnis des Gesetzgebers den örtlichen Bezug einer Aufgabe einzuschätzen123 - überzeugender von einer nicht mehr ausschließlich örtlich geprägten Aufgabe auszugehen. Des Weiteren darf im Rahmen der Abwägung nicht unberücksichtigt bleiben, dass gewichtige Gründe des Gemeinwohls für die Einführung der Zertifikate sprechen. Aus diesen Gründen ergibt sich perspektivisch ein Handlungsdruck, der ohnehin zu einer Einschränkung der Planungshoheit führen wird. 1 2 4 Außerdem ist darauf hinzuweisen, dass den Gemeinden wesentliche planerische Gestaltungsspielräume verbleiben, handelbare Ausweisungsrechte also keineswegs zu einem totalen Verlust der Planungshoheit führen. 125 Schließlich kann die Angemessenheit der Einführung auch durch entsprechend zu berücksichtigende Übergangsregelungen hergestellt werden. Werden die vorgebrachten Argumente gegeneinander angewogen, ist festzustellen, dass die für die Einführung handelbarer Ausweisungsrechte sprechenden Argumente gewichtiger sind. Die Bauleitplanung ist aus ihren rein kommunalen Bezügen herausgewachsen und muss sich in den Teilen, die den quantitativen Aspekt betreffen, ihrer gesamtstaatlichen Verantwortung stellen. Bedeutende ökologische Argumente sowie der weite Spielraum des Gesetzgebers sprechen hier für eine maßvolle Beschränkung der kommunalen Planungshoheit, der auch weiterhin wesentliche Gestaltungsräume verbleiben.
121 Bizer, Kilian: Marktanaloge Instrumente im Natur- und Landschaftsschutz, S. 105 f. m. w. N. 122 Die Regionalisierung der Planung ist ein seit längerem zu beobachtendes Phänomen. Dazu: Stüer, Bernhard: Region und Regionalisierung, in: LKV 2004, S. 6 ff.; Kreibohm, Henning /Zülka, Jochen: Der Regionale Flächennutzungsplan in Nordrhein-Westfalen - Voraussetzungen, Erwartungen und Grenzen bei einem neuen Planungsinstrument, in: NWVB1 2003, S. 334 ff.; Spannowsky, Willy: Gewichts Verschiebungen im Verhältnis zwischen örtlicher Bauleitplanung und überörtlicher Landes- und Regionalplanung, in: DÖV 1997, S. 758 ff. ™ BVerfGE, 79, S. 127 (153 f.); Brand, Edmund/Sanden, Joachim: Verfassungsrechtliche Zulässigkeit neuer übergreifender Rechtsinstrumente zur Begrenzung des Flächenverbrauchs, S. 70 ff. 124
Schmalholz, Michael: Zur rechtlichen Zulässigkeit handelbarer Flächenausweisungsrechte, in: ZUR 2002, S. 163. 125 Brand, Edmund/Sanden, Joachim: Verfassungsrechtliche Zulässigkeit neuer übergreifender Rechtsinstrumente zur Begrenzung des Flächen Verbrauchs, S. 90 ff.
§ 3 Die handelbaren Ausweisungsrechte
209
d) Ergebnis Abschließend ist daher festzustellen, dass eine Verletzung des Art. 28 Abs. 2 GG nicht anzunehmen ist. Handelbare Ausweisungsrechte sind mit der kommunalen Selbstverwaltungsgarantie vereinbar. 126
3. Die handelbaren Ausweisungsrechte und die Finanzverfassung Die Einführung handelbarer Ausweisungsrechte ist mit einer Reihe von Zahlungsverpflichtungen verbunden, deren Vereinbarkeit mit Grundgesetz und Landesverfassung im Folgenden zu prüfen ist. Eine erste hier relevante Transaktion erfolgt bei der kostenpflichtigen Erstzuteilung der Zertifikate durch das Land an die Gemeinden. Eine weitere Zahlungsverpflichtung entsteht, wenn Gemeinden untereinander mit Ausweisungsrechten handeln. Schließlich ist die Gemeinde verpflichtet die entstandenen Kosten auf die Bauwilligen umzulegen.
a) Transaktionen
zwischen Land und Kommunen
Das infolge der Fundierung im Kommunalrecht allein einschlägige Sächsische Landesverfassungsrecht beinhaltet keine speziellen Kriterien, von denen eine Zahlungspflicht der Kommunen gegenüber dem Freistaat abhängig gemacht wird. Daher ist für diese Transaktionen allein die bereits positiv festgestellte Vereinbarkeit mit Art. 84 Abs. 1 S. 1 SächsVerf, sowie eine den §§ 26 ff. SächsFAG vergleichbare gesetzliche Grundlage zu fordern.
b) Transaktionen
zwischen den Kommunen
Ebenfalls allein vom Vorliegen einer entsprechenden gesetzlichen Regelung abhängig sind die Transaktionen zwischen den Kommunen. Auch ein Seitenblick in die Literatur zum Emissionshandel zeigt, dass beim Handel mit Zertifikaten keine verfassungsrechtlichen Probleme zu erwarten sind. 127
126 So auch: Schmalholz, Michael: Zur rechtlichen Zulässigkeit handelbarer Flächenausweisungsrechte, in: ZUR 2002, S. 162, 163. Franz, Thorsten: Freiraumschutz und Innenentwicklung, S. 423. 127 Soweit ersichtlich wird der Handel mit Emissionsrechten zutreffenderweise nicht als verfassungsrechtliches Problem betrachtet.
14 Risch
210
Teil 3: Neue Instrumente zur Begrenzung des Boden Verbrauches c) Transaktionen zwischen Bürger und Gemeinde
Besonders bedeutsam für die Wirkung der handelbaren Ausweisungsrechte und der durch diese angestrebten Verhaltensbeeinflussung ist die Umlage der Kosten der Ausweisungsrechte auf die Grundstückseigentümer. Ohne Weitergabe der Kosten würde der Versiegelnde von dem von den Zertifikaten ausgehenden Impuls zur Verhaltensänderung nur mittelbar Kenntnis erhalten. Daher stellt sich hier die Frage, in welchem Rahmen es zulässig ist, letztendlich den Bürger zur Kostentragung heranzuziehen. Ein Beispiel 128 : „Gemeinde A hat ein Kontingent von 2 ha Eigenentwicklung für das laufende Jahr. Sie will einen Bebauungsplan mit 5 ha Siedlungs- und Verkehrsfläche ausweisen. Da die Nachbargemeinde Β ihr Kontingent zur Eigenentwicklung nicht ausnutzt, verkauft sie Gemeinde A Ausweisungsrechte für einen Hektar zum Preis von 100.000 €. Dies ist der Preis, der an der Landesausweisungsbörse z.Zt. als Gleichgewichtspreis gilt. Die übrigen 2 ha erwirbt die Gemeinde über die Börse. Sie verfügt nun über Ausweisungsrechte im Werte von 500.000 € (Marktwert des Grundkontingents 200.000 € und neu erworbene im Wert von 300.000 €). Von den 5 ha werden 3,5 ha als Wohnbauland ausgewiesen, 1,5 ha sind Verkehrsflächen. Die 500.000 € muss die Gemeinde nun auf die gesamte Fläche aufteilen. Das bedeutet, dass einerseits die Eigentümer der Wohngrundstücke pro Quadratmeter Grundstücksfläche 10 € für das Ausweisungsrecht bezahlen. Außerdem werden auch die höheren Erschließungskosten über den Erschließungsbeitrag umgelegt. Die Eigentümer zahlen deshalb zusätzlich einen Anteil für die Verkehrsfläche. Bei einem Umlegungsschlüssel über die Grundstücksfläche würde sich für ein 1.000 qm großes Grundstück ein Betrag von 10.000 € ergeben, zu dem 4.200 € hinzukommen. Bei vollständiger Überwälzung kommet auf den Eigentümer also eine Belastung von 14.200 € bei 1.000 qm Grundstücksfläche zu." 1 2 9 Bei der Belastung des Bürgers ist demnach zwischen zwei Fällen zu trennen. Ein wesentlicher Anteil der Ausweisungsrechte wird in der Regel genutzt, um unmittelbar vom Versiegelnden genutzte Rächen festzusetzen, ζ. B. Wohn-, Gewerbe oder Industriegebiete. Hier steht einer Zahlungspflicht die „Gegenleistung" der neugeschaffenen Baulandqualität gegenüber. Dagegen wird ein anderer, zumeist
128 Nach Bizer, Kilian/ Ewringmann, Dieter / Bergmann, Eckhardt /Dosch, Fabian/ Einig, Klaus/Hutter, Gerard: Mögliche Maßnahmen, Instrumente und Wirkungen einer Steuerung der Verkehrs- und Siedlungsflächennutzung, S. 77. 129
Der Unterschied zum ursprünglichen Beispiel liegt zum einen in der Einbeziehung des Wertes des Grundkontingentes. Ohne die Berücksichtigung dieses Wertes stünde die Frage im Raum, ob es mit Art. 3 Abs. 1 GG vereinbar wäre, die Eigentümer neugeschaffenen Baulandes in unterschiedlichem Maße heranzuziehen. Dies wäre dann problematisch, wenn die Gemeinde zwei Bebauungspläne erlässt, von denen einer aus dem Grundkontingent, der andere aber aus zugekauften Ausweisungsrechten bedient wird. Hier unterschieden sich die umzulegenden Beträge. Außerdem wäre es für die Gemeinde in diesem Fall attraktiv, ihre Ausweisungsrechte zu verkaufen und sie ihren Bürgern nicht kostenfrei zur Verfügung zu stellen. Schließlich würden sich wettbewerbsrechtliche Probleme ergeben, wenn ζ. B. nur ein Teil aller Industrieunternehmen für die Ausweisungsrechte zahlen müsste.
§ 3 Die handelbaren Ausweisungsrechte
211
geringerer Teil der Fläche genutzt, um Straßen und andere Erschließungsanlagen aufzunehmen. Die Heranziehung der Versiegelnden kann hier nur indirekt, in Form von Erschließungsbeiträgen erfolgen. Da sich die rechtliche Zulässigkeit in beiden Fällen unterscheidet, sollen sie getrennt behandelt werden.
(1) Die unmittelbare Heranziehung des Bürgers Die Beurteilung der finanzverfassungsrechtlichen Zulässigkeit der Belastung der Bürger mit einer Neubaulandgebühr hängt entscheidend von der Beantwortung zweier Fragen ab. Zum einen ist zu klären, ob es überhaupt möglich ist, Umweltgüter zum Gegenstand einer Gebühr zu machen. Zum anderen ist zu untersuchen, ob das gefundene Ergebnis auch bezüglich der Bodennutzung Bestand haben kann. (a) Die Zulässigkeit von Ressourcennutzungsgebühren Ausgangspunkt der Überlegungen ist die von Rechtsprechung 130 und inzwischen wohl herrschender Ansicht 131 geteilte Überzeugung, dass die Erhebung von Ressourcennutzungsgebühren prinzipiell zulässig ist. Gegenüber dieser Position werden jedoch gewichtige Bedenken geäußert, deren Stichhaltigkeit im Folgenden zu überprüfen ist. (aa) Erstes Gegenargument: Die fehlende Gegenleistung Anerkanntermaßen ist das Vorliegen einer Gegenleistung das entscheidende Kriterium zur Abgrenzung der Gebühr gegenüber der voraussetzungslosen Steuer. 132 Daraus folgt, dass eine Abgabe nur dann als Gebühr betrachtet werden kann, wenn von staatlicher Seite eine Gegenleistung erbracht wird, andernfalls würde es sich 130 BVerfGE 93, S. 319 (338 ff.). 131 Hendler, Reinhard: Ökonomische Instrumente des Umweltrechts unter besonderer Berücksichtigung der Umweltabgaben, in: Dolde, Klaus-Peter (Hrsg.): Umweltrecht im Wandel, S. 305 ff.; Sacksofsky, Ute: Umweltschutz durch nicht-steuerliche Abgaben, S. 196 ff.; Meyer, Susanne: Gebühren für die Nutzung von Umweltressourcen, S. 124 ff.; Murswiek, Dietrich: Ein Schritt in Richtung auf ein ökologisches Recht, in: NVwZ 1996, S. 417 ff.; Heimlich, Jörn: Die Anerkennung der Verleihungsgebühr durch den „Wasserpfennig-Beschluß" des Bundesverfassungsgerichtes, in: DÖV 1997, S. 996 ff.; Heimlich, Jörn: Die Verleihungsgebühr als Umweltabgabe, S. 212 ff.; Murswiek, Dietrich: Die Ressourcennutzungsgebühr, in: NuR 1994, S. 170 ff.; Wieland, Joachim: Die Konzessionsabgaben, S. 294 ff. 132 Heun, Werner, in: Dreier, Horst: Grundgesetz Kommentar Band III, Art. 105 Rn. 12 ff.; Jachmann, Monika, in: v. Mangoldt, Hermann/Klein, Friedrich/Starck, Christian: Das Bonner Grundgesetz Band 3, Art. 105 Rn. 8 ff.; Siekmann, Helmut, in: Sachs, Michael: Grundgesetz Kommentar, vor Art. 104 a, Rn. 50 f.; vgl.: BVerfG 20, S. 257 (269); 50, S. 217 (226), 91, S. 207 (223); Urteil des BVerfG vom 20. 4. 2004, AZ 1 BvR 1748/99, 1 BvR 905/00, Rn. 60.
14*
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Teil 3: Neue Instrumente zur Begrenzung des Boden Verbrauches
um eine Steuer handeln. 1 3 3 A n diesem Punkt setzt nun die an den Ressourcennutzungsgebühren geübte Kritik ein. Von Seiten der Kritiker wird angenommen, dass die Nutzung der Umwelt bzw. eine entsprechende Erlaubnis 1 3 4 keine taugliche Gegenleistung darstelle. Zur Begründung wird darauf verwiesen, dass die Verleihung eines Rechts keine Leistung des Staates s e i . 1 3 5 Von einer Leistung sei vielmehr nur dann zu sprechen, wenn eine kostenverursachende Tätigkeit oder Anstrengung des Staates vorliege. 1 3 6 Der Staat dürfe sich nichts bezahlen lassen, dass nichts gekostet habe. 1 3 7 Nur durch einen derart engen Leistungsbegriff, der i m Übrigen auch durch die klassischen Erscheinungsformen der Gebühr bestätigt werde, 1 3 8 sei sichergestellt, dass die Abgrenzung zur Steuer möglich s e i . 1 3 9 Des Weiteren würde sonst der Kommerzialisierung der öffentlichen Verwaltung Vorschub geleistet und somit auf Errungenschaften des Steuerstaates verzichtet werden. 1 4 0 I m Ergebnis
133
Instruktiv zu den Folgen dieser Unterscheidung: Murswiek, Dietrich: Ein Schritt in Richtung auf ein ökologisches Recht, in: NVwZ 1996, S. 418 f.; vgl. auch: BVerfGE 105, S. 185 (193 f.). 134 Die Unterscheidung zwischen rechtlicher Erlaubnis der Nutzung und tatsächlicher Nutzung wird vom BVerfG als unerheblich betrachtet. Diesem Ergebnis ist zuzustimmen. BVerfGE 93, S. 319 (346). 135
v. Mutius, Albert/Lünenbürger, Simone: Verfassungsrechtliche Aspekte einer umfassenden ökologischen Ressourcenwirtschaft, in: NVwZ 1996, S. 1062; Trzaskalik, Christoph: Gutachten E, in: Ständige Deputation des Deutschen Juristentages (Hrsg.): Verhandlungen des dreiundsechzigsten deutschen Juristentages Band 1, S. E 106 f.; Jachmann, Monika, in: v. Mangoldt, Hermann / Klein, Friedrich/Starck, Christian: Das Bonner Grundgesetz Band 3, Art. 105, Rn. 9. 136
v. Mutius, Albert/Lünenbürger, Simone: Verfassungsrechtliche Aspekte einer umfassenden ökologischen Ressourcenwirtschaft, in: NVwZ 1996, S. 1062, 1063; Hösch, Ulrich: Steuerung durch Umweltabgaben, in: WiVerw 2002, S. 154, 157 ff.; Kirchhof, Paul: Die Finanzverfassung des Bundes, in: Isensee, Josef / Kirchhof, Paul (Hrsg.): HbStR Band IV, § 88 Rn. 187; vgl. auch: Leisner, Walter: Wertzuwachsbesteuerung und Eigentum, S. 87 f. 137 Friauf, Karl Heinrich: „Verleihungsgebühren" als Finanzierungsinstrument für öffentliche Aufgaben?, in: Festschrift der rechts wissenschaftlichen Fakultät zur 600-Jahr-Feier der Universität zu Köln, S. 688, 693, 697; Hösch, Ulrich: Zur rechtlichen Beurteilung von Emissionszertifikaten als Instrument der Vorsorge im Umweltrecht, in: Hendler, Reinhard/Marburger, Peter/Reinhardt, Michael / Schröder, Meinhard (Hrsg.): Jahrbuch des Umwelt- und Technikrechts 2001, S. 152. 138 Kirchhof, Paul: Die Finanzverfassung des Bundes, in: Isensee, Josef/ Kirchhof, Paul (Hrsg.): HbStR Band IV, § 88 Rn. 185. 139 v. Mutius, Albert/Lünenbürger, Simone: Verfassungsrechtliche Aspekte einer umfassenden ökologischen Ressourcen Wirtschaft, in: NVwZ 1996, S. 1063; Friauf, Karl Heinrich: „Verleihungsgebühren" als Finanzierungsinstrument für öffentliche Aufgaben?, in: Festschrift der rechtswissenschaftlichen Fakultät zur 600-Jahr-Feier der Universität zu Köln, S. 683. 140 Friauf, Karl Heinrich: „Verleihungsgebühren" als Finanzierungsinstrument für öffentliche Aufgaben?, in: Festschrift der rechtswissenschaftlichen Fakultät zur 600-Jahr-Feier der Universität zu Köln, S. 686; Kirchhof, Paul: Die Finanzverfassung des Bundes, in: Isensee, Josef/Kirchhof, Paul (Hrsg.): HbStR Band IV, § 88 Rn. 187; skeptisch hierzu: Drömann, Dietrich: Nichtsteuerliche Abgaben im Steuerstaat, S. 57 ff.
§ 3 Die handelbaren Ausweisungsrechte
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führt ein weit verstandener Gebührenbegriff zu dessen Konturlosigkeit, 141 bzw. letztlich zu seiner Preisgabe. 142 Dieser Argumentation ist jedoch entgegenzuhalten, dass sie sich in unzulässigem Maße von verfassungsrechtlichen Begriffen löst und einfaches Recht zur Interpretation des Gebührenbegriffs heranzieht. Festzuhalten ist hier zunächst, dass kein verfassungsrechtlicher Gebührenbegriff existiert. 143 Der Begriff der Gebühr wird im Grundgesetz zwar verwendet, aber nicht definiert. Daher kann nicht unter Verweis auf die traditionelle Ausgestaltung der Gebühren die verfassungsrechtliche Notwendigkeit eines engen Gegenleistungsbegriffes angenommen werden. Verfassungsrechtlich sind weder das Prinzip der Kostendeckung,144 noch die Einfügung einer Abgabe in das Begriffsbild der Gebühr 145 zwingend. Relevant ist allein, dass die Begrenzungs- und Schutzfunktion der Verfassung beachtet wird. 1 4 6 Daher ist es möglich die Frage nach der Gegenleistung nicht aus der Sicht des Staates, sondern aus der des Betroffenen zu beantworten. Aus dessen Perspektive ist nicht nach den staatlichen Kosten, sondern nach dem als Gegenleitung eingeräumten Vorteil zu fragen. Daher kann die Gegenleistung in der Eröffnung der Nutzungsmöglichkeit liegen. 147 Als entscheidendes Kriterium der Qualität als Gegenleistung gilt das Vorliegen eines Bewirtschaftungsregimes. Demnach kann eine Gebühr nicht als Gegenleistung „für nichts" 148 verlangt werden. Vielmehr ist es notwendig, dass der Staat das 141
Siekmann, Helmut, in: Sachs, Michael: Grundgesetz Kommentar, vor Art. 104 a, Rn. 72; Heun, Werner, in: Dreier, Horst: Grundgesetz Kommentar Band III, Art. 105 Rn. 19. 142 v. Mutius, Albert/Lünenbürger, Simone: Verfassungsrechtliche Aspekte einer umfassenden ökologischen Ressourcen Wirtschaft, in: NVwZ 1996, S. 1063. »43 BVerfGE 97, S. 332 (345); 93, S. 319 (345); 50, S. 217 (225 f.); Sacksofsky, Ute: Umweltschutz durch nicht-steuerliche Abgaben, S. 107 f. m. w. N.; einschränkend: Meyer, Susanne: Gebühren für die Nutzung von Umweltressourcen, S. 47; a.A. Friauf, Karl Heinrich: „Verleihungsgebühren" als Finanzierungsinstrument für öffentliche Aufgaben?, in: Festschrift der rechtswissenschaftlichen Fakultät zur 600-Jahr-Feier der Universität zu Köln, S. 694 ff. 1 44 Schmidt, Reiner: Referat, in: Ständige Deputation des Deutschen Juristentages (Hrsg.): Verhandlungen des dreiundsechzigsten deutschen Juristentages Band 2, S. Ν 42; Sacksofsky, Ute: Umweltschutz durch nicht-steuerliche Abgaben, S. 98 ff., 105, 114 ff., 199 ff.; Müller, Christian: Möglichkeiten und Grenzen der indirekten Verhaltenssteuerung durch Abgaben im Umweltrecht, S. 144; Heimlich, Jörn: Die Anerkennung der Verleihungsgebühr durch den „Wasserpfennig-Beschluß" des Bundesverfassungsgerichtes, in: DÖV 1997, S. 997; Murswiek, Dietrich: Die Ressourcennutzungsgebühr, in: NuR 1994, S. 174. 145 BVerfGE 93, S. 319 (345). BVerfG, in: DÖV 2003, S. 549 (550); BVerfGE 93, S. 319 (345). i 4 ? BVerfGE 93, S. 319 (346); Sacksofsky, Ute: Umweltschutz durch nicht-steuerliche Abgaben, S. 202 ff.; Murswiek, Dietrich: Die Ressourcennutzungsgebühr, in: NuR 1994, S. 173 f.; Drömann, Dietrich: Nichtsteuerliche Abgaben im Steuerstaat, S. 309; für eine Duldungsgebühr: Meyer, Susanne: Gebühren für die Nutzung von Umweltressourcen, S. 69 ff., 106 f., 121 ff., 176 f., 181 ff.; Meyer, Susanne: Die Gebühr als finanzverfassungsrechtliches Instrument zur Erhebung von Umweltabgaben, in: NVwZ 2000, S. 1003 f.
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Teil 3: Neue Instrumente zur Begrenzung des Boden Verbrauches
betroffene Umweltgut einer gewissen Bewirtschaftung unterstellt. Ob diese bereits darin gesehen werden kann, dass Zahlungspflichten eingeführt werden, oder ob ein darüber hinaus gehendes Regime notwendig ist, ist umstritten. 149 Den Vorzug verdient hier die zweitgenannte Position, da eine alleinige Gebührenerhebung kaum mit dem Gedanken der Belastungsgleichheit vereinbar wäre. 150 Zumindest muss von staatlicher Seite sichergestellt werden, dass der Gebrauch des Umweltmediums einer Kontrolle unterliegt und sichergestellt wird, dass nur Gebührenzahler in den Genuss der Umweltnutzung kommen. 151 So würde beispielsweise die - auch aus anderen Gründen rechtswidrige - Gebührenerhebung auf Atemluft auch aufgrund fehlender Kontrollmöglichkeiten unzulässig sein. 152 Darüber hinaus muss das Regime gewisse, der Bewirtschaftung des Wassers vergleichbare, 153 planerische Elemente enthalten. Zum Kritikpunkt der unzureichenden Möglichkeit einer Abgrenzung zur Steuer ist zu bemerken, dass der Gegenleistungsbegriff in der hier vertretenen Auslegung keineswegs so konturlos ist, wie behauptet wird. 1 5 4 Insbesondere die aus grundrechtlichen Gründen gebotene Beschränkung möglicher Gegenleistungen begrenzt die Menge möglicher Ansatzpunkte erheblich. 155 Des Weiteren ist auch nach hier vertretener Ansicht die Gegenleistung unabdingbares konstitutives Merkmal der Gebühr. Somit erweitert die Zulässigkeit von Ressourcennutzungsgebühren zwar
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So die Formulierung Drömanns [Drömann, Dietrich: Nichtsteuerliche Abgaben im Steuerstaat, S. 374]. 149 Einerseits: Murswiek, Dietrich: Die Ressourcennutzungsgebühr, in: NuR 1994, S. 176; vermittelnd: Sacksofsky, Ute: Umweltschutz durch nicht-steuerliche Abgaben, S. 222 ff.; andererseits: Meyer, Susanne: Die Gebühr als finanzverfassungsrechtliches Instrument zur Erhebung von Umweltabgaben, in: NVwZ 2000, S. 1003; Meyer, Susanne: Gebühren für die Nutzung von Umweltressourcen, S. 232 ff.; v. Mutius, Albert/Lünenbürger, Simone: Verfassungsrechtliche Aspekte einer umfassenden ökologischen Ressourcenwirtschaft, in: NVwZ 1996, S. 1064 f.; Burgi, Martin: Die Rechtsstellung der Unternehmen im Emissionshandelssystem, in: NJW 2003, S. 2491; Drömann, Dietrich: Nichtsteuerliche Abgaben im Steuerstaat, S. 273; Schmidt, Reiner: Referat, in: Ständige Deputation des Deutschen Juristentages (Hrsg.): Verhandlungen des dreiundsechzigsten deutschen Juristentages Band 2, S. Ν 43 Fn. 101. 150 Vgl. BVerfG, Entscheidung vom 9. 3. 2004, AZ 2 BvL 17/02 Rn. 66 ff. 151 Sacksofsky, Ute: Umweltschutz durch nicht-steuerliche Abgaben, S. 207; Meyer, Susanne: Die Gebühr als finanzverfassungsrechtliches Instrument zur Erhebung von Umweltabgaben, in: NVwZ 2000, S. 1003 f. 152 Drömann, Dietrich: Nichtsteuerliche Abgaben im Steuerstaat, S. 264 f. 153 Skeptisch gegenüber der Übertragung der Ratio der Wasserpfennig-Entscheidung auf andere Umweltmedien: Sacksofsky, Ute: Umweltschutz durch nicht-steuerliche Abgaben, S. 125. 1 54 Müller, Christian: Möglichkeiten und Grenzen der indirekten Verhaltenssteuerung durch Abgaben im Umweltrecht, S. 142. 155 Hendler, Reinhard: Ökonomische Instrumente des Umweltrechts unter besonderer Berücksichtigung der Umweltabgaben, in: Dolde, Klaus-Peter (Hrsg.): Umweltrecht im Wandel, S. 306 f.; siehe dazu unten Teil 3, § 3 II. 3. c) (1) (a) (dd).
§ 3 Die handelbaren Ausweisungsrechte
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den Anwendungsbereich der Gebühr über Verwaltungs- und Benutzungsgebühren hinaus, lässt ihn aber nicht konturlos werden. (bb) Zweites Gegenargument: Verstoß gegen das Prinzip des Steuerstaates Ein weiteres Gegenargument ergibt sich daraus, dass die weitreichende Zulassung der Erhebung von Ressourcennutzungsgebühren zu einem starken Anwachsen der nichtsteuerlichen Einnahmen führen würde. Eine Vielzahl von Erlaubnistatbeständen v.a. im Wirtschaftsrecht könnten als Anknüpfungspunkt von Gebühren gewählt werden. 156 Durch diese Einnahmen würde das Primat des verfassungsrechtlichen Prinzips des Steuerstaates bedroht. Diesem zur Folge habe sich der Staat primär über Steuern zu finanzieren, sonstige Einnahmen stellen die begründungsbedürftige und nur in geringem Umfang tolerierenswerte Ausnahme dar. 157 Angesichts des Wesens des modernen Staates als Steuerstaat sei die weitreichende Instrumentalisierung nichtsteuerlicher Abgaben ein finanzverfassungsgeschichtlicher Anachronismus. 158 Allerdings kann auch dieses Gegenargument nicht tragen. Zum einen sagt das Prinzip des Steuerstaates - dessen verfassungsgeschichtliches und -rechtliches Gewicht nicht überschätzt werden darf 1 5 9 - nichts über den höchstmöglichen Anteil nichtsteuerlicher Abgaben an den Einnahmen des Staates aus und trifft auch keine Aussagen, die zur Beurteilung der Verfassungsmäßigkeit einzelner Abgaben herangezogen werden können. 160 Zum zweiten sind Ressourcennutzungsgebühren kei156 Trzaskalik, Christoph: Gutachten E, in: Ständige Deputation des Deutschen Juristentages (Hrsg.): Verhandlungen des dreiundsechzigsten deutschen Juristentages Band 1, S. E 96 f., 98 f.; Friauf, Karl Heinrich: „Verleihungsgebühren" als Finanzierungsinstrument für öffentliche Aufgaben?, in: Festschrift der rechtswissenschaftlichen Fakultät zur 600-Jahr-Feier der Universität zu Köln, S. 681, 687; so auch die Befürchtung von Leisner [Leisner, Walter: Baufreiheit oder staatliche Baurechts Verleihung, in: DVB1. 1992, S. 1072]. 157 Siekmann, Helmut, in: Sachs, Michael: Grundgesetz Kommentar, vor Art. 104 a, Rn. 44 ff.; Trzaskalik, Christoph: Gutachten E, in: Ständige Deputation des Deutschen Juristentages (Hrsg.): Verhandlungen des dreiundsechzigsten deutschen Juristentages Band 1, S. E 95; Hösch, Ulrich: Zur rechtlichen Beurteilung von Emissionszertifikaten als Instrument der Vorsorge im Umweltrecht, in: Hendler, Reinhard/Marburger, Peter/Reinhardt, Michael/ Schröder, Meinhard (Hrsg.): Jahrbuch des Umwelt- und Technikrechts 2001, S. 149; Dreymann, Dietrich: Nichtsteuerliche Abgaben im Steuerstaat, S. 90 ff. v.a. S. 169 ff.; Sacksofsky, Ute: Umweltschutz durch nicht-steuerliche Abgaben, S. 126 ff. 158 So zu den Verleihungsgebühren: Friauf, Karl Heinrich: „Verleihungsgebühren" als Finanzierungsinstrument für öffentliche Aufgaben?, in: Festschrift der rechtswissenschaftlichen Fakultät zur 600-Jahr-Feier der Universität zu Köln, S. 682. 159 Sacksofsky, Ute: Umweltschutz durch nicht-steuerliche Abgaben, S. 136 ff., 148, 161 ff.; Meyer, Susanne: Gebühren für die Nutzung von Umweltressourcen, S. 155 ff. 160 BVerfGE 93, S. 319 (342); Trzaskalik, Christoph: Gutachten E, in: Ständige Deputation des Deutschen Juristentages (Hrsg.): Verhandlungen des dreiundsechzigsten deutschen Juristentages Band 1, S. E 102; Drömann, Dietrich: Nichtsteuerliche Abgaben im Steuerstaat,
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Teil 3: Neue Instrumente zur Begrenzung des Boden Verbrauches
neswegs so universell einsetzbar, dass das Primat der Steuerfinanzierung des Staates zwangsläufig untergraben würde. 161 Schließlich ist zu bemerken, dass das Konzept des Steuerstaates nicht so weit ausgebaut werden darf, dass dem Gesetzgeber keine Handlungsfreiheit mehr verbleibt. 162 Daher kann aus dem Prinzip des Steuerstaates nicht auf die Unzulässigkeit von Ressourcennutzungsgebühren geschlussfolgert werden. Jedoch darf trotz der Zurückweisung der vorgebrachten Gegenargumente nicht vergessen werden, dass die Erhebung von Gebühren nicht in das Belieben des Gesetzgebers gestellt werden darf. Auch nach hier vertretener Auffassung ergeben sich aus dem Steuerstaatsprinzip Grenzen der Belastung des Bürgers durch nichtsteuerliche Abgaben. Diese manifestieren sich zum einen im Verbot eines „Wahlrechts" des Gesetzgebers zwischen steuerlichen und nichtsteuerlichen Abgaben. 163 Zum anderen bedürfen nichtsteuerliche Abgaben einer besonderen Rechtfertigung. 164 Diese dürfte zumeist in der Abschöpfung des entstandenen Vorteils liegen. 165 Ob die Rechtfertigung in einer der Wasserpfennig-Entscheidung vergleichbaren Weise erfolgen kann, 166 ist eine Frage des jeweils betroffenen Umweltmediums. (cc) Drittes Gegenargument: Verstoß gegen die finanzverfassungsrechtliche Kompetenzordnung Außerdem wird geltend gemacht, dass ein Abrücken vom Primat des Steuerstaates dazu führt, dass die finanzverfassungsrechtliche Kompetenzordnung ins WanS. 320 f.; a.A. Selmer /Brodersen, die die Grenze bei einem Steueranteil von 50% ziehen. [Selmer, Peter /Brodersen, Carsten: Die Verfolgung ökonomischer, ökologischer und anderer Zwecke durch Instrumente des Abgabenrechts, in: DVB1. 2000, S. 1164]. 161 Hendler, Reinhard: Ökonomische Instrumente des Umweltrechts unter besonderer Berücksichtigung der Umweltabgaben, in: Dolde, Klaus-Peter (Hrsg.): Umweltrecht im Wandel, S. 307; siehe auch unten Teil 3, § 3 II. 3. c) (1) (a) (dd). 162 Juchum, Gerhard: Referat, in: Ständige Deputation des Deutschen Juristentages (Hrsg.): Verhandlungen des dreiundsechzigsten deutschen Juristentages Band 2, S. Ν 8. 163 BVerfGE 55, S. 274 (302). 164 BVerfG, in: DÖV 2003, S. 549 (550); BVerfGE 93, S. 319 (343); Selmer, Peter/ßrodersen, Carsten: Die Verfolgung ökonomischer, ökologischer und anderer Zwecke durch Instrumente des Abgabenrechts, in: DVB1. 2000, S. 1165.
165 BVerfG, in: DÖV 2003, S. 549 (550); BVerfGE 93, S. 319 (345); Sacksofsky, Ute: Umweltschutz durch nicht-steuerliche Abgaben, S. 202 ff., 216 ff.; Wieland, Joachim: Die Konzessionsabgaben, S. 297 f., 313 ff.; Murswiek, Dietrich: Ein Schritt in Richtung auf ein ökologisches Recht, in: NVwZ 1996, S. 420; Heimlich, Jörn: Die Anerkennung der Verleihungsgebühr durch den „Wasserpfennig-Beschluß" des Bundesverfassungsgerichtes, in: DÖV 1997, S. 998 f.; Murswiek, Dietrich: Die Ressourcennutzungsgebühr, in: NuR 1994, S. 174; Kluth, Winfried: Verfassungs- und abgabenrechtliche Rahmenbedingungen der Ressourcenbewirtschaftung, in: NuR 1997, S. 109; vgl. auch: Vosskuhle, Andreas: Das Kompensationsprinzip, S. 225 f.; Drömann, Dietrich: Nichtsteuerliche Abgaben im Steuerstaat, S. 256 ff. 166 BVerfGE 93, S. 319 (345 ff.); siehe dazu unten Teil 3, § 3 II. 3. c) (1) (b).
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ken gerate. Gerade in Anbetracht der Tatsache, dass es sich bei dieser um einen „der am sorgsamsten behauenen Ecksteine des Gefüges der bundesstaatlichen Verfassung" 167 handele, sei es nicht hinnehmbar, dass die finanzverfassungsrechtliche Kompetenzverteilung durch ein nur gering beschränktes Recht zur Erhebung nichtsteuerlicher Abgaben ausgehöhlt werde. Jedoch zeigt eine nähere Betrachtung, dass von einem „aushöhlen" der finanzverfassungsrechtlichen Kompetenzordnung keine Rede sein kann. Zum einen ist die Sprengkraft der Ressourcennutzungsgebühr angesichts der Restriktionen im Anwendungsbereich und der Einschränkung durch die Notwendigkeit einer besonderen Begründung begrenzt. Zum anderen bedarf die Finanzverfassung nicht nur der Stabilität, sondern auch der Flexibilität. 168 Schließlich kann mit guten Gründen bestritten werden, dass eine Stärkung der Ressourcennutzungsgebühren mit Gefahren für den Bundesstaat einhergeht. 169 Daher ergeben sich aus der fmanzverfassungsrechtlichen Kompetenzenordnung keine Argumente gegen Ressourcennutzungsgebühren. (dd) Viertes Gegenargument: Ressourcennutzungsgebühren als unzulässiger „Preis der Freiheit" Schließlich wird bezüglich der Ressourcennutzungsgebühren bemängelt, dass durch diese unzulässigerweise einen Preis für Freiheitsausübung erhoben würde. 170 Insbesondere wird geltend gemacht, dass der Gebrauch grundrechtlicher Freiheiten nicht Gegenleistung für Gebühren sein kann. 171 Der Gebrauch dieser Freiheiten sei gerade kein Sondervorteil im Sinne der BVerfG-Rechtsprechung und dürfe daher auch nicht abgeschöpft werden. 172 Diesem Argument ist entgegenzuhalten, dass die Ressourcennutzungsgebühr dem Willen ihrer Befürworter nach nur bezüglich solcher Umweltgüter eingeführt 167 BVerfGE 55, S. 274 (302). 168 Sacksofsky; Ute: Umweltschutz durch nicht-steuerliche Abgaben, S. 170 ff. 169 Sacksofsky, Ute: Umweltschutz durch nicht-steuerliche Abgaben, S. 178 ff. 170 Friauf, Karl Heinrich: „Verleihungsgebühren" als Finanzierungsinstrument für öffentliche Aufgaben?, in: Festschrift der rechtswissenschaftlichen Fakultät zur 600-Jahr-Feier der Universität zu Köln, S. 683 f.; Hösch, Ulrich: Zur rechtlichen Beurteilung von Emissionszertifikaten als Instrument der Vorsorge im Umweltrecht, in: Hendler, Reinhard /Marburger, Peter/Reinhardt, Michael /Schröder, Meinhard (Hrsg.): Jahrbuch des Umwelt- und Technikrechts 2001, S. 158. 171 Trzaskalik, Christoph: Gutachten E, in: Ständige Deputation des Deutschen Juristentages (Hrsg.): Verhandlungen des dreiundsechzigsten deutschen Juristentages Band 1, S. E 109; Friauf, Karl Heinrich: „Verleihungsgebühren" als Finanzierungsinstrument für öffentliche Aufgaben?, in: Festschrift der rechtswissenschaftlichen Fakultät zur 600-Jahr-Feier der Universität zu Köln, S. 697 f. 172 v. Mutius, Albert/Lünenbürger, Simone: Verfassungsrechtliche Aspekte einer umfassenden ökologischen Ressourcenwirtschaft, in: NVwZ 1996, S. 1064; Hösch, Ulrich: Steuerung durch Umweltabgaben, in: WiVerw 2002, S. 146 f.
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Teil 3: Neue Instrumente zur Begrenzung des Boden Verbrauches
werden soll, auf deren Nutzung kein grundrechtlicher Anspruch besteht. Insofern handelt es sich nicht um den Preis der Freiheit, da bislang keine Freiheit besteht, 1 7 3 sondern diese vielmehr erweitert w i r d . 1 7 4 Zuzugeben ist allerdings, dass tatsächlich dort kein Raum für Gebühren ist, wo lediglich grundrechtliche Freiheit ausgeübt w i r d . 1 7 5 Für Ressourcennutzungsgebühren ist erst Raum, wenn eine Umweltnutzung durch ein verfassungsrechtlich zulässiges Gesetz als Sondervorteil ausgestaltet w u r d e . 1 7 6 Ob derartige Gesetze zulässig sind, hängt davon ab, wie die Frage nach dem grundrechtlichen Anspruch auf Umweltnutzung beantwortet w i r d 1 7 7 und ist daher für jedes betroffene Umweltgut separat zu klären. 1 7 8 Hier ist daher nur festzuhalten, dass der Kritik am Konzept der Ressourcennutzungsgebühr dahingehend Recht zu geben ist, dass diese nur für Umweltnutzungen erhoben werden kann, auf die kein grundrechtlicher Anspruch besteht.
(ee) Zwischenergebnis I m Ergebnis ist festzuhalten, dass die Zulässigkeit von Ressourcennutzungsgebühren von der Erfüllung von vier Voraussetzungen abhängig ist. Z u m einen 173 Hendler, Reinhard: Ökonomische Instrumente des Umweltrechts unter besonderer Berücksichtigung der Umweltabgaben, in: Dolde, Klaus-Peter (Hrsg.): Umweltrecht im Wandel, S. 306. 174 Wieland, Joachim: Die Konzessionsabgabe, S. 303. 175 Wieland, Joachim: Die Konzessionsabgabe, S. 295; Sacksofsky, Ute: Umweltschutz durch nichtsteuerliche Abgaben, S. 224; Murswiek, Dietrich: Die Ressourcennutzungsgebühr, in: NuR 1994, S. 175; Schmidt, Reiner: Referat, in: Ständige Deputation des Deutschen Juristentages (Hrsg.): Verhandlungen des dreiundsechzigsten deutschen Juristentages Band 2, S. Ν 43; Müller, Christian: Möglichkeiten und Grenzen der indirekten Verhaltenssteuerung durch Abgaben im Umweltrecht, S. 145 f.; Jakob, Wolfgang/Zugmaier, Oliver: Grundfragen zur Einführung von Umweltabgaben - zugleich ein Beitrag zur finanzverfassungsrechtlichen Abgabentypologie, in: Jakob, Wolfgang/Zugmaier, Oliver (Hrsg.): Rechtliche Probleme von Umweltabgaben, S. 26; Meyer, Susanne: Gebühren für die Nutzung von Umweltressourcen, S. 129; Drömann, Dietrich: Nichtsteuerliche Abgaben im Steuerstaat, S. 317; Heimlich, Jörn: Die Anerkennung der Verleihungsgebühr durch den „Wasserpfennig-Beschluß" des Bundesverfassungsgerichtes, in: DÖV 1997, S. 999 f. 176
v. Mutius, Albert/Lünenbürger, Simone: Verfassungsrechtliche Aspekte einer umfassenden ökologischen Ressourcenwirtschaft, in: NVwZ 1996, S. 1064. 177 Siehe dazu einerseits: Murswiek, Dietrich: Ein Schritt in Richtung auf ein ökologisches Recht, in: NVwZ 1996, S. 421; Murswiek, Dietrich: Die Ressourcennutzungsgebühr, in: NuR 1994, S. 175 f. Kluth, Winfried: Verfassungs- und abgabenrechtliche Rahmenbedingungen der Ressourcen-bewirtschaftung, in: NuR 1997, S. 106, 107 f., 110 f.; andererseits: Hösch, Ulrich: Steuerung durch Umweltabgaben, in: WiVerw 2002, S. 148. 178 Siehe dazu unten Teil 3, § 3 II. 3. c) (1) (b); Nicht ohne jeden Grund verwandte das BVerfG einige Argumentation auf die Darlegung, dass Wasser ein öffentliches Gut ist, auf dessen Nutzung seit dem Nassauskiesungsurteil [BVerfGE 58, S. 300 (344)] kein grundrechtlicher Anspruch besteht. [BVerfG 93, 319 (339 ff.)] vgl. Beschluss Nr. Ν 23.1 des 63. Deutschen Juristentages, Abteilung öffentliches Recht, in: Ständige Deputation des Deutschen Juristentages (Hrsg.): Verhandlungen des dreiundsechzigsten deutschen Juristentages Band 2, S. Ν 193.
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muss dem Gebührenschuldner eine Gegenleistung übertragen werden, was voraussetzt, dass kein grundrechtlicher Anspruch auf die angestrebte Umweltnutzung besteht und eine gewisse Ressourcenbewirtschaftung durch den Staat betrieben wird. Zum zweiten ist aufgrund der grundsätzlichen Geltung des Steuerstaatsprinzips eine besonderer Rechtfertigung nichtsteuerlicher Abgaben notwendig. Die Notwendigkeit einer weiteren Rechtfertigung ergibt sich aus dem Prinzip der Belastungsgleichheit der Abgabenpflichtigen. 179 Schließlich muss das mit Ressourcennutzungsgebühren erzielte Einkommen der Budgetplanung von Parlament und Regierung unterstellt werden. (b) Die Neubaulandgebühr Fraglich ist, ob die hier angestrebte Umlage der Kosten für Flächenausweisungsrechte mit den ermittelten Grundsätzen der Erhebung von Ressourcennutzungsgebühren vereinbar ist. (aa) Die Gegenleistung Die Gegenleistung des Staates für die Erhebung einer Neubaulandgebühr könnte in der Einräumung der Baulandqualität für das betreffende Grundstück liegen. Die Leistung der Gemeinde würde darin bestehen, dass sie Ausweisungsrechte erwirbt bzw. aus ihrer Grundzuweisung zur Verfügung stellt, ohne die es nicht möglich wäre, die Fläche zu beplanen. Hier erscheint es angemessen, den Bürger als eigentlichen Empfänger des mit dem Ausweisungsrecht verbundenen Vorteils zu betrachten, da die Gemeinde zum einen letztlich für den Eigentümer des Grundstücks plant bzw. diesem die Wertsteigerung durch die neugewonnene Qualität zukommt. Zum zweiten ist darauf hinzuweisen, dass der unmittelbar Versiegelnde die eigentliche Zielgruppe der Verhaltensbeeinflussung durch die Einführung der Zertifikate ist. Letztlich wird eine Verhaltensänderung des Bürgers angestrebt. 180 Die Abwicklung des Zertifikatemarktes über die Gemeinden dient lediglich der Vereinfachung der Abläufe. Allerdings stellt sich die Frage, ob es sich hier tatsächlich um eine Gegenleistung handelt, da zum einen zweifelhaft ist, ob nicht ein grundrechtlicher Anspruch auf die bauliche Nutzung von Grundstücken besteht. Zum anderen ist zu klären, ob die Ressource Bauland staatlich bewirtschaftet wird.
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Zur Herleitung dieses Prinzips: Sacksofsky, Ute: Umweltschutz durch nicht-steuerliche Abgaben, S. 210 ff. 180 Bizer, Kilian/Ewringmann, Dieter/Bergmann, Eckhardt/Dosch, Fabian/Einig, Klaus /Hutter, Gerard: Mögliche Maßnahmen, Instrumente und Wirkungen einer Steuerung der Verkehrs- und Siedlungsflächennutzung, S. 76 ff.; Bizer, Kilian: Marktanaloge Instrumente im Natur- und Landschaftsschutz, S. 115.
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Teil 3: Neue Instrumente zur Begrenzung des Boden Verbrauches
( α ) Die bauliche Nutzung als grundrechtliche Freiheit Die Rechtsprechung und weite Teile der Literatur gehen davon aus, dass es zumindest grundsätzlich Baufreiheit gäbe. I m Gegensatz dazu nimmt eine in der L i teratur vertretene Mindermeinung an, dass das Recht der Bodennutzung nur einfachrechtlich gewährt werde und nicht durch Art. 14 Abs. 1 GG geschützt sei. Der Streit findet seinen Ursprung in der in den 70er Jahren geführten Debatte über die Abschöpfung von Planungsgewinnen. Dieser liegt - ebenso wie hier - die Frage zugrunde, ob das Recht zur baulichen Nutzung Teil des umfassenden Grundeigentums, oder ein eigenes, vom Staat geschaffenes und daher auch gebührenfähiges Recht ist. (aa) Die Position der herrschenden Meinung Die Rechtsprechung und der überwiegende Teil der Literatur sind der Ansicht, dass die Baufreiheit von Art. 14 Abs. 1 GG umfasst s e i . 1 8 1 Zur Begründung wird auf die geschichtliche Entwicklung der Freiheit der Grundstücksnutzung verwiesen, welche die bauliche Nutzung des Grundstücks seit jeher beinhalte. 1 8 2 Aus der Geschichte des Grundgesetzes ergebe sich kein Anhaltspunkt dafür, dass der Verfassungsgeber mit dieser Tradition brechen w o l l t e . 1 8 3 Des Weiteren gebiete es die 181 BVerfGE 104, S. 1 (11); 35, S. 263 (276); BVerwG, in: UPR 1998 S. 228 (229); BVerwG, in: DVB1. 1979, S. 67 (69); BVerwGE 48, S. 271 (273); 45, S. 309 (324); 42, S. 115 (116); 2, S. 172 (174); BGH, in: DVB1. 2001, S. 1619 (1621); BGHZ 88, S. 51 (59 f.); 67, S. 320 (326 f.); 65, S. 182 (186); 60, S. 112 (115); 30, S. 338 (341); Papier, Hans-Jürgen, in: Maunz, Theodor/Dürig, Günter: Grundgesetz Kommentar, Art. 14 Rn. 57 ff. (Juni 2002); Leisner, Walter: Baufreiheit oder staatliche Baurechtsverleihung, in: DVB1. 1992, S. 1067 ff.; Leisner, Walter, in: Isensee, Josef/Kirchhof, Paul (Hrsg.): HbStR Band V I § 149 Rn. 104; Huber, Peter M.: Rechtliche Grenzen von Planwertausgleich und städtebaulichen Verträgen, in: DÖV 1999, S. 174 f.; Haas, Evelyn: Die Baulandumlegung - Inhalts- und Schrankenbestimmung des Eigentums, in: NVwZ 2002, S. 273, 276; Christ, Josef: Die Umlegung als Instrument des privatnützigen Ausgleichs der Eigentümerinteressen, in: DVB1. 2002, S. 1524 f.; Badura, Peter: Möglichkeiten und Grenzen des Zivilrechts bei der Gewährleistung öffentlicher und sozialer Erfordernisse im Bodenrecht, in: AcP 176, S. 139 ff.; Oldiges, Martin, in: Steiner, Udo (Hrsg.): Besonderes Verwaltungsecht, S. 613; Just, Jan-Dirk, in: Hoppe, Werner/Bönker, Christian /Grotefels, Susan: Öffentliches Baurecht, § 2 Rn. 55 f.; Ehlers, Dirk: Eigentumsschutz, Sozialbindung und Enteignung bei der Nutzung von Boden und Umwelt, in: VVDStRL 51, S. 217; Grziwotz, Herbert: Baufreiheit und Schutzanspruch des Dritten angesichts einer Änderung der Sach- und Rechtslage, in: AöR 113, S. 232 f.; Wendt, Rudolf, in: Sachs, Michael: Grundgesetz Kommentar, Art. 14 Rn. 45 f.; Leisner, Walter: Eigentum, S. 20; Leisner, Walter: Wertzuwachsbesteuerung und Eigentum, S. 88. 182 Papier, Hans-Jürgen, in: Maunz, Theodor/Dürig, Günter: Grundgesetz Kommentar, Art. 14 Rn. 57, 61 (Juni 2002); Just, Jan-Dirk, in: Hoppe, Werner/Bönker, Christian/Grotefels, Susan: Öffentliches Baurecht, § 2 Rn. 56; Leisner, Walter: Baufreiheit oder staatliche Baurechtsverleihung, in: DVB1. 1992, S. 1068; a.A. Rittstieg, Helmut, in: Alternativkommentar, Art. 14/15 Rn. 96 (Stand 2001); Dähne, Harald: Die sogenannte Baufreiheit, in: JURA 2003, S. 456 f. 183 Just, Jan-Dirk, in: Hoppe, Werner/Bönker, Christian / Grotefels, Susan: Öffentliches Baurecht, § 2 Rn. 56; Papier, Hans-Jürgen, in: Maunz, Theodor/Dürig, Günter: Grundgesetz
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privatnützige Struktur des Eigentumsgrundrechtes, die für den Grundstückseigentümer wichtigste Form der Nutzung, die bauliche Nutzung, in den Schutzbereich einzuschließen.184 Außerdem biete Art. 14 Abs. 1 S. 2 GG ausreichende Möglichkeiten, das Individualinteresse an baulicher Nutzung mit dem Allgemeininteresse an unversiegelten Flächen in Einklang zu bringen. Angesichts dessen sei es unangemessen, die Baufreiheit aus dem Schutzbereich des Art. 14 Abs. 1 GG auszugrenzen. 185 Schließlich sei nur durch das Festhalten an der Figur der Baufreiheit gewährleistet, dass Einschränkungen der Nutzungsbefugnis an der Verfassung überprüfbar sein. 186 Wenn diese Ansicht zutreffen sollte, wäre die Versiegelung von Grundstücken Grundrechtsgebrauch, die Einbeziehung eines Grundstücks in einen Bebauungsplan würde demnach keine Gegenleistung darstellen. Folglich käme die Umlage der Kosten nicht in Betracht. 187 (ßß) Die Ansicht der Mindermeinung Dieser Position widerspricht ein Teil der Literatur vehement. Demnach habe zwar in frühliberaler Zeit Baufreiheit bestanden, jedoch sei diese durch das bestehende Bauplanungs- und Bauordnungsrecht so weitreichend überlagert worden, dass keine Freiheit des Eigentümers mehr verbleibe. 188 Die Befugnis zur baulichen Nutzung eines Grundstücks werde vielmehr durch hoheitlichen Akt zugeteilt. 189 Außerdem sei die Existenz der Baufreiheit weder in historischer Perspektive noch im einfachen Recht eindeutig nachweisbar. 190 Insbesondere spreche Kommentar, Art. 14 Rn. 61 (Juni 2002); Huber, Peter M.: Rechtliche Grenzen von Planwertausgleich und städtebaulichen Verträgen, in: DÖV 1999, S. 174 f.; vgl. Badura, Peter: Möglichkeiten und Grenzen des Zivilrechts bei der Gewährleistung öffentlicher und sozialer Erfordernisse im Bodenrecht, in: AcP 176, S. 139. 184 Papier, Hans-Jürgen, in: Maunz, Theodor/Dürig, Günter: Grundgesetz Kommentar, Art. 14 Rn. 64 (Juni 2002); Leisner, Walter: Baufreiheit oder staatliche Baurechtsverleihung, in: DVB1. 1992, S. 1067, 1069; Leisner, Walter, in: Isensee, Josef/ Kirchhof, Paul (Hrsg.): HbStR Band V I § 149 Rn. 104; Oldiges, Martin, in: Steiner, Udo (Hrsg.): Besonderes Verwaltungsecht, S. 613. 185 Papier, Hans-Jürgen, in: Maunz, Theodor/Dürig, Günter: Grundgesetz Kommentar, Art. 14 Rn. 65 (Juni 2002); Leisner, Walter: Baufreiheit oder staatliche Baurechts Verleihung, in: DVB1. 1992, S. 1071. 186 Just, Jan-Dirk, in: Hoppe, Werner/Bönker, Christian / Grotefels, Susan: Öffentliches Baurecht, § 2 Rn. 56; Papier, Hans-Jürgen, in: Maunz, Theodor/Dürig, Günter: Grundgesetz Kommentar, Art. 14 Rn. 65 (Juni 2002). 187 Leisner, Walter: Baufreiheit oder staatliche Baurechts Verleihung, in: DVB1. 1992, S. 1066; Leisner, Walter: Weitzuwachsbesteuerung und Eigentum, S. 84 ff. 188 Breuer, Rüdiger: Die Bodennutzung im Konflikt zwischen Städtebau und Eigentumsgarantie, S. 162 ff.; Schmidt-Assmann, Eberhard: Grundfragen des Städtebaurechts, S. 89 ff.; Schulte, Hans: Das Dogma Baufreiheit, in: DVB1. 1979, S. 133; Dähne, Harald: Die sogenannte Baufreiheit, in: JURA 2003, S. 456 ff. 189 Rittstieg, Helmut, in: Alternativkommentar Art. 14/15 Rn. 98 (Stand 2001). 190 Breuer, Rüdiger: Die Bodennutzung im Konflikt zwischen Städtebau und Eigentumsgarantie, S. 167 ff.; Schulte, Hans: Das Dogma Baufreiheit, in: DVB1. 1979, S. 133 ff.;
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Teil 3: Neue Instrumente zur Begrenzung des Boden Verbrauches
die Tatsache, dass sich das Eigentum in der Planung nicht in jedem Fall durchsetzen müsse, gegen die Baufreiheit. 191 Unter Zugrundelegung dieser Ansicht kann die durch Einbeziehung in den Bebauungsplan vermittelte Bebauungsbefugnis durchaus als Gegenleistung betrachtet werden, sodass die Erhebung einer Vorzugslast möglich ist. (77) Stellungnahme Bei der Beantwortung der hier aufgeworfenen Frage muss zwischen zwei Untersuchungsgegenständen getrennt werden. Zum einen ist zu fragen, ob die Baufreiheit zur Zeit besteht. Zum anderen wäre zu klären, ob sie durch den Gesetzgeber, ζ. B. bei der Einführung handelbarer Ausweisungsrechte, abgeschafft werden könnte. Bezogen auf den heutigen Stand vermag die an der herrschenden Meinung geübte Kritik nicht zu überzeugen. Die Kritik ist nicht in der Lage, ihre entscheidende Behauptung zu belegen. Es bleibt unklar, worin die Inhalts- und Schrankenbestimmung zu sehen sei, welche die Baufreiheit vom Grundstückseigentum abgetrennte und in einen Sonderstatus überführte. 192 Ausgangspunkt der Betrachtung ist die Tatsache, dass das Eigentum am Grundstück in den ersten Jahren der Geltung des Grundgesetzes unstreitig die - wenngleich durch eine Vielzahl von Gesetzen beschränkte - Baufreiheit einschloss.193 Der Gesetzgeber gestaltete den Inhalt des Eigentums, indem er das von der Baufreiheit ausgehende B G B 1 9 4 in die Reihen der Bundesgesetze aufnahm. Die so ausgestaltete Eigentumsposition „Baufreiheit" wurde in den folgenden Jahren durch weitere Gesetze gestaltet und beschränkt. 195 Diesen Gesetzen ist gemein, dass sie jeweils vom Bestand der Baufrei-
Schulte, Hans: Freiheit und Bindung des Eigentums im Bodenrecht, in: JZ 1984, S. 301; Dähne, Harald: Die sogenannte Baufreiheit, in: JURA 2003, S. 456 f., 458 ff. 191 Schulte, Hans: Das Dogma Baufreiheit, in: DVB1. 1979, S. 135; Schulte, Hans: Baufreiheit als Inhalt des Grundeigentums, in: Brambring, Günter/Medicus, Dieter/Vogt, Max (Hrsg.): Festschrift für Horst Hagen, S. 201 f. 192 Leisner, Walter: Baufreiheit oder staatliche Baurechtsverleihung, in: DVB1. 1992, S. 1070; Leisner, Walter: Eigentum, S. 20; Papier, Hans-Jürgen, in: Maunz, Theodor/Dürig, Günter: Grundgesetz Kommentar, Art. 14 Rn. 61 (Juni 2002); Huber, Peter M.: Rechtliche Grenzen von Planwertausgleich und städtebaulichen Verträgen, in: DÖV 1999, S. 174 f.; vgl. auch: Schulte, Hans: Das Dogma Baufreiheit, in: DVB1. 1979, S. 136. 193 Vgl. dazu neben den in Fn. 181 genannten: Bryde, Brun Otto, in: v. Münch, Ingo/Kunig, Philip: Grundgesetz-Kommentar Band 1, Art. 14 Rn. 14; ansatzweise auch Rittstieg, Helmut, in: Alternativkommentar Art. 14/15 Rn. 87, 87 (Stand 2001); 87, 97; Schulte, Hans: Das Dogma Baufreiheit, in: DVB1. 1979, S. 134. 194 Vergleiche dazu: Mugdan, Benno: Die gesamten Materialien zum Bürgerlichen Gesetzbuch für das Deutsche Reich, Band 3 Sachenrecht, S. 145; demfolgend gehen sämtliche Kommentare zum BGB davon aus, dass die Nutzungsfreiheit des Grundstückseigentümers weiterhin besteht und durch Bauplanungs- und Bauordnungsrecht lediglich eingeschränkt wird. Skeptisch: Dähne, Harald: Die sogenannte Baufreiheit, in: JURA 2003, S. 456 f.
§ 3 Die handelbaren Ausweisungsrechte
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heit ausgehen und nicht den Anspruch erheben, das Recht zur Nutzung des Bodens in eine andere Nutzungsordnung zu überführen. 196 Erkennbar wird dies daran, dass weder in der Begründung des Gesetzesentwurfes des BBauG, 197 noch in den Begründungen der folgenden Gesetze der Wille des Gesetzgebers zur Neuordnung des Rechts der Grundstücksnutzung zu Tage tritt. Die Gesetze selbst enthalten keine § 1 a Abs. 3 WHG, bzw. den vorangegangenen Gesetzen vergleichbare Regelung. 198 Ein weiterer Anhaltspunkt für den gesetzgeberischen Willen, die Baufreiheit grundsätzlich beizubehalten, ist darin zu sehen, dass es bis jetzt nicht zu einer Regelung gekommen ist, welche Plangewinne abschöpft. 199 Nach allgemeiner Auffassung setzt die Abschöpfung von Plangewinnen die Existenz eines vom Grundeigentum gelösten öffentlich rechtlichen Baurechtes voraus. Aus dieser Erkenntnis kann zwar nicht der Umkehrschluss gezogen werden, dass die Nichtexistenz der Plangewinnabschöpfung zwangsläufig die Existenz der Baufreiheit bestätigt, doch vermag sie den vorangegangenen Befund zu untermauern. Warum sollte der Gesetzgeber das Recht der baulichen Nutzung des Bodens in eine andere Rechtsform überführen, wenn er die so entstandene Möglichkeit der Plangewinnabschöpfung nicht nutzt? Daher kann festgehalten werden, dass der Gesetzgeber am Grundsatz der Baufreiheit festhält. Für eine schon erfolgte Überführung der baulichen Nutzbarkeit in eine separate Eigentumsposition fehlen die Anhaltspunkte. 2 0 0 Aus diesem Grund ist der herrschenden Meinung dahingehend zuzustimmen, dass die Baufreiheit grundsätzlich - in ihrer durch die bestehenden Gesetze ausgestalteten Form - in den Schutzbereich des Art. 14 Abs. 1 GG fällt. 2 0 1 Klar vom gerade behandelten Problem zu trennen ist die Frage, ob es dem Gesetzgeber von Verfassungs wegen verwehrt ist, die bauliche Nutzung von Grundstücken in der Zukunft abweichend vom bisherigen Primat der zivilrechtlichen
195 Bundesbaugesetz vom 23. 6. 1960 (BGBl. I S. 341); Städtebauförderungsgesetz vom 27. 7. 1971 (BGBl. I S. 1125); Baugesetzbuch vom 1. 7. 1987 (BGBl. 1986 I S. 2191); Baugesetzbuch vom 27. 8. 1997 (BGBl. IS. 2141). 196 Papier, Hans-Jürgen, in: Maunz, Theodor/Dürig, Günter: Grundgesetz Kommentar, Art. 14 Rn. 61 (Juni 2002). 197 Dieser stellte lediglich fest, dass es sich bei dem BBauG um eine Inhalts- und Schrankenbestimmung des Eigentums handelt (BT-DRs. 326/1, S. 56). 198 Huber, Peter Michael: Rechtliche Grenzen von Planwertausgleich und städtebaulichen Verträgen, in: DÖV 1999, S. 174; vgl. dazu BVerfGE 58, S. 300 (332 f.). i " Schulte, Hans: Das Dogma Baufreiheit, in: DVB1. 1979, S. 136; vgl. zu den verschiedenen Gesetzesinitiativen.· Krautzberger, Michael, in: Ernst, Werner/Zinkahn, Willy/Bielenberg, Walter/Krautzberger, Michael: Baugesetzbuch, Einleitung Rn. 51 ff. (April 2000). 200 Leisner, Walter: Baufreiheit oder staatliche Baurechtsverleihung, in: DVB1. 1992, S. 1068. 201 Wobei anzumerken ist, dass nicht alle Vertreter der Mindermeinung davon ausgehen, dass die Baufreiheit zur Zeit nicht in den Schutzbereich des Art. 14 Abs. 1 GG falle. Die Argumentation ist bisweilen eher zukunftsgerichtet und zielt darauf, dass es möglich sei, eine separate Nutzungsordnung einzuführen [Schulte, Hans: Das Dogma Baufreiheit, in: DVB1. 1979, S. 139].
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Teil 3: Neue Instrumente zur Begrenzung des Boden Verbrauches
Baufreiheit zu gestalten. In diesem Fall ergeben sich die Grenzen des gesetzgeberischen Spielraumes allein aus der Wesenshaltsgarantie des Art. 19 Abs. 2 GG. Daher ist hier zu fragen, ob die Baufreiheit zwingend vom Wesensgehalt des Art. 14 Abs. 1 GG umfasst ist. Nach Ansicht des Bundesverfassungsgerichts ergeben sich die nach Art. 19 Abs. 2 GG zu beachtenden Grenzen des Wesens der Eigentumsgarantie aus der Institutionsgarantie des Art. 14 Abs. 1 GG und dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. 202 Die Institutionsgarantie des Art. 14 Abs. 1 GG verbietet, dass „solche Sachbereiche der Privatrechtsordnung entzogen werden, die zum elementaren Bestand grundrechtlich geschützter Betätigungen im vermögensrechtlichen Bereich gehören" 203 . Als elementare Bestandteile werden die Privatnützigkeit, die grundsätzliche Verfügungsbefugnis und die Gewährleistung der Substanz betrachtet. 2 0 4 Die Institutsgarantie führt jedoch nicht dazu, dass ein unabänderlicher Kernbereich des Eigentumsrechts entsteht, vielmehr schließt sie nicht aus, dass „für die Allgemeinheit lebensnotwendige Güter zur Sicherung überragender Gemeinwohlbelange und zur Abwehr von Gefahren aus der Privatrechtsordnung herausgenommen und einer öffentlich-rechtlichen Ordnung unterstellt werden" 205 . Angesichts dessen stellt sich die Frage, ob die Baufreiheit zum elementaren Bereich grundrechtlich geschützter Betätigungen gehört. Für die Zuordnung der Baufreiheit zum elementaren Bereich des Eigentums spricht die gesetzgeberische Tradition, die geltende Gesetzeslage und die enorme wirtschaftliche Bedeutung der baulichen Nutzbarkeit. 206 Dem ersten Argument kann jedoch entgegengehalten werden, dass allein die Tatsache, dass ein Recht traditionellerweise zum Eigentum privatrechtlicher Prägung gehörte, kein Grund für die Zuordnung zum elementaren Bereich ist. 2 0 7 Die Institutsgarantie des Eigentums schützt nach Ansicht des BVerfG den „elementaren Bereich", nicht den historischen Kernbereich. 208 Bezüg202 BVerfGE 58, S. 300 (348); Middendorf, Max: Zur Wesensgehaltsgarantie des Grundgesetzes, in: JURA 2003, S. 232 ff.; vgl. auch: Obermeyer, Sandra: Die Institutsgarantie eine „gelungene Kunstschöpfung der Wissenschaft"?, in: KritV 2003, S. 156 ff. 203 BVerfGE 24, S. 367 (389); 50, S. 290 (339). 204 BVerfG, in: DÖV 2003, S. 376 (376); BVerfGE 83, S. 201 (208); 52, S. 1 (31); 31, S. 229 (240 f.); 26, S. 215 (222); Papier, Hans-Jürgen, in: Maunz, Theodor/Dürig, Günter: Grundgesetz Kommentar, Art. 14 Rn. 14 (Juni 2002). 205 BVerfGE 58, S. 300 (339). 206 Leisner, Walter: Baufreiheit oder staatliche Baurechtsverleihung, in: DVB1. 1992, S. 1068 f.; Leisner, Walter: Eigentum, S. 21 ff.; Ehlers, Dirk: Eigentumsschutz, Sozialbindung und Enteignung bei der Nutzung von Boden und Umwelt, in: VVDStRL 51, S. 217; Huber, Peter M.: Rechtliche Grenzen von Plan wertausgleich und städtebaulichen Verträgen, in: DÖV 1999, S. 174 f.; Haas, Evelyn: Die Baulandumlegung - Inhalts- und Schrankenbestimmung des Eigentums, in: NVwZ 2002, S. 276. 207 Skeptisch gegenüber dem historischen Argument: Dähne, Harald: Die sogenannte Baufreiheit, in: JURA 2003, S. 456 f. 208 Krebs, Walter, in: Schmidt-Aßmann, Eberhard (Hrsg.): Besonderes Verwaltungsrecht, S. 389.
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lieh des zweitgenannten Argumentes ist zu bemerken, dass aus der Analyse des einfachen Rechts keine Schlussfolgerungen auf den Inhalt verfassungsrechtlicher Institute gezogen werden können. 209 Des Weiteren ist der Verzicht auf die Figur der Baufreiheit nur für einen relativ geringen und wirtschaftlich weniger bedeutsamen Teil der baulichen Nutzung von Belang - die Neuversiegelung. 210 Das unzweifelhaft wirtschaftlich und sozial höchst bedeutsame Eigentum an bestehenden Bauwerken wird nicht angegriffen. 211 Daher kann sich auch das dritte geltend gemachte Argument nicht verfangen. Schließlich werden hier weder die Privatnützigkeit noch die generelle Verfügungsbefugnis oder die Substanz des Eigentums verletzt. 212 Im Ergebnis ist die Frage nach dem Schutz der Baufreiheit durch die Institutsgarantie des Eigentums daher negativ zu beantworten. 213 Daher kann - eine dem Prinzip der Verhältnismäßigkeit Rechnung tragende Gestaltung vorausgesetzt 214 - davon ausgegangen werden, dass der Wesensgehalt der Eigentumsfreiheit hier nicht verletzt ist. () Zwischenergebnis Festzuhalten ist hier, dass eine Baufreiheit, verstanden als das unmittelbar Art. 14 Abs. 1 GG innewohnendes Recht zur baulichen Nutzung von Grundstücken, zwar zur Zeit noch besteht, aber grundsätzlich der Gestaltungsbefugnis des Gesetzgebers unterliegt. Demnach ist es möglich, die Baufreiheit zu eliminieren und die bauliche Nutzung des Bodens einem allein öffentlich-rechtlichen Regime zu unterstellen. Wenn der Gesetzgeber ein entsprechendes Gesetz erlassen würde, wäre die bauliche Nutzung von Grundstücken nicht mehr Grundrechtsgebrauch. 215
209 Dähne, Harald: Die sogenannte Baufreiheit, in: JURA 2003, S. 459 f. 210
Schulte, Hans: Baufreiheit als Inhalt des Grundeigentums, in: Brambring, Günter/Medicus, Dieter/Vogt, Max (Hrsg.): Festschrift für Horst Hagen, S. 204. 211 Dähne, Harald: Die sogenannte Baufreiheit, in: JURA 2003, S. 461; Schulte, Hans: Baufreiheit als Inhalt des Grundeigentums, in: Brambring, Günter /Medicus, Dieter/Vogt, Max (Hrsg.): Festschrift für Horst Hagen, S. 204 f. 212 Schulte, Hans: Freiheit und Bindung des Eigentums im Bodenrecht, in: JZ 1984, S. 298 f.; Dähne, Harald: Die sogenannte Baufreiheit, in: JURA 2003, S. 458, 459; vgl. BVerwG, in: NJW 1985, S. 1354 (1356); a.A. Leisner, Walter: Baufreiheit oder staatliche Baurechtsverleihung, in: DVB1. 1992, S. 1068 f. 213 Breuer, Rüdiger: Die Bodennutzung im Konflikt zwischen Städtebau und Eigentumsgarantie, S. 178 f. 214 Zu bedenken ist an dieser Stelle, dass die Eliminierung der Baufreiheit die Eigentumsfreiheit sehr weitgehend einschränkt. Der Gesetzgeber müsste die Verhältnismäßigkeit durch entsprechende Ausgleichsmaßnahmen, ζ. B. lange Übergangsfristen, sicherstellen. Derartige Fristen sind zwar dem Wunsch nach einer möglichst schnellen umfassend ökologischen Bewirtschaftung des Bodens abträglich, aber aus verfassungsrechtlichen Gründen notwendig. 215
15 Risch
A.A. Meyer, Susanne: Gebühren für die Nutzung von Umweltressourcen, S. 240.
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Teil 3: Neue Instrumente zur Begrenzung des Boden Verbrauches
(ß) Das Bewirtschaftungsregime Fraglich ist des Weiteren, ob die bauliche Nutzung des Bodens unter diesen Umständen einer ausreichenden Bewirtschaftungsordnung unterliegen würde. Die Beantwortung konzentriert sich - in Anbetracht der nach vorgeschlagener Konzeption notwendigen Änderung des Baurechts - auf das geltende Recht, hinter dessen Niveau der Gesetzgeber bei der Neuregelung des Bodenrechts kaum zurückfallen dürfte. Jedoch ist es an dieser Stelle nicht notwendig, über das mögliche Verhalten des potentiellen Gesetzgebers nachzudenken, da bereits das geltende Recht eine ausreichende Bewirtschaftungsordnung enthält. Die Erteilung einer Baugenehmigung ist bereits jetzt so stark verrechtlicht, 216 sodass von einer umfassenden Bewirtschaftung durch den Staat auszugehen ist. Insbesondere die geforderten Kontroll- und Eingreifmöglichkeiten liegen vor. 2 1 7 Im Ergebnis ist es daher möglich, den Boden - eine entsprechende Gesetzesänderung vorausgesetzt - als ein einer Bewirtschaftungsordnung unterliegendes Gut, auf dessen Gebrauch kein grundrechtlicher Anspruch besteht, zu betrachten.
(bb) Die Rechtfertigung vor dem Steuerstaatsprinzip Vor dem Steuerstaatsprinzip rechtfertigt sich die Neubaulandgebühr durch den Ausgleichsgedanken. Wenn die Gemeinde Flächenausweisungsrechte zu Gunsten ihrer Bürger nutzt, erhalten die betroffenen Grundstücke Baulandqualität. In dieser Qualität und der damit verbundenen Wertsteigerung ist ein Sondervorteil zu sehen. Dieser darf legitimerweise abgeschöpft werden. 218 Im Übrigen wird das Steuerstaatsprinzip auch dadurch geachtet, dass die Neubaulandgebühr bei entsprechender Ausgestaltung nicht zu ausufernden Finanzströmen führen muss. 219 (cc) Die Rechtfertigung vor dem Prinzip der Belastungsgleichheit Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichtes ist das Prinzip der Belastungsgleichheit dann nicht verletzt, wenn durch die Gebühr lediglich die eingeräumten Sondervorteile abgeschöpft werden. Im hier vorliegenden Fall resultiert die Höhe der Belastung des Bürgers allein aus dem Preis der Flächenausweisungsrechte. Deren Wert pro Quadratmeter muss zwar nicht zwangsläufig mit dem durch die neugewonnene Baulandqualität bedingtem Wertzuwachs des Grundstücks übereinstimmen, jedoch ist anzunehmen, dass sich die Kommunen ökonomisch rational verhalten und die Belastung des Bürgers damit im Regelfall ausgeglichen 216 Siehe oben Teil 2, § 2ΙΠ. 4.; Teil 2, § 3 II. 2. und Teil 2, § 3 ΙΠ. 217 Zu deren technischer Realisierung: Bizer, Kilian: Marktanaloge Instrumente im Naturund Landschaftsschutz, S. 144. 218 BVerfGE 93, S. 319 (345). 219 Vgl. zu diesem Gesichtspunkt: BVerfGE 105, S. 185 (193, 194 f.).
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wird. 2 2 0 An diesem Ergebnis ändert sich nichts, wenn die grundrechtliche Fundierung des Prinzips der Belastungsgleichheit stärker betont wird. 2 2 1 (dd) Die Vollständigkeit des Haushaltsplans Die Vollständigkeit des Haushaltsplans kann durch eine entsprechende gesetzliche Ausgestaltung sichergestellt werden. Es besteht keinerlei Notwendigkeit, Sonderhaushalte zu etablieren. 222 (ee) Zusammenfassung Im Ergebnis ist festzustellen, dass die unmittelbare Heranziehung des Bürgers durch Neubaulandgebühren vor dem Hintergrund der Finanzverfassung und der Baufreiheit zulässig ist. Die von der Kommune übernommenen Kosten für den Erwerb von Flächenausweisungsrechten können daher auf den Bürger übergewälzt werden. (2) Die mittelbare Heranziehung der Bürger Die Kosten für Flächenausweisungsrechte die auf Straßen und sonstige Erschließungsanlagen entfallen, teilen das Schicksal der sonstigen Kosten dieser Anlagen. Sie können nach den Regeln der §§ 127 ff. BauGB bzw. landesrechtlichen Normen ganz oder zum Teil auf die betroffenen Grundstücke umgelegt werden.
d) Zwischenergebnis Die mit der Einführung handelbarer Ausweisungsrechte verbundenen Finanzströme stellen unter finanzverfassungsrechtlichen Gesichtspunkten kein Problem dar. Sowohl die Auferlegung einer Pflicht der Kommunen, für Ausweisungsrechte zu zahlen, als auch die Umlage dieser Kosten auf den Bürger sind mit der Finanzverfassung vereinbar. 220 Weiterführung des oben genannten Beispiels: Vor der Beplanung handelte es sich bei dem Land um eine landwirtschaftliche Fläche mit einem Wert von 50 € / m 2 . Als Bauland ist ein m 2 dagegen 200 € wert. Hier stehen sich 10 € Belastung und 150 € Wertgewinn gegenüber. Unwahrscheinlich und auch nicht mit dem Prinzip der Belastungsgleichheit vereinbar wäre es dagegen, wenn der Wertgewinn bei gleichbeleibenden Kosten lediglich 4 € beträgt. Derartige Planungen sind jedoch nicht zu erwarten - das finanzielle Risiko der Gemeinden wäre zu groß. Vgl. dazu: Bizer, Kilian /Ewringmann, Dieter/Bergmann, Eckhardt/Dosch, Fabian/Einig, Klaus/Hutter, Gerard: Mögliche Maßnahmen, Instrumente und Wirkungen einer Steuerung der Verkehrs- und Siedlungsflächennutzung, S. 87. 221 So: Sacksofsky, Ute: Umweltschutz durch nicht-steuerliche Abgaben, S. 214 f. 222 Bizer, Kilian: Marktanaloge Instrumente in Natur- und Landschaftsschutz, S. 114. 15*
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4. Die Grundrechte der Bürger Im Gegensatz zu den Kommunen, die sich nicht auf Grundrechte berufen können, da sie als Teil des Staates nicht an diesen teilhaben und es an einer entsprechenden Gefährdungslage fehlt, 223 stellt sich hier durchaus die Frage, ob handelbare Ausweisungsrechte die Grundrechte Privater verletzen. Bei den möglicherweise betroffenen Grundrechten handelt es sich um die Art. 14, 12 Abs. 1 und 3 Abs. 1 GG. Die Verletzung des Eigentumsrechts der Bürger ist hier eventuell darin zu sehen, dass es infolge der mit den handelbaren Ausweisungsrechten verbundenen strikten Mengenbegrenzung in Zukunft zu weniger Ausweisungen von Bauland kommt. Dem ist jedoch entgegenzuhalten, dass nach § 2 Abs. 3 BauGB auch bisher kein Anspruch auf die Aufstellung von Bebauungsplänen bestand. Auch Aspekte des Bestandsschutzes stehen der Einführung handelbarer Ausweisungsrechte nicht entgegen, da auf die bereits beplanten oder bebauten Rächen nicht zugegriffen wird. Daher wird Art. 14 GG durch die Auswirkungen des Systems handelbarer Ausweisungsrechte nicht beeinträchtigt. Gleiches gilt für die Verletzung des Art. 14 GG unter dem Gesichtspunkt der finanziellen Belastung und in Bezug auf Art. 12 Abs. 1 GG. 2 2 4 Von größerer rechtlicher Tragweite ist dagegen die Frage, ob die Einführung handelbarer Ausweisungsrechte nicht zu einer im Lichte des Art. 3 Abs. 1 GG bedenklichen Ungleichbehandlung der Eigentümer von Grundstücken im beplanten Bereich im Vergleich zu denen von unbeplanten Außenbereichsflächen führt. Die Ungleichbehandlung könnte darin zu sehen sein, dass nur die Eigentümer neu beplanter Grundstücke von der Flächennutzungsgebühr/Umlage der Kosten der Ausweisungsrechte betroffen sind, nicht dagegen Bauherren, die ihr Projekt auf der Grundlage von § 35 BauGB durchführen. Angesichts dessen stellt sich die Frage, ob hier Gründe vorliegen, die diese Ungleichbehandlung rechtfertigen. 225 Für eine Rechtfertigung sprechen drei Argumente. Zum einen ist die finanzielle Ungleichbehandlung nicht so stark wie zunächst zu vermuten wäre. Insbesondere, wenn die naturschutzrechtlichen Ausgleichspflichten und die nach § 9 Abs. 4 SächsNatSchG ggf. zu zahlende Ausgleichsabgabe einbezogen werden, schwinden die Unterschiede. An zweiter Stelle ist zu bedenken, dass in Folge der hier vertretenen Position zur Baufreiheit mit relativ wenig Neubauten im Außenbereich zu rechnen ist. 2 2 6 Angesichts dessen wird die Vergleichsgruppe sehr klein, so dass die Ungleichbehandlung schon unter dem Gesichtspunkt des zulässigerweise typisierenden Verhaltens des Gesetzgebers zulässig ist. 2 2 7 Schließlich ist - allerdings auf 223 BVerfGE 61, S. 82 (108 f.). 224 Siehe oben Teil 2, § 1 II. 5. 225 BVerfGE 55, S. 72 (88). 226 Es bestünde kein Grund mehr, § 35 Abs. 2 BauGB als „müssen" zu lesen. Siehe dazu: Dähne, Harald: Die sogenannte Baufreiheit, in: JURA 2003, S. 460 f. 227 Vgl. jüngst: Urteil des BVerfG vom 20. 4. 2004, AZ 1 BvR 1748/99, 1 BvR 905/00, Rn. 54 ff.
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rechtspolitischer Ebene - davon auszugehen, dass die bauliche Tätigkeit im Außenbereich im Zuge der verstärkten Ökologisierung des Bodenrechts ebenfalls eingeschränkt wird. Daher liegt hier keine ungerechtfertigte Ungleichbehandlung vor. Im Ergebnis ist daher festzustellen, dass die Einführung handelbarer Ausweisungsrechte im Gegensatz zu der handelbarer Emissionsrechte 228 die Grundrechte der Bürger nicht verletzt. 229
5. Der Rechtsschutz Ein weiteres mit der Einführung von Zertifikaten verbundenes Problem ist die Sicherstellung eines ausreichenden Maßes an Rechtsschutz.230 Da bei der hier gewählten Gestaltung der Ausweisungsrechte Klagen der Bürger aufgrund von § 2 Abs. 3 BauGB nicht zu erwarten sind, und für Klagen gegen die Höhe der Neubaulandgebühr ein Rechtsweg besteht, konzentrieren sich die Überlegungen auf den Rechtschutz der Kommunen. Deren Rechtschutzbedürfnis kann an vier Ebenen ansetzen: das Bundesgesetz und das Landesgesetz mit dem der Rahmen für die handelbaren Ausweisungsrechte geschaffen wird, die Einteilung der Landesfläche in zentrale und periphere Regionen, sowie die eigentliche Zuteilungsentscheidung. Bezüglich der beiden erstgenannten Gesetze steht den Gemeinden nur der verfassungsgerichtliche Klageweg nach Art. 93 Abs. 1 Nr. 4 b GG, §§ 13 Nr. 8 a, 90 ff. BVerfGG bzw. Art. 90 SächsVerf, §§ 7 Nr. 8, 36 SächsVerfGHG offen. Dagegen kommt gegen die beiden anderen, als Rechtsverordnung erlassenen Entscheidungen der Klageweg nach § 47 Abs. 1 Nr. 2 VwGO bzw. Art. 93 Abs. 1 Nr. 4 b GG, §§ 13 Nr. 8 a, 90 ff. BVerfGG in Betracht. 231 Landesverfassungsrechtlicher Rechts228
Zu deren Vereinbarkeit mit den Grundrechten: Franz, Holger: Implementierung eines Systems handelbarer Emissionszertifikate in das deutsche Recht nach dem Vorbild des amerikanischen Acid Rain Program, S. 172 ff.; Kottmeier, Birgit: Recht zwischen Umwelt und Markt, S. 149 ff., 161 ff.; Hösch, Ulrich: Zur rechtlichen Beurteilung von Emissionszertifikaten als Instrument der Vorsorge im Umweltrecht, in: Hendler, Reinhard/Marburger, Peter/ Reinhardt, Michael / Schröder, Meinhardt (Hrsg.): Jahrbuch des Umwelt- und Technikrechts 2001, S. 142 ff. Vosskuhle, Andreas: Rechtsfragen der Einführung von Emissionszertifikaten, in: Hendler, Reinhard/Marburger, Peter/Reinhardt, Michael / Schröder, Meinhardt (Hrsg.): Energierecht zwischen Umweltschutz und Wettbewerb, S. 191 ff. 229 Die Ursache hierfür ist darin zu sehen, dass im Bodenschutz nur eine Reduktion des Zuwachses Ziel der Vorschläge ist, wohingegen bei den Emissionsrechten die Verringerung der Emissionen angestrebt wird und daher auf den durch Art. 12 Abs. 1 und 14 GG geschützten Bestand zugegriffen werden muss. 230
Rehbinder, Eckard: Übertragbare Umweltgenehmigungen (Lizenzen) aus juristischer Sicht, in: Bonus, Holger (Hrsg.): Umweltzertifikate, S. 76 ff. 231 Somit dürfte die von Rehbinder geforderte Möglichkeit der zeitnahen gerichtlichen Überprüfung gegeben sein. [Rehbinder, Eckard: Übertragbare Umweltgenehmigungen (Lizenzen) aus juristischer Sicht, in: Bonus, Holger (Hrsg.): Umweltzertifikate, S. 77 f.]. Vgl. zum Thema auch: Kment, Martin: Verfassungsgerichtlicher Rechtsschutz von Gemeinden gegen Raumordnungspläne, in: DVB1. 2004, S. 214 ff.
230
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schütz nach Art. 90 SächsVerf, §§ 7 Nr. 8, 36 SächsVerfGHG kommt infolge dessen Beschränkung auf Gesetze nicht in Betracht. Die den Kommunen zukommenden Rechtschutzmöglichkeiten sind daher als ausreichend zu bewerten.
6. Die Prinzipien des Umweltrechts Schließlich stellt sich die Frage, ob handelbare Ausweisungsrechte mit den Prinzipien des Umweltrechts vereinbar sind. Die Vereinbarkeit einer Zertifikatslösung mit den umweltrechtlichen Prinzipien des Art. 20 a GG wird zumeist kritisch gesehen. 232 Jedoch zeigt eine nähere Betrachtung, dass bei der hier vorgeschlagenen Anwendung auf die Flächenversiegelung keine Probleme auftreten. Bezogen auf das Vorsorgeprinzip führen handelbare Ausweisungsrechte infolge der strikten Mengengrenze zu einer Verbesserung der Umweltsituation. 233 Gegenüber dem Ordnungsrecht stellt die Zertifikatslösung ein prinzipiell gleichwertiges, alternatives Instrument dar. 234 Verschlechterungen des Zustandes von Natur und Landschaft - auch lokale Konzentrationsprobleme 235 - werden durch die Einbettung der Zertifikatslösung in das geltende Recht vermieden. 236 Im Hinblick auf das Kooperationsprinzip ist festzustellen, dass hier zwar zunächst eine einseitige staatliche Entscheidung über die Obergrenze der auf Landesebene zulässigen Versiegelung vorgenommen wird. Allerdings ist langfristig eine stärke Kooperation zwischen Staat und Gesellschaft zu erwarten, da durch die handelbaren Ausweisungsrechte die Struktur der Bauleitplanung als Angebotsplanung aufgeweicht wird und Gemeinden bestrebt sein werden, die Nutzung der von ihnen zu beplanenden Fläche vor Planungsbeginn vertraglich abzusichern. 237 Insofern ist zu erwarten, dass verstärkt von den kooperativen Instrumenten des Städtebaurechts Gebrauch gemacht wird. Schließlich wird auch dem Verursacherprinzip Rechnung getragen, da 232 Kottmeier, Birgit: Recht zwischen Umwelt und Markt, S. 126 ff.; Rehbinder, Eckard: Übertragbare Umweltgenehmigungen (Lizenzen) aus juristischer Sicht, in: Bonus, Holger (Hrsg.): Umweltzertifikate, S. 72 ff. 233 Rehbinder, Eckard: Übertragbare Umweltgenehmigungen (Lizenzen) aus juristischer Sicht, in: Bonus, Holger (Hrsg.): Umweltzertifikate, S. 73 f.; Vosskuhle, Andreas: Rechtsfragen der Einführung von Emissionszertifikaten, in: Hendler, Reinhard/Marburger, Peter/ Reinhardt, Michael / Schröder, Meinhardt (Hrsg.): Energierecht zwischen Umweltschutz und Wettbewerb, S. 184,187. 234
Franz, Holger: Implementierung eines Systems handelbarer Emissionszertifikate in das deutsche Recht nach dem Vorbild des amerikanischen Acid Rain Program, S. 228 f. 235 Dazu oben Teil 3, § 21.; sowie: Karl, Helmut: Die räumliche Dimension einer Umweltpolitik mit Hilfe von Zertifikaten, in: Bonus, Holger (Hrsg.): Umweltzertifikate, S. 82 ff. 236 Rehbinder, Eckard: Übertragbare Umweltgenehmigungen (Lizenzen) aus juristischer Sicht, in: Bonus, Holger (Hrsg.): Umweltzertifikate, S. 72; Kottmeier, Birgit: Recht zwischen Umwelt und Markt, S. 128, 130,132; siehe oben Teil 3, § 3 I. 3. 237 Bizer, Kilian/ Ewringmann, Dieter /Bergmann, Eckhardt/Dosch, Fabian/Einig, Klaus /Hutter, Gerard: Mögliche Maßnahmen, Instrumente und Wirkungen einer Steuerung der Verkehrs- und Siedlungsflächennutzung, S. 87.
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expansive Flächenbeplanung und die Versiegelung von Flächen zukünftig mit einem Preis versehen sind und die Verursacherbezogenheit somit gestärkt wird. 2 3 8 Handelbare Ausweisungsrechte verstoßen daher nicht gegen die Prinzipien des Umweltrechts. 7. Zwischenergebnis Wie sich gezeigt hat, ist die Einführung handelbarer Ausweisungsrechte mit dem Verfassungsrecht grundsätzlich vereinbar. Weder das Selbstverwaltungsrecht der Kommunen, noch die Finanzverfassung oder die Grundrechte der Bürger werden in einer Weise verletzt, die das Projekt scheitern lassen müsste. Auf der hier gefundenen juristischen Basis kann in einem nächsten Schritt überprüft werden, in welchem Maße das Modell der handelbaren Ausweisungsrechte in der Lage ist, die Defizite des bodenschützenden Rechts zu mindern.
III. Abschließende Bewertung 1. Die Wirksamkeit in der Fläche Handelbare Ausweisungsrechte wirken infolge ihrer Anknüpfung an die verbindliche Bauleitplanung bzw. vergleichbare Satzungen nur auf neubeplanten Flächen. Keine Relevanz kommt ihnen in schon beplanten Gebieten, im unbeplanten Innenbereich und im Außenbereich zu. Außerdem werden nur private Bautätigkeiten, nicht aber Infrastrukturvorhaben erfasst. 239 Die Wirksamkeit in der Fläche ist daher als nicht sehr hoch anzusehen. Zwar spielt sich auf neubeplanten Flächen der wesentliche Teil des Flächen Verbrauches ab, hinter der andere Formen, ζ. B. die Versiegelung durch Nachverdichtung oder bauliche Tätigkeit im Außenbereich weit zurückstehen. Jedoch bestehen schon eine Reihe von Regelungen, die neubeplante Gebiete betreffen. Insofern greift der Ansatz zumindest zum Teil am Schwachpunkt des geltenden Rechts vorbei.
2. Die Wirksamkeit in vor- und nachsorgender Perspektive Das hier vorgeschlagene Modell handelbarer Ausweisungsrechte nimmt in erster Linie auf die planerische Neugestaltung des Bodens Einfluss. Es wirkt primär zu238 Zimmermann, Horst/Hansjürgens, Bernd: Zertifikate im Instrumentenvergleich aus ordnungspolitischer Sicht, in: Bonus, Holger (Hrsg.): Umweltzertifikate, S. 49 f.; Kottmeier, Birgit: Recht zwischen Umwelt und Markt, S. 133; Franz, Holger: Implementierung eines Systems handelbarer Emissionszertifikate in das deutsche Recht nach dem Vorbild des amerikanischen Acid Rain Program, S. 234. 239 Siehe dazu oben Teil 1, § 2 III. 2.
232
Teil 3: Neue Instrumente zur Begrenzung des Bodenverbrauches
kunftsbezogen, das heißt vorsorgend. Auswirkungen ergeben sich zum einen direkt durch die strikte Mengebegrenzung der neuzuversiegelnden Flächen. 240 Zum anderen ist eine verstärkte Nutzung innerstädtischer Brachflächen und anderer, unter Wert genutzter beplanter Flächen zu erwarten. 241 Damit dürfte der auf unbeplanten Flächen liegende Nutzungsdruck weiter vermindert werden. Eine nachsorgende Wirkung besteht dagegen nicht. 2 4 2 Weder im beplanten noch im unbeplanten Bereich gehen von diesem Zertifikatsmodell Impulse zur Entsiegelung aus.
3. Die prinzipielle juristische Eignung Wie bereits zum Ende des zweiten Teils betont wurde, kann das Modell der handelbaren Ausweisungsrechte mangels einer wirklichen Ausformung nicht tiefgehend auf seine prinzipielle juristische Eignung hin untersucht werden. Daher ist es an dieser Stelle nur möglich, auf die vorangehend dargelegten Erwartungen einzugehen.243 Demnach sollte das gesuchte Instrument die Operationalisierbarkeit des Bodens erhöhen, wenige Ausnahmeregelungen aufweisen, universell einsetzbar sein und zu einem Finanzaufkommen führen. Ergänzend ist auf die Frage einzugehen, ob das Instrument mit dem geltenden Recht in Einklang gebracht werden kann. Bezüglich der Handhabbarkeit des Mediums Boden in der Abwägung ist anzumerken, dass diese durch die Einführung handelbarer Ausweisungsrechte wesentlich erhöht wird. Die Nutzung des Bodens ist mit einem Preis belegt. Dieser Preis wird zwar direkt nur für Versiegelungen auf neubeplanten Flächen erhoben, prägt aber auch die Vorstellung vom Wert sonstiger Flächen, da gleichsam automatisch ein Vergleich vorgenommen wird, welche Beträge durch Ausweichreaktionen einzusparen wären. Negativ fällt auf, dass die durch die Ausweisungsrechte hergestellte Relation nur zwischen der beplanten Bodenfläche und den Kosten besteht, 240 Diese dürfte in erster Linie zu einer dichteren Bebauung der neuausgewiesenen Bauflächen führen. Siehe dazu: Bizer, Kilian: Marktanaloge Instrumente im Natur- und Landschaftsschutz, S. 109; Bizer, Kilian/Ewringmann, Dieter /Bergmann, Eckhardt/Dosch, Fabian/£/nig, Klaus/Hutter, Gerard: Mögliche Maßnahmen, Instrumente und Wirkungen einer Steuerung der Verkehrs- und Siedlungsflächennutzung, S. 78, 82 ff. 241 Hier verbirgt sich ein beachtliches Potential. Der Flächenbedarf der meisten Städte kann für längere Zeit aus den vorhandenen Baulandreserven bedient werden. Die Zahlenangaben reichen hier bis zu einer Bedarfsdeckung für 150 Jahren. [Tomerius, Stephan: Brownfield Redevelopment - „Smarte" Strategien und Instrumente aus der US-amerikanischen Praxis des Brachflächenrecyclings, in: ZfU 2003, S. 223]. 242 So auch: Einig, Klaus: Handelbare Lizenzen als marktwirtschaftliche Instrumente zur Steuerung der baulichen Bodeninanspruchnahme, in: Breuste, Jürgen (Hrsg.): 3. Leipziger Symposium Stadtökologie „Stadtnatur - quo vadis", S. 78; vgl. Bizer, Kilian/Ewringmann, Dieter/Bergmann, Eckhardt/Dosch, Fabian/Einig, Klaus/Hutter, Gerard: Mögliche Maßnahmen, Instrumente und Wirkungen einer Steuerung der Verkehrs- und Siedlungsflächennutzung, S. 128. 243 Siehe dazu Teil 2, § 4.
§ 3 Die handelbaren Ausweisungsrechte
233
nicht jedoch zwischen der Versiegelung und den Kosten. 244 Unter dem hier vorgeschlagenen Modell ist die 20%-Versiegelung eines Grundstücks mit genauso hohen Gebühren belastet wie die 80%-Versiegelung. Insofern wird streng genommen lediglich die Operationalisierbarkeit der beplanten Fläche, nicht jedoch die der versiegelten Fläche erhöht. Prognostiziert werden kann daher, dass nur die Neubeplanung von Rächen zurückgeht, nicht unbedingt die tatsächliche Versiegelung. 245 Ebenfalls ambivalent fällt die Bilanz auch bezüglich der Häufigkeit von Ausnahmeregelungen und der Universalität aus. Zwar weist das Instrument selbst einen universellen Charakter und keine Ausnahmeregelungen auf. Jedoch ist der grundsätzliche Anwendungsbereich durch, die Begrenzung auf beplante Gebiete bereits stark beschränkt. Uneingeschränkt positiv ist hingegen das entstehende Finanzaufkommen zu bewerten. Dieses eröffnet eine Vielzahl von Handlungsmöglichkeiten für den vorund nachsorgenden Bodenschutz. Schließlich ist zu bemerken, dass handelbare Ausweisungsrechte relativ gut in das geltende Recht integrierbar sind. Zwar ist zuzugeben, dass die vorausgesetzte Eliminierung der Baufreiheit einen schwerwiegenden Einschnitt in die Dogmatik des Baurechts bedeutet. Jedoch dürfte diese Veränderung zu verkraften sein, da sich insbesondere im Verhältnis Bürger/Staat nur wenige praktische Folgen ergeben. Im Übrigen wahrt das vorgeschlagene Instrument den Kontakt zu den etablierten Normen und erhebt keineswegs den Anspruch, diese zu ersetzen. 246
4. Zusammenfassung Im Ergebnis ist festzustellen, dass das Modell der handelbaren Ausweisungsrechte nur einen ersten Schritt in Richtung einer stärker ökologisch orientierten Bodenbewirtschaftung darstellen kann. Angesichts der mit dem Modell verbundenen Restriktionen in den Punkten Wirksamkeit in der Räche, nachsorgende Wir244
Dies ebenfalls anerkennend: Bizer, Kilian: Marktanaloge Instrumente im Natur- und Landschaftsschutz, S. 107, 132 ff.; Bizer, Kilian/Ewringmann, Dieter/Bergmann, Eckhardt/ Dosch, Fabian/Einig, Klaus/Hutter, Gerard: Mögliche Maßnahmen, Instrumente und Wirkungen einer Steuerung der Verkehrs- und Siedlungsflächennutzung, S. 41 ff. 245 So die Folgenabschätzung von Bizer, Kilian/Ewringmann, Dieter/Bergmann, Eckhardt /Dosch, Fabian/Einig, Klaus /Hutter, Gerard: Mögliche Maßnahmen, Instrumente und Wirkungen einer Steuerung der Verkehrs- und Siedlungsflächennutzung, S. 40 ff.; Einig, Klaus: Ergänzung des Bodenschutzrechts um ökonomisch anreizende Lenkungsverfahren, in: Japanisch-Deutsches Zentrum Berlin (Hrsg.): Bodenschutz - Steuerungsfunktionen von Recht, Politik, Planung und Information, S. 185. 246 Schmalholz, Michael: Zur rechtlichen Zulässigkeit handelbarer Flächenausweisungsrechte, in ZUR 2002, S. 159; Michaelis, Peter: Ökonomische Instrumente zur Steuerung des Flächenverbrauchs, in: ZUR 2002, S. 132; Bizer, Kilian: Marktanaloge Instrumente im Naturund Landschaftsschutz, S. 112.
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Teil 3: Neue Instrumente zur Begrenzung des Boden Verbrauches
kung, Herstellung einer Kausalität zwischen Bodenversiegelung und Kostenbelastung (Operationalisierbarkeit) und Universalität erscheint es zweifelhaft, ob es wirklich eine geeignete Lösung des Problems darstellt. Die unzweifelhaft vorhandenen Vorteile fallen im Vergleich mit den beachtlichen rechtlichen Risiken - insbesondere der Einschränkung der kommunalen Selbstverwaltung und dem Verzicht auf die Baufreiheit - gering aus.
§ 4 Die Versiegelungsrechte Ein Weiteres in der Literatur vertretenes Konzept zur ökonomischen Steuerung des Flächenverbrauches ist das der so genannten „handelbaren Versiegelungsrechte" 2 4 7 . Dieses folgt den gedanklichen Grundlinien, die auch den handelbaren Ausweisungsrechten zugrunde liegen, wählt aber einen anderen Ansatzpunkt. Gegenstand der Allokation ist nicht ein Recht zur Ausweisung von Bauland, sondern ein Recht zur unmittelbaren Versiegelung des Bodens. Im Folgenden soll zunächst das vorgeschlagene Instrument beleuchtet werden. Daran schließt sich eine Würdigung der rechtlichen Aspekte an. Die Darstellung schließt mit einer Bewertung der Wirksamkeit im hier interessierenden Kontext.
I. Wirkungsmechanismen 1. Die Eigenschaften handelbarer Versiegelungsrechte a) Grundgedanke Hintergrund des Konzeptes handelbarer Versiegelungsrechte ist die Begrenzung des Zuwachses der Flächenversiegelung durch Einführung einer Mengengrenze. Zur Verteilung der zu versiegelnden Flächen bedient man sich handelbarer Zertifikate. Inhalt eines handelbaren Versiegelungsrechtes ist das verbriefte Recht zur Versiegelung eines Quadratmeters Bodens. 248 Die Inhaberschaft eines derartigen Rechts ist unabdingbare Voraussetzung jeglicher Bodenversiegelung. Weder die Errichtung eines Gebäudes noch die einer Straße ist nach diesem Modell ohne ent247 Einig, Klaus: Ergänzung des Bodenschutzrechts um ökonomisch anreizende Lenkungsverfahren, in: Japanisch-Deutsches Zentrum Berlin (Hrsg.): Bodenschutz - Steuerungsfunktionen von Recht, Politik, Planung und Information, S. 184 ff.; vgl. Maier-Rigaud, Gerhard: Umweltpolitik in Mengen und Märkten, S. 128 ff.; Werbeck, Nicola /Wink, Rüdiger: Bodenfunktionen und Bodennutzung - Institutionelle Alternativen zur Allokation des dritten Umweltmediums, in: List Forum Band 20, S. 274 ff. 248 Einig, Klaus: Ergänzung des Bodenschutzrechts um ökonomisch anreizende Lenkungsverfahren, in: Japanisch-Deutsches Zentrum Berlin (Hrsg.): Bodenschutz - Steuerungsfunktionen von Recht, Politik, Planung und Information, S. 184.
§ 4 Die Versiegelungsrechte
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sprechende Versiegelungsrechte möglich. Das Eigentum an einer ausreichenden Menge handelbarer Versiegelungsrechte würde also neben die bislang bestehenden Voraussetzungen zur Erteilung einer Baugenehmigung treten. Zukünftig müsste ζ. B. der Bauherr eines 100 m 2 Grundfläche in Anspruch nehmenden Einfamilienhauses nicht nur die bauplanerische und baupolizeiliche Zulässigkeit sicherstellen, sondern auch Eigentum an 100 Versiegelungsrechten nachweisen, um die Genehmigung zu erhalten. Die Notwendigkeit, Versiegelungsrechte zu erwerben, besteht unabhängig von der planerischen Zuordnung des Grundstücks, d. h. sowohl im beplanten wie im unbeplanten Bereich. In der Literatur wird offen gelassen, welcher Umfang dem Begriff der Versiegelung beizumessen ist. Daher kann hier keine Aussage getroffen werden, ob der Begriff der Versiegelung in diesem Zusammenhang auch halboffene Strukturen, ζ. B. Rasengittersteine, einschließt. Anzumerken ist nur, dass hier zwischen der ökologischen Schädlichkeit - die das ganze Konzept letztlich trägt und auch bei einer teilweisen Versiegelung gegeben ist - und der verwaltungstechnischen Handhabbarkeit entschieden werden muss. Die folgenden Überlegungen konzentrieren sich der Einfachheit halber und da dies zur Erfassung aller wesentlichen, insbesondere der rechtlichen Aspekte ausreichend ist, auf die vollständige Versiegelung ζ. B. durch die Errichtung von Gebäuden 2 4 9 Durch die Einführung der Zertifikate soll sichergestellt werden, dass die Versiegelung nur auf Grundstücken erfolgt, deren angestrebte Nutzung wahrscheinlich wirtschaftlich ist. 2 5 0 Somit verfolgt das Instrument neben der ökologischen Zielsetzung die Intention, die Flächenversiegelung möglichst effizient zu gestalten.
b) Die Menge der Versiegelungsrechte Über die Menge der zur Versiegelung freigegebenen Räche d. h. über das Volumen der neu zu verteilenden Versiegelungsrechte entscheiden politische Instanzen. Langfristiges Ziel wäre es, den Zuwachs auf Null zu begrenzen, d. h. Neuversiegelungen wären nur noch zulässig, wenn Altflächen entsprechender Größe entsiegelt werden. 251
249 Siehe oben Teil 1, § 3 II. 2. 250 Einig, Klaus: Ergänzung des Bodenschutzrechts um ökonomisch anreizende Lenkungsverfahren, in: Japanisch-Deutsches Zentrum Berlin (Hrsg.): Bodenschutz - Steuerungsfunktionen von Recht, Politik, Planung und Information, S. 188 f. 251 Enquete-Komission „Schutz der Menschen und der Umwelt - Ziele und Rahmenbedingungen einer nachhaltig zukunftsverträglichen Entwicklung Abschlussbericht, in: BT-Drs. 13/11200, S. 129; Troge, Andreas /Hülsmann, Wulf /Burger, Andreas: Ziele und Handlungsansätze einer flächensparenden Stadtentwicklung, in DVB1. 2003, S. 87; Rat von Sachverständigen für Umweltfragen: Für eine Stärkung und Neuorientierung des Naturschutzes, Sondergutachten, 2002, S. 78 (allerdings zu handelbaren Ausweisungsrechten).
236
Teil 3: Neue Instrumente zur Begrenzung des Boden Verbrauches
c) Die regionale und funktionale
Unterteilung
Ähnlich wie bei handelbaren Ausweisungsrechten ist auch bezüglich des Modells der Versiegelungsrechte zu überlegen, ob diese in dem gesamten Territorium eines Bundeslandes und für jegliche Nutzung gültig sein sollten, oder ob eine räumliche und inhaltliche Unterteilung zweckmäßig wäre. Von Seiten der Literatur wird eine funktionale Differenzierung nach verschiedenen Teilmärkten ζ. B. Wohn-, Gewerbe- oder Verkehrsfläche, unter Verweis auf die dann entstehende zu starke Zersplitterung des Marktes abgelehnt. Dagegen wird die regionale Untergliederung des Marktes in ländliche und verstädterte Regionen begrüßt. 252 Zur Begründung wird geltend gemacht, dass nur so verhindert werden könne, dass der Preis der Zertifikate primär von der stärkeren städtischen Nachfrage geprägt würde.
d) Die zeitliche Geltung Die zeitliche Gültigkeit der Versiegelungsrechte ist unbegrenzt. Eine Befristung wird aus Gründen des Bestandschutzes nicht angestrebt. 253
e) Handelbarkeit
und Bindung des Versiegelungsrechtes an ein Grundstück
Versiegelungsrechte sind - solange sie nicht durch ihre Nutzung gebunden sind - frei handelbar. Bezüglich der Bindung der jeweiligen Zertifikate an ein Grundstück sind drei Fälle zu unterscheiden. Zertifikate, die noch nicht zur Versiegelung genutzt werden, ζ. B. weil sie gerade neu auf den Markt gekommen sind, unterliegen keinerlei Bindung. Sie können zwischen allen interessierten Parteien gehandelt werden, sind nicht an ein bestimmtes Vorhaben gebunden und können auch als Spekulationsobjekte gebraucht werden. Anders stellt sich die Situation bei Versiegelungsrechten dar, die im Moment genutzt werden. Wenn ein Grundstück bebaut wird, ist die dafür notwendige Menge an Zertifikaten an dieses Grundstück gebunden. Sie können - solange die Versiegelung Bestand hat - nicht von ihm getrennt werden. 254 Wenn also ζ. B. ein bebautes Grundstück verkauft oder anders übertra252 Einig, Klaus: Ergänzung des Bodenschutzrechts um ökonomisch anreizende Lenkungsverfahren, in: Japanisch-Deutsches Zentrum Berlin (Hrsg.): Bodenschutz - Steuerungsfunktionen von Recht, Politik, Planung und Information, S. 186. 253 Einig, Klaus: Ergänzung des Bodenschutzrechts um ökonomisch anreizende Lenkungsverfahren, in: Japanisch-Deutsches Zentrum Berlin (Hrsg.): Bodenschutz - Steuerungsfunktionen von Recht, Politik, Planung und Information, S. 185. 2 4 Einig, Klaus: Ergänzung des Bodenschutzrechts um ökonomisch anreizende Lenkungsverfahren, in: Japanisch-Deutsches Zentrum Berlin (Hrsg.): Bodenschutz - Steuerungsfunktionen von Recht, Politik, Planung und Information, S. 1 8 .
§ 4 Die Versiegelungsrechte
237
gen wird, müssen die entsprechenden Zertifikate mit übertragen werden. Um dies sicherzustellen, empfiehlt es sich, die Menge der in der Bebauung gebundenen Zertifikate im Grundbuch zu vermerken. Wiederum anders ist die Lage, wenn eine versiegelte Fläche entsiegelt wird. Unter diesen Umständen sind die Versiegelungsrechte nicht mehr an das Grundstück gebunden, da sie nicht mehr notwendig sind, um der Bebauung materielle Legalität zu vermitteln. Die so freigesetzten Zertifikate können erneut frei gehandelt werden. Wenn das Grundstück allerdings wieder bebaut werden soll, setzt dies entsprechende Versiegelungsrechte voraus.
f) Zusammenfassung Handelbare Versiegelungsrechte stellen ein zeitlich unbegrenzt gültiges, aber auf eine bestimmte Region eines Bundeslandes begrenztes Recht zur Versiegelung eines Quadratmeters dar. Sie sind notwendige Bedingung der Genehmigung einer Versiegelung. Solange sie als Teil des Genehmigungstatbestandes gebunden sind, sind sie nicht separat übertragbar.
2. Die Zuteilung und der Handel mit Versiegelungsrechten Der Rechtsverkehr mit handelbaren Versiegelungsrechten lässt sich in drei Teilgebiete untergliedern. Zum einen ist zu fragen, wie bereits bestehende Versiegelungen in das System einbezogen werden. Zum zweiten stellt sich die Frage, wie die jährlich neu auf den Markt kommenden Versiegelungsrechte verteilt werden. Schließlich ist auf den Handel mit Versiegelungsrechten einzugehen.
a) Die bestehende Versiegelung Bereits rechtmäßig bestehende Versiegelungen genießen Bestandsschutz. Daher erhalten ihre Eigentümer eine der Größe ihrer Versiegelung entsprechende Anzahl an Versiegelungsrechten zugeteilt. Die Rechte sind zur Zeit genutzt, werden auch als solche im Grundbuch vermerkt und sind daher momentan nicht allein handelbar. Die Zuteilung erfolgt kostenfrei. Keine kostenlosen Zertifikate erhalten dagegen die Eigentümer nicht rechtmäßig bestehender Versiegelungen. Die Höhe der Zuteilung soll sich nach der Größe der zu einem Stichtag versiegelten Fläche richten. 255 Dieser Stichtag sollte möglichst zeitnah festgelegt werden, um spekulativ begründete Versiegelung zu unterbinden. 256
2
Einig, Klaus: Ergänzung des Bodenschutzrechts um ökonomisch anreizende Lenkungs verfahren, in: Japanisch-Deutsches Zentrum Berlin (Hrsg.): Bodenschutz - Steuerungsfunktionen von Recht, Politik, Planung und Information, S. 1 8 .
238
Teil 3: Neue Instrumente zur Begrenzung des Boden Verbrauches
b) Die Neuzuteilung Im Gegensatz zur Behandlung der Bestandsimmobilien, die wesentlich mit dem Gedanken des Bestandsschutzes verbunden ist, orientiert sich die Neuzuteilung der Versiegelungsrechte an Kriterien der ökologischen und wirtschaftlichen Effizienz. Sie erfolgt auf dem Wege einer Versteigerung, bei der in regelmäßigen Abständen die als ökologisch tragbar festgelegte Menge neuer Versiegelungsrechte vergeben wird. Die Versteigerung kann von einer staatlichen Stelle oder von beauftragten Privaten, ζ. B. Börsen oder Maklern, durchgeführt werden.
c) Der Handel mit Versiegelungsrechten Wie bereits erwähnt wurde, können die Versiegelungsrechte, die zur Zeit nicht in Gebrauch sind, frei gehandelt werden. 257 Bei in Gebrauch befindlichen Versiegelungsrechten ist die Übertragung nur gemeinsam mit Bauwerk und Grundstück möglich. Von der den Handel überwachenden Stelle wäre sicherzustellen, dass es nicht zu unzulässigen Transaktionen noch gebundener Zertifikate kommt. 2 5 8 Zu diesem Zweck ist eine eindeutige Identifikation der im Umlauf befindlichen Rechte und eine entsprechende Buchhaltung notwendig. 259 Am Markt für handelbare Versiegelungsrechte nehmen alle Grundstücksnutzer teil. Da hier - im Gegensatz zu den Ausweisungsrechten - nicht an der Beplanung des Bodens, sondern an der direkten Nutzung angeknüpft wird, kann die Beschaffung der Versiegelungsrechte nicht von einer Zwischeninstanz, ζ. B. der Gemeinde, übernommen werden.
3. Das Verhältnis zum geltenden Recht Auch das Modell handelbarer Versiegelungsrechte ist für sein bestimmungsgemäßes Funktionieren wesentlich auf die Abstimmung mit dem geltenden Recht angewiesen. Dieses soll in vollem Umfang in Kraft bleiben. Handelbare Versiege256
Einig, Klaus: Ergänzung des Bodenschutzrechts um ökonomisch anreizende Lenkungsverfahren, in: Japanisch-Deutsches Zentrum Berlin (Hrsg.): Bodenschutz - Steuerungsfunktionen von Recht, Politik, Planung und Information, S. 187. 257 Vgl. zum Aspekt des Handels: Kraus, Michael: Auswirkungen der Erlaubnispflicht beim C02-Zertifikathandel auf die Marktliquidität des Emissionshandels, in: ZfU 2003, S. 443 ff. 258 Vgl. Fraktion SPD und Fraktion Bündnis 90/Die Grünen: Entwurf eines Gesetzes über den Handel mit Berechtigungen zur Emission von Treibhausgasen (Treibhausgas-Emissionshandelsgesetz TEHG) § 14, § 15 f., in: BT-Drs. 15/2328, S. 4 f. 259 Vgl. zu diesem Aspekt: Franz, Holger: Implementierung eines Systems handelbarer Emissionszertifikate in das deutsche Recht nach dem Vorbild des Acid rain Program, S. 74 ff.
§ 4 Die Versiegelungsrechte
239
lungsrechte bezwecken daher nur eine Ergänzung des geltenden Rechts, nicht die Ersetzung. 260 Rechtsfolge der fortgesetzten Wirksamkeit des bestehenden Rechtsregimes ist die Notwendigkeit, die Zertifikate in dieses einzupassen. Daraus ergibt sich, dass handelbare Versiegelungsrechte den Rechtskreis des Einzelnen nicht über das aus anderen Gründen zulässige Maß hinaus erweitern können. Es wäre unzulässig, allein aufgrund des Eigentums an Versiegelungsrechten mit der baulichen Nutzung eines dafür ζ. B. aus bauplanerischen oder naturschutzrechtlichen Gründen nicht geeigneten Grundstücks zu beginnen. 261 Zum Einsatz gebracht werden können handelbare Versiegelungsrechte nur dann, wenn die Zulässigkeit einer Versiegelung schon anderweitig positiv festgestellt wurde. Diese Feststellung kann sich ζ. B. aus einer planerischen Entscheidung ergeben. Allerdings muss umgekehrt auch das geltende Recht an das Zertifikatsmodell angepasst werden. Insbesondere die Regelungsdichte verbindlicher Bebauungspläne muss in gewissem Rahmen eine Entscheidung über den Versiegelungsgrad des Bodens ermöglichen. Zertifikatslösungen können immer nur in dem Spielraum greifen, den das geltende Ordnungsrecht lässt. 262 Beispielsweise würde aus der Aufnahme extrem detaillierter, bindender Gestaltungsvorgaben in den Bebauungsplan folgen, dass der Nachfrager keine Möglichkeit hat, auf den Preis eines Versiegelungsrechts durch Verkleinerung der zu versiegelnden Fläche zu reagieren und sich nur noch zwischen „bauen" und „nicht bauen" entscheiden kann.
4. Zwischenergebnis Handelbare Versiegelungsrechte sind ein für den Gesetzgeber gut geeignetes Instrument zur Begrenzung des Zuwachses an versiegelter Fläche. Abschätzungen der Wirkung ergeben, dass sowohl die strikte Begrenzung des Zuwachses an Flächenversiegelung als auch die effiziente Verteilung des zu versiegelnden Bodens möglich ist. 2 6 3 Jedoch stellt sich auch hier die Frage, ob der hier gemachte Vorschlag nicht an rechtlichen Bedenken scheitert.
260
Einig, Klaus: Ergänzung des Bodenschutzrechts um ökonomisch anreizende Lenkungsverfahren, in: Japanisch-Deutsches Zentrum Berlin (Hrsg.): Bodenschutz - Steuerungsfunktionen von Recht, Politik, Planung und Information, S. 182. 261 Anders hierzu noch: Einig, Klaus: Handelbare Lizenzen als marktwirtschaftliche Instrumente zur Steuerung der baulichen Bodeninanspruchnahme, in: Breuste, Jürgen (Hrsg.): 3. Leipziger Symposium Stadtökologie „Stadtnatur - quo vadis", S. 75 f. 262 Vgl.: Barsch, Jürgen: Neue Wege zur Stadtökologie im Wohnungsneubau: Bebauungsplan mit Tausch von Nutzungsrechten, in: ZfU 1996, S. 560. 263 Einig, Klaus: Ergänzung des Bodenschutzrechts um ökonomisch anreizende Lenkungsverfahren, in: Japanisch-Deutsches Zentrum Berlin (Hrsg.): Bodenschutz - Steuerungsfunktionen von Recht, Politik, Planung und Information, S. 188 ff.
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Teil 3: Neue Instrumente zur Begrenzung des Boden Verbrauches
II. Die rechtlichen Rahmenbedingungen 1. Die Kompetenzfrage Handelbare Versiegelungsrechte erweisen sich auch in Hinblick auf ihre kompetenzrechtliche Einordnung als vielschichtig. Daher ist im Folgenden zwischen der Kompetenz für die eigentliche Einführung der Zertifikate, der Kompetenz für die Festlegung der zulässigen Versiegelungsobergrenze und deren regionaler Verteilung sowie der Kompetenz für die Gebührenerhebung zu unterscheiden. Die eigentliche Einführung und Ausgestaltung der handelbaren Versiegelungsrechte befindet sich kompetenzrechtlich betrachtet im Spannungsfeld zwischen der Rahmenkompetenz nach Art. 75 Abs. 1 Nr. 3 GG, der ausschließlichen Kompetenz der Länder für das Baupolizeiwesen nach Art. 70 Abs. 1 GG und der konkurrierenden Kompetenz nach Art. 74 Abs. 1 Nr. 18 GG. Nimmt man zunächst die Rahmenkompetenz für Naturschutz und Landschaftspflege in den Fokus, so fällt auf, dass diese hier nur in nachrangiger Weise betroffen ist. Im Schwerpunkt handelt es sich hier um ein Problem der Bodennutzung, die bloße Betroffenheit durch die entstehenden ökologischen Probleme lässt hier ebenso wenig wie ζ. B. im Fall des ebenfalls ökologische Folgen verursachenden § 35 BauGB den Schluss auf die Kompetenz aus Art. 75 Abs. 1 Nr. 3 GG zu. Ebenfalls nicht einschlägig ist der Kompetenztitel des Baupolizeirechts. Zwar ist zuzugeben, dass es zunächst verlockend erscheint, das Vorliegen einer ausreichenden Menge Zertifikate zu einer weiteren Voraussetzung der Erteilung einer Baugenehmigung nach § 72 Abs. 1 SächsBO zu machen. Jedoch würde eine derartige Betrachtung zu kurz greifen, da sich das Modell der handelbaren Versiegelungsrechte nicht auf bauliche Anlagen im Sinne der SächsBO beschränkt, sondern auch Verkehrsanlagen, Straßen, überhaupt jegliche Versiegelung einschließt. Diese Zusammenhänge gehen weit über das Baupolizeirecht hinaus. Daher ist schließlich zu fragen, ob Art. 74 Abs. 1 Nr. 18 GG eine geeignete Kompetenzgrundlage darstellt. Das Modell handelbarer Versiegelungsrechte begründet für jegliche Bodenversiegelung die Pflicht, diese durch Erwerb einer ausreichenden Menge an Zertifikaten zu legalisieren. Angesichts der umfassenden Auswirkungen dieser Pflicht erscheint es nicht zielführend, alle betroffenen Versiegelungsvorgänge zum Anknüpfungspunkt zu nehmen. Vielmehr empfiehlt sich eine Bezugnahme auf das verbindende Element - die Bodennutzung. Voraussetzung einer Kompetenzbegründung über Art. 74 Abs. 1 Nr. 18 GG ist der unmittelbare Bezug zur Nutzung des Bodens. 264 Dieser ist bei einer die Versiegelung betreffenden Norm unzweifelhaft gegeben. Das System handelbarer Versiegelungsrechte stellt für den Bereich des quantitativen Bodenschutzes das Pendant zur bodenschützenden Grundsatznorm des § 4 BBodSchG dar, die ebenfalls auf Art. 74 Abs. 1 Nr. 18 GG gestützt ist. 2 6 5 Daher kann das Modell der handelbaren Versiege-
264 BVerfGE 3, S. 407 (424).
§ 4 Die Versiegelungsrechte
241
lungsrechte in seinem Kerngehalt auf Art. 74 Abs. 1 Nr. 18 GG gestützt werden. Demnach stünde dem Bundesgesetzgeber das Recht zu, die Erwerbspflicht, Regeln für den Handel etc. zu regeln. Soweit dem Modell handelbarer Versiegelungsrechte eine raumgestaltende Wirkung zukommt, findet es seine Kompetenzgrundlage in Art. 75 Abs. 1 Nr. 4 GG. 2 6 6 Bezüglich der Einzelheiten kann auf das zu den handelbaren Ausweisungsrechten Gesagte verwiesen werden. 267 Demnach wäre es Aufgabe der Länder, ihr Territorium zu unterteilen und die Menge der jährlich zu vergebenden Zertifikate festzulegen. Schließlich beinhalten handelbare Versiegelungsrechte die rechtlich als Gebühr zu fassende Erhebung eines Entgelts für die Zertifikatszuteilung. Kompetenzgrundlage für die Erhebung von Lenkungsgebühren ist die den Anknüpfungspunkt betreffende Sachmaterie, 268 also hier Art. 74 Abs. 1 Nr. 18 GG. Im Ergebnis ist daher festzustellen, dass dem Bund die Kompetenz für die Implementierung eines Systems handelbarer Versiegelungsrechte zusteht, soweit dessen Pflichtenkern betroffen ist. Dagegen haben die Länder die regionale Verteilung und Zuteilung der Zertifikate sicherzustellen.
2. Die Grundrechte In grundrechtlicher Hinsicht ist das Modell handelbarer Versiegelungsrechte unter drei Gesichtspunkten bedenklich. Zum einen könnte Art. 14 Abs. 1 GG sowohl unter dem Aspekt des Bestandsschutzes bestehender Versiegelungen als auch unter dem der Baufreiheit betroffen sein. Zum anderen stellt sich die Frage, ob das Zertifikatssystem nicht gegen Art. 12 Abs. 1 GG verstößt. Schließlich ist zu untersuchen, ob der dem Bürger eingeräumte Rechtsweg dem Standard des Art. 19 Abs. 4 GG genügt.
265 Vgl. Landel, Christoph, in: Landel, Christoph / Vogg, Rainer/Wüterich, Christoph: Bundes-Bodenschutzgesetz, Einführung C Rn. 27 ff.; Peine, Franz-Joseph: Die Kritik am Bundes-Bodenschutzgesetz - nach fünf Jahren revisited, in: UPR 2003, S. 407. 266 Einig, Klaus: Ergänzung des Bodenschutzrechts um ökonomisch anreizende Lenkungsverfahren, in: Japanisch-Deutsches Zentrum Berlin (Hrsg.): Bodenschutz - Steuerungsfunktionen von Recht, Politik, Planung und Information, S. 186; siehe auch: Einig, Klaus/Spieker Margarethe: Die rechtliche Zulässigkeit regionalplanerischer Mengenziele zur Begrenzung des Siedlungs- und Verkehrsflächenwachstums, in: ZUR 2002, S. 150 ff. 2 67 Siehe oben Teil 3, § 3 II. 1. 268 BVerfG, in: DÖV 2003, S. 549 (549); Sacksofsky, Ute: Umweltschutz durch nicht-steuerliche Abgaben, S. 231 ff.
16 Risch
242
Teil 3: Neue Instrumente zur Begrenzung des Bodenverbrauches
a) Die Einschränkung der Eigentumsfreiheit Wie bereits oben dargestellt wurde, 269 wird die Rechtsposition der Eigentümer bereits rechtmäßig bestehender Versiegelungen durch die Einführung handelbarer Versiegelungsrechte nicht berührt. Es erfolgt kein Eingriff in den Bestand ihres Eigentums. Die Beibehaltung der materiellen Legalität der vorhandenen Versiegelung wird durch die Zuteilung einer entsprechenden Menge Zertifikate sichergestellt. 270 Auch finanzielle Einbußen erleiden die Eigentümer von Bestandsimmobilien nicht, da ihnen die Zertifikate kostenlos zur Verfügung gestellt werden. Für sie kommt es sogar zu einer Erweiterung der finanziellen Handlungsmöglichkeiten in der Form, dass ihnen jetzt die Option offen steht, die vorhandene Versiegelung zu beseitigen und die somit entbundenen Versiegelungsrechte zu verkaufen. Anders stellt sich die Situation für die Eigentümer bislang noch nicht bebauter Flächen dar. Diesen wird durch die Einführung handelbarer Versiegelungsrechte die Möglichkeit genommen, ihr Grundstück ohne Kosten für den Erwerb von Zertifikaten zu bebauen. Fraglich ist allerdings, ob diese Einschränkung tatsächlich als Verletzung des Eigentumsgrundrechts zu betrachten ist. Eine Prüfung am Maßstab des Art. 14 Abs. 1 GG setzt zunächst einmal voraus, dass dessen Schutzbereich eröffnet ist. Bereits daran bestehen allerdings Zweifel. Wie bereits dargestellt wurde, besteht die sogenannte Baufreiheit im Moment zwar noch, jedoch ist es dem Gesetzgeber nicht verwehrt, die Befugnis zur baulichen Nutzung von Grundstücken aus dem Regime der privatrechtlichen Eigentumsordnung auszunehmen. 271 Es wäre also prinzipiell denkbar, dass der Gesetzgeber Inhalt und Schranken des Grundeigentums neu bestimmt. 272 Voraussetzung einer derartigen Neuregelung wären hier wohl gegebene273 ausreichend tragfähige Gründe des Gemeinwohls und die Verhältnismäßigkeit der Maßnahme. Letzteres dürfte ggf. Entschädigungszahlungen und längere Überleitungsfristen notwendig machen, die zumindest einer kurzfristigen Einführung handelbarer Versiegelungsrechte entgegenstehen. Im Ergebnis ist daher hier festzustellen, dass das Recht zur baulichen Nutzung von Grundstücken nicht von dem Schutzbereich der Eigentumsfreiheit umfasst ist. Eine Verletzung des Art. 14 Abs. 1 GG scheidet aus. Allerdings schei269 Siehe Teil 3, § 41. 2. a). 270 Zu den beihilferechtlichen Aspekten der kostenlosen Abgabe: Vosskuhle, Andreas: Rechtsfragen der Einführung von Emissionszertifikaten, in: Hendler, Reinhard/Marburger, Peter /Reinhardt, Michael / Schröder, Meinhardt (Hrsg.): Energierecht zwischen Umweltschutz und Wettbewerb, S. 180 ff. 271 Siehe oben Teil 3, § 3 II. 3. c) (1) (b). 272 Ebenso Vosskuhle, der die Umwandlung eines Genehmigungssystems in ein Bewirtschaftungssystem für möglich hält. [Vosskuhle, Andreas, zitiert von: Wiesendahl, Stefan: Diskussionsbericht zu den Referaten von Prof. Dr. Büdenbender und Prof. Dr. Vosskuhle, in: Hendler, Reinhard/Marburger, Peter /Reinhardt, Michael / Schröder, Meinhardt (Hrsg.): Energierecht zwischen Umweltschutz und Wettbewerb, S. 211. 273 Siehe oben Teil 1, § 2 II.
§ 4 Die Versiegelungsrechte
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det die von der Literatur vorgeschlagene kurzfristige Einführung handelbarer Versiegelungsrechte ebenfalls aus.
b) Die Verletzung der Berufsfreiheit Bereits eingangs wurde erwähnt, dass sich aus Art. 12 Abs. 1 GG kein Recht auf die Neuversiegelung von Flächen ergibt. 274 Allen mit der Versiegelung von Flächen befassten Berufen stehen im vorhandenen baulichen Bestand genug Betätigungsmöglichkeiten offen. Die Auswirkungen der Einführung des Systems stellen für diese eine Regelung der Berufsausübung dar, die von ausreichend tragfähigen ökologischen Gründen gerechtfertigt wird.
c) Die Rechtsweggarantie Unter dem Gesichtspunkt des Rechtschutzes der betroffenen Bürger sind in erster Linie die Rechtsverordnungen des Landes, in denen das Land in Regionen eingeteilt wird, von besonderem Interesse. Gegen diese kommt der Klageweg nach § 47 Abs. 1 Nr. 2 VwGO bzw. Art. 93 Abs. 1 Nr. 4 b GG, §§ 13 Nr. 8 a, 90 ff. BVerfGG in Betracht. 275 Die Rechtschutzmöglichkeiten sind daher als ausreichend zu betrachten.
3. Die Vereinbarkeit mit der Finanzverfassung Eine weitere, rechtlich erhebliche Frage ist die nach der finanzverfassungsrechtlichen Zulässigkeit der Versteigerung der Versiegelungsrechte. Rechtlich gesehen handelt es sich bei der Versteigerung um die Erhebung von Gebühren auf die Versiegelung des Bodens. Derartige Gebühren sind aus den schon oben für die Neubaulandgebühr dargestellten Gründen zulässig. 276 Insbesondere ein Bewirtschaftungsregime und ausreichende Kontrollmöglichkeiten liegen auch hier vor. 2 7 7 Der Versteigerung der Zertifikate begegnen keine durchschlagenden Bedenken.
274 Siehe oben Teil 1, § I I I . 5. 275 Vgl. auch zum nationalen Allokationsplan im Emissionshandel: Schlüter, Jochen: Emissionshandel ante portas, in: NVwZ 2003, S. 1215. 276 Siehe oben Teil 3, § 3 II. 3. c). 277 Einig, Klaus: Ergänzung des Bodenschutzrechts um ökonomisch anreizende Lenkungsverfahren, in: Japanisch-Deutsches Zentrum Berlin (Hrsg.): Bodenschutz - Steuerungsfunktionen von Recht, Politik, Planung und Information, S. 190 m. w. N. 16*
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Teil 3: Neue Instrumente zur Begrenzung des Boden Verbrauches
4. Die kommunale Selbstverwaltung Das aus Art. 28 Abs. 2 GG fließende Recht der kommunalen Selbstverwaltung, namentlich der Planungshoheit, ist von der Einführung handelbarer Versiegelungsrechte nicht betroffen. Die planerische Tätigkeit der Kommunen wird nicht direkt, sondern nur indirekt durch das aus der Mengenrestriktion folgende Absinken der Nachfrage nach Bauland berührt. Direkt betroffen ist lediglich die eigene bauliche Tätigkeit der Kommunen. Auch diese sind gezwungen, für ihre Projekte Versiegelungsrechte zu erwerben. Jedoch erscheint diese Einschränkung angesichts der mit der Ökologisierung der Flächennutzung verfolgten Ziele hinnehmbar. 278
5. Die Prinzipien des Umweltrechts Die Prinzipien des Umweltrechts sind durch handelbare Versiegelungsrechte ebenso wenig verletzt wie durch handelbare Ausweisungsrechte. 279
6. Wettbewerbsrechtliche Aspekte handelbarer Versiegelungsrechte Wettbewerbsrechtliche Bedenken gegenüber den handelbaren Versiegelungsrechten bestehen nicht. Diese können gerade aufgrund der fehlenden funktionalen Untergliederung nicht dazu benutzt werden, Wettbewerber zu verdrängen. 280 Ebenfalls unbedenklich sind sie im Hinblick auf die Gleichbehandlungspflichten des europäischen Rechts, da Zertifikate für Fragen der Nationalität „blind" sind.
7. Zusammenfassung In rechtlicher Hinsicht stehen handelbaren Versiegelungsrechten keine Bedenken entgegen. Nahezu alle angesprochenen problematischen Aspekte lassen sich bei geeigneter Ausgestaltung des Instrumentes bewältigen. Allein die zeitnahe Einführung der Zertifikate ist aufgrund der zur Herstellung der Verhältnismäßigkeit notwendigen Übergangsfristen nicht möglich. An dieser Stelle muss das Modell den rechtlichen Gegebenheiten angepasst werden. 278 Siehe dazu oben Teil 1, § 2 II. 279 Siehe oben Teil 3, § 3 II. 6. 280 Ein Unternehmen müsste alle in einer Region verfügbaren Versiegelungsrechte erwerben, um zielgerichtet Konkurrenten fernzuhalten. Und selbst in diesem, mit erheblichem finanziellen Aufwand verbundenen Fall, könnte der Konkurrent durch Erwerb einer Bestandsimmobilie ausweichen. So auch zu Emissionszertifikaten: Kottmeier, Birgit: Recht zwischen Umwelt und Markt, S. 140 f.; Zimmermann, Horst/Hansjürgens, Bernd: Zertifikate im Instrumentenvergleich aus ordnungspolitischer Sicht, in: Bonus, Holger (Hrsg.): Umweltzertifikate, ZAU Sonderheft 9, S. 51.
§ 4 Die Versiegelungsrechte
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I I I . Abschließende Bewertung 1. Die Wirksamkeit in der Fläche Die flächendeckende Wirksamkeit der handelbaren Versiegelungsrechte ist als hoch einzuschätzen. Das Modell erfasst jegliche Versiegelung unabhängig vom Ort. Auch unbeplante Rächen im Innenbereich und der Außenbereich werden in den Anwendungsbereich eingeschlossen. Das Instrument schließt somit jene Lücken, die das geltende Recht in räumlicher Hinsicht aufweist.
2. Die Wirksamkeit in vor- und nachsorgender Perspektive Handelbaren Versiegelungsrechten kommt infolge der strikten Mengenbegrenzung zunächst eine starke vorsorgende Wirkung zu. Der maximal mögliche Zuwachs an versiegelter Räche wird für jedes Bundesland festgelegt. Aus dieser Festlegung folgt die Notwendigkeit einer flächensparenden Siedlungsentwicklung. 281 Darüber hinaus stößt das Modell die erneute Verwendung bereits vorhandener Versiegelungen an, für deren Nutzung kein Zertifikatserwerb notwendig ist. In zweiter Linie kommt den handelbaren Versiegelungsrechten eine beachtliche nachsorgende Wirkung zu. Die Entsiegelung einer Räche wird durch die jetzt entstehende Möglichkeit, das entbundene Zertifikat zu verkaufen, attraktiver gemacht. Es ist damit zu rechnen, dass eine Vielzahl von Rächen entsiegelt wird, sobald der Wert der darin gebundenen Zertifikate die Kosten der Entsiegelung übersteigt. 282 Derartige Wirkungen treten bereits bei nicht sehr hohen Zertifikatspreisen ein. Auch in diesem Punkt gelingt es den handelbaren Versiegelungsrechten, eines der im geltenden Recht vorhandenen Defizite zu schließen.
3. Die prinzipielle juristische Eignung Die Tiefe, mit der das Modell der handelbaren Versiegelungsrechte in der Literatur ausgeformt wurde, ist relativ gering. Daher muss sich die Einschätzung der prinzipiellen juristischen Eignung auf die bereits dargelegten Kriterien der Operationalisierbarkeit des Bodens, der Häufigkeit von Ausnahmeregelungen, der Universalität des Instruments, der Folgen für den Staatshaushalt sowie ergänzend der Beurteilung des Zusammenspiels mit dem geltenden Recht beschränken. 281 Zu den Umsetzungsmöglichkeiten: Troge, Andreas/Hülsmann, Wulf /Burger, Andreas: Ziele und Handlungsansätze einer flächensparenden Stadtentwicklung, in DVB1. 2003, S. 88 m. w. N. 282 Vgl. z u r Höhe der Entsiegelungskosten: Bizer, Kilian/Ewringmann, Dieter/Bergmann, Eckhardt/Dosch, Fabian/Einig, Klaus/Hutter, Gerard: Mögliche Maßnahmen, Instrumente und Wirkungen einer Steuerung der Verkehrs- und Siedlungsflächennutzung, S. 117 ff.
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Teil 3: Neue Instrumente zur Begrenzung des Boden Verbrauches
Handelbare Versiegelungsrechte erhöhen die Handhabbarkeit des Mediums Boden in Abwägungen und Entscheidungen beträchtlich. Durch die Einführung der Zertifikate erhält die Nutzung des Bodens einen Preis. Folglich ist anzunehmen, dass stärker als bisher nach Möglichkeiten der Versiegelungsvermeidung und der Entsiegelung gesucht wird. 2 8 3 Ebenfalls als positiv zu erachten ist die Herstellung einer direkten preislichen Kausalität zwischen der Höhe der Belastung und der Größe der Versiegelung. Das Modell verzichtet auf die Heranziehung von Hilfsgrößen, setzt direkt an der Versiegelung an und erreicht damit eine größere Genauigkeit in der Verhaltensbeeinflussung als andere Konzepte. 284 Die einfache Struktur der gewünschten Verhaltensbeeinflussung lässt es wahrscheinlich werden, dass der Bürger entsprechend des gewünschten Impulses handelt. Das hier vorgeschlagene Modell handelbarer Versiegelungsrechte weist keinerlei Ausnahmeregelungen auf und ist sowohl von seinem räumlichen wie auch von seinem sachlichen Anwendungsbereich her umfassend. Die Versiegelung des Bodens wird unabhängig von Ort und Urheber finanziell belastet. Ebenfalls gegeben ist die als Begründung einer allgemein gültigen Verhaltenspflicht verstandene Universalität des Instruments. Das System handelbarer Versiegelungsrechte stellt für den Bereich des quantitativen Bodenschutzes eine Regelung dar, die der allgemeinen Handlungspflicht des qualitativen Bodenschutzes nach § 4 Abs. 1 BBodSchG vergleichbar ist. Des Weiteren ist festzustellen, dass das hier vorgeschlagene Zertifikatsmodell zu einem nicht unerheblichen Finanzaufkommen führt. Daher kann auch die Vierte der genannten Anforderungen als erfüllt betrachtet werden. Schließlich ist das Modell - einmal abgesehen vom unvermeidlichen Systembruch in Sachen Baufreiheit - relativ gut mit dem geltenden Recht vereinbar. Für den betroffenen Bürger erhöht sich lediglich die Menge der zu bewältigenden Genehmigungserfordernisse. Im innerstaatlichen Bereich entstehen dagegen völlig neue Finanzströme, deren Bewältigung angesichts der durch das neue Steuerungsmodell eingeführten Einzelbudgetverantwortung möglich erscheint, aber als letztlich verwaltungswissenschaftliche Frage hier nicht vertieft behandelt werden soll285
283 Ζ. B. wird das Entsiegelungspotential kommunaler Verkehrsflächen auf 15% geschätzt [Bizer, Kilian/Ewringmann, Dieter /Bergmann, Eckhardt/Dosch, Fabian/Einig, Klaus /Hutter, Gerard: Mögliche Maßnahmen, Instrumente und Wirkungen einer Steuerung der Verkehrs- und Siedlungsflächennutzung, S. 118]. 284
Einig, Klaus: Ergänzung des Bodenschutzrechts um ökonomisch anreizende Lenkungsverfahren, in: Japanisch-Deutsches Zentrum Berlin (Hrsg.): Bodenschutz - Steuerungsfunktionen von Recht, Politik, Planung und Information, S. 185. 285 Die Bedeutung der staatlich verursachten Neuversiegelung sollte ohnehin nicht überschätzt werden, da ihr Anteil vergleichsweise gering ist [Siehe oben Teil 1, § 2 ΠΙ. 2.]. Daher ist auch eine nur abgeschwächte Wirkung im staatlichen Sektor hinnehmbar.
§ 5 Zwischenergebnis
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4. Zusammenfassung Im Ergebnis ist festzustellen, dass das Modell der handelbaren Versiegelungsrechte die in es gesetzten Erwartungen vollständig erfüllen kann. Alle hier erwarteten Kriterien werden erfüllt.
§ 5 Zwischenergebnis Fragt man schließlich, welches der vorgeschlagenen Instrumente am besten geeignet sei, das im quantitativen Bodenschutzrecht vorgefundene Defizit zu mindern, so fällt die Antwort eindeutig zugunsten des an zweiter Stelle vorgestellten Modells handelbarer Versiegelungsrechte aus. Dieses Instrument vermag in wesentlich zielgerichteterer Weise den vom Gesetzgeber angezielten Lenkungsimpuls zu vermitteln. Außerdem mindert es alle gefundenen Defizite und lässt nicht - wie das Modell handelbarer Ausweisungsrechte - wesentliche defizitäre Bereiche, wie ζ. B. den quantitativen Bodenschutz im unbeplanten Innenbereich, unbehandelt. In Bezug auf die mit ihrer Einführung verbundenen rechtlichen Probleme sind sich beide Modelle in wesentlichen Punkten gleich. Beide setzen voraus, dass das Recht der baulichen Nutzung des Bodens von der zur Zeit noch bestehenden Baufreiheit in ein System staatlicher Bewirtschaftung überführt wird. Nur wenn diese Frage im hier vorgeschlagenen Sinn beantwortet wird, ist an die Einführung einer der beiden Zertifikatslösungen zu denken. Darüber hinaus bedenkenswert ist hier nur, dass sich das Modell handelbarer Ausweisungsrechte zusätzlich noch an der Garantie der kommunalen Selbstverwaltung messen lassen muss. Insofern ist es auch in rechtlicher Hinsicht als weniger empfehlenswert zu betrachten. Ein weiterer wesentlicher Vorteil des Modells handelbarer Versiegelungsrechte liegt darin, dass es auch in nachsorgender Hinsicht Wirkung zeigt und die zur Abstützung der handelbaren Ausweisungsrechte vorgeschlagene Einführung einer Neuversiegelungsabgabe286 entfallen könnte. Abschließend ist daher festzustellen, dass die Ansicht des Rates von Sachverständigen für Umweltfragen, der „handelbare Flächenausweisungsrechte bei derzeitigem Kenntnisstand für das am besten geeignete Instrument zur Realisierung des Ziels, die Flächeninanspruchnahme von derzeit ca. 129 ha pro Tag auf ca. 30 ha pro Tag im Jahr 2020 zu reduzieren" 287 hält, zu widersprechen ist. Handelbare Versiegelungsrechte sind sowohl unter praktischen wie unter rechtlichen Gesichtspunkten besser geeignet.
286 Rat von Sachverständigen des Naturschutzes, Sondergutachten, 287 Rat von Sachverständigen des Naturschutzes, Sondergutachten,
für Umweltfragen: 2002, S. 83. für Umweltfragen: 2002, S. 79.
Für eine Stärkung und Neuorientierung Für eine Stärkung und Neuorientierung
Teil 4
Ergebnis der Untersuchung Die eingangs gestellte Frage, ob das bestehende flächenschützende Recht Defizite aufweist und ob es möglich ist, diese Defizite durch den Einsatz neuer Instrumente zu beheben, ist in doppelter Hinsicht positiv zu beantworten. Das geltende Recht des quantitativen Bodenschutzes weist wesentliche Defizite auf. Jedoch ist es möglich, diese durch die Kodifizierung des Modells der handelbaren Versiegelungsrechte signifikant zu vermindern. Das System der bestehenden Normen weist sowohl im vorsorgenden, wie im nachsorgenden Bereich Schwachpunkte auf. In vorsorgender Hinsicht treten in jedem Teilbereich des Rechts spezifische Defizite auf. Das Recht der Bodenschutzgebiete ist unter zwei Aspekten mangelhaft. Zum einen sind dem Bodenschutz durch versiegelungsfeindliche Schutzgebiete sowohl in rechtlicher Hinsicht, als auch aus Gründen der naturräumlichen Ausstattung Grenzen gesetzt. Zum anderen ist das geltende Schutzgebietsregime zu offen gegenüber Ausnahmen. Problematisch ist in Schutzgebieten nicht der stark bodenschützende Normalfall, sondern der über das verfassungsrechtlich Notwendige hinaus instrumentalisierte Ausnahmefall. Beispiele hierfür sind die Befreiungstatbestände der Naturschutzgesetze und Schutzgebietsverordnungen sowie die Tatsache, dass bislang alle FFH-relevanten Großprojekte letztlich durchgeführt wurden. Der Schwachpunkt der raumplanerischen Instrumente liegt in ihrer prinzipiellen Struktur als Abwägungsentscheidungen. Auch wenn die Aspekte des Bodenschutzes in nahezu alle fachplanerischen Entscheidungen in ausreichendem Maße einfließen, so setzen sich diese doch nur sehr selten durch. Grund hierfür ist die mangelnde Durchsetzbarkeit der Belange des quantitativen Bodenschutzes, die ihre Ursache in einer unzureichenden Operationalisierung des Umweltmediums Boden findet. Im Bereich des quantitativen Bodenschutzes in der Einzelfallentscheidung ist das Defizit primär darin zu sehen, dass keine allgemein anwendbare Handlungspflicht, Versiegelungen zu unterlassen oder zu begrenzen, besteht. Darüber hinaus ist auch hier, in den Punkten Ausnahmeregelung und Durchsetzung bodenschützender Belange in der Abwägung, Kritik zu üben. Schließlich ist auf ein die drei Teilbereiche übergreifendes Defizit hinzuweisen, dass aus den in räumlicher Hinsicht wirkenden Restriktionen folgt. Das geltende Recht des quantitativen Bodenschutzes ist nicht flächendeckend anwendbar. Insbesondere im unbeplanten Innenbereich bestehen Schwächen.
Teil 4: Ergebnis der Untersuchung
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Ebenfalls als unzureichend zu betrachten ist das Recht des nachsorgenden Bodenschutzes. Über die schon voranstehend erwähnten Aspekte der unzureichenden Operationalisierbarkeit des Bodens und die auch im nachsorgenden Bereich anzutreffende defizitäre Lage im unbeplanten Innenbereich hinaus, besteht der Schwachpunkt hier in erster Linie in der unzureichenden Finanzausstattung der für die Entsiegelung Verantwortlichen. Das letztgenannte Defizit ist um so bedeutender, als die Entsiegelung des Bodens zwangsläufig in den Bestand an Eigentumsgegenständen des Art. 14 GG eingreift und somit ein Handeln des Gesetzgebers ohne den Ausgleich herstellende Finanzmittel nur sehr eingeschränkt möglich ist. Nicht ohne jeden Grund ist die Ursache der Nichtanwendbarkeit des § 5 BBodSchG im unbeplanten Innenbereich im Unvermögen des Gesetzgebers zu suchen, auch in diesem Bereich einen Ausgleich der erlittenen Lasten vorzusehen. Die hier aufgedeckten Defizite können durch sogenannte neue Instrumente der ökonomischen Verhaltensbeeinflussung zumindest gemindert werden. Zunächst ist festzustellen, dass ökonomische Instrumente prinzipiell geeignet sind, das geltende Ordnungsrecht zu ergänzen und dessen Schwachpunkte auszugleichen. Insbesondere sind sie in der Lage, die Operationalisierbarkeit des Umweltmediums Boden zu erhöhen. Unter den ökonomischen Instrumenten gebührt den ökologisch wirksameren Mengeninstrumenten der Vorrang. Aus diesem Grunde konzentrierte sich die Untersuchung auf zwei Mengeninstrumente: handelbare Aus Weisungsrechte und handelbare Versiegelungsrechte. Das Modell der handelbaren Ausweisungsrechte greift auf das im quantitativen Bodenschutz bestehende Defizit über die Schaffung von Rechten zu, die zur Beplanung des Bodens berechtigen. Diese Rechte ermöglichen es den Gemeinden, Bebauungspläne und vergleichbare Satzungen zu erlassen, sie sind in ihrer Menge begrenzt und unter den Gemeinden handelbar. Das Modell erweist sich in rechtlicher Hinsicht unter mehreren Gesichtspunkten, von denen zwei eine herausgehobene Rolle spielen, als überprüfungsbedürftig. Zum einen muss der Frage nachgegangen werden, wie es um die Vereinbarkeit mit der Garantie der kommunalen Selbstverwaltung bestellt ist. Zum anderen ist zweifelhaft, ob die vorgesehene Überwälzung der Kosten auf den versiegelnden Bürger mit der Finanzverfassung vereinbar ist. Zum Aspekt der kommunalen Selbstverwaltung bzw. zur kommunalen Planungshoheit ist zu bemerken, dass diese nicht in ihrem Kernbereich, sondern nur in dem - im Sinne der Rastede-Entscheidung des BVerfG - materiell verstandenen verfassungsrechtlichen Aufgabenteilungsprinzip betroffen ist. Folge dessen ist, dass die durch die Einführung handelbarer Ausweisungsrechte verursachte Einschränkung der kommunalen Planungshoheit durch gewichtige ökologische Gründe und in Anbetracht der beachtlichen fortbestehenden Spielräume der Kommunen mit dem Aufgabenteilungsprinzip vereinbar ist. Ebenfalls rechtlich zulässig ist die vorgesehene Kostentragung durch den Bürger. Die Überwälzung der mit dem Zertifikatserwerb verbundenen Kosten stellt sich rechtlich als Erhebung einer Gebühr für die Neuausweisung von Bauland dar. Eine derartige Gebühr entspricht nur dann der Begrenzungs- und Schutzfunktion der Finanzverfassung,
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Teil 4: Ergebnis der Untersuchung
wenn auf die in Rede stehende Umweltnutzung kein grundrechtlicher Anspruch besteht. Dies ist hier der Fall, da die sogenannte Baufreiheit nach geltender Rechtslage noch besteht, aber nicht zum Kernbereich der Eigentumsgewährleistung des Art. 14 GG gehört und damit abgeschafft werden kann. Jedoch erweist sich das Modell handelbarer Ausweisungsrechte trotz seiner rechtlichen Zulässigkeit als nur eingeschränkt zur Defizitminderung geeignet. Der Grund hierfür ist zum einen darin zu sehen, dass das Modell nicht unmittelbar an der versiegelten Fläche, sondern an der beplanten Fläche, also einer Hilfsgröße ansetzt. Zum anderen sind handelbare Ausweisungsrechte nicht in der Lage, wesentliche Defizite des geltenden Rechts zu beheben. Sie sind weder flächendeckend einsetzbar, noch universell oder in nachsorgender Hinsicht wirksam. Daher ist im Modell der handelbaren Ausweisungsrechte kein geeigneter Weg zu Minderung des bodenschutzrechtlichen Defizits zu sehen. Im Gegensatz dazu setzen handelbare Versiegelungsrechte nicht an einer Hilfsgröße, sondern unmittelbar an der Versiegelung des Bodens an. Diesem Modell zufolge ist für die Versiegelung jedes einzelnen Quadratmeters ein Zertifikat notwendig. Diese Zertifikate sind in ihrer Menge begrenzt und frei handelbar. Rechtliche Hemmnisse sind hier in erster Linie in finanzverfassungsrechtlicher Hinsicht zu erwarten. Jedoch sind diese ausräumbar, da die Baufreiheit nicht zum zwingenden Kerngehalt der Verfassung gehört und damit prinzipiell gebührenfähig ist. Mit Blick auf die Eignung der handelbaren Versiegelungsrechte zur Defizitminderung ist festzustellen, dass dieses Instrument alle Erwartungen erfüllt. Sowohl die flächendeckende Anwendbarkeit, als auch die Wirkung in vor- wie nachsorgender Perspektive sind gewährleistet. Ebenso wird die Operationalisierbarkeit des Bodens erhöht, das Modell weist keine Ausnahmeregelungen auf, ist universell und führt zu einem zum Zwecke des nachsorgenden Bodenschutzes einsetzbaren Finanzaufkommen. Natürlich ist zuzugeben, dass dieses Modell in rechtlicher Hinsicht nicht „wasserdicht", sondern auch aufgrund der relativen Unausgereiftheit und der finanzverfassungsrechtlichen Aspekte angreifbar ist. Jedoch darf dabei nicht vergessen werden, dass es zwar sicherer sein mag, weiter ausschließlich den traditionellen Pfaden des Ordnungsrechts zu folgen, eine Lösung des drängenden ökologischen Problems der Bodenversiegelung bei einem derart zögerlichen Verhalten aber nicht zu erwarten ist. Die ambitionierten flächenschützenden Ziele von Politik und Gesellschaft sind nur durch den Einsatz von Mengeninstrumenten erreichbar. Unter diesen kommt dem Modell der handelbaren Versiegelungsrechte das Primat zu.
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trtverzeichnis Außenbereich 143 ff., 162 ff., 191, 235 Baufreiheit - grundrechtlicher Schutz 41 ff., 220 f. - und neue Instrumente 220 ff., 242 f. Bauordnungsrecht 147 f., 156 Berufsfreiheit 43 f., 228, 243 Bestandsschutz - der kommunalen Planung 57 ff. - des Eigentums 54 ff. - und handelbare Ausweisungsrechte 190 f. - und Versiegelungsrechte 237 Bodenversieglung siehe Flächenversieglung Bundesbodenschutzgesetz - allgemeine Handlungspflicht 121 ff. - Entsieglung 128 - Landesbodenschutzgesetze 130 - schädliche Boden Veränderung 125 f. - und Versieglung 125 ff. Bundesfernstraßengesetz - Bedarfsplanung 98 f., 99 f. - Bedeutung für den Bodenschutz 97 - Schutzgebiete 81,77 - und naturschutzrechtliche Eingriffsregelung 137 ff. Eigentumsgrundrecht - Bestandsschutz 54 ff. - Enteignung 39,41 - Institutsgarantie 42 ff., 224 f. - und aktiver Bodenverbrauch 40 ff. - und bauliche Nutzung siehe Baufreiheit - und bodenschützende Wirkung 39 ff. - und Entsiegelung 169 ff. Entsiegelung - entgegenstehende Verfassungsnormen 54 ff. - nach Bauplanungsrecht 156 ff. - nach dem Bauordnungsrecht 156 - nach dem Bundesbodenschutzgesetz 162 ff.
- und Art. 3 Abs. 1 GG 174 ff. - und handelbare Ausweisungsrechte 232 - und Versieglungsrechte 245 Entsiegelungsgebot 162 ff. - Abgrenzung zum Rückbau- und Entsiegelungsgebot 162 ff. - Anwendungsvoraussetzungen 167 ff. Fachplanungsrecht siehe Bundesfernstraßengesetz FFH siehe Natura 2000 Finanzverfassung - Neubaulandgebühr 219 ff. - und handelbare Ausweisungsrechte 209 ff. - und Versieglungsrechte 243 Flächenverbrauch siehe Flächenversieglung Flächenversiegelung - Begriff 20 ff. - Schutzgebiete 83 ff., 151 ff. - Umfang 24 ff., 29 - Urheber 26 ff. Gebühr - Begriff 211 f. - Neubaulandgebühr 219 ff. - Ressourcennutzungsgebühr 211 ff. Gesamtplanung - Bedeutung für den Bodenschutz 86 ff., 119 - Einfluss auf die Fachplanung 108 - Entsiegelung 154 f. - Ziele und Grundsätze der Raumordnung 91 ff., 114 Grundsteuer, Reform der 185 handelbare Ausweisungsrechte 189 ff. - kommunale Selbstverwaltung 200 ff. - Kompetenz 197 ff. - Prinzipien des Umweltrechts 230 f. - Rechtsschutz 229 f. - und Finanzverfassung 209 ff.
272
trtverzeichnis
- und Grundrechte 228 ff. - Wirkungsmechanismen 189 ff. - Zuteilung und Handel 194 ff.
- und die Finanzverfassung 209 ff., 243 - Verhältnis zum Ordnungsrecht 181 ff. - Versiegelungsrechte 234 ff.
Innenbereich, unbeplanter 142 ff. - Eingriffsregelung 141 f. - Entsiegelung im 173 ff. - und handelbare Ausweisungsrechte 231 - und Versieglungsrechte 234 f., 245
Ökonomische Verhaltenssteuerung siehe neue Instrumente
Kommunale Planung - Bedeutung 110 ff. - Einflussfaktoren 113 ff. - und naturschutzrechtliche Eingriffsregelung 137 ff., 140 ff. Kommunale Selbstverwaltung 45 ff. - Kernbereich 46 ff. - Randbereich 46 ff. - Rastede-Entscheidung 49 f. - Verständnis der 45 ff. siehe auch Planungshoheit Nachhaltigkeit - im Bundesbodenschutzgesetz 123 ff. - in der Bauleitplanung 114 - in der Gesamtplanung 89 ff. Natura 2000 - Schutzgebiete 73 ff. - und kommunale Planung 116 f. - Verträglichkeitsprüfung 75 f., 93 f., 104, 105 f., 108, 109,116 Naturschutzrecht - Biosphärenreservat 66 f. - Eingriffsregelung 109, 116, 131 ff., 140 ff. - Landschaftsplanung 113, 116 - Landschaftsschutzgebiet 67 ff. - nachsorgende Wirkung 152 f. - Nationalpark 65 f. - Naturpark 69 ff. - Naturschutzgebiet 63 ff. - Objektschutz 70 ff. - Uferzonen 72 f. - und Fachplanung 108,109 - und Gesamtplanung 96 - und kommunale Planung 137 ff., 140 ff. Neue Instrumente - Grundlagen 181 ff. - handelbare Ausweisungsrechte 189 ff. - Kompetenz zur Einführung 197 ff., 240 f. - Modelle 184 ff.
Planungshoheit - abstrakte Einschränkung 45 ff., 60 - Bestandsschutz 57 f. - Einschränkung durch Flächenversiegelungsrechte 244 - Einschränkung durch handelbare Ausweisungsrechte 200 ff. - konkrete Einschränkung 51 f. - weiterbestehende Spielräume 206 ff. Rückbau- und Entsieglungsgebot 156 ff. - Anwendungsvoraussetzungen 158 ff. Sozialstaatsprinzip - bodenschützende Wirkung 37 - und Flächenversieglung 44 f. Staatszielbestimmung Umweltschutz - als Schranke der Boden Versieglung 34 ff., 59 f. - und Bedarfsplanung 104, 106 Strategische Umweltprüfung - in der Fachplanung 105, 108 - in der Gesamtplanung 94 ff., 108 - und Bedarfsplanung 105 Umweltverträglichkeitsprüfung - und Bundesfernstraßengesetz 102 f., 107 ff., 109,116 - und kommunale Planung 116 Versiegelung siehe Flächenversiegelung Versieglungsrechte - Finanzverfassung 243 - Rechtsschutz 243 - und Grundrechte 241 ff. - Wirkungsmechanismen 234 ff. - Zuteilung und Handel mit 237 f. Vogelschutzgebiete siehe Natura 2000 Wasserhaushaltsgesetz und Sächsisches Wassergesetz - Schutzgebiete 78 ff., 153 f. - Uferzonen 73