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German Pages 510 [512] Year 1985
Nach-Chomskysche Linguistik
Nach-Chomskysche Linguistik Neuere Arbeiten von Berliner Linguisten
Herausgegeben von Thomas T Ballmer f und Roland Posner
w G DE
Walter de Gruyter • Berlin • New York 1985
CIP-Kurztitelaufnahme
der Deutschen
Bibliothek
Nach-Chomskysche Linguistik : e. Querschnitt durch d. Arbeiten von Berliner Linguisten d. 70er Jahre / hrsg. von Thomas T. Ballmer u. Roland Posner. — Berlin ; New York : de Gruyter, 1985. ISBN 3-11-009971-3 NE: Ballmer, Thomas [Hrsg.]
Gedruckt auf säurefreiem Papier (alterungsbeständig
—pH7, neutral)
© Copyright 1985 by Walter de Gruyter & Co., Berlin 30. Printed in Germany. Alle Rechte des Nachdrucks, der photomechanischen Wiedergabe, der Herstellung von Photokopien — auch auszugsweise — vorbehalten. Satz und Druck: Arthur Collignon GmbH, Berlin — Buchbinder: Fuhrmann KG, Berlin
Vorwort Die vorliegende Sammlung sprachwissenschaftlicher Untersuchungen erscheint unter dem Titel „Nach-Chomskysche Linguistik". Damit ist aber nicht eine „Linguistik nach Chomsky" gemeint, denn der Linguistik-Professor am Massachusetts Institute of Technology Noam Chomsky ist nach wie vor unter uns, und seine Schaffenskraft ist heute wie vor 30 Jahren ungebrochen. Es wird auch nicht auf das Schicksal der amerikanischen Forschergruppe angespielt, die man als Chomsky-Schule bezeichnet, selbst wenn sie viele Wandlungen durchgemacht hat und heute den Höhepunkt ihres Einflusses in Europa überschritten zu haben scheint. Wir versuchen vielmehr die in diesem Band zusammengefaßten Autoren und ihre geistige Entwicklung zu kennzeichnen: Sie alle sind durch das Erscheinen von Chomskys revolutionären Büchern Syntactic Structures (1957) und Aspects ofthe Theory of Syntax (1965) vor zwei Jahrzehnten bewegt worden, sich der in ihnen formulierten Theorie der generativen Transformationsgrammatik zuzuwenden, und haben durch die Ausrichtung ihrer eigenen Arbeiten nach den Chomskyschen Fragestellungen in den sechziger Jahren der Sprachwissenschaft in Deutschland neue Perspektiven geöffnet. Diese Ausrichtung reichte von direkter Anwendung der generativen Transformationsgrammtik auf das Deutsche über ihre theoretische Explikation und Weiterentwicklung bis hin zu scharfer argumentativer Auseinandersetzung mit ihr. Zentrum dieser Auseinandersetzung in der ersten Hälfte der siebziger Jahre waren neben der vormaligen Deutschen Akademie der Wissenschaften in Berlin Ost die beiden Universitäten in Berlin West. Insofern schien es manchem gerechtfertigt, in diesem Zusammenhang von der „Berliner Linguistik" zu sprechen. Mittlerweile haben viele ehemals Berliner Linguisten aber an den Universitäten der Bundesrepublik und des europäischen Auslands neue Arbeitsstätten gefunden, und die Ziele und Methoden ihrer Arbeit haben sich weiterentwickelt. So mag es nicht nur für die Betroffenen selbst reizvoll sein, einen Überblick darüber zu gewinnen, welche Richtung ihre Arbeit nach der allmählichen Loslösung vom bestimmenden Einfluß Chomskys und der Chomsky-Schule genommen hat. Die Beiträge des vorliegenden Bandes sind Helmut Schnelle gewidmet, der in den Jahren 1967 bis 1975 als Professor für Linguistik an
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Vorwort
der Technischen Universität Berlin durch seine theoriebezogene Lehre und Forschung und durch seine diskussionsfreudige Art wesentlich dazu beigetragen hat, das geistige Klima zu schaffen, in dem unsere Arbeit entstehen und Frucht bringen konnte. Thomas Ballmer f Bochum
Roland Posner Berlin
Inhalt Vorwort
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Einleitung Roland Posner Nach-Chomskysche Linguistik
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Thomas T Ballmer Berliner Linguisten 1 9 6 7 - 1 9 8 2
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I Aufgaben der Linguistik Dietrich Hartmann Wandlungen im Selbstverständnis der Linguistik der BRD in den letzten fünfzehn Jahren
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Dieter Metzing Prozedurale Dialogmodelle, als Teil eines Neuorientierungsprogramms der Linguistik
65
Klaus Baumgärtner Das Wissen der Linguisten
76
Charles-James N. Bailey Using Data Variation to Confirm, rather than Undermine, the Validity of Abstract Syntactic Structures
84
Utz Maas Kulturanalyse und Sprachwissenschaft
91
Helmut Lüdtke Umstrittene Linguistik: Sieben Thesen
102
II Historische Rückblicke Jün-tin Wang Modi Significandi, Logik der Tropen und Signum S i g n o r u m . . . 115
Vili Herbert E. Brekle Grammatica Universalis Tenuis Rudimenta (1737)
Inhalt
124
Jürgen Schmidt-Radefeldt Zu logischen und sprachphilosophischen Grundlagen von Paul Valéry: G. W. Leibniz 134 Maya Bar-Hillel/Avishai Margalit Expecting the Unexpected
146
III Philosophische Voraussetzungen Renate Bartsch Zur Unterscheidung von sprachlichen Normen und R e g e l n . . . . 173 Siegfried Kanngießer Toleranzräume des Sprachverstehens
186
Marcelo Dascal The Relevance of Misunderstanding
194
Helmut Richter Syllogum Redivivum
211
Bernd-Jürgen Fischer Rekonstruktion vs. Deskription: Schnelle oder Lieb — ein Vergleich 226 Thomas T Ballmer Linguistische Logik und ihre Fundierung
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IV Grammatiktheorie Roland Posner Syntactics. Its Relation to Morphology and Syntax, to Semantics and Pragmatics, and to Syntagmatics and Paradigmatics 247 Henning Bergenholtz/Joachim Mugdan Wortstrukturen
266
Hans-Heinrich Lieb Zum Begriff des Wortakzents
275
Roland R. Hausser Zur Struktur des Lexikons in der generativen Grammatik
284
Peter Bosch Propositionen
. 299
Inhalt
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V Deskriptive Grammatik Peter Eisenberg Zur syntaktischen Deutung einer ungefestigten Konstruktion im Deutschen 311 Werner Kummer Embedding Structures in Quechua
321
Dieter Wunderlich Zur Semantik der lokalen Präpositionen
340
Ernesto Zierer/Carolina Zierer-Wu Die illokutive Partikel „fei" des Bairischen und ihre Entsprechungen im Spanischen 352
VI Anwendungen der Linguistik Konrad Ehlich Eine punische Inschrift von einer Weihestele aus der Gegend von Karthago 359 Wilhelm H. Vieregge Probleme bei der Transkription abweichender Sprachäußerungen: erste Lösungsansätze 372 Gerd Kegel Zum Einfluß von Syntax und Semantik auf die Nachsprechleistungen agrammatischer Kinder 381 Waltraud Brennenstuhl Wortbedeutung in den ersten Stadien des Spracherwerbs
395
Wolf Paprotte Hexatpepeiv - ein Prinzip kindlicher Bedeutungen?
401
Günter Saile Sprachliche Bedingungen des Technologietransfers
424
Haj Ross Poems as Holograms
433
Wolfgang Wenning Farbwörter und Sehen
444
Edgar Rothacker Die Simulierung von operativen Syntax-Netzwerken durch parallele Ersetzungssysteme 457
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Inhalt
Nachwort Helmut Schnelle Meine Forschung in Berlin
475
Register Personenregister
487
Sachregister
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EINLEITUNG
Nach-Chomskysche Linguistik ROLAND POSNER,
Berlin
Als 1957 Noam Chomskys erstes Buch Syntactic Structures erschien, blieb es in Deutschland fast unbeachtet. Die deutsche Sprachwissenschaft hatte nämlich die theoretischen und methodologischen Annahmen, gegen die Chomsky argumentierte, noch kaum zur Kenntnis genommen. Der amerikanische Strukturalismus und die informationstheoretische Linguistik waren an den Universitäten weitgehend unbekannt. Ja selbst die europäischen Strukturalisten seit Saussure galten vielfach als oberflächliche Neuerer, die von der Hauptaufgabe der Sprachwissenschaft, der Beschreibung und historischen Herleitung des Formenreichtums fremder Sprachen, ablenkten. Saussures Cours de linguistique générale war 1957 noch in der ersten Auflage der deuschen Übersetzung von 1931 im Buchladen erhältlich. So ist es kein Wunder, daß Hans Glinz noch im Jahr 1965 ([1965]:92) öffentlich seinem Erstaunen darüber Ausdruck gab, wie es möglich war, daß ein Wissenschaftler, „der erst Ende der 40er Jahre sein Studium begann", in Cambridge, Massachusetts 1962 „am IX. Internationalen Linguistenkongreß bereits ein Hauptreferat hielt", das den vielversprechenden Titel trug: „The logical basis of linguistic theory". Glinz stand mit seiner Reaktion damals durchaus nicht allein. Auch internationale Autoritäten wie Roman Jakobson (1959) hielten Syntactic Structures für ein „argumentum a contrario", das die Unmöglichkeit einer formalen Linguistik, die wie die moderne Logik mit algebraischen Mitteln arbeitet, anschaulich vor Augen führe. I Aufgaben der Linguistik Allen Unkenrufen zum Trotz setzte sich Chomsky auch in Deutschland durch. Seine 1965 erschienenen Aspects of the Theory of Syntax kamen den Interessen des traditionellen Sprachwissenschaftlers näher als Syntactic Structures, ohne aber die neuen Fragestellungen aufzugeben, die Chomsky in der Zwischenzeit bekannt und populär gemacht hatte. Chomsky verstand unter Grammatik nicht nur, wie die philologische Tradition (vgl. Bâtori [1980]):
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Roland Posner
— die „Grammatik auf dem Regal", also ein Buch mit Regeln, die Aufbau und Verwendung sprachlicher Ausdrücke beschreiben, — sondern auch die „Grammatik im Kopf", also ein internalisiertes Regelsystem, das neurophysiologisch gespeichert ist und in dieser Form das menschliche Sprachverhalten direkt bestimmt, - und die „Grammatik in der Maschine", also ein System von Instruktionen, mit denen man Computer programmieren kann, so daß sie Mengen von sprachlichen Ausdrücken produzieren, die mit den Mengen von sprachlichen Ausdrücken verglichen werden können, die Menschen im Umgang miteinander äußern und verstehen. Durch die theoretische Rechtfertigung der Anwendung des Grammatikbegriffs auf diese ganz verschiedenen Bereiche öffnete Chomsky den bis dahin vorwiegend geisteswissenschaftlich orientierten Sprachwissenschaftlern in Deutschland die Augen für die Fragestellungen der Sozialwissenschaften und die Möglichkeiten der Computertechnik. Er zeigte, daß ein Linguist — nicht nur wie im europäischen und amerikanischen Strukturalismus Sprachmaterial beschreiben, - sondern auch dessen Struktur auf soziologischer, psychologischer und biologischer Basis erklären, - und seine Handhabung durch elektronische Maschinen nachvollziehen lassen und für spezielle Zwecke (z. B. die Textverarbeitung) weiterentwickeln kann. Für die Verwirklichung dieser zusätzlichen Aufgaben reichte allerdings die Verwendung herkömmlicher verbaler Beschreibungsmittel nicht mehr aus, es mußte ein exakter Beschreibungsapparat geschaffen werden, der zumindest die grammatischen Eigenschaften aller sprachlichen Ausdrücke lückenlos erfaßte. Nur auf solcher Grundlage konnte man hoffen, die Grammatik bis in Details hinein empirisch überprüfbar und maschinell simulierbar zu machen. Die für diesen Zweck von Chomsky entwickelten generativen Grammatiken waren nicht nur unter methodologischen und technologischen Gesichtspunkten ein Fortschritt. Sie erlaubten außerdem die Analyse der sprachlichen Ausdrücke und der zugehörigen Regelsysteme als algebraische Strukturen mit den Mitteln der Mathematik und die philosophische Reflexion über die so gefundenen Struktureigenschaften. Begeistert von den weiten Horizonten, die dieses Programm eröffnete, wandten sich in der zweiten Hälfte der 60er Jahre Studenten und Assistenten der verschiedensten Fachgebiete in den Geistes-, Sozial- und Naturwissenschaften der Linguistik zu. Sie waren zunächst bereit, Chomsky auch da zu folgen, wo er sogenannte Idealisierungen des linguistischen Gegenstandsbereichs vornahm (vgl. Posner, [1973]) und dadurch die Horizonte wieder enger werden ließ, um ein
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schnelleres Vorankommen auf dem vorgezeichneten Weg zu ermöglichen: Sprache wurde als (potentiell unendlich große) Menge von Sätzen verstanden. Das Sprachsystem wurde aufgefaßt als ein rekursives System von Regeln, das diese Satzmenge definiert. Das Sprachvermögen des Menschen wurde rekonstruiert als Sprachkompetenz, also die Fähigkeit, formale Strukturen zu produzieren, die Sätze einer bestimmten Sprache sind, und bei gegebenen Strukturen korrekt zu entscheiden, ob sie Sätze einer bestimmten Sprache sind. Die Sprachbenutzer wurden unter Abstraktion von der Modalität (Produktion oder Rezeption) und der Realisationsart (mündlich oder schriftlich) modelliert als ideale Sprecher/Hörer ohne individuelle Eigenschaften. Sprachliches Handeln wurde auf Sprachperformanz reduziert, worunter man die Interaktion der Sprachkompetenz mit besonderen Gegebenheiten bei den Sprachbenutzern (psychische Zustände, Wissen, Einstellungen, Kommunikationsziele) verstand, die zu beschreiben als nachgeschaltete Aufgabe angesehen wurde. Die Aktualgenese des Formulierens und Verstehens einer sprachlichen Äußerung in einer Kommunikationssituation blieb durch diese Idealisierungen ebenso außerhalb der Betrachtung (vgl. Herrmann, [1986]) wie die Ontogenese des Sprachvermögens in den Sprachbenutzern (Spracherwerb und Sprachverlust) und die Phylogenese des Sprachsystems (Sprachwandel in Evolution und Geschichte). Die Erweiterung des wissenschaftlichen Horizonts der Sprachwissenschaft wurde durch den von Chomsky eingeschlagenen Weg also paradoxerweise mit einer neuen Verengung der Fragestellungen bezahlt, die dem Außenstehenden die Annahme des generativistischen Forschungsparadigmas nicht als Integration neuer Ziele, sondern als bloße Interessenverlagerung der Sprachwissenschaft erscheinen ließ. Auf den hoffnungsvollen Aufbruch zu neuen Ufern folgte so unverhofft eine übertriebene Einfriedung (Grunig, [1982 a]) der neu hinzugewonnenen Arbeitsgebiete. Chomsky hatte den Blick auf die allgemeine Wissenschaftstheorie, auf die Prinzipien der Theorienbildung und auf die formalen Darstellungsmittel für linguistische Erkenntnisse gelenkt. Ihnen galt in den 60er Jahren das Hauptinteresse der jungen deutschen Linguisten. Erkenntnisleitend war für sie nicht mehr wie früher der Versuch, den Formenreichtum fremder Sprachen zu erfassen und zu gliedern; erkenntnisleitend waren abstrakte Hypothesen über das Wesen der Sprache, die möglichst eng an die Entwicklung formaler Darstellungsmittel gebunden wurden. Empirische Daten spielten unter diesem Blickwinkel nur eine Rolle, insoweit sie die theoretischen Hypothesen bestätigten oder zu ihrer Modifizierung zwangen. Die Anwendung von linguistischen Erkenntnissen in Textanalyse, Sprachunterricht und Sprachtherapie geschah unter dem Diktat der für sakrosankt
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gehaltenen Theorie. Wo diese nicht zu greifen schien, neigte man dazu, die Hindernisse wegzudiskutieren. Linguistik im Schulunterricht diente weniger der Verbesserung des Spracherwerbs als umgekehrt: Der Sprachunterricht mußte Beispiele liefern, die die Theorie verständlich machten. Doch das meiste, was die jungen Linguisten faszinierte, ließ sich noch nicht exakt beschreiben, und was sich schon exakt beschreiben ließ, faszinierte immer weniger. So begann man Anfang der 70er Jahre die selbst auferlegten Fesseln überall zu sprengen und das Verhältnis von Sprache und Sprechen, von Sprache und Spracherwerb sowie von Sprache und Sprachwandel auf eigene Faust zu erforschen. Das führte dazu, daß man oft hinter den darstellungstechnischen Errungenschaften der Chomsky-Schule zurückblieb, dafür aber meist an Problembewußtsein hinzugewann. Diesen Weg hat die nach-Chomskysche Linguistik in Deutschland seither folgerichtig fortgesetzt. Die zunächst vorhandene Fixierung auf das Vorbild der formalen Logik in der theoretischen Linguistik wurde überwunden, die anfänglichen Defizite in der Beschreibung einzelsprachlicher Erscheinungen beseitigt und die Fehlentwicklungen im Bereich der angewandten Linguistik Schritt für Schritt korrigiert. Die Beiträge des vorliegenden Bandes dokumentieren, welches Stadium dieser Prozeß der Emanzipation von Chomsky zu Beginn der 80er Jahre erreicht hat. Um diesen Gesichtspunkt deutlich zu machen, seien im folgenden die systematischen Bezüge herausgearbeitet, die zwischen den Beiträgen untereinander sowie zwischen ihnen und dem Chomskyschen Paradigma bestehen. DIETRICH HARTMANN zeichnet die wesentlichen Aspekte des Wandels nach, der sich während der 70er Jahre im Selbstverständnis der bundesdeutschen Linguisten vollzogen hat: — Neben der synchronischen Beschreibung der Standardsprache begann man sich zunehmend wieder den Sprachvarietäten und dem Sprachwandel zuzuwenden. — Die Auffassung von Besonderheiten des Sprachgebrauchs als linguistisch nicht erklärungsbedürftigen Randphänomenen der Performanz trat zurück hinter einer systematischen Erforschung von Performanzerscheinungen, die nicht ohne Rückwirkungen auf die Theorie der Kompetenz blieb. — Die Loslösung der Sprache aus dem kulturellen Kontext, wurde — zunächst in den Begriffen von Searles Sprechakttheorie — schrittweise rückgängig gemacht durch systematische Untersuchung der Zwecke des Sprachgebrauchs in politischen und gesellschaftlichen Institutionen. — Die Linguistik wurde zum „Hoffnungsträger aufklärerischer Absichten" (Hartmann); ihre Erkenntnisse wurden argumentativ
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zur Demokratisierung institutioneller Kommunikation und zur Entkrampfung alltäglicher Interaktion eingesetzt. All diese Tendenzen sind seit Anfang der 70er Jahre durchaus stabil geblieben. An die Stelle der Proklamationen zu Beginn des Jahrzehnts ist jedoch mehr und mehr systematische Arbeit getreten. Sie hat zwar den Überschwang bremsen, die Ziele relativieren, die Methoden verfeinern können; doch die Richtung ist geblieben. Das zeigen auch die weiteren Abhandlungen dieses Bandes. In fast allen dient Chomskys Linguistikkonzeption explizit oder implizit als Ausgangspunkt für die eigene Argumentation. Viele Beiträger benennen ausdrücklich den Aspekt der Chomsky-Linguistik, den sie mit ihrer Arbeit überwinden helfen wollen. Nicht wenige bemühen zur argumentativen Unterstützung vor-Chomskysche Linguisten. Ähnlich wie Chomsky die deutschen Linguisten in den 60er Jahren dazu bewegt hatte, ihre eigene Tradition als Beitrag zu seiner Linguistikkonzeption aufzuarbeiten, diente er ihnen in den 70ern als Anlaß, in der eigenen Tradition nach markanten Vertretern von Gegenpositionen zu fahnden. DIETER METZING zum Beispiel greift auf die Auseinandersetzung mit dem Darwinismus in der Sprachwissenschaft des 19. Jahrhunderts zurück. Er zitiert Schleichers Slogan ([1873]:10): „[...] wenn wir nicht wissen, wie etwas geworden ist, so kennen wir es nicht" und formuliert ihn für seine eigene Zielsetzung passend um: „Wenn wir nicht wissen, wie etwas durch konkrete Sprecher hervorgebracht wird, so kennen wir es nicht." Es geht Metzing darum, die Regeln zur Charakterisierung der Sprache als Menge von Sätzen im Sinne von Chomsky zu ergänzen durch Regeln zur Charakterisierung der Abläufe, die zur Produktion und Rezeption sprachlicher Äußerungen durch den Menschen erforderlich sind. Er nennt diese Zielsetzung „prozedurale Sprachuntersuchung" und glaubt voraussagen zu können, daß ihre Ergebnisse die Regeln zur Beschreibung der fertigen sprachlichen Ausdrücke nicht unmodifiziert lassen werden: Eine Sprachbeschreibung, zu der es eine prozedurale Variante gibt, die psychische und neuronale Abläufe in sprachlicher Kommunikation erfassen kann, ist einer Sprachbeschreibung überlegen, für die dies nicht möglich ist. Entsprechend dieser Zielsetzung plädiert Metzing für eine enge Zusammenarbeit der Linguistik mit den Wissenschaften, zu deren Gegenstandsbereich diese Abläufe traditionell gerechnet werden: der Psychologie, Neurologie und Künstliche-Intelligenz-Forschung. Metzing steht auch im vorliegenden Band mit seinem Programm nicht alleine: In Teil VI zeigt Rothacker, wie man den tatsächlichen Sprachverarbeitungsprozessen durch die Konstruktion paralleler Ersetzungssysteme gerecht werden kann. KLAUS BAUMGÄRTNER kritisiert den Semantiker der ChomskySchule, Jerrold J . Katz, und die von ihm vertretene Position des
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„konsequenten Präsuppositionalisten". Er behandelt in neuer Sicht das alte Bloomfieldsche Problem, ob Semantik ohne Einbeziehung von Weltkenntnis getrieben werden kann. Ausgehend von der Feststellung, daß die heutigen Linguisten de facto ständig Behauptungen über den Zustand der Welt in die Sprachbeschreibung einfließen lassen, fordert Baumgärtner, daß sie diese Behauptungen methodisch besser absichern. Er plädiert dafür, die linguistischen Aussagen selbst als Teile eines wissenschaftlichen Argumentationsprozesses aufzufassen und zum Beispiel Behauptungen von Linguisten über die Präsuppositionen sprachlicher Äußerungen in ihrem Bezug auf diesen Argumentationsprozeß hin zu verstehen. Nur so kommen die Linguisten von ihrem selbstgewählten Podest der „Linguistik gottgleich aus der Vogelschau" herunter, auf dem sie so leicht angreifbar sind. Baumgärtners Vorschlag zum Selbstverständnis der Linguisten beruht zwar auf anderen Argumenten, hat aber im Ergebnis durchaus Parallelen mit den Bestrebungen zu einer kommunikationstheoretisch fundierten Literaturwissenschaft, die Ende der 60er Jahre unter dem Stichwort „Rezeptionsästhetik" Aufsehen erregte und sich seither zu einem eigenen wissenschaftlichen Paradigma weiterentwickelt hat. Auch CHARLES-JAMES N. BAILEY knüpft an Probleme an, die bei Chomsky bis heute offengeblieben sind. Anders als Labov, der Anfang der 70er Jahre geglaubt hatte, mit seinen Forschungen über die Sprachvarietäten des Englischen Chomskys gesamte Konzeption des Sprachsystems und der Sprachkompetenz aus den Angeln heben zu können, plädiert Bailey für eine Verwendung empirischer Befunde über die Sprachvariation zur theorieimmanenten Überprüfung systemlinguistischer Kategorien und Strukturhypothesen. Er präsentiert als Beispiel Daten aus der syntaktischen Sprachvariation, die gängige generativ-transformationelle Hypothesen über die Struktur von Sätzen des Englischen auf neue Weise bestätigen. UTZ MAAS kritisiert an der Chomsky-Linguistik der frühen 70er Jahre die enge Eingrenzung des linguistischen Arbeitsfeldes auf grammatiktheoretische Fragen und befürwortet eine Öffnung der Linguistik hin zur Erfassung der Rolle von Sprache im Rahmen einer Kultur. Aus seinem kulturanalytischen Ansatz, der dem der Anthropologie und der Semiotik nahesteht, folgen für den Linguisten methodologische Maximen, die in letzter Konsequenz überraschend gut zu den Vorschlägen von Baumgärtner passen: (a) die deskriptivistische Maxime, daß der Linguist die Kultur jeder untersuchten Gesellschaft als eigenständige Struktur zu erfassen und seiner Sprachbeschreibung zugrunde zu legen hat, (b) die partizipatorische Maxime, daß der Linguist sich bei der Aneignung einer Kultur deren eigenen Entwicklungsstand zum Maßstab zu machen hat. Die beiden Forderungen stehen nicht in diametralem Gegensatz zu der von Anhängern der
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Chomsky-Schule praktizierten Feldarbeit, sie sind aber geeignet, den systematischen Verzerrungen vorzubeugen, die durch die Beschränkung des Linguisten auf die Formulierung von Regeln zur Beschreibung sprachlicher Wohlgeformtheit und durch die Loslösung seiner Tätigkeit aus deren eigenem kulturellen Zusammenhang entstehen. Einer der frühesten und beharrlichsten Kritiker von Grundannahmen der Chomskyschen Linguistik in Deutschland ist HELMUT LÜDTKE. Seine Thesen nehmen die theoretische Arroganz und den methodischen Apriorismus aufs Korn, der viele Chomsky-Anhänger kennzeichnete. Lüdtke verlangt die Aufgabe bestimmter Chomskyscher Idealisierungen, die den Blick auf die sprachliche Realität so sehr verstellt haben, daß ihren Vertretern zuwiderlaufende empirische Untersuchungen von vornherein aussichtslos zu sein schienen. Die Lüdtkesche Argumentation richtet sich vor allem gegen Chomskys Definition von Sprache als Menge von Sätzen, gegen die Fixierung auf die schriftliche Wiedergabe von Äußerungen als Ersatzobjekt linguistischer Forschung und gegen die Abstraktion von Sprachwandel und Sprachvariation — ein Punkt, in dem Lüdtke sich mit Bailey trifft. Er bemängelt aber auch wie Metzing die Abkapselung der Linguistik von physikalischen, biologischen, neurologischen und psychologischen Erkenntnissen, die den Boden für unrealistische disziplinimmanente Fiktionen bereiteten. Zusammenfassend kann man sagen: So vielfältig die Aufgabenstellungen sind, die die Autoren im ersten Teil des vorliegenden Bandes der zeitgenössischen Linguistik verschreiben, sie schließen sich nicht aus, sondern ergänzen einander. Es geht um 1. die Überwindung der gegenseitigen Isolierung von theoretischer Linguistik und angewandter Linguistik: Die Aussagen der theoretischen Linguistik dürfen bei ihrer Anwendung nicht als sakrosankt betrachtet werden, sondern müssen sich an den Aufgaben der Praxis bewähren; tun sie das nicht, so sind sie im Einklang mit den übrigen verfügbaren Daten zu modifizieren (vgl. Hartmann, Lüdtke, Maas, Metzing). 2. die Überwindung des Gegensatzes von Sprache als Gegenstand versus Sprache als Prozeß: Die Linguistik hat nicht nur „Sprachen zu beschreiben", sondern auch die Fähigkeit, mit Sprache umzugehen, samt ihrer Ontogenese im Spracherwerb des Kindes, ihrer Phylogenese in der Sprachgeschichte und ihrer Aktualgenese im konkreten Formulierungs- und Verstehensprozeß (vgl. Bailey, Lüdtke, Maas, Metzing). 3. die Überwindung des Gegensatzes zwischen wissenschaftlichen Aussagen mit vermeintlichem Ewigkeitswert und argumentationsorientierten Äußerungen im Zusammenhang der Wissenschaftlerkommunikation: Die Linguistik ist keine Wissenschaft, die sich ein für allemal und für alle Zeiten gleich definieren läßt; so wie sich die Problemstellungen ändern, die sie zu bearbeiten hat, verschieben
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sich auch ihre Grenzen zu den Nachbarwissenschaften. Für ihre Darstellungsmittel — ob hochformalisiert, begriffssprachlich oder beispielbezogen — gibt es keinen absoluten Standard, die Qualitätsmaßstäbe ergeben sich vielmehr aus den differenzierten Anforderungen im Rahmen der Ökonomie der Forschung und ihrer Vermittlung (vgl. Hartmann, Baumgärtner, Maas, Lüdtke). Diese Tendenzen bestimmen explizit oder implizit auch die Diskussion in den Beiträgen der folgenden Teile des Bandes: — Die Auseinandersetzung mit den historischen Vorläufern, deren Werk neu interpretiert in die aktuellen Gedankengänge eingebracht wird (Teil II), — die Reflexion von philosophischen Voraussetzungen der Theorien und Methoden der Linguistik, die sich dann in Teil IV, V und VI präsentieren (Teil III), — die Vorschläge zur Konzeption der verschiedenen Komponenten der Sprachbeschreibung und zur Präsizierung ihres Verhältnisses zueinander (Teil IV), — die Beispiele grammatischer Deskription von ausgewählten Erscheinungen einzelner natürlicher Sprachen (Teil V), — die Darstellung von Problemen der Anwendung linguistischer Begriffe, Theorien und Methoden auf vorher nicht zurechtgemachte Gegenstände des Alltagslebens (Teil VI). Es dauerte seinerzeit vier Jahre und länger, bis die wesentlichen Schriften Chomskys in deutscher Übersetzung zur Verfügung standen. Um mitreden zu können, mußte man die amerikanischen Veröffentlichungen in der Originalsprache lesen und diskutieren lernen. Seit den 60er Jahren ist es daher für deutsche Linguisten zunehmend üblich geworden, neben dem Deutschen das Englische als gleichberechtigtes Instrument der Verständigung zu gebrauchen. Diese Tendenz spiegelt auch der vorliegende Band dadurch, daß - unabhängig von der Nationalität oder der Wirkungsstätte der Beiträger — in jedem Teil eine Abhandlung auf Englisch erscheint (die von Bailey, Bar-Hillel und Margalit, Dascal, Posner, Kummer und Ross).
II Historische Rückblicke Chomskys Theorie der generativen Transformationsgrammatik ist im Original im Format eines Regelsystems formuliert, und die wissenschaftliche Auseinandersetzung mit der Theorie hat daher weitgehend die Form einer Diskussion über alternative Regeltypen angenommen. JÜN-TIN WANG, der aus Taiwan stammende deutsche Kommunikationstheoretiker und Linguist, hat schon in den 60er Jahren diese computergerechte Aufbereitung der Grammatik einer Kritik unterzo-
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gen (1969, 1971) und ihre systematische Ubersetzung in Aussagen im Sinne der Wissenschaftstheorie vorgeschlagen. Im vorliegenden Beitrag geht es Wang aber weniger um den Gegensatz zwischen wissenschaftlichen Aussagen und anderen Formen der Wissenschaftlerkommunikation, er widmet sich vielmehr den anderen beiden Tendenzen der Linguistik der 70er Jahre, der Überwindung des Gegensatzes von Sprache als Gegenstand und Sprache als Prozeß und des Gegensatzes von Theorie und Praxis in der Linguistik. Wangs Problem ist die Frage, auf welche Weise Metaphern und Tropen in der Alltagskommunikation ihre sogenannte „übertragene" Bedeutung erhalten. Um sein Problem zu formulieren und die Richtung zu weisen, in der er eine Lösung sucht, greift er zurück auf Aristoteles und die Stoa, die scholastische Erkenntnislehre von Thomas von Aquin bis Nikolaus von Kues und auf die Semiotik von Charles S. Peirce. Er plädiert auf diesem Hintergrund für eine prozeßbezogene Analyse der Tropen und gerät damit in die Nähe der prozeduralen Sprachuntersuchung von Metzing (Teil I), der linguistischen Pragmatik von Dascal (Teil III) und der anwendungsbezogenen Beobachtungen von Paprotte (Teil IV). Die Entstehung der übertragenen Bedeutung eines sprachlichen Ausdrucks ist für Wang ein Vorgang, in dem der Ausdruck einerseits auf seine wörtliche Bedeutung verweist, diese aber andererseits auf eine in Abhängigkeit von der Kommunikationssituation sinnvolle neue Bedeutung weiterverweist. Da die wörtliche Bedeutung in dieser Situation als Zeichen für die übertragene Bedeutung fungiert und der Ausdruck selber Zeichen für die wörtliche Bedeutung ist, kann man den sprachlichen Ausdruck, der einem Tropus zugrundeliegt, mit Nikolaus von Kues als zweistufiges Zeichen (signum signorum) verstehen. Diese Konzeption erinnert sehr an Hjelmslevs {[1943] = [1974]: 119 ff.) und Barthes' ([1964] = [1979]: 75 ff.) Rekonstruktion der Konnotation, sie dient Wang aber besonders dazu, die Inadäquatheit sowohl der logischen Semantik als auch der Chomskyschen Sprachtheorie nachzuweisen, die nur Regeln zur Beschreibung wörtlicher Bedeutungen vorsehen. H E R B E R T E. BREKLE setzt den historischen Rückblick mit seinem Kommentar zu den Grundlagen der allgemeinen Grammatik des Frühaufklärers Gottlieb Canz fort. Canz, der in der Tradition von Leibniz und Wolff steht, bemüht sich in der Einleitung seines Werkes ganz im Sinne von Wangs Chomsky-Kritik um eine allgemeine Beschreibung der semiotischen Prinzipien, die die Zuordnung einer Bedeutung zu sprachlichen und nichtsprachlichen Zeichen durch den Menschen bestimmen. Canz zufolge sind die Prinzipien, nach denen man bei einem sprachlichen Ausdruck von der wörtlichen zur übertragenen Bedeutung übergeht, dieselben wie diejenigen, nach denen man einer nichtsprachlichen Handlung Bedeutung verleiht. Er führt als
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Beleg den Bericht des Livius über Tarquinius Superbus an, der auf die Überbringung der Frage seines entfernt residierenden Sohnes durch einen Boten, was mit den Gabiern zu geschehen habe, wortlos und scheinbar unabsichtlich die Samenkapseln der größten Mohnpflanzen in seinem Garten abschlug, um seinem Sohn durch den Boten, der dieses merkwürdige Verhalten ahnungslos und unverstanden berichtete, nahezulegen, er solle die Herrscher der Gabier beseitigen, was dieser denn auch tat. Modern und weiterführend an der Canzschen Grammatik ist, wie Brekle ausführt, daß er selbst die Syntax auf ein kommunikativ-pragmatisches Fundament stellt. Ihre Lektüre lohnt sich daher für alle, die nach Argumenten zur Überwindung von Chomskys These suchen, die Syntax sei autonom. Die Zusammenstellung von Gottfried Wilhelm Leibniz und Paul Valéry mag im vorliegenden Zusammenhang überraschend erscheinen. JÜRGEN SCHMIDT-RADEFELDT z e i g t j e d o c h , d a ß sie S i n n m a c h t u n d d i e
Diskussion eines zentralen Punktes in der Chomskyschen Grammatikkonzeption bereichert. In Anlehnung an Logiker wie Carnap und Quine hatte Chomsky (1965) dafür plädiert, zum besseren Verständnis der unübersehbar komplexen natürlichen Sprachen voll überschaubare Konstruktsprachen aufzubauen und diese schrittweise der jeweils untersuchten natürlichen Sprache immer ähnlicher zu machen. Dieses von Helmut Schnelle (1973 und 1976) als „indirekte Methode" bezeichnete Verfahren hat sich auch in der nach-Chomskyschen Linguistik bei Montague und Cresswell durchgesetzt (vgl. Hermanns, [1977]). Wie erhellend ist es da zu wissen, daß Valéry um die Jahrhundertwende unter Berufung auf Leibniz und Couturat dasselbe Programm für die Dichtung propagiert hat: „Construire une langue pour comprendre la langue". Wenn die natürlichen Sprachen mit der indirekten Methode der logischen Sprachanalyse darauf untersucht werden, wieweit in ihnen wahrheitsbestimmte Aussagensysteme formuliert werden können, sollen sie mit der indirekten Methode der poetischen Sprachanalyse darauf untersucht werden, wieweit in ihnen Systeme von emotiven Mitteilungen (im Sinne von Bühler, [1934], und Jakobson, [I960]) formuliert werden können. Die poetische und die logische Sprachanalyse rekonstruieren beide nur Ausschnitte der jeweiligen natürlichen Sprache: Sprachausschnitte komplementärer Art mit verschiedenen Funktionen und Ausdrucksmitteln. Schon Valéry hat gesehen, daß dem Verfahren, spezielle Sprachen zu konstruieren, um spezielle Zwecke einer gegebenen Sprache zu simulieren, zunächst nur recht grobschlächtige Werkzeuge zur Verfügung stehen, es verliert dadurch aber nicht an Wert: „La logique est un moyen grossier de corriger un instrument grossier (qui est le langage)." Den gleichen Gedanken formulierte Helmut Schnelle in seinen Berliner Jahren im Anschluß an Bar-Hillel gerne so: „Auch ein schmutziges
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Tuch kann dazu dienen, schmutzige Gläser glänzend sauber zu machen." Nicht jede Eigenschaft des Werkzeugs überträgt sich automatisch auf das Werk. Es kommt auf den geschickten Einsatz des Werkzeugs an. Und seit Leibniz und auch seit Valéry hat sich sowohl das logische Instrumentarium als auch seine Verwendung enorm verfeinert — eine Entwicklung, zu der in den letzten drei Jahrzehnten gerade Chomsky viel beigetragen hat. Die Verfeinerung des Instrumentariums der Logik ist nicht nur durch die Bestrebungen zur Sprachanalyse gefördert worden, sie hat auch wichtige Impulse aus den Versuchen gewonnen, logische Paradoxien aufzulösen. Wer wie die analytischen Philosophen des 20. Jahrhunderts diese Probleme nicht resignierend der „philosophia perennis" überlassen wollte, mußte in immer neuen Anläufen versuchen, durch Umformulierung und Reanalyse die Punkte zu finden, die die Entstehung und die Faszination der Paradoxien verständlich machen. Eines der bleibenden Ergebnisse dieser unablässigen Bemühungen ist die Unterscheidung von Antinomien und Paradoxien (vgl. Kutschera, [1964], und Posner, [1977]) sowie die Klassifizierung der Paradoxien in semantische und pragmatische (vgl. Moore, [1903], Hintikka, [1973], und Marcus, [1984]). M A Y A B A R - H I L L E L , die Tochter des Philosophen Yehoshua Bar-Hillel, der in den 70er Jahren gern und häufig in Berlin zu Besuch war, und AVISHAI M A R G A L I T , der mit Helmut Schnelle in Forschungsprojekten kooperiert hat, zeichnen einen solchen Klärungsprozeß nach, indem sie die philosophische Literatur von vier Jahrzehnten über das Paradox der Erwartung eines unerwarteten Ereignisses analysieren, das in vielen narrativen Einkleidungen kursiert (vom Überraschungsei über die Ankündigung einer überraschend angesetzten Klassenarbeit in der Schule bis hin zur ... Ankündigung einer überraschend stattfindenden Hinrichtung). Der Reiz des Paradoxes liegt in dem Konflikt zwischen dem beruhigenden Ergebnis logisch unanfechtbar scheinender Argumentation und der beunruhigenden realen Erfahrung. Es ist zentral für die gegenwärtige Diskussion in Logik und Linguistik, denn es betrifft nicht nur die syntaktische Struktur sprachlicher Ausdrücke, sondern konfrontiert Sprache und Realität und ist damit relevant für die Semantik, es betrifft nicht nur die Konstruierbarkeit widerspruchsfreier Lexeminhalte, sondern auch die Gültigkeit logischer Schlußregeln und stellt damit die Logik in Frage, es betrifft nicht nur Aussagen, sondern auch nichtdeklarative Sprechakte wie Versprechen und deren Einlösbarkeit und berührt damit die Sprechakttheorie. Den Autoren Bar-Hillel und Margalit gelingt es, einen begrifflichen Rahmen zu finden, der den vorliegenden Behandlungen des Paradoxes gerecht wird und seine vielen interessanten Aspekte explizierbar macht. Daraus ergeben sich, wie bei allen historischen Rückblicken wünschenswert, nicht zuletzt
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fruchtbare Fingerzeige dafür, wie logische Semantik und Pragmatik heute systematisch weiterbetrieben werden müssen. III Philosophische Voraussetzungen Durch die Rezeption von Searles Sprechakttheorie hat die Chomskysche Linguistik in Deutschland Anfang der 70er Jahre eine Herausforderung erfahren, mit deren Überwindung sie noch heute beschäftigt ist. Die von Chomsky abstrakt-mathematisch verstandenen syntaktischen und semantischen Regeln wurden — wenn auch sehr vorsichtig — in einen psychischen und sozialen Kontext gestellt. Nachdem die vorschnelle Analogisierung von Regeln zur Charakterisierung der Sprache als Menge von wohlgeformten Sätzen mit Prozessen des Formulierens und Verstehens solcher Sätze in der frühen Psycholinguistik (vgl. z.B. Johnson, [1965]) sich trotz bestimmter Anfangserfolge empirisch nicht halten ließ (vgl. Lyons, [1970], Miller und JohnsonLaird, [1976], sowie Schönpflug und Schönpflug, [1983]), begann man die Begriffe der sprachlichen Regularität, der grammatischen Regel und der sozialen Norm neu zu reflektieren und gegeneinander abzugrenzen. RENATE BARTSCH stellt Ergebnisse dieser Reflexion systematisch dar. Sie analysiert die logische Struktur von Normen und führt eine Reihe von Unterscheidungen ein, die es erlauben, Normenkonflikte zu durchschauen und zu lösen. Dabei legt sie besonderen Wert auf das Verhältnis zwischen (nur im Rahmen einer Theorie gültigen) linguistischen Regeln, deren Formulierung von den Zielsetzungen der jeweiligen Richtung der Linguistik bestimmt wird, und (in einer Sprachgemeinschaft existierenden) sprachlichen Normen, deren Formulierung von dem Bedürfnis der jeweiligen Sprecher bestimmt wird, sich im Alltag mit einem Minimum an Aufwand zu verständigen. Diese Klärung schärft den Blick für die Begrenztheit des Chomskyschen Beitrags im Rahmen der Aufgaben der Linguistik und beugt damit Mißverständnissen vor. SIEGFRIED KANNGIESSER nimmt diesen Diskussionsfaden auf, indem er feststellt, daß die Sprachkenntnisse in einer Sprachgemeinschaft ungleich verteilt sind und Toleranz unter den Sprachteilnehmern notwendig ist, wenn sie die Sprache erfolgreich als Instrument der Kommunikation verwenden wollen. Er zeigt, daß das Toleranzprinzip des Sprachverstehens in der Form, wie Wilson (1959) und Quine (1969) es formuliert haben, nicht leistet, was es soll. Indem diese beiden Sprachphilosophen einseitige Hypothesen über die Wahrheit von Äußerungen des Senders (Sprechers/Schreibers) zur Basis der Interpretationsoperationen des Empfängers (Hörers/Lesers) erkläreh, lassen sie auf Empfängerseite unkommunikative Entscheidungen zu
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und nehmen sich so die Möglichkeit, zu unterscheiden zwischen situationsangemessener Uminterpretation wörtlicher Bedeutung zum Zweck des Verstehens und situationsunangemessener pathologischer Uminterpretation zur Bestätigung eines idiosynkratischen Weltbilds des Empfängers. Wie Baumgärtner für die Metaebene der Wissenschaftlerkommunikation, so lehnt Kanngießer für die Objektebene der von den Wissenschaftlern zu beschreibenden sprachlichen Kommunikation den solipsistischen Erklärungsansatz ab. Die Einbeziehung der Erwartungen des Senders (über die Erwartungen des Empfängers) durch den Empfänger und der Erwartungen des Empfängers (über die Erwartungen des Senders) durch den Sender ist unabdingbar für eine angemessene Beschreibung gelungener sprachlicher Kommunikation. Kanngießer erkundet die theoretischen Rahmenbedingungen, die Voraussetzung für eine solche Beschreibung sind. M A R C E L O DASCAL geht davon aus, daß das Sprachverstehen zu einem wesentlichen Teil durch Strategien zur Bereinigung von Mißverständnissen ermöglicht wird. Nach ihm läßt sich die Bedeutung einer Äußerung nach Art eines Zwiebelschalenmodells strukturieren, in dem sich um den propositionalen Gehalt, den Bedeutungskern (der gewöhnlich in der logischen Semantik behandelt wird), Schale um Schale weitere Bedeutungsschichten legen, vom Illokutionszweck bis hin zu den Gesprächsimplikaturen, der äußersten Schale (die Gegenstand der linguistischen Pragmatik ist). Alle Bedeutungsschichten müssen berücksichtigt werden, wenn eine Äußerung als „vollständig verstanden" gelten soll. Mißverständnisse resultieren aus verschiedenen Formen des Zusammenwirkens der schichtspezifischen Interpretationsprozesse. Weicht ein Sender ganz offensichtlich von (im Sinne von Bartsch) existierenden Sprachnormen ab, so kann dies beim Empfänger eine Reihe einander ausschließender Reaktionen hervorrufen, wie Dascal im Anschluß an Shimanoff (1980) zeigt: (1) Der Sender kennt die Norm nicht (rule ignorance). (2) Der Sender kennt die Norm und hält sie für angemessen, ist aber unaufmerksam (rule error). (3) Der Sender kennt die Norm und hält sie für angemessen, verletzt sie aber absichtlich, um den Empfänger, der dies erkennt, zu einer Uminterpretation der wörtlichen Bedeutung zu veranlassen (rule violation). (4) Der Sender kennt die Norm, hält sie aber für unangemessen und mißachtet sie in seinem Sprachgebrauch (rule rejection). Nur in Fall (3) ist die Normabweichung für die Unterstellung von Mitteilungsabsichten des Senders, die über die wörtliche Bedeutung des geäußerten Satzes hinausgehen, relevant. Solche Mitteilungsabsichten in den Fällen (1), (2) oder (4) zu unterstellen, wäre ein Mißverständnis. Dascal läßt sich von seinen Beispielanalysen zur Annahme eines
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„misunderstanding management system" bewegen, das Strategien zur Vermeidung, Erkennung und Beseitigung von Mißverständnissen enthält. Die Beherrschung eines solchen Systems ist Teil der pragmatischen Kompetenz jedes Sprachteilnehmers. Das Potential einer sprachlichen Äußerung, zu Mißverständnissen Anlaß zu geben, interessiert auch HELMUT RICHTER. Die Annahme, daß die Konfliktträchtigkeit einer sprachlichen Äußerung mit ihrer semantischen Komplexität wächst — eine Hypothese, die freilich noch empirisch zu überprüfen ist — war in den 60er Jahren eines der Motive für ihn gewesen, zusammen mit Georg Hincha ein Modell zur semantischen Interpretation der syntaktischen Oberflächenstrukturen von Sätzen zu entwickeln: das sogenannte Syllogonmodell. Seine Urheber standen in deutlichem Gegensatz zur herrschenden Auffassung von Chomsky (1965), daß alle für die semantische Interpretation sprachlicher Äußerungen erforderlichen Informationen in deren syntaktischer Tiefenstruktur enthalten sind. Sie konnten in Ubereinstimmung mit anderen Linguisten (vgl. z.B. Posner, [1972a] und [1972b]) nachweisen, daß in Chomskys Konzeption wesentliche semantisch und pragmatisch relevante Eigenschaften der Satzoberfläche wie die Reihenfolge der Konstituenten, die Stelligkeit der Verben und die Einbettungsverhältnisse für die Interpretation verloren gehen. Angeregt durch Hypothesen der sowjetischen Sprachtypologie arbeiteten sie ein syntaktisches Analyseverfahren aus, das nicht dazu zwingt, von diesen Aspekten zu abstrahieren. Heute, nach dem Aufschwung und Niedergang der generativen Semantik und dem Durchbruch der logischen Grammatik von Montague und Cresswell, ist es reizvoll, diesen frühen gleichgerichteten Ansatz erneut in die Diskussion einzubringen. Das Syllogonmodell ist der Intention nach einerseits eine universalsemantische Grundlegung der Syntax und damit eine Vorwegnahme der Konzeption der generativen Semantik. Es soll andererseits aber auch in der nötigen Flexibilität mit den Mitteln der extensionalen Logik die syntaktischen Unterschiede der verschiedenen Sprachtypen explizieren. Dabei greift es tiefer als die gängige Prädikatenlogik (und also auch als die generative Semantik). Denn es nimmt die Zerlegung einer Proposition in Prädikator und Argumente und eines Satzes in Subjekt und Prädikat nicht als unabänderliche Gegebenheiten hin, sondern rekonstruiert diese ebenso wie die semantischen Werte der Konstituentenfolge und der oberflächensyntaktischen Einbettung durch hierarchische Konfigurationen von einfachen Propositionskonstanten mit Hilfe von semantischen Relationen von der Art der Implikationsbeziehung. Vom Syllogonmodell aus ergeben sich interessante Perspektiven für eine Reihe von Disziplinen, gegen die die Linguisten früherer Jahre ihre eigene Wissenschaft abzugrenzen pflegten:
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— Mit der natursprachlichen Paraphrase der Aussagenkonstanten (REGEN entspricht sowohl „Ich habe Regen erfahren" als auch „Du wirst Regen erfahren") erinnert dieses Modell an die phänomenalistische Sprache, die in den 30er Jahren im Wiener Kreis diskutiert wurde (u. a. von Schlick, Neurath und Carnap). — Mit dem Verfahren, Oberflächenwörter der natürlichen Sprache durch Konfigurationen von Propositionen zu repräsentieren, reiht es sich ein in die Versuche zur Auffindung semantischer Grundelemente (vgl. u. a. Wierzbicka, [1972], und die Künstliche-IntelligenzForschung). — Mit der Einführung umfangreicher hierarchischer Strukturen zur Erklärung von Prozessen der Sprachverarbeitung ist es auf die Zuarbeit von Sprachpsychologie und Neurologie angewiesen. Damit ist ein zusätzlicher Impetus von Seiten der theoretischen Linguistik gegeben, diese Disziplinen ernst zu nehmen (vgl. Schnelle, [1979], und [1981]). Die Möglichkeiten und Grenzen weiterer Fortschritte in der Anwendung logischer Analyse- und Darstellungsverfahren im Rahmen der Linguistik sind Thema der letzten beiden Beiträge von Teil III des vorliegenden Bandes. Wie bereits bei der Besprechung der Überlegungen von Paul Valéry klar geworden ist, bieten sich der logisch orientierten Sprachuntersuchung zwei alternative Vorgehensweisen an: — einerseits die direkte Analyse von Ausdrücken der natürlichen Sprache und ihrer Verwendung in bestimmten genauer festgelegten Kontexten. Dieses deskriptive Verfahren ist typisch für die Arbeitsweise von analytischen Philosophen wie dem späten Wittgenstein und Austin und von Linguisten wie Bloomfield und Hjelmslev und wird gegenwärtig u. a. von Hans-Heinrich Lieb praktiziert. — andererseits der schrittweise Aufbau einer leicht kontrollierbaren Konstruktsprache und die Beschreibung von Ausdrücken der natürlichen Sprache auf dem Umweg über ihre Zuordnung zu Ausdrücken dieser Konstruktsprache. Dieses rekonstruktive Verfahren ist von Logikern wie Frege, Carnap und Quine entwickelt und von Davidson ausdrücklich als Programm formuliert worden; es liegt auch der Arbeitsweise der Mehrzahl der heute tätigen formalen Linguisten von Chomsky bis zu Montague und Cresswell zugrunde und wird insbesondere von Helmut Schnelle befürwortet. BERND-JÜRGEN FISCHER konfrontiert in seinem Beitrag diese beiden Ansätze miteinander und arbeitet ihre Vor- und Nachteile heraus. Er hält das rekonstruktive Verfahren für einfacher handhabbar, insbesondere wenn man es auf Vollständigkeit in der Bedeutungsanalyse bestimmter Ausdrücke abgesehen hat. Er bezweifelt aber, daß der Aufbau einer Konstruktsprache möglich ist, die zugleich extensional und pragmatisch abgeschlossen ist. Damit wird die Anwendbarkeit
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des rekonstruktiven Verfahrens auf die Sprache als ganze fraglich. Die Beschränkung auf bestimmte Sprachausschnitte erscheint nicht mehr als forschungsökonomisch motivierte Übergangsphase, sondern als prinzipiell unüberschreitbare Notwendigkeit. Mit dem deskriptiven Verfahren werden demgegenüber bei gegebenen sprachlichen Ausdrükken jeweils nur Teilaspekte voll analysiert, während andere Aspekte unanalysiert bleiben. Dafür braucht es aber nicht auf Ausschnitte der Objektsprache (Sprachfragmente) beschränkt zu werden, sondern ist umfassend anwendbar. Fischers Beitrag hinterläßt den Eindruck, daß ein Programm zur wissenschaftlichen Untersuchung natürlicher Sprachen, das zunächst von Logikern für deren begrenzte Ziele entwickelt und dann von Linguisten verallgemeinert und mit großer Energie und großen Anfangserfolgen in die Tat umgesetzt worden ist, nun von denen, die am tatkräftigsten zu seiner Realisierung beigetragen haben, selbst in Frage gestellt wird. Die tägliche Arbeit mit den Detailproblemen der Sprachbeschreibung hat manchen der ehemals so optimistischen Propagandisten der logischen Sprachanalyse das Staunen über die Größe der Aufgabe gelehrt. Der Beitrag T H O M A S T B A L L M E R S verstärkt diesen Eindruck ganz bewußt: „Bei näherem Hinsehen gerät man aber ins Stutzen." Er spielt den wissenschaftstheoretischen Überblick und die Unbefangenheit von jemand aus, der nicht nur eine Geisteswissenschaft (Linguistik) sondern auch eine Naturwissenschaft (Physik) zuende studiert hat und die Fächergrenzen also nicht nur von innen, sondern auch von außen kennt; und er plädiert ganz im Sinne von Fischer für die Aufgabe des Maximalziels der vollständigen semantischen Erklärung einer natürlichen Sprache und für die Beschränkung auf das, was er bescheiden „Aufklärung von Bedeutungsstrukturen" nennen möchte. Ballmer führt neun Gründe dafür an und erläutert einen davon exemplarisch: Semantische Sprachanalyse hat ganzheitlich vorzugehen. Wie kann man aber ein Korpus in der Größenordnung von 100000 Wörtern ganzheitlich untersuchen? Man riskiert während des gesamten Untersuchungsverlaufs die Totalrevision der bis dahin vollzogenen Wortanalysen. Dieses Fazit dürfte allerdings für einen Anhänger der Popper-Feyerabend-Kuhnschen Wissenschaftstheorie keine ganz so vernichtende Feststellung sein, wie Ballmer glaubt. Zumindest alle Kulturwissenschaften sind mit analogen Problemen konfrontiert.
IV Grammatiktheorie Der vierte Teil des vorliegenden Bandes läßt die philosophischen Entwürfe und Zweifel hinter sich und präsentiert einige konstruktive
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Schritte in Richtung auf das Ziel, das seit Jahrtausenden als Hauptaufgabe der Linguistik angesehen worden ist, das Schreiben von Grammatiken für natürliche Sprachen. Gerade hierfür hat Chomsky der deutschen Linguistik in den 60er Jahren neue Impulse gegeben: — Er wies nach, daß die Formulierung eines grammatischen Regelsystems eine wissenschaftliche Leistung analog zu denen anderer Disziplinen ist, insofern sie Hypothesen über das implizite Wissen der Sprachteilnehmer darstellt. — Er zeigte, daß die Form grammatischer Regeln so wie die Form wissenschaftlicher Hypothesen überhaupt theorieabhängig ist, schlug Wege zur Präzisierung der Regelformulierung vor und bahnte damit den Weg zur mathematischen Durchdringung der Grammatik. — Er reflektierte das Verhältnis von Sprachdaten und Grammatik neu, argumentierte gegen die festgefahrenen Lehrmeinungen des amerikanischen Strukturalismus und befreite die Grammatiktheorie von einer fiktiv gewordenen Methodologie der linguistischen Datenerhebung. Die Beiträge von Teil IV sind durchweg in diesem Geist geschrieben, auch wenn sie das Verhältnis der Komponenten einer Grammatik zueinander anders sehen als Chomsky. ROLAND POSNER klärt unter Rückgriff auf Ansätze der Zeichentheorie (siehe Teil II) das systematische Verhältnis und die Herkunft der Termini Syntaktik, Semantik und Pragmatik, die nach allgemeinem Konsens Teildisziplinen der Semiotik und der Linguistik bezeichnen. Weil die Vorstellungen der Linguisten über die Syntaktik am unklarsten zu sein scheinen, untersucht er sie genauer und diskutiert drei Definitionsvorschläge: (S^ Syntaktik als Untersuchung der formalen Aspekte von Zeichen, (52) Syntaktik als Untersuchung der Relationen zwischen Zeichen, (53) Syntaktik als Untersuchung der Art, wie sich Zeichen verschiedener Klassen zu Zeichenkomplexen kombinieren lassen. Die formalen Aspekte einfacher Zeichen werden mit Hjelmslev (1943) als deren Invarianten im Zeichengebrauch bestimmt, die formalen Aspekte komplexer Zeichen mit Carnap auf die Relationen ihrer Bestandteile zueinander reduziert. Bei den Relationen zwischen Zeichen werden syntagmatische und paradigmatische Beziehungen unterschieden; dabei zeigt sich, daß die Syntaktik weder mit der Syntagmatik Saussurescher Prägung noch mit der Syntax im Sinne der traditionellen Linguistik gleichgesetzt werden darf. Zeichenkombinationen lassen sich einerseits untersuchen, indem man Regeln angibt, die komplexe Zeichen aus gegebenen einfachen Zeichen aufbauen; dazu benötigt man eine Kenntnis genau der einfachen Zeichen eines Zeichensystems.
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Andererseits kann man aber auch Regeln angeben, die gegebene komplexe Zeichen in einfachere zerlegen; dazu muß man von Texten ausgehen. Welchem syntaktischen Ansatz der Vorzug zu geben ist, hängt von dem Zeichensystem ab, das man beschreiben will, denn während in Gebärdensprache, visueller Kommunikation und Architektur die Texte bekannt und die Elementarzeichen oft schwierig auszumachen sind, ist es bei den reicheren Zeichensystemen der Mathematik umgekehrt so, daß die Elementarzeichen bekannt und die Zugehörigkeit komplexer Zeichen zu dem betreffenden System oft schwierig auszumachen ist. In der Linguistik werden beide Ansätze in Konkurrenz zueinander praktiziert (vgl. dazu auch die speziellere Diskussion bei Fischer). — In Anbetracht der drei verschiedenen Definitionsmöglichkeiten schlägt Posner vor, den Gegenstandsbereich von Syntaktik im eigentlichen Sinne als Durchschnitt der Gegenstandsbereiche von S t , S 2 und S3 zu bestimmen. Fragt man sich nun, welche der traditionellen linguistischen Teildisziplinen zur Syntaktik im eigentlichen Sinne gehören, so kann man feststellen: Die Phonetik behandelt nicht die formalen Aspekte sprachlicher Zeichen und gehört daher nicht zu Sj; die Phonologie (Phonemik) und die Lexikologie behandeln zwar formale Aspekte sprachlicher Zeichen, aber nicht deren Kombinationsweisen und gehören daher nicht zu S3; die Morphologie (d. h. die Wortbildungs- und Flexionslehre) und die Syntax behandeln sowohl formale Aspekte (Si) als auch Relationen (S 2 ), als auch Kombinationsweisen (S3) von sprachlichen Zeichen. Sie gehören daher zur Syntaktik im eigentlichen Sinn. Es scheint nach dieser Explikation kein Zufall, daß gerade Morphologie und Syntax von der Antike bis zur Aufklärung als „Grammatik" zusammengefaßt wurden. Umgekehrt ist es durch sie gerechtfertigt, Syntaktik im eigentlichen Sinne als semiotische Verallgemeinerung der Grammatik auf Zeichensysteme beliebiger Art anzusehen. In den Bereich der Syntaktik fällt auch der Beitrag von HENNING BERGENHOLTZ
und
JOACHIM
MUGDAN
über
Wortstrukturen.
Die
Autoren, die die Zeichenkombinationen natürlicher Sprachen mit dem deskriptiven Verfahren Hjelmslevs untersuchen, arbeiten nicht wie die amerikanischen Strukturalisten einschließlich Chomsky mit bedeutungsunabhängig definierten Silben oder Phonemfolgen, sondern verwenden einen bilateralen Zeichenbegriff. Die kleinsten Zeichen als Kombinationen von Inhalt und Ausdruck nennen sie Plereme. Sprachbeschreibung besteht für sie in der Zerlegung von Texten in Wörter, der Zerlegung von Wörtern in Plereme und der Zuordnung von Pieremen zu Morphemklassen. Für solch einen Ansatz hat die Feststellung, daß sich bereits der eindeutigen und intersubjektiv gültigen Zählung der Wortmenge eines gegebenen Textes unüberwindlich scheinende Hindernisse entgegenstellen, etwas Alarmierendes. Die
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Autoren bemühen sich daher, diese Hindernisse aus dem Weg zu räumen; sie schlagen vor, verschiedene Wortbegriffe auseinanderzuhalten: einen phonologischen, einen orthographischen, einen grammatischen und einen lexikalischen. Sie selbst arbeiten mit einem grammatischen Wortbegriff und entwickeln anhand von Beispielen aus dem Deutschen die Regeln zur Wortzerlegung weiter, die sie in ihrer Einführung in die Morphologie (1979) aufgestellt haben. Dabei kommen sie zu neuen Vorschlägen für die Analyse von Wörtern mit innerer Flexion („Hoheslied"), von Pronominalmorphemen („derjenige", „diejenige") und von Partikelmorphemen („awssteigen"). Als logische Konsequenz dieser Vorschläge ergibt sich die Forderung nach einer Orthographiereform für das Deutsche. Einen phonologischen Wortbegriff verwendet H A N S - H E I N R I C H L I E B in seinem Beitrag über den Begriff des Wortakzents. Lieb, dessen Ausführungen in den Rahmen seiner „Integralen Linguistik" fallen, schafft darin die begrifflichen Voraussetzungen für eine Theorie des Wort- und Satzakzents. Im Gegensatz zu anderen Linguisten faßt er den Wortakzent nicht als Teil der Wortstruktur auf, sondern als Funktion, die für phonologische Wörter Akzentstellen festlegt. Dabei geht er von dem Vorschlag Bolingers aus, nach dem eine Silbe eines Wortes einen Wortakzent hat, wenn sie bei Gebrauch dieses Wortes in einem Satz einen syntaktischen Akzent tragen kann. Liebs Begriff des Wortakzents ist also binär und satzfunktional orientiert, bezieht aber auditiv-phonetische Eigenschaften mit ein. Haupt- und Nebenakzentsilben eines phonologischen Wortes will Lieb aufgrund seiner morphologischen Struktur unterscheiden, womit sich zusätzliche starke Anforderungen an die Morphologie ergeben. Es wäre interessant zu untersuchen, ob eine Morphologie des von Bergenholtz und Mugdan vorgeschlagenen Typs sie zu erfüllen in der Lage ist. Der Beitrag von R O L A N D H A U S S E R diskutiert die Aufgaben, die das Lexikon im Rahmen der Beschreibung einer natürlichen Sprache zu übernehmen hat. Haussers Argumentation entspricht mit ihrer Orientierung an der Ökonomie und der effektiven Realisierbarkeit seiner grammatiktheoretischen Vorschläge durchaus dem Chomskyschen Vorbild, auch wenn er als Rahmen seiner Überlegungen die Montague-Grammatik benutzt. Er diskutiert Fragen wie die, ob das Lexikon alle Wörter einer Sprache erfassen soll oder ob die Beschreibung der Funktionswörter der Syntax überlassen bleiben soll, und entscheidet sich für die lexikalische Lösung. Die Frage nach der Struktur einer lexikalischen Beschreibung beantwortet er mit der Forderung, sie müsse die Formen des betreffenden Wortes in der Sprachoberfläche, seine syntaktische Kategorienzugehörigkeit und seine wörtlichen Bedeutungen angeben. Was die Angabe der Wortbedeutung betrifft, so schlägt er nach dem Vorbild von Montague
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und Lewis die Übersetzung in eine geeignete Logiksprache vor, die elementare mengentheoretische Strukturen zur Grundlage hat. Dieses Verfahren der Bedeutungsangabe wird im letzten Beitrag von Teil IV thematisiert und grundsätzlich kritisiert. PETER BOSCHS Argumentation konzentriert sich auf den Begriff der Proposition, der gewöhnlich in der Analyse der Satzbedeutung verwendet wird, ist aber unmittelbar auch für Analyse der Wortbedeutung relevant. Propositionen im Sinne der logischen Semantik sind Funktionen von der Menge der Kontexte in die Menge der Wahrheitswerte. Die Bedeutung eines Satzes wird angegeben, indem man bestimmt, in welchen Kontexten er welchen Wahrheitswert hat. An diesem Verfahren setzt Bosch aus, daß es zwei Voraussetzungen hat, die in natürlichen Sprachen nicht erfüllt sind: 1. daß die Menge der Kontexte abzählbar ist, 2. daß die Propositionen semantisch unabhängig voneinander sind. Bosch macht sich Gedanken, wie es zur Übertragung dieser Voraussetzungen aus der Logik, wo sie erfüllbar sind, in die Linguistik hat kommen können, und führt dies auf die Tendenz zur Verdinglichung der Satzinhalte (Sprache als Gegenstand) zurück: Von der Fähigkeit jedes Sprachteilnehmers zur Paraphrasierung einer Äußerung in einer gegebenen Situation wird vorschnell auf die Möglichkeit geschlossen, dem geäußerten sprachlichen Ausdruck situationsunabhängig semantisch äquivalente Ausdrücke zuzuordnen; und das ist nach Bosch ein Trugschluß. Auch Teil IV des vorliegenden Bandes endet also mit einem Beitrag, der gegenüber der Anwendung von Verfahren der logischen Sprachanalyse in der Linguistik skeptisch ist. Man würde aber die Intentionen von Bosch ebenso verfehlen wie die von Lüdtke (Teil I) oder Ballmer (Teil III), wollte man daraus folgern, daß sie die logische Sprachanalyse aus der Linguistik verdrängen wollen. Im Gegenteil, es geht um Korrekturen an den Idealisierungen und um Modifikationen des Instrumentariums, das die Logiker anzubieten haben, im Hinblick auf die Gegebenheiten der natürlichen Sprachen und unter Einbeziehung von Überlegungen anderer Wissenschaften wie der Kybernetik, Informationstheorie und Spieltheorie. Solche Korrekturen und Modifikationen kann nur anbringen, wer sich auf das zu Korrigierende und zu Modifizierende einläßt.
V Deskriptive Grammatik Wie arbeitet nun ein Linguist, der durch die Diskussionen der 70er Jahre geprägt ist, wenn er eine einzelsprachliche Erscheinung beschreiben will? PETER EISENBERG führt dies am Problem einer ungefestigten Konstruktion des Deutschen exemplarisch vor. Er geht
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aus von einem spätmittelalterlichen Gebrauchstext, einem Rezept zur Herstellung von Met, und problematisiert die darin vorkommenden Maßangaben. Er verfolgt unter Einbeziehung von morphologischen, syntaktischen und semantischen Aspekten die Entwicklung der Maßangaben vom Mittelhochdeutschen zum Neuhochdeutschen und stellt fest, daß diese Konstruktion variantenreich und schwer durch Generalisierungen erfaßbar ist. Seine Untersuchung dient sowohl zur Klärung der sprachlichen Fakten als auch zur Klärung ihres theoretischen Status. Die Konsequenzen sind durchaus weitreichend: Eisenberg zieht den Schluß, daß Mengensubstantive im Deutschen nicht, wie von Cresswell und anderen vorgeschlagen, „scattered objects" bezeichnen, sondern daß zu ihrer angemessenen Erfassung eine reichere Ontologie erforderlich ist. Er zeigt, daß die Artsubstantive in Maßangaben weder einfach undekliniert sind noch einem nominativartigen Einheitskasus angehören. Es wird außerdem deutlich, daß Endungslosigkeit hier nicht Ausdruck einer allgemeinen Kasusnivellierung, sondern strikt funktional begründbar ist. Dies ist eine germanistische Untersuchung, die in ihrem Wissenschaftsethos gar nicht so weit entfernt ist von dem, was vor der Chomsky-Rezeption üblich war. Sie bedient sich der neuen Beschreibungsmittel mit Bedacht, versucht aber vorrangig der thematisierten Spracherscheinung gerecht zu werden. WERNER KUMMERS Arbeit behandelt eine außereuropäische Sprache, das Quechua, im Hinblick auf die Frage, welche Einbettungsstrukturen sie zuläßt. Die Untersuchung verwendet Chomskys Einteilung der Einbettungsstrukturen in Komplementsätze, Relativsätze, indirekte Fragesätze, Adverbialsätze und Nominalisierungen als Arbeitshintergrund und weist anhand von Belegen aus dem Quechua nach, daß es weitere Einbettungstypen gibt, die in einer Grammatiktheorie zu berücksichtigen sind. Kummer vermag zu zeigen, daß für das Quechua die aus den europäischen Sprachen geläufige Unterscheidung von Komplementsätzen, Relativsätzen und Adverbialsätzen unangemessen wäre. Abgesehen von dem expliziten grammatiktheoretischen Bezug ist an Kummers Arbeit interessant, daß er aus praktischen Gründen der Feldarbeit zu prätheoretischen Arbeitsdefinitionen zurückkehrt, die von speziellen Syntaxtheorien unabhängig sind und gleichwohl eine Klassifikation syntaktischer Strukturen erlauben. Um dem hermeneutischen Zirkel zu entkommen, schlägt er eine semantische Eingrenzung der sprachlichen Ausdrücke vor, bei denen er syntaktische Einbettungsstrukturen vermutet. In der Semantik steht er der generativen Semantik nahe und verwendet als Beschreibungsapparat die Kategorialgrammatik mit kasusgrammatischer Implementierung in Anlehnung an Montague. DIETER WUNDERLICH, der Anfang der 70er Jahre in Berlin mit einer Arbeit über sprachliche Zeitkonzepte zum Doktor promoviert wurde,
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setzt sich in seinem Beitrag zum vorliegenden Band mit sprachlichen Raumkonzepten auseinander. Er überlegt, warum der Raum in den europäischen Schulsprachen in Präpositionen und Kasus beim Substantiv, aber nicht in der Verbflexion grammatikalisiert worden ist, und untersucht die den Präpositionen des Deutschen zugrunde liegenden Raumkonzepte genauer. Für Präpositionen wie „bei", „innerhalb" und „außerhalb" genügen topologische Konzepte, die Nachbarschaft in Bezug auf einen umgrenzten Raum voraussetzen und einer übergreifenden räumlichen Dimension, Richtung oder Perspektive gegenüber invariant sind. Für Präpositionen wie „über", „unter", „vor" und „hinter" benötigt der Semantiker dimensionale Raumkonzepte, die zusätzlich zum Bezugsgegenstand noch die Annahme eines Orientierungsfeldes verlangen. Für „rechts von" und „links von" ist ein deiktisches Raumkonzept erforderlich, in dem das Orientierungsfeld an die Lokalisation des Sprechers gebunden ist. Interessant ist die Relativierung der Raumbeschreibung auf Bewegungen und deren Richtung wie in „um", „durch", „längs". Gegenüber diesen Raumkonzepten sind Metrisierungen sprachlich sekundär und dienen allenfalls zur Präzisierung der primären Raumkonzepte (zu den dafür benötigten Konstruktionen vgl. Eisenbergs Beitrag über Maßangaben). Die wesentliche Idee, die Wunderlich zu den bisherigen semantischen Analysen von Präpositionen hinzufügt, ist seine Verallgemeinerung der für Präpositionen charakteristischen Nachbarschaftsregionen. Die syntaktischen Studien von Eisenberg und Kummer und die semantische Studie von Wunderlich ergänzen E R N E S T O und C A R O L I N A Z I E R E R durch eine Untersuchung, deren Zielsetzung in die Pragmatik fällt. Es geht um die beiläufig eingesetzten Mittel, mit denen ein Sprecher seine Einschätzung einer Situation ausdrückt und versucht, den Kommunikationspartner zu einer eigenen Stellungnahme zu bewegen. Die Autoren gehen sprachvergleichend vor und konfrontieren bairische Redepartikeln wie „fei", „halt" und „eh", zu denen es im Standarddeutschen vielfach keine direkte lexikalische Entsprechung gibt, mit einschlägigen Ausdrucksweisen im Spanischen. Sie weisen die verschiedenen Funktionen von „fei" in Abhängigkeit von der Satzart, Intonation und Sprecherintention nach und kommen zu dem Ergebnis, daß die systematische Verwendung von Partikeln wie „fei", „halt" und „eh" im Bairischen der für das Selbstverständnis der Bayern typischen Herzlichkeit zum Ausdruck verhelfen. Mit Formulierungen wie „Kauf es fei!" versus „Kauf es halt!" kann der Bayer die Präsuppositionen „Er/sie will es nicht so gern wie ich" oder „Er/sie will es lieber als ich" artikulieren und durch dieses Empathiesignal die Aggressivität des unverblümten Imperativs abschwächen, die viele Bayern an der Redeweise der Norddeutschen so stört. Die Autoren zeigen, daß — abgesehen von dem Ausdrucksmittel der Intonation —
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im Spanischen wie im Standarddeutschen umfangreiche Umschreibungen gewählt werden müssen, um denselben Empathieeffekt zu erzeugen. VI Anwendungen der Linguistik Wie bereits im ersten Teil des vorliegenden Bandes deutlich geworden ist, gehört es zu den Haupttendenzen der nach-Chomskyschen Linguistik in Deutschland, die Problemstellungen der Nachbardisziplinen (vgl. Bartsch und Vennemann, [1973]) und der angewandten Linguistik bereits in den Theoriebildungsprozeß einzubeziehen. Die Theoriebildung kann durch diese Problemstellungen sowohl grundlegend motiviert als auch ständig in Frage gestellt und korrigiert werden. Diese Einstellung zum Theorie-Praxis-Verhältnis spricht auch aus allen Beiträgen von Teil VI. Er wird eingeleitet durch den Versuch einer umfassenden philologischen Würdigung einer überlieferten sprachlichen Äußerung im Rahmen ihres gesamten bekannten kulturellen Umfeldes. Danach folgen speziellere anwendungsbezogene Untersuchungen, deren Schwerpunkt zunächst in der Phonetik liegt und sich dann von der Syntax über die Semantik zur Pragmatik hin verschiebt. In ihnen wird meist bewußt nicht unterschieden zwischen Linguistik als Hilfswissenschaft für außerlinguistische Fragestellungen und außerlinguistischen Disziplinen als Hilfswissenschaften für linguistische Fragestellungen. Abgerundet wird der Band durch einen Beitrag, der die projektbezogene Integration der Wissenschaften fruchtbar macht für den gegenwärtig meistversprechenden Neuansatz in der angewandten Linguistik: die prozedurale Simulation der Sprachverarbeitung durch parallele Ersetzungssysteme. K O N R A D EHLICH zeigt mit seiner Beschreibung einer Weihestele aus dem antiken Karthago, daß der seit der Emanzipation der modernen Linguistik häufig konstruierte Gegensatz zwischen Linguistik und Philologie vordergründig ist. Philologie läßt sich nicht auf linguistische Methoden reduzieren, sie muß sich aber aller linguistischen Teilgebiete von der Graphematik bis hin zur Pragmatik bedienen, will sie exakte theoretisch interessante und historisch verläßliche Beschreibungsergebnisse liefern. Die Weihestele war ein Gedenkstein, der zugleich als Schreibunterlage und als Bezugsobjekt für die sprachliche Mitteilung diente. Das macht die semiotischen Beziehungen zwischen dem Text, seinem Gegenstand, der Form seiner schriftlichen Wiedergabe und dem Lebenszusammenhang, in dem er eine Rolle spielte, besonders untersuchenswert. Ehlich klärt diese Beziehungen in detaillierten dokumentbezogenen Analysen graphematischer, syntaktischer und pragmatischer Art auf.
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WERNER H. VIEREGGE diskutiert praktische Fragen, die bei der Arbeit des Sprachtherapeuten auftreten. Er thematisiert die Methoden schriftlicher Aufzeichnung von mündlichen Äußerungen. Was für die linguistische Phonetik eine klassische Tätigkeit ist, wird zum schwer lösbaren Problem, wenn es um die wissenschaftlich saubere Registrierung der sprachlichen Äußerungen von Sprachbehinderten geht. Vieregge nähert sich diesem Problem, indem er die grundlegende Frage stellt: „Was tue ich eigentlich, wenn ich eine normale Äußerung transkribiere, oder anders: Was ist eine Transkription?" Im Gegensatz zu den Lehrmeinungen gewisser Strukturalisten stellt sich heraus, daß eine phonetische Transkription beim Transkribenten mehr erfordert als bloß phonetische Kompetenz. Der Transkribent identifiziert nicht nur phonetische Eigenschaften und phonologische Einheiten, sondern auch morphologische Einheiten und versucht unwillkürlich zugleich eine semantisch-pragmatische Interpretation des Gesagten. Selbst um die scheinbar voraussetzungslose Frage beantworten zu können: „Welche Laute hat der Sprecher von sich gegeben?" beantwortet der Transkribent die Fragen: „1. Was höre ich, das der Sprecher gesagt hat? 2. Was höre ich, wie der Sprecher das Gesagte artikuliert hat?" Und die Frage „Welche Laute hat der Sprecher von sich gegeben?" ist logisch verschieden von der Frage „Wie hat der Sprecher das Gesagte artikuliert?" Bei abweichendem Sprachverhalten kommt noch der Vergleich der Äußerung mit den Formen der Standardsprache hinzu, sowie die Entscheidung, welches denn nun im Einzelfall die zugehörige Standardform ist. Vieregge zeigt detailliert, wie die Ergebnisse dieses Vergleichs auf der Lautebene in einer Transkription festgehalten werden können. Er entwickelt ein Notationssystem, mit dem sich abweichende Artikulationen wie die des Gaumenspaltensprechers und des Gehörlosen angemessen wiedergeben lassen. Die Untersuchung hat auch Konsequenzen für die phonetische Transkription normaler Äußerungen: Intra- und interpersonelle Konsistenz von Transkriptionen müssen getestet werden; die Ergebnisse von Transkriptionen im Gruppenverband müssen mit denen individueller Transkribenten verglichen werden. Ziel ist es, die nie ganz ausräumbare subjektive Verzerrung in Transkriptionen objektiv meßbar zu machen. Auch GERD KEGELS Studie hat eine Verbesserung von linguistischen Methoden in der Sprachtherapie zum Ziel. Sie beschäftigt sich mit dem kindlichen Agrammatismus, der gewöhnlich als Störung der Wort- und Satzbildung beschrieben wird, und zeigt, ähnlich wie Vieregge für die phonetisch-phonologische Ebene, daß auch die morphologisch-syntaktische Ebene nicht unabhängig von der semantischen Ebene analysiert werden kann. Kegel läßt sprachbehinderte deutsche Kinder einfache Sätze mit NP-V-NP-PP-Struktur nachsprechen, in denen die syntaktische oder die semantische Relation zwischen
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den beiden NPs teilweise umkehrbar ist, ohne daß das Ergebnis der Umkehrung ungrammatisch wird. Er kann nachweisen, daß die Zahl der Nachsprechfehler bei Sätzen, in denen Umkehrbarkeit gegeben ist, systematisch über der bei Sätzen liegt, in denen keine Umkehrbarkeit gegeben ist. Interessant ist außerdem, daß sich der Effekt semantischer Eindeutigkeit erst bei fehlender syntaktischer Eindeutigkeit zeigt. Kegel schließt daraus, daß der kindliche Agrammatismus umfassende Beeinträchtigung der Sprachfähigkeit ist. Dieser Befund wird nicht ohne Folgen für die praktische Diagnose und Therapie kindlicher Sprachstörungen bleiben. W A L T R A U D B R E N N E N S T U H L beschäftigt sich mit Problemen der semantischen Interpretation kindlicher Äußerungen. Wie kann ein Erwachsener wissen, was Kinder in der Ein- und Zweiwortphase mit ihren Äußerungen meinen? Sie stellt diese Frage in den Rahmen der gängigen Untersuchungen zum Spracherwerb und diskutiert die „semantic-feature hypothesis" von Eve Clark, die in die Katzsche Semantik und damit in den theoretischen Rahmen der Aspects of the Theory of Syntax von Chomsky paßt. Nach dieser Hypothese kennt das Kleinkind zunächst nicht die volle Bedeutung, die die von ihm verwendeten Wörter in der Erwachsenensprache haben, sondern nur einzelne ihrer semantischen Merkmale, die es dann mit voranschreitendem Spracherwerb schrittweise zur spezifischen Wortbedeutung der Erwachsenensprache ergänzt. Brennenstuhl kritisiert diese Auffassung, weil sie voraussetzt, Kind und Erwachsener benutzen „dieselben Wörter". Wortart und Referenzbereich des Erwachsenenworts werden so vom Linguisten in die Kindersprache hineinprojiziert, was beispielsweise zur Folge hat, daß Kindern „Substantive" unterschoben werden, wo deren Wortgebrauch noch keinen Unterschied zwischen Substantiven und Verben erkennen läßt. Auf der Basis teilnehmender Beobachtung der Sprachentwicklung ihres Sohnes Maxim zeigt Brennenstuhl, daß ein Kleinkind zu Beginn seiner Entwicklung in seinem Wortgebrauch auch nicht unterscheidet zwischen dem bezeichneten Objekt, dem Sachverhalt, in dem es vorkommt, und der Kommunikationssituation, in der die Äußerung des Wortes „paßt". Grundlage für die allmähliche Herausbildung von Wortarten und Referenzobjekten ist die funktionsbezogene Wahrnehmung von Zuständen und Prozessen, nicht von Personen oder Gegenständen. Maßgeblich für Herausbildung von Wortinhalten sind neben objektkonstanten Kriterien wie Form, Größe, Geschmack und Oberflächenbeschaffenheit vor allem prozeßhafte Kriterien wie Bewegungsart, damit verbundene Geräusche und Funktionen. Diese Befunde faßt Brennenstuhl in einer „processualfeature hypothesis" zusammen, die sie der Clarkschen Hypothese gegenüberstellt. Aufgrund dieser Hypothese wird auch der Übergang vom Einwortsatz zum Zweiwortsatz beim Kleinkind verständlich:
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Nach dem anfänglichen Vorwiegen von prozeßhaften Kriterien gliedert der kindliche Sprecher zunehmend objektkonstante Merkmale aus und erhält dadurch die Möglichkeit, sowohl ein konstantes Objekt als auch den Zustand oder Prozeß, in dem es sich befindet, getrennt zu verbalisieren und zu einem Satz zusammenzusetzen. Diese Überlegungen führt WOLF PAPROTTE mit der Diskussion der sogenannten Überdehnung von Wortbedeutungen bei Kindern fort. Paprotte vetritt die These, daß der kindliche Bedeutungserwerb ein Vorgang ist, der mit dem metaphorischen Sprachgebrauch beim Erwachsenen verwandt ist. Unter Metaphorisierung versteht er mit Januschek und Rohde die Bereitschaft, einen bereits etablierten Sprachgebrauch in situativ sinnvoller und daher verständlicher Weise zu verändern. Paprotte bringt die für das Verstehen metaphorischer Mitteilungen wesentliche Beurteilung, die betreffende Äußerung sei nicht wörtlich gemeint, aber als sinnvolle Äußerung beabsichtigt, in Zusammenhang mit dem Vorgang der Anpassung des kognitiven Apparats an neue Gegebenheiten, den Piaget im Falle der Kindesentwicklung Akkommodation nennt und Kuhn im Falle der Wissenschaftsentwicklung als Paradigmenerweiterung bezeichnet. Bedeutungserweiterung und Bedeutungsverengung sind Prozesse der Bedeutungsverleihung, die bereits vor der Fixierung sogenannter wörtlicher Bedeutungen im kindlichen Spracherwerb eine zentrale Rolle spielen. Sie sind es, die dem Kind eine für sein Handeln angemessene Zuordnung von enzyklopädischem, episodischem und semantischem Wissen ermöglichen. Ähnlich wie Wang, Canz und Dascal (siehe oben) leitet Paprotte aus diesem Befund die Forderung ab, daß Metaphorisierung im Rahmen der Sprachbeschreibung nicht so, wie es bei Chomsky den Anschein hat, als Randphänomen, sondern als zentrale Fähigkeit der Sprachkompentenz behandelt werden muß. Verständnisprobleme zwischen Erwachsenen untersucht GÜNTER SAILE. Er entwirft ein Forschungsprojekt, das die Verständlichkeit von Gebrauchsanweisungen testen und aufgrund der Testergebnisse Verbesserungen in den Formulierungsstrategien vorschlagen soll. Die bisherige Sondersprachenforschung leidet vielfach noch unter einer zu einseitig philologischen Ausrichtung, in der das Spezialwissen über die jeweiligen Gegenstandsbereiche einen zu geringen Stellenwert hat. Außerdem wird das Verhältnis zwischen Text und Bild in Fachtexten zu wenig reflektiert. In Gebrauchsanweisungen sind Bilder ja vielfach nicht fakultative Illustrationen eines aus sich heraus verständlichen Textes sondern Basis des Textverständnisses. Bei der Formulierung von Gebrauchsanweisungen sind also in Abhängigkeit von den jeweiligen Adressaten zunächst die Fragen zu klären, wie die betreffenden Informationen auf Sprache und Bild zu verteilen sind, wieweit man bei der Sprache ohne Fachausdrücke auskommt und wie die unbedingt
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notwendigen Fachausdrücke am besten eingeführt werden. Praktische Fachsprachenanalyse erweist sich damit als ein Feld, in dem spezialisiertes Weltwissen mit didaktischer, linguistischer und semiotischer Erfahrung verbunden werden muß. Texte anderer Art analysiert HAJ ROSS. Er bespricht zunächst die konventionellen Metaphern, die uns den Vorgang der Kommunikation als Informationstransport zwischen Sender und Empfänger verständlich machen, und stellt diesen Vorstellungen die poetische Kommunikation gegenüber, die nichts transportiert, sondern nur auf etwas hinweist, etwas im Empfänger anrührt, aktiviert, evoziert. Mit diesen Feststellungen begründet Ross die Beobachtung, daß Gedichte auch nicht die schrittweise aufbauende „diskursive" Struktur anderer Texte haben, sondern als Ganzheiten wirken. Die höchste Form der Ganzheit hat Goethe 1798 beschrieben: „Willst du dich am Ganzen erquicken, so mußt du das Ganze im Kleinsten erblicken." Ross vergleicht einen poetischen Text, der dies zuläßt, mit einem Hologramm, einem Laserbild, dessen materielles Substrat unbedenklich zerschnitten und zerteilt werden kann, denn das Abgebildete bleibt auch in den Teilen als Ganzes sichtbar. Diese Vorstellungen belegt Ross durch die linguistische Analyse des Gedichts von Octavio Paz „Viento, agua, piedra" (,Wind, Wasser, Stein'): Das Gedicht als ganzes, jede einzelne Strophe für sich und jede Sprachebene erzeugt den gleichen Eindruck von zunehmender Verwitterung, Auflösung, Verfall, Unordnung, Entropie. Während Ross im Einklang mit alter literaturwissenschaftlicher Tradition in jedem Gedicht nach einem textspezifischen Weltbild sucht, thematisiert W O L F G A N G W E N N I N G die Weltbilder, die nach Auffassung mancher Linguisten hinter ganzen Sprachen stehen. Er diskutiert die lange für unumstößlich gehaltene Lehrmeinung des europäischen Strukturalismus von der Sprachabhängigkeit der Wahrnehmung. Als Beispiel dient ihm die optische Wahrnehmung. Wenning stellt die Frage, ob die Tatsache, daß die Farben des Regenbogens je nach Sprache mit Farbwörtern verschiedenen Inhalts bezeichnet und dementsprechend unterschiedlich gezählt werden, darauf schließen läßt, daß die Sprecher verschiedener Sprachen den Regenbogen auch verschieden wahrnehmen. Um diese Frage zu beantworten, prüft Wenning die psychophysischen und neurobiologischen Theorien des Farbensehens und konfrontiert sie mit der Ethnosemantik der Farbwörter. Die Untersuchungen von Berlin und Kay (1969) haben gezeigt, daß die Grenzen zwischen den durch Farbwörter bezeichneten Ausschnitten des Farbspektrums zwar sprachspezifisch sind, daß es aber Spektralausschnitte gibt, die in allen bekannten Sprachen durch die Farbwörter unzerteilt gelassen werden. Grob gesprochen läßt sich sagen, daß sich alle Farbwortfelder um vier psychophysisch
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determinierte Spektralbereiche organisieren lassen, unter denen rot ausgezeichnet ist. So bietet der Farbraum genügend sprachunabhängige Struktur dafür, daß sich Menschen auch über Sprachgrenzen hinweg über ihn verständigen können. Jedenfalls ist es weniger die Sprache, die dem Sehen, als das Sehen, das der Sprache eine Struktur aufprägt. Dies ist eine Bestätigung der Chomskyschen Annahme von „innate ideas" von einer unerwarteten, weil sprachunabhängigen, Seite her. Quer zu den Sprachgrenzen gibt es außerdem über die neurobiologische Fundierung hinausgehend starke kulturspezifische Unterschiede in den Sehgewohnheiten. Wenning hält es daher für nicht unangebracht, analog zu Sprachgemeinschaften von Sehgemeinschaften zu sprechen, wodurch die These von der sprachlichen Relativität des Sehens ihrerseits noch weiter relativiert wird. Kommt es Wenning speziell auf eine Klärung des Zusammenwirkens von psychophysisch und sprachlich determinierten Prozessen bei der Farbwahrnehmung an, so behandelt E D G A R R O T H A C K E R die Prozesse der Sprach Verarbeitung im allgemeinen. Mit seinem Beitrag zur Simulierung individueller Sprachproduktion schließt sich der Kreis, den Metzings Programm einer prozeduralen Linguistik in Teil I des vorliegenden Bandes eröffnet hat. Was Metzing als Desiderat formuliert und mit Bezug auf den linguistischen Forschungsstand und die zukünftigen Aufgaben der Linguistik begründet, beginnt Rothacker bereits ein Stück weit in die Tat umzusetzen. In der üblichen Darstellung der generativen Transformationsgrammatik nach Chomsky wird zunächst in der Basiskomponente eine komplette Zeichenkette samt Strukturbeschreibung festgelegt, und dann sorgt die Anwendung passender Transformationen für die schrittweise Überführung in einen wohlgeformten Satz der betreffenden Sprache. So wird im Systemaufbau zum Beispiel die Wahl der Kasus erst spät und lang nach der Festlegung der Zeichenkette in der Basiskomponente vollzogen. Unter dem Gesichtspunkt einer effektiven Sprachproduktion ist ein solches Verfahren vielfach nicht schnell genug. Außerdem ist es zwar begrifflich sauber und im Ergebnis korrekt, entspricht aber nicht den tatsächlichen Vorgängen im Gehirn einer Person, die den entsprechenden Satz formuliert. Rothacker hat nun in Zusammenarbeit mit Helmut Schnelle untersucht, wie ein generatives System beschaffen sein muß, das die Teilsysteme der Sprachproduktion nicht hintereinander schaltet, sondern es ermöglicht, grammatisch relevante Information in mehreren Teilsystemen gleichzeitig bereitzustellen. In der von Rothacker dargestellten Lösung liefert die Basiskomponente im ersten Anlauf den fertigen Satz, wird dabei aber von abstrakten Ketten der nebengeschaltet arbeitenden Teilsysteme gesteuert. Operative Netzwerke dieser Art bieten eine Möglichkeit, Sprachverarbeitungsprozesse ohne streng geregelte Reihenfolge darzustellen. Und das
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ist, wie schon Metzing zeigt, gleichermaßen für die neurolinguistische Modellbildung wie für die automatische Textverarbeitung im Rahmen der Informatik von großer Bedeutung.
VII Ausblick Angesichts dieses Querschnitts durch Arbeiten von Linguisten der 80er Jahre, deren geistige Entwicklung zumeist im Berlin der 70er Jahre durch das Studium der Schriften Chomskys aus den 50er und 60er Jahren geprägt wurde, stellt sich einem die Frage, wie denn ein Querschnitt durch die Arbeiten der 90er Jahre aussehen wird. Verläßliche Prognosen sind schwer zu stellen, selbst wenn sich in den Beiträgen des vorliegenden Bandes die zukünftige Entwicklung bereits in Umrissen abzeichnet. Leichter fällt es, die Aufgaben zu formulieren, die die Linguistik bei dem heute erreichten Forschungsstand mit Aussicht auf Erfolg in Angriff nehmen kann. 1. Da ist zunächst einmal Ordnung zu schaffen unter den Teil- und Bindestrichdisziplinen, die in der nach-Chomskyschen Linguistik eingeführt wurden, um die Beschränkungen des Chomskyschen Paradigmas zu überwinden. Semantik und Pragmatik, Sozio- und Psycholinguistik, Bio- und Neurolinguistik, Kognitionswissenschaft und Künstliche-Intelligenz-Forschung müssen in Zielsetzung und Aufbau sowie in ihrem Verhältnis zueinander geklärt werden. Dies kann nicht durch Grenzziehungen am grünen Tisch geschehen. Die Fruchtbarkeit der Methoden und das Gewicht der Ergebnisse in der Erforschung des Sprachverhaltens wird entscheiden, welche der Disziplinen überlebt und welche in den andern aufgeht. 2. Die künstliche Isolierung der Sprache als eines Gegenstandes sui generis wird weiter abgebaut und Sprache wird im Vergleich zu den anderen Zeichensystemen untersucht werden müssen, die in Ergänzung zu ihr und im Wechsel mit ihr verwendet werden: Mimik und Gestik, die allgegenwärtigen Piktogramme, die Kodes des Kulturbetriebs in Fernsehen, Kino, Theater und Konzert und die Automatismen der Kommunikation in den gesellschaftlichen Institutionen sind hier zu nennen. 3. In der Untersuchung des Sprach Verhaltens wird der Gesichtspunkt der Genese eine weiter zunehmende Rolle spielen: Aktualgenese, Ontogenese und Phylogenese der Sprache werden systematischer empirisch untersucht und theoretisch aufeinander bezogen werden müssen. 4. Die Technik wird gebieterisch nach der Linguistik fragen. Der Schritt von der maschinellen Textanalyse und Textproduktion zur akustischen Mensch-Maschine-Kommunikation wird im kommen-
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den Jahrzehnt vollzogen werden, und die Mensch-Maschine-Kommunikation wird das Stadium der Anwendung im öffentlichen Leben erreichen. Das erfordert praxisrelevante Aufbereitung und Ergänzung des linguistischen Wissens über alle Ebenen der Sprache und ihrer Verwendung. 5. Innerdeutsche gesellschaftliche Tendenzen wie das erhöhte Bewußtsein für die Probleme Anderssprachiger, das vermehrte Interesse an der Frauenemanzipation und die gewachsene Bedeutung differenzierter Innerlichkeit im kulturellen Leben können die Arbeit der Linguisten noch stärker motivieren. Untersuchungen über Mehrsprachigkeit, über Sprache und Herrschaft sowie über Sprache und Emotion werden ihren gegenwärtig noch vielfach methodisch unbefriedigenden Stand verbessern und anwendungsfähige Ergebnisse liefern müssen. 6. Die Frage nach der kulturellen Identität der Völker der dritten Welt kann das Interesse an den Grundlagen dieser Identität in der Sprache und den anderen kulturellen Zeichensystemen stärken und damit ein altes Thema der deutschen Sprachphilosophie und Semiotik (Herder, Humboldt, Cassirer) wieder beleben. 7. So dringend all diese Aufgaben sind, sie sollten nicht den Blick für die Tatsache verstellen, daß auch weiterhin ein Bedürfnis nach der Tieferlegung der theoretischen Fundamente besteht. Neue Fortschritte in der Bestimmung des Verhältnisses der Linguistik zu den Nachbardisziplinen, in der Zuordnung der linguistischen Komponenten der Sprachbeschreibung zueinander, in der Präzisierung der linguistischen Darstellungsmethoden und in der Verfeinerung der empirischen Untersuchungsverfahren werden auch der Lösung der deskriptiven und anwendungsbezogenen Aufgaben zugutekommen.
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Berliner Linguisten 1967 - 1982 THOMAS T B A L L M E R
1. Vorbereitende
f , Bochum
Bemerkungen
Der vorliegende Band, Nach-Chomskysche Linguistik, ist aus einem bestimmten Anlaß geboren. Helmut Schnelle, der als eine der maßgebenden und hervorragenden Gestalten der jüngeren Allgemeinen Linguistik der Bundesrepublik gilt, durfte am 28. 2. 1982 ein besonderes Jubiläum feiern, seinen fünfzigsten Geburtstag. Solche herausragenden Ereignisse werden oft und durchaus zu recht als Aufforderung empfunden, eine Standortbestimmung vorzunehmen. Es ist aber keineswegs selbstverständlich, daß derartige Jubiläen immer so fallen, daß der Rückbesinnung und Vorausschau besonderer Erfolg beschieden wäre und sie sich damit als besonders ergiebig erweisen würden. Im Falle von Helmut Schnelles persönlichem und wissenschaftlichem Jubiläum ist dies aber sehr eindeutig. Schon die spontan und vielfältig für diesen Band verfertigten Beiträge seiner Schüler und Freunde weisen auf die Gunst der Zeit hin. Worin besteht diese Gunst der Zeit? Schon einmal, vor etwa fünfzehn Jahren, erlebte die Linguistik in diesem Lande eine Neuorientierung. Eine solche Situation geht mit einem Empfinden der Offenheit für Neues, teilweise mit einer Dispersion der Interessen, und, etwas kritischer ausgedrückt, mit einer nicht gerade leicht unter Kontrolle zu bringenden Orientierungsunsicherheit einher. Es herrschen offensichtlich, wie man sich auch auszudrücken pflegt, vorparadigmatische Zustände. In der Tat scheinen auch in der jetzigen Zeit gerade wieder viele Dinge darauf hinzuweisen, daß wir uns ganz deutlich innerhalb einer derartigen Umbruchphase der Linguistik befinden. Wenn es sich damals eher um eine Deutschland betreffende Orientierungsphase handelte, so wird allerdings heute die Unruhe vor dem Sturm mehr auf internationaler Ebene spürbar. Eine längere Periode linguistischen Schaffens in der Bundesrepublik, deren Beginn etwa vor zwei Jahrzehnten in den späten sechziger Jahren anzusetzen ist, scheint sich jetzt eben zu ihrem Ende zu neigen. Die neue Zeit dürfte sich schon deutlich ankündigen. Daß die Gesamtheit der Beiträge zu dieser „Freundesschrift" für Helmut
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Schnelle sich ohne vorherige Planung und Vorabsprachen einem gemeinsamen Tenor fügten (vgl. R. Posners Einleitung „Nach-Chomskysche Linguistik" zu diesem Band), weist darauf hin, daß man sich in einem Punkt, wenn auch erst untergründig, im Prinzip einig ist: dem Wunsch nach einer begründeten und wohlverstandenen Überwindung zentraler die Linguistik bestimmender Maßgaben und eventuell auch Autoritäten. Es soll sich dabei aber nicht um eine Palastrevolution handeln und schon gar nicht um einen Bildersturm. Dazu sind die Verdienste der die bundesrepublikanische Linguistik tragenden in- und ausländischen Wissenschaftler zu hoch zu veranschlagen und für ein weiteres Voranschreiten auch unverzichtbar. Eine Modifikation der bisherigen strukturell gefaßten Herangehensweise drängt sich aber auf. Wieweit sich momentan und insbesondere in diesem Band die artikulierte Kritik und Unruhe schon zur Konzeption und Sicht einer neuen Linguistik geklärt hat, mag für die verschiedenen Autoren hier in unterschiedlicher Weise zu beantworten sein. Ich glaube aber, es ist an dieser Stelle fair zu berichten, daß für Helmut Schnelle heute eines fraglos klar ist: Über die rein strukturelle, insbesondere die Chomskysche Linguistik hinaus sollten uns Linguisten mehr die dynamischen, prozeduralen und schließlich prozessualen Erscheinungen der Sprache beschäftigen. Die partielle Ähnlichkeit der damaligen und der jetzigen Phase fordert einen Vergleich heraus. Was war damals das treibende Moment für den darauffolgenden unzweifelhaft als solchen kennzeichenbaren Linguistikboom? Was könnte heute der Motor für eine neue Blüte der Linguistik sein? Damals, Ende der sechziger und Anfang der siebziger Jahre, formierte sich die jüngere deutsche Linguistik erstmals und durchaus entgegen den Vorstellungen der traditioneller ausgerichteten Philologen. Heute steht sie da, existiert mit ihren Erfolgen, aber eben auch mit ihren Schwächen und Schwierigkeiten. Was waren die Gründe damals für eine derart fruchtbare Entwicklung, was könnten die Gründe heute für eine solche sein? Wo könnte heute die Quelle eines neuen Aufschwungs erwartet werden? Ist die erkennbare wissenschaftliche Unruhe ein hinreichendes Indiz für das Bevorstehen einer neuen Entwicklung? Können innerwissenschaftliche Gründe ausreichen, eine solche Entwicklung zu induzieren? Oder muß man weiter fassen, in die hochschulpolitischen, politischen, oder gar wirtschaftlichen Ereignisse? Wir werden noch Gelegenheit haben, dies näher zu besehen. Ganz ohne gesellschaftliche Voraussetzungen, das sehen auch wir Linguisten seit geraumer Zeit gerne ein, geht wenig. Mit Bestimmtheit braucht es für eine gedeihliche Entwicklung wie damals die Unterstützung eines breit verankerten Interesses. Doch wollen wir uns erst einmal auf die innerwissenschaftliche Situation konzentrieren und in groben Zügen die Geschichte der jüngeren
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Linguistik, so objektiv dies in der jetzigen Lage überhaupt schon möglich ist, nachzeichnen.
2. Gibt es eine Berliner Schule der Linguistik? Spätestens beim Sammeln und Ordnen der Beiträge zu diesem Band wurde es deutlich. Es scheint eine eigene Berliner Schule der Linguistik zu geben. Die Autoren — Freunde und Schüler von Helmut Schnelle — standen zu einer bestimmten Zeit, um die Jahrzehntwende sechzigsiebzig, fast alle in enger Beziehung mit Berlin. Sie lehrten oder studierten dort, oder aber hatten intensiven Kontakt zu den Universitäten von West-Berlin, zur T U (Technische Universität) oder zur FU (Freie Universität) oder zu beiden. Sie hatten auf diese Weise über längere Zeit hinweg Gelegenheit, die verschiedenen kulturellen Bewegungen und Ereignisse dieser Stadt mitzuerleben und, für einige trifft auch dieses zu: mitzugestalten. Es steht außer Frage, daß diese Lebenssituation bei der kulturellen Kraft Berlins für jeden prägend wirksam wurde. Nun möchte man sich fragen, was denn an dieser Stadt so maßgebend hat sein können, um eine eigene linguistische Schule zu begründen. Ist es ihr allgemeiner Charakter oder war es vielmehr eine bestimmte historische Situation? Es kommt sicherlich der Wahrheit am nächsten zu sagen, daß es eine Mischung aus dem Stadtcharakter und der zeitbedingten Situation ist, die für die Herausbildung einer Schule der Linguistik in Berlin verantwortlich gemacht werden kann. Daß diese Stadt auch auf die Wissenschaft in verschiedensten Belangen einen prägenden Einfluß ausüben kann, steht außer Frage. Berlin ist mehr als ein Jahrhundert lang immer wieder zum wissenschaftlichen Brennpunkt geworden. Persönlichkeiten wie Humboldt und Hegel, Schulen wie die Berliner Schule der Gestalt-Psychologie (Max Wertheimer, Wolfgang Köhler, Kurt Lewin) mögen dafür Zeugnis abgeben. Um den prägenden Einfluß dieser Stadt auf die zur Diskussion stehende Gruppierung von Linguisten festzuhalten, die sich alle nicht nur in ihren Stärken und Schwächen gut kennen, sondern auch jahrelang wissenschaftlich eng aufeinander bezogen arbeiteten, zusammen diskutierten, ja stritten und sich zuweilen sicherlich auch gezielt ignorierten, sei dieser Schule der name „Berliner Schule" gegeben. Diese Berliner Schule der jüngeren deutschen Linguistik entstand, wie schon angedeutet, Ende der sechziger und Anfang der siebziger Jahre. Es nimmt wunder, was wohl den Anlaß zu diesem Ereignis gegeben haben mag. Was war die damals vorhandene, die Entstehung stimulierende Situation? Es braucht wohl nur ein sehr schwach ausgebildetes Geschichtsbewußtsein, um feststellen zu können, daß
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das Entstehen der Berliner Schule mit einem anderen, wohl noch etwas prominenteren Ereigniskomplex zusammenfällt. Dort dürfte die gesuchte Erklärung auch wohl am ehesten zu finden sein: bei der achtundsechziger Studentenrevolte.
3. Zur Entstehung der Berliner
Schule
Die Studentenrevolte von 1968 hat ein Loch in die festgewobene Decke der Tradition gerissen — damals pflegte man sich etwas weniger mittelbar auszudrücken. Dies geschah zuerst und am wirksamsten in Berlin und betraf gerade auch die Geisteswissenschaften und dort insbesondere die Neuphilologien, allen voran die Germanistik, dann die Romanistik. Die jungen, politisch bewußten und aktiven Studenten/-innen und Assistenten/-innen, fühlten sich aus der gesamten Bundesrepublik nach dem sich befreienden und sich emanzipierenden Berlin gezogen. Sie fanden auch schnell Kontakt mit Gleichgesinnten und Verbündeten. Mehr noch als in den Naturwissenschaften spürte man in den Geisteswissenschaften das Bedürfnis, den Mief von hundert Jahren unter den Talaren zu beseitigen. Die moderne Linguistik lieferte hierzu in der Tat ein brauchbares Instrument. Kanonische, erprobte Wissenschaftlichkeit paarte sich mit den emanzipatorisch verstandenen Zielsetzungen. International gesehen bestand damals ein besonders hohes Nachholbedürfnis in den deutschen Philologien, insbesondere in der allgemeinen Sprachwissenschaft und den linguistische Erkenntnisse applizierenden Neuphilologien. Die wissenschaftliche Beschäftigung mit der Sprache spielte sich, wie man zu bemerken beliebte, auf „idealistischer" Ebene ab. Der Strukturalismus, sei er von schweizerischer, prager, kopenhagener oder amerikanischer Prägung, hat bis Mitte der sechziger Jahre wenig Fuß gefaßt hier in Deutschland, abgesehen von den damals viel zu wenig wahrgenommenen Bemühungen von und um Hansjakob Seiler und Werner Winter. Die weiterführenden Ansätze, wie die der „Ordinary Language Philosophy" von Moore, Ryle, Wittgenstein II, Austin, die „Formal Language Philosophy" von Russell, Wittgenstein I, Carnap, Quine und genauso die amerikanische Generative Grammatik Chomskys waren fast gänzlich unbekannt. Von psycholinguistischen und soziolinguistischen, von kybernetischen, computerwissenschaftlichen (informatischen), oder gar neuro- und biolinguistischen Ansätzen ist hier ganz zu schweigen. Sprachanthropologische Fragen (Gehlen), und Fragen, wie sie in der Ethnomethodologie für die Diskursanalyse fruchtbar gemacht worden sind (Sacks, Schegloff), haben sogar auch später noch nur unter erschwerten Bedingungen Eingang in die deutsche Sprachwissenschaft gefunden.
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Die Sachverständigen der linguistischen Wissenschaftsgeschichte in diesem Lande werden diese Ausführungen mit dem Hinweis auf namhafte Ausnahmen anzuzweifeln wissen. Das trifft aber den Kern dieser Behauptungen kaum. Nur einige wenige Unentwegte haben sich jeweils als weitergehend informiert ausgewiesen. Um der geschichtlichen Wahrheit allerdings doch noch etwas mehr Genüge zu tun, sei festgehalten, daß zur innerwissenschaftlichen Situation und den studentenpolitischen Randbedingungen noch etwas ganz Wesentliches hinzukam. Auch die institutionellen Bedingungen in Berlin, genauer an der TU, lagen besonders günstig. Schon seit den fünfziger Jahren bestand das Institut für Sprache im technischen Zeitalter. Die Technische Universität schuf damit ein Forum, das das traditionell bestehende Mißtrauen zwischen den naturwissenschaftlich-technischen Denkweisen und denen der geisteswissenschaftlichen Seite neutralisierte und weitgehend abbaute. Kybernetisches, informationstheoretisches, formales Denken über Sprache, auch in ihren künstlerischen Ausprägungen, sind nicht nur zugelassen, sondern auch ganz bewußt unterstützt worden. Walter Höllerer, der Leiter dieses Instituts, war Mitglied der Gruppe 47 und stand der konkreten Kunst sympathisierend gegenüber. Das Experimentieren mit der Sprache war ihm als Schriftsteller schon unmittelbare Erfahrung. Das Institut für Sprache im technischen Zeitalter stand schon ganz früh in den sechziger Jahren linguistischen Gedankengängen sehr aufgeschlossen gegenüber. Dies äußerte sich zum Beispiel ganz wesentlich darin, daß es Anlaufstelle für die aus Ost-Berlin kommenden Linguisten Klaus Baumgärtner und Heinz Vater war. Auch Dieter Wunderlich wurde hier Assistent. Höllerer war es schließlich, der neben seinem Lehrstuhl Germanistik 1 einen zweiten Lehrstuhl (zuerst noch Germanistik 2 benannt) begründete, auf den Helmut Schnelle als Erstinhaber im Frühjahr 1968 berufen wurde. Es ist sicherlich nicht falsch, Zeugen aus der damaligen Zeit werden dies belegen können, daß die Tradition vieles daran setzte — wie sie es zu jedem Zeitpunkt auf ihrer Ebene zu tun trachtet — die neuen, fremden und andersartigen Vorstellungen zu ignorieren, wegzudiskutieren und zu unterdrücken. Die Stellenpolitik, daran ist nicht zu zweifeln, lag auch fest in der genannten Hand. Diese Macht war schwer zu durchbrechen. Es bedurfte eines Ereignisses größeren geschichtlichen Ausmaßes, um diese Situation zu lösen, und einer historisch wirksamen Veränderung Raum zu geben. Aufgrund dieser Gegebenheiten ist es wohl eher als historischer Unfall oder Nebeneffekt zu sehen, daß durch die 68er Studentenrevolte und die gleichzeitig sehr günstige Situation an der TU Berlin in die Decke der philologischen Tradition ein Loch gerissen werden konnte, das die Implantation der modernen Linguistik in Deutschland ermög-
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lichte. Absicht und Berechnung war das kaum. Jedenfalls nicht auf der uns hier interessierenden Ebene der Analyse. Die Einzelheiten der Studentenrevolte sind gewiß an anderer Stelle von kompetenterer Hand verfaßt nachzulesen. Damit können und wollen wir uns hier nicht befassen. Hier soll uns lediglich beschäftigen, wie von Linguisten dieser Freiraum für die Linguistik nutzbar gemacht werden konnte. Wie sah die Situation Mitte der sechziger Jahre aus? 4. Die Aufbauphase der Berliner Schule Einer der Boten der neuen Wissenschaft saß in Ost-Berlin. Es war Manfred Bierwisch, der maßgeblich die Linguistik an der Deutschen Akademie der Wissenschaften vertreten hat. Ein anderer, nicht minder gewichtiger Bote saß noch in Bonn. Es war Helmut Schnelle, der im IPK, dem Institut für Phonetik und Kommunikationswissenschaft (heute zu IKP umbenannt) Forschungsprojekte leitete. Ein dritter Bote befand sich schon in West-Berlin. Es war Dieter Wunderlich, der als Assistent von Klaus Baumgärtner, an der TU tätig war. Nach der Berufung Baumgärtners nach Stuttgart, und nachdem Helmut Schnelle im Herbst 1967 den Lehrstuhl zu vertreten begonnen hatte, auf den er 1968 dann berufen wurde, hatte sich in Berlin die Konstellation ergeben, die wir für die Etablierung der modernen Allgemeinen Linguistik in der Bundesrepublik weitgehend verantwortlich machen dürfen. Es mag etwas als Ironie des Schicksals erscheinen, daß das Eindringen der ,amerikanischen' Linguistik nach Deutschland auf dem Wege über Ost-Berlin geschah: Schnelle und Wunderlich haben regelmäßige Treffen mit Bierwisch in der Akademie in Ost-Berlin abgehalten. Dort sind viele der Ideen der neuen Linguistik, die die Berliner Studentenrevoluzzer als so befreiend empfanden, herangeschafft, diskutiert, vorbereitet, aufbereitet und neugeboren worden. Die Schulenbildung zu dieser Zeit in Berlin geschah allerdings keineswegs auf dem Wege einer weißen Revolution. Sie unterscheidet sich deutlich von der Herausbildung anderer, vergleichbarer Schulen. Ein Muster, von der Kopenhagener Schule her bekannt, würde sich um eine zentrale Figur herum (wie Hjelmslev) gerankt haben. Ein anderes Muster der Schulenbildung, etwa im Prager Strukturalismus realisiert, baut auf einer Kerngruppe einiger weniger prominenter Forscher (Mathesius, Mukarovsky, Jakobson) auf. In all diesen Fällen liegt ein Manifest vor. Die Schulenbildung geschah aufgrund eines bewußten Akts. Für die Berliner Schule gilt eigentlich nichts dergleichen. Es liegt kein Manifest vor, und es gibt somit auch keinen Verfasser, der für sich das Recht beanspruchen könnte, der Begründer dieser Bewegung
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zu sein. Das genannte Triumvirat hielt sich im Hintergrund. Bald strömten so viele junge Studenten/innen und Assistenten/innen mit mindestens ebensovielen eigenen Ideen von allerorts nach Berlin, daß die Reinheit der Methode binnen kurzem ins Wanken kommen mußte. Aus Bonn kamen sie besonders zahlreich: neben Helmut Schnelle KarlDieter Bünting, Claus Heeschen, Roland Posner und Werner Kummer (zuvor bei Alfred Hoppe tätig). Aus anderen Teilen Deutschlands kamen Utz Maas, Gerd Kegel, Veronika Ehrich, Jochen Rehbein, Günther Saile, Peter Bosch, in der Tat der Großteil der noch zu Nennenden. Sogar aus dem Ausland kamen welche (wie etwa Werner Kummer ursprünglich aus Österreich, Thomas Ballmer aus der Schweiz). Erwartungsgemäß spendete auch Berlin selber seinen Teil dazu. Echte Berliner waren allerdings selten. Davon gab es immer nur sehr wenige: Waltraud Brennenstuhl, Peter Cassiers, Edgar Rothacker. Aus ganz verschiedenen Nachbargebieten stießen sie zu uns. Helmut Schnelle und Dieter Wunderlich (wie auch der Autor dieser Zeilen) kamen aus den Naturwissenschaften, genauer aus der Physik. Peter Eisenberg war zuvor Ingenieur (Tonmeister). Jochen Rehbein stand der Medizin nahe. Utz Maas hat sich, nachträglich zwar, intensiv mit Jurisprudenz beschäftigt, auch die Theologie ist mit Konrad Ehlich bei uns berücksichtigt, als Vertreter der Philosophie dürfen Renate Bartsch und Roland Posner genannt werden. Zuerst war der Schwerpunkt um den Lehrstuhl für Linguistik an der T U (Technische Universität Berlin, Pepperhaus, Ernst-ReuterPlatz 10, 1 Berlin 10) herum angesiedelt mit Helmut Schnelle als Lehrstuhlinhaber, Claus Heeschen und Roland Posner als Assistenten. Karl-Dieter Bünting, Gerd Kegel, Günther Saile waren dort frühe Mitstreiter. Dieter Wunderlich und Utz Maas hielten Seminare am Lehrstuhl. Unter den Studenten befanden sich Veronika Ehrich, Jochen Rehbein, Walter Huber, Wolf Paprotte, Winfried Stölting, Daniela Dilthey, Gisela Klann, Elisabeth Bense, Monika Nehr, Christian Korpiun, Waltraud Brennenstuhl, Thomas Ballmer, Peter Bosch, Henning Bergenholtz, Bernd-Jürgen Fischer, Fritjof Werner, Wolfgang Wenning. Viele Linguistik-Begeisterte hatten Stellen an benachbarten Instituten oder waren dort als Studenten verankert. Nicht wenige fanden von der FU her den Weg zur TU. Eine Linguistik gab es dort erst sehr viel später. Die nächsten, nicht nur in räumlicher Hinsicht, waren die auf demselben Stockwerk des Pepperhauses befindlichen Romanisten mit Helmut Lüdtke als Lehrstuhlinhaber (1970 von Freiburg gekommen). Utz Maas, Rolf Kloepfer, Rainer Schneewolf, Monika Nehr, Peter Cassiers befanden sich dort. In der Germanistik gruppierten sich um Höllerer herum manche Verbündete der Linguistik. Dieter Wunderlich stammte direkt aus diesem Institut. Roland Posner stand diesem Institut nahe. Die Beziehung zu den Informatikern
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hielten, solange dies aktuell war, Peter Eisenberg, Hartmut Haberland und Peter Schreiber aufrecht; zu den Informatikern, aber ebenfalls zu den Mathematikern und Philosophen liefen Kontakte auch über den Autor dieser Zeilen. Gerade auch die an anderen Instituten Ansässigen fühlten sich aber inhaltlich und politisch (es gab denkwürdige, ja historisch zu nennende Vollversammlungen) dem Lehrstuhl für Linguistik besonders aktiv verbunden. Helmut Schnelle unterstützte die interdisziplinären Beziehungen direkt und indirekt, wo er nur konnte, und pflegte auch selbst aktive Verbindungen über die Grenzen der Linguistik hinaus. Nach einigen Jahren des Bestehens der Linguistik an der TU im Pepperhaus flog ein Kerntrupp zum nächstbesseren und -sicheren Ort aus, zur FU (Freie Universität Berlin). Maßgebend war die Einstellung von Dieter Wunderlich und Hans-Heinrich Lieb als Professoren und von Renate Bartsch und Werner Kummer als Assistenzprofessoren. Um diese Gruppe im Germanistischen Institut der FU Berlin sammelten sich alsbald jüngere und ältere Studenten. Unter ihnen befanden sich Uta Quasthoff, Hubertus Opalka, Fritz Pasierbsky, Florian Coulmas, Ingrid Kummer. Dieser Auszug der Linguistik von der TU zur FU zeigte tiefere Konsequenzen, als man zunächst annehmen sollte. In neuerer Zeit hat sich, durch ein prominentes Plenum der Jahrestagung der DGfS (Deutsche Gesellschaft für Sprachwissenschaft) in Köln begründet, der Sprachgebrauch eingebürgert, zwischen harter und weicher Linguistik zu unterscheiden (cf. D. Hartmann, „Wandlungen im Selbstverständnis der Linguistik", in diesem Band). Diese Unterscheidung trifft sich in ungefähr mit derjenigen zwischen (generativen oder logischen) Grammatikern und Pragmalinguisten. Stellt man in Rechnung, daß an der TU mehr die grammatiktheoretische Richtung gepflegt wurde, an der FU aber ein Schwerpunkt der Pragmalinguistik bestand, so ist es sicherlich nicht ganz abwegig zu vermuten, daß die Unterscheidung von harter und weicher Linguistik sich bis auf den Exodus der Linguisten von der TU an die FU zurückverfolgen läßt. Nach erstaunlich kurzer Zeit hat sich das Vorhandensein einer linguistischen Gruppierung in Berlin und das dortige Vorhandensein eines inspirierten Forscherpotentials weit herumgesprochen, mindestens so weit, daß es nicht nur Studenten und junge Begeisterte nach dieser Stadt zog, sondern sich der Strom der Prominenz in Gang setzte und sich zusehends verstärkte. Ein großes und einflußreiches Ereignis dieser Art war Yehoshua Bar-Hillels Forschungssemester im Sommer 1972 in Berlin. Eingeladen von seinem Freund und Schüler Helmut Schnelle, stellte sich BarHillel den mitunter recht unbändigen, um nicht zu sagen linguistisch und sprachphilosophisch undisziplinierten Berlinern als weiser Lehrer
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zur Verfügung. So konnten sich die jungen, oft fast nur autodidaktisch ausgebildeten Berliner Linguisten erstmals „live" an den internationalen Maßstäben zu messen versuchen, nicht zuletzt auch an der Schärfe und Härte der vom amerikanischen Argumentationsniveau her bestimmten Diskussionsweise. Bar-Hillel hat sein Mund- und Denkwerk zusammen mit den linguistischen und philosophischen Großmeistern, u. a. Noam Chomsky selbst, wetzen gelernt. In vielen Diskussionen, Vorträgen und Seminarstunden ergab sich für uns auf diese Weise die Gelegenheit, die eigenen Gedanken an den von außen kommenden Problemstellungen zu erproben. Bar-Hillels Schüler Asa Kasher, Avishai Margalit und Marcelo Dascal verbrachten ebenfalls längere Forschungsaufenthalte an der T U Berlin, eingeladen von Helmut Schnelle, was besonders den sprachphilosophisch und logisch orientierten Projekten zugutekam. Theo Vennemann hielt faszinierende Seminare an der FU zu universallinguistischen Themen und Phonologie, Klaus Kohler brachte die Phonetik in einem Intensivkurs nach Berlin, Klaus Brockhaus lehrte uns die damals auch eben aufbrechende Konstanzer Linguistik. Timothy Potts, Georg Henrik von Wright, Paul Lorenzen, Kuno Lorenz, um nur einige weitere Großkopfeten zu nennen, hielten öffentliche Vorträge und Seminarkurse und trugen so zur Öffnung der Berliner Linguistik in die weite Welt bei. Auch John Robert „Haj" Ross ist Berlin eng verbunden gewesen, jedoch nicht nur auf der linguistischen Ebene und auch schon zu einer anderen Zeit: um die Wahrheit zu sagen, hat er sich doch Anfang der sechziger Jahre als Linguistikstudent in Bonn aufgehalten und auch bereits Helmut Schnelle gut gekannt. Es geht übrigens die Sage, daß Haj, ein Harris-Schüler, von Helmut zum ersten Mal über Noam gehört habe. Nach Berlin zog es ihn einfach deshalb regelmäßig (in einem alten Mercedes), weil er dort seine zukünftige Frau jeweils übers Wochenende besuchte. 5. Die Phase der Verbreitung der Berliner
Schule
Nach 1973 verlangte die inzwischen in Gang gekommene Bildungsreform in beträchtlichen Mengen nach linguistischen Spezialisten, d. h. nach Assistenten, Räten und Professoren. Das ergab für viele Berliner die Möglichkeit, nach Westdeutschland zu gehen, und hatte leider die negative Folge, daß aufeinander eingespielte Teams und Arbeitsgruppen auseinandergerissen wurden und die Kontakte am Ort erst einmal deutlich erschwert wurden. Rückblickend darf man wohl redlich behaupten, daß in der Anfangsphase der Berliner Linguistik die Einigkeit und Einheitlichkeit zumindest in der Weise vorhanden war, daß zu der damaligen Zeit
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noch jeder mit jedem über fast alles (Persönliches und Politisches miteingeschlossen) reden konnte und es auch wollte. Dadurch ergab sich eine bemerkenswerte Einheitlichkeit des Informationsstandes, wenn auch nicht unbedingt des spezifischen Interesses und der linguistischen Standpunkte. Diese Situation war beinahe als eine des idealen wissenschaftlichen Diskurses anzusprechen. Durch den Exodus nach West-Deutschland ist diese Lage allerdings arg ins Wanken gekommen. Ja vielleicht ist hierin der wirkliche und wahrhaftige Grund zu suchen, weshalb die Spaltung zwischen der harten und der weichen Linguistik sich für die Zukunft so kompromißlos vollzogen hatte. War es bis 1973 noch so, daß formale und grammatische Orientierung einerseits und Pragmatik, Textlinguistik, Ethnomethodologie und die schulischen Anwendungen andererseits sich in den gleichen Köpfen befanden oder, wenn nicht, so doch die Vertreter gut und intensiv miteinander sprechen konnten, so änderte sich dies nach 1973 zusehends. Noch gab es Arbeitsgruppen, bei denen ,Theoretiker' und ,Empiriker' an einem Tisch zusammensaßen. Auch haben sich in Teilbereichen der Linguistik, wie etwa um Dieter Wunderlich in Düsseldorf herum, gewisse Tendenzen zur Interdisziplinarität erhalten. Durchforscht man sonst die linguistische Landschaft, so findet man einen Höchstgrad an Spezialisierung und leider nur noch ganz vereinzelt eine Kommunikation zwischen den inzwischen schon als extrem einzustufenden formal-theoretischen auf der einen und empirisch-angewandten Richtungen auf der anderen Seite. Es fehlt an einer gemeinsamen verständlichen Sprache. Der linguistische Turmbau zu Babel droht, wie wir Linguisten es von außen her lange und oft genug in verschiedenen manchmal auch etwas schadenfrohen Formen schon zu hören bekommen haben, in einem disparaten Gewirr von Spezialbegriffslogeleien zu ersticken. Man darf sich nicht wundern, wenn sich als Folge davon eine Orientierungslosigkeit einstellen sollte. Helmut Schnelle setzte sich bereits früh, aber, wie mir scheint, bisher vergeblich, gegen solche Entwicklungen zur Wehr. Gegen die sterile Spezialisierung führte er die bekannten scholastischen Fehlentwicklungen an, die dort darin kulminierten, daß die Frage danach gestellt wurde, wieviel Engelchen auf einer Messerspitze Platz haben. Gegen das sogenannte Fliegenbeinzählen hat er immer wieder Vorbehalte geäußert. Die zurückbleibenden Stellen in Berlin zogen neue Kräfte nach. Neue Stellen wurden geschaffen. An der TU erfuhr die Anglistik eine Verstärkung in der linguistischen Flanke durch Charles-James Bailey, in dessen Umkreis Jerry Edmondson und Frans Plank aus Bielefeld nachzogen. Willy Mayerthaler erhielt eine Assistentenstelle in der romanistischen Linguistik, nach ihm kam Brigitte Handwerker. In der germanistischen Linguistik wurden Christoph Küper, Arnold F.
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Günther und Klaus Robering als Assistenten eingestellt. Die freien Plätze, d. h. Stellen, die Helmut Schnelle hinterließ, als er 1975 mit seinem Forschungsprojekt nach Bochum zog, wurden Ende der 70er Jahre mit Klaus Brockhaus und Angelika Kratzer besetzt. Von der aufgelösten ehemaligen Pädagogischen Hochschule Berlin kamen Georg Hincha, Friedrich Braun und Helmar Frank. Am Fachbereich Informatik der T U begannen Christopher Habel, Jün Tin Wang u. a. zu arbeiten. An der FU traten Michael Grabski und Peter Lutzeier aus Stuttgart in ein Forschungsprojekt von Hans-Heinrich Lieb ein. Harald Weydt und Norbert Dittmar und Jürgen Trabant wurden dorthin berufen, und später Elisabeth Gülich. Walther Dieckmann hatte schon seit Anfang der 70er Jahr die Pragmalinguistik-Professur inne. Nach und nach baute sich im Fachbereich Germanistik (FB 16) in der sogenannten Rostlaube die Linguistik zu einem veritablen Fach aus. Peter Eisenberg, Günther Grewendorf, Helmut Richter, Dieter Hartmann, Uta Quasthoff, Gisela Klann, Jürgen Streek, Bernd-Jürgen Fischer, Rolf Haberbeck sind weitere an der FU Lehrende, die in verschiedenen Funktionen und in vielfältiger Weise die FU-Linguistik tragen halfen. Es scheint mir nicht unwichtig zu erwähnen, daß die interdisziplinäre Zusammenarbeit in Berlin noch durchaus im Sinne der Anfänge der Berliner Schule lebendig ist. Roland Posner, seit 1975 ordentlicher Professor für Germanistische und Allgemeine Linguistik an der TU, gab dem interdisziplinären Gespräch eine zeichentheoretische Grundlage. Er veranstaltete im Herbst 1975 einen Semiotik-Kongreß, auf dem beschlossen wurde, eine Deutsche Gesellschaft für Semiotik (DGS) ins Leben zu rufen, deren erster Präsident Posner wurde. In der Hochstimmung des Kongresses konstituierte sich außerdem der „Semiotische Arbeitskreis Berlin", ein Zusammenschluß von zeichentheoretisch Interessierten aller Berliner Hochschulen, der seit 1975 in Zusammenarbeit mit wechselnden Berliner Institutionen jährliche Ringvorlesungen über interdisziplinäre Fragestellungen durchführt. Die Themen reichten von „Semiotik und Informationstheorie" (1975/ 76), „Semiotik und Systemtheorie" (1976/77), „Semiotik und Handlungstheorie" (1977/78), über „Klassiker der Semiotik" (1978/79), und „Semiotik und Wahrnehmungstheorie" (1979/80), bis zu „Prinzipien des Kodewandels" (1980/81), „Zeichentheorie und Verhaltensbiologie" (1981/82), „Regel, Norm und Normverletzung" (1982/83), „Zeichen und Fiktion" (1983/84) und „Zeichenökonomie in Sprache und Sprachwissenschaft" (1984/85). Viele Referate dieser Vorlesungsreihen sind in der seit 1979 von Roland Posner herausgegebenen Zeitschrift für Semiotik nachzulesen. So schufen die vielen Wissenschaftler, die in Berlin zusammenkamen, ohne schon von Beginn an bestimmte feste Meinungen über ihre
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Zielsetzungen gehabt zu haben, schließlich ein sehr ansehnliches Gebilde. Sie begründeten, formten und gestalteten die Berliner Schule. Sie kamen zusammen, um die von außen kommenden neuen strukturalistischen, informationstheoretischen, systemtheoretischen, handlungstheoretischen und sprachphilosophischen Gedanken zu diskutieren, und haben ihnen dadurch sehr bald ihr eigenes, durchaus eigenständiges Gepräge verliehen. Es scheint sich tatsächlich um eine autochthone Kollektivbewegung gehandelt zu haben. Die historische Situation der 68er Studentenrevolte im Hintergrund, haben sich einige Vorreiter früh schon sachkundig gemacht und zusammengefunden und das gesammelte und vorsortierte Material den weiterverarbeitenden und innovativ damit umgehenden Interessierten vermittelt. All dies geschah weitgehend ohne bewußte Kenntnis der genauen Zusammenhänge darüber, daß eine Schule begründet würde, wage ich zu behaupten, nicht einmal für die ,Köpfe' der Bewegung selbst. 6. Zwr Charakterisierung
der Berliner Schule
Die Berliner Schule rückblickend zu charakterisieren wäre ein nicht ganz leichtes Unterfangen. Nicht daß es zu wenige Quellen gäbe, schriftliche und noch lebende mündliche. Jeder der Beteiligten würde aber schnell und für ihn treffsicher genug jeden noch so kleinen Mangel aufspüren und, dessen dürfen wir uns gewiß sein, hinreichend deutlich monieren. Aus solchen Gründen wäre eine Darstellung zeitlich so nahe am Geschehen sicherlich delikat. Man bewegte sich auf der wesentlich sichereren Seite, würde man zuwarten, bis sich das Gedächtnis an diese Zeiten etwas gesetzt hätte, und die Reaktionen der kritischeren Gemüter dementsprechend schon weisere Formen angenommen hätten. Die Zeit dafür steht aber nicht zur Verfügung. Einige Bemerkungen möchte ich deshalb dennoch riskieren. Diese stellen eine Kurzfassung der wissenschaftlichen Zielsetzungen der Berliner Schule dar. Das ist nicht als Manifest zu verstehen, auch nicht als spät nachgereichtes. 1. Die Berliner Schule besitzt ein Kerninteresse in der theoretischen Linguistik. Sie nahm dort, mit Bezug auf Chomsky (später auch Montague) und die Sprechhandlungstheorie (Ordinary Language Philosophy), ihren Ausgangspunkt. Sie ist sowohl in linguistischer als auch in mathematischer Hinsicht strukturalistisch ausgerichtet. 2. Die Berliner Schule sucht die rein theoretischen Analysen in zwei Richtungen weiterzuführen, in die der Empirie und in die der Anwendung. 3. Die angestammten Anwendungsgebiete der Berliner Schule sind erstens die computer-orientierte Anwendung (Linguistische Datenver-
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arbeitung, Artificial Intelligence, und weniger im Vordergrund: die Informations- und Dokumentationswissenschaft) und zweitens die Sprachlehre. Das erstgenannte Anwendungsgebiet darf historisch als das ursprünglichere Anwendungsgebiet der Berliner Schule gelten. Es erfuhr allerdings nicht ganz die verdiente Beachtung unter den damaligen Gesichtspunkten der Studenten. Das zweite Anwendungsgebiet ist dasjenige, welches in den vergangenen fünfzehn Jahren die größere Beachtung erfahren durfte. Die Interessen waren ganz deutlich in diese Richtung geprägt. Der Erfolg ist aber in mancherlei Hinsicht durchkreuzt worden. Davon etwas weiter unten. Für eine ganze Klasse von Anwendungsgebieten bot sich die jüngere Allgemeine Linguistik als Hilfswissenschaft an: die Literaturwissenschaft, die Psychologie, die Soziologie, die Neurophysiologie. Obwohl die Berliner Schule immer wieder die Grammatik und Grammatiktheorie ins Zentrum gestellt hat, also auf die abstrakten Sprachstrukturen abzielte, bestand das stete Bedürfnis einer handlungsorientierten (praxisrelevanten, pragmatisch wirkenden, prozeduralen) Fundierung. Neben diesen beiden Hauptströmungen bestand ein wechselndes Interesse für verschiedene Gebiete. So wurden wissenschaftstheoretische, wissenschaftshistorische, lexikologisch-Iexikographische, dialektologische, sprachhistorische, phonologische, phonetische, morphologische, deiktische, kognitive, wahrnehmungspsychologische, textuelle, diskursanalytische, körpersprachliche, übersetzungstheoretische, semiotische, usf. Probleme intensiver bearbeitet. 4. Die Berliner Schule war zu Beginn sehr interdisziplinär. Die Vertreter verschiedenster Richtungen wollten und konnten sich (noch) verständigen. Seit dem zunehmenden Auszug aus Berlin verstärkten sich, ganz besonders in der west-deutschen Diaspora, die Spezialisierungstendenzen. Es bildeten sich zwei Flanken heraus, die grammatisch, logisch, universalgrammatisch und computer-orientierten harten Linguisten und die anwendungs- und empirie-orientierten weichen Linguisten. Ein Zusammenwachsen dieser beiden Äste scheint zur Zeit unwahrscheinlich. 5. Institutionell ist die Berliner Schule durch ihre Vertreter an den deutschen Universitäten verankert und seit 1979 in der Deutschen Gesellschaft für Sprachwissenschaft (DGfS) mit vielen wissenschaftlich und (hochschul-)politisch ähnlich gesinnten Linguisten aufgehoben. Die DGfS gibt die Zeitschrift für Sprachwissenschaft heraus.
7.
Zukunftsaussichten
Welche Zukunft steht der Berliner Schule, ja der Linguistik in diesem Lande überhaupt jetzt bevor?
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Allzu optimistisch kann und darf man mit Bezug auf die gesellschaftliche Lage heutzutage nicht sein. Dies gilt natürlich im allgemeinen, aber auch im besonderen für die Linguistik. Daher verblassen auch zur Zeit einige der zu würdigenden Erfolge der Linguistik etwas hinter den uns momentan beschäftigenden Problemen. Die generell drohende Arbeitslosigkeit, die die Universitäten treffenden Sparmaßnahmen, der damit verbundene Verlust an Attraktivität und eine daraus folgende Ausdünnung der Universitäten, insbesondere die Reduktion der Hochschullehrerstellen, einschneidende finanzielle Maßnahmen, Erschwerung der Nachwuchsförderung, Lehrerschwemme und die gerade daraus sich ergebenden zusätzlichen Stelleneinsparungen bedrücken momentan außerordentlich. Da diese Probleme nur zum Teil Probleme unseres Faches sind, können sie nicht, und sicherlich nicht alleine, durch die linguistischen Fachvertreter bzw. durch linguistische Institutionen wie die DGfS gemeistert werden. Einige der wichtigen damaligen Ziele sind in der Tat erreicht worden und können uns in der jetzigen, sehr schwierigen Lage sicherlich unterstützen. Es existiert in Form der DGfS eine wissenschaftliche und kollegiale Institution. Es werden regelmäßig Tagungen, Workshops und Treffen verschiedenster Art abgehalten. Es bestehen verschiedene renommierte Zeitschriften. Die Buchpublikationen werden durch eine ganze Reihe von einschlägigen Verlagen unterstützt. Es konnten aber keineswegs alle Zielsetzungen erreicht und eingelöst werden. Die gewichtigste Abweichung vom damaligen Fahrplan ist sicherlich, daß Linguistik nicht so wie von vielen, Linguisten und Außenstehenden, gewollt und erhofft, ein Schulfach geworden ist. Um eine Weiterentwicklung oder gar neue Blüte unseres Faches zu ermöglichen, ist es mit Bestimmtheit nicht angezeigt, sich auf die Sprachlehre als einziges Anwendungsgebiet zu konzentrieren. Wo ist aber das Anwendungsgebiet, das uns weiterhelfen kann? Diese Frage wollen wir uns zum Schluß stellen. Kann die Computer-Anwendung, wie bisher sogar schon mehrere Male in der Geschichte der Linguistik, die momentan fraglos schwierige Lage umschiffen helfen? So direkt rezeptartig wird dieses Verfahren wohl nicht anwendbar sein. Dazu ist dieses Rezept schon zu oft und auch noch nicht mit gänzlich zufriedenstellender Durchschlagskraft zur Anwendung gekommen. Die Euphorie der Befürworter von automatischer Übersetzung in den fünfziger Jahren mag hierzu ein Mahnmal sein. Ein anderer Weg, der vielleicht letztlich zum selben Ziel führt, ist empfehlenswert. Unter Einbeziehung der negativen und positiven Erfahrungen der fünfziger Jahre dürfte man vermuten, daß eine unmittelbare Anwendung der Linguistik nicht erwartbar ist. Dazu sind die Zielsetzungen und Problemstellungen der Computerwissenschaften
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und der Linguistik allzu verschieden geworden. Zu den Zeiten, als sich die theoretische Informatik noch wesentlich mit Automatenund Grammatiktheorie beschäftigte, ist dies anders gewesen. Die Chomskysche Sprachkomplexitätshierarchie stellte das verbindende Element zwischen den beiden Gebieten dar. Eine Möglichkeit, aus der momentan nicht gerade einfachen Situation herauszutreten, dürfte für die Linguistik darin bestehen, daß sie nicht nur die geisteswissenschaftlich-strukturelle Betrachtung der Sprache zuläßt, sondern auch Raum läßt für eine naturwissenschaftliche und eine technische. Letztere beiden zeichnen sich dadurch aus, daß sie Strukturelles voraussetzend den Fokus auf die zeitlichen, die kausalen und die kräfteorientierten, d. h. dynamischen Erscheinungen lenken. Die neueren Arbeiten von Helmut Schnelle verlangen, daß die dynamischen, die prozeduralen (operativen) und prozessualen Fragestellungen Beachtung erfahren und zeigen, daß eine Dynamische Linguistik als theoretisch-empirische Basis für die modernen Problemstellungen einschlägig ist. Kommen wir hier noch zur rechten Zeit? Können wir unsere Gelegenheit noch wahrnehmen? Japan unterstützt schon die Technologie, die auf der prozeduralen Herangehensweise aufbaut. Die Planung und der Anlauf der PROLOG-basierten fünften Computergeneration ist dort schon voll im Gange. Die Vereinigten Staaten haben unmittelbar darauf reagiert. Die EG hat das ESPRITProgramm ins Leben gerufen. Die deutsche Linguistik ist gefordert, mitzuwirken. Bringt sie den erhofften Technologie-Transfer zustande? Will sie es? Kann sie es wollen? Dies wäre mit Bestimmtheit nicht gegen den Willen unseres Jubilars. Es ist ganz im Sinne von Helmut Schnelle, eine linguistische Richtung zu favorisieren, die informatische und mathematische Ausdrucksmittel nutzt, die empirisch und theoretisch in der Sprachwissenschaft begründet ist, die gleichzeitig aber mit den neuen neurologischen und psychologischen Erkenntnissen kompatibel gehalten wird. Ein solches Programm steht den Kognitionswissenschaften (Cognitive Sciences) nahe. Es hat auch seine Bezüge zur Künstliche-Intelligenz-Forschung, ohne sich allerdings damit zu identifizieren. Man braucht nicht anzunehmen, daß damit die Stunde der technischen Anwendungen schon geschlagen hätte. Sinnvoll wäre dies allerdings allemal. Denn zur Zeit werden beträchtliche Summen auch zur Unterstützung von sprachorientierten Forschungsprogrammen der Artificial Intelligence und der Informatik zur Verfügung gestellt. Die freie Wirtschaft, IBM, Siemens, Nixdorf, Triumph-Adler, Logos, um nur einige zu nennen, haben erkannt, daß das Thema Sprache nicht mehr nur ein intellektuelles Spiel am grünen Tisch bedeuten muß. Wenn man zeigen könnte, daß die Linguisten in der Lage sind, Wesentliches zur elektronischen Sprachverarbeitung beizutragen,
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würde alles zumindest mittelfristig positive Auswirkungen auf die Beschäftigungslage junger Linguisten haben. Die größte Schwierigkeit ist keineswegs in der momentan vorhandenen wissenschaftlichen oder institutionellen Kluft zwischen Linguistik und technischen Fächern zu sehen, und nicht einmal in einem Mangel an aufgearbeiteten Kenntnissen der jeweils anderen Formation. Es geht um etwas viel Grundsätzlicheres. Es geht um eine Voraussetzung, ohne die diese kleineren Probleme, wie der Aufbau einer gemeinsamen Sprache, das Kennenlernen der politisch-taktischen und inhaltlichen Fakten der anderen Seite, die Einübung in die Kooperationsfähigkeit, also lebendige Interdisziplinarität, nie gelöst werden können. Es geht um die wirklich grundsätzliche und von emotionalen Grundbefindlichkeiten nicht ganz loslösbare Frage, ob man mit der heutigen Zeit, mit der Jetzt-Zeit mitziehen möchte. Es geht also darum, ob man die Augen verschließend ewiggestrig ewigmorgigen Utopien nachhängen will, oder ob man die jetzt geltenden gesellschaftlichen Bedingungen im Prinzip akzeptieren will, die nun gewiß einen engen und lebensnotwendigen Konnex zur Technik haben. Jeder Verantwortliche muß und soll sich dabei versichern, wieweit unsere Kultur und unser Leben, all das, was wir so lieb gewonnen haben, essentiell auf Wissenschaft und Technik aufbaut. Letztere sollen selbstverständlich als Werkzeug dienen, und nicht umgekehrt wir ihnen. Doch zeigen sogar die Geschichte der Berliner Schule, der Internationalen Linguistik, und die uns heute so brennend interessierenden Umweltfragen dasselbe, nämlich daß so vieles Gute wie vieles Schlechte auf der wissenschaftlich gestützten Technik basiert ist. Wenn an dieser Stelle ein Plädoyer für die Technik gehalten werden muß, dann nur zu dem Zweck, eine oft verschmähte und mit großem Unwillen und Abneigung bedachte Alternative in eine kritische Erinnerung zu rufen: für unsere Gesellschaftsform in der Tat die einzige Alternative. Sollten wir Linguisten uns jetzt nicht in das Geschehen einklinken, so sind die Züge für diese Runde abgefahren. Wir können nicht mitreden, nicht mitkontrollieren und auch nicht mitprosperieren. Unsere Wissenschaft und die DGfSMitgliederzahlen werden den momentanen Verkaufsziffern des linguistischen Buchmarktes folgen. Für die Hochschulabgänger wird es keine Stellen geben. Die sprachlich orientierten Fragestellungen werden
Anmerkung * Ich möchte mich bei den vielen Helfern bedanken, die mir bei den zuweilen nicht ganz einfachen Recherchen zu diesem Artikel geduldig und hilfreich beigestanden haben. Auch bin ich Helmut Schnelle zu großem Dank verpflichtet. Ich durfte
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Thomas T Ballmer
von anderen bearbeitet werden. Man braucht uns nicht mehr. Wollen wir denn nicht eine technisch und zugleich umweit- und sozial bewußte Mitgestaltung an unserem Dasein? Gibt es überhaupt eine Alternative, als zu dieser Konzeption „ J a " zu sagen? Es kann ein „ J a aber" sein.
ihn länger und wirksamer als Lehrer genießen, als das manch anderer auch gerne erlebt hätte, und ich durfte mich, zusammen mit Waltraud Brennenstuhl, langjährig in seiner sicheren Obhut und seinem moralischen Schutze wissen und wissenschaftlich entfalten. Das sind Dinge, die ich möglichst vielen wünschen würde.
I AUFGABEN DER LINGUISTIK
Wandlungen im Selbstverständnis der Linguistik der BRD in den letzten fünfzehn Jahren D I E T R I C H HARTMANN, B o c h u m
1. Drei Analyseebenen
für eine Geschichte der
Sprachwissenschaft*
Während der sechziger und siebziger Jahre wurde die Sprachwissenschaft an den Universitäten der B R D in Lehre und Forschung breit ausgebaut und zwar derart schnell, daß mit Recht vom Linguistikboom jener Jahre gesprochen wird. Sollte jemand daran gehen, eine Geschichte der Linguistik in der Bundesrepublik seit Beginn der sechziger Jahre zu schreiben, so müßte ein solches Unternehmen sicherlich Auskunft über den Umgang der Sprachwissenschaft mit ihrem Gegenstand selber geben: über jeweils vorherrschende Forschungsmethoden und -Schwerpunkte, über Beschaffenheit und Wechsel der theoretischen Bezugsrahmen, über Erfolge und Mißerfolge bei der Lösung bestimmter sprachwissenschaftlicher Probleme, etwa so, wie es von Schnelle auf der ersten Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Sprachwissenschaft vorgetragen wurde (Schnelle, [1979]). Auf einer anderen, mehr wissenschaftssoziologischen Ebene könnte die noch zu schreibende Geschichte der Sprachwissenschaft den Prozeß der zunehmenden Institutionalisierung der Sprachwissenschaft und ihrer Organisationsformen behandeln, z. B. die Einrichtung von sprachwissenschaftlichen Instituten und Entwicklung von Fachgebieten, die Rezeption der Linguistik bei Studenten und bei institutionellen Abnehmern, Beziehungen zu Nachbarwissenschaften, die Veränderung in Zahl und Qualität sprachwissenschaftlicher Publikationen (vgl. z. B. P. Hartmann, [1970], [1972] u. ä.). Neben den genannten Beschreibungsebenen, die — gewöhnlich dokumentierbar — die zunehmende Etablierung der sprachwissenschaftlichen Forschung und Lehre an Universitäten und Forschungsinstituten der Bundesrepublik festhalten würden, gibt es aber sicherlich eine dritte Ebene, die beispielsweise Zusammenhängen zwischen dem Wachstum einer Wissenschaft und wirtschaftlichen, bildungsökonomischen und politischen Entwicklungen nachgeht (vgl. Eisenberg/ * Für Anregungen, Hinweise und Kritik danke ich Uta M . Quasthoff herzlich.
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Dietrich Hartmann
Haberland, [1972]). Dazu gehören auch die lebensgeschichtlichen Erfahrungen von Linguisten und allen, die als Studenten und Kollegen anderer Fächer die Entwicklung der Sprachwissenschaft beförderten oder behinderten oder in anderer Weise auf sie reagierten. Teil dieser inneren Geschichte ist die Geschichte des Selbstbildes, das die Linguisten1 von sich haben, aber auch die des Außenbildes, etwa, wie sie von Fachkollegen wahrgenommen worden sind. Wenn wir uns jetzt dem Selbstbild zuwenden, so lassen sich gerade vor dem Hintergrund einer germanistisch-philologischen Tradition einige charakteristische Eigenschaften des Linguistikbetriebs um 1970 deutlicher beschreiben.2 2. Zum Selbstverständnis von Sprachwissenschaftlern Ende der sechziger Jahre. Welches Selbstverständnis von ihrem Fach, ihrer Arbeit und deren Auswirkungen besaßen jene Sprachwissenschaftler (zumindest teilweise), die Ende der sechziger Jahre aus unzufriedenen PhilologieAssistenten, Chomsky-Anhängern, Literatur- und Naturwissenschaftlern und solchen bestanden, die sich einfach dazu rechneten? Dazu lassen sich einige Elemente nennen, die teilweise in kritischer Auseinandersetzung mit den Philologien3 und anderen sprachwissenschaftlichen Traditionen entwickelt wurden und die der „Neuen Wissenschaft" (Maas, [1972]) ein bemerkenswertes Selbstbewußtsein gaben, jedenfalls sich an den Universitäten so durchzusetzen, wie es die nachfolgende Entwicklung gebracht hat: 4 1
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Es wird nicht behauptet, daß die hier folgenden Charakterisierungen auf alle sprachwissenschaftlich Arbeitenden in den letzten fünfzehn Jahren zutreffen. Was mit den Linguisten gemeint ist, wird fallweise zu präzisieren sein. Keineswegs wird mit der jeweils vorgenommenen Präzisierung der Referenz mitbehauptet, daß es außerhalb der jeweils gemeinten Referenzmenge von Linguisten keine anderen gegeben habe. Die folgenden Eindrücke sind vorzugsweise aus der Perspektive eines ehemaligen Mitglieds des Fachbereichs Germanistik der FU Berlin vor dem Hintergrund der Zeit von 1967—1974 gewonnen. Insofern müssen sie nicht nur auf die Person des Autors, sondern auch auf den Universitätsort relativiert werden, da bekanntlich an jeder Universität alles anders ist als an jeder anderen. Dennoch sollten sich Züge des Wissenschaftsbetriebs finden lassen, die vielen Universitäten um 1970 gemeinsam waren. Vgl. z. B. van de Velde, (1969). Sicherlich wurde der rasche Ausbau der Sprachwissenschaft in der BRD in erster Linie durch günstige institutionelle und politische Bedingungen gefördert, und zwar über Veränderungen im Ausbildungssektor, wie schon öfters herausgestellt wurde. Die besondere bildungspolitische Situation erklärt aber noch nicht das objektiv feststellbare Sendungsbewußtsein von vielen Sprachwissenschaftlern, d. h. einen subjektiven Faktor, der nicht allein in dem Streben nach Unterkommen an einer Universität etc. zu lokalisieren ist. Über die einzelnen politischen, außer- wie
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Wandlungen im Selbstverständnis der Linguistik der BRD
— ein ausgeprägtes Bewußtsein für die Explikation der bei linguistischen Analysen verwendeten Begriffe; ausdrücklicher Bezug auf einen theoretischen Rahmen; damit verbunden ein ausgeprägtes methodisches Bewußtsein — Entwicklung und Reflexion neuer Diskussions- und Argumentationsformen in der synchronen Sprachwissenschaft, die etwa im Vergleich zu Behauptungen und Begründungsverfahren in den philologischen Traditionen eine stärkere rationale Kontrolle der Ableitungen erlaubten. Hier die Anführung von Belegen in ungeklärter Höhe mit oft Undefinierten Termini und sprachtheoretischen Voraussetzungen, dort die Arbeit mit definierten Ausdrücken innerhalb eines mehr oder weniger explizierten theoretischen Rahmens. Hier oftmals die Berufung auf (viele) wissenschaftliche Autoritäten als Stützung von Aussagen und der Legitimierung von Fragestellungen, dort Züge einer rationalen Argumentation mithilfe einer geschlosseneren Terminologie. 5 — Offenheit gegenüber anderen Wissenschaften und Angebot auf interdisziplinäre Zusammenarbeit — ein (gelegentlicher) Anspruch als Überwissenschaft oder Grundlagenwissenschaft im Verhältnis zu Nachbarwissenschaften — Aufhebung der Beschränkung auf nationale und nationalsprachliche Forschungssituationen — ein kritisch-emanzipatorischer Anspruch in einem noch zu klärenden Sinn — ein ausgeprägtes Gruppengefühl zusammen mit neuen Organisationsformen (Ablehnung von Schulenbildungen und statusbedingten Unterschieden). Jeder dieser Punkte verdiente, im einzelnen besprochen zu werden; hier wird nur auf die beiden letztgenannten eingegangen. 3. Kritischer und emanzipatorischer schaft.
Anspruch
in der
Sprachwissen-
Es ist sicherlich wahr: Eigenschaften wie kritisch und emanzipatorisch wurden zeitweise fast allem angehängt; es gab und gibt einen kritischen Deutschunterricht und eine kritische Psychologie, eine kritische Sozialwissenschaft und eine emanzipatorische Sprachschulung und anderes
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inneruniversitär angesiedelten Initiativen und Motive, die den Ausbau der Linguistik in Hochschule und schulischen Institutionen zur Folge hatten, braucht hier nicht gesprochen zu werden, zumal für die Entwicklung am Fachbereich Germanistik der FU Berlin jetzt eine Übersicht vorliegt (vgl. Dieckmann/Lieb, [1981]). Was unter „Rationalität" hier zu verstehen ist, bedarf einer besonderen Analyse. Jedenfalls beziehe ich diesen Begriff nur auf die Art und Weise, wie sich Wissenschaftler untereinander über ihren Gegenstand auseinandersetzen und nicht auf das, was sie mithilfe bestimmter Theorien und Methoden als ihren Gegenstand ansehen.
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Dietrich Hartmann
mehr. Der inflationäre Gebrauch der beiden Epitheta sollte jedoch niemanden daran hindern, den jeweils damit erhobenen Anspruch an dessen Einlösung (soweit vorhanden) zu messen. Jedenfalls sind in der Sprachwissenschaft über den Anspruch jeder Wissenschaft auf das Recht zur Kritik gängiger Lehrmeinungen hinaus mindestens zwei Quellen auszumachen, die denjenigen, die sich daran zu erquicken pflegten, die Überzeugung mitgaben, mit der eigenen sprachwissenschaftlichen Arbeit einen gelegentlich auch betont vorgetragenen kritischen Anspruch mit erhoffter Wirkung auf die eigene Lebensweise und die anderer verbinden zu können. Die eine Quelle besteht in der Überzeugung, sprachwissenschaftliche Probleme, aber auch die benachbarter Wissenschaften, vielleicht auch des Alltags, durch Arbeit an geeigneten Wissenschaftssprachen und wohlverstandene Sprachkritik auf den Weg zu einer Lösung zu bringen. Die andere Quelle speist den Vorsatz, mit der eigenen wissenschaftlichen Arbeit einen Beitrag zur Erkennung und wofnöglich auch zur Aufhebung ungerechter Lebensbedingungen sozialer Gruppen und von Individuen leisten zu können. 3.1 Sprachwissenschaft und das Ideal der Exaktheit: Verlautbarungen dieser Art sollten keineswegs als „zeitbedingte" Sympathieadressen an Studentenbewegte mißverstanden werden, sondern sind als Ausdruck des kollektiven Selbstverständnisses der damaligen Linguisten zu lesen. Als Beispiel für viele einschlägige Äußerungen sei auf den Entwurf für eine Weiterentwicklung der Linguistik von Peter Hartmann (1970) verwiesen, der offenbar nicht nur als Programm für die Universität Konstanz zu verstehen ist und in dem mehrfach von der „emanzipatorischen Funktion des linguistischen Wissens" (z. B. S. 55) gesprochen wird. Sicherlich verbindet sich da die aufklärerische Haltung des Sprachwissenschaftlers in ihren Zielsetzungen mit dem persönlich oder kollektiv bedingten Willen (und manchmal auch Zwang) zur Universitätsreform im Rahmen der allgemeinen politischen Aufbruchsstimmung um 1970 und dem damals ausgeprägten Willen zur Wissenschafts- und Forschungsplanung. Aber: Interessanterweise scheint diese Haltung letztlich doch getragen von dem Selbstverständnis, das gerade Sprachwissenschaftler mit Schwerpunkt Sprach- und Grammatiktheorie von ihrem Gegenstand und Fach besaßen und das eben nicht von außengeleiteten Momenten bestimmt war. Über die wissenschaftlich-intellektuelle Funktion hinaus, die allen wissenschaftlichen Disziplinen zukommt, wird insbesondere der Linguistik wegen ihrer ausgezeichneten Form von reflektierter Intellektualisierung, durch ihre Aufgabe als theoriebildende Wissenschaft zu Sprache, Sprachen und Sprachverhalten, mit der „erkenntnismäßigen Begründung und damit der Philosophie" eine besondere emanzipative Funk-
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tion mit erhoffter Ausstrahlung auf andere Fächer zugesprochen (Vgl. P. Hartmann, [1970]: 26). Vor diesem Forschungs- und Ausbildungshintergrund käme der Linguistik eine wichtige Stelle im gesellschaftlichen Ausbildungssystem zu, nämlich eine Schutzfunktion vor manipulativen Einflußnahmen. „Jemandem, der so ausgebildet ist, kann man mit manchen Parolen und Beschwichtigungen nicht mehr kommen" (P. Hartmann, [1970]: 26). Wie nun der Mechanismus, der Fremdbestimmung verhindern soll, im Fall der Linguistik von der vernunftbestimmten Einsicht bis zu entsprechendem praktischen Handeln aussieht, wird im einzelnen nicht gesagt. Eine mögliche Erklärung wäre die, daß man mit größtmöglicher Klarheit, Explizitheit und Exaktheit der Wissenschaftssprache nicht nur auf bessere Lösungen wissenschaftlicher Probleme hoffte, sondern auch auf entsprechend gesteigerte Ausbildung der praktischen Vernunft mit Wirkung auf außerwissenschaftliche Zusammenhänge (vgl. Schnelle, [1973]: 54). 6 Interessant für diese Phase der Linguistik ist, daß die aufklärerische Grundhaltung hier im Rahmen einer fast ausschließlich theoriebezogenen und nur ganz im Ansatz instrumentell und anwendungsbezogenen Linguistik erscheint, wie sie immer von den Studenten jener Jahre mit ihrem Ruf nach der Berücksichtigung der Praxisrelevanz gefordert worden ist. Damit figuriert diese Grundhaltung recht unabhängig von dem neuerwachten Interesse an soziolinguistischen und anderen Problemen in linguistischen Teildisziplinen, die mehr auf die Untersuchung des Sprachverhaltens abzielten. Oder sollte das kräftige Sendungsbewußtsein der Linguisten damit zusammenhängen, daß die Vorläufer heutiger Sprachwissenschaftler zu einem guten Teil Missionare waren, die — ähnlich wie viele Linguisten heute — die (Sprach-)Welt — die heidnische Welt — nach ihren Vorstellungen neu ordneten? 3.2 Sprachwissenschaft und praktisch-emanzipatorisches Handeln. Explikationen des Sinns, den jemand seiner sprachwissenschaftlichen Arbeit unterlegt, findet man heute, 1982, recht selten. Einerseits ist der Legitimationsdruck seitens der Studenten in den lehrerausbildenden Fächern verschwunden, andererseits sind viele nach einer gewissen Phase bloßer Programmatik eher der Meinung, den Sinn ihrer Arbeit über die wissenschaftliche Behandlung ihres Gegenstands selbst und nicht an ihm vorbei darstellen zu können. 7 Veränderungen der letzten
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Von hier aus gesehen ist die Analyse der gesellschaftlichen Bedingungen, die die Rezeption der Sprachwissenschaft im Bildungssektor bestimmten und wie sie Maas (1972) vorgelegt hat, in einer Hinsicht leer, indem sie nicht tieferliegende und subjektive Motivationen von Sprachwissenschaftlern erfaßt. Als fündige Quelle erweisen sich am ehesten programmatische Aussagen anläßlich
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Jahre im Forschungsinteresse lassen sich durch einige Merkmale kurz andeuten: — Analyse des Sprachgebrauchs unter Berücksichtigung der Tatsache, daß natürliche Sprachen Varietäten aufweisen bezüglich des Sprachgebrauchs von Individuen und sozialen Gruppen — Erforschung von Beziehungen zwischen der Sprachverwendung von Individuen, sozialen Gruppen und Schichten einerseits und sozialen und politischen Strukturen in einzelnen Gesellschaften der Gegenwart — Verständnis der eigenen Arbeit als Beitrag zur Erkenntnis und möglichen Verbesserung von Lebensbedingungen von Individuen und sozialen Gruppen in verschiedenen Lebensbereichen (z. B. Institutionen wie Schule, Behörden und anderen sozialen Organisationen, wissenschaftliche Fundierung der Berufspraxis z. B. im Ausbildungsbereich), insgesamt eine auf die Analyse der Praxis menschlichen Handelns und Verhaltens ausgerichtete Orientierung. Diese Ausrichtung bedeutet keine Theoriefeindlichkeit, sie hat eher die Veränderung von Theorien zur Folge, z. B. von Sprachtheorien, die bis dahin das Phänomen sprachlicher Variation systematisch nicht erfassen konnten und daher durch andere geeignetere abgelöst werden müssen (vgl. Schnelle, [1973]; Quasthoff, [1977]). Angesichts der zunehmenden „Diversifizierung der Forschung und Forschungsresultate" in der Sprachwissenschaft (hier gegenüber Schnelle, ([1979): 2] mit etwas verändertem Bezug gebraucht) stellen sich eher praktisch zu verstehende Fragen an die Sprachwissenschaftler wie: Sind sie angesichts sehr verschieden entwickelter Fach- und Wissenschaftssprachen noch gegenseitig verständlich? Nehmen die Mitglieder einzelner Forschungsrichtungen noch untereinander von ihren Arbeiten Notiz? 4. Linguisten als
Gruppe.
Wenn oben von dem ausgeprägten Gruppenbewußtsein und Gruppengefühl von Sprachwissenschaftlern um 1970 die Rede war, so mögen dem einige der eben genannten Einstellungen zu der eigenen Tätigkeit zugrunde gelegen haben. Den angedeuteten Unterschieden im Selbstverständnis mögen nur tendenziell zwei Linguistengruppen entsprechen, zumal diejenige mit sowohl theorie- wie praxisorientierter Komponente sich erst unter starkem Einfluß der Studentenbewegung herausgebildet hat, also zeitlich später als die erste. Außerdem ist die Redeweise von zwei Gruppierungen schon deshalb nicht ganz richtig, von Neugründungen wissenschaftlicher Zeitschriften. Vgl. z. B. das Editorial von Haberland/Mey (1977) zum ersten Heft des Journal of Pragmatics.
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weil es darüber hinaus durch weitere Unterschiede in Generationsund Statuszugehörigkeit, wissenschaftlichem Werdegang und Zugehörigkeit zu biographisch oder lokal begründeten Zusammenhängen weitere Vereinigungen gibt. Andererseits: Die feststellbare Solidarisierungshaltung unter vielen Sprachwissenschaftlern um 1970 bildete wieder ein Band, das möglicherweise zunächst die um das Paradigma der generativen Grammatik versammelten Linguisten umschloß, aber auch zunehmend jüngere Sprachwissenschaftler der späteren Jahre mit anderen Interessen zunächst einmal einbezog. Diese Verbundenheit läßt sich gut am Organisations- und Kommunikationsverhalten jener studieren, die sich in den ersten Linguistischen Kolloquien trafen. Gerade jemandem, der in der Philologie seine wissenschaftliche Erstsozialisation mitbekommen hat, fielen die Verkehrsformen unter Sprachwissenschaftlern als gruppenstabilisierender „Kitt" auf, etwa — die Bereitschaft zur gegenseitigen Diskussion ausdrücklich als unfertig erklärter Arbeiten mit der Erwartung an Zuhörer oder Leser, daß diese sich mit Anregungen und Kritik in den Gedankengang einschalteten — verschiedenen Formen von ausdrücklich kollektiver Arbeit, wie sie sich etwa bei der gemeinsamen Ausarbeitung von Lehrveranstaltungen zeigten und die man in der Philologie nicht gelernt hatte — Offenheit für Informationsentgegennahme und -weitergäbe — Öffnung der Diskussionszirkel für jeden Interessierten, so auch für studentische Mitglieder, d. h. Unterordnung hierarchischer Unterschiede unter Arbeitsinteressen — Fähigkeit, Kommunikationsformen in der Wissenschaft kritisch in Frage zu stellen (vgl. Posner, [1970]: 63 ff.), insgesamt Elemente, die in der (intellektuellen und akademischen) Subkultur von Studenten und Assistenten gepflegt wurden und sicherlich nicht nur den Sprachwissenschaftlern zu eigen waren. Symbole des Wir-Gefühls von Sprachwissenschaftlern wurden in wissenschaftlichen Texten, zumal grammatiktheoretischen Inhalts, über Beispielsätze gepflegt, die eben dieses Gefühl zu transportieren hatten: witzige, fast witzige und absonderliche Beispielsätze, 8 in denen Handlungen, Zustände, gewöhnlich eines gewissen Peter, Hans oder Karl 9 besprochen wurden oder Anspielungen auf Eigenschaften oder
' Anzumerken ist, daß manche Linguisten Beispielsätze anderer Linguisten aus wissenschaftstheoretischen Gründen, etwa wegen mangelnder Komplexität oder Herkunft ausschließlich nur aus der Sprachbeherrschung des Linguisten als eigenem Informanten kritisieren. ' Daß sprachliche Beispiele auch als symbolischer Ausdruck des Bewußtseins ganz anderer sozialer Gruppen verstanden werden, beispielsweise der Gruppe der männlichen Linguisten, zeigte R. Römer (1973) und Pusch ([1979]: 100, Anm. 10).
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Fähigkeiten einzelner Personen, die insgesamt nur den „Eingeweihten" bekannt waren, politische Anspielungen und andere Mätzchen, deren Vorbild — natürlich — amerikanische Autoren waren. Gegenüber den eher Honoratioren-orientierten Tagungen traditioneller 10 Inszenierungsart in den fünfziger und sechziger Jahren zeigten auch die ersten Linguistischen Kolloquien in der Ungezwungenheit der Zugangsmöglichkeit wie auch Kooperativität der Diskussion neue Züge eines freien und solidarischen Wissenschaftsstils. Zumindest in der Organisationsform haben sich diese Züge in dem „Linguistischen Kolloquium" bis heute erhalten, allerdings nicht in der Zusammensetzung: Sonst eifrige Besucher des Kolloquiums pflegen unmittelbar nach Erhalt einer Professur durch endgültige Abwesenheit zu glänzen. Für den Aufbau einer Solidarisierungshaltung bei Sprachwissenschaftlern mögen über das bisher Genannte noch solche Momente eine Rolle spielen, die mehr mit der Reaktion derjenigen zu tun haben, die wie Studenten unmittelbar mit der neuen Wissenschaft konfrontiert waren. Jedenfalls scheint sich das Wissenschaftsverständnis mancher Sprachwissenschaftler auch durch den ständigen Zwang zur Legitimierung ihrer Arbeit, ihres wissenschaftlichen Gegenstandes und ihrer Forschungsinteressen gebildet zu haben, wenn man sich an die berühmte oder berüchtigte „Relevanzfrage" bezüglich der Verwendungsmöglichkeiten linguistischer Forschungsergebnisse erinnert, die von den einzelnen sicherlich sehr unterschiedlich beantwortet worden ist. 11 5. Gibt es Wandlungen in dem hier nur knapp umrissenen verständnis von Sprachwissenschaftlern seit dem Anfang der Jahre ?
Selbstsiebziger
Die Antwort darauf hängt von dem jeweils als Kontrastfolie gewählten Aspekt ab. Beziehen wir uns auf die Sprachwissenschaftler als Gruppe 10
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Die Verwendung des Wortes traditionell(e) (Grammatik, Sprachwissenschaft ...) als Abgrenzungsinstrument gegenüber moderner Linguistik (Linguisten ...) gehört in die Reihe von Argumentationsstrategien, wie sie in Ballmer (1976) aufgeführt worden sind. Wem diese Situation nicht (mehr) gegenwärtig ist, findet einen Niederschlag dieses Legitimationsdrucks in der Lehre in der ersten deutschsprachigen Einführung in die Linguistik (Autorengruppe, [1971]). Unter „Hauptantworten auf die Relevanzfrage" werden u. a. genannt: „Optimierung der Verständigung unter den Menschen" und „Durchleuchtung der gesellschaftlichen Verhältnisse", was die Autoren schon damals als etwas hohles Versprechen erkannten. Der Formulierung dieser globalen Rechtfertigung folgt eine Einführung in linguistisches Grundwissen ohne Berücksichtigung von Semantik, Pragmatik und Soziolinguistik. Unklar blieb, wie nun mit diesem Instrumentarium dem Anspruch nachgekommen werden könnte, und Legitimationsanspruch und -einlösung standen in einem merkwürdigen Mißverhältnis zueinander, für die Situation in der Lehre zu jener Zeit nicht untypisch.
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zur Zeit der ersten Linguistischen Kolloquien, so hat der Prozeß der zunehmenden Institutionalisierung der Sprachwissenschaft an den Universitäten und der damit einhergehenden Professionalisierung seine sichtbaren Auswirkungen gehabt: Er führte von der Entwicklung einer oder mehrerer informeller Gruppen zu anderen Formationen, wie wissenschaftlichen Gesellschaften, DFG-Schwerpunkten usw. Züge des informellen Verhaltens, charakteristisch für damals agierende Arbeitsgruppen, scheinen zurückgedrängt. Professionalität und institutionenspezifisches Verhalten tritt an deren Stelle, sicherlich eine zwangsläufige Entwicklung bei dem Prozeß der gesellschaftlichen Anerkennung dieser Wissenschaft. Daß seit einigen Jahren akademische Titulaturen im (schriftlichen) Verkehr der Wissenschaftler untereinander (wieder) verwendet werden, auch dort, wo es zeitweise nicht üblich war, zeugt von der jetzt auch symbolischen Präsentierung des erreichten Status, d. h. eine Rückkehr zur öffentlichen Vertretung von Werten, wie sie auch für die offizielle Kultur in anderen Wissenschaftsbereichen der BRD üblich ist. Die Linguistik hat also ihre Sonderstellung aufgegeben. Stärkere Formen der Selbstkontrolle im Wissenschaftsbetrieb zeichnen sich ab und sind sicherlich angesichts der kräftig gewachsenen Zahl von Publikationen und Forschungsaktivitäten notwendig, um einen bestimmten Standard zu erreichen. 12 Und wie steht es mit der Rolle der Linguistik als Hoffnungsträger aufklärerischer Absichten? Abgesehen davon, daß mancher bloß programmatischer Äußerungen einfach überdrüssig ist, so ist diese Frage doch weitaus vielfältiger im Rahmen der Soziolinguistik, der linguistischen Pragmatik wie auch der Psycholinguistik beantwortet worden, als sie mit der alleinigen Stützung auf die besondere wissenschaftlich-intellektuelle Funktion der Linguistik (s. o.) nahegelegen hat, zumindest von einem beträchtlichen Teil von Sprachwissenschaftlern. Nicht anders ist die oben zitierte praxisorientierte Komponente in sprachwissenschaftlichen Arbeiten zu verstehen. Daß sich Aufklärungsabsichten, die bei den skizzierten Ansätzen verbunden sind, im Prinzip nicht widersprechen, sondern sich ergänzen, liegt für jeden Einsichtigen auf der Hand und ist insgesamt nur als Gewinn für die Sprachwissenschaft zu betrachten. Eine gegenseitige Herabsetzung von „harter" und „weicher" Linguistik ist zumindest unter diesem Aspekt nicht gerechtfertigt.
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Als Indiz mag dafür auch die neuerliche Einrichtung von Referees bei den „Linguistischen Berichten" gelten, immerhin eine Gründung der Sprachwissenschaftler Ende der 60er Jahre.
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Literatur Abraham, Werner (1971): „Rückstand der österreichischen Linguistik?" Linguistische Berichte 11. pp. 67 - 74. Antos, Gerd (1976): „Hat die linguistik ihren bildungspolitischen auftrag erfüllt? Brauchen wir eine verständliche' Wissenschaft?" Linguistische Berichte 43. pp. 7 1 - 7 6 . Autorengruppe: Bühler, Hans (etc.) (1971): Linguistik, I. Lehr- und Übungsbuch zur Einführung in die Sprachwissenschaft. 2., durchges. Auflage, Niemeyer, Tübingen. Ballmer, Thomas T (1976): „Inwiefern ist Linguistik empirisch?" In: Wunderlich, Dieter (Hrsg.): Wissenschaftstheorie der Linguistik. Athenäum, Kronberg, pp. 6 - 5 3 . Dieckmann, Walther und Hans-Heinrich Lieb (1981): Bericht über die Linguistik am Fachbereich 16 (Germanistik) der Freien Universität Berlin. Linguistische Arbeiten und Berichte Berlin (West) Heft 17. Eisenberg, Peter/Haberland, Hartmut (1972): „Das gegenwärtige Interesse an der Linguistik." Das Argument 72. pp. 3 2 6 - 3 4 9 . Haberland, Hartmut/Mey, Jacob L. (1977): „Editorial: Linguistics and Pragmatics." Journal of Pragmatics 1. pp. 1 - 1 2 . Hartmann, Dietrich (1973): „Linguistische Grundkurse am Germanischen Seminar der Freien Universität Berlin." Linguistische Berichte 25. pp. 4 6 - 5 8 . Hartmann, Peter (1970): Aufgaben und Perspektiven der Linguistik. Ein Beispiel zur Linguistik der 70er Jahre. Universitätsverlag Konstanz. Hartmann, Peter (1972): Zur Lage der Linguistik in der BRD. Athenaion, Frankfurt. Maas, Utz (1972): „Die neue Wissenschaft und ihr Funkkolleg." in: Utz Maas/Dieter Wunderlich (1972): Pragmatik und sprachliches Handeln. Athenaion, Frankfurt, pp. 6 - 4 5 . Maas, Utz (1973): Grundkurs Sprachwissenschaft, Teil I: Die herrschende Lehre. List, München. Posner, Roland (1970): Viertes Linguistisches Kolloquium Berlin 1969. Ein Erfahrungsbericht. Linguistische Berichte 7. pp. 63 - 70. Pusch, Luise F. (1979): „Der Mensch ist ein Gewohnheitstier, doch weiter kommt man ohne ihr — Eine Antwort auf Kaiverkämpfers Kritik an Trömel-Plötz' Artikel über .Linguistik und Frauensprache'." Linguistische Berichte 63. pp. 84 — 102. Quasthoff, Uta M. (1978): „Was ist Sprachsystem? Sprachtheoretische Überlegungen zum Verhältnis von Sprache und Sprechern." In: Quasthof, Uta M. (Hrsg.): Sprachstruktur — Sozialstruktur. Zur linguistischen Theorienbildung. Skriptor, Königstein/ T. pp. 4 3 - 5 6 . Römer, Ruth (1973): „Grammatiken, fast lustig zu lesen." Linguistische Berichte 28. pp. 7 1 - 7 9 . Schnelle, Helmut (1971): „Muß die Sprachwissenschaft die Linguistik bekämpfen?" Linguistische Berichte 11. pp. 75 — 77. Schnelle, Helmut (1973): Sprachphilosophie und Linguistik. Prinzipien der Sprachanalyse a priori und a posteriori. Rowohlt, Reinbek bei Hamburg. Schnelle, Helmut (1979): „Syntax und Semantik - Wo stehen wir heute?" Linguistische Berichte 63. pp. 1 — 25. van de Velde, Roger G. (1969): „Zur Linguistisierung der Philologie". Linguistische Berichte 4. pp. 6 0 - 7 0 .
Prozedurale Dialogmodelle, als Teil eines Neuorientierungsprogramms der Linguistik DIETER METZING,
Bielefeld
Die Entwicklung prozeduraler Dialogmodelle wird als Teil eines Neuorientierungsprogramms der Linguistik in dem Sinne verstanden, daß die Erklärung prozessualer Aspekte des Sprachgebrauchs als eine zentrale Aufgabe eingestuft wird; daß durch eine prozeßorientierte Rekonstruktion dieser Aspekte die linguistischen Erklärungsmöglichkeiten erweitert werden, daß Eigenschaften des (normalen oder defizitären) Sprachgebrauchs umfassender erklärbar werden. Im vorliegenden Beitrag ist ein Rahmen skizziert, der für die Untersuchung und Rekonstruktion von Interpretationsverfahren bei bestimmten Typen von Dialogen angemessen erscheint, ein Rahmen, der, beim jetzigen Stand prozeduraler Sprachuntersuchungen, als ein Bestandteil eines umfassenderen Methodenreservoirs für eine explizite Hypothesenbildung bezüglich zugrundeliegender Organisationsstrukturen und Verarbeitungsstrategien zu werten ist. 1. Prozedurale
Sprachuntersuchungen
In einer Kritik der Rolle, die formale Darstellungsmittel in der Generativen Grammatik und Generativen Semantik gespielt haben, hat Lakoff hervorgehoben, daß diese Darstellungsmittel für einen wichtigen Aspekt natürlicher Sprache gerade nicht zugeschnitten waren, nämlich für eine Untersuchung dessen, „what people actually do in producing and understanding language" ([1977]: 284). Diese Kritik weist auf zwei grundlegende und einander in der Regel ausschließende wissenschaftliche Untersuchungsrichtungen: Untersuchungsgegenstand der einen ist, was linguistische Objekte sind, welche allgemeinen Wahrheitsaussagen über sie formuliert werden können; Untersuchungsgegenstand der anderen ist dagegen, wie Sprecher linguistische Objekte verwenden lernen (vgl. Putnam, [1975]: 263) oder durch welche Prozesse Sprecher Äußerungen hervorbringen bzw. verarbeiten. Prozeß-orientierte Verfahren, mit denen Sprechertätigkeiten nachkonstruiert werden, sollen prozedurale Verfahren genannt werden. Die Entwicklung solcher Verfahren wird in prozeduralen Sprachuntersuchungen mit speziellen (neurolinguistischen, psycholin-
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Dieter Metzing
guistischen, computerlinguistischen) Schwerpunktsetzungen untersucht. Die Entwicklung prozeduraler Sprachuntersuchungen kann u. a. von drei unterschiedlichen Argumentationsrichtungen aus gestützt werden. (1) Kompetenzuntersuchungen müssen durch Ferformanzuntersuchungen ergänzt bzw. in diese integriert werden. Z. B. das Wissen über wohlgeformte Sätze geht ein in Erkennungsprozeduren eines Parsers (Marcus' Parser als prozedurale Variante einer Transformationsgrammatik, Marcus, [1980]). (2) Eine linguistische Theorie, zu der es eine prozedurale Variante gibt, die mit psychologischen (oder neurologischen) Ergebnissen übereinstimmt, gewinnt an Gewicht, an Fruchtbarkeit, an externer Validität. Zu nennen sind hier z. B. psycholinguistische Experimente, die mit Eigenschaften eines Augmented Transition Network Parsers in Verbindung gebracht werden (Kaplan, [1972]; Stevens/Rumelhart, [1978]). (3) Bestimmte Spracheigenschaften können überhaupt erst richtig verstanden werden im Rahmen prozeduraler Sprachuntersuchungen, die kognitive Organisations- und Verarbeitungsbedingungen mitberücksichtigen. Die Berücksichtigung solcher Bedingungen ist keine Frage einer externen sondern einer internen Validität, eine Adäquatheitsbedingung für linguistische Theorien. Z. B. eine linguistische Bedeutungsanalyse soll sich nicht darauf beschränken können, in Form von Intensionen anzugeben, was in möglichen Welten der Fall ist; zu berücksichtigen sind ebenfalls ,lexikalische Repräsentationen' (Hall-Partee, [1979]: 205f.), d.h. sprecher-abhängige Konstrukte, Annahmen und Annahmeverknüpfungen. Zu berücksichtigen sind kognitive Organisationsbedingungen, denn „the meanings of linguistic utterances are not determined unless with respect to the parameters of mental Organization" (Schnelle, [1980 a]: 332). Als ein Leitgedanke prozeduraler Sprachuntersuchungen kann in dieser dritten Argumentationsrichtung gelten: „Wenn wir nicht wissen, wie etwas durch konkrete Sprecher hervorgebracht wird, so kennen wir es nicht" (eine Abwandlung der Feststellung von Schleicher ([1873]: 10) "... wenn wir nicht wissen, wie etwas geworden ist, so kennen wir es nicht", ein Leitgedanke historischer Sprachuntersuchungen.). Mit der Entwicklung prozeduraler Sprachuntersuchungen kann an verschiedenen Traditionen angeknüpft werden: -
Innerhalb der Sprachwissenschaft ist hier auf das von den Junggrammatikern, speziell von H. Paul, entwickelte Konzept des
Prozedurale Dialogmodelle
konkreten Sprachorganismus [1979]: 6).
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zu verweisen (vgl. H. Schnelle,
— Außerhalb der Sprachwissenschaften kann hier, je nach den psycholinguistischen, neurolinguistischen oder computerlinguistischen Schwerpunktsetzungen prozeduraler Sprachuntersuchungen, verwiesen werden auf: Informationsverarbeitungs-Konzepte innerhalb der kognitiven Psychologie, neuerdings speziell auf das Konzept der physikalischen Symbol-Systeme (A. Newell, [1980]), mit dem kognitive Eigenschaften von Organismen untersucht werden; Informationsfluß-Konzepte innerhalb der neurologischen Forschung (vgl. H.Schnelle, [1980b]); Sprachverarbeitungskonzepte innerhalb der Künstlichen Intelligenz Forschung (vgl. T. Winograd, [1976]). Die Feststellung oben — „Wenn wir nicht wissen, wie etwas durch konkrete Sprecher hervorgebracht wird, so kennen wir es nicht." — bedarf natürlich einer Reihe von Präzisionen, von denen zwei hier kurz erwähnt seien. — Wie sinnvoll ist es, zu behaupten, wir kennen z. B. Naturvorgänge, chemische Stoffe, Texte, Gesetze, Krankheiten, Kinderspielplätze usw. nur, wenn wir wüßten, wie sie hervorgebracht werden? Gemeint ist offenbar: wir haben ein genaueres Verständnis von etwas, wenn wir es als Teil eines komplexeren Zusammenhangs sehen können; dieser kann ein Kausalzusammenhang sein, ein Funktionszusammenhang oder ein Geltungszusammenhang (siehe z. B. die mit einem Spielplatz verknüpften sozialen Konventionen und daraus resultierende Handlungs- und Verhaltenserwartungen). Behauptet wird also: wir haben ein genaueres Verständnis von Äußerungen, Texten, Dialogen, wenn wir sie als Teil komplexerer Funktions- und/oder Geltungszusammenhänge sehen, wobei die Sprecher einmal als kommunikationproduzierende bzw. -verarbeitende Organismen gesehen werden und zum anderen als agierende bzw. interagierende Subjekte. — Wie können Einzelproduktionen konkreter Sprecher sinnvolle Untersuchungsgegenstände sein? Sprachproduktionen werden zunächst nicht isoliert untersucht, sondern im Hinblick auf ein zugrundeliegendes Sprachsystem (strukturale Linguistik) oder im Hinblick auf zugrundeliegende Produktions- bzw. Verarbeitungsprozesse, im Hinblick auf sprachbezogene Organisationsstrukturen und Strategien eines zugrundeliegenden Organismus (prozedurale Linguistik). In einem weiteren Schritt ist dann zu prüfen, inwieweit singulare Sprachproduktionen (-Verarbeitungen) als Manifestationen (Resultate) allgemeiner oder spezieller Eigenschaften eines sprachproduzierenden Organismus aufgefaßt werden können.
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2. Prozedurale
Dialogmodelle
und linguistische
Untersuchungsziele
Bei einer Neuorientierung der Linguistik sollen prozedurale Sprachuntersuchungen eine besondere Rolle spielen, wie der erste Teil dieses Beitrags deutlich machen sollte. In einem zweiten Teil sind nun Zusammenhänge darzustellen zwischen einem bestimmten Typ prozeduraler Sprachuntersuchungen und linguistischen Untersuchungszielen, um auf diese Weise die Relevanz prozeduraler Untersuchungen besser zeigen zu können. Wenn der Untersuchung des Sprachgebrauchs eine höhere Priorität eingeräumt werden soll, so hat dies u. a. die folgenden Konsequenzen: Zu untersuchen sind -
Äußerungen zugrundeliegende (kognitive) Organisationsstrukturen und Verarbeitungsstrategien (A); Äußerungen zugrundeliegende (interaktive) Organisationsstrukturen und Prozesse verbaler Interaktion (B); Äußerungen zugrundeliegende (soziale) Kenntnisse von Alltagspraktiken und von Ausschnitten einer sozialen Welt (C); (formale) Darstellungsmittel, die zugrundeliegende ablaufende Prozesse auch als ablaufende Prozesse repräsentieren (Y); (formale) Darstellungsmittel, die geeignet sind, zumindest Modellvorstellungen von dem Zusammenwirken verschiedener zugrundeliegender Prozesse und Strukturen zu entwickeln (Z).
Diese Untersuchungsziele seien im folgenden am Beispiel der Entwicklung prozeduraler Dialogmodelle näher erläutert; die Frage, inwieweit die genannten Ziele genuin linguistisch sind, sei zunächst ebenso zurückgestellt wie die Frage nach der Begrenztheit der zu erläuternden Modellvorstellungen. In Abb. 1 ist ein sehr schematischer Aufbau eines prozeduralen Dialogmodells wiedergegeben, der es allerdings erlaubt, die oben genannten Gesichtspunkte A — C und Y — Z genauer zu diskutieren. Zugrundeliegende Annahmen: Es gibt alltäglich sich abspielende aufgabenorientierte Dialoge, d. h. Dialoge, in denen in einer Reihe von routinisierten Schritten die Teilnehmer kommunikativ und kooperativ eine alltägliche Aufgabe lösen (z. B. Weg- oder Zugauskunft geben; ein Kochrezept erläutern; eine Reise buchen u. ä.). Um diese Dialoge führen zu können, sind offenbar Wissens- und Verfahrensvoraussetzungen nötig, und zwar sowohl als Hintergrundsinformation (Hintergrundwissen; Kommunikations- bzw. Handlungspläne) als auch als Information über den jeweils erreichten aktuellen Stand im interaktiv kontrollierten, ablaufenden aufgabenbezogenen Dialog. Der jeweils erreichte Stand wird an den Resultaten der Ein-," Ausgabe-Prozeduren (PI) manife-
Prozedurale Dialogmodelle
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stiert. Zwischen dieser Komponente und den übrigen gibt es folgende wichtige Beziehungen: — eine konkrete Äußerung wird interpretiert, und zwar von ihrer phonetischen Realisierung bis zu ihrer pragmatischen Funktion, sowohl in bezug auf Hintergrundsinformationen als auch in bezug auf Informationen über den jeweils erreichten aktuellen Stand; — eine konkrete Äußerung bestätigt oder modifiziert Standardannahmen (Hintergrundwissen; Kommunikations-, Handlungspläne); gleichzeitig markiert sie den jeweils erreichten Stand (auf verschiedenen Ebenen eines aufgabenorientierten Dialogs).
Aspekt A (s. o.): Was die Syntax betrifft, so verfügen Sprecher einerseits über ein Wissen über Regularitäten als auch über Konstruktions- und Erkennungsprozeduren (P2). Formal kann dies dargestellt werden als
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eine Menge (allgemeiner) Regeln bzw. als (computer-implementierte) Planungs- oder Erkennungsprogrammsysteme, d. h. syntaktische Information wird einmal deklarativ und einmal prozedural dargestellt und in letzterem Fall z. B. als Teil von Schlußverfahren bzw. ParsingVerfahren. Für jede dieser Darstellungsformen gibt es gute Gründe, aber wie sie miteinander zu verknüpfen sind, ist eine offene Frage. Daß eine Grammatik sequentielle (,horizontale') Abhängigkeiten beschreibt, ist hinlänglich bekannt. Daß sie darüber hinaus auch (,vertikale') Abhängigkeiten zwischen verschiedenen Darstellungsebenen beschreiben sollte (z. B. zwischen P2 bis P5), scheint plausibel, ist allerdings noch nicht hinreichend untersucht. Zwischen prozeduralen Dialogmodellen und diskurstyp-spezifischen prozeduralen Grammatiken gibt es fließende Übergänge. Aufgabe der Semantik-Prozeduren ist es u. a. — lokale syntaktische Teilergebnisse (einzelne Lexeme, Konstituenten) kasussemantisch zu interpretieren, — Hypothesen über erwartbare syntaktische Teilergebnisse aufzubauen, — Propositionen aufzubauen und der Kurzzeitwissens-Komponente (W3) zu ,übergeben', — inkomplette Eingaben (Ellipsen) unter Rückgriff auf Informationen anderer Komponenten (z. B. W3, P5) zu komplettieren. Aspekt B: Äußerungen haben nicht nur eine kommunikative Funktion, wie z.B. von Vertretern der Sprechakttheorie und einer funktionalen Sprachtheorie immer betont wurde, sie haben auch ihren Stellenwert in der Organisation verbaler Interaktion. Äußerungen oder Äußerungssignale regeln etwa die Verteilung der Redebeiträge, markieren einen Schritt in einer Standardabfolge von Interaktionsschritten, leiten eine Unterbrechung ein, u. ä. Für eine einfache Frage-Antwort-Sequenz ergeben sich u. a. die folgenden prozeduralen Aufgaben: (a) Liegt eine Informationsfrage vor? Weiß der Fragesteller die Antwort? (Rückgriff auf W3 bzw. W2) (b) Je nach Ergebnis dieser Fragen entsprechende Änderung in W3 und Übergang zum nächsten Interaktionsschritt. (c) Liegt eine Antwort vor? (z. B. Rückgriff auf P5) Dann: (b). Aspekt C: Es ist sinnvoll, bestimmte aufgabenorientierte Dialoge als Teil einer routinisierten Alltagspraxis aufzufassen. Sprecher, die diese Alltagspraxis kennen, können nicht nur aufgabenspezifische Koordinationsprobleme mit einem Minimum an Aufwand lösen, sie können auch den Kommunikationsaufwand beträchtlich reduzieren. Sprach-
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liehe Äußerungen müssen in ihrem Stellenwert für einen gemeinsamen Aufgabenlösungsprozeß gesehen werden. Sprecher, die diese Alltagspraxis kennen, verfügen sowohl über ein Wissen über notwendige oder generelle Aufgabenbestandteile als auch über Verfahren zur Lösung einer Aufgabe bzw. zur Erkennung einzelner Aufgabenschritte (vgl. die Angaben zu A oben; ähnliches gilt auch für B). Aspekt Y: Prozeßbezogene Sprachuntersuchungen erfordern spezielle formale und technische Hilfsmittel und Darstellungsmethoden. Diese sind für ein genaueres Verständnis menschlicher Informationsverarbeitungsprozesse notwendig. Die Anforderungen, die an diese formalen und technischen Hilfsmittel zu stellen sind, sind beträchtlich, denn menschliche Informationsverarbeitungsprozesse sind in der Lage, in sehr beschränkter Zeit Informationen von erstaunlicher Quantität, vielfältiger Modalität (verbal, nonverbal; phonetisch, syntaktisch, ...) und von variabler Qualität (z.B. unvollständige oder implizite Informationen) zu verarbeiten; und .verarbeiten' heißt eben auch, neu ankommende Informationen mit einem (fortlaufend sich verändernden) allgemeinen Wissenskontext (Hintergrundsinformation) und einem (fortlaufend sich verändernden) aktuellen Wissenskontext (spezieller Dialog-, bzw. Textkontext) zu verknüpfen bzw. getroffene Zuordnungen nachträglich zu revidieren. Zu verschiedenen Typen informationsverarbeitender Prozesse (z. B. (in-)deterministisch, sequentiell, parallel ablaufende) und zu verschiedenen Typen der Steuerung eines oder mehrerer Prozesse (z. B. hypothesengesteuert, datengesteuert, (nicht-)hierarchisch, interaktiv) gibt es Entsprechungen für die Programmierung künstlicher symbolverarbeitender Systeme (Computer). Diese können als formale und technische Hilfsmittel einer linguistischen Modellbildung dienen. Unter Verweis auf Abb. 1 oben sei dies für prozedurale Dialogmodelle weiter ausgeführt. In Abb. 1 werden bestimmte ,Informationsquellen' unterschieden, von denen angenommen wird, daß Kommunikatoren in aufgabenorientierten Dialogen hierüber in aller Regel verfügen; diese Informationsquellen sind also genereller Art (,common knowledge') und entsprechen nicht nur etwa der individuellen Erfahrung eines Kommunikators. Unterschieden wird zwischen verschiedenen Arten des Wissens und verschiedenen Arten von Prozeduren (Verfahrenswissen). Abb. 1 kann als ein linguistischer Modellentwurf (Gedankenmodell (1)) für eine Entwicklung prozeduraler Dialogmodelle aufgefaßt werden; zu bestimmen sind nun formale und technische Hilfsmittel für die verschiedenen Wissenskomponenten.
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Aufgrund empirischer Dialogdaten läßt sich zeigen, daß für P2, P4 und P5 (vgl. Abb. 1) Sequenzmuster und Mustervarianten angegeben werden können, die bestimmte formale Eigenschaften haben (Sequenzenhierarchie, Sequenzenwiederholung (Iteration), Sequenzeneinbettung (Rekursion)). Es läßt sich zeigen, daß sog. Erweiterte Übergangsnetzwerke ein effektives prozedurales Hilfsmittel für eine Rekonstruktion von in P2, P4 und P5 ablaufenden Prozessen sind (Woods, [1973]; Christaller u. Metzing [1979, 1980]; Metzing, [1981 a]). Mit diesem Netzwerktyp kann ein sequentieller Kontext dargestellt werden, und durch (beliebige) Aktionen an den Netzwerkübergängen besteht ein Zugang zu anderen Kontexten (Register im Netzwerk; W3; W2 (vgl. Abb. 1]). Für P3, wo u. a. bestimmte semantische Kasusrahmen zu diagnostizieren' sind, ist von einem geringeren Strukturierungsgrad auszugehen; es liegt daher nahe, hier auf andere prozedurale Hilfsmittel zurückzugreifen, z. B. auf ein System von Produktionsregeln. Aspekt Z: Anhand empirischer Daten läßt sich zeigen, daß die gleiche Äußerung verschiedene Interaktionsbedeutung haben kann, je nachdem an welcher Position sie in einem Dialog vorkommt. Dies unterstreicht die Nützlichkeit, mit sequentiellen Kontexten zu arbeiten. Ein anderer wichtiger Aspekt der Daten ist, daß die gleiche Äußerung mehrfach interpretiert werden kann: Eine Frageäußerung kann als Informationsfrage eine Frage-Antwort-Interaktion einleiten; dies muß aber nicht so sein. Eine Informationsfrage kann eine bestimmte aufgabenorientierte Interaktion (z. B. Auskunft einholen) einleiten; dies muß aber nicht so sein. Eine solche Einleitung kann gleichzeitig schon ein Schritt im entsprechenden Aufgabenlösungsprozeß sein; dies muß allerdings nicht so sein. Um eine Mehrfachinterpretation zu erreichen, ist eine Kooperation verschiedener (Teil-)komponenten nötig. Wichtig ist noch ein weiterer empirischer Befund: Die Hörer beginnen mit einer Äußerungsinterpretation nicht erst dann, wenn sie das Ende der Äußerung gehört haben. Interaktion zwischen den Komponenten muß also auch schrittweise und schon für Äußerungsteile erfolgen können. Was nun die prozeduralen Hilfsmittel betrifft, so läßt sich zeigen, daß eine schrittweise Interaktion von Komponenten (vgl. P2 — P4) mit einer Generalisierung von Erweiterten Übergangsnetzwerken, sog. Kaskaden Erweiterter Übergangsnetzwerke (Woods, [1980]; Christaller, [1981] Christaller/Metzing, [1983]), erreicht werden kann. Die Untersuchung der Kooperation zwischen Komponenten P4 und P5 kann wieder durch einen Modellentwurf (Gedankenmodell) weitergeführt werden, der allerdings hier aus Platzgründen nicht erläutert werden kann (vgl. Metzing, [1981b]).
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In der Kooperation der Komponenten (vgl. Abb. 1) muß eine komplexe Aufgabe gelöst werden: elementaren Äußerungseinheiten variabler Größe müssen Handlungskategorien verschiedener Ebenen (P4, P5) zugeordnet werden, und dies kann, im Unterschied zur Zuordnung syntaktischer Kategorien, komplexe Interpretationsleistungen erfordern (vgl. hierzu auch Levinson, [1981]). Diese Aufgabe ist ein wichtiger Testfall für die Realisierbarkeit prozeduraler Dialogmodelle. 3. Zusammenfassender
Überblick
Mit der Entwicklung prozeduraler Dialogmodelle soll ein genaueres Verständnis davon erzielt werden, wie Dialoge eines bestimmten Typs hervorgebracht werden, d. h. hervorgebracht aufgrund welcher generellen Produktions- und Interpretationsverfahren, die konkreten Sprechern zugeschrieben werden können. Dieses Untersuchungsziel ist komplementär sowohl zu strukturalistischen Verfahren als auch zu funktionalistischen Verfahren; denn einerseits werden Dialogäußerungen nicht nur aufgefaßt als Objekte mit einer bestimmten Struktur, sondern als Endpunkt von Produktionsprozessen bzw. als Ausgangspunkt von Interpretationsprozessen, und andererseits wird der für bestimmte Typen von Aufgaben bzw. Teilaufgaben festzustellende Sprachbedarf (z. B. der für bestimmte Auskunftsdialoge) nicht nur strukturell bestimmt, sondern auch prozessual (d. h. welche Prozeßanforderungen sind feststellbar). Produktions- und Interpretationsverfahren werden aufgefaßt als Symbolmanipulationsverfahren, physikalisch realisiert in einem Rechner. Im Fall routinisierter Auskunftsdialoge inkorporieren diese Verfahren sowohl empirisch feststellbare Struktur-Regularitäten (z. B. Ablaufmustervarianten für Syntax-, Interaktions- und Aufgabenprozesse) als auch Verarbeitungsprozeduren über diesen Struktur-Regularitäten. Eine Kombination von generalisierten Erweiterten Übergangsnetzwerken, Produktionsregeln und Datenbasis erlaubt es: — verschiedene für die Dialogrekonstruktion notwendige Typen von Kontextoperationen und deren Zusammenwirken zu bestimmen; — das Zusammenspiel verschiedener Linearisierungsebenen zu untersuchen (z. B. die Informationen für einen kasussemantischen Rahmen können auf zwei Dialogäußerungen verteilt sein, oder in einer Dialogäußerung können zwei Interaktionsschritte realisiert sein, oder in mehreren Äußerungen kann ein Interaktions- und/ oder ein Aufgabenschritt realisiert sein); — einer Dialogäußerung verschiedene sich ergänzende Handlungsinterpretationen auf verschiedenen Beschreibungsebenen zuzuordnen;
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— eine D i a l o g ä u ß e r u n g s c h r i t t w e i s e zu v e r a r b e i t e n , u n d z w a r sequentiell ( h o r i z o n t a l ) als a u c h a u f v e r s c h i e d e n e n B e s c h r e i b u n g s e b e n e n (vertikal). I m v o r l i e g e n d e n B e i t r a g ist ein R a h m e n skizziert, der für die U n t e r s u c h u n g u n d R e k o n s t r u k t i o n v o n I n t e r p r e t a t i o n s v e r f a h r e n bei b e s t i m m ten T y p e n v o n D i a l o g e n a n g e m e s s e n erscheint, ein R a h m e n , der, beim jetzigen S t a n d p r o z e d u r a l e r S p r a c h u n t e r s u c h u n g e n , als ein B e s t a n d t e i l eines u m f a s s e n d e r e n M e t h o d e n r e s e r v o i r s für eine explizite H y p o t h e senbildung bezüglich z u g r u n d e l i e g e n d e r O r g a n i s a t i o n s s t r u k t u r e n und V e r a r b e i t u n g s s t r a t e g i e n zu w e r t e n ist. D i e E n t w i c k l u n g p r o z e d u r a l e r D i a l o g m o d e l l e w i r d als Teil eines N e u o r i e n t i e r u n g s p r o g r a m m s der Linguistik in d e m Sinne v e r s t a n d e n , d a ß die E r k l ä r u n g p r o z e s s u a l e r A s p e k t e des S p r a c h g e b r a u c h s als eine zentrale A u f g a b e eingestuft w i r d ; d a ß d u r c h eine p r o z e ß o r i e n t i e r t e R e k o n s t r u k t i o n dieser A s p e k t e die linguistischen E r k l ä r u n g s m ö g l i c h keiten e r w e i t e r t w e r d e n ; d a ß E i g e n s c h a f t e n des ( n o r m a l e n o d e r defizitären) S p r a c h g e b r a u c h s u m f a s s e n d e r e r k l ä r b a r w e r d e n .
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Das Wissen der Linguisten KLAUS BAUMGÄRTNER,
Stuttgart
Die Frage ist, was die Linguisten wissen dürfen oder was sie jedenfalls nicht wissen dürfen sollten. Die Problematik, um die es dabei geht, gehört zur Begründung der Linguistik, wird aber trotzdem kaum beachtet. Nehmen wir ein Beispiel, das für viele andere stehen kann und sonst nur den Vorzug hat, daß es die Problematik mit besonderer Konsequenz vorführt. J. J. Katz verteidigt in seiner letzten Arbeit über Präsuppositionen den Begriff des faktiven Prädikats gegen eine massive Attacke von R. M. Harnish (Katz, [1979]: 121), bezogen auf die folgenden vier Sätze (meine Zählung, K. B.): (1) (a) Snails exceed the speed of light. (b) Einstein knew that snails exceed the speed of light. (c) Einstein did not know that snails exceed the speed of light. (d) Einstein knew and Einstein did not know that snails exceed the speed of light. Beide, Harnish wie Katz, stimmen zunächst darin überein, daß Satz (la) die Präsupposition von (lb) bzw. (lc) sein könnte, gemäß der alten Regel, daß der ¿/a/?-Objektsatz (la) eines wissen-Satzes wahr ist, gleichgültig ob der wissen-Satz im ganzen affirmiert (lb) oder negiert (lc) ist1. Jedoch, Katz mit Harnish: „Since it is false that snails exceed the speed of light, (lb) must be neither true nor false. And, by the same token, (lc) the denial of (lb), is also neither true nor false." Nach Harnish überträgt sich diese Eigenschaft nun aber direkt auf die Kontradiktion (ld) und führt somit zu der höheren und ganz absurden ,Kontradiktion', daß (ld) sowohl falsch als auch weder wahr noch falsch ist; er zieht daraus den Schluß, daß der Begriff des faktiven Prädikats zu verwerfen ist. Katz dagegen will diesen Schluß auf gar keinen Fall zulassen, weil schon die Prämisse, den Satz (ld) als Kontradiktion zu deuten, gegen die Grundauffassungen des sogenannten konsistenten Präsuppositionalisten verstoße; denn dieser
1
Ich schicke voraus, daß ich hier nicht primär an der Erklärung der Präsuppositionen interessiert bin, aber wohl weiß, daß es eine logische und eine pragmatische Behandlung der Präsupposition gibt und daß viele meinen, die beiden Konzepte seien nicht nur (nicht) verträglich, sondern einfach verschiedene Konzepte (z. B. Kempson,
[1975]: 50).
D a s Wissen der Linguisten
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nehme an, „that (ld) is not a Statement at all because its presupposition is false." So hieß es schon oben. Kontradiktion oder nicht, Faktivität oder nicht, — ich frage mich schon vorher, welche Begründung die Sätze (1), speziell (la) bis (lc), besitzen 2 . Natürlich wäre es denkbar, daß sie überhaupt nicht begründet werden, sondern mit ihren Werten beliebig gewählt sind. Aber dann müßten Harnish und Katz (und alle anderen) ihre Sätze und Werte immer beliebig wählen, also etwa auch Galileo wußte, daß die Erde eine Kugel ist mit dem Kommentar „Da es falsch ist, daß die Erde eine Kugel ist, ...". Dergleichen kommt jedoch nirgend vor, wohl weil es als Argument sinnlos wäre. Offenbar ist der beliebige Gegenstand linguistisch unmöglich. Wenn dies gilt, dann frage ich mich zweierlei, nämlich erstens, woher Harnish und Katz eigentlich wissen, daß es nicht stimmt, daß Schnecken die Lichtgeschwindigkeit überschreiten, und vor allem zweitens, woher Harnish und Katz so sicher wissen, daß im Gegensatz dazu gerade Albert Einstein wußte (oder nicht wußte), daß Schnecken die Lichtgeschwindigkeit überschreiten. Darüber hinaus sollte man sie auch noch fragen, warum sie nicht in korrekter Weise sagen, daß Einstein das, was er da (nicht) wissen wollte, eigentlich bloß (nicht) ,wähnen' konnte, da es ja falsch sein soll. (Ich jedenfalls korrigiere besser meine zweite Frage entsprechend durch ,wähnen'). Bleiben wir noch kurz bei diesem Spiel. Auf die erste Frage (wieso die beiden wissen, daß Schnecken die Lichtgeschwindigkeit nicht überschreiten) gibt es wohl nur die Antwort, daß sie dies in der Schule gelernt oder in der Zeitung gelesen oder notfalls durch Anruf bei biologischen oder physikalischen Instituten erfahren haben. Für die zweite Frage (woher sie wissen, daß Einstein das genaue Gegenteil wähnte oder nicht wähnte) kann man nur vermuten, daß ihnen dies von irgend jemand zugetragen worden ist, weil weder Harnish noch Katz den Einstein selber kannten und von seinem komischen Wissen in dieser Sache bisher in keiner Schule oder Zeitung die Rede war. Nennen wir diesen Jemand einfach Philipp Marlowe. Was könnte Philipp Marlowe nun Harnish und Katz tatsächlich ausgeplaudert haben? Hat er gesagt: „Jungens, der AI Einstein weiß (nicht), daß Schnecken die Lichtgeschwindigkeit überschreiten", oder aber: „Jungens, der AI Einstein wähnt (nicht), daß Schnecken die Lichtgeschwindigkeit überschreiten"?
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Der Satz (2d) ist als bloße K o m b i n a t i o n von (2b) und (2c) f ü r unsere Diskussion o h n e Interesse. Er wird übrigens in der Umgangssprache o h n e weiteres g e b r a u c h t und ist d a n n weder K o n t r a d i k t i o n noch ü b e r h a u p t ein Statement, sondern Bezeichn u n g eines besonders ungenauen oder diskutablen Wissens.
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Im zweiten Fall hätten sich Harnish und Katz mit Marlowe nicht weiter aufzuhalten brauchen, da sie seine Ansicht über die Bedeutung von Einsteins Wissen sowieso schon teilten. Allerdings hätten sie dann, beim Zitieren dieser Auskunft von Marlowe in den Sätzen (lb) oder (lc), natürlich nicht,wissen' anstelle von ,wähnen' verwenden dürfen. Im ersten Fall dagegen wäre ihnen nicht erspart geblieben, sich mit Marlowe zu befassen und ihn darüber aufzuklären, daß man in bezug auf diesen Sachverhalt, wie sie seit ihrer Schulzeit wüßten, nun wirklich nicht von ,wissen' reden könne: „Merk dir, Phil, daß die Lichtgeschwindigkeit jedenfalls nicht von Schnecken überschritten wird." Falls es ihnen damit gelungen sein sollte, Marlowe zu überzeugen, kann man nur hoffen, daß er sein Geheimnis direkt von Albert Einstein hatte, sonst hätte er den gleichen Disput nun wiederum mit seinem Gewährsmann zu beginnen, dieser mit seinem, und so fort. An Einstein selber kann man sich ja leider nicht mehr wenden. Allerdings hätten Harnish und Katz auch in diesem ersten Fall Einsteins tatsächliches ,wähnen' (tatsächlich aufgrund ihres eigenen, hoffentlich besseren Wissens) nicht einfach durch ,wissen' verfälschen dürfen. Indem sie ,wissen' verwenden, können (lb) und (lc) nicht Sätze sein, die von ihnen gedacht oder geäußert worden sind. Daraufhin bleibt nur noch die Möglichkeit, daß sie mit (lb) oder (lc) eine ganz und gar positivistische Absicht verbunden haben, nämlich: exakt das sprachliche Ereignis der originalen Auskunft von Marlowe mit dem — ihres Wissens — nicht korrekten ,wissen' festzuhalten. Wenn aber dies der Fall ist, wie können sie dann sagen, die Proposition Schnecken überschreiten die Lichtgeschwindigkeit, die dann eine Proposition aus Marlowes originalem Wissen ist, sei falsch? Wenn sie das tun, dann unterstellen sie doch Marlowe fälschlich ein Argument, das allein ihr Argument ist und das, wenn überhaupt, erst in den nächsten sprachlichen Ereignissen ihres Disputs mit Marlowe auftauchen wird. Die Frage ist dann, in welcher Rolle sich Harnish und Katz befinden: Sind sie nun Linguisten, die ihren Lesern nichts als die Eigenschaften sprachlicher Ereignisse beschreiben oder erklären wollen, oder sind sie Generalisten (wie alle anderen Leute sonst auch), die mit ihren Lesern in eine — etwas einseitige — Diskussion verwickelt sind, in der es unter anderem um solche biologischen oder physikalischen Fragen wie die Geschwindigkeit der Schnecken geht? Lassen wir Harnish, Katz und Marlowe beiseite und betrachten wir das Ergebnis dieses Spiels. Ich glaube, daß es auf die folgende verallgemeinerte Einsicht hinauslaufen muß: Ein sprachliches Ereignis (2a) oder (2b) (2) (a) A weiß (nicht), daß p. (b) A wähnt (nicht), daß p.
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zu etablieren (zu beschreiben, zu erklären usw.) und zugleich im Gegenzug die Wahrheit oder Falschheit von p (in (2b) bzw. (2a)) zu behaupten oder gar vorauszusetzen, bedeutet, eine methodologische Position einzunehmen, die zumindest als linguistische Position unhaltbar ist. Denn wenn es solche sprachlichen Ereignisse (2a) oder (2b) überhaupt gibt — faktisch oder nur gedacht, dann gibt es als notwendige Eigenschaften dieser Sätze ein Subjekt A und einen Sprecher B und wohl auch den von B gemeinten Adressaten C, zwischen denen p gemeinsam oder verschieden als wahr oder falsch gilt3. Häufig ist die Wahrheit von p sowieso schon strittig (zwischen A, B, C) oder jedenfalls dann strittig, wenn der Linguist im Gegenzug das Gegenteil behauptet oder voraussetzt. Folglich ist ein Linguist, der diese Position einnimmt, kein ,Szientist' mit einem neutralen Gegenstand, sondern einer, der selber, auf der Ebene des Gegenstandes, in seinen Gegenstand involviert ist. Man sieht leicht, daß dies in gleicher Weise auf den Linguisten zutrifft, der bloß in der Form der Bestätigung die Wahrheit oder Falschheit von p (in (2a) bzw. (2b)) behauptet oder voraussetzt. Aussagen über die Wahrheit oder Falschheit von Propositionen des Gegenstandes haben darum in einer szientistischen Linguistik, die sich an der Neutralität des Gegenstandes in den empirischen Wissenschaften orientiert, in keiner Weise einen Platz. Wer dennoch solche Aussagen macht, der beansprucht, die Welt besser zu wissen als die Subjekte und Sprecher seiner Sätze um ihn herum. Ich nenne das gewöhnlich: Linguistik gottgleich aus der Vogelschau. Das Problem, das hier zur Debatte steht, ist daher in erster Linie ein methodologisches Problem und nicht etwa ein Problem des Realienwissens in der Linguistik im allgemeinen. Die Beziehungen zum Realienwissen bereiten nur zusätzliche Schwierigkeiten. Schon Leonard Bloomfield begründet ja seinen mechanistischen, rein formbezogenen Strukturalismus weniger aus theoretischer Askese als mit Erwägungen wie: „The study of speakers' situations and hearers' responses is equivalent to the total sum of human knowledge", wogegen „Our knowledge of the world in which we live is so imperfect that we rarely can make accurate statements about the meaning of a speech form" (Bloomfield, [1935]: 74). Daß „the linguist cannot define meanings, but must appeal for this to students of other sciences or to common knowledge" (Bloomfield, [1935]: 145), hat sich seither, 3
Das Argument lautet genauer: Einem Satz p allein muß nicht unbedingt ein Sprecher B (und Adressat C) zugeschrieben werden, aber ein Satz A weiß (nicht), daß p ist sinnlos ohne den Schluß auf einen Sprecher B (und Adressaten C): seine Existenz ergibt sich aus der Transitivität des Wissens vom Subjekt A auf ein anderes Subjekt B; zu dieser Transitivität vgl. unten S. 82.
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auch in anderen Paradigmen, nicht wesentlich gewandelt und wird sich wegen des primär sprachlichen Zugangs zum Gemeinwissen auch nicht wesentlich wandeln können. Es versteht sich, daß unsere Diskussion leicht auf diese Problematik ausgedehnt werden könnte. Man stelle sich nur vor, Philipp Marlowe hätte Harnish und Katz auch noch mit Berichten wie diesen beliefert: (3) (a) Heisenberg wußte, daß das Weltall unbegrenzt ist. (b) Freud wußte, daß Fische eine Seele haben. (c) Humphrey wußte, daß John Dalmas ein Kommunist ist. Die Objektsätze von (3a) und (3b) sind, soviel ich weiß, bis heute empirisch nicht entschieden, und der von (3c) ist eine ziemlich unzugängliche persönliche Angelegenheit. Wenn die Linguisten tatsächlich auf die Wahrheit oder Falschheit aller möglichen Propositionen angewiesen wären, dann wären sie voll damit beschäftigt, alle übrigen wissenschaftlichen Autoritäten laufend am Telefon zu halten und ganze Schwärme von Detektiven zu kommandieren. Dann wäre es vielleicht am besten, wenn man die von Hilary Putnam konstatierte linguistische Arbeitsteilung zwischen den verschiedensten Sprecherklassen der Gesellschaft (Putnam, [1975]: 228) beseitigen und gleich ganz der Kontrolle der Linguistik unterstellen würde. Doch diese faktischen Schwierigkeiten sind, wie gesagt, nicht mein eigentliches Argument. Ich argumentiere ja nicht dagegen, daß die Linguisten etwas wissen und möglichst viel wissen dürfen sollten. Im Gegenteil, ich kenne einen, der sich in sämtlichen Einzelheiten der biologischen Evolution auskennt, einen, der alle Börsenkurse und Finanzierungskünste beherrscht, und einen, der die ganze Musik von Perotin und Purcell bis zu Mahler und Kagel im Kopf hat, und jedes dieser Wissen empfinde ich als Gewinn. Mein eigentliches Argument scheint nun allerdings ein ganz einfacher Einwand aus den Angeln zu heben. Dieser Einwand lautet: Aussagen über die Wahrheit oder Falschheit von Propositionen sind auch in einer szientistischen Linguistik nicht unumgänglich; sie kommen nur leider, wie das Katzsche Beispiel vorführt, immer wieder mal vor. Natürlich brauchte man nur zu verlangen, daß alle TatsachenAussagen ä la Harnish und Katz vermieden werden und statt dessen nur Konditional-Aussagen zugelassen sind, also Formulierungen der Art „Wenn es falsch ist, daß Schnecken die Lichtgeschwindigkeit überschreiten ...". Mit dieser Maßnahme, die ja leicht zu befolgen wäre, bliebe alle Besserwisserei aus der Linguistik ausgeschlossen — und die gesamte Diskussion bis zu diesem Einwand löst sich in Rauch auf. Die Wahrheit ist, daß dieser Vorschlag, den man sicherlich beherzigen sollte, die Linguistik nur um einen bestimmten Schritt aus ihrer Involviertheit in den Gegenstand herausführt, diese Involviertheit aber keinesfalls im Grundsatz überwindet. Das Problem, das'sich im
Das Wissen der Linguisten
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Beispiel von Harnish und Katz als eine bloße Fahrlässigkeit umgehen läßt, erweist sich eine Stufe tiefer als methodologisches Dilemma der Linguistik überhaupt. Die konditionale Formulierung „Wenn es falsch ist, daß Schnecken die Lichtgeschwindigkeit überschreiten ..." läßt nämlich ebensowenig darauf schließen, daß der Satz (lb) Einstein knew that snails exceed the speed of light weder wahr noch falsch ist, wie zuvor schon die besserwisserische Formulierung „Since it is false that snails exceed the speed of light". Denn nach wie vor gibt es zum Satz (lb) oder (lc) wenigstens ein Subjekt A und einen Sprecher B, die beide davon überzeugt sind, daß Schnecken die Lichtgeschwindigkeit überschreiten. An Einsteins originales Wissen kommt man beim besten Willen nicht heran, und zwar einfach deswegen, weil sich die umgangssprachliche Dichotomie von wissen und wähnen nicht unterschreiten läßt. Das zeigt sich neuerdings besonders deutlich gerade dort, wo der Versuch gemacht wird, die Subjekte und/oder Sprecher von Sätzen in die Theoriebildung einzubeziehen, wenn nicht überhaupt als deren Basis anzusetzen, also in der pragmatischen Behandlung der Präsuppositionen oder der Sprechhandlungen. Betrachten wir folgende Sätze: (4) (a) Gundolf wußte, daß Goethe in Straßburg war. (b) Däniken wußte, daß die Ufos auf dem Monde leben. (c) Freud wußte, daß Fische eine Seele haben. Der Pragmatiker, der diese Sätze als Äußerungen behandeln möchte, sieht vielleicht bei (4a) und bei (4b) noch kein Problem. Er ist schon geneigt zu schreiben, daß Gundolf und der Sprecher von (4a) ,wissen', daß p, und daß Däniken und der Sprecher von (4b) ,wähnen', daß q, merkt aber früh genug, daß der Satz (4c) zur Zeit von keinerlei Gemeinwissen entschieden werden kann. Was soll er hier schreiben, wo er doch umgangssprachliches wissen oder wähnen nicht gebrauchen kann? Etwa, daß Freud und der Sprecher von (4c) glauben, daß Fische eine Seele haben?, oder daß sie meinen oder davon ausgehen oder für wahr halten, daß Fische eine Seele haben? Vor allem in der sprechakttheoretischen Literatur wimmelt es von solchen Annäherungen an die Subjekte und Sprecher möglicher Äußerungen4. Es ist jedoch keine Frage, daß auch jedes dieser Prädikate den Sachverhalt von (4c) verfälscht. Wirklich zu erklären wäre, daß natürlich in allen Fällen von if/ssen-Sätzen die Subjekte und Sprecher für sich in ihrem Selbstverständnis ,wissen', daß dies oder jenes besteht. Es scheint, daß dies nicht zu erreichen ist; denn ganz gleich, ob man Sätze als ,wahr'
4
Die Annäherungen laufen von nicht weiter begründetem „S believes . . . " , etwa bei J . R . Searle (z. B. Searle, [1969]: 58), bis zu Variationen wie S < p r e c h e r > glaubt / weiß / ist überzeugt . . . " , etwa bei D. Wunderlich (z. B. Wunderlich [1976]: 99).
82
Klaus Baumgärtner
oder ,falsch' bewertet und ihren Sprechern generös bescheinigt oder unterstellt, daß sie deren Bedeutung wissen oder nur wähnen, oder ob man Sätze als ,offen' bewertet und ihren Sprechern gerade noch einräumt, daß sie diese für wahr halten, — in jeder Alternative kommt die Vogelschau-Perspektive des Linguisten zum Ausdruck. Mit dem Grenzfall des Typs für-wahr-halten (also glauben usw.) tritt dieses methodologische Dilemma bloß besonders klar zutage. Die letzte Ursache dieses Dilemmas ist daher die jedem intuitiv bekannte, formal von J. Hintikka untersuchte Transitivität von wissen (bzw. englisch know), die sich so wiedergeben läßt: Wenn ,A weiß (oder auch sagt), daß B weiß, daß p', dann gilt ,A weiß, daß p' (Hintikka, [1962]: 61). Die Prädikate vom Typ für-wahr-halten, denen diese Transitivität nicht zukommt, bezeichnen (wohl darum) immer eine bestimmte Distanz des Sprechers A zum Satzsubjekt B. In seltenen Verwendungen ist diese Transitivität manchmal sogar bei wissen suspendiert, — nämlich dann, wenn Sprecher nicht anders können, als zum sicheren Wissen anderer Sprecher auf Distanz zu gehen; vgl. (meine Zählung, K. B.): (5) Vor einigen Jahrhunderten wußte man, daß sich die Sonne um die Erde dreht, heute weiß man es anders und hoffentlich besser. An derartigen Beispielen zeigt Marga Reis, daß wissen nicht als Präsuppositionsgarant betrachtet werden kann und — wie schon Deirdre Wilson sieht — bereits deswegen als faktives Prädikat zu verwerfen ist (Reis, [1977]: 145; Wilson, [1975]: 25). Da Verwendungen dieser Art jedoch bestimmte zusätzliche Markierungen verlangen, z. B. die explizite verbale Korrektur im Kontext (so daß dieses wissen gewissermaßen zitiert oder kritisiert erscheint), handelt es sich dabei sicher nicht um den regulären Gebrauch. Dies alles zusammen heißt, verallgemeinert: Es gibt in unserer Umgangssprache kein Prädikat, das alle semantischen Eigenschaften von wissen besitzt, nicht aber die mit wissen gegebene Transitivität; das gleiche gilt entsprechend von wähnen. Aus diesen Gründen wird der Linguist beim Gebrauch der theoretischen Prädikate, die ihm in der Umgangssprache überhaupt zur Verfügung stehen, unweigerlich zum involvierten Sprecher. Ein Ausweg wäre, in irgendeiner anderen Sprache nach einem Prädikat zu fahnden, das die gewünschten Eigenschaften aufweist. (Denn daß wir kein solches normales Distanz-Prädikat besitzen, ist ja keine Notwendigkeit.) Da aber auch ein solches Prädikat zuletzt wieder in unsere normale Sprache übersetzt werden müßte, ist dieser Vorschlag nicht viel mehr wert, als wenn man gleich ein künstliches solipsistisches Prädikat — sagen wir: *selb-wissen — zur Bezeichnung des unmittelbaren Selbstverständnisses von Wissens-Zuständen fordern würde. Keine Frage, daß dieses Prädikat die verlangten theoretischen Aufgaben
Das Wissen der Linguisten
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erfüllen würde. Das Ende der Geschichte ist, daß der Linguist, der sich als Szientist behaupten will und daher keinesfalls als involvierter Sprecher handeln möchte, an den Punkt gelangt, wo er sich — wohlgemerkt: zur Charakteristik des Gegenstandes, also der Subjekte und Sprecher seiner Sätze in ihrem eigenen Wissen — ein Prädikat *selb-wissen erfindet, mit dem er seinen Gegenstand schließlich hinter sich läßt, weil ein solches *selbst-wissen gerade im unmittelbaren Selbstverständnis der Subjekte und Sprecher überhaupt nicht vorkommt. Literatur Bloomfield, Leonard (1935): Language. Revised British edition. Allen & Unwin, London. Hintikka, Jaakko (1962): Knowledge and belief. An introduction to the logic of the two notions. Cornell U. P., Ithaca. Katz, Jerrold J. (1979): „A solution to the projection problem for presupposition". In: C. Oh and D. A. Dinneen (eds.): Syntax and semantics. Vol. 11: Presupposition. Academic Press, New York. pp. 91 - 126. Kempson, Ruth M. (1975): Presupposition and the delimitation of semantics. Cambridge UP, Cambridge. Putnam, Hilary (1975): „The meaning of .meaning'" und „Language and reality", In: H. Putnam: Mind, language and reality. Philosophical papers, Vol. 2. Cambridge UP, Cambridge, pp. 2 1 5 - 2 9 0 . Reis, Marga (1975): Präsuppositionen und Syntax. Niemeyer, Tübingen. Searle, John R. (1969): Speech acts. An essay in the philosophy of language. Cambridge UP. Cambridge. Wilson, Deirdre (1975): Presuppositions and non-truth-conditional semantics. Academic Press, London. Wunderlich, Dieter (1976): Studien zur Sprechakttheorie. Suhrkamp, Frankfurt.
Using Data Variation to Confirm, rather than Undermine, the Validity of Abstract Syntactic Structures CHARLES-JAMES
N.
BAILEY,
Berlin
In his discussion of the plight of the "confused Ordinary Working Grammarian," Fillmore ([1970]: 7) bemoans the problems involved in decisions concerning the grammaticality of sentences which are crucial for determining the nature and operation of syntactic systems. I would here like to give the problem a different twist by showing how an analysis of the patterns in data variability allow us to confirm fairly abstract syntactic structures, rather than cast them into doubt. The analysis in question is that of "do so," a rule which speakers of English generally have in their heads and which has been proposed by Lakoff and Ross (1966) as a test for verb-phrase constituency. The problem with "do so" is that, while everyone has the rule, different speakers apply it to different structures. In order to interpret the relations among the data to be presented below, an analysis along the lines first proposed by Anderson (1967) and subsequently advocated in various quarters — most recently and with the greatest attention to detail in Ross (1972) — will be adopted.1 Briefly, it will be assumed that active verbs (e. g. give) are dominated by an S which is an object of do:1
1
V
NP
NP
give
Paris,
something
Another study detailing the history of treatments of this structure (but not quoting Anderson, [1967]) and the problems attendant upon the analysis of do so is Bouton (1970). Bouton arrives at no final conclusions concerning the analysis of this phenomenon beyond proving that so is an adverb. Problems concerning the parts
Data Variation and the Validity of Abstract Syntactic Structures
85
Presumably, a higher S contains a past-tense predicate, but the analysis that follows will not be affected whether one adopts this position or treats "past" as a feature on do. If in (1) RAISING applies to Paris we get Paris did give something, which further reduces to Paris gave something. When two structures like (1) are conjoined and the lower sentences differ only in their subjects, the verb and object can be pronominalized with so or with too in the second of these: (2a) Paris gave something, and so did I. (2b) Paris gave something, and I did it too. In this analysis, so is the pro-form of an S which is the object of do. It is evident to any observer that different speakers apply this kind of pronominalization in different ways. To ascertain the exact data, thirty speakers were asked to rate the following sentences (presented in random order) 3 as (1) definitely not acceptable, or (4) quite acceptable (cf. Elliott/Legum and Thompson, [1969]): (3a) Paris gave it to Helen yesterday, and I'll do it to her tomorrow. (3b) Paris gave it to Helen yesterday, but I'll do it to her tomorrow. (3c) Paris gave it to Helen yesterday, and I'll do so to her tomorrow, tomorrow. (3d) Paris gave it to Helen yesterday, but I'll do so to her tomorrow. (4a) Paris gave it to Helen yesterday, and I'll do it tomorrow. (4b) Paris gave it to Helen yesterday, but I'll do it tomorrow. (4c) Paris gave it to Helen yesterday, and I'll do so tomorrow. (4d) Paris gave it to Helen yesterday, but I'll do so tomorrow. (5a) Paris gave it to Helen yesterday, and I did so. (5b) Paris gave it to Helen yesterday, and I did so too. (5c) Paris gave it to Helen yesterday, and I did too. (5d) Paris gave it to Helen yesterday, and so did I. of speech that so can replace in the do so construction which are mentioned by Bouton are resolved in the present study. I accept the conclusion that so is an adverb, and would merely add that, just as any manner adverb ending in -ly deletes its underlying NP node (e.g. hurriedly < [in a hurried manner]Nf), the adverb so in (1) below also does this and no longer behaves as an NP. The only data in Bouton's study that would cause problems for the present analysis is his ex. (28c). I do not see how it can have the interpretation in question, especially in view of Bouton's starred (47a):
2
3
(28c) Sean rode through the maze quite recklessly, as John had done it so the night before. (47a) 'Paul came riding up on a white stallion, and he did it so to excite the villagers. As will be shown below, this structure is not essential to the conclusions drawn later on. The sentences were listed on the test in this order: 4c, 3d, 5b, 3c, 5d, 4a, 3b, 4d, 5a, 4b, 5c, 3a.
86
Charles-James N. Bailey Sentence:
5d
5c
4d
4c
4b
4a
5b
3c
3a
3b
3d
5a
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F1" Tab. 1: Data analysis showing ten patterns. Deviations are circled; the data are 91.4% scalable or regular. 5d and 5a have only one deviation, while 5b has five.
Data Variation and the Validity of Abstract Syntactic Structures
87
On the basis of previous studies of variation, the writer predicted that the number of possible patterns would not be the mathematically possible n, but rather 12 + 1 (the null pattern), because it was expected that the acceptance of any given sentence would imply or entail the acceptance of another. The variations with but, and, it, and so were included to determine whether these items affected the patterns; it turned out that they did not, and that no sure implications among these items could be detected. It should be noted that the items in (5) differ structurally among themselves in such a way that they need not be expected to group together in the same manner as the items in (3) and (4).4 The results are shown in Table 1, where a score of either 3 or 4 is counted as a plus and a score of either 1 or 2 is counted as a minus. In the administration of the test, the thirty students (non-native speakers of English were excluded) were urged to give their most natural answers without being influenced by what they thought someone else (e. g. a teacher) might regard as the best answer.5 In order to understand the implications that emerged from the analysis of these data, the following abstract pattern may be given:
Prop do
NPq
S,
rçPt
S2
Prop do
NPS
do
I
NPr
I
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NP„
NPU
NPV Paris
NP,
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S,
Pfop
AFFECT
NP.
NP.
Helen
NPW
/F\ I
give 4
5
NPU
NPW
it
Bouton ([1970): 2 6 - 3 3 ) shows that so in do so structures can have different interpretations; e. g. "therefore" and a sense with which the relative as is probably correlated. Table 1 shows that all testees except one and also those who could not say " N o " to any item rejected (5a), which seems to have an underlying structure similar to that of (5d) — which was accepted by every subject. Of eleven patterns (out of the predicted maximum of 13) which did occur — note the absence of a possible pattern between subjects 28 and 29 — the pattern shown
88
Charles-James N. Bailey
A simpler tree than the preceding would be:
OCCUR
S3
yesterday, tomorrow
AFFECT
S,
Helen
give
Paris
it
(Bailey, [1973] defends the derivation of the dative case from the underlying predicate [ + affectum].) 6 Three points can be made here: (i) The abstract verbs, O C C U R and AFFECT, (if they are present here) parallel give with respect to do so and do it. (ii) Note the different foci of (6) where the abstract verbs are present overtly: (7a) What occurred yesterday was that Paris gave it to Helen. (7b) What affected Helen (yesterday) was that Paris gave it to her (yesterday). (iii) These relationships of the data in Table 1 require explicit characterization: Accepting (3) implies accepting (4), and accepting (4) implies accepting (5c, d). Note that, if our underlying structure contains nodes Si, S3, and S 5 , we can state that the do so formation of (3) is at Si, that of (4) is at S 3 , and that of (5c, d) is at S 5 . Only in these terms, then, is it possible to state what is a generalization about English, according to the data of Table 1: (7) Accepting the replacement of an S by do so, do it at any point in the tree entails the acceptance of a similar replacement of any highter S node to which the do so or do it rule can apply. Note that the generalization is unaffected by whether the analytic structure of (1) is accepted or not. Only by seeking out the patterns in the acceptability variations can we confirm abstract structures like (6'). Though the utility of some acceptability variations is already known (cf. Lakoff, [1968]: 22), the detail of Table 1 and the above argumentation seem to present a more telling case than has been heretofore possible. Data variation can result not only from rule
4
by subjects 1 and 2 is most open to doubt. These subjects just could say " N o " to any item. While the [ + affectum] case is the direct object after an ordinary verb, it serves as the indirect object following an S that is the subject ([ - affectum]) of do. This analysis accords with our intuitions that an "indirect" object represents the entity affecting a whole sentence rather than simply its transitive verb predicate. This same indirect [ + affectum] can probably be used to get the possessive case when it is subordinated (relativized), rather than superordinated, as here.
Data Variation and the Validity of Abstract Syntactic'Structures
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differences and from different orderings of rules (Carden, [1970]), but also with respect to the points in a tree where a given speaker applies a given rule. It does not appear likely that Table 1 could be explained in terms of a tree less abstract than one that contained at least the nodes S l 5 S 3 , and S 5 . 7 Each theorist will of course hold his own views on the degree of abstractness which is defensible in linguistic analysis and the degree to which such analyses must be monostylistic (idiolectal). For all that, it might be well, in view of what has been said above, for those who favor abstract analyses not to assume that they are ipso facto incompatible with variable data. Similarly, those who favor the admission of variable data should not run to the opposite extreme of excluding the possibility of abstract representations simply because of their other concession or emphasis, as though the two were necessarily incompatible. In other words, the issues of empirical variation and analytical abstractness are separate, and their independent merits and demerits ought not to be thought of as entailing corresponding demerits and merits in the other. In at least the present instance, the relationship between variation and abstractness seems to be just the reverse of what many had assumed, since here variation confirms a degree of abstractness which otherwise could be confirmed by only the most subtle argumentation. The writer's personal view is that the natural history of the development of a structure can be and often is "telescoped" into (less natural and) more surfacy structures, which are what speakers have at their disposal when they display the ability to use a language. This seems especially clear to me in the case of but and although (see Bailey 1979). While the developmental analysis is necessary to any attempt to explain why the presence of but implies the presence of although in a language, it seems highly unlikely that speakers and listeners have the relevant abstract structures at their disposal when they use language. Yet the evidence (see Bailey 1979 and references cited there) for the development in question in languages aborning cannot be denied. The developmental history of the indirect object has vestiges in languages where " t o " is the word for "give"; but it can hardly persist in the grammar of today's speaker of English. At some point in the development of linguistic structures, they seem to become so abstract that telescoping occurs. This kind of re-structuring is found in both the sound system and the syntax. But the implicational
7
Of course, the correct tree has to be much more abstract than (6), if one pursues abstractness to its logical extreme. But of course there is a real question as to the degree of psychological reality than can be claimed for each degree of abstractness. Further research is required to settle such questions.
90
Charles-James N. Bailey
patterning exhibited by do so seems to require some vestige of the developmental pattern if it is to continue being realized. How this is done is something I must leave to the psycholinguists to clarify. References Anderson, Steve (1967): "How do so does so." (Duplicated.) Bailey, Charles-James N. (1973): "Deriving conjunctions, manner adverbs, prepositions, and the oblique cases from underlying predicates." Language and Linguistics Working Papers 7. Georgetown University Press, Washington, pp. 8 2 - 1 1 1 . Bailey, Charles-James N. (1979): "Why but implies although: a functional approach." Studies in diachronic, synchronic, and typological linguistics, (ed.) B. Brogyanyi. Amsterdam: John Benjamins, pp. 71 — 85. Bouton, Lawrence F. (1970): "Do so: do + adverb, in Studies presented to Robert B. Lees by his students." In: Jerrold M. Sadock and Anthony L. Vanek (ed.), Papers in linguistics monograph series 1. Linguistic Research Inc., Edmonton, Inc.. pp. 17 — 38. Carden, Guy (1970): Logical predicates and idiolect variation in English. (Report NSF25.) The Aiken Computation Laboratory, Harvard University, Cambridge. Elliott, Dale/Stanley Legum/Sandra Annear Thompson (1969): "Syntactic variation as linguistic data." In Papers from the fifth regional meeting, Chicago linguistic society, April 1 8 - 1 9 , 1969, (eds.) Robert I. Binnick / Alice Davison / Georgia M. Green/ Jerry L. Morgan. Department of Linguistics, University of Chicago, pp. 52 — 9. Fillmore, Charles J. (1970): "On generativity." Working papers in linguistics 6. pp. 1 — 19. (Technical report 70 — 12.) Computer and Information Science Research Center, The Ohio State University, Columbus. Lakoff, George (1968): "Pronouns and reference." (Duplicated by the Linguistics Club, Indiana University.) Lakoff, George/John Robert Ross (1966): "Criterion for verb phrase constituency." (NSF-17, pp. II-l-ll.) The Aiken Computation Laboratory, Harvard University, Cambridge. Ross, John Robert (1975): "Act." In: Donald Davidson & Gilbert Harman (ed.): Semantics of natural language. (2nd Ed.). Reidel, Dordrecht, pp. 70 — 126.
Kulturanalyse und Sprachwissenschaft UTZ MAAS, O s n a b r ü c k
1. H e l m u t Schnelle h a t sich w i e d e r h o l t zur Systematik der s p r a c h w i s senschaftlichen Disziplin g e ä u ß e r t . W e n n er a u c h für eine enge g r a m m a t i k t h e o r e t i s c h e E i n g r e n z u n g des linguistischen Arbeitsfeldes plädiert, so w a r er d o c h i m m e r offen für „ u n k o n v e n t i o n e l l e " A n s ä t z e , die nicht zuletzt in der b e w e g t e n Berliner Z e i t v o r 1 5 J a h r e n in i h m einen kritischen Gesprächspartner h a t t e n . D a h e r scheinen mir a n diesem O r t einige m e h r thesenartige Ü b e r l e g u n g e n zu e i n e m A n s a t z a u ß e r h a l b der m a i n s t r e a m - L i n g u i s t i k erlaubt: zu der kulturanalytischen Vorgehensweise in der S p r a c h w i s s e n s c h a f t 1 . D i e E t i k e t t i e r u n g greift b e w u ß t zurück a u f einen k o m p l e x e n Begriff, der besser in die relativ gering differenzierte wissenschaftliche Diskussion des 1 9 . J h d s . p a ß t als in die g e g e n w ä r t i g e : Kultur ist ein „ g a n z h e i t l i c h e r " Begriff, ebenso w i e der weitgehend s y n o n y m e der „ L e b e n s w e i s e " * . Aus dieser älteren Diskussion s t a m m t a u c h T y l o r s
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Die Überlegungen hier resultieren einerseits aus dem Unbehagen an der Geschäftigkeit neuer Bindestrich-Linguistiken in den letzten Jahren, andererseits aus dem Versuch, eine theoretische oder doch methodische Begründung für mehrere empirische Arbeitsvorhaben zu finden, die an der Universität Osnabrück unternommen werden. S. dazu jetzt die Beiträge in Heft 13/1983 „Sprachwissenschaft und Kulturanalyse" der Zeitschrift Sprache und Herrschaft (Wien). Die derzeitige Diskussion, gerade auch die „kulturtheoretische" zeichnet sich nicht gerade durch wissenschaftsgeschichtliche Bewußtheit aus. Da es modisch ist, den auch hier von mir bemühten „weiten" Kulturbegriff als Innovation zu betrachten, wenn nicht sogar als „kritischen" auszugeben (meist in Verbindungen wie „Alltagskultur", „Kultur von unten" u. dgl.), sei hier eine kurze Anmerkung zur Begriffsgeschichte erlaubt. Der etymologische Kern liegt bei dem lateinischen Verb colo, dessen auf die materielle Reproduktion in agrarischen Gesellschaften bezogener Sinn auch im verwandten griechischen boufeö/os „Rinderhirt" faßbar ist. Colo steht für Arbeit, gesellschaftlich geformte Tätigkeit - im Gegensatz zum alleinigen Wirken von Naturkräften. Im Maße gesellschaftlicher Differenzierung differenzierte sich auch das mit Kultur im Gegensatz zur Natur zu fassende: Vom Ackerbau (colo „pflügen") und der Besorgung des Viehs, zur Einrichtung der Wohnung („Kolonie"), zur spielerischen Gestaltung etwa der Kleidung („¿«/tivierter Geschmack"), schließlich der religiösen Vorsorge („Kult") und der geistigen Arbeit generell — bei den klassischen Autoren dient das Verb dazu, jede Art von Praxis, das Leben von bestimmten gesellschaftlichen Lagen auszudrücken. Die deverbalen Formen (cu/tus,
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Utz Maas
Definition von Kultur, die bis heute die angelsächsische „Kultur"anthropologie bestimmt: „Kultur oder Zivilisation, im weiteren ethnographischen Sinn verstanden, ist jenes komplexe Ganze, das das Wissen, den Glauben, die Kunst, die Moralauffassung, die Gesetze, die Sitten und alle anderen Fähigkeiten und Gewohnheiten umfaßt, die sich der Mensch als Mitglied der Gesellschaft aneignet" (Tylor [1871]). Wie das Zitat es selbst mit dem Hinweis auf den „ethnographischen Sinn" ausdrückt, charakterisiert diese Definition eine empirische Forschungspraxis, die damals als gesellschaftlich organisierte bzw. institutionalisierte bereits eine 100jährige Tradition hatte: Als Exploration neuer Welten aber auch des „Hinterlandes" der alten Welt. Dem expandierenden Kapitalismus war eine homogenisierende Weltsicht kongruent — die Welt als Material für das Projekt der bürgerlichen Gesellschaft, genannt: Zivilisation; die Kultur- (oder auch: Sozial-)Wissenschaft als Instrument zur Realisierung dieses Projektes, zum Ausloten der Möglichkeiten wie der Widerstände. Die großen imperialistischen Krisen der letzten 100 Jahre haben diese optimistische intellektuelle Grundhaltung zerstört — die mit diesen Krisen synchronen Bemühungen um eine Kulturtheorie können als Versuche gelesen werden, die Krise des Kapitalismus zu denken: Fast durchgängig mit dem pessimistischen Grundtenor der Zivilisationskritik. Diese wissenschaftsgeschichtlichen Zusammenhänge sollten hier wenigstens erwähnt werden, da sie auch den Beziehungsrahmen für eine kulturanalytische Sprachwissenschaft abgeben. Der Rückgang auf die Tylorsche Kulturdefinition kann den Ausgangspunkt für die folgenden Überlegungen bilden. In ihr sind zwei Momente zusammengedacht, die in der folgenden wissenschaftlichen Entwicklung auseinandergefallen sind: a) die deskriptive Maxime, relativ zu jeder untersuchten Gesellschaft ihre Kultur(en) als eigenständige Struktur(en) zu fassen; b) die Prämisse eines einheitlichen Zivilisationsprozesses, dessen Entwicklungen von den jeweiligen Gemeinschaften bzw. ihren Mitgliedern relativ zu ihrem Entwicklungsstand anzueignen sind (Gegenstand von Tylors Interesse war die „Primitive Kultur", wie der ursprüngliche Titel seines erwähnten Buches besagt.) cul tun) können die Praxis selbst ausdrücken - oder ihre Objektivationen; bei ihnen findet sich schon früh (wieder bei den klassischen Autoren: Cicero, Sallust) eine Wertakzentuierung — je nach Position des Autors im Gegensatz zur naturhaften Existenzweise der Bauern, aber auch als mißbilligte Form luxuriösen Lebens. An diese Wörterbuchzusammenhänge zu erinnern, ist allein schon deswegen nötig, weil die Texte aus dem 19. Jhd. und wohl auch noch bis in die Mitte dieses Jhds. sie im Sinne der humanistischen Schulbildung ihrer Autoren selbstverständlich voraussetzen.
Kulturanalyse und Sprachwissenschaft
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Die angelsächsische Kulturanthropologie entwickelte sich im Sinne der ersten Bestimmung (a) fort, und der Gesichtspunkt (b), bei Tylor ganz offensichtlich von der damaligen deutschen Völker- bzw. Volkskundediskussion geerbt, wird im Bemühen um methodische Rigorosität verdrängt. Ergebnis davon sind funktionalistische bzw. strukturalistische Entwicklungen, für die nicht operationalisierbare Fragen nach dem zivilisatorischen Prozeß nur noch als unseriös angesehen werden können. Die moderne deskriptive Linguistik, die in den 20er Jahren in den USA als disziplinarer Bestandteil eben dieser Kulturanthropologie entstanden ist, galt und gilt nicht von ungefähr als ihre Krönung. Das zweite Moment in Tylors Kulturdefinition wird aufschlußreich in den Arbeiten von Alfred Weber weiterverfolgt: Weber löste gewissermaßen das Dilemma von zivilisatorischem Projekt der bürgerlichen Gesellschaft und Zivilisationskritik durch die Unterscheidung von Kultur und Zivilisation-. Zivilisation bezeichnet für ihn die Entwicklung der Arbeit, die Formen der materiellen gesellschaftlichen Reproduktion, die einem fortschreitenden Prozeß der Rationalisierung unterworfen sind. Kulturelle Leistungen sind demgegenüber zweckfrei und auch nicht unter einem Entwicklungsgesichtspunkt zu betrachten, obwohl sie nur durch die jeweilige Entwicklung der Zivilisation möglich werden; sie sind vielmehr gebunden an einen letztlich irrationalen kreativen Prozeß auf Seiten der Kulturträger und stehen so in kritischer Spannung zu der Nur-Zivilisation. Unter dem Vorzeichen einer elitären Distanz von der Massenzivilisation (und letztlich wohl: der Furcht vor dem „Gespenst" des Sozialismus) verweigert sich hier die Theorie einer deskriptiven Verdoppelung ihres Gegenstandsbereiches: Denken wird als Kritik verstanden — und insofern halte ich den Rückgang auf diese Tradition für geboten. Kulturanalyse, wenn nicht die Sozialwissenschaft überhaupt, ist durch ein kritisches Verhältnis zum bürgerlichen Projekt der Zivilisation zu definieren - nicht in der Weise platter Kritik, die das Projekt ablehnt, sondern die kritisch die ungenutzten bzw. pervertierten Potentiale in der bisherigen Realisierung des Projektes auslotet. 2. Für den weiteren Fortgang der Überlegungen ist es nötig, das bisher schon implizierte Verhältnis von Sprache und Kultur explizit zu machen. Im Sinne der Tylorschen Definition können wir Kultur als Aggregat gesellschaftlich vorgegebener Formen begreifen, in denen die Mitglieder der jeweiligen Gesellschaft ihre Praxis gestalten (bzw. gestalten lernen). Das konkrete Handeln ist, wie wir terminologisch festhalten wollen, kulturell artikuliert — kulturelle Formen sind als Strukturen der Handlungen (eben als ihre Artikulationen) faßbar. Das gilt so für Sprechhandlungen genauso wie für das Essen, das Tanzen,
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das Häuserbauen, generell die Arbeit — aber mit der Besonderheit, daß die Rede für manche andere Handlungen konstitutiv ist oder sie doch wenigstens begleitet. Das verweist nun darauf, daß Sprache nicht unter eindeutigen Zweckgesichtspunkten „abgeleitet" werden kann. Für die Zwecke der Argumentation mag es genügen, von der schon im 19. Jh. traditionellen Unterscheidung der Sprachtheorie bzw. Anthropologie auszugehen, nach der Sprache a) in kommunikativer b) in expressiver Hinsicht thematisierbar ist. Die Unterscheidung ist analytisch — empirisch sind rein expressive bzw. rein kommunikative Akte nicht möglich. Auf die Probleme dieser Unterscheidung will ich hier nicht weiter eingehen — es mag genügen, als operationales Kriterium der kommunikativen Akte semantische Relationen anzugeben, die für expressive Akte nicht definiert sind: expressive Akte sind nicht paraphrasierbar, aus ihnen sind keine Folgerungen zu ziehen u. dgl. Dabei verwende ich hier „kommunikativ" undifferenziert für alle Formen des Verkehrs, seien sie erotischemotional bestimmt oder Regelungen kognitiv gesteuerter Aufgaben im Rahmen gesellschaftlicher Arbeitsteilung; „expressiv" ist bezogen auf die Identifikation und Abgrenzung einer Gemeinschaft in der ihr eigenen Artikulation von Handlungen. Beide Bestimmungen beziehen sich auf Sprache als Verkehrsform einer Gemeinschaft. In diesem Rahmen kann es nicht um die Frage einer anthropologischen Begründung des zugrundeliegenden Sprachbegriffes gehen. Wichtig ist aber die Unterscheidung zwischen den gegebenen Verhältnissen, mit denen das einzelne Individuum ebenso wie die soziale Gemeinschaft, zu der es gehört, konfrontiert wird — und dem, was es bzw. die Gemeinschaft daraus machen. Zu den gegebenen Verhältnissen gehört auf Seiten des Individuums auch seine psychophysische Ausstattung: Sie ist das Potential für die gesellschaftliche Ausbildung der Person, die in den kulturellen Formen geschieht — eben durch deren Aneignung. Sprache, sowohl als Form der Kommunikation wie als Ausdruck von Zugehörigkeit zur Gemeinschaft, ist der Personwerdung vorrangig — als kulturelle Struktur, in die das Kind hineingeboren wird, in einer jeweils historisch bestimmten Form. 3. Ein Schlüssel zu einem kulturanalytischen Sprachverständnis liegt, wie die Tylorsche Definition zeigt, im Aneignungsprozeß, in dem sich zugleich die Personwerdung vollzieht. Indem das Kind zunehmend umfassendere Handlungsweisen entwickelt, um seine Umgebung unter Kontrolle zu bringen, erwirbt es seine Autonomie, wird es zum Subjekt. Was als Spracherwerb bezeichnet wird, ist ein zentrales
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Moment dieses Prozesses. In der „vorsprachlichen Phase" des ersten Lebensjahres verschafft sich das Kind die Formen der Kontrolle mithilfe seiner organischen Ausstattung: Zunächst mit dem Mund, dann zunehmend differenzierter mit der Hand zerlegt es Gegenstände, faßt mehrere zusammen — kurz es stellt selbst Zusammenhänge her, die unabhängig von seiner Manipulation nicht bestehen. Mund und Hand sind die materielle Grundlage dieser wörtlich begriffenen Zusammenhänge — sie sind gewissermaßen Urformen von Symbolen, jedenfalls übernehmen sie symbolische Funktionen im Aneignungsprozeß. Von Symbolen im eigentlichen Sinne wird man erst da sprechen, wo diese eine konstante symbolische Funktion, unabhängig von einer zufälligen Handlung haben. Diese konstante Funktion übernehmen nun lautliche Gesten, mit denen schon vor der Entwicklung intellektueller Operationen soziale Beziehungen gestaltet wurden (Kontaktaufnahme, Liebesbezeugungen u. dgl.). Diese lautlichen Gesten sind durchaus leibnah — aber eben doch nicht mehr an den Körper gebunden, sie sind sozial. Mit diesen sozialen Gesten werden dem Kind die sozialen Handlungspotentiale seiner Umgebung in einer Weise zugänglich, die in einem „spontanen" Entwicklungsprozeß unerreichbar wäre. Die Strukturen des Aneignungsprozesses sind kulturell bestimmt gebunden an einen Entwicklungsprozeß, der über die biologische Entwicklung (Ausbildung der Motorik) und ihre Steuerungsprozesse (Kontrolle des Gleichgewichtes usw.) zur Kontrolle des physischen Umfeldes führt (vom bewegbaren Objekt „Säugling" zum sich selbst bewegenden krabbelnden Kleinkind), schließlich personengebundene Handlungsweisen ermöglicht und damit die Person als reale Kategorie entstehen läßt: Das Kind wird nicht nur verlassen, gesucht usw. — es kann sich auch selbst entfernen, suchen lassen; es kann sich als eindeutig abgegrenztes Individuum entfalten und damit überhaupt erst die Voraussetzungen (und Bedürfnisse) für gezielte Kommunikation schaffen. Alle Verhaltensweisen, die diesen Entwicklungsprozeß ausmachen, auf Seiten der Eltern wie des Kindes selbst, sind kulturell artikuliert: In der frühen Entwicklungsphase sind sie z. B. in hohem Maße abhängig davon, wieweit die Umgebung dem Kind Spielraum zum Explorieren gibt — abhängig von den materiellen Wohnungsverhältnissen, abhängig nicht minder aber von dem Gebrauch, der von den räumlichen Verhältnissen gemacht wird: für den Aneignungsprozeß des Kindes ist es wichtig, mit welcher Art von Gegenständen es konfrontiert wird, welche ihm als „zu wertvoll" vorenthalten werden, welche ihm ängstlich entzogen werden usw. In diesem kulturell bestimmten Prozeß, abhängig von sozio-ökonomischen Randbedingungen, stehen die lautlichen Gesten und die mit ihnen später entwickelte Sprache - die so erst recht kulturell artikuliert sind.
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Die kulturelle Vorgängigkeit der angeeigneten Handlungsweisen bestimmt den Lernprozeß unmittelbar: Die Bedeutung sprachlicher Handlungen besteht für das lernende Kind zunächst nur in der gemeinsamen Situation mit Erwachsenen bzw. entwicklungsmäßig fortgeschrittenen Kindern — der Sinn seines Lernprozesses besteht eben darin, sich die Bedeutung seiner Handlungen anzueignen, die es individuell (noch) nicht produzieren kann. Der Aneignungsprozeß ist also ein unmittelbar sozialer: Die Asymmetrie in der Beziehung der daran Beteiligten ist ihr Motor — wobei die weiter als das Handlungspotential reichende Wahrnehmungsfähigkeit des Kindes in seiner Analyse des Verhaltens der Fortgeschrittenen (und des gemessen daran defizitären eigenen Verhaltens) die jeweilige „Zone der nächsten Entwicklung "(Vygotski) bestimmt. Festzuhalten ist hier, daß der Spracherwerb Moment eines kontinuierlichen Prozesses der Auseinandersetzung mit der Umwelt ist — ein Prozeß, mit dem sich nicht nur das kindliche Handlungspotential entwickelt, sondern auch sein Verhältnis zu den anderen und sich selbst. Die eben angesprochene Differenz vom Wahrnehmungs- und Handlungspotential verweist darauf, daß der Aneignungsprozeß reflexiv verläuft. Jüngere Kinder orientieren sich früh schon an älteren (nicht zu alten: sondern gewissermaßen an solchen auf einer potentiell erreichbaren Stufe); sie lachen und machen Witze über das Verhalten kleinerer Kinder, das gewissermaßen anschaulich noch die gerade überwundenen eigenen Schwierigkeiten spiegelt. Kindliche Spiele sind Ausdruck dieser reflexiv bearbeiteten Spannungen des Aneignungsprozesses: Sowohl in dem eingenommenen Freiraum des So-tun-als-ob, in dem von den faktischen Zwängen weitgehend entlastet die Formen entwickelteren Verhaltens exploriert und eingeübt werden können, wie in der Freude am Immer-wieder-tun, die den Stolz auf die erlangten Kontrolle über die im Spiel gemeisterte Schwierigkeit demonstriert. In diesen Spielformen spiegeln sich die kulturellen Verhältnisse, die die Kinder bemüht sind sich anzueignen. Eine zentrale Bedeutung kommt der Schrift zu — die Auseinandersetzung mit ihr, die Entwicklung eines aktiven Verhältnisses zur Schrift beginnt für Kinder von Intellektuellen nicht selten bereits in der vorsprachlichen Phase, in der sie, entsprechend der zentralen Funktion, die Gedrucktes im Alltag der Eltern hat, Zeitungen und Bücher durchaus anders behandeln als andere Gegenstände. So entwickeln sich kulturspezifisch unterschiedliche Haltungen zu dem ausgezeichneten Terrain der Zivilisation, der Schriftsprache — und zu ihrem institutionell gesteuerten Erwerb. Für die Kinder, die vorschulisch die Voraussetzungen, insbesondere die erforderliche positive Haltung dazu entwickelt haben, stellt das Schreiben- und Lesenlernen nicht nur den Eintritt in die „ernsthafte"
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Erwachsenenwelt dar, der Lernprozeß selbst revolutioniert auch ihr Verhältnis zur Sprache (und den darin bewerkstelligten Leistungen). Das erfolgreiche Schreibenlernen verlangt einen bewußten Bezug auf den formalen Prozeß des Sprechens, die Entwicklung von Kontrollund Überwachungsfunktionen, die zwar schon im vorschriftlichen Spracherwerb angelegt sein müssen (wo sie sich insbesondere in spielerischen Formen formaler Sprachreflexion wie bei rhythmischem Sprechen, Reimen, Kalauern u. dgl. ausdrücken), die aber doch erst auf diesem Weg voll ausgebildet werden. Charakteristischerweise kehrt sich in der Regel mit der für den Schrifterwerb erforderlichen habituellen Aufmerksamkeit auf das eigene Sprechen auch das Verhältnis von Produktion und Wahrnehmung um: Wie die Schwierigkeiten des Fremdsprachlernens zeigen, fällt Erwachsenen oft auch schon die Wahrnehmung von Aussprachunterschieden gegenüber ihrer eigenen Sprechweise schwer. Ein weiterer dramatischer Einschnitt bildet die Pubertät, die geradezu durch den bewußten Prozeß der Auseinandersetzung mit der Umwelt definiert werden kann — nicht zuletzt mit der bewußten Gestaltung (Stilisierung) der Sprachpraxis, insbes. dem „Ausleihen" von Ausdrucksformen u. dgl. 4. Kulturanalyse ist eine historische Unternehmung: Ihr Gegenstandsbereich ist die jeweils historisch bestimmte Praxis, d. h. bei der kulturanalytischen Sprachwissenschaft die Sprachpraxis. Gegen milieutheoretische Prämissen der sozialwissenschaftlichen Diskussion, wie sie insbesondere auch die Soziolinguistik prägen, ist an einem Verständnis von Praxis festzuhalten, das darin nicht (nur) den Wiederholungszwang der Verhältnisse sieht, sondern auch die objektive Möglichkeit, wenn nicht gar den subjektiven Versuch oder doch die Hoffnung des Andern, der Veränderung. Zu den Randbedingungen der Praxis gehört ihre Regulierung durch die gesellschaftlichen Institutionen, ihre gesellschafliche Integration. Bezeichnen wir die Form der Praxis als Kultur, so kommen wir entsprechend der widersprüchlichen Organisation der gesellschaftlichen Reproduktion zu mehreren bzw. widersprüchlichen Kulturen in einer Gesellschaft. Bestimmend für die bürgerliche Gesellschaft ist es, daß diese Vielfalt nicht einfach additiv ist, sondern daß es zu einer kulturellen Überdetermination der konkreten Praxis kommt, die gewissermaßen polyphon wird - kulturell mehrfach artikuliert, wie es bei dem kulturanalytischen Ansatz des Birminghamer Center for Contemporary Cultural Studies heißt. Um das jetzt vielleicht bekannteste Beispiel dieser Analyse zu nehmen: Die von Paul Willis (1979) untersuchten Jugendlichen verhalten sich zu der Gesellschaft als Ganzem, in die sie sich durch ihre schulverweigernde Praxis als
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unqualifizierte Arbeiter selbst eingliedern — aber sie verhalten sich insbes. auch zu ihrer Klasse, deren Wertsystem „Maskulinität" sie in der rebellischen Praxis ausagieren. Praxis ist das, was die Individuen aus ihren vorgefundenen Bedingungen im Rückgriff auf die ihnen zugänglichen kulturellen Muster machen: Die Art wie sie sich die vorgegebenen Räume (Straße, Schule, Fabrik, Büro ...) aneignen, aus dem Material des Alltags (Kleidungsstücke, Nahrungsmittel, Musikangebot ...) ihren Stil formen. Die Praxis ist nicht losgelöst von ihrem Rohmaterial: Dieses eröffnet ihr vielmehr Gestaltungsmöglichkeiten, begrenzt sie aber auch. 5. Kulturanalyse ist aber nicht nur eine Frage des Gegenstandsbereiches, sondern auch des Zugangs: Das klassische Methodeninstrumentarium dient der Analyse von Spuren historischen Handelns, seinen Objektivationen bzw. in der philologischen Tradition der Sprachwissenschaft: der Analyse von Inskriptionen sprachlichen Handelns. Der kulturanalytische Zugang zielt dagegen auf die historische Praxis selbst, und zwar zielt er als analytischer Zugang (im Gegensatz zur reinen Ethnographie) auf die Explikation der Strukturen, in denen die Handlungen artikuliert sind. Bei den bisher unternommenen Arbeiten in dieser Richtung hat sich das Anspielungskonzept als wichtiger Gegenbegriff zu den formalen Kategorien der Grammatiktheorie erwiesen — auch wenn es vorerst einen noch mehr heuristischen Status hat (s. Januschek/Maas, [1981]). Sein methodischer Status kann im Rückgriff auf das Homologiekonzept der Sozialwissenschaften näher bestimmt werden 3 : Homologie expliziert das Gleicherleben verschiedener Situationen. Sie definiert eine Beziehung zwischen den Strukturen der jeweiligen Praxen, die diese für die Subjekte wiedererkennbar machen: Als in gewisser Hinsicht gleich artikuliert. Homologie ist insofern ein umfassendes Konzept, das Strukturbeziehungen bei impliziten Bedeutungen erfaßt (in den Alltagsgesten und -ritualen) wie auch bei expliziten, sprachlich artikulierten Bedeutungen. Homologiebeziehungen sind Formen, in denen die vorgefundenen kulturellen Muster zur Artikulation ihrer Handlungen von den Subjekten gelebt werden. Sie sind dennoch nicht auf die idiosynkratische Ebene von „Konnotationen" abzuschieben, sondern als solche bestimmt durch die materiellen Lebensumstände, also gesellschaftlich definiert (die Auszeichnung der Körperlichkeit, wie sie in Willis' 3
So in der strukturellen Anthropologie, von Lévi-Strauss, vor allem aber in den Arbeiten des Birminghamer Centre for Contemporary Cultural Studies, s. dazu meinen Literaturbericht (Maas, [1980]).
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Analyse „maskuliner" Stilbildungen männlicher Arbeiter jugendlicher zentral ist, ist nicht zufällig) — und die Auseinandersetzung mit den herrschenden Diskursformationen (etwa den Definitionen bzw. Attribuierungen der Massenmedien). Homologien sind Explikationen des Sinnes, den die Subjekte ihrem Leben geben, das sie mit vorgefundenem Rohmaterial, in vorweg definierten Handlungsmustern leben. Das Homologiekonzept ist insofern gegen einen auf die unmittelbaren Beobachtungen reduzierten kruden Determinismus gerichtet, wie er vor einiger Zeit auch in der Soziolinguistik gängig war. Dort fanden sich formale Analogieschlüsse der Art: Am Arbeitsplatz der Handarbeiter machen Maschinen so viel Lärm, daß nicht geredet wird — ergo: auch in der Freizeit wird nicht geredet — ergo: Arbeiterkinder haben nicht die Möglichkeit, eine „elaborierte" Sprache zu entwickeln. Gegenüber derartigen Positivierungen der analytischen Terme liegt der Akzent hier bei den Strukturen der in eine homologe Beziehung gesetzten Praxen 4 : Das Wiedererkennen, mit dem ich oben „Homologie" umschrieben habe, ist nicht das eines Sammlers, der in seiner Sammlung eine Doublette findet, sondern die gelebte Kongruenz in unterschiedlichen Situationen. Um den Topos der Soziolinguistik zu paraphrasieren: Die Erfahrung von Abhängigkeit am Arbeitsplatz in der mechanisch strukturierten Arbeit, die Reproduktion des Lebens in toter Zeit strukturiert die Erfahrung auch in der Freizeit — bzw. die Antizipation des „Jobs" bestimmt das Leben der Arbeiterjugendlichen (s. Willis [1979]). Homologie drückt die Kongruenz der material heterogenen Erfahrungen aus: eben den Sinn des Lebens. Artikuliert wird dieser Sinn in den Sti/bildungen, die soziale Identitäten ausdrükken. 5 Der synthetisierenden Leistung des Subjekts steht als relationaler Term das „Rohmaterial" gegenüber, in dem seine Praxis artikuliert ist — eben nicht als absoluter Term mit „natürlichen" Konnotationen. Das Material, in dem das Leben gelebt wird, ist immer schon sozial strukturiert, hat Bedeutung: Die materiellen Requisiten werden als Waren vom Markt bezogen, die Stilbildungen operieren mit Definitionen der Massenmedien, die Sprache ist in soziokulturell differenzierten Registern vorgefunden. Schließlich ist auch das Leben, das in diesem Rohmaterial gelebt wird, sozial definiert: als „Karriere" in den
4
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— die auf der positiven, materiell faßbaren Beobachtungsebene beziehungslos erscheinen können; vgl. dazu etwa die Analysen von P. Willis (1981), der in diesem Sinne zwischen der deskriptiven Ebene des Indexikalischen und der analytischen des Homologischen unterscheidet. Im Zusammenhang mit dem Erfahrungsbegriff wäre es hier nötig, die Differenz von Produktion und Aneignung von Erfahrung einzuführen (s. Maas, [1976]) — das muß aus Platzgründen unterbleiben.
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Apparaten Familie, Arbeitsplatz, Peer-Group usw. In beiden Fällen handelt es sich aber nicht um „ruhende" Pole, sondern um Spannungsfelder, die von dem Grundwiderspruch kapitalistischer Gesellschaftsverhältnisse durchzogen werden: Befriedigung von Bedürfnissen und Reproduktion der Warenproduktion; sich versichern, sozialer Kongruenz und Fremdbestimmung über die Massenmedien; sich verständlich machen und artikuliert werden — und auf der anderen Seite: Behaupten eines Terrains, Geltendmachen eigener Werte, Qualifikationen und Reproduktion von Herrschaftsbeziehungen, die mit diesen Apparaten aufgespannt werden. Die Weisen, wie diese Widersprüche gelebt werden, sind letztlich das Material der Homologien, die die Lebenspraxis strukturieren. Dabei ist eine „sinnvolle" Synthesis mit durchaus gegensätzlicher Akzentsetzung möglich: Sowohl oppositionelle wie integrative Akzente können die Artikulation der Praxis bestimmen. Die Synthesis der gelebten vielfältigen Erfahrungen ist auf symbolische Operationen angewiesen: Das ist der Zusammenhang von Sprache und Erfahrung. Gelebte Erfahrung, auch gelebte Hoffnung ist symbolisch an einen Ausdruck gebunden, der sie auch in einem anderen Erfahrungszusammenhang präsent sein läßt. Die Anspielung ist eine Operation, die genau das leistet: Gewissermaßen als Fähre zwischen den Ufern verschiedener Erfahrungszusammenhänge verbindet sie diese in einer Homologiebeziehung (und zwar sowohl in der Synthese einer Biographie wie als einheitsstiftende Prämisse sozialer Mobilisierung). Der Schematismus der Anspielung ist so explizit einer logischen Operation wie z. B. der Subsumption entgegengesetzt: Die verknüpften Erfahrungen werden nicht als gleich klassifiziert, sondern als verschieden gelebt. Das macht die Anspielung zu einer zentralen Kategorie der historischen Sprachpraxis. Dieser Schematismus erlaubt es, in die historische Sprachpraxis bei der Auseinandersetzung mit den immer je anderen historischen Bedingungen gewissermaßen Traditionslinien einzuziehen — und zwar nicht nur in idiosynkratischer Beliebigkeit, sondern gebunden an symbolische Ausdrucksformen dieser Praxis, die gewissermaßen entlang dieser Traditionslinien vererbt werden. Bisher unternommene Analysen mit dieser Stoßrichtung haben notwendig eine historische Ausrichtung (in der Untersuchung von sozialen Bewegungen wie von deren Integration in die gesellschaftliche Reproduktion). Hier wird das Problem der sprachlichen Form noch genauer zu fassen sein: Jedenfalls ist die Synthesis der gelebten vielfältigen Erfahrungen da auf eine sprachliche Form verwiesen, wo sie expliziert werden muß, wo sie eine soziale Aktion organisieren soll (gegen den „stummen Zwang der Verhältnisse" versteht sich, der die implizite Reproduktion bestimmt). Grundlage einer solchen
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Explizierung ist die Aneignung gegenwärtiger Erfahrung mit einer sprachlichen Form, unter der eine vergangene Erfahrung angeeignet wurde — die Erfahrungen sind nicht die gleichen, aber das zu ihnen hergestellte Verhältnis ist ein einheitliches. Die Schwierigkeit kulturanalytischer Sprachwissenschaft besteht darin, nicht von der Kritik an dem ungenügenden Apparat der Grammatikanalyse zum Agnostizismus eines „alles ist im Fluß" zu kommen. Die „Traditionslinien" in der Erfahrung, mit denen diese expliziert werden, sind an formale Parameter gebunden — nur daß es sich dabei nicht um rituelle Wiederholungen nach dem Muster des philologisch korrekten Zitats handelt, sondern um „Anspielungen" aufgrund partieller formaler Übereinstimmungen. Was dabei als Ubereinstimmung gilt, ist nun aber wieder an die Bedingungen der jeweiligen historischen Praxis gebunden (entscheidend ist, ob eine Übereinstimmung als Homologie von den Akteuren gelebt wird — nicht ob sie einem sprachwissenschaftlich Ausgebildeten einleuchtet). Hier müssen die unternommenen empirischen Analysen zu einer weiteren Klärung der Begrifflichkeit, nicht nur der Anspielungskonzepte führen. Literatur Januschek, F./Maas, U. (1981): „Zum Gegenstand der Sprachpolitik: Sprache oder Sprachen": Osnabrücker Beiträge zur Sprachtheorie 18. pp. 64 — 95. Lévi-Strauss, C. (1968): Das wilde Denken. Suhrkamp, Frankfurt. Maas, U. (1976): Kann man Sprache lehren ? Syndikat, Frankfurt. Maas, U. (1980): „Kulturanalyse. Bibliographische Hinweise und Anmerkungen zu den Arbeiten des Birminghamer Centre for Contemporary Cultural Studies". Osnabrücker Beiträge zur Sprachtheorie 16. pp. 118 — 162. Tylor, E. B. (1871, ND 1970): The origins of culture. Smith, Gloucester (Mass.). Weber, A. (1951): Prinzipien der Geschichts- und Kultursoziologie. Piper, München. Willis, P. (1978): Spaß am Widerstand. Syndikat, Frankfurt. Willis, P. (1981): Profane culture, Syndikat, Frankfurt.
Umstrittene Linguistik: Sieben Thesen HELMUT LÜDTKE, Kiel
Die nachstehenden Überlegungen zur Wissenschaftstheorie der Linguistik sind bewußt knapp gehalten. Im ersten Abschnitt sind sie als Thesen formuliert, zu denen der zweite, etwas ausführlichere Teil die notwendigen Erläuterungen liefert. Ich bin mir darüber im klaren, daß trotzdem noch nicht jeder geschulte Linguist auf Anhieb alle Gedankengänge wird verstehen und nachvollziehen können, da diese zum Teil auf vorangegangenen Arbeiten von mir 1 aufbauen, deren Inhalt hier nicht erneut in extenso aufgenommen wird. Dasselbe gilt für sprachtheoretische Arbeiten anderer, deren Ergebnisse und Schlußfolgerungen in meine eigene Argumentation übernommen worden sind. Es schien mir sinnvoll, so zu verfahren, um denjenigen Lesern, die mit den in den einschlägigen Vorarbeiten niedergelegten Gedanken vertraut sind, Redundanz zu ersparen und das Auffinden bestimmter Passagen zu erleichtern. Thesen (1) Der Vormarsch der empirischen und der Rückzug der apriorischen oder spekulativen Disziplinen seit Kopernikus und Kolumbus macht auch vor der Linguistik nicht halt; sie muß ihre wissenschaftsgeschichtliche und -theoretische Position neu überprüfen und rechtfertigen. (2) Die herrschende Linguistik beruht auf jahrtausendelang ideologisch tradierter Grundlage ohne gesicherten Empiriebezug. (3) Der umgangssprachlich vorgegebene Begriff „Sprache" hat kein in sich einheitliches Denotat, das als Objekt einer wissenschaftlichen Disziplin fungieren könnte. (4) Die Erkenntnis, daß biologisches und physikalisches Geschehen auf zwei grundverschiedenen Organisationsprinzipien der Materie, einem dissipativen und einem konservativen beruhen, hat insofern Bedeutung für die Wissenschaftstheorie der Linguistik, als im sprachlichen Kommunikationsakt biologische Ursache (intrazereLüdtke, (1969); (1971); (1980 a); (b); (c); (d); (1982).
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brale Prozesse) und physikalische Wirksamkeit (Wechselwirkung zwischen menschlichem Organismus und Außenwelt) einen — zu entwirrenden — Komplex bilden. (5) Sprache muß als natürliches artspezifisches phonoakustisches, linear ablaufendes Kommunikationsverfahren des Homo sapiens begriffen werden — Schrift hingegen als Simulation von Sprache (mit den Mitteln der Malerei unter Wahrung der Linearität). (6) Die Natur der „sprachlichen Einheiten" muß in der Weise neu bestimmt werden, daß — unter Zugrundelegung empirischer Befunde — unterschieden wird zwischen Einheiten, die a) beim Kommunikationsprozeß identifiziert werden (intrinsische Einheiten); b) vor der Kommunikation bei Sprecher und Hörer vorhanden sein müssen, um solche überhaupt erst zu ermöglichen (apriorische Einheiten); c) bei der Kommunikation als solcher gar keine Rolle spielen, sondern erst aus der kommunikativen Erfahrung abgeleitet werden (aposteriorische Einheiten). (7) Sprachifande/ ist zu trennen von Sprachwechsel (Lj statt L;) und Interferenz (L; Q (ti, q) oder 71 Qß; P {r:q) > Q (Q, TC) oder Q Qn. Dem Bedenken, daß hierbei Fragen der Variablenbindung offen bleiben, stellen wir die Hypothese entgegen, daß die Wahrheitswerte der aussagenlogischen Korrespondenten hinreichende aber nicht notwendige Bedingungen der Falsifizierung zusammengesetzter Ausdrücke bzw. notwendige aber nicht hinreichende Kriterien der Wahrheit solcher Ausdrücke darstellen. 2.3 Höherstellig-relationierende Sylloga Hincha/Richter (1967) lassen die Möglichkeit offen, als weitere Sylloga Konstruktionen mit höherer Verbvalenz einzuführen. Betrachten wir hier demgemäß Konstruktionen mit bedingt obligatorischem Akkusativ- und Dativobjekt wie (Die Eindringlinge) P
(übergeben) q
(die Sklaven) r
{den
Herren) s
Als a-Verteilung ist auf der Linie der bisherigen Überlegungen eine Werteverteilung anzusetzen, die unter Bedingungen der Erfahrung der Eindringlinge, Sklaven wie auch Herren bei vermißter Erfahrung des Übergabeaktes F, sonst w hat. Hieraus resultiert die indefinite Version s [r -> (p -» q)] der kanonischen Entsprechung s : [ r : (P:q)]
(3)
wobei q den Korrespondenten der Verbform, p den Korrespondenten des Subjekts sowie r und s die Korrespondenten weiterer valenzgemäßer Nominalausdrücke bedeuten. (3) läßt wie (2) eine Rekonstruktion einschlägiger Oppositionen um invariantes q ungeachtet auch indefinit gegebener extensionaler Gleichheit der durch Permutation von Nicht-g-Ausdrücken erzeugten Varianten zu. Man überprüft dies unschwer an den insgesamt 6 Permutationen s : [r : (p:q)]; r : [s : (p:q)] = Die Eindringlinge übergeben die Herren den Sklaven; ...; p : [r : (s: q)] = Die Herren übergeben die Sklaven den Eindringlingen.
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Syllogum Redivivum
Die bisherige Kanonisierung scheint auch der Bedingung c von Def. 4 entgegenzukommen, denn wir können verallgemeinern wie folgt: Jede Erhöhung der Stellenzahl eines Syllogons um 1 führt in der kanonischen Form seiner HG-Entsprechung zur Präfigierung des je neuen Korrespondenten mit einem neuen Junktorparameter: Stellenzahl 1 1 3 4
p-.q r:(p:q) s :[r: (p:q)} t:{s:[r:(p:q)]}
Offenbar gilt r (p —* q) äq (p A r) -> q; s [r -* (p -* q)] äq (p A r A s) -* q; ..., d. h. die Möglichkeit der Verallgemeinerung bis zu einer beliebigen Stellenzahl x ergibt sich aus der aussagenlogischen Äquivalenz der hierarchisch gruppierenden Konditionale der indefiniten Entsprechung mit konjunktiven Ausdrücken7 '/{pi^q >=i
(*>l,eN)
(4)
In der soeben fixierten Rekursion impliziert eine je vorausgehende HG-Entsprechung in indefiniter Version tautologisch die folgende, wird aber in definiter Version von der folgenden impliziert. Diese gegenläufigen Folgebeziehungen stimmen gut zur Dualität von Vorhersage und Bericht wie übrigens auch zu der gelegentlich durch Homophonie verdunkelten (relativierten?) Statusverschiedenheit transitiver und intransitiver Verbformen. 3. Augmentierte
Grundformen
3.1 Passivkonstruktion mit „Tätersubjekt" Drücken wir die prima facie befremdliche Konkurrenz zweier „Subjekte", in „handelnder" (r) und in „leidender" Funktion (p), als einschließende Oder-Verbindung der indefiniten Entsprechungen zweier einstelliger Sylloga aus: (p q) v (r-+q), so haben wir in der Tat einen Ausdruck zur Verfügung, der äquivalent zu r -* [p q) 7
wird zur Notation eines Konjunktionsoperators verwendet: t= x
f\ pr. =
pl A
p2
A ...
A
pi A
... A
A px
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Helmut Richter
wie zu p —• (r —• q) ist. Demnach sei die kanonische Form des klassifizierenden Syllogons mit Tätersubjekt festgelegt als r:(p:q) (5) 3.2 Attribute zum Verb und Adverb Für welche Wahrheitswerte der a-übersetzten HG-Korrespondenten VOGEL, SING, MELOS läßt sich die in dem Satz Der Vogel singt melodiös involvierte Prognose anfechten? Sicher nicht bei Konkurrenz aller drei Erfahrungsmomente, aber auch nicht wenn der Vogel stumm am Bache sitzt, dessen Wasser melodiös rauscht. Anders als bei Der Vogel singt eine Melodie kann sich der HG-Defendent jetzt mit dem Argument rechtfertigen, mangels Gesanges müsse und könne die Frage von dessen Melos offen bleiben. Nach wie vor immun sind die Wertekombinationen mit VOGEL = F. Der Opponent kann nur gewinnen, wenn der Vogel zwar singt, sich dabei aber bloß ein unmelodisches Krächzen vernehmen läßt. Demnach ist eine HG-Entsprechung zur a-Verteilung des natürlichen Ausdrucks VOGEL (SING -> MELOS). Mit p für das Subjekt, q für die Verbform und r für das adverbiale Attribut des Verbs schreiben wir die kanonische Form der HG-Entsprechung dieser Konstruktion mit adverbialer Augmentierung p:(q:r) (6) In (6) ist der Subjektkorrespondent gleichsam mit einem Verbkompositum wie * melodiössingen jungiert wie beim einstelligen Syllogon mit einem einfachen Verb wie singen. Betrachtet man in (6) q: r, erkennt man darin die HG-Entsprechung eines Satzes wie Singen — genauer wegen der Präfigierung von p: Vogelsingen — ist melodiös. Damit jedoch ist man auf einen Parallelismus zwischen (implikationsinduzierter) hierarchischer Gruppierung und Prädikatsstufung gestoßen, der sich für adverbiale Augmentierungen des Verbattributs oder des adjektivischen Prädikatsnomens {Der Vogel singt / ist kaum unerwartet ziemlich schön) rekursiv fortsetzen läßt: Jede Erhöhung der Zahl adverbialer Attribute um 1 führt in der kanonischen Form der zugehörigen HG-Entsprechung zur Ersetzung des Zweitgliedes der innersten Parameter-Verbindung durch eine Parameter-Verbindung, deren Erstglied das ersetzte Zweitglied und deren Zweitglied der Korrespondent des neuen adverbialen Attributs ist: Prädikatsstufe 1 2 3 4
P 1 p (q:r) p [q • (r : s)] p
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Syllogum Redivivum
Offenbar gilt p -> {q -* r) äq (p A q) -* r\ ..., d. h. die Möglichkeit der Verallgemeinerung bis zu einer beliebigen Prädikatsstufe x ergibt sich aus der aussagenlogischen Äquivalenz der strukturbildend zugrunde gelegten Konditionale mit konjunktiven Ausdrücken8 i= x -
1
/\
qi
qx
(qo = Subjektkorrespondent; x > l , e N)
(7)
i= 0
3.3 Augmentierung durch präpositionale Ausdrücke Auch bei einer Konstruktion wie Der Vogel singt auf dem Bock besteht die für den Defendenten fatale Dialogspielposition in der Kookkurrenz von Vogel und Singen ohne Bock. Adverbiale Bestimmungen mit Präpositionalphrase verhalten sich wie Attribute zum Verb — gleichsam mit einem Verbkompositum *böcklingssingen analog '"'melodiössingen oder einer Aussage über Vogelsingen, sc. daß dieses auf dem Bock stattfindet. Die Strukturgleichheit von (7) mit (4) legt den Versuch nahe, transitive Par-force-Paraphrasen der Ausdrücke mit einer syllogischen Interpretation nach (6) zu bilden. Solche Paraphrasen wären „Der Vogel melodifiziert sein Singen", „Der Vogel bockt sein Singen auf" zu vorausgehenden Beispielen, mit Orts- und Zeitadverbien auch „Der Vogel vertagt sein Singen" zu Der Vogel singt morgen, „Der Vogel verjenseitigt sein Singen" zu Der Vogel singt drüben. Bei präpositionalen Attributen, z. B. das Haus (= p) auf (= a) dem Berge (= b), ist nach Richter/Hincha (1969) für die a-Übersetzung auszugehen von der Entsprechung ( P ^ a )
A
(p^b)
(8)
[z'si] auf wird durch einen somatozentrischen HG-Korrespondenten KOPF vertreten gedacht mit einer a-Übersetzung ,Du wirst dich in Richtung deines Kopfes bewegen / Du wirst dich am oberen Ende einer relevanten Dinganordnung befinden'. Wie (2) liegt (8) auf dem Wege einer relationentheoretischen Normierung; die HG-syntaktische Verknüpfung sprecherbezogener Elementaraussagen führt hier wie dort zur Referenz von Ausdrücken auf Sachverhalte, was in (8) mit dem Übergang von somatozentrischen zu absoluten Lagebeziehungen einhergeht. Fügt sich (8) in eine syllogische Interpretation von Sätzen wie Das Haus (= p) auf (= a) dem Berge (= b) verfällt (= q) ein? In der a-Verteilung des ganzen Satzes läßt sich ein einziger Wert F der Kombination p, a und b = w, q = F zuschreiben. Dem 8
In der angeschriebenen Rekursion ist die Folgebeziehung zwischen einer je vorausgehenden/folgenden indefiniten HG-Entsprechung erfüllbar (nicht tautologisch). Eine je vorausgehende definite HG-Entsprechung wird tautologisch von der folgenden impliziert.
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Helmut Richter
entsprechendes {p A a A b) q ist äquivalent p -> [(a A b) -*• q], dessen erste drei Elemente eine Umformung von (8) bilden: (p —• a) A (p —• b) äq p —> (a A b). Der „Sinn" der hierbei vorab ignorierten Klammerung leuchtet ein, wenn man die Parallele zu einer Konstruktion mit adjektivischem Attribut zieht: [Das] stattliche (= a) Haus (= p) verfällt (= q) läßt einzig für die Kombination p, a = w, q = F den Wert F zu; die hieraus gewonnene Aussagenverbindung (p A a) q, in deren ersten zwei Elementen wir die HG-Entsprechung eines zum Attribut geronnenen Prädikats, indefinit p —>a, erkennen, ist [a~* q). äquivalent dem Ausdruck p Derart zeichnet sich eine dritte Rekursionsbeziehung ab. Die Möglichkeit der Verallgemeinerung bis zu einer beliebigen Ordnungszahl E, des Attributs ergibt sich hierbei aus der Rolle der definiten HG-Entsprechung attributbildender ^-stelliger Relationen (Sylloga, Präpositionen) als Implikans des Prädikatkorrespondenten q; demgemäß sind Attributausdrücke a, b, ... verbindende Junktoren A nicht durch Parameter ersetzbar (p = Subjekt): \
kanonisch
indefinit
définit
0
p-.q p : (a : q) p : [ ( a A b) : q] p : [(a A b A c) : q]
p-*q p~+{a-+q) p [(a a b) q] p [(a A b A c):q]
pA q P A (a A q) p A [{a A b) A q] p A [(a A b A C) A q]
1 2 3
(9)
Dieses Ergebnis besteht den Test einer im Zeichen der a-übersetzten Präposition revidierten Analyse präpositionaler adverbialer Bestimmungen. Für die neue Segmentierung Das Haus (= p) entsteht (= q) auf (= a) dem Berge (= b) resultiert der — gerafft — durch „Wenn das Haus entsteht, ist es auf dem Berge" paraphrasierbare Ausdruck (P
4)
l(P^a)
a (p^b)]
(10)
= (9) Man gelangt zu (10), indem man in der a-Verteilung untersucht, welche Konsequenzen die Aufspaltung von r, gemäß (6), in a und b hat: weder darf Lokalisierung (BERG, b) noch Orientierung (KOPF, a) noch darf beides unzutreffend sein. (10) hat genau die betreffende Werteverteilung. Eine über 2.2 hinausgehende Analyse präpositionaler Objekte oder eine über 3.1 hinausgehende des „Tätersubjekts" erübrigt sich. Die Präposition ist in diesen Fällen schwerlich ebenso als Relationskonstante aufzufassen, wie das bei adverbialen Bestimmungen und Attributen der Fall war. Man vergleiche einerseits Das Haus entsteht auf dem Berge vs. Das Haus [ist] auf dem Berge mit andererseits Die
Syllogum Redivivum
221
Bank wird vom Vater gestrichen, Die Bank profitiert vom Vater vs. Die Bank [ist] vom Vater. Die unterschiedlichen Entsprechungen für adverbiale Bestimmungen und präpositionale Objekte scheinen Hand in Hand mit dem traditionellen Kriterium der Nicht-Festlegung vs. Festlegung einer bestimmten Präposition (vgl. Helbig/Buscha [1979], S. 488 f.) zu gehen. 4. Satzgefüge Es liegt, etwa im Zusammenhang mit der Beispieldiskussion zu (2), nahe, als HG-Entsprechung eines Nebensatzes, der mit konditionalem wenn eingeleitet wird, die HG-Entsprechung des zugrunde liegenden Hauptsatzes als Antezedens eines Konditionals zu betrachten, dessen Konsequenz die HG-Entsprechung des mit dem Nebensatz verbundenen Hauptsatzes ist. Darüber hinaus muß es freilich als Konsequenz der bisherigen Überlegungen erscheinen, den Versuch zu unternehmen, Hypotaxe überhaupt als Ausfluß hierarchischer Gruppierung in implikativ-indefiniten Termen zu erweisen. Wir setzen tentativ die folgende kanonische HG-Entsprechung von Satzgefügen aus Hauptsatz und durch Konjunktion eingeleitetem Nebensatz — vorerst ohne daßSätze - an: a&cP-.Q (11) Hierbei ist P die HG-Entsprechung des Hauptsatzes, der in dem Satzgefüge als ein durch Konjunktion eingeleiteter Nebensatz auftritt, Q die HG-Entsprechung des Hauptsatzes im Satzgefüge und cx ein HG-Element, das den semantischen Überschuß der jeweiligen Konjunktion über das wahrheitsfunktionale Konditional ausdrückt, während , & ' für eine geeignete aussagenlogische Junktion dieses Elements mit P steht'. In der a-Verteilung zu dem Beispielsatz Bevor es regnet, wird die Straße naß ergibt sich für HG-Korrespondenten VORAUS (aÜbersetzung: ,Du wirst wie beide Swinegel immer „all do" sein'), REGEN, STRASSE, NASS ein einziger Wert F für die Kombination STRASSE, VORAUS = w; NASS, REGEN = F und als HG-Entsprechung (VORAUS a - i REGEN) -» (STRASSE NASS)10. Derart ' Vielleicht ist nicht in allen Fällen eine Isolierung der HG-Entsprechung P mit aussagenlogischen Mitteln möglich. (11) könnte dann immer noch eine HG-nahe „amalgamierende" Form wie 8c (ct, P) -» Q erhalten. 10 Nach einer genaueren Analyse scheint bevor, mit Negation, das Komplement von wenn (temporal) und nachdem, ohne Negation, zu bilden. Natürlich-sprachliches Oszillieren zwischen bevor/ehe und bevor nicht/ehe nicht scheint einen Reflex der Korrelation zwischen wahrheitsfunktionaler Negation und Umkehrung einer durch wahrheitsfunktionale Implikation ausgedrückten räumlichen oder (wie hier) zeitlichen Ordnung darzustellen. Vgl. Helbig/Buscha, (1979): S. 413 und 584, ohne daß ich mich dem dortigen Versuch anschließen könnte, eine konditionale und eine temporale Lesart zu unterscheiden.
222
Helmut Richter
wäre er = VORAUS; & = A i. Für ein Beispiel Wenn es regnet, wird die Straße naß, wäre c = w; & = A , was, sieht man die Leistung des wahrheitsfunktionalen Konditionals, gar nicht zwangsläufig auf der Linie Humes, in der Fixierung einer irreversiblen räumlichen oder zeitlichen Ordnung, auch für temporales wenn gelten darf. Die Konjunktion als macht dann lediglich das Vorliegen der definiten Version mit der von wenn (im Fregeschen Sinne:) geerbten hierarchischen Struktur deutlich. Englisch when oder französisch quand lassen die Dualität von Vorhersage und Bericht so implizit wie die syntaktischen. Grundformen und ihre Augmentierungen. Die Auffassung, daß das konditionale Moment wie für eine Vielfalt anderer Satzgefüge durchaus auch für solche mit Relativsatz konstitutiv ist, vertritt Gottlob Frege in „Sinn und Bedeutung"11: „Auch Beisätze [Relativsätze — H. R.] können Bedingungssätze vertreten. So können wir den Sinn unseres ... Satzes [„wenn eine Zahl kleiner als 1 und größer als 0 ist, so ist auch ihr Quadrat kleiner als 1 und größer als 0" — H.R.] auch in der Form ,das Quadrat einer Zahl, die kleiner als 1 und größer als 0 ist, ist kleiner als 1 und größer als 0' ausdrücken." (Zitiert nach Patzig, Hrsg., 1980 V: S. 59.) Im Kontext von Syllogon sollte nicht zuletzt die natürlich-syntaktische Gleichwertigkeit von Relativsatz und Attribut (vgl. [9]) berücksichtigt werden. Da p [{a a b a ...) -* q] äq p -*• [(p A a A b ...) -* q], ergibt sich als kanonische allgemeine Form der HG-Entsprechung der Konstruktion, die aus Hauptsatz mit Subjekt und intransitiver Verbform (im weiteren Sinne des einstellig-relationierenden und des klassifizierenden Syllogons) plus einem Relativsatz zum Subjekt besteht: p:(R:q) (12) p ist der Korrespondent des Subjekts, q der Korrespondent der Verbform des Hauptsatzes, R ist die definite Entsprechung des auf das Hauptsatzsubjekt bezogenen Relativsatzes mit einer Binnenstruktur nach Abschnitt 2. Man beachte, daß (12) auf Relativsätze zum Subjekt beschränkt ist. Was Relativsätze und Attribute zu Attributen betrifft, stimmt Freges Beispiel mit der Wortfolge Quadrat einer Zahl, die ... ist optimistisch;
11
Natürlich ist im folgenden Zitat die Formulierung „dem Sinne nach" von Frege nicht ohne Haken und Ösen für unsere Auffassung. Daß nach Frege „der Nebensatz ... meistens ... als Bedeutung keinen Wahrheitswert [hat]" (op.cit.: S. 61), braucht jedoch unserem Versuch der wahrheitsfunktionalen Fundierung syntaktischer Strukturen nicht entgegenzustehen, zumal Frege auch den Fall kennt, daß „ein Bedingungssatz einen vollständigen Gedanken ausdrückt, indem er statt des nur andeutenden Bestandteils einen Eigennamen enthält oder etwas, was dem gleich zu achten ist." (op. cit.: S. 60.)
223
Syllogum Redivivum
was attributierte bzw. durch Relativsatz spezifizierte Objekte betrifft, tendiere ich zum Rückgriff auf die nicht-kanonischen indefiniten Vorläufer von (2) wie (p -* r) —• (p —• q). 5. Abschließende
Kommentare
Es dürfte aufschlußreich für die Tragweite der bisherigen Überlegungen sein, daß diese typisch-ausgezeichnete Möglichkeiten von Wahrheitswerteverteilungen ausschöpfen. Tabelle 3 zeigt drei Verteilungen in Abhängigkeit von durchvariiertem q und r bei Wahrheit von p: Tabelle 3 p
p(B) zu so, daß für alle G gilt: { w ( f ) ( G ) = w ( b ) / b e f ( G ) } . Und drittens schließlich ordne man Deskr' eine Funktion w (Deskr') zu mit w (Deskr') (1) = w [Deskr'(1)]. Dann hat man die deskriptive Darstellung in eine rekonstruktive überführt — aber lediglich der Form nach. Es bleibt immer noch ein wesentlicher Unterschied, nämlich hinsichtlich der aufzufindenden Funktionen zur Berücksichtigung der Indizes: Man hat w (Deskr'): L • p (w [F ber ]), mit: w (f) e w [Fber]: RZG > p ( w [ B ] ) , aber Ü: R Z G » p f f k r ) » mit: f e F ^ : L • p(L'). Der wesentliche Unterschied liegt in der Berechenbarkeitsforderung für die angegebenen Funktionen: Da es höchstens N 0 viele berechenbare Funktionen über einem gegebenen Argumentbereich gibt, kann Ü höchstens St viele der immerhin vielen Indizes diskriminieren. Freilich ist dieses Argument nicht besonders schwerwiegend, da kaum anzunehmen ist, daß für natursprachliche Äußerungen überabzählbar viele Indizes relevant sein sollten. Wesentlicher ist der grundsätzliche Unterschied des Vorgehens — der Punkt, an dem die Indizes berücksichtigt werden und also die Klasse der Funktionen, die aufgefunden werden muß. Es ist keineswegs klar, daß es, selbst wenn man auch die Elemente von Fber nur abzählbar viele Indizes diskriminieren läßt und L ' = w (B) setzt, zu jedem Paar (Deskr', Fber) ein passendes (Ü, F(,er) gibt, so daß „dasselbe rauskommt", oder umgekehrt.
Lieb argumentiert im Anschluß an Schnelles Darstellung, daß umgekehrt eine rekonstruktive Analyse im allgemeinen nicht möglich sei. Er unterscheidet zwei Möglichkeiten der Übersetzung in Konstrukt-
232
Bernd-Jürgen Fischer
sprachen: „starke", bei denen jede Bedeutung eines Ausdrucks der Ausgangssprache eine Bedeutung eines Übersetzungsausdrucks ist, und „schwache", bei denen jede Bedeutung eines Ausgangsausdrucks eine Funktion einer Bedeutung eines Zielausdrucks ist. Bei schwachen Übersetzungen müsse die geforderte funktionale Abhängigkeit — auf bis dato noch gänzlich unbekannte Weise — auf einer allgemeinen sprachwissenschafts-theoretischen Ebene charakterisiert werden — es sei denn, sie wäre trivial. Bei der Diskussion starker Übersetzungen geht Lieb von einem Bedeutungsbegriff aus, nach dem Bedeutungen natursprachlicher Einheiten notwendige Bedingungen für den normalen Gebrauch dieser Einheiten sind. Die Zielsprachen starker Übersetzungen müßten danach selbst semantisch von Gebrauchsbedingungen abhängig sein, könnten also keine Konstruktsprachen im üblichen Sinne sein, oder aber die Bedeutungen in der Zielsprache müßten von anderem logischen Status sein als die in der Ausgangssprache, womit starke Übersetzungen ohnehin von vornherein ausgeschlossen wären. Mir scheint aber Liebs Annahme, der Bedeutungsbegriff in der Zielsprache müsse mit dem in der Ausgangssprache übereinstimmen, zu stark. Im Gegensatz zu den Ausgangssprachen existiert in den Zielsprachen rekonstruktiver Analyse im allgemeinen kein nichttrivialer Bedeutungsbegriff. Nach unserer These (1) müssen wir vielmehr sagen: Ein Übersetzungsausdruck a eines Ausgangsausdrucks b bezeichnet eine notwendige Bedingung für den normalen Gebrauch von b (nicht von a!). Hier ließe sich nun einwenden, daß ich eben nur schwache Übersetzungen betrachtete, da ich ja überhaupt nicht von Bedeutungen in der Zielsprache spräche. Dann wäre aber These (1) (bzw. ihre verbesserte Form) nichts weiter als eine Charakterisierung der angeblich gänzlich im Dunkeln liegenden funktionalen Abhängigkeit zwischen Ausgangs- und Übersetzungsbedeutungen — einer Abhängigkeit, die die Arbeitsgrundlage rekonstruktiver wie deskriptiver Analyse darstellt. Es ist nun allerdings fraglich, ob sich tatsächlich pragmatisch abgeschlossene extensionale Sprachen L so konstruieren lassen, daß für jede natürliche Sprache L' eine vollständige Zurückführung von L' auf L möglich ist: Soll das rekonstruktive Verfahren überhaupt Sinn machen, so kann bei Konstruktion von L nicht schon vorausgesetzt werden, daß sämtliche Bedeutungen, die in irgendwelchen natürlichen Sprachen womöglich ausgedrückt werden können, bekannt seien; vor Konstruktion von L müßte also eine allgemeine Abschätzung über das „in natürlichen Sprachen allenfalls Ausdrückbare" vorgenommen werden, die von der Kenntnis der Semantik einzelner Sprachen unabhängig ist — eine wohl hoffnungslose Aufgabe. Allem Anschein nach würde man da wohl mit einer deskriptiven Semantik sicherer fahren. Aber auch eine solche Semantik dürfte
Rekonstruktion versus Deskription
233
kaum umhin kommen, wesentlichen Gebrauch von einer Übersetzungssemantik zu machen. Angenommen etwa, wir würden das Kausalverhältnis in da karl kommt geht fritz durch eine zweistellige Relation R wiedergeben: (daß karl kommt) R (daß fritz geht). Dann würden wir natürlich auch angeben müssen, was R überhaupt sein soll, d. h. wir müßten R durch geeignete Definitionen und Theoreme so in Beziehung zu anderen Elementen der Deskription setzen, daß R auf andere, „nicht der Erklärung bedürftige" Elemente der Deskription zurückgeführt wird. Damit stehen wir vor der Aufgabe, eine vollständige, widerspruchsfreie Theorie von R zu formulieren. Der einzige (derzeit) bekannte Weg, einen Kandidaten für eine Theorie von R auf seine Vollständigkeit und Widerspruchsfreiheit hin zu prüfen ist der, der Sprache L, in der die Theorie formuliert ist, ein Interpretationsverfahren über gewissen Objektbereichen zuzuordnen und zu überprüfen, ob die Theorie dabei ein Modell hat, und ob sie im wesentlichen nur eines hat - d.h. ob alle Modelle einander so ähnlich sind, daß sie nicht mit den Ausdrucksmitteln von L unterschieden werden können. Für L könnte man die Sprache nehmen, in der die Deskription durchgeführt ist. Nun hängt aber die Vollständigkeit von T ganz entscheidend vom Ausdrucksreichtum der Sprache, in der T formuliert wurde, also von L, ab, und wir werden sicher nicht wollen, daß der Vollständigkeitsbeweis für T schon allein deshalb nicht klappt, weil in L von Dingen gesprochen werden kann, die mit R „eigentlich" nichts zu tun haben. Man wird also im allgemeinen nur eine Teilsprache L' der sehr allgemeinen Sprache L für die Charakterisierung von R benutzen wollen. Wie soll aber L' gewählt werden? Man könnte etwa die kleinste Teilmenge von L nehmen, die T enthält und eine Sprache nach den syntaktischen Regeln von L ist. Dieses L' könnte dann aber zu grob sein in dem Sinne, daß zwar in L' ein Vollständigkeitsbeweis für T möglich ist, in L' aber gewisse für die Deskription wesentliche Eigenschaften von R gar nicht ausgedrückt werden können. L' muß mindestens die Verschiedenheit der verschiedenen Deskriptionen ausdrücken können, die R enthalten. Da jede Deskription d eine Deskription einer Einheit 1 von L ist, L die Ausgangssprache, läuft diese Forderung auf die Forderung hinaus: Jede Einheit 1 von L, in deren Deskription d die Relation R vorkommt, muß in L' übersetzbar sein. Damit ist auch für das deskriptive Verfahren die Angabe zumindest von Teilübersetzungen unumgänglich. Bei meiner Argumentation war ich davon ausgegangen, daß bestimmte Elemente der Deskription, also gewisse Eigenschaften, Relationen, logische Operationen und Beziehungen, erklärungsbedürftig seien. Ob in einem gegebenen Zusammenhang eine semantische Untersuchung eher rekonstruktiv oder eher deskriptiv durchzuführen sei, kann jedenfalls dort klar zugunsten des rekonstruktiven Vorgehens
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Bernd-Jürgen Fischer
entschieden werden, wo eine vollständige Charakterisierung auch gewisser Eigenschaften, Relationen etc. aufgrund des gegebenen Zusammenhangs erforderlich ist. — Freilich, ob es in der Praxis nicht überhaupt genügt, unvollständige Charakterisierungen anzugeben, die eben nur vollständig genug im Hinblick auf bestimmte Untersuchungsziele sind, das ist eine grundsätzlich andere Frage. Literatur Wunderlich, D. (Hrsg. 1976): Wissenschaftstheorie i. T.
der Linguistik, Athenäum, Kronberg
Linguistische Logik und ihre Fundierung THOMAS T BALLMER, B o c h u m
Vor gut einem Jahrzehnt, im Zuge der internationalen Entfaltung der jüngeren linguistischen Strömungen, gewann eine geschichtlich durchaus nicht traditionsunbefangene Methode wieder neue Aufmerksamkeit: die logische Sprachanalyse. Die Zielsetzung dieser Methode besticht durch ihre Einfachheit und Klarheit und hat wohl nicht zuletzt deswegen eine Reihe von Forschern angezogen. Helmut Schnelle ist einer von ihnen. Er ist sogar einer von denjenigen, die schon sehr früh die Möglichkeiten des logisch-sprachanalytischen Ansatzes erkannt und ausdrücklich hervorgehoben haben 1 . Durch seine Beschäftigung mit der logischen Sprachanalyse sind ihm aber auch gewisse Bedenken gekommen 2 , so mit der Begrifflichkeit der möglichen Welt und anderen Konzepten, die Probleme aufwerfen in der Art der scholastischen Frage, wieviel Engelein auf einer Messerspitze denn Platz hätten 3 . Auch monierte er die mangelnde empirische Fundierung linguistischlogischer Systeme 4 . Damit ist er sicherlich als einer der frühen Kritiker dieses begrifflichen Instrumentariums anzusehen. In Anbetracht der bestechenden Klarheit und Einfachheit der Zielsetzungen und Vorgehensweisen der logischen Sprachanalyse mag es verwundern, daß es auch heute noch möglich sein sollte, ganz neue und zugleich treffende und einschneidende Kritikpunkte an diesem nunmehr doch auch sehr erprobten Forschungszweig aufzudecken. Schon in seiner Dissertation 1962, Zeichensysteme zur wissenschaftlichen Darstellung, ein Beitrag zur Entfaltung der Ars characteristica im Sinne von G. W. Leibniz, befaßt sich Helmut Schnelle mit sprachanalytischen Fragestellungen. Durch seine Verbindungen mit Y. Bar-Hillel, seinem Freund und Lehrer, wurde Helmut Schnelle auf R. Carnap aufmerksam und hatte frühen Zugang zu Montagues einflußreichen Arbeiten. Weitere Hinweise kann der Interessierte im autobiographischen Kapitel Helmut Schnelles am Schluß dieses Bandes finden. 2 Man vergleiche hierzu etwa seine Kritik an dem Band Meaning and translation, herausgegeben von Guenthner (1978). 3 Dieses Beispiel wurde von Helmut Schnelle zu gegebener Zeit, das heißt Anfang der siebziger Jahre, hin und wieder im Gespräch als Charakterisierung gewisser logischer und sprachanalytischer Chimären vorgebracht. * Die daraus sich ergebenden Forderungen mußten insbesondere seine Doktoranden wohl beherzigen, was sich im zweiteiligen Aufbau der Dissertation, theoretischer Teil / empirischer Teil, niederschlagen sollte. 1
236
Thomas T Ballmer
Es ist das Ziel dieses Beitrags, einen wesentlichen solchen Kritikpunkt zu formulieren und auf Lösungsmöglichkeiten hinzuorientieren. 1. Zum
Folgerungsbegriff
Im Zentrum der logischen Sprachanalyse steht der Folgerungsbegriff. Er tritt unter vielen Namen auf, so zum Beispiel unter den Bezeichnungen Schlußfolgerung, Implikation, Argument, Beweis, Schluß, Modus Ponens, Subsumption, Enthymem, Hyponymie (und sogar Voraussetzung und Präsupposition), und meint auch nicht immer und überall genau dasselbe5. Als theoretischer Grundbegriff einer logisch orientierten Sprachanalyse steht er in einem impliziten Gesamtzusammenhang, der eine scharfe allgemein verbindliche Definition verhindert. Trotzdem, ein gemeinsamer Begriffskern ist uns schon von unserer allgemein sprachlichen Praxis zugänglich. Von dieser Intuition wollen wir hier ausgehen. Der so verstandene Folgerungsbegriff stellt Zusammenhänge zwischen Sätzen, Wörtern oder, inhaltlich gesprochen, Propositionen, Prädikaten dar (bzw. her: von einer etwas weniger deskriptiv-platonischen, sondern einer handlungstheoretisch-prozeduralen Warte aus gesehen). Dieser Folgerungsbegriff führt vom Gesagten zum Gemeinten, vom Expliziten zum Impliziten, vom Gegebenen zum Erwünschten, vom Angenommenen zum Behaupteten6. Die diesem allgemeinen Folgerungsbegriff zugrundeliegende Idee ist folgende: Mit einem Gedanken oder sprachlichen Ausdruck ist im allgemeinen mehr gemeint als explizit thematisiert ist. Der Übergang von der thematisierten (fokussierten) zur versteckten Information beziehungsweise das Resultat dieses Übergangs ist die Folgerung. 2. Interpretationsbedingungen
und
Reduktionsverfahren
Wir sollten nun fragen, wie die logische Sprachanalyse verfährt, um den ihr zentralen Folgerungsbegriff fruchtbar zu machen7. Es sind dies zwei leitende Ideen. Die eine fußt auf den sogenannten Wahrheitsbedingungen8. Jedem Gedanken oder sprachlichen Ausdruck sind Bedingun5
Diese Folgerungsbegriffe weisen erstens Verschiedenheiten untereinander auf und können zweitens jeder für sich bei unterschiedlichen Gelegenheiten leicht verschiedene Dinge bedeuten. Als systematische Mehrdeutigkeit einiger dieser Begriffe sollte die Unterscheidung in Prozeß-, Resultat- und Relationsbedeutung beachtet werden. So kann Schlußfolgerung' den (Denk- und den sprachlichen) Prozeß des Schlüsseziehens bedeuten, aber ebenso auch das Resultat dieses Prozesses sowie die abstrakte Relation zwischen den Voraussetzungen und dem Resultat.
6
Aber auch vom explizit Gesagten zum implizit Vorausgesetzten, also zu den Präsuppositionen. Ich berichte hier weitgehend Bekanntes und kann mich dementsprechend kurz fassen. Cf. Tarski, (1935), in etwas umfassenderer Form bei Ballmer ([1972], [1978], [1979]) als Wirkungsbedingungen begriffen.
7 8
Linguistische Logik und ihre Fundierung
237
gen zugeordnet, die seine Wahrheit definieren (und dadurch seine Bedeutung, was wiederum nicht viel anderes heißt als: sein Folgerungspotential)'. Damit sind grundsätzlich die zu erschließenden Folgerungen ausgegrenzt. Da die logische Sprachanalyse auf mathematisierbare Resultate abzielt, ist eine zusätzliche Bedingung einzuhalten: die Folgerungspotentiale von unendlich vielen Ausdrücken sind mit finiten Mitteln zu definieren. Es sollte nämlich möglich sein, auch (beliebig) komplexen Ausdrücken Wahrheitsbedingungen (bzw. Bedeutungen, Inhalte, Wirkungsbedingungen etc.) in mathematisch überschaubarer Weise zuzuordnen. Diese zweite Idee, die die Einhaltung der Finitheitsbedingung garantieren soll, ist unter der Bezeichnung Fregesches Prinzip fruchtbar geworden (andere Bezeichnungen sind: Projektionsregeln, Dekomposition, Reduktionsverfahren etc.): Die Bedeutung eines komplexen Ausdrucks wird als (mathematische) Funktion der Bedeutung der den komplexen Ausdruck aufbauenden einfachen Ausdrücke begriffen. M a n denkt auf diese Weise die Bedeutung eines jeden komplexen Ausdrucks auf die Bedeutung von einfachen (unzusammengesetzten) Ausdrücken zu reduzieren 10 . Damit glaubt man das Folgerungsproblem zumindest für komplexe Ausdrücke aufgeklärt 11 zu haben. Jede mir bekannte logische Sprachanalyse verfährt so. Wird etwa danach gefragt, was aus r Alle mögen Helmut"1 folgt, dann führt uns das Fregesche Prinzip etwa zu folgender Rechnung 1 2 .
' Ballmer ([1973], [1978], [1981]) meint, daß zur adäquaten Erfassung des gesamten Folgerungspotentials mehr als nur die Aufgabe von Wahrheitsbedingungen nötig sind. Erst die Berücksichtigung von Wirkungsbedingungen (die weiter aufgeschlüsselt werden können in Voraussetzungs- und Effektbedingungen, und letztere etwa weiter in Ziel- und Auswirkungsbedingungen) erlaubt eine Aufklärung des Folgerungsbegriffs. Wahrheits-, Wirkungs- und andere Bedingungen nennen wir sinngemäß Interpretationsbedingungen. 10 Beziehungsweise auch umgekehrt: man denkt von der Bedeutung von einfachen, unzusammengesetzten Ausdrücken ausgehend die Bedeutung jedes gewünschten komplexen Ausdrucks zu errechnen. 11 An dieser Stelle möchte ich auf den Unterschied zwischen aufklären und erklären hinweisen. Es wird meines Erachtens allzu schnell von „erklären", „Erklärung" gesprochen. Eine Erklärung ist etwas Endgültiges oder zumindest etwas, was in Richtung auf ein Endgültiges hinorientiert ist. Schon das Präfix ,er' des Verbs ,erklären' verweist auf eine terminative Aktionsart. Bescheidener und zugleich richtiger wären die Ausdrücke ,aufklären', ,Aufklärung' (englisch: ,to upclear', ,upclearing'; das sind Wortneuschöpfungen, da es sonst keine passenden englischsprachigen Alternativen gibt). Die zeitgenössische Aufgabe der Linguistik kann demgemäß sehr passend mit Strukturaufklärung umschrieben werden. Sie steht damit wissenschaftssystematisch auf einer (einem Hauptgebiet) der Chemie vergleichbaren Ebene, wo es auch hauptsächlich um Strukturaufklärung geht. 12
Im Sinne von Leibnizens „Calculemus", also anders, „moderner" ausgedrückt: ,zu folgender algorithmischen Analyse:'.
238
Thomas T Ballmer
(1) Bed CAlle mögen Helmut"1) = [Bed ( r MögerT)] [Bed CAlle"1), Bed (""Helmut"1)] = [XX Xy [X]X, xMögen (x, y)] [kPAuP (u), Helmut] = [Xy [?iPAuP (u)] XxMögen (x, y)] (Helmut) = [Ä.y AuMögen (u, y)] (Helmut) = AuMögen (u, Helmut) Benutzt wurde das Lexikon: Bed (""Mögen"1) = XX Xx [X] Ä,y Mögen (x, y), Bed (""alle"1) = X.PAuP(u), Bed (""Helmut"1) = Helmut. Das Resultat AuMögen (u, Helmut) stellt die Wahrheitsbedingung des Satzes ""Alle mögen Helmut"1 dar 13 . 3. Die Kritik Wo sind die Grenzen einer derart gestalteten logischen Sprachanalyse zu suchen? Man könnte denken, daß im Prinzip eigentlich alles abgedeckt sei und daß es lediglich noch darum ginge, in fleißiger Detailarbeit Ausdruck um Ausdruck, Ausdrucksklasse um Ausdrucksklasse, Sprache um Sprache nach dem nunmehr vorgegebenen Forschungsprogramm zu studieren: ein Forschungszweig im ungetrübten Zustand der positiven Problemlösung. Tatsache ist leider, daß diese Meinung in einschlägigen Kreisen vorherrscht. Man täte dort aber gut daran, die Grundlagen der logischen Sprachanalyse noch einmal gründlich zu überdenken. Die Kritik, die ich hier vertreten möchte, ist pointiert formuliert die folgende: (2) Die logische Sprachanalyse ist (in mehrerer Hinsicht) unfundiert. Noch bevor eine Begründung dieser Kritik gegeben werden wird, sollte klargestellt werden, was diese Kritik beinhaltet, und vor allem wohin eine solche Kritik, würde sie sich als valide erweisen, führen könnte. Unfundiertheit bedeutet einen Mangel an Fundament. Ein derartiger Mangel wäre besonders beklagenswert für eine Wissenschaftsdisziplin, die sich zum Ziele gesetzt hat, eine Grundlage für andere Forschungszweige zu erstellen. Deshalb müßte ein solcher Vorwurf die Logik (bzw. die logische Sprachanalyse) besonders hart treffen. Welche Arten von Unfundiertheiten existieren nun? Neben der lexikalischen Unfundiertheit, die wir im folgenden etwas genauer besprechen werden, gibt es, durch das heutige Selbstverständnis der zu Sachverständigen erhobenen Logiker und Sprachanalytiker verursacht, leider
13
In der Standardformulierung der ersten Ordnung Prädikatenlogik, deren intuitive, modelltheoretische (Tarski, [1935]) oder algebraische Interpretation (Tarski, [1971]) für den mathematisch-logisch gebildeten Leser ich voraussetzen möchte.
Linguistische Logik und ihre Fundierung
239
noch eine ganze Reihe weiterer Unfundiertheiten, die hier leider nur kurz angesprochen werden können: die phänomenologische Unfundiertheit 1 4 - 1 , die psychologische Unfundiertheit 14 " 2 , die biophysikalische Unfundiertheit 1 4 - 3 , die geometrische Unfundiertheit 1 4 - 5 , die mathematische Unfundiertheit 1 4 - 6 , die linguistisch/sprachanalytische Unfundiertheit 1 4 - 7 , und zu guter letzt sogar selbst: die logische Unfun-
14
1. Es ist bisher noch nicht gelungen, eine phänomenologische, das heißt auf unmittelbar akzeptablen, subjektiv nachvollziehbaren Einsichten fußende Begründung des gesamten für die natürliche Sprache relevanten Schlußfolgerungengebäudes zu liefern. 2. Seit Husserl und Frege hat sich die Logik eine Begründung auf psychologischer Grundlage explizit versagt. Die Logik, die die Gesetze des Denkens aufklären und erklären will, entzieht sich damit einer wichtigen empirischen Basis. 3. Damit ist der Weg zu einer naturwissenschaftlichen Begründung, etwa im Sinne einer evolutionären Erkenntnistheorie (Ballmer/Weizsäcker, [1974]; Vollmer, [1980]), nun auch im objektiv-physikalischen Sinne erschwert. 4. Aus den drei vorliegenden Punkten folgt recht unmittelbar, daß eine anthropologische, eine soziale oder kulturelle Begründung der Logik gar nicht erst zur Debatte stehen kann. 5. Eine geometrische Fundierung, wie sie in verschiedenen (Teil-)Disziplinen der Physik erfolgreich versucht wird (klassische und relativistische Mechanik(en), Quantenmechanik, Elementarteilchenphysik; -> Hamilton-Mechanik, Lie Gruppen) ist für die Logik ausgeschlossen. Schon die zur Aussagenlogik gehörige Geometrie, der total unzusammenhängende, kompakte Hausdorff-Raum, zertrennt jede interessante Nachbarschaftsbeziehung. Die Logik ist sozusagen schon auf dieser Ebene pathologisch „ungeometrisch" und widerspricht somit allen „tieferen" Zusammenhängen. Das Ignorieren „geometrischer" Zusammenhänge in der Logik zieht nach sich, daß die Logik keinerlei heuristischen Wert haben kann, denn Heuristik zehrt ja von impliziten Zusammenhängen, die es explizit zu machen gilt. Demgemäß müssen Logiker, und insbesondere logische Sprachanalytiker, immer erst warten, bis Erkenntnisse von woanders her erst einmal vorliegen: Die Logik kommt notorisch zu spät! 6. Auch die logische Algebra ist bezüglich der Reichhaltigkeit der sprachlichen Ausdruckskraft trivial. Somit hat Logik, auch in der kategorientheoretisch gefaßten Topostheorie, zunächst herzlich wenig mathematische oder gar theoretische Überzeugungskraft. 7. Die sprachanalytische Unfundiertheit kann in zwei Unterpunkte aufgeteilt werden, (1) die sprachliche und (2) die ontisch-epistemische Unfundiertheit. Die sprachliche gliedert sich weiter (1.1) in die lexikalische und (1.2) die grammatische U., die ontisch-epistemische weiter (2.1) in die Real / Mögliche Welt Unfundiertheit und (2.2) in die Kontext Unfundiertheit. Die lexikalische U. (1.1) wird in Abschnitt 4. ausführlicher besprochen. Es läßt sich zeigen, daß sie die wesentliche Quelle für alle anderen Unfundiertheiten ist, die grammatische, die Welt- und die Kontext-Unfundiertheit. Denn erst die sinnsemantische Ordnung des Lexikons einer Sprache führt zur Strukturaufklärung des der jeweiligen Sprache zugrundeliegenden Bedeutungsraumes. Und erst auf dieser Grundlage läßt sich Weltwissen, Kontext- (Frame-)Wissen und kondensiertes grammatisches Wissen ordnen und analytisch durchdringen. Erst so können die Realwelt, die möglichen Welten und Kontexte gemäß den Relevanzkriterien des die betreffende Sprache benutzenden Menschen parametrisiert werden.
240
Thomas T Ballmer
diertheit 1 4 " 8 . W i r d ü r f e n a u ß e r d e m a u c h v o n einer U n f u n d i e r t h e i t s p r e c h e n 1 4 ' 9 . (Vgl. F u ß n o t e 1 4 . 1 2 )
prozeduralen
M e h r e r e Fälle sind zu u n t e r s c h e i d e n : (a) die Kritik ließe sich innerhalb des a n g e n o m m e n e n P a r a d i g m a s lösen, (b) die Kritik führte d a z u , d a s P a r a d i g m a zu ihrer L ö s u n g mittelfristig zu verlassen, (c) die Kritik führte d a z u , d a s P a r a d i g m a endgültig ( o d e r d o c h z u m i n d e s t sehr langfristig) zu verlassen. E s läßt sich meines E r a c h t e n s b e g r ü n d e n , d a ß (b) u n d (c) n ä h e r a n der W a h r h e i t sind als e t w a (a). D e r strikte, puristische U n i v e r s a l a n s p r u c h , m i t d e m die logische S p r a c h a n a l y s e b e s o n d e r s in e i n e m b e s t i m m t e n A u s l a n d v e r t r e t e n w i r d , w i r d w o h l den W e g (c) gehen m ü s s e n . D i e logische S p r a c h a n a l y s e als rein deskriptives Mittel der B e d e u t u n g s - u n d S t r u k t u r a u f k l ä r u n g — als t h e o r i e f ö r d e r n d e s , n i c h t a b e r als theoriebildendes I n s t r u m e n t allerdings w i r d die F u n d i e r u n g s k r i t i k , wie sie hier n u n b e g r ü n d e t w e r d e n soll, v o r a u s s i c h t l i c h überleben.
8. Die Grundlagenprobleme der Logik, d. h. deren nur allzubekannte Widersprüche (Russell, Sorites, Zeno, ...), sind nur ad hoc, in uneinheitlicher Manier und auch nur temporär zu eliminieren. Diese Grundlagenprobleme sind also nicht konform zur Universalität der Logik zu erledigen. Man brauchte deshalb in Logikerkreisen nur endlich einmal konsequent zu akzeptieren, daß nicht einmal die Junktoren r— l" 1 und r A n eine universelle Bedeutung haben können (was Cresswell in seinem Buch Logics and Languages beinahe schon einmal gelang), also nichts ist, für dessen Invarianten die Logik zuständig sein könnte. Dann käme auch niemand so schnell mehr auf die Idee, die Welt, die Sprache, das Denken oder gar noch das Philosophieren auf der Logik (allein) aufzubauen. 9. Die prozedurale Unfundiertheit besagt, daß die Berechnungsverfahren, die im Zusammenhang mit der Beschreibung und der Theorie der natürlichen Sprache relevant werden, bezüglich ihrer Organisation, ihres systematischen Ineinandergreifens und ihres Fundierungszusammenhangs nicht überprüft werden. Ein umfassender Plan des algorithmischen Zusammenspiels von Sprachproduktions-/ Sprachanalyseprozessen und rein relationalen Tatbeständen existiert nicht. Das lokalistische, ad-hoc und „Trial and Error"-Vorgehen ist gerade in diesem Bereich von allen zuständigen Forschungszweigen leider oft die einzig verfolgte Strategie. 10. Ein Sonderfall der grammatischen Unfundiertheit sind all die Fälle, wo man nicht in der glücklichen Lage ist, die Bedeutungsreduktion entlang einfacher Formzusammenhänge vornehmen zu können, wie es die Fregesche Reduktion erforderlich macht. Eine theoretisch zufriedenstellende Aufklärung von idiomatischen und anderen formal opaken Bedeutungszusammenhängen müßte endlich über eine fleißige Besprechung von sonderbaren Einzelfällen hinausgehen können (-» Metaphern, idiomatische Wendungen, Präfix, ad-hoc Komposita etc. etc.). 11. Eine empirische Fundierung der logischen Sprachanalyse ist solange verunmöglicht wie ein Zusammenhang logischer Phänomene mit psychologischen und biophysikalischen Tatbeständen von den einschlägigen Logik-„Advokaten" zurückgestellt bzw. verdrängt wird. 12. Wie der Weg auf ein Fundierungsprogramm hier eingeschlagen werden könnte, kommt in Ballmer (1983/4) zur Darstellung.
Linguistische Logik und ihre Fundierung
4. Die Begründung
241
der Kritik
Die Unfundiertheit der logischen Sprachanalyse läßt sich am eindrücklichsten an der lexikalischen Unfundiertheit demonstrieren. Diesen Typ der Unfundiertheit wollen wir auch dementsprechend als exemplarischen Fall ausführlicher besprechen (cf. Fußnote 14 für andere Fälle von Unfundiertheit der Logik). Wir haben oben geschildert, wie die logische Sprachanalyse via Interpretationsbedingungen (Wahrheits-, Wirkungsbedingungen) und einem Produktionsverfahren (Fregesches Prinzip) die Folgerungsbeziehung nutzbar machen will. Bei näherem Hinsehen gerät man aber ins Stutzen. Wie kann eine logische Analyse funktionieren, wenn die Basis, das heißt hier konkret das gesamte Lexikon, unanalysiert bleibt. Die Reduktion der Bedeutung sprachlicher Ausdrücke auf Wörter ist doch zunächst rein virtueller Natur, solange die Bedeutungen der Wörter offengelassen werden. Es gibt schätzungsweise 100.000 1 5 Wörter, das heißt logisch-grammatisch ausgedrückt 100.000 Prädikate, die in ihrer gegenseitigen Bedeutungsrelation zu bestimmen wären, bevor man an eine Lösung des Folgerungsproblems innerhalb der logischen Sprachanalyse denken könnte. Nun, ein logischer Linguist wird einwenden, daß doch eine Featuremethode oder gar das Instrument der Axiomatisierung (Meaning Postulates) zur Verfügung stände, um die Bedeutungsrelationen im Lexikon festzuhalten. Diese Aussage ist ebenso falsch wie scheinbar einleuchtend. Dies einzusehen ist der wesentliche Punkt in der Begründung der hier vorgebrachten Kritik. Der Weg, der für die Begründung eingeschlagen werden muß, zeigt auch gerade, daß innerhalb der logischen Sprachanalyse keine Lösung zu erhoffen ist. Ob eine Featureanalyse oder eine Axiomatisierung vermittels Bedeutungspostulaten ein wirklich gangbarer Weg ist, zeigt sich spätestens beim Versuch, diesen Weg tatsächlich zu beschreiten". Folgendes Fakt bildet dabei die Grundlage meiner Kritik. (3) Eine Featureanalyse (bzw. eine axiomatische Analyse) eines hinreichend großen 17 Lexikonausschnitts riskiert während des gesamten Diese Schätzung ergibt sich wie folgt. Erich Mater (1966) lieferte eine Liste von etwa 20.000 Verben. Nomina gibt es ungefähr 5mal so viel, wie Auszählungsstichproben ergeben. Dazu kommen noch etwa 13.000 Adformen ( = Adjektive oder Adverbien). Insgesamt sind dies also 133.000 (d. h. in Zehnerpotenzen ungefähr 100.000) Wörter. " Meine Kritik betrifft nicht die Auffassung, daß Featureanalyse (Axiomatik) eine Lösungsmöglichkeit wäre, sondern daß dies eine Lösungsmöglichkeit ist. Ich habe auch nichts gegen die Vorstellung von, sagen wir, Meaning Postulates, sondern nur etwas gegen ihre fundierende Kraft für das sprachanalytische Programm, Folgerungsbeziehungen tatsächlich aufzuklären (und später vielleicht gar zu erklären). 17 „hinreichend groß" will lediglich markieren, daß bei speziellen, für die Fundierungsproblematik allerdings unwesentlichen Selektionen aus dem Lexikon die Behauptung (3) nicht zu stimmen braucht. 15
242
T h o m a s T Ballmer
Verlaufs der Analyse (also bis zum letzten Eintrag) die Totalrevision der bis dahin vollzogenen Analyse 18 . Eine Featureanalyse (bzw. axiomatische Analyse) müßte also gesamtheitlich vorgehen, da die Revision sowieso bis zuletzt, das heißt bis zur gesamtheitlichen Analyse lauert. Das ist ein Widerspruch! Eine lokal aufschlüsselnde Methode soll ihr Hauptmerkmal, die Lokalität und Atomizität, aufgeben und ganzheitlich werden. Das ginge definitiv zu weit. In Verallgemeinerung zu (3) darf sogar die Behauptung gewagt werden, daß jedes kompositionell-kombinatorische Verfahren in die Irre führen muß angesichts der komplexen Verhältnisse in einem derart umfänglichen Objekt, wie es das Lexikon einer Sprache darstellt. Die These (3) besagt schlicht, daß analytische Verfahren zum Scheitern verurteilt sind, oder mit anderen Worten: sprachliche Großobjekte wie ein Lexikon können, wenn überhaupt, nur ganzheitlich erfaßt werden, und zwar aus zwei Gründen: (a) die analytische Auftrennung von Wortbedeutungen in Features ist unexakt und asymptotisch nichtrobust gegen Datenerweiterung, (b) die Beschränkung auf (künstliche) Teilbereiche (hier: des Lexikons) ist ad hoc und genauso unstabil gegen Datenerweiterung. Positiv formuliert könnte man dementsprechend sagen, daß nur ganzheitliche (holistische, synthetische) Verfahren, wenn überhaupt, zu empirisch stabilen Resultaten, das heißt zu Phänomenen (cf. Hacking 1981) führen. Die logische Sprachanalyse ist aber nicht von dieser Sorte. Sie hat dementsprechend keine organisierende Kraft. Sie hinkt, jedenfalls hinsichtlich ihres eigenen Fundierungsproblems, den holistisch gefundenen Tatbeständen hintennach. Sie ist weder heuristisch wegweisend noch liefert sie eine empirische Grundlage 19 . Neben der lexikalischen wären noch eine Reihe anderer Unfundiertheiten zu diskutieren, die allesamt die Lage der logischen Sprachanalyse nicht eigentlich verbessern: so wie die lexikalische Basis für eine Bedeutungsanalyse von komplexen sprachlichen Ausdrücken fehlt und nicht innerhalb der komponentiell-kombinatorischen Sprachanalyse gelöst werden kann, so mangelt es auch an einer auf die Realwelt bezogenen Basis für mögliche Welten 14,8 , an einer Basis für realweltliche und fiktive Kontexte 14-8 , an einer Basis für nichtFregesche Fälle der Bedeutungsreduktion 14 " 10 , an einer empirischen Basis 1 4 - 1 1 , an einer psychologischen Basis 1 4 - 2 und last not least einer bio-physikalischen Basis 14-3 . "
Diese Kritik ist eine der wesentlichen Resultate, die sich im Verlaufe der D F G Projekte Semantische Relationen (Antragsteller Prof. Dr. H . Schnelle, Mitarbeiter Prof. Dr. T h . Ballmer, Mitarbeiterin Dr. W. Brennenstuhl) ergeben hat. " E s kann sogar gezeigt werden, daß sie auch theoretisch nicht tragfähig ist (vgl. Ballmer, [1982]).
Linguistische Logik und ihre Fundierung
243
Diese Lage der logischen Sprachanalyse ist somit, leider muß dies an dieser Stelle ganz deutlich gesagt und hervorgehoben werden, keine rosige. Es fehlt ihr nicht wenig, es fehlt ihr sozusagen alles 20 . Literatur Ballmer, Th. (1972): „Einführung und Kontrolle von Diskurswelten". In: Wunderlich, D. (Hrsg.): linguistische Pragmatik. Frankfurt, Athenäum, pp. 183 - 2 0 6 . Ballmer, 'l'h. (1973): „A pilot study in textgrammar". Ms., Technische Universität Berlin. Ballmer, Th. (1978): Logical grammar. With special consideration of topics in context change. North-Holland, Amsterdam. Ballmer, Th. (1979): „Context change, truth and competence". In: Bäuerle, R./Egli, U./ v. Stechow, A. (Hrsg.): Semantics from different points of view: Springer, Heidelberg, pp. 2 1 - 3 1 . Ballmer, Th. (1982): „The interaction between ontogeny and philogeny: A theoretical reconstruction of the evolution of mind and language". In: Koch, W. A. (Hrsg.): Semiogenesis. Lang, Frankfurt. Ballmer, Th. (1983/4): „Zur Gewinnung einer Fundamentalklassifikation des menschlichen Wissens I, II, III". In: International Classification, 10.2, pp. 69 —77, 10.3, pp. 1 2 7 - 1 3 4 , pp. 2 1 - 2 8 . Ballmer, Th./Brennenstuhl, W. (1981): Speech act classification. Springer, Berlin. Ballmer, Th./v. Weizsäcker, E. U. (1974): „Biogenese und Selbstorganisation". In: v. Weizsäcker, E. U. (Hrsg.): Offene Systeme I. Klett, Stuttgart. Bar-Hillel, Y. (1970): Aspects of language, essays and lectures on the philosophy of language, linguistic philosophy, and methodology of linguistics. The Magnes Press, Jerusalem. Carnap, R. (1928): The logical structure of the world. University of California Press, Berkeley, 1969. Carnap, R. (1947): Meaning and necessity. Univ. Press, Chicago. Hacking, J. (1981): „Spekulation, Berechnung und die Erschaffung von Phänomenen". In: Duerr, H. P. (Hrsg.): Versuchungen, Aufsätze zur Philosophie Paul Feyerabends, Bd. 2. Frankfurt, Suhrkamp. Mater, E. (1966): Deutsche Verben, Bd. 1, VEB Bibliographisches Institut, Leipzig. Montague, R. (1970): Formal philosophy. Thomason, R. (Hrsg.): Yale Univ. Press, London, 1974. Partee, B. (1975): „Montague grammar and transformational grammar". Linguistic Inquiry IV, 2. pp. 2 0 3 - 3 0 0 .
20
Dieser in seiner Radikalität möglicherweise provokative Schlußsatz sollte eigentlich ruhig mal so stehen bleiben. Einen Hinweis, ob es eine Lösung dieser ,Grundlagenkrise' der logischen Sprachanalyse gibt oder wie eine eventuelle Lösung im Groben oder im Detail aussehen mag etc. möchte ich ganz bewußt an dieser Stelle offenlassen, zur Stimulierung des Suchens in uns allen. Zum Abschluß sei's aber nochmals prosaisch wiederholt: der Feature-Ansatz (mitsamt all den anderen kompositionell-kombinatorischen Ansätzen) funktioniert so nicht. Der Bedeutungsraum einer Sprache läßt sich mit einem derartig approximativen Instrumentarium nicht aufschließen. Solange die Semantik im Herzen einer jeden Sprache nicht aufgeschlossen ist, kann auch weder die Syntax noch die Pragmatik verstanden werden! (Dies könnte oder müßte die lexikalistischen [Bedeutungs-]Grammatiker ansprechen.)
244
Thomas T Ballmer
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IV GRAMMATIKTHEORIE
Syntactics. Its Relation to Morphology and Syntax, to Semantics and Pragmatics, and to Syntagmatics and Paradigmatics ROLAND POSNER,
Berlin
The linguists who collaborated in giving the scientific analysis of language a new start in Germany after World War II came from many different academic backgrounds and saw language from just as many different perspectives. What was uncontroversial, was that language is a sign system and that there are other human sign systems serving similar purposes, such as the gestures of the deaf, visual art, music, vestimentary codes, traffic signs etc. The investigation of language involves its comparison and contrast with these other sign systems; therefore, linguistics must be conducted within the framework of semiotics. The following article contributes to this conception of linguistics, elucidating the systematic and historical background of some basic semiotic concepts used by linguists, and relating them to classical linguistic terminology. After a discussion of the three branches of semiotics and linguistics, i. e., syntactics, semantics, and pragmatics, the defining features of syntactics are treated in detail. Its relationship to morphology, syntax, and grammar, and to syntagmatics and paradigmatics is specified. Throughout the article attention is drawn to the heuristic reductions which the objects of linguistic and semiotic analysis had to undergo before they could be described effectively.
1.
Semiosis
Syntactics is that branch of semiotics that studies the formal aspects of signs, the relations between signs, and the combinations of signs. In order to understand what is covered by this characterization, one has to consider syntactics in the context of the other branches of semiotics, which are usually defined with respect to its subject matter, semiosis.
248
Roland Posner
Semiosis is the process in which something functions as a sign. Different semioticians distinguish different factors in semiosis (cf., e. g., the traditions of Peirce, [1931 - 1 9 5 8 ] , Morris, [1938], [1946], and [1964], and Carnap, [1939], [1942], and [1954]; of Saussure, [1916], Buyssens, [1943], Hjelmslev, [1934], and Prieto, [1966]; of Odgen and Richards, [1923], Buhler, [1934], and Jakobson, [I960]; and of Uexkiill, [1940]). However, all such structurings of semiosis involve at least three factors, whose interrelation is described by phrases such as: "A takes B to stand for C " , " B refers to C for A", "A takes account of C in virtue of the presence of B " , etc. We therefore stipulate that the following is a necessary and sufficient condition for something to be a semiosis: (1) A interprets B as representing C. In this relational characterization of semiosis, A is the interpreter, B is some object, property, relation, event, or state of affairs, and C is the meaning that A assigns to B. These factors are connected by the triadic relation: ... interprets as representing .-.-.-. The term "sign" can be used in two different ways with respect to this relation. While logic-oriented semioticians like Morris and Carnap use it as a term for B's, linguistics-oriented semioticians like Saussure and Hjelmslev use it as a term for pairs of B's and C's. The latter usage is justified by the fact that what meaning is assigned to some entity in a specific semiosis depends in part on properties of that entity. However, it also depends on properties of the interpreter: It is true for all three ranges of entities that can enter the three slots in the triadic relation that they are dependent on each other. In the rest of this article we will therefore use a separate term for each of the three factors and refer to A as an interpreter, to B as a sign, and to C as a meaning. 2. Syntactics, semantics, and
pragmatics
Because of the interdependence of the three factors it is not easy to devise a clearcut division of labor for the investigation of semiosis. Nevertheless, a tripartite division of semiotics is now generally accepted. It is usually defined with regard to the three factors of semiosis. The conditions an entity must fulfil to be able to represent meaning for interpreters in semiosis are the subject matter of syntactics. The conditions an entity must fulfil so that it can be represented by signs for interpreters in semiosis are the subject matter of semantics. The conditions an entity must fulfil to be able to interpret signs as representing meaning in semiosis are the subject matter of pragmatics. The historical origins of these disciplines can be traced back to the artes dicendi, viz. grammar, rhetoric, and dialectic, the teaching of
Syntactics and Its Relation to Traditional Grammatical Disciplines
249
which was organized in the so-called trivium in medieval European schools from the ninth century A. D. onwards. Charles S. Peirce reinterpreted the artes dicendi as branches of "semiotic" and systematized them as disciplines treating signs as Firstness, Secondness, and Thirdness, respectively. He distinguished between speculative grammar, critical logic — the successor of dialectic —, and methodeutic — the successor of rhetoric (cf. Peirce, C. P., 1.191 ff. and 2.93). It was Charles W. Morris (1938) who coined the terms "syntactics" and "pragmatics" and introduced the division of semiotics into syntactics, semantics, and pragmatics. Although this trichotomy is related to that of Peirce, its introduction was motivated differently: Morris tried to show that the objectives of three leading philosophical movements of his time, Logical Positivism, Empiricism, and Pragmatism, were not antithetical but complementary (cf. Morris, [1929] and [1937]), since Logical Positivsm studied the formal structures of the languages of science, Empiricism studied the objects of research and their relations to the languages of science, and Pragmatism studied the procedures and conventions governing communication among scientists. Thus, for Morris, syntactics could utilize the methods and results of Logical Syntax developed by the Logical Positivists (cf. Carnap, [1934]), while semantics and pragmatics could proceed from the analytical achievements of Empiricism and Pragmatism, respectively. Despite their general acceptance, the theoretical status, the delimitations, and the subdivisions of the three branches of semiotics are still controversial today. The Morris of the Encyclopedia of Unified Science (1938) treats the three branches in a parallel way (cf. Apel, [1973], and Posner, [-1985]). He isolates the three factors of semiosis and specifies the subject matter of each semiotic discipline on the basis of a dyadic relation between one of the factors and the sign: syntactics studies signs in relation to other signs (B in relation to B), semantics studies signs in relation to meaning (B in relation to C), and pragmatics studies signs in relation to interpreters (B in relation to A). Since these three definitions do not cover all aspects of semiosis (e. g., the triadic relation between A, B, and C) and of semiotics (e. g., the problem of the interrelation of the three semiotic disciplines), all remaining aspects are said to fall under semiotics proper. In this conception pragmatics cannot treat much of the relation between signs and interpreters without including meanings, i. e., without becoming semiotics proper. This and other criticisms made Morris give up the parallel conception of the three branches in favor of a hierarchical one proposed by Carnap ([1942]: 9): "If we are analyzing a language, then we are concerned, of course, with expressions. But we need not necessarily also deal with speakers and
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Roland Posner
designata. Although these factors are present whenever language is used, we may abstract from one or both of them in what we intend to say about the language in question. Accordingly, we distinguish three fields of investigation of languages. If in an investigation explicit reference is made to the speaker, or, to put it in more general terms, to the user of a language, then we assign it to the field of pragmatics. (Whether in this case reference to designata is made or not makes no difference for this classification.) If we abstract from the user of the language and analyze only the expressions and their designata, we are in the field of semantics. And if, finally, we abstract from the designata also and analyze only the relations between the expressions, we are in (logical) syntax. The whole science of language, consisting of the three parts mentioned, is called semiotic." As Morris emphasized ([1946]: 218 f. = [1971]: 302, cf. [1938]: 16 = [1971]: 30f.), this exposition can be adopted if it is generalized in a number of aspects: 1. Semiotics not only deals with linguistic expressions but with all kinds of signs; therefore "language" has to be replaced by "sign system". 2. Pragmatics has not only to do with users and uses of signs in the sciences but with all kinds of sign users and sign uses. 3. Semantics does not only treat the designative mode of signification but all ways of representing meaning and all kinds of meaning. 4. Syntactics not only comprises the logical syntax of the languages of science but is much wider: It also includes (a) phonology and morphology of the languages of science, (b) phonology, morphology, and syntax of other languages, and (c) the analysis of the formal aspects of non-linguistic sign systems. The result of this generalization was formulated by Morris in the glossary of his 1946 book ([1946]: 352 ff. = [1971]: 365 ff.): Pragmatics is "that branch of semiotic which studies the origin, the uses, and the effects of signs". Semantics is "that branch of semiotic which studies the signification of signs". Syntactics is "that branch of semiotic that studies the way in which signs of various classes are combined to form compound signs. It abstracts from the signification of the signs it studies and from their uses and effects [...]". Whereas Carnap had made syntactics seem to be the basis of all semiotic studies in 1934 and Morris had treated syntactics, semantics, and pragmatics as relatively independent of each other in 1938, they later tended to see syntactics as embedded in semantics and semantics as embedded in pragmatics (cf. Carnap, [1939]: 16; cf. also Cherry, [1957]: 219ff.). This and the fact that Morris (1964) avoids speaking of abstraction in his characterization of pragmatics (and semantics!) have led some of his exegetes so speak of "Morris's pragmatically unified semiotics" (cf. Apel, [1973]) and to advocate the identification of semiotics with pragmatics. However, this would substitute a maximalist conception
Syntactics and Its Relation to Traditional Grammatical Disciplines
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for the minimalist conception of pragmatics in Morris 1938 and was clearly not the intention of Morris or Carnap at any time of their lives (cf. Posner, [1979]). 3. Delimitations and subdivisions of syntactics Is is not always easy to apply the term "syntactics" to the traditional problem areas of semiotics and to decide whether they are included within syntactics or not (cf. Morris, [1946]: 219 f. = [1971]: 303). In many cases the answer will be different according to which conception of syntactics it is based on: - syntactics! as the study of the formal aspects of signs (Morris, [1929], [1937], and [1938]: 13ff. = [1971]: 27ff.), - syntactics 2 as the study of the relations of signs to other signs (Morris, [1937] and [1938]: 7 f f . = [1971]: 23 ff.), or - syntactics 3 as the study of the way in which signs of various classes are combined to form complex signs (Morris, [1938]: 14 = [1971]: 28 f. and [1946]: 354f. = [1971]: 367). The areas of research defined by the three characterizations overlap but are not identical. In what follows we will therefore use the term "syntactics" without a subscript only when we speak of syntactics proper, i. e., the discipline whose subject matter is the intersection of the subject matters of syntacticsi, syntactics2, and syntactics3. 3.1 Formal aspects of signs The question of what are formal aspects of signs has been given alternative answers by different traditions of semiotics. While logicoriented semioticians like Wittgenstein ([1922]: 3.33), Carnap ([1934]: 1, 208 and [1938]: 16), and Morris ([1938]: 13 ff. = [1971]: 27ff.) equate the distinction between form and substance with the distinction between signs (B's) and meanings (C's), linguistics-oriented semioticians like Saussure ([1916]: 155 — 157) and Hjelmslev ([1943]: 6 9 - 7 3 and 98 ff. = [1963]: 7 6 - 8 1 and 110ff.) use it to differentiate two kinds of aspects within signs (B's) as well as within meanings (C's). Yet the underlying conceptions of form are quite similar and are based on the theory of invariants as developed in geometry; cf. the "Erlangen Program" of F. Klein ([1872]: 463 f.): "A generalization of geometry raises the following problem: Let there be a multiplicity of elements and a group of transformations defined on them; now the configurations of elements in that multiplicity should be studied with respect to those properties that remain unchanged when transformations of that group are applied to them [...]. The task is to develop the theory of invariants for that group." In such configurations of elements two different types of entities may vary. On the one hand
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Roland Posner
certain properties of the configurations can change while others remain constant, cf. movement in space under similarity transformation or mirroring where the location of a figure varies but all its spatial proportions stay the same. On the other hand, the elements themselves can also change, as when geometrical figures are replaced by sequences of letters or numbers. What remains invariant here is the abstract structure of the figure (cf. Holenstein, [1975]: 30 ff. and Wunderlich, [1971]). The structure of a relation was extensionally defined by Russell ([1919]: 59ff.) and Carnap ([1928]: 13 ff.) as the class of relations isomorphic with that relation. This approach was developed further in the mathematical theory of structures published by the group of French mathematicians Bourbaki (1935ff.). It was applied to the theory of definition by Hilbert (cf. [1918] and [1925]), who proposed to define basic technical terms of a theory implicitly by specifying the axioms in which they occur. Discussing the development of mathematics, Hilbert wrote in 1925: "In intuitive number theory formulas were always exclusively used for communication. The letters stood for numbers and an equation communicated the fact that the two numbers coincided. In algebra, on the other hand, we regard expressions containing letters as independent structures which formalize the material theorems of number theory. In place of statements about numbers, we have formulas which are themselves the concrete objects of intuitive study. In place of number-theoretic material proof we have the derivation of a formula from another formula according to determinate rules" (cf. Putnam and Benacerraf, [1964]: 145). Carnap (1934) applied this idea to the study of language in general. He was convinced that for every language one can work out "a formal theory of the forms of that language" ([1934]: 1). It was the task of that theory to specify the rules that determine the sign forms of a language. For Carnap, the formal nature of the concrete individual sign was no problem, as it was for Hjelmslev (see below). Therefore he was content to characterize the sign forms of a language by specifying "the classes and the serial relations" of their components ([1934]: 1). Analogous to Hilbert's program of Metamathematics, Carnap's "formal theory" was to be formulated in a special metalanguage whose expressions refer to the objectlanguage in question ([1939]: 5). Morris ([1938]: 9 = [1971]: 23 f. and [1946]: 178 f. = [1971]: 256f.) generalized this conception for sign systems of all kinds with all their aspects. If we call a sign system under study an object-code, Morris ([1938]: 13 ff., 21 ff., and 29 ff. = [1971]: 28 ff., 35 ff., and 43 ff.) envisaged three different metalanguages dealing with three different dimensions of semioses involving signs in the object-code. The metalanguages differ in what their expressions
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refer to. While the pragmatic metalanguage refers to the interpreters and the semantic metalanguage refers to the meanings of the signs in the object-code, a metalanguage whose descriptive terms all refer only to the sign forms of the object-code is called a syntactic metalanguage. It is worth noting that each metalanguage has itself all properties of a sign system. Thus the syntactic metalanguage not only has a syntactic dimension insofar as it contains signs of various classes with various serial relations holding among them, it also has a semantic dimension since its signs are interpreted to represent meaning and refer to something, viz. to the signs of the object-code, and it has a pragmatic dimension insofar as it can be used by special types of interpreters, viz. by syntacticians. This being the case, it is the semantic dimension of the syntactic metalanguage that has to do with the syntactic dimension of the object-code. And it is the semantic metalanguage of the syntactic metalanguage that deals with the relations between signs of the syntactic metalanguage and signs of the object-code. Viewed from this perspective, the text of this article can be understood to be written in the pragmatic metalanguage of the syntactic metalanguages devised by semioticians of various traditions to deal with object-codes. What has been said about the syntactic metalanguage so far takes care of the terms "forms of a language" in Carnap's program and "formal aspects of signs" in Morris's version thereof. Understood in this way, syntactics! becomes a subdiscipline of syntactics 2 . There are, however, two problems left; one is the task of setting up a "formal theory" within the syntactic metalanguage, it will be treated in § 3.3; the other is the problem of characterizing the formal aspects of a sign that is not a complex sign. The latter problem was approached by Hjelmslev, who, like Carnap ([1928]: 11), insisted "that a totality does not consist of things but of relationships, and that not substance but only its internal and external relationships have scientific existence [...]" (Hjelmslev, [1943]: 22 = [1963]: 23). This approach had been successful in the theory of human speech sounds. Reflecting on Trubeckoj's (1929) analysis of vowel systems, Biihler (1931) had distinguished the acoustic sign from the concrete sound event by saying that the former was connected with the latter as form is connected with unformed matter. In 1934, Biihler described the complex relation between the properties of sign matter and sign form with reference to the areas of two overlapping geometrical figures ([1934], 28 and 42ff.): In order to recognize the sign form in the sign matter produced in semiosis, the interpreter must on the one hand concentrate on the relevant properties of the sign matter and abstract from the irrelevant ones (principle of abstractive relevance), and on the other hand complement properties of the sign form not manifested
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in the sign matter (principle of apperceptive complementation of the sign gestalt). The distinction between sign matter and sign form can be exemplified by the way different languages pattern the sign matter which Berliners produce in order to name their city: It becomes [bsi'lin] in English, [ber'liin] in German, [baeK'li^n] in Danish, and [be[u[inu] in Japanese. Hjelmslev, who uses this example ([1943]: 52 = [1963]: 56), describes it by saying that one and the same sign matter ("purport") is modeled into different sign substance through the sign forms supplied by the different languages. The sign forms comprise the language-specific invariants patterning sign matter. According to Hjelmslev, these invariants are independent of the medium involved; thus a given sign form can be realized by sign matter in various media, as when the speech chain of German [ber'lim] is transformed into the written word Berlin. From this he concludes ([1943]: 91 f. = [1963]: 103 f.): " 'Substance' cannot itself be a definiens for a language [...]. Here is a graphic 'substance' which is addressed exclusively to the eye and which need not be transposed into a phonetic 'substance' in order to be grasped or understood." What is true for language also holds for all other sign systems. In phonology, the difference between substance and form is captured terminologically by the distinction between phonetic and phonemic entities, studied by phonetics and phonemics, respectively. This distinction was generalized in American Structuralism by isolating the suffixes -etic and -emic (cf. Bloomfield, [1933] and Pike, [1954]) and using them in the description of non-linguistic sign systems. Thus a description in terms of behavioremes considers all and only those properties of a given behavior that are relevant for it to represent meaning to interpreters of the kind in question, while a description including other aspects of behavior would be called behavioretic. In conclusion, it should be noted that syntacticsj studies sign forms and disregards sign substance and sign matter; it includes phonemics and excludes phonetics. This delimitation, which relies on the differences between concrete and abstract, should not be confused with a distinction introduced by Peirce (C. P. 4.537) and developed further by Reichenbach ([1947]: 4, 21, 284, 336), which is based on the difference between individual and general. For practical purposes, sign forms must be reproducible since we want to use them on more than one occasion. The individual sign form is called a token. Thus in the two sentences "Whatever happens, Berlin will remain Berlin" and "Berlin is situated in Germany" we have the same word Berlin, but appearing in three different tokens; and in giving the explanation, a fourth token of the word has been produced. This can be described by stating that the four sign forms are tokens of the same sign type. Thus the common formulation "the
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same sign occurs in different places" amounts to saying "(sign [form]) tokens of the same (sign [form]) type occur in different places". The independence of the type/token-distinction from the form/substance/ matter-distinction is demonstrated by the fact that one can also distinguish tokens from types in sign substance and in sign matter. 3.2 Relations between signs The statement that in a complex sign form like "Berlin will remain Berlin" two component sign forms are tokens of the same type is a statement about a relation between these sign forms and thus falls into syntactics 2 , the study of the relations between signs. Traditionally, there are said to be two kinds of relations between signs (cf. Morris, [1938]: 6f. and 18ff. = [1971]: 21 f. and 32ff.): a. relations between signs occurring in a given complex sign, b. relations between signs in a sign system (code). Relations of the first kind are usually exemplified by syntagmatic relations, relations of the second kind by paradigmatic relations (cf. Kruszewski, [1884], Saussure, [1916], and Hjelmslev, [1943]). The difference can best be demonstrated with respect to the process of sign production. In producing a complex sign, the sender will make successive selections from the inventory of a sign system mastered by him and combine, according to certain rules, the elements chosen into an appropriate structure. Let us take a natural language like English as the sign system and an utterance of the sentence "The child sleeps" as an example. Then, "if child is the topic of the message, the speaker selects one among the extant more or less similar nouns like child, kid, youngster, tot, all of them equivalent in a certain respect, and then, to comment on this topic, he may select one of the semantically cognate verbs sleeps, dozes, nods, naps. Both chosen words combine in the speech chain" (Jakobson, [I960]: 358). The set of elements that provides the basis of selection in each step of the sign production is called a paradigm, and the result of the combination of the elements selected is called a syntagm. Paradigms need not consist of semantically equivalent signs as in Jakobson's example, but they can consist of signs having the same distribution in syntax like sleeps, lies, stands, or of signs belonging to the same lexeme like sleep, sleeping, sleeps, slept, or of signs containing the same root like sleep, sleeper, sleepy, or of signs having the same phonemes in certain positions like sleep, sweep, steep, or even of signs having the same subphonemic properties like German ich, nicht, Licht, where /%/ is pronounced differently from ach, Nacht, lacht. Semantic, Syntactic, inflectional, derivational, phonemic, and phonetic paradigms all have the same structure: Each of them is a
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class of elements equivalent to one another in a certain respect. Paradigms that fulfil additional conditions such as that of mutual substitutability of all their elements in specified types of contexts salva beneformatione, i. e., with well-formedness being preserved in the interchange, are called syntactic categories (cf. Bar Hillel, [1964]). While paradigms are constituted by relations of (partial) equivalence, syntagms are constituted by relations of contiguity. Contiguity can be conceived of as neighborhood in space or time, as a restriction determining the distribution of one constituent with respect to another, or as a dependency relation like agreement in number between a and child or agreement in person and number between child and sleeps in the above example. Since syntagms are complex signs produced by some interpreter, syntagmatic relations are part of the surface structure of those signs. A syntagmatic relation is to be distinguished from a deep-structure relation and from a syntactic rule determining either of them (cf. Posner, [1982]: 129-159). Although originally defined as term for linear configurations ("serial relations"; cf. Saussure, [1916]: 171 and Carnap, [1934]: 1) of signs (i. e., texts), the term "syntagmatic relations" is also applied to signs combined in more than one dimension, as occurring in visual art, music, theatre, and film. Syntagmatic and paradigmatic relations are conceptually distinct, but they can occur together as in paradigms of syntagms: The child sleeps, The youngster dozes, The kid nods, The tot naps constitute a paradigm of elements equivalent with respect to the syntagmatic relations holding within each of them; another case in point is the inflectional paradigm exemplified above. The disciplines studying paradigmatic and syntagmatic relations between signs are called paradigmatics and syntagmatics, respectively. They are part of syntactics 2 . Syntactics must not be confused with syntagmatics and with syntax as defined in linguistics. As is obvious from the examples discussed, paradigmatic and syntagmatic relations can be found on all levels of language. This fact has been exploited by structural linguists to use these relations in the definition of the levels of language and of the disciplines studying them (cf. Bloomfield, [1933], Harris, [1947], as well as Hjelmslev, [1943]): phonetics studying the physical properties of linguistic sound matter; phonemics studying the relations between phonemes, i. e., the smallest sound forms used to distinguish the signs of a language; morphology studying the relations between morphemes, i. e., the smallest combinations of phonemes representing meaning to the language user, and their combinations into words (derivational morphology) and word forms (inflectional morphology); syntax studying the relations between phrases, i. e., combinations of word forms within and into sentences; lexicology studying the relations
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between paradigms of word forms having the same meaning. Of these disciplines, phonetics does not deal with formal aspects of signs and is therefore excluded from syntactics,; phonemics deals with formal aspects of signs, but not with combinations of signs and is therefore excluded from syntactics 3; inflectional and derivational morphology and syntax deal with formal aspects of signs, their relations, and their combinations and are part of syntactics proper; lexicology deals with formal aspects of signs but not with their combinations and is therefore excluded from syntactics3. As it turns out, syntactics proper includes only morphology and syntax from the linguistic disciplines and it is no accident that this is exactly what linguists have traditionally called grammar. Thus it is justified to regard Syntactics as a semiotic generalization of grammar. In many contexts, the Carnapian identification of syntactics with syntax is highly misleading. Only in sign systems which do not require a distinction between morphology and syntax is it unproblematic to equate Syntactics with syntax. This is the case in sign systems such as the numerals and in most of the formal languages so far constructed in logic. In conclusion it should be noted that syntactics proper contains both syntagmatics and syntax as subdisciplines, but syntagmatics overlaps with syntax, since syntax studies not only syntagmatic but also paradigmatic relations between phrases and syntagmatics studies not only phrases but also morphemes and phonemes. 3.3 Complex
signs
In his program for a "logical syntax of language", Carnap ([1934]: 1) had envisioned "a formal theory of the forms of a language" to be formulated in a syntactic metalanguage. There have been various attempts to work out such a formal theory. Most of them have been guided by the idea of a calculus, i. e., an axiomatic system that has the properties of an algorithm for specifying exactly the set of all signs belonging to the object-code under investigation. The specification of a set of more or less complex objects can be given either by starting with the complex objects and introducing rules for their analysis into components, components of components, etc. until elementary objects are reached. Or one can proceed from elementary objects and introduce rules for their use in the synthesis of more and more complex signs. The two approaches are of different value for different kinds of sign systems. For many sign systems that are in use in human or animal societies or within organisms or machines, it is by no means clear what the basic elements are. The most controversial examples include dance, gestures, pictures, films,
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and architecture. However, there are also sign systems where it is clear what the elementary signs are and hard to decide for a given complex sign whether it is part of the sign system in question or not and what is its structure. Such cases occur in some of the richer artificial languages of logic and mathematics. For these reasons it has become customary to use the analytical approach in the study of natural sign systems that have historically grown and the synthetical approach in the study of artificial sign systems (cf. Lotman's [1969 and 1971] distinction between text-oriented and grammar-oriented cultures, discussed in Eco, [1976]: 137ff.; cf. also Pape, [1980]). Linguists such as Bloomfield (1926 and 1933), Harris (1947), Wells (1947), Pike (1954), Hockett (1958), Hjelmslev (1943), and Prieto (1966) have developed procedures for the step-by-step analysis of texts into components, components of components, etc. The formal theory for this approach has been discussed by authors such as Hjelmslev (1943), Marcus (1967), and Harris (1970). According to Hjelmslev, syntactic theory has to provide a general calculus containing rules of partition for complex signs in all sign systems. The application of such a calculus to a given complex sign involves a finite set of partition operations, the last of which will yield basic elements of the sign system in question. The syntactic structure of the complex sign is described by describing its analysis. The basic elements of the whole sign system are obtained by analyzing complex signs belonging to the system until no new basic elements are generated (cf. Hjelmslev, [1943]: 2 7 - 3 1 = [1963]: 2 8 - 3 3 ) . In judging the value of this approach one must distinguish between the continental European tradition and the American tradition. The first relies on Hjelmslev's commutation method, which is applicable to sign systems of all kinds but does not abstract from the meaning of the signs analyzed, in the way required by Carnap and Morris. The second abstracts from the meaning of the signs analyzed but relies on the method of parsing, which is applicable to languages only. Philosophers and logicians such as Leibniz (cf. Knobloch, [1973]), Boole (1954), Frege (1879 and 1893-1903), Schroeder (1890), Peano (1894), Peirce (1934), Whitehead and Russell (1910-1913), Carnap (1934, 1939, and 1954), and Curry (1963) were the first to develop step-by-step procedures for the construction of more and more complex signs out of basic elements. The formal theory for this approach has been given by authors such as Thue (1914), Post (1936), Turing (1937 and 1950), Hermes (1938 and 1961), Markov (1947), Lorenzen (1955), Davis (1958), Trakhtenbrot (1960), Chomsky and Miller (1963), Bar-Hillel (1964), and Lindenmayer (cf. Lindenmayer and Rozenberg, [1976] and [1979], and Rozenberg and Salomaa, [1974]). According to Chomsky, syntactic theory has to specify the
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general form of a calculus that generates all the expressions, i. e., the simple and complex signs, of a given language, starting from a finite set of basic elements and using a finite set of rules of various types. The application of such a calculus to an initial string involves a finite set of production operations, the last of which yields an expression of the language in question. The syntactic structure of that expression is described by describing its production. The set of expressions of the language is obtained by applying the rules of the calculus to all its basic elements (cf. Chomsky, [1957]: 18 — 91). Compared with the analytic approach, the calculi developed for the synthetic approach have reached a much higher sophistication. In addition, logicians like Carnap ([1934]: 8), Quine (1960), Montague (1970a and 1970b), and Cresswell (1973) and linguists like Chomsky (1965) and Shaumyan (1970) have shown that it is possible to apply the synthetic approach in the analysis of natural languages also by using the so-called "indirect method" (cf. Schnelle, [1973], and Ballmer, [1978]). The point of this method is to introduce an artificial sign system in the metalanguage, which can be kept under tight control by means of the stipulative definitions with which it was constructed, to compare this sign system with the object-code, and to incorporate more and more features of the object-code in it so that in the end the set of signs belonging to the object-code becomes completely reconstructed in the metalanguage. This strategy has worked well in the analysis of natural languages. If it is to be applied to the study of non-linguistic sign systems, an additional obstacle has to be overcome. In language, the relations between the components of a complex sign are generally thought to be based on one single serial relation, e. g., the relation "following in time" as in speech or "immediately to the right" as in European writing systems. Complex signs governed by serial relations can be produced through application of an associative non-commutative binary operation called concatenation. As noted in §§ 3.1 and 3.2, however, there are sign systems that have either additional serial relations or equivalence relations or relations of more complex types governing their complex signs. If one wants to describe the syntactic structure of complex signs in sign systems using operations different from concatenation, one can again choose between a direct and an indirect strategy. The first strategy consists in defining appropriate operations of combination and describing the complex signs directly on their basis. This strategy is applied in the logic of relations (cf., e. g., Peirce, [1897]; Peirce, [1934]; Peirce, [1976]; and Roberts, [1973]), and discussed in computer graphics (cf., e. g., Faiman and Nievergelt, [1969]; Rosendahl, [1973]; Gips, [1974]; and Gonzalez and Thomason, [1978]).
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In the second strategy, a system of notation is devised to represent the relevant features of the complex signs in question in a way that makes them more amenable to linguistics-type syntactic analysis. Notational systems tend to reduce multidimensional sign configurations to two-dimensional ones (scores) or one-dimensional ones (strings). Examples are musical notations and the phonetic transcriptions of natural languages. Theoretically, it is always possible to reduce a given n-dimensional sign complex to a complex with n — 1 dimensions as long as the relations among its constituents are serial or equivalence relations (cf. Greenberg, [1957]; 95 f.; Curry, [1963]: 5 0 - 6 9 ; Goodman, [1968]: 127 - 224; Fu, [1974]). To sum up, the best developed branch of syntactics3 is able to describe the syntactic structure of sign systems for which two conditions are fulfilled: a. A set of basic elements is given from which all well-formed signs of the system can be constructed by combinatory operations. b. All combinatory operations can be reduced to or defined on the basis of one single binary operation, viz. concatenation; all complex signs of the system therefore are, or are reducible to, strings. Sign systems with these properties are called string codes. They include, among others, natural languages, writing systems, vestimentary codes, culinary codes, and traffic signs. As a technical device for the syntactic description of string codes, formal grammars have been developed which may be characterized as string production grammars. They are a special type of the socalled generative grammars (cf. Chomsky, [1957] and [1965]; BarHillel, [1964]; Marcus, [1968], and Hermanns, [1977]). References Apel, Karl-Otto (1973): "Charles Morris und das Programm einer pragmatisch integrierten Semiotik". In: Charles W. Morris: Zeichen, Sprache und Verhalten (German Translation of Signs, language, and behavior), pp. 9 —66. Schwann, Düsseldorf. Ballmer, Thomas (1978): Logical grammar. North Holland, Amsterdam. Bar-Hillel, Yehoshua (1964): Language and information. Addison-Wesley, Reading (Mass). Bartsch, Renate, Jürgen Lenerz und Veronika Ullmer-Ehrich (1977): Einführung in die Syntax. Scriptor, Kronberg. Bloomfield, Leonard (1926): "A set of postulates for the science of language". Language 2. pp. 2 6 - 3 1 . Bloomfield, Leonard (1933): Language. Allen and Unwin, London. Boole, George (1954): The investigation of the laws of thought, on which are founded the mathematical theories of logic and probabilities. Walton and Maberly, London. Bourbaki, Nikolas (1935ff.): Éléments de mathématique, Vol. I f f . Hermann, Paris. Brainerd, Barron (1971): Introduction to the mathematics of language study. American Elsevier, New York.
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Wortstrukturen HENNING BERGENHOLTZ u n d JOACHIM MUGDAN, E s s e n / M ü n s t e r
0. Text In der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung" vom Montag, dem 19. Februar 1979, Seite 7, findet sich folgende Meldung: Polizisten unterliegen bei Schlägerei in Nachtzug AVIGNON, 18. Februar (dpa). Eine Gruppe von Offiziersschülern der französischen Bereitschaftspolizei (CRS) hat bei einer Prügelei mit Rugby-Fans im Nachtzug Nizza Paris den kürzeren gezogen. Die Anhänger der französischen Rugby-Nationalmannschaft, die am Samstagnachmittag gegen Wales spielte, hatten nach Auffassung der Polizisten zuviel Lärm gemacht. Als sich die Offiziersschüler beschwerten, wurden sie von den Rugby-Fans in ihren Liegewagen mit Knallfröschen attackiert. Nachdem einer der Polizisten in einer Toilette verprügelt und eingeschlossen worden war, warfen die Bereitschaftspolizisten Tränengasgranaten und stürzten sich auf die Widersacher. Der Zug kam durch eine Notbremsung in der Nähe von Avignon in Südfrankreich zum Stehen. Ein Polizist wurde verletzt ins Krankenhaus gebracht. Seine Kameraden stiegen aus.
Wenn man einen Text wie diesen morphologisch untersuchen will, treten in jedem Fall folgende Probleme auf: 1. Wieviele Wörter enthält der Text? 2. Wie können die Wörter in morphologische Bestandteile segmentiert werden? 3. Wie können diese Bestandteile klassifiziert werden? 4. Wie läßt sich die Struktur deutscher Wörter mithilfe der gefundenen Klassen darstellen? 1. Wörter Wenn man diesen Text einer beliebigen Gruppe von Deutschsprechenden mit der Bitte vorlegt, die Wörter zu zählen, wird man sicherlich kein eindeutiges Ergebnis erhalten. Uneinigkeit herrscht z.B. -
bei Komposita (Samstagnachmittag, Tränengasgranaten), bei Schreibungen mit Bindestrich oder Gedankenstrich (RugbyNationalmannschaft, Rugby-Fans, Nizza —Paris), bei „Abkürzungen" (dpa, CRS),
-
bei Zahlen
(18.),
267
Wortstrukturen
— bei Präpositionen mit enklitischem Artikel (ins, zum, im), verprügelt — bei „zusammengesetzten Verbformen" (hat ... gezogen, und eingeschlossen worden war), — bei Verben mit „abgetrenntem Präfix" (stiegen aus). Schließlich ist ungeklärt, ob auch Interpunktionszeichen als Wörter oder Teile von Wörtern gelten sollen (andernfalls könnte ein Text nicht vollständig in Wörter zerlegt werden). Üblich und auch vorteilhafter ist es, nicht mit einem, sondern mit mehreren Wortbegriffen zu arbeiten und zwischen phonologischem, orthographischem, grammatischem und lexikalischem Wort zu trennen. Für die morphologische Zerlegung ist vor allem dtr Begriff des grammatischen Wortes relevant, wobei die maschinelle Sprachanalyse normalerweise von orthographischen Wörtern ausgeht, die zwischen (gegebenenfalls entsprechend eingefügten) Zwischenräumen, „blanks", stehen. Damit wird stiegen aus zu zwei (grammatischen, weil orthographischen) Wörtern und ins und zum zu einem Wort. Probleme bleiben noch bei „Abkürzungen" und Bindestrich-Komposita bestehen. Wir betrachten in diesem Aufsatz willkürlich Nizza — Paris (mit langem Strich) als zwei Wörter, Rugby-Fans und Rugby-Nationalmannschaft (mit kurzem Strich) sowie dpa, CRS und 18. als je ein Wort.
2. Plereme
und
Morpheme
Bei der weiteren Aufteilung der grammatischen Wörter gehen wir von einem bilateralen Zeichenbegriff aus und nicht etwa von Silben oder Buchstabenfolgen. Die kleinsten Zeichen mit Inhalt und Ausdruck sollen Plereme heißen 1 . In der Praxis bereitet die Entscheidung, ob ein bestimmter Ausdruck mit einem Inhalt verbunden ist (und mit welchem), beträchtliche Schwierigkeiten, wie schon die Überschrift unseres Textes beweist: Von den sechs Wörtern ist lediglich eines, bei, offensichtlich nicht weiter segmentierbar. Ein zweites, Nachtzug, besteht aus zwei Teilen mit klaren Bedeutungen. Ähnlich verhält es sich bei unterliegen, das aus drei Pieremen besteht, wobei -en den Inhalt ,3. Person Plural' hat. Mit in sind die ebenfalls im Text vorkommenden ins und im zu vergleichen. Nach dem Muster von zu-m (vgl. zu) könnte im in i-m aufgeteilt werden; ins müßte dann entsprechend als i-ns zerlegt werden, wogegen der Vergleich mit auf-s spricht. Wenn nun in aufgespalten wird, kann für n schwerlich ein Inhalt angegeben werden. Wenn in 1
Zur Terminologie s. hier und im folgenden Mugdan, ([1977]: Kap. 3) und Bergenholtz/Mugdan, ([1979a]: Kap. 2 - 4 ) .
268
Henning Bergenholtz und Joachim Mugdan
dagegen unaufgeteilt bleibt, müssen in und i- (in im) als „Varianten" gelten. Dabei bleibt immer noch unklar, ob ins in in-s oder i-ns zu trennen ist. Bei Polizisten kann zunächst ohne weiteres -en (mit dem Inhalt ,Plural') abgetrennt werden (vgl. Polizist). Aus dem Vergleich mit Polizei könnte man zu einer Aufteilung in Poliz-ist und Poliz-ei gelangen, wobei -ist auch in vielen anderen Wörtern wiederkehrt. Problematisch ist das -ei, das auch im letzten zu diskutierenden Beispiel vorkommt: Schlägerei kann in Beziehung gesetzt werden zu schläg-t Schläg-er (Schlägerei)
bäck-t Bäck-er Bäck-er-ei
*Prüg Prügel Prügel-ei
Sau "Sauer Sau-erei
Als Lösungsmöglichkeiten ergeben sich demnach: Schläg-er-ei, Schläger-ei und Schläg-erei; keine kann vollauf befriedigen. Die erste Lösung ist formal analog zu Bäck-er-ei, aber inhaltlich verhält sich Schlägerei nicht so zu Schläger wie Bäckerei zu Bäcker. Bei der zweiten Lösung wird der Zusammenhang mit schläg-t beseitigt; die dritte vermeidet die genannten Schwierigkeiten, hat aber zur Folge, daß -erei in manchen Fällen aufgeteilt wird (Bäck-er-ei), in anderen nicht, womit eine maschinelle Zerlegung unmöglich wird. Die Autoren dieses Aufsatzes verzichten darauf, den restlichen Text zu analysieren, um nicht selber in Prügeleien und Schlägereien verwickelt zu werden. Unter diesen Umständen können wir uns auch nicht vorstellen, daß eine maschinelle Segmentierung befriedigend gelingen könnte. Oben wurde vorgeschlagen, in und i- (in im) als „Varianten" zu betrachten. Ähnlich könnte man -en (in Polizisten), -s (in RugbyFans) und -n (in Tränengasgranaten) als Varianten desselben Elements ansehen. Genauer: solche Plereme, die denselben Inhalt haben, sollen als Allomorphe desselben Morphems gelten. Strukturvergleiche führen dazu, auch bei die Anhänger ein Morphem {,Plural'} anzunehmen, obwohl kein Ausdruck dafür vorliegt. In diesem Fall soll mit einem Null-Allomorph (An-häng-er-0) gearbeitet werden.
3. Morphemklassen
und
Wortstrukturregeln
Im folgenden wollen wir davon ausgehen, daß die Zerlegung von Texten in Wörter und von Wörtern in Plereme sowie die Zuordnung von Pieremen zu Morphemen bereits erfolgt ist. Damit ist aber keine ausreichende Beschreibung von Wortstrukturen gegeben. Vielmehr wird es nötig sein, Klassen von Morphemen und Regeln für ihre
269
Wortstrukturen
Kombinierbarkeit anzugeben. Mithilfe dieser Regeln sollen zumindest alle möglichen Wörter des Deutschen generiert werden können, wenn sie auch nicht alle Beschränkungen erfassen. Wir haben an anderer Stelle2 bereits eine solche Beschreibung „mittlerer Genauigkeit" vorgeschlagen und dabei in Hinblick auf die Regeln folgende Morphemklassen eingeführt: frei grammatisch (geschlossene Klassen)
Partikelmorpheme (P)
lexikalisch (offene Klasse)
Kernmorpheme (K)
gebunden Flexionsmorpheme (F) Derivationsmorpheme (D) Pronominalmorpheme (Pron)
Weiterhin haben wir dort folgende Regeln zur Darstellung der Struktur deutscher Wörter angegeben: (1) (a) (b) (c) (2) (3) (a) (b) (c) (d) (4)
Wort
Stamm Stammteil -» -* -* -» P-Teil
Stamm (Flexionsmorphem) (Flexionsmorphem) P-Teil Pronominalmorphem + Flexionsmorphem Stammteil (P-Teil) Kernmorphem Stammteil (Fuge) Derivationsmorphem Derivationsmorphem + Stammteil Stammteil (Fuge) Stammteil Partikelmorphem (Partikelmorphem)
Ein Wort aus dem Text wie Bereitschaftspolizisten würde mithilfe dieser Regeln wie folgt analysiert: Es wird mit der Regel (la) angefangen. Das Wort besteht aus einem Stamm {Bereitschaftspolizist-)und einem Flexionsmorphem {,Plural'}. Nach Regel (2) wird der Stamm durch einen Stammteil ersetzt, der A genannt werden soll. Der Stammteil A wird wiederum durch Anwendung der Regel (3a) durch einen Stammteil B (Bereitschaft-), das Fugenmorphem (-s-) und einen Stammteil C (-polizist-) ersetzt. Die Regel (3 b) ersetzt den Stammteil B durch einen Stammteil Bj (Bereit-) und ein Derivationsmorphem (-schaft-) und bei nochmaliger Anwendung den Stammteil C durch einen Stammteil Ci (-poliz-) und ein Derivationsmorphem (-ist-). Durch zweifache Anwendung der Regel (3a) ergeben sich aus den Stammteilen Bi und Ci die Kerne {,bereit'} bzw. {,poliz'}. In einem Baumdiagramm lassen sich die Analysestufen wie folgt darstellen: 2
Bergenholtz/Mugdan, ([1979a]: Kap. 10, s. auch 11.4; 12.4).
270
Henning Bergenholtz und Joachim Mugdan Wort
Stammteil B
Stammteil B t
Fuge
Stammteil C
Stammteil
Derivationsmorphem
uerivationsmorphem
Kern
Kern
{,bereit'}
{,schaft'}
{»Fuge'}
{,poliz'}
{,ist'}
{.Plural'}
Bereit-
-schaft-
-s-
-poliz-
-ist-
-en -en
Diese Regeln und die zugrunde gelegten Klassen sollen im folgenden erläutert und zur Diskussion gestellt werden. 4.
Flexionsmorpheme
Da geschlossene Klassen durch Auflistung definiert werden, ist z.B. die Festlegung der Flexionsmorpheme des Deutschen in gewissem Umfang willkürlich. In der Tat sind bei den Paradigmen der Substantive, Verben, Adjektive und Pronomina jeweils mehrere Analysen möglich, die auch zu unterschiedlichen Listen von Flexionsmorphemen führen. Für die Struktur von grammatischen Wörtern der Klasse Substantiv ergeben sich verschiedene Möglichkeiten, je nachdem ob man zwischen Kasus und Numerus trennt oder nicht, und je nachdem ob man Morpheme {,Singular'} und/oder {,Nominativ'} ansetzen will oder nicht, z. B. (1) Stamm +
(Plur)
+
mit vier verschiedenen Flexionsmorphemen, von denen keins, eins oder zwei an den Stamm treten können.
mit sechs verschiedenen Flexionsmorphemen, von denen stets zwei an den Stamm treten müssen.
Wortstrukturen
271
(3) Stamm + (GSg, DSg, ASg, NP1, GP1, DPI, API) mit sieben verschiedenen Flexionsmorphemen, von denen eins oder auch keins an den Stamm tritt. (4) Stamm + {NSg, GSg, DSg, ASg, NP1, GP1, DPI, API} mit acht Flexionsmorphemen, von denen stets eins an den Stamm treten muß.
Bei den Adjektiven haben wir ein Paradigma mit 17 Stellen angenommen: eine unflektierte Form sowie 16 Stellen mit der Struktur Stamm + Flexionsmorphem (NomMask, GenMask, DatMask, AkkMask, NomFem, GenFem, DatFem, AkkFem, NomNeut, GenNeut, DatNeut, AkkNeut, NomPlur, GenPlur, DatPlur, AkkPlur). Alternativ dazu könnte man 32 + 1 Stellen annehmen, wenn man für die „stark" und „schwach" flektierenden Formen jeweils zwei Stellen ansetzt, etwa NomMaskstark, usw. Sogar 48 + 1 Stellen wären denkbar und finden sich in Grammatiken, wobei unterschieden wird in „nach bestimmtem Artikel", „nach unbestimmtem Artikel" und „nach NullArtikel". Pronomen können ähnlich mit 16 oder 32 Stellen dargestellt werden. Bei den Verben muß zunächst geklärt werden, was ins Paradigma aufgenommen werden soll. Sogenannte mehrteilige Verbformen finden in unserem Paradigma keinen Platz, weil es sich nicht um einzelne grammatische Wörter handelt. Schwieriger ist die Einordnung der drei infiniten Formen: Infinitiv, PartizipPerfekt und PartizipPräsens, denn Infinitive können auch mit Substantivflexionsmorphemen verbunden werden (des Stehen-s), Partizipien mit Adjektivflexionsmorphemen (verletzt-er, stehend-en). Unsere frühere Lösung bestand darin, hier zwei Flexionsmorpheme aus verschiedenen Paradigmen einander folgen zu lassen; z. B. verletzter: Stamm + Verbflexionsmorphem {,PartizipPerfekt'} + Adjektivflexionsmorphem {,NomMask'}. Dabei ergeben sich jedoch Probleme bei Wörtern wie stechengebliebenen, gegebenenfalls, gemischtrassig u. a., wo dann Flexionsmorpheme entgegen Regel (la) im Wortinnern auftreten würden. Man könnte eine solche „innere Flexion" (wie auch bei das Hohelied, dem Hohenlied usw.) durch eine Orthographiereform beseitigen, indem jeweils zwei getrennte Wörter angenommen und geschrieben würden. Wenn man von der gegenwärtigen Schreibweise ausgehen und Regel (la) beibehalten will, muß man trotz ihrer regelmäßigen Verwendbarkeit {,Infinitiv'}, {,PartizipPerfekt'} und {,PartizipPräsens'} als Derivationsmorpheme klassifizieren. Dafür spricht auch, daß viele Infinitive und Partizipien keine entsprechenden finiten Formen haben, z.B. luftlanden, zwangspensioniert3. Daß die Partizipien nicht ohne weiteres in das Verbparadigma einzuordnen sind, haben auch die 3
Weitere Beispiele in Asdahl Holmberg, (1976).
272
Henning Bergenholtz und Joachim Mugdan
alten Grammatiker erkannt, indem sie einen eigenen Redeteil Partizip annahmen, dt. Mittelwort (zwischen Verb und Nomen). Bei den finiten Verbformen sind wiederum verschiedene Analyseformen möglich, je nachdem ob und wie man Tempus, Modus und Person/Numerus aufteilt. Regel (la) setzt voraus, daß z.B. hättest nicht als Stamm + {,Präteritum'} + {,Konjunktiv'} + {,2PersonSingular'} dargestellt wird, sondern entweder als Stamm + {,KonjunktivPräteritum'} + {,2PersonSingular'} oder als Stamm + {,Präteritum'} + {,2PersonSingularKonjunktiv'} oder auch als Stamm + {,2PersonSingularKonj unkti vPräteritum'}. 5.
Pronominalmorpheme
Eine Klasse von Pronominalmorphemen mit Elementen wie ein, welch, mein, jed- (z. B. jeder) anzunehmen, läßt sich mit folgenden beiden Argumenten rechtfertigen: Im Gegensatz zu den Kernmorphemen, die prinzipiell sowohl in Adjektiven, Verben und Substantiven auftreten können 4 , kommen die Pronominalmorpheme nur in Pronomina vor. Ferner müssen sie immer mit genau einem Flexionsmorphem verbunden sein, wogegen die Kerne ohne, mit einem oder mit zwei Flexionsmorphemen stehen können. Außer dem Flexionsmorphem kann ein Pronominalmorphem keine weiteren Morpheme zu sich nehmen, wenn man davon ausgeht, daß niemand, jemand, sämtlich, jeglichu. a. unsegmentiert bleiben. Weiterhin muß man für derselbe, dieselbe, dasselbe, derjenige usw. jeweils zwei grammatische Wörter ansetzen, weil sonst innere Flexion auftreten würde. Mit dieser Ausnahme kann man aber Fälle wie seinerseits, deinerseits, deinetwegen, ihretwegen usw. nicht analysieren, weil hier auf das Pronominalmorphem kein Flexionsmorphem folgt. Aus diesem Grund böte sich an, die Klasse der Pronominalmorpheme aufzugeben und der der Kerne zuzuordnen. 6.
Partikelmorpheme
Für allein stehende, stets unflektierte Wörter wie und, oder, weil, bis usw. ist es naheliegend, eine eigene Morphemklasse anzunehmen. Dieser Klasse rechnen wir auch die „Verbzusätze" zu, die teils allein stehen (stiegen aus), teils unmittelbar vor einem Kernmorphem (ausstiegen). Dadurch kann auch eine Unterscheidung zwischen „untrennbaren Verben" wie übersetzen und „trennbaren" wie übersetzen getroffen werden, indem jeweils ein Derivations- bzw. ein Partikelmorphem angenommen wird: übersetzen (Derivationsmorphem + Kern + Flexionsmorphem) gegenüber übersetzen (Partikelmorphem + Kern +
4
Diese These verfechten wir in Bergenholtz/Mugdan, (1979b).
Wortstrukturen
273
Flexionsmorphem). So wird auch die Derivationsbeziehung von übersetzen (D + K + F) zu Übersetzung (D + K + D) deutlich und leicht darstellbar. Bei den Verben sind also die betonten Präfixe abtrennbar; bei Substantiven wie Überbevölkerung und Adjektiven wie unterbelichtet sind Über- und unter- betont. Wenn man sie aber als Partikelmorpheme betrachten würde, wäre eine Analyse mit Regel (3a) nicht mehr möglich, weil ein Derivationsmorphem (-be-) folgt. Es bieten sich verschiedene Auswege an: Zum einen könnte die Regel (3a) dahingehend geändert werden, daß „Kernmorphem" durch „Stammteil" ersetzt würde. Damit würden aber die offenbar bestehenden Beschränkungen wegfallen, zumal die Regel rekursiv würde. Partikelmorpheme treten jedoch nicht in mehrfacher Folge auf, sondern höchstens zu zweit, vgl. beauftragen, übervorteilen. Zum anderen könnte man Regel (3a) zugunsten von (3c) beseitigen und alle Verbpräfixe als Derivationsmorpheme betrachten. Damit ginge der Zusammenhang zwischen stiegen aus (K + F, P) und aussteigen (D + K + F) verloren. Schließlich könnte man dafür plädieren - und wir neigen mit August Schleicher (1859) zu dieser Lösung —, anstelle von aussteigen zwei Wörter zu schreiben. In diesem Falle wäre Regel (3a) überflüssig, und alle Partikelmorpheme treten allenfalls in Verbindung mit einem weiteren Partikelmorphem als ein Wort auf, z. B. bisher und vorher gehen. Damit wäre auch eine elegante Analyse für auszusteigen gefunden: Die drei Wörter aus zu steigen lassen sich mit den Regeln ohne weiteres als P, P, K + F analysieren, während sonst das -zuerhebliches Kopfzerbrechen bereitet. 7.
Ausblick
Wir wollen nicht verschweigen, daß die angebotenen Regeln auch in ihrer jetzt modifizierten Fassung einige Fragen offen lassen: Weder Inanspruchnahme noch (seine) Wenns und (des) Über-Ichs können durch die jetzigen Regeln analysiert werden, wenn man die Strukturen P + D + K + K (In-an-spruch-nahme), P + F (Wenn-s) und P + Pron + F (Über-lch-s) ansetzt. Wir möchten uns von dem geneigten Leser mit der Anregung verabschieden, Lösungen für diese Fälle von „Zusammensetzungen" und „Substantivierungen" zu finden und weitere „Systemtöter" zu suchen. (März 1981)
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Zum Begriff des Wortakzents HANS-HEINRICH L I E B ,
Berlin
1. Einleitung Daß ein Wort im Deutschen ,betonte' und ,unbetonte' Silben hat, ist jedem Sprecher unmittelbar einleuchtend. Sprachwissenschaftlich scheint es sich dabei zunächst um eine leicht erfaßbare Erscheinung zu handeln, im Unterschied zu Akzentphänomenen im Satz, an deren semantischer und formaler Subtilität noch jeder Beschreibungsversuch gescheitert ist. Jedoch kann die Analyse des deutschen Wortakzents so einfach auch nicht sein: Warum sonst wurde er immer aufs neue zum Gegenstand von Untersuchungen gemacht (zuletzt bei Kohler, ([1977]: § 6.2.1) und Wurzel, [1980])? Nicht anders stellt sich das Bild im Englischen dar: Die ,metrische Theorie' von Liberman (1975) und Liberman und Prince (1977), die, stark vereinfacht, in ihrem lexikalischen Teil Schwereabstufungen von Silben im Wort zu erfassen sucht, arbeitet auf dem Gebiet der Wortakzentlehre, und der verwandte Ansatz von Schane (1979a, b) versteht sich ausdrücklich in diesem Sinn. Die erheblichen Schwierigkeiten, die sich der Beschreibung des Wortakzents im Deutschen und Englischen tatsächlich entgegenstellen, lassen sich unterteilen in (a) Schwierigkeiten bei der Suche nach einem angemessenen Begriff des Wortakzents und (b) Schwierigkeiten bei der Beschreibung der einzelsprachlichen Phänomene. Ohne einen angemessenen Begriff des Wortakzents ist die adäquate einzelsprachliche Beschreibung nicht möglich, wenn er sie auch keineswegs garantiert. Im vorliegenden Aufsatz werde ich mich auf Bemerkungen beschränken, die den Begriff des Wortakzents betreffen; meine wenigen Beispiele aus dem Deutschen dienen dazu, theoretische Möglichkeiten zu erläutern, und meine Hypothesen über das Deutsche sind als vorläufig zu betrachten. 2. Wortakzent:
Explikanda
Bei Beschäftigung mit der vorliegenden Literatur zeigt sich bald, daß man mit einem einzigen Explikandum „Wortakzent" nicht auskommt. Wenigstens die folgenden Typen von Begriffen sollte man ansetzen
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Hans-Heinrich Lieb
(ich verzichte darauf, einschlägige Autoren oder Stellen überall nachzuweisen): (1) Mögliche Explikanda a. Binäre Akzentbegriffe Begriffe, nach denen jede Silbe eines Wortes entweder einen Wortakzent oder keinen Wortakzent hat. b. Gradierende Akzentbegriffe Begriffe, nach denen jede Silbe eines Wortes in bestimmtem Grade akzentuiert ist. c. Begriffe für Akzentarten (Binäre) Begriffe für bestimmte Arten von Akzenten ^Hauptakzent', ,Nebenakzent' u. ä.), die jede akzentuierte Silbe eines Wortes entweder hat oder nicht hat. d. Phonetische Begriffe Begriffe, nach denen Akzentuiertheit/Akzentgrad/Akzentart einer Silbe auch oder nur phonetisch definiert sind, und zwar a. einfach (durch eine einzige phonetische Eigenschaft) oder ß. komplex (durch mehrere phonetische Eigenschaften) und y. artikulatorisch oder 8. akustisch oder e. auditiv (perzeptuell). e. Satzfunktionale Begriffe Begriffe, nach denen Akzentuiertheit/Akzentgrad/Akzentart einer Silbe auch oder nur durch Eigenschaften definiert sind, die dem Wort hinsichtlich seiner Verwendbarkeit in Sätzen zukommen. Bemerkungen Bemerkung 1. Zwischen einzelnen Begriffstypen bestehen logische Beziehungen. a. Binäre und gradierende Akzentbegriffe schließen sich aus. Allerdings wären ein binärer Begriff und ein Begriff, der nur zwei Akzentgrade unterscheidet, in einem definierbaren Sinn äquivalent. b. Begriffe für Akzentarten setzen binäre Akzentbegriffe voraus (sie sind nur auf ,akzentuierte' Silben anwendbar) oder bilden eine Grundlage für solche Begriffe (bei disjunktiver Definition der Akzentbegriffe). c. Phonetische und satzfunktionale Begriffe schließen sich nicht aus: vgl. „auch" in (d) und (e). Bemerkung 2. Es ist in der Literatur oft schwierig zu entscheiden, ob ein gradierender Akzentbegriff gemeint ist oder ob ein binärer
277
Zum Begriff des Wortakzents
Akzentbegriff durch eine Akzentarten-Unterscheidung ergänzt wird. Gradierende Begriffe werden gewöhnlich und Akzentarten-Begriffe meist als phonetische Begriffe konzipiert. Bemerkung 3. Bei den phonetischen Begriffen dürften einfachartikulatorische am ältesten sein; vgl. den ,exspiratorischen Akzent' älterer Darstellungen des Deutschen. Die Unangemessenheit solcher Begriffe darf man als erwiesen voraussetzen. Bemerkung 4. Ein phonetischer Begriff muß phonetische Eigenschaften, die einer Silbe innerhalb eines Wortes (ohne Rücksicht auf Satzkontexte) zukommen, definitorisch heranziehen. Dies trifft beispielsweise zu bei einem definierenden Satz des folgenden Typs: „Eine Silbe hat in einem Wort einer Sprache Wortakzent genau dann, wenn sie bei normaler Nennung des Wortes durch Sprecher der Sprache mit größtem Atemdruck realisiert wird." Angenommen, „Wortakzent" ist ohne Rückgriff auf phonetische Eigenschaften von Silben definiert. Es ist dann immer noch möglich, daß sich die Wortakzentsilben einer bestimmten Sprache oder auch aller Sprachen durch Rückgriff auf solche Eigenschaften identifizieren lassen. Beispielsweise könnte für das Deutsche faktisch gelten: „Eine Silbe hat in einem Wort des Deutschen Wortakzent genau dann, wenn sie bei normaler Nennung des Wortes durch Sprecher des Deutschen mit größtem Atemdruck realisiert wird" — und dies kann grade dann (faktisch) gelten, wenn es nicht aus der Definition von „Wortakzent" für beliebige Sprachen folgt. Ein nicht-phonetischer Begriff schließt also keineswegs aus, daß es faktisch notwendig-hinreichende Bedingungen phonetischer Art gibt, die sein Zutreffen in einzelnen oder in allen Sprachen regeln. Bemerkung 5. Anscheinend zielen Vorschläge für satzfunktionale Begriffe stets auf binäre Akzentbegriffe und haben im wesentlichen die folgende Form: „Eine Silbe eines Wortes hat Wortakzent, wenn sie bei Gebrauch des Wortes in einem Satze einen syntaktischen Akzent tragen kann". Wohl am bekanntesten sind die Begriffsvorschläge von Lehiste ([1970]: 150) und Bolinger (seit (1965) [1958]: 55: „one kind of phonemic stress is potential for pitch accent", wo stress ~ Wortakzent und pitch accent « syntaktischer Akzent). Im folgenden werde ich einen Explikationsvorschlag für einen binären Akzentbegriff umreißen, der im wesentlichen satzfunktional orientiert ist, aber auditiv-phonetische Eigenschaften einbezieht. 3. Formale Explikation
von
„Wortakzent"
Der Ausdruck „hat Wortakzent" soll formal und inhaltlich präzisiert werden.
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Hans-Heinrich Lieb
Formal ist der Ausdruck sicher kein Eigenschaftsname: „etwas hat Wortakzent in einem Wort". Für eine weitere Präzisierung muß der Status von Wörtern geklärt werden. Ein phonologisches Wort w in einem Idiolektsystem S fasse ich auf als ein Tripel (p, kp, I p > der folgenden Art. („Idiolektsystem" wird als traditioneller Begriff für Systeme individueller Verständigungsmittel' im Sinne von Lieb (1970) gebraucht. Eine kurze Einführung in die Konzeption findet sich in Lieb, (1979); eine Verteidigung in Lieb (1983). Zum folgenden vgl. genauer Lieb, (1980).) f* ist eine Folge ,phonologischer Segmente' von S (von ,Sprachlauten' als Einheiten der phonologischen Ebene). kp ist eine phonologische Konstituentenstruktur von f?, mit der eine Silbeneinteilung von f 9 sowie die Struktur der Silben festgelegt wird. I p ist eine phonologische Intonationsstruktur von fp. (kp, Ip) ist eine phonologische Struktur von f9 und die phonologische Struktur des Wortes w = (f^, kp, Zp>. Das folgende Beispiel aus Lieb ([1980]: 137) mag zur Erläuterung dienen (mit Index „'" statt „ p "): (2) Für die Segmentfolge (4) f' = df buter = {, , , , } — orthographisch „Butter" — setzen wir in einem geeigneten deutschen Idiolektsystem S* als phonologische Struktur das folgende Paar s' = an mit: (5) a. k' = df
PWf ( - , S*)
VcGr ( —, S*) C(-,S*) 1
VcGr ( —, S*)
Vc ( - , S*)
C(-,S*)
Vc (—, S*)
2
3
4
C(-,S*) 5
b. I' = d f - - S * = { abgegrenzt werden (vgl. Lieb, ([1980]: 142)). merkmal-prim ist eine Funktion, die jedem S die größte Menge von Mengen F zuordnet, für die gilt: Eine Silbe eines Wortes in S hat nur dann Hauptakzent, wenn ihr eines der F durch die Intonationsstruktur des Wortes zugeordnet wird. (Nach (8) gibt es im Deutschen nur ein derartiges F, nämlich {~S}; in (9 b) wird Einzigkeit nicht allgemein verlangt.) Ip(m) in (9 b) ist das m-te Glied der Intonationsstruktur I p , also grade das F, das f f als der ra-ten Silbe von w entspricht. „Hat Wortakzent" wird nun einfach wie folgt definiert: (10) a. Eine Silbe hat Wortakzent, wenn sie Haupt- oder Nebenakzent hat. b. /*> e acc(">, S) = d f (a) oder (ß): «• f*> e prim(i^, S); ß. > esec(«/,S). Der Begriff des Hauptakzents wird rein satzfunktional gefaßt; seine Definition kann im Rahmen dieses Aufsatzes jedoch unmöglich geliefert werden. Der Begriff des Nebenakzents ist zugleich satzfunktional und auditiv-phonetisch: satzfunktional, insofern seine Definition auf den satzfunktionalen Begriff des Hauptakzents zurückgreift; auditivphonetisch, weil er die Intonationsmerkmale von Hauptakzentsilben einbezieht. Aufgrund seiner disjunktiven Definition ist auch der Begriff des Wortakzents satzfunktional und phonetisch zugleich. Die drei vorgeschlagenen Begriffe sind für das Deutsche und Englische hinreichend extensionsähnlich mit Explikanda, von denen man vernünftigerweise ausgehen würde. Für andere Sprachen habe ich dies nicht überprüft. Abschließend möchte ich auf ein Problem hinweisen, zu dem die Begriffe führen, und zwar unabhängig von Einzelproblemen, die bei der Explikation noch auftreten mögen. Nebenakzente und Hauptakzente haben per definitionem dieselben Intonationsmerkmale (jedenfalls auf der phonologischen Ebene, wenn schon nicht auf der phonetischen). Es scheint jedoch vernünftig zu fordern, daß sich Haupt- und Nebenakzent wortintern unterscheiden lassen; anders, Hauptakzentsilben und Nebenakzentsilben desselben Wortes sollten identifizierbar sein, ohne daß man über das Wort und seine strukturellen Eigenschaften hinausgeht. Nun lassen sich zu den strukturellen Eigenschaften eines phonologischen Wortes im weiteren Sinn gewiß auch seine morphologischen rechnen. In der Tat ist für das Deutsche die folgende Annahme berechtigt:
Zum Begriff des Wortakzents
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(11) Haupt- und Nebenakzentsilben eines phonologischen Wortes sind bei Mitheranziehung seiner morphologischen Struktur unterscheidbar. Ich halte es für wahrscheinlich, daß man diese Hypothese auf alle Sprachen ausdehnen darf. Literatur Bolinger, D. L. (1958): „A theory of pitch accent in English". Word 1. pp. 1 1 9 - 1 4 9 . Wieder in: Bolinger, D. L.: Forms of English. Accent, morpheme, order, (Hrsg.) I. Abe und T. Kanekiyo, Hokuou, Tokio, pp. 17 — 56. Kohler, K. J. (1977): Einführung in die Phonetik des Deutschen. Schmidt, Berlin (West), (Grundlagen der Germanistik 20). Lehiste, Ilse. (1970): Suprasegmentals. M . I . T . Press, Cambridge (Mass.). Liberman, M. (1975): The intonational system of English. Ph.D. diss. M . I . T . New York etc.: Garland 1979. Liberman, M., und A. Prince. (1977): „On stress and linguistic rhythm". Linguistic Inquiry 8. pp. 249 - 336. Lieb, H. (1970): Sprachstadium und Sprachsystem: Umrisse einer Sprachtheorie. Kohlhammer, Stuttgart. Lieb, H. (1979): „The universal speech function. A functional account of the relation between language and speech". In: K. Ezawa/K. H. Rensch (Hrsg.): Sprache und Sprechen. Festschrift für Eberhard Zwirner zum 80. Geburtstag. Niemeyer, Tübingen, pp. 185 - 1 9 4 . Lieb, H. (1980): „Segment und Intonation: Zur phonologischen Basis von Syntax und Morphologie". In: Lieb (Hrsg.): pp. 1 3 4 - 1 5 0 . Lieb, H. (1983): Integrational Linguistics. Vol. I: General Outline. Amsterdam/Philadelphia, Benjamins. (CILT 17). Lieb, H. (in Vorbereitung): Accent and meaning. A study of syntactic accents, stress, and rhythm, with special reference to German. Lieb, H. (Hrsg.). Oberflächensyntax und Semantik. Symposium anläßlich der ersten Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Sprachwissenschaft, Tübingen 1979. Niemeyer, Tübingen (Linguistische Arbeiten 93). Schane, S. A. (1979a): „Rhythm, accent, and stress in English words". Linguistic Inquiry 10, pp. 4 8 3 - 5 0 2 . Schane, S. A. (1979 b): „The rhythmic nature of English word accentuation". Language 55, pp. 5 5 9 - 6 0 2 . Vennemann, T. (1980): „Universalphonologie als partielle Sprachtheorie". In: Lieb (Hrsg.): pp. 1 2 3 - 1 3 3 . Wurzel, W. U. (1980): „Der deutsche Wortakzent: Fakten - Regeln - Prinzipien. Ein Beitrag zu einer natürlichen Akzenttheorie". Zeitschrift für Germanistik 1, pp. 2 9 9 - 3 1 8 .
Zur Struktur des Lexikons in der generativen Grammatik ROLAND R . H A U S S E R ,
München
Die Konzeption eines Lexikons hängt weitgehend von dem Grammatiksystem ab, von dem es ein Teil sein soll. Im folgenden werde ich mich auf den Typ der generativen Grammatik beschränken, der sich in den letzten 25 Jahren zur Beschreibung natürlicher Sprachen immer mehr durchgesetzt hat. Eine generative Grammatik ist ein streng formales System, das aus einer Menge von Grundausdrücken und einer relativ kleinen Anzahl von mathematisch formulierten Regeln Ausdrücke der zu beschreibenden natürlichen Sprache generiert. Dabei nennt man die Komponente, die die Grundausdrücke enthält, das Lexikon und die Komponente, die die Regeln zur Verbindung der Grundausdrücke enthält, die Syntax der generativen Grammatik. Die Menge der von einer generativen Grammatik erzeugten Ausdrücke nennt man das von der Grammatik erzeugte Fragment (einer natürlichen Sprache). Der generative Ansatz hat einen wesentlichen methodologischen Vorteil gegenüber älteren, nicht-formalen Methoden der Sprachbeschreibung, nämlich die explizite Hypothesenbildung. Indem man linguistische Teilanalysen im Rahmen einer generativen Grammatik formuliert, ist man gezwungen, die Kompatibilität der Teilanalysen miteinander zu erweisen. Weiterhin ist die Vollständigkeit und deskriptive Adäquatheit einer generativen Grammatik explizit überprüfbar, indem man das von der Grammatik erzeugte Fragment mit der zu beschreibenden natürlichen Sprache vergleicht. Ziel einer generativen Analyse ist es, Systeme zu definieren, deren formal erzeugte Fragmente die sprachliche Wirklichkeit besser und besser approximieren. Was ist nun die Aufgabe des Lexikons im Rahmen einer generativen Grammatik? Beginnen wir mit einer Definition: 1) Das Lexikon beschreibt die Grundausdrücke der Objektsprache. Diese Definition ist soweit sicherlich korrekt und weit genug gehalten, um keinen Widerspruch hervorzurufen. Aber eine Definition ist nur so gut wie die Termini, die in ihr vorkommen. In unserem speziellen Fall liegt das Problem in den Worten Grundausdrücke und beschreibt. Um zu zeigen, in wie verschiedener Weise diese Termini interpretiert
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Zur Struktur des Lexikons in der generativen Grammatik
werden können, wollen wir zwei Lexikontypen vergleichen, die uns allen aus dem Alltagsgebrauch vertraut sind. Diese sind erstens ein sogenanntes Konversationslexikon, wie zum Beispiel der Große Brockhaus, und zweitens ein sogenanntes Wörterbuch wie Langenscheidts Deutsch — Englisch. Die im Brockhaus beschriebenen Ausdrücke umfassen' nur die sogenannten Haupt-Wortklassen, nämlich die Eigennamen, Nomina, Adjektive und Adverbien. Der Langenscheidt hingegen enthält zusätzlich sogenannte Funktionswörter wie Artikel (z. B. der, die, das, jeder, alle, einige, etc.), Junktoren (z.B. und, oder, aber, etc.), Complementizers (z.B. daß, weil, nachdem, obwohl, etc.), und so weiter. Angenommen, daß wir unter Grundausdrücken einer Sprache die einzelnen Wörter verstehen, erhebt sich nun die Frage, ob das Lexikon einer generativen Grammatik alle Wörter der Objektsprache enthalten soll, wie der Langenscheidt, oder nur Ausdrücke von bestimmten Wortklassen, wie der Brockhaus. Intuitiv ist man geneigt zu sagen, daß das Lexikon alle Grundausdrücke beschreiben sollte, und zwar zu Recht, wie ich meine. Die Hauptvertreter der generativen Grammatik, nämlich die Transformations-Grammatik und die Montague Grammatik, jedoch präsentieren fast ausnahmslos Systeme, in denen das Lexikon nur einen Teil der Wörter enthält, während die verbleibenden Wörter synkategorematisch, das heißt mithilfe syntaktischer Regeln, eingeführt werden. Betrachten wir als Beispiel den Ausdruck (2):
(2a)
glaubt, daß Fritz schläft glaubt
daß Fritz schläft
Fritz
schläft
(2b)
glaubt, daß Fritz schläft
glaubt
Fritz schläft
Fritz
schläft
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Roland R. Hausser
In der ersten Analyse ist das Wort daß kompositioneil behandelt. D. h., daß steht im Lexikon, und die Syntax dient einzig zur Komposition der Wörter. In der zweiten Analyse dagegen ist daß synkategorematisch behandelt. D.h., bei diesem Ansatz steht daß nicht im Lexikon. Vielmehr wird es mithilfe einer syntaktischen Regel in die Oberfläche geschmuggelt, und zwar derjenigen Regel, die glaubt und Fritz schläft kombiniert. Die Frage, ob alle Wörter der Objektsprache im Lexikon stehen sollen oder nicht, ist von größter Bedeutung für den Aufbau einer generativen Grammatik, weil sie das Verhältnis von Lexikon und Syntax bestimmt. Die folgenden Gründe sprechen gegen die synkategorematische Behandlung von Wörtern: erstens, jedes synkategorematisch eingeführte Wort bedeutet eine Komplikation der Syntax, und zweitens wird jedes synkategorematisch behandelte Wort seiner legitimen lexikalischen Analyse beraubt. Ich komme somit zu dem Ergebnis, daß das Lexikon alle Grundausdrücke der Objektsprache enthalten soll, während die Aufgabe der Syntax einzig in der Komposition liegt. Damit ist die Diskussion des Begriffs „Grundausdrücke" aber noch nicht abgeschlossen. Bisher fragten wir nämlich nur, ob alle Grundausdrücke im Lexikon behandelt werden sollen oder nicht. Da sowohl der Brockhaus als auch der Langenscheidt Wörter beschreiben, wenn auch aus unterschiedlichen Wortklassen, setzten wir dabei die Begriffe ,Grundausdruck' und ,Wort' stillschweigend gleich. In der linguistischen Literatur finden wir jedoch in diesem Zusammenhang eine Kontroverse. Sie entzündet sich an der Frage, ob man die Lexikonausdrücke oberflächenstrukturell als Wörter definieren soll, oder ob man stattdessen dem Lexikon die Aufgabe zuschreibt, unregelmäßige oder nicht-produktive Strukturen der Sprache darzustellen, während die Syntax nur regelmäßige oder produktive Ableitungsstrukturen behandelt, und zwar unabhängig davon, ob diese Strukturen unterhalb oder oberhalb der Wortebene liegen. Der zweite Ansatz wird am klarsten von der Schule der sogenannten generativen Semantiker um Lakoff und McCawley vertreten. Zum Beispiel schlug McCawley (1968) vor, das Wort kill von der Struktur CAUSE to BECOME NOT ALIVE abzuleiten. Nach diesem Vorschlag wird zuerst die Struktur CAUSE to BECOME NOT ALIVE in der Syntax zusammengebaut, wobei CAUSE, BECOME, NOT, und ALIVE als Grundeinheiten betrachtet werden. Später wird dann diese syntaktische Struktur durch die Oberfläche kill ersetzt. Auf diese Weise glaubten die generativen Semantiker regelmäßige syntaktische Prozesse zur Charakterisierung der Bedeutung von kill nutzbar machen zu können. Den umgekehrten Fall, wo also mehreren Oberflächenwörtern ein einziger lexikalischer Grundausdruck zugrunde liegt, stellen für die
Zur Struktur des Lexikons in der generativen Grammatik
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generativen Semantiker die sogenannten Idiome oder Redewendungen dar. Betrachten wir Beispiel (3): (3) Stobbe mußte seinen Hut nehmen. In der intendierten idiomatischen Verwendung stellen die drei Wörter seinen Hut nehmen eine Einheit dar, die sich nicht weiter in produktive oder regelmäßige Strukturen zerlegen läßt, zumindest nicht auf Ebene der Sprecherbedeutung. Deshalb würden die generativen Semantiker die komplexe Phrase „seinen Hut nehmen" als einen Lexikoneintrag behandeln, beziehungsweise von der lexikalischen Grundeinheit zurücktreten ableiten. Angesichts der Frage, ob die Grundeinheiten des Lexikons strukturell definiert werden sollen, nämlich als Oberflächenwörter, oder im Sinn der generativen Semantiker, nämlich als Einheiten, die sich nicht weiter in regelmäßiger Weise zerlegen lassen, plädiere ich für die Wahl der Oberflächenwörter als lexikalische Grundeinheiten, und zwar aus den folgenden Gründen. Erstens kann die Frage, ob eine sprachliche Struktur in regelmäßiger Weise weiter zerlegbar ist oder nicht, niemals eindeutig entschieden werden, sondern hängt immer von der Beschreibungsebene ab. Auf rein oberflächensyntaktischer Ebene läßt sich „seinen Hut nehmen" zum Beispiel ohne weiteres weiter zerlegen. Und zweitens kann die syntaktische Ableitung eines Wortes wie zum Beispiel kill von CAUSE to BECOME N O T ALIVE den erwünschten Zweck, nämlich die Bedeutungsbeschreibung, nicht adäquat erfüllen. Damit komme ich also zu dem Ergebnis, daß die im Lexikon einer generativen Grammatik beschriebenen Grundausdrücke die Wörter der Objektsprache sein sollen, was im übrigen der traditionellen Auffassung entspricht, und daß das Lexikon alle Wörter der Objektsprache beschreiben soll. Den Begriff Wort verstehe ich dabei oberflächenstrukturell, also etwa als das, was im Schriftbild des Deutschen zwischen zwei Abständen steht. Diese Charakterisierung des Begriffs Wort ist gewiß noch vortheoretisch, genügt aber, um unsere Position etwa von der der generativen Semantiker abzusetzen. Als nächstes wollen wir uns den anderen kritischen Terminus in unserer Ausgangsdefinition ansehen, nämlich den Terminus beschreiben. Wie sollen die syntaktischen Grundausdrücke, also die Wörter, im Lexikon beschrieben werden? Als Antwort geben wir wiederum eine Definition: (4) Definition 2: Ein Wort wird durch seine Oberflächenform, seine Kategorie und durch seine wörtliche Bedeutung definiert. Es gilt nun, die in dieser Definition enthaltenen Termini Oberflächenform, Kategorie, und wörtliche Bedeutung genauer zu spezifizieren. Beginnen wir mit der Oberflächenform der Wörter. Sie kann sowohl orthographisch als auch phonetisch realisiert werden. In dieser
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Roland R. Hausser
Hinsicht unterscheiden sich wiederum Brockhaus und Langenscheidt. Der Brockhaus spezifiziert die Form der Wörter nur orthographisch, während der Langenscheidt die Wörter sowohl orthographisch als auch phonetisch, also aussprachemäßig, beschreibt. Eine andere Frage ist, wie die einzelnen Wortformen überhaupt isoliert werden. Hier gibt es immer wieder strittige Fälle. Bolinger (1975) schreibt in diesem Zusammenhang: „How do we know that roadblock is one word and road machinery is two?". Abgesehen von solchen Grenzfällen hat der Sprecher jedoch eine recht klare intuitive Vorstellung davon, was ein Wort ist. Dies wird auch von Sapir (1921) bestätigt, der berichtet, daß Indianer, die keinerlei Kenntnisse in Lesen und Schreiben haben, ohne weiteres in der Lage sind, dem Sprachforscher Sätze ihrer Sprache Wort für Wort zu diktieren. Insgesamt kann man also sagen, daß der Begriff der Wortform intuitiv relativ klar ist, obwohl eine formale, strukturell basierte Definition äußerst schwierig ist. Als nächstes komme ich zum Begriff der Kategorie. Die Kategorie eines Wortes bestimmt die Wortklasse, zu der das Wort gehört. Wörter wie Tür, Straße und Blume gehören in dieselbe Wortklasse und haben somit dieselbe Kategorie, weil sie dieselben kombinatorischen, beziehungsweise distributionellen, Eigenschaften haben. Die Zugehörigkeit einer Oberflächenform zu einer bestimmten Wortklasse wird mithilfe sogenannter Substitutionstests bestimmt. Die Frage ist nun, welches Kategoriensystem man zur Benennung der verschiedenen Wortklassen einer Sprache verwenden soll. Diese Frage betrifft wiederum das Verhältnis von Lexikon und Syntax. In der Transformationsgrammatik verwendet man unanalysierte Kategorien wie zum Beispiel NP, N, Det, VP, etc. Dabei werden die kombinatorischen Eigenschaften eines Wortes durch die syntaktischen Regeln bestimmt, die die Kategorie des Wortes erwähnen. Die andere Möglichkeit ist, die Kombinatorik einer Wortklasse direkt in der Kategorie auszudrücken. Im zweiten Fall verwendet man analysierte Kategorien, d. h. Kategorien, die von zwei Grundkategorien rekursiv abgeleitet sind und die Kombinatorik der von ihnen indizierten Wortklasse durch ihre innere Struktur kodieren. Die Frage, inwieweit die Kombinatorik von Ausdrücken in ihrer Kategorie kodiert werden soll, und somit letztlich im Lexikon behandelt wird, hat weitreichende Konsequenzen für den Aufbau einer generativen Grammatik (siehe Schnelle, [1973]: S. 1 1 5 - 1 6 7 ) . Ich komme nun zum dritten Teil der Wortanalyse, nämlich der Beschreibung der Bedeutung. Hier bietet der Vergleich von Brockhaus und Langenscheidt wiederum interessante Anhaltspunkte. Im Brockhaus wird die Bedeutung von Wörtern durch Paraphrasen beschrieben. Die Bedeutung des Wortes Donner zum Beispiel kann durch die folgende Paraphrase spezifiziert werden: beim Gewitter dem Blitz
Zur Struktur des Lexikons in der generativen Grammatik
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folgendes, rollendes Geräusch infolge plötzlichen Ausdehnens und Zurückschlagens der vom Blitz erhitzten Luft. Im Langenscheidt dagegen wird die Bedeutung von Wörtern durch Übersetzung in eine andere Sprache charakterisiert. Die Bedeutung des Beispiels Donner wird somit durch das englische Wort thunder charakterisiert. Wie sieht es nun mit der Analyse von Wortbedeutungen im Rahmen der generativen Grammatik aus? Katz und Fodor (1963), Katz und Postal (1964) und Chomsky (1965) schlugen vor, die Bedeutung eines Wortes durch ein Bündel von Merkmalen zu beschreiben. In Chomsky (1965) finden wir zum Beispiel die folgende Merkmal-Analyse des Nomens boy: (5) + count
+ common
Chomskys Analyse exemplifiziert unsere Definition 2 (4) des Wortes insofern, als sie die Oberflächenform, die Kategorie und die Bedeutung des Wortes boy beschreibt. Dabei repräsentiert boy die Oberflächenform, die Merkmale N , 4-count und + common spezifizieren die Kategorie, und die Merkmale +animate und + human spezifizieren die Bedeutung. Was die Bedeutungsanalyse angeht, ist Chomskys Beispiel allerdings unvollständig und müßte zumindest durch die Merkmale + m a l e und — adult ergänzt werden. Die Frage ist nun: was für eine Art von Bedeutungsanalyse stellt diese Merkmalstruktur dar? Insofern als das Wort boy mit anderen Worten derselben Sprache, nämlich +animate, + human, etc., gleichgesetzt wird, beruht Chomskys Analyse der Wortbedeutung auf der Paraphrase. Das gleiche gilt für die erwähnte Analyse des Wortes kill von McCawley (1968). Ganz offensichtlich wird hier die Bedeutung von John kills Bill auf die Paraphrase John causes Bill to become not alive zurückgeführt. Der sogenannte interpretativ semantische Ansatz von Chomsky und der generativ semantische Ansatz von McCawley unterscheiden sich lediglich in der formalen Behandlung der Paraphrase. Bei Chomsky wird die Paraphrase im Lexikon in Form von Merkmalbündeln vorgenommen, die die Wörter analysieren. Bei McCawley hingegen wird die Paraphrase in der Syntax generiert.
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Roland R. Hausser
(6)
CAUSE
ALIVE John kills Bill.
Die Paraphrasenmethode hat zwei legitime Ziele: erstens die lexikalische Disambiguierung und zweitens die Zerlegung von Worten in semantische Primitiva oder Grundausdrücke. Bezüglich der Disambiguierung finden wir in Chomsky (1965) das folgende Beispiel: (7) T h e boy hit the colorful ball. Chomsky geht davon aus, daß ball lexikalisch zweideutig ist. Dies wird dadurch zum Ausdruck gebracht, daß es zwei Merkmalbündel mit der Oberfläche ball im Lexikon gibt, wobei das eine das Merkmal gesellschaftliches Ereignis und das andere die Merkmale rund und Gegenstand aufweist. Indem nun das Merkmalbündel des Verbums hit angibt, daß das Objekt des Satzes ein Gegenstand sein muß, schließen die sogenannten Projektionsregeln die unerwünschte Lesart von ball als gesellschaftliches Ereignis' aus. Obwohl die lexikalische Disambiguierung sicherlich mit zu einer semantischen Sprachanalyse dazugehört, reicht sie doch keinesfalls aus. Das gleiche gilt für die paraphrasierende Zerlegung von Wörtern in Strukturen, die nur aus sogenannten Merkmalen oder semantischen Grundausdrücken bestehen. Was in einer solchen Analyse unbeantwortet bleibt, ist nämlich die Frage, wie denn die Bedeutung der Merkmale oder semantischen Grundausdrücke zustande kommt. Und hier besteht eine entscheidende Schwierigkeit für eine Bedeutungsanalyse, die nur auf dem Prinzip der Paraphrase beruht: man kann die Bedeutung der Merkmale oder semantischen Primitiva nicht durch weitere Paraphrasen beschreiben ohne in einen Zirkel zu geraten. Auf dieses Problem weist zum Beispiel David Lewis in seinem Aufsatz General Semantics (1970) hin, in dem er die semantische Theorie von Katz,
Zur Struktur des Lexikons in der generativen Grammatik
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Fodor, Postal und Chomsky als Markerese bezeichnet. Das ganze Unternehmen der paraphrasierenden Bedeutungsbeschreibung steht und fällt mit der Voraussetzung, daß wir die Markers verstehen. Die Frage ist nun: wie kann man die Bedeutung der semantischen Grundausdrücke in nicht-zirkulärer Weise definieren? Wie kann man also über die Sprache hinauskommen, in der Ausdrücke mithilfe anderer Ausdrücke derselben Sprache paraphrasiert werden? Die Antwort ist in der logischen Tradition zu finden, wo man die Aufgabe der Semantik in der Verbindung von Sprache und Realität sieht. Die Logiksprache, die Realität und die Verbindung von Logiksprache und Realität werden dabei in einer sogenannten Metasprache definiert. Die Formel walk'(j) zum Beispiel ist wahr relativ zu einem Modell @ dann — und nur dann —, wenn das von j denotierte Individuum Element der von walk' denotierten Menge ist.
(8)
John walks walk' (j)
Die Bedeutung eines logischen Symbols wird also nicht vorausgesetzt, wie im Fall der Markerese, sondern explizit definiert, indem man das mengentheoretische Objekt spezifiziert, das von dem Symbol denotiert wird. Die Entwicklung der modernen Logiksprachen, die mit Frege begann, ging schrittweise vonstatten. Man begann mit Logiksprachen, in denen nur die sogenannten Satzoperatoren ~ , A , v und —• explizit definiert waren. Später kamen die Quantoren V und A und die Individuenvariablen dazu. Dabei war das Ziel der Logiker in erster Linie, die Gesetze des richtigen Schließens zu formalisieren, wobei die Festlegung der Bedeutung der logischen Symbole nur eine notwendige Vorstufe darstellte. Erst 1970 begann mit den bahnbrechenden Arbeiten Richard Montagues die Verwendung der Logik zur systematischen Beschreibung der Bedeutung natursprachlicher Ausdrücke, und zwar durch Definition eines formalen Übersetzungsalgorithmus von der natürlichen Sprache in die Logiksprache. Damit wird die modelltheoretische Bedeutungsanalyse der Übersetzungsformel zur semantischen Charakterisierung des Oberflächenausdrucks genutzt. Man hatte zwar schon vor Montague natursprachliche Ausdrücke durch logiksprachliche Ausdrücke expliziert und umgekehrt. Zum
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Beispiel indem man „All crows are black" als A x [crow (x) —> black (x)] darstellte. Aber diese Zuordnung von natur- und logiksprachlichen Ausdrücken war informell und beruhte auf der intuitiven Kenntnis beider Sprachen. Montague dagegen legte zuerst die Bedeutung der Wörter in Form logischer Übersetzungen fest und leitete dann die Übersetzung des Satzes systematisch aus der Übersetzung der Wörter und der Art ihrer Zusammensetzung ab. Daß dies möglich sein könnte, ist in den letzten 80 Jahren immer wieder bestritten worden, zum Beispiel von Bertrand Russell, der 1906 in seinem Aufsatz „On Denoting" behauptete, daß die natürlichen Sprachen hoffnungslos unlogisch seien. Daß Montague dennoch die systematische Übersetzung von natürlichen Oberflächen in bedeutungsgleiche Formeln gelang, basiert weitgehend auf neueren Entwicklungen in der Logik, und zwar insbesondere der Typenlogik und dem Lambda-Kalkül. Wir sehen also, daß in der linguistischen Literatur neben der Paraphrase auch die Übersetzung zur Bedeutungsanalyse von Wörtern herangezogen worden ist. Während die Übersetzung im Langenscheidt jedoch auf einer intuitiven Kenntnis des Deutschen und des Englischen beruht, hat die Übersetzung in eine Logiksprache den Vorteil, daß die Bedeutung der logischen Symbole aus elementaren mengentheoretischen Strukturen aufgebaut ist. Meine Überlegungen betreffs der Beschreibung der Wörter im Lexikon einer generativen Grammatik können nun wie folgt zusammengefaßt werden. Was die Beschreibung der Oberflächenform angeht, wähle ich aus Gründen der Praktikabilität die orthographische Standardform, also etwa im Fall des Artikelwortes ein das Symbol ein. Für die Beschreibung der Wortklasse und der ihr eigenen Kombinatorik hingegen wähle ich das sogenannte orthogonale Subkategoriensystem, das ich an anderer Stelle dargestellt habe (Hausser 1984) und das eine Variante der klassischen Kategorien von Lesniewski (1929) und Ajdukiewicz (1935) darstellt. Die Wahl dieses Kategoriensystems reflektiert die Hypothese, daß die Kombinatorik der Wörter vollständig in der Subkategorie, und damit im Lexikon, festgelegt werden kann, so daß die Syntax nur die Aufgabe hat, die Wörter gemäß ihrer Subkategorie zu kombinieren. Ich schlage vor, die Subkategorie eines Wortes im Lexikon als Subskript anzuführen. Im Fall des Wortes ein, das von der Subkategorie C N j T ist, erhalten wir somit den Ausdruck (9)
eincN|T
Was schließlich die Beschreibung der Wortbedeutung angeht, wähle ich aus den dargestellten Gründen Montagues Methode der Übersetzung in eine geeignete Logiksprache, und zwar der sogenannten streng intensionalen Logik (Hausser, [1979]), die eine Variante der intensionalen Logik in Montagues P T Q darstellt. Ich schlage vor, die Übersetzung
Z u r Struktur des Lexikons in der generativen G r a m m a t i k
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eines Wortes im Lexikon jeweils unter den Lexikoneintrag zu schreiben. Damit erhalten wir im Fall von ein die folgende Struktur: (10)
eincNiT
QPVx [Q (x) A P (x)] Eine solche Struktur möchte ich ein Molekül nennen. Ein Molekül ist ein analysiertes Wort, das erstens aus seiner orthographisch dargestellten Oberflächenform, zweitens seiner Subkategorie und drittens seiner Übersetzung besteht. Der Name Molekül soll die Tatsache reflektieren, daß die kombinatorischen und semantischen Eigenschaften eines derart analysierten Wortes vollständig in der Subkategorie und der Übersetzung kodiert sind, so daß der Syntax nur die Zusammenfügung der Moleküle in komplexe Oberflächenausdrücke und assoziierte wörtliche Bedeutungen verbleibt. Wenn wir diese Analyse von Wörtern in Form von Molekülen mit den beschriebenen Vorschlägen der interpretativen und generativen Semantiker vergleichen, so besteht ganz offensichtlich eine stärkere Affinität zu den Merkmalbündeln der interpretativen Semantiker. Die Moleküle und die Merkmalbündel haben gemeinsam, daß Oberflächenwörter analysiert werden, im Gegensatz zu den syntaktischen Strukturen der generativen Semantiker. Andererseits unterscheidet sich die Molekülanalyse von den transformationeilen Vorschlägen beider Schulen sowohl in der Wahl des Kategoriensystems als auch in der Art der Bedeutungsanalyse. Ein weiterer Vergleichspunkt ist der Begriff des Lexems, wie er von Lyons (1968, 1977) und Matthews (1974) verwendet wird. Wie das Molekül ist auch das Lexem ein abstraktes Konzept des Wortes. Ein Lexem spezifiziert drei Aspekte eines Wortes, nämlich die morphologischen, syntaktischen und semantischen Charakteristika. Allerdings wird diese Information im Falle des Lexems mehr oder weniger informell gegeben. Der eigentliche Unterschied zwischen dem Molekül und dem Lexem liegt jedoch in den zugrundeliegenden Auffassungen davon, was ein Wort ist. Die Frage ist, ob man etwa mische, mischst, mischt, mischen, mischte, etc., also die verschiedenen Flexionsformen des Verbums mischen, als verschiedene Wörter betrachtet oder als Formen desselben Wortes. Im zweiten Fall stellt sich die weitere Frage, ob man auch mischen, Mischung, Gemisch, gemischte etc., also verschiedene Derivationsformen, als verschiedene Wörter betrachtet oder wiederum als Formen desselben Wortes. Dem Lexem liegt nun die Auffassung zugrunde, daß verschiedene Flexionsformen eines Wortes Formen eines Lexems sind, während verschiedene Derivationsformen als verschiedene Lexeme betrachtet
294
Roland R. Hausser
werden. Dem Molekülbegriff hingegen liegt die Auffassung zugrunde, daß sowohl verschiedene Derivations- als auch verschiedene Flexionsformen verschiedene Moleküle darstellen. Vergleichen wir zum Beispiel die englischen Wörter breaks, broke und unbreakable. (H)
breaksrtt
brokeTtt
P x Po [Po X [Pi y ( b r e a k ' ( x , y ) ] ]
P 1 P 0 [ H P 0 * [Pi y ( b r e a k ' ( x , y ) ] ]
unbreakable CN | CN
P x [ P ( x ) A ~ OVy (break'(y,x)]] Die Formen breaks und broke stellen insofern verschiedene Moleküle dar, als sie erstens verschiedene Oberflächen und zweitens verschiedene Übersetzungen aufweisen. Was die Molekülstruktur angeht, unterscheidet sich die Derivationsform breakable nicht mehr von break als die Flektionsform broke. Die Wahl des Terminus Molekül statt Lexem beruht also auf der Tatsache, daß der traditionelle Lexem-Begriff eine prinzipielle Unterscheidung zwischen Flektions- und Derivationsformen macht, die in den Molekülstrukturen keine reale Entsprechung hat. Daß wir verschiedene Formen eines Wortes als verschiedene Moleküle behandeln, bedeutet keine zusätzliche Komplikation, sondern ist nichts weiter als eine Möglichkeit, den tatsächlich bestehenden Formenreichtum zu beschreiben. Allerdings stellt sich nun die Frage, wie man ein Lexikon strukturieren soll, das aus so zahlreichen Molekülen besteht. Damit komme ich zum Problemkreis der Ableitung von Wörtern oder Molekülen aus kleineren Einheiten. Solche Ableitungen haben drei Ziele: sie sollen die Prinzipien der Flexion und Derivation in allgemeiner Weise darstellen und sie sollen die Neubildung von Wörtern erklären. Die lexikalischen Regeln, die die Prozesse der Flexion und Derivation simulieren sollen, müssen jedoch mit dem folgenden Problem fertig werden. Einerseits gibt es ganz offensichtlich regelmäßige und auch produktive lexikalische Strukturen. Andererseits stehen aber praktisch jeder lexikalischen Regelmäßigkeit zahlreiche Ausnahmen gegenüber. Sollen nun die systematischen und produktiven Beziehungen zwischen verschiedenen Wörtern wie Buch/Bücher, Gras/Gräser, etc. in Form von generativen Regeln erfaßt werden oder in Form von RedundanzRegeln oder angesichts der vielen Ausnahmen einfach durch Aufli-
Zur Struktur des Lexikons in der generativen Grammatik
295
stung? Wenn wir die Wörter mithilfe von Regeln ableiten, dann müssen wir erst einmal entscheiden, von welchen Einheiten die Wörter, beziehungsweise Moleküle, abgeleitet werden sollen. Hier gibt es drei naheliegende Möglichkeiten. Die erste ist, Wörter von Wörtern abzuleiten. Diese Methode, die vor allem im Bereich der Wortbildung angewendet wird — zum Beispiel von Dowty (1979) —, hat den Nachteil, daß man oft nicht sinnvoll entscheiden kann, welches Wort von welchem abgeleitet werden soll. Betrachten wir zum Beispiel die sogenannte Nullableitung oder Konversion: Soll das Nomen walk von der Verbform walk abgeleitet werden oder umgekehrt? Oder soll das Adjektiv unbreakable von dem Adjektiv breakable oder der Verbform break abgeleitet werden? Die zweite Möglichkeit ist, Wörter von Morphemen abzuleiten. Diese Methode läßt sich zwar in den Bereichen der Flexion und der Wortbildung gleichermaßen anwenden, ist jedoch problematisch wegen der zahlreichen Ausnahmen im Bereich der Morphologie. Zum Beispiel ist das Paar gehen/ging semantisch vollkommen parallel zu dem Paar reden/redete. Aber es wäre künstlich, diese semantische Parallelität an der Oberfläche zu duplizieren, indem man ging von den Morphemen geh/-te ableitet. Um die aus lexikalischen Unregelmäßigkeiten entstehenden Schwierigkeiten zu vermeiden, schlage ich daher vor, Moleküle nicht von Oberflächeneinheiten wie Worten oder Morphemen, sondern von semantischen Einheiten abzuleiten. Diese semantischen Einheiten sind die sogenannten Wurzeln. Betrachten wir zum Beispiel die drei Moleküle in (12), die derselben Wortklasse angehören. (12) * ' machten (Tft) fand-rj(TTt)
P 0 P! [HP 0 x [Pj y (mach' (x, y)]]
[ H P 0 i [P, y (find' (x, y)]]
aSST|(T|t)
PoPi [HP 0 x [Px y (ess' (x,y)]] Die Übersetzungen in (12) bestehen aus zwei Arten von Symbolen, nämlich erstens die logischen Operatoren und Variablen, deren Bedeutung durch die üblichen metasprachlichen Definitionen festgelegt ist. Und zweitens enthalten die Übersetzungen die Symbole mach', find' und ess'. Dies sind die sogenannten Wurzeln. Die Wurzeln sind logische
296
Roland R . Hausser
Konstanten, deren Bedeutung man entweder in Form einer direkten Definition der denotierten Funktion festlegt oder indem man die Wurzel mit einer Formel gleichsetzt, die nur aus definierten Operatoren besteht. Was sind nun die Bestandteile einer lexikalischen Komponente, die die Moleküle nicht nur einfach auflistet, sondern aus Wurzeln ableitet? Ein solches Lexikon besteht erstens aus Mengen von Wurzeln R T (von root) und zweitens aus lexikalischen Regeln. Ein Beispiel einer solchen Regel ist unter (13) gegeben. (13) Lexikon-Regel zur Ableitung der 3. Person Singular Imperfekt extensionaler transitiver Verben: Wenn
a'e
RT, dann ist L i ( a ' )
=
£(a)Tl (li)(kx)(P(y)
. POSS(x, y) • Q(f) • A(x, f))
The rule requires that the possessor of the nominalized predicate in the embedded structure is identical to the subject of the embedding clause. That the infinitival nominalization can also be used for transitive verbs can be seen in (10'): (10') Akshuk paqa - y - ta qallali - nki potatoes wash begin you You begin washing potatoes Therefore the category index of "y" must be (t 0 /(P/S))/(t/T), like the category index of the agent-nominalization marker "q". The embedding strategy common to the two markers is: ES2: (l(t(l(t 0 /(P/S))/(t/T))(t 0 /(P/S))))) Comparing ES1 and ES 2 it is obvious that both strategies are termcreating strategies differing only in the requirement for a subjectpronoun in ES 1 and the absence of such a requirement in ES 2. Semantically ES 2 binds the embedded structure more to the embedding clause, because it requires identity of the possessor in the embedded structure with the agent of the embedding structure, while ES 1 allows different individuals in these positions. The identical part between ES 1 and the infinitival complements built by ES 2 is the change from event predication to thing-predication connected with a change from agentivity to possession in the embedded structure. The differences
331
Embedding Structures in Quechua
between ES1 and ES 2 seem to be great enough to warrant the treatment as distinct strategies. Quechua is a good example for a language, in which the distinction between complement embeddings and relative embeddings is not as clearcut as in languages like English or German. The embedding structures corresponding to English relative clauses are formed by the same embedding strategies as the term-embeddings already analyzed, and differ from them only by adding some further structure. Because the strategies for forming relative structures are identical to those for forming term-embeddings the subordinating markers are the same: "na", "sha" and the agentive "q"; in the data available to me I could not find relative embeddings using the infinitival "y". An example for a relative structure using "sha" is: (11) Walash tushu - sha - n - kaq - ta boy dance he topic 0 I see the boy who is dancing
kika - yka - a see progr. I
In (11) "walash tushushankaqta" is the object-term of the embedding clause and is therefore marked with "ta". In the embedded structure "walash" is the head of the construction and the rest is its specifier marked for noun-sharing by the coreferent bound pronoun "n". The topic-marker "kaq", normally used to mark definite reference in a term, is a necessary part of the specifier: (11')* Walash
tushu - sha - n - ta
kika - yka - a
(11') can only have an interpretation as a term-embedding, but not as a relative structure. If the category of "kaq" is therefore T/Ta e f, then the relative structure in (11) consists of a sequence of a term and a definite term together forming the term filling a function in the embedding clause. Using Chomsky's X-notation for expository purposes the structure of the embedded relative in (11) can be described as: N
walash
N
[Spec N ]
N
n
tushu-sha
332
Werner Kummer
The relation of specification used in relative structures is the same one as that used in appositive structures of the form: (11") Walash, tani - p waatay - kaq boy Daniel Gen. adopted top. The boy, Daniel's adopted son, dances
tushu - n dance he
In (11"') the sequence 5m ^ ä x h ^ ' ^ i c e ) X(F) n h e X W n ^ X X i d ) ^ . . . ]
(1) (2)
Äußerung (1) ist verständlich, wohingegen (2) sehr schwer verständlich ist. In (1) und (2) ist die abweichende Artikulation von Plosivund Frikativlauten typisch. Dies ist bei Gaumenspaltensprechern ein allgemeines Problem, da alle mit Druck im Ansatzrohr erzeugten Sprachlaute Schwierigkeiten bereiten. Die sog. nasale Emission, die hierbei oft auftritt, manifestiert sich auditiv als zischendes Geräusch,
Die Transkription abweichender Sprachäußerungen
379
das die übrigen artikulatorisch bedingten akustischen Eigenschaften begleitet. In (2) fällt beispielsweise der häufige Gebrauch des Glottisschlags auf; er wird in der Gaumenspaltensprache nicht selten als Substitut für orale Drucklaute verwendet. Ferner sei auf die Nasalierung der Vokale und Konsonanten in (1) und (2) hingewiesen. Dies ist wohl eines der markantesten Eigenschaften von Gaumenspaltensprache. 3.
Schlußbemerkungen
Bei der Transkription normaler und abweichender Sprachäußerungen sind bisher lang nicht alle Probleme gelöst. Auch hier wollen wir nur einige nennen: — Die phonetische Forschung hat in den letzten Dezennien die Transkription von normalen Äußerungen als mehr oder weniger problemlos angesehen. Untersuchungen über die intra- und interindividuelle Konsistenz von Transkriptionen sind so gut wie nicht vorhanden. — Bei der Untersuchung von Transkriptionen abweichender Äußerungen ist das Transkribieren im Gruppenverband besonders wichtig. Am ,Instituut voor Fonetiek' in Nijmegen (Niederlande) wird zur Zeit an der Operationalisierung dieses Problems gearbeitet. Es wird erwartet, daß eine im Gruppenverband zustande gekommene Transkription, die das einstimmige Ergebnis aller beteiligten Transkribenten darstellt, objektiver ist. — Die Anwendung des vorgestellten Systems für unverständliche Äußerungen von Kleinkindern — beispielsweise zum Zwecke der Erforschung des Frühspracherwerbs — ist insofern problematisch, als der Transkribent sein eigenes internalisiertes Lautsystem als Referenzmuster gebraucht, nämlich über die auditive Ähnlichkeit. Last not least sei auf die äußerst komplexe Aufgabe eines Transkribenten hingewiesen; er muß oft in Zeiteinheiten von Millisekunden in seinem Kurzzeitgedächtnis festhalten, was er identifiziert oder glaubt identifiziert zu haben. Hierbei kommt es z. B. häufig vor, daß er etwas vergißt. Daher wird das subjektive Element einer" Transkription nie ganz weggenommen werden können; es ist jedoch das erklärte Ziel dieses Beitrages, deutlich gemacht zu haben, daß beim Transkribieren normaler und abweichender Äußerungen dies subjektive Element meßbar gemacht werden kann.
380
Wilhelm H. Vieregge
Literatur The principles of the international phonetic association. London, 1949. Meyer-Eppler, W. (1959): Grundlagen und Anwendungen der Informationstheorie. Springer-Verlag, Berlin. Oller, D. R./Eilers, R. E. (1975): „Phonetic expectation and transcription validity". Phonetica 31. pp. 2 8 8 - 3 0 4 . Richter, H. (1973): Grundsätze und System der Transkription — IPA(G) — Phonai Nr. 3, Max Niemeyer Verlag, Tübingen. Vieregge, W. H. (1978): „Bemerkungen zum normal- und gestörtsprachlichen Kommunikator und das Problem der Transkription von Gaumenspaltensprache". 1FNProceedings 2. pp. 51 — 71. Vieregge, W. H. (1981): „Een transkriptiesysteem voor afwijkende spraak". Tijdschrift voor logopedie en foniatrie 53. pp. 290 — 298. Vieregge, W. H./Jansen, C. I. E. (1979): „Transcription of cleft palate speech: an experimental study". IFN-Proceedings 3. pp. 1 — 23.
Zum Einfluß von Syntax und Semantik auf die Nachsprechleistungen agrammatischer Kinder GERD KEGEL,
1.
München
Einleitung
Nachsprechaufgaben haben eine lange Tradition, sowohl im klinischen Bereich zur Feststellung von Sprachdefiziten und Therapieerfolgen wie in der allgemeinen Entwicklungspsycholinguistik zur Erkundung des Sprachentwicklungsniveaus (Menyuk, [1969]; Berry-Luterman/ Bar, [1971]; Dukes/Panagos, [1973]; Grimm, [1978]). Nachsprechaufgaben werfen zwei grundsätzliche Fragestellungen auf: Welche Teilleistungen gehen in die Gesamtleistung beim Nachsprechen ein, also, was kann mit Nachsprechaufgaben überprüft werden? Wie kann die Nachsprechleistung zuverlässig und angemessen bewertet werden? Zu den Teilleistungen. Von den Faktoren, die die Nachsprechleistung vermutlich beeinflussen, wurden bisher hauptsächlich erörtert die syntaktische Konstruktion (Fräser/Bellugi/Brown, [1963]), verbunden mit der Komplexität des Satzes (Giattino, [1973]), Satzlänge (Miller, [1973]) und Wortvertrautheit (Love/Parker-Robinson, [1972]). Man darf davon ausgehen, daß zumindest noch semantische Zusammenhänge, assoziative Verknüpfungen und Übergangswahrscheinlichkeiten auf die Nachsprechleistung einwirken. Zur Bewertung. Die Bewertung ist natürlich nicht unabhängig von den interessierenden Teilleistungen und dem Typ der vorgegebenen Sätze. Gebräuchlich sind eher globale Bewertungen wie „richtigfalsch", womit gemeint sein kann „das richtige Wort an der richtigen Position" oder „das richtige Wort an einer beliebigen Position" (Frasure/Entwisle, [1973]; Weener/Wright, [1973]). Diesen Bewertungen wird häufig Unflexibilität und geringer Aussagewert nachgesagt. Smith (1970) unterschied zunächst zwischen richtigen, falschen und inadäquaten Nachsprechleistungen, teilte dann die falschen Nachsprechleistungen nach peripheren und ernsten Fehlern ein und ordnete schließlich die peripher defekten den richtigen Leistungen zu. Maratsos (1973) gab jedem Satz den Wert 1 und zog von diesem Wert Fehlerwerte ab. Montgomery/Montgomery/Stephens (1978) variierten in einer Untersuchung zur Nachsprechleistung von sprachlich unauffälligen Kindern im Vorschulalter Satzlänge, Satzkomplexität und Wortver-
382
Gerd Kegel
trautheit. Bei der Auswertung verglichen sie drei Bewertungsverfahren, nämlich Anzahl der wiederholten Wörter, Developmental Sentence Scoring (Lee, [1974]) und Stephens (1975) acht Kategorien („richtig" bis „unverständlich" resp. „kein Nachsprechversuch"). Die Satzlänge zeigte sich hier als gewichtigster die Nachsprechleistungen beeinflussender Faktor und Stephens Kategorien erwiesen sich als das für die drei Faktoren sensitivste Bewertungsverfahren. Wir haben aus den bisherigen Erfahrungen mit Nachsprechsätzen (Günther, [1981]) zwei Schlüsse in Bezug auf den Aufbau der Untersuchung gezogen. Wir wollen zunächst die Satzlänge nicht variieren, und wir wollen zur Bewertung der Nachsprechleistung keine Schätzskalen verwenden. Wir hoffen, daß die von uns untersuchten Effekte robust genug sind, um auch mit den gröberen „richtig-falsch"-Bewertungen erfaßt werden zu können. Zwei miteinander verbundene Ziele zur Erforschung des kindlichen Agrammatismus sollen bei der weiteren Entwicklung von Nachsprechaufgaben verfolgt werden. Wir wollen überprüfen, ob unsere Aufgabe zur differenzierenden Einschätzung der agrammatischen Störung beim jeweiligen Kind beitragen, also in der Diagnostik eingesetzt werden können. Gleichzeitig hoffen wir, von der Seite der Psycholinguistik einen Beitrag zur tieferen Sicht des Wesens agrammatischer Störungen leisten zu können. Nun liegt ja auf der Hand, daß die Frage „Wie diagnostiziere ich Agrammatismus?" nur abhängig von der Lösung des Problems „Was ist Agrammatismus?" befriedigend zu beantworten ist. Bei der Ausrichtung auf den diagnostischen Wert der Aufgaben beziehen wir uns auf die Auswertung der Nachsprechaufgabe in Günther (1981). Einige vielversprechende Ergebnisse sollen noch einmal systematisch kontrolliert werden. So wollen wir überprüfen, ob die Nachsprechleistung bei Präpositionalphrasen als zumindest grob differenzierender Indikator für das Ausmaß der agrammatischen Störung herangezogen werden kann. Die gleiche Frage stellen wir uns im Hinblick auf Sätze, in denen das grammatische Subjekt nicht die Position vor dem finitiven Verb einnimmt. Diese Sätze scheinen agrammatischen Kindern besondere Schwierigkeiten zu bereiten. Die Ausrichtung der Aufgaben auf die Erkundung des Wesens agrammatischer Störungen macht sich an einer Reihe von Beobachtungen und Überlegungen in Zusammenhang mit den freien Sprechaufgaben und der ersten Nachsprechaufgabe (Günther, [1981]) fest. Schon die anfänglichen Ergebnisse unserer Arbeit bekräftigen die Hypothese, daß kindlicher Agrammatismus, als isolierte Störung der Wort- und Satzbildung beschrieben, nicht adäquat erfaßt wird. Bezieht man sich zur Verständlichmachung unserer Ansicht auf die klassischen Beschreibungsebenen der Linguistik, heißt dies, nicht nur Komponen-
Nachsprechleistungen agrammatischer Kinder
383
ten der Morphologie und der Syntax, sondern auch solche der Semantik sind defekt. Ergänzend, dieser Eindruck hat Bestand, auch wenn wir von den häufig mit dem kindlichen Agrammatismus verbundenen Wortfindungsstörungen absehen. Nun steht eine solche Sicht des Agrammatismus im Widerspruch zu den syntaxzentrierten Definitionen in der medizinischen und pädagogischen Fachliteratur. Hier einige Beispiele zur Bestimmung von Agrammatismus (Dysgrammatismus, Dyssyntaxie): Agrammatismus bzw. Dysgrammatismus ist die Unfähigkeit bzw. Darstellungsschwäche, Gedanken entsprechend den grammatischen und syntaktischen Normen mündlich oder schriftlich darzustellen. (Atzesberger, [1978]: 93). Agrammatismus (...) bezeichnet das Unvermögen, die Sprache nach der Wort- und Satzlehre richtig zu gebrauchen. (Becker/Sovack, ([1975]: 132). Außer dem Stammeln ist die Unfähigkeit, Worte sinngemäß zu verändern und Sätze zu bilden, ein häufiger Sprachfehler, der meistens in Zusammenhang mit einer allgemeinen Sprachentwicklungsverzögerung vorkommt. Wir nennen diesen Strukturmangel der Sprache Dysgrammatismus bzw. Dyssyntaxie, weil er sich ausschließlich auf den Grammatikbereich und die Satzlehre (Syntax) bezieht. (Biesalski, [1978]: 46). Der Dysgrammatismus beruht auf der Unfähigkeit, grammatisch und syntaktisch korrekte Sätze zu sprechen. (Böhme, [1978]: 46). Der Dysgrammatismus beruht auf der Unfähigkeit, einem richtig gedachten Sachverhalt die gebräuchliche grammatische Form zu geben. (Grohnfeldt, [1979]: 6). Grammatische und syntaktische Störungen des Sprechens und Schreibens beruhen auf der Unfähigkeit, den Gedankenfluß durch eine geregelte Wortfolge auszudrücken. Es handelt sich um die mangelhafte Entwicklung oder den krankhaften Verlust des Sprachgefühls für Form und Aufbau des Satzgefüges. Die Störungen betreffen also die Grammatik und Syntax, welche die Wortbeugung und Wortstellung im Satz regeln. (Luchsinger/Arnold, [1970]: 501). Grammatische (Deklination und Konjugation) und syntaktische (Wortgefüge und Wortfolge, Satzfügung und Satzfolge) Störung des Sprechens und Schreibens mit der Unfähigkeit, den Gedanken durch eine geregelte Wortfolge auszudrücken. (Wirth, [1977]: 108). Die Unfähigkeit, die Gedanken durch deklinatorische und konjugatorisch richtig gebrauchte Wörter auszudrücken, nennt man Dysgrammatismus. Verstößt man gegen die Regeln der Wortfolge oder der Satzfügung, dann liegt eine Dyssyntaxie vor. (Wurst, [1973]: 122).
Lassen wir die Abweichungen zwischen den zitierten Definitionen hier beiseite und konzentrieren wir uns auf das durchgängige Grundkonzept. Es wird unterschieden zwischen dem Gedanken und seiner sprachlichen Form. Der Gedanke ist nicht in Mitleidenschaft gezogen, die Störung betrifft die grammatisch-syntaktische Formierung seiner Äußerung. Wir wollen jetzt nicht diskutieren, ob sich Gedanke und sprachliche Form in dieser Weise trennen lassen. Worauf es uns im Augenblick ankommt, ist der Hinweis, daß die den Definitionen zugrunde liegende Sicht der Sprache sehr eng ist und daß diese Enge des Blickfeldes das Erkennen bestimmter Aspekte agrammatischer Störungen möglicherweise behindert. Insbesondere mögen die sehr
384
Gerd Kegel
vielfältigen semantischen Beziehungen zwischen sprachlichen Zeichen übersehen werden, so daß die Frage, ob sich die agrammatische Störung auf diesen Bereich ausdehnt, gar nicht erst gestellt wird. Mit dieser Ansicht stehen wir nicht völlig allein: Der Dysgrammatismus wird definiert als eine Sprachstörung, bei der einem richtig gedachten Sachverhalt keine gebräuchliche grammatische Form gegeben werden kann (...)• Setzt man jedoch einen richtig gedachten Sachverhalt, dann wird diese sprachliche Erscheinungsform unzulässig eingeengt, weil bei vielen dysgrammatisch sprechenden Sprachentwicklungsgestörten die semantische Seite der Sprache mindestens ebenso gestört ist wie die Strukturale. (Westrich, [1978]: 2394).
Wir wollen der Störung von Syntax und Semantik im folgenden Experiment sehr grundsätzlich nachgehen und uns dabei auf das Konzept der Eindeutigkeit sprachlicher Äußerungen stützen. Für Eindeutigkeit ist eine Vielzahl von Faktoren verantwortlich, aus dieser Vielzahl lösen wir Syntax und Semantik heraus. 2.
Versuchsplan
Das im folgenden beschriebene Experiment vergleicht den Effekt syntaktisch und semantisch bedingter Eindeutigkeit von Sätzen auf die Nachsprechleistung von Kindern, die klinisch als leicht und mittel agrammatisch eingestuft werden. Es handelt sich um ein faktorielles Experiment mit den Dimensionen 2 x 2 x 2 (vgl. Abb. 1). Faktor A repräsentiert die Variable klinische Einstufung des Agrammatismus, die hier im Experiment mit den Klassen leichter und mittlerer Agrammatismus vertreten ist. In der Untersuchung konnten für jede Klasse vier Kinder herangezogen werden. Faktor B repräsentiert die Variable syntaktische Eindeutigkeit und Faktor C die Variable
Faktor
A
B
C
allgemeine Notation Klasse Faktor
a,
a2
b,
b2
Cl
c2
klinische Einstufung
syntaktische Eindeutigkeit
semantische Eindeutigkeit
Klasse
leicht. mittl. Agrammatismus
vorhanden fehlend
vorhanden fehlend
Klasse
1A
Syn ~
Sem ~
Definition
spezielle Notation Abb. 1:
mA
Syn +
Sem +
Allgemeine und spezielle Notation für die Faktoren und ihre Klassen.
385
Nachsprechleisturigen agrammatischer Kinder
semantische Eindeutigkeit. Faktor B und C sind jeweils mit den Klassen vorhanden und fehlend vertreten. Jede Vp jeder Gruppe (Gj: 1A; G 2 : mA) wurde in allen vier Kombinationen der Faktoren B und C beobachtet. Insgesamt umfaßt der Versuchsplan also acht Zellen mit je vier Vpn (vgl. Abb. 2). b2
bi [a] Y [a'] [S] => [a] [b] Y [b'] [a'] [S] =>[a] [b] [b'] [a'] [S], und erst das so erzeugte Kontrollwort liefert in unserer ursprünglichen Grammatik Gj die Ableitung S —> aS => abS => abSb => abSab => abab, was in der Tat von der gewünschten Form (ww) ist. Wie schon oben angedeutet, hat R Postal darauf hingewiesen, daß in natürlichen Sprachen Strukturen vorkommen, die sich im wesentlichen auf diese (formale) Sprache zurückführen lassen (e. g. im Mohawk, einer Irokesensprache). Dies diente ihm u. a. als Argument dafür, daß sich natürliche Sprachen prinzipiell nicht durch CFGrammatiken beschreiben lassen, so daß die Einführung von Transformationen in der TG nicht nur durch die Frage, wie etwas abgeleitet wird, motiviert ist, sondern auch schon durch die Frage, was abgeleitet wird. Andererseits ist gezeigt worden, daß sich viele der syntaktischen Konstruktionen im Englischen, die in der TG mit Hilfe von Transformationen beschrieben werden, mindestens ebenso befriedigend in einer kontrollierten Grammatik behandeln lassen (cf. Wotschke [1975]). Dabei wird allerdings ein allgemeinerer Begriff von Kontrolle vorausgesetzt, der die Einschränkung auf die linksseitigen Ableitungen (bei denen immer nur die am weitesten links stehenden Nonterminale ersetzt werden dürfen) aufgibt, die Ginsburg und Spanier ihrer Definition zugrunde gelegt haben. Gerade unter dem uns hier interessierenden prozeduralen Gesichtspunkt ist dies jedoch nicht sinnvoll: wir bemerken nämlich, daß ein System (Netzwerk, Automat, ...), das bezüglich einer kontrollierten Grammatik strikt linksseitig terminale Ketten erzeugt, nicht zu warten braucht, bis eine fertige Regelsequenz erzeugt ist, sondern es kann die Anweisungen des Kontrollsystems immer schon soweit befolgen, wie sie vorliegen; i. e. die Teilsysteme können parallel arbeiten.
461
Operative Syntax-Netzwerke und parallele Ersetzungssysteme
3. Prozedurale Realisierung von kontrollierten operative Netzwerke
Grammatiken
durch
Betrachten wir dazu als Beispiel eine mögliche Behandlung einer kontext-sensitiven Subkategorisierung der Verben treffen und gehen. Die Basiskomponente einer Grammatik, die wohlgeformte Sätze aus den Formen das, Kind, Mädchen, trifft und geht erzeugt, könnte etwa wie folgt aussehen (G3) S - » N P V P
Det
das
N
NP->DetN
Kind N
Mädchen
VP->VNP
V
trifft
VP->V
V
geht
Das Problem der kontext-sensitiven Subkategorisierung der Verben, das in der T G durch entsprechende Lexikoneinträge und darauf bezogene Lexikonregeln gelöst wird, drückt sich in unserer Betrachtungsweise nun in einer gewissen Abhängigkeit der Auswahl der Regelalternativen aus: nach einer Wahl der Regel VP - * V NP darf in unserem einfachen Beispiel nur die Regel V -* trifft, nicht aber die Regel V —• geht, in einer linksseitigen Ableitung als nächste Regel angewendet werden. Genau diese Abhängigkeit können wir bequem in einer Kontrollgrammatik formulieren; wir können uns darauf beschränken, die Abhängigkeiten zwischen den folgenden Regeln zu beschreiben, da für alle anderen keine Einschränkungen der Anwendung bestehen (außer der generellen, daß nur linksseitige Ableitungen betrachtet werden): [VP t ]: VP V NP [,treffen']: V ->• trifft
[VP 2 ]: VP [,gehen']: V
V geht
Die Ausdrücke in eckigen Klammern sind wieder Namen für die Regeln, und mit den einfachen Anführungszeichen beziehen wir uns auf Lexeme. Die Kontrollgrammatik hat dann nur zwei Regeln (das Startsymbol - und einzige Nonterminal - der Grammatik ist VLex): (G4)
V-Lex - [VP,][,treffen']
V-Lex
[VP2] [,gehen']
Wir erklären jetzt kurz, wie sich die kontrollierte Grammatik G 3 - G 4 in einem System von zwei parallel arbeitenden Netzen prozedural realisieren läßt. Zunächst stellen wir sie in einem Zusammenhangsdiagramm dar, das wir dann als operatives Netzwerk interpretieren, indem wir den Signalfluß informell beschreiben. Das Diagramm ist eine Notationsvariante für ein Bedingungs/Ereignisnetz im Sinne der Theorie der Petrinetze. (Auf diesen Bezug, durch den sich das im folgenden Gesagte präzisieren läßt, können wir hier aber nicht eingehen und verweisen den interessierten Leser auf „Elements of theoretical netlinguistics", Teil 1 und insbesondere Teil 3.) Dem Auf-
462
Edgar Rothacker
bau der Grammatik G3-G4 entsprechend übersetzen wir jede Teilgrammatik für sich in ein Netzwerk und schalten hinterher die Teile geeignet zusammen. Wir müssen dafür wissen, wie CF-Grammatiken generell übersetzt werden und wie die Verschaltung durchzuführen ist. Beides kann im Rahmen der Theorie der Petrinetze exakt definiert werden, geht aber für unsere Zwecke aus Abbildung 1 klar genug hervor.
| das |
| Kind \ \ Mädchen |
| trifft | | geht |
Abb. 1: Zusammenhangsdiagramm der Grammatik G 3 —G 4 .
Das Zusammenhangsdiagramm einer CF-Grammatik G kann als graphische Repräsentation des Inbegriffs aller möglichen Ableitungsbäume von G aufgefaßt werden: jeder einzelne entsteht durch eine Entfaltung des Diagramms. Wir beschreiben nun, wie wir solche Entfaltungen tatsächlich als Prozesse verstehen können, indem wir das Diagramm in Abb. 1 als operatives Netzwerk interpretieren. Dazu stellen wir uns vor, daß durch beide Teildiagramme je ein Signal wandert. Jedes Signal durchläuft einen vollständigen Weg durch sein Teildiagramm (vom Startsymbol — zurück zum Startsymbol), indem es eine linksseitige Ableitung bzgl. der entsprechenden CF-Grammatik nachvollzieht: ausgehend vom Startsymbol läuft es an der linken Seite einer (u. U. frei gewählten) Kante herunter, durch alle nonterminalen Stellen hindurch, bis, es unten an einem Terminal angekommen, dieses aktualisiert, um anschließend an der rechten Seite der entsprechenden Kanten wieder hochzuwandern. Erreicht es dabei eine Gabelung („•"), so läuft es den nächsten Ast ab, bis eine Regel vollständig abgearbeitet ist. Dabei haben die Stellen ,NP' und ,V' ein Gedächtnis für die Herkunft des Signals. An der Stelle ,N' gibt es eine Unbestimmtheit: das Signal kann (zufällig) nach links (Kind) oder nach rechts (Mädchen) gehen. Im Gegensatz dazu determiniert an den Stellen ,VP' und ,V' die Kontrollgrammatik den Ablauf: denn ausgehend von ,V-Lex'
Operative Syntax-Netzwerke und parallele Ersetzungssysteme
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kann das (Kontroll-) Signal zwar auch zufällig den linken oder den rechten Weg wählen, aber wenn es e. g. bei [VP t ] angelangt ist, so muß es dort warten, bis das Signal im anderen System die Stelle ,VP' zum erstenmal erreicht hat; dann können nur beide Signale gleichzeitig ihren Weg fortsetzen, und zwar kann in diesem Fall von ,VP' aus nur noch der linke Weg gewählt werden, während das Kontrollsignal zum Symbol [,treffen'] wandert und dort wartet, bis die nächste „Kommunikation" (bei ,V') die Kontrolle beendet. (Die Interaktion der Teilsysteme ist in Abb. 1 durch gestrichelte Linien sinngemäß wiedergegeben.) Wenn das eine Signal wieder zum Startsymbol ,S' zurückgekehrt ist, gehört die Kette der nacheinander aktualisierten Wortformen (Terminale von G3) zu der von G3-G4 erzeugten Sprache, für die wir damit — unter automatentheoretischen Gesichtspunkten — einen nondeterministischen Erkennungsalgorithmus beschrieben haben. 4. Vorüberlegungen zur Verallgemeinerung des Begriffs der ,kontrollierten Grammatik' Wenn wir unser grammatisches System erweitern wollen, müssen wir mehr und mehr Kontrollinformationen berücksichtigen (e. g. die, die zur Auswahl der richtigen Artikel benötigt werden, etc.) und werden schnell darauf aufmerksam, daß es zu erheblichen Schwierigkeiten führt, wenn wir etwa Regelabhängigkeiten, die die Verben betreffen, mit solchen, die sich auf die Nomen beziehen, in eine Sequenz zwingen wollen. Besonders deutlich wird dies bei der „gleichzeitigen" Abhängigkeit des Artikels von Kasus, Genus und Numerus, oder allgemeiner bei Paradigmata, die von mehreren Dimensionen bestimmt sind. Hierin liegt ein wesentliches Problem der kontrollierten Grammatiken, das uns dazu führt, den Begriff der ,Kontrolle' geeignet zu verallgemeinern: zur Beschreibung komplexer Regelabhängigkeiten werden wir nicht nur eine Kontrollgrammatik heranziehen, sondern mehrere, die jede für sich eine partielle Kontrolle über die unterliegende Basisgrammatik ausüben. Darüberhinaus erhöhen wir die Flexibilität des Systems noch dadurch, daß wir zulassen, daß sich die verschiedenen Teilgrammatiken auch gegenseitig kontrollieren und ihrerseits von noch weiter außenstehenden Grammatiken kontrolliert werden können. Wir werden also das gesamte System in viele kooperierende Teile zerlegen, von denen jeder eine überschaubare Aufgabe übernimmt. Alle Teile können parallel arbeiten, und nur an gewissen Kommunikationsstellen muß ein Teilsystem auf ein anderes (oder mehrere andere) warten, bis sie ihre Informationen austauschen und damit ihren Aufgaben (einzeln) weiter nachgehen können. Nach wie vor verlangen wir, daß alle Teilgrammatiken kontextfrei sind.
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Edgar Rothacker
Insbesondere ermöglicht es dieser Ansatz, daß mehrdimensionale Spezifikationen für Paradigmata von mehreren Teilsystemen gleichzeitig erzeugt werden. So wird es in einer reicheren Grammatik, die die Kasus Nominativ (nom), Akkusativ (akk) und die Genera Maskulinum (mask), Neutrum (neutr) — aber nur den Singular — berücksichtigt, zunächst drei Regeln für den bestimmten Artikel geben Det -* der
Det -> den
Det
die,
denen wir jeweils nicht einen Namen geben, sondern ein „Produkt" aus zwei Namen, e.g. [mask • akk]: Det -» den. Die Faktoren [mask] und [akk] werden dabei von zwei verschiedenen Kontrollgrammatiken geliefert: eine Teilgrammatik, die die Auswahl der Nomen kontrolliert, enthält etwa die Regel N-Lex -*• [mask] [,Mann l ], wobei [,Mann l ] der Name einer Regel N Mann (der Basisgrammatik) ist, und unsere frühere Teilgrammatik für die Verben enthält nun die (erweiterte) Regel V-Lex
[VPj] [akk] [,treffen'].
In diesem Fall sind drei Teilsysteme an der Aktualisierung eines Artikels gleichzeitig beteiligt. 5. Partiell/parallel-kontrollierte
Grammatiken
Grammatische Systeme, die die im vorigen Abschnitt beschriebenen Eigenschaften haben, nennen wir partiell/parallel-kontrollierte Grammatiken (kurz: par-kon-Grammatiken). Wir führen sie jetzt exakt ein. Definition.
Eine partiell/parallel-kontrollierte (CF-)Grammatik G ist ein 6-Tulpel G = (N, E, K 0 , P, 5, S) mit
(1) N ist eine endliche Menge von nonterminalen Symbolen; (2) E ist eine endliche Menge von (eigentlichen) terminalen Symbolen, disjunkt zu N; (3) S c N ist eine Menge von Startsymbolen, S e S ist das ausgezeichnete Startsymbol (der Basisgrammatik); (4) K 0 ist eine endliche Menge von (uneigentlichen) terminalen Symbolen, die Menge der elementaren Kontrollabel, disjunkt zu N und X; über dieser Menge errichten wir die Menge der Kontrollabel K: K ist die kleinste Menge mit (i) K 0 c K, A. e K (das leere Label, X = []) (ii) wenn [1^, . . . , [ln] e K 0 , dann [lj - . . . • l n ] e K ; (Kontrollabel setzen wir stets in eckige Klammern);
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(5) P ist eine endliche Teilmenge von K x N x ( N u Z u K ) * u K x ((5\{S})uZ). Wir schreiben [1]: A a, wenn das Tripel ([1], A, a) zu P gehört, und lesen: "Die Regel A —• a hat das Label [1]"; oder wir schreiben äquivalent A -* a/[l] und lesen dann: „A geht über in a im Kontext [1]". Wenn [1] =¡¿ X ist, sprechen wir von einer kontrollierten Regel, andernfalls von einer nicht-kontrollierten. Statt X: A -* a schreiben wir dann einfacher A -* a. Symbolen der Grammatik können nur dann Kontrollabel zugeordnet werden, wenn es sich um Startsymbole ^ S oder eigentliche Terminale (aus X) handelt; der Einfachheit halber verlangen wir, daß P jedem solchen Symbol ein Label zuordnet (möglicherweise X); abgesehen von den Kontrollabeln sind die Regeln in P alle kontextfrei. Dieser Rahmendefinition werden wir einige weitere Forderungen hinzufügen, mit denen wir den oben anvisierten Systemen noch näherkommen, ehe wir die Funktion der Regeln erklären, i. e. einen allgemeinen Ableitungsbegriff für par-kon-Grammatiken einführen und die von G erzeugte Sprache L(G) c definieren. (a) Komplexe Kontrollabel: mit diesen dürfen wir so umgehen, als ob es sich um Mengen der in ihnen enthaltenen elementaren Label handelt, i. e. Wiederholungen sind ohne Bedeutung, und es kommt nicht auf die Reihenfolge an. Insbesondere sehen wir zwei Label [kj •... • k m ] und [Ii •... • ln] genau dann als verschieden an, wenn die Mengen {k } ,..., km} und {Ii,..., ln} verschieden sind. Unsere Defintion der par-kon-Grammatiken erlaubt die Verwendung von komplexen Labein sowohl vor einer Regel, als auch in einer Regel (auf der rechten Seite); unser obiges Beispiel, mit dem wir die Einführung solcher Label vor Regeln motiviert haben, zeigt aber schon, daß die für die "Realisierung" eines Labels nötige Information in den interessanten Fällen von verschiedenen Seiten kommt, so daß sich die Label vor den Regeln und die in den Regeln i. a. nur partiell überlappen werden. (b) Zerlegung in Teilgrammatiken: wenn wir die Tatsache, daß die Regeln (und Symbole) u.U. kontrolliert sind, außer acht lassen, so können wir von jedem Startsymbol X eS eine Menge von Ketten über N u S u K ableiten; die Symbole, die in diesen Ketten vorkommen, fassen wir für jedes Startsymbol X e S in der Menge Symb(X) ( c N u i u K ) zusammen. (Jedes Label — auch ein komplexes — gilt als ein Symbol!) Wir fordern nun, daß für je zwei verschiedene Startsymbole X und Y die Mengen Symb(X) und Symb(Y) disjunkt sind. Damit zerfällt die Grammatik G in ebensoviele CF-Teilgrammatiken, wie es Startsymbole in S gibt: für ein X e 5 hat die zugehörige CFTeilgrammatik G (X) als Nonterminale Symb (X) n N, als Terminale Symb (X) n ( I u K ) , als Regeln P(X) und als Startsymbol X. Dabei
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Edgar Rothacker
enthält P(X) nur die sich auf Symb(X) beziehenden Regeln aus P (ohne die sie kontrollierenden Label). Die Label in den Regeln sind hier Terminale.
6. Der Ableitungsbegriff für partiell/parallel-kontrollierte ken
Grammati-
Wir beschreiben jetzt, wie mit Hilfe einer par-kon-Grammatik terminale Ketten abgeleitet werden können. In der ursprünglichen Konzeption der Netz-Linguistik (Schnelle [1981]) ist dies nur indirekt möglich, indem das Regelsystem in ein operatives Netzwerk übersetzt wird, von dem aus erst die erzeugte Sprache definiert werden kann. Da der Begriff,Regel' in der oben genannten Arbeit ausschießlich im Sinne von Konstruktionsanweisung (für Netzwerke) verstanden wird (ansonsten wird er nur „metaphorisch" gebraucht [op. cit.: S. 72]) und der Rahmen der möglichen grammatischen Regelsysteme offen gelassen ist, ist dies auch nicht anders möglich. In unserer Definition haben wir eine (mögliche) allgemeine Form dieser Systeme bestimmt und können die Regeln nun auch direkt interpretieren, indem wir einen Ableitungsbegriff => rekursiv auf die Relation —> stützen. Die spezielle Form der par-kon-Grammatiken erlaubt es, dies so zu tun, daß eine Ableitung in einer solchen Grammatik den zugehörigen Netzwerkprozeß in einer kompakten symbolischen Notation getreu abbildet. Dadurch wird der Gesamtzustand eines operativen Netzwerkes in einer Liste von Symbolketten ausgedrückt, die wesentlich leichter kontrollierbar und manipulierbar ist, als die korrespondierende Zerlegung der Netzwerkstellen in aktivierte und nicht aktivierte. Sei jetzt G = (N, S , K 0 , P, S, So) eine par-kon-Grammatik mit dem ausgezeichneten Startsymbol So und den übrigen Startsymbolen S i , . . . , S n , also S = {So, Si, . . . , S n } . Für jedes dieser Startsymbole (i.e. für jede der (n + l)-vielen Teilgrammatiken) führen wir ein von links zugängliches Push-down-Band ein. Außerdem führen wir ein OutputBand ein, das von links nach rechts beschrieben wird. Auf den Feldern der Push-down-Bänder können beliebige Symbole aus N u l u K stehen, während auf dem Output-Band nur Terminale (aus E) erscheinen dürfen. Der Inhalt eines Bandes kann durch eine Kette von Symbolen angegeben werden. Einen Gesamtinhalt der Bänder können wir dann als ein (n + 2)-Tupel von Ketten auffassen, das wir eine ,Konfiguration' nennen und wie folgt notieren: ((oco, QCi, . . . , a n ), w), wobei a v e ( N u l u K ) * , für 0 < v < n, und w e E * . Eine Ableitung beginnt damit, daß wir auf das erste Feld des (leeren) 0-ten Bandes das (ausgezeichnete) Startsymbol S 0 schreiben; alle anderen Bänder sind leer: ((S 0 , X, X). Eine Ableitung ist beendet, wenn das 0-te Band leer ist: ((k, (Xi,..., a n ), w). Die auf dem Output-Band stehende
Operative Syntax-Netzwerke und parallele Ersetzungssysteme
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Kette w gehört dann zu der von G erzeugten Sprache L(G). Unter Vorgriff auf die Ableitungsbeziehung => können wir L(G) wie folgt definieren: L ( G ) : = { w e £ * | es gibt u , e ( N u I u K ) , für 1 < v < n, mit ((S0, - - -, A.), X.) =S> ((A-, ot!, ...,a n ), w)}. Wir erklären jetzt die Ableitungsbeziehung. Wir nehmen zunächst an, daß in einem Zwischenschritt einer Ableitung auf r verschiedenen Bändern gerade die paarweise verschiedenen elementaren Label [Ii],..., [lr] vorne stehen; dabei kann auch r = 0 sein. Diese Label können getilgt werden, wenn (i) das v-te Band leer ist (1 < V < n), Sv/[li •... -l r ] in P ist, und gleichzeitig das Startsymbol Sv auf das erste Feld des v-ten Bandes geschrieben wird, e. g. [Ii] y
y
Sv
(v-tes Band, 1 < v < n und Sv/[lx] in P),
(ii) auf dem v-ten Band die Kette A ß steht, A e N ein Nonterminal ist, A -* a/[li •... • lr] in P ist, und gleichzeitig Aß auf dem v-ten Band durch a ß ersetzt wird, e. g. [ii] y
y
Aß
aß
(A
a/[li] in P),
(iii) auf dem v-ten Band die Kette a ß steht, a e l ein Terminal ist, a/[li •... -l r ] in P ist, und gleichzeitig a vom v-ten Band getilgt und auf das erste freie Feld des Outputbandes geschrieben wird, e. g. [Ii] y IF" w
y -
T wa
(Outputband, a/[li] in P).
Wenn in einem Zwischenschritt einer Ableitung auf einem Band ein komplexes Label vorne steht, so kann dieses nur auf einen Schlag
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getilgt werden (oder gar nicht — man beachte, daß ein komplexes Label ein einziges Symbol der Grammatik ist), e. g. ÜI-UY Aißi A2ß2
~Y =>
ctißi a2ß2
(A t
Qti/[li] und A 2 -> a 2 /[l 2 ] in P).
Da die Regeln dabei selbst von komplexen Labein kontrolliert sein können, ergibt sich als allgemeine Ableitungsregel: Wenn in einem Zwischenschritt einer Ableitung auf r verschiedenen Bändern gerade die paarweise disjunkten (komplexen) Label kj ..., k r vorne stehen, so können diese getilgt werden, wenn es eine Umgruppierung der Label in paarweise disjunkte Label k j , . . . , k q gibt (i. e. ki u • • • u k r = ki u • • • u kq) und gleichzeitig auf q verschiedenen (anderen) Bändern Operationen ausgeführt werden, die von k j , . . . , k q kontrolliert werden. Wenn ein Label mehrere Operationen kontrolliert, wird genau eine (nondeterministisch) ausgewählt. Operationen sind hier: Anwendung einer Regel, Eröffnung durch ein Startsymbol, Tilgung eines (eigentlichen) Terminals mit gleichzeitiger Übertragung auf das Outputband. Diese Regel umfaßt alle vorher besprochenen als Spezialfälle. Wir verzichten hier darauf, sie zu formalisieren. Wir haben damit eine Beziehung der unmittelbaren Ableitbarkeit => für Konfigurationen der Grammatik G erklärt. Diese erweitern wir nun noch in „horizontaler" wie in „vertikaler" Richtung: horizontal gehen wir (wie üblich) von => zum transitiven Abschluß => über; vertikal gehen wir zu einer Beziehung ^ über, die wir wie folgt erklären: wenn mehrere Operationen unabhängig voneinander ausführbar sind, so können sie gleichzeitig ausgeführt werden (wenn sie nur abhängig voneinander ausführbar sind (bei Überlappung komplexer Label), müssen sie gleichzeitig ausgeführt werden!). Von dieser Beziehung können wir selbstverständlich wieder den transitiven Abschluß bilden. Damit ist der Ableitungsbegriff für par-kon-Grammatiken vollständig beschrieben, und wir wollen zum Schluß ein Beispiel einer Ableitung in einer par-kon-Grammatik G 5 betrachten (Ein operatives Netzwerk, das — geringfügig modifiziert — als eine prozedurale Realisierung von G 5 angesehen werden kann, wird in Schnelle, [1981], S. 81, diskutiert (ist aber für das Verständnis des Beispiels nicht erforderlich).)
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Operative Syntax-Netzwerke und parallele Ersetzungssysteme
7. Beispiel einer Ableitung Grammatik
in einer
partiell/parallel-kontrollierten
Wir beschreiben zunächst die Grammatik G5: Die Menge der Startsymbole ist S: = {S, N-Lex, V-Lex, Subj, Obj, Temp}. Das ausgezeichnete Startsymbol der Basisgrammatik ist S. Alle Startsymbole sind nicht kontrolliert. Die eigentlichen Terminale sind die Wortformen S: = {der, die, ..., Junge, Jungen, ..., trifft, traf,
...}.
Die Artikelformen werden direkt von der Basisgrammatik erzeugt und sind nicht-kontrolliert; die Nomenformen resp. Verbformen werden direkt vom Nomenlexikon (N-Lex) resp. Verblexikon (V-Lex) erzeugt und sind alle von dem Label [N] resp. [V] kontrolliert. Diese Label werden von der Basisgrammatik erzeugt. Lexeme sind in einfache Anführungszeichen gesetzt und dienen als Nonterminale in der Ableitung der Wortformen in den Lexikonteilen. Die Grammatik gestattet nur Sätze abzuleiten, in denen das Subjekt (Subj) an erster Stelle steht. Die Möglichkeit, daß das Objekt (Obj) diese Position einnimmt, läßt sich aber leicht anschließen — aus diesem Grunde wird die Kasusinformation eines Verbs, das ein Objekt erfordert, schon gleich zu Anfang erzeugt und (hier immer) zwischengespeichert (Obj'). Die Kasusinformationen werden immer doppelt eingeführt: für Artikel und folgendes Nomen. Die sonst verwendeten Abkürzungen erklären sich von selbst. Hier nun die Regeln: (G,) Syntax (ausgezeichnetes Startsymbol [der Basisgrammatik]) der / [nom • mask], [dat • fem] die / [nom- fem], [akk • fem] NP -» Det [N] das / [nom • neutr], [akk • neutr] dem / [dat • mask], [dat • neutr] VP _ J[V] [Obj0] NP/tVPj]) den / [akk • mask] 1[V] /[VP 2 ]J Start:
S
Lexikon Start:
N-Lex
N-Lex > Junge
-«•
r [mask] Junge' j [fem] ,Frau' [ 1 [neutr] ,Kind' ' f Junge / [nom'] j | jungen/[dzt'], [akk'] J
Kontrollierte Terminale: Junge Jungen
/ [N] /[N]
.Frau'
Frau/ [nom'], [dat'], [akk']
Frau
/ [N]
,Kind'
Kind/ [nom'], [dat'], [akk']
Kind
/[N]
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V-Lex
V-Lex , treffen' ,begegnen' ,gehen'
f [akkObj] [VP,] .treffen' | [datObj] [VPi] ,begegnen' 1 [VP2] ,gehen' f trifft /[präs] j 1 traf / [prät] J f begegnet / [präs] ) 1 begegnete / [prät] J f geht / [präs] 1 1 ging /[prät] J
trifft traf
/[V] / [V]
begegnet / [V] begegnete / [V] geht ging
/[V] /[V]
Morphologie
Start: Subj
Start: Obj f akkObj'/ [akkObj] Obj Subj -»• [nom] [nom'] / [Subj0] 1 datObj' / [datObj] [akk] [akk'] / [Obj0] akkObj' Start: Temp datObj' -» [dat] [dat'] /[Obj0] f [präs] 1 Temp 1 [prät] j
8.
Schlußbemerkung
Mit den par-kon-Grammatiken lassen sich offenbar sämtliche rekursiv aufzählbaren Sprachen erzeugen. Daraus folgt, daß es zu jeder transformationellen Grammatik eine (schwach) äquivalente par-konGrammatik gibt. Inwieweit es möglich ist, transformationelle Beziehungen zwischen Sätzen auch intuitiv befriedigend in einer solchen Grammatik auszudrücken, bleibt noch im einzelnen zu zeigen. Von praktischem Nutzen sind die hier vorgestellten Systeme sicher nur dann, wenn sich eine effiziente Parsingstrategie für sie finden läßt. Dafür müssen natürlich weitere einschränkende Bedingungen an die Grammatiken gestellt werden (e. g. darf es in keiner Teilgrammatik zu einer Kette unendlich viele Strukturbeschreibungen geben, etc.) Da es für CF-Grammatiken sehr effektive Parsingprozeduren gibt (alle praktisch in Betracht kommenden CF-Grammatiken lassen sich in linearer Zeit parsen!), können wir in einer par-kon-Grammatik, die gewissen zusätzlichen Bedingungen genügt, die parallelen Erzeugungsprozesse der Teilgrammatiken einfach durch Parsingprozpsse ersetzen und entsprechend interagieren lassen, um eine schnelle Parsingprozedur für die Gesamtgrammatik zu erhalten.
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Operative Syntax-Netzwerke und parallele Ersetzungssysteme
Abbildung 2 zeigt ein Beispiel einer parallelen Ableitung in dieser Grammatik.
S: N-Lex: V-Lex: Subj: Obj: Temp:
S
[Subj0] NP VP N-Lex V-Lex Subj Obj Temp
NP VP [neutr] ,Kind' [akkObj] [VP,] .treffen' [nom] [nom'] Obj [prät]
das [ N ] VP ,Kind' [VP,] ,treffen' [nom'] akkObj' [prät]
[ N ] VP Kind [VP,] ,treffen'
VP
akkObj' [prät]
akkObj' [prät]
das
das Kind
[Obj 0 ] N P
NP N-Lex
Output:
Det [ N ] VP [neutr] ,Kind' [VP,] ,treffen' [nom] [nom'] akkObj* [prät]
[VP,] .treffen'
8
10
[V] [Objo] N P
[V] [Obj 0 ] NP
.treffen'
traf
akkObj' [prät]
akkObj'
akkObj'
[akk] [akk']
das Kind
das Kind
das Kind traf
das Kind traf 13
14
das Kind traf den
das Kind traf den Jungen
12
11 Det [ N ] [mask] Junge'
den [ N ] Junge'
[akk] [akk']
[akk']
das Kind traf
das Kind traf
[N] Jungen
Abb. 2: Parallele Erzeugung des Satzes das Kind traf den Jungen in G 5 .
472
Edgar Rothacker
Literatur Chomsky, N. (1965): Aspects of the theory of syntax. MIT-Press, Cambridge (Mass.). Eccles, J. C. (1977): „The self and its brain". Part 2. In: K. R. Popper/J. C. Eccles: The self and its brain. Springer, Berlin. Ginsburg, S. und E. H. Spanier (1968): „Control sets on grammars". Math. Systems Theory 2. pp. 159-177. Postal, P. M. (1964): „Limitations on phrase structure grammars". In: J. A. Fodor/J. J. Katz (Hrsg.): The structure of language. Prentice Hall, Englewood Cliffs (New Jersey), pp. 137-151. Schnelle, H. (1964): „Programmieren linguistischer Automaten". In: K. Steinbuch/S. W. Wagner (Hrsg.): Neuere Ergebnisse der Kybernetik. Oldenbourg, München, pp. 109-136. Schnelle, H. (1981): „Elements of theoretical net-linguistics". Part 1. Theoretical Linguistics 8. pp. 6 7 - 9 9 . Schnelle, H. und E. Rothacker (1984): „Elements of theoretical net-linguistics", Part 3. Theoretical Linguistics 11. pp. 87 — 116. Wotschke, E. M. (1975): Ordered grammars with equivalence classes. Dissertation, University of California, Los Angeles.
NACHWORT
Meine Forschung in Berlin HELMUT SCHNELLE, B o c h u m
1. Vorspiel in Bonn: Dynamistische Sprachwissenschaft oder algebraische Linguistik — Adäquatheit oder formale Exaktheit in der theoretischen Linguistik? Durch Chomskys Untersuchungen aus den fünfziger und den frühen sechziger Jahren ist die Linguistik als Wissenschaft auf ein neues, höheres Niveau gehoben worden: An die Seite der Beobachtung sprachlicher Phänomene, ihrer Ordnung, Sichtung und übersichtlichen Darstellung und an die Seite grundsätzlicher Überlegungen zur Sprache trat die theoretische Linguistik, in der prinzipielle Überlegungen zur Sprache direkt mit der Entwicklung präziser, mathematisch-logischer Darstellungsmittel gekoppelt waren, ja in der Inhalt und grundsätzliche Vorstellungen zur Sprache nicht mehr vage bleiben, sondern in ihren Konsequenzen vermittels ihrer stringenten Form präzise überblickt werden. Dies galt bisher nur für wenige Wissenschaften, z. B. für die Physik. Ohne Chomskys Entwicklung des Faches wäre ich - und vielleicht mancher andere — nicht Linguist geworden. Das Problem, mit dem ich mich konfrontiert sah, war dies: Aufgrund meiner kommunikationstheoretischen und sprachwissenschaftlichen Ausbildung und Überzeugung hielt ich Chomskys prinzipielle Auffassungen über die Sprache für zu beschränkt und in genauerer Analyse für verfehlt. Andererseits war ich von der Transparenz seiner Darstellungsmethodik fasziniert und glaubte, sie noch strenger in die Form einer rein algebraischen Linguistik bringen zu können und zu sollen. Demgegenüber verfügte ich zur Entwicklung einer Sprachwissenschaft, die ich für adäquater hielt, höchstens über Rudimente einer formalen Theorie. Der Maßstab einer präzisen und systematischen Sprachtheorie war aber gesetzt: hinter ihn sollte man nicht wesentlich zurückfallen. Dies waren die zentralen Herausforderungen für mich: (a) Klärung des präzisen Verhältnisses zwischen den Strukturen bekannter Algebren und den Strukturen sprachlicher Ausdrucksmengen und ihrer Bedeutungen einerseits und (b) Entwicklung der theoretisch angemessenen Grundlagen einer dynamischen Sprachwissenschaft. Daneben gab es eine große Zahl kleinerer Herausforderungen, die ich in Brot- und Gelegenheitsarbeiten behandeln mußte, z. B. die
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Helmut Schnelle
maschinelle Sprachanalyse, die automatische Erkennung gesprochener Sprache u. ä. Der zuletzt genannten Herausforderung widmete ich mich zunächst. Erste prozessuale Zusammenhänge wurden (1963) und (1964) publiziert. Die Ausarbeitungen der Grundlagen einer dynamischen Sprachwissenschaft befriedigten mich dagegen noch nicht völlig, so daß ich ihre Publikation unterließ: ein umfangreiches Manuskript für die Internationale Konferenz über Formale Sprachanalyse und Automatentheorie 1964 in Jerusalem und meine unveröffentlichte Habilschrift „Prolegomena zur Formalisierung in der Sprachwissenschaft", in der ich an den dynamischen Sprachauffassungen Weisgerbers anknüpfte und sie mithilfe der Theorie von Schaltnetzanalysen explizierte. Als Kriterien habe ich dort formuliert: „Eine vorgeschlagene Sprachbeschreibung ist offensichtlich danach zu beurteilen, ob sie 1. die sprachlichen Strukturen angemessen wiedergibt bzw. herleitet und ob sie 2. das Verfahren zu deren Aufbau im typischen Formulierungs- und Verstehensprozeß in seinem dynamisch wesentlichen Aspekt erfaßt. Oft ist behauptet worden, die erste Aufgabe, d. h. die richtige Wiedergabe insbesondere der syntaktischen und lexikalischen Zusammenhänge sei der zweiten, der richtigen Wiedergabe des Verfahrens in seinen wesentlichen dynamischen Aspekten methodologisch vorgeordnet. Wir bestreiten diese Behauptung. Wir glauben, daß eine möglichst angemessene Beschreibung für beide Aspekttypen zugleich anzustreben ist [...]. Wenig ist [...] über die typischen dynamischen Aspekte des Sprachverfahrens geschrieben worden. Wir heben hier einige Aspekte hervor, die nach unserer Meinung wesentlich sind und die angemessen wiedergegeben werden müssen: 1. Das sprachliche Verfahren besteht nicht in einer bewußten Anwendung von Regeln zur Bildung von Äußerungen oder deren Interpretation. Es hat mehr den Charakter eines Informationsflusses über einem Netz von Verknüpfungen und Bahnen. 2. Das sprachliche Verfahren operiert im wesentlichen gleichzeitig über einer ganzen syntaktischen Fügung. 3. Nichtsdestoweniger braucht das sprachliche Verfahren eine (wenn auch geringe) Zeit für diese Verarbeitung. Es gibt jedoch keine Hinweise dafür, daß die Verarbeitung sinnvoll in eine Folge von Komplexen gleichzeitiger Akte zerlegt werden kann. Es scheint im Gegenteil ein Strom von unbewußten gleichzeitigen Verknüpfungen in den Bahnungen des Sprachorgans vorzuliegen. 4. Das sprachliche Verfahren ist selbst einer ständigen langsamen Veränderung seiner Bahnungen unterworfen, als Folge der dyna-
Meine Forschung in Berlin
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mischen Aspekte der durch Geltung vermittelten sprachlichen Wirkung. Die Aspekte 1 — 3 werden angemessen nur durch ein Verfahren von der Art eines parallelen asynchronen Informationsflusses wiedergegeben. Die Untersuchungen von Petri (1962) und andere formale Untersuchungen über den Informationsfluß können hier besondere Bedeutung erlangen." (1967, S. 311 — 313; meine eigenen Arbeiten werde ich nur mit Jahreszahl zitieren.) Yehoshua Bar-Hillel, mit dem ich seit 1961 gerade auch aufgrund dieser Zielsetzung enge Kontakte hatte und später sehr befreundet war, begleitete meine Arbeiten mit großem Interesse und ermunterte mich. Mein Ansatz stand im Einklang mit seiner Forderung: „Nichts weniger als die Entwicklung der genauesten Ansätze der abstrakten Theorie natürlicher Sprachen und der Theorie der Kommunikation mit natürlichen Sprachen, die gelegentlich Theorie der sprachlichen Kompetenz und Theorie der sprachlichen Performanz genannt werden, verbunden mit der Entwicklung der genauesten Ansätze philosophischer Semantik und Pragmatik, ist gefordert" (Bar-Hillel, Aspects of Language, p. 204). Kommunikationstheorie verstand Bar-Hillel hier durchaus in meinem Sinne, wenn er verlangte, die Analyse müsse von der Einsicht ausgehen, daß menschliche Kommunikation in mehreren Kanälen zugleich abläuft, wobei der Kanal, der die Prozesse des reinen Sprachkönnens realisiert, nur einer der Informationsprozeßkanäle ist. Bar-Hillel war, im Gegensatz zu seinem Freund Chomsky gegen autonome Grammatiktheorie und für eine integrative, dynamische Analyse. Eine weitere Entwicklung meines Progamms hätte eine Vertiefung und Anwendung der automatentheoretischen Techniken in der Linguistik gefordert. Ihr widme ich mich erst wieder seit etwa fünf Jahren. Meine Berufung nach Berlin 1967/8 brachte eine neue Situation, die eine Veränderung meiner Arbeitsrichtung notwendig machte.
2. Die ersten Jahre in Berlin: Die Prinzipien der Pragmatik restringierten und Spezialzweck-Sprachen.
von
Es handelte sich um einen sprachwissenschaftlichen Lehrstuhl. Obwohl mit meiner Berufung — die wohl in hohem Maße das Verdienst W. Höllerers war — Hoffnungen verbunden waren, ich würde aufgrund meiner bisherigen Beschäftigung mit der linguistischen Datenverarbeitung und der automatischen Erkennung gesprochener Sprache Brücken zu den technischen Fächern schlagen können, stand doch das Interesse an der Linguistik, speziell der generativen Sprachwissenschaft im Vordergrund. Der enge, damals besonders fruchtbare Gedankenaus-
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Helmut Schnelle
tausch mit den Sprachwissenschaftlern der Ostberliner Arbeitsstelle Strukturelle Grammatik (M. Bierwisch, W. Mötsch, K. E. Heidolph u. a.) war ein nicht zu übersehender Faktor. Die Lehre mußte hier bei den aufgezeichneten Ergebnissen der generativen Grammatik anknüpfen. Linguistische Ergebnisse, die meinen Vorstellungen von einer dynamischen Linguistik näher standen, wie die Stratificational Grammar S. Lambs und seiner Mitarbeiter oder wie die Ansätze von A. Hoppe waren methodisch zu mangelhaft und zu unsystematisch und theoretisch zu unpräzise. Eigene Ergebnisse lagen noch nicht vor. Um aber die Entwicklung voranzutreiben, mußte man, wie mir schien, bei der dritten Komponente in Bar-Hillels Zitat anknüpfen: bei den „genauesten Ansätzen philosophischer Semantik und Pragmatik", und zeigen, welche Aufgaben damit gestellt sind und wie Semantik und Pragmatik sinnvoll in eine dynamische Sprachtheorie auf automatentheoretischer Grundlage eingebaut werden könnten. Die Grundzüge dazu habe ich in meinem Beitrag zur Olivetti-Konferenz 1968 in Mailand zusammengefaßt (Schnelle, [1970]). Die Überlegungen bewegten sich im Rahmen dessen, was man neuerdings (D. Marr, [1982]) zur „Computational Theory" rechnet: Klärung der charakteristischen Repräsentationen und der Charakteristika der Prozesse, die die Repräsentationen zueinander in Beziehung setzen. Es handelte sich dort, wie heute bei Marr, um Grundüberlegungen, die der strikten Formulierung der Repräsentationen und Prozesse und ihrer Zuordnung zu neuronalen oder elektronischen Schaltnetzen voraufgehen. In meinem Beitrag zum Jerusalemer Symposium „Pragmatics of Natural Languages" (1971) habe ich diese Überlegungen vertieft und entschieden eine nicht-abstrakte Linguistik gefordert. Allerdings war klar, daß ihre Entwicklung notwendig von der Behandlung beschränkter Sprachen ausgehen müsse, im Gegensatz zur gewöhnlichen Tendenz in der Linguistik, die schwierigsten Zusammenhänge des voll ausgebildeten Sprachsystems von vornherein einzubeziehen. Ich verteidigte den Ansatz folgendermaßen: „Linguists tend to stress the priority of research into the fully developed system because otherwise, they say, one would lack criteria for evaluating restricted systems and one would not get a sufficiently clear idea of the sense in which the restricted system is restricted. The argument would be sound if it were possible at present to obtain a complete and adequate description of language use in its fully developed variety. But this is not the case. The alternatives are, on the one hand, descriptions of radical abstractions and subsections (phonology, parts of syntax and even smaller parts of semantics) of language systems with very tenuous correlation to processes and conditions of language use, and, on the other hand, adequate descriptions of the regularities of such processes and conditions,
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Meine Forschung in Berlin
leaving the relation to the fully developed system unspecified." (1971, p. 175/6) Ich selbst war entschieden für die zweite Alternative. Ich schlug damals zwei mögliche Entwicklungslinien vor: a) Analyse früher ontogenetischer Stadien der Sprache und b) Analyse von Spezialzwecksprachen (insbesondere solche zur wissenschaftlichen Kommunikation einerseits und zur künstlerischen Kommunikation andererseits). Die erste wurde in den ersten von der DFG unterstützten Projekten verfolgt, in deren Rahmen insbesondere die Arbeiten von Kegel und Saile entwickelt wurden. Die zweite Entwicklungslinie verfolgte ich selbst, vor allem nach der Lektüre der Cahiers von Paul Valéry und in der Zusammenarbeit mit O. Wiener. Die methodisch sprachphilosophische Rolle des Ansatzes wird vor allem in (1976b) und (1976c) erörtert, die spezifischen Ergebnisse erst in (1978), (1979a) und in den noch zu veröffentlichenden Dialogen mit O. Wiener. 3. Die späteren Jahre in Berlin: Grammatik Algebra.
als kategorial
beschränkte
Die ersten Jahre waren also von den Fragen der Entwicklung einer prozessualen Pragmatik bestimmt. Den ersten von Bar-Hillel benannten Faktor, die Entwicklung der genauesten Ansätze der abstrakten Theorie natürlicher Sprachen hatte ich auch in den ersten Berliner Jahren nicht aus dem Auge verloren. Ich war von Anfang an überzeugt, daß die generativ-grammatische Theorie irgendwie unrein war. Als abstrakte Theorie sollte sie keinerlei konkrete Konnotationen haben. Soweit sie sich nur mit der kombinatorischen Struktur von Ausdrücken und ihren Bedeutungen beschäftigt, sollte sie insbesondere keine Konnotationen von Raum und Zeit enthalten. Die üblichen generativen Regelsysteme hatten aber solche Konnotationen: das Konzept Regelawwendung impliziert selbstverständlich die Zeit, das Konzept der Ausdrucksfeette impliziert den Raum. Chomsky hatte zwar immer betont, daß der Ablauf der Anwendung keinen deskriptiven Status habe, sondern nur die erzeugten Ketten und die ihnen zugeordneten Räume. Vergeblich, wie die ersten psycholinguistischen Tests der generativen Theorie zeigten. Schon in meiner Einführung in die Methoden mathematischer Linguistik (1968) hatte ich versucht, dem Leser vorsichtig den eigentlich abstrakten Sinn des generativen Ansatzes klar zu machen. Wie eine Grammatik aber wirklich als Algebra und nicht als System von Regeln darzustellen wäre, sah ich noch nicht. Hier öffnete mir Montagues Universale Grammatik mit einem Schlag die Augen: So konnte und mußte man die Algebra von Ausdrücken und Bedeutungen einer
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Sprache formulieren. Wie Thomason in seiner Einführung zu Montagues Schriften betont: „Montague not only regarded Syntax as a branch of mathematics, but was uncompromising in presenting his syntactic theories as such, with great attention to generality and rigor and little concern for the uninitiated reader." (Thomason, [1974]) Die Linguisten, die die Montague-Grammatik weiter entwickelten, sind ihm in dieser Hinsicht nicht gefolgt. Sie haben die scharfe Unterscheidung zwischen syntaktisch-algebraischen Verknüpfungsoperationen, die Montague in der Metasprache mit „F¡" notierte, und den Verkettungen von Ausdrücken, die man in Kalkülen normalerweise betrachtete, nicht mehr aufrechterhalten. Ihnen schien es klar, daß, wie in einer Kategorialgrammatik seit Bar-Hillel üblich, zusätzlich zu den grammatischen Kategorien nur eine zweistellige Verknüpfung, die Verkettung , erforderlich sei. Sie betrachteten also nur das, w a s ich (1973, S. 129) Verkettungsgebilde genannt habe. Ein solches Gebilde aber ist nur ein Spezialfall möglicher algebraischer Grammatiken, wie ich dort zeigte (vgl. S. 145). Klassische und systematische Grammatiken würden wahrscheinlich viel angemessener anders als durch Verkettungsgebilde wiedergegeben (vgl. S. 149), vor allem, wenn man an die Flexion und die mit ihnen verbundenen Erscheinungen wie Rektion und Kongruenz denkt (S. 151 ff.). Während mein Buch nur eine Skizze einer axiomatischen Definition der formalen algebraischen Grammatiktheorie liefert, werden die wesentlichen Elemente einer solchen Theorie in meinem Beitrag zu Bar-Hillels Erinnerungsschrift abschließend zusammengefaßt (1976a). Mir war es, ähnlich wie H. H. Lieb, um eine reine Grammatiktheorie gegangen. Während er (1974) aber eine vollformalisierte reine Grammatiktheorie anstrebte, genügte in meiner Sicht eine informell axiomatisierte, die Grammatiken von Sprachen als spezielle Algebren auszeichnete: „Grammatik ist kategorial beschränkte Algebra (oder Kombinatorik)" (1973, S. 141). In meinen Bemühungen um eine rein vergleichende Grammatologie war ich zunehmend in Gegensatz zu den vorherrschenden Forschungsinteressen der Zeit gekommen. Gefragt war nicht eine Tieferlegung der Fundamente sondern ein rascher Ausbau, eine Anwendung der Linguistik in der Textanalyse und der Praxis sprachlicher Kommunikation. Selbst die Montague-Anhängerschaft war im Grunde nicht an Montagues Universaler Grammatiktheorie interessiert — wozu Montague ja noch ein Buch angekündigt hatte — sondern an linguistischer Analyse mithilfe der Techniken von PTQ (Proper Treatment of Quantification). Trotzdem plante ich meine Bemühungen um eine reine Sprachtheorie der sprachlichen Ausdrucksmengen und Bedeutungen in einem Buch systematisch darzustellen. Ich hoffte, daß mir das in Bochum, aufgrund der dort größeren Entlastung von der universitären Selbstverwaltung, eher als in Berlin möglich sein würde.
Meine Forschung in Berlin
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4. Nach Berlin: Pragmatische und prozessuale Inadäquatheit der parametrisierten Montagueschen Semantik. Wiederaufnahme der Forschungen zur dynamistischen Linguistik. Die konzeptuelle Vertiefung von Montagues universaler Grammatiktheorie hatte mich für Jahre beschäftigt, weil ich hier den richtigen Ausgangspunkt für eine reine algebraische Grammatik erkannte, die Syntax und Semantik zu umfassen schien und Chomskys „unreine" Regelgrammatik ersetzen könnte. Das verbliebene Problem war die Pragmatik. Bar-Hillel hatte Montague zugestanden, daß mit der Methode der Indices eine weitere Klasse von Sprachen mit gewissen indexikalischen Aspekten formal beschreibbar sein würde. Er hatte aber betont, daß viele sprachliche Zusammenhänge sich der formalsprachlichen Analyse entziehen. Im Hinblick auf das geplante Buch war zumindest der Status der indexikalischen Analyse zu klären. Verlangt speziell das Tempus immer einen Bezug auf die objektive Zeit? Ist ein objektiver Zeitparameter (Index) also ein Bestandteil der Bedeutung eines Satzes? In meinen Untersuchungen zu den von Umständen bestimmten Sätzen (1976d), (1979a) zeigte sich, daß dies in den meisten Fällen völlig unsinnig ist. Der Bezugsparameter ist kein Zeitpunkt sondern ein Situationselement, sei es ein präsentes, ein erinnertes, ein vorgestelltes oder erwartetes Element innerhalb eines relational geordneten Gefüges von Situationen. Die lineare Vollordnung aller Ereignisse in einem solchen Gefüge, die als Zeit interpretiert und mit einem Zeitparameter wiedergegeben werden kann, ist ein sehr spezieller Fall, der dem Menschen überhaupt erst verfügbar wird, wenn er konzeptuell und praktisch über Meßvorrichtungen für die Zeit verfügt. Es wurde ganz klar: Eine objektivistische semantische Basis mag als Grundlage einer logisch präzisierten Wissenschaftssprache angemessen sein, nicht aber zur Beschreibung ontogenetisch früher Sprachverwendungsprozesse, die auch beim Erwachsenen in spontanen Sprachverwendungsformen ohne expliziten Bezug auf Uhrzeit und Datum funktionieren. Der Bezug auf Uhrzeit und Datum ist der Sprache äußerlich. Das Unternehmen einer reinen algebraischen Grammatik, soweit es mehr als nur eine Ausdrucks- und Bedeutungs-Kombinatorik bieten wollte, verlor für mich seinen Sinn. Sogar der Sinn der Ausdruckskombinatorik wurde fraglich. Diese Einsicht, zusammen mit ähnlich gerichteten Diskussionen über die Rolle der Sprache in kreativen Prozessen in Kunst und Wissenschaft mit Oswald Wiener, besonders aber die Lektüre von Eccles Darstellung des gegenwärtigen Standes der Neurologie forderten dringend die Rückkehr zu meinem mit dem Wechsel nach Berlin unterbrochenen Programm einer dynamistischen Sprachwissenschaft,
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anknüpfend nicht nur a m N e o - H u m b o l d t i a n i s m u s Weisgerbers sondern a u c h an den sprachtheoretischen Auffassungen der J u n g - G r a m matiker, wie ich (1979b) betonte. M e i n e F o r s c h u n g e n in Berlin bedeuteten also — so sehe ich es heute — eine Unterbrechung in den Ansätzen, die mir eigentlich wesentlich erschienen. Diese U n t e r b r e c h u n g ' w a r seinerzeit v o n der Aufgabenstellung eines germanistisch-linguistischen Instituts gefordert, durch den K o n t a k t mit meinem Freund Yehoshua Bar-Hillel und seiner p r a g m a tisch logischen Zielsetzung gefördert und von meiner frühen Begeisterung für eine rein algebraische G r a m m a t o l o g i e verursacht w o r d e n .
Literatur Y. Bar-Hillel (1970): „Aspects of language", Jerusalem: Magnes Press. H. H. Lieb (1974): „Grammars as theories: The case for axiomatic grammar". Part I, Theoretical Linguistics (1974), Part II, Theoretical Linguistics (1976). D. Marr (1982): „Vision", San Francisco: Freeman. C. A. Petri (1962): „Kommunikation mit Automaten", Diss. Bonn: Math. Institut. R. Thomason (Ed.) (1974): „Formal philosophy — Selected papers of Richard Montague". New Haven: Yale Univ. Press. H. Schnelle (1963): „The programming of grammar", pp. 329 — 330, in: C. M. Popplewell (Ed.), Information processing 1962, Amsterdam: North-Holland Pubi. Comp. H.Schnelle (1964): „Programmieren linguistischer Automaten", pp. 109 —136, in: K. Steinbuch, S. W. Wagner (Hrsg.), Neuere Ergebnisse der Kybernetik, München: Oldenbourg-Verlag. H. Schnelle (1967): „Prolegomena zur Formalisierung in der Sprachwissenschaft", Habilschrift, Philosophische Fakultät, Universität Bonn. H. Schnelle (1968): „Methoden mathematischer Linguistik", in: M. Thiel (Hrsg.), Enzyklopädie der Geisteswissenschaftlichen Arbeitsmethoden, 4. Lieferung: Methoden der Sprachwissenschaft, München: R. Oldenbourg. H.Schnelle (1970): „Linguistics and automata theory", pp. 325 - 340, in: Linguaggi nella società e nella tecnica, Milano: Edizioni di Communità. H. Schnelle (1971): „Language Communication with children — Toward a theory of language use", pp. 173 - 1 9 3 , in: Y. Bar-Hillel, Pragmatics of natural languages, Dordrecht/Holland: Reidel. H. Schnelle (1973): Sprachphilosophie und Linguistik, Reinbeck bei Hamburg, Rowohlt. H. Schnelle (1976a): „Basic aspects of the theory of grammatical form", pp. 377 - 404, in: A. Kasher (Ed.), Language in focus, Dordrecht/Holland: Reidel. H. Schnelle (1976b): „Empirische und transzendentale Sprachgemeinschaften", pp. 394 - 440, in: K.-O. Apel (Hrsg.), Sprachpragmatik und Philosophie, Frankfurt/ M.: Suhrkamp. H. Schnelle (1976c): „Zum Begriff der sprachanalytischen Rekonstruktion von Sprachausschnitten", pp. 2 1 7 - 2 3 2 , in: D. Wunderlich (Hrsg.), WissenscHaftstheorie der Linguistik, Kronberg/Taunus: Athenäum. H. Schnelle (1976d): „Circumstances and circumstantial expressions", in: J. Groenendijk, M. Stokhoff, Amsterdam Papers in Pormal Grammar, Vol. I, Amsterdam: Centrale Interfaculteit. H. Schnelle (1978): „Poetische Sprache und poetischer Zustand bei Paul Valéry", in: J. Schmidt-Radefeldt (Hrsg.), Paul Valéry, Darmstadt: Wissenschaftliche Buchgesellschaft.
Meine Forschung in Berlin
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H. Schnelle (1979a): „Paul Valéry: Philosophie des Geistes, der Sprache und der Dichtung", Poetica 11, pp. 1 - 3 7 . H. Schnelle (1979b): „Syntax und Semantik - Wo stehen wir heute?" in: Linguistische Berichte 63, pp. 1 - 26.
REGISTER
Personenregister (Zusammengestellt von Heinrich Mündt) Abramov, I. 448, 451 Ades, T. 403 Admoni, W. 317, 352 Adorno, Th. W. 134 Ajdukiewicz, K. 292 Akmajian, A. 313 Alberti, H.-J. 311 Alexander, P. 147f. Anderson, S. 84 Apel, K.-O. 249f. Arens, H. 104 Aristoteles 11,117, 126,134,137f., 140, 148 Arnold, G. E. 383 Asdahl Holmberg, M. 271 Atzesberger, M. 383 Augustinus 116 Austin, A. K. 17, 155, 166 Ayer, A. J. 155f., 162, 166, 168 Bahlow, H. 361 Bailey, Ch.-J. N. 8ff., 45, 84ff„ 88f. Baillet, A. 129 Ballmer, Th. T 18, 22, 36ff., 42, 104, 235ff., 259 Bar, A. 381 Bar-Hillel, M. 10, 12f„ 146ff. Bar-Hillel, Y. 13, 43, 235, 256, 258, 260, 459, 477ff. Barry, W. J. 108 Barthes, R. 11 Bartsch, R. 14f„ 25, 42f„ 173ff. Barwick, K. 117 Barwise, J . 454f. Bàtori, I. 3 Baumgärtner, K. 7f., 10, 15, 40f., 76ff. Beardsley, M. C. 404 Becker, K.-P. 383 Beiaval, Y. 134 Bellugi, U. 381 Bennett, D. C. 340, 349f. Bennett, J . 150, 153, 158, 167 Bense, E. 42 Bentov, I. 435 Benz F. L. 362, 364
Bergenholtz, H. 20f., 42, 266ff. Berlin, B. 29, 444, 448f., 455 Berry-Luterman, L. 381 Bickerton, D. 183 Bierwisch, M . 41, 194, 342, 478 Biesalski, P. 383 Bilfinger, G. B. 124, 128 Binkley, R. 146, 157f., 164ff. Black, M. 404ff., 420 Blakemore, C. 453 Bloomfield, L. 8, 17, 79, 254, 256, 258 Böhme, G. 383 Böttner, M. 224 Bolinger, D. L. 21, 277, 280, 288 Boole, G. 258 Bosch, J . 157ff., 167 Bosch, P. 22, 42, 299ff. Bourbaki, N. 252 Bouton, L. F. 84, 87 Boyd, R. 402 Braun, F. 46 Bréal, M. 135 Brekle, H. E. l l f . , 124ff. Brennenstuhl, W. 27, 42, 242, 395ff. Brockhaus, K. 44, 46 Brown, R. 381 Bruner, J. S. 415, 420, 455 Bühler, K. 12, 130, 248, 253, 366 Bünting, K.-D. 42 Burnett, J . H. 139 Buscha, J . 221 Butler, R. J. 154, 166 Buyssens, E. 144, 248 Caillois, R. 435 Campbell, D. T. 453 Canz, I. G. l l f . , 28, 124ff. Capra, F. 436 Carden,G. 89 Cargile, J . 150, 152f., 156, 166 Carnap, R. 12, 17, 19, 39, 116, 235, 248 ff. Carpov, J. 128, 131, 133 Cassiers, P. 42 Cassirer, E. 32
488 Celeyrette-Pietri, N. 135, 139 Cerrón-Palomino, R. 322 Champlin, T. S. 159f„ 166 Chapman, J . M. 154, 166 Cherry, C. 250 Chomsky, N. 3 ff., 37, 44, 47, 120ff„ 258ff., 289ff., 321, 326, 331, 453 f., 459, 475, 477, 479, 481 Christaller, T. 72 Chrysippos, S. 117 Cicero, M. T. 92, 118, 126 Clark, E. V. 27, 395ff„ 407f„ 410ff., 415, 419 Cohen, J. L. 147, 401 ff. Cooper, G. F. 453 Coseriu, E. 144 Coulmas, F. 43 Couturat, L. 12, 134, 136 ff. Creiling, J . K. 126 Cresswell, M. J . 12, 16f„ 23, 240, 301, 350 Crowson, R. A. 106 Cummings, E. E. 402 Curry, H. B. 258, 260 Curtius, E. R. 103 Dascal, M. 10f., 15, 28, 194ff., 424 Davidson, D. 17 Davis, M. 258 Defoe, D. 140 Delbrück, B. 403 Derrida, J. 134 Descartes, R. 134, 136f., 144 Dieckmann, W. 46, 57 Dik, S. 179 Dilthey, D. 42 Diogenes Laertius 117 Dittmar, N. 46 Dodwell, P. C. 453 Döpke, W. 343 Donaldson, M. 411 Dowty, D. R. 295, 339, 343, 350 Dretske, F. I. 455 Dukes, P. 381 Eccles, J . C. 458, 481 Eco, U. 258 Edman, M. 159, 168 Edmondson, J . 45 Ehlich, K. 25, 42, 359ff. Ehrich, V. 42 Eigen, M. 106 Eilers, R. E. 377 Einstein, A. 76ff., 110, 134, 144, 341
Personenregister Eisenberg, P. 22, 24, 42f., 46, 55, 311ff. Elliott, D. 85 Ellison, J . 152, 154, 168 Entwisle, D. R. 381 Erben, J. 313 Euler, L. 144 Faiman, M. 259 Ferguson, Ch. 183 Feyerabend, P. K. 18 Fillmore, Ch. J. 84, 196ff. Fischer, B.-J. 17, 20, 42, 46, 226ff. Fitch, F. B. 150f„ 166 Fodor, J. A. 289, 291 Fönagy, I. 107 Frank, H. 46 Fräser, C. 381 Fräser, J. T. 156 Frasure, C. 381 Frege, G. 17, 120, 193, 222, 237, 239ff., 258, 291 Friedrich, J . 363f., 366 Friedrich, P. 340 Fu, K. S. 260 Galileo, G. 144 Gamow, G. 148 Gardner, H. 403, 418 Gardner, M. 152f., 166f. Gazdar, G. 206 Gehlen, A. 39 ' Gesenius, W. 362 Geymonat, L. 103 Giattino, J. 381 Ginsburg, S. 457, 459f. Gips, J. 259 Glinz, H. 3 Gloy, K. 175 Gödel, K. 151, 168 Goethe, J . W. v. 29, 444, 446 Gonzales, R. C. 259 Good, I. J. 154 Goodman, N. 260 Grabski, M. 46 Grandy, R. E. 190 Greenberg, J . H. 260 Greimas, A. J . 144 Grewendorf, G. 46 Grice, H. P. 195 Grimm, H. 381 Grischow, A. 129 Grohnfeldt, M. 383 Grunig, B. N. 5 Gülich, E. 46
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Personenregister Günther, A. F. 46 Günther, H. 382, 386, 388, 392f. Guenthner, F. 235 Gumperz, J. G. 175, 202ff„ 210 Habel, Chr. 46 Haberbeck, R. 46 Haberland, H. 43, 56, 60 Hacking, J. 242 Hajek, H. 311 Hall-Partee, B. 66 Hamilton, W. R. 239 Handwerker, B. 45 Hanßon, G. 109 Hare, R. M. 195 Harnish, R. M. 76ff„ 80f. Harris, J . 433, 437 Harris, Z. 181, 256, 258 Hart, H. 173 Hartmann, D. 6, 9f., 43, 46, 55ff. Hartmann, P. 55, 58 f. Hausdorff, F. 239 Hausser, R. R. 21, 284ff. Hay, G. 388 Heeschen, C. 42 Hegel, G. W. F. 38, 104 Heider, E. R. 449 Heidolph, K. E. 478 Heibig, G. 221, 352f. Helmholtz, H. L. F. 445, 447 Herder, J . G. v. 32 Hering, E. 444, 447, 450ff., 455 Hermanns, F. 12, 260 Hermes, H. 258 Herrmann, Th. 5, 33 Herskovitz, M. J. 453 Hesse, H. 317 Hilbert, D. 252 Hill, C. 347 Hincha, G. 16, 46, 211 ff. Hintikka, J. 13, 82 Hirst, R. 455 Hjelmslev, L. 1 1 , 1 7 , 1 9 f „ 41,105,248 ff. Hockett, Ch. F. 258 Höller, H. J. 124 Höllerer, W. 40, 42, 477 Holenstein, E. 252 Hoppe, A. 42, 478 Hubel, D. H. 446f. Huber, W. 42 Humboldt, W. v. 32, 38, 453 Hume, D. 222 Hummel, Y. 388 Hurwich, L. M. 447, 450
Husserl, E. 239 Huyghens, Ch. 138 Infeld, L. 110 Iwasaki, E. 352 Jakobson, R. 3, 12, 41, 248, 255 Jameson, D. 447, 450 Jansen, C. I. E. 377f. Januschek, F. 28, 98, 408 Johnson, M. 401 f. Johnson, N. F. 14 Johnson, S. 404 Johnson-Laird, P. N. 14, 187f., 344f., 350 Kagel, M . 80 Kanger, S. 151 Kanngießer, S. 14f„ 186ff. Kaplan, R. 66, 149ff., 156f„ 161, 299f. Kasher, A. 44 Katriel, T. 209 Katz, J . J . 7, 27, 76ff., 80f„ 289f. Kautzsch, E. 362 Kay, P. 29, 444, 448ff., 455 Kegel, G. 26, 42, 381ff., 479 Keifer, J . 152, 154, 168 Keller, R. 110 Kempson, R. M. 83 Kircher, A. 126, 138 Kirchner, M. 403 Klann, G. 42, 46 Klein, F. 251 Kloepfer, R. 42 Knobloch, E. 258 Köhler, W. 38 Kohler, K. J. 44, 275 Kolumbus, Chr. 102 Kopernikus, N. 102 Korpiun, Chr. 42 Krantz, D. H. 451 Kratzer, A. 46 Kriwonossow, A. 352 Kruszewski, M. 255 Künzel, H. 378 Küper, Chr. 45 Kuhn, Th. S. 18, 28, 402, 417ff. Kummer, I. 43 Kummer, W. 10, 23f„ 42f„ 321ff. Kutschera, F. v. 13 Kvart, I. 157f., 164ff. Labov, W. 8, 180 Laing, R. D. 200
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Personenregister
Lakoff, G. 74, 84, 88, 208, 286, 401 f. Lambert, J . H. 119 Lambs, S. 478 Lamy, P. 128 ff. Lancelot (Pseudonym: de Trigny) 129, 131 Land, E. H. 446, 452 Lantieri, S. 134 Léau, L. 136 Lee, L. 382 Legum, S. 85 Lehiste, I. 277, 280 Lehrer, A. 313 Leibniz, G. W. l l f f . , 124, 134ff., 207, 228, 237, 258 Leonardo da Vinci 444 Lesniewski, S. 292 Levelt, W. J . M. 224 Levine, M. W. 448, 451 Levinson, S. C. 74 Lévi-Strauss, C. 98 Lewin, K. 38 Lewis, D. 22, 173, 290, 300f. Li, Ch. N. 342 Liberman, M. 275 Lidzbarski, M. 363 Lie, M. S. 239 Lieb, H.-H. 17, 21, 43, 46, 57, 224, 226ff., 275ff., 480 Lindenmayer, A. 258, 458 Livius, T. 12, 126 Loewenberg, I. 401 Löwith, K. 134 Lorenz, K. 44 Lorenzen, P. 44, 214, 258 Lotman, J . H. 258 Love, J. 381 Luchsinger, R. 383 Lüdtke, H. 9f., 22, 42, 102ff., 108 ff. Luhmann, N. 173 Lullus, R. 134, 137f., 140 Lutzeier, P. 46, 344, 351 Lyon, A. 146, 150 Lyons, J. 14, 293, 297, 4901 Maas, U. 8ff„ 42, 56, 59, 91ff. Mahler, G. 80 Maimon, S. 121 Malcovati, H. 126 Mallarmé, S. 135 Mansell, Ph. 108 Maratsos, M. 381 Marcus, M. P. 13, 66, 258, 260
104,
Margalit, A. 10, 13, 44, 146ff., 401 ff. Markov, A. A. 258 Marr, D. 453, 455, 478 Mater, E. 241 Mathesius, V. 41 Matthews, P. H. 293 Maxwell, J . C. 445, 447 Mayerthaler, W. 45 McCawley, J . D. 286, 289 McCollough, C. 454 McDaniel, C. K. 450, 452 Mediin, B. 149ff. Meitzer, B. 153 f. Menyuk, P. 381 Messing, J. 388, 393 Metzing, D. 7, 9, 31, 65ff., 72 Mey, J . L. 64 Meyer-Eppler, W. 374 Miller, G. A. 14, 341, 344f., 350 Miller, J . F. 381 Miller, W. F. 258 Modaressi, T. 203 Mohr, H. 104, 106, 110 Moilanen, M. 340 Montague, R. 12, 16f„ 21, 23, 47, 149ff., 156f., 161, 211, 235, 259, 285, 291 f., 299f., 343, 453, 479ff. Montgomery, A. A. 381 Montgomery, M. M. 381 Moore, G. E. 13, 39, 157, 164, 168 Morris, Ch. W. 248 ff. Mötsch, W. 478 Müller, M. 135, 139 Mugdan, J . 20f„ 266ff. Mukarovsky, J . 41 Nehr, M. 42 Nelson, K. 411ff., 419 Neriich, G. C. 146, 150f., 153, 166 Neurath, O. 17 Newell, A. 67 Newton, I. 144 Nievergelt, J . 259 Nikolaus von Kues 11, 116ff. Nixon, R. 202 Noth, M. 363 Nunberg, G. 401 O'Beirne, T. H. 152, 166 Oberschelp, A. 224 Occam, W. o. siehe Ockham, W. v. Ockham, W. v. 117, 122, 206 O'Connor, D. J. 147f. Odgen, Ch. K. 248
Personenregister Oller, D. R. 377 Opalka, H. 43 Opitz, M. 360 Ortony, A. 401 Osgood, Ch. E. 202 Panagos, J. 381 Pape, U. 258 Paprotté, W. 11, 28, 42, 401 ff. Parker-Robinson, C. 381 Parsons, T. 319 Pasierbsky, F. 43 Patzig, G. 222 Paul. H. 66, 313 f. Paz, O. 29, 435 Peano, G. 258 Peirce, Ch. S. 11, 115ff., 248f., 254, 258 f. Pelletier, F. J. 319 Perizonius, J. 131 Perotin, M. 80 Perry, J. 454 Peters, S. 339 Petri, C. A. 461 f., 477 Petrie, H. G. 417f. Philipps, J. L. 417 Piaget, J. 28, 408, 415, 417f., 420 Piètra, R. 134 Pike, K. L. 254, 258 Pilch, H. 108 Plank, F. 45, 316 Ploucquet, G. 124 Plutarch 126 Poincaré, H. 135, 144 Popper, K. R. 18, 153 Posner, R. 3ff., 37, 42, 46, 61, 247ff. Post, E. L. 258 Postal, P. 289, 291, 459f. Pottier, B. 144 Potts, T. 44 Pound, E. 404 Prieto, L. J. 248, 258 Prince, A. 275 Purcell, H. 80 Pusch, L. F. 61 Putnam, H. 74, 80, 188, 199 Pyle, Ch. 434 Quasthoff, U. 43, 46, 55, 60 Quine, W. v. O. 12, 14, 17, 39, 146, 148 ff., 155, 157f., 160 ff., 166f„ 187ff., 259, 306, 319 Quintiiianus, M. F. 118, 126, 405
491 Raabe, H. 313 Radford, A. 362 Ratliff, F. 448, 450f. Raz, J. 174 Reddy, M. 433 f., 442 Rehbein, J. 42 Reichenbach, H. 254 Reis, M. 82 Richards, I. A. 248 Richter, H. 16, 46, 211ff„ 372f. Riedl, R. 106, 108, 110 Riemsdijk, H. v. 346 Robering, K. 46 Roberts, D. D. 259 Robins, R. H. 104 Robinson, J. 135, 137 Röllig, W. 360, 363 f., 366 Römer, R. 61 Rohde, W. 28, 408 Rommetveit, R. 415 Rorty, R. 190 Rosendahl, M. 259 Ross, J. R. H. 10, 29, 44, 84, 433ff. Rothacker, E. 7, 30, 42, 457ff. Rozenberg, G. 258 Ruesch, J. 197, 200f. Rumelhart, D. E. 66, 417f. Russell, B. 39, 240, 252, 258, 292 Ryle, G. 39 Sacks, S. 39 Sadock, J. M. 402 Saile, G. 28, 42, 351, 424ff., 479 Sallust, G. 92 Salomaa, A. 258 Sanctius 131, 133 Sapir, E. 288 Saussure, F. d. 3,19,144, 248, 251, 255 f. Schane, S. A. 275 Schegloff, E. A. 39 Schindler, F. 108 f. Schleicher, A. 66, 273 Schlick, M. 17 Schlieben-Lange, B. 353 Schmidt, W. 317 Schmidt-Radefeldt, J. 12, 134ff. Schneewolf, R. 42 Schneider, H. J. 227 Schnelle, H. 12f„ 17, 30, 36, 38, 40ff„ 50, 55, 59f., 66f., 91, 134ff., 145, 179, 186f„ 211, 224, 226ff., 235, 242, 259, 288, 299, 359, 424f„ 431, 457f., 466, 468, 475 ff. Schön, D. A. 402
492 Schoenberg, J. 154, 166 Schönpflug, U. 14 Schönpflug, W. 14 Schoppe, C. 128 Schreiber, P. 43 Schroeder, E. 258 Schrödinger, E. 106, 445 Schwarze, Chr. 109, 177, 343 Scriven, M. 146, 148 f., 166 Searle, J. R. 14, 81,401, 404ff„ 409, 410 Segall, M. H. 453 Seiler, H. 39 Sharpe, R. A. 153, 166 Shaumyan, S. K. 259 Shaw, R. 146, 149ff., 154, 159, 165, 167 Shimanoff, S. B. 15, 205f. Shute, Ch. C. D. 454 Sinha, Ch. 421 Slater, B. H. 159 Smith, C. 381 Smith, J. W. A. 403 Sovack, M. 383 Spanier, E. H. 457, 459f. Stalnaker, R. 299, 300ff„ 304 Stechow, A. v. 350 Stedtfeld, W. 425 Stegmüller, W. 212 Stephens, M. I. 381 f. Stern, M. 148 Stevens, A. 66 Stevenson, C. 201 Stölting, W. 42 Stopp, H. 312 Strawson, P. E 319 Streek, J . 46 Sudbury, A. 159, 161 Sütterlin, L. 317 Suppes, P. 212 Swift, J. 126 Tarquinius Superbus 12, 126 Tarski, A. 119, 236, 238 Teubert, W. 313 f. Thomas von Aquin 11, 117 Thomason, M. G. 259, 480 Thompson, S. A. 85, 342 Thue, A. 258 Tillman, H. G. 108 Todt, G. 224 Trabant, J. 46 Trakhtenbrot, B. A. 258 Travis, Ch. 301 Trier, J . 453 Trubeckoj, N. S. 253
Personenregister Turing, A. M . 258, 458 Tylor, E. B. 91 ff.
Uexküll, J. v. 248 Ullmann-Margalit, E.
174
Vacano, O. v. 360 Valéry, P. 12f„ 17, 134ff„ 479 van de Velde, R. G. 56 Vater, H. 40 Vennemann, Th. 24, 44, 279 Vieregge, W. H. 26, 372ff. Vollmer, G. 104, 110, 239 Vos, J. J . 445 Vygotski L. S. siehe Wygotski L. S. Wald, G. 447 Wall, R. E. 339 Walraven, P. L. 445 Wang, J.-T. 10f., 28, 46, 115ff. Wason, P. C. 187f. Weber, A. 93 Weener, P. 381 Weidmann, F. 223 Weinrich, H. 401 Weisgerber, L. 476, 482 Weiss, P. 148, 166 Weizäcker, E. U. v. 239 Wells, G. 416 Wells, R. S. 258 Welserin, S. 312 Wenning, W. 29f„ 42, 444ff. Werner, F. 42 Wertheimer, M. 38, 453 Westrich, E. 384 Weydt, H. 46, 352 Whitehead, A. N. 258 Wiener, O. 479, 481 Wierzbicka, A. 17 Wiesel, T. N. 446f. Wilhelm, G. 360 Willis, P. 97ff. Wilson, D. 82 Wilson, N. L. 14, 187ff. Winckel, F. 106 Windt, P. 152 Winer, B. J . 390ff. Winkler, R. 106 Winograd, T. 67 Winter, W. 39 Wirth, G. 383
493
Personenregister Wittgenstein, L. 17, 39, 186, 251, 418, 444f. Wolff, Chr. Fr. v. 11, 124, 128 ff. Woodall, D. R. 153 Woods, W. A. 72 Wotschke, E. M. 460 Wright, C. 159, 161 Wright, G. H. v. 44, 175 Wright, J . A. 155f., 158, 166 Wright, P. 381 Wunderlich, D. 23, 40ff., 45, 81, 226, 252, 340ff. Wurst, F. 383
Wurzel, W. U. 275 Wygotski, L. S. 96, 409f., 418 Young, Th.
445, 447
Zaefferer, D. 194 Zemach, E. 319 Zeno 240 Zierer, E. 24, 352ff., 424 Zierer-Wu, C. 24, 352 ff. Ziff, P. 301 Zollinger, H. 450
Sachregister (Zusammengestellt von Heinrich Mündt) Adjektiv 130, 271, 273 Adverb (adverb) 84f„ 131, 218ff„ 346 Äußerung (utterance) 15, 22, 26ff., 65, 67ff., 72f., 81 f., 182f., 188, 194ff., 229, 373, 404f., 476 abweichende (pathologische) 372ff. kindliche 27, 395 metaphorische 403ff., 418 metasprachliche 401 schriftliche 9, 25 f. sprachliche 7f., 16, 25, 66, 71, 107, 187, 192, 352 Agrammatismus 26, 381 ff. Aguaruna 449 Aktualgenese 5, 9, 31 Akzent syntaktischer 280 Haupt ~ 276, 279 ff. N e b e n - 276, 280 ff. W o r t - 275 ff. ~ begriff 276 Altertum 116 Anthropologie 94 Kultur ~ 92 f. Antike 20 Apposition 313 Architektur 20, 258 Artikel 181, 285 Attribut 143, 218 ff., 223 Aufklärung 20 F r ü h - 124 Ausdruck {expression) 11, 17,20, 22, 100, 119, 135f., 182, 211ff„ 236, 238, 250, 252, 259, 267, 291 f., 305, 312, 396, 433 f., 475, 479 einfacher 237 gedanklicher 138 komplexer 237 natürlicher 212 f. sprachlicher 4, 11, 13, 18, 22f., 181, 425, 453 symbolischer 100 zweideutiger (ambiguous) 198 Grund ~ 284, 290f.
Bairisch 24, 352ff. Bedeutung (meaning) 11, 15, 27f., 82, 115f., 118f., 122, 182, 226ff., 237, 240, 242, 248ff., 287ff., 318f., 401 ff., 475, 479 explizite 98 implizite 98 übertragene 11, 118f., 122, 401, 405, 409 wörtliche 11, 15, 21, 118f., 122, 287, 401, 404, 405 W o r t ~ 21 f., 27, 116, 242, 287ff„ 395 ff., 404, 406, 409, 413 S a t z - 22, 116, 121, 280, 299ff„ 404 -sanalyse 17, 66, 289f., 292 -sbegriff 227f. — serwerb 28 ~ strukturen 18, 395 Chinesisch 342, 410 Computer 71 ~ anwendung 49 — technik 4 — Wissenschaften 49 Creolsprache 183 Darwinismus 7 Denken 136 ff. begriffliches 135 formales 403 metaphorisches 417 symbolisches 135 Denotation (denotation) 191, 201 Derivation (derivation) 88, 293 ff. Deskription (description) 17, 226ff. grammatische 10 syntaktische (syntactic) 260 deskriptiv 8, 32, 92f., 99, 226ff„ 240, 479 Deutsch 10, 21 ff., 132, 181, 269, 275, 277, 280, 311ff„ 352 Mittelhoch- 23, 311 f. N o r d - 24
Sachregister Standard ~ 24 ~ Unterricht 57 Dialog 67 ff., 109, 187, 190 ~ modell, prozedurales 65 ff. Dugum Dani 449 Einbettung (embedding) 321 ff. Ellipse 70 Empathie ~effekt 25 ~ Signal 24 Empfänger 14f., 29 empirisch 9, 14, 32, 47, 72f., 79, 91 f., 94, 101 ff., 108, 132, 180, 416, 455 Englisch 8, 10, 84ff., 108, 208f., 275, 342, 433 ff., 460 Erkenntnis ~ lehre, scholastische 11, 117 ~theorie 125, 239 Erwartung 15, 173 f., 186 Eskimo 449 Ethnographie 98
495 partiell/parallel-kontrollierte 464ff. traditionelle 247ff. Kategorial ~ 23,480 Universal ~ 129,321,479 ~ analyse 101 ~theorie 8, 18f., 21, 23, 48, 50, 58, 98, 245ff., 477, 480f. Graphematik 25 Griechisch 132
Feldarbeit 9, 23 Flexion 21, 293ff., 313, 316f., 480 Verb~ 24 Mono ~ 317 ~ slehre 20 Französisch 132 Futunese 449
Handeln 125, 138, 173 f. konkretes 93 Handlung 93 f., 98, 126f., 173, 415, 420 illokutionäre 304ff. nichtsprachliche 11 sprachliche 5, 96, 415 Sprech ~ 81, 93, 355 ~sinterpretation 73 ~ spotential 96 ~sschema 420 f. ~stheorie 46, 144 Haussa 347 Hebräisch 127, 132, 364, 366, 410 Heuristik 223, 239 historisch lOff., 13, 97f., 100, 113ff. Hörer 14, 103, 109, 182, 186ff„ 191f., 199, 404 ff. idealer 5 Hologramm (hologram) 433 ff. Homologie 98 ff.
Gebrauchsanweisung 28, 425 ff. Gedächtnis 413, 453 Kurzzeit ~ 108 Gedicht (poem) 29, 433 ff. Gehirn 30, 106, 457f. ~ funktion 110 Germanistik 39, 42 Gesprächsimplikatur (conversational implicature) 15, 195 ff. Geste {gesture) 203, 210, 257 lautliche 95 Alltags ~ 98 Sprech~ 107 Zeig~ 107 Grammatik (grammar) 3,10ff., 19f., 48, 70, 89, 124ff., 128ff., 179, 247, 284, 457ff., 479ff. deskriptive 22ff., 309ff. generative 4, 39, 61, 65, 115, 119ff., 260, 284ff., 478 kontext-freie (CF) 457ff. kontrollierte 458 ff. logische 16
Ikon 115 ff., 122 Illokution {illocution) 352ff. ~äre Handlung 304ff. ~ äre Kraft ( ~ ary force) 195,199,201 ~arer Akt ( ~ ary act) 300 ~ szweck 15 Imperativ 24 Index 115ff., 481 indexikalisch (indexical) 198, 300ff. Informatik 31, 457 theoretische 50 Information 16, 28, 68ff., 73, 106, 177, 200, 204, 208, 236, 417f. grammatische 30 Hintergrunds ~ 68f., 71 ~sfluß 67, 107, 476 f. ~sfrage 72 ~ squelle 71 ~stheorie 22, 46 ~ stransport 29 ~ sübermittlung 425 ~sverarbeitung 67, 71, 413, 417f., 458
496
Sachregister
Inhalt 20, 181, 267f., 373 Interaktion (interaction) 7, 72f., 175, 186, 189, 196f., 204, 406, 414ff. verbale 68, 70 ~ sbedeutung 72 ~sschritte 70, 73 ~ stheorie 183, 405 Interpretation (interpretation) 16, 73, 147 ff., 182,184,194ff., 230,233,236ff., 372, 412, 453, 476 semantische 16, 27 Äußerungs ~ 72 Gedicht ~ 435 ff. Mehrfach ~ 72 Um~ 15,404 ~soperation 14 ~sprozeß, schichtenspezifischer 15 Intonation 24, 282, 356 ~ sstruktur 278, 281 f. Italienisch 132 IP A (International Phonetic Alphabet) 375 ff. Japanisch 341 A l t ~ 449 Junggrammatiker
66, 482
Kasus 30, 130, 313 ff., 346, 464 Kode (code) 260 ~ wandel 46 Kognitionswissenschaften 31, 50 Kommunikation 14, 20, 29, 31, 61, 70f., 94f., 103,108f„ 125,175,182,197, 207, 252, 355, 433 f. menschliche 125,477 poetische 29 sprachliche 7, 15, 102, 108 f., 191 Alltags ~ 11 Krypto ~ 126 Mensch-Maschine ~ 31 Wissenschaftler ~ 9, 11, 15 ~ sabsicht 352 ~ smittel 174 f., 181f. ~ snorm 175, 181 ff. ~ spartner 24, 109, 126, 177, 187ff., 352 ~spathologie 189 ~ sprozeß 103, 188 ff. ~ssituation 5, 11, 27, 188ff. ~ stheorie 8, 477 ~ sverfahren 103, 105 f. ~ sverhalten 61 ~ sverlauf 190
Kompetenz (competence) 5 f., 8, 28, 66, 179 kommunikative (communicative) 199 pragmatische 16, 179 semantische 179 Sprach ~ 179, 186, 224, 477 Zeichen ~ 123 ~grammatik 179 Komposita 297 Konnotation 11, 98f., 201, 479 Kontext (context) 17, 22, 72, 82, 182, 196,198,207,209,211,300ff„ 411,417, 446 Dialog ~ 71 T e x t ~ 71 Wissens ~ 71,417 ~ abhängigkeit 453 ~ Operationen 73 Kontingenz 300, 302f. Konvention 126, 137, 174 Konversation (conversation) 195 ff. Kopula 143, 213 Künstliche Intelligenz (artificial intelligence) 48 ~ Forschung 7, 17, 31, 50, 67 Kulturanalyse 91 ff. Kybernetik 22 Latein 132,410 Laut (sound) 26, 126 ff. Sprach ~ (Speech ~) 253, 372 ~ system 89, 127 Lexem 13, 70, 293 f., 402, 411, 419 Lexikologie (lexicology) 20, 256 f. Lexikon 21, 182, 239, 241 f., 284ff., 461, 469 Linguistik 3, 6ff., 17ff., 20, 22, 25, 31f., 36ff., 55ff., 65ff., 74, 76ff., 91, 102ff„ 183, 247, 475ff., 481 angewandte 6, 9, 25ff., 35ff., deutsche 6, 10, 19, 25, 36ff„ 55ff„ formale 3, 17 harte 43, 63 moderne 39ff., 93 prozedurale 30, 67 theoretische 6, 9, 17, 47, 177f., 184, 475ff. weiche 43, 48, 63 Neuro ~ 31,457 Pragma ~ 43, 48 Psycho ~ 14,31,63,90,382,403 Sozio ~ 31,63,97,99 T e x t ~ 45 Literaturwissenschaft 8, 48
497
Sachregister Logik 3, 6, 13, 17, 22, 100, 106, 134ff:, 148ff., 224, 235ff., 292 extensionale 16, 224 formale 120 . intensionale 292 linguistische 235 ff. scholastische 122 Aussagen ~ 142, 211 Metapher 11, 28f., 116ff„ 121, 401ff„ 433 Mißverständnis (misunderstanding) 15 f., 194 ff. Mitteilungsabsicht 15 Modi Significandi 115 ff. Mohawk 460 Morphem 267ff., 295 Derivations ~ 269, 271 ff. Flexions ~ 269, 270ff. Fugen ~ 269 Partikel~ 21, 272f. Pronominal ~ 21, 272 ~klasse 20, 268 ff. Morphologie 20f., 126f., 247ff., 266ff., 295 Neurobiologie 445 ff., 449ff. Neurologie 7, 17 Neurophysiologie 48, 446ff. Nomen 130f., 181, 341, 362, 396, 398 Prädikats ~ 213,218,220 Nominale Mengen ~ 312 ff. Norm 14f., 46, 173ff. grammatische 181 linguistische 177 f., 181 ff. semantische 182 soziale 14 ~ abweichung 15 ~enkonflikt 14 ~ Verletzung
46
Oberflächenstruktur (surface structure) 16, 89, 180, 256, 321, 385 Objekt (object) 27f., 84f., 89,115,215f., 221, 322ff., 404 komplexes (complex) 257 linguistisches 65 Referenz ~ 27 ~ ebene 15 ~kode (~code) 252f„ 257, 259 ~satz 76, 80 Ontogenese 5, 9, 31 Ontologie 23, 319, 454
Paradigmatik (paradigmatics) 247ff. Paradoxic 13, 146, 304f. Paraphrase 17, 22, 94, 219, 223, 288ff. Partikel 24 illokutive 352ff. Performanz 5 f., 8, 66, 477 Philologie 25, 37, 39, 56, 61 Philosophie 14ff., 42, 58, 104, 124, 134 ff., 146 ff. analytische 13, 17 Sprach ~ 14, 32, 134ff. Phonem (phoneme) 20, 256 Phonemik (phonemic) 20, 254, 256f. Phonetik (phonetics) 20, 25f., 44, 126f., 254, 256f., 277, 372 Phonologie (phonology) 20, 44, 126f., 252, 254, 278 Phylogenese 5, 9, 31 Pidgin 183 Plerem 20, 267 ff. Portugiesisch (Portuguese) 208 Positivismus (positivism), logischer (logical) 115, 119f., 249 Prädikat (predicate) 16, 82, 85, 129, 131 faktives 76, 82 ~enlogik 16 ~ o r 16, 224 Präposition 24, 131, 215, 220f., 267, 340ff., 364 lokale 340ff. ~ alphrase 341 ff., 391 ff. Präsupposition 8, 24, 76, 81 f. Pragmatik (pragmatics) 14, 19, 24f., 31, 45, 81, 195f., 198, 247ff., 366, 477ff., 481 linguistische 11, 15, 63 Pronomen 130, 179, 271 f., 323 ff. Proposition (proposition) 15 ff., 22, 70, 78 ff., 147, 163, 195ff., 236, 299ff., 321 Prosodie 129, 133 Psychologie 7, 48 kognitive 67 kritische 57 Gestalt ~ 38 Sprach ~ 17 Psychophysik 445ff. Punisch 360 ff. Quechua
23, 321 ff.
Raumkonzept 340ff. deiktisches 24, 346 f. sprachliches 24 Rede 127, 132
498 Regel (rule) 7, 9, 11,14,19f„ 46,70, 84, 88, 115, 121, 146 ff., 173, 177ff., 194, 197,201,206,233,252,257,259,268ff., 273, 284, 295, 416, 418, 457ff., 476 grammatische 14, 19 lexikalische 294, 296 linguistische 14, 178 semantische 14, 116, 119 soziale 179ff. syntaktische (syntactic) 14, 132, 256, 285, 288, 323 ff. Kombinations ~ 136 —Fehler {error) 15, 205 ~-Mißachtung (rejection) 15, 205 ~ system 10,419,479 grammatisches 19, 457 internalisiertes 4 rekursives 120 f. ~-Unkenntnis (ignorance) 15, 205 ~-Verletzung (violation) 15, 205 Relativität 110 sprachliche 30, 110, 444 Repräsentation (representation) 122, 128, 413, 415ff., 420, 458, 478 abstrakte (abstract) 89 lexikalische 66 schriftliche 131 Rezeption 7 — sästhetik 8 Rhetorik (rhetoric) 126, 196, 249 Romanistik 39 Satz (sentence) 7ff., 16, 23f., 26, 28, 30, 61, 76ff., 84f., 87,107, 109, 119ff., 130, 132f„ 180f., 188 f., 191 f., 236, 275, 300, 321 ff., 458 ff., 481 wohlgeformter 14, 30, 66, 461 Haupt ~ 221 f. Neben ~ 221 Relativ ~ 222f., 321 ~ akzent 21,280 ~ gefüge 221 ff. Scholastik 116 Schrift 96, 103ff., 128 chinesische 128 europäische 128 ~ lehre 129 ~spräche 96, 128 ~ spracherwerb 96 f. ~ system 106, 131 Segmentierung 108f., 268 Semantik (semantics) 7,13,16,19,23 ff., 27,31,70,195f., 198, 209,247ff., 286f., 291, 293, 299ff., 322ff.. 384ff„ 441 f.,
Sachregister 445, 455, 477f., 481 deskriptive 226 ff. generative 16, 23, 65, 286 f. logische 11, 14f., 22 rekonstruktive 226 ff. Ethno ~ 29,448 Satz — 133 Semiose (semiosis) 247f. Semiotik (semiotics) 11, 19, 32, 46, 125, 136, 142, 247ff. Semitisch 360ff. Sender 14f., 29 Silbe 20, 108, 120, 127, 275 ff. betonte 275 unbetonte 275 Sozialwissenschaft 4, 92f., 97f. kritische 57 Soziologie 48 Spanisch 24f., 352ff., 435 Spieltheorie (game-tbeory) 22, 156 Sprach~analyse 12f., 16f. logische 12, 22, 235 ff. maschinelle 267, 476 semantische 18, 290 semantisch-pragmatische 227 ~beschreibung 6ff., 11, 21, 28, 32, 284, 476 ~bild 118, 121 f. Sprache 5ff„ l l f . , 14,16,18f., 21,28ff., 37, 40, 46, 50f., 58, 82, 89, 93 f., 97, 99, 102ff„ 106f„ 108, 118f„ 127 ff., 131, 134ff., 183f., 186, 224, 227ff., 247, 250, 252, 395, 428, 434, 444ff., 458, 475ff. außereuropäische 23 elaborierte 99 extensionale 228f., 232 formale 116, 120f., 257, 458, 460 hierarchisch gruppierende 211 ff. intensionale 228 natürliche (natural) 10,12,17ff., 60, 65, 115, 118ff., 140f„ 211, 232, 259, 284, 292, 301, 304, 460 phänomenalistische 17 Fach~ 29, 60, 424ff. Fremd ~ 128, 424 Gebärden — 20 Kinder- 27, 396 Körper— 126 Konstrukt ~ 13, 17, 136, 226ff. Logik ~ 22, 291 f. Meta~ 105,252,259,291,480 O b j e k t - 18, 151, 252, 284ff. Programmier — 121
499
Sachregister Sonder ~ 28 Standard ~ 6, 26, 175 Umgangs ~ 77, 82, 136 Universal ~ 128 Wissenschafts ~ 58ff., 249f., 481 Sprach~entwicklung 27, 95, 381, 395ff. ~erwerb 5, 9, 27f., 94ff., 105f., 128, 178f., 184, 395ff., 403, 406ff„ 449 ~fähigkeit 1 0 6 , 1 2 2 , 1 2 7 , 3 0 5 , 4 0 8 ~ gebrauch 5 , 6 0 , 6 5 , 6 8 , 7 4 , 1 4 1 , 1 8 3 , 186, 192f., 402f., 406, 415, 481 metaphorischer 28, 408, 417 ~ gemeinschaft 14, 30, 127, 173, 175, 177, 179f., 182, 453 ~geschichte 9 ~ lehre 48f., 117 ~norm 15, 175, 177ff., 183 ~planung 177 ~ Produktion 7, 30, 65, 67, 73, 97, 107, 184 ~ Störung 26, 184, 373, 381 ff. ~ system 5 , 8 , 6 7 , 4 7 8 ~ theorie 11, 58, 60, 70, 94, 120ff., 229, 445, 453, 475, 478, 480 ~therapie
5, 26, 377
~typologie, sowjetische
16, 223
~ Unterricht 5, 179 ~ Untersuchung 17 historische 66 prozendurale 7, 11, 65 ff. ~Variation 6, 8f., 60, 110, 186f. ~ Verarbeitung 7, 17, 25, 30, 65, 67f.,
74, 184, 459, 476 elektronische
~ verhalten
~ Verständnis
~ verstehen ~wandel
449
50
31, 58f., 180f. 9, 65, 107
14f., 115, 132, 186ff.
5f., 9, 103, 110, 177, 184,
~ Wechsel 103 ~wissenschaft 3ff., 7, 39, 46, 50, 55ff., 67, 91 ff., 173, 475ff. kulturanalytische 97, 101 Sprechakt (Speech act) indirekter 401, 405 nichtdeklarativer 13 ~theorie 6, 13f., 70, 81, 195 Sprechen 6, 97, 127f., 137, 180, 446 Sprechhandlungstheorie 47 Sprecher (Speaker) 14, 24,26, 65ff., 69f., 79, 81 ff., 89, 103, 109f., 142, 175, 179ff., 186ff., 191 f., 199, 229, 288, 352, 355, 404ff.
idealer 5 konkreter 73 Stil ~ isierung 97 ~ bildung 99 ~ istik 182 Struktur (structure) 8, 73, 92, 98 f., 109, 128, 178, 187f„ 229, 252, 268, 293, 417f., 460 kognitive 415 kulturelle 94 lexikalische 21, 294 logische 14 mengentheoretische 22 morphologische 21, 283 sprachunabhängige 30 syntaktische 13, 23, 84ff., 178, 258ff., 395, 458, 475 Organisation ~ 65, 67f., 74 Phrasen ~ 109 ~ regel 177 f. Satz~ 26, 109, 132, 321 ff. Sprach ~ 121, 458 T e x t - 29 W o r t - 266ff., 290 ~beschreibung 30, 421 Strukturalismus 47, 79, 180, 256 amerikanischer 3f., 19f., 39, 254 europäischer 3 f., 29, 39 Prager 41 Subjekt 16, 79, 81, 131, 143f., 215f., 218f„ 222, 324ff., 404 Substantiv 27, 130, 132, 143, 270, 273, 312f. Syllogistik 138 Syllogonmodell 16, 211 ff. Symbol 95, 100, 115ff., 119, 458 logisches 291 f. Syntagmatik (syntagmatics) 19, 247 ff. Syntaktik (syntactics) 19f., 247ff. Syntax (syntax) 12, 16, 19ff., 25, 69, 73, 84 ff., 126 f., 129,131 f., 151,223,247ff., 286, 288, 292f., 321 ff., 364, 384, 414, 436ff., 454, 469, 481 Oberflächen ~ 224 ~ -Netzwerk, operatives 457 ff. ~ theorie 23 System (system) 16, 120, 138 f., 235 generatives 30 grammatisches 457 ff. sprachliches 110, 131 symbolverarbeitendes 71 Ersetzungs~, paralleles 7, 25, 457ff. Normen ~ 181
500 Notations ~ (notational) Symbol ~ 67 ~ theorie 46
Sachregister 26, 260
Technologietransfer 424ff. Text 20, 25, 28 f., 67, 104, 107, 228, 266ff. fachsprachlicher 424ff. poetischer 29 Gebrauchs — 23 ~ analyse 5 maschinelle 31 ~kontext 71 ~ Produktion 31 ~ Verarbeitung 4 automatische 31, 457 ~ Verständnis 28, 424
Theologie 42 Tiefenstruktur 16, 121 f., 177, 256 Toleranz 186 ff. Tradition (tradition) 7, 92,103 f., 127ff., 139 f. amerikanische (American) 258 europäische (European) 258 germanistisch-philologische 56 literaturwissenschaftliche 56 logische 291 philologische 3, 40, 57, 98 sprachwissenschaftliche 56 Kultur ~ 104 ~slinien lOOf. Transformation 115, 121, 177f., 251, 459 f. grammatische 119, 121 ~ sgrammatik (TG) 66,285,288,457, 459 ff. generative 10, 30, 177, 181 ~ sprozeß 189 ~ sregel 1 2 1 , 1 7 7 , 1 8 1 , 3 2 1 Transitivität 82 Transkription 26 f. phonetische 26, 260, 372ff. Tropus 11, 115ff., 405 Tzeltal 449 Überdehnung 396ff., 406ff. Übergangsnetzwerke, erweiterte
72 f.
Verb (verb) 16, 84f„ 88, 131, 216ff., 222f., 267, 271 ff., 322ff„ 398, 461 Bewegungs ~ 348 Positions ~ 341 Wahrnehmung 27, 29, 97,106,128,139, 372, 396f., 409 optische 29, 444ff.
Farb~ 30,444ff. Raum ~ 341 — sfähigkeit 97 ~ stheorie 46 Weihestele 25, 359ff. Wiener Kreis 17 Wissenschaftsgeschichte 92, 145 linguistische 40 Wissenschaftstheorie 5, 18, 102ff., 226 Wort 20f., 107, 127f., 130, 132, 236, 266ff., 275ff., 286ff. grammatisches 267, 270f. lexikalisches 267 orthographisches 267 phonologisches 21, 267, 278f., 282 F a r b ~ 29, 444ff. Funktions~ 21,285 Oberflächen ~ 286f., 293 -akzent 21, 275ff. ~ analyse 18, 21 ~ a r t 27 -begriff 21, 127, 267 ~bildung 20,295 —gebrauch 27 — inhalt 27 ~ lehre 129, 130ff. ~ menge 20 -struktur 20f., 266ff. Zeichen (sign) 11, 46, 115ff„ 125f., 128ff., 134ff., 247ff. einfaches 19f., 143, 259 komplexes (complex) 19f., 143, 253, 255 ff. natürliches 116, 119 nichtsprachliches 11 sprachliches 11, 20, 122, 141 willkürliches 116 Elementar— (elementary) 20, 258 — begriff, bilateraler 20, 267 — gebrauch 19, 135 — kette 30 — kombination 19f., 247 - l e h r e 115 f. - n a t u r 115, 120 — Ökonomie 46 — Produktion (production) 255 -system 19f., 31f., 107, 115, 137f„ 143, 250, 252ff. künstliches 258 f. natürliches 258 nichtsprachliches 250, 254 — theorie 19, 46 -typ 116,135,254 Zeitkonzept, sprachliches 23
RESEARCH IN TEXT THEORY UNTERSUCHUNGEN ZUR TEXTTHEORIE
Intonation, Accent and Rhythm Studies in Discourse Phonology Edited by Dafydd Gibbon and Helmut Richter Large-octavo. X, 350 pages. 1984. Cloth DM 1 4 8 , ISBN 3110098326 (Volume 8)
Linguistic Dynamics Discourses, Procedures and Evolution Edited by Thomas T. Ballmer Large-octavo. VIII, 366 pages, 35 figures, 10 tables. 1985. Cloth DM 1 6 0 , - ISBN 3110101157 (Volume 9)
Discourse and Communication New Approaches to the Analysis of Mass Media Discourse and Communication Edited by Teun A. van Dijk Large-octavo. VIII, 367 pages. 1985. Cloth DM 1 6 0 , ISBN 3110103192 (Volume 10)
Literary Discourses Aspects of Socio-psychological Approaches Edited by Laszlo Halasz Large-octavo. Approx. 275 pages. 1986. Cloth approx. DM 120,— ISBN 311 010685 X (Volume 11) - in preparation
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G
Berlin • New York
THEORETICAL LINGUISTICS Edited by Helmut Schnelle 1986: volume 13. Approx. 390 pages. Boards DM 1 3 8 , -
Contents G. ADORNI, S. GAGLIO, R. ZACCARIA, Towards a description of robot movements by a quasi-natural language THOMAS D. CRAVENS, Intervocalic consonant weakening in a phoneticbased strength phonology: Foleyan hierarchies and the gorgia toscana S. GAGLIO, G. SPINELLI, V. TAGLIASCO, Visual perception: An outline of a generative theory of information flow organi2ation S. GAGLIO, P. MORASSO, G. SANDINI, V. TAGLIASCO, Anthropomorphic features in artificial vision CHARLES KIRKPATRICK, A note on English ordinals ROBERT ELTON MAAS AND PATRICK SUPPES, A note on discourse with an instructable robot EWA MIODUSZEWSKA, Referential presupposition within Ulrich Blau's three-valued logic system S. JACK ODELL, Paraphrastic criteria for synonymy and ambiguity S. JACK ODELL, On the possibility of natural language processing S. JACK ODELL, A Paraphrastic Theory of Meaning HELMUT SCHNELLE, Editorial remark: Linguistics and Bio-engineering? HELMUT SCHNELLE AND EDGAR ROTHACKER, Elements of theoretical net-linguistics. Part 3: Principles and fundamentals of dynamic nets for language processing BARRY SMITH, Ten conditions on a theory of speech acts HEINZ WERNER, Redoing PTQ in a semiotically based Montague grammar Prices are subject to change
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w DE
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