Motorphobia: Anti-automobiler Protest in Kaiserreich und Weimarer Republik 9783666351372, 3525351372, 9783525351376


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German Pages [320] Year 2002

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Motorphobia: Anti-automobiler Protest in Kaiserreich und Weimarer Republik
 9783666351372, 3525351372, 9783525351376

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Kritische Studien zur Geschichtswissenschaft 156

V&R

Kritische Studien zur Geschichtswissenschaft Herausgegeben von Helmut Berding, Jürgen Kocka Hans-Peter Ullmann, Hans-Ulrich Wehler

Band 156

Uwe Fraunholz Motorphobia

Vandenhoeck & Ruprecht in Göttingen

Motorphobia Anti-automobiler Protest in Kaiserreich und Weimarer Republik

von

Uwe Fraunholz

Vandenhoeck & Ruprecht in Göttingen

Umschlagahbildung:

Grand Prix de l'ACF, 26. Juni 1912 Foto von Jacques Henri Lartigue © Ministere de la Culture - Frankreich / AAJHL

Die Deutsche Bibliothek -

CIP-Einheitsaufnahme

Ein Titeldatensatz für diese Publikation ist bei Der Deutschen Bibliothek erhältlich. ISBN 3-525-35137-2 Zugl.: Berlin, Freie Universität, Diss., 2000 Gedruckt mit Unterstützung der FAZIT-Stiftung, des AvD (Automobilclub von Deutschland) und der Dr. Joachim und Hanna Schmidt Stiftung fur Umwelt und Verkehr. © 2002, Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen. - Printed in Germany. http://www.vandenhoeck-ruprecht.de Alle Rechte vorbehalten. Das Werk einschließlich seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Ubersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Umschlag: Jürgen Kochinke, Holle. Satz: Text & Form, Garbsen. Druck und Bindung: Guide-Druck GmbH, Tübingen. Gedruckt auf säurefreiem und chlorfrei gebleichtem Papier.

Inhalt

Verzeichnis der Tabellen, Schaubilder und Abbildungen

7

Vorwort

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Einleitung

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1. Grundzüge der Motorisierung des Straßenverkehrs

29

a) Die Pionierzeit des Automobils 1886-1914 b) Die Bewährung im motorisierten Krieg 1914-1918 c) Die Diffusion der neuen Technik 1918-1932 2. Ursachen und Manifestationsbedingungen des Protests: Konfliktpotentiale des frühen Automobilverkehrs a) Klassendifferenzierende Wirkungen des Automobils b) Wirkungen des Kraftwagens auf Verkehrsräume und Verkehrsträger c) Wirkungen der Motorisierung auf die Straßensicherheit d) Umweltschädigende Wirkungen des Kraftverkehrs

3. Proteste gegen die Motorisierung in Deutschland 1902-1932: Quantitative Auswertung des Protestsamples a) Zeitliche Verteilung der Protestfälle b) Räumliche Verteilung der Protestfalle c) Formen und Wirkungen des Protests d) Anlässe und Motive autofeindlicher Aktionen e) Sozial- und Gruppenstruktur der Protestler f) Objekte des Protests g) Reaktionen und Strafen

29 37 39

47 47 55 63 81

93 93 97 102 106 108 112 114

5

4. Zur Protesttypologie: Hauptformen autofeindlicher Aktionen a) Steinwürfe: Kinder und Jugendliche als Autofeinde b) Drahtseilattentat und Barrikadenbau c) Tätlichkeiten gegen Autofahrer: Menschenmengen in Aktion d) Peitschenhiebe: Kutscher und Automobilist e) Sachbeschädigungen: Vermittelte Angriffe auf den Kraftverkehr.. f) Jagd auf Automobile: Der Schuss in die Maschinerie

117 117 128 145 154 161 165

5. Gewaltlose Äußerungen der Autofeindlichkeit a) Polizist und Autofahrer - Das Fallenwesen b) Pflasterzölle, Straßensperrungen und Sonntagsfahrverbote c) Denunziantentum und Petitionsbewegung d) Intellektuelle Automobilkritik

171 171 180 188 196

6. Konfliktregulierung: Staat und Automobil a) Zur Entwicklung des Straßenverkehrsrechts b) Haftpflichtdiskussionen c) Kraftfahrzeugbesteuerung als Schlichtungsinstrument

211 211 217 223

7. Internationale Dimensionen der Autofeindschaft a) Parallelen im deutschen Sprachraum: Österreich-Ungarn und die Schweiz b) Die Modernität Westeuropas: Frankreich, Großbritannien und Italien c) Die Vorreiterrolle der Vereinigten Staaten

229

240 253

Fazit: Autofeindliche Aktionen und Sozialprotest

267

Abkürzungsverzeichnis

276

Quellen- und Literaturverzeichnis

278

Register

304

6

229

Verzeichnis der Tabellen, Schaubilder und Abbildungen

Tab. 1:

Kfz-Bestand und Motorisierungsgrad in Deutschland 1902 bis 1932 Kraftwagenbestand in Europa und den USA im Verhältnis zu Einwohnerzahl und Bodenfläche 1920 bis 1932 Mitgliederstruktur deutscher Automobilclubs 1900 bis 1932 Autounfälle im Deutschen Reich 1906 bis 1913 Fahrerflucht und Strafen gegen Autofahrer 1906 bis 1913 .. Raumzeitliche Verteilung der Protestfalle und Kfz-Bestand

Tab. 2: Tab. 3: Tab. 4: Tab. 5: Tab. 6:

Schaub. 1: Schaub. 2: Schaub. 3: Schaub. Schaub. Schaub. Schaub. Schaub. Schaub. Schaub. Abb. 1: Abb. 2: Abb. 3: Abb. 4: Abb. 5:

Berufsstruktur der Mitglieder deutscher Automobilclubs... Unfallorte im Deutschen Reich 1906 bis 1912 Ursachen der Autounfälle 1906/07,1909/10,1928 und 1929 4: Jährliche Verteilung der Protestfälle 1902 bis 1932 5: Monatliche Verteilung der Protestfälle 6: Geographische Verteilung der Protestfalle 7: Protestformen 1902 bis 1932 8: Anlässe und Motive der Protestfalle 9: Teilnehmer an Protestfällen 1902 bis 1932 10: Geschädigte in Protestfällen Beworfenes Auto in Werbeanzeige Autolampen-Werbung 1913 Vorrichtungen gegen Drahtseilattentate Darstellung von Angriffen in der Reifenwerbung Jagd nach einem »Autowildling« in Paris

42 45 49 64 73 98 50 68 69 95 96 101 103 106 109 112 123 132 139 146 244

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Vorwort

Die vorliegende Studie stellt die gekürzte und fur den Druck überarbeitete Fassung meiner Dissertation dar, die im Juni 2000 unter dem Titel »Motorphobia. Proteste gegen die Motorisierung des Straßenverkehrs im ersten Drittel des 20. Jahrhunderts. Deutschland im internationalen Vergleich« am Fachbereich Geschichts- und Kulturwissenschaften der Freien Universität Berlin angenommen worden ist. Ein derartiges Projekt lässt sich kaum ohne vielfältigen Rat und Unterstützung zahlreicher Personen zu einem erfolgreichen Ende bringen. Mein herzlicher Dank gebührt dabei zuerst Prof Heinrich Volkmann, der als »Doktorvater« im besten Sinne des Wortes mein Promotionsvorhaben stets wohlwollend und interessiert betreut hat. Die Idee, die frühen Ausschreitungen gegen Automobilisten zu thematisieren und analytisch zu fassen, entstand durch den Besuch seiner Seminare zur Protest- und Tourismusgeschichte. Ebenso danke ich Prof Wolfgang Wippermann für die freundliche Aufnahme der Arbeit und für die umstandslose Bereitschaft, als Zweitgutachter zur Verfügung zu stehen. Ihm verdanke ich zahlreiche Hinweise auf mögliche ideologische Unterströmungen der »Motorphobie«. Gewinn konnte die Arbeit auch aus den kritischen Kommentaren der Teilnehmer des Forschungskolloquiums zur Wirtschafts- und Sozialgeschichte an der Freien Universität Berlin ziehen, in dessen Rahmen ich Gelegenheit hatte, mein Projekt vorzustellen. Darin bestärkt, auf dem eingeschlagenen Weg fortzufahren, hat mich aber vor allem PD Dr. Christoph Maria Merki. Aus der Zufallsbekanntschaft zweier an der Sozialgeschichte des frühen Automobils interessierter Forscher im Deutschen Museum hat sich ein reger Austausch entwickelt, bei dem ich mehr profitierte als ich einbringen konnte. Mit Dr. Jan Block führte ich zahlreiche, oftmals kontroverse Diskussionen, die dazu beigetragen haben, die Fähigkeit zu historischer Argumentation zu schärfen. Auch Carl-Josef Virnich und Simon Kaminski verdanke ich nützliche Hinweise; wichtiger als das gemeinsame Interesse an der Geschichtswissenschaft ist aber unsere langjährige Freundschaft, die den Studenten- und Doktorandenalltag nie langweilig werden ließ. Mein Dank gilt weiter den Herausgebern der »Kritischen Studien zur Geschichtswissenschaft« für die Aufnahme der Arbeit in ihre Reihe. Insbesondere Prof Jürgen Kocka, der das Projekt schon als Mitglied meiner Promotions9

kommission unterstützte, und Prof. Helmut Berding lieferten zahlreiche inhaltliche und formale Verbesserungsvorschläge, die der Druckfassung sehr zugute gekommen sind. Prof Jörg Baten gewährte die für einen Assistenten nicht immer selbstverständlichen zeitlichen Freiräume, die notwendig waren, um die Überarbeitung zu realisieren. Alexander Moradi und Muna Fraunholz halfen kompetent und sensibel beim Redigieren der verschiedenen Manuskriptfassungen. Finanziell ermöglicht wurde meine Promotion durch ein Stipendium im Rahmen der Graduiertenförderung des Landes Berlin. Die FAZIT-Stiftung und der Automobilclub von Deutschland (AvD), beide Frankfurt am Main, sowie die Dr. Joachim und Hanna Schmidt Stiftung für Umwelt und Verkehr, Ilsede, gewährten großzügige Druckkostenzuschüsse. Den Verantwortlichen in den betreffenden Institutionen gilt mein besonderer Dank. Vor allem ist es mir aber ein Bedürfnis, meiner Frau und meinen Eltern zu danken, die mich in der zuweilen harten Promotionsphase stets nicht nur finanziell unterstützt haben. Ihnen ist dieses Buch gewidmet. Muna danke ich - neben vielem anderen - auch dafür, dass es in den Jahren der intensiven Beschäftigung mit den Feinden des Automobils zu keiner Identifikation mit den Objekten meines wissenschaftlichen Interesses gekommen ist: Ich fahre - trotz ökologischer Gewissensbisse - weiterhin gerne Auto, bevorzugt als Beifahrer meiner Frau. Tübingen, im Mai 2002

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Uwe Fraunholz

»Nicht viele Steuern sind gründen worden, von dem Zins der Tantiemenschlucker vielleicht abgesehen, die der breiten Masse des Volkes so das Geßhl Befriedigung

der

entlockten wie die Steuer auf das

Luxusautomobil.«'

Einleitung

Angesichts heutiger Hagen »der breiten Masse des Volkes« über jede Benzinpreiserhöhung befremdet die in einer »Naturgeschichte des Automobils« von 1909 beschriebene Freude über die finanzielle Belastung der Autofahrer auf den ersten Blick. Im heutigen Zustand der Marktsättigung sind es vor allem die Dauerstaus, welche die Grenzen des motorisierten Individualverkehrs sichtbar machen. Doch bereits bevor sich die Massenmotorisierung durchsetzte hatten die Autofahrer, die sich damals noch in einer Minderheitenposition befanden, mit publizistischen Angriffen von Autokritikern und Protestaktionen der unmotorisierten Bevölkerung zu kämpfen. In diesen Kontroversen über die Motorisierung wird die Ambivalenz des Modernisierungsprozesses deutlich, da die Innovation nicht nur zu einer Erweiterung gesellschaftlicher und persönlicher Möglichkeiten führte. Die neue Technik ließ in einer Phase, in der sie nur wenigen zur Verfugung stand, auch zahlreiche Modernisierungsgeschädigte zurück, die gegen die Beschneidung ihrer eigenen Möglichkeiten revoltierten. Der exklusive Charakter, der dem Privatauto vor der Massenmotorisierung zukam, und die Prädestination des öffentlich verwendeten Autos zum Statussymbol konnten den Protest der Nicht-Partizipierenden provozieren.2 Für die industrielle Raumerschließung aber ist die Beschleunigung des Verkehrs, seit sich der Eisenbahnbau des 19. Jahrhunderts zum entscheidenden Stimulus der Industrialisierung entwickelte, unabdingbar geworden. Beschleunigung muss daher als wichtiger Beitrag zur Entwicklung moderner Wirtschaftsformen betrachtet werden. Auch die Motorisierung des Straßenverkehrs veränderte im 20. Jahrhundert das Wesen moderner Industriegesellschaften in wirtschaftlicher, sozialer und kultureller Hinsicht. Eingebettet in 1 Siemens, S. 459. 2 Vgl. Krämer-Badoni, S. 52.

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einen umfassenden Modernisierungsprozess, ermöglichte die Massenmotorisierung ein höheres Maß an individueller Freiheit und Mobilität. Sie begünstigte die Herausbildung einer arbeitsteilig organisierten Wirtschaft und die Entstehung heutiger Siedlungsformen.3 Das Auftauchen von Automobilen im Modernisierungsprozess kann als Indikator des Reifegrades einer Volkswirtschaft bewertet werden, da das private Kraftfahrzeug nicht nur Handels- und Industriestrukturen veränderte, sondern revolutionierende soziale und ökonomische Wirkungen auf die Lebensweise und die Erwartungen der Gesellschaft entfaltete.4 Die mit dem privaten Pkw verbundene ubiquitäre Mobilität, das heißt die ständig bereitstehende Möglichkeit zu fahrplan- und routenunabhängiger Ortsveränderung, erwies sich als ungemein attraktiv. Das Auto avancierte zu einem Instrument der Unabhängigkeit, das vielfältige psychische Erlebnisse auslöst und heute im Bewusstsein vieler Menschen einen Eigenwert besitzt.5 1910 stellte die Allgemeine Automobil-Zeitung (AAZ) optimistisch fest, dass sich das Publikum noch nie so schnell an ein neues Verkehrsmittel gewöhnt hätte wie an die Autos. Wenn man die Reaktionen auf den frühen Autoverkehr mit denen auf die Eisenbahn und das Fahrrad vergleicht, muss man jedoch zu entgegengesetzten Schlüssen kommen: Während die Kritik an der Eisenbahn überwiegend verbaler Natur blieb und das Fahrrad sich rasch zum individuellen Transportmittel der kleinen Leute entwickelte, verlor das Automobil seinen Luxuscharakter in Deutschland erst in den späten fünfziger Jahren. Autofahrer wurden in ländlichen Gegenden noch um 1930 mit Steinen beworfen. Der bisher von der Forschung sehr wenig beachtete Unmut und Protest weiter Bevölkerungskreise gegen das Auto vor dessen massenhafter Verbreitung nahm dabei zuweilen Ausmaße an, die Joachim Radkau für die zwanziger Jahre von einem »Endkampf um die Straße« sprechen ließen.6 Die Geschichte des Autos kann also nicht auf die Entfaltung der Produktivkräfte reduziert werden, sondern sollte ebenso auf »Destruktivkräfte« hinweisen und Praktiken des Widerstands beleuchten. Innovationszentrierte Sichtweisen, wie sie viele Modernisierungs- und Industrialisierungstheorien nahelegen, greifen allein zu kurz. Daher sollen im folgenden die Reaktionen der »Modernisierungsgeschädigten« im Vordergrund stehen, um den in modernisierungstheoretischen Ansätzen implizierten Fortschrittsoptimismus durch das wirklichkeitsnähere Interpretament einer »Ambivalenz der Moderne« zu 3 Vgl. Zorn, S. 115-134. 4 Rostow betrachtet den verbreiteten Besitz von privaten Kfz als Hinweis auf den Eintritt einer Gesellschaft in die Phase des Massenkonsums. Vgl. Rostow, S. 26. 5 Vgl. Großmann u. Rochlitz, S. 182. Der Begriff »Mobilität« war stets mit positiven Konnotationen besetzt, wobei die rasche Raumüberwindung, welche die »Herrschaft der Gemächlichkeit« überwand, zu seinem Hauptcharakteristikum wurde. Vgl. Gömmel, Technik, S. 293. 6 Vgl.Radkau, Ausschreitungen, S. 19; den., Technik, S. 147.

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modifizieren.7 Im Gegensatz zu einer überkommenen, innovationszentrierten Technikgeschichtsschreibung, welche die Geschichte des Autos vor allem als eine beispiellose Erfolgsgeschichte charakterisiert hat, wird eine gesellschaftswissenschaftlich orientierte Geschichte der Motorisierung die sozialen Begleiterscheinungen der Automobilisierung ins Zentrum der Analyse stellen. Dadurch lässt sich das vielfach kolportierte Bild einer kritiklosen Technikbegeisterung korrigieren und der motorisierte Straßenverkehr als ein Feld widerstreitender gesellschaftlicher Interessen verdeutlichen. Die um die Jahrhundertwende im öffentlichen Raum auftauchenden Autos, die überwiegend dem Vergnügen einer privilegierten Schicht dienten, muteten der Bevölkerung neue Verhaltensweisen zu und konnten Protestaktionen hervorrufen. Die gewaltsame Gegenwehr der Landbevölkerung, die abwehrende Haltung von Droschkenunternehmern und Kutschern sowie die Diskussionen um Verkehrstote und Gesundheitsgefährdungen, die bildungsbürgerliche Kreise in den Fachzeitschriften führten, verdeutlichten auf unterschiedliche Weise eine kritische Haltung gegenüber der neuen Technik. Kollektive Aktionen der Landbevölkerung gegen rücksichtslose »Herrenfahrer« wiesen dabei zuweilen Handlungsmuster auf, die den von der Protestforschung untersuchten Hungerunruhen und Maschinenstürmereien früherer Jahrzehnte entsprachen. Historiker des Sozialprotests haben die vielfältigen Gesten des Trotzes, der Auflehnung und des kollektiven Protestes als Formen einer Politik des Alltäglichen interpretiert und auf ihre Bedeutung als Wortmeldungen von unten hingewiesen. Die Analyse von Holzdiebstahl und Kleinkriminalität, Brotkrawallen und Rügeaktionen, in denen sich volkskulturelle Traditionen und proletarischer Habitus mischten, konnte den Zugang zur Rekonstruktion unterbürgerlicher Lebenswelten öffnen. Als Pioniere dieser Forschungsrichtung haben Hobsbawm, Thompson und Rude das Augenmerk der historischen Wissenschaft auf derartige Formen der Interessenartikulation sonst »sprachloser« Bevölkerungskreise gelenkt und damit die Möglichkeit zur Erforschung von Unterschichten-Mentalitäten erweitert. Durch die ausfuhrliche Analyse zahlreicher Protestfälle konnte dabei das durch die ältere Massenpsychologie kolportierte Bild irrational agierender Tumultanten korrigiert werden. In den 1970er Jahren verdeutlichten quantitative Längsschnittanalysen, die sich eine möglichst vollständige Erfassung von Protestfällen zum Ziel setzten, den Zusammenhang zwischen Protestkonjunkturen und dem Fehlen von Möglichkeiten organisierter Interessenvertretung. In den achtziger Jahren konzentrierte sich die Protestforschung im Zuge einer Renaissance des Narrativen wieder verstärkt auf die qualitative Analyse des Einzelfalls. Das Ziel einer »thick description« machte dabei die Auswertung einer Vielzahl von Quellengattungen 7 Vgl. Lüdtke, Einleitung, S. 14; Medick, S. 56.

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notwendig.8 Als Ergebnis konnte die Zunahme offen ausgetragener Sozialkonflikte bei wachsender Intensität im Laufe des 19. Jahrhunderts festgestellt werden. Allerdings unterlag die Protesthäufigkeit gewissen Konjunkturen. Protestformen und -themen verlagerten sich mehr und mehr in die Sphäre des Marktes und der Arbeit, wobei sie sich zuspitzten. In den lokalen Konflikten, die meist auf einen übergreifenden gesellschaftlichen Hintergrund verwiesen, meldeten sich jene Unterschichtengruppen zu Wort, deren Lage und Selbstverständnis vom Modernisierungsprozess unmittelbar tangiert wurden. Die sozialen Trägergruppen der Protestbewegungen wiesen zunehmend klassenförmigen Charakter auf: Mit neuen Herrschaftsformen und Verhaltenszumutungen sahen sich vor allem Lohnarbeiter konfrontiert.9 Im Zuge intensivierter Forschung hat der Protestbegriffeine erhebliche Ausweitung erfahren. Grenzte eine klassische Definition den Sozialen Protest als ereignishaft und kollektiv, sozialen Ursachen entspringend und kollektive Normen verletzend ein, wurden bald auch Phänomene wie Selbstmord, Alkoholismus und allgemeine Kriminalität unter den Protestbegriff subsumiert. Die Untersuchung protesthafter Reaktionen auf das Auto nimmt eine angesichts dieser Ausweitung und teilweisen Auflösung des Protestbegriffs in den achtziger Jahren formulierte forschungsstrategische Empfehlung auf, sich verstärkt der Erforschung verschiedener Ausdrucksformen von Protest zu widmen.10 Hier gelten als Fälle sozialen Protestverhaltens im engeren Sinne alle gegen Autos oder Autofahrer gerichteten Aktionen, in denen gewalthaft gehandelt oder mit Gewalt gegen Sachen und Menschen gedroht wurde. Kollektivität konnte dabei nicht als Definitionskriterium dienen, da Einzelpersonen zahlreiche Steinwürfe auf Autos ausführten, was einen Großteil der nachgewiesenen Fälle ausmachte. Das massenhafte Auftreten und die weit verbreitete Billigung derartiger Aktionen führten jedoch dazu, dass selbst die geschädigten Autofahrer die Angriffe als Protestverhalten interpretierten. Neben den gewalthaften Aktionen müssen für ein Gesamturteil aber auch Handlungen und Haltungen berücksichtigt werden, die einer erweiterten Protestdefinition entsprechen: Petitionen und massenhafte Anzeigen gegen Autofahrer weisen ebenso auf ein autokritisches Potential hin wie publizistische Äußerungen und das autofeindliche Verhalten subalterner Beamter. Gleichwohl bleibt es Aufgabe der Untersuchung zu prüfen, ob die teilweise gewaltsamen Gegenmaßnahmen nach der klassischen Definition als »Sozialer Protest« zu bewerten sind. 8 Vgl. die Pionierstudien: Hobsbawm, Machine Breakers; Thompson, Working Class; Rude, Crowd in history. Als Beispiel für eine Längsschnittanalyse vgl. Tilly, Rebellious Century. Das von Clifford Geertz entwickelte Konzept der »thick description« wurde vor allem von der Alltagsgeschichtsschreibung übernommen, u m in Miniaturen die »Dichte von Lebenssituationen und Handlungszusammenhängen« anschaulich zu machen. Liidtke, Einleitung, S. 28. 9 Z u m Uberblick vgl. Volkmann u. Bergmann, Sozialer Protest; Volkmann u. Gallus, Kampf. 10 Vgl. Volkmann, Kategorien, S. 165-167; Ders., Einleitung, S. 15; Blasius, S. 16ff. Einen komprimierten Überblick über die Entwicklung des Protestbegriffs gibt Gallus, S. 29ff.

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Wendet man Methoden der historischen Protestforschung auf die Konfliktgeschichte des Automobils an, ergeben sich daraus einige Prämissen und erkenntnisleitende Fragen für die Untersuchung: 1. Sozialer Protest ist zwar ein allgemeines Phänomen, das zu allen Zeiten auftritt, doch ändern sich seine strukturellen Bedingungen und Situationen. Um zu verstehen, wie latente Konflikte in manifeste Proteste umschlagen, muss das Verhältnis zwischen Strukturbedingungen, konkreten Anlässen und Protestverhalten untersucht werden. Für das Konfliktgeschehen um den motorisierten Straßenverkehr ergibt sich daraus, dass die quantitative Auswertung von Protestfällen nicht nur mit Autodichte und Unfallzahlen korreliert werden, sondern dass die Bedingungen des Einzelfalls, wie beispielsweise das Verhalten der betroffenen Autofahrer, Berücksichtigung finden müssen. Hinweise auf die Manifestationsbedingungen, die aus den latenten Konflikten um das Motorisierungsgeschehen konkrete Proteste entstehen lassen, liefern Einzelfallschilderungen. 2. Sozialer Protest manifestiert sich in illegalem Handeln und erzeugt staatliche Gegenwehr. Die Billigung der grundsätzlichen Legitimität des Protests begrenztjedoch das Ausmaß von Sanktionen. Damit steigt wiederum die Wahrscheinlichkeit, dass Bereitschaft zum Protest in Aktion umgesetzt wird. Im Falle autofeindlicher Aktionen ist daher zu klären, inwieweit sich lokale Autoritäten (Dorfpolizei, Bürgermeister, Grundbesitzer) mit autofeindlichen Gesetzesverletzungen solidarisierten und welche Wirkungen diese Haltung möglicherweise entfaltete. 3. Die Untersuchung von Sozialem Protest bietet einen Zugang zur Mentalitätsgeschichte, da in dieser Extremvariante kollektiver Resistenz erkennbare Sozialgruppen handeln. Für die Analyse der »Motorphobie« ergibt sich daraus die erkenntnisleitende Frage nach der sozialen Verortung autofeindlicher Aktionen. Zeigten sich signifikante Unterschiede im Protestverhalten von Stadtund Landbevölkerung, könnte die Untersuchung die Alltagswelt der unterschiedlichen Milieus erhellen." 4. Im Klassenbildungsprozess diente Sozialer Protest zum Sammeln gemeinsamer Kampferfahrungen und wurde in der mit gesteigerter Rationalität agierenden, organisierten Arbeiterbewegung kanalisiert. Die vorliegende Arbeit fragt daher, ob sich die Differenzierung von Protestformen auch in den antiautomobilen Aktionen widerspiegelte. Haben die Arbeiterparteien den verbreiteten Unmut über rücksichtslose Autofahrer aufgenommen und in institutio11 »Mentalität« beschreibt als lang dauernde Struktur (longue duree) im Sinne Kosellecks den Rahmen möglichen Denkens und Handelns in gegebenen Situationen sowie einen Interpretationshorizont, der die mentale Verarbeitung in vorgegebener Weise limitiert. Ein »Milieu« zeichnet sich durch eine einheitliche Deutungskultur sowie die einheitliche Lebensweise und vergleichbare Soziallage der Zugehörigen aus. Konstituierende Elemente sind die Abgrenzung nach außen und der Zusammenhalt nach innen. Vgl. Blaschke u. Kuhlemann, S. 15£F.

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nalisierte Formen des Protests überführt, müsste sich eine Pazifizierung der Straßenverhältnisse beobachten lassen. Zeitlich erstreckt sich die Untersuchung von der Jahrhundertwende, als das Auto in den Straßenverkehr einzudringen begann, bis zum Ende der Weimarer Republik. Dadurch kann überprüft werden, ob eine vorläufige Periodisierung der Autokritik, die ein Verschwinden des Widerstands in den zwanziger Jahren konstatiert, zutrifft.12 Nimmt die Intensität autofeindlicher Aktionen in der Zwischenkriegszeit ab, oder war der Protest gegen das Auto auch nach verstärkter Reglementierung des Straßenverkehrs spürbar? Die Betrachtung des Phänomens gewalthafter Aktionen gegen den motorisierten Straßenverkehr über einen Zeitraum, in dem unterschiedliche Staatsformen den politikgeschichtlichen Hintergrund bildeten, legt aber auch Fragen nach der Rolle des Staates bei der Verbreitung des Automobils, nach repressiven Reaktionen auf Protestverhalten, nach parlamentarischer Reflektion des Protestgeschehens und nach gesetzlichen Rahmenbedingungen des Straßenverkehrs nahe. Der Staat, der durch die Bereitstellung straßenbaulicher Infrastruktur die Voraussetzung für die Motorisierung schuf, sollte durch seine Gesetzgebung schlichtend in Verkehrskonflikte eingreifen. Die Pionierzeit des neuen Transportmittels fiel aber in eine Phase der Wirtschaftsentwicklung, in der einerseits zunehmende staatliche Interventionen, andererseits die Formierung industrieller Interessen in Verbänden, Konzernen und Kartellen zu beobachten waren. Der Staat übernahm zusätzliche Steuerungsaufgaben, um bei einer auf Organisation drängenden Industriewirtschaft die bestehende Wirtschaftsform »Marktwirtschaft« aufrechtzuerhalten. »Pressure groups« organisierten sich in Interessenverbänden, wobei sie sowohl eine Begrenzung der staatlichen Interventionskapazität als auch deren direkte Beeinflussung intendierten. 13 Wie lässt sich die Kraftfahrzeuggesetzgebung in die Konzeptionen von »Interventionsstaat« und »Organisiertem Kapitalismus« einordnen? Wurden zum Schutz der nationalen Industrie berechtigte Einwände übergangen und kam es zu einer einseitigen Ausrichtung an Partikularinteressen oder trat der Gesetzgeber in Fragen der 12 Eichberg stellt drei Phasen der Autokritik und eine »relativ wirksame Opposition gegen das Auto« vor dem Ersten Weltkrieg fest. Diese hätte sich auf den politischen und ökonomischen Einfluss der Pferdeinteressenten gestützt, umfasste aber auch »diffusen und unorganisiert-praktischen Volkswiderstand, der sich in zahlreichen spontanen und handfesten Sachbeschädigungen an den Autos« äußerte. In einer zweiten Phase seit den zwanziger Jahren hätte es dann, außer einer literarischen »Unterströmung«, die das Auto aus »konservativ-romantischer Perspektive kritisierte, keine »gesellschaftlich bedeutsame Autokritik« gegeben, bis sich schließlich um 1970 breiter Widerstand gegen die Autogesellschaft formierte. Vgl. Ekhberg, S. 8. 13 In dieser Konzeption sind auch Vorstöße gegen industrielle Gruppenegoismen möglich: »Die Finanzorganisation und Steuergesetzgebung des preußischen Hegemonialstaates und des Reichs hat ζ. B. immer wieder vitale Interessen der Industriewirtschaft und des Finanzkapitals verletzt... Das Herrschaftsinteresse an Konfliktvermeidung kann sich durchaus auch über ökonomisches Gewinnstreben hinwegsetzen.« Wehler, Kapitalismus, S. 46.

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Verkehrsordnung tatsächlich als Konfliktregelungsinstanz auf? Führte die Demokratisierung in der Weimarer Republik durch verbesserte Alternativen der Interessenartikulation womöglich zur Zurückdrängung gewalthafter Proteste? Obwohl die Vorläufer Eisenbahn und Fahrrad dem Auto den Weg bereiteten, Motorsportveranstaltungen den technologischen Habitus individueller Hochgeschwindigkeit und Mobilität popularisierten und das Auto sich fur viele als sehr nützlich erwies, kam es bei seiner Einfuhrung - wie es zu zeigen gilt - zu einer nicht unerheblichen Krise. Wenn neue Techniken durch massiertes Auftreten den gewohnten Lebensstil der Akteure in Frage stellen und sich nicht ohne größere Umstellung in den vertrauten Alltag einfügen lassen, kann man von Akzeptanzproblemen sprechen. Diese sind von Verträglichkeitsproblemen zu unterscheiden, die auftreten können, wenn neue Techniken durch ihre massenhafte Integration in den Alltag zu nicht vorhergesehenen Folgeproblemen fuhren.14 Im Prozess der Motorisierung lassen sich sowohl Akzeptanz- als auch Verträglichkeitsprobleme beobachten. Die vorliegende Untersuchung fragt danach, worauf die gewalthaften Angriffe auf Autofahrer zurückzufuhren waren. Zu vermuten ist jedenfalls, dass in der Pionierphase des Autos vor dem Ersten Weltkrieg Akzeptanzprobleme dominierten, während Probleme ökologischer Verträglichkeit erst mit wachsendem Motorisierungsgrad in den zwanziger Jahren sichtbar wurden, um in der Phase der Massenmotorisierung in den Vordergrund zu treten. Da eine entscheidende Beschleunigung des Transportwesens bereits von der Eisenbahn ausging, verneinte Schivelbusch eine revolutionierende Wirkung des Automobils. Die bereits erfolgte Gewöhnung an neue Reisegeschwindigkeiten ließ die Zeitgenossen demnach das Auto im »Windschatten« des Eisenbahnschocks erleben. Zudem könne die historische Leistung einer Innovation nach ihrer öffentlichen und kollektiven Konsumption bemessen werden. Das Massenverkehrsmittel Eisenbahn wirkte demnach gesellschaftsverändernd, das privat genutzte Auto, jedenfalls vor seiner massenhaften Verbreitung, dagegen gesellschaftsstabilisierend. Ihm fehlt die mythologische Wucht, es »administriert die Wirklichkeit, die die Eisenbahn geschaffen hat.«15 Sind die Schockwirkungen des Autos tatsächlich als vergleichsweise gering zu bewerten, da ein der industriellen Welt angepasstes, verkehrsgerechtes Verhalten durch die Wegbereitung der Eisenbahn um die Jahrhundertwende bereits internalisiert war? Ist die Eisenbahn bei der Mechanisierung der Fortbewegung als Vorläufer 14 Zu Problemen der Veralltäglichung neuer Techniken vgl. Rammert, S. 189-197. 15 Schivelbusch, Eisenbahnreise, S. 13ff.; ders., Genussmittel, S. 78. Schivelbusch knüpft hieran Bloch an, der ebenfalls das Innovationstempo des 19. Jahrhunderts betont: »Aber trotzdem fehlt das Installations- und Industrialisierungstempo des vorigen Jahrhunderts; der Sprung von der Postkutsche zur Eisenbahn war in der Veränderung der Lebensverhältnisse unvergleichlich größer als der von der Eisenbahn zum Flugzeug...« Bloch, Bd. 2, S. 771.

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des Autos zu betrachten, wirkte das Fahrrad in der Individualisierung des Verkehrs revolutionierend und entwickelte sich, nachdem es als Luxustechnik erprobt worden war, schnell zum individuellen Fortbewegungsmittel weiter Bevölkerungsschichten. Eine Soziologie des frühen Autofahrers, zu der Ansätze aus den Mitgliederverzeichnissen der Automobil-Clubs erstellt werden sollen, könnte verdeutlichen, dass auch der Motorwagen zunächst als Luxustechnik erprobt wurde, bevor er sich als Massentechnik mit bereits bekannten Verhaltenszwängen verbreiten konnte. Hierbei ist die Integration der neuen Technik in vorhandene bürgerliche und adlige Lebensstile von besonderem Interesse.16 Die verkehrshistorische Forschung bemüht sich erst seit kürzerer Zeit, die hier angeschnittenen Fragen zu klären. Noch 1986 beklagte der Leiter des Daimler-Benz-Archivs zum 100. Geburtstag des Automobils, dass die automobilgeschichtliche Forschung erst an ihrem Anfang stehe, »nicht einmal ihre hervorragendsten Quellen gesichert verfügbar« seien und »von einer quellenkritischen Beurteilung oder gar einer abschließenden Auswertung« nicht die Rede sein könne.17 Mittlerweile scheint die Literatur zum Thema »Motorisierung«jedoch fast unübersehbar geworden zu sein. Beschränkte sich die wissenschaftliche Diskussion zunächst auf die technische Entwicklungsgeschichte, die Geschichte der Automobilindustrie und einzelner Unternehmen, ist in den letzten Jahren die Tendenz zu beobachten, sich verstärkt den gesellschaftlichen Konsequenzen der Motorisierung zu widmen. Sozialgeschichtlich orientierte Arbeiten, welche die Thematik in gesamtgesellschaftliche Zusammenhänge einbetten, bilden jedoch auch heute noch die Ausnahme. Auf Typen-, Markenoder Firmengeschichte beschränkte Arbeiten, die produktionstechnische, konstruktive oder marktorientierte Fragestellungen klären und sich auf technische und firmenstrategische Leistungen von Ingenieuren, Managern und Unternehmen konzentrieren, haben ihren Wert. Doch mangelt es weiterhin an Studien, welche die Konsequenzen des motorisierten Straßenverkehrs einer vergleichenden Analyse unterziehen und unterschiedliche Reaktionen auf das neue Verkehrsmittel mit den jeweiligen gesellschaftsgeschichtlichen Entwicklungen korrelieren.18 16 Zur Bedeutung von Luxustechniken und Luxusindustrien vgl. Elias, Bd. 2., S. 312fF., S. 409fF.; Sombart, Luxus, S. 176f. Für die Analyse der Technisierung im Alltag wurde in Anlehnung an das Habitus-Konzept Bourdieus gefordert zu erforschen, inwieweit die in die Lebenspraxis eindringenden Techniken in vorhandene Lebensstile integriert werden können. Vgl. Rammert, S. 173. 17 Nübel, Quellenlage, S. 4. Einen aktuelleren Uberblick liefern: Schmucki, S. 582-597; Kühne, S. 196-229; Merkt, Verkehrsgeschichte, S. 444-457. 18 Vgl. Teuteberg, S. 189. Zur generellen Kritik an eng gefassten ingenieurwissenschaftlichen Darstellungsformen und zur Forderung nach einer »Sozialgeschichte der Technik«, die Sozial- und Alltagsgeschichte, Wirtschafts- und Politikgeschichte, U m w e l t - und Kulturgeschichte in die Technikgeschichte integriert vgl. Bayerl u. Meyer, S. 1-36.

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Auch Klenke beklagt den Mangel an Arbeiten, die sich der Frühzeit der Motorisierung von einer umweltgeschichtlichen Perspektive her nähern, hebt aber dennoch einige Studien hervor, welche die Frühzeit des Automobils von unterschiedlichen Forschungsansätzen ausgehend thematisieren.19 So sind in den letzten Jahren einige Arbeiten entstanden, die Folgen der fortschreitenden Motorisierung sowie das Kräftespiel staatlicher und wirtschaftlicher Institutionen ins Zentrum des Interesses rücken. Einen lokalgeschichtlichen Ansatz, der Alltagserfahrungen auszuleuchten bemüht ist, verfolgen dabei Haas und Kloke, deren Ausstellungskatalog die Motorisierung Berlins und Charlottenburgs thematisiert. In einem ähnlichen Forschungszusammenhang stehen weitere regional· und stadtgeschichtliche Studien, die ein eng begrenztes Gebiet untersuchen oder sich auf die Veränderungen städtischen Lebens durch die neuen Techniken konzentrieren. Horras, Edelmann und Gudjons gehen dagegen primär von wirtschaftswissenschaftlichen Fragestellungen aus, untersuchen die Entwicklung des Automobilmarktes, die Diffusion der neuen Technik bis hin zur Massenmotorisierung oder die Ansätze zur Etablierung preiswerter Modelle für einen größeren Kundenkreis. Die Wechselbezüge von Motorisierungsdynamik und Verkehrspolitik werden in den Arbeiten von Klenke und Südbeck thematisiert. Diese Autoren beschränken sich jedoch auf die Phase der einsetzenden Massenmotorisierung in der Bundesrepublik der fünfziger und sechziger Jahre. Für den hier interessierenden Zeitraum finden sich wertvolle Hinweise in der Dissertation von Zatsch, die sowohl die Entwicklung im Kaiserreich als auch in der Weimarer Republik verfolgt, allerdings die rechtshistorische Problematik ins Zentrum der Untersuchung stellt. Der Einfluss automobiler Interessenvertreter auf die parlamentarischen Entscheidungsträger wird ausführlich analysiert und die relativ zügige Durchsetzung einer effektiven Kraftfahrzeuggesetzgebung im Deutschen Reich betont. Die Arbeit erwähnt gesellschaftliche Widerstände gegen die Motorisierung, eine systematische Analyse des Protestverhaltens erfolgt jedoch nicht. Auch Barbara Haubner hat sich in ihrem Buch über den Automobilismus im Deutschen Kaiserreich zum Ziel gesetzt, die vielfältigen Probleme und Reaktionen, die das Auto hervorrief, zu analysieren. Die Autorin stellt dabei die Automobilvereine als Hauptakteure automobilen Geschehens in den Mittelpunkt der Betrachtung und widmet ein Kapitel ihrer Arbeit den Auseinandersetzungen mit den Kritikern des motorisierten Straßenverkehrs. Die frühen Proteste gegen das Automobil werden hier jedoch ebenfalls nur am Rande erwähnt.20 19 Vgl. Klenke, Zeitalter, S. 267-281. 20 Vgl. Haas u. Kloke, Stadt auf Rädern; Nordrhein-Westfalisches Staatsarchiv Detmold, Verkehr und Transport; Bitktfeld u.Jung, Motorisierung und Elektrifizierung; Horras, Automobilmarkt; Edelmann, Luxusgut; Gudjons, Volksautomobil; Klenke, Verkehrspolitik; Südbeck, Motorisierung; Zatsch, Staatsmacht; Haubner, Nervenkitzel, S. 13.

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Die Aufsehen erregenden Feindseligkeiten gegen Autofahrer in der stark von Touristen frequentierten Schweiz sind dagegen bereits eingehender thematisiert worden. Am frühesten hat das Automobil aber in der westeuropäischen und nordamerikanischen Geschichtsschreibung als Forschungsobjekt Beachtung gefunden. Eine intensivere automobilgeschichtliche Forschung konnte sich dort entwickeln, weil die bedeutende Rolle, die das Auto in Wirtschaft und Gesellschaft der betreffenden Länder spielte, bald anerkannt wurde. Umfangreiche Arbeiten nationaler und vergleichender Ausrichtung thematisieren dabei sowohl die Geschichte der Automobilindustrie und der Automobilarbeiter als auch die Auswirkungen des Automobilismus aufdie Verkehrspolitik und die ländliche Gesellschaft. Eine vergleichende Studie, die gesellschaftliche Widerstände gegen die Motorisierung und das Protestverhalten der Bevölkerung ins Zentrum des Interesses stellt, fehlt jedoch auch von dieser Seite.21 Uberblickt man aber die jüngeren Forschungen zur Motorisierung, kann man feststellen, dass die von Radkau erhobene Forderung nach stärkerer sozialgeschichtlicher Verortung der technischen Innovation »Automobil« eingelöst wurde. Die zahlreichen rein technisch fixierten Autogeschichten früherer Jahre, scheinen in den Hintergrund gedrängt worden zu sein, so dass soziale Folgewirkungen, welche die Implementierung der neuen Technik nach sich zog, kaum mehr verkannt werden.22 Einige kürzere Beiträge thematisieren die Gegenwehr weiter Bevölkerungskreise gegen die neue Technik eingehender und liefern Ansätze, die im folgenden intensiver verfolgt werden sollen. Während Radkau in seinem Beitrag mit Pioniercharakter die regionalgeschichtliche Perspektive ins Zentrum stellt, kommt Eichberg über eine Problemskizze nicht hinaus. Heck und Oehling liefern eine populär-wissenschaftliche Zusammenfassung, die einzelne Protestfalle eher anekdotenhaft aneinander reiht. Diehl thematisiert primär die publizistische Automobilkritik, während Straßl ein herausragendes Einzelereignis untersucht. Die Arbeiten von Scharfe widmen sich dagegen, von einem anthropologischen Ansatz ausgehend, einzelnen Verkehrskonflikten. Eine systematische Auswertung des Protestverhaltens der Bevölkerung wird dabei nicht vorgenommen. Fruchtbare Ansätze zur Untersuchung automobilkritischer Haltungen lassen sich aber auch in kulturgeschichtlichen Arbeiten finden, die Zeugnisse populärer Trivialliteratur nutzen, um die Quellenbasis zu erweitern, und dadurch ein differenziertes Bild der Einstellungen zum Auto-

21 Vgl. Merkt, Widerstand; Flink, Automobile Age; ders., America; den., Car Culture; Bardou, La revolution automobile; Laux, Industry; Fridenson, Arbeiter; Berger, Devil Wagon; Plowden, Motor Car Jones, Politics. 22 Vgl. Radkau, Technik, S. 299f. Ähnlich argumentiert Wirtz, der in seiner Kritik an der Propyläen Technikgeschichte die Analyse von Auseinandersetzungen um Technik als wichtigen Bestandteil einer modernen Technikgeschichte beschreibt. Vgl. Wirtz, S. 777-780.

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mobil zeichnen.23 Die von Christoph Maria Merki erhobene paradigmatische Forderung nach einer »Tachostoria«, die verschiedene Geschwindigkeitsvorstellungen und -erfahrungen im Sinne einer historischen Anthropologie zueinander in Beziehung setzen müsste, kann allerdings auch mit der vorliegenden Arbeit nicht voll eingelöst werden. Das Hauptaugenmerk liegt aber bei den »Opfern« einer erhöhten Geschwindigkeit, deren Gegenwehr gegen das neue Verkehrsmittel von einem vergleichenden Blickwinkel aus der Analyse unterzogen werden soll.24 Als Quellengrundlage dient hierzu vor allem ein Protestsample, das sich durch die systematische Auswertung der fünf wichtigsten deutschen Automobilzeitschriften erstellen ließ. Für Deutschland fanden sich zwischen 1902 und 1932 in den betreffenden Publikationen insgesamt 425 Meldungen über Angriffe auf Automobile. Zeitlich konzentriert sich die Analyse auf das erste Drittel des 20. Jahrhunderts, da vor Durchsetzung der Massenmotorisierung mit dem klassendifferenzierenden Charakter der Luxustechnik Automobil eine wichtige Ursache für den Protest gegeben war. Die Wahl der Eckdaten 1902 und 1932 für das Zeitschriftensample orientiert sich an der Quellenlage und an inhaltlichen Überlegungen. Zwar sind in der vorliegenden Arbeit grundsätzlich Reaktionen auf das Auto seit seiner Erfindung 1886 von Interesse, allerdings existierten vor Mitte der 90er Jahre des 19. Jahrhunderts weder zuverlässige Wagen, mit denen längere Fahrten möglich gewesen wären, noch Automobilzeitschriften, die über autofeindliche Aktionen berichtet hätten. Der Endpunkt der Untersuchung hätte wegen der wirtschaftsgeschichtlichen Zäsur von 1929, die den konjunkturellen Aufschwung durch die Weltwirtschaftskrise mit ihren systemerschütternden Wirkungen beendete, auch anders gesetzt werden können. Angesichts der erheblichen Bedeutung, die dem staatlichen Rahmen für den Gang der Motorisierung zukommt, endet die Betrachtung jedoch im letzten Jahr vor dem politischen Systemwechsel. Unter der Herrschaft der Nationalsozialisten wurde das Auto als Fortbewegungsmittel der Massen propagiert und traf dann im wesentlichen nicht mehr auf Widerstand in der Bevölkerung. Kriterium für die Aufnahme in das Sample war die Ausübung oder Androhung von Gewalt gegen Autofahrer und Autoinsassen, das Fahrzeug selbst oder Einrichtungen, die in direkter Verbindung mit dem Automobilverkehr standen. Da über besonders herausragende Vorkommnisse in mehreren Zeitschriften berichtet wurde, kam es zu Mehrfachnennungen, so dass sich die tatsächliche Zahl der nachgewiesenen Protestfälle auf372 nach Ursachen und Trägerschichten, Mitteln und Funktionen kategorisierbare Aktionen reduziert. 23 Vgl. Radkau, Ausschreitungen; Eichberg, Autokritik; Heck u. Oehling, Flegeljahre; Diehl, Tyrannen; Straßl, Automobilattentat; Scharfe, Pferdekutscher; ders., Nervosität; Sachs, Liebe; Glaser, Automobil; Reinicke, Mobile Zeiten. 24 Vgl. Merki, Tachostoria, S. 290.

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Da Informationen zu Zeitpunkten und Orten der Vorfälle, zur sozialen Stellung der Geschädigten und Protestierenden, zu Formen und Folgen der Protesthandlungen, zu Anlässen der Protestereignisse sowie zu den Reaktionen der Autofahrer und Behörden gesammelt werden konnten, lässt sich ein differenziertes Bild des Protestgeschehens zeichnen.25 Die 372 Beobachtungen stellen eine Gesamterhebung der von den fünf Zeitschriften berichteten Fälle dar, da die betreffenden Jahrgänge vollständig ausgewertet wurden. Das tatsächliche Protestgeschehen um das Automobil war jedoch wesentlich umfangreicher, wie ein Blick in Tages- und Lokalzeitungen zeigt. Auch in den Archiven finden sich aktenkundig gewordene Fälle, die nicht in den Automobilzeitschriften auftauchen. Die Repräsentativität des Samples wird dadurch eingeschränkt, dass die Motorpresse bevorzugt über Fälle berichtete, die Gerichtsverhandlungen nach sich zogen, deren Opfer besonders prominent oder deren Folgen besonders schwerwiegend waren. Fälle von alltäglicher Autofeindschaft dürften demnach deutlich unterrepräsentiert sein, wobei besonders an die zahlreichen Steinwürfe zu denken ist, welche die angegriffenen Autofahrer nicht alle einzeln meldeten. Fand sich ein allgemeiner Bericht über die Zunahme von Steinwürfen in einer bestimmten Region, führte dies zur Aufnahme im Sample als ein Fall. U m die ermittelten Protestfälle vergleichbar zu machen, wurden diese nach ihren zeitlichen, räumlichen, teilnehmer- und verlaufsbezogenen sowie strafrechtlichen Eigenschaften geordnet. Nur selten lagen Angaben zu allen Kategorien vor, was die Repräsentativität der Teilergebnisse begrenzt. Auch in dieser Beziehung gilt, dass eher Grundtendenzen als statistisch belegte Ergebnisse sichtbar werden. Trotzdem kann die quantitative Untersuchung der berichteten Fälle wichtige Anhaltspunkte für das Protestverhalten der Bevölkerung liefern, bildeten doch eben jene Meldungen die Grundlage für die Diskussion über die Autofeindschaft. Ausgewertet wurden die Publikationen der in Kaiserreich und Weimarer Republik führenden Automobilclubs sowie zwei unabhängige Automobilzeitschriften: Die »Allgemeine Automobil-Zeitung« (AAZ), Organ des von Wilhelm II. protegierten »Kaiserlichen Automobil-Club« (KAC) und späteren »Automobilclub von Deutschland« (AvD) erschien seit 1900 wöchentlich. Als Vereinszeitschriften des ADAC und seiner Vorläuferorganisationen dienten dagegen wechselnde Titel. Offizielles Organ der 1903 gegründeten »Deutschen Motorradfahrer-Vereinigung« war zunächst der »Deutsche Rad- und Motorfahrer«, der aus einer Beilage der seit 1885 bestehenden Zeitschrift »Der Deutsche Radfahrer« hervorging. 1904 übernahm der »Deutsche Motorradfahrer« die Funktion des amtlichen Organs der DMV Der Umbenennungdes Clubs in 25 Die Fälle der Stichprobe werden in der vollständigen Fassung der Dissertation, die in der Universitätsbibliothek der Freien Universität Berlin zugänglich ist, dokumentiert. Alle 372 Fälle sind auch über die Homepage der Abteilung Wirtschaftsgeschichte der Universität Tübingen abrufbar.

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»Deutsche Motorfahrer Vereinigung« 1907, welche die Ausweitung der Interessensphäre auf Kleinwagen markieren sollte, trug die Gründung des Cluborgans »Der Motorfahrer« Rechnung. Der erneute Namenswechsel in »Allgemeiner Deutscher Automobil-Club« 1911 wurde erst 1925 auch im Titel der zentralen Publikation deutlich, als der »ADAC-Sport« zum offiziellen Organ des ADAC avancierte. Ab 1927 übernahm schließlich die »ADAC-Motorwelt« diese Aufgabe, die vorher als monatliche, illustrierte Ergänzung gedient hatte. Die Publikationen des ADAC erschienen zunächst in Stuttgart, bevor man 1906 nach München, später nach Berlin und in der Weimarer Republik wiederum nach München wechselte. Mit dem »Motorfahrer« konnte man 1907 von einer 14tägigen zur wöchentlichen Erscheinungsweise übergehen. Bis zu dreimal wöchentlich erschien im Kaiserreich die 1903 in Berlin als erste unabhängige Automobilzeitschrift gegründete »Automobil-Welt«. In der Weimarer Republik musste das in »Automobilwelt-Flugwelt« umbenannte Blatt zu wöchentlicher Erscheinungsweise zurückkehren und stellte 1929 schließlich sein Erscheinen ein. Im Sample ersetzt sie daher der ebenfalls unabhängige »Motor«. Für das Jahr 1902 ging das Organ der Automobilhändler »Stahlrad und Automobil« in die Auswertung ein, um durchgehend eine Dichte von fünf untersuchten Publikationen zu gewährleisten. Durchgängig über den gesamten Untersuchungszeitraum hinweg erschien der im Januar 1898 als erste deutsche Automobilzeitschrift gegründete »Motorwagen«, der 1929 in »Automobiltechnische Zeitung« umbenannt wurde und bis heute besteht. Das Blatt hatte zunächst einen monatlichen Umfang von zehn Seiten und eine Auflage von 500 Exemplaren (ab 1903: 30seitiger Umfang und 14tägige Erscheinungsweise). Wegen Geldstreitigkeiten zwischen Verein und Verlag löste im Januar 1902 die später in »Automobil-Rundschau« umbenannte »Zeitschrift des Mitteleuropäischen Motorwagen-Vereins« (ZMM) diese Publikation als Organ der entsprechenden Vereinigung ab.26 Die beiden letztgenannten Automobilzeitschriften ergänzen die Quellengrundlage des Samples lediglich, da sie sich zunehmend auf technische Fragen konzentrierten und nur für die Kaiserzeit einige Protestfälle nannten. In den Jahren 1915 bis 1918 mussten alle untersuchten Journale aufgrund der Papierrationierung ihren Umfang und ihre Ausgabenzahl erheblich verringern, konnten aber weiterhin erscheinen. Meldungen über Protestfälle fanden sich in der Kriegszeit jedoch nur für den August 1914. Die Zahl der Protestfallmeldungen in den einzelnen Publikationen variierte recht stark, nahm aber nach dem Ersten Weltkrieg in allen Zeitschriften ab. Für die Wilhelminische Zeit bildete die dreimal wöchentlich erscheinende »Automobilwelt« mit 124 Protestfallmeldungen die ergiebigste Quelle; ein Wert der sich in den Nachkriegsjahren dramatisch verringerte: Für die Weimarer Zeit konnten nur 14 26 Vgl. Μ MV, Motorwagen-Verein, S. 71f.

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Meldungen nachgewiesen werden. Der ab 1929 herangezogene »Motor« berichtete über keinen Angriff auf Autofahrer. Mit 96 bzw. 88 Protestfallmeldungen behielt das Thema in den Publikationen des ADAC dagegen seinen Stellenwert. Zurückzuführen ist dies auf die durchgängig starke Betonung der Service-Funktion der ADAC-Zeitschriften, die eine Warnung der Mitglieder vor autofeindlichen Gegenden nötig machte. Außerdem waren die Mitglieder angehalten, über derartige Vorkommnisse im Interesse der Allgemeinheit zu berichten. Eine ähnlich hohe Bedeutung hatten Angriffe auf Autofahrer vor dem Ersten Weltkrieg in der AAZ. Die Zahl der Meldungen verringerte sich hier jedoch stark, was auf die elitäre Ausrichtung des AvD zurückzuführen sein dürfte. Hatten in der Kaiserzeit Angriffe auf prominente Persönlichkeiten im Vordergrund gestanden, verlor das Thema in der Weimarer Zeit mit wachsendem Motorisierungsgrad an Bedeutung. Auch aus diesem Grund konnte der AvD die führende Rolle des KAC als Vertretung automobiler Interessen in der Konkurrenz zum ADAC nicht halten. Über den gesamten Untersuchungszeitraum gesehen bildeten die Publikationen des ADAC mit 44 Prozent aller Meldungen, gefolgt von der unabhängigen »Automobil-Welt« mit 32 Prozent und der AAZ mit 22 Prozent die wichtigsten Quellen für Angriffe auf Autofahrer. Die eher technisch ausgerichteten Zeitschriften »Der Motorwagen« und ZMM spielten als Quellen nur eine marginale Rolle. Da zeitweilig alle ausgewerteten Zeitschriften in Berlin erschienen, könnte eine gewisse geographische Konzentration der überlieferten Fälle vermutet werden. Der überregionale Anspruch der Automobilzeitschriften verhinderte jedoch eine Verfälschung der Ergebnisse in dieser Richtung, wie sie bei einer wahrscheinlich zahlenmäßig ergiebigeren Untersuchung von Lokalzeitungen zustande gekommen wäre. Zudem ist der süddeutsche Raum mit den Verlagsorten München und Stuttgart, an denen die Publikationen des ADAC längere Zeit erschienen, abgedeckt. Für den gewählten Untersuchungszeitraum findet sich eine Vielzahl weiterer Automobilzeitschriften, welche die Quellenbasis ergänzen, so dass eine ausreichende Dichte der Uberlieferung gegeben ist. Ungefähr zwei Dutzend Titel folgten bald nach der Jahrhundertwende auf die ersten Ausgaben des »Motorwagen«, wobei sich als bedeutende Verlagsorte neben Berlin und München, Frankfurt am Main und Leipzig herauskristallisierten. Die an Traditionen technischer Fachblätter des 19. Jahrhunderts anknüpfenden Automobilzeitschriften bemühten sich nicht nur um die Übermittlung technischen Fachwissens, sondern gaben auch Reiseerfahrungen mit dem neuen Verkehrsmittel wieder und führten lebhafte Diskussionen über dessen wirtschaftliche und soziale Bedeutung. Sie nahmen in der Technikberichterstattung nicht die Position eines kritischen Anwalts der Öffentlichkeit ein, sondern vielmehr die Haltung eines fortschrittsoptimistischen Vertreters partikularer Interessen, der sich gegenüber einer weitgehend technikskeptischen Öffentlichkeit zu behaupten bemüht war. Das Gros der Blät24

ter erreichte dabei lediglich eine Auflage zwischen 3.000 und 4.000 Exemplaren.27 Verschiedene Archivalien konnten die Quellenbasis der Arbeit erheblich erweitern: So sind aus dem Bundesarchiv vor allem die Bestände des Reichsamtes/Reichsministeriums des Inneren von Interesse, die sich mit dem Straßenverkehr befassen und unter anderem die Korrespondenz mit den verschiedenen Automobil-Clubs enthalten. Einige überlieferte Akten des in der Weimarer Republik eingerichteten Reichsverkehrsministeriums lagerten im Archivdepot Coswig des Bundesarchivs. Im Geheimen Staatsarchiv Preußischer Kulturbesitz, Berlin fanden sich umfangreiche Aktenbestände des Preußischen Innenministeriums zum Autoverkehr, die zum Beispiel Anweisungen über Polizeipatrouillen zum Schutz der kaiserlichen Automobile vor Drahtseilattentaten enthalten. Akten über die Verhandlungen des Deutschen und Preußischen Städtetages sowie des Reichsstädtebundes, welche die Auswirkungen der Motorisierung thematisieren, sind dagegen als wichtigste Quellen im Landesarchiv Berlin zu nennen. Die Akten des Berliner Polizeipräsidiums befinden sich im Brandenburgischen Landeshauptarchiv Potsdam und geben Aufschluss über das Vordringen des Autos in der Metropole. Unter anderem sind hier Beschwerdebriefe von Autofahrern über Stadtviertel und Straßenzüge, in denen sie mit Steinen beworfen wurden, erhalten. Aus dem Archiv des Deutschen Museums sind neben einigen Firmenschriften vor allem die Geschäftsunterlagen einer privaten Motorwagen-Gesellschaft, die um die Jahrhundertwende den Automobilbetrieb in München etablieren wollte, von Interesse. Schließlich ergab sich die Möglichkeit, in der ADAC-Bibliothek, München ungeordnete Archivbestände aus dem Nachlass des Motoijoumalisten Walter Ostwald zu bearbeiten, die unter anderem Protokolle von Präsidialsitzungen aus der späten Weimarer Republik enthalten. Sie geben Hinweise auf das Motorsportgeschehen und die Finanzpolitik des Automobilclubs. Die Auswahl der Archive zieht eine gewisse Konzentration auf Preußen und Berlin als Zentren der Motorisierung nach sich, diese wird aber durch die reichsweite Berichterstattung der Motorpresse ausgeglichen. Da die zahlreiche Quellen zur Sozialgeschichte des Autos nur verstreut überliefert sind und sich in der Alltags- und Trivialliteratur, wie sie in automobilistischen Handbüchern oder Reisebeschreibungen vorliegt, breite soziale Prozesse widerspiegeln, wurde eine stärkere Einbeziehung derartiger Quellen in die automobilgeschichtliche Forschung gefordert.28 In frühen Automobilreiseberichten, automobilistischen Handbüchern und autokritischen Pamphleten werden die unterschiedlichen Standpunkte der Kontrahenten deutlich sowie Popularisierungsstrategien der Automobilinteressenten und das anti27 Vgl. Kubisch, S. 9-11; Drage u. Wükens, S. 88ff. 28 Vgl. Bayerl, Darstellung, S. 203ff.

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automobile Protestpotential erkennbar. Die in Buchform veröffentlichten Automobilia bilden somit eine wichtige Ergänzung zu den zeitgenössischen Automobilzeitschriften und Archivalien, die als Hauptquellen Aufschluss über die Kontroversen um die Motorisierung des Strassenverkehrs geben. Zusätzliches statistisches Material, das die Minderheitenposition der Autofahrer im Straßenverkehr des Kaiserreichs und der Weimarer Republik verdeutlicht, wird nicht nur im einleitenden Kapitel vorgestellt, in dem grundsätzliche Tendenzen der Motorisierung des Straßenverkehrs erläutert werden sollen. Produktions- und Zulassungszahlen geben hier Auskunft über die ungleichgewichtige Autodichte, das Motorisierungstempo und den Stellenwert der Automobilindustrie in Europa und den USA. Die Daten der Unfallstatistik dienen im sich anschließenden Teil dazu, Aufschluss über Konfliktpotentiale des frühen Autoverkehrs und Manifestationsbedingungen des Protests zu geben.29 Auch der klassendifferenzierende Charakter des Autofahrens in der Frühzeit wird hierin durch die Auswertung von Mitgliederlisten der Automobilclubs, in denen ein Großteil der Autofahrer vor der massenhaften Verbreitung des Autos organisiert war, deutlich gemacht. Hinweise auf eine »Soziologie des frühen Autofahrers« ergeben sich. Außerdem sind weitere Verkehrskonflikte sowie die Debatten um Staub-, Rauch- und Lärmbelästigungen zu analysieren. An die folgende quantitative Auswertung des Protestgeschehens auf Basis der 372 Fälle umfassenden Stichprobe schließt sich die eingehende Analyse verschiedener Protestformen an: Steinwürfe und Blockadeaktionen, tätliche Angriffe und Peitschenhiebe, Sachbeschädigungen und der Beschuss von Autofahrern geraten in den Blick, wobei eine möglichst dichte Beschreibung herausragender Fälle angestrebt wird. Ergänzend tritt die Untersuchung gewaltloser Äußerungen von Autokritik und -feindschaft hinzu. Hierbei ist die Praxis der polizeilichen Überwachung des Autoverkehrs, die sich in einem ausgedehnten »Autofallenwesen« niederschlug, von besonderem Interesse. Aktionen von Gemeinden werden ebenso einbezogen wie Privatinitiativen, in denen Einzelne oder Gruppen Anzeigenwellen gegen Autofahrer initiierten. Die publizistische Automobilkritik, die bisweilen Ausdruck fortschrittspessimistischer Zeitströmungen war und den ideologischen Hintergrund autofeindlicher Aktionen bildete, komplettiert das Spektrum autofeindlicher Äußerungen. Anschließend ist die Rolle des Staates, der mittels Polizeiverordnungen, Kraftfahrzeuggesetzgebung und Besteuerung vermittelnd in den Konflikt um die Motorisierung einzugreifen schien, näher zu betrachten. Die Analyse folgt dabei dem von Dahrendorf entwickelten Konfliktschema: Latente und mani29 Die Kraftfahrzeugstatistik wurde auf Reichsebene 1907 aufgenommen und nach einer Unterbrechung durch den Ersten Weltkrieg in der Weimarer Republik fortgeführt.

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feste Gegensätzlichkeiten, die auf eine Ungleichverteilung von Herrschaft zurückzuführen sind, streben nach Artikulierung im Sozialprotest. Der Zentralgewalt kommt dabei die Aufgabe zu, den Bestand der (Strassenverkehrs)-Ordnung zu gewährleisten, und diese aus den letztlich nicht lösbaren Konflikten rational weiterzuentwickeln, dass heißt für effektive Konfliktregulierung und Interessenausgleich zu sorgen. Die staatlichen Bemühungen zur Konfliktlösung und die Debatten um das Automobil sind in den zentralen Gesetzestexten sowie in den stenographischen Berichten über die Verhandlungen des Reichstags nachvollziehbar.30 Das Phänomen autofeindlicher Aktionen und seine staatliche Behandlung müssen schließlich international verortet werden. Ziel einer vergleichenden Herangehensweise ist es, etwaige sozial-, mentalitäts- oder ideologiegeschichtlich bedingte Varianzen autofeindlicher Aktionen deutlich zu machen. Die Rolle, welche die Staaten als Konfliktregelungsinstanzen im Modernisierungsprozess gespielt haben, könnte Aufschluss geben über Schlichtungspotentiale unterschiedlicher politischer Systeme. Zunächst gilt es zu prüfen, inwieweit der These zuzustimmen ist, dass die anfangliche Abneigung gegen das Auto zwar auch in Westeuropa spürbar war, ihre stärksten Ausprägungen jedoch im deutschen Sprachraum hatte. Sind Aktionen gegen das Auto, die sich vormoderner Mittel bedienten, auch in Westeuropa und den Vereinigten Staaten nachweisbar oder handelt es sich um eine Eigenart des deutschen Sprachraums, die erst nach dem Zweiten Weltkrieg durch eine Übernahme US-amerikanischer Leitbilder verwischt wurde? Hat die deutsche Gesellschaft in diesem Modernisierungsbereich tatsächlich einen »Sonderweg« beschritten, könnte das auf eine mentalitäts- und ideologiegeschichtliche Kontinuität agrarromantischer Konzepte ebenso hinweisen wie auf mangelnde Möglichkeiten ländlicher Unterschichten zu friedlicher Interessenartikulation.31 Da in komparativen Arbeiten durch die Auswahl der zum Vergleich herangezogenen Untersuchungsobjekte die Ergebnisse in hohem Maße präjudiziert werden können, sollen mehrere Länder in den Blick genommen werden. Diese Vorgehensweise überschreitetjedoch angesichts des Forschungsstandes schnell die individuelle Arbeitskraft. Quellentechnische Schwierigkeiten kämen hinzu, wollte man für die verschiedenen Staaten gleichmäßig Automobilzeitschriften auswerten, um quantifizierbares Material zu gewinnen. Wenn es jedoch zutrifft, dass die gesellschaftlichen Reaktionen auf das Auto in verschiedenen Ländern signifikante Unterschiede zeigten, erscheint eine wenigstens 30 Vgl. Dahrendorf, S. 23ff. 31 Braunschweig betont, dass die ideologische Gegenwehr gegen das Auto eine Eigenart des deutschen Sprachraums gewesen sei. Rammert sieht eine wichtige Voraussetzung für die Massenmotorisierung in einer Neuausrichtung am »american way of life« nach dem Zweiten Weltkrieg, die erst die Akzeptanz für den technisierten Lebensstil geschaffen hätte. Vgl. Braunschweig, S. 79ff.; Rammert, S. 186f.

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vorläufige internationale Verortung als unverzichtbar. Die vorliegende Arbeit wählt daher den Kompromiss eines ungleichgewichteten Vergleichs: Der deutsche Fall steht im Mittelpunkt des Interesses und wird eingehend anhand der Quellen analysiert. Die Entwicklung in den Vergleichsländern soll dagegen eher aus der Literatur als Hintergrundsfolie skizziert werden.32 Als Vergleichsobjekte bieten sich die teilweise dem deutschsprachigen Kulturraum zugehörigen Nachbarländer Österreich-Ungarn und die Schweiz an. Die hochentwickelten Industriestaaten Westeuropas, Großbritannien und Frankreich, werden einbezogen, um zu überprüfen, ob eine zügige Ausweitung der automobilen Basis eine raschere Akzeptanz der Kraftwagen bewirken konnte. Schließlich muss Italien, das klassische Land der Automobilbegeisterung bei einer in weiten Teilen ländlich geprägten Gesellschaft, berücksichtigt werden. Die USA, in denen sich bereits in der Zwischenkriegszeit das Stadium der Massenmotorisierung abzeichnete, werden ebenfalls als interessanter Sonderfall in die Untersuchung einbezogen. Die Konzentration auf die genannten Untersuchungsländer ist auch gerechtfertigt, da es sich in Industrialisierung und Motorisierung um relativ fortgeschrittene Staaten handelte, deren Konfliktpotentiale zudem durch das Vorhandensein zahlreicher automobiler Periodika quellenmäßig recht gut erschlossen werden können. Wenn sich daher die Quellenlage insgesamt nicht ungünstig darstellt, ist es doch notwendig, das Gesamtbild der Autofeindschaft aus vielen, verstreuten Mosaiksteinen zusammenzusetzen. Der Vorteil einer sowohl in zeitlicher als auch geografischer Hinsicht breiten Anlage der Untersuchung besteht darin, verschiedene Einzelhinweise miteinander verknüpfen zu können und dadurch Grundstrukturen der »Motorphobie« deutlich werden zu lassen.

32 Zur generellen Zulässigkeit und potentiellen Fruchtbarkeit einer Methode, die »diese reduzierte Form des komparativen Vorgehens« wählt, vgl. Haupt u. Kocka, S. 16.

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1. Grundzüge der Motorisierung des Straßenverkehrs

a) Die Pionierzeit des Automobils 1886-1914

Transportleistung, Reisegeschwindigkeit, Sicherheit und Pünktlichkeit machten die Eisenbahn zum dominierenden Landverkehrsmittel des späteren 19. Jahrhunderts und limitierten, da investitionsfreudiges Kapital weitgehend vom Eisenbahnboom absorbiert wurde, die kommerziellen Entwicklungschancen alternativer Landfahrzeuge. Die Arbeitsteiligkeit des städtischen Lebens und die Trennung von Haushalt und Arbeitsplatz schufen aber zunehmend den Bedarf nach neuen, privat verfugbaren Verkehrsmitteln.1 Dieses Bedürfnis vermochte zunächst das Fahrrad zu stillen: Hatte die Eisenbahn hinsichtlich der Beschleunigung des Verkehrs revolutionierend gewirkt, bereitete das Fahrrad als Individualverkehrsmittel den Weg für das Auto. Innovationen wie Luftreifen, Kugellager und Kettenantrieb, die zunächst für das Fahrrad erdacht worden waren, fanden dann ihre Anwendung im Autobau; man erprobte Methoden der Massenproduktion, die später bei der Herstellung von Autos angewendet werden sollten. Schließlich popularisierten ein ausgeprägtes Vereinswesen und sein sportlicher Charakter das Fahrrad, ähnlich wie das beim Auto der Fall war. Aber auch Ressentiments, die in strenger Reglementierung und offenen Feindseligkeiten ihren Ausdruck finden konnten, waren den Radfahrern nicht unbekannt. Das Fahrrad ist auch hinsichtlich der durch seine Nutzung entstehenden Verkehrskonflikte als Vorläufer des Automobils zu bezeichnen.2 Die Idee eines selbstbeweglichen Landverkehrsmittels wurde bereits zu Beginn der Industriellen Revolution in verschiedenen Fahrzeugen umgesetzt. Die Erfindungen von Daimler und Benz erscheinen als Endpunkte einer Entwicklung, in der das in allen Zeiten vorhandene Bedürfnis nach persönlicher Mobilität zum Ausdruck kam. Die Automobil-Pioniere Daimler und Benz ar1 »Verkehrswertigkeit« und »Affinität«, die sich in Schnelligkeit, Transportkapazität und flexibilität, Raumerschließungsfähigkeit und Betriebssicherheit ausdrücken, machten Kraftfahrzeuge erst um 1910 im Kurzstreckentransport konkurrenzfähig. Vgl. Voigt, Bd. 2.1, S.37ff.; Lay, S. 186. 2 Vgl. Bayerl, Erfindung, S. 322f. Zu Angriffen und Vorbehalten gegen Radfahrer vgl. Graßmann, S. 373-376; Verfuß, S. 265-273.

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beiteten trotz Widerständen und finanziellen Rückschlägen ständig an der Verbesserung ihrer Erfindungen. Bemüht, die vielseitige Verwendbarkeit ihrer Motoren zu demonstrieren, neue Käufer anzusprechen und die skeptische Öffentlichkeit zu überzeugen, bauten sie diese in Boote, Pferdeomnibusse, Lastwagen und Lokomotiven ein. Zahlreiche Innovationen erlaubten es Wagemutigen, um 1890 erste größere Fahrten mit dem neuen Verkehrsmittel zu unternehmen; um die Jahrhundertwende hatte das Kraftfahrzeug nach Ansicht der Autoenthusiasten seine größten Kinderkrankheiten überwunden und tauchte immer häufiger im Straßenbild auf 3 Welche Mängel aber die Motorfahrzeuge um die Jahrhundertwende noch aufwiesen und wie offen die technische Entwicklung noch war, zeigt die kurze Geschichte der Motor-GmbH München. Die 1899 gegründete Gesellschaft, der Automobilinteressenten aus dem Hochadel aber auch der Gründer des Deutschen Museums Oskar von Miller angehörten, erwog die Übernahme von Fabrikvertretungen und die Aufnahme eines ständigen Automobilbetriebs in München. Im Januar 1901 riet ein interner Finanzbericht jedoch zur Zurückhaltung bei Investitionen in benzinbetriebene Autos. Bemerkenswert ist, dass die Motor-GmbH, die auf den technischen Sachverstand des Ingenieurs von Miller zurückgriff, den Einsatz benzinbetriebener Motordroschken in München wegen der störenden Emissionen für undurchführbar hielt und den Betrieb von Elektromobilen favorisierte. Bei der ersten ordentlichen Generalversammlung wies von Miller erneut auf die Mängel von Benzindroschken hin und vertrat die Ansicht, dass deren Betrieb »wegen des üblen Geruches und des unvermeidlichen Geräusches« nicht genehmigt werde. Diese Einschätzung führte dazu, dass sich die Gesellschaft im Oktober 1901 nach Verlusten schließlich auflöste.4 Als Ursache des Scheiterns der Unternehmung wird vor allem die Erwartung einschränkender Maßnahmen der Behörden deutlich. Ein feindliches Verhalten der Bevölkerung zogen die Autointeressenten dagegen nicht ins Kalkül. Aggressive Tendenzen waren bis zur Jahrhundertwende kaum zu beobachten, vielmehr dominierten die Furcht vor den ungewohnten Vehikeln und eine abwartende Haltung gegenüber dem in seiner Bedeutung verkannten neuen Verkehrsmittel.5 3 Vgl. Eckermann, S. 36ff.; Haubner, S. 16ff. 4 Vgl. Rundschreiben (Juni 1900), S. 16, D M HS 6294; Finanzbericht (11. 1.1901), Beilage 4, S. lf„ D M HS 6297; Protokoll der ersten ordentlichen Generalversammlung (19.1.1901), S. 4f., D M HS 6291; Protokoll der dritten außerordentlichen Generalversammlung (3.10. 1901), S. 14, D M HS 6292. »Unsere Erhebungen haben ergeben, dass Benzinmotorwagen zum ständigen Verkehr in den Strassen einer Grossstadt wegen des umständlichen Anlassens des Motors bei zahlreichen Fahrtunterbrechungen und wegen des starken Geräusches und Geruches zur Einfuhrung fur Droschkenbetriebe nicht geeignet erscheinen ...« Motor-Droschken-Unternehmen in München (11.1. 1901), Beilage 5, S. 1, D M HS 6298. 5 1913 stellte ein Benz-Prospekt die ersten Reaktionen der Bevölkerung späteren Handlungsweisen gegenüber: »Fuhr man gar in einer abgelegenen Gegend mit hochgestelltem Halbverdeck,

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In Folge der anfangs schleppenden Nachfrage in Deutschland etablierte sich Frankreich mittels deutscher Lizenzmotoren rasch als erstes Zentrum der Automobilindustrie. Die aus napoleonischer Zeit stammenden, gut ausgebauten Chausseen machten das französische Straßennetz zum modernsten Europas. Zudem erfolgte die Autoproduktion durch alteingesessene Maschinenbauer und Fahrradhersteller, die über ausreichendes Kapital und die notwendige Risikobereitschaft verfügten. Auch waren die Automobilproduzenten im Großraum Paris konzentriert und verfugten über gute Verbindungen zu den Pariser Zeitungen, welche die automobile Idee zu verbreiten halfen. Das Publikum war seinerseits durch die in Frankreich besonders weit und früh verbreitete Fahrradbegeisterung aufVorstellungen persönlicher Mobilität vorbereitet. In Deutschland dagegen schränkte die geringe Kaufkraft die Schicht der potentiellen Käufer ein, worauf die deutschen Hersteller in der Anfangszeit mit einer verfehlten Produktpolitik reagierten: Während in Frankreich Luxuskarossen hergestellt wurden, fehlte den Fahrzeugen von Daimler und Benz bis zur Jahrhundertwende jegliches Flair. Mit ihrem schweren und behäbigen Aussehen schienen sie eher für den Warentransport geeignet. Auch wiesen Frankreich und England traditionsreiche Metropolen mit ausgeprägtem gesellschaftlichen Leben auf, während Berlin eine noch junge Reichshauptstadt war. Zahlreiche deutsche Adelshäuser bevorzugten weiterhin ihr ländliches Umfeld und waren wenig anfällig für Moden oder Änderungen des Lebensstils. Das Pferd blieb somit länger das dominierende, aristokratische Sport- und Repräsentationsmittel. Die aufstrebenden Bürger bemerkten die adlige Indifferenz gegenüber dem Auto und nahmen eine ähnlich unentschlossene Haltung ein.6 Erschwerend kam die Vorbildfunktion Wilhelms II. hinzu, der dem Automobil zunächst ablehnend gegenüber stand. Erst der kaiserliche Gesinnungswandel nach der Jahrhundertwende, der sich in diversen Autokäufen für den kaiserlichen Marstall manifestierte, machte das Automobil schließlich auch in Deutschland gesellschaftsfähig. Insbesondere in den Städten gehörte es bald zum guten Ton, Pferd und Kutsche gegen einen Motorwagen einzutauschen. Als Statussymbol und Privileg zugleich diente das Automobil der führenden ... so konnte man nicht selten beobachten, daß ein Bauer, wohl annehmend einen bösen Geist vor sich zu haben, Pferd und Wagen im Stich ließ und Hals über Kopf in Feld und Wald flüchtete. Immerhin war es angenehmer, als wenn heute die aufgeklärtem Nachkommen jener naiven Landleute ihrer Abneigung gegen Industrie und Autosport durch eine Begrüßung mit Schottersteinen greifbaren Ausdruck verleihen.« DM FS 724, S. 32. 6 Vgl. Nübel, Beginnings, S. 62-64; Laux, First Gear, S. 77f. Die Phase von 1895 bis 1908 kann in Bezug auf Frankreich als »first automobile boom« bezeichnet werden. Vgl. ders., Industry, S. 4f. Auch im öffentlichen Personennahverkehrs lässt sich die schnellere Durchsetzung des Autos in Frankreich beobachten: Während der letzte Pferdeomnibus in Paris bereits 1913 verschwand, wurde der Pferdebetrieb in Berlin erst 1923 eingestellt. Vgl. Bendikat, S. lOlff. Zeitgenossen erklärten die größere Akzeptanz des Autos in Frankreich zuweilen mit der Vorliebe für Luxus- und Modeartikel. Vgl. Fründt, S. 73.

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Schicht nun als Ersatz für die mehrspännige Kutsche, bildete eine modische Ergänzung zu den bevorzugten pferdebezogenen Freizeitbeschäftigungen und wurde vom Adel überwiegend als Sportgerät genutzt. Besitzbürger konnten mit der Anschaffung eines Motorwagen den erworbenen Reichtum zur Schau stellen und sich den elitären Lebensformen anpassen.7 Eine neue Ära wurde schließlich 1901 mit der Vorstellung des MercedesWagens eingeleitet, da dieses Modell die endgültige Abkehr von der Kutschenform markierte. Das Auto erhielt seine bis heute gültige Grundform, und die konstruktionstechnischen Voraussetzungen für die Serienproduktion wurden geschaffen. Die folgenden Autorennen bedeuteten für die Daimler-MotorenGesellschaft (DMG) den Durchbruch im internationalen Sportgeschehen und veranlassten die Konkurrenten zur Kopie von Form und Technik des erfolgreichen Wagens. Der Erfolg setzte sich in den Verkaufszahlen fort, so dass die DMG Benz als führenden deutschen Automobilhersteller ablöste.8 Trotzdem blieb die Produktion in Deutschland, im Gegensatz zur Automobilherstellung in den Vereinigten Staaten, weiter handwerklichen Traditionen verpflichtet. Einzelfertigung auf Kundenwunsch, der Einsatz von Universalmaschinen und die dezentrale Fertigung in kleinen Werkstätten bei geringem Produktionsvolumen waren charakteristisch für die deutsche Automobilindustrie. Im Jahr 1900 produzierten in Deutschland 31 Betriebe 800 Kraftfahrzeuge, während der Jahres-Output in den Vereinigten Staaten bereits bei 4.000 Einheiten lag. Führender Kfz-Produzent war zu diesem Zeitpunkt aber noch Frankreich, wo 4.800 Kraftfahrzeuge hergestellt wurden. Innerhalb des kurzen Zeitraums bis 1907 verdoppelte sich die Zahl der deutschen Automobilhersteller auf 69, die nun mit 13.423 Beschäftigten 5.151 Kraftfahrzeuge im Gesamtwert von 60,9 Millionen Mark produzierten. Mit den kostspieligen deutschen Modellen konnten die Produktionsziffern der französischen Automobilindustrie (Kfz-Output 1907: 25.000 Einheiten) nicht erreicht werden. Führend waren aber nun schon die rationalisierenden, amerikanischen Herstellern, die 1907 bereits 43.300 Pkws produzierten. Auch die britischen Produzenten, die sich erst nach der Jahrhundertwende verstärkt dem Automobilbau widmeten, stellten bereits 1907 mit 12.000 Kraftfahrzeugen mehr als doppelt so viele Autos wie die deutschen Betriebe her. Da aber in Deutschland zwischen 7 Vgl. Nübel, Beginnings, S. 63; Horras, S. 229. Zur Vorbildfunktion adliger Lebensformen sowie Wilhelms II. vgl. Mayer, S. 89; Röhl, S. 116-140. Reichskanzler von Bülow berichtete über die veränderte Haltung seines Dienstherrn zum Automobil: »Als die ersten Automobile Unter den Linden auftauchten, der Kaiser sie aber noch nicht benutzte, ärgerte er sich über diese Fahrzeuge, die seine Pferde scheu machten. Er verlangte ihre polizeiliche Überwachung und Einschränkung und meinte vor mir: «Ich möchte am liebsten jeden Chauffeur mit Schrot in den schießen !< Als er dann aber selbst fuhr und seine eigenen Chauffeure lustig das Tatütata erschallen ließen, wurde er ein feuriger Lobredner und Anhänger des Automobilsports und betrachtete jede Kritik seiner Auswüchse fast als persönliche Beleidigung.« Bülow, Bd. 2, S. 19. 8 Vgl Eckermann, S. 61-66.

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1909 und 1914 fünfmal soviel Kraftfahrzeuge wie im gesamten Zeitraum davor produziert wurden, begann das Automobil auch hier seine Verkehrswirksamkeit zu entfalten. Zwischen 1907 und 1912 verdoppelte sich die Zahl der Automobilhersteller auf 124, verdreifachte sich die Zahl der Beschäftigten nahezu auf 35.877, vervierfachten sich der Kfz-Output auf 22.773 Einheiten und der Wert der Produktion auf 221,6 Millionen Mark. Allerdings entfielen in Deutschland 1913 noch 950 Einwohner auf einen Pkw, womit man weit abgeschlagen hinter den Vereinigten Staaten (77 Einwohner auf einen Pkw) lag, in denen allein 1912 356.000 Pkw produziert worden waren. Großbritannien gelang es, die Automobilisierung zu forcieren, so dass man beim Motorisierungsgrad mit 165 Einwohnern auf einen Pkw für 1913 das einst führende Frankreich (1913: 318 Einwohner pro Pkw) noch vor dem Ersten Weltkrieg überholte.9 In der 1907 einsetzenden Rezession sahen sich die deutschen Hersteller erstmals gezwungen, Rationalisierungsmaßnahmen durchzuführen, setzten verstärkt Spezialmaschinen ein und begannen, in Kleinserie zu produzieren. Da der begrenzte Markt für Luxusmodelle kaum Absatzsteigerungen zuließ, wurde die Entwicklung preiswerter Modelle zu einer wirtschaftlichen Notwendigkeit für die deutsche Automobilindustrie. Nutzten die Herrenfahrer das Automobil anfangs fast ausschließlich zu sportlichen Zwecken, integrierte es sich nach der vorübergehenden Konjunkturschwäche allmählich als Transportmittel in das Alltagsleben. Das erhöhte Angebot preiswerter Wagen auf dem Markt versetzte nun zunehmend Kaufleute und Fabrikanten, Arzte und Landwirte in die Lage, sich ein Automobil anschaffen zu können. Allerdings blieben Möglichkeiten zur Kostenersparnis von der Industrie ungenutzt. Die deutschen Hersteller produzierten weiterhin eine Vielzahl verschiedener Typen, betonten den hohen Qualitätsstandard ihrer Handwerksarbeit und orientierten sich in der Produktpolitik vornehmlich an den Wünschen einer wohlhabenden Käuferschicht.10 Bis zur Absatzkrise von 1907/8 kosteten die von deutschen Herstellern angebotenen Wagen durchschnittlich ca. 10.000 Mark. Der Preis für leistungsstarke Luxuskarossen konnte aber weit über 20.000 Mark liegen. Diese Wagen erforderten bei einer jährlichen Fahrleistung von 20.000 km rund 9.000 Mark an Betriebskosten. Nun konnte eine gewisse Diversifikation des Angebots beobachtet werden, da sogenannte »Volksautomobile« zu Anschaffungspreisen um 3.500 Mark auf den Markt kamen. Bis 1908 fielen die Verkaufspreise auf 2.500 Mark, wodurch breitere Bevölkerungskreise an der Motorisierung teilhaben konnten. Schließt man den Gebrauchtwagenmarkt ein, wobei berücksichtigt 9 Vgl. Bardou, S. 19, S. 23, S. 63; Statistisches Jahrbuch, 1914, S. 119; Klapper, S. 28; Motorfahrzeug, S. 132f.; Conrads, S. 6; Kugler, Arbeitsorganisation, S. llOf. 10 Vgl. Stahlmann, S. 62ff.; Kugler, Werkstatt, S. 313ff.; Dieterich, S. 16.

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werden muss, dass die Lebensdauer eines Autos bis 1907 fünf Jahre kaum überschritt, konnten am Vorabend des Ersten Weltkriegs ungefähr ein Drittel der Deutschen als potentielle Nutzer des Automobils betrachtet werden.11 Für die unteren sozialen Schichten blieben die sogenannten »Volksautomobile« unbezahlbar, so dass die Arbeiter allenfalls als Motorradfahrer am motorisierten Individualverkehr teilnehmen konnten. Die Hinwendung der Hersteller zu kleineren Modellen hatte aber ein Preisgefüge geschaffen, das es Mittelständlern ermöglichte, den Einsatz eines Automobils in einer privaten Kosten-NutzenRechnung als rentabel anzusehen. Die zunächst homogene Konsumentenstruktur sowie die Grenzen zwischen Automobilbesitzern und -nichtbesitzern begannen etwas durchlässiger zu werden. Wichtig in diesem Prozess war, dass die Anschaffung eines Autos nicht mehr zwangsläufig die Einstellung eines Chauffeurs nach sich ziehen musste, sondern dass kleinere, kostengünstige Modelle durchaus von Selbstfahrern bedient werden konnten. Die Hersteller unterstützten diese Tendenz, indem sie kostenlose Schulungen anboten, welche die neuen Besitzer mit der Automobiltechnik vertraut machen sollten. Trotzdem blieb der Besitz eines privaten Kraftfahrzeugs in Deutschland für viele weitere Jahre eine »Vergegenständlichung des Klassenprivilegs.«12 Da Eisenbahn, Binnenschiffahrt und Fuhrwerke den Verkehrsbedürfnissen durchaus gewachsen waren und es der Innovation Automobil zunächst an Zuverlässigkeit mangelte, kam den Automobil-Clubs erheblicher Anteil an der Verbreitung der automobilen Idee zu. Sie veranstalteten Ausstellungen und Wettbewerbe, um die neue Technik zu popularisieren, und ermöglichten durch ihre Serviceleistungen erst einen ausgedehnteren Autoverkehr. Die automobilistischen Vereine propagierten das Auto als Sport- und Repräsentationsmittel, das durch den Faktor Geschwindigkeit als Statussymbol Pferd und Equipage überlegen war und die Ansprüche des besitzenden Bürgertums an »dynamische Repräsentation« erfüllen konnte.13 Der exklusive »Automobile-Club de France« wurde im November 1895 als erste organisierte Interessenvertretung der Automobilisten in Paris gegründet. Zwei Jahre später vollzog sich der erste Zusammenschluss von Automobilinteressenten in Deutschland mit der Gründung des »Mitteleuropäischen Motorwagen-Vereins« (MMV), in dem Automobilproduzenten und Zulieferer

11 Vgl. Rehbein, S. 267; Wiersch, S. 10f.; Köhler, S.133; Gudjons, S. 49. 12 Sachs, Bedeutungshaut, S. 12. Ein »nivellierendes, demokratisches Element« des Autos, das Horras konstatiert, kann meiner Einschätzung nach von der beschriebenen Entwicklung noch nicht abgeleitet werden. Vgl. Horras, S. 243. Die Firma Adler bot bereits 1902 einen Selbstfahrer als »Ärzte-Motorwagen« an. Der Besitzer konnte sich am Firmensitz in Frankfurt/M. kostenlos ausbilden lassen. D M FS 9/1, S. 5; FS 9/5, S. 39. Die D M G gründete 1908 eine firmeneigene Fahrschule, die der Abwerbung von Monteuren durch die Kundschaft entgegenwirken sollte. Vgl. Niemann, S.

111. 13 Vgl. Kirchberg, S. 9ff.

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eine zentrale Rolle spielten. Exklusiveren Charakter hatte der 1899 ebenfalls in Berlin gegründete »Deutsche Automobil-Club« (DAC), der den aristokratischen Herrenfahrer repräsentierte und 1905 die Erlaubnis erhielt, sich in »Kaiserlicher Automobil-Club« (KAC) umzubenennen. Im »Kartell der deutschen Automobil-Clubs« war eine Vielzahl unterschiedlicher, regionaler Clubs eng an den KAC gebunden. Der spätere »Allgemeine Deutsche Automobil-Club« (ADAC) ging dagegen aus der 1903 in Stuttgart gegründeten »Deutschen Motorradfahrer-Vereinigung« (DMV) hervor. Die DMV wurde 1906 mitgliederstärkster Automobil-Club im Deutschen Reich, benannte sich 1911 in ADAC um und vertrat 1914 28.000 Automobilisten. Ein mit dem KAC 1906 geschlossener Kartellvertrag, der die Vertretung der Interessen der DMV bei den Reichsbehörden durch den elitären Club vorsah, wurde 1912 gelöst, womit man die Abkehr von den im KAC verkörperten Ideen des Herrenfahrertums vollzog: Der ADAC sah sich fortan als Hauptvertreter des kraftfahrenden Mittelstandes, der das Auto zu Berufszwecken nutzte, und beanspruchte als größter deutscher Automobil-Club, in alle mit dem Kraftfahrzeugverkehr verbundenen Gesetzgebungsverfahren eingeschaltet zu werden; das war ein Begehren, das sich vor allem gegen die Führungsrolle des KAC richtete und mit den wirtschaftlichen Zielen, die der ADAC im Gegensatz zu den geselligen Funktionen anderer Clubs verfolgte, begründet werden konnte.14 Gemeinsames Ziel der Automobil-Clubs war die Verbreitung der automobilistischen Idee mit ihrem Versprechen scheinbar unbegrenzter Mobilität. Konflikte sollten dabei möglichst vermieden und in der Gegenwehr gegen als Einschränkung empfundene gesetzgeberische Aktivitäten kanalisiert werden. Die Vielfalt der Organisationen im Automobilwesen bot dabei standesbewussten Herrenfahrern, die sich als mobile Elite empfanden, Möglichkeiten zur Abgrenzung von weniger begüterten Automobilenthusiasten. Differenzierung und Integration in der automobilistischen Interessenformierung erwiesen sich als Spiegelbild der wilhelminischen Gesellschaft, wobei das »lautstarke Interessenkartell« früh ein hohes gesellschaftliches Durchsetzungsvermögen besaß und einen entscheidenden Faktor für die Verbreitung des neuen Verkehrsmittels bildete.15 14 Vgl. MMV, Motorwagen-Verein; KAC, Mitgliederverzeichnis 1910/11; Neuberg, Jahrbuch; Seher-Thoss, Automobilindustrie, S. 70; ADAC an Hohe Reichsbehörden und Hohe Ministerien der Deutschen Bundesstaaten (Oktober 1912), BA R 1501 Nr. 13942. Im Juli 1914 demonstrierte der ADAC mit einem Protesttag in Eisenach gegen die behördliche Bevorzugung des KAC. Vgl. GStA PK I. HA Rep. 77 tit. 1328 Nr. 23, Bd 5. Zur Entwicklung und Struktur der Automobilvereine in Deutschland zuletzt: Haubner, S. 67-105. 15 Vgl. Radkau, Technik, S. 301. Die Automobilclubs sind in vielerlei Hinsicht den auf Massenwirkung zielenden Agitationsvereinen des Kaiserreichs vergleichbar. Vgl. Wehler, Kaiserreich, S. 92ff. Die »Ursprünge der deutschen Autolobby« sind demnach nicht erst im »Dritten Reich« zu suchen, wie dies von Yago vorgeschlagen wurde, sondern reichen zurück bis in Wilhelminische Zeit. Vgl. Yago, S. 717-727.

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Eine wichtige Möglichkeit zur Popularisierung des Automobils wurde von den Organisationen der Autointeressenten in der Veranstaltung von Motorsportwettbewerben gesehen, deren lange Reihe 1894 von der Automobilwettfahrt Paris-Rouen ihren Ausgang nahm. Diese Fahrt war als Demonstration der Leistungsfähigkeit des Autos gedacht und wies nicht den Charakter eines Rennens auf, da Betriebssicherheit und -kosten entscheidende Kriterien der Preisvergabe waren. Die folgenden, spektakulären Fernfahrten führten aber den Faktor »Geschwindigkeit« in den Motorsport ein, ein Kriterium, dessen Anwendung in der Folgezeit exzessiv forciert werden sollte. In Deutschland fand die erste nennenswerte Automobilwettfahrt 1898 auf der Strecke BerlinPotsdam-Berlin in Zusammenhang mit einer Vorführung von Reitpferden und Equipagen statt. Im selben Jahr folgten die Fernfahrt Berlin-Leipzig-Berlin, bei der auch Lkw zugelassen waren, sowie die erste Alpenfahrt. Die Ära wirklich massenwirksamer Wettbewerbe begann jedoch erst mit den von 1900 bis 1905 alljährlich stattfindenden »Gordon-Bennett-Rennen«, bei denen Nationalmannschaften gegeneinander antraten. Der Grand Prix des ACF setzte diese Veranstaltungen fort. In den 1905 initiierten Herkomer-Fahrten, die 1908 durch die Prinz-Heinrich-Fahrten abgelöst wurden, sowie in den kurz vor dem Ersten Weltkrieg einsetzenden Alpen-Rennen bewertete man dagegen neben der Geschwindigkeit auch Zuverlässigkeit und Spritverbrauch. Eine Besonderheit bildete das ab 1905 stattfindende Kaiserpreisrennen, das vom FreiwilligenAutomobil-Corps veranstaltet wurde und die Tauglichkeit des Autos für militärische Verwendungen testen sollte.16 Die frühen Autorennen faszinierten auch Zuschauer, die sich kein Auto leisten konnten. Die Veranstaltungen zogen große Menschenmengen an und ließen ein neues Leitbild breite Popularität gewinnen: Der Rennfahrer wurde zum Volkshelden, und der sportliche Wettkampf konkurrierender Nationen kulminierte zusehends in einer Huldigung an den nationalen Chauvinismus.17 Die beschriebene Tendenz zur Produktdiversifikation aber, die mit nur kurzer zeitlicher Verzögerung eine der amerikanischen Motorisierung ähnliche Entwicklung realistischer gemacht hatte, wurde in Europa 1914 abrupt unterbrochen. Der Erste Weltkrieg machte Tausende mit dem motorisierten Fortschritt in Form von Kampfflugzeugen und Panzern bekannt.

16 Vgl. Mander, S. 8; Horras, S. 274-289. 17 Vgl. Sachs, Liebe, S. 135. T e m p o wurde zwar z u m entscheidenden Kriterium für die Beurteilung automobilistischer Leistung, doch erreichte man im Straßenalltag eher bescheidene Durchschnittsgeschwindigkeiten. So hob Prinz Heinrich 1903 ein Stundenmittel von 40 km/h begeistert hervor. Vgl. D M H S 1983/13 ( 2 8 . 3 . 1 9 0 3 ) .

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b) Die Bewährung im motorisierten Krieg 1914—1918

Blieb das Pferd im Ersten Weltkrieg noch wichtigstes Transportmittel, hatten doch Militärs der beteiligten Länder recht früh begonnen, motorisierte Fahrzeuge in ihre Planungen einzubeziehen. Erstmals nahmen Automobile 1895 in Frankreich an einem Manöver teil, und 1898 fanden erste Versuchsfahrten mit Lkw im britischen Heer statt. Im preußischen Militäretat wurden erstmals 1899 100.000 Mark für den Kauf von zunächst sieben Fahrzeugen bereitgestellt, an denen die strategische Verwendung des Autos getestet werden sollte. Man ordnete die betreffenden Wagenführer der Versuchsabteilung der Verkehrstruppen, der sogenannten »Eisenbahnbrigade« zu, wo sie ein »Selbstfahrer-Kommando« bildeten. Der Kriegsminister hatte den Kaiser fortan regelmäßig über den Stand der Motorisierung zu unterrichten, und bei den jährlichen Kaisermanövern kamen ab Herbst 1899 Automobile zum Einsatz. Im Reichstag sprach man sich im Rahmen der Haushaltsberatungen des Jahres 1900 für die weitere Bewilligung von Geldern zur Heeresmotorisierung aus, da man davon ausging, dass die Militärverwaltung beabsichtigte, das Pferd durch Motorwagen zu ersetzen, »...soweit eine Bewegung durch Pferde nicht völlig unabdingbar«wäre.18 Angeregt durch die Festlegung technischer Standards, die 1902 nach den Erfahrungen des »Selbstfahrer-Kommandos« erfolgte, begann die Industrie, erste Militärfahrzeuge zu entwickeln. 1905 wurde auf Initiative des DAC das »Deutsche Freiwilligen Automobilcorps« (DFA) ins Leben gerufen, das 1906 in »Kaiserliches Freiwilligen-Automobilcorps« (KFA) umbenannt, den Mangel an Automobilen in den Streitkräften beheben helfen sollte. Bei ihrer Aufnahme in das Korps verpflichteten sich die Mitglieder, im Kriegsfall mit ihren Autos zur Verfügung zu stehen. Schon im ersten Jahr seines Bestehens beteiligte sich das KFA an den Kaisermanövern und konnte auf eine stetig wachsende Mitgliederzahl zurückgreifen. Schließlich plante das Heer ab 1908 eine ständige Kraftfahrerabteilung, die man 1911 auf Bataillonsstärke erweiterte. Da Kavallerieeinheiten die Eliteabteilungen der Landstreitkräfte bildeten, bot es sich an, die herausragende Stellung der Offiziere durch ihre Ausstattung mit Automobilen zu unterstreichen. Gesteigertes Sozialprestige konnte mit der kriegstauglichen Flexibilität des Autos verbunden werden.19 Im Zentrum des militärischen Interesses stand aber der kriegstaugliche Lkw, der für einen schnellen Nachschub und Truppenverschiebungen genutzt wer18 Stenographische Berichte RT, Bd. 169, S. 4314 (27. 2. 1900). 1900 wurden 150000 Mark, 1901/02 173000 Mark fur die Heeresmotorisierung im Reichshaushalt bereitgestellt. Vgl. Stavenhagen, S. 83ff.; Kuhn, Taktik, S. 48; Oertel, S. 7ff.; MW, Jg. 2, 1899, S. 17. 19 Vgl. Rehbein, S. 273; NAG, Neue Automobil-Gesellschaft, S. 11; Oerlei, S. 34; Stavenhagen, S. 88f.; Deutsche Fahrzeug-Technik, Jg. 2, 1905, H. 2, S. 45; Horras, S. 317.

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den sollte. Da ein entsprechender Wagenparkjedoch als zu kostspielig erschien, entschloss sich die Heeresverwaltung fur eine Subventionierung der Lkw-Anschaffung, anstatt selbst in größerem Umfang Lastzüge anzukaufen. 1908 legte sie Richtlinien für die Konstruktion von Lkw fest und subventionierte erstmals mit 800.000 Mark die Beschaffung und Unterhaltskosten derartiger Fahrzeuge für private Käufer. Die Lastwagen waren in kriegstauglichem Zustand zu erhalten und im Bedarfsfall dem Heer zur Verfügung zu stellen. 1914 unterstanden der deutschen Heeresverwaltung insgesamt 917 subventionierte Lastzüge.20 Bereits 1909 wies die deutsche Automobilpresse auf die Notwendigkeit der Einführung von gepanzerten Automobilen hin. Führend auf diesem Gebiet, auf dem in allen europäischen Heeren experimentiert wurde, bliebjedoch England, das Pkw durch Panzerung und Bewaffnung früh zu »armoured cars« umrüstete. Die Resonanz auf ähnliche Versuche deutscher Hersteller blieb im deutschen Heer zunächst gering. Erst als am 15. September 1916 49 englische Tanks, die mit geländegängigen Kettenfahrwerken ausgerüstet waren, gegen die deutschen Stellungen bei Flers rollten, sah sich die Oberste Heeresleitung veranlasst, sich ernsthaft mit der Entwicklung von Kampfpanzern zu befassen. Im Frühjahr 1917 wurde der erste Prototyp vorgestellt, und bis Kriegsende 20 Panzer an die deutschen Truppen ausgeliefert, eine viel zu geringe Anzahl, um kriegsbeeinflussend wirken zu können. Eine deutsche Unterlegenheit stellte sich auch bei den serienmäßigen Autos heraus, die im Rahmen der traditionellen Kriegsfuhrung vor allem zur Beförderung von Offizieren und für andere Zubringerdienste eingesetzt wurden. Am 7. September 1914 requirierte die französische Generalität 600 Pariser Taxen und beförderte innerhalb weniger Stunden 6.000 Mann an die Front, die entscheidend dazu beitragen konnten, den deutschen Vormarsch zu stoppen. Bei Verdun wurde die gesamte Versorgung der Alliierten per Lkw abgewickelt. Den sich anschließenden Grabenund Stellungskrieg konnten die Alliierten nicht zuletzt dank ihrer neu entwickelten Tanks für sich entscheiden.21 Die militärische Indienststellung des Autos verdeutlichte den Zeitgenossen die Effizienz des Motorfahrzeugs und bescherte der Industrie Absatzzuwächse. Waren die direkten finanziellen Vorteile aus der Subventionierung fur die Unternehmen eher gering, wuchsen die Gewinne einiger Hersteller und die Popularität des Autos in Kriegszeiten überproportional, so dass der Krieg gar zum hervorragenden Propagandainstrument der Motorisierung erklärt werden konnte.22 Für den zivilen Autoverkehr brachte der Kriegszustand jedoch erheb20 Vgl. MW, Jg. 11,1908, S. 255; ZMM, Jg. 11,1912, S. 257£F.; Horras, S. 320. 21 Vgl. Eckermann, S. 93. 22 »Mag dieser Krieg noch so viel Schreckliches gezeitigt haben, fur den Automobilismus war er die großartigste Propaganda, die man sich denken kann ... Durch diesen Krieg ist geradezu die Unentbehrlichkeit des Automobils aller Welt in einer so überzeugenden Weise vor Augen geführt worden, daß selbst aus dem ärgsten Auto-Saulus ein Auto-Paulus geworden ist.« Generaldirektor

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liehe Einschränkungen mit sich, da Zulassung und Kennzeichnung von Kraftfahrzeugen den Militärbehörden unterstellt und im Februar 1915 alle Zulassungsbescheinigungen für ungültig erklärt wurden. Da eine Neuzulassung nur Kfz erlangen konnten, deren Betrieb im öffentlichen Interesse lag, verkehrten in Deutschland während der Kriegsjahre nur etwa 18 Prozent der Kraftfahrzeuge des Vorkriegsbestands, die sich zudem einer Vielzahl örtlicher Verkehrsbeschränkungen zu beugen hatten.23 Bereits im September 1915 waren die Vorräte an Gummi im Deutschen Reich so knapp, dass die Zulassung von Privatfahrzeugen aufs Äußerste beschränkt werden musste. Kraftfahrzeughalter, die eine Zulassung aufgrund dienstlichen Gebrauchs des Autos erhalten hatten, durften sich nur innerhalb eines festgesetzten Umkreises mit ihren Wagen bewegen und keine Familienangehörigen auf außerdienstlichen Fahrten befördern. Für die im Verkehr verbliebenen Kraftfahrzeuge mussten schließlich die technischen Anforderungen gelockert werden. Das ermöglichte den Betrieb von Lkw ohne Gummi- oder Luftbereifung, der die Straßen erheblich belastete und nach dem Krieg ein weitgehend zerstörtes Straßennetz zurückließ.24

c) Die Diffusion der neuen Technik 1918-1932

Nach dem Ersten Weltkrieg kam die Autoproduktion in Deutschland zunächst nur schleppend in Gang. Brennstoff- und Gummimangel, zerstörte Straßen und Preissteigerungen setzten der Verbreitung des Kraftwagens in der Nachkriegszeit enge Grenzen. 1920 waren in Deutschland erst 37 Prozent der in der Vorkriegszeit in Betrieb befindlichen Kraftwagen wieder zugelassen. Diese konnten über lediglich fünf Prozent ihres Friedensbedarfs an Benzin verfugen. Einfuhrverbote für Benzin verteuerten den begehrten Treibstoff und führten zu einem florierenden Schleichhandel. Um den unrechtmäßigen Handel mit Wagen aus Heeresbeständen zu unterbinden, erklärten die Behörden im Februder DMG Ernst Berge (28. 11. 1915), in: DMG, S. 69ff. In gleicher Weise äußerten sich auch Nutzfahrzeuginteressenten. Vgl. Denkschrift zur Gründung des Verbandes Deutscher Nutz-Automobil-Besitzer (1917), BA R 1501 Nr. 13944. 23 Eine Berliner Polizeiverordnung von 1916 verbot beispielsweise auch den verbliebenen Kraftdroschken Fahrten zu Rennen, Theatern, Konzerten, Kinos und anderen Schaustellungen. Vgl. Polizeiverordnung (24. 10. 1916), LA Berlin STA Rep. 00-02/1 Sect. 1 Nr. 24; Minister der öffentlichen Arbeiten u. Minister des Innern an die Regierungspräsidenten (20.8.1915), GStA PK I. HA Rep. 77 tit. 1328 Nr. 47, Bd. 2; Übersicht über die seit dem 15.3. 1915 zugelassenen Kfz, BA R 1501 Nr. 14000. 24 Vgl. Minister der öffentlichen Arbeiten an die Regierungspräsidenten. Vertraulich. Eilt Sehr! (4. 9. 1915), GStA PK I. HA Rep. 77 tit. 1328 Nr. 47, Bd. 2.

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ar 1919 sämtliche Privatwagen für neuzulassungspflichtig. Die strengen Zulassungsbestimmungen zwangen viele Unternehmer zur Stilllegung ihres Fuhrparks und führten zu einer gewissen Renaissance von Pferd und Wagen. Für Pkw galten zudem das Verbot jeglicher Vergnügungsfahrten sowie verschiedene regionale Sonntags- und Nachtfahrverbote. Da der Auslandsabsatz wegbrach und kriegsbedingte Uberkapazitäten bestanden, waren unter diesen Bedingungen zahlreiche Automobilfabriken in ihrer Existenz bedroht.25 Durch ihre weitgehend handwerkliche Fertigung und die Konzentration auf Luxuskarossen waren die deutschen Hersteller nur unzureichend auf neue Käuferschichten vorbereitet. Amerikanischen Produktionsmethoden unterstellten sie zunächst mangelnde Qualität, was die zügige Einfuhrung von Fließbändern verhinderte. Trotzdem forderte man eine beschleunigte Standardisierung, welche die Anwendung von Normalien zur Bedingung für die Wiederzulassung eines Kraftfahrzeugs machen sollte. Dieser vorgebliche Rationalisierungsschritt wollte den heimischen Markt durch die Festlegung auf metrische Gewinde vor ausländischer Konkurrenz abschotten. Als es mit Einfuhrung der Rentenmark zu einer wirtschaftlichen Stabilisierung kam, erfasste der wirtschaftliche Aufschwung schließlich auch die Automobilindustrie: Produzierten 1922 in Deutschland 46 Pkw-Werke 90 verschiedene Modelle, stellten 1924 bereits 86 Produzenten 146 Typen her. Technische Rückständigkeit, Fehleinschätzungen des Marktes, preiswerte ausländische Konkurrenzprodukte und mangelhafte Kapitalausstattung führten aber in den zwanziger Jahren zu einem Strukturwandel, der durch einen Auslese- und Konsolidierungsprozess gekennzeichnet war. Während Firmen wie Fafnir und Dürkopp ihre Produktion einstellen mussten und Dixi in BMW aufging, wurden andere wie Opel, wo man mit dem »Laubfrosch« seit 1924 marktgerecht Kleinwagen produzierte, von ausländischen Konzernen übernommen. Amerikanische Produktionsmethoden hielten aber nur zögerlich Einzug, wobei Opel in Deutschland zu den Pionieren gehörte. Mit einfacher Technik setzten sich die so produzierten Kleinwagen einer neuen Generation als anspruchslose Transportmittel am Markt durch und ermöglichten neuen Käuferschichten die Motorisierung.26 Am ehesten entwickelte sich aber das Motorrad zu einem Verkehrsmittel, das auch von proletarischen Schichten genutzt werden konnte. Gerade in Zeiten 25 Vgl. Reichsamt für Luft- und Kraftfahrwesen an Minister der öffentliche Arbeiten u. Minister des Innern (30. 4. 1920), GStA PK I. HA Rep. 77 tit. 1329 Nr. 4, Bd. 1; Zentralstelle für das deutsche Transport- und Verkehrsgewerbe an Reichsministerium des Innern (18. 8. 1919), BA R 1501 Nr. 13931; Reichskriegsministerium an Reichsinnenminister (5.7.1919), ebd.; Gouverneur für den Kfz-Verkehr in Großberlin an Minister des Innern (8.4.1919), GStA PK I. HA Rep. 77 tit. 1328 Nr. 11, Bd. 6. 26 Vgl. Dienet, Vorbehalte, S. 11-40; Entschließung von AvD, DTC, ADAC, KVdA und MMV an Reichsministerium des Innern (31. 3. 1919), BA R 1501 Nr. 13995; Eckermann, S. 98ff.

40

der Hyperinflation stellte die Flucht in Sachwerte ein ökonomisch rationales Anpassungsverhalten dar. Zudem schufen die Einschränkungen im öffentlichen Verkehrswesen Nachfragepotentiale nach bezahlbarer individueller Mobilität. In den frühen zwanziger Jahren war mit wachsendem Angebot ein stetiger Anstieg des Motorradbestandes zu verzeichnen, so dass der Bestand an Automobilen 1926 mit 236.411 Einheiten übertroffen werden konnte. 1932 machten Pkw nur noch ungefähr ein Drittel des Kfz-Bestandes aus, während die über 800.000 Motor- und Kleinkrafträder über 50 Prozent der im Deutschen Reich registrierten Kraftfahrzeuge darstellten. Das Motorrad hatte im Vergleich zur wilhelminischen Zeit einen völlig veränderten Stellenwert erlangt und sich als schnelles Individualverkehrsmittel etabliert, das zwar Abstriche hinsichtlich der Bequemlichkeit erforderte, sich aber als preiswert und relativ zuverlässig erwies. Dass sich nicht nur die absoluten Zahlen des Motorradbestandes zwischen 1924 und 1929 versechsfachten, sondern das Zweirad sich auch gegenüber dem Auto als dominierendes, motorbetriebenes Individualverkehrsmittel durchsetzen konnte, ist aber auch darauf zurückzufuhren, dass die Motorradpreise zwischen 1925 und 1929 trotz technischer Verbesserungen um ungefähr 25 Prozent fielen und bis 1933 um weitere 25 Prozent absanken. Bei aller Betonung der wachsenden Bedeutung des Motorrads in den zwanziger Jahren darf jedoch nicht vergessen werden, dass die wichtigsten Individualverkehrsmittel des größten Teils der Bevölkerung noch lange Zeit die eigenen Füße und das Fahrrad blieben.27 Der ADAC entwickelte sich aufgrund des gewaltigen Mitgliederzuwachses zu einer Massenorganisation: Nachdem die Mitgliederzahl kriegsbedingt auf 15.000 gefallen war, konnte bis 1922 ein Zuwachs auf 40.000 Mitglieder verzeichnet werden. Nach einem erneuten Verlust von 5.000 Mitgliedern durch Inflation und diverse Abspaltungen stieg die Mitgliederzahl des ADAC bis 1931 auf 132.000 an, womit zehn Prozent der deutschen Kraftfahrzeugbesitzer erfasst wurden.28 Die Popularisierung des Automobils erfolgte vor allem durch eine Förderung des Motorsports, insbesondere des Motorradsports, der sich in den zwanziger Jahren eines stetig steigenden Massenzuspruchs erfreute. Im Kraftwagensport waren dagegen gewisse Sättigungstendenzen zu beobachten. Trotzdem sah der ADAC eine hervorragende Möglichkeit zur Propagierung des Autos und seiner Club-Idee in der Ausrichtung motorsportlicher Veranstaltungen. Die Konzentration auf die Veranstaltung von Motorsportwettbewerben ging so weit, dass man die Gründung einer eigenständigen Werbeabteilung verwarf Daneben widmete sich der ADAC weiterhin einer intensiven Lobby-

27 Vgl. Gömmel u. Braun, S. 167-194. 28 Vgl. Seher-Thoss, ADAC, S. 21f. Der Club integrierte sich auch in das gesellschaftliche Leben der Republik, indem er an den jährlichen Verfassungsfeiern teilnahm. Vgl. BA R 1507 Nr. 224, Blatt 116.

41

arbeit, die sich auf die Agitation gegen die Kfz-Steuer und gegen überhöhte Benzinpreise konzentrierte. Außerdem wirkte der Club im Rahmen von Straßen- und Verkehrswacht sowie durch Einrichtung eines Kfz-Uberprüfungsdienstes an der Erhöhung der Verkehrssicherheit mit und organisierte die Gründung örtlicher Interessenverbände der Kfz-Besitzer.29 Der Kraftfahrzeugbestand im Deutschen Reich verzehnfachte sich zwischen 1902 und 1910 von 4738 auf 49941 Einheiten. Bis 1914 verdoppelte sich der Bestand nochmals auf93072 Kraftfahrzeuge. Trotz dieser hohen Zuwachsraten blieb die Fahrzeugdichte im Deutschen Reich gering. 1907 entfielen noch 2244 Einwohner auf ein Kraftfahrzeug, im Jahr 1910 waren es 1300 und bis zum Ersten Weltkrieg 698. In den zwanziger Jahren nahm der Kraftfahrzeugbestand, bis auf einen Rückschlag in den Krisenj ahren 1931/32, weiter kontinuierlich zu, so dass am Ende des Untersuchungszeitraums 42 Einwohner einem Kraftfahrzeug gegenüberstanden.

lab. 1: Kfz-Bestand und Motorisierungsgrad in Deutschland 1902 bis 1932 Jahr

Kfz

EW/Kfz

Jahr

Kfz

EW/Kfz

1902 1903 1904 1905 1906

4.738 6.904 11.370 15.683 21.003 27.026 36.022 41.727 49.941 56.434 65.450 77.789 93.072

1920 1921 1922 1923 1924 1925 1926 1927 1928 1929 1930 1931 1932

100.000* 118.640 167.484 214.702 293.032 425.790 547.652 723.935 933.312 1.214.059 1.499.724 1.507.129 1.499.724

603 508 360 281

1907 1908 1909 1910 1911 1912 1913 1914

11.897 8.164 4.958 3.864 2.886 2.244 1.688 1.453 1.300 1.182 927 836 698

214 147 114 86 67 52 42 42 42

*Kfz-Bestand 1920 auf Grundlage des Kraftwagenbestandes 1920 und Motorradbestand 1921 geschätzt. Einwohner/Kfz gerundet. Quellen: Kreuzkam, S. 800; Statistischesjahrbuch, 1914, S. 137; 1922/23, S. 85; 1924/25, S. 113; 1927, S. 124; 1930, S. 158; 1933, S. 157; RdA, Festschrift, S. 136; Statistisches Bundesamt, Bevölkerung, S. 90; Щ 1923, S. 106; RdA, Tatsachen, S. 80. 29 Vgl. Vertrauliches Rundschreiben an die Herren des Haupt-Sport-Ausschusses (26. 7. 1928), ADAC/Nachl. Ostwald; Finanzbericht der Abteilung Touristik, Technik, Sport (30. 9. 1931), ADAC/Nachl. Ostwald; Protokoll der Präsidialsitzung (22./23. 2. 1929), ADAC/Nachl. Ostwald; Protokoll der Verwaltungsratssitzung (8./9. 6. 1929), ADAC/Nachl. Ostwald; SeherThoss, ADAC, S. 23ff., S. 173., S. 176.

42

Die Fahrzeugdichte war dabei stark ungleichgewichtig verteilt. Während sich die Zunahme des Kraftfahrzeugbestandes vor allem auf die großen Städte konzentrierte, blieb der Automobilbesitzer auf dem Land zunächst eine seltene Ausnahme und verdrängte die Pferdefuhrwerke nur allmählich. 1914 zählte man auf den badischen Landstraßen durchschnittlich 119 Zugtiere des täglich durchgehenden Verkehrs, denen 11,8 Pkw und 3,1 Lkw gegenüberstanden. Auf den sächsischen Staatsstraßen wurde 1924/25 ein Verkehrsanteil der Pkw und Krafträder von 27 Prozent ermittelt. 29 Prozent der Fahrzeuge waren bereits Lkw und motorisierte Sonderfahrzeuge, während bespannte Fahrzeuge und Zugtiere noch 44 Prozent des Verkehrsaufkommens trugen. Ermittelte man 1904 im Landesdurchschnitt lediglich ein Kraftfahrzeug täglich auf den Zählstrecken, waren es 1924/25 bereits 66.30 In den zwanziger Jahren entwickelte sich das Auto auch in Deutschland zu einem nicht mehr übersehbaren Verkehrsfaktor, eine Stellung, die es in den USA bereits vor dem Ersten Weltkrieg einnahm. Die Möglichkeiten touristischer Nutzung waren dabei ein entscheidender Faktor seiner Beliebtheit. Als »Inbegriff der Freiheit« erlaubte das Auto, die Freizeit in Form selbstgestalteter Reisen zu strukturieren. Es machte durch seine Unabhängigkeit und Flexibilität die Uberwindung industrieller Reiseformen möglich, die sich im 19. Jahrhundert durch die Nutzung des Massentransportmittels Eisenbahn herausgebildet hatten. Das Auto ließ Naturnähe sowie eine individuelle Reisegestaltung zu und machte den Automobilreisenden zum potentiellen Entdecker. Der Raum zwischen Ausgangsort und Ziel gewann wieder an Bedeutung und eröffnete eine Gegenwelt zum industriellen Alltag. Moderne Technik konnte zur Flucht aus dem technisierten Arbeitsleben genutzt werden.31 Allerdings hatten die frühen Automobilreisen pionierhaften Charakter: Die automobile Fortbewegung war durch zahlreiche Pannen gekennzeichnet, so dass bei Fahrten über längere Distanzen vor allem zahlreiche Ersatzreifen mitgeführt werden mussten. Die schwachen Motoren versagten gelegentlich bei Bergfahrten, die mit Leder besetzten Bremsen bei Talfahrten. Zur Abhilfe besaßen die frühen Autos sogenannte Bergstützen, die sich als spitze Eisenstangen in die Strasse bohrten, um ein Rückwärtsrollen zu verhindern. Autowerkstätten entstanden erst nach 1900, so dass Besitzer oder Chauffeur mit der Technik des Wagens vertraut sein mussten, wollten sie nicht jede Reparatur an Dorfschmiede und andere Handwerker delegieren. Tankstellen waren zunächst unbekannt. Benzin musste in Kanistern mitgeführt oder in Apotheken gekauft 30 Vgl. Voigt, Bd. 2.1, S. 448; LA Berlin Rep 10-01/2 Nr.1929. 31 Vgl. Borscheid, Massenmobilität, S. 130; Sachs, Liebe, S. 180-184. Z u r Kritik an der Eisenbahn und den Vorzügen des Autos vgl. Bierbaum, Yankeedoodlefahrt, S. 467f.; ders., Weimar, S. 9 16; Blau, S. 6; Neuburger, Kraftwagen, S. 3. »Normung, Montage und Serienfertigung« des Reiseablaufs müssen bei N u t z u n g des Autos nicht mehr hingenommen werden. Vgl. Enzensberger, S. 701-720.

43

werden, die es als Lösungsmittel vorrätig hielten. In Deutschland organisierten teilweise auch die Automobilclubs die Beschaffung des Treibstoffs, bevor die Deutsch-Amerikanische-Petroleum-Gesellschaft (DAPG) ein Netz von Verteilerstellen aufbaute.32 Fiel das Automobil vor dem Ersten Weltkrieg als Wirtschaftsfaktor in Europa kaum ins Gewicht, waren in den zwanziger Jahren Motorwagen insbesondere aus dem Stadtbild der Metropolen nicht mehr wegzudenken. Doch auch in der Weimarer Zeit blieb Deutschland beim Motorisierungsgrad hinter Frankreich, England, Belgien und der Schweiz zurück. Das populäre Bild vom Verkehrsgewühl am Potsdamer Platz in Berlin diente, da die Situation an einem neuralgischen Punkt auf die gesamte Stadt übertragen wurde, eher dazu, den Weltstadtanspruch zu untermauern, als dass es tatsächlichen Verkehrsverhältnissen entsprach.33 1932 besaß jeder fünfte Amerikaner ein Auto, während in Deutschland nur jeder Hundertste durch den Besitz eines Kraftwagens motorisiert war. Da man 1930 für den Unterhalt eines Autos in Deutschland über ein jährliches Bruttoeinkommen von etwa 8.000 Reichsmark verfügen musste, ein Betrag, der den durchschnittlichen Industriearbeiterlohn um das Vierfache überstieg und den nur zwei Prozent der Bevölkerung erzielten, ist die geringe Fahrzeugdichte nicht erstaunlich.34 Wurden in wilhelminischer Zeit handwerklich gefertigte Einzelstücke angeschafft und zu Luxus- und Sportzwecken genutzt, folgten bald benutzerfreundlichere Konstruktionen, die als Zeitsparmaschinen für Gewerbe und Beruf Verwendung finden konnten. Die in der Zwischenkriegszeit einsetzende industrielle Serienfertigung verbilligte das Produkt. Die Massenmotorisierung erreichte Deutschland aber erst in den 1960er Jahren. Daher blieben die Demokratisierungseffekte, die aus einer Diffusion der neuen Technik in die Sozialstruktur abzuleiten sind, bis weit in die fünfziger Jahre hinein Utopie. Die heutige Vollmotorisierung, bei der ein Auto auf zwei bis drei Einwohner entfällt, besteht in der Bundesrepublik erst seit 1979. Im jetzigen Zustand der Marktsättigung ersetzen neue Modelle lediglich ausgediente Fabrikate.35

32 33 34 35

44

Vgl. Motorfahrzeug, S. 52; Thebis, S. 244; Polster, S. 19, S. 21; Niemann, S. 113ff. Vgl. Briesen, S. 41ff. Vgl. Gömmel, S. 304. Vgl. Edelmann, S. 12f.

Tab. 2: Kraftwagenbestand* in Europa und den U S A im Verhältnis zu Einwohnerzahl (EW) und Bodenfläche 1920 bis 1932 Deutschland

Österreich

Jahr

EW/ Kraftwagen

Kraft- EW/ wagen/ KraftlOOqkm wagen

1920 1922 1924 1926 1928 1930 1932

834 495 407 211 134 97 95

15 26 31 60 97 135 140

Frankreich

531 377 274 171 233

Kraft- EW/ wagen/ KraftlOOqkm wagen

17 20 28 37 33

Belgien

Italien

Schweiz

262 216 168 102 74 53 45

Kraft- EW/ wagen/ KraftlOOqkm wagen

Kraftwagen/ lOOqkm

34 44 56 92 132 186 210

11 17 24 36 48 87 90

Großbritannien

985 736 455 346 266 150 145 USA

Jahr

EW/ Kraftwagen

Kraft- EW/ wagen/ KraftlOOqkm wagen

Kraft- EW/ wagen/ KraftlOOqkm wagen

Kraft- EW/ wagen/ KraftlOOqkm wagen

Kraftwagen/ lOOqkm

1920 1922 1924 1926 1928 1930 1932

198 176 90 54 43 27 24

35 41 79 130 167 269 300

40 110 190 308 332 476 502

170 233 260 388 475 609 630

113 149 189 244 283 324 320

625 237 122 82 79 56 51

180 91 71 49 38 31 27

14 10 7 6 5 4,6 4,7

•Kraftwagen: Pkw und Lkw (ohne Motorräder), Werte gerundet. Quellen: MW, 1920, S. 484; 1923, S. 111; 1925, S 38, S. 277f;1928, S. 80; Statistisches Jahrbuch, 1926, S. 77; 1927, S. 75; 1928, S. 71; 1929, S. 72; 1930, S. 78; 1932, S. 78; Motor, 1932, Nr. 4, S. 17; RdA, Tatsachen, S. 80; AAZ, Jg. 19, 1918, Nr. 42, S. 10; Jg. 24, 1923, Nr. 19/20, S. 24; Baumann, S. 412; Allmers, S. 4, S. 266.

45

2. Ursachen und Manifestationsbedingungen des Protests: Konfliktpotentiale des frühen Automobilverkehrs

a) Klassendifferenzierende Wirkungen des Automobils

In modernen Industriegesellschaften beruht gesellschaftliches Prestige letztlich auf finanzieller Leistungsfähigkeit. Die pekuniären Ressourcen können durch demonstrativen Konsum sichtbar gemacht werden. Die »conspicious consumption« repräsentiert Macht und Würde und verweist auf den gesellschaftlichen Rang einer Person.1 Gerade das Auto eignete sich hervorragend dazu, einen luxuriösen Lebensstil zu demonstrieren, da seine Benutzung im öffentlichen Raum stattfand. Diese sozialdifferenzierende Wirkung der Autonutzung wurde bereits von den Zeitgenossen als eine entscheidende Ursache für die Abneigung gegen den Kraftverkehr vermutet. Stets war daran die Hoffnung geknüpft, mit fortschreitendem Motorisierungsgrad werde der Unmut, der sich auf den »Neid der Besitzlosen« stützte, verschwinden. Eugen Diesel berichtete beispielsweise über die aufreizende Wirkung des Autos beim Zusammentreffen mit einem Demonstrationszug in der französischen Schweiz: »Der Anblick der Streikenden [...] war uns unbehaglich, denn ein schönes kapitalistisches Auto mußte auf die streikenden Arbeiter wirken wie das rote Tuch auf den Stier [...] Ich fühlte, wie ich als Vertreter einer feindlichen Klasse angesehen wurde [...] Im schönen roten Auto sitzend beschlich mich das Gefühl eines schlechten Gewissens [...], ich wußte, daß jeder von ihnen von einer Summe, die dem Wert unseres Autos entsprach, zwanzigjahre und länger mit seiner Familie leben mußte [...]«2

Um Aufschluss über die Sozialstruktur des frühen Automobilismus zu gewinnen, bietet sich eine Analyse der Mitgliederstruktur von Automobilclubs an, da diese einen großen Teil der Autofahrer organisierten. 1913 waren in den verschiedenen Vereinigungen an die 35.000 Autofahrer vertreten. Damit war bei einem Kraftfahrzeugbestand von gut 77.000 Einheiten, lässt man Doppelmitgliedschaften unberücksichtigt, jeder zweite Autofahrer organisiert. Wegen

1 Vgl. Vehlen, Theorie der feinen Leute. 2 Diesel, S. 140-142.

47

der teilweise recht hohen Mitgliedsbeiträge repräsentierten die Mitglieder der Automobilclubs allerdings eher den besser situierten Teil der Autofahrer.3 In der Gesamtbetrachtung treten besitzbürgerliche Schichten als Protagonisten der Motorisierung eindeutig hervor. Neben der differierenden Höhe der Mitgliedsbeiträge determinierte jedoch auch ihre unterschiedliche Ausrichtung die Zugehörigkeit zu den Automobilclubs. Daher macht der Vergleich der Mitgliedschaften der verschiedenen Clubs einige Differenzierungen in der Soziologie des frühen Autofahrens sichtbar:4 Der Anteil von Adligen war im KAC mit 28,9 Prozent der Mitglieder am größten; Anfang der dreißiger Jahre waren noch 20 Prozent aller Mitglieder des Clubs Adlige, was den exklusiven Anspruch des AvD unterstrich. Damit lagen KAC bzw. AvD deutlich über dem Adelsanteil im Kartell der Automobilclubs von 14,4 Prozent. Die hierin erfassten 7100 Personen, die in zahlreichen regionalen Clubs unterschiedlichen gesellschaftlichen Anspruchs organisiert waren, dürften einen repräsentativen Ausschnitt der Autofahrer abbilden. Geringere Adelsanteile wiesen mit 1,3 bzw. 6,8 Prozent die mittelständische DMV und der bürgerlich geprägte MMV auf (s. Tab. 3 und Schaub. 1). Ahnlich verhielt es sich mit der Erwähnung von Ehrentiteln, die eine herausgehobene gesellschaftliche Position signalisierten. Im KAC und auch noch im AvD war der Anteil von Offizieren der Reserve, von Geheimen Kommerzienräten und von Personen, die Hofamter inne hatten, am höchsten. Von den Mitgliedern der im Automobilkartell organisierten Clubs und der im MMV vertretenen Wirtschaftselite konnte ungefähr jeder Zwanzigste einen Ehrentitel aufweisen, während unter den 998 Erstmitgliedern der DMV lediglich bei einer Person ein derartiger Titel Erwähnung fand. Der Frauenanteil war in allen Clubs sehr gering und erreichte im KAC mit 5,5 Prozent den höchsten Anteil, wobei sich die 145 im Club organisierten Frauen vor allem aus den an gesellschaftlichen Veranstaltungen teilnehmenden Ehegattinnen rekrutierten. Bis zum Ende der Weimarer Republik sank die 3 Die Analyse von Versicherungslisten erscheint weniger geeignet, da ein allgemeiner Versicherungszwang nicht bestand und die Kosten einer Unfall- oder Haftpflichtversicherung deutlich über den Beiträgen einer Clubmitgliedschaft lagen. Der Anteil der in Clubs organisierten Autofahrer betrug Anfang der dreißiger Jahre immerhin noch 25 Prozent. Die durch Doppelmitgliedschaften verursachten Verzerrungen dürften durch die Mitgliedschaft von Automobilisten mit mehreren Fahrzeugen ausgeglichen werden. Vgl. Motor, 1930, Nr. 11/12, S. 12. 4 Bereits die Gründungsmitglieder der D M V verstanden sich als Repräsentanten des motorisierten Mittelstands, weshalb später die Abgrenzung zum KAC betont wurde: »Hie ADAC - hie KAC. Hie - Mittelstand - hie - Feudalismus.« Stahlrad und Automobil, Jg. 29, 1914, Nr. 26, S. 1. Der Unterschied zwischen KAC und M M V wurde als dem zwischen Renn- und Arbeitspferd vergleichbar charakterisiert. Vgl. Bilau, S. 14. Der Mitgliederstand der automobilistischen Vereinigungen stellte sich 1913 wie folgt dar. ADAC: 21640 Mitglieder (31.3.1913), KAC: 2475 Mitglieder, 31 Kartellclubs: 6170 Mitglieder (Stand jeweils Ende 1912), MMV: 1550 Mitglieder (März 1913) und Kraftfahrer-Vereinigung Deutscher Ärzte: 2937 Mitglieder (22. 3. 1913). Vgl. Conrads, S. lf.

48

Tab. 3: Mitgliederstruktur deutscher Automobilclubs 1900 bis 1932 Automobilclub

MMV1900 abs. in %

DMV1903 abs. in %

Kartell 1910 abs. in %

Mitgliederzahl

486

100

998

100

7.100

100

2.627

100

2.093

100

33

6,8

20 23

4,1 4,7

13 1 1 139

1,3 0,1 0,1 13,9

1022 177 461 1424

14,4 2,5 6,5 20,1

759 145 509 611

28,9 5,5 19,4 23,3

418 80 187 175

20 3,8 8,9 8,4

260

53,5

254

25,5

2.863

40,3

925

35,2

1116

53,3

Fabrikanten Direktoren/Vorstand Kaufleute Bankiers Privatiers/Rentiers

97 89 39 5 30

20 18,3 8 1 6,2

81 23 144

8,1 2,3 14,4

6

0,6

1089 578 863 88 245

15,3 8,1 12,2 1,2 3,5

301 220 203 64 137

11,5 8,4 7,7 2,4 5,2

262 354 244 85 171

12,5 16,9 11,7 4,1 8,2

Bildungsbürger

37

7,6

159

15,9

722

10,2

156

5,9

195

9,3

Wissenschaftler Arzte/Apotheker Journalist/ Schriftsteller Architekt/Baumeister Künstler/Musiker Rechtsanwälte/Notare Studenten/Volontäre Geistliche

7 13

1,4 2,7

3 109

0,3 10,9

100 275

1,4 3,9

46 54

1,8 2,1

43 30

2,1 1,4

7 5

1,4 1

5

1

7 17 7 5 10 1

0,7 1,7 0,7 0,5 1,0 0,1

37 126 41 107 32 4

0,5 1,8 0,6 1,5 0,5 0,1

6 13 14 20 3

0,2 0,5 0,5 0,8 0,1

16 13 6 83 4

0,8 0,6 0,3 4,0 0,2

Mittelstand

138

28,4

408

40,9

1.144

16,1

184

7,0

237

11,3

Händler Gastwirte Handwerker Ingenieure Techniker Angestellte

36 1

7,4 0,2

354 56 29 609 14 82

5,0 0,8 0,4 8,6 0,2 1,2

3,5

115

5,5

16,5 1,4 2,9

20,6 1,8 3,5 3,3 5,3 6,3

93

80 7 14

206 18 35 33 53 63

2 82

0,1 3,1

110

5,3

7

0,3

12

0,6

Staatsdienst

22

4,5

29

2,9

735

10,4

549

20,9

213

10,2

Beamte/Diplomaten Offiziere Politiker/Funktionäre

15 7

3,1 1,4

20 9

2,0 0,9

308 379 48

4,3 5,3 0,7

252 219 78

9,6 8,3 3,0

152 13 48

7,3 0,6 2,3

6

1,2

9

0,9

212

3,0

202

7,7

157

7,5

Adlige Frauen Ehrentitel* Ohne Berufsangabe Besitzbürger

Landwirtschaft

KAC 1914 abs. in %

AvD 1932 abs. in %

•Ehrentitel: Kommerzienrat, Geh. Kommerzienrat, Reserveoffizier, Landwehroffizier, Konsul, Handelsrichter, Hofämter; Anteilswerte gerundet.

49

MMV1900

DMV1903

Kartell 1910

KAC 1914

A v D 1932/33

• ohne Angabe • B e s i t z b ü r g e r t u m • Bildungsbürgertum 0 Mittelstand E3 Staatsdienst • L a n d w i r t s c h a f t ]

Quellen: MW, Jg. 3, 1900, Beilage, MMV, Verzeichnis der Mitglieder Anfang 1900; Deutscher Rad- und Motorfahrer, Jg. 19, 1903, Nr. 22/23, S. 2-10; Braunbeck, SportLexikon, S. 399ff; KAC, Mitglieder-Verzeichnis 1914; AvD, Mitglieder-Verzeichnis 1923/33. Bei Mehrfachangaben wurde die Erstnennung aufgenomen.

Schaub. 1: Berufsstruktur der Mitglieder deutscher Automobilclubs

Frauenquote und betrug 1932/33 im AvD noch 3,8 Prozent. Die vielfach behauptete emanzipatorische Wirkung des Autofahrens schlug sich somit nicht in einer Clubmitgliedschaft nieder. 1910 waren unter den 7100 in den Kartellclubs organisierten Autointeressenten lediglich 177 Frauen. Im MMV spielten Frauen um die Jahrhundertwende keine Rolle, und auch unter den ersten Tausend Mitgliedern der Vorläuferorganisation des ADAC befand sich nur eine Frau.5 Die Berufsstruktur der untersuchten Mitgliedschaften war stark besitzbürgerlich geprägt. Uber 40 Prozent der in den Vereinigungen des Automobilkartells vertretenen Autofahrer gehörten dem Besitzbürgertum an. Auf mittel5 In der Automobilwerbung wurden Bilder weiblicher Mobilität eher inszeniert, als dass sie der Realität entsprachen. Während das Auto zur Verhärtung von Geschlechtsstereotypen beitrug, ist das Fahrrad viel eher als »Emanzipationsvehikel« anzusprechen. Vgl. Sandgruber, S. 53-63. Dage-

gen: Kroll-Marth, S. 55-57.

ständische Berufsgruppen entfielen 16,1 Prozent aller Mitglieder. Es folgten mit Anteilen von jeweils knapp über zehn Prozent im Staatdienst Tätige sowie bildungsbürgerliche Gruppen. Der geringe Anteil in der Landwirtschaft tätiger Mitglieder wies auf die städtische Verankerung des frühen Automobilismus hin. U m diese Mittelwerte, welche die Repräsentativität der Kartellmitgliedschaft unterstreichen, gruppierten sich die Mitgliedschaften der anderen Clubs: Der M M V wies mit einem Anteil von 53,5 Prozent Besitzbürgern die stärkste wirtschaftsbürgerliche Prägung auf. Fabrikanten bildeten mit 97 Personen die größte Berufsgruppe.6 Daneben fanden sich zahlreiche Direktoren und Ingenieure als Repräsentanten tangierter Industrien in der Mitgliedschaft des M M V Ärzte und andere dem Bildungsbürgertum zugehörige Berufsgruppen waren wie die Beamtenschaft unterrepräsentiert. Die Mitgliedschaft der D M V wurde dagegen stark durch den Mittelstandsanteil von 40,9 Prozent geprägt. Die 206 Händler bildeten hier die größte Berufsgruppe, wobei sich der überwiegende Teil aus Inhabern von Fahrrad- und Motorradgeschäften rekrutierte. Es folgten die als »Kaufleute« bezeichneten Personen mit einem Anteil von 14,4 sowie die Arzte und Apotheker mit einem Anteil von 10,9 Prozent. Der größte Anteil an Staatsbediensteten fand sich hingegen im KAC. Beamte, Politiker und Militärs bildeten mit 20,9 Prozent nach den Besitzbürgern die zweitgrößte Gruppe. Während landwirtschaftliche Berufsgruppen durch den ausgeprägten Anteil adliger Gutsbesitzer im KAC ihren Platz hatten, waren mittelständische und bildungsbürgerliche Schichten unterrepräsentiert. In der Weimarer Zeit vergrößerte sich der Anteil dieser Gruppen im AvD. Der Club blieb aber besitzbürgerlich geprägt: 354 (16,9 %) Direktoren und Vorstände, 262 (12,5 %) Fabrikanten und 244 (11,7 %) Kaufleute befanden sich unter den 2.093 Mitgliedern des AvD. Der hohe Prozentsatz der mit der Landwirtschaft verbundenen Mitglieder blieb annähernd konstant; dagegen halbierte sich der Anteil der im Staatsdienst Tätigen. Mit dieser Veränderung in der Mitgliedschaft korrespondierte der schwindende Einfluss des AvD bei den Behörden, der seine Führungsrolle an den mitgliederstärkeren ADAC verlor. In der Zwischenkriegszeit verwischten die allmähliche Ausweitung der automobilen Basis und die steigende Bedeutung des ADAC die sozialen Gegensätze und Trennungslinien zwischen Autofahrern und Fußgängern zunehmend. Die Sozialgruppen, die den gewalthaften Protest gegen den Kraftverkehr trugen, waren jedoch weiterhin in den Automobilclubs nicht vertreten. Protestierende und Protestgeschädigte gehörten anderen Gesellschaftsschichten an. Die Auseinandersetzung zwischen Autobesitzern und -nichtbesitzern wurde von diesem Klassengegensatz überlagert. 6 Nach H o r n s bildeten Automobilhersteller mit 11% die stärkste Mitgliedergruppe im M M V , gefolgt von Vertretern der Zulieferindustrien mit 8% der Gesamtmitgliedschaft. Vgl. Horras, S. 251.

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Zuweilen machte man die Exklusivität des frühen Automobilismus als alleinige Ursache für die Ablehnung des Kraftverkehrs verantwortlich. Die Ursache des Hasses auf den Autofahrer »in gewissen Volkskreisen« wäre allein in dem Wort »Besitz« zu suchen. Bei Erscheinen autokritischer Artikel in der Arbeiterpresse wurde gar behauptet, dass »Organe der roten Internationalen« Autofeindlichkeit schürten, um revolutionäre Situationen heraufzubeschwören. Noch 1927 deutete die Motorpresse Autoskepsis als Folge einer »unausrottbaren Gleichheitsidee«.7 In der Arbeiterpresse erschienen zwar Artikel, die das Auto als »den Fleisch und Blut gewordenen Grosskapitalismus« und als »aufreizend für proletarische Nerven« bezeichneten, doch blieben das seltene Ausnahmen.8 Die überwiegende Mehrzahl der sozialdemokratischen Presseorgane und Parlamentarier begrüßte den technischen Fortschritt und mit ihm den Kraftverkehr als Motor gesellschaftlichen Fortschritts. Die Redebeiträge von Sozialdemokraten in den Debatten zum Kraftverkehr kritisierten zwar Auswüchse und ließen den Wunsch nach staatlicher Kontrolle sowie steuerlicher Heranziehung der Autofahrer erkennen, zielten im Kern aber auf eine Ausweitung der automobilen Basis ab. Nicht das Bestreben, den Autoverkehr einzuschränken, sondern seine sozialdifferenzierenden Wirkungen zu überwinden, war für die Sozialdemokratie programmatisch. Dieses Ansinnen blieb zunächst utopisch.9 Auch fanden Autofeinde, die mit gewalthaften Aktionen auf den Kraftverkehr reagierten, bei Sozialdemokraten keinen Widerhall, da diesen eine tiefe Abneigung gegen die Spontanität derartiger Protestkundgebungen eigen war. Dennoch machten bürgerliche Blätter die SPD wiederholt für autofeindliche Ausschreitungen verantwortlich und warfen ihr vor, der Aufreizung zum Klassenhass Vorschub zu leisten und die »Auswüchse des Automobilwesens« für ihre »Propaganda auf dem Lande« auszunützen.10 Angesichts der fortschrittsoptimistischen Grundhaltung der deutschen Sozialdemokratie scheint eher die mangelnde politische Repräsentanz und Kanalisierung autokritischer Standpunkte gewalthafte Proteste begünstigt zu haben. 7 Vgl. MF, 1908, Nr. 47, S. 1091; AAZ,Jg. 8, 1907, Nr. 27, S. 71; Z M M (AR), Jg. 26, 1927, S. 303. 8 Zit. nach: AW, Jg. 2,1904, Nr. 23, S. 932. Die sozialdemokratische Technikbejahung fußte auf der städtischen Prägung der SPD, der es nicht gelang ländliche Hassengegensätze zu ihren Gunsten zu nutzen. Vgl. Nipperdey, S. 214f. Z u m sozialdemokratischen Technikverständnis und den zum Ausdruck kommenden Teilhabewünschen vgl. Petersen, S. 297-306; Wulf, »Maschinenstürmer sind wir keine«. 9 1904 prophezeite die Hannoveraner S P D in einem Maiaufruf: »Die Arbeiter werden einst auf eigenen Wagen fahren und mit eigenen Schiffen die Meere durchkreuzen.« Zit. nach: Kugler, Werkstatt, S. 304. August Bebel konstatierte in seinem Entwurf der Zukunftsgesellschaft, dass die Vervollkommnung aller Verkehrsmittel »eine Notwendigkeit und ein allgemein gesellschaftliches Interesse« sei, da das »nervenzerstörende Geräusch, Gedränge und Gerenne« in den Großstädten überwunden werden müsse. Autos seien in Gesellschaftseigentum zu überführen. Bebel, S. 449ff. 10 Vgl. Germania, 3. 7. 1907.

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In den Nachkriegsjahren beklagte man vor allem, dass sich eine neu entstandene Klasse von Schiebern und Kriegsgewinnlern des Autos bemächtigt hätte, wodurch die Bereitschaft steige, das Kraftfahrzeug mit Luxussteuern zu belasten. »Bolschewistische Vernichtungen« dieser Art propagierte vor allem die KPD, die in den zwanziger Jahren konsequent autokritische Standpunkte einnahm und diese mit ihrer generellen Kritik an der Klassengesellschaft verband.11 Auf parlamentarischer Ebene wurden die verbreiteten Ressentiments gegen den Kraftverkehr in verschiedenen autokritischen Initiativen aufgenommen. Dabei betrachtete die KPD-Fraktion den Kraftverkehr zuweilen differenziert, wie ein Antrag im preußischen Landtag von 1925 zeigte. Die Autobus-Unfälle im Berliner Verkehr erschienen darin nicht als Folge einer grundsätzlichen Gefährlichkeit des motorisierten Strassenverkehrs, sondern als Konsequenz der langen Arbeitszeiten des Personals, deren Begrenzung auf Acht-Stunden-Schichten man forderte. Auf die klassendifferenzierende Wirkung des privaten Autoverkehrs bezog sich dagegen ein Antrag von 1927, der die obligatorische Einfuhrung von Kotflügeln bezweckte, um die symbolische Herabsetzung proletarischer Fußgänger durch das Bespritzen mit Straßenschmutz zu unterbinden.12 Die Automobilarbeiter selbst nahmen gegenüber dem von ihnen hergestellten Produkt aus verständlichen Beweggründen keine Protesthaltung ein.13 Die modernen Strukturen und Organisationsformen des Industriebetriebs setzten sich in der deutschen Automobilindustrie erst nach dem Ersten Weltkrieg recht langsam durch. Zwar gab es bereits vor 1914 mit Einfuhrung der fließenden Produktion und Erhöhungen der Akkordsätze Ansätze zu einer rationelleren Betriebsorganisation; Zeitnahme als Bemessungsgrundlage für den Akkordlohn wurde jedoch erst nach dem Krieg üblich. Die Lohnsteigerungsrate der Automobilarbeiter übertraf zwischen 1900 und 1914 die der anderen Industrien. Außerdem zeichnete sich zunächst noch eine Mehrheit der Automobilarbeiter durch einen hohen Bildungsstand aus. So waren beispielsweise in der DMG-Belegschaft vor 1914 nur 19 Prozent Ungelernte zu finden. Trotzdem waren erste Dequalifizierungstendezen bemerkbar, die zu Protesten führen 11 Vgl. AW, Jg. 18,1920, Nr. 47, S. lf. Anlässlich einer Serie von tödlichen Unfällen protestierte die Berliner »Rote Fahne« 1921: »Der Autosport der Bourgeoisie fordert täglich Opfer. Dem perfiden Sport der Bourgeoisie, tollste, rücksichtsloseste Autoraserei durch die Straßen Berlins, fallen täglich eine immer größere Anzahl Straßenpassanten zum Opfer... Wenn hier nicht endlich durch strenge Maßnahmen Leben und Gesundheit... geschützt wird, wird die breite Masse der Berliner Bevölkerung zur Selbsthilfe greifen müssen.« Rote Fahne, 14. 10. 1921. 12 Vgl. Antrag der KPD im Preußischen Landtag, Nr. 169(29.1.1925) u.Antrag Nr. 4859 (19. 1.1927), GStA PK I. HA Rep. 169D tit. Xiq Nr. 4, Bd 1. Beide Anträge wurden abgelehnt, obwohl auch Gemeindeverwaltungen gegen die Beschmutzung von Arbeiterhäusern durch rücksichtslose Autofahrer protestierten. Vgl. ADAC-Sport, 1926, Nr. 12, S. 7. 13 Interessant ist aber, dass Autokritiker zuweilen eine Verbindung zwischen Fertigungsmethoden im Automobilbau und der mangelnden Akzeptanz des Autos in der Bevölkerung herstellten. Vgl. Kuhn, Opfer, S. 4f.

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konnten. Diese richteten sich jedoch nur indirekt gegen die fortschreitende Mechanisierung der Produktion: In den Streiks von 1906, 1910 und 1911 kämpfte man für eine kürzere Arbeitszeit, gegen Uberstunden und die Höhe der Akkordsätze. Die Konzentration auf Streiks als moderne Protestform dürfte auch auf den hohen Organisationsgrad der Automobilarbeiter zurückzuführen sein: Uber 70 Prozent der Untertürkheimer Belegschaft gehörten dem »Deutschen Metallarbeiter-Verband« an.14 In den Anfangsjahren der Weimarer Republik beklagten Betriebsleitungen Produktivitätseinbrüche in der Automobilindustrie und führten diese aufdas in der Revolution gewachsene Selbstbewusstsein der Arbeiterschaft zurück. Tatsächlich waren in den zwanziger Jahren von Gewerkschaftsseite durchaus kritische Töne zur fortschreitenden Mechanisierung und Rationalisierung der Produktion zu vernehmen. Dabei war man jedoch stets bemüht, den Anschein der Technikfeindschaft zu vermeiden.15 Rationalisierung und Fließbandproduktion wurden aber befürwortet, wenn sie die Grundlagen dafür schufen, dass schließlich auch der Arbeiter an den neuen Produkten partizipieren konnte: Im Februar 1930 versammelten sich Automobilarbeiter in Frankfurt am Main und forderten nach amerikanischem Beispiel eine Anhebung ihrer Löhne. Gleichzeitig sollten die Kaufpreise für Neuwagen gesenkt werden, um den Arbeitern den Erwerb von Autos zu ermöglichen. Die egalitäre Utopie verband das Automobil mit einer antibürgerlichen Stoßrichtung: Der Maschinenbesitz sollte den Privilegierten abgetrotzt werden, um das proletarische Selbstbewusstsein zu stärken. Das »revolutionäre Automobil« hatte der Sache der »revolutionären Arbeiterklasse« zu dienen.16

14 Vgl. Bardou, S. 56f.; Bellon, S. 26ff.; Roth, S. 56. Bei den weniger stark organisierten französischen Automobilarbeitern ließen sich auch informellere Protestformen wie absichtliche Selbstverletzung und Ausnutzen des »blauen Montags« feststellen. Vgl. Fridenson, Arbeiter, S. 251. 15 Vgl. NAG, 25 Jahre NAG, S. 26. Ein Organ der Verkehrsarbeiter kritisierte die Mechanisierung 1924 aus gewerkschaftlicher Sicht: »Es fällt uns nicht ein, Kriegslieder gegen die fortschreitende Technik zu singen, aber die alten Griechen haben sich die Befreiung der Menschen von der Arbeit durch die mechanischen Hilfsmittel etwas anders vorgestellt. Und der moderne Sozialismus will absolut nicht begreifen, daß die Maschinen erfunden worden sind, um die Arbeiter dem Hunger zu überliefern und den Kapitalisten die Geldsäcke zu füllen.« Deutscher Verkehrsbund, Jg. 2 , 1 9 2 4 , Nr. 5, S. 19. 16 Vgl. Meier, S. 94-104.

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b) Wirkungen des Kraftwagens auf Verkehrsräume und Verkehrsträger

Die ländliche Bevölkerung erregte vor allem, dass die beschauliche Ruhe der Landstraßen verschwand, als immer mehr Autos auftauchten und alle Verkehrsteilnehmer zu diszipliniertem Verhalten zwangen. Das Fehlverhalten vieler Autofahrer steigerte die Animositäten, so dass sich die Automobilclubs zuweilen gezwungen sahen, ihre Mitglieder zur Befolgung gesetzlicher Vorschriften und Einhaltung einer rücksichtsvollen Fahrweise aufzufordern. Insbesondere das Uberfahren von Hunden, Gänsen und Hühnern schien fur viele »Herrenfahrer« dem sportiven Charakter des Automobilismus zu entsprechen. Dabei berücksichtigten sie nicht den Wert, den die getöteten Tiere für die oft wenig begüterten Besitzer hatten, und betrachteten das Uberfahren von Hunden und Kleinvieh als Kavaliersdelikt. Die Motorpresse erkannte das rücksichtslose Verhalten gegenüber Haus- und Nutztieren aber als eine mögliche Ursache gewalthafter Angriffe. Tatsächlich empfahlen die Lokalblätter der ländlichen Bevölkerung verschiedentlich die Anwendung von Gewalt als »Selbsthilfe«, um die Entrichtungeines Schadensersatzes zu erzwingen.17 Meist bewegten sich die ländlichen Initiativen gegen den Kraftverkehr aber in einem friedlichen Rahmen und zielten auf eine Begrenzung der als zu hoch empfundenen Geschwindigkeiten ab. So forderte der Deutsche Schäferbund kurz vor dem Ersten Weltkrieg in einer Petition an den Reichstag Modifikationen in der gesetzlichen Regelung des Kraftverkehrs. Autokennzeichen müssten besser erkennbar sein. Außerdem seien die Autofahrer zu verpflichten, bei Begegnung mit Viehherden von weitem Signal zu geben und im Falle der Tötung eines Tieres den Schaden sofort zu ersetzen. Bereits 1905 regte eine Versammlung ostfriesischer Landwirte die Einfuhrung obligatorischer Fahrtenbücher für Autofahrer an. Alle Autos sollten mit verplombten Geschwindigkeitsregistratoren ausgestattet werden, die bei Überschreitung von 30 km/h eine Signallampe entzündeten. Auf Strassen unter einer Breite von sechs Metern wollte man den Verkehr mit Kraftfahrzeugen generell verboten wissen. Derar17 »Gegenüber dem Verhalten des Automobilspleens, alles auf und an der Landstrasse als vogelfrei zu betrachten und zu behandeln, kann angesichts der Ohnmacht des Staates nur Selbsthilfe die Automobilrowdies zur Besinnung zurückfuhren, und es sollte uns wundern , wenn nicht da und dort der Landbewohner zum Schrotlauf langen sollte, um solch« rasenden Autos zum mindesten die Weiterfahrt und eventuell feige Flucht zu vergällen.« Bayerisches Vaterland, Oktober 1906, zit. nach AW, Jg. 4,1906, Nr. 92, S. 1. Auto-Handbücher forderten ein rücksichtsvolles Verhalten: »Das Automobil wird an und für sich schon von allen Straßenbenützem als ein brutales Fahrzeug empfunden, verstärken wir diesen Eindruck nicht noch dadurch, daß wir es in brutaler Weise benutzen.« Filius, S. 27. Zur sozialdarwinistisch geprägten Herrenmentalität vieler Autofahrer vgl. Studberg, S. 53ff.

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tige Initiativen wurden im Deutschen Landwirtschaftsrat diskutiert, wo man seit 1906 eine Geschwindigkeitsbegrenzung auf der offenen Landstraße forderte. Auch der »Verband der Vereinigten Bauernvereine Deutschlands« wies 1907 in einer Resolution an die Reichsregierung auf die wachsende Erregung der Landbevölkerung hin und setzte sich für strenge gesetzliche Maßnahmen gegen die »Automobilgefahr« ein.18 Neben verständlichen Einwänden gegen spezielles Fehlverhalten von Autofahrern fanden sich in den Blättern der ländlichen Bevölkerung auch Stimmen grundsätzlicherer Automobilkritik. So wurden Autofahrer im Organ des Bundes der Landwirte (BdL), der »Deutschen Tageszeitung«, pauschal diffamiert, und der nationalliberale »Deutsche Bauernbund« vertrat ebenfalls fortschrittsfeindliche Standpunkte: Vor allem zeichnete sich das Blatt durch einen ausgeprägten Großstadthass aus, der leicht auf Autofahrer übertragen werde konnte. Im August 1914 sah das Agrarierorgan beispielsweise die Großstadt von »geilen Dirnen« und »Lebejünglingen« bevölkert. Die wohlhabenden städtischen Schichten seien »völlig degeneriert« und müssten »vertilgt und vernichtet« werden, um die »Wunden am Volkskörper auszubrennen«. Diese drastischen Formulierungen mögen den Empfindungen des ersten Kriegsmonats geschuldet sein, offenbarten aber tiefes Misstrauen gegenüber der Großstadt, deren Bewohner der Landbevölkerung vermehrt als Autofahrer gegenüberzutreten begannen.19 Derartige Anfeindungen konnten nicht widerspruchslos hingenommen werden und führten ihrerseits zu einer stereotypen Wahrnehmung der Landbevölkerung durch die Autofahrer, die das platte Land als Synonym für Fortschrittsfeindlichkeit zu betrachten begannen. Die Agrarier lehnten das Auto demnach ab, da es Stadt und Land in eine engere Beziehung zueinander bringe sowie Ansprüche an bessere Strassen und verkehrsgerechtes Verhalten stelle. Schließlich sei der »biedere Landmann« allem Neuen gegenüber misstrauisch. Man ging sogar soweit, eine aufsteigende Kulturentwicklung vom Dorf über die Kleinstadt bis hin zur Großstadt anzunehmen, die auch Unterschiede in der Einstellung zum Auto begründe. Autofeindliche Aktionen, die in Kleinstädten eher vorkämen als in Dörfern, wurden dabei ironisch ins Positive gewendet, da sie auf eine Auseinandersetzung mit dem neuen Verkehrsmittel verwiesen, zu der stumpfsinnige Dörfler nicht in der Lage seien.20 Im Ersten Weltkrieg beobachtete die Motorpresse eine veränderte Einstellung der Landbevölkerung. Der Kriegseinsatz des Autos habe viele Vorurteile des »schlichten Landmannes« beseitigt, da sich der Kraftwagen von seiner Rolle 18 Vgl. Petition Nr. 1461 13. Leg.Per. 1. Sess. (1912/14), GStA PK I. H A Rep. 77 tit. 1328 Nr. 11, Bd 6; Deutscher Landwirtschaßsrat, S. 153ff.; A W J g . 3 , 1 9 0 5 , Nr. 49, S. 2165; MW, Jg. 10,1907, S. 824; AAZ, Jg. 8, 1907, Nr. 39, S. 62. 19 Deutscher Bauernbund, Jg. 6,1914, Nr. 34, S. 289. 2 0 Vgl. AW, Jg 4, 1906, Nr. 31, S. 5; MF, 1910, Nr. 6, S. 93-95.

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als Luxusvehikel emanzipiert und als dem Gemeinwohl dienendes Gut bewährt habe. Doch die patriotische Einschätzung einer Zurückdrängung der Automobilfeindschaft erwies sich als Illusion. Tatsächlich traten Stadt-LandGegensätze im Krieg vor allem aufgrund des Nahrungsgefälles eher deutlicher hervor. Die Einschränkungen des Kraftverkehrs nach Beendigung des Krieges führte man wiederum auf die subjektive Gegnerschaft der Landwirtschaft zurück, die im Auto immer noch ein Luxusobjekt und in seinem Betrieb eine Verschwendung von Betriebsstoffen sehe.21 Die im ländlichen Milieu vorhandene Skepsis gegenüber der Motorisierung konnte nur überwunden werden, indem Motoren in der Landwirtschaft selbst Anwendung fanden. Der diskontinuierliche Produktionsablauf in der Landwirtschaft erschwerte aber ihre rentable Motorisierung. Erst nach dem Ersten Weltkrieg boten sich günstigere Bedingungen. Die immensen Kriegsverluste an Pferden und der drückende Arbeitskräftemangel offenbarten die Notwendigkeit einer Intensivierung der Motorkultur. Insbesondere der Einsatz von Motorpflügen wurde nun propagiert. Auch die Gespanntierhaltung schien den Forderungen neuzeitlicher Betriebsorganisation nicht mehr gewachsen zu sein. In den zwanziger Jahren kam es daher nach amerikanischem Vorbild zu vermehrtem Maschineneinsatz, der sich jedoch auf Großbetriebe konzentrierte.22 Die sich im Zuge der beginnenden Motorisierung verändernden Produktionsformen führten zu einer größeren Vertrautheit mit der modernen Technik. Andererseits verstärkten sie die durch die politische Instabilität der zwanzigerJahre bedingte Beunruhigung der ländlichen Gesellschaft. Eine neuerliche Konzentration auf den dörflichen Mikrokosmos, in dem Sozialbeziehungen nach traditionellen Mustern abliefen, war die Folge. Dabei zeigten dörfliche Gemeinschaften eine erstaunliche Resistenz gegenüber Verbürgerlichungstendenzen und bewahrten ihre traditionellen vorbürgerlichen Sozialstrukturen. Das paternalistische Verhältnis zwischen Gutsbesitzer und Landarbeiter hatte in der ostelbischen Grundherrschaft bis in die Weimarer Republik Gewicht. Insgesamt schottete sich die Bauernschaft von der Außenwelt ab und empfand jeden Eingriff des Staates als Eingriff in die Privatsphäre.23 Die Umbruchssituation in der Landwirtschaft begünstigte trotz allmählicher Gewöhnung und zunehmender Verwendung neuer Transporttechniken die Kontinuität latenter Protestpotentiale in der ländlichen Gesellschaft, die gegen ortsfremde Eindringlinge wie die Autofahrer mobilisiert werden konnten. 21 Vgl. MF, 1915, Nr. 19, S. 9; Nr. 33. S. 1; AAZ, Jg. 21,1920, Nr. 24, S. 15; Kocka, S. 129ff. 22 Vgl. MW, Jg. 20,1917, N r . 22, S. 285ff.; Rook, S. 233-249. 23 MitdemEinzug von Berufsverbänden in die ländliche Welt beauftragten die Landbewohner nicht länger die Dorfgemeinschaft mit der Wahrnehmung ihrer Interessen sondern dorffremde Verbände, womit Verbürgerlichung und Modernisierung auch am ländlichen Leben nicht vorbeigingen. Die Landarbeiter organisierten sich im »Reichslandbund«, der in Systemopposition zum Liberalismus trat und sich gegen die Zerstörung dörflicher Gemeinschaften durch die gesellschaftliche Moderne wandte. Vgl. Merkenich, S. 26-34.

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Trotzdem glaubte die Motorpresse Mitte der zwanziger Jahre Teilerfolge in Richtung auf wirkliche Verhaltensänderungen verkünden zu können. Triumphierende Erfolgsmeldungen über Verhaltensanpassungen verwiesen jedoch auch auf das tatsächliche Ausmaß des Problems. Wurde auf den regionalen »Eigen-Sinn« einzelner Landsmannschaften hingewiesen, verdeckte dies nur den allgemeinen dörflichen »Eigen-Sinn«, mit dem sich die Autofahrer konfrontiert sahen. Das Dorf bildete weiterhin einen relativ starren Orientierungs-, Kontroll- und Sanktionsrahmen, der den Bewohnern Integration und Schutz nach außen bot. Zur Außenwelt, welche immer öfter der Autofahrer repräsentierte, bestand ein spannungsgeladenes Verhältnis. Die Gleichzeitigkeit von Anpassung, Distanz und Widersetzlichkeit war dabei kennzeichnend. Ein prägendes Merkmal des Dorfbewohners blieb seine relative Immobilität, die eine lokale Begrenzung des Erfahrungsraumes nach sich zog.24 Konnten ländliche Proteste durch den massiven Einbruch des Autos in vormals verkehrsarme Räume hervorgerufen werden, nahm der Straßenverkehr in den Städten bereits vor dem Auftauchen der ersten Automobile durch die wachsenden Transporterfordernisse beständig zu. Verkehrsgerechtes Verhalten konnte hier bereits im Umgang mit Straßenbahnen und Pferdeomnibussen eingeübt werden, so dass sich das Auto allmählich in den städtischen Verkehr integrierte. Klassendifferenzierende Wirkungen des Kraftverkehrs wurden in den Städten durch die Motorisierung des öffentlichen Nahverkehrs abgemildert. Außerdem traten die positiven Wirkungen des Autos in den Städten deutlicher hervor: Belästigungen durch den Gestank von Pferdeexkrementen konnten schrittweise reduziert werden. Als ernsthaftes Problem kristallisierte sich aber in allen Verkehrsräumen das Scheuwerden der Pferde heraus. Teilweise sah man das Verhalten der Pferde als Haupthindernis für die rasche Verbreitung der Kraftwagen an, interpretierte es aber vielfach als Gewöhnungsproblem, da sich gerade in Gegenden, die wenig von Autos frequentiert wurden, die Pferde besonders unruhig zeigten. Die entscheidende Ursache für das Scheuen der Pferde schrieben die Automobilisten aber dem Fehlverhalten der Kutscher zu, die beim Nahen eines Autos überstürzt reagierten und somit die eigentliche Schuld an der tierischen Nervosität trägen. Dass die Pferde nicht wegen der hohen Geschwindigkeit der Autos, sondern wegen deren fehlender Bespannung und den ungewohnten Geräuschen scheuten, stellte man bereits 1904 fest. Die Meinungen über das richtige Verhalten gegenüber unruhigen Pferden blieben aber gespalten: Autofahrer waren gesetzlich dazu verpflichtet, im Notfall anzuhalten und den Motor abzustellen, um ein Durchgehen der Pferde zu vermeiden. Andererseits empfahl die Fachpresse, auf keinen Fall das Tempo zu reduzieren, da dadurch unerfahrene Zugtiere zusätzlich beunruhigt werden könnten. Lokale Verordnungen forder24 Vgl. ADAC-Sport, 1925, Nr. 66, S. 5; Brüggemann u. Riehle, S. 17ff.

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ten von den Fuhrwerkslenkern schließlich die Anpassung ihres Verhaltens an die neuen Verkehrsgegebenheiten. Das rechtzeitige Ausweichen und das Absteigen im Notfall wurden zur Pflicht. Von den Autofahrern verlangten die Gerichte vor allem rechtzeitiges Hupen, um den Kutschern die Gelegenheit zu geben, die nötigen Maßnahmen zur Beruhigung der Pferde einzuleiten.25 Der Gegensatz zwischen Pferde- und Autoverkehr blieb auch in der Weimarer Zeit bestehen. So opponierte die »Reichsvereinigung deutscher Pferdeinteressenten« wegen erhöhter Straßenabnutzung durch die Autos gegen jegliche Herabsetzung der Kraftfahrzeugsteuer und sprach sich gegen eine erweiterte Beteiligung des Reiches an Kraftverkehrsgesellschaften aus. 1927 veranstaltete die Vereinigung, sinnfälligerweise auf der Berliner AVUS, eine Pferdeschutzwoche, mit der auf die drohende Verdrängung des bewährten »Kriegskameraden« durch die Motorisierung hingewiesen werden sollte.26 Fuhrwerksbesitzer und Droschkenkutscher entwickelten sich nicht nur aufgrund der alltäglichen Verkehrskonflikte zu Feinden des Autos, sondern bangten angesichts seines stetigen Vordringens auch um ihre wirtschaftliche Existenz. Schmiede und Wagenbauer fühlten sich ebenfalls bedroht. Die Befürchtungen traditioneller Handwerker und Gewerbetreibender, durch die neue Industrie und die motorisierte Konkurrenz verdrängt zu werden, ergänzten die »Motorphobie« um klassenkämpferische Momente. Die Automobilindustrie und die mit ihr verbundenen Gewerbezweige boten sich aber auch als potentielle Arbeitgeber an, was anfangliche Ängste teilweise zerstreuen konnte. Tatsächlich bedrohte das neue Verkehrsmittel Angehörige etablierter Berufszweige nur bedingt in ihrer Existenz. Wagenbauer und Sattler konnten als Zulieferer in der handwerklich orientierten Automobilindustrie Arbeit finden, da sich mit der Fertigung von Holzkarosserien oder Lederverdecken neue Beschäftigungsperspektiven ergaben. Karosseriebauunternehmen gingen aus dem Kutschenbau hervor, während sich die ersten Kfz-Schlosser aus ehemaligen Schmieden rekrutierten. Im Dienstleistungsbereich schuf das Automobil in Garagenbetrieben, Fahrschulen und Benzinverteilstellen neue Arbeitsplätze.27 Trotzdem vollzog sich die Motorisierung von Berufen, die vormals mit dem Pferd verbunden waren, keineswegs problemlos. Der Betrieb einer Taxe stellte für den Besitzer ein erhebliches finanzielles Risiko dar, wie die regelmäßigen Arbeitskonflikte zwischen Taxiunternehmern und -fahrern um den Gewinnanteil belegten. Vereinzelt kam es bei der Einfuhrung von Motordroschken zu Streik- und Protestaktionen der Pferdekutscher, die sich in ihrer wirtschaftlichen Existenz bedroht sahen und gegen den Kraftverkehr opponierten. In Rom 25 Vgl. AW,Jg. 1,1903, Nr. 39, S. 951; AAZ,Jg. 5,1904, Nr. 35, S. 11-14;Jg. 7,1906, Nr. 29, S. 64; Jg. 10,1909, Nr. 19, S. 57; Nr. 25, S. 54; ZMM, Jg. 7,1908, Nr. 5. S. 107. 26 Vgl. Der Deutsche Fuhrherr, Jg. 4, 1927, Nr. 1, S. 9; Nr. 2. S. 14; Nr. 3, S. 1. 27 Vgl. Glaser, Automobil, S. 13; Horras, S. 209.

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streikten beispielsweise 1908 die Fiakerfahrer gegen die Einfuhrung des Motorbetriebs; selbst aus dem ägyptischen Alexandria meldete man gewalttätige Protestaktionen der Kutscher. In Deutschland waren ökonomisch motivierte Streiks von Kutschern gegen den Autoeinsatz jedoch nur in einer Übergangsphase zu beobachten. Den Versuch, im Harz 1921 einen Linienbetrieb mit Postautomobilen aufzunehmen, vereitelten nicht Pferdeinteressenten, sondern Vertreter der kommunalen Kraftverkehrsgesellschaft mit Waffengewalt. Interne Konflikte des Kraftfahrwesens, in denen sich unterschiedliche Gruppen von Automobilinteressenten einem ruinösen Wettbewerb ausgesetzt sahen, hatten bereits die Spannungen zwischen Motor- und Pferdebetrieb überlagert.28 Virulent blieb der Gegensatz zwischen Automobil und Eisenbahn, der sich bereits zu Beginn des Automobilzeitalters in den zahlreichen Eisenbahnschmähungen der Autofreunde erahnen ließ. Die bürgerlichen Exponenten des elitären Automobilismus waren stets auf Abgrenzung zum tendenziell egalitären Massentransport auf der Schiene bedacht. Initiativen, wie der Einspruch von Autointeressenten, die 1908 Bedenken gegen den Bau einer Straßenbahn von Wiesbaden nach Rüdesheim erhoben, da sie den Autoverkehr in engen Straßen beeinträchtigt sahen, blieben aber die Ausnahme. Der Konflikt zwischen Bahn und Auto konzentrierte sich vor dem Ersten Weltkrieg vielmehr auf die mit dem Unfallschwerpunkt Bahnübergang verbundenen Probleme. Angesichts der hohen Strafen, mit denen ein Fehlverhalten der Autofahrer wegen Eisenbahntransportgefährdung geahndet werden konnte, sprachen sich die Automobilclubs für die verstärkte Sicherung der Ubergänge und verschärfte Aufsichtspflichten der Bahnunternehmen aus. Außerdem wollte man eine Ausweitung des Geltungsbereichs der Transportgefahrdung auf Straßenbahnen verhindern. In den zwanziger Jahren entwickelte sich die Transportgefährdung an Straßenbahnen, die unter dem Schutz des Kleinbahngesetzes standen, dann tatsächlich zum häufigsten Fahrlässigkeitsdelikt im Autoverkehr.29 In der Weimarer Zeit sah sich die Bahn durch den Lkw-Verkehr mit einer neuen Konkurrenzsituation konfrontiert, die ihre Transportleistungen zunehmend auf den Langstreckentransport beschränkte. Begünstigt durch die räumliche Verdichtung der Produktionszentren wurden Lkw im rheinisch-westfälischen Industriegebiet und in Sachsen bald zu einer preiswerten Alternative. Im Rheinland verbesserte sich die Konkurrenzfähigkeit der Lkw zusätzlich aufgrund der Beschlagnahme von Eisenbahntransportmitteln durch die französische Besatzungsmacht, so dass Mitte der zwanziger Jahre ein Fünftel aller in

28 Vgl. Haas u. Kloke, S. 13-15; Der Automobil-Fahrbetrieb, 1908, N r . 5, S. 82; B A R 1501, Nr. 14147. 29 Vgl. AAZ, Jg. 9 , 1 9 0 8 , Nr. 48, S. 51; Jg. 12,1911, Nr. 46, S. 45;Jg. 14,1913, Nr. 46, S. 10; Jg. 2 4 , 1 9 2 3 , Nr. 18, S. 35.

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Deutschland zugelassenen Lkw dort beheimatet waren. Der jährliche Einnahmeausfall durch den Lkw-Verkehr wurde 1927 von den Bahnverwaltungen auf 250 Millionen Mark beziffert und betrug 1929 bereits 410 Millionen Reichsmark. Reichsweit entfielen noch 57 Prozent der Transportleistungen der Bahn auf den Nahverkehr mit Entfernungen bis zu 100 Kilometern, im Rheinland lag der Anteil gar bei 80 Prozent. Gebührenermäßigungen erwiesen sich als notwendig, um diese Anteile zu halten. Außerdem forderten Bahninteressenten Steuererhöhungen für den Lkw-Transport und die Gleichstellung in der Haftpflichtregelung, um eine Parität der Wettbewerbslage herzustellen.30 Nach Ansicht der Motorpresse hatte der Lkw seine Überlegenheit, die in höherer Flexibilität und Kostenvorteilen begründet war, bereits bewiesen. Dem verstärkten Einsatz im Langstreckenverkehr stände lediglich das schlecht ausgebaute Strassennetz entgegen. Forderungen nach stärkerer Heranziehung zur Wegeunterhaltung und nach Konzessionszwang für den gewerblichen Krafttransport wurden entschieden zurückgewiesen. Auch betonte man, dass eine Stärkung von Binnenschifffahrt und Lkw-Fernverkehr als Korrektiv zur monopolistischen Tarifpolitik der Bahn unerlässlich wäre.31 Der Deutsche Industrieund Handelstag befürwortete dagegen 1930 die Genehmigungspflicht des gewerblichen Kraftverkehrs, um der Konkurrenz durch Kraftverkehrslinien und dem ruinösen Wettbewerb einer Uberzahl von Kraftdroschken entgegenzuwirken. Schließlich konnte die Reichsbahn in der Verteidigung ihres Monopols für den Güterfernverkehr einen gewissen Erfolg erzielen: Mit der »Verordnung über den Uberlandverkehr mit Kraftfahrzeugen« vom Oktober 1931 sahen sich die privaten Lkw-Besitzer zusätzlichen finanziellen Belastungen ausgesetzt.32 Auf den Rückhalt einer einflussreichen Interessenvertretung konnten Radfahrer und Fußgänger nicht rechnen, so dass ihre Anpassung an die Notwendigkeiten des Autoverkehrs unausweichlich erschien. Die Radfahrer, in vielen Gesichtspunkten Wegbereiter individueller Mobilität, wurden von den Autolobbyisten bald als »geborene Gegner des Automobils« betrachtet, da sie Verkehrsregeln angeblich konsequent missachteten. Die sich aus Handwerkern und Arbeitern rekrutierenden Radler, denen jedes Verständnis für den Straßenverkehr abginge, seien daher strikt von den wahren Sportsleuten zu unterscheiden.33 Disziplinlosigkeit und Fehlverhalten der Fußgänger kritisierte die 3 0 Vgl. Salin, S. 3 2 - 3 7 ; Walter, Eisenbahn, S. 8ff. In der Schweiz bemühten sich Bahnverwaltungen im Rahmen einer Protektionspolitik, Anhängerverbote fiir den Lkw-Verkehr durchzusetzen, u m Wettbewerbsgleichheit herzustellen. Vgl. Monteil, S. 110. 31 Vgl. M WJ g . 31,1928, S. 818f.;Jg. 34,1931, Nr. 14, S. 325ff.; Motor und Sport J g . 7,1930, Nr. 8, S. 8f. 32 Vgl. Deutscher Industrie- und Handelstag an Preußischen Ministerpräsidenten (1. 12. 1930), GStA PK I. H A Rep 90 Nr. 1717. 33 Vgl. AAZ J g . 13,1912, N r . 31, S. 56; Lengerke u. Friedrichsdorff, S. 25ff. 1903 waren etwa 30 Prozent der ca. eine Millionen Fahrräder in Deutschland im Besitz von Arbeitern. Vgl. Sachs, Gesellschaft, S. 109f.

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Motorpresse ebenso von Beginn an. Machten in den Tageszeitungen spektakuläre Autounfälle Schlagzeilen, wiesen die Automobilzeitschriften vor allem auf Verkehrsgefährdungen durch leichtsinnige Fußgänger hin und forderten die Verkehrserziehung des unmotorisierten Publikums. Die Anerkennung der Vorrangstellung des Autos musste aber erst im Zuge eines Zivilisationsprozesses erlernt werden.34 Die Sicherheitsbehörden schlossen sich, im Bestreben »Ruhe und Ordnung« auf den Straßen zu gewährleisten, den Forderungen der Automobilisten an, da sie erkannten, dass die zügige Internalisierung verkehrsgerechten Verhaltens erforderlich war, sollte das wachsende Verkehrsaufkommen nicht zu lebensgefährlichen Bedrohungen führen. 1905 wurden in Deutschland die ersten Stoppschilder aufgestellt. Sie galten für Fußgänger und geboten diesen, vor den Motorwagen anzuhalten. Den vorläufigen Höhepunkt der Entwicklung stellten jedoch die im April 1917 in Berlin erlassenen Verkehrsvorschriften dar, die auch »Gehvorschriften« für Fußgänger enthielten. Von den unmotorisierten Verkehrsteilnehmern forderte man darin beispielsweise das rechtwinklige Uberqueren der Fahrbahn. Ein Nebeneinandergehen von mehr als drei Personen auf dem Bürgersteig wurde untersagt.35 In den zwanziger Jahren erwiesen sich angesichts steigender Unfallzahlen insbesondere Initiativen zur schulischen Verkehrserziehung als notwendig: England führte bereits 1913 wöchentliche Verkehrsbelehrungen ein, und auch Frankreich bildete an Ingenieursschulen Lehrpersonal aus, das die Schüler in wöchentlichen Verkehrsstunden unterrichten sollte. In Italien entsandte die Sicherheitsmiliz ab 1922 Offiziere an die höheren Schulen, und die Volksschullehrer mussten eine praktische Prüfung zu Verkehrsfragen ablegen. Die »Schulverkehrswacht« propagierte seit 1928 die Einfuhrung eines obligatorischen Verkehrsunterrichts auch in Deutschland. Diese umtriebige Institution, die an den Schulen zahlreiche Aktivitäten entwickelte, setzte sich die »strenge Disziplinierung der Fußgänger« zum Ziel. Da die Mängel der erwachsenen Verkehrsdisziplin nicht mehr zu beheben wären, konzentrierte man sich dabei auf die Erziehung der Jugend.36

3 4 Vgl. AAZ, Jg. 3, 1902, Nr. 11, S. 2; Jg. 7, 1906, Nr. 5, S. 74. »Der Schutz der Fußgänger durch die Polizei darf nicht zur Verbitterung einer Verkehrsgruppe fuhren. Der Fußgänger muß lernen, sich selbst zu schützen ... Im Verkehr auf dem Fahrdamm herrscht das Gesetz, im Fußgängerverkehr herrscht die Willkür. S. M. der Fußgänger betrachtet Bürgersteig und Fahrdamm als sein Reich. Er verlangt Rücksicht von allem, was da rollt, ignoriert die Verkehrsbestimmungen, ignoriert die Gesetze der Nächstenliebe und rechnet den anderen eine Tat als Verbrechen an, die er selbst gedankenlos begeht.« AW, Jg. 12,1914, Nr. 40. S. 1. 35 Vgl. AW, Jg. 15, 1917, N r . 15, S. lf.; AAZ, Jg. 27, 1926, N r . 44, S. 37; Seher-Thoss, Automobilindustrie, S. 34. 36 AVD-Blätter, Jg. 1,1929, N r . 5, S. 16. Vgl. Deutsche Schulverkehrswacht J u n i 1928, S. 34.

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с) Wirkungen der Motorisierung auf die Straßensicherheit Die schweren Autounfälle, die zunächst auch in der Motorpresse ausführlich geschildert und analysiert wurden, bildeten ein Protestaktionen begünstigendes Konfliktpotential. In der unmotorisierten Öffentlichkeit bestand Konsens darüber, dass es sich beim Auto um ein besonders gefährliches Verkehrsmittels handelte. Die Automobilzeitschriften betonten dagegen bevorzugt individuelle Fahrfehler, veraltete Konstruktionen sowie das Fehlen von Warnungstafeln und die schlechte Beschaffenheit der Straßen als Unfallursachen. Das Auto selbst sei, trotz steigender Unfallzahlen, ein ausgesprochen zuverlässiges und ungefährliches Verkehrsmittel. Diese Argumentation konnte eine Bevölkerung, die noch nicht durch den täglich präsenten Verkehrstod abgestumpft war, in ihrer Empörung über die »humanitären Kosten« des motorisierten Straßenverkehrs jedoch kaum besänftigen. Sie lastete die Unfallschuld vielmehr stets den Autofahrern an, da diese ein vermeintlich gefährliches Vehikel in den Straßenverkehr einbrachten. Dagegen vermutete die automobilistische Seite zuweilen, dass Fußgänger zahlreiche Autounfälle absichtlich provozierten, um Entschädigungszahlungen zu erwirken.37 Insbesondere die Städte erreichten bereits vor dem Ersten Weltkrieg eine Fahrzeugdichte, die zu zahlreichen Problemen führte und mit der raschen Zunahme der Autos auch die Unfallzahlen stark ansteigen ließ. Die offizielle Unfallstatistik, die wegen der öffentlichen Beunruhigung über die Autounfälle 1906 aufgenommen, nach dem Krieg jedoch nicht auf Reichsebene weitergeführt wurde, berücksichtigte dabei lediglich die von der Polizei aufgenommenen Autounfälle mit Sach- oder Personenschäden. Die häufigen Fälle mit geringfügigen Sachschäden, die oft nicht zur Anzeige kamen, wären jedoch ebenfalls als »schädigende Ereignisse« im Kraftverkehr zu bewerten gewesen. Allerdings war schon die polizeilich festgestellte Unfallhäufigkeit geeignet, entscheidend dazu beizutragen, dass sich in der Öffentlichkeit autokritische Haltungen ausbildeten. Verzeichnete man zwischen dem 1. Januar 1901 und dem 1. Juli 1904 in Preußen im Verkehr mit Kraftfahrzeugen lediglich 383 Unfälle mit 30 Toten, meldeten die Polizeidienststellen allein 1906/07 reichsweit bereits 4864 Autounfälle. Statistisch gesehen war vor dem Ersten Weltkrieg mehr als jedes zehnte Auto pro Jahr in einen Unfall verwickelt. Da die Zahl der Kraftfahrzeuge jedoch schneller als die Zahl der Unfälle stieg, konnte eine geringfügige Abnah37 Vgl. Die Automobilen-Industrie, in: Die Technik, Jg. 3, 1899, Nr. 18, S. 287-290; Das Motorrad, Jg. 4,1906, Nr. 3, S. 35f. Ein Unfallbericht von 1902 schilderte einen charakteristischen Geschehensablauf: »Das wahnsinnig schnelle Automobilfahren hat sich in manchen Gegenden zu einer wahren Landplage herausgebildet... In Linzig wurde ein achtjähriges Mädchen durch einen Motorwagen überfahren und ... sofort getötet. Die erbosten Dorfbewohner konnten nur mit Mühe von der Lynchjustiz zurückgehalten werden.« Danziger Zeitung, 22. 8. 1902.

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Tab. 4: A u t o u n f ä l l e i m D e u t s c h e n Reich 1906 bis 1913 Jahr Autounfälle (Berlin) Autounfälle/ 100 Kfz (Berlin) Autounfälle/ 100 Pkw (Berlin) Autounfälle/ 100 Lkw (Berlin) Verletzte (Schwerverletzte) Verletzte Autoinsassen/ 100 Verletzte (Dritte) Getötete (Berlin) Getötete Autoinsassen/ 100 Getötete (Dritte)

1906/07

1907/08

1908/09

1909/10

1910/11

1911/12 1912/13

4.864 (2.174)

5.069 (2.213)

6.063 (2.644)

6.774 (3.008)

8.431 (3.113)

10.105 (3.272)

11.785 (3.690)

13,5

12,1

12,1

11,7

12,0

13,0

12,7

(90,1)

(77,3)

(76,9)

(47,0)

(46,5)

(41,4)

(45,1)

13,2

11,9

11,9

11,5

11,8

12,6

12,3

(106,4)

(90,9)

(91,7)

(52,2)

(50,8)

(46,1)

(45,1)

16,2

15,1

13,4

13,4

13,5

16,0

15,2

(24,1)

(21,3)

(18,9)

(19Д)

(22,0)

(19,0)

(20,9)

2.419

2.630

2.945

3.651

4.262

5.542

6.313

(499)

(565)

(627)

(809)

23,4

23,5

24,2

24,3

23,8

26,2

26,8

(76,6)

(76,5)

(75,8)

(75,7)

(76,2)

(73,8)

(73,2)

145 (20)

141 (27)

194 (34)

278 (40)

343 (35)

442 (58)

504 (34)

20,7

24,1

22,7

19,8

21,3

21,5

18

(79,3)

(75,9)

(77,3)

(80,2)

(78,7)

(78,5)

(81,2)

(1.281)

Erhebungszeitraum jeweils 1. 10. - 30. 9. (ausser Getötete in Berlin: 1907-1913). Unfälle bezogen auf Kfz-Bestand am 1. Januar des folgenden Jahres. Schwere Körperverletzungen: Kopfverletzungen, innere Verletzungen, Brüche; leichte Körperverletzungen: Quetschungen, Verstauchungen, Hautabschürfungen, Schreckwirkungen, Brandwunden. Quellen: Statistisches Jahrbuch, 1908, S. 97ff.; 1909, S. 126ff; 1910, S.126f; 1911, S.168f.; 1912, S. 150f; 1913, S. 134f; 1914, S. 142f; Becker, AutomobilUnfälle, S. 5£; AAZ, Jg. 10, 1909, Nr. 13, S.29ff.; Jg. 11, 1910, Nr. 12, S. 58ff.; Jg. 12, 1911,Nr. 15, S. 37, Jg. 15,1914, Nr.31,S. 17;Jährlicher Bericht des Berliner Polizeipräsidenten über den KfZ-Verkehr (16. 1. 1914), GStA PK I. H A Rep. 77 tit. 1328 Nr.31.

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me der Unfallraten beobachtet werden. Die absolute Zahl der Autounfälle stieg mit der Zunahme des Verkehrs aber rapide an und verdoppelte sich in den fünf Jahren zwischen 1908 und 1912. Die Unfallzahlen der Lkw lagen dabei in Relation zu ihrer Verbreitung leicht über denen der Pkw.38 Die Anzahl der Opfer, die der motorisierte Individualverkehr forderte, war im Vergleich zu den im sonstigen Verkehr Verletzten und Getöteten erschreckend hoch. Während die Zahl der durch den Autoverkehr verletzten Personen im betrachteten Zeitraum um das 2,5fache wuchs, vervierfachte sich die Zahl der Todesopfer, was auf die stetig erhöhten Motorleistungen zurückzufuhren sein dürfte. Außerdem bleibt festzuhalten, dass drei Viertel der Verletzten und bis zu 80 Prozent der Getöteten auf nicht-automobile Verkehrsteilnehmer entfielen. Fußgänger und Radfahrer haben keine »Knautschzone«.39 Ungefähr ein Fünftel der durch den Autoverkehr verursachten Verletzungen waren schwerwiegender Art und entstanden zu einem großen Teil durch Unfälle auf offener Landstraße, während Bagatelleverletzungen vor allem im städtischen Verkehr vorkamen. Wie bedrohlich die Zahl der Todesfälle wirkte, veranschaulicht ein Blick auf die tatsächlichen Folgen der gefürchteten Dampfkesselexplosionen, bei denen 1906 lediglich fünfMenschen ums Leben kamen.40 Eine Analyse von Stand, Gewerbe, Alter und Geschlecht der 1906 durch den Autoverkehr körperlich Geschädigten ergab, dass 84 Männer und 28 Frauen schwer verletzt wurden. 20 der Geschädigten waren Kinder und Schüler, 92 Erwachsene, wobei es sich überwiegend um Arbeiter, Kaufleute und Dienstboten handelte: Menschen, die sich häufig als Fußgänger auf der Straße bewegten.41 1918 führte in Preußen erstmals »Uberfahren« die Statistik der Unglücksursachen mit Todesfolge an.42 1926 töteten Unfälle im Straßenverkehr in Deutschland bereits 4500 Personen: 57 Prozent starben durch die Einwirkung von Kraftfahrzeugen, 28 Prozent durch Pferdefuhrwerke, 8 Prozent durch Straßenbahnen und 7 Prozent durch Fahrräder.43 Dabei war die Häufigkeit schwerer Unfälle Ende der zwanziger Jahre in Preußen, wo 1929 auf 1.000 Kraftfahrzeuge 6,5 tödliche Unfälle entfielen, wesentlich höher als im Aus-

38 Vgl. Übersicht der Unfälle im Verkehr mit Kraftfahrzeugen 1.1.1901-1.7.1904,GStAPK I. HA Rep. 77 tit. 1328 Nr. 30. 39 Da auch zahlreiche schwere Verletzungen und Tötungen von Autoinsassen zu beklagen waren, die durch das Herausschleudern derselben aus den Wagen entstanden, wurde bereits 1908 die obligatorische Einführung von »Armschlingen« vorgeschlagen, welche die Insassen im Wagen fixieren sollten. Vgl. ZMM, Jg. 7,1908, Nr. 10, S. 215f. 40 Vgl. Zatsch, Staatsmacht, S. 222. 41 Vgl. Kuhn, Opfer, S. 25. 42 Vgl. Scharfe, Geisterfahrer, S. 118. 43 Die Zahlen wurden auf Grundlage von Daten aus 10 Ländern hochgerechnet. In Preußen wurden 1926 bei Verkehrsunfällen 3057 Menschen getötet, 1708 davon durch Kraftfahrzeuge. Vgl. ADAC-Motorwelt, 1929, Nr. 27, S. 13.

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land.44 Zurückzuführen war dies in erster Linie auf die weite Verbreitung des Motorrads in Deutschland, dessen Unfallzahlen Ende der zwanziger Jahre rapide zunahmen, so dass der ADAC seine kostenfreie Unfallversicherung nicht mehr finanzieren konnte.45 Die Reichsunfallstatistik macht auch deutlich, dass sich zu Beginn des Untersuchungszeitraums fast 50 Prozent aller Autounfälle in Berlin ereigneten; bis 1912/13 reduzierte sich dieser Anteil auf annähernd ein Drittel der registrierten Unfälle. Offenbar war das hohe Verkehrsaufkommen der Reichshauptstadt häufiger Unfallursache als die mangelhafte Beschaffenheit der Landstraßen. Statistisch gesehen hatten 1906/07 über 90 Prozent der in Berlin zugelassenen Kraftfahrzeuge einen Unfall, wobei die Unfallhäufigkeit der Pkw sogar über 100 Prozent lag. Tatsächlich wurden diese hohen Zahlen aber durch die Kraftdroschken verursacht, die wesentlich höhere Jahreskilometerleistungen als die privaten Pkw erreichten und mit mehreren Unfällenje Fahrzeug in die Statistik eingingen. Lkw hatten in Berlin zwar häufiger Unfälle als in der deutschlandweiten Betrachtung, die Zahlen reichten jedoch nicht an die Unfallhäufigkeit der Pkw heran. Verkehrsunfälle waren bereits vor dem massenhaften Auftreten der Autos zu einem Problem des großstädtischen Verkehrs geworden. Dass die Automobile zur städtischen Verkehrssicherheit beitrugen, wie manche Autozeitschrift suggerierte, lässt sich jedoch nicht behaupten. 1901 registrierten die Berliner Polizeibehörden 84 Verkehrstote sowie 3611 Verletzte, von denen lediglich 12 durch die Einwirkung von Autos zu Schaden kamen. Kurz vor dem Ersten Weltkrieg waren bereits ein Viertel aller Verletzungen im Straßenverkehr und ein Drittel aller Getöteten auf den Kraftfahrzeugverkehr zurückzufuhren. 1925 war das Auto zum führenden Unfallverursacher im Berliner Straßenverkehr geworden: Bei 11056 Verkehrsunfällen mit fast 8.000 beteiligten Kraftfahrzeugen starben in diesem Jahr 138 Menschen und 4848 wurden verletzt, wobei die Einwirkung von Autos für 63 Prozent der Verletzungen und 75 Prozent aller Tötungen verantwortlich zu machen war. Bis 1930 verdoppelte sich die Zahl der Verkehrsunfälle erneut: An den 26619 Verkehrsunfällen waren 35177 Kraftfahrzeuge beteiligt, die nun zunehmend mit anderen Automobilen zusammenstießen. Dabei waren über 11.000 Verletzte und 466 Verkehrstote zu beklagen.46 44 In den U S A entfielen zwei, in Großbritannien nur ein Verkehrstoter auf 1000 Kfz. Vgl. Birkefeld u. Jung, S. 147. Gemessen an der Bevölkerungszahl fiel der Vergleich wegen der geringeren Kfz-Dichte günstiger aus: Während 1911 in Berlin fünf Todesopfer pro 100000 Einwohnern zu beklagen waren, entfielen in Paris und London acht, in N e w York neun und in Chicago über zehn Verkehrstote auf 100000 Einwohner. Vgl. Foreman-Peck, S. 265. 45 1929 wurde die Versicherungssumme auf 3.000 Mark beschränkt, die Haftungssumme wurde nach Dauer der Vereinszugehörigkeit gestaffelt, nur Vollinvalidität blieb noch zu 100 Prozent versichert. Vgl. Protokoll der Präsidialsitzung (7. 6. 1929), S. 2, ADAC/Nachl. Ostwald. 46 Vgl. AAZ, Jg. 5,1904, N r . 51, S. 37; MW, Jg. 8,1905, S. 823; Jährlicher Bericht des Berliner Polizeipräsidenten über den KfZ-Verkehr (16. 1. 1914), GStA PK I. H A Rep. 77 tit. 1328 Nr.31;

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Der Berliner Polizeipräsident beobachtete 1910, dass Autounfälle weniger in verkehrsreichen, als vielmehr in verkehrsärmeren Strassen geschahen, in denen die Autofahrer das Tempo erhöhten und ihre Aufmerksamkeit verminderten.47 Dagegen kristallisierten sich in den zwanziger Jahren die innerstädtischen Bereiche eindeutig als Unfallschwerpunkte heraus. Allerdings konnte in Berlin die Unfallrate von ihrem hohen Niveau aus kontinuierlich gesenkt werden, was auf die massiv einsetzenden Verkehrsregelungen im Stadtgebiet zurückzufuhren sein dürfte. Auf 100 Pkw entfielen Anfang der dreißiger Jahre im Berliner Verkehr pro Jahr noch 33 Verkehrsunfälle, wohingegen auf jede Kraftdroschke ein Unfall kam. Die erhöhte Unfallhäufigkeit der Autos lässt sich durch den Vergleich zu den schienengebundenen Verkehrsträgern verdeutlichen: Während Kraftomnibusse 1930 eine Unfallhäufigkeit von 180,5 Prozent aufwiesen, lag diese bei den vergleichbaren Straßenbahntriebwagen bei 113,8 Prozent.48 Die hohe Unfallhäufigkeit der Berliner Autos war für die Großstadt symptomatisch. Zwischen 61 und 75,8 Prozent aller Autounfälle entfielen vor dem Ersten Weltkrieg auf die 41 deutschen Großstädte, was man auf die erheblich größere Verkehrsdichte zurückfuhren muss. Landstraßen und Dörfer traten dagegen in geringerem Maße als Unfallschwerpunkte hervor, wobei allerdings die erhebliche Anzahl schwerer Unfälle zu bedenken ist. Gerade da die Landstraßen weniger belebt waren und keine Geschwindigkeitsbegrenzungen bestanden, verleiteten sie die Autofahrer zu hohem Tempo. Dies führte in Verbindung mit dem vielerorts schlechten Fahrbahnzustand oft zu schweren Unfällen. Zudem waren viele der Fahrzeuglenker im Überlandverkehr ungeübte Herrenfahrer, die ihren Wagen nur am Wochenende benutzten, was das Unfallrisiko zusätzlich erhöhte49 (vgl. Schaub. 2). In drei Viertel aller Autounfälle lag vor dem Ersten Weltkrieg ein Zusammenstoß mit anderen Verkehrsteilnehmern vor, wobei das Überfahren von Fußgängern am häufigsten vorkam. Nur in ungefähr jedem zwanzigsten Fall wurden um 1910 das Scheuen von Pferden und der Zusammenstoß mit anderen Kraftfahrzeugen als Unfallursachen genannt. Auch die verbreitete Angst vor Brand und Explosion der Autos erwies sich als unbegründet, da es sich statistisch gesehen um ein marginales Problem handelte50 (vgl. Schaub. 3). Die Unfallursache blieb in einem Großteil der Vorkommnisse unbekannt. Die vielfach geäußerte Behauptung, die meisten Unfälle seien auf das Fehlverübersicht über die in Groß-Berlin erfolgten Zusammenstöße, BA R5 Nr. 8306, Blatt 34, 154f., 157,222f., 287f.; AR (ZMM), 1931, Nr. 6, S. 109. 47 Vgl. Polizeipräsident Berlin an Minister der öffentlichen Arbeiten (7. 2. 1910), GStA PK I. HARep. 77 tit 1328 Nr. 11, Bd. 5. 48 Vgl. AR (ZMM), 1931, Nr. 6, S. 110. 49 Vgl. Verkehrswarte, 1930, S. 306-308. 50 Vgl. AAZ, Jg. 12, 1911, Nr. 35, S. 56; Jg. 13, 1912, Nr. 22, S. 20.

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Quelle: A A Z J g . 12,1911, Nr. 15, S. 37, Jg. 14,1913, Nr. 33, S. 10. Die Daten beziehen sich auf 41 Großstädte über 100.000 Einwohner (nach der Volkszählung von 1905), Angaben in Prozent.

Schaub. 2: Unfallorte im Deutschen Reich 1906 bis 1912

halten der Straßenpassanten zurückzuführen, ließ sich nach Veröffentlichung erster Unfallursachenstatistiken jedoch nicht aufrechterhalten. Tatsächlich führten Fahrfehler der Automobillenker, überhöhte Geschwindigkeiten oder technisches Versagen des Wagens zur überwältigenden Mehrheit der Unfälle. Das Bild verändert sich dabei nicht wesentlich, betrachtet man die Unfälle der Großstadt Berlin in den zwanziger Jahren. Stets waren in ungefähr 70 Prozent der Fälle die Unfallursachen auf Fehler des Autofahrers oder Mängel am Fahrzeug zurückzuführen. Ein Fehlverhalten der Geschädigten oder Dritter trat in der Großstadt etwas stärker hervor und ließ sich in einem Fünftel der Fälle feststellen, während die Straßenbeschaffenheit bei den Unfallursachen in

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D R 1906/97

D R 1909/10

Berlin 1928

Berlin 1929

• Fahrfehler / Überhöhte Geschwindigkeit • technisches Versagen • schlechte Straßenverhältnisse

• Verschulden der Geschädigten / Dritter

Quelle: AAZ,Jg. 9,1908, Nr. 12, S. 57f.;Jg. 10,1 909, Nr. 13, S. 29ff;Jg. 12,1911, Nr. 35, S. 56,Jg. 31,1930, Nr. 6, S. 23; nl906/07:1792 (36,8% aller Autounfälle); nl909/10: 3.595 (53,1%); nl928: 15.631 (56,6%); nl929: 15.371 (56,6%).

Schaub. 3: Ursachen der Autounfälle 1906/07,1909/10, 1028 und 1929

Berlin von geringerer Bedeutung war. Straßenbahnen und Pferdewagen verursachten 1924 lediglich 6,6 bzw. 6,1 Prozent der Berliner Verkehrsunfalle. 1927 ergab sich für Berlin eine tägliche Unfallhäufigkeit von 57,8 Vorfällen, wobei man in über 73 Prozent der Unfälle mit geklärten Ursachen ein Verschulden von Autofahrern feststellte.51 Die ADAC-Organe behaupteten dagegen lange Zeit, dass die ca. 45.000 Verkehrsunfälle, die sich Ende der zwanziger Jahre in Deutschland ereigneten, überwiegend von den Verunglückten selbst verschuldet worden wären. Eine 51 Vgl. Z M M , Jg. 23,1924, Nr. 10, S. 133; Der deutsche Kraftfahrer, 1927, N r . 9, S. 11.

wirksame Unfallverhütung könnte daher nur durch intensivierte Verkehrserziehung, die nach dem Beispiel der amerikanischen »Safety-First«-Bewegung bei den Fußgängern ansetzen müsste, erreicht werden. Da Verkehrsunfälle deutschlandweit zur todesträchtigsten Unfallart geworden waren, ergab sich tatsächlich die Notwendigkeit wirksamer Präventionsmaßnahmen. Zudem deuteten angelsächsische Erfahrungen daraufhin, dass eine Verbesserung der Verkehrsunfallziffern im Bereich des Möglichen lag: Während in Preußen 1925 noch 10,2 tödliche Unfälle auf 1.000 Kraftfahrzeuge entfielen, erreichten Großbritannien und die USA mit Werten von 2,2 bzw. 1,1 bereits ein weit höheres Maß an Verkehrssicherheit. Daher gingen auch deutsche Behörden in der Folgezeit dazu über, ein Mittel zur Verhütung von Unfällen vor allem in planmäßiger Verkehrserziehung der unmotorisierten Verkehrsteilnehmer zu sehen.52 Die sprichwörtliche Rohheit und Rücksichtslosigkeit der Chauffeure ermöglichte es den Automobilbesitzern in der Frühzeit, Unfälle pauschal ihren Bediensteten anzulasten. Aber auch behördlicherseits machte man die moralischen Eigenschaften der Kraftfahrzeugführer sowie die mangelnde Ausbildung der Chauffeure zunächst für die Unfallhäufigkeit verantwortlich. Der Berliner Polizeipräsident trat daher früh für die Gründung einer staatlichen Chauffeurschule ein, deren Errichtung jedoch am Widerstand des Finanzministeriums scheiterte. Schließlich entschied man sich, die bestehenden Fahrschulen unter staatliche Aufsicht zu stellen, um die verstärkte Disziplinierung der Chauffeure und Verbesserungen im Ausbildungswesen zu erreichen. Hatte der Chauffeursberuf zunächst »gescheiterte Existenzen« der bürgerlichen Berufe angezogen, sollte durch die strengere Aufsicht sichergestellt werden, dass nur gut beleumundete Personen in die Ausbildung kamen.53 Auch die Chauffeure forderten stets eine Verschärfung der Ausbildungs- und Prüfungsvorschriften, um das schlechte Image ihres Berufsstandes zu korrigieren: 1925 sprach sich der 52 Vgl. ADAC-Motorwelt, 1926, Nr. 9, S. 1-4; 1929, Nr. 33, S. 16f.; Nr. 40, S. 19f.; 1931, Nr. 9, S. 35. Die Berliner Schutzpolizei machte nun die Fußgänger für steigende Unfallzahlen verantwortlich und forderte deren Disziplinierung ein. Auch ein Radfahrverbot in bestimmten städtischen Straßen wurde begrüßt, um die Unfallziffern zu senken. Der preußische Schulminister forderte 1930, die Schüler zur Rücksichtnahme und Hilfsbereitschaft im Verkehr zu erziehen. Pläne zur Gründung des »Reichsausschusses für Sicherheit im Straßenverkehr« zielten ebenfalls auf die Disziplinierung der Fußgänger ab. Vgl. LAB PrBrRep 30 Berlin С tit 133 Nr. 11, Bd 1; tit. 202 Nr. 76, Bd. 2; Preuß. Minister für Wissenschaft, Kunst und Volksbildung an Provinzialschulkollegien (27.1.1930), GStA PKI. HA Rep. 76 Nr. 1413, Blatt 13; Reichsausschuss für Sicherheit im Straßenverkehr, Satzungsentwurf (4. 9. 1930), BA R 5 Nr. 8306, Blatt 292ff. 53 Vgl. Niederschrift über die Verhandlung über Ausbildung von KfZ-Führern (10.10.1907), GStA PK I. HA Rep 77 tit. 1328 Nr. 27, Bd. 1; Polizeipräsident von Berlin an Preuß. Minister für Handel und Gewerbe (21. 6.1907), GStA PK I. HA Rep. 120E tit. IV b Nr. 2. Die erste deutsche Fachschule für die Chauffeurausbildung wurde 1904 in Aschaffenburg gegründet und im Dezember 1907 unter staatliche Aufsicht gestellt. Im Mai 1911 waren im Landespolizeibezirk Berlin 70 Fahrlehrer tätig. Vgl. MW Jg. 11,1908, S. \7;MMV, Ausbildungs- und Prüfungsstellen, S. 36-41.

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Reichsverband der Berufskraftfahrer für eine erneute Verschärfung der Ausbildungsregeln aus. Fahrausbildungen sollten nur noch am Wohnort des Kandidaten durchgeführt werden, um Leumundszeugnisse leichter einholen zu können. Zulassungsbeschränkungen seien notwendig, um »entgleiste Existenzen« vom ChaufFeurberuf fernzuhalten.54 Der Beruf des Chauffeurs wurde zunächst fast ausschließlich von Schlossern und Mechanikern der Automobilfabriken ergriffen. Erst nach Gründung der ersten Chauffeurschulen wandten sich auch andere Berufsgruppen wie Gärtner, Diener und Kutscher der neuen Profession zu. Die Mainzer »Fachschule fur Automobil- und Flugtechnik« bildete zwischen 1904 und 1911 88 Herrenfahrer aus. Unter den restlichen 1278 Fahrschülern waren 543 ehemalige Schlosser und Mechaniker, 302 Kutscher und 107 Herrschaftsdiener.55 Die Verdienstmöglichkeiten von Taxifahrern und Chauffeuren entsprachen dabei den Haushaltsbudgets der Industriearbeiter. Während die Familien ungelernter Arbeiter und Droschkenführer 1907 ein jährliches Einkommen um 1700 Mark hatten, konnten Chauffeure und Facharbeiterfamilien mit einem Jahreseinkommen von etwa 2.000 Mark rechnen.56 Obwohl der Berufswechsel in materieller Hinsicht also nicht unbedingt den sozialen Aufstieg bedeutete, scheint bereits recht früh ein Überangebot an Chauffeuren auf dem Arbeitsmarkt bestanden zu haben.57 Waren finanzielle Aussichten und Sozialprestige des Chauffeurberufs begrenzt, entwickelten die Kraftwagenfuhrer doch ein gewisses Standesbewusstsein und forderten die Unterstellung unter die Gewerbeordnung. Dagegen sprach sich der KAC unter Verweis auf eine mögliche Sozialdemokratisierung fur die weitere Behandlung der Chauffeure als Dienstboten und den Verbleib in der Gesindeordnung aus.58 Eine schwerwiegende Regelverletzung, welche die Motorpresse häufig beklagte, begingen die Chauffeure, wenn sie das ihnen anvertraute Auto ohne Wissen und Erlaubnis des Besitzers benutzten. Da es dagegen kaum eine rechtliche Handhabe gab, ging man dazu über, generell den Führerschein zu entzie-

54 Vgl. Der Fuhrhalter, Jg. 29, 1913, Nr. 2, S. 49; Reichsverband der Berufskraftfahrer an Reichsverkehrsministerium (29. 10. 1925), BA R 5 Nr. 8138alt, Blatt 4f.; Neueste Auto- und Chauffeur-Nachrichten, Jg. 2,1925, Nr. 29, S. 1-3. Der Berliner Polizeipräsident war dagegen der Meinung, dass die Führerscheinkosten durch Abschaffung des Konzessionszwangs fur Fahrschulen gesenkt werden müssten. Vgl. Polizeipräsident Berlin an Preußischen Minister für Handel und Gewerbe (11.2. 1929), BA R 5 Nr. 8138alt, Blatt 137f. 55 Vgl. AAZ, Jg. 9,1908, Nr. 35, S. 45f.; ZMM, Jg. 10,1911, S. 529. 56 Vgl. Haas u. Kloke, S. 15. 57 In den einschlägigen Publikationen fanden sich stets mehr Stellengesuche als Inserate, in denen Chauffeure gesucht wurden. 1908 betrug das Verhältnis von Stellenangeboten und gesuchen in einer Ausgabe 1:4. Im Januar 1913 standen in einer Zeitschrift fünf Stellenangebote 31 Stellengesuchen gegenüber. Vgl. Auto-Velo, 1908, Nr. 24; Der Automarkt.Jg. 3,1913, Nr. 3. 58 Vgl. KAC an Minister des Innern (9. 12. 1910), GStA PK I. HA Rep 77 tit. 1328 Nr. 27, Bd. 1.

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hen, wenn auf einer Schwarzfahrt ein Unfall geschah oder eine polizeiliche Übertretung festgestellt wurde. Schließlich belangte man die Chauffeure auch wegen Diebstahls des verbrauchten Benzins. Da eine abschreckende Wirkung offensichtlich ausblieb, forderten die Automobilisten die Einführung eines eigenen Straftatbestandes, um das Vergehen grundsätzlich mit Haftstrafen ahnden zu können. Namen und Adressen besonders rücksichtsloser Chauffeure, die durch Schwarzfahrten, Alkoholkonsum, Verkehrsübertretungen oder Fahrerflucht aufgefallen waren, wurden zuweilen in der Motorpresse veröffentlicht, um potentielle Arbeitgeber vor einer Anstellung zu warnen.59 Geschahen Unfälle, versuchten die Autofahrer recht häufig, sich einer Bestrafung oder Entschädigung durch Fahrerflucht zu entziehen. Manche Autofahrer versahen die Nummernschilder ihrer Wagen gar mit einer Fettschicht, um sie durch den daran haftenden Staub unkenntlich zu machen. Auf Fahrerflucht standen daher bis zu 600 Mark Geldstrafe oder zwei Monate Gefängnis. Ließ der Autofahrer nach einem Unfall eine verletzte Person hilflos zurück, erfüllte dies den Straftatbestand der »Automobilaussetzung« und konnte mit einer Gefängnisstrafe bis zu sechs Monaten bestraft werden. Der Anteil der Fälle, in denen Autofahrer Fahrerflucht begangen oder den Versuch dazu unternahmen, halbierte sich nahezu zwischen 1906 und 1913. Die empfindlichen Strafen, die Kennzeichnungspflicht und eine verstärkte polizeiliche Überwachung zeigten offenbar erste Erfolge. Trotzdem kam es 1912/13 noch nach jedem fünfzehnten Unfall zur Fahrerflucht oder zum Versuch dazu. Die Motorpresse erkannte das Problem, bemühte sich jedoch, die hohe Fahrerfluchtsrate den Unmotorisierten anzulasten: »Nicht weil der Kraftfahrer flüchtet, wird er verprügelt, sondern weil er nicht verprügelt werden will, flüchtet er.« Das Publikum rotte sich nach jedem Unfall zusammen und nehme gegen den Autofahrer eine »drohende Haltung« ein.60 Der Anteil der nach Unfällen gegen Autofahrer verhängten Polizeistrafen und eröffneten Gerichtsverfahren blieb dagegen relativ konstant. Nach ungefähr einem Drittel aller Unfälle ging man gegen den Autofahrer behördlicherseits vor. Da dieser Anteil nicht als übermäßig hoch erscheint, lässt er kaum auf eine generelle Voreingenommenheit der Behörden schließen. Die Häufigkeiten von Polizeistrafen und Gerichtsverfahren standen annähernd im Verhältnis 1 zu 3. Das Überwiegen der härteren Maßnahme des Gerichtsverfahrens ist vor allem darauf zurückzuführen, dass eine gerichtliche Klärung

59 Vgl. AAZ, Jg. 8, 1907, Nr. 46, S. 52; ZMM, Jg. 3, 1904, S. 207; ADAC an Reichsamt des Innern (12. 10. 1911), BA R 1501 Nr. 13989. Die Automobil-Clubs bekämpften den Alkoholmissbrauch der Chauffeure, Forderungen nach einem absoluten Alkoholverbot für Autofahrer wurden von den Herrenfahrern aber strikt zurückgewiesen. Vgl. Das Motorrad, Jg. 4,1906, Nr. 13, S. 228f. 60 AW, Jg. 21,1923, Nr. 38, S. 24. Vgl. Das Auto-Recht, Jg. 1,1913, Nr. 12, S. 323-325.

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Tab. 5: Fahrerflucht und Strafen gegen Autofahrer 1906 bis 1913 Jahr

Versuchte und vollzogene Fahrerflucht (in %) Polizeistrafen gegen Autofahrer (in %) Gerichtsverfahren gegen Autofahrer (in %) Führerscheinentzug (wg. Verstoß geg. Polizeivorschriften)

1906/07 1907/08 1908/09 1909/10 1910/11

1911/12

1912/13

580

502

552

670

668

743

798

(11,9)

(9,9)

9,1)

(9,9)

(7,9)

(7,4)

(6,8)

373

344

470

515

677

858

986

(7,7)

(6,8)

(7,8)

(7,6)

(8,0)

(8,5)

(8,4)

1.092

1.104

1.350

17.66

2.071

2.594

2.797

(22,5)

(21,8)

(22,3)

(26,1)

(24,6)

(25,7)

(23,7)

117 (32)

94 (30)

275 (70)

323 (80)

Erhebungszeitraum jeweils 1. 10. - 30. 9. (außer Führerscheinentzug: 1910-1913); Quellen: Statistisches Jahrbuch, 1914, S. 141; Sammelstelle für Nachrichten über Führer von Kfz, Versagung und Entziehung von Führerscheinen 1910-1913, BA R 1501 Nr. 13929, Blatt 126.

nötig wurde, wenn die Autofahrer gegen eine Polizeistrafe Einspruch erhoben.61 Im April 1910 nahm die »Sammelstelle für Nachrichten über Führer von Kraftfahrzeugen«, die dem Berliner Polizeipräsidium zugeordnet wurde, ihre Tätigkeit auf Im ersten Geschäftsjahr ihres Bestehens erhielt sie 51.283 Anfragen zu Autofahrern und erteilte 53.345 Auskünfte. Dabei war die Sammelstelle gegenüber Behörden auskunftspflichtig und konnte auch »in geeigneten Fällen Privatpersonen oder Verbänden erbetene Auskünfte erteilen«. Bei Einstellung eines neuen Chauffeurs bot sich daher die Nachfrage bei der Sammelstelle an. Hauptsächlich archivierte die Behörde jedoch Vermerke über das Fehlverhalten von Autofahrern, die als Grundlage für die Entziehung des Führerscheins 61 Dennoch war die Gefahr für Autofahrer vor dem Ersten Weltkrieg relativ groß, mit Strafmandaten belegt zu werden. 1912 wurden beispielsweise in München gegen 324 der 475 registrierten Chauffeure insgesamt 909 Strafverfugungen erlassen. Die Summe der Strafgelder betrug über 6700 Mark. Vgl. Das Auto-Recht, Jg. 1,1913, Nr. 9, S. 250f.

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dienen konnten. Bereits 1905 debattierte man in Deutschland erstmals über die Berechtigung des Führerscheinentzugs. Autointeressenten wandten ein, dass eine derartige Maßnahme die gewerbliche und individuelle Freiheit unzulässig beschränke. In der Folgezeit war ein Führerscheinentzug aber selbst bei außerhalb des Straßenverkehrs liegenden Delikten wie Eigentumsvergehen, fahrlässiger Körperverletzung, Tötungen, Rohheits- und Sittlichkeitsverbrechen möglich. Auch wenn man durch Alkoholabhängigkeit oder die »Neigung zu Ausschreitungen« auffallig wurde, konnte man den Führerschein verlieren. Allerdings machten die Behörden von der Möglichkeit des Führerscheinentzugs zunächst nur zurückhaltend Gebrauch: 1910 entzogen sie lediglich 117 Führerscheine. Die Zahl der Entziehungen ging dann sogar leicht zurück, um 1913 auf323 Fälle anzusteigen. Dabei verloren nur etwa ein Viertel der betroffenen Autofahrer ihre Führerscheine wegen Übertretungen polizeilicher Verkehrsvorschriften.62 Die Motorpresse machte weiterhin vor allem »Verkehrsdummheiten« des Strassenpublikums und der Chauffeure für die hohen Unfallzahlen verantwortlich, auch wenn sie angesichts der Verkehrsbeschränkungen nach dem Ersten Weltkrieg Rücksichtslosigkeiten als Protestauslöser erkannte.63 Trotz tendenzieller Zunahme des Repressionsdrucks stiegen die Unfallzahlen weiter an, und der Berliner Polizeipräsident sah sich 1924 gezwungen, mit dem generellen Führerscheinentzug bei erwiesener Unfallschuld zu drohen. Das Reichsverkehrsministerium forderte ebenso eine schärfere Anwendung des Führerscheinentzugs und wollte bei jeder rechtskräftigen Verurteilung die für den Führerscheinentzug zuständige höhere Verwaltungsbehörde benachrichtigt wissen. Der Reichsverkehrsminister fragte 1925 schließlich beim Justizministerium an, ob es rechtliche Bedenken gäbe, eine Strafbestimmung in das Kraftfahrzeuggesetz aufzunehmen, die das Fahren in angetrunkenem Zustand generell unter Strafe stellte. Eine derartige Bestimmung war für Fuhrwerkslenker bereits in einigen Oberpräsidial-Polizeiverordnungen enthalten.64 62 Vgl. Polizeipräsident Berlin an Minister des Innern u. Minister der öffentlichen Arbeiten ( 1 8 . 1 . 1 9 1 2 ) , BA R 1501 N r . 13998; Bestimmungen über die Organisation, die Aufgaben und die Kosten der Sammelstelle für Nachrichten über Führer von Kraftfahrzeugen (1910), BA R 3001 N r . 7074; MW, J g . 8,1905, S. 481.1925 wurde einem Berufskraftfahrer beispielsweise der Führerschein entzogen, weil er in einer Strafsache wegen Jagdvergehens einen Zeugen zum Meineid verleitet hatte. Vgl. Der deutsche Kraftfahrer, Jg. 3, 1927, N r . 5, S. 14. 63 »Die erschwerte Zulassung der Kraftfahrzeuge ist in erster Linie darauf zurückzuführen, daß große Volkskreise im Personen-Automobil-Verkehr einen überflüssigen Luxus erblicken. Diese menschlich erklärliche Abneigung der wirtschaftlich Schwachen gegenüber den Bessergestellten wird durch rücksichtsloses Fahren ausserordentlich gesteigert. Es werden uns daher auch bereits wieder aus verschiedenen Teilen Deutschlands absichtliche Behinderungen des Automobil-Verkehrs und Automobil-Attentate gemeldet.« M F , 1920, N r . 35/36, S. 195. Vgl. A D A C Motorwelt, 1925, N r . 4, S. 18. 64 Vgl. AAZ, Jg. 25,1924, N r . 18, S. 28; Reichsverkehrsminister an Reichsminister der Justiz (31. 8. 1925), B A R 3001 N r . 7076, Blatt 87; Reichsverkehrsminister an Reichsminister der Justiz (3. 9. 1925), BA R 3001 N r . 7076, Blatt 89.

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Risikoreiches Verhalten im Straßenverkehr war nicht nur den Berufskraftfahrern eigen, sondern wurde in der Figur des »Herrenfahrers« geradezu personifiziert. Selbst die »höchsten« Automobilisten zeichneten sich durch Rücksichtslosigkeit aus, wie im Reichstag von sozialdemokratischer Seite beklagt wurde. Ein »in Untertanendemut ersterbendes Gemüt« duldete die Sonderbehandlung der hochgestellten Temposünder, doch sei gegen Verkehrsübertretungen ohne Ansehen der Person mit harten Strafen vorzugehen. Das straffreie Rasen der kaiserlichen Familie stellte in Berlin ein Problem dar, das die Presse kommentierte und die zuständigen Ministerien an höchster Stelle reklamierten. Bereits in den Jahren 1907 bis 1909 waren aufgrund überhöhter Geschwindigkeiten sechs größere Unfälle kaiserlicher Automobile vorgekommen, von denen der Polizeipräsident Kenntnis nahm. Ermahnungen blieben erfolglos, so dass sich einige Berliner im November 1913 erneut über das Rasen der kaiserlichen Prinzen beschwerten.65 Das Beispiel der hochgestellten Temposünder machte deutlich, dass die Unmotorisierten vor allem die hohen Geschwindigkeiten im Kraftverkehr als unfallträchtig empfanden. Das ungewohnt hohe Tempo der Autos erzeugte ein Konfliktpotential, das die anfängliche Unkenntnis über die Steuerungsfähigkeit der neuen Technik verstärkte. Übertrat anstatt der »höchsten« Automobilisten ein durchschnittlicher Autofahrer das Tempolimit, konnte die Angst vor der Geschwindigkeit durchaus in handgreifliche Aggression umschlagen. Von Beginn an zogen sich Geschwindigkeitsphantasien als Grundmotiv durch die Geschichte des frühen Automobilismus. Die Behörden und die unmotorisierte Bevölkerung orientierten sich in der Beurteilung automobiler Tempi aber zunächst an den Geschwindigkeiten der tierischen Fortbewegung. So galt, während auf der offenen Landstraße in Deutschland keine Geschwindigkeitsbegrenzung bestand, in Städten vielerorts das Tempo eines trabenden Pferdes als zulässige Geschwindigkeit. Diese veranschlagte man meist mit ungefähr 15 km/h. Da die Autofahrer gerade den Geschwindigkeitsvorteil als eigentlichen Nutzen der motorisierten Fortbewegung erkannten, folgten zahlreiche Rufe nach einer Erhöhung des Tempolimits. Die Behörden reagierten jedoch auf derartige Wünsche unter Verweis auf die Ressentiments in der Be65 Verhandlungen des Reichstags, Bd. 230, S. 3080 (12. 2. 1908); Polizeipräsident von Berlin an Minister der öffentlichen Arbeiten (7.2.1910), GStA PK I. HA Rep. 77 tit. 1328 Nr. 11, Bd. 5; Minister des Innern u. Minister der öffentlichen Arbeiten an Chef des Geheimen Zivilkabinetts (17. 4. 1913), GStA PK I. HA Rep. 77 tit. 1328 Nr. 45. In der Lokalpresse beschwerten sich aufgebrachte Bürger über das prinzliche Verkehrsgebahren: »Man muß ernstlich fragen, ob mit dem fürstlichen Automobilismus der mittelalterliche Geist wieder lebendig geworden ist, der es gestattete, bei allerhöchsten Parforcejagden den Bauer und Bürgersmann unter die Hufe der Rosse zu stampfen. Haben die Bürger auf ihren eignen Straßen nicht einmal mehr das Recht der Lebenssicherheit?« Berliner Morgenpost, 12. 11. 1913. Von DroschkenchaufFeuren wurde in diesem Zusammenhang daraufhingewiesen, dass die kaiserlichen Prinzen Geschwindigkeitsbegrenzungen generell missachteten, wohingegen die gleichmäßige Behandlung aller Schnellfahrer einzufordern sei. Vgl. Der Automobil-Fahrbetrieb, 1908, Nr. 7, S. 130.

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völkerung eher zurückhaltend. Das preußische Landwirtschaftsministerium befasste sich beispielsweise eingehend mit einer möglichen Heraufsetzung der Höchstgeschwindigkeit in geschlossenen Ortschaften auf 20 km/h. Diese sei in Großstädten, wo man an den Verkehr gewöhnt war, zu gering, in ländlichen Orten, die wenig vom motorisierten Verkehr frequentiert wurden, aber an der »äußersten Grenze des Zulässigen«.66 Ein nicht unerhebliches technisches Problem bestand in den Anfangsjahren des neuen Verkehrsmittels darin, die tatsächliche Geschwindigkeit der Autos sicher zu bestimmen. Hierzu schlug man neben der Ausstattung mit Tachometern und Fahrtenschreibern auch die verschiedensten Stoppverfahren vor. Selbst die Einführung von Systemen, die den Passanten die Geschwindigkeit der Autos sichtbar machen sollten, wurde erwogen, um das Anzeigen von Temposündern zu erleichtern. Auch ohne derartige technische Finessen begleiteten zahlreiche Klagen über Geschwindigkeitsexzesse die Frühgeschichte des Automobils. Diese griffdie Tages- und Lokalpresse auf, um sie in Forderungen nach behördlichen Reaktionen zur Befriedung der Verkehrssituation zu kanalisieren.67 Bereits 1901 drohte der Berliner Polizeipräsident an, Strassen für den Kraftfahrzeugverkehr zu sperren, wenn die Autofahrer ihre Fahrgeschwindigkeit nicht minderten. Eine Besserung schien auszubleiben, so dass der preußische Innenminister 1907 vom Berliner Polizeipräsidenten empfindliche Strafen gegen schnellfahrende Autofahrer forderte. In einer öffentlichen Bekanntmachung appellierte der Polizeipräsident daraufhin direkt an die Autofahrer, ihr Tempo zu reduzieren. In der Folgezeit war zwar eine schärfere Verfolgung schnellfahrender Autofahrer zu beobachten, doch musste der Berliner Polizeipräsident in den frühen zwanziger Jahren seine Straßenaufsichtsbeamten erneut anweisen, gegen übermäßig schnelles Fahren »unnachsichtlich« einzuschreiten.68 66 Ministerium für Landwirtschaft, Domänen und Forsten an Reichsamt des Innern (5. 10. 1909), BA, R1501, Nr. 13985. Autointeressenten versuchten, die Geschwindigkeitsgrenze auszuweiten, indem sie 1908 bei Versuchen feststellten, dass Pferdefuhrwerke Durchschnittsgeschwindigkeiten von bis zu 28 km/h erreichten. Vgl. GStA PK I. HA Rep. 77 tit. 1328 Nr. 11, Bd. 4. Forderungen nach Einführung strenger Geschwindigkeitsbegrenzungen bezogen sich nicht allein aufAutos. 1896 wehrte sich die Berliner Radfahrerschaft in einer Petition an die Stadtverordnetenversammlung gegen die Festsetzung einer Höchstgeschwindigkeit und den Nummernzwang. Vgl. LA Berlin Rep. 00 (2397) Sect. 1 Nr. 24. 67 1905 initiierten preußische Ministerien ein Preisausschreiben für Geschwindigkeitsmesser. Vgl. GStA PK I. HA Rep. 77 tit. 1328 Nr. 18, Bd. 1. Zu Petitionen von Privatleuten gegen »Geschwindigkeitsexzesse« vgl. LA Berlin Rep 00 (2397) Sect. 1 Nr. 24; GStA PK I. HA Rep. 169D tit. Xiq Nr. 4, adh. 1. Die Berliner Lokalpresse kritisierte 1911 überhöhte Geschwindigkeiten und die Verantwortungslosigkeit der Autofahrer, die sich »zu 90 % aus Sportsleuten, Protzen, Lebemännern und gut situierten Tagedieben« rekrutierten. Berliner Actionair, Jg. 30, 1911, Nr. 1234, S.2. 68 Vgl. Minister des Inneren an Polizeipräsident Berlin (22. 6.1907), LAB PrBrRep 30 Berlin С tit. 133 Nr. 76, Bd. 7 (18790); Bekanntmachung des Berliner Polizeipräsidenten (27. 6. 1908),

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Auch an der Förderung des Verkehrs interessierte Kreise sahen zuweilen die gegenüber dem Auto »ungünstige Stimmung in der Bevölkerung« in »Uebertreibungen und Ausschreitungen des Automobilsports« begründet. Selbst die Motorpresse kritisierte den »Schnelligkeitswahnsinn«, der auf falschem Ehrgeiz und Eigendünkel beruhe und den Automobilismus in seiner Gesamtheit diskreditiere. 1914 empfahl der ADAC seinen Mitglieder schließlich generell die Einhaltung der Verkehrsvorschriften. Als in den zwanziger Jahren eine erneute Verrohung der Verkehrssitten zu beobachten war, erkannte man eine rücksichtsvolle Fahrweise als wirkungsvollste Propaganda gegen die »aufkommende Automobilfeindseligkeit der Massen«. Da das Auto auch an wirtschaftlicher Bedeutung gewann, geriet der noch im alltäglichen Straßenverkehr anzutreffende Typus des Herrenfahrers, der das Autofahren tempofixiert vor allem als Sport begriff, unter den Autointeressenten zunehmend in eine Minderheitenposition.69 Die Aufforderungen zur Selbstmäßigung, die mit der Einsicht in die Notwendigkeit eines Vorgehens gegen Verkehrsrowdies einhergingen, scheinen jedoch nur sehr bedingt zur Beruhigung beigetragen zu haben. Noch 1932 erreichte das Reichsjustizministerium eine wütende Eingabe, in welcher der Erlass einer »Notverordnung« gegen den von Autofahrern ausgeübten »Terror« der Schnellfahrerei gefordert wurde. Die »im wahnsinnigsten TEMPO durch die Strassen jagenden Kraftwagenlenker« sollten in ihre Schranken verwiesen werden.70 Die Geschwindigkeitsbedürfnisse vieler Autofahrer aber auch die Tempoängste der unmotorisierten Bevölkerung kulminierten in den zahlreichen Motorsportveranstaltungen, die wegen fehlender Rennbahnen vor dem Ersten Weltkrieg auf öffentlichen Straßen stattfanden. Dabei bezeichneten Autoenthusiasten die Rennen zuweilen gar als »Turniere der Gegenwart«, die zur ethischen Hebung der Bevölkerung beitrügen, da sie die Bewunderung für Kraft und Tapferkeit beförderten.71 Die Behörden bewerteten die Autorennen

LAB PrBrRep 30 Berlin С tit. 133 Nr. 134, Bd. 1, Blatt 9; LAB PrBrRep 30 Berlin С tit. 133 Nr. 11, Bd. 1, Blatt 9. Das Königliche Amtsgericht Berlin verhängte von Oktober bis Dezember 1913 131 Strafen gegen Autofahrer wegen übermäßig schnellen Fahrens. Allein im Mai 1914 stieg die Zahl der Strafverfügungen wegen überhöhter Geschwindigkeit auf 189 an, um sich im Oktober 1914 auf82 zu reduzieren. LAB PrBrRep 30 Berlin С tit. 133 Nr. 100, Bd. 3 (18701), Blatt 444-447,486, 523. 69 Vgl. Bund Deutscher Verkehrsvereine an Reichstag (25.11.1908), GStAPKI. HARep. 77 tit. 1328 Nr. 12, Bd. 3; AAZ, Jg. 3, 1902, Nr. 34, S. 4f.; Jg. 23, 1922, Nr. 31, S. 29; ADAC, Adreßbuch 1914, S. XV; AW, Jg. 18, 1920, Nr. 12/13, S. 7; Automobil und Mode, 1928, Nr. 1, S. 14f. Die Geschwindigkeitsfixierung kann als Externalisierung der Nervosität gedeutet werden: Indem er das Auto selbst steuerte, musste der Autofahrer das Tempo der modernen Zeit nicht passiv erleiden. Vgl. Radkau, Nervosität, S. 56. 70 Eingabe an Reichsjustizministerium, Hannover (30. 10. 1932), BA R 3001 Nr. 7079, Blatt 67a. 71 Vgl. AAZ, Jg. 6, 1905, Nr. 5, S. 33f.; Jg. 3, 1902, Nr. 24, S. 6.

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dagegen nach den Erfahrungen der frühen transnationalen Wettbewerbe deutlich kritischer, da diese nicht nur unter den Teilnehmern zahlreiche Todesopfer gefordert hatten. Nachdem 1901 die 57 schweren Unfälle der Wettfahrt ParisBerlin zu 28 Toten und 29 Schwerverletzten geführt hatten, lehnte Erzherzog Otto von Osterreich das Protektorat über die Fernfahrt Paris-Wien ab. 1902 wurde von italienischer Seite die Durchführung des Rennens Nizza-AbbazziaNizza abgelehnt, da bei den zahlreichen Ortsdurchfahrten und der erregten Stimmung in der Bevölkerung die Sicherheit der Veranstaltung nicht zu gewährleisten wäre. 1903 kam es beim Rennen Paris-Madrid, das selbst die Motorpresse von einer »sinnlosen Orgie des Schnelligkeitswahnsinns« sprechen ließ, erneut zu zahlreichen Unfällen, die zum Abbruch des Rennens führten. Es folgte eine erregte Debatte im französischen Parlament über die Genehmigung der Veranstaltung. Die Sensibilisierung der Öffentlichkeit für die Gefahren der Autorennen ging so weit, dass ein betroffener Landrat anlässlich der Rundfahrt Berlin-Hamburg-Berlin die teilnehmenden Autofahrer aufforderte, auf Zeichen der Polizeibeamten sofort anzuhalten. Zuwiderhandelnde wollte er »durch Entgegenstellen eines Fahrhindernisses« zum Anhalten zwingen, die Bevölkerung zur Unterstützung der Polizeiaufsicht animieren.72 Eine erfolgversprechende Strategie, die Behörden für die Durchführung von Autorennen zu gewinnen, bestand darin, den Nutzen der Veranstaltung für die heimische Industrie zu betonen. So argumentierte der DAC im Genehmigungsgesuch für das Gordon-Bennett-Rennen 1904 mit wirtschaftlichen Vorteilen für die Region und die deutsche Automobilindustrie. Da sich der zuständige Regierungspräsident einer möglichen Hebung des Fremdenverkehrs im Taunus sowie den Vorteilen für die »nationale Industrie« nicht verschließen wollte, befürwortete er die Genehmigung des Rennens. Als aber die Landräte in den Entscheidungsprozess einbezogen wurden, äußerten diese heftige Kritik und forderten vor allem Maßnahmen gegen »Ubergriffe der Automobilisten«. Drakonische Strafen seien festzusetzen, um die Beunruhigung der Bevölkerung über den Automobilverkehr und die Genehmigung des Rennens nicht weiter zu steigern. Die Polizeiverordnung, die schließlich die Sperrung der Piste anlässlich des Rennens »für jeden Fahr-, Reit- und sonstigen Verkehr« verkündete, trug den geäußerten Bedenken in sofern Rechnung, als sie ein ausdrückliches »Verbot des Aufwerfens von Fremdkörpern auf die Rennstrecke« enthielt.73 72 Vgl. AAZ,Jg. 3,1902, N r . 4, S. 7; N r . 15, S. 15; N r . 16, S. 17;Jg. 4,1903, N r . 22, S. 7, S. 19; Z M M , Jg. 1,1902, N r . 12, S. 243. Im Rückblick auf die Fernfahrt Paris-Berlin erinnerte sich ein Mitglied des Organisationskommitees an die feindselige Haltung der Bevölkerung: »In vielen O r ten w u r d e n uns Schimpfnamen nachgerufen, hin und wieder flogen uns auch Steine nach ... In einem Zeitraum von kaum zwei Stunden fingen unsere Pneumatiks sechs Nägel, die offenbar absichtlich ausgestreut waren ...«Isbert, S. 48, S. 53. 73 Z u r Sicherung der Rennstrecke w u r d e n 1200 Soldaten eingesetzt. Vgl. D A C an Regierungspräsident Wiesbaden (28. 11. 1903), GStA PK I. H A Rep. 77 tit. 1328 N r . 23, Bd 1; Regie-

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Größere Ausmaße nahmen 1907 die Auseinandersetzungen um das Kaiserpreisrennen an, das ebenfalls als exklusive Veranstaltung im Taunus stattfand. Der KAC verpflichtete sich, alle Kosten für Absperrung der Strecke, Fußgängerbrücken und Wachposten zu übernehmen. Er haftete für Schadensersatz an Graspächter, die befürchteten, ihre Einnahmequelle könnte durch staubbindende Mittel unbrauchbar werden. Zwei Lkw stellte man für die Milchabfuhr zur Verfügung, um möglichen wirtschaftlichen Verlusten durch Straßensperrungen vorzubeugen. Doch forderte das Rennen zwei Todesopfer, eines davon unter den Zuschauern. Die Rennstrecke blieb zwar lediglich an zwei Tagen für den öffentlichen Verkehr gesperrt, doch führten die Trainingsfahrten der ortsfremden Rennfahrer über vier Wochen hinweg zu Beeinträchtigungen und zur Belästigung der Wohnbevölkerung. In einer ersten Reaktion beschwerte sich zunächst der Bürgermeister von Homburg und forderte den Landrat auf, Autorennen künftig von der Region fernzuhalten. 24 in der Gegend ansässige Arzte protestierten wegen gesundheitlicher Gefährdungen. Außerdem forderte der »Nassauische Bauernverein« schärfere Geschwindigkeitskontrollen und ein generelles Verbot von Straßenrennen. Schließlich wurden in den Taunusstädten 48.000 Unterschriften gesammelt, die an den Reichstag appellierten, Straßenrennen künftig generell zu verbieten. Man entschloss sich daraufhin, nach Bau einer Autorennbahn von der Genehmigung weiterer Straßenrennen abzusehen. Die Motorpresse behauptete zwar, dass die projektierte Rennstrecke im Taunus bei der Bevölkerung auf Zustimmung stoßen werde, tatsächlich war das Rennbahnprojekt aber selbst unter Automobilinteressenten umstritten.74 Nach dem Verbot der Straßenrennen fand man zunächst in der Veranstaltung von Zuverlässigkeitsfahrten einen adäquaten Ersatz. Diese waren für das Publikum jedoch keinesfalls gefahrlos, wie das Beispiel der Herkomerfahrt 1907 zeigte, bei der vier Kinder teilweise schwer verletzt wurden. Damit hatte die Veranstaltung ihren Hauptzweck verfehlt, die weitere Verbreitung des Autos zu fördern. Auch wegen der Häufung von Tourenfahrten und der durch Verkehrsbeschränkungen bedingten wirtschaftlichen Nachteile für einzelne Erwerbsgruppen regte der preußische Minister der öffentlichen Arbeiten 1907 eine restriktivere Zulassungspraxis an. Bereits 1906 waren bei der DMV-Fahrt Eisenach-Berlin Fahrerfluchtsfälle und fehlende Kennzeichen moniert worrungspräsident Wiesbaden an Minister der öffentlichen Arbeiten u. Minister des Innern (5. 12. 1903), ebd.; Verhandlungsniederschrift über Genehmigungserlass (21. 12. 1903), ebd.; PolizeiVerordnung betr. Abhaltung des Gordon-Bennett-Rennens, ebd., Bd 2; Isendahl, Gordon-BennetRennen, S. 73fF. 74 Vgl. Regierungspräsident Wiesbaden an Minister der öffentlichen Arbeiten (25. 7. 1907), GStA PK I. HA Rep. 77 tit. 1328 Nr. 23, Beih. 1; Minister der öffentlichen Arbeiten an Minister des Innern (21. 12. 1907), ebd.; Ingenieur Dammeck an Preußischen Innenminister (14. 7. 1908), GStA PK I. HA Rep. 77 tit. 1328 Nr. 24, Bd 1; Deutsche Tageszeitung, 18. 9. 1907.

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den. Als der KAC 1909 eine internationale Zuverlässigkeitsfahrt beantragte, stellten die Behörden die Bedingung, die Veranstaltung auf einen Zeitpunkt nach Einbringung der Ernte zu verschieben. 1910 stimmte das zuständige Ministerium der Genehmigung einer »Prüfungsfahrt für kleine Wagen« nur unter Verzicht auf eine Schnelligkeitsprüfung zu. Nach Beendigung der Fahrt rügte man, dass einzelne Straßenteile aufgrund mangelnder Organisation länger als notwendig für den öffentlichen Verkehr gesperrt blieben. Zu einer erneuten Beschwerde kam es 1913 anlässlich der »Norddeutschen Preisfahrt«, die Anwohner der Rennstrecke beim pfmgstlichen Kirchbesuch behinderte.75 In den frühen zwanziger Jahren waren Autorennen mit Geschwindigkeitsprüfungen auf öffentlichen Straßen wieder möglich, wie das Beispiel des vom ADAC jährlich veranstalteten Rennens »Rund um Beizig« zeigte. Allerdings bemühten sich die Automobilinteressenten nun auch verstärkt darum, die wirtschaftliche Bedeutung des Kraftverkehrs gegenüber seinem sportlichen Charakter zu betonen. Trotzdem wurde immer wieder gegen Motorsportveranstaltungen protestiert. Beispielsweise sprachen sich Teile der Bürgerschaft und die »Naturfreunde« gegen das seit 1924 in Hannover stattfindende Eilenriedrennen aus. Die beständig steigenden Besucherzahlen drängten die Opponenten jedoch in die Defensive. Erst der Zweite Weltkrieg beendete die jährliche Austragung der Veranstaltung, die den städtischen Erholungsraum belastete.76 Auch die hohen Besucherzahlen der Berliner AVUS-Rennen in den zwanziger Jahren bestärkten die Autointeressenten in der Ansicht, dass die Bevölkerung lediglich gegen das Auto im Straßenverkehr aufgebracht war, nicht aber gegen das Kraftfahrzeug im allgemeinen. Trotz zahlreicher kritischer Stimmen erlebte der Automobilsport in der zweiten Hälfte der zwanziger Jahre einen vorher nicht gekannten Boom. Rennfahrer stiegen zu modernen Ikonen der populären Kultur auf Weite Teile der Öffentlichkeit und zahlreiche Intellektuelle begeisterten sich für den Motorsport, wobei letztere in den Prinzipien des Sports mit seiner freiwilligen Unterordnung unter ein selbstgewähltes Regelwerk ein Äquivalent zur Demokratie sehen konnten.77 Im Straßenalltag hatte sich dagegen in den Weimarer Jahren erneut Erregung gegen den Kraftverkehr breit gemacht. Vielfach machten die Interessenverbände eine Lockerung der Straßendisziplin durch den kriegsgeprägten Chauffeur-Nachwuchs und neu-

75 Vgl. Minister der öffentlichen Arbeiten an KAC (30. 11. 1906), G S t A P K I . H A R e p . 77 tit. 1328 Nr. 23, Bd 3; Minister der öffentlichen Arbeiten an KAC (12. 8. 1909), ebd., Bd 5; Minister der öffentlichen Arbeiten an KAC (13. 8.1910), ebd.; Minister der öffentlichen Arbeiten an KAC (9. 8.1913), ebd.; Deutsche Tageszeitung, 2 0 . 3 . 1 9 1 1 ; AAZ J g . 8,1907, Nr. 29, S. 33, S. 52; AW, Jg. 5, 1907, Nr. 139, S. 3. 76 1925 sprach ein Bürgerverein von der »Enteignung des Stadtwaldes«. Vgl. Birkefeld u.Jung, S. 93ff. 77 Vgl. Z M M , J g . 6,1907, N r . 11, S. 257-261; Jg. 9,1910, Nr. 14, S. 311-313; Satzmann, S. 90; Becker, Sportrepublik, S. 179-206.

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reiche Automobilisten dafür verantwortlich. Daneben konnte man aber bereits auch Kritik an Umweltschäden vernehmen, die das Auto verursachte.

d) Umweltschädigende Wirkungen des Kraftverkehrs

Das Automobil traf bei seinem Erscheinen auf ein Straßensystem, das seinen Bedürfnissen nicht entsprach, sondern am Fußgänger- und Pferdefuhrwerksverkehr ausgerichtet war. Insbesondere die vielerorts mangelnde Befestigung der Straßenoberfläche führte beim Auftreten der schweren, schnellfahrenden Motorwagen zu vermehrtem Abrieb und Verwirbelung des Deckmaterials, so dass die ersten Automobile auf den Landstraßen riesige Staubwolken verursachten. Die Wegebauverantwortlichen erkannten den Straßenstaub als Hauptfeind des Automobilismus, mussten ihn aber zunächst als unabänderlich hinnehmen, da großflächige Straßenteerungen als zu kostspielig erschienen. Die Kostenfrage blieb lange Zeit der entscheidende Faktor in Fragen der Straßenbehandlung. Behalf man sich zunächst mit Wassersprengungen, ging man jedoch mit zunehmenden Autoverkehr zum Einsatz chemischer Bindemittel über, da einige Versuche zur Imprägnierung der Straßendecke mit Salzlösungen und wasserlöslichen Ölen erfolgversprechend verliefen. Die Verwendung von Westrumit, dessen Wirkung aber nur vier bis zehn Wochen anhielt, war daher zunächst weiter verbreitet als die Teerung der Strassenoberfläche, die wegen erhöhter Dauerhaftigkeit zu favorisieren gewesen wäre.78 Automobilinteressenten forderten dagegen bereits früh den autogerechten Ausbau der Landstraßen, bestritten aber zuweilen, dass die Autos durch die Saugwirkung ihrer Gummireifen besonders starke Stauberzeuger waren. Vielmehrwären die Straßenbeschaffenheit und die Geschwindigkeit des Fahrzeugs hauptsächlich für das Maß der Staubentwicklung verantwortlich. Schnellfahrende Pferdefuhrwerke könnten demnach mehr Staub als Autos aufwirbeln. Wenn es darum ging, drohende Lasten abzuwehren, behauptete man zuweilen sogar, dass der Autoverkehr den Straßenzustand verbesserte, da die breiten Räder der Kraftwagen den gleichen Effekt wie Straßenwalzen hätten. Dieser Abwiegelungsstrategie widersprachen Sachverständige, die das Auto als Hauptverursacher der Staubplage feststellten. Sie identifizierten neben dem hohen Eigengewicht der Lkw auch die senkrechte Radstellung der Autos und ihre höhere Spurtreue als Ursachen für eine beschleunigte Abnutzung der Stein78 Der Einsatz von Westrumit wurde 1910 mit einem Pfennig pro Quadratmeter veranschlagt, während Teerungen mit 15 Pfennig pro Quadratmeter wesentlich kostspieliger waren. Vgl. AAZ, Jg. 11, 1910, Nr. 20, S. 52; Nr. 30, S. 47; Nr. 52, S. 39f.; Z M M . J g . 3, 1904, Nr. 11, S. 216; MF, 1910, Nr. 21, S. 513.

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bahnen. Bei schnellfahrenden Wagen und trockner Witterung führte der kräftige Luftzug, den die Fahrzeuge entwickelten zur Abtragung des Deckmaterials. Außerdem begünstigten tiefgelegte Automobilkarosserien die Staubentwicklung, welche die Autofahrer wegen der Orientierung am Rennwagenbau bevorzugten; fur ihre staubmindernde Verbesserung schrieb der »Royal Automobile Club« einen Wettbewerb aus. Die »Gesellschaft zur Bekämpfung des Strassenstaubes« forderte daraufhin ähnliche Aktivitäten von den deutschen Clubs.79 Durch die Agitation der Staubbekämpfer wuchs in der Folgezeit die Einsicht in die schädlichen Wirkungen des Straßenstaubs. Appelle zu rücksichtsvoller Fahrweise und Minderung stauberzeugender Höchstgeschwindigkeiten gingen nun häufig von Autofahrern selbst aus. Automobilclubs forderten die Autofahrer auf, »Lebensart« zu beweisen und bei der Begegnung mit Fußgängern die Geschwindigkeit zu reduzieren, auch wenn dies einer »Selbstverleugnung« gleichkäme. Die zahlreichen Beschwerden über die Staubbelästigung gehörten mit derartigen Aufrufen jedoch keineswegs der Vergangenheit an.80 Schwerwiegender als Belästigungen und die symbolische Herabsetzung der Fußgänger durch Beschmutzung der Kleidung waren aber staubbedingte, ökonomische Verluste. 1906 machte der Deutsche Landwirtschaftsrat auf die wirtschaftlichen Nachteile von Hausbesitzern aufmerksam, deren Grundstücke durch den Autoverkehr an Wert verloren. Mehrere Hausbesitzer richteten in der Folgezeit über ihre Vereinigungen Eingaben an die Behörden, da ihre an Hauptstraßen liegenden Gebäude durch Autos mit Straßenkot bespritzt wurden. Polizeiverwaltungen riefen dazu auf, Strafanträge wegen Sachbeschädigung gegen Autofahrer zu stellen, die Häuser beschmutzten. Gewerbevereine forderten, das Problem in den Parlamenten zur Sprache zu bringen, und bei der Industrie einen »Kotschutz-Wettbewerb« anzuregen.81 Klagte die Landbevölkerung zuweilen über eine Schädigung der Feldfrüchte durch den Straßenstaub, wiesen die Automobilzeitschriften auf positive Seiten des Staubes hin. So sollen 1908 in der Umgebung Kölns Kohlpflanzen durch die Bestaubung vor Erdflohbefall geschützt worden sein. Die »Düngewirkung« des Straßenstaubes habe zu einer Verbesserung der Ackerkrume und zur Ausbreitung verschiedener Kleearten geführt. Der sächsische Landeskulturrat er79 Vgl. Zechlin, Automobil-Kritik, S. 7; AAZ, Jg. 8, 1907, Nr. 16, S. 68-70; Nr. 17, S. 48; Nr. 18, S. 42-44; Nr. 32, S. 56ff.; Jg. 9,1908, Nr. 34, S. 50. Ab 1909 widmete sich die »Zentralstelle zur Abwehr des Strassenstaubes« dem Bau staubfreier Straßen. Dabei arbeitete man mit der französischen und schweizerischen »Ligue contre la poussiere«, der »Oesterreichischen Gesellschaft gegen die Staub- und Rauchplage« sowie der Automobilindustrie zusammen. Vgl. AAZ, Jg. 10,1909, Nr. 1, S. 43. 80 Vgl. Dresdner Nachrichten, 8.9.1911; Brüggemeier u. Toyka-Seid, S. 252f.; LA Berlin, Rep (X) (2397) Sect. 1 Nr. 24. 81 Vgl. Deutscher Landwirtschaftsrat, S. 172; BA R 1501 Nr. 13943; AAZ, Jg. 14, 1913, Nr. 15, S. 24.

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kannte die Beschwerden der Landbevölkerung dagegen als berechtigt an und forderte bei den Autobesitzern den Ersatz von Ernteausfällen ein. Dass es durch den Straßenstaub tatsächlich zu einer Schädigung von Pflanzen kam, wird daran deutlich, dass in den zwanziger Jahren die Pachtung der Grasnutzung an Straßenböschungen unrentabel wurde. Die zunehmende Autodichte hatte den zu erzielenden Gewinn erheblich vermindert. An manchen Wegstrecken wuchs durch die Staubentwicklung nur noch vollständig unbrauchbares Gras.82 Örtliche Behörden setzten sich zunehmend für eine Bekämpfung der Staubplage durch Teerungen und Pflasterungen ein. Manchmal versuchte man dabei, die gesteigerten Kosten der Wegeunterhaltung über Steuern und Pflasterzölle an die Autofahrer weiterzugeben. Im Streit um die Sonderbesteuerung von Kraftfahrzeugen im Großherzogtum Gotha rechtfertigte die örtliche Regierung die Einführung der Steuer beispielsweise mit dem aus der Staubplage resultierenden Unmut der Bevölkerung. Stauberzeugende Autofahrer seien bereits angegriffen worden. Andernorts war man der Meinung, dass die Nutzung und nicht die Abnutzung der Strassen die Chausseegeldpflicht begründete. Schließlich war zu berücksichtigen, dass eine Abgabenfreiheit der Kraftwagen von den Gespannhaltenden als Ungerechtigkeit empfunden worden wäre. Obwohl sie die Befestigung der Straßenoberfläche als Königsweg zur Beseitigung von Belästigungen erkannten, fiel es den Behörden aber insgesamt relativ schwer, die Autofahrer angemessen zur Deckung von Straßenbaukosten heranzuziehen. In den zwanziger Jahren verfolgte man schließlich eine Doppelstrategie im Bemühen, die Konfliktpotentiale der Staub- und Schmutzplage zu entschärfen. Wurden einerseits verstärkt Strassen ausgebaut und die Bevölkerung über die Bedeutung des Kraftfahrwesens aufgeklärt, ging man andererseits auch rigoroser gegen rücksichtslose Autofahrer vor: In der Weimarer Zeit verurteilten mehrere Gerichte Autofahrer, die Fußgänger mit Strassenkot bespritzt hatten.® 82 Die sächsische Staatsregierung sah aufgrund zahlreicher Hägen 1912 in der Staubplage und der daraus resultierenden Schädigung von Gärtnereien, Wäschereien, Landwirtschaft und Sommerfrischen einen »öffentlichen Notstand«, den es durch Teerungen zu beseitigen gelte. Noch 1914 forderten landwirtschaftliche Organisationen die Heranziehung der Autofahrer zum Ersatz durch Verstaubung unbrauchbar gewordener Feldfrüchte. Amtliche Stellen lehnten eine diesbezügliche Änderung des Zivilrechts jedoch ab. Vgl. MF, 1910, Nr. 50, S. 1312; 1914, Nr. 23, S. 30; AW,Jg. 10,1912, Nr. 18, S. 2;Jg. 16,1918, Nr. 16, S. If.; ZMM, Jg. 13,1914, Nr. 10, S. 215; MW, Jg. 11,1908, S. 370; AAZ.Jg. 12,1911, Nr. 46, S. 51; Der Straßenwärter, Jg. 1,1926, Nr. 3, S. 21. 83 Vgl. Minister der öffentlichen Arbeiten an Polizeipräsident Berlin (3. 6. 1908), LAB PrBrRep 30 Berlin С tit. 133 Nr. 27, Bd 1, Blatt 1; Herzogliches Sächsisches Staatsministerium Gotha an Reichskanzler (6.5.1912), GStA PKI. HA Rep. 77 tit. 1313 Nr. 8, Beih. 1, Bd 2, Blatt lf.; Brüggemeier u. Toyka-Seid, S. 253; Kriegsministerium an Innenministerium (19. 3. 1919), BA R 1501 Nr. 13931; Kommissarische Verhandlungen über Heranziehung der Kraftwagen zum Chausseegeld (9.3., 2. u. 15.4.1903), GStA PK I. HA Rep. 77 tit. 1313 Nr. 8, Beih. 1, Bd 1; AAZ, Jg. 28, 1927, Nr. 36, S. 33-36.

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Waren die Landstraßen schon vor dem Krieg dem Autoverkehr kaum gewachsen, belastete der Kriegsverkehr schwerer Lastwagen die Straßendecke zusätzlich, was eine vermehrte Staubentwicklung begünstigte. Daher kam es bei erneuter Zunahme des Kraftverkehrs zu einer Potenzierung der mit der Staubentwicklung verbundenen Probleme. Der hohe Anteil von Bakterien im Straßenstaub ließ die Angst vor TBC-Erkrankungen als nicht unbegründet erscheinen, das gehäufte Auftreten von Hals- und Rachenerkrankungen bei Kindern führte zur Vereinsamung straßennaher Spielplätze. Der sichtbare, Kritik provozierende Straßenstaub konnte bis zum Ende der Weimarer Republik durch Straßenbaumaßnahmen und eine Intensivierung der Stadtreinigung zwar reduziert werden, mit der Erhöhung des Motorisierungsgrades stieg aber die Gesamtmenge giftiger Emissionen an. Die öffentliche Kritik an der Staubund Schmutzplage hatte jedoch Maßnahmen zur Minderung der Belästigungen angestoßen und damit letztlich das Vertrauen in die Steuerungsfähigkeit der verkehrstechnischen Modernisierung stabilisiert.84 Auch in den Städten führte der Autoverkehr zu Schädigungen, die deutlich machten, dass die bauliche Infrastruktur der Beanspruchung durch die neuen Verkehrsmittel nicht genügte. Vor allem der Lkw- und Omnibusverkehr war für die durch Erschütterungen verursachten Beschädigungen an Häusern und städtischen Straßenbauten verantwortlich. In den zwanziger Jahren spitzten sich diese Probleme zu, da der Schwerlastverkehr überproportional zunahm und bis dahin keine alternativen bautechnischen Lösungen gefunden werden konnten. Das verbreitete Kopfsteinpflaster hielt den schweren Kraftfahrzeugen nur unzureichend stand.85 1928 nahm der Preußische Landtag einen Antrag an, der mit einem Verbot der Eisen- und Vollgummibereifung darauf abzielte, durch den Lastverkehr verursachten Schäden am Altwohnungsbestand entgegenzuwirken. Ein reichsweites Verbot schloss sich an, führte aber nicht zu befriedigenden Lösungen. Auf eine Anfrage des Deutschen Städtetag wegen anhaltender Klagen über Beschädigungen an Häusern berichteten 46 Mitgliedsstädte über Schäden auch nach dem Verbot der Vollgummibereifung. Die Erfahrungen mit Fahrbahnänderungen, der Anlage von Vorgärten, Umleitungen des Durchgangsverkehrs, verstärkten Kontrollen und einer Herabsetzung der Höchstgeschwindigkeit machten deutlich, dass nur ein Ausbau des Straßensystems Abhilfe schaffen konnte und auch aus konservatorischen Gründen notwendig war.86 84 Vgl. Birkefeld u.Jung, S. 124ff.; Deutsche Automobil-Zeitung, Jg. 15, 1922, Nr. 17, S. 5f.; ZMM, Jg. 21, 1922, Nr. 15/16, S. 174-176. 85 Vgl. LA Berlin STA Rep. 14 Nr. 4032, Bd. 3, Blatt 158; Bewohner der Berliner Kochstrasse an städtische Tiefbaudeputation (6. 10. 1922), LAB PrBrRep 30 Berlin С tit. 202 Nr. 8, Bd 1 gen. (20630), Blatt 171; Städtische Tiefbaudeputation an Polizeipräsident Berlin (9. 11. 1922), ebd., Blatt 172. 86 Vgl. Antrag Nr. 8101, GStA PK I. HA Rep. 169D tit. Xiq Nr. 4., Bd. 1; Birkefeld u.Jung, S. 154fF., Stolz, S. 391.

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Vorausgegangen war eine lange Reihe von Auseinandersetzungen um den Strassenbau, wobei die begrenzte Wirksamkeit aller vorgeschlagenen Lösungen dazu führte, dass internationale Straßenbaukongresse früh den Bau von Autobahnen anstießen. Nachdem Frankreich, Italien, England und Belgien erste Pläne entwickelt hatten, wurde auch in Deutschland die Anlage von »NurAutostraßen« als Königsweg zur Lösung von Verkehrskonflikten propagiert.87 Der Realisierung derartiger Projekte, an die im Kaiserreich aufgrund der immensen Kosten kaum zu denken war, kam man erstmals während des Ersten Weltkriegs näher. Es entwickelte sich auf ministerieller Ebene eine Diskussion über den Autobahnbau, die spätere Planungen vorwegzunehmen schien: 1915 regte Prinz Heinrich von Preußen die Verwendung Kriegsgefangener zum Autobahnbau an. Während der Reichskanzler »schwere grundsätzliche Bedenken« geltend machte, war der um eine Stellungnahme gebetene KAC begeistert, dass sich die »friedlichen Interessen der Automobilisten« mit den militärischen Absichten des Staates trafen.88 Das Projekt zerschlug sich schließlich, doch war der Autobahngedanke fortan in den Diskussionen um die Lösung des Straßenproblems auch auf höchster Ebene verankert. Mit der Eröffnung der Berliner AVUS fanden die oberitalienischen »autostrade« eine erste deutsche Entsprechung. Weitergehende Vorschläge scheiterten allerdings an geplanten Straßenbenutzungsgebühren sowie an der Gegenwehr der Reichsbahn, die bestrebt war, ihr Transportmonopol im Fernverkehr zu verteidigen. 1927 durchkreuzte die Reichsregierung Pläne für den Bau einer Autobahn von den Hansestädten nach Basel, indem sie die Gewährung einer Baugenehmigung für das erste Teilstück zwischen Frankfurt am Main und Mannheim unter Verweis auf die geplante Gebührenerhebung ablehnte.89 So stand in den zwanziger Jahren die Ausbesserung bestehender Strassen im Vordergrund. Hierzu konnten wegen chronischer Geldknappheit Arbeitslose angefordert, Gelder aus Mitteln der produktiven Erwerbslosenftirsorge bereitgestellt und die Ausbesserungen als »kleine Notstandsarbeiten« durchgeführt werden. Außerdem erreichten die Automobilverbände 1922 erstmals die teilweise Zweckbindung der Kfz-Steuer. Ab 1925 folgten auf dieser Grundlage in mehreren deutschen Ländern großangelegte Straßenbauprogramme, die zu einem ersten Straßenbauboom führten, allerdings mit der Weltwirtschaftskrise zum Erliegen kamen. Initiativen zur überregionalen Organisation des Straßenbaus diskutierte der Reichstag zwar, sie blieben aber im Gegensatz zu entsprechenden Entwicklungen in den USA, Großbritannien und Frankreich folgen87 Vgl. Tedesci, S. 218ff.; Z M M . J g . 7 , 1 9 0 8 , Nr. 20, S. 473-475; Jg. 8 , 1 9 0 9 , Nr. 18, S. 378. 88 Vgl. Prinz Heinrich von Preußen an Minister der öffentlichen Arbeiten (1.5. 1915), BA R 1501 Nr. 13999; Minister der öffentlichen Arbeiten an Reichskanzler (21. 6. 1915), ebd.; Reichskanzler an Minister der öffentlichen Arbeiten (7. 7. 1915), ebd.; Kriegsminister an Minister der öffentlichen Arbeiten (27. 7. 1915), ebd.; KAC an Reichsamt des Innern (3. 8. 1915), ebd. 89 Vgl. LA Berlin Rep 10-01/2 Nr. 2531, Blatt 5f.; Doßtnann, S. 235-242.

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los.90 Während sich insbesondere Vertreter der Landwirtschaft gegen die Straßenbauprogramme wandten, lagen intensivierte Straßenteerungen auch im Interesse der Radfahrer. Deren Lobbyisten forderten jedoch bereits darüber hinaus gehend die Trennung vom motorisierten Verkehr. Schließlich könnten Radfahrwege an Stadtstraßen die Häuser zerstörenden Erschütterungen des Lkw-Verkehrs fast völlig auffangen.91 Allerdings führten einzelne Kritiker auch gesundheitliche Bedenken gegen die ausgedehnten Straßenteerungen ins Feld. 1930 musste die preußische »Landesanstalt für Wasser-, Boden- und Lufthygiene« Befürchtungen entgegentreten, dass Teerungen die Lungenkrebsrate erhöhten. Mit gleichem Recht könnte man behaupten, dass die Gefahr durch die Verminderung der Staubbelästigung abgenommen hätte. Dagegen stellten die Auspuffgase eine tatsächliche Gefahr dar. Auf die Beseitigung der unvollständig verbrannten Auspuffgase richte sich daher das Hauptaugenmerk der Landesanstalt.92 Die starke Geruchsbelästigung, welche die Auspuffgase insbesondere in der Stadt verursachten, räumten selbst Autofahrer ein. Einzelne Reichstagsabgeordnete forderten daher bereits 1908 Maßnahmen zur Geruchsunterdrückung und Abgasfilterung sowie den verstärkte Einsatz von Elektromotoren. Tatsächlich wären der störende Geruch der Auspuffgase und ihre gesundheitsschädlichen Wirkungen vermeidbar gewesen, hätte man stärker auf den Elektroantrieb gesetzt. Noch nach der Jahrhundertwende war keineswegs klar, dass sich der Verbrennungsmotor als vorherrschendes Antriebsaggregat durchsetzen würde. Auch waren rechtliche Steuerungselemente, die einer aktiveren Verkehrs- und Umweltpolitik hätten dienen können, durchaus vorhanden.93

90 Vgl. Denkschrift über die Angliederung einer zentralen Reichsbehörde fur Kunststrassen an das Reichsamt fur Luft- und Kraftfahrwesen (7. 6. 1920), BA R 3001 Nr. 7070; Reichsarbeitsminister an sämtliche Landesregierungen (16. 1. 1924), BA R 5 Nr. 9248alt, Blatt 135; Krüger, S. 139-146; Stolz, S. 392-402. 91 Vgl. Reichs-Landbund an Reichskanzler (16. 5. 1927), BA R 3001 Nr. 7070, Blatt 10; Zentralstelle für Radfahrwege an Reichsverkehrsministerium (28.12.1927), BA R 5 Nr. 8354alt, Blatt 18f. Auch direkt an der Straßenunterhaltung Beteiligte kritisierten zuweilen, dass die Forderung nach verstärktem Straßenbau im »Zeitalter des Verkehrs« zu einer »Modekrankheit« geworden sei. Vgl. Die Straße, Jg. 16,1926, Nr. 6, S. 65f. 92 Vgl. LAB PrBrRep30Berlin С tit. 133 Nr. ll,Bd.2;LandesanstaltfürWasser-,Boden-und Lufthygiene an Magistrat der Stadt Spremberg, Lausitz (8. 7. 1930), BA R 154, Nr. 11. 93 Nach der Charlottenburger Droschkenordnung von 1905 konnte die Zulassung einer Kraftdroschke beispielsweise von der Verwendung einer bestimmten Antriebsart abhängig gemacht werden. Vgl. LA Berlin Pr.Br.Rep 30 Nr. 96. 1924 beschwerte sich ein Jurist beim Berliner Polizeipräsidenten über die Autoabgase. »Im Sommer bereitet der Omnibus-Verkehr derart schlechte Dünste, dass die Anwohner die Balkone und Vorderzimmer gar nicht mehr benutzen können... Aus Sparsamkeit verwenden die Omnibusse die schlechtesten Öle, anstatt wie es geplant war, sie elektrisch zu betreiben.«JustizratJ. Auerbach an Polizeipräsident Berlin (11.4.1924.), LAB PrBrRep 30 Berlin С tit. 133 Nr. 193, Bd. 4. Vgl. Verhandlungen des Reichstags, Bd. 230, S. 3051£T. (12. 2. 1908).

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Der Berliner Magistrat sprach sich 1906 erstmals wegen Geruchsbelästigungen und Gesundheitsgefährdungen gegen die allgemeine Einführung von Benzindroschken aus und wollte Elektrotaxis durch die Gewährung eines günstigeren Tarifs bevorzugt wissen. Die automobilistische Seite behauptete dagegen, dass durch regelmäßige Wartung und vernünftige Ölung Abhilfe geschaffen werden könnte. Außerdem sollten auf Wagendächer verlegte Auspuffrohre eine Besserung bringen, indem sie die Abgase über die Köpfe der Straßenpassanten ableiteten. Schließlich setzten die Akkumulatoren der Elektrodroschken Schwefelsäure frei, was fatale Wirkungen auf die Gesundheit hätte. Das zeitweise Verbot der Neuzulassung von Benzindroschken in Berlin als eine Reaktion auf die vielfältigen Hagen über Geruchsbelästigungen, konnte gegen diese Widerstände nur erreicht werden, da es den Wünschen der Droschkenbesitzer, die sich gegen Konkurrenz abschotten wollten, entgegen kam.94 Vor dem Ersten Weltkrieg verbrauchte ein 40-PS-Wagen im Stadtverkehr bis zu 60 Liter Sprit auf 100 Kilometer. Dem daraus resultierenden Abgasproblem wollte man auch mit technischen Mitteln begegnen: 1907 berichtete die »Deutsche Saduyn-Gesellschaft« erstmals über ihre Erfolge in der Geruchlosmachung der Auspuffgase. Durch einen mit Neutralisationsmittel gefüllten Behälter, der in den Auspuff eingebaut werden könnte, ließen sich die Abgase chemisch binden, so dass ein übler Geruch nicht mehr wahrnehmbar sei. Zwei Jahre später empfahl die Firma den Behörden ihren Apparat und forderte wegen der »immer öfter wiederholten Beschwerden des Publikums« über Abgasgerüche die obligatorische Einführung des Geräts in allen Kraftfahrzeugen. Das Verfahren scheint in der Praxis nicht die gewünschten Effekte erzielt zu haben: 1909 veranstaltete der »Verein zur Beförderung des Gewerbefleißes« ein Preisausschreiben fur Apparate zur Geruchlosmachung von Abgasen, wiederum ohne durchschlagenden Erfolg.95 Bei übermäßiger Rauchentwicklung, meist durch ungenügende Wartung und falsche Ölung hervorgerufen, bestand die Möglichkeit, Anzeige zu erstatten. Von polizeilicher Seite sprach man sich jedoch zunächst gegen eine restriktive Handhabung der betreffenden Bestimmungen aus, da eine gewisse Rauchentwicklung unvermeidbar wäre. Einzelne Bürger kritisierten das behördliche Vorgehen gegen Abgasemissionen daher als zu abwartend. Erst nach dem Ersten Weltkrieg vertrat das Reichsverkehrsministerium die Ansicht, dass eine Qualmentwicklung bei richtiger Behandlung des Motors durchaus vermeidbar wäre. Allerdings vergrösserte sich das Problem durch die Verwendung minder94 Vgl. AAZ, Jg. 7, 1906, Nr. 35, S. 46-48; Siemens, S. 454-463. 95 Vgl. Deutsche Saduyn-Gesellschaft München an Bundesrat (17. 3. 1909), BA R 1501 Nr. 13940; AAZ Jg. 8,1909, Nr. 47, S. 65; Jg. 10,1909, Nr. 38, S. 46f.; Zechlin, Vorschriften, S. 43. In den frühen zwanziger Jahren rechnete man mit einem halben Liter Verbrauch pro PS auf 100 Klometern bei einem Zuschlag von 20 Prozent im Stadtverkehr. Vgl. König, Kosten, S. 49f.

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wertiger Betriebsstoffe in der Nachkriegszeit. Die Autofahrer beriefen sich außerdem oft darauf, dass Störungen erst unterwegs aufgetreten wären, wodurch Strafen umgangen werden konnten. Bei geöffneten Auspuffklappen trat hingegen Bestrafung ein. Das Öffnen der betreffenden Klappe, das den Motor von Auspuff und Schalldämpfung trennte, um eine Leistungssteigerung zu bewirken, war zunächst noch auf offener Landstraße zulässig, ab 1910 aber wegen der Geräusch- und Rauchbelästigung gänzlich untersagt. Da es jedoch trotzdem weiterhin zu ständigen Übertretungen kam, setzten sich in den zwanziger Jahren noch strengere Bestimmungen durch. Bis zum 1. März 1926 mussten alle an bereits zum Verkehr zugelassenen Fahrzeugen angebrachten Auspuffklappen entfernt werden, so dass eine Trennung von Motor und Auspuff nicht mehr stattfinden konnte. Darüber hinaus verbot man ausdrücklich jegliche belästigende Rauch- und Geruchsentwicklung.96 Wie stark die Abgasbelästigung in den zwanziger Jahren tatsächlich zugenommen hatte, machte im April 1927 ein Gutachten über die Luftqualität in Berlin deutlich, das der preußische Minister für Volkswohlfahrt wegen der »unerhörten Luftverschmutzung durch die Auspuffgase der Kraftwagen« bei der Landesanstalt für Wasser,- Boden- und Lufthygiene anforderte. Die Landesanstalt stellte darin fest, dass der »Giftigkeitskoeffizient« aus dem Gehalt der Auspuffgase an Kohlenmonoxyd und Kohlendioxyd in Berlin den empfohlenen Richtwert bis um das 90fache überschritt. Da die deutsche Metropole eine schlimmere Luftverschmutzung durch Auspuffgase und Schmieröldämpfe als ausländische Großstädte aufwies, wären weitere polizeiliche Gegenmaßnahmen durchaus gerechtfertigt. Nach Erhalt des Gutachtens forderte der Minister »im Interesse der Volksgesundheit« folgerichtig, die Luftverunreinigung mit allen Mitteln zu verringern. Angesichts steigender Zulassungszahlen musste dieser Appell erfolglos bleiben. 1929 stellten Lufthygieniker erneut fest, dass die auf Auspuffgase zurückzuführenden Gesundheitsschädigungen der Straßenpassanten, Schutzpolizisten und Straßenarbeiter bedrohliche Ausmaße angenommen hatten und geeignete Abwehrmaßnahmen erforderten.97 Vor allem in den Städten kam zur Kritik an den Luftverschmutzungen die 96 Vgl. Reichsverkehrsministerium, N i e d e r s c h r i f t : M i s s s t ä n d e im Kraftfahrwesen (8. 10. 1924), S. 1, B A R 1501 N r . \4143; Brüggemeieru. Toyka-Seid, S. 250f.; A A Z J g . 1 1 , 1 9 1 0 , N r . 28, S. 51; N r . 16, S. 50; A R ( Z M M ) , J g . 2 5 , 1 9 2 6 , N r . 4, S. 85; A u t o m o b i l - M o t o r r a d - F l u g w e s e n , J g . 8, 1926, N r . 3, S. 54. 97 Vgl. Minister f ü r Volkswohlfahrt an Landesanstalt f ü r W a s s e r , - B o d e n - u n d Lufthygiene (1. 4. 1927), B A R 154 N r . 9; Landesanstalt f ü r Wasser-, B o d e n - u n d Lufthygiene an Minister für Volkswohlfahrt (13. 5. 1927), ebd.; Minister f ü r Volkswohlfahrt an Innenminister (12. 7. 1927), ebd. ; Niederschrift über die B e s p r e c h u n g des Ausschusses zu Bearbeitung der Frage »Gefahren der A u s p u f f g a s e der E x p l o s i o n s m o t o r e f ü r den Kraftwagenfuhrer u n d die Allgemeinheit« (25. 11. 1929), S. 2, ebd. B e s o n d e r s die Angst vor Berufskrankheiten der in den betreffenden Industrien Beschäftigten führte bereits in der f r ü h e n Industrialisierung zu einer, w e n n auch beschränkten, W a h r n e h m u n g der U m w e l t p r o b l e m a t i k . Vgl. Bayerl, U m w e l t p r o b l e m , S . 4 7 - 9 6 .

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Klage über verstärkte Lärmbelästigung hinzu. Neben dem Benzingestank wirkte auch das unablässige Hupen der Autos »aufreizend«, da es als Hinweis auf vermeintliche Geschwindigkeitsübertretungen interpretiert werden konnte und der Bevölkerung den Eindruck vermittelte, die Autofahrer wollten ihren Anspruch auf eine Vorrangstellung auch akustisch untermauern. Die Automobilisten befanden sich aber in einem unlösbaren Dilemma, da das Hupen vielerorts vorgeschrieben war und sie Gefahr liefen, Strafmandate zu erhalten, wenn sie sich publikumsschonender verhielten. So konnte das Unterlassen nächtlichen Hupens in Wohngebieten ebenso zu Strafmandaten fuhren, wie das übermäßige Hupen, das als »grober Unfug« und nächtliche Ruhestörung zu bestrafen war. Wegen dieses Ermessensspielraums konnte es angesichts der verbreiteten autokritischen Grundhaltung in jedem Fall zur Verfolgung des Autofahrers kommen. Außerdem stellten das nächtliche Knallen des Auspuffs sowie das Fahren mit offener Auspuffklappe typische, durch den Kraftverkehr verursachte Lärmbelästigungen dar, welche die in Berlin ansässige »Zentralstelle zur Abwehr von Belästigungen durch Lärm und Geräusch« bekämpfte.98 Im Frühjahr 1908 intensivierte sich die Agitation gegen den Lärm durch kritische Artikel im »Kunstwart« und durch die in den Tageszeitungen diskutierte Forderung von Nervenärzten nach einem Lärmschutzgesetz. Die Abhandlung »Der Lärm« des Mediziners, Pädagogen und Philosophen Theodor Lessing, die eine »Kampfschrift gegen die Geräusche unseres Lebens« sein wollte, bildete schließlich den Ausgangspunkt für die Gründung des »Anti-Lärm-Vereins«. Lessing, der seit der Jahrhundertwende in verschiedenen Schriften gegen den durch Industrialisierung und Großstadtleben verstärkten Lärm gekämpft hatte, betrachtete vermehrte Geräuschentwicklung als »Nervengift«. Er wandte sich gegen eine Vielzahl neuartiger Belästigungen des modernen Lebens, wobei die Agitation gegen lärmende Autos eine zentrale Rolle einnahm.99 Der von Lessing in Hannover 1908 nach angelsächsischen Vorbildern gegründete Verein hatte 1910 1085 Mitglieder, die sich in der Mehrzahl aus in Großstädten beheimateten »Geistesarbeiter« zusammensetzten. Er gab mit dem »Antirüpel« ein Monatsblatt heraus, welches das »Recht auf Stille« einforderte und zum Kampf gegen »Lärm, Roheit und Unkultur im deutschen Wirtschafts-, Han98 Vgl.AW.Jg. 1,1903, S. 75f„ S. 134f.;Jg.9,1911, Nr. 104, S. l;AAZ,Jg. 10,1909, Nr. 6, S. 31 f. Konfliktverschärfend kam hinzu, dass nach Eingaben der Signalinstrumente-Industrie der Einsatz von Akkordhupen stillschweigend geduldet wurde. Sachsen wandte sich 1907 unter Verweis auf die Belästigung der Wohnbevölkerung gegen eine Zulassung der betreffenden Hupen. Vgl. Königlich Sächsischer Minister der auswärtigen Angelegenheiten an Reichsamt des Innern (16.10. 1907), BA R 1501 Nr. 13968. 99 »Niemals hat sich der Mensch mit mehr Gelärm, unter schrecklicherem Geruch über die Erde bewegt... Es ist nicht zu verkennen, dass erst das Kraftfahrzeug die beispiellose Vernüchterung und Verrohung des reisenden Menschen vollendet undjenen letzten Rest von Ritterlichkeit und Anstand aus dem Verkehrsleben heraustreibt, den das Zeitalter der Eisenbahn und des Dampfschiffes etwa noch übrig gelassen hat.« Lessing, S. 45f.

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dels- und Verkehrsleben« aufrief] Erste Erfolge konnte der Verein verzeichnen, als die Münchener Polizeidirektion 1910 verkündete, konsequenter gegen Geräusch-, Rauch- und Geruchsbelästigungen der Autos vorgehen zu wollen. Der »Anti-Lärmverein« wurde daher in der Motorpresse als Gefahr für den Kraftverkehr bewertet: Man warnte eindringlich vor der »Tyrannei der Nervösen«, welche die Bevölkerung gegen das Auto aufhetzten. Schließlich bot der Verein auch eine Rechtsberatung an und verbreitete schwarze Listen von Lärmsündern und Kopfsteinpflasterstraßen. Die anfänglich positive Resonanz auf die Lessingsche Agitation in konservativen und liberalen Blättern, der Beitritt zahlreicher Honoratioren und die vielfältigen Aktivitäten des Vereins konnten den chronischen Geldmangel der Bewegung nicht beheben. Schließlich kapitulierte Lessing, und der Anti-Lärm-Verein löste sich im April 1911 auf. Sein Scheitern ist nicht allein auf die mangelnde Mobilisierung der Mitgliedschaft zurückzuführen, sondern verweist auch auf die Stärke fortschrittsoptimistischer Strömungen, welche die Antilärmaktivisten als »Neurastheniker« und weltfremde Intellektuelle begriffen, den Lärm aber als »Melodie« des modernen Lebens hinnahmen.100 Ohnehin waren einem sanitätspolizeilichen und zivilrechtlichen Einschreiten bei Lärmbelästigungen enge Grenzen gesetzt, da wissenschaftliche Untersuchungen über die Lärmstärke und deren schädigende Wirkungen fehlten. Bis zur Einführung der Messeinheiten Dezibel und Phon 1928 bzw. 1930 mangelte es ärztlichen und richterlichen Entscheidungen vielfach an wissenschaftlich untermauerter Objektivität. U m die Lärmbelästigung in Grenzen zu halten, wurde daher die Geräuschlosigkeit der Fahrbahn zum Bestandteil der Straßenhygiene. Asphaltierungsmaßnahmen konzentrierten sich jedoch anfangs auf Berlin, gegen den ohrenbetäubenden Lärm schwerer Lastkraftwagen mit Eisenrädern vermochten die Straßenbefestigungsmaßnahmen auch dort wenig auszurichten.101 In Großbritannien reagierte die Industrie nach Durchsetzung strengerer Lärmschutzvorschriften bereits in den frühen zwanziger Jahren mit der Entwicklung wirksamer Schalldämpfer. Dem ADAC gingen dagegen immer wieder Klagen darüber zu, dass rücksichtslose Kraftfahrer nachts Ortschaften »mit langanhaltendem Heulen der Boschhörner« durchführen. Der Club sah sich daher 1924 gezwungen, die Mitglieder aufzufordern, unnötigen, nächtli100 Vgl. Saul, S. 187-217; AW, Jg. 7, 1909, Nr. 68, S. 4. Lessing hatte auch zur »Selbsthilfe« aufgerufen, verstand darunter jedoch das Übertönen des Lärms durch eigene Geräusche. Tatsächlich konnte Lärmbelästigung aber zu gewalthaften Angriffen fuhren: 1912 berichtete die Motorpresse über einen empfindsamen Pianisten, der Autos mit Steinen bewarf. Vgl. Auto-Liga, Jg. 4, 1912, Nr. 9, S. 104. Pendants zum deutschen Anti-Lärm-Verein waren die N e w Yorker »Society for Suppression of Unnecessary Noice« sowie das »Noise Abatement Committee« in London. Vgl. Birkefeld u.Jung, S. 48ff. 101 Vgl. Braun, Lärmbelastung, S. 251-258.

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chen Hupenlärm zu vermeiden, damit die »Verbitterung gegen das Kraftfahrwesen« sich nicht auch gegenüber den »anständigen Fahrern« entlade. Darüber hinaus setzten sich Motorpresse und Automobil-Clubs für die Abschaffung von Regelungen ein, die das ständige Signalgeben der Autofahrer forderten. Die Betroffenen reagierten dabei zunehmend flexibler auf Lärmbelästigungen. 1921 hatte sich der »Allgemeine Bäderverband« noch beim ADAC über hohe Geschwindigkeiten, geöffnete Auspuffldappen und schrille Warnsignale beschwert. Anfang der dreißiger Jahre konnte dagegen die Eigeninitiative von Kur- und Badeorten begrüßt werden, die, der Gesetzgebung vorauseilend, Schilder aufstellten, die den Verzicht auf das Hupen forderten. Da die warnende Funktion der Hupensignale zu einer Reduzierung der Unfallgefahren beitragen konnte, sahen die Polizeibehörden ihre Aufgabe eher in der Unterdrückung der durch Motorengeräusche verursachten Lärmbelästigungen. So befürwortete der Berliner Polizeipräsident 1923, durch Beschwerden aus der Bevölkerung veranlasst, die obligatorische Einfuhrung von Überdachungen für Au togaragen.102 In den späten zwanziger Jahren konzentrierte sich der Lärmdiskurs auf die durch den Verkehr der zahlreichen Motor- und Kleinkrafträder verursachten Geräuschbelästigungen. Diese Verschiebung war auch darauf zurückzuführen, dass sich viele Autofahrer von den proletarischen Motorradfahrern abgrenzten und gegen Lärmbelästigungen Stellung bezogen. Während die Erfolge im Bereich der Automobile durch das Verbot der Auspuffldappe nun selbst in der Motorpresse anerkannt wurden, beklagte man weiterhin die mangelnde Schalldämpfung der Motorräder. Die Industrie, welche die Vorstellung zu unterstützen schien, dass Geräuschentwicklung den sportlichen Charakter der Maschinen unterstrich, geriet wegen mangelnder Entwicklungstätigkeit in die Kritik. Schließlich entwickelte das Heinrich-Hertz-Institut aber in Kooperation mit der Firma Siemens eine verbesserte Schalldämpfung fur Motorräder. Vorausgegangen waren mehrere behördliche Aktionen gegen Motorräder: 1928 ging die Berliner Polizei nach zahlreichen Klagen aus der Bevölkerung in einer umfangreichen Uberprüfungsaktion gegen Motorradfahrer vor, deren Maschinen übermäßige Geräusche entwickelten. Im Januar 1932 startete das Regierungspräsidium Potsdam eine erneute Initiative gegen lärmende Krafträder, die explizit zu Anzeigen sowie Fahrzeugstilllegungen fuhren sollte. Motor102 Vgl. Richtlinien über Zulassung von Autogaragen (22.5. 1923), LA Berlin PrBrRep 30 С Nr. 366, Blatt 3; Motor und Auto J g . 19,1922, Nr. 18/19, S. 252; MF, 1921, Nr. 31, S. 325f.; 1924, Nr. 39, S. 667; AAZ, Jg. 32,1931, Nr. 31, S. 17. Die »Verordnung über den Verkehr mit Kraftfahrzeugen« bot mit dem Absatz über »vermeidbare Entwicklung von Geräusch« eine rechtliche Handhabe, der Lärmbelästigung durch Laufenlassen der Motoren entgegenzutreten. 1925 wurde dem Bonner Oberbürgermeister das präventive Aufstellen eines Polizeibeamten zur Vermeidung übermäßigen Hupens empfohlen. Vgl. Bemerkungen zur Ausführung der Verordnung über den Verkehr mit KfZ, S. 7, BA R 1501 Nr. 13987; LA Berlin Rep. 142/1 Nr. 4093, Blatt 1.

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radfahrer konnten dieses einseitige Vorgehen, wie auch die verschärfte Lärmschutzgesetzgebung, nur verurteilen.103 Dass sich innerhalb des Vereins deutscher Ingenieure (Vdl) zu Beginn der dreißiger Jahre ein Anti-Lärm-Ausschuss bildete, von dem Vorschläge für restriktive gesetzliche Regelungen und Initiativen zur Phonmessung ausgingen, verdeutlichte ebenfalls den steigenden Einfluss der Lärmkritiker. Doch konnte auch bei gewachsenem Problembewusstsein die Beeinträchtigung innerstädtischen Lebens durch lärmende Automobile nicht rückgängig gemacht werden. Da alle Initiativen stets auf die Ausschaltung des »vermeidbaren Lärms« abzielten und wirtschaftliche Interessen stets Priorität behielten, war der Anti-LärmBewegung letztlich nur geringer Erfolg beschieden. Verzweifelte Appelle an die dem Gemeinwohl verpflichteten Behörden, dem Autolärm entgegenzutreten, spiegelten dagegen die Empfindungen vieler Stadtbewohner wider: »Der zunehmende Automobilverkehr und der damit stets anwachsende Lärm der Hupen und Signalhörner macht sich [...] unangenehm fühlbar. Namentlich an den Abenden und in den Nächten, in denen [...] die Kraftwagen sich zu Hunderten in die Seitenstraßen schieben, ist die Störung der Nachtruhe ganz entsetzlich [...] Wenn schon dem Verkehr in der heutigen Zeit das Wort geredet werden soll, so müssen doch auch andere Notwendigkeiten in einer Großstadt betont werden [...]«104

103 Vgl. Reichsverkehrsministerium, Niederschrift: Mißstände im Kraftfahrwesen (8. 10. 1924), S. 1, BA R 1501 Nr. 14143; Braun, Lärmbelastung, S. 256; AW, Jg. 26,1928, Nr. 36, S. 14; AAZ.Jg. 31,1930, N r . 29, S. 12f.; Der Motorsportler, 1932, Nr. 1, S. 17; AR ( Z M M ) , Jg. 31,1932, N r . 8, S. 139-141. 104 Belegschaft des Franziskus-Krankenhauses an Berliner Polizeipräsident (2.12.1925), LAB PrBrRep 3 0 Berlin С tit. 202 Nr. 17, Bd 2 (20638), Blatt 77f.

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3. Proteste gegen die Motorisierung in Deutschland 1902 bis 1932: Quantitative Auswertung des Protestsamples

a) Zeitliche Verteilung der Protestfälle

Die Konfliktpotentiale des frühen Autoverkehrs hatten über den gesamten Untersuchungszeitraum hinweg Bestand. Da man bei zunehmender Integration des neuen Verkehrsmittels in den Straßenverkehr aber von wachsender Akzeptanz in der Bevölkerung ausgehen kann, erscheint eine Abnahme gewalthafter Proteste gegen das Auto plausibel. Das Zahlenmaterial bestätigt diese Vermutung: Während für die Jahre 1902 bis 1918 255 Fälle gezählt wurden, berichteten die untersuchten Zeitschriften in der Weimarer Republik lediglich über 117 Angriffe auf Autofahrer. Somit fielen über zwei Drittel der zu untersuchenden Protestfalle (69 Prozent) in die Zeit des Kaiserreichs. Die Anzahl von knapp 20 Protestfällen im Jahresdurchschnitt 1902 bis 1914 verringerte sich in der Weimarer Republik auf durchschnittlich acht Fälle im Jahr. Legt man diese Zahlen als Maßstab an, sind die Jahre 1902 bis 1905 als eine Phase unterdurchschnittlicher Aktivitäten anzusprechen, die eine erste protestintensive Periode in den Jahren 1906 und 1907 ablöste. Es folgten zwei Jahre abnehmender Aktivitäten, ehe 1910 eine zweite, bis 1913 andauernde Hochphase des Protests begann. Im Jahr 1914 gab es mit 19 berichteten Fällen, von denen die meisten auf die Ausnahmesituation im August zurückzufuhren waren, eine durchschnittliche antiautomobile Aktivität. Während in den Kriegsjahren 1915 bis 1918 keinerlei Proteste übermittelt wurden, was auf der einen Seite an der kriegsorientierten Berichterstattung, andererseits an der erheblichen Einschränkung des privaten Kraftverkehrs liegen dürfte, folgten zu Beginn der Weimarer Republik drei Jahre unterdurchschnittlicher Aktivität. Es schlossen sich von 1922 bis 1924 drei Jahre einer überdurchschnittlichen Anzahl von Protesten an, ehe 1925 mit 21 Fällen der Spitzenwert der Zwischenkriegszeit erreicht wurde. Die Jahre 1926 bis 1932 pendelten schließlich um den Durchschnittswert von acht Fällen im Jahr. Eine Ausnahme bildete das Jahr 1930, das mit elf Fällen für die Weimarer Republik überdurchschnittlich protestintensiv war.

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Der Anstieg der Protestfälle in den Jahren 1906 und 1907 könnte Vermutungen über einen Zusammenhang mit der konjunkturellen Entwicklung nahe legen, da hier eine Rezession einsetzte, deren soziale Folgen sich auch in verstärkter Protestintensität gegen das klassendifferenzierende Automobil bemerkbar gemacht haben könnten. Dieser Interpretation widerspricht jedoch die Phase überdurchschnittlicher Aktivität der Jahre 1910 bis 1913, die mit einerwirtschaftlichen Boomphase zusammenfiel.1 Ähnliches gilt für die Weimarer Republik: Die 1925 erreichte Höchstzahl von 21 Aktionen fiel in eine Phase gesellschaftlicher und wirtschaftlicher Stabilisierung. Plausibler ist es daher, von einer erhöhten Sensibilität der Automobilzeitschriften in Zeiten intensiver Diskussion über den Kraftverkehr auszugehen. Angriffe auf Autofahrer ließen sich als Argument zum Schutz der Autofahrer anfuhren, wenn es darum ging, finanzielle Belastungen abzuwehren. In dieser Sichtweise reflektierten die Protestmeldungen der Jahre 1906 bis 1907 sowie der Jahre 1922 bis 1925 die Diskussionen um die Kraftfahrzeugsteuer. Die 1910 einsetzende Hochphase fällt dagegen mit der Einführung einer von den Automobil-Clubs bekämpften Haftpflichtregelung zusammen. Die Verabschiedung einer reichsweiten Kraftfahrzeuggesetzgebung 1909 scheint vorübergehend befriedend gewirkt zu haben, während der sehr hohe Wert für das Jahr 1913 auf eine erhöhte Sensibilisierung in Folge des Hennigsdorfer Drahtseilattentates zurückzuführen war. Der Anschlag forderte Todesopfer und animierte zahlreiche Nachahmer. Lediglich der plötzliche Anstieg der Angriffe 1930 lässt sich sinnvoll mit den wirtschaftlichen Rahmendaten in Verbindung bringen. Die Weltwirtschaftskrise von 1929 zeigte ihre Folgewirkungen: Soziale Deprivation machte sich in Angriffen auf die »Herren der Landstraße« Luft. Könnte die Zunahme der berichteten Protestfälle nach 1905 auch mit dem gesamtgesellschaftlich gestiegenen Konfliktpotential als Reaktion auf die russische Revolution interpretiert werden, haben die revolutionären Wirren von 1918/19 offenbar keinen Niederschlag in der Anzahl der Angriffe aufAutofahrer gefunden. Ohnehin sollte den kurzfristigen Schwankungen der Protestintensität nicht zu viel Bedeutung beigemessen werden, da die längerfristigen Trends des Protestverhaltens im allgemeinen eher das Bild eines kontinuierlich schwankenden, nicht aber eines dramatisch veränderten Vorkommens alltäglicher Protesthandlungen nahe legen.2 Allerdings erscheint es sinnvoll, die Anzahl der Protestfälle mit dem dramatisch wachsenden Kraftfahrzeugbestand in Verbindung zu setzen, um die tatsächliche Dimension des Problems deutlich zu machen: Während in der Kaiserzeit ein Protestfall auf durchschnittlich 1500 Kraftfahrzeuge entfiel, stand in der Weimarer Republik ein Protestfall einem Kraftfahrzeugbestand 1 Vgl. Spree, S. 103. 2 Vgl. Litidenberger, S. 111.

94

1902 ПОЗ 190« » 0 5 1906 1907 19W 19Θ9 1910 1911 1912 1913 1914 1915 1916 1917 191« 1919 1920 1921 1922 t923 1924 1925 1926 1927 1928 1929 1930 1931 1932 J>hr

Quelle: Protestsample; η: 372.

Schaub. 4: Jährliche Verteilung der Protestfälle 1902 bis 1932

von durchschnittlich 33.000 Einheiten gegenüber. Auch nach dieser Relativierung durch den Kfz-Bestand ragt das Jahr 1906 als besonders protestintensiv heraus. Auf 1.000 registrierte Kraftfahrzeuge entfielen hier 1,7 gemeldete Protestfälle. Der Anstieg der Protestintensität begann jedoch gemessen am Bestand an Kraftfahrzeugen bereits 1905. Auch der Anstieg im Jahr 1910 bleibt nach Berücksichtigung der Zulassungszahlen sichtbar und drückt sich im Vergleich zum Voijahr in einer Verdreifachung aus. Aufgrund der überproportional wachsenden Bestandszahlen nahm die Protestintensität ansonsten kontinuierlich ab. In der Weimarer Republik wurden in keinem Jahr die Werte der Vorkriegszeit erreicht. Hierfür war neben einer Abnahme der absoluten Zahl der Fälle die explosionsartige Zunahme zugelassener Autos verantwortlich. In 235 Fällen übermittelten die Automobilzeitschriften den Monat des Protestereignisses. Der August mit 38 und der Juni mit 29 Fällen standen an der Spitze, gefolgt von Mai und Juli mit 28 bzw. 27 Fällen. Die vier protestintensivsten Monate fielen damit in die warme Jahreszeit. Die Wintermonate zeigten demgegenüber eine geringere Protesthäufigkeit. Dies lässt sich sowohl mit den Eigenschaften der Protestobjekte als auch mit dem Vorhandensein potentieller Protestsubjekte erklären. Insbesondere vor dem Ersten Weltkrieg waren Autos Schönwetterfahrzeuge die aufgrund ihrer meist offenen Bauweise lediglich in der »Fahrsaison« zu Vergnügungs- und Sportzwecken genutzt wurden. Z u m gehäuften Auftauchen der Protestobjekte auf den Straßen kam, dass sich in den Sommermonaten auch mehr Straßenpassanten, die potentiel95

len Angreifer, im Freien aufhielten. Zudem sprechen der Spitzenwert im August und der relativ hohe Wert im September dafür, dass sich hier eine mögliche Kollision des Kraftfahrzeugverkehrs mit Ernteaktivitäten der ländlichen Bevölkerung abbildete. Einschränkend sei aber bemerkt, dass protestintensive Monate jeweils eines Jahres die Höchstwerte für August und März verursachten. Das Schema einer aufsteigenden Linie von Jahresbeginn bis zum Hochsommer, die im Herbst wieder absinkt, wird dadurch durchbrochen. Während den August 1914 Angriffe prägten, bei denen die Autofahrer aufgrund der Kriegshysterie unter Spionageverdacht gerieten, dominierten den März 1913 Drahtseilattentate, die sich in Folge der Hennigsdorfer Geschehnisse ereigneten. Auch die Einbeziehung der Fälle, in denen nur die Jahreszeit des Geschehens bekannt ist, bestätigt das Bild einer starken Konzentration der Protestfälle auf Schönwettermonate. 70 Prozent der überlieferten Fälle ereigneten sich im Frühjahr und Sommer.

J 20

Quelle: Protestsample; n: 235.

Schaub. 5: Monatliche Verteilung der Protestfälle

In lediglich 35 Fällen wurde der Wochentag genannt, in denen der Vorfall geschah. 33 der Nennungen bezogen sich auf Sonn- und Feiertage, zwei auf Sonnabende. Eine starke Konzentration auf die Wochenenden und arbeitsfreie Feiertage erscheint plausibel, da von einem verstärkten, motorisierten Ausflugsverkehr ebenso auszugehen ist, wie von vermehrten Gelegenheiten zu Angriffen in der arbeitsfreien Zeit. Ein ähnliches Bild vermittelt die Analyse 96

tageszeitlicher Häufungen, die mit 114 Fällen besser dokumentiert ist. 83 Prozent (95) der untersuchten Vorkommnisse fanden abends oder in der Nacht (18.00 bis 7.00 Uhr) statt, also zu Tageszeiten, die in der Regel arbeitsfrei waren. Lediglich elf bzw. acht Fälle (zehn bzw. sieben Prozent) ereigneten sich vormittags zwischen sieben und zwölf Uhr oder nachmittags zwischen zwölf und 18.00 Uhr. Allerdings ist einschränkend zu bemerken, dass die Automobilzeitschriften in ihren Fallschilderungen bevorzugt bei Angriffen, die sich in den Abend- und Nachtstunden ereigneten, den genauen Zeitpunkt des Vorfalls angegeben haben dürften, um den Heimtückeaspekt bei Angriffen »im Schutze der Dunkelheit« zu betonen. Sommerabende an Wochenenden, an denen die motorisierten Ausflügler in die Städte zurückkehrten, lassen sich demnach als charakteristischer Zeitpunkt der Angriffe auf Autofahrer bezeichnen.

b) Räumliche Verteilung der Protestfälle

Angesichts der geographischen Ausdehnung, der Bevölkerungszahl und der Anzahl der zugelassenen Kraftfahrzeuge erstaunt nicht, dass Preußen mit 50 Prozent (176) der lokalisierbaren Fälle an der Spitze der Bundesstaaten stand. Es folgten Bayern mit 76 und Sachsen mit 28 Fällen. Da sich lediglich sieben Prozent (25) der Meldungen auf den Landespolizeibezirk Berlin und die Provinz Brandenburg bezogen, kann man davon ausgehen, dass Berlin als überwiegender Erscheinungsort der berichtenden Zeitschriften nicht zu einer Verengung des Blickwinkels führte. Die Größe und geographische Zersplitterung Preußens wie des Gesamtstaates macht jedoch die regionale Unterscheidung von geographischen Räumen divergierender Protesthäufigkeit sinnvoll. In Süd- und Westdeutschland konzentrierten sich mit 110 bzw. 101 Fällen fast zwei Drittel aller gemeldeten Vorkommnisse. Bayern und die preußische Rheinprovinz bildeten hier die protestintensivsten Gebiete, während das Großherzogtum Hessen, Württemberg und Elsaß-Lothringen vergleichsweise wenige Protestfälle zu verzeichnen hatten. Es folgte Mitteldeutschland mit 90 Fällen und einer Spitzenposition des hochindustrialisierten Sachsen. Erstaunlich gering war - gemessen am Verkehrsaufkommen - die Anzahl von Vorkommnissen in Berlin und der Provinz Brandenburg. Auffallig ist der relativ große Abstand Nord- und Ostdeutschlands mit 37 bzw. 14 Fällen. Dies dürfte darauf zurückzufuhren sein, dass es sich überwiegend um schwach industrialisierte Gebiete mit geringen Bevölkerungszahlen und niedriger Autodichte handelte. Zu beachten ist aber, dass der Wegfall Westpreußens und Posens nach dem Ersten Weltkrieg das Ergebnis verfälscht. Allerdings dürfte auch bei einer gleichgewichteten Betrachtung der betreffenden Gebiete das stärker industria97

Tab. 6: R a u m z e i t l i c h e Verteilung der Protestfälle u n d K f z - B e s t a n d Provinz/ Staat/ Region

Proteste Kfz1902-14 Bestand 1.1.1914

LPB Berlin Brandenburg Prov. Sachsen Sachsen Braunschweig Anhalt Thüringische Staaten Lippe/ SchaumburgLippe

4 13 12 14 1 1 7 -

8.992 4.267 4.031 10.083 7.58 5.44 2.323 192

Mitteldeutschland

52

Pommern Schleswig-Holstein Hannover Mecklenburg Lübeck Oldenburg Bremen Hamburg

Proteste/ 1000 Kfz

Proteste/ 1000 Kfz

1 7 7 14 0 0 8 1

111.833 78.267 87.247 145.849 13.257 8.624 40.476 6.037

31.190

1,738 (36,1%)

491.590

0,08

2 7 11 3 2 2 1

1.458 2.314 4.238 1.357 823 625 2.390

1,4 2,9 2,6 2,2 2,4 3,2 0,4

2 2 3 0 2 0 0

35.796 38.154 81.100 22.207 12.375 9.343 30.831

0,06 0,05 0,04

Norddeutschland

28

13.205

2,1 9 (8,3%)

229.806

0,04

Westfalen Hessen-Nassau Rheinland Hessen

17 20 34 10

3.882 3.710 9.576 1.602

4,3 5,3 3,5 6,2

1 2 17 0

79.648 54.364 142.416 29483

0,01 0,04 0,1

Westdeutschland

81

187.70

4,3

20

30.5911

0,07

Bayern Württemberg Baden Elsass-Lothringen

50 4 10 9

10.241 3.956 3.615 4.575

4,9 1 2,7 1,9

26 7 4

188.423 68.489 54.755

0,1 0,1 0,07

73 (29,9%) 22.387

3,3

37

31.1667

0,1

Süddeutschland Ostpreußen Westpreußen Posen Schlesien Ostdeutschland

98

0,4 3 2,9 1,4 1,3 1,8 3

Proteste Kfz1919-32 Bestand 1.7.1932

-

0,009 0,09 0,08 0,1 -

0,2 0,2

-

0,2 -

-

1 2 2 5

1.237 1.144 1.307 3.777

0,8 2 1,5 1,3

0 0

30.555 10.787

4

88.256

0,05

10 (4,1%)

7.465

1,3

4 (3,7%)

129.598

0,03

-

-

nGesamt: 352; nl902-14: 244; nl919-32: 108. Quellen: Protestsample; Statistisches Jahrbuch, 1914, S. 137; 1933, S. 157. Westpreußen 1919-32: Grenzmark, Posen-Westpreußen; Bayern inklusive Rheinpfalz; Protestintensitätskoeffizient gerundet. Bundesstaaten ohne Fallmeldungen sind nicht aufgeführt.

lisierte Schlesien eine Spitzenposition in dieser Gruppe einnehmen. Hier kam es im Kaiserreich zu mehr als doppelt so vielen Protesten wie in Westpreußen oder Posen. Mit Anteilen von vier bzw. zehn Prozent der gemeldeten Fälle sind Ost- und Norddeutschland im Sample deutlich unterrepräsentiert, wohingegen Mittel-, West- und Süddeutschland vergleichbare Protestfallzahlen aufwiesen. Bei zeitlicher Differenzierung zeigt sich, dass Süddeutschland bis auf die Jahre 1902 und 1919 in allen Jahren, aus denen Vorkommnisse gemeldet wurden, als Protestregion vertreten war. Ahnlich dauerhaft präsent blieb Mitteldeutschland, wo es nur in drei Protestjahren keine Angriffe zu berichtet gab. Unregelmäßiger kamen Protestmeldungen aus Nord- und Westdeutschland, wobei sich bei letzterem jedoch recht starke Häufigkeitsausprägungen beobachten ließen. Die Ostdeutschland zuzurechnenden Fälle konzentrierten sich in der Kaiserzeit auf sechs, in der Weimarer Republik auf vier Jahre. In den besonders protestintensiven Jahren 1906,1913 und 1925 waren alle Regionen vertreten. Korreliert man die Protestfallzahlen mit dem Kfz-Bestand (Tabelle 6), zeigt sich, daß Ostdeutschland nicht nur in absoluten Zahlen, sondern auch bereinigt durch die geringe Autodichte das Schlusslicht der Protestregionen bildete. Den Spitzenplatz in der Vorkriegszeit nahm Westdeutschland mit 4,3 berichteten Fällen auf1.000 registrierte Kraftfahrzeuge ein, was vor allem auf die hohen Zahlen für Hessen und Hessen-Nassau zurückzufuhren war. Hierbei handelte es sich um typische Durchgangsregionen mit eher geringer Autodichte. Da sich Angriffe nicht auf Einheimische beschränkten und sich sogar vermuten lässt, dass eher ortsfremde Autofahrer angegriffen wurden, kam es zu dieser hohen Protestintensität. Zudem ließ in der Kaiserzeit die Diskussion um die Taunusrennbahn ein Konfliktpotential entstehen, das sich auch in handgreiflichen Protesten entladen haben könnte. Die Befriedung auf diesem Gebiet dürfte dazu gefuhrt haben, daß die Ereignismeldungen aus den betreffenden Staaten in der Weimarer Republik stark abnahmen und Westdeutschland in der Rangliste der Protestregionen auf den dritten Rang zurückfiel. Bayern blieb dagegen mit 26 Fällen auch in der Nachkriegszeit relativ protestreich, so dass Süddeutschland in der Weimarer Zeit den Spitzenplatz der Protestregionen einnahm. Der mitteldeutsche Raum, der bei höchster Autodichte mit 52 Fall99

meidungen im Kaiserreich nur auf dem vorletzten Rang der Protestregionen gelegen hatte, war gemessen an absoluten Zahlen mit 38 Meldungen nach dem Ersten Weltkrieg die protestintensivste Region. Bezieht man die Zulassungszahlen ein, nahm er hinter Süddeutschland den zweiten Rang ein. Zurückzuführen war dies darauf, dass in Sachsen bei zunehmender Autodichte die Fallzahlen auf hohem Niveau stagnierten, in den thüringischen Staaten sich die Protestzahl gar erhöhte. Die geografische Lage Thüringens, das als Transitregion gelten kann, und die polarisierte politische Situation in beiden Staaten während der Weimarer Republik beeinflussten die Protestintensität. Für den sächsischen Fall lässt sich dieser Zusammenhang nachweisen: Aus dem »roten Sachsen« meldeten Autofahrer mehrere Angriffe durch demonstrierende KPD-Mitglieder. Norddeutschland, das aufgrund seiner geringen Autodichte in der Kaiserzeit noch vor Mitteldeutschland in der Liste der Protestregionen rangiert hatte, fiel nach dem Krieg auf den vierten Platz zurück, stellte aber mit Oldenburg, in dem sich zwei Vorkommnisse ereigneten, eines der protestintensivsten Länder der Weimarer Zeit. Auch Lippe und Schaumburg-Lippe, wo sich in der Nachkriegszeit lediglich ein Protestfall ereignete, nahmen wegen ihrer geringen Kfz-Bestandszahl von nur 6037 Einheiten einen Spitzenplatz unter den Protestregionen ein. Hieran zeigt sich die Bedeutung, die den rasch wachsenden Zulassungszahlen hinsichtlich der stark verminderten Protestintensität und der abnehmenden gesellschaftlichen Relevanz des Problems zukam. Bei genauerer geographischer Zuordnung der Orte des Protests werden Schwerpunkte in der Umgebung der Großstädte Berlin, Frankfurt, Köln und München deutlich. Die Häufung war dabei im Münchener Raum mit dem als Ausflugsziel beliebten bayerischen Oberland am ausgeprägtesten. Auch im relativ protestarmen Norden konzentrierten sich die Ereignisse auf das Einzugsgebiet der Städte Hamburg und Bremen. In Sachsen mit seinen zahlreichen Industriestandorten waren die Orte des Protests ebenso etwas weiter gestreut wie im westfälischen Ruhrgebiet. Außerdem kam es zu Häufungen von Protesten auf den vielbefahrenen Ausflugsrouten am Rhein südlich von Köln und am badischen Oberrhein. Gleiches galt für die beliebte Route am Main zwischen Wiesbaden und Würzburg. Schließlich wird durch eine Häufung von Protestmeldungen in Schaubild 6 der Verlauf des westlich von Berlin gelegenen Teils der belebten Reichsstraße Nr. 1 Königsberg-Aachen sichtbar. Signifikante Differenzen in der Protestbereitschaft von Stadt- und Landbevölkerung, die auf mögliche Mentalitätsunterschiede schließen lassen, werden am unterschiedlichen Vorkommen von Angriffen in den verschiedenen Verkehrsräumen deutlich. 345 Fälle des Samples ließen sich eindeutig dem Ort ihres Geschehens zuordnen und in Angriffe auf offener Landstraße, in der Stadt, in einem Dorf oder einem städtisch geprägten Vorort unterscheiden. 70 Prozent der kategorisierbaren Fälle fanden demnach in Dörfern (83 Fälle) oder 100

Quelle: Protestsample; η: 352.

Schaub. 6: Geographische Verteilung der Protestfälle

auf der offenen Landstraße (158 Fälle) statt, während 30 Prozent einem eher städtisch geprägten Umfeld zuzuordnen waren: 68 Protestfälle ereigneten sich in Städten, 36 in Vororten. Die mannigfachen Klagen vieler Autofahrer über die Fortschritts- und Automobilfeindlichkeit der Landbevölkerung scheinen sich durch die Zahlen des Samples zu bestätigen. Während Städte und Vororte relativ protestarm waren, lagen Landstraßen mit fast der Hälfte aller Fälle gefolgt von Dörfern an der Spitze der Protestorte. Zieht man den unterschiedlichen Motorisierungsgrad von Städten und ländlich geprägten Gebieten in Betracht, vergrößert sich diese Differenz noch. Angriffe aufAutofahrer geschahen offenbar bevorzugt in Räumen, in denen eher wenige Autos vorhanden waren und der Autofahrer als »Eindringling« in eine traditionelle Verkehrsstruktur wirkte. Der autofahrende Städter begegnete dem auf tierische Energie angewiesenen Landmann in erster 101

Linie auf der Landstraße und brach mit seinem Gefährt in die Lebenswelt der Dörfer ein. Dementsprechend vollzogen sich die meisten Protestaktionen in diesen vormals ruhigen Territorien. Bei zeitlicher Differenzierung zeigt sich keine signifikante Verschiebung des Protestschwerpunkts vom Land in die Stadt, wohl aber eine gewisse Verlagerung innerhalb des ländlichen Umfelds von der Landstraße ins Dorf Mit 34,3 Prozent aller lokalisierbaren Protestfalle in der Weimarer Republik nahmen Dörfer einen ähnlich hohen Anteil an den Protestorten wie die Landstraße ein. Die jährliche Verteilung der Protestfalle auf die Verkehrsräume zeigt aber, dass die Landstraße in allen Protestjahren, mit Ausnahme von 1919 und 1927, als Protestort präsent war. Auch Dörfer erschienen in allen Jahren bis auf1902 und 1928 als Protestorte, während Angriffe auf Autofahrer in Vororten unregelmäßiger vorkamen und städtische Vorfälle erst ab 1929 das Protestgeschehen dominierten. Das Jahr 1906 mit den meisten Fallmeldungen zeigte eine relative Ausgewogenheit der Protestorte, während die ebenfalls protestintensiven Jahre 1913 und 1925 eindeutig von Auseinandersetzungen auf der Landstraße beherrscht wurden. Hierin wird die Bindung der unterschiedlichen Protestformen an bestimmte Verkehrsräume deutlich. Drahtseilattentat und Barrikadenbau, die nur schwer in einem bevölkerten, städtischen Umfeld denkbar waren, dominierten die Jahre 1913 und 1925. Der Anstieg des Anteils städtischer Aktionen in den letzten vier Jahren des Untersuchungszeitraumes reflektierte dagegen den Anstieg von mutwilligen Beschädigungen parkender Autos, die sich wiederum eher in Städten realisieren ließen.

c) Formen und Wirkungen des Protests Aus den 372 übermittelten Protestfällen lassen sich 449 gegen Autofahrer gerichtete Handlungen ableiten, da in vielen berichteten Ereignissen verschiedene Aktionen ineinander griffen. Dabei zeigte sich eine breite Varianz des Verhaltens gegen Autos und Autofahrer, so dass sich die Handlungen in sechs Fallgruppen einordnen lassen, die sich bis auf die Kategorie »Bedrohung von Autofahrern« in verschiedene Aktionstypen unterteilen. In den 37 Fällen der Gruppe »Bedrohung«, die mit acht Prozent aller Handlungen die kleinste des Samples darstellt, kam es zu keiner direkten physischen Einwirkung auf das Auto oder dessen Insassen, oftjedoch nur weil diese fliehen konnten. Das Definitionskriterium »Gewalt« ist gleichwohl in deren bloßer Androhung enthalten. Die größte Fallgruppe bilden mit 138 Geschehensabläufen (31 Prozent) die Meldungen über Steinwürfe aufAutos und das Bespritzen der Autofahrer mit Flüssigkeiten, wobei das Bewerfen mit 131 Fällen klar dominierte. Nicht eindeutig feststellen lässt sich dabei, ob sich ein Steinwurf 102

Bedrohung

Behinderung freier Fahrt 39 ( 9 % )

_ 37 (8 %)

Tätlicher Angriff 79 (18 %)

Sachbeschädigung42(9%)

OB шIIIli

Bewerten / Besprizten 138 (31 %)

Hindernisse auf Straßen 114(25%)

Ί

1902 1903 1904 1905 1906 1907 1908 1909 1910 1911 1912 1913 1914 1919 1920 1921 1922 1923 1924 1925 1926 1927 1 928 1929 1930 1931 1932

Quelle: Protestsample; n: 449.

Jahr

Schaub. 7: Protestformen 1902 bis 1932

gegen das Auto richtete, also eine Sachbeschädigung beabsichtigt war, oder gezielt auf die Insassen geworfen wurde, u m eine Körperverletzung zu bewirken. Das Bespritzen mit Wasser oder Jauche richtete sich hingegen eindeutig gegen eine Person, die in d e m meist offenen Wagen keinen Schutz gegen einen Angrifffand, auch wenn es dabei zu Sachbeschädigungen durch Verschmutzung der Kleidung k o m m e n konnte. Mit 114 Aktionen (25 Prozent) folgt die Fallgruppe, in der Hindernisse die Straße blockierten. Barrikaden aus Bäumen oder Geröll wurden gebaut (61 Fälle), Drahtseile über die Straße gezogen (39 Fälle) und Nägel oder Glasscherben mutwillig auf der Straße ausgestreut (14 Fälle). Während Barrikadenbauten und Drahtseilattentate die körperliche Verletzung der Autoinsassen in Kauf nahmen oder beabsichtigten, richtete sich das Nägelstreuen eher gegen das Auto und seine empfindlichste Stelle, die kostspieligen Luftreifen. Die Fallgruppe »Behindern freier Fahrt«, die mit 39 Meldungen

103

einen Anteil von 9 Prozent einnimmt, umfasst Fälle, in denen Autos nicht durch feste Barrieren, sondern unter physischem Einsatz der Angreifer behindert oder aufgehalten wurden. Die 21 Fälle, in denen Fuhrwerker oder Fahrradfahrer durch provozierende Fahrweise ein Überholen verhindern wollten, gehören ebenso in diese Gruppe, wie die 18 Meldungen, in denen davon die Rede war, dass Fußgänger mutwillig in den Fahrweg des Autos sprangen.3 Einen recht großen Anteil nehmen mit 18 Prozent die 79 Fälle ein, bei denen es zu einem tätlichen Angriff auf Autofahrer oder -insassen kam. Die Aktion erfolgte in 36 Fällen durch Ausübung direkter physischer Gewalt, das heißt durch Verprügeln der Autoinsassen. Etwas schwächer sind in dieser Gruppe mit 23 Fällen Peitschenhiebe, die meist Kutscher austeilten, und das Beschießen von Autofahrern mit 20 Fällen vertreten. Aktionen, die sich ausschließlich gegen Sachen richteten, wurden der Fallgruppe »Sachbeschädigung« zugeordnet, die mit 42 Meldungen einen Anteil von neun Prozent einnimmt. Die drei Meldungen über mutwillige Zerstörungen von Verkehrsschildern, die sich mittelbar gegen den Kraftverkehr richteten, sind hierunter ebenso subsumiert wie das häufigere Beschädigen parkender Kfz (20 Fälle) und die Sachbeschädigungen an fahrenden Autos, bei denen ein Angriff auf Fahrer oder Insassen ausgeschlossen werden konnte (19 Fälle). Betrachtet man die zeitliche Entwicklung der Häufigkeit verschiedener Protesthandlungen, ergeben sich einige signifikante Unterschiede zwischen der Vor- und Nachkriegszeit. Der Anteil von Aktionen des Bewerfens und Bespritzens an den 314 Handlungen der Kaiserzeit und den 135 Meldungen der Jahre 1919 bis 1932 blieb mit jeweils 31 Prozent (96 bzw. 42 Fälle) konstant. Auch der Anteil von Handlungen, bei denen Opponenten des Autos die Strasse durch verschiedenartige Barrieren blockierten, reduzierte sich nur geringfügig von 26 (83 Fälle) auf 23 Prozent (31 Fälle). Dagegen halbierte sich der Anteil von Fällen der Kategorie »Behinderung freier Fahrt« von zehn (32 Fälle) auf fünf Prozent (7 Fälle). Eine genauere Beachtung der Verkehrsregeln - insbesondere des Rechtsfahrgebots - scheint sich in der Weimarer Zeit auch bei den Kutschern durchgesetzt zu haben. Während der Anteil der Bedrohungen mit acht (24 Fälle) bzw. zehn Prozent (13 Fälle) relativ konstant blieb und der Anteil tätlicher Angriffe deutlich von 20 (62 Fälle) auf 13 Prozent (17 Fälle) abnahm, stieg die absolute Zahl der bewussten Sachbeschädigungen von 17 auf 25 an. Damit erhöhte sich der prozentuale Anteil der Handlungen dieser Kategorie stark von fünf auf 19 Prozent. Der quantitative Befund deutet auf eine gewisse Abnahme der Gewalttätigkeit antiautomobiler Aktionen in der Weima3 »Sehr zu denken geben muß die sich wiederholende Feststellung, daß Fußgänger vielfach absichtlich nicht ausweichen oder absichtlich den Fahrdamm nicht räumen, um den Kraftfahrer zum Ausweichen zu zwingen. Es handelt sich, wie jeder Kraftfahrer täglich feststellen kann, hier um offenbar besonders fanatische Autogegner, die, wie leider festgestellt, meistens den einfachen Ständen angehören.« ADAC-Motorwelt, 1928, Nr. 5, S. 15.

104

rer Zeit hin, da nun eher Sachen als Menschen angegriffen, der Protest über die Beschädigung des Autos vermittelt wurde. In vielen Fällen brachten die Automobilzeitschriften genauere Angaben zu den durch antiautomobile Aktionen verursachten Schäden. Allerdings liegen zu 99 (26,6 Prozent) der 372 Protestfälle keine derartige Informationen vor. 63 (23 Prozent) der 273 Vorkommnisse, deren Wirkungen bekannt sind, blieben folgenlos, da ein Stein sein Ziel verfehlte, man ein Drahtseil entdeckte, bevor es Unheil anrichten konnte, oder eine Gewaltandrohung nicht in die Tat umgesetzt wurde. In 134 Fällen (49 Prozent) kam es zu Sachschäden, die von Lackkratzern oder zerstochenen Reifen bis zur totalen Zertrümmerung des Wagens reichen konnten. 107 Fälle (39 Prozent) führten zu Personenschäden, unter denen sich Schürfwunden, Gehirnerschütterungen und gebrochene Gliedmaßen ebenso fanden wie schwere Kopf- und Gesichtsverletzungen, bei denen durch Glasbruch und Splittereinwirkung auch das Augenlicht verloren gehen konnte. In 43 dieser Fälle (16 Prozent aller Fälle mit bekannten Folgen) traten Personen- und Sachschäden gleichzeitig auf. Zwölf Aktionen forderten insgesamt 15 Todesopfer. Die Todesfälle konzentrierten sich dabei im wesentlichen auf die 12 Autofahrer, die im August 1914 als Opfer der Spionagehysterie durch bewaffnete Wachposten den Tod fanden. Hinzu kamen die zwei Todesopfer des Hennigsdorfer Drahtseilattentats sowie ein tödlicher Herzinfarkt, der auf den Schuss einer Knallpistole folgte. In Jahren, in denen wie 1913 Drahtseilattentate und Barrierenbau dominierten, nahmen Personen- und Sachschäden in etwa gleiche Anteile ein, da durch diese Aktionsformen meist schwere Unfälle entstanden, die Mensch und Maschine gleichermaßen schädigten. Die Einzelbetrachtung der beiden Untersuchungszeiträume zeigt, dass der Wirkungsgrad antiautomobiler Aktionen konstant blieb: Bei 44 von 191 Fällen mit bekannten Folgen zwischen 1902 und 1914 sowie 19 von 82 Fällen zwischen 1919 und 1932 lag der Anteil folgenloser Attacken jeweils bei 23 Prozent. Eine Verschiebung, die den Trend zu verminderter Gewalttätigkeit unterstreicht, lässt sich aber im Verhältnis von Sach- und Personenschäden erkennen. Während in der Kaiserzeit Sach- und Personenschäden mit Anteilen von 46 Prozent (87 Fälle) bzw. 43 Prozent (82 Fälle) an den bekannten Folgen der Protestereignisse in etwa in der gleichen Größenordnung vorkamen, verminderte sich in der Nachkriegszeit der Anteil von Personenschäden auf 30 Prozent (25 von 82 Fällen). Der Anteil der Sachschäden stieg dagegen deutlich auf 57 Prozent (47 Fälle) an. Außerdem war nach dem Ersten Weltkrieg lediglich ein Todesopfer, das in Folge einer antiautomobilen Aktion starb, zu beklagen. Allerdings lässt die Verlagerung zu den Sachschäden nicht zwangsläufig auf eine verminderte Gewaltbereitschaft schließen. Die fortschreitende Motorisierung in der Weimarer Zeit hat auch Mittelschichtangehörige zu Kraftfahrern gemacht, für die der Besitz eines Autos oder Motorrads einen Konsumverzicht an anderer Stelle erzwang. Daraus könnte sich eine 105

Sensibilisierung für Beschädigungen am Kraftfahrzeug ergeben haben, die zu einer erhöhten Bereitschaft führte, derartige Vorkommnisse den Automobilzeitschriften zu melden.

d) Anlässe und Motive autofeindlicher Aktionen

In lediglich 38 Prozent der Fälle (142 Meldungen) gab die Motorpresse Motive für eine Protestaktion an oder diese ließen sich aus den Umständen des Geschehens ermitteln. Die quantitativen Teilergebnisse zur Motivforschung sind auch unter Vorbehalt zu betrachten, da das Quellenmaterial parteilich berichtete. Schon die Tatsache, dass nur in gut einem Drittel der Fälle mögliche Motive oder Anlässe für eine Protestaktion genannt wurden, verweist darauf, dass die Automobilzeitschriften vornehmlich aus der Autofahrerperspektive berichteten. Dabei konnten den Angreifern Motivationen wie »Autohass« oder »Verkehrsfeindlichkeit« unterstellt werden, um diese zu diffamieren. Eine klare Trennung zwischen Protesten gegen einzelne Autos oder Fahrer, Protesten gegen die Motorisierung und Aktionen, die sich gegen die Modernisierung im allgemeinen richteten, fand in der Motorpresse nicht statt. Die Angreifer selbst illustrierten ihre Motive meist nur, wenn es zu einer Gerichtsverhandlung kam und die Angeklagten zu ihrer Tat Stellung beziehen mussten. Finanzielle Interessen 11 (8%) Klassi

T e m p o und 11 (8*Я

Unfälle und Verkehrskonflikt 55 (38%)

Spionage und Verbrecl verdachi

12(8%)

Alkoholl 14 Allgemeine Autofeindschaft

28 (20%)

Quelle: Protestsample; n: 142.

Schaub. 8: Anlässe und Motive der Protestfälle 106

Die 28 Fälle (20 Prozent der Fälle mit Motivangaben) der Kategorie »allgemeine Autofeindschaft« reflektierten demnach eher die Vorurteile technikbewusster Autofahrer, die eine vermeintliche Fortschrittsfeindlichkeit brandmarkten, als dass sich aus ihnen gesichert Motive ableiten ließen. Die Kategorie »finanzielle Interessen« mit 11 Meldungen umfasst größtenteils Vermutungen über Automobilrentnerei im Zusammenhang mit der Haftpflichtdebatte. In den elf Meldungen der Kategorie »Klassengegensätze« war von »rotem Terror« die Rede oder die Angriffe erfolgten aus Arbeiterdemonstrationen und RotFront-Kämpfer-Trupps heraus. Die zehn Fälle von Spionagehysterie im August 1914 und zwei Schieberei- bzw. Entflihrungsvorwürfe aus dem Jahr 1922 wurden zu einer Gruppe zusammengefasst, da hier die vordergründigen Motivationen für die Aktion in vermeintlichen Rechtsverletzungen außerhalb des Kraftverkehrs lagen. In den 14 Fällen der Kategorie »Alkoholbeteiligung« unterstellten die Autozeitschriften übermäßigen Alkoholgenuss als eigentliche Ursache der Aktion, was auch durch Erwähnung der Gasthausnähe eines Protestortes erfolgen konnte. Gesicherter erscheinen die Befunde der Kategorien »Tempo und Staub« sowie »Unfälle und Verkehrskonflikte«. Erstere stützen sich auf Aussagen der Angreifer, letztere ließen sich aus dem Hergang des Geschehens ableiten. Gewalthafte Reaktionen der Augenzeugen oder Betroffenen in Autounfällen sind hier ebenso enthalten wie die Angriffe von Kutschern, die sich durch ein bestimmtes Auto gestört fühlten. Die 66 Fälle der Kategorien »Tempo und Staub« sowie »Unfälle und Verkehrskonflikte« nehmen einen Anteil von 50 Prozent an allen Fällen mit erwähnter Motivation ein. Bezogen auf die Gesamtheit der 372 Protestfälle waren somit gesichert 18 Prozent der Geschehnisse auf konkrete Belästigungen durch Autos zurückzuführen. Die 28 Fälle der Kategorie »allgemeine Autofeindschaft« und die elf Fälle der Kategorie »Klassengegensätze« machen 39 Fälle aus, die elf Prozent des Gesamtsamples abdecken und nicht auf ein direktes Fehlverhalten der Autofahrer sondern auf grundsätzliche Ressentiments verwiesen. Schließlich lassen sich bei den 36 Fällen der Motivgruppen »Alkoholbeteiligung«, »finanzielle Interessen« sowie »Spionage- und Verbrechensverdacht«, die knapp zehn Prozent aller Fälle abdecken, Motivationen unterstellen, die außerhalb der Wirkungen des Kraftverkehrs lagen. Das Verhältnis der Anteile von Motivationen, die konkreten Zumutungen entsprangen, und jenen, die auf allgemeine Ressentiments zurückzuführen waren, kehrte sich in der Weimarer Republik um. Während in der Kaiserzeit über die Hälfte aller Fälle mit Unfällen, überhöhter Geschwindigkeit oder Staubentwicklung in Verbindung stand, reduzierte sich dieser Anteil in der Nachkriegszeit auf ein Viertel. Dagegen stieg der Anteil der auf allgemeine Ressentiments zurückfuhrbaren Angriffe im gleichen Zeitraum von 21 (21 Fälle) auf 45 Prozent (18 Fälle). Das macht die allmähliche Pazifizierung des Strassenverkehrs deutlich: Straßenteerungen, die Kodifizierung des Automo107

bilrechts und die allmähliche Internalisierung autogerechten Verhaltens verminderten die unangenehmen Begleiterscheinungen der Motorisierung. Gleichzeitig griff man das Auto aber in einer freieren Gesellschaft vermehrt als Vergegenständlichung des Klassenprivilegs an, da es weiterhin aufgrund hoher Kosten nicht allen zur Verfügung stand.

e) Sozial- und Gruppenstruktur der Protestler

Zur Anzahl und den Eigenschaften der an den Protestfällen Beteiligten lieferte die Motorpresse nur sehr ungenaue Informationen. Da der Anteil der Fälle ohne Erläuterungen zu den hier interessierenden Kategorien sehr hoch war, können die folgenden Ergebnisse nur als grobe Tendenzangaben gelten. Genaue Berufsangaben zu den Angreifern sind meist nur verfügbar, wenn es zu einer polizeilichen Feststellung oder der Fall vor Gericht kam. In anderen Fällen bildete der Eindruck, den der Geschädigte von der sozialen Herkunft des Opponenten hatte, die Grundlage für die Kategorisierung. In 88 (24 Prozent) der 372 Fälle blieb die Täterschaft unbekannt. Hierbei handelte es sich um Fälle, bei denen sich der oder die Täter der Feststellung durch Flucht entzogen, die polizeiliche Ermittlung der Urheber nicht erfolgreich war oder um Fälle, zu denen die Automobilzeitschriften die Nennung einer Täterschaft unterließen. In weiteren 71 Fällen (19 Prozent) entziehen sich die Handelnden einer näheren sozialen Zuordnung, da die Motorblätter nur ungenau umrissene Menschengruppen als Träger des Protests angaben. In 28 Fällen war generalisierend von »Bevölkerung«, »Menschenmengen« oder »Männergruppen« die Rede. In 29 weiteren Fällen bekamen diese Angaben mehr Aussagekraft, da »Dorfbewohner« oder die »ländliche Bevölkerung« als Protestsubjekte auftraten. In jeweils sieben Fällen handelte es sich um Teilnehmer von Umzügen und Prozessionen bzw. Trupps von Rotfrontkämpfern oder KPD-Demonstrationen. Für die verbleibenden 213 Fälle ließen sich zu 256 Teilnehmern nähere Angaben ermitteln, wobei diese sich jedoch nicht immer auf Beruf oder soziale Herkunft bezogen, sondern auch Alter oder Verkehrsteilnehmerschaft der Angreifer thematisierten. Den größten Anteil an den näher bezeichneten Teilnehmern nahmen Kinder und Jugendliche mit 125 Nennungen (48 Prozent) ein. Gelegentlich wurde das soziale Umfeld dieser Gruppe mit Bezeichnungen wie »Straßenjugend«, »Dorfjugend« oder »Gossenkinder« näher charakterisiert. Es folgten mit 18 Prozent der Nennungen andere Teilnehmer des Straßenverkehrs: 39 Kutscher und acht Radfahrer traten als Täter in Erscheinung. Zwölf Prozent der Täternennungen nehmen die 31 beteiligten Personen ein, die sich eindeutig der Ar108

beiterschaft zurechnen ließen. Ihr Anteil dürfte sich vergrößern, könnten die Teilnehmer der sieben KPD- bzw. Rotfrontkämpfergruppen näher spezifiziert werden. 19 Landwirte und zehn Knechte bilden einen Anteil von elf Prozent der Nennungen ab, der keineswegs den Umfang der tatsächlichen Teilnehmerschaft von im ländlichen Milieu verwurzelten Personen widerspiegelt. Ein realistischer Wert von fünf Prozent ergab sich dagegen für die Beteiligung von Mittelstand und Bürgertum. Jeweils ein Beamter und Fabrikant sowie fünf Kaufleute und sieben Handwerker fanden als Täter Erwähnung, während Bildungsbürger oder Adlige nicht als Angreifer auftauchten. Eine Sondergruppe bilden die zehn Soldaten und Straßenwachen, die sich nur im August 1914 an gewalttätigen Angriffen auf Autofahrer beteiligten, allerdings mit verheerenden Folgen.

Mittelstand und Bürgertum 14 (5 %)

Wachposten, Soldaten 10 (4 %)

Kinder und Jugendliche 125 (48 %)

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Quelle: Protestsample; η: 256.

Schaub. 9: Teilnehmer an Protestfällen 1902 bis 1932 109

In der Weimarer Republik erhöhte sich der Anteil von Fällen, in denen man dispersen Gruppen eine Täterschaft zusprach, von 15 Prozent (39 Fälle) auf 27 Prozent (32 Fälle). Zurückzufuhren war dies vor allem auf das Auftreten von politisch motivierten Marschtrupps, aus denen heraus Angriffe auf Autofahrer erfolgten. Auch ein Anstieg von über 20 Prozent in der erwähnten Beteiligung von Kindern und Jugendlichen auf 64 Prozent (45 Nennungen) war zu verzeichnen, der wenn nicht im Umfang, so doch in der Tendenz gesichert erscheint. Obwohl die Behörden in der Weimarer Zeit die Verkehrserziehung intensivierten, um einer von Jugendlichen ausgehenden Verwahrlosung der Straßenverhältnisse entgegenzutreten, blieben kindliche Steinwürfe über den gesamten Untersuchungszeitraum ein Problem für den Autoverkehr. Während sich die Anteile von Verkehrsteilnehmern, landwirtschaftlichen Berufen und Mittelständlern in der Weimarer Zeit halbierten, erhöhte sich der Anteil von Arbeitern leicht auf 13 Prozent (9 Nennungen). Der These von einer Verlagerung der Konflikte um den motorisierten Strassenverkehr von einem StadtLand-Gegensatz hin zu eher klassenkämpferisch aufgeladenen Auseinandersetzungen scheint damit zumindest nicht widersprochen zu werden. Während in allen Protestjahren von 1902 bis 1928 relativ gleichmäßig nicht näher bestimmte Gruppen für Ausschreitungen verantwortlich zu machen waren, hatte die Kategorie der unbekannten Täter 1913 mit 21 von 34 Fällen ihre stärkste Ausprägung: Die nächtlichen Drahtseilattentate, die das Jahr dominierten, erleichterten ein Unerkanntbleiben der Angreifer. Auch die nähere Bestimmung der Größe von Angreifergruppen musste auf Grundlage einer eingeschränkten Datenbasis erfolgen. In 97 Fällen blieben die Täter unbekannt oder es konnte nicht ermittelt werden, ob es sich bei den Angreifern um Einzelpersonen oder Gruppen handelte. In 66 Prozent (182 Fälle) der verbleibenden 275 Fälle agierten Gruppen, in 34 Prozent (93 Fälle) traten Einzeltäter in Erscheinung, die aber zuweilen auf Rückhalt bei Unterstützern hoffen konnten. Da lediglich bei den 93 Einzeltätern und in 70 weiteren Fällen eine exakte Bezifferung der Teilnehmerzahlen erfolgte, mussten alle Fälle, in denen von »Rotten«, »Banden« und »Gruppen« die Rede war, der Kategorie »3 bis 10 Teilnehmer« zugeordnet werden, während die Erwähnung von »Aufläufen« und »Menschenmengen« zu einer Zuordnung in die Kategorie »über 10 Teilnehmer« führte. 4 Mit 110 Nennungen (40 Prozent) bildet die Größengruppe der Vorfälle mit drei bis zehn Teilnehmern, gefolgt von den 93 Einzeltäter-Fällen den Schwerpunkt des Samples. Die Zweiergruppen und die Gruppen mit mehr als zehn Teilnehmern nehmen jeweils einen Anteil von 13 Prozent ein (37 bzw. 35 Fäl4 Eine weitere Differenzierung ist wegen der Ungenauigkeit des Verfahrens nicht angebracht. Z u r Kategorisierung von Gruppen mit ungenauer Größenangabe vgl. Volkmann, Kategorien, S. 168f.; Gailus, S. 36.

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le). Die starke Ausprägung bei den kleinen Gruppen ist auch auf die zurückhaltende Kategorisierung nicht exakt angegebener Gruppengrößen zurückzuführen, dürfte aber durchaus die Realität treffen, da sich die untersuchten Protestfälle auch außerhalb der quantifizierenden Untersuchung eher als täglicher Kleinkrieg denn als Massenaktionen darstellten. Aus den 70 exakten Angaben zur Gruppengröße lässt sich eine durchschnittliche Teilnehmerzahl der Fälle, die keine Einzeltaten waren, von 5,7 errechnen. Betrachtet man die beiden Untersuchungszeiträume, getrennt, ergibt sich auf der Grundlage von 45 Werten für die Jahre 1902 bis 1914 eine durchschnittliche Gruppengröße von 6,6, die nach dem Ersten Weltkrieg auf einen Wert von 4,1 (25 Werte) zurückging. Das Ereignis mit der größten Teilnehmerzahl des Samples war ein Angriff auf zwei Autos aus dem Jahr 1913, an dem 80 bis 100 Arbeiter teilnahmen.5 Während der Anteil der von Einzeltätern verübten Angriffe von 37 Prozent (70 Fälle) in der Kaiserzeit auf 27 Prozent (23 Fälle) zwischen 1919 und 1932 zurückging, stiegen die Anteile aller anderen Größengruppen an. Am stärksten wuchs dabei der Anteil von Fällen, an denen drei bis zehn Angreifer teilnahmen, von 38 Prozent (73 Fälle) auf 43 Prozent (37 Fälle). Da sich die durchschnittliche Gruppengröße in der Nachkriegszeit verringerte, ist von einer Tendenz zu erhöhter Kollektivität der Aktionen bei gleichzeitig geminderter Mobilisierung hoher Teilnehmerzahlen auszugehen. Sehr spärlich fallen die Informationen über das Alter der an den untersuchten Geschehnissen beteiligten Personen aus. Zwar berichtete die Motorpresse in 125 Fällen über die Teilnahme von Kindern und Jugendlichen, genaue Altersangaben fanden sich jedoch nur zu 37 Fällen mit 75 altersmäßig bestimmbaren Teilnehmern. 30 der erwähnten Angreifer waren mit einem Alter bis zu 14 Jahren als Kinder zu bezeichnen. Die relativ starke Ausprägung in dieser Gruppe dürfte darauf zurückzufuhren sein, dass man oft auf das geringe Alter von Steinewerfern hinwies, um eine frühe antiautomobile Prägung zu geißeln, und die Aufsichtspflicht der Eltern einzufordern. 41 Täter waren zwischen 15 und 25 Jahren alt und somit der Gruppe der Jugendlichen und jungen Erwachsenen zuzuordnen, welche die zahlenmäßig größte Fraktion bildete. Dieser Befund stimmt mit der hohen Protestbereitschaft dieses Lebensalters überein. Jeweils zwei Teilnehmer waren 26 bis 50 bzw. über 50 Jahre alt. Das aus den 75 bekannten Werten errechenbare Durchschnittsalter lag bei 16,4 Jahren. Während derjüngste Steinewerfer drei Jahre alt war, zählte der älteste erwähnte Protestteilnehmer 56 Jahre. In 372 Protestfällen wurde die Teilnahme von lediglich fünfweiblichen Personen erwähnt, so dass man davon ausgehen kann, dass Männer das antiautomobile Protestgeschehen dominierten. Allerdings gaben die Protestmeldungen der Motorpresse meist nur Aufschluss über die Haupttäter, die als 5 Vgl. AW, 1913, Nr. 79, S. 3.

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Einzelne handelten oder aus Gruppen hervortraten. Ü b e r die tatsächliche Bedeutung der Beteiligung von Frauen in den Fällen, in denen sich Menschenmengen bildeten, können daher keine näheren Aussagen getroffen werden. Ist aber zum Beispiel von der »Dorfbevölkerung« als agierendem Protestsubjekt die Rede, kann von weiblicher Beteiligung durchaus ausgegangen werden.

f) O b j e k t e des Protests

In über der Hälfte aller übermittelten Protestfälle geben die Quellen keine näheren Auskünfte über Merkmale der geschädigten Personen. 166 Fallschilderungen bezeichnen die angegriffenen Autobesitzer und -fahrer entweder nicht näher, oder Straßenbarrieren wurden frühzeitig entdeckt, so dass kein Schaden eintrat. Verkehrsschildzerstörungen bezogen sich nicht auf einen bestimmten Autofahrer. 46 weitere Protestmeldungen kennzeichneten den Angegriffenen lediglich als Mitglied eines Automobil-Clubs. Für die verbleibenden 160 Fälle konnten 253 Merkmalsausprägungen der Autofahrer, -besitzer und -insassen ermittelt werden. Die Prominenz des Opfers oder seine vermeintliche Verletzlichkeit, erhöhten dabei den Neuigkeitswert der Meldung,

Adlige 19 (8%)

Bürgertum 83 (33%)

4 Mittelsund 7 (3%) Unmotorisierte

6(2%) Verkehrsarbeiter 60 (24%)

Quelle: Protestsample; n: 253. Doppelnennungen möglich. Schaub. 10: Geschädigte in Protestfällen 112

die ein alltägliches Geschehen beschrieb. Frauen mit 19 Prozent (49 Fälle) der Charakterisierungen von Fahrern und Insassen dürften demnach ebenso überrepräsentiert sein wie hohe adlige Würdenträger, die in acht Prozent (19 Fälle) der Hinweise auf Geschädigte zu Opfern wurden. Ähnliches ließe sich im Falle ausländischer Touristen vermuten, die jedoch nur in vier Fällen als Angegriffene erschienen. Den größten Anteil nahmen mit 33 Prozent die 83 Meldungen ein, in denen Angehörige des Bürgertums als Geschädigte identifiziert wurden. Fabrikanten, Direktoren und Kaufleute bildeten als typische Mitglieder der AutomobilClubs mit 49 Meldungen die zahlenmäßig größere Gruppe, während bildungsbürgerliche Kreise mit 34 Meldungen etwas weniger stark vertreten waren. Interessanterweise kam es auch zu Angriffen auf 13 Arzte, von deren Mobilitätsgewinnen die Landbevölkerung durch verbesserte medizinische Versorgung profitierte. Es folgten mit einem Anteil von 24 Prozent (60 Meldungen) die direkt mit dem Autoverkehr befassten Unterschichtszugehörigen. Chauffeure, die als Fahrer oder technisch versierte Begleitung im Auto saßen, konnten leicht in das Protestgeschehen verwickelt oder direkt angegriffen werden. In acht Fällen erfolgte der Angriff auf ein Taxi oder einen Omnibus. Die 16 Fälle der Kategorie »Beamte« umfassen neben angegriffenen Landräten und Abgeordneten in Privatwagen auch die fünf Fälle, in denen die Angreifer Polizeibeamte, die Kontrollfahrten durchführten, durch Steinwürfe oder andere Belästigungen attackierten. In neun weiteren Fällen richtete sich ein Angriff gegen Offiziere, die ebenfalls meist Uniform trugen. Deutlich unterrepräsentiert ist mit sieben Fällen die Kategorie »Mittelstand«, die vor allem Handwerksmeister und Angestellte umfasst. Diese Gruppen nutzten, falls sie finanziell dazu in der Lage waren, überwiegend das volkstümliche Motorrad. In sechs Fällen wurden auch unmotorisierte Verkehrsteilnehmer zu Opfern antiautomobiler Aktionen. Vier Radfahrer und zwei Gespannfiihrer fuhren in Drahtseile oder Steinbarrieren, die gegen den Autoverkehr gerichtet waren. Die stärkste Ausprägung nahm in beiden Untersuchungszeiträumen die Kategorie der nicht näher charakterisierten Opfer und allgemein gegen den Autoverkehr gerichteten Aktionen ein, deren Anteil von 42 Prozent (106 Fälle) auf 51 Prozent (60 Fälle) anstieg. Dies kann zum einen bedeuten, dass die Aktionen unspezifischer wurden, zum anderen, dass Opfereigenschaften weniger ausfuhrlich in der Motorpresse auftauchten. Auffallend ist der starke Anstieg von Angriffen, die sich nachweislich gegen Mitglieder von Automobilclubs richteten, von 6 Prozent (14 Fälle) auf 27 Prozent (32 Fälle). Zurückzufuhren ist dies vor allem darauf, dass der ADAC seine Mitglieder in der Nachkriegszeit verstärkt aufforderte, jeden Angriff zu melden, um diese Hinweise auf autofeindliche Regionen in den Cluborganen zu veröffentlichen. Eindeutig dem Bürgertum zurechenbare Autobesitzer behielten mit einem Anteil von elf Prozent (13 Fälle) eine gewisse Bedeutung als Objekte des Protests, auch wenn ihr 113

Anteil sich im Vergleich zur Vorkriegszeit halbierte. Angriffe auf Autos, mit denen sich die alten Funktionseliten fortbewegten, konzentrierten sich dagegen fast ausschließlich auf die Zeit des Kaiserreichs. Waren für die Jahre 1902 bis 1914 insgesamt 34 Angriffe auf Beamte, Landräte, Offiziere und hohe adlige Würdenträger zu verzeichnen, berichtete man in der Weimarer Zeit nur von einem Fall, in dem ein Baron in ein Drahtseil fuhr.6

g) Reaktionen und Strafen

Insgesamt fanden sich als Reaktion auf die untersuchten Geschehnisse 234 Hinweise auf ein Einschreiten von Polizeibeamten, Gerichten, Landräten, Regierungspräsidenten und Schulbehörden. Mit 99 Meldungen (42 Prozent) bildeten die Hinweise auf ein polizeiliches oder richterliches Vorgehen gegen Angreifer dabei den Hauptanteil. Das Spektrum erstreckte sich von der Verwarnung durch einen Polizisten über das aktive Einschreiten von Ordnungsorganen bis zur Gerichtsverhandlung. Angreifer wurden bei einer gerichtlichen Klärung keinesfalls immer verurteilt, da oft Schöffengerichte zuständig waren, die sich aus der bäuerlichen Wohnbevölkerung zusammensetzten. Aus den 55 überlieferten Gefängnisstrafen lässt sich als Durchschnittswert eine Haftdauer von knapp drei Monaten errechnen. Die Spanne reichte dabei von fünf Tagen Gefängnis für die Blockade der Strasse mit einem Fuhrwerk bis zu 15 Monaten Haft wegen »fahrlässiger Tötung« eines Autofahrers im August 1914. Die 28 Geldstrafen, die Gerichte gegen Angreifer verhängten oder Polizisten als Strafmandate ausstellten, reichten von zwei bis 500 Mark. Erstere verlangte ein Schöffengericht von einem Radfahrer, der einem Autofahrer einen Stein ins Gesicht geworfen hatte, letztere musste ein vorbestrafter Kaufmann für einen Steinwurf zahlen, der eine Windschutzscheibe zertrümmert hatte. Der Durchschnittswert der Geldstrafen belief sich auf knapp 44 Mark. Auf das Steinwerfen der Kinder bezogen sich die zehn gemeldeten Erlasse und Anweisungen von Ministerien und Regierungspräsidenten an untergeordnete Schulbehörden sowie die 14 übermittelten Verwarnungen und Schulstrafen, die Lehrer gegen Kinder verhängten. Dass die untergeordneten Polizeibehörden und viele Gerichte den Autofahrern oft nicht wohl gesonnen waren, wird an den 28 Fällen deutlich, in denen man die Wagenlenker bestrafte, obwohl diese zu Opfern eines Angriffs geworden waren. Allerdings ging dem Protestverhalten zuweilen ein straßenverkehrliches Fehlverhalten der Autofahrer voraus. 6 Vgl. ADAC-Motorwelt, 1930, Beilagen Nr. 29, S. 7; AAZ, Jg. 31, 1930, Nr. 31, S. 18.

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Da die Angaben in den Automobilzeitschriften in der Weimarer Zeit ungenauer wurden und nur selten ein genaues Strafmaß nannten, wuchs der Anteil der Kategorie »polizeiliches und richterliches Vorgehen« von 38 Prozent (63 Fälle) auf 52 Prozent (36 Fälle), während der Anteil von Geld- oder Haftstrafen abnahm. Als Nachlassen der Repression gegen sozial motivierte Protestaktionen in einer demokratisch verfassten Gesellschaft, kann dieser Rückgang nicht gewertet werden. Zum einen lässt die Dürftigkeit des Zahlenmaterials keine derart weitgehenden Schlüsse zu; zum anderen nahm auch die Gewalttätigkeit der Aktionen zwischen 1919 und 1932 ab. Die Motorpresse berichtete zu den 372 Protestfällen auch über 128 Reaktionen von Autofahrern aufAngriffe. Diese setzten in 50 Fällen Belohnungen zur Ergreifung unerkannt gebliebener Täter aus, um die stillschweigende Solidarität der Bevölkerung zu brechen und intensive polizeiliche Ermittlungen zu animieren. Die durchschnittliche Höhe der in Aussicht gestellten Gratifikationen lag bei ungefähr 500 Mark, wobei die Geldbeträge zwischen 25 und 1.000 Mark variierten. Darüber hinaus stifteten Automobilclubs 1913 und 1925 jeweils mit 5.000 Mark bestückte Fonds, die der Aufklärung von Anschlägen dienen sollten. In beiden Fällen geschah dies unter dem Eindruck protestintensiver Jahre, in denen bedrohliche Aktionen wie Barrierenbau und Drahtseilattentate an Bedeutung gewannen. 25 Aktionen folgten Beschwerden bei den Behörden. Bedeutsamer waren aber die 22 Warnungen und Boykottaufrufe, welche die Automobilzeitschriften in Folge von Protestaktionen veröffentlichten, da sie für die betroffenen Gemeinden eine wirtschaftliche Gefahr darstellen konnten. Nachdem Touristen ausgeblieben waren, bat eine Gemeinde gar darum, die erfolgte Festsetzung eines Angreifers öffentlich zu machen.7 Zum handgreiflichen Gegenangriff, der 19 mal Erwähnung fand, gingen Autofahrer meist im Fall kindlicher Steinewerfer über. Außerdem bestand die Möglichkeit, sich nach einem Autounfall zu entfernen, wenn die Menge eine »drohende Haltung« einnahm. Meldete sich der Autofahrer innerhalb von 24 Stunden bei der nächsten Polizeiwache, war der Tatbestand der Fahrerflucht nicht erfüllt. In sechs Fällen flüchteten Autofahrer nach einem Unfall oder übertraten bewusst das Tempolimit, um einem drohenden Angriff zu entkommen. Schließlich wurden sechs Fälle erwähnt, in denen es Autofahrern gelang, Schadensersatz oder Schmerzensgeld gerichtlich durchzusetzen. Die Beträge reichten dabei von 50 bis zu einer Höhe von 2.000 Mark. Auch die vermerkten 23 Fälle müssen Erwähnung finden, in denen sich zunächst Unbeteiligte mit den Angreifern gegen die Autofahrer solidarisierten und in den Verlauf des Protestgeschehens eingriffen. Meldungen darüber, dass

7 Vgl. ADAC-Motorwelt, 1930, Beilagen Nr. 27, S. 4.

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Dritte im Sinne der Autofahrer handelten, fanden sich dagegen nur in den Fällen, in denen Polizisten, Passanten oder Radfahrer Straßenbarrieren entfernten, um einen Unfall zu verhindern.8

8 Vgl. MF, 1913, Nr. 14, S. 409f.; Nr. 37, S. 1300; Nr. 40, S. 1368; AAZ,Jg. 14,1913, Nr. 40, S. 32; AW, 1913, Nr. 118, S. 4.

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4. Zur Protesttypologie: Hauptformen autofeindlicher Aktionen

a) Steinwürfe: Kinder und Jugendliche als Autofeinde Am Sonntag, den 28.7.1907 unternimmt der 32jährige Frankfurter Chemiker Dr. phil. Scriba, Direktor einer Kelsterbacher Fabrik in Begleitung einer Dame und eines weiteren Herrn einen Rheinausflug. Der Chauffeur soll die Gruppe über Steeger Tal und Bacharach nach Bingen und anschließend zurück nach Frankfurt am Main fahren. Auf der Tour sticht zunächst ein vorüberfahrender Knecht mit einer Mistgabel nach dem Chauffeur. Der Angreifer trifft den Wagenlenker jedoch nicht, so dass die Reisegesellschaft ihre Fahrt fortsetzt. Anschließend fallt ein großer Stein in das Wageninnere, wobei die Autofahrer einen halbwüchsigen Burschen als Übeltäter identifizieren. Da jedoch niemand verletzt und das Auto nicht beschädigt wird, fahren die Automobilisten erneut weiter. Als wenige Kilometer weiter auf der Niederheimbacher Landstraße am Ortseingang von Rheindienbach im Regierungsbezirk Koblenz schließlich ein Apfelrest im Auto landet, lässt Wagenbesitzer Scriba anhalten. Er springt aus dem Auto und erkennt, dass ein Junge aus einer Gruppe von Kindern heraus auf den Wagen geworfen hat. Scriba zieht seinen Browning-Revolver und gibt fünf Schüsse auf die spielenden Kinder ab. Er trifft dabei ein elfjähriges Mädchen ins Schulterblatt. Der Autofahrer verfolgt die flüchtenden Kinder, ergreift einen neunjährigen Jungen, der sich als Bruder des Täters herausstellt, und schüttelt ihn heftig. Dabei schlägt er ihn auf den Kopf und ins Gesicht bis der Junge aus dem Mund blutet und den Namen des Steinewerfers verrät. Einen Dorfbewohner, der dem Kind zur Hilfe kommt, bedroht Scriba mit seinem Revolver. Schließlich füllt sich die Szene mit immer mehr Publikum, das eine »drohende Haltung« einnimmt, so dass Scriba zurück in das Auto springt und mit der Reisegesellschaft flieht. Da sich die Dorfbewohner das Autokennzeichen notieren, kann der Wagenbesitzer identifiziert und festgenommen werden, woraufhin er fünf Tage in Untersuchungshaft verbringt. Nach Stellung einer Kaution von 30.000 Mark setzt man den Autofahrer wieder auf freien Fuß, klagt ihn aber vor der Strafkammer Koblenz wegen gefährlicher Körperverletzung, Freiheitsberaubung und Nötigung an. In der Gerichtsverhandlung sagt Scriba aus, er trage den Revolver nach verschiedenen Angriffen auf sein Auto stets auf Ausfahrten bei sich. Außerdem habe er nicht 117

gezielt aufdie Kinder geschossen, sondern lediglich Schüsse in die Luft abgegeben, um die flüchtenden Kinder zu warnen. Die Verletzung des Mädchens sei ein bedauerlicher Unfall. Der Strafantrag wegen gefährlicher Körperverletzungwird schließlich fallengelassen, da Scriba die Krankenhauskosten des verletzten Mädchens übernimmt und der Mutter eine Entschädigung von 10.000 Mark zahlt. Er muss sich lediglich wegen Freiheitsberaubung und Nötigung verantworten und wird aufgrund der Revolverschüsse zur Zahlung einer Geldstrafe von 150 Mark verurteilt.1 18 Jahre später ereignet sich ebenfalls im Rheinland ein ähnlich interessanter Fall, wenn auch nicht mit derart blutigen Konsequenzen: Im Sommer 1925 unternimmt der Diplomingenieur von Loewe aus Berlin-Steglitz mit seiner Frau eine Deutschlandreise im Auto. Auf einer Landstraße im Rheinland treffen die Reisenden auf eine Gruppe von Erdarbeitern, die offensichtlich ihre Mittagspause abhalten. Auf der anderen Straßenseite liegen zwei Bauernmädchen im Straßengraben, die von einem etwa 16jährigen Jungen begleitet werden. Loewe, der mit etwa 60 km/h fährt, bemerkt, wie der Junge sich bückt, einen Gegenstand aufhebt und ihn am Straßenrand erwartet. Der Autofahrer gibt Gas, hält auf den Jungen zu und zieht den Wagen im letzten Moment herum. Ein kopfgroßer Pflasterstein kracht gegen die Karosserie, prallt am Kotflügel ab und bleibt kurz auf dem Trittbrett liegen, um schließlich auf die Straße zu rollen. Da er mit seiner Frau alleine im Wagen ist und befürchtet, dass die zwölf anwesenden Erdarbeiter im Falle einer Auseinandersetzung nicht für ihn Partei ergreifen werden, beschleunigt der Automobilist den Wagen und fährt ins nächste Dorf. Dort setzt Loewe seine Frau ab und verständigt im Gemeindeamt einen Gendarmen. Der Wachtmeister begutachtet die Schrammen an der Karosserie und begleitet den Autofahrer zum Ort des Angriffs. Hier stellt man zunächst das Tatwerkzeug sicher, um anschließend die beiden Bauernmädchen zu befragen. Diesen wird inzwischen allerdings von einem anderen Jungen der Hof gemacht. U m den Namen des Steinewerfers zu erfahren, rät der Gendarm zu behaupten, der zweite Junge sei mit Bestimmtheit der Täter. Nach einem kurzen Verhör nennen die beiden Mädchen schließlich Namen und Wohnort des wahren Angreifers. Es handelt sich um einen 15jährigen Bauernsohn aus dem Nachbardorf. Im Gemeindeamt werden die Zeugenaussagen protokolliert und ein Schadensersatzanspruch von 200 Mark festgestellt, den die Versicherung Loewes später gegen den Vater des Steinewerfers durchsetzen kann. Der Gemeindevorsteher, ein alter Bauer, behandelt den Gendarmen distanziert, als dieser seine Genugtuung darüber zum Ausdruck bringt, dass der Steinewerfer wegen des Schadens von seinem Vater eine Tracht Prügel beziehen werde. Bei einem Umtrunk im Dorfgasthaus erzählt der Wachtmeis1 Vgl. AW, Jg. 5,1907, Nr. 96, S. 2; Nr. 97, S. 3; Nr. 99, S. 2; Nr. 102, S. 2; Nr. 105, S. 1; Nr. 134, S. 3.

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ter schließlich, dass er erst vor kurzer Zeit in der Nähe ein nächtliches Drahtseilattentat vereitelt habe, fur dessen Versuch ein Bauernjunge mitvier Wochen Gefängnis bestraft worden sei. Daher seien die Bauern der Umgebung über den Gendarmen erbost.2 Beide Fallschilderungen verdeutlichen einige charakteristische Merkmale der Angriffe mittels Werfen von Steinen und anderen Gegenständen: Zunächst wird die dauerhafte Präsens des Phänomens klar. Lässt eine Kette von mehreren Angriffen den Autofahrer 1907 schließlich die Fassung verlieren, bildet der Fall von 1925 ein Einzelerlebnis auf einer längeren Deutschlandreise. Aber auch in der Weimarer Zeit ist man als Autofahrer in der gleichen Gegend vor Steinwürfen noch nicht sicher. In beiden Fällen sind die Opfer großstädtische Autofahrer, die sich auf Landpartien befinden, während die Angreifer der dörflichen Jugend zuzurechnen sind. Die Angriffe erfolgen jeweils scheinbar unwillkürlich, ohne sichtbaren Anlass. Solidarisierungseffekte bei zunächst unbeteiligten Erwachsenen sind im Falle von Revolverschüssen sicher absehbar, eine automobilfeindliche Haltung der erwachsenen Landbevölkerung, die den Nährboden für die kindliche Aktion bildet, wird aber auch in dem harmloseren Fall von 1925 angedeutet. Auf Seiten der Ordnungskräfte lässt sich nun aber, im Gegensatz zu den zahlreichen Hagen der Autofahrer im Kaiserreich, eine verkehrsfreundliche Haltung feststellen. Die 131 übermittelten Steinwürfe aufvorüberfahrende Autos, die meist Kinder ausführten, bilden die größte Gruppe der im Protestsample vertretenen Fälle. Da vor allem über Aktionen, die bekannte Persönlichkeiten betrafen, die zu Gerichtsverhandlungen führten oder die nicht von der typischen Tätergruppe ausgingen, berichtet wurde, dürften die analysierten Steinwürfe nur einen kleinen Ausschnitt der Realität abbilden. Tatsächlich stellte sich das Bewerten mit Steinen für den frühen Automobilismus als »Landplage« dar. Es war eine alltägliche Erscheinung im Straßenverkehr, welche nach Meinung der Motorpresse durch das verkehrsfeindliche Verhalten untergeordneter Behörden gefordert wurde. Prominente Fürsprecher des Automobilsports wie Prinz Heinrich von Preußen, der das Steinschleudern 1906 als in manchen Gegenden »epidemisch« und die Autofahrer als »Vogelfreie« bezeichnete, forderten dagegen einen verstärkten Schutz des Autoverkehrs. Dabei war die Unzulässigkeit der kindlichen Angriffe bereits recht früh rechtlich fixiert worden.3 2 Vgl. AAZ, Jg. 26,1925, Nr. 52, S. 21. 3 Das Steinwerfen wurde als eine »verbreitete Unsitte der Jugend« bezeichnet. Hinsichtlich der ungenügenden Verfolgung von Steinewerfern hieß es: »Eine Behörde, die in den sittlichen Abgrund der Strafgeldschinderei versunken ist, erhebt sich nicht mehr durch eigene moralische Kraft zu einer lauteren Rechtsanschauung.« AW, Jg. 3, 1905, Nr. 19, S. 1; Jg. 4,1906, Nr. 78, S. 2. Vgl. D M F , 1906, Nr. 46, S. 1018. Bereits die Berliner Straßenordnung von 1900 stellte fest: »Das Werfen mit Bällen, Schnee usw. ... sowie das Aufhocken auf Fuhrwerke, welche sich in Fahrt befinden, ist untersagt.« Berliner Straßenordnung vom 26.1.1900, S. 9, LAB PrBrRep 30 Berlin С Nr. 100, Bd. 1 (18699), Blatt 247.

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Kindliche Aggression richtete sich keineswegs ausschließlich gegen Autos. In den Berliner Schulblättern finden sich zahlreiche Hinweise auf Sachbeschädigungen wie das rituelle Anzünden von Litfasssäulen zu Beginn des Schuljahres, auf massive Probleme mit Graffiti und auf Manipulationen an den Gleisen der Stadt- und Ringbahn mit Steinen und Hölzern.4 Ihren sozialen Gehalt erhalten aber gerade die gegen das Auto gerichteten Aktionen durch die stillschweigende Duldung oder offen bekundete Sympathie der Erwachsenen. Daher kritisierte die Motorpresse das Verhalten der Kinder zwar scharf und forderte eine strenge Bestrafung, zielte in erster Linie aber auf Verhaltensänderungen bei den Erwachsenen ab. Pädagogen begrüßten zwar die Verwarnung und Bestrafung von Steinewerfern, die Ursache kindlichen Verhaltens sahen sie aber vielfach in einer über die Eltern vermittelten, berechtigten Automobilfeindschaft.5 Im städtischen Umfeld kam konfliktverstärkend hinzu, dass die Zunahme des Verkehrs wegen mangelnder Ausweichmöglichkeiten mit den Spielbedürfnissen der Kinder kollidierte, was auch die Polizeibehörden erkannten. In Berlin führte der Mangel an Spielplätzen beispielsweise dazu, dass Kinder mit dem von den Behörden als gefahrlich eingeschätzten »Diabolo-Spiel« auf die Straßen auswichen. Manche Spiel- und Freizeitformen wie das Rollschuhfahren ließen sich aber schwer von den öffentlichen Wegen verbannen. Hier reagierten die Behörden wie bei anderen Straßennutzungen mit Reglementierung: Das Rechtsfahrgebot galt auch für Rollschuhfahrer. Höchstgeschwindigkeiten wurden festgelegt und stark befahrene Straßen komplett für den Rollschuhverkehr gesperrt.6 In kleineren Gemeinden ging man bisweilen soweit, das »zwecklose Umhertreiben und Lärmen der Kinder« oder generell das Spielen auf der Straße auf dem Verordnungsweg zu verbieten und mit Strafe zu bedrohen. Trotzdem hatten Autofahrer in den Straßen, die erfahrungsgemäß von spielenden Kindern belebt waren, besonders vorsichtig zu fahren, wollten sie nach einem Unfall der Verurteilung wegen Fahrlässigkeit entgehen, auch wenn sie die zulässigen Geschwindigkeiten nicht überschritten hatten.7 Mit der zunehmenden Funktionalisierung des Straßenraums zu Verkehrszwecken ging die allmähliche Verhäuslichung des Kinderspiels einher. Zeigten 4 LA Berlin STA Rep 20-01 Nr. 357, Bd 4, Blatt 21, 80, 85,151. 5 Vgl. AAZ, Jg. 6,1905, Nr. 25, S. 57; AW, Jg. 3, 1905, Nr. 38, S. 1681. 6 Vgl. Polizeipräsident Schöneberg an Polizeipräsident Berlin (20. 8.1908), LAB PrBrRep 30 Berlin С tit. 133 Nr. I l l , Bd 3; tit. 202 Nr. 37, Bd 2, Blatt 8fF. Die polizeilichen Regelungen in diesem Bereich begannen 1909. 7 Vgl. AAZ, Jg. 6,1905, Nr. 14, S. 43. Eltern und Erzieher wurden in Schedewitz mit bis zu 30 Mark Geldstrafe bedroht, wenn sie das Spielen der Kinder auf der Straße nicht verhinderten. Bis zu 60 Mark Geldstrafe forderte die Gemeinde Neumarkt (Oberpfalz) seit 1911 von Eltern, die Kinder unter funfjahren unbeaufsichtigt auf der Straße spielen ließen. Vgl. AAZ, Jg. 12,1911, Nr. 2, S. 41. Das Landgericht Potsdam verurteilte im September 1914 einen Kraftdroschkenführer, der in einer kinderreichen Straße einen plötzlich auf die Straße springenden Jungen überfahren hatte, trotz Einhaltung der Höchstgeschwindigkeit wegen fahrlässiger Tötung zu vier Monaten Gefängnis. Vgl. ZMM, 1916, Nr. 21/22, S. 181.

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sich um die Jahrhundertwende insbesondere in den Städten bereits erste Einschränkungen kindlicher und jugendlicher Bewegungsfreiheit auf der Straße, blieben die Lebens- und Lernereignisse doch zunächst in erster Linie an die städtische StraßenöfFentlichkeit gebunden. Die sich vielfach spontan bildenden Kinderkleingruppen tradierten dabei einen Kanon »volkstümlicher, regelgeleiteter Gruppenspiele«, die im öffentlichen Straßenraum nur schwer kontrollierbar waren. Grenzverletzungen durch Fremde erwiesen sich als unvermeidlich und führten zu vielfachen Konflikten und Störungen. Der gefahrbringende Autofahrer wirkte als Eindringling, auf den mit gewalthaften Angriffen im Rahmen von Gruppenspielen reagiert werden konnte, wobei man sich der Solidarität des umgebenden Milieus gewiss war.8 Die nach der Jahrhundertwende aufkommende Jugendbewegung kann man in Hinblick auf den beschriebenen Verdrängungsprozess als eine Schutz- und Fluchtreaktion interpretieren. In ihrer Ablehnung des modernen Touristen, der verstärkt als großstädtischer Autofahrer aufzutreten begann, traf sie sich mit Heimat- und Naturschutzbewegung, ohne dabei allerdings die in der zeitgenössischen Zivilisationskritik verankerte Technikfeindlichkeit ideologisch zu untermauern. Im Wandervogel war die Aktion Programm: Das Unbehagen über die Gefährdungen des Großstadtlebens, zu denen die Motorisierung des Straßenverkehrs nicht unerheblich beitrug, wurde im gemeinschaftlichen »Erwandern« der »deutschen Heimat« zum Ausdruck gebracht.9 Einige der geschädigten Autofahrer setzten sich handgreiflich gegen kindliche Angriffe zur Wehr, was aber zu weiteren Komplikationen fuhren konnte, da Straßenpassanten oft gegen prügelnde Autofahrer Partei ergriffen. Zudem reagierten die Eltern der betreffenden Steinewerfer zuweilen mit Strafanzeigen wegen Körperverletzung. In den Fachzeitschriften entspann sich daraufhin eine Diskussion über das »Züchtigungsrecht des Autlers«, wobei die Rechtslage unklar blieb. Während das Oberlandesgericht Braunschweig 1905 dem angegriffenen Autofahrer die Ausübung des Züchtigungsrechts in Vertretung des Vaters auch gegen dessen Willen im öffentlichen Interesse zugestand, verurteil8 Vgl. Behnkett u. Zinnecker, S. 87-96. Die kindlichen Aktionsformen gegen das Auto fasste ein Generalmajor zusammen, um die Reduktion der Straße auf ihre Verkehrsfunktion zu fordern: »Die grösseren Kinder belieben vielfach Unfug zu treiben, sich in Neckereien der Insassen vorüberfahrender Kraftwagen zu gefallen und der Abneigung durch Werfen mit Steinen, Kies, Sand und Schnee Ausdruck zu geben oder auch den Fahrer durch Entgegenstellen in die Fahrbahn und durch plötzliches zur Seitespringen nach rechts oder links in Verlegenheit zu bringen. Hinten Aufklettern auf das in der Ortschaft langsam fahrende Auto gehört zu den Alltäglichkeiten ... Bei der Entwicklung des modernen Verkehrs sind Strassendämme keine Spielplätze mehr und die Kinder sollen niemals unbeaufsichtigt auf ihnen umhertollen. Den Eltern und Schullehrern erwächst die Pflicht, das Unzulässige und Gefährliche des Strassenunfugs den Automobilen und ihren Insassen gegenüber der Jugend klar zu machen und durch Ermahnungen und geeignete Strafeinwirkungen einen wohlerzogenen Nachwuchs heranzubilden.« Becker, Automobil-Unfälle, S. 20. 9 Vgl. Reulecke, S. 1-19; Brand, S. 57-60.

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te ein Hanauer Schöffengericht 1910 einen Automobilisten zu 20 Mark Geldstrafe, da er einen Steinewerfer mit dem Stock verprügelt hatte.10 Bei jüngeren Kindern war eine strafrechtliche Verfolgung ausgeschlossen. Auch die Eltern konnten strafrechtlich nicht belangt werden, wenn sie nachwiesen, dass sie ihrer Aufsichtspflicht genügt hatten, was in der Regel leicht gelang. Die Autofahrer drangen aber des öfteren auf die Durchsetzung von Schulstrafen und Züchtigung durch den Lehrer. Auch sollten die zivilrechtlichen Ersatzansprüche gegen die Eltern konsequent verfolgt werden, damit diese nach finanziellen Einbußen die Züchtigung selbst in die Hand nahmen. Waren Steinewerfer strafmündig, konnten sie wegen Sachbeschädigung mit bis zu 1.000 Mark Geldstrafe und zwei Jahren Gefängnis bestraft werden. Allerdings bedauerte die Motorpresse, dass der Straftatbestand der »versuchten Körperverletzung« nicht existierte, um mit höheren Strafen drohen zu können.11 Gegen die Steinewerferei konnten sich die Autofahrer bereits vor dem Ersten Weltkrieg durch die Installation von Sicherheitsglas schützen. Die andauernde Bewerbung des Produkts in Anzeigen, die Steinwürfe abbildeten, bezeugt den Fortbestand des Phänomens in den zwanziger Jahren.12 In Anzeigen anderer Hersteller erschien das Bewerfen von Fahrzeugen dagegen als Teil einer romantisierenden Darstellung und integraler Bestandteil des Alltagslebens. Die spielerische Referenz an die wilde Pionierzeit des Automobils hob nicht mehr auf feindliche Absichten ab, sondern interpretierte das Bewerfen von Fahrzeugen, wenn es wie in einer Daimler-Werbung von 1926 mit Schneebällen erfolgte, als Teil des kindlichen Spiels. Zu den kindlich-jugendlichen Aktionsformen waren auch das plötzliche Springen in die Fahrbahn und das Anhängen oder Aufspringen auf Autos zu rechnen, die mit mutwilligen Sachbeschädigungen verbunden sein konnten.13 10 Ein englischer Autotourist berichtete über seine Erlebnisse in Deutschland: »Als ein Mittel gegen Knaben, die beim Passieren eines Dorfes mit Steinen werfen, was ganz üblich ist, wird man fast verleitet, dem Beispiel vieler hiesiger Kraftfahrer zu folgen und eine Peitsche zu tragen; aber ob ein Ausländer sie benutzen darf, ist eine andere Sache!« AAZ, Jg. 8,1907, N r . 25, S. 85. Ein Bankier aus H o f wurde 1908 in Eger von der Menschenmenge fast gelyncht, als er zwei Steinewerfer der Polizei übergeben wollte. Vgl. AAZ, Jg. 9,1908, Nr. 31, S. 57. Da schon »viel Unglück« durch die Unsitte der Steinbombardements entstanden sei, wurden die Autofahrer in einem Ratgeber 1906 aufgefordert, »gegen solche Missetäter ganz rücksichtslos« vorzugehen. Lengerke u. Schmidt, S. 43. Vgl. AAZ, Jg. 11,1910, Nr. 1, S. 40; Nr. 48, S. 51-53. 11 Vgl. MF, 1910, Nr. 27, S. 687f.; Z M M , 1911, Nr. 9, S. 212; Motor und Sport, 1930, Nr. 2, S. 45. 12 Z u »Triplex-Glas« vgl. AAZ, Jg. 14,1913, Nr. 14, S. 43ff. 13 Gegen das Anhängen an Autos wurde die Ausstattung der Wagenrückseite mit Metalldornen empfohlen. Vgl. MF, 1909, Nr. 17, S. 306f. A u f die mit denjugendlichen Aktionen verbundenen Unfallgefahren wiesen 1909 die im Transportarbeiterverband organisierten Berufsautomobilfahrer Deutschlands hin: »Das Automobil dient aber noch allzu häufig den Kindern als Gegenstand ihrer Sucht, U n f u g zu machen. Wenn aber dank solcher Unvorsichtigkeiten Unfälle sich ereignen, nimmt stets die öffentliche Meinung gegen den Autofahrer Partei... w e n n man es

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TriplexW a g e n - und Windschutzscheiben TriplexSchutzbrillen

Glas- und Spiegel-Manufaktur N. Kinon-Aachen Quelle: AAZ, Jg. 25,1924, Nr. 49a, S. 114. Abb. 1: Beworfenes Auto in Werbeanzeige Derartige Ereignisse kamen häufig vor und konnten Unfälle provozieren, fanden aber seltener Erwähnung, da sie meist unspektakulärer als ein gefährdender Steinwurf abliefen. Auch wurde in ihnen bereits eine gewisse kindliche Faszination für die automobile Geschwindigkeit deutlich. Der Spieltrieb der Kinder konnte den Straßenverkehr jedoch erheblich gefährden, so dass sich in Berlin die Städtische Schuldeputation 1918 trotz des kriegsbedingt reduzierten Verkehrs gezwungen sah, die Schulen anzuweisen, vor den Kindern das Verbot des Anhängens an Autos zu betonen.14 Mit dem Steinwurf enger verwandt war für nötig hält, bei allen anderen Verkehrseinrichtungen Warnungen und Belehrungen fur das Publikum zu veröffentlichen, um dadurch Unfälle zu verhüten, warum übersieht man diese Notwendigkeit beim Automobil, das doch schon lange genug im öffentlichen Verkehr eine Rolle spielt?« Berufsautomobilfahrer Deutschlands an Reichstag (Januar 1909), BA R 1501 Nr. 13939. 14 Vgl. Städtische Schuldeputation an Rektoren und Hauptlehrer (25.5.1918), LAB PrBrRep 30 Berlin С tit. 133 Nr. 100, Bd. 5.

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dagegen das Bespritzen mit Wasser und anderen Flüssigkeiten. Diese Aktionen richteten sich eindeutig gegen die Insassen des Autos, Sachbeschädigungen nahmen die Angreifer allenfalls als Kollateralschäden billigend in Kauf Sie lassen sich als direkte Umkehrung der herabwürdigenden Beschmutzung der Straßenpassanten durch Staub und Straßenkot aufwirbelnde Autos interpretieren. U m die Schüler über die Gefährlichkeit des Steinwerfens aufzuklären, machten die Behörden vom Mittel ministerieller Erlasse und landrätlicher Anweisungen ausgiebig Gebrauch. Zwischen 1904 und 1930 reagierten die unterschiedlichen Gebietskörperschaften mit nicht weniger als 47 Bekanntmachungen, Weisungen und Erlassen, welche die Eltern auf ihre zivilrechtliche Haftbarkeit hinwiesen und Belehrungen durch die Lehrer über Strafbarkeit und Gefährlichkeit von Steinwürfen und anderen Automobilgefährdungen anordneten. Uberwogen in der Kaiserzeit dabei Strafandrohungen und Warnungen vor Steinwürfen, betonten die Anweisungen in der Weimarer Republik stärker verkehrserzieherische Aspekte.15 Obwohl der Erfolg dieser Vorgehensweise begrenzt war, drängten die Autointeressenten stets vehement auf behördliche Reaktionen, da sie von den Erwachsenen ohnehin keine substantiellen Verhaltensänderungen erwarteten.16 Sofortiges Einschreiten schien aber vor allem dann angebracht, traf ein Steinwurf ein fürstliches Automobil. So kündigte der preußische Innenminister nach einer derartigen Beschwerde des KAC1906 unter dem Betreff »Ausschreitungen gegen Automobilisten« umgehend beim Minister der öffentlichen Arbeiten den »energischen Schutz« derselben an.17 Als die Steinwürfe und Beläs15 Vgl. AAZ, Jg. 5, 1904, Nr. 42, S. 62; 1905, N r . 49, S. 59; 1906, Nr. 11, S. 63f; 1907, Nr. 13, S. 66; Nr. 36, S. 63; Nr. 48, S. 69; 1908, Nr. 25, S. 68; Nr. 26, S. 63; 1909, Nr. 32, S. 48f.; 1910, Nr. 18, S. 51; 1911, Nr. 19, S. 46; Nr. 25, S. 65; N r . 43, S. 77; 1913, Nr. 24, S. 25; Nr. 34, S. 7; Nr. 35, S. 21; 1915, Nr. 35, S. 5; 1921, Nr. 1, S. 25; AW, Jg. 3,1905, S. 1681; Nr. 40, S. 1; Nr. 48, S. 2124; N r . 49, S. 2165; 1906, Nr. 75, S. 1; Nr. 77, S. 4; 1907, Nr. 18, S. 3; Nr. 37, S. 1; 1909, Nr. 10, S. 1; Nr. 97, S. 1; Nr. I l l , S. 3; 1910, Nr. 99, S. 3; 1911, Nr. 63, S. 2; MW,Jg. 8,1905, S. 679; 1906, S. 338; 1907, S. 717; MF, 1909, Nr. 31, S. 657; Nr. 34, S. 726; 1910, N r . 12, S. 238; Nr. 26, S. 662; N r . 35, S. 902; Nr. 45, S. 1187f.; 1913, Nr. 52, S. 1721f.; Z M M J g . 6,1907, Nr. 11, S. 273f.; GstA PK I. HA Rep. 77 tit. 1328 Nr. 11, Bd. 6; LAB PrBrRep 30 Berlin С tit. 133 N r . 100, Bd 5; LAB PrBrRep 34 Litt. L Abt. 1 Nr. 56; BA R 1501 N r . 14143. 16 Die »Automobilwelt« kommentierte einen Erlass des Regierungspräsidenten in Oppeln von 1910 an die Volksschullehrer: »Der erwachsene Oberschlesier ist angesichts seines notorischen geistigen Tiefstands einer Belehrung leider meist nicht zugänglich.« AW, Jg. 8, 1910, N r . 56, S. 4. Z u einer Initiative des Norddeutschen AC, der Schulbelehrungen anregte, vgl. Hasperg, S. 933fF. 17 »Nach einer Nachricht, die kürzlich durch die Zeitungen ging, ist auch seine S. R. Kgl. Hoheit Prinz Heinrich gelegentlich einer Automobilfahrt durch Steinwürfe getroffen worden. So sehr es die Aufgabe der Polizeibehörden ist, gegen die Ausschreitungen zügelloser Automobilfahrer einzuschreiten, so werden sie sich andererseits auch nicht der Pflicht entziehen dürfen, den Automobilfahrern gegen A n g r i f f - und Tätlichkeiten energischen Schutz zu gewähren.« Minister des Innern an Minister der öffentlichen Arbeiten (22. 9. 1906), GStA PK I. H A Rep. 77 tit. 1328 Nr. 11, Bd 3. Auch der Großherzog von Hessen wurde 1906 Zielscheibe eines Steinbombardements. Vgl. AAZ, Jg. 6,1905, Nr. 19, S. 49.

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tigungen der Schuljugend gegen Autofahrer auch in Kriegszeiten nicht nachließen und man eine Beeinträchtigung des militärischen Verkehrs befürchtete, beschwerte sich der Kommandeur des KFAC, Prinz Waldemar von Preußen, bei den Behörden. Das Innenministerium startete daraufhin eine erneute Initiative, um ein schärferes Vorgehen gegen die Kinder zu bewirken.18 In Friedenszeiten war es offenbar schwieriger, bei den Behörden durchzudringen, auch wenn es sich beim Beschwerdeführer um einen wohlhabenden Fabrikanten handelte. A. Borsig beschwerte sich 1913 mehrmals erfolglos über Steinwürfe im Berliner Norden. Erst als es zu einer Personengefährdung durch eindringende Glassplitter kam, führte die Polizei in den betreffenden Straßen mehrere Sonderkontrollen durch, die schließlich zur Bestrafung zweier Schüler führten. Auch auf zwei Eingaben eines Breslauer Autofahrers, der einen ministeriellen Erlass gegen die Gefährdung von Kraftfahrzeugen forderte, antworteten preußische Ministerien mit abschlägigen Bescheiden. Ihnen war angeblich keine Zunahme kindlicher Angriffe auf Kraftwagen bekannt geworden.19 Offenbar sahen die Behörden ihre Hauptaufgabe in der Kaiserzeit eher im Schutz der unmotorisierten Bevölkerung, so dass der einzelne Autofahrer auf ministerieller Ebene kaum Gehör fand. Größere Erfolgschancen waren von einem gemeinschaftlichen Vorgehen der Autofahrer zu erwarten. Der ADAC formulierte beispielsweise 1913 nach Klagen seiner Mitglieder über vermehrte Steinwürfe einen Mustertext, der an die Lokalzeitungen weitergeleitet werden sollte. Die »Dresdner Nachrichten« veröffentlichten den Appell zwar in ihren Leserbriefspalten, doch stellte sich der gewünschte Erfolg zunächst nicht ein. Schließlich richtete der Club Eingaben an die obersten Schulbehörden aller deutschen Bundesstaaten, die zu Erlassen gegen das Steinwerfen in Baden, Bayern und Preußen führten. Als man im nächsten Frühjahr trotzdem wieder vermehrt Steinwürfe aus Elsaß-Lothringen und der Provinz Hannover meldete, forderte der ADAC erneut jedes Mitglied auf, den vorgefertigten Text seiner Heimatzeitung zu schicken. Da die Belästigungen durch Steinwürfe auch nach dieser Aktion nicht nachließen, ging das Präsidium des ADAC im Sommer 1914 dazu über, in jedem Fall, in dem ein 18 »Wie in früheren Automobilfeindlichen Zeiten suchen die Kinder,... die Fahrer zu belästigen. Fast in jedem Dorf stellen sich Kinder mitten in den Weg und irritieren die Fahrer, springen im letzten Moment zur Seite etc. ... Dass durch Steinwürfe nach Autos schon sehr viel Unheil angerichtet wird, dürfte allgemein bekannt sein; aber auch das Zuwerfen resp. Bewerten mit Blumen und Obst kann gleich schwere Folgen haben. Diesem Aergernis durch die Kinder muss gesteuert werden ...« Waldemar von Preußen an Minister des Innern (20. 8. 1914), GStA PK I. HA Rep. 77 tit. 1328 Nr. 47, Bd 1. Vgl. Preußischer Innenminister u. Minister der geistlichen und Schulangelegenheiten an Regierungspräsidenten (24. 8. 1914), GStA PK I. HA Rep. 77 tit. 1328 Nr. 11, Bd. 6. 19 Vgl. A. Borsig an Kgl. Polizeirevier 57 (18. 2. 1913), LAB PrBrRep 30 Berlin С tit. 133 Nr. I l l , Bd 3; Minister der geistlichen und Unterrichtsangelegenheiten an Arthur Hübner, Breslau (17. 5. 1913), GStA PK I. HA Rep. 77 tit. 1328 Nr. 11, Bd. 6.

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Mitglied bei der Ermittlung und Bestrafung eines Steinewerfers unterstützt wurde, den Mindestbetrag von 30 Mark auszulohen.20 Noch nach dem Ersten Weltkrieg musste der AvD 1920 eine Eingabe an das neu gegründete »Reichsamt für das Luft- und Kraftfahrwesen« richten, die Schüler auf die Gefahren des Autoverkehrs hinweisen zu lassen. Gerade infolge derjahrelangen Einschränkung des Autoverkehrs sei zu befürchten, dass vielerorts bei einer vollständigen Freigabe des Kraftfahrzeugverkehrs wieder vermehrt Unfälle und Belästigungen der Autofahrer vorkommen könnten. Erste Berichte der Mitglieder über mangelnde Straßendisziplin und Steinwürfe zielten in diese Richtung. In Bayern folgte daraufhin erneut ein entsprechender Ministerialerlass, der vor »Belästigungen, Beschädigungen und Gefährdungen der Kraftfahrzeuge« durch die Schuljugend warnte.21 Bereits während des Ersten Weltkrieges forderten die automobilistischen Verbände die Einführung eines obligatorischen Verkehrsunterrichts, um Angriffe auf Autofahrer zu minimieren. Dass eine planmäßige Erziehung der Jugend für eine reibungslose Abwicklung des Verkehrs eine unabdingbare Voraussetzungwar, wurde in den zwanziger Jahren auch behördlicherseits erkannt. Für die Missstände im Verkehrswesen machten die Sicherheitsorgane jetzt zunehmend die Fußgänger verantwortlich. Nicht nur zum Schutz der Autofahrer, sondern auch zu ihrer eigenen Sicherheit mussten die Schulkinder angesichts stark anwachsender Unfallzahlen über verkehrsgerechtes Verhalten belehrt werden.22 Nachdem 1927 von 21927 Straßenverkehrsunfällen in Preußen 1697 nachweislich durch kindliche Unachtsamkeit und das Spielen auf der Straße verursacht worden waren, wobei 26 Kinder starben, kam es 1929 zur reichsweiten Einführung einer Unfallverhütungs-Woche. In den Schulen legte man dabei besonderes Gewicht auf das Verhalten im Straßenverkehr. Bereits 1924 war vom Reichsverkehrsministerium eine Initiative zu derartigen Verkehrsbelehrungen ausgegangen. Nach ausländischen Vorbildern sollte die Schuljugend im Unterricht über Gefahren des Verkehrs aufgeklärt werden. Diese Belehrungen hatten jedoch stets eine Doppelfunktion: Schutz der Autofahrer vor Belästigungen und Steinwürfen sowie Schutz der Kinder vor Unfalltod. Die Sozialdisziplinierung diente letztlich dem Uberleben.23 20 Vgl. MF, 1913, Nr. 17, S. 497; Nr. 52, S. 1721f.; MF, 1914, Nr. 18, S. 8; Nr. 26, S. 5. 21 Vgl. AAZ, Jg. 22,1921, Nr. 1, S. 25. 22 Vgl. Erlass des Preußischen Ministers für Wissenschaft, Kunst und Volksbildung an die Provinzialschulkollegien (5.11.1925), LAB PrBrRep 34 Litt. L Abt. 1 Nr. 56. Der Berliner Polizeipräsident kritisierte 1924 das Verhalten der Straßenpassanten: »Ein grosser Teil der Misstände im Verkehrsleben, insbesondere in den Strassen Berlins, ist auf die ausserordentlich grosse Unerzogenheit und Sorglosigkeit des Publikums zurückzuführen, welches zur Zeit kein Verständnis dafür hat, dass eine reibungslose Abwickelung des Verkehrs eine gegenseitige Rücksichtnahme von Fahrzeug und Fußgänger voraussetzt.« Polizeipräsident Berlin an Preußischen Minister des Inneren (22. 11. 1924), LAB PrBrRep 30 Berlin С tit. 202 Nr. 8, Bd 2 gen. (20631). 23 Vgl. Richtlinien fur die Durchführung der Reichs-Unfallverhütungs-Woche 1929 in den

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Die Weimarer Behörden erkannten an, dass die Beschleunigung des Verkehrs als Ausdruck der Moderne zu den Erfordernissen der Zeit gehörte. Verkehrsregelung und Verkehrserziehung begriffen sie dabei als bewusste Modernisierung, wobei man sich an amerikanischen Vorbildern orientierte. So galt für das 1927 gegründete »Polizeiinstitut für Verkehr und Technik« die Lösung von Verkehrsfragen in New York als modellhaft. Auch die Landesministerien holten regelmäßig bei Botschaften und Konsulaten Auskünfte, insbesondere über amerikanische Entwicklungen, ein. Die in Detroit entstandene »Safety-First«Bewegung wurde auch in Deutschland aufgegriffen, und seit Mitte der zwanziger Jahre setzte man verstärkt Film und Fotographie, Verkehrsspaziergänge und Lesestücke, Aufsätze und Verkehrsfibeln zur Unterweisung der Kinder ein.24 Auch die Autofahrer kamen zunehmend zu der Einsicht, dass man die Kinder aktiv an die Autos gewöhnen müsse. 1923 wies ein Motoijournalist zwar in bissigen Worten auf den Fortbestand der Steinewerferei hin, als Gegenmittel empfahl er jedoch nicht harte Bestrafung der Übeltäter, sondern das Mimehmen der Jugendlichen im Auto, damit sie die Scheu vor der Technik verlieren könnten.25 In diesem Sinne publizierten die automobilistischen Organisationen in den zwanziger Jahren verstärkt Merkblätter, die das richtige Verhalten gegenüber den Autos schilderten und auf die Gefährlichkeit der Steinwürfe hinwiesen, und verteilten die Broschüren an den Schulen.26 Die Integration des Autos in die kindliche Lebenswelt lässt sich auch am Spielzeugmarkt beobachten. Ende der zwanziger Jahre boten zahlreiche Hersteller die verschiedensten Varianten an Holz- und Blechautos, Seifenkisten und Tretautos an. In ihrer Weihnachtsnummer von 1929 stellte die AAZ das breit gefacherte Angebot vor und unterstrich, dass Spielzeugautos die Modelleisenbahn als beliebtestes Kinderspielzeug abgelöst hätten.27 Die kindliche Prägung auf das Wunschbild Auto hatte sich nun bereits durchgesetzt, auch wenn die Präsenz der Steinwürfe ungebrochen schien. Noch 1932 beklagte die AAZ,

Berliner Schulen, LAB PrBrRep 34 Litt. L Abt. 1 Nr. 46a; Reichsverkehrsministerium, Niederschrift: Mißstände im Kraftfahrwesen (8. 10. 1924) S. 2, BA R 1501 Nr. 14143. 24 Vgl. Grandke, S. 25. 25 Vgl. AW, 1923, Nr. 45, S. 4. Ähnliches wurde schon in der Kaiserzeit vorgeschlagen, wobei die Aktivitäten des N e w Yorker Automobil-Clubs als vorbildlich galten. Vgl. AAZ, Jg. 6,1905, Nr. 13, S. 5, Nr. 23, S. 59.1911 unternahm der Hessische AC eine Ausflugsfahrt mit »armen, gebrechlichen Kindern«, um Vorurteile über den Automobilismus zu beseitigen. Vgl. AAZ, Jg. 12,1911, Nr. 31, S. 47f. 26 Vgl. AW, 1923, Nr. 44, S. 6. Bereits 1908 produzierte der KAC volkstümliche Broschüren über die Technik des Autos zur Verteilung an Schulen und Bezirksämtern. Vgl. AAZ, Jg. 9, 1908, Nr. 1, S. 29. 27 Vgl. AAZ, Jg. 30,1929, Nr. 51, S. 17£T. Auch Schulfibeln, die der Verkehrserziehung dienten, vermittelten die Faszination des Autos und beförderten den kindlichen Wunsch nach Teilnahme am motorisierten Straßenverkehr. Vgl. Komm mit durch Berlin, S. l l f f .

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dass die Lehrer zwar viel für die Aufklärung der Jugend täten, Straßenpassanten die Steinewerfer jedoch noch gelegentlich eher ermutigten als sie zurechtzuweisen.28

b) Drahtseilattentat und Barrikadenbau

Am Abend des 2. März 1913 befindet sich die wohlhabende Juweliersfamilie Plunz aus der Berliner Brunnenstraße auf dem Rückweg von einem Sonntagsausflug zum Wandlitzsee. Der 45jährige Juwelier Rudolf Plunz, der als Selbstfahrer das Steuer des offenen Tourenwagen Opel »Torpedo« führt, wird von seiner Gattin und den zwei 17- bzw. 19jährigen Töchtern begleitet. Zwischen 20.15 und 21.00 Uhr trifft der Wagen auf der vielbefahrenen Rheinsberger Landstraße kurz nach einem Kiefernwaldstück drei Kilometer nördlich von Hennigsdorf in einer Kurve auf ein fingerdickes Drahtseil. Dieses ist zwischen zwei Chausseebäumen in einer Höhe von 50 Zentimetern und in Mannshöhe doppelt über die Straße gespannt. Der Wagen hat eine Geschwindigkeit von etwa 40 km/h, als er in die Kurve einfahrt. Da die Scheinwerfer die Strecke erst nach dem Lenkradeinschlag ausleuchten, erkennt der Fahrer das Hindernis zu spät. Die 17jährige Tochter Anna nimmt das Seil als Beifahrin zuerst war, stößt einen Warnruf aus und beugt sich geistesgegenwärtig nach vorn, um den Schalter am Armaturenbrett zu erreichen, mit dem sie die Zündung ausschaltet. Ihre Reaktionsschnelligkeit rettet dem jungen Mädchen das Leben. Das Drahtseil streift zunächst den Kühlerverschlussdeckel, reißt dann ein Stück vom Lenkrad ab und trifft schließlich die Eheleute Plunz und ihre 19jährige Tochter Else an Hals, Kopf und Gesicht.29 Die Wucht des Aufpralls schleudert die Insassen auf den hinteren Sitzen aus dem Wagen. Rudolf Plunz wird der Hals bis zur Hälfte zerschnitten und das Rückgrat gebrochen, während seine Frau durch den Aufprall auf der Straßenoberfläche einen Schädelbruch und innere Verletzungen erleidet. Das Ehepaar ist sofort tot, Tochter Else wird schwer verletzt. Anna, die unversehrt geblieben ist, springt aus dem Wagen und läuft dem folgenden Auto eines befreundeten Automobilhändlers aus Berlin entgegen. Dieser fährt sofort nach Hennigsdorf und alarmiert Sanitätskolonne und Polizei. Bei der Suche nach den Tätern setzt die Polizei einen Spürhund ein, der jedoch die Spur in einem Waldstück verliert. Man stellt fest, dass sich die Attentäter hinter einem Weidenstrauch in der Kurve versteckt haben müssen, um die 28 Vgl. AAZ, Jg. 33,1932, Nr. 15, S. 3. 29 Nach anderen Berichten wurden die Eheleute von dem Drahtseil gar geköpft. Vgl. Berliner Allgemeine Zeitung, 3. 3. 1913, Nr. 61, S. 1.

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Auswirkung ihrer Tat zu beobachten. Das verwendete 30 Meter lange Seil stammt aus einem benachbarten Tonwerk bei Marwitz, wo es am 19. Februar gestohlen worden ist. Beamte der Berliner Kriminalpolizei unter Leitung von Kommissar Peters nehmen sofort Ermittlungen auf und veranlassen bereits am 3. März die Verhaftung von drei polnischen Wanderarbeitern, die in der Umgegend beschäftigt sind. Einer wird sofort wieder freigelassen, da er ein Alibi nachweisen kann. Auch die beiden Verbleibenden erweisen sich als unschuldig und werden am selben Nachmittag auf freien Fuß gesetzt. Anschließend suchen die Ermittler nach drei weiteren Polen, die sich mit den Verhafteten am Tag der Tat auf einer »Kneiperei« befunden haben. Außerdem verdächtigt man Teilnehmer einer polnischen Beerdigung, verschiedene Radfahrer und Fuhrwerker. Am 5. März kommt es schließlich zu Festnahme zweier polizeibekannter Arbeiter aus dem drei Kilometer nordwestlich von Hennigsdorf gelegenen Marwitz, die bereits wegen Meineid und Wildfrevel sowie wegen Hehlerei und Drahtdiebstahl auffällig geworden sind. Die beiden Verdächtigen, die autofeindliche Parolen geäußert haben sollen, liefert man beim Amtsgericht Spandau ein. Ein Verfahren muss jedoch im April 1913 aus Mangel an Beweisen eingestellt werden. Die Urheber des tödlichen Attentats werden nie zur Rechenschaft gezogen.30 Nachdem ein außerhalb des Automobilverkehrs liegender Racheakt ausgeschlossen werden kann, diskutiert die Tagespresse auch räuberische Motive. Die Ermittlungen deuten aber schon nach kurzer Zeit auf eine automobilfeindliche Motivation hin.31 Der Anschlag sei eindeutig auf den »brutalen Hass gegen das Auto in seiner viehischen Form« zurückzufuhren. Als Täter komme nur ein Geisteskranker oder ein »von brutalem Hass erfüllter Mensch« in Frage. Der Attentäter könne keine sozialen Motive für sich in Anspruch nehmen, da er in verbrecherischer Absicht die tödliche Wirkung des Drahtseils kalt eingeplant habe.32 Die Umstände der Tat wie Wahl des Ortes in einer Kurve und der Diebstahl des Tatwerkzeugs, das nur einen geringen Altmetallwert aufwies, deuten 30 Vgl. BT, 3.3. u. 4.3.1913, Nr. 113-114; 7.3.1913, Nr. 120, Beiblatt 1. In der Öffentlichkeit löste der Fall große Aufmerksamkeit und Anteilnahme aus. Bei der Beerdigung des Ehepaars am 7. März auf dem Elisabethkirchhof in der Berliner Ackerstraße kam es zu tumultarischen Szenen. Die aufgebotenen Polizisten mussten die mehrere Tausend Personen zählende Menge mehrmals zurückdrängen. Vgl. BT, 7. 3. 1913, Nr. 121; Vorwärts, 8. 3. 1913, Nr. 57, 3. Beilage. 31 So vermutete der Gemeindevorsteher von Hennigsdorf, wohl um seiner Gemeinde den Ruf der Automobilfeindlichkeit zu ersparen, dass es sich um räuberische Motive gehandelt haben müsste, die durch den nachfolgenden Wagen vereitelt worden waren. Vgl. BT, 3.3.1913, Nr. 112, 1. Beiblatt; 4. 3. 1914, Nr. 114,1. Beiblatt. 32 Auto, 1913, Nr. 7, S. 97. Räuberische Motive wären auszuschließen, da bei der Berliner Polizei zur Unglückszeit ein anonymer Anrufer anfragte, ob sich in der Gegend ein Autounfall ereignet hätte. Damit wäre klar, dass der Attentäter zur Tatzeit nicht am Tatort war, sondern nach dem Drahtspannen das Weite suchte »und nur noch zu erfahren begierig war, ob sich ein paar der verhassten Automobilfahrer das Genick gebrochen hätten ...« Ebd.

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auf akribische Planung und Vorbereitung des Anschlags hin. Die autofeindliche Motivation der Aktion tritt klar hervor, da einem räuberischen Überfall keine großen Hindernisse im Weg standen. Sollte tatsächlich ein Raubmotiv bestanden haben, verweist schon die Wahl des Angriffsobjekts auf eine autofeindliche Grundstimmung in Hennigsdorf. Die Beschäftigungssituation in dem Ort wurde durch das dort ansässige Eisenbahnwerk geprägt. Die Motorpresse macht autofeindliche Lokalblätter als geistige Brandstifter für das Attentat verantwortlich, obwohl die AAZ die allgemeine Betroffenheit über den Anschlag betont. Die »jahrelange Hetz- und Wühlarbeit« der autofeindlichen Presse habe den Anschlag erst ermöglicht und die »Volkspsyche« dazu veranlasst, sich Autofahrer als Objekte der Tat auszusuchen. 33 Zuweilen werden auch autokritische Parlamentarier als »intellektuelle Automobilverbrecher« identifiziert. Da die Autofahrer fast ausnahmslos in Clubs und Vereinigungen organisiert seien, in denen sie sich als ein Personenkreis mit einheitlicher Interessenlage präsentierten, kämen automobilfeindliche Äußerungen einem Verstoß gegen Paragraph 130 des Strafgesetzbuches, der Aufreizung zum Klassenhass gleich. Autokritische Versammlungen erinnerten den »Motorfahrer« an antisemitische Kundgebungen. 34 Das ADAC-Organ geht sogar soweit, die Kastration der Urheber derartiger Anschläge zu fordern, da diese schwere Rohheits- und Sittlichkeitsverbrecher seien, denen man durch den eintretenden Triebverlust die Veranlassung zum Verüben von Drahtseilattentaten nehmen müsse. Die Attentäter erscheinen hier als »Tiere in Menschengestalt« und »Abschaum der Menschheit«. 35 In der Tagespresse kann man dagegen die Tendenz zur Erklärung der sozialen Motivation der Tat feststellen, wenn von einem Ausfluss »des Hasses gegen Schnellfahrer« die Rede ist. Aber auch eine gewisse Schadenfreude und Verharmlosung lässt sich in Formulierungen wie »Bubenstreich« oder »Max- und Moritz-Tat« erkennen. 36 Mit 114 Fällen lassen sich 25,4 Prozent der im Sample enthaltenen Protesthandlungen unter die Kategorien Drahtseilattentat, Barrikadenbau oder mutwilliges Streuen von Scherben und Nägeln subsumieren. 39 Fallschilderungen beziehen sich dabei auf das Spannen von Seilen, in 61 Fällen erfolgte die Blockierung der Straße mit Hölzern oder anderen Mitteln, während in 14 weiteren Fällen Glas oder Nägel ausgestreut wurden. Die gesellschaftliche Relevanz der 33 Vgl. AAZ, Jg. 14,1913, Nr. 10, S. 31. 34 Vgl. MF, 1913, Nr. 12, S. 336-340. 35 Vgl. MF, 1913, N r . 14, S. 407-409. 36 BT, 3 . 3 . 1 9 1 3 , N r . 113,1. Beiblatt; Vorwärts, 4 . 3 . 1 9 1 3 , Nr. 53,3. Beilage. Vgl. Straßl, S. 6 2 65. Der »Vorwärts« berichtete über den Fall unter der Überschrift »Automobilunglück«, wofür er der Verharmlosung beschuldigt wurde: »Von >Bubenstreich< ist doch da keine Rede mehr. Wenn damit vielleicht von einzelnen Seiten der Versuch eingeleitet werden soll, den ganzen Anschlag als eine unüberlegte Handlung hinzustellen, nur weil der Anschlag gegen Automobilisten gerichtet war, so muß dagegen von vorneherein auf das entschiedenste Front gemacht werden.« AW, Jg. 11, 1913, N r . 28, S. 3.

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Drahtseilattentate bezeugt auch der Niederschlag, den diese in Werbeanzeigen der Zulieferindustrie fanden. Da insbesondere bei Dunkelheit die Gefahr bestand, über die Straße gespannte Drahtseile zu übersehen, bewarben Hersteller von Beleuchtungssystemen ihre Produkte als wirksamen Schutz gegen die gefürchteten Fallen: Bereits kurz nach den Attentaten im März 1913 reagierte der Glühlampenhersteller Metafil mit einer Anzeigenserie, in welcher der Lichtkegel der Metafil-Lampe Drahtseilspanner für den Autofahrer sichtbar machte. Auch der Azetylen-Brenner Bray-Roli wurde mit der Darstellung eines Drahtseilattentats beworben (Abb. 2). Tatsächlich stellte aber die Ablösung der Azetylenleuchten, die wegen ihrer Anfälligkeit oft den Dienst versagten, durch modernere Scheinwerfer einen wesentlichen Schritt zur Verbesserung der Autobeleuchtung und zur Erhöhung der Verkehrssicherheit dar. Davor bedeutete das Drahtseilattentat für den Autofahrer die »roheste und gefährlichste« Form des Angriffs, da die gespannten Seile nachts kaum sichtbar waren. Tagsüber vereitelte dagegen die Spiegelung des Sonnenlichts auf den Seilen einige Unfälle, weil die Autofahrer das Hindernis rechtzeitig bemerkten.37 Daneben blockierten häufig Wagendeichseln, Holzpflöcke oder große Steine die Straßen, was zwar ebenfalls zu schweren Unfällen fuhren konnte, in der Regel aber glimpflich ablief, da diese Hindernisse leichter erkennbar waren. Die Täter gehörten in diesen Fällen einer älteren Altersgruppe als die Steinewerfer an. Die dennoch meist jugendlichen Täter agierten zumeist in Kleingruppen und handelten nachts, da die Aktion in der Dunkelheit einen größeren Erfolg versprach. Auch wenn die Blockierung der Straße einer gewissen Spontanität entsprang und zuweilen unter Alkoholeinfluss geschah, setzen einige Fallschilderungen doch eine gewisse Planung voraus. Die Blockade der Straße wirkte dabei unspezifisch, da sie die verschiedensten Straßenbenutzer treffen konnte. Festgenommene, welche die Autofahrer offenbar als Kollektiv betrachteten, nannten aber oft Rachemotive: War eine Belästigung oder Gefahrdung durch einen bestimmten Autofahrer vorgefallen, musste der Straßenverkehr in seiner Gesamtheit dafür büßen. Unmittelbar nach dem Hennigsdorfer Vorfall forderte die Motorpresse ein rigoroses Vorgehen gegen alle »Feinde der Automobilisten«, um Nachahmungstaten vorzubeugen. Tatsächlich folgten zahlreiche weitere Drahtseilattentate, so dass die Anschlagswelle bei den Autofahrern größte Verunsicherung auslöste: Zunächst täuschte ein angetrunkener Bierkutscher am 4. März 1913 ein Attentat mit gespannten Telefondrähten in der Nähe des Hennigsdorfer Anschlags nur vor und wurde wegen groben Unfugs angeklagt.38 Doch 37 Vgl. Stahlrad und Automobil, Jg. 29, 1914, Nr. 28, S. 18. 38 »Wie große Beachtung der psychologischen Wirkung des Verbrechens auf die Allgemeinheit zu schenken ist, haben wir schon erwähnt... Wenn sich auch der angebliche zweite Anschlag bei Heiligensee als das Phantasieprodukt eines Bierfahrers erwiesen hat, so zeigt das Vorkommnis

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D i e s e r mit Luflzufuhrung versehnu B r e n n e r erzeugt d u r c h f i m einzige Gasüffnmj eins flache Flamme, die immer gleichförmig bleibt. Infolge der s i n n r e i c h e n K o n struktion d e s B r e n n e r s ist ein Z e r s p r i n g e n d e s R e flektors oder der L i n s e vollständig a u s g e s c h l o s s e n . W i e bemerkt, hat der B r e n n e r eine Luftzuführung, die irgend w e l c h e m V e r r u s s e n vorbeugt. D a e s häufig vorkommt, daB infolge e i n e s zu starken D r u c k e s die Flamme aufflackert, haben wir d e n R o l i b r e n n e r mit einem D r u c k regulator versehen, s o daB dieser Uebeistand wegfällt.

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Quellen: Motor, 1913, Nr. 9, S. 128 (Bray); AAZ, Jg. 14, 1913, Nr. 29, S. 51; Nr. 45, S. 46 (Metafil).

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folgten wirkliche Anschläge, die sich vor allem im Rheinland und Westfalen häuften. Neben dem »Nachahmungstrieb« machte die Motorpresse wiederum vor allem den »systematisch großgezogenen Hass der großen Massen gegen das neue Verkehrsmittel« dafür verantwortlich.39 Drahtseilanschläge etablierten sich aber keineswegs erst nach den Hennigsdorfer Vorfällen als Protestform: Bereits ein Jahr zuvor war in der Nähe Berlins ein Seil über die Straße gezogen worden und im Februar 1913 zerriss ein Landauer bei Brandenburg einen über die Fahrbahn gespannten Telefondraht.40 In Oberitalien und Belgien verübte die Landbevölkerung schon 1906 Drahtseilattentate, was in den Anfangsjahren des Automobilismus in Südeuropa öfters vorgekommen sein soll.41 In Deutschland dagegen hatte ein Leser der »Kölner Zeitung«, da gesetzliche Bestimmungen und polizeiliche Kontrolle gegen Schnellfahrer nicht ausreichend seien, 1906 vorgeschlagen, künstliche Verkehrshindernisse aus Pfählen und Querrinnen zu schaffen. In der Nähe von Wohnhäusern wollte er starke Drähte über die Fahrbahn gespannt wissen, um verkehrsberuhigte Zonen zu schaffen. Diesen Vorschlag scheinen 1908 mehrere junge Leute aufgegriffen zu haben, als sie in der Nähe von Bremen ein starkes Tau, das ein Auto allerdings zerriss, über die Chaussee spannten. Auch Radfahrer sollen in den Anfangsjahren des neuen Verkehrsmittels Opfer von gespannten Drähten geworden sein. Aufgrund des Automangels in Kriegszeiten mussten zuweilen gar Fußgänger als Angriffsobjekte für Seilspanner herhalten.42 Der Bau von Barrikaden erwies sich als eine weit verbreitete Handlungsweise mit sozialer Motivation, die den Verkehrsträger blockierte, um so dem Kraftverkehr die Verwirklichung seines Hauptdesiderats, der ungehinderten Zirkulation, zu erschweren. Als im Sommer 1913 im oberschlesischen Industriegebiet ein Drahtseilattentat verübt wurde, übernahm wiederum Kriminalkommissar Peters von der Berliner Polizei die Ermittlungen. Er vermutete die Täter nun nicht mehr unter »gewohnheitsmäßigen Verbrechern«, sondern nahm sofort an, dass halbdoch deutlich, wie faszinierend das Verbrechen auf das Seelenleben mancher Menschen einwirkt.« AW, J g . 11,1913, N r . 30, S. 3. Vgl. B T , 5 . 3 . 1913, N r . 116; N r . 118,1. Beiblatt. 39 M F , 1913, N r . 14, S. 409f. 40 Ein neunzehnjähriger Knecht stellte sich und sagte aus, dass er mit zwei weiteren j u n g e n Leuten den Draht gespannt hatte, u m Automobile aufzuhalten. D i e Brandenburger Polizeibehörde hatte den Fall zunächst geheim gehalten, u m Nachahmungstaten zu verhindern. Vgl. Vorwärts, 8 . 3 . 1 9 1 3 , N r . 57,3. Beilage; Berliner Allgemeine Zeitung, 6 . 3 . 1 9 1 3 , N r . 64,1.Beiblatt; Deutsche Tageszeitung, 5. 3. 1913, N r . 117. 41 Vgl. AAZ, J g . 14, 1913, N r . 10, S. 31. »Nicht bei uns aber im südlichen Europa, wo man leidenschaftlicher zu hassen pflegt, wurde hier und da ein Drahtseil über die Straße gespannt, der unterbrochene Schlaf der Chausseebewohner dadurch gerächt, daß man die vorüberfahrenden Autler in den ewigen Schlaf versetzte ...« B T , 3. 3. 1913, N r . 113. 42 Vgl. MW, 1906, S. 667; A A Z Jg. 14,1913, N r . 31, S. 26; Polizeipräsident Berlin an preußischen Innenminister (24. 11.1916), G S t A P K I. H A Rep. 77, tit. 1313. N r . 24, Bd. 2.

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wüchsige Burschen oder »ein besonders autofeindlicher Geisteskranker« den Anschlag verübt haben mussten. Nach dem Ersten Weltkrieg nahmen Drahtseilattentate und Barrikadenbau in der Mark Brandenburg aber auch in den übrigen Landesteilen wieder zu, so dass sich der ADAC 1924 in Thüringen gezwungen sah, einen Fonds, aus dem Belohnungen zur Aufklärung von Attentaten gezahlt werden sollten, neu aufzulegen. Außerdem empfahl man bei Nachtfahrten eine besonders behutsame Fahrweise und das Anbringen von Schutzvorrichtungen. Der ADAC vertrat dabei jedoch die Meinung, dass das Ziehen von Seilen und das Blockieren der Wege mit Baumstämmen überwiegend auf räuberische Absichten zurückzufuhren wären. Uberfälle durch Banden hätten bereits einige Todesopfer gefordert. Der Club bat daher um Mitteilung von Erfahrungen mit Schutzapparaturen und um Ubersendung von Geldspenden, um eine Abwehrorganisation aufbauen zu können.43 Andere Stimmen betonten stärker die soziale Motivation der Automobilfeindschaft, drohten gleichzeitig aber die »vorbeugende Notwehr« der Autofahrer an. Gemeint waren damit Selbstbewaffnung und bewusstes Schnellfahren, Maßnahmen, die gelegentlich auch Interessenverbände als Gegenreaktionen bei autofeindlichen Angriffen vorschlugen. Wenn nach der sozialen Motivation der Angriffe gefragt und das Verhalten der Landbevölkerung als Reaktion auf ein Fehlverhalten der Autofahrer gedeutet wurde, zeigte selbst die Automobilpresse zuweilen ein gewisses Verständnis fur Automobilattentäter.44 Aber auch Krieg und Revolution machte man in den zwanziger Jahren häufig für eine Untergrabung der öffentlichen Moral verantwortlich, die Attentate auf Autofahrer erst ermöglichte. Die »Indolenz« weiter Bevölkerungskreise gegenüber verbrecherischen Angriffen bewirkte, dass »Exzesse« gegen Autofahrer immer wieder Verteidiger fänden. Dabei wäre die handgreifliche Abneigung der Bevölkerung gegen die Autofahrer zutiefst ungerecht, da das Errichten nächtlicher Verkehrshindernisse unspezifisch wirkte und nicht nur rücksichtslose Kraftfahrer, sondern auch Radfahrer treffen könnte. Der Ausgangspunkt derartiger Aktionen lag aber, wie gezeigt, eindeutig in der Kaiserzeit. Außerdem war es für den betroffenen Autofahrer unerheblich, ob die Attentäter sich auf Rachemotive gegenüber Verkehrsrowdys oder auf den Hass auf die Reichen und die bürgerliche Gesellschaft beriefen. Eine unnachsichtliche Bestrafung 43 Vgl. AW, Jg. 11, 1913, Nr. 72, S. 4; Jg. 22, 1924, Nr. 37, S. 7; MF, 1924, Nr. 30, S. 547. 44 Vgl. AW, Jg. 22, 1924, Nr. 18, S. 15; AAZ, Jg. 25, 1924, N r . 49a, S. 78. Die Allgemeine Chauffeur-Zeitung forderte ihre Leser auf, besonders vorsichtig zu fahren, eine »prima Beleuchtung« und Schneidevorrichtungen am Auto anzubringen, aber auch »niemals unbewafFnet das Automobil zu besteigen«. Vgl. Allgemeine Chauffeur-Zeitung, 1913, Nr. 6, S. 11. V o r d e r Welle von Drahtseilattentaten hatten Autofahrer noch erklären können, dass nächtliche Landstraßenfahrten »am genußreichsten und sichersten ohne jegliche Wagenlateme« seien. Zechlin, AutomobilKritik, S. 129. Bereits 1918 wurde wieder das nächtliche Fahren mit zurückgeschlagener Windschutzscheibe empfohlen, u m insbesondere bei Regenwetter auftretende Lichtreflexe zu vermeiden. Vgl. Schneider, S. 175.

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nach dem Vorbild der Eisenbahngefahrdung schien dagegen injedem Fall angebracht.45 Die Automobilclubs reagierten auf die Anschlagswellen zunächst durch die Aussetzung von Belohnungen, die das Schweigen der Dorfbewohner brechen sollten: Unmittelbar nach dem Anschlag von Hennigsdorf gründete der ADAC 1913 einen Fonds zur Ergreifung der Urheber von Drahtseilattentaten, der mit 5.000 Mark ausgestattet wurde. Auch der KAC, der Regierungspräsident in Potsdam, die Firma Opel und der AC in Posen stellten Belohnungen in Höhe von 3.000,1.000, 500 bzw. 300 Mark zur Aufklärung des Verbrechens zur Verfügung. Als bei drei rheinländischen Drahtseilattentaten im September 1913 keine Ermittlungserfolge erzielt werden konnten, sah sich der ADAC bereits Anfang 1914 gezwungen, die ausgeschriebenen Prämien auf300 Mark zu erhöhen.46 Vor allem zielten die Interessenorganisationen aber auf eine Verschärfung der Strafbestimmungen ab. Dem Schutz der Allgemeinheit vor Übertretungen der Autofahrer müsste ein gesetzlicher Schutz des Kraftverkehrs vor Ausschreitungen der Bevölkerung entsprechen. Daher forderte der Kölner AC am Ende des protestintensiven Jahres 1913 den KAC in einem Antrag zur Delegjerten-Sitzung des Kartell-Ausschusses dazu auf, bei den Behörden auf die Einfuhrung des Straftatbestandes der »Automobiltransportgefährdung« hinzuwirken.47 Da das Delikt der »versuchten Körperverletzung« nicht bestand, konnte bloßes Drahtseilspannen lediglich als »grober Unfug« mit 150 Mark Geldstrafe oder sechs Wochen Haft bestraft werden. Eine abschreckende Wirkung war davon nicht zu erwarten. Auch Vorbereitungs- und Versuchshandlungen sollten deshalb unter Strafe gestellt und grundsätzlich mit Zuchthausstrafen geahndet werden. Dass der Bahnkörper besonderen rechtlichen Schutz genoss, war auch der ländlichen Bevölkerung ins Bewusstsein gekommen, weshalb man nur noch selten von Gefährdungen in diesem Bereich hörte. Ähnliches forderten die Automobilclubs nun auch für den Kraftverkehr.48 In ihre Abänderungsvor45 »Der K a m p f gegen diese moderne Ausübung des Faustrechts kann nicht früh genug aufgen o m m e n und nachdrücklich genug geführt werden, wenn wir nicht die Zeiten des mittelalterlichen Wegelagerer- und Strauchdiebunwesens in ungleich gefährlicherer Form wieder aufleben lassen wollen.« A D A C - S p o r t , 1925, N r . 22, S. 8. Vgl. AAZ, Jg. 26, 1925, N r . 4, S. 20. 46 Bis zum 11. April 1913 waren aus dem A D A C - F o n d s in zehn Fällen insgesamt 1000 Mark an Zeugen ausbezahlt worden. Vgl. M F , 1913, N r . 10, S. 262; N r . 15, S. 434; 1914, N r . 3, S. 5; B T , 4. 3. 1913, N r . 115, 1. Beiblatt. 47 »Der Automobilfahrer hat einen Anspruch darauf, daß ihm in demselben U m f a n g der Schutz des Gesetzes gegen seine Feinde zu teil wird, wie das Gesetz die anderen gegen ihn geschützt hat, und deshalb hat er einen Anspruch darauf, daß, wenn hierzu die bisherigen Gesetze nicht ausreichen, Spezialgesetze für ihn erlassen werden.« M F , 1912, N r . 32, S. 1016f. Vgl. Einladung zur Delegiertensitzung des Kartell-Ausschusses (8. 12. 1913), G S t A P K I. H A Rep. 77 tit. 1328, N r . 36, Bd. 2. 48 Vorsätzliche Eisenbahntransportgefährdungen konnten mit lOJahren Haft bestraft werden. Trat eine schwere Körperverletzung ein, konnten die Täter mit Gefängnis nicht unter f ü n f Jahren

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Schläge zur Revision des Strafgesetzbuches nahmen die zuständigen Kommissionen die vorsätzliche Gefährdung des Straßenverkehrs schließlich auf und wollten diese mit Zuchthaus bis zu fünf Jahren bedroht sehen. Die Begründung der Revisionsvorschläge nannte jedoch nicht nur das Bereiten schwer wahrnehmbarer Hindernisse und das Ziehen von Drähten als Gefährdungen des Straßenverkehrs, sondern auch »solche Automobilfahrer, die ... in gewissenloser Weise durch menschenerfullte Straßen dahinjagen.« Die Motorpresse lehnte die Vorschläge daraufhin als gegen die Autofahrer gerichtetes Sondergesetz ab.49 In und nach dem Ersten Weltkrieg wiederholten AvD und ADAC ihre Vorschläge zur Abänderung der Automobilgesetzgebung. Gegen »Automobiltransportgefährdungen« sollte nun unter Ausschluss jeglicher »Alkoholentschuldigung« vorgegangen werden. Gerade weil ein eigener Straftatbestand nicht bestand, betonte die Automobilpresse stets etwaige räuberische Motive, um im Falle der Feststellung eines Täters eine höhere Bestrafung fordern zu können.50 1926 richtete der ADAC wegen zahlreicher Drahtseilattentate erneut eine Eingabe zur Novelle des Strafgesetzbuches an die Behörden und betonte die Unzulänglichkeit der bestehenden Vorschriften. Außerdem hätten sich die vom Club bereitgestellten Belohnungen zur Ermittlung von Attentätern bis auf wenige Fälle als wirkungslos erwiesen.51 Die Behörden reagierten jedoch zumeist erst, wenn sie die Autofahrten der Staatsspitze gefährdet sahen: Als es 1913 zu mehreren Drahtseilattentaten auf der Strecke Berlin-Potsdam kam, verstärkte man die Polizeikräfte an den betreffenden Straßen sofort, um den Kaiser auf seinen Fahrten besser schützen zu können. Der preußische Innenminister versprach sich davon jedoch keine entscheidende Erhöhung der Sicherheit und bestellte im August 1913 den Berliner Polizeipräsidenten, den Regierungspräsidenten von Potsdam sowie die Landräte von Teltow und Nauen zu einer Besprechung über den »Schutze Seiner rechnen. Wurde ein Mensch getötet, betrug das Strafmaß zehn Jahre bis lebenslänglich. Vgl. Der Fuhrhalter, Jg. 29,1913, Nr. 12, S. 374; AAZ, Jg. 14, 1913, Nr. 10, S. 31; Nr. 17. S. 21. 49 Vgl. AAZ, Jg. 14, 1913, Nr. 46, S. 9f. 50 Vgl. Stooß, Sp. 91-93. Bereits 1915 wurde ein Strafgesetz gegen Automobilattentäter als vorbildlich bezeichnet, das von der amerikanischen »Safety-First«-Bewegung in Ohio eingebracht worden war. Empörung löste dagegen ein sächsisches Gerichtsurteil aus, das 1924 über zwei Drahtspanner lediglich jeweils eine Woche Gefängnis verhängte. Vgl. MF, 1915, Nr. 20, S. 22; AAZ, Jg. 25,1924, Nr. 50, S. 59; ADAC an Reichsministerium des Innern (5.8.1919), BA R1501 Nr. 13995. 51 Der ADAC forderte in seiner Petition eine Gleichstellung im Strafmaß mit der Eisenbahntransportgefährdung. Vgl. ADAC-Sport, 1926, Nr. 37, S. 3. Der Straftatbestand des »Gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr« wurde 1964 durch das »2. Gesetz zur Sicherung des Straßenverkehrs« als Paragraph 315b in das Strafgesetzbuch aufgenommen. BGBL I, S. 921. Beim Bau von Autofallen aus räuberischen Motiven kam es hingegen im Juni 1938 mit dem »Gesetz gegen Strassenraub mittels Autofallen« (RGBL I, S. 651.) zu einer Strafverschärfung, welche die Todesstrafe vorschrieb. Vgl. Gruchmann, S. 750ff.

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Majestät des Kaisers und Königs gegen Automobilattentate« ein. In der Folgezeit fuhr dem Auto des Kaisers stets ein weiterer Kraftwagen voraus.52 Auch in der Weimarer Zeit zeigten sich die Behörden eher zurückhaltend bei der Bekämpfung mutwillig geschaffener Verkehrshindernisse. Als 1924 von einem Drahtseilattentat auf der Berliner Havelchaussee und einer Straßenbarrikade in Oberschöneweide berichtet wurde, forderte der Berliner Polizeipräsident seine Beamten lapidar zu besonderer Aufmerksamkeit auf Dabei setzten sich einzelne Stellen durchaus mit dem Problem der Drahtseilattentate auseinander: In den zwanziger Jahren diskutierte die Berliner Kriminalpolizei über die finanzielle Förderung der schriftstellerischen Ambitionen eines Kommissars, der an einem Buch über das »Verbrechen am rollenden Rade« arbeitete. Von einer finanziellen Förderung und Veröffentlichung sah die Verwaltung schließlich ab, da man Nachahmungseffekte befürchtete. 53 Konnten die Autofahrer von polizeilicher Seite nur in sehr eingeschränktem Maße eine Verbesserung ihrer Sicherheitslage erwarten, wuchs nach den Hennigsdorfer Vorfällen das Angebot an technischen Konstruktionen, welche die verheerenden Folgen der Drahtseilattentate verhindern sollten, sprunghaft an. Zahlreiche Tüftler ersannen Schutzvorrichtungen, mit denen ein Hinweggleiten des Drahtes über das Auto bezweckt, eine Zerstörung des Hindernisses bewirkt oder ein Auffangen des Automobils an dem Seil bewerkstelligt werden sollte. Handelte es sich bei dem Hindernis um ein starkes Drahtseil, beurteilte die Fachpresse die Möglichkeit des Zerschneidens allerdings kritisch. In diesem Fall waren eher Abgleit- und Auffangvorrichtungen zu favorisieren. Eine Konstruktion, die den vollständigen Schutz der schnellfahrenden Automobile gewährleisten konnte, war ohnehin kaum denkbar. Der Draht- und Seilschneider »Gloria« der Anhaltinischen Fahrzeugwerke aus Dessau war eine reine Schneidevorrichtung. Das Zerschneiden des Hindernisses erfolgte dabei durch vier scharfkantige Stahlrollen. Das Gerät konnte mit zwei kräftigen Bügeln an den Rahmenträgern befestigt werden und soll im Juli 1913 bei Versuchen vor Behördenvertretern 20 Millimeter starke Hanfseile, 16 Millimeter starke Drahtseile und sechs Millimeter starke Stahldrähte bei einer Geschwindigkeit von 40 km/h glatt durchschnitten oder zerrissen

52 »Ich habe zwar ... zwei etatsmäßige und sieben Hilfsgendarmen überwiesen ..., da das Patrouillieren der Gendarmen die Gefährdung seiner Majestät des Kaisers und Königs auf den Fahrten zwischen Berlin und Potsdam durch Drahtseilattentate in gewissem Umfange vermindern kann, ich kann mir aber nicht verhehlen, daß dieser Schutz die anzustrebende wirkliche Sicherung ... nicht schaffen wird ... « Preußischer Innenminister an Regierungspräsident Potsdam (23. 7. 1913), GStA PKI. HA Rep. 77, tit. 1328 N r . 45. Vgl. Preußischer Innenminister an Regierungspräsident Potsdam (7. 8. 1913), ebd. 53 Vgl. LAB PrBrRep 30 Berlin С tit. 133 Nr. 11, Bd. 1; Äusserung über das Manuskript des Krim.Kom. Dost »Das Verbrechen am rollenden Rade«, LAB PrBrRep 30 Berlin С tit. 198B Nr. 1516.

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1. Flaggenarm System Marcrinus; 2. Schneide- und Fangvorrichtung Utermöhle; 3. Draht- und Seilschneider »Gloria«; 4. Seilschere nach Grünig. Quellen: AAZ,Jg. 14,1913, Nr. 31, S. 26f; Z M M 1913, Nr. 15, S. 349; AW, 1928, Nr. 48, S. 12. Abb. 3: Vorrichtungen gegen Drahtseilattentate

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haben, ohne dass es dabei zu Beschädigungen am Testfahrzeug kam.54 Die Konstruktion der Karosseriefabrik Utermöhle bewirkte dagegen bei stärkeren Seilen, die früher sichtbar wurden und somit ein Abbremsen des Autos zuließen, ein Auffangen des Wagens am Hindernis. Schwer wahrnehmbare, dünnere Seile konnten zerschnitten werden. Bei stärkeren nicht zerschnittenen Seilen sollte durch zwei Widerhaken ein Uberspringen des Seils auf die Insassen vermieden werden. Diese Vorrichtung konnte man abnehmen und auf Tagesfahrten im Wageninneren verstauen. Einer ähnlichen Überlegung folgte das Produkt der Firma Schlegel. Auch hier war das Ende der Abgleitstange als Haken ausgebildet. Wenn Seile nicht bei Kontakt mit der bezahnten Schrägstange zerrissen, konnten sie durch die Schnittflächen des Hakens getrennt werden. Eine interessante Kombination wies das System Kaufmann auf, da hier die säbelartige Trennvorrichtung auch als Fahrtrichtungsanzeiger genutzt werden konnte. Der drehbare Arm ließ sich mit einem Fähnchen oder einer Laterne bestücken und war durch einen Handgriff vom Fahrer in die gewünschte Position zu bringen. Das System Marcrinus kombinierte die Schutzeinrichtung ebenfalls mit einem Flaggenarm. Die auf dem Trittbrett aufliegende Konstruktion schnellte beim Auftreffen auf ein Drahthindernis nach oben und bewirkte somit ein Uberleiten über die Köpfe der Wageninsassen. Das System Wolf hingegen verfolgte ausschließlich den Zweck, über die Straße gespannte Seile über das Auto hinwegzuleiten. Hierzu diente eine gegliederte, abnehm- und zusammenlegbare Stange, die auch in Fällen, in denen es sich um besonders starke oder tief gespannte Seile handelte, wirksamen Schutz versprach. Die Apparatur, die nur nachts montiert wurde, sollte gleichzeitig durch ihre lange Gleitbahn eine bremsende Wirkung entfalten und das Auto zum Halten bringen (Abb. 3).55 Die beschriebenen Apparaturen kamen auch im Ersten Weltkrieg zum Einsatz: Kriegsautomobile durchschnitten wiederholt Drahtseile, die von den Kombattanten aller Seiten gespannt wurden. Militärpersonal und Zivilbevölkerungwandten im Krieg die in Friedenszeiten gebräuchliche »Kulturtechnik« des Drahtspannens an, um den Vormarsch feindlicher Truppen zu behindern. Als in der Nachkriegszeit eine erneute Welle von Drahtseilattentaten zu vermelden war, erlebten die Schutzapparaturen eine Renaissance. Als preiswertes Mittel empfahl man nun ein einfaches, vom Autofahrer selbst herstellbares Stahlband, das zwischen Kühler und Spritzbrett eingeklemmt wurde und auf der Vorderseite eine scharfe Schneide aufwies. Die Konstruktion hätte sich im 54 Vgl. A A Z , J g . 1 4 , 1 9 1 3 , N r . 3 1 , S . 2 6 ; Z M M , 1913, N r . 15, S. 349. Ein ähnlicher Automobilschutz der Marke »Fortuna« kam im J u n i 1913 zur Vorführung. Vgl. M F , 1913, N r . 26, S. 854. Bis zu 2 , 5 Zentimeter starke Drahtseile zu zertrennen, versprach hingegen der Apparat der Karosseriefirma Gebrüder Schafranek aus Wien, der als scharfe Metallsäge ausgebildet war und schon bei 10 km/h seine Wirkung entfalten sollte. Vgl. Das Auto-Recht, J g . 1, 1913, N r . 1 , S . 7. 55 Vgl. AAZ, J g . 14,1913, N r . 31, S. 27f.; Auto, 1913, N r . 10, S. 155.

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Krieg, »wo Drahtseilattentate seitens der feindlichen Bevölkerung an der Tagesordnung« gewesen waren, glänzend bewährt. 56 Da sich die Autofeindlichkeit der Tagespresse gegenüber »rasenden« Kraftfahrern in den zwanziger Jahren immer noch »in verbrecherischen Anschlägen unreifer oder beschränkter Menschen« auswirkte, stellte ein Bochumer Fabrikant Versuche mit einer Hebelschere als Mittel gegen Drahtseile an. Er präsentierte 1926 seine automatisch wirkende »Vielfach-Drahtschere«, die jeden Draht zwangsläufig erfassen sollte, da sich ihre Messer beim Zurückdrängen eines Hindernisses automatisch schließen konnten. Dagegen verwies die Motorpresse auf die Mangelhaftigkeit aller bisherigen Konstruktionen und empfahl den Apparat eines Berliner Herstellers, der zwei Fangbügel mit einer Drahtschere kombinierte. 1928 feierten die Fachblätter schließlich die Konstruktion des technischen Bergbaudirektors Grünig zum Schutz gegen Drahtseilattentate als »neues Maschinenelement im Dienste der Autounfallverhütung«. Mit den neuartigen Kniehebeln, die in der Apparatur Verwendung fanden, könnten außerordentlich große Kräfte entfaltet werden, woraus eine deutlich verbesserte Schneidwirkung resultierte. Das Instrument sollte Drahtseile glatt durchschneiden, ohne dass eine Schlagwirkung spürbar wäre. Hervorgehoben wurden die gefällige Form und die günstigen Abmessungen der Seilschere. Bei den sich ständig wiederholenden Seilattentaten, die insbesondere Reisewagen auf Nachtfahrten bedrohten, könnte es nur begrüßt werden, dass diese Erfindung dem Kraftwagenverkehr zur Verfugung stände.57 In ihrer großen Mehrheit favorisierten die schutzbedürftigen Autofahrer aber einfache, zusammenklappbare Längsbügelkonstruktionen, da diese sich tagsüber leicht entfernen und im Kofferraum verstauen ließen. Die ästhetische Erscheinung des Wagens bei Tagesfahrten wurde somit nicht beeinträchtigt. Auch ging man mehr und mehr von den verschieden Drahtscherensystemen zu drahtabweisenden Vorkehrungen über, da diese in der Lage waren, dickere Drahtseile zu bekämpfen. Im Straßenbild waren die Bügel jahrelang sichtbar und verschwanden erst, als sich geschlossene Karosserieformen durchsetzten, die von sich aus einen gewissen Schutz boten. Besonders sicherheitsbewusste Autofahrer montierten aber weiterhin spezielle Vorrichtungen gegen Drahtseilattentate.58 Allen besprochenen Konstruktionen war aber gemein, dass sie nur einen recht eingeschränkten Schutz gegen Drahtseilanschläge boten. Eine 56 Vgl. AAZ, Jg. 15, 1914, Nr. 44, S. 5; Jg. 25, 1924, Nr. 49a, S. 78. Außerdem bot die Firma Thurow 1924 eine Schutzvorrichtung an. Der Seilfänger war mit 250 Mark aber wesentlich teurer als das leicht vom Autofahrer selbst herzustellende Stahlband. Vgl. AW, 1924, Nr. 48, S. 20. 57 Vgl. AW, 1925, Nr. 44, S. 9; 1928, N r . 48, S. 12; Auto-Express-Zeitung, 1926, Nr. 24, S. 5; Kraft und Verkehr, 1926, S. 85. 58 Während Straßl betont, dass nach dem Ersten Weltkrieg »Autohass und Drahtseilattentate nicht mehr zeitgemäß waren«, und der Autohass verflog, da die Autofahrer ihre Herrenfahrerattitüde ablegten, deuten das Protestsample sowie das Angebot an Schutzvorrichtungen in den späten zwanziger Jahren in eine andere Richtung. Vgl. Straßl, S. 64.

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vorsichtige Fahrweise und gute Beleuchtung dürften zuverlässigere Dienste geleistet haben. So empfahlen die »Industriellen Mitteilungen« der Automobilzeitschriften auch vor allem die Installation leistungsstarker Scheinwerfer als Präventivmaßnahme.59 Einen Sonderfall in der Gruppe antiautomobiler Aktionen, die durch eine Manipulation des Verkehrsträgers wirkten, stellte das mutwillige Belegen der Straße mit Glasscherben oder Nägeln dar. Das Ausbringen scharfer Gegenstände ließ sich recht unauffällig bewerkstelligen und geschah oft eher aus Nachlässigkeit, denn aus Protest gegen den Autoverkehr. Fahrlässiges Verhalten konnte jedoch durch Indifferenz und autokritische Haltungen gefördert werden. Dass auch die Behörden zuweilen mit dem autogerechten Zustand der Straßen recht nachlässig umgingen, verdeutlicht der Fall eines Autofahrers, der sich 1909 in Posen über spitze Basaltbrocken beschwerte, die seine Reifen zerstörten. Die zuständige Kreisverwaltung antwortete lapidar, dass die Wege eben nicht für Automobile gebaut, sondern für die Fuhrwerke bestimmt wären.60 Da die Wege ohnehin mit Scherben, Hufnägeln und anderen die Reifen gefährdenden Objekten übersäht waren, kam ein Autofahrer 1908 bei der Auszählung eines durchschnittlichen Straßenabschnitts auf die Zahl von 70 Nägeln auf einen Kilometer. Bei einer sommerlichen Deutschlandreise mit Tagestouren von 200 Kilometern traf er somit täglich auf »14.000 versteckte Feinde, die voll Bosheit im Verborgenen auf die Pneus Angriffe machen konnten«, und erlitt dabei durchschnittlich zwölf Pneumatikdefekte.61 Als dagegen auf der »Prinz-Heinrich-Fahrt« 1908 mindestens 15 Tourenfahrer in Brandenburg Pneumatikdefekte erlitten, da die Chaussee mit einer Unzahl langer Nägel belegt war, vermutete der Rennberichterstatter, dass »Bubenhand« im Spiel gewesen war. Er regte an, den Vorfall näher zu untersuchen, um für den Fall, dass Bevölkerungsteile ihren Unmut über den verstärkten Autoverkehr mit der Aktion zum Ausdruck bringen wollten, die Urheber einer Bestrafung zuzuführen.62 Die Risiken der Entdeckung und des Nachweises der Mutwilligkeit waren beim Belegen der Straße mit Scherben und Nägeln eher gering, so dass derartige Handlungen weit verbreitet gewesen sein dürften. Die eher geringe Zahl der im Sample nachgewiesenen 14 mutwilligen Belegungen deckt Vorfälle ab, in denen eine aussergewöhnlich hohe Zahl von Autos betroffen war, die sich 59 Die »gewaltige Lichtfülle« des »Zeiß-Automobilscheinwerfers« wurde beispielsweise als Schutz vor Drahtseilattentaten beworben. Vgl. Motor, 1913, Nr. 4, S. 128. 60 Vgl. MF, 1909, Nr. 36, S. 773. 61 MF, 1908, Nr. 46, S. 1056. Eine Erhebung von 1914 ergab dagegen, dass 24,3 % der Defekte an Reifendecken und 56,3 % der kostspieligen Defekte an Schläuchen durch falsche Behandlung von den Automobilisten selbst verschuldet worden waren. Vgl. Vogel, Auto- und Motorrad-Betrieb, S. 94-96. 62 Vgl. AAZ, Jg. 9,1908, Nr. 31, S. 40.

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durch besondere Dreistigkeit auszeichneten, oder bei denen die Täter identifiziert werden konnten. Als Tätergruppen kamen dabei vor allem diejenigen Wegebenutzer in Frage, für die scharfe Gegenstände auf der Straße keine besondere Gefahr bedeuteten. Hinzu traten Kinder und Jugendliche, da derartige Aktionen einer ausgiebigen Planung nicht bedurften und das Bestrafungsrisiko gering war. Uber die Relevanz des Problems, gleichzeitig aber auch über die allmähliche Verbesserung der Straßenverhältnisse, gibt eine Analyse der Unfallursachenstatistik Auskunft, für die jedoch nur Zahlen aus den zwanziger Jahren vorliegen. »Hindernisse auf der Fahrbahn« wurden deutschlandweit 1928 213mal, 1929169mal und 1930 noch 98mal als Unfallursache angegeben. Hierin waren Baumstämme und Wagendeichseln ebenso enthalten wie Glasscherben und Nägel, wobei letztere im überwiegenden Teil der Fälle eine Rolle gespielt haben dürften.63 Die verschiedenen Straßenordnungen untersagten das Bereiten von Verkehrshindernissen ausdrücklich. So enthielt bereits die Berliner Straßenordnung von 1900 ein Verbot der Behinderung des Verkehrs durch Barrikaden verschiedenster Art: »Gegenstände, welche den freien Verkehr zu hindern oder zu beeinträchtigen geeignet sind, auf öffentlicher Straße aufzustellen, hinzulegen oder liegen zu lassen«, wurde unter Strafe gestellt. Im Ersten Weltkrieg erforderte die glatte Abwicklung des militärischen Kraftverkehrs die Befreiung der Straßen von Nägeln und Glasscherben, so dass sich 1915 die Strafbestimmungen verschärften. »Wer vorsätzlich oder fahrlässig Glasscherben, Nägel oder sonstige Gegenstände, die geeignet sind, Fahrräder oder Kraftwagen zu gefährden,« auf die Straße warf, konnte nun mit bis zu einem Jahr Haft bestraft werden. Auch der Entwurf einer Straßenverkehrsordnung von 1926 verbot, »Gegenstände, durch welche der freie Verkehr behindert oder die Sicherheit und Leichtigkeit des Verkehrs beeinträchtigt wird,« auf der Straße auszubringen.64 Die Automobilinteressenten wirkten ebenfalls gezielt auf die Beseitigung der zahlreichen Glasscherben auf den Landstraßen hin, da die Beschädigung der teuren Luftreifen für die weitere Ausbreitung des Automobilwesens ein ernsthaftes Problem darstellte: Auf Druck der bayerischen Automobil- und Sportverbände führten die Brauereien 1913 in Nürnberg den Flaschenpfand ein, während er in München schon seit einigen Jahren bestand. Es folgten fast das ganze nördliche Bayern und 1915 auch das bayerische Oberland. Der KAC gab 63 Vgl. BA R 5 Nr. 8306, Blatt 290. 64 Vgl. Berliner Straßenordnung vom 26. 1.1900, S. 8, LAB PrBrRep 30 Berlin С tit. 133 Nr. 100, Bd 1 (18699), Blatt 247; MF, 1915, Nr. 34, S. 8; Entwurf einer Straßenverkehrsordnung (1926), BA R 1501 Nr. 13761/1, Blatt 115. In den Beratungen zur Straßenverkehrsordnung wurde beantragt, das Verbot der mutwilligen Belegung mit Scherben und Nägeln noch stärker zu betonen, da ein Schutz vor Flaschen, Scherben, Nägeln und Metallabfallen, die Menschen, Tiere oder Fahrzeuge gefährden könnten, dringend geboten sei. Vgl. ebd., Blatt 145.

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in diesem Zusammenhang der Hoffnung Ausdruck, dass »die tückischen Scherben, die Feinde des Touristenverkehrs«, von den Landstraßen vollständig verschwinden könnten.65 Doch noch in der Weimarer Zeit klagte die Motorpresse, dass die Wegepolizei nicht gegen »Lausejungen« einschritt, die auf der Fahrbahn Bierflaschen zertrümmerten. Da Glasfunde überhand nahmen, musste das Bezirksamt Landshut im September 1929 einen Erlass an die Ortspolizeibehörden richten, der eine unnachsichtige Verfolgung der Scherbenleger anregte. Die Bevölkerung forderte man darin auf »rücksichtslose Menschen, die bei ihrem gemeingefährlichen Treiben betroffen werden«, zur Anzeige zu bringen. Die Brauereien wurden gebeten, auf die Rückgabe von Bierflaschen zu bestehen, und sollten »nötigenfalls auch noch strafrechtlich gegen die Verletzung ihres Eigentums vorgehen.«66 Auch das Scherben- und Nagelproblem veranlasste zahlreiche Konstrukteure dazu, Apparaturen auf den Markt zu bringen, mit deren Hilfe man sich der lästigen und kostenträchtigen Plage Herr zu werden versprach. Der bereits 1903 vorgestellte Nagelfänger von Hickley wollte die Fortschritte der Elektrotechnik für den Schutz der Pneumatikreifen nutzbar machen. Dabei konnte die Apparatur eine Beschädigung der Reifen zwar nicht verhindern, sollte dem Fahrer aber rechtzeitig signalisieren, wenn sich ein Nagel im Mantel verfangen hatte. Der Sinn der Einrichtung bestand darin, ein Warnzeichen abzugeben, bevor der Nagel Laufdecke oder Luftschlauch vollständig durchbohrt hatte. Hierzu wurde ein dünner Draht mit einer Schmelzsicherung und der Batterie verbunden. Der Draht war so über der Laufdecke in Position zu bringen, dass ihn ein sich verfangender Nagel zerreissen musste. Durch einen Kolben, der über eine Feder mit dem zerrissenen Draht verbunden war, sollte ein Kurzschluss verursacht werden, der die Sicherung schmelzen ließ und den Wagen somit augenblicklich zum Stehen brachte. Auch die Kopplung mit einem einfachen Warnsignal war denkbar. Bei jedem erzwungenen Halt, mussten die eingefangenen Nägel entfernt und die betreffenden Sicherungen sowie die Fangdrähte ausgetauscht werden.67 Rein mechanisch funktionierte dagegen der Nagelfänger »Tiger«, der besonders für Motorräder geeignet war. Die Apparatur bestand aus kettenförmigen Fängern, die auf der Lauffläche auflagen, um durch die Rotation des Rades Nägel aus den Reifen zu ziehen. Die schlichte Konstruktion wurde einfach am Schutzblech montiert und als »stärkster und praktischster Nagelfänger«, der 65 Vgl. AAZ, Jg. 16, 1915, Nr. 37, S. 5. 66 Vgl. ADAC-Motorwelt, 1929, Nr. 7, S. 2. Dass die Luftreifen während des gesamten Untersuchungszeitraums eine »Achillesferse« des Automobilismus blieben und sich Möglichkeiten boten, diese Anfälligkeit zur Erzielung finanzieller Vorteile auszunutzen, verdeutlichte eine Meldung von 1932: Arbeitslose Chauffeure stachen die Reifen parkender Autos an, um sich gegen ein Trinkgeld zum Reifenwechseln anbieten zu können. Vgl. AAZ, Jg. 33, 1932, Nr. 2, S. 6. 67 Vgl. AAZ, Jg. 4,1903, Nr. 40, S. 20.

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eine Beschädigung der Reifen praktisch ausschlösse, beworben. Auf eine kammartige Konstruktion setzte dagegen Roschers Nagelfänger von 1912. Auch hier sollten Nägel durch die Umdrehung des Rades wieder aus den Reifen entfernt werden, bevor sie tiefer in die Laufdecke eindringen konnten. Der über der Lauffläche angebrachte Kamm bestand aus scharfkantig zugeschliffenen Stahlzinken. Versuche hätten ergeben, dass sich auf diese Weise alle Fremdkörper, selbst Nägel ohne Kopf, aus den Reifen entfernen ließen.68 Aufgrund ihrer relativen Unbrauchbarkeit und Anfälligkeit verschwanden diese Schutzvorrichtungen meist schnell vom Markt. An Stelle dessen wurden in den zwanziger Jahren vermehrt chemische Substanzen unter Namen wie »Pann-To« oder »Invulner« angeboten, die bei einem Reifendefekt den sofortigen Verschluss der entstandenen Öffnung bewirken sollten.69 Auch die Wirksamkeit dieser Mittel war begrenzt, so dass die Anzeigen der Automobilzulieferer weiterhin vor allem die besondere Robustheit der jeweiligen Reifenfabrikate, die ohnehin jedem Angriff mit scharfen Gegenständen trotzten, als Werbeargument einsetzten (Abb. 4): Während Metzeler-Reifen problemlos ein Scherbenfeld durchquerten, und man mit Pneus der Marke Calmon Stacheldrahtbarrieren einreißen konnte, hielten Stepney-Pneumatiks sogar dem AngrifFeines Landmanns stand, der ihnen sein scharfkantiges Ackergerät in den Weg legte.

c) Tätlichkeiten gegen Autofahrer: Menschenmengen in Aktion

Am 14. Juni 1913 unternimmt ein Fabrikant aus Heiligenhaus (Rheinland) mit einem Angestellten und Chauffeuren, die zwei Firmenwagen steuern, eine Autotour nach Bockum bei Kaiserswerth am Rhein und zurück. Auf der Rückfahrt erkennen die Autofahrer gegen 24.00 Uhr auf der Chaussee HöselHeiligenhaus etwa 40 bis 50 Fackeln und nehmen an, dass es sich um den nächtlichen Ausflug eines Vereins handelt. Sie mäßigen wegen der Dunkelheit ihr Tempo und geben zur Warnung lautstarke Hupensignale ab. Als sie sich dem Fackelschein nähern, werden sie angehalten und lautstark als »Lumpen und Vagabunden« beschimpft. Acht bis neun Menschen springen direkt vor die Wagen und schlagen mit Fackeln, Stöcken und schweren Knütteln auf die Autoinsassen ein. Der Firmeninhaber erhält einen schweren Schlag gegen die rechte Schläfe, ein Chauffeur wird an der Wange verletzt. Die Autos können 68 Vgl. DMF, 1904, Nr. 18, S. 328; AAZ, Jg. 13,1912, Nr. 9, S. 33. 69 Vgl. AAZ, Jg. 23,1922, Nr. 20, S. 44.

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Abb. 4: Darstellung von Angriffen in der Reifenwerbung 146

Quellen: AAZ, Jg. 6, 1905, Nr. 49, S. 64 (Metzeler); AAZ Jg. 7, 1906, Nr. 21, S. 22 (Calmon); Motor 1913, Nr. 12, S. 19 (Stepney). 147

schließlich fliehen, müssen dabei aber eine Menschenmenge passieren, aus der heraus von beiden Seiten der Landstraße erneut auf die Insassen eingeschlagen wird. Die Verdecke der Autos werden zerstört und brennende Fackeln in die Wagen geschleudert. Wegen seiner stark blutenden Wunde muss sich der Chauffeur sofort in Heiligenhaus in ärztliche Behandlung begeben. Dort erfahren die Automobilisten, dass es sich bei den Angreifern um 80 bis 100 Arbeiter und Arbeiterinnen einer benachbarten Fabrik handelt, die anlässlich einer Betriebsfeierlichkeit erhebliche Mengen Alkohol genossen haben. Da ihnen verschiedene Namen von Angreifern bekannt werden, stellen die Automobilisten einen Strafantrag. Die »Automobilwelt« sieht sich angesichts des Vorfalls an mittelalterliche Verhältnisse erinnert und betont, dass derartige Angriffe in Industriegegenden keineswegs vereinzelt vorkämen. Das Blatt fordert die Behörden auf^ keine Fackelumzüge von Arbeitern zuzulassen. Der Zweck derartiger Veranstaltungen könne kaum sein, Automobile anzuzünden, »die friedlich ihre Straßen fahren.«70 Dieser Fall wies einige typische Merkmale auf: Kam es zu Angriffen durch Menschenmengen auf der Landstraße, handelte es sich oft um Teilnehmer von Umzügen oder Prozessionen, die sich durch ein Auto gestört fühlten. Auch wenn der Angriff als unvermittelt geschildert wurde, dürfte doch das anhaltende Hupen als Störung empfunden worden sein und als Auslöser fungiert haben.71 Der Angriff richtete sich nicht ausschließlich gegen die Autoinsassen, sondern auch gegen das Fahrzeug, das die Störung verursacht hatte. Während der Einfluss von Alkohol als Aggressionsfaktor oft Erwähnung fand, war es eher selten, dass die Angreifenden wie hier einer klar umrissenen sozialen Gruppe zugeordnet werden konnten. Die zum Ausdruck kommende Eigendynamik des Angriffs einer Menschenmenge wird auch in einem Bericht von 1920 über dramatische Ereignisse in Dresden deutlich. Die Ursachen lagen in diesem Fall jedoch teilweise außerhalb des Kraftverkehrs, da es ein Entente-Wagen war, der am 16. Februar 1920 morgens gegen fünf Uhr einen Handlungsgehilfen durch überhöhte Geschwindigkeit derart verletzte, dass dieser sich einen Unterschenkelbruch zuzog: » U m d i e U n f a l l s t e l l e s a m m e l t e s i c h w i e stets b e i s o l c h e n A n l ä s s e n e i n e g r ö ß e r e S c h a r Z u s c h a u e r . T r o t z d e r a l l g e m e i n in d e r B e v ö l k e r u n g h e r r s c h e n d e n E r b i t t e r u n g , d i e 70 Vgl. AW, 1913, Nr. 79, S. 3. 71 Auch auf Landstrassen konnten sich nach einem Unfall Menschenmengen bilden, wie in einem Fall, in dem sich eine Gruppe auf den Feldern arbeitender Bauern gegen einen herzoglichen Unfallverursacher zusammenrottete. Doch scheint noch in den zwanziger Jahren vor allem das Zusammentreffen von Autos und Prozessionen problematisch gewesen zu sein: » K o m m t da neulich eines schönen Sonntags ein mit acht Personen überladener Viersitzer mitten in eine Prozession gefahren, hupt gehörig - vielmehr ungehörig - und reißt den ganzen Z u g auseinander. M a n braucht nicht katholisch zu sein, u m ein solches Benehmen zu tadeln.« ADAC-Motorwelt, 1926, N r . 2/3, S. 24. Vgl. AW, 1908, N r . 35, S. 3; Nr. 36, S. 3; M F , 1908, N r . 14, S. 265; A A Z J g . 9 , 1 9 0 8 , N r . 13. S. 63; N r . 15, S. 47.

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durch den Unfall neue Nahrung erhalten hatte, gelang es [...], das Publikum in Ruhe und Ordnung zu halten [...] Inzwischen war ein zweiter Kraftwagen zum Abschleppen des beschädigten Kraftwagens erschienen und hielt in geringer Entfernung vom 1. Kraftwagen an. Jetzt aber war die Stimmung der versammelten Menschenmenge unter dem Einfluss unbesonnener Elemente und in der Erregung über das Erscheinen eines zweiten Ententekraftwagens, worin die Menge einen Versuch erblickte, die Führer des am Unfall schuldigen ersten Kraftwagens den weiteren Feststellungen zu entziehen, derart geworden, daß es zu offenen Tätlichkeiten kam. Einer der Insassen des 1. Kraftwagens, der versuchte, auf die Elektrische Straßenbahn zu entkommen, wurde umringt und geschlagen [...] Während am havarierten 1. Kraftwagen am Ersatz des zerbrochenen Rades gearbeitet wurde [...] sammelte sich um den 2. Kraftwagen eine große Menge. Hier soll [...] einer der verbandsstaatlichen Soldaten durch gewaltsame Versuche, dem Kraftwagen den Weg freizumachen, den Unwillen der Menschenmenge erregt haben. Jedenfalls mußte sich der Führer des 2. Wagens [...] durch schleuniges Abfahren den Misshandlungen der versammelten Menge entziehen [...] Ein [...] Bereitschaftszug von 12 Polizeibeamten fand, als er gegen 6 Uhr [...] an Ort und Stelle eintraf, die Menge bereits zerstreut vor [...] Es lässt sich als feststehend ansehen, daß der Anlass zu den bedauerlichen Vorfällen lediglich in übertriebenem Schnellfahren der verbandsstaatlichen Kraftwagen [...] zu suchen ist. Eine an sich ruhige Bevölkerung wie die Dresdens schreitet nicht ohne, sich provoziert zu fühlen, zu derartigen Handlungen

Hier dürften die Reaktionen der Straßenpassanten aufgrund der Herkunft der Autofahrer besonders gewalttätig gewesen sein. Die Traumata des verlorenen Krieges und der als Schmach empfundenen Friedensverhandlungen steigerten die Aggressivität der Menge. Trotzdem war hier ein Charakteristikum tätlicher Angriffe des Straßenpublikums auf Autofahrer vorhanden: Als Auslöser fungierte meist ein Unfall, der den Autofahrern angelastet wurde und einen Anlass bot, dem U n m u t über Rücksichtslosigkeiten handgreiflich Luft zu machen. Die Angreifer waren dabei nicht mit den Unfallgeschädigten identisch, sondern rekrutierten sich aus der herbeiströmenden Menge. Derartige Angriffe konnten einen hohen Grad an Gewalttätigkeit entwickeln, so dass stärkere Polizeikräfte herbeigerufen werden mussten, u m eine weitere Eskalation zu verhindern. Interessant ist auch, dass im vorliegenden Fall das Straßenpublikum nicht als amorphe Menge auftrat, sondern unterschiedliche Haltungen zeigte: Ein Passant stellte sich auf die Seite der Angegriffenen und versuchte, diese zu schützen. Trotzdem führte das Vorkommnis zu politischen Verwicklungen, da sich Vertreter der Kontrollmächte bei den deutschen Behörden über 72 Deutsche Verbindungsstelle beim Wehrkreiskommando IV an Auswärtiges Amt (18. 2. 1920), BA R5 Nr. 8306, Blatt 3f. In seiner Stellungnahme betont der Dresdner Polizeipräsident, dass es nicht verwunderlich sei, wenn die »ohnehin schon gereizte Stimmung des Publikums sich in Beschimpfungen und auch Tätlichkeiten Luft macht«, da der Unglücksfall durch übermäßig schnelles Fahren des Autos verursacht worden sei. Polizeipräsident Dresden an Auswärtiges Amt (19.2. 1920), ebd., Blatt 8.

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die Feindseligkeit der Bevölkerung beschwerten. Der inländische Autofahrer, der normalerweise das Objekt eines Angriffs war, fand nur in den Automobilclubs eine Lobby. Die im Sample vertretenen 36 Protesthandlungen, in denen Autofahrer verprügelt, sowie die 37 Fälle, in denen ein körperlicher Angriff angedroht wurde, bildeten nur einen Ausschnitt des tatsächlichen Geschehens ab. In der konfliktreichen Pionierzeit des Autos waren derartige Vorkommnisse so häufig zu vermelden, dass sich der KAC1906 bei den preußischen Behörden über »Belästigungen und Ausschreitungen« gegen Autofahrer beschwerte und einen verbesserten Schutz des Kraftverkehrs einforderte. Der Club wollte sich künftig nach jedem Vorfall zunächst an die Ortspolizeibehörden wenden und alle »Gefährdungen und Belästigungen seitens automobilfeindlicher Elemente« anzeigen.73 1911 stellte der Frankfurter AC beim Automobil-Kartell den Antrag, erneut auf die Behörden einzuwirken, für einen besseren Schutz der Autofahrer gegen Angriffe zu sorgen, da die Zahl der Tätlichkeiten zugenommen hätte. Die sich anschließende Diskussion hob vor allem auf die Notwendigkeit von Aufklärungskampagnen ab. Die Eigeninitiative der Clubs, die mehrere Tausend Informationsbroschüren verteilten, erhöhte auch die Bereitschaft der Polizei, gegen Ausschreitungen vorzugehen. Das Kartell nahm den Antrag des Frankfurter AC schließlich an, und der KAC wandte sich erneut an die Behörden.74 Die Autointeressenten kritisierten des öfteren die eher zurückhaltende Vorgehensweise der Gerichte in der juristischen Bewertung von Angriffen. Eine dem Auto feindlich gesinnte Grundstimmung führte dazu, dass diese an »Landfriedensbruch grenzende Exzesse« nicht ausreichend verfolgten. Tatsächlich war die in vielen Fallschilderungen sichtbar werdende Gewalttätigkeit erschreckend. Nach einem Unfall, bei dem ein gestürztes Pferd nur leichte Hautabschürfungen davon trug, kam es 1903 beispielsweise zu einem MesserangrifE Der betroffene Autofahrer musste flüchten, da die Verteidigung seiner Unschuld nicht mehr möglich schien und ihn die aufgebrachte Menge fast erschlagen hätte. Der physische Angriff entzündete sich oft an scheinbar nichtigen Anlässen. Er wurde von den Agierenden aber als ein Akt berechtigter Selbsthilfe verstanden, der auf einen als ebenso gewalthaft empfunden Einbruch der Maschine in eine verklärte Dorf- oder Kleinstadtidylle reagierte.75 Konnte schon das Uberfahren von Hunden, Federvieh oder Zugtieren zu gewalttätigen Gegenreaktionen führen, waren diese bei Unfällen, in denen 73 Vgl. Minister des Innern u. Minister der öffentlichen Arbeiten an K A C (Oktober 1906), G S t A P K I. H A Rep. 77 tit. 1328 N r . 36, Bd. 1; Minister der öffentlichen Arbeiten u. Minister des Innern an K A C ( 2 7 . 1 2 . 1 9 0 6 ) , G S t A P K I . H A R e p . 7 7 t i t . 1328 N r . 11, Bd. 3; K A C an Minister der öffentlichen Arbeiten u. Minister des Innern (10. 1. 1907), ebd. 74 Vgl.Antragdes Frankfurter A C beim Kartell-Ausschuss des K A C ( 1 4 . 1 0 . 1 9 1 1 ) , B A R 1501 N r . 13971; Protokoll der Delegierten-Sitzung des Kartell-Ausschusses des K A C ( 1 4 . 1 0 . 1 9 1 1 ) , S. 26f., G S t A P K I. H A Rep. 77 tit. 1328 N r . 36, Bd. 1. 75 Vgl. M F , 1909, N r . 2, S. 24f.; AW, J g . 1, 1903, N r . 41, S. 996.

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Menschen verletzt oder getötet worden waren, an der Tagesordnung. Musste sich eine Menschenmenge nicht erst sammeln, waren Angriffe fast unausweichlich. Leserbriefe in der Tagespresse regten 1912 die Gründung eines »Schutzverbandes gegen Automobilraserei« an: Bei Autounfällen sollte man nicht länger die Faust in der Tasche ballen, sondern zur Tat, das heißt zur Selbstjustiz, übergehen. Dass viele diesem Aufruf bereits zuvorgekommen waren, verdeutlichten die Klagen der Motorblätter über die »Vogelfreiheit« des Automobilismus. Keinem Autofahrer blieben Belästigungen und Angriffe erspart. Als nach dem Ersten Weltkrieg der zivile Autoverkehr allmählich wieder einsetzte, war das Misstrauen besonders weit verbreitet. Verbale Angriffe waren an der Tagesordnung: Ein Automobilist berichtete 1921, dass er auf seinen Fahrten regelmäßig von erwachsenen Straßenpassanten als »Schieber«, »Stankjude« und »Mistfink« bezeichnet und bedroht worden wäre. 76 Allerdings scheint man sich in den frühen Jahren der Weimarer Republik der Illegalität möglicher Aktionen wohl bewusst gewesen zu sein. Daher wandten sich Gemeindevertreter zunächst an die Behörden, um eine stärkere Berücksichtigung ihrer Interessen zu erreichen. Bei den zuständigen Landräten gingen zahlreiche Klagen ein über Kraftwagen, die »mit rücksichtsloser Geschwindigkeit und unter Nichtachtung des Lebens von Menschen und Tieren die Orte durchfahren.« Blieben Eingaben erfolglos, drohten die Bewohner aber zuweilen Selbsthilfe an. Im Falle eines thüringischen Landkreises erwog man daraufhin gar ein absolutes Automobilverbot. 77 Die Autofahrer hatten ihrerseits die Möglichkeit, besonders autofeindliche Gegenden bewusst zu meiden, u m bei den Bewohnern durch die eintretenden wirtschaftlichen Verluste eine Verhaltensänderung zu bewirken. Ab 1924 forderte der Berliner A C seine Mitglieder auf, Streckenberichte ihrer Stadt- und Uberlandfahrten mitzuteilen. Hierzu war der »Berliner Automobil-Zeitung« ein Nachrichtenzettel beigegeben, der auch eine Rubrik über »Schikanen von Bewohnern« enthielt. Die veröffentlichte Auswertung der Rückmeldungen sollte die Autofahrer befähigen, über ein Befahren der betreffenden Strecken zu entscheiden. 78 Autofahrer, die nach einem Unfall von Straßenpassanten bedroht wurden, genossen zudem besonderen gesetzlichen Schutz: Nach Paragraph 22 des Kraftfahrzeuggesetzes galt es nicht als Fahrerflucht, wenn sich der unfall76 Vgl. MF, 1912, Nr. 30, S. 987; 1913, Nr. 11, S. 305; 1921, Nr. 46, S. 582. 77 Die Bewohner eines schlesischen Dorfes beschwerten sich 1921 beim Landratsamt: »Wir greifen sofort zur Selbsthilfe, falls uns von keiner Seite Hilfe kommt. Im vorigen Jahr ist der Tod eines Menschen ungesühnt geblieben; dieses Jahr sind die Opfer unzählige Hunde, Gänse, Hühner, usw. Wir halten es vor Autostaub nicht aus. Fahren die Automobilmenschen ohne Rücksicht auf die Mitmenschen, nun, dann kennen auch wir keine Rücksicht und nehmen den Kampf mit ihnen auf. Helfen sie uns, ehe es zu spät wird, und die Unglücke da sind !« MF, 1921, Nr. 34, S. 376. Vgl. MF, 1921, Nr. 26, S. 257; Nr. 28, S. 283f. 78 Vgl. ADAC-Motorwelt, 1927, Nr. 30, S. 6ff.; Berliner Automobil Zeitung, 1924, Nr. 1, S. 13; Nr. 5, S. 17.

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verursachende Autofahrer erst einen Tag nach dem Vorfall bei der Polizei meldete. Wie verschiedene Kommentare ausdrücklich betonten, war diese Regelungwegen der zahlreichen Ausschreitungen nach Unfällen in das Gesetz aufgenommen worden. Auch der Schutz vor Beschädigung des wertvollen Fahrzeugs durch die »Volkswut« galt zunächst als entschuldbarer Fluchtgrund. In den zwanziger Jahren ging das Reichsgericht aber zu einer strengeren Auslegung dieses Notstandrechts des Autofahrers über. U m einem Missbrauch der Ausnahmeregelung vorzubeugen, durfte man sich nur noch aus dem unmittelbaren Gefahrenbereich entfernen, und hatte sich unverzüglich bei der Polizei zu melden. Im Gegensatz zur großzügigeren Auslegung in der Kaiserzeit blieb der flüchtende Autofahrer schließlich nur noch straffrei, wenn er zuvor durch eine Volksmenge mit Lynchjustiz bedroht worden war und in einem Akt »tätiger Reue« Selbstanzeige erstattete.79 Außerdem nutzten viele Autofahrer die Möglichkeit zur Selbstbewaffnung, um ihrem persönlichen Sicherheitsbedürfnis gerecht zu werden. Die Hemmschwelle zum WafFeneinsatz war recht niedrig: Fühlten sich Autofahrer bedroht, zogen sie in den Anfangsjahren des Automobilismus zuweilen recht schnell eine Waffe, um sich zu verteidigen. Das Tragen von Waffen war aber uneinheitlich geregelt und beruhte bis 1919 auf landesrechtlichen Regelungen: An einzelnen Orten war es gestattet, oft eingeschränkt möglich und manchmal gänzlich verboten. Deshalb griff man bevorzugt auf genehmigungsfreie Waffen zurück. Ein Autofahrer, der einen Milchkutscher mit einer Schreckpistole am Kopfverletzt hatte, wurde 1913 wegen fahrlässiger Körperverletzung verurteilt. Seine »Knallfixpistole« durfte er behalten, da es sich um keine verbotene Waffe handelte.80 Hatten bereits zu Beginn des Jahrhunderts automobilistische Handbücher den Autofahrern das Mitführen von Waffen empfohlen, machte die dauerhafte Bewerbung von Faustfeuerwaffen in den Automobilzeitschriften deutlich, dass in den späten zwanziger Jahren die Gefahr, Opfer eines Angriffs zu werden, keineswegs verschwunden war. Produkte wie das »Wespi-Leuchtzielrohr«, die »Mauser-Pistole« oder die »Einhand-Pistole« der Berliner Lignose AG waren speziell für die Bedürfnisse von Auto- und Motorradfahrern konzipiert und sollten der Selbstverteidigung auf den Landstraßen dienen.81 In der Zeit vor dem Ersten Weltkrieg genügte hierzu meist noch die aus dem Reitsport als Accessoire übernommene Peitsche. Ihr Einsatz gegen zudringliche Fußgänger 79 Vgl. AW, 1924, Nr. 9, S. 9; Motor, 1929, Nr. 7, S. 59f.; 1931, Nr. 5, S. 7f.; Wendel, S. 47. 80 Vgl. AW, 1910, Nr. 5, S. 5; Auto, 1913, Nr. 20, S. 311. 81 Vgl. AAZ, Jg. 25, 1924, Nr. 9, S. 37. Ein Auto-Ratgeber empfahl 1904 die Mitnahme einer Waffe: »Bei der Liebenswürdigkeit, mit der man in manchen weniger von der Kultur bedachten oder vom Verkehre abseits liegenden Gegenden dem Automobilisten entgegenzukommen pflegt, dürfte eine solche unter Umständen ein wünschenswerter Begleiter sein.« Neuburger, Fahrtenbuch, S. 8.

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entsprach unter Autofahrern einer alltäglichen Praxis. Die »Continental-Gummipeitsche« diente beispielsweise ursprünglich dem Schutz vor Hunden, eignete sich laut Hersteller aber auch zur Abwehr von menschlichen Angreifern.82 Die Automobilclubs setzten sich aber stets für die weitergehende Möglichkeit einer generellen Bewaffnung der Autofahrer ein. Nach einer Ausfuhrungsvorschrift des preußischen Innenministeriums zum Reichsgesetz über Schusswaffen und Munition von 1928 wurde die Ausstellung von reichsweit gültigen Waffenscheinen auf »besonders begründete Einzelfälle« beschränkt. Der AvD richtete daher 1928 eine Eingabe an das Reichsinnenministerium, die Erleichterungen in der Erteilung von Waffenscheinen an Kraftfahrer forderte. In seiner Antwort erklärte der Minister, dass gerade die Eigentümlichkeiten des Kraftverkehrs dafür ausschlaggebend waren, die Möglichkeit der Erteilung eines reichsweiten Waffenscheins zu schaffen. Das Bedürfnis zum Tragen einer Waffe wäre bei denjenigen Autofahrern gegeben, die häufig Fahrten durch einsame Gegenden unternähmen. Fahrer, die wie Droschkenführer fast ausschließlich im Stadtverkehr verkehrten, bräuchten hingegen keinen Waffenschein. Der Reichsinnenminister wies die zuständigen Landesbehörden schließlich an, den Wünschen der Autofahrer nach Erteilung von Waffenscheinen mit Gültigkeit für das ganze Reichsgebiet entgegenzukommen. In der Folgezeit wurde jedoch erneut beklagt, dass die Behörden die Erteilung von Waffenscheinen restriktiv handhabten. Ein Antragsteller musste auf Geschäftsreisen hohe Geldbeträge einkassieren, um die Erlaubnis zum Tragen einer Waffe zu erhalten. Ein generelles Bedürfnis bei allen Autofahrern wurde nicht anerkannt, da eine Flut von Anträgen zu erwarten war. Daher verwiesen die Autozeitschriften weiterhin auf die Möglichkeit einer Ausrüstung mit genehmigungsfreien Waffen. Die Bewaffnung des Autofahrers richtete sich am Ende der zwanziger Jahre jedoch nicht mehr in erster Linie gegen Ausschreitungen der Bevölkerung, sondern gegen Beraubungen und Uberfälle, die aufgrund der Verschlechterung der wirtschaftlichen Lage in manchen Gegenden in bisher unbekannter Bedrohlichkeit zugenommen hatten.83

82 Das in zwei Längen lieferbare Modell konnte über den Versandhandel bestellt werden. Vgl. AW, 1910, Nr. 63, Beilage Auto-Zubehör; Continental, Handbuch, S. 60. Z u m Peitscheneinsatz vgl. Bierbaum, Reise, S. 192. 83 »Die Notwendigkeit, gerade den Kraftfahrern eine Möglichkeit zu geben, sich gegen einen eventuellen Angriff zu verteidigen, dürfte auch dem überzeugtesten Pazifisten einleuchten.« AAZ, Jg. 29,1928, Nr. 49, S. 7. Vgl. AAZ, Jg. 30, 1929, Nr. 13, S. 29.

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d) Peitschenhiebe: Kutscher und Automobilist

An einem Sonntag im September 1908 befahren die Kaufleute Kühn und Küpping aus Leipzig im Auto auf einer Tour nach Berlin eine Landstraße bei Trajuhn im Kreis Wittenberg. Beim Gasthof »Stadt Mailand« begegnen den Automobilisten vier Stammholzfuhrwerke. Einer der Fuhrleute gibt den Autofahrern mit der Peitsche ein Zeichen, woraufhin Kühn einen kleineren Gang einlegt, um das Auto zu verlangsamen, und ein Scheuwerden der Pferde zu verhindern. Als sich das Auto dem Fuhrwerkszug nähert, reißt ein Fuhrmann das Geschirr vom Wagen und wirft es auf die Straße. Kühn kann rechtzeitig stoppen und einen Unfall verhindern. Da sich die Autoinsassen aber über das Vorgehen der Kutscher beschweren, schlagen diese mit ihren Peitschen auf die Automobilisten ein und hindern sie mit ihrem »rasenden Vorgehen« an der Weiterfahrt. Drei der vier Fuhrwerke werden zur Blockade quer auf die Straße gestellt. Während Küpping vom Wagen springt, um in Trajuhn Hilfe zu holen, kann Kühn mit dem Wagen flüchten und den Bezirksgendarmen in Kropstädt alarmieren. Dieser stellt schließlich zwecks Beantragung eines Strafantrages die Identität von zehn angreifenden Fuhrleuten fest. Die Haupttäter sind die Ackerbürger Hentzsch, Heise und Geissler aus Friedrichsstadt bei Wittenberg sowie der Arbeiter Hagendorf und der Zimmermann Preitzsche. Sie haben bereits eine Stunde vor dem Angriff auf die Leipziger Kaufleute durch unbeaufsichtigtes Abstellen ihrer Fuhrwerke beim Gasthof »Königgrätz« ein anderes Auto gefährdet. Das »Wittenberger Tageblatt« stellt zu dem Vorfall fest, dass die Fuhrleute die Straße als ihre Domäne betrachten und den Autos ungeachtet möglicher Unfälle nicht ausweichen. Ihre »Nichtswürdigkeit« gehe sogar soweit, dass sie Automobile bewusst gefährdeten. Das Reichsgericht revidierte in der Folgezeit seine Rechtsprechung und vertrat die Ansicht, dass eine Verfolgung auch nicht treffender Peitschenhiebe im öffentlichen Interesse läge, da sie eine Beleidigung der Autofahrer darstellten und besonders gefährlich wären. 1903 hatte die Staatsanwaltschaft Halle ein strafrechtliches Einschreiten im öffentlichen Interesse wegen Beleidigung und Körperverletzung eines Autofahrers durch zwei Peitschenhiebe noch abgelehnt, da die Peitsche nicht als gefährliches Werkzeug im Sinne des Gesetzes erschien.84 Der skizzierte Fall zeigt, dass der Peitschenhieb des Kutschers keine Einzelaktion sein musste, sondern auch als Element einer gemeinschaftlichen Aktion vorkommen konnte. Meist gingen derartige Vorfälle aber von einem einzelnen Kutscher aus, der mit einem Auto zusammentraf. Die Fuhrwerker benutzten ihr Arbeitsgerät, das sie laut Verordnung stets in der Hand zu halten verpflichtet 84 Vgl. A A Z J g . 9,1908, Nr. 38, S. 56ff.; AW, 1903, Nr. 4, S. 1; 1908, Nr. 114, S. 4; 1911, Nr. 103, S. 5.

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waren, meist gegen die Autofahrer, wenn sie sich gegen das Scheuen ihrer Pferde wehren wollten. Die 23 Fälle des Protestsamples, in denen Kutscher mit Peitschen nach Autofahrern schlugen, und die 21 Aktionen, in denen ein Uberholen mutwillig verhindert wurde, stellten wie im Bereich anderer Aktionsformen nur einen kleinen Ausschnitt der Konfliktrealität dar. Die Alltäglichkeit derartiger Vorkommnisse bewirkte, dass die Motorpresse Ubergriffe von Kutschern nur berichtete, wenn der Ablauf des Geschehens oder die hervorgerufenen Reaktionen außergewöhnliche Merkmale aufwiesen. So war es für die Autofahrer unbegreiflich, dass zu Beginn des Untersuchungszeitraums, ein Autofahrer wegen scheuender Pferde bestraft wurde, obwohl er einen Peitschenhieb erhalten hatte, für den der Kutscher straffrei blieb. Auch die offensichtliche Solidarisierung der ländlichen Bevölkerung mit gewalttätigen Fuhrwerkslenkern, die eine Strafverfolgung erschwerte, konnte ein Protestereignis aus den unzähligen Fällen alltäglicher Resistenz hervorheben.85 Das Scheuen der Pferde oder die Angst vor einem möglichen Scheuwerden führten in den häufigsten Fällen zu Angriffen der Kutscher. Aber nicht nur die Eigentümlichkeiten der unterschiedlichen Verkehrsmittel provozierten Konflikte: Das Auftauchen der Herrenfahrer auf den Landstraßen führte auch dazu, dass erhebliche Rang- und Mentalitätsunterschiede sichtbar wurden. Die Begegnung zwischen Auto und Pferdefuhrwerk setzte auf beiden Seiten Aggressionspotentiale frei, die sich aus der Angst vor unberechenbarem Verhalten speisten. Dass dabei auch konträre Sozialmilieus aufeinander stießen, führte zu schwerwiegenden Kommunikationsproblemen. Hinzu kam die Angst vor einer Verdrängung des Pferdeantriebs durch den Kraftverkehr, die sich abzuzeichnen begann. Auch kann vermutet werden, dass das bewusste Blockieren der Straße mit dem Fuhrwerk erfolgte, da es für die Kutscher einen Triumph darstellte, wenn sie mit ihrem unterlegenen Fahrzeug erreichten, dass ein Auto anhalten musste. Für die Autofahrer war es andererseits besonders erniedrigend, wenn sie bei Pannen oder starken Steigungen auf Vorspann angewiesen waren.86 Gerade die Angriffe der Kutscher bewegten sich in einer Grauzone zwischen fahrlässigem Fehlverhalten und bewusster Aktion gegen den Autoverkehr. Die Klagen über die Missachtung verkehrspolizeilicher Vorschriften durch Pferdefuhrwerke waren Legion. So richtete beispielsweise der »Verband zur Wahrung 85 Vgl. AW, 1905, Nr. 34, S. 1491; M F , 1924, Nr. 16, S. 312. August Horch sprach rückblickend in Bezug auf das Verhältnis von Kutschern und Autofahrern von einem »Kampf um die Straße« und schilderte die generelle Unbeliebtheit der Autofahrer bei anderen Straßennutzern. Unzählige Pferdewagen seien bei Begegnung mit dem Auto im Straßengraben gelandet, stets musste man daraufgefasst sein, dass sich Tätlichkeiten entwickelten, weshalb sich die Autofahrer manchmal ihren Weg auch mit Warnschüssen aus dem Revolver bahnten. Vgl. Horch, S. 130-135. 86 Vgl. Scharfe, Pferdekutscher, S. 139-162; Z M M , 1906, Nr. 18, S. 468; AAZ.Jg. 10,1909, Nr. 32, S. 48.

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der Interessen bayerischer Rad- und Motorfahrer« 1903 eine Eingabe an das Bayerische Staatsministerium, in der er die Einhaltung der oberpolizeilichen Vorschriften über den Verkehr mit Fuhrwerken forderte. Die rechte Straßenseite werde nicht eingehalten, die Mitte und die linke Seite zum Uberholen nicht freigelassen. Kutscher schliefen auf ihren Fuhrwerken, entfernten sich von ihren Gefährten und ließen ihre Gespanne vor Wirtschaften unbeaufsichtigt stehen. Während der Fahrt wurden die Leitseile aus der Hand gelegt. Teilweise führten Schulkinder bespannte Fuhrwerke. Nachts blieben die Fuhrwerke unbeleuchtet. Auch die Vorschrift, dass der Name des Besitzers angebracht werden musste, werde nicht eingehalten. Zur Erntezeit überluden die Bauern die Heu- und Getreidewagen, so dass diese mehr als die Hälfte der Straßenbreite einnahmen. 87 Die Automobilpresse hob häufig hervor, dass der Konflikt mit den Kutschern vor allem durch deren Trägheit und geistige Beschränktheit entstände. Ihre Abneigung gegen das Auto wäre auf Leichtsinn, Rohheit, Stumpfsinn und eine »schwachsinnige Schläfrigkeit« zurückzuführen. Außerdem missbrauchten sie die Landstraßen für ihren alkoholisierten Mittagsschlaf 88 Derartige Verbalangriffe auf Pferdefuhrwerker zielten auch auf die unteren Volksklassen in ihrer Gesamtheit ab, aus denen sich die Kutscher rekrutierten. Aggressivität und Stumpfheit waren dabei typische Charaktereigenschaften, die einer angeblichen Fuhrmannsmentalität zugeordnet wurden. Die Kutscher sahen sich in der Tat von sozialer Deprivation bedroht. Ihre durch ökonomische Zwänge bestimmte Existenz ergänzten aber Illusionen der Freiheit, die durch die Mobilität auf der Landstraße entstanden. Dies führte zur Ausbildung einer spezifischen Mentalität. 89 Da zahlreiche Kutscher auf der Landstraße tatsächlich schliefen und die Mehrheit nicht rechtzeitig auswich, forderte die Motorpresse unablässig die Durchsetzung der Straßenordnung, ohne aber an die Realisierbarkeit dieser Forderung selbst für den großstädtischen Verkehr zu glauben.90 Der VdMI be87 Vgl. Z M M , 1903, Nr. 21, S. 497. Ein Autofahrer berichtete über seine Erfahrungen mit Pferdefuhrwerken im schlesischen Riesengebirge: »Es ist erstaunlich, wie wenig sich die dortigen biederen Rosselenker an die polizeilichen Vorschriften halten; mit Engelsgeduld muss dort ein jeder Automobilist gewappnet sein, um nicht mit jedem Kutscher ein Duell auf Peitschenstiele zu provociren.« AW, 1903, Nr. 39, S. 951. 88 Vgl. AAZ, Jg. 5,1904, Nr. 36, S. 25. Noch in den zwanziger Jahren wurde den Autofahrern geraten, Kutschern mit »Gelassenheit und Geduld« zu begegnen, und sich nicht auf Verbalduelle einzulassen, da die Fuhrleute über die größere »Schimpfroutine« verfügten. Thebis, S. 245. 89 Das Schlafen auf der Landstraße kann nicht nur »materialistisch« mit dem 14 bis 16Stunden währenden Arbeitstag erklärt werden, sondern auch als freiheitliche Beharrung auf alte Strassenzustände interpretiert werden. Vgl. Scharfe, Pferdekutscher, S. 148ff. 90 Z u Beschwerden über »pöbelhafte, rücksichtslose Fuhrwerkslenker« in der Stadt, vgl. NAG-Filiale Berlin an Polizeipräsidium Berlin (15. 11.1913), LAB PrBrRep 30 Berlin С tit. 133 Nr. 67, Bd. 2 (18769). Der Berliner Polizeipräsident Jagow sprach sich 1912 gegen eine Ampelanlage am Potsdamer Platz aus, da die Kutscher die Signale nur beachteten, wenn ein Polizeibeamter

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fürchtete wegen des autofeindlichen Verhaltens der Fuhrwerker gar eine Schädigung der Industrie und forderte strengere Strafbestimmungen, um eine genauere Beachtung der Verkehrsordnung herbeizuführen. 91 Die Autofahrer reagierten dagegen zunächst durch das Anzeigen von Verkehrsverstößen auf die Behinderung des Autoverkehrs. Da sich viele Autofahrer den Kutschern auf der Landstraße ausgeliefert fühlten, blieb dies oft die einzige Möglichkeit, offensichtliche Übertretungen zu ahnden. Aber die Clubs versuchten auch, mittels Verkehrsaufklärung ein auskömmlicheres Miteinander herzustellen. Der Rheinisch-westfälische AC publizierte 1909 die Broschüre »Winke für Kraftwagen und Fuhrwerke« in einer Auflage von 60.000 Stück, um die Kutscher auf das vorschriftsmäßige Verhalten gegenüber dem Auto hinzuweisen. 92 Schließlich machte sich die erste Fahr- und Fachschule für Fuhrleute in Frankfurt am Main die »Erziehung der Fuhrleute« zur Aufgabe, obwohl die Regeln des Ausweichens und Uberholens seit langer Zeit in den Wegeordnungen vorgeschrieben waren. Hielten sich die Kutscher trotzdem nicht an die Verkehrsregeln, lag dies vor allem an der Beschaffenheit der Straße: Aufgrund der starken Wölbung hielten Pferdefuhrwerke meist die Straßenmitte ein. Außerdem konnte bei der geringen Verkehrsdichte und den geringen Geschwindigkeiten, die vor dem Erscheinen der Autos vorgeherrscht hatten, beim Zusammentreffen mit anderen Verkehrsteilnehmern noch intuitiv gehandelt werden. Insbesondere das falsche Ausweichen der Fuhrwerke führte zu Verkehrskonflikten, die Angriffe auf Autofahrer nach sich ziehen konnten. Angesichts der zunehmenden Zahl von Autos mussten die Behörden die Disziplinierung der Kutscher daher forcieren. Dass sich diese durch »fortgesetzte Missachtung der zur Regelung des Straßenverkehrs erlassenen Polizeiverordnungen« sowie durch »Unbotmäßigkeit gegen die Organe des Straßendienstes« auszeichneten, wurde auch behördlicherseits beklagt. Allerdings scheint dieses Verhalten nicht wie im Falle der Autofahrer zu Protestaktionen geführt zu haben. Gingen Polizeibeamte gegen verkehrssündige Kutscher vor, konnte es sogar zu Solidarisierungseffekten bei Straßenpassanten kommen. 93

in der Nähe wäre. Vgl. Polizeipräsident Berlin an Preußischen Innenminister (16. 5. 1912), LAB PrBrRep 30 Berlin С tit. 202 Nr. 30, Bd. 4, Blatt 156. 91 »Wer das Automobilfahren praktisch selbst übt, weiß wie wenig sich der Fuhrmann auf der Landstraße an die Verkehrsordnung hält, was zu Zwischenfällen und sehr oft auch zu Unfällen Anlass gibt. Wie oft muß sich der Fahrer gefallen lassen, daß ihn der Fuhrmann oder der übelgesinnte Teil der Bevölkerung schmäht oder durch Steinwürfe und ähnliches gefährdet. Gegen die Vorschriften über Rechtsfahren, rechtzeitiges Ausweichen und ausreichende Beleuchtung wird am meisten gesündigt.« VdMI, Stellung der deutschen Automobil-Industrie zu dem geplanten Automobil-Haftpflicht-Gesetz (1908), BA R 1501 Nr. 7949, Blatt 22. 92 Vgl. AAZ, Jg. 10, 1909, Nr. 24, S. 52; Nr. 53, S. 38; Jg. 14, 1913, Nr. 40, S. 15f. 93 Der Berliner Polizeipräsident berichtete 1906, dass ein Kutscher wegen einer geringfügigen Übertretung festgenommen werden sollte, wobei das Publikum gegen den Polizeibeamten Partei ergriff und versuchte, »durch aufreizende Reden den Contravenienten noch mehr aufzuhetzen.«

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Auf die strikte Durchsetzung der Polizeiverordnungen drängte ein ministerieller Erlass in Preußen, den der Landrat von Teltow 1906 nachdrücklich in Erinnerung brachte. Die Beamten wurden auf die »strengste Ueberwachung des Fahrverkehrs« verpflichtet. Das Herzogliche Staatsministerium in Gotha erließ 1911 eine entsprechende Verfügung, die daraufhinwies, dass sich die Polizisten auch um die Übertretungen der Fuhrwerkslenker kümmern müssten. Aufgabe der Behörden wäre es, auf einen Ausgleich divergierender Interessen hinzuwirken. Die Landbevölkerung müsste sich aber stets der Existenzberechtigung der Autos bewusst bleiben. Die Lippische Regierung in Detmold ließ gar in allen Gasthäusern des Fürstentums Bekanntmachungen für die Fuhrleute aushängen, welche die Fahrvorschriften ersichtlich machten. Trotz dieser Initiativen zur Erziehung der Kutscher musste sich der ADAC 1913 beim Bundesrat erneut über das Verhalten der Rosselenker beschweren.94 Auch in den zwanziger Jahren hatten die Kutscher noch kein modernes Verkehrsverhalten internalisiert: 1927 klagte die »ADAC-Motorwelt«, dass sich die Landbevölkerung mit Nachdruck dem Rechtsfahrgebot verweigerte. Ob dies auf Gleichgültigkeit oder auf bewusste Gegnerschaft zur Straßenordnung zurückzuführen wäre, könnte man schwer entscheiden.95 Das preußische Innenministerium reagierte mit einem weiteren Erlass an die Polizeibehörden, in dem erneut eine schärfere Verfolgung verkehrssündiger Kutscher gefordert wurde. Die »schnelle Abwicklung des Verkehrs« erforderte, dass auch Fuhrwerker die Verkehrsregeln beachteten. Ähnliche Anweisungen folgten 1930 in Anhalt, Sachsen, Thüringen, Württemberg, Baden, Braunschweig, Hessen und Bremen.96 U m das Ausmaß der Verkehrsverstöße und Angriffe von Kutschern und anderen Verkehrsteilnehmern zu verdeutlichen, initiierten die Automobilclubs mancherorts Kontrollfahrten, an denen Polizeibeamte in Zivil teilnahmen. Man wollte dadurch Verständnis für den Kraftverkehr wecken und die Forderung nach Ahndung von Verstößen untermauern. Gleichzeitig konnten Ausschreitungen und Übertretungen geahndet werden, ohne dass die Autofahrer Polizeipräsident Berlin an Minister des Innern (13. 8.1906), G S t A P K I. H A Rep. 77 tit. 1319 N r . 13, Bd. 4. Vgl. Polizeipräsident Berlin an Minister des Innern (25.6.1902), ebd.; AAZ, Jg. 12,1911, N r . 34, S. 55. 94 Vgl. Minister der öffentlichen Arbeiten u. Minister des Innern an die Oberpräsidenten (28. 6. 1905), LAB PrBrRep 30 Berlin С tit. 133, N r . 76, B d 7 (18790); Z M M , 1906, N r . 16, S. 430; 1911, N r . 16, S. 341 f.; 1913, N r . 17, S. 403; A D A C an Bundesrat (17. 9. 1913), B A R 1507 N r . 13943. 95 Vgl. ADAC-Motorwelt, 1927, N r . 4, S. 11. 1926 wurde v o m Berliner Polizeipräsidenten gefordert, gegen falsch fahrende Pferdefuhrwerke vorzugehen. D i e Strafen müssten die H ö h e der Automobilmandate erreichen. Vgl. Vereinigte Sauerstoffwerke A G an Berliner Polizeipräsident (29. 10. 1926), LAB PrBrRep 30 Berlin С tit. 133 N r . 193, Bd 5. 96 Vgl. Preuß. Innenminister an Ortspolizeibehörden (5. 8. 1927), AAZ, Jg. 28, 1927, N r . 40, S. 17; ADAC-Motorwelt, 1930, N r . 45, S. 4f.

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Anzeigen erstatten mussten, was im Fall des einfachen Verstoßes gegen Polizeivorschriften ihrem Selbstverständnis als »Gentlemen« widersprechen konnte.97 Bei einer solchen Fahrt, die der Hessische AC 1910 organisierte, fuhren 112 von 267 Pferdefuhrwerken, die den sechs beteiligten Autos in fünf Stunden begegneten, nicht vorschriftsmäßig. Die Beamten in Zivil waren zahlreichen Steinwürfen und Beleidigungen ausgesetzt. Wegen absichtlicher Behinderung brachte man vier Kutscher zur Anzeige. U m zu zeigen, »wie oft die Automobilisten den Schikanen und Feindseligkeiten der Fuhrleute selbst bei vorsichtigstem Fahren ausgesetzt sind«, veranstaltete auch der Rheinische AC im Winter 1912 eine Kontrollfahrt in Begleitung hoher Polizeibeamter. Zahlreiche Verkehrsverstöße wurden festgestellt und die Insassen zweier Wagen »auf das feindseligste bedroht.« Da diese Fahrten zeigten, dass Verstöße durch Kutscher außerordentlich häufig vorkamen, waren nach Meinung der Autointeressenten die Fuhrwerkslenker auch für einen Großteil der Autounfälle verantwortlich zu machen.98 Zu einer ersten Zusammenarbeit von Automobilclubs, Industrie und Händlerschaft in der Überwachung des Straßenverkehrs kam es Anfang 1905 durch die Gründung des von der DMV initiierten »Schutzkartells der Pneufahrer«. Im Gegensatz zum »Royal Automobile Club«, der durch die Anstellung von »scouts« die Straßenaufsicht in London institutionalisierte, wollte man weniger Serviceleistungen für Autofahrer anbieten, als vielmehr für eine bessere Beobachtung der Verkehrsvorschriften sorgen. Sein Hauptaugenmerk richtete das Schutzkartell auf die Agitation bei Gerichten, Parlamenten, Regierungen und Presse. Außerdem wurden die polizeilichen Autofallen überwacht. Diese Arbeit war erfolgreich, denn die Polizisten an den berüchtigten Stoppstellen im Berliner Umland kontrollierten ab 1905 auch Pferdefuhrwerke. Im ersten Geschäftsjahr erreichte das Kartell auch die Versetzung autofeindlicher Beamter und die Bestrafung mehrerer Angreifer auf Kraftfahrzeuge. Die Organisation zerfiel jedoch recht schnell wegen der sich abzeichnenden Interessengegensätze zwischen Rad- und Motorfahrern, so dass man im November 1908 zur Gründung einer »Berliner Auto-Schutz-Liga« aufrief 99 Anfang 1909 wurde in Berlin schließlich die »Deutsche Auto-Liga« als Schutzorganisation nach französischen und britischen Vorbildern ins Leben gerufen. Neben der Agitation 97 Über eine derartige Kontrollfahrt in Wiesbaden wurde 1907 berichtet: »Auf Veranlassung des Wiesbadener Automobilclubs haben in den letzten Tagen eine Anzahl von Kraftwagen in durchaus statthaftem Fahrtempo die Stadt die Kreuz und die quer durchfahren, um festzustellen, daß die Voreingenommenheit breiter Volksschichten wider diese Fahrzeuge eine hochgradige ist, und daß auch, ohne daß direkt irgend eine Veranlassung dazu gegeben wird, Ausschreitungen gegen die Automobile resp. deren Führer verübt werden.« Der Kraftwagen, 1907, Nr. 19, S. 202f. 98 Vgl. MF, 1910, Nr. 31, S. 795; AAZ,Jg. 11,1910, Nr. 30, S. 46; Nr. 33, S. 50; Jg. 13,1912, Nr. 6, S. 47. 99 Vgl. AAZ, Jg. 7,1906, Nr. 20, S. 60, Jg. 13,1912, Nr. 40, S. 16; MW, 1905, S. 855; 1908, S. 840; DMF, 1905, Nr. 2, S. 47f.

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bei den Behörden und der Überwachung von Verkehr und Fallenbetrieb leistete die Liga auch Rechtsbeistand bei Strafmandaten, Unfällen und Angriffen.100 Nach dem Ersten Weltkrieg gründeten AvD und ADAC seit 1921 zunächst auf lokaler Ebene in Form innerer Abteilungen »Autowachten«, die ihre Aufgaben mit den Stichworten »Selbstzucht und Selbstschutz« beschrieben. Im Juli 1924 nahm die Autowacht Berlin-Brandenburg mit einem Aufruf an die Autofahrer ihre Arbeit auf, Rücksicht aufbeben und Gesundheit der Passanten zu nehmen. Ein Appell an Radfahrer und Fuhrleute, die Verkehrsvorschriften zu beachten und das Rechtsfahrgebot einzuhalten, schloss sich an. Amtliche Funktionäre der Autowacht patrouillierten in gekennzeichneten Wagen auf den Straßen, forderten schnellfahrende Autos zur Verlangsamung des Tempos auf und zeigten Angriffe autofeindlicher Kutscher an. Das Reichsverkehrsministerium empfahl im »verkehrspolizeilichen Interesse« den Behörden die Zusammenarbeit mit der Autowacht. Sie sollte auch dadurch unterstützt werden, dass ihr auf Anfrage der Eigentümer eines Kraftfahrzeugs bekannt gegeben werden konnte. Die doppelte Stoßrichtung der Autowacht verdeutlichten die Richtlinien für die Tätigkeit ihrer Funktionäre: Als Uberwachungsobjekt wurde der gesamte Kraftfahrverkehr benannt. Als Teil des Selbstschutzes wollte man die Wirkung behördlicher Maßnahmen und das automobilfeindliche Verhalten der Bevölkerung beobachten. Strafrechtlich verfolgbare Verstöße waren bei Autowacht und Polizei anzuzeigen.101 In der Praxis stellten derartige Organisationen verkehrssündige Autofahrer zwar zuweilen durch Veröffentlichung ihrer Identität in den Cluborganen »an den Pranger«, die Autowachten blieben aber insgesamt stärker auf die Abwehr von Peitschenhieben als auf die Selbstdisziplinierung des Kraftfahrwesens ausgerichtet.102 Da sie nur Herrenfahrer als Aufsichtsbeamte einsetzen wollten, ließen die Sportclubs 1922 eine erste Initiative zur Gründung einer reichsweiten Autowacht scheitern. Bei der späteren Deutschen Verkehrswacht waren die Berufsfahrer dagegen durch den »Deutschen Verkehrsbund« im Vorstand vertreten. Der 1924 als Dachorganisation lokaler Autowachten gegründete Verein wandte 100 Vgl. AAZ, Jg. 10,1909, N r . 7, S. 30f.; MW, 1909, S. 87. Z u r Motivation der G r ü n d u n g hieß es: »Die Umwälzungen im Verkehrswesen, die durch das Automobil... herbeigeführt worden sind, haben einen Zwischenstand der Ungeklärtheit und eine Spannung zwischen Publikum und Automobilismus erzeugt, die durch Massnahmen der Behörden leider noch nicht richtig überbrückt werden ...« Einladung zur Deutschen Auto-Liga (1. 3. 1909), B A R 1501 N r . 13940. Die »Deutsche Auto-Liga« bestand nach dem Ersten Weltkrieg in veränderter Form als »Reichsverband der Sachverständigen des Kraftfahrwesens« fort. Vgl. AvD-Blätter, J g . 1, 1929, N r . 3, S. 18. 101 Vgl. M F , 1924, Nr. 6, S. 112; Z M M , 1924, N r . 8, S. 110f.; Reichsverkehrsministerium, Niederschrift: M i s s s t ä n d e l m Kraftfahrwesen (8.10.1924), S. 2. B A R 1501 N r . 14143; Richtlinien für die Tätigkeit der Funktionäre der Autowacht (1924), ebd. 102 Vgl. A D A C - S p o r t , 1925, N r . 12, S. 3. N a c h vierjährigem Bestehen einer lokalen Abteilung wurde 1925 berichtet, dass keine Veranlassung bestanden hätte, Kraftfahrer anzuzeigen. Dagegen hatte die Abteilung mehrfach Gelegenheit, Fuhrleute wegen absichtlicher Verkehrsbehinderung oder Anpöbelung von Kraftfahrern gerichtlich zu verfolgen. Vgl. A D A C - S p o r t , 1925, N r . 40, S. 2.

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sich gegen die ungenügende Ausbildungskontrolle im Kraftfahrwesen, das »Rowdytum« einiger Autofahrer, lange Arbeitszeiten der Chauffeure, die Uneinheitlichkeit von Polizeivorschriften und den Mangel an geschulten Verkehrspolizisten. Aber auch Rücksichtslosigkeiten der Pferdelenker und Fahrlässigkeiten von Kindern und Straßenpassanten ließen die Gründung notwendig erscheinen. Der ADAC annoncierte dem Reichsinnenministerium die reichsweite Autowacht gar mit der Begründung einer »zunehmenden Verkehrsverwilderung«. Die lokalen Autowachten hätten zwar gute Arbeit geleistet, der zunehmende Verkehr machte jedoch eine reichsweite Organisation nötig. Seit 1928 wurde die Verkehrswacht finanziell vom Reichsverkehrsministerium unterstützt, gründete mit der Deutschen Schul-Verkehrswacht eine spezielle Arbeitsgemeinschaft zur Belehrung der Jugend und widmete sich vornehmlich der Unfallverhütungspropaganda, was ihre Bedeutung als Institution gemeinnütziger Verkehrshilfe unterstrich.103

e) Sachbeschädigungen: Vermittelte Angriffe auf den Kraftverkehr

Die drei im Protestsample vertretenen Fälle, in denen Verkehrsschilder oder Warnungszeichen mutwillig zerstört wurden, konzentrierten sich auf das Jahr 1925. Der ADAC richtete in diesem Jahr einen mit 5.000 Mark ausgestatteten Fonds ein, aus dem Belohnungen zur Ergreifung der Urheber von Beschädigungen an clubeigenen Warnungstafeln gezahlt werden sollten.104 Eine Sensibilisierung der Automobilpresse für diese unspektakulären Aktionen, die den Autofahrer nicht direkt gefährdeten, aber für die Automobilclubs eine finanzielle Belastung darstellten, war somit gegeben. Dass das Phänomen weit verbreitet gewesen sein muss, zeigte sich an der Gründung des erwähnten Fonds. Dabei traten Beschädigungen an Warnungstafeln nicht erst in der Weimarer Republik auf, sondern beschäftigten die Automobilclubs bereits in der Kaiserzeit. 1908 kam es zu einem Konflikt zwischen KAC und MMV über die Aufstellung von Verkehrsschildern, der das Problem der Beschädigungen sichtbar machte. Als sich der KAC über die uneinheitliche Anbringung der Verkehrsschilder beschwerte, rechtfertigte der MMV sein Vorgehen mit dem Schutz vor möglicher Zerstörung. Aufgrund der Führungsrolle des KAC musste sich der 103 Vgl. Deutscher Verkehrsbund, Jg. 2,1924, Nr. 25, S. 98; ADAC an Reichsministerium des Innern (9.10.1924), BA R1501 Nr. 14143; AAZ, Jg. 26,1925, Nr. 1, S. 28; MW, 1924, S. 642; AR (ZMM), 1929, Nr. 2, S. 24. 104 Vgl. AW, 1925, Nr. 10, S. 7.

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M M V schließlich beugen und stellte die Einheitlichkeit in der Aufstellung her. Allerdings hätte eine um 50 Zentimeter höhere Montage die Tafeln kaum wirksam geschützt.105 Die Aufstellung von Verkehrs- und Hinweisschildern durch die Automobilclubs war kostenintensiv, weshalb sie deren Beschädigung in der Regel unnachsichtig verfolgten. Der Wiesbadener AC setzte bereits 1912 namhafte Belohnungen aus, nachdem es im Untertaunus zu mutwilligen Schilderbeschädigungen an Warnungstafeln des KAC gekommen war. Seit 1910 konnte der KAC die Aufstellung von Warnungstafeln nicht mehr allein finanzieren. So kam der Staat in der Folgezeit seiner Verpflichtung zur Sicherung des Verkehrs durch die systematische Aufstellung international vereinheitlichter Warnungszeichen nach. Die clubeigenen Verkehrsschilder dienten fortan als Ergänzung staatlicher Aktivität und konzentrierten sich zunehmend auf Wegweiser- und Hinweistafeln. 106 In der Nachkriegszeit ergaben sich Konflikte daraus, dass die Automobilclubs ihre Schilder teilweise durch Werbeaufdrucke finanzierten, manche Landkreisvorstände die Aufstellung derartiger Schilder aber verweigerten. Z u dem kam es zu Schwierigkeiten bei der Akquisition von Reklameaufträgen. Angesichts dieser Finanzierungsprobleme erschien das Aussetzen von Belohnungen gerechtfertigt. Diese bezogen sich aber nicht nur auf Beschädigungen am Clubeigentum, sondern im Sinne einer allgemeinen Sicherung des Verkehrs auch auf die Zerstörung staatlicher Schilder. Ab 1925 zahlte die Verkehrsabteilung des ADAC wegen einer Häufung von Fällen, in denen Verkehrsschilder in böswilliger Weise beschädigt wurden, Prämien zwischen 20 und 100 Mark für Hinweise aus, die zur Feststellung der Täter führten. Dieses Vorgehen war nur in begrenztem Umfang erfolgreich: Einen Arbeiter, der ADAC-Wegweisschilder in seinem Heimatort beschädigt hatte, belegte man nach einer Denunziation mit einer Geldbuße von 15 Mark. Die Täter, die auf einer Chaussee bei Görlitz eine Warnungstafel aus dem Fundament gerissen, beschädigt und als Verkehrsbarriere über die Straße gelegt hatten, blieben dagegen unerkannt. Das Geschehen zeigte aber, dass Schilderbeschädigungen in einen größeren Protestzusammenhang eingebettet sein konnten, der dem Straßenverkehr weit gefährlicher werden konnte als eine fehlende Warnungstafel. Daher

105 »Wir haben ursprünglich beabsichtigt, die Tafeln in einer H ö h e von 2 m aufzustellen, aber sehr bald gesehen, dass die Tafeln v o n mutwilligen Händen angegriffen wurden. Wir kamen deshalb auf eine H ö h e von 2,5m, die wir für besser halten, haben aber gern ... uns bereit erklärt, auch die Vorschrift von 2 m H ö h e anzunehmen, um auch in dieser Hinsicht der Einheitlichkeit zu dienen.« M M V an Preußisches Innenministerium (6. 5. 1908), BA R 1501 Nr. 13969. 106 Die Verkehrsschilder wurden in Deutschland 1928 endgültig vereinheitlicht. Bis 1923 stellten Automobilclubs und -hersteller ungefähr 50000 Verkehrsschilder auf. Vgl. Moser, S. 18f.; AAZ, Jg. 13, 1912, Nr. 36, S. 34; KAC an Staatssekretär des Inneren (5. 7. 1910), BA R 1501 Nr. 13970.

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verpflichtete der preußische Innenminister die Schulvorstände 1925, die Schüler über die Gefährlichkeit der Schilderbeschädigungen aufzuklären.107 Die Angriffe auf Verkehrsschilder waren nicht als einfache Sachbeschädigungen zu bewerten. Zerstörungswut paarte sich mit der Abneigung gegen Autos. Schilderbeschädigungen sollten den Autofahrern verdeutlichen, dass sie auf der Landstraße und in vielen Dörfern unerwünscht waren. Durchfahrende Autos verschwanden, doch die Verkehrsschilder blieben, symbolisierten das Vordringen des Autoverkehrs und wirkten zuweilen wie Zeichen zur Inbesitznahme eines eroberten Terrains. Hinzu kam, dass die Entfernung von Verkehrsschildern, die Gefahrenstellen markierten, auch schwere Autounfälle verursachen konnte. Im Fall der Beschädigung oder Entfernung von Wegweisern unterstellte man neben der Intention, das Befahren einer bestimmten Strecke zu erschweren, aber auch finanzielle Motive. Fehlte der Wegweiser, war der Autofahrer meist auf die Hilfe der ortskundigen Bevölkerung angewiesen, die Trinkgelder erwartete. Auch ein Großteil der 20 übermittelten Fällen einer Beschädigung parkender Kraftfahrzeuge konzentrierte sich auf die Weimarer Zeit: 16 Ereignisse entfielen auf die drei letzten Jahre des Untersuchungszeitraums. Diese Möglichkeit der Unmutsäußerung über den motorisierten Straßenverkehr avancierte in den beginnenden dreißiger Jahren zur dominanten Protestform. Beschädigungen an abgestellten Automobilen waren auch in der Kaiserzeit vorgekommen, allerdings wesentlich seltener: Das unbeaufsichtigte Abstellen der Maschine war nämlich in der Pionierzeit aus Angst vor Aufläufen und Inbetriebnahme durch Fahrunkundige an vielen Orten polizeilich verboten. Zudem beschäftigten die Autobesitzer häufiger Chauffeure und verfügten über Garagen. Dennoch nannte die Motorpresse 1913 verschiedene Spielarten der Beschädigung parkender Autos: Als typische Angriffe auf unbeaufsichtigte Wagen galten Beschädigungen des Hupenballs durch unbefugtes Hupen, das Verstopfen des Auspuffrohres, das Verstellen der Wasserzufuhr an Carbidlampen, das Zerkratzen des Lacks sowie das Stehlen von elektrischen Lampen und Reservereifen.108 Im Gegensatz zur Beschädigung fahrender Wagen, die meist in einen größeren Protestzusammenhang eingebettet und mit Körperverletzungen verbunden war, erfolgte die Manipulation eines abgestellten Wagens in Abwesenheit 107 Vgl. Sportabteilung des ADAC an Walter Ostwald (9. 4.1925), ADAC/Nachlass Ostwald; ADAC-Sport, 1925, Nr. 14, S. 3; Nr. 18, S. 3; 1926, Nr. 16, S. 3; AW, 1925, Nr. 10, S. 7; Nr. 35, S. 1. 108 Dass derartige Manipulationen bereits in der Vorkriegszeit eine gewisse Relevanz besaßen, zeigt sich auch daran, dass in der französischen »Omnia« eine Apparatur empfohlen wurde, die auch in der deutschen Motorpresse vorgestellt wurde. Das Auto sollte dabei unter Benutzung der Zündspule und der isolierenden Wirkung der Gummireifen ständig unter Spannung gehalten werden, so dass jede Berührung zu einem Stromschlag führte, was Unbefugte von Manipulationen am parkenden Wagen abhalten konnte. Vgl. AW, 1913, Nr. 31, S. 2f.

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des Fahrers oder Besitzers. Traten diese Fälle an einer Vielzahl von Wagen gehäuft auf, war die Protestbotschaft der Aktion eindeutig, handelte es sich um eine Einzelaktion, konnte auch ein persönlicher Racheakt gegen den Besitzer nicht ausgeschlossen werden. Die Zunahme derartiger Geschehnisse, die sich wie die Schilderzerstörungen durch einen hohen Grad von Vermittlung auszeichneten, und die Dominanz, die diese Form antiautomobiler Aktion im Protestgeschehen erlangte, verwiesen auf eine allmähliche Abnahme der Gewalttätigkeit. Griff man in den Anfangsjahren Autofahrer direkt an, beschädigten die Angreifer in der Weimarer Zeit häufiger die Maschine, deren Nutzung den Konflikt erzeugte. Die übermittelten Fälle von Beschädigungen an parkenden Wagen wiesen ein breites Handlungsspektrum auf, wobei keineswegs nur Halbwüchsige im Rahmen »Dummer-Jungen-Streiche« agierten: Das Zerstechen der Reifen kam sehr häufig vor. Aber auch über das Abbrechen von Plaketten und Wimpeln, das Ubergießen mit Farbe oder ätzender Flüssigkeit, das Zerbeulen der Karosserie sowie die Entfernung oder Manipulation wichtiger Teile wurde berichtet. Die erst genannten Handlungen zielten vor allem auf die wirtschaftliche Schädigung des Autofahrers ab. Im Falle zerstochener Reifen kam allerdings noch die symbolische Wirkung einer zeitweisen Unterbrechung der ungehinderten Fahrt hinzu. Manipulationen gefährdeten den Autofahrer dagegen direkt. Das Lösen von Radschrauben an parkenden Autos in Stuttgart 1930 zielte ebenso auf einen Autounfall ab, wie die Manipulation an der Elektrik eines parkenden Wagens, die 1907 auf Rügen fast die Explosion des betreffenden Autos bewirkte.109 Politische Motivationen ließen sich hingegen vermuten, wenn an abgestellten Autos ADAC-Plaketten beschädigt, zerstört oder entfernt wurden. Der Club behielt auch in den zwanziger Jahren die alten Reichsfarben in seinem Wappen. Verhaftete man in solch einem Fall ein KPD-Mitglied als Tatverdächtigen, ergänzte eine klassenkämpferische Attitüde die anzunehmende Motivation der Schädigung eines vermeintlichen Monarchisten.110 Manipulationen an parkenden Wagen konnten auch durch Handlungen verursacht werden, die sich nicht direkt gegen Autos richteten. Bei Demonstratin g Vgl. AW, 1907, N r . 50, S. 10; ADAC-Motorwelt, 1930, Beilagen Nr. 43, S. 6. 110 Vgl. ADAC-Motorwelt, 1930, Beilagen N r . 25, S. 5; N r . 26, S. 7; N r . 29, S. 5; N r . 30, S. 4; 1931, Beilagen N r . 44, S. 2. Der A D A C betonte stets, dass das alte Clubwappen aus Traditionsverbundenheit beibehalten werde. Der Vorwurf der Republikfeindlichkeit wurde ebenso zurückgewiesen wie eine parteipolitische Ausrichtung. 1928 wurde das Angebot des »Stahlhelm« zur G r ü n d u n g einer eigenen Ortsgruppe abgelehnt. Allerdings verwundert die Beharrlichkeit, mit der der A D A C auf Beibehaltung seiner Vereinsfarben bestand. 1925 wurden gar bereits ausgelieferte ADAC-Hotelschilder in republikanischen Farben zurückgerufen. Das Traditionsgebahren des A D A C wurde auch von einigen Mitgliedern mit Misstrauen beobachtet und war 1928 eine Ursache für die Gegengründung des »Allgemeinen Verbandes Deutscher Automobilfahrer«, der die republikanischen Farben bewusst in sein Wappen aufnahm. Vgl. Protokoll der Präsidialsitzung (17./18. 12. 1928), S.175, A D A C / N a c h l a s s Ostwald; A D A C - S p o r t , 1925, N r . 18, S. 3; D e r Automobilfahrer, Jg. 4, 1930, N r . 1, S. 1.

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onen und Streiks wurde die Zerstörung parkender Autos zuweilen in Kauf genommen, wenn die Menge sie sinnfälligerweise zum Bau von Barrikaden benutzte. Dabei kam die Geringschätzung des Symbols der Privilegierten zum Ausdruck, dessen Beschädigung den Besitzer auch ökonomisch traf 111 Wagenbeschädigungen konnten aber auch wirtschaftliche Folgen für die Orte haben, in denen sie gehäuft auftraten: Der Bürgermeister eines Fremdenverkehrsortes in der Nähe von Zittau bat die Automobilpresse 1930, zu veröffentlichen, dass ein gesuchter Reifenstecher gefasst worden war, um den Boykott des Ortes durch die Autofahrer zu beenden. Sie konnten allerdings auch auf ökonomische Motivationen zurückzuführen sein: 1932 forderte ein anonymer Erpresser vom ADAC die Zahlung von 50.000 Mark; andernfalls wollte er alle auf der Straße abgestellten Autos beschädigen. Nachdem eine geplante Geldübergabe nicht zustande gekommen war, setzte der Autofeind seine Drohung in die Tat um und zerstach in Berlin die Reifen zahlreicher Kraftfahrzeuge.112

f) J a g d auf Automobile: Der Schuss in die Maschinerie

»Auf den Straßen jagten Automobile [...] und machten Jagd auf die Fußgänger, überfuhren sie zu Brei, drückten sie an den Mauern der Häuser zuschanden. Ich begriff sofort: es war der K a m p f zwischen Menschen und Maschinen, lang vorbereitet, lang erwartet, lang gefürchtet, nun endlich zum Ausbruch gekommen. Uberall lagen Tote und Zerfetzte herum, überall auch zerschmissene, verbogene, halbverbrannte Automobile, [...] auf sie wurde von vielen Dächern und Fenstern aus mit Büchsen und mit Maschinengewehren geschossen. Wilde, prachtvoll aufreizende Plakate an allen Wänden forderten in Riesenbuchstaben [...] die Nation auf, endlich sich einzusetzen für die Menschen gegen die Maschinen, endlich die fetten, schöngekleideten, duftenden Reichen, die mit der Hilfe der Maschinen das Fett aus den andern preßten, samt ihren großen, hustenden, böse knurrenden, teuflisch schnurrenden Automobilen totzuschlagen [...] Freudig schloß ich mich dem Kampfe an.« 113

In Hermann Hesses Roman »Der Steppenwolf« wird die unter den Zeitgenossen verbreitete Abneigung gegen den Kraftwagen literarisch verdichtet. Die 111 Bei den irischen Aufständen 1916 w u r d e n erstmals in großem Stil A u t o s z u m Barrikadenbau verwendet. 1925 beantragte ein Berliner Autobesitzer eine S o n d e r g e n e h m i g u n g z u m Abstellen seines Wagens a u f einem beaufsichtigten Weg, da sein A u t o m e h r m a l s bei Krawallen beschädigt w o r d e n war. »Schlägereien zwischen halbwüchsigen B u r s c h e n verschiedener politischer A u f h e t z u n g « hätten bereits z u m Verlust zweier Fensterscheiben gefuhrt. Dipl. Ing. G e r s o n an Polizeipräsident Berlin (27. 1 1 . 1 9 2 5 ) , L A B P r B r R e p 3 0 Berlin С tit. 2 0 2 N r . 17, B d . 2 (20638), Blatt 155f. Vgl. Haas u. Kloke, S. 22; Petsch, S. 43; AW, 1916, N r . 24, S. 14. 112 Vgl. A D A C - M o t o r w e l t , 1930, Beilagen N r . 27, S. 4; 1932, Beilagen N r . 16, S. 1. 113 Hesse, S. 230f.

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vom Titelhelden in einer Traumsequenz als Befreiung von der Maschinenwelt empfundenen Schüsse auf Autos kamen als Extremfall eines Angriffs auch in der Realität vor, waren in Friedenszeiten jedoch eher selten: Im Protestsample sind nur zehn Fälle enthalten, in denen Autofahrer in Friedenszeiten beschossen wurden. Sieben entfielen auf die Kaiserzeit, während für die Weimarer Republik noch drei Fälle zu verzeichnen waren. In drei Fällen kamen weniger gefährliche Waffen zum Einsatz: Der Schuss aus einem Bolzengewehr verursachte nur eine Armverletzung. Der aus einer Knallpistole abgefeuerte Korkpfropfen erschreckte den am Kopf getroffenen Autofahrerjedoch so sehr, dass er einen Herzinfarkt erlitt und starb. Schließlich brachten 1907 fünf Jugendliche einen Luftdruckstutzen zum Einsatz, mit dem sie aus dem Chausseegraben heraus vorüberfahrende Autos beschossen. In den verbleibenden sieben Fällen wurde scharfe Munition benutzt. Die Täter blieben dabei meist unbekannt, da sie die Distanz zum Fahrzeug sowie zuweilen die Dunkelheit schützten. In einem Fall konnte aber der Täter von der Polizei als ein Radfahrer identifiziert werden, der aus einer Gruppe von mehreren Dorfbewohnern heraus auf vorüberfahrende Autos gefeuert hatte. Kam es zu einem derartigen Vorfall, setzten die Automobilclubs oft hohe Belohnungen aus, um das Schweigen der Bevölkerung zu brechen. Möglichkeiten eines vorbeugenden Schutzes gegen Gewehr- oder Revolverschüsse bestanden aber kaum. Allenfalls der Einsatz von Sicherheitsglas konnte bei geschlossenem Wagen zur Minderung der Gefahren einer Verletzung durch Glassplitter beitragen.114 Trotzdem bestand nicht nur in den revolutionären Wirren, als Maschinengewehrsalven zwei Autofahrerinnen am »Großen Stern« in Berlin töteten, sondern in manchen Gegenden selbst behördlicherseits die tödliche Gefahr eines Beschusses. Im Sommer 1924 veröffentlichte die Polizeiverwaltung Oberhausen eine Anordnung, welche die Polizeibeamten zum Gebrauch der Schusswaffe bei nichthaltenden Kraftfahrzeugen aufforderte. Die Automobilpresse lobte daraufhin zwar die Regelung des lebhaften Verkehrs im Ruhrgebiet durch die französische Besatzungsmacht, kritisierte die Anweisung zum Gebrauch der Schusswaffe jedoch scharf: Behördliche Schüsse wären von einem Straßenräuberschuss nur schwer zu unterscheiden, »der Schuß in die Maschinerie« gefährde die Insassen erheblich, da ein zielgenaues Schießen auf beweg114 1907 stellte der Frankfurter A C 100 Mark zur Ergreifung eines Schützen zur Verfügung, dessen Anschlag Autoinsassen durch zersplitternde Glasscherben verletzt hatte. Ein Autobesitzer lobte 500 Mark Belohnung für Hinweise auf einen Schützen aus, der die Karosserie seines Autos beschädigt hatte. In Anzeigen wurde der obligatorische Einsatz von »Triplex-Glas« vorgeschlagen, da es keineswegs ausgeschlossen wäre, dass »ruchlose Hand einen Schuss auf die Insassen« eines Autos abgäbe. Der Kraftfahrende Arzt, Jg. 4,1913, Nr. 24, S. 382. Vgl. AW, 1907, Nr. 61, S. 2; MF, 1913, Nr. 14, S. 410; 1922, Nr. 25, S. 329; AAZ,Jg. 8,1907, Nr. 32, S. 62;Jg. 11,1910, Nr. 38, S. 36; Jg. 12, 1911, Nr. 43, S. 75.

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liehe Objekte nachts kaum zu bewerkstelligen wäre.115 1932 musste sich der ADAC schließlich wegen »unhaltbarer Zustände im Grenzverkehr« an das Reichsfinanzministerium mit der Bitte wenden, für eine bessere Kennzeichnung der Zollbeamten zu sorgen. Mehrfach wurden Autofahrer in Grenznähe bei Nacht beschossen. Die Grenzbeamten gaben zwar Zeichen zum Anhalten, aufgrund ihrer bürgerlichen Kleidung hielten die betroffenen Autofahrer die Zöllner aber für Wegelagerer und flohen.116 In den zwanziger Jahren hatten sich auch die internen Konflikte im motorisierten Straßenverkehr zugespitzt, so dass selbst von vormaligen Bundesgenossen Gefahr drohte: 1926 feuerte ein Motorradfahrer auf ein entgegenkommendes Auto, das seine Scheinwerfer nicht abgeblendet hatte. Das Unterlassen des Abblendens konnte nach Meinung eines Teil der Motorpresse auf den Uberlegenheitsdünkel der Autofahrer gegenüber den Zweiradfahrern zurückgeführt werden.117 Neben den geschilderten Aktionen kam es im August 1914 zu zahlreichen tödlichen Angriffen auf Autofahrer, die einer Sondergruppe zuzuordnen sind, da in ihnen die autofeindliche Motivation nicht eindeutig hervortritt. Obwohl die früher stark betonte Kriegsbegeisterung heute, zumindest für den ländlich geprägten Teil der Bevölkerung, mit größerer Zurückhaltung interpretiert werden muss, behinderte doch nachweislich bei Kriegsbeginn eine Welle hysterisch anmutender Aktionen, die vordergründig der Spionageabwehr dienten, den Verkehr auf den Landstraßen. Genährt wurde die unruhige Stimmung durch Gerüchte, die besagten, dass größere Mengen Goldes per Auto durch Deutschland transportiert werden sollten, um in Russland zur Finanzierung des bevorstehenden Krieges zu dienen. In Folge derartiger Vermutungen errichtete man im August 1914 in ganz Deutschland Straßenbarrieren und sperrte in der Umgebung Berlins sämtliche Landstraßen durch Schlagbäume ab. Eine Welle von Angriffen auf durchfahrende Autofahrer schloss sich an, in deren Verlauf mehrere Personen erschossen wurden. Der Erfolg der Aktionen blieb fraglich: So stoppte eine fünfundzwanzigköpfige Bürgerwehr bei Gleiwitz zwar angeblich zwei tatsächliche »Goldautos«, es waren jedoch durch übertriebenen Aktionismus auch Gefahren fur die Dienstfahrten der Generalstabsoffiziere zu befurchten.118 115 »Um das wilde Fahren mit Kraftfahrzeugen während der Nachtzeit mit unbeleuchteten Kennzeichen wirkungsvoller zu bekämpfen, haben die Polizeibeamten Anweisung erhalten, einen Warnungsschuß abzugeben, sobald das Fahrzeug auf Anruf oder auf das gegebene Zeichen nicht hält. Ist der Warnungsschuß auch wirkungslos, so ist der betreffende Polizeibeamte genötigt, einen Schuß in die Maschinerie des Autos abzugeben, um das Fahrzeug zum Stehen zu bringen.« MF, 1924, Nr. 21, S. 388. Vgl. AAZ, Jg. 25, 1924, Nr. 35, S. 15. 116 In einem Fall wurden bei einem Wagen die Reifen durchschossen, woraufhin der Autofahrer die Gewalt über das Fahrzeug verlor, an einen Baum fuhr und lebensgefährliche Verletzungen erlitt. Vgl. ADAC-Motorwelt, 1932, Beilagen Nr. 7, S. 2. 117 Vgl. ADAC-Motorwelt, 1926, Nr. 2/3, S. 25. 118 Vgl. Ziemann, S. 193-203; AW, 1914, Nr. 96, S. 1. Die hysterische Stimmung gibt ein

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Im Protestsample sind zehn Fälle vertreten, in denen Wachposten unschuldige Autofahrer beschossen, was insgesamt 12 Todesopfer forderte. Ein Fall, der einen eher untypischen Geschehensablauf aufwies, da hier eine Menschenmenge agierte, ereignete sich am 5. August 1914 in Leipzig: Passanten hielten einen Arzt und seinen Chauffeur an, beschimpften die beiden als »Russen« und »Spione« und traktierten die Autofahrer mit Stockhieben. Ein einschreitender Soldat führte die Arretierten zur Polizeiwache ab, um ihre Personalien festzustellen. Durch einen Stoß aus der Menschenmenge löste sich dabei ein Schuss, der den Chauffeur tötete. Der Soldat wurde 1915 freigesprochen. An einem Bahnübergang bei Rohrbach/Pfalz hielt dagegen im August 1914 eine Grenzwache einen Bierbrauermeister und seinen Chauffeur an, die sich als einberufene Kraftfahrer auf dem Weg nach Saarbrücken befanden, um zwei Kraftwagen bei der Heeresverwaltung abzuliefern. Da sich die Autofahrer nicht ausweisen konnten, tötete sie ein als Grenz- und Bahnwächter angestellter Hüttenarbeiter nach einer »unvorsichtigen Bewegung«. Der Schütze wurde 1915 vom Landgericht Zweibrücken wegen fahrlässiger Tötung zu 15 Monaten Gefängnis verurteilt.119 In den verbleibenden acht Fällen kam es jeweils zu tödlichen Schüssen, da die betreffenden Autofahrer an Wachposten nicht anhielten und daraufhin Brückenschutzwachen, Militärpatrouillen, Landsturmleute, Bürgerwehren oder Bahnschützer mit Gewehrsalven antworteten: In Westfalen starb ein Herrschaftschauffeur, bei Nürnberg ein Viktualienhändler, in München ein Droschkenchauffeur, in Posen ein Landrat, in der Nähe von Hamburg ein Kaufmann, der mit der Beförderung von Militärpersonal beschäftigt war. In Sachsen wurde ein Leutnant der Landwehr, der auf dem Weg zu seinem Stationierungsort war, erschossen. Bei Kronach starb ein Soldat, der sich als Mitglied einer Pferdemusterungskommission im Auto befand. In der Nähe von Gotha fielen ein Getreidehändler und sein Chauffeur der Spionagehysterie zum Opfer.120 Die AAZ warnte ihre Leser mehrmals eindringlich vor Straßensperren und Kontrollposten, doch bereits im Oktober 1914 stellte man die besonderen Schutzmaßnahmen für Straßenbrücken und Hochspannungsleitungen vieTelegramm des Regierungspräsidenten in Liegnitz an den preußischen Innenminister wieder: »...von coeln. nacht3./4. eisenbahndirektion teilt mit, bankhaus mendelsohn in paris beabsichtige 100 millionen franken gold ueber niederlande nach russland zu schaffen, nach angabe Polizeipräsident essen rühr soll heute (3.) groessere zahl automobile ueber duisburg gefahren sein, die moeglicherweise dem transport dienen. - von frankfurt am main. 11 autos sollen letzte nacht (also 3./4.) durch Wetzlar in oestlicher richtung gefahren sein, die mit goldtransport mendelsohn in Verbindung stehen koennen. - im diesseitigen bezirk bereits mehrere verdaechtige autos gesichtet und angehalten, landraete, polizeibehoerden und postaemter sind mit anweisungen versehen, berichte stehen noch aus. = regierungspraesident.« Regierungspräsident Liegnitz an Minister des Innern (3. 8. 1914), GStA PK I. HA Rep. 77 tit. 437 Nr. 43, Beih. 1, Blatt 13f. 119 Vgl. AW, 1914, Nr. 98, S. 1; 1915, N r . 33, S. 2; N r . 39, S. 13; MF, 1916, Nr. 2, S. 2. 120 Vgl. AW, 1914, Nr. 96, S. 1; Nr. 98, S. 1.

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lerorts wieder ein. U m den Autofahrern die entstandene Angst vor der freien Landstraße zu nehmen, verkündeten die Motorpresse nun , dass Autofahrten wie in Friedenszeiten gefahrlos möglich wären.121 Die Militärbehörden erkannten rasch, dass die Ausschreitungen gegen Autofahrer mit ihren zahlreichen Todesopfern für große Beunruhigung sorgten und den kriegswichtigen Autoverkehr bedrohten. Daher sah sich auch der Generalstab bereits am 8. August 1914 veranlasst, eine Bekanntmachung zu den geschilderten Verkehrsbehinderungen zu veröffentlichen. Hierin wurde betont, dass sich keine feindlichen Automobile in Deutschland befänden. Der preußische Innenminister griffam 17. August 1914 die Bekanntmachung des Generalstabes auf und erteilte den Regierungspräsidenten die Order zur Vermeidungjeglicher Störung des Automobilverkehrs. Noch am 10. August hatte sich der Stab des KFAC über Belästigungen durch Bauern bei Straßenkontrollen in der Nähe von Jüterbog beschwert. Der Vorgesetzte an einer Autosperre hatte dabei erklärt, er hätte Order, nach englischen Offizieren in österreichischer Uniform und Arbeiterkluft zu suchen, die Gold nach Russland schaffen wollten. Die Durchführung der Sperre wäre daher strengstens zu handhaben.122 1916 fasste ein Kriegsautomobilist derartige »Augusterfahrungen« bereits wieder recht versöhnlich und mit ironischem Unterton rückblickend zusammen: »Je nach d e m >Temperament des Ortes< waren die Hindernisse verschieden. Hier grobe, gewichtige, ins Auge fallende Sachen, Leiterwagen, Mistwagen, D u n g f u h r w e r k e , Ackerbaumaschinen. D a s ließ auf gerade, ehrliche, derbe Charaktere schließen! D i e in der Kultur vorgeschritteneren Dörfer wandten feinere, raffiniertere Hilfsmittel an. Sie spannten dünne Drähte, Waschleinen, zogen wohl auch Drahthindernisse, oder bildeten sonstige, schwer sichtbare >Bremspunkte< [...] G a n z kluge Spitzen der Behörden hatten die Sperre vor ihre Stammkneipe gelegt! [...] U n a n g e n e h m e r wurde es schon, wenn plötzlich hinter irgendeinem B a u m ein weißhaariger Förster oder ein altes Weib oder ein zwölfjähriger Bengel fünfzig Meter vor d e m in flotter Fahrt befindlichen Wagen hervor a u f die Straße sprang und, mit der Flinte im Anschlag, >Halt!< brüllte, kreischte oder piepste!« 1 2 3

121 »Leider sind dabei eine Reihe von deutschen Automobilisten und Chauffeuren durch Anschießen ums Leben gekommen oder verwundet worden, weil sie nicht vorschriftsmäßig sofort angehalten haben. Es ist daher größte Vorsicht beim Fahren nötig und im eigensten Interesse nur geboten, auf jeden Wink eines Postens, Polizisten oder Mitgliedes einer Bürgerwehr sofort zu halten und auch Legitimationen stets bei sich zu fuhren.« AAZ, Jg. 15,1914, Nr. 33, S. 4. Vgl. AW, 1914, Nr. 106, S. 1; III. Armee-Korps an Landräte, Oberpräsidenten, Polizeiverwaltungen (6. 10. 1914), LA Berlin Rep 38-01 Nr. 15, Blatt 8. 122 Vgl. Bekanntmachung des Generalstabes des Feldheeres (8.8.1914), GStA PK I. HA Rep. 77 tit. 1328 Nr. 47, Bd. 1; Preußischer Innenminister an die Regierungspräsidenten (17. 8.1914), ebd.; Stab des KFAC an Preußischen Innenminister (10. 8. 1914), ebd. 123 AAZ, Jg. 17,1916, Nr. 8, S. 9.

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Das Ablaufschema der beschriebenen Aktionen, mit dem auf in der Vorkriegszeit erprobte Verhaltensweisen zurückgegriffen wurde, sowie die Charakterisierung der Handlungen als »grober Unfug« verwiesen darauf, dass es nicht nur um Spionagebekämpfung ging. Vielmehr kamen hier das lang gehegte Misstrauen und die Feindschaft gegenüber dem Automobilverkehr zum Ausdruck. Sozialpsychologisch gesehen wirkte die Möglichkeit, Autos anzuhalten und sogar relativ ungestraft auf diese schießen zu können, im August 1914 auf Teile der Landbevölkerung befreiend. Unter dem Vorwand der Spionagebekämpfung konnte die Autofeindschaft ausgelebt werden. Die gewalttätige Autokritik in Kriegszeiten entzündete sich auch am Spannungsverhältnis zwischen Stadt und Land, das insbesondere in unteren und mittleren Schichten seine Wirksamkeit entfaltete. Dabei sollte sich im Laufe des Krieges der Gegensatz zwischen antistädtischen Ressentiments und antiländlicher Überheblichkeit wegen der immer drängender werdenden Versorgungsengpässe noch verschärfen.124 Es ist wahrscheinlich, dass sich dieser Gegensatz auch in antiautomobilen Protesten niederschlug. Da die Automobilpresse über derartige Ereignisse aber nicht mehr berichtete, konnten weitere Protestaktionen in den Kriegsjahren nicht nachgewiesen werden. Die Zensurbestimmungen waren von dem Bestreben getragen, innere Konflikte an der »Heimatfront« zu verschweigen. Schließlich verminderte auch das fast vollständige Erliegen des privaten Kraftverkehrs die Zahl möglicher »Protestobjekte« erheblich.

124 Vgl. Kocka, S. 135ff.

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5. Gewaltlose Äußerungen der Autofeindlichkeit

a) Polizist und Autofahrer - D a s Fallenwesen

Klagen der Autofahrer über die Behandlung durch die Polizeikräfte und die Einrichtung von Stoppstrecken, für die sich bald die Bezeichnung »Autofallen« einbürgerte, füllten die frühen Automobilzeitschriften. Wahre Entrüstungsstürme lösten aber 1906 die Straßen- und Polizeiverhältnisse in Kehl am Rhein aus. Die Stadt in der Nähe Straßburgs lag an einer viel befahrenen Heerstraße und zeichnete sich durch eine rigorose polizeiliche Überwachung des Autoverkehrs aus. Die Polizeibeamten organisierten die Geschwindigkeitsmessung dabei derart, dass sie sich bei jedem eintreffenden Auto mit Flaggen Zeichen gaben, um die Durchfahrtsdauer auf einer vorher festgelegten Strecke ermitteln zu können. Dabei wurde festgestellt, dass beinahe jedes Kraftfahrzeug, das Kehl passierte, die vorgeschriebene Höchstgeschwindigkeit von 12 km/h überschritt und mit einem Strafmandat zu belegen war. Prominentestes Opfer der Kehler »Autofalle« wurde der Landrat von Homburg, Dr. Ritter von Marx, Sportsfreund des Kaisers und Chef der Straßenpolizei eines ganzen Regierungsbezirks, den man mit einer Geschwindigkeit von 20 km/h stoppte. Er erhielt die besonders hohe Strafe von 50 Mark, da er in seiner exponierten Position »zu besonderer Beobachtung der bestehenden Gesetze und Verordnungen verpflichtet« wäre. Marx legte Widerspruch ein, doch das Schöffengericht Kehl zweifelte die Messungen der Gendarmen nicht an, obwohl die Beamten die Stoppstrecke nicht genau festlegten und gewöhnliche Sackuhren benutzten. Auch die Berufung vor dem Landgericht Offenburg war nicht erfolgreich, da sich herausstellte, dass Marx sich zunächst geweigert hatte, seine Personalien zu nennen, und die Schutzleute herablassend behandelt hatte.1 Zu internationalen Verwicklungen führte das Kehler Vorgehen gegen Autofahrer, als ausländische Touristen in die »Autofalle« gerieten und sich die Polizeikräfte dabei recht rigoros verhielten. Nachdem ein amerikanischer Kurgast die gerichtliche Entscheidung über zwei Strafmandate in Höhe von jeweils 50 Mark gefordert hatte, wurde er verhaftet. Man nahm Fluchtgefahr an und setzte den Amerikaner zeitweise im 16 km entfernten Gengenbach fest, wo 1 Vgl. AAZ, Jg. 7,1906, Nr. 48, S. 63f.; 1907, Nr. 7, S. 58-62.

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man ihn zur Zahlung von 150 Mark Strafe und Kosten nötigte. Trotzdem zogen die Behörden nach einem Pfändungsbeschluss das betreffende Automobil im Wert von 20.000 Mark für drei Tage ein. Nach einer sich anschließenden Untersuchung wies das badische Justizministerium den Vorwurf der Rechtsbeugung zurück und sprach von Missverständnissen. Auch die AAZ bestätigte die korrekte Anwendung der Gesetze. Ein ausländischer Autofahrer, der ein Strafmandat erhielt, durfte keine Beschwerde einlegen, wollte er nicht Gefahr laufen, bis zur endgültigen gerichtlichen Entscheidung in Haft genommen zu werden. Allerdings wies der Fall einige Ungereimtheiten auf, die auch der Untersuchungsbericht des Justizministeriums nicht entkräften konnte. Der Fluchtverdacht erwuchs erst drei Wochen nach Beantragung der gerichtlichen Entscheidung, und im Haftbefehl war keine Begründung angegeben. Zudem setzte man den angestellten Chauffeur ebenfalls fest, obwohl er keine Strafverfügung erhalten hatte. Später bedachte man auch ihn mit 50 Mark Geldstrafe, obwohl sein Chef gefahren war. Die Pfändung eines 20.000 Mark teuren Automobils zur Sicherstellung von 100 Mark Geldstrafe erschien übertrieben, hätte zumindest aber ausgereicht, um einen Fluchtverdacht auszuschließen. Während der übereifrige Untersuchungsrichter nicht belangt wurde, erhielten die beiden festnehmenden Gendarmen eine schwere Arreststrafe bei Unmöglichkeit weiterer Beförderung. Als Reaktion rief die ausländische Presse zum Boykott Deutschlands auf. So berichtete der »New York Herald« über die »schlagende Ungerechtigkeit der voreingenommenen Behörden«, denen der ausländische Autofahrer schutzlos ausgeliefert wäre. Die »aggressive feindliche Taktik« des Fallenbetriebs in Kehl und Umgebung hätte sich zu einem »öffentlichen Skandal« ausgeweitet. Das Einziehen der Geldstrafen unter Waffengewalt grenzte an Erpressung und wäre eines zivilisierten Volkes unwürdig. Das Verhalten der Polizeikräfte beruhte auf einem weit verbreiteten »blinden Vorurteil« gegen den Autoverkehr, dem »Biereifer« der Beamten und der Böswilligkeit gegenüber Gästen.2 Zu einer Massenbestrafung von Autofahrern kam es am 1. Juli 1906, als der Frankfurter AC eine Clubfahrt nach Kehl unternahm. 27 Strafmandate ä 30 Mark wurden durch den Kehler Gendarmen Krebs gegen die Autofahrer zu Protokoll gebracht. Als der Club im September 1906 eine erneute Fahrt zum Besuch des Süddeutschen AC veranstaltete, spitzten sich die Auseinandersetzungen um die Kehler Straßenzustände weiter zu. An der Fahrt, die bewusst unternommen wurde, um durch die Präsenz zahlreicher Autos die Praxis der Polizeiorgane und den Fallenbetrieb in Kehl bloßzustellen, beteiligten sich unter anderem ein Polizeiinspektor und ein Generalstabsoffizier. Alle Automobilisten erhielten in Kehl ein Strafmandat in Höhe von 50 Mark wegen zu schnellen Fahrens. Eine Eingabe an die badische Regierung führte zur Unter2 Vgl. AAZ, Jg. 7, 1906, Nr. 38, S. 66f.; Nr. 43, S. 62f.; 1907, Nr. 8, S. 59ff.; Nr. 9, S. 62.

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suchung der Vorkommnisse. Die Klage über die rigorose Handhabung der Straßenpolizei in Baden wies man aber als »böswillige Unterstellung« zurück. Dabei stellte man in Baden 1906 auch sämtlichen Teilnehmern einer DMVZuverlässigkeitsfahrt Strafmandate über 50 Mark zu, in denen bereits Strafe, Datum und Zeugen vorgedruckt eingetragen waren.3 Bei den Verhandlungen über die Strafmandate der zweiten Frankfurter Clubfahrt vor dem Schöffengericht Kehl kam das Gericht wiederum zur Verurteilung aller Angeklagten. Außerdem legitimierte es die Kehler Praxis, Hindernisse auf der Straße aufzustellen, um schnellfahrende Autos zum Anhalten zu zwingen. Darüber hinaus wurden nun Anschuldigungen gegen die Teilnehmer der Clubfahrt laut, an die sich verschiedene Beleidigungsklagen anschlossen. Der Kehler Oberamtmann Holderer warf den Autofahrern in einem Leserbrief in der »Frankfurter Zeitung« vor, sie hätten durch rücksichtsloses Verhalten den Gottesdienst gestört und den Gendarmen Krebs beleidigt. Der Autofahrer dürfte nicht im Sinne einer Klassenjustiz über das Gesetz gestellt werden. Die Autopresse befürchtete durch die Ausführungen des Oberamtmanns eine »Aufreizung« sozialdemokratischer Kreise; mehrere Clubmitglieder reichten Klagen ein.4 In einem Beleidigungsverfahren bestätigten Zeugen schließlich, dass das Benehmen der Autofahrer an Landfriedensbruch gegrenzt hätte. Eine alkoholisierte Autoinsassin hätte sich aus dem Wagen erhoben, den Schleier gelüftet und ein junges Mädchen bespuckt und beleidigt. Es wäre nur auf die Friedensliebe der Bevölkerung zurückzufuhren, dass es daraufhin nicht zu Ausschreitungen gekommen sei. Das Gericht schenkte den Aussagen der Zeugen Glauben und sprach das angeklagte Bezirksratsmitglied frei. Dagegen verurteilte das Schöffengericht Kehl Gustav Braunbeck, den Verleger der AAZ und Herausgeber des »Schnauferl« wegen öffentlicher Beleidigung des Gendarmen Krebs, dem er einen Meineid vorgeworfen hatte, zu zwei Wochen Gefängnis. Die Berufungsinstanz in Offenburg blieb bei Urteil und Strafmaß.5 Zur Herkomerfahrt 1907, die auch Kehl berührte, forderte der Planungsausschuss von der badischen Regierung Zusagen, dass die Tourenfahrer unbehel3 Z u r Fahrt der DMV wurde von den badischen Behörden eine Liste aller Teilnehmer angefordert. Nach der Veranstaltung erhielten alle auf der Startliste Verzeichneten Strafmandate wegen zu schnellen Fahrens in Heidelberg, auch jene die ihre Teilnahme abgesagt hatten und sich zum betreffenden Zeitpunkt nicht in Heidelberg aufhielten. Nach Einspruch der D M V wurde ein Teil der Strafmandate zurückgezogen. In den verbleibenden Fällen wurde gerichtliche Entscheidung beantragt. Da die DMV den Behörden die Identität der Teilnehmer nicht preisgab, oblag es der Polizei, tatsächliche Übertretungen zu beweisen. Hierbei ergab sich, dass lediglich vier Kennzeichen notiert worden waren. Der Vorfall hatte durch die Interpellation eines Abgeordneten ein Nachspiel im badischen Parlament. Vgl. AAZ, Jg. 7, 1906, Nr. 33, S. 70; 1907, Nr. 36, S. 61; MW, 1906, S. 1041. 4 Vgl. AAZ, Jg. 7,1906, Nr. 41, S. 61f.; Nr. 43, S. 61f.; Nr. 52, S. 51f. 5 Vgl. AAZ, Jg. 8, 1907, Nr. 5, S. 61; Nr. 28, S. 60.

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ligt blieben. Einige Clubs und Zeitschriften hatten gar für den totalen Boykott Badens durch die Autofahrer plädiert. Erste wirtschaftliche Schädigungen zeigten sich angeblich bereits im Rückgang des Fremdenverkehrs und in Umsatzeinbrüchen der badischen Automobilbranche. Der Gendarm Krebs wurde zwar schließlich in einen abgelegenen Schwarzwaldort versetzt, doch noch 1911 klagten die Automobilzeitschriften über die Kehler Automobilfalle und über das Abstoppverfahren in anderen badischen Gemeinden. 6 Die Kehler Vorgänge des Jahres 1906 und die sich anschließenden Prozesse verdeutlichten die erbitterte Auseinandersetzung, die Autofahrer und Polizisten um die strikte Einhaltung von Verkehrsvorschriften führten. Als drakonisch empfundene Strafen reizten die Autofahrer, so dass es zu einem Fehlverhalten kam, das über die Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit hinausging. Die schikanöse Handhabung bestehender Vorschriften brachte die autokritische Haltung der Wohnbevölkerung zum Ausdruck und setzte die gewalthaften Proteste mit legalen Mitteln fort. Die Motorpresse führte die Anzeigenfreudigkeit der subalternen Dorfpolizisten dabei häufig auf deren soziale Stellung zurück. Für die Autofahrer blieb es unverständlich, dass den beeideten Aussagen der Polizisten mehr Gewicht beigemessen wurde als den Darlegungen von Zeugen, die den Spitzen der Gesellschaft zuzurechnen waren. Auch der Verweis auf die nachgeordnete Stellung der Gendarmen konnte das Vertrauen in den Beamteneid nicht erschüttern.7 Das Vorgehen der Polizei gegen Autofahrer in Baden war keineswegs ein Einzelfall. Beschwerden über ähnliche Zustände gingen der Automobilpresse und den Clubs in großer Zahl aus allen Regionen Deutschlands zu. Insbesondere an den vielbefahrenen Strecken in der Umgebung der Großstädte Berlin, Hamburg, München, Frankfurt und Köln ging die Polizei gegen Geschwindigkeitsübertretungen scharf vor. Zahlreiche Anzeigen erfolgten auch wegen Rauchentwicklung, unterlassener Warnungszeichen und ungenügender Beleuchtung. Eine effektivere Überwachung der Autofahrer erfolgte gleichfalls durch »unvermutete Revisionen« des Kraftfahrzeugverkehrs, die der Reichskanzler 1913 anordnete, da nach Stichproben die missbräuchliche Verwendung von Kennzeichen in »nicht unbeträchtlichem Maße« vermutet wurde. Die meisten Regierungsbezirke Preußens errichteten daraufhin Kontrollstellen, um den Automobilismus von »diskreditierenden schlechten Elementen zu befreien.« Die Autofahrer erboste aber insbesondere, dass sich Polizisten verste6 Vgl. AAZJg, 8,1907, Nr. 1, S. 62; Nr. 4, S. 61; 1911, Nr. 38, S. 46f.; Braunbeck, SchnauferlClub, S. 80. Die »Automobilwelt« wurde für den Boykottaufruf vom badischen Landesverband, der die Verkehrsvereine vertrat, verklagt. Vgl. AAZJg. 8, 1907, Nr. 5, S. 68f. 7 Die Motorpresse interpretierte das behördliche Verhalten zuweilen als ursächlich für gewalthafte Eskalationen und stellte in Bezug auf die badischen Verhältnisse fest: »Aber es ist eine bekannte psychologische Erscheinung, dass der Eifer der Behörden, wenn er zufällig mit der Lust der Masse übereingeht, in diesen Massen zu Ausschreitungen ausartet. Interessante Fälle dieser Art finden wir in den russischen Pogroms.« AW, 1907, Nr. 125, S. 1.

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ckten, um Verkehrssünder aus dem »Hinterhalt« zu protokollieren. Strafmandate gingen den Autofahrern oft erst nach mehreren Wochen zu, so dass der Antritt eines Gegenbeweises erschwert wurde. 8 In den »Autofallen« schritt man in der Regel die Strecke zwischen zwei Bäumen ab, um die benötigte Zeit der vorbeifahrenden Wagen mit der Taschenuhr zu messen. Die Ungenauigkeit dieser Methode erregte schärfsten Protest und trug zur Gründung der »AutoSchutz-Liga« gegen das »moderne Wegelagerertum« bei. Die örtlichen Behörden duldeten offenbar das relativ willkürliche Vorgehen ihrer Unterbeamten und nahmen die zusätzlichen Einnahmen für die Gemeindekasse gerne entgegen. Die verhängten Strafen konnten dabei eine beträchtliche Höhe erreichen. Extreme Autogegner forderten bei Geschwindigkeitsübertretungen gar »grundsätzlich Arreststrafen mit Vermögenseinbußen«. 9 Die Bemessung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit orientierte sich zunächst an der Geschwindigkeit von Pferden und Fuhrwerken. Die Landbevölkerung hatte sich an die Beschleunigung des Straßenverkehrs noch keinesfalls gewöhnt und betrachtete die Automobile als Gefahr, auch wenn sie nach heutigen Maßstäben recht langsam fuhren. Die vielerorts unangemessen geringe Höhe der zulässigen Geschwindigkeit führte zu einer wahren Anzeigenflut, so dass die Behörden zuweilen eine Vernachlässigung der übrigen Aufgaben der Polizeikräfte befürchteten. Geschwindigkeitsübertretungen sollten besser im Vorfeld verhindert werden. Die Notwendigkeit der Bereitstellung von zwei abstoppenden Polizisten konfrontierte die Dienststellen zudem mit erheblicher Personalnot. 10 Als »Selbstschutz gegen unrichtige polizeiliche Denunziationen« empfahl die Motorpresse 1903 einen sogenannten Geschwindigkeitsregistrator. Tachometer gehörten in den Anfangsjahren des Autos keineswegs zur Standardausstattung. Zudem arbeiteten sie ungenau und die Gerichte erkannten die Aufzeichnungen der integrierten Fahrtenschreiber oft nicht als Beweismittel an. Dennoch setzten sich Tachos allmählich als gebräuchliches Zubehör durch, 8 Vgl. KAC an preußischen Innenminister (14. 11. 1908), GStA PK I. HA Rep. 77 tit. 1328 Nr.32gen. Vgl. MF, 1909, S.781; Vertrauliches Rundschreibendes Reichskanzlers (3.6.1913), BA R 1501 Nr. 13948. 9 Vgl .Jung, Automobilenunfug, S. 39; MW, 1908, S. 840. Mit der Verabschiedung des Kraftfahrzeuggesetzes galten abl910 Höchststrafen bis 150 Mark (vorher 60 Mark) oder 6 Wochen Haft (vorher 14 Tage Haft). Außerdem wurde die Möglichkeit des Führerscheinentzugs eingeführt. Die Höhe der Strafen traf vor allem angestellte Chauffeure, da sich Wagenbesitzer zuweilen weigerten, Strafmandate zu begleichen, und sich die Strafen recht undifferenziert gegen Fahrer oder Autobesitzer richteten. Vgl. AAZ, Jg. 8, 1907, Nr. 42, S. 58f. 10 Vgl. Regierungspräsident Coblenz an Minister des Innern (14.4.1913), GstA PKI. HA Rep. 77 tit. 1712 Nr. 16a. Während in Chemnitz die zulässige Geschwindigkeit eines Autos 1899, »diejenige eines mässig trabenden Pferdes« war, wurde in Mannheim das Tempo bereits modern definiert und innerorts auf 6 km/h festgesetzt. Oft schrieb man aber willkürlich Schrittgeschwindigkeit vor. Vgl. Automobile, 1899, Nr. 6, S. 76; Kölner AC an Bundesrat (14.11.1909), BA R 3001 Nr. 7073, Blatt 85.

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da ihr Vorhandensein die Möglichkeit eröffnete, im Falle einer Gerichtsverhandlung auf ihre genaue Beobachtung zu verweisen, und das Einhalten des Tempolimits zu beschwören. Neben der technischen Aufrüstung konnte auf kritischen Wegstrecken besonders vorsichtig gefahren werden, um Strafmandate zu vermeiden. Die Automobilzeitschriften veröffentlichten zu diesem Zweck regelmäßig Warnungen vor den zahlreichen Automobilfallen. Dies hatte den Nebeneffekt, dass die Autofahrer die betreffenden Orte, soweit möglich, mieden, wodurch wirtschaftliche Schädigungen eintreten konnten. Das einfachste Mittel, ein Strafmandate zu umgehen, bestand aber darin, falls man eine polizeiliche Überwachung rechtzeitig bemerkt hatte, innerhalb der Stoppstrecke anzuhalten, um die Berechnung einer Durchschnittsgeschwindigkeit zu erschweren.11 Die »Deutsche Auto-Liga« machte es sich zur Aufgabe, die polizeiliche Uberwachung des Autoverkehrs ihrerseits zu überwachen. Mitarbeiter der Organisation warnten verschiedentlich nahende Autofahrer vor Stoppstrecken durch das Schwenken weißer Flaggen.12 Oft reagierten Autofahrer bei Erhalt eines Strafmandats auch mit einem Antrag auf gerichtliche Entscheidung. Selten konnten dabei allerdings durch die Hinzuziehung unabhängiger Sachverständiger Freisprüche erreicht werden. Wenn festgestellt wurde, dass das betreffende Auto aufgrund technischer Gegebenheiten nicht in der Lage war, die angeblich gemessenen Geschwindigkeiten zu erreichen, bestanden die besten Erfolgsaussichten. Meist diente das Einlegen eines Widerspruchs jedoch dazu, den betreffenden Gemeinden Strafgelder zu entziehen, da im Fall einer gerichtlichen Verurteilung die Gelder der Staatskasse zuflössen.13 1908 benannten bei einer Besprechung im Reichsamt des Innern 15 von 35 Firmen der Automobilindustrie die strengen polizeilichen Vorschriften und die Höhe der Strafmandate als Ursachen für die Krise ihrer Branche. Man reagierte umgehend: Im Juli 1909 erklärten die zuständigen preußischen Ministerien in einem Erlass an die nachgeordneten Behörden, dass das versteckte Protokollieren von Autos den Amtspflichten preußischer Polizisten widerspräche. Uber11 Der Landrat von Koblenz ging 1908 gegen eine sogenannte »Straßenverbotskarte« gerichtlich vor. Die Staatsanwaltschaft Frankfurt lehnte eine Verurteilung wegen angeblicher Beleidigung der Polizeiorgane als »Automobilfallen« bezeichneter Ortejedoch ab. Vgl. A A Z J g . 7,1906, N r . 46, S. 92; 1908, N r . 41, S. 45f.; Z M M , 1903, N r . 6, S. 157f. 12 Dieses Vorgehen wurde von den Behörden nicht akzeptiert. N o c h 1925 wurde ein Autofahrer wegen Beamtenbeleidigung angeklagt, weil er versucht hatte, einen preußischen Gendarmen in einer Autofalle zu fotografieren. 1913 verurteilte man dagegen Mitglieder des Norddeutschen A C , die vor einer Autofalle in Oldeslohe mit beschrifteten Schildern gewarnt hatten, wegen Pressevergehens und Sonntagsentheiligung. Vgl. AAZ, J g . 10, 1909, N r . 37, S. 43; 1913, N r . 8, S. 10; 1927, N r . 11, S. 21f. 13 Die Aufteilung der Strafgelder unter Gemeinden, Landkreisen und der Staatskasse war uneinheitlich geregelt. In Bayern gingen Strafgelder auch ohne Gerichtsverhandlung an die Staatskasse. In Bremen wurde der Gemeinde das Strafgeld auch dann entzogen, wenn der Einspruch vor der mündlichen Verhandlung zurückgezogen wurde. Vgl. AAZ, Jg. 10, 1909, N r . 34, S. 46f.

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tretungen müssten durch präventive Warnungen vermieden werden. Die Exekutivbeamten sollten daher Autofahrer im Ubertretungsfalle durch geeignete Signale warnen und zum Anhalten auffordern. Das versteckte Protokollieren konnte dadurch aber nie gänzlich unterbunden werden.14 Trotz einzelner autofreundlicher Gegenstimmen änderte sich an der alltäglichen Uberwachungspraxis bis zum Ersten Weltkrieg wenig. Auch in den zwanziger Jahren tadelten Automobilzeitschriften und übergeordnete Behörden des öfteren das verkehrsfeindliche Verhalten der Polizeibeamten. Der »vexatorisch, unmoralische« Charakter von Autofallen, in die auch der vorsichtige Fahrer hineinfallen musste, sowie die unverhältnismäßig hohen Strafen blieben im Zentrum der Kritik. Dabei lag die Vermutung nahe, dass das rigide Vorgehen gegen Geschwindigkeitsübertretungen lediglich der Aufbesserung der Gemeindekassen diente. Der ADAC beschwerte sich daher 1927 über die konstant hohe Zahl der Polizeistrafen und forderte eine Abfuhrung aller Strafgelder an den Staatsfiskus. Eine Vielzahl an Strafmandaten werde bewusst in geringer Höhe ausgestellt, um eine gerichtliche Entscheidung zu vermeiden, und somit die Gemeindekassen zu füllen. Der preußische Innenminister verordnete seinen Beamten zwar Verkehrsfreundlichkeit, wandte sich in seiner Stellungnahme aber weiterhin vor allem gegen Übertretungen seitens der Autofahrer.15 In den späten zwanziger Jahren galt für viele Lokalbehörden weiterhin die Richtlinie, schnellfahrende Autofahrer unnachsichtig zu bestrafen, auch wenn sie sich dafür zunehmend bei vorgesetzten Stellen wegen vermeintlicher Verkehrsfeindlichkeit rechtfertigen mussten. Nachgeordnete Stellen machten entgegen den ergangenen Weisungen oft keine Unterschiede zwischen Formaldelikten und tatsächlichen Verkehrsgefährdungen. In der Beurteilung der Handlungsweise von Polizeibeamten ist aber auch zu berücksichtigen, dass das Beförderungssystem den Schutzmann dazu veranlasste, möglichst viele Anzeigen zu schreiben, anstatt mit Ermahnungen eine Besserung der Verhältnisse zu erreichen. Damit trafen in der polizeilichen Observanz über den Autoverkehr nicht nur unterschiedliche Sozialschichten, sondern auch gegensätzliche Interessenlagen aufeinander. Das Auftreten der Schutzleute war nicht geeignet, bei den Autofahrern, die sich zunächst meist aus adligen und großbürgerlichen Schichten rekrutierten, das nötige Einverständnis im Straßenverkehr zu schaffen, sondern beförderte einen Konfrontationskurs.16 14 Vgl. Protokoll der Besprechung über Produktionserhebungen in der Automobilindustrie (12. 9. 1908), BA R 1501 Nr. 13927a; GStA PK I. HA Rep. 77 tit. 1328 Nr. 32spez„ Bd 1; Nr. 32gen.; AAZ, Jg. 11, 1910, Nr. 29, S. 46f. 15 Vgl. Preußischer Innenminister an ADAC (4.8.1927), GstAPKI. HARep. 77 tit. 1712Nr. 16a; AAZ, Jg. 26,1927, Nr. 16, S. 19f.; 1926, Nr. 25, S. 15. 16 »Sagen wir es doch ganz offen: Der Schutzmann wird gehasst. Und selbst ganz einsichtige Männer verfallen gelegentlich ein wenig in den Blaukoller. Der Automobilist erst recht, der hält diesen Hass fur ebenso erforderlich wie Benzin; der Schutzmann erscheint ihm als geschworener Feind, der ihn in die Autofalle locken will. Ist dieser Hass berechtigt ? - J a ! « AW, 1903, S. 122. Vgl.

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Nach dem Ersten Weltkrieg setzten sich aber strengere Anforderungen an das Vorgehen der Polizeibeamten durch. In den Anfangsjahren der Weimarer Republik war die Zeitnahme mit nur einer Stoppuhr zwar noch zulässig, wurde von den Gerichten aber immer häufiger als unzureichend bewertet. So stellte ein unabhängiges Gutachten des »Dampfkessel-Uberwachungs-Vereins Dortmund« von 1924 fest, dass das Abstoppverfahren nur dann einigermaßen zuverlässig wäre, wenn die Stoppstrecke mindestens 300 Meter betrage und zwei Beamte mit Stoppuhren daran teilnahmen. In Berlin stellte man bei Handstoppuhren Schätzungsfehler bis zu fünf Prozent fest. Autofahrer kamen daher seit 1924, bei einer zulässigen Höchstgeschwindigkeit von 30 km/h, erst ab 40 km/h zur Anzeige.17 Bestrebungen, die Polizeibeamten dem Stand der Technik gemäß auszurüsten, stießen zunächst auf finanziell bedingte Widerstände. Da in manchen Gegenden die Straßenverhältnisse durch Raserei unhaltbar zu werden drohten, setzte sich schließlich die Einsicht durch, die Polizeibeamten wenigstens mit Stoppuhren auszustatten. 18 Die Einstellung von Polizei und Behörden zum Kraftfahrzeugverkehr änderte sich später auch, da sie zunehmend selbst das Auto nutzten. Dies war durchaus im Sinne der zuständigen Ministerialbürokratie, die den Schutzleuten eine verkehrsfördernde Funktion zuwies und an der Vereinheitlichung der zahlreichen Polizeiverordnungen arbeitete. Ab 1930 eingesetzte motorisierte Landstraßenpolizeistreifen sollten weniger Verkehrsverstöße der Autofahrer anzeigen, als vielmehr ermahnend wirken sowie die Wegeunterhaltungspflichtigen und Dorfkinder über Verkehrsgefahren belehren. Doch während übergeordnete Behörden die Bedeutung des Kraftfahrzeugs für die wirtschaftliche Entwicklung erkannten und bemüht waren, hemmende Einflüsse zurückzudrängen, gingen örtliche Polizeikräfte weiterhin rigoros gegen Autofahrer vor. Durch mehrere Erlasse wies der preußische Innenminister daher die nachgeordneten Behörden in den zwanziger Jahren an, jede schikanöse Anwendung polizeilicher Vorschriften zu unterlassen. 1928 stellte er schließlich Richtlinien über den Erlass polizeilicher Strafverfügungen auf, die bemerkten, dass die Ortspolizeibehörden immer noch zu oft und zu hoch straften. Bei erstmaligen Übertretungen wäre, sofern es sich nicht um grobe Fahrlässigkeiten oder mutwillige Gefährdungen handelte, von einer Strafe abzusehen und stattdessen mit taktvollen Verwarnungen zu reagieren. Dass selbst der preußische Ministerpräsident in eine Autofalle geriet und sich Verkehrswacht O s t p r e u ß e n an preußischen Innenminister (25.10.1928), GStA P K I. H A Rep. 77, tit. 1328 N r . 41, Bd. 1. 17 Vgl. Das Motorfahrzeug, Jg. 1, 1924, N r . 16/17, S. 9; M W , 1922, S. 626; 1924, S. 604; Autorechtliche R u n d s c h a u , 1929, N r . 4, S. 4f.; Müller, Automobil-Lexikon, S. 163. 18 Vgl. C h e f der Landgendarmerie an U . R . der 12. Brigade, Danzig (3. 7. 1908), GStA PK I. H A Rep. 77 tit. 1712 N r . 16a; Regierungspräsident C o b l e n z an Minister des I n n e r n (14. 4. 1913), GStA P K I. H A Rep. 77 tit. 1712 N r . 16a.

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unter Berufung auf moderne Verkehrserfordernisse über das erhaltene Strafmandat beschwerte, machte die wachsende behördliche Anerkennung des Kraftfahrzeugs offenbar.19 Die veränderte Einstellung der Behörden zu den Strafverfügungen schlug sich Ende der zwanziger Jahre auch im statistischen Material nieder: Während 1925 noch 52550 Strafmandate in Berlin verteilt wurden, sank ihre Zahl bis 1930 auf28940. Trotzdem sah der ADAC weiterhin »die Demoralisierung des Verhältnisses weiter Bürgerkreise zur Obrigkeit« in der Polizeipraxis begründet. Der Club verteilte an über 150 Polizeidirektionen vorgedruckte Verwarnungszettel, die den Autofahrern Strafbefehle ersparen sollten. Schließlich konnte festgestellt werden, dass 90 Prozent der Autofallen verschwunden waren. Nur noch vereinzelt monierte man, dass Amtsvorsteher aus »Autohass« Fallen betrieben, die geeignet seien, das Rechts- und Staatsbewusstsein der Autofahrer zu untergraben.20 Die polizeiliche Überwachung des Autoverkehrs fügte sich in die allgemeine Tendenz zur beruflichen Spezialisierung ein, die eine verbesserte Ausbildung nach sich zog. Seit der letzten Dekade des 19. Jahrhunderts übernahmen Polizeikräfte zusätzliche Wohlfahrtsaufgaben. Im Verkehrsbereich traten die volkspädagogischen Aufgaben der Polizei jedoch erst nach dem Ersten Weltkrieg stärker in den Vordergrund. Bei Eingriffen in den Autoverkehr war im Gegensatz zu anderen Interventionsbereichen aber keine einseitige Orientierung an den Bedürfnissen der gesellschaftlich fuhrenden Schicht zu beobachten. Der »repressive Zugriff« richtete hier gerade gegen eine »parteiliche, allgemeinverbindliche Festschreibung bürgerlicher Verhaltensmuster«, um die Straße auch fur die unmotorisierte Bevölkerungsmehrheit befahrbar zu halten. Die Rechtsunsicherheit, in der sich der frühe Automobilismus bewegte, begünstigte die einschränkenden Maßnahmen lokaler Behörden. Vielfach unterstellte man den Beamten Pedanterie in der Auslegung von Verkehrsvorschriften. Die Erklärung, die Geschwindigkeitskontrollen wären auf ein autoritäres 19 Das Strafmandat wurde schließlich zurückgezogen. Auch der Normalbürger hatte in den zwanziger Jahren bei Einreichen eines Gnadengesuches keine geringen Erfolgsaussichten. Allen zwischen Juli und November 1926 im Regierungsbezirk Düsseldorf eingegangenen elfGnadengesuchen wurde stattgegeben. Vgl. Preußischer Ministerpräsident an Minister des Innern (6. 4. 1927), GStA PK I. HA Rep. 77 tit. 1328 Nr. 32spez., Bd. 4; Nachweis der eingegangenen Anträge auf gnadenweisen Erlass von Polizeistrafen (21.3.1927), ebd.; Preußischer Innenminister an Polizeipräsident Berlin, Regierungspräsidenten u. Oberpräsidenten (20. 1. 1921), GStA PK I. HA Rep. 77 tit. 1328 Nr. 32gen.; Kraft und Verkehr J g . 2,1926, Nr. 1-2, S. 1-4; AAZ, Jg. 30,1929, Nr. 3, S. 9—11; 1930, Nr. 14, S. 13-16; Regierungspräsident Arnsberg an preußischen Innenminister (22.11. 1926), GStA PK I. HA Rep. 77 tit. 1328 Nr. 32spez„ Bd. 3; Verkehrswarte, 1929, Nr. 3, S. 49f. 20 1931 wurde in Preußen die Chausseepolizei in Ortspolizeibezirken unter 5000Einwohnern generell den Kreispolizeibehörden (Landratsämtern) unterstellt, wovon man sich eine liberale Fallenpolitik versprach. Vgl. AAZ, Jg. 29,1928, Nr. 52, S. l l f . ; 1931, Nr. 33, S. 5; Nr. 51/52, S. 6; ADAC-Motorwelt, 1930, Nr. 40, S. 26; Amtl. Mitteilungen des ADAC, 1932, Nr. 11, S. 1.

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Gesellschaftsverständnis der kleinbürgerlichen Polizisten zurückzuführen, grifFjedoch zu kurz. Vielmehr entwickelten sich die Landpolizisten zu Gegnern des Autos, indem sie den Unmut der Bevölkerung über den motorisierten Straßenverkehr aufnahmen und in ihre Handlungsmöglichkeiten übersetzten. Dazu stand eine verhältnismäßig geringe Zahl von Polizeikräften zur Verfügung: Während 1924 in London 7100 Beamte denVerkehr überwachten, waren es in Berlin nur 220. In Großstädten, wo die Sicherheitslage traditionell angespannt war, hatten Polizeibeamte es zudem schwer, sich gegen wilde Autofahrer und das protestbereite Publikum zu behaupten.21

b) Pflasterzölle, Straßensperrungen und Sonntagsfahrverbote

Eine Möglichkeit zur Eindämmung des Autoverkehrs, die außerdem der Aufbesserung öffentlicher Einnahmen diente, sahen zahlreiche Gemeinden in der Erhebung von Straßenbenutzungsgebühren. Die Höhe dieser Chausseegelder richtete sich in Preußen nach dem Chausseegeld-Tarif von 1840 und bezog sich zunächst naturgemäß allein auf Pferdefuhrwerke. Im Jahr 1900 senkte sich jedoch erstmals ein Schlagbaum, um einen Autofahrer zur Entrichtung von zehn Pfennig Chausseegeld an einer der wenigen verbliebenen Hebestellen in der Umgebung Berlins zu zwingen. Eine ministerielle Weisung legalisierte diese Praxis im Juni 1904 nachträglich.22 Das Chausseegeld berechnete sich meist nach Anzahl der Sitzplätze und bewegte sich zwischen zehn und 20 Pfennigen. Bei Verweigerung der Zahlung konnte eine Strafe bis zu 150 Mark wegen Hinterziehung eintreten. Schwerwiegender war aber, dass es an den Hebestellen gelegentlich zu Auseinandersetzungen mit den Autofahrern kam, die weniger die Höhe der zu entrichtenden Beträge als vielmehr den Zwangsaufenthalt monierten. Auch klagten sie zuweilen über das unkooperative Verhalten der Chausseegeldeinnehmer, die oft erst kurz vor Eintreffen der Autos die Schlagbäume schlossen, wodurch eine erhebliche Unfallgefahr entstehen konnte. Die Motorpresse sprach gar von verbrecherischer Leichtsinnigkeit und grober Fahrlässigkeit der Chausseegeldpächter und forderte deren strenge Bestrafung sowie die nächtliche Beleuchtung der Barrieren.23 21 Jessen, S. 157-180; Vgl. GStA PK I. HA Rep. 77 tit. 437 Nr. 43, Beih. 1, Blatt 299; Niederschrift über die Sitzung des Beirats für das Kraftfahrwesen (16. 12. 1924), BA R 1501 Nr. 14144. 22 Da die Chausseegeldpflicht auf einer gesetzlichen Grundlage beruhte, die sich auf Fuhrwerke bezog, konnten einige Autofahrer in Musterprozessen um Zahlungsverweigerungen juristische Erfolge verbuchen. Vgl. MW, 1900, S. 253; 1901, S. 202; 1905, S. 679. 23 Vgl. Z M M , 1905, S. 383; AW, 1905, Nr. 45, S. 1998. Den Chausseegeldempfängern war

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Größere Ausmaße nahm die Erhebung von Wegegeldern für Kraftfahrzeuge in Bayern an, wo zahlreiche Gemeinden die sogenannten »Pflasterzölle« reaktivierten. Hatten bis 1903 lediglich sechs Städte Pflasterzölle eingeführt, stieg die Zahl der Zollpioniere bis zum November 1910 auf 179. Bis zum Sommer 1911 konnte durch verstärkte Agitation der Automobilverbände zwar ein zeitweiliger Rückgang auf 158 Zollgemeinden erreicht werden, ihre Zahl wuchs danach jedoch wieder rasch an und erreichte 1917 mit 218 ihren Höchststand. In der Weimarer Zeit spielte die Erhebung von Wegegeldern keine Rolle mehr.24 Die größeren Städte erkannten recht bald die negativen Wirkungen der Zollerhebung und verzichteten auf die Wegegelder. Nürnberg erhob ab 1910 keinen Pflasterzoll mehr bei durchfahrenden Autos. Einheimische Autofahrer hatten einen jährlichen Pauschalbetrag von 30 Mark zu entrichten. In Regensburg wurden bereits seit 1908 von den Automobilverbänden Abfindungen in Form einer Zollpacht gezahlt, um den lästigen Halt an den Hebestellen zu vermeiden. Kleinere Gemeinden hielten dagegen an den Wegegeldern fest. Uber die Hälfte der Pflasterzoll erhebenden Gemeinden hatten 1913 weniger als 2.000 Einwohner, 86 Prozent bis zu 5.000 Einwohnern. Lediglich acht Städte über 10.000 Einwohner erhoben von durchfahrenden Autos Wegeabgaben, wobei H o f mit über 40.000 Einwohnern die größte zollfordernde Stadt war. Geographisch konzentrierten sich die Pflasterzollorte auf Nordbayern. Insbesondere in der fränkischen Umgebung Nürnbergs und im Fichtelgebirge sowie in der nördlichen Oberpfalz traten Häufungen auf, während im touristisch stark frequentierten Alpenvorland Pflasterzollorte die Ausnahme blieben.25 Als besonders ungerecht empfanden es die Autofahrer, wenn nur für Fahrzeuge mit Luftbereifung Pflasterzoll zu entrichten war. Bereits 1903 riefen Autointeressenten daher zum Boykott der betreffenden Gemeinden auf, um mögliche Gewinne aus dem Fremdenverkehr zu schmälern. Dabei war die rechtliche Zulässigkeit der gemeindlichen Zollerhebung zunächst unklar. Nach den Regelungen des Deutschen Zollvereins galten auch in Bayern die Wegeabgaben des preußischen Chausseegeldtarifs. Stets war zudem die ministerielle Zustimmung zur Einfuhrung einer Erhebung notwendig. Nach Angrößte Zurückhaltung geboten, hieß es doch in ihrer Dienstanweisung von 1850: »Dem Chausseegeldempfänger liegen für seine Dienstführung und sein Privatleben, neben den besonderen Pflichten eines Kassenbeamten, die allgemeinen Dienstpflichten ob. In seinem amtlichen Berührungen mit dem Publikum muß er Anstand und Ruhe beobachten, auch wenn er gereizt werden sollte.« Dienstanweisung für Chausseegeldempfänger (16.12.1850), GStA PK I. HA Rep. 93B Nr. 2794. 24 Nürnberg, Erlangen, Lauf, Fürth, Kitzingen und Münchberg gingen bei Erschließung der Einnahmequelle voran. Vgl. AW, 1903, Nr. 16, S. 379; AAZ, Jg. 9, 1908, Nr. 40, S. 48; 1911, Nr. 7. S. 51; Nr. 25, S. 63; MF, 1917, Nr. 20, S. 5 - 1 1 ; Horras, S.299. 25 Als erste Stadt hob Weiden 1911 alle Pflasterzölle auf, auch jene für Pferdefuhrwerke. Vgl. AAZ, Jg. 10, 1909, Nr. 37, S. 34f.; 1910, Nr. 11, S. 51f.; 1911, Nr. 47, S. 52; 1913, Nr. 4, S. 24.

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sieht der Autointeressenten dienten Pflasterzölle ohnehin vielerorts der Sanierung der Gemeindekassen und nicht der Pflasterung von Straßen zur Staubbekämpfung. Dies zeigte sich daran, dass auch Zölle in Orten ohne jegliches Straßenpflaster erhoben wurden. Erschwerend kam hinzu, dass die Gerichte den Pflasterzoll als »Bringschuld« begriffen. Die Autofahrer hatten sich, auch wenn die Zollstelle an Durchgangsstraßen nicht sichtbar war, zu erkundigen, ob in dem betreffenden Ort Pflasterzoll erhoben wurde, und mussten gegebenenfalls das Zollhaus auch in Seitenstraßen aufsuchen. Einige Autofahrer weigerten sich daher, Pflasterzölle überhaupt zu entrichten. Sie beschleunigten ihr Fahrzeug trotz Hinweistafeln und Anruf des Pächters, wie sich ein Stadtmagistrat 1903 beschwerte. Er appellierte an das »Ehrgefühl« der wohlhabenden Autofahrer, da es wenig ruhmvoll wäre, »den in ärmlichen Verhältnissen lebenden Pflasterzollpächter«, um einen nicht nennenswerten Betrag zu prellen.26 Der Deutsche Touring-Club richtete 1909 eine Eingabe an die bayerische Regierung, die wegen erheblicher Belästigungen des öffentlichen Verkehrs und der Schädigung des Fremdenverkehrs ein Verbot der Zollerhebung forderte. Kraftfahrende Arzte erhoben in Pflasterzollorten einen Zuschlag auf ihre Dienste, Autoclubs demonstrierten auf Clubfahrten den Boykott, indem sie nur in pflasterzollfreien Orten einkehrten. Auf dem Höhepunkt der Boykottbewegung gingen autofahrende Industrielle so weit, Zulieferern aus Zollorten Aufträge zu entziehen, bis die Orte auf eine Erhebung verzichteten. Auf Initiative der DMV versammelten sich schließlich im November 1910 bei Landsberg am Lech Vertreter der Automobilverbände zu einer Protestversammlung gegen den Pflasterzoll, da sie wegen dessen Ausweitung eine Abnahme der Pkw-Zulassungszahlen befürchteten. Tatsächlich blieb der Pkw-Bestand zwischen 1910 und 1911 in Bayern konstant, während er in allen anderen Bundesstaaten weiter zunahm. Der Boykottaufruf wurde nun auf ganz Bayern ausgedehnt, um Reaktionen der Staatsregierung zu bewirken.27 Der bayerischen Regierung warf man vor, dass sie erst eingreifen wollte, wenn der »Widerwille der ländlichen Bevölkerung« gegen das Auto abgenommen hätte, und sich daher auf die Selbstverwaltung der Gemeinden berief Auch der neu eingerichtete Fremdenverkehrsrat erkannte im Januar 1911 die 26 Vgl. A A Z J g . 4, 1903, Nr. 25, S. 7. Über die Hinterziehung von Pflastergeld berichtete ein Automobilpionier anlässlich einer Tour durch den Thüringer Wald: »Da man von uns, ob berechtigter oder unberechtigter Weise, kann ich nicht sagen, immer Steuer erhob, und die Sache langweiligwurde, zogen wir es vor, sobald ein Schlagbaum in Sicht war, unser T e m p o zu beschleunigen und in schärfster Fahrt, z u m Ärger der Leute, an der Einnahmestelle vorbei zu fahren.« Vogel, Schule, S. 149. Andererseits erhoben Zollpächter zuweilen Pflasterzoll von Autos, obwohl derselbe in den betreffenden Orten lediglich für Pferdefuhrwerke galt. Vgl. A A Z J g . 8,1907, Nr. 30, S. 61; Nr. 41, S. 61; 1908, N r . 6, S. 55; 1910, Nr. 4, S. 45; Nr. 29, S. 50f. 27 Vgl. MW, 1909, S. 138f.;AAZJg. 11,1910, Nr. 29, S. 50f.; 1911, Nr. 5, S. 39; Nr. 36, S. 53f.; Statistisches Jahrbuch, 1910, S. 121; 1911, S. 163.

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Schädlichkeit des Zolls und stellte fest, dass Boykottaufrufe ausländischer Organisationen seine Bemühungen zur Hebung des Fremdenverkehrs konterkarierten. Im April 1911 lud die DMV zu einer erneuten Pflasterzollversammlung nach München ein und forderte dort energisch das Einschreiten der zuständigen Ministerien. Dagegen verlangten Gemeindevertreter beim Fortfallen des Pflasterzolls staatliche Zuschüsse zur Wegeunterhaltung. Außerdem betonten sie, dass Zollstationen das Tempo der Autofahrer reduzierten und die Belästigung der Bevölkerung minderten. Da die Gemeinden den Großteil ihrer Einnahmen aus dem Pflasterzoll den bespannten Fuhrwerken verdankten, wiesen sie den Vorwurf der Autofeindlichkeit zurück. Die Gemeindevertreter betonten weiter, dass es gerechtfertigt wäre, Zoll auf die Benutzung des Luxusartikels Auto zu erheben, wenn gar die Benutzung der Wege durch Sackkarren besteuert werde. Die massiven Boykottaufrufe in der Autopresse waren aber teilweise erfolgreich, da einige Gemeinden aus Angst vor wirtschaftlichen Einbußen, den Pflasterzoll bald wieder aufhoben. Andere Orte führten ihn dagegen bewusst ein, um Autofahrer fernzuhalten. Auf manchen Routen summierten sich die Kosten durch dieses Vorgehen so dramatisch, dass die Wegeabgaben für den Autofahrer die Höhe einer Bahnfahrkarte fur die gleiche Strecke erreichten.28 Das bayerische Beispiel animierte vom Autoverkehr geplagte Gemeinden in anderen Bundesstaaten. Bei einer Revision des Chausseegeldtarifs bezog 1911 auch Sachsen-Coburg-Gotha Kraftfahrzeuge ein. Nach konservativen und sozialdemokratischen Anträgen setzte die Regierung schließlich die Pauschalbesteuerung der einheimischen Autofahrer und eine Abgabe für auswärtige Autos durch. Wegen Formulierungsfehlern war diese »Sonderbesteuerung« jedoch anfechtbar. Der ADAC empfahl seinen Mitgliedern bis zur endgültigen Entscheidung die Umfahrung des betreffenden Gebiets. Schließlich werde man nirgends mehr als im Gothaischen durch »unflätige Zurufe, durch nichtausweichende Kutscher und durch Steinwürfe« belästigt. Unter der Bevölkerung herrschte ein äußerst »automobilfeindlicher Ton«29 Das machte den Zusammenhang zwischen Zollerhebung und Autofeindschaft der Wohnbevölkerung deutlich. Verschafften jene ihrem Unmut durch Steinwürfe und Verkehrsbehinderungen aller Art Luft, bemühten sich die Gemeindeverwaltungen, die Protesthaltung der Landbevölkerung durch administratives Handeln zu exekutieren. Hinzu kamen die für die Gemeindekasse spürbaren Folgen des Autoverkehrs. Der motorisierte Verkehr belastete die Landstraßen stark, so dass zusätzliche finanzielle Mittel zu beschaffen waren, um eine Instandhaltung zu gewährleisten. Da es hierfür in den Haushalten keine Sonder28 Vgl. AAZ, Jg. 12, 1911, Nr. 14, S. 33-35; Nr. 15, S. 46-50; Nr. 42, S. 82-84. 29 Vgl. AAZ, Jg. 11,1910, Nr. 32, S. 10; 1911, Nr. 14, S. 36; Nr. 19, S. 48; MF, 1912, Nr. 20, S. 548; 1914, Nr. 28, S. 7.

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posten gab, mussten alte Vorschriften per Erlass den geänderten Bedingungen angepasst werden. Das radikalste Mittel der Gemeinden, ihren Unmut über die wachsende Zahl der Autos zum Ausdruck zu bringen, war die Sperrung einzelner Straßen für den motorisierten Verkehr. 1903 sperrten Leipzig und Breslau als erste größere Städte Straßen gänzlich für den Autoverkehr, was die Automobilverbände auf die Autofeindlichkeit der örtlichen Bevölkerungen zurückführten. 150 Autofahrer protestierten in einer Resolution an die Stadt gegen das Leipziger Autofahrverbot, das sowohl Waldwege als auch Hauptverkehrsstraßen betraf Eine erneute Eingabe des Leipziger AC zur Freigabe der Waldwege in der Umgebung der Stadt scheiterte 1905 wiederum am negativen Votum des Stadtrats.30 Im Preußischen Abgeordnetenhaus schlug man 1903 gar ein generelles Autoverbot auf Straßen unter einer Breite von sechs Metern vor. Doch hatten die Autofahrer in der Regel gute Chancen, bei begründetem Einspruch fragwürdige Verkehrsverbote rückgängig zu machen. 1904 erreichte der DAC beispielsweise durch Verhandlungen mit dem Polizeipräsidium die Zurücknahme von einem Drittel der Straßensperrungen in Wiesbaden.31 Auch drohten Gemeinden Straßensperrungen zuweilen nur an, um durch die Vermittlung der Verbände eine Verhaltensänderung bei rücksichtslosen Autofahrern zu bewirken. So reagierte das Bezirksamt Berchtesgaden 1904 auf Klagen von Wohnbevölkerung und Fremdenpublikum und bat die automobilistischen Interessenvertreter, auf die Autofahrer einzuwirken, um durch Minderung des Tempos in dem schwierigen Terrain, die Sperrung größerer Straßenabschnitte des Bezirks abzuwenden.32 Ortspolizeibehörden hatten zunächst das Recht, Straßen eigenmächtig für den Automobilverkehr zu sperren. Dadurch wurde der Autoverkehr in manchen Gegenden erheblich beeinträchtigt. Die Sperrungen waren oft nicht auf tatsächliche Sicherheitserfordernisse zurückzuführen, sondern entsprangen dem Partikularinteresse örtlicher Honoratioren. Ubergeordnete Behörden gingen aber durchaus gegen willkürliche Maßnahmen vor und bemühten sich, »übereifrige Polizeiexekutivbeamte« von »allzu kleinlichen Maßnahmen« abzuhalten. Nach Beschwerden der Autofahrer wies man die Ortspolizeibehörden in Preußen 1909 an, den KAC von Straßensperrungen zu unterrichten. Die Bundesratsbestimmungen von 1910, die nur den höheren Verwaltungsbehörden erlaubten, Durchgangsstraßen für den Autoverkehr zu sperren, 30 Vgl. AW, 1903, Nr. 21, S. 502; Nr. 33, S. 806; 1905, Nr. 25, S. 1020; Zeitschrift für Automobilen-Industrie, Jg. 7,1903, Nr. 11, S. 154. 31 Vgl. Zeitschrift für Automobilen-Industrie, Jg. 7, 1903, Nr. 5, S. 60; MW, 1904, S. 148. 32 Eine ähnliche Strategie verfolgten 1908 die Behörden im Harz, als sie eine erneute Sperrung der stark frequentierten Okertalstrasse androhten. Vgl. AAZ, Jg. 9, 1908, Nr. 43, S. 44; Z M M , 1904, Nr. 16, S. 324.

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schränkten die Befugnisse der Ortsbehörden schließlich stark ein. In Bayern erklärte ein Ministerialerlass im Anschluss an die Bundesratsverordnung nochmals ausdrücklich, dass Durchgangsstraßen nur aufWeisung des Innenministeriums gesperrt werden könnten. Jeder Ort sollte per Auto erreichbar bleiben. Betroffenen Gemeinden blieb die Möglichkeit, sich hilfesuchend an vorgesetzte Stellen zu wenden, wenn sie die Straßenverhältnisse durch den Autoverkehr übermäßig beeinträchtigt sahen. 33 N o c h in den zwanziger Jahren agierten Gemeindevertreter bei Straßensperrungen aber oft ohne Zustimmung der übergeordneten Behörden, obwohl diese zuweilen selbst eine fürsorgliche Schutzfunktion fur die unmotorisierte Bevölkerung einnahmen. So lehnte die Berliner Deputation für das Siedlungsund Wohnungswesen 1926 die Freigabe der Havelchaussee für den Autoverkehr ab, da den Ausflüglern in Wannsee die Belästigungen durch lärmende Motoren und übelriechende Betriebsstoffe nicht zugemutet werden könnten. 1929 widersprach der Magistrat einer Öffnung der belebten Straße nach einer Eingabe des M M V erneut: Eine derartige Maßnahme zöge die »schwere Benachteiligung des erholungssuchenden Publikums durch Gas, Staub, Lärm und Gefahr« nach sich. 34 Derartige Vollsperrungen blieben Ausnahmen. Die Wegeunterhaltungspflichtigen beeinträchtigten den motorisierten Straßenverkehr dagegen häufiger durch die Anwendung traditioneller Straßenbautechnik bei partiellen Sperrungen. U m die Straßenoberfläche zu schützen, veranlassten die Bauverwaltungen auf neu chaussierten Abschnitten die zeitweise Belegung einer Straßenseite mit Steinen. Die relativ hohen Pferdefuhrwerke konnten mühelos 33 1911 klagten mehrere Orte im Riesengebirge darüber, dass Benzingeruch und dichte Staubwolken, laute Geräusche und Straßenschmutz Gäste davon abhielten, die Luftkurorte zu besuchen. Sie petitionierten an den zuständigen Landrat, den Autoverkehr auf bestimmten Strecken zu verbieten. Einsendungen an die Lokalblätter sprachen sich fur ein Autoverbot im gesamten Hirschberger Kreis aus. Vgl. AW, 1911, Nr. 84, S. 2-4; Preußischer Innenminister an Minister der öffentlichen Arbeiten, GStA PK I. HA Rep. 77 tit. 1328 Nr. 3, Bd 4. Der Potsdamer Regierungspräsident äußerte sich 1912 zu lokalen Verkehrsverboten: »Bei den häufigen, nicht immer unberechtigten Klagen, daß besonders die ortspolizeilichen Vorschriften weit über das tatsächliche Bedürfnis hinausgehen, wird stets zu prüfen sein, ob den Anforderungen der öffentlichen Ruhe, Sicherheit und Ordnung nicht auch auf anderem Wege genügt werden kann. Mir ist besonders aufgefallen, daß Straßenpolizeiverordnungen, die in kleineren und mittleren Städten erlassen sind, oft eine Menge Bestimmungen enthalten, deren Notwendigkeit nur schwer zu erkennen ist.« LA Berlin Rep 38-01 Nr. 5, Blatt 24f. 34 »Der Forst Grunewald ... ist fur viele Hunderttausende von Berlinern, die nicht die Mittel haben, ihren Urlaub und ihre Freizeit außerhalb von Berlin zu verbringen, die einzige Stätte in der freien Natur, wo sie außerhalb des Großstadtlärms etwas Ausspannung und Erholung finden können ... Diese Massen der erholungssuchenden Bevölkerung würden die Zulassung des Kraftfahrzeugverkehrs auf den zurzeit gesperrten Straßen mit Recht als eine schwere Belästigung und Beeinträchtigung ihrer Erholung empfinden ...« Polizeipräsident Berlin an MMV (1929), AR (ZMM), 1929, S. 467. Vgl. ADAC-Sport, 1926, Nr. 36, S. 16; Auto-Express-Zeitung, 1926, Nr. 45, S. 1.

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über diese Hindernisse hinwegfahren, für die flacheren Autos bedeuteten die Chausseesteinverlegungen aber eine erhebliche Unfallgefahr. 1907 erregte sich die »Automobilwelt« über die intensive Verlegung von Chausseesteinen in Baden und forderte die Beseitigung der »Steinblockaden«. Empörung riefen vor allem die Belegung bereits ausgefahrener Straßen und die Nichtbeleuchtung bei Nacht, die mangelnde Kennzeichnung des gelagerten Steinmaterials und die Verlegung der Steine in Schlangenlinien hervor. KAC und MMV richteten 1910 Eingaben an die preußischen Regierungspräsidenten, in denen sie die Beseitigung der beschriebenen Missstände forderten. Vertreter fortschrittlicher Straßenverwaltungen sprachen sich ohnehin gegen jegliche Verlegung von Sperrsteinen aus. Aber noch 1927 wurde über die Praxis der Steinverlegung im Harz geklagt. Auf den Bergstraßen grenzte die verkehrsgefährdende Verlegung in Schlangenlinien an groben Unfug. 35 Ein Erlass des preußischen Landwirtschaftsministers verbot im März 1928 das Verlegen der Sperrsteine in Schlangenlinien auf Durchgangsstraßen. Verlegesteine seien nur dann zu verwenden, wenn es die Schonung der Straße unbedingt erforderte. Sie mussten weiß gekalkt und bei Nebel entfernt werden. Stets war genug Platz zu lassen, um die nicht gesperrte Straßenseite befahrbar zu halten. Auf alle belegten Strecken musste durch Warnungstafeln hingewiesen werden.36 Fortschritte in der Straßenbautechnik und die zunehmende Teerung von Wegstrecken ermöglichten schließlich einen allmählichen Verzicht auf Sperrsteinverlegungen. Der Autoverkehr machte eine Abkehr von der autofeindlichen Praxis des Straßenbaus nötig, wollte man nicht erhebliche Verkehrsgefährdungen, die eine abschreckende Wirkung aufdie Autofahrer entfalten konnten, in Kauf nehmen. In der Nachkriegszeit bildeten daher die Sonntagsfahrverbote das Hauptangriffsziel automobilistischer Lobbyisten. Diese gingen auf kriegsrechtliche Regelungen zurück und wurden in der Weimarer Republik in verschiedenen Landesteilen reaktiviert. In Sachsen, Hessen, Baden und Württemberg lebte das Sonntags- und Nachtfahrverbot seit 1919 fort. Teilweise überwachten bewaffnete Bürgerwehren die Einhaltung der Vorschriften und setzten auch Schlagbäume ein, um auf diese Weise Schieber und Schleichhändler dingfest zu machen.37 Im Januar 1920 verschärfte auch Bayern die den Kraftfahrzeugverkehr betreffenden Verbote. Autos durften nur von zugelassenen Personen in festgelegten Bezirken zu Zwecken, die dem öffentlichen Interesse dienten, benutzt 35 In Schlesien kam es aufgrund der Zick-Zack-Verlegung zu mehreren schweren Autounfällen, wobei jedoch nicht ausgeschlossen werden konnte, dass Kutscher die Sperrsteine in der Absicht, Autofahrer zu schädigen, mutwillig auf dem Straßenkörper verteilt hatten. Vgl. M F , 1910, N r . 50, S. 1311; Z M M , 1910, N r . 22, S. 477f.; A A Z , J g . 11,1910, N r . 31, S. 43; 1927, N r . 37, S. 18; AW, 1907, N r . 125, S. 1. 36 Vgl. Preußischer Landwirtschaftsminister an Regierungspräsidenten und Polizeibehörden (24. 3. 1928), AAZ, J g . 2 9 , 1 9 2 8 , N r . 18, S. 22. 37 Vgl. M F , 1920, N r . 43/44, S. 227; Nr. 45/46, S. 238.

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werden. Vergnügungsfahrten waren ebenso verboten wie Fahrten an Sonnund Feiertagen. An Werktagen galt ein Nachtfahrverbot. Verstöße konnten mit Einziehung des Autos sowie mit hohen Geld- und Haftstrafen geahndet werden. Nach Freigabe des Autoverkehrs mehrten sich die Hagen über Gefährdungen von Fußgängern und Belästigungen des sonntäglichen Ausflugsverkehrs erneut. Das bayerische Innenministerium sah sich daraufhin gezwungen, die unnachsichtige Anwendung der gesetzlichen Bestimmungen zu fordern.38 In Thüringen organisierten Gewerkschafter einen Autofallendienst, um die Sonntagsspaziergänge der Arbeiter vor Staubbelästigungen zu schützen. Derartige Aktionen konnten auf partielle Unterstützung bei den politischen Vertretungen der Arbeiterschaft hoffen, da die belästigenden Wirkungen des Autoverkehrs offenbar überhand nahmen. Insbesondere in Bezirken mit einem hohen Anteil von Arbeitern an der Wohnbevölkerung wurden schnellfahrende Luxusautos angesichts der veränderten politischen Verhältnisse als Zumutung empfunden. 1922 richteten Bielefelder SPD-Abgeordnete eine Anfrage an die Reichsregierung, in der ein Verbot des sonntäglichen »Luxusautofahrens« außerhalb der Städte angeregt wurde. Reichsweite Beschränkungen waren jedoch nicht zu befürchten, da wirtschaftliche Sorgen dominierten. Ein Sonntagsfahrverbot, dessen Generalisierung die Reichsregierung ablehnte, bestand in Preußen nur für das rheinisch-westfälische Industriegebiet. Sachsen weitete dagegen seit 1922 verschiedene örtliche Sonntagsfahrverbote aus. Da generelle Fahrverbote jedoch auch rechtlich fraglich waren, konzentrierte man sich darauf, bestimmte Wegstrecken zum Schutz des Fußgängerverkehrs zu sperren. Die Motorpresse führte das Vorgehen der Behörden dabei auf die politischen Machtverhältnisse zurück: Nachdem im »roten Sachsen« zahlreiche Straßen für den Sonntagsverkehr gesperrt worden waren, werde »Rot-Thüringen« mit ähnlichen Maßnahmen nachziehen.39 Dass die Verhängung von Sonntagsfahrverboten keineswegs undifferenziert erfolgte, betonten die Ländervertreter in den Diskussionen über die Missstände im Autoverkehr, die der »Beirat für das Kraftfahrwesen«1924 führte. Der Vertreter der Automobilindustrie sprach sich dabei für eine bessere Erziehung der Fußgänger aus und attackierte die sonntägliche Sperrung von Straßen. Dagegen betonte der Vertreter Badens die grundsätzliche Erfordernis der Sonntags38 Im bayerischen Landtag wurde die Wiedereinführung des generellen Sonn- und Feiertagsfahrverbots diskutiert. Vgl. AAZ, Jg. 22,1921, Nr. 27, S. 25f.; Wirtschaftsmotor, 1920, Nr. 3, S. 38; MF, 1921, Nr. 44, S. 546, S. 555. 39 Dabei wurden die Industriebezirke des südlichen Sachsen als »Eldorado der Sonntagsfahrverbote« ausgemacht. Die Einwohnerschaft wäre bestrebt, die sonntägliche Sperrung von Straßen »mit allen Mitteln« durchzusetzen. Vgl. ADAC-Sport, 1925, Nr. 25, S. 3. Die Unzulässigkeit eines sonntäglichen Generalverbots für den Autoverkehr wurde 1923 gerichtlich festgestellt. Einzelne Straßen konnten aber weiterhin sonntags gesperrt werden. MF, 1922, Nr. 37, S. 545; 1923, Nr. 21, S. 358; 1924, Nr. 11, S. 232; AAZ, Jg. 22,1921, Nr. 29, S. 30; 1922, Nr. 23, S. 30; Nr. 30, S. 33; AW, 1923, Nr. 25, S. 5.

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sperren. In Hessen wären dagegen keine sonntäglichen Sperren notwendig, da genügend Fußgängerwege vorhanden waren. Der Deutsche Städtetag sprach sich wegen der Belästigungen durch verstärkte Rauchentwicklung für ein Verbot von Rohölmotoren aus. Auch der Vertreter der Kraftfahrzeugindustrie favorisierte technische Lösungen: Ein Verbot der Auspuffldappe könnte gegen übermäßige Lärmbelästigung helfen. In Sachsen sperrte man zwar weiterhin Wege für den Autoverkehr, Durchgangsstraßen blieben davon jedoch ausgenommen. Trotz dieser Beteuerung einer differenzierten Vorgehensweise wurden zahlreiche rechtliche Bedenken gegen die sächsischen Sonntagsfahrverbote erhoben. 1929 stellte das Oberlandesgericht Dresden allerdings die grundsätzliche Rechtmäßigkeit der im August 1922 vom sächsischen Innenministerium erlassenen »Verordnung zur Sicherheit des Fußgängerverkehrs« fest. Da es zuträfe, dass Fußgänger die betreffenden Straßen an Sonntagen verstärkt benutzten, entspräche die Regelung dem Gebot der Verhältnismäßigkeit.40 Zu Beginn der dreißiger Jahre hatten die Sperrungen und Verbote sowie der Bau von Umgehungsstraßen aber bewirkt, dass sich manche Gemeinden, in denen der Autoverkehr merklich nachgelassen hatte, bereits bemühten, Autofahrer zur Fahrt durch ihre Stadt zu bewegen. Andererseits wirkte die massenhafte Präsenz der Autos vielerorts so beeinträchtigend, dass selbst die Motorpresse autofreie »Nervenerholungsstätten« propagierte.41

c) Denunziantentum und Petitionsbewegung

Eine Möglichkeit für Privatpersonen, ihre Kritik an den Zumutungen des Autoverkehrs anzubringen, bestand darin, Übertretungen der Autofahrer konsequent bei der Polizei anzuzeigen. Der Erfolg eines solchen Vorgehens beflügelte einige Zeitgenossen so sehr, dass sie mit ihren massenhaften Anzeigen einen regelrechten Kleinkrieg gegen den Kraftverkehr entfachten. Der hartnäckigste Widersacher des Autos dürfte in diesem Zusammenhang der Bürogehilfe und spätere Hilfsschaffner bei der Eisenbahn Hans Rosenberg gewesen sein. 1904 berichtete die Motorpresse erstmals über die Anzeigen des »Denunzianten« Rosenberg und bezeichnete sein Treiben als gefährlich. Rosenberg, der über

40 Vgl. Niederschrift über die Sitzungdes Beirats für das Kraftfahrwesen ( 1 6 . 1 2 . 1 9 2 4 ) , B A R 1501 N r . 14144; Autorechtliche Rundschau, 1930, N r . 1, S. 8. 41 Das als autofeindlich bekannte Hameln ging 1931 dazu über, Schilder mit der Aufschrift: »Fahrt nicht u m ! Sondern durch Hameln« aufzustellen. Dagegen wurden in der Motorpresse »Ruhe und Beschaulichkeit« des autofreien Helgoland gepriesen. Vgl. AAZ, Jg. 32,1931, N r . 29. S. 17; Auto-Tages-Zeitung, 1927, N r . 7, S. 3.

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genaue Rechtskenntnis verfügte, monierte auf seinen Spaziergängen durch Berlin selbst kleinste Regelverletzungen. Er reichte täglich bis zu zwölf Anzeigen wegen Automobilübertretungen aller Art ein, so dass die Gesamtzahl seiner Anzeigen bereits Ende 1904 die Tausend überschritten hatte. Die Autopresse vermutete einen psychischen Defekt als Ursache für die Anzeigenwut des Bürogehilfen und befürchtete, dass er von seiner antiautomobilen Manie getrieben zu gewalttätigen Angriffen auf Autofahrer übergehen könnte. Mit körperlicher Gewalt reagierten aber die Autofahrer, deren Zorn sich im tätlichen Angriff von Chauffeuren auf Rosenberg in der Straße Unter den Linden entlud. Der Denunziant zeigte sich jedoch wenig beeindruckt, intensivierte seine Tätigkeit sogar noch und kam nach eigener Aussage in den Jahren 1905 und 1906 aufjeweils ungefähr 3.000 Anzeigen gegen Autofahrer.42 Die AAZ forderte die Autofahrer daher in ganzseitigen Anzeigen auf, zu Gerichtsverhandlungen, bei denen Rosenberg als Zeuge aussagte, zahlreich zu erscheinen, um den Denunzianten »persönlich kennen zu lernen.« Stets sei bei einer Anzeige auf die Vorladung Rosenbergs zu drängen; die Aufenthaltsorte und Wohnadressen Rosenbergs erschienen regelmäßig in den Fachblättern.43 Erste Erfolge konnten die Autofahrer Anfang 1907 verzeichnen, als ein Gericht den Ausführungen der Verteidigung folgte, die darauf hinwies, dass Psychiater bei Rosenberg eine Anzeigenmanie vermuteten. Das Verhalten des Denunzianten könnte als pathologisch und als Teilerscheinung einer geistigen Krankheit bezeichnet werden. Rosenberg wäre unglaubwürdig, da er die Autofahrer in ihrer Gesamtheit als Schwindler betrachtete. Er betriebe sein Denunziantentum gewerbsmäßig und befände sich ständig auf Reisen zu Gerichtsterminen, wobei er von Zeugen- und Tagegeldern lebte. Das Gericht stellte Rosenbergs Voreingenommenheit fest, die sich daran zeigte, dass er 1906 seinen Weihnachtsurlaub verwandte, um den Autoverkehr zu überwachen. Außerdem konnte erreicht werden, dass nach einer Beschwerde des Kraftwagenfiihrer-

42 »Wie gross die Erbitterung gegen dieses Individuum ist, zeugt davon, dass sich sogar ein elegant gekleideter Herr mit hoch erhobenem Stocke auf ihn stürzte. Wäre nicht der Schutzmann eingesprungen, so wäre es sicher zu einer Szene gekommen, u m so mehr, als der Menschenauflauf schon ganz beträchtlich angeschwollen war.« AW, 1904, N r . 46, S. 1298. 43 Vgl. AAZ, Jg. 7, 1906, Nr. 38, S. 70, S. 85. Im Februar 1907 war in der A A Z unter der Uberschrift »Achtung Rosenberg« folgender Aufruf zu lesen: »... Hans Rosenberg, Sohn desjuristischen Repetitors Dr. jur. Paul Rosenberg, Charlottenburg, Leonhardstrasse 10; welcher allen Automobilisten Berlins und U m g e b u n g durch seine Anzeigen hinreichend >bekannt< ist ..., ist während der Weihnachtstage 1906 wieder in Berlin aufgetaucht und hat hier erneut eine grosse Anzahl Automobilisten zur Anzeige gebracht. Wir ersuchen hiermit alle diejenigen, die von Rosenberg ... angezeigt worden sind, uns hiervon... sofort Mitteilung zu machen, damit sie bei unserem Anwalt, der kürzlich in Sachen eines hiesigen Automobilisten gegen Rosenberg einen Freispruch erzielte, das gesamte, Rosenberg betreffende Material einsehen können. Rosenberg wohnt jetzt in Stolberg bei Aachen, Markt 6, bei Schnell...« AAZ, Jg. 8, 1907, N r . 5, S. 30.

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Verbandes die vorgesetzte Dienststelle Rosenbergs, dessen scharfe Überwachung zusagte.44 Die Konfrontation eskalierte als Rosenberg in seiner Korrespondenz mit den Automobilzeitschriften behauptete, dass wegen der Warnungen vor seiner Tätigkeit, zahlreiche Amtsvorsteher, Gendarmen und Polizeisergeanten Anfragen an ihn gerichtet hätten, »wie man die Automobilschwindler am besten fassen könne.« Er hätte in 53 Amts- und Polizeiblättern Artikel über die Übertretungen der Autofahrer veröffentlicht. Außerdem kündigte er an, sich nicht mehr auf Anzeigen bei der Polizei zu beschränken, sondern bei Manipulationen an Kennzeichen künftig Strafantrag wegen Urkundenfälschung zu stellen. Die AAZ regte daraufhin an, den Geisteszustand Rosenbergs erneut untersuchen zu lassen, und seine Internierung in einer Anstalt zu bewirken.45 Die Gerichtsauftritte Rosenbergs ermöglichten tiefere Einblicke in seine Anzeigentätigkeit. Er benutzte eine Taschenuhr, um die Zeit zu messen, in der ein Auto die vorher schrittweise abgeschätzte Strecke durchfuhr. Von den 3.000 Autofahrern, die er jährlich anzeigte, hätten 1500 die Strafmandate glatt bezahlt. Beharrlich wies er daraufhin, dass die meisten Autofahrer ihre Kennzeichen fälschten, und teilte der Motorpresse in provozierender Absicht die Erfolge seiner Anzeigentätigkeit mit.46 Der Autofeind wurde erst ausgebremst, als er sich in mehrere Beleidigungsklagen verstrickte. Ein Autofahrer, dem er den Vorwurf der Nummernfälschung gemacht hatte, belangte Rosenberg mit einer Privatklage. Bei der sich anschließenden Verhandlung musste er von mehreren Polizeibeamten geschützt werden, da die vor dem Gerichtsgebäude versammelten Autofahrer drohten, ihn erneut zu verprügeln. Im Sommer 1907 zog der Hilfsschaffner nach Krefeld um und machte in einem Lokalblatt dortigen Polizeibeamten den Vorwurf der einseitigen Parteinahme für die Autofahrer. Eine Klage wegen Beamtenbeleidigung folgte. 1908 drohten weitere Klagen wegen Beleidigung und Erregung öffentlichen Ärgernisses, da es bei Rosenbergs verbalen Auseinandersetzungen mit Autofahrern zu Straßenaufläufen 44 Vgl. A A Z J g . 8,1907, N r . 4, S. 62f.; N r . 23, S. 84; Der Kraftwagen, 1907, N r . 8, S. 21f.; N r . 10, S. 52f. 45 Vgl. AAZ, Jg. 8,1907, N r . 8, S. 63f. Die Stilisierung des Autofeindes zum psychisch Gestörten wurde auch durch die Schilderung der äußeren Erscheinung des 25jährigen Rosenberg betrieben, wobei dieser dem vorgefassten Bild eines »neurasthenischen« Fortschrittsfeinds entsprach: »Sein äusserer Habitus und sein Auftreten ... entsprachen ganz dem Bilde, das wir uns bisher von ihm gemacht hatten: eine hagere, nervös hin- und hereilende Gestalt in einem ziemlich abgenutzten Anzug, gelbe Gesichtsfarbe, ein äusserst unsteter Blick, mit ebenso unsympathischen Gesichtszügen, dunkles Haar und ein Anflug von Schnurrbart, ein auffallend salopper Gang, und von Zeit zu Zeit jenes sonderbare seitliche Zucken mit dem Kopfe, das auf neurasthenische Veranlagung hindeutet...« AAZ, Jg. 8,1907, N r . 17, S. 66. 46 Mit einem Brief aus Hamm/Westfalen meldete Rosenberg der A A Z 1907: »Bin heut hierbei der Arbeit, vormittags schon 3 Stück (Autos) ohne Stempel angetroffen. Sowohl die N a m e n der Führer wie Besitzer meinem Notizbuche einverleibt. (Strafe ca. Mk. 400 wegen Steuerhinterziehung !)« AAZ, Jg. 8, 1907, N r . 17, S. 67.

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gekommen war. Klagen des Autofeindes wegen Beleidigung gegen die »Automobilwelt« und die »BZ am Mittag«, die ihn als Denunzianten bezeichnet hatten, wiesen die Gerichte zurück.47 Das massenhafte Anzeigen vermeintlicher Tempoübertretungen oder anderer Verstöße war eine recht effektive Möglichkeit des Einzelnen, gegen die Autos zu protestieren. Wie störend ein derartiges Vorgehen von den Autofahrern empfunden wurde, zeigte sich in ihren vehementen Gegenreaktionen, in denen sie nicht vor Einschüchterung und Diffamierung des Gegners zurückschreckten. Die Motorpresse veröffentlichte mehrmals die vollständige Adresse Rosenbergs nicht nur in der Absicht, ihre Leser vor erwarteten Anzeigen zu warnen. Tätlichen Angriffen auf den anzeigewütigen Autofeind folgten zustimmende Kommentare. Doch das skurril anmutende Verhalten des Autofeindes Rosenberg war kein Einzelfall. Zahlreiche Privatpersonen zeigten vermeintliche Übertretungen der Autofahrer an, um ihren Unmut über den motorisierten Straßenverkehr zum Ausdruck zu bringen. Bald beschwerten sich Polizeibehörden über die gesteigerte Arbeitsbelastung, auch wenn sie zu Beginn des Jahrhunderts die Bevölkerung noch dazu aufgerufen hatten, an der Feststellung verkehrssündiger Autofahrer aktiv mitzuwirken.48 In kleineren Ortschaften, die durch die allgemeine Beschleunigung des Verkehrs vor Erscheinen der Autos kaum berührt worden waren, war die Bereitschaft zur Erstattung von Anzeigen besonders hoch. Handelte es sich um Fremdenverkehrsorte, kam die Angst hinzu, Feriengäste zu verlieren. Die Autointeressenten billigten den Anzeigeerstattern dagegen keineswegs die Verfolgung berechtigter Interessen zu. Vielmehr diffamierten sie deren Motive, indem sie diese allein auf finanzielle Interessen zurückführten oder betonten, dass das vermehrte Anzeigen von Autofahrern seine Ursachen in psychischen Defekten hätte.49 Auch wenn die Motorpresse übertrieb, wenn sie das private Fallenwesen als »Armenfonds des modernen Brigantium« bezeichnete, konnte das finanzielle 47 Vgl. AAZ,Jg. 8,1907, Nr. 26, S. 68; Nr. 33, S. 61; 1908, Nr. 3, S. 56; Nr. 9, S. 62f.; 1909, Nr. 46, S. 39. 48 1906 rief der Berliner Polizeipräsident das Publikum auf, Übertretungen insbesondere in Fällen, die sich während der nächtlichen Einschränkung polizeilicher Überwachung ereigneten, anzuzeigen. Auch die Leipziger Polizei forderte 1908 die Bevölkerung auf, die Ordnungskräfte im Kampf gegen schnellfahrende Autos zu unterstützen. Vgl. MW, 1906, S. 11; AAZ, Jg. 9,1908, Nr. 3, S. 54; Polizeipräsident Berlin an preußischen Innenminister (13. 9.1901), GStA PK I. HA Rep. 77 tit. 1328 Nr. 11, Bd. 1. 1909 wurden allein im Landespolizeibezirk Berlin 9460 Strafanzeigen gegen Autofahrer erstattet, bei einem Gesamtbestand von 7512 Kraftfahrzeugen in der Stadt Berlin und der Provinz Brandenburg am 1. Januar 1910. Der Anteil der Anzeigen von privater Seite konnte dabei nicht ermittelt werden. Vgl. Polizeipräsident Berlin an Minister der öffentlichen Arbeiten (7. 2. 1910), GStA P K I . HA Rep. 77 tit. 1328 Nr. 11, Bd. 5. 49 Der Gemeindevorstand von Oberhof im Thüringer Wald und das Herzoglich-Sächsische Landratsamt forderten die Kurgäste und Einwohner 1909 auf, alle schnell fahrenden Autos anzuzeigen. Vgl. AAZ, Jg. 10,1909, Nr. 32, S. 47; Z M M , 1910, Nr. 3, S. 60.

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Interesse an Zeugengeldern doch nicht gänzlich von der Hand gewiesen werden. Allerdings kamen dabei auch generelle Vorbehalte gegen die privilegierten Autofahrer zum Ausdruck. Ein Gelbgießer erzielte 1906 in einer Frankfurter Vorstadt bei seinen monatlich 40 bis 50 Anzeigen durch Zeugengelder vermutlich mehr Einnahmen, als er »bei redlicher Arbeit verdienen konnte.« Zur Aufgabe des Fallenbetriebs mag, neben der gerichtlichen Feststellung seiner Unzuverlässigkeit, beigetragen haben, dass Autofahrer als seine wichtigsten Kunden Aufträge anderweitig vergaben. Ahnlich handelte ein Drogist in der Nähe von Dresden, der auch Benzin an Autofahrer verkaufte. In der Nähe des sächsischen Pirna zeigte ein Barbier 1909 massenhaft Autofahrer an. Die Geschwindigkeit ermittelte er dabei, indem er eine Strecke von ungefähr 500 Metern überblickte und die Durchfahrtsdauer anhand der Rathausuhr beobachtete. Nach Einschätzung der Motorpresse müsste der Barbier »längst als Sozialdemokrat und gehässiger Feind der Automobilisten« entlarvt worden sein, dessen beeideten Aussagen man nicht trauen könnte. Ahnliche Motivationen äußerten Anzeigeerstatter, die vor Gericht betonten, dass sie Autos verfolgten, da sie diese für »überflüssige Luxusartikel« hielten.50 Eine zweite Gruppe von Anzeigen ging auf Personen zurück, die durch den Autoverkehr ökonomische Einbußen erlitten. So schätzte ein Villenbesitzer, weil sein an der Landstraße gelegenes Grundstück an Wert verlor, 1907 die Geschwindigkeit der vorüberfahrenden Autos in Ebenhausen bei München. Da Gäste ausblieben, die sich in ihrer Erholung beeinträchtigt fühlten, zeigte 1908 ein Wirt in Thüringen jedes durchfahrende Auto wegen Übertretung der Höchstgeschwindigkeit an. In Bonn entzogen die Behörden 1910 den Anzeigen eines Gastwirtes die Grundlage, indem sie eine Geschwindigkeitsbegrenzung von 15 km/h kurzerhand aufhoben. Im Harz richtete ein Hotelbesitzer 1911 eine Autofalle ein und setzte seine Anzeigentätigkeit auch in der Nachkriegszeit fort, da seine Gäste auf der Terrasse weiterhin von Autos eingestaubt wurden. Im Riesengebirge trat ein Hotelier mit Hilfe einer Kellnerin als Anzeigenerstatter auf. Eine Gastwirtsfrau erstattete schließlich 1913 in der Nähe von Magdeburg bis zu 60 Anzeigen pro Tag.51 Lokale Autoritätspersonen traten ebenfalls als Anzeigende in Erscheinung, um die Polizeibehörden in der Wahrnehmung ihrer Uberwachungsfunktion zu unterstützen. In Oldeslohe versah beispielsweise ein Kapitän im Ruhestand den Fallendienst, da sich auf der befahrenen Strecke spektakuläre Unfälle mit Fahrerflucht ereigneten. In der Nähe von Frankfurt schätzte ein Förster die Geschwindigkeit der Autos durch langsames Zählen. Ein mecklenburgischer Gutspächter rechtfertigte 1909 seine Anzeigenpraxis, die er ohne Stoppuhr ver50 Vgl. ZMM, 1909, Nr. 17, S. 357; 1910, Nr. 3, S. 61; AAZ, Jg. 8,1907, Nr. 13, S. 66; 1908, Nr. 8, S. 60; Nr. 33, S. 54; 1910, Nr. 5, S. 37. 51 Vgl. MF, 1907, Nr. 44, S. 946; 1908, Nr. 36, S. 854; 1911, Nr. 31, S. 922; 1913, Nr. 30, S. 1052; 1921, Nr. 30, S. 311; AAZ, Jg. 11,1910, Nr. 27, S. 51; ZMM, 1911, Nr. 17, S. 379.

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sah, mit der Schutzfunktion, die er gegenüber den Dorfbewohnern einnehmen müsste.52 Verschiedentlich schlossen sich Privatpersonen in Vereinen zusammen, um effektiver vorgehen zu können. Im September 1908 bildete sich beispielsweise mit einer Versammlung in der Berliner Neuen Philharmonie ein »Verein gegen die Ausschreitungen der Automobile.« Derartige Gründungen waren aber meist nur von kurzer Dauer, agierten vorrangig auf lokaler Ebene und blieben eher informeller Art. So bildeten die Bewohner des Ortes Stockum im Ruhrgebiet 1909 einen »Denunziantenverein«, der zur Erstattung von Anzeigen vorgedruckte Formulare benutzte. 1911 wurde über einen »Denunziantenverein« berichtet, den 15 Bauernburschen in der Nähe von Bingen gründeten, um möglichst alle durchfahrenden Autos anzuzeigen. In Laubach bei Koblenz und weiteren kleineren Orten im Rheinland bestanden 1914 ebenfalls mehrere »Stoppuhrvereine«, welche die örtlichen Bürgervereine organisierten.53 Traten in einer Ortschaft Anzeigen gehäuft auf und wurde dabei eine enge Zusammenarbeit mit der Gemeinde sichtbar, konnte das Eingreifen übergeordneter Behörden provoziert werden. Schärfste Proteste löste beispielsweise die Anzeigenpraxis in der westfälischen Gemeinde Westönnen an der Provinzialstraße Werl-Unna aus. Im Januar 1912 beschwerte sich die Deutsche AutoLiga über die große Zahl der Anzeigen und monierte, dass Privatpersonen bei der Verfolgung der Autofahrer mitwirkten. Die Einwohner erhielten angeblich eine monatliche Vergütung für das Notieren von Autonummern. Der Rheinisch-Westfalische AC veranlasste daraufhin seinerseits Geschwindigkeitsmessungen auf der Chaussee, um die Unzuverlässigkeit der Anzeigen zu verdeutlichen. Auch die Behörden untersuchten die Vorwürfe und kamen zu dem Schluss, dass die Bewohner durch den Fallendienst einen nicht unerheblichen Nebenverdienst erzielten. Im März 1912 verbot man der Gemeinde, Zeugengelder an Privatpersonen zu zahlen. Als danach erneut Beschwerden bei über52 Vgl. AAZ, Jg. 9,1908, Nr. 30, S. 57; 1910, Nr. 18, S. 53; Nr. 27, S. 51. In einer Zuschrift an die Motorpresse führte der Gutspächter aus: »Im Interesse der Sicherheit meiner Dorfbewohner und der sonstigen die Chaussee benutzenden Leute, welche nicht in der Wahl ihrer Eltern so vorsichtig gewesen, um sich... zum Vergnügen ein Automobil halten zu können, bin ich gezwungen und verpflichtet, diejenigen Automobilisten, welche durch eine rücksichtslose Fahrgeschwindigkeit das Leben ihrer Mitmenschen in Gefahr bringen, rücksichtslos der zuständigen Behörde zur Bestrafung anzuzeigen.« AAZ, Jg. 10, 1909, Nr. 30, S. 46. 53 Vgl. AAZ, Jg. 10,1909, Nr. 42, S. 44; 1910, Nr. 30, S. 49f.; AW, 1908, Nr. 120, S. 1; 1911, Nr. 114, S. 3; 1914, Nr. 78, S. 3; MF, 1914, Nr. 27, S. 8f. Die Autofahrer reagierten in grosser Zahl mit der Verwendung gefälschter Kennzeichen auf die massenhaften Anzeigen. Auch Vorrichtungen zur Verdeckung der Nummernschilder waren gebräuchlich. 1906 kamen aus der Provinz Sachsen Vorschläge, die Bestimmungen über Kennzeichen enger zu fassen, um einen Missbrauch zu verhindern. 1914 und 1924 wurden stichprobenartige Straßenkontrollen durchgeführt, bei denen insbesondere die Kennzeichen kontrolliert werden sollten. Vgl. Oberpräsident Provinz Sachsen an Minister des Innern (22.1.1906), G S t A P K I . HARep. 77 tit. 1328 Nr. 11, Bd. 3; G S t A P K I. HA Rep. 77 tit. 1328 Nr. 33gen.

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geordneten Stellen einliefen, setzten diese im Februar 1913 eine Kommission zur örtlichen Revision ein: 1912 war es in dem Ort zu 490 Strafverfügungen gekommen, wodurch der Gemeinde Einnahmen von 3400 Mark zuflössen; zwischen April und Oktober 1913 erstellten die Bewohner 549 Anzeigen, die zu Einnahmen von 3140 Mark führten. Da man behördlicherseits zu der Gewissheit gelangte, dass die Gemeinde die Verfolgung schnellfahrender Autofahrer als Einnahmequelle missbrauchte, folgte im Dezember 1913 der Entzug der Ortspolizeibefugnis.54 In den zwanziger Jahren nahm die Zahl privater Anzeigen gegen Autofahrer rapide ab, da sich strengere Richtlinien für Geschwindigkeitsmessungen durchsetzten. Allerdings berichtete die Motorpresse noch zuweilen über unautorisiertes Abstoppen. Auch verzichtete man nicht überall darauf, die verbreitete autokritische Grundhaltung zur Strafverfolgung auszunutzen. Noch 1928 forderten hessische Behörden die Bevölkerung zum Anzeigen von Autos auf, die durch Auspuffklappen und exzessives Hupen übermäßigen Lärm entwickelten. Die Motorpresse reagierte empört und sah in der behördlichen Verlautbarung eine unkluge Aufhetzung des Publikums. 55 Eine weitere Möglichkeit, auf Zumutungen des Autoverkehrs hinzuweisen, bestand im Petitionieren. Interessenverbände und Privatpersonen verfassten zahlreiche Eingaben an Behörden oder einzelne Repräsentanten, von denen sie die Übernahme einer Schutzfunktion erwarteten. Petitionen, die organisierte Interessenvertreter vortrugen, hatten dabei in der Regel größere Chancen, Gehör zu finden. So richtete beispielsweise 1912 ein Bürgerverein aus SchleswigHolstein ein Gesuch an den Reichskanzler, in dem er wegen zerstörerischer Erschütterungen ein Fahrverbot für Lkw-Anhänger ohne Luft- und Gummibereifung forderte. Die Vielzahl von Beschwerden ähnlicher Art führte schließlich zur Verabschiedung entsprechender Regelungen.56 Insbesondere der Verband der Lohnfuhrunternehmer trat mit Eingaben zum Autoverkehr hervor und begleitete mit seinen restriktiven Vorschlägen den Gesetzgebungsprozess. Bereits 1902 richtete der Verband eine Petition an den 54 Vgl. AAZ, Jg. 13, 1912, N r . 35, S. 11; 1913, N r . 51, S. 36; M F , 1912, N r . 35, S. 1141; Regierungspräsident Arnsberg an Minister des Innern (6.5.1914), G S t A P K I. H A Rep. 77 tit. 1328 N r . 32spez., Bd. 2. Bereits 1910 wurde einer Gemeinde in Sachsen wegen schikanöser Autofeindlichkeit die Strafbefugnis gegen Autofahrer entzogen und der Amtshauptmannschaft übertragen. Vgl. M F , 1910, N r . 48, S. 1265f. 55 Vgl. AAZ, J g . 2 4 , 1 9 2 3 , N r . 18, S. 35; 1928, N r . 39, S. 20. 56 Vgl. Bürgerverein Schiffbeck an Reichskanzler (Dezember 1912), B A R 1501 N r . 13990. Die Petition eines Kieler Unteroffiziers von 1906 an den Kaiser hatte dagegen weniger Aussicht, Gehör zu f i n d e n : » . . . das erste Recht eines j e d e n Untertan, auch des Aermsten, ist das Leben, und jeder Mitmensch hat die Pflicht, alles zu tun, was in seinen Kräften steht, u m des Nächsten Leben zu beschützen. Die Regierungen sind die Stellvertreter Gottes auf Erden, und es ist gewiss nicht Gottes Wille, dass das von ihm gegebene Leben durch derartige sportliche Schnellfahrerei, die nur auf eine umzäumte Rennbahn gehört, zerstört oder geschädigt werde ...« T h . Marxen, Kiel an Wilhelm II. (13. 6. 1906), B A R 1501 N r . 13938.

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Reichstag, in der er das Verbot von Straßenrennen, strengere gesetzliche Bestimmungen und die Ausdehnung der Eisenbahnhaftpflicht auf den Kraftverkehr forderte. 1905 folgten Eingaben an Bundesrat und Reichstag, in denen die Beteiligung der Autofahrer an den Straßenkosten, die einheitliche Regelung von Höchstgeschwindigkeiten sowie Verbesserungen in der Fahrerprüfung angemahnt wurden. 1907 richtete der Verband im Namen von über 5.000 Fuhrherren erneut eine Petition an den Reichstag und regte unter anderem die Einführung von Geschwindigkeitsmessern an. Die Höchstgeschwindigkeit sollte auf 12 km/h innerorts und 30 km/h auf Landstraßen begrenzt werden. Zur Revision der Bundesratsverordnung über die Grundzüge des Kraftfahrzeugverkehrs wiederholten sich die Vorschläge in verschiedenen Anträgen. Daneben bemühten sich vor allem landwirtschaftliche Interessenvertretungen durch Vorschläge einschränkenden Inhalts auf die Behörden einzuwirken. Den Verbleib der Wegesperrbefugnis bei den Gemeinden verlangten sie dabei ebenso wie restriktive Tempobegrenzungen und die Verschärfung technischer Standards.57 In der Weimarer Zeit wandten sich dagegen vermehrt die Autointeressenten selbst mit Petitionen an den Gesetzgeber, um verbesserte Regelungen des Kraftfahrzeugverkehrs zu erreichen: Der »Deutsche Transportarbeiter-Verband«, in dem ein Teil der Chauffeure organisiert war, richtete beispielsweise im Januar 1919 eine Eingabe an die verfassungsgebende Nationalversammlung, in der er ein einheitliches Verkehrsgesetz und die Einführung einer Zwangsgenossenschaft forderte. Außerdem sollten in Straßenverkehrssachen Sachverständige mitwirken, da die Gerichte beeinflusst wären, »von einer gewissen Animosität, die im Publikum noch immer gegen Automobilisten verbreitet« war. Schließlich trat die »Genossenschaft fur die Reichsunfallversicherung der Fahrzeug- und Reittierhaltungen« mit einer Reihe von Petitionen hervor. Sie richtete zwischen 1924 und 1926 Eingaben an das preußische Innenministerium, die sich gegen wilde Fahrer und Auswüchse im Autoverkehr wandten und verbesserte Unfallverhütung sowie eine verstärkte Verkehrsüberwachung verlangten.58 Die Petitionsbewegung verdeutlichte die Missstände im Kraftfahrwesen und machte auf die als Zumutung empfundenen Begleiterscheinungen der Motorisierung aufmerksam. Auch wenn die Behörden die Forderungen der Petenten teilweise als berechtigt anerkannten, blieb es doch eben so oft bei folgenlosen Unmutsbekundungen. 57 Vgl. BA R 1501 Nr. 13937; 29. Bericht der Kommission für Petitionen, 1905/06, Drucks. Nr. 408, BA R 1501 Nr. 14017; Petition des Verbandes Deutscher Lohnfuhrunternehmer an Reichstag (29.11.1907), BA R 1501 Nr. 13939; Anträge für die Revision der Grundzüge, betreffend Verkehr mit Kfz (1908/09), BA R 1501 Nr. 13927/1; Petition der Landwirtschaftskammer Schleswig-Holstein an Bundesrat (26. 6. 1905), BA R 1501 Nr. 13938; Landwirtschaftskammer Provinz Brandenburg an Königlichen Oberpräsidenten (4. 4. 1913), ebd. 58 Vgl. BA R 1501 Nr. 14141; GStA PK I. HA Rep. 77 tit. 1328 Nr. 32gen.

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d) Intellektuelle Automobilkritik

Für gewalttätige Angriffe auf Autofahrer machten die Motorzeitschriften vielfach geistige Brandstifter verantwortlich. In der Berichterstattung der Tagesund Lokalpresse über den Automobilismus war aber eine allmähliche Besserung zu erkennen. Eine ausführliche Berichterstattung über den Automobilsport ergänzte recht früh die anfängliche Autofeindlichkeit zahlreicher Blätter. Dominierten zunächst die ständigen Rubriken über vermeintliche und tatsächliche Autounfälle, begannen Automobilereignisse in den Sportrubriken der bedeutenden Zeitungen bald eine gewichtige Rolle zu spielen. Schließlich setzte sich in den zwanziger Jahren das Interesse an der Entwicklung der Automobilindustrie durch. Die wachsende Branche hielt mit zunehmender Bedeutung Einzug in den volkswirtschaftlichen Teil der Zeitungen. Ende der zwanziger Jahre wurde die Verkehrsentwicklung von allen großen Blättern positiv beurteilt.59 Vor dem Ersten Weltkrieg dominierten in der Presse jedoch autokritische Haltungen, was die heftige Gegenwehr der Fachzeitschriften provozierte. Diese berichteten zuweilen ebenfalls über schwere Unfälle, führten sie jedoch auf das Fehlverhalten einzelner Autofahrer und nicht auf die besondere Gefährlichkeit des Autos zurück. Einzelfälle diskreditierten das Automobilwesen in seiner Gesamtheit, da die Berichterstattung über die Automobilgefahren eine autofeindliche Grundstimmung schuf Dabei machten die Autointeressenten vor allem Unkenntnis für autofeindliche Haltungen in der Presse verantwortlich. Je mehr die Journalisten selbst Autos benutzten, desto schneller würden sie sich zu Autofreunden wandeln und Unfälle objektiver darstellen. Bis dahin sah die Motorpresse eine ihrer Hauptaufgaben darin, »Tartarenmeldungen« zu korrigieren. Da jedoch selbst führende Tageszeitungen in ihren Lokalteilen Rubriken über Autounfälle und Ausschreitungen des »Autopöbels« führten, forderte der ADAC seine Mitglieder 1914 auf, mit Redaktionen und Verlagen in direkten Kontakt zu treten, und durch das Schreiben von Leserbriefen aufklärend für den Autoverkehr zu wirken.60 Berichtete die Tages- und Lokalpresse über Angriffe und erkannte dabei ein Fehlverhalten der Autofahrer als Ursache an, wurde dies von der Motorpresse stets scharf zurückgewiesen. Die »Hetzartikelschreiber« müssten bestraft werden, da ihnen eine geistige Urheberschaft vorzuwerfen wäre. Insbesondere 59 Vgl. AvD-Blätter, 1929, N r . 4, S. 7. 60 Vgl. A A Z . J g . 7,1906, N r . 18, S. 55f.; M F , 1914, N r . 18, S. 8. »Die Abneigung der ländlichen Bevölkerung gegen j e d e n Fortschritt, der Hass der Minderbemittelten gegen den Wohlhabenden, und schliesslich auch noch die Aufhetzung vieler Blätter gegen die Automobilisten haben es fertig gebracht, dass viele sonst gutmütige Menschen ein Verdienst darin sehen, den Kraftwagen zu schädigen, w o und wann sie es nur können.« AW, 1906, Nr. 99, S. 3.

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wies man auf die Bedeutung der Amts- und Kreisblätter bei der Erzeugung autofeindlicher Haltungen hin, da die ländliche Bevölkerung die Lokalblätter als Hauptinformationsquelle nutzte. Mit fanatischem Hass werde darin gegen das Auto polemisiert und dem neuen Verkehrsmittel jegliche Existenzberechtigung abgesprochen.61 In der Weimarer Zeit betonten die Fachblätter zwar weiterhin, dass die Lokalzeitungen als »Ausdruck des Volksgeistes« die Opposition gegen das Auto »emporgezüchtet« hätten, regten andererseits aber an, die nun objektiver berichtende Tagespresse verstärkt für den Automobilismus zu gewinnen. Veränderte Einstellungen setzten sich erst durch, als Autofahrer aktiv in der Tagespresse mitarbeiteten, um für den Motorsport zu werben. Im Zuge einer durch Expertentum geprägten Professionalisierung entstand das neue Berufsbild des Sportjournalisten, was entscheidend dazu beitrug, eine breitere Öffentlichkeit für den Motorsport zu begeistern. In einigen liberalen Tageszeitungen waren differenzierte Berichterstattung und positive Würdigung des Automobilismus aber bereits vor dem Ersten Weltkrieg Selbstverständlichkeiten. Hielt man die autofreundliche Linie jedoch einmal nicht konsequent durch, konnte die Würdigung der journalistischen Arbeit schnell in Boykottaufrufe der Motorpresse umschlagen.62 1915 entrüstete sich der Kultur- und Technikhistoriker Theo Wolff darüber, dass selbst führende Tageszeitungen das Auto verdammt hätten, womit der »letzte Triumph der Verkehrstechnik« zugleich den Triumph der Verkehrsfeindlichkeit im Gefolge gehabt hätte. Schließlich prophezeite er, dass man der »verkehrspolitischen Kurzsichtigkeit«, welche die »moderne Automobilhetze« der Zeitungen hervorgerufen hätte, in späteren Generationen mit Unverständnis begegnen werde. Die antiautomobilen Angriffe kann man aber nicht allein auf »Medienhetze« zurückführen. Das Auto besaß stets einflussreiche Fürsprecher in der Presse. Tatsächlich arbeiteten diese aber vorwiegend für Organe, welche die breite Masse des protestbereiten Publikums kaum rezipierte.63 Einen gewissen Einfluss auf die ländliche Bevölkerung konnten dagegen einige autofeindliche Parlamentarier erlangen, die den Unmut über die städtischen Autofahrer geschickt verbalisierten. Im Sommer 1910 brachte der 61 Der ADAC befürwortete 1913 einen Strafantrag gegen den »Flensburger Zeitspiegel«, der das Beschießen der Autofahrer mit Revolvern propagiert hätte. Der »Staatsbürger-Zeitung« wurde 1906 eine indirekte Aufforderung zur Lynchjustiz vorgeworfen, da sie wegen zahlreicher Unfälle Verständnis für Übergriffe der Bevölkerung zeigte. Vgl. MF, 1910, Nr. 46, S. 1481Γ.; 1913, Nr. 3, S. 52fT.; AW, 1906, Nr. 77, S. 4; Daule, S. 3-9. 62 Obwohl sich M N N und BT um eine objektive Darstellung des Automobilismus bemühten, reagierten die AutoZeitschriften mit wütenden Protesten auf Kritik. Als das BT anlässlich der Herkomerfahrt 1907 einen kritischen Leitartikel brachte, empfahl die AAZ der Autoindustrie den Rückruf von Inseraten. Vgl. AAZ, Jg. 8, 1907, Nr. 24, S. 80f.; 1928, Nr. 24, S. 30f.; ZMM, 1924, Nr. 12, S. 171; AW, 1924, Nr. 47, S. 1. 63 Vgl. ZMM, 1915, S. 137-141.

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Hessische AC »Zehn Gebote fur Fuhrleute« in zahlreichen Lokalblättern zum Abdruck. Hierin forderte der Club unter anderem die Einhaltung des Rechtsfahrgebots, die vorschriftsmäßige Beleuchtung der Fuhrwerke sowie die Beachtung von Autowarnsignalen. Der antisemitische Reichstags- und hessische Landtagsabgeordnete Philipp Köhler aus der Wetterau, im Hauptberuf als Landwirt tätig und im »Bund der Landwirte« aktiv, reagierte auf die Forderung nach Anpassung an das neue Verkehrsmittel mit einem wütenden Artikel in einem Darmstädter Volksblatt.64 Der verbale Frontalangriff Köhlers, der sich vor allem gegen den Vormachtanspruch der Autofahrer und die Disziplinierung der traditionellen Straßennutzer richtete, blieb nicht ohne Folgen: In einer Entgegnung erklärte der Hessische AC, dass seine »zehn Gebote« in Zusammenarbeit mit den Polizeibehörden entstanden wären. Man stellte einen Strafantrag, da nicht abgesehen werden könnte, ob »der geschleuderte Funke einen Brand auslöst«. Auch der Frankfurter AC reagierte auf die autofeindlichen Auslassungen des Abgeordneten mit einem Strafantrag wegen des Aufrufs zur Übertretung von Gesetzen und Aufreizung zum Klassenhass. Der KAC, der Kölner AC und ein Berliner Autofahrer, der in Hessen als Folge des Köhlerschen Pamphlets Angriffe gegen sein Auto befürchtete, klagten außerdem wegen Beleidigung.65 Eine gefahrliche Aufreizung zu Gewalttätigkeiten befürchteten die Motorblätter vor allem, da Köhlers ländliche Wähler gewohnt wären, »das Wort ihres Abgeordneten blind als ein Evangelium hinzunehmen.« Die Äußerungen des »Rekordbrechers aller Autofeindlichkeit« kämen einer Aufforderung zum Totschlag nahe und offenbarten das Ausmaß des Hasses, den der Automobilismus 64 »Ich bin wahrhaftig ein entschiedener Freund und Förderer jeglichen Fortschritts ..., aber das ist mir zuwider: wenn irgendeine >vornehme< und übermütige Faulenzerbande männlichen und weiblichen Geschlechts, mitunter ganz oder halb besoffen, in dem Automobil, todbringend, die Landstraße daher saust, und nun soll alle gewerbstätige Welt, die in ehrlicher Arbeit steht..., sich in ehrfurchtsvoller Demut ducken und fein stillestehen, bis es der moschusduftenden Schwefelbande gefallen hat, höhnisch, wie der höllische Teufel, und mit demselben Gestank wiejener bei seiner Exorzierung vorbeizusausen. Wahrlich, wenn die Bauern und alle anständigen Leute, die die Landstrasse benutzen müssen, solcher Anmassung und ekelhaften Protzerei gegenüber nicht schon längst zu Nihilisten geworden sind, so hat man nur ihre grosse Langmut, Vernunft und abwartende Geduld zu bewundern; ich aber möchte als zehntes Gebot allen Fuhrleuten das folgende empfehlen: >Gehe sofort aufs Kreisamt, erwirb Dir einen Waffenpaß und hernach einen tüchtigen Revolver, damit Du Dich wehren kannst, wenn das moderne Ungeziefer, das jetzt die Landstraße unsicher macht und mit Menschenleben spielt, Dich überfällt.«< Neue Hessische Volksblätter, 1910, zit. nach AAZ.Jg. 11,1910, Nr. 33, S. 33f. 65 Vgl. AAZ, Jg. 11, 1910, Nr. 31, S. 51; AW, 1910, Nr. 99, S. lf. Köhler stand seit 1894 als »Bauernkönig« an der Spitze des »Hessischen Bauernbundes« Er konnte Protestwähler gewinnen, da er den Widerstand gegen die Vernachlässigung ländlicher Interessen in radikaler Rhetorik verbalisierte. Dabei vertrat er in Land- und Reichstag eine »Mischung von agrarischem Populismus und radikalem Antisemitismus«. Wehler, Gesellschaftsgeschichte, Bd 3, S. 838. Auch von der antisemitischen Deutschen Reformpartei wurden militante Äußerungen gegen das Auto getätigt. Vgl. DM, S. 57.

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in fortschrittsfeindlichen Kreisen auf sich gezogen hätte. In verschiedenen Stellungnahmen betonten juristische Sachverständige, dass der Artikel Köhlers die Tatbestände der Beleidigung, der Aufreizung zum Klassenhass, der Aufforderung zum Ungehorsam gegen Gesetze und, im Falle eines Angriffs, den Tatbestand der Anstiftung erfüllte. An anderer Stelle wurde der Vorfall wesentlich gelassener kommentiert. Den Auslassungen Köhlers wäre keine größere Bedeutung beizumessen, da sie eine isolierte Extremposition darstellten. Auch Köhler werde sich, wenn er einmal das Auto benutzt hätte, in die Reihe der Autofreunde einfügen.66 Köhler ließ sich zunächst durch die Anzeigenflut nicht beirren und brachte im hessischen Landtag einen Antrag ein, der eine schärfere polizeiliche Kontrolle des Autoverkehrs und die Abschaffung des Rechtsfahrgebots forderte. In der Aussprache zu dieser Initiative äußerte er sich erneut diffamierend über die Autofahrer: Diese wären eine »Mörderbande mit höchster Protektion«. Auch in Schreiben an die Motorpresse bekräftigte der »Marschall Rückwärts« und »Autofeind aus Wahlinteresse« seinen Standpunkt. Seine Aussagen zum Schusswaffeneinsatz musste er dagegen relativieren. Köhler zog sich darauf zurück, dass er seinen Artikel lediglich als Persiflage und Verspottung der »Zehn Gebote für Fuhrleute« verstanden wissen wollte. Trotz Beschwerden der Automobilclubs lehnten die Staatsanwaltschaften daraufhin die Einleitung eines Strafverfahrens ab und verwiesen auf den Weg der Privatklage. Die Auseinandersetzungen Köhlers mit der Motorpresse und den Automobilclubs endeten erst, als der Abgeordnete im Januar 1911 einem Schlaganfall erlag. Die Autozeitschriften vermeldeten seinen Tod nicht ohne Genugtuung. 67 Das Gefühl, sich zahlreicher Feinde erwehren zu müssen, bildete einen emotionalen Grundkonsens der frühen Autofahrer. Das wirkungsmächtige Motiv eines Abwehrkampfes hielt sich bis in die Weimarer Zeit. Dabei galten neben Köhler zahlreiche weitere Parlamentarier als Autokritiker, deren Fortschrittsfeindlichkeit die Motorpresse brandmarkte. 1905 wurde dem Reichstagsabgeordneten Held unterstellt, er habe die ländliche Bevölkerung in einem Zeitungsbeitrag zur Selbsthilfe gegen Autofahrer aufgehetzt. Tatsächlich hatte er lediglich Maßnahmen zur Sicherung des Landstraßenverkehrs angemahnt. Als gefährlicher parlamentarischer Autokritiker erwies sich aber der national66 Vgl. AAZ, Jg. 11,1910, Nr. 34, S. 30ff.; Nr. 35, S. 33ff.; Z M M , 1910, Nr. 16, S. 363f. 67 »Wie kommen die Herren >Studiertenruchlosen Autoprotzen< in ihrer eigenen Presse ganz gründlich die Leviten zu lesen.« MF, 1912, Nr. 2, S. 27. 72 Bierbaum, Reise, S. 15. Zur »Auto-Therapeutik« vgl. Reinecke, Mobile Zeiten. Da das Auto zunächst vor allem als Sportgerät bewertet wurde, betonten auch Lexika die gesundheitsfördernde

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Der Nervenarzt Willy Hellpach, der das Auto zwar doppeldeutig als »Entgleisung« der Verkehrstechnik bezeichnete, bewertete die gesundheitlichen Wirkungen der Motorisierung ebenfalls positiv: Die »Ablösung der kommunistischen Transportmittel, in denen der Einzelne, eingepfercht, passiv und tausenderlei meist unlustvollen Reizen preisgegeben, fortgerollt wird,« wäre als gesundheitlicher Fortschritt zu bewerten. Die wiedererlangte Selbststeuerungsfahigkeit könnte Nervositätspotentiale der modernen Fortbewegung mildern.73 Dagegen protestierten zahlreiche Mediziner vehement gegen die Rücksichtslosigkeit vieler Autofahrer, warnten vor Gesundheitsgefährdungen und bemühten sich, die Psyche der Automobilisten wissenschaftlich zu ergründen. Der »Geisteszustand des Automobilfahrers« wurde untersucht, um Erklärungen für den »Schnelligkeitsrausch« zu finden. Bei Berufsfahrern trete eine gewisse Gewöhnung an die rauschhaften Zustände des Autofahrens ein, so dass sich die negativen Begleiterscheinungen weniger bemerkbar machten. Gefährlicher wäre der Herrenfahrer, der, wenn er in den Geschwindigkeitsrausch verfiele, dazu neigte, das Leben der Fußgänger zu gefährden. Dieser Rausch wäre auf Schwankungen des Blutgehalts im Gehirn zurückzuführen, die durch regelmäßige Erschütterungen erzeugt, ein leichtes »Nirwanagefühl« auslösten. Eine erwünschte »Kontrastwirkung« zu den Zwängen des Alltags werde dadurch erzielt. Diese Überlegungen zum »Geisteszustand des Automobilfahrers« diskutierte auch die automobilistische Fachpresse, wies sie aber als Verallgemeinerungen zurück. Eine Automobilfahrt in angemessenem Tempo, wäre vielmehr ein »erstklassiger, dem Körper wohltätiger und die Seele stärkender und erhebender Genuß für Mann und Frau.«74 Eine zurückhaltende Position zur therapeutischen Wirkung des Autofahrens nahm auch der Neurologe Wilhelm Erb ein, obwohl er ansonsten Frischluftkuren gegen Nervenleiden propagierte. Urologen konnten gar weitgehende Gesundheitsgefahren im Autofahren erkennen. Es käme nicht nur zu SchädiWirkung der Motorwagen: »Das Fahren im M. bewirkt wie jede mechanische Gymnastik eine regere Tätigkeit des gesamten Organismus, besitzt aber den sonstigen gymnastischen Methoden gegenüber bemerkenswerte Vorzüge... Mit der wohltuenden Ausspannung... und der Entlastung der inneren Organe geht Hand in Hand eine höchst vorteilhafte Einwirkung auf die Nerven ...« Motorwagen, Meyers Großes Konversationslexikon, Bd 14, S.193. 73 Hellpach, S. 212. Vgl. Radkau, Auto-Lust, S. 120f.; ders., Temporausch, S. 61-76. 74 »Das Gefühl, mit wahnsinniger Geschwindigkeit dahinzusausen, ist nach dem Geständnis vieler Motorfahrer geradezu hinreißend, aber es liegt gleichzeitig etwas Unnatürliches und Krankhaftes darin ... Durch die rasende Geschwindigkeit... müssen leichtere Störungen des Bewusstseins, Trübungen der Geistesklarheit eintreten ... Diese leichte Trübung des Bewusstseins ist angenehm und nur zu leicht geeignet, ein euphorisches Gefühl zu erzeugen, in dem das Verantwortlichkeitsgefühl sich abstumpft, die Sorglosigkeit u m Leib und Leben zunimmt, vor allem die lebende und tote U m g e b u n g immer gleichgültiger wird ... Ein Sportsmann in oben geschilderter Verfassung ist nicht mehr geistig normal zu nennen.« Naecke, S. 335-337. Vgl. Z M M , 1904, Nr. 21, S. 428f.

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gungen von Augen, Haut, Atmung und Herz, sondern auch zu einer negativen Beeinflussung der »Sexualsphäre«. Potenzstörungen wären aber nur bei Selbstfahrern zu beobachten, die durch überhöhte Geschwindigkeiten nervenkrank würden. Auch im gesundheitlichen Interesse der Autofahrer müssten daher die gesetzlichen Bestimmungen verschärft und strikte Geschwindigkeitsbegrenzungen eingeführt werden. Derartige Forderungen machten sich auch Arzte zu eigen, die mit der Therapie von »Automobilverletzungen« befasst waren und vor allem die Schwere der Unfallfolgen an Kopf und Rumpf der Fußgänger beklagten.75 Hygieniker kritisierten bereits vor dem Ersten Weltkrieg die durch Auspuffabgase verursachte Umweltverschmutzung, die sich zu einer »öffentlichen Kalamität« ausgewachsen hätte. Die toxischen Wirkungen der Abgase wiesen Tierversuche nach. Zudem wären in manchen großstädtischen Wohnlagen auch Lärmbelästigungen und Erschütterungen bereits so ausgeprägt, dass ernste Gesundheitsgefährdungen zu befurchten seien. Da sich die Verkehrsprobleme der Großstädte nicht anders bewältigen ließen, wurde der Ausbau von Untergrundbahnen ebenso als Therapie empfohlen wie die Erforschung abgasreduzierender Techniken. Behördliche Abgasuntersuchungen sollten die Funktionstüchtigkeit einzubauender Katalysatoren überprüfen.76 Schließlich zweifelte man auch wirtschaftliche Vergleichsrechnungen an, die den »Doktorwagen« als erschwingliches Fahrzeug des praktischen Arztes propagierten. Neben den Kosten wären die Gefahr schwerer Unfallverletzungen und die »berechtigte Antipathie der Landbevölkerung« als Tatsachen, die gegen das Auto sprächen, zu bedenken. Zudem biete die Nutzung eines Einspänners Entspannung, während das Auto zur »allgemeinen Zunahme der Nervosität« beitrage.77 Autokritische Ausführungen, welche die durch den Autoverkehr verursachten sozialen Verwerfungen kritisierten, den Automobilismus für nervöse Leiden verantwortlich machten und eine Therapie vor allem in der Verschärfung gesetzlicher Vorschriften sahen, blieben unter Medizinern aber die Ausnahme. Vielen erschien der Autofahrer gerade als Prototyp des konzentrierten, kraftstrotzenden Menschen. Insgesamt war die Ärzteschaft in ihrer Hal75 »Ein vernünftiger Automobilist bekommt keine Erektionsschwäche; es sind immer die Raser, die Rücksichtslosen, die Leute, welche glauben, daß die Straßen ihretwegen da seien... Und so entsteht eine Zerrüttung der Nerven beim Führer der Autodroschken sowohl wie beim Rennfahrer und beim geldbesitzenden sportseifrigen Tyrannen der Landstraße.« Notthaffi, S. 281-287. Vgl. ΕΛ, Nervosität; Kettner, S. 1214-1216. 76 »Die Gerüche der Auspuffgase drängen sich hier in einer außerordentlichen Weise auf, und an den verkehrsreichen Straßenkreuzungen und an den Haltestellen der Automobildroschken wird den Passanten das Atmen zuweilen fast unmöglich gemacht. Sogar ein Ausflug in die nähere Umgebung der Großstädte bietet oft nicht mehr die erwünschte Erholung fur die Lungen, da die Luft in der Nähe belebterer Landstraßen so mit diesen Gasen erfüllt ist, daß ein Anreiz zu tiefem Atmen nicht mehr besteht.« Kotff-Pelersen, S. 136. Vgl. Rubner, S. 1080-1089. 77 Bömighausen, S. 2189.

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tung zum Automobil gespalten: Eine zunehmende Zahl von Medizinern nutzte die von der Industrie beworbenen »Doktorwagen« und pries die gesundheitsfördernde Wirkung von Ausfahrten in frischer Luft. Eine Minderheit erkannte Gesundheitsgefährdungen, die mit der Durchsetzung des motorisierten Individualverkehrs verbunden waren, erstaunlich früh. So war die Kritik meist nicht grundsätzlicher Natur, sondern richtete sich in erster Linie gegen ein Fehlverhalten der Autofahrer oder technische Mängel des neuen Verkehrsmittels, die es zu beheben galt.78 Auch zahlreiche kulturpessimistische Intellektuelle brachten sich als kritische Beobachter in die öffentliche Diskussion um das Auto ein. Dabei agierten sie jedoch oft als erfolglose Mahner, die vor dem Tempo der Veränderung kapitulieren mussten. Ihre Rückständigkeit wurde in der Motorpresse lächerlich gemacht. Die frühen Kritiker des Autos stießen auf eine zumindest bis 1914 vorherrschende, den technischen Fortschritt erwartungsvoll begrüßende, wirtschaftsbürgerliche Grundstimmung, die sie als Sonderlinge erscheinen ließ.79 Kam Kritik von dieser Seite jedoch ebenfalls in wissenschaftlichem Gewand daher, konnten Einwände nicht ohne weiteres unter Hinweis auf die Beschränktheit des Verfassers zurückgewiesen werden. 1913 kritisierte der Nationalökonom Werner Sombart den »Schnelligkeitswahn« der Epoche und verteidigte 1929 in einer Stellungnahme an die Motorpresse seinen Vorschlag zur Einschränkung des Kraftfahrzeugverkehrs. Der Verkehr wäre kein Wert an sich, sondern müsste nach seinem Nutzen bewertet werden. Der Autoverkehr zerstörte nach Sombart aber mehr Werte, als er schaffe. Der Genuss am Autofahren wäre der kindlichen Freude am Schaukeln oder Karussellfahren gleichzusetzen. Da beim Autofahren die Lust an der Gefahr hinzukäme, wäre es mit »perversen Gelüsten« vergleichbar. Die zahlreichen Motorräder hätten sich zu einer »Landplage« entwickelt, die einem »Kulturstaat« unwürdig wäre. Zum Schutz der »verkehrsfeindlichen Minderheit« müssten daher motorfreie Rückzugsräume erhalten bleiben.80 Auch Repräsentanten der technischen Elite standen dem neuen Verkehrsmittel zuweilen kritisch gegenüber. Oskar von Miller, Propagandist der Elektrifizierung und Gründer des Deutschen Museums, als Unternehmer mit einer Automobilgesellschaft gescheitert, tadelte 1912 Lärm- und Abgasbelästigung der Autos. Ihr volkswirtschaftlicher Nutzen wäre fraglich. Differenzierte Analysen kritisierten lediglich die negativen Begleiterscheinungen der Motorisierung, ohne das Auto gänzlich abzulehnen. Sie wurden trotzdem von Auto78 Eine Analyse des Deutschen Ärzteblattes kam zu dem Schluss, dass das Auto in der Ärzteschaft kritiklos aufgenommen worden wäre. Auch die Einschätzung, das Auto wäre den Ärzten »als Antipode jeglicher Nervosität« erschienen, muss, angesichts der aufgeführten Beispiele, als Ubertreibung bewertet werden. Vgl. Scharfe, Nervosität, S. 200-222; Voswinckel, Arzt und Auto, Fründt, S.17. 79 Vgl. Dienet, Ingenieurwissenschaften, S. 196. 80 Vgl. Sombart, Bourgeois, S. 221; AAZ, Jg. 30, 1929, Nr. 11, S. 13f.

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enthusiasten als unberechtigte Angriffe zurückgewiesen. Die Kritik aus bildungsbürgerlichen Kreisen, die der potentiellen Nutzerschicht des neuen Verkehrsmittels angehörten, zeigte aber, dass die Diffamierung automobilkritischer Haltungen gegensätzliche Standpunkte zu pauschal als Fortschrittsfeindlichkeit disqualifizierte.81 Grundsätzlicher Protest gegen das Auto, der in einer allgemeinen Fortschrittskritik mündete, konnte dagegen in Äußerungen von konservativer Seite zum Ausdruck kommen. Die Verachtung, die dem Auto dabei entgegengebracht wurde, sollte das aufstrebende Bürgertum treffen und konnte sich auf den in der Landbevölkerung verbreiteten Zorn gegen die arroganten Städter berufen. Vertreter des ostelbischen Grundbesitzes schalteten sich mit automobilfeindlichen Pamphleten in die Motorisierungsdiskussion ein. Die Verwurzelung in traditionellen Wertvorstellungen führte sie dabei ebenso zu autokritischen Haltungen wie ihre ökonomischen Interessen, da sie als Pferdezüchter und im Futtermittelanbau durch das Auto finanzielle Einbußen befürchteten.82 1902 wandte sich ein Autor gegen jegliche Beschleunigung des Verkehrs, erkannte Fahrrad und Auto als Produkte desselben Prozesses und lehnte ihre Nutzung als »Seuche« und »Unfug« ab. Beide Fahrzeuge wären gleichermaßen zu bekämpfen, da sie das »Recht auf Ruhe« gefährdeten. Der österreichische Freiherr von Pidoll befürchtete 1912, dass die Straße ihre Funktion als Lebensraum einbüßen könnte. Er analysierte einige Folgewirkungen des Autos erstaunlich hellsichtig. Seine Ausführungen machten aber ein von konservativer Gesinnung getragenes, grundsätzliches Misstrauen gegenüber dem technischen Fortschritt deutlich. Mit seiner Untersuchung »Die Autotollwut« beabsichtigte Hermann Menge 1929, »den deutschen Michel wachzurütteln«. Er bezeichnete die Kultur der Moderne, die mit ihrem Streben nach Luxus und Bequemlichkeit zu »Verweichlichung, Trägheit und Laster« gefuhrt hätte, als fragwürdig. Weiter betonte Menge, dass das Autotempo der »Tiefe des deutschen Wesens« widerspräche und die »Volksgemeinschaft« zerstörte. 1930 befürchtete die Motorpresse, dass das Straßenpublikum durch eine »Die Autopest« betitelte Publikation des Schriftstellers Hermann Krieger gegen den Kraftverkehr aufgehetzt werden könnte. Der »tollwütige Automobilistenfresser« diffamierte Autofahrer als »lässig hingelümmelte Minderwertigkeit« und wollte die sich »unerträglich steigernde Autoplage« mit allen Mitteln bekämpfen.83 81 In seiner Charakterskizze der Automobilgegner kritisierte Bierbaum deren angeblich fehlende Erfahrungen mit dem neuen Verkehrsmittel. Für Oskar von Miller traf dies jedenfalls nicht zu. Vgl. Bierbaum, Philister, S. 327; Radkau, Ausschreitungen, S. 16. 82 Vgl. Sachs, Liebe, S. 26. 83 Vgl. Jung, Radfahrseuche; Pidoll, Automobilismus; Menge, Autotollwut; Droschkenwesen, 1930, Nr. 18, S. 16.

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Autokritische Pamphlete derartiger Grundsätzlichkeit müssen im Gesamtzusammenhang der antitechnischen Kulturkritik interpretiert werden, die in Deutschland ihren Höhepunkt in den zwanziger Jahren erreichte. Als Reaktion auf Inflation und Massenarbeitslosigkeit vermehrte sich die Zahl kulturpessimistischer Schriften erheblich, und auch das autokritische Schrifttum erlebte eine Renaissance. Die Wurzeln der kulturpessimistischen Technikkritik reichten dabei bis ins Kaiserreich zurück. Als sich Deutschland um die Jahrhundertwende endgültig vom Agrar- zum Industriestaat wandelte, wurden erste ernsthafte Störungen der kulturellen Gewöhnung an die Industrialisierung deutlich, die sich in einem erneuerten Natur- und Heimatbewusstsein artikulierten. Die darin enthaltenen frühen Ansätze ökologischen Denkens wurden später durch die Verbindung mit einer Blut-und-Boden-Romantik, die sich als verbale Verbrämung agrarischer Autarkiepolitik erwies, desavouiert. Allerdings lässt sich die frühe Naturschutzbewegung nicht auf den Mythos einer präfaschistischen Ideologie reduzieren: Es wurde auch in differenzierter Form auf ökonomische, sozialhygienische und ästhetische Folgen des fortschreitenden Urbanisierungs- und Technisierungsprozesses hingewiesen. Im Bürgertum konnte dabei eine Tendenz zur Differenzierung der sozialen Trägerschaft unterschiedlicher Technikbewertungen beobachtet werden: Während das Kleinbürgertum eher zu technikkritischen Sichtweisen tendierte, entsprachen »Bourgeois« und Bildungsbürger stärker dem Bild des fortschrittsgläubigen »homo faber«. Die vorherrschende Mentalität des intellektuellen Bildungsbürgertums hatte sich dabei im Sog technischer Faszination auf ungebrochene Fortschrittsgläubigkeit hin orientiert. Daher blieben bürgerliche Technik-Warner und Autokritiker in der Minderheit. Ablehnende Haltungen richteten sich nicht grundsätzlich gegen neue Techniken, sondern strebten die Begrenzung unerwünschter Nebeneffekte an. Dass sich die automobile Idee nur »mit anfänglichem Stottern« durchsetzte, lag vor allem daran, dass eine autogerechte Umwelt noch nicht vorhanden war. Zudem verkannten die Zeitgenossen die Chancen der Massenmotorisierung.84 In der konservativen Kulturkritik bestand von Julius Langbehn über Ernst Rudorffund dem im »Bund Heimatschutz« aktiven Schultze-Naumburgbis zu Ferdinand Avenarius und dem Dürerbund eine Kontinuität in der Ablehnung moderner Technik. Auch wenn diese Strömung nicht übermächtig wurde, nahm sie doch Ausmaße an, die den Bund der Industriellen 1911 dazu bewogen, eine »Kommission zur Bekämpfung der Auswüchse des Heimatschutzes« 84 Dass antitechnische Standpunkte in Deutschland häufiger geäußert wurden als im übrigen Europa, ist nicht nur auf die traumatischen Erfahrungen des verlorenen Krieges zurückzufuhren, sondern wurzelte in einer bereits im 19. Jahrhundert verbreiteten Geringschätzung der Technik. Vgl. Pot, Bd. 1, S. 142f.; Linse, S. 8-14; Salewski u. Stölken-Fitchen, Moderne Zeiten. Zur Technikkritik der Lebensreformbewegung zuletzt: Krebs u. Reulecke, Handbuch; Rohkrämer, Zivilisationskritik.

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einzurichten. In der Natur- und Heimatschutzbewegung ging die Großstadtund Technikverdrossenheit mit einer Idyllisierung des Landlebens einher, die auch Verkehrs- und autofeindliche Haltungen umfasste. Bereits im Gründungsaufruf des »Bundes Heimatschutz« wurden zerstörerische Wirkungen des modernen Verkehrs angesprochen. Der Heimatbewegung war zudem, wie der Jugendbewegung, die strikte Ablehnung des sich entwickelnden, touristischen Massenreisens eigen. Ernst Rudorff befürchtete, dass der großstädtische »Reisepöbel« die gewachsene ländliche Volkskultur zerstören könnte. Der Vorsitzende des Bundes Heimatschutz Paul Schultze-Naumburg sprach sich grundsätzlich für eine Zurückdrängung der »scheußlichen Technik« aus. Heinrich Sohnrey, der als Vorsitzender des Steglitzer Wandervogel auch eine fuhrende Rolle in der Jugendbewegung spielte, wollte ein »gesundes Bauerntum« verteidigen und griff die technische Entwicklung der modernen Zivilisation an. Der aggressive Antisemit Ludwig Klages lieferte mit seinem Essay »Mensch und Erde« schließlich eine leidenschaftliche Absage an die technische Zivilisation. Darin zeigten sich Ansätze zu einer ökologischen Gesamtbetrachtung, doch gipfelte der aus Modernisierungsangst gespeiste Affekt gegen das Neue in einem fundamentalen Kulturpessimismus, der jede Innovation radikal ablehnte.85 Heftig wurde das Auto auch in der einflussreichen Zeitschrift »Der Kunstwart« kritisiert. Ferdinand Avenarius forderte hier »reinigende Taten« gegen das Auto als Sportmittel. 1913 brandmarkte man den Verkehr mit Luxusautos im »Kunstwart« erneut. »Das gesetzlose Automobil« wäre ein »bevorzugter Träger des Rückschritts«, der den »Interessen der modernen Volkserziehung« und der »öffentlichen Hygiene« zuwiderlief.86 Aber auch der Pazifist Hans Paasche, ein führender Exponent der Jugendund Reformbewegungen, hielt in seinen kulturkritischen Betrachtungen der modernen Zivilisation den Spiegel vor. Dies schloss eine Kritik an der Vermehrung und Beschleunigung des Verkehrs ein. Hierin folgten ihm von den Reformbewegungen beeinflusste Architekten, wie Sitte, Muthesius und Behrens, die ebenfalls autokritische Standpunkte äußerten und sich vor allem gegen die neuen Tendenzen in Straßenbau und Verkehrsorganisation wandten. Die Anlage breiter Straßen wurde als Vergeudung wertvollen Baulandes betrachtet, der Durchgangsverkehr sollte zum Schutz der Wohnbevölkerung von den Siedlungen ferngehalten werden. Die vorgeschlagenen Maßnahmen zur Ver85 Vgl. Aufruf zur Gründung eines Bundes Heimatschutz (1904), GStA PK I. HA Rep. 93B Nr. 2339; Sieferle, S. 152-171; Mohrmann, S. 261-275;Reulecke, S. 6fT.; Bergmann, S. 63ff.; Kagel, S. 199-220; Sontheimer, S. 48f. 86 »Verstauben und Verstänkern« entwerteten die »Heimatschönheit«. Das Auto verstärkte den »Größenwahn des Reichen, als solcher was Besseres als der Plebs« zu sein. Es wirkte dadurch, wie auch »die entgegengesetzten Erregungen« »klassentrennend« und »unsozial«. Vgl. Avenarius, S. 410f. Darüber hinaus wurde im »Kunstwart« die Vermutung geäußert, dass »Verbrechen gegen Automobile«, die ihre Ursachen in tatsächlichen Missständen hätten, verheimlicht wurden, da man ihre »suggestive Kraft« fürchtete. Vgl. Stapel, S. 338-342.

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kehrsberuhigung sahen den Verzicht auf Bürgersteige vor, um Vorrechte für den Autoverkehr zu vermeiden. Als sich zu Beginn der dreißiger Jahre eine an amerikanischen Vorbildern orientierte, autogerechte Stadt- und Verkehrsplanung mit Straßendurchbrüchen, Häuserabrissen und Parkplatzbauten durchzusetzen begann, stimmten auch Kommunalpolitiker in den Chor der Autokritiker ein: Der Kölner Oberbürgermeister Konrad Adenauer äußerte 1930 Bedenken gegen das Vordringen der Kraftfahrzeuge, die nicht »Alleinherrscher« der Stadt sein dürften. Seinen Kollegen empfahl er, gegenüber den Forderungen der Autolobby eine »etwas übertriebene ablehnende Haltung einzunehmen«, da sich die Automobilisten ohnehin nie bescheiden würden.87 Nach dem Ersten Weltkrieg war die autokritische Argumentation durch den wachsenden Einfluss völkischer Strömungen in der Heimat- und Naturschutzbewegung zunehmend unversöhnlicher geworden. Die »Naturfreunde« wandten sich 1928 mit den Heimatschützern gegen die Erschließung der sächsischen Schweiz durch neue Autostraßen, wobei neben klassenkämpferischen auch antisemitische Untertöne anklangen. Dabei konnte auf seit dem 19. Jahrhundert bestehende Verbindungen zwischen der konservativen Technikkritik und einem populären Antisemitismus zurückgegriffen werden, die sich aus antikapitalistischen Motiven speisten. Der ländliche Antisemitismus verband sich mit Großstadtfeindschaft, wenn man Berlin als jüdisches Zentrum identifizierte. Verbindungen zur Autokritik ergaben sich, wenn der schollenverbundene Bauer dem »nomadisierenden Juden« gegenübergestellt wurde. Juden erschienen als Kriegs,- Revolutions- und Inflationsgewinnler, die auf Kosten der Landbevölkerung in den »besten Villen« wohnten und in den »elegantesten Autos« fuhren. Der mobile (jüdische) Autofahrer aus der Großstadt gefährdete demnach den seßhaften Landbewohner bei der Verrichtung seines »ehrlichen Tagwerks«. Das Stereotyp des mobilen, jüdischen Händlers bildete einen integralen Bestandteil des »antisemitischen Codes«, den zahlreiche Karikaturen personalisierten. Die »emotional und kognitiv feindselige Haltung gegen die Juden« besaß dabei axiomatische Konstanz, war allgemein verbreitet und akzeptiert. Die Identifikation von Automobilismus mit Großstadt und jüdischer Abstammung ging soweit, dass selbst die Motorpresse die Scherzfrage nach dem ersten Autobesitzer mit »Jakob Israel aus Berlin« beantwortete.88 Insbesondere die Technikkritik Oswald Spenglers, die mit einer Beschwörung des Bauerntums einherging und die »Blut- und Boden«- Ideologie bereits sozialdarwinistisch unterlegte, fand in den zwanziger Jahren breite Akzeptanz. Die Betonung des Gegensatzes zwischen »Zivilisation« und »Kultur«, die mit einer Geringschätzung der modernen Technik einherging, konnte sich auf 87 Vgl. Paasche, Forschungsreise; Monheim u. Monheim-Dandorfer, S. 54ff. 88 In diesem Sinne polemisierte auch der Reichslandbund: »Wo Nomaden ein Land beherrschen, da können Friede und Wohlstand nicht gedeihen.« Reichslandbund, Jg. 4,1924, Nr. 21. S. 224f. Vgl. MF, 1919, Nr. 38, S. 12; Sieferie, S. 152ff.; Huret, S. 355f.; Goldhagen, S. 88; Reif, S. 403ff.

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Nietzsche berufen, fand im »Untergang des Abendlandes« ihren vorläufigen Höhepunkt und bot den kulturpessimistischen Strömungen der Weimarer Republik zahlreiche Anknüpfungspunkte. Geistige Wegbereiter des Faschismus wie Möller van den Bruck, der zur Verteidigung deutscher Kultur gegen die »westliche Zivilisation« aufrief konnten auf Spenglerschen Ideen ebenso aufbauen, wie der NS-Ideologe Alfred Rosenberg, der in seinem »Mythus des 20. Jahrhunderts« gegen die »rassenvernichtende Arbeit« der Weltstadt Berlin polemisierte und die deutsche Kultur durch den modernen »Asphaltmenschen« und »naturentfremdete Straßengeschlechter« bedroht sah.89 Der völkische Vordenker und Exponent der »Konservativen Revolution« Edgar Jung setzte sich dagegen die Versöhnung der Sphären »Kultur« und »Zivilisation« zum Ziel. Er sah in seiner erstmals 1928 erschienen Schrift »Die Herrschaft der Minderwertigen« im Kraftwagen ein Mittel, die verhasste Verstädterung zu überwinden. Das Auto rückte Stadt und Land näher aneinander, bewirkte die »Rückkehr zur Natur« und eine Umformung der Siedlungsstrukturen. Der Kraftwagen ermöglichte auch eine ausgeprägtere Raumerschließung und persönliche Begegnungen, die für das erstrebte politische System unabdingbar wären. Im Konzept der »organischen Demokratie« vergrößerte das moderne Verkehrsmittel »die Fähigkeit des Führers, in unablässiger Berührung mit den Geführten zu bleiben.« Mit Hilfe der fortschrittlichen Technik des Autos sollten rückwärtsgerichtete gesellschaftspolitische Ziele realisiert werden.90 Diese Ausführungen trafen sich mit den Vorstellungen einiger Autointeressenten, welche die mangelnde »innere Aufnahme des Kraftfahrzeugs in die Vorstellungswelt des Kulturmenschen« beklagten. Jeder »Volksgenosse« müsste ein Verständnis für technische Zusammenhänge ausbilden. Schließlich versah man Automobilia erstmals mit Hitler-Zitaten, hielt Autokritikern entgegen, dass »ohne Blut ein Fortschritt in der Welt undenkbar« wäre, und verherrlichte Autorennen in futuristischer Manier, da man in ihnen einen »Rest an Brutalität« erkannte.91 In diesen Beiträgen begann sich bereits Ende der zwanziger Jahre abzuzeichnen, wie unter der Herrschaft der Nationalsozialisten die antitechnische Rhetorik der völkischen Vorläufer bald einer »Pseudomodernisierung« 89 Vgl. Siefede, S. 189ff.; Pot, Bd. 1, S. 687; Spengler, Untergang, Bd. 2, S. 6 1 9 - 6 3 0 ; ^ . . T e c h nik; Moeller van den Bruck, S. 3 2 0 - 3 2 2 ; Rosenberg, S. 298. A u c h in »Blut und Boden«, der »Zeitschrift fur wurzelstarkes Bauerntum«, wurde die völkische Großstadt- und Technikfeindlichkeit deutlich: »Die verhängnisvolle und dämonische Gewalt der Maschine, mit deren Hilfe sich der M e n s c h zu ungeahnten Leistungen emporschwang, vergalt i h m dafür u n d hat ihn seelenlos gemacht, i n d e m sie die Zivilisation s c h u f und die Einheit zwischen M e n s c h und Natur zerriss.« Blut und Boden, 1929, N r . 3, S. 142. 9 0 Vgl. Jung, Herrschaft, S. 316f., S. 323f. 91 Es wäre allerdings zu kurz gegriffen, wollte man die mit d e m Autofahren verbundenen Freiheitsgefühle auf faschistoide Allmachtssehnsüchte reduzieren. Vgl. Schar/ё, Circulation, S. 232; AAZ, Jg. 30, 1929, N r . 1, S. 9f. ; Beter, S. 178f.

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weichen sollte, die mit modernen technischen Mitteln antimoderne Ziele verfolgte. Die NS-Motorisierungspropaganda beendete den intellektuellen Widerstand gegen die Automobilisierung, brachte jedoch nicht den Durchbruch zur mobilen Gesellschaft, sondern ermöglichte die Durchführung eines rassistisch motivierten Eroberungskrieges.92

92 Vgl. Matzerath u. Volkmann, S. 86-116.

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6. Konfliktregulierung: Staat und Automobil

a) Z u r Entwicklung des Straßenverkehrsrechts Da sich einige Folgekosten der Motorisierung bald deutlich abzeichneten, erkannte man früh die Notwendigkeit, »schlichtend« in Verkehrskonflikte einzugreifen.1 Das preußische »Gesetz über die Polizei-Verwaltung« von 1850 und die Reichsgewerbeordnung von 1869 unterstellten Aufsicht und Unterhalt des öffentlichen Verkehrs den örtlichen Polizeibehörden, so dass sich nach Auftauchen der ersten Autos zahlreiche regionale Verordnungen etablierten. Auf den Landstraßen galten dagegen die Grundsätze des Allgemeinen Landrechts von 1794: Jeder Verkehrsteilnehmer hatte sich so zu verhalten, »daß der Andere an dem gleichmäßigen Gebrauche des Weges nicht gehindert, noch zu Zänkereien oder gar Thätlichkeiten über das Ausweichen Anlaß gegeben werde.«2 In Berlin erfolgte erstmals 1899 der Erlass einer Verkehrsordnung fur das Stadtgebiet, die man fortlaufend aktualisierte. Zu den Beratungen über eine Polizeiverordnung im folgenden Jahr zog man bereits Vertreter der Automobilindustrie und des M M V hinzu. Die Vorschriften sollten auf das Notwendigste beschränkt bleiben, um der Entwicklung der neuen Industrie keine unnötigen Hindernisse zu bereiten. Automobilinteressenten wurden auch beteiligt, da man möglichen Klagen vorbeugen und eine Entwicklungsmöglichkeit für einheitliche Verkehrsordnungen in Preußen und dem gesamten Deutsche Reich schaffen wollte.3 Die »Polizei-Verordnung über den Verkehr mit Kraftfahrzeugen in Berlin« von 1901 legte die technische Standards der Automobile fest, wobei man sich an den bestehenden Verordnungen für Pferdefuhrwerke orientierte. Der Wende1 Handlungen, »deren Absicht es ist, Konflikte abzuwehren oder auszusetzen, ohne Kapitulation zu verlangen oder anzubieten«, können als »Schlichtung« verstanden werden. Der Staat kann im Rahmen seiner gesetzgeberischen Aktivität eine schlichtende Funktionen ausüben. In der Motorpresse wurde eben dies gefordert: Der Staat sollte ein »ehrlicher Makler« unterschiedlicher Interessen sein. Vgl. Turner, S. 190; AAZ, Jg. 1, 1900, Nr. 20, S.4. 2 ALR, Zweyter Teil, Fünfzehnter Titel, Erster Abschnitt, § 25, N D , S. 549. Den Autointeressenten erschien dieser Grundsatz recht unbestimmt, galt ihnen jedoch gleichzeitig als Gewähr fur die grundsätzliche Erlaubnis zur Benutzung von Autos auf öffentlichen Wegen. Vgl. MW, 1901, S. 36flf.; Wienecke, S. 8;Zatsch, Staatsmacht, S.187. 3 Insbesondere in Städten, in denen Betriebe der Automobilindustrie ansässig waren, wurden die ersten Polizeiverordnungen auffallend zurückhaltend formuliert. Vgl. Automobile, Jg. 1,1899, Nr. 6, S. 76; MW, 1900, S. 68.

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kreis der Autos musste kleiner als zehn Meter sein, um die Beweglichkeit in engen Straßen sicherzustellen. Belästigende Geruchs- und Lärmemissionen waren »unstatthaft«. Die Wagen mussten mit zwei Bremsvorrichtungen sowie einer Hupe ausgestattet werden. Ferner schrieb man die Anbringung eines Typenschildes vor, das die wichtigsten technischen Daten des Fahrzeugs enthielt. »Polizeikontrollvorschriften« legten für den Fahrzeuglenker ein Mindestalter von 18 Jahren fest und bestimmten, dass er eine »Bescheinigung über die Fähigkeit zum Lenken von Kraftfahrzeugen« bei sich zu führen hatte. Die zulässige Höchstgeschwindigkeit wurde auf 15 km/h begrenzt, musste aber stets der Verkehrssituation angepasst werden. »Zuwiderhandlungen« konnten mit bis zu 60 Mark Geldstrafe oder 14 Tagen Haft geahndet werden. Die folgende Verordnung von 1902 machte in Berlin und Brandenburg die Anbringung polizeilicher Kennzeichen, die nachts zu beleuchten waren, zur Pflicht. Bereits diese ersten Polizeiverordnungen enthielten Grundsatzentscheidungen wie Registrierungs- und Führerscheinpflicht, die für spätere Gesetze maßgeblich werden sollten. Die Festsetzung technischer Standards machte das Bemühen deutlich, all zu große Beeinträchtigungen des Publikums durch das neue Verkehrsmittel zu verhindern. Die situationsbedingte Flexibilität der zulässigen Geschwindigkeit muss man als wegweisend bezeichnen. Der Nummernzwang kann dagegen als »ungewöhnlich strenge Kontrollmaßnahme« interpretiert werden, da sich um die Jahrhundertwende die massenhafte Zunahme der Autos noch nicht abzeichnete.4 Die erste Berliner Polizeiverordnung diente 1901 als Vorlage für eine Regelung in allen preußischen Provinzen. Andere Bundesstaaten folgten mit einer liberalen Verkehrspolitik, wie Gotha und Sachsen-Meiningen, oder einer restriktiveren Linie wie Bayern, Baden und Württemberg. Die Vielfalt unterschiedlicher Verordnungen bedeutete für den Autofahrer ein hohes Maß an Unsicherheit, da jeder Polizeibezirk auf Einhaltung lokaler Bestimmungen bestand. ZwölfVerordnungen zum Autoverkehr allein in Preußen und 19 weitere in den anderen Bundesstaaten führten dazu, dass man sich vor jeder längeren Reise durch Lektüre der Fachpresse mit einer Vielzahl von Sonderbestimmungen vertraut machen musste. Die Interessenvertretungen der Autofahrer forderten daher von Beginn an eine Vereinheitlichung der rechtlichen Grundlagen des Straßenverkehrs. Diese brachten schließlich 1906 die vom Bundesrat erlassenen oberpolizeilichen Vorschriften in den »Grundzügen über den Verkehr mit Kraftfahrzeugen« auf den Weg.5 4 Da in Paris nur eine Höchstgeschwindigkeit von 12 km/h zulässig war, wurde in der Berliner Verordnung ein »liberaler, vorurteilsfreier und entgegenkommender Zug« gesehen. 15 km/h wären für den Stadtverkehr »eine ganz respektable Geschwindigkeit«. Z M M , 1903, Nr. 9, S. 218. Vgl. Polizei-Verordnung über denVerkehr mit Kraftfahrzeugen in Berlin, AAZ J g . 2,1901, Nr. 17, S. 12, S. 14; MW, 1902, S. 67, S. 113f.; Zatsch, Staatsmacht, S. 193. 5 1903 formulierte der D A C die Erwartungen der Autofahrer an den Gesetzgeber: »Die herrschende Verschiedenheit und Unsicherheit ist einer der Gründe, weshalb das deutsche Auto-

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Zunächst каш es zu keiner Erhöhung des Strafmaßes bei Verkehrsvergehen, da man die Verabschiedung eines Reichsgesetzes abwarteten wollte. Zudem entstanden die Bestimmungen des Bundesrates unter aktiver Mitarbeit von Vertretern des KAC und des MMV, was ihre Akzeptanz durch die Autofahrer gewährleisten sollte. Durch die Einführung einheitlicher Regelungen über Führerscheine, die von anerkannten Stellen nach einer Fahrprüfung vergeben wurden und nach Vergehen entzogen werden konnten, sahen viele die Unfallgefahren bereits gebannt. Allerdings stellten die in den oberpolizeilichen Vorschriften enthaltenen Strafdrohungen für wohlhabende Autofahrer nur bedingt eine Abschreckung dar. Eine Koordination der Strafverfolgung war daher unerlässlich: Das Königreich Sachsen plädierte bereits 1906 für die Einrichtung einer Sammelstelle, die Daten über entzogene Führerscheine und bestrafte Fahrer reichsweit archivieren sollte.6 Mit den enthaltenden Verkehrsvorschriften bildeten die oberpolizeilichen Vorschriften des Bundesrates die Grundlage fur die reichseinheitliche Regelung des motorisierten Straßenverkehrs im 1909 verabschiedeten »Gesetz über den Verkehr mit Kraftfahrzeugen«. Bestimmungen über Erteilung und Entziehung der Fahrerlaubnis und die Strafvorschriften wurden hierin verschärft, was vor allem auf die Auswertung der 1906 aufgenommenen reichsweiten Automobilstatistik zurückzufuhren war. Die Fahrprüfung musste von einem staatlich überwachten Fahrlehrer abgenommen werden, und der Führerschein konnte durch Verwaltungsbehörden entzogen werden. Die Höchststrafen für Verkehrsvergehen bewegten sich zwischen 150 Mark bei Geschwindigkeitsübertretungen und 500 Mark bei Manipulationen am Kfz-Kennzeichen. In besonders schweren Fällen von Fahrerflucht drohten bis zu sechs Monate Haft.7 Die im Februar 1910 erlassene »Verordnung des Bundesrates über den Verkehr mit Kraftfahrzeugen« führte das Kfz-Gesetz näher aus. Eingehend spezifi-

mobilwesen zum Schaden der Volkswohlfahrt in seiner Entwicklung hinter der des Auslandes zurückbleibt. Die vielfach künstlich grossgezogene Abneigung gegen das neue Verkehrsmittel beginnt allmählich nachzulassen ... und deshalb bitten wir Eure Exzellenz um geneigte Willfahrung unserer Bitte um Beseitigung der behördlicherseits der Entwicklung des Automobilismus entgegenstehenden Hindernisse.« DAC an Reichskanzler (13.2.1903), GStA PK I. HA Rep. 77 tit. 1328 Nr. 11, Bd. 2. Vgl. Zatsch, Staatsmacht, S. 193-199. 6 Besonders begrüßt wurde, dass die Grundzüge des Bundesrats den Erlass von Straßenverboten von Voraussetzungen, wie dem Zustand der Wege oder der Eigenart des Verkehrs abhängig machten und die Kennzeichnung gesperrter Strecken vorschrieben. Allerdings blieben lokale Sonderregelungen möglich. Die Autointeressenten forderten daher eine »Reichsautomobilordnung«. Vgl. ZMM, 1907, Nr. 15, S. 349-351; AAZ, Jg. 8, 1907, Nr. 13, S. 50; Dieterich, S. 29ff.; Meili, S. 16ff.; Protokolle über die Verhandlungen des Bundesrates, 1906, S. 208. 7 Vgl. Bericht der 29. Kommission, Aktenstück Nr. 1250, S. 7630fF.; Entwurf eines Gesetzes über den Verkehr mit Kfz, Aktenstück Nr. 988, S. 5593-5603; Gesetz über den Verkehr mit Kfz (3. 5. 1909), RGBL, 1909, S. 437fF., Neukirch u. Rosenmayer, S. 1-9.

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zierte die Verordnung die Beschaffenheit der Fahrzeuge und Kennzeichen, Modalitäten der Fahrzeugzulassung, Verantwortlichkeiten des Fahrzeugfuhrers, Geschwindigkeitsbegrenzungen, Vorschriften über Hupen und Beleuchtung sowie Regelungen über das Mitfuhren von Anhängern. Die zulässige Höchstgeschwindigkeit in geschlossenen Ortschaften begrenzte man auf 15 km/h, während für Landstraßen kein Limit festgesetzt wurde. Allerdings galten die Bestimmungen über die Möglichkeit sofortigen Haltens bei Gefahrenstellen, die sich schon in der Berliner Polizeiverordnung von 1901 fanden.8 Schließlich trat 1910 auch das »1. Internationale Abkommen über den Verkehr mit Kraftfahrzeugen« in Kraft, an dem sich die meisten europäischen Staaten beteiligten. Es regelte die Vergabe internationaler Führerscheine, das Aussehen von Verkehrsschildern und Länderkennzeichen sowie die Grundlagen der Fahrer- und Fahrzeugzulassung. Außerdem einigte man sich über Zollformalitäten und technische Anforderungen an Signalinstrumente.9 Während zunächst unabhängige Sachverständige die Prüfung von Fahrer und Fahrzeug übernommen hatten, erhielten seit 1911 die Ingenieure des Deutschen Überwachungs-Vereins diese Aufgabe. Die weitere Vereinheitlichung der Grundlagen des Kraftverkehrs, die darin zum Ausdruck kam, ließ ein höheres Maß an Verkehrssicherheit erwarten, so dass bis zum Ersten Weltkrieg zahlreiche Städte von der in der Bundesratsverordnung vorgesehenen Möglichkeit, die zulässige Höchstgeschwindigkeit zu erhöhen, Gebrauch machten. In Berlin und den meisten preußischen Städten durften die Autofahrer 25 km/ h schnell fahren, während in Hamburg und München sowie in vielen anderen bayerischen Städten eine Höchstgeschwindigkeit von 20 km/h galt.10 Die beständige Kritik an den Begleiterscheinungen des Autoverkehrs führte zu gesetzlichen Regelungen, die bereits vor dem Ersten Weltkrieg die Grundlagen für eine moderne Straßenverkehrsordnung legten. Obwohl den Kritikern des neuen Verkehrsmittels die Strafvorschriften nicht weit genug gingen, hatten die frühen Verordnungen und Gesetze auf die Automobilakzeptanz eine positive Wirkung, da anfängliche Sicherheitsprobleme verringert werden konnten. Gewalttätige Angriffe Einzelner konnten dadurch jedoch nicht zum Verschwinden gebracht werden, zumal sich zahlreiche Autofahrer durch eine hartnäckige Ignoranz gesetzlicher Vorschriften auszeichneten. Die Automobilkrise von 1907/08 und die gut funktionierende Kommunikation zwischen Autohersteilern, hochgestellten Automobilnutzern, Bürokratie und Militär machten die Automobilindustrie als volkswirtschaftlich wertvoll bewusst und 8 Vgl. Verordnung des Bundesrates über den Verkehr mit Kfz (3. 2. 1910), RGBL, 1910, S. 389ff„ Neukirch u. Rosenmayer, S.222-245. 9 Vgl. Erstes Internationales Abkommen über den Verkehr mit Kfz (11. 10. 1909), RGBL, 1910, S. 603fF., Neukirch u. Rosenmayer, S. 296-301; Merki, L'internationalisation, S. 329-348. 10 1923 wurde die zulässige Höchstgeschwindigkeit in Berlin dem Verkehr erneut angepasst und auf35 km/h erhöht. Vgl. MW, 1923, S. 318; AAZ, Jg. 14,1913, Nr. 13, S. 24; Wiesenack, S. 40ff.

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verhinderten Regelungen, die von den Autofahrern als all zu restriktiv empfunden worden wären. Die Vereinheitlichung rechtlicher Grundlagen lag auch im Interesse der Autofahrer, so dass Widerstände allenfalls bei der Verschärfung von Strafvorschriften bemerkbar waren. Die grundsätzliche Zustimmung der Interessenvertreter, die stets am Gesetzgebungsverfahren beteiligt waren, wäre jedoch ohne Zugeständnisse im Bereich der Haftpflichtregelungen kaum erreichbar gewesen.11 Im Ersten Weltkrieg führten dann allerdings verschiedene Verordnungen zu einer schrittweisen Einschränkung des privaten Kraftverkehrs. Gleichzeitig machten aber Polizeiverordnungen, die das Verhalten der anderen Verkehrsteilnehmer reglementierten, die zunehmende Anerkennung des kriegswichtigen Autos deutlich. Kutschern untersagte man nun ausdrücklich, Autos zu behindern. Zügel mussten straff gehalten werden. Überflüssiges Schwingen, Schlagen und Knallen mit der Peitsche war ebenso verboten, wie das laute Schimpfen. Die Fußgänger mussten sich auf dem Bürgersteig rechts halten und rechts auszuweichen. Der Fahrdamm sollte in beschleunigtem Schritt überquert, jedes unnötige Verweilen auf der Fahrbahn unterlassen werden. Außerdem benannte man in Kriegszeiten das Anhängen an fahrende Autos sowie das Bewerfen derselben mit Bällen, Steinen, Stöcken, Schnee und anderen Gegenständen als unzulässige Handlungen. 1929 griff eine Polizeiverordnung die betreffenden Formulierungen erneut auf, stellte aber zusätzlich die Beschmutzung und Beschädigung von Verkehrsschildern sowie die Behinderung von »Ordnung, Sicherheit und Leichtigkeit« des Verkehrs ausdrücklich unter Strafe. Fußgänger hatten die Fahrbahn schließlich »tunlichst zu meiden«.12 Im Februar 1921 wurde der private Kraftverkehr nach der kriegsbedingten Unterbrechung teilweise wieder freigegeben: Nur Automobile, die reinen Luxuszwecken dienten, blieben zunächst noch vom Verkehr ausgeschlossen. Es folgten im März 1921 und 1923 weitere Verordnungen über den Verkehr mit Kraftfahrzeugen, die zunächst das Ausbildungswesen durch Festlegung von Bedingungen zur Führung einer Fahrschule reglementierten. Die wachsende Anerkennung des Kraftwagens zeigte sich in der Folgezeit in der Anhebung zulässiger Höchstgeschwindigkeiten, in Erleichterungen bei der Zulassung von Signalinstrumenten und Scheinwerfern und in der Freistellung der Kleinkrafträder von Kennzeichnungs- und Führerscheinpflicht. Der 1924 eingerichtete »Beirat für das Kraftfahrwesen« bot für Behördenvertreter und Automobil-Clubs, Industrieverbände, Wegebaupflichtige und Arbeitnehmervertreter ein Forum, in dem man sich über die unterschiedlichen Standpunkte zu 11 T r e u e betont, dass sich der Gesetzgeber nicht nur bei der Haftpflichtregelung, sondern auch im Bereich der Verkehrsordnung weniger dirigistisch als bei der Eisenbahn verhielt. Vgl. Treue, S. 353. 12 Vgl. Berliner Straßen-Polizeiverordnung (25. 1. 1917), S. 18-88; Polizeiverordnung über die Regelung des Verkehrs (15. 1. 1929), S. 6. ff.

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strittigen Fragen des Kraftverkehrs austauschte.13 Unter Mitwirkung des Beirats entstand die »Verordnung über Kraftfahrzeugverkehr« von 1925, in der neben einschränkenden Bestimmungen für die Autofahrer auch eine Beschränkung der ortspolizeilichen Befugnisse enthalten war: Wegstrecken, die dem Durchgangsverkehr dienten, konnten nur noch durch die oberste Landesbehörde gesperrt werden; für eine Begrenzung der zulässigen Pkw-Geschwindigkeit unter 30 km/h mussten die Gemeinden die Zustimmung der höheren Verwaltungsbehörde einholen.14 Der ADAC würdigte in der Folgezeit ein »weitestes Entgegenkommen der Behörden«, die »zuvorkommende Behandlung von Eingaben« sowie die Berücksichtigung seiner Anregungen, Vorschläge und Wünsche. Auch der Staatssekretär im preußischen Innenministerium Abegg forderte 1926 »Freie Bahn dem Auto!« und stellte fest, dass polizeiliche Maßnahmen den Verkehr nicht hemmen dürften, sondern ihn fördern sollten. Das 1927 gegründete »Polizeiinstitut für Verkehr und Technik«, die Kraftverkehrsabteilung im Reichsverkehrsministerium und die Landesinnenministerien beobachteten regelmäßig ausländische Verkehrsentwicklungen, wobei den Vereinigten Staaten und insbesondere der Stadt New^brk eine Vorbildfunktion zukam. In den Ministerien trafen Interessenvertreter nun auf kompetente Ansprechpartner, die sich den Erfordernissen des wachsenden Verkehrs nicht verschlossen. Autofreundliche Entscheidungen waren in den zwanziger Jahren vor allem auf diesen Einfluss technokratischer Leitbilder US-amerikanischer Provenienz zurückzufuhren. Schließlich resultierte die Kriegsniederlage nach Ansicht vieler Zeitgenossen auch aus einer vormals zögerlichen Motorisierung.15 Die Zentralbehörden bemühten sich daher im Gegensatz zu unteren und mittleren Stellen, die vordringenden Kraftwagen möglichst reibungslos in den allgemeinen Straßenverkehr zu integrieren. Mit der Verordnung über den Kraftfahrzeugverkehr vom Juli 1930 kam man dabei in erster Linie Wünschen der Industrie entgegen, die von der Heraufsetzung des zulässigen Gesamtgewichts eine größere Wirtschaftlichkeit schwerer Lkw erhoffte. Straßenschonend sollte dagegen eine Bestimmung wirken, die grundsätzlich nur noch Luftbereifung zuließ. Die Möglichkeit für die lokalen Behörden, die zulässige Fahrgeschwindigkeit innerorts auf 40 km/h zu erhöhen, blieb bestehen. Den Geschwindigkeitsbefürchtungen ländlicher Bevölkerungskreise trug man dagegen kaum Rechnung. Vielmehr zeigte sich in 13 Die Mitglieder des Beirats wurden vom Verkehrsminister ernannt und waren ehrenamtlich tätig. Hauptaufgabe des Beirats war es, zu wichtigen Fragen des Kraftfahrwesens Gutachten als Grundlage für die Gesetzgebung zu erstellen. Der Beirat ergänzte die Arbeit des »Reichsausschusses für das Kraftfahrwesen« und stand auch den Ländern in Verkehrsfragen beratend zur Verfügung. Vgl. Verordnung über den Beirat für das Kraftfahrwesen (5. 2. 1924), BA R 3001 Nr. 7076, Blatt 8; Isaac, Kommentar, S. 708; Baumarm, S. 408; Müller, Neuregelung, S. 86. 14 Vgl. Verordnung über Kfz-Verkehr (5.12.1925), RGBL, 1925, S. 439, Pflug u. Bapst, S. 32fF. 15 Vgl. Grandke, S. 5-16; Sang, S. 97-119.

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der Kraftfahrzeuggesetzgebung der Weimarer Republik der wachsende Einfluss automobiler Interessenvertreter, die sich im »Zeitalter des Verkehrs« auf breite Akzeptanz bei den staatstragenden Reichstagsparteien stützen konnten.16

b) Haftpflichtdiskussionen

Die Schadenshaftung im Straßenverkehr wurde zu Beginn des Jahrhunderts durch das Bürgerliche Gesetzbuch geregelt und beruhte auf dem Verschuldensprinzip. Die Ersatzpflicht des Automobilisten setzte neben einer rechtswidrigen Handlung sein Verschulden oder das Verschulden seines Angestellten voraus. Hierbei lag die Beweislast auf Seiten des Geschädigten, der nach Möglichkeit Zeugen beizubringen hatte. Noch ungünstiger war die Rechtslage für das Unfallopfer, wenn ein angestellter Chauffeur am Steuer des Wagens saß. Arbeitgeber hafteten zwar auch für Schäden, die ihre Angestellten verursachten, konnten sich aber von dieser Haftung befreien, wenn sie nachwiesen, dass sie bei Einstellung des Chauffeurs die im Verkehr notwendige Sorgfalt beachtet hätten. Hierzu genügte es, wenn sich der Angestellte stets als zuverlässig erwiesen hatte. Dem Geschädigten standen daher meist nur Ansprüche gegen den mittellosen Chauffeur zu. Der Jurist Karl Hilse schlug daher bereits 1899 vor, die wesentlich strengere Eisenbahnhaftpflicht auf den Straßenverkehr zu übertragen. Dies hätte den Übergang zum Gefährdungsprinzip und eine Umkehr der Beweislast bedeutet. Außerdem wäre der Umfang der Ersatzansprüche wesentlich weitreichender gewesen. Auch die Deutschen Juristentage der Jahre 1900 bis 1902 befassten sich mit der Thematik und forderten ebenfalls eine Ausdehnung der Eisenbahnhaftpflicht sowie die Gründung von Zwangsgenossenschaften, die für die Schäden der Autofahrer aufkommen sollten. Der MMV wollte dagegen nur Autos des öffentlichen Verkehrs dem Haftpflichtgesetz unterstellen. Da nur fünf Prozent aller Kraftwagen unter diese Regelung gefallen wären und gerade von den Privatwagen verstärkte Gefahren ausgingen, musste dieser »Vermittlungsvorschlag« entschieden zurückgewiesen werden.17 16 Auf Landstraßen galt weiterhin kein Tempolimit. Eine Geschwindigkeit von 60 bis 70 km/ h wurde von den Aufsichtsorganen als nicht verkehrsgefährdend toleriert. Vgl. Weitz, S. 28; ADAC-Sport, 1926, Nr. 49, S. 6; AAZ, Jg. 27, 1926, Nr. 18, S. 24; 1929, Nr. 2, S. llf.; Nr. 4, S. llff.; Verordnung über Kraftfahrzeugverkehr (15. 7.1930), RGBL, 1930, S. 276ff., Amtliche Mitteilungen des ADAC, 1930, Nr. 31, S. 1. 17 Viele Automobilhalter versicherten sich freiwillig gegen Haftpflicht: Im April 1905 waren in Deutschland bei einem Bestand von 15683 Kfz 4275 Autos gegen Haftpflicht versichert. 1911 waren bereits 22.000 Haftpflichtversicherungen abgeschlossen worden. Um 1900wurde fur einen viersitzigen Wagen eine monatliche Prämie von 15 Mark verlangt. Vgl. Umfang der Automobil-

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Im Reichstag, der sich erstmals 1902 mit der Haftpflicht der Autos befasste, nahm man die Vorschläge der Juristentage zunächst auf Der konservative Abgeordnete Ludolf von Maltzan forderte unter dem Eindruck der zahlreichen Unfälle, die bei der Wettfahrt Paris-Berlin geschehen waren, eine reichseinheitliche Regelung des Kraftverkehrs. Wichtigster Punkt wäre dabei die Ausdehnung des Haftpflichtgesetzes von 1871 aufAutomobile. Der Vorschlag fand breite Unterstützung im Plenum, so dass der nationalliberale Abgeordneten Heinrich Prinz zu Schönaich-Carolath dem Reichsamt des Inneren sowie dem Reichsjustizamt 1904 eine Resolution zur Ausarbeitung eines Gesetzentwurfs vorlegte. In der daraufhin gebildeten Regierungskommission machten sich erstmals Stimmen bemerkbar, die gegen die Gründung einer Zwangsgenossenschaft votierten. Die Wirkung der Haftpflicht könnte eingeschränkt werden, wenn man die Mehrbelastung durch eine Genossenschaft auf alle Autofahrer verteilte. Der vom Bundesrat beschlossene und dem Reichstag im April 1906 vorgelegte »Gesetzentwurf über die Haftpflicht für den bei dem Betrieb von Kraftfahrzeugen entstehenden Schaden« enthielt dann zwar eine Haftpflichtregelung in Analogie zum Eisenbahngesetz von 1871, der Gedanke einer Zwangsgenossenschaft war aber aufgegeben worden. Außerdem schuf man die Möglichkeit einer Befreiung für Kraftwagen, die eine Geschwindigkeit von 15 km/h nicht erreichen konnten. Damit sollte die Entwicklung kriegstauglicher Lastzüge gefördert werden. Dem Umstand, dass sich viele Automobilbesitzer von Chauffeuren fahren ließen, wollte man dagegen durch die Schaffung des Begriffs vom haftenden »Betriebsunternehmer« Rechnung tragen.18 Unter den Abgeordneten stieß vor allem aufWiderspruch, dass Autoinsassen keinen Anspruch auf Schadensersatz hatten. Es war nicht einsehbar, warum strengere Haftpflichtbestimmungen die Fahrgäste von Eisen- und Straßenbahnen, nicht aber Omnibusreisende schützen sollten. Außerdem bemängelten Sozialdemokraten und Freisinnige das Fehlen von Bestimmungen über eine Zwangsgenossenschaft, woraufhin die Regierung Nachbesserungen auf Grundlage der Automobilstatistik in Aussicht stellte. Auch bei den Automobilinteressenten stieß der Gesetzentwurf auf erhebliche Gegenwehr. Doch war man nach der Reichstagsdebatte der Meinung, dass sich Eisenbahnhaftpflicht und Zwangsgenossenschaft kaum mehr verhindern ließen. In einer Protest-

Haftpflichtversicherung im Deutschen Reich (April 1905), BAR 1501 Nr. 7148, Blatt213; Kaiserliches Aufsichtsamt fur Privatversicherungen an Staatssekretär des Innern (8. 6. 1911), BA R 1501 Nr. 14015; Schnitzer, S.98(.\Zatsch, Staatsmacht, S. 200ff.;Hilse, S. 9ff.; MW, 1899, S. 176; 1902, S. 8f., S. 285. 18 Vgl. Entwurf eines Gesetzes über die Haftpflicht für den bei dem Betrieb von Kfz entstehenden Schaden, Aktenstück Nr.264, Stenographische Berichte, Bd. 222, S. 3245-3249; Stenographische Berichte, Bd. 183, S.4097f. (11.2.1902); Resolution zur zweiten Beratung des Reichshaushalts-Etats fur das Rechnungsjahr 1904, Aktenstück Nr. 214, Stenographische Berichte, Bd. 206, S. 958; Zatsch, Staatsmacht, S. 215f.; Eger, Sp. 192-199.

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resolution forderten die Automobil-Clubs den Reichstag auf, von einer übereilten Annahme des »Ausnahmegesetzes« aus »juristischen, volkswirtschaftlichen und patriotischen Gründen« abzusehen. Der KAC entwickelte dazu einen Gegenentwurf, der sicherstellen sollte, dass eine Ersatzpflicht ausgeschlossen war, wenn weder ein Verschulden des Fahrzeughalters oder des Chauffeurs noch Betriebsfehler einen Schaden verursacht hatten. Dieser Entwurf konnte als Kompromissangebot bewertet werden, da er in der strittigen Frage der Haftpflicht eine Mittelstellung zwischen Verschuldens- und Gefährdungsprinzip einnahm.19 Der Reichstag konnte wegen seiner Auflösung im Dezember 1906 den vorgelegten Gesetzentwurf nicht mehr verabschieden. Erst im Juni 1908 stellte die Regierung einen zweiten Entwurf im Parlament vor, nachdem SchönaichCarolath bereits im Februar 1907 die Ausarbeitung einer neuen Gesetzesvorlage gefordert hatte. Der revidierte Regierungsentwurf, der nach unwesentlichen Abänderungen durch den Bundesrat im Oktober 1908 im Reichstag zur Vorlage kam, folgte in Fragen der Haftpflicht vollständig dem Gegenentwurf des KAC von 1906 und vollzog wie dieser eine Abkehr vom Gefährdungsprinzip. Er wurde im November 1908 im Plenum des Reichstags diskutiert und zur Bearbeitung an eine 21köpfige Kommission überwiesen. Trotz des Entgegenkommens der Regierung verstummten die Proteste nicht. MMV, VdMI und Bdl erstellten Petitionen, in denen sie vor der Einführung der projektierten Haftungsregelung warnten. Einige Automobilhersteller und Zulieferer mobilisierten ihre Beschäftigten gegen den Gesetzentwurf, so dass den Petitionen die Unterschriften von ungefähr 5.000 Arbeitern beilagen. Gerade sozialdemokratische Abgeordnete kritisierten aber die Verzögerungstaktik der Regierung und den spürbaren Einfluss der Automobil-Clubs auf das Verfahren.20 Die mit der Ausarbeitung des Entwurfs betraute Kommission, in der Schönaich-Carolath den Vizevorsitz inne hatte, kam wiederum zu dem Schluss, dass das Gefährdungsprinzip auf den Autoverkehr angewendet werden müsste. Dabei konnte auf die neue Automobilstatistik verwiesen werden, die zeigte, dass das Auto ungefähr dreimal so viele unbeteiligte Todesopfer forderte wie der Eisenbahnbetrieb. Mit dieser Argumentation hatten die Autoskeptiker Erfolg. Regierungsvertreter legten zwar ihr Veto ein, stimmten schließlich aber einem Kompromiss zu. Der Reichstag nahm den durch die Kommission geän19 Vgl. Stenographische Berichte, Bd. 217, S. 2732ff. (28. 4. 1906); AAZ, Jg. 7, 1906), N r . 18, S. 34-39; MMV, Mitteleuropäischer Motorwagen-Verein, S. 115; MW, 1906, S. 874; Neukirch u. Rosenmayer, S. 12; Isaac, Gegenentwurf, Sp. 1057-1065. 20 Vgl. Antrag Schönaich-Carolath, Aktenstück Nr. 168, Verhandlungen des Reichstags, Bd. 240, S.787; Verhandlungen des Reichstags, Bd. 230, S. 3079 (12.2.1908); Mitlauer, S. 108; Entwurf eines Gesetzes über den Verkehr mit Kfz (1908), Aktenstück Nr. 988, Verhandlungen des Reichstags, Bd. 248, S. 5593-5603; Verhandlungen des Reichstags, Bd. 233, S. 5263-5281 (5.11.1908); Bericht der 29. Kommission, Anlage a: Verzeichnis der Petitionen, S. 7609-7614.

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derten, auf Drängen der Regierung ergänzten Gesetzentwurfam 27. März 1909 einstimmig an. Er wurde im Mai desselben Jahres vom Kaiser als »Gesetz über den Verkehr mit Kraftfahrzeugen« vollzogen. Die Bestimmungen über die Haftpflicht traten im April 1910 in Kraft und gingen vom Prinzip der Gefahrdungshaftung aus. Ausgeschlossen blieb die Ersatzpflicht, wenn ein »unabwendbares Ereignis« eintrat. Autofahrer waren also von der Haftung befreit, wenn nach einem Steinwurf ein Unfall geschah oder ein unbeaufsichtigtes Kind in den Wagen lief Darüber hinaus galten Ausnahmen bei Diebstahl des Wagens, für mitfahrende Insassen, für Fahrzeuge, die der Lastenbeförderung dienten, und bei nachgewiesenem Verschulden des Verletzten. Die Haftung schloss im Todesfall auch die Erstattung der Beerdigungskosten und mögliche Unterhaltszahlungen ein. Im Falle einer Verletzung waren nicht nur die Behandlungskosten zu bezahlen, sondern auch der mögliche Verdienstausfall zu begleichen. Die Haftungshöchstsummen begrenzte das Gesetz bei Personenschäden auf 50.000 Mark, bei Sachbeschädigungen auf 10.000 Mark. Schadensersatzansprüche waren innerhalb von zwei Monaten anzumelden und verjährten nach zwei Jahren. Neben dem Halter, der dem Betriebsunternehmer der Eisenbahn gleichgestellt war, konnte man im Falle seines Verschuldens auch den Chauffeur haftbar machen.21 Als »rechtlicher Ausdruck eines aus einer neuen Verkehrsform resultierenden Bedürfnisses nach Rationalität« gingen die Bestimmungen des Gesetzes, insbesondere durch die Umkehrung der Beweislast, weit über die entsprechenden Regelungen im B G B hinaus. Allerdings führten die massiven Proteste der Automobil-Clubs und Industrieverbände dazu, dass der Gesetzgeber eine Übertragung der strengeren Eisenbahnhaftpflicht und die Schaffung von Zwangsgenossenschaften aufgab. Auch die Einführung von Haftungshöchstsummen wies auf die Absicht hin, den Autoverkehr nicht übermäßig zu belasten. Die endgültige Fassung des Gesetzes stellte einen Kompromiss zwischen den gegensätzlichen Bestrebungen dar, Verkehrskonflikte zu schlichten, und den Schutz der Automobilindustrie zu gewährleisten. Die sich abzeichnenden Probleme des Autoverkehrs gaben dabei den Ausschlag für die Wahl der beschriebenen Rechtsform. Die Einführung einer angemessenen Haftpflichtregelung war auch im Sinne der Autofahrer, die an der Aufrechterhaltung des öffentlichen Verkehrs Interesse hatten. Eine Gefährdung der Automobilindustrie ging nicht von den Haftpflichtregelungen aus, sondern von der Verschleppung des Gesetzgebungsverfahrens.22 Einzelne Regierungsvertreter standen unter erheblichem Einfluss automobiler Interessen, konnten aber aufgrund der Geschlossenheit der Abgeordneten 21 Vgl. Gesetz über den Verkehr mit Kfz (3. 5. 1909), RGBL, 1909, S. 437ff., Neukirch u. Rosenmayer, S. 1-9; Fuchs, S. 8fF.; Bericht der 29. Kommission, S. 7579ff. 22 Vgl. Finke u. Hempel, S. 74.

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ihren Entwurf, der in weiten Teilen den Willen des KAC widerspiegelte, nicht unverändert durchsetzen. Die Reichstagsabgeordneten, die sich von der Unfallstatistik am stärksten beeindrucken ließen, waren nicht mehr in der Lage, die wirtschaftliche Bedeutung des Automobils zu ignorieren. Daher betrieben sie die Eingliederung des neuen Verkehrsmittels in den Straßenverkehr und nicht dessen Verhinderung. Lag den Liberalen schon wegen des ihnen eigenen Fortschrittsoptimismus eine grundsätzliche Ablehnung des Autos fern, fürchteten die Sozialdemokraten vor allem den Verlust von Arbeitsplätzen. Große Teile der Konservativen hatten das Auto in den Reigen ihrer Repräsentationssymbole aufgenommen, konnten aber, wenn sie dem landsässigen Adel angehörten, die Klagen der ländlichen Bevölkerung nicht unberücksichtigt lassen. So verlief die Trennungslinie zwischen Autokritikern und Autobefürwortern in Fragen der Haftpflicht nicht entlang der Parteizugehörigkeiten, sondern zwischen Populisten und Lobbyisten. Dabei konnten sich im Reichstag erstere, bei der Regierung letztere stärker bemerkbar machen. Insgesamt agierte der Reichsparlamentarismus im Spannungsfeld zwischen dem Druck von Interessenverbänden und den Schutzbedürfnissen der Bevölkerung aber erstaunlich problembewusst und ergebnisorientiert.23 Autointeressenten kommentierten die Haftpflichtregelungen des Kraftfahrzeuggesetzes auch nach dessen Verabschiedung kritisch. Sie bemängelten vor allem, dass das »Ausnahmegesetz« die Beweispflicht umgekehrte und die Fahrzeughalter für die UnZuverlässigkeit ihrer angestellten Chauffeure haftbar machte. Erste Erfahrungsberichte über die Auswirkungen der neu geregelten Haftpflicht stellten eine Zunahme der Fälle von »Rentenjägerei« fest. Kurz vor dem Ersten Weltkrieg räumte man aber ein, dass nach dreieinhalb jähriger Praxis noch kein abschließendes Urteil über die Haftpflichtbestimmungen gefällt werden könnte. Erleichtert zeigte man sich darüber, dass es der parlamentarischen Linken nicht gelungen war, die Haftpflicht des Halters auch auf die beförderten Personen auszudehnen.24 In den zwanziger Jahren bewerteten Juristen die durch erfolgreiche Lobbyarbeit durchgesetzten Haftungshöchstsummen als »ein aufreizendes Klassenprivileg zu Gunsten der besitzenden Volksschichten«. Sie forderten erneut eine vollständige Durchsetzung des Gefahrdungsprinzips und die Gleichstellung mit der Haftpflicht des Eisenbahnunternehmers. Aufgrund der Geldentwertung stand jedoch zunächst das Problem einer Summenerhöhung der Haftungshöchstgrenzen im Vordergrund. Hierbei verfolgte man eine den Fahr23 Allerdings ist Horras nicht zuzustimmen, wenn er behauptet, dass der Einfluss der Automobilverbände auf Regierungskreise zu keiner »Aufweichung« der Gesetzesvorlage geführt habe. Auch Zatsch geht in ihrer Einschätzung nicht weit genug, wenn sie zurückhaltend formuliert: »Die Vorschläge der Automobilverbände und der Automobilindustrie wurden in Regierungskreisen sehr ernst genommen.« Zatsch, Staatsmacht, S. 284; Vgl. Horras, S. 308. 24 Vgl. AAZ, Jg. 10, 1909, Nr. 14, S. 31fF.; Nr. 15, S. 33ff.; 1910, Nr. 31, S. 50.

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zeughaltern freundlich gesinnte Politik: Die 1922 und 1923 beschlossenen Summenerhöhungen fanden nur auf zukünftige Schadensereignisse Anwendung. Renten, die aus früheren Unfällen resultierten, wurden weiterhin in den alten Beträgen gezahlt. Erst mit der Umstellung auf Goldwert ließ sich dieses Verfahren nicht mehr beibehalten. Seit 1924 fanden die neuen Entschädigungssätze auch auf zurückliegende Unfälle mit Personenschäden Anwendung, nicht aber auf zurückliegende Sachschäden. Inflation und Währungsreform reduzierten die Höchstsätze insgesamt auf die Hälfte des Vorkriegsniveaus. Zu wesentlichen Erleichterungen für die Ersatzpflichtigen kam es schließlich auch durch die allmähliche Aufweichung der Haftpflichtvorschriften. Neue Bestimmungen, die in der unbefugten Benutzung einen Ausschlussgrund für die Haftung des Halters sahen, führten zu einem verbesserten Schutz vor »Schwarzfahrten«. Ausnahmeregelungen für Kleinkrafträder und langsame Pkw bis 20km/h, die nicht der Gefährdungshaftung unterlagen, kamen ersten Ansätzen zu einer breiteren Motorisierung entgegen.25 Auf Anregung des Reichsjustizministerium befasste sich der 35. Deutsche Juristentag 1928 mit einer Reform der Haftpflicht. Bereits im Vorfeld forderten die Sachverständigen erneut eine Verschärfung der Haftungsvorschriften und die Angleichung an die Eisenbahnhaftpflicht. Autointeressenten kündigten daraufhin ihre vehemente Gegenwehr an und erklärten sich allenfalls zu Diskussionen über eine Ausweitung der Haftung auf gewerbsmäßig beförderte Personen bereit. Vom ADAC kam dagegen ein Vorschlag zur Einführung der Zwangshaftpflichtversicherung für Kraftfahrzeughalter. Gerade im Interesse der finanziell weniger günstig gestellten Autobesitzer war die Versicherungspflicht dringend geboten. Den Fußgängern musste es schließlich unhaltbar erscheinen, dass es dem Zufall überlassen blieb, ob man gegen einen schuldigen Autofahrer Ansprüche durchsetzen konnte.26 Nachdem selbst der Juristentag anerkannt hatte, dass die bestehenden Haftpflichtregelungen den Autofahrern hohe Sorgfaltspflichten auferlegten, rissen die Forderungen nach einer Reform der Haftpflicht nicht mehr ab. Da sich das Kraftfahrzeug durch technische Vervollkommnung, erhöhte Sicherheit und Leistungsfähigkeit zu einem »Verkehrsmittel erster Ordnung« entwickelte, entfielen die Voraussetzungen der im Kraftfahrzeuggesetz getroffenen Haft25 Vgl. RdA, Festschrift, S. 53f.; Verkehrsrechtliche Rundschau, 1921, Nr. 9/10, S. 64f. 26 Der Reichsgerichtsrat a. D. Meyer begründete die Notwendigkeit einer Reform mit dem Einfluss der Autolobby, durch den das Kraftfahrzeuggesetz von 1909 zu Stande gekommen wäre: »Die Geschichte des Kraftfahrzeuggesetzes ist ein lebendiges Beispiel dafür, was schon zur Wilhelminischen Zeit die Wirtschaft auf die Gesetzgebung vermochte. Der Kraftfahrzeugindustrie, die bei unbeschränkter Haftpflicht ihren Untergang weissagte, gelang es mit Hilfe mächtiger Gönner, die bis zur Spitze des Reiches reichten, den Entwurf von 1906 zu Fall zu bringen.« Deutsche Richterzeitung, 1928, Nr. 5, zit nach AAZ, Jg. 29,1928, Nr. 33, S . l l . Vgl. A D A C an Reichsjustizministerium (10.10.1928), BA R3001 Nr. 7077, Blatt31. Die allgemeine Versicherungspflicht für Automobile wurde in Deutschland erst 1940 eingeführt. Vgl. Schnitzer, S. 97.

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pflichtregelung. Durch die einseitige Konzentration auf den Autofahrer als Unfallverursacher bildeten Fälle, in denen ein Schadensersatzanspruch gegen Fahrzeughalter zurückgewiesen wurde, vereinzelte Ausnahmen. Hochmotorisierte Länder wie England und Frankreich begnügten sich mit der Verschuldenshaftung. Insbesondere die Formulierung im deutschen Recht, die vom Automobilhalter die Beachtung einer besonderen Sorgfalt forderte, wäre daher zu streichen.27 Da die bestehende Haftpflichtgesetzgebungjedoch durchaus einer der Sachlage angemessenen Regelung entsprach, kam es trotz der erneuten Offensive der Autointeressenten nicht mehr zu einer Reform. Behörden und Gerichte mussten dem Bestreben, die Bevölkerung vor Gefahren des Kraftverkehrs zu schützen, Priorität einräumen. Zudem hatten die Automobilisten bereits zu Beginn der Weimarer Republik durch Lockerung der Bestimmungen des Kraftfahrzeuggesetzes, das seinerseits bereits einen Kompromiss darstellte, Erfolge verzeichnen können.

c) Kraftfahrzeugbesteuerung als Schlichtungsinstrument

Die Erhebung einer Kraftfahrzeugsteuer fand ihre Berechtigung in der besonders starken Abnutzung der Straßenoberfläche durch Autos, was zu erhöhten Kosten fur die Wegebaupflichtigen führte. Allerdings erkannten die Finanzbehörden auch eine Möglichkeit, sich eine neue Einnahmequelle zu erschließen, deren Erträge nicht unbedingt der Instandhaltung der Straßen zugute kommen mussten. Schließlich bot sich das Automobil zur Besteuerung an, da es vor dem Ersten Weltkrieg nur einer begrenzten Nutzerschicht zur Verfügung stand, seine Einordnung als Luxusgegenstand mithin problemlos erfolgen konnte. Hellsichtige Beobachter bemerkten zudem die pazifizierenden Aspekte, die der Steuererhebung innewohnten, und deuteten sie als Versuch, gesellschaftliche Gegensätze zu entschärfen.28 In Deutschland erhob das Großherzogtum Hessen als erster Bundesstaat seit April 1900 eine Stempelabgabe auf Automobile, die als Luxussteuer die finanziellen Möglichkeiten der Fahrzeughalter berücksichtigen sollte und zwischen fünf und 50 Mark variierte. Ausnahmen galten nur für Autobesitzer, die sich weniger als 30 Tage in Hessen aufhielten, sowie für Wagen des Reichsheeres. Die 1904 in Preußen auf Kraftwagen ausgedehnte und mit erhöhten Tarifen ausgestattete Chausseegeldabgabe von 1840 hatte dagegen eher den Charakter 27 Vgl. Motortourist, Jg. 39,1929, Nr. 19, S. 18. 28 Vgl. Siemens, S. 454-463.

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einer Wegebenutzungsgebühr, da sie sich an Kategorien der Straßenabnutzung, wie Bereifung und Gewicht orientierte.29 Obwohl die große Anzahl unterschiedlicher, regionaler Abgaben eine reichseinheitliche, finanzielle Heranziehung des Kraftverkehrs erwarten ließ, reagierte die Fachpresse zunächst überrascht, als die Parlamentarier im November 1905 mit dem Reichsstempelgesetz die Einführung der Reichs-Automobilsteuer beschlossen. Weder waren die Pläne in der Öffentlichkeit diskutiert noch automobilistische Vertretungen zu Vorberatungen des Gesetzentwurfs hinzugezogen worden. Resigniert musste festgestellt werden, dass Luxussteuern auf Kraftfahrzeuge aufgrund der »Aufwiegelung der besitzlosen Klassen gegen das besitzende Bürgertum« sowie wegen der großen »Anzahl von sozialdemokratischen Volksvertretern« einer gewissen Logik nicht entbehrten. In Abhängigkeit von der Motorenstärke lag der Grundbetrag für Kraftwagen zwischen 25 und 150 Mark im Jahr; ein Zuschlag aufweitere Pferdestärken ergänzte ihn. Motorräder wurden pauschal mit zehn Mark im Jahr besteuert. Die Steuer bezog sich nur auf private Personenkraftwagen: Lastkraftwagen und zur gewerblichen Personenbeförderung genutzte Pkw blieben steuerfrei, um den Charakter einer Luxussteuer zu betonen. Die jährliche Steuerlast machte ein bis drei Prozent des Anschaffungspreises der betreffenden Fahrzeuge aus und lag im europäischen Vergleich leicht über den Automobilsteuern anderer Staaten.30 In der Begründung des Stempelgesetzes betonte die Regierung ihr Motiv, eine Luxusware besteuern zu wollen. Autos wären auch nach der in der Bevölkerung verbreiteten Meinung Produkte, die der Befriedigung von Luxusbedürfnissen dienten. Die Steuererhebung schien schließlich auch gerechtfertigt, da man gleichzeitig die Besteuerung von Eisenbahnfahrkarten einführte. Der MMV kritisierte dagegen vehement, dass die Reichstagsentscheidungjeglicher statistischer Grundlage entbehrte und empfand das Gesetz als Willkürakt: »... mit demselben Recht könnte man das Tragen von Schmucksachen, das Spazierengehen, die Kleiderschleppen der Damen u.a. besteuern.« Auch die Automobilhersteller protestierten von Beginn an heftig gegen die neue Steuer und prophezeiten Massenentlassungen. Der von der Regierung projektierte Jahresertrag von 3,5 Millionen Mark wäre viel zu hoch gegriffen, da er einen Bestand von 20.000 steuerwürdigen Fahrzeugen voraussetzte, die tatsächliche Zahl der Luxusautomobile aber nur 8.000 betrage. Bemerkenswert ist aber, dass die Diskussion um die neue Automobilsteuer insgesamt wesentlich sachlicher gefuhrt wurde als die Auseinandersetzungen um die Haftpflicht. Davon könnte 29 Vgl. Automobile, Jg. 1,1899, Nr. 6, S. 76; Stölzle, S. 8ff. 30 Die Drehzahl wurde bei der Berechnung der Motorenstärke nicht berücksichtigt. Wurde durch die Steuerformel zunächst die Konkurrenzfähigkeit deutscher Automobile eingeschränkt, so erfolgte langfristig eine technische Anpassung, die den Konsumenten durch rentablere Hubraumgrössen zugute kam. Vgl,Edelmann, S. 21 \Horras, S.303ff.; Reichsstempelgesetz (3.6.1906), RGBL, 1906, Nr. 30, S. 708-711; ZMM, 1905, Nr. 22, S. 528; Laux, Industry, S. 43.

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man eine partielle Zustimmung zur sozialdifferenzierenden Wirkung der Steuer ableiten, die den Luxuskarossenbesitzer kaum traf, die Repräsentationsfunktion des Automobils aber konservierte.31 Als sich die Reichsregierung 1908 bei der Automobilindustrie nach den Wirkungen der Steuer erkundigte, begründete diese den konjunkturell bedingten Absatzeinbruch von 1907/8 erwartungsgemäß mit der Einführung der Kraftfahrzeugsteuer. In der sich im Reichstag anschließenden Debatte über die Zukunft der Steuer standen die Sozialdemokraten auf Seiten der Industrie und sprachen sich gegen eine Verlängerung sowie prinzipiell gegen indirekte Steuern aus. Sie befürchteten weitere Entlassungen und plädierten für eine direkte Besteuerung des Reichtums mittels progressiver Reichseinkommens- und Vermögenssteuern. Die Reichstagsmehrheit folgte dagegen den Ausführungen des Nationalliberalen Stresemann und votierte für die Einstufung des Autos als Luxusware, da die Steuerlast im Verhältnis zu den sonstigen Kosten eher gering war. Die zahlreichen Petitionen, die eine Abschaffung der Automobilsteuer forderten, wiesen dagegen auf die hohen Erhebungskosten und auf das Zurückbleiben der Einnahmen hinter den veranschlagten Erwartungen hin. Die Kfz-Steuer hätte sich damit als verfehlt erwiesen, sie schädige Verkehr, Industrie und Mittelstand und träfe nicht wie beabsichtigt den Luxus. Eine Petition des »Bundes deutscher Verkehrsvereine« beklagte außerdem einen angeblichen Rückgang des ausländischen Fremdenverkehrs. Die Regierung reagierte 1908 mit einer Ermäßigung der Grenzsteuer für ausländische Automobile; an die gänzliche Aufhebung der Kraftfahrzeugsteuer war indes nicht zu denken. Vielmehr verfolgten verschiedene Städte das Projekt einer Gemeinde-Automobilsteuer, um die Besitzer von Luxusautomobilen zu einer Sonderabgabe heranzuziehen. Noch vor dem Ersten Weltkrieg gab es Überlegungen, die Stempelabgabe zu erhöhen. Um die Belastung des Autos zu vereinheitlichen, sollten alle Chausseegelder und Pflasterzölle wegfallen. Eine erhöhte, reichseinheitliche Stempelabgabe mit Zweckbindung an die Wegeunterhaltung hätte dann einen wirklichen Beitrag zur Straßensanierung leisten können.32 Die Luxussteuer für Automobile war jedoch eine reine Finanzsteuer zur Deckung des Staatshaushalts, die keine direkten Beiträge zum Straßenbau leistete. Allerdings überstiegen die Verkehrsausgaben des Staates stets die Einnahmen aus der Kfz-Steuer. Bis zum Rechnungsjahr 1910/11 erbrachte die Steuer lediglich 10 Millionen Mark. 1913 stand ein Steueraufkommen von 4,8 Millionen Mark Straßenunterhaltungskosten von 150 Millionen Mark gegenüber. 31 Vgl. AAZ, Jg. 6, 1905, Nr. 52, S. 29f., S. 58f.; MMV, Mitteleuropäischer MotorwagenVerein, S. 153ff.; ZMM, 1905, S. 553f.; AW, 1905, Nr. 48, S. 2116ff.; MW, 1907, S. 686; 1908, S. 122; Stenographische Berichte, Bd. 214, S. 121-132 (6. 12. 1905). 32 Vgl. Gudjons, S.67fF.; Verhandlungen des Reichstags, Bd. 232, S. 4929ff. (30. 4. 1908); 57. Bericht der Kommission für Petitionen, S. 3587f.; AAZ, Jg. 9,1908, Nr. 5, S. 31ff.; Nr. 20, S. 60; 1909, Nr. 10, S. 42f.; MW, 1913, S. 519f.; Zatsch, Staatsmacht, S. 407-+10.

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Bis 1925 stiegen die Einnahmen auf 58,4 Millionen, die Straßenunterhaltungskosten aber auf450 Millionen Reichsmark. Die Kfz-Steuer war, auch wenn sie den Reichtum nur indirekt besteuerte und geringe Erträge lieferte, in eine Reihe mit den ab 1905 unternommenen Versuchen zu stellen, eine verstärkte Besteuerung der Wohlhabenden durchzusetzen. Zugleich diente sie zur Schlichtung eines durch Klassengegensätze überlagerten Verkehrskonflikts. Eine geschlossene Haltung des Reichstags war dabei nicht zu erwarten, da die Fiskalpolitik stets im Spannungsfeld parteipolitischer Interessen stand. Die Sozialdemokraten wandten sich dabei nur gegen eine Besteuerung der Autofahrer, weil sie vom Konzept einer direkten Besteuerung ausgingen, das den Vorstellungen der Regierung grundsätzlich widersprach.33 Nach der Novemberrevolution verfestigte sich die Einschätzung des Autos als Luxusgegenstand zunächst. Beim Autokauf erhob man nun eine auf 15 Prozent erhöhte Luxus-Mehrwertsteuer, wobei zwei Drittel rückvergütet wurden, wenn der Käufer die Nutzung des Fahrzeugs zu Erwerbszwecken nachwies. Die allgemeine Reform der Verkehrsbesteuerung bezog seit 1921 Lkw und Kraftfahrzeuge zur gewerblichen Personenbeförderung in die Automobilsteuer ein. Die Legitimität einer weiteren Steuererhöhung erwuchs aus den Reparationsforderungen und aus der durch eisenbereifte Kriegs-Lkw hervorgerufenen Straßenzerstörung. Einem losen Zusammenschluss von Automobilverbänden unter Führung des VdMI gelang es aber, die Entwürfe zum Reichsautomobilsteuergesetz zweimal abzuwehren. Dabei protestierten die Verbände vor allem gegen die projektierte Höhe der Steuersätze sowie gegen eine mögliche Doppelbesteuerung durch Reich, Kreise und Gemeinden. Das Kraftfahrzeugsteuergesetz vom 8. April 1922 begründete den Steueranspruch schließlich nicht mehr mit Anschaffung oder Besitz des Fahrzeugs, sondern mit der Benutzung öffentlicher Wege und Plätze. Das schloss eine deutliche Erhöhung der Steuersätze ein, wobei die Steigerung bei kleinen und mittelstarken Wagen aber weniger hoch ausfiel. Zudem konnten ein Verbot der Doppelbesteuerung sowie die Bindung der Hälfte des Steueraufkommens an Wegebauzwecke erreicht werden. Baumaschinen und landwirtschaftliche Fahrzeuge unterlagen der neuen Kraftfahrzeugsteuer nicht; Kleinkrafträder waren ab März 1923 ebenfalls freigestellt.34 Die Verdreifachung der regulären Automobilsteuer führte in der Inflationszeit ebenso zu zusätzlichen Belastungen für den Kraftverkehr wie die einmalige Sonderabgabe im Rahmen des »Notopfers für Rhein und Ruhr«. Bis zum 5. September 1923 mussten die Kraftfahrzeughalter den 50fachen Betrag derjährlichen Automobilsteuer entrichten. Da man die Abgabe erst nach dem Stichtag der Steuerpflicht der Öffentlichkeit bekannt machte, waren auch jene voll steu33 Vgl. Baumann, S. 409ff.; RdA, Tatsachen und Zahlen, S. 52; Salin, S. 36; Hentschel, S. 146ff. 3 4 Vgl. MW, 1919, S. 667; 1921, S. 121, S. 488, S. 527f., S. 762; AR ( Z M M ) , 1921, Nr. 3 - 4 , S. 22-26; Nr. 11/12, S. 116-120; AW, 1921, Nr. 38, S. 2; RdA, Festschrift, S. 57ff.

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erpflichtig, die angesichts der neuen Belastung den Kraftfahrzeugbetrieb aufgeben mussten. Der RdA nahm die harsche Kritik vieler Autofahrer auf und appellierte vergeblich an den Reichskanzler, Erleichterungen zu gewähren. Im Endeffekt reduzierte sich die Höhe des Automobil-Notopfers aber durch die weitere Entwertung der Mark. Die zweite Steuernotverordnung vom Dezember 1923 stellte die Kraftfahrzeugsteuer schließlich auf Goldstandard um.35 Die zahlreichen Klagen über die angebliche Zweckentfremdung der Kraftfahrzeugsteuer verdeutlichten die mit der Steuererhebung verbundenen Konfliktpotentiale. Da das Bestreben der Regierung aber dahin ging, die Straßenunterhaltungskosten aus der Kraftfahrzeugsteuer zu decken, beschäftigte man sich seit 1925 erneut mit einer Reform der Wegefinanzierung. Auch eine Initiative der sächsischen Regierung und der Dawes-Plan regten dazu eine Erhöhung der Kraftfahrzeugsteuer an. Die Novelle zum Kraftfahrzeuggesetz vom Juni 1926 brachte dann tatsächlich erneut eine wesentliche Erhöhung der Steuersätze. Kleine Gebrauchsfahrzeuge bevorzugte das neue Gesetz zwar, für Autos von sieben bis zehn Steuer-PS bedeutete es aber eine Steigerung der Tarife von 16 Prozent, für Krafträder die Verdoppelung sowie für Lkw und Omnibusse eine Erhöhung um 150 Prozent. Außerdem entfiel die Steuerbefreiung der Arzte teilweise. Die allgemeine Erhebung eines 25prozentigen Zuschlags löste vormalige Wegebauvorausleistungen an die Länder mit der Gesetzesnovelle ab. Die Automobilindustrie verschloss sich diesen kräftigen Steuererhöhungen nicht, da sie die vollständige Zweckbindung der Kraftfahrzeugsteuer erreichen konnte. In der Folgezeit kam es zu einer günstigeren Staffelung der Tarife und zu weiteren Erleichterungen. Mit einer grundlegenden Reform der Kraftfahrzeugsteuer tat sich der Gesetzgeber schwer, weshalb das 1926 als Interimslösung eingeführte System bis zum April 1931 in Kraft blieb.36 Trotz des fortlaufend erhobenen Sonderzuschlags zur Wegeunterhaltung klagten die Autofahrer weiterhin über den Zustand der Durchgangstraßen, während Gemeinden und Städte mit erhöhten Unterhaltungskosten zu kämpfen hatten. Dabei erhob Deutschland mit einer jährlichen Gesamtbelastung von 545 Millionen Mark weltweit die höchsten Autosteuern. Auch die im 35 Vgl. AAZ,Jg. 24,1923, Nr. 34, S. 21f.; Nr. 35, S. 21-24; MW, 1923, S. 414f.; Scholz, S. 133. 36 Davor bestand die kaum genutzte Möglichkeit, Teile der Kfz-Steuer fiir Volksspeisungen zu verwenden. An die Zustimmung zu einer abschließenden Regelung knüpfte der RdA weitere Bedingungen, wie die Einführung einer allgemeinen Fahrzeugsteuer für alle Wegebenutzer, die zusätzliche Verwendung der Luxussteuer zur Wegeunterhaltung, den Fortfall jeglicher Sonderbesteuerung sowie einen einmaligen Zuschuss zum Straßenbau. Tatsächlich überwiesen nur Preußen, Hessen und Anhalt die gesamten Einnahmen aus der Kfz-Steuer an die Wegeunterhaltungspflichtigen. Vgl. Bürgermeister von Stettin an Städtetag (18. 12. 1924), LA Berlin Rep. 142/1 Nr. 3169; Minister d. Inneren u. Minister d. Finanzen an Stadtetag (11. 2. 1924), ebd.; Automobil-Motorrad-Flugwesen, Jg. 8, 1926, Nr. 3, S. 53f.; RdA, Festschrift, S. 59fF; Reichsstädtebund an Thüringer Städteverband (21.3.1928), LA Berlin Rep. 142/3 Nr. 162; ATZ (MW), 1929, Nr. 31, S. 697f.

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Frühjahr 1931 beschlossene Neuregelung führte zu keiner grundlegenden Reform, sondern hielt an Pauschalbesteuerung und Sonderzuschlag fest. Das folgende Jahr brachte nicht die erwarteten Erleichterungen, sondern erneute Diskussionen um die Quote des Spritbeimischungszwangs. Durch diesen »konzentrischen Angriff auf den Kraftverkehr«, drohte sich der Unterhalt eines Autos weiter zu verteuern. Angesichts rückläufiger Zulassungszahlen und der »Fata-Morgana-Beschlüsse« des Reichstags schien die Steuerschraube den Autointeressenten überdreht. Einzelne Stimmen in der Motorpresse begrüßten dagegen die wirtschaftspolitischen Versprechungen der Nationalsozialisten und stellten lapidar fest: »Es fehlen uns die rechten Führer auch in der Kraftfahrt.« Unter dem neuen Regime sollte als eine der ersten Maßnahmen tatsächlich 1933 die Steuerbefreiung für Neuwagen folgen.37 Trotz der nicht abreißenden Klagen der Automobilverbände über die Belastung des Kraftverkehrs muss festgestellt werden, dass sich der Gesetzgeber in Steuerfragen in der Weimarer Republik wesentlich kooperativer als in der Kaiserzeit verhielt. Zwar belastete man die Automobile durch Luxussteuern, die einen besänftigen Nebeneffekt auf die in weiten Teilen autokritische Bevölkerung ausüben sollten und im Rahmen der Volksspeisung umverteilende Wirkungen hatten, doch waren die Behörden stets zugänglich für die Vorschläge automobiler Interessenvertreter. Diese konnten mit der zeitweiligen Zweckbindung der Kraftfahrzeugsteuer ihren größten Erfolg verbuchen. Die krisenhafte wirtschaftliche Entwicklung machte ständige Steuererhöhungen notwendig, die am ehesten vom vermeintlich wohlhabendsten Teil der Bevölkerung gefordert werden konnten. Doch erst die autoritären Präsidialkabinette erwiesen sich als beratungsresistent gegenüber Verbesserungsvorschlägen der Autointeressenten.

37 Die aus offiziellen Statistiken errechnete jährliche Belastung durch Kraftfahrzeug- und Treibstoffsteuer betrug 1930 pro Fahrzeug in Deutschland durchschnittlich 796 RM, in England umgerechnet 558 RM, in Italien 520 RM, in Frankreich 376 RM und in den USA 128 RM. Vgl. A T Z (MW), 1931, Nr. 3, S. 74f.; Nr. 10, S. 11; N r . 33. S. 771; Salin, S. 36; Der Deutsche Automobilbesitzer, Jg. 5,1928, Nr. 1, S. lf.; Regierungspräsident Wiesbaden an Reichsstädtebund (18. 6. 1928), LA Berlin Rep. 142/3 N r . 165.

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7. Internationale Dimensionen der Autofeindschaft

a) Parallelen im deutschen Sprachraum: Österreich-Ungarn und die Schweiz

Für die deutsche Motorpresse war offensichtlich, dass der »Hass auf das Auto« den »furor teutonicus« widerspiegelte, gewalttätige Angriffe mithin eine Besonderheit des deutschen Sprachraums darstellten.1 Auch wegen der besonders intensiven Berichterstattung über die deutschsprachigen Nachbarländer, die als Reiseziele für den deutschen Autotouristen am ehesten in Frage kamen, fanden sich die meisten Hinweise über Protestaktionen außerhalb Deutschlands in den deutschen Automobilzeitschriften zu Osterreich und der Schweiz. Die fünf Zeitschriften des Protestsamples berichteten von 1902 bis 1932 über 22 autofeindliche Aktionen in Österreich-Ungarn und den Nachfolgestaaten, wobei 18 vor dem Ersten Weltkrieg stattfanden, während vier Fälle auf die Nachkriegszeit entfielen. Der Großteil der Meldungen bezog sich auf Österreich, aber auch aus Böhmen bzw. der Tschechischen Republik meldete man fünf, aus Ungarn zwei Fälle. Dabei fanden sich alle aus den deutschen Protestaktionen bekannten Formen, wobei die alltäglichen Steinwürfe auch hier mit acht Erwähnungen die größte Gruppe bildeten: Im Oktober 1904 bombardierte ein 15jähriger Wirtssohn in einer Ortschaft bei Wien zwei Motorradfahrer auf ihrem Rückweg vom Semmeringrennen mit Steinen. 1905 wurde Erzherzog Eugen von Österreich bei Salzburg prominentes Opfer eines Steinwurfs. Ein halbwüchsiger Straßenjunge bewarf das herzogliche Auto und traf den Chauffeur mit einem Stein an der Wade. In Putschirn bei Karlsbad schleuderte die Straßenjugend 1906, angestiftet von der erwachsenen Bevölkerung, Steine auf durchfahrende Automobile. In Ungarn landeten Steine und Kot derartig häufig in Autos, dass der Kultusminister 1906 Anweisung gab, die Schüler über die volkswirtschaftliche Bedeutung des Automobils zu belehren. In den zwanziger Jahren berichtete die Motorpresse über Autofeindlichkeit in der Tschechischen Republik: In den Prager Vorstädten benutzten Straßenjungen Steinschleudern, um Autos mit Straßenkot und Steinen zu bewerfen.2 1 AW, 1907, Nr. 104, S. 2. 2 Vgl. AW, 1905, Nr. 1, S. 26; Nr. 38, S. 1681; 1906, Nr. 6, S. 304; Nr. 77, S. 4; Nr. 80, S. 2; DMF, 1904, Nr. 25, S. 464f.; 1905, Nr. 14, S. 457; MW, 1906, S. 122; 1907, S. 717; AAZ, Jg. 7, 1906, Nr. 6, S. 109; 1908, Nr. 31, S. 57; ADAC-Sport, 1925, Nr. 98, S. 2.

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Dominierten bei den Steinwürfen wie in Deutschland Kinder und Jugendliche als Angreifer, so waren die Täter im Fall der fünf berichteten Blockadeaktionen, die eine gewisse Planung voraussetzten, deutlich älter: Im Juli 1904 blockierten ein 37jähriger Milchfahrer und ein 21jähriger Knecht eine Bezirksstraße in der Nähe von Graz mit einem zehn Meter langen Lärchenstamm, wobei ein Sachschaden von über 100 Kronen entstand. Ebenfalls bei Graz legte ein 19jähriger Knecht im August 1906 einen Streichbaum über die Straße. Das Auto eines Freiherrn fuhr in das Hindernis und wurde stark beschädigt. Auch Straßenblockaden mittels Nagelsaaten kamen vor. Im Sommer 1906 lagen in Karlsbad und Umgebung auf den frequentierten Strassen Unmengen von Nägeln und Glasscherben, woraufhin das »Karlsbader Tageblatt« einen verbesserten Schutz vor »Automobilschädlingen« forderte. Folgenschwerer war das einzige aus Osterreich berichtete Drahtseilattentat: 1921 tötete ein über die Straße gespanntes Seil den autofahrenden Wiener Fabrikanten Eugen Brenner. Der als Täter festgestellte Goldarbeiter wurde zum Tode verurteilt.3 Konflikte zwischen Autofahrern und Pferdefuhrwerken waren für ländliche Gebiete typisch, konnten aber auch in Großstädten vorkommen. Auch aus Österreich berichteten die Fachblätter fünf derartige Fälle. 1903 verprügelte eine wütende Menge männlicher Straßenpassanten einen Chauffeur im 14. Wiener Bezirk, nachdem sich bei einem Unfall mit einem Fuhrwerk ein Fleischhauermeister verletzt hatte. Schwere Auswirkungen hatte das Zusammentreffen mit einem Fuhrwerk für einen Rechtsanwalt und einen Arzt aus Innsbruck, die im Herbst 1908 in Tirol versuchten, einen Bauernwagen zu überholen. Als sie die Pferde des störenden Fuhrwerks an den Straßenrand fuhren wollten, zog der 56jährige Besitzer sein Messer und traktierte die Autofahrer mit Stiefeltritten. Ähnlich erging es den Insassen einer Autodroschke, die 1911 in Siebenbürgen nach einem Unfall mit einem Leiterwagen von den Teilnehmern einer Bauernhochzeit mit Stöcken verprügelt wurden.4 Außerdem übermittelten die Autozeitschriften zwei spektakuläre Aktionen aus Österreich-Ungarn, bei denen Schusswaffen zum Einsatz kamen. Im September 1910 beschoss ein junger Bursche das Auto eines Elektrizitätswerkdirektors in der Nähe des böhmischen Pilsen mit der Pistole, wobei er den Chauffeur am Kopf verletzte. Auf die allgemeine Spionagehysterie im August 1914 war dagegen die Beschießung der Gräfin Lucie Christallnigg zurückzufuhren. Die Automobilistin befand sich auf dem Weg zu einer Sitzung des Roten Kreuzes, als sie in ihrem Wagen bei Klagenfurth den Tod fand.5 Alltägliche Vorfälle wie Sachbeschädigungen oder das mutwillige Laufen in den Fahrweg, 3 Vgl. AW, 1904, Nr. 45, S. 1261; 1906, Nr. 67, S. 2; Nr. 105, S. 15; 1927, Nr. 47, S. 7; DMF, 1906, Nr. 45, S. 1009; MF, 1922, Nr. 25, S. 329. 4 Vgl. AW, 1903, Nr. 30, S. 726; DMF, 1906, Nr. 37, S. 836; MF, 1909, Nr. 11, S. 186f.; 1910, Nr. 22, S. 536f.; 1911, Nr. 52, S. 1543. 5 Vgl. AW, 1910, Nr. 115, S. 3; 1914, Nr. 98, S. 1.

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hatten dagegen geringere Chancen in der Presse erwähnt zu werden, aber auch zu diesen Kategorien tauchten zwei Meldungen aus Osterreich in den deutschen Automobilzeitschriften auf.6 Die geschilderten Fälle konzentrierten sich wie das deutsche Protestgeschehen auf den ländlichen Raum. Auffällig ist allenfalls, dass nach dem Ersten Weltkrieg nur noch über einen Angriff mit autofeindlicher Motivation berichtet wurde. Dies dürfte auf die Verkleinerung des geographischen Raumes ebenso zurückzuführen sein, wie auf ein verändertes Interesse der deutschen Berichterstatter und eine gewisse Beruhigung der Konfliktpotentiale. Zudem konnten sich auch in Osterreich Autogegner nur vor dem Ersten Weltkrieg auf einen gewissen Rückhalt bei politischen Entscheidungsträgern stützen. Das Mitglied des Reichsrates Prälat Scheicher empfahl den ländlichen Gemeinden 1904, da der Gesetzgeber zu wenig gegen schnellfahrende Autofahrer unternähme, die Ortseingänge mit Heuwagen zu blockieren. Die mit Knütteln bewaffneten Bauern könnten dann jeden Kraftwagen anhalten.7 Derartige Stimmen blieben auch in Osterreich in der Minderheit. Die Behörden reagierten auf den sich in Angriffen auf Autofahrer äußernden Unmut der Bevölkerung vor allem mit Anweisungen an die Lehrer, die Schüler über die Gefährlichkeit der Steinwürfe zu belehren.8 Die Wirksamkeit derartiger Initiativen stand allerdings in Frage. 1909 folgte nach Beschwerden des Österreichischen AC ein erneuter Erlass des Innenministers an die Bezirksschulräte »zum Schutze des Automobilverkehrs«, in dem daraufhingewiesen wurde, dass ein gleichlautender Aufrufvon 1906 erfolglos geblieben war. Insbesondere das Werfen mit Steinen und Kot hätte unter der Jugend, die dem Auto am rohesten gegenübertrete, nicht nachgelassen. Daher seien die Schüler erneut auf Gefährlichkeit und Strafbarkeit ihrer Handlungen hinzuweisen. Außerdem verbot man das Spielen auf Haupt- und Durchfahrtsstraßen.9 Auch in Niederösterreich mussten Polizeidirektionen dazu aufrufen, »den Automobilverkehr derart zu handhaben, dass die Benutzung der Straßen ohne Gefahrdung der Sicherheit der Person und des Fahrzeugs des Automobilbesitzers seitens der Bevölkerung - insbesondere der ländlichen — erfolgen könne.«10 6 Vgl. D M F , 1906, Nr. 47, S. 1034; MF, 1912, Nr. 49, S. 1564. 7 Die »Automobilwelt« reagierte auf den Vorschlag mit einer wüsten, mit zeitgenössischen Rassismen versehenen Beschimpfung des Reichsrats. Es wäre seltsam, »wie dünn der Kulturlack des Menschen« sei: »Unter dem leichten Anstrich, der das Ansehen eines von Recht und Sitte durchdrungenen Biedermanns verleiht, sitzt der unverfälschte Herero ... oder sonst ein Kaffer.« AW, 1904, Nr. 41, S. 1140. 8 Der Linzer Bezirksschulrat stellte in einer derartigen Anweisung 1908 fest: »Die in der Bevölkerung noch immer herrschende Abneigung gegen das moderne Verkehrsmittel findet seinen Ausdruck besonders darin, dass Kinder und auch Erwachsene ihren Unmut gegen das Automobil in der Weise äussern, dass sie gegen die fahrenden Automobilisten Steine, Prügel u.s.w. werfen.« AW, 1908, Nr. 74, S. 5f. 9 Vgl. AW, 1909, Nr. 16, S. 3. 10 AAZ, Jg. 10,1909, Nr. 5, S. 36.

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Publizistischen Protest legte dagegen der Freiherr von Pidoll 1912 mit seinem Weckruf gegen den Automobilismus ein. Darin klagte der Autor vor allem über die tödlichen Folgen der Wiener Autounfälle und forderte das Recht des Fußgängers auf die Straße.1' Auf die zahlreichen Unfälle reagierten die österreichischen Kraftfahrer mit einer wechselseitigen Selbstversicherung, die einer genossenschaftlichen Lösung des Haftpflichtproblems entsprach.12 Konfliktpotentiale des Kraftverkehrs konnten durch derartige Regelungen allerdings nicht restlos beseitigt werden, so dass die Motorpresse 1921 über »die Hetze gegen den Kraftwagen«, die eine bis dahin unbekannte Intensität erreicht hätte, Klage führte. Die Animosität der Bevölkerung gegen das Automobil wäre in Osterreich zu einer »Volkskrankheit« geworden, wobei ein Mangel an staatlicher Autorität und »fortwährend geschürter Klassenhass« auch unangenehme Steuererhöhungen und Betriebsstoffbelastungen bewirkten.13 Ubermittelte die Motorpresse aus dem österreichischen Raum Angriffe auf Autofahrer, die in Intensität und Aktionsformen den deutschen Erfahrungen ähnelten, galt die Schweiz als wesentlich automobilfeindlicheres Land. Zurückzuführen war dies vor allem auf das im größten aber auch ärmsten Kanton Graubünden bestehende Verbot des privaten Automobilverkehrs, das die Bevölkerung seit 1900 in verschiedenen Abstimmungen gegen die Empfehlung der Kantonalregierung durchsetzte und das bis 1925 galt.14 Wegen dieses generellen Automobilverbots kam es gar zu Schwierigkeiten beim Beitritt der Schweiz zum Internationalen Verkehrsabkommen von 1910. Der Regierungsrat ließ sich vom Großen Rat zunächst die Befugnis zur Öffnung der Straße Raganz-Chur für den Automobilverkehr auf dem Verordnungsweg erteilen, um das vorgeschriebene Referendum zu unterlaufen, und eine Teilnahme der Schweiz am Verkehrsabkommen möglich zu machen. Nach Einschätzung des deutschen Gesandten in Bern hatte die Absicht, eine Freigabe für den Automobilverkehr in einer Volksabstimmung zu erzielen, zu keinem Zeitpunkt Aussicht auf Erfolg, denn das Volk wäre in Graubünden »durchaus automobil11 Pidoll, Automobilismus. 12 Vgl. AAZ, Jg. 9,1908, Nr. 49, S. 52. 13 »Und so ist es gekommen, daß selbst die anständig fahrenden Automobilisten bei jeder Fahrt an Ehre, Eigentum und Leben bedroht werden, w e n n sie sich auch noch so rücksichtsvoll benehmen. Die unflätigsten Schimpfworte müssen stillschweigend hingenommen werden, Steinwürfe von Kindern und Erwachsenen, und wie derartige liebliche Aufmerksamkeiten alle heißen mögen, sind an der Tagesordnung.« N e u e Freie Presse, 1921, zit. nach AW, 1921, Nr. 36, S. 1. 14 Als der Grosse Rat 1907 einige Hauptverkehrsadern in Graubünden fur das Auto öffnen wollte, verwarf ein Referendum mit rund 9000 gegen 2000 Stimmen die Freigabe. Vgl. MW, 1907, S. 929. Auch im Halbkanton Nidwaiden und in den Kantonen Glarus, Zug, St. Gallen, Schwyz, Wallis und Bern, w o sich ein »Komitee zur Einschränkung des Automobilsports« bildete, sowie in Basel und Zürich entstanden 1910 und 1911 Initiativen, die Sonntags- und Nachtfahrverbote bzw. Sperrungen für den Autoverkehr forderten. Vgl. AAZ J g . 11,1910, Nr. 10, S. 46; N r . 16, S. 51; Nr. 37, S. 52; 1911, Nr. 17, S. 53; Nr. 18, S. 49; Nr. 29, S. 57; Nr. 41, S. 110; Nr. 47, S. 35. Ein neuerer Überblick über den Forschungsstand bei Merkt, Verkehrsgeschichte, S. 449-455.

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feindlich gesinnt.«15 Eine Volksinitiative für das vollständige Automobilverbot in Graubünden, welche die abermalige Sperrung der Strecke bewirken wollte, konnte dann auch nach kurzer Zeit die nötigen Unterschriften sammeln, obwohl die Bundesregierung das Vorhaben bekämpfte. Am folgenden Referendum nahmen im März 191119.000 von 26.000 Stimmberechtigten teil; für ein vollständiges Automobilverbot sprachen sich 11700 Stimmen aus, 3500 Wähler wollten bei einem allgemeinen Verbot das Recht zur Zulassung von Autos den Gemeinden zubilligen und lediglich 3800 Graubündener votierten fur die Beibehaltung der Öffnung und die Freigabe weiterer Strecken. Bäuerliche Distrikte, in denen Vertreter des Fuhrhaltergewerbes ihren Einfluss geltend machen konnten, entschieden sich geschlossen für die Sperrung des gesamten Kantons. Für die AAZ verdeutlichte das »die Schattenseiten eines ultrademokratischen Staatswesens«.16 Auch die Berichterstattung der deutschen Motorpresse über gewalttätige Angriffe thematisierte die besondere Autofeindlichkeit der Schweizer. Obwohl ein vergleichbares Interesse an den Straßenzuständen bestand, berichtete man mit 40 Aktionen weit häufiger über Protestgeschehnisse als im Fall ÖsterreichUngarns. Dabei war wiederum eine Konzentration auf die Vorkriegszeit zu beobachten. Lediglich vier Ereignisse entfielen auf die zwanziger Jahre. Mit 17 Nennungen dominierten verschiedenartige Blockadeaktionen, gefolgt von tätlichen Angriffen mit elf Erwähnungen. Das weitverbreitete Phänomen der Steinwürfe durch Kinder und Jugendliche fand oft nur im Zusammenhang mit einem umfassenderen Geschehensablauf Erwähnung. In fünf Meldungen stand das Bewerfen oder Bespritzen von Autofahrern im Zentrum der Aktion. Verkehrsbedingte Auseinandersetzungen mit Kutschern spielten mit vier Erwähnungen ebenso eine eher untergeordnete Rolle, wie das Beschießen von Autofahrern und reine Sachbeschädigungen mit jeweils zwei Nennungen. Geographisch konzentrierten sich die Aktionen auf die Zentralschweiz, die auch die größte Anziehung auf ausländische Autotouristen ausübte. Erstmals wurden Tätlichkeiten der ländlichen Bevölkerung gegen Autofahrer und die außergewöhnliche Animosität gegenüber dem Kraftverkehr in den untersuchten Automobilzeitschriften 1905 erwähnt. Gewaltsames Anhalten, »Insultationen«, Misshandlungen und Versuche von Wagenzerstörung, die teilweise unter den Augen der Polizei geschahen, seien an der Tagesordnung.17 15 Die Schweiz konnte dem Abkommen schließlich im Dezember 1910 beitreten, behielt aber den Kantonen das Recht vor, bestimmte Strassen oder das gesamte Gebiet für den Autoverkehr zu sperren. Vgl. Kaiserliche Deutsche Gesandtschaft Bern an Reichskanzler (15.6.1910), GStA PK I. HA Rep. 77 tit. 1328 Nr. 14. 16 Die Parole der Initiative zur Sperrung lautete: »Bauernrecht gegen Herren- und Protzenturn« AAZ, Jg. 12,1911, Nr. 11, S. 36. Vgl. Broschier, S. 78-94. 17 Vgl. AW, 1905, Nr. 49, S. 2181; MW, 1905, S. 855. Die »Schweizerische Bauemzeitung« sah im Automobilismus das Prinzip eines an die herrschaftliche Jagd erinnernden »Herrenrechts« verwirklicht und betonte das Recht zur »Selbstjustiz«. Vgl. Merkt, Fortschritt, S. 238f.

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Für die autofeindliche Stimmung machte man auch im Schweizer Fall hetzerische Artikel in den Lokalzeitungen verantwortlich, welche die »verrückte Raserei« missbilligten und eine strenge Polizeiüberwachung sowie Provisionen für anzeigende Beamte forderten.18 Schließlich konnten schweizerische Delegierte Ende 1905 auf dem Kongress der international anerkannten Touristen-Vereinigungen in Paris einen offiziellen Boykottaufruf, »in Anbetracht der unaufhörlichen Belästigungen, denen die Automobilfahrer bei ihren Besuchen in der Schweiz ausgesetzt sind«, nur mit Not verhindern.19 Die Klagen über die schweizerischen Verkehrszustände bekamen neue Nahrung, als man im August 1908 über die Misshandlung eines autofahrenden, amerikanischen Kurgastes auf der Wallenseestraße berichtete. 1909 folgte der Milliardär Vanderbilt als Opfer anti-automobiler Gewalt. Bauern verprügelten ihn im Kanton Luzern und drohten, das Auto anzuzünden. In Graubünden wurden im August 1910 auswärtige Automobilisten ebenfalls tätlich angegriffen und 1911 ein autofahrender Konsul verprügelt. 1913 folgten weitere Meldungen über tätliche Angriffe: Beispielsweise rotteten sich auf der Strecke Rothkreuz-Luzern Bauern der Umgegend zusammen und bedrohten einen zur Verkehrsüberwachung eingesetzten Polizisten. Außerdem griffen zehn Webereiarbeiter einen englischen Major im Kanton Schwyz an. Angesichts dieser Liste gewalttätiger Aktionen mutete der Fall einer Autofahrerin, die Schulkinder im Januar 1925 im Kanton Sankt Gallen bespuckten, harmlos an, verdeutlichte aber gleichfalls das gegen die Autofahrer gerichtete Aggressionspotential.20 Am häufigsten berichteten die Fachblätter aber über Blockadeaktionen aus der Schweiz. Diese konnten auch glimpflich verlaufen, wie die wenigen Beispiele aus der französischsprachigen Schweiz deutlich machen: Im Frühjahr 1909 blockierten zwei Betrunkene eine Staatsstraße im Kanton Fribourg mit Holzklötzen und -balken. Ein langsam fahrendes Auto konnte rechtzeitig 18 Gerade das rigide Einschreiten der Polizei bei Geschwindigkeitsübertretungen wurde aber in der Motorpresse kritisiert und darauf zurückgeführt, dass die Beamten bei Anzeigen Provisionen erhielten. Im Kanton Schwyz betrug die Provision des Anzeigenerstatters ein Drittel der Geldbuße, wurde 1911 aber auf zwei Franken begrenzt. Vgl. AW, 1905, Nr. 39, S. 1720f.; AAZ, Jg. 11, 1910, Nr. 46, S. 45ff.; Nr. 48, S. 46; 1911, Nr. 16, S. 47. 19 In der deutschen Motorpresse tauchte der Boykottaufruf trotzdem auf, schien jedoch nicht zu fruchten, da der schweizerische Fremdenverkehr in der Saison 1906 eine weitere Zunahme der Hotelübernachtungen ausländischer Autotouristen verzeichnen konnte. Es wurde daraufhingewiesen, dass der Fremdenverkehr eine der Haupteinnahmequellen der Schweiz sei. Nur durch einen Boykott könnte dem »souveränen Volke« der Schweiz klargemacht werden, dass der Autotourismus zu einem wirtschaftlichen Faktor geworden wäre, dem man nicht feindselig begegnen dürfte. Vgl. AAZ, Jg. 7, 1906, Nr. 3, S. 34-38; 1910, Nr. 47, S. 44; MW, 1906, S. 20, S. 71; Automobil-Revue, Jg. 2,1906, S. 15. 20 Vgl. AW, 1908, Nr. 102, S. 1; 1910, Nr. 100, S. 3; 1911, Nr. 92, S. 1; 1913, Nr. 82, S. If.; Nr. 87, S. 2; Nr. I l l , S. 1; 1925, Nr. 4, S. 7; AAZ,Jg. 10,1909, Nr. 30, S. 43; 1910, Nr.33, S. 54f.; 1911, Nr. 31, S. 45.

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bremsen. Die Blockade der Zufahrt an eine Villa am Genfer See (Kanton Vaud) im Sommer 1909 durch Dorfbewohner, die Felsblöcke auf die Straße wälzten, führte ebenso zu keinem Unfall, wie das erste, im Juni 1909 gemeldete Drahtseilattentat in der Schweiz. Der zwischen Töss und Zürich nachts über die Straße gezogene Stacheldraht wickelte sich um das Vorderrad eines Autos.21 Ab 1909 entwickelte sich der Kanton Luzern, insbesondere die Straßen am Vierwaldstätter See, zu einem geographischen Schwerpunkt der Straßenblockaden. Zwischen Luzern und Zug blockierten im September 1909 Unbekannte die Fahrbahn mit Zimmermannsbalken und einem Wagengestell. Auf der Strecke Rothkreuz-Luzern wurde 1910 eine Straße durch einen Baumstamm gesperrt. Im Oktober 1910 legten Unbekannte Nagelbretter auf die Straße ZürichLuzern. Auf der Strecke Interlaken-Luzern spannten Bauern im Oktober 1910 ein Seil über die Fahrbahn. Im September 1912 wurde die Kantonstraße zwischen Ebikon und Root schließlich mit zwei quer übereinander gelegten Sparren und einer vierkantigen Eisenstange blockiert.22 Auch aus der Umgebung von Zürich meldete man schließlich Straßenblockaden. So legten im Juni 1914 Unbekannte nachts einen Telefonmast über eine Straße im Kanton Zürich und spannten im Juli 1915 ein mit einer Egge verbundenes Drahtseil über die Landstraße. Noch 1925 vermerkten die deutschen Automobilzeitschriften zwei Drahtseilattentate im Kanton Sankt Gallen, bei denen Kinder die Urheber waren. In beiden Fällen entgingen die Autoinsassen einer Verletzung, hatten aber Schäden am Fahrzeug zu beklagen.23 Die Fälle, die über das Bewerfen oder Bespritzen der Autofahrer berichteten, konzentrierten sich dagegen auf die Vorkriegszeit. Im Kanton Luzern wurde ζ. B. 1910 Kuhmist in das offene Automobil eines Großrats geworfen. Am Zürichsee lehrte ein Bauernknecht 1911 ein Jauchefass in ein Automobil. Mit einer Schaufelladung Zementbeton bewarf dagegen ein Hausbesitzer 1912 in der Nähe von Luzern einen Autotouristen. Die Automobilpresse bemerkte dazu, dass Steinwürfe zwar in allen Ländern vorkämen, in der Schweiz aber besonders häufig Erwachsene die Täter wären.24 Auseinandersetzungen mit Fuhrwerkern waren in den Anfangsjahren des Automobilismus auch in der Schweiz an der Tagesordnung und fanden daher in den deutschen Automobilzeitschriften in der Regel nur Erwähnung, wenn 21 Vgl. AAZ.Jg. 10,1909, Nr. 46, S. 43; 1910, Nr. 36, S. 51; AW, 1909, Nr. 78, S. 9; Nr. 112, S. 3; Nr. 122, S. 3; Nr. 133. S. 1; Nr. 136. S. 2. 22 Vgl. AAZ.Jg. 10,1909, Nr. 41, S. 39; 1911, Nr. 31, S. 45; AW, 1911, N r . 92, S. 1; 1912, Nr. 97, S. 2; Nr. 115, S. 2; MF, 1910, Nr. 42, S. 1120f. 23 Vgl. AW, 1914, Nr. 77, S. 2; 1925, Nr. 4, S. 7; AAZ,Jg. 16,1915, Nr. 36, S. 6; 1917, Nr. 15, S. 5f.; MF, 1917, Nr. 25, S. 7. 24 Vgl. AAZ, Jg. 10,1909, Nr. 29, S. 39; 1911, Nr. 31, S. 45; Nr. 35, S. 56; 1912, Nr. 47, S. 27; AW, 1911, Nr. 92, S. 1; Nr. 106, S. 2; MF, 1910, Nr. 42, S. 1120. Walter stellt zu den häufigen Attentaten fest: »Les incidents sont innombrables o u Ton attaque les vehicules ä coups de batons o u de jets de pierres.« Walter, Les Suisses, S. 185.

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sie größere Auswirkungen hatten oder unter außergewöhnlichen Umständen stattfanden. Ein Fuhrknecht schlug 1907 bei Wintherthur mit einer Heugabel nach dem überholenden Wagen eines Autotouristen, wobei der Stiel abbrach und eine Autoinsassin schwer verletzte. Die Beschädigung der Reifen eines Genfer Autos im Kanton Waadt durch Werfen einer Gerüststange in die Räder des Wagens war dagegen nur von Interesse für die Fachblätter, weil der Täter ein Gemeinderat war.25 Weniger alltäglich war der Extremfall des Beschießens von Autofahrern: So wurde 1907 die Beschießung eines automobilen Krankenwagens im Kanton Luzern durch zwei Bauern ebenso gemeldet wie ein Vorfall, bei dem im August 1909 drei Männer eine Reisegesellschaft aus Zürich im aargauischen Suhrental mit einer Jagdflinte beschossen. 26 Die Berner »Automobil-Revue« wies stets darauf hin, dass autofeindliche Gewalttaten keine Besonderheit der Schweiz waren, und bezeichnete die zahlreichen Klagen über die schweizerischen Zustände in der deutschen Motorpresse anfangs als »Beschimpfung der Schweiz« und »chauvinistische Verhetzung«. Im Oktober 1909 warnte sie aber in einer großformatigen Anzeige vor Straßenblockaden auf der Strecke Luzern-Zug. 27 Selbst der Schweizerische AC empfahl seinen Mitgliedern 1911 bei größeren Autotouren »auf möglichst direktem Wege die Schweiz zu verlassen«.28 Das Syndikat der schweizerischen Automobilindustriellen und am Fremdenverkehr interessierte Personen gründeten im selben Jahr einen »Schutzverband gegen die Ubergriffe der Antiautomobilbewegung«, der sich gegen Automobilverbote und für eine strenge Bestrafung von Angriffen aufAutofahrer einsetzte. Trotzdem propagierten ausländische Automobilverbände erneut einen Boykott der Schweiz.29 Oft wurde auf die unterschiedliche Einstellung zum Auto in Deutsch- und Westschweiz hingewiesen. Doch waren diese Unterschiede weniger kulturell bedingt, als vielmehr im ungleichgewichteten Motorisierungsgrad der Landes25 Vgl. AW, 1907, N r . 76, S. 7; N r . 150, S. 1; 1911, N r . 92, S. 1; 1913, N r . 31, S. 2; N r . 141, S. 5; AAZ, Jg. 12,1911, N r . 31, S. 45; A D A C - S p o r t , 1926, N r . 48, S. 4. 26 Vgl. AW, 1907, N r . 46, S. 1; 1909, N r . 136, S. 2; AAZ, Jg. 10, 1909, N r . 46, S. 43. 27 Vgl. AAZ, Jg. 10, 1909, N r . 30, S. 43; N r . 41, S. 39. Tatsächlich w u r d e die Schweiz in der deutschen Motorpresse als automobilistisches »Feindesland« bezeichnet, in d e m m a n n u r mit d e m Revolver in der H a n d freie Fahrt hätte. M F , 1910, N r . 42, S. 1120f. 28 AAZ, Jg. 12, 1911, N r . 29, S. 57. 1913 riet der A C S e r n e u t vor Fahrten in der i n n e r e n Schweiz ab u n d verwies auf die guten Straßenverhältnisse im Schwarzwald. A u c h der Westen der Schweiz gäbe zu Klagen keinen Anlass. Vgl. AAZ, Jg. 14, 1913, N r . 17, S. 22. 29 Vgl. AAZ, Jg. 12, 1911, N r . 30, S. 66f. Die Z a h l ausländischer P k w in der Schweiz stieg trotzdem weiter an. Diese E r h ö h u n g w u r d e aber auf Z u n a h m e n in der französischsprachigen Schweiz bei gleichzeitigem Rückgang in der Zentralschweiz zurückgeführt. Die B e d e u t u n g der jährlich ca. 7000 ausländischen Kfz, welche die Schweiz besuchten, wird klar, w e n n m a n sich d e n geringen heimischen Bestand vergegenwärtigt, der 1918 lediglich 5076 P k w umfasste. Dabei war der Autobesitz ein ausgeprägt städtisches P h ä n o m e n : 1914 w a r e n 25% aller P k w in G e n f stationiert, dessen M o t o r i s i e r u n g vor allem auf die N ä h e Frankreichs, die Ansiedlung automobiler Interessenorganisationen sowie Traditionen in der Feinmechanik z u r ü c k z u f ü h r e n war. Vgl. AAZ, Jg. 13, 1912, N r . 45, S. 30; M W , 1918, S. 342;Asseo u. Batou, S. 57-64.

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teile begründet. So opponierten in der Deutschschweiz vor allem die Bergkantone Graubünden, Glarus, Schwyz, Uri und Unterwaiden, die durch die Eisenbahn gut erschlossen waren, am vehementesten gegen den Kraftverkehr. Bei einem Vordringen des Autos erwarteten diese Regionen finanzielle Belastungen und nur geringe wirtschaftliche Vorteile. Dem Problem der Straßenunterhaltung begegnete man daher durch Gebührenerhebung von auswärtigen Autofahrern an der Kantonsgrenze. Autofeindlichkeit manifestierte sichjedoch auch in diesen Kantonen vor allem in Protesten der Bewohner von Ortschaften, die nicht an den Vorteilen des Kraftverkehrs partizipierten, da sie reine Durchgangsstationen waren, welche die ausländischen Autotouristen ohne Halt durcheilten.30 Die stereotype Darstellung des stumpfsinnigen Bergbauern, der sich als Fortschrittsfeind dem Kraftverkehr entgegenstellte, die insbesondere die deutsche Motorpresse zur Erklärung der Angriffe aufAutofahrer heranzog, erwies sich somit als nur bedingt erkenntnisfördernd. Dabei fußte diese Interpretation auf einer gewissen Tradition, da bereits Bierbaum in seinem Reisebericht einer frühen Alpenüberquerung den vermeintlich verstockten Charakter der Schweizer betont und sich erleichtert gezeigt hatte, als er die »Bauernkantone« hinter sich lassen konnte.31 Angriffe und Straßensperren verschwanden auch in den zwanziger Jahren nicht gänzlich. Dazu beschränkte eine restriktive, uneinheitliche Gesetzgebung die Motorisierung der Schweiz, so dass die »Automobil-Revue« ihren Lesern gar den Autoliebhaber Mussolini, der die Massenmotorisierung propagierte, als Vorbild für heimische Verkehrspolitiker empfahl. In der öffentlichen Diskussion wurde dagegen weiterhin die distinktive Funktion des Autos betont, der Kraftwagen als »Ausdruck des Triumphes der Bourgeoisie« und »Instrument des Reichen« interpretiert. Ständeräte kämpften für eine Verschärfung der Haftpflicht, gegen rücksichtsloses Fahren und lärmende Autos. Dabei kam nicht nur eine kritische Grundhaltung zum Kraftwagen, sondern auch das vermehrte Wissen über Gefahrdungen zum Ausdruck: Bereits in den zwanziger Jahren verbot die Schweiz die Beimischung von Blei zum Kraftstoff.32 1925 fiel zwar schließlich das absolute Automobilverbot in Graubünden, doch musste der ADAC seine Mitglieder prompt vor einem Besuch des Kantons warnen.33 Die Erwähnung der autofeindlichen Gesetzgebung Graubün30 Die Erhebung von Durchfahrtsgebühren fand erst ein Ende, als die Eidgenossenschaft in den zwanziger Jahren die Einnahmen aus dem zweckgebundenen Treibstoffzoll teilweise an die dünn besiedelten, auch topographisch benachteiligten Kantone weiterleitete, um Straßenerhalt und -ausbau zu gewährleisten. Vgl. Merki, Fortschritt, S. 238f. Zur unterschiedlichen Behandlung von Umwelt- und Verkehrsfragen in Deutschschweiz und Romandie vgl. Walter, Les Suisses, S. 189ff. Zu den Wirkungen des Autos auf einen Kanton vgl. Gisler-Jauch, Uri und das Automobil. 31 Vgl. Bietbaum, Reise, S. 268. 32 Die Schweiz folgte hier amerikanischen Vorbildern. Vgl. Walter, Les Suisses, S. 188; Automobil-Revue, Jg. 19, 1923, Nr. 5, S. 1; Brassel-Moser, S. 332ff. 33 »Es sind uns geradezu unglaubliche Fälle von Böswilligkeit der... im ganzen Kanton Grau-

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dens verwies darauf, dass das politische System der Schweiz den 22 Kantonen die Oberhoheit in Automobilfragen überließ. Ein Staatsvertrag der meisten Kantone umfasste seit 1903 zwar ungefähr zwei Drittel des Gebiets der Schweiz und regelte Geschwindigkeitslimits (30 km/h auf Landstraßen, 10 km/h innerorts und auf Bergstraßen) sowie Fragen der Straßensperrung und Bußgelderhebung, verschiedene Ausführungsbestimmungen blieben jedoch stets uneinheitlich. Als der Bundesrat 1909 bei den Kantonsregierungen anfragte, ob sie einer eidgenössischen Regelung des Automobilverkehrs zustimmen würden, lehnten Graubünden, Zug und Zürich ein einheitliches schweizerisches Verkehrsgesetz ab. Der Bundesrat arbeitete trotzdem weiter an einem Gesetzentwurf über die Automobilhaftpflicht und an einer Verfassungsänderung zur Einfuhrung eines Bundesgesetzes. Bevor es aber zu einer inländischen Einigung kam, trat die Schweiz dem Internationalen Verkehrsabkommen bei und akzeptierte damit einige Standards. Da eine bundesstaatliche Regelung auf sich warten ließ, verabschiedeten die Konkordatsstaaten 1912 eine Revision ihrer Bestimmungen über den Autoverkehr, welche die Abschaffung des Bußenanteils des Anzeigers sowie die Heraufsetzung der Höchstgeschwindigkeit auf 40 km/ h (20 km/h auf Bergstraßen, 18 km/h innerorts) brachte. Inländische Autofahrer unterlagen dem Haftpflichtversicherungszwang. Ausländische Autotouristen wurden von der Kfz-Steuer befreit, wenn sie sich nicht länger als drei Monate in der Schweiz aufhielten. Der Ständerat verwarf 1913 schließlich den Antrag des Nationalrats zur Schaffung eines einheitlichen Automobilgesetzes. Der Bundesrat setzte dagegen im April 1914 das revidierte Konkordat in Kraft. 1921 billigten die Kantone dem Bund die Kompetenz zum Erlass von Vorschriften über den Autoverkehr und zur Öffnung von Durchgangsstraßen zu. Ein Referendum verwarf aber erneut ein einheitliches eidgenössisches Automobilgesetz. Auch in den zwanziger Jahren behielt jeder Kanton ein eigenes Verkehrsrecht, erst 1932 löste ein Bundesgesetz das interkantonale Konkordat ab.34 Das föderale System der Schweiz begünstigte die Artikulation und institutionelle Verfestigung autokritischer Haltungen. Das Prinzip der direkten Demokratie machte es möglich, mit einer Mobilisierung des Widerstands in der Bevölkerung zu drohen, da dieser leicht in eine autokritische Gesetzgebung münden konnte. Das politische System der Schweiz verhinderte somit eine frühe Homogenisierung ihrer Automobilgesetzgebung. Dabei überschritt man bereits 1926 die Marke von 70.000 zugelassenen Kraftfahrzeugen und erreichte bünden anmaßend und provozierend ihren Amtes waltenden Polizeiorgane gemeldet worden. In dieser Gegend hat sich eine rücksichtslose Schikane gegen deutsche Motorfahrer zu einem bedenklichen Spezialistentum und nachgerade zu einem System entwickelt, dem jeder deutsche Motorfahrer schon im Hinblick auf die automobilfeindliche Gesetzgebung des Kantons Graubünden wehrlos ausgeliefert ist.« ADAC-Sport, 1926, Nr. 32, S. 14. 34 Vgl. Nussbaum, Motorisiert; MW, 1913, S. 256f.; AAZ, Jg. 10, 1909, Nr. 37, S. 36f.

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mit 55 Einwohnern pro Motorfahrzeug einen höheren Motorisierungsgrad als in Deutschland. Ende der zwanziger Jahre konnte somit mit einiger Berechtigung auch in der schweizerischen Motorpresse der Verkehr als »Symphonie unserer Zeit« gefeiert werden.35 Trotzdem verstummten die autokritischen Stimmen nie vollständig, gingen nun aber vornehmlich von Eisenbahninteressenten aus, denen trotz aller Hemmnisse im Automobil bereits eine ernsthafte Konkurrenz erwachsen war. Sie bemühten sich, ein Anhängerverbot für Lkw durchzusetzen, und sprachen sich dafür aus, den Kraftverkehr in enge Schranken zu zwingen.36 Das Auto forderte 1927 in der Schweiz 275 Todesopfer, fünfmal mehr als beim Transport auf den Bahnen starben. Daher war für die Eisenbahnfreunde klar, dass eine »Rückbildung« in Bereichen stattzufinden hätte, in die das Auto vorgedrungen war, ohne dass dies durch seine »natürliche Leistungsfähigkeit« gerechtfertigt gewesen wäre. Die Straßenzerstörung durch den Lkw-Verkehr und die zahlreichen Unfallopfer machten nun auch schädigende Wirkungen des Autos auf die Volkswirtschaft deutlich.37 Gehörte die Autofeindlichkeit in den zwanziger Jahren noch »zum psychosozialen Habitus breiter Schichten«, verlagerten sich die Konfliktformen doch auch in der Schweiz von der Sphäre des gewalthaften Sozialrebellentums auf die rechtliche und publizistische Ebene. Im Zuge dieses Pazifizierangsprozesses wichen neben handgreiflichen Angriffen auch repressive Vorschriften wie Straßensperrungen und absolute Automobilverbote zunehmend subtileren Steuerungselementen wie der Kraftstoffbesteuerung, der Verkehrserziehung und einer allgemeinen Verrechtlichung des Straßenverkehrs.38 Begünstigt wurden diese Veränderungen der Konfliktaustragung und -regulierung durch eine Verschiebung der Konfliktlinien: Die zunehmende Gewöhnung an die Zumutungen des Kraftverkehrs und die wachsende wirtschaftliche Bedeutung des Autotourismus entschärften den Konflikt zwischen Landbevölkerung und ausländischen Autofahrern. Die Interessengegensätze von Automobilverbänden, Bahnlobbyisten und Wegebaupflichtigen traten nun in den Vordergrund. 35 Vgl. MW, 1928, S. 269; Automobil-Revue J g . 24,1928, Nr. 10, S. 21. Noch heute liegt die Straßenhoheit bei den Kantonen. Vgl. Merki, Fortschritt, 241ff. Dem Schutz des Autoverkehrs wurde dagegen recht früh Rechnung getragen, indem der Straftatbestand »Gefährdung des Strassenverkehrs« 1918 in den Entwurf zu einem neuen Strafgesetzbuch aufgenommen wurde. Täter, die Leib und Leben der Autofahrer gefährdeten, sollten mit Zuchthaus bis zu lOJahren oder Gefängnis nicht unter sechs Monaten bestraft werden. Vgl. AAZ, Jg. 19, 1918, Nr. 44, S. 10. 36 Da sich der Automobilismus als »Staat im Staate« gebärde, die Behörden kritisiere und das Leben der Fußgänger gefährde, sei es notwendig, sich »gründlich, planmässig und objektiv« mit gesetzlichen Einschränkungen zu befassen. Vgl. Monteil, S. 130. 37 Vgl. Bratschi, S. 4f., S. 57. In Bern wurde 1928 als Unfallursache in über 70 % aller Straßenverkehrsunfiille die »Untugend des unvorsichtigen Fahrens« ermittelt. Statistisches Amt der Stadt Bern, S. 40. 38 Vgl. Merki, Staubplage, S. 162f.

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b) Die Modernität Westeuropas: Frankreich, Großbritannien und Italien

Deutsche Autointeressenten verwiesen oft auf das französische Vorbild, wenn es galt, Autokritikern entgegenzutreten. Mit Bedauern musste festgestellt werden, dass sich das als deutsche Erfindung reklamierte Auto zunächst in Frankreich durchgesetzt hatte. Angesichts der fortschrittseuphorischen und sportbegeisterten, französischen Öffentlichkeit betrachtete man die von Autofeindschaft geprägten heimischen Straßenzustände mit Scham. Die nationale Begeisterung für den Automobilismus werde in Frankreich auch durch die Hilfsbereitschaft von Schutzleuten, Droschkenkutschern und Straßenpassanten deutlich, welche die Autofahrer keineswegs bekämpften. Versuche, französische Zustände auch in Deutschland herbeizuführen, wären zum Scheitern verurteilt.39 Um die Jahrhundertwende waren in Frankreich bereits 5386 Autos zugelassen und ungefähr 25 periodische Publikationen widmeten sich ausschließlich dem neuen Verkehrsmittel. Die ersten Straßenrennen waren verkaufsfördernd durchgeführt worden, und die Autobesitzer hatten sich im ACF organisiert. Die Konzentration auf Paris und seine Umgebung begünstigte den ersten Automobilboom, der sich in Frankreich bereits vor der Jahrhundertwende bemerkbar machte. Hier waren die fuhrenden Zeitungen ebenso ansässig wie die meisten Automobilhersteller. Die sportbegeisterten Publikationen trugen entscheidend zur Popularisierung des neuen Verkehrsmittels bei. In der Metallverarbeitung erfahrene Unternehmen konnten auf Ingenieurswissen und Kapital zurückgreifen. Sie benutzten Marketingstrategien, die bei der Popularisierung des Fahrrads erprobt worden waren. Dazu verfugte Frankreich über ein gut ausgebautes Straßensystem aus napoleonischer Zeit, das die Veranstaltung von Straßenrennen zu Werbezwecken ermöglichte.40 Der Staat reagierte recht früh auf das Auto und führte im Mai 1898 eine nach Sitzplätzen und Gemeindegrößen gestaffelte Kraftfahrzeugsteuer ein, deren Einnahmen nach mehreren Reformen 1912 erstmals die auf den Pferdebetrieb erhobenen Abgaben überstiegen. Bereits 1893 wurde ein Führerschein obligatorisch, der ab 1899 nach zwei Verkehrsverstößen entzogen werden konnte. Diese frühen und recht weitreichenden Staatsinterventionen waren darauf zurückzuführen, dass sich auch in Frankreich die sozialen Kosten des Kraftverkehrs abzuzeichnen begannen. Dabei beobachtete man 1904 einen relativen 39 Vgl. MW, 1903, S. 45fF. 1906 wiederholte der Autor seine positive Einschätzung der französischen Straßenzustände, hoffte nun aber, dass auch in Deutschland das Auto bald zu einer Alltäglichkeit werden könnte. Vgl. Valentin, S. 6. 40 Vgl. Laux, Industry, S. 4ff. Z u m Zusammenhang von Automobilsport und -Industrie am französischen Beispiel vgl. Merkt, Marktanteile, S. 69-91.

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Rückgang der Autounfälle und folgerte, dass der Automobilismus bereits »seine eigentliche Gefahrperiode überwunden« hätte.41 Die heftige automobilistische Gegenwehr bei staatlichen Reglementierungsversuchen bewirkte jedenfalls, dass der 1901 beschlossene Nummernzwang erst 1909 eingeführt, die bereits 1902 vorgeschlagene nationale Verkehrsordnung erst 1921 durchgesetzt werden konnte.42 Bewerteten deutsche Kommentatoren die französischen Verhältnisse zunächst einhellig als vorbildlich, zeichneten heimische Autoren dagegen ein differenzierteres Bild des Straßenverkehrs. Baudry de Saunier unterstrich zwar zunächst »dieses die ganze Bevölkerung umfassende, sympathische Gefühl und Entgegenkommen für den Automobilismus«, das er fast überall in Frankreich beobachtete. Kurze Zeit später stellte der Automobilpionier in seinen »Praktischen Ratschlägen für Automobilisten« jedoch fest, dass Unkenntnis, Nachlässigkeit und Dünkelhaftigkeit der Autofahrer dazu geführt hätten, dass sich in fast der gesamten französischen Bevölkerung Widerstand gegen den Kraftverkehr regte. Der intelligente Automobilist müsste durch Bescheidenheit und Rücksichtnahme für sich werben, um Vorurteile abzubauen. Kutschern begegnete man am besten schweigend, da diese ohnehin über die schlagfertigeren Schimpfworte verfügten.43 Schließlich berichtete Baudry de Saunier gar, dass die Auseinandersetzungen eine ungewöhnliche Schärfe erreicht hätten. Das Land wäre in zwei sich unerbittlich gegenüberstehende Lager gespalten, wobei bereits auf beiden Seiten vom »Revolver« die Rede gewesen wäre. Einige vom »Schnelligkeitswahnsinn« besessene Autofahrer hätten diesen Widerstand hervorgerufen, der bei »dem conservativen, im allgemeinen jeder Neuerung abholden französischen Volkscharakter« nicht verwundern könnte. Scharfe Verfolgung durch Polizei und Justiz, die von der Presse unterstützt werde, wäre die unausweichliche Folge. Die Fortschrittsfeinde bildeten »die Mehrzahl der französischen Nation.«44 Die rigide Verfolgungspraxis der französischen Behörden bemerkte auch die deutsche Motorpresse. 1898 versuchte die Polizei beispielsweise, den Start des Rennens Paris-Amsterdam-Paris zu verhindern. Als es dabei zu einem Tumult kam, schritt Militär mit Waffengewalt ein und die Rennfahrer mussten außerhalb des Seine-Departements starten. 1900 berichteten deutsche Blätter über 41 MW, 1904, S. 308. 42 Vgl. Fridenson, effects, S. 141ff. 43 Vgl. Baudry de Saunier, Automobil, Bd. 1, S. 425f.; den., Ratschläge, S. 3-25. Auch in Frankreich каш es zu Problemen mit den Kutschern, die sich unkooperativ verhielten, Fuhrwerke nicht beleuchteten und auf dem Kutschbock schliefen. Insbesondere vor den befahrenen Routen in den Süden wurde gewarnt. In Bezug auf die Kutscher hieß es in diesem Zusammenhang: »Les hommes sont des rentables malfaiteurs publics.« La Locomotion automobile, Jg. 9, 1902, Nr. 13, S. 194. 44 Neben Neuerungshass und Temporausch wurden auch Unfälle bei Autorennen und der Ruf des Autos als Luxusgut als Ursachen für die Autofeindschaft genannt. Vgl. Baudry de Saunier, Automobilismus, S. III-VI, S. 119-125.

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»Automobilistenfang in Paris«. Polizisten verfolgten Autofahrer auf Fahrrädern und hielten die Delinquenten mit Straßenbarrieren auf Auf Geschwindigkeitsübertretungen folgten Gefängnisstrafen. Tatsächlich waren nicht alle Franzosen durch Höchstgeschwindigkeiten euphorisiert. Noch vor der Jahrhundertwende musste der ACF eine Abteilung zur Bekämpfung der Automobilfeindlichkeit einrichten, die sich vor allem darum bemühte, Presseberichte über Automobilunfälle zu entkräften. Diese Maßnahme beruhte nicht auf übertriebener Vorsicht, da bereits 1896 in der Pariser Presse Morddrohungen gegen Autofahrer aufgetaucht waren.45 Der Unmut über die Autos institutionalisierte sich in Frankreich in verschiedenen Organisationen: 1901 gründeten Autofeinde eine »Liga der Anti-Automobilisten«, die als Reaktion auf die Rücksichtslosigkeit der Autofahrer ein Verbot der öffentlichen Straßen für Motorwagen anstrebte. Die Organisation zählte 1200 Mitglieder, die Autofahrer durch das Auslegen von Nagelbarrieren stoppen sollten. Finanzier wäre ein »reicher Misanthrop«, der ein Familienmitglied bei einem Autounfall verloren hätte. Einen anderen Charakter hatte die 1902 gegründete »Liga gegen den Missbrauch von Automobilen« Die von Autofahrern ins Leben gerufene Organisation setzte sich zum Ziel, gegen Missstände im Kraftfahrwesen und Übertretungen der Autofahrer zu wirken, um einer in der Bevölkerung verbreiteten Autofeindschaft die Grundlage zu entziehen. An der Spitze der »Ligue contre Tabus de l'automobile« stand ein ehemaliger Abgeordneter, dem sich zahlreiche Magistrate, Anwälte, Gutsbesitzer und Schriftsteller anschlossen. Erstaunlich war, dass der Verein mit vorgedruckten Formularen arbeitete, um schnellfahrende Autofahrer anzuzeigen. Besonders fleißige Anzeigeerstatter sollten gar mit Preisen belohnt werden. Außerdem plädierte die Organisation für die Verhängung von Freiheitsstrafen bei Verkehrsdelikten, da Geldbußen wohlhabende Automobilisten nicht bessern könnten. Der französische Verein ging damit wesentlich weiter als die deutsche »Autowacht«, die ebenfalls zur »Selbstzucht« der Autofahrer aufrief 46 Einen weiteren Versuch zur Institutionalisierung des Protests stellte die 1907 gegründete »Societe Protectrice contre les exces de l'automobilisme« dar. Ihr Hauptziel bestand darin, Fußgänger vor Sportexzessen zu schützen. Federfüh45 »In den Pariser Straßen gibt es keine Sicherheit mehr, und da ... Polizisten melden, daß sie wehrlos seien, zeige ich ... hiermit an, daß ich von morgen ab mit einem Revolver in der Tasche umhergehen und auf den ersten tollen Hund, der auf einem Automobil oder einem Benzin-Dreirad sitzt, schießen werde.« Leserbrief aus »Le Journal«, 1896, zit nach Döbler, S. 233. Vgl. Bittotf, S. 48; AAZ, Jg. 1 , 1 9 0 0 , 3 . 6. 1900, S. 6. Auch in der Motorpresse wurde verständnisvoll festgestellt, dass nicht alle den Geschwindigkeitsrausch der Autofahrer teilten: »L'automobile est tenne par bien des gens pour un fleau. Veritablement, lorsque de pareilles >betes< sont lachees ä 100 ä l'heure sur les routes, on comprend Peffroi insurmontable qu'elles donnent aux populations, et l'on comprend que les vieilles paysannes fassent le signe de la croix en les voyant passer!« Omnia, 1907, S. 293. 46 Vgl. AAZ J g . 2, 1901, Nr. 45, S. 18; 1902, Nr. 47, S. 8; Zeitschrift für Automobilen-Industrie, Jg. 6, 1902, Nr. 23, S. 303.

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rend war in der nur kurze Zeit bestehenden Organisation eine Gruppe von Juristen, die sich eine Verschärfung der Haftpflicht zum Ziel gesetzt hatten. Es machten sich in der Gesellschaft jedoch auch grundsätzlichere Stimmen bemerkbar, die gegen den Autoverkehr an sich gerichtet waren. Sie forderten die Autofabriken in einem Rundschreiben auf, ihre Produktion einzustellen, und sich statt dessen der Herstellung landwirtschaftlicher Maschinen zu widmen.47 Auch gewalttätige Angriffe auf Autofahrer übermittelte man aus Frankreich, wenn auch in wesentlich geringerem Maße, als das für den deutschen Sprachraum der Fall war. Da in Deutschland ein reges Interesse am französischen Automobilismus bestand und die wichtigen Automobilzeitschriften mit Korrespondenten in der französischen Hauptstadt vertreten waren, lag dies nicht an einer größeren kulturellen Entfernung, sondern an der, im Vergleich zum mitteleuropäischen Raum, tatsächlich geringen Zahl gewalttätiger Protestaktionen. Als es 1900 in Paris zu einem Zwischenfall kam, konnte die AAZ allerdings mit einem Titelblatt aufwarten, das die spektakuläre Szene im Bild festhielt (Abb. 5): Der Aufseher einer Automobilgarage wurde nach einem Unfall, bei dem er einen Fußgänger angefahren hatte, von Straßenpassanten fast gelyncht und von der Polizei arretiert.48 Zwischen 1902 und 1932 fanden sich jedoch lediglich vier Fälle gewalttätiger Angriffe auf Autofahrer in den deutschen Automobilzeitschriften, die ausnahmslos auf die Vorkriegszeit entfielen. Paris und die Provinz waren mit jeweils zwei Meldungen vertreten: Eine »energische Automobilfeindin« übergoss einen mit überhöhter Geschwindigkeit fahrenden Chauffeur im Sommer 1904 in Paris mit einem Kübel Wasser. Die Frau musste sich einem Gerichtsverfahren stellen. Ebenfalls 1904 streuten Unbekannte während eines Rennens des »Motocycle Club de France« Nägel über die Rennpiste bei Ablis. Im Sommer 1911 warfein Bauer zwischen Dijon und Chalons Steine auf einen Wagen, mit dem ein Maler, ein Rechtsanwalt und ein Arzt gemeinsam eine Autotour unternahmen. Die Automobilisten zwangen den Steinewerfer daraufhin mit Waffengewalt, ins Auto zu steigen. Nachdem sie dem Übeltäter die Wertsachen abgenommen hatten, die ihm später zugeschickt werden sollten, ließen sie ihn 50 Kilometer entfernt aussteigen. Der notwendige Fußmarsch sollte als Bestrafung dienen. Im Juni 1913 legten Unbekannte schließlich einen Kirmesmast auf eine Pariser Straße, wodurch das Auto eines orientalischen Prinzen einen Unfall erlitt.49 47 Vgl. ScheiketHteh, S. 4; AW, 1907, Nr. 149, S. 5. In der französischen Motorpresse wurden derartige Gründungen in humoristischen Beiträgen zuweilen der Lächerlichkeit preisgegeben. »ADAC-Sport« druckte 1925 eine »L'Auto« entnommene Karikatur ab, in der eine aufgebrachte Menge, das Recht auf die Straße einforderte. Vgl. La France Automobile, 1910, S. 549; A D A C Sport, 1925, Nr. 99, S. 6. 48 Vgl. AAZ, Jg. 1,1900, Nr. 38, S. 3. 49 Vgl. AAZ, Jg. 5,1904, Nr. 26, S. 22; D M F , 1904, Nr. 21, S. 368ff.; AW, 1911, Nr. 99, S. 2; 1913, Nr. 81, S. 2.

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Quelle: A A Z J g . 1, 1900, Nr. 38, S. 1.

Abb. 5: Jagd nach einem »Autowildling« in Paris

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Auffälligerweise berichteten die deutschen AutoZeitschriften nicht über kindliche Steinwürfe aus Frankreich, obwohl diese jenseits des Rheins ebenfalls ein Problem darstellten. 1905 gab der ACF eine Broschüre heraus, die Lehrer befähigen sollte, die Kinder über die Bedeutung der Kraftfahrzeugindustrie und über Verhaltensmaßregeln beim Auftauchen eines Autos aufzuklären. Unfälle von Kindern im Straßenverkehr sollten dadurch ebenso vermindert werden, wie Steinbombardements aufAutofahrer und das mutwillige Springen in die Fahrbahn. Der französische Touring-Club richtete dagegen 1906 eine Eingabe an den Minister der öffentlichen Bauten, um die Zahl der Unfälle zu verringern. Für befahrene Straßen schlug er die Einrichtung spezieller Spuren vor, die allein den Autos vorbehalten bleiben sollten. Obwohl noch eine Minorität von Autofeinden existierte, werde die Öffentlichkeit, die dem Automobilismus insgesamt aufgeschlossen gegenüberstehe, Verständnis für diese einschneidende Maßnahme zeigen.50 Bereits 1910 konnte die französische Motorpresse schließlich verkünden, dass sich das Verhältnis zwischen Autofahrern und Publikum erheblich gebessert hätte. Die Phase der intensiven Automobilfeindschaft, die bis zu einem gewissen Grade berechtigt gewesen wäre, da sie auf Ubertreibungen des Automobilsports beruhte, schien bereits überwunden.51 Tatsächlich bildete aber der Erste Weltkrieg einen entscheidenden Einschnitt in der Wirkungsgeschichte des Autos, da er zahlreiche Menschen mit Motorfahrzeugen vertraut machte und alle Zweifel an der Funktionstüchtigkeit der Automobile beseitigte. In der Zwischenkriegszeit wurden keine Gewaltaktionen der französischen Bevölkerung gegen den Autoverkehr übermittelt, doch klagten die Automobilzeitschriften noch 1932 über die hohe Steuerbelastung und die autofeindlichen Blätter, die jeden Autounfall aufbauschten, wodurch der Hass der Fußgänger geschürt werde.52 Im Gegensatz zu Frankreich galt Großbritannien zu Beginn der Motorisierung als äußerst automobilfeindliches Land, dessen Kraftfahrzeuggesetzgebung auf scharfe Kritik stieß. Zurückzufuhren war dies auf die restriktive Gesetzgebung des 19. Jahrhunderts. Da Dampfomnibusse in Großbritannien einige Verbreitung fanden, kam es hier früh zu gesetzlichen Regelungen wie dem 1831 50 Vgl. Z M M , 1905, Nr. 4, S. 116; Revue Mensuelle du Touring-Club de France, 1906, Nr. 9, S. 397; MW, 1906, S. 946. 51 »II faut bien dire,... que les exces de la premiere commis par des temeraires ou des imprudents avaient engendre contre les adeptes des locomotions nouvelles un courant d'hostilite qui se justifiaitjusqu'ä une certaine limite... L'automobile... a franchi heuresement cette periode critique; les exces de la premiere heure ont ä peu pres disparu. On s'est assagi de part et d'autre: le voiturier et le pieton ont fini par comprendre qu'ils etaient, eux aussi, soumis ä des observances en matiere de circulation ...« La France Automobile, 1910, Nr. 53, S. 833. 52 Die Automobilindustrie müsste sich wehren und ihre Anzeigen aus den betreffenden Blätternzurückziehen. Vgl. La Vie Automobile, Jg. 28, 1932, Nr. 1008, S. 1. Einige Monate zuvor hatte der gleiche Autor jedoch selbst die 34 Todesopfer und 120 Verletzten beklagt, die 1932 allein der österliche Feiertagsverkehr gefordert hatte. Vgl. La Vie Automobile. Jg. 28, 1932, Nr. 991, S. 1.

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verabschiedeten »Locomotive on Highway Act«.53 Die Wagen mussten demnach mit mindestens zwei Mann besetzt werden und durften nur Schrittgeschwindigkeit fahren. Zur Warnung der anderen Straßennutzer hatte ein Assistent dem Fahrzeug mit roter Fahne vorauszugehen. Eine konservative Parlamentsmehrheit hob diese der automobilen Idee zutiefst widersprechenden Bestimmungen 1896 durch Verabschiedung des »Light Motor Act« für Fahrzeuge unter einem Gewicht von drei Tonnen auf Allerdings untersagte bereits dieses Gesetz allen Automobilen die Erzeugung von sichtbarem Dampf und Rauch. Mit der »Motor Car Bill« von 1903 und dem »Motor Car Act« von 1904 wurde das berüchtigte »Red-Flag-Act« zwar endgültig zu den Akten gelegt, doch empfanden viele Autofahrer die neuen Regelungen ebenfalls als einschränkend. Das Tempolimit von 20 Meilen konnte auf 10 mph herabgesetzt werden, wovon lokale Behörden regen Gebrauch machten. 1902 führte man die Registrierungspflicht ein, 1905 folgten höhere Strafsätze und eine Kraftfahrzeugbesteuerung, deren Erträge dem »road fund« zuflössen und der Straßenausbesserung zugute kamen. Objektive Beobachter erkannten an, dass man nach der restriktiven Anfangsphase staatlicher Eingriffe dem Kraftverkehr nun weitgehend »freie Fahrt« gewährte, sieht man von der hohen Besteuerung der Kraftfahrzeuge und Betriebsstoffe ab, die auch in den zwanziger Jahren bestehen blieb. Großbritannien betrieb im europäischen Vergleich die liberalste Verkehrspolitik: 1930 fielen die Tempolimits für Pkw gänzlich; an ihre Stelle trat der Begriff der »gefährlichen« und »leichtsinnigen« Fahrweise. Es bestand zwar weiterhin die Pflicht zur jährlichen Erneuerung der Fahrerlizenz, die Einfuhrung eines Führerscheins, der eine Fahrprüfung vorausgesetzt hätte, wurde aber erneut verworfen.54 Auf großes Interesse bei ausländischen Beobachtern stieß die Praxis polizeilicher Überwachung des Straßenverkehrs in England: Der Royal AutomobilClub lud 1901 im Zuge von Diskussionen um die Einführung des Nummernzwangs fuhrende Polizeioffiziere zu Automobiltestfahrten ein und konnte sie mehrheitlich von der Ungefährlichkeit der Autos überzeugen. Trotz dieser günstigen Ausgangssituation folgten rigide Polizeiaufsicht und harte Strafen für Autofahrer. Auch im »freien England« kam es nicht häufig vor, dass »die Motoristen mit einem Urteil zufrieden« waren. Im Widerspruch zu den sich andeutenden Konflikten bewertete die deutsche Motorpresse insbesondere die Regelung des Londoner Stadtverkehrs als vorbildlich. Kraftwagen, die mit der 53 A u c h die englischen D a m p f w a g e n des 19. J a h r h u n d e r t s standen einer feindlichen Koalition aus F u h r l e u t e n , Pferdebesitzern u n d Eisenbahninteressenten gegenüber. Vgl. Matschoss, S. 8. 54 1926 hatten die E i n n a h m e n aus der Kraftfahrzeugsteuer einen U m f a n g erreicht, der es ermöglichte, einmalig 7 Millionen P f u n d zur D e c k u n g eines Defizits des allgemeinen Haushalts aus d e m Wegebaufonds zu e n t n e h m e n . In der Folge w u r d e n n u r n o c h zwei Drittel der Kraftfahrzeugsteuer an d e n »road fund« überwiesen. Vgl. Salin, S. 36; M W , 1904, S. 149; AAZ, Jg. 31,1930, N r . 10, S. 13; Plowdett, S. 21fF.; Dispositions legislatives, Einlage S. 244f.

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vergleichsweise hohen Geschwindigkeit von 20 km/h das Großstadtgewühl bewältigten, wären als gleichberechtigte Fortbewegungsmittel von den anderen Verkehrsteilnehmern voll anerkannt. Auch die Behörden ständen dem Motorwagenwesen nicht hemmend sondern vielmehr fördernd gegenüber. Nicht nur die den Verkehr gerecht regelnden, Autorität ausstrahlenden Polizisten begegneten den Autofahrern zuvorkommend, selbst Pferdedroschken- und Omnibusführer verhielten sich kooperativ und gaben nach Hupensignalen stets die Fahrbahn frei. Der Londoner Verkehr wickelte sich daher, im Gegensatz zu deutschen Großstädten, ohne »unnützen Lärm« und mit beispielhafter »Schnelligkeit und Eleganz« ab.55 Die britische Motorpresse registrierte dagegen durchaus einige Vorbehalte des Publikums gegen den Kraftverkehr, gab diese aber der Lächerlichkeit preis. Der Protest gegen das Auto vollzog sich in Großbritannien, ähnlich wie im französischen Fall, ohnehin eher im legitimierten Rahmen der Interessenartikulation. Vor allem strengere Gesetze und eine verbesserte Polizeiaufsicht wurden gefordert: Als »antiautomobilistische Gemeinde« trat dabei beispielsweise das englische Seebad Blackpool hervor, wo man nach Beschwerden über hohe Geschwindigkeiten verschiedene Autofallen einrichtete. Außerdem protestierte eine Bürgerinitiative gegen das jährlich als »Blackpool-Meeting« stattfindende Autorennen und klagte vergeblich gegen die Stadt. 1908 waren »automobilgegnerische Versammlungen« auch in London an der Tagesordnung, wobei man zu einer autofeindlichen Kundgebung 250 Delegierte aus allen Landesteilen erwartete. 1910 wandten sich schließlich mehrere Tausend Engländerinnen in einer Petition an die Königin, um die Einfuhrung schärferer Bestimmungen für den Autoverkehr zu fordern.56 Als Reaktion auf die antiautomobilen Strömungen ging 1909 von der Zeitschrift »The Autocar« die Initiative zur Gründung einer »Autocar League« aus, welche die Spaltung der automobilistischen Interessenvertretung in »Royal Automobile Club« und »Motor Union« überwinden helfen wollte. Die neue Organisation verstand sich als Gesamtvertretung automobiler Interessen. Bei Fragen von vitaler Bedeutung für den britischen Automobilismus sollte die Meinung aller Unterzeichner eingeholt werden, um Eingaben und Referenden vorbereiten zu können. Als kraftvolle Repräsentation versprach die Liga im Interesse der Mitglieder, die keinem Automobil-Club angehören mussten, auch 55 1907 wurde London gar als »Bollwerk des Motorverkehrs« bezeichnet. Vgl. AAZ, Jg. 8, 1907, Nr. 43, S. 60; Nr. 49, S. 68; MW, 1903, S. 234ff., 241 f. 56 «The Autocar« fasste die Magen der Autokritiker lakonisch zusammen: »The public say that the motorist blows his horn (or forgets to do so), and that they have to fly for their lives ... The public says that motoring is a shameful nuissance, but they do admire a good horse.« The Autocar, 9.9.1905, S. 317. Der angesehene »Economist« stellte dagegen noch 1911 den gesamten Kraftverkehr zur Disposition und fragte, ob die Belästigung der Öffentlichkeit durch das Vergnügen der vergleichsweise wenigen Autofahrer zu rechtfertigen wäre. Vgl. Heck u. Oehling, S. 138; AAZ, Jg. 8, 1907, Nr. 24, S. 89; 1908, Nr. 43, S. 51; AW, 1910, Nr. 117, S. 3.

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gegen die Ausbreitung von Zehn-Meilen-Limits und Polizeifallen sowie gegen Steuererhöhungen zu kämpfen. Zunächst rief sie jedoch zum Boykott autofeindlicher Gegenden auf. Dabei dachte man vor allem an Surrey, das eine strikte Polizeikontrolle über das Tempolimit ausübte und Autofahrer, im Gegensatz zu den Gespannfuhrern, mit hohen Geldstrafen bedachte.57 1913 konnte festgestellt werden, dass nach einer Phase der Kritik ein neuerlicher Aufschwung und ein generelles Interesse an allen sportlichen Belangen der Automobilbewegung zu beobachten waren. Angesichts dieser positiven Einschätzung heimischer Straßenzustände befremdet es, wenn ein englischer Reiseführer, der kurz vor dem Ersten Weltkrieg erschien, das Verhalten der Bevölkerung im wesentlich autofeindlicheren Deutschland lobend hervorhob. Zudem gab es auch in Großbritannien zahlreiche Klagen über Steinwürfe und noch 1919 musste ein Fonds zur Ergreifung von Scherbenlegern eingerichtet werden.58 Im Protestsample der deutschen Automobilzeitschriften fanden sich allerdings nur drei Meldungen gewalttätiger Angriffe, die sich auf Großbritannien bezogen. Zwei Fälle übermittelte die Motorpresse aus England, während ein Vorkommnis aus Schottland berichtet wurde: Nachdem ein Autokritiker im »House of Lords« seiner Abneigung gegen die Motorwagen freien Lauf gelassen hatte, schoss ein schottischer Gutsbesitzer 1903 mit dem Gewehr auf die Autoreifen eines Londoner Jagdpächters. Dieser hatte trotz Haltezeichens nicht auf die scheuenden Pferde des Schützen reagiert. Ein Bauer blockierte 1912 eine englische Hauptstraße mit einem Holzstamm und mehreren Pflastersteinen, die er nachts auf die Fahrbahn legte. Vor Gericht sagte er aus, dass er wegen der vielen Autos nicht schlafen könnte, woraufhin man ihn zu einer Geldstrafe von umgerechnet fünf Mark verurteilte. Unbekannte beschädigten schließlich 1930 in Südengland um die 100 vornehmlich mit Stoffkarosserien ausgestattete Kraftwagen durch Messerschnitte.59 57 Als Urheber der autofeindlichen Zustände wurden »small-minded local big-wigs and retired tradesmen, whose mental horizon is lamentably restricted, but whose prejudices against innovations are overpowering« identifiziert: »Ten mile limits are not necessarily so very objectionable, as they serve to indicate that the occupants of the area object to motor cars, and that every care should be taken to avoid disturbing their prejudices...« T h e Autocar, 4 . 9 . 1 9 0 9 , S. 353, S. 367. Auch zahlreiche Intellektuelle kämpften für die Abwehr der »Horrors o f the Countryside« Vgl. O'Connell, T h e car in British society. 58 Zur Beruhigung britischer Autotouristen, denen Gewalttätigkeiten nicht fremd zu sein schienen, stand in dem Reiseführer: »The inhabitants are extremly friendly towards motorists ...« Hecht, S. V. Vgl. T h e Automotor-Journal, Jg. 18, 1913, Nr. 22, S. 631; O'Connell, S. 158ff. 59 Vgl. AW, 1903, Nr. 39, S. 946; MF, 1912, Nr. 37, S. 1204; AAZ,Jg. 31,1930, Nr. 7, S. 9. Das Motiv der Schüsse auf Autos tauchte noch einmal auf: Der Marquis of Queensberry drohte 1905, sich zu bewaffnen, u m seine Familie gegen »Amok laufende« Autofahrer zu schützen. Der U n m u t der englischen Bauern über den Autoverkehr wurde sogar in der neuen Gattung des Automobilromans thematisiert: In »The Lightning Conductor« müssen die Helden nach einem Unfall vor Bauern flüchten, welche die Autofahrer in der Absicht, Schadensersatz zu erpressen, bedrohen.

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Obwohl die deutschen AutoZeitschriften lediglich diese wenigen Fälle aus Großbritannien berichteten, rief die Motorisierung des Straßenverkehrs auch dort ernsthafte Konflikte hervor. Dabei verliefen die Konfliktlinien, wie im übrigen Europa, zwischen Stadt und Land sowie zwischen den Gesellschaftsschichten. Diese zweite Trennungslinie wurde in Großbritannien besonders akzentuiert, da die Clubs sich bemühten, die Autofahrer als »a class of its own« zu etablieren. Dennoch agierten die Autokritiker eher legalistisch und versuchten vor allem die Registrierung der Kraftfahrzeuge und eine Minderung von Geschwindigkeiten zu erreichen. Ein Nord-Süd-Gefalle der Autofeindschaft, das auch an der Höhe der verhängten Polizeistrafen festzumachen wäre, wurde verschiedentlich vermutet, ließ sich jedoch nicht nachweisen.60 In den zwanziger Jahren avancierten die verkehrspolitischen Initiativen auf den britischen Inseln für deutsche Beobachter zum modellhaften Vorbild. Mit der schnellen Zunahme des Autoverkehrs nach dem Ersten Weltkrieg nahmen aber auch die Unfälle in London überproportional zu. Die 1924 gegründete private »National Safety First Association«, der auch eine »Road Fellowship League« angegliedert war, warb mit Plakaten und Flugblättern, durch Veranstaltung zahlreicher Wettbewerbe und mit derjährlichen »Safety Week« fur erhöhte Verkehrssicherheit. Dadurch erreichte man eine Besserung: Seit 1926 überstieg die Zunahme der Autos wieder die Zunahme der Autounfölle. Nun konnte anerkennend hervorgehoben werden, dass das Auto in England zu einem »Gegenstand des täglichen Bedarfs« und zu einem »Gebrauchsfahrzeug aller Bevölkerungsschichten« geworden war. Steinwürfe kämen nicht vor, was vor allem auf die »ausgezeichnete Erziehung des Engländers in Verkehrsdingen« zurückzufuhren sei. Diese zeigte sich in der Verkehrsdisziplin aller Straßenbenutzer. Pferdefuhrwerke hielten stets die richtige Straßenseite ein und wichen frühzeitig aus. Böswilliges Versperren der Fahrbahn und die auf dem Kontinent üblichen Behinderungen seien in den ländlichen Gegenden Englands unbekannte Handlungen. Selbst Fußgänger, die nirgends die in Deutschland berüchtigte, aus »Klassenhass« resultierende Autofeindschaft zeigten, böten bei Pannen ihre Hilfe unaufgefordert an. Für ihre polizeilichen Autofallen seien zwar einige Gegenden berüchtigt, doch verhielten sich die Polizisten zuvorkommend. Die von den Clubs an den Landstraßen postierten »Scouts«, die dem Autofahrer in allen Verkehrsbelangen hilfreich zur Seite ständen, warnten zudem vor Stoppstrecken. Bei der Verfolgung rücksichtsloser Fahrer arbeiteten die Automobil-Clubs mit den Behörden zusammen. Dazu ermächtigten die

Uber eine Sachbeschädigung wurde dagegen auch aus dem australischen Neu-Südwales in der deutschen Motorpresse berichtet: Ein Automobil-Club setzte 1930 Belohnungen zur Ermittlung von Tätern aus, die Sand in die Benzintanks parkender Autos füllten. Vgl. T h e Motor World, Glasgow, 3.6.1905, S. 445; Williamson, The Lightning Conductor; AAZ, Jg. 31,1930, Nr. 10, S. 13. 60 Vgl. Plowden, S. 40ff.

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gesetzlichen Bestimmungen, die es jedem Zivilisten erlaubten, einen publikumsgefährdenden Fahrer festzusetzen. Zurückgeführt wurde die Friedlichkeit der englischen Verkehrsverhältnisse aber vor allem auf den hervorragenden Zustand zahlreicher Straßen. Dieser Umstand führte dazu, dass die Staubplage »ein gänzlich unbekannter Begriff« war.61 Die deutschen Beobachter mussten bewundernd anerkennen, dass Großbritannien auch durch die Aufklärungsarbeit privater Organisationen in den zwanziger Jahren eine Pazifizierung der Straßenzustände erreicht hatte, von der die deutschen Verhältnisse weit entfernt schienen. Neben dem gesellschaftlichen Leitbild des sportlichen Gentleman, das zur Popularisierung des Autos beitrug, dürfte vor allem die fortgeschrittene wirtschaftliche Entwicklung Großbritanniens, die einen raschen Ausbau der Verkehrs-Infrastruktur bewirkte, Protestpotentiale wesentlich reduziert haben.62 Da Italien dagegen zu Beginn des 20. Jahrhunderts noch wenig industriell entwickelt war und in weiten Teilen ländlich geprägt blieb, liegt es nahe, dort ausgeprägte anti-automobile Proteste zu vermuten. Diese Annahme bestätigt der Reisebericht Otto Julius Bierbaums, der 1902 eine Automobilreise durch Italien unternahm, jedoch nur teilweise. Der deutsche Literat berichtete darin von zudringlichen Gassenjungen, die das Auto umlagerten, so dass der Chauffeur vermutete, sie könnten die Reifen des Motorwagens aufschlitzen. Je weiter die Reisenden nach Süden vordrangen, desto begeisterter zeigte sich die Bevölkerung aber über das als Schauspiel betrachtete Auftreten des Motorfahrzeugs. In Neapel versuchten Straßenjungen allerdings, auf den Wagen aufzuspringen, was Bierbaum mit der Peitsche zu verhindern wusste. Die Straßenjugend bewarf die Automobilisten schließlich mit verrottetem Gemüse: Der städtische »Pöbelnachwuchs«, der in »Schmeißfliegenschwärmen« auftrete, sei überall unangenehm, hätte in den Vorstädten Neapels aber die übelsten Manieren. Außerdem begegneten die Touristen Straßenkehrern, die versuchten, Straßenzölle zu erheben, und Apothekern, die für das Benzin weit überhöhte Preise verlangten.63 Schilderte Bierbaum auch aggressive Verhaltensweisen der Bevölkerung, betonte der Bericht über eine 2.700 Kilometer lange Reise durch Sardinien, bei welcher der Direktor des italienischen Touring-Clubs 1905 als erster mit einem Auto auf der Insel erschien, dass kein einziger Zwischenfall zu beklagen war. Bauern hätten beim Vorüberfahren des Autos »wie versteinert« auf den Feldern gestanden. Die Führer der Ochsenkarren und die zahlreichen Reiter gaben durch Flucht in den Straßengraben den Weg frei. Man begrüßte die Autofahrer aber in jedem Dorf mit Gastfreundschaft und Herzlichkeit. Die Bevölkerung zeigte sich in Festtagstracht und spendete Beifallsrufe, Ehrenwachen feuerten 61 Vgl. ADAC-Motorwelt, 1926, Nr. 2/3, S. 17-21; Motor, 1931, Nr. 8, S. 27ff. 62 Vgl. König, Massenproduktion, S. 458. 63 Vgl. Bierbaum, Reise, S. 131ff. Ohne Zwischenfälle dagegen: Spiegel, Brief.

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Salut und die Bürgermeister hielten Begrüßungsreden. Die unbefangene Neugier auf die unbekannte Technik bewog sogar einige Sarden dazu, die Autofahrer zu bitten, die »carozza senza quaddu« besteigen zu dürfen. Die deutsche Motorpresse hob dazu vor allem hervor, dass man sich in Italien intensiv um die Popularisierung des Motorfahrzeugs bemühte. Kapitalgeber engagierten sich erwartungsfroh mit hohen Investitionen in der Automobilindustrie. Tatsächlich war 1906 in Italien eine Welle von Neugründungen und Aktienkapitalerhöhungen zu beobachten, während deutsche Hersteller der ersten Absatzkrise entgegen sahen.64 Doch berichteten deutsche Automobilzeitschriften auch über gewalttätige Angriffe auf Autofahrer aus Italien. Diese Meldungen entfielen jedoch alle auf die Zeit vor dem Ersten Weltkrieg, in den zwanziger Jahren setzte sich die automobilenthusiastische Hauptströmung offensichtlich durch: Im Herbst 1905 errichteten drei Burschen eine Steinbarriere auf einer Chaussee, wodurch das Auto der italienischen Königin-Mutter beschädigt wurde. 1906 entging das königliche Auto dann in Oberitalien nur knapp einem Drahtseilattentat. Auf die passionierte Automobilistin soll die Ausstattung der Wagen mit Drahtfangvorrichtungen zurückgehen. Nach einem Autounfall, bei dem er einen Jungen umgefahren hatte, ging die ländliche Bevölkerung 1906 in Pontedera bei Florenz mit Fäusten und Stöcken auf den amerikanischen Millionär Vanderbilt los, der auch in der Schweiz Probleme mit den Bauern bekam. Vanderbilt zog seine Waffe und floh in das Haus des Verletzten, das die Menge belagerte bis Gendarmen sie zerstreuten. Eine adlige Autofahrerin wurde ebenfalls 1906 zwischen Padua und Venedig mit Steinen beworfen, wobei sie eine Augenverletzung davontrug. Die deutsche Motorpresse bemerkte zu dem Fall, dass Feindseligkeiten gegen Autofahrer in einigen italienischen Landbezirken an der Tagesordnung seien. Ein Beispiel dafür war die italienische Riviera, von der man 1907 berichtete, dass Autofahrer wegen zahlreicher Steinwürfe ihre Wagenfenster mit Drahtgittern sicherten. Im August 1913 blockierten schließlich in der Campagna einige Holzknechte, die sich für das Scheuen ihrer Pferde an Autofahrern rächen wollten, eine Straße mit einem Baumstamm. Als die Attentäter das flüchtende Auto beschossen, verletzten sie dabei vier Personen. Wesentlich harmloser war dagegen ein Vorfall, nach dem eine Mailänder Sportzeitung 1914 eine Belohnung aussetzte. Sie wollte die Nagelstreuer ausfindig machen, welche die Straßen bei der Motorradrundfahrt Turin-Savonna-Mailand mit über 100 Kilogramm Nägeln belegt hatten, so dass zahlreiche Rennfahrer Reifendefekte erlitten.65 64 Vgl. DMF, 1905, Nr. 4, S. 124; AW, 1906, Nr. 2, SA. In anderen Schilderungen über Autotouren mit Expeditionscharakter überwog das Motiv der Furcht bei Begegnung mit dem ersten Auto. Vgl. Graetz, S. 25f.; Holtz, S. 16; Stinnes, S. 75. Vgl. zu frühen Automobilreisen mit Beispielen aus Italien Brilti, Das rasende Leben. 65 Vgl. AW, 1906, Nr. 6, S. 304; Nr. 88, S. 4; 1907, Nr. 33, S. 1; 1913, Nr. 96, S. 1; AAZ,Jg. 7,

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Die geschilderten Fälle begleiteten einzelne Artikel in der italienischen Tagespresse, in denen in Bezug auf das Auto von einer »macchina diabolica« die Rede war. Insgesamt zeigten die italienischen Blätter aber eine durchaus autofreundliche Einstellung. Motorzeitschriften lobten sogar, dass die Presse die Ausbreitung der automobilen Idee vorbehaltlos unterstützte. Das Auto sei plötzlich und triumphal in die menschliche Existenz eingedrungen, wobei die italienische Öffentlichkeit keine andere Maschine mit größerer Begeisterung aufgenommen hätte. Das Auto schenke den Menschen »unvergleichbare Freude« und könne als Erfüllung eines Versprechens betrachtet werden. So hätte sich innerhalb von sechs Jahren aus einer verspotteten Erfindung eine formende Kraft der Gesellschaft und eine blühende italienische Industrie entwickelt. Alle Bereiche der Wirtschaft profitierten vom Kraftverkehr, welcher der Bevölkerung in Fleisch und Blut übergegangen sei. Dabei hätte ein produktives Bündnis aus Presse und Automobilismus diese Popularität bewirkt.66 Den Enthusiasmus, den derartige Lobreden auf das Auto sichtbar machten, trieben die italienischen Futuristen auf die Spitze: Im Futurismus war das Auto nicht nur das rasante Fahrgeschoss, das die Geschwindigkeitsfanatiker anbeteten, sondern vielmehr die gestaltgewordene Idee von Gewaltphantasien, die Marinetti und andere in ihren Manifesten illustrierten. Die Totalität der Autobejahung steigerte sich in der futuristischen Avantgarde zum »Maschinenwahn«, der den Motorwagen zu einem verherrlichten Kultobjekt machte: Den Rennwagen als vollendete Form des Autos betrachtete man als ästhetisches Werk, das höher zu bewerten sei als die Nike von Samothrake. Die Rennmaschine widersprach dabei dem bürgerlichen Sicherheitsbedürfnis und griff zugleich durch ihre Funktionalität die schwelgerische Innerlichkeit der bürgerlichen Welt an. Derart fortschrittsbesessene Beschwörungsformeln ließen sich rücksichtslos in den Dienst totaler Machbarkeit stellen, auch wenn die Bürgerschrecksattitüden der Futuristen die politische Indienstnahme partiell sabotierten. Über Marinetti, einen langjährigen Mitstreiter Mussolinis, drangen jedenfalls futuristische Ideen in den italienischen Faschismus ein.67 Die Automobilverherrlichung erhob man im Zuge dieser Entwicklung in den zwanziger Jahren quasi zur Staatsreligion: Das faschistische System propagierte von Beginn an vehement die Automobilisierung. 1924 konnte die Eröff-

1906, Nr. 9, S. 67; 1913, Nr. 10, S. 31; DMF, 1906, Nr. 9, S. 187; Internationale ChauffeurZeitung, Jg. 1, 1914, Nr. 12, S. 236. 66 »Nessuna machina invero ha mai goduto di una voga piu subitanea e piu vasta. Ma nessuna macchina, per quanto utile, e neanche tutte le macchine utili prese insieme, hanno mai dato all'uomo un istante di quella gioia incomparabile che gli ha dato l'automobile ... e noi lo salutiamo come l'adempimento di una suprema promessa ...« L'Automobile, Milano,Jg. 3,1907, Nr. 1, S. 1. 67 Marinetti kandidierte 1919 für die Faschisten, ohne einen Parlamentssitz zu erringen. In der Folgezeit setzte sich der bürokratisch-katholische Flügel im Faschismus durch und der Futurismus wurde zum Lieferanten von Schlagwörtern degradiert. Vgl. Winter, S. 199-205.

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nung einer ersten Autobahn gefeiert werden, auf der die Benutzer eine Mindestgeschwindigkeit einzuhalten hatten. Bei allen autofreundlichen Maßnahmen standen jedoch stets Förderung und Schutz der heimischen Industrie im Vordergrund. Strafen bedrohten Autointeressenten beim Kauf ausländischer Wagen. Teilweise veröffentlichte die Presse die Namen von Besitzern ausländischer Autos in Schandlisten. Wesentliche Proteste gegen den Kraftverkehr regten sich innerhalb dieses repressiven Systems nicht mehr.68 Die Fortschritts- und Autoverherrlichung fand schließlich in Massimo Bontempellis Erzählung »522. Racconto di una giornato« ihren Höhepunkt. Darin ist das Auto Erzähler und Held mit menschlichen Eigenschaften. Die Geschwindigkeit, welche das Auto zur »Gottheit« macht, wird im Stil der Futuristen verherrlicht. Der empfindsamen Maschine spricht der Autor eine Seele zu, die sie über andere technische Artefakte erhebt. Den Bericht über die Huldigung der modernen Technik durch Blumen werfende Mädchen ergänzt aber noch 1932 der Hinweis auf Kinder, die beim Ballspiel mutwillig in die Fahrbahn des Autos springen. Andere lassen Schmutzwasser auf den Motorwagen regnen. Schließlich wird auch auf anonym geworfene Steine hingewiesen, die Autoscheiben zertrümmern und die Automobilisten immer noch dazu veranlassen, über »die widerlichen Feinde des Autofahrens und des Fortschritts« zu schimpfen.69

c) Die Vorreiterrolle der Vereinigten Staaten

Um die Jahrhundertwende waren in New "Vbrk neben 100 Motordroschken und 20 Geschäftswagen erst 30 bis 50 Privatautomobile in Betrieb, wobei die Mehrzahl der Privatwagen elektrisch betrieben wurde. Wegen des schlechten Zustands der amerikanischen Landstraßen waren längere Uberlandfahrten kaum möglich, weshalb sich der frühe Kraftverkehr vornehmlich aufdie Städte konzentrierte. Doch war die Einfuhrung des Automobils in den Vereinigten Staaten von Beginn an mit spekulativen Zukunftsvisionen verbunden. Dabei verbanden nicht nur Verkehrsexperten, sondern auch das weite Publikum positive Erwartungen mit der Motorisierung, insbesondere für die Städte. Der öffentlichen Meinung in den Vereinigten Staaten gemäß, die stets technische Lösungen gegenüber politischen bevorzugte, betrachtete man den Automobilismus dabei als Allheilmittel fur eine Vielzahl sozialer Tagesfragen.70 68 Vgl. Meier, Avantgarde; Braun, Konstruktion, S. 125; Betz, S. 18. 69 Vgl. Bontempelli, S. 25ff., S. 109. 70 Vgl. Automobile, 1899, Nr. 6, S. 83.1900 waren lediglich 22 % der über 4000 in den USA produzierten Kraftwagen Benzinautomobile. Die frühe Marktfuhrerschaft von Dampf- und

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Vor allem verbesserte hygienische Bedingungen waren eine an die Durchsetzung des Autos geknüpfte allgemeine Zukunftserwartung. Mediziner wiesen daraufhin, dass die Pferdeexkremente Tetanus-Bakterien enthielten. Der Straßenstaub, dessen Hauptbestandteil keimbeladener, getrockneter Pferdedung war, rief Ruhr und Diarrhöe hervor, was sich zu einer ernsthaften Gesundheitsbedrohung vor allem für die städtischen Jugend entwickelt hatte. Die viel kritisierte Nervosität des städtischen Lebens lastete man ebenso dem Pferdeverkehr an. Die Durchsetzung des Autos versprach Befreiung vom Gerassel der eisenbereiften Wagen und vom Geklapper der Hufe auf dem Kopfsteinpflaster, das der Pferdeverkehr wegen der Rutschgefahr anderer Straßenbeläge benötigte. Insbesondere in New"Vbrk förderte die Stadtverwaltung eine Automobilisierung des Straßenverkehrs mit diesen Argumenten, um sich lästiger Pferdeexkremente zu entledigen, und den großstädtischen Verkehr von besserer Raumausnutzung, Schnelligkeit und Wendigkeit der Automobile profitieren zu lassen.71 Schon früh betonten wissenschaftliche Publikationen, dass fast alle Gesundheitsprobleme auf den Straßen durch den Pferdebetrieb bedingt wären. Schmutz, Staub und schlechte Gerüche belästigten und gefährdeten die Stadtbewohner und wären allein den Pferden anzulasten, die von luftbereiften, geräuschlosen Kraftwagen verdrängt werden müssten. Offensichtlich dachten die Verantwortlichen dabei an eine Motorisierung mittels der noch zahlreich vorhandenen Elektromobile. Andere Autoren erwarteten neben positiven gesundheitlichen Wirkungen aber auch eine Verringerung von Verkehrsstaus und Straßenunfällen durch die Einführung der Motorwagen. Autos nähmen weniger Platz auf der Straße ein als Pferdefuhrwerke und eliminierten die Gefahr des Durchgehens der Pferde, auf die zahlreiche Unfälle zurückzuführen waren. Die vermehrte Benutzung der Autos werde durch erhöhte Produktionsziffern die Fahrzeugpreise minimieren. Auch ein Sinken der Brennstoffpreise durch gesteigerte Nachfrage und erhöhte Produktion wurde bereits 1899 prognostiziert. Man prophezeite gar die Umformung der Siedlungsstruktur durch die Massenmotorisierung und die Entstehung einer »healthier race o f workingman«, die auf dem Land beheimatet bleiben und zur Arbeitsstätte im eigenen Auto pendeln sollte.72

Elektroantrieben fand ihr Ende, als sich am Rennsport orientierte Leitbilder durchsetzten und das Auto als »adventure machine«, mit der längere Touren unternommen werden konnten, interpretiert wurde. Edison arbeitete über ein Jahrzehnt an der Konstruktion einer leichten Batterie als Autoantrieb. Da es nicht zur Verständigung auf einen »Schließungs- und Konsolidierungskurs« kam, aus dem sich Synergieeffekte ergeben hätten, geriet der Elektromobilbau ins technische Abseits. Vgl. Mom, S. 17—45; Knie u. Hard, S. 224—242; König, Massenproduktion, S. 462. 71 Vgl. Flink, Car Culture, S. 38f.; AAZ, Jg. 10, 1909, Nr. 53, S. 23-25. 72 Vgl. Scientific American Supplement, 1. 7.1899, Nr. 1226, S. 19660; 2 2 . 7 . 1 8 9 9 , Nr. 1229, S. 19706; Flink, Car Culture, S. 39f.

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Doch nicht alle Amerikaner verbanden derart zukunftsfrohe Erwartungen mit dem neuen Verkehrsmittel. Präsident Roosevelt weigerte sich zunächst beharrlich, Autos zu besteigen, und benutzte erst ab 1907 einen Kraftwagen. Der spätere Präsident Wilson soll 1906 gar die Meinung vertreten haben, dass nichts mehr Sympathien für den Sozialismus erzeugte, als der Gebrauch des Autos, der ein »Bild der Arroganz des Reichtums« abgäbe. Andere amerikanische Autoskeptiker sprachen von der »Pestbeule des Automobilsports« und einer Gefährdung der öffentlichen Sicherheit, die überwunden werden müsste. Zur Lösung dieses Problems wurde eine Intensivierung der technischen Entwicklungsarbeit präferiert: Funktionstüchtige Luftschiffe könnten die Zumutungen des motorisierten Straßenverkehrs beseitigen.73 Autokritische Stimmen blieben in der öffentlichen Diskussion jedoch offensichtlich in der Minderheit. Die Motorzeitschrift »The Horseless Age«, deren Titel die ganze Zuversicht der Automobilisten deutlich machte, konnte bereits 1903 unter der Uberschrift »Motorphobia« feststellen, dass eine »fanatische Opposition« gegen das Auto in den Vereinigten Staaten sehr selten war. Dass die ländliche Bevölkerung autofeindlicher als die Stadtbürger wären, verneinte die Zeitschrift, bemerkte aber, dass autokritische Artikel durchaus in den kleineren Lokalzeitungen erschienen. Diese seien meist in Gegenden mit geringem Autoverkehr beheimatet und stützten ihre Ansichten auf Vorurteile. Anstatt die Animosität der Bevölkerung gegen die Autofahrer zu schüren, sollten die Lokalblätter die Farmer besser dazu anhalten, ihre Pferde an das neue Verkehrsmittel zu gewöhnen.74 Deutsche Beobachter konnten dagegen erhebliche Gewaltpotentiale im amerikanischen Straßenverkehr ausmachen und wiesen auf eine charakteristische Rücksichtslosigkeit hin. Die auch in »The Horseless Age« erwähnten rücksichtslosen Fahrer, die für autofeindliche Stimmungen verantwortlich gemacht, aber als Ausnahmefalle bezeichnet wurden, erschienen als Ausdruck einer allgemein verbreiteten amerikanischen Besonderheit. Amerikanische Stimmen hielten dagegen eher hinsichtlich europäischer Verkehrszustände Kritik für gerechtfertigt: Der »New York Herald« warnte 1907 die heimischen Autofahrer vor Autotouren in der Schweiz und in Deutschland, da hohe Geld73 Vgl. AAZ, Jg. 8, 1907, Nr. 43, S. 60; MW, 1908, S. 742; Owen u. Bowen, S. 77. 74 »Fanatical opposition to the automobile is on the whole very rare in this country. The metropolitan dailies occasionally print strong editorials denouncing speed excesses and careless driving, but the whole press is practically unanimous in recognizing the automobile as a legitimate pleasure vehicle and as destined to a great future in the commercial world. Unfortunately the newspapers have rather frequent occasion to report cases of furious driving, but most of them are fair minded enough not to hold the entire automobile world responsible for the offenses of the few nor condemn automobilism outright because some exceptional automobilists are in the habit of driving to the common danger.« The Horseless Age, 1903, Nr. 14,348f. Auch Flink betont, dass sich die Automobilindustrie der USAineinemKlimades Wohlwollens der öffentlichen Meinung entwickeln konnte. Vgl. Flink, Automobile Age, S. 27.

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büßen, polizeiliche Übergriffe und Ausschreitungen steinwerfender Kinder und Bauern zu beklagen seien.75 Tatsächlich antwortete nach 1900 auch in denVereinigten Staaten die Landbevölkerung mit Steinbombardements auf den zunehmenden Autoverkehr. Die Bauern pflasterten vielerorts Straßen mit Scherben und Nägeln, um ihrem Widerwillen gegen die Autos Ausdruck zu geben. Da es nicht bei Einzelfällen blieb, sprachen amerikanische Motorisierungshistoriker gar von einem »antiauto Crusade«. Zurückhaltendere Interpreten gehen hingegen von räumlich und zeitlich eng begrenzten Aktionen aus, die sich auf die Jahre von 1904 bis 1906 konzentrierten. Die meisten Aktionen fanden demnach vom Beginn eines ausgedehnteren Autotourismus bis zum Anstieg der Autoverkaufszahlen im ländlichen Bereich statt.76 Ahnlich wie schon das Fahrrad machte auch das Auto bei seinem Auftreten auf dem platten Land in den Vereinigten Staaten einen dramatischen Eindruck auf die Landbevölkerung. Das von den reichen, städtischen Autofahrern gesteuerte Gefährt titulierte sie als »Devil Wagon« oder »Red Devil«, was den wachsenden ländlichen Protest symbolisierte und bereits eine feindselige Abwehrhaltung implizierte, die sich an der Zerstörung ländlicher Ruhe rieb. Diese sprachliche Charakterisierung wurde bald nicht nur im ländlichen Bereich zum Synonym für das Auto und auch von kleinstädtischen, suburbanen und städtischen Kritikern des Autos übernommen. Die Automobilzeitschriften reagierten mit traditionellen, antiländlichen Vorurteilen, welche die Bauern als Hinterwäldler diffamierten, und bezeichneten die Autokritiker, quasi ein pathologisches Krankheitsbild beschreibend, als Auto- oder Motorphobe. Zur sprachlichen Gegenoffensive setzte auch eine Gruppe Motorbegeisterter aus St. Louis an, die ihre automobilistische Vereinigung 1905, die Autofeindschaft paraphrasierend, selbstbewusst »Red Devil Automobile Club« benannte. Ländliche Zeitungen betonten hingegen, dass der »Automobilwahnsinn der kriminellen Städter« die Landstraßen in Stätten des Terrors verwandelt hätte: U m schreibungen, wie »The Deadly Auto« versinnbildlichten die Kritik an dem als 75 »Die Zahl der in amerikanischen Städten fahrenden Kraftwagen ist viel größer als in deutschen Städten ... Da nun hierzulande relativ wenige Strassen und Chausseen benutzbar sind, so drängt sich auf diesen auch noch der Verkehr, so dass er bei der Rücksichtslosigkeit des Amerikaners gefährlich wird.« Kaiserliches Konsulat Chicago an Reichskanzler (19. 9. 1905), BA R 1501 Nr. 7152, Blatt 26. Allerdings wurden 1905 nur fünf Prozent der Straßenverkehrsunfälle in den Vereinigten Staaten durch Kraftwagen verursacht. Vgl. AAZ, Jg. 7 , 1 9 0 6 , Nr. 9, S. 56; AW, 1907, Nr. 27, S. 1. 76 Vgl. Wik, Henry Ford, S. 14ff. Wik erkennt eine »stubborn resistance to the early automobiles by a large segment of the population« Er warnt aber an anderer Stelle davor, die Automobilfeindschaft zu verabsolutieren. Vgl. Wik, American Farmer, S. 37-47. Flink betont dagegen das Fehlen einer zentralen Führung der antiautomobilen Bewegung. In seiner innovationszentrierten Sichtweise tendiert er dazu, die Bedeutung antiautomobiler Proteste zu unterschätzen. Eine regionale Begrenzung widerlegt er durch seine zahlreichen Beispiele aus allen Teilen der USA selbst. Vgl. Flink, Car Culture, S. 27f.; ders., America, S. 66-70. Zur Kritik an Flink vgl .Monkkonen, S. 285.

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überheblich empfundenen Verhalten städtischer Autofahrer im ländlichen Umfeld. 77 Der Protest entzündete sich, wie in Europa, zunächst vor allem an den Auswirkungen, welche die Motorwagen auf die Tiere hatten. Uberfahrene Hühner und scheuende Pferde forderten zur Gegenwehr, oder wenigstens zur Forderung von Schadensersatz heraus. Da die als teuer, laut und unökonomisch betrachteten »Teufelswagen« Pannen erlitten und liegen blieben, konnten sie die Landbevölkerung nur durch ihre Schnelligkeit, nicht aber durch Zuverlässigkeit beeindrucken. Dass der Motorwagen den Zusammenhalt des ländlichen Lebens zerstörte, war eine später geäußerte Kritik, die erst laut wurde, als auch die Farmer Autos besassen. Kirchen und Schulen, die sich in ihrer Ansiedlungspolitik an den Reichweiten des Pferdewagens ausgerichtet hatten, entwickelten sich zu Opponenten des Kraftverkehrs, da durch die erhöhte ländliche Mobilität und die vergrößerten Aktionsradien Konkurrenzsituationen für lokale Institutionen entstehen konnten. Stadtbesuche und Sonntagsausflüge ließen sich nun leichter bewerkstelligen und konnten den Kirchen Besucher entziehen. Auch der Schulbesuch in größeren Städten wurde vereinfacht. Schließlich spielten ökonomische Besorgnisse eine Rolle bei der Ausprägung autoskeptischer Einstellungen: Die Besitzer der 14 Millionen Pferde in den USA stellten eine nicht zu unterschätzende Interessengruppe dar. Ihre Vertreter forderten im Zorn über beanspruchte Straßen, dass die Automobilisten Land kaufen müssten und ihre eigenen Straßen bauen sollten. Andere wollten den Autoverkehr auf Sonntage oder Ferienzeiten beschränken, da die Autofahrer ihr Fahrzeug ohnehin überwiegend als Freizeit- und Sportgerät nutzten.78 Doch kam es auch zu Gesetzesinitiativen die größere Aussichten auf Erfolg hatten. 1904 führten zahlreiche Bundesstaaten die Registrierungs-, Kennzeichnungs- und Lizensierungspflicht ein. Verschiedentlich sprach man sich für eine flexible Handhabung von Tempolimits aus, die den lokalen Gegebenheiten angepasst werden müssten. Restriktive Initiativen führten die Autointeressenten dabei vor allem auf den großen Einfluss der \fertreter ländlicher Distrikte (»legal agriculturists«) zurück, die den Unmut ihrer bäuerlichen Klientel über scheuende Pferde kanalisierten. Doch saßen in den Parlamenten bereits auch Vertreter der Autolobby, die beispielsweise in Ohio erreichten, dass öffentliche »Hearings« veranstaltet wurden, die zu einem Meinungsaustausch zwischen Autofahrern und Farmern beitragen sollten. In diesem Sinn sprach 77 Berger belegt die Verwendung des Ausdrucks »devil-wagon« fur das ländliche Colorado. Vgl. Berger, S. 14. An anderer Stelle wird auf die verbreitete Verwendung des Begriffs und die bissige Gegenwehr in der Motorpresse hingewiesen. Vgl. Kline u. Pinch, S. 8, S. 26. Zur Begriffsverwendung von »The Deadly Auto«, »The Murderous Automobile« und »The Auto Menace« vgl. Wik, American Farmer, S. 37f. 78 Vgl. Kline и. Pinch, S. 8f.; Berger, Kap. 5 u. 6. Dagegen kann man auch mit Wik die Meinung vertreten, gerade die Verbreitung des Autos habe den Kirchgang erleichtert und die Gotteshäuser gefüllt. Vgl. Wik, Henry Ford, S. 31f.; dm., American Farmer, S. 37—47.

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sich der Gouverneur Ohios für einen fairen Interessenausgleich der Parteien aus. Autokritische Senatoren befürworteten dagegen strenge Tempolimits, die weitere Straßenrennen in Ohio verhindert hätten, nahmen aber auch den Schutz der Autofahrer in ihre Vorschläge auf 1908 reagierten erneut verschiedene Landstriche mit gesetzlichen Maßnahmen auf die Bedrängnisse des Kraftverkehrs. Geschwindigkeitsfallen wurden eingerichtet, Gebühren zur Wegeverbesserung erhoben, restriktive Tempolimits und die Pflicht zum Halt vor unruhigen Pferden durchgesetzt. In West Virginia und Pennsylvania verschlossen sich einige Counties nach Graubündener Vorbild vollständig dem Autoverkehr. In Vermont verabschiedete man nach britischem Vorbild ein »Red-Flag Gesetz«. Andere lokale Vorschriften bestimmten beispielsweise, dass die Autofahrer vor Begegnung mit einem Pferdefuhrwerk eine Leuchtkugel zu entzünden hatten, oder dass die Automobilisten, bevor sie eine Stadt durchführen, in der betreffenden Ortschaft eine telefonische Warnung abgeben mussten.79 Vor allem die Uneinheitlichkeit der amerikanischen Autogesetzgebung lieferte Anlass zur Kritik: 31 Staaten forderten die Registrierung der Kraftwagen, wobei die jährlichen Gebühren zwischen 25 Cents und 25 Dollar variierten. In sechs Staaten durften Lokalbehörden eine Sonderregistrierung und -lizensierung verlangen. In zehn Staaten wurde zusätzlich zur Registrierung eine Fahrlizenz benötigt, die zwischen einem und drei Dollar im Jahr kostete. Acht Staaten erkannten die Registrierung aus anderen Staaten nicht an und forderten von jedem durchfahrenden Autofahrer eigene Registrierung, Fahrexamen und Lizenz. In vier weiteren Staaten erhoben gar Lokalbehörden derartige Ansprüche an auswärtige Autotouristen. Sieben Staaten hatten schließlich keinerlei Ansprüche an fremde Autofahrer, wobei die tolerierte Verweildauer zwischen 24 Stunden und 60 Tagen variierte. Am restriktivsten zeigten sich die Ostküstenstaaten, wo auf Reisen in jedem Staat eine neue Registrierung und Fahrlizenz notwendig war.80 Dem Eindringen des Autos begegnete man aber in dieser frühen Phase der »Motorphobie« nicht nur mit legalen Mitteln. Insbesondere zwischen 1902 und 1909 war auch in den USA eine Welle gewalttätiger Angriffe der bäuerlichen Bevölkerung auf die Autofahrer zu beobachten: In Minnesota wurde ein Chauffeur von Farmern in den Rücken geschossen, in Indiana ein Autofahrer mit einem Steinbombardement empfangen. Während eines Überholvorgangs beschossen Bauern ein Auto in South Carolina und griffen in Wisconsin einen Chauffeur tätlich an. New Yorker Bauern attackierten einen Autofahrer auf Long Island mit einem Eisenkübel, schoben einen Rasenmäher mutwillig in 79 Im Antrag eines autokritischen Senators aus Delaware wurde 1904 formuliert: »Whoever wilfully annoys, hinders or delays any person operating an automobile in passing or attempting to pass ... shall be guilty of a misdemeanor.« The Automobile, N e w York, 1904, Nr. 20, S. 528. Vgl. Berger, S. 24—28; Wik, Henry Ford, S. 17; ders., American Farmer, S. 38. 80 Vgl. AAZ, Jg. 10,1909, Nr. 34, S. 51.

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die Fahrbahn eines Autos, schlugen nach einem Automobilisten mit der Peitsche und verursachten die Verschiebung einer Bergprüfung in der Nähe von Rochester, da sie sich mit den Zuschauern prügelten.81 Waren die geschilderten Angriffe vor allem darauf zurückzufuhren, dass die Autos die Wege zerstörten, deren Unterhaltungspflicht der ländlichen Bevölkerung oblag, richteten sich einige Angriffe auch gegen den Verkehrsträger. Der Hass auf rücksichtslose Autofahrer steigerte sich in diesen Fällen derart, dass die Bauern ihre eigenen Straßen sabotierten: Vorgeblich um Schlaglöcher zu füllen, brachten Bauern 1905 in Connecticut reifenzerstörende Schlacke auf den Straßen aus. In Minnesota pflügten Farmer mehrere Straßen um. 1909 verbarrikadierten Farmer in Indiana Zufahrtsstraßen und manipulierten Brücken, um sie unbefahrbar zu machen. Sie fühlten sich durch Ausflügler gestört, die Gasthäuser an der Landstraße besuchten und nachts angetrunken heimfuhren. Ebenfalls 1909 errichteten Farmer in der Nähe des kalifornischen Sacramento Gräben auf verschiedenen Straßen, so dass 13 Autos in die Hindernisse fuhren. Andere Wege wurden von der ländlichen Bevölkerung mit Harken, Sägen, Glasscherben, Nägeln, Seilen oder Stacheldraht blockiert.82 Teilweise institutionalisierte sich der Protest gegen das Auto gar in Ansätzen: In Illinois gründeten Bauern eine »Farmers Anti-Automobile League«, der ein 20köpfiges »Wachsamkeitskomitee« angehörte, das rücksichtslosen Fahrern ihre »gerechte Strafe« zumessen sollte. In Missouri entstand ein »Anti-Automobile Club«, in Ohio eine »Farmers Protective Association«, um den ländlichen Protest zu organisieren.83 Da es sich beim Automobil um eine revolutionierende Kraft handelte, die geeignet war, die ländlichen Lebensverhältnisse grundlegend zu erschüttern, kann die Vehemenz des Widerstands nicht verwundern. Auch im Protestsample der deutschen Automobilzeitschriften fanden sich zwei Meldungen über gewalthafte Angriffe aufAutofahrer in den Vereinigten Staaten. Diese entfielen ebenfalls auf das von Teilen der Forschung als protestintensiv erkannte erste Dezennium des 20. Jahrhunderts, thematisierten aber Fälle aus der ansonsten als automobilenthusiastisch beschriebenen Stadt New York: 1904 meldete der »Motorwagen«, dass in den amerikanischen Großstädten, insbesondere in New York, das regelmäßige Bewerfen von Autos zu einer Gewohnheit der Bevölkerung geworden wäre. Da sich eine Zuspitzung der Verhältnisse beobachten 81 Vgl. Kline и. Pinch, S. 9; Motor World, 24. 12. 1903, S. 466; 22. 6. 1905, S. 569; 28. 9. 1905, S. 38; 24. 10. 1907, S. 184; Motor Age, 7. 7. 1904, S. 21. 82 Vgl. Kline и. Pinch, S. 9; Wik, Henry Ford, S. 17; Flink, America, S. 67f.; Motor World, 27. 4. 1905, S. 211; 30. 11. 1905, S. 478; Motor Age, 30. 7. 1908, S. 29. 83 Vgl. Kline и. Pinch, S. 9. Wik bezeichnet die Mitglieder von Sicherheitsausschüssen, die gewalthaften Widerstand organisierten, als Extremisten, die sich nur vereinzelt bemerkbar gemacht hätten. Vgl. Wik, American Farmer, S. 38. Dieser frühe Widerstand gegen das Auto weist einige Parallelen zur ablehnenden Haltung vieler Farmer gegenüber modernen Methoden des Betriebsund Haushaltsmanagements auf. Vgl. Danbom, The resisted Revolution.

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ließe, führte man polizeiliche Kontrollfahrten ein. Eine mit Polizeibeamten in Zivil besetzte Autostreife, die aus fünf Wagen bestand, in denen zur Tarnung auch Frauen mitfuhren, bombardierten in New York Attentäter, die der »Hefe des Volkes« angehörten, mit Steinen. Zahlreiche Arretierungen waren die Folge, so dass die Motorpresse eine Besserung der Verhältnisse erwartete. Im Juni 1909 überfuhr ein Tuchfabrikant in der New Yorker Lower East Side einen 14jährigen Jungen, der bei dem Unfall starb. Ein »wütender Mob« rottete sich zusammen und bedrohte den Autofahrer. Die »tobende Menge« bewarf das Auto mit Ziegelsteinen und verprügelte den Millionär. Ein einschreitender Polizist musste Verstärkung anfordern, um das Ausufern der Angriffe in Lynchjustiz zu verhindern.84 Die geschilderten Ereignisse machten deutlich, dass bei städtischen Protesten sozialen Gegensätzen eine hohe Bedeutung zuzumessen war. Verirrten sich Autofahrer in ärmere Stadtviertel oder Elendsquartiere, behandelte man sie auch in der Stadt als Eindringlinge. Die Benutzung des Autos konnte dort als eine aufreizende Zurschaustellung von Reichtum interpretiert werden. Trotzdem waren Angriffe auf Autofahrer, noch stärker als in Europa, vor allem dem ländlichen Raum zuzuordnen. Die Existenz unorganisierter, dem klassischen Sozialprotest ähnlicher Aktionen in fast der gesamten ersten Dekade des 20. Jahrhunderts und die Ansätze zu regionaler Organisation verweisen dabei auf eine gewisse Bedeutung des anti-automobilen Widerstands auch in den Vereinigten Staaten.85 1918 konnte in der amerikanischen Motorpresse aber bereits milde karikierend an unzuverlässige Konstruktionen und scheuende Pferde erinnert werden: Schwache Azetylenlampen, die Balkenhindernisse erst im letzten Augenblick sichtbar machten, gehörten der Vergangenheit an. Viel wichtiger war aber, dass Farmer, die einst schimpfend versucht hatten, ihre scheuenden Pferde zu bändigen, nun stolze Besitzer von Trucks und Touring Cars waren. Der antiautomobilen Bewegung in den USA entzog die Grundlage, dass große Teile der Landbevölkerung das Auto selbst sehr früh nutzen konnten. Nach der Ergänzung des Angebots um effiziente, ökonomische Fahrzeuge wurde das Auto gerade von den Farmern in den Vereinigten Staaten freudig begrüßt und zum Ausbruch aus provinzieller Isolation genutzt.86 Die Sättigung des städtischen Marktes für Luxusautomobile, welche die Hersteller dazu bewog, zur Produktion anspruchsloser Konstruktionen für die 84 Vgl. MW, 1904, S. 278; MF, 1909, Nr. 23, S. 473. In der amerikanischen Forschung werden städtische Angriffe kaum thematisiert, der gewalttätige Widerstand gegen das Auto somit ausschließlich als ländliches Phänomen aufgefasst. 85 Das Fehlen einer zentralen Organisation ist, wie im europäischen Fall, vor allem auf die grundsätzliche Bejahung des technischen Fortschritts durch Verbände, Gewerkschaften und Parteien zurückzufuhren. Z u m Überblick über amerikanische Forschungen zur Arbeiter- und Technikgeschichte vgl. Scranton, S. 722-743. 86 Vgl. Motor Age, 1. 8.1918, S. 31.

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schlecht ausgebauten Landstraßen überzugehen, fiel mit veränderten Einstellungen zur Motorisierung bei Landwirtschaftsverbänden und Agrarierblätter zusammen. Diese propagierten seit Beginn des Jahres 1908 intensiv den Einsatz der Motorkraft. Bahnbrechend wirkte das preiswerte, in diesem Jahr eingeführte Ford-T-Modell, das hohe Bodenfreiheit mit effizientem Gewicht-Leistungsverhältnis kombinierte. Der beginnende Ausbau der Landstraßen ermöglichte schließlich, dass die Vorzüge des Autos insbesondere an diesem Modell allmählich allen deutlich wurden. Dabei wirkte begünstigend, dass Ford im Rahmen seines »after sales service« die Nutzbarkeit seines Produkts durch den Aufbau eines Netzes von Werkstätten und Ersatzteildepots garantierte. Andere Hersteller folgten mit preiswerten Modellen. Der verstärkte Autotourismus führte schließlich auch zu Einkommensgewinnen bei der Landbevölkerung. Individualitäts- und Mobilitätssehnsüchte der ländlichen Bevölkerung sowie die Erwartungen an Besserungen der öffentlichen Gesundheit konnten erfüllt werden. Sie waren jedoch nicht kulturell determiniert, sondern universelle Versprechen des Automobilismus. Ihre Einlösung konnte aber in den USA aufgrund des höheren Pro-Kopf-Einkommens und der gleichmäßigeren Einkommensverteilung wesentlich früher und nachhaltiger als in Europa erfolgen.87 1910 stellte die deutsche Motorpresse überrascht die schnelle Verbreitung der Autos im landwirtschaftlichen Leben der Vereinigten Staaten fest. Im Vorjahr besaßen die amerikanischen Farmer bereits 67.000 Automobile. Insbesondere in agrarisch geprägten Staaten war der Anteil in der Landwirtschaft eingesetzter Autos auffällig hoch. So waren schon um 1910 in Iowa die Hälfte der 10.000 registrierten Motorwagen im Besitz von Farmern. Eine ähnlich starke Nachfrage lösten die preiswerten Kraftwagen unter Landwirten in Kansas und Nebraska aus. 1916 wiesen in Relation zur Bevölkerungszahl Iowa und Nebraska die höchste Autodichte auf: Während im Bundesdurchschnitt bei 3541738 erfassten Kraftwagen auf 29 Einwohner ein Automobil entfiel, kamen in den beiden Agrarstaaten nur noch 13 Einwohner auf einen Kraftwagen. Nach dem Ersten Weltkrieg wuchs die Nachfrage weiter an, so dass die Fabriken in Lieferschwierigkeiten kamen und 1919 Wartezeiten von zwei bis drei Monaten bestanden. Marktanalysen betrachteten 21 Millionen Amerikaner als potentielle Autokäufer. 1920 besaßen bäuerliche Haushalte erstmals zu einem höheren Prozentsatz (30%) Automobile als nicht-bäuerliche Haushalte (20%). 1927 verfügten in Großstädten über 100.000 Einwohnern 54 Prozent aller Familien über ein Auto, während in Kleinstädten bis 1.000 Einwohner bereits 60,

87 Vgl. HugÜ, S. 327-349; Belasco, S. 125-142; Ling, America, Burghardt, S. 406. Über die Hälfte der amerikanischen Autotypen wurde 1909 zu umgerechnet unter 6000 Mark angeboten. Vgl. AAZ, Jg. 10, 1909, Nr. 45, S. 48. Zur Kritik an der Überschätzung einer aktiven Rolle Fords und zum Gebrauchswert des Autos fur die ländliche Bevölkerung der USA vgl. Flik, S. 125-142.

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5 Prozent aller Familien motorisiert waren. Seit Mitte der 1920er Jahre war der billige, zuverlässige Kraftwagen zu einer »rural necessity« geworden.88 Akzeptanzfördernd wirkte in diesem Prozess, dass sich das Auto als »external form« verschiedenen Nutzungsbedürfnissen anpassen ließ. Bäuerliche Haushalte nutzten die Kraftwagen auch als Energielieferanten und landwirtschaftliche Maschinen. Der Zubehörhandel reagierte auf diese Nutzungsabwandlungen mit dem Angebot von »conversion kits«, die den Kraftwagen zu einer multifunktionalen Maschine machten. Die Ford Motor Company, deren TModell die Käufern als die Urform des »multipurpose vehicle« interpretierten, antwortete auf Umbauten allerdings mit dem Hinweis auf den damit verbundenen Garantieverlust.89 Auch der Einsatz von Traktoren machte die amerikanischen Farmer mit motorbetriebenen Fahrzeugen vertraut. 1909 berichtete die deutsche Motorpresse erstmals von einer pferdelosen Farm in South-Dakota, die den europäischen Beobachtern noch als Kuriosum erschien. Traktoren besorgten die Feldarbeit, stationäre Motoren betrieben weitere landwirtschaftliche Maschinen und zum Transport wurden selbstverständlich Lkw benutzt. Da der Einsatz von Traktoren erst bei einer jährlichen Arbeitsleistung von 500 Stunden und einer Farmgröße von 240 Morgen als rationell angesehen werden konnte, die durchschnittliche Farmgröße im Corn Belt aber lediglich 160 Morgen betrug, betonte man, dass für Traktoren über 40 verschiedene Einsatzgebiete denkbar waren. Der Antrieb anderer Landwirtschaftsmaschinen war ebenso möglich, wie eine Verwendung für stationäre Arbeiten. Dadurch konnte der Traktor auch bei kleinerer Betriebsgröße ökonomisch effizient arbeiten. Aber bereits vor Auftreten des Verbrennungsmotors in Form von Traktoren und Automobilen war zahlreichen amerikanischen Bauern der Umgang mit Maschinen vertraut. Dampfbetriebene landwirtschaftliche Maschinen hatten im 19. Jahrhundert im ländlichen Amerika eine gewisse Verbreitung erfahren. Dadurch hatte sich ein technisches Verständnis verbreitet, das Farmer eher dazu befähigte, ein Auto zu reparieren, als die überwiegende Mehrheit der städtischen Fahrer.90 Zur steigenden Akzeptanz des Autos in der ländlichen Bevölkerung trug auch bei, dass die ersten Autofahrer, die auf dem Land auftauchten, vielfach Arzte waren, welche die medizinische Versorgung in abgelegenen Gegenden verbesserten. Zudem verstanden amerikanische Automobilisten ihr Gefährt eher als Nutzfahrzeug und Verkehrsmittel, denn als Sportgerät, wobei auch 88 Vgl. AAZ, Jg. 11,1910, Nr. 31, S. 53; MW, 1917, S. 258; 1919, S. 621; Fischer, S. 102; Flink, Automobile Age, S. 132. 89 Vgl. Kline и. Pinch, S. l l f f . 90 Dieses technische Grundverständnis wurde auch in den zahlreichen Verbesserungsvorschlägen deutlich, die Ford zu seinem Modell Τ aus d e m ländlichen Raum erhielt. Vgl. Wik, American Farmer, S. 43ff.; AAZ, Jg. 10,1909, Nr. 27, S. 52; Motor Age, 25. 7. 1918, S. 5-8; 1. 8. 1918, S. 28-30.

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städtische Autofahrer zunehmend auf Chauffeure verzichteten. Amerika war das klassische Land der Selbstfahrer: 1920 gab es in den Vereinigten Staaten bei einem Bestand von neun Millionen Kraftfahrzeugen nur 285.000 Chauffeure.91 Schließlich entfiel in den Vereinigten Staaten weitgehend die Belästigung der Bevölkerung durch die Gefahren der Straßenrennen. Wettfahrten, wie das Rennen um den Vanderbilt Cup von 1910, forderten auch hier Todesopfer unter den Zuschauern. Aufgrund dieser Erfahrungen konzentrierte man sich aber bald stärker auf den Rennbahnsport. Die Strecken von Indianapolis und Daytona zogen zahlreiche Automobilenthusiasten an, doch bewirkten die Rennen nie die intensive Begeisterung, die ihnen in der französischen Öffentlichkeit zu Teil wurde.92 In die ländliche Nachfragewelle mischten sich auch kritische Stimmen, wobei sich vor allem die Landwirtschaftsbanken zu Wort meldeten. Diese warnten vor Überschuldung und favorisierten Investitionen in Land und Tierbestand. Darüber hinaus befürchtete man, dass ein Luxusgut wie das Auto die Jugend verweichlichen und die Arbeitsmoral sinken lassen werde, da sich junge Leute nun leichter dem bequemeren Stadtleben zuwenden könnten. Aber gerade da das Auto regelmäßige Stadtbesuche ermöglichte, wirkte es einer weiteren Verstädterung entgegen. Tatsächlich konnte das Auto freiheitliche Möglichkeiten für bäuerliche Familien erweitern, da es die Abgeschlossenheit der ländlichen Welt zu durchbrechen half. Es versprach der bäuerlichen Bevölkerung das Erreichen eines höheren Bildungsniveaus, da es den Besuch weiterführender Schulen und Universitäten wesentlich erleichterte. Schließlich kam die Landbevölkerung durch ihren erweiterten Aktionsradius mit einer größeren Bandbreite religiöser und weltanschaulicher Ideen in Berührung, was die Voraussetzungen für die Ausprägung toleranter Lebensanschauungen verbesserte. Daher nahmen die meisten ländlichen Familien die automobile Idee begeistert auf. Trotz dieser positiven Akzeptanzeffekte bestanden aber offensichtlich weiterhin Zweifel an der vollständigen Uberwindung aller Protestpotentiale: Unter den 14 Regeln, welche die schulische Verkehrserziehung 1915 verwendete, um die Kinder über das richtige Verhalten im Straßenverkehr zu belehren, fand sich noch die Mahnung, nicht mit Steinen oder anderen Gegenständen auf vorüberfahrende Autos zu werfen.93 Europäische Beobachter bemerkten in der Nachkriegszeit, dass selbst Automobilliebhabern die Motorwagen in den USA als »Landplage« erscheinen konnten. Das Fahrvergnügen auf der Landstraße werde durch die vielen Raser 91 Ermöglicht wurde diese Ausrichtung auf die Selbstfahrer durch den verbreiteten ServiceGedanken, der eine verzweigte automobilistische Infrastruktur schuf. So existierten 1928 bereits 1,2 Millionen Zapfstellen bei ungefähr 24 Millionen Autos (England: 125000; Frankreich: 118000; Deutschland: 14000 Zapfstellen).Vgl. MW, 1928, Nr. 7, S. 129-132. 92 Vgl. The Horseless Age, 1910, Nr. 14, S. 470; Flink, Automobile Age, S. 30f. 93 Vgl. Wik, American Farmer, S. 40fT.; AAZ, Jg. 16, 1915, Nr. 45, S. 9f.

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und zahlreiche Unfälle stark eingeschränkt. In New York City bewegte man sich dagegen zu Stoßzeiten bereits wieder zu Fuß schneller fort als im Auto. In den Vereinigten Staaten waren 1918 zwölf mal so viele Kraftfahrzeuge zugelassen wie in sämtlichen europäischen Ländern. In den 1920er Jahren baute man die Landstraßen verstärkt aus und schuf eine ausgezeichnete Infrastruktur mit Tankstellen, Werkstätten, Garagen und guter Ersatzteilversorgung. Die Polizei regelte den Verkehr autoritär aber effektiv und wachte mit drakonischen Strafen über die Einhaltung des innerstädtischen 20-Meilen-Limits. Erstaunen rief hervor, dass Autos mit elastischen Stoßstangen ausgestattet waren, was wegen der zahlreichen Auffahrunfälle im Großstadtverkehr notwendig wurde. Außerdem war das Aufkommen des Autodiebstahls erwähnenswert: Ein Phänomen, von dem in New York zu Beginn der 1920er Jahre bereits täglich 20 Wagen betroffen waren.94 Schon sehr bald bemängelten deutsche Kommentatoren die Qualität der amerikanischen Automodelle und behaupteten, dass in der preiswerten Massenproduktion keine Gefahr für den heimischen Markt bestände. In den zwanziger Jahren entwickelte sich dann eine eigentümliche Mischung aus Bewunderung und Kritik der amerikanischen Verhältnisse. Die begeisterte Aufnahme des Fordismus und die Forderungen nach konsequenter Rationalisierung kritisierte die deutsche Motorpresse teilweise in polemischem Stil, wobei auch ein gewisser Antiamerikanismus durchschien. Die Entwicklung Fords zum Großbetrieb betrachtete man als nicht übertragbaren Ausnahmefall, da die Lohnhöhe des amerikanischen Arbeiters den deutschen Durchschnittslohn auch kaufkraftbereinigt bei weitem überstieg und die amerikanischen Brennstoffpreise wesentlich niedriger lagen. Zwar sollten Verbesserungen der Arbeitsmethoden und eine Erhöhung der Arbeitsintensität nach amerikanischem Vorbild erfolgen, doch wäre eine der amerikanischen Entwicklung vergleichbare Massenmotorisierung in Deutschland unmöglich.95 Problematisch entwickelten sich in den zwanziger Jahren die zahlreichen Unfälle im Straßenverkehr der Vereinigten Staaten. 1925 starben weltweit 30400 Menschen durch den Autoverkehr, 80 Prozent davon allein in den USA. Als Reaktion auf die Unfälle gründete sich in New"Vork eine Fußgängerliga, die für eine verstärkte Kontrolle des Autoverkehrs plädierte, und die Behörden intensivierten ihre Bemühungen zur Erhöhung der Verkehrssicherheit. Das »Na94 1922 wurde von Bürgerschaftsdeputierten in Wisconsin die Selbstkontrolle von Rasern durch die Automobilclubs gefordert, da weite Abschnitte auf den Uberlandstrecken durch die Polizei nur schwer zu kontrollieren wären. Vgl. Wisconsin Motorist, Jg. 12, 1922, Nr. 5, S. 52; MW, 1920, S. 579-583. Das Federal Road Act, das 1916 500000 Dollar zur Straßenverbesserung bereitstellte, konnte erst verabschiedet werden, nachdem sich die Einsicht durchgesetzt hatte, dass der automobile Transport landwirtschaftlicher Produkte zu städtischen Märkten unterstützt werden müsste. Vgl. Wik, American Farmer, S. 43; Rae, American Automobile. 95 Vgl. AAZ, Jg. 10, 1909, Nr. 53, S. 23-25; MW, 1925, Nr. 36, S. 2-4; Dienet, Vorbehalte, S. 11-40.

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tional Safety Council« kritisierte die überhöhten Geschwindigkeiten der Autofahrer ebenso wie die gegenseitige Rücksichtslosigkeit von Automobilisten und Fußgängern. Zwischen 1917 und 1927 wurden 3, 5 Millionen Menschen auf amerikanischen Straßen getötet oder schwer verletzt. Die Zahl der tödlichen Autounfälle stieg im gleichen Zeitraum von 6.000 um 283 Prozent auf23.000. Da die Zahl der zugelassenen Autos gleichzeitig um 340 Prozent wuchs, konnte trotzdem eine Verbesserung der relativen UnfallzifFern festgestellt werden. 1927 stieg jedoch die Zahl der Autounfälle in Relation zur Bevölkerungszahl an, während die Zahl aller anderen Unfallarten abnahm. Bei Kindern zwischen fünf und 14 Jahren waren Unfälle zur häufigsten Todesart geworden. Die Bemühungen zur Erhöhung der Verkehrssicherheit vertrieben die spielenden Kinder von der Straße und schließlich auch vom Bürgersteig. Doch kündigte sich bereits in den zwanziger Jahren von Südkalifornien ausgehend eine Entwicklung an, die für die Sozialisation der amerikanischen Jugend prägend werden sollte und zum Inbegriff der amerikanischen Autokultur avancierte: Das »Young-riding« machte die Autonutzung zu einem unverzichtbaren Bestandteil des Erwachsenwerdens. Erste sexuelle Erfahrungen sind für viele Amerikaner seitdem untrennbar mit dem Auto verknüpft.96 Aufgrund der Vernachlässigung des öffentlichen Personennahverkehrs, vor allem in den amerikanischen Mittelstädten, waren 1930 bereits 222 Städte in den USA vollständig auf den automobilen Transport angewiesen. In Verbindung mit der sich verstärkenden Tendenz zur Trennung von Arbeitsplatz und Wohnort gerieten die Stadtbewohner zunehmend in eine Abhängigkeit vom Auto. Wie im städtischen Leben hatte sich der Kraftwagen in den zwanziger Jahren auch fur ländliche Amerikaner zu einer sozialen Notwendigkeit entwickelt, was vor allem auf die veränderten Siedlungs- und Handelsstrukturen zurückzuführen war. Mit dem zunehmenden Stadtbesuch der Landbevölkerungverschwanden lokale Handelsplätze und immer weniger Waren wurden in den ländlichen Haushalten selbst produziert. Das Wachstum städtischer Zentren beförderte die Abhängigkeit vom Autobesitz, da der Verzicht auf das Auto gleichzeitig einen Konsumverzicht bedeutet hätte.97 Die Kritik an derartigen Abhängigkeiten war jedoch späteren Datums. Der Aufstieg der automobilen Idee und die massenhafte Verbreitung des Autos in den Vereinigten Staaten machten aus dem bloßen Verkehrsmittel lange Zeit einen bedeutungsschweren Symbolträger. Erst als das Auto in den fünfziger Jahren schon seit einiger Zeit zum alltäglichen Gebrauchsgegenstand geworden war, machten sich erste Abnutzungserscheinungen bemerkbar, die eine kritischere Bewertung seiner Begleiterscheinungen ermöglichten und die umweltpolitische Sensibilisierung erleichterten. In den 1920er Jahren avancierte das Auto jedoch, als es der Funk96 Vgl. AW, 1927, Nr. 13, S. 6; Nr. 41, S. 5; MW, 1927, S. 710; Flink, Automobile Age, S. 152ff. 97 Vgl. Interrante, S. 89-104.

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tion eines Statussymbols entwachsen war, zu einem amerikanischen Nationalsymbol, das Individualismus, persönliche Freiheit und Mobilität repräsentierte. Seine beherrschende Stellung konnte es aufgrund der sozialpsychologischen Wirkung amerikanischer Gründungsmythen erlangen, nachdem sich die raobilitäts- und migrationsromantische Freiheitssymbolik nach Erreichen der Westküste im 19. Jahrhundert erschöpft hatte. Die Autosymbolik diente in diesem Zusammenhang als substituierender Fixpunkt, der das fortbestehende Freiheitsbedürfnis befriedigen konnte und mit »movement, migration, mobility« die Leitprinzipien der amerikanischen Gesellschaft in sich vereinte.98 Auch Amerikaner belegten das Auto in seiner Frühzeit teilweise mit negativen Konnotationen. Diese hatten aber vorübergehenden Charakter und verschwanden mit dem Auftauchen von Fahrzeugen, deren Nutzung für weite Bevölkerungskreise ökonomisch sinnvoll erschien. Da dies in den USA bereits vor dem Ersten Weltkrieg der Fall war, beschränkte sich die Phase autofeindlicher Aktionen auf die erste Dekade des 20. Jahrhunderts. Die traditionellen Strukturen des ländlichen Lebens waren dagegen durch die Autonutzung in den zwanziger Jahren bereits in Auflösung begriffen. Europäische Autoenthusiasten konnten vom Ausmaß des amerikanischen Kraftverkehrs dagegen weiterhin nur träumen und machten die Massenmotorisierung von einer grundlegenden Umwälzung der politischen Verhältnisse abhängig: »Ein A u t o m o b i l v e r k e h r ü b e r L a n d aber, w i e er i m L a n d e des S t e r n e n b a n n e r s sich vollzieht, w i r d w o h l erst in e i n e m w i r t s c h a f t l i c h g e e i n t e n E u r o p a , in e i n e m w e n i g s t e n s w i r t s c h a f t l i c h e n P a n e u r o p a m ö g l i c h sein.« 99

98 Vgl. Ling, America; Flink, Car Culture, S. 191fF. Etwas distanzierter dagegen Klenke, Zeitalter, S. 272f. Eine ähnliche Interpretation lieferte bereits in den zwanziger Jahren ein Beobachter, der zu den ökonomischen und topographischen Vorbedingungen auch psychologische Ursachen, wie die »Freude an der Sensation der Geschwindigkeit« und die »Illusion des Ungebundenseins«, als Gründe für die Popularisierung des Autos in den USA angab. Vgl. Locher, S. 9f. 99 Salzmann, S. 95.

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Fazit: Autofeindliche Aktionen und Sozialprotest

Schon zeitgenössische Kritiker stellten fest, dass die Beschleunigung des Verkehrs nicht unbedingt positiv auf die »Glücksökonomie« des Menschen einwirkte, und erkannten ein »Unbehagen in der Kultur«. Spätere Interpreten sahen im neu auftretenden Krankheitsbild der »Neurasthenie« gar das Signum einer ganzen Epoche. Gerade das Auto brachte aber die Möglichkeit, den durch die Industrialisierung entstandenen Nervositätspotentialen entgegenzuwirken, da die Verfügung über Raum und Zeit mit dem Motorwagen selbst steuerbar wurde. Die Motorisierung des Individualverkehrs war daher nicht nur mit Zugewinnen an Freiheit und Effizienz verbunden, sondern vermittelte auch Erlebnisse der Freude und Genugtuung. Die neue Technik stand aber zunächst nur einer kleinen Elite zur Verfügung, die das Auto ihren Repräsentationssymbolen zuordnete, und wirkte durch diese temporäre Festschreibung von Trennungslinien gesellschaftsstabilisierend. Der Kraftwagen musste erst als Luxustechnik mit neuen Verhaltenszwängen erprobt werden, bevor er sich, ähnlich wie das Fahrrad, als Massentechnik verbreitete. Eine Gewöhnung an neue Geschwindigkeiten erfolgte zwar bereits durch die Eisenbahn, die Testphase des Autos lief aber nicht auf einem eigenen Verkehrsträger ab, sondern auf vormals oft verkehrsarmen, öffentlichen Straßen. Daher lösten die Motorwagen vor ihrer massenhaften Verbreitung auch Abwehrhaltungen aus, die in gewalttätigen Aktionen münden konnten.1 Uberall, wo das Auto auftrat, rief es zunächst auch Widerstand hervor. Antiautomobile Aktionen wurden aus allen untersuchten Ländern berichtet. Die von vielen deutschen Autointeressenten behauptete Konzentration autofeindlichen Verhaltens auf Deutschland entsprach nicht tatsächlichen Gegebenheiten.2 Allerdings waren im internationalen Vergleich starke Unterschiede hinsichtlich Häufigkeit, Intensität und Dauer der Protestaktionen zu beobachten. 1 Vgl. Freud, S. 84f; Radkau, Das Zeitalter der Nervosität; Virilit>, S. 86ff.; Merki, Tachostoria, S. 288-292. 2 Die These vom »ideologischen Kampf« gegen das Auto als »Charakteristikum des deutschen Sprachraums« ist nicht haltbar. Dagegen ist mit Radkau auf die Intemationalität der Opposition hinzuweisen. Braunschweig überbetont die deutsche Sonderrolle. Vgl. Radkau, Technik, S. 146; Braunschweig, S. 87fF. Zur Kritik an Braunschweig, dem eine Verkennung der sozialen Folgen des frühen Autoverkehrs vorgeworfen werden kann, da er in der Autofeindschaft allein »ideologische« Elemente sieht vgl. Merki, Auto-Wildlinge, S. 51.

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Der hier durchgeführte Vergleich lässt keine statistisch belegten Aussagen zur unterschiedlichen Häufigkeit gewalttätiger Aktionen gegen Autofahrer in den betreffenden Ländern zu. Die Quellen weisen aber daraufhin, dass die Auseinandersetzungen um den Straßenverkehr im deutschen Sprachraum besonders intensiv geführt wurden. In Deutschland ließen sich anti-automobile Proteste über einen Zeitraum von 30 Jahren nachweisen, während sie in den USA nur in einer kurzen »Eingewöhnungsphase« zu verzeichnen waren. Auch Westeuropa erlebte in der Zwischenkriegszeit nur noch sporadische Angriffe auf Autofahrer. Wie insbesondere der Vergleich zu den früh motorisierten Vereinigten Staaten verdeutlichte, waren Motorisierungsgrad und -geschwindigkeit entscheidende Faktoren beim Abbau von Protestpotentialen. Korreliert man die unterschiedlichen Protesthäufigkeiten mit den divergierenden Geschwindigkeiten der Motorisierung, kann festgestellt werden, dass das Auto kaum Proteste provozierte, wenn es als kurioser Einzelfall auftrat. Erst als die Autos begannen, zur »Landplage« zu werden, kam es überall zu intensiven, gewalttätigen Auseinandersetzungen. Reduzierten sich die sozialdifferenzierenden Wirkungen der neuen Technik, nahm auch die Intensität des Widerstands ab. Erst in der Phase der Vollmotorisierung, als die ökologischen Folgewirkungen der Automobilisierung offen zu Tage traten, entstanden neue Proteste, die allerdings überwiegend im legitimierten Rahmen der Interessenartikulation abliefen. Fundamentale Autokritik und gewalttätige Angriffe entstanden in der Pionierzeit des Autos vor allem durch Akzeptanzprobleme, da sich die neue Technik nicht ohne größere Umstellungen in den gewohnten Alltag integrieren ließ. Obwohl sich bereits früh Verträglichkeitsprobleme, wie die emissionsbedingten Wirkungen des Autos auf die Umwelt abzeichneten, führten diese erst später zu breiterer Gegenwehr. Die Kritik an den Modernisierungskosten eines revolutionierten Individualverkehrs blieb in der Frühzeit die Ausnahme. In allen untersuchten Ländern entwickelte sich die Autofeindschaft nicht zum Massenphänomen, sondern klang vielmehr in dem Zeitraum ab, in dem sich die Motorisierung selbst massenhaft verbreitete. Es handelte sich um eine Ubergangserscheinung, die immer episodenhafter vorkam, je schneller sich das Auto durchsetzte: Die Phase intensiver Automobilfeindschaft ließ sich für die USA auf die Jahre 1902 bis 1909 datieren, wobei die Einfuhrung des Ford TModells eine nicht zu unterschätzende Rolle bei der Uberwindung von Widerständen spielte. Diffuser war das Bild in Frankreich und Großbritannien, wo das Abflauen der Protestbilder nicht in einen direkten Zusammenhang mit der Einführung eines bestimmten Autotyps gebracht werden konnte. Der Erste Weltkrieg bildete dort den eigentlichen Einschnitt. Anders lagen die Verhältnisse in Deutschland, das in der Motorisierung zurückblieb. Hier waren in den 1920er Jahren Protestpotentiale noch intensiv spürbar. Allerdings reduzierte sich die Häufigkeit gewalttätiger Angriffe, auch wegen der Einführung preiswerter Modelle wie Opel-»Laubfrosch« und Hanomag-»Kommissbrot«. Die 268

anti-automobilen Proteste verschwanden aber erst unter der Herrschaft des Nationalsozialismus: Nicht die Demokratisierung der Autonutzung, sondern schon deren geschickte Propagierung konnte den autofeindlichen Widerstand brechen. Vermutlich trugen auch die ständigen Gewaltdrohungen des Faschismus, derjedes nonkonforme Verhalten mit Repression beantwortete, zum Verschwinden der Angriffe auf Autofahrer bei. Ahnliche Bedeutung hatten Repression und staatliche Automobil-Propaganda im Italien der zwanziger Jahre. In der Vorkriegszeit verzeichnete man zwar einige Angriffe auf Autofahrer, doch galt Italien als automobilfreundliches Land, wohl auch, weil eine kritische Schwelle der Motorisierung noch nicht erreicht war und die Autos vielerorts als Kuriosa erschienen. Einen Sonderfall bildete die Schweiz, wo die Auseinandersetzungen um die Motorisierung ebenso intensive Ausprägungen annahmen wie in Deutschland. Die zahlreichen Volksabstimmungen erlaubten ein weit höheres Maß an legaler Einflussnahme. Dennoch kamen Angriffe aufAutofahrer über einen längeren Zeitraum vor. Hierbei ist zu bedenken, dass es sich, auch wenn in den zwanziger Jahren ein höherer Motorisierungsgrad als in Deutschland bestand, bei den Autofahrern in der Schweiz zu einem erheblichen Anteil um ausländische Touristen handelte. Diese wurden vornehmlich von denen angegriffen, die nicht von ihnen profitierten. Gleichwohl lässt sich feststellen, dass trotz der intensiven Auseinandersetzungen vor dem Ersten Weltkrieg in den zwanziger Jahren eine relative Beruhigung der Verhältnisse zu beobachten war. Nur in denVereinigten Staaten nutzte insbesondere die Landbevölkerung das Auto aufgrund des frühen Angebots preiswerter, effizienter Produkte nach einer kurzen Phase des Widerstands zum Ausbruch aus ländlicher Isolation. Die stärksten Unterschiede bestanden daher nicht in innereuropäischen Differenzen, sondern wie in anderen Bereichen sozialer Modernisierung in westeuropäischen Gemeinsamkeiten im Vergleich zu einer nordamerikanischen Besonderheit.3 Die Angriffe aufAutofahrer als Aufstand gegen die Modernisierung zu interpretieren, hieße sie über zu bewerten. Proteste gegen einzelne Fahrer, Proteste gegen die Motorisierung und Proteste gegen die Modernisierung konnten Hand in Hand gehen, mussten es aber nicht. In den Schilderungen der Motorpresse verschwammen diese Dimensionen zumeist ineinander: Den Angriff auf ein einzelnes Auto verstand man als Affront gegen den gesamten Autoverkehr, den erst der Widerwillen der Fortschrittsfeinde gegen die moderne Welt in ihrer Gesamtheit ermöglichte. Ein kindlicher Steinwurf war aber kein Angriff auf die Modernisierung. Proteste entzündeten sich zudem meist an einem Verhalten, das als hegemonialer Akt von außen begriffenen wurde. Dass der rücksichtslose Herrenfahrer seinen Reichtum als Tourist öffentlich zur Schau 3 Zur Annäherung europäischer Gesellschaften im Rahmen einer Sozialgeschichte, die Westeuropa als Einheit denkt, ohne bestehende Unterschiede zu negieren, vgl. Kaelble, Auf dem Weg zu einer europäischen Gesellschaft.

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stellte und sich in »demonstrativem Müßiggang« übte, machte den Autofahrer zum Feindbild. Als Extremfall kollektiver Normverletzung konnten gewaltsame Aktionen hervorgerufen werden, wenn ein rücksichtsloser Autofahrer den Konflikt aktualisierend das Umschlagen von alltäglicher Resistenz in konkrete Gegenwehr provozierte. Die Geringschätzung der modernen Technik, die bei konservativen Kulturpessimisten bis zur Ablehnung der Modernisierung in allen ihren Ausprägungen reichen konnte, bildete den Nährboden fur die Manifestationen. Nicht nur wegen dieser Unterstützung, die sie durch fortschrittsfeindliche Ideologen erfuhren, kam autofeindlichen Aktionen ein teilweise regressiver Charakter zu. Die freiheitlichen Möglichkeiten, die in einer demokratisierten Autonutzung lagen, verkannten die Autofeinde vollständig. Autofeindliche Aktionen begünstigte, dass der Autoverkehr vor allem für die Landbevölkerung mit Zumutungen verbunden war, und dass das Auto auch von lokalen Autoritäten bekämpft wurde. In den 1920er Jahren nahmen Verkehrspolizisten aber schließlich auf Druck der Zentralbehörden eine verkehrsfbrdernde Haltung ein.4 Stadt- und Landbevölkerung zeigten signifikante Unterschiede in ihrem Protestverhalten gegenüber dem Auto. Die Welt der Jahrhundertwende war durch die Ungleichzeitigkeit urbaner und ländlicher Lebensformen gekennzeichnet, wobei die technische Welt der Moderne in der Stadt entstand und mit dem Auto aufs Land »exportiert« wurde. Die ländliche Welt blieb aber in vielerlei Hinsicht vorindustriellen Arbeits- und Lebensrhythmen verbunden. Die sich um 1900 im städtischen Bereich verändernden Lebensstile betrachtete man mit Misstrauen. Hier stieß die neue Technik aufWiderstand, da sie für die ländlichen Unterschichten eine Einschränkung ihrer Bewegungsfreiheit bedeutete. Gewalttätige Äußerungen des ländlichen »Eigen-Sinns« folgten den Gesetzen des Trotzes und der Auflehnung. Diese Gegenkultur des demonstrativen »Andersseins« bezog sich auf die wahrgenommenen Stadt-Land-Gegensätze: Der Landarbeiter nahm einen anderen »kulturellen Habitus« ein als der städtische Autofahrer. Dabei ähnelten die gewalttätigen Aktionen rituellen Praktiken, erinnerten an Rügebräuche der traditionellen Volkskultur und bezogen aus dieser Verwandtschaft eine begrenzte Legitimität. Schien der frühe Automobilismus durch seinen Sportcharakter, seine Exklusivität und die Betonung der Geschwindigkeit an Traditionen der herrschaftlichen Jagd anzuknüpfen, ähnelte auch der Hass auf das Auto dem traditionsreichen Hass ländlicher Unterschichten auf die aristokratische Jagd. Die gewalttätigen Aktionen der Landbevölkerung wurden daher von den Zeitgenossen als Teile eines kulturel4 Das Auto diente den Besitzbürgern als »Prestigesymbol«, das den Anspruch dokumentierte, »als Herren über Raum und Zeit auch zu Herren über die soziale O r d n u n g zu werden.« Vgl. Sachs, Gesellschaft, S. 111. Die »conspicious consumption« entsprang dem Prestigebedürfnis und der Eitelkeit der »feinen Leute« und fand im Auto als öffentlich genutztem Konsumgut ein adäquates Ausdrucksmittel. Vgl. Vehlen, Theorie der feinen Leute.

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len Abwehrkampfes gegen staatliche und bürgerliche Erziehungs- und Modernisierungsprogramme interpretiert, die der Erhaltung lebensweltlicher Identität dienen sollten. Im Kampf um die gewohnheitsrechtlich genutzte Straße drückte sich demnach das Beharren auf eigenen Bedürfnisstrategien aus. Obwohl die Autofeinde zu keiner dauerhaften zentralen Organisation oder politischen Vertretung fanden und die Proteste gegen das Automobil letztlich an der Attraktivität des neuen Verkehrsmittels scheitern mussten, können Drahtseilattentate, Straßenblockaden, Peitschenhiebe und Steinwürfe in die Traditionen kollektiver Gegenwehr eingeordnet und dem Begriffdes »Sozialrebellentums« zugeordnet werden. Sie fungierten, der Erfahrungsebene lebensweltlich-alltäglicher Kommunikation zugehörig, als Äußerungen einer Gegenöffentlichkeit und Bestandteil einer »Politik von unten«.5 Während sich die Verkehrskonflikte auf dem Land in Formen manifestieren, die durch Kollektivität, Ereignishaftigkeit, Gewalttätigkeit und realsymbolische Vermittlung zwischen Protestursache und Protestform an den vormodernen Sozialprotest erinnerten, wählte die städtische Bevölkerung überwiegend moderne Formen der Interessenartikulation. Da die organisierten Vertreter der Arbeiterschaft stets für eine Ausweitung der automobilen Basis plädierten, was die Möglichkeiten zu friedlicher Kritik am Auto begrenzte, musste man aber auch im Urbanen Bereich gewalttätige Aktionen gegen Autofahrer verzeichnen. Allerdings hatten sich die Stadtbewohner durch die explosionsartige Zunahme des Verkehrs in der Industriellen Revolution vor Auftauchen der Motorwagen an überfüllte Straßen gewöhnt. Die Motorisierung des öffentlichen Nahverkehrs schwächte zudem die sozialdifFerenzierenden Eigenschaften des Autos in der Stadt ab. Frühe Befürchtungen, der Motorwagen werde etablierte Berufszweige bedrohen, erwiesen sich bald als unbegründet, da die Expansion der Automobilindustrie neue Arbeitsplätze schuf, allerdings in geringerem Maße als diese vorgab. Der städtische Protest blieb daher meist weniger gewalttätig und reagierte nur auf die offensichtlichsten Normverletzungen. Die Modernisierungskritik, die auf den Kraftverkehr in städtischen Verdichtungsräumen abzielte, betonte vor allem die totale Okkupation der Straße durch das Auto. Der öffentliche Raum durfte seine tradierten Kommunikationsfunktionen nicht vollständig verlieren. Ein zuvor öffentliches Gut sollte nicht teilweise privatisiert, sondern das Recht der Allgemeinheit an der Straße verteidigt werden. Weil das Auto die Wege auf ihre Funktion als Verkehrsträger reduzierte, führte die Durchsetzung des Kraftfahrzeugs zur »Zerstörung von lebendigem

5 Gelehrte oder pamphletistisch-autokritische Stellungnahmen entsprachen dagegen dem bürgerlichen Verständnis von Öffentlichkeit und wurden als Ausdrucksform grundsätzlich akzeptiert. Vgl. Habermas, Strukturwandel der Öffentlichkeit; Bourdieu, Die feinen Unterschiede; Kaschuba, Volkskultur, S. 177-207; Hobsbawm, Sozialrebellen; Negt u. Kluge, Öffentlichkeit und Erfahrung.

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öffentlichem Raum« und degradierte die Straße »zum Funktionselement von Bewegung«.6 Auch Teile des städtischen Bürgertums kritisierten die Auswüchse des Automobilismus in der Tagespresse und in Fachzeitschriften. Die Mehrheit der Wirtschafts- und Besitzbürger propagierte aber uneingeschränkt das Prinzip der individuellen Mobilität. In ihrem Bestreben einer Annäherung an aristokratische Lebensformen nutzten die besitzenden Bürger das Automobil, da es als Verkehrsmittel ihrer gesellschaftlichen Stellung entsprach. Das Auto reflektierte mit seiner Verbindung von Individualität und technischer Modernität ein sozialpsychologisches Grundmuster der bürgerlichen Gesellschaft. Unterschiedliche Sozialgruppen können aber technischen Artefakten divergierende Bedeutungen zuschreiben: Vor allem ländliche Bevölkerungsgruppen interpretierten das Auto im Gegensatz zu den Autonutzern als »Entvölkerungsmaschine«. In ihren Versuchen, Autos zu zerstören, Fahrer zu verletzen und die Straßen zu manipulieren, bemühten sie sich auf dramatische Weise, die Entwicklung des technischen Leitbilds »Automobil« zu beeinflussen. Da die Behörden als Reaktion auf den Unmut der Bevölkerung zur Ausarbeitung von Verkehrsregeln und Sanktionskatalogen gezwungen waren, trugen die Widersetzlichkeiten letztlich zur Stabilisierung der Verkehrsinnovation bei. Die zunehmende Verrechtlichung wirkte befriedend auf den Straßenverkehr: Fahrschulzwang, Führerscheinprüfung und die technische Prüfung der Fahrzeuge ließen einen Regelkanon entstehen, der auch in den Verhaltenskodex der Autofahrer eingebaut wurde. Verkehrsvorschriften, Haftpflichtregelung, Geschwindigkeitsbegrenzungen und hohe Strafen schienen Erfolge anti-automobiler Proteste widerzuspiegeln, sie lagen jedoch auch im Interesse der Autolobby, da sie Zustände der Rechtsunsicherheit beseitigten. Beleuchtet man die Auseinandersetzungen im Gesetzgebungsprozess näher, werden der Einfluss der Interessenvertreter auf die Regierung und die Gegenwehr des Reichstags deutlich. Dem automobilistischen Interessenkartell stand ein intervenierender Staat gegenüber, der aufgrund schwerwiegender Konflikte gegen weitgehende Gruppenegoismen vorgehen musste. In der Kaiserzeit agierte der Gesetzgeber dabei erstaunlich problembewusst und trat als Konfliktregelungsinstanz auf. Da die Besorgnisse der Bevölkerung teilweise in die Gesetzgebung einflossen, wirkte der Widerstand gegen das Auto in begrenztem Umfang auf dessen technische Entwicklung zurück. Die Autoproduzenten hatten den vom Staat gesetzten Rahmenbedingungen Rechnung zu tragen.7 6 Auch w e n n die klimatischen Gegebenheiten Mitteleuropas dem Konzept entgegenstehen, kann man die Strasse »mit ihren Kommunikations- und Gruppenstrukturen«, vor allem w e n n man die beengten Wohnverhältnisse der Unterschichten in Rechnung stellt, als »zweiten Lebensort« interpretieren. Vgl. Kaschuba, Lebenswelt, S. 21fF.; Sennett, S. 27. 7 Die Techniksoziologie wendet sich seit geraumer Zeit gegen eine Sichtweise, welche die technische Entwicklung als »genetischen Determinismus« begreift, und betont dagegen die soziale Formung von Technik. Vgl. Ropohl, S. 134-136; Kline и. Pinch, S. 1-7.

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Als die deutsche Automobilindustrie in der Zwischenkriegszeit zu Serienproduktion und Fließbandfertigung überging, erhöhten sich Motorisierungsgrad und gesellschaftliche Akzeptanz. Die Bedeutung der Automobilindustrie konnte in den 1920er Jahren nicht mehr übersehen werden. Geschäftigkeit und Straßenlärm avancierten zum Ausdruck Prosperität verheißender Modernität. Das demokratisierte System der Weimarer Republik drängte Proteste aber auch durch verbesserte Möglichkeiten der Interessenartikulation zurück: Mit dem Beirat fur das Kraftfahrwesen schuf man ein Gremium, in dem sich die vom Automobilismus tangierten Parteien austauschen konnten. In Verkehrskonflikte griff nun vorrangig die Steuerpolitik ein: Die Steuer auf Luxusautomobile schrieb die sozialdifferenzierende Wirkung des Autobesitzes dabei weniger fort, als dass die Freistellung der Kleinkrafträder diese aufweichte. Schließlich änderten sich in den zwanziger Jahren auch einige wichtige Parameter des sozio-politischen Umgangs mit dem Auto: Die zahlreichen Wagen begannen sich gegenseitig zu vermehrter Disziplin zu zwingen und sportliche Aspekte traten zurück. Der öffentliche Personennahverkehr sowie der verstärkte Ausbau von Überland-Motorlinien wirkten akzeptanzfbrdernd. Zudem trat das Automobil nun verstärkt als Lkw, Sanitäts-, Feuerwehr- oder Militärfahrzeug auf Beim Publikum setzte eine gewisse Gewöhnung ein, die Internalisierungsund Disziplinierungsmaßnahmen verstärkten. Die sozialen Kosten der Automobilisierung akzeptierte man angesichts der Dauerpräsenz von Autounfall und Unfalltod zunehmend als kaum vermeidbare Begleiterscheinungen der Motorisierung. Auch wenn schubweise Schockwirkungen diese selektive Wahrnehmung des Straßenverkehrs unterbrachen, bildete sich langfristig eine fatalistische Grundhaltung der Verkehrsteilnehmer heraus. Schließlich erreichte man auch bei den Fußgängern durch vielfältige Maßnahmen der Verkehrserziehung und gesetzliche Regelungen einen notwendigen »Umbau des Verhaltens« im Straßenverkehr, der als Bestandteil einer »Modellierung des psychischen Apparates« im Prozess der Zivilisation verstanden werden kann. Sinnfälliger Ausdruck der Verdrängung war, dass die Bezeichnung »Publikum« für den unmotorisierten Bevölkerungsteil mit der Anpassung an den Autoverkehr verschwand und durch die bezeichnende Kategorie der »übrigen Straßenbenutzer« ersetzt wurde.8 Ubiquitäre Mobilität entwickelte sich mit zunehmenden Chancen der Partizipation zu einem politischen Wert an sich. Verantwortlich dafür war jedoch weniger eine konstante »Auto-Lust«, als vielmehr die zunehmende Zersiedlung in Vorstädten, die das Auto selbst erst ermöglichte. Den privaten Kraftverkehr finanzierte von Beginn an zu einem großen Teil die Allgemeinheit, da die Steuerzahlungen der Autofahrer nie die Aufwendungen für Straßenbauten, geschweige denn die externen Kosten abdeckten. Die öffentlichen Verkehrs8 Vgl. Elias, Bd. 2, S. 312-336.

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mittel wurden zwar ebenfalls ausgebaut und motorisiert, insbesondere in den Vereinigten Staaten aber im Vergleich zum Individualverkehr vernachlässigt. Daher waren immer größere Teile der Bevölkerung tatsächlich auf das Privatauto angewiesen. Der private Pkw gehört heute wie selbstverständlich zur Grundausstattung des modernen Menschen und wirkt sozial integrierend. Grundsätzlichen Protesten gegen das Auto kommt heute lediglich eine marginale Bedeutung zu, da fast jeder Fußgänger auch ein Auto besitzt. Die Verheißung individueller Mobilität hat dagegen wenig von ihrer Faszination eingebüßt, sondern besitzt vielmehr das Potential, zu einem symbolisch überhöhten Kernproblem des Fortschritts stilisiert zu werden. Man denke nur an die lautstarken Forderungen nach »freier Fahrt für freie Bürger«, die sich in jeder Diskussion um Tempolimits äußern. Dabei gehen die Mobilitäts- und Schnelligkeitsvorteile - zumindest in Urbanen Räumen - heute oft durch die zahlreichen Verkehrsstaus verloren. Die Beschleunigung des Straßenverkehrs ist durch ihre massenhafte Produktion gewissermaßen zum Stillstand gekommen.9 Angriffe aufAutofahrer und Sachbeschädigungen an parkenden Kraftwagen sind aber auch nach Durchsetzung der Massenmotorisierung keine Seltenheit.10 Doch dürfen derartige Handlungen in einer Gesellschaft, die erweiterte Beteiligungsmöglichkeiten bietet und Gewalt ächtet, nicht als Ausdruck berechtigter sozialer Interessen begriffen werden. Bei den Zerstörungen von Luxuswagen, die in Problemquartieren geparkt werden, mag eine soziale Komponente auch heute noch anklingen. Die in derartigen Aktionen transportierte Botschaft weist aber nicht auf autofeindliche Einstellungen hin, sondern begreift das Luxusautomobil lediglich als Symbol, dessen Zerstörung auf die Ungleichverteilung gesellschaftlicher Chancen aufmerksam macht. Autofeindliche Motivationen werden kaum mehr geäußert. Geschieht dies dennoch, dann erscheint gewalttätiges Verhalten heute als Ausdruck eines psychischen Defekts. In der Frühzeit der Motorisierung konnte bei vergleichbaren Aktionen eine andere gesellschaftliche Rezeption beobachtet werden: Angriffe wurden zwar auch als kriminelle Akte begriffen, Angreifer, Geschädigte und die Öffentlichkeit verstanden die Ausübung von Gewalt gegen Autos und Autofahrer aber als Ausdruck eines weit verbreiteten, sozial mehr oder minder berechtigten Widerstands gegen den Kraftverkehr. Dagegen ist die Kritik an den umweltzerstörenden und gesundheitsschädigenden Folgewirkungen des motorisierten Individualverkehrs heute zu einem integralen Bestandteil der allgemeinen Technikkritik geworden. Im Laufe der 1960er Jahre, als eine breitere Öffentlichkeit Umweltschäden wahrzuneh9 Vgl. Burkart, S. 252ff. 10 Vgl. ζ. B. Der Tagesspiegel, 21. 4. 1997, Nr. 15958, S. 10; 8. 4. 1998, Nr. 16303, S. 11; 20. 4. 1998, Nr. 16313, S. 10; 3 . 9 . 1 9 9 8 , Nr. 16446, S. 14; 19.10.1998, Nr. 16491, S. 36; 6 . 1 2 . 1 9 9 8 , Nr. 16539, S. 32; 28. 1. 1999, Nr. 16589, S. 12; 13. 4. 1999, Nr. 16662, S. 10; 23. 4. 1999, Nr. 16672, S. 10; 11. 2. 2000, Nr. 16961, S. 20; 29. 2. 2000, N r . 16979, S. 32.

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men begann, kam eine zunehmende Zahl von Menschen zu der Überzeugung, dass der private Autoverkehr eine Ursache für Verschlechterungen der Lebensqualität geworden war. Dabei fand man zu gesellschaftlich anerkannten, gewaltfreien Formen des Protests. So ketten sich in Großbritannien und den USA Umweltaktivisten an Bäume, um deren Abholzung für den Straßenbau zu verhindern. In Deutschland sorgt ein als »Autogeher« bekannt gewordener Exzentriker, der seit 1988 bewusst Autos übersteigt, wenn sie den Gehweg versperren, für einiges Aufsehen. Aber auch zu kollektiven Aktionen, die in der Öffentlichkeit auf Sympathie hoffen können, finden die Autokritiker, wenn sie sich in Bürgerinitiativen organisieren, um mit symbolischen Straßensperrungen gegen den Schwerlastverkehr in Wohngebieten zu protestieren. Internationale Beachtung kann gar erreicht werden, wenn wie im Juni 1998 in Osterreich, Hundertschaften von Umweltschützern wichtige Transitrouten blockieren, um auf die wachsende Verkehrsflut hinzuweisen. Als interessante Protestform erscheinen auch die seit 1997 in Berlin stattfindenden »Critical Mass«-Demonstrationen von bis zu 300 Radfahrern, die mit ihren Aktionen für mehr Rechte der »übrigen Straßenbenutzer« und gegen eine Bevorzugung des Autos kämpfen wollen. Nach dem Prinzip des »organisierten Zufalls« treffen sich die Teilnehmer der nicht angemeldeten Veranstaltung, um durch ihr massenhaftes Auftreten den Kraftverkehr bewusst zu behindern. Mit ihren spontanen Elementen erinnern diese Aktionen an den traditionellen Protest aus der Frühzeit des Autos, ohne dessen Gewalthaftigkeit fortzuschreiben.11 Allen heutigen Protesten gegen Ausprägungen des Kraftverkehrs ist aber gemein, dass sie Forderungen erheben, die bereits vor Durchsetzung der Massenmotorisierung laut wurden. Bildungsbürgerliche Autokritiker regten bereits vor dem Ersten Weltkrieg und in den zwanziger Jahren die Verlagerung von Massentransporten auf die Schiene, den verstärkten Ausbau des öffentlichen Personennahverkehrs in Urbanen Ballungsräumen oder die Entwicklung alternativer Techniken der individuellen Fortbewegung an. In welchem Umfang man in der Folgezeit die Entwicklung technischer Alternativen zum Verbrennungsmotor vernachlässigte, verdeutlicht die Tatsache, dass das erste Auto, das die magische 100 km/h-Marke 1899 durchbrach, Jenatzy's »Jamais Contente« war: ein Elektromobil.12

11 Vgl. Der Tagesspiegel, 2.4.1997, Nr. 15939, S. 10; 13.6.1998, Nr. 16364, S. 32; 29.8.1998, Nr. 16441, S. 10; 27. 3. 1999, Nr.16647, S. 14. 12 Vgl. La Locomotion Automobile, 1899, S. 276.

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Abkürzungsverzeichnis

AAJHL AAZ AC ACF ACS ADAC ADFC AG ALR AR ATZ AvD AVUS AW BA Bdl BdL BGB BGBL BMW BT DAC DAPG DAV DFAC DM DMF DMG DMV DR DTC EW FIAT GG GStA, PK HA Hanomag HZ

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Association des Amis de Jasques Henri Lartigue Allgemeine Automobil-Zeitung Automobil-Club Automobile-Club de France Automobile-Club de Suisse Allgemeiner Deutscher Automobil-Club Allgemeiner Deutscher Fahrrad-Club Aktiengesellschaft Allgemeines Landrecht für die preußischen Staaten Automobil-Rundschau Automobiltechnische Zeitschrift Automobilclub von Deutschland Automobil Verkehrs- und Übungsstraße Automobil-Welt, Berlin Bundesarchiv Bund der Industriellen Bund der Landwirte Bürgerliches Gesetzbuch Bundesgesetzblatt Bayerische Motoren-Werke Berliner Tageblatt Deutscher Automobil-Club Deutsch-Amerikanische-Petroleum-Gesellschaft Deutscher Automobil-Verband Deutsches Freiwilligen-Automobilcorps Deutsches Museum, München Deutscher Motor(rad)fahrer, Stuttgart, München Daimler Motoren-Gesellschaft Deutsche Motor(rad)fahrer-Vereinigung Deutsches Reich Deutscher Touring-Club Einwohnerzahl Fabrica Italiana Automobiii Torino Geschichte und Gesellschaft Geheimes Staatsarchiv, Preußischer Kulturbesitz Hauptabteilung Hannoversche Maschinenbau-Aktiengesellschaft Historische Zeitschrift

KAC KFAC Kfz km/h KPD KVdA LAB LA Berlin Lkw LPB MF MMV MNN mph MW NAG NPL NSU OHL ÖPNV Pkw RAC RdA RGBL RT SOWI SPD Vdl VdMI WTB ZMM ZUG

Kaiserlicher Automobil-Club Kaiserliches Freiwilligen-Automobilcorps Kraftfahrzeug Kilometer in der Stunde Kommunistische Partei Deutschlands Kraftfahrer-Vereinigung deutscher Ärzte Brandenburgisches Landeshauptarchiv Landesarchiv Berlin Lastkraftwagen Landespolizeibezirk Der Motorfahrer, München, Berlin Mitteleuropäischer Motorwagen-Verein Münchner Neueste Nachrichten miles per hour Der Motorwagen, Berlin Neue (Nationale) Automobil-Gesellschaft Berlin Neue Politische Literatur Neckarsulmer Fahrzeugwerke Oberste Heeresleitung Öffentlicher Personennahverkehr Personenkraftwagen Royal Automobile-Club Reichsverband der Automobilindustrie Reichsgesetzblatt Reichstag Sozialwissenschaftliche Informationen für Wissenschaft und Unterricht Sozialdemokratische Partei Deutschlands Verein deutscher Ingenieure Verein Deutscher Motorfahrzeug-Industrieller Wolffsches Telegraphenbureau Zeitschrift des Mitteleuropäischen Motorwagen-Vereins Zeitschrift für Unternehmensgeschichte

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Quellen- und Literaturverzeichnis

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Brandenburgisches Landeshauptarchiu, Potsdam PrBrRep. 30 Berlin С Polizeipräsidium Berlin: tit. 133: Nr. 11, Bde 1, 2; Nr. 27, Bd. 1; Nr. 67, Bd. 2; Nr. 76, Bd 7; Nr.100, Bde 1,3, 5; Nr. 111, Bd. 3; Nr. 134, Bd. 1; Nr. 193, Bd. 4. tit. 198B: Nr. 1516. tit. 202: Nr. 8, Bde Igen, 2gen, lspez; Nr.17, Bd 2; Nr. 30, Bd 4; Nr. 37, Bd 2; Nr.76, Bd 1, 2, 3. PrBrRep. 34 Provinzialschulkollegium: Litt. L, Abt. I, Nr. 46a; Nr. 56.

Bundesarchiv, Abteilungen Reich und DDR, Berlin R 1501 Reichsamt / Reichsministerium des Innern: Nr. 7148, Nr. 7152, Nr. 7949, Nr. 13761/1, Nr. 13927a, Nr. 13927/1, Nr. 13931, Nr. 13937, Nr. 13938, Nr. 13939, Nr. 13940, Nr. 13942, Nr. 13944, Nr. 13948, Nr. 13968, Nr. 13969, Nr. 13970, Nr. 13971, Nr. 13982, Nr. 13985, Nr. 13987, Nr. 13889, Nr. 13990, Nr. 13995, Nr. 13999, Nr. 14000, Nr. 14015, Nr. 14017, Nr. 14141, Nr. 14143, Nr. 14147. R3001 Reichsministerium der Justiz: Nr. 7070, Nr. 7073, Nr. 7074, Nr. 7076, Nr. 7077, Nr. 7079.

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13929, 13943, 13973, 13998, 14144,

Nr. Nr. Nr. Nr. Nr.

R 154 Preußische Landesanstalt für Wasser-, Boden- und Lufthygiene: Nr. 9, Nr. 11. R 1507 Reichskommissar für die Überwachung der öffentlichen Ordnung: Nr. 224.

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Landesarchiv Berlin STA Rep. 00-02/1 Stadtverordnetenversammlung von Berlin: Sect. 1: Nr. 24. STA Rep. 10-01/2 Städtische Tiefbaudeputation: Nr. 1929, Nr. 2531. STA Rep. 14 Deputation für das Verkehrswesen: Nr. 4032, Bd. 3. STA Rep. 20-01 Städtische Schuldeputation: Nr. 357, Bd. 4. STA Rep. 38-01 Polizeiverwaltung Spandau: Nr. 5, Nr. 15. Rep. 142У1 Deutscher und Preußischer Städtetag: Nr. 3169, Nr. 4093, Nr. 4250. Rep. 142/3 Reichsstädtebund: Nr. 162, Nr. 165. PrBr Rep 30 Berlin С Polizeipräsidium Berlin: Nr. 96, Nr. 366.

2. Gedruckte Akten und Gesetzestexte

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3. Zeitschriften des Protestsamples a) 1902-1932: Allgemeine Automobil-Zeitung, Offizielles Organ des DAC, Offizielles Organ des KAC, Offizielles Organ des AVD, Berlin 1900ff. b) 1902-1932: Der Motorwagen, Zeitschrift des Mitteleuropäischen Motorwagen-Vereins, Organ der automobiltechnischen Gesellschaft, Berlin 1898ff., ab 1929: Automobiltechnische Zeitung. c) 1902-1932: Zeitschrift des Mitteleuropäischen Motorwagen-Vereins, Organ für die gesamten Interessen des Motorwagen- und Bootswesens, Berlin 1902ff, ab 1913: Automobil-Rundschau, Zeitschrift des Mitteleuropäischen Motorwagen-Vereins. d) 1902: Stahlrad und Automobil, Illustriertes Fachblatt für die Gesamtinteressen der Händler und Fabrikanten des Automobil-, Motor-, Fahrrad- und Luftschifffahrtwesens, Erfurt 1886ff.; 1903-6/1929: Automobil-Welt, Illustrierte Zeitschrift für die Gesamtinteressen des Automobilwesens, Berlin 1903ff.; 7/1929-1932: Motor, Monatsschrift für Kraftverkehrs-Wirtschaft und -Technik, Berlin 1913£F. e) 1902: Der Deutsche Radfahrer, Stuttgart; 1903: Deutscher Rad- und Motorfahrer, Amtliche Zeitung des DOeK, der KDW und der DMV Stuttgart; 1904-1906: Deutscher Motorradfahrer, Offizielles Organ der DMV, Stuttgart, München; 1907-1924: Der Motorfahrer, Offizielles Organ des Allgemeinen Deutschen Automobil-Club, Berlin; 1925-1926: ADAC-Sport, Offizielles Organ des ADAC, München; 19271932: ADAC-Motorwelt, Offizielles Organ des ADAC, München.

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Register 1. Personenregister

Abegg, Philipp F. W 216 Adenauer, Konrad 208 Auerbach, J., Justizrat 86 Avenarius, Ferdinand 206£ Baudry de Saunier, Louis 241 Bebel, August 52 Behrens, Peter 207 Benz, Carl 29-32 Berge, Ernst 39 Berger, Michael L. 257 Bierbaum, Otto J. 201,205,237,250 Bloch, Ernst 17 Bontempelli, Massimo 253 Borsig, August Ε Ε. ν. 125 Bourdieu, Pierre 18 Braunbeck, Gustav 173£ Braunschweig, Robert 27, 267 Brenner, Eugen 230 Bülow, Bernhard von 32 Christallnigg, Lucie Gräfin 230 Dahrendorf, Ralf 26 Daimler, Gottlieb 29, 31 Dammeck, Ingenieur 79 Diesel, Eugen 47 Dost, Kriminalkommissar 138 Edelmann, Heidrun 19 Edison, Thomas A. 254 Eichberg, Henning 16, 20 Erb, Wilhelm 202 Ernst Ludwig v. Hessen, Großherzog 124 Erzberger, Matthias 201 Eugen v. Osterreich, Erzherzog 229

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Flink, James J. 255£ Ford, Henry 261£, 264, 268 Geertz, Clifford 14 Geissler, Ackerbürger 154 Gerson, Diplomingenieur 165 Grünig, Bergbaudirektor 141 Gudjons, Anette 19 Haas, Micaela 19 Hagendorf, Arbeiter 154 Haubner, Barbara 19 Heck, Hans D. 20 Heinrich v. Preussen, Prinz 36, 85, 119, 124 Heise, Ackerbürger 154 Held, nat.-lib. Reichstagsabgeordneter (Syke-Hoya) 199 Hellpach, Willy 202 Hentzsch, Ackerbürger 154 Hesse, Hermann 165 Hickley, Konstrukteur 144 Hilse, Karl 217 Hitler, Adolf 209 Hobsbawm, EricJ. 13 Holderer, Oberamtmann 173 Horch, August 155 Horras, Gerhard 19, 34, 51, 221 Hübner, Arthur 125 Jenatzy, Camille 275 Jagow, Traugott v. 156 Jung, Edgar 209 Kaufmann, Konstrukteur 140 Klages, Ludwig 207

Klenke, Dietmar 19, 266 Kloke, Ines Ε. 19 Köhler, Philipp 198f. Koselleck, Reinhard 15 Krebs, Gendarm 172-174 Krieger, Hermann 205 Kühn, Kaufmann 154 Küpping, Kaufmann 154 Langbehn, Julius 206 Lessing, Theodor 89£ Loewe, Diplomingenieur 118 Maltzan, Ludolf v. 218 Marcrinus, Konstrukteur 140 Margherita di Savoia, Königin-Mutter 251 Marinetti, Filippo T. 252 Marx, Ernst Ritter v. 171 Marxen, Th., Unteroffizier 194 Mary o f Teck, Königin von England 247 Menge, Hermann 205 Merki, Christoph M. 21 Meyer, Reichsgerichtsrat 222 Miller, Oskar von 30, 204f. Möller van den Bruck, Arthur 209 Mussolini, Benito 2 3 7 , 2 5 2 Muthesius, Hermann 207

Roosevelt, Theodore 255 Roscher, Konstrukteur 145 Rosenberg, Alfred 209 Rosenberg, Hans 188-191 Rostow, WaltW. 12 Rude, Georges 13 Rudorff, Ernst 206 Schafranek, Gebrüder, Konstrukteure 140 Scharfe, Martin 20 Scheicher, Joseph 231 Schivelbusch, Wolfgang 17 Schönaich-Carolath, Heinrich Prinz zu 200, 2 1 8 f Schultze-Naumburg, Paul 206 Scriba, Chemiker 117 Sitte, Camillo 207 Sohnrey, Heinrich 207 Sombart, Werner 204 Spengler, Oswald 208f. Straßl, Hans 20,141 Stresemann, Gustav 225 Strosser, kons, preußischer Abgeordneter (Breslau) 200 Südbeck, Thomas 19 Thompson, Edward Ρ 13 Treue, Wilhelm 215

Nietzsche, Friedrich 209 Vanderbilt, William K. 234, 251 Oehling, Helmut 20 Ostwald, Walter 25, 163 Otto v. Osterreich, Erzherzog 78 Paasche, Hans 207 Peters, Kriminalkommissar 129, 134 Pidoll, Michael Frhr. v. 205, 232 Plunz, Anna 128 Plunz, Else 128 Plunz, Rudolf 128f. Preitzsche, Zimmermann 154

Waldemar v. Preussen, Prinz 125 Walter, Francois 235 Wik, Reynold Μ. 2 5 6 , 2 5 9 Wilhelm der Zweite, Deutscher Kaiser 22, 31f„ 3 7 , 1 3 7 f , 1 7 1 , 1 9 4 , 2 2 0 Wilson, Woodrow 255 Wirtz, Rainer 20 Wolf, Konstrukteur 140 Wolff, Theo 197 Yago, Glenn 35

Queensberry, Marquis o f 248 Zatsch, Angela 19,221 Radkau, Joachim 1 2 , 2 0

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2. Ortsregister Aachen 100, 189 Aargau 236 Abbazzia 78 Ablis 243 Ägypten 60 Alexandria 60 Alpen 36, 181, 237 Amsterdam 241 Anhalt 98, 138,158, 227 Arnsberg 179,194 Aschaffenburg 70 Australien 249 Bacharach 117 Baden 43, 98, 100, 125, 158, 172-174, 186f., 212 Basel 85,232 Bayern 97-100,125f., 143,156,176,181183,185-187, 212, 214 Belgien 44f, 85,134 Beizig 80 Berchtesgaden 184 Berlin 19, 22-25, 31, 35f, 39£, 43f., 53, 59, 62, 64, 66-68, 70£, 73-76, 78-80, 82-92, 97f„ 100, 118-120, 123-129, 134, 137f., 141, 143, 151f., 154, 156160, 165-167, 169, 174, 178-180, 185, 189, 191, 193, 198, 200, 208f., 21 lf., 214f., 218, 227f., 275 - Ackerstraße 129 - Brunnenstraße 128 - Charlottenburg 19, 86, 189 - Großer Stern 166 - Grunewald 185 - Havelchaussee 138, 185 - Kochstraße 84 - Oberschöneweide 138 - Potsdamer Platz 44, 156 - Schöneberg 120 - Spandau 129 - Steglitz 118,207 - Unter den Linden 32, 189 - Wannsee 185

306

Bern 232f., 236, 239 Bielefeld 187 Bingen 117,193 Blackpool 247 Bochum 141 Bockum 145 Böhmen 229f Bonn 91, 192 Brandenburg, Provinz 25, 97f„ 134f., 142,160, 191,195, 212 Brandenburg, Stadt 134 Braunschweig 98, 121, 158 Bremen 98, 100, 134, 158, 176 Breslau 125, 184 Campagna 251 Chalons 243 Chemnitz 175 Chicago 66, 256 Chur 232 Colorado 257 Connecticut 259 Corn Belt 262 Coswig 25 Danzig 178 Darmstadt 198 Daytona 263 Delaware 258 Dessau 138 Detmold 19, 158 Detroit 127 Deutschland 12, 19, 21-23, 25, 27f., 3036, 38-45, 52f. 56, 59-65, 67, 69f, 74f. 78, 82, 84f, 88-90, 92-94, 121f„ 125127,134,143,149,153,157,160,162f., 167, 169,172,174, 181, 198, 204-206, 209, 211-214, 217f„ 222-243, 245f., 248-251, 255f., 259, 261-264, 267f., 273, 275 - Mitteldeutschland 97-99 - Norddeutschland 97-100,249 - Ostdeutschland 97-99

- Süddeutschland 24,97-99,249 - Westdeutschland 97-99 Dijon 243 Dortmund 178 Dresden 82,125,148f„ 188,192 Duisburg 168 Düsseldorf 179 Ebenhausen 192 Ebikon 235 Eger 122 Eisenach 35, 79 Elsass-Lothringen 97£, 125 Erlangen 181 Essen 168 Europa 26,31,36,38,44£, 206,214,224, 246, 249, 255, 257, 260-262, 264, 266, 269, 272 - Südeuropa 134 - Westeuropa 20, 27f, 240,268f Fichtelgebirge 181 Flensburg 197 Flers 38 Florenz 251 Franken 181 Frankfurt am Main 24, 34, 54, 85, 100, 117, 150, 157, 166, 172-174, 176, 192, 198 Frankreich 28, 31f„ 34, 37f., 44f., 47, 54, 60, 62, 78, 82, 85, 159, 163, 166, 223, 228, 236, 240-243, 245,247, 263,268 Fribourg 234 Friedrichsstadt 154 Fürth 181 Genf 235f Genfer See 235 Gengenbach 171 Glarus 232, 237 Gleiwitz 167 Görlitz 162 Gotha 83,158,168,212 Graubünden 232,234,237f„ 258 Graz 230 Grenzmark 98

Großbritannien 28,31f., 37f., 44f., 62,66, 70,85,90,122,159,169,223,228,234, 240, 245-249,263, 268, 275 Halle 154 Hamburg 78, 85, 98, 100,168,174, 214 Hameln 188 Hamm 190 Hanau 122 Hannover, Provinz 98, 125 Hannover, Stadt 52, 77, 80, 89 Harz 60,184,186,192 - Okertalstraße 184 Heidelberg 173 Heiligenhaus 145 Heiligensee 131 Helgoland 188 Hennigsdorf 94, 96, 105, 128-131, 134, 136,138 Hessen, Großherzogtum 97-99, 124, 127, 158f„ 186, 188, 194, 198f., 223, 227 Hessen-Nassau 98f Hirschberg 185 Hof 118, 122,181 Homburg 79, 171 Hösel 145 Illinois 259 Indiana 258f. Indianapolis 263 Innsbruck 230 Interlaken 235 Iowa 261 Irland 165 Italien 28, 45, 62, 78, 85, 134, 228, 240, 250-252, 269 Jüterbog 169 Kalifornien 259,265 Kansas 261 Karlsbad 229f. Kehl 171-174 Kelsterbach 117 Kitzingen 181

307

Kiel 194 Klagenfurth 230 Koblenz 117,175£, 178,193 Köln 82, 100, 134, 136, 168, 174f, 198, 208 Königsberg 100 Krefeld 190 Kronach 168 Kropstädt 154 Landsberg am Lech 182 Landshut 144 Laubach 193 Lauf 181 Leipzig 24, 36,154,168,184, 191 Liegnitz 168 Linz 231 Linzig 63 Lippe 98, 100, 158 London 66, 90, 159,180, 246-249 Lübeck 98 Luzem 234-236 Madrid 78 Magdeburg 192 Mailand 154, 251f. Main 100 Mainz 71 Mannheim 85, 175 Marwitz 129 Mecklenburg 98,192 Minnesota 258£ Missouri 259 Münchberg 181 München 23-25,30,73,87,90,100,143, 168,174,183,192, 214 Nauen 137 Neapel 250 Nebraska 261 Neumarkt i. d. Opf 120 Neu-Südwales 249 New York 66,90,127,172,216,253-255, 258-260, 264 - Long Island 258 - Lower East Side 260

308

Nidwaiden 232 Niederheimbach 117 Niederlande 168 Nizza 78 Nürnberg 143,168,181 Oberhausen 166 Oberhof 191 Oberpfalz 120,181 Oberschlesien 124, 134 Offenburg 171,173 Ohio 137,257,259 Oldenburg 98,100 Oldeslohe 176, 192 Oppeln 124 Ostelbien 57,200,205 Österreich 28, 45, 78, 82,169, 205, 229233, 275 Österreich-Ungarn 28, 229-233 Ostfriesland 55 Padua 251 Paris 31,34,36,38, 66,78,212,218,234, 240-243 Pennsylvania 258 Pilsen 230 Pirna 192 Pommern 98 Pontedera 251 Posen 97-99, 136,142,168 Potsdam 25, 36, 44, 91, 120, 136-138, 156,185 Prag 229 Preußen 16,25,37,53,63, 65,70,76,79, 84-86, 88, 97,119,124-126, 134, 137, 150, 153, 158, 163, 168f„ 174-176, 178-181, 184, 186f., 191, 195, 211£, 214, 223, 227 - Ostpreußen 98, 178 - Westpreußen 97-99 Putschirn 229 Raganz 232 Regensburg 181 Rhein 100,117,145,171,226 Rheindienbach 117

Rheinland 60,97f, 118,134,136,145,193 Rheinpfalz 99 Rheinsberg 128 Riesengebirge 156,185, 192 Riviera 251 Rochester 259 Rohrbach 168 Rom 59 Root 235 Rothkreuz 234f Rouen 36 Rüdesheim 60 Rügen 164 Ruhrgebiet 100,166,193, 226, 254 Russland 94,167,169,174 Saarbrücken 168 Sachsen, Königreich/ Freistaat 43, 60, 82f., 89, 97f., 100, 137, 158, 168, 183, 186-188,192-194, 208, 212C, 227 Sachsen, Provinz 98, 193 Sachsen-Coburg-Gotha 183 Sachsen-Meiningen 212 Sächsische Schweiz 208 Sacramento 259 Salzburg 229 Sardinien 250 Savonna 251 Schaumburg-Lippe 100 Schedewitz 120 Schiffbeck 194 Schlesien 98f., 124, 134, 151, 156, 186, 200 Schleswig-Holstein 98, 194f Schottland 248 Schwarzwald 174, 236 Schweiz 20,28,44f, 47,61,82,229,232239, 251, 255, 269 Schwyz 232,234, 237 Seine-Departement 241 Siebenbürgen 230 South Carolina 258 South Dakota 262 Spremberg 86 St. Gallen 232,234f St. Louis 256

Steeger Tal 117 Stettin 227 Stockum 193 Stolberg 189 Straßburg 171 Stuttgart 23£, 35,164 Subrental 236 Surrey 248 Taunus 78£, 162 Teltow 137,158 Thüringen 98, 100, 135, 151, 158, 187, 192 Thüringer Wald 182,191 Tirol 230 Töss 235 Trajuhn 154 Tschechische Republik 229 Turin 251 Ungarn 229 Unna 193 Untertürkheim 54 Unterwaiden 237 Uri 237 Vaud (Waadt) 235£ Venedig 251 Verdun 38 Vereinigte Staaten von Amerika 20, 2628,32,36,40,43-45,54,57,66,70,85, 127, 137, 171, 208, 216, 228, 234, 237, 251, 253-266, 268, 274f. Vermont 258 Vierwaldstätter See 235 Wallensee 234 Wallis 232 Wandlitz 128 Weiden 181 Werl 193 West Virginia 258 Westfalen 60, 98,100,134,168,190,193 Westönnen 193 Wetterau 198 Wetzlar 168

309

Wien 78, 140, 229£, 232 Wiesbaden 60, 78£, 100, 159, 162, 184, 228 Wisconsin 258,264 Wittenberg 154 Württemberg 97£, 158,186, 212 Würzburg 100

Zittau 165 Zug 232, 235f, 238 Zürich 232, 235f, 238 Zürichsee 235 Zweibrücken 168

3. Sachregister Adel 18,31f, 48,109,113£, 177,221,251, 270, 272 Alkohol 14, 72, 74, 107, 129, 133, 137, 148, 156, 173, 259 Allgemeiner Bäderverband 91 Allgemeines Landrecht für die preußischen Staaten (1794) 211 Anti-Automobile Club 259 Anti-Lärmverein 89£ Antisemitismus 130, 151,174,198, 207f. Anzeigen 14,26, 63,76, 87,91,144,150, 157, 159, 174f„ 177f., 188-194, 199, 234, 242 Archivalien 25£ Ärzte 33£, 48, 51, 79, 113,182,201-204, 227, 254, 262 Aufsichtspflicht 111,120-122,156 Auspuffldappe 88f, 91, 188,194 Autobahnen 85, 253 Autodiebstahl 220,264 Autofallen 26,137,159,171£, 175£, 179, 187,191, 247-249, 258 Autokennzeichen 55,72,76,79,117,167, 173£, 190,193,212-215,241,246,257 Automobil Verkehrs- und Übungsstraße (AVUS) 59,80,85 Automobilarbeiter 20, 53£, 219 Automobilgeschichtsschreibung 12, 14, 18, 20, 25, 27, 259f Automobilindustrie 16,18,20,26,31-35, 37£, 40, 51, 53£, 59, 61-63, 71, 78, 82, 89-91, 122, 127, 131, 153, 157, 159, 176£, 184,187,196,200,204,211,214,

310

216.219-222,224£, 227,240,242,245, 251-253, 255, 260, 271, 273 - Adler 34 - Anhaltinische Fahrzeugwerke 138 - Bayerische Motoren-Werke (BMW) 40 - Benz & Cie 29-32 - Daimler-Motoren-Gesellschaft (DMG) 29,31£, 34,39, 53,122 - Dixi 40 - Dürkopp 40 - Fafnir 40 - Ford Motor Company 261£, 264, 268 - Neue (Nationale) Automobil-Gesellschaft (NAG) 37, 54,156 - Opel 40,128,136, 268 Automobilinteressenten 13, 16, 19, 24f, 30, 34-36, 50, 60£, 74, 76£, 79f, 85, 124,143,150,159,181£, 184,186,191, 194-196, 200£, 208f, 211, 213, 215f, 218.220-223,226,228,236,239£, 247, 253, 257, 267, 272 Automobilismus 19£, 38,47,51£, 55,60, 75, 77, 81, 119, 127, 134, 144, 151f., 160, 174, 179, 196-198, 200, 203, 205, 208,213,232f., 235,239-241,243,245, 247, 252£, 261, 270, 272f Automobilrennen 17, 25, 32, 34, 36, 39, 41, 77-80, 195, 200, 209, 240f., 247, 249, 254, 258, 263 - Alpenfahrt 36 - Blackpool-Meeting 247 - DMV-Zuverlässigkeitsfahrt 173

- Eilenriedrennen 80 - Gordon-Bennett-Rennen 36, 78f. - Grand Prix 36 - Herkomer-Fahrt 36, 79, 173,197 - Kaiserp reisrennen 36, 79 - Norddeutsche Preisfahrt 80 - Prinz-Heinrich-Fahrt 36, 142 - Prüfungsfahrt für kleine Wagen 80 - Rund um Beizig 80 - Semmeringrennen 229 - Vanderbilt Cup 263 Automobilrentnerei 107, 221 Automobiltourismus 20,43,78,113,115, 121, 171, 174, 181-183, 207, 225, 229, 233-239, 248, 250f, 255f., 258, 261, 269 Automobilunfälle 48, 53, 62-67,69£, 72, 75, 78, 105, 107, 115f., 118, 120-123, 126,129,131,148-151,154,159,163f., 192,196f., 200,218,220,222,230,232, 235,239,241-243,245,248f 251,254, 256, 260, 264, 273 - Unfallopfer 22, 64-66, 68, 78f„ 94, 105, 135, 149, 168, 217, 219, 239, 245, 263 - Unfallrate 15, 62-64, 66f„ 69f„ 74, 126, 239, 256 - Unfallursachen 63,66f„ 143,148,223, 239 - Unfallverhütung 70, 195 - Unfallversicherung 66 Automobilverbote 151, 204, 232, 236f, 239, 258 - Sonntags- und Nachtfahrverbote 40, 180,186-188, 232 Automobilvereine 18f, 22, 25f., 29, 34f., 44,47f, 51,55,60,72,82,91,94,112f, 115,127,130,136,143,150,153,157162, 166, 174, 182, 199, 215, 219f„ 246f., 249f, 264 - AC in Posen 136 - Allgemeiner Deutscher AutomobilClub (ADAC) 22, 24£, 35, 40-42, 48, 50£, 66, 69, 72, 77, 80, 90, 113, 125, 130, 135-137, 160-165, 167, 177, 179, 183, 196f., 216, 222,237

- Allgemeiner Verband Deutscher Automobilfahrer 164 - Autocar League 247 - Automobilclub von Deutschland (AvD) 22,24,40,48-51,126,137,153, 160 - Automobile-Club de France (ACF) 34, 36, 240, 242, 245 - Automobile-Club de Suisse (ACS) 236 - Berliner AC 151 - Deutsche Motor(rad)fahrer-Vereinigung (DMV) 22, 35, 48-51, 79, 159, 173,182f. - Deutscher Automobil-Club (DAC) 35, 37, 78,184, 212 - Frankfurter AC 150,166,172,198 - Hessischer AC 127,159,198 - Kaiserlicher Automobilclub (KAC) 22,24,35,48-51,71,79£, 85,124,127, 136,143,150,161f„ 175,184,186,198, 213, 219, 221 - Kölner A C 136,175,198 - Kraftfahrer-Vereinigung deutscher Ärzte (KvdA) 40 - Leipziger AC 184 - Mitteleuropäischer Motorwagen-Verein (MMV) 23, 34, 40, 48-51, 161f, 185f., 211, 213, 217, 219,224 - Motor Union 247 - Norddeutscher AC 124,176 - Österreichischer AC 231 - Red Devil Automobile Club 256 - Rheinisch-westfälischer AC 157, 159 - Royal Automobile-Club (RAC) 82, 159, 247 - Süddeutscher AC 172 - Wiesbadener AC 159, 162 Autowacht 160,242 Automobilwerbung 50,122f, 132f„ 145147,162,166, 245 Automobilzeitschriften 13,21-28,38,52, 55f., 58,61-63,71f, 74,77-79,82,90f, 94f., 97,105£, 108,111,113,115,119122, 130f„ 135, 137, 141f., 144, 152,

311

155f., 161, 163, 165£, 169-171, 174£, 177,180, 187f, 190f., 193f, 196f., 199, 201,204£, 208,211,228-237,239-243, 245-249, 251£, 256£, 259-262, 264, 269, 272 - ADAC-Motorwelt 23, 158 - ADAC-Sport 23,160, 243 - AllgemeineAutomobil-Zeitung (AAZ) 12, 22, 24, 127, 130, 168, 172£, 189£, 233, 243 - Allgemeine Chauffeur-Zeitung 135 - Automobil-Revue 236,239 - Automobil-Rundschau (AR) 23 - Automobiltechnische Zeitung (ATZ) 23 - Automobilwelt (AW) 23,124,148,174, 186,191, 231 - Berliner Automobil-Zeitung 151 - Der Motorfahrer (MF) 23, 130 - Deutscher Motorradfahrer 22 - Deutscher Rad- und Motorfahrer 22 - Schnauferl, fliegende Blätter für Sporthumor 173 - Stahlrad und Automobil 23 - The Autocar 247 - The Horseless Age 255 - Zeitschrift des Mitteleuropäischen Motorwagen-Vereins (ZMM) 23£ Automobilzulieferer 34, 59,182,219 - Bosch 90 - Bray 131-133 - Calmon 145-147 - Continental 153 - Deutsche Saduyn-Gesellschaft 87 - Metafil 131-133 - Metzeler 145-147 - Schlegel 140 - Siemens 14,87,91,223 - Stepney 145-147 - Thurow 141 - Triplex 122f, 166 - Utermöhle 139f. - Zeiß 142 Beirat für das Kraftfahrwesen 180, 187£, 215£, 273 312

Beleidigung 32,154, 159, 173, 176, 190, 198£ - Beamtenbeleidigung 176,190 Belohnungen 115, 135-137, 161£, 166, 248£ Benzin 39, 43,177,192, 242, 250 Berliner Auto-Schutz-Liga 159, 175 Boykott 115,165,172,174,181-183,197, 234, 236, 248 Bund der Industriellen (Bdl) 206, 219 Bund der Landwirte (BdL) 56, 198 Bund Deutscher Verkehrsvereine 77 Bund Heimatschutz 206£ Bundesrat 87, 158, 175, 195, 212, 218£, 238 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) 217, 220 Bürgertum 31£, 34, 50£, 53, 75, 87,109, 113,177, 180, 204-206, 208, 224, 237, 272, 274f. Bürgerwehr 167-169, 186 Chauffeure 32, 34, 43, 70-74, 80, 113, 117, 135, 144f, 161, 163, 168£, 172, 175,189,195,217-221,229£, 243,250, 252, 258, 263 »Conspicious Consumption« 47, 270 Dampfkessel-Überwachungs-Verein 178, 214 Dawes-Plan 227 Demokratie 17, 80, 209, 233, 238, 269£ Demonstration 36, 165, 247, 275 Denunzianten 188£, 191, 193 Deutsch-Amerikanische Petroleum-Gesellschaft (DAPG) 44 Deutsche Auto-Liga 159£, 176, 193 Deutsche Schulverkehrswacht 62, 161 Deutsche Verkehrswacht 42, 160, 178 Deutscher Bauernbund 56 Deutscher Industrie- und Handelstag 61 Deutscher Juristentag 217£, 222 Deutscher Landwirtschaftsrat 56, 82 Deutscher Metallarbeiter-Verband 54 Deutscher Schäferbund 55 Deutscher Touring-Club (DTC) 40,182

Deutscher Transportarbeiter-Verband 195 Deutscher Verkehrsbund 160 Deutscher Zollverein 181 Deutsches (Kaiserliches) FreiwilligenAutomobilkorps 36f., 125, 169 Deutsches Museum 25, 30, 204 Disziplinierung 62, 70,157,198 Diversifikation 33,36 Dürer-Bund 206 »Eigen-Sinn« 58, 270 Eisenbahn 12,17,29,34,43,60f, 89,130, 168,183,188,215f., 220,237,239,246, 267 Elektroautomobil 86,253f., 275 Emissionen 30, 84,268 - Abgase 86-88, 90, 118, 174, 185, 188, 192, 203f., 212 - Lärm 26, 89-92, 185, 188, 194, 203f., 212, 247 Entente 148f Erster Weltkrieg 16£, 23,26,33£, 36f., 39, 42-44, 53, 55-57, 60, 63, 66f., 73f., 77, 85, 87, 95-97, 100, 105, 107,109, 111, 114, 122, 126, 135, 137, 140£, 143, 151f., 160, 167-170, 177-179, 196f., 200, 203, 208, 214f, 221, 223, 225, 229-231,245,248f, 251,261,266,268, 275 Fahrerflucht 72£, 79,115, 151,192, 213 Fahrrad 12, 17f„ 29, 41, 50f„ 61, 65, 86, 108, 113f„ 116, 129, 134£, 156, 159£, 166, 205, 240, 256, 267, 275 Fahrschulen 34, 59, 70f, 157, 215, 272 - Fachschule für Automobil- und Flugtechnik, Mainz 70£ - Fahr- und Fachschule für Fuhrleute, Frankfurt am Main 157 Farmers Anti-Automobile League 259 Farmers Protective Association 259 Faschismus 206,209, 237, 252,269 Fortschrittsfeindlichkeit 26,56,107,121, 199,205, 209,237, 241, 269 Führerschein 71,73£, 212-215,240,246, 258

- Entzug 73f, 108, 175f, 192, 194, 213, 240 - Prüfung 213,246, 258,272 Fuhrwerke 34, 104, 119, 129, 142, 154, 156-158,175, 180, 183,198, 241 Fußgänger 12, 31, 53, 61-63, 65, 68, 70, 72, 79, 81-83, 87f, 95, 104, 117, 121, 123f, 126, 128, 134, 149, 151f, 157, 160£, 165, 180f, 187, 191, 195, 202£, 215, 230, 232, 239f., 242f, 245, 249, 253, 273f. Futurismus 209,252f. Gemeinden 26,115,120,174,176,180185,188,195,216,226£, 231, 233 Genossenschaft für die Reichsunfallversicherung der Fahrzeug- und Reittierhaltungen 195 Gerichtsverhandlungen 22, 72, 87, 106, 114, 117, 119,129,176,189, 219, 222, 243 Geschwindigkeit 21, 34, 36, 58, 67, 7577, 81£, 107, 123, 128, 138, 145, 148, 151, 171, 175, 182f„ 192f, 202, 204, 212, 216-218, 243,247,253,268,270 Geschwindigkeitsbegrenzung 56, 67, 75f., 82,84,89,115,120,171,174-178, 192, 195, 200, 203, 212-215, 217, 234, 238, 242, 246, 248, 257, 264, 272, 274 Geschwindigkeitsmessung 76, 79, 171, 179 Gesellschaft zur Bekämpfung des Strassenstaubes 82 Gesetz über die Polizei-Verwaltung (1850) 211 Gewalt 14, 21, 55, 102, 104£, 115,149f., 164,167,189, 209, 234,271, 274£ Gewerkschaften 187, 215,260 Großstadtfeindlichkeit 121, 207-209 Habitus 13,17f, 190, 239, 270 Haftpflicht 61, 94, 107, 157, 200, 215, 217-222, 224,232, 237, 243, 272 - Eisenbahnhaftpflicht 195, 217£, 220222

313

- Gefährdungshaftung 217, 219, 221 - Verschuldenshaftung 217, 219, 223 Haftpflichtversicherung 48, 217, 222 Haftungshöchstsummen 220£ Heinrich-Hertz-Institut 91 Herrenfahrer 13, 33, 35, 55, 67, 71f„ 75, 77,155,160,202, 269 Hessischer Bauernbund 198 Ideologie 26, 206, 208, 267 Industrialisierung 11, 28f., 88f„ 206, 267, 271 Infrastruktur 16, 84, 250, 263f Innovation 11,17, 20, 29f, 34, 207 Institutionalisierung 16, 19, 159, 242, 257, 259f, 271 Intellektuelle 80, 90,196, 204, 248 Interessenartikulation 13, 17, 27, 247, 268, 271, 273 Internalisierung 17,57,62,108,158,202, 206, 239,267, 273 Jugendliche 62,108,110f„ 117-121,126128,143,161,164,166,207,230£, 233, 251, 254, 260, 263, 265 Kaiserzeit 19, 22f, 35, 85, 94, 98f., 104f, 107,111,119,124f., 127,135,152,161, 163,166, 206, 228, 272 Kartell der deutschen Automobil-Clubs 35, 48-51,136, 150, 159 Katalysator 203 Kinder 65, 79, 84, 108, 110f„ 114, 117, 119-123,125-127,143,161,230-233, 235, 245, 253, 256, 263, 265 Klassen 47, 53,224 Klassengegensätze 26, 47, 51-53, 59, 94, 107, 110, 130, 164, 177, 198f., 207f, 221,224-226,232,249,255,260,267f, 271, 273f. Kleinwagen 23,33,40,203 Kollektivität 14, HOf.,271 Konflikt 14-16, 26, 28f, 35, 59f, 83, 93, 107, 110, 121, 155£, 161f., 164, 167, 170, 211, 220, 223, 226f., 230f., 239, 241, 246, 249, 270-273

314

Konfliktregulierung 16, 27, 211, 223, 226, 239, 272 Konjunktur 21, 94, 225 Konservative Revolution 209 Konsum 17,47,270 Kontrollfahrten 113,158f, 260 Körperverletzung 63, 74, 103, 105, 117, 121f., 136,152, 154, 220, 222 Kosten 33, 44, 48, 63, 74, 79, 83, 85, 87, 108, 172, 183, 203, 208, 211, 223, 225, 228, 240, 273 Kraftfahrzeuggesetzgebung 16, 19, 26, 91, 94, 137, 195, 212, 215-217, 220, 222, 227f„ 231, 237£, 245, 258, 272 - Erstes Internationales Abkommen über den Verkehr mit Kraftfahrzeugen (1910) 214, 232f, 238 - Federal Road Act 264 - Gesetz über den Verkehr mit Kraftfahrzeugen (1909) 74, 151, 175, 213, 220-223, 227 - Grundzüge über den Verkehr mit Kraftfahrzeugen (1906) 212f - Kraftfahrzeugsteuergesetz (1922) 226 - Light Motor Act (1896) 246 - Locomotive on Highway Act (1831) 246, 258 - Motor Car Act (1904) 246 - Motor Car Bill (1903) 246 - Verordnung des Bundesrates über den Verkehr mit Kraftfahrzeugen (1910) 185,195, 213f. - Verordnung über den Kraftfahrzeugverkehr (1930) 216 - Verordnung über Kraftfahrzeugverkehr (1925) 216f Kraftfahrzeugproduktion 32, 53 Kraftfahrzeugstatistik 26, 63, 65f, 200, 213, 218f„ 221 Kraftfahrzeugsteuer 11,26,42,59,61, 83, 85, 94, 128, 182, 201, 217, 223-228, 232, 238-240, 245f, 248, 273 Kulturpessimismus 121, 204, 206-209, 270, 273 Kunstwart 89,207 Kutscher 13, 58, 60, 71, 104, 107£, 129,

154-158,160,183,186,198f., 215,233, 236, 240£, 246-248 Landbevölkerung 13, 15, 20, 55£, 82, 96, lOOf., 108, 113, 119, 134-136, 148, 155f., 158, 169f„ 175, 182£, 196-199, 203, 205, 208, 216, 221, 231, 233-237, 239, 248, 250f., 255-263, 265, 269f., 272 Landesanstalt für Wasser-, Boden- und Lufthygiene, Preußen 86, 88 Landeskulturrat Sachsen 82 Landstraßen 43,55,66£, 81,84,101,143, 152,155£, 167,183,195,203,211,214, 217, 238, 249,253, 256, 261, 264 Lastkraftwagen 30,37-39,43,45,60f., 64, 66, 79, 81, 84, 86, 90, 218, 220, 224, 226f., 239,262, 273, 275 Lebensstil 17f„ 27, 47, 270 Leitbild 27,36,216, 250,254 Liga der Anti-Automobilisten 242 Liga gegen den Missbrauch von Automobilen 242 Ligue contre la poussiere 82 Luxus 18f, 21,31, 44, 74, 183, 187, 192, 201, 205, 207, 215, 223-226, 241, 260, 263, 267, 273f. Lynchjustiz 63,122,151f., 233, 243, 260 Manifestationsbedingungen 15, 26, 47 Massenmotorisierung 11,13,16-21, 2529,33,36-38,40,44,48,57-59,63,93, 105f, 108, 121, 195, 202, 204, 206, 210£, 216, 222, 236£, 245, 249, 252254, 261, 264, 266-269, 271, 273-275 Mentalität 13,15,156, 206 Milieu 15, 57,109,121,155 Militär 36,38,149,214,241 Minister für Volkswohlfahrt, Preußen 88, 213 Ministerialerlasse 77, 114,124-126, 144, 158,176,178f„ 184-186,211,213,231, 238 Mittelstand 48, 51,109,113,225 Mobilität 12, 17, 29, 31, 35, 41, 50, 61, 156, 257, 266, 272£

Modernisierung 12,57,84,106,127,209, 269 Motor-GmbH München 25, 30 Motorisierungsgrad 15, 17, 24, 26, 33, 42- 45, 47, 63, 67, 83,97,99,101,157, 182, 236, 239, 261, 268f, 273 Motorphobia 15, 28, 59,201, 255f, 258 Motorrad 22, 34£, 40, 63, 66, 72, 88, 91, 105,113,142,167,215,222,226£, 229, 273 Nassauischer Bauernverein 79 National Safety Council 265 National Safety First Association 249 Nationalsozialismus 21,35,209,228,269 Naturfreunde 80,208 Nervosität 21, 52, 58, 77, 188,190, 202204, 254, 267 Neurasthenie 90, 190, 202, 267 Noise Abatement Committee London 90 Notopfer für Rhein und Ruhr (1923) 226 Novemberrevolution 54, 94, 166,226 Oberste Heeresleitung (OHL) 38 Öffentlicher Personennahverkehr (ÖPNV) 31, 41, 58, 60, 203, 265,271, 273, 275 Ökologie 17, 206£, 268 Organisierter Kapitalismus 16 Ortspolizeibefugnis 194£, 216 Österreichische Gesellschaft gegen die Staub- und Rauchplage 82 Parlamentarier 52,86,113,130,173,197, 198-201, 218-220, 224 Parteien 118, 121f„ 157, 201, 217, 258, 260, 273 - Freisinnige Volkspartei 201 - Kommunistische Partei Deutschlands (KPD) 53,100,108£, 164,201 - Konservative 183, 200f„ 218, 221, 246 - Nationalliberale 56, 200f„ 218, 221, 225 - Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD) 52, 71, 75,173, 183, 187, 192, 201, 218f., 221, 224-226

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- Zentrum 200f. Petitionen 14, 55£, 76, 137, 188, 194f., 219, 225, 247 Pferde 31£, 37,43,57-60,65,67,75£, 81, 154f., 157-159,175,180-182,185,211, 230, 240,248-251, 254£, 257, 260 Pferdeinteressenten 16,60,205,233,246, 257 Polizei 62f., 66, 78f, 91, 113f., 116, 118, 120, 122, 124f, 128f, 134, 137£, 144, 149f, 152, 154, 157-161, 163, 166£, 169, 171-179, 184, 186, 188-192, 198, 211£, 217, 231, 233f., 238, 240-243, 247-249, 251, 260, 264, 270 Polizeiinstitut für Verkehr und Technik 127, 216 Polizeistrafen 60, 72f., 75-78, 88f„ 114f, 118,120,122,136£, 158,160,171-179, 190,194, 212, 246-249, 253, 264, 272 Polizeiverordnungen 17, 26, 39, 62, 74, 77-79, 143, 157-160, 174, 178f, 185, 200, 211-215, 241,272 - Polizei-Verordnung über den Verkehr mit Kraftfahrzeugen in Berlin (1901) 21 lf., 214 - Polizeiverordnung über die Regelung des Verkehrs (1929) 215 - Berliner Straßen-Polizeiverordnung (1917) 215 Popularisierung 36, 41, 240, 250£, 266 Proletariat 20, 34, 40, 47, 52, 54, 65, 71, 111,129,148,154,162,187, 260 Protest, Sozialer 11-16, 19, 21, 27, 51f, 58f„ 63,93,98,102,105,115,142,157, 170, 174f„ 193, 205, 219£, 229, 232f„ 239, 243, 247, 250, 253, 256f„ 259f, 267, 269, 271-273, 275 Protestformen 14f., 26, 54, 102f„ 134, 163, 271,275 - Anhängen 122,215 - Bedrohung 21,102,104 - Behinderung 74, 104, 157, 159, 183, 215, 249, 275 - Beschuss 26, 104£, 165-170, 198f., 230,233, 236,248, 251, 258 - Bespritzen 53,102,104,124,233,235 316

- Blockade 26, 102-105, 112-116, 128, 130£, 134£, 154, 162, 165, 167£, 180, 200, 230£, 233£, 236£, 242, 248, 251, 259£, 271, 275 - Drahtseilattentat 94, 96, 102£, 105, 110, 114£, 119, 128-134, 137£, 141, 230, 235, 251, 259,271 - Nägelstreuen 78, 103, 130, 142-144, 230, 242£, 251, 256, 259 - Peitschenhiebe 26,104,154-156, 215, 259, 271 - Sachbeschädigungen 16,26,63,82,84, 102-105,120,122,126,140,149,161164, 220, 222, 230, 233, 248£, 274 - Scherbenlegen 103, 130, 142-144, 166, 230, 248, 256, 259 - Schilderzerstörung 104, 161-163, 214f. - Steinwürfe 14,22,26,31,78,102,104, 110-115, 117-127, 131, 157, 183, 186, 215, 220, 229, 231-233, 235, 243, 245, 248£, 251, 253, 256, 258£, 269, 271 - Tätlicher Angriff 26,72,104,122,124, 145, 149£, 155, 189, 211, 230, 233£, 251, 258, 260 Protestforschung 13,15 Protestgeschädigte 14, 108, 112£, 121, 130,167, 274 Protestintensität 93-99,259 Protestmotive 106£, 129, 137, 163-165, 191£, 200, 274 Protestorte 100-102 Protestpotentiale 26, 57, 250, 263, 268 Protestsample 21-23, 26, 93-116, 119, 130,141£, 150,155,161,166,168,229, 248, 259 Protestträger 51,108,110£, 115,118,129, 131,134,136,143,162,166,230,235f, 239 Rationalisierung 40, 43£, 53£, 264, 273 Rechtsfahrgebot 104,120,158,160,198£ Reformbewegungen 206£ - Jugendbewegung 121, 207 - Heimat- und Naturschutz 121, 206, 208

Reichsamt des Innern 72,76, 85,89,176, 218 Reichsamt für das Luft- und Kraftfahrwesen 40, 86,126 Reichsausschuss für das Kraftfahrwesen 216 Reichsausschuss für Sicherheit im Straßenverkehr 70 Reichsfinanzministerium 167 Reichsgewerbeordnung (1869) 211 Reichsjustizamt 218 Reichsjustizministerium 74, 172 Reichslandbund 57, 86, 208 Reichsstädtebund 25 Reichsstempelgesetz (1905) 223-225 Reichstag 27,37,55,75,79,85,123,195, 198, 200f., 218f„ 221, 225f., 228, 272 Reichsverband der Automobilindustrie (RdA) 227 Reichsverband der Berufskraftfahrer 71 Reichsverband der Sachverständigen des Kraftfahrwesens 160 Reichsvereinigung deutscher Pferdeinteressenten 59 Reichsverkehrsministerium 25, 71, 74, 86-88, 92,126f., 160f., 216 Repräsentativität 22, 51, 98, 113 Rezession 33, 94, 214, 225, 251 Road Fellowship League 249 Rollschuhfahrer 120 Rot-Front-Kämpfer 107f. Sammelstelle für Nachrichten über Führer von Kraftfahrzeugen 73f., 213 Schutzkartell der Pneufahrer 159 Schutzverband gegen Automobilraserei 151 Schutzverband gegen die Übergriffe der Antiautomobilbewegung 236 Schutzvorrichtungen 135, 138, 140f., 145, 251 - Anti-Pannen-Mittel 145 - Nagelfänger 144 - Sicherheitsglas 122f., 166 Schwarzfahrten 71,222

Societe Protectrice contre les exces de l'automobilisme 242 Society for Suppression of Unnecessary Noice New York 90 Sozialdarwinismus 55, 208 Spielplätze 84,121 Städtetag 25, 84,188, 227 Stadt-Land-Gegensätze 56f., 110, 170, 205,208f„ 249, 270 Statussymbol 11,31,34 Staubplage 26, 72, 81-84, 86, 107, 124, 182, 185, 187, 239, 250,254 Stoppuhren 178,192 Straßenbau 84-86, 185f., 207, 225, 227, 246, 264, 273,275 Straßenbenutzungsgebühren 85, 180f., 183 - Chausseegeld 83, 85, 180£, 183, 223, 225, 237 - Pflasterzoll 83, 180-183,225 Straßenraub 137, 153 Straßensperrung 78-80, 120, 180, 184f„ 187, 200, 216, 232£, 235,238f., 275 Straßenteerung 81, 83, 86, 107, 186 Streik 54, 59, 165 Tachometer 76, 175, 195 Tages- und Lokalpresse 22,24,52,55,62, 75f., 89,125,129£, 141,151,159f., 172, 185, 188, 196f., 201, 231f., 234, 241, 245,252f„ 255, 272 - Bayerisches Vaterland 55 - Berliner Actionair 76 - Berliner Tageblatt 197 - B Z am Mittag 191 - Deutsche Tageszeitung 56 - Dresdner Nachrichten 125 - Flensburger Zeitspiegel 197 - Frankfurter Zeitung 173 - Karlsbader Tageblatt 230 - Kölner Zeitung 134 - Münchner Neueste Nachrichten 197 - New York Herald 172,255 - Rote Fahne 53 - Schweizerische Bauernzeitung 233 - Staatsbürger-Zeitung 197

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- The Economist 247 - Vorwärts 130 - Wittenberger Tageblatt 154 »thick description« 13f., 26 Transportgefährdung 60,62,79,121,126, 136,150,177f., 186f, 237 - Automobil 136f„ 201, 239, 258 - Eisenbahn 60,136f. Urbanisierung 206, 209, 263 Verband Deutscher Nutz-AutomobilBesitzer 39 Verband der Lohnfuhrunternehmer 194f. Verband der Vereinigten Bauernvereine Deutschlands 56 Verein deutscher Ingenieure (Vdl) 92 Verein deutscher Motorfahrzeug-Industrieller (VdMI) 156f., 219, 226 Verein gegen die Ausschreitungen der Automobile 193 Vergleich 18, 21, 27, 41, 48, 65-67, 95, 114, 224, 229,243, 246, 267, 269, 274 Verkehrserziehung 62, 70, 110, 126f., 239, 263, 273 Verkehrsschilder 104, 161-163, 214f.

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Verkehrsstau 264 Volksspeisungen 227£ Waffen 38, 60, 117, 135, 152f., 155, 166, 172,198, 236, 241-243 Wandervogel 121,207 Warnungszeichen 59, 89f. 92, 148, 161163,174, 194, 212, 214 Wegeunterhaltungspflichtige 61,83,178, 183,185, 215, 223, 225, 227, 239, 259 Weimarer Republik 16, 19, 22f, 25£, 28, 39, 44, 48, 51, 54, 57, 59f., 80, 83f„ 88, 93f., 99,102,104£, 107,110f., 113,115, 119,124,127,138,140,144,151,161164, 166, 178, 181, 186, 192, 195, 197, 199, 201, 209, 217, 223, 228f., 245, 262f, 265, 268, 270, 273 Weltwirtschaftskrise 21, 85, 94 Zentralstelle für Radfahrwege 86 Zentralstelle zur Abwehr des Strassenstaubes 82 Zentralstelle zur Abwehr von Belästigungen durch Lärm und Geräusch 89 Zeugengelder 192f„ 234, 238 Züchtigungsrecht 121f. Zwangsgenossenschaft 195, 217f, 220