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German Pages 345 [239] Year 1981
WALTRAUT BLEIBER NATURALWIRTSCHAFT UND WARE-GELD-BEZIEHUNGEN ZWISCHEN SOMME UND LOIRE WÄHREND DES 7. JAHRHUNDERTS
F O R S C H U N G E N ZUR M I T T E L A L T E R L I C H E N G E S C H I C H T E Begründet durch Heinrich Sproemberg "j" Herausgegeben von G. Heitz, E. Müller-Mertens, B. Töpfer und E. Werner
BAND 27
A K A D E M I E - V E R L A G 1981
•
B E R L I N
WALTRAUT BLEIBER
NATU R A L W I R T S C H A F T UND
WARE-GELD-BEZIEHUNGEN
Z W I S C H E N SOMME U N D LOIRE W Ä H R E N D DES 7. J A H R H U N D E R T S
Mit 2 Karten als Beilage
A K A D E M I E - V E R L A G
1981
-
B E R L I N
Erschienen im Akademie-Verlag, DDR - 1080 Berlin, Leipziger Str. 3—4 © Akademie-Verlag Berlin 1980 Lizenznummer: 202 • 100/276/80 Umschlaggestaltung: Karl Salzbrunn Gesamtherstellung IV/2/14 VEB Druckerei »Gottfried Wilhelm Leibniz« 4450 Gräfenhainichen • 5517 Bestellnummer: 753 567 8 (2090/27) • LSV 0225 Printed in GDR DDR 48 - M
INHALTSVERZEICHNIS
Einleitende Bemerkungen A. Darstellung
7 15
Kapitel I Münze, Prägeort und Geldumlauf Einleitendes 1. Die Phase der Goldprägung 2. Die Phase der Silberprägung Zusammenfassung
17 17 18 48 62
Kapitel I I Ware, Warenverkehr und Handelsplatz Einleitendes 1. Grund und Boden als Objekt von Kauf und Verkauf 2. Der Verkauf und Kauf von Menschen, der sogenannte Sklavenhandel 3. Kauf und Verkauf von Erzeugnissen menschlicher Arbeitskraft: Agrarprodukte, Lebensmittel, Erzeugnisse des Handwerks 4. Die sozialen Träger der Ware-Geld-Beziehungen 5. Die Zentren der Ware-Geld-Beziehungen und des Handels Zusammenfassung
65 65 65 73 79 97 107 112
Kapitel I I I Naturalwirtschaft und Ware-Geld-Beziehungen im Untersuchungsgebiet während der späten Merowinger- und der frühen Karolingerzeit. Entwicklungsrichtung und Entwicklungstendenzen
115
I. Der Markt und das Verhältnis der bäuerlichen Produzenten zu den Ware-Geld-Beziehungen am Ende des 7. und a m Ende des 8. Jahrhunderts. Ein Vergleich 1. Die Verdichtung des Netzes der Marktsiedlungen 2. Das veränderte Verhältnis der bäuerlichen Produzenten zum Markt und zu den WareGeld-Beziehungen
127
I I . Die Herausbildung der Grundlagen intensivierter Ware-Geld-Beziehungen während des 7. Jahrhunderts 1. Die ältere Entwicklungsphase 2. Die jüngere Entwicklungsphase
133 134 146
Schlußbemerkungen
156
B . Kommentierendes Verzeichnis der schriftlichen Quellen
159
115 115
5
Anhang Nr. I Nr. Ia Nr. II
187 Verzeichnis der Prägeorte des Untersuchungsgebietes (Anfang des 7. bis Anfang des 8. Jahrhunderts)
189
Verzeichnis der Prägeorte, die nicht kartiert werden konnten, da ihre genaue Lage nicht bestimmbar war
199
Verzeichnis der Prägeorte, deren Eigenschaft als Münzort nur durch eine einzelne Münze oder durch die Tätigkeit eines einzigen Monetars belegbar ist
200
Nr. III Verzeichnis der Münzschatzfunde Nr. IV
Bischofssitze des Untersuchungsgebietes im 7. Jahrhundert (nach Duchesne)
Literaturverzeichnis Karten
201 . . .
218 219
EINLEITENDE
BEMERKUNGEN
Der Begriff der Naturalwirtschaft, der von Bruno Hildebrand in die Wissenschaft eingeführt worden ist, 1 gehört seit langem zum gängigen Vokabular der Historiker. E r fand Eingang in die Lehr- und Handbücher, 2 und die marxistische Gesellschaftswissenschaft verwendet ihn auf jeden Fall dann, wenn die Wesenszüge der feudalen Gesellschaftsformation zu erörtern sind. 3 Aber obwohl dieser Begriff so außerordentlich geläufig ist, war er nie unumstritten, und sowohl wegen seines Inhalts als auch wegen der Art, in der er gebraucht wurde, gab er wiederholt Anlaß zu heftigem Für und Wider. 4 Die Auseinandersetzungen erreichten eine besondere Breite und Intensität, nachdem Dopsch zum Beginn der dreißiger J a h r e sein Buch über „Naturalwirtschaft und Geldwirtschaft in der Weltgeschichte" veröffentlicht hatte. Im Mittelpunkt der Auseinandersetzungen standen damals neben Fragen der Begriffsbestimmung vor allem die durch Alfons Dopsch aufgestellte These von der weltgeschichtlichen Parallelität natural- und geldwirtschaftlicher Erscheinungen sowie seine von dieser These beeinflußte Bewertung des Wirtschaftslebens der Merowinger- und der Karolingerzeit. 5 Diese Auseinandersetzungen verebbten aber schließlich, ohne daß sie recht eigentlich zu einem Abschluß gekommen waren. Selbst die in ihrem Verlauf wiederholt geforderte Klärung der Begriffe blieb letzten Endes aus. 6 Einen völlig neuen, weil grundsätzlich andersgearteten methodologischen Ausgangspunkt schufen den Erörterungen dann die Diskussionen, die in der internationalen Wissenschaft seit etwa zwei Jahrzehnten um die Wesenszüge der feudalen Gesellschaftsformation geführt werden. Zielten die früheren Auseinandersetzungen vor allem darauf ab, einen Teilaspekt vorkapitalistischer Wirtschaftsweisen, nämlich den ihres jeweiligen Verhältnisses zum Austausch zu klären, so sind diese darauf gerichtet, eine Gesellschaftsformation in ihren Grundlagen zu erfassen und die ihr eigenen, sie charakterisierenden Merkmale zu bestimmen. 7 Aus ihrem spezifischen Anliegen ergab sich notwendigerweise, Naturalwirtschaft,
S.
l f f . Vgl.
BLOCH,
Économie-nature,
1
HLLDEBRAND,
2
Vgl. DOPSCH, Wirtschaftsentwicklung, 1, S . 6 ff. u. 2, S. 252 ff. MOTTEK, Wirtschaftsgeschichte,
S . 7.
S. 77, S. 82, S. 107, Anm. 175 u. öfter. LÜTGE, Wirtschaftsgeschichte, S. 95. Lexikon, S. 248. Ökonomie, S. 138 ff. 3 Ökonomie, S. 138 f. Vgl. TÖPFER, Problematik, S. 282. 4 Vgl. W E B V E K E , Économie-nature, S. 428 f. W E R V E K E spricht ebenda, S. 429, von einer Konfusion, die sich selbst bei den besten Autoren fände. HECKSCHER, Naturalwirtschaft, S. 456ff. 5
6 7
DOPSCH, Naturalwirtschaft, S . 24 ff., bes. S . 253 ff. HECKSCHER, Naturalwirtschaft, S . 455 f. WERVEKE, Économie-nature, S . 432 ff. HECKSCHER, Naturalwirtschaft, S. 456, BLOCH, Économie-nature, S. 8. MÜLLER-MERTENS, Feudalentwicklung, S . 52 ff. DERSELBE, Skizze, S. 543 ff. TÖPFER, Grundfragen, S. 7 8 5 ff. D E R S E L B E , Diskussion, S. 6 2 9 f f . D E R S E L B E , Problematik, S. 2 5 9 f f . W E R N E R , Charakteristika, S. 1134 ff. HERRMANN, Allod, S. 164 ff. LJTTBLINSKAJA, Tipologija, S. 9 f f .
7
daß diese Diskussion auch zu der Frage führte, welchen Platz Tausch, Ware-Geld-Beziehungen und Geldzirkulation in der feudalen Produktionsweise einnahmen und von welcher Art die Zusammenhänge waren, die zwischen diesen Erscheinungen und dem feudalen Produktionsverhältnis bestanden. Teilaspekte dieser Problematik sind wiederholt aufgegriffen, die Frage nach dem naturalwirtschaftlichen Grundzug des Feudalismus ist verschiedentlich gestellt worden. 8 Sehr viel häufiger allerdings wurde der Problemkreis in Verbindung mit Ausführungen berührt, die die Einordnung der Stadt in die Feudalgesellschaft, den historischen Platz, den die städtische Siedlung innerhalb dieser Gesellschaftsordnung einnahm, zum Gegenstand hatten. 9 Die bewußte Einbeziehung der außereuropäischen Geschichte in die Betrachtungen war im besonderen Maße dazu angetan, die sehr verbreitete Lehrmeinung von der naturalwirtschaftlichen Grundstruktur des Feudalismus in Frage zu stellen. 10 Der bisherige Verlauf der Diskussionen erbrachte neue Einsichten sowohl in die allgemein-theoretische als auch in die konkret-historische Vielfältigkeit und Kompliziertheit des zu bewältigenden Fragenkreises. E s wurden entsprechende Thesen formuliert und neue, für weiterführende Untersuchungen wesentliche Gesichtspunkte vorgetragen. Es zeigte sich jedoch auch sehr deutlich, daß in der gegenwärtigen Forschung nach wie vor im Grundsätzlichen beträchtlich voneinander abweichende Auffassungen vorhanden sind. Ließen sich einerseits Stimmen hören, die nach der allen vorkapitalistischen Gesellschaftsformationen gemeinsamen naturalwirtschaftlichen Grundstruktur fragten, 1 1 so gibt es andererseits auch die klar erkennbare Tendenz, den naturalwirtschaftlichen Charakter des Feudalismus zu seinen wesentlichen und bemerkenswertesten Besonderheiten zu zählen und die feudale Produktionsweise in dieser Hinsicht sowohl von der des Kapitalismus als auch von denen anderer vorkapitalistischer Produktionsweisen abzusetzen. 1 2 Mit diesen divergierenden Betrachtungen des Grundsätzlichen korrespondieren unterschiedliche Auffassungen in abgeleiteten Fragen. So wurde der einfachen Warenproduktion, der Geldrente und der Entwicklung der Städte in den bisherigen Diskussionen eine recht unterschiedliche Beurteilung zuteil. Wurde die einfache Warenproduktion einerseits OTTDALTZOVA/GOUTNOVA, Genèse, S. l f f . OUDALTZOVA, Féodalisme à Byzance, S. 31 ff. LIP-
CHITS, Ville à Byzance, S. 51 ff. WTJNDEB, Feudalimus. C. E. R. M., Féodalisme.
8 WERNES, Charakteristika, S . 1135ff. TÖPFER, Grundfragen, S. 801f. DERSELBE, Problematik, S . 2 7 4 u. S . 2 7 9 f f . DERSELBE, D i s k u s s i o n , S . 630. MÜLLER-MERTENS, F e u d a l e n t w i c k l u n g , S . 57.
Skizze, S. 551 u. S. 5 7 2 f . O U D A L T Z O V A / G O U T N O Y A , G e n è s e , S. l u . S. 5 . OUDALTZOVA, Féodalisme à Byzance, S. 43 ff. Die Literatur ist außerordentlich umfangreich. Verwiesen sei auf: Settimane 6/1959 u. 21/1974, sowie auf: Frühformen, weil diese drei Protokollbände einen informativen Einblick in den Forschungsstand geben. An marxistischen Arbeiten sind zu nennen: SJTJZJUMOV, Problema, S. 77 ff., sowie LIPCHITS, Ville à Byzance, S. 51 ff. Zur unterschiedlichen Stellung und Funktion der Stadt in den vorfeudalen Gesellschaftsformationen einerseits, im Feudalismus andererseits auch HBRRUANN, Allod, S. 196. C. E. R. M., Féodalisme. C. E. R. M., Féodalisme à Byzance. WERNER, Charakteristika, S. 1134 ff. TÖPFER, Problematik, S. 259 ff. u. die dort angeführte Literatur. T Ö P F E R , Problematik, S. 282f. D E R S E L B E , Diskussion, S. 630. Ökonomie, S. 138 f. OUDALTZOVA/GOUTNOVA, Genèse, S. 1. MÜLLER-MERTENS, Skizze, S. 572, betont, daß im Frühmittelalter die Naturalwirtschaft unbedingt vorherrschte. P O L J A N S K I , Proizvodstvo, schreibt auf S. 51, daß zwei Erscheinungen für den Feudalismus entscheidende Bedeutung gehabt hätten: Leibeigenschaft und Naturalwirtschaft. Die Naturalwirtschaft hat für P. „tiefen, allumfassenden Charakter." Sie kann nach seinen Worten für die feudale Produktion als so charakteristisch angesehen werden, wie die Warenproduktion für den Kapitalismus, ebenda, S. 52. DERSELBE,
9
10
11
12
8
als f ü r die Entwicklung der Feudalgesellschaft unabdingbar und die Entstehung der Städte als Zeichen einer neuen Qualität in der Entwicklung dieser Gesellschaft gewertet, 13 so wird die Existenz von Städten andererseits als ein diese Entwicklung eher hemmendes Element, 1 4 der Übergang zur Geldform der Feudalrente eher als ein Zeichen der beginnenden Zersetzung feudaler Zustände betrachtet. 1 5 Insgesamt gesehen zeigte der bisherige Verlauf der Diskussionen recht deutlich, daß eine umfassende, den allgemeingeschichtlichen Gegebenheiten gerechtwerdende Feudalismusvorstellung kaum geschaffen werden kann, wenn das Problem der vorgeblichen oder tatsächlichen naturalwirtschaftlichen Determiniertheit dieser Gesellschaftsordnung nicht grundlegend erörtert und vertiefte Einsichten zu diesem Fragenkreis gewonnen werden. Die vorliegende Arbeit stellt einen Versuch dar, einen Beitrag zur Bewältigung entsprechender Fragestellungen zu leisten. Sie wurde bewußt in den weiteren Rahmen der angeführten Diskussionen, weniger in den engeren der speziellen Stadtgeschichte eingeordnet. Zum Untersuchungsgegenstand wurden die Verhältnisse eines Teilgebietes des ehemaligen Merowingerreiches bestimmt. Dieses Gebiet reichte von der Somme und dem Oberlauf der Oise im Norden bis zur unteren und mittleren Loire im Süden, von Rennes im Westen bis zur Maas im Osten. Es schließt die Départements Yonne, Aube, Marne und Ardennes ein, die Départements Côte-d'Or und Nièvre sowie die Bretagne wurden nicht berücksichtigt. Zur Wahl dieses Untersuchungsgebietes veranlaßten mehrere Gründe. Zunächst ließ es die angestrebte Einordnung der Untersuchungen in die Feudalismusdiskussion geraten erscheinen, die Aufmerksamkeit auf ein Gebiet zu konzentrieren, in dem geldwirtschaftliche Erscheinungen bekanntermaßen weit zurückreichten. Auf diese Weise schien es möglich, frühe Entwicklungen zu fassen und das Phänomen Geldwirtschaft und feudale Produktionsweise am Beispiel einer Entwicklungsstufe zu erörtern, die in besonderem Maße als naturalwirtschaftlich geprägt gilt. 16 Weiter stellte das umschriebene Gebiet einen eigenständigen historischen Raum dar: Es deckte sich nahezu mit Neustrien, der politischen Kernlandschaft des Merowingerreiches während des 7. J h . Nicht unwesentlich für die Entscheidung war zudem, daß in diesem Gebiet die Villikation, also die für bebeträchtliche Teile West- und Mitteleuropas charakteristische Form der frühfeudalen Grundherrschaft geboren wurde. Die Daseinsweise eben dieser Villikation ist immer wieder als eine spezifisch naturalwirtschaftliche angesehen worden, und bis in die jüngste Zeit hinein h a t es Versuche gegeben, mit dem Hinweis auf den naturalwirtschaftlichen Charakter des Fronhofsverbandes die Auffassung von der naturalwirtschaftlichen Grundstruktur der feudalen Gesellschaftsformation überhaupt zu stützen. 17 Als mit der Arbeit begonnen wurde, bestand die Absicht, die Untersuchungen vom Anfang des 7. bis zur Mitte des 10. Jh. und damit über einen sehr wesentlichen Teilabschnitt des Frühfeudalismus zu führen. Es zeigte sich jedoch sehr bald, daß entsprechend angelegte Forschungen in einem angemessenen Zeitraum nicht zu Ende zu bringen waren. Sie mußten nicht nur hinsichtlich des Untersuchungsgebietes, sondern auch hinsichtlich der zu untersuchenden Zeit eingeengt werden. Zwei Gründe vor allem veranlaßten dazu, die 13
MÜLLER-MERTENS, S k i z z e , S. 5 5 1 u . S. 5 7 3 .
14
OUDALTZOVA/GOUTNOVA, Genèse, S. 15. Vgl. ebenda, S. 5. Ökonomie, S. 143. STAM, Grundlagen, S. 92 u. S. 96 ff.
15 16
V g l . MÜLLER-MERTENS, S k i z z e , S . 5 7 2 f.
17
Vgl. KTJIJSCHER, Wirtschaftsgeschichte, S. 1—3, die hier vorgestellten Ansichten zum Charakter der Wirtschaft des frühen Mittelalters. KALISCHER, Beiträge, S. 84, bezeichnet die Naturalwirtschaft als das für die Zeit der Großgrundherrschaft herrschende Prinzip. Vgl. PREIDEL, Handel, S. 10ff., sowie TÖPFER, Problematik, S. 282, und STAM, Grundlagen, S. 78.
9
Arbeit auf d a s 7. J h . zu konzentrieren: Diesem Zeitraum war schon deshalb der Vorzug zu geben, weil, wie bereits g e s a g t worden ist, die Absicht bestand, einen möglichst frühen Zustand zu erfassen und mit den Untersuchungen an einem P u n k t einzusetzen, an d e m die feudalen Verhältnisse sich noch in den Anfängen ihrer Entwicklung befanden. Hinzu k a m , daß d a s 7. J h . durch die Publikationen Henri Pirennes in den Mittelpunkt einer außerordentlich lebhaft und anhaltend geführten wissenschaftlichen Kontroverse gerückt worden war. H a u p t g e g e n s t a n d dieser Kontroverse bildeten grundlegende Probleme des Ubergangs von der Antike zum Mittelalter, die einen engen sachlichen Bezug zur T h e m a t i k der vorliegenden Arbeit besitzen. Ereignissen des 7. J h . wurde von Pirenne ein P l a t z zugewiesen, der dieses J a h r h u n d e r t zur Scheide von Antike und Mittelalter werden ließ. 18 Nach Ansicht Pirennes sollten sich während der Zeitspanne, die zwischen der Wende des 6. zum 7. und der des 7. zum 8. J h . lag, Vorgänge vollzogen haben, die bewirkten, daß die gesellschaftlichen Verhältnisse der Antike mit ihrer hochentwickelten Geldwirtschaft und ihrer blühenden städtischen K u l t u r zerstört wurden. Als Folge dieser Vorgänge h ä t t e ein Wandel eingesetzt, der die eigentlich grundherrschaftlich-feudalen Verhältnisse entstehen ließ. Der alles bewegende Handel zwischen Orient und Okzident brach ab, die S t ä d t e verfielen. Sie wurden zu bloßen Verwaltungszentren, die nur noch dem N a m e n nach S t ä d t e waren. Eine P h a s e der ökonomischen Regression soll eingesetzt haben, deren K u r v e E n d e des 9. J h . ihren tiefsten S t a n d erreichte. 1 9 Die Forschung ist heute keineswegs mehr gewillt, d a s von Pirenne errichtete Lehrgebäude unangetastet und ohne Versuch der Korrektur hinzunehmen. In jüngerer Zeit sind Auffassungen vorgetragen worden, die die entscheidenden Anstöße der Veränderungen weit weniger, als es Pirenne t a t , in einem spektakulären politischen Ereignis, als vielmehr im ökonomischen Bereich zu finden suchten. Keine der Pirenneschen Thesen d ü r f t e inzwischen so weitgehend und so sehr m i t Grund aufgegeben worden sein wie jene, die dem Einbruch der Araber in d a s Mittelmeerbecken die eigentlich geschichtsträchtige Bedeutung zuschrieb. 2 0 Aber so begründet die kritische Distanz, die den Auffassungen Pirennes gegenwärtig entgegengebracht wird, auch ist, so sollte doch nicht übersehen werden, daß im Verlaufe des 7. J h . in weiten Teilen E u r o p a s tatsächlich Wandlungen einsetzten, die im hohen Maße die S p h ä r e des A u s t a u s c h e s und des Handels betrafen: D a s Münzsystem und die Geldzirkulation sahen a m Beginn jenes J a h r h u n d e r t s anders aus als an seinem E n d e . Der Handel wandelte sich zwischen der Wende des 6. zum 7. und der des 7. zum 8. J h . in seinen Hauptrichtungen und in seinen Grundlagen. Der konkret-historische A u s g a n g s p u n k t , von dem her Pirenne seine Hypothesen entwickelte, war also zweifelsohne treffend gewählt. Nur müssen diese auffallenden Wandlungen in den Erscheinungen dazu veranlassen, ihren wirtschaftlichen und sozialökonomischen Ursachen nachzugehen. Sie können sicher nicht primär auf äußere politische Veränderungen zurückgeführt werden. Pirenne und den Historikern, die sich seinen Auffassungen anschlössen, erwuchsen in der Schule von Alfons Dopsch entschiedene Gegner. 2 1 Ihre Vertreter waren bemüht zu 18
Zu den Auffassungen von PIRENNE und zu ihrer Behandlung in der neueren westlichen Literatur ist b e d e u t s a m BESSMERTNYJ, P r o b l e m a , S. 246 ff. Vgl. weiter LAURENT, T r a v a u x , S . 496 ff. LAMBRECHTS, T h è s e s , S . 5 1 3 ff. LYON, O e u v r e , S . 4 3 7 ff. HIMLY, E m p r i s e , S . 3 1 ff. VERHULST,
Handel, S. 2. 19
LAITRENT, T r a v a u x , S. 497 ff. LYON, Oeuvre, S . 464 ff. LAMBRECHTS, Thèses, S . 528 ff.
SO B E S S M E R T N Y J , P r o b l e m a , S . 2 5 0 f f . z u D O E H A E R D , B O L I N , L O M B A R D , L O P E Z , CIPOLLA, G R I E R SON 21
u. a.
E b e n d a , S. 248ff. LAURENT, T r a v a u x , S. 501f. LYON, Oeuvre, S. 4 7 8 f f . LAMBRECHTS, Thèses,
S. 528 ff.
10
zeigen, daß die gesellschaftliche Entwicklung ohne Bruch von der Spätantike über die Zeit der Merowinger bis in die der Karolinger geführt und daß dementsprechend sowohl die Spätantike als auch das europäische Frühmittelalter einen weitreichenden Handel, eine entsprechend lebhafte Geldzirkulation und eine intensive Marktwirtschaft gekannt hätten. 2 2 In ihren Auseinandersetzungen benutzten die Parteigänger der konträren Auffassungen die gleichen Quellen, um ihren jeweiligen Standpunkt zu untermauern. Sie kamen mit Hilfe dieser Quellen zu grundverschiedenen Ergebnissen. Diese Tatsache, auf die in jüngeren Publikationen sehr zu Recht aufmerksam gemacht worden ist, 23 veranlaßt dazu, in der vorliegenden Arbeit den Versuch zu unternehmen, die Quellen eines überschaubaren Zeitraumes möglichst vollständig zu erfassen und ihre tatsächlichen Aussagen zu ermitteln. Es gehört zu den wesentlichen Anliegen der Arbeit, die für den zu untersuchenden Raum und die zu untersuchende Zeit zur Verfügung stehenden Quellen vorzustellen und den Versuch einer Interpretation zu unternehmen. Die augenblickliche Forschungssituation bestärkte in diesem Anliegen: Wurden die Forschungen bis in die fünfziger Jahre hinein in ihren Grundrichtungen, in ihren Fragestellungen und Argumentationen mehr oder weniger von den Ansichten bestimmt, die in ihren wesentlichen Zügen einerseits Pirenne, andererseits Dopsch formuliert hatten, so begann sich seitdem ein Wandel abzuzeichnen. 24 Es mehrten sich die Stimmen, die am methodischen Vorgehen sowohl des einen als auch des anderen Kritik übten. Hier und da wurde auf die unzulässig generalisierende Grundtendenz jener Arbeiten verwiesen. Das weitgehende Fehlen von Differenzierungen, die Vernachlässigung von Entwicklungsunterschieden in Zeit und Raum wurden bemängelt. 25 Mit Nachdruck wurde auf die Notwendigkeit verstärkter Detailforschung hingewiesen. 26 Das Erfassen und Vorstellen der Quellen soll es ermöglichen, zu begründeteren Aussagen über Tausch, Ware-Geld-Beziehungen und Geldzirkulation zu gelangen, als sie bisher getroffen worden sind. Diese Aufgabenstellung bestimmte das methodische Vorgehen und den Aufbau der Arbeit im erheblichen Maße. Die vor einigen Jahren von Verhulst zu einer ähnlichen Thematik vorgelegte Publikation förderte die zu leistende Arbeit, ließ sie jedoch, da sie einer anderen Zielsetzung folgte, 27 in keinem ihrer Teile überflüssig werden. Es liegt auf der Hand, daß die bewußt vorgenommene und recht konsequent durchgeführte räumliche Begrenzung der Untersuchungen der Verallgemeinerungsfähigkeit ihrer Ergebnisse Schranken setzt: Sie können in erster Linie und mit einer entsprechenden Zuverlässigkeit nur für einen Teil des Merowingerreiches Gültigkeit beanspruchen. Als besonders problematisch dürfte jedoch die strikte zeitliche Beschränkung auf das 7. J h . erscheinen, und zwar nicht zuletzt deshalb, weil diese Begrenzung zur Folge hatte, daß die 22 BESSMERTNYJ, P r o b l e m a , S . 2 4 8 f f . P O L J A N S K I J , P r o i z v o d s t v o , S . 3 ff. P R E I D E L , H a n d e l , S. 1 1 f f .
Vgl. WERVEKE, Économie-nature, S. 430. 23 Vgl. LYON, Oeuvre, S. 480. 24 Vgl. dazu BESSMERTNYJ, Problema, S. 250ff. 25 GEBHABT, Geld, S. 41, betont, daß DOPSCH die numismatische Literatur, die bis 1913 erschienen war, nur zum geringsten Teil ausgewertet habe. HIMLY, Emprise, S. 34. LAMBRECHTS, Thèses, S. 520ff. BRÜHL, Palatium, S. 2. Vgl. VERHULST, Handel, S. 17f. 26 LYON, Oeuvre, S. 439 f. HÄVERNICK, Münzgeschichte, S. 5, fordert, daß mit den Diskussionen um Grundsätzliches vorerst Schluß gemacht werden sollte. Die Beteiligten hätten sich aus den Quellengruppen immer nur das ihnen passende herausgesucht. Vgl. VERHULST, Han. del, S. 3 . 27 VERHULST bezeichnet es ebenda als seine Aufgabe, „auf Grund der schriftlichen Quellen ein Gesamtbild des merowingischen Handels zu entwerfen."
11
Schriften des Gregor von Tours unberücksichtigt blieben. Ein solches Verfahren mag um so unverständlicher erscheinen, als das 7. J h . zweifelsohne sehr zu Recht im Ruf besonderer Quellenarmut steht. 2 8 Es war aber gerade diese Quellenarmut, die die Forschung häufig veranlaßte, mit Rückgriffen auf ältere Quellen, und dann selbstredend vor allem mit Rückgriffen auf Gregor von Tours, zu arbeiten. Die Gefahr von Fehlschlüssen, mit der bei einer solchen Methode immer gerechnet werden muß, ist evident. Da für die vorliegende Arbeit Neustrien zum Untersuchungsgebiet bestimmt wurde, wäre diese Gefahr noch größer geworden. Denn Gregor ist, darauf hat Verhulst mit Grund hingewiesen, 29 durch seinen geographischen Standort über die südlich der Loire gelegenen Landschaften Frankreichs sehr viel besser unterrichtet als über Nordfrankreich oder über andere Teilgebiete des Merowingerreiches. Es war also nicht nur der zeitliche, sondern es war ebensosehr der räumliche Abstand ihres Autors, der dazu veranlaßte, auf eine systematische Auswertung der Schriften Gregors zu verzichten. Der Aufbau der Arbeit folgt nicht einem chronologischen, sondern einem sachlich-systcmatisierenden Prinzip. Von den drei Kapiteln der Arbeit befaßt sich das erste mit den Münzen, ihren Prägeorten und ihren Umlaufgebieten, das zweite mit der Ware, dem Warenverkehr und dem Handelsplatz. Das dritte Kapitel dagegen nimmt gegenüber den beiden vorangehenden eine deutliche Sonderstellung ein: In diesem Kapitel wird die Begrenzung der Arbeit auf das 7. J h . durchbrochen; es werden Quellen herangezogen, die eindeutig dem frühen 9., in einigen wenigen Fällen auch dem späten 8. J h . angehören. Es stellt einen Versuch dar, die Entwicklungsrichtungen und Entwicklungstendenzen der WareGeld-Beziehungen innerhalb des Untersuchungsgebietes während der späten Merowingerund der frühen Karolingerzeit vergleichend zu betrachten. Soweit f ü r die Aussagen dieses Kapitels Quellen herangezogen worden sind, die nicht das 7. Jh. betreffen, geschah dies, um für einen entsprechenden Vergleich Voraussetzungen zu schaffen. Mit Hilfe eines solchen Vergleiches sollten weitreichende Entwicklungen deutlicher sichtbar, die Aussageund Verallgemeinerungsfähigkeit der zum 7. J h . angestellten Untersuchungen sollte ausgeweitet werden. Im Mittelpunkt des Interesses standen dabei die Marktsiedlungen und das Verhältnis der bäuerlichen Produzenten zu Markt, Handel und Geld. Es handelt sich bei den Ausführungen dieses Kapitels jedoch nicht um Ergebnisse von Untersuchungen, die das Ziel gehabt hätten, den gesamten Problemkreis der Ware-Geld-Beziehungen f ü r das späte 8. und das beginnende 9. J h . zu erörtern. Der Begriff der Naturalwirtschaft bedarf, da er in der Literatur, wie bereits festgestellt wurde, 30 keineswegs einhellig gebraucht wird, der Erläuterung. Hildebrand entwickelte diesen Begriff ganz von den Gegebenheiten der Zirkulationssphäre, von den Formen des Austausches her. Er sah naturalwirtschaftliche Zustände dort als gegeben an, wo ein Produkt direkt gegen ein anderes getauscht, wo ohne Beteiligung des Geldes Tauschhandlungen vollzogen wurden. 3 1 Das eigentliche Pendant zur Naturalwirtschaft, die Wirt28
Vgl. ebenda, S. 4. Ebenda. 30 S. o., S. 7. 31 „ E n t w e d e r setzt man Güter unmittelbar gegen Güter um, oder man bedient sich des Tauschmittels der edlen Metalle, des Geldes, oder endlich m a n setzt Güter gegen das Versprechen um, in Zukunft denselben oder einen gleichen Werth zurückzuerstatten, d. h. gegen Credit. B e i allen drei Umsatzarten ist das Werthmaass, welches im Verkehr zur A n w e n d u n g kommt, ganz gleichgültig, und es kann bei einer Geldrechnung ebenso gut ein Creditumsatz wie ein Geldumsatz oder ein Naturalumsatz stattfinden. Auf der Grundlage dieser drei möglichen Umsatzarten entwickeln sich drei Wirthschaftsformen: die Naturalwirthschaft, die Geldwirthschaft und die Credittvirthschaft." HJXDEBRAND, Naturalwirthschaft, S. 4. 29
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schaftsweise, von der sie vor allem unterschieden werden soll, ist in diesem B e g r i f f s s y s t e m nicht die Waren-, sondern die GeWwirtschaft. In gleicher Weise wird der Begriff von Marc Bloch ausgelegt. 3 2 Bloch, der bei seinen Ausführungen ausdrücklich an die genannte Arbeit Hildebrands anknüpfte, 3 3 betonte folgerichtig, daß Geldwirtschaft keineswegs nur dort existierte, wo Metallgeld im Gebrauch war. E r stellt Beispiele zusammen, die zeigen sollten, daß während des Mittelalters auch unter verhältnismäßig fortgeschrittenen Bedingungen Waren ganz anderer A r t als Zirkulationsmittel fungierten. 3 4 Zur Bezeichnung einer Wirtschaftsweise, f ü r die der T a u s c h keine oder doch nur eine untergeordnete B e d e u t u n g besaß, benutzte Bloch dagegen den in der französisch verfaßten Literatur verbreiteten Ausdruck „économie f e r m é e " , 3 5 dem die „geschlossene H a u s w i r t s c h a f t " der deutschen Terminologie entspricht. 3 6 I m Unterschied zu Bloch definierte Dopsch zwei qualitativ verschiedene ökonomische Gegebenheiten als Naturalwirtschaft. 3 7 F ü r Dopsch herrschte N a t u r a l w i r t s c h a f t dort, wo es keinen A u s t a u s c h g a b . E r neigte also d a z u , diesen Begriff in den Fällen zu verwenden in denen Bücher von „geschlossener H a u s w i r t s c h a f t " , Bloch von „économie f e r m é e " gesprochen h ä t t e . 3 8 Aber Dopsch bezeichnet darüberhinaus auch ökonomische Beziehungen der Art als naturalwirtschaftlich, denen allein Bloch diesen Begriff z u e r k a n n t e : Beziehungen nämlich, bei denen Ware gegen W a r e ausgetauscht wurde, die also einen Naturaltausch vermittelten. 3 9 Die bei Dopsch nebeneinander auftauchenden Auslegungen des Begriffes Naturalwirtschaft sind zugleich diejenigen, die in der einschlägigen Literatur a m häufigsten begegnen. Eine gewisse Ausweitung läßt sich dagegen bei Werveke beobachten, der ebenfalls durch d a s Buch von Dopsch angeregt, gleich Marc Bloch und Heckscher, Überlegungen grundsätzlicher A r t zum Problemkreis der Naturalwirtschaft vortrug. 4 0 Werveke ging auf die Unschärfe dieses Begriffes und auf die Notwendigkeit ein, ihn eindeutiger, als es bislang geschehen war, zu bestimmen. Die von ihm vorgetragenen Überlegungen nähern sich denen von Bloch. E r will dun Begriff so verwandt sehen, wie ihn auch Bloch gebrauchte, nämlich u m Vorgänge zu erfassen, bei denen Ware gegen Ware g e t a u s c h t wurde. D a r ü b e r hinaus aber spricht Werveke von Naturalwirtschaft bei Vorgängen, bei denen Tauschhandlungen völlig fehlten : Bei Leistungen in Naturalform nämlich. Als Beispiele führte er rémunérations, cens, b a u x , impôts, amendes, d o m m a g e s de guerre usw. an. 4 1 In der vorliegenden Arbeit wird der Begriff Naturalwirtschaft als striktes P e n d a n t zur Warenwirtschaft gebraucht. Dieser Begriffsbestimmung liegen jene Ausführungen zugrunde, die Marx z u m Wesen der Ware m a c h t e . 4 2 Der Begriff steht also f ü r eine Ökonomie, der die Warenproduktion fehlt, in der einzelne Wirtschaftsverbände oder -kollektive betont für den eigenen Bedarf und die eigene Konsumtion produzieren: „ B e i der eigentlichen 32
BLOCH, É c o n o m i e - n a t u r e ,
S . 7. DERSELBE, E s q u i s s e ,
S. 2 7 : „ L a
N a t u r a l w i r t s c h a f t est, en
somme, un régime de troc." 33 3/1 35 36
37
DERSELBE, É c o n o m i e - n a t u r e , S. 7. DERSELBE, E s q u i s s e , S . 27. DERSELBE, É c o n o m i e - n a t u r e , S . 7 f f . DERSELBE, E s q u i s s e , S . 27 f. DERSELBE, É c o n o m i e - n a t u r e , S. 14. DERSELBE, E s q u i s s e , S. 27. V g l . KULISCHER, W i r t s c h a f t s g e s c h i c h t e , S. l f f . Vgl. WERVEKE, É c o n o m i e - n a t u r e , S. 428.
38
DOPSCH, N a t u r a l w i r t s c h a f t , S. 1 ff.
39
Ebenda, Eine ähnliche Verwendung der Terminologie findet sich bei HECKSCHER, Naturalwirtschaft, S. 459.
WERVEKE, É c o n o m i e - n a t u r e , S . 4 2 8 ff. E b e n d a . S. 428. Vgl. BLOCH, Économie-nature, S. 7. « MARX, K a p i t a l , 1, S . 4 9 f f . 40
41
13
Naturalwirtschaft, wo g a r kein oder nur ein sehr unbedeutender Teil des agrikolen Prod u k t s in den Zirkulationsprozeß eintritt und selbst nur ein relativ unbedeutender Teil des Teils des Produkts, der die Revenue des Grundeigentümers darstellt, wie z. B . auf vielen altrömischen Latifundien, wie auf den Villen K a r l s des Großen, und wie . . . mehr oder weniger während des ganzen Mittelalters, besteht d a s P r o d u k t und das Mehrprodukt der großen Güter keineswegs bloß aus den Produkten der agrikolen Arbeit. E s u m f a ß t e ebensowohl die P r o d u k t e der industriellen Arbeit. Häusliche Handwerks- und Manufakturarbeit, als Nebenbetrieb des Ackerbaus, der die B a s i s bildet, ist die Bedingung der P r o d u k tionsweise, worauf diese Naturalwirtschaft beruht, im europäischen Altertum und Mittelalter sowohl wie noch heutzutage in der indischen Gemeinde." 4 3 Im Sinne dieser Definition besteht d a s Wesen der Naturalwirtschaft also darin, daß die Wirtschaftsverbände oder -kollektive nur wenig oder überhaupt nicht in den Zirkulationsprozeß einbezogen sind. Zu den unabdingbaren Voraussetzungen der Naturalwirtschaft gehörte demnach eine noch wenig ausgebildete, wenig differenzierte Arbeitsteilung. Die Güter werden als Gebrauchswerte, nicht als Waren erzeugt, die Privatarbeiten der Produzenten haben sich noch nicht mit Notwendigkeit „als Glieder der G e s a m t a r b e i t , des naturwüchsigen S y s t e m s der gesellschaftlichen Teilung der A r b e i t " zu bewähren. 4 4 Die Arbeit h a t dem S e n a t des Wissenschaftlichen R a t e s der Humboldt-Universität zu Berlin im Herbstsemester 1976 zur Erlangung des akademischen Grades Doctor scientiae philosophiae vorgelegen. E s ist mir ein Bedürfnis, den Herren Professoren Müller-Mertens und T ö p f e r sowie Herrn D r . J o h a n n e s Schneider, die d a s Zustandekommen der Arbeit mit wertvollen Anregungen unterstützten, an dieser Stelle zu danken. « Ebenda, 3, S. 794 f. 44
E b e n d a , 1, S. 87. Vgl. Lexikon, S. 248. MÜLLER-MERTENS, Skizze, S. 551.
KAPITEL I MÜNZE, PRÄGEORT UND GELDUMLAUF
Einleitendes
Das Geld als allgemeines Äquivalent tritt nicht zufällig, nicht beliebig auf, sondern sein Vorhandensein ist an eine gewisse Intensität des Austausches gebunden. E s ist ein bestimmtes Ausmaß warenwirtschaftlicher, das heißt aber auch: arbeitsteiliger Produktion erforderlich, um Geld in dieser Eigenschaft erscheinen zu lassen. 1 Das gleiche trifft, allerdings in absoluterer Weise, für das Auftreten der Münze, des als Geld dienenden „vom Staate durch Stempelung auf Gewicht und Gehalt" garantierten Stückes Metall 2 zu. Für die zu behandelnde Problematik ist deshalb „die Tatsache eigener Prägung in einer Wirtschaft eine Aussage erster Ordnung über ihr Grundgefüge." 3 In Europa gehörte eigene Münzprägung während des 7. J h . bekanntlich keineswegs zu den Selbstverständlichkeiten. Sie fehlte zu dieser Zeit in seinen nördlichen sowie in seinen östlicheren Teilen: In Dänemark, Schweden und Norwegen setzte sie um 1000 ein, im entstehenden polnischen Feudalstaat und in Böhmen wurden seit der zweiten Hälfte des 10. J h . Münzen geschlagen. 4 Über die früheste Prägung in der Kiewer Rus gehen die Meinungen auseinander, jedoch dürfte sicher sein, daß sie nicht vor der Herrschaft Wladimirs des Weisen (978—1015) anzusetzen ist. 5 Annähernd zur gleichen Zeit, nämlich unter Stephan I. (1000—1038), wurde die Münzprägung in Ungarn aufgenommen. 6 Dagegen reicht sie im zwischen Elbe/Saale und Oder gelegenen slawischen Siedlungsgebiet kaum über den Anfang des 12. J h . zurück. 7 Das Merowingerreich selbst bietet, werden seine wirtschaftlichen Verhältnisse unter dem Gesichtspunkt eigenständiger Prägetätigkeit betrachtet, für das 7. J h . den Zustand eines auffallenden Zweigeteiltseins: Im gesamten linksrheinischen Raum lassen sich in großer Zahl Orte nachweisen, in denen damals teils vorübergehend, teils ständig Münzen geschlagen worden sind. Sie fehlen dagegen rechts des Rheins. 8 Selbst wenn es zutreffen sollte, daß in Bodman, der späteren Karolingerpfalz am nordwestlichen Ausläufer des Bodensees, während der ersten Hälfte des 7. J h . zeitweilig Münzen geprägt wurden, 9 so ändert das nichts am Grundsätzlichen, am höchst Bedeutsamen der Tatsache, daß während des 7. J h . nur die links des Rheins gelegenen Teile des Merowingerreiches eine eigenständige Münzprägung aufzuweisen hatten. 1
MARX, K a p i t a l , S . 8 5 ff.
2
Artikel „Die Münze", in: Wörterbuch der Münzkunde, S. 415.
3
GEBHABT, G e l d , S . 4 1 . V g l . HECKSCHER, N a t u r a l w i r t s c h a f t , S . 4 5 9 f . BLOCH, E s q u i s s e , S . 7.
4
BOLIN,
Anfänge,
S . 3 9 5 f . POTIN,
RUS, S . 1 9 f f . ,
Anfänge, S. 9, S. 88, S. 108ff. u. S. 133. S POTIN, RUS, S . 19 ff. 7
8
m i t weiteren Literaturangaben.
WABNXE,
6 Ebenda.
SUHLE, Münzprägung, S. 46—49.
PRO TT, Monnaies mérovingiennes, S. lff. INAMA-STERNEGG, Wirtschaftsgeschichte, S. 255 f. W E R N E S , G r a b f u n d e , S . 2 0 . DERSELBE, W a a g e , S . 4 . D E R S E L B E , F e r n h a n d e l , S . 5 8 6 . GEBHABT,
Geld, S. 49 f. 9
2
WLELANDT, M o n e t a r m ü n z e n , S . 57 u . S . 7 9 f f . NAH, i n : M a r k t p r o b l e m , S . 6 2 . Bleiber
17
Die Beobachtung, daß es auch Friesland und Sachsen während des 7. J h . zu keiner oder doch zu keiner eigenständigen Prägetätigkeit brachten, macht deutlich, daß diese auffallende Zweiteilung mit Verschiedenheiten zu tun hat, die in den ökonomischen Grundlagen vorhanden waren. Friesland und Sachsen blieben damals außerhalb des politischstaatlichen Verbandes des Frankenreiches. Im friesischen Stammesgebiet sind wohl zeitweilig fremde, nämlich byzantinische, fränkische und später angelsächsische Münzen imitiert worden. 1 0 Weiter ist anzumerken, daß im Verlaufe des 7. J h . die Münzprägung in Dorestad einsetzte. Der Ort stand damals zeitweilig unter friesischer Herrschaft. 1 1 Jedoch können weder der Hinweis auf jene Imitationen, noch der auf die Prägungen Dorestads dazu veranlassen, Friesland grundsätzlich anders einzuordnen, als die übrigen germanisch besiedelten Gebiete rechts des Rheins. Ein Vergleich mit der Situation, wie sie zu jener Zeit zwischen Somme und Loire bestand, 1 2 dürfte das zur Genüge verdeutlichen. Für das sächsische Stammesgebiet steht eindeutig fest, daß es ohne eigene Münzprägung war. Sie setzte hier erst während des 9. J h . ein. 13 Gemessen an den Verhältnissen im übrigen Europa nahm das angelsächsische England eine Sonderstellung ein. Während der römischen Herrschaft wurden in Britannien Münzen geschlagen. Diese Prägetätigkeit endete jedoch mit dem Zusammenbruch dieser Herrschaft. Sie war vom ersten Viertel des 5. bis zum späten 6. J h . vollständig unterbrochen, setzte also erst geraume Zeit nach der angelsächsischen Eroberung erneut ein. 14 Das südliche sowie das südwestliche Europa haben dagegen eine sich kontinuierlich von der spätrömischen Zeit bis in das Mittelalter fortsetzende Prägetätigkeit aufzuweisen. 1 5 Der auf den vorangehenden Seiten gegebene Uberblick sollte zweierlei zeigen : 1. In Europa existierten während des 7. J h . zwei große Wirtschaftsräume. Der eine wurde von staatlich-politischen Verbänden gebildet, deren ökonomische Situation eine eigenständige Münzprägung möglich machte bzw. erforderte. Zu ihm gehörten ausnahmslos Gebiete, die Bestandteil des Römischen Reiches gewesen waren. Den Ländern des anderen fehlte dagegen dieses wichtige Indiz entwickelterer Ware-Geld-Beziehungen. 2. Das Untersuchungsgebiet, also der zwischen Somme und Loire gelegene Teil des Merowingerreiches, gehörte zum ersten Wirtschaftsraum. 1. Die Phase der Goldprägung Die Verzeichnisse von Prou und Beifort geben darüber Auskunft, daß in annähernd 800 Siedlungen des Merowingerreiches Münzen geprägt worden sind. 1 6 Eine in der Literatur mitunter genannte Zahl von 900 Orten 1 7 dürfte auch dann zu hoch sein, wenn die als BOELES, Friesland, S. 2 5 9 f f . . ZADOKS-JOSEPHUS JITTA, M u n t s l a g , S. 9 f . . JAMMER, A n f ä n g e S. 24.
10
BOELES, Friesland, S . 3 0 0 f f . . ZADOKS-JOSEPHUS JITTA, M u n t s l a g , S. 8 f f , korrigiert die A n g a b e n v o n BOELES zur fränkischen u n d friesischen Periode D o r e s t a d s . JAMMER, A n f ä n g e , S. 24. 12 S. u., S. 19 ff. 1 3 JAMMER, A n f ä n g e , S. 2 5 f f . 14 SUTHERLAND, G o l d coinage, S. 14 ff., S. 31 ff., S . 38. Der Verf. g l a u b t , S. 4 1 f., der S c h a t z v o n Crondall biete Indizien für die A n n a h m e , d a ß in der ersten H ä l f t e des 7. J h s . in L o n d o n Goldm ü n z e n g e p r ä g t wurden. GRIERSON, F o n c t i o n , S . 342 ff. LEVICKÏJ, G o r o d a , S . 5 6 f f . 11
E N G E L / S E R R U R E , T r a i t é , 1, S . 2 4 f f . u . S . 4 0 f f . R E I N H A R T , M ü n z e n , S . 1 0 7 f f . D E R S E L B E ,
15
prägung,
S. 40.
DERSELBE,
Toledo,
S. 69—101.
LE
GENTILHOMME,
Monnayage,
Münz-
S. 17ff.
u.
S . 3 4 ff. 10
PROU, Monnaies mérovingiennes, S . 23—580. BELFORT, Description, B d . 1—5. A u f eine Zahl v o n r u n d a c h t h u n d e r t M ü n z p r ä g e o r t e k a m a u c h WERNER, G r a b f u n d e , S . 9. Vgl. ENGEL/ S E R R U R E , T r a i t é , 1, S . 8 9 ; B E R G H A U S , i n : M a r k t p r o b l e m , S . 6 6 . V E R C A U T E R E N , M o n n a i e , S . 2 7 8 .
18
nicht b e s t i m m b a r bezeichneten mitgezählt werden. Von diesen annähernd 800 Siedlungen m i t Münzprägung lagen 189, also ein k n a p p e s Viertel, im Untersuchungsgebiet oder nur wenig jenseits seiner Grenzen. 1 8 Wird bei einem entsprechenden Vergleich berücksichtigt, daß die Verzeichnisse von Prou und Beifort die Münzprägung des gesamten Merowingerreiches zu erfassen suchten, daß sie also neben Siedlungen des heutigen F r a n k r e i c h auch solche der Schweiz, des westlichen Oberitalien, Belgiens, L u x e m b u r g s und der westlichen B R D aufführen, so zeigt sich, daß d a s Untersuchungsgebiet anteilmäßig nicht wesentlich weniger Prägeorte aufzuweisen hatte, als alle übrigen Teile dieses Reiches. Ohne daß bisher eine ins einzelne gehende Datierung erfolgt wäre, veranlassen zwei F a k t o r e n zu dem Schluß, daß in den weitaus meisten dieser 189 Orte auch während des 7. J h . g e p r ä g t worden i s t : 1. Von allen Orten sind Monetarmünzen bekannt. 1 9 Die selbständige Prägung der Monetäre war aber gerade im 7. J h . die Regel. F ü r die zweite H ä l f t e des vorangehenden sind erste Ansätze zur Ausbildung dieser Erscheinung zu beobachten. 2 0 2. Von f a s t allen Orten sind Trienten, d a s heißt goldene Drittelstücke erhalten. 2 1 D a im Merowingerreich während des 7. J h . der Ubergang von der Gold- zur Silberwährung erfolgte, 2 2 müssen diese goldenen Monetarmünzen also in ihrer Masse im gleichen J a h r hundert geschlagen worden sein. Die Kartierung zeigt deutlich, daß die ermittelten Prägeorte keineswegs gleichmäßig über den gesamten Untersuchungsraum verteilt waren. 2 3 E s sind zwei große Gebiete zu erkennen, in denen die Mehrzahl dieser Orte lag. D a s erste erstreckt sich von der oberen Mayenne südostwärts bis zur Loire. Die civitates L e Mans im Norden und T o u r s im S ü d e n bildeten innerhalb dieses Gebietes unverkennbare Konzentrationszentren. D a s zweite Gebiet reicht v o m westlichen Vorland der mittleren Seine und der unteren Y o n n e nordo s t w ä r t s b i s zur Oise und zur mittleren Maas. E s schließt also die obere Seine und den L a u f der Marne mit ein. Die Siedlungen mit nachgewiesener Münzprägung liegen in diesem zweiten größeren Gebiet weniger dicht beieinander als in jenem. E s gibt zudem keine so auffallende Konzentration, wie sie sich im Falle des ersten u m L e Mans und Tours abzeichnet. Ansätze zu einer solchen sind am ehesten noch in seinen westlichsten Ausläufern u m Paris zu erkennen. 2 4 E i n drittes, allerdings nur kleines Konzentrationsgebiet liegt zwischen den beiden beschriebenen. E s erstreckt sich von der mittleren Loire nach Süden. An seinem nördlichen R a n d liegt die civitas Orléans. 2 5 Neben diesen drei Gebieten mit einer großen Zahl nachweisbarer Münzprägeorte weist die K a r t e eine gewisse H ä u f u n g solcher Siedlungen f ü r die Normandie, den östlichen Grenzstreifen der B r e t a g n e mit der civitas Rennes sowie f ü r d a s Mündungsgebiet der Loire mit der civitas Nantes a u s . 2 e Eine auffallende und für die Interpretation gewichtige Erscheinung springt ins A u g e : E s gibt neben den Ge17
SUHLE, M ü n z - u n d G e l d g e s c h i c h t e , S . 2 4 . CLAUDE, G e l d g e s c h i c h t e , S . 2 4 9 .
Anhang, Nr. I. 1« Ebenda. 18
20
E N G E L / S E R B U B E , T r a i t é , 1, S . 9 1 ff.. L E GENTILHOMME, M o n n a y a g e , S . 2 1 ff. PBOU, M o n n i a e s
mérovingiennes, S. L X X X I , verweist darauf, daß die ältesten Münzen mit Monetarnamen in der zweiten Hälfte des 6. Jh. im Rhônetal geprägt worden sind. 2 1 Anhang, Nr. I. Ausschließlich Denare sind von Avigneau und Châteaudun bekannt. Von Yilleen-Tardenois ist nur ein obolus erhalten. 22 S. u., S. 48 ff. 23 Karte Nr. 1. 24 Ebenda. 25 Ebenda. 26 Ebenda. 2*
19
bieten, in denen sich die Siedlungen mit Münzprägung in erstaunlicher Weise häuften, ausgedehnte Räume, denen solche Siedlungen völlig fehlten. Hierzu gehört die Bretagne, hierzu gehört aber vor allem der weite Raum, der sich von der unteren Seine und dem Lauf der Eure süd- beziehungsweise westwärts bis zur Normandie erstreckt. Sehr arm an Münzprägeorten war zudem der Teil des Untersuchungsgebietes, der von der Somme, dem Unterlauf der Oise, der unteren Seine und dem Kanal begrenzt wird. Sie fehlen hier in zentralerer Lage sowie an der Kanalküste ganz; wo sie nachweisbar sind, treten sie in deutlicher räumlicher Beziehung zu den genannten drei Flüssen auf. 27 Der Versuch, das Auftreten von sogenannten Feinwaagen in einigen Gräbern des 5. bis 7. J h . zu erklären, 28 veranlaßte Werner dazu, die nördlich der Seine gelegenen Teile des Merowingerreiches hinsichtlich ihres Anteils an der Münzprägung anders zu bewerten als die südlicheren. Er unterschied für das Merowingerreich insgesamt eine Monetarund eine Feinwaagenlandschaft und ließ die eigentliche Grenze zwischen beiden an der Seine verlaufen. 29 In der sogenannten Monetarlandschaft wurden, eben weil „die vom König approbierten Münzmeister ihre Prägetätigkeit ausübten" 3 0 und zumindest theoretisch das Gewicht und den Feingehalt der Münzen garantierten, die Münzen nach dem Quantitätsprinzip behandelt. 3 1 Werner glaubte, daß, solange in dieser „Monetarlandschaft" die Prägung der Goldtrienten von einheitlichem Gewicht, einheitlicher Größe und annähernd gleichem Feingehalt andauerte, die Geldverhältnisse sich „kaum von den gleichzeitigen Zuständen im langobardischen Italien und im westgotischen Spanien" unterschieden hätten. 3 2 In der „Feinwaagenlandschaft" dagegen waren die Verhältnisse völlig andere. Dort gab es entweder gar keine oder doch nur eine sehr schwach entwickelte Prägung. Dafür liefen in diesem Gebiet Münzen unterschiedlichster Herkunft und sehr verschiedener Prägezeit um. Da unter solchen Bedingungen das Quantitätsprinzip nicht anwendbar war, setzte sich das Qualitätsprinzip durch: Die Münzen wurden gewogen, denn der einzelne Tauschpartner mußte sich selbst von der Wertigkeit der Münzen überzeugen. Dem dienten die Feinwaagen. 33 Es steht außer Frage, daß, soweit Werner die Münzverhältnisse und die Geldzirkulation in West- und Mitteleuropa während des 6. und des 7. J h . insgesamt im Auge hat, seinen Ausführungen zuzustimmen ist. Das Vorhandensein von zwei Teilräumen mit deutlichen und wesentlichen Verschiedenheiten ist von grundlegender Bedeutung für die Klärung der Funktion der Münzen und für die Beurteilung der wirtschaftlichen Verhältnisse überhaupt. 3 4 Zweifel an der Richtigkeit der Ausführungen Werners entstehen dagegen in den abgeleiteten Schlüssen: Soweit sie das Untersuchungsgebiet der vorliegenden Arbeit betreffen, ist darauf hinzuweisen, daß die Kartierung der Prägeorte kaum ausreichende Anhaltspunkte ergibt, um die bei Werner zu findende unterschiedliche Behandlung seines nördlichen und seines südlichen Teils zu rechtfertigen. Die Karte zeigt vielmehr mit einiger » Ebenda. 28 WERNER, Waage, S. 3 f f . : Solche Waagen finden sich in Gräbern des 5. bis 7. Jh. Sie sind bisher vorwiegend im nördlichen Frankreich, in Belgien, am mittleren und oberen Rhein sowie iin Donau-Neckar-Raum gefunden worden. Vereinzelt traten sie auch in Gräbern des angelsächsischen England, in Friesland, Sachsen u n d Thüringen auf. 29 Ebenda, S. 7. 3« Ebenda. 31 Ebenda, S. 20. 32 Ebenda, S. 7. 33 Ebenda, S. 7ff. 3< S. o., S. 17 f.
20
Deutlichkeit, daß sich die sogenannte Monetarlandschaft über die Seine hinweg nach Norden bis zur Somme und zur oberen Oise fortsetzte. 35 Es ist also bei der Erörterung seiner Geldverhältnisse von der Tatsache auszugehen, daß dieses Gebiet, unter dem Gesichtspunkt der Münzprägung betrachtet, einigermaßen einheitlich beschaffen gewesen sein muß. Nur finden sich eben sowohl nördlich als auch südlich der Seine Räume, für die bisher keine Siedlungen mit Münzprägung nachgewiesen werden konnten. Aber diese Erscheinung ist durchaus auch südlich der Loire zu beobachten. Eine der von Werner selbst gebotenen Karten läßt erkennen, daß auch der zwischen mittlerer Rhone und oberer Loire gelegene Raum von nachgewiesenen Münzprägeorten frei ist, und sie zeigt außerdem, daß diese Orte südlich der Dordogne wesentlich weniger häufig auftraten als nördlich dieses Flusses. 36 Ein solches Ergebnis muß aber notwendigerweise auch die Frage entstehen lassen, ob die Erklärung, die Werner für das Auftreten und die Verbreitung der Feinwaagen fand, überhaupt haltbar ist. Werner selbst hat bereits festgestellt, daß „53 gleicharmige und 13 Schnellwaagen aus merowingischen Reihengräbern des 5. bis 7. Jahrhunderts verschwindend wenig" seien. 37 Es kommt hinzu, daß die Verbreitung dieser Waagen, ihr Vorhandensein oder ihr Fehlen in den einzelnen Landschaften, auch sonst nicht recht zur Deutung Werners passen will. 38 Läßt sich also eine allzu unterschiedliche Bewertung der Münzprägetätigkeit des nördlichen und des südlichen Teils des Untersuchungsgebietes vom Kartenbild her nicht rechtfertigen, so zwingt die beiden Teilen gleichermaßen eigene unterschiedliche Verteilung der Münzorte zu einigen methodischen Ausführungen. Zunächst ist die Frage zu stellen, ob, und gegebenenfalls in welchem Maße, Zufälligkeiten der Überlieferung das Bild beeinflussen können. Es ist sicher, daß nur ein Teil der Münzen des 7. J h . erhalten blieb. Zudem geben die Verzeichnisse von Prou und Beifort darüber Auskunft, daß die Herkunft einer Anzahl von Münzen nicht geklärt ist. 39 Weiter muß damit gerechnet werden, daß sich die eine oder andere Ortsbestimmung als irrig erweisen wird, die eine oder andere Siedlung also aus der Liste der Prägeorte gestrichen, andere dafür an ihre Stelle gesetzt werden müssen. 40 Diese Faktoren können das Verzeichnis der Münzorte und damit schließlich auch das Kartenbild in seiner Genauigkeit zweifelsohne beeinträchtigen. Sehr unwahrscheinlich ist dagegen, daß sie es in seinen Grundzügen, in seinen wesentlichen Aussagen unbrauchbar machen. Denn es ist kaum anzunehmen, daß durch Lücken in der Überlieferung für ein größeres Teilgebiet alle Nachweise von Münzprägeorten ausfallen, während sie für ein anderes mehr oder weniger vollständig vorliegen. Die folgende Ausführungen werden zudem zeigen, daß auch andere wesentliche Untersuchungsergebnisse mit solchen Zufälligkeiten der Überlieferung nicht gut zu vereinbaren sind. Um Fehldeutungen zu vermeiden, muß schließlich noch darauf hingewiesen werden, daß die unterschiedliche Dichte in der Streuung der Prägeorte sowieso nur bedingt Schlüsse S5 Karte Nr. 1. 36 WEENE», Waage, S. 18, Karte 1. 37 Ebenda, S. 10 f. 38 So gibt es nach den Angaben Werners, ebenda, S. 17f., nur vereinzelte Funde aus Friesland und aus England, aus Gebieten also, die bekanntermaßen eine besonders große Anzahl von Fundmünzen fremder Herkunft aufzuweisen haben. Dagegen sind der Forschung Feinwaagen in größerer Zahl bekannt, die im bayrischen Stammesgebiet gefunden worden sind. Dieses Gebiet ist aber gerade ausgesprochen arm an Funden merowingerzeitlicher Goldmünzen. Für die Schweiz hat ROTH, Handel, S. 357, auf einen ähnlichen Widerspruch aufmerksam gemacht. 3 9 Für das Untersuchungsgebiet nennt Nr. Ia des Anhanges zehn Orte, die nicht kartiert werden konnten, da sie nicht mit Sicherheit zu identifizieren waren. 40 Das „Verzeichnis der Prägeorte" weist zwei Orte (Nr. 67, Chäteaudun, u. Nr. 30, Voncq) aus, die bei PROU und B E L F O R T nicht erscheinen.
21
auf eine unterschiedliche Intensität der Ware-Geld-Beziehungen zuläßt. Die Zersplitterung des Münzwesens ist nicht zuletzt ein Resultat politischer Vorgänge, nämlich des Niederganges der königlichen Gewalt und der Verminderung ihres Anteils an der Herrschaft und an der Verwaltung des Reiches. Es ist deshalb bei allen Interpretationsversuchen zu prüfen, ob nicht Faktoren des staatlich-politischen Lebens das Ausmaß der Zersplitterung beeinflußten. So könnte die auffallende Anhäufung von Münzateliers zwischen Loire, Dordogne und Atlantikküste auch damit zu tun haben, daß hier der Einfluß der königlichen Zentralgewalt zeitweilig besonders gering war. 41 Um die auffallend kleine Anzahl von Prägeorten zu deuten, die sich zwischen Dordogne und Mittelmeerküste nachweisen lassen — ihre Streuung ist hier wesentlich weniger dicht als etwa zwischen Mayenne und Loire oder zwischen Oise und Seine —,42 wurde schon vor fast einhundert Jahren darauf hingewiesen, daß dieses Gebiet „le plus imbu des idées centralisatrices des Romains" gewesen sei.43 Die Erscheinung der nahezu münzortfreien Räume 4 4 zeigt mit aller Deutlichkeit, daß die Verteilung der Prägeorte, ihre Dichte, zudem im hohen Maße von Faktoren abhängig war, die sich aus den allgemeinsten Bedingungen und Voraussetzungen der agrarischen und der gewerblichen Produktion ergaben: Aus der Beschaffenheit der Kulturlandschaft und ihrer unterschiedlichen Besiedlung vor allem. Das nahezu münzortleere Gebiet nördlich des Unterlaufs der Seine war im Frühmittelalter von ausgedehnten Wäldern bedeckt; der Forst von Bray, die Waldungen des Pays de Caux und der unteren Seine beherrschten diesen Raum. 4 5 Gleiches trifft für die Normandie mit ihren sich bis zur Eure erstreckenden Ausläufern zu. Hier lagen die ausgedehnten Waldungen der Perche und des Forstes von Evrecin. 46 Selbst bei kleineren Teilräumen ist die Beziehung zwischen intensiver Bewaldung und Armut an Prägeorten deutlich. So deckt sich der von Münzorten nahezu freie Raum nördlich Laon und östlich Saint-Quentin mit dem Waldgebiet der Thiérache, das ebenso leere Gebiet zwischen unterer Oise, Saint-Denis und Senlis mit den Forêts von Halatte-Chantilly, 47 und der freie Raum südwestlich von Paris und nordöstlich von Chartres wurde zu einem beträchtlichen Teil von Wald von Yveline eingenommen. 48 Es bestand also, und dieses Ergebnis kann nicht sonderlich überraschen, eine Beziehung zwischen intensiv bewaldeten Landschaften und Räumen mit auffallend wenigen Münzorten. Sie ergab sich aus der dünneren Besiedlung, aus der weitaus geringeren Anzahl der Siedlungen, die die Waldlandschaften im Vergleich zu anderen Gebieten aufzuweisen hatten. Die Häufigkeit des Auftretens von Siedlungen mit Münzprägung innerhalb eines bestimmten Teilgebietes, die größere oder geringere Dichte ihrer Streuung sind also nur sehr bedingt geeignet, direkte Aufschlüsse über räumliche Unterschiede in der Entwickung von Ware-Geld-Beziehungen zu geben, denn beide Erscheinungen sind von weiterreichenden Faktoren beeinflußt. Es kommt hinzu, daß zwischen der Prägetätigkeit an den einzelnen Plätzen erhebliche Unterschiede bestanden, Münzort nicht gleich Münzort war. Diese 41
Bei den merowingischen Teilungen des 6. und 7. Jh. wurde Aquitanien nicht als Einheit behandelt. Es ist wiederholt geteilt und seine einzelnen Teile sind einem der Teilreiche zugeschlagen worden. Das genannte Gebiet wurde dabei mitunter zur Exklave. Vgl. EWIG, Teilreiche, I, S. 676 ff. und II, S. 107 ff. 42 Vgl. Karte Nr. 1 sowie WERNER, Waage, S. 18, Karte Nr. 1. 43 ENGEL/SERRURE, Traité, 1, S. 90f.. Vgl. LE GENTILHOMME, Monnayage, S. 18 und S. 23. 44 Karte Nr. 1. Vgl. o., S. 20. 45 HIGOUNET, Forêts, S. 365. sowie Karte, Nr. 77, 78, 79. MUSSET, Forêts, S. 84 ff. 46 HIGOUNET, Forêts, S. 364f., sowie Karte, Nr. 73 u. 76. Vgl. MUSSET, Forêts, S. 92. 47 HIGOUNET, Forêts, S. 361 ff., sowie Karte, Nr. 58 u. 70. « Ebenda, S. 364. S. u., S. 120.
22
Unterschiede geben sich jedoch beim bloßen zahlenmäßigen Erfassen und Kartieren nicht zu erkennen. Ein solches Vorgehen verdeckt die grundlegende Tatsache, daß in der Zeit der Monetare, also gerade während des 7. J h . , nur in einem Bruchteil der verzeichneten Siedlungen einigermaßen kontinuierlich Münzen geprägt worden sind. Im weitaus größeren Teil war die Prägetätigkeit eine vorübergehende, eine mehr oder weniger kurzfristige Erscheinung. Die bisherigen Ausführungen sollten dazu dienen, Vorstellungen von der Q u a n t i t ä t und der räumlichen Anordnung der Münzprägeorte im Untersuchungsgebiet zu schaffen. Die Ausführungen sind fortzuführen, zu vertiefen mit der Erörterung jener für das merowingische Geldwesen des 7. J h . sehr gewichtigen Frage, eben der Frage nach dem Verhältnis von kontinuierlicher und zeitweiliger, das heißt ephemerer Prägung. E s muß festgestellt werden, wo kontinuierlich Münzen geprägt worden sind und wo das nur zeitweilig geschah. Von einer kontinuierlichen Prägung kann nur dann gesprochen werden, wenn ein regelrechtes Münzatelier existierte, wenn Handwerker also ständig mit den entsprechenden Arbeitsgängen beschäftigt waren oder wenn in Intervallen immer erneut mit nur kurzen Unterbrechungen Münzen hergestellt wurden. War das nicht der Fall, wurden nur selten und nur kurzfristig oder gar nur einmalig Münzen emittiert, so wird von einer zeitweiligen Prägung gesprochen werden müssen. Um diese Frage für die einzelnen Siedlungen mit nachgewiesener Münzprägung zu entscheiden, wurden folgende Kriterien angewandt: 1. Die Quantität der Prägung. Den entsprechenden Angaben liegen die Verzeichnisse von Prou und Beifort zugrunde. 2. Die Anzahl der für einen Ort nachweisbaren Monetare. Als Indiz einer kontinuierlichen Prägung wird gewertet, wenn wenigstens fünf Monetare nachweisbar sind. 3. Die Prägung mehrerer Münzarten, vor allem von Trienten und Denaren. Da im Verlaufe des 7. J h . die Gold- von der Silberwährung verdrängt wurde, weist die Ausprägung beider Münzarten in ein- und demselben Atelier darauf hin, daß sich seine Prägung über einen längeren Zeitraum erstreckte. 4. Direkte chronologische Hinweise, die eine im oben erläuterten Sinne kontinuierliche Prägung belegen. Hierher gehören vor allem die Königsmünzen, also die Münzen, die im Unterschied zu den Monetarmünzen den Namen eines Königs nennen und dadurch direkt datierbar sind. Wenn diese Kriterien zugrunde gelegt werden, können von allen im „Verzeichnis der Prägeorte" erscheinenden Siedlungen lediglich 23 mit Sicherheit bestimmt werden, die während des 7. J h . eine kontinuierliche Prägung aufzuweisen hatten. E s sind dies: Amboise, Amiens, Angers, Avranches, Bayeux, Blois, Le Mans, Meaux, Mouzon, Nantes, Noyen-sur-Sarthe, Orléans, Paris, Reims, Rennes, Rezé, Rouen, Senlis, Sens, Soissons, Tours, Troyes und Vendôme. Bei weiteren 8, nämlich bei Allonnes, Ballon, Chartres, Essonnes, Laon, Lieusant, Melun und Neuvy-en-Champagne ist es wahrscheinlich, daß kontinuierlich Münzen geprägt worden sind. Amboise (93) 4 9 liegt etwas oberhalb Tours an der Loire. Prou verzeichnet 15 Münzen dieses Ateliers. Sie sind von 7 Monetären geprägt worden. Der Ort wird auf dem größeren Teil der Münzen als cicus bezeichnet. 50 Von der civitas Amiens (23) führt Prou 9, Beifort 5 1 12 Trienten auf. Zu ihnen gehört 49 50
51
Die in Klammern gesetzte Nummer verweist auf die Angaben der Karte Nr. 1. PBOU, Monnaies mérovingiennes, Nr. 348 u. 355—362.
Auf das Verzeichnis von BELFORT wird nur dann ausdrücklich verwiesen, wenn beträchtliche Unterschiede zu der Zahl der von PBOXJ jeweils genannten Münzen bestehen. 23
ein Triens Chlodwigs I I . Herstellung der Münzen datierbar, da sein Name leicht über längere Zeit in allein 4 seinen Namen. 5 3
(639—657). 52 Nach Prou waren insgesamt 5 Monetäre an der beteiligt. Die Tätigkeit des einen von ihnen, Sichramnus, ist auf dem Trienten Chlodwigs I I . erscheint. Sichramnus ist vielAmiens tätig gewesen, denn von den genannten 9 Stücken tragen
Die civitas Angers (115) ist im Verzeichnis von Prou mit 22, bei Beifort mit 37 Trienten vertreten. Von den bei Prou verzeichneten wurde einer für die Episkopalkirche des Ortes ausgegeben. 54 Die Namen von 16 Monetären werden auf den Münzen genannt. F ü r die civitas Avranches (120) nennt Prou 4, Beifort 7 Münzen. Es handelt sich ausschließlich um Trienten, auf denen aber die Namen von insgesamt 6 Monetären erscheinen. Von der wie Avranches in der Normandie gelegenen civitas Bayeux (72) werden bei Prou 7, bei Beifort nur 3 Münzen aufgeführt. Jedoch beweist die Tatsache, daß jede dieser 7 Trienten von einem anderen Monetär geprägt worden ist, daß die Prägetätigkeit in dieser Siedlung nicht gering und vor allem nicht sporadisch gewesen sein kann. Am Mittellauf der Loire zwischen Tours und Orléans liegt Blois (55). F ü r den Ort, der Castrum, genannt wird, 55 verzeichnet Prou 6, Beifort 11 Trienten. Insgesamt 6 Monetäre sind nachweisbar. F ü r die civitas Le Mans (84) führt Prou insgesamt 10 Münzen auf, von diesen 10 sind nur 4 Trienten, 5 6 die übrigen 6, also der größere Teil, sind Denare. Beifort verzeichnet 17 Münzen, dazu 2 Denare, die für die Episkopalkirche von Le Mans geschlagen wurden. 57 Die Namen von wenigstens 13 Monetären lassen sich nachweisen. Der hohe Anteil von Denaren legt die Vermutung nahe, daß sich die Emissionstätigkeit dieses Ateliers im Verlaufe der zweiten Hälfte bzw. zum Ende des 7. J h . verstärkte. 5 8 Die Angaben Prous und Beiforts zur Prägetätigkeit der an der Marne gelegenen civitas Meaux (15) weichen stark voneinander ab. Bei Prou werden 6 Münzen, 5 Trienten und 1 Denar, aufgeführt. 59 Beifort dagegen verzeichnet 20 Trienten und 5 Denare. 6 0 Die Namen von mindestens 8 Monetären erscheinen auf diesen Münzen. Ganz an der Ostgrenze des Untersuchungsgebietes, am Mittellauf der Maas, liegt Mouzon (28). Der Ort wird auf den Münzen als castellum oder auch als Castrum bezeichnet. 61 F ü r dieses Castrum verzeichnet Prou 7 Trienten, sie wurden von 5 Monetären gefertigt. Bei Beifort werden 15 Trienten angeführt, davon trägt einer den Namen König Theudeberts. 6 2 Es lassen sich wenigstens 9 Monetäre unterscheiden. F ü r Noyen-sur-Sarthe (87) nennt Prou 4, Beifort dagegen 10 Trienten. Auf dieser geringen Anzahl erhaltener Münzen erscheinen die Namen von insgesamt 8 Monetären. Die Auskünfte, die einerseits Prou, andererseits Beifort über die Münzprägung in Nantes und Beims geben, weichen stark voneinander ab. Da sie ein ganz unterschiedliches Bild geben, müssen sie nebeneinandergestellt werden. F ü r die civitas Nantes (133) verzeichnet Prou nur 9 Münzen, und zwar ausschließlich PROU, Monnaies mérovingiennes, Nr. 1107. 53 Ebenda Nr. 1107-1110. 5* Ebenda, Nr. 528. 55 Ebenda Nr. 572-574 und 577. 56 Ebenda Nr. 416-419. 57 BELFORT, Description, Nr. 1490—1508. 58 Zum Problem des Übergangs von der Gold- zur Silberwährung s. u., S. 48ff. 52
59 PROU, Monnaies mérovingiennes, Nr. 885—890. BEL PORT, Description, Nr. 2 8 5 7 - 2 8 7 0 und Nr. 6 2 7 4 . PROTJ, Monnaies mérovingiennes, Nr. 1037, 1038 und Nr. 1 0 4 0 - 1 0 4 3 . «2 BELFORT, Description, Nr. 3070.
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Trientcn. Es lassen sich mit einiger Sicherheit die Namen von wenigstens 5 Monetären unterscheiden. 63 Das spricht trotz der wenigen Münzen für eine kontinuierliche Prägung. Sie wird dadurch bestätigt, daß von Beifort 31 Münzen erfaßt worden sind. Sie tragen die Namen von wenigstens 7 Monetären, von denen keiner auf den bei Prou aufgeführten Münzen erscheint. 64 Die civitas Reims (40) ist bei Prou sogar nur mit 8 Trienten vertreten. Von ihnen gehört einer noch in die zweite Hälfte des 6. J h . Es handelt sich um eine Münze Sigiberts I. (561—575). Die Monetarnamen auf diesen 8 Münzen sind schwer zu deuten; vermutlich sind nur 3, im günstigsten Fall 4 Monetäre nachweisbar. 65 Bei Beifort dagegen erscheint die beachtliche Anzahl von 42 Münzen. Hierzu gehören sowohl solidi und Trienten als auch Denare. Es lassen sich wenigstens 7 Monetäre feststellen; 4 der von Beifort verzeichneten Münzen tragen den Namen König Theudeberts, 66 einer den Sigiberts. 67 Die civitas Rennes (128) erscheint bei Prou mit 15 Münzen, 13 Trienten und 2 Denaren. Beifort dagegen verzeichnet mehr als die doppelte Anzahl, nämlich 31 Trienten und 5 Denare. Auf den von Prou beschriebenen Münzen werden wenigstens 9, auf den bei Beifort verzeichneten wenigstens 18 Monetäre genannt. Möglicherweise war ihre Zahl in Wirklichkeit noch größer. Das zu entscheiden, ist nicht ohne weiteres möglich, da 1 Denar, der übrigens bei Amboise gefunden worden ist, 68 keinen Monetär nennt. Einer der 13 Trienten trägt an Stelle des Monetarnamens die Aufschrift NI AI AZTE PRBT, 6 9 ein Triens weist den Namen des Bischofs Judical(632—638) auf. 70 Fast an der Mündung der Loire gegenüber der am nördlichen Ufer des Flusses gelegenen civitas Nantes liegt Rezé (135). Die Siedlung wird auf den Münzen als vicus bezeichnet. 71 Prou nennt 6 Trienten und eine Silbermünze. Die Gesamtzahl von nur 7 Münzen ist zu klein, um auf kontinuierliche Prägetätigkeit schließen zu können. Aber die Tatsache, daß 6 Münzmeister genannt werden, gibt den vicus Rezé als einen Platz mit reger und kontinuierlicher Prägetätigkeit zu erkennen. Für die civitas Rouen (71) weist das Verzeichnis von Prou insgesamt 28 Münzen aus, 18 davon sind Trienten, 10 Denare. Auf den Trienten lassen sich wenigstens 9, auf den Denaren nochmals wenigstens 5 Münzmeisternamen unterscheiden. Bei der civitas Senlis (21) deutet bereits die Anzahl der erhaltenen Münzen auf eine kontinuierliche Prägung. Prou nennt insgesamt 13, darunter 3 für die Kathedralkirche geprägte 7 2 , Beifort 21 Trienten. Wenigstens 12 Monetäre müssen in der civitas tätig gewesen sein. Auffallend gering ist dagegen die Zahl der erhaltenen Münzen, die in der civitas Sens (48) geprägt worden sind. Prou verzeichnet lediglich 3 Denare, Beifort 4 Trienten und 2 Denare. Einer der Trienten trägt den Namen König Guntchramns (561—592),73 ein Denar 63
PROU, M o n n a i e s m é r o v i n g i e n n e s , N r . 5 3 8 — 5 4 2 .
BELFORT, Description, Nr. 3 0 9 3 - 3 1 2 2 . 6 5 PBOU, Monnaies mérovingiennes, Nr. 1 0 2 8 - 1 0 3 0 und 1034—1035. 66 B ELFORT, Description, Nr. 3 7 5 5 - 3 7 5 8 . « Ebenda, Nr. 3759. 6 8 PROU, Monnaies mérovingiennes Nr. 499. 69 Ebenda, Nr. 494. 70 BELÏORT, Description Nr. 3716. Bei DUCHESNE, Fastes, 2, S. 345, findet sich ein Bischof dieses Namens nicht. Das fällt jedoch insofern nicht sonderlich auf, als die Angaben zu den Bischöfen von Rennes für das 7. Jh. sehr lückenhaft sind. 7 1 PROU, Monnaies mérovingiennes, Nr. 2338—2340; 2343 u. 2344. '2 Ebenda, Nr. 1 0 9 9 - 1 1 0 1 . 73 BELFORT, Description, Nr. 4053.
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ist für die Kathedralkirche von Sens geprägt worden. 7 4 Trotz dieser geringen Anzahl ermittelter Münzen läßt sich jedoch kaum bezweifeln, daß die Prägetätigkeit in Sens eine sehr kontinuierliche gewesen ist: Die Münze mit den Namen Guntchramns beweist, daß im späten 6. J h . Münzen ausgegeben worden sind. Der große Anteil von Denaren wiederum besagt, daß auch in der Zeit des Übergangs von der Gold- zur Silberwährung bzw. nachdem die eine von der anderen verdrängt worden war, geprägt worden ist. Auf den wenigen erhaltenen Münzen erscheinen zudem die Namen von 5 verschiedenen Monetären, eine x erstaunlich große Zahl. E t w a 60 Kilometer nordöstlich, also in nicht allzu großer Entfernung von Senlis, liegt die civitas Soissons (26). Prou führt für sie 8 Trienten auf, Beifort 17. E s lassen sich wenigstens 6 Münzmeister ermitteln, von denen einer, Betto, zeitweilig auch in Senlis tätig war.7!> Zu den Plätzen, an denen während des 7. J h . mit großer Kontinuität Münzen geschlagen worden sind, gehören Tours und Troyes. F ü r Tours (113) nennt Prou 22 Trienten sowie 18 Denare. Einer der Trienten trägt den Namen Dagoberts I. (629—639), 76 ein zweiter den Childeberts I I I . (695—711).77 Neun der Trienten und 15 der Denare sind für SaintMartin geschlagen worden. Bei 3 weiteren Denaren hält Prou ihre Herkunft aus Tours für nicht völlig gesichert. 7 8 Wenigstens 17 Monetäre lassen sich unterscheiden. Der Name des Monetars Gemellus, der die Münzen Dagoberts I. prägte, findet sich auch auf 2 Trienten, die für Saint-Martin geschlagen worden sind, 7 9 der des Antimus, der auf der Münze Childeberts I I I . erscheint, begegnet auf einem Trienten der civitasß® F ü r Troyes (43) verzeichnet Prou insgesamt 15 Münzen, nämlich 13 Trienten und 2 Denare, bei Beifort dagegen findet sich die fast dreimal so große Zahl von 42 Münzen. Ein von Prou für die Kathedralkirche des Ortes in Anspruch genommener Denar wird hier nicht berücksichtigt, da er offensichtlich nicht nach Troyes, sondern nach Bourges gehört. 8 1 Nach den Angaben von Prou und Beifort müssen in Troyes wenigstens 8 Münzmeister tätig gewesen sein. Eine der bei Beifort verzeichneten Münzen trägt den Namen König Theuderichs, zwei andere den König Chariberts. 8 2 Wie im Falle von Avranches, B a y e u x , Noyen-sur-Sarthe, Rezé und Sens ist auch die Zahl der in Vendôme (62) geprägten Münzen zu klein, um auf kontinuierliche Prägung schließen zu können. F ü r die Siedlung, die am Oberlauf des Loir gelegen ist, verzeichnet Prou 3 Trienten, Beifort 6. E s lassen sich aber 5 Monetare nachweisen, die in Vendôme tätig gewesen sind. In den bisherigen Ausführungen sind 2 Orte, Orléans und Paris, übergangen worden. Beide nahmen wegen der Fülle und der Geschlossenheit ihrer Emissionen unter den Prägeorten nicht nur des Untersuchungsgebietes, sondern des gesamten Merowingerreiches eine Sonderstellung ein. F ü r die civitas Orléans (51) führt Prou 26 Trienten und 6 Denare auf. Ein weiterer Triens ist nach Ansicht von Prou möglicherweise dem Kloster Saint-Mesmin in Orléans zuzuweisen. 8 3 Diese Zahlen sind um einen weiteren Trienten zu ergänzen, den Prou unter 74 PROU, Monnaies mérovingiennes, Nr. 557. » Ebenda, Nr. 1092-1094, zu Senlis. '6 Ebenda, Nr. 303. 77 Ebenda, Nr. 304. '8 Ebenda, Nr. 343-435. » Ebenda, Nr. 321 u. 322. a» Ebenda, Nr. 312. 81 Anhang Nr. I, Angaben zu Troyes.
82 BELFORT, D e s c r i p t i o n , N r . 4 3 5 9 u. 4360—61.
83 PROF, Monnaies mérovingiennes, Nr. 648. 26
die ihrer Herkunft nach nicht bestimmbaren Münzen einreihte. Lafaurie hat ihn inzwischen als Prägung von Orléans erkannt. 84 Einer der von Prou angeführten 26 Trienten trägt den Namen Chlodwigs I I . (639—Ö57).85 Auf den insgesamt 34 Münzen lassen sich die Namen von wenigstens 9 Monetären unterscheiden. Diese Angaben räumen der civilas Orléans allein gegenüber anderen Prägeorten noch keine Sonderstellung ein. Daß sie diese aber tatsächlich besaß, wird sehr deutlich durch das Belfortsche Verzeichnis. Hier erscheint Orléans mit insgesamt 63 Münzen, darunter befinden sich sowohl Trienten als auch Denare, und diese Zahl geht weit über das hinaus, was von anderen Orten bekannt ist. Trotzdem wird Orléans noch bei weitem von der civilas Paris (1) übertroffen. Prou nennt 137 Münzen, 43 Trienten und 94 Denare, die mit Sicherheit in Paris geprägt worden sind. Bei weiteren 7 Denaren hält er die Zuweisung für nicht gesichert. 86 Die große Kontinuität, mit der während des 7. J h . Münzen geprägt worden sind, ergibt sich schon allein aus der Tatsache, daß von drei aufeinanderfolgenden Merowingerkönigen, nämlich von Dagobert I. (629—639), von Chlodwig II. und von Chlothar I I I . (657—673) in Paris geschlagene Münzen erhalten sind. 87 Auf den Trienten werden wenigstens 13 Monetare genannt; einer von ihnen ist der bekannte Goldschmied Eligius. Die Zahl der an der Herstellung der Denare beteiligten Monetäre läßt sich nicht feststellen, da viele ohne entsprechende Angaben sind oder die Legenden sich nicht entziffern lassen. Es gibt nur eine einzige Siedlung des Merowingerreiches, deren Münzprägung die der civitas Paris an Quantität übertraf: Marseille. 88 Die Prägung keines anderen Ortes, weder die von Bordeaux 8 9 noch die von Poitiers 90 oder Chalon-sur-Saône 91 , reichte offensichtlich auch nur annähernd an die von Paris und Marseille heran. Der Abstand, der allein vom Zahlen Verhältnis her gesehen Paris und Marseille von allen anderen Münzprägeorten des Reiches trennte, ist so beträchtlich, daß er sich auf keinen Fall allein durch Zufälligkeiten der Überlieferung erklären läßt. E r weist vielmehr ebenso wie die Zahl der nachweisbaren Monetare, die geschlossene Reihe der Königsmünzen, die reiche Gold- und Silberprägung mit aller nur wünschenswerten Deutlichkeit darauf hin, daß an diesen beiden Plätzen die Prägung weitaus umfangreicher, stabiler und kontinuierlicher war, als an irgendeiner anderen Stelle des Merowingerreiches. Orléans und Paris erscheinen wegen der außergewöhnlichen Bedeutung ihrer Emissionen am Schluß der Reihe. Mit diesen beiden sind alle Münzorte, für die sich eine kontinuierliche Prägetätigkeit wahrscheinlich machen läßt, vorgestellt. Ihre Zahl ist, bezogen auf die Gesamtzahl von 189 Prägeorten, sehr gering. Diese Relation ändert sich auch dann nicht wesentlich, wenn die Gruppe der Orte mit kontinuierlicher Prägung um einige erweitert wird, für die sich die Kriterien einer solchen Prägung nur bedingt nachweisen lassen. Die Durchsicht der Verzeichnisse von Prou und Beifort macht es möglich, auf diese Weise 8 weitere Orte auszusondern. Nur bei 2 von diesen 8, nämlich bei den civitates
Laon und Chartres, läßt sich mit
Anhang Nr. I, Angaben zu Orléans. PROU, Monnaies mérovingiennes, Nr. 617. 86 Ebenda, Nr. 8 2 2 - 8 2 8 . 87 Ebenda, Nr. 685—692. Von Dagobert I. verzeichnet PROTJ einen, von Chlodwig I I . sechs und von Chlothar I I I . ebenfalls einen Trienten. 8 8 Vgl. die Angaben bei PROTT, ebenda, S. 300—341. Die verzeichneten Königsmünzen setzen mit Chlothar II. (613—629) ein und reichen ohne Unterbrechung bis zu Dagobert II. (675—678). 8 9 Ebenda, Nr. 2123—2173. Königsmünzen fehlen; der Anteil der Denare ist auffallend gering. 80 Ebenda, Nr. 2 1 8 7 - 2 2 3 9 . 9» Ebenda, Nr. 1 6 3 - 2 3 6 . 84
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Sicherheit sagen, daß sowohl Gold- als auch Silbermünzen g e p r ä g t worden sind. Prou verzeichnet für L a o n (24) 5 Münzen : es handelt sich ausschließlich u m Trienten. Beifort d a g e g e n f ü h r t insgesamt 14 Münzen — solidi, Trienten und Denare — auf. Die 5 von Prou genannten Münzen wurden von 3 Monetären g e p r ä g t . Einer der bei Beifort verzeichneten solidi t r ä g t den N a m e n König Theudeberts I. (534—548). 92 Bei weiteren 6 Prägeorten, Allonnes (76), Ballon (78), Chartres (66), E s s o n n e s (8), Melun (16) und Neuvy-en-Champagne (86), läßt die T a t s a c h e , daß jeweils die T ä t i g k e i t von 4 Monetären nachweisbar ist, darauf schließen, daß über längere Zeit oder zumindest wiederholt Münzen geschlagen worden sind. F ü r Allonnes nennt Prou 2, Beifort 9 Trienten; einer der bei Beifort verzeichneten t r ä g t den Namen Dagoberts I. (629-639). 9 3 F ü r Ballon nennt Prou 5, Beifort 8 Trienten, f ü r Chartres Prou einen Trienten und einen Denar, Beifort dagegen 5 Trienten, f ü r Essonnes Prou 6, Beifort 13, f ü r Melun Prou 5, Beifort 6 Trienten. N e u v y — der Ort wird auf den Münzen ebenso wie Allonnes 9 ' 1 als ficus bezeichnet 9 5 — erscheint nur bei Prou als Münzort. E r führt 5 Trienten auf. Lieusaint (14) ist sowohl bei Prou als bei Beifort verzeichnet. Die Anzahl der überlieferten Münzen ist gering; es handelt sich ausschließlich um Trienten. Prou nennt 12, Beifort 6, es lassen sich 3 Monetäre nachweisen. Zusammenfassend ist festzustellen, daß, wenn die oben genannten vier Kriterien zugrunde gelegt werden, nur für die geringe Zahl von 23, und selbst wenn der g ü n s t i g s t e Fall angenommen wird, f ü r nicht viel mehr als 30 Orte eine kontinuierliche Münzprägung belegt werden kann. Die Orte mit nachweisbarer kontinuierlicher Prägung machten demnach höchstens ein Sechstel aller der Siedlungen aus, f ü r die sich eine P r ä g e t ä t i g k e i t m i t Sicherheit nachweisen läßt. Ihnen steht die u m ein Vielfaches größere Anzahl jener Orte gegenüber, bei denen keinerlei Anzeichen auf eine kontinuierliche Münzprägung hindeuten. Mehr als die H ä l f t e aller ermittelten Orte sind als Siedlungen mit zeitweiliger Prägetätigkeit überhaupt nur durch eine einzige Münze bzw. durch den N a m e n eines einzelnen Monetars b e k a n n t . 9 6 Diese Ergebnisse zwingen zu einigen f ü r den weiteren G a n g der Untersuchungen wesentlichen Überlegungen. Zunächst muß es unbedingt auffallen, daß Siedlungen mit kontinuierlicher und Siedlungen mit nur zeitweiliger P r ä g u n g nicht allein im gesamten Untersuchungsgebiet nachweisbar sind, sondern daß sie zudem sowohl räumlich als auch zeitlich dicht beieinander auftreten. Dieser U m s t a n d d e u t e t darauf hin, daß einerseits d a s B e d ü r f nis nach Geld in gemünzter F o r m , andererseits aber auch die Möglichkeit, dieses Bedürfnis zu befriedigen, lokal sehr verschieden ausgebildet waren. Der unterschiedliche Charakter der Prägetätigkeit läßt aber noch eine andere Einsicht zu. In der einschlägigen Literatur wird die A u f f a s s u n g k a u m noch bestritten, daß in der Karolingerzeit Münze und Markt eine Einheit bildeten, daß demzufolge jeder Ort, f ü r den Münzprägungen nachweisbar sind, als Marktort anzusehen ist. 9 7 Diese enge Verbindung BELFORT, Description, Nr. 2237. 93 Ebenda, Nr. 69. 9 4 PEOTJ, Monnaies mérovingiennes, Nr. 427. 95 Ebenda, Nr. 464-468. 9 6 Anhang Nr. II. Es handelt sich um insgesamt 76 Orte. 9 7 SCHLESINGER in : Marktproblem, S. 68, zum 9. und 10. Jh. : „Münze, Markt und Zoll gehören in dieser Zeit auf alle Fälle zusammen, und man kann den Schluß ziehen, daß dort, wo eine Münze war, auch ein Markt gewesen sein muß." ENDEMANN, Markturkunde, S. 98 ff. BBRGHAUS
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i n : Marktproblem, S. 66. Vgl. HESS, Geldwirtschaft, S. 48 und S . 52, und HÄVERNICK, Münz-
geschichte, S. 10.
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v o n Münze u n d M a r k t ist auf d e u t s c h e m G e b i e t wohl bis z u m a u s g e h e n d e n 11. J h . g e w a h r t worden. 9 8 F ü r die Merowingerzeit m a c h e n jedoch die d a r g e l e g t e n E r g e b n i s s e eine so enge Verb i n d u n g v o n Münze u n d M a r k t sehr u n w a h r s c h e i n l i c h . F ü r d a s U n t e r s u c h u n g s g e b i e t jedenfalls, also f ü r die d a m a l i g e politische K e r n l a n d s c h a f t des Reiches, stellt die a u ß e r gewöhnlich g r o ß e Zahl v o n O r t e n , d e r e n M ü n z p r ä g u n g offensichtlich eine sehr kurzfristige, e p h e m e r e gewesen ist, d a s B e s t e h e n einer engen B e z i e h u n g v o n Münz- u n d M a r k t o r t g a n z u n d g a r in F r a g e . " Die P r ä g e t ä t i g k e i t e r w u c h s z u m i n d e s t w ä h r e n d d e s 7. J h . in diesem G e b i e t augenscheinlich n i c h t so d i r e k t u n d u n b e d i n g t a u s d e n B e d ü r f n i s s e n eines geregelten M a r k t v e r k e h r s , wie d a s wohl w ä h r e n d des 9., 10. u n d 11. J h . d e r F a l l gewesen ist. E s wird d e s h a l b g e f r a g t w e r d e n m ü s s e n , welcher N a t u r jene O r t e w a r e n , a n d e n e n M ü n z e n geschlagen worden sind, u n d welche F u n k t i o n also die g e p r ä g t e n M ü n z e n zu erfüllen h a t t e n . Die M ü n z e n g e b e n d u r c h ihre B e s c h r i f t u n g gewisse A u s k ü n f t e ü b e r die B e s c h a f f e n h e i t d e r Siedlungen, in d e n e n sie g e p r ä g t w o r d e n sind. Sie weisen die B e z e i c h n u n g e n civitas, vicus, Castrum bzw. castellum u n d portus auf. 1 0 0 Von diesen 4 T e r m i n i ist d e r des ficus a m w e i t a u s h ä u f i g s t e n . F a s t ein D r i t t e l aller f ü r d a s U n t e r s u c h u n g s g e b i e t e r m i t t e l t e n Münzo r t e wird so g e n a n n t . 1 0 1 D e r Zusatz civitas erscheint bei 19 M ü n z o r t e n , j e d o c h w e r d e n n i c h t alle P r ä g e o r t e des U n t e r s u c h u n g s g e b i e t e s , die im 7. J h . Sitz eines Bischofs waren, 1 0 2 auf d e n Münzen a u s d r ü c k l i c h als civitas g e k e n n z e i c h n e t . So f e h l t ein e n t s p r e c h e n d e r Z u s a t z auf d e n M ü n z e n von A v r a n c h e s , Chartres, L a o n , N a n t e s u n d Noyon. 1 0 3 Castrum bzw. castellum erscheint bei 9, 1 0 4 portus bei 3 O r t e n . 1 0 5 R u n d 100 P r ä g e o r t e n , also d e m g r ö ß e r e n Teil, f e h l t jede B e z e i c h n u n g . E s ist also allein s c h o n wegen dieser T a t sache n i c h t möglich, m i t E . N a u zu b e h a u p t e n , d a ß „die Münzen selbst d u r c h ihre A u f schriften eindeutiges Zeugnis ablegen, d a ß sich die ü b e r w ä l t i g e n d e Mehrzahl d e r m e r o wingischen Geldherstellung in den Civitates, vici u n d p o r t u s als d e n H a n d e l s z e n t r e n abspielte . . .". 10G Vom rein q u a n t i t a t i v e n Verhältnis h e r gesehen n e h m e n P r ä g e o r t e , die von d e n Monet ä r e n als vicus bezeichnet werden, den h e r v o r r a g e n d s t e n P l a t z ein. Dieses V e r h ä l t n i s ä n d e r t sich a b e r völlig, w e n n n a c h der q u a l i t a t i v e n B e d e u t u n g d e r P r ä g u n g , also n a c h i h r e r K o n t i n u i t ä t u n d ihrem U m f a n g , g e f r a g t wird. U n t e r d e n 23 Siedlungen, f ü r die sich eine kontinuierliche P r ä g e t ä t i g k e i t m i t einem h o h e n G r a d v o n W a h r s c h e i n l i c h k e i t belegen l ä ß t , sind 17, n ä m l i c h A v r a n c h e s , Amiens, Angers, B a y e u x , Le Mans, Meaux, N a n t e s , Orléans, P a r i s , Reims, R e n n e s , R o u e n . Senlis, Sens, Soissons, T o u r s u n d T r o y e s civitates. Auf d e n Münzen von A v r a n c h e s u n d N a n t e s f e h l t allerdings die e n t s p r e c h e n d e Bezeichnung. Die a n d e r Loire gelegenen Siedlungen Amboise u n d Rezé w e r d e n vicus g e n a n n t . 1 0 7 Bei Mouzon, d a s a n d e r m i t t l e r e n Maas gelegen ist, s t e h t die B e z e i c h n u n g vicus n e b e n 13EKGHAUS, in: Marktproblem, S. 66. Vgl. SCHLESINGER in: Frühformen, S. 272f. NAU, Stadt und Münze, S. 38, spricht sich ausdrücklich für das Vorhandensein einer solchen engen Beziehung aus. Sie übersieht aber gerade, daß es Münzorte mit ganz unterschiedlich beschaffener Prägung gegeben hat. 100 Vgl. PROU, Monnaies mérovingiennes, S. L X VII ff. 101 Insgesamt vierundfünfzig. Vgl. Anhang Nr. I. 102 Anhang Nr. IV. «3 Anhang Nr. 1. 104 Ebenda: Arpajon, Avize, Blois, Château-Landon, Chinon, Draveil, Étampes, Mayenne, Mouzon. 105 Ebenda: Créteil, Port-Saint-Père, Vaas. «»E NAU, Stadt und Münze, S. 38. io? Anhang Nr. I. 98
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Castrum,108 Als Castrum wird auch Blois bezeichnet. 1 0 9 N o y e n - s u r - S a r t h e und Vendôme bleiben auf den Münzen ohne spezielle Bezeichnung. Von den 8 Orten, bei denen eine kontinuierliche Münzprägung v e r m u t e t wird, sind 2 , L a o n und Chartres, civitates. Allerdings wird keine von beiden auf den überlieferten Münzen so g e n a n n t . W e i t e r e 3 Siedlungen, nämlich Allonnes, Neuvy-en-Champagne und Essonnes, werden als vicus bezeichnet. 1 1 0 B e i B a l l o n und Lieusaint fehlt eine entsprechende Angabe. I m Untersuchungsgebiet g a b es während des 7. J h . insgesamt 27 Bischofssitze, davon war der weitaus größte T e i l ständig besetzt. Bei einigen wenigen t r a t e n zeitweilige U n t e r brechungen in der Besetzung des Stuhles ein, oder es fehlt der Nachweis einer u n u n t e r brochenen Bischofsreihe. 1 1 1 Nur bei drei dieser 27 — es handelt sich um B e a u v a i s , E v r e u x und Lisieux — fehlt n a c h den Verzeichnissen von P r o u und B e i f o r t überhaupt j e d e r Hinweis auf eine P r ä g e t ä t i g k e i t , und auch die erfaßten S c h a t z f u n d e lassen eine solche n i c h t erkennen. 1 1 2 Auxerre (46), Châlons-sur-Marne (35), Coutances (122), Noyon (19) und Sées (75) sind zwar als P r ä g e orte b e k a n n t : jedoch sind die erhaltenen Nachrichten so spärlich, 1 1 3 daß m i t einer n u r sporadischen Prägung gerechnet werden m u ß . E s fällt auf, d a ß 4 der civitates, f ü r die ü b e r h a u p t keine oder nur eine sehr unbedeutende P r ä g e t ä t i g k e i t zu belegen ist, nämlich E v r e u x , Lisieux, Sées und Coutances, im Grenzgebiet von Normandie und Neustrien bzw. direkt in der Normandie gelegen waren. Von den 2 3 Siedlungen m i t kontinuierlicher Münzprägung waren 17 civitates, von den 8 , bei denen diese K o n t i n u i t ä t v e r m u t e t wird, 2. D e m n a c h gehörten m e h r als zwei D r i t t e l aller Bischofssitze zu den Orten, an denen kontinuierlich Münzen geschlagen worden sind. Dieser hervorragende P l a t z , den die civitates unter den insgesamt nur wenigen Orten m i t kontinuierlicher Prägung einnahmen, sowie die T a t s a c h e , daß sie ü b e r h a u p t fast vollständig als Prägeorte nachweisbar sind, zeugen von der B e d e u t u n g , die diese Siedlungen während des 7. J h . für die Geldzirkulation besaßen. Mit einer entsprechenden Abwandlung jenes Satzes von W a l t e r S c h l e s i n g e r 1 1 4 über die Zusammengehörigkeit von Münze und M a r k t wird für die eigentliche politische Kernlandschaft des Reiches gesagt werden dürfen, daß zur civitas j e n e r Zeit die Münzprägung gehörte. E i n e A u s n a h m e hiervon bilden eigentlich nur die civitates der Normandie bzw. ihrer Grenzgebiete. Die vorgenommene Analyse der P r ä g e t ä t i g k e i t und der Versuch, Orte m i t kontinuierlicher und zeitweiliger Prägung zu scheiden, l ä ß t demnach auch den weitergehenden S c h l u ß zu, d a ß die civitates während des 7. J h . in den Ware-Geld-Beziehungen und im T a u s c h verkehr einen besonderen P l a t z einnahmen. Dieser S c h l u ß wird durch die Aussagen der Schatzfunde bestätigt. E s sind insgesamt 19 Münzschatzfunde ermittelt worden, die, da sie etwa zwischen 6 0 0 und 7 5 0 vergraben worden sind, über die Münzprägung und die Geldzirkulation des U n t e r suchungsgebietes während des 7. J h . bzw. die Zeit kurz davor und kurz danach Ausk ü n f t e geben k ö n n e n . 1 1 5 Von diesen 19 Schatzfunden enthielten 15 Münzen des U n t e r suchungsgebietes; in denen von Wieuwerd, Nietap, Fessenheim und S a r r e fehlten sie. 1 1 6 108
PROU, M o n n a i e s m é r o v i n g i e n n e s , N r . 1 0 3 7 u. 1 0 3 8 ,
»09 Ebenda, Nr. 5 7 2 - 5 7 4 u. 577. »o Ebenda, Nr. 427, Nr. 4 6 4 - 4 6 8 ; Nr. 847. 1 1 1 S. u., die Angaben im Anhang Nr. IV. »2 Anhang Nr. I I I . " 3 Ebenda,Nr. 1. S. o., S. 28. »5 Anhang Nr. I I I sowie v. S. 37ff. 116 Ebenda.
30
1040-1043.
D i e P r ä g e o r t e des Untersuchungsgebietes sind an der Zusammensetzung der einzelnen Schätze in folgender W e i s e b e t e i l i g t : F u n d v o n Escharen:
2 Prägeorte, 2
civitates.117
Fund von Dronrijp:
2 Prägeorte, davon
1
civitas118
F u n d v o n Sutton H o o :
9 Prägeorte, davon
5
civitates119
Fund von Saint-Aubin:
5 Prägeorte, davon
2
civitates120
F u n d v o n Crondall:
2 Prägeorte, 2
F u n d v o n Buis: F u n d v o n L a Baugisiere:
civitates121
4 Prägeorte, davon
1
civitas122
25 Prägeorte, d a v o n 10
civitates123
Fund von Bordeaux:
9 Prägeorte, davon
8
civitates124
F u n d v o n Savonieres:
3 Prägeorte, d a v o n
1
civitas125
Ftieux:
8 Prägeorte, d a v o n
5
civitates126
F u n d v o n Plassac:
9 Prägeorte, d a v o n
8
civitates127
E u n d v o n Cimiez:
3 P r ä g e o r t e , alle 3
civitates128
F u n d v o n Saint-Pierre-les-
F u n d v o n Bais:
17 Prägeorte, d a v o n 11
civitatesiw
D i e civitates waren, so wird zusammengefaßt werden dürfen, Siedlungen, deren
ökono-
mische, soziale und politische Funktion während des 7. Jh. in besonderer W e i s e das B e dürfnis nach Geld in Gestalt v o n Münzen hervorbrachte.
Sie waren aber offensichtlich
zugleich auch Siedlungen, die der Befriedigung dieses Bedürfnisses besondere Möglichkeiten boten. D i e v o r g e n o m m e n e Analyse der Münzprägung bestätigt also im R a h m e n des ihr M ö g lichen die in der L i t e r a t u r vorherrschende Meinung, daß die civitates
für die W a r e - G e l d -
Beziehungen, den Handel und die Geldzirkulation während der M e r o w i n g e r z e i t besondere Bedeutung besaßen. Jener Satz von der engen Zusammengehörigkeit v o n Münze und M a r k t 1 3 0 wird sich, so scheint es, wenn er f ü r die Merowingerzeit überhaupt i r g e n d w o Gültigkeit besaß, am ehesten auf diese Siedlungen anwenden lassen. D e r Versuch, die Prägung der einzelnen Münzorte in ihrer qualitativen Bedeutung zu bestimmen, zeigt jedoch auch, daß im Untersuchungsgebiet während des 7. Jh. g e l d w i r t schaftliche Erscheinungen m i t keinem anderen Siedlungstyp so eng v e r k n ü p f t waren wie mit dem der civitas. Es sind insgesamt nur 12 nicht zu den civitates gehörende Orte e r m i t t e l t worden, f ü r die eine kontinuierliche Prägung nachweisbar oder zunimdest wahrscheinlich zu machen ist. 131 U n t e r ihnen sind einige, die auf den Münzen vicus genannt werden, einige Anhang 11« Ebenda, 20 Ebenda, 121 Ebenda, « 2 Ebenda,
Nr. Nr. Nr. Nr. Nr. Nr.
I I I , Nr. i. 3. 6. 4. 7. 8.
123 Ebenda, 124 Ebenda, 125 Ebenda, 126 Ebenda, 127 Ebenda, 128 Ebenda, 129 Ebenda,
Nr. Nr. Nr. Nr. Nr. Nr. Nr.
9. 10. 14. 11. 12. 13. 15.
13° S. o.,
S. 28. Zur Bedeutung
der
Bischofssitze
allgemein PRINZ, Stadlhcrrschaft,
S. l f f .
BRÜHL, Palatium, S. 6 f f .
131 S. o., 'S. 29 f.
31
andere tragen die Bezeichnung Castrum bzw. castellum. Zu den vici gehören Allonnes, Amboise, Essonnes, R e z é und Neuvy-en-Champagne, zu den castra Mouzon und Blois. Dagegen findet sich in dieser Gruppe n i c h t ein einziger portus: W e d e r bei Créteil (2) und V a a s ( 8 5 a ) noch bei P o r t - S a i n t - P è r e (134) d e u t e t irgendetwas darauf hin, d a ß ü b e r einen längeren Zeitraum oder gar ständig Münzen ausgegeben worden sind. Das fällt um so m e h r ins Gewicht, als P o r t - S a i n t - P è r e während des 7. J h . für den W a r e n v e r k e h r und den H a n d e l durchaus von einiger Bedeutung gewesen ist. 1 3 2 Münzen dieser 3 Orte sind übrigens auch in keinem der 15 g e n a n n t e n S c h a t z f u n d e enthalten, in denen sich S t ü c k e aus dem U n t e r suchungsgebiet fanden. Die 12 n i c h t zu den civitates gehörenden Münzorte m i t kontinuierlicher Prägung waren also keineswegs durch die T a t s a c h e miteinander verbunden, d a ß sie vicus, Castrum, oder portus waren. T r o t z d e m besaßen sie ein für die B e s t i m m u n g ihres ökonomischen Charakters wesentliches Merkmal g e m e i n s a m : Sie lagen nahezu a u s n a h m s los an einem der großen Flüsse des Untersuchungsgebietes. Nur Neuvy-en-Champagne (86) m a c h t hiervon eine Ausnahme. Essonnes (8) und Melun (16) liegen an der Seine, L i e u s a i n t (14) in ihrer u n m i t t e l b a r e n Nähe. Blois (55), Amboise (93) und R e z é (135) liegen an der Loire, Allonnes (76) in ihrer Nähe. Noyen (87) liegt an der S a r t h e , B a l l o n (78) in ihrer u n m i t t e l b a r e n Nähe. Vendôme (62) schließlich liegt am Loir und Mouzon (28) an der Maas. I n der Forschung ist die T a t s a c h e , daß zwischen der P r ä g e t ä t i g k e i t der einzelnen Münzorte erhebliche Unterschiede bestanden h a b e n , bisher k a u m b e a c h t e t worden. Obwohl gerade das 7. J h . wegen b e s t i m m t e r ökonomischer E r s c h e i n u n g e n 1 3 3 über J a h r z e h n t e die besondere A u f m e r k s a m k e i t der Historiker auf sich zog, wurde das aufschlußreiche P h ä n o men der kontinuierlichen und der ephemeren Prägung bisher nahezu übersehen. S o ist selbstredend auch die F r a g e nach den Ursachen der ephemeren Prägung k a u m e r ö r t e r t worden. 1 3 4 In der eigentlichen numismatischen L i t e r a t u r wurde ihr allgemeiner A s p e k t allerdings i m m e r d a n n berührt, wenn die Gründe für die auffallende Zersplitterung der Münzprägung zur Diskussion standen. Die ältere L i t e r a t u r fand dabei zumeist E r k l ä r u n g e n , die einen erheblichen Einfluß des merowingischen Königtums bzw. der staatlich-politischen M a c h t auf das Münzwesen voraussetzten. 1 3 5 Zwei Auffassungen, die sich a b e r in ihrem Grundgehalt durchaus miteinander vereinbaren lassen, sind hier zu b e a c h t e n . Die eine geht vom Steuersystem und der Abgabenerhebung aus, die andere k o n z e n t r i e r t ihre A u f m e r k s a m k e i t auf das königliche Münzregal. Als repräsentativ f ü r die erste Auffassung darf die Behandlung des P r o b l e m s im „ T r a i t é de numismatique du m o y e n â g e " angesehen werden. A. E n g e l und R . Serrure knüpften an Vorarbeiten an, die Ch. R o b e r t in der Mitte des vorigen J a h r h u n d e r t s publizierte. Sie suchten in der A r t und Weise, wie während der Merowingerzeit A b g a b e n und Steuern eingetrieben wurden, die E r k l ä r u n g dafür, d a ß die Namen so vieler Orte auf den Münzen erscheinen. Die Monetäre erfüllten ihrer A n s i c h t n a c h eine Doppelfunktion: Sie waren zugleich S t e u e r p ä c h t e r und Handwerker, die die Münzen herstellten. Sie trieben in den einzelnen Siedlungen die A b g a b e n ein, die in sehr unterschiedlicher Gestalt, als Naturalien, als Gegenstände aus E d e l m e t a l l , in F o r m von Münzen verschiedener Herkunft, e n t r i c h t e t wurden. D e m König h a t t e n sie eine b e s t i m m t e Geldsumme abzuliefern. Die Monetäre t a t e n das m i t Münzen, die von ihnen an O r t und Stelle geprägt worden waren. Sie garantierten zugleich m i t ihrem Namen für den W e r t
132 S. u., S. 84 ff. «3 S. o., S. 10 f. 134 Beachtenswert sind einige Bemerkungen, die sich bei DOEHAERD, Haut moyen âge, S. 301, hierzu finden. 135 Einen allgemeinen Überblick über die Literatur bietet DlEUDONNÉ, Monétaires, S. 20ff..
32
dieser Münzen, und sie machten durch Einstanzen des Ortsnamens die Herkunft der Münzen kenntlich. In den Fällen, in denen die Namen von Kirchen oder Klöstern auf den Münzen erscheinen, war nach Ansicht von Engel und Serrure diesen Institutionen vom König als besondere Gunst das Recht zugestanden worden, in einem bestimmten Gebiet Abgaben einzutreiben. 136 Die Auffassung, daß zwischen der Prägung in den ländlichen Prägeorten und der Art, wie in merowingischer Zeit Abgaben erhoben worden sind, Zusammenhänge bestehen, begegnet, wenn auch in gewandelter Form, bis in die jüngere Zeit hinein. So nimmt Werner an, daß während der Blütezeit der Monetarprägung, also doch wohl im 7. Jh., den Monetären von „privater Seite" Gold für die Ausmünzung zur Verfügung gestellt worden sei, und daß auf diesem Wege eine „Adäration der Steuern" stattgefunden habe. Werner glaubt, eine solche Adäration vor allem für die grundsteuerpflichtigen Romani possessores annehmen zu müssen. 137 Daß Werner diesen Zusammenhang zwischen Steuererhebung und Münzprägung herstellt, und daß er zudem der romanischen Bevölkerung für dieses Steuersystem eine besondere Bedeutung zuspricht, ist wohl ein wesentlicher Grund für die Tatsache, daß er die nördlich der Seine gelegenen Gebiete hinsichtlich der Dichte der Prägeorte anders zu behandeln sucht als die südlichen. 138 Es soll hier keineswegs die Möglichkeit völlig in Abrede gestellt werden, daß während des 7. J h . im Untersuchungsgebiet zwischen Münzprägung, Geldzirkulation und der Art, in der Abgaben erhoben worden sind, Beziehungen bestanden. Jedoch begegnen dem Versuch, die Vielzahl der für eine bestimmte Periode der merowingischen Geldgeschichte nachweisbaren Prägeorte allein aus Eigentümlichkeiten der Abgaben- und Steuererhebung zu erklären, erhebliche Schwierigkeiten. Er setzte ein so durchgebildetes und wohlorganisiertes System der Steuerpacht voraus, wie es sich für die damalige Zeit mit ihren verworrenen politisch-staatlichen Zuständen schwer vorstellen läßt. 139 Soweit diese Hypothese aber, wie es bei Werner geschieht, den Romani possessores einen besonderen Platz einräumt, gerät sie zu der Tatsache in Widerspruch, daß die sogenannte Monetarlandschaft keineswegs auf die südlich der Seine gelegenen Teile des Merowingerreiches begrenzt geblieben ist.1'*0 Die Vorstellung von einem durch die Merowingerkönige mehr oder weniger konsequent gehandhabten Regalienrecht liegt der Auffassung zugrunde, die Zersplitterung des Münzwesens sei durch Übertragung des Münzrechtes an eine Vielzahl weltlicher und geistlicher oder auch nur geistlicher Großer entstanden. Der Gedanke findet sich sowohl bei Maurice Prou als auch bei einer Reihe anderer Numismatiker. Prou hält es nicht für schwierig, sich vorzustellen, daß „dans les chef — lieux des cités et dans les centres industriels ou commerciaux" Münzen geprägt worden seien. 141 Er gibt aber gleichzeitig zu erkennen, daß das Phänomen der Prägung an den zahllosen übrigen Orten, den vici, castra, villae usw., die Forschung vor schwer zu lösende Probleme stellt. 142 Prou macht keinen Hehl daraus, daß sein eigener Lösungsversuch hypothetisch bleiben muß. Ihm liegt die Vorstellung zugrunde, daß nur die merowingischen Könige und die 136
E N G E L / S E R R U R E , T r a i t é , 1, S . 9 7 f . . V g l . D I E T J D O N N É , M o n é t a i r e s , S . 2 1 f . , u . S . 2 6 f f .
137 WERNER, W a a g e , S. 5. 138 S. o., S. 2 0 f . „Mais il y a dans c e t t e theorie une m é c o n n a i s s a n c e f â c h e u s e du caractère c a p r i c i e u x e t i n é g a l que prenait â ce m o m e n t la l e v é e de l'impôt, u n r a f f i n e m e n t de c o m p t a b i l i t é qui ne c o n v i e n t pas à la d y n a s t i e des princes chevelus." DIEUDONNÉ, Monétaires, S. 28. 1« S. o., S. 2 0 f. 139
141
PROU, M o n n a i e s m é r o v i n g i e n n e s , S. L X I X . V g l . DIETJDONNÉ, M o n é t a i r e s , S. 2 3 .
142
PROU, Monnaies mérovingiennes, S. L X I X f .
3
Bleibcr
33
Kirche d a s R e c h t h a t t e n , Münzen schlagen zu lassen. P r o u v e r m u t e t deshalb, daß es sich bei all den zahllosen Orten m i t ephemerer P r ä g u n g u m Siedlungen handelte, die a u f königlichem oder auf kirchlichem L a n d gelegen waren. 1 4 3 B i s zu seiner vollen K o n s e q u e n z g e f ü h r t erschien der G e d a n k e von der H a n d h a b u n g des Regalienrechtes jedoch schon bei S o e t b e e r , 1 4 4 also bereits einige Zeit vor der Publik a t i o n der grundlegenden Arbeiten v o n P r o u . S o e t b e e r t r a t der Ansicht entgegen, daß einzelne Munizipien u n d größere G r u n d e i g e n t ü m e r sowie geistliche S t i f t u n g e n a u s eigener M a c h t v o l l k o m m e n h e i t Münzen h ä t t e n p r ä g e n lassen. E r g l a u b t e , daß in „rechtlicher Beziehung . . . während der merowingischen H e r r s c h a f t die A u s ü b u n g des Münzregals von den Verhältnissen in den letzten Zeiten des römischen Reiches nicht wesentlich verschieden gewesen . . . und sämtliche A u s m ü n z u n g e n . . . u n t e r besonderer königlicher G e n e h m i g u n g s t a t t g e f u n d e n " h ä t t e n . 1 4 5 Soetbeer ging von der T a t s a c h e , a u s , daß in s p ä t e r e r Zeit sowohl in F r a n k r e i c h als auch in D e u t s c h l a n d „ u n z ä h l i g e M a l e " gleichzeitig Markt-, Zoll- und Münzrecht verliehen worden u n d daß hieraus „ d i e fraglichen A u s m ü n z u n g e n an so zahlreichen O r t e n " auch schon in merowingischer Zeit zu erklären seien. 1 4 6 Gegen diese A u f f a s s u n g e n w a n d t e sich, soweit sie d a r a u f hinausliefen, an j e d e m d e r nachgewiesenen Münzorte einen M a r k t zu v e r m u t e n , schon Georg Waitz. 1 '' 7 Aber auch erhielt a m G e d a n k e n des weitgehend funktionierenden Münzregals fest. 1 4 8 In der L i t e r a t u r war die F r a g e , ob und gegebenenfalls in welcher Weise die Mcrowingerkönige d a s Münzregal h a n d h a b t e n , lange Zeit u m s t r i t t e n . 1 4 3 Sie wird heute, zweifelsohne zu R e c h t , im negativen Sinne entschieden. 1 5 0 D a m i t entfällt aber auch die Möglichkeil, in der Wirkungsweise dieses R e g a l s eine, sei es auch z u n ä c h s t nur rechtlich-formale, E r k l ä rung f ü r die auffallende Dezentralisierung des merowingischen Münzwesens zu finden. In den geschichtswissenschaftlichen P u b l i k a t i o n e n , die von ihrem G e g e n s t a n d her eine eingehendere B e s c h ä f t i g u n g m i t d e m sozialökonomischen A s p e k t der gestellten F r a g e erwarten lassen, herrschen, soweit sie ihn beachten, zwei mehr oder weniger e n t g e g e n gesetzte Tendenzen vor. Die eine neigt d a z u , die Vielzahl der P r ä g e o r t e im Sinne entwickelter Ware-Geld-Beziehungen, beachtlicher s t ä d t i s c h e r W i r t s c h a f t s f o r m e n und eines entsprechenden M a r k t v e r k e h r s zu interpretieren. Als Vertreter dieser R i c h t u n g sind Dopseh u n d seine Schüler v o r allem zu nennen. Von der anderen Richtung hingegen wird v e r s u c h t , die große Anzahl nachweisbarer Münzateliers als Zeichen der sinkenden B e d e u t u n g d e r S t ä d t e und des zunehmenden ökonomischen Gewichtes des Landes zu deuten. Dopsch wollte in den vici G a u v o r o r t e erkennen, an denen sieh der iniillu.s publiai.sb e f a n d , die Grafen Gerieht hielten, d a s Treuegelöbnis der freien U n t e r t a n e n empfingen und gegebenenfalls die A u s h e b u n g der waffenfähigen M a n n s c h a f t v o r n a h m e n . Sie waren seiner Ansicht nach „wie die civilates auch Mittelpunkte des wirtschaftlichen Verkehrs, hier f a n d der A u s t a u s c h der wirtschaftliehen Produktion, die wechselseitige B e d a r f s d e c k u n g und G ü t e r v e r s o r g u n g s t a t t . . .", 1 5 1 D o p s c h glaubte, daß im Münzwesen die „außerordentlich große B e d e u t u n g " plastischen A u s d r u c k f a n d , die die c/Vt der G a u g e meinden während der Merowingerzeit b e s a ß e n . 1 0 2 E r wollte damit die E r k l ä r u n g der „ b i s h e r L« E b e n d a , S. LV1II. 144
SOETBEER, Beiträge, S. 296. Zu den Auffassungen Soetbeers DlEUDONNÉ, Monétaires, S. 31 f.
145
SOETBEER, B e i t r ä g e , S . 296.
146 Ebenda, S. 300. 147
WAITZ, V e r f a s s u n g s g c s c h i c h t e , S . 309.
«8 Ebenda, S. 308ff. 149
DIETTDONNÉ, M o n é t a i r e s , S. 43 ff.
150 Ebenda, S. 45. Skeptisch äußerte sich bereits vor Jahrzehnten LESSE, Propriété, S. 271 ff. « I DOPSCH, G r u n d l a g e n 2, S . 398F.
34
152
E b e n d a , S . 397.
schier rätselhaften Erscheinung" gefunden haben, d a ß in den Legenden so vieler Münzen gerade die Bezeichnung vicus erscheint. 1 5 3 Kloß, ein Schüler von Dopsch, deutete die Vielzahl der Münzateliers, die nicht nur in den S t ä d t e n , bei den Märkten, sondern auch „auf dem p l a t t e n L a n d e " existierten, ganz im Sinne einer regen Geldzirkulation u n d eines großen Bedarfs an Münzgeld. 154 Die andere Tendenz ist in der Litératur vor allem in jüngerer Zeit zu bemerken. Sie findet sich vorzugsweise in Arbeiten, deren Autoren das numismatische Material wesentlich gründlicher und sorgfältiger nutzten, als es Dopsch u n d seine Schüler t a t e n . Zu nennen sind Le Gentilhomme, der sich in zahlreichen Untersuchungen mit dem Münzwesen der Merowingerzeit befaßte, sowie B. Doehaerd, deren wirtschafts- und sozialgeschichtliche Arbeiten zur Merowinger- u n d Karolingerzeit Beachtung verdienen. Le Gentilhomme h e b t die beträchtlichen Unterschiede hervor, die während des 7. J h . zwischen der Münzprägung im Süden des Frankenreiches u n d in Neustrien, Austrasien, Burgund sowie im nördlichen Aquitanien bestanden. 1 5 5 W ä h r e n d sich in den südlichen Gebieten in stärkerem Maße, gebunden an die civitates, Münzateliers des Fiskus erhielten, wuchs im Norden die Zahl der privaten Prägestellen. 1 5 6 Le Gentilhomme v e r t r i t t die Auffassung, daß diese Zersplitterung der P r ä g u n g „dans le domaines r u r a u x des villae . . . a t t e s t e la signification domaniale d'une grande partie du monnayage mérovingien." 1 5 7 Die Beobachtung Le Gentilhommes fand Dietrich Claude bestätigt, als er sich mit den Verhältnissen des westgolischen Spanien beschäftigte: Im städtearmen Galizien wurden in zahlreichen Orten Münzen geschlagen; dagegen blieb die Prägung im Süden u n d Osten des Westgotenreiehes im wesentlichen auf die S t ä d t e beschränkt. 1 5 8 Jedoch machte Claude ebensowenig wie Le Gentilhomme den Versuch, dieses bemerkenswerte P h ä n o m e n eingehender und von den ökonomischen Grundlagen her zu untersuchen, obwohl sich wesentliche Ansätze hierzu bereits in den Arbeiten Blochs finden: „ L a grande raison du morcellement monétaire, c'est que la monnaie circule peu. Il f a u t donc, à chaque petit groupe l o u i n a n t autour d ' u n marché local, son atelier monétaire." 1 5 9 Als ein Moment, das die Wirksamkeit der Ökonomisellen F a k t o r e n beförderte, betrachtete Bloch zudem die Schwäche der königlichen Gewalt. Sie h ä t t e das Anwachsen der Zersplitterung noch zusätzlich begünstigt. 1 ® 0 In jüngster Zeit h a t Doehaerd einen Teil dieser Gedanken wieder aufgegriffen und weitergeführt. Sie formulierte, ausgehend von dem rapiden Anwachsen der Zahl der Prägeorte die These, daß dieses Anwachsen gleichermaßen von der „circulation extrèmenl lente" und der Geringfügigkeit der Münzmenge, die von diesen lokalen Prägungen in Umlauf gebracht worden sind, zeuge. 161 Es ist in keiner Weise zu bezweifeln, d a ß die ephemere P r ä g u n g in einer Vielzahl von Orten ebenso als Zeichen eines Bedürfnisses nach Münzgeld zu werten ist wie die kontinuierliche P r ä g u n g in den civitates und in einigen anderen Siedlungen. J e d o c h wird jeder Versuch, die F u n k t i o n der Gesamtheit dieser Prägeorte u n d der emittierten Münzen zu bestimmen, wesentlich stärker, als es bisher geschehen ist, den grundlegenden Unterschied beachten müssen, der zwischen den einen und den anderen bestand. »53 Ebenda. 154
KLOSS, G e l d v o r r a t , S. 9 3 .
155
L E GENTILHOMME, M o n n a y a g e , S. 2 1 ff.
156 Ebenda, S. 23. 157 Ebenda. Vgl. DIEUDONNÉ, Les monétaires, S. 41. 158
CLAUDE, G c l d g e s c h i c h t e , S. 2 4 9 .
159 BLOCH, Esquisse, S. 33. Vgl. ebenda, S. 22. 160 Ebenda, S. 16 ff. 161 DOEHAERD, Haut m o y e n âge, S. 301.
3*
35
E s ist offensichtlich, d a ß dieser U n t e r s c h i e d v o n d e r bisherigen F o r s c h u n g g a n z u n z u reichend b e r ü c k s i c h t i g t w u r d e u n d d a ß es g e r a d e d e s h a l b zu erheblichen Fehlschlüssen k a m . So w a r die zweifelsohne n i c h t h a l t b a r e C h a r a k t e r i s i e r u n g d e r vici, wie sie sich bei Dopsch f i n d e t , n u r möglich, weil die T a t s a c h e völlig ü b e r s e h e n w u r d e , d a ß im w e i t a u s überwiegenden Teil dieser Siedlungen g a n z gewiß n u r v o r ü b e r g e h e n d u n d k u r z f r i s t i g Münzen g e p r ä g t w o r d e n sind. 1 6 2 W ä r e dieser n i c h t eben b e d e u t u n g s l o s e U m s t a n d v o n Dopsch b e a c h t e t w o r d e n , so h ä t t e er schwerlich d a z u k o m m e n k ö n n e n , die cid m i t n a c h gewiesener M ü n z p r ä g u n g in ihrer B e d e u t u n g d e n civitates a n z u n ä h e r n . E b e n s o k o n n t e n u r d a s völlige Ignorieren dieses U m s t a n d e s d a z u verleiten, die Münzateliers auf d e m „ p l a t t e n L a n d e " so u n b e d e n k l i c h als Beweis einer „regen G e l d z i r k u l a t i o n " a n z u s e h e n , wie Kloß d a s t a t . D e r Versuch, der u n t e r n o m m e n worden ist, die i m U n t e r s u c h u n g s g e b i e t n a c h w e i s b a r e n M ü n z s t ä t t e n zu k a r t i e r e n u n d d a b e i gleichzeitig O r t e m i t k o n t i n u i e r l i c h e r u n d zeitweiliger P r ä g u n g zu scheiden, f ü h r t e zu einigen n i c h t u n w e s e n t l i c h e n B e o b a c h t u n g e n . A m K a r t e n bild fällt z u n ä c h s t auf, d a ß die O r t e m i t zeitweiliger P r ä g u n g wohl insofern Beziehungen zu d e n großen W a s s e r l ä u f e n des U n t e r s u c h u n g s g e b i e t e s a u f w e i s e n , als ihr w e i t a u s g r ö ß t e r Teil in jenen beiden R ä u m e n lag, die v o n diesen F l ü s s e n , v o r allem v o n ihren Mittel- u n d U n t e r l ä u f e n , erschlossen w e r d e n : In der n o r d o s t f r a n z ö s i s c h e n L a n d s c h a f t u m Oise, Marne, Seine u n d Y o n n e u n d in der w e s t f r a n z ö s i s c h e n u m M a y e n n e , S a r t h e , Loir u n d Loire. A b e r diese O r t e h ä u f e n sich d u r c h a u s n i c h t a n diesen F l u ß l ä u f e n , sondern sie sind ü b e r d e n g e s a m t e n zwischen ihnen liegenden R a u m v e r s t r e u t . Diese B e o b a c h t u n g wird zu d e m Schluß berechtigen, d a ß sich bei weitem n i c h t alle Siedlungen m i t zeitweiliger P r ä g u n g in b e v o r z u g t e r Verkehrslage b e f a n d e n . 1 6 3 W i c h t i g e r als dieser U m s t a n d ist jedoch ein a n d e r e r : Das K a r t e n b i l d g i b t zu e r k e n n e n , d a ß die O r t e m i t zeitweiliger P r ä g u n g keineswegs e n t f e r n t v o n d e n Siedlungen m i t k o n t i nuierlicher P r ä g u n g lagen, s o n d e r n d a ß beide T y p e n u n m i t t e l b a r n e b e n e i n a n d e r a u f t r a t e n . D a s wird besonders d e u t l i c h a m Beispiel v o n Le M a n s u n d seiner U m g e b u n g , zeigte sich a b e r auch bei Tours, Amboise, Paris, Senlis, M e a u x usw. 1 6 4 Das dichte N e b e n e i n a n d e r v o n P r ä g e o r t e n m i t k o n t i n u i e r l i c h e r u n d m i t zeitweiliger P r ä g u n g l ä ß t es n a h e z u ausgeschlossen erscheinen, d a ß in d e r P e r i o d e ihres A u f t r e t e n s eine lokale Münzzirkulation v o n einiger B e d e u t u n g existierte. Die T a t s a c h e , d a ß im U n t e r suchungsgebiet z u m i n d e s t w ä h r e n d der ersten H ä l f t e des 7. J h . offensichtlich d o r t g e p r ä g t w u r d e , wo aus irgendwelchen G r ü n d e n ein B e d ü r f n i s n a c h Münzgeld a u f t r a t , z w i n g t viel eher zu der A n n a h m e , d a ß d a m a l s eine solche Z i r k u l a t i o n f e h l t e o d e r doch n u r u n z u r e i c h e n d ausgebildet w a r : E b e n weil die Münzen, jedenfalls die G o l d m ü n z e n , die T r i e n t e n , n i c h t im lokalen Bereich umliefen, weil sie n i c h t o d e r n u r u n g e n ü g e n d v o n einem P l a t z m i t s t ä n d i g e r , stabiler P r ä g u n g a u s in einem m i t diesem w i r t s c h a f t l i c h v e r k n ü p f t e n R a u m z i r k u l i e r t e n , w u r d e n überall d o r t M ü n z e n geschlagen, wo a u s im einzelnen n a t ü r l i c h n i c h t m e h r g e n a u r e k o n s t r u i e r b a r e n G r ü n d e n ein plötzliches, z u m e i s t offensichtlich zeitweiliges B e d ü r f n i s n a c h ihnen e n t s t a n d . Möglicherweise ist hier eine wesentliche U r s a c h e jenes U n t e r s c h i e d e s zu s u c h e n , den L e G e n t i l h o m m e b e o b a c h t e t e , als er die M ü n z v e r h ä l t n i s s e des nördlichen Teils des Merowingerreiches m i t d e n e n des südlichen verglich. 1 6 5 Dieser Schluß zieht einen weiteren n a c h sich: Selbst w e n n keine a n d e r e n G r ü n d e gegen Karte Nr. 1. 163 Ebenda. 164 Ebenda. 165 S. o., S. 22 und S. 35.
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eine entsprechende Interpretation sprächen, so ergäbe allein diese offensichtlich nicht oder nur rudimentär vorhandene lokale Geldzirkulation, daß auch eine lokale Warenzirkulation — eine Warenzirkulation, die agrarische mit nichtagrarischen Wirtschaftszweigen verband — nicht sonderlich entwickelt gewesen sein kann. Damit stellen sich aber dem Versuch, in der Masse der Siedlungen mit Münzprägung Marktorte sehen zu wollen, allein von den Aussagen des numismatischen Materials her erhebliche Schwierigkeiten in den Weg. Die Goldtrienten, mit deren Prägung, wie noch auszuführen sein wird, die Erscheinung der Dezentralisation des Münzwesens und der ephemeren Prägung in besonderer Weise verbunden war, dienten demnach, so wird die Aussage des Kartenbildes zusammengefaßt werden dürfen, nicht in erster Linie der Vermittlung eines lokalen Marktverkehrs, der aus einer entwickelten Arbeitsteilung zwischen agrarischer und handwerklich-gewerblicher Produktion erwuchs, sondern ihre vorrangige Funktion war offensichtlich eine andere. Über die Umlaufgebiete der Münzen vermögen die Münzschatzfunde Auskunft zu geben. Es ist bereits darauf hingewiesen worden, daß insgesamt 19 Funde erfaßt worden sind. 166 Im „Verzeichnis der Münzschatzfunde" werden 15 dieser Funde behandelt. 167 Es gibt Auskunft über den jeweiligen Fundort, den Zeitpunkt, zu dem die Bildung des Schatzes abgeschlossen gewesen sein muß, über das Datum seiner Entdeckung, die Fundumstände sowie über die Herkunftsorte der Münzen und ihre Anzahl. Vier Münzschatzfunde erscheinen nicht im Verzeichnis, da sie bisher nicht in einer Form publiziert worden sind, die ihre Auswertung im Rahmen der vorliegenden Arbeit ermöglichte. Es handelt sich um die Funde von Nietap, Möns, Orléans und Fessenheim. Sie werden nach der vorliegenden Literatur an entsprechender Stelle direkt im Text behandelt. Entsprechend deutlich erkennbaren unterschiedlichen Fundräumen lassen sich fünf Gruppen von Münzschatzfunden unterscheiden. Lediglich der Fund, der in der Umgebung von Orléans gemacht worden ist, läßt sich wegen seiner räumlichen Sonderstellung in keine dieser Gruppen einordnen. Die Schätze von Escharen, 1 6 8 Wieuwerd 169 , Nietap, Dronrijp 1 7 0 und Möns bilden eine niederländisch-friesische Fundgruppe. Sie ist, von der Zeit der Anhäufung der Schätze her gesehen, zugleich die älteste. Der Münzschatz von Wieuwerd enthielt keine Münze des Untersuchungsgebietes, 171 im Fund von Escharen fanden sich ein in Amiens und zwei in Orléans geprägte Trienten. 1 7 2 Der Fund von Dronrijp enthielt einen Trienten von Orléans und einen weiteren, der in Ruan (59), einem von Orléans nicht allzu entfernt gelegenen Ort, geprägt worden ist. 1 7 3 Die Masse der in den Münzschätzen von Escharen und Wieuwerd enthaltenen Münzen kam aus der Provence, dem Rhònetal und dem Rhein-Maas-Gebiet. Der Fund von Wieuwerd enthielt außerdem neben Geprägten italienischer Herkunft eine Münze aus Konstantinopel. 174 Nietap liegt im Nordwesten der niederländischen Provinz Drenthe. Hier ist 1899 ein Münzschatz entdeckt worden, dessen Zusammensetzung große Ähnlichkeit mit denen von i « S. o., S. 30. »67 Anhang Nr. I I I . »68 Anhang Nr. I I I , Nr. 1. 16« Ebenda, Nr. 2. 1 » Ebenda, Nr. 3. i « Ebenda, Nr. 2. 172 Ebenda, Nr. 1. " 3 Ebenda, Nr. 3. »M Ebenda, Nr. 2.
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Escharen und Wieuwerd aufwies. E r bestand aus, insgesamt 26 Goldmünzen, die in Konstantinopel, in Münzstätten des Rhöne-Sapne-Tales, in an der Maas gelegenen sowie in Mainz geprägt worden waren. Hinzu kommt, und dadurch unterscheidet er sich von den beiden anderen Funden, eine größere Anzahl von Münzen eines Ateliers, das sich im niederländisch-friesischen R a u m selbst befunden haben muß. Münzen aus dem Untersuchungsgebiet gehörten offensichtlich nicht zum Bestand des Schatzes. 1 7 5 E r ist, nach neueren Untersuchungsergebnissen, etwa zwischen 6 3 0 und 6 3 5 deponiert worden und also nur wenig jünger als der Fund von Wieuwerd. 1 7 6 Das Schatz von Möns gehört nur bedingt zur friesisch-niederländischen Fundgruppe, da dieser Ort in der belgischen Provinz Hennegau liegt. E r wurde 1820 entdeckt, und ist der Forschung nur lückenhaft bekanntgeworden. Seine Bildung dürfte um 6 4 0 abgeschlossen gewesen sein. 1 7 7 Soissons ist die einzige Siedlung des Untersuchungsgebietes, von der mit Sicherheit gesagt werden kann, daß eine hier geprägte Münze Eingang in den Schatz von Möns gefunden hat. E r enthielt neben in Narbonne geprägten westgotischen Münzen auch Münzen aus Rodez. 1 7 8 Zur Fundgruppe des Rhein-Maas-Gebietes gehören der Münzschatzfund von SaintA u b i n 1 7 9 und der von Fessenheim. Der Fund von Saint-Aubin bestand aus 28 merowingischen Trienlen. Aus dem Untersuchungsgebiet kamen je eine in Meaux (15) und in Vendeuvre (45a) und vielleicht je eine in Tours (113), Brulon (80) und Lieusaint (14) geprägte Münze. Außerdem wird wahrscheinlich die eine oder andere der 5 Pfalzmünzen ( P A L A T I MO) im Untersuchungsgebiet geschlagen worden sein. 1 8 0 Aus 5 verschiedenen Prägestätten des Saöne-, Mosel- und Maasgebietes 1 8 1 stammten 8 Münzen. Fessenheim liegt bei Straßburg; der hier gehobene Münzschatz 1 8 2 ist im vergangenen Jahrhundert entdeckt worden. Sein tatsächlicher Bestand ist nicht bekannt, da er nur .bruchstückhaft erhalten geblieben ist. E r soll aus 60 merowingischen Münzen bestanden haben, von denen ein großer Teil aus Straßburg, also aus der unmittelbaren Nähe des Fundortes, kam. Außerdem werden Boppard und Mainz als Prägeorte genannt. E s gibt kein Anzeichen dafür, daß Münzen des Untersuchungsgebietes zum Münzsehatz von Fessenheim gehört haben. Die Deponierung des Fundes wird auf etwa 645 angesetzt. 1 8 3 Die englische Fundgruppe umfaßt 3 Münzschatzfunde. Der älteste dieser 3, der von Sarre, 1 8 4 enthielt keine Münzen des Untersuchungsgebietes, sondern setzte sich ausschließlich aus soluli und Trienten zusammen, die in Marseille und Arles geprägt worden waren. 1 8 5 Zum Sehatz von Sutton 1 loo 1 8 6 gehörten insgesamt 37 merowingische Trienten, davon kam 175
LAFAURIE, E s c h a r e n ,
S. 175. DERSELBE, Wieuwerd,
176
LAFAURIE, E s c h a r e n ,
S.
177
DERSELBE, Wieuwerd,
S. 84.
176.
S. 88. DERSELBE, Routes, S.
254.
178 E b e n d a . 1™ A n h a n g Nr. I I I , Nr. 4. 180 E b e n d a . 181 E b e n d a . 1 82 Zusammenfassend ä u ß e r t sich zu diesem F u n d LAFAURIE, Fessenlieim, S. 4 3 2 ff. Der A u f s a t z von
LEITZMANN in der „ N u m i s m a t i s c h e n
n i c h t zugänglich. 183
LAFAURIE, F e s s e n h e i m ,
184 A n h a n g Nr. I I I , Nr. 5. 185 E b e n d a . 18« E b e n d a , Nr. 6.
38
S.
433.
Zeitschrift",
auf
den
LAFAURIE
verweist,
war
mir
j e einer aus 10 sicher identifizierten Prägeorten 1 8 7 des Untersuchungsgebietes; bei drei weiteren ist die Zuweisung nicht völlig gesichert. 1 8 8 E i n beträchtlicher Teil der Münzen s t a m m t e aus der Provence, dem Rhône-Saône-Gebiet sowie d e m Rhein-Mosel-Maas-Raum, eine ist in Quentowic g e p r ä g t worden. 1 8 9 Der letzte der zur englischen F u n d g r u p p e gehörenden Schätze, der Münzschatz von Crondall, 1 9 0 d ü r f t e seiner Entstehungszeit nach von d e n dreien der j ü n g s t e sein. E r bestand aus 101 Münzen, 19 d a v o n waren merowingische Trienten. Von diesen s t a m m t e n 2 aus dem Untersuchungsgebiet; der eine war in Paris, der andere in Amiens g e p r ä g t worden. 1 9 1 Aus Orten des Maas-Mosel-Gebietes bzw. a u s Chalonsur-Saône k a m e n 7 weitere, und ebenfalls insgesamt 7 1 9 2 waren in Q u e n t o w i c emittiert worden. N u r einer s t a m m t e aus Aquitanien, nämlich aus Rodez. Münzen aus der Provence fehlten völlig; d a f ü r enthielt der F u n d eine große Anzahl angelsächsischer Gepräge sowie einige in Friesland hergestellte Stücke. 1 9 3 I n s g e s a m t 10 Schatzfunde der östlichen und nördlichen Nachbargebiete 1 9 4 des Untersuchungsraumes sowie E n g l a n d s sind nach Auskünften befragt worden, die sie über den Geldumlauf des späten 6. und der ersten H ä l f t e des 7. J h . zu geben vermögen. Von diesen 10 Schatzfunden ließen sich in 4, nämlich in denen von Wieuwerd, Nietap, Fessenheim und Sarre, überhaupt keine Münzen des Untersuchungsgebietes nachweisen. Von den übrigen 6 enthielt der von Möns offensichtlich nur eine einzige Münze dieses Gebietes; in 3 weiteren, nämlich in denen von Escharen, Dronrijp und Crondall fanden sich Münzen von je 2 Siedlungen. Bei 8 der 10 F u n d e machten also, so wird dieses Ergebnis z u s a m m e n g e f a ß t werden dürfen, Gepräge des Untersuchungsgebietes rein zahlenmäßig einen auffallend geringen Anteil aus. Sie kamen zudem nahezu ausschließlich aus seinen nördlichen und seinen südlichen Grenzgebieten, aus Amiens, Soissons und Orléans. Eine A u s n a h m e hiervon m a c h t nur der eine Triens von Paris, der sich im S c h a t z von Crondall f a n d . Nur 2 S c h a t z f u n d e gibt es unter den 10, auf die diese Aussagen nicht zutreffen: der von Saint-Aubin und der von Sutton Hoo. In beulen befanden sich Münzen aus einer größeren Anzahl von Prägeorten des Untersuchungsgebietes, und in beiden Fällen waren unter diesen Orten mehrere, die eine räumlich zentrale L a g e einnahmen: Meaux und Lieusaint ('.') im Falle des F u n d e s von Saint-Aubin, Paris, Arpajon (5) und Sens im Falle des F u n d e s von Sutton Hoo. Da keiner dieser beiden Schätze außergewöhnlich groß war, läßt sich diese Besonderheit nicht einfach mit dem Hinweis auf eine höhere G e s a m t z a h l ihres Münzbestandes erklären. I n den 10 Schatzfunden lassen sich insgesamt nur Münzen aus 17 Orten des Untersuchungsgebietes nachweisen. Unter ihnen sind Siedlungen mit kontinuierlicher und mit ephemerer Prägung gleichermaßen vertreten. Paris, Amiens, Soissons, L a o n (?), Meaux, Lieusaint (?), Sens, Troyes, Orléans, Tours und Angers gehörten zu den Orten mit kontinuierlicher, R u a n , Brulon (?), Q u e s n e y , Arpajon, Chambly und Vendeuvre zu denen mit ephemerer P r ä g u n g . Den Aussagen der bisher untersuchten S c h a t z f u n d e ist demnach k a u m ein Hinweis zu entnehmen, der darauf hindeutet, daß Münzen, die in Siedlungen mit ephemerer P r ä g u n g Angers, Troyes, Ressons-sur-Matz, Montigny, Paris, Tremblay-les-Gonesse, Chemillv, Laon, Arpajon, Sens. 18« Gevellas, eine zweite Münze aus Angers und eine aus der Gegend von Le Mans. K® Anhang Nr. III, Nr. 6. IM Ebenda, Nr. 7. 191 Ebenda. 192 Ebenda. 193 Ebenda. 187
194 Zu den Fundmünzen im heutigen Belgien vgl. auch VERCAUTEREN, Monnaie, S. 280 f.
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ausgegeben worden sind, ihrer Funktion nach wesentlich verschieden von den anderen zu behandeln seien. Die Zahl der im niederländisch-friesischen R a u m , im Rhein-Maas-Gebiet und auf den britischen Inseln gefundenen Goldmünzen des Untersuchungsgebietes war, gemessen an der ausgegebenen Gesamtmenge, verschwindend gering. Besonders auffallend ist, daß auch die Plätze, die als Prägeorte eine überragende Bedeutung besaßen, also Paris, Orléans und Rouen, in den Münzschätzen der behandelten Fundgebiete nur sehr schwach vertreten sind. Weiter scheint beachtenswert, daß Gepräge aus den Randgebieten des Untersuchungsraumes häufiger in diesen Schätzen begegnen als die der zentraler gelegenen Münzorte. Besonders arm an im Untersuchungsgebiet geschlagenen Trienten sind die niederländischfriesische und die angelsächsische Fundgruppe. Das ist insofern wichtig, als diese Schätze zu den ältesten der bisher behandelten gehören. Die Auskünfte der Münzschätze begegnen sich mit denen der Einzelfunde. Sutherland führt unter den von ihm zusammengestellten Münzen einen von Eligius in Paris und zwei in Locus Sanctus, der wohl mit Lieusaint identisch ist, geprägte Trienten auf. 1 9 5 Bei Lafaurie finden sich Angaben zu einem in Irland gefundenen Trienten aus Le Mans. 1 9 6 Werner nennt einen bei Speyer gefundenen Trienten aus Orléans und einen weiteren, der in Laon geprägt und in der Gegend von Hannover entdeckt worden ist. 1 9 7 Die Auskünfte der Münzfunde veranlassen in ihrer Gesamtheit zu dem Schluß, daß Münzen des Untersuchungsraumes im späten 6. und in der ersten Hälfte des 7. J h . nur im geringen Maße in seine östlichen und nördlichen Nachbargebiete sowie in das angelsächsische England abflössen. Von einer wirklichen Zirkulation solcher Münzen in diesen Räumen kann gewiß nicht die Rede sein. Den bisher behandelten drei Fundgruppen, der niederländisch-friesischen, der des Maas-Rhein-Gebietes sowie der englischen, ist neben der bemerkenswerten Tatsache, daß Münzen des Untersuchungsgebietes nur einen sehr kleinen Teil ihres Bestandes ausmachten, eine zweite außerordentlich aufschlußreiche Erscheinung gemeinsam: Siedlungen des Rhône-Saône-, Mosel-Rhein- und Maas-Gebietes lieferten die weitaus meisten Stücke dieser Schätze. Eine in seinem Grundbestand weitestgehend ähnliche Zusammensetzung wies der einzige Münzschatz auf, der im Rhône-Saône-Raum selbst, nämlich in Buis, gefunden worden ist. 1 9 8 Mehr als die Hälfte aller Orte, von denen sich Münzen in diesem Schatz ermitteln ließen, lagen im Rhône-Saône-Tal oder im Maas-Mosel-Gebiet. Ihre Ateliers lieferten zudem weit mehr Münzen als die übrigen: Von Chalon-sur-Saône fanden sich allein 9, von Lyon 3, von Mâcon und Marseille je 2 Trienten im Schatz von Buis. 1 9 9 Nur 3 Münzen aus Orten des Untersuchungsgebietes ließen sich mit Sicherheit nachweisen, nämlich zwei in Troyes und ein in Soulas geprägter Triens. 2 0 0 Soulas (52) liegt etwa 15 Kilometer sö. von Orléans, wenig südlich der Loire. 2 0 1 Sollte es zutreffen, daß das von L e Gentilhomme nicht eindeutig bestimmte Petraficta mit Pierrefitte (57) identisch ist, so hätte aus der gleichen Gegend noch ein weiterer Triens den Weg in den Schatz von Buis genommen. 2 0 2 195
SUTHERLAND, Gold coinage, S. 24.
LAVAUBIE, Escharen, S . 185. «W WEBNEB, Grabfunde, S. 123. 198
Anhang Nr. III, Nr. 8. LE GENTILHOMME, Buis, S. 100. * » Anhang Nr. III, Nr. 8. * » Ebenda. Mi Karte Nr. 1. »2 Anhang Nr. III, Nr. 8. Karte Nr. 1. 188
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Trotzdem wäre die Zahl von 3 Prägeorten, die mit insgesamt 4 Münzen in dem Fund vertreten waren, außerordentlich gering, und die Beobachtung, daß aus dem Untersuchungsgebiet, vor allem aber aus seinen zentraleren Teilen, nur verschwindend wenige Münzen in seine östlichen und nördlichen Nachbargebiete gelangten, wird durch den Fund von Buis nachdrücklich bestätigt. Außerordentlich gering ist in diesem Fund auch die Zahl der Münzen aquitanischer Herkunft. Mit Sicherheit konnte Le Gentilhomme nur 2 Trienten dieser Provenienz bestimmen. Der eine kam aus Clermont, der andere aus Vrillé. 203 Es entsteht ein weitgehend anderes Bild, wenn die letzten beiden großen, ausschließlich aus Goldmünzen bestehenden Schatzfunde auf Aussagen zur Geldzirkulation und zur Bewegung der während des 7. J h . geprägten Goldmünzen geprüft werden. Die Münzschatzfunde von Baugisière 204 und von Bordeaux 2 0 5 wurden beide im westlichen bzw. im südwestlichen Frankreich entdeckt. Bei beiden liegt der Zeitpunkt, zu dem ihre Bildung abgeschlossen gewesen sein muß, in der zweiten Hälfte des 7. J h . Der Fund von Bordeaux 206 ist offensichtlich etwas jünger als der von Baugisière. 207 Beide Münzschätze bieten einer wissenschaftlichen Auswertung bis heute schwerwiegende Probleme; jedoch dürfte durch das von Lafaurie erarbeitete Verzeichnis der merowingischen Münzen des Fundes von Bordeaux 2 0 8 eine gesicherte Grundlage für die Behandlung der auf den vorangehenden Seiten aufgeworfenen Fragen vorhanden sein. Beim Fund von Baugisière mußte von den Angaben Le Gentilhommes 209 ausgegangen werden, die keine eingehendere Analyse bieten. Sein Verzeichnis nennt 62 Orte, von denen der Schatz von Baugisière Münzen enthielt. 210 Im Untersuchungsgebiet lagen 25 dieser Orte. Münzen aus Paris und Orléans waren in beträchtlicher Anzahl enthalten ; daneben werden solche aus Rouen, Le Mans, Rennes, Angers, Blois, Rezé, Essonnes, Soissons und Senlis genannt. 211 Sie begegnen in den Schätzen der bisher behandelten Fundgruppen überhaupt nicht oder nur als Ausnahmen. 212 Der Fund von Bordeaux enthielt Münzen von insgesamt 38 merowingischen Prägeorten, 9 davon lagen im Untersuchungsgebiet. 213 Mit einer auffallend großen Anzahl, nämlich mit 7 Trienten, war Rouen vertreten, aus Paris kamen nach den Angaben Lafauries 3. 214 Die westfranzösisch-aquitanische Fundgruppe, zu der die Münzschätze von Baugisière und Bordeaux zusammengefaßt werden können, unterscheidet sich demnach durch einige Eigenschaften erheblich von den 4 vorher behandelten. In den niederländisch-friesischen und in der englischen Fundgruppe sowie in der Fundgruppe des Rhône-Saône- und des Maas-Rhein-Raumes stellten Münzen des Untersuchungsgebietes eine Ausnahme dar, in der westfranzösisch-aquitanischen dagegen gehörten sie zum Grundbestand der Schatzfunde. In den Schätzen von Baugisière und von Bordeaux fanden sich Münzen einer großen Zahl von Prägeorten dieses Gebietes. Jeder der beiden enthielt Trienten der 6 bedeutendsten dieser Prägeorte: Paris, Orléans, Rouen, » 3 Anhang Nr. III, Nr. 8. a * Ebenda, Nr. 9. «K Ebenda, Nr. 10. 206 Ebenda, a » Ebenda, Nr. 9. » 8 Ebenda, Nr. 10. 209 LE GENTILHOMME, Buis, S. 98, Karte, sowie S. 114, Anni. 7. 2«> Anhang Nr. III, Nr. 9.
21» Ebenda.
212 S. o., S. 37 ff. Anhang Nr. III, Nr. 10. 2 « Ebenda.
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Tours, Le Mans und Angers; 2 1 5 Münzen des Untersuchungsgebietes m a c h t e n offensichtlich zudem auch ihrer absoluten Zahl nach einen erheblichen Anteil des F u n d e s von Baugisière aus. 2 1 6 In beiden Schätzen der westfränkisch-aquitanischen F u n d g r u p p e ü b e r t r a f e n Münzen aquitanischer H e r k u n f t zahlenmäßig die aus anderen Teilen des Merowingerreiches offensichtlich bei weitem. F ü r den F u n d von B o r d e a u x n e n n t Lafaurie allein 40 in dieser Siedlung selbst sowie 10 in Cahors geprägte Trienten. 2 1 7 Diese Tatsache überrascht insofern nicht, als sie m i t der Lage der F u n d o r t e korrespondiert: In der Nähe dieser F u n d orte tätige Münzstätten waren besonders stark an den hier gemachten S c h a t z f u n d c n beteiligt. Es ist jedoch außerordentlich aufschlußreich, d a ß aquitanische Münzen, die in der niederländisch-friesischen, der englischen, der F u n d g r u p p e des Rhein-Maas- und des Rhône-Saône-Gebietes ebensowenig ins Gcwicht fielen wie die des Untersuchungsgebietes, mit eben diesen Münzen im westfränkisch-aquitanischen F u n d r a u m gemeinsam a u f t r a t e n . Das gemeinsame A u f t r e t e n im einen F u n d r a u m deckt sich also mit dem gemeinsamen Fehlen in den anderen. 2 1 8 Mit dieser Feststellung haben die Ausführungen den P u n k t auf eine Eigentümlichkeit jener S c h a t z f u n d e einzugehen ist, nördlichen Nachbargebieten des Untersuchungsraumes sowie diesen F u n d e n dominierten eindeutigo Münzen aus Siedlungen o
erreicht, an dem nochmals die aus den östlichen u n d aus England kommen. In der Provence,' des Rhône-
Saône-Talcs und des Maas-Mosel-Rhein-Gebietes. 2 1 9 Es wird nun weder als ein bloßer Zufall noch schlechthin als ein Ergebnis lückenhafter Überlieferung gewertet werden können, daß, so wie die neustrisch-aquitanisclien Münzen in den Schätzen der g e n a n n t e n vier F u n d g r u p p e n entweder ü b e r h a u p t fehlten oder nur wenig ins Gewicht fielen, diejenigen, die hier vorherrschten, wiederum in der westfranzösisch-aquitanisehen F u n d g r u p p e eine Randerscheinung darstellten. A'ur Münzen aus Marseille, A u t u n und Chalon-sur-Saône sind bisher mit Sicherheit sowohl im F u n d von Baugisière als auch in dem von Bordeaux nachgewiesen worden. Die Gesamtzahl dieser Münzen war aber offenbar gering. Lafaurie nennt f ü r den F u n d von Bordeaux je einen in Autun u n d Chalon-sur-Saône sowie vier in Marseille geprägte Trienten. 2 2 0 Im F u n d von Baugisière fanden sich außer den in diesen drei Orten gefertigten E x e m p l a r e n auch Münzen aus Lyon. 2 2 1 F ü r keinen der beiden S c h a t z f u n d e ist dagegen bisher erwiesen, daß er Gepräge auch nur eines der am Rhein u n d an der Maas gelegenen Orte enthalten h ä t t e , in denen während der ersten H ä l f t e des 7. J h . geprägt worden ist. Weder Köln noch Maastricht werden genannt, und es fehlen auch die Münzen aus H u v . aus Verdun u n d aus Mainz. 222 Als einziger Münzort des gesamten Maas-Mosel-Rhein-Raumes war in der westfranzösisfch-aquitanischen F u n d g r u p p e offenbar Trier vertreten, denn zum Münzschatz von Baugisière soll ein in dieser civitas geprägter Triens gehört haben. 2 2 ' Daß bei diesen Erscheinungen k a u m an Zufälligkeiten gedacht werden kann, verdeutlicht schließlich nicht zuletzt die Tatsache, 2'"' E b e n d a , N r . 9 u n d Nr. 10. 2'« E b e n d a , Nr. 9. 21? E b e n d a , Nr. 10. 218
V g l . LAFAURIE, E s c h a r e n , S. 191 ff., s o w i e die K a r t e e b e n d a , S. 192.
2'9 S. o „ S. 37 ff. 220 A n h a n g N r . III, Nr. 10. 221 E b e n d a , N r . 9. 222 M ü n z e n a u s K ö l n e n t h i e l t e n die F u n d e v o n E s c h a r e n u n d D r o n r i j p , M ü n z e n a u s Maastricht die v o n E s c h a r e n , W i e u w e r d , D r o n r i j p u n d B u i s . M ü n z e n a u s H u y f a n d e n sich i n E s c h a r e n , i n D r o n r i j p u n d S u t t o n H o o , M ü n z e n a u s V e r d u n in S a i n t - A u b i n , aus Mainz in D r o n r i j p ; e b e n d a , Nr. 1, 2, 3, 4, 6 u n d 8. 223 E b e n d a , N r . 9.
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d a ß o f f e n s i c h t l i c h a u c h Münzen b y z a n t i n i s c h e r H e r k u n f t sowie I m i t a t i o n e n solcher M ü n z e n in d e r w e s t f r a n z ö s i s c h - a q u i t g j n i s c h e n F u n d g r u p p e n u r g a n z selten v o r k a m e n . 2 2 4 D a s E r g e b n i s d e r A n a l y s e , die v o r g e n o m m e n w u r d e , u m die U m l a u f g e b i e t e d e r T r i e n t e n z u e r m i t t e l n , l ä ß t sich z u s a m m e n f a s s e n : D i e S c h a t z f u n d e bieten n u r s c h w a c h e A n h a l t s p u n k t e d a f ü r , d a ß M ü n z e n des U n t e r s u c h u n g s g e b i e t e s in B u r g u n d , im M a a s g e b i e t , in d e n r e c h t s r h e i n i s c h e n Teilen d e s Merowingerreiches, in F r i e s l a n d u n d im a n g e l s ä c h s i s c h e n E n g l a n d u m g e l a u f e n o d e r in größerer Zahl in d i e s e G e b i e t e a b g e f l o s s e n seien. E i n einziger S c h a t z f u n d , n ä m l i c h d e r bei S u t t o n H o o in d e r englischen G r a f s c h a f t S u f f o l k e n t d e c k t e , wies eine Z u s a m m e n s e t z u n g a u f , die v o n diesen E r g e b n i s s e n s t a r k a b w e i c h t . E r enthielt, u n d z w a r in einem a u f f a l l e n d a u s g e w o g e n e n V e r h ä l t n i s , sowohl M ü n z e n a u s N e u s t r i e n u n d a u s A q u i t a n i e n als a u c h solche a u s d e m R h o n e - S a ö n e - R a u m u n d a u s den G e b i e t e n u m Maas und Rhein.225 G e r a d e d e r F u n d v o n S u t t o n H o o stellt j e d o c h n i c h t n u r wegen seiner Z u s a m m e n s e t z u n g eine S o n d e r e r s e h e i n u n g d a r . D e r S c h a t z ist kein „ m e r c h a n t ' s h o ä r d " , 2 2 6 s o n d e r n ein G r a b f u n d . E r ist d e r einzige aller a u s g e w e r t e t e n F u n d e , d e r a l s solcher g a n z e i n d e u t i g b e k a n n t ist. 2 2 7 D a s G r a b , d a s als K ö n i g s g r a b g e d e u t e t w i r d , 2 2 8 enthielt neben d e n M ü n z e n eine u n g e w ö h n l i c h reiche A u s s t a t t u n g . 2 2 9 S c h o n allein die T a t s a c h e , d a ß es sich bei d e m S c h a t z v o n S u t t o n I I o o u m einen G r a b f u n d h a n d e l t , läßt es n i c h t zu, seinen M ü n z b e s t a n d a l s d i r e k t e s S p i e g e l b i l d einer u m die Zeit seiner D e p o n i e r u n g v o r sich g e h e n d e n M ü n z z i r k u l a t i o n z u w e r t e n . 2 ' 0 A n d e r e M o m e n t e , die den A u s s a g e w e r t dieses F u n d e s erheblich m i n d e r n , k o m m e n hinzu. S o m u ß es u n b e d i n g t a u f f a l l e n , u n d es ist m i t g u t e m G r u n d auf diesen U n i s t a n d a u f m e r k s a m g e m a c h t w o r d e n , 2 , 1 d a ß sich v o n j e d e m d e r m e r o w i n g i s c h e n P r ä g e o r t e — der S c h a t z enthielt ausschließlich m e r o w i n g i s c h e T r i e n t e n — n u r eine einzige M ü n z e f a n d u n d d a ß die Zahl v o n 37 Münzen d u r c h 3 M ü n z p l a t t e n so erg ä n z t worden ist, d a ß sieh die G e s a m t z a h l v o n 4 0 e r g a b . 2 3 2 E s i s t z u d e m w a h r s c h e i n l i c h , d a ß d e r M ü n s e h a t z , d e r neben einer Vielzahl a n d e r e r G o l d s c h m i e d e a r b e i t e n u n d weiterer w e r t v o l l e r G e g e n s t ä n d e z u r A u s s t a t t u n g d e s G r a b e s g e h ö r t e , bereits im Merovvingerreich g e s a m m e l t u n d als G e s c h e n k in d a s a n g e l s ä c h s i s c h e E n g l a n d g e b r a c h t w o r d e n i s t . 2 3 3 S o sehr also d a s S c h i f f s g r a b v o n S u t t o n H o o d i e A r c h ä o l o g i e b e r e i t s b e s c h ä f t i g t h a t , so sehr es sie wahrscheinlich noch b e s c h ä f t i g e n wird u n d so wesentlich seine A u s k ü n f t e i n s g e s a m t sein m ö g e n , so liegt d o c h kein a u s r e i c h e n d e r G r u n d vor, w e g e n d e r A u s s a g e n d e s M ü n z b e s t a n d e s g e r a d e d i e s e s F u n d e s die ihnen r e c h t e i n d e u t i g e n t g e g e n s t e h e n d e n A u s s a g e n einer Vielzahl a n d e r e r in F r a g e zu stellen. Die m u t m a ß l i c h e A r t u n d Weise d e r A n h ä u f u n g d ü r f t e es g e m e i n s a m m i t seiner außergewöhnlichen Z u s a m m e n s e t z u n g v i e l m e h r u n m ö g l i c h m a c h e n , ihn als r e p r ä s e n t a t i v f ü r die Zirkulation m e r o w i n g i s c h e r T r i e n t e n z u w e r t e n . 224 Ebenda, Nr. 9 und Nr. 10. Auf das Fehion solcher Goldmünzen im gesamten Frankreich macht auch LAFATJRIE, Kscharen, S. 180f., aufmerksam. 223 Ebenda, Nr. 6. 220
BRTJCE-MITFORD, S u t t o n - H o o , S . 56.
227 Anhang Nr. III, Nr. 1 - 1 0 . Vgl. BRUCE-MITFORD, Sutton lloo, S. 56. 228 Ebenda. 229 Ebenda, S. 15 ff. 2 3 0 E b e n d a , S. 56. BRUCE-MITFORD hält es für wahrscheinlich, daß E a s t Anglia zu der Zeit, zu der das Schiffsgrab angelegt wurde, noch außerhalb jenes Teils des angelsächsischen England lag, in dem Münzen geprägt wurden, oder zumindest zirkulierten. Vgl. SUTHERLAND, Gold coinage, S. 67 ff. 231
BRUCE-MITFORD, S u t t o n FIoo, S . 56.
232 E b e n d a , S.. 56 ff. . 2 3 3 E b e n d a , S. 56 und S. 59.
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Für die Trienten, die aus neustrischen und aquitanischen Münzorten kamen, war das gemeinsame Auftreten in den Schatzfunden des westfranzösisch-aquitanischen Raumes sowie das gemeinsame Fehlen in den Schätzen der übrigen Fundgruppen charakteristisch. Es ließ sich dagegen nicht feststellen, daß sich die Münzen, die aus Orten mit ephemerer Prägung kamen, in dieser Beziehung grundsätzlich anders verhalten hätten als diejenigen, die aus Orten mit kontinuierlicher Prägung stammten. Die Gemeinsamkeiten in der Zirkulation neustrisch-aquitanischer Goldmünzen lassen die Frage entstehen, ob hier nicht etwas sichtbar wird, was mit der nötigen Zurückhaltung als ein gemeinsames Wirtschaftsgebiet bezeichnet werden kann, denn es müssen ökonomische Beziehungen bestanden haben, die durch Münzgeld vermittelt bzw. realisiert worden sind. Die Münzschätze der niederländisch-friesischen und der englischen Fundgruppe sowie der Fundgruppen des Rhône-Saône- und des Maas-Rhein-Raumes enthielten neben Münzen von in diesen Gebieten selbst liegenden merowingischen Prägestätten mit großer Regelmäßigkeit Münzen byzantinischer Herkunft bzw. in südgallischen Ateliers gefertigte Imitationen solcher Münzen. 234 Eine Ausnahme hiervon machen neben dem eine Sonderstellung einnehmenden Fund von Sutton Hoo nur die Münzschätze von Dronrijp und Saint-Aubin 235 sowie der sehr unvollkommen beschriebene Schatzfund von Fessenheim bei Straßburg. 236 Seit die Forschung intensiv darum bemüht ist, das für die Beantwortung entsprechender Fragen grundlegende numismatische Material umfassend und systematisch zu nutzen, wird das gemeinsame Auftreten von Münzen, die aus dem Byzantinischen Reich kamen, und von merowingischen Münzen aus der Provence, dem Rhône-Saône-Tal, dem Rheinund Maas-Gebiet als Anzeichen der Existenz eines Verkehrs- und Handelsweges gedeutet, der den Vorderen Orient und das Mittelmeerbecken mit dem friesisch-angelsächsischen Raum verband. 237 Die Münzschatzfunde lassen mit Sicherheit erkennen, daß im späten 6. und während der ersten Hälfte des 7. J h . zwischen byzantinisch-vorderorientalischen und west- sowie nordwesteuropäischen Gebieten Güter getauscht wurden. Dieser Tausch vollzog sich über einen Weg, der östlich des Untersuchungsgebietes, aber auch östlich von Aquitanien verlief. 238 Eine eingehende Beschäftigung mit diesen Beziehungen gehört selbstverständlich nicht zum Problemkreis dieser Arbeit. Ihre Thematik erfordert es aber zu fragen, ob, in welcher Weise und in welchem Ausmaß das Untersuchungsgebiet an diesen Beziehungen teilhatte. Sie schließt außerdem die Fragen nach der Bedeutung ein, die diese Beziehungen gegebenenfalls für die Wirtschaft des Untersuchungsgebietes besaßen, und welche Auskunft sie über den Charakter dieser Wirtschaft zu geben vermögen. Es liegt auf der Hand, daß mit diesen Fragen der große Komplex jener Hypothesen berührt wird, deren Begründung mit dem Namen Pirennes verknüpft ist. Drei Gründe vor allem bewegen zu der Aussage, daß die vorgestellten Münzschatzfunde wenig über Beziehungen erkennen lassen, die das Untersuchungsgebiet mit dem Mittelmeer im allgemeinen und mit dem byzantinisch-vorderorientalischen Raum im besonderen verbunden hätten. 23* Anhang Nr. III, Nr. 1 (Escharen), Nr. 2 (Wieuwerd), Nr. 5 (Sarre), Nr. 7 (Crondall) und Nr. 8 (Buis); LAFAURIE, Routes, S. 254 (Möns). » 5 Anhang Nr. III, Nr. 3 und 4. M« S. o., S. 38. 237 LAFAURIE, Escharen, S. 188ff. DERSELBE, Routes, S. 247f. und S. 254. LAFAURIE u. a., Wieuwerd, S. 86 ff. Vgl. ADELSON, Routes, S. 271 ff. VÖLCKERS, Münzfunde, S. 31. 238 Vgl. ZADOKS-JOSEFHUS JITTA, Muntslag, S. 6 ff. SUTHERLAND, Gold coinage, S. 22 ff. LAFAURIE, Escharen, S. 187 ff. DERSELBE, Pièces, S. 297.
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An erster Stelle ist hier ein weiteres Mal darauf hinzuweisen, daß in der westfranzösischaquitanischen Fundgruppe byzantinische Münzen ganz fehlten, daß aber auch Münzen, die in den bedeutenden Prägeorten der Provence und des Rhône-Saône-Gebietes geschlagen worden sind, offensichtliche Ausnahmen darstellten. 239 Das ändert sich selbst dann nicht grundlegend, wenn auch die bisher für das Untersuchungsgebiet und Aquitanien bekanntgewordenen Funde einzelner Goldmünzen berücksichtigt werden. 240 Weiter ist hier der Ort, auf eine Erscheinung einzugehen, die schon in der Beweisführung Pirennes eine gewisse Rolle spielte: Pirenne war der Meinung, daß es bis zur Karolingerzeit eine den griechischen Osten und den von Germanen eroberten Westen verbindende, auf dem Gold basierende Währungseinheit gegeben habe. Er glaubte, daß die erobernden Germanen durch wirtschaftliche Notwendigkeiten gezwungen gewesen seien, das römische Geldsystem beizubehalten, und er verwies, um seine Hypothesen zu stützen, auf die Erscheinung bestimmter Imitationen. 2 4 1 Im späten 6. und während der ersten Hälfte des 7. J h . war es in einigen merowingischen Prägestätten üblich, Münzen zu imitieren. Diese Imitationen folgten den Vorbildern zweier Münzgruppen, nämlich einmal den Münzen der oströmisch-byzantinischen Kaiser und zum anderen denen bestimmter Ateliers der Provence und des Rhône-Saône-Tales. 242 Es ist bereits gesagt worden, daß Imitationen oströmisch-byzantinischer Münzen in den meisten Schätzen der niederländisch-friesischen und der englischen Fundgruppe enthalten waren. 243 Sie fehlten dagegen in den beiden großen, wohl in der zweiten Hälfte des 7. Jh. verborgenen westfranzösisch-aquitanischen Funden. 2 4 4 Angefertigt wurden solche Imitationen überwiegend, wenn nicht sogar ausschließlich, in den provençalischen Münzorten sowie in denen des Rhône-Saône-Tales. 245 Die Ateliers von Marseille, Arles, Uzès und Viviers waren anscheinend am weitaus stärksten an der Prägung dieser pseudoimperialen Münzen beteiligt; diese kamen aber auch aus Venasques, Valence, Vienne, Die (Drôme). 246 Es muß unbedingt auffallen, daß solche Imitationen allem Anschein nach in den aquitanischen Ateliers und in den Ateliers des Untersuchungsgebictes überhaupt nicht hergestellt worden sind. Die Imitationen der zweiten Gruppe sind auf Münzen provençalischer Orte gefertigt. Münzen von Marseille und Arles dienten diesen Imitationen vor allem als Vorbild. Sie entstanden vorzugsweise in Prägeorten des Rhône-Saône-Tales sowie des Maas- und des Niederrheingebietes. 247 Von der großen Anzahl der Prägeorte des Untersuchungsgebietes ist dagegen bisher nur für Troyes, Soissons und Voncq, also ausschließlich für Siedlungen des äußersten Ostens und Nordostens, belegt, daß sie diese Imitationen in Umlauf brachten. 248 239 S. o., S. 41 f. LAFAURIE, E s c h a r e n , S. 1 9 1 ff. P I R E N N E , G e b u r t , S. 1 0 1 ff. 2 « A D E L S O N , R o u t e s , S . 2 7 6 u n d S . 2 8 2 f.
2« S. o„ S. 44. 2M S . o., S . 41 f. 245 ADELSON, Routes, S. 282. PROU, Monnaies mérovingiennes, S. X V ff. 2« Ebenda. 247 LAFAURIE, Escharen, S. 182, nennt Saint-Jean-de-Maurienne, Vienne, Màcon, Chalon-surSaône, Langres, Voncq und Tiel. 2*8 Ebenda. VERCAUTEREN, Étude, S. 117 f. und S. 449. LE GENTILHOMME, Monnayage, S. 25ff. Die von LE GENTILHOMME am gleichen Ort zusammengestellten Nachweise von Siedlungen, an denen Münzen v o n Chalon imitiert worden sind, läßt das Maas-Mosel-Rhein-Gebiet ganz stark in den Vordergrund treten.
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D i e B e o b a c h t u n g e n z u r L a g e j e n e r Orte, v o n d e n e n d i e I m i t a t i o n e n d e r o s t r ö m i s c h b y z a n t i n i s c h e n M ü n z e n einerseits, d e r p r o v c n g a l i s c h e n a n d e r e r s e i t s v o r allem a u s g i n g e n , k o r r e s p o n d i e r t also m i t d e n A u s s a g e n d e r G o l d m ü n z f u n d e d e s s p ä t e n 6. u n d d e s 7. J h . u n d m i t d e r r ä u m l i c h e n V e r t e i l u n g b e s t i m m t e r F u n d m ü n z e n . S i e lassen e b e n s o wie d a s räumliche Auftreten oströmisch-byzantinischer und provenfalischer Münzen erkennen, d a ß eine V e r b i n d u n g b e s t a n d , die d e n V o r d e r e n O r i e n t , die P r o v e n c e u n d d a s R h ó n e - S a ò n e T a l mit dem Maas-Rhein-Gebiet, Friesland und dem angelsächsischen England verband. S i e d e u t e n d a g e g e n k a u m d a r a u f hin, d a ß d a s U n t e r s u c h u n g s g e b i e t u n d A q u i t a n i e n in diese Verbindung einbezogen gewesen wären. Schließlich ist d r i t t e n s e r n e u t a n z u f ü h r e n , d a ß j e n e F u n d g r u p p e n , denen die F o r s c h u n g b i s h e r v o r allem ihr W i s s e n v o n d e r E x i s t e n z eines n o r d w e s t e u r o p ä i s c h - v o r d e r o r i e n t a l i s c h e V e r k e h r s w e g e s v e r d a n k t , also die n i e d e r l ä n d i s c h - f r i e s i s c h e u n d die englische sowie die F u n d g r u p p e n d e s R h ò n e - S a ò n e - u n d M a a s - R l i e i n - G e b i e t e s , a u f f a l l e n d wenige M ü n z e n enthielt, die a u s n e u s t r i s c h e n o d e r a u s a q u i t a n i s e h e n P r ä g e o r t e n k a m e n . 2 4 9 Die A n a l y s e j e n e r S e h a t z f u n d e d e s 7. J h . , die m e r o w i n g i s c h e G o l d m ü n z e n e n t h i e l t e n , ging von der F r a g e nach den Umlaufgebieten der Münzen des Unlersuehungsgebietes a u s . S i e w u r d e a b g e l e i t e t v o n d e r B e o b a c h t u n g , d a ß in d e r Zeit, in d e r hier G o l d m ü n z e n g e p r ä g t w u r d e n , zwei T y p e n v o n P r ä g e o r t e n e x i s t i e r t e n : N e b e n einer kleinen A n z a h l v o n O r t e n m i t k o n t i n u i e r l i c h e r P r ä g e l ä l i g k e i t ließ sieh eine große A n z a h l v o n S i e d l u n g e n erm i t t e l n , in d e n e n o f f e n s i c h t l i c h n u r v o r ü b e r g e h e n d , z u m e i s t m e h r oder w e n i g e r k u r z f r i s t i g , Münzen g e s e h l a g e n w o r d e n sind. E s z e i g t e sieh, d a ß die G o l d l r i e n t e n nicht i n n e r h a l b des g e s a m t e n p o l i t i s c h - s t a a t l i c h e n V e r b a n d e s des M e r o w i n g e r r e i c h e s umliefen, s o n d e r n d a ß ihr eigentliches Z i r k u l a t i o n s g e b i e t a u f einen Teil dieses V e r b a n d e s b e s c h r ä n k t g e b l i e b e n ist. Die S e h a l z f u n d e lassen e r k e n n e n , d a ß im U n t e r s i i e l u i n g s g e b i e t g e p r ä g t e T r i e n t e n in einem R a u m uniliefen, d e r sich e t w a v o n d e r S o m m e bis zu d e n P y r e n ä e n und v o n d e r A l l a n t i k k i i s t e bis z u m O b e r l a u f d e r M a r n e und d e r L o i r e e r s t r e c k t e . D a s E i n z u g s g e b i e t d e s M ü n z s c h a l z e s v o n B a u g i s i è r e u m f a ß t e den g e s a m t e n U n l e r s u e h u n g s r a i m i . Iis r e i c h t e von R o n e n im .Nordwesten ü b e r S o i s s o n s bis nach R e i m s im O s t e n , v o n Sainl-L u n d K e i m e s bis an die M a r n e u n d an die m i t t l e r e S e i n e . N u r ein kleines T e i l g e b i e t d e s zu u n t e r s u c h e n d e n R a u m e s , d a s z w i s c h e n o b e r e r M a r n e u n d Y o n n e gelegen w a r , n a h m vielleicht eine S o n d e r s t e l l u n g ein. M ü n z e n et o ' e a u s T r o y e s , S o n s , A u x e r r e , A r e i s - s u r - A u b e , A v a l i o n usw. w a r e n o f f e n s i c h t l i c h n i c h t im F u n d v o n B a u goi s i è r e e n t h a l t e n . S ü d l i c h d e r L o i r e k o n z e n t r i e r t e n sich die P r ä og e o r l e7, d e r e n T r i e n t e n in d e n S c h a t z E i n g a n g g e f u n d e n h a t t e n , b e s o n d e r s a u f f a l l e n d z w i s c h e n Vienne u n d D o r d o g n e . 2 5 0 D e r F u n d v o n B o r d e a u x e r f a ß t d e n U n t e r s u e h u n g s r a u m m i t seinem M ü n z b e s t a n d n i c h t g a n z so v o l l s t ä n d i g wie d e r v o n B a u g i s i è r e . I m m e r h i n reicht a u c h sein E i n z u g s g e b i e t noch v o n R o u e n , A v r a n e h e s u n d P o r t - S a i n t - P e r e im W e s t e n b i s n a c h P a r i s u n d O r l é a n s , u n d er schloß S é e z , Le M a n s , A n g e r s u n d T o u r s m i t ein. D e r ä u ß e r s t e S ü d e n d e s M e r o w i n g e r reiches g e h ö r t e wohl enger z u m E i n z u g s g e b i e t d i e s e s F u n d e s a l s z u d e m v o n B a u g i s i è r e . 2 5 1 Die A u s s a g e n d e r j e n i g e n
S c h a t z f u n d e , die z u einer n i e d e r l ä n d i s c h - f r i e s i s c h e n ,
einer
englischen, einer w e s l f r a n z ö s i s c h - a q u i t a n i s e h e n F u n d g r u p p e sowie z u d e n F u n d g r u p p e n des Rhein-Maas- und des Saöne-Rhöne-Gebietes zusammengefaßt worden sind, lassen d a g e g e n k a u m d e n S c h l u ß z u , d a ß die im U n t e r s u c h u n g s g e b i e t e m i t t i e r t e n T r i e n t e n im burgundisch-provengalischen
Raum
oder
im
Maas-Rhein-Gebict
« 9 S. o., S. 37 ff. 250 LE GENTILHOMME, ü u i s , K a r t e auf S. 98. Anhang Nr. III, Nr. 9. 2 5 1 HIGOUNET, B o r d e a u x , K a r l e auf S. 231. Anhang Nr. III, Nr. 10.
46
wirklich
umgelaufen
w ä r e n , u n d sie s p r e c h e n g e r a d e z u g e g e n die A n n a h m e , d a ß es eine Z i r k u l a t i o n
dieser
M ü n z e n in den ö s t l i c h d e s R h e i n s g e l e g e n e n T e i l e n des M e r o w i n g e r r e i c h e s , in F r i e s l a n d u n d im a n g e l s ä c h s i s c h e n E n g l a n d g e g e b e n h ä t t e . E s k a n n w o h l n i c h t e i n m a l d a v o n g e s p r o c h e n w e r d e n , d a ß sie in n e n n e n s w e r t e m M a ß e in diese G e b i e t e a b g e f l o s s e n w ä r e n . S o w e i t sich a u s d e r Z u s a m m e n s e t z u n g d e r S c h a t z f u n d e u n d a u s d e r L a g e d e r e i n z e l n e n P r ä g e o r t e A u f s c h l ü s s e ü b e r die F u n k t i o n d e r m e r o w i n g i s c h e n M ü n z e n g e w i n n e n wird f e s t g e s t e l l t w e r d e n
d ü r f e n , d a ß die G o l d t r i e n t e n
offensichtlich
lassen,
Beziehungen
ver-
m i t t e l t e n , die d a s U n t e r s u c h u n g s g e b i e t m i t A q u i t a n i e n b z w . m i t den s ü d w e s t l i c h e n T e i l e n des M e r o w i n g e r r e i c h e s v e r b a n d e n . D i e S c h a t z f u n d e l a s s e n e r k e n n e n , d a ß N e u s t r i e n u n d A q u i t a n i e n w ä h r e n d d e r e r s t e n H ä l f t e des 7. J h . d u r c h w a r e n w i r t s c h a f t l i c h e B e z i e h u n g e n v e r k n ü p f t w a r e n , die m i t H i l f e v o n G e l d in G e s t a l t d e r G o l d m ü n z e n v e r m i t t e l t w o r d e n s i n d . S i e d e u t e n e t w a s wie e i n e n n e u s t r i s c h - a q u i t a n i s c h e n W i r t s c h a f t s r a u m a n . B i s h e r ist k e i n G o l d m ü n z e n e n t h a l t e n d e r F u n d v o n e i n i g e r G e w i c h t i g k e i t 2 5 2
bekannt-
g e w o r d e n , dessen F u n d o r t im U n t e r s u c h u n g s g e b i e t s e l b s t g e l e g e n h ä t t e . D i e s e a u f f a l l e n d e F u n d l e e r e , die a u c h d u r c h die wenigen h i e r e n t d e c k t e n E i n z e l m ü n z e n f r e m d e r H e r k u n f t n i c h t a u s g e f ü l l t wird, d e u t e t , k o m b i n i e r t m i t d e r T a t s a c h e , d a ß in P r ä g e o r t e n des U n t e r s u c h u n g s g e b i e t e s g e f e r t i g t e M ü n z e n in g r o ß e r Zahl im s ü d w e s t l i c h e n F r a n k r e i c h g e f u n d e n w u r d e n , d a r a u f hin, d a ß d e n T r i e n t e n die T e n d e n z eigen w a r , in den z w i s c h e n u n t e r e r L o i r e und Pyrenäen gelegenen R a u m
abzufließen.253
E s d e u t e t n i c h t s d a r a u f h i n , d a ß sich die in O r l e n m i t k o n t i n u i e r l i c h e r u n d die in O r t e n mit ephemerer Prägung ausgegebenen
Münzen
in d e r Z i r k u l a t i o n u n t e r s c h i e d l i c h
ver-
h a l t e n h ä t t e n . D a s , w a s ü b e r die Z i r k u l a t i o n s s p h ä r e d e r M ü n z e n g e s a g t w u r d e , t r i f f t a u f alle g l e i c h e r m a ß e n zu. D e m V e r z e i c h n i s L e G e n t i l h o m r n e s ist zu e n t n e h m e n , d a ß sieh im S c h a t z v o n B a u g i s i e r e T r i e n t e n a u s i n s g e s a m t 2 5 M ü n z o r t e n des U n t e r s u c h u n g s g e b i e t e s b e f u n d e n h a b e n müssen. 2 j / | Von diesen 2 5 g e h ö r t e n l/i zu den O r t e n , in d e n e n h ö c h s t w a h r s c h e i n l i c h
kontinuierlich
M ü n z e n g e s c h l a g e n w u r d e n . 2 ' 5 Die übrigen 11, also e t w a s w e n i g e r als die H ä l f t e , d ü r f t e n zu den S i e d l u n g e n m i t e p h e m e r e r P r ä g u n g g e h ö r t h a b e n . D e r F u n d v o n B o r d e a u x e n t h i e l t Trienten v o n i n s g e s a m t
9 S i e d l u n g e n des U n t e r s u c h u n g s g e b i e t e s , 2 5 " (i d a v o n ,
nämlich
R o n e n . T o u r s , Le Ylans, A n g e r s , O r l e a n s und P a r i s , w a r e n O r t e m i t e i n d e u t i g b e l o g b a r e r kontinuierlicher Prägung.257 A u c h die Z u s a m m e n s e t z u n g d e r M ü n z s e h ä l z c d e r ¡ihrigen F u n d g r u p p e n s p r i c h t n i c h t d a f ü r , d a ß die U m l a u f g e b i e t e d e r T r i e n t e n a u s O r t e n i n i l k o n t i n u i e r l i c h e r P r ä g u n g g r u n d s ä t z l i c h a n d e r s b e s c h a f f e n g e w e s e n w ä r e n als die d e r ü b r i g e n . 252
Kinc Ausnahme macht ein Sehatz von wenigen Münzen, der wohl in der Umgebung von Orleans gefunden worden ist. Kr soll um 620 vergraben worden sein und ausschließlich Münzen aus der Gegend des Fundortes enthalten haben. Vgl. LAFATJRIE, Routes, S. 249. DERSELBE, Escharen,
253
S. 173. Dieses JJild ähnelt der Situation, die UÄVERNICK als charakteristisch für die deutschen Verhältnisse von 940 bis etwa 1125 bescheibt: Trotz zahlreicher Münzstätten und bekannter Ausprägungen nur sehr wenige Inlandfunde, meist mit Gepräge» der nächsten Münzstätten und fast ohne fremde Beimischungen. HÄVERNICK, Kpochen, S. 7, Anm. 7.
Vgl. die Angaben im Anhang Nr. I I I , Nr. 9. E b e n d a : Rouen, Tours, Lc Maus, Noyen-sur-Sarllie, Reimes, Angers, Rlois, Vendöme, Orleans, Paris, Essonnes, Soissons, Seiiiis, Reze. 256 E b e n d a , Nr. 10. 257 S. O., S. 22 ff. 254
255
47
2. Die P h a s e der Silberprägung I m Verlaufe des 7. J h . vollzog sich im merowingischen Geldwesen eine W a n d l u n g , die bereits Karl Theodor von Inama-Sternegg als ein „Ereignis von eminent nationalökonomischer B e d e u t u n g " bezeichnete: 2 5 8 Die Goldwährung wurde durch die Silberwährung v e r d r ä n g t ; an die Stelle des goldenen Trienten t r a t der silberne Denar. Das geschah im Verlaufe eines Zeitraumes, der etwa vom Anfang des zweiten Viertels bis zum E n d e des 7. J h . reichte. 2 5 9 Die P r ä g u n g des Denars setzte nicht überall zur gleichen Zeit ein; die Emission der Trienten wurde an den verschiedenen Plätzen des Merowingerreiches u n t e r schiedlich lange fortgesetzt. F ü r die I n t e r p r e t a t i o n des gesamten Vorganges d ü r f t e die Tatsache nicht unwesentlich sein, d a ß die Ateliers der Provence offensichtlich am längsten an der Emission der Trienten festhielten u n d d a ß sie im Rheingebiet länger beibehalten wurde, als in den westlicher gelegenen Teilen des Merowingerreiches. 2 6 0 Insgesamt gesehen soll das Silber u m 680 im Zahlungsverkehr bereits überwogen haben. 2 6 1 Diese Datierung wird durch die Zusammensetzung d e r in das 8. J h . gehörenden Münzs c h a t z f u n d e bestätigt. Die ältesten dieser F u n d e , die etwa zwischen 720 u n d 730 vergraben worden sind, bestehen bereits ausschließlich aus Denaren. 2 6 2 Das Problem des Uberganges von der Geld- zur Silberwährung, die ökonomischen, sozialen u n d politischen F a k t o r e n , die diesen Wechsel verursacht haben d ü r f t e n , sind bisher in der L i t e r a t u r nicht speziell u n d eingehend behandelt worden. Sie werden jedoch in einer großen Anzahl von Arbeiten wirtschaftsgeschichtlicher, numismatischer oder auch allgemeinhistorischer N a t u r b e r ü h r t . Drei Grundvorstellungen, die m i t u n t e r einander gegenübergestellt, bisweilen aber auch miteinander v e r k n ü p f t werden, spielen in den entsprechenden Gedanken, H y p o t h e s e n u n d Lehrmeinungen gegenwärtig eine besondere Rolle. 263 Die erste geht von der V e r m u t u n g aus, d a ß f ü r den Ubergang von der Gold- zur Silberwährung eine allmähliche Verringerung des Goldvorrates, der im Merowingerreich u n d in anderen westeuropäischen Gebieten zur Verfügung stand, verantwortlich zu machen sei. 264 Das Silber wäre d e m n a c h sozusagen aus Mangel an die Stelle des Goldes getreten. Neben dem Versiegen des Goldzuflusses 2 6 5 wird häufig das Abfließen des Edelmetalles — Bloch 258
259
INAMA-STERNEGO, W i r t s c h a f t s g e s c h i c h t e , S. 620. LAFATJRIE, Monnaies d'argent, S. 115, b e z e i c h n e t den V o r g a n g als „ r é v o l u t i o n économique". HÄVERNICK, E p o c h e n , S. 5, sagt, d a ß der D e n a r u m 6 3 0 v o n den F r a n k e n g e s c h a f f e n w o r d e n sei. Vgl. : DERSELBE, M ü n z r e f o r m e n , S. 146. Zur D a t i e r u n g des Überganges v o n der Gold- zur Silberwährung, v g l . weiter SUHLE, Münz- u n d Geldgeschichte, S. 25 ; VÖLCKERS, M ü n z f u n d e , S . 3 1 f . ; LAFATJRIE, E s c h a r e n , S . 1 7 1 ; L E GENTILHOMME, M o n n a y a g e , S . 5 1 ; G M E R S O N ,
Com-
merce, S. 125. VERCAUTEREN, Monnaie, S. 2 8 4 ; NATT, S t a d t u n d Münze, S. 43. 260
L E GENTILHOMME, M o n n a y a g e , S . 2 5 , S . 2 8 , S . 3 3 u . S . 5 3 ; L A F A U R I E , R o u t e s , S . 2 5 6 f . FENBACH,
Münzprägungen,
S. 1 4 5 f f .
V g l . HÄVERNICK,
Münzgeschichte,
S. 7 ff.
DIE-
DERSELBE,
Münzreformen, S. 147, sowie BLOCH, Esquisse, S. 13. 261
CLAUDE, G e l d g e s c h i c h t e , S . 2 4 8 f. V g l . LAFATJRIE, N u m i s m a t i q u e , S . 3 0 .
™ Vgl. A n h a n g Nr. I I I , Nr. 11 und Nr. 12. 263
264
265
Gegen die früher üblichen Erklärungen, die das P h ä n o m e n als ein rein politisches oder gar als ein e t h n i s c h e s w e r t e t e n , w a n d t e sich bereits PROU : „Mais pour la s u b s t i t u t i o n , qui d'ailleurs s'est faite l e n t e m e n t , de l'argent à l'or, c'est une r é v o l u t i o n qui a des causes p u r e m e n t économ i q u e s . " PROU, Monnaies mérovingiennes, S. CVF. E b e n d a ; DERSELBE, Monnaies carolingiennes, S. X X X . GARIEL, Monnaies, 1, S. 8 f . BLOCH, Problème, S. l f f . DERSELBE, Esquisse, S. 2 3 ff. LOMBARD, Bases, S. 144. SALIN Civilisation, 1, S. 134. DOEHAERD, R e f o r m e s , S. 1 3 f f . LÜTGE, W i r t s c h a f t s g e s c h i c h t e , S. 96. SUHLE, Münz- u n d G e l d g e s c h i c h t e , S. 25. BLOCH, Problème, S. 8 f f . LOMBARD, Bases, S. 1 4 2 f f . DOEHAERD, R e f o r m e s , S. 14.
48
sprach von der „fuite de l'or" 2 6 6 nach dem Orient — als ein Moment genannt, das zu dieser Verringerung des Goldbestandes geführt haben soll. 267 Pirenne führte diesen Gedanken bis zu der Ansicht, Pippin und Karl der Große hätten auf die Goldmünzen verzichten müssen, weil die Notwendigkeit sie dazu zwang. Diese Notwendigkeit aber habe sich aus dem Verschwinden des Goldes aus Gallien ergeben. 268 Weiter werden zur Erklärung des Wechsels Veränderungen angeführt, die im Wirtschaftsgefüge Westeuropas von der spätrömischen bis zum Beginn der karolingischen Zeit eingetreten sind. Der Übergang von der Gold- zur Silberwährung wird als Begleiterscheinung einer umfassenden und tiefreichenden ökonomischen Regression betrachtet, die mit dem allgemeinen Zurücktreten geldwirtschaftlicher Erscheinungen, dem Niedergang der Städte sowie dem angewachsenen Gewicht agrarischer Produktions- und Lebensformen einhergegangen sein soll. 269 Nach Meinung Le Gentilhommes war die Silbermünze den Bedürfnissen einer Wirtschaft, die stark agrarisch geprägt war, besser angepaßt als die Goldmünze. 2 7 0 Der französische Numismatiker räumte friesisch-angelsächsischen Einflüssen deshalb einen gewichtigen Anteil am Aufhören der Goldprägung und an der allgemeinen Verbreitung des Denars ein. 271 Soweit es um eine wirtschaftliche Rückentwicklung als Ursache des Überganges von der Gold- zur Silberwährung geht, finden sich Gedanken ähnlicher Natur bereits bei Pirenne: „Die neue monometallische Silberwährung entspricht dem wirtschaftlichen Rückschritt, den das Land vollzogen hat." 2 7 2 Pirenne sah im Übergang von der Gold- zur Silberwährung eines der Zeichen, die den Untergang der antiken Gesellschaft, den endgültigen Bruch mit ihren Wiftschafts- und Lebensformen sichtbar werden ließen. 273 E s fehlte und fehlt nicht an Stimmen, die Bedenken der einen oder anderen Art gegen diese Erklärungsversuche vorbrachten. 2 7 4 Die eindringlichere Beschäftigung mit dem der Forschung zur Verfügung stehenden numismatischen Material, das in den letzten J a h r zehnten dank der Leistungen der Numismatik und Geldgeschichte beträchtlich vergrößert wurde, gab zudem sowohl der Kritik als auch der weiterführenden Erörterung der Problematik eine tragfähigere Basis, als sie früher vorhanden gewesen ist. Die Wirkungen dieser veränderten Forschungssituation beginnen sich abzuzeichnen. So mehrten sich in der letzten Zeit die Stimmen, die es für schwierig halten, den Übergang von der Gold- zur Silberwährung schlechthin als Folge einer ökonomischen Regression oder gar als bloße Auswirkung der Verringerung des Goldbestandes zu deuten. 2 7 5 In den entsprechenden Arbeiten deutet sich die Tendenz an, die Erklärung eher in entgegengesetzter Richtung zu suchen. 2 7 6 Auf zwei 266 BLOCH, Esquisse, S. 23. Vgl. ADELSON, Routes, S. 274f. 267
PROU, Monnaies
carolingiennes,
S. X X X . DOEHAERD, Reformes, S. 14. LOUBARD, Bases,
S . 1 4 2 f f . BLOCH, É c o n o m i e - n a t u r e , S . 10. 268 P I R E N N E , L e s v i l l e s , S . 3 6 f f .
269 PIRENNE, Geburt, S. 247. Vgl. hierzu VERCAUTEREN, Monnaie, S. 296 und die dort angegebene Literatur. 2'" L E GENTILHOMME, B u i s , S . 1 0 2 .
271 Ebenda. DERSELBE, Sceattas, S. 69 ff. 272 P I R E N N E , G e b u r t , S . 2 4 7 .
273 Ebenda, S. 101 ff.. DERSELBE, Les villes, S. 14ff. und S. 27 ff. 274 LOT, L'histoire, bes. S. 77ff. GRIERSON, Fonction, S. 359. VERCAUTEREN, Monnaie, S. 296ff. DOEHAERD, H a u t moyen âge, S. 303 ff. und S. 314 f. 275 VERCAUTEREN, Monnaie, S. 296ff. DOEHAERD, Haut moyen âge, S. 303ff. und S. 314ff.GRIERSON, Fonction, S. 359. 276 DOEHAERD, H a u t moyen âge, S. 318f. LEWIS, Commerce, S . 280. LATAUBIE, L a monnaie bordelaise, S. 294. DERBELBE, Monnaies d'argent, S. 115. 4
Bleiber
49
Tatsachen wird in den entsprechenden Arbeiten hingewiesen; sie zu beachten dürfte für den weiteren Gang der Untersuchungen bedeutsam sein. Die erste ist, daß im Merowingerreich während einer erheblichen Zeitspanne ausschließlich Goldmünzen geprägt worden sind. Während der ersten Hälfte des 7. J h . waren das in erster Linie die goldenen Drittelstücke, die Trienten. 277 Die zweite ergibt sich aus dieser ersten: Es hat eine Phase von ins Gewicht fallender Dauer gegeben, während der im Merowingerreich nur diese verhältnismäßig hochwertigen Münzen als Zirkulationsmittel zur Verfügung standen. Demnach waren zeitweilig nur Münzen im Verkehr, die wegen ihres großen Wertes wenig oder nicht geeignet waren, Tauschhandlungen zu vermitteln, die den Bedürfnissen des täglichen Lebens dienten. 278 Das Münzsystem jener Zeit spricht also eher gegen als f ü r das Vorhandensein einer entwickelten und differenzierten Ware-Geld-Wirtschaft. Gerade deshalb aber ist die Frage zu stellen, ob das Auftreten des Denars und die auffallende Tatsache, daß er im Laufe eines halben Jahrhunderts zur nahezu ausschließlich geprägten Münze werden konnte, nicht eher auf eine wirtschaftliche Belebung und auf ein Anwachsen warenwirtschaftlicher Erscheinungen schließen läßt, als auf ihre zunehmende Bedeutungslosigkeit. Es drängt sich weiter die Überlegung auf, ob die Goldstücke nicht durch eine Münze, eben den Denar, verdrängt worden sind, die „peut pénétrer dans les usages d'une population moins fortunée, a qui le troc ne suffit plus comme moyen d'échange." 279 Das Bemühen, die Aussagen der in merowingischer Zeit geprägten Denare und der entsprechenden Münzfunde in gleicher oder in ähnlicher Weise zu nutzen, wie es mit den Goldprägungen des 7. Jh. geschah, stößt gegenwärtig noch auf beträchtliche Schwierigkeiten. Sie erwachsen vor allem aus der Tatsache, daß eine große Anzahl dieser Münzen nicht so beschriftet ist, daß der Ort, an dem sie geprägt worden sind, ohne weiteres bestimmbar wäre. Den Denaren fehlt häufig die Beschriftung entweder ganz oder sie tragen nur Bruchstücke von Legenden, 280 und nicht eben selten kommt es vor, daß die Beschriftung zu einem einzigen Buchstaben verkürzt worden ist. 281 Schlechte handwerkliche Ausführung der Stempel oder ihre übermäßig lange Verwendung tun ein übriges, um die Bestimmung der Prägeorte zu erschweren. 282 Der Forschung sind gegenwärtig acht Schatzfunde bekannt, die merowingische Denare enthielten. Für die bedeutendsten fünf von ihnen, nämlich für die Funde von Saint-Pierreles-Etieux 283 , Bais 284 , Plassac 285 , Cimiez286 und Savonnières 287 , liegen Publikationen vor, die es möglich machten, sie in das „Verzeichnis der Münzschatzfunde" aufzunehmen. Die Veröffentlichungen zu drei weiteren, wenig umfangreichen Funden erlaubten das dagegen nicht. Es handelt sich um die Funde von Nohanent, Rouen und Barbuisu. Sie werden im 277 S. o., S. 19 ff. 278 WERNER, W a a g e , DERSELBE,
S. 6 f . LÜTGE, Wirtschaftsgeschichte, S. 96. GRIERSON, Fonction, S. 359.
Commerce,
S . 1 2 6 . VERC AUTEREN, M o n n a i e ,
S. 2 9 6 .
LAFAURIE, L a m o n n a i e
bor-
delaise, S. 294. DERSELBE U. a., Wieuwerd, S. 79. 279
LAFAURIE, Escharen, S. 171. DERSELBE, La m o n n a i e bordelaise, S. 294.
280
L A F A U R I E , R o u t e s , S . 2 6 2 f. V g l . D E R S E L B E , N u m i s m a t i q u e , S . 3 8 .
281
Vgl. CHABOUILLET, Catalogue, S. 55ff. LAFAURIE, Monnaies d'argent, S. 101 f. 282 LAFAURIE, Routes, S. 262 f. Der Verf. gibt an, daß v o n mehr als der Hälfte der durch die v o n i h m g e n a n n t e n Funde bekanntgewordenen Denare bisher die H e r k u n f t nicht b e s t i m m t werden konnte. DERSELBE, Monnaies d'argent, S. 104 und S. 127. » A n h a n g Nr. III Nr. 11. a « Ebenda, Nr. 15. Ebenda, Nr. 12. «6 Ebenda, Nr. 13. 2 «7 Ebenda, Nr. 14. 2
50
R a h m e n der gegebenen Möglichkeiten an entsprechender Stelle im laufenden T e x t behandelt. Eine größere Anzahl von offensichtlich noch in die Merowingerzeit gehörenden Denaren ist am Strand von Domburg auf der vor der Scheidemündung gelegenen Insel Walcheren gefunden worden. Es h a n d e l t sich hierbei jedoch nicht u m einen wirklichen S c h a t z f u n d , sondern u m eine Anzahl g e h ä u f t a u f t r e t e n d e r Einzelmünzen. Sie sind im Verlaufe eines langen Zeitraumes, dessen Dauer nicht b e s t i m m t werden k a n n , auf die Insel gelangt. 2 8 8 Diese F u n d e n e h m e n also eine deutliche Sonderstellung ein, und sie werden deshalb zunächst außerhalb der folgenden Ausführungen bleiben müssen. Der Versuch, die Umlaufgebiete der merowingerzeitlichen Silbermünzen zu bestimmen, geht, da diese Angabe völlig eindeutig ist, zweckmäßigerweise von der räumlichen Anordnung ihrer F u n d p l ä t z e aus. Von den g e n a n n t e n acht F u n d o r t e n liegen vier im Untersuchungsgebiet: Rouen u n d Bais an seiner westlichen, Barbuise an seiner östlichen, Savonnières an seiner südlichen Grenze. 2 8 9 Drei weitere, nämlich Saint-Pierre-les-Etieux, N o h a n e n t und Plassac, liegen zwischen Loire u n d Pyrenäen, also im aquitanisch-westfranzösischen Raum. 2 9 0 Der letzte der acht F u n d o r t e , Cimiez, ist im äußersten Südosten Frankreichs, in der Nähe von Nizza, zu finden. 2 9 1 Wird diese Anordnung der F u n d p l ä t z e mit der der f r ü h e r b e t r a c h t e t e n merowingerzeitlichen Goldmünzen verglichen, 2 9 2 so zeigt sich ein bemerkenswerter Unterschied: Alle Orte, an denen aus Denaren bestehende Münzschätze gefunden worden sind, lagen innerhalb der Grenzen des Merowingerreiches. Diese Schätze wurden zudem ausnahmslos in jenem Teil des ehemaligen merowingischen Herrschaftsgebietes entdeckt, der südlich der Somme, westlich der Maas u n d nördlich der P y r e n ä e n gelegen war. 2 9 3 E s gibt n u r eine Ausnahme, die sich nicht in dieses Bild f ü g t : die Einzelfunde von Walcheren. Auf sie m u ß deshalb hier erneut hingewiesen werden, obwohl sie sicher nicht gewichtig genug sind, u m das Grundsätzliche der angestellten Beobachtung wirklich in Frage zu stellen. 2 9 4 J e n e auffallende Erscheinung, daß in der Provence, im R h ô n e - S a ô n e - R a u m u n d im Maas-Rhein-Gebiet geprägte Münzen in beträchtlicher Zahl in R ä u m e gelangten, die außerhalb der Grenzen des Reiches lagen, 2 9 5 ist demnach f ü r die Zeit, in der diese Denare umliefen, k a u m m e h r zu beobachten. Ein entsprechender Vergleich läßt außerdem die V e r m u t u n g entstehen, d a ß Denare dieser H e r k u n f t in größerer Zahl als ihre Vorgänger, die Trienten, nach Aquitanien u n d Neustrien gelangten. Denn während die Münzschätze von Baugisière und B o r d e a u x offenbar n u r ganz wenige Trienten aus der Provence und dem Rhône-Saône-Tal enthielten, 2 9 6 fanden sich im Schatz von Saint-Pierre je acht Denare aus Chalon-sur-Saône u n d aus Marseille, im Schatz von Bais sieben aus Chalon, acht aus Marseille sowie einer aus A u t u n , u n d im Schatz von Plassac einer aus Chalon. 2 9 7 Der n u r schlecht b e k a n n t e Schatz von LAFAURIE, Routes, S. 263 f. Unter den am Strand v o n Domburg entdeckten Silbermünzen befanden sich auch Sceattas; LE GENTILHOMME, Sceattas, S. 76 ff. S«9 LAFATTRIE, Jura, Karte auf S. 410. 29« Ebenda. 291 Ebenda. FÉVRIER, Développement, S. 80. » 2 S. o„ S. 3 7 ff. 293 LAFAURIE, Jura, Karte auf S. 410. 294 LE GENTILHOMME, Monnayage, S. 32, sagt, daß die ältesten dieser Münzen byzantinischer Herkunft oder in Marseille geprägte Imitationen byzantinischer Münzen seien. V o n den jüngsten dagegen wäre der größte Teil aus Dorestad gekommen. Andere stammten aus Rouen, Quentowik, Dinant, Namur, H u y , Maastricht, Metz, Trier, Köln und Mainz. 295 S. o., S. 38 ff. 296 s. o., S. 41 ff. 297 Anhang Nr. III, Nr. 11, Nr. 15 und Nr. 12.
288
4-
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Nohanent enthielt ebenfalls Denare, die in Chalon geprägt worden sind. 298 Die unvollkommenen Informationen über einen Teil der diesem Vergleich zugrundeliegenden Münzschätze erlaubt es zur Zeit leider noch nicht, in diesem Punkt zu gesicherten Ergebnissen der einen oder der anderen Art zu gelangen. Andererseits bestätigen die beschriebene Anordnung der Fundräume und die durch sie in ihren Grundzügen erkennbar werdenden Umlaufgebiete der merowingischen Denare früher gewonnene Ergebnisse in zumindest einem wesentlichen P u n k t : Es ist festgestellt worden, daß die im Untersuchungsgebiet geprägten Trienten, den Aussagen der Schatzfunde nach zu urteilen, ebensowenig in den östlichen Teilen des Merowingerreiches, in Friesland und im angelsächsischen England umgelaufen sein können wie die aquitanischen. 299 Die bisher ermittelten Fundräume merowingischer Denare machen, eben weil sie nahezu ausnahmslos zwischen Somme, Maas und Pyrenäen gefunden worden sind, deutlich, daß sich die Umlaufgebiete dieser Silbermünzen mit denen der Trienten in ihren Grundzügen deckten. Eine eingehendere Betrachtung der acht Funde läßt solche Erscheinungen der Stabilit ä t und Kontinuität auch noch in anderer Beziehung erkennen. Im westfranzösich-aquitanischen Raum, woher die beiden großen Funde merowingischer Trienten von Baugisière und Bordeaux kommen, sind drei der insgesamt acht Schätze merowingischer Denare entdeckt worden. Die Einzugsgebiete der beiden bedeutendsten dieser drei, nämlich des Fundes von Saint-Pierre bei Bourges 300 und des Fundes von Plassac 301 , decken sich weitgehend mit denen der beiden Goldfunde. Sowohl in dem von Saint-Pierre als auch in dem von Plassac fanden sich Denare aus Rouen, Paris, Orléans, Tours, Le Mans neben solchen aus Bourges, Poitiers und Limoges. Der Fund von Saint-Pierre enthielt außerdem Denare aus Saint-Denis, aus Blois und aus Vienne-en-Val, der von Plassac solche aus Rennes, Angers, Jublains und vielleicht auch aus Troyes. 302 Der dritte der aus dem westfranzösisch-aquitanischen Raum stammenden Funde wurde um 1877 in Nohanent bei Clermont-Ferrand 303 entdeckt. Sein Bestand ist bisher nur ungenügend bekannt, 3 0 4 jedoch muß er wenigstens 20 merowingische Denare und elf Sceattas enthalten haben. Ein Teil der Denare kam aus der Gegend, in der der Schatz entdeckt worden ist. Eine dieser Münzen trug den Namen des Nordebertus, 305 der Anfang des 8. J h . Bischof von Clermont gewesen ist. 306 Im Schatz von Nohanent fanden sich weiter neben in Chalon-sur-Saône geprägten Denaren auch einige, die aus Paris kamen. 307 Gerade wegen dieses gemeinsamen Auftretens der aus Clermont direkt und aus seiner Umgebung kommenden Münzen und der Münzen von Paris läßt auch dieser Fund, obwohl die Informationen über ihn außerordentlich dürftig sind, erkennen, daß die merowingischen Denare 298
LAFATJRIE, R o u t e s , S . 2 6 4 . D E R S E L B E , i n : B S F N 1 2 / 1 9 5 7 , N r . 2 , S . 9 9 f . D E R S E L B E ,
Monnaie»
d'argent, S. 214, verzeichnet zwei hier geprägte Denare.
299 S. o., S. 37 ff. 300 Anhang Nr. III, Nr. 11. 301 Ebenda, Nr. 12. 302 Ebenda, Nr. 11 und Nr. 12. 303 NOHANENT, Dép. Puy-de-Dôme, c. Clermont-Ferrand. 304 LAFATTRIE, R o u t e s , S . 2 6 2 u n d S . 2 6 4 . D E R S E L B E , i n : B S F N , 1 2 / 1 9 5 7 , N r . 2 , S . 9 9 f .
DERSELBE,
Monnaies d'argent, S. 1 1 2 - 1 1 5 , u n d S. 2 1 4 - 2 1 8 . 305
LAFATJRIE, R o u t e s , S . 2 6 4 . D E R S E L B E i n : B S F N ,
1 2 / 1 9 5 7 , N r . 2, S. 9 9 f . DERSELBE,
Monnaies
d'argent, S. 215, Nr. 15. 306 DTJOHESNE, Fastes, 2, S. 38. LAFAURIE, Monnaies d'argent, S. 216. 307 LAFATJRIE, Routes, S. 264. DERSELBE, Monnaies d'argent, führt sieben Denare aus Chalonsur-Saône, zwei aus Paris, fünf aus Marseille, zwei aus Clermont, drei aus u n b e s t i m m t e n Ateliers und acht Sceattas auf.
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des Untersuchungsgebietes ebenso wie seine Trienten mit den Münzen aus Aquitanien gemeinsam umliefen, daß sie ein gemeinsames Zirkulationsgebiet hatten. Zum gleichen Ergebnis führt eine Analyse der Münzschätze, die aus dem Untersuchungsgebiet selbst stammen. Es ist bisher kein Trienten enthaltender Münzschatz bekanntgeworden, der im Untersuchungsgebiet entdeckt wurde. Die Funde bestehen bisher aus einer Anzahl von Einzelmünzen. Dagegen führt die Numismatik gegenwärtig vier Funde merowingischer Denare, die zwischen Somme, Loire, Bretagne und Maas entdeckt worden sind. Der größte dieser vier ist der Schatz von Bais. 3 0 8 In diesem Schatz fanden sich zahlreiche Denare jener Münzorte des Untersuchungsgebietes, die schon durch ihre reiche und kontinuierliche Prägung von Trienten aufgefallen waren. Er enthielt 23 Denare aus Paris, 14 aus Rouen, 12 aus Orléans, 11 aus Rennes und 6 aus Le Mans. 309 Zu ihm gehörten außerdem noch Denare einer ganzen Anzahl anderer Prägeorte des Untersuchungsgebietes. Zu nenen sind Tours, Blois, Jublains, Meaux und Soissons. 310 Das Einzugsgebiet des Fundes von Bais umfaßte ebenso wie das der drei westfranzösisch-aquitanischen Denarfunde das gesamte Untersuchungsgebict, und es reichte ebenfalls bis nach Aquitanien. Es ist sicher, daß Denare, die in Bourges, in Limoges, in Poitiers und in Melle geprägt worden sind, zu seinem Bestand gehörten. 311 Die Anzahl der direkt aus der civitas Poitiers und aus ihrer Umgebung kommenden Münzen muß, gemessen selbst an der Zahl der in Paris, Rouen und Orléans geprägten, sogar besonders hoch gewesen sein. 312 Die bisher zur räumlichen Anordnung der Fundplätze und zur Zusammensetzung der Funde merowingischer Denare angestellten Beobachtungen lassen zwei Aussagen zu: Die eine besagt, daß die merowingischen Denare im Unterschied zu den Trienten offensichtlich kaum noch die Tendenz zeigten, über die Grenzen des Reiches hinweg abzufließen. Diese Aussage bezieht sich vor allem auf Unterschiede, die die Umlaufgebiete der in der Provence und im Rhòne-Saòne-Tal geprägten Trienten einerseits und der von hier kommenden Denare andererseits erkennen lassen. Mit dem Übergang von der Gold- zur Silberwährung verschwand offenbar jene auffallende Erscheinung, daß Münzen aus diesen Gebieten, und zwar gemeinsam mit byzantinischen, nach Friesland und in das angelsächsische England abströmten. 313 Die zweite Aussage von einigem Gewicht, die sich aus der räumlichen Anordnung der Fundplätze und aus der Zusammensetzung der Funde ergibt, ist eben jene über die Stabilität und die Kontinuität der Umlaufgebiete der Trienten und Denare, die im neustrischaquitanischen Raum emittiert worden sind. Diese Stabilität und Kontinuität, die augenscheinlich über den Wechsel von der Gold- und Silberprägung hinwegreichten, lassen darauf schließen, daß jenes einheitliche Wirtschaftsgebiet, von dem früher gesprochen worden ist, ebenfalls eine gewisse Stabilität besaß und daß ökonomische Beziehungen, die vielleicht schon in der ersten Hälfte des 7. J h . ausgebildet worden waren, bis an den Anfang des 8. J h . erhalten blieben. Die Aussage, daß merowingische Denare wenig, und zwar noch weniger als die Trienten, Neigung zeigten, über die Grenzen des Reiches abzufließen, ergab sich aus der Anordnung ihrer Fundplätze. Es ist darauf hingewiesen worden, daß dieser Aussage ein hohes Maß an 308 Anhang Nr. I I I , Nr. 15. 309 E b e n d a . 310 E b e n d a . 311 E b e n d a . 312 E b e n d a . I m Verzeichnis von PROU/BOTJGENOT werden dreiundsiebzig Denare dieser Herkunft aufgeführt. "13 S. o., S. 37 ff.
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Sicherheit z u k o m m t . Sie ist jenen Unsicherheiten nicht ausgesetzt, die anderen Schlüssen wegen der o f t fragwürdigen oder unmöglichen Identifizierung der Prägeorte anhaften. Sie würde nur dann wirklich beeinträchtigt und müßte korrigiert werden, wenn neue F u n d e merowingerzeitlicher Denare dieses Bild von der räumlichen Anordnung ihrer F u n d p l ä t z e erheblich verändern sollten. D a s gleiche Maß an Sicherheit k o m m t den Aussagen zu, die über S t a b i l i t ä t und Kontinuität der Umlaufgebiete der neustrisch-aquitanischen Trienten einerseits und ihrer Nachfolger, der merowingischen Denare, andererseits g e m a c h t worden sind. In diesem Falle ist die Sicherheit dadurch gegeben, daß eine beträchtliche Anzahl der Prägeorte sowohl der Trienten als auch der Denare von der numismatischen Forschung eindeutig b e s t i m m t werden konnte. E s darf jedoch nicht unbeachtet bleiben, daß die F u n d e merowingischer Denare der Behandlung einer Reihe anderer F r a g e n zur Zeit noch keine genügend gesicherte Grundlage bieten können. Die Gründe hierfür sind sehr wesentlich im hohen Anteil der Münzen zu suchen, deren H e r k u n f t bisher nicht zu bestimmen war. Dieser Anteil ist mitunter außerordentlich hoch. E r m a c h t bei den F u n d e n von B a i s und von P l a s s a c nahezu ein Viertel ihres G e s a m t b e s t a n d e s aus. 3 1 4 Die F u n d e von Rouen, Barbuise und Nohanent wiederum sind überhaupt nur so schlecht bekannt, daß sie, abgesehen von im Allgemeinen bleibenden Aussagen über die Umlaufgebiete, die sich auf die L a g e der F u n d o r t e und die B e s t i m m u n g des einen oder anderen Prägeortes stützen, k a u m wirklich verwertbar sind. Diese Forschungssituation h a t zur Folge, daß zu einigen Erscheinungen, die richtig zu erfassen für die Gesamtproblematik des Uberganges von der Gold- zur Silberwährung ohne Zweifel erhebliche B e d e u t u n g haben, nur mehr oder weniger begründete Vermutungen geäußert werden können. Der Versuch, die Umlaufgebiete der merowingischen Denare zu bestimmen und d a s Ergebnis mit dem f ü r die Trienten ermittelten zu vergleichen, konzentrierte sich bis zu dieser Stelle auf Erscheinungen der K o n t i n u i t ä t und der S t a b i l i t ä t . Nur nebenher wurde auf Indizien eingegangen, die darauf hindeuten, daß mit dem Übergang von der Goldzur Silberwährung wahrscheinlich nicht unwichtige Veränderungen im Umlauf dieser Münzen einhergingen. 3 1 5 Bei den Ausführungen über die Umlaufgebiete, die den in Neustrien und Aquitanien geprägten Trienten eigen waren, wurde gesagt, daß diese Münzen zwar gemeinsam umliefen, daß aber die innerhalb des Untersuchungsgebietes geprägten die Neigung hatten, nach Aquitanien abzufließen. 3 1 6 Dieser Schluß ergab sich aus der T a t s a c h e , daß die beiden großen Münzschätze, die allein Trienten des Untersuchungsgebietes in erheblicher Zahl enthielten, nämlich die F u n d e von Baugisiere und B o r d e a u x , im westfranzösisch-aquitanischen R a u m entdeckt worden sind. 3 1 7 Der nördlich der Loire gelegene Teil des ehemaligen Merowingerreiches dagegen h a t bisher nichts auch nur annähernd Vergleichbares aufzuweisen. Die ermittelten Einzelfunde von Trienten unterstreichen die B e o b a c h t u n g v o m Abfließen eher, als daß sie sie entkräften. 3 1 8 Die Gewichtigkeit, die diese B e o b a c h t u n g unter U m s t ä n d e n erlangen kann, 3 1 9 veranlaßt dazu, nochmals auf einen schon berührten Unterschied einzugehen, der bei einem Vergleich 314 Anhang Nr. III, Nr. 15 und Nr. 12. S. o., S. 51 ff., die Ausführungen zu einer eventuellen Verschiebung der bevorzugten Umlaufgebiete von in der Provence und im Rhone-Saone-Tal geprägten Münzen. 316 S. o., S. 47. 3 « S. o., S. 41. 318 Anhang Nr. III, Nr. 16. 315
319 V g l . HÄVERNICK, E p o c h e n , S. 6 ff.
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von bevorzugten F u n d p l ä t z e n der Trienten einerseits, der merowingischen D e n a r e andererseits zutage tritt. Von den früher vorgeführten acht Schätzen merowingischer Denare sind vier im Untersuchungsgebiet entdeckt worden, 3 2 0 drei k o m m e n aus dem westfranzösisch-aquitanischen R a u m , wo auch die beiden großen Trientenfunde gehoben worden sind. 3 2 1 Der achte ist der aus f a s t 2000 merowingischen Denaren und einer Anzahl S c e a t t a s bestehende F u n d von Cimiez bei Nizza. 3 2 2 D a s Untersuchungsgebiet h a t also einen beträchtlichen Anteil an den bisher bekanntgewordenen F u n d e n merowingischer Denare aufzuweisen. E i n Vergleich der Anzahl jener Münzen, die zu den einzelnen Schätzen gehörten, ergibt, daß die zwischen S o m m e und Loire gefundenen keineswegs kleiner waren, als die a u s dem westfranzösisch-aquitanischen R a u m kommenden. Der in B a i s im Département Mayenne entdeckte bestand aus insgesamt 400 Denaren und S c e a t t a s . Ihm steht der F u n d von Plassac mit insgesamt 104 gegenüber. 3 2 3 Hinzu k o m m e n f ü r d a s Untersuchungsgebiet der S c h a t z von Savonnières, zu dem 45, allerdings nahezu ausnahmslos in der näheren U m g e b u n g des Fundortes g e p r ä g t e Denare gehörten, 3 2 4 der F u n d von Barbuise, der aus neun Silbermünzen und einem Ring bestand, 3 2 5 sowie der von Rouen, f ü r den genaue, seinen Gesamtbestand angebende Zahlen nicht genannt werden können. 3 2 6 D a s gleiche trifft auf den bei Nohanent in der Nähe von Clermont-Ferrand entdeckten Schatz merowingischer Denare zu. 3 2 7 Die ungenügenden Kenntnisse, die die Forschung gegenwärtig noch von den F u n d e n merowingischer Denare besitzt, lassen keine völlig exakten Zahlenangaben über den B e s t a n d der einzelnen Münzschätze zu. Trotzdem dürften die angeführten Vergleichszahlen ausreichen, u m gemeinsam mit den Beobachtungen über die räumliche Verteilung der F u n d p l ä t z e die A u s s a g e zu belegen, daß die im Untersuchungsgebiet geprägten merowingischen Denare nicht, wie offensichtlich ihre Vorgänger, die Trienten, die Neigung hatten, nach Aquitanien abzufließen. Die entsprechenden Verzeichnisse zeigen, daß Denare einer ganzen Anzahl von Prägeorten des Untersuchungsgebietes im westfranzösisch-aquitanischen R a u m gefunden worden sind und daß umgekehrt ebenso Denare dieses R a u m e s im Gebiet zwischen S o m m e und Loire entdeckt wurden. Denare aus beiden Teilgebieten des Merowingerreiches traten in den gleichen F u n d e n a u f : Die Münzen von Rouen, L e Mans, Orléans, Paris, Saint-Denis und die von Bourges, Clermont, Poitiers u n d Limoges im F u n d von Saint-Pierre, die von Bourges, Poitiers, Limoges und Melle und die von Rouen, L e Mans, Orléans, Paris, Sens O., S. 51. 321 Ebenda.
320 S .
322 A n h a n g N r . I I I , N r . 1 3 .
323 Ebenda, Nr. 12. 324 Ebenda, Nr. 14. 325 LE GENTILHOMME, Procès-verbaux 1945, S. X I f . Der Schatz wurde in einem merowingerzeitlichen Grab bei Barbuise, Dép. Aube, gefunden. Eine der Münzen, die nach Lu G E N T I L H O M M E im zweiten Viertel des 8. J h . geprägt worden sind, kam aus Clermont. Fünf der übrigen acht stammen mit einiger Wahrscheinlichkeit aus Chalöns-sur-Marne. Sie sind alle mit dem gleichen Stempel geprägt worden. Die Herkunft der übrigen drei Münzen ist unbekannt. Vgl. LAFATTRIE, Escharen, S. 157. 326 L E GENTILHOMME, Notes, S. 56ff., macht folgende Angaben: Rouen, 3 Denare; Tours, St. Martin, 2 Denare; Bourgueil, 1 Denar; Angers, 1 Denar; Paris, 1 Denar; Marseille, 1 Denar; Poitiers, 1 Denar. Hinzu kommen mehrere Stücke, deren Herkunft noch ungeklärt ist, sowie eine Anzahl von Sceattas. LAFAUBIE, Monnaies d'argent, S. 1, Anm. verweist darauf, daß mehrere Stücke dieses „Schatzes" aus Savonnieres kommen. 32? S. o., S. 52 f.
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und Meaux wiederum in dem von Bais.328 W i r d dieses Fundbild mit dem der Trienten verglichen, so läßt sich mit einem gewissen Recht sagen, daß eigentlich erst mit dem Einsetzen des Umlaufs von Denaren im Merowingerreich so etwas wie eine wirkliche Münzzirkulation existierte. Erst jetzt waren offenbar wirtschaftliche Bedingungen vorhanden, die zur Folge hatten, daß die Münzen im neustrisch-aquitanischen Raum in differenzierterer Weise die Funktion des Zirkulationsmittels erfüllten. W i r d die Karte, auf der die Prägeorte des Untersuchungsgebietes in ihrer Gesamtheit verzeichnet sind,329 mit derjenigen verglichen, die ausschliießlich die Prägeorte mit nachgewiesener Silberprägung ausweist, 330 so ist auch bei flüchtigstem Betrachten ein auffallender Unterschied nicht zu übersehen: Die Zahl der Orte, die auf der zweiten Karte erscheinen, ist um ein Vielfaches geringer als die, die von der ersten ausgewiesen wird. Auf der zweiten Karte erscheint mit 34 Orten nur noch ein knappes Sechstel der Prägeorte. Geblieben sind die bedeutendsten Zentren der Goldprägung: Paris, Orléans, Rouen, L e Mans und Tours; geblieben ist ein großer Teil der civitates überhaupt, nämlich 16 von insgesamt 27.331 Da bei dreien dieser insgesamt 27 civitates — es handelt sich um Beauvais, Evreux und Lisieux — auch keine Goldprägung nachgewiesen werden konnte, 332 beträgt die Anzahl der Bischofssitze mit nachgewiesener Silberprägung genau zwei Drittel derjenigen mit nachgewiesener Goldprägung. Geblieben sind neben den civitates noch einige andere Siedlungen, die durch Kontinuität und Quantität ihrer Goldprägung auffielen. Amboise und Blois sind an dieser Stelle vor allem zu nennen.333 Aus dem Kartenbild verschwunden ist dagegen die Vielzahl von Orten, bei der die wenigen bekannten Münzen und die wenigen nachweisbaren Münzmeister — häufig sogar nur ein einziger — neben anderen Indizien auf eine ephemere oder nur sehr sporadische Prägetätigkeit hindeuten. 334 Es dürften kaum Ausführungen vonnöten sein, um zu begründen, weshalb diesem v o m Kartenbild sichtbar gemachten Phänomen einer rapiden Verringerung der Prägeorte Aufmerksamkeit geschenkt wird. Zwei Problemkreise werden dabei notwendigerweise in den Mittelpunkt des Interesses zu rücken sein. Erstens wird vorrangig und vor allen weiteren Betrachtungen und Interpretationsversuchen gefragt werden müssen, ob der Eindruck, den die Kartenbilder vermitteln, den tatsächlichen historischen Gegebenheiten gerecht wird, ob die Aussagen, die sie machen, dem Zustand, der in der Münzprägung Ende des 7. und zum Beginn des 8. Jh. herrschte, tatsächlich entspricht. Erst nachdem auf diese Frage eine Antwort gefunden worden ist, wird daran gedacht werden können, dem zweiten Problemkreis, nämlich den Fragen nach den eventuellen Ursachen der beschriebenen Veränderung, nachzugehen. Die Exaktheit des zweiten Kartenbildes ist, soweit es um die Ermittlung der Gesamtzahl der Orte geht, an denen Denare geprägt worden sind, zweifelsohne in Frage zu stellen. Der wichtigste Grund hierfür dürfte durch früher gemachte Ausführungen deutlich geworden sein: Die Schwierigkeiten, vor denen die Forschung noch heute bei der Identifizierung und Zuordnung eines erheblichen Teils der merowingischen Denare steht, wirkt sich ganz selbstverständlich auf jeden Versuch aus, die Orte ihrer Prägung zu erfassen und zu kartographieren. Auf der Karte erscheinen deshalb ganz gewiß weniger Orte, als eigent3M Anhang Nr. I I I , Nr. 11 und Nr. 15. 329 Karte Nr. 1. 330 Karte Nr. 2. 331 Zur Anzahl der im Untersuchungsgebiet vorhandenen Bistümer s. o., S. 30. Zu den Orten mit nachgewiesener Silberprägung vgl. die Karte Nr. 2. 332 S. o., S. 30. 333 Karte Nr. 2. 334 S. o., S. 28.
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lieh erscheinen müßten. Die Zahl der Siedlungen, in denen während der Merowingerzeit Denare ausgegeben worden sind, war zweifellos größer. Aus dieser methodisch schwerwiegenden Feststellung erwächst folgerichtig die Frage, von deren Beantwortung die gesamte weitere Behandlung der mit Hilfe des Kartenbildes konstatierten Erscheinung abhängig zu machen ist: Hat es die Verringerung der Prägeorte in der Zeit des Überganges von der Gold- zur Silberwährung überhaupt gegeben, oder gerät die Forschung an diesem Punkt in Gefahr, der komplizierten Quellensituation zum Opfer zu fallen? Es ist eine seit langem bekannte und anerkannte Tatsache, daß die Anzahl der Prägeorte während der Regierungszeit der ersten karolingischen Könige nur noch einen Bruchteil derjenigen ausmachte, die während des 7. J h . existierten. 3 3 5 Aber bis in die jüngste Zeit hinein ist diese Verringerung der Prägeorte, die also tatsächlich irgendwann eingetreten ist, mit den auf eine Reform des Münzwesens abzielenden Maßnahmen eben dieser ersten Karolinger in Verbindung gebracht worden. 336 Die numismatische Forschung gibt die Gesamtzahl der Orte, an denen im Merowingerreich entweder ständig oder vorübergehend Münzen geprägt worden sind, heute mit rund 800 an. 337 F ü r das Untersuchungsgebiet betrug die Zahl der mit einiger Sicherheit bestimmten und kartographierten 189, also ein knappes Viertel der Gesamtzahl. 3 3 8 Die Karte Nr. 2 weist für das Untersuchungsgebiet 34 Orte aus, in denen vor dem Beginn der Regierungszeit Pippins des Jüngeren Denare geprägt worden sind. 339 Diese Angaben stützen sich auf die Verzeichnisse von Prou und Beifort sowie auf die gegenwärtig vorhandenen Nachrichten zu den Münzfunden. Unter den 34 Siedlungen mit nachgewiesener Silberprägung befinden sich einige, die erst seit dem Übergang zur Silberwährung als Prägeorte nachweisbar sind. Es ist damit zu rechnen, daß die Prägung an diesen Plätzen erst begann, als der Denar den Trienten schon weitgehend verdrängt hatte. Fünf Orte sind zu nennen. Sie sind über das gesamte Untersuchungsgebiet verstreut: Alluyes (65), Avigneau (46a) Châteaudun (67), Jumièges (70) und Ville-en-Tardenois (37a). 3 4 0 Das noch unterhalb Rouen an der Seine gelegene Kloster Jumièges ist erst 654 gegründet worden, 341 und es ist aus diesem Grunde wahrscheinlich, daß die Münzprägung hier gleich mit den Denaren einsetzte. Im Kartenbild fehlt eine bei Prou aufgeführte, nicht zu identifizierende Siedlung der civitas Parisiorumj342 und es fehlt außerdem eine weitere, die in der civitas Rotomagensium, also in der Umgebung von Rouen, gelegen war. 343 Insgesamt gäbe es demnach also 36 Orte des Untersuchungsgebietes, für die eine Prägung von Denaren während der Merowingerzeit mit Sicherheit belegt werden kann. Die Münzschatzfunde lassen jedoch erkennen, daß die Zahl dieser Orte um einiges größer gewesen sein muß. Sie war es vor allem in der civitas Parisiorum ; sie war es aber auch in der civitas Rotomagensium. Der Fund von Bais enthielt Denare zweier Siedlungen, von denen bisher nicht mehr bekannt ist, als daß sie 335
STJHLE, Münz- und Geldgeschichte, S. 27ff. LE GENTILHOMME, Monnayage, S. 56 und S. 59. DOEHAERD, Reformes, S. 19 f. LATAUBIE, Numismatique, S. 29, sagt, daß wenigstens an fünfzig Plätzen Galliens geprägt worden sei.
336
STTHLE, M ü n z - u n d G e l d g e s c h i c h t e , S . 2 7 ff. L E G E N T I L H O M M E , M o n n a y a g e , S . 5 9 . V g l . B L O C H ,
Esquisse, S. 20 ff. S. o„ S. 18 f. SM Ebenda. sa» Karte Nr. 2. 3M Ebenda. Mi Zur Datierung BÖHNE, W., in: LTheolk, 8, Sp. 446f. 342 LVDEDIS VICO: PBOTJ, Monnaies mérovingiennes, Nr. 880. 343 Ebenda, Nr. 279. 337
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in der civitas Parisiorum gelegen haben müssen. 3 4 4 Im Münzschatz von Plassac fanden sich 8 Denare aus bisher unbekannten Orten dieser civitas und 5 aus der civitas Rotomagensium.345 Aber die G e s a m t z a h l der Orte m i t nachweisbarer Silberprägung bleibt selbst dann noch weit unter der f ü r d a s Untersuchungsgebiet ermittelten Anzahl jener Orte, an denen Gold geprägt worden ist, wenn angenommen wird, daß jeder einzelne der zuletzt aufgeführten 13 Denare aus einer jeweils anderen Siedlung k a m . F ü r alle übrigen Teile des Merowingerreiches, die u m die Wende des 7. zum 8. J h . eine Münzprägung aufzuweisen hatten, 3 4 6 konnten nur rund 30 Siedlungen ermittelt werden, in denen zu dieser Zeit Denare emittiert wurden. 3 4 7 Aus den Angaben der Münzfunde läßt sich aber auch in diesem Fall erschließen, daß in erheblich mehr Siedlungen einzelner civitates Denare geprägt worden sind, als beim heutigen Forschungsstand kartographiert werden können. Besonders groß ist die Anzahl dieser Siedlungen offensichtlich bei den civitates Biturigum (Bourges) und Pictavorum (Poitiers). Der Schatz von Saint-Pierre enthielt 11 Denare aus Siedlungen der civitas Biturigum und 7 aus der civitas Pictavorum, von denen bisher unklar ist, wo sie geprägt worden sind. 3 4 8 B e i m S c h a t z von B a i s betrugen diese Zahlen 10 und 8 , 3 4 9 bei dem von Plassac 19 und I I . 3 5 0 Der Schatz von B a i s enthielt außerdem 2 Denare, von denen lediglich bekannt ist, daß sie in einer Siedlung der civitas Arvernorum (Clermont) g e p r ä g t worden sind, 3 5 1 der S c h a t z von Plassac 2, die jeweils in einer anderen unbekannten Siedlung der civitas Lemovicum (Limoges) ausgegeben worden waren. 3 5 2 Trotzdem liegt es auf der H a n d , daß auch, bezogen auf jene Teile des Merowingerreiches, die neben dem Untersuchungsgebiet eine Prägetätigkeit aufzuweisen hatten, die hohe Zahl der f ü r die Periode der Goldprägung ermittelten Münzorte keineswegs erreicht wird. Hier aber muß auf eine weitere Schwierigkeit hingewiesen werden. Die Herkunft der soeben angeführten Denare ist zwar nicht so genau zu klären, daß der Ort ihrer Prägung angegeben werden könnte; sie ließ sich aber doch soweit bestimmen, daß g e s a g t werden kann, aus welchem Teilgebiet des Merowingerreiches die Münzen k a m e n . Diese Auskunft würde, wenn sie in jedem Fall bekannt wäre, immerhin ausreichen, u m mit ihrer Hilfe die absolute Zahl der Prägeorte eines Teilgebietes, also auch der des Untersuchungsgebietes, annähernd zu ermitteln. Nun gibt es aber eine beträchtliche Anzahl von Denaren, für deren räumliche Einordnung bisher jeder A n h a l t s p u n k t fehlt. Sie lassen sich deshalb nicht einmal einem der Teilgebiete zuweisen. Hier ist natürlich zu fragen, ob diese Münzen überhaupt in irgendeiner Weise verwandt werden können, u m A u s k u n f t über die mutmaßliche Anzahl der Orte mit Silberprägung zu erlangen, und u m dann schließlich etwas über d a s Zahlenverhältnis auszusagen, d a s zwischen den Orten mit nachgewiesener Gold- und m i t Silberprägung bestand. D a s zu tun dürfte möglich sein, 3« Anhang Nr. III, Nr. 15. 345 Ebenda, Nr. 12. 3 « S. o„ S. 17. 347 Nach PRO IT und BEI/FORT Lyon, Chalon-sur-Saone, Vienne, Marseille, Bourges, ClermontFerrand, Riom, Le Puy, Bordeaux, Poitiers, Brioude, Brioux, Nanteuil, Saint-Maixent und Narbonne. Dazu kommen nach den Aussagen der Münzschatzfunde noch Decize, Cesset, Mehun, Vouzeron, Ahun, Banassac, Metz, Melle, St. Même, St. Jouin, Jailly, Neuvic, Uzès, Arles und Vienne. Vgl. hierzu Anhang Nr. III, Nr. 11—15. 3 « Ebenda, Nr. 11. 3 « Ebenda, Nr. 15. 350 Ebenda, Nr. 12. 351 Ebenda, Nr. 15. 352 Ebenda, Nr. 12.
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wenn nichts anderes versucht wird, als auf der Grundlage des Materials die größtmögliche Zahl dieser Orte annähernd zu errechnen. U m diese Zahl zu ermitteln, wurden alle Denare, deren H e r k u n f t völlig unklar ist, so behandelt, als kämen sie jeweils aus einem anderen Prägeort. Neben den bereits genannten Stücken, für die nur A n g a b e n über die civitas g e m a c h t werden konnten, aus der sie kamen, gibt es noch 300 Denare, deren H e r k u n f t gänzlich unklar ist. Der Münzschatz von Saint-Pierre enthielt 17, der Münzschatz von B a i s 95, der Münzschatz von Plassac 45, der Münzschatz von Cimiez 56 und der Münzschatz von Savonnières 9 Denare, 3 5 3 über deren H e r k u n f t überhaupt nichts b e k a n n t ist. D a s sind insgesamt 222 Stücke. Prou führt in seiner Liste der „Monnaies d'argent d'attributions incertaines" zudem rund 80 weitere Denare mit nicht b e s t i m m b a r e m Prägeort auf, die zu keinem dieser Münzschätze gehört haben. 3 5 4 Der Versuch, die größte mögliche Zahl jener Siedlungen zu errechnen, in denen während der Merowingerzeit auch nach dem Übergang zur Silberwährung Münzen g e p r ä g t worden sind, sollte Hinweise zu dem Verhältnis erbringen, d a s zwischen der Anzahl der Orte mit mutmaßlicher Silber- und denen mit nachgewiesener Goldprägung bestand. E s zeigte sich, daß selbst dann, wenn von der sehr unwahrscheinlichen Voraussetzung ausgegangen wird, daß jeder einzelne Denar, dessen Herkunft ganz u n b e s t i m m t ist oder für den lediglich ein P r ä g e r a u m in Gestalt des Gebietes einer civitas benannt werden kann, einen jeweils anderen Prägeort repräsentierte, für die Orte mit Silberprägung nur eine Zahl z u s t a n d e k o m m t , die etwas mehr als halb so groß ist wie die der Orte mit nachgewiesener Goldprägung. Diese Zahl ist mit etwa 450 anzugeben ; das gesuchte Verhältnis h ä t t e demnach also eins zu zwei betragen. Aus Gründen, die in der Art der Berechnung liegen, d ü r f t e diese Relation für die Orte mit Silberprägung eher zu günstig als zu ungünstig bemessen sein. E s versteht sich zudem, daß diese Angaben lediglich Annäherungswerte darstellen. Als absolute Größen sind sie keinesfalls verwertbar. Zwei Aussagen allgemeiner Art werden an dieser Stelle, wenn auch mit gebührender Vorsicht, g e m a c h t werden dürfen. Die erste betrifft die absolute Anzahl jener Plätze, an denen in merowingischer Zeit im Untersuchungsgebiet Denare g e p r ä g t worden sind. Die vorangehenden Ausführungen dürften deutlich g e m a c h t haben, daß eine solche Zahl beim gegenwärtigen Forschungss t a n d nicht, und zwar auch nicht ungefähr, b e s t i m m t werden kann. Sie ist größer gewesen, als sie im Kartenbild ausgewiesen wird, aber — und d a s berührt bereits die zweite Aussage — sie muß kleiner, und zwar erheblich kleiner gewesen sein als die Anzahl der Orte mit nachgewiesener Goldprägung. S o wie in all den Teilen des Merowingerreiches, die eine eigene Münzprägung aufzuweisen hatten, ist auch im Untersuchungsgebiet die Goldmünze im Verlaufe der zweiten H ä l f t e des 7. J h . durch die Silbermünze v e r d r ä n g t worden. Dieser Vorgang war offensichtlich m i t einem anderen, nämlich mit einer deutlichen Verringerung der Prägeorte, v e r k n ü p f t . 3 5 5 Wenn diese zweite Aussage richtig ist, und d a f ü r spricht einiges, so liegt es nahe daran zu denken, daß gleiche oder zumindest einander bedingende F a k t o r e n beide Erscheinungen auslösten. An dieser Stelle sind deshalb einige weitere Beobachtungen mitzuteilen, die für die Klärung der Ursachen beider Erscheinungen b e d e u t s a m sein können. 353 Anhang Nr. III, Nr. 11, Nr. 15, Nr. 12 und Nr. 13. 3 5 4 P r o u , Monnaies mérovingiennes, S. 558—580. Dieses Verzeichnis enthält Angaben zu einer großen Anzahl von Denaren, die zum Münzfund von Cimiez gehörten. Sie sind in der Zahl von achtzig Stücken selbstverständlich nicht enthalten, da dieser Fund besonders erfaßt worden ist. 365 Vgl. L a f a t j r i e , Routes, S. 225.
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Werden die 34 Plätze, die als „ P r ä g e o r t e mit nachgewiesener S i l b e r p r ä g u n g " auf der K a r t e erscheinen, 3 5 6 eingehender auf den Siedlungstyp hin angesehen, den sie verkörpern, so zeigt sich, daß unter ihnen Siedlungen, denen bedeutende kirchliche Institutionen ihr Gepräge gaben, einen hervorragenden P l a t z einnahmen. E s wurde bereits g e s a g t , d a ß 16 der 34 Prägeorte mit nachgewiesener Silberprägung civitatis gewesen sind. Bei diesen 16 Siedlungen ist der R a n g , den sie als kirchlich-religiöse Zentren besaßen, von vornherein gegeben. Sie waren nicht nur Sitz der Episkopalkirche, sondern sie beherbergten auch eine, zumeist beträchtliche, Anzahl anderer kirchlicher Einrichtungen. 3 5 7 Bereits während der Zeit, während der vorwiegend Goldmünzen g e p r ä g t wurden, sind nicht nur Trienten mit den N a m e n der cicitates in Umlauf gebracht worden. An den bedeutendsten der Bischofssitze ließen die Episkopalkirchen und mitunter auch die großen Klöster schon d a m a l s im eigenen N a m e n Münzen prägen. 3 5 8 Diese Erscheinung setzte sich in der Zeit fort, in der überwiegend Denare im Umlauf waren, und es m a c h t g a n z den Eindruck, als hätte sie sich jetzt noch verstärkt. So ist f ü r die Episkopalkirchen von L e Mans, Rouen und Sens, f ü r die Klöster Saint-Martin und Saint-Maurice in T o u r s und Saint-Denis bei Paris sowie f ü r die Kirchen Sainte-Melaine in Rennes und Saint-Croix in Orléans bezeugt, daß sie im eigenen N a m e n Denare schlagen ließen. Der Münzschatz von P l a s s a c enthielt zudem 5 Denare u n b e s t i m m t e r kirchlicher Ateliers. 3 5 9 Von den 34 Orten mit sicher nachgewiesener Silberprägung sind also 16 ohne jede Einschränkung als kirchlich-religiöse Zentren zu bestimmen. Sie waren Bischofssitze, und zum Teil nicht nur d a s , sondern auch Sitze bedeutender klöstlicher Einrichtungen. Unter den übrigen 17 Siedlungen sind noch wenigstens 3, nämlich d a s bereits erwähnte J u m i è g e s , Saint-Denis bei Paris und d a s in einiger E n t f e r n u n g von L e Mans gelegene Kloster Saint-Calais, 3 6 0 die zu den bedeutendsten Klöstern der Zeit gehörten. Sollten die Beobachtungen über den besonderen Platz, den kirchlich-religiöse Zentren in der Silberprägung behaupteten, nicht gänzlich in die Irre gehen, so lassen sie einige aufschlußreiche Verallgmeinerungen z u : Die erste, von der ausgegangen wurde, ist, daß weit mehr als die H ä l f t e aller im Untersuchungsgebiet mit Sicherheit während der Periode der vorherrschenden Silberprägung nachweisbaren Münzorte bedeutende kirchlich-religiöse Zentren gewesen sind. Sie waren, und d a s trifft f ü r ihre Mehrzahl zu, Bischofssitze oder Sitz eines der bedeutenden Klöster, oder, wie etwa Paris, R e i m s , Orléans und Tours, beides zugleich. Zweitens ist die große K o n t i n u i t ä t und S t a b i l i t ä t bemerkenswert, mit der die kirchlichreligiösen Zentren von der Zeit vorherrschender Gold- bis zur Zeit vorherrschender Silberprägung ihre Eigenschaft als Prägeort bewahrten. E s sind nur wenige andere Plätze, von denen ähnliches gesagt werden kann. Selbstverständlich muß gerade bei der Erörterung des wichtigen Problems der Verringerung der Anzahl der Prägeorte beachtet werden, daß sie der wiederholt erwähnten Gefahr einer Fehlinterpretation infolge unsicherer oder gänzlich fehlender Herkunftsbestimmung bei einer beträchtlichen Anzahl von Münzen unterliegt. Möglicherweise ist die Gefahr eines einseitig verzerrten Schlusses sogar besonders groß, wenn die Münz356 Karte Nr. 2. 357
VERCAUTEREN, Ktudes, S . 6 5 f . , zu R e i m s ; S. 111 ff. zu Soissons, und allgemein S. 3 7 7 f f . EWIG,
Kirche, S. 45 ff. Anhang Nr. I : Angers, Saint-Aignan und Saint-Mesmin in Orléans, Senlis, Saint-Martin in Tours. Auf einer Münze der Medardus-Abtei in Soissons weist KAISER, Untersuchungen, S. 175, hin. 359 Ebenda sowie Anhang Nr. III, Nr. 11, 12, 14 und 15. 360 Anhang Nr. I.
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prägung kirchlicher Einrichtungen in den Mittelpunkt der Untersuchung rückt. Mit dieser Gefahr muß gerechnet werden, weil die Bestimmung von Denaren der civitates oder anderer kirchlicher Zentren weniger Schwierigkeiten bieten dürfte als die anderer Orte. Bessere handwerkliche Voraussetzungen für ihre Herstellung und damit sorgfältigere Ausführung könnten hierbei ebenso im Spiel sein wie die Tatsache, daß diese Siedlungen wegen ihrer großen Bedeutung, ihrer häufigeren Erwähnung in den Quellen überhaupt, vor allen aber in den schriftlichen, allgemein bekannter sind als andere. Jedoch ist allein die Möglichkeit, daß von einer sich andeutenden zahlenmäßigen Verringerung der Prägeorte die bedeutenden kirchlich-religiösen Zentren weniger betroffen sein könnten als andere, so bemerkenswert, daß auf sie unbedingt hinzuweisen war. In den vorangehenden Ausführungen ist wiederholt davon gesprochen worden, daß die ins 7. Jh. gehörenden Funde von Goldmünzen auffallend wenig von Beziehungen erkennen lassen, die das Untersuchungsgebiet und Aquitanien mit dem friesisch-angelsächsischen Raum verbunden hätten. Werden die Aussagen der Funde merowingerzeitlicher Silbermünzen mit diesem Ergebnis verglichen, so ergibt sich eine gewichtige Veränderung insofern, als in diesen Funden mit den sogenannten Sceattas ein neues Element erscheint.361 Bei den Sceattas handelt es sich wie bei den Denaren um Silbermünzen. Wesentlich für die Frage nach den äußeren ökonomischen Beziehungen des Untersuchungsgebietes ist jedoch die Tatsache, daß sie angelsächsischer bzw. friesischer Herkunft sind. Mit der Prägung der Sceattas ist im angelsäschsischen England am Beginn der zweiten Hälfte des 7. Jh. begonnen worden; die ältesten ließ König Pada von Mercien emittieren (65Ö).362 Sceattas wurden aber frühzeitig auch im friesischen Stammesgebiet geprägt. Die numismatische Forschung hat in den letzten Jahrzehnten nachgewiesen, daß eine ganze Anzahl bestimmter Typen dieser Münzen, die früher als angelsächsisch angesehen wurden, in Wirklichkeit friesischen Ursprungs sind.363 Die Sceattas waren während anderthalb Jahrhunderten wichtigstes Zahlungsmittel der Angelsachsen und der Friesen.364 Sie treten im ehemaligen friesischen Stammesgebiet in zahlreichen Schätzen auf,365 begegnen aber auch — und gerade hierin bestellt eine gewichtige Veränderung gegenüber der Periode der Goldzirkulation — in den Funden des Untersuchungsgebietes und Aquitaniens. Von den früher genannten 8 Schätzen merowingerzeitlicher Silbermünzen366 enthielten die meisten Sceattas, und zwar in durchaus beachtenswerter Zahl. Im Schatz von SaintPierrre-les-Etieux fanden sich 10,367 im Schatz von Bais 32, von denen 4 Imitationen auf Denare von Rennes waren,368 im Schatz von Plassac 15,369 im Schatz von Cimiez 53 370 und im Schatz von Nohanent wenigstens I I 3 7 1 solcher Silbermünzen angelsächsisch-frie361 Zu diesen Münzen allgemein sowie zur E t y m o l o g i e des W o r t e s v g l . : W ö r t e r b u c h der Münzkunde, S. 591;
SUHLE, Münz- und Geldgeschichte,
S. 26;
LE GENTILHOMME, Sccattas,
S. 67 f f . ;
ZADOKS-JOSBPHUS JXTTA, Muntslag, S. 10. LAFAUBIE, Monnaies d'argent, S. 137 f f . 362
LE
GENTILHOMME,
Sceattas,
S. 69; W ö r t e r b u c h
der
Münzkunde,
S. 591 f . ;
STJTHERLAND,
Gold coinage, S. 43 und S. 54 f. :)03
ZADOKS-JOSEFHUS JXTTA, Muntslag, S. 10, sagt, daß die Friesen i m 3. V i e r t e l des 7. Jh. dem angelsächsischen Beispiel gefolgt seien. Zu den unterschiedlichen T y p e n L E GENTILHOMME, Sceattas, S. 67 ff.
364 W ö r t e r b u c h der Münzkunde, S. 591. 3 « Ebenda. 36« S. o., S. 5 0 f f . 367 A n h a n g N r . I I I , N r . 11. 368 Ebenda, N r . 15. 369 Ebenda, N r . 12. 370 Ebenda, N r . 13. 3 « S. o., S. 52 ff.
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sischer H e r k u n f t . A n a n d e r e r Stelle w u r d e bereits gesagt, d a ß der S c h a t z v o n R o u e n n u r u n g e n ü g e n d b e k a n n t ist. 3 7 2 Die A n g a b e n v o n Le G e n t i l h o m m e lassen a b e r keinen Zweifel d a r a n a u f k o m m e n , d a ß dieser F u n d ebenfalls S c e a t t a s e n t h i e l t . N i c h t u n w i c h t i g ist, d a ß eine d e r angelsächsischen Münzen eine I m i t a t i o n auf in R e n n e s g e p r ä g t e D e n a r e d a r s t e l l t . 3 7 3 D e r in Savonnieres bei T o u r s e n t d e c k t e kleine Münzschatz e n t h i e l t keine S c e a t t a s ; 3 7 4 jedoch ist bei der I n t e r p r e t a t i o n dieser T a t s a c h e zu b e d e n k e n , d a ß dieser F u n d eine Sonderstellung e i n n i m m t . E r b e s t a n d ausschließlich a u s Münzen der n ä c h s t e n U m g e b u n g des F u n d o r t e s , 3 7 5 u n d diese seine Z u s a m m e n s e t z u n g l ä ß t d a r a u f schließen, d a ß er in einem Milieu a n g e h ä u f t w o r d e n ist, d e m w e i t r ä u m i g e r e V e r b i n d u n g e n fehlten. Offenbleiben m u ß die F r a g e des V o r h a n d e n s e i n s angelsächsischer bzw. friesischer S c e a t t a s im F u n d v o n B a r b u i s e . Seine Z u s a m m e n s e t z u n g ist bisher n i c h t g e n ü g e n d b e k a n n t , u m diese F r a g e m i t j a oder m i t nein zu b e a n t w o r t e n . 3 7 6 I n E n g l a n d h a t es keine K o n t i n u i t ä t d e r M ü n z p r ä g u n g gegeben. Die P r ä g u n g e n d e t e hier m i t d e m Z u s a m m e n b r u c h der römischen H e r r s c h a f t . E r s t f ü r d a s s p ä t e 6. bzw. f ü r die W e n d e des 6. z u m 7. J h . lassen sich Anzeichen einer angelsächsischen P r ä g u n g erk e n n e n . Sie g e h t von C a n t e r b u r y aus u n d v e r r ä t w ä h r e n d i h r e r A n f ä n g e in h a n d w e r k l i c h technischer H i n s i c h t s t a r k e n f r ä n k i s c h - m e r o w i n g i s c h e n E i n f l u ß . G e p r ä g t w u r d e n in dieser Zeit, wie im Merowingerreich auch, G o l d m ü n z e n . 3 7 7 Der wohl u m die Mitte des 7. J h . v e r g r a b e n e Schatz v o n Crondall b e s t a n d zu ü b e r 50 P r o z e n t a u s solchen angelsächsischen Goldmünzen. 3 7 8 E s g i b t bisher keinerlei Anzeichen d a f ü r , d a ß v o n diesen im angelsächsischen E n g l a n d g e p r ä g t e n G o l d m ü n z e n E x e m p l a r e in d a s U n t e r s u c h u n g s g e b i e t g e l a n g t w ä r e n . Diese B e o b a c h t u n g k o r r e s p o n d i e r t also in gewisser Weise m i t der f r ü h e r geschild e r t e n , d a ß w ä h r e n d des 7. J h . im U n t e r s u c h u n g s g e b i e t e m i t t i e r t e G o l d m ü n z e n n u r im geringen Maße, u n d f a s t will es so scheinen, n u r a u s n a h m s w e i s e bis in angelsächsisches G e b i e t gelangten. Allerdings m a g d a b e i weniger schwer wiegen, d a ß angelsäschsische Goldm ü n z e n n i c h t in N e u s t r i e n u n d A q u i t a n i e n g e f u n d e n w o r d e n sind, als eben g e r a d e die entgegengesetzte T a t s a c h e . Die angelsächsische P r ä g u n g ist w ä h r e n d der ersten H ä l f t e des 7. J h . zweifelsohne s e h r viel geringer gewesen als die fränkisch-merowingische. 3 7 9 So m u ß schon wegen d e r unterschiedlich großen Menge d e r G o l d m ü n z e n , die diesseits u n d jenseits des K a n a l s in d e n Umlauf g e l a n g t e n , die Möglichkeit ihres A u f t r e t e n s in e n t f e r n t e r e n Regionen v e r s c h i e d e n groß gewesen sein.
Zusammenfassung Auf den v o r a n g e h e n d e n Seiten ist v e r s u c h t w o r d e n , d e m n u m i s m a t i s c h e n Material Aussagen a b z u g e w i n n e n , die d e r U n t e r s u c h u n g schriftlicher Quellen als F r a g e s t e l l u n g e n g r u n d l e g e n d e r e r A r t zu d i e n e n v e r m ö g e n . Die w i c h t i g s t e n E r g e b n i s s e seien z u s a m m e n gefaßt: S . O., S . 5 0 . 373
LE GENTILHOMME, Notes, S. 56 ff. 3™ Anhang Nr. I I I , Nr. 14. 375 Ebenda. 37