Militärischer Widerstand von außen: Österreicher in US-Armee und Kriegsgeheimdienst im Zweiten Weltkrieg 9783205203438, 9783205200864


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Militärischer Widerstand von außen: Österreicher in US-Armee und Kriegsgeheimdienst im Zweiten Weltkrieg
 9783205203438, 9783205200864

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Florian Traussnig

Militärischer Widerstand von außen Österreicher in US-Armee und Kriegsgeheimdienst im Zweiten Weltkrieg

2016 BÖHLAU VER LAG W IEN KÖLN WEIM AR

Gedruckt mit der Unterstützung durch: Zukunftsfonds der Republik Österreich Amt der Kärntner Landesregierung Amt der Steiermärkischen Landesregierung MA 7, Kulturabteilung der Stadt Wien

© 2016 by Böhlau Verlag Ges.m.b.H & Co. KG, Wien Köln Weimar Wiesingerstraße 1, A-1010 Wien, www.boehlau-verlag.com Umschlagabbildung  : Peter Nassau (l.) mit Kameraden vor der »Paradise Lodge« am Mount Rainier, 1942. The Denver Public Library, 10th Mountain Division Resource Center Collection, TMD 257, Henry C. »Hank« Chase Papers. Alle Rechte vorbehalten. Dieses Werk ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist unzulässig. Lektorat  : Rainer Landvogt, Hanau Umschlaggestaltung  : Michael Haderer, Wien Satz  : Michael Rauscher, Wien Druck und Bindung  : Dimograf, Bielsko Biala Gedruckt auf chlor- und säurefrei gebleichtem Papier Printed in the EU ISBN 978-3-205-20086-4

Inhalt

Danksagung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .   7 Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .   9 1 Die US-Armee  : Anlehnungsinstanz für exilösterreichische Antifaschisten und »Amerikanisierungsmaschine« in einem.. . . . . . . .  26 1.1 »I don’t want to fight for Otto – I want to fight for America« – Das Austrian Battalion der US-Armee und seine österreichischen Soldaten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .   36 1.1.1 Nur eine »Wiener Operette«  ? – Ottos Bataillon. . . . . . . . . . . .  37 1.1.2 Die persönliche Meinung österreichischer Bataillonsangehöriger zur »Habsburg-Legion« . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  51 1.1.3 »The Jewish G.I.’s who came alone« – Zwei Kriegsbiografien von jungen Wiener Exilanten im Austrian Battalion. . . . . . . . . . . .  73 1.1.4 Resümee. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  90

1.2 »Ritchie Boys«, Nachrichtenoffiziere und Verhörspezialisten – Österreicher bei der Military Intelligence der US-Armee . . . . . . . .   93 1.2.1 Camp Ritchie, Maryland – Tummelplatz der exileuropäischen Intelligenz und Ausbildungsstätte für nachrichtendienstliche Schlüsselkräfte.. . . . . . . . . . . . . . . 1.2.2 Karl Frucht – Literat, Pazifist, Fluchthelfer und US-Verhöroffizier.. 1.2.3 Julius Wolf – Vom Vichy-Arbeitslager in Nordafrika über Camp Ritchie zu Pattons Panzerarmee . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.2.4 Alfred Diamant – Fallschirmspringer und Verhöroffizier »[who] never saw a German soldier to interrogate« . . . . . . . . . . . . . 1.2.5 Bert L. Werner – Gefragter Seniorsoldat und Propagandaanalyst . . 1.2.6 Resümee. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

.  95 . 107 . 126 . 130 . 137 . 147

1.3 »Right on the job I am best suited for« – Österreicher in der 10. US-Gebirgsdivision .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 151 1.3.1 Die Genese der US-Gebirgsdivision und die Rekrutierung von österreichischen »Mountain Fighters«. . . . . . . . . . . . . . . . 1.3.2 Transfer und Adaption eines Mythos  : Österreichischer Alpinismus trifft auf amerikanische Pioniermentalität und Militaria-Tradition . 1.3.3 »He who holds the ridges is master of all below« – Spektakulärer Kriegseinsatz in den Bergen Norditaliens . . . . . . . . . . . . . . 1.3.4 Resümee. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

. 154 . 165 . 184 . 202

6  |

Inhalt

2 Das Office of Strategic Services  : Subversiver und unorthodoxer Inkubator für exilösterreichische Widerstandskämpfer . . . . . . . . . . 2.1 In Österreich gegen Dollfuß, im US-Exil gegen Hitler – Rudolf Anzböck und die OSS Labor Section . . . . . . . . . . . . . . 2.1.1 Flucht ins amerikanische Exil und Militärdienst in der US-Armee.. 2.1.2 Ausbildung zum Agenten einer »linken« OSS-Abteilung.. . . . . .

. 207 . 217 . 222 . 227

2.1.3 »… the best agent is the man who works because of personal conviction« – Zur Entstehung der Labor Section des OSS . . . . . . . 230 2.1.4 Analyst und Instruktor für OSS-Fallschirmmissionen im Deutschen Reich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 248 2.1.5 Resümee. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 261

2.2 Ein »Feind jeder Uniform« in amerikanischer »Feinduniform« – Die außergewöhnliche Widerstandsbiografie des Oliver SchneditzRockhill . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 264 2.2.1 Im französischen Exil . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 268 2.2.2 »Ce lieu hostile au nom parfumé …« – Legionsdienst und Zwangsarbeit in Nordafrika . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2.3 »Multiagent« des OSS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2.4 Ein bemerkenswerter Rollentausch am Ende des Krieges . . . . 2.2.5 Fallstudie  : »He took on daring assignments« – Edgar Ulsamer, Deserter Volunteer und OSS-Penetrationsagent . . . . . . . . . . 2.2.6 Deserteure im Exilwiderstand – Einordnung und gedächtnispolitische Aspekte . . . . . . . . . . . . . . . . . .

. . . 271 . . . 279 . . . 297 . . . 300 . . . 312

Schlusswort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 321 Quellen und Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Primärquellen in Archiven, Bibliotheken und privaten Sammlungen.. Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zeitungen und nichtwissenschaftliche Periodika. . . . . . . . . . . . . Internetquellen.. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

. . . . .

. . . . .

329 329 330 343 344

Abkürzungsverzeichnis. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 347 Abbildungsnachweis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 350 Personenregister.. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 353

Danksagung

Für die kompetente Projektleitung während meiner Arbeiten an diesem Buch sowie die Bereitstellung und Überlassung von zahlreichen Archivmaterialien bedanke ich mich ganz besonders bei meinem Mentor Siegfried Beer. Für die Übermittlung bzw. Bereitstellung von Akten sei Duncan Bare, Friedrich Forsthuber, der Familie Mayrhofer-Grüenbühl/Schneditz, Hans Schafranek und Alexander Verdnik herzlich gedankt. Für fachliche Unterstützung, hilfreiche Informationen oder konstruktive, inhaltliche Anregungen danke ich neben dem bereits erwähnten Siegfried Beer vor allem Manfred Bauer, Peter Eppel (†), Dennis Hagen, Robert Lackner, der Familie Mayrhofer-Grüenbühl/Schneditz, Peter Pirker, Wilhelm Wadl und allen anderen, die hier zwar keine Erwähnung gefunden, zur Gestalt dieses Bands aber in irgendeiner Form beigetragen haben. Dem Botstiber Institute for Austrian-­American Studies (BIAAS), das diese Studie finanziert hat, bin ich besonders verbunden. Für Druckkostenzuschüsse danke ich dem Land Steiermark, dem Land Kärnten, der Stadt Wien und dem Österreichischen Zukunftsfonds. Graz, im September 2015

Einleitung

There is no real alternative between resisting Hitler and surrendering to him. George Orwell (1940)1 I think that every American citizen of Austrian origin is as anxious to see Austria liberated and reborn as I am myself. Harry Freud, Soldat der amerikanischen Armee in Camp Ritchie, Maryland (1943) 2 Vielleicht sind es doch keine Utopisten, die da glauben, dass die jüngsten Amerikaner, die noch vor kurzem aus Europa Eingewanderten, eine besondere Mission in diesem Krieg […] erfüllen werden  : Nicht nur die Verteidigung ihrer neuen Heimat, der U.S.A., nicht nur die Zerstörung des Hitlerregimes, sondern auch die Befreiung ihrer alten Heimat aus den Fesseln jahrhundertealter Vorurteile. Ich glaube, sie sind ideal gerüstet, Mittler zwischen Amerika und Europa zu sein. Der aus Österreich in die USA emigrierte Journalist Leo Lania über den Kriegsdienst seines Sohnes in der US Army (1943)3 Das ist kein Ruhmesblatt in der Geschichte dieser neu gegründeten Republik. Michael Cullin, Diplomat, über die Anfeindungen, die der österreichstämmige US-Soldat Ernst Winter nach 1945 in seiner vom Nationalsozialismus befreiten Heimat erfuhr, weil er die »Uniform des Feindes« getragen hatte4 Österreich und der Widerstand gegen den Nationalsozialismus

Obwohl der österreichische Widerstand gegen den Nationalsozialismus innerhalb der nationalen Zeitgeschichtsforschung ein mittlerweile stark beackertes Feld darstellt, wurden die handelnden Subjekte in diesem historischen Feld, also 1

George Orwell, »My Country Right or Left«, in  : Sonia Orwell/Ian Angus (Hgg.), The Collected Essays, Journalism and Letters of George Orwell. Vol. 1 – An Age like This 1920–1940. London  : 1968, 535–540, hier 539. 2 Harry Freud, zitiert in  : Peter Eppel (Hg.), Österreicher im Exil. USA 1938–1945. Eine Dokumentation. Bd. 2. Wien  : 1995, 57. 3 Leo Lania, »Mein Sohn ist in der U.S. Armee«, in  : Der Aufbau, 18.6.1943, 4  ; vgl. Walter Laqueur, Generation Exodus. The Fate of Young Jewish Refugees from Nazi Germany. Hannover und London  : 2001, 150 f. 4 »1945 als erster US-Soldat in Österreich«, in  : http://sbgv1.orf.at/magazin/leben/stories/275864/ index.html (letzter Zugriff  : 18.1.2012).

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Einleitung

die Widerstandskämpfer selbst, vom offiziellen Österreich und seinen Bürgern lange Zeit kaum beachtet oder gewürdigt. Ernst Hanisch ist bei seiner nüchternen Einschätzung, dass »der Widerstand […] in Österreich keinen Mythos gezeugt, nicht die Phantasie der Menschen bewegt, kaum Spuren in der politischen Kultur hinterlassen« hat,5 voll zuzustimmen. Dabei gab es durchaus nennenswerte Formen eines österreichischen Widerstands, der von innen wie von außen kam. Die im Folgenden wiedergegebene, schon seit Jahrzehnten bekannte und 2008 von einer Journalistin wieder aufgegriffene Episode aus dem Leben des NS-Gegners, Exilösterreichers und US-Soldaten Ernst Florian Winter hätte sich zur Schaffung und Bekräftigung eines Widerstandsmythos für die neu gegründete Repbublik regelrecht angeboten  : Genau zu »Floriani«, am 4. Mai, wollte Ernst Florian Winter seine Heimat befreien. Fast wäre es dem Altösterreicher, der an seinem 18. Geburtstag der US-Armee beigetreten war, nicht gelungen, den Termin pünktlich einzuhalten. Im April war seine 84. US Infanterie Division »Black Hawk«,6 die zuvor an der Invasion der Normandie beteiligt gewesen war, erst bis Dachau vorgerückt. Doch der Kommandant hatte Einsehen, stattete ihn mit einer Karte des Innviertels aus und wies ihn an, mit einem Voraustrupp in einem markanten Vierkanthof die Unterkunft vorzubereiten. So war es dann doch exakt der 4. Mai 1945, als Winter nach sieben Jahren im Exil wieder österreichischen Boden betrat und als erster US-Soldat bei Burghausen mit dem Fahrrad nach Österreich »einmarschierte«.7

Ein junger, offensichtlich antifaschistischer Österreicher, der sich nach der Flucht vor dem Nationalsozialismus dazu bereit erklärt hatte, seine Heimat unter Lebensgefahr von einem verbrecherischen und mörderischen Regime zu befreien und aus dem Exil heraus einen persönlichen Beitrag zur Wiederherstellung Öster­reichs als demokratischer Staat zu leisten – es fällt schwer, einen geeigneteren Träger für einen nationalen Mythos zu finden. Doch anstatt der patriotischen Mythisierung des (Exil-)Widerstandskampfes gegen den Nationalsozialismus erfolgte in Österreich dessen Tabuisierung, ja sogar dessen Dämonisierung  : Sieht man vom kurzen Intermezzo des 1946 herausgegebenen Rot-Weiß-Rot-Buchs der österreichischen Bundesregierung, in dem der österreichische Widerstand im 5

Ernst Hanisch, Der lange Schatten des Staates. Österreichische Gesellschaftsgeschichte im 20. Jahrhundert. Wien  : 1994, 389 f. 6 Bei der angesprochenen »Black Hawk«-Division handelte es sich nicht, wie von der Autorin irrtümlich angegeben, um die 84., sondern um die 86. US-Infanteriedivision. 7 Caroline Kleibel, »Der Befreier auf dem Fahrrad«, in  : Salzburger Nachrichten, Thema, XII, 3.5.2008.



Einleitung 

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Sinne der Moskauer Deklaration aus außenpolitischen Motiven besonders hervorgehoben worden war, einmal ab, dann zeigt sich, dass die Widerstandskämpfer im Österreich der Nachkriegszeit großteils ignoriert und missgünstig beäugt wurden. Nicht selten wurden jene, die – wie Ernst Winter – gegen das NS-Regime gekämpft hatten, offen diffamiert und als »Verräter« angefeindet.8 Neben ehemaligen Wehrmachtssoldaten teilten auch weite Kreise der Gesamtbevölkerung diese Haltung. Das Diktum von Alfons Stillfried, der als Wehrmachtsoffizier selbst konspirativ gegen den Nationalsozialismus tätig gewesen war, dass »Widerständler oder Freiheitskämpfer unbequem, unbeliebt und unerwünscht, und zwar bei allen«, gewesen seien,9 verweist auf eine schwere historische Hypothek, die mit der Gründung der Zweiten Republik einherging. Im politischen Diskurs sowie den zentralen Identitätskonzepten und Dispositiven Österreichs nach 1945 war Widerstand als geistige Haltung und historische Tatsache de facto nicht präsent. In einem Land, das eine von Metternich über Franz Joseph, Dollfuß und Hitler bis zu den modernen Rechtsparteien reichende autoritäre und antidemokratische Traditionslinie besitzt, schien es vielen Menschen lange Zeit leichter gefallen zu sein, Widerstandskämpfer und Deserteure als notorische Regelbrecher und Befehlsverweigerer statt als kämpferische Demokraten und couragierte Individuen mit einem hohen Maß an Gerechtigkeitsbewusstsein zu bezeichnen.10 Oft wurden die Aktivitäten und Verdienste des Widerstands nicht nur relativiert, sondern in Hinblick auf die NS-Verbrechen einfach »wegerzählt«. Der Philosoph Oliver Marchart veranschaulicht dieses Phänomen in einem Beitrag zum historisch-politischen Gedächtnis der Zweiten Republik mit kulturwissenschaftlicher Terminologie  : »Was […] manchmal ›Tabuisierung‹ genannt wird«, so Marchart, »ist Funktionsmoment jedes politischen Diskurses, der seine hegemoniale Stellung nur über die zeitweise Relegierung anderer Diskurse in die Undenkbarkeit anderer Objekte erringen kann. […] In Bezug auf die Vergangenheit des Nationalsozialismus und seiner Verbrechen ist die nahezu archetypische Konstruktion des Undenkbaren die bekannte ›Verdrängung‹«.11   8 Auch in Deutschland hatte nach 1945 der Umgang mit den Exilwiderstandskämpfern »von außen« ähnliche Züge. Siehe hierzu Peter Steinbach, »Der Kampf gegen den Nationalsozialismus – von außen. Emigranten, Flüchtlinge, Kriegsgefangene, Fallschirmagenten als Regimegegner«, in  : Hans Schafranek/Johannes Tuchel (Hgg.), Krieg im Äther. Widerstand und Spionage im Zweiten Weltkrieg. Wien  : 2004, 16–32, hier 17.   9 Alfons Stillfried, zitiert bei Siegfried Beer, »ÖsterreicherInnen in den westlichen Armeen und Geheimdiensten«, in  : Stefan Karner/Karl Duffek (Hgg.), Widerstand in Österreich 1938–1945. Graz und Wien  : 2007, 187–200, hier 187. 10 Vgl. Hanisch, Schatten, 390. 11 Oliver Marchart, »Das historisch-politische Gedächtnis. Für eine politische Theorie kollektiver

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Einleitung

Die mit faschistischer Gewalt und deren direkten Folgewirkungen aufgewachsene Kriegs- und Nachkriegsgeneration hatte anstelle eines tragfähigen Widerstandsmythos noch den Mythos von Österreich als »erstem Opfer des Nationalsozialismus« oder gar den NS-Revisionismus aufgegriffen und tradiert. Diese Narrative besaßen zwar eine sinnstiftende und exkulpierende Funktion (vor allem für ehemalige Nationalsozialisten), für die politische Kultur der jungen Republik jedoch waren sie verheerend. Viele Vertreter dieser Generation sahen in der Widerstandskämpferin und dem Widerstandskämpfer entweder einen Störfaktor, der an das eigene NS-Mitläufertum erinnerte, oder gar einen ideologischen Feind und feigen, treulosen »Banditen«. Doch hat der dem Widerstand feindlich gesinnte gesellschaftliche Pol, bestehend vor allem aus ehemaligen NS-Parteigängern, Mitläufern und passiv Gebliebenen sowie deren geistigen Nachfolgern, mittlerweile die Vorherrschaft in der Widerstandsdebatte12 eingebüßt. Während bis zur Zäsur der sogenannten Waldheim-Affäre im Jahr 1986 neben den negativen Interpretationen des Widerstandskampfes für einen positiven und gesellschaftlich tragfähigen Widerstandsmythos schlicht kein Platz war, scheint die nunmehr zur Gänze in einem demokratischen Staatswesen sozialisierte Generation einen anderen Zugang zu diesem Thema zu haben. Die Verdrängung der Errungenschaften und historischen Verdienste der Widerstandskämpfer und Deserteure ins Undenkbare bzw. deren negative Umdeutung, zum Beispiel durch »treue Wehrmachtssoldaten« und deren Nachfolger, die Kameradschaftsbünde, funktionieren im veränderten gesellschaftspolitischen Kontext des 21. Jahrhunderts nicht mehr. In den beiden vergangenen Jahrzehnten, die, nicht zuletzt aufgrund des biologisch bedingten Ausscheidens der letzten Zeitzeugen und kämpfenden »Kameraden« aus der Gesellschaft, unter dem Vorzeichen einer vorsichtigen Entideologisierung standen, ist der oft verzweifelte und militärisch, nicht aber moralisch unbedeutende Kampf 13 von Österreicherinnen und Erinnerung«, in  : Christian Gerbel/Manfred Lechner/Dagmar C. G. Lorenz/Oliver Marchart/ Vrääth Öhner/Ines Steiner/Andrea Strutz/Heidemarie Uhl (Hgg.), Transformationen gesellschaftlicher Erinnerung. Studien zur »Gedächtnisgeschichte« der Zweiten Republik. (= Reihe kultur.wissenschaften, Bd. 9). Wien  : 2005, 21–49, hier 29. 12 Der Terminus Widerstandsdebatte ist irreführend, da eine solche jahrzehntelang in Österreich nie richtig stattgefunden hat. 13 Radomír Luža, selbst antifaschistischer Widerstandskämpfer in der Tschechoslowakei  : »Dem nationalsozialistischen Regime verursachte die Widerstandsbewegung nur geringfügige wirtschaftliche Beeinträchtigung, politische Unruhe und militärische Umgruppierungen. Dennoch hatte ihr Kampf politische und moralische Bedeutung. Er stellte die Legitimität des Anschlusses in Frage, beunruhigte die öffentliche Meinung und störte und ärgerte das Nazi-Regime. Deshalb waren die politischen und moralischen, nicht aber militärischen Auswirkungen so wichtig.« Radomír Luža, Der Widerstand in Österreich 1938–1945. Wien  : 1985, 234.



Einleitung 

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Österreichern gegen den nationalsozialistischen Unrechtsstaat zunehmend in den Mittelpunkt des historischen und gesellschaftlichen Interesses gerückt. Der Begriff Widerstand ist en vogue und Widerstandskämpfern wird heute auch mehr Empathie und Respekt entgegengebracht. Die »Perspektive derer«, die, so Erich Hackl, »immer nur die Schwäche des Widerstands kritisieren und selber nie riskiert haben, Widerstand zu leisten«,14 ist heute nicht mehr mehrheitsfähig. Auf Interesse stoßen hingegen positive Darstellungen des Widerstands. Exemplarisch sei hier etwa auf die durch einen Sammelband dokumentierte Parlaments-Enquete zum österreichischen Widerstand im Jubiläumsjahr 200515 verwiesen. Letztere fand an einem repräsentativen und zentralen Ort der Republik statt und stieß auf großes öffentliches Interesse. Dass diese Tagung laut dem Historiker Peter Pirker von der damaligen Mitte-rechts-Koalition geschichtspolitisch vereinnahmt wurde und man die österreichischen Wehrmachtsdeserteure hierbei ausgrenzte,16 ist durchaus vor dem Hintergrund der jahrzehntelang negativ geprägten Widerstandsrezeption in Österreich zu sehen. 14 Erich Hackl, »Her mit dem ganzen Leben«, in  : Die Presse, Spectrum, 18.12.2009, in  : http://die presse.com/home/spectrum/literatur/529099/index.do?_vl_backlink=/home/spectrum/literatur/ index.do (letzter Zugriff  : 1.1.2010). 15 Siehe hierzu Karner/Duffek, Widerstand  ; 2005 feierte man das 60 Jahre zurückliegende Kriegsende und das 50-jährige Bestehen der Unabhängigkeit Österreichs, die seinerzeit per Staatsvertrag beschlossen worden war. 16 Peter Pirker, »Kommentar der anderen  : Der unbedankte Widerstand«, in  : Der Standard, 20.4. 2005, in  : http://derstandard.at/1942809 (letzter Zugriff  : 19.1.2013). Die erst im Jahr 2009 geschehene vollständige juristische Rehabilitierung der Wehrmachtsdeserteure erfolgte schließlich nicht vonseiten der Politik bzw. »von oben«, sondern großteils »von unten«. Dank des jahrzehntelangen, mühsamen Kampfes von persönlich Betroffenen wie dem ehemaligen Wehrmachtsdeserteur Richard Wadani und dem Personenkomitee »Gerechtigkeit für die Opfer der Wehrmachtsjustiz« und deren Kampagnen, wie etwa der Ausstellung »Was damals Recht war«, wurde langsam ein Bewusstsein für die Problematik geschaffen. Siehe hierzu den Begleitband von  : Thomas Geldmacher/Magnus Koch/Hannes Metzler/Peter Pirker/Lisa Rettl (Hgg.), »Da machen wir nicht mehr mit ...« Österreichische Soldaten und Zivilisten vor Gerichten der Wehrmacht. Wien  : 2010. Auf wissenschaftlicher Ebene begleiteten folgende Studien den Paradigmen- und Politikwechsel in Bezug auf die Rolle der Deserteure im Zweiten Weltkrieg  : Walter Manoschek (Hg.), Opfer der NS-Militärjustiz  : Urteilspraxis – Strafvollzug – Entschädigungspolitik in Österreich, Wien  : 2003  ; Hannes Metzler, Ehrlos für immer  ? Die Rehabilitierung der Wehrmachtsdeserteure in Deutschland und Österreich. Wien  : 2007  ; Maria Fritsche, Entziehungen. Österreichische Deserteure und Selbstverstümmler in der Deutschen Wehrmacht. Wien  : 2004. In mehreren Aufsätzen hat Siegfried Beer schon seit den 8oer-Jahren auf die Widerstandstätigkeit von österreichischen Deserteuren im US-Kriegsgeheimdienst hingewiesen. Siehe exemplarisch  : Siegfried Beer, »Über die Tätigkeit der alliierten Geheimdienste in Österreich 1944/45 oder Die denkwürdige Story des OSS-Agenten Emmerich K. alias ›Ernest Cole‹ aus Graz-Lend«, in  : Steirische Berichte, Nr. 3/1985, 16–20.

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Einleitung

Der politisch mitgetragene Bewusstseinswandel in Bezug auf den Widerstandskampf gegen das NS-Regime manifestiert sich auch in (zu) spät gesetzten Gesten, wie der im Jahr 2000 in Wien erfolgten Einweihung des Maria-Restituta-Platzes zum Gedenken an die katholische Widerstandskämpferin Helene Kafka (Schwester Maria Restituta), der 2007 erfolgten Verleihung des Ehrenzeichens für die Verdienste um die Befreiung der Republik Österreich an den Wehrmachtsdeserteur Richard Wadani oder der im Jahr 2010 von der rot-grünen Wiener Stadtregierung beschlossenen und 2014 durchgeführten Errichtung eines Denkmals für österreichische Wehrmachtsdeserteure am Ballhausplatz. Auch das – vor allem in Kärnten, wo noch zu Beginn des 21. Jahrhunderts eine starke partisanenfeindliche Stimmung zu spüren ist – sehr breit rezipierte familienbiografische Werk von Maja Haderlap, Engel des Vergessens, das ein sehr empathisches Bild des Kärntner Partisanenkampfs zeichnet, fügt sich in diesen gesellschaftlichen Kontext.17 Das Bild, das die Menschen von denjenigen haben, die sich dem NS-Regime kämpferisch widersetzt oder sich unter großen Gefahren seiner Gewalt entzogen haben, hat sich in jüngster Zeit also zunehmend zum Positiven gewandelt. Die im zuvor erwähnten Gedächtnisjahr 2005 im österreichischen Bundesrat getätigte Äußerung des Politikers Siegfried Kampl, dass Wehrmachtsdeserteure »zum Teil Kameradenmörder« gewesen seien, hat in der Öffentlichkeit für große Empörung gesorgt und eine breite Debatte über den Umgang des Landes mit Wehrmachtsdeserteuren ausgelöst. Dies blieb nicht ohne Auswirkungen  : Die Bundesregierung und die Legislative haben nach einigem Zaudern auf diese Entwicklung reagiert und den betroffenen Politiker an der Ausübung des Präsidentenamtes im Bundesrat gehindert.18 Nach einer langen Epoche des politischen und gesellschaftlichen Stillstands in der Frage kann auch dieses Beispiel als Indiz für eine zunehmende Sensibilisierung der Gesellschaft in Hinblick auf die Handlungen von Deserteuren und die Errungenschaften des österreichischen Widerstands allgemein gewertet werden. 17 Maja Haderlap, Engel des Vergessens. Roman. Göttingen  : 2011. 18 Aufgrund der Aussage Kampls zu den Deserteuren wurde die sogenannte Lex Kampl verabschiedet, die durch eine Änderung der Verfassung den freiheitlichen Politiker (damals Mitglied der rechtsgerichteten Partei BZÖ) hinderte, das Amt des Bundesratspräsidenten anzunehmen. Kampl schied noch im selben Jahr aus dem Bundesrat aus. Kritisch anzumerken ist an dieser Stelle, dass für den Seniorpartner des BZÖ in der Regierung, die bürgerlich-konservative ÖVP, mehr die Furcht vor einem Imageschaden für Österreich im Ausland als der Wunsch nach der Rehabilitierung der Deserteure das treibende Motiv für die demonstrative Ächtung Kampls und die Schnürung eines schwammig formulierten »Anerkennungsgesetzes« für Deserteure gewesen sein dürfte. Dieses Gesetz definierte zwar erstmals Deserteure als Widerstandskämpfer, vermied aber gleichzeitig tunlichst die Bezeichnung »Deserteur«.



Einleitung 

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Während das Interesse am nationalen bzw. autochthonen Widerstand in Öster­reich nach Jahrzehnten der Ablehnung sichtbar zunimmt, ist die öffentliche Wahrnehmung des österreichischen Exilwiderstands, der unter dem Dach alliierter Armeen und Geheimdienste erfolgte, eine völlig andere. Jene Österreicherinnen und Österreicher, die durch Emigration und Flucht dem Nationalsozialismus entkommen sind und aus dem Exil heraus – meist freiwillig, oft auch als wehrpflichtige Soldaten ihres Gastlands – gegen das NS-Regime gekämpft hatten, wurden im Gegensatz zum Widerstand innerhalb Österreichs völlig ignoriert oder »übersehen«. Dies gilt sowohl für die österreichische Geschichtsschreibung – es gibt noch immer wenig Literatur zum Exilwiderstand – als auch für Politik und Bevölkerung. Und jene raren geschichtswissenschaftlichen Beiträge wiederum, welche die Widerstandstätigkeit von Österreichern in US-Uniform dokumentieren, sorgten lange Zeit eher für Ablehnung als für Verständnis und Empathie. So reagierten viele Österreicher auf einen 1987 vom Grazer Geheimdiensthistoriker Siegfried Beer publizierten und durch mehrere Zeitzeugengespräche begleiteten Beitrag über die geheimdienstliche Tätigkeit des Sozialisten Emmerich Kohl für das amerikanischen Office of Strategic Services (OSS)19 mit brüsker Ablehnung. Für sie waren Leute wie Kohl nicht mehr als »Verräter in Feinduniform«. Die Tatsache, dass viele der österreichstämmigen US-Soldaten und OSS-Agenten, die 1945 als Angehörige einer alliierten Besatzungsmacht nach Mitteleuropa zurückkehrten, jüdisch waren, mag viel zu dieser Ablehnung beigetragen haben. Eine Ablehnung, die nicht selten auf einer diffusen Gemengelage aus endemischem Antisemitismus, schlechtem Gewissen und unverhohlenem Selbstmitleid beruhte. Doch nicht nur in wissenschaftlicher, auch in symbolischer bzw. gedächtnispolitischer Hinsicht gibt es in Bezug auf den Exilwiderstand einigen Aufholbedarf. Auf eine Initiative des Vereins Kuland und Peter Pirkers hin wurde im Jahr 2012 im Ort Greifenburg im Kärntner Drautal eine begehbare Gedenkstätte errichtet, die nicht nur die lokalen Opfer des NS-Regimes, sondern auch den während seines Einsatzes für den britischen Geheimdienst Special Operations Executive (SOE) getöteten Fallschirmspringer und Exilwiderstandskämpfer Hubert Mayr dem Vergessen entreißen will. Doch handelt es sich bei Gesten wie dieser noch um vereinzelte, punktuelle Initiativen. Diese Studie will dazu beitragen, dem von Österreichern in amerikanischer (oder britischer) Uniform geleisteten Einsatz zur Niederringung des Nationalsozialismus zu jenem Platz im kollektiven Gedächtnis des Landes zu verhelfen, der ihm aus historischer und politisch-moralischer Sicht zusteht. 19 Beer, »Tätigkeit«, 16–20.

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Einleitung

Die Akteure des Exilwiderstands und ihre »Anlehnungsmacht«

Wer sind nun die Protagonisten der vorliegenden Exilwiderstandsstudie  ? Nicht wenige der Tausenden Flüchtlinge und Emigranten aus Österreich, die als Soldat in der US-Armee, als Analyst oder Fallschirmspringer im Kriegsgeheimdienst oder als Radioredakteur oder Sprecher im Propagandabereich gegen die Achsenmächte und für die Befreiung ihres Heimatlandes gekämpft haben, erlangten nach 1945 hohen Bekanntheitsgrad oder eine wichtige Rolle in Kultur, Wirtschaft, Politik. Nicht zuletzt weil die meisten von ihnen nach dem Krieg nicht mehr nach Österreich zurückkehrten, ist hierzulande wenig über ihre Tätigkeit innerhalb der amerikanischen Kriegsanstrengung (»War Effort«) bekannt.20 Vor allem diejenigen Österreicher in US-Kriegsinstitutionen, die keinen prominenten Namen haben (und deren Zahl auf Grundlage amerikanischer Quellen auf mindestens 6.000 bis 7.000 Personen anzusetzen ist21), stellen bis heute nur anonyme Zahlenreihen bzw. ein stummes Desiderat der österreichischen Exil- und Widerstandsforschung dar. Die österreichischen Exilanten, welche nach der Flucht vor den Nationalsozialisten durch ihren Dienst in der amerikanischen Armee, im Kriegsgeheimdienst 20 Zur großen Gruppe der Prominenten im amerikanischen Kriegsdienst zählen etwa die Kulturschaffenden Karl Farkas, Marcel Prawy, Berthold Viertel, Greta Keller, Eric Pleskow, Leon Askin und Werner von Trapp. Wohl nur wenigen ist bekannt, dass der Schauspieler und Kleinkunstdarsteller Peter Preses, der als Ko-Autor des später erfolgreich verfilmten antinazistischen Theaterstückes Der Bockerer große Erfolge feierte, auch als Soldat in der US-Armee gedient hat. Unter den (späteren) Politikern finden sich Julius Deutsch, Robert Jungk und Willibald Plöchl. 21 So vermuten Siegfried Beer und Peter Eppel, dass sich die Zahl der Österreicher im War Effort der USA auf etwa 3.000 bzw. 3.500 Personen beläuft. Die vom amerikanischen Nationalarchiv (National Archives and Records Administration) durchgeführte Digitalisierung der Enlistment Records der US-Armee zwischen 1938 und 1946 bietet jedoch einen wichtigen statistischen Anhaltspunkt für eine neue Schätzung. Von den erwähnten der Record Group 64 zugehörigen und mit Ausnahme von Offizieren nahezu alle Armeeangehörigen erfassenden Eintrittsdokumenten sind mittlerweile fast 9 Millionen personenbezogene Datensätze im Internet einsehbar. Die Recherchen ergaben, dass sich »6,703 partial records out of 8,706,394 total records« auf US-Armeeangehörige während des Krieges beziehen, die in Österreich geboren sind. Selbst wenn man hier klassifikatorische Problemfelder (zu den über 6.700 »Austrian borns« wurden solche gezählt, die innerhalb der Grenzen Österreichs ab 1918 geboren sind, in einigen Fällen aber auch jene ehemaligen Bürger der k. k. Monarchie, die von den US-Behörden normalerweise der Tschechoslowakei oder sonstigen Nationalitäten zugerechnet wurden  ; es muss also in Betracht gezogen werden, dass nicht jeder in »Austria« geborene GI automatisch ein Österreicher entsprechend unserem heutigen Verständnis war) in die Schätzung mit einbezieht, ergibt sich eine wesentlich höhere Zahl von Österreichern in der US-Armee als bisher angenommen. Oft unabhängig davon haben mehrere Hundert Österreicher auch als Zivilisten oder detachierte Soldaten für den Kriegsgeheimdienst OSS und die Propagandabehörde OWI gearbeitet.



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und in anderen kriegsrelevanten Institutionen dazu beigetragen haben, die natio­ nalsozialistische Herrschaft in Österreich und Europa zu unterminieren, taten dies aus unterschiedlichen Interessenlagen heraus. Sofern sie nicht durch Einberufungsbefehl dazu verpflichtet wurden, waren ihre Gründe, sich im amerikanischen Exil dem Kampf gegen den Faschismus anzuschließen, unterschiedlicher Natur. Die persönlichen Motive für den Griff zur Waffe zeugten nicht ausnahmslos von der Integrität und Noblesse der Protagonisten – viele wollten möglichst schnell die amerikanische Staatsbürgerschaft erhalten, andere waren schlicht egozentrische Abenteurer und Militaristen, die der politischen und menschlichen Katastrophe ihrer Zeit relativ gleichgültig gegenüberstanden. Andere wiederum wurden einberufen und absolvierten zähneknirschend und widerwillig ihren Militärdienst. Doch waren es nicht zuletzt auch ethische und moralische Motive, wie Loyalität zum amerikanischen Gastland, Gerechtigkeitssinn, oder ein (diffuses) österreichpatriotisch überformtes Verantwortungsbewusstsein, welche für viele die zentralen Beweggründe darstellten. Trotz der politischen Heterogenität und Zerstrittenheit des österreichischen Exils in den USA und der vielfältigen Gründe für den Eintritt in die Armee oder die Geheimdienste rafften sich unzählige österreichstämmige Emigranten in den USA freiwillig zum bewaffneten oder intellektuellen Widerstand gegen den Nationalsozialismus auf. Die im Rahmen dieser Studie erwähnten Soldaten und Geheimdienstmitarbeiter waren zwar dem Griff Hitlers enteilt und konnten sich in den USA oder – wie etwa österreichische Wehrmachtsdeserteure – in amerikanischen Kriegsgefangenenlagern auf europäischem Boden in relativer Sicherheit wiegen. Dennoch hielt es ein Großteil von ihnen mit dem eingangs zitierten George Orwell  : Das mutlose »Surrendering«, das fatalistische Abwarten im Exil, war für sie kein akzeptabler Weg. Sie wollten gegen den Nationalsozialismus kämpfen. In diesem Buch stehen jene Aktivitäten von Exilösterreichern im Mittelpunkt, die zwischen 1941 (Kriegseintritt der USA) und 1945 militärisch gesehen von primärer (Dienst mit der Waffe, operative Geheimdiensttätigkeit etc.) oder sekundärer Relevanz (analytische Geheimdienstarbeit an der »home front«, Propagandaarbeit usw.) sind. Bei der von mir vorgenommenen Zuordnung von Exilösterreichern zu einer dieser beiden Kategorien fungieren die Zugehörigkeit zu zumindest einer amerikanischen Kriegsinstitution (US Army, OSS) und die durch die (Archiv-)Quellen belegbare militärische oder geheimdienstliche Aktivität in einer solchen als zentrales Aufnahmekriterium.22 22 Jene Österreicher, die im von mir als tertiär eingestuften Bereich (Arbeit in der Rüstungsproduktion, antifaschistische Kulturarbeit bei Propagandafilmen ohne Zugehörigkeit zu offiziellen Propagandainstitutionen usw.) tätig waren, haben ebenfalls einen Beitrag zum amerikanischen War Effort geleistet, doch war dieser eher materieller oder kultureller, nicht militärischer Natur.

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Der Terminus Widerstand ist hier ein recht breit gefasster. Österreichstämmige Soldaten der US-Armee werden ebenso wie österreichische Agenten und Wehrmachtsdeserteure, die für den US-Kriegsgeheimdienst arbeiteten, unter dem Exilwiderstandsbegriff subsumiert. Da aus dem US-Exil heraus wegen der geografischen Entfernung zur Heimat nur indirekt ein Beitrag zum genuin österreichischen Widerstand bzw. zum tellurischen Partisanenkampf gegen den Nationalsozialismus geleistet werden konnte, ist der Kriegsbeitrag der betroffenen Österreicher erst über deren Einbindung in amerikanische Kriegsinstitutionen in »Widerstands«-Bahnen gelenkt worden. Die USA waren daher eine unverzichtbare »Anlehnungsmacht« für Exilanten, die das NS-Regime in Österreich von außen bekämpften  :23 [F]ür den Widerstand war [es wichtig], eine »Anlehnungsmacht« zu finden. Man »stand mit dem Gesicht nach Deutschland«, aber man bedurfte der Unterstützung durch eine Deutschland bekämpfende Macht. Sie vermittelte Ordnungsvorstellungen, rechtfertigte Lebensrisiken, wirkte sich bei der Entwicklung von Zukunftsvorstellungen und Lebensperspektiven aus.24

Die Kriegsinstitutionen der Alliierten interessierten sich hierbei nicht primär für das Wohlergehen des unter NS-Herrschaft stehenden Staates Österreich oder das seiner (notorisch zerstrittenen) politischen Repräsentanten im Exil, sondern verfolgten harte nationale Interessen. Die romantische und idealistische Vorstellung von selbstbestimmten österreichpatriotischen Widerstandskämpfern entspricht daher kaum der historischen Realität. Die amerikanischen und britischen Kriegsplaner entschieden anhand ihrer eigenen politischen und militärstrategischen Absichten, was Widerstand ist und was nicht bzw. wer in ihren Augen ein unterstützenswerter militärischer Partner war und wer nicht. »Was als Widerstand innerhalb des Deutschen Reichs und innerhalb des deutschsprachigen Exils […] ernst genommen und als solcher bezeichnet wurde«, hing von den Bedürfnissen der westlichen Alliierten ab  : Der enge Maßstab [für die Unterstützung des österreichischen Exilwiderstands] waren der Nutzen für die alliierten Kriegsanstrengungen und die Loyalität zu diesen Anstrengungen.25 23 Jürgen Heideking/Christof Mauch, »Vorwort«, in  : Jürgen Heideking/Christof Mauch (Hgg.), Geheimdienstkrieg gegen Deutschland. Subversion, Propaganda und politische Planungen des amerikanischen Geheimdienstes im Zweiten Weltkrieg. Göttingen  : 1993, 1–9, hier 7. 24 Steinbach, »Kampf«, 31. 25 Peter Pirker, Subversion deutscher Herrschaft. Der britische Kriegsgeheimdienst SOE und Österreich. (= Zeitgeschichte im Kontext, Bd. 6). Wien  : 2012, 31.



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In diesem engen Rahmen versuchten exilierte Österreicher in den USA durch Dienst im militärischen oder geheimdienstlichen Bereich auf oft verzweifelte Art und Weise Widerstand gegen das NS-Regime auszuüben und gleichzeitig eigene politische oder (inter)nationale Ziele zu verfolgen. Man lehnte sich also an die amerikanische Militärmacht an, in der Hoffnung, damit Teile der eigenen politischen Agenda oder eigene persönliche Ziele durchzubringen. Da das Thema dieses Buchs sehr breit ist und die Quellen dazu nahezu unübersichtlich sind, stehen in diesem Band ausgewählte Personen bzw. Personengruppen im Vordergrund, die zwei bestimmten Kriegsinstitutionen zugeordnet werden können  : nämlich der US-Armee und dem Kriegsgeheimdienst OSS. Die quantitativ beachtlichen und mentalitätsgeschichtlich interessanten Beiträge, die viele Österreicherinnen und Österreicher im Propagandaamt Office of War Information (OWI) 26 bzw. in den Propagandaabteilungen des OSS und der US-Armee geleistet haben, wurden in meiner parallel zu dieser Studie verfassten, noch nicht publizierten Dissertation getrennt aufgearbeitet. Während hier die militärischen und geheimdienstlichen Beiträge von Exilösterreichern für die USA vor allem in Form von Kriegsbiografien dargestellt werden, fokussiert meine Doktorarbeit über Österreicher als US-Exilpropagandisten27 – bedingt durch das Kultur- und Kommunikationsphänomen Propaganda – auch stark auf textanalytische und kulturwissenschaftliche Fragestellungen. Thematisch konzentriert sich dieses Buch auf die US Army und das OSS, narrativ hingegen auf die Kriegsbiografie repräsentativer »Typen« bzw. auf interessante Einzelschicksale in diesen beiden Institutionen. Wer waren diese Menschen  ? In der US-Armee setzten sich die österreichstämmigen Soldaten zum Großteil aus (Wiener) Juden und politischen Flüchtlingen verschiedener Couleurs (Sozialisten, Kommunisten, Bürgerlich-Liberale, Konservative, »Austrofaschisten« und Legitimisten) zusammen, oft überlagerten sich die eben genannten Zuschreibungen. Wie die drei Kapitel über die US-Armee zeigen werden, dienten Öster­reicher in den USA nicht nur im kurzlebigen und umstrittenen von Otto von Habsburg und einer Gruppe konservativer und monarchienaher Exilösterreicher initiierten »Austrian Battalion« (Kapitel 1.1), sondern in nahezu allen Einheiten der US-Streitkräfte. Österreicher wurden an den verschiedensten Kriegsschauplätzen als einfache »riflemen« und hohe Offiziere, Funker und Artilleristen, Nach26 Siehe hierzu Florian Traussnig, »›Dem Nazi ane rechts und ane links‹ – Die österreichische Gemütlichkeitspropaganda des US Office of War Information im Ätherkrieg zwischen 1942 und 1945«, in  : Journal for Intelligence, Propaganda and Security Studies ( JIPSS), Vol. 6, Nr. 1/2012, 95– 117. 27 Florian Traussnig, Geistiger Widerstand von außen. Österreicher in US-Propagandainstitutionen des Zweiten Weltkriegs. (Diss.) Graz  : 2013.

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schubsoldaten und Piloten eingesetzt. Aufgrund ihrer Sprachkenntnisse und ihres Wissens über die politischen Gepflogenheiten, die Kultur und die Mentalität des deutschen bzw. österreichischen Kriegsgegners wurden rund 700 Österreicher von der geheimdienstlichen Sparte der Armee (G-2) als Schlüsselkräfte rekrutiert und ausgebildet. Sie sollten – wie etwa der über Frankreich in die USA geflohene Verhöroffizier Karl Frucht – später auf den Schlachtfeldern Europas und in geheimen Verhörlagern in den USA als Verhöroffiziere Tausende deutsche Kriegsgefangene interviewen oder als Intelligence-Experten das »Fallobst des Schlachtfeldes« ausdeuten (Kapitel 1.2).28 Doch auch in der 10. US-Gebirgsdivision, dem einzigen Großverband der US-Armee, der auf Winter- und Gebirgskampf spezialisiert war, standen Österreicher hoch im Kurs (Kapitel 1.3). Sie verfügten über alpinistische Fähigkeiten, die den Amerikanern in diesem Bereich fast zur Gänze fehlten. Die meisten der österreichischen US-Soldaten – ein prominentes Beispiel dafür ist der in Österreich wenig bekannte Veteran der 10. Gebirgsdivision, der aus Tirol stammende, findige Ski-Impresario Friedl Pfeifer – kehrten nach dem Krieg nicht mehr nach Österreich zurück. Die US-Armee hatte sich für sie weniger als Vehikel für den österreichpatriotischen Freiheitskampf mit dem Ziel der Wiedererrichtung eines demokratischen Österreich, sondern mehr als amerikanisierender Faktor erwiesen  : Nach drei Monaten Dienst erhielten die österreichischen Flüchtlinge in der Regel die amerikanische Staatsbürgerschaft. Und nach dem Krieg ermöglichten ihnen die generösen Bildungsprogramme der Regierung (»GI Bill«) in vielen Fällen einen beruflichen und sozialen Aufstieg, von dem sie in Österreich wohl nur hätten träumen können.29 Wie ihre Landsleute in der US-Armee entstammten auch die im Kriegsgeheimdienst OSS dienenden österreichischen Exilanten verschiedenen Gesellschaftsschichten und Milieus. Die Gruppe der »Politischen« im OSS und die damit verbundenen Rekrutierungsmaßnahmen des US-Kriegsgeheimdienstes werden im Kapitel 2.1 exemplarisch durch die Kriegsbiografie des Wiener Sozialisten Rudolf Anzböck veranschaulicht. Anzböck, der vom »austrofaschistischen« Ständestaatregime wegen Beteiligung an einem Sprengstoffanschlag im Jahr 1934 zum Tode verurteilt und später begnadigt wurde, flüchtete nach dem »Anschluss« aus Österreich und emigrierte in die USA. Nachdem er zunächst als 28 Hanuš Burger, Der Frühling war es wert. Erinnerungen. Frankfurt am Main, Berlin und Wien  : 1977, 135. 29 Siehe hierzu exemplarisch Florian Traussnig, »›I should be ›thankful‹ to Adolf Hitler for having me forced out of my comfortable shell‹. Die spektakuläre Militärlaufbahn des exilösterreichischen G-2-Offiziers Alfred Diamant im Zweiten Weltkrieg«, in  : Alfred Ableitinger/Martin Moll (Hgg.), Licence to Detect. Festschrift für Siegfried Beer zum 65. Geburtstag. Graz  : 2013, 413–442, sowie Michael Hüter, Vertriebene und Auswanderer. Österreicher im Pazifischen Nordwesten der USA. Marburg  : 1996, 142–147.



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»Ski fahrender Österreicher« der Gebirgstruppe der US-Armee zugeteilt wurde, warb ihn 1944 der Kriegsgeheimdienst OSS an. Das OSS suchte Leute für die sogenannte Labor Section, eine Abteilung, die unter Ausnutzung der grenzübergreifenden Vernetzung sozialistischer und gewerkschaftlicher Verbände und Organisationen an der Initiierung einer proletarischen Revolution innerhalb NS-Deutschlands bzw. Europas arbeitete. Aus der erhofften linken Volksfront gegen den Faschismus wurde letztlich nichts – dennoch wirkte Anzböck in London als Analyst und operativer Vorbereiter für zahlreiche OSS-Fallschirmoperationen, die nicht zuletzt auch dank dem Know-how österreichischer Spezialisten aus dem sozialistischen Lager ab Herbst 1944 im Inneren des Deutschen Reichs durchgeführt wurden. Das OSS, dessen vielschichtige, experimentelle und flexible Rekrutierungs- und Personalpolitik in diesem Abschnitt freigelegt wird, verstand es im Falle Anzböcks also gut, »den Richtigen« zu finden. Eine in Bezug auf Österreicher im Dienste des OSS nicht in die ethnisierend-religiösen Typologisierungen wie »Jude« oder politischen Zuschreibungen wie »Sozialist« passende Kategorie sind die sogenannten Deserter Volunteers. Es handelte sich bei Letzteren um ehemalige Wehrmachtssoldaten, die nach dem Überlaufen zu den Amerikanern für geheimdienstliche Spezialeinsätze verwendet wurden. In einer in den Abschnitt über den aristokratischen OSS-»Multiagenten« Oliver Schneditz-Rockhill (Kapitel 2.2) eingebetteten Fallstudie wird etwa das Schicksal eines Wehrmachtssoldaten veranschaulicht, der während der Kampfhandlungen in Europa desertiert und von anglo-amerikanischen Verbänden gefangen genommen worden ist. Es ist dies die Geschichte des in Italien vom OSS als Agent rekrutierten Wiener Wehrmachtsdeserteurs Edgar Ulsamer. Unter der Ägide des berühmten 2677. OSS-Regiments beteiligte sich Ulsamer mit großem persönlichem Risiko am Schattenkrieg gegen das Deutsche Reich und nahm mehrfach an Spezialeinsätzen auf italienischem und deutschem (bzw. österreichischem) Boden teil. So schrieb er etwa für die Amerikaner deutschsprachige Propagandaflugblätter, infiltrierte das Feindgebiet in Italien, um seine ehemaligen Kameraden mit subversiv-antinationalsozialistischen Propagandamaterialien zu versorgen, und sprang schließlich als Teil eines vierköpfigen Spionage- und Subversionsteams mit dem Fallschirm in Österreich ab. Er wurde von der Gestapo verhaftet und zum Tode verurteilt, entkam aber durch Glück und schlug sich erneut zu den Amerikanern durch. Während andere österreichische Deserter Volunteers, die viel riskiert hatten, um einen Beitrag zur Befreiung und Re-Demokratisierung ihrer Heimat zu leisten, nach 1945 von ihren Landsleuten oft als »Eidbrecher« oder gar »Kameradenmörder« bezeichnet wurden, wanderte Ulsamer in die USA aus und schlug eine erfolgreiche Nachkriegskarriere als Analyst für die US Air Force ein – aus österreichischer Sicht ein klassischer Fall von brain drain.

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Obwohl die amerikanische Armee im Normalfall amerikanisierte, patriotische Einwanderer bevorzugte und allzu heimatverbundene Österreicher bzw. »enemy aliens« skeptisch beäugte, war in den hier untersuchten Einheiten und Ausbildungsstätten ironischerweise genau das »Österreichertum« der Protagonisten dieses Buchs gefragt. Auch für die Analysen und Operationen des Kriegsgeheimdienstes OSS war mit dem Näherrücken der Front an den Süden des Deutschen Reichs und dem damit verbundenen Entwickeln österreichbezogener Nachkriegspläne das geografische, politische und ethnospezifische Wissen der österreichischen Emigranten von großer Bedeutung. Die amerikanische Kriegsmaschinerie vermochte es trotz aller Unerfahrenheit, organisatorischen Mängel und Anfangsschwierigkeiten, die Potenziale ihrer heterogenen und multikulturellen Einwanderergesellschaft in militärische oder geheimdienstliche Bahnen zu lenken. Nicht zuletzt dank der Rekrutierung Tausender (vor allem auch europäischer) Zivilisten und der archetypisch-amerikanischen Experimentierfreude sowie des damit verbundenen »let’s do it«-Paradigmas konnten die Streitkräfte und Geheimdienste der USA hierbei den konservativeren britischen Seniorpartner in vielerlei Hinsicht übertrumpfen. Dazu der Militärhistoriker Antony Beevor  : [T]he Americans […] learned much more quickly than their self-appointed tutors in the British Army. They were not afraid to listen to bright civilians […] now in uniform and above all they were not afraid to experiment.30

Der vorliegende Band will also einigen der bis heute großteils unbekannten Vertreter des »anderen Österreich« während des Zweiten Weltkriegs ein Gesicht geben. Es handelt sich nicht um eine systematische Darstellung oder einen anatomischen Abriss der für den österreichischen (Exil-)Widerstand bedeutenden Institutionen innerhalb des US-Kriegsapparats (wie das etwa in Peter Pirkers hervorragender Studie über die Österreich-Aktivitäten des britischen Kriegsgeheimdiensts SOE der Fall ist31). Vielmehr will dieses Buch persönliche Schicksale dokumentieren und kriegsbiografische Schlaglichter auf österreichischen Exilanten werfen, die in US-Uniform gegen das »Dritte Reich« von außen kämpften und mit der Waffe (oder auch dem Schreibstift) in der Hand Widerstand leisteten. Quellenlage, methodische Zugänge und Forschungsdesiderate

Hierzulande bildet das Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstandes (DÖW) einen wichtigen Anlaufpunkt, da viele persönliche Nachlässe von wesent30 Antony Beevor, D-Day. The Battle for Normandy. London  : 2012, 14. 31 Pirker, Subversion.



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lichen Akteuren, darunter private Korrespondenzen, US-Personaldokumente und Militaria-Akten etc., einsehbar sind. In den amerikanischen Archiven, auf denen der Schwerpunkt der Recherchen lag, findet sich zur hier angerissenen Thematik enorm viel Material. Allein in den Beständen des amerikanischen Nationalarchivs (NARA) in College Park, Maryland, liegen Tausende von Faszikeln und Akten auf, die sich direkt oder partiell auf Österreicher innerhalb des amerikanischen Kriegsapparates, etwa jene in Diensten der US-Armee oder des OSS, beziehen. Vor allem zu letzterem Bereich hat Siegfried Beer in jahrzehntelanger Arbeit gesammelt. Da ich auf Teile dieses Privatbestands zugreifen durfte und selbst einschlägige Archivmaterialen in College Park gesichtet habe, ist die Quellenlage für das OSS hervorragend. Während in College Park eher ausbildungsbezogene oder operative Akten der US-Armee oder des OSS archiviert sind, hortet die für »Personnel Records« zuständige Filiale des Nationalarchivs (NPRC) in St. Louis, Missouri, die Personalakten von Tausenden Österreichern in der Armee, der Air Force, der Navy und dem Propagandaamt Office of War Information. Obwohl die meisten Bestände, die die Armee betreffen, 1973 bei einem verheerenden Feuer vernichtet worden sind, kann man in diesem Archiv punktuelle Einblicke in die allgemeinen Rekrutierungsmechanismen der amerikanischen Militärbürokratie und die Kriegskarrieren von österreichischen US-Soldaten bekommen. In der Library of Congress (LoC) in Washington, D.C. wertete ich mehrere Interview-Mitschnitte, Typoskripte und Personaldokumente von österreichischen GIs aus, die im Rahmen des sogenannten »Veterans History Project« erstellt worden waren. Von regionalen Sammlungen wie der Denver Public Library in Colorado ließ ich mir Militärakten und Korrespondenzen von zahlreichen Österreichern zusenden, die in der 10th Mountain Division gedient haben. Während sich die wichtigsten Archivmaterialien vornehmlich in den USA befinden, wurde in Österreich einiges an Sekundärliteratur und Dokumentationen produziert  : In Bezug auf monografische Werke und Sammelbände ist die vom DÖW herausgegebene und von Peter Eppel zusammengestellte Quellensammlung zum österreichischen Exil in den USA zwischen 1938 und 1945 besonders hervorzuheben. Alfred Posselts ebenfalls sehr ausführliches Buch zu österreichischen Soldaten in alliierten Armeen ist leider wenig aussagekräftig und über weite Strecken erratisch.32 Auch in diversen Kollektivbiografien und Exil-Lexika wurden die Kriegstätigkeiten der untersuchten Personengruppe in den USA abgehandelt oder zumindest erwähnt. Es existiert zudem eine sehr große Zahl von (auto)biografischen und memorialliterarischen Werken österreichischer Exilanten, welche deren Dienst in amerikanischen Kriegsinstitutionen zum Inhalt haben. 32 Alfred M. Posselt, Österreichische Soldaten in den alliierten Streitkräften des Zweiten Weltkrieges. Wien  : 1988.

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Die verfügbaren Ressourcen im Internet zu diesem Thema sind – gelinde gesagt – ein Fass ohne Boden  : Angefangen von digitalisierten »Unit Histories« amerikanischer Verbände mit Österreichern in ihren Reihen über privat erstellte Kriegsbiografien von exilösterreichischen GIs bis zu professionell präsentierten Forschungs- und Ausstellungsprojekten amerikanischer Bibliotheken, Museen und Archive lassen sich unzählige digitalisierte Materialien finden. Die Verfassung einer formidablen und gut recherchierten Monografie zum Thema wäre heute auch nur auf Basis von Internetquellen möglich. Obwohl es vor allem in anglo-amerikanischen Archiven umfangreiche und spannende Quellenbestände zu diesem Themenkomplex gibt und eine breite Palette an biografischer Literatur existiert, ist es verwunderlich, dass sich der exilösterreichisch-amerikanische Beitrag zur Niederringung des Nationalsozialismus historiografisch nur in einer verhältnismäßig kleinen Anzahl von einschlägigen Aufsätzen niederschlägt.33 Abgesehen von Eppels kommentierter Quellenedition liegt bis dato kein nennenswertes enzyklopädisches oder narratives Werk über Tätigkeiten und Kriegsbiografien der österreichischen »38er« innerhalb der US-Militärmaschinerie vor. Diese Studie reagiert erstmals auf dieses Forschungsdesiderat und stellt die Kriegsbiografien ausgewählter Österreicher im amerikanischen Exil in Form einer Zusammenschau in Buchlänge vor. Es geht im vorliegenden Band nicht darum, einen vollständigen und systematischen Überblick zum Thema zu liefern, sondern darum, das Handlungsfeld des österreichischen Exilwiderstands unter dem Dach amerikanischer Kriegsinstitutionen auszuleuchten einen repräsentativen Einblick in die Kriegsaktivitäten der Akteure zu vermitteln. Ich habe keinen einzigen der von mir beforschten Akteure persönlich interviewt, sondern mit Archivquellen und mit bereits in Quelleneditionen, Militaria-Internetseiten oder Monografien publizierten Zeitzeugentexten sowie amerikanischen Oral-History-Interviews, die in Österreich bis dato nicht rezipiert worden sind, gearbeitet. Mein Zugang in dieser Studie kann insgesamt als dokumentbasierend bezeichnet werden. Aus der Sicht eines spät geborenen Junghistorikers bietet der Verzicht auf die persönliche Durchführung von Zeitzeugen-Interviews in quellenkritischer Hinsicht durchaus auch Vorteile  : Der Informationsgehalt und Faktizitätsgrad von Interviews mit den heute noch lebenden, in der Regel über 90-jährigen Militär- oder Geheimdienstveteranen ist 33 Exemplarisch hierfür  : Siegwald Ganglmair, »Österreicher in den alliierten Armeen, 1938 bis 1945«, in  : Truppendienst, Nr. 6/1990, 523–536  ; Peter Eppel, »Österreicher im Exil 1938–1945«, in  : Emmerich Tálos/Ernst Hanisch/Wolfgang Neugebauer/Reinhard Sieder (Hgg.), NS-Herrschaft in Österreich 1938–1945. Wien  : 1988, 553–570  ; Oliver Rathkolb, »Voice of America’s political propaganda for Austria (1945–1950)«, in  : International Communication Gazette, Vol. 39/1, 1987, 31–45.



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mittlerweile sehr begrenzt. Auch der Problematik des »geriatrischen Kindchenschemas«, also jener Sympathiegefühle, die so manche Forscher gegenüber den »netten« und scheinbar altersweisen Zeitzeugen, die sie befragen, hegen, wird dadurch die Spitze genommen. Meine persönliche und zeitliche Distanz zum historischen Geschehen – wir schreiben das Jahr 2015, also 70 Jahre nach Kriegsende – fördert meiner Meinung nach, trotz all dem Respekt, den ich den zentralen Figuren dieses Buchs, die ja im weiteren oder engeren Sinne Exilwiderstandskämpfer waren, entgegenbringe, eine gewisse Ideologie- und Quellenkritik bzw. eine skeptische Distanz zum Objekt der Forschung. Im Rahmen dieses Projekts und eines angelaufenen Folgeprojekts konnte ich insgesamt bereits über 700 Österreicherinnen und Österreicher in militärischen, geheimdienstlichen und propagandistischen US-Institutionen ausfindig machen und in einer Datenbank erfassen. Das sind erst rund 10 % der (noch) zu erforschenden Personengruppe. Nur ein verschwindend geringer Bruchteil von diesen Tausenden Menschen hat letztlich Erwähnung in dieser Arbeit gefunden. Die wissenschaftliche Aufarbeitung der Kriegsbiografien dieser und vieler anderer, noch gesichts- und namenloser Exilanten im Kampf gegen den Nationalsozialismus bleibt Aufgabe weiterer Studien. Aufgrund der hohen Zahl an Österreichern im US-Kriegsdienst erscheint eine schrittweise und systematische Erschließung dieser Personengruppe sinnvoll, etwa indem man die jeweiligen militärischen und geheimdienstlichen Einheiten in Hinblick auf Österreicher in ihren Reihen einzeln erforscht. Der exilbiografische und auf impressionistischen Fallstudien basierende Schwerpunkt dieses Buchs würde somit in einen breiteren empirischen Kontext gebettet und sukzessive erweitert werden. So werden im Rahmen eines bereits angelaufenen Folgeprojekts alle Österreicher, die während des Zweiten Weltkriegs das nachrichtendienstliche US-Ausbildungslager Camp Ritchie in Maryland durchlaufen haben, erfasst. Die Auswertung dieser später im Bereich Nachrichtendienst und Propaganda eingesetzten Personenkohorte erfolgt sowohl quantitativ (Datenbank-Dokumentation und -Auswertung aller Österreicher in diesem Lager) als auch qualitativ (kriegsbiografische Fallstudien und analytische Exkurse).34

34 Das seit März 2015 laufende ACIPSS-Projekt »Österreichische Exilanten im Nachrichtendienst der US-Armee. Eine kollektive Kriegsbiografie der ›Ritchie Boys‹« wird vom Jubiläumsfonds der Österreichischen Nationalbank und dem Österreichischen Zukunftsfonds finanziert. Es steht unter der Leitung von Siegfried Beer und wird in Zusammenarbeit mit Robert Lackner ausgeführt.

1 Die US-Armee  : Anlehnungsinstanz für exilösterreichische Antifaschisten und »Amerikanisierungsmaschine« in einem Unzaehlige Oesterreicher […] stehen in den Reihen der amerikanischen Armee und setzen ihr Leben ein, um der Welt ein neues und besseres Antlitz zu geben. Oesterreichs Heere waren seit Jahrhunderten bekannt durch die Tapferkeit ihrer Soldaten. Und diese alte Tradition haben die Oesterreicher auch in die Vereinigten Staaten mitgebracht. […] Und wenn wir heute die behagliche Sicherheit unserer Heime verlassen und in den Krieg ziehen, nach Europa und nach dem Fernen Osten, so tun wir es gerne und mit Freuden, um Amerika zu danken dafuer, dass es ausgezogen ist, unsere alte Heimat vom fremden Joch zu befreien. Der österreichische US-Propagandist Otto de Pasetti in einer Textvorlage für das »Austrian Radio« der Psychological Warfare Branch der US Army, März 19451 Als Kafkas Mistkäfer hatte ich die Alte Welt verlassen, als Gary Cooper kehre ich wieder. Die Reconquista hat begonnen, meine höchstpersönliche Rückeroberung … Selbstironischer (Rache-)Feldzug eines GIs statt patriotische Mission eines stolzen ­Österreichers  : Zitat aus der Autobiografie des jüdischen US-Soldaten Georg Troller 2

Tausende Österreicher, die sich während der Ära der NS-Diktatur und des Zweiten Weltkriegs in den USA befanden (nach meinen aktuellen Schätzungen, die auf den digitalisierten »Enlistment Records« des US-Nationalarchivs basieren, beläuft sich diese Zahl auf 6.000 bis 7.000 Personen) trugen zwischen 1941 und 1945 die Uniform der amerikanischen Boden-, See- oder Luftstreitkräfte. Während des Zweiten Weltkriegs waren sie – wie über 12 Millionen andere Amerikaner – Teil eines innerhalb kurzer Zeit aufgestellten gewaltigen Militärapparats. Österreichische Exilanten und Emigranten kämpften oder dienten in verschiedensten Streitkräften, Teilstreitkräften und Waffengattungen (Army, Army Air Force, Navy, Service Forces etc.), die im Rahmen des Koalitionskriegs der Alliierten die militärische Niederwerfung der Achsenmächte zum Ziel hatten. Der überwiegende Teil der österreichstämmigen Männer im wehrfähigen Alter landete bei der Army of the United States (AUS), also dem vor allem für Landkriegsführung zuständigen Heer der Vereinigten Staaten. Überwiegend handelte es sich hierbei um »38er«-Flüchtlinge, die im Zuge des »Anschlusses« aus Österreich in die 1 2

O. de Pasetti, Austrian Radio/PWB Rome, 18.3.1945. NARA, RG 226, E 139, B 162, F 1276. Georg Stefan Troller, Selbstbeschreibung. München  : 21991, 180.



Die US-Armee 

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USA geflohen oder vertrieben worden sind. Obwohl auch einige Dutzend oder Hundert Österreicher in der Navy oder der – nominell zur US Army gehörenden – Air Force gedient haben, konzentriert sich dieses Kapitel auf Österreicher in der US-Armee. In Anbetracht der reichen militärhistorischen Literatur und der bereits gut erforschten Aktivitäten der US-Armee im Zweiten Weltkrieg werde ich nach einer allgemeinen Einführung auf die exilösterreichischen Aspekte und das Phänomen des antinationalsozialistischen Widerstands von Österreichern aufseiten der Anlehnungsmacht USA eingehen. Teils aus inneren Reformbestrebungen heraus, teils als Reaktion auf externe Zwänge hin hat die Armee der Vereinigten Staaten seit dem ausgehenden 19. Jahrhundert mehrere Modernisierungs- und Technisierungsschübe erlebt. Vor allem die Teilnahme der USA am Ersten Weltkrieg, bei dem sich die US-Armee trotz großer Unerfahrenheit und vieler struktureller Defizite als »decisive force in the Allied victory« erwiesen hatte,3 leitete den Beginn einer neuen militärischen Ära ein, in der das kapitalistische Land zur weltweit führenden Militärmacht aufgestiegen ist und in der sich schließlich eine beispiellose Verquickung von (Außen-) Politik, Wirtschaft und Militär, auch bekannt unter dem Begriff militärisch-industrieller Komplex, herausgebildet hat. Nach dem Ersten Weltkrieg sorgte die innerhalb der amerikanischen Gesellschaft vorherrschende isolationistische Stimmung im Zusammenhang mit der schweren Wirtschaftskrise ab 1929 zunächst aber für eine ständige Beschneidung des Militäretats. Das von führenden Militärs befürwortete System eines stehenden Heeres, das im Bedarfsfalle durch Verbände der Nationalgarde und der Reserve erweitert werden konnte, wurde nur in Ansätzen verwirklicht. Die Reserve wurde 1932 abgeschafft und viele Einheiten der National Guard waren in der Folge zu »something akin to a men’s club, with ranks and positions offered on a political basis« verkommen.4 Doch auch das stehende Heer selbst, die Regular Army, befand sich zu Beginn der 40er-Jahre in einem desolaten Zustand. Die chronisch unterfinanzierte, unzureichend ausgerüstete und mit antiquiertem Gerät operierende5 US-Armee, deren gesamtes kampffähiges Personal 3

Ronald L. Spiller, »The US Army since 1900«, in  : James C. Bradford (Hg.), A Companion to American Military History. Bd. 1. Chichester  : 2010, 360–377, hier 364. 4 Jonathan Gawne, Finding Your Father’s War. A Practical Guide to Researching and Understanding Service in the World War II US Army. Drexel Hill  : 2006, 22. 5 So ist im Nachlass des gebürtigen Österreichers John G. Stewart (früher Hans Gideon Stein), der von der US-Armee als Kriegsgefangenenverhöroffizier in Europa eingesetzt wurde, ein 1941 in Camp Ord oder Camp Roberts, Kalifornien, aufgenommens Foto, das ihn mit einem Tellerhelm und veralteter Uniform zeigt. »Uniforms were left over from WWI  !  !  !« steht darunter in fetten Lettern zu lesen. Records of T/Sgt. John G. Stewart, US Army, Military Intelligence, WW II 1941–1945, European Theater, 1–43, hier 12. Library of Congress, American Folklife Center, Veterans History Project, John Stewart Collection (AFC/2001/001/47237).

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im Jahr 1934 mühelos im Chicagoer Football-Stadion Platz gefunden hätte,6 war zu dieser Zeit schlechter aufgestellt als noch vor dem Ersten Weltkrieg.7 Laut Richard Overy handelte es sich um eine »tiny skeleton force«, die 1941 in einem globalen Militär-Ranking gerade einmal den 18. Platz einnahm. 8 Der niedrige Stellenwert des Militärischen innerhalb der isolationistisch gesinnten US-Gesellschaft spiegelte sich übrigens auch im zeitgenössischen Sprachgebrauch wider  : So bedeutete »Soldiering« (Soldat sein) soviel wie »herumlungern«. 9 Obwohl es in Hinblick auf den kommenden Konflikt mit den Achsenmächten einige proaktive militärische Maßnahmen der Roosevelt-Administration, wie etwa die im sogenannten Selective Training and Service Act von 1940 beschlossene Einführung des »drafts« (i. e. der allgemeinen, auch in Friedenszeiten geltenden Wehrpflicht), gegeben hat, gingen die USA nahezu unvorbereitet in den Krieg. Die Lage des US-Militärs änderte sich nach dem am 7. Dezember 1941 erfolgten japanischen Luftangriff auf den Flottenstützpunkt Pearl Harbor dramatisch. Innerhalb weniger Monate und Jahre stellten die USA ein Millionenheer auf, das, unterstützt von der potenten Rüstungsindustrie an der »home front«, gegen die deutsche Wehrmacht und die japanische Armee siegreich war. Im Jahr 1944 produzierten die Vereinigten Staaten rund 40 % des gesamten Kriegsmaterials weltweit10 und ihre Streitkräfte befanden sich an allen Kriegsschauplätzen in der Offensive. Unter der Ägide des War Department, das Kriegsministerium und Oberster Generalstab in einem war und mit George C. Marshall einen kompetenten Generalstabschef und Militärmanager besaß, entwickelte sich die US-Armee zu einem mächtigen und kriegsentscheidenden »Player« am Schachbrett des Zweiten Weltkriegs. Die durch den Krieg erzwungene radikale Umgestaltung des US-Militärapparates und die Neugründung von zahlreichen Kriegsinstitutionen berührte nicht nur das Leben von Millionen von amerikanischen Staatsbürgern, sondern auch jenes von Tausenden österreichischen Einwanderern. So berichtet der österreichische Exilsozialist Julius Deutsch, der als Propagandist für den US-Radiosender Voice of America und als Geheimdienst-Informant für die Amerikaner tätig war, in seinen Memoiren  :   6 Edward M. Coffman, The Regulars  : The American Army, 1898–1941. Cambridge  : 2004, 234  ; ähnlich Gawne, Father’s War, 1.   7 Spiller, »US Army«, 364.   8 Richard Overy, Why the Allies Won. London  : 22006, 33.   9 Martin van Creveld, Kampfkraft. Militärische Organisation und Leistung der deutschen und amerikanischen Armee 1939–1945. Graz  : 42009, 34. Ungeachtet der zwischen Konservativismus und Rechtsextremismus angesiedelten Linie des herausgebenden Ares-Verlags beruht Crevelds Studie auf analytischen, nicht ideologischen Grundlagen. 10 John Keegan, Der Zweite Weltkrieg. Reinbek bei Hamburg  : 2009, 318.



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Als Beamter des Office of War Information lernte ich aus unmittelbarer Anschauung den gewaltigen Kriegsapparat der USA kennen. Ich erlebte, wie eine Demokratie, die für einen modernen Krieg in keiner Weise gerüstet war, in wenigen Monaten eine Kriegsmaschinerie aufbaute, die jahrelange Vorbereitungen der versiertesten Militärkaste der Welt zunichte machte.11

Die schon vor dem Krieg einsetzende und ab Dezember 1941 enorm beschleunigte Mobilisierung der amerikanischen Streitkräfte zeitigte unmittelbare Auswirkungen für die europäischen Exilanten und Flüchtlinge im Land. Die im Herbst 1940 im Sinne des Selective Training and Service Act eingeführte Registrierungs- und Musterungspflicht aller wehrfähigen Männer (Draft) betraf prinzipiell auch alle männlichen österreichischen Einwanderer. Die Auswahl und Einberufung aller Rekruten beruhte auf der Zuordnung einer Nummer für jeden wehrpflichtigen Mann durch das Local Draft Board, das auch für die Musterung der zukünftigen Soldaten zuständig war. Die vom regionalen Draft Board festgelegten Nummern wurden dann auf nationaler Ebene in einer Art Lotterie gezogen, wobei auf die »Gewinner« der aktive Wehrdienst wartete. Die Aufnahme von Österreichern in den Militärdienst wurde aber regional unterschiedlich gehandhabt  : In manchen Bundesstaaten wurden die Österreicher entsprechend den vom jeweiligen Draft Board registrierten Jahrgängen zum Armeedienst aufgerufen, in anderen konnten sie sich freiwillig melden.12 Wer sich – und dies galt für viele kampfwillige Österreicher im Land, die nach der Kriegserklärung Deutschlands an die USA als »feindliche Ausländer«13 bezeichnet wurden bzw. die »first papers«14 nicht besaßen – als Freiwilliger nicht offiziell zum Armeedienst (»enlistment«) melden durfte, konnte dennoch beim Draft Board um Vorreihung seiner Draft-Nummer ansuchen. Von dieser Möglichkeit wurde nach dem 11 Julius Deutsch, Ein weiter Weg. Lebenserinnerungen. Wien  : 1960, 368 f. 12 Albert Sternfeld, Betrifft  : Österreich. Von Österreich betroffen. Wien  : 2001, 196. 13 »It is extremely astonishing and most regretful that the Selective Service [Board] has now recognized de facto an international fact of aggression [i. e. den ›Anschluss‹ Österreichs an Deutschland und die damit verbundene Klassifizierung der Österreicher als feindliche, für den Kriegsdienst nicht in Frage kommende Ausländer]«, schreibt etwa ein nicht identifizierter Autor in einem Memorandum für die Foreign Nationalities Branch des Kriegsgeheimdienstes COI (Coordinator of Information) im Mai 1942. Er fährt fort  : » It may be expected that this action will have a deplorable effect on all the thousands of Austrians who were recently called to arms or those who are awaiting induction in the near future.« COI/FNB-Memorandum on Austrian Classification for Selective Service, 20.5.1942. NARA, RG 226, FNB-INT-4 AU-100. 14 Damit österreichische US-Einwanderer die Staatsbürgerschaft erlangen konnten, mussten sie eine »Declaration of Intention« (First Papers) und ein Ansuchen um Naturalisierung einreichen. Die Zulassung zum Wehrdienst von Personen, die noch nicht die US-Staatsbürgerschaft besaßen, erfolgte (zumindest de jure) nur, wenn die First Papers vorhanden waren.

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7. Dezember 1941 vielfach und mit Erfolg Gebrauch gemacht. Trotz des veritablen Durcheinanders bei der Rechtsstellung Österreichs und der wehrpflichtigen Öster­reicher in den USA gilt  : Wer als österreichischer Immigrant den Weg in die US-Armee des Zweiten Weltkriegs mit Nachdruck gesucht hat, der fand ihn in der Regel auch. Zahlreiche Einwanderer waren schon vor dem Kriegseintritt der USA gemustert und wenig später in die Armee aufgenommen worden. Der österreichische Schauspieler und spätere Film-Manager Gustav »Gustl« Breuer trat im Januar 1941 als Wehrpflichtiger in die US-Armee ein.15 Der aus Wien stammende, während des Kriegs als Gebirgsinfanterist der berühmten 10th Mountain Division in Italien kämpfende Nicholas Hock war im Sommer 1941 in die Army eingerückt,16 sein Landsmann Hans Stein alias John Stewart, der später als Verhörsoldat beim Armeenachrichtendienst G-2 in Westeuropa dienen sollte, wurde im Herbst desselben Jahres eingezogen.17 Bei jenen Exilösterreichern, die sich freiwillig zum Kriegsdienst meldeten, standen nicht selten beruflich-ökonomische Überlegungen im Vordergrund. Der Dienst in der Regular Army oder in der Nationalgarde bot für die oft mittellosen und sich mit Hilfsarbeiterjobs über Wasser haltenden Exilanten das Allernotwendigste  : Behausung und Brot  ! Nicht wenige Österreicher in den USA waren nicht nur auf die Befriedigung von Grundbedürfnissen aus, sondern auch voller Sorge ob des nationalsozialistischen Expansionismus und des Schicksals ihres österreichischen Heimatlands und boten sich deshalb bereits vor der Zäsur von Pearl Harbor aus freien Stücken den US-Streitkräften an. Der Geophysiker Walter Munk, der während des Kriegs von den Schlachtfeldern ferngehalten wurde, weil er für die US Navy forschte, meldete sich bereits im Herbst 1940 für den Kriegsdienst und wurde zunächst in die Nationalgarde aufgenommen. 18 Er erklärte seine Motivation für das freiwillige »enlistment« wie folgt  : I was very concerned about the war, and I actually left [the university] and volunteered in the Army. I didn’t wait, wasn’t drafted. I joined as an enlisted man. […] So I volunteered […] [b]efore Pearl Harbor, yes. Austria as you know had been occupied in 1938, 15 US Army WW II Enlistment Record of Gustav J. Breuer, ASN 32002844. NARA, RG 64, in  : aad.archives.gov (letzter Zugriff  : 12.1.2011)  ; »Breuer, Barnett and Welker Are Elevated by RCA Victor«, in  : Billboard, 23.10.1965, 6. 16 US Army WW II Enlistment Record of Nicholas Hock, ASN 32100080. NARA, RG 64, in  : aad. archives.gov (letzter Zugriff  : 26.10.2011). 17 Local Draft Board No. 38, San Joaquin County, Stockton, California, Selection Note for Hans G. Stein, 16.9.1941, in  : Records of J. Stewart, LoC, J. Stewart Collection. 18 US Army WW II Enlistment Record of Walter Munk, A[rmy] S[erial] N[umber] 20946104. NARA, RG 64, in  : aad.archives.gov (letzter Zugriff  : 13.1.2011).



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1 Das »Local Draft Board« in Stockton, Kalifornien, informiert den österreichischen Einwanderer Hans G. Stein, dass er im Rahmen des »draft« in die Armee einberufen wurde.

and so that made me more concerned, I guess, than most people, although my parents really got out without too much trouble. My step-father had been in the government at the time when Schuschnigg was Chancellor. But I just wanted to do something about it.19

19 Transcript of Interview Finn Aaserud with Walter Munk, 30.6.1986. Niels Bohr Library & Archives with Center for History of Physics, in  : https://publishing.aip.org/history-programs/­nielsbohr-library/oral-histories/4790 (letzter Zugriff  : 24.9.2015).

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Die innerhalb kürzester Zeit von 2 Millionen auf rund 8 Millionen Mann vergrößerten US-Streitkräfte benötigten einen ständigen Zustrom von neuen Soldaten. Unmittelbar nach dem japanischen Angriff auf Pearl Harbor – der größten Zäsur in der jüngeren amerikanischen Militärgeschichte – begann in einer Art kollektiver Affekthandlung der große Ansturm auf die Rekrutierungsbüros des Militärs. Es meldeten sich nun Hunderttausende Amerikaner, unter ihnen einige Hundert österreichische Immigranten, freiwillig zum Kriegsdienst. Der aus Wien stammende Jude Alfred Diamant suchte nach diesem »elektrisierenden« Erlebnis das nächstgelegene Personalbüro der Armee auf  : As soon as we heard the news about Pearl Harbor, and without waiting for the formal declaration of war, which followed in another day or two, I knew what my next step would be. On Monday morning, I went to my local draft board and asked to be called ahead of my regular draft number. I could take that step, even though I could not enlist in the regular forces. Since I had been classified 1A, it took the draft board only a few days to produce the famous Greetings letter ordering me to report for induction at Fort Devens, Massachusetts, on January 14, 1942.20

Der Gang exilösterreichischer Männer auf die Personalbüros der US-Armee, der nach der Moskauer Deklaration über Österreich im November 1943 einen weiteren (wenn auch nicht mit dem Kriegseintritt vergleichbaren) Schub bekam, 21 erfolgte vielfach nicht nur aus Loyalität zum Gastland, sondern – wie vor allem bei jüdischen Flüchtlingen der Fall – auch aus einem Gefühl der Solidarität und Verantwortung gegenüber den jüdischen Schicksalsgenossen und den Verfolgten in Österreich und Europa heraus. So behauptete der bei Militärpolizei dienende Grafiker Leo Glückselig  : Ich sah keinen Ausweg, die Naziherrschaft zu beenden, als durch Krieg. Der ist ohne mein Zutun gekommen. Aber dass ich einfach nichts dazu mache, war mir unvorstellbar. Ich hatte furchtbare Schuldgefühle, dass ich in Amerika lebte, während dieser dau­ernde Niederbruch des ganzen Europa stattfand, ohne dass ich etwas dagegen tun konnte.22

20 Ann Redmon Diamant/Alfred Diamant, Worlds Apart, Worlds United  : A European-American Story. The Memoirs of Ann and Alfred Diamant. Bloomington  : 2010, 165  ; Interview Margarete Joseph with Alfred Diamant, vermutlich 6.6.2004. Library of Congress, American Folklife Center, Veterans History Project, Alfred Diamant Collection (AFC/2001/001/4944). 21 Vgl. Eppel, Exil, Bd. 2, 6. 22 Leo Glückselig, zitiert in  : Eppel Exil, Bd. 2, 5.



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Nachdem die neuen exilösterreichischen Rekruten der US-Armee in einem »reception center« bzw. »induction center« in einem sehr technizistisch angelegten »Fließband«-Verfahren auf Herz und Nieren untersucht worden waren, teilte man sie entsprechend den Kriterien physische Tauglichkeit, Berufserfahrung und intellektuelle Fähigkeit einer bestimmten Waffengattung bzw. Armeesparte zu.23 Danach landeten sie meist in einem Army Training Center (ATC, im Soziolekt der Soldaten auch »boot camp« genannt) in den Südstaaten und erhielten dort ihre Grundausbildung, die zwischen 13 und 17 Wochen dauerte.24 Im Anschluss daran wurden sie je nach Eignung und Personalbedarf, teilweise auch völlig willkürlich, zu verschiedenen Einheiten der US-Armee transferiert und nach einer weiteren, spezialisierten Ausbildung auf verschiedenen Kriegsschauplätzen eingesetzt. Öster­reicher legten in vielen Fällen erfolgreiche oder spektakuläre Militärkarrieren hin. Die meisten Öster­reicher wurden zunächst als »riflemen« in Infanteriedivisionen gesteckt. Doch mit Fortdauer des Konflikts erkannten die Militärplaner in Washington das große und kriegsrelevante Potenzial dieser immigrierten Bevölkerungsgruppe und setzte sie zu Hunderten als Verhöroffiziere des Armeegeheimdienstes G-2 oder als Ausbilder für die neu geschaffene Gebirgseinheit ein. Militär- und exilsoziologisch erwähnenswert ist auch die Tatsache, dass es nicht wenige Frauen im Kriegsapparat der Amerikaner gab, die sekundäre militärische oder andere kriegsrelevante Tätigkeiten ausübten. Zu ihnen gehörte etwa die 1918 geborene Öster­reicherin Betti Birenbaum, die als Mitglied des Army Nurse Corps im 20th Field Hospital in Frankreich, Belgien und Holland eingesetzt wurde und die laut eigenen Angaben als »surgery nurse« auch über 1.000 befreiten KZ-Häftlingen medizinische Hilfe leistete.25 Allein über Öster­reicherinnen in US-Kriegsinstitutionen ließe sich mühelos ein mehrere Hundert Seiten dickes Buch schreiben. Wie lässt sich der Dienst von Öster­reichern in der US-Armee innerhalb des exilöster­reichischen Widerstandskampfs gegen den Nationalsozialismus verorten  ? Der in der Einleitung dieses Buches zitierte US-Soldat Harry Freud, übrigens ein Neffe Sigmund Freuds, behauptete, dass jeder Öster­reicher mit Überzeugung danach strebe, seine Heimat vom Nationalsozialismus zu befreien.26 Diese Einschätzung ist Ausdruck für ein naives und »schönfärberisches Öster­ reichbild«,27 das mit den tatsächlichen Lebensrealitäten und nationalen bzw. politischen Identitätsentwürfen unserer Exilprotagonisten in der Regel nicht 23 Van Creveld, Kampfkraft, 89. 24 Ebd., 94  ; Gawne, Father’s War, 7. 25 Siehe hierzu  : Library of Congress, American Folklife Center, Veterans History Project, Betti Birenbaum Collection (AFC/2001/001/59047). 26 Eppel, Exil, Bd. 2, 57. 27 Wolfgang Neugebauer, Der öster­reichische Widerstand 1938–1945. Wien  : 2008, 178.

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leicht in Einklang zu bringen ist. Trotz der beim (politisch in mehrere Lager gespaltenen und zerstrittenen) öster­reichischen Exil in den USA beobachtbaren Herausbildung eines lagerübergreifenden Nationalbewusstseins, das seine Wurzeln »im Widerstand gegen das NS-Regime und in der Emigration«28 sowie in der Moskauer Deklaration über Öster­reich im November 1943 hatte, war der öster­reichpatriotisch überformte Widerstandskampf gegen Hitlerdeutschland selten das Leitmotiv für den Eintritt in die US-Streitkräfte. Wie der erste Abschnitt über Öster­reicher in der US-Armee noch zeigen wird, stellte der Öster­ reichpatriotismus – vor allem für die dem konservativen, legitimistischen oder vormals »austrofaschistischen« Lagers zuzuordnenden Flüchtlinge – durchaus ein gewichtiges Motiv für den Kampf in amerikanischer Uniform dar. Doch stand dieser Minderheit eine wesentlich größere Gruppe von (vor allem jüdischen) GIs gegenüber, die nicht mehr für Öster­reich, sondern nur mehr für ihr Gastland USA, dem sie in vielen Fällen ihr Überleben verdankten, in den Krieg ziehen wollten. Auch wenn diese Studie weniger auf quantitativen Daten, sondern mehr auf impressionistischen Case Studies beruht, legen die bisher gesichteteten Quellen nahe, dass viele geflüchtete oder vertriebene Juden, die – wie die beiden oben zitierten Zeitzeugen Diamant und Glückselig – den rabiaten Antisemitismus ihrer Mitbürger im Jahr 1938 selbst erlebt oder aus nächster Nähe wahrgenommen hatten, kaum mehr positive Gefühle für ihr Ex-Heimatland empfanden. Vielmehr war für sie die Dankbarkeit gegenüber jener Nation, die ihnen nun Schutz vor den Verfolgungen durch den Nationalsozialismus bot, das Hauptmotiv. Auch die amerikanische Armeeführung selbst hatte an Öster­reichNostalgikern in ihren Reihen kein Interesse, sondern bevorzugte rasch amerikanisierte und US-patriotische Rekruten. »They had the great agent of Americanization – World War II«, schreibt der Holocaustexperte Michael Berenbaum etwa über die (jüdischen) Deutschen und Öster­reicher in der US-Armee.29 In einem im Januar 1942 in der jüdischen Exilzeitung Der Aufbau erschienenen Artikel empfahl ein gewisser Sergeant Walter Schoenstedt den deutschen und öster­ reichischen Rekruten der US-Armee, dass sie es tunlichst vermeiden sollten, der alten Heimat lautstark nachzutrauern  : Never say »bei uns in Frankfurt« or »bei uns in Wien.«30 28 Ruth Wodak/Rudolf de Cillia/Martin Reisigl/Karin Liebhart/Klaus Hofstätter/Maria Kargl, Zur diskursiven Konstruktion nationaler Identität. Frankfurt am Main  : 1998, 116. 29 Michael Berenbaum, zitiert in  : Steve Lipman, »The Chance To Fight Back«, in  : www.thejewishweek.com/news/international/chance-fight-back (letzter Zugriff  : 19.6.2015). 30 Sgt. Walter Schoenstedt, »Our Army, Too. Immigrant Etiquette for Military Life«, in  : Der Aufbau, 2.1.1942, 3.



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Für die exilierten Sozialisten und Kommunisten in den USA, die im Gegensatz zu den konservativ-patriotischen Exilanten der Idee eines Zusammenschlusses Deutschlands und Öster­reichs unter einer linken Regierung einiges abgewinnen konnten, war ebenfalls weniger der Öster­reichpatriotismus, sondern mehr die kämpferische und ideologisch fundierte Ablehnung des Faschismus der wichtigste Antriebsgrund für den Gang in die US-Armee. Darüber hinaus stellten eine Reihe von weiteren Motiven, wie Abenteuerlust oder, wie bereits erwähnt, wirtschaftliche Erwägungen, existenzielle Absicherung usw., bedeutende Faktoren für den Eintritt ins amerikanische Militär dar. In der Tat sollte sich die US-Armee für die Tausende von öster­reichischen Soldaten in ihren Reihen eher als amerikanisierende Instanz und weniger als Trägerorganisation einer geschlossen auftretenden, öster­reichpatriotischen Exilwiderstandsbewegung erweisen. Der überwältigende Großteil der hier untersuchten Personengruppe ist nach dem Krieg nicht nach Öster­reich zurückgekehrt, sondern hat sich in den USA eine neue Existenz aufgebaut. »Sie waren Hitler-Deutschland entronnen«, so Albert Sternfeld, und »außer den ältesten Jahrgängen wollten sie nichts anderes, als ein neues Leben in einem neuen Land aufbauen, dem sie für ihre Aufnahme dankbar waren. Sie wollten dazugehören, und es war für sie selbstverständlich, mit den Amerikanern gegen Hitler-Deutschland zu kämpfen.«31 Die Protagonisten des folgenden Abschnitts, die sich nach 1938 nur selten mehr als Öster­reicher, sondern in der Regel als sich im Kampf mit dem Nationalsozialismus befindende Neo-Amerikaner betrachteten, als öster­ reichische Widerstandskämpfer zu bezeichnen ist daher problematisch. Da der Terminus Widerstand jedoch primär das Gegen-etwas-Widerstand-Leisten und weniger das Für-etwas-Kämpfen in den Mittelpunkt stellt, werden von mir auch diese Exilanten, die sich in der Uniform der Anlehnungsmacht USA dem Nationalsozialismus mit der Waffe in der Hand entgegengestellt haben, dem »breiten« öster­reichischen Widerstand (Wolfgang Neugebauer) zugerechnet.32 Die USA waren nicht nur im militärisch-ökonomischen Sinne ein »Arsenal der Demokratie« (Franklin D. Roosevelt), sie und ihre Armee waren auch für die Demokraten, Antifaschisten und NS-Gegner öster­reichischer Herkunft im Exil ein unverzichtbarer Verbündeter, der organisierten Widerstand überhaupt erst ermöglichte.

31 Sternfeld, Betrifft  : Öster­reich, 196. 32 Vgl. Neugebauer, Widerstand, 177.

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1.1 »I don’t want to fight for Otto – I want to fight for America« – Das Austrian Battalion der US-Armee und seine öster­ reichischen Soldaten Da gab es in Amerika eine skurrile Episode. Manche Nationen der alten Donaumonarchie träumten von einem zukünftigen Staat ihrer Nation in Europa. Sie erreichten von Roosevelt hierzu eine Art von Nationalbataillonen  : die Ungarn, die Polen, die Tschechen, usw.33 Da gab es einen Plan, angeblich von Otto von Habsburg dem Präsidenten Roosevelt eingeredet, für ein öster­reichisches Bataillon unter seiner Führung. Ich erinnere mich nur an eine Unterschriftensammlung gegen dieses Projekt und habe mit Freude auch unterschrieben. Marcel Prawy, ehemaliger Soldat der US-Armee und späterer »Opernführer« in Wien, über das militärische Experiment namens »Austrian Battalion«34 Wissen Sie überhaupt wer diese Leute sind  ? Im Ersten Weltkrieg sind Amerikaner gestorben, um die Macht des Hauses Habsburg zu brechen. Dauernd erzählt man mir, daß die Amerikaner nicht an den Adel glauben. Und jetzt wollen Sie eine Legion von öster­reichischen Adeligen zulassen  ? Der öster­reichische Exilant und GI Leo Glückselig angesichts seiner möglichen Versetzung zum Austrian Battalion35 I am […] convinced that had this outfit existed longer, it would have been a great credit to the U.S. military and to Austria. Jack Hochwald, ehemaliger Soldat des Austrian Battalion angesichts der vorzeitigen Auflösung dieser umstrittenen Einheit36

33 Prawys Auflistung der von Roosevelt und den US-Militärbehörden in Auftrag gegebenen Nationalbataillone ist fehlerhaft  : Es gab während des Zweiten Weltkrieges in den USA nur je eine norwegische (99th Infantry Battalion), philippinische (1st Filipino Infantry Regiment), griechische (122nd Infantry Battalion) und eben öster­reichische Einheit innerhalb der US-Armee. Der Versuch, eine ungarische US-Truppe aufzustellen, ist gescheitert. 34 Marcel Prawy/Peter Dusek/Christoph Wagner-Trenkwitz, Marcel Prawy erzählt aus seinem Leben. Wien  : 1996, 86. 35 Leo Glückselig, Gottlob kein Held und Heiliger  ! Ein Wiener »Jew-boy« in New York. Wien  : 1999, 199. 36 Jack Hochwald, Personal Narrative, in  : Steven Karras, The Enemy I Knew. German Jews in The Allied Military in World War II. Minneapolis  : 2009, 201–215, hier 202.



Das Austrian Battalion der US-Armee und seine öster­reichischen Soldaten 

Marches  : none Campaigns  : none Battles  : none

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Auszug aus dem dürren Leistungsbericht des 101st Infantry Battalion (i. e. Austrian Battalion) der US Army im Februar 194337

1.1.1 Nur eine »Wiener Operette«  ? – Ottos Bataillon

Über die Genese des während des Zweiten Weltkriegs in Camp Atterbury, Indiana, geschaffenen »Austrian Battalion« der US-Armee (auch »Öster­ reichische Legion« genannt) wurde in der öster­reichischen Exilforschung und Geschichtsschreibung viel nachgedacht, viel publiziert und – wegen der politischen Schlüsselrolle, die der öster­reichische »Kaiser« Otto von Habsburg38 und legitimistisch-konservative Exilgruppen dabei innehatten – viel gestritten.39 Das kurzlebige Austrian Battalion gilt heute zu Recht als tragisches Sinnbild für die sich ideologisch unversöhnlich gegenüberstehenden politischen Lager des »38er«-Exils in den USA. Die eigentlichen Protagonisten dieses kontroversen und von einer breiten Phalanx aus linken und liberalen exilöster­reichischen Gruppierungen und amerikanischen Journalisten heftig angefeindeten Truppenkörpers wurden interessanterweise in der Forschung bisher kaum oder nur am Rande berücksichtigt.40 Dabei waren es genau jene ins amerikanische Exil geflüchteten Öster­reicher, die nach der Einberufung oder freiwilligen Meldung zum US-Kriegsdienst in diesem Bataillon als GIs auf den Schlachtfeldern Europas ihr Leben hätten riskieren sollen, um ihre ehemalige Heimat vom Nationalsozialismus zu befreien. 37 Lt. Col. V. Conrad, Headquarters 101st Infantry Battalion (Separate), Camp Atterbury, Indiana, to the Adjutant General, Washington, D.C., History of Service of Organization, 26.2.1943. NARA, RG 407, E 427, B 16924. 38 In der prononciert habsburgkritischen Exilzeitung Austro-American Tribune wurde 1942 »auf ein Geheimtreffen der öster­reichischen Monarchisten in New York aufmerksam gemacht, in dem Otto von Habsburg als ›unser Kaiser‹ vorgestellt worden sei.« Helmut F. Pfanner, »›Austro-American Tribune‹  : Die Stimme eines freien demokratischen Öster­reich im Exil«, in  : Johann Holzner/Sigurd Paul Scheichl/Wolfgang Wiesmüller (Hgg.), Eine schwierige Heimkehr. Öster­reichische Literatur im Exil 1938–1945. (= Innsbrucker Beiträge zur Kulturwissenschaft, Germanistische Reihe, Bd. 40). Innsbruck  : 1991, 205–217, hier 209. 39 Eine tendenziell habsburgapologetische, aber sehr sorgfältige Darstellung der politischen Genese des Bataillons findet sich bei Franz Goldner, Die öster­reichische Emigration 1938 bis 1945 (= Das einsame Gewissen. Beiträge zur Geschichte Öster­reichs 1938 bis 1945, Bd. 6). Wien und München  : 1977, 129–182  ; analytischer und kritischer hingegen ist die mit zahlreichen Dokumenten untermauerte Darstellung von Eppel, Exil, Bd. 2, 7–29 und 73–140. 40 Siehe hierzu etwa Eppel, Exil, Bd. 2, 7–29 und 73–140, und Ganglmair, »Öster­reicher«, 523–536.

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Ziel dieses Kapitels ist es daher nicht, die in der Literatur bereits einschlägig und erschöpfend behandelte politische Debatte, welche die Entstehung des Austrian Battalion begleitete, noch einmal im Detail aufzurollen. Vielmehr sollen die von den politischen und militärischen Entscheidungsprozessen direkt Betroffenen, also die zur US-Armee gehörigen »öster­reichischen Legionäre«, in Form einer selektiven Quellendokumentation zu Wort kommen. Obgleich es sich bei den hier zitierten Soldatenaussagen41 um Einzelmeinungen handelt, erlauben die im Folgenden wiedergegebenen Stimmungsbilder und biografischen Reflexionen über das Austrian Battalion tiefe Einblicke in das Weltbild und den Identitätsdiskurs von Exilöster­reichern in den USA sowie in die soziologische Struktur dieser Kampfeinheit. Die vorzeitige Auflösung des Austrian Battalion bedeutete in der Regel nicht das Ende des Kriegsdienstes der Beteiligten. Vielmehr begann dieser in den meisten Fällen nach der Episode in Camp Atterbury erst wirklich. In einem abschließenden Teil werden daher die Kriegsbiografien zweier öster­reichischer Protagonisten des Öster­reich-Bataillons rekonstruiert, die nach ihrem Dienst im »Habsburg-Bataillon« als US-Soldaten in Europa kämpften. Bevor die Memoiren und Aussagen der exilöster­reichischen Soldaten, die in diesem Truppenkörper dienten, dargelegt werden, gilt es kurz auf die Entstehung und die politische und historische Bedeutung des Öster­reich-Bataillons einzugehen  : Nach dem Kriegseintritt der Vereinigten Staaten setzten sich zwei exilöster­ reichische Gruppierungen und eine Reihe von Einzelpersonen bei der US-Regierung für die Schaffung einer öster­reichischen Einheit in der US-Armee ein,42 die sowohl in militärischer als auch symbolisch-propagandistischer Hinsicht einen Beitrag zur amerikanischen Kriegsanstrengung und zur Wiedererrichtung Öster­ reichs leisten sollte. So forcierte Ferdinand Czernin, ein ehemals dem Habsburg-Lager nahestehender, nunmehr aber der konservativ-liberalen Mitte zuzuordnender Aristokrat, mit seiner Austrian Action die Aufstellung einer solchen öster­reichischen Legion, die auf der »broadest nonpolitical basis« erfolgen und Kräfte aller Couleurs mit einschließen sollte.43 Auch Ernst Karl Winter, ehemaliger Vizebürgermeister von Wien und als Vorsitzender des Austro-American Center eine relativ angesehene Integrationsfigur des konservativen Lagers in den USA, unterrichtete das State Department 41 Zu dieser Gruppe gehören auch einige Exilanten, die vom Rekrutierungskomitee des Bataillons oder den US-Militärbehörden als potenzielle Rekruten angesprochen worden waren, aber nicht dorthin wollten bzw. sich gegen den Transfer nach Indiana erfolgreich zur Wehr setzten. 42 Eppel, Exil, Bd. 2, 11. 43 Ebd., 93  ; vgl. OSS/FNB-Memorandum to the Director, Austrian-American Situation on the eve of Austria’s Liberation, 7.9.1944. NARA, RG 226, FNB-INT-4 AU-587.



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2 Angehörige der Kompanie B des Austrian Bataillon auf dem Exerzierplatz in Camp Atterbury.

von der Idee, eine solche Einheit unter Einbeziehung aller politischen Gruppen zu schaffen.44 Der von legitimistischen und konservativen Exilverbänden oft als unversöhnlicher Gegner der Idee eines öster­reichischen Nationalbataillons dargestellte Vertreter des sozialistischen Austrian Labor Committee (ALC), Julius Deutsch, sprach sich ebenfalls prinzipiell dafür aus, dass »so-called ›enemy aliens‹, such as Austrians, Rumanians, Hungarians, and others› […] who were most anxious to fight against the Axis« in einer »alien military unit« zusammengefasst werden sollten. Laut dem polemischen Urteil seines stramm ideologischen Parteigenossen Joseph Buttinger wäre der zwischen sozialistischer Orthodoxie und lagerübergreifendem Pragmatismus oszillierende Deutsch zuvor im französischen Exil sogar bereit gewesen, sich dem »abgehauste[n] Faschistenhäuptling [Rüdiger von] Starhemberg« zur Verfügung zu stellen und »seine ›Pflicht‹ in einer öster­

44 Goldner, Emigration, 167 f. Winter hatte sich schon während des Dollfuß-Regimes in Öster­reich erfolglos um ein Zusammenwirken von Sozialisten und Konservativen bemüht, um sich gegen den Nationalsozialismus zu verteidigen. Siehe hierzu etwa Joseph Buttinger, Das Ende der Massenpartei. Am Beispiel Öster­reichs. Frankfurt am Main  : 1972, 326 f.

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reichischen Legion« unter der Leitung Starhembergs »zu erfüllen.«45 Deutsch, der als ehemaliger öster­reichischer Verteidigungsminister, Führungsfigur des republikanischen Schutzbundes und republikanischer Spanienkämpfer bereits reichlich Erfahrung in militärbürokratischen Fragen und bei der Aufstellung von Kampfeinheiten gesammelt hatte, wusste um die politischen, bürokratischen und organisatorischen Probleme, welche solche Einheiten für die amerikanischen Militärbehörden mit sich brachten. Gleichzeitig unterstrich der spätere Rundfunkpropagandist aber deren symbolisches und politisches Potenzial  : Deutsch […] admitted that such alien military units were headaches from a military point of view, but he felt that primarily as symbols they had considerable political or propaganda value.46

Während die zuvor erwähnten Vorstellungen einer (unpolitischen oder zumindest parteiübergreifenden) Austrian Fighting Unit nicht umgesetzt wurden, war dem hauptsächlich von Otto von Habsburg, Hans Rott und anderen konservativen bzw. monarchistischen Exilanten initiierten Austrian Battalion mehr Erfolg beschieden. Laut dem Autor Karl Frucht, der ebenfalls in der US-Armee gedient hatte, war Habsburg »jung und patriotisch genug, um im Kampf gegen Hitler eine öster­reichische Legion ins Leben rufen zu wollen.«47 Mit tatkräftiger Unterstützung Präsident Roosevelts, der ein ausgeprägtes Faible für zentraleuropäische Aristokraten und »gekrönte Häupter« hatte,48 konnten er und sein Umfeld gegen die teils massiven Bedenken von Teilen des Kongresses, des State Department, des War Department, des Kriegsgeheimdienstes OSS und des Propagandaamtes OWI die Bildung einer öster­reichischen Infanterie-Einheit durchsetzen. Habsburg, »who [was] confidently addressed as ›Your Imperial Highness‹ by a loyal entourage which ignore[d] the lack of throne or empire«,49 hatte sich mit vielen persönlichen Gesprächen und glamourösen Auftritten auf dem New Yorker und Washingtoner Gesellschaftsparkett als hartnäckiger Lobbyist und ausdauernder Netzwerker erwiesen. Am 19. November 1942 wurde von Kriegsminister Stimson die Schaffung des öster­reichischen Bataillons (101st Infantry Battalion als »separater« Verband der 83. Infanteriedivision der 2. US-Armee) angekündigt. Gleichzeitig wurde ein eilig 45 Buttinger, Ende der Massenpartei, 579. 46 Department of State, Memorandum of Conversation, J. Deutsch with H. Hoskins, 10.3.1942, 1–3, hier 3. DÖW 10005. 47 Karl Frucht, Verlustanzeige. Ein Überlebensbericht. Wien  : 1992, 142. 48 Eppel, Exil, Bd. 2, 8. 49 Joseph S. Roucek, »The ›Free Movements‹ of Horthy’s Eckhardt and Austria’s Otto«, in  : Public Opinion Quarterly, Vol. 7, Nr. 3, 1943, 466–477, hier 473.



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und ohne Einbindung von anderen öster­reichischen Exilorganisationen eingerichtetes Military Committee for the Liberation of Austria vorgestellt, das sich aus Vertretern des konservativ-bürgerlichen Free Austrian Movement (FAM) und des legitimistischen Lagers konstituierte und unter der (inoffiziellen) Führung Habsburgs für die Rekrutierung der öster­reichischen Bataillonskämpfer zuständig war. Ein im November 1942 von diesem Komitee publizierter Aufruf, der an Tausende öster­reichstämmige Einwanderer in den USA erging, hatte folgenden Wortlaut  : Lieber Landsmann, Das US War Department hat sich entschlossen, eine öster­reichische Kampfeinheit im Rahmen der amerikanischen Armee aufzustellen. Das Military Committee for the Liberation of Austria wird, entsprechend dem Briefe des Secretary of War Henry L. Stimson, seine Tätigkeit der Werbung von Freiwilligen für diese Einheit widmen. Diese militärische Einheit wird einen Teil der US Army bilden. Ein besonderes Abzeichen auf der amerikanischen Armee-Uniform wird die Freiwilligen als Angehörige der öster­reichischen Einheit kenntlich machen. Jeder Angehörige dieser Einheit hat nach dreimonatiger Dienstzeit die Möglichkeit auf die Erwerbung der US Citizenship. Von seinem Eintritt an bezieht er die gleiche Entlohnung (Familienhilfe etc.) wie die Militärpersonen jeder anderen Einheit der US Army. Jeder Öster­reicher, der irrtümlich oder aufgrund unrichtiger Informationen nicht als Öster­reicher registriert wurde, wird mit seiner Zulassung in die öster­reichische Einheit bei der Reklassifizierung als Öster­reicher bevorzugt behandelt werden. Öster­reicher, die bereits in einer Einheit der US Army dienen, werden sich in der Regel über ihren Wunsch zur öster­reichischen Einheit transferieren lassen können. Jeder Öster­reicher, der sich meldet, erfüllt seine Loyalitätsverpflichtung den Vereinigten Staaten gegenüber genau so, als wäre er Mitglied einer anderen Einheit der US Army. Die freiwillige Meldung zur öster­reichischen Einheit wird jedem höher angerechnet werden als die bloß pflichtgemäße Erfüllung der Draft-Bestimmungen. Die öster­reichische Einheit wird vorerst durch amerikanische Offiziere kommandiert werden. Wenn die Ausbildung von Angehörigen der öster­reichischen Einheit abgeschlossen ist, wird das Offizierskorps aus ihren eigenen Reihen gebildet werden. Die Meldung zur öster­reichischen Einheit erfolgt durch die Ausfüllung des beigelegten Antwortformulars und dessen Einsendung und das Military Committee for the Liberation of Austria. Die Einberufung wird durch die amerikanischen Militärbehörden erfolgen. Ob Sie für eine militärische Dienstleistung in Betracht kommen oder nicht, – antworten Sie auf jeden Fall. Sie finden ein portofreies Antwortkuvert beigelegt. Das Military Committee steht Ihnen für jede Auskunft zur Verfügung und wird jede Anfrage ausführlich beantworten.

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Die Freiwilligen, die sich melden, werden, ohne Rücksicht auf ihre endgültige Aufnahme in die öster­reichische Einheit, ein Ehrenabzeichen kostenfrei erhalten, das sie als öster­reichische Freiwillige und loyale Kämpfer für Freiheit und Demokratie vor aller Welt kennzeichnet. Das Military Committee for the Liberation of Austria  : Otto von Öster­reich Hans Rott, Bundesminister Guido Zernatto, Bundesminister Richard Schüller, Bevollm. Minister Walter von Schuschnigg, Konsul Frederick Taylor, Hauptmann50

Öster­reichstämmige Amerikaner, so der Grundgedanke, sollten als amerikanische Soldaten in einer eigenen Einheit mit markanten und ethnospezifischen Insignien wie dem Edelweiß gegen die deutsche Wehrmacht kämpfen und so die »symbolische Grundlage für ein noch nicht wiedererstandenes Staatswesen«, nämlich das unabhängige Öster­reich, schaffen.51 Darüber hinaus wurde das Bataillon von seinen Schöpfern als propagandistisches Signal an die Öster­reicher und Öster­ reicherinnen in der Heimat gesehen, die unter dem Joch der »preußischen« Natio­ nalsozialisten standen und zum Widerstand gegen das Regime ermutigt werden sollten. Doch beschränkten sich die Absichten, die die Initiatoren rund um Otto Habsburg hegten, wohl nicht nur auf die Wiederherstellung Öster­reichs in den Grenzen vor 1938, sondern zielten auch kühn auf eine eventuelle Restauration der Habsburger oder zumindest eine entscheidende politische und strategische Mitsprache des legitimistischen Lagers bei der Neugestaltung des zentraleuropäischen Raumes nach dem Krieg ab.52 »[M]ost of his enthusiasm«, schrieb der Zeitzeuge Joseph. S. Roucek im Public Opinion Quarterly lakonisch, »is due to his hope that he will return some day to the throne of the Austro-Hungarian Empire which his father vacated in 1918«.53 Die politischen Intentionen von Ottos »Entourage« manifestierten sich vor allem in der Symbolik  : Die Schleife, die der Kommandeur des Bataillons, Colonel Joseph Conrad, angeblich mit mehr Begeisterung als die Rekruten getragen hatte, war in den k. k. Farben Schwarz und Gelb gehalten54 und 50 Aufruf des Military Committee for the Liberation of Austria zur freiwilligen Meldung für die öster­reichische Kampfeinheit im Rahmen der US-Armee, November 1942, zitiert in  : Eppel, Exil, Bd. 2, 82 f. 51 Goldner, Emigration, 161. 52 Eppel, Exil, Bd. 2, 14 f. 53 Roucek, »›Free Movements‹«, 472. 54 So schreibt der sozialistische Wiener Exilant Joseph T. Simon, der im nachrichtendienstlichen Camp Ritchie auf viele ehemalige Bataillonsangehörige traf  : »Typisch für das Bataillon war das Wappen, das die Soldaten am rechten Ärmel trugen  : Es bestand aus einem Oval, das durch die



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das Rekrutierungskomitee nutzte das Briefpapier des konservativ-legitimistischen FAM für offizielle Korrespondenzen in Bezug auf das Austrian Battalion. Der angeblich von Präsident Roosevelt persönlich geäußerte Wunsch, Otto Habsburg sollte selbst als einfacher Private Teil des Bataillons werden und als Feldsoldat in den Krieg ziehen, wurde – wohl auf Betreiben Ottos selbst – nicht realisiert. 55 Sehr wohl traten seine Brüder Felix, Rudolph und Carl Ludwig als einfache »buck privates« ihren Dienst in Atterbury an.56 Die Kontroversen rund um das Bataillon und das Military Committee for the Liberation of Austria waren heftig und von Polemik geprägt. In einem von Habsburg bzw. von einem »bunch of [Austro-]fascists and royalists«57 geleiteten und geprägten Rekrutierungskomitee orteten die (geheim von den Briten unterstützte und finanzierte) Austrian Action rund um Ferdinand Czernin und Gregor Sebba58 und vor allem auch die sozialistischen Exilorganisationen in den USA den Missbrauch einer guten Idee für undemokratische, restaurative Absichten. Die Moderaten und die Linke stellten sich deshalb entschieden gegen die Umsetzung der Bataillonspläne. Für Czernin, ursprünglich selbst aus einem großbourgeoisen und kaisertreuen Milieu stammend, war die Möglichkeit, dass die Habsburger einen Anspruch auf Mitgestaltung der öster­reichischen Nachkriegsordnung besitzen könnten, schlichtweg »horrifying«.59 Auch die zur Auslandsvertretung der öster­reichischen Sozialisten (AVOES) zählenden Exilpolitiker in den USA (Friedrich Längsachse in zwei Teile gespalten war – die eine Hälfte war in rot-weiß-rot gehalten, die andere in schwarzgelb. Über beiden Hälften lagerte ein Edelweiß.« Joseph T. Simon, Augenzeuge. Erinnerungen eines öster­reichischen Sozialisten. Eine sehr persönliche Zeitgeschichte. Herausgegeben von Wolfgang Neugebauer. Wien  : 1979, 282  ; vgl. Interview Kurt Latzko, 16.3.2004. Library of Congress, American Folklife Center, Veterans History Project, Kurt Latzko Collection (AFC/2001/001/15571). 55 Eppel, Exil, Bd. 2, 27. 56 Vgl. »Brothers of Royal Austrian Family Privates in Army«, in  : The Milwaukee Journal, 24.3.1943, 2. 57 Johannes Steel, »How Otto Furthers Ambitions for Throne«, in  : New York Post, 24.11.1942, zitiert in Eppel, Exil, Bd. 2, 92. 58 Peter Pirker hat in seinen Forschungen darauf hingewiesen, dass Gregor Sebba, der Partner Czernins, mit der Austrian Action »die effektivste Exilorganisation [des britischen Geheimdienstes SOE] in den USA aufbaute«. Pirker, Subversion, 16. 59 Vgl. Siegfried Beer, »Exile Between Assimilation and Re-Identification  : The Austrian Political Emigration to the USA, 1938–1945«, in  : Walter Hölbling/Reinhold Wagnleitner (Hgg.), The European Emigrant Experience in the U.S.A. Tübingen  : 1992, 39–50, hier 46  ; siehe auch OSS-Memorandum, C. Friediger to W. Poole. NARA, RG 226, FNB-INT-4 AU-781. Laut einem Bericht der OSS Foreign Nationalities Branch über die Exilveranstaltung Spotlight on Austria vom 10. März 1945 in New York sprach sich Czernin erneut für militärische Kriegsleistungen aufseiten der Alliierten (auch der Kommunisten), aber gegen legitimistische Nachkriegspläne aus  : OSS/FNB-Memorandum über »Spotlight on Austria«, 11.3.1945. NARA, RG 226, FNB-INT-4 AU-740.

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Adler, Joseph Buttinger, Joseph Podlipnig et al.), die sich mit der sogenannten Brüsseler Deklaration vom April 1938 auf eine strikte Verweigerung jeglicher Kooperation mit anderen Exilgruppierungen und auch mit den Gastländern festgelegt hatten, bekämpften die Bataillonspläne vehement. Die massiven ideologischen Abwehrreflexe liberaler, austromarxistischer und sozialdemokratischer Exilorganisationen (Letztere konnten und wollten sich von ihrem teils sehr ausgeprägten Pangermanismus auch im Exil nicht ganz lösen) sollten in der Folge einen veritablen Medien- und Politsturm auslösen. Die Rekrutierung von kampffähigen, motivierten und jungen Öster­reichern – Otto Habsburg hatte in seinen ersten Memoranden an die US-Behörden davon gesprochen, dass sich aus den Reihen der angeblich 10.000.000 (!) öster­reichstämmigen Amerikaner im Land ein Bataillon mit rund 900 Soldaten ohne Probleme aufstellen ließe – kam nicht zuletzt wegen der gut geölten und beispiellosen Polit- und Medienkampagne der Gegner und der kursierenden Gerüchte rund um das Projekt nur sehr schleppend voran  : Nach einem auf den Kaderlisten und Morning Reports basierenden Bericht von Kommandeur Conrad stießen in den ersten zwei Wochen nach der Gründung des Bataillons nur 24 Rekruten bzw. einfache Privates und 17 Offiziere freiwillig zu den 53 »enlisted men« und 24 Offizieren der ursprünglichen Mannschaft in Atterbury.60 Neben den wenigen Freiwilligen aus den Reihen der »38er«-Flüchtlinge und öster­reichstämmigen Einwanderer in den USA gab es zwar noch eine weitere Gruppe, die Interesse am Bataillon zeigte, nämlich die »öster­reichpatriotischen« Kriegsgefangenen der Wehrmacht in anglo-amerikanischen Lagern. Doch die Einbindung dieser potenziellen Rekruten, die entweder offen Sympathien für Otto Habsburg bekundet haben61 oder freiwillig in einer wie auch immer gearteten öster­reichischen Legion dienen wollten,62 wurde vom War Department zu keiner Zeit ernsthaft in Betracht gezogen. Im Gegensatz zu den ab 1944 im Arkanbereich des Kriegsgeheimdienstes OSS entstandenen Öster­reich-Abteilungen mit ihren Fallschirm- und Spionageteams schuf die US-Armee »kein Sammelbecken […], dem öster­reichische Deserteure und Kriegsgefangene hätten zu60 Conrad, HQ 101st Battalion, History, 26.2.1943. 61 Ein junger, aus Salzburg stammender Wehrmachtssoldat, der von amerikanischen Verhöroffizieren als überzeugter NS-Gegner klassifiziert wurde, behauptete in einem Gefangenenverhör, dass »the people of Austrian SALZBURG have […] become convinced that independence is the thing for Austria. He believes most of them favor the return of OTTO OF HAPSBURG.« POW Interviews CSDIC West/NOI/408, undatiert, vermutlich Oktober oder November 1944. NARA, RG 498, E 211, B 1231. 62 Goldner behauptet mit Verweis auf die Akten des State Department  : »Wiederholt wurde von gefangenen Wehrmachtssoldaten öster­reichischer Herkunft der Wunsch geäußert, sich als Öster­ reicher freiwillig zu einer bestehenden Legion zu melden.« Goldner, Emigration, 179.



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strömen können.«63 Aufgrund der offenkundigen Personalprobleme wandte sich das pressemedial sehr zurückhaltend agierende Rekrutierungskomitee rund um Habsburg verstärkt an Altöster­reicher als potenzielle Rekruten. Zudem gingen »die Militärbehörden etwa Anfang Februar dazu über, öster­reichische Emigranten, ehemalige Staatsangehörige der öster­reichisch-ungarischen Monarchie und andere – offiziell mit Zustimmung der Betreffenden, doch in vielen Fällen auch gegen deren Willen – von Aufnahmestellen oder diversen Einheiten in das öster­ reichische Bataillon zu transferieren.«64 Dazu der Bataillonsgegner Roucek  : The so-called Austrian Battalion got off to an inauspicious start when Otto managed to buttonhole exactly 29 volunteers. As soon as it became apparent that Otto’s recruiting powers were low, the War Department shipped several hundred draftees, former nationals of Austria, Czechoslovakia, and Poland, into the Legion, and the wellpadded outfit was sent to train out in Atterbury, Indiana, with »Archdukes« Felix and Carl Ludwig shuffling along with the others.65

Doch selbst mit dieser fragwürdigen Rekrutierungspraxis betrug der Höchststand der Truppenstärke nur zwischen 58866 und 650 Soldaten, wobei sich lediglich ein kleiner Teil davon, wohl nicht mehr als 1oo bis 150 Mann, freiwillig in Camp Atterbury aufhielt. Aufgrund der nationalen Spannungen und der Aversion vieler Bataillonsangehöriger gegen die Habsburg-Familie war die »Moral in der Truppe« vergleichsweise niedrig.67 Die Tatsache, dass das vom War Department wenig geliebte »101st Infantry Battalion (Separate)« in Camp Atterbury auch im physischen Sinne von den anderen Einheiten »separiert« wurde, dürfte sich ebenfalls nicht vorteilhaft auf die Stimmung unter den Soldaten ausgewirkt haben  : The U.S. Army did not want to form the unit at all, and the Army bureaucracy did its best to hide the battalion’s very existence. The first recruits came to Camp Atterbury, Indiana, officially on »detached duty.« They trained separately from the other units on the base, lived in separate barracks, and ate in a separate mess hall.68 63 Ebd.  ; vgl. Eppel, Exil, Bd. 2, 29. 64 Eppel, Exil, Bd. 2, 21. 65 Roucek, »›Free Movements‹«, 476. 66 Vgl. Memorandum Lt. Col. L. N. Cron, GSC Headquarters Army Ground Forces, Army War College, an Organization and Training Division, G-3, betreffend die Inspektion des 101. Infanteriebataillons in Camp Atterbury, 10./11.3.1943, zitiert in  : Eppel, Exil, Bd. 2, 120–122, hier 121. 67 Ebd. 68 James D. West, Austrian Battalion, 101st Camp Atterbury Infantry Battalion, in  : www.indianamilitary.org/Camp%20Atterbury/Austrian%20Bn/Austrian%20BN.htm (letzter Zugriff  : 17.8.2012).

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Während die neue öster­reichische Einheit von einem tatsächlichen Kriegseinsatz weit entfernt war, dauerte der Medienkrieg um das Bataillon ungebrochen an. Durch die von bekannten Persönlichkeiten wie der berühmten Journalistin Dorothy Thompson (die in diesem Zusammenhang davor warnte, den Krieg mit einer Wiener Operette zu verwechseln) und dem Kongressabgeordneten Emanuel Celler artikulierten Proteste wurde der Druck auf Habsburg und seine Mitstreiter, aber auch auf das War Department und das State Department sowie Präsident Roosevelt noch weiter verstärkt. Thompson und Celler verstanden sich unter anderem als Sprachrohr der unfreiwilligen Bataillons-Rekruten aus den ehemaligen habsburgischen Kronländern, die weder am Wohlergehen des Staates Öster­reich geschweige denn an einer möglichen Restauration der Habsburger ein besonderes Interesse hatten.69 In einem Schreiben vom Dezember 1942 berichtet Al Cranston, Mitarbeiter des politisch eher linksliberal ausgerichteten Propagan­ daamts OWI, dass etwa die tschechoslowakische Exilpresse auf die Nachricht von der Schaffung einer öster­reichischen Einheit in der US-Armee mit Otto von Habsburg als Kopf des dazugehörigen Rekrutierungskomitees mit heftiger Empörung reagiert hatte. Die politische Glaubwürdigkeit der Vereinigten Staaten sei durch diese Episode und durch die Rolle, die das »reaktionär« agierende State Department dabei spielte, nachhaltig beschädigt worden, so Cranston  : [T]he complaints [concerning the Austrian Battalion] have taken two lines. First is the whole business is merely an extension of the State Department’s appeasement and reactionary policies. Second is the polite feeling that the U.S. has made a terrible blunder which might have, sooner or later, disagreeable consequences. It is difficult to say if the matter will be allowed to die out or if the discussions have just begun. The greatest harm done is that in the minds of these many foreign nationality groups have been created as to be the democratic beliefs for which we say we are fighting.70

Der Aufbau berichtet im Jänner 1943, wie Präsident Roosevelt auf die nicht abreißen wollende Kritik am Austrian Battalion und am Rekrutierungskomitee reagierte und dabei die politische Verantwortung dem War Department zuschob  : Praesident Roosevelt ueber das oesterreichische Bataillon Präsident Roosevelt nahm die Gelegenheit einer Pressekonferenz wahr, um zu der Frage des öster­reichischen Bataillons Stellung zu nehmen. Er betonte noch einmal, 69 Dorothy Thompson, »Stimson Office Backing of Austrian Archduke Stirs Up Wasps’ Nest in Balkan and Russia«, in  : The Evening Star, 23.11.1942, unpaginiert. 70 OWI-Memorandum, A. Cranston to C. Poulos, on Austrian Legion, 30.12.1942, 1–7, hier 7. NARA, RG 208, E 222, B 1074  ; vgl. Eppel, Exil, Bd. 2, 24–26.



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dass dessen Schaffung eine Aktion des War Departments gewesen sei, das auch norwegische, griechische und philippinische Einheiten innerhalb der U.S.A. Army gegründet habe. Jedes öster­reichische Committee solle seine Landsleute über Sinn und Zweck dieses Bataillons und über die Möglichkeit der Einreihung orientieren. Was Otto von Habsburg anlange, so gehöre er einem dieser Committees an. Alle darüber hinausgehenden Folgerungen entbehrten der Begründung. Der Präsident fügte hinzu, dass zwei Brüder Ottos als »Privates« bereits in dieses Bataillon eingetreten seien.71

Das Öster­reich-Bataillon konnte weder in der öster­reichischen Exilgesellschaft als Ganzes noch bei den wehrfähigen Öster­reichern in den USA einen voluntaristischen Lenkungseffekt erzielen und keinem lagerübergreifenden Schulterschluss oder gar identitätsstiftenden Öster­reich-Mythos den Weg bereiten. Nachdem ab Ende März 1943 alle Soldaten »who claim citizenship of foreign countries other than Austria« und alle »enlisted men […] who do not desire to remain in this unit« aus dem Bataillon entlassen worden waren, blieben nur mehr knapp 150 Soldaten in den unteren Diensträngen übrig. General Major I. H. Edwards vom G-3-Stab der Army Ground Forces (der für Organisation, Training und Operationsplanung der Landstreitkräfte zuständig war) sprach sich daraufhin für die unmittelbare Beendigung des vonseiten des Militärs ohnehin wenig geliebten Bataillon-Experiments aus.72 Aufgrund der bescheidenen Rekrutierungszahlen, der schlechten Stimmung im Camp und vor allem wegen des enormen politischen Widerstands wurde auf Geheiß Roosevelts das umstrittene »Habsburger-Bataillon« im Mai 1943, ohne je einen Kampfeinsatz ausgeführt zu haben, aufgelöst. »Das Vorhaben endet bei dem Entwurf der Uniformblusen«, spottet die Wochenzeitung Die Zeit in ihrer biografischen Rückschau auf das Wirken Otto Habsburgs.73 Trotz aller journalistischen Hyperbolik und kaum verhohlenen Schadenfreude ist diese Sentenz, die auf den nicht eingelösten – und im Fall des »Monarchen-Bataillons« zweifellos anachronistischen – Autoritäts- und Machtanspruch, der mit dem Tragen von schmucken (Kaiser-)Uniformen verbunden wird, anspielt, passend  : In vielerlei Hinsicht ging es beim Austrian Battalion um überzogene Repräsentationsbedürfnisse und die damit verbundenen Eitelkeiten politischer und aristokratischer Eliten. »Militärisch«, so Franz Goldner, hatte das Austrian Battalion für Präsident Roosevelt und die

71 »Praesident Roosevelt ueber das oesterreichische Bataillon«, in  : Der Aufbau, 8.1.1943, 3. 72 Memorandum von General Major I. Edwards, Assistant Chief of Staff, Organization and Training Division, G-3, War Department, an G. Marshall, Chief of Staff, betreffend das Austrian Battalion, 7.4.1943, zitiert in Eppel, Exil, Bd. 2, 127–129, hier 129. 73 Joachim Riedl, »Ein letzter Hauch der Monarchie«, in  : Die Zeit, 7.7.2011, 13 f., hier 14.

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Streitkräfte, die er befehligte, »nichts zu bieten. Das Symbol war alles.«74 Zentrale militärische und lebensweltliche Fragestellungen, welche etwa die strategischen Interessen der US-Armee oder die persönlichen Sorgen der betroffenen Soldaten betrafen – wie etwa »die schwerwiegende Frage, was im Fall der Gefangennahme eines Bataillonsangehörigen durch die deutsche Wehrmacht geschehen und wie man sich vor einer Gefangennahme als Hochverräter absichern konnte« –, wurden hingegen von den Planern des Bataillons nicht oder nur teilweise berücksichtigt.75 Die Auflösung des öster­reichischen Bataillons hatte so gut wie keine militärische Bedeutung für die amerikanischen Streitkräfte. Schon ab Frühjahr 1943 wurde damit begonnen, die oft unfreiwillig in Atterbury stationierten Öster­reicher zu anderen Verbänden und Ausbildungsstätten zu transferieren  : zum Military Intelligence Training Center des militärischen Nachrichtendiensts MID/MIS in Camp Ritchie (wo unter anderem Harry Freud für die Befragung deutscher Kriegsgefangener ausgebildet wurde76)  ; zum ambitionierten Army Specialized Training Program an eine der großen Universitäten des Landes77 (darunter befand sich etwa der Wiener Jude Kurt Schimmerl, der später auch zur Military Intelligence stoßen sollte78)  ; oder zur 10. Gebirgsinfanteriedivision, die auf öster­reichisches Alpin-Know-how vielfach angewiesen war (darunter der Musiker Werner von Trapp79). Für die US-Armee, die mit Fortdauer des Krieges die speziellen Ressourcen, Fähigkeiten und Kompetenzen ihrer Einwanderungsgesellschaft immer besser auszunutzen und zu kanalisieren wusste, war das Ende des Öster­reich-Bataillons und die plötz74 Goldner, Emigration, 139. 75 Eppel, Exil, Bd. 2, 27. 76 Training Records of the Military Intelligence Training Center, Camp Ritchie, Maryland, 1942– 1946, Personal History Card of Harry Freud, ASN 32626812. NARA, RG 165, E 206, B 35. 77 Das Army Specialized Training Program (ASTP) war ein in Kooperation mit amerikanischen Hochschulen umgesetztes Ausbildungsprogramm der US Army, das vielversprechenden, wissenschaftlich oder technisch beschlagenen jungen Soldaten in kurzer Zeit eine Spezialausbildung auf akademischen Niveau, welche den Anforderungen der modernen Kriegführung gerecht werden sollte, angedeihen ließ. Das Programm war ambitioniert, aber noch nicht ausgereift und wurde nicht zuletzt wegen der »manpower shortage« an der europäischen Front vorzeitig eingestellt. Siehe grundlegend die Monografie von Louis E. Keefer, Scholars in Foxholes. The Story of the Army Specialized Training Program in World War II. Jefferson  : 1988. 78 Training Records of the Military Intelligence Training Center, Camp Ritchie, Maryland, 1942– 1946, Personal History Card of Kurt Schimmerl, ASN 32708849. NARA, RG 165, E 206, B 48. 79 Die Lagerzeitung in Atterbury berichtete  : »Pvt. Werner Von Trapp, 101st Infantry Bn. [i. e. the Austrian Battalion], of the famous Trapp Family Choir, will headline next week’s ›Meet the Yank‹ show broadcast from Service Club No. 2 at 21.15 over Radio Station WIBC. He plays the Alto Recorder, an instrument of the Middle Ages and the father of the modern flute. The Von Trapp family is famous throughout this country and Europe, where they have been playing concerts for a number of years.« »Werner Von Trapp to play Father of Flute on Radio«, in  : The Camp Crier (Franklin, Indiana), 14.5.1943, 5.



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liche Verfügbarkeit von öster­reichischen Schlüsselkräften mit seltenen »technical skills« Mitte des Jahres 1943 sogar ein Vorteil  : Mit einem Schlag waren Dutzende Spezialisten mit kriegswichtigen Kenntnissen für andere Einheiten verfügbar. Doch war der Schaden für das politisch aktive öster­reichische Exil, das zu keiner Zeit eine anerkannte Exilregierung besaß, enorm. »Die Wirkungen des Exils«, so Peter Pirker, »sind […] aus Heterogenität, Konkurrenz und Konflikt sowie aus dem daraus entstehenden indirekten und disparaten Einfluss im Gastland zu verstehen.«80 Der Terminus »disparat« ist ein treffender  : Der Plan einer öster­ reichischen Legion in der US-Armee, die einerseits den Öster­reich-Gedanken ideell aufwerten und andererseits einen kleinen militärischen und propagandistischen Beitrag zur amerikanischen Kriegsanstrengung leisten sollte, war unrealistisch angelegt und ist deshalb klar gescheitert. Otto Habsburg, der laut Albert Sternfeld wohl »die Einstellung der ehemaligen Öster­reicher nicht richtig gekannt und eingeschätzt«81 hatte, war neben den linken öster­reichischen Exilorganisationen, die aus ideologischen Gründen auf eine totale Opposition in der Frage setzten, in hohem Maße dafür verantwortlich. Dieter Binder, der nicht nur auf Ottos mitunter sehr erfolgreiches Öster­reich-Lobbying in den USA, sondern auch auf die späten Widerstandsoperationen der Habsburg-Brüder in Westöster­ reich im Frühjahr 194582 verweist, versucht das negative Bild der Erzherzöge im Zusammenhang mit dem Öster­reich-Bataillon zu korrigieren  : 80 Peter Pirker, »Politik im Schatten oder Schattenspiele  ? SOE und das öster­reichische politische Exil in Großbritannien 1940–1942«, in  : Journal for Intelligence, Propaganda and Security Studies ( JIPSS), Vol. 2, Nr. 2/2008, 23–54, hier 50. 81 Sternfeld, Betrifft  : Öster­reich, 196. 82 In einem kurzen Nachruf einer Tageszeitung auf Rudolph von Habsburg steht zu lesen  : »Nach Angaben der Familie wurde Rudolph während des Zweiten Weltkriegs von der US-Armee eingezogen und unter einem Decknamen nach Europa entsandt, wo er Einsätze im öster­reichischen Widerstand durchführte.« »Kaisersohn Rudolph Habsburg-Lothringen tot«, in  : Der Standard, 25.5.2010, in  : http://derstandard.at/1271377455423/Monarchie-Kaisersohn-Rudolph-Habs burg-Lothringen-tot (letzter Zugriff  : 29.5.2010). Binder, der sich auf die Angaben von Radomír Luža und Hans Thalberg stützt, schreibt  : »Unmittelbar nach der Landung in der Normandie kam Rudolph, im Januar 1945 Otto von Habsburg, dieser war am 31. Oktober 1944 von New York über die Bermudas nach Europa geflogen, nach Frankreich. Aufgrund der guten Beziehungen zu General de Gaulle, die noch in die Vorkriegszeit zurückreichten, sowie zu Roosevelt und zu Churchill sensibilisierten die Brüder die westlichen Alliierten für Fragen der konkreten Befreiung Öster­reichs, insbesondere auf die alliierten Besatzungszonen, nachdem sie erfahren hatten, daß seitens der Amerikaner nur an ein symbolisches Kontingent gedacht war. So drängte Otto von Habsburg Churchill, möglichst rasch einen Vorstoß westlicher Truppen von Istrien aus nach Wien zu unternehmen, um hier den Sowjets zuvorzukommen. Rudolph gelang es schließlich, ausgestattet mit französischen Papieren, direkt mit dem öster­reichischen Widerstand in Tirol Kontakt aufzunehmen und sich persönlich in dessen Aktivitäten einzubinden, wobei sicherlich noch die Hoffnung lebte, Südtirol für Öster­reich zu gewinnen, wie Otto von Habsburg dies etwa

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Die […] Mitglieder der Familie Habsburg-Lothringen zählen zu den wenigen Öster­reichern, die den Kriterien der Moskauer Deklaration von 1943 gerecht wurden  : Sie zählten zu den Opfern des Nazi-Regimes und sie trugen ihren persönlichen Anteil zur Befreiung Öster­reichs im Widerstand gegen dieses Regime bei. Eine Würdigung des geleisteten Widerstandes gegen den Nationalsozialismus und der Bemühungen zur Wiederherstellung der Unabhängigkeit Öster­reichs wird häufig mit den Hinweisen auf Restaurationstendenzen, auf den strikten Antikommunismus oder auf die skeptische Haltung gegenüber der provisorischen Regierung Renner im Frühjahr 1945 verweigert oder relativiert.83 Erste Nachforschungen im Dokumentationsarchiv des öster­reichischen Widerstandes haben ergeben, dass die von Binder angesprochenen Widerstandsaktivitäten von Otto und Rudolph Habsburg auf amerikanischer Seite gegen Kriegsende vom State Department skeptisch beäugt bzw. nicht unterstützt worden sind und kaum mehr als Widerstandsplanungen und Wunschdenken gewesen sein dürften.84 Doch ist Binder in einem Punkt recht zu geben  : Viele Publizisten und Historiker übersehen bei aller berechtigten Kritik an Otto Habsburg, dass dieser nicht nur ein Aristokrat mit restaurativen Tendenzen, sondern auch ein umtrie

im Februar 1943 gefordert hatte. Schließlich stießen seine Brüder Otto und Carl-Ludwig hinzu, die sich bis Ende 1945 in Innsbruck aufhalten konnten.« Dieter A. Binder, »Otto von Habsburg  : Aspekte der Politik im Exil«, in  : John M. Spalek/Konrad Feilchenfeldt/Sandra H. Hawrylchak (Hgg.), Deutschsprachige Exilliteratur seit 1933. Bd. 3, Teil 5  : USA. Zürich und München  : 2005, 357–375, hier 363 f. 83 Binder, »Habsburg«, 363 f. 84 Die Behauptung der Familie Habsburg, die beiden Brüder hätten im Auftrag oder mit Unterstützung der USA bzw. der US-Armee im Frühjahr 1945 Widerstandsoperationen in Öster­reich ausgeführt, ist nach der Lektüre von einschlägigen Unterlagen des State Department, die im Dokumentationsarchiv des öster­reichischen Widerstandes einsehbar sind, fragwürdig. So steht einem Schreiben eines Beamten der amerikanischen Botschaft in Bern über die Widerstandspläne der Habsburg-Brüder zu lesen  : »Sudden entry of Hapsburgs into Austrian situation […] injects elements which deserve consideration not only from international political standpoint but at present juncture also from military. […] Rudolph von Hapsburg’s departure into Austrian territory at this juncture appears to be ill-timed and propriety of delivering his message [regarding the planned Habsburg-resistance operation] may be questionable unless they are receiving support from quarters of which I am in ignorance.« Department of State, Telegram Harrison, Bern to Secretary of War, Washington, D.C., 30.4.1945. DÖW 12649. Im Rahmen dieser Korrespondenz wird vonseiten des State Department dezidiert festgehalten, dass die Botschaften und Anfragen der Habsburg-Brüder nicht weitergeleitet bzw. berücksichtigt werden, »because they deal with projects with which the [State] Department has not been and does not now desire to become associated«. Department of State [Unterschrift des Verfassers unleserlich], Urgent Telegramm to American Legation, Bern, 1.5.1945. DÖW 12649.



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biger Öster­reichpatriot und aktivistischer NS-Gegner war. Insgesamt ist die unglückliche Episode rund um das »Habsburg-Bataillon« deshalb nicht nur dem legitimistisch-konservativen Lager zuzuschreiben, sondern dem heterogenen und nicht konsenswilligen politischen Exil in den USA, dessen ideologische Rankünen in einer trockenen und ungewollt komischen Inhaltsangabe eines geheimdienstlichen Akts aus dem Jahr 1942 konzis verdichtet wurden  : Austrians Here United Only on Beating Hitler.85

Oder wie ein anderer Beobachter in Bezug auf die möglichen Konsequenzen einer habsburgischen Beteiligung beim Bataillon für die Nachkriegsplanungen behauptete  : As material for a librettist it is superb  ; as material for some future White Paper it is embarrassing.86 1.1.2 Die persönliche Meinung öster­reichischer Bataillonsangehöriger zur »Habsburg-Legion«

Wie dachten nun die in die USA eingewanderten öster­reichischen Rekruten des Austrian Battalion über die »Habsburg-Legion« und ihren Dienst in derselben  ? Die im Folgenden dokumentierten Zeitzeugenberichte geben nicht nur über diese Frage Aufschluss, sondern verraten auch viel über die politischen Bruch­ linien der Ersten Republik sowie die nationalen Identitätsentwürfe und -konflikte der öster­reichisch-amerikanischen Soldaten, die in der Regel zwischen den Polen US-Patriotismus und öster­reichpatriotischer Exilwiderstand schwankten. Bis auf eine Ausnahme sind alle der folgenden Darstellungen von Zeitzeugen, die im öster­reichischen Bataillon der US Army gedient haben oder zumindest als Rekrut dafür in Frage gekommen sind, mit einiger zeitlicher Distanz zum beschriebenen Geschehen verfasst worden. Da die Personaldokumente der meisten Armeeangehörigen des Zweiten Weltkriegs 1973 bei einem Feuer im National Personnel Records Center in St. Louis vernichtet worden sind und wegen der vorzeitigen Auflösung des Bataillons keine operativen Akten über diese Einheit vorliegen, stellen persönliche Erinnerungen bzw. Berichte über die Ausbildung in Camp Atterbury den wichtigsten Quellentypus dieses Kapitels dar. 85 Kurzbeschreibung des OSS-Aktsin  : NARA, RG 226, FNB-INT-4AU-91, über das Austrian Labor Committee etc., 11.5.1942, in  : US Office of Strategic Services. Foreign Nationalities Branch 1942–1945. Bibliography. Washington, D.C.: 1988, 20. 86 Pressestimme aus der Fortune, 27.3.1943, zitiert in  : Roucek, »›Free Movements‹«, 472.

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Bei den im Folgenden zitierten autobiografischen Ex-post-Berichten ist ein wahrnehmungspsychologisches Spannungsfeld zwischen erlebendem Ich (die Bataillonsangehörigen in den 40er-Jahren) und erzählendem Ich (die über die Erlebnisse in Camp Atterbury berichtenden Zeitzeugen nach 30, 40 oder mehr Jahren) zu berücksichtigen. Denn aufgrund des spektakulären Scheiterns des Bataillonsprojekts und der großteils kritischen Beurteilung desselben in der Historiografie haben sich die Memoiren vieler Veteranen über ihren Dienst im Austrian Battalion bewusst oder unbewusst an diesen hegemonialen Ablehnungsdiskurs angepasst  : Wenn manche ehemaligen Bataillonsangehörigen mit theatralischem Schaudern auf diesen heute oft als »skurril« bezeichneten Abschnitt der öster­ reichischen Exilgeschichte zurückblicken, wollen sie auf der »richtigen« Seite der Geschichte, also jener der Bataillonsgegner und antimonarchistischen Demokraten, stehen – auch wenn sie im Frühjahr 1943 vielleicht eine ganz andere Meinung dazu hatten  ! Der auf einer möglichen Verschiebung der Deutungsachse beruhende epistemologische Konflikt zwischen erlebendem und erzählendem Ich sollte daher bei der Interpretation der folgenden Memorialtexte, die großteils habsburg- und bataillonkritisch sind, berücksichtigt werden. Dass autobiografische Texte keine getreue Abbildung einer wie auch immer gearteten Realität, sondern lediglich narrative Konstrukte mit oft autofiktionalen Zügen sind, sollte nicht nur Literatur- und Kulturwissenschaftlern bekannt sein. Aus den im Folgenden zitierten »Ego-Dokumenten« erfährt man daher »vor allem, was die Verfasser anhaltend erinnerten, glaubten zu erinnern bzw. für erinnernswert hielten.«87 Die folgenden Texte von Zeitzeugen sind nicht unbedingt die Wiedergabe von historischer Wahrheit, sondern zu weiten Teilen Produkte verschiedener Vergangenheitsbewältigungs- bzw. Verarbeitungsstrategien. Dennoch lässt sich aus diesem Spannungsfeld ein Stimmungsbild rekonstruieren, das das von US-Offizieren und Historikern gezeichnete Bild des gescheiterten, wenig motivierten Bataillons letztlich bestätigt. Jack Hochwald

Eine sehr plastische Beschreibung des Dienstes im Austrian Battalion stammt von Jack Hochwald, einem Wiener Juden, der nach dem Einrücken in die US-Armee und der kurzen Episode im Austrian Battalion zum Armee-Geheimdienst G-2 wechselte. Obwohl er eine affine, ja sogar nostalgische Haltung gegenüber dem Bataillon und Otto Habsburg einnimmt, sind Hochwald die – sich in mit87 »Vorwort zur Reihe«, in  : Michael Epkenhans/Stig Förster/Karen Hagemann (Hgg.), Militärische Erinnerungskultur. Soldaten im Spiegel von Biographien, Memoiren und Selbstzeugnissen. (= Krieg in der Geschichte, Bd. 29). Paderborn, München, Wien und Zürich  : 2006, I–XVI, hier XIII.



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unter wüsten Verbalinjurien niederschlagenden – Spannungen zwischen den verschiedenen nationalen, gesellschaftlichen und politischen Gruppierungen in Camp Atterbury nicht entgangen. Das von anderen Zeitzeugen und Historikern gezeichnete Bild einer unmotivierten Truppe mit »niedriger Moral« vermochte er dennoch nicht zu erkennen  : In the fall of 1942, my draft board advised me that as a college student, I could get a deferred status until I completed my two semesters for which I had just signed up at City College New York. I told them I was ready to go anytime I was called, feeling very strongly that I should be in the military at this time, fighting the Nazis. A month later I found myself on a train to Camp Upton, Long Island, for processing. Like all new recruits, I was given a short IQ Test and interviewed by a classification officer, who did not seem very interested in my background or my knowledge of German, though he made a note of it. So, I was sent to Camp Grant, Illinois, for basic training, which was a very cold place during the winter of 1943. After a few weeks into the year, a rather unusual thing happened. On a snowy morning, I was suddenly told to pick up my belongings and given my travel orders to transfer to the 83rd [Infantry] Division of the 101st Infantry [Battalion] at Camp Atterbury, Indiana. No reason was given for the transfer until I arrived there. I traveled by train to Chicago and changed to another train going to Indianapolis, arriving that same evening. At the railroad station, I called the number I had been given. While waiting to be picked up, I noticed a few other soldiers waiting for transportation to the camp. Soon I discovered they too had been assigned to the outfit, but had no idea [for] the reason for the transfer. Two of the men spoke with a German accent and the other two seemed to be American-born with Slavic-sounding names. When the driver came to take us to the camp, even he knew very little about the outfit, except that it had been activated recently and was located in a special compound of the camp. He thought it might be a commando/ranger outfit, but I would never have guessed that our assignment was to an »Austrian battalion.« To this day, I wonder how many Americans – and for that matter, Austrians – ever knew that there was such a unit in the U.S. military. As soon as we entered the room that seemed to be the headquarters of this new outfit, we were received by a good-looking, youthful captain who spoke in a southern drawl  : »My name is Captain Schmidt, and that is spelled with a ›dt‹ on the end, and I’m a native Texan and proud of it. My parents came here before W[orld ]W[ar ]I from the Austrian province of Styria. We’re a farm family or, as they say in Texas, ›ranchers with a spread.‹ The reason we’re all here is to form an Austrian battalion, but an American outfit in every respect. Hopefully, we will be able to participate in the invasion of Europe, and liberate Austria from the Nazis. This battalion will consist of four rifle companies and one heavy weapons platoon.«

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When I met my bunkmates, I found only a few more German refugee boys. The parents of the rest had come from the old Austria-Hungarian [sic  !] Empire prior to World War I. This had included Czechs, Slovaks, Hungarians, Poles, and Croatians – a real ethnic and religious mixture. As time went on, however, more and more recruits filled up our barracks – foreign and U.S. born. Many of them came directly from their reception centers and had no basic training at all. I soon learned that the originator of this outfit was none other than the Archduke Otto von Hapsburg. Upon fleeing occupied Europe, he met President Roosevelt and the First Lady for tea at the White House and proposed the idea of such a unit. Secretary of War Harold Stimson, who was present, agreed and made the unit part of the U.S. Armed Forces. While the archduke himself was not allowed to join for various reasons, he sent his three younger brothers [i. e. Carl Ludwig, Felix and Rudolph Habsburg]. I met one of them a few days after my arrival, when I was given kitchen duty. While working there, I heard the mess sergeant, who was of Czech descent, shout, »Damn it, Hapsburg  ! Out those hands deeper into the water. I want those dishes clean.« Then in a somewhat lower voice, he turned toward us and said, »Boy, I sure wish my old man could see me now, giving orders to a Hapsburg. He sure didn’t care for them and wouldn’t like it at all for me to be in an Austrian battalion, but that’s the fucking army for you.« During the next few weeks, more men began to arrive, and we all were given basic training, whether we had it before or not. This included the usual obstacle course and rifle training, as well as lots of marches and hikes. One time when we were returning from such an outgoing, we passed by a recently built compound for German prisoners, most of them from the Afrika Korps. Unknown to us, they must have heard us sing, which we usually did when on hikes. Not only did we sing American songs, but older German tunes, too, and so they rushed to the fence and cheered us wildly, thinking we were new arrivals, but when they saw our uniforms, they became silent and backed away. We then switched back to English songs, while some of us made obscene remarks and pointed rifles at them. Apparently, word about this encounter got out to the camp commander, and we were told to avoid this area in the future. From then on, we never had any more contact with them. One day in our mess hall, Colonel Conrad addressed us with the following remark  : »Now we are almost at battalion strength, and soon we will receive the Edelweiss insignia to be worn on the upper sleeve of our uniforms. Wear it proudly, regardless of our national or religious background, and perform as a team.« He emphasized the need for secrecy at this time, but hoped that there would eventually be favorable publicity about this outfit. He also believed that, in time, we might have outside visitors, such as reporters or local officials from the nearby city of Indianapolis. Eventually, reporters from the Indianapolis Star came to the camp for interviews and took pictures of the battalion in training. At first, the publicity was favorably received, but eventually opposition came



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from two sides  : from a socialist Austrian exile group which objected to the Hapsburg involvement, and from American voters of Slavic background who wanted the outfit abolished all together. So the end came pretty quickly. Even up to the final days, all members performed their duties well, having by then set aside much of their earlier antagonistic attitudes. In one of its last acts, the commander of the 83rd Division, General Milburn, presented the outfit with a citation, giving a medal to one of its soldiers who had saved another from drowning during a night exercise. It was a sad day for many when our departure date became final. Some who had been expert skiers were sent to the newly formed mountain division in Colorado. Others like me were transferred to the 75th [Infantry] Division stationed at Fort Leonard Wood, Missouri. Many eventually got a chance to go overseas and see action in Europe, and some even took part in the liberation of Austria. I am further convinced that had this outfit existed longer, it would have been a great credit to the U.S. military and to Austria.88

Den richtigen Höhepunkt seiner amerikanischen Militärlaufbahn sollte Hochwald erst nach dem Dienst in Atterbury erleben. Als Absolvent eines speziellen nachrichtendienstlichen Ausbildungslehrganges wurde er an Kriegsschauplätzen in Frankreich und Zentraleuropa als Intelligence-Offizier und Mitglied des sogenannten Headquarter Detachment der 6860th Assault Force (»T-Force«) der 7. US-Armee, 6. Armee-Gruppe, eingesetzt. Die spannende Aufgabe dieser von der anglo-amerikanischen Military Intelligence Research Section (MIRS) entwickelten Task Force war es, an der Seite der vorrückenden Kampfeinheiten nachrichtendienstlich relevante Dokumente, die für den weiteren Kriegsverlauf oder die Entnazifizierungs- und Besatzungszeit von Bedeutung sein könnten, zu sichern.89 Felix von Habsburg

Otto von Habsburgs Bruder Felix von Habsburg, neben seinen beiden Brüdern Rudolph und Karl wohl der prominenteste Bataillonsangehörige, blickte 2003 – 88 Hochwald, Personal Narrative, in  : Karras, Enemy, 202–204. 89 Dazu Hochwald  : »[F]rom an intelligence point of view, the real pay off came when 7 th Army troops entered the Alpine region, where T-Force, 6th Army Group (which had become T-Force, 7th Army) found literally tons of the most valuable papers, often hidden away in caves, or even in special crates sunk to the bottom of deep lakes. It was there that, after the hostilities were over, high-ranking German military officers and Nazi officials and especially those wanted as war criminals were located, along with their personal journals (many diaries) and formerly ›Top Secret‹ and confidential papers.« Jack Hochwald »The U.S. Army T-Forces  : Documenting the Holocaust«, in  : American Jewish History, Vol. 70, No. 3, March 1981, 379 f., hier 380.

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wie aus Sicht eines Habsburgers zu erwarten – ebenfalls mit positiven Gefühlen auf seine Zeit in Atterbury zurück. Felix Habsburg war von der US-Militärbürokratie der Berufsgruppe der »Authors, editors and reporters« zugerechnet worden90 und hatte beim Abrüsten in Camp Atterbury den Rang eines »Private First Class« inne.91 Dem Betreiber der Militaria-Internetseite www.indianamilitary. org, James D. West, gegenüber behauptete er, dass ihm bei der Ausbildung in diesem »hervorragend organisierten« Bataillon seine Erfahrungen als Offiziers­ anwärter und Schüler der Theresianischen Militärakademie in Wiener Neustadt zugutegekommen wären  : It is with great pleasure [that] I think back to the times I spent in Camp Atterbury together with my brothers Carl Ludwig and Rudolph having volunteered to serve in the Austrian battalion. As a matter of fact, I had some previous military experience as a cadet in the Austrian officers school in Wiener Neustadt for 6 months prior to the occupation of Austria by Hitler […]. This of course helped quite a bit as a basic training is pretty well the same all over the world. I can only add that I definetely liked the atmosphere of Camp Attebury [sic  !] and the excellent organization of the Austrian battalion. It was with regrets that I left when all the foreign battalions in the US Army were disbanded.92 Rudolph von Habsburg

Felix’ Bruder Rudolph von Habsburg, der wie seine Brüder nach der vorzeitigen Auflösung des Bataillons93 nicht mit amerikanischen Verbänden an der Front in Europa kämpfen musste, verbindet mit Atterbury und dem Austrian Battalion vor allem militärische Exzellenz, wie der folgende Brief an den erwähnten Regionalhistoriker aus Indiana zeigt  :

90 US Army WW II Enlistment Record of Felix Habsburg, ASN 33451241. NARA, RG 64, in  : aad. archives.gov (letzter Zugriff  : 17.11.2012). 91 HQ 3555th Sercive Unit, Casual Co., Camp Atterbury, Indiana, Payroll for Felix Habsburg et al., 19.6.1943. NARA, NPRC, Military Personnel File of Felix Habsburg, ASN 33451241. 92 F. Habsburg, Mexico, to J. West, Franklin, Indiana, on Service in Camp Atterbury, 3.7.2003, in  : www.indianamilitary.org/Camp%20Atterbury/Austrian%20Bn/Felix-Letter.jpg (letzter Zugriff  : 17.8.2012). 93 Rudolph Habsburgs letzte Soldauszahlung erfolgte im Juni 1943. Für die Zeit danach finden sich keine weiteren Militär-Personalakten zu den Habsburg-Brüdern. HQ 3555th Sercive Unit, Casual Co., Camp Atterbury, Indiana, Payroll for R. Habsburg et al., 19.6.1943. NARA, NPRC, Military Personnel File of Rudolph Habsburg, ASN 33454016.



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June 5, [20]03 Dear Mr. West, Many thanks for your kind letter. It is very good that you have the courage to write about the history of the US Army training for the war against Hitler. Without the US help I dont [sic  !] know if he would have been defeated. Camp Atterbury has done an excellent job in preparing the soldiers for that task. Alas it is also a long time age that my brothers and myself have been training there and none of us has taken notes or pictures. My best wishes to you for completion, I am sure, with success this history that should not be forgotten … Very sincerly Rudolph, Archduke of Austria94

Rudolph Habsburg hatte sich später als Widerstandskämpfer, der gegen Kriegsende in Westöster­reich alliierte Spezialaufträge durchgeführt hat, bezeichnet. Wie bereits zuvor erwähnt, lässt sich diese Behauptung zumindest aus den amerikanischen Quellen bisher nicht belegen. Ernst F. Winter, Werner von Trapp und Karl Mautner

Neben den Brüdern Otto von Habsburgs und dem Wiener Juden Hochwald zählten vor allem konservative, katholische und monarchietreue Exilanten zu den Befürwortern des Bataillons. In dieser Gruppe ließen sich am ehesten junge Flüchtlinge finden, die gewillt waren, sich freiwillig für das Battalion zu melden. Ernst Florian Winter, der Sohn des zuvor erwähnten christlichsozialen Exilpolitikers Ernst Karl Winter, soll laut den Salzburger Nachrichten dem Ruf des Rekrutierungskomitees rund um Habsburg freiwillig gefolgt sein oder zumindest Sympathie für dieses Projekt bekundet haben.95 Auch Werner von Trapp, in dessen Familie Winter später einheiratete, dürfte sich freiwillig für das Austrian Battalion gemeldet haben.96 In den bis dato aufgestöberten Zeitzeugenberichten stellen die Freiwilligen und Bataillonsbefürworter aus dem konservativen Lager jedoch eine klare Minderheit dar. Zudem sahen auch viele Katholiken und Traditionalisten das Bataillon mit Skepsis. So behauptete der »devout Roman Catho94 R. Habsburg, Bruxelles, to J. West, on Service in Camp Atterbury, 5.3.2003, www.indianamilitary. org/Camp%20Atterbury/Austrian%20Bn/Rudolph-Letter.jpg (letzter Zugriff  : 17.8.2012). 95 Kleibel, »Befreier«, XII. Es finden sich keine Dokumente, die einen Dienst Winters in Camp Atterbury belegen. Er wurde wie viele andere Öster­reicher wegen seiner Fähigkeiten als Skifahrer zur 10th Mountain Division [zu diesem Zeitpunkt 10th Light Division] in Camp Hale eingezogen und diente später mit der 84. Infanteriedivision in Europa. 96 »Werner Von Trapp«, 5.

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lic«97 Karl F. Mautner, der im Juni 1944 als Nachrichtendienstoffizier mit dem Fallschirm in der Normandie abgesprungen war, als er auf seine Dienstzeit in der US-Armee zurückblickte  : Vom öster­reichischen Bataillon wußte ich nichts. Ich wäre diesem Gedanken auch eher ablehnend gegenübergestanden.98 Joseph Podlipnig

Eine völlig andere Anschauung als der eingangs erwähnte Jack Hochwald und die Habsburg-Brüder vertraten erwartungsgemäß jene Soldaten des Bataillons, die dem politisch linken Spektrum angehörten. Die meisten Sozialdemokraten und Kommunisten standen den »Klerikalfaschisten« im Rekrutierungskomitee und der »Habsburger Geschichte«99 rund um das Bataillon unversöhnlich gegenüber. So berichtet etwa der aus Kärnten stammende Exilsozialist Josef Podlipnig, alias Joseph Moll, vormaliger Chefredakteur des sozialdemokratischen Kärntner Volksblatts, seinem Genossen Joseph Buttinger über seinen möglichen Transfer nach Camp Atterbury und die seiner Meinung nach seltsame Rekrutierungspraxis der »Monarchisten« im Dezember 1942  : Lieber Seppl, […] Diese Woche hatte ich ein interessantes Erlebnis. Zugleich mit anderen wurde ich zum Kommando gerufen, wobei sich herausstellte, dass wir alle Öster­reicher waren. Da man sich hier erklärlicher Weise nicht ganz auskennt, war die Mehrzahl Altöster­reicher  : Serben, Tschechen, Polen usf., manche konnten nicht Deutsch. Es wurde uns mitgeteilt, dass wir zu einem österr. Regiment (Infanterie) transferiert werden können, wenn wir dies wünschen. Die Altöster­reicher waren nicht so abgeneigt, aber unentschlossen. Die erst kurz hier sind (4), dagegen. Ein Heimwehrler vom St. Pöltner Gebiet sagte, er habe Information, dass die Sache von den Monarchisten ausgehe, und da er erst kurz [sic  ! Wohl  : kürzlich] (gleich mir) Öster­reich verliess, wisse er dass niemand in Öster­ reich von Otto und his [sic  !] Anhang etwas wissen will. Ich erklärte, dass ich »definitely don’t want to join«. Der Major war etwas überrascht von der schlechten Meinung, die er von Öster­reichern über Öster­reicher hörte, aber er versicherte uns, dass wir nicht in das österr. Regiment gezwungen werden, sondern nur transferiert werden können über eigenen Wunsch. Als er fragte, ob jemand sich transferieren lassen wolle, meldete sich 97 Diamant, Worlds, 212. 98 Mitteilungen von Karl F. Mautner (Washington, D.C.) an Peter Eppel, betreffend Mautners Dienst in der amerikanischen Armee, 9.1.1983, zitiert in Eppel, Exil, Bd. 2, 68. 99 J. Podlipnig, Camp Pickett, Virginia, an J. Buttinger, 2.1.1943. DÖW 18892/2.



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von den 20–24 Leuten niemand. Überraschend für mich war, dass wir nur etwa 5–6 unter den Öster­reichern hatten, die Deutsch in Wort und Schrift beherrschten, 4 erst kurz in America. Uns wurde später Transfer zur besonderen Verwendung angeboten, die anderen gingen, ich lehnte ab, mit Rücksicht auf Alter, körperl. Schwäche, und Mangel an Begabung für den besonderen job. Es war für mich überraschend zu sehen, wie wenig die Altöster­reicher hier über die Veränderungen in Mitteleuropa wussten  ; und komisch, dass manche 2 u. 3 Sprachen sprachen, aber nicht Deutsch. Ich verstehe nun besser, warum sich die Monarchisten hier überhaupt Hoffnungen machen.

Obwohl die eben zitierte Passage eher das Gegenteil vermuten lassen würde, wurde Podlipnig schließlich gemeinsam mit vielen anderen Öster­reichern und Altöster­reichern zum Austrian Battalion transferiert. Dies stand natürlich in einem scharfen Widerspruch zu seiner sozialistischen Ideologie. Als Mitunterzeichner der Brüsseler Deklaration der Auslandsvertretung der öster­reichischen Sozialisten hatten er und Buttinger sich 1938 dazu verpflichtet, weder mit anderen Exilgruppen noch mit dem jeweiligen Gastland zusammenzuarbeiten. Die hier zitierten Briefe atmen ganz den Geist dieser Doktrin. Nicht ganz frei von antisemitischen Untertönen (Wiener Juden klassifiziert Podlipnig nicht als echte Öster­reicher, indem er sie im Zusammenhang mit Südosteuropäern nennt und den auf diese Gruppe gemünzten Sammelbegriff »Öster­reicher« ironisch unter Anführungszeichen setzt), sendet Podlipnig im März 1943 ein weiteres Gravamen an Buttinger  : Lieber Seppl, Me voilà dans la légion étrangère américaine, c’est à dire, dans le battalion autrichien  ! Und das kam so  : Vor einiger Zeit wurde ich gefragt, ob ich mich in ein österr. Ba[taill] on transferieren lassen wollte  ; ich lehnte ab, gleich hunderten anderen Soldaten, die als Öster­reicher betrachted worden [sic  !], weil sie im Rahmen der altöster­reichischen Grenzen geboren wurden. Die Ablehnung muss so affectiv [sic  !] und allumfassend gewesen sein, dass das ungeheure für die Österr. bestimmte Barackenlager leer blieb  ; nur durch Zwang waren die Baracken aufzufüllen. Seit ein paar Wochen werden alle »Öster­reicher« (Polen, Slowenen, Ungarn, Kroaten und Wiener Juden) hierher transferiert  ; jeder ist unglücklich aber machtlos, denn das Battalion ist unabhängig von anderen Kommanden und direct them [sic  !] War Department unterstellt. […] Du kannst Dir denken, wie unglücklich ich bin. Für mich ist der Gedanke, das ich in diesem Army Körper overseas gehen soll, painful, und ich denke, es ist besser, sich gleich vorher umzubringen. Aber dies wird, wenn die Politik sich nicht ändert, das Dilemma aller unfreiwilligen Österr. sein. Die einzig mögliche Verständigungssprache unter uns »Öster­reichern« ist english [sic  !]  ; statt nun, wie es in jedem anderen Army Center geschieht, den Leuten durch Schulung zu helfen, ihr englisch zu verbessern und es auch

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schreiben zu lernen, müssen die Leute hier eine Schule besuchen um – deutsch zu lernen  ! […] Damit nicht genug  : Die meisten Leuten [sic  !], die herkommen, haben ihr basic Training hinter sich  ; hier müssen sie von vorn anfangen, um schlechter zu lernen, was sie schon besser konnten. Es wird seine Zeit brauchen, bis aus dem was wird. Die Gegend ist trostlos  : nichts als Baracken in einem Kotmeer […] Persönlich bin ich besser dran als andere Leute, weil ich als Clerk arbeite, und den ganzen Tag im Battalion Headquarter verbringe, wo ich es als blutiger Anfänger auch nicht leicht habe, aber wo die Atmosphäre etwas freundlicher ist.100

Mit der »Moral« und der militärischen Schlagkraft des 101st Infantry Battalion war es laut Podlipnig also nicht weit her. In einem weiteren, deftig ausgefallenen Brief an Buttinger stellte er fest, dass wegen des notorischen Mangels an qualifizierten Freiwilligen sogar »zwei der grössten Trottel, beide ohne Training […] chargiert« worden waren. Mehr als 80 % seiner Einheit, so Podlipnig, »forderten Transfer«.101 Der nicht nur dem konservativen Kreis rund um Habsburg und Rott, sondern auch dem Militär als Ganzem abgeneigte Sozialist, der durch Interventionen von außen und die Erlangung eines nichtmilitärischen »defense jobs« hoffte, »diesem verdammten Battalion zu entrinnen«,102 war zu diesem Zeitpunkt nicht ganz zu Unrecht überzeugt, »dass sie [in Atterbury] im Monat keine 30–40 Freiwilligen kriegen werden, so dass eben nach einem Jahre kein Battalion zusammenkommt.«103 Das Exempel Josef Podlipnigs, der im US-Exil weder großen Öster­reichpatriotismus noch Interesse daran gezeigt hatte, für sein Gastland in den Krieg zu ziehen, zeigt, dass nicht alle öster­reichischen Flüchtlinge in den USA »saints and geniuses«,104 oder überzeugte Widerstandskämpfer waren. Podlipnig war ungern Soldat. Er war höchstens ein Parteisoldat der Sozialdemokratie. Walter und Peter Schick

Walter Schick, ein aufgrund der antisemitischen Stimmung und einschlägiger Vorfälle im Land bereits 1929 (!) aus Frantschach in Kärnten ausgewanderter Industrieller, der es später bis zum amerikanischen Militärgouverneur von Kawagoe, Japan, bringen sollte, konnte sich ebenfalls nicht für das Austrian Battalion begeistern. Schick zitiert eine mentalitätsgeschichtlich sehr interessante und zum Schmunzeln anregende Episode mit einem ehemaligen k. k. Bürger, der zum Bataillon versetzt 100 J. Podlipnig, Camp Atterbury, Indiana, an J. Buttinger, 3.2.1943. DÖW 18892/2. 101 J. Podlipnig, Camp Atterbury, Indiana, an J. Buttinger, 27.3.1943. DÖW 18892/2. 102 J. Podlipnig, Camp Atterbury, Indiana, an J. Buttinger, 9.3.1943. DÖW 18892/2. 103 Podlipnig an Buttinger, 27.3.1943. 104 Laqueur, Generation Exodus, 136.



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werden wollte. In seinem autobiografischen Bericht werden auch die Auswirkungen der von den – wegen der niedrigen Freiwilligenzahlen immer ungeduldiger werdenden – Militärbehörden ausgeübten Praxis der Zwangsrekrutierung von Öster­ reichern und Altöster­reichern thematisiert. Sein selbst in Atterbury stationierter Bruder, so Schick, sei nicht nur ein offener Gegner des »Habsburg-Bataillons« und subversives Element innerhalb der Truppe gewesen, sondern hätte offen damit gedroht, Otto umzubringen, falls er sich je im Camp blicken lassen würde  : The day after Pearl Harbor, I volunteered for the American Army […] I was transferred to Camp Butler, near Durham […]. This camp contained 70.000 soldiers. One day 4.000 men were called into an assembly hall. We did not know the reason why we called in, but it appeared that soldiers with at least one Austrian grandparent, were assembled. An officer read about the formation of an Austrian regiment, and asked for volunteers. Amongst the 4.000 men, there was only one. I remember him well, his name was Bloch, and he was from Czernowitz, Bukowina. When I asked him how he could volunteer for such an outfit, he said  : »Where there are Austrians, there could be no shooting.« As I was by that time not a citizen the Army wanted to force me to join the Austrian legion. I went on hunger strike, which lasted 3 days. I declared that I was prepared to fight for the USA, but not for the Habsburgs, and that to make regiments according to National origin, would be the end of the USA and the Army. After a few days, the idea to force me into the Austrian legion, was dropped […]. My brother, Peter Schick, […] was forced into this outfit which consisted of at least 15 archdukes and about 100 ordinary human beings. Peter threatened to kill Otto Habsburg whenever he would show up, and was therefore transferred to the Persian Gulf Command of the US Army. (I do believe that the idea of the Austrian Legion collapsed, but have no further information about it.)105 Georg S. Troller

Der später als Autor und als Fernsehjournalist in Frankreich prominent in Erscheinung getretene Wiener Jude Georg Stefan Troller war einer jener jungen Flüchtlinge, die vom Rekrutierungskomitee des Bataillons persönlich angeschrieben worden waren, sich aber nicht bemüßigt fühlten, dem Aufruf Folge zu leisten. Er bevorzugte die reguläre Infanterie und wurde nach Fort Dix in New Jersey einberufen, um später als Kriegsgefangenenbefrager in Nordafrika und Frankreich eingesetzt zu werden. In seinen derb-satirischen, durchaus amerikakritischen und wegen ihres unorthodox-anarchischen Stils sehr lesenswerten Memoi105 Bericht von Walter Schick über seine Zeit in der US-Armee und im Exil, 1972, 1–52, hier 35–39. DÖW 8824. Vgl. Eppel, Exil, Bd. 2, 63–65.

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ren bedachte Troller das »Habsburg-Bataillon« und dessen Spiritus Rector mit schonungslosem Spott  : Sollte man als Öster­reicher zur Army, so erhielt man zuvor einen Schrieb des Erzherzogs Otto von Habsburg, ob man nicht seinem »Öster­reichischen Bataillon« beitreten wolle. Könnte mir einfallen. Im Kopf spukte mir noch das bescheuerte Foto des Thronanwärters im Tirolerg’wandl herum, mit einem Riesensäbel an der Seite, das in den provinziellen »Kaisergemeinden« an den Kirchentüren ausgehängt war. Nicht geschenkt  !106 Kurt Bresnitz

Kurt Bresnitz, ein Wiener Jude, der nach dem »Anschluss« mit Glück in die USA geflüchtet war, gehörte zu jenen öster­reichischen Exilanten, die dem Aufruf des Rekrutierungskomitees rund um »Otto von Öster­reich« freiwillig Folge leisteten. Nach dem Intermezzo in Atterbury war Bresnitz auf dem europäischen Kriegsschauplatz als Aufklärer (Scout/Military Observer) für die Infanterie und als Dolmetscher für die US-Militärverwaltung in Deutschland tätig.107 Laut eigener Aussage war er einer von jenen rund 100 bis 150 »echten« und freiwilligen, i. e. nicht aus den ehemaligen Kronländern stammenden oder gegen ihren Willen rekrutierten, Öster­reichern, die sich als Volontär für das Austrian Battalion meldeten. Bresnitz erhielt in Camp Atterbury sein insgesamt drittes »Basic Training«. Während er seinen Eintritt in die US-Armee als patriotischen Akt eines dankbaren Immigranten deutete, war sein freiwilliges Einrücken in Atterbury keineswegs eine Bestätigung für den integrativen oder gar identitätsstiftenden Charakter des öster­reichischen Bataillons. Im Gegenteil, nüchtern und distanziert charakterisiert Bresnitz 2007 das Austrian Battalion als militärisch irrelevante Körperschaft mit dem Zweck, die Habsburgermonarchie nach der Niederwerfung des NS-Regimes wieder einzusetzen – die mediale Kampagne der Habs106 Troller, Selbstbeschreibung, 171. Ob Trollers im Folgenden geschilderter Kauf eines Blumenstraußes für seine Freundin auch als ironische Demaskierung des Habsburg’schen Militarismus und des generell widersprüchlichen Phänomens des Krieges oder doch als eine nostalgische Reminiszenz an einen Brauch aus einer guten alten öster­reichischen Zeit zu deuten ist, soll der Leser selbst beurteilen  : »Zur Mobiliserung [durch die US-Armee] gab es dann per Post einen verzierten Vordruck, der mit dem Wort begann  : ›Greetings  !‹ Sobald meine Greetings eingelangt waren, kaufte ich nach alter k. und k. Sitte einen ›Blumenbuschen‹ und präsentierte ihn feierlich Lissa. Sie brach in Tränen aus wie alle Kriegsbräute. Wurde aber kurz darauf selbst als Krankenschwester eingezogen. Mit Leutnantsrang notabene (während ich es nie weiter als zum Korporal brachte).« Ebd. 107 Vgl. US Army, Honorable Discharge of Kurt G. Bresnitz, 9.11.1945. NARA, NPRC, Military Personnel File of Kurt G. Bresnitz, ASN 35124201.



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3 Soldaten des Austrian Battalion auf dem Exerzierplatz.

burg-Gegner zeigte bei ihm offensichtlich Wirkung. Unumwunden und mit Schweijk’schem Augenzwinkern gibt er in einem Interview zu, dass nicht brennender Öster­reichpatriotismus, sondern vielmehr die geografische Nähe von Camp Atterbury zum Wohnort seiner Verlobten der eigentliche Grund war, sich für das Bataillon zu melden  : I went to Camp Atterbury. […] Being in Headquarters [in the 1st US Infantry Regiment] I had a little influence on being sent to another unit […]. At that particular time, the government made the particular decision to equip a battalion of infantry soldiers to reestablish the monarchy in Austria. And this was called the Austrian battalion and there were four [sic  ! recte  : three] descendants of the Habsburgs [Interviewer  : »Oh my God  !«] in that regiment, and it was a joy and pleasure for me, to see one of them on KP [i. e. »Kitchen Police«, dt. Küchendienst]  ! The others were officers, but this one […] was a P[rivate]F[irst]C[lass]. I had an ulterior motive to go to the Austrian Battalion however, because the Austrian Battalion was stationed in Indianapolis and Indianapolis is very close to Cincinnati and since I hadn’t seen Lotte for a long time I thought, maybe I can get some leave on weekends and see her and that worked out fine, but unfortu-

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nately the joy didn’t last long, because the Army apparently realized that this was a vain attempt and they dissolved the Austrian Battalion […].108

Angesichts der von den Nationalsozialisten und der antisemitischen Plebs an den Tag gelegten Brutalität, die Bresnitz und seine Familie in Wien erleben mussten, ist es nahe liegend, dass ihm die »Amerikanisierung und der Erwerb der amerikanischen Staatsbürgerschaft wesentlich wichtiger als die Wiedergewinnung der Unabhängigkeit eines nicht gerade in bester Erinnerung gebliebenen Heimatlandes« war.109 Seine kritische, aber nicht auf ideologischen Motiven beruhende Einstellung zu den Habsburgern hat Bresnitz’ Indifferenz gegenüber exilöster­ reichischen Anliegen im Allgemeinen und dem Austrian Battialion im Speziellen wohl noch zusätzlich verstärkt. Kurt Latzko

Der ebenfalls aus Wien stammende Jude Kurt Latzko wurde erst im Jänner 1943 in die US-Armee eingezogen und direkt nach Camp Atterbury geschickt. Obwohl er Otto Habsburg, der es immerhin gegen teils erhebliche Widerstände geschafft hatte, einem Land ohne anerkannter Exilvertretung ein Nationalbataillon zu bescheren, später als »capable« bezeichnet, konnte Latzko – wie auch unzählige andere mehr oder weniger zwangsrekrutierte Öster­reicher und »öster­reichische« Bürger aus Italien, Polen und anderen Teilen der ehemaligen habsburgischen Doppelmonarchie – sich nicht mit dem politischen Umfeld des Rekrutierungskomitees und den legitimistischen Implikationen des Bataillons identifizieren.110 Der inzwischen seiner europäischen Heimat entwachsene und an dem Fortleben der politischen Verwerfungen der öster­reichischen Zwischenkriegszeit im Exil wenig interessierte Latzko deutete das schwarz-goldene Band, das er auf dem Arm von Bataillonskommandant Conrad gesehen haben will, nicht als Zeichen eines wehrhaften Öster­reichpatriotismus, sondern als für einen Demokraten amerikanischer Prägung befremdliches und militärisch kontraproduktives Symbol  : It [the Austrian Battalion] was not the US Army.111 108 Roaring Fork Veterans History Project, Lt. Col. D. Merritt, Filmed Interview with Kurt Bresnitz – World War 2 1938, 1941–1945, 5.6.2007  ; Library of Congress, American Folklife Center, Veterans History Project, Kurt Bresnitz Collection (AFC/2001/001/53600). 109 Eppel, Exil, Bd. 2, 27. 110 Interview K. Latzko, 16.3.2004, LoC. 111 Ebd.



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Mithilfe seines Vaters, der zugunsten seines Sohnes in Journalistenkreisen und sogar bei Kriegsminister Stimson und Präsident Roosevelt brieflich intervenierte, versuchte Latzko eine Verlegung zu einer anderen Einheit zu erreichen. Im Lager selbst trafen viele solcher Protestschreiben von Verwandten der Bataillonsangehörigen ein, die mehr oder weniger alle denselben Inhalt hatten  : Der Sohn, Neffe oder Enkel müsse raus aus dem verdammten Bataillon, und das sofort. So schreibt Lieutenant Colonel L. Cron von der G-3-Abteilung der Armee in seinem Bericht über eine Visite in Indiana  : Letters received by the Battalion Commander from relatives of the men have protested against their son’s assignment to this Battalion […] Many civilians consider it to be the Archduke’s own private unit, to be used eventually in an attempt to restore the Habsburgs to throne of Austria. Actually most of the men, even the true Austrian nationals, are desirous of obtaining US citizenship and wish to lose their identity as Austrians entirely.112

Als Latzko in Camp Atterbury sein Anliegen persönlich vortrug, wurde dieses laut seiner Darstellung von Vizekommandant Colonel Wurm barsch zurückgewiesen  : Latzko wurde zum Latrinendienst beordert. Nachdem er eigenen Angaben nach von seinem Vater einen Abzug eines von Stimson selbst autorisierten Unterstützungsschreibens erhalten hatte, trat er erneut an Wurm mit der Bitte eines Transfers heran. Wieder reagierte Letzterer äußerst indigniert und wieder wurde der junge Soldat zu »all sorts of nasty duty« eingeteilt. Als im Frühjahr 1943 das Ende des öster­reichischen Bataillons abzusehen war, wurde dem Drängen Latzkos letztlich nachgegeben.113 Wie auch einige andere in Camp Atterbury stationierte Öster­reicher durfte er im Zuge der Auflösung des Austrian Battalion im Mai 1945 seinen nächsten Dienstort selbst wählen.114 Über sein und Bresnitz’ weiteres Schicksal wird gegen Ende dieses Kapitels berichtet. Arnold Greissle

Der im Februar 1943 in die Armee eingerückte115 und unfreiwillig zum Austrian Battalion abkommandierte Arnold Greissle gehört zu jenen Bataillonsmitgliedern, die den teils sehr abenteuerlichen kursierenden Gerüchten rund um ihre 112 Memorandum Cron, Inspektion, 10./11.3.1943. 113 Interview K. Latzko, 16.3.2004, LoC. 114 Goldner, Emigration, 159. 115 US Army WW II Enlistment Record of Arnold Greissle, ASN 32798746. NARA, RG 64, in  : aad.archives.gov (letzter Zugriff  : 11.8.2012).

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Einheit einigen Glauben schenkten und in Otto Habsburg die mächtige Hauptfigur, ja sogar den »Kommandeur« des Bataillons sahen. In den Erinnerungen des in einem kommunistischen Milieu sozialisierten Greissle, eines Enkels Arnold Schönbergs, über seinen Dienst im Öster­reich-Bataillon (das er vielsagend »The Emperor’s Battalion« taufte) manifestiert sich jenes ambivalente Verhältnis zur Habsburg-Monarchie, das auch bei vielen anderen seiner Zeitgenossen zu beobachten war – dezidierte politische Ablehnung des monarchischen Machtanspruchs einerseits, diffuse nostalgische Erinnerung an die angeblich so gute alte Zeit der Monarchie andererseits. Greissle behauptet, dass er Otto Habsburg auch einmal in Atterbury begegnet ist. Interessant an Greissles Bericht ist auch die Tatsache, dass er zu einem Zeitpunkt im Camp ankam (Mitte April 1943), als das Gros der »unfreiwilligen« Bataillonsangehörigen von Atterbury bereits wegversetzt worden war. Unter diesem Gesichtspunkt ist seine Einschätzung, dass nur etwa ein Viertel der Soldaten in Atterbury das Bataillon strikt ablehnte, zu interpretieren  : The Emperor’s Battalion The United States Army was about to form an Austrian battalion, and a call had been issued for citizens from all countries that had been a part of the Austro-Hungarian Empire before 1918, which meant not only bonafide Austrians but also Czechs, Yugoslavs, Rumanians, Hungarians, Poles, and a good deal else. We would all be constituted as the 100th [sic  !] Infantry Battalion and then go to Europe and fight there alongside other members of the United States Army. At the end of the war, we’d wind up in Vienna, where our commander-in-chief [sic  !], an officer named Otto von Habsburg, would be installed as the emperor. Apparently I’d made the grade, for I now had the special assignment to join that outfit. He didn’t ask me whether I wanted to do this or not, what my opinion might be about monarchy as a form of government – if, perhaps, there mightn’t be some other possibilities to my way of thinking. In short, in two weeks I was to begin training with that outfit in Camp Atterbury near Columbus, Indiana. I was absolutely dumbstruck, but as a captive audience, so to speak, what could I do  ? A week later I had written orders in my pocket plus a one-way train ticket to Columbus and assurances that a car and driver would meet me at the station and convey me to the camp. Before that, I went on a three-day furlough, which I spent with my parents and my brother in New York. I could confide nothing to them, as I’d been warned that this was a top-secret matter upon which my safety and that of my comrades depended. What did I tell them  ? Simply that I was being transferred to Indiana for basic training, after which, in five or six months, I could expect to be sent to Europe or the Pacific, probably for service in the infantry. […] With the engine puffing and steam hissing, I started on my westward journey that April morning [in 1943]. […] It took twenty hours to get from New York to Columbus  ; today’s trains do it in ten



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or eleven. Since I was traveling third class, I had to pass the night sitting or lying on a wooden bench, so I slept very little during the trip, maybe two hours. I spent the time thinking – about the war, of course, but also about Austria and »unser Kaiser,« the emperor. In 1938, that word had still been very much alive in the Austrian psyche. »Ja, die guten alten Zeiten, wie wir noch unsern Kaiser hatten,« my Tante Olga used to say with a mixture of sadness and pride in her eyes […]. In the foyer of her house on Schillerstrasse, there hung a portrait of Franz Josef as an old man with white sideburns. […] During my childhood in the late 1920s and early 1930s, the aura of imperial Austria was everywhere. Even the songs had not yet faded away  ; I remember one in particular  : »Ade, mein kleiner Gardeoffizier, ade« […] by Robert Stolz. When the head of my Gymnasium gave a speech, he would mention the empire again and again, not as history but as the recent and glorious past  : the battles of the nineteenth century, World War I, great Austrians from the time of the Habsburgs, names like Rosegger, Nestroy, Radetzky, Raimund, and Strauss. Just about everyone, besides Tante Olga, had at least one likeness of Franz Josef hanging on a wall, even the superintendent of our house on Jakob Thomastrasse. »Ja, unser Kaiser. Sein Bild wird immer noch da hängen, auch wenn ich nicht mehr da bin,« she would declare with reverence […]. Even so, she did have to take it down in 1938, but to her credit, the dear old lady did not put up Hitler’s portrait in its place ... So there I was, lying on a wooden bench aboard a train bound for Indiana with all those visions of the past in my head. My parents, both communists, you’ll recall, had, of course, been opposed to the »monarchy,« and I suppose I shared their views – but only half-heartedly, for I had always leaned a little toward the right, compared with them. […] So now with Washington having decreed that Austria would once again become an empire and the archduke Otto von Habsburg its leader, the United States Army was organizing a fighting unit for the purpose of making the dream a reality. And where were we likely to see action, I wondered. Perhaps, I speculated, we’d be dropped over Austria while it was still in German hands, a damn good reason for keeping everything so hush-hush. But if the truth be known, I didn’t think much of the idea. If we European Habsburg-supporters were to be taken prisoner, the Nazis would recognize our accents, realize that our unit had a special purpose, and lose no time in shooting us on the spot, or worse. But then it struck me that we would most likely be fighting alongside other American units through Italy or through France and Germany into Austria, where we would then be employed on our special mission, in other words, essentially become Otto’s imperial guards. I finally decided that it was no use speculating about such things – it was best just to abwarten und Tee trinken […], as the saying goes. […] I arrived at Atterbury dead tired, but I must say I was pleasantly surprised on being led to a real room that I had to share with only three other soldiers. Though we slept in bunk beds, we had our own bathroom with a toilet, hot and cold running water, and a shower. I was given a hot meal, and

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despite my fatigue, I discerned that other Austrians were there, as well as Czechs and Yugoslavs. But that was all  ; finished with the food, I literally fell onto my bed and slept until the following morning ... »Na, endlich,« came a voice from somewhere above me […]. »Wir haben schon geglaubt, du wirst überhaupt nicht mehr aufwachen« […] Roused from a dream, I was scared stiff, almost sure that I’d been taken prisoner and would be lined up against a wall and shot or beheaded. Can’t be, I assured myself, the person’s voice sounded very familiar. I rubbed my eyes and sat up, banging my head against the plank of a bunk above mine. Someone from the upper bunk opposite mine was gazing down at me. I recognized him. It was Fritz K., originally from Vienna […] How he had gotten there Fritz explained to me over breakfast in the dining hall, all washed and shaved and in our regular uniforms, for it was a Sunday. Just like me, he had been picked out as an Austrian national at his recruitment camp and sent to Atterbury. Here he’d been sitting for the last two weeks, and each day had seen the arrival of more »recruits.« About half of them were originally from Austria, mostly Vienna, but there were also quite a few Czechs, Hungarians, and Yugoslavs  ; some were Jewish, others like ourselves, not. For a variety of reasons including ease of communication first and foremost, a number of Czech, Hungarian, and Austro-German subgroups were soon to form among us. Naturally, English was and remained our lingua franca. So what did they intend to do with us, I asked Fritz and his friends that morning. They answered that so far nothing much had happened, but they’d all been led to believe that training, very rigorous training, would begin as soon as enough of us Austrian Empire-folks were there, so we could all learn together. By now, about eighty men had arrived, so perhaps things would get going pretty soon. In the meanwhile, there wasn’t much to do except for the routine stuff, most of which, however, was being performed by rookies from units other than our »elite« 100th Battalion [sic  ! recte  : 101st Battalion]. The food was nothing short of fabulous. For instance, our breakfast that morning consisted of eggs, milk, cheese, and several kinds of sausage with a choice of coffee, tea, or hot chocolate. Juice, fruit, fried potatoes, and pancakes were also available  ; you could even order an omelet. In short, they were providing us with an ongoing feast. So what were the Army’s plans for us regarding Austria and the Archduke, did anyone know, I asked. Well, Otto wasn’t around at the moment, came the answer, but he had indeed been there once to welcome them all, his subordinates or subjects, if you will. He was in his mid-thirties, held the rank of major, and would soon be promoted to lieutenant colonel, it seemed. Nothing much had been said about tactical plans for us as of yet, but there were guesses and rumors aplenty. The idea seemed to be, as I’d been told by the lieutenant who initially interviewed me, to reestablish the Habsburg Empire – that is, unless the political climate in Washington changed. Czechoslovakia, Hungary, and Yugoslavia would be included in it, presumably as equal and autonomous parts. The capital as well



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as its economic hub would again be Vienna, and our battalion would be serving under the AMG (American Military Government) until things were secure. And what did the guys who’d arrived in Atterbury from hither and yon and now belonged to this most exclusive of battalions think of the Empire idea  ? Well, needless to say, the monarchists, who totaled about a quarter of our number, whole-heartedly approved of it  ; indeed, dedicated heart and soul to it and to reinstating the Habsburgs, they were brimming with confidence and optimism, and quite vocal when it came to expressing their views. A second group, numbering about half of us, would have been neither for nor against it, had anyone bothered to ask them  ; they just wanted to be treated with kindness and respect, and instead of hankering after Don Quixote-like adventures, they rather hoped to be called upon to help set up a new government in Austria after the war. The remainder, numbering a good twenty-five percent, were pretty much opposed to the Empire and the Habsburgs, and, in fact, had anyone bothered to ask them concerning their opinions, they would have pointed out that while there had been a movement for the return of that old, outmoded, and not-very-popular form of government in Austria in 1938, a far greater percentage of the people had been Social Democrats, Communists, Christian Republicans, and sad to say, Nazis. In any event, Washington should not go about undemocratically dictating who would and would not be at Austria’s helm once Hitler fell  ; that choice should be left to the Austrian people. Extremists in this latter group, who were Jews for the most part, held to the opinion that all Austrians were Nazis and wanted nothing more to do with the »old country«. Regardless of their opinions on this subject, a large proportion of the 100th battalion hailed from middle-class families, meaning they were fairly well-educated and cultured and were not the sort of fellows from whom one could expect blind obedience. Be that as it may, the cat was already out of the bag, that is, many of them had written home about what was going on at Atterbury or mentioned it in phone conversations, and it wasn’t long before parents and siblings were writing letters of protest about the battalion and its founders to newspapers and magazines, and editorials requesting clarification from the government were regularly appearing in them. One New York paper in particular, the sort of leftish PM, went vehemently to bat in behalf of the anti-monarchist faction. Meanwhile basic training had at long last begun at Atterbury, and now instead of sitting around eating, talking, and reading, we had to get up at sunrise every morning and work very hard at making ourselves fit and, among other things, learning how to use an M-1 rifle and stick a bayonet into an enemy’s guts. And every night now, too tired either to speculate or complain, we fell into our bunks exhausted. Once, and for that one time only, we got to meet Otto, who I must say looked pretty much as one would expect a distinguished archduke to look  : slim, rather good-looking, almost dashing. That’s about it  ; I don’t remember more than that.

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When all was said and done, the 100th looked no different from other American infantry outfits. Our uniforms and equipment were the same, and the commands we received were in English – though whenever we were with our own, we used whatever our mother tongue happened to be. We were given the same rations and provisions and were scheduled to receive the same basic training as other infantrymen. Yes, in the end, the only difference between other units and ours was that we had a very special »Austrian« mission. But then one morning a week after basic training had begun, everything changed. We were all ordered to assemble in the yard adjacent to our barracks, and our master sergeant, an American born and bred, told us that word had come from Washington that the battalion was to be disbanded. No particular reason was given for this  ; these were orders from on high, that was all. (Now looking back, the reason was clear. This was the period in the war when the Big Four – England, France, Russia, and the United States – were meeting again and again to try to work out a plan for an orderly occupation of Germany and Austria once the Nazis had been defeated. It was agreed that each of those superpowers was to have control over a predetermined and carefully mappedout zone, so a revived Austrian empire would have been absolutely out of the question.) It seems that Stalin, above all, vehemently opposed the idea. The sergeant went on to say that before long, transfers to other units would be coming through to us. In the meantime, we should all be patient, as the powers-that-be would be checking each man’s background so as to assign him to the kind of service that best corresponded with his abilities. And I guess that’s what happened. […] So that was the end of the »Emperor’s Battalion.« And how did we »Imperial subjects« all feel about it  ? Well, the monarchists were quite upset, of course, considering their last big chance and indeed only hope dashed. The leftists, on the other hand, were relieved because to their way of thinking, with so little of the population likely to be in favor of a monarchy, the whole thing was bound to be a fiasco and would lead only to God knows what kind of chaos politically. As for me, well, I would miss speaking our brand of German with Fritz and my other Austrian buddies – it was a bit like being exiled from home a second time, I guess. But in the end, I wasn’t particularly unhappy or, for that matter, happy about it all. As I indicated earlier, as a leftist I had not approved of that American venture to revive the Monarchy. However, as with my grandfather, there was a bit of me that hankered for the old-fashioned genteel way of life that the Monarchy represented. Yes, I, the son of communists Felix and Trudi, harbored a kind of sentimental longing for the good old days. But after all was said and done, it was just too late, and in the end one could only sing the old song  : »Ade, mein kleiner Gardeoffizier, ade. Und vergiss mich nicht.«116 116 Arnold Greissle, Arnold Schönbergs European Family, Chapter VI  : From Inside to Outside, un-



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Nach seiner Versetzung wurde Arnold Greissle eigenen Angaben nach als Teil einer »dental unit« nach Nordafrika und 1944 nach Norditalien geschickt, wo er bis zum Kriegsende hauptsächlich deutsche Kriegsgefangene verhörte.117 Anonyme Stimmen aus Camp Atterbury

Auch Journalisten fungierten als Sprachrohr für die Bataillonsangehörigen. So publizierte Alexander H. Uhl im März 1943 im linksgerichteten Periodikum PM einen – eher tendenziösen – Situationsbericht über das Austrian Battalion in Camp Atterbury, bei dem auch einige anonyme öster­reichische Soldaten zu Wort kamen  : The Battalion is commanded by Lt. Col. Vincent J. Conrad, a regular Army officer. It consists of 645 men, of whom […] 75 are cadre men selected for their language ability. […] I asked Col. Conrad specifically what was the attitude of the 42 per cent Jewish segment. He answered that most of those who had been refugees – and he didn’t know how many were refugees – were applying for transfer. He stressed also that some of them were satisfied and were staying with the Battalion. Col. Conrad estimated that in four or five days all the Austrian nationals who had applied for transfer and all those of other nationalities would be cleared out. Then the Battalion would be on a purely voluntary basis. I suspect he will thank God when that day comes, since life in the Battalion scarcely has been happy. […] I’ve talked with some of the men in it. Not at the camp, because that didn’t seem conducive to frank talk, but elsewhere. And I’ve seen many of their letters home. To say that all of them hated the Battalion would be inaccurate. But a great number of them did. They hadn’t volunteered for service in the Battalion. They had been transferred to it, under the loose designation »Austrian«, a designation that turned out to include the old Austro-Hungarian Habsburg Empire from which Otto’s father had been ousted and for which Otto is still claimant. They were bewildered, confused, some even desperate. There were arguments among those who defended Otto and those who hated him. Some of the more intense among them threatened suicide and desertion. […] They said they wanted to be Americans and fight Hitler and they didn’t want anything to do with anything flavored with Otto of Austria, no matter how »genteely« it was done. They wrote angry letters to their relatives. Some of the letters probably were hysterical and unfair, but there can be no doubt that these men were desperately unhappy. As one of them put it to me  : paginiert, in  : http://schoenbergseuropeanfamily.org/AS3_Pages/AS3_Chap6.html (letzter Zugriff  : 17.5.2010). 117 Ebd.

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»I want to be a good American soldier. I can be a good soldier. But not in this Battalion. I can’t stand hearing German every day and night. I tried to get a transfer weeks ago, but I was put off. Now, since the new order from Washington, I’ve put in a letter for a transfer and I hope to get it. I don’t want to fight for Otto. I want to fight for America.« Of course, not all the men were resentful of their assignment to the Battalion for political reasons. Some disliked being pulled out of Army units with which they had served for months. They said they had lost ratings, or didn’t like being transferred to the infantry. But the main complaint was that they didn’t want to fight the War in an Austrian Battalion that looked like a crossection of the old Austro-Hungarian Empire. […] Col. Conrad […] says the Battalion is not an Austrian battalion, that it’s a part of the regular US Army. »It has no political connection in any way so far as the army is concerned«, he told me. He said that Otto had nothing to do with the Battalion, that he was only one of those who had been authorized to recruit for it. He said that the men who came to the camp read a lot of lies in the newspapers – such as that they were fighting under the Austrian flag or that they would wear the word Austria on their arms. He said that some of them wrote letters to their relatives based on rumors and ignorance. […] He said that men were being added to the Battalion daily on a volunteer basis, and that all he was interested in was in turning out an efficient, soldierly battalion that would do its duty in the field, without regard for politics.118

Als es sich bereits abzeichnete, dass es nicht möglich sein würde »›sufficient personnel of the qualifications necessary‹ for organizing a battalion of soldiers of Austrian extraction« aufzustellen und in dessen Reihen zu halten,119 gratulierte dieselbe Zeitung den Angehörigen zur bevorstehenden Versetzung aus der Einheit  : [C]ongratulations to the young men in Camp Atterbury, Ind., who now are pledged opportunity to forget Otto and fix their minds on Uncle Sam.120

118 Situationsbericht von Alexander H. Uhl in PM über das Öster­reichische Bataillon, 24.3.1943, zitiert in Eppel, Exil, Bd. 2, 124–127, hier 125 f. 119 »Army to Drop Plan for an Austrian Unit«, The New York Times, 24.5.1943, zitiert in  : Roucek, »›Free Movements‹«, 477. 120 Victor H. Bernstein, Editorial in PM, 12.3.1942, zitiert in  : Roucek, »›Free Movements‹«, 477.



Das Austrian Battalion der US-Armee und seine öster­reichischen Soldaten 

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1.1.3 »The Jewish G.I.’s who came alone« – Zwei Kriegsbiografien von jungen Wiener Exilanten im Austrian Battalion

In den folgenden beiden Unterkapiteln werden die Einzelschicksale von zwei jüdischen Exilanten, die im Austrian Battalion gedient haben und im vorherigen Abschnitt bereits kurz erwähnt worden sind, etwas ausführlicher dargestellt. Beide Protagonisten haben ohne große Begeisterung ihren Dienst in Camp Atterbury versehen und standen dem »Habsburg-Projekt« skeptisch bis ablehnend gegenüber. Obwohl es sich um nicht repräsentative Einzelschicksale handelt, bestätigen die Kriegsbiografien dieser beiden GIs mit dem typisch öster­reichischen Vornamen Kurt das bisher gezeichnete Bild eines ungeliebten Bataillons, das den jungen US-Emigranten keine attraktiven identifikatorischen oder sinnstiftenden Angebote machen konnte. Die beiden Fallstudien zeigen zudem eindrücklich, dass der militärisch bedeutende Beitrag der meisten ehemaligen Bataillonsangehörigen erst nach dem Dienst in Atterbury begonnen hat. 1.1.3.1 Fallstudie  : »Carrying the Torch of Freedom« – Kurt G. Bresnitz I felt that I am owing to this country to fight against Nazism. So much was taken from me, and so much suffering was going on, that I felt that I [had to] carry the torch of freedom. Kurt Bresnitz121 Growing up Jewish in 1930s Austria, the birth nation of Adolph Hitler, the man who for decades was Aspen’s only watchmaker might be forgiven for having a less-thancheerful outlook on life. But the fact is that Kurt Bresnitz, who will turn 89 in February [2007], looks back on his life with satisfaction, humor and quiet pride. Der Journalist John Colson über den Veteranen Kurt Bresnitz122

Bei einer im November 2008 in Aspen, Colorado, abgehaltenen Ehrung von US-Veteranen befindet sich unter der honorigen Altherrenschar ein Herr, der von einem lokalen Journalisten als »dapper white-haired gentleman with a lingering Austrian accent« beschrieben wird.123 Es handelt sich um Kurt Bresnitz, einen Wiener Emigranten, der im Zweiten Weltkrieg freiwillig in der US Army gedient 121 Interview K. Bresnitz, 5.6.2007, LoC. 122 John Colson, »The Hands of Time«, Aspen Times, 1.10.2006, unpaginiert, in  : www.aspentimes. com/article/20061001/NEWS/110010062 (letzter Zugriff  : 10.5.2010). 123 Brent Gardner-Smith, »Vets honored for their Service«, Aspen Daily News, 12.11.2008, unpaginiert, in  : www.aspendailynews.com/section/home/130470 (letzter Zugriff  : 10.5.2010).

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hat. Vor den versammelten Veteranen gibt der 90-jährige Bresnitz, mittlerweile pensionierter Uhrmacher und angesehener Bürger von Aspen, eine populäre Anekdote aus seiner Militärdienstzeit in Europa zum Besten. Bedächtig und präzise reiht er Wort an Wort, seine Stimme wirkt schwach, fast brüchig. Die von ihm in Erinnerung gerufene Episode bezieht sich auf eine – von seinen damaligen US-Kameraden euphorisch akklamierte – Gefangennahme eines hochdekorierten »feindlichen Offiziers« 1945 in Augsburg. Doch der Mann in Uniform hatte sich, so Bresnitz, nach näherer Befragung durch den deutschsprachigen Bresnitz nicht als gegnerischer Militär, sondern als harmloser und ob seiner Verhaftung sichtlich indignierter »elevator man« eines nahen Hotels herausgestellt. Die etwas kon­ struiert anmutende humoristische Verwechslungsgeschichte wird von der Zuhörerschaft mit herzlichem Gelächter goutiert.124 Im Moment der Pointe ist Kurt Bresnitz, der sonst monoton und bedächtig spricht, als Erzähler wie ausgewechselt. Mit Verve und Hingabe zieht er die Hörer in seinen Bann, die zuvor noch einschläfernde Redeweise weicht einem eruptiven, schallenden Lachen. Auch wenn folgende Bemerkung mehr auf persönlicher Empathie als auf historischer Analyse beruht, wage ich die Aussage, dass es sich bei Bresnitz’ Lachen um die zutiefst humane Regung eines Menschen handelt, der in seinem bewegten Leben viel Leid gesehen, aber dennoch seinen Humor nie verloren hat.125 Rund sieben Jahrzehnte vor der an nostalgischen und unterhaltsamen Militäranekdoten sehr reichen Veteranenveranstaltung war die Familie des jüdischen Wiener Handelsunternehmers Bresnitz schweren Repressalien ausgesetzt worden. Ihre Wohnung wurde von Nationalsozialisten verwüstet und der 19-jährige Kurt erlebte in diesen Tagen die für ihn kaum beschreibbare »inhumanity to man«.126 Er sah nach eigener Darstellung, wie Mitglieder der jüdischen Gemeinde mit heißem Pech begossen wurden, und erfuhr, dass sein Onkel aus Verzweiflung über die Plünderung und bevorstehende Enteignung seines Juweliergeschäftes Selbstmord begangen hatte. Das Jahr 1938 bedeutet für Bresnitz eine drastische Verschlechterung der individuellen Lebenssituation. In der Öffentlichkeit angespuckt, in der Schule sozial isoliert und gemeinsam mit anderen jüdischen Mitschülern in die hinteren Reihen verbannt  ; die Pfadfinder, denen er angehörte, aufgelöst und in die Hitlerjugend überführt  ; der Abschluss der Handelsakademie wurde ihm verwehrt und er wurde zu Tätigkeiten wie »trench digging« verpflichtet.127 Angesichts der 124 Ebd. 125 Vgl. Interview K. Bresnitz, 5.6.2007, LoC. 126 Ebd. 127 »After the Nazis invaded Austria«, Post Independent, 24.8.2009, unpaginiert, in  : www.postinde pendent.com/article/20090824/VALLEYNEWS/908249994&parentprofile=search (letzter Zugriff  : 12.2.2010).



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4 Kurt Bresnitz.

sich zunehmend verschlechternden Lage arrangierte die Familie Bresnitz daraufhin die Flucht ihres Sohnes. Mit gefälschten Entlassungspapieren aus der Wehrmacht und wenigen Reichsmark in der Tasche gelingt es ihm, für einige Wochen in Hamburg unterzutauchen. Am 9. August desselben Jahres geht er – nachdem ein Selbstmord eines anderen Passagiers ihm das rettende Ticket einbrachte – in Bremen alleine an Bord der S.S. Columbus.128 Der der Shoah nur knapp entronnene Wiener gehörte zur Gruppe der jüdischen NS-Flüchtlinge aus Mitteleuropa »between age sixteen and the early twenties«, die Walter Laqueur als »the G.I.s of World War II who came alone« bezeichnet hat.129 In den USA wendete er sich zunächst an seinen Onkel, einen wohlhabenden Unternehmer in Cincinnati. Dieser ermutigte Kurt, durch harte Arbeit seinen eigenen Weg zu finden. Bevor er am 28. Mai 1941 freiwillig für den Dienst in der US-Armee meldete, schlug sich Bresnitz als »cutter« in einer Fabrik für Damenbekleidung durch – im Enlistment Record der US Army wurde dies mit der Formulierung »Semiskilled occupations in fabrication of textile products« vermerkt.130 128 Passenger List S.S. Bremen to New York, August 9th, 1938. NARA, Records of the Immigration and Naturalization Service, Passenger and Crew Lists of Vessels Arriving at New York, New York, 1897–1957, M[icrofilm] S[erial] T715, M[icrofilm] R[oll] 6199, L[ine] 24 P[age] 79, in  : www.ancestry.com (letzter Zugriff  : 1.12.2011). 129 Laqueur, Generation Exodus, 130. 130 US Army WW II Enlistment Record of Kurt G. Bresnitz, ASN 35124201. NARA, RG 64, in  : aad.archives.gov (letzter Zugriff  : 12.2.2010).

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Noch vor der militärpolitischen Zäsur von Pearl Harbor ließ er das zivile Arbeitsleben hinter sich, suchte das nächstgelegene Draft Board auf und ging zur Armee. Mit dem freiwilligen Eintritt ins Militär, so Bresnitz später, wollte er die »torch of liberty« für das Land, das ihm als rassisch Verfolgtem einen sicheren Hafen geboten hatte, tragen.131 In Infanterielagern in Missouri und Tennessee erhielt er zunächst seine militärische Grundausbildung. Aus seinen nur mehr teilweise erhaltenen Militärdokumenten im US-Nationalarchiv und Erinnerungen geht hervor, dass er unter anderem als Rifle Expert am M-1-Gewehr ausgebildet wurde.132 Bald instruierte er in den Ausbildungslagern andere Rekruten im Schießen. Als Regiments-Scout des an die 6th Infantry Division angegliederten traditionsreichen ersten Infanterieregiments der US Army hatte der ehemalige Pfadfinder aus Wien feindliche Truppenbewegungen zu lokalisieren. Bresnitz nahm in der Folge an den Truppenmanövern in Tennessee und Arizona teil. Nach seiner Episode im Austrian Battalion in Camp Atterbury bestimmten die in seiner persönlichen Lochkarte des War Department festgehaltenen deutschen Sprachkenntnisse die weitere Armeelaufbahn. So wurde er von der European Civil Affairs Division, einer Domäne der Armeesparte G-5, als Militärverwaltungssoldat rekrutiert und im Zuge der Ausbildung ans Grinnell College in Iowa beordert, wo er das Army Specialized Training Program (ASTP) durchlief, das er im Frühjahr 1944 mit Schwerpunkt Sprachen erfolgreich abschließen konnte. Das ASTP, das an über 200 Universitäten des Landes ambitioniert angelegte Kurse in Bereichen wie Medizin, Technik, Agronomie, Kommunikationslehre und Psychologie mit einer anspruchsvollen militärischen Ausbildung zu verbinden suchte, war ein Sammelbecken für vielversprechende Offiziersanwärter mit hoher Intelligenz (in Anlehnung an eine populäre US-Show wurden diese auch »quiz kids« genannt).133 Nachdem er die lang ersehnte amerikanische Staatsbürgerschaft erhalten hatte, wurde Bresnitz am 23. März 1944 nach England verlegt. Im von Bombenangriffen hart getroffenen Manchester erhielt er als Übersetzer der zukünftigen US-Militärregierung eine weitere Intensiv-Ausbildung, die neben dem Fokus auf »Civil Affairs« und Militärverwaltungsagenden ihren »Schwerpunkt auf die ›Schule des Soldaten‹« legte  : »körperliches Training, Motormärsche und Schießausbildung«.134 Kurz vor der bevorstehenden Invasion in der Normandie gab Bresnitz noch hochrangigen Offizieren Deutschunterricht. Vor dem D-Day, als die Angehörigen der G-5-Truppen auf neue Formationen aufgeteilt wurden, landete 131 Interview K. Bresnitz, 5.6.2007, LoC. 132 Capt. J. Maguire, Honrable Discharge of Kurt G. Bresnitz, ASN 35124201, 30.11.1945. NARA, NPRC, Military Personnel File of Kurt G. Bresnitz. 133 Keefer, Scholars, 52. 134 Klaus-Dietmar Henke, Die amerikanische Besetzung Deutschlands. München  : 21996, 230.



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Bresnitz beim Detachment E1H2 des Second European Civil Affairs Regiment (2nd ECAR).135 Diese Einheit war ursprünglich im Bereich der 9., später im Gefolge der 1. US-Armee im Einsatz. Von Oberstleutnant John Patterson, einem fähigen Offizier, kommandiert, war das Detachment E1H2 eine der größten Civil-Affairs-Einheiten der 12. Armeegruppe und setzte sich aus überdurchschnittlich hoch qualifiziertem Personal zusammen.136 Als akademisch gebildeter ASTP-Absolvent wurde der Unteroffizier Kurt Bresnitz diesem Niveau gerecht. Bresnitz’ Trupp sollte auf dem europäischen Festland und vor allem im besetzten Deutschland »die Kontrolle der Länder oder Provinzen übernehmen«,137 sich in diesem Bereich vor allem Verwaltungsaufgaben widmen und das Funktionieren der kommenden Militäradministration gewährleisten. Da NS-Deutschland im Jahr 1944 nicht – wie von maßgebenden amerikanischen Militärstrategen lange Zeit erhofft – einfach »kollabierte«, sondern die vom westalliierten Militär zu verwaltenden Gebiete wegen des anhaltenden Widerstands der Wehrmacht erst Stück für Stück befreit werden mussten, zeigte sich, dass »nur die Anbindung der [Civil-Affairs-]Detachments an die Korps und Divisionen der U.S. Army das einzig praktikable […] Prinzip der Organisation der Militärverwaltung sein konnte«.138 Die Kommandeure und Mannschaften der ECAR-Einheiten waren daher während der »mobilen Phase« des amerikanischen Vormarschs den Kampfverbänden hierarchisch klar untergeordnet. Laut dem Urteil von Klaus-Dietmar Henke entpuppten sich die European Civil Affairs Division und ihre Regimenter in der Folge als organisatorisch wenig ausgereifte »Zwitter ohne politische Potenz und militärische Schlagkraft«.139 In der »rough and tumble period«140 zwischen den Kampfhandlungen und der Etablierung der Besatzungsverwaltung war der Handlungsspielraum der G-5-Einheiten gering. Auch für die danach folgende Konsolidierungsphase in den befreiten Gebieten dürfte folgende praxisorientierte Maxime, die der ECAR-Kommandeur Major John J. Maginnis seinen Militärregierungs- und Verwaltungssoldaten ausgegeben hatte, ein guter und realitätsnaher Leitfaden gewesen sein  : »›Sei hilfreich für die Armee‹ und ›Laß’ die Verwaltung der Stadt den Beamten‹«.141 135 Honorable Discharge Bresnitz  ; Interview K. Bresnitz, 5.6.2007, LoC. 136 Reinhold Billstein, »1945  : How the Americans Took Over Cologne – and Discovered Ford Werke’s Role in the War«, in  : Reinhold Billstein/Karola Fings/Anita Kugler/Nicholas Levis, Working for the Enemy  : Ford, General Motors, and Forced Labor in Germany during the Second World War. New York  : 2004, 83–124, hier 87. 137 Henke, Besetzung, 240. 138 Ebd., 206. 139 Ebd., 212. 140 Ebd., 97. 141 Ebd., 237.

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Nachdem im Juni 1944 die Operation OVERLORD der amerikanischen, kanadischen und englischen Invasionsarmeen angelaufen war, traf Bresnitz mit seiner Einheit am »D plus ten«, also zehn Tage nach der Invasion am Omaha Beach, bei Saint-Laurent-sur-Mer ein.142 Die dort in einer langen Reihe auf Bajonetten aufgesetzten Helme gefallener Kameraden brannten sich im visuellen Gedächtnis des jungen Soldaten nachhaltig ein. Eindringlich schildert Bresnitz weiter, wie er tote Kühe erblickte, die von der Wucht der Bombendetonationen auf Bäume befördert worden waren. Inmitten der vorrückenden Kampfverbände der 12. Armeegruppe überschritt Bresnitz später die Brücke von Remagen und registrierte, wie die westdeutsche Bevölkerung den Amerikanern mit vorsichtiger Sympathie begegnete.143 Bevor die US-Armee im Zuge ihrer Offensive das deutsche Kernland betreten konnte, zwang sie der überraschende im Dezember 1944 erfolgte Winterangriff der Wehrmacht unter Generalfeldmarschall von Rundstedt in eine unerwartete Defensive. Kurt Bresnitz nahm in seiner ursprünglichen soldatischen Funktion, nämlich jener des Scouts und Aufklärers, vermutlich an der Seite eines Infanterieregiments der 9. US-Armee, an der Ardennenschlacht teil. Da die Civil-Affairs-Detachments an Kampfeinheiten angegliedert waren, gerieten Bresnitz und seine Kameraden manchmal in sehr gefährliche Situationen und erhielten fallweise auch Auszeichnungen für Tapferkeit im Kampf, wie der Kommandeur der European Civil Affairs Division, Colonel Pendleton, berichtete  : Being attached to combat units, detachment and individual citations and awards read as though the [European Civil Affairs] division had been combat rather than administrative in conception.144

Für Bresnitz war die Ardennenschlacht »probably one of the bloodiest encounters in the history of wars«.145 Im Dezember 1944 observierte er vorrückende deutsche Verbände und wollte daraufhin in die von US-Kräften kontrollierte Zone, die mittlerweile »outflanked« und zum bedrängten Außenposten mutiert war, zu142 »The 1st European Civil Affairs Regiment [ECAR], for deployment in France, was composed of practically all personnel conversant with the French language. It was attached to the First Army and by D plus 7 had fourteen detachments in France. Later, companies of the 2d European Civil Affairs Regiment were attached to the 12th Army Group for use of the Third Army [sic  !]. Detachments of both the 1st and 2d Regiments were used extensively in France, Belgium, Luxembourg, and Holland.« Henry McE. Pendleton, »The European Civil Affairs Division«, in  : Military Review, April 1946, Vol. 26, Nr. 1, 49–51, hier 49  ; vgl. Henke, Besetzung, 232 f. 143 Interview K. Bresnitz, 5.6.2007, LoC. 144 Pendleton, »European Civil Affairs Division«, 50. 145 Interview K. Bresnitz, 5.6.2007, LoC.



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rückkehren. Aufgrund seines öster­reichischen Akzents wurde er bei seiner Rückkehr in die amerikanische Zone für einen subversiv agierenden Wehrmachtssoldaten in US-Uniform gehalten und einen Tag lang festgehalten. In den Augen der GIs, die ihn verhafteten, konnte Bresnitz kein Amerikaner gewesen sein, denn nur ein solcher hätte die sporthistorische Frage nach dem Sieger der World Series von 1934 richtig beantwortet. Bresnitz, der zur besagten Zeit noch Schüler in Wien gewesen war und mit Baseball auch danach wenig am Hut hatte, konnte mit Wissen über derartige Trivialitäten nicht aufwarten. Am nächsten Tag wurde das Missverständnis jedoch aufgeklärt und er war wieder in Freiheit. Angesichts des harten Winters, der deutschen Überraschungsoffensive und der für derartige Bedingungen inadäquaten Dienstkleidung schätzt er sich glücklich, die Battle of the Bulge überlebt zu haben. Bresnitz gehörte aufgrund seiner persönlichen Erfahrungen in der Ardennenschlacht wohl zu jenen Militärverwaltungssoldaten, die der sehr einseitig militärischen und mühsamen Ausbildung in Manchester im Nachhinein einiges abgewinnen konnten.146 Im engen gesellschaftlichen und politischen Handlungsrahmen, der sich den Militärverwaltungseinheiten in den befreiten deutschen Gebieten bot, bewegte sich Bresnitz’ Einheit mit einigem Geschick. Nach Einsätzen in Belgien, Holland und Aachen traf das Detachment im März 1945 im vom Krieg schwer mitgenommenen Köln, der Heimatstadt von Konrad Adenauer, ein. Hier lavierten sich die Offiziere des Detachment gekonnt zwischen den zwei Extremen von schonungsloser Entnazifizierung und pragmatischer Verwaltungs- und Personalpolitik hindurch. Stark auf den Rat des wichtigsten in der Stadt verbliebenen katholischen Würdenträgers vertrauend, »hielt es […] das Detachment E1H2 im Frühjahr 1945 für den erfolgversprechendsten Weg, erfahrene Fachleute aus der Weimarer Zeit bzw. angesehene und vor allem kurzfristig auch auffindbare Bürger der Stadt mit der Übernahme der Notverwaltung zu betrauen.«147 Diese Strategie war ziemlich erfolgreich  : Das zivile und ökonomische Leben Kölns kam bald wieder in Schwung. Der Militäradministration wurden hierbei Effizienz148 und ein gutes Sensorium für psychologische und politische Befindlichkeiten attestiert. Während der militärischen und politischen Transitionsphase des Jahres 1945 war Bresnitz’ Arbeitsfeld ständigen Fluktuationen unterworfen. Nach der im Mai 1945 erfolgten Kapitulation der Achsenmächte war er als Beamter seiner nun zum 3rd ECAR/Military-Government-Regiment gehörigen Einheit in Augsburg tätig.149 Im »organized chaos« dieser Tage war er unter anderem mit der Befra146 147 148 149

Vgl. Henke, Besetzung, 217. Vgl. ebd., 375. Vgl. Billstein, »1945«, 88. Honorable Discharge Bresnitz  ; The General Board, U.S. Forces, European Theater of Opera-

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gung von potenziellen deutschen Mitarbeitern, dem Einziehen von deutschem Waffenmaterial sowie der administrativen Betreuung von verwundeten Wehrmachtssoldaten betraut. Als deutschsprachige Schlüsselkraft war Bresnitz nunmehr im Besitz eines »Document for military personnel in the line of duty to enter German homes«, welches ihm in seinem Militärbezirk außerordentliche Bewegungsfreiheit einräumte.150 Eine ironische Volte des Schicksals wollte, dass er, der im Deutschen Reich vor sieben Jahren noch als rechtloser Untermensch galt, nun einer der Privilegierten war. Als er im Rahmen einer solchen Dienstreise das KZ Dachau aufsuchte, gelang es ihm angeblich, eine »nicht wissen wollende« ortsansässige Familie durch Beteiligung an den Aufräumarbeiten im KZ vom Ausmaß des Zivilisationsbruchs der Shoah zu überzeugen. Der Verfasser dieser Zeilen ist geneigt, letzteres Ereignis als den »ganz persönlichen VE-Day«151 des Juden Kurt Bresnitz zu bezeichnen. Kurz vor seiner Entlassung aus der US-Armee, im Oktober 1945, erhielt Bresnitz ein Zeugnis des regionalen Headquarters der US-Militärverwaltung  : Technician Four152 Kurt Bresnitz assigned to this detachment, has evidenced a devotion to duty and conscience [unverständlich...]. His language capacity has been of great import to this unit. Intelligent, resolved and orderly, he has performed all of his duties in a superior manner.153

Kurt Bresnitz kann typologisch zu jener Gruppe öster­reichischer Exilanten gezählt werden, die im Zweiten Weltkrieg nicht nur nominell unter amerikanischer Flagge standen, sondern sich auch emotionell als amerikanisiert betrachteten. Die Loyalität zum Land, das ihm im Moment existenzieller Bedrängnis Asyl geboten und ein neues Leben ermöglicht hatte, war das primäre Movens für den Eintritt des jungen Bresnitz in die US-Armee, der noch vor dem Kriegseintritt der USA erfolgt war. Patriotische Gefühle für sein Geburtsland Öster­reich vermochte er nach 1938 keine mehr zu entwickeln – die traumatischen Erfahrungen mit dem öster­reichischen Antisemitismus hatten tiefe Wunden hinterlassen. Obwohl als Aufklärer, Übersetzer und Mitglied der Militärverwaltung nur peripher in physische Kampfhandlungen involviert, war er an symbolträchtigen Schauplätzen im

150 151 152 153

tions, Civil Affairs and Military Government Organizations and Operations (= Study Nr. 132). Undatiert, vermutlich Ende 1945, Appendix Nr. 4, 24. Interview K. Bresnitz, 5.6.2007, LoC. VE day steht aus amerikanischer Sicht für den »Victory [in] Europe day«, also den 8. Mai 1945. Ein Technician 4th Grade ist ein hierarchisch mit dem amerikanischen Sergeant bzw. mit dem öster­reichischen Wachtmeister vergleichbarer, jedoch höher entlohnter Unteroffiziersrang, den Soldaten mit speziellen »technical skills« wie Fremdsprachkenntnissen usw. bekleideten. Dokument zitiert in  : Interview K. Bresnitz, 5.6.2007, LoC.



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5 Entlassungsdokument der US-Armee für Kurt Bresnitz.

westeuropäischen »War Theater« präsent  : Omaha Beach, Ardennen, Remagen, Dachau. Als Kurt G. Bresnitz, der 93-jährige Veteran der US Army mit dem Dienstgrad Technician Four, am Ende des zweistündigen Oral-History-Interviews im Rahmen des Roaring Fork Veterans Project eine kleine amerikanische Flagge als Präsent erhält, bedankt er sich mit den Worten  : »that means an awful lot to me«.154 Als junger Flüchtling und Neo-Amerikaner hatte er 63 Jahre zuvor mit Überzeugen gegen Hitlerdeutschland, nicht aber für Öster­reich oder gar ein »Habsburg-Bataillon« gekämpft. 1.1.3.2 Fallstudie  : »Nice Shooting Sergeant ›Glasgow‹  !« – Kurt Latzko

In einem Interview zu besonderen Erlebnissen während seines Kriegseinsatzes in der US Army gegen die deutsche Wehrmacht befragt, erinnerte sich der gebürtige Öster­reicher Kurt Latzko nicht nur an spektakuläre Gefechtsszenerien oder humorvolle soldatische Anekdoten, sondern auch an eine für ihn tief bewegende 154 Interview K. Bresnitz, 5.6.2007, LoC.

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zwischenmenschliche Begegnung  : Während er als Mitglied der 89. US-Infanteriedivision im März 1945 im befreiten Luxemburg auf einem fahrenden Militärlaster saß, näherte sich Latzko ein kleines Mädchen und drückte dem jungen Soldaten ein religiöses Bildchen in die Hand, »which I[Latzko]’ve carried with me in my wallet for all the many years since. God knows«, fragte sich der zum Zeitpunkt des Interviews 81-jährige Veteran mit erkennbarer Rührung, »what happened to that 8 or 10 year old little girl who handed me that picture. I wish I had found out, but I never did.«155 In einem Trainingsmemorandum des Hauptquartiers der ersten US-Armee, das während des alliierten Vormarsches auch an Latzkos Artilleriebataillon weitergeleitet wurde, wurde die Heimat des besagten Mädchens, Luxemburg, als eine jener »friendly countries where continual help and cooperation was rendered by friendly civilians« bezeichnet.156 Wenn man im selben Dokument weiterliest, wird jedoch nicht nur von freundlichen Franzosen und dem luxemburgischen »Eldorado«,157 sondern auch von dem noch zu erwartenden militärischen Widerstand der Deutschen berichtet.158 Von besagten Deutschen bzw. Öster­reichern waren auch Kurt Latzko und seine Eltern wenige Jahre vor der flüchtigen Begegnung mit dem Mädchen am Straßenrand alles andere als freundlich behandelt worden  : Die Latzkos, eine im Wiener Großbürgertum etablierte Wiener Familie, wurden nach dem »Anschluss« rassisch verfolgt und ins Exil getrieben. Kurt Latzko wurde als Sohn von Ernst und Grete Latzko am 8. Jänner 1923 in Wien geboren. Die wohlsituierten Eltern – Vater Ernst war in den 30er-Jahren Mitarbeiter der Öster­reichischen Nationalbank – boten ihren drei Kindern ein Umfeld, in dem neben schulischer Ausbildung auch auf Musik und Konversation Wert gelegt wurde. Nach dem Einmarsch der Nationalsozialisten in Öster­reich wanderte die Familie 1938 in die USA aus und ließ sich in Westchester County nieder. Nach der Mittelschule besuchte Kurt das New York College of Forestry und erfuhr eine rasche Amerikanisierung. Unter dem Eindruck des japanischen Angriffs auf Pearl Harbor meldete er sich freiwillig zur US-Armee, wurde jedoch 155 Interview K. Latzko, 16.3.2004. 156 Training Memorandum Nr. 2, Headquarters First US Army, 4.4.1945. NARA, RG 338, E 37042, B 4142  ; ähnlich der aus Öster­reich stammende Verhöroffizier der 12th Army Group, Saul K. Padover  : »Bald stellte sich heraus, dass die Luxemburger zwar Nachbarn der Deutschen waren und einen deutschen Dialekt sprachen, im übrigen aber nichts mit den Deutschen gemeinsam hatten. Sie feierten ihre Befreiung mit Landesfahnen, patriotischen Spruchbändern und Porträts des Herrscherpaars und der großherzoglichen Familie. Überall stand in roten Lettern  : LETZEBUERG ASS FREI.« Saul K. Padover, Lügendetektor. Vernehmungen im besiegten Deutschland 1944/45. München  : 2001, 12. 157 Vgl. ebd. 158 Training Memo Nr. 2, 1st Army, 4.4.1945.



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abgewiesen, weil er nicht im Besitz der amerikanischen Staatsbürgerschaft war. Erst im Jänner 1943 wurde Latzko von den amerikanischen Behörden zum Waffendienst eingezogen.159 Zunächst wurde er dem Austrian Battalion in Camp Atterbury zugeteilt. Als seinem mehrmals geäußerten Wunsch nach Versetzung (siehe oben) stattgegeben worden war, bemühte sich Kurt Latzko um eine Versetzung zur Artillerie. Da sowohl sein Vater als auch sein Großvater in der öster­reichischen Artillerie gedient hatte, erschien ihm diese Wahl nahe liegend. Zunächst war er im »boot camp« Fort Leonard Wood in Missouri stationiert, wo er auch die amerikanische Staatsbürgerschaft erhielt und ein mehrwöchiges Grundlagentraining durchlief.160 Neben der infanteristischen Ausbildung und der Einschulung in den Waffengebrauch beinhaltete dieses auch »engineer skills«, die für die Artillerie von Bedeutung waren. Bevor er in ein Artillerieregiment der 89. Infanteriedivision eintrat, war der intellektuell begabte und mit interkulturellem Erfahrungshorizont ausgestatte Rekrut 1943 im Rahmen des Army Specialized Training Program (ASTP) zu einem fünfmonatigen »Basic Engineering Course« und einem dreieinhalbmonatigen Lehrgang in Chemie und Geschichte ausgewählt worden.161 Die akademische Ausbildungsstätte war hierbei vermutlich die Oregon State University in Corvallis, wo auch viele andere künftige Mitglieder seiner späteren Einheit ausgebildet wurden. Nach dem Abschluss des Lehrgangs wurde Latzko schließlich zur 89.  Infanteriedivision, die 1917 gebildet worden war und in Anspielung auf deren Mid-West-Provenienz auch den Namen »The Rolling W« trug, transferiert. Die Einheit war im Sommer 1943 zu experimentellen Zwecken in eine »Light Division« mit einer reduzierten Stärke von 9.000 Mann umgewandelt worden. Ähnlich wie die später in Italien eingesetzte 10th Light Division (10th Mountain Division), bei der viele Öster­reicher mit Alpinerfahrung ihren Dienst versahen, handelte es sich auch bei der 89. Division um einen nur mit leichter Ausrüstung und Motorisierung ausgestatteten Truppenkörper, der speziell in unwegsamem Gelände operieren sollte. Als jedoch die Schwächen dieses Konzepts offen zutage traten (um ihre Nachschubversorgung zu gewährleisten, war eine Light Division stets von der logistischen Unterstützung anderer Verbände abhängig  ; die Infanterie war personell zu schwach besetzt, die Artillerie verfügte nur über leichte Geschütze  ; die 159 Marlene Morrisey, »A Remarkable Resident«, The Villager OnLine, in  : www.gs-cc.net/GS_­ Web%­20_­Archives/villager_archives/villager_mar02/villager_mar02.htm (letzter Zugriff  : 16.8.­ 2011)  ; Interview K. Latzko, 16.3.2004, LoC  ; US Army Enlisted Record and Report of Separation for Kurt Latzko, 9.9.1946. LoC, K. Latzko Collection. 160 Interview K. Latzko, 16.3.2004, LoC. 161 Enlisted Record K. Latzko, LoC.

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89. Division verfügte summa summarum über wenig Kampfkraft und war nicht »self sustaining«162), wandelte man die Division wieder in eine 15.000 Mann starke »heavy infantry« um und transferierte sie nach Camp Butner bei Durham in North Carolina. Ein großer Teil der Soldaten bestand nun aus ASTP-Absolventen wie Latzko, die als Ersatz für die während der »manpower shortage« Ende 1943 nach Übersee transferierten Soldaten hektisch zusammengezogen wurden.163 Nachdem er in Camp Butner, das vor allem wegen seiner Moskitoschwärme und anderer exotischer Unbilden gefürchtet war, im August eine Gewehrschützenausbildung (»Carbine Expert«) absolviert hatte, wurde Latzko im 341st Field Artillery Battalion164 zum »Fire Control Instrument and Vertical Operator« in der artilleristischen Feuerleit- bzw. Rechenstelle ausgebildet.165 Das 341. Bataillon verfügte über Geschütze mittleren Kalibers (105 mm), die von einer eigenen Feuerleitstelle koordiniert wurden. Auf dem artilleristischen Sektor stellte die in den USA in den 30er-Jahren entwickelte und 1941 fest eingeführte Feuerleitstelle (Fire Direction Center, FDC) die »most important tactical innovation […] and a critical ingredient in artillery fire support in mobile warfare« dar. Zuvor war es noch Usus, dass jeder einzelne Geschützkommandant den Batterien eines Bataillons autonome Feuerkommandos gab und deshalb eine gewisse Streuung der Feuerkraft existierte. Um das Artilleriefeuer aller verfügbaren Geschütze jedoch auf ein taktisch bedeutendes feindliches Ziel bündeln und rasch auf weitere Punkte umlenken zu können, übertrug man der zentralen Feuerleitstelle den Feuerbefehl für alle Batterien. Die Feuerleitstelle arbeitete eng mit den Forward Observers, also den Beobachtern im Feld oder in Flugzeugen, zusammen, die ihre Sichtungsmeldungen per Funk oder per Notiz weiterleiteten.166 Latzkos Aufgaben in der Feuerleitstelle waren das »plotting of enemy position« und das Erarbeiten des Feuerbefehls für die Geschütze.167 Nachdem die Zielkoordinaten von Beobachtungstrupps übermittelt und auf Karten lokalisiert wurden, errechnete Latzko oder einer seiner Kollegen unter Aufsicht eines Executive Officer und unter der Zuhilfenahme artilleristischer Schießtafeln und ballistischer Pa162 John B. Wilson, Maneuver and Firepower. The Evoluion of Divisions and Separate Brigades. (= Army Lineage Series). Washington, D.C.: 1988, 188–190. 163 »Rolling Ahead  !« The Story of the 89th Infantry Division, 5 f. NARA, RG 407, E 427, B 10999. 164 Laut den Angaben eines Forward Observers des 341. Bataillons, Private R. Woodrum, pflegte der Kommandeur des Bataillons, Colonel John Bissell (später General) bei artilleristischen Übungen gerne vor Ort aufzutauchen, um die Effizienz der Soldaten persönlich einschätzen zu können. Robert Woodrum, »Recollections of WWII«, in  : www.89infdivww2.org/memories/ woodrumstory.­htm (letzter Zugriff  : 19.8.2011). 165 Enlisted Record K. Latzko, LoC. 166 Steven J. Zaloga, US Field Artillery of World War II. Westminster  : 2007, 5 f. 167 Interview K. Latzko, 16.3.2004, LoC.



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rameter den jeweiligen Schusswinkel für die Geschütze des Bataillons. Die horizontalen und vertikalen Strichzahlen für die Artilleriewaffen leitete man per Feldtelefon an diese weiter. Ed Quick, der als Telephone Operator am Geschütz B des »benachbarten« 340. Bataillons quasi am anderen Ende der Leitung tätig war, erinnert sich an ein typisches Feuerkommando der Feuerleitstelle  : »Fire mission  !...............battery adjust................shell HE [high explosive]............... charge five........fuse quick.........base deflection..........right two niner five..........SI three zero two.....number two one round..... ELEVATION – THREE SEVEN ONE  !« As the telephone operator on number two gun, my job was to listen to instructions like those and call them out to the gun crew. […] The three aiming commands were »deflection« (horizontal angle or azimuth) »SI« (the difference in altitude between gun and target) and »elevation« (vertical angle.) In the absence of a »Do not Fire« instruction, the word »Elevation« was an automatic fire command.168

Kurt Latzko blieb den Kampfhandlungen in Europa lange Zeit fern, doch im letzten Kriegsjahr erhielt auch seine Division den lang erwarteten Einsatzbefehl. Am 10. Jänner 1945 schiffte sich Latzkos Einheit von Boston nach Frankreich ein und in der kalten Nacht vom 22. auf den 23. Jänner setzte der junge Artillerist bei Le Havre Fuß auf europäischen Boden.169 Gelandet in Europa, wurde die 89. Infanteriedivision dem XII. Korps der 3. Armee des legendären Generals George Patton, eines ehrgeizigen Exzentrikers, unterstellt. Ob ihrer späten Ankunft auf dem europäischen Kriegsschauplatz galt die »89 th« als »relatively untried in combat«170 – Latzko und seine Kameraden des 341. Bataillons171 waren »grüne«, unerfahrene Soldaten. Während der Vorbereitungsphase bezog die Division bei Saint-Valery-en-Caux in der Normandie Quartier, wo neben dem speziellen Training in den einzelnen Waffendisziplinen auch Nachtmärsche und das Entfernen von Minen auf dem Programm standen. Mit dem vom Divisionskommando oktroyierten Rezipieren von »Battle Experiences« sollten sich die neu an der Front eingetroffenen Soldaten der Division »the knowledge gained in past actions by other units« aneignen und auf die kommenden Kampfhandlungen vorbereitet werden.172 Neben der militärischen Ertüchtigung wurden Latzko und 168 Ed Quick, »Memories of an Old Artilleryman«, in  : www.89infdivww2.org/memories/artil.htm (letzter Zugriff  : 22.8.2011). 169 Enlisted Record K. Latzko, LoC  ; Story of the 89th, 6. 170 Story of the 89th, 31. 171 Der Kommandant von Latzkos Bataillon war nunmehr Lieutenant Colonel Roland Bogia, Oberkommandant der Divisionsartillerie war nach wie vor General Bissell. 172 Col. N. Winn, Headquarters 89th Infantry Division, APO 89, US Army, on Training Program, 25.1.1945 und 15.2.1945. NARA, RG 338, E 37042, B 4142.

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seinen Kollegen zur Zerstreung auch Unterhaltungsfilme vorgeführt.173 Nach einer knapp einmonatigen Vorbereitung begannen die Offensivoperationen. Latzko befand sich nun im Krieg. Latzkos 89. Division, die ab 12. März an den Gefechten teilnahm, kam insgesamt auf 57 Einsatztage im European Theater. Als er sich anschickt, das Vorrücken gegen die deutsche Wehrmacht zu beschreiben, verfällt der Autor des offiziellen Kampfberichts der 89. Division in das, was der ehemalige GI Georg Stefan Troller selbstkritisch einen »gar atavistischen Blutrausch«174 genannt hat  : »Kill Germans and go forward«175 lautete die von Divisions-Oberkommandeur Thomas Finley ab März 1945 persönlich ausgegebene und vom Verfasser des Berichts zitierte Losung für die 89. Infanteriedivision. Das Töten von Deutschen rückte für die Soldaten der nunmehr dem VIII. Armeekorps unterstellten Einheit in der Tat zunehmend in den Vordergrund. Der »first real fight«, den Latzko nach der eher ungestörten Überschreitung der Mosel erlebte, war die am 26. März 1945 blutig erkämpfte Überquerung des Rheins bei St. Goar und St. Goarshausen. Der Rhein war für die deutschen Verteidiger nicht nur ein geografisch bedeutender, sondern auch ein mythenumrankter Fluss, der in diesem Abschnitt von bunt zusammengewürfelten Kampfgruppen, darunter etwa Verbände von Luftabwehr, Feldartillerie, Volkssturm und SS, zäh verteidigt wurde. Die auf der von den Deutschen gehaltenen Seite bei St. Goarshausen steil aufsteigenden Hügel stellten eine natürliche Barriere dar, welche die Geschütze der Verteidiger begünstigte. Da der erste Landungsversuch als nächtlicher Überraschungsangriff durchgeführt wurde, gab es keine artilleristische Unterstützung für die übersetzenden Infanteristen. Einer von Latzkos Kameraden mit öster­reichischen Wurzeln bei der 89. Division, der aus Zillingtal im Burgenland stammende Munitionsträger Lorenz Gludovatz, schwamm in einem heroischen Akt während der verlustreichen Landungsversuche des 2. Bataillons des 354. Infanterieregiments mit rund 20 Kilo Maschinengewehrprojektilen auf dem Rücken von einem der kugeldurchlöcherten Landungsboote ans andere Rheinufer.176 Erst nach Tagesanbruch konnten deutsche Geschützpositionen am Ostufer und in den dahinterliegenden Hügeln lokalisiert und mit schwerer Artillerie beschossen werden. Um die konkreten artilleristischen Ziele wie jene bei St. Goarshausen in Schießbefehle umwandeln zu können, war Kurt Latzko als Rechner der Feuer173 Memorandum of Capt. J. Sherman, Headquarters 89th Infantry Division, APO 89, US Army NARA, RG 338, E 37042, B 4142. 174 Troller, Selbstbeschreibung, 170. Troller berichtet in seinen Memoiren über die Rachegefühle, die ihn erfassten, als die »militärische Großwetterlage [für die Alliierten] […] auf Sieg« stand. 175 Story of the 89th, 7. 176 Operations Report, 89th Infantry Division 1942–1945, 98 f. NARA, RG 407, E 427, B 10999  ; Story of the 89th, 17.



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leitstelle des 341. Bataillons177 in großem Maße von regelmäßigen Intelligence Reports und den Sichtungsmeldungen der Beobachter (Forward Observers) abhängig. Der mit dem 354. Infanterieregiment den Rhein überquerende Beobachter der Batterie B von Latzkos 341. Artilleriebataillon, Robert Ginsburgh, gab, obwohl er während der zweiten Anlandungswelle verwundet wurde, in dieser kritischen Kampfphase wichtige Zieldaten an die Operators in der Feuerleitstelle des Bataillons weiter.178 Hier ein typischer Report eines Forward Observers aus Latzkos Bataillon  : MESSAGE Date 2 May 45 To  : Co 341 FA Bn No. 5 road block across under pass at (526436) 4 enemy defending it with rifle and bazooka 20 troops in Stollberg under pass at (523448) mined LMG and 5 PWs captured at (546461) reported by our patrol at 1900 Official designation of sender  : Co 354 Time signed  : 2020179

Neben Latzko orchestrierten Kollegen von insgesamt acht verschiedenen Artilleriebataillonen das schwere Feuer während des Angriffs bei St. Goarshausen und Umgebung. Insgesamt hat dieser massierte Beschuss das Gewinnen des Brückenkopfs erheblich beschleunigt. Einen eindrucksvollen Bericht über die Effizienz und die Zerstörungskraft der Artillerie gibt der aus Wien stammende Karl Frucht, ein in Frankreich und Mitteleuropa im Bereich der ersten US-Armee eingesetzter Verhöroffizier des Militärgeheimdienstes G-2/MIS  : Einmal erfuhren wir beim Verhören von der Position des Hauptquartiers eines deutschen Bataillons und einer Artilleriestellung, die uns tagelang aufgehalten hatte. Zehn Minuten später war die Information überprüft und über Telephon dem Regiment mitgeteilt worden  ; nach zwanzig Minuten hatte sie das Regiment an die Division weitergeleitet, die Division an das Korps, das Korps an unsere schwere Artillerie  ; und dreißig Minuten später donnerten Geschosse über unseren Köpfen. Nach einer Stunde, 177 Latzko diente in der Feuerleitstelle auf Bataillonsebene bzw. in der Headquarters Battery. Im offiziellen Division Report und im militärischen Entlassungsdokument scheint er als Mitglied der Headquarters Battery des 341. Field Artillery Battalion auf. Interview Latzko, LoC  ; Enlisted Record Latzko, LoC  ; Operations Report 89th, 258. 178 »Valor Awards for Robert N. Ginsburgh«, Military Times, unpaginiert, in  : http://militarytimes. com/citations-medals-awards/recipient.php?recipientid=27248 (letzter Zugriff  : 19.8.2011)  ; Operations Report, 89th, 205. 179 Observation Message to CO 341 FA Bn, 2.5.1945. NARA, RG 407, E 427, B 11023.

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als wir den Befehl zum Aufbruch bekamen, war in den feindlichen Hauptquartieren niemand mehr am Leben, und nicht einmal Leichen blieben in der Stellung übrig, die einen so schweren Tribut an amerikanischen Verlusten gefordert hatte.180

Latzko erinnert sich, dass ihm während der heftigen Kämpfe bei St. Goar gerade in jenem Moment ein Berechnungsfehler unterlief, als sich eine illustre Kongregation von hohen Offizieren (»General Staff«) an seiner Seite versammelt hatte. Er musste den Geschützen deshalb ein hektisch gerufenes »Cease fire  !« übermitteln.181 Der gebürtige Wiener erwies sich laut eigenen Angaben bei mehreren Gelegenheiten als ein Mann von Fortüne. Nachdem der Brückenkopf am Rhein überschritten und Frankfurt passiert worden war, fand sich Latzkos Feuerleitstelle bei Eisenach kurzfristig von SS-Verbänden (sic  ! recte  : wohl Waffen-SS) umzingelt, doch konnten Infanterie und Artilleriegeschütze den jungen Soldaten aus der bedrohlichen Lage befreien, ohne dass er je des Feindes ansichtig wurde. Bei einem Gefechtsschießen in der Nähe von Eisenach unterlief Latzko laut eigenen Angaben neuerlich ein Berechnungsfehler, der einer Mischung aus Müdigkeit und Unvermögen entsprang, sich letztlich aber als Goldgriff erweisen sollte  : Als er während des Nachtdienstes als einziger Mann in der Feuerleitstelle eine handschriftliche Notiz eines Kollegen nicht zur Gänze lesen konnte, gab er unter Zeitdruck einen fehlerhaften Feuerbefehl. Als die Beobachter an vorderster Stelle jedoch zurückmeldeten, dass die anvisierten deutschen Panzer erfolgreich zerstört wurden, erwies sich just jener Feuerbefehl als glückliche Fügung  : Based on rather sketchy commands we hit the tanks and when the men came in, when the Lieutenant came back to Headquarters Battery, he turned to me and said  : »Nice shooting Sergeant Glasgow  !« […] I never let on.182

Im Windschatten der Infanterie zog Kurt Latzko weiter ins deutsche Kernland ein. Als er über Gotha und Erfurt mit der 89.  Infanteriedivision den Ort Zwickau nahe der tschechischen Grenze erreichte, war der Gefechtseinsatz für den Technician 4th Grade Kurt Latzko so gut wie zu Ende. Nach der Kapitulation des Deutschen Reichs wurde er unter anderem als Übersetzer eingesetzt und war in seiner ehemaligen öster­reichischen Heimat in Vöcklabruck stationiert. Öster­ reich stellte für den ehemaligen Flüchtling in der Besatzungszeit eine attraktive

180 Frucht, Verlustanzeige, 188. 181 Interview K. Latzko, 16.3.2004, LoC. 182 Ebd.



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6 Entlassungsurkunde   der US-Armee für Kurt   R. Latzko.

Skidestination dar,183 patriotische Gefühle für sein Geburtsland hegte er – ähnlich wie Kurt Bresnitz und viele andere jüdische Ex-Öster­reicher – hingegen keine mehr. Kontextualisiert man die Emotionalität, mit welcher der gealterte jüdische Veteran auf den eingangs erwähnten luxemburgischen »friendly civilian« in Kindesgestalt zurückblickte, mit dem Zivilisationsbruch der Shoah, so wird die Bedeutung, welche diese kleine Geste einer kleinen Europäerin für den vertriebenen Europäer Latzko hatte, für den Außenstehenden vielleicht etwas greifbarer. Latzko, 15-jährig als verfolgter Jude in die Vereinigten Staaten emigriert, war nun als alliierter Soldat einer siegreichen Armee in das zerfallende Deutsche Reich zurückgekehrt und bekam dabei langsam eine Vorstellung von der Größenordnung der Verbrechen am europäischen Judentum. Einem Massenmord, an dem auch viele seiner ehemaligen Landsleute aus Öster­reich aktiv teilgenommen hatten. Auf die Frage, was ihm 57 Jahre später an seiner nunmehrigen Heimat, den USA, am meisten gefalle, antwortet der Veteran des Austrian Battalion schnell  : 183 Ebd.

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Freedom of thought, of movement, of choice.184 1.1.4 Resümee

Die Geschichte des Austrian Battalion ist eine Geschichte des Scheiterns. Das vom Military Committee for the Liberation of Austria unter prominenter Beteiligung des konservativen öster­reichischen Exils in den USA ausgegebene Motto des »Endkampf[es], an dessen Schluß die Wiedergeburt Öster­reichs als Ziel leuchtet«,185 wurde von den wehrpflichtigen öster­reichischen US-Immigranten nicht internalisiert. Im Gegenteil – das von Otto Habsburg und seinen Mitstreitern initiierte und von der Roosevelt-Administration gegen viele Widerstände unterstützte Austrian Battalion war in politischer, militärischer und propagandistischer Hinsicht ein Desaster. Die in diesem Kapitel dokumentierten Stellungnahmen und Erinnerungen der Zeitgenossen und Bataillonsveteranen bestätigen eher jene Stimmen, die behaupten, dass das sture Festhalten Ottos an einem Öster­reich-Bataillon, dessen Rekrutierungskomitee und Leitbild von legitimistisch-konservativen Kräften und Ideen dominiert war, realitätsfern angelegt und politisch äußerst ungeschickt war. Die ganze Causa mag für die Beteiligten ein bedeutendes Erlebnis gewesen sein, in der Geschichte der US-Armee und des alliierten Befreiungskrieges gegen NS-Deutschland stellte sie aber nicht mehr als eine Fußnote, ein Kuriosum, dar. Trotz ihrer geringen Breitenwirkung fügte diese Episode den (exil)öster­ reichischen Interessen während des Zweiten Weltkriegs mehr Schaden zu, als sie ihnen Nutzen brachte.186 Der Streit um das gescheiterte Austrian Battalion überdeckte nämlich jene Widerstandshandlungen von gebürtigen Öster­reichern, die in unzähligen anderen Einheiten der US-Armee gegen NS-Deutschland kämpften. Für Ernst Karl Winter, der sich in den USA mit seinen Vorstellungen einer überparteilichen öster­reichischen Legion nicht durchgesetzt hatte, mag es ein gewisser Trost gewesen sein, als er erfuhr, dass sein – bereits in der Einleitung dieses Bands erwähnter – Sohn Ernst Florian Winter, der »als gut ausgebildeter Europäer, Geheimdienst-Spezialist und Dolmetscher […] der 86. Division (›Black Hawk‹) in der 3. US-Armee zugeteilt worden« war,187 am 4. Mai 1945 als erster amerikanischer Soldat und »Befreier auf dem Fahrrad« die öster­

184 Morrisey, »Resident«, unpaginiert. 185 Eppel, Exil, Bd. 2, 13. 186 Vgl. ebd., 26. 187 »1945 als erster US-Soldat in Öster­reich«, in  : http://sbgv1.orf.at/magazin/leben/stories/2758 64/index.html (letzter Zugriff  : 18.1.2012).



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reichische Grenze zum Innviertel überschritten hatte. 188 Nach den Vorstellungen Otto Habsburgs hätten derartige Ehren nicht einem gewöhnlichen GI, der Winter junior als Angehöriger einer regulären US-Infanteriedivision nun einmal war, sondern den Edelweiß tragenden »Elite«-Soldaten des Austrian Battalion vorbehalten sein sollen. Paradoxerweise wurde in der Exilgeschichtsschreibung dem Lamento und dem Streit über das Scheitern der habsburgischen Vision mehr Raum gegeben als den erfolgreichen Befreiungsaktionen gewöhnlicher öster­reichischer GIs vom Schlage eines Ernst Florian Winter, die – anders als oft behauptet – nicht vereinzelt, sondern hundertfach stattgefunden haben. Der Widerstandskampf jener Tausenden Öster­reicher, die fernab von den Salons europäischer Aristokraten und Exilpolitiker an der Ostküste in allen Waffengattungen der amerikanischen Streitkräfte einen operativen Beitrag zum Sieg über die Achsenmächte leisteten, wurde durch die weltanschauliche Debatte rund um das Öster­reich-Bataillon jahrzehntelang überschattet. Zu diesen Menschen, die unter hohem persönlichen Risiko mit der Waffe in der Hand zur Niederringung des Faschismus und zur Wiedererrichtung Öster­reichs beigetragen haben, kann der im Juni in Camp Atterbury 1943 de facto abgerüstete US-Soldat und kurz vor Kriegsende in Westöster­reich als Zivilist wieder aufgetauchte »Widerstandskämpfer« Rudolph von Habsburg nur im weiteren Sinne gezählt werden. Der aus Wien stammende Kurt Bresnitz hingegen, der im Winter 1944/45 als Aufklärer an der Ardennenschlacht teilnahm, war ein wirklicher Widerstandskämpfer gegen den Nationalsozialismus. Einfache Feldsoldaten wie er oder sein Landsmann Kurt Latzko, der die Überschreitung des Rheins durch die amerikanische Infanterie artilleristisch unterstützte, haben die Kriterien der Moskauer Deklaration (»Eigener Beitrag zur Befreiung vom Nationalsozialismus«) mit der Waffe in der Hand erfüllt, ohne besondere Rücksicht auf politische oder persönliche Vorteile zu nehmen. Nicht selten haben Leute wie Bresnitz oder Latzko dafür mit ihrem Leben bezahlt. Im Gegensatz zu den Habsburg-Brüdern legte der Großteil dieser jungen, meist jüdischen Exilöster­reicher nach dem Mai 1945 auf die Bezeichnung »öster­reichischer Widerstandskämpfer« keinen Wert mehr. Auch wenn sie – anders als die Habsburg-Brüder – nicht nur in Camp Atterbury, sondern auch auf dem Schlachtfeld einen Beitrag zur Wiedererrichtung des demokratischen Staats Öster­reichs geleistet haben, waren sie zu diesem Zeitpunkt bereits mehr Amerikaner als Öster­reicher. Obgleich Kämpfer gegen den Nationalsozialismus, hatten sie den engen nationalen Rahmen des »öster­reichischen Widerstands« längst verlassen. Wie der eingangs zitierte anonyme Soldat aus Camp Atterbury waren sie mittlerweile der Maxime »I don’t want to fight for Otto – I want to fight for America« gefolgt. Widerstand leisteten sie für Uncle Sam, nicht für Öster­reich. 188 Kleibel, »Befreier«, XII.

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Doch wäre es aus gedächtnishistorischer Sicht unfair, sich in der Debatte rund um das Austrian Battalion auf undifferenzierte Habsburg-Kritik zu beschränken. Obwohl das auf teils fragwürdigen politischen Zielen beruhende und letztlich grandios gescheiterte Austrian Battalion von der Mehrheit der exilöster­reichischen US-Soldaten abgelehnt wurde, kann man Otto von Habsburg und seinen konservativ-legitimistischen Unterstützern ein gewisses Maß an öster­reichpatriotischem Widerstandsgeist nicht absprechen. Im ideologischen Furor der politischen Auseinandersetzungen wurde und wird vonseiten der Habsburg-Gegner gerne übersehen, dass das kurzlebige Austrian Battalion nominell und (für kurze Zeit) auch reell die einzige dezidiert öster­reichische Einheit der US-Armee war, die sich sowohl symbolisch als auch mit der Waffe in der Hand für die Wiedererrichtung Öster­reichs einsetzen wollte. Ich möchte in diesem Zusammenhang abschließend auf eine interessante gedächtnishistorische Entwicklung zu diesem Aspekt des öster­reichischen Exilwiderstands hinweisen  : Die Ortsgruppe des Öster­reichischen Kameradschaftsbundes (ÖKB) Hollabrunn in Niederöster­reich hat im Juni 2013 eine »Freiheitsmedaille« verliehen, um der Veteranen des Austrian Battalion zu gedenken. In der Präambel, die auf einer Internetseite des ÖKB veröffentlicht wurde, steht dazu ein – für den Kameradschaftsbund eher ungewöhnlicher – Text zu lesen  : In der sieben lange Jahre dauernden leidvollen Zeit der Unterdrückung unseres Vaterlandes Öster­reich, das von 1938 bis 1945 als souveräner Staat aufgehört hatte zu existieren, war es ein Herzenswunsch und aufrichtiges Bedürfnis vieler im Ausland lebender und patriotisch gesinnter Öster­reicher gewesen, an der Befreiung unserer Heimat vom diktatorischen Joch des damaligen Regimes mitzuwirken und sogar mit der Waffe in der Hand dafür einzutreten.189

Während linksliberale Historiker und monarchiekritische Autoren trotz aller berechtigten Kritik an den politischen Rankünen190 und Ambitionen der Habsburg-Brüder bis heute kaum ein Wort der Anerkennung für deren (desperate) öster­reichpatriotische Tätigkeit in den USA gefunden haben, hat es sich ausgerechnet eine zwischen Konservativismus, Militarismus und – fallweise – Rechtsextremismus oszillierende Organisation wie der Kameradschaftsbund zur Aufgabe gemacht, ehemalige US-Soldaten des Austrian Battalion mit Exilwiderstands-Verdienstorden zu beglücken. Natürlich ist die Erinnerungsleistung und 189 Öster­reichischer Kameradschaftsbund/StV Hollabrunn, »Freiheitsmedaille ›AUSTRIAN BAT ­T ALION‹«, in  : http://www.okb.at/noe/stv-hollabrunn/ueberuns.html (letzter Zugriff  : 19.6.2015). 190 »Als Meister der Intrige erwiesen sich die Habsburger«, urteilt etwa Peter Pirker über deren exilpolitische Aktivitäten. Pirker, Subversion, 105.



Nachrichtenoffiziere und Verhörspezialisten – Öster­reicher bei der Military Intelligence der US-Armee 

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die Anerkennung des Exilwiderstands vonseiten des ÖKB Hollabrunn eine sehr selektive  : Der rechtskonservative und monarchistische Hintergrund des Austrian Battalion erscheint den Kameradschaftsbündlern aus politischen Gründen eher eine Gedächtnismedaille wert zu sein als etwa der Widerstandskampf sozialistischer Fallschirmagenten. Dennoch stimmt einen die Tatsache, dass sich der Kameradschaftsbund – der sich jahrzehntelang in unverhohlener Wehrmachtsnostalgie geübt und Widerstandskämpfer oder Deserteure in US-Uniform oft als »Vaterlandsverräter« verunglimpft hatte – spät, aber doch des Gedenkens öster­ reichischer Exilwiderstandskämpfer in alliierten Armeen annimmt, positiv. Diese Episode zeigt  : Das Interesse am Widerstand und der Respekt gegenüber jenen, die von außen Widerstand leisteten und an der Wiedererrichtung Öster­reichs mit der Waffe in der Hand teilhatten, nehmen zu. 1.2 »Ritchie Boys«, Nachrichtenoffiziere und Verhörspezialisten – Öster­reicher bei der Military Intelligence der US-Armee [I]n the middle of 1943, somebody must have pulled out my punch card191 and seen my language skills and so I was sent to Camp Ritchie, Maryland, the Military Intelligence Training Center, […] and after a three month course […], a group of us were eventually sent overseas […] to […] get ready for the invasion [i. e. Operation OVERLORD]. We represented a very new skill for the US army and nobody would quite know how it would work out. Alfred Diamant, aus Wien stammender Jude, über seinen Kriegseinsatz beim Nachrichtendienst der US-Armee192 Camp Ritchie war nur in der amerikanischen Armee möglich. In welcher anderen Armee der Welt wäre es denkbar, Soldaten und Offiziere zu finden, die mehr als vierzig verschiedene Muttersprachen sprechen  ? Joseph T. Simon, öster­reichischer Rekrut im Military Intelligence Training Center in Camp Ritchie193 Camp Ritchie war eine der seltsamsten, unwahrscheinlichsten und denkwürdigsten Schöpfungen dieses verflossenen Weltkrieges. Wenn aber jemand dieses Phänomen 191 Lochkarte zur Datenverarbeitung. 192 Interview Margarete Joseph with Alfred Diamant, vermutlich 6.6.2004. Library of Congress, American Folklife Center, Veterans History Project, Alfred Diamant Collection (AFC/2001/001/4944). 193 Simon, Augenzeuge, 278.



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die Anerkennung des Exilwiderstands vonseiten des ÖKB Hollabrunn eine sehr selektive  : Der rechtskonservative und monarchistische Hintergrund des Austrian Battalion erscheint den Kameradschaftsbündlern aus politischen Gründen eher eine Gedächtnismedaille wert zu sein als etwa der Widerstandskampf sozialistischer Fallschirmagenten. Dennoch stimmt einen die Tatsache, dass sich der Kameradschaftsbund – der sich jahrzehntelang in unverhohlener Wehrmachtsnostalgie geübt und Widerstandskämpfer oder Deserteure in US-Uniform oft als »Vaterlandsverräter« verunglimpft hatte – spät, aber doch des Gedenkens öster­ reichischer Exilwiderstandskämpfer in alliierten Armeen annimmt, positiv. Diese Episode zeigt  : Das Interesse am Widerstand und der Respekt gegenüber jenen, die von außen Widerstand leisteten und an der Wiedererrichtung Öster­reichs mit der Waffe in der Hand teilhatten, nehmen zu. 1.2 »Ritchie Boys«, Nachrichtenoffiziere und Verhörspezialisten – Öster­reicher bei der Military Intelligence der US-Armee [I]n the middle of 1943, somebody must have pulled out my punch card191 and seen my language skills and so I was sent to Camp Ritchie, Maryland, the Military Intelligence Training Center, […] and after a three month course […], a group of us were eventually sent overseas […] to […] get ready for the invasion [i. e. Operation OVERLORD]. We represented a very new skill for the US army and nobody would quite know how it would work out. Alfred Diamant, aus Wien stammender Jude, über seinen Kriegseinsatz beim Nachrichtendienst der US-Armee192 Camp Ritchie war nur in der amerikanischen Armee möglich. In welcher anderen Armee der Welt wäre es denkbar, Soldaten und Offiziere zu finden, die mehr als vierzig verschiedene Muttersprachen sprechen  ? Joseph T. Simon, öster­reichischer Rekrut im Military Intelligence Training Center in Camp Ritchie193 Camp Ritchie war eine der seltsamsten, unwahrscheinlichsten und denkwürdigsten Schöpfungen dieses verflossenen Weltkrieges. Wenn aber jemand dieses Phänomen 191 Lochkarte zur Datenverarbeitung. 192 Interview Margarete Joseph with Alfred Diamant, vermutlich 6.6.2004. Library of Congress, American Folklife Center, Veterans History Project, Alfred Diamant Collection (AFC/2001/001/4944). 193 Simon, Augenzeuge, 278.

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heute […] würdigen sollte, dann müßte er sagen  : der Aufwand war einer besseren Sache würdig. Denn soviel Mittel, soviel Intelligenz und soviel Phantasie am rechten Ort eingesetzt, hätten anderes hervorbringen müssen als jene groteske, diabolische, machiavellistische Institution namens psychologische Kriegführung. Hanuš Burger, tschechoslowakischer Emigrant, Camp-Ritchie-Absolvent und ­P ropagandaexperte, über Camp Ritchie und eine seiner Ausbildungssparten 194

Der typische amerikanische GI des Zweiten Weltkriegs verbindet im Regelfall mit den operativen Militärverbänden (Divisionen, Regimenter, Kompanien), mit denen er in Europa oder im Südpazifik gegen die Achsenmächte oder Japan kämpfte, prägende Erinnerungen und große Emotionen. In Kriegszeiten ist der – später von den Zeitzeugen oft idealisierte, nostalgisch verklärte und patriotisch überhöhte – Fronteinsatz in einer »fighting unit« zweifelsfrei das intensivste und dramatischste Erlebnis der Militärlaufbahn und ein zentraler lieu de mémoire für jeden Waffen tragenden Soldaten.195 Hingegen stellte das dem Kriegseinsatz vorangegangene Training in den Militärschulen und Camps im Heimatland trotz so mancher Anekdote für die Akteure eher einen Nebenaspekt der militärischen Memorialkultur dar. Etwas anders erging es jedoch jenen Tausenden US-Soldaten mit mitteleuropäischen Wurzeln, die während des Krieges im sogenannten Military Intelligence Training Center (MITC) in Camp Ritchie in den Bergen Marylands für spezielle nachrichtendienstliche Einsätze im Kampf gegen die deutsche Wehrmacht ausgebildet worden waren  : Sie sahen in ihrer Ausbildungsstätte meist weit mehr als nur ein einfaches Armeelager oder einen Durchlaufposten vor dem großen Einsatz. Einer der prominentesten und einflussreichsten dieser sogenannten »Ritchie Boys«, die als (Unter-)Offiziere des Nachrichtendienstes für die US-Armee tätig waren, der Öster­reicher Hans Habe, behauptet im autobiografischen Rückblick, dass die identitätsstiftenden Erfahrungen und die außergewöhnliche Kameradschaft an diesem Ort während des ganzen Krieges fortgewirkt und diesen sogar überdauert hätten  : [D]iese »Ritchie-boys«, wie wir uns selbst nannten – [waren] eine Gemeinschaft von einmaligem »esprit de corps«, die sich an allen Fronten bewähren sollte und deren Mitglieder sich übrigens später fast wie die Angehörigen einer Freimaurerloge unterstützten.«196

Um der angesprochenen Faszination des geheimen Militärlagers Camp Ritchie näher auf den Grund zu gehen, ist zunächst ein kurzer Blick auf seine Entste194 Burger, Frühling, 132. 195 Vgl. hierzu das Kapitel in dieser Studie über Öster­reicher in der 10. US-Gebirgsdivision. 196 Hans Habe, Ich stelle mich. Meine Lebensgeschichte. München  : 1986, 432.



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hungsgeschichte nötig. Die Vorbereitungen für die schon seit 1942 projektierte zweite Hauptfront der Alliierten in Europa stellten das War Department und den amerikanischen Generalstab vor große materielle, logistische und personelle Herausforderungen. Vor allem im Intelligence-Sektor, wo die USA im Vergleich zum britischen Verbündeten noch viel aufzuholen hatten, gab es großen Handlungsbedarf. Mit dem Mitte 1941 gegründeten Coordinator of Information wurde von Präsident Roosevelt bereits ein zentraler und (semi)ziviler Kriegsgeheimdienst installiert, der später im Office of Strategic Services, dem Vorläufer der CIA, aufgehen sollte. Doch neben der Intelligence-Reform, die durch die Einführung dieser kriegswichtigen und »koordinierenden« Meta-Ebene gekennzeichnet ist, waren auch beim Nachrichtendienst der Streitkräfte Neuerungen und Anpassungen dringend nötig. Dies galt vor allem für den Personalbereich  : Die US-Armee hatte im ersten Kriegsjahr nicht einmal ansatzweise genügend wehrfähige Soldaten in ihren Reihen, die sowohl der Sprache der bedeutendsten Feindnation, also des Deutschen, mächtig waren197 als auch über das erforderliche nachrichtendienstliche Wissen über die Wehrmacht und die Mentalität des Gegners verfügten. Dies galt vor allem für den Bereich der Nachrichtengewinnung durch Kriegsgefangengenbefragung  : Um aus der Masse an zukünftigen deutschen Kriegsgefangenen, die nach der Invasion in Nordwesteuropa zu erwarten war, kriegswichtige Informationen für die US-Armee »herauszupressen«, waren Hunderte, wenn nicht Tausende, deutschsprachige Verhörsoldaten mit adäquater Ausbildung nötig. Militärisch und nachrichtendienstlich geschulte Experten mit zentraleuropäischem Migrationshintergrund also. Experten, die es in dieser Form zu diesem Zeitpunkt noch nicht gab  ! 1.2.1 Camp Ritchie, Maryland – Tummelplatz der exileuropäischen Intelligenz und Ausbildungsstätte für nachrichtendienstliche Schlüsselkräfte

Bevor das deutsche und öster­reichische Exil in den USA in die Planungen des militärischen Nachrichtendienstes einbezogen werden konnte, war auch eine Reform bzw. Straffung der ineffizienten Intelligence-Strukturen des US-Militärapparates vonnöten  : Im März 1942 entschied sich der Generalstab unter George C. Marshall im Zuge einer allgemeinen Reorganisation der US-Streitkräfte dafür, 197 Dazu der in Camp Ritchie ausgebildete Verhöroffizier Alfred Diamant  : »[I] had skills that not many other people had. I found it very interesting, once we got to the Intelligence School, that among the people who were been trained as interrogators and therefore had to be fluent in German, a something about 95% of the personnel recruited for this task were people like myself – immigrants. The number of native born Americans who could really speak German fluently was infinitesimally small.« Interview A. Diamant, 6.6.2004, LoC.

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den Nachrichtendienst der US-Armee, die in Grundzügen seit 1885 existierende Military Intelligence Division (MID /G-2198), in eine Planungszentrale in Washington und einen operativen Arm, das Military Intelligence Service, aufzuspalten. Die zuvor noch als größte Stabssektion im War Department geltende MID wurde personell stark reduziert. Während die schlanke MID in den USA offiziell nur mehr eine »planning role« innehatte und die amerikanische Heimatfront als »headquarters, training site, and mobilization base« fungierte, 199 hatten die operativen MIS-Einheiten ab sofort an den verschiedenen Kriegsschauplätzen (»Theaters of Operations«) die Aufgabe, durch Luftaufklärung, »Terrain Intelligence«, Funkaufklärung, Militärspionage, Kriegsgefangenenbefragungen usw. möglichst viele Fakten und Daten aus dem feindlichen Lager zu beschaffen und analytisch aufzubereiten. Eine generelle Definition der operativen Agenden des G-2-Zweigs bzw. der Military Intelligence lautet wie folgt  : Military intelligence involves »the gathering, analysis, protection, and dissemination of information about the enemy, terrain, and weather in an area of operations or area of interest … during peacetime and in war.« It develops »evaluated information concerning the strength, activities, and probable courses of action of foreign countries or nonstate actors that are usually […] enemies or opponents.«200

In den Aufzeichnungen des MITC Camp Ritchie wird erwähnt, dass in der Frühphase der amerikanischen Kriegsanstrengungen der Ausbildungsstrang »Military Intelligence« nicht adäquat berücksichtigt wurde. Demnach wurden in den »Infantry Schools« – die Infantrie war im Zweiten Weltkrieg nach wie vor eine zentrale Waffengattung – die Ausbildungsbereiche Kriegsgefangenenbefragung und Auswertung von Luftbildern nur kursorisch gestreift, aber »nicht ausreichend« behandelt. Ähnliches galt für die militärisch nicht minder bedeutende Artillerie-Ausbildung.201 Vor dem Hintergrund solcher Ausbildungslücken und personeller Defizite sowie im Zuge der Militär- und Intelligence-Reformen des Jahres 1942 hatte die US-Armee entschieden, dass die Ausbildung ihres (deutschsprachigen) nach198 Im Jahr 1903 bekamen die US-Landstreitkräfte einen eigenen Generalstab, bei dem die geheimdienstlichen bzw. nachrichtendienstlichen Aufgaben im Hauptquartier der »Second Division, General Staff« (G-2) zugewiesen wurden. 199 John P. Finnegan, Military Intelligence. A Picture History. Arlington  : 1985, 61. 200 David F. Trask, »Military Intelligence«, in  : James C. Bradford (Hg.), A Companion to American Military History. Bd. 2. Chichester  : 2010, 695–708, hier 695. 201 History of Military Intelligence Training at Camp Ritchie, Maryland, Vol. II, Appendix II, Army Intelligence Training. RG 319, Entry 145D, Microfilm Copy of Unpublished WWII and Korean Conflict Publications, B 1, Rolls A1–A3.



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richtendienstlichen Personals in die Zuständigkeit der MID / MIS falle.202 So bildete die MID ab Mitte 1942 in Camp Ritchie, einem idyllisch in den Blue Ridge Mountains gelegenen ehemaligen Lager der Nationalgarde, dessen »[Haupt-] Gebäude aus Natursteinen und mit Zinnen auf den Dächern […] ein wenig an mittelalterliche Burgen in Disneyland« erinnerte203, mindestens 2.641 deutschsprachige Soldaten in der Befragung deutscher Kriegsgefangener und anderen Bereichen der Military Intelligence aus.204 Die bemerkenswerten (und für den Kriegsverlauf wohl wichtigeren) Anstrengungen der Amerikaner im Bereich der technologisch gestützten und signalerfassenden Intelligence wie Kryptoanalytik oder Funkaufklärung (SIGINT, i. e. Signals Intelligence)205 werden in diesem Kapitel weitgehend ausgespart. Ich werde mich vielmehr auf den Bereich HUMINT (Human Intelligence), also die Form von Nachrichtengewinnung, die vorwiegend auf menschlicher Interaktion und menschlichen Fähigkeiten basiert, konzentrieren. Genau die menschlichen, in unserem Fall also die kulturell und sprachlich einzigartigen, Merkmale einer bestimmten Bevölkerungsgruppe der ethnisch pluralistischen USA sollten dafür sorgen, dass viele Exilöster­reicher in der US-Armee den Krieg nicht – wie ursprünglich zu erwarten war – als einfache Privates oder Korporäle in der Infanterie, sondern als hoch spezialisierte und gefragte Intelligence-Experten und Nachrichtenoffiziere beendeten. Tausende Öster­reicher, die sich in den USA befanden oder in der amerikanischen Armee Kriegsdienst leisteten, wurden den oben erwähnten Anforderungen eines künftigen Intelligence-Experten gerecht  : Sie beherrschten die Sprache des 202 John Patrick Finnegan, Military Intelligence. (= Army Lineage Series). Washington, D.C.: 1998, 66. 203 Hans-Jürgen Fink/Michael Seufert, Georg Kreisler. Gibt es gar nicht. Die Biographie. Frankfurt am Main  : 2005, 111. 204 History of Military Intelligence Training, Vol. II, Appendix XVII, Summary of Graduates  ; siehe auch Rafael A. Zagovec, »›The Mind of the Enemy‹. Kriegsgefangenenverhöre und die Moralanalysen der westalliierten Aufklärung«, in  : Günter Bischof/Stefan Karner/Barbara StelzlMarx (Hgg.), Kriegsgefangene des Zweiten Weltkrieges. Gefangennahme – Lagerleben – Rückkehr. (= Kriegsfolgen-Forschung, Bd. 4). Wien und München  : 2005, 267–286, hier 279  ; Zagovec konstatiert, dass »2.114 [sic  ! recte  : 2.115] Unteroffiziere und Mannschaften und demnach nur 526 ›Verhöroffiziere‹ im eigentlichen Sinne« ausgebildet wurden. Die von Zagovec als »Mannschaften« bezeichneten Absolventen der MITC übten jedoch im späteren Kriegseinsatz auch verhörrelevante Tätigkeiten aus. Zu Camp Ritchie und deutschen oder öster­reichischen Emigranten als Verhöroffiziere und Frontpropagandisten siehe das grob simplifizierende und teils erratische, aber zahlreiche Augenzeugenberichte beinhaltende Werk von Christian Bauer/Rebekka Göpfert, Die Ritchie Boys. Deutsche Emigranten beim US-Geheimdienst. Hamburg  : 2005. 205 In diesen Bereich fallen die berühmten Codenamen ULTRA (Entschlüsselung Codes der der deutschen Enigma-Chiffriermaschine) und MAGIC (Dechiffrierung der japanischen Funkaufklärung).

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Feindes (und kannten meist auch grundlegende Aspekte der öster­reichischen und deutschen Mentalität und Kultur). Die amerikanische Militärbürokratie begann daher ab Frühjahr 1942 ihre Fühler nach den intellektuell begabteren Öster­ reichern und anderen aus Europa eingewanderten bzw. geflohenen Männern auszustrecken, sie nach Camp Ritchie zu lotsen, wo sie als »linguists« in eigene Trainingsbataillone gesteckt und speziellen Intelligence-Klassen zugewiesen wurden. Dazu der Zeitzeuge Hanuš Burger  : In dieses Camp […] wurde man aufgenommen, wenn man irgendwelche Sprachen Europas halbwegs passabel meisterte. Es wimmelte hier also nicht nur von Ex-Deutschen, Ex-Öster­reichern, Ex-Franzosen und -Italienern, sondern die Lochkartenmaschinen des Pentagon hatten darüber hinaus alle ausgespuckt, die diese Sprachen aus den verschiedensten Gründen irgendwann gelernt hatten. Ausser Emigranten konnten also ebensogut Ur-Amerikaner hierher verschlagen werden, Universitätsdozenten zum Beispiel, die Germanistik lehrten und Spezialisten für Walther von der Vogelweide waren, oder Hotelportiers, die fünfundzwanzig gängige Satze in vier verschiedenen Sprachen beherrschten, die mit ihrem Beruf zusammenhingen. Lochkarten sind da unparteiisch.206

Indem das War Department Tausende der jungen und militärisch oft völlig unerfahrenen Männer der Generation Exodus207 in diesem geheimnisumwobenen Ausbildungscamp in Maryland konzentrierte und dort für ihren Einsatz an der Westfront vorbereitete, verfügte die Armee der Vereinigten Staaten im letzten Kriegsjahr über eine wertvolle Humanressource. Diese »Ritchie Boys« wurden von den amerikanischen Militärplanern, die »einen möglichst hohen Informationsstand für den Schlüssel zum Sieg hielt[en]«, zu Recht als kriegswichtige Gruppe von Soldaten gesehen und auch dementsprechend ausgebildet und eingesetzt. Dies führte zur (in Bezug auf die Kampfkraft der waffenführenden Armeesparten nicht immer vorteilhaften) Konzentration der »Besten und Intelligentesten« im nachrichtendienstlichen Bereich.208 Die zuvor erwähnten 2.641 Rekruten, von denen rund 700 Öster­reicher waren,209 gehörten insgesamt einer 206 Burger, Frühling, 133  ; vgl. Guy Stern, »In the Service of American Intelligence  : German-Jewish Exiles in the War Against Hitler«, in  : Leo Baeck Institute Year Book 37, 1992, 461–477, hier 463. 207 Laqueur, Generation Exodus, 83. 208 Van Creveld, Kampfkraft, 195. 209 Zum Zeitpunkt der Niederschrift dieses Buchs habe ich 69 öster­reichstämmige Soldaten, die im MITC Camp Ritchie ausgebildet wurden, ausfindig gemacht. Die systematische Erfassung aller öster­reichischen Soldaten des MITC und deren Kategorisierung nach Alter, Religion, Beruf etc. erfolgt in einem seit 2015 laufenden Forschungsprojekt zur Kriegsbiografie der öster­



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Gruppe von knapp 20.000 (Neo-)Amerikanern in Ritchie an, die später als Intelligence-Soldaten in den Krieg ziehen sollten.210 In einem meist achtwöchigen Kurs wurden die zukünftigen G-2-Offiziere, Verhörsoldaten und Übersetzer in der »collection, evaluation, and dissemination of military intelligence«211 unterrichtet. Die Lehrgänge in Ritchie vermittelten den Soldaten »ein solides Grundwissen über die deutsche Armee, das sich von der Uniformkunde über taktische Zeichen bis hin zu den gebräuchlichen Marschliedern erstreckte.«212 Einer der Schwerpunkte der MITC-Ausbildung lag auf der Kriegsgefangenenbefragung (i. e. IPW, Interrogation of Prisoners of War). So standen verschiedene »Lektionen zu Verhörtechniken, beispielsweise dem Vermeiden von Suggestivfragen, und zahlreiche Übungsverhöre« auf dem Programm.213 Das zukünftige IPW-Personal in Maryland erprobte die erlernten Verhörmethoden an Deutsch sprechenden Soldaten meist jüdischer Herkunft, welche auf mehr oder weniger authentische Weise Kriegsgefangene der Wehrmacht mimten.214 Hanuš Burger berichtet von den Probeverhören der zukünftigen Verhöroffiziere mit diesen sogenannten »Meerschweinchen«  : Ich begegnete ihnen [den »Meerschweinchen«] zufällig gleich bei meiner Ankunft und dachte, ich sehe nicht recht  : eine Gruppe von etwa zweihundert Mann in kompletten deutschen Uniformen, mit den vorschriftsmäßigen Waffen. Es stimmte alles bis zum letzten Detail  : Kragenspiegel, Ordensschnallen, Knobelbecher, Schmeißerpistolen – alles. Es waren keine Gefangenen, sondern deutsch sprechende Amerikaner, die den ganzen Krieg hindurch in Ritchie stationiert blieben, um den im Lager auszubildenden Soldaten als Verhörpartner, eben als Meerschweinchen, zur Verfügung zu stehen. Es reichischen Ritchie Boys. Die im Rahmen dieses Projekts begonnene Auswertung der sogenannten Personal History Cards des MITC Camp Ritchie, welche in der Record Group 165 im US-Nationalarchiv in College Park einsehbar sind, zeigt, dass mehr als 650 Öster­reicher das MITC durchlaufen haben. 210 Finnegan, Military Intelligence Picture History, 70. In einem Akt der MITC wird behauptet, dass sich die Summe aller »Graduates«, i. e. derjenigen, die die verschiedensten Klassen (IPW, Order of Battle etc., ohne CIC-Absolventen) erfolgreich absolviert haben, auf 15.564 beläuft. Training Records MITC Camp Ritchie, Appendix XIX. Summary of Students Satisfactorily Completing MITC Courses of Instruction, 1 f., hier 2. NARA, RG 165, E 207, B 250. Alleine im Jahr 1944 haben 4.803 Soldaten (davon 1.407 Offiziere) die Schule absolviert. Training Branch File, Graduates MITC, Summary of Personnel Attending MITC Eight Week Course of Instruction During Year 1944. NARA, RG 165, E 207, B 250. 211 Mjr. Gen. C. Bissell, Memorandum for the Commandant, MITC, Policy Directive, 20.3.1944, 1–5, hier 1. NARA, RG 165, E 207, B 84. 212 Zagovec, »›The Mind of the Enemy‹«, 279. 213 Ebd. 214 Vgl. Bauer/Göpfert, Ritchie Boys, 68–73.

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war ein Querschnitt durch ein deutsches Armeekorps, bei dem alle Waffengattungen und Ränge vertreten waren. Die Männer hatten präzise vorgeschriebene Texte, wußten genau, was sie beantworten durften und was nicht, wann sie einem geschickten Verhörer auf den Leim gehen konnten, wo sie sich »verraten« durften oder irreführende Angaben machen mußten. Sie waren Routiniers auf ihrem Gebiet und spielten ihre Rollen mit der Perfektion alter Schmierenkomödianten. Dabei war keine Berufsschauspieler unter ihnen und kaum einer, der aussah wie ein typischer Deutscher. Sie hatten ihre Sprache auf Universitäten oder Handelskorrespondenten gelernt, meist aber sprachen sie schlicht und einfach jiddisch. Die Komik des Mißverhältnisses zwischen Aussprache und Naziuniform war überwältigend.215

Während etwa im ersten MITC-Lehrgang des Jahres 1942 für den Unterrichtsbereich »Verhören von Kriegsgefangenen« insgesamt 138 Stunden, also rund ein Drittel der gesamten Ausbildungszeit, aufgewendet wurden,216 sah der Studienplan einer Ausbildungsklasse Ende 1943 wie folgt aus  : THIRTEENTH CLASS 31 October 1943 to 23 December 1943 COURSE Map Reading Signal Communications Staff Duties Counter Intelligence Enemy Armies Photo Interpretation M.[ilitary] I.[ntelligence] Interpreters Close Combat Field Exercises Special [Interrogation Techniques  ?]

Hours per Course 50 25 51 21 42 24 28 25 11 Days 82 [probably  : Hours]217

Die künftigen Verhöroffiziere zeichneten sich in der Regel durch einen hohen Bildungsgrad aus und besaßen in den meisten Fällen ein gewisses, wenn auch schwer definierbares, Sensorium für die sozialen, sprachlichen, kulturellen und politischen Besonderheiten und Bedürfnisse ihrer (zukünftigen) Interviewpartner. Ein typisches »IPW-Team German«, das in Camp Ritchie zusammengestellt und 215 Burger, Frühling, 134 f. 216 Bauer/Göpfert, Ritchie Boys, 61 f. 217 Auszug aus MITC Camp Ritchie, Maryland, Grades & Qualifications, 13th Class. NARA, RG 165, E 207, B 259.



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7 Datenkarte zum österreichischen GI Leo Glückselig. Die ausgestanzten Bereiche, die seine Sprachkenntnisse (»German, fluent«) und alpinistischen Fähigkeiten (»Skiing«) dokumentieren, weisen ihn sowohl als potenziellen Rekruten des MITC Camp Ritchie als auch der 10. Gebirgsdivision aus.

dann auf dem europäischen Kriegsschauplatz in dieser oder ähnlicher Konstellation hundertfach zu finden war, setzte sich aus einem meist amerikanischen Captain (Chief Interrogator), einem 1st Lieutenant (Interrogator) und einer großteils exileuropäischen bzw. deutschsprachigen Mannschaft, bestehend aus einem Master Sergeant (Assistant Interrogator), Staff Sergeant (Documents Examiner), Technician 3rd Grade (Clerk-Typist) und einem Technician 5th Grade (Driver), zusammen.218 Folgende Charakterisierung einer elitären Verhörgruppe der Psychological Warfare Division in Westeuropa, die vom Intelligence-Offizier und späteren Propagandaforscher Daniel Lerner stammt und der auch ein Öster­ reicher angehörte, trifft mit gewissen Abstrichen auf Dutzende deutschsprachige US-Verhörteams auf dem europäischen Kriegsschauplatz, die in Ritchie ausgebildet worden waren, zu  :

218 Lt. Colonel R. Fisk, HQ European Theater of Operations, US Army, Policy Concerning Intelligence Specialist Teams, 3.8.1943. NARA, RG 165, E 207, B 252.

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Every member of the team was born in the German-speaking area of Europe or was brought there at a comparatively early age. Every member […] was at least bilingual […]. [T]hey had some mastery of every important dialect of the German language as actually spoken in Germany and Austria. […] This background of environment, educational level, linguistic ability, and political interest was invaluable to a team which had to work rapidly on enormous numbers of German POW’s.219

Neben der Kriegsgefangenenbefragung standen in Maryland eine ganze Reihe von nachrichtendienstlichen Fertigkeiten, wie die German Order of Battle (Lehre der Zusammensetzung der einzelnen Verbände der Wehrmacht) oder die Aerial Photo Interpretation (Auswerten von Luftbildern),220 im Mittelpunkt der Ausbildung. Auch »additional courses« mit den Schwerpunkten Counterintelligence (militärische Abwehr, ab 1944), Terrain Intelligence, Signal Communication und Verarbeitung von erbeuteten Feinddokumenten wurden eingeführt. Nahkampf-Techniken sowie die Verwendung von Faustfeuerwaffen und Handgranaten waren eine weitere Ergänzung zum nachrichtendienstlichen Kurrikulum.221 Eine gegen Ende des Kriegs zunehmend an Bedeutung gewinnende Ausbildungssparte bestand aus kursorischen Einheiten oder spezialisierten Lehrgängen in psychologischer Kriegsführung. 222 Da aufgrund des sprachli219 Daniel Lerner, Psychological Warfare Against Nazi Germany. The Sykewar Campaign, D-Day to VE-Day. Cambridge und London  : 21971, 77. 220 Dazu Hanuš Burger  : »In einer […] Abteilung des Lagers lernte man das Interpretieren von Luftbildern, von stereoskopischen Fotos. Es waren meist Aufnahmen, die von der amerikanischen Luftwaffe über Frankreich und Deutschland gemacht worden waren. Man lernte dort, getarnte feindliche Stellungen zu erkennen, falsche Waldschneisen von echten zu unterscheiden, harmlose Baumgruppen als verkleidete Treibstofflager zu entlarven und friedliche Bauernanwesen als deutsche oder italienische Kommandostäbe. Ich wußte nicht, was ich mehr bewundern sollte  : die cleveren Tarnkünstler der Wehrmacht oder die scharfsinnigen Luftbild-Interpreten. Im ganzen eine Kunst, die einer besseren Sache würdig gewesen wäre.« Burger, Frühling, 134 f. 221 Memo Bissell, MITC Policy, 1  ; Bauer/Göpfert, Ritchie Boys, 62 f. 222 Obgleich die US-Armee das Feld der Propaganda bis 1943/44 nahezu völlig dem zivilen Office of War Information (weiße und offizielle Propaganda) und dem Kriegsgeheimdienst OSS (schwarze und subversive Propaganda) überließ, war die psychologische Kriegsführung ursprünglich eine G-2-Domäne. Das War Department hatte daher schon im Juni 1941 eine Special Study Group für psychologische Kriegsführung eingerichtet und in der Folge einige organisatorisch noch wenig ausgereifte G-2-»Psywar«-Abteilungen gegründet. Erst als Ende 1942 die Invasion in Nordafrika (Operation TORCH) anlief, forcierten die US-Armee und das alliierte Hauptquartier den Einsatz von Propagandaeinheiten unter militärischer Oberhoheit, deren Aktivitäten stark auf taktisch-operative Zwecke zugeschnitten waren. Diese Institutionen (PWB/AFHQ in Süd- und PWD/SHAEF in Nordwesteuropa) brachten an den wichtigsten Kriegsschauplätzen die Einheiten der zivilen Propagandainstitutionen wie OWI und OSS zu-



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chen Schwerpunkts Dutzende Intellektuelle, Journalisten, Literaten und andere wortgewandte Rekruten in Ritchie zugegen waren, wurden viele von ihnen nach Absolvierung des allgemeinen Intelligence-Kurses zu Propagandaeinheiten zusammengefasst.223 Zudem formierten sich im Dezember 1942 erstmals eigene Propagandakompanien, die später auf den jeweiligen Kriegsschauplätzen in Europa den neu geschaffenen alliierten »Psywar«-Institutionen (PWB/AFHQ im Mittelmeerraum, PWD/SHAEF in Nordwesteuropa) zugeteilt wurden.224 In Camp Sharpe,225 einer Art Außenstelle von Camp Ritchie, erhielten diese zukünftigen Propagandaexperten ab Ende 1943 mehrwöchige Intensivkurse durch den exzentrischen und umtriebigen Öster­reicher Hans Habe.226 Der im Bereich der Kriegspropaganda nahezu ubiquitäre Habe, der sich gerne in Fantasieuniformen und mit pomadisiertem Haar zeigte, war nach der alliierten Landung vom südeuropäischen Kriegsschauplatz zurückgekehrt und hatte 1944 zu Aufklärungszwecken mehrere Kriegsgefangenenlager in den USA besucht, um Inspiration und Material für zielgruppengerechte Kampfpropaganda gegen die Wehrmacht zu sammeln.227 Auf Basis seiner Erfahrungen als Propagandist der 1st MRBC (First Radio Mobile Broadcasting Company)228 in Nordafrika und seiner Arbeit mit nehmend unter ihre Kontrolle. Clayton D. Laurie, The Propaganda Warriors. America’s Crusade against Nazi Germany. Lawrence  : 1996, 143–165. 223 Vgl. Simon, Augenzeuge, 280. 224 »[I]n December 1942 […] the War Department P[sychological ]W[arfare ]B[ranch] created the First and Second Broadcast Station Operating Detachments (BSODs) at Camp Ritchie […]. Each group contained three officers and thirty-nine enlisted men who together formed the First Combat Propaganda Company, the prototype for larger units [i. e. Mobile Radio Broadcasting Companies, (MRBCs)] that were attached to each army overseas.« Laurie, Warriors, 155 und 157. 225 R. J. Bowen, Dan Edelman [U.S. Army], History, Second Mobile Radio Broadcasting Company. September 1943–May 1945. [ohne Ort  :] 1945, 19. 226 »Some of the most talented writers and speakers of German-Jewish origin were recruited for this task by the incredibly adroit ›manager‹ Hans Habe, who was able to commandeer an abandoned army post, Camp Sharpe, in Pennsylvania, for training purposes and to utilise to the utmost his troupe of Jewish intellectuals for the three major phases of psychological warfare  : direct loudspeaker addresses to front-line enemy units, the composing of propaganda leaflets, and the manning of propaganda radio stations.« Stern, »Service«, 471. 227 1st Lt. H. Habe-Bekessy, Report on the Visit to the P/W Camps in the United States, 18.4. 1944. NARA, RG 208, E 360, B 118. 228 »Eine MRBC-Kompanie war ein veritabler Propaganda-Wanderzirkus, der neben Flugblattautoren, kreativen Wortkünstlern, Radiosprechern, Redakteuren und Technikern auch über eine Reihe von Produktionsmitteln und medialen Distributionskanälen (Flugblattpressen, Lautsprecher, mobile Radiosendeanlagen etc.) verfügte. Diese konnten im jeweiligen Gefechtsraum einer amerikanischen Armee ebenso spontanen wie speziellen Missionen zugeteilt und ad hoc […] zur Verbreitung persuasiver Botschaften eingesetzt werden«. Traussnig, Geistiger Widerstand, 260.

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deutschen Kriegsgefangenen bot er den zukünftigen »Psywarriors« eine sehr praxisnahe Ausbildung in psychologischer Kriegsführung.229 Das Ziel all dieser Bemühungen war ein ehrgeiziges. Nachrichtendienstliche Spezialisierung und/oder Expertentum im Bereich der Propaganda sollten mit allgemeiner militärischer Ausbildung einhergehen. »At that school«, schreibt der später als Teil eines G-2-Kriegsgefangenenverhörteams mit der 82. Luftlandedivision in der Normandie abgesprungene deutsche Emigrant William Katzenstein, »I learned numerous ways to think on my feet. For example, I learned everything from how to drive a train to flying a Piper Cup plane. I even learned to make a crude map with just a pencil, a piece of string, a clipboard and a piece of paper.«230 Sein Landsmann Henry Schwab berichtet, dass er mit seinem Bataillon sogar bei Wüstenmanövern in Kalifornien und Arizona teilgenommen hatte.231 Marcel Prawy, der als einer der wenigen Öster­reich-Remigranten des US-Exils in der Nachkriegszeit eine erfolgreiche Karriere als Kulturexperte einschlagen sollte, war, wie der mit ihm befreundete (und notorisch disziplinlose) Klavierhumorist Georg Kreisler, auch ein Ritchie Boy gewesen, bevor er zu unverfänglicheren Entertainment-Tätigkeiten abkommandiert wurde. Er berichtet von einer Feldübung in der Nähe des Camps  : Zu den originellen Episoden militärischer Vorbereitung gehörte das »eight days problem«. Man fuhr auf einem Lastkraftwagen durch die Nacht und wurde plötzlich irgendwo ausgesetzt. Man bekam eine Landkarte der Gegend in die Hand, bei der die Orte in Erwartung einer zukünftigen Besatzung deutsche Decknamen trugen – sie hießen etwa Hildesheim, Magdeburg, Würzburg oder so ähnlich. Es war nun die Aufgabe, zu Fuß bei Nacht innerhalb einer vorgesehenen Zeit etwa »Aschaffenburg« zu erreichen. Man lernte dabei richtiges Landkartenlesen, Orientierung nach den Sternen und ähnliches, denn es war der lokalen Zivilbevölkerung strengstens untersagt, einem durch Preisgabe der richtigen amerikanischen Namen dieser Orte den Weg zu weisen.232

Manche Ritchie-Absolventen besuchten mehrere Lehrgänge hintereinander, andere wiederholten denselben Kurs offensichtlich einige Male.233 Nicht alle öster­ reichischen MITC-Schüler landeten schließlich in den G-2-Abteilungen oder der 229 Bowen/Edelman, History, 19. 230 William Katzenstein, Personal Narrative, in  : Steven Karras, Enemy, 95–101, hier 98. 231 Henry Schwab, »The Hidden Story Behind WW II Camp Ritchie Mail«, in  : The Israel Philatelist, April 2005, 48–53, hier 48, in  : www.ritchieboys.com/DL/schwab_article.pdf (letzter Zugriff  : 19.7.2012). 232 Prawy et al., Leben, 85. Siehe auch Training Records MITC, Personal History of Marcell [sic  !] F. H. Prawy. NARA, RG 165, E 206, B 26. 233 Burger, Frühling, 139.



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Propagandasparte der US-Armee. Der Wiener Maximilian Lerner, der die »Special Class #1 M[ilitary]I[ntelligence]I[nterpreter] French« absolviert hatte,234 wurde in England während der Vorbereitungen zur Invasion in der Normandie vom Kriegsgeheimdienst OSS angeworben.235 Laut eigener Aussage nahm er, als deutscher Soldat verkleidet, im Frühjahr 1945 bei Oppenheim am Rhein an einer gewagten Spezialmission teil, die in der gezielten Tötung eines deutschen Tauchertrupps (der mit der Anbringung von Sprengladungen der Rheinbrücken beauftragt war) gipfelte.236 Wie viele Zeitzeugen auch Jahrzehnte später nicht müde wurden zu betonen, waren es weniger die militärischen und sozialen Hierarchien als vielmehr andere Fähigkeiten, wie die Kenntnis der Sprache des Kriegsgegners oder eine gewisse intellektuelle und analytische Begabung, welche über die Zusammenstellung der einzelnen Klassen in Camp Ritchie bestimmten  : A private could be sitting next to a major, because we were pulled in from all over, as we had some capabilities that were appropriate for military intelligence.237

Anders als in ihrer vorherigen Militärlaufbahn, wo sie meist nur als einfache »buck privates« mit einem seltsam klingenden Akzent galten, die von bildungsfernen und antisemitischen Sergeants in den staubigen Infanterielagern des amerikanischen Südens mit Häme und Spott bedacht wurden, galten die geheimnisumwobenen Ritchie Boys, zu denen auch Harry Freud,238 oder der deutsche Autor und spätere Flugblattschreiber Klaus Mann gehörte, nunmehr als semielitäre Schlüsselkräfte. Dies erklärt auch, warum sich viele Intelligence-Soldaten für ausgewiesene Experten in Bezug auf die deutsche Wehrmacht und die Bevölkerung des Reichs hielten. So behauptet der Öster­reicher Joseph T. Simon, der nach Camp Ritchie unter anderem als OSS-Agent in London tätig war, voller Selbstbewusstsein in seiner Biografie  : Vermutlich wußte der durchschnittliche Kursbesucher in Ritchie mehr über das deutsche Heer als die meisten deutschen Offiziere und Soldaten.239 234 Training Records of the MITC Camp Ritchie, Maryland, MITC Class Card of Maximilian Lerner, ASN 32908439. NARA, RG 165, E 206, B 24. 235 Siehe hierzu die Fotografie seines OSS-Dienstzeugnisses in  : »A Letter To The Stars – Die Letzten Zeitzeugen, Maximilian Lerner«, in  : www.lettertothestars.at/lastwitnesses_pers.php? uid=1883 (letzter Zugriff  : 28.10.2011) 236 Ebd. 237 Karras, Enemy, 274. 238 Training Records MITC, Personal History Card H. Freud. 239 Simon, Augenzeuge, 281  ; ähnlich Kurt Klein, Personal Narrative, in  : Karras, Enemy, 269–283, hier 274.

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Die Ausbildungszeit in Ritchie wurde von vielen der Beteiligten, darunter nicht wenigen Pazifisten und verträumten Geistesmenschen, als großteils positiv und »fascinating« empfunden.240 Die Atmosphäre des Lagers war aufgrund der illustren exileuropäischen Intelligenz, die sich hier versammelt hatte, eine ganz besondere und »hat[te] eher den Charakter einer Universität mit fröhlichem Studentenleben statt hartem Soldatendasein.«241 Eine bezeichnende Szene aus dem Alltag in Ritchie, deren erzählerische Ausgestaltung viel über die nationale Identität und Ideologie des Autors verrät, wird vom Exilsozialisten Simon geschildert  : Ein Zug von Soldaten marschiert vom Lager ins Übungsgelände  ; der Leutnant schlägt vor »Singen wir ›Das Wandern ist des Müllers Lust‹«, doch nur wenige stimmen ein, der Gesang versickert. Plötzlich stimmt jemand das Lied der Wiener Kinderfreunde an[,] »Wir sind jung, die Welt ist offen«, und das Lied klingt kräftig durch das Lager.242

Camp Ritchie wurde von den Ritchie Boys tendenziell als eine Art utopischer Gegenentwurf zum klassischen Militärlager wahrgenommen. Hier boten sich für zahlreiche vom Habitus her eher unmilitärischen und antiautoritären Exilintellektuelle geistige, kreative und spielerische Freiräume. Der in der subjektiven Wahrnehmung der Zeitzeugen so gepriesene Spiritus Loci dieser Militärstätte wird in Dutzenden autobiografischen Berichten der öster­reichischen und deutschen Ritchie Boys angesprochen und hat auch während des Krieges dazu beigetragen, die freundschaftlichen Bande der MITC-Absolventen untereinander aufrechtzuerhalten. Im Folgenden werde ich mich einigen ausgewählten öster­ reichischen Exilanten widmen und ihre Kriegsbiografien, in denen das MITC Camp Ritchie eine zentrale Rolle gespielt hat, rekonstruieren. Der Schwerpunkt liegt dabei weniger auf den allgemein biografischen Aspekten als auf den operativen Beiträgen der Protagonisten im nachrichtendienstlichen Bereich, vor allem im Feld der Kriegsgefangenenbefragung.243

240 Vgl. Diamant, Worlds, 212  ; Interview A. Diamant, 6.6.2004, LoC. 241 Fink/Seufert, Kreisler, 111. 242 Simon, Augenzeuge, 278. 243 Die hier fast zur Gänze ausgesparten Beiträge von öster­reichischen Ritchie Boys zur psychologischen Kriegsführung der US-Armee wurden von mir in meiner Dissertation behandelt. Siehe hierzu  : Traussnig, Geistiger Widerstand, 244-340. In einem aktuell laufenden Forschungs- und Buchprojekt zu den Ritchie Boys wird der Propagandabereich in Bezug auf Camp Ritchie und Camp Sharpe ebenfalls en détail aufgegriffen.



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1.2.2 Karl Frucht – Literat, Pazifist, Fluchthelfer und US-Verhöroffizier [This is] the gallant story of Sgt. Karl Frucht who […] organised an escape route through France and Germany for trapped German, French and Czech Jews, mostly artists and intellectuals, and brought this experience to bear on his subsequent interrogations of German prisoners-of-war during his service in American Military Intelligence. Guy Stern, deutsch-jüdischer NS-Flüchtling und Kriegsgefangeneninterviewer der US Army244 For the most part, I was very gratified to see captured Germans. I’ve always said there is no one who rules as harshly and no one who crawls so low as the Germans in victory in defeat. But I didn’t have rage. Karl Goldsmith, deutsch-jüdischer NS-Flüchtling und Kriegsgefangeneninterviewer der US Army245

Einer der prominenteren, aber in seinem Herkunftsland bis heute kaum bekannten Öster­reicher, die in Ritchie ausgebildet wurden, war der Autor Karl Frucht. In seiner Autobiografie hat Frucht seiner Tätigkeit als US-Verhörsoldat ein ausführliches und sehr analytisches Kapitel gewidmet, in dem er mit dem luziden Blick eines Außenstehenden die ihm fremde Welt des Kriegshandwerks betrachtet. Im Kontext mit den Personalakten des War Department ergibt sich hier ein aussagekräftiges Bild eines öster­reichischen Ritchie Boy, das im Folgenden detaillierter als die anderen biografischen Abrisse dargelegt wird. Karl Frucht wurde am 5. September 1911 im tschechischen Brünn, das damals zum cisleithanischen Gebiet der habsburgischen Doppelmonarchie Öster­reich-Ungarn gehörte, geboren. Der sensible und künstlerisch begabte Sohn eines sowohl zionistischen als auch kaisertreuen Journalisten war eigentlich studierter Jurist. Karl Frucht erfuhr in seinem Elternhaus eine humanistische Erziehung, die ihn nachhaltig geprägt hat. Mit seiner engen Freundin, die er ein Leben lang verehrte und liebte, der Schauspielerin und Schriftstellerin Hertha Pauli, arbeitete er in Wien in den 30er-Jahren gemeinsam an dem Literaturprojekt Die Öster­reichische Korrespondenz. Nach dem »Anschluss« flohen die beiden gemeinsam nach Frankreich. Einen geplanten Roman konnte der junge Literat aufgrund der politischen Umstände seiner Zeit nicht mehr veröffentlichen – bezeichnenderweise handelte das Werk vom Pazifismus, einer Denkweise, welche in einem nationalsozialistisch und faschistisch dominierten Zentraleuropa nicht mehr mehrheits- und publikationsfähig war. Im Pariser Exil bewegte sich Frucht in intellektuellen Zirkeln, denen neben Joseph 244 Stern, »Service«, 462. 245 Karl Goldsmith, Personal Narrative, in  : Karras, Enemy, 103–116, hier 112.

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Roth auch Anton Kuh, der Dadaismus-Vorreiter Walter Mehring und andere mitteleuropäische Autoren angehörten. Laut den Angaben im Personalakt des militärischen Nachrichtendienstes der US-Armee hatte Frucht in Frankreich neben seinen schriftstellerischen Aktivitäten auch journalistisch an einer illegalen Propagandazeitung mitgewirkt.246 Im Herbst 1939 wurde er nach dem deutschen Angriff auf Polen als »feindlicher Ausländer« in Meslay-du-Maine, jenem Lager, in dem sich auch die nach dem Krieg zu großer Berühmtheit gekommenen jüdischen Künstler, US-Emigranten und propagandistisch aktiven Exilwiderstandskämpfer Karl Farkas247 und Leo Aschkenasy (Leon Askin)248 befanden, interniert. Im Frühjahr 1940 übernahmen ihn die britischen Truppen in Frankreich als »prestataire«, als Soldat ohne Waffe, und er arbeitete für das Auxiliary Military Pioneer Corps, British Expeditionary Force (AMPC/BEF) in einem Militärdepot. Nach dem Abzug der Briten und dem Fall Frankreichs wurde Frucht, nunmehr die französische (Arbeits-)Uniform tragend, demobilisiert und im Pyrenäengebiet »sich selbst überlassen«.249 Er engagierte sich daraufhin für das Emergency Rescue Committee des berühmten amerikanischen Diplomaten und rastlosen Fluchthelfers Varian Fry, für dessen »underground railway« er Übergänge im Gebirge zwischen Frankeich und Spanien auskundschaftete. Er führte auch persönlich mehrere Gruppen von jüdischen Flüchtlingen über diese Gebirgspfade.250 Der altruistische US-Journalist Eric Sevareid, der dem Wiener Exilanten schon zuvor mehrfach unter die Arme gegriffen hatte,251 gibt Zeugnis über die Selbstlosigkeit und Nachdenklichkeit des jungen und sensiblen Literaten  : 246 Training Records of the Military Intelligence Training Center, Camp Ritchie, Maryland, 1942– 1946, Personal History Card of Karl Frucht, ASN 32860194. NARA, RG 165, E 206, B 35. 247 An der Seite von Oscar Karlweis und anderen exiljüdischen Antifaschisten wirkte Farkas von September 1942 bis Februar 1943 in der vom Office of War Information finanzierten Radiosendung »We Fight Back – German-American Loyalty Hour« mit. Angela Cziczatka, US-Propaganda im Zweiten Weltkrieg  : Öster­reich im Spiegel des US-Rundfunks. Frankfurt am Main und Wien  : 2003, 169  ; siehe hierzu  : »Eine neue Radiosendung in deutscher Sprache«, in  : Der Aufbau, 25.12.1942, 9. 248 Askin wurde in den USA im Oktober 1942 zum Wehrdienst eingezogen und »diente […] bei der Air Force im Army Showbusiness als Public Relations Officer und Chefredakteur des A[rmy]A[ir]F[orce] Wochenmagazins Orientation Digest.« Rudolf Ulrich  : Öster­reicher in Hollywood. Wien  : 2004, 31  ; US Army WW II Enlistment Record of Leon Askin, ASN 33447271. NARA, RG 64, aad.archives.gov (letzter Zugriff  : 12.9.2010). 249 Frucht, Verlustanzeige, 164. 250 Eppel, Exil, Bd. 2, 36  ; Stern, »Service«, 462  ; siehe auch Frucht, Verlustanzeige, 167–170, sowie die Skizze des Autors im Bildteil über einen von ihm erkundeten Fluchtweg über die Pyrenäen. 251 Sevareid hatte dem Flüchtling etwa einen Mantel ins Internierungslager gebracht und ließ ihn hin und wieder ein heißes Bad in seiner Privatwohnung nehmen.



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It had been a bad time for him [i. e. Karl Frucht], the running down to the South of France to hide. But the underground railway had been quickly organized, and he found himself before the right trails that led through the Pyrenees. He felt he could not just go like that, and so he had stayed for weeks, leading many parties of the hunted on foot through the passes into Spain. In the last party was his sister, carrying her baby in her arms.252 We sat on a beach a time, […] He said  : »There is nothing more to love in Europe, only nature, only the geography.«253

Frucht, der nach seiner Überfahrt von Frankreich in Lissabon erneut für Frys Komitee, diesmal als Fluchthelfer für Künstler und Intellektuelle, tätig war, erhielt schließlich das »rettende Visum« und setzte im Februar 1941 an Bord der Maria Christina in die USA über.254 Die Ankunft in New York verlief zunächst turbulent. Sein Freund und Unterstützer Sevareid wurde bei der Ankunft in den USA per Telegramm darüber informiert, dass die Immigrationsbehörden skeptisch in Bezug auf Fruchts politische Einstellung waren und daher ein »further endorsement« seinerseits nötig war. Frucht wurde dank der schnellen Reaktion des Journalisten, der sich für ihn verbürgte und an die Schiffslinie 50 Dollar überwies, schließlich die Einreise gewährt.255 In den Vereinigten Staaten versuchte er sich unter anderem als »wheat thrasher«256, Maschinist, Tortenzähler in einer Bäckerei und Geschirrwäscher und kam letztlich auf rund 25 verschiedene Jobs. Frucht hielt auch in den USA Kontakt mit Autoren wie Torberg und Werfel, konnte im Kreis der großen Literaten, zwischen denen er »kaum mehr als ein bewundernder Zaungast war«257, aber nie wirklich Fuß fassen. Der Eintritt seines Gastlandes in den Zweiten Weltkrieg gab dem Leben des jungen Literaten eine neue Wendung. Als er 1942 für eine New Yorker Stempelfabrik arbeitete, welche für die Militärbehörden tausendfach Stempel mit Aufdrücken wie »Vermisst« und »Gefallen« herstellte, sah der öster­reichische Emigrant »in einer kafkaesen Vision […] einen Beamten in Washington damit beschäftigt, diese Stempel neben [Soldaten-]Namen in einem Buch des Lebens zu setzen, als ob man dort im voraus wüßte, wer sterben würde.« 258 Nachdem 252 Laut Fruchts Erinnerungen ist ihm seine Schwester erst später über eine der von ihm ausgekundschafteten Routen nachgefolgt. Frucht dürfte sich zum Zeitpunkt des Grenzübertritts seiner Schwester schon in Lissabon befunden haben. Frucht, Verlustanzeige, 168. 253 Eric Sevareid, Not So Wild a Dream. New York  : 1976, 183. 254 Frucht, Verlustanzeige, 169–171. 255 Sevareid, Dream, 200 f.  ; Frucht, Verlustanzeige, 172. 256 Sevareid, Dream, 201. 257 Brigitte Hamann, »Vorwort«, in  : Frucht, Verlustanzeige, 3–8, hier 7. 258 Frucht, Verlustanzeige, 179.

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Frucht im März 1943 in die US-Armee eingezogen worden war,259 diente er zunächst in Camp Lee in Virginia, wo er eine militärische Grundausbildung im dort ansässigen Quartermaster Replacement Training Center erhielt. 260 Das Quartermaster Corps war und ist als der wichtigste Logistikzweig der US-Armee vor allem für die Verpflegung und Ausstattung der Soldaten sowie diverse bürokratische Abläufe zuständig. Nach wenigen Wochen wurde Frucht jedoch aus dem Dienst entlassen und wegen seiner sprachlichen Qualifikationen nach Camp Ritchie transferiert. In seinen Memoiren erwähnt er den Aufenthalt in Ritchie mit keinem Wort – als ehemaliger Soldat des Militärnachrichtendienstes fühlte er sich auch Jahrzehnte nach der Schließung des Lagers offensichtlich noch der Geheimhaltung verpflichtet. Die in seinem MITC-Personalakt angeführte Behauptung, dass er bereits vor dem Krieg Erfahrungen im Feld der Propaganda und der klandestinen Agitation gesammelt hatte261 sowie als »Historical Research Assistant« für verschiedene Autoren aktiv gewesen war und angeblich ein »book on underground movement from time of Moses to present« verfasst hatte, waren für den militärischen Nachrichtendienst natürlich von großem Interesse. Der Vermerk, dass es sich bei dem Öster­reicher um einen hervorragenden Skiläufer handelte,262 machte ihn übrigens auch zu einem potenziellen Rekruten für die 10. Gebirgsjägerdivision, bei der später viele Öster­reicher bzw. auch einige öster­ reichische Ritchie Boys wie Leo A. Handel263 dienen sollten. Nach der nachrichtendienstlichen Grundausbildung wurde Frucht in Ritchie als »IPW German« (Kategorie 5E) mit der Spezialfunktion eines »Documents Examiner«, also als Begutachter von deutschen Militärdokumenten, und als »Typist/Linguist« (Schreiber und Übersetzer) dem 21. IPW-Team zugeteilt. Im einschlägigen Ausbildungsbereich der 9. Klasse in Camp Ritchie (»Military Intelligence Interpretation«) hatte er mit 96 Punkten den besten persönlichen Wert erzielt.264 Im Frühjahr 1944 war es dann soweit  : Karl Frucht und sein Verhörtrupp wurden nach England verlegt. Die Invasion der Alliierten und der Kriegseinsatz der Ritchie Boys standen nun unmittelbar bevor. Seine kafkaeske Vision, die er zwei Jahre zuvor in der Stempelfabrik hatte, sollte nun realistische 259 US Army WW II Enlistment Record of Karl Frucht, ASN 32860194. NARA, RG 64, aad. archives.gov (letzter Zugriff  : 13.9.2010). 260 Training Records of the Military Intelligence Training Center, Camp Ritchie, Maryland, 1942– 1946, Personal History Card of Karl Frucht, ASN 32860194. NARA, RG 165, E 206, B 35. 261 »Ich besaß schon eine gewisse Erfahrung in illegalen politischen Aktivitäten«, lässt Frucht auch an einer Stelle in seiner Biografie durchblicken. Frucht, Verlustanzeige, 167. 262 Training Records MITC, Personal History Card K. Frucht. 263 Siehe hierzu das Kapitel 1.3 in diesem Band über Öster­reicher in der 10th Mountain Division. 264 Auszug MITC Camp Ritchie, Grades of 9th Class, 20.6.1943–18.8.1943, Section 5E – German, 21, 21.6.1943, 1. NARA, RG 165, E 258.



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Züge annehmen  : Die Soldaten der Reservetruppen, die nun in der Normandie »vorrückten, um zu fallen«, schienen jenes »mit unsichtbarer Tinte gestempelt[e]« Todesurteil, das der Washingtoner Beamte einst ins »Buch des Lebens« eingetragen hatte, auf ihren Stirnen zu haben.265 Nach einer Umgruppierung der Intelligence-Teams wurde der junge Staff Sergeant dem neu formierten sechsköpfigen IPW-Team Nr. 5 zugewiesen, das bis auf eine Ausnahme aus Juden bestand. Dieser Verhörtrupp operierte im Bereich der zur 12th Army Group gehörenden ersten US-Armee unter General Omar N. Bradley (später unter dem Kommando von General Courtney H. Hodges).266 Die »First« war jener US-Großverband, der nach der verlustreichen Landung auf dem Utah und dem Omaha Beach in der Normandie als Erster die berühmte »Siegfried-Linie« durchbrechen sollte. 267 Bevor Karl Frucht als Dokument-Übersetzer und Kriegsgefangenenbefrager im Rahmen der Verhörtätigkeit in Frankreich eingesetzt werden sollte, bereitete man ihn und seinen Trupp in England auf den Einsatz vor. Dies geschah, indem er in den britischen ­C SDIC-Lagern268 vor allem deutsche U-Boot-Besatzungen und Kriegsgefangene aus dem deutschen Afrikakorps interviewte.269 Fruchts Team landete am »D-Day plus five«, also am 12. Juni 1944, am Omaha Beach270 und wurde von Anfang an mit Arbeit regelrecht zugedeckt. In Frankreich und Deutschland sollten es die Verhöroffiziere des eigens geschaffenen Field Interrogation Detachment der MIS laut Frucht »mit mehr als einer Million Deutschen hinter Stacheldraht zu tun haben.«271 Nachdem er in Nordfrankreich gelandet war, fürchtete Frucht – da er als geflohender jüdischer Exilant und US-Soldat in Personalunion ein doppeltes NS-Feindbild verkörperte – sich mehr vor der Gefangenschaft als vor dem Beschuss durch V1-Raketen oder vor 265 Frucht, Verlustanzeige, 179 f. 266 US Army, G-2, Military Intelligence Service, Personnel Reports 1943–1945, IPW-Teams, April 1944, IPW-Team Nr. 5, 1st US Army. NARA, RG 498, E 110, B 365. 267 »First Amy established the following firsts during the course of World War II operations in Europe  : First on the beaches of Normandy  ; first to break out of the Normandy Beachhead  ; first to enter Paris  ; first to break through the Siegfried Line and enter Germany  ; first to cross the Rhine  ; and first to contact the Russians.« Gawne, Father’s War, 261. 268 CSDIC bedeutet Combined Services Detailed Interrogation Centre und steht für ein 1940 von den Briten gegründetes Netzwerk von britisch-amerikanischen Verhörlagern in Großbritannien, Algerien, Ägypten, Italien und Frankreich, in denen vor allem strategische Intelligence gesammelt wurde. 269 Vgl. hierzu History of F[ield]I[ntelligence]D[etachment], 1944–1945, Part Six/I  : Liaison with other Intelligence Organizations, 1–3. NARA, RG 498, E 95A, B 376. 270 G-2/MIS Field Interrogation Detachment, History of the Field Interrogation Detachment, FID Team Operation, Team History of IPW-Teams, ohne Datum, 2. NARA, RG 498, E 95A, B 376. 271 Frucht, Verlustanzeige, 183.

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dem Tod im Feld.272 Das IPW-Team Nr. 5 wurde innerhalb der First Army im Regiments-, Divisions-, Korps- sowie im Armeebereich selbst eingesetzt und wechselte je nach Art des Einsatzes zwischen der taktischen und strategischen Verhörebene. Guy Stern, selbst ein IPW-Offizier der ersten Armee, legt den Unterschied zwischen taktischer (Regiments- und Divisionsebene) und strategischer Verhörtätigkeit (Korps- und Armee-Ebene) anschaulich dar  : At the regimental level, a Prisoners-of-War Interrogator (PWI) [sic  ! recte  : IPW] might be charged with eliciting the exact location of an enemy artillery position  ; at the army level he was to assess German morale inside the Reich, locate industrial targets for the air force, pinpoint supply and troop replacement routes, report on the effect of air raids and of psychological warfare and, towards the end of the war, unmask perpetrators of atrocities and war crimes.273

Die Berichte des IPW-Teams Nr. 5 wurden auch von den Stäben anderer US-Armeen rezipiert. Ursprünglich hatte der Verhörtrupp eher militärdidaktische Aufgaben auf Korpsebene zu erledigen und amerikanische Offiziere und Soldaten unter anderem mit Deutschkursen auf das »handling« der deutschen Kriegsgefangenen vorzubereiten.274 Gemeinsam mit drei weiteren IPW-Teams operierte Fruchts Trupp später im Bereich der ersten US-Armee und lieferte sowohl taktische Feindinformationen als auch strategische Intelligence und Daten für Propagandaaufklärung  : The four teams [IPW Teams Nr. 5, 8, 18 and 41] operated as a unified detachment under the command of the Officer-in-Charge of IPW Team No. 41. Personnel and equipment were pooled. Men were assigned to duties for which they showed themselves most suited – order of battle, screening, targets, special surveys, or politics. Strategic information was provided to G-2, SHAEF  ; P[sychological]W[arfare] and X Detachment, Military Intelligence Service, ETOUSA, and major intelligence agencies within First Army.275

Bei seinen Verhören sollte das Team nach Möglichkeit auch Gefangene für nähere Befragungen aussortieren, politisches Wissen für die Nachkriegszeit 272 Ebd., 186. 273 Stern, »Service«, 464. 274 »[IPW-Team #5] [p]repared Order of Battle information for Corps Headquarters, indoctrinated Corps units in P[risoner of ]W[ar] handling procedure and German Army identifications, gave short courses on enemy weapons and German Army organization, and conducted foreign language classes. Team distributed reports to all Allied Armies.« G-2/MIS FID, Team History of IPW-Teams, 2. 275 Ebd., 22 f.



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sammeln, wichtige Dokumente sicherstellen und deren nachrichtendienstlich verwertbare Inhalte übersetzen sowie NS-Verbrecher enttarnen.276 An den wichtigsten Sammelpunkten für Kriegsgefangene waren fallweise auch höhere Offiziere der Korps- oder Armee-Ebene an den Verhören beteiligt. Laut Stern wurde von den IPW-Teams am Ende eines Verhörtages ein durchschnittlich 40-seitiger Report verfasst.277 Der ebenfalls aus Öster­reich stammende Verhöroffizier der G-2-Abteilung in der 3. US-Infanteriedivision John G. Stewart (früher Hans Stein) beschreibt in einer postoperativen Projektsynopsis die strategischen Aufgaben, welche ihm auf dem südwesteuropäischen Kriegsschauplatz aufgetragen wurden  : 3. a. […] Techniques were taught at Military Intelligence Training Course, Camp Ritchie, Md. It was up to us to supplement technique, collect data through documents and logical conclusions. […] My job consisted mainly in interrogation subjects on the following points  : (1) Morale (2) Order of Battle (3) Effect of our bombing on industrial targets (4) Selection of PIWs [Prisoners of War] with special technical knowledge for special interrogation. b. I had to write a special report on each interrogation which was subject for review by higher authority.278

Das IPW-Team von Karl Frucht fragte die Kriegsgefangenen unter anderem über die Rüstungsproduktion und die Entwicklung der vermeintlichen deutschen »Wunderwaffen« aus (strategische Nachrichtengewinnung). Der gefangene Landser Kurt Haupt verriet hierbei etwa technische Details über deutsche Experimente mit dem »Einmanntorpedo«.279 Wenn es der Fortgang der Kämpfe erforderte, führte Fruchts Trupp im Wirkungsbereich der Divisionen und Regimenter auch Hunderte taktische Verhöre durch. Der jeweiligen Intelligence-Abteilung einer Division waren mindestens zwei (teils auch vier bis fünf ) solcher Interrogation Teams unterstellt.280 Bald nach der Landung in Frankreich sollte Frucht feststellen, dass der Einsatz in Europa »ganz anders [aussah], als das was wir in England gelernt hatten. Dort hatten wir wichtige strategische Informationen gesucht  ; hier waren wir mehr an den Stellungen von Leichtmaschinenge276 Frucht, Verlustanzeige, 184  ; [The] General Board, U.S. Forces European Theater of Operations, The Military Intelligence Service in the European Theater of Operations. (= Study Nr. 12). 1946, 27. 277 Stern, »Service«, 265. 278 US Army Discharge Papers of John G. Stewart, Project Synopsis, October 1945. Library of Congress. American Folklife Center, Veterans History Project, John Stewart Collection (AFC/2001/001/47237). 279 First US Army, Prisoner of War Interrogation Reports, First Army, PWI Report Nr. 2, Interview of K. Haupt by Cpt. R. Grunfeld, 19./20.11.1944. NARA, RG 498, E 245, B 1282. 280 Zagovec, »›The Mind of the Enemy‹«, 274  ; vgl. G-2/MIS, IPW-Teams.

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wehren interessiert oder an Mörsern, mit denen man aus der Südwestecke des nächsten Obstgartens auf uns schoß.«281 Der taktische Teil, das Kämpfen an sich, rückte in den turbulenten Wochen und Monaten nach der Invasion bei den Verhören also zunehmend in den Vordergrund. Oder wie Richard Overy es in der forschen Diktion anglo-amerikanischer (Militär-)Historiker ausdrückt  : »American and British forces moved in for the kill«.282 Das heißt, die Invasoren benötigten nun vor allem jene Informationen, die ihnen halfen, die deutschen Verteidiger kampfunfähig zu machen und – wenn es die militärische Situation erforderte – sie zu töten (was vornehmlich durch massierte amerikanische Luft- und Artillerieangriffe und weniger durch infanteristischen Kampf erfolgte). Bei solchen frontnahen Verhören hatten der Teamkommandant Captain Rudolph Grunfeld und Assistenten wie Frucht die Aufgabe, für das unmittelbare Gefechtsgeschehen verwertbare Informationen von den Gefangenen zu erhalten (diese Verhöre wurden auch als »tactical squeezes« bezeichnet).283 In solch frontnahen Verhörsituationen erwies sich das »Auspressen« von Kriegsgefangenen als effiziente Methode zur Steigerung der militärischen Schlagkraft. Der aus Wien stammende kommunistische Exilant und Ritchie Boy Otto Verber, der mit dem IPW-Team #66 ebenfalls mit Kriegsgefangenenbefragung in Nordfrankreich beauftragt und später bei den Nürnberger Prozessen als Untersuchungsbeamter eingesetzt worden war, berichtet  : Da hat nur ein Brückenkopf bestanden in der Normandie. Da wurden wir zugeteilt […]. Wir haben auch … Gefangenenvernehmungen durchgeführt […]. Das waren zum Großteil taktische Vernehmungen, das heißt, es ist darum gegangen festzustellen, […] wie stark sind die, wo liegt der Stab von denen, wie sind sie ausgerüstet, was hat er gehört, wer noch kommt […].284

Ohne die enormen Leistungen der westalliierten Nachrichtendienste im Bereich der Kryptografie und Funkaufklärung schmälern zu wollen, war die Kriegsgefan281 Frucht, Verlustanzeige, 187. 282 Overy, Allies, 215. 283 Zagovec, »›The Mind of the Enemy‹«, 271 f. 284 Bericht von Otto Verber (Wien), betreffend dessen Dienst in der amerikanischen Armee von Jänner 1943 bis Ende 1945, zitiert in  : Eppel, Exil, Bd. 2, 70. Vor allem im Bereich des genannten »Colmar Pocket« (Kessel von Colmar) konnte sich Otto Verbers IPW-Team auf Korpsebene profilieren. History of F[ield]I[ntelligence]D[etachment], 1944–1945, Part Six/III Evaluations, Lt. Col. W. Wilson, GSC, Assistant G-2, US Army Headquarters XXI Corps, on IPW Team #66, 16.2.1945. NARA, RG 498, E 95A, B 376. Verber, der 1988 behauptet hat, »[i] ch hab’ nie aufgehört mich als Kommunist zu betrachten«, wurde 1953 als Sowjetspion enttarnt und in den USA zu einer langjährigen Haftstrafe verurteilt. Eppel, Exil, Bd. 2, 70.



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genenbefragung in vielen Fällen die einzige Informationsquelle über den Feind, die militärisch brauchbar, die operationalisierbar war.285 In seinen Memoiren gibt Frucht an einer Stelle etwa beredt Zeugnis über die Effizienz der taktischen IPW-Aufklärung, die sich manchmal in zielgenauen und verheerenden Artillerieangriffen auf deutsche Positionen niederschlug.286 Karl Frucht befand sich als jüdischer Unteroffizier, der gefangene Deutsche verhörte, in einer Position der Macht. Er betont in seiner Biografie, dass er diese Macht nie zugunsten der Befriedigung von Rachegefühlen missbraucht habe. Er und seine Kameraden hätten bei ihren Kriegsgefangenenverhören die Vorgaben der Genfer Konvention stets umgesetzt und die Gefangenen würdevoll behandelt.287 Um den Gefangenen essenzielle taktische Informationen zu entlocken, stand den Verhörsoldaten ein wahres Arsenal psychologischer Strategien zur Verfügung. Je nach Situation und persönlich-charakterlicher Disposition entschieden sich die Verhörspezialisten entweder für eine distanziert-kühle Befragung, einen jovialen Kameradenton288 oder – Fruchts Beteuerungen zum Trotz – für die völkerrechtlich verbotene Androhung und sogar die Anwendung physischer Gewalt.289 Letzteres geschah gerade bei gefechtsnahen Verhörsituationen. Um das Leben von amerikanischen Kameraden zu schonen und den Bedürfnissen des jeweiligen Frontverbands, für den sie gerade arbeiteten, gerecht zu werden, instrumentalisierten die IPW-Offiziere in einem ethischen Balanceakt oft die Ängste der ihnen ausgelieferten Soldaten  : Prisoners fear for their lives, especially if they have been captured in combat by men who have just been trying to kill them. Under the threat of death, implicit or explicit, many sing. This elemental method fits the simplicity of the information sought at the front  : what units are in the enemy line, where the heavy guns are, whether reserves are present. The intelligence is short lived, but it can be vital for a company or regimental commander in battle.290

Neben der »show of knowledge«, welche dem Gefangenen suggerieren sollte, dass der Befrager ohnehin bereits alles Grundlegende über ihn und sein militärisches Umfeld wisse und Ersterer deshalb auch andere Informationen beden285 Zagovec, »›The Mind of the Enemy‹«, 269. 286 Frucht, Verlustanzeige, 188  ; vgl. hierzu den Abschnitt über den Artilleristen Kurt Latzko im Kapitel 1.1.3.2 dieses Bandes. 287 Frucht, Verlustanzeige, 197 f., 200 f. 288 Vgl. Stern, »Service«, 465. 289 Vgl. Zagovec, »›The Mind of the Enemy‹«, 274 f. 290 David Kahn, »Intelligence in World War II  : A Survey«, in  : The Journal of Intelligence History, Vol. 1, Summer 2001, Nr. 1, 1–20, hier 3.

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kenlos preisgeben könne, erfreute sich bei den Verhörteams im Feld eine weitere Methode besonderer Beliebtheit  : nämlich die an unkooperative Gefangene gerichtete Drohung, dass sie einem russischen Offizier zur intensiveren Befragung übergeben werden würden. Mit infantil anmutendem Aktionismus (ein gewisser Kommissar Krukow, fiktiver Liaison-Offizier in Fantasieuniform, erwartete so manchen Widerspenstigen in einem kunstvoll dekorierten »Russenzelt«) versuchten findige Verhöroffiziere etwa auf dem französischen Kriegsschauplatz die weitverbreitete deutsche Angst vor »dem Bolschewiken« auszunützen.291 Dass derartige Methoden eine gewisse humoristische Qualität besitzen und guten Stoff für die mitunter sehr fabulös anmutenden Memoiren der Beteiligten abgeben, liegt auf der Hand. In seiner Biografie erwähnt Frucht mit erkennbarer Verbitterung, wie ein noch nicht entwaffneter Nationalsozialist im befreiten Paris einen jüdischen US-Verhöroffizier mit dem aussagekräftigen Namen Dreyfus schwer verletzte.292 Viele seiner jüdischen IPW-Kameraden konnten unter dem Eindruck derartiger Ereignisse und der Shoah dem Drang nach Vergeltung kaum standhalten. Frucht selbst suchte der Alpdruck der Vergangenheit besonders heim, als ihm ein ehemaliger Akademikerkollege aus Wien zum Verhör vorgeführt wurde. Frucht war zwar stolz darauf, derartige Gefangene darüber zu informieren, dass sie von einem Juden interviewt wurden, er vermochte es aber nicht, »einem Nazi [...] [seine persönliche öster­reichische Identität und] Vergangenheit zu enthüllen« oder reflexartigen Rachegefühlen freien Lauf zu lassen.293 Völlig anders verhielt sich sein Landsmann Georg S. Troller in solchen Situationen. Troller, der in Nordafrika, Italien, Südfrankreich und Deutschland als IPW-Mann tätig war, war laut eigener Aussage weniger verlegen im Umgang mit Nationalsozialisten. Als er bei seinen Befragungen einen antisemitischen Wiener Schulwart namens Ertel wie291 Bauer/Göpfert, Ritchie Boys, 122, 141–144  ; Vgl. Troller, Selbstbeschreibung, 189. Henry F. Kolm, ein aus Wien stammender Ritchie Boy und Verhörspezialist im geheimen amerikanischen Kriegsgefangenlager in Fort Hunt, Virginia (»P.O. Box 1142«), berichtet ebenfalls, dass der »worst trick« der Interrogators darin bestand, einen US-Soldaten als Russen zu verkleiden und zu sagen  : »If you don’t talk, he takes over«. Gewalt lehnte Kolm, ebenso wie Frucht, aber ab – vielmehr kritisierte er in einem Zeitungsartikel 2007 die Menschenrechtsverletzungen, welche von den USA Jahrzehnte später im Gefangenenlager Guantanamo begangen wurden, scharf  ; siehe hierzu Christian Weinicke, »That’s Torture  !«, in  : www.atlantic-times.com/archive_detail. php?recordID=1103 (letzter Zugriff  : 25.1.2011). Viele von Fruchts und Kolms Kollegen zeigten jedoch weniger Hemmungen. Zu jenen, die mitunter unorthodoxe oder sogar gewaltsame Verhörtaktiken anwendeten, zählten nicht nur die aus purem Pragmatismus regelmäßig die Genfer Konvention und die Haager Landkriegsordnung ignorierenden Verhörspezialisten des Geheimdienstes OSS, sondern auch andere öster­reichische Ritchie Boys von G-2/MIS. 292 Frucht, Verlustanzeige, 191. 293 Ebd., 187  ; ähnlich der Interrogator K. Goldsmith in Karras, Enemy, 112.



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dertraf, »der im März 1938 den alten Professor Kastler [mit einer Nagelbürste das Trottoir hatte] reiben« lassen, gab er seine Identität preis und befahl dem sich in Selbstmitleid wälzenden Ex-Schulwart und NS-Funktionär, mit den blanken Händen Fäkalien aus einem Klo zu entsorgen – bezeichnenderweise handelte es sich um arische Verdauungsprodukte, welche, so Troller, »die Deutschen während unseres kurzen Rückzugs bis auf den Gang hinaus vollgemacht haben.« 294 Auch der mit der Fernmeldetruppe in Nordafrika stationierte Öster­reicher Paul Sternfeld verhielt sich als fallweise eingesetzter Verhörsoldat wesentlich aggressiver als Frucht und spielte seine jüdische Herkunft als psychologische Trumpfkarte aus  : [I]nterviewing is a light word when we had some German prisoner. We always tried to get the information as fast as possible and used a little bit of subterfuge too. [What] [w]e used – went according to the Geneva regulations, but we crossed the borderline, number one, being Jewish, I always told them that I’m Jewish, which did impress them a little bit and got them scared.295

Prägend für den öster­reichischen Juden Frucht, der bei den Verhören mit verschiedensten Facetten menschlicher Niedertracht Bekanntschaft gemacht hatte, war auch die Begegnung mit einem deutschen Offizier namens Bruns, der laut Frucht während der Ardennenschlacht zwei US-Offiziere ob ihrer Zugehörigkeit zur semitischen »Unterrasse« hatte hinrichten lassen. Aufgrund der Indizien, die Fruchts IPW-Team zusammengetragen hatte, wurde Bruns verhaftet und exekutiert.296 Im Rahmen der Verhörtätigkeit konnten noch einige weitere Offiziere und Soldaten, die sich an den Verbrechen des NS-Regimes, der SS und der Wehrmacht beteiligt hatten, ausfindig gemacht werden. Die Gewalt an der Front und die apokalyptischen Implikationen des totalen Krieges bewegten den jungen Soldaten sehr. Als Tierfreund, den nicht nur das Leid des Menschen, sondern auch das kollaterale Leid anderer Geschöpfe an der Front tief erschütterte, empfand er viel Empathie für einen Frosch, den er als Schutzsuchender in einem Erdloch versehentlich zerquetschte, oder für eine Kuh, die ihn zuvor noch ihre Milch hatte kosten lassen, aber nach einem plötzlichen Tieffliegerangriff deutscher Messerschmitt-Maschinen verängstigt und mit blutunterlaufenen Augen davonlief.297 294 Troller, Selbstbeschreibung, 216 f. 295 Interview Transcript Ellen George with Paul E. Sternfeld, 19.7.2004. Library of Congress, Ameri­can Folklife Center, Veterans History Project, Paul Sternfeld Collection (AFC/2001/001/ 23351). 296 Frucht, Verlustanzeige, 196 f. 297 Ebd., 190 f.

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Die IPW-Arbeit ging indes in vollem Umfang weiter. Besonders interessant aus öster­reichischer Sicht ist der Blick ins Kriegstagebuch eines Wiener Wehrmachtssoldaten vom Herbst 1944, zu einem Zeitpunkt, als der Fall der symbolträchtigen alten Kaiserstadt Aachen nur mehr eine Frage der Zeit war. Der von Frucht ins Englische übertragene nachdenklich-existenzialistische Erlebnisbericht des lange Zeit NS-linientreuen Wachtmeisters Franz Schön spiegelt die Sorgen und den (Selbst-)Zweifel vieler deutscher Soldaten wider  : »Wie soll das enden  ?«, schreibt der Öster­reicher in sein Tagebuch. Wenige Tage nach seinem letzten Eintrag dürfte Schön zu den Amerikanern übergelaufen sein  : SECRET FIRST ARMY SPECIAL REPORT

11/12 Oct 44

EXCERPTS FROM THE DIARY OF SGT FRANZ SCHOEN  : 1 Sep 44 Today is an anniversary – the 6th year of war. What might it hold for us  ? Will I be lucky again and get home, healthy and safe  ? The war situation is very critical for us right now. The Americans are near Reims and if we don’t hold their advance they’ll be soon at the border of the Reich. 5 Sep 44 Today I got some more news from my wife Poldi  : the 5th district in Vienna has suffered very much during the last air raid. I am worrying more and more. I pray that fate shouldn’t deal cruelly with my wife and my home. If Poldi could only leave Vienna  ; but she has to go to work there. 13 Sep 44 Once more Vienna was the target for a terror raid. This time it must have been simply terrible. The town hall (Rathaus), Burgtor, University, Graben, and almost all districts are hit  ; also the Arbeitergasse in our neighborhood and some more streets all way up to the Guertel. Thank God, our home isn’t yet damaged. I hope that home and wife will be spared. 20 Sep 44 We are reorganized, everything is packed, and in a few days we shall leave. Nobody knows whereto. In any case, again to the front  ! At the moment the situation there is not too good for us. In the West we already fight inside of the Reich, NW and S of AACHEN. In East Prussia, the Russians attack with 40 Divisions. Fierce fighting N of Florence. Thanks to the treachery of Rumania and Bulgaria the Russians could advance as far as Grosswardein  ; they are already on Slovakian and Hungarian soil. There are revolts in



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Slovakia and we have to employ our troops against our former Allies. We have to do the same in Bulgaria, Rumania, and Finland. In Finland our troops have to retreat all way up North to Norway. In view of these facts I really ask myself  : how shall this end  ? 24 Sep 44 Today another Sunday, the day when soldiers usually move. We also had to pack our stuff. We left at noon under a pouring rain, destination  : Mylawitz. 25 Sep 44 Unloading in the morning and departure  ; they say towards Cologne. 27 Sep 44 Arrival at 5 o’clock in the morning in TUEDISCH n[ea]r DUESSELDORF. Route taken  : DR ESDEN, LEIPZIG, and through the RUHR valley. We had a hot reception with Art[iller]y shells the Americans sent over. In a few days the iron language of the front will ring again in our ears. 2 Oct 44 It is almost midnight, I am on the O.[bservation]P.[oint]  : it is only 60 m to the American lines. For 5 days the iron language of the front has been drumming in my ears. How different it is here from Russia  ! There the eternal brrr-rrrp of the M[achine]G[un] and the roaring Hurrah of the Asiatic steppes. Here the uninterrupted and nerve-wracking Art[iller]y and mortar fire. We are in position in the Southeastern outskirts of AACHEN, with a continuous uneasiness in our hearts that we might be encircled. Nobody told us anything about the danger, but everybody can see for himself that the circle around us is almost closed. It’s a wonderful moonlit night and the enemy loudspeaker from the Bismarck tower announces clearly  : German soldiers, surrender  ! You are encircled. Our planes bomb A ACHEN, our Arty shells A ACHEN. You have no other way out  ! (Is that actually true  ?) Then we hear some recent hitsongs until the finale comes with a tremendous barrage from all the guns around AACHEN. There is nothing else which could be more demoralizing. What would my wife say, or my parents, if they knew about me right now  ? I wonder whether I’ll see them again. Must I end like Loisl in front of STALINGRAD  ?  ! What have we done that we have to suffer so much  ? I’m afraid nobody knows an answer to all these questions  ; but the Lord might protect me once more as so many times before and I might survive to return safely to my loved ones. Translated by  : S/Sgt. K. Frucht Capt CAC298

M. E. Rust

298 First US Army, Prisoner of War Interrogation Reports, by R. Grunfeld, First Army Special Re-

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Derartig intime Innenansichten der deutschen bzw. öster­reichischen Soldatenseele waren nicht nur für die taktische Nachrichtengewinnung (»Combat Intelligence«) von Belang, sondern auch von großem Interesse für die Aufklärungstätigkeit in Hinblick auf propagandistische Zwecke (»Propaganda Intelligence«). Denn die Sorge der deutschen Landser ums eigene Überleben und deren Sorge »about the well being of relatives and friends at home and the destruction of their hometowns developed into a standard topic in the accounts of Austrian soldiers at the front after late 1943.«299 Solche ständig wiederkehrenden Aussagen von Wehrmachtssoldaten wurden von den Amerikanern genau studiert und auf ihre propagandistische Verwertbarkeit untersucht. Durch die Exegese solcher Texte und das permanente dialektische Abgleichen dieser Informationen mit den Kriegsgefangenenbefragungsprotokollen und den sogenannten Morale Questionnaires (standardisierten Fragekatalogen für gefangene Landser) versuchte man zu verstehen, was in den Köpfen der Deutschen vorging,300 um zielgruppengerechte und psychologisch wirksame Propagandatexte für sie zu produzieren. Kopien der Übersetzung von Schöns Tagebuch gingen daher nicht nur an die SHAEF-Kommandoebene und an die verschiedenen Armeen, Korps und G-2-Stellen, sondern auch explizit an die Propagandaabteilung der ersten Armee (im Verteiler dieses Reports als P[ress]&P[sychological]W[arfare Branch] angeführt). Authentische Texte und Ego-Dokumente aus deutscher Hand, wie jene des Wachtmeisters Schön, waren eine wahre Inspiration für die Produzenten von Flugblättern, Radiosendungen und Lautsprecheransagen, die sich an die deutsche Wehrmacht richteten. In ihnen wurden die wunden und sensiblen Punkte der gegnerischen Moral schonungslos freigelegt. Die Erfolge der US-Armee im Jahr 1944 ließen viele junge GIs wie Frucht glauben, dass die Wehrmacht demnächst besiegt und der Krieg bald beendet port, Excerpts from the Diary of Sgt Franz Schoen, translated by K. Frucht 11./12.10.1944, 1 f. NARA, RG 498, E 245, B 1282  ; vgl. hierzu meine Analyse über den Wert derartiger deutscher Selbstzeugnisse für die propagandistische Aufklärungstätigkeit (»Propaganda Intelligence«) der US-Armee  : Traussnig, Geistiger Widerstand, 244–321. Vgl. hierzu Felix Römer, Kameraden. Die Wehrmacht von innen. München: 2012. 299 Thomas R. Grischany, »Mental Aspects of Austrian Wehrmacht Service«, in  : Günter Bischof/ Fritz Plasser/Barbara Stelzl-Marx (Hgg.), New Perspectives on Austrians and World War II. (= Contemporary Austrian Studies, Bd. 17). New Brunswick/London  : 2009, 45–65, hier 52. 300 Dazu der ebenfalls im Verbund der 1. Armee operierende, prominente POW-Interrogator der Psychological Warfare Division, Saul Padover  : »Und so verbrachte ich den Tag im Gespräch mit vielen Deutschen, um herauszufinden, was in ihnen vorging. Meine Berichte, die ich abends schrieb, gingen durch ›Kanäle‹ an das Hauptquartier der 1. Armee und der 12. Heeresgruppe, an das Oberkommando der Alliierten, nach London und Washington. Gelesen wurden sie von den zuständigen Leuten der BBC, im amerikanischen Sender in Europa [ABSIE] und in Luxemburg. Sie wurden in den Propagandaabteilungen gelesen und von hochrangigen Politikern.« Padover, Lügendetektor, 43. Vgl. hierzu das Kapitel 3.1. in Traussnig, Geistiger Widerstand.



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sein würde. Stephen Ambrose und Richard Immerman konstatieren, dass der scheinbar unaufhaltbare Vormarsch der Alliierten in Frankreich und Belgien die Soldaten der 12. Armeegruppe, vor allem jedoch deren Intelligence-Personal, zu Leichtsinnigkeit und Hybris animierte  : Buoyant, breezy, sure of itself, the A[llied] E[xpeditionary] F[orce] waited only for a break in the weather to finish the job against the Wehrmacht. When the First Army gathered into its POW cages the 250,000th German prisoner, a staff officer suggested that they hold a formal ceremony at which the lucky German would be given a War Bond. […] General Strong recalled »[…] The German was already beaten and that was that  !« […] The SHAEF intelligence team, along with its subordinate units attached to armies, corps and divisions in the field, liked to think of itself as the best in the world.301

Doch dann entschied sich Hitler zu einem letzten großen Befreiungsschlag  : der Operation HERBSTNEBEL unter dem Kommando von Generalfeldmarschall Gerd von Rundstedt. Ein Schlag, der letztlich scheiterte, scheitern musste, aber der viele Amerikaner und Deutsche an der Westfront das Leben kostete. Nach eigener Darstellung ist Frucht während der deutschen Ardennenoffensive im Winter 1944/45 nur knapp dem Tod entgangen. Ex post behauptete er, dass er und seine Kollegen aufgrund der Hinweise, die sie von den Gefangenen bekommen hatten, ihre Vorgesetzten vor einer bevorstehenden Wehrmachtsoffensive eindringlich gewarnt hätten.302 In den operativen Akten von G-2/MIS finden sich einige Hinweise, die solche Aussagen stützen. So war etwa die Mobile Field Interrogation Unit Nr. 1, eine mobile und selbstständige Spezialeinheit, die vor allem in den großen Kriegsgefangenensammellagern der Armeen strategische Informationen sammelte, maßgeblich mit dafür verantwortlich, dass in einem IPW-Bulletin vom 7. Dezember 1944 vor der Zusammenziehung deutscher Truppen bei Gemünd in der Eifel gewarnt wurde. Die von den Deutschen eigens für die Ardennenoffensive aufgestellte 26. Volksgrenadierdivision wird darin korrekt identifiziert  : 7 Dec P[risoners of ]W[ar] Intelligence Bulletin […] reported  : »2 PWs (French) were with 26 Volksgren[adier] Div[ision] which was being reorganized at WARTEL AGER (n[ea]r PAULFELDE, Pomorze) … Div moved W[est]. PWs were told by civilians that a steady stream of [German] troop movements left for the West, so they took careful notes of the route. The train left POSEN 3 Nov and travelled … to GEMUND (Eifel).« 301 Stephen E. Ambrose/Richard H. Immerman, Ike’s Spies. Eisenhower and The Espionage Establishment. Jackson  : 21999, 140 f. 302 Frucht, Verlustanzeige, 193.

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Item 2 (same Bulletin) states that »Beginning … Sept all men under 22 y[ea]rs of age were withdrawn from Norway …« PW thinks many such transports left Norway.303

Im selben Report ist noch von vielen weiteren auffälligen Truppenbewegungen und Vorbereitungen auf deutscher Seite die Rede. Solche Berichte verleihen dem trotzigen »Wir haben es ja gesagt  !« der deutschsprachigen Ritchie Boys und Intelligence-Experten der MIS ein gewisses Gewicht. Bauer und Göpfert bedienen sich in ihrem populärwissenschaftlichen Buch über die MITC-Absolventen ähnlicher Argumentationsmuster. Ihre simplifizierende und naive Überschätzung der Kompetenzen und Fähigkeiten der IPW-Soldaten setzt allerdings deren Besitz von punktuellen Daten und eher unstrukturiertem Wissen über den Gegner mit der Fähigkeit zur exakten Handlungsprognose in Bezug auf den Feind gleich  : Nur die Ritchie Boys ahnten, was sich hinter den deutschen Linien zusammenbraute. Über Tage hinweg hatten […] [sie] in Verhören von Überläufern erfahren, daß die Deutschen einen Angriff planten. […] [V. Brombert, deutscher Emigrant in der US-Armee/G-2  :] »Wir hatten klare Beweise für eine massive Truppenansammlung auf deutscher Seite. Ich weiß noch genau, wie ich nachts zum Hauptquartier fuhr und berichtete. Doch zu unserem großen Ärger sagte man uns, wir sollten zurückfahren und uns keine Sorgen machen.«304

Diese im Nachhinein für sich reklamierte – nicht ganz den Fakten entsprechende – Allwissenheit der deutschsprachigen Nachrichtenoffiziere stand in keinem Verhältnis zu ihrem realen Wissen und ihren tatsächlichen Handlungsund Einflussmöglichkeiten. Die Ritchie Boys hatten die Entscheidungsträger zu informieren, nicht mehr. Für die Erstellung des »big picture« und für militärische Großentscheidungen waren sie, die trotz aller nachrichtendienstlichen Informiertheit einen sehr verengten Blick auf das Geschehen hatten, weder zuständig noch wohl auch befähigt. Und diejenigen, die dafür ausgebildet und verantwortlich waren, die Stäbe der ersten Armee, der 12. Armeegruppe und des SHAEF-Kommandos unter General Eisenhower, wurden täglich mit Dutzenden solcher oder ähnlicher Hinweise und Warnungen überschwemmt. Obwohl in diesem Zeitraum in einem anderen nachrichtendienstlichen Dokument der ersten US-Armee vom 10. Dezember 1944 eine »concentrated counterattack with air, armor, infantry and secret weapons at a selected focal point« als zweite von

303 [MIS] Briefing and Editing Office MFIU 1, Response on Public Criticism of Allied Intelligence Service, 1st Lt. L. Vogel, 24.1.1945. NARA, RG 498, E 99, B 380. 304 Bauer/Göpfert, Ritchie Boys, 147.



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vier möglichen deutschen Handlungsszenarien angegeben wird,305 scheinen die eindringlichen Warnungen des G-2-Personals in der täglichen Flut an Bulletins, Memoranda und Reports für die amerikanischen Schlachtenlenker letztlich zu wenig stichhaltig gewesen zu sein. Aus heutiger Sicht vermag man aus dem beeindruckenden Bündel an Hinweisen, das von den Field-Intelligence- und IPWTeams zusammengetragen worden war, leicht die richtigen Schlüsse zu ziehen, doch konnte der Stab von Bradleys erster Armee vor lauter Bäumen wohl den Wald nicht sehen.306 Den vielfachen, aber oft auch widersprüchlichen Warnungen vonseiten der Kriegsgefangenenbefrager wurde deshalb von der US-Armee operativ nicht Rechnung getragen und es wurden keine besonderen Vorbereitungs- oder Defensivmaßnahmen getroffen. Der Überraschungsangriff der Deutschen war geglückt, der »Intelligence-SNAFU«307 der Amerikaner perfekt  : In sum, at midnight on December 15-16, 1944, the Allies were as ignorant of German intentions and capabilities as the Germans had been of Allied plans at midnight on June 5-6, 1944. When, at dawn on December 16, the German artillery barrage began and the tanks started to grind their way westward through the mist and fog, the attack came as a complete surprise.308

Hatten Frucht und seine Kollegen daher letztlich recht, wenn sie behaupteten, dass ihre eindringlichen Warnungen und Hinweise von damals ignoriert wurden  ? Nur zum Teil. Die heute kassandrisch anmutenden Warnungen unserer Protagonisten vor einer deutschen Truppenkonzentration im Westen und einer bevorstehenden Großoffensive gegen die US-Armee wurden von ihnen aus der historischen Nachkriegsperspektive heraus über die Maßen hervorgehoben und narrativ überhöht. Im US-Nationalarchiv in College Park sind Tausende Verhörprotokolle der einzelnen IPW-Teams und zahlreiche Übersetzungen von erbeuteten Dokumenten der gefangenen deutschen Wehrmachtssoldaten einsehbar. So finden sich dort für Anfang und Mitte Dezember 1944 neben alarmierenden Hinweisen über feindliche Truppenbewegungen auch Dutzende, ja Hunderte von Berichten, die lediglich das ungebrochene Anhalten des alliierten Vormarschs zu bestätigen scheinen. Für den 16. Dezember 1944, also just den Zeitpunkt, als die deutsche Rundstedt-Offensive in den Ardennen startete, existiert eine vom »Do305 Ambrose/Immerman, Ike’s Spies, 141  ; vgl. William Casey, The Secret War Against Hitler. Washington. D.C.: 1988, 184. 306 Vgl. Padover, Lügendetektor, 157 f. 307 Das Akronym SNAFU steht in der amerikanischen Soldatensprache für Situation Normal, All Fucked Up (sinngemäß  : »Situation unter Kontrolle, alles im Arsch«). 308 Ambrose/Immerman, Ike’s Spies, 141.

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cument Examiner« Frucht selbst verfasste Tagebuchübersetzung eines einfachen Wehrmachtssoldaten, die den blinden Optimismus der ersten US-Armee und den scheinbar linearen Niedergang der Wehrmacht exemplarisch bestätigt. In den Zeilen des Befragten ist von forschem Draufgängertum nichts spürbar, sie symbolisieren eher deutsche Verzweiflung denn deutsches Aufbäumen. So schreibt der Landser kurz vor seiner Gefangennahme durch die Amerikaner  : 10 Dec [1944]  : This day starts well  ! The Americans shell MERODE with a fierceness of fire such as I haven’t seen before. In addition, fighterbombers appear and drop bombs on the castle of MERODE. We hide in the cellar and don’t dare to stick our neck out. At night we receive a message that the Tommy [i. e. the US Army] has broken through in the North. One order follows the other. At the B[attalio]n C[ommando]P[ost] they seem to have lost their mind completely.309

Dass Frucht sich in diesem Zusammenhang später nicht mehr an derartige Reports, sondern verstärkt an die düsteren Vorzeichen jener Tage erinnern wollte, zeugt von der selektiven Wahrnehmung vieler Intelligence-Soldaten in Bezug auf die »Vorhersehbarkeit« der Ardennenoffensive. Nicht zuletzt trug wohl auch die zuvor von Ambrose und Immerman gegeißelte Selbstgefälligkeit und Selbstüberschätzung der G-2-Offiziere der ersten US-Armee bzw. der ihr vom SHAEF-Oberkommando zugeteilten Intelligence-Experten ihren Teil zu diesem Misserfolg bei. So kritisiert der OSS-Offizier William Casey, der umtriebige Chef der OSS-Abteilung für Secret Intelligence in London, in seinen Memoiren völlig zu Recht, dass die First Army fahrlässigerweise auf die mitunter beachtlichen Informationen des nichtmilitärischen Kriegsgeheimdienstes verzichtete, ja dessen Mitarbeiter sogar aus ihrem Wirkungsbereich verbannte  : Colonel Dickson, the First Army G-2 […], never wanted »raw intelligence« and decided his units could get their own tactical information without our help. The OSS detachment was banished from his command. […] The succesful German surprise had struck the front where the man responsible for reading German capabilities and intentions had proclaimed his reliance on processed intelligence passed down from higher headquarters.310

309 First US Army, Prisoner of War Interrogation Reports, by R. Grunfeld, 15./16.12.1944, First Army Special Report, Excerpts from the Diary of a PW, translated by K. Frucht 15./16.12.1944, 1–3, hier 3. NARA, RG 498, E 245, B 1282. 310 Casey, Secret War, 174 und 185.



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Nachdem die blutige »Battle of the Bulge« zu Ende gegangen und der deutsche Vorstoß zurückgeworfen worden war, erlebte Frucht, wie einige seiner jüdischen Kameraden sich freiwillig für ein Exekutionskommando meldeten, um deutsche Saboteure, die fanatische Nationalsozialisten waren, zu füsilieren. Sie taten dies, so Frucht, »um jene ihrer Verwandten zu rächen, die nicht glücklich genug gewesen waren, dem Dschungel Europas zu entkommen.«311 Inmitten der Düsternis, die den jungen GI Karl Frucht in Europa umgab, gab es jedoch auch soldatische Humorismen und Anekdoten, die ihm und anderen Kollegen der Military Intelligence das harte Soldatenleben erheiterten. Ein Kollege pflegte etwa die Kriegsgefangenen mit provokanten Witzen und sarkastischen Sprüchen zu beschallen, die im kölnischen Idiom vorgetragen wurden  : Es war seine Aufgabe, die Gefangenen in Einheiten aufzugliedern […]  – »Magen«-Bataillone, die aus Männern bestanden, die unter Verdauungskrankheiten litten, und »Ohr«-Bataillone von fast ganz Tauben. Kurt grüßte sie am Morgen  : »Nun gut – letzte Chance – wer noch immer für den Führer sterben will, heraustreten  !«. Dann das Verzeichnis der einst mächtigen Wehrmacht  : »Alle Übriggebliebenen der Fünften Fallschirmtruppendivision vortreten  ! Was  ? Von euch ist noch jemand am Leben  ?«312

Wie ein Spitzbub in einer von Wilhelm Buschs Erzählungen freute sich Fruchts Kollege Guy Stern noch Jahrzehnte später darüber, dass es ihm und ein paar weiteren anarchischen Hasardeuren der IPW-Truppen der ersten Armee gelungen war, einen fingierten Bericht in die Welt zu setzen, der von der Gefangennahme und Befragung des persönlichen »Latrinenordonnanzsoldaten« Adolf Hitlers Zeugnis gibt. Die Tatsache, dass später zwei seriöse Intelligence-Historiker diesen Streich der Verhöroffiziere als ernst zu nehmende Quelle zitierten, sorgte bei Stern auch Jahrzehnte nach dem Krieg für sichtliche Erheiterung.313 In einem offiziellen Armeebericht über die nachrichtendienstlichen Aktivitäten wurden die Leistungen der amerikanischen IPW-Teams in Europa aufgrund der schieren und teils auch qualitativ sehr brauchbaren Masse an Informationen, die generiert wurde, als »overwhelming success« dargestellt. Neben den individuellen Fähigkeiten von Verhöroffizieren wie Frucht machen die Autoren hierfür die hohe Zahl der deutschen Gefangenen sowie deren außerordentliche Gesprächigkeit und Indiskretion als Gründe geltend.314 311 Frucht, Verlustanzeige, 195. 312 Ebd., 198. 313 Stern, »Service«, 465. 314 General Board, US Forces, Military Intelligence in ETO, 29.

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Verglichen mit einem gewöhnlichen GI in der Infanterie, der in militärischer Hinsicht mehr zur Niederringung der Wehrmacht beigetragen hat und dabei auch wesentlich höheren physischen Gefahren ausgesetzt war, hatte Frucht als Verhörsoldat natürlich eine privilegierte Position in der amerikanischen Militärmaschinerie inne. Dazu sein öster­reichischer Landsmann und Ritchie-Kamerad Otto Kreilisheim  : Uns Verhörsoldaten ging es dabei nicht schlecht. Im Verlauf der Zeit wurde mir klar, daß uns die amerikanischen Kommandostellen aus mehreren Gründen nicht in die Feuerlinie schicken würden. Erstens, weil sie uns tatsächlich brauchten, und zweitens, weil unsere Ausbildung […] sehr aufwendig war. Die kostbaren Verhörsoldaten sollten weder fallen noch in Kriegsgefangenschaft geraten.315

Als Karl Frucht nach dem alliierten Sieg über Hitlerdeutschland in die USA zurückkehrt, lässt der sensible Pazifist in seinen Memoiren der persönlichen Aversion gegen nüchterne Zahlenreihen, welche Kampf, Leid und Sterben des Individuums einen rationalen Anstrich geben sollen, freien Lauf  : »der Soldat Nummer 32860194 reiste ab«.316 Letztlich, so der von den Verwerfungen seiner Zeit am Schreiben gehinderte und doch zum Schreiben geborene Autor, habe ihm sein verträumter Hedonismus »über Flucht, Exil und Krieg und über die phantasielose Welt der Technik und die herzlose Rüstungsindustrie« hinweggeholfen.317 Bei seinen seltenen Öster­reichbesuchen in der Nachkriegszeit vermochte er, der sich nach dem Krieg in der World Health Organisation und der Animal Protection League engagierte, in seiner ehemaligen Heimatstadt kaum Lichtblicke zu entdecken  : Für mich ist Wien oft wie ein Friedhof. […] Es fehlen einfach die Juden.318 1.2.3 Julius Wolf – Vom Vichy-Arbeitslager in Nordafrika über Camp Ritchie zu Pattons Panzerarmee

Die hier nur kurz umrissene Kriegsbiografie des Öster­reichers Julius Wolf gleicht jener von Karl Frucht in vielerlei Hinsicht, jedoch rechtfertigt die Art und Weise, wie Wolf den Pressionen des europäischen Faschismus entkommen ist, wie er in 315 Erinnerungen von Otto Kreilisheim an seinen Militärdienst bei Kriegsgefangenen (etwa 1989), zitiert in  : Eppel, Exil, Bd. 2, 160. 316 Frucht, Verlustanzeige, 232. 317 Ebd., 281. 318 Hamann, »Vorwort«, 6.



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die USA fliehen konnte und wie er den Krieg überstand, einen zumindest kursorischen Blick auf den amerikanischen Kriegsdienst und den Exilwiderstandskampf dieses Mannes. Wolf wurde am 10. Jänner 1912 in Wien geboren und war in Wien beruflich als Jurist und Sprachlehrer tätig. Als Jude von den Nationalsozialisten aus Öster­ reich vertrieben, setzte er sich Anfang 1939 offiziell nach England ab,319 ließ sich schließlich aber in Paris nieder. Als sich Frankreich und das Deutsche Reich im Kriegszustand befanden, trat Wolf (wohl um der Internierung als »feindlicher Ausländer« bzw. dem drohenden Dienst in der Fremdenlegion zu entgehen) im Frühjahr 1940 in den Kriegsdienst für sein Gastland. Er wurde – wie Karl Frucht – ein »prestataire« und gehörte der 701. Fremdarbeiterkompanie des unter britischer Schirmherrschaft stehenden Auxiliary Military Pioneer Corps in Frankreich an.320 Nach der französischen Niederlage gegen Deutschland und dem Rückzug des britischen Expiditionsheeres musste er noch im Sommer 1940 abrüsten.321 Er durfte jedoch nicht ins zivile Leben zurückkehren, sondern wurde von der Vichy-Regierung gemeinsam mit anderen antifaschistischen und jüdischen Fremdenlegionären und Fremdarbeitern deutscher oder öster­reichischer Herkunft, die sich ursprünglich freiwillig für den französischen Militär- oder Arbeitseinsatz gemeldet hatten, in Marokko in Französisch-Nordafrika als Zwangsarbeiter beim Bau der Trans-Sahara-Eisenbahn eingesetzt. Es war de facto Sklavenarbeit, zu der die mitteleuropäischen Flüchtlinge hier unter harten klimatischen Bedingungen und bei geringfügiger Entlohnung bis zum Frühjahr 1943 gezwungen wurden.322 Laut der im Dokumentationsarchiv des öster­reichischen Widerstandes einsehbaren Übersetzung eines Akts der französischen Kolonialbehörden wurde Julius Wolf jedoch schon am 3. Dezember 1940 aus dem Arbeitsdienst in Französisch-Marokko entlassen323 – ähnliches Glück widerfuhr nur wenigen jüdischen Leidensgenossen. Was war der Grund für diese unerwar319 Bundespolizeidirektion Wien, Meldeprotokoll Julius Wolf für 1929–1939, 29.10.1975. DÖW 20000/W 504. 320 Zugehörigkeitsbestätigung zur 701. Fremdarbeiterkompagnie/AMPC-BEF für Julius Wolf, 16.6.1940 (deutsche Übersetzung). DÖW 20000/W 504. 321 Demobilisierungsdokumente des Kantons Perpignan für Julius Wolf. DÖW 20000/W 504. 322 Vgl. hierzu hierzu das Kapitel 2.2 in diesem Band und den zugrunde liegenden Aufsatz von Florian Traussnig, »Vom Lavanttaler Aristokratensohn zum amerikanischen Geheimdienstagenten – Die außergewöhnliche Kriegsbiographie von Oliver Schneditz-Rockhill zwischen 1938 und 1945«, in  : Carinthia I. Zeitschrift für geschichtliche Landeskunde von Kärnten, 201. Jg. 2011, 483–509, hier 489–494. 323 Entlassungsschreiben für Julius Wolf und Hans E. Röhr, autorisiert vom Bataillonskommandanten der 3. Gruppe, Französische Überseegebiete, Abteilung Meknes, 3.12.1940 (deutsche Übersetzung). DÖW 20000/W 504.

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tete Wendung  ? Zosa Szajkowski erwähnt, dass Wolf sich nach nur fünf Wochen durch eine Bestechungszahlung in der Höhe von 10.000 Francs aus dem erzwungenen Arbeitsdienst freikaufen konnte. Auch die New York Times berichtete über diesen ungewöhnlichen Fall.324 Es gelang ihm darauf, ein Visum für die USA zu erhalten und über Spanien nach Amerika auszureisen, wo Wolf Ende Mai 1941 an Bord des Schiffs Magallanes ankam.325 In den Vereinigten Staaten war er laut dem militärischen Enlistment Record in der Berufssparte der »shipping und receiving clerks« tätig und trat im Juli 1942 in New York als Private in die US-Armee ein.326 Nach der IPW-Ausbildung in Camp Ritchie wurde Wolf, der Deutsch, Englisch und Französisch in Wort und Schrift beherrschte, ab Juli 1944 als Dolmetscher und Verhörbeamter im IPW-Team Nr. 53 der 6th Armored Division327 eingesetzt und nahm mit dieser motorisierten und schlagkräftigen Einheit als Teil von General George Pattons dritter Armee an den Feldzügen in der Normandie, in Nordfrankreich, den Ardennen und im Rheinland teil.328 Knapp vor Ende der Kampfhandlungen wurde er bei Oppenheim in Deutschland durch die Splitter einer 180 Kilogramm schweren deutschen Bombe verwundet. Die Bombe detonierte genau im Aufenthaltsbereich der Kriegsgefangenen, also seinem Arbeitsort als Verhöroffizier.329 Die Diagnose des Militärarztes lautete  : Wound, multiple, penetrating, severe, posterior thorax, abdomen, and posterior aspect of upper third, of left leg. Incurred in action 26 March 1945, vicinity Oppenheim, Germany, by enemy artillery fire.330 324 Zosa Szajkowski, Jews and the French Foreign Legion. New York  : 1975, 85. 325 Ebd.  ; Passenger List Magallanes to New York, Arrival 24 May 1941. NARA, Records of the Immigration and Naturalization Service, Passenger and Crew Lists of Vessels Arriving at New York, New York, 1897–1957, MS T715, MR 6547, L 23 P 147, in  : www.ancestry.com (letzter Zugriff  : 12.3.2012). 326 US Army WW II Enlistment Record of Julius Wolf, ASN 32396646. NARA, RG 64, in  : aad. archives.gov (letzter Zugriff  : 21.3.2011). 327 G-2/MIS, Personnel Reports April 1944. Wolf gibt in seinem im DÖW einsehbaren Bericht an, Teil der »6. Division« gewesen zu sein. Es handelte sich hierbei um die »6 th Armored Division« (Panzerdivision, ab Februar 1944 in Europa im Einsatz). 328 Armee-Qualifikationsblatt von Julius Wolf, Austrittsdatum 13.9.1945 (deutsche Übersetzung)  ; Zeugnis für die ehrenhafte Entlassung aus der US-Armee für Julius Wolf, 3.10.1945 (deutsche Übersetzung). DÖW 20000/W 504. 329 G-2/MIS, K. Ganzlin, [IPW-]Team Status Report for the Month of April 1945, Team 53, to HQ MIS, ETO, US Army. 8.4.1945, Appendix A, Report on Casualties. NARA, RG 498, E 103, B 413. 330 Diagnosis for J. Wolf. NARA, NPRC, Military Personnel File of Julius K. Wolf, ASN 32396646.



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Laut seinem Vorgesetzten arbeitete Wolf »without regard for hours, conditions of battle hazards [and] enemy fire to obtain important military information«. Er wurde daher im Februar 1945 für den Bronze Star nominiert und ausgezeichnet.331 Der Stabschef der 6. US-Panzerdivision, deren Erfolg im Gefecht auf mobiler und möglichst präziser Feuerkraft beruhte, die wiederum oft von akkurater IPW-Intelligence abhängig war, sagte in diesem Zusammenhang Ende 1944  : [T]he Ritchie trained teams are worth their weight in gold.332

Wolf und seine Kollegen lieferten dem Hauptquartier der der »6th Armoured« regelmäßig »critical, relevant data on German anti-tank gun emplacements, mines, and artillery« – Informationen also, die vor allem taktisch bedeutend waren und die die offensive Kriegführung einer Panzertruppe erleichterten. 333 Julius Wolf erhielt für »unermüdlichen Einsatz« als Verhörsoldat schließlich den Bronze Star  : [Citation of Julius Wolf for the Bronze Star, 2 February 1945  :] For meritorious service in connection with military operations against an enemy of the United States in France, Luxembourg, and Belgium during the period 27 Jul 1944 to Jan 1945. As an interrogator of prisoners of war he has worked without regard for hours, conditions of battle [o]r hazards of enemy fire to obtain important military information. He obtained important information for the Intelligence Section of this division. Entered the service from New York.334

Am 13. September 1945 wurde Wolf, im Unteroffiziersrang eines Technician 3 stehend, ehrenvoll aus dem amerikanischen Kriegsdienst entlassen.335 Julius Wolf war nicht nur ein Mann, der sich mit Geschick, Glück und Schlitzohrigkeit als Flüchtling, Zwangsarbeiter und Soldat durch den Krieg lavierte. Laut dem momentanen Stand meiner Forschungen war er von den öster­reichstämmigen Ex-Fremdenlegionären und Vichy-Zwangsarbeitern in Französisch-Nordafrika, die von der US-Armee oder dem OSS im geheimdienstlichen Kampf gegen die Achsenmächte eingesetzt wurden, auch der Einzige, der aus eigener Kraft ver331 G-2/MIS, [IPW-]Team Status Report April 1945, Appendix B, Report on Awards and Decorations. 332 Phillip D. Wright, Tactical Intelligence Staff (S-2) Operations in North Africa and the European Theater and the Creation of the U.S. Army’s Military Intelligence Branch. (Master Thesis) Fort Leavenworth  : 1996, 57, in  : www.dtic.mil/cgi-bin/GetTRDoc  ?AD=ADA312248 (letzter Zugriff  : 24.8.2012). 333 Ebd. 334 G-2/MIS, Team Status Report April 1945, Appendix B, Awards and Decorations. 335 Übersetztes US-Army-Entlassungszeugnis Wolf. DÖW 20000/W 504.

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mocht hatte, in die Vereinigten Staaten zu flüchten, um von dort in den Kriegsdienst einzutreten. 1.2.4 Alfred Diamant – Fallschirmspringer und Verhöroffizier »[who] never saw a German soldier to interrogate«336 [H]ow can I explain my transformation from an average academic performer in Vienna in the 1930s to a magna cum laude degree from Indiana University in 1947  ? Certainly emigration, the challenge of life in a different country, and World War II all shaped me in crucial ways. Perhaps I should be »thankful« to Adolf Hitler for having forced me out of my comfortable shell […] for having liberated me from the confines of the Brunnengasse and for having opened an entire new world to me. Alfred Diamant, Ritchie Boy und Verhöroffizier337

In Zusammenhang mit der Verhörtätigkeit Karl Fruchts und der Verwundung von Julius Wolf sei auch der öster­reichische MITC-Absolvent Alfred Diamant, der es bei G-2/MIS als Verhöroffizier bis zum First Lieutenant brachte, erwähnt. Auch wenn Diamant, der nach dem Krieg in den USA als Politikwissenschaftler eine formidable Karriere hinlegen sollte, letztlich kein einziges Kriegsgefangeneninterview im Einsatz geführt hat, waren seine Erfahrungen als Flüchtling, Fallschirmspringer und kriegsgefangener Intelligence-Offizier in der Normandie nicht minder dramatisch als jene von Wolf. Diamant, Sohn eines jüdischen Kaufmannes, war vor dem Krieg in Wien ein mediokrer, einzelgängerischer Schüler gewesen, dem wegen seiner jüdischen Herkunft und familiärer Zwänge der größte Lebenstraum verwehrt wurde  : nämlich Historiker bzw. Geschichtslehrer zu werden. Die Pogrom-Gräuel und gewaltsamen Übergriffe des Jahres 1938 nur durch Glück übererlebend, flüchtete der sensible junge Mann vor den Nationalsozialisten zunächst nach England, wo er einige Monate in einem Flüchtlingslager zubrachte. Im Jahr 1940 gelang es ihm mit der Hilfe eines amerikanischen Gönners, in die USA einzureisen, wo er sich rasch in die Gesellschaft integrierte und in der Textilindustrie arbeitete – seine Mutter, deren Ausreise nach Übersee an den Quotenbestimmungen der US-Behörden für Einwanderer gescheitert war, fiel wie der Großteil seiner Familie in der Folge dem Holocaust zum Opfer. Nach dem japanischen Angriff auf Pearl Harbor meldete er sich freiwillig zur US-Armee, da er sich persönlich verpflichtet fühlte, für seine neue Heimat am Kampf gegen den Faschismus teilzunehmen  : 336 Interview A. Diamant, 6.6.2004, LoC  ; für eine detailliertere Darlegung des im Folgenden dargestellten Abrisses siehe  : Traussnig, »›I should be ›thankful‹ to Adolf Hitler‹«, 413–442. 337 Diamant, Worlds, 99 und 128.



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8 Alfred Diamant (2. v. l.) mit Kameraden des 43. IPW-Teams und anderen Fallschirmsoldaten der 82. Luftlande­division vor dem Einsatz in der Normandie.

I had a sense of personal involvement and a personal commitment to the task of defeating the Axis powers. […] If anyone had a personal stake in the war, I had one.338

Nach bescheidenen und eher unglücklichen Anfängen als Panzersoldat und Motorrad-Meldegänger schloss er die Offiziersschule in Fort Knox als 2nd Lieutenant ab und diente einige Monate und ohne große Motivation als Platoon Leader bei der 8. Panzerdivision, bis er zu seiner großen Erleichterung in die 13. Klasse des MITC Camp Ritchie aufgenommen und dort zum IPW-Offizier ausgebildet wurde.339 In seiner Klasse, zu der auch sein Freund und Landsmann, der spätere Fallschirmspringer Karl Mautner, gehörte, erreichte Diamant stets überdurchschnittlich hohe Punktezahlen.340 Zu Jahresbeginn 1944 wurde Diamants G-2/MIS-Verhörtrupp nach Europa verschifft und in England stationiert, wo er und seine Kameraden mit weiteren Intensivkursen auf den bevorstehenden Gefechtseinsatz auf dem europäischen Festland vorbereitet wurden. Aus Loyalität gegenüber seinem Gastland und einem Gefühl des »personal committment« im Kampf gegen den Faschismus her338 Ebd., 192. Ähnlich Interview A. Diamant, 6.6.2004. LoC. 339 Training Records of the MITC Camp Ritchie, Maryland, MITC Class Card of Alfred Diamant, ASN 01016844. NARA, RG 165, E 206, B 21  ; das Kurrikulum dieser Klasse wurde im einleitenden Teil angeführt. 340 Auszug MITC Grades & Qualifications, 13th Class.

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aus meldete sich der Exilöster­reicher im Frühjahr 1944 freiwillig für den Einsatz als Fallschirmspringer für die Invasion in der Normandie. Als eines Tages einige Offiziere bei der MIS-Einheit Diamants erschienen, um nachrichtendienstlich ausgebildete Soldaten als Fallschirmspringer für die Invasion in der Normandie zu rekrutieren, war er einer der ersten, der nach vorne trat. Sein öster­reichischer Freund und Kamerad Karl Mautner tat es ihm – wenn auch mit etwas weniger Enthusiasmus – gleich. Weil er sich dem Kampf gegen dem Faschismus und der Loyalität gegenüber seinem Gastland verpflichtet fühlte, entschied sich Diamant, der von sich selber behauptete, »never much of an athletic« gewesen und zuvor nie in einem Flugzeug gesessen zu sein, einmal mehr für einen freiwilligen, diesmal auch physisch herausfordernden und gefährlichen Einsatz. Im zweiwöchigen Schnellkursverfahren wurde er zum Fallschirmspringer ausgebildet, was ihm eine Gefahrenzulage von 100 US-Dollar pro Monat, aber auch insgeheime Vorwürfe von Seiten seiner schwangeren Frau Ann einbrachte  :341 »Without ever saying so, Ann succeeded in indicating that she saw this action of mine as evidence that I had not fully grasped the responsibilities I had assumed, especially when she was expecting our first child.«342

Diamant wurde zum Kommandeur (Officer in Charge) des IPW-Teams #43 bestimmt. Der von einem der Fallschirmspringer seines Teams als »friendly and approachable« beschriebene Diamant343 hätte am D-Day mit dem 508. Fallschirmregiment der 82. Luftlandedivision bzw. per Gleitschirm im südlich von Valognes auf der Cotentin-Halbinsel abspringen und in der ersten Welle der Kriegsgefangenenbefragungen essenzielle taktische Intelligence (»first echelon interrogation«344) liefern sollen. Dazu kam es nie  : Die Landeoperationen der 82nd Airborne Division verliefen chaotisch und verlustreich.345 Die 18 Soldaten, die 341 Ähnlich Traussnig, »›I should be ›thankful‹ to Adolf Hitler‹«, 431. 342 Diamant, Worlds, 214. 343 Werner T. Angress, Witness to the Storm. A Jewish Journey from Nazi Berlin to the 82nd Airborne, 1920–1945. Durham  : 2012, 255. 344 Military Record and Report of Separation, Certificate of Service for 1st Lt. Alfred Diamant, 18.6.1945. LoC, A. Diamant Collection (AFC/2001/001/16419). 345 »If the 101st [Airborne Division]’s drop was a bad one, the 82nd’s […] was worse. Its men were scattered all the way from Valognes in the north of the Cherbourg peninsula to Carentan in the south, and from St. Sauveur-le-Vicomte in the west to St. Martin-de-Varreville in the east, an area of 35 square miles. […] [T]he casualties – particularly through drowning in the area’s widespread inundations and swamps – were severe. The confusion was so great that it would be impossible to count the loss of life during the first hours of the 82nd’s operations, and the division, at least temporarily no longer existed as an integrated fighting unit.« Anthony Cave Brown, Bodyguard of Lies. The Extraordinary, True Story of the Clandestine War of Deception that



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mit Diamant in der C-47-Maschine saßen, wurden nach dem Absprung meilenweit vom Zielpunkt abgesetzt und zerstreuten sich – wie viele andere Trupps der 82. Luftlandedivision – über eine große Fläche. So steht in der »Unit History« des 508. Fallschirmregiments über die schwierige Anfangsphase der Operation zu lesen  : [T]he organization was widely scattered, the majority landing east of the original drop zone and astride the Merderet River, and some personnel landing nine kilometers south of Cherbourg. As the plane formation struck landfall it became engulfed in a heavy cloud bank, causing many planes to lose formation. The air column encountered heavy flak concentrations and A[nti]A[ircraft] M[achine]G[un] fire  ; one plane is known to have crashed with all persons aboard. Some casualties were suffered when men were hit in the planes. Subsequently a few men were hit during the parachute descent. Fairly heavy small arms fire on the ground made a proper reorganization impossible. Little or no equipment was recovered from the equipment containers due to resistance on the drop and because much of the equipment had landed in the Merderet and Douve Rivers. The regiment was divided into many small groups, each of which began to fight its ways individually to its objective, leaving dead Germans, wrecked German vehicles, and disrupted communications behind it.346

Laut Angaben Diamants überlebten nicht weniger als 13 der 18 Männer aus seiner Maschine den D-Day nicht. Vier weitere wurden gefangen genommen und nur ein einziger Soldat aus Diamants Flugzeug konnte dank der Hilfe eines französischen Bauern den Deutschen völlig entkommen.347 »I did not see another American GI after I hit the ground«, beschreibt Diamant in einem Interview die Phase nach der Landung.348 Er hatte Glück. Wie sein deutschstämmiger Teamkollege Werner Angress war der allein umherstreifende IPW-Offizier Hid the Secrets of D-Day from Hitler and Sealed the Allied Victory. Toronto, New York, London und Sydney  : 21976, 654  ; siehe auch Record of Participation of 508th Parachute Infantry in Normandy Operations from 6 June to 15 July 1944. NARA, RG 407, E 427, B 17081. 346 Record 508th Parachute Infantry, 6.6.–15.7.1944. 347 »Our plane dropped its troops nearly twenty miles from the designated drop zone, far from any element of the division. Of the eighteen men in our plane, thirteen were killed soon after the landing, four were taken prisoner, and only one man (the T-5 of my interrogation team [i. e. Walter Beers]) escaped the Germans entirely.« Diamant, Worlds, 216  ; Alfred Diamant, »Faculty/ Veteran’s Perspective  : D-Day 1944«, in  : WTIU – 25 Years, 5/1994, Vol. 18, Nr. 3, unpaginiert, in  : LoC, A. Diamant Collection (AFC/2001/001/4944). 348 Interview A. Diamant, 6.6.2004, LoC  ; vgl. Field Interrogation Detachment/MIS, IPW Team #43, HQ 325 Glider Infantry, US Army, Military Intelligence Teams, 20.11.1944. NARA, RG 498, E 100, B 381.

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einer derjenigen, die nach der Landung nicht fielen oder verunglückten, sondern gefangen genommen wurden.349 Während Angress seine Gefangennahme unbeschadet überstand,350 wurde der hinter einer Hecke kauernde Öster­reicher vom Kommandeur einer deutschen Patrouille entdeckt und angeschossen. Die zur »82nd« abkommandierten IPW-Soldaten verhielten sich in solchen Fällen offensichtlich weit weniger heroisch als jene gestählten Fallschirmspringer, die in der zwischen Kriegsgeheul und Naturschwärmerei schwankenden Unit History der 82. Luftlandedivision beschrieben werden  : Diese spricht von schwer bewaffneten, »grim-faced paratroopers«, die unter einem leuchtenden Sternenhimmel und zum dramatischen Crescendo der Propellergeräusche freudig in den Kampf zogen. 351 Auch wenn derartige Darstellungen mit Skepsis zu lesen sind, war das militärische Umfeld, in dem sich Diamant nun bewegte, auf jeden Fall martialischer, als er es vom Nachrichtendienst gewohnt war. So zitiert der Militärhistoriker Antony Beevor in seinem Bestseller D-Day den Kommandeur der 82. Division, der unmittelbar vor Beginn der Invasion zu seiner Truppe sprach  : »Men«, he said, »[…] Remember that you are going to kill, or you will be killed.«352

Doch Diamant, ein eher pazifistischer Mensch, dachte, auch als er mit deutschen Soldaten direkt konfrontiert war, in keiner Sekunde daran, seine »45 pistol« zu ziehen und sich ein Feuergefecht mit der feindlichen Patrouille zu liefern.353 Die Kugel der deutschen Schmeisser-Maschinenpistole, die sich, nur Millimeter an der Wirbelsäule vorbei, bis zum Lendenwirbel bohrte, ohne dabei – wie zu erwarten gewesen wäre – ein lebenswichtiges Organ zu verletzen, blieb bis zu seinem Tod im Jahr 2012 in seinem Körper. Unmittelbar nach der erlittenen Verwundung wurde der US-Offizier jedoch in ein Feldkrankenhaus geführt und medizinisch versorgt. Neben ihm selbst waren auch weitere drei Mitglieder von Diamants IPW-Team entweder in Kriegsgefangenschaft geraten und/oder verletzt.354 349 Vgl. Bauer/Göpfert, Ritchie Boys, 97–99. 350 Ebd  ; Angress, Witness, 267–273. 351 All American. The Story of the 82nd Airborne Division [US Army Unit History Booklet]. Ohne genaues Datum, 1945, 18. NARA, RG 407, E 427, B 10395. 352 Brig. Gen. S. Gavin, zitiert in Beevor, D-Day, 24  ; vgl. Angress, Witness, 259. 353 Interview A. Diamant, 6.6.2004, LoC. 354 »Later it was established that Lt. DIAMANT was wounded and in German hands, a Schmeisser slug in his back, penetrating through his lower abdomen and lodging in his lower vertebrae. S/Sgts BOLLAG and ANGRESS were captured by the enemy and taken towards Cherbourg. T/5 BEERS was wounded on D-Day and evacuated to England, D-Day plus two.« FID/MIS, IPW Team #43, 20.11.1944  ; vgl. Report on IPW Team No. 43.



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9, 10 Brief des verwundeten Alfred Diamant an die Kommandantur des Field Interrogation Detachment/MIS.

Weil Diamants IPW-Team Nr. 43 sich faktisch aufgelöst hatte, musste der mit einem Gleitschirm abgesprungene zweite Offizier, 2nd Lieutenant William Hauff, auf sich allein gestellt agieren. Hauff, ein Ritchie Boy mit deutschen Wurzeln, der vor dem Krieg in einem Indianerreservat gelebt hatte, 355 arbeitete zunächst autonom, später mit einem improvisierten Verhörtrupp, um Hunderte von gefangenen Wehrmachtssoldaten interviewen zu können  : This officer, Lt. William Hauff, carried the entire burden of interrogation for the 508th Parachute Regiment until the division provided him with two enlisted men reinforcements. This three man team interrogated and processed 525 PW’s [prisoners of war] before the division was withdrawn to England.356

Die Gefahr, in der sich Diamant – ein vor dem Nationalsozialismus geflohener Jude und feindlicher »Spion« – als Kriegsgefangener nun befand, war groß. Wäre er, der einen sehr starken öster­reichischen Akzent hatte und im deutschen Feldlazarett sogar durch freiwillige Übersetzungsdienste aufgefallen war, einer genauen 355 Interview A. Diamant, 18.12.2004, LoC. 356 Report on IPW Team No. 43.

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Befragung unterzogen worden, dann wäre seine Enttarnung und anschließende Exekution ein durchaus realistisches Szenario gewesen. Nicht zuletzt prangte bei den meisten der jüdischen Soldaten der MIS der verräterische Buchstabe »H« für »Hebrew« auf der Erkennungsmarke. Die 709. deutsche Infanteriedivision, in deren Händen Diamant nun war, hatte zu diesem Zeitpunkt jedoch völlig andere Sorgen. Dazu Diamant  : [T]he Germans were much too busy to even take the […] basic information from many of us, [such as] name, rank or serial number […].357

Die deutschen »captors« ließen ihren Gefangenen im Lazarett daher gewähren und behandelten Diamant laut eigener Aussage korrekt.358 Als die 709. Division bzw. deren verbleibende Kampfgruppen wenige Tage später vor den vorrückenden Amerikanern fluchtartig in Richtung Cherbourg zurückwichen, wurde Diamant einfach zurückgelassen und von seinen alliierten Befreiern bald darauf in ein Militärspital in England gebracht. Für den glücklichen Überlebenden, auf den Frau und Kind in den USA warteten, war diese Rettung aus der Hand der Deutschen nach der gelungenen Flucht vor den Nationalsozialisten das zweite persönliche Wunder seit dem »Anschluss« bzw. der »Reichskristallnacht«.359 Obwohl er nach monatelanger und aufwändiger nachrichtendienstlicher Ausbildung letztlich keinen einzigen deutschen Soldaten im Feld interviewt hat, kann die kurze Militärbiografie Diamants durchaus als spektakulär bezeichnet werden. Sein Dienst bei der Military Intelligence war für ihn auch persönlich prägend und determinierte in sozioökonomischer Hinsicht seinen weiteren Werdegang. So resümiert der ehemalige Ritchie Boy, der nach 1945 als einer der ersten Kriegsheimkehrer überhaupt die großzügigen Bildungsprogramme der US-Regierung für Veteranen in Anspruch nahm, angesichts des 50. Jahrestages der Invasion in der Normandie  : What I did not foresee in early 1942 was that my service in the armed forces, including parachuting into Normandy in D-Day, would permit me to pursue the university studies from which I had barred in Vienna.360

357 Interview A. Diamant, 18.12.2004, LoC. 358 Interview A. Diamant, 6.6.2004, LoC. 359 »That was as much a miracle as my escaping arrest in Vienna during Kristallnacht.« Diamant, Worlds, 217. 360 Diamant, »Faculty«, unpaginiert.



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War er in Östereich vor und nach dem März 1938 wegen des endemischen Antisemitismus an einem Geschichte-Studium gehindert worden, konnte er nun in den USA im Rahmen des Ausbildungsprogramms »GI Bill« ein Bakkalaureatsstudium in Politikwissenschaft absolvieren, auf das eine jahrzehntelange und erfolgreiche akademische Karriere folgen sollte. Wie bei vielen anderen Exilöster­ reichern war der aktive Dienst in der US-Armee und nicht die passive jüdische Opferrolle als von den Nationalsozialisten Verfolgter jenes Ereignis, das Diamants Leben nachhaltig prägte  : Acceptance into the allied military – not the fact that they were victims of the Holocaust – was the formidable life-shaping event of their lives.361

Diamants Exil-und Kriegsbiografie ist weniger jene eines Flüchtings. Es ist die Geschichte eines Prozesses der Selbstermächtigung unter dem Dach der militärischen Anlehnungsmacht USA. 1.2.5 Bert L. Werner – Gefragter Seniorsoldat und Propagandaanalyst Ich bin der Ansicht, dass ich irgend wie den U.S. behilflich sein kann, wenn sie an den Wiederaufbau Europas im Interesse der U.S. schreiten. Der Intelligence-Offizier Bert L. Werner über seinen Kriegsdienst in den USA 362

Der öster­reichische Exilant Berthold Leon Werner gehörte zu jenen amerikanischen Nachrichtenoffizieren, die weniger wegen ihrer militärischen oder physischen Eigenschaften und mehr wegen ihrer intellektuellen Fähigkeiten und ihrer Lebenserfahrung rekrutiert wurden. Blickt man auf die biografischen Eckdaten Werners, wird einem dieser Umstand umso mehr bewusst  : Werner (ursprünglich Kohn) wurde 1898 in Wien geboren und studierte zunächst Rechtswissenschaften. Nach dem Jusstudium war er von 1924 bis 1932 Beamter der Zentraleuropäischen Länderbank in Wien. Seine danach begonnene Karriere als Rechtsanwaltsanwärter bzw. Anwalt endete vorzeitig mit dem Einmarsch deutscher Wehrmachtstruppen in Öster­reich. Werner, dem schon angesichts der NS-Machtergreifung in Deutschland 1933 dämmerte, was ihm als Juden bevorstünde, falls er dauerhaft in Öster­reich verbliebe, bereitete sich in dieser Zeit mit Kursen in Automechanik, Elektrotechnik sowie einer Ausbildung über Gas-, Wasser- und

361 Steven Karras, »Preface«, in  : Karras, Enemy, XVII–XX, hier XIX. 362 B. Werner, ASTU # 3905, Co. G, Stanford University, CA, an M. Werner, 20.8.1943. DÖW 20015.

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Heizungsanlagen auf seine bevorstehende Auswanderung vor. 363 Im Dezember 1938 erhielt Werner, der bereits in der k. k. Armee eine militärische Ausbildung durchlaufen hatte, vom NS-Wehrbezirkskommando in Wien eine Stellungsaufforderung für die deutsche Wehrmacht.364 Ein Umstand, der seinen Fluchtplänen wohl noch mehr Nachdruck verlieh  : Nach seiner geglückten Ausreise an Bord der Manhattan nach Übersee, betrat Werner am 3. März 1939 von Hamburg kommend in New York amerikanischen Boden.365 Werner hielt sich zunächst mit diversen Jobs und Übersetzungstätigkeiten über Wasser und arbeitete freiwillig als »social case worker« und Hilfssekretär für die Second Presbyterian Church in Manhattan.366 Im Oktober 1942 wurde der Wiener Emigrant vom Local Draft Board am New Yorker Broadway zum Wehrdienst einberufen – 14 Tage später war er Teil der amerikanischen Streitkräfte.367 In seinem militärischen Personalakt wird das zivile Tätigkeitsfeld des sich nunmehr Bert L. Werner nennenden Rekruten als jenes von »Managers and officials« bezeichnet.368 Die US-Armee setzte den vergleichsweise alten Öster­reicher zunächst im medizinischen Bereich ein. Seine Eignung für geistig anspruchsvollere Tätigkeiten sollte den Militärbehörden und der MID jedoch nicht lange verborgen bleiben  : Als er im Medical Detachment des Krankenhauses von Raritan Arsenal in Metuchen, New Jersey, diente,369 erreichte er bei einem Eignungstest für eine Spezialausbildung der US-Armee als Soldat mit dem niedrigstem Dienstrang in einer Gruppe von sieben Abteilungsmitgliedern die höchste Punktezahl.370 We363 Ernst C. Stiefel/Frank Mecklenburg, Deutsche Juristen im amerikanischen Exil (1933–1950). Tübingen  : 1991, 17. 364 Wehrbezirks-Kommando Wien I (Mitte), Abt. II (c), Aufforderung zum Erscheinen vor der Erfassungskommission am 20.12.1938 für [Berthold] Leon Werner. Leo Baeck Institute, Martha Werner Collection, Series IV  : Berthold Werner, AR 7261, Box 3. 365 Passenger List S.S. Manhattan to New York, Arrival 3 March 1939. NARA, Records of the Immigration and Naturalization Service, Passenger and Crew Lists of Vessels Arriving at New York, New York, 1897–1957, MS T715, MR 6291, L 18 P 127, in  : www.ancestry.com (letzter Zugriff  : 24.9.2012). 366 Rev. L. H. Walz, Second Pesbyterian Church, 96th Street, New York City, Recommendation for Dr. Bert L. Werner, 11.6.1941. LBI, M. Werner Collection, Box 3, F 1. 367 Order to Report for Induction for Bert L. Werner, Order No. 10.412, 14.10.1942. LBI, M. Werner Collection, AR 7261, Box 3. 368 US Army, WW II Enlistment Record of Bert L. Werner, ASN 3254419. NARA, RG 64, in  : aad.archives.gov (letzter Zugriff  : 8.9.2010). 369 Station Hospital Raritan Arsenal, Metuchen, N. J., Hospital Order Nr. 6, Promotion of Pvt. Bert L. Werner, to be appointed Private First Class, by 2nd Lt. R. Addeo, 29.1.1943. LBI, M. Werner Collection, Box 3. 370 2nd Lt. R. Addeo, Station Hospital Raritan Arsenal, Metuchen, N. J., Detachment Memorandum Nr. 64, Scores attained by men of the Detachment Medical Department in the A.S.T.P. Test OCT-2, X-3 on 9.4.1943, 13.4.1943. LBI, M. Werner Collection, Box 3.



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11 Bert L. Werner (1946).

gen dieser außerordentlichen Eignung und »aufgrund seiner Kenntnisse über Öster­reich«371 wurde er daraufhin an die Universität Stanford geschickt, wo er im Rahmen des Army Specialized Training Program (ASTP) einen Kurs mit Schwerpunkt »Linguistic Fields« besuchte. Werner wurde in Stanford bald der Spezialsektion ASTU 372 9L (German) des sogenannten Foreign Area and Language Program (FALP) zugeteilt. Er gehörte nunmehr einer »special branch of ASTP-­trained personnel« an, die sich vor allem dem Sektor der »Civil Affairs« sowie strategischen Nachkriegsplanungen widmete und sich auf künftige Aufgaben im Rahmen der Militärverwaltung im zu befreienden Mitteleuropa vorbereitete  : These individuals were to complete the military’s Foreign Area and Language Program (FALP), at one of 55 institutions of higher learning in the US. The FALP provided its graduates with intensive training in the cultures and languages of the areas they were to administer. […] FALP personnel were to be trained in police procedure as well as in the 371 Stiefel/Mecklenburg, Juristen, 17. 372 Army Specialized Training Unit

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cultural characteristics and communicative practices of subject populations. […] [F]oreign-area-and-language trained ASTP soldiers were to be the rank-and-file of military government – the on-the-ground personnel who would interact intimately with local populations on a day-to-day basis.373

Der Seniorsoldat, der eine allzu anstrengende Offiziersausbildung in einer regulären Officers Candidate School (OCS) tunlichst vermeiden, aber dennoch den Krieg Amerikas mit all seinen Möglichkeiten unterstützen wollte, war mit seiner neuen Aufgabe halbwegs zufrieden. Während der Zeit in Stanford schrieb er an sein »[l]iebstes Putzerl«, dass er nach seiner ASTP-Ausbildung am besten im G-2-Sektor bzw. als Schreibtischarbeiter aufgehoben wäre  : [I]ch glaube, dass sie in meinem Fall schon ganz genau gewusst haben, dass ich geeignet bin fuer eine OCS und dass es wahrscheinlich nur eine der »Buero-OCS’s« sein kann, wie A.G.O.374 oder G-2, nicht aber eine, die mit vielen koerperlichen Strapazen verbunden ist, wie die meisten anderen.375

Im Rahmen seiner Tätigkeit in Stanford war Werner auch als Analyst für die MID/MIS tätig und fertigte zahlreiche politische und ökonomische Studien und Analysen über Öster­reich an. Werner war bald ein gefragter Mann und wurde in vielen weiteren Belangen als Öster­reichexperte herangezogen. Einer der interessantesten Kollegen in Werners ASTP-Gruppe war sein Landsmann Hans Otto Mauksch. Der fast 20 Jahre jüngere Mauksch, der später gemeinsam mit Werner zum MITC Camp Ritchie versetzt wurde, sollte im Gegensatz zu Werner, der die militärischen Schreibstuben nie wirklich verlassen hatte, die Schlachtfelder des Krieges selbst betreten. Im öster­reichischen Heer der Zwischenkriegszeit noch Offiziersanwärter, erwies Mauksch sich in der US-Armee im Bereich der Military Intelligence als starke Persönlichkeit und forscher Soldat »with guts and leadership qualities«.376 Mauksch wurde nach dem Krieg schließlich den Rang eines Second Lieutenant verliehen.

373 David Nugent, »Military Intelligence and Social Science Knowledge  : Global Conflict, Territorial Control and the Birth of Area Studies During WW II.« (Paper for »Producing Knowledge on World Regions  : Issues of Internationalization and Interdisciplinarity«, SSRC Workshop, City University of New York, 14./15.6.2007), 1–44, hier 12, in  : https://s3.amazonaws.com/ssrc-cdn1/crmuploads/new_publication_3/%7B4CE2A5DD-2E5C-DE11-BD80-001CC477E C70%7D.pdf (letzter Zugriff  : 12.8.2015). 374 Adjutant General’s Office. 375 B. Werner, ASTU #3905, Company G, an M. Werner, 22.8.1943. 376 Ralph Baer, Personal Account, in  : Karras, Enemy, 131–149, hier 136.



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12 Zeugnis für Bert Werner über die Absolvierung des Army Specialized Training Program in Stanford.

Im August 1943 bemühte sich der zu lakonischem Humor durchaus fähige Werner um die amerikanische Staatsbürgerschaft.377 Um das für die eingewanderten US-Soldaten ohnehin ritualisierte und vorhersehbare Prozedere noch weiter zu seinen Gunsten zu beeinflussen, behauptete er gegenüber einem skeptischen Beamten unverblümt, er »sei 46 und haette fuer die Army volontiert (was ich [B. Werner] ja nicht habe, aber es hoert sich gut an).« Nachdem ein »Clerk, der sich daweil am Unterbauch kratzte, den Eid vor[gelesen]« und die Einbürgerung formell abgewickelt hatte, war aus dem öster­reichischen Flüchtling ein amerikanischer Staatsbürger geworden.378 Obwohl er mit seinen strategischen Analysen den nicht ganz unumstrittenen Bombenkrieg der Alliierten unterstützte, waren Werner jüdische Rachegefühle gegen die Nationalsozialisten fremd. Er sah seine Arbeit, die er in seiner privaten 377 NARA, Index to Naturalization in the U.S. District Court for the Northern District of California, 1852–ca. 1989 MS M1744, MR 158, in  : www.ancestry.com (letzter Zugriff  : 24.9.2012). 378 B. Werner an M. Werner, 20.8.1943.

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Korrespondenz als eher unbedeutend darstellte, unter einem strikt rationalistischen Aspekt  : Ueber das Thema [strategische Bombardierung von] Wiener-Neustadt etc. hatten wir gestern […] eine laengere Debatte. Ich stehe auf dem Standpunkt, dass jeder Versuch einer persoenlichen Rache, wie er leider von vielen Zuagrasten vertreten wird, mit allen Mitteln bekaempft werden muss, es wird ja nicht gerade mit Glacehandschuhen zugegriffen werden duerfen, aber so wie manche Leute sich das vorstellen, dass sie geschwind hinueberfahren und irgendjemandem ein paar Watschen herunterhauen koennen, das geht nicht.379

Zum Missfallen der regionalen Abteilung des Military Intelligence Service in San Francisco, die die Arbeit von Werner, Mauksch et al. sehr schätzte,380 wurde die örtliche Gruppe der ausländischen 9L-Analysten im September 1943 nach Camp Ritchie transferiert.381 Das ASTP-Programm und seine akademisierten Spezialsektionen hatten wegen des großen Personalbedarfs der US-Armee, der gegen Ende 1943 nicht nur im infanteristischen Sektor, sondern vor allem auch im frontnahen Intelligence-Bereich herrschte, keine Priorität in den Kriegsplanungen des War Department mehr. Werner wurde in Maryland zunächst der Kategorie 5A (IPW, German) zugeteilt und schloss den zwölften MITC-Kurs im November 1943 erfolgreich ab.382 379 B. Werner, ASTU # 3905, Co. G, Stanford University, CA, an M. Werner (»Putzerl«), 22.8.1943. DÖW 20015. 380 So attestiert der MIS-Offizier Warren Clear dem Öster­reicher, dass dessen nachrichtendienstliche Arbeit in Stanford »of definite value for the war department war.« Col. W. Clear, War Department, MIS, San Francisco Office, to B. Werner, Camp Ritchie, Md., 24.9.1943. LBI, M. Werner Collection, Box 3. 381 »Our work with the foreign born 9Ls in the ASTP at Stanford was interrupted by their unexpected transfer to Camp Ritchie. The suddenness of the move prevented our thanking adequately for the help given. Particularly, our intent was to have our appreciation entered on each man’s service record by the local command. […] The 9Ls of the Stanford ASTP, now at Camp Ritchie, who helped us are  : […] Hans O. Mauksch […] Bert L. Werner [5A] […] The men listed above went to work on our projects with considerable enthusiasm. Many of them gave up leaves and worked nights to prepare accurate details in the information given us. A number of them swipped their last night of liberty before entraining in order to have information in our hands the last day. You can appreciate what this must have meant to an enlisted man.« Col. W. Clear, Chief War Department, MIS, San Francisco Office, to Lt. Col. J. Groome, Chief, US Unit, Collection Group, MIS, Washington, D.C., Credit to Stanford 9L’s, 20.9.1943. LBI, M. Werner Collection, Box 3. 382 War Department, MITC Camp Ritchie, Maryland, Special Orders Nr. 283, Graduation of Pfc. Bert L. Werner, ASN 32544119, Twelfth Course, Lt. Col. J. Hoffman, 25.11.1943. LBI, M. Werner Collection, Box 3.



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13 Auszug aus einer von Bert Werner mit ausgearbeiteten Intelligence-Analyse über Österreich.

Das War Department griff auch in dieser Zeit weiterhin auf die Dienste des Öster­reich-Analysten Werner zurück. Um etwa den US-Bombenangriffen der Air Force auf öster­reichischem Gebiet zu mehr Präzision und Schlagkraft zu verhelfen, fertigte er detaillierte Studien über das Wiener Eisenbahnnetz an. Im New Yorker Leo Baeck Institute ist hierzu folgende (gekürzt wiedergegebene) Auflistung an Bombardierungszielen einsehbar  : PFC Bert L. Werner ASN 32544119 Co. E, 2nd Tng. Batt. Camp Ritchie, Md. BOMBING OBJECTIVES WITHIN THE VIENNA RAILROAD NETWORK. Based upon maps  : »Oesterreichische Spezialkarte 1  :75.000«, Militaergeographisches Institut, Vienna […]. Within the network of Central-European Railroad networks, Vienna forms the center and at the same time the most vulnerable spot. Simultaneous bombing of certain junctions would entirely disrupt the following transportation lines  :

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France – Switzerland – Arlberg – Vienna – Hungary –Balkans France – Southern Germany – Vienna – Hungary – Balkans Belgium & Holland – Central Germany – Vienna – Balkans Berlin – Prague – Vienna – Balkans and Italy Silesia – Brno – Vienna – Balkans and Italy Poland – Moravia – Vienna – Balkans and Italy Vienna – Slovakia and Northern Hungary General Remarks. Vienna has no central Railroad station and no terminus at the very heart of the city. The location of the important passenger stations and their distances from St. Stephens Cathedral, the heart of the city and its most outstanding and hardly camouflagable landmark, are  : Western Railroad (Westbahn) 3 km SW on the Mariahilfer Guertel (Outer circular Boulevard) Southern Railroad (Suedbahn) 2,5 km S by SE on the Ghegaplatz Eastern Railroad (Ostbahn) 2,5 km S by SE next to Southern Railroad Station Northern Railroad (Nordbahn) 2,5 km NE near Praterstern (Prater Circle) Northwestern Railroad (Nordwestbahn) 2,8 km N by NE near the Augarten (Au Park) Frances Joseph [sic  !] Railroad (Franz Josephbahn) 2,9 km N by NW near Althanplatz (Althansquare) Aspang Railroad (Aspangbahn) 3,3 km SE near Rennweg All these stations are located at the southern shore of the Danube. They are interconnected by several communication-lines within the city limits. These intercommunication lines branch off from the main lines at or near to the »outskirt-stations« (also within the city limits). Freight-, switching and repair yards, too, mostly are located between the outskirt-stations and the main depots, with exception of those of the Northern and Northwestern RRs [i. e. Railroads], which are located at Floridsdorf, on the northern shore of the Danube. Bombing and destruction of the junctions between main and communication lines will have the best effect for a disruption of railroad-traffic. Description of the Junctions. The triangular junction at Penzing […] The Hetzendorf[sic  !]-Meidling Junction […] The Southern and Eastern RR Terminal Area These two terminals, located at 150 meters distance from each other […] are connected by part of the »Verbindungsbahn« line. The southern RR from the outskirt station Meidling Suedbahn runs first in a E by NE direction through the freight yards and later, S of the Wiener Guertel […] and along the same towards the terminal, generally at a height of 7 to 10 meters above street-level. About 500 meters W of the building of the Southern RR station the Southern RR crosses the bifurcation of the Laxenburger and Triester streets on a truss-bridge. At



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the eastern end of this bridge on the southern side the connection tracks between the Southern and Eastern RR branches off and leads in a quarter circle of about 800 meters length into the yards of the Eastern RR station. The Southern and Eastern RR stations are in glass covered buildings, so called »Head« stations, the Southern RR tracks leaving the building towards the W, the Eastern RR tracks towards SE. Next to the Eastern RR station and alongside the tracks is the Vienna Arsenal, the largest ordnance depot and small-arms factory of the former Austrian Army, a red-brick building of the »Armory« architecture type, with several crosswings, about 550 meters wide and 800 meters long. About 900 to 1000 meters of the Southern PR Terminal on the northern side of the tracks, a double track line, the »Verbindungsbahn« branches off, leads down to an below street level and about 100 meters west of the above-mentioned trass bridge enters a tunnel. This line again emerges from the tunnel in front of the northeastern side of the Arsenal buildings, in a cut, about 10 meters deep and then turns north towards the Aspang RR terminus, the Union station […] crosses the Danube canal on a cantilever bridge, encircles the Praterstern and leads towards the Northern RR station. […]383

Nach der IPW-Ausbildung wurde Werner, der aufgrund seines fortgeschrittenen Alters kein sonderliches Interesse an einem militärischen Einsatz in Europa hatte, erneut im Sanitätsbereich eingesetzt und zur Medical Section der 1330th Service Unit in Camp Ritchie versetzt. Als viele seiner jüngeren Landsleute und Intelligence-Kameraden gerade an den Stränden der Normandie eintrafen und sich – wie der öster­reichische Korporal Peter Beer – an vorderster Front die »bloody mess on the beach«384 und die außerordentliche Brutalität dieses Krieges vergegenwärtigten, wurde der vielseitige Seniorsoldat Bert Werner ehrenhaft aus den amerikanischen Streitkräften entlassen.385 Sein Dienst als Soldat der US-Armee war nun offiziell beendet, nicht aber jener als Intelligence-Experte im amerikanischen Kriegsapparat  : Werner wurde schon wenige Wochen später wieder einberufen und als deutschsprachiger Nachrichtenoffizier im Dienste der psychologischen Kriegsführung nach Europa transferiert, rückte dem Kriegsgeschehen also sehr nahe. So taucht in den Akten des wichtigsten Propagandaamtes der USA, des Office of War Information (OWI), ab Herbst 1944 der Name Bert Werner auf. An der Seite des Öster­reichers Otto Zausmer war er als »German Intelligence Officer« einer der rund 1.200 Mitarbei383 Bombing Objectives within the Vienna Railroad Network, prepared by Bert L. Werner, Co. E, 2nd Tng. Batt., Camp Ritchie, Md, ohne Datum, vermutlich Oktober 1944. LBI, M. Werner Collection, Box 3. 384 US Army, 104th (Timberwolf ) Infantry Division, PW Enclosure, IPW Team #30, Activities Since Spring 1944, 4.2.1945. NARA, RG 498, E 94, B 376. 385 US Army, Honorable Discharge of Bert L. Werner, ASN 32544119, Fort Dix Separation Center, 23.6.1944. LBI, M. Werner Collection, Box 3, F 3.

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ter in der Londoner Außenstelle des OWI, die auf dem europäischen Kriegsschauplatz »press and radio material« für die American Broadcasting Station in Europe (ABSIE) und die Psychological Warfare Division des alliierten Hauptquartiers (PWD/SHAEF) produzierte.386 Die Intelligence Section von OWI London publizierte zudem »daily notes on German an French Military affairs and weekly summaries on German and international affairs. These provide background material for ABSIE, PWD-SHAEF, G-5, USSTAF [United States Strategic Airforces in Europe], Office of Strategic Services, the British Political Intelligence Department, the BBC, and the State Department missions to various countries. These notes cover such topics as the ground war, frictions and crises in the German army, German military personalities, etc. «387 Als deutschsprachiger Experte sollte Werner in der nachrichtendienstlichen Abteilung des OWI feindliche Dokumente, wie Briefe von Kriegsgefangenen der Wehrmacht, auf ihre propagandistische Verwertbarkeit hin untersuchen.388 Laut OWI-internen Angaben wurden von Werners Abteilung im monatlichen Durchschnitt rund 100 solcher feindlicher Dokumente übersetzt und 200.000 Worte in diversen Intelligence Reports rezipiert.389 Durch die Analyse und Aufbereitung von »items culled from intelligence reports on conditions inside Germany« ermöglichten Nachrichtenoffiziere wie Werner und Zausmer die Produktion inhaltlich ausgeklügelter und zielgruppengerechter Radioprogramme, die speziell die Moral und Kampfkraft von Wehrmachtssoldaten unterminieren sollten.390 Ein von mir in seinem Akt im Leo Baeck Institute gefundenes und mit dem Kürzel »J.P.« signiertes US-Flugblatt, das sich an deutsche Soldaten richtete und diesen im Falle der Desertion ein sicheres Geleit und gute Behandlung durch die Alliierten versprach,391 legt den Schluss nahe, dass Werner nicht nur für das OWI Dokumente auswertete, sondern auch an der Konzeption der taktischen Flugblätter der PWD/ SHAEF beteiligt war.392 De jure befanden sich die meisten OWI-Mitarbeiter in London unter dem organisatorischen Dach der militärischen PWD.393 Werners Sprachkenntnisse und seine politische, soziologische und kulturelle Expertise über den 386 J. Dunner, [OWI London] Intelligence Section, Progress Report for September, 4.10.1944. NARA, RG 208, E 6J, B 4. 387 Office of War Information, OWI in the ETO. A Report on the Activities of the Office of War Information in the European Theatre of Operations, January 1944–January 1945. London  : 1945, 41. 388 Dunner, Progress Report, 4.10.1944. 389 Office of War Information, OWI in the ETO, 41. 390 Ebd., 10. 391 LBI, M. Werner Collection, Box 3. 392 Laut Angaben des OWI wurden 279 Londoner OWI-Mitarbeiter von PWD/SHAEF übernommen. Office of War Information, OWI in the ETO, 4. 393 Laurie, Warriors, 189.



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deutschen Feind waren daher auch im Bereich der psychologischen Kriegsführung sehr gefragt. Nach dem Krieg nahm er im Zuge der Nürnberger Kriegsverbrecherprozesse unter anderem an der vom OWI durchgeführten Propaganda-Operation DANA teil und arbeitete in Deutschland für die PWD- und OWI-Nachfolgeorganisation Information Control Division (ICD) im Bereich Pressewesen.394 Werner trat in weiterer Folge auch bei der US-Militärverwaltung und dem State Department in Erscheinung und schlug eine lange und erfolgreiche Karriere als Übersetzer, Ansager und Verfasser von amerikanischen Radiosendungen für Europa ein. Bert Werners Beitrag zum Kampf gegen den Nationalsozialismus mag im Vergleich zu jenem von Frucht, Wolf oder Diamant eher unspektakulär gewesen sein, doch die nachrichtendienstlichen Analysen für den strategischen Bombenkrieg und Propagandaaktivitäten des gelernten Juristen und humorvollen Wieners waren wichtige Mosaiksteine der amerikanischen Military Intelligence im Zweiten Weltkrieg. Ein Unternehmen, das trotz aller Problemfelder und Unzulänglichkeiten nicht zuletzt auch dank der Expertise öster­reichischer Einwanderer mithalf, die deutsche Rüstung, etwa durch Bombardements, zu verlangsamen oder die deutsche Kampfmoral, etwa durch zielgruppengerechte Propagandatexte, zu senken und dadurch den Krieg etwas zu verkürzen. 1.2.6 Resümee

Waren die Ritchie Boys eine entscheidende Humanressource oder gar eine Art Zauberwaffe der US-Armee im Zweiten Weltkrieg  ? Die Antwort auf diese Frage ist ein klares »Nein«. Unter Militärhistorikern ist es heute ziemlich unumstritten, dass die enormen Anstrengungen der Amerikaner und Briten im Intelligence-Bereich den Krieg in vielen Fällen (vor allem im Feld der Kryptoanalyse und Signals Intelligence) zu deren Gunsten beeinflusst haben. Gleichwohl – und dies gilt gerade auch für unsere Protagonisten, die vor allem im Bereich der Human Intelligence und Kriegsgefangenenbefragung aktiv waren – waren es letztlich nicht die Nachrichtendienste, die den Krieg gewonnen haben, sondern die Kampfeinheiten der materiell und personell überlegenen alliierten Armeen.395 Auch die ambitionierten Ziele, welche das War Department mit seiner Ausbildungsstätte in Maryland verfolgte, wurden nicht in vollem Umfang erreicht, ja konnten bei realistischer Betrachtung gar nicht umgesetzt werden. Nach oft nur wenigen Monaten oder Wochen nachrichtendienstlich-militärischer Ausbildungszeit vermochten es die verhältnismäßig spät rekrutierten deutschsprachi394 Stiefel/Mecklenburg, Juristen, 18. 395 Siehe hierzu etwa das Kapitel über Technologie und militärische Schlagkraft sowie die Schlussbetrachtungen im Standardwerk von Overy, Allies, hier 255–299 und 386–400.

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gen bzw. exilöster­reichischen Intelligence-Kader nicht, »Kopfarbeiter« und effiziente – auch militärisch brauchbare – Soldaten in einem zu sein. So zeigte eine im Winter 1944 durchgeführte Befragung von 56 großteils in Camp Ritchie ausgebildeten Verhöroffizieren, die mit ihren IPW-Teams im Verbund von Kampfeinheiten an der nordwesteuropäischen Front eingesetzt worden waren, dass der in der Ausbildung vernachlässigte Aspekt »Basic Soldiering« unentbehrlich für ihre Tätigkeit war und in Zukunft verstärkt beachtet werden sollte (»impossible to function without and needs more stress«). Auch banal scheinende, militärisch aber wichtige Tätigkeitsfelder wie »Driving & Maintainance« (die IPW-Teams bewegten sich mit Jeeps fort) waren laut den befragten Verhörsoldaten während der Ausbildung stiefmütterlich behandelt worden.396 Ohne Zweifel ließen viele der Geheimdienstspezialisten und Ritchie Boys im späteren Kriegseinsatz grobe militärische Defizite erkennen. Doch auch in ihrer Kernkompetenz, der Nachrichtengewinnung und Aufbereitung der Nachrichten für die Analyse, waren sie nicht immer erfolgreich. So ging etwa das Nichtvorhersehen der deutschen Ardennenoffensive – trotz vereinzelter warnender Stimmen aus den Reihen der deutschsprachigen Verhöroffiziere – als ein spektakuläres Intelligence-Debakel in die Geschichte des militärischen Nachrichtendienstes ein. Den G-2-Offizieren und Ritchie Boys war es in diesem Fall nicht gelungen, ihre punktuellen und korrekten Informationen über die bevorstehende feindliche Großoffensive so zu »verkaufen«, dass sich die militärischen Entscheidungsträger auf SHAEF-, Armeegruppen- und Armee-Ebene ein kohärentes Bild daraus machen konnten. Wenn auch diese personellen und strukturellen Mängel des während des Krieges um- und neugestalteten militärischen Intelligence-Apparats der USA nie ganz behoben werden konnten, so war das nachrichtendienstliche Endprodukt der G-2-Abteilungen der US-Armee für sich gesehen »superb«.397 Das MITC Camp Ritchie und seine Absolventen markieren jene Schwelle, welche die Vereinigten Staaten auf dem Weg zur geheimdienstlichen Supermacht innerhalb weniger Jahre überschritten haben. Die Installierung von Camp Ritchie, die neben der Schaffung des semizivilen Kriegsgeheimdienstes OSS (des Vorläufers der CIA) einer der Gründe für die zwar nicht kriegsentscheidenden, aber dennoch beachtlichen Erfolge des (anglo-)amerikanischen Intelligence-Systems war, stellte laut John P. Finnegan »a more extensive effort than the Army had ever before undertaken in this arena« dar.398 Durch die im MITC ausgebildeten deutschsprachigen Spezialisten bzw. die in unzähligen Intelli396 HQ Field Interrogation Detachment, MIS, ETO, US Army, IPW Questionnaire, Scoring of Subjects Taught, Taken from 56 Questionnaires received from IPW-Teams, 1 f. hier 1. NARA, RG 498, E 99, B 380. 397 Finnegan, Military Intelligence, 62. Ähnlich Wright, Tactical Intelligence, 57. 398 Ebd.



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gence-Einheiten der US-Armee tätigen Deutschen und Öster­reicher war es möglich, in bisher nicht gekanntem Ausmaß nachrichtendienstliche Informationen über den Kriegsgegner – etwa durch Kriegsgefangenenverhöre, die von öster­reichischen Verhöroffizieren durchgeführt wurden – zu erlangen. Informationen, die in vielen Fällen den Erfolg der alliierten Offensive beschleunigt und oft auch über Leben oder Tod vieler Menschen auf dem Schlachtfeld entschieden haben. Wie schlug sich nun die Schar der öster­reichischen »Auserwählten« während des Kriegseinsatzes in Europa  ? Hunderte öster­reichische MITC-Absolventen haben an der Westfront kriegswichtige Intelligence-Dienste, vor allem im Bereich der Kriegsgefangenenbefragung, geleistet. Die Verhöre der IPW-Offiziere wären ohne die linguistische und soziokulturelle Expertise der Exilöster­reicher und -deutschen in dieser Quantität und Qualität nicht möglich gewesen. Rafael Zagovec zitiert amerikanische Militärs, die 1944/45 behaupteten, dass »90 Prozent der Feindinformationen, die ihre Regimenter und Bataillone gesammelt hatten, aus Kriegsgefangenenvernehmungen stammten.« 399 Die öster­reichischen Ritchie Boys des IPW-Zweigs verrieten den Kampfeinheiten, in deren Umfeld sie dienten, die Positionen von gegnerischen Truppenteilen und Geschützen  ; sie lieferten den höheren G-2-Stäben wichtige strategische Informationen, etwa über die Versorgungs- und Ernährungslage der Wehrmacht und der Bevölkerung im Hinterland  ; sie dokumentierten die Stimmung im Lager des Gegners, um den Propagandaabteilungen der US-Armee unter der Ägide der PWD/SHAEF wichtiges Output-Material zu liefern. Manchmal gelangen den Verhörsoldaten beachtliche Erfolge  : Der frühere Schauspieler und gebürtige Wiener Marcel L. Lerner, ein Korporal und IPW-Spezialist, der mit der 4. oder der 10. US-Panzerdivision während der Ardennenschlacht in der Bastogne von deutschen Verbänden eingekesselt und im Jänner 1945 durch ein Artilleriegeschoss schwer verwundet worden war, ließ in Ulm eine Reihe von untergetauchten SS-Offizieren gefangen nehmen und wurde für seine Verhörtätigkeit mit der Legion of Merit ausgezeichnet.400 Der ebenfalls öster­reichstämmige Ritchie Boy Richard Schifter hingegen war Mitglied der berühmten und äußerst produktiven »Kampfgruppe Parloff«, einer Task Force bzw. Vorhuteinheit der 12. Armeegruppe, die in deutschen Städten kurz vor deren Befreiung durch die Amerikaner wichtige Dokumente sicherstellte, nach Kriegsverbrechern suchte und Tausende Zivilisten interviewte. Die »genau 11.599 399 Zagovec, »›The Mind of the Enemy‹«, 269. 400 US Army WW II Enlistment Record of Marcel Lerner, ASN 39721934. NARA, RG 64, in  : aad.archives.gov (letzter Zugriff  : 1.9.2010)  ; Information [on M. Lerner] from the Hospital Admission Cards Created 01/18/2012 by the Office of the Surgeon General, Department of the Army (1942–1945). NARA, NPRC, Military Personnel File of Marcel L. Lerner, ASN 3972193  ; »Personalia«, in  : Der Aufbau, 31.8.1945, 15.

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Interviews«, die Schifters Spezialeinheit allein in Aachen geführt hatte, und der darauf basierende Report über den Alltag im Nationalsozialismus dienten unter anderem als Grundlagen für die Entnazifizierungsfragebögen der Nachkriegszeit.401 In diesem Bereich ist der Beitrag, den die öster­reichischen G-2-Soldaten, Verhöroffiziere und MITC-Absolventen zum amerikanischen War Effort geleistet haben, als bemerkenswert einzustufen. Ähnliches gilt für Öster­reicher in anderen nachrichtendienstlichen Bereichen und für öster­reichische Propagandisten (Flugblattautoren, Radioredakteure, Moralanalysten etc.) im Dienste der US-Armee. Doch nicht nur aus technisch-operativer, sondern auch aus militär- und exilsoziologischer Perspektive sind die Kriegsbiografien der öster­reichischen Ritchie Boys ein lohnendes, ja faszinierendes Themenfeld. Während viele Autoren, Zeitzeugen und Filmemacher – nicht selten mit reißerischem Gestus und aus boulevardesker Sensationslust heraus – das Motiv der Rache der vertriebenen Juden an ihren faschistischen Verfolgern im Rahmen des Kampfes von »Gut vs. Böse« (über) betont haben, möchte ich abschließend eher auf die Wahrnehmung von Camp Ritchie innerhalb der öster­reichischen bzw. deutschsprachigen Exilgesellschaft in den USA eingehen. Das amerikanische War Department, das viel Geld und Anstrengungen in die deutschsprachigen Flüchtlinge investiert hatte, um aus ihnen spezialisierte Intelligence-Soldaten zu formen, maß dem Projekt Camp Ritchie eine enorm hohe Bedeutung bei. Exklusivität, Einzigartigkeit und Größe dieser Militärschule sind aber nur unzulängliche Erklärungsansätze für die sich heute in mehreren Filmdokumentationen und populärwissenschaftlichen bzw. autobiografischen Büchern niederschlagende Faszination, die von diesem an sich nüchternen Ausbildungsort ausgeht. Ein wesentlicher Grund für das vergleichsweise große Interesse der (US-)Öffentlichkeit und die tiefe emotionale Bindung vieler öster­reichischer US-Soldaten an Camp Ritchie war wohl die Tatsache, dass das MITC ein geheimes Militärlager des militärischen Geheimdienstes war. »Kaum ein Begriff bewegt so nachhaltig das öffentliche Interesse und ist so sicher geeignet, auf Dauer die Aufmerksamkeit […] sicherzustellen, wie ›das Geheimnis‹«, schreibt der Soziologe Michael Schetsche.402 Diejenigen Exilanten, die von der »geheimnisvollen […] Washingtoner Lochkartenmühle« (Hanuš Burger)403 als Kandidaten für eine Intelligence-Karriere auserwählt worden waren und den – letztlich gar nicht so magischen – Inhalt dieses Geheimnisses kennenlernen durften, fühlten sich einer elitären Schar von Auserkorenen (»Freimaurerloge«404) zugehörig. Da 401 Bauer/Göpfert, Ritchie Boys, 158–160, 215 f. 402 Michael Schetsche, »Das Geheimnis als Wissensform. Soziologische Anmerkungen«, in  : Journal for Intelligence, Propaganda and Security Studies ( JIPSS), Vol. 2, Nr. 1/2008, 33–50, hier 34. 403 Burger, Frühling, 125 und 139. 404 Habe, Ich stelle mich, 432.



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sie offensichtlich von einer gottähnlichen Instanz (deren Verkörperung das für sie undurchschaubare, jedoch nach simplen und rationalen Prinzipien funktionierende Lochkartensystem war) zu höheren Weihen berufen worden waren, glaubten nicht wenige Ritchie Boys, dass sie den anderen öster­reichischen Einwanderern und gewöhnlichen GIs, an deren Seite sie später dienen sollten, überlegen waren.405 Weitere Gründe für die vitale Gedächtniskultur rund um das MITC sind die mit ihm verbundene Möglichkeit zum raschen sozialen und beruflichen Aufstieg in den USA und die ethnokulturelle Buntscheckigkeit seiner Schüler. In Camp Ritchie fanden sich Soldaten aus vielen verschiedenen Ländern ein, die wenige Jahre zuvor oft noch mittellose, dem Holocaust oder der politischen Verfolgung entronnene Flüchtlinge und »enemy aliens« waren, die sich im Fluchtland Amerika mit harten Hilfsarbeiterjobs406 über Wasser gehalten hatten. Das Bewusstsein dieser Menschen, plötzlich einer geheimnisvollen Elite des Exils in einem nicht minder geheimnisvollen Lager anzugehören, machte sie stolz, förderte die auch im weiteren Kriegsdienst fortbestehende soziale Kohäsion innerhalb der Truppe und befeuerte post bellum ihre erzählerische Fantasie. Betrachtet man Geschichtsschreibung als erzählendes Handwerk, dann ist man als Historiker trotz aller wissenschaftlichen Skepsis und der Brüchigkeit vieler Exilbiografien geneigt, die spannende Geschichte der öster­reichischen Ritchie Boys als Erfolgsgeschichte zu bezeichnen. 1.3 »Right on the job I am best suited for« – Öster­reicher in der 10. US-Gebirgsdivision It was clear to me that I could not make this country my home unless I was willing to fight for it, and I wanted to […] join the mountain troops. Friedl Pfeifer, 1938 in die USA emigrierter öster­reichischer Skistar, über seinen Eintritt in die Gebirgstruppe der US-Armee407 Hallo Joe, 9200 feet elevation and right on the job I am best suited for. […] They put me into an Infantry Company, and my general job probably will be rockclimbing in summer and skiing in winter. And I think I am going to like it, too. Brief von Rudolf Anzböck, öster­reichischer Exilant und Rekrut der 10. amerikanischen Gebirgsinfanteriedivision im Ausbildungslager Camp Hale, Colorado, Juni 1943 408 405 406 407 408

Vgl. ebd. Siehe Laqueur, Generation Exodus, 136–139. Friedl Pfeifer (mit Morten Lund), Nice Goin’. My Life on Skis. Missoula  : 1993, 99. R. Anzbock, Camp Hale, Colorado, an J. Buttinger, 11.6.1943. DÖW 18890/1. Unterstreichungen von mir.



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sie offensichtlich von einer gottähnlichen Instanz (deren Verkörperung das für sie undurchschaubare, jedoch nach simplen und rationalen Prinzipien funktionierende Lochkartensystem war) zu höheren Weihen berufen worden waren, glaubten nicht wenige Ritchie Boys, dass sie den anderen öster­reichischen Einwanderern und gewöhnlichen GIs, an deren Seite sie später dienen sollten, überlegen waren.405 Weitere Gründe für die vitale Gedächtniskultur rund um das MITC sind die mit ihm verbundene Möglichkeit zum raschen sozialen und beruflichen Aufstieg in den USA und die ethnokulturelle Buntscheckigkeit seiner Schüler. In Camp Ritchie fanden sich Soldaten aus vielen verschiedenen Ländern ein, die wenige Jahre zuvor oft noch mittellose, dem Holocaust oder der politischen Verfolgung entronnene Flüchtlinge und »enemy aliens« waren, die sich im Fluchtland Amerika mit harten Hilfsarbeiterjobs406 über Wasser gehalten hatten. Das Bewusstsein dieser Menschen, plötzlich einer geheimnisvollen Elite des Exils in einem nicht minder geheimnisvollen Lager anzugehören, machte sie stolz, förderte die auch im weiteren Kriegsdienst fortbestehende soziale Kohäsion innerhalb der Truppe und befeuerte post bellum ihre erzählerische Fantasie. Betrachtet man Geschichtsschreibung als erzählendes Handwerk, dann ist man als Historiker trotz aller wissenschaftlichen Skepsis und der Brüchigkeit vieler Exilbiografien geneigt, die spannende Geschichte der öster­reichischen Ritchie Boys als Erfolgsgeschichte zu bezeichnen. 1.3 »Right on the job I am best suited for« – Öster­reicher in der 10. US-Gebirgsdivision It was clear to me that I could not make this country my home unless I was willing to fight for it, and I wanted to […] join the mountain troops. Friedl Pfeifer, 1938 in die USA emigrierter öster­reichischer Skistar, über seinen Eintritt in die Gebirgstruppe der US-Armee407 Hallo Joe, 9200 feet elevation and right on the job I am best suited for. […] They put me into an Infantry Company, and my general job probably will be rockclimbing in summer and skiing in winter. And I think I am going to like it, too. Brief von Rudolf Anzböck, öster­reichischer Exilant und Rekrut der 10. amerikanischen Gebirgsinfanteriedivision im Ausbildungslager Camp Hale, Colorado, Juni 1943 408 405 406 407 408

Vgl. ebd. Siehe Laqueur, Generation Exodus, 136–139. Friedl Pfeifer (mit Morten Lund), Nice Goin’. My Life on Skis. Missoula  : 1993, 99. R. Anzbock, Camp Hale, Colorado, an J. Buttinger, 11.6.1943. DÖW 18890/1. Unterstreichungen von mir.

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HELLO  ! Boys of the [10th Mountain Division’s] 86th and 85th [regiments]  ! Welcome to Europe and the Italian Front  ! Hope you like it  ! Though there may be some doubt because you might not find some things too comfortable around here. […] This time you picked ...THE WRONG TOURIST AGENCY  ! There is just a bit too much »conducting« on this trip. No choice where to go and where to stay. No sights, no comforts, no smartly dressed girls – NOTHING  ! But a fine chance of getting killed and just be buried and forgotten. An die in Norditalien gegen die deutsche Wehrmacht kämpfenden Soldaten der 10. US-Gebirgsdivision adressiertes NS-Propagandaflugblatt, Februar 1945409

Die Ende Februar 1945 durchgeführte Jägeroffensive der 10. amerikanischen Gebirgsdivision auf zwei gut befestigte deutsche Stellungssysteme im norditalienischen Apennin gilt als eine der spektakulärsten Infanterieoperationen des Zweiten Weltkriegs. Mit einem vonseiten der Wehrmacht völlig unerwarteten nächtlichen Überraschungsangriff gelang es den Gebirgssoldaten der 10th Mountain Division, zwei schwer zugängliche Höhenkämme südwestlich von Bologna einzunehmen und sich dort nach tagelangen blutigen Gefechten mit den Verteidigern festzusetzen. Wenn auch nicht kriegsentscheidend, war die Eroberung des Cappel-Buso-Serrasiccia-Massivs (welches in der amerikanischen Militärhistorie als The Riva Ridge zum mythischen Gemeinplatz wurde) und der benachbarten Belvedere-Torraccia-Gruppe durch die frontunerfahrenen, aber elitären US-Gebirgsjäger für den Durchbruch von General Mark W. Clarks 15. Armeegruppe in Richtung Poebene von großer Bedeutung. Zuvor waren reguläre alliierte Infanterieverbände mehrmals an diesem Unterfangen gescheitert und der ohnehin schleppende Vormarsch auf der gebirgigen italienischen Halbinsel, einer blutigen Nebenfront des Krieges, drohte zu stocken. Der kühne Gebirgsangriff der neu auf dem italienischen Kriegsschauplatz eingetroffenen 10th Mountain Division trug nun dazu bei, dieses Patt zugunsten der Westalliierten zu beenden. Unter den Soldaten der 10th Mountain Division, die an dieser sowohl militärisch als teilweise auch alpinistisch herausfordernden Operation teilnahmen, befand sich ein gewisser Private First Class Richard L. Norman, 85. Infanterieregiment, 1. Bataillon, Kompanie A, Erkennungsnummer 32862851.410 Obwohl sein 409 Philip A. Lunday/Charles M. Hampton, The Tramway Builders. A Brief History of Company D, 126th Engineer Mountain Battalion, United States Tenth Mountain Division (unpaginiert), in  : http://10thmtndivassoc.org/tramwaybuilders.pdf (letzter Zugriff  : 18.11.2011)  ; Unterstreichungen von mir. Vgl. Peter Shelton, Climb to Conquer. The Untold Story of World War II’s 10th Mountain Division Ski Troops. New York  : 2003, 123 und 175. 410 US Army WW II Enlistment Record of Richard L. Norman, ASN 32862851. NARA, RG 64, in  : aad.archives.gov (letzter Zugriff  : 15.11.2011)  ; »This Is The Army«, in  : Der Aufbau,



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14 Gefallene Soldaten der 10th Mountain Division, Monte Belvedere, Italien, Februar 1945.

Name und seine nüchternen militärischen Identifikationsdaten nichts davon preisgeben, handelte es sich bei Richard Norman nicht nur um einen unter Tausenden von amerikanischen Soldaten, sondern auch um einen öster­reichischen Juden, der vor den Nationalsozialisten nach Amerika geflohen und nun in US-Uniform in seinen Heimatkontinent zurückgekehrt war. Norman, der eigentlich Richard Neumann hieß und aus Wien stammte, stieg mit seiner Kompanie in der Nacht des 19. Februar über eine mit deutschen Minen und Sprengfallen übersäte Gebirgsroute zum Monte Gorgolesco, einem 1.100 Meter hohen Apenninengipfel, auf. In der Nacht zuvor hatten Normans Kameraden des 86. Infanterieregiments auf mehreren Routen  – und teilweise am Seil kletternd  – die steilen Gebirgshänge der Riva Ridge erklommen und mit einem coup de main die dortigen deutschen Stellungen eingenommen. Sein Bataillon, das nun zum Angriff auf die benachbarte Gebirgsformation ansetzte, hatte die Order, sich möglichst lautlos fortzubewegen und auf feindliche Soldaten nicht zu schießen, sondern diese nur im Nahkampf mit gezücktem Bajonett oder mit Handgranaten auszuschalten. Erneut gelang der Überraschungsangriff, doch war die deutsche Gegenwehr auf der mit zahlreichen Wehrmachtsstellungen besetzten Belvedere-Gruppe nach Mitternacht heftig. Am Morgen des 20. Februar kämpfte sich Normans Kompanie unter starkem Mörser- und Artilleriebeschuss an die Spitze des Monte Gorgolesco he16.3.1945, 23  ; John B. Woodruff, History Of The 85th Mountain Infantry Regiment. 4 January 1945–31 May 1945, in  : http://10thmtndivassoc.org/85th/ (letzter Zugriff  : 11.8.2015).

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ran und konnte kurz darauf die Erhöhung einnehmen. Richard Norman wurde bei den Gefechten nahe dem Gipfel schwer verwundet. Tags darauf erlag der junge Mann, der im Nachruf der jüdischen New Yorker Exilzeitung Aufbau als sensibler, strebsamer Idealist charakterisiert wurde, im Feldlazarett seinen Verletzungen.411 Welche historische Bedeutung, welche symbolische und gedächtnispolitische Valenz besitzt die tragische Geschichte des Richard Norman-Neumann  ? Im Gegensatz zu Dutzenden anderen Infanteristen öster­reichischer Abstammung, die an seiner Seite in der 10. US-Gebirgsdivision in Italien kämpften, sollte der jüdische Exilant weder sein Geburts- noch sein Gastland je wiedersehen. Die im eingangs zitierten deutschen Propagandaflugblatt explizit an Normans Regiment gerichtete Drohung »[Ihr werdet] getötet, begraben und vergessen« schien sich in der genannten Reihenfolge zu bewahrheiten  : So wurde der kurze, aber verlustreiche Einsatz der 10th Mountain Division in Italien zwar von einer ganzen Legion amerikanischer Militärhistoriker und Zeitzeugen detailreich dokumentiert (und oft auch heroisiert und patriotisch überhöht), kleine exilöster­reichische Fußsoldaten wie Richard Norman gerieten jedoch schnell in Vergessenheit. Mit ihnen schien auch ihr militärisch und symbolisch bedeutender Beitrag zur Niederringung des Nationalsozialismus begraben und vergessen worden zu sein  : So wie es die NS-Propaganda in ihren Flugblättern behauptete. Gerade in Öster­reich ist vom Schicksal dieses jungen Wieners, der in der kargen Gebirgseinöde des Apennins, nur ein paar Hundert Kilometer von seiner alten Heimat entfernt, im Kampf gegen den Faschismus sein Leben ließ, nichts bekannt. Das folgende Kapitel soll diese Lücke etwas schließen, indem es Schlaglichter auf Soldatenschicksale von emigrierten Öster­reichern in der einzigen amerikanischen Gebirgsdivision im Zweiten Weltkrieg wirft. Neben einigen prominenten Tiroler Skifahrern, die unter großem medialen Interesse ihren Dienst bei der amerikanischen Ski- und Gebirgstruppe leisteten, gab es auch eine Reihe von weniger bekannten Öster­reichern wie Richard Norman-Neumann, deren Kriegsbiografien oft nicht minder dramatisch oder interessant waren. Vor allem ihnen, den lange Zeit Namen- und Gesichtslosen, sind die folgenden, kollektivbiografischen Ausführungen gewidmet. 1.3.1 Die Genese der US-Gebirgsdivision und die Rekrutierung von öster­ reichischen »Mountain Fighters«

Die im Dezember 1941 ursprünglich als separates Gebirgsbataillon gegründete 10th Mountain Division war im Zweiten Weltkrieg der erste und einzige größere 411 »This Is The Army«, 23  ; laut dem Artikel hat Norman-Neumann vor dem Armeedienst auf einen geförderten Studienplatz verzichtet, um als Berufstätiger seine mittellose Auswandererfamilie finanziell unterstützen zu können.



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amerikanische Truppenkörper, der auf Kampfhandlungen in alpinen und klimatisch extremen Zonen spezialisiert war. Wie in vielen anderen Bereichen hinkten die amerikanischen Streitkräfte zu Beginn des Zweiten Weltkriegs auch im Bereich der Gebirgs- und Winterkriegführung den europäischen Armeen hinterher. Konnten etwa italienische Alpini, öster­reichische Verbände oder »ostmärkische« Wehrmachtseinheiten wie die 2. und 3. Gebirgsjägerdivision412 auf eine lange europäische Traditionslinie des Gebirgskampfes zurückgreifen, gab es im Land der Rocky Mountains und der Appalachen bis zur Mitte des 20. Jahrhunderts kein auch nur annäherndes Äquivalent.413 Zu einem Zeitpunkt, als der nationalsozialistische Expansionismus Europa längst mit Krieg überzogen hatte und hoch spezialisierte Gebirgseinheiten an mehreren Kriegsschauplätzen operierten, hatte man in den USA noch völlig andere Sorgen als die Militarisierung von Bergsteigern und Skifahrern  : Die Armee der Vereinigten Staaten, in die man in der Ära des Isolationismus nur wenig investiert hatte, war organisatorisch und personell schlecht aufgestellt, ihre Ausrüstung mutete teils vormodern an. Angesichts dieser Ausgangslage sind die Genese und die Kampfeinsätze der 10th Mountain Division im Zweiten Weltkrieg ein Beleg für die kompromisslose Improvisationsbereitschaft, mit der es eine mit vielen militärischen Strukturproblemen kämpfende Nation vermochte, das Potenzial ihrer heterogenen Gesellschaft innerhalb kurzer Zeit für die Kriegsanstrengungen nutzbar zu machen. Ein Unterfangen, das in der Waffengattung der Gebirgsinfanterie trotz mancher Rückschläge letztlich gelang  : Am Ende des Krieges sollte die eilig aufgestellte US-Gebirgseinheit ihren europäischen Vorbildern in puncto Leistungsfähigkeit und Kampfkraft nahezu ebenbürtig sein.414 Doch bezogen auf die öster­reichische Beteiligung an diesem Kapitel amerikanischer Kriegsgeschichte ist das populäre Narrativ der »Mountain Fighters« nicht nur militärisch von Bedeutung. Wie das vorliegende Kapitel zeigen wird, sind auch Elemente der öster­reichischen Alpinkultur dialektisch eng mit diesem interessanten Aspekt amerikanischer Militär- und Mentalitätsgeschichte verbunden. Unter dem Eindruck des finnisch-russischen Winterkrieges 1939/40, in dem gut ausgebildete und flexible finnische Wintertruppen einer sowjetischen Übermacht in desperater, aber effektiver Manier Widerstand geleistet hatten, ließ sich Generalstabschef George Marshall nach anfänglicher Skepsis415 vom amerikanischen Alpinisten und Skiexperten Charles »Minnie« Dole und Vertretern des 412 Richard Germann, »Austrian Soldiers and Generals in World War II«, in  : Bischof et al., New Perspectives, 29–45, hier 31. 413 A. B. Feuer, »Packs On  !« Memoirs of the 10th Mountain Division. Westport  : 2004, 1. 414 Eine grundlegende Gegenüberstellung des militärischen und personellen Potenzials der deutschen Wehrmacht mit den amerikanischen Landstreitkräften im Zweiten Weltkrieg bietet van Creveld, Kampfkraft. 415 Randy W. Baumgardner, 10th Mountain Division, Bd. 1. Nashville  : 1998, 15.

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American Alpine Club von der prinzipiellen Sinnhaftigkeit einer Gebirgseinheit innerhalb der US-Armee überzeugen. Aus der Analyse weiterer Winter- und Gebirgskämpfe auf dem Balkan und in Russland kam man in Washington zum Schluss, dass auch in einer Ära hoch mechanisierter Armeen der Einsatz einer leicht bewaffneten, vorwiegend mit Maultieren operierenden Alpineinheit notwendig sei. Nach ersten Experimenten mit kleineren Ski Units in einzelnen Infanteriedivisionen gab auch Verteidigungsminister Henry Stimson – in seinem Privatleben selbst ein begeisterter Alpinist416 – das Plazet zur Schaffung einer Gebirgstruppe. Parallel dazu wurde ein Winter Warfare Board, das für das Testen und die Entwicklung winterfester Ausrüstung und Transportmittel zuständig war und bei der Ausbildung Supervisor-Funktionen ausübte, geschaffen. Das erste Bataillon des 87th Mountain Regiment, Herzstück der späteren 10th Mountain Division, wurde im November 1941 in Fort Lewis, im Bundesstaat Washington, aufgestellt. Vonseiten des War Department und des Generalstabs waren weder die genauen militärischen Aufgaben noch das Einsatzgebiet des neuen Gebirgsregiments klar umrissen – man ging anfangs sogar eher von einem defensiven Gebirgskampf gegen die deutschen Invasoren in den Höhenzügen Neuenglands aus.417 Die beunruhigenden militärischen Erfolge und Expansionsbewegungen der Achsenmächte und die geomorphologische Beschaffenheit der USA ließen diese Überlegungen zunächst durchaus plausibel erscheinen. Es galt, neuralgische Stellen im Land zu schützen  : Gebirgskampf ist die Spezialisierung des infanteristischen Kampfes auch in steilem, felsigem, wenig Schutz bietendem Mittel- und Hochgebirgsgelände, meist abseits jeglicher Infrastruktur. Der Kampf im Gebirge ist häufig ein Kampf um Übergänge und Engstellen.418

Doch die Gebirgseinheit war von Anfang an auch eine Winter- und Skitruppe. Neben dem Verteidigungskampf im Gebirge gehörte auch die offensive Winterkriegsführung zu den Aufgaben des neuen Regiments. Das Ziel hieß hierbei Mobilität und Flexibilität, in jedem Gelände und bei jeder Temperatur. Zwar eigneten sich Skier nur bedingt zur Fortbewegung mit schwerem Marschgepäck, doch waren sie für überraschende, schnelle Jägerangriffe im winterlichen Gelände ein ideales Fortbewegungsmittel. 416 Ebd. 417 John Jay, History of the Mountain Training Center. (= Historical Section Army Ground Forces, Study Nr. 24). Fort Knox  : 21985, 22 f. 418 Hans Sahm/Alexander Sollfrank, zitiert in  : Johann Zagajsek, »Gebirgsjäger als Waffengattung  ?«, in  : Truppendienst, Nr. 3/2007, unpaginiert, in  : www.bmlv.gv.at/truppendienst/ausgaben/ artikel.php?id=599, (letzter Zugriff  : 5.12.2011).



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Für die neue Gebirgseinheit, die sich an den Hängen des mächtigen Mount Rainier in Skilaufen (Alpinstil und Langlauf ), Klettertechniken und Höhentraining übte, konnte das von Minnie Dole geleitete und für Anwerbung von Personal zuständige National Ski Patrol System (NSPS) bald Hunderte, meist gut situierte, Skifahrer gewinnen – der in den USA bis Mitte der 30er-Jahre als exotisch geltende Skisport war vornehmlich ein Zeitvertreib einer reichen Ostküstenelite. Gemeinsam mit alpinerfahrenen Infanteristen aus anderen Divisionen sowie ein paar Holzfällern und Trappern bildeten sie das Fundament der Truppe.419 Die am Eintritt ins Gebirgsregiment interessierten Männer hatten anfangs drei verschiedene Empfehlungsschreiben, die ihre alpinistischen Fähigkeiten bestätigten, vorzulegen. Laut einer Direktive von Adjutant General James Ulio mussten die künftigen Gebirgssoldaten 1942 folgende Anforderungen erfüllen  : Candidates must [...] know Alpine technique, and be capable of instructing troops in rock climbing, ice climbing, and snowfield climbing. In general, candidates either must have participated in a major mountain climbing expedition or have been trained under a competent mountaineer. […] mere hiking or climbing on mountain trail is not a sufficient qualification to justify application.420

Als Minnie Dole, Schöpfer und patriarchalische Eminenz der Gebirgstruppe, realisierte, dass es im Land nicht genug Skifahrer gab, um eine ganze Division mit alpinistischer Ausrichtung aufzustellen, begann das NSPS verstärkt »men with broader expertise«, i. e. »mountaineers, loggers, timber cruisers, prospectors, cowboys and rugged outdoormen« anzuwerben.421 Die vom NSPS angeworbenen Freiwilligen, deren Anteil je nach Definition und Schätzung zwischen einem Fünftel422 und der Hälfte423 der späteren 10th Mountain Division ausmachte, waren hoch qualifiziert und motiviert  : Most of the NSPS volunteers, whether they were skiers or not, came in with at least some outdoor experience. They’d supplied the three letters of recommendation. They 419 Neben ostamerikanischen Skifahrern und exileuropäischen Alpinisten setzte sich das Gebirgsbataillon auch aus Soldaten der 3. und 41. Infanteriedivision, der kalifornischen Nationalgarde sowie zivilen Skifahrern aus den Rocky Mountains zusammen. Jay, History, 12  ; vgl. Shelton, Climb to Conquer, 54. 420 McKay Jenkins, The Last Ridge. The Epic Story of America’s First Mountain Soldiers and the Assault on Hitler’s Europe. New York und Toronto  : 2004, 36. 421 Shelton, Climb to Conquer, 54  ; vgl. NSPS Bulletin Nr. 10E7a, 19.11.1943, zitiert in Baumgardner, 10th Mountain, Bd. 1, 53. 422 Jay, History, 58. 423 Shelton, Climb to Conquer, 54  ; Jenkins, Last Ridge, 366.

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were keen and physically fit, and they had an affinity for the mountains, or thought they might. And they generally took to the mountaineering ethos created by the 87th, strenuous work in the high country. These men adored Camp Hale and took to the training with gusto.424

Um jedoch aus den sich bisher im 87. Regiment eingefunden habenden »college boys and ski snobs«425 kampfkräftige Gebirgsjäger zu formen, griff man neben der Expertise des NSPS vor allem auf das Wissen der Europäer zurück. Unter den Tausenden öster­reichischen US-Emigranten, die vor der politischen oder rassischen Verfolgung durch den Nationalsozialismus geflohen waren, befanden sich Hunderte von Skifahrern und Bergsteigern. Diese »small but highly influential wave of talented and experienced Austrian skiers«426 in den Vereinigten Staaten rückte nun zunehmend ins Zentrum der Rekrutierungsbemühungen. Eine Schlüsselrolle nahm hierbei der Tiroler Hannes Schneider ein, der als erster Skischulbesitzer Öster­reichs und Erfinder der breitensporttauglichen Arlberg-Skitechnik (»stark angedrehter Stemmschwung, Parallelschwung, tiefe Hocke«427) gilt. Schneider, der im Ersten Weltkrieg als Ausbilder in einem k. k. Gebirgs­ regiment gedient hatte und danach zum Star in zahlreichen Bergfilmen avancierte, war 1931 noch an der Seite von Leni Riefenstahl in der Sportkomödie Der weiße Rausch – Neue Wunder des Schneeschuhs zu sehen. Im Gegensatz zu Hitlers Lieblingsregisseurin fiel der Tiroler in den Jahren danach nicht nur durch seine Nähe zum Ständestaatregime, sondern auch durch seine konsequent NS-kritische und philosemitische Linie auf. So entließ er unter anderem einen nationalsozialistischen Skilehrer und geizte nicht mit lautstark artikulierten Unmutsbekundungen über die terroristische Natur der Diktatur unter dem Hakenkreuz. Dies und, so eine These, auch Animositäten zwischen dem devoten Katholiken Schneider und der sich hedonistisch gerierenden Nationalsozialistin Riefenstahl führten am 13. März 1938 zu seiner Verhaftung,428 die vom örtlichen SS-Führer 424 Shelton, Climb to Conquer, 54. 425 Jenkins, Last Ridge, 38. 426 Byron Rempel, No Limits  : The Amazing Life Story of Rhona and Rhoda Wurtele, Canada’s Olympian Skiing Pioneers. Montreal  : 2007, 96. 427 Stefan Schomann, »Die einfachste Sache der Welt  : Der Arlberger Ski-Guru Hannes Schneider prägte das Skilaufen wie kein Zweiter«, in  : taz, 28.1.2006 (unpaginiert), in  : www.taz.de (letzter Zugriff  : 13.12.2011). 428 Dazu Friedl Pfeifer  : »I have lways suspected that Leni Riefenstahl was responsible for Hannes’ eventual arrest – the day of the Anschluss. She and Hannes had made films together but though she was the ›movie star,‹ Hannes had stolen the show. […] [After the ›Anschluss‹ in March 1938] I spotted Leni Riefenstahl in the lounge with a group of Nazis and before I could get out, Riefenstahl cornered me. ›Aren’t you happy now that they have put that ›Schweinehund‹ Han-



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in St. Anton angeordnet worden war.429 Mithilfe eines amerikanischen Mentors gelang es Schneider, mit seiner Familie schließlich in die USA auszuwandern und in New Hampshire, wo die öster­reichischen Gäste mit Pomp und Blasmusik empfangen wurden,430 einen Skibetrieb zu gründen.431 Politisch stand der überzeugte Öster­reichpatriot auch in den USA dem konservativen Exil rund um Personen wie Guido Zernatto nahe, wurde in einem Geheimdienstmemorandum aber als »anti-monarchist« eingestuft.432 Einer der ersten öster­reichischen Neuzugänge des 1. Bataillons des 87. Regiments war der 1917 in Wien geborene und 1938 in die USA emigrierte Nicholas Hock.433 Während der Grundausbildung bei der 4. Panzerdivision in Fort Knox, Kentucky, hatte er von einem Militärseelsorger ein Magazin in die Hand gedrückt bekommen, auf dem ein mit Skiern über eine verschneite Felsformation springender US-Soldat in weißer Winteruniform abgebildet war  : für Hock eine Epiphanie. Der junge Wiener Jude, dessen wechselndes Berufsglück als Einwanderer sich in Arbeiten wie Investmentbanker und Skiverkäufer widerspiegelte, war bereits mit vier Jahren auf Skiern unterwegs gewesen. Er meldete sich freiwillig für das neue Gebirgsregiment und wurde nach Fort Lewis transferiert, das unter dem Kommando von Lieutenant Colonel Onslow Rolfe, einem gelernten Kavalleristen und nunmehrigen Artillerieoffizier, stand.434 Fast gleichzeitig mit Hock traf im Dezember 1941 auch der aus Wien stammende Jude Hans ( John) nes in jail after he cheated you all these years  ?‹ It struck me that Riefenstahl felt she had finally settled her quarrels with Hannes.« Pfeifer, Nice Goin’, 45 und 58. 429 Bericht des Gendarmerieoberkommandos St. Anton and das L[andes]G[ericht] Innsbruck, betreffend Verhaftungen am 13. März 1938 in St. Anton, in  : Dokumentationsarchiv des öster­ reichischen Widerstandes (Hg.), Widerstand und Verfolgung in Tirol 1934–1945. Eine Dokumentation. Bd. 2. Wien  : 1984, 397 f. 430 Interview with Herbert Schneider, [ohne genaues Tagesdatum] 2005. The Denver Public Library, 10th Mountain Division Resource Center Collection, Oral-History-Archiv, zur Verfügung gestellt von Dennis Hagen. 431 Pfeifer, Nice Goin’, 45 und 58  ; Jenkins, Last Ridge, 54. 432 Eppel, Exil, Bd. 2, 399 f.  ; OSS/FNB Biographical Memorandum on the Austrian Political Exile in the USA, [Tagesdatum unleserlich] Februar 1945. NARA, RG 226, FNB-INT4AU-710. 433 US Army WW II Enlistment Record of Nicholas Hock, ASN 32100080. NARA, RG 64, in  : aad.archives.gov (letzter Zugriff  : 10.12.2011)  ; Charles J. Sanders, The Boys of Winter. Life and Death in the U.S. Ski Troops During the Second World War. Boulder  : 2005, 59 und 62. Da er schon 1935 aus wirtschaftlichen Gründen nach England und später über Frankreich in die USA ausgewandert war und bereits vor dem amerikanischen Kriegseintritt zur Armee einberufen wurde, stellt Hock im Vergleich zu den meisten anderen öster­reichischen »38ern« in der US-Armee eine zweifache Ausnahme dar. 434 Seth Masia, »Nick Hock  : Ex-10th, Industry Marketer«, in  : Skiing Heritage Journal, Vol. 17, Nr. 4, Dezember 2005, 19 f.  ; Sanders, Boys of Winter, 59.

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Sachs in Fort Lewis ein.435 Wenige Tage zuvor wurde der hawaiianische Militärhafen Pearl Harbor von der japanischen Luftwaffe bombardiert – die Vereinigten Staaten, und mit ihnen die öster­reichischen Mountain Troopers Hock und Sachs, befanden sich im Krieg. Weniger der Spaß am Skifahren als vielmehr die militärischen Pflichten rückten für sie nun in den Mittelpunkt. An die Adresse jener Skifahrer, die das neue Gebirgsbataillon dennoch als eine Art öffentlich subventionierte Ski Lodge betrachteten,436 richtete Kommandeur Rolfe folgende, im Nachhinein als prophetisch zu bezeichnende Aussage  : We are mountain troops, and skiing will only play a small part […].437

Um den von Rolfe angesprochenen militärischen Finalitäten auch in logistischer Hinsicht gerecht zu werden, schuf man eigene, vornehmlich von hemdsärmeligen »mule skinners« aus dem Süden und (Mittel-)Westen der USA geführte, Maultierzüge. Man experimentierte auch mit Schneemobilen, Schlittenhunden und Pferden, doch konnten in exponiertem und steilem Gelände nur die von manchen Skifahrern wenig geliebten Maultiere den Transport von leichten Artilleriehaubitzen bewältigen.438 Im Frühjahr 1942 wurde das 87. Regiment um ein zweites und drittes Bataillon erweitert. Der bekannte amerikanische Skirennfahrer John Woodward – als Captain war er 1941 angeblich der ranghöchste US-Offizier, der den Skisport wirklich beherrschte439 – hatte ab Herbst 1942 als Leiter eines Training-Detachements des Mountain Training Center (MTC, Hauptquartier in Camp Carson, Colorado)440 die Aufgabe, eine Ausbildergruppe von etwa 100 erfahrenen Skifahrern und Alpinisten in Fort Lewis aufzustellen. Nicholas Hock und andere 435 US Army WW II Enlistment Record of John Sachs, ASN 32178937. NARA, RG 64, in  : aad. archives.gov (letzter Zugriff  : 8.12.2011)  ; The Blizzard, Vol. 37, Nr. 1, 2008, 5, in  : www.10thmtndivassoc.org/blizzard37-1.pdf (letzter Zugriff  : 3.10.2011). Um ein Affidavit (Bürgschaftsund Unterstützungserklärung) für seine Einreise in die USA zu bekommen, wendete sich Sachs so lange mit Bittschreiben an amerikanische Bürger, die seinen Familiennamen trugen, bis sich ein New Yorker Zahnarzt bereit erklärte, ihn zu unterstützen. United States Holocaust Memorial Museum, »Hans ( John) Sachs«, in  : www.ushmm.org/wlc/en/idcard.php?Module Id=10006216 (letzter Zugriff  : 19.11.2011). 436 Jenkins, Last Ridge, 44. 437 Jay, History, 16. 438 Schlittenhunde erwiesen sich etwa rasch als »unsuitable for mountain-troop use in high altitudes«. Jay, History, 99. 439 Feuer, »Packs On  !«, 5. 440 Das Mountain Training Center (MTC) war das provisorische Regimentskommando der neuen Gebirgseinheit und gleichzeitig der Sitz der Ausbildungssparte Gebirgskampf innerhalb der Army Ground Forces.



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junge Exilöster­reicher, wie Fritz Kramer, der Sohn eines Wiener Burgschauspielers, wurden hierbei als Instruktoren ausgewält – sie waren auf der Regimentsoder Kompanieebene für den Skiunterricht verantwortlich. Kramer, laut eigener Aussage ein politisch unbeugsamer Kopf, war in Öster­reich früh zum Waisenkind geworden und verfügte 1938 über keinen »Ariernachweis«. Um viel »Wasser zwischen mir und Hitler« zu haben, flüchtete er 21-jährig »mit mehr Glück als Verstand« und nur dem Nötigsten in der Tasche zu Verwandten in die USA, wo er als Tellerwäscher, Anstreicher und Hilfsarbeiter auf einer Hühnerfarm tätig war.441 Als er in Vermont als Skilehrer und Mitglied des NSPS wirkte, bewarb er sich wegen seiner 15-jährigen Erfahrung als Skifahrer und Alpinist erfolgreich für die Gebirgsinfanterie.442 In einem Bewerbungsfragebogen der National Ski Patrol wurden Kramer folgende Fragen gestellt  : QUESTIONNAIRE NATIONAL SKI PATROL SYSTEM Jan 1, 1942 For Individuals Seeking Assignment to Enlist in, Or Transfer To The 87 th Infantry Mountain Regiment. 1. Name  : Fritz L. Kramer 2. Address  : Stowe, Vermont. 3. Age  : 23 4. Married  : no 5. Single  : yes 6. No. of dependents  : none 7. Citizenship Status  : First Paper, (Austrian) 8. Languages spoken & read  : English, German 9. Have you had any previous military experience  ? 10. If so, describe  : »Pre-Military Education« in Austria before Hitler.443 441 Hüter, Vertriebene, 142 f.  ; Kramer behauptete später  : »Ich habe Leute gekannt, die geheult haben, wie der Hitler gekommen ist. Ich war mir bewußt, es gibt nur eine Wahl. Entweder raus und von außen arbeiten, oder in Öster­reich bleiben und im Untergrund arbeiten. Bei letzterem hätte ich maximal zwei Jahre zu überleben. So habe ich mir gesagt, ich kann im Ausland mehr ausrichten, Märtyrer gibt’s genug.« Ebd., 145. 442 Baumgardner, 10th Mountain, Bd. 1, 144  ; derselbe, 10th Mountain Division, Bd. 2. Paducah  : 2003, 133  ; 87th Mountain Infantry Regiment application of Fritz L. Kramer, in  : J. Tappin, War Department General Staff, G-3, Washington, D.C., an C. Dole, 30.12.1941. The Denver Public Library, Western History Collection, WH 1001, Charles Minot Dole Papers. 443 In der Zeit des »austrofaschistischen« Ständestaats gab es vor allem in den »Knabenschulen« »im Rahmen des Turnunterrichtes, an Wandertagen und an Freiluftnachmittagen« einen vormilitärischen Ausbildungsschwerpunkt. Werbeanzeige für das Buch Vormilitärische Jugenderziehung, von Karl Koske, zitiert in  : Die Öster­reichische Schule, Jg. 1936, Heft 3, unpaginierter Reklameteil.

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11. If Subject to Draft  : a) Draft No.: 1240 b) Draft Board No. and address  : Lamoille County No. 1, Hyde Park, Vermont. c) Reception Center to which Inductee will be sent  :   ? d) Likely Induction Date  :   ? e) Do you intend to volunteer before Induction if you can serve with a Mountain Unit  ? yes. 12. 13. 14. Number of years skiing experience  : 15 15. Type of skiing experience  :* a) Cross country  : 2 years, U.S.A. b) Downhill  : 15 [years], Austria & U.S.A. c) Jumping  : – d) Touring  : 15 years, Austria & U.S.A. e) Ski Mountaineering  : 15 years, Austria & U.S.A. f ) Timber Cruising  : 15 years, Austria & U.S.A. 16. No. of years Teaching Experience  : 7 (5 in Austria, 2 in U.S.A.) 17. Technique taught  : Arlberg 18. Are you a certified Instructor  ? yes. 19. Where & when certified  : Pico Peak, Vt., January 1941. (Examiner  : Walter Prager, Sepp Ruschp, Karl Ackerl, Ford Sayre) 20. No. of years Mountaineering Experience  : 4 21. Type of mountaineering experience  : recreational, all types. 22. No. of years teaching experience  : – 23. State any profession related to mountaineering at which you are trained  : Mt. Mansfield Ski Patrol, professional. 24. Reverences [sic  !] attached  : Mt. Mansfield Lift, Inc., Stowe, Vermont. Mt. Mansfield Ski Club Ski Patrol, Montpelier, Vermont *Member Mt. Mansfield Ski Patrol. Fritz Kramer Stowe, Vermont444

Ursprünglich war vorgesehen, nur Männer, die älter als 30 Jahre waren, als Ausbilder in der Gebirgsinfanterie einzusetzen. Bald musste die für das Training der Truppen zuständige G-3-Abteilung der US-Armee jedoch erkennen, dass die 444 National Ski Patrol System Questionnaire for Fritz Kramer 1.1.1942. Denver Library, Western, WH 1001.



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meisten Offiziere im Vergleich zu vielen einfachen Privates wie Hock und Kramer als Berg- und Skisportler völlig unerfahren waren. Mit einer ordentlichen Portion Selbstironie beschreibt der Infanterieoffizier und mittelmäßige Skifahrer Karl Porges, wie er im Winter 1943/44 in Colorado wegen des Mangels an qualifiziertem Offizierspersonal als »öster­reichischer Skiexperte« eingesetzt wurde  : Oddly enough, our best skiers were privates and noncoms445  ; being one of very few officers in the regiment who had skiing experience, I was made an Assistant supervisor of Skiing Instruction (in which capacity I watched, without comment, the classes given by real expert instructors).446

Die später aus dem 87. Regiment hervorgehende 10th Mountain Division, die 1944 die volle Truppenstärke von etwa 14.000 Mann erreichen sollte, wurde von einem überdurchschnittlich gebildeten und sportlichen Soldatentypus dominiert. Von einem Kommentator wurde die Einheit nicht ganz zu Unrecht als »the most elite U.S. Division of the Twentieth Century in terms of intelligence, scores, fitness and training« bezeichnet.447 Im Sommer 1942 traf mit dem 1938 in die USA geflohenen und in Springfield, Massachusetts, lebenden Gebrauchskünstler Peter L. Nassau ein Öster­reicher in Fort Lewis ein, der alle größeren Übungen und Einsätze der Gebirgstruppe errespektive überleben sollte und unter seinen Landsleuten die wohl ereignisreichste Kriegsbiografie vorzuweisen hat. Dass der Grund, der viele Exilöster­ reicher dazu veranlasste, dem neuen Regiment beizutreten, anfangs eher sportlicher, nicht militärischer Natur gewesen sein dürfte, zeigt sich in einem seiner Briefe, den er im Rahmen seiner Bewerbung an die Rekrutierungsbehörden richtete  : Nassau gibt darin an, sich primär für die »U.S. Ski Patrol« beworben zu haben, fast beiläufig erwähnt er am Ende des Schreibens, dass diese »attached to the ›87th Mountain Infantry Regiment‹« sei.448 Nassau, für den sich bald auch der Kriegsheimdienst OSS, der auf der Suche nach geeignetem Personal für »hazardous missions« in Europa war, interessieren sollte,449 diente vom Zeitpunkt des Einrückens bis zum Kriegsende in der Kompanie E des 2. Bataillons des 445 Noncoms = Non Commissioned Officers (Unteroffiziere). 446 Karl Porges, »WW-2 Up Close and Personal. 1941–1946. My Life And Times In The US Army« (Typoskript), 15. Library of Congress, American Folklife Center, Veterans History Project, Karl Porges Collection (AFC/2001/001/50310), Hervorhebung von Porges. 447 Sanders, Boys of Winter, 67 und 102. 448 P. Nassau an S. Hurlbut, National Ski Patrol System, 3.4.1942. Denver Library, Western, WH 1001. 449 OSS Memorandum E. Jolis an T. Wilson, on German-Austrian Project, 6.9.1943, zitiert in  : Eppel, Exil, Bd. 2, 201–205, hier 203.

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15 Peter Nassau (l.) mit Kameraden vor der »Paradise Lodge« am Mount Rainier, 1942.

87. Regiments.450 Mit seiner Einheit nahm er im November 1942 in Kalifornien an einer Truppenübung teil, die in einem ungewohnt mediterran anmutenden Umfeld stattfand  : In der Absicht, die Gebirgssoldaten für einen eventuellen Dschungeleinsatz in der pazifischen Kriegsregion vorzubereiten, trafen zwei Bataillone des 87. Gebirgsregiments in einer Kampfsimulation auf Einheiten der philippinischen Armee.451 Noch während Nassaus Bataillon an den irritierenden »jungle warfare games« im Süden452 teilnahm, wurde der Rest des Regiments nach Camp Hale, einem innerhalb kürzester Zeit errichteten Barackenlager in den unerschlossenen Bergen Colorados, verlegt. Auf einer Seehöhe von knapp 3.000 Metern, umgeben 450 Baumgardner, 10th Mountain, Bd. 1, 156  ; Mitteilung von Dennis Hagen, The Denver Public Library, 10th Mountain Division Resource Center, via E-Mail, 21.9.2011  ; Pay Roll of Company E, 87th Mtn. Inf. from October 1, 1942, to October 31, 1942. The Denver Public Library, 10th Mountain Division Resource Center Collection, TMD 1, 10th Mountain Division Records. Auch Fritz Kramer und der Grazer Otto Korban, der später in Italien schwer verwundet wurde, dienten anfangs an der Seite von Nassau im 87. Regiment. Pay Roll of Company E, 87th Mtn. Inf. from Feb 1, 1942, to Feb 28, 1942, ebd. 451 »The 10th’s Good Times and Bad Times«, in  : Skiing Heritage Journal, Vol. 7, Nr. 2, 1995, 14–17, hier 17. 452 »The 10th’s Good Times«, 17.



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von zahlreichen Gipfeln, Gletschern und Felswänden, fanden die Ausbilder in Hale ideale Trainingsbedingungen für die stetig anwachsende Gebirgseinheit vor. Der über 800 Gebäude zählende Mikrokosmos im Hochtal des Eagle River verfügte über eine gute Infrastruktur und ein reges Kulturleben  ; mit der Camp Hale Ski-Zette (später umbenannt in The Blizzard) erschien auch eine wöchentliche Truppenzeitung. Als einer der öster­reichischen Neuankömmlinge in Camp Hale, nämlich der Tiroler Bergbauernsohn, Sieger des berühmten Kandahar-Rennens und nunmehrige Skilehrer im glamourösen Sun-Valley-Resort, Friedl Pfeifer, bei einem Marsch in der Umgebung des Lagers jene noch unberührten Hänge erblickte, die später den Nukleus der berühmten Skidestination Aspen bilden sollten, wähnte er sich zurück in den heimatlichen Bergen St. Antons.453 1.3.2 Transfer und Adaption eines Mythos  : Öster­reichischer Alpinismus trifft auf amerikanische Pioniermentalität und Militaria-Tradition

Angesichts der illustren, mitunter elitären Soldatenschar, die sich in der Mountain Infantry konzentrierte, erscheint es nicht überraschend, dass patriotisch-diensteifrige Medien die neuen Gebirgsjäger bald als forsche Alpinpioniere und heroische Krieger feierten. Nach eher bescheidenen Anfängen bei der Popularisierung des neuen Regiments und der Mobilisierung geeigneter Rekruten war auch das War Department zusehends bemüht, »the youth of the country at its sources« anzusprechen454 und zum Eintritt in die Gebirgstruppe zu bewegen. So verfehlte etwa der den Alltag im Gebirgsregiment idealisierende Film Mountain Fighters, laut Peter Shelton ein handfester »home-front propaganda movie«,455 der Tausenden potenziellen Rekruten in Schulen, Colleges und Sport- und Naturvereinen vorgeführt wurde, seine Wirkung nicht  : Die Mitarbeiter der National Ski 453 Friedl Pfeifer (1911–1995) wurde in der Skischule von Hannes Schneider ausgebildet und war Mitglied der öster­reichischen Skinationalmannschaft. 1938 verließ er Öster­reich und begann in den USA eine erfolgreiche Karriere als Skitrainer im aufstrebenden Sun-Valley-Resort in Idaho, wo Filmstars und Aristokraten zu seiner Stammkundschaft gehörten. Im Dezember 1941, unmittelbar nach dem Kriegseintritt der USA, wurde er gemeinsam mit seinem Landsmann Joseph Froelich von FBI-Agenten aufgesucht und unter dem Verdacht, NS-Sympathisant und ein »fifth column«-Agent zu sein, verhaftet. Um ihre Loyalität gegenüber dem Gastland zu betonen, entschieden sich Pfeifer und Froelich daraufhin für den Kriegsdienst in der US-Armee. Vgl. Pfeifer, Nice Goin’, 99–115  ; Sanders, Boys of Winter, 73–75  ; Shelton, Climb to Conquer, 33 f. Im Oktober 1943 wird Pfeifer, der anfangs dem dritten Zug der Ausbildungseinheit 10th Cavalry Reconnaissance Troop angehörte, gemeinsam mit Luggi Foeger in einer Kaderliste von Ausbildern der 10. Division genannt. Mountain Training Group Personnel Roster, Camp Hale [Tagesdatum unleserlich] Oktober 1943. Denver Library, 10th, TMD 1. 454 Vgl. Jay, History, 57. 455 Shelton, Climb to Conquer, 50.

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Patrol sahen sich bald mit einer enthusiasmierten Gruppe von jungen Männern konfrontiert, die eine Karriere als Gebirgskämpfer einschlagen wollten. Nicht wenige überehrgeizige Eltern beschwerten sich bei Minnie Dole darüber, dass ihre Söhne anstatt nach Camp Hale zur ordinären Flachlandinfanterie geschickt wurden.456 Der großen Popularität der US-Gebirgsjäger lässt sich freilich weniger mit militärhistorischen als mit kulturwissenschaftlichen Ansätzen auf den Grund gehen. Es war nicht zuletzt die handlungsleitende Kraft eines Mythos, der die jungen Gebirgsinfanteristen in der Imagination der US-Bevölkerung zu bewundernswerten Naturburschen und künftigen Kriegshelden werden ließ. Dass Mythen »quintessenziell amerikanische Phänomene« sind,457 zeigt sich gerade bei der Wahrnehmung der Gebirgstruppe durch die amerikanische Kriegsgesellschaft. Laut Herfried Münkler ist es »das Charakteristikum von Nationalmythen […] [,] dass sie Vergangenheit und Zukunft miteinander verbinden und dabei Hinweise für das Handeln in der Gegenwart geben.«458 Einen wichtigen Referenzrahmen aus dem reichen mythologischen Fundus der US-Geschichte und gleichzeitigen Hinweis für zukünftiges Handeln bildete hierbei das auf den Historiker Frederick J. Turner (1861–1932) zurückgehende Geschichtsnarrativ der »Frontier«  : Turners These besagt, dass die westwärts ziehenden Pioniere und Siedler des 18. und 19. Jahrhunderts, der Jugendzeit Amerikas, mit kämpferischem Selbstbehauptungswillen die rauen Berglandschaften, dichten Wälder und trockenen Prärien des Kontinents erschlossen und an dieser Grenzlinie zwischen »indianischer Wildnis« und Zivilisation (frontier) den demokratisch-egalitären Nationalcharakter der US-Gesellschaft geprägt haben.459 Dieser wegen seiner geodeterministischen, rassistischen und sozialdarwinistischen Implikationen heftig kritisierte und historisch großteils widerlegte, aber gesellschaftlich bis heute äußerst wirkmächtige US-Gründungsmythos wurde nun erfolgreich auf eine moderne Militäreinheit projiziert  : Die neue Gebirgstruppe, die amerikanische Trapper und »rugged outdoorsmen« sowie öster­reichische Bergsteiger und Skifahrer mit son456 Baumgardner, 10th Mountain, Bd. 1, 19. 457 Martin Heusser/Gudrun Grabher, »Introduction«, in  : Martin Heusser/Gudrun Grabher (Hgg.), American Foundational Myths. Tübingen  : 2002, 9–14, hier 12. 458 Herfried Münkler, Die Deutschen und ihre Mythen. Berlin  : 2009, 28. 459 Zum Pioniermythos der Grenze im Westen der USA als angeblich charakterprägendes Merkmal des Homo Americanus siehe grundlegend Frederick Jackson Turner, »The Significance of the Frontier in American History« (1893), in  : John Mack Faragher (Hg.), Rereading Frederick Jackson Turner. New Haven und London  : 1999, 31–60. Eine interessante, wenn auch interpretatorisch gewagte Monografie über die soziokulturellen Zusammenhänge zwischen dem Pionier-Mythos der frontier und dem amerikanischen Umgang mit Kriegen ist John Hellmann, American Myth and the Legacy of Vietnam. New York  : 1986.



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nengegerbten Gesichtern in ihren Reihen hatte, stellte für viele (junge) Amerikaner eine patriotisch überformte Schnittmenge zwischen nostalgischer Naturromantik, europäischem Alpenzauber und forschem Pionier-Individualismus dar. Im kulturellen und pressemedialen Umfeld der 10th Mountain Division war daher ein epochenübergreifendes und transatlantisches Mythen-Amalgam entstanden. Der durch Leute wie Friedl Pfeifer verkörperte öster­reichisch-amerikanische Mythentransfer, der Elemente mitteleuropäischer Alpinkultur in die militärsoziologische Struktur und die zivile Wahrnehmung der US-Gebirgstruppe nachhaltig eingeschrieben hat, nahm mitunter auch groteske Züge an. So übte das auf eine jahrhundertelange Tradition zurückgehende Brauchtum des Alpenraums auf so manchen amerikanischen Journalisten eine derartige Faszination aus, dass ein Autor des Seattle Post-Intelligencer sich angesichts des Kriegseinsatzes der US-Gebirgstruppe im März 1945 zu der Behauptung verstieg, dass sich die »Schussboomers« der 10th Mountain Division »Ski-Hail« (sic  !) schreiend auf ihre deutschen Gegner gestürzt hätten.460 Noch prägender als europäische Kultureinflüsse für die Konstruktion des Gebirgsjäger-Mythos des 20. Jahrhunderts war aber wohl die Zusammenführung historischer Vergangenheit mit moderner Kriegsführung durch die Übernahme der archetypischen Heldenfigur des wehrhaften Frontier-Individualisten. Die Imago des kämpferischen und freiheitsliebenden Amerikaners, der sich in einem lebensfeindlichen, »wilden« Umfeld behauptet, taucht sowohl in der amerikanischen Pioniererzählung des 19. Jahrhunderts als auch in den Narrativen über die 10th Mountain Division auf. Die »Pioniere des ›Wilden Westens‹, die mit Revolvern und Gewehren ihre Alltagsangelegenheiten regelten, gehörten«, so Jürgen Osterhammel, »im 19. Jahrhundert zu den am höchsten bewaffneten Populationen der Erde.«461 Durch die bewundernde und kriegspatriotische Überhöhung des epischen Kampfes (austro)amerikanischer Gebirgskämpfer gegen den deutschen Nationalsozialismus erhielt diese aggressive Westernmentalität neue Impulse. Turner, der Schöpfer bzw. intellektuelle Architekt des Frontier-Mythos, hat in seinem einflussreichen Aufsatz aus dem Jahr 1892 diesen militärischen Konnex zwischen historischer Pionierära und moderner Gebirgstruppe bereits präfiguriert  : In this connection may be mentioned the importance of the frontier, from that day to this, as a military training school, keeping alive the power of resistance to aggression, and developing the rugged qualities of the frontiersman.462 460 Jenkins, Last Ridge, 196. 461 Jürgen Osterhammel, Die Verwandlung der Welt. Eine Geschichte des 19. Jahrhunderts. München  : 2013, 492. 462 Turner, »Significance«, 42. Hervorhebungen von mir.

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Entsprechend Turners Denkschule musste die amerikanische Nation der Bedrohung des deutschen Faschismus mit demselben »rauen Individualismus« entgegentreten, den schon die westwärts ziehenden Pioniere in der Wildnis an den Tag gelegt hatten. Das hochalpine, abgeschiedene und von charismatischen mitteleuropäischen Alpinisten bevölkerte Ausbildungslager Camp Hale im Herz der Rocky Mountains schien vielen Journalisten und Zeitzeugen der perfekte Ort für die Umsetzung dieser zeitlosen Agenda zu sein. Im ikonografischen Inventar der neuen Pioniererzählung der 10th Mountain Division waren die Planwagentrecks der Siedler nun lediglich Zügen von skifahrenden und kletternden Soldaten gewichen und das Indianisch-»Wilde« an der amerikanischen frontier fand seine Entsprechung nun im faschistischen Aggressor an der Kriegsfront in den Bergen Europas. Für dieses auf Exilöster­reicher bezogene Kapitel ist von Bedeutung, dass sowohl in der Ursprungsvariante als auch bei der visuellen Neukodierung dieses Mythos Pioniere mit europäischen Wurzeln (und die Gewehre, welche sie sowohl im »Wilden Westen« als auch im Zweiten Weltkrieg bei sich trugen) eine Konstante darstellten  : zuerst als Pioniere auf Pferden und Planwagen, dann als Pioniere auf Skiern. Der Übersiedlung des Regiments nach Colorado war die (nicht zuletzt vom Ausgang der deutsch-russischen Winterschlacht 1941/42 beeinflusste) Entscheidung des War Department, die Gebirgstruppe auf Divisionsgröße zu erweitern, vorausgegangen. Das National Ski Patrol System unter Dole intensivierte hierfür einmal mehr seine Rekrutierungsmaßnahmen und sollte für die nunmehr als 10th Light Division (Pack, Alpine) bezeichnete Division bis 1944 in kurzer Zeit weitere 3.500 (seit Beginn der Rekrutierungen insgesamt rund 7.000) Männer anwerben.463 Das experimentelle Konzept der Light Division setzte vor allem auf Mobilität im extremen Gelände, das heißt, anstatt mit gängigen 105-mm-Haubitzen war die Division mit leichten 75-mm-Kalibern ausgestattet, die von Maultieren transportiert werden konnten. Die Truppengröße belief sich auf 8.500 anstelle der rund 14.000 Mann einer regulären Division.464 Das Training in Colorado war vielseitig und anstrengend, großer Wert wurde zunehmend auf die Kriegführung im Winter gelegt. Im Jänner 1943 definierte das Mountain Training Center folgende Idealvorgaben zur Winterausbildung aller Infanteristen sowie der Trainings-, Stabs-, Artillerie- und Fernmeldeeinheiten  : Briefly, it consisted of the following  : forty half-day periods of ski instruction, ranging from nomenclature, drill on level snow, uphill technique, cross-country work, and the various downhill phases […], so that »the beginner will be taught all technique of 463 Baumgardner, 10th Mountain, Bd. 1, 52  ; Jenkins, Last Ridge, 366. 464 Baumgardner, 10th Mountain, Bd. 1, 19.



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16 Camp Hale, eine militärische frontier town in der Bergwildnis Colorados.

skis needed to enable him to travel quickly and safely over rugged snow-covered terrain with a military load.« Each of the forty periods was to include a forty-five-minute crosscountry run, during which instruction in this technique was to be emphasized. At the end of each week the students were to be graded and the classes readjusted. Rucksacks weighing 10 pounds were to be worn during the first ten classes, 20 pounds to the next ton classes, 30 pounds to the third ten, and 40 pounds plus the rifle to the last ten classes. […] There was to be a military ski test for all students at the conclusion of the courses. Snowshoe training, consisting of six two-hour periods, was to be given to all troops in the Mountain Training Center.465

Während die individuelle Ausbildung der Soldaten in Camp Hale einen klar alpinistischen Fokus hatte, hielten der Generalstab und die G-3-Sektion der amerikanischen Bodentruppen weiterhin an den flatland tactics fest und gaben keine separaten Direktiven für die Gebirgsinfanterie heraus. Die Armeeführung war weniger an einer Kongregation aus europäischen Bergsteigern, Ski fahrenden Ostküsten-Patriziern und vormodernen Maultierkolonnen, sondern mehr an mechanisierten und mit hoher Feuerkraft ausgestatteten Mainstream-Verbänden 465 Jay, History, 63.

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interessiert466 – die »Ski Troops« wurden daher von Beginn an als Experiment angesehen, nicht mehr.467 Unter den illustren und mitunter einflussreichen Skifahrern und Bergsteigern, die in weiteren vom NSPS getragenen Rekrutierungswellen ab Winter 1942/43 – oft auch aufgrund persönlicher Interventionen von Minnie Dole – in Camp Hale eintrafen, befanden sich neben Friedl Pfeifer auch die Öster­reicher Ernst Engel, Siegfried Engl, Ludwig (»Luggi«) Foeger, Joseph Froelich, Andreas Hennig, Toni Matt, Walter Neuron, Herbert Schneider (der Sohn von Hannes Schneider) und Otto Tschol. Laut Pfeifer handelte es sich hierbei um ausgewiesene Spezialisten »who brought the experience needed to teach 600 instructors, who in turn would teach 9.000 men to ski.«468 Das elitäre Sammelbecken für diese Gruppe, deren Vertreter oft ohne vorherige militärische Grundausbildung direkt nach Colorado geschickt wurden, war die im Oktober 1943 gegründete Mountain Training Group (MTG). Gemeinsam mit ihrem Vorgänger, der 10th Cavalry Reconnaissance Troop (10th RECON), einer ursprünglich berittenen Aufklärungseinheit, war die MTG, die ausnahmslos aus erfahrenen Bergsteigern und Skifahrern wie Pfeifer, Foeger, Froelich, Hock, Hennig, Kramer und Matt bestand, für die Alpinausbildung der Rekruten und das Testen von Material zuständig. Ihren Höchststand erreichte die MTG mit rund 150 Mann. Einer der spektakulärsten Expeditionen der MTG/10th RECON war die im Februar 1944 durchgeführte viertägige »Leadville-Aspen-Traverse« durch die raue Wildnis Colorados.469 Öster­reicher im MTG-Kader wurden auch extern zur Ausbildung von anderen Einheiten der US-Armee herangezogen  : Fritz Kramer unterrichtete Spezialeinheiten in Klettertechniken an der Seneca Rocks Climbing School in West Virginia,470 Luggi Foeger lehrte Kadern der 76. Infanteriedivision in Wisconsin den Skilanglauf, den Einsatz von Schneeschuhen und das Biwakieren bei winterlichen Verhältnissen.471 Die Brüder Werner und Rupert von Trapp aus der berühmten vor dem Nationalsozialismus geflohenen Salzburger Künstlerfamilie gehörten ebenfalls zu den zahlreichen Öster­reichern, die sich freiwillig für die Gebirgsdivision meldeten. Sie können innerhalb der US-Armee auch als eine Art Diskursträger und »Importeure« des öster­reichischen Alpenmythos bezeichnet werden. Neben dem Wiener 466 Van Creveld, Kampfkraft, 63 f. und 194. 467 Jay, History, 42  ; Feuer, »Packs On  !«, 6  ; vgl. Porges, »WW-2 Up Close«, 15. 468 Pfeifer, Nice Goin’, 107. 469 Sanders, Boys of Winter, 98. Laut der Camp Hale Ski-Zette vom 3. März 1944 befand sich etwa Joseph Froelich unter den Teilnehmern dieser Expedition. In  : www.wildsnow.com/articles/trooper_traverse/trooper_trav_roster.html (letzter Zugriff  : 20.11.2011). 470 Baumgardner, 10th Mountain, Bd. 2. 144. 471 C. Dole an L. Foeger, Camp McCoy, Wisconsin, 17.12.1943. Denver Library, Western, WH 1001  ; Jay, History, 112.



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17 Tiroler Skipionier und charismatischer Entrepreneur  : Friedl Pfeifer.

Mathematiker und späteren Second Lieutenant Franz Alt wurde auch der »Befreier auf dem Fahrrad«, Ernst Florian Winter,472 Sohn des Politikers Ernst Karl Winter, in Camp Hale ausgebildet. In einem öster­reichpatriotischen Beitrag im Londoner Zeitspiegel unterstreicht »Altmeister« Hannes Schneider die Rolle der öster­reichischen Skiexperten innerhalb des War Effort und des Kampfes gegen den Nationalsozialismus  : Der Krieg wirkte sich dann auch in meiner Skischule aus. Gleich am Anfang mußten mehrere Lehrer einrücken, und heute sind von meinen 23 Lehrern 19 in der Army, darunter Tony Matt, mein Sohn Herbert Schneider und Otto Tschol. […] Luggi Föher [sic  ! recte  : Foeger] und Friedl Pfeifer […] waren jahrelang bei mir in St. Anton und hatten die obersten Klassen zu unterrichten. […] Ist es nicht ein seltener Zufall, daß fünf meiner Lehrer in ein und derselben Company bei Onkel Sam dienen, und alle fünf stammen aus St. Anton am Arlberg, Tirol, Öster­reich […].473 472 Ernst F. Winter war im Mai 1945 einer der ersten amerikanischen Soldaten, die in Oberöster­ reich die Grenze nach Öster­reich überschritten haben. 473 »Hannes Schneider, der weltberühmte öster­reichische Skimeister – Arlberg und St. Anton in Amerika«, in  : Zeitspiegel, 25.12.1943, zitiert in  : Eppel, Exil, Bd. 2, 57.

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Der Eintritt dieser Alpinspezialisten in die Gebirgsdivision war jedoch nicht selten mit bürokratischen Hürden verbunden  : Obwohl Andreas Hennig, eine unbestrittene Koryphäe im Bergsteigen und Skifahren,474 die »not in sympathy with the developments over there [in Austria]«475 war, seiner schon seit Sommer 1942 projektierten Bewerbung eine imposante Fotostrecke der von ihm erklommenen Gipfel (Großglockner, Mount Rainier etc.) beigelegt hatte, wurde er wegen fehlender »first papers« und seines zu hohen Alters (39 Jahre) abgewiesen. Die gerade für die Alpinausbildung so essenzielle 20-jährige Bergerfahrung Hennigs und die Interventionen bergsportaffiner Offiziere sicherten ihm letztlich die Aufnahme in die Gebirgseinheit und den Marschbefehl nach Camp Hale.476 Trotz der imposanten Liste von europäischen Sportstars (zu denen auch der norwegische Skispringer Torger Tokle gehörte) und aller Mythenbildung rund um die »Mountain Fighters« bestand die neu aufgestellte Division nicht nur aus Bergsteigern, Skifahrern und Outdoor-Experten, sondern auch aus gewöhnlichen GIs. Es fanden sich trotz der Bemühungen Doles und der relativ hohen Popularität der Gebirgsdivision in der Bevölkerung letztlich nicht genügend Freiwillige, um eine ganze Division, bestehend ausschließlich aus Alpinisten und Wintersportlern, aufzustellen.477 Entgegen der ursprünglichen Absicht, nur ausgewiesene Spezialisten aufzunehmen, ermöglichte die US-Armee daher nahezu jedem Soldaten, der die medizinischen Standardtests bei der Musterung bestand und/oder sich als Alpinist ausgab, den Eintritt in die Gebirgstruppe. Nicht zuletzt wurden auch viele normale Infanteristen kurzerhand – und nicht selten gegen ihren Willen – nach Colorado transferiert. Da das Gros der vom National Ski Patrol System direkt angeworbenen oder von anderen Infanteriedivisionen abgezogenen Rekruten letztlich »through regular Army channels« aufgestellt worden war, setzte sich die Gebirgseinheit laut John Jay nur etwa zu einem Fünftel aus spezialisierten Alpinisten zusammen.478 Für diejenigen Soldaten, die sich nicht freiwillig in Colorado aufhielten, entpuppte sich Camp Hale nicht als naturromantischer Ort oder Abenteuerspielplatz, sondern als Dependance der Hölle (»Camp Hell«).479 Sozio474 Hennig war vor dem Krieg ein Kollege Friedl Pfeifers im mondänen Sun-Valley-Resort gewesen. 475 A. Lindley to C. Dole, 23.10.1942. Denver Library, Western, WH 1001. 476 87th Mountain Infantry Regiment application of Andreas Hennig, in  : A. Hennig an C. Dole, 9.5.1943  ; H. Andrae, Headquarters Army Ground Forces, Army War College, Washington, D.C., an S. Hurlbut, 21.7.1943  ; P. Lafferty, US Army West Virginia Maneuver Area, Seneca Falls, an C. Dole, 27.8.1943  ; S. Hurlbut an P. Lafferty, 1.9.1943  ; alle in Denver Library, Western, WH 1001. 477 Baumgardner, 10th Mountain, Bd. 1, 19. 478 Jay, History, 58  ; vgl. Feuer, »Packs On  !«, 5 f., und Sanders, Boys of Winter, 76 f. 479 Shelton, Climb to Conquer, 53 f.



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logisch handelte es sich bei der 10th Mountain Division also um einen durchaus heterogenen Truppenkörper, in dem verschiedene mindsets aufeinanderprallten  : Freiwillige dienten an der Seite von Eingezogenen  ; unmilitärisch agierende und denkende europäische Skistars trafen auf rigide texanische Infanterieoffiziere und raue Maultierzüchter  ; begeisterte Kletterer und Älpler standen physisch oft überforderten Flachland- und Küstenbewohnern gegenüber. In der von John Jay verfassten offiziellen Geschichte des MTC wird auf diese Punkte eingegangen  : [The alpinists and skiers], numerous and imposing as the list would imply, were the exception not the general rule  ; they made up only about 21 percent of the entire outfit. The bulk of the personnel […] were transferred through regular Army channels. Some came without any desire or, qualification on their part – men from the South, from the plains of Kansas and Nebraska, and, in one instance, from Mexico. All these men had to be taught the fundamentals of mountaineering by the experts who had volunteered through the National Ski Patrol System. Many of these neophytes did not measure up to the rugged standards required of the mountain troops and had to be transferred after a short while, the time and effort spent on them being in great measure wasted. Many were found to be unadaptable to the high altitude  ; others disliked the cold and snow and ice. To them, Camp Hale was little better than a concentration camp. Others caught the enthusiasm spread by the volunteers and took to their new life with zest. So it was a curious mixture that made up the Mountain Troops.480

Im teilweisen Widerspruch zu diesen Erkenntnissen und den später tatsächlich auf dem Schlachtfeld erbrachten Leistungen werden die Tiroler Skistars Matt, Pfeifer, Foeger und Schneider jr. in einschlägigen US-amerikanischen Büchern und populärwissenschaftlichen Publikationen nicht nur als verwegene Athleten,481 sondern auch als repräsentative und zentrale Akteure der 10th Mountain Division dargestellt. Die meisten Soldaten der Division waren aber wie erwähnt keine Skistars, sondern kaum mehr als gewöhnliche Infanteristen mit alpiner Zusatzausbildung. Als elitäre Experten hatten die (west)öster­reichischen Skisportler dennoch einen großen Anteil an der Ausbildung einer neuen Spezies von kampfstarken US-Soldaten und zeichneten sich fallweise auch im Kampfeinsatz aus. Doch darf 480 Jay, History, 58. 481 Mit der für amerikanische Militaria-Literatur so typischen spektakularisierenden Sprache bezeichnet Peter Shelton die Arlberg-Ikone Anton Matt etwa als »brash young racer, […] cherubic and barrelchested junior champion at home who immediately seized a place in American skiing history by straight-lining the Inferno, an infamous annual dash down 4,200 vertical feet from the summit of New Hampshire’s wind-whipped Mount Washington.« Shelton, Climb to Conquer, 33.

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man gerade als öster­reichischer Historiker nicht der Versuchung erliegen, den interessanten und anekdotenreichen482 Kriegsdienst dieser prominenten Gruppe von Exilanten in der Gebirgsdisvision über die Maßen hervorzuheben. So sollten etwa Luggi Foeger, zuvor Leiter der Skischule im Yosemite-Nationalpark, und der gefeierte folk hero Toni Matt nie einen Fuß auf das europäische Kampfgebiet setzen. Nach seinem Aufenthalt in Camp Hale verbrachte Matt den Rest des Krieges eher unspektakulär mit einer Ausbildungsgruppe auf den Aleuteninseln. Auch der in den teilweise erratischen Publikationen amerikanischer Autoren und Sportjournalisten483 so stark hervorgehobene Alpinskilauf öster­reichischer Prägung stellte in einer Gebirgs- und Wintereinheit nur einen kleinen Teil der infanteristischen Aufgaben dar und sollte im späteren Kriegseinsatz in Italien keine bedeutende Rolle spielen.484 John Jay, ein nahezu ubiquitärer »former ski film-lecturer«485, der als Public-Relations-Offizier mit der Produktion von Filmen und der Anwerbung von Rekruten betraut486 und danach Leiter der Ausbildungsgruppe in Camp Hale war, weist auf die von den öster­reichischen Skistars gerne übersehenen soldatischen Zwänge hin  : [M]ost of the skiing was to be done with heavy packs, so that the graceful sweeping turns of civilian skiing were out.487

Die vom öster­reichischen Zivilisten und Regisseur Otto Lang mittels Hand­ büchern und Filmen verbreitete und vom Mountain Training Center als Trainingsmethode übernommene Arlberg-Skitechnik erwies sich bei der Fortbewegung mit schwerem Gepäck und Gewehren als umständlich. Nicht zu Unrecht 482 So soll der später in Italien gefallene Ausbildungsoffizier Ralph Bromaghin die »holier-thanthou attitude« von Pfeifer und seinem Landsmann Otto Lang mit einem »exaggerated Austrian accent« gekonnt persifliert haben. Sanders, Boys of Winter, 69. 483 Vor allem Angaben über die Wehrmacht werden in den angesprochenen Werken fehlerhaft wiedergegeben  : So bezeichnet etwa Shelton die 94. deutsche Infanteriedivision als »Panzerdivision«, während Charles Sanders deutsche Wehrmachtsangehörige pauschalisierend als »Nazis« etikettiert. Auch die in den Kriegsmemoiren eines US-Gebirgsjägers fälschlich aufgestellte Behauptung, dass der deutsche Jude Ferdinand Lebrecht ein »Austrian« gewesen sei, wird sowohl von Shelton als auch von Sanders übernommen. Shelton, Climb to Conquer, 132 und 179, und Sanders, Boys of Winter, 132 f. 484 John Fry, »1945  : Despite a Heroic Image, Skis have seldom seen Frontline Action. Just ask the Courageous 10th Mountain Division«, in  : Ski, Vol. 70, Nr. 7, 3/2006, in  : www.skinet.com/skiing/ gear/skis/2002/03/legacy-1945, unpaginiert (letzter Zugriff  : 18.11.2011). 485 Shelton, Climb to Conquer, 51. 486 Laut Shelton gelang es Jay in seinem dritten Film namens Ski Patrol hervorragend, alpinen Ästhetizismus und militärischen Slapstick zu verbinden. Ebd., 53. 487 Jay, History, 16.



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18, 19, 20 Von links  : Sgt. Werner von Trapp, Pvt. Otto Korban, T/4 Maximilian Gross.

kritisierten norwegische Experten488 in diesem Zusammenhang die Fixiertheit der Gebirgsausbildung auf den öster­reichischen Alpinstil, der im Gegensatz zum nordischen Skilanglauf auf gebirgige Regionen und das Abwärtsfahren beschränkt war.489 Gleichwohl waren es gerade die »Arlberger«, die mit ihrer bloßen physischen Präsenz in Camp Hale auch den weniger prominenten Soldaten ein Gefühl der besonderen Exklusivität verliehen, das motivierend wirkte. So schrieb der von der mythischen Aura seiner berühmten öster­reichischen Kameraden sehr beeindruckte junge Bud Winter an seine Eltern  : Dad, passed my [climbing instructor’s] test with the fifth highest mark in the troop. Friedl [Pfeifer] and I had the same mark  : 44 out of possible 5o  ! […] Dad, Toni Matt and Herb Schneider (Hannes Schneider’s son) have just joined our troop. What a ski team  !490

Dieses zwar subjektive, aber durchaus authentische Stimmungsbild (ein großer Teil der Soldaten war in der Tat stolz darauf, Teil einer semielitären Gebirgstruppe zu sein) zeigt, dass die mythisierten Tiroler Bergfexe der »10th« nicht nur aus sportdidaktischer, sondern auch aus militärsoziologischer Perspektive bedeutende Leitfiguren waren. 488 Es dienten Hunderte Norweger erster und zweiter Generation im 99. »Viking«-Bataillon, das im Verbund mit der 10. Division in Camp Hale trainierte. 489 Sanders, Boys of Winter, 61 f.  ; Jenkins, Last Ridge, 54 f. 490 Shelton, Climb to Conquer, 89 f.

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Obwohl die prominenteren Öster­reicher in der US-Gebirgsdivision großteils aus den Alpentälern des Westens kamen, bildeten die »Arlberger« unter ihren Landsleuten in der Division eine Minderheit  : Weniger bekannte – und wegen ihrer Herkunft aus dem flacheren Nordosten des Landes im Widerspruch zum tradierten Bild der Dominanz westöster­reichischer Ski-»Primadonnen« stehende – Rekruten in Camp Hale waren etwa der schon 1933 in die USA eingewanderte Grazer Otto Korban491 sowie die aus Wien stammenden Juden Anthony Bergson-Sonnenberg, Peter Elmer, Hans Ferencz, Heinz Just, Curt Krieser (der als Alpinfotograf viele visuelle Momentaufnahmen vom Leben in der Division hinterlassen hat), die Brüder Felix und Richard Norman, Karl Porges, Ernest Rudinger, Harry Weinsaft, Philipp Winter und Maximilian Gross. Letzterer war nach dem »Anschluss« vor dem Nationalsozialismus geflüchtet und 1939 in die USA eingewandert. Gross arbeitete vier Jahre lang als Lagerverwalter in einer New Yorker Hutfirma und wurde 1942 wie viele andere Öster­reicher als »enemy alien« klassifiziert. Da es ihm deshalb de jure verwehrt war, der Armee beizutreten, wandte er sich nach eigenen Angaben an den Obersten Gerichtshof. Schließlich wurde er im Frühjahr 1943 zum Basic Training zugelassen und später nach Camp Hale transferiert. Nach einer fünfwöchigen alpinistischen Spezialausbildung und anschließendem Infanterietraining hatte Gross eine unspektakuläre, aber bedeutende Aufgabe zu erledigen, die seinen im Zivilberuf erworbenen »technical skills« entsprach  : Er diente als Armorer, i. e. Waffen- und Gerätewart, im 85. Regiment.492 Ein interessanter Mann unter den öster­reichischen Neuzugängen in Camp Hale war auch Rudolf Anzböck, ein sozialistischer Funktionär und Hutmachergehilfe aus Wien. Anzböck, der 1934 vom semifaschistischen Ständestaatregime für die Teilnahme an einem Sabotageanschlag zum Tode verurteilt und später begnadigt worden war, flüchtete 1938 vor den Nationalsozialisten aus Öster­reich. Nach einer mehrjährigen Exil-Odyssee (die aus einem Proletarier und Provinzpolitiker einen polyglotten, international vernetzten Emigranten machte) ließ er sich 1941 in den USA nieder.493 In New York trat Anzböck mit dem National Ski 491 Passenger List S.S. Bremen to New York, Arrival 22 December 1933. NARA, Records of the Immigration and Naturalization Service, Passenger and Crew Lists of Vessels Arriving at New York, New York, 1897–1957, MS T715, MR 5430, L 24 P 83, in  : www.ancestry.com (letzter Zugriff  : 29.11.2011)  ; Pay Roll of Company E, 87th Mtn. Inf. from Feb 1, 1942, to Feb 28, 1943. Denver Library, 10th, TMD1. 492 US Army Separation Qualification Record of Maximilian Gross, ASN, 17.2.1946. NARA, NPRC, Military Personnel File of Maximilian Gross, ASN 32876852  ; Baumgardner, 10th Mountain, Bd. 1, 130. Ein Technician 5th Grade ist ein hierarchisch mit dem amerikanischen Corporal vergleichbarer Dienstrang, den Soldaten mit speziellen Fähigkeiten in Bereichen wie Fremdsprachen oder Medizin bekleideten. 493 R. Anzböck, San Francisco, an J. Buttinger, 10.12.1941. DÖW 18890/1.



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21 Tätigkeitsprofil von Technician 5th Grade Maximilian Gross, 85th Inf. Reg., 10th Mountain Division.

Patrol System in Kontakt und die Militärbehörden wiesen ihn auf seinen Wunsch hin der »Ski- and Mountain Branch of the Army« zu.494 Im Juni 1943 trat er in das neu gegründete (und später aufgelöste) 90. Regiment in Camp Hale ein. Als Anzböck als neuer Rekrut in den Bergen Colorados eintraf, schrieb er seinem Parteifreund Joseph Buttinger sichtlich aufgeregt und erfreut, dass er nun den »richtigen Job« in der Gebirgstruppe gefunden habe.495 Wegen seiner politischen Verbindungen zum linken Untergrund in Europa und seiner Sprachkenntnisse wurde Anzböck 1944 vom Kriegsgeheimdienst OSS abgeworben – zum Zeitpunkt seines Ausscheidens aus der Gebirgstruppe sollte er sich in hervorragender physischer Verfassung befinden.496 494 R. Anzböck an J. Buttinger, 21.3.1942. DÖW 18890/1. 495 Ebd. 496 OSS Message A. Goldberg to Chief Procurement Branch, OSS Requisition Sheet of R. Anzbock, 10.5.1944. OSS Personnel File of Rudolf Anzbock. NARA, RG 226, E 224, B 19  ; vgl. Porges, »WW-2 Up Close«, 15  ; siehe zu Anzböck das Kapitel 2.1 in diesem Band.

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Mit dem 47-jährigen Wiener Journalisten Philipp Winter traf vermutlich Anfang 1943 jener Mann in Camp Hale ein, von dem der zuständige Archivar der Bibliothek in Denver behauptet, dass er unter den Soldaten der 10th Mountain Division »the oldest enlisted man I have come across« ist.497 Der 1897 geborene Winter hatte in Öster­reich Medizin studiert und war im Ersten Weltkrieg als Leutnant im Sanitätskorps der k. k. Armee eingesetzt worden, wo er sogar Feldoperationen durchzuführen hatte. In der Zwischenkriegszeit vor allem als Sportredakteur und -berichterstatter bei der Neuen Freien Presse in Erscheinung getreten,498 wurde Winter wegen seines mosaischen Glaubens von den Nationalsozialisten in ein Konzentrationslager gebracht. Er wurde später freigelassen und reiste in die USA aus. Im Juli 1942 trat er freiwillig in den Kriegsdienst für sein Gastland ein. Laut dem sich regelmäßig in US-patriotischen Loyalitätsbekundungen ergehenden Exilblatt Aufbau war es »sein sehnlichster Wunsch […] an die Front geschickt zu werden«. Obwohl ihn die Armee hierfür anfangs als zu alt eingeschätzt hatte, wurde Winter im Frühjahr 1944 als Sanitäter in die neu gegründete Kompanie B des 10th Medical Battalion aufgenommen  ; nur wenige Monate später stand er als First Sergeant an der Apenninenfront.499 Als sich 1943 die militärische Wende zugunsten der Alliierten längst abzuzeichnen begann, wurden die erfahrensten Bataillone der Gebirgstruppe – unter ihren Soldaten der Wiener Peter Nassau und der Grazer Otto Korban – zu ihrem ersten Kampfeinsatz beordert. Entgegen den Erwartungen war das Ziel weder das rugged terrain Norwegens oder des Balkans noch der südpazifische Raum. Japanische Verbände hatten im Sommer 1942 die Inseln Attu und Kiska, die Teil des US-amerikanischen Aleutenarchipels im Nordpazifik waren, besetzt. Nachdem die für das subarktisch-feuchte Klima und das windig-stürmische Wetter 500 nicht adäquat ausgebildete und ausgestattete 7. Infanteriedivision unter hohen Verlusten auf Attu gelandet war, entsandte der US-Generalstab zur Eroberung von Kiska das hierfür wesentlich besser qualifizierte 87. Gebirgsregiment. Die strategisch ohnehin unbedeutende Anlandung von Gebirgstruppen auf Kiska entpuppte sich jedoch als ein »Intelligence-SNAFU«501 und ein Fiasko für den 497 Mitteilung von Dennis Hagen, Denver Library, via E-Mail, 21.9.2011. 498 Siehe exemplarisch den Fußball-Artikel  : Philipp Winter, »Sindelar und Schall schlagen Ungarn 8  :2 (4  :2)«, in  : Die Neue Freie Presse, 25.4.1932, 8. 499 »Our Boys in the Army«, in  : Der Aufbau, 26.1.1945, 7  ; US Army Enlisted Record and Record of Separation of Philipp Winter, 21.9.1945. NARA, NPRC, Military Personnel File of Philipp Winter, ASN 39915978. 500 Ein amerikanischer Kiska-Veteran schreibt in seinen Memoiren  : »[I]t was impossible to urinate without having the fluid spray back in your face.« Feuer, »Packs On  !«, 23. 501 Karl Porges, fluchend in seinen Memoiren verewigt. Siehe »WW-2 Up Close«, 15.



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22 Brief des Neo-Gebirgsjägers R ­ udolf Anzböck an Joseph Buttinger.

amerikanischen Militärapparat  : Zunächst entging es der Aufklärung der Navy, dass die Japaner die Insel vollständig evakuiert hatten  ; als die US-Gebirgsjäger mit Unterstützung von zwei Artilleriebataillonen am 15. August 1943 auf der Insel landeten, fielen aufgrund des Zusammenwirkens von Nebel, Nervosität und Kampfunerfahrenheit mehrere Soldaten dem »friendly fire« aus den eigenen Reihen zum Opfer. Peter Nassaus Kompanie E war im dichten Nebel auf einen Bergrücken aufgestiegen. Einige seiner Kameraden, die »like lost sheep«502 herumirrten, feuerten im Glauben, selbst unter japanischem Beschuss zu stehen, auf imaginäre Gegner und »optical illusions«.503 Währenddessen ging für die verbliebenen Regimenter in Camp Hale die alpinistische und militärische Ausbildung weiter. Wie der Wiener Karl Porges hoffte das Gros der Soldaten darauf, die mühevoll erworbenen alpinistischen Fähigkeiten bald an der Front einsetzen zu können, doch auch über zwei Jahre nach 502 Robert H. Laugeloh, »The Invasion of Kiska Island in the Aeutians«, in  : Baumgardner, 10th Mountain, Bd. 1, 55. 503 Jenkins, Last Ridge, 92 f.  ; Feuer, »Packs On  !«, 23.

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Gründung der Gebirgseinheit standen weiterhin »nutzlose Übungen« auf dem Programm.504 Als der oberste Schlachtenlenker George Marshall seine einzige größere Gebirgseinheit verschiedenen »Theater Commanders« als Verstärkung anbot, konnten Generäle wie der Stabschef des alliierten Oberkommandos in Europa, Walter Bedell Smith, einer kaum mechanisierten und artilleristisch schwachen Light Division nur wenig abgewinnen.505 Unabhängig von der offenen Frage des künftigen Einsatzortes der Einheit wurde die Intensität des zunehmend auf Winterkriegsführung ausgerichteten Gebirgstrainings erhöht  : Zwischen März und Mai 1944 fand mit den sogenannten D-Series die »most grueling exercise in the history of the American Military« statt. Die mittlerweile rund 12.000 Soldaten der Division wurden dabei in Höhen von bis zu knapp 4.000 Metern bei teilweise arktischen Temperaturen auf ihre Belastbarkeit und Kampfkraft im gebirgigen Terrain überprüft. In diesen Wochen waren die Soldaten der 10th Mountain Division fünf Mal mehr von Krankheitsfällen und Verletzungen betroffen als jede andere US-Division des Zweiten Weltkrieges während der Ausbildungsphase.506 Nicht wenige in der Truppe wollten derartige Strapazen nicht weiter auf sich nehmen und suchten um Versetzung in eine andere Einheit an. Every day men collapsed. The camp hospital often appeared full. Many men were transferred out  ; others asked to leave »Camp Hell,« requesting transfer to the air corps, other outfits, even to regular infantry divisions.507

Der zuvor erwähnte Porges, der First Lieutenant in der Kompanie K des 85. Regiments war, berichtet über die angeblich extremen Bedingungen, die bei derartigen Übungen vorherrschten  : The entire regiment was required to spend two nights a week out-of-doors, for which purpose we marched to the nearest maneuver area and unpacked our sleeping bags, spreading a newspaper on the ground for added insulation. There even was a sort of competition which company could register the lowest temperature on their issued thermograph, for which purpose our rivals, Co[mpany] G, camped on a ridge, registering –60 deg [i. e. –51 Grad Celsius] [sic  !].508 504 Porges, »WW-2 Up Close«, 16. Für Porges gab die schwindende Aussicht auf einen Kampfeinsatz mit der Gebirgsdivision den Ausschlag dafür, sich freiwillig für einen geheimdienstlichen Einsatz beim OSS zu melden. Später stieß er wieder zur regulären Infanterie und erlebte den Krieg in verschiedenen Waffengattungen und Einheiten. 505 Shelton, Climb to Conquer, 107 f.  ; vgl. Wilson, Maneuver, 188–190. 506 Jenkins, Last Ridge, 116  ; vgl Baumgardner, 10th Mountain, Bd. 1, 23. 507 Baumgardner, 10th Mountain, Bd. 1, 23. 508 Porges, »WW-2 Up Close«, 15.



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Armeebeobachter stuften die Leistungen der Soldaten während der D-Series als zufriedenstellend ein, doch trat die Unerfahrenheit amerikanischer Militärs in Bezug auf die alpine Kriegsführung offen zutage  : Obwohl es bei der Übung massive Logistikprobleme – die Frage des Nachschubs war einer der größten Schwachpunkte der kaum motorisierten Light Divisions509 – gab und bei den alpinen Kampfsimulationen wesentlich härtere Bedingungen als im ebenen Gelände vorherrschten, setzten die kompromisslosen Stabsoffiziere (»brass hats«) ihre Soldaten mehrfach gesundheitsgefährdenden Situationen aus. Nach deftigen Beschwerden von Dole, dem »Vater« der Gebirgsdivision, sollte der unbeliebte Divisionskommandeur Brigadier General Lloyd Jones später von Generalstabschef Marshall abgesetzt werden. Die armeeinterne Skepsis gegenüber dem Konzept einer alpinen Light Division, ihrer Abhängigkeit von Maultierzügen und ihrer scheinbar niedrigen Kampfkraft wurde jedoch nicht ausgeräumt, im Gegenteil  : Marshall forcierte schließlich die schrittweise Umwandlung dieser Division in eine rund 14.000 Mann starke »Modified Triangular Division«, in der jedem der drei Regimenter neue »heavy weapons companies« (Mörser, schwere Maschinengewehre) zugewiesen und zusätzliche Artilleriebataillone mit mittelund großkalibrigen Geschützen (105 mm und 155 mm) aufgestellt wurden.510 Zwischen der einstigen Gebirgsdivision und einer regulären Infanteriedivision bestanden nun nur mehr graduelle Unterschiede. Zum Missfallen der vielen Alpinisten in der 10th Light Division wurde die Einheit im Juni 1944 nach Camp Swift, Texas, transferiert, wo bei sengender Hitze mit regulärem Infanterietraining für einen eventuellen Kampfeinsatz in flachem Terrain geprobt wurde. Für die öster­reichischen Mitglieder der Mountain Training Group brachte die zuvor angesprochene Neustrukturierung die Auflösung ihrer Spezialeinheit mit sich. Die elitären MTG-Alpinexperten hatten in der texanischen Ebene keine besondere Funktion mehr und wurden – nicht unbedingt zu ihrer Freude – unter den regulären Rifle Companies aufgeteilt.511 So versetzte man etwa Friedl Pfeifer von der MTG in die Kompanie A, Nick Hock in die Kompanie H des 87. Regiments. In Camp Swift stießen nun auch Hunderte Privates, die ihre Ausbildung nicht direkt im Gebirge erhalten hatten, zur Division. Darunter befand sich etwa der öster­reichische Sozialist jüdischer Ab509 Wilson, Maneuver, 188–190. 510 John Imbrie, Chronology of the 10th Mountain Division in World War II. 6 January 1940–30 November 1945, in  : http://www.10thmtndivassoc.org/chronology.pdf (letzter Zugriff  : 11.8.2015), 11. 511 Shelton, Climb to Conquer, 108. Laut Herbert Schneider verloren die Öster­reicher hierbei ihre Unteroffiziersgrade wie Technician 4 oder 5 und wurden de facto wieder zu einfachen Corporals [sic  ! Schneider war Private First Class] degradiert. Vgl. Denver Library, Interview H. Schneider, 2005.

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stammung Edmond Kovacs, ein ehemaliger Schwimmsportler, der 1939 in die USA geflüchtet war und im Juni 1944 in Fort Dix, New Jersey, den Armeedienst angetreten hatte. Kovacs hatte nur ein allgemeines Training durchlaufen, bevor er mit den Gebirgsjägern zum Kampfeinsatz nach Europa beordert wurde.512 Als im Herbst desselben Jahres so mancher Soldat daran zweifelte, jemals operativ eingesetzt zu werden, und die Truppenmoral im Sinken war, kam schließlich der lang erwartete Marschbefehl  : Das Ziel der nunmehr definitiv in 10th Mountain Division umbenannten Einheit war Italien, genauer gesagt der norditalienische Apennin. Die Soldaten wussten zu diesem Zeitpunkt weder über ihren zukünftigen Dienstort Bescheid noch, dass sie ihren späten Fronteinsatz vor allem dem überbordenden Ehrgeiz eines einzelnen Mannes zu verdanken hatten. Es war General Mark Clark, der dem verlustreichen und langsamen Vormarsch der 15. Armeegruppe und der ihr zugehörigen 5. US-Armee auf der Apenninenhalbinsel durch den Einsatz einer frischen, auf gebirgiges Gelände spezialisierten Truppe eine neue Wendung geben wollte. Aus militärstrategischer Sicht war nach der erfolgreichen Invasion in der Normandie die Überwindung der statischen Winterlinie in Norditalien unbedeutend geworden, doch befürchteten amerikanische Geheimdienstanalysten und Kriegsplaner, dass sich die geschlagenen Nationalsozialisten in eine angebliche Alpenfestung in Westöster­reich zurückziehen und dort noch monatelang Widerstand leisten würden.513 Als Speerspitze einer neuen Offensive der 5. Armee sollte die 10th Mountain Division daher bis ins Herz dieser »Alpine Redoubt« vorstoßen. Doch der Weg dorthin war kein leichter  : Dem deutschen Oberbefehlshaber des Abschnitts Südwest, Generalfeldmarschall Albert Kesselring, gelang es unter Ausnützung der gebirgigen Landschaft Italiens, einen hinhaltenden Abwehrkampf gegen die Alliierten zu führen. Mit einem entscheidenden Vorstoß gegen die letzten Apenninenstellungen der Wehrmacht wollte Clark in die Poebene vordringen und vor der Roten Armee, die bereits im Osten von Wien stand, über den Brennerpass in die vermeintliche Alpenfestung 512 Kovacs wurde dem 10th Mountain Antitank Battalion (bestehend aus dem 727th Anti-Aircraft Artillery MG Battalion und der 576th Antitank Battery), das an der italienischen Front als gewöhnliche Infanterieeinheit eingesetzt werden sollte, zugeteilt. US Army WW II Enlistment Record of Edmond A. Kovacs, ASN 42145993. NARA, RG 64, in  : aad.archives.gov (letzter Zugriff  : 23.11.2012)  ; Mitteilung von Dennis Hagen, Denver Library, via E-Mail, 28.11.2011. 513 Zum (widerlegten) Mythos der »Alpine Redoubt« siehe Mario Muigg, »›Die Alpenfestung‹. Mythos oder Realität  ?«, in  : Journal for Intelligence, Propaganda and Security Studies ( JIPSS), Vol. 1, Nr. 2/2007, 97–113 sowie Timothy Naftali, »Creating the Myth of the Alpenfestung  : Allied Intelligence and the Collapse of the Nazi Police State«, in  : Günther Bischof/Anton Pelinka (Hgg.), Austrian Historical Memory & National Identity (= Contemporary Austrian Studies, Bd. 5). New Brunswick  : 1997, 203–246.



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23 Kletterinstruktor Fritz Kramer bei der Überfahrt nach Italien an Bord der USAT Meigs, Jänner 1945.

einziehen. Waren die Alpen für den umstrittenen Chef der 15. Armeegruppe514 ein militärisches Ziel und Prestigeobjekt, so hatten sie vor allem für die westöster­reichischen Emigranten in der 10. Gebirgsdivision einen hohen symbolischen Wert  : Für den jungen Skiathleten Herbert Schneider etwa, dessen Vater von den Nationalsozialisten an der Ausübung seines Skilehrerberufs gehindert worden war und dessen persönliches Exilitinerar in den Bergen Tirols begonnen und ihn über die Rocky Mountains in den Apennin geführt hatte, besaß dieser mächtige Gebirgszug wohl auch eine existenzphilosophische Dimension.

514 John Keegan behauptet, dass Mark Clark »so egozentrisch war wie vielleicht kein anderer alliierter General im Zweiten Weltkrieg. […] Überzeugt von seiner Bedeutung als General«, so der britische Militärhistoriker, »trieb er seine Untergebenen unerbittlich an. Seine Unzufriedenheit mit der britischen Taktik vergiftete die Beziehungen zwischen den Stäben der 5. der und 8. Armee […].« Keegan, Weltkrieg, 525 und 538 f.

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1.3.3 »He who holds the ridges is master of all below«515 – Spektakulärer Kriegseinsatz in den Bergen Norditaliens

Die nunmehr von Brigadier General George P. Hays, einem hochdekorierten und bei den Soldaten beliebten Artillerieoffizier, kommandierte Division setzte ab Dezember 1944 in zwei Etappen nach Neapel516 über und traf im Jänner 1945 an der Apenninenfront südwestlich von Bologna ein. Während der Divisionsstab Angriffspläne für die Offensive gegen die deutschen Gebirgsstellungen auf der schneebedeckten Belvedere-Kette ausarbeitete, wurden erste Aufklärungstrupps und Patrouillen an die Frontlinie ausgesandt  ; bei ihren nächtlichen Erkundungen bewegten sich Letztere teilweise auch mit Skiern fort. Als der öster­reichische Private First Class der Company F des 86. Regiments, Peter Elmer, als Angehöriger einer solchen »combat reconnaissance patrol« in der Nähe des toskanischen Cutigliano »in tiefster Nacht […] per Ski über den ersten Apenninkamm stieg,« hatte er laut einem Journalisten des Spiegel »soviel Angst gehabt wie noch nie zuvor in seinem Leben«.517 Elmer hatte Glück. Anders als etwa eine Aufklärungsgruppe des 87. Regiments, die bei Pianello ein heftiges Nahkampfgefecht erlebte, bei dem ein Mann durch Maschinengewehrfeuer verwundet wurde,518 verliefen seine Patrouillengänge offenbar ohne größere Zwischenfälle.519 515 Feuer, »Packs On  !«, 3. 516 In der bombenzerstörten Hafenstadt Neapel erlitten so manche GIs einen veritablen Kulturschock, als sie mit Heerscharen von Schwarzmarkthändlern und ausgehungerten, sich teilweise sogar prostituierenden Kindern und Jugendlichen konfrontiert waren. So schreibt etwa Norman Lewis in seinem scharfsichtigen zeitgenössischen Bericht in Bezug auf den 18. April 1944  : »The black market [in Naples] flourishes as never before. According to the Psychological Warfare Bureaus’s bulletin sixty-five per cent of the per capita income of Neapolitans derives from transactions in stolen Allied supplies, and one-third of all supplies and equipment imported continued to disappear in the black market.« Norman Lewis, Naples ’44. A World War II Diary of Occupied Italy. New York  : 2005, 109. 517 Sebastian Moll, »Skiweltmeister gegen Hitler«, in  : Spiegel Online, 3.4.2009 (unpaginiert), in   : http://www.spiegel.de/einestages/zweiter-weltkrieg-a-949768.html (letzter Zugriff  : 2.12.2011)  ; für einen Operative Report über einen der Patrouillengänge der 86th Mountain Infantry/Company F im Januar 1945 siehe Charles Wellborn, History of the 86th Mountain Infantry in Italy. 10 December 1944–30 June 1945, 5 f., in  : http://10thmtndivassoc.org/86th/ (letzter Zugriff  : 11.8.2015). 518 Jenkins, Last Ridge, 150. 519 Aufzeichnungen solcher Aufklärungs- und Patrouillengänge finden sich im Operations Journal des Hauptquartiers der 10th Mountain Division  : Siehe exemplarisch den »Route Reconnaissance Report« vom 8. Februar 1945, in dem mehrere Feindbeobachtungen in der Nähe von Cutigliano dokumentiert sind  : WWII Operations Reports, 10th Mountain Division, Operations Journal 10th Mountain Division, U.S. Army, for period 0000A to 2400A, 8.2.1945, 1–12, hier 1 und 4. NARA, RG 407, E 427, B 6520.



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Laut Randy Baumgardner war Elmer, der wegen Tapferkeit im Kampf mit einem Bronze Star ausgezeichnet wurde520 und auch als Übersetzer und Kriegsgefangenenbefrager tätig war, der ideale Scout. Ob seiner Farbenblindheit konnte er camouflierte Objekte wie Feinduniformen leichter im Gelände ausmachen als seine Kameraden.521 Es entbehrt letztlich nicht einer gewissen Ironie, dass trotz der scheinbaren Dominanz der katholischen und athletischen Arlberger und »famed skiers« innerhalb der Gebirgsdivision der aus Wien stammende, farbenblinde Jude Elmer neben Herbert Schneider522 möglicherweise der einzige Öster­reicher innerhalb der »Ski Troops« war, der bei Fronteinsätzen im Kampfgebiet auf Skiern unterwegs war.523 Sein Landsmann Friedl Pfeifer erinnert sich, dass auch in seinem Regiment keine nennenswerten Einsätze auf Skiern ausgeführt wurden  : After months of training, the 87th had fought their part of the war on foot, with only select few performing maneuvers on skis.524

Nach wochenlangen Vorbereitungen gab General Lucian Truscott, der nunmehrige Kommandeur der 5. US-Armee, der 10th Mountain Division den Befehl zum alleinigen Angriff auf die Riva Ridge und den Belvedere-Gebirgszug. Divisionskommandeur Hays erkannte hierbei als Artillerist den taktischen Vorteil der Deutschen, die auf gleich zwei Bergkämmen Geschützstellungen und Beobachtungspunkte hatten,525 und stufte den Angriff auf die Gipfel der Serrasic520 GO 114 HQ 10th Mt Div, Award of Bronze Star for Peter Elmer, ASN 32977049, 21.6.1945. Denver Library, 10th, TMD 1. 521 Baumgardner, 10th Mountain, Bd. 1, 122. Neuere wissenschaftliche Versuchsreihen mit farbenblinden, i. e. an Dichromasie leidenden, Menschen zeigen, dass Letztere Formen und Objekte, die vor einem farblich ähnlichem Hintergrund platziert sind, teilweise besser erkennen als nicht farbenblinde Seher. 522 Baumgardner, 10th Mountain, Bd. 2, 146. 523 »Most patrols hiked on foot through the crusty thin snow – probing, listing, cutting the enemy’s communications wire wherever they came across it, hoping to bring back a prisoner or two for questioning. Where deeper snow and more distant objectives required it, patrols went out on skis. But these were rare.« Shelton, Climb to Conquer, 125  ; vgl. Fry, »1945« (unpaginiert). Auch in seinem Austrittsdokument der US-Armee wird bestätigt, dass Elmer als »skier rifleman« eingesetzt wurde. Siehe US Army WW2 Separation Qualification Record of Peter G. Elmer, ASN 32977049, 26.1946. NARA, NPRC, Military Personnel File of Peter G. Elmer, ASN 32977049. 524 Pfeifer, Nice Goin’, 122. 525 Luzide und kulturgeschichtlich versiert beschreibt Keegan die – vor allem artilleristischen – Vorteile, welche die topografische Beschaffenheit der italienischen Halbinsel den deutschen Verteidigern bot  : »Die Maler, welche die europäischen Sammler mit ihren Gemälden begeisterten, hätten eigentlich jedem klarsichtigen General vor Augen führen können, wie schwierig

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cia-Riva-Ridge-Gruppe als prioritär ein. Wären die Deutschen und ihre Beobachtungsposten, die das defensive Artilleriefeuer (bei den GIs waren vor allem die deutschen »88er«-Haubitzen gefürchtet) koordinierten, erst einmal von diesem Bergkamm vertrieben, dann wäre auch der Angriff auf den benachbarten Monte Belvedere erfolgversprechend und der Zugang zur Bundestraße 64, einem geostrategisch wichtigen Einfallskorridor nach Norden, aufgebrochen. Die US-Gebirgsjäger, die sich jahrelang auf diesen Moment vorbereitet hatten und physisch in hervorragender Verfassung waren, sahen sich hierbei mit logistischen Problemen konfrontiert  : So mussten die Soldaten auf ihre in den USA zurückgebliebene, in unzähligen Übungen und Versuchsreihen erprobte, Winterkleidung verzichten. Auch die mit viel Aufwand über Jahre hinweg trainierten Maultiere der Division wurden letztlich nicht eingesetzt und durch italienische Tiere, denen die Partisanen und Alpini aus Gründen der Geräuschtarnung meist die Stimmbänder entfernt hatten, ausgetauscht.526 Am 18. Februar um 23 Uhr starteten rund 800 Soldaten des 86. Regiments den Überaschungsangriff auf die Riva-Ridge-Serrasiccia-Gruppe, der über fünf alpine Aufstiegsrouten, die zuvor in nächtlichen Expeditionen ausgekundschaftet worden waren, erfolgte. Tags darauf attackierten das 85. und das 87. Regiment den Belvedere-Torraccia-Gebirgszug. Peter Elmers Kompanie F stieg auf der östlichsten Route zu den Riva-Ridge-Gipfeln Le Piagge und Cingio del Bure auf. »Der Überraschungsangriff war das Leichteste«, resümiert Elmer, dessen Trupp am Morgen des 19. Februar nahezu unbehelligt sein Ziel erreicht hatte.527 Nicht zuletzt wegen des dichten Nebels wurden die sich mühsam die Bergwände hoch arbeitenden Angreifer (zwei Routen erforderten auch technisches Klettern im Fels) davor bewahrt, als »ducks in a shooting gallery« zu enden.528 In der offiziellen Geschichte der Division, die vom Unteroffizier Theodore Lockwood verfasst wurde, steht hierzu in der zu Übertreibungen neigenden und politisch nicht im-

in den abgebildeten Landschaften der Vormarsch einer Armee sein müsste, vor allem einer modernen Armee, die durch Artillerie, Rad- und Kettenfahrzeuge behindert wird. Salvator Rosas wilde Berglandschaften und Schlachtenbilder sprechen für sich. Auch in Claude Lorrains täuschend heiteren Ansichten von sanften Ebenen und blauen Fernen verbirgt sich die Gefahr. Meist wurden sie von beherrschenden Punkten aus gemalt, die ein Artillerieoffizier sofort zu seinem Beobachtungsposten auserkoren hätte, und zeigen auf den ersten Blick, wie leicht und nachhaltig das Gelände von einem Verteidiger in Italien beherrscht werden kann und welche Fülle von Hindernissen – Strömen, Seen, frei stehenden Hügeln, Bergausläufern und schroffen Engpässen – die Landschaft bietet.« Keegan, Weltkrieg, 537. 526 John Fitzgerald, zitiert in  : Feuer, »Packs On  !«, 96. 527 Moll, »Skiweltmeister« (unpaginiert)  ; Wellborn, 86th Mountain Infantry, 9–13. 528 Shelton, Climb to Conquer, 133.



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24 Angriffsrouten der 10th Mountain Division auf die Riva Ridge (links) und den Monte Belvedere.

mer völlig korrekten Diktion eines »embedded historian«529 über den Angriff und die überraschten »Krauts« zu lesen  : On the night of the 18th we moved out along the darkening trails of the Serrasiccia-Campiano Ridge. Expert rock climbers tightened their rifle slings, coiled nylon ropes over their shoulders, and started picking their way up the treacherous rock faces. There were both mud and ice. In one case, the lead men had to fix ropes for the company to follow. Heavy packs and loads of ammunition made it hard and tiring. The haze which hung over much of the ridge was valuable to the attackers. We began tossing grenades in ridge-top positions by 0530 on the 19th. The Krauts were surprised  ; these ridges were supposedly impregnable.530

Nach Tagesanbruch gerieten die Angreifer jedoch unter heftigen Mörser- und Maschinengewehrbeschuss und wurden in verlustreiche Stellungsgefechte ver529 Vor allem im zweiten Irakkrieg der USA im Jahr 2003 forcierte die Bush-Administration aus propagandistischen Motiven heraus die bereits seit Jahrzehnten erprobte Einbindung von handverlesenen Journalisten in die US-Militäroperationen. Diese »embedded journalists« zogen an der Seite von Kampfeinheiten in den Krieg und produzierten in der Regel unkritische und patriotische Kriegsnachrichten, die mit der Linie der Regierung übereinstimmten. 530 Lockwood, Mountaineers, 13.

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wickelt. Tags darauf erfolgte nach einem ähnlichen Muster der nächste Angriff auf die gegenüberliegende Belvedere-Gorgolesco-Gruppe. Der Öster­reicher Ernest Rudinger, der im Gegensatz zum eingangs erwähnten gefallenen Wiener Juden Richard Norman-Neumann als »radio operator and code clerk« des Hauptquartiers des 3. Bataillons des 85. Regiments 531 in dieser zweiten Angriffswelle von der harten Infanteriearbeit an vorderster Front verschont geblieben war, berichtet  : My most memorable combat experience was the night attack on Mount Belvedere, February 19, 1945. The rifle companies had to do the dirty work with hand grenades and bayonets. Battalion HQ, moving right behind the rifle companies, was clobbered by German artillery. Shortly after dawn we reached the summit and settled in the cave/ bunker complex of the German Headquarters, dug in and waited for counter attacks. They were weak and far between. The Germans hadn’t expected such a massive and murderous attack and such a total collapse of their celebrated »Gotenlinie« […].532

Rudinger war später Teil der sogenannten Task Force Darby, die am Gardasee operierte, und wurde im Zuge der Waffenstillstandsverhandlungen als Übersetzer und Verhörsoldat eingesetzt.533 Nach der Eroberung der Riva Ridge und des Monte Belvedere folgte ein tagelang anhaltender Kampf mit Verbänden der deutschen Heeresgruppe C, wie der 232. Infanterie- und der 114. Jägerdivision, bei dem rund 1.000 Amerikaner verwundet wurden und über 200 ihr Leben verloren. Dennoch war der Sturm auf die deutschen Gebirgsstellungen ein spektakulärer Erfolg – auch dank der bemerkenswerten Leistungen des 126th Mountain Engineer Battalion, der Pioniereinheit der Division, die innerhalb kürzester Zeit eine Seilbahn auf den Monte Capel del Buso baute und so die Versorgung der Kompanien auf der umkämpften Riva Ridge sicherstellte. Das jahrelange Training in den Rocky Mountains hatte sich gelohnt  : Die auf den beiden Bergkämmen stationierten Wehrmachtseinheiten wurden vom unkonventionellen Jägerangriff, der in der zweiten Phase von massiven Luftschlägen durch P-47-Jagdbomber unterstützt wurde, völlig überrascht. So soll ein kriegsgefangener deutscher Offizier nach dem Angriff zu den Amerikanern gesagt haben  : We didn’t believe that your men could climb anything that awkward.534 531 Baumgardner, 10th Mountain, Bd. 2, 145. 532 Ernest Rudinger, »My Memorable Experiences«, zitiert in ebd., 84. 533 Baumgardner, 10th Mountain, Bd. 2, 145. 534 Baumgardner, 10th Mountain, Bd. 1, 30.



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25 Pionierzeit  ? Zweiter Weltkrieg  ? Oder beides  ? Der raue Gebirgskampf in Europa als Projektionsfläche für »rugged individualism« und uramerikanische Mythen  : »Somewhere Along the Route«.

Dies zeigt sich auch im Kriegstagebuch des Oberkommandos der Wehrmacht, wo im Lagebuch für den 20. Februar erstmals von einer unerwarteten US-Offensive zu lesen ist.535 In einem amerikanischen Zeitungsartikel des Journalisten Sid Feder über Einsatz der 10th Mountain Division in Italien, der die kriegspatriotische Stimmung an der »home front« anheizen sollte, wird das mythische Bild der »famed skiers« und austroamerikanischen Bergfexe strapaziert  : Famed Skiers Among Captors of Italian Peak and Ridge By Sid Feder WITH 10TH MOUNTAIN INFANTRY DIVISION IN ITALY, Feb, 21 (Delayed). – This division participating in the Apennine mountains offensive is an outfit so completely mountainized that even the Red Cross doughnut girl is a former professional ski instructor. The division of mountain climbers and skiers under command of Maj. Gen. George P. Hays proved its ability to conquer rugged terrain three nights ago when a battalion scaled the five-mile-long 3500 foot ridge. 535 »Südwesten […] An der Front Ruhe bis auf einen überraschenden Vorstoß gegen die 232. (bodenständige) Inf.-Div. im ruhigen Abschnitt des Gebirges. […] [21.2.1945  :] Wiederum örtliche Angriffe bei der 232. (bo.) Inf.-Div., wobei der Monte Belvedere verlorenging. […] [22.2.1945  :] Fortgänge der Kämpfe bei Monte Belvedere.« Percy Ernst Schramm (Hg.), Kriegstagebuch des Oberkommandos der Wehrmacht (Wehrmachtführungsstab) 1940–1945. Geführt von Helmuth Greiner und Percy Ernst Schramm. Band 4/2, Januar 1944–22. Mai 1945. Zusammengestellt und erläutert von Percy Ernst Schramm. Bonn  : 1982, 1111 und 1115.

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The battalion, commanded by Lt. Col. Henry Hampton of Oakland, Cal., used fixed ropes and other specialized cliff-climbing gear to scale the virtually sheer ridge in an all-night maneuver. Disclosure that the division was in Italy came in the outfit’s first divisional assault through some of the toughest enemy defenses on the Italian front. The mountaineers followed up their initial success by taking 3700-foot Monte Belvedere yesterday. Units commanded by Lt. Cols. Warren Shelor of Raleigh, N. C., and Ross Wilson of Kalispell, Mont., hit Belvedere from two sides shortly after midnight and were in control of the peak within four hours. Continuing its attack, the division gained more than a mile of additional ground on a four-mile front. The division had trained two years for just such an operation. It was trained on 10,000-foot mountains around Camp Hale in the Colorado Rockies. Some 60 per cent of the division’s personnel are college graduates. The original enlisted personnel volunteered but none was accepted until he presented three letters of recommendation from mountain climbing or skiing clubs. Line units of the division’s three regiments include such experts as Sgt. Torger Tokle, the Babe Ruth of ski jumpers  ; T/5 Devereaux Jennings, Salt Lake City  ; Sgt. Steve Knowlton, University of New Hampshire star who took part in the rigde attack  : Cpl. Friedl Pfeifer, an ace in slalom and downhill racing and chief instructor at Sun Valley, Idaho, before the war. Other prewar winter sports stars include T/Sgt. Walter Prager, coach of some championship Dartmouth teams and one of only two men to win the Arlberg Kandahar competition in Austria twice  ; Pvt. Fritz Kramer, the Mount Mansfield instructor from Seattle  ; […] Sgt. Paul Petzoldt, who climbed 26,000 feet in the Himalayas – higher than any other American mountain climber.536

Die mit Unterstützung italienischer Partisanen erfolgte Gebirgsoffensive überrumpelte die deutschen Verteidiger derart, dass Hunderte von ihnen in Gefangenschaft gerieten. Bei Befragungen von Wehrmachtsangehörigen setzte die US-Armee überall im »European Theater of Operations« intellektuell und sprachlich begabte Öster­reicher ein, die zuvor meist im Military Intelligence Training Center in Camp Ritchie, Maryland, zu Verhöroffizieren des Militärnachrichtendienstes G-2/MIS ausgebildet worden waren.537 Allein am 20. Februar kam einer dieser öster­reichstämmigen Interrogators, der Staff Sergeant Leo A. Handel, am Fuße des Monte Belvedere mit über 100 deutschen Gefangenen in Berührung. 536 Abgedruckt in  : Pfeifer, Nice Goin’, 124. Hervorhebung von mir. 537 Zu Exilöster­reichern, die in Camp Ritchie als Intelligence- und Verhörexperten ausgebildet worden sind, siehe Kapitel 1.2 in diesem Band und grundlegend Bauer/Göpfert, Ritchie Boys sowie Stern, »Service«.



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Handel wurde 1914 in Wien geboren, war jüdischer Herkunft und in einem bildungsbürgerlichen, internationalen Milieu aufgewachsen. Nach seiner 1938 erfolgten Emigration war er in den USA erfolgreich im Bereich der Marktforschung und in der Unterhaltungsindustrie tätig. Wenige Tage vor seinem Eintritt in die Armee erhielt er die US-Staatsbürgerschaft.538 In Camp Ritchie zum Verhörexperten ausgebildet,539 wurde er als Unteroffizier einer separaten Intelligence-Einheit dem 87. Regiment der 10. Gebirgsdivision zugeteilt. Streng genommen gehörte Handel also nicht zur 10th Mountain Division, sondern zur 2680th Headquarters & Headquarters Company/Interrogation of POW [IPW], einer nachrichtendienstlichen Abteilung der 5. US-Armee, welche für die Apenninenoffensive zur Gebirgsdivision detachiert wurde. Bei den Gefangenenverhören unterzog der psychologisch geschulte Handel die teils noch unter Schock stehenden Wehrmachtssoldaten intensiven taktischen Verhören  : During the day, 115 prisoners of war moved through our cage. These prisoners, talking freely, revealed the enemy’s side of the story to S/Sgt. Leo A. Handel of the Interrogators of Prisoners of War Team. The first prisoners, shaking with cold and shock, […] had no idea what had hit them – so swiftly had the battle swept over them.540

Handel und seine Kameraden vom IPW-Team des 87. Regiments erhielten durch ihre Befragungen oft (überlebens)wichtige Informationen über die Position von deutschen Geschützstellungen, über Truppenbewegungen, Aufmarsch- und Verteidigungspläne. Handel erwähnt etwa in einem späteren IPW-Report, dass der gefangene Kommandant des Aufklärungsbataillons der 94. Deutschen Infanteriedivision so höflich war, die »situation map« des Verhöroffiziers auf den aktuellsten Stand zu bringen und den Standort der schweren Geschütze seiner Einheit anzuzeigen.541 538 US Army WW II Enlistment Record of Leo A. Handel, ASN 32907572. NARA, RG 64, in  : aad.archives.gov (letzter Zugriff  : 21.12.2011)  ; Petition for Naturalization of Leo Albert Handel, 26.4.1943. NARA, Northeast Region, Index to Petitions for Naturalization filed in Federal, State, and Local Courts located in New York City, 1792–1989, in  : www.ancestry.com (letzter Zugriff  : 4.12.2011)  ; Geoff Alexander/Rick Prelinger, Academic Films for the Classroom  : A History. Jefferson  : 2010, 102. 539 Assignment of Graduates of the MITC Camp Ritchie [Leo A. Handel, 2nd Military Intelligence Training Battalion, Company H], 1.8.1943–7.12.1943, 418. NARA, RG 165, E 207, B 272. 540 George F. Earle, History of the 87th Mountain Infantry in Italy. 3 January 1945–14 August 1945, in  : http://10thmtndivassoc.org/87th/ (letzter Zugriff  : 11.8.2015). 541 US Army WWII Operation Reports, 10th Mountain Division, S/Sgt. L. Handel, IPW Report, Spring Campaign, 87th Mtn Inf, ohne Datum, vermutlich April 1945, 1–4, hier 1 f. NARA, RG 407, E 427, B 6541.

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Doch nicht nur bei der vergleichsweise ungefährlichen Verhörtätigkeit in den Regimentsstützpunkten waren die Deutschkenntnisse der öster­reichischen GIs gefragt. Nach der Konsolidierung ihrer Geländegewinne auf den Höhenlinien verlagerte sich der Angriff der 10th Mountain Division zunehmend in hügeliges (Offensiven gegen Castel d’Aiano und Tolè), später in völlig flaches Gelände (Vorstoß in die Poebene bis Mitte April 1945). Die oft über die Maßen hervorgehobenen alpinistischen Fähigkeiten der Öster­reicher hatten nun operativ keine Bedeutung mehr. Neben dem klassischen Kriegshandwerk standen für sie nun andere kulturspezifische »technical skills«, wie die Kenntnis der deutschen Sprache (und Mentalität), im Mittelpunkt. Dies zeigt sich etwa bei den Einsätzen des bereits mehrmals erwähnten Infanteristen Peter Nassau, der in der Frühphase der Gebirgstruppe auch als Skitrainer eingesetzt worden war.542 In der Nacht des 26. Februar bewegte er sich als »erster Beobachter« eines Aufklärungstrupps543 der Kompanie E des 87. Regiments vom Dorf Rocca Corneta kommend Richtung Norden. Der Job des First Scouts war eine sehr aufregende, jedoch auch mit großen physischen Gefahren verbundene Aufgabe, wie der Amerikaner Lloyd Fitch in seinen Kriegserinnerungen schreibt  : [A]s first scout [in the 86th Regiment], I was the first American to enter most of the towns. However, being first scout was more like being »first target«.544

Laut Regimentshistoriker George Earle agierte Nassau innerhalb dieses Aktionsrahmens mit Mut, Entschlossenheit und einer gehörigen Portion Fortüne. So entging er bei einem Feindkontakt nur knapp dem Tod durch eine feindliche Kugel  : [T]he second scout, Pvt. William E. Christensen, saw a German from behind a tree, ten yards away. The German had our first scout, Pfc. Peter Nassau, in his sights. Christensen watched him allow the scout to pass him and then he saw him step out and challenge Nassau from the rear. The rest of the patrol had not yet reached the road the two scouts were on. The guard moved around and pointed his rifle at Nassau’s chest. Christensen circled around behind the German and, holding his own rifle in his right hand, knocked the German’s rifle out of his hands with his left. Nassau, who speaks German, ordered him to raise his hands and keep quiet. In answer to questions, the German revealed that 542 Baumgardner, 10th Mountain, Bd. 1, 156. 543 »Ground reconnaissance was provided by a reconnaissance troop organic to each division and by regimental intelligence and reconnaissance (I&R) platoons.« Finnegan, Military Intelligence Picture History, 87. 544 Lloyd Fitch, zitiert in  : Feuer, »Packs On  !«, 51.



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there were 55 or 60 enemy in the rear. […] Just as the lieutenant was coming up to see what the matter was, two more enemy appeared from above and behind the German, and called out in German, »What’s up below  ?« Nassau called them over and halted them in German. He told them they were surrounded, to throw away their weapons and come down. Doubtful, they asked, »Who’s there, Americans  ?« Nassau answered in German in the affirmative and for them to drop their weapons and come down on the double. One dropped his rifle, but the other dropped back behind his companion and fired point-blank at Nassau with an automatic weapon, stunning the scout and bruising his shoulder. Nassau fired back with his Tommy gun – the disarmed man was only four or five feet away and was probably hit. A German grenade landed from behind a hedge giving the two scouts time to hit the roadside ditch before it exploded, scratching Nassau’s chin and blowing off both their helmets. The scouts covered the withdrawal of the patrol with their Tommy guns. More grenades were thrown and heavy fire was directed on the retreating patrol. […] two machine guns opened on them from a ridge. The Germans had rushed the guns cross-country to cut them off  ; but the patrol, after returning part way for semi-stunned Nassau, was able to withdraw to friendly lines.545

Auch Herbert Schneider sollte als First Scout in einer 18 Mann starken Intelligence and Reconnaissance Platoon des 86. Regiments eine deutsche Patrouille auf ähnliche Weise täuschen. Da er sich bei einem nächtlichen Aufklärungsgang mit einem Kameraden vier Meilen hinter der feindlichen Linie befand, antwortete er einem Landser, der die beiden Amerikaner ansprach, im Tiroler Dialekt. Diese intuitive Handlung verhinderte ein mögliches Feuergefecht und gab den beiden GIs Zeit zum schnellen Rückzug aus der Gefahrenzone.546 Dank solch mutiger und aggressiver Vorgehensweisen beim Beschaffen von taktischer Intelligence wurde Peter Nassau für eine weitere derartige Aktion von Divisionskommandeur Hays mit dem Bronze Star ausgezeichnet. Schenkt man den (unseren Protagonisten naturgemäß wohlgesinnten und zur Mythenbildung tendierenden547) arme545 Earle, History of the 87th, 23 f. 546 »For two to three nights preceding the scheduled assault [on 14 April 1945], the regimental Intelligence and Reconnaissance Platoon had been far out into enemy territory, searching for roads over which tanks might be employed. They had found roads destroyed or heavily mined, roadblocks erected, defenses carefully prepared. Once, 1st Lt. Donald E. Traynor’s men had come face to face with German sentries. Quick-thinking Pfc. Herbert Schneider spoke to the sentry in German, and the man let the patrol pass […].« Wellborn, 86th Mountain Infantry, 32  ; ähnlich Interview H. Schneider, 2005, und Herbert Schneider, »Keep Quiet«, in  : Baumgardner, 10th Mountain, Bd. 2, 85. 547 Ein gutes Beispiel für eine von den vielen mit großer Wahrscheinlichkeit als apokryph einzustufenden Erzählungen über außergewöhnliche Tapferkeit oder bizarre Gefechtsanekdoten bei der Gebirgsdivision ist folgende dem gebürtigen Wiener Edmond Kovacs zugeschriebene Dar-

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einternen Quellen Glauben, agierte Nassau zu Beginn der alliierten Frühjahrsoffensive am 15. April 1945 heroisch  : Headquarters 10th Mountain Division APO #345 12 May 45 CITATION PETER L. NASSAU, 3126358, Private First Class, Infantry, 87th Mountain Infantry, United States Army. For meritorious service in combat on 15 April 1945, near Mt. Pigna, Italy. In the attack by mountain infantrymen on a strongly resisting enemy, Private First Class NASSAU maneuvered forward during the height of a terrific artillery barrage and succeeded, by his able knowledge of the enemy language, to cause the surrender of several enemy. He so efficiently questioned these prisoners that from the stellung in einer politischen Zeitschrift  : »The 10th Mountaineers staged a night assault, […] half of Edmond’s unit [wohl das 10th Mountain Antitank Battalion] were killed in the assault. Edmond, who spoke Italian as well as English and German, was then assigned as a liaison to the Italian partisans, engaged in mopping up isolated German units. He witnessed the execution of Mussolini and his mistress by the partisans. […] There is a story Edmond liked to tell about an incident right after they established a foothold at the top of Riva Ridge. The Germans were still holding a town a few miles north of them, while a bit closer there was a small hut. Edmond saw a wisp of smoke coming out of the hut’s chimney and, taking no chances, fired a mortar shell at the structure. Amazingly, the shell went right down the chimney and the hut went up in flames. Some months later in Vienna he took part in a big family reunion. One of his cousins, Heini, had served in the German army and walked in with a bad limp. Edmond asked him how he was wounded. It turned out his unit had been assigned to forward duty on the top of Riva Ridge. ›We were stationed in a little hut,‹ Heini said, ›when some son of a bitch dropped a mortar shell down the chimney  !‹« Leslie Evans, »Edmond Kovacs, 1924–2010«, in  : Against The Current, in  : http://solidarity-us.org/node/3025 (letzter Zugriff  : 27.11.2011)  ; ähnlich in Baumgardner, 10th Mountain, Bd. 1, 31. Eine Anfrage im 10th Mountain Division Resource Center in Denver ergab, dass die Aussage, dass die Hälfte von Kovacs’ Einheit beim Angriff (»assault«) auf die Riva Ridge getötet worden sei, von den Quellen widerlegt wird  : Das 10th Mountain Antitank Battalion, dem Kovacs zugeteilt war, nahm am Erstangriff auf die Riva Ridge nicht teil. Außerdem starben laut Dennis Hagen von den 417 Mann, die dem erwähnten Bataillon in Italien angehörten, nur zwölf im Kampf oder durch andere Ursachen. Selbst wenn die »unit«, von der oben die Rede ist, sich auf eine Kompanie statt auf das ganze Bataillon beziehen würde, ist die Aussage »Half of Edmond’s unit were killed« falsch. Mitteilung von Dennis Hagen, Denver Library, via E-Mail, 28.11.2011. Auch die von Oberstleutnant C. F. Cordes verfasste Unit History dieser Einheit widerspricht der journalistischen Darstellung über Kovacs  : »During the period 21 Feb–30 Apr 1945, 8 members of this Bn were killed in action, 19 wounded in action.« Lt. Col, C. F. Cordes, HQ 10th Mountain Infantry A. T. Battalion, History Outline of the 10th Mt Inf AT Bn, 16.2.–30.4.1945, 1–4, hier 4. WW II Operation Reports, 10th Mountain Division. NARA, RG 407, E 427, B 6530.



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26 Die Mühen der Ebene  : Gebirgsinfanteristen des 87. Regiments in Vedetta bei Modena.

information obtained, the locations of mine fields, gun emplacements, and troop concentration in the direct path of his company’s advance were obtained, thus enabling the achieving of the objective in shorter time with a minimum of casualties. The initiative and aggressiveness displayed in this action by Private First Class NASSAU are deserving of much praise and commendation. Entered the military service from Springfield, Massachusetts. BY COMMAND OF MAJOR GENERAL HAYS  : CHARLES J. KNAPP WOJG USA Ast. Adj. General548

Neben Nassau und Elmer erhielten viele weitere Öster­reicher den Bronze Star, eine der am häufigsten verliehenen Tapferkeitsmedaillen der US-Armee. Einer von ihnen war der Wiener Paul Bock, dessen »heroic achievement in action« am 15. April 1945 bei Cereglio gewürdigt wurde.549 Auch der prominente Bergsteiger und Alpinsportausbilder Andreas Hennig – der im 85. Regiment nur ein 548 C. Knapp, 10th Mountain Division Headquarters, Citation for Peter L. Nassau, ASN 3126358, 12.5.1945. Denver Library, 10th, TMD 1  ; Baumgardner, 10th Mountain, Bd. 1, 156. 549 GO 136 HQ 10th Mt Div, Award of Bronze Star for Paul Bock, ASN 32512185, [Tagesdatum unleserlich] Juli 1945. NARA, RG 407, E 427, B 6523.

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einfacher »Pfc« war – erhielt den Bronze Star.550 Andere Öster­reicher wurden hingegen nicht für offensive Handlungen mit der Waffe in der Hand, sondern für mutige medizinische Hilfeleistungen, die oft unter den auf dem Schlachtfeld zu vernehmenden »frantic shouts of ›Medic  ! Medic  !‹«551 erfolgten, oder für Verdienste abseits des Gefechts ausgezeichnet. So evakuierte der bereits mehrmals erwähnte Ski- und Klettertrainer Fritz Kramer, nun als Sanitätsunteroffizier im Medical Battalion tätig, beim Fluss Po unter Maschinengewehrbeschuss einen verwundeten Leutnant  ;552 sein Landsmann Kurt J. Bank brachte auf ähnliche Weise mehrere verletzte GIs in Sicherheit und kundschaftete unter anderem einen Weg durch vermintes Gelände aus  ;553 der als Veteran des Ersten Weltkriegs mit einiger Lebenserfahrung ausgestattete Philipp Winter, First Sergeant und ebenfalls Sanitäter des Medical Battalion, nahm nicht nur medizinische Pflichten wahr  : Er fungierte als Übersetzer, kümmerte sich freiwillig um die Versorgung deutscher Kriegsgefangener und »helped maintain a high standard of morale among patients by giving news orientation and designing Easter V-mail letters to be sent home«.554 Sowohl Kramer als auch Winter beteiligten sich am intellektuellen und journalistischen Geschehen in der Truppe  : Kramer war Mitglied des Redaktionsteams der Divisionszeitung The Blizzard  ; der Seniorsoldat Winter verfasste neben einer Artikelreihe über Konzentrationslager in der Vorgängerzeitung Camp Hale-Ski Zette auch eine persönliche Unit History über den Kriegseinsatz seiner Kompanie in Italien.555 Der 14. April 1945 markierte den Beginn des großen »dash across the Po Valley«, der finalen US-Offensive, die letztlich den Durchbruch zum norditalienischen Flachland bringen sollte. Dieser Tag war gleichzeitig der Gefechtstag mit den höchsten menschlichen Verlusten der Division während des gesamten Kriegseinsatzes. Die 10th Mountain Division rückte mit Unterstützung von Bomberverbänden – die deutsche Luftverteidigung hatte de facto aufgehört zu existie550 GO 136 HQ 10th Mt Div, Award of Bronze Star for Andreas Hennig, ASN 19204558, 19.7.1945. NARA, RG 407, E 427, B 6523. 551 Feuer, »Packs On  !«, 60. 552 »Stowe Corporal decorated in Italy«, in  : Fifth Army News, 18.7.1945 (unpaginiert). Denver Library, Western, WH 1001. 553 C. Knapp, HQ 10th Mt Division, Citation for Kurt J. Bank, ASN 39136236, 26.6.1945. NARA, RG 407, E 427, B 6523. 554 H. Miller, Headquarters 10th Mountain Division, APO 345, US Army, Citation for Philipp Winter, 5.5.1945. Denver Library, 10th, TMD 1. 555 »Our Boys in the Army«, 26.1.1945, 7 und 23.2.1945, 7  ; Enlisted Record Winter, 21.9.1945  ; Philipp Winter, Company »D«, 10th Mountain Medical Battalion. Rockies, Apennines, and Alps. A short History of the only Mountain clearing Company from Camp Hale to Lake Garda, 1945. Denver Library, 10th, TMD1.



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27 »Your husband was seriously wounded« – staatliches Telegramm an die Ehefrau von Friedl Pfeifer, der im April 1945 schwer verwundet wurde.

ren – vom Monte della Spe kommend gegen die Kleinstadt Torre Iussi und eine Reihe von Geländeerhebungen, die militärisch-nüchtern »Hill 909« oder »Hill 913« genannt wurden, vor. Unter dem Oberkommando von General Frido von Senger und Etterlin, der den verwundeten Kesselring abgelöst hatte, fügten die 90. Wehrmachts-Panzergrenadierdivision und Verbände der 94. und 334. Infanteriedivisionen den exponierten Angreifern im teilweise verminten und baumlosen Gelände schwere Verluste zu. Allein am 14. April wurden über 550 amerikanische Gebirgssoldaten getötet oder verwundet.556 An diesem Tag erlitten auch Nassaus Kompaniekollege Otto Korban und Sergeant Friedl Pfeifer lebensgefährliche Verletzungen. In seinen Memoiren hält Pfeifer den Moment fest, als er am »Hill 915« von Granatsplittern getroffen wurde  : Artillery ripped through the trees and we heard the sounds of bullets clipping branches right over our heads. Men started falling everywhere. […] I could see the mule train 556 Shelton, Climb To Conquer, 181.

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panic as explosions burst all around. Then a shell exploded right in the middle of the train, animals falling away, braying wildly. So close to the impact, I was twisted and thrown, and felt like I had been slammed in the back with the butt of a rifle. I fell to the ground, paralyzed. »My God, it’s Friedl,« someone yelled. »Medic  !« I tried to move or say something but couldn’t.557

Mit Glück überlebte Pfeifer seine schwere Verletzung (im Lazarett hätte man ihm irrtümlich beinahe eine zweite Dosis Morphium – die letal gewesen wäre – verabreicht). Nach dem Krieg sollte der geschäftstüchtige und wendige Auswanderer eine äußerst produktive Karriere als einer der Pioniere des Nobelskiortes Aspen einschlagen und zu einem einflussreichen Ski-Unternehmer in der Region aufsteigen.558 Dem 86. und 87. Infanterieregiment gelang es nach den schweren Verlusten am Beginn der Frühjahrsoffensive bald, einen Keil zwischen die 94. und die 334. Division der Wehrmacht zu treiben. Die Reserven, die der deutsche General Bernhard Steinmetz daraufhin aufstellte, vermochten den US-Gebirgsjägern bis auf vereinzeltes Artilleriefeuer wenig entgegenzusetzen – die »10th« war nun endgültig »on the verge of a breakthrough of the enemy front«.559 Bevor das 87. Regiment am 16. April die Stadt Tolè, einen der letzten strategisch bedeutenden Verkehrsknotenpunkte vor der Po-Ebene560 erreichen und tags darauf Hunderte deutsche Landser gefangen nehmen sollte, hatten der öster­reichische Verhöroffizier Leo Handel und seine Intelligence-Einheit bereits Kenntnis über die Verteidigungspläne der Deutschen für den Ort erlangt. Handel berichtet in einem – wohl wegen des hohen Arbeitspensums beim »processing« der zahlreichen Kriegsgefangenen – an Tippfehlern sehr reichen IPW-Report über die unerwartet rasche Einnahme von Tolè und die Auflösungserscheinungen des Feindes, dessen Kampfgruppen sich mitunter aus Mechanikern und Köchen aus der Etappe zusammensetzten. Seine Beschreibung der deutschen Kriegsgefangenen, die vom 87. Regiment, das nun gegen Bologna und den Po vorrückte, zu Hunderten gefangen genommen worden waren, spiegelte letztlich auch den Zustand der Wehrmacht wider  : 557 Pfeifer, Nice Goin’, 120  ; siehe auch Morning Report, Company A, 87th Inf. Regiment, Zocca, Italy, 18.4.1945. Denver Library, 10th, TMD1  ; Casualty Report for Friedl Pfeifer, 21.10.1945. Utah State Archives and Records Service, Salt Lake City, Utah  ; Military Service Cards, ca. 1898–1975  ; Department of Administrative Services, Division of Archives and Records Service, Series 85268, Reel  : 96, in  : www.ancestry.com (letzter Zugriff  : 5.12.2011). 558 Pfeifer, Nice Goin’, 121. 559 Ernest F. Fisher, Jr., United States Army in World War II. The Mediterranean Theater of Operations. Cassino to the Alps. Washington, D.C.: 1993, 473 f. 560 Jenkins, Last Ridge, 223.



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In the early morning hours of April 16, just a few hours before the attack on Tole, a detailed defense plan was found on an Off[icer] P[risoner of ]W[ar]  ; in addition to that a field order was captured [sic  !] which siaid [sic  !] that this town was to be hel[d] at all costs. It turned our, [sic  !] however, the [sic  !] had to abandon their plans to hold this strongpoint. At this stage of the game the PWs were taken wholesale. On April about 300 PWs of the 94th Div[ision] had to be processed. […] By April 18th the 94 Div was no longer an organized fighting force. Regiments had degenerated to a handfull [sic  !] of men operating as battle groups, an »Emergency Co[mpany]« put into appearance consisting of shoemakers, carpenters, motormechanics and cooks from the division trains. […] When our drive gained momentum rear echelon units were represented among the PWs. In Moglia, for instance, the Reg[imen]t H[ead]q[uarters] convoy encountered a column of ambulances. It turned out that this convey was carrying members of the Military Government, Bologna, towards the Po. 561

Handels Verhörberichte im Operationsbereich der 10th Mountain Division zeigen, dass es bei seiner täglichen Arbeit neben der bürokratischen Routine und dem nüchternen Auflisten von Feindinformationen auch noch Platz für Wortwitz und Satire gab. Mit einem gerüttelt Maß an Ironie protokolliert der öster­reichische Intelligence-Offizier etwa die »drei Pflichten« des ersten weiblichen Kriegsgefangenen, der ihm in Norditalien untergekommen war  : [T]he first female P[risonerof ]W[ar] of the 87th showed up. She belonged to one of the A[nti] A[ircraft] B[attalio]ns and interrogation revealed that she had to perform three different duties. First she was a telephone operater [sic  !], secondly she was used for short range intelligence, crossing the lines and spot some targets for the 88s [howitzer guns]. Those were two of the three duties of the pleasantly curved PW.562

Dass die Angesprochene auf die hier angedeuteten, vielleicht gegen ihren Willen erzwungenen, sexuellen Kontakte mit Angehörigen der deutschen Soldateska ebenso schmunzelnd zurückblickte, darf natürlich bezweifelt werden. Nach dem blutigen Gemetzel in den »foothills« des Apennin war die – teilweise an beiden Flanken ungeschützte – 10th Mountain Division die Speerspitze des letzten großen Angriffs gegen die sich fluchtartig nach Norden zurückziehenden Wehrmachtsverbände. Der erfolgreichen Überquerung des Po durch die, nicht zuletzt dank der vielen erbeuteten deutschen Militärfahrzeuge, zunehmend mechanisierte Division563 folgten Ende April am Gardasee die letzten, teils 561 Handel, IPW Report, Spring Campaign, 87th, 2. 562 Ebd., 4. 563 »With the roads through the Apennines now in Allied hands, the 10 th had at last become a

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schweren Gefechte mit der Wehrmacht.564 Das letzte Aufgebot der desperaten Verteidiger vermochte der alliierten Übermacht personell und materiell nur mehr wenig entgegenzusetzen. Der Wiener Seniorsoldat Philipp Winter, der sich an der Spitze des amerikanischen Vorstoßes befand, berichtet über die Stimmung in seiner Einheit, die zwischen Triumphalismus und der Angst, in den letzten Tagen des Feldzugs noch von einer deutschen Artilleriegranate getroffen zu werden, schwankte  : 26. April 1945  : One of these days that are remembered a lifetime. The 87th [Infantry Regiment] makes a 70 mile dash through northern Italy, unprotected on its flanks, and our Company Headquarters and Second Platoon, ordered to stay as far forward possible is in its midst, behind only one Battalion. We are among the first American soldiers in these towns. Liberated people cheer, kiss, shake hands, offer flowers, wine, bread, eggs, salami. It is a triumphal ride through [a] liberated country […] until the dash stops. Turning left near Pastrengo we pass Company C Collecting, pass Aid stations, and, under shellfire, set up a Station. This Station was the left flank of the Division, with no American soldiers ahead or to our left (three miles from Lake Garda). In the morning some German knocked on our door and surrendered. No contact with Battalion headquarters or the other platoons for two days.565

Laut dem von den Amerikanern nach seiner späteren Gefangennahme befragten Feldmarschall Albert Kesselring und anderen führenden Wehrmachtsoffizieren hatte sich das Risiko, das die 10th Mountain Division als an den Flanken ungedeckte Speerspitze einer forschen Offensivoperation einging, für die Angreifer schließlich bezahlt gemacht.566 Nach den letzten Gefechten und Scharmützeln mechanized division. The men rode on anything that promised to get them off their feet. They piled on jeeps and tanks, hitched rides with self-propelled artillery and six-by-six trucks. They drove captured German officers’ cars, rode ambulances and horses and bicycles.« Shelton, Climb to Conquer, 185. 564 »[O]ur Regt hit the E[astern] shores of the Lake Garda. They [the Germans] tried to form battle groups out of the miscellaneous units that were pouring North. The men who anticipated the hourly downfall of the Wehrmacht were reluctant to join battle again five minutes before the end, […]. Nevertheless a B[attalion] sized battle group was formed and committed between the Lake Garda and the River Adige. In addition a school of highranking non-coms [Unteroffiziere] was thrown into battle in this area  ; the latter put up considerable resistance. Also a number of 88s batteries coming from the North were deployed along the Garda Lake.« Handel, IPW Report, Spring Campaign, 87th, 4. 565 Winter, Company »D«, 5. 566 »The decision of the American 10th Mountain Division to exploit the situation by driving as far as the Po River proved to be correct. This thrust increased the confusion among the retreating German troops, pushed them in a northeastern direction […] and eliminated the important



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am Ufer des Gardasees erfuhren die Soldaten der Gebirgstruppe Anfang Mai, dass der Einsatz in Europa zu Ende war – die deutschen Streitkräfte in Italien hatten angesichts der aussichtslosen militärischen Lage kapituliert.567 Den aus Öster­reich stammenden Soldaten in der 10th Mountain Division blieb der Kampf gegen die Wehrmacht im wichtigsten Gebirgszug ihrer Heimat, den Alpen, letztlich erspart. Auch der ursprünglich geplante Einsatz der kampfstarken Einheit in Japan, der wohl nicht wenige unserer Protagonisten das Leben gekostet hätte, war nach der durch den Abwurf zweier US-Atombomben erzwungenen Kapitulation Japans am 15. September 1945 hinfällig. Für Leute wie Maximilan Gross, Friedl Pfeifer, Leo Handel und Dutzende andere Öster­reicher in der »10th« war der Krieg vorbei. Am 4. Mai steht im Morning Report von Peter Elmers Kompanie im 86. Infanterieregiment zu lesen  : 4 May 45 – Maintaining security. Beer given out, movie shown. Morale ex[cellent]568

Von allen amerikanischen Divisionen des Zweiten Weltkriegs hatte die 10. Gebirgsdivision in ihren 114 Gefechtstagen die proportional höchste Verlustrate an Soldaten zu verzeichnen. Laut Randy W. Baumgardner wurden 992 Soldaten in Italien getötet und 4.154 – rund ein Drittel aller Divisionsangehörigen – verwundet.569 Von den knapp 50 öster­reichstämmigen Soldaten, die ich bis zum Zeitpunkt der Drucklegung dieses Buchs als Mitglieder der Gebirgsdivision ausfindig gemacht habe, sind nur der eingangs erwähnte Richard Norman-Neumann und der als First Scout im 85. Regiment tätige Wiener Manfred Butler570 gefallen, einige wurden verletzt, einige vor dem Italieneinsatz in andere Einheiten versetzt. Was Norman und Butler nicht mehr erlebten, nämlich die Rückkehr nach Öster­ reich in der Uniform des Befreiers, sollte Herbert Schneider vergönnt sein. Er crossing point over the Po River near San Benedetto. It further enabled the Allies to form a bridgehead on the northern bank of the Po River in time and greatly contributed toward the cutting off of a great number of German troops south of the Po River.« WW II Operation Reports, US Army, 1st US Army PWI Reports, HQ Intelligence Center, 7769 HQ & HQs Company, MIS/Austria, Special Investigation and Interrogation Report of A. Kesselring et al., Operation »Lightning«,USDIC/SIIR30/S6, Report on the Italian Campaign, 15.3.1947, 1–229, hier 197. NARA, RG 407, E 427, B 1511  ; in der Box 1509 derselben Entry (407) befindet sich auch ein Einzelinterview, in dem Kesselring über die militärische Situation der Wehrmacht auf dem italienischen Kriegsschauplatz Auskunft gibt. 567 Karl Bauer, öster­reichstämmiger Major der US Army, war laut Joseph T. Simon als Übersetzer Zeuge der Kapitulation von Kesselrings Truppen. Simon, Augenzeuge, 273 f. 568 Morning Report Hq & Hq Co., 2nd Bn., 86th Mt. Inf. Regt., 4.5.1945. Denver Library, 10th Mountain, TMD1. 569 Baumgardner, 10th Mountain, Bd. 1, 37. 570 Siehe hierzu »Für die Freiheit gefallen«, in  : Der Aufbau, 9.11.1945, 40.

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und viele seiner Kameraden und Landsleute sollten in den heimatlichen Bergen nicht mehr kämpfen, sondern – wie vor dem Krieg – an Skirennen teilnehmen.571 Wenige Wochen nach dem Sieg über Hitlerdeutschland stand Schneider wieder auf der Schwelle des elterlichen Sporthauses in St. Anton. Auf einer Fotografie mit hohem Symbolwert wurde dieser Moment festgehalten  : 1.3.4 Resümee

In Widerspruch zum tradierten Bild, dass der personelle Beitrag des öster­ reichischen US-Exils zur Aufstellung und Performance der 10. Gebirgsdivision im Zweiten Weltkrieg vornehmlich aus illustren Tiroler Skilehrern bestand, steht die Erkenntnis, dass über die Hälfte der bisher ausfindig gemachten öster­ reichstämmigen Soldaten dieser Einheit aus dem urbanen und flacheren Osten Öster­reichs stammte. Der typische Öster­reicher in Camp Hale war ein Wiener Jude Mitte 20, verfügte über solide Schulbildung und zumindest grundlegende Ski- oder Bergerfahrung. Wurden westöster­reichische Skiexperten als Instruktoren vor allem in der Ausbildungsphase – in der nicht amerikanische Infanterieoffiziere, sondern die alpinistisch erfahreneren exileuropäischen Rekruten und Unteroffiziere eine Schlüsselfunktion innehatten572 – eingesetzt, trugen junge Wiener Flüchtlinge wie Richard Norman, Peter Nassau und Peter Elmer als einfache Privates die wesentlichen militärischen Lasten in der operativen Phase und erledigten den »dirty job« eines gewöhnlichen Schützen oder Patrouillensoldaten. Doch kann man den Anteil, den die im Vergleich dazu wesentlich prominentere »Arlberg-Fraktion« am relativ großen Erfolg und »damned good job« 573 der Gebirgsdivision auf dem italienischen Kriegsschauplatz hatte, schwerlich mit rein militärischen oder empirischen Parametern messen. Es war in vielerlei Hinsicht die von ihrer persönlichen Aura ausgehende Symbolkraft und weniger ihr aktiver Beitrag zum Kriegsgeschehen selbst, die den vornehmlich westöster­reichischen Skistars vonseiten ihrer Kameraden und vieler Zivilisten Bewunderung eintrug. Leute wie Pfeifer, Matt, Foeger und Schneider personifizierten und transzendierten den Gebirgskampf, hoben ihn in eine mythische Sphäre. Wohl nicht zufällig griffen zeitgenössische Journalisten bei ihren Berichten über die militärischen Aktivitäten öster­reichischer Skistars in US-Uniform auf eine metaphysisch aufgeladene Diktion zurück. So wurde der öster­reichische Skilehrer Ernst Engel – 571 »Division Holds Glockner Downhill Race«, in  : Blizzard, 24.5.1945, 1, zitiert in  : Baumgardner, 10th Mountain, Bd. 2, 60  ; vgl. ebd., 146. 572 Feuer, »Packs On  !«, 5  ; Shelton, Climb to Conquer, 64. 573 OSS R&A-Report Oliver Rockhill to F. Burkhardt, on IPW Intelligence, 8.3.1945. NARA, RG 226, E 119, B 7.



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28 Herbert Schneider an der Türschwelle des elterlichen Sporthauses in St. Anton, Mai 1945.

auch er war kein echter »Arlberger«– beim Einrücken in Camp Hale in einer Regionalzeitung als Alpenzauberer, als »ski wizard who escaped from Vienna« bezeichnet.574 Der hier angesprochene Zauber fußte auf einem Mythos. Das Generieren von tragfähigen und gesellschaftlich stets neu auszuhandelnden bzw. zu adaptierenden Nationalmythen ist eine uramerikanische Fähigkeit. Im Fall der 10. Gebirgsdivision wurden neben amerikanischen Gemeinplätzen wie dem Pioniernarrativ der frontier auch mitteleuropäische Mytheme in die Meistererzählung der »Mountain Fighters« integriert  : Waren die Bergregionen der USA noch Mitte des 20. Jahrhunderts großteils völlig unerschlossen, stellten die Gebirgslandschaften Vorarlbergs, Tirols und Salzburgs einen jahrtausendealten Kulturund Lebensraum dar. Die Exilanten aus den Bergen Öster­reichs verkörperten für die Amerikaner daher nicht nur eingewanderte Soldaten, sondern auch von der Mystik der Alpen umgebene, individualistische Skipioniere, die abenteuerliche Winterexpeditionen in weltvergessene Hochtäler des amerikanischen Westens unternahmen und im italienischen Apennin siegreiche Schlachten schlugen. Sie, 574 »Coach Joins Ski Troops«, in  : Reading Eagle, 11.12.1942, 33.

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die wie die amerikanischen Pioniere des 18. und 19. Jahrhunderts, verschneite Bergpässe überquerten und in einsame Hochtäler vorstießen, stellten sich mit ihrem vitalistischen »rugged individualism« über den traditionellen Antiindividualismus des Militärs, der – von vereinzelten »Heldentaten« abgesehen – seit jeher auf Unterordnung und Gleichförmigkeit basiert. Die suggestive Ikonografie des forschen (öster­reichischen) Skipioniers im Wilden Westen wurde durch den Nostalgiefaktor der »10 th« noch verstärkt  : Die sich mit Maultieren und Skiern fortbewegenden Gebirgskrieger aus Colorado müssen innerhalb der stark mechanisierten und industriell hochgerüsteten US-Armee des Zweiten Weltkriegs wie eine seltsam anachronistische Reminiszenz an die Pionierzeit gewirkt haben, welche die diffuse Sehnsucht der vielen kriegspatriotischen Stadtmenschen nach einem einfachen, vorindustriellen Leben befeuerte. Während man in anderen Einheiten – mit Ausnahme des kurzlebigen Austrian Battalion in Camp Atterbury und einiger Spezialeinheiten des Kriegsgeheimdiensts OSS – weniger an nationalbewussten Öster­reichern, sondern mehr an normalen GIs und US-Patrioten Interesse hatte, war in der 10th Mountain Division nun just das Öster­reicher-Sein gefragt. Neben den Skistars aus Tirol und Wiener Juden dienten auch niederöster­ reichische Sozialisten, Salzburger Musiker und viele weitere Öster­reicher aus verschiedenen Regionen und Milieus in der einzigen amerikanischen Gebirgsdivision des Zweiten Weltkrieges. Aus Öster­reich, ihrem Geburtsland, emigriert, vertrieben oder geflüchtet, haben sie alle auf vielfältige Weise zum alliierten Kampf gegen Hitlerdeutschland und zum bis heute sehr einflussreichen Mythos der amerikanischen Gebirgsjäger beigetragen. Viele von ihnen profitierten nach dem Krieg von der »GI Bill of Rights«, dem beachtenswerten Bildungsprogramm der US-Regierung, »which made a college education possible and opened up careers of which they had been able only to dream«575, und lebten »long and energetic lives«576. So meinte etwa der vielseitig begabte Fritz Kramer, der als Skilehrer, Klettertrainer, Journalist und Sanitäter in der 10. Gebirgsdivision tätig war und nach dem Krieg eine erfolgreiche Universitätskarriere eingeschlagen hat, dass er ohne die Erfahrungen des Exils577, des Kriegsdienstes und der sozioöko575 Laqueur, Generation Exodus, 139. 576 Shelton, Climb to Conquer, 252. 577 John D. Barbour behauptet in Anlehnung an Edward Said, dass viele Exilanten auf die schwierigen und herausfordernden Lebensbedingungen und -erfahrungen des Exils (Verlust der Heimat, Entfremdung, Nomadentum und Randgruppendasein) mit Flexibilität und Kreativität reagierten und daher in ihrer neuen Umgebung besonders erfolgreich waren  : »Being attuned to more than one culture can give the exile ›contrapuntal‹ awareness of simultaneous dimensions of reality. Because an exile’s life is nomadic, decentred and lived on the periphery of the established order, he must create his own structures of meaning. In all of these ways, although exile



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nomischen Aufstiegsmöglichkeiten in den USA nicht dasselbe erfolgreiche Leben geführt hätte  : Wenn man bedenkt, ich bin rübergekommen mit 12 Dollar in der Tasche und mit zwei Koffern Kleidern. Mehr konnte ich nicht rausbringen. Jetzt habe ich ein schönes Haus, Familie, wir haben zwei Autos, und ich weiß, daß ich morgen etwas zu essen habe. Vor allem habe ich ein interessantes Leben gehabt. Wenn ich in Wien geblieben wäre, wäre ich ein Angestellter bei der DDSG und ein typischer Wiener Beamter geworden.578

Was für das Gastland ein Gewinn war, bedeutete für das Herkunftsland einen veritablen brain drain in Form eines in Öster­reich bis heute noch intellektuell, kulturell und wirtschaftlich spürbaren Verlustes an menschlicher Produktivität und Kreativität. Denn in der Regel kehrten die Gebirgsjäger nicht mehr nach Öster­reich zurück. Makrohistorisch und militärstrategisch mag die 10th Mountain Division keine große oder gar kriegsentscheidende Rolle gespielt haben,579 doch für das öster­ reichische Exil bot der Dienst bei der Gebirgsdivision die Möglichkeit, Antifaschismus mit Alpinismus zu verbinden. Die meist jungen und sehr sportlichen Öster­reicher, von denen nicht wenige ihre Verwandtschaft im Holocaust verloren hatten, konnten so dem »small-time Viennese rabble-rouser named Adolf Hitler«580 kämpferisch entgegentreten und aktiv an der Befreiung ihrer (ehemaligen) Heimat vom Nationalsozialismus mitwirken. Sie wurden sowohl in militärischer als auch in symbolischer Hinsicht der im Dezember 1943 postulierten patriotischen Aufforderung von Hannes Schneider, dem tief katholischen Skipionier aus St. Anton (dessen Sohn Herbert nach dem Krieg übrigens eine niederländische Widerstandskämpferin heiraten sollte581), gerecht  :

is anything but a privilege or a pleasure, some positive things can come of it.« John D. Barbour, »Edward Said and the Space of Exile«, in  : Literature and Theology, Vol. 21, Nr. 3, 2007, 293–301, hier 295  ; ähnlich zitiert in Traussnig, Geistiger Widerstand, 128. 578 Fritz Kramer, zitiert in  : Hüter, Vertriebene, 145  ; siehe hierzu auch Traussnig, »›I should be ›thankful‹ to Adolf Hitler‹«, 413–442. 579 Einige Divisionsveteranen wie Herbert Schneider sehen das naturgemäß anders  : »I would say that we helped close out the war much quicker than it would have happened otherwise and all of this with less casualties, because the war was over quicker than we all expected, although the 10th Division during the breakthrough had […] more casualties than all the other allied companies involved in it [sic  !]«. Denver Library, Interview H. Schneider, 2005. 580 Pfeifer, Nice Goin’, 14. 581 Baumgardner, 10th Mountain, Bd. 2, 146.

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Die US-Armee

Alle Öster­reicher, die nun über die ganze Welt verstreut sind und wirklich Öster­reicher sind, haben nur eine Pflicht, und zwar dafür zu sorgen, daß der Name Öster­reich nicht vergessen wird … Mit den besten Grüßen an alle meine Landsleute und auf ein Wiedersehen in einem freien Öster­reich. Grüß Gott  !582

582 Eppel, Exil, Bd. 2, 57.

2 Das Office of Strategic Services  : Subversiver und unorthodoxer Inkubator für exilöster­ reichische Widerstandskämpfer Neben den Tausenden Öster­reichern, die während des Zweiten Weltkriegs in der US-Armee kämpften, standen mehrere Hundert öster­reichische Exilanten in den Reihen des Kriegsgeheimdienstes Office of Strategic Services (OSS). Sie arbeiteten in einer bemerkenswert unorthodoxen Institution, die zum Zeitpunkt ihrer Gründung ohne Beispiel in der amerikanischen Kriegs- und Geheimdienstgeschichte war. Doch gab es vor 1941 überhaupt so etwas wie eine amerikanische Geheimdienstgeschichte  ? Diese Frage kann man nur bedingt bejahen. Zwar gab es seit Ende des 19. Jahrhunderts einzelne nachrichtendienstliche Akteure, wie etwa das 1882 gegründete Office of Naval Intelligence der Marine (ONI) und die bereits erwähnte Military Intelligence Division, die im Gefolge des Ersten Weltkriegs einen gewissen Modernisierungsschub erfuhr. Auch eine überschaubare Anzahl von mit Spionageaufgaben betrauten Militärattachés und Diplomaten waren im Intelligence-Bereich präsent. Von einem professionellen Geheimdienstsystem waren die Vereinigten Staaten im Jahr 1941 dennoch weit entfernt. Das OSS und die damit verbundene Genese des heute so mächtigen Geheimdienstapparats der USA waren daher zu weiten Teilen ein Ergebnis des Zweiten Weltkriegs. Angesichts der heutigen Dominanz der Vereinigten Staaten im nachrichtendienstlichen Bereich mag es verwunderlich erscheinen, dass die Intelligence-Supermacht USA vor dem Krieg im geheimdienstlichen Feld als regelrecht unterentwickelt galt. So behauptet Ray S. Cline, in den 60er-Jahren stellvertretender Direktor der CIA, die als Nachfolgeorganisation des OSS gilt, und später namhafter Geheimdienstanalyst  : It is still frightening to think how devoid of intelligence assets we were when the great war came to us.1

Das zwischen Juni 1941 und Juni 1942 in zwei Etappen gegründete OSS sollte (im Verbund mit anderen Maßnahmen wie den in Kapitel 1.2 dieses Bands erwähnten Intelligence-Reformen des militärischen Nachrichtendiensts MID/G-2) diese Missstände im Bereich der Geheimdienste beheben. Das quasi ex nihilo geschaffene OSS bzw. dessen Vorläufer Coordinator of Information (COI) war der 1

Ray S. Cline, zitiert in  : Phillip Knightley, The Second Oldest Profession. Spies and Spying in the Twentieth Century. New York  : 1986, 212.

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erste zentrale und nichtmilitärische Geheimdienst und »die erste selbständige und ausschließlich zum Zweck der Informationssammlung und -verarbeitung geschaffene Organisation« der Vereinigten Staaten.2 Da zur Genese und Geschichte dieses Kriegsgeheimdienstes und seiner großen Bedeutung für den Exilwiderstandskampf gegen das NS-Regime bereits einiges publiziert wurde,3 werde ich hier nur einen kursorischen Überblick über dessen Charakteristik geben. Von Beginn an war das OSS als weitgehend zivil geführte Organisation sehr stark auf ein prägendes Subjekt ausgerichtet, nämlich auf seinen Direktor, den konservativen Anwalt und hochdekorierten Offizier des Ersten Weltkriegs, William J. Donovan.4 Der hemdsärmelige, machiavellistische5 und auch nicht unumstrittene Leiter des OSS war innerhalb kurzer Zeit zum führenden Kopf der im Zweiten Weltkrieg entstandenen »intelligence community« aufgestiegen. Als Interventionist, der von den britischen Geheimdiensten bereits früh wesentliche Ideen und Konzepte übernommen hatte, vertrat er die Vision eines mit aggressiven und unorthodoxen Mitteln geführten Kampfes gegen die potenziellen und realen Feinde der USA. Sublimiert wurde diese durchaus militärische Zugangsweise durch eine »dynamische Verkopplung von wissenschaftlicher Strategiebildung und Kriegführung«, i. e. durch die Einbindung von führenden Akademikern und Intellektuellen in die nachrichtendienstliche Tätigkeit.6 Trotz des mitunter heftigen Widerstands von politischen, geheimdienstlichen und militärischen Instanzen wie Teilen des Kongresses, dem State Department, dem FBI, der Navy und der G-2-Abteilung der Armee setzte Donovan durch, dass das 2

Alfons Söllner (Hg.), Zur Archäologie der Demokratie in Deutschland. Bd. 1  : Analysen von politischen Emigranten im amerikanischen Geheimdienst 1943–1945. Frankfurt am Main  : 1986, 24. 3 Eine gute und analytisch angelegte Monografie zum OSS ist Christof Mauch, Schattenkrieg gegen Hitler. Das Dritte Reich im Visier der amerikanischen Geheimdienste 1941 bis 1945. München  : 1999. Für die Aufsätze Siegfried Beers zu den Öster­reich-Aktivitäten des OSS siehe exemplarisch Siegfried Beer, »Alliierte Planung, Propaganda und Penetration 1943–1945. Die künftigen Besatzungsmächte und das wiederzuerrichtende Öster­reich, von der Moskauer Deklaration bis zur Befreiung«, in  : Stefan Karner (Hg.), Das Burgenland im Jahre 1945. Eisenstadt  : 1985, 67–88  ; derselbe, »Target Central Europe  : American Intelligence Efforts Regarding Nazi and Early Postwar Austria«. (= Working Papers in Austrian Studies 97-1). Minneapolis  : 1997, in  : http://www. cas.umn.edu/assets/pdf/WP971.PDF (letzter Zugriff  : 17.6.2011)  ; derselbe, »Research and Analysis about Austria, 1941–1949. American Intelligence Studies on the Reconstruction of Central Europe«, in  : Wiener Beiträge zur Geschichte der Neuzeit, Nr. 24, 2000, 192–210. 4 Für eine rezente Biografie zu Donovan siehe Douglas C. Waller, Wild Bill Donovan  : The Spymaster Who Created the OSS and Modern American Espionage. New York  : 2011. 5 Anthony Cave Brown (Hg.), The Secret War Report of the OSS. New York  : 1976, 5 f. 6 Söllner, Archäologie, 25  ; Christof Mauch, »Top Secrets und Gefährliche Spiele oder  : Was man aus der Geschichte des amerikanischen Geheimdiensts OSS lernen kann«, in  : Journal for Intelligence, Propaganda and Security Studies ( JIPSS), Vol. 7, Nr. 2/2013, 7–19, hier 16.



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an beinahe allen Kriegsschauplätzen operierende OSS neben klassischer Spionage (»Secret Intelligence«) auch Spezialoperationen (»Special Operations«) und subversive bzw. »schwarze« Propaganda (»Morale Operations«) betreiben durfte.7 Nach der traumatischen Zäsur des japanischen Luftangriffs auf Pearl Harbor, der die Schwäche der US-Geheimdienste offenbarte, ließ sich neben dem Ausbau der vorhandenen Geheimdienststrukturen auch die Schaffung eines eigenen Kriegsgeheimdiensts durchsetzen. Donovan sollte es gelingen, einen außergewöhnlichen und teils hochkarätigen Mitarbeiterstab, bestehend aus Militärs und Zivilisten, Rechten und Linken, Amerikanern und Europäern, um sich zu versammeln. Dass diese heterogene Kongregation letztlich sehr produktiv war und nicht in Zank und Chaos unterging, ist neben dem einigenden Feindbild namens Adolf Hitler vor allem dem gewinnenden Naturell Donovans, der den Spitznamen »Wild Bill« trug, zu verdanken. Laut dem Journalisten Karl-Heinz Janßen führte der charismatische Donovan, »der eine Schwäche für geniale Unordnung hatte, […] das OSS, wie einen Wanderzirkus, in dem sich ein international gemischtes buntes Völkchen tummelte  : geheimdienstliche Artisten, Sozialrevolutionäre Träumer, Gauner, Casanovas, aber auch einige der brillantesten Akademiker.«8 Ausrichtung und Philosophie des OSS spiegelten sich von Anfang an in seinen Methoden wider  : Ob es sich nun »um klassische Spionage hinter feindlichen Linien, wissenschaftliche Berechnungen zur Ernährungssituation des Deutschen Reiches oder um das Verfassen von Flugblättern für den italienischen Kriegsschauplatz handelte – […] [die eigentümliche Mischung] aus Pragmatismus und Aktionismus Donovans war das Leitmotiv des OSS.«9 Als zentrales Instrument des neu entstehenden Intelligence-Systems der USA konzipiert, sollte das direkt dem Präsidenten unterstellte OSS neben den (mehr Aufsehen erregenden) Spezialeinsätzen vor allem kriegswichtige Nachrichten über möglichst viele Kanäle und Dienste beschaffen oder zugespielt bekommen und diese analytisch aufbereiten. Dadurch sollte eine effizientere Vorgangsweise im Bereich der präsidialen »policy« und der kriegsbezogenen Entscheidungsfindung ermöglicht werden. In seiner Personalstruktur eher zivil, in seinen Zielen jedoch militärisch ausgerichtet, wurde das OSS Ende 1942 dem Obersten Generalstab der 7

Petra Marquardt-Bigman, Amerikanische Geheimdienstanalysen über Deutschland 1942–1949. München  : 1995, 54  ; vgl. Mauch, Schattenkrieg, 91. 8 Karl-Heinz Janßen, »Die Staatsmoral und die Staatsräson«, in  : Die Zeit, 5.12.1975, 1–7, hier 3, in  : http://pdf.zeit.de/1975/50/die-staatsmoral-und-die-staatsraeson.pdf (letzter Zugriff  : 10.12.2012). 9 Florian Traussnig, »Sexbilder als ›Büchsenöffner für Gehirne‹. Die subversiven Propagandaoperationen des öster­reichischen OSS-Agenten Eddie Linder, 1943–1945,« in  : Journal for Intelligence, Propaganda and Security Studies ( JIPSS), Vol. 4, Nr. 2/2010, 70–88, hier 71.

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US-Armee unterstellt und verfügte seit 1943 über einen ausgereiften Organisationsgrad. Das Herz des OSS waren die sogenannten »operational branches«  : The operational branches, each under a deputy director, were the heart of the OSS. First in status and importance were the Secret Intelligence (SI), Research and Analysis (R&A) and Foreign Nationalities (FN) branches. These unique services later expanded to include Counterintelligence (X-2) and Censorship and Documents (CD). The second branch […] included Special Operations (SO), a new subversive black propaganda unit, the Morale Operations Branch (MO), and in 1944 a Maritime Unit (MU), Operations Group (OG), and Special Projects (SP) section.10

Die Secret Intelligence Branch (SI), die primär für das Einholen von Informationen über den Feind, also für das nachrichtendienstliche Kerngebiet des OSS, sowie später auch für die Durchführung von Spezialoperationen im Feindesland – eigentlich die Domäne der Abteilung Special Operations (SO) – verantwortlich zeichnete, war die operativ bedeutendste OSS-Abteilung. Da aber Intelligence nicht nur auf der Einholung, sondern vor allem auch auf der analytischen Aufbereitung und Verarbeitung von Wissen basiert, nahm die mit ranghohen Exil-Intellektuellen und -Wissenschaftlern wie Herbert Marcuse oder dem öster­ reichischen Kirchenrechtler und konservativen Ständestaatpolitiker Willibald Plöchl11 besetzte Analyseabteilung (Research and Analysis Branch, R&A) eine sehr wichtige Rolle innerhalb des OSS-Konzepts ein. Sie war das schon 1941 gegründete »theoretische Gehirn« und intellektuelle Rückgrat des Kriegsgeheimdienstes. Die oft in mehreren Sprachen parlierenden und als Experten für Zentraleuropa eingesetzten öster­reichischen R&A-Mitarbeiter kompilierten nicht nur kriegsrelevante Studien zu bestimmten Regionen des Deutschen Reichs, sondern auch strategische und außenpolitische (Nachkriegs-)Analysen. Laut Christof Mauch war es gerade die sich im buntscheckigen R&A-Personal widerspiegelnde »Diversität der Stimmen des OSS und die interdisziplinäre Ausrichtung der Forschungsabteilung«, die »zur größten Stärke des Geheimdiensts wurden.«12 So sagte die R&A-Abteilung auf Grundlage eines Gutachtens von Carl Gustav Jung 10 Laurie, Warriors, 133 f. 11 Siehe hierzu etwa den Briefverkehr zwischen William Langer, dem Leiter von OSS/R&A in Washington, und dem für »personnel procurement« zuständigen OSS-Offizier Colonel E. Connely, dem detaillierte Bewerbungsunterlagen zu Willibald Plöchl beigelegt sind. Obwohl Langer den konservativen Ständestaatpolitiker als zu »legitimistisch«, i. e. Otto Habsburg nahestehend, einstufte, wurde er vom OSS schließlich aufgenommen und arbeitete als Analyst. W. Langer, Director, Branch of Research and Analysis, OSS Washington, to Col. E. Connely, Chief, Personnel Procurement, about Mr. Willibald Ploechl, 29.12.1944. NARA, RG 226, E 92, B 203, F 37. 12 Mauch, »Top Secrets«, 17.



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29 Der US-Kriegsgeheimdienst als Inkubator für die polyglotte Intelligenzija des europäischen Exils  : Auszug aus dem OSS-Bewerbungsbogen des Österreichers Willibald Plöchl.

und eines Ende 1943 erstellten Psychogramms des OSS-Mitarbeiters und Freud-Schülers Walter C. Langer, der sich auf Interviews mit Personen, die den »Führer« persönlich kennengelernt hatten, stützte, den Suizid Hitlers voraus.13 Für die Einbindung des öster­reichischen Exils in die amerikanischen Geheimdienstoperationen war neben den beiden Abteilungen SI und R&A auch die Tätigkeit der Foreign Nationalities Branch (FNB) bedeutend. Diese war ursprünglich als Überwachungsinstrument intendiert, um die Tätigkeiten europäischer Exilpolitiker in den USA bzw. die Gefahr einer »fünften Kolonne« im Auge zu behalten. Wie das Kapitel 2.1 über Rudolf Anzböck und die sogenannte OSS Labor Section noch zeigen wird, wandelte sich die FNB mit Fortdauer des Krieges und dem zunehmenden Bedarf an deutschsprachigen OSS-Mitarbeitern von einer repressiven Instanz zum »information & recruitment tool«14  : Jene Abteilung, 13 Ebd., 16  ; Laurie, Warriors, 97 f. 14 Vgl. Siegfried Beer, »Exil und Emigration als Information. Zur Tätigkeit der Foreign Nationalities Branch (FNB) innerhalb des Kriegsgeheimdienstes COI bzw. OSS, 1941–1945«, in  : Dokumentationsarchiv des öster­reichischen Widerstandes (Hg.), Jahrbuch 1989, 132–143.

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welche die politisch aktiven Öster­reicher überwachen sollte, mutierte also zu einem Rekrutierungsinstrument und zum Geburtshelfer für eine Geheimdienstabteilung innerhalb der SI Branch, die vor allem aus (linken) zentraleuropäischen Emigranten bestand und die schließlich für die Durchführung zahlreicher Fallschirmmissionen im Deutschen Reich verantwortlich zeichnete. Eine kleinere  – wenn auch aus mentalitätsgeschichtlicher und exilöster­ reichischer Perspektive sehr interessante – OSS-Abteilung war die für subversive psychologische Kriegsführung zuständige Morale Operations Branch (MO). OSS/ MO produzierte und verbreitete ebenso kreative wie aggressive »schwarze« Propagandakommunikate, die meist unter falscher Angabe ihrer Herkunft die deutschen Soldaten und Zivilisten demoralisieren sollten. Der überdurchschnittlich produktive Wiener Kabarettist und »playwright« Lothar Metzl, dessen Mitarbeit bei der OSS-Propaganda von anderen Autoren und von mir an anderer Stelle dokumentiert wurde,15 hat etwa für MO in Washington Hunderte Radiosongs für einen von den Briten betriebenen deutschsprachigen Soldatensender verfasst. Manche seiner vorgeblich zur Unterhaltung der deutschen Landser geschaffenen, sich bei genauerem Hinhören jedoch als defätistisch und subversiv erweisenden Musikstücke waren speziell an öster­reichische Wehrmachtssoldaten adressierte Frustlieder mit »antipreußischem« und antifaschistischem Inhalt – ein für das OSS typisches Medienprodukt.16 Der in Afrika aus einem Arbeitslager des Vichy-Regimes befreite Ex-Fremdenlegionär und Exilöster­reicher Edmund F. Linder wiederum verfasste an der italienischen Front subversive Flugblätter und zeichnete auch pornografische Propaganda-Cartoons, die von OSS-Penetrationsagenten in riskanten Spezialmissionen hinter den feindlichen Linien verbreitet wurden.17 Unter den für solche (experimentell angelegten) Operationen rekrutierten »Propagandabriefträgern« befanden sich mehrere öster­reichische Wehrmachtsdeserteure wie der Wiener Edgar Ulsamer, der während des Kriegs desertiert und zu den Amerikanern übergelaufen ist. Aus derselben Personengruppe wurden von der SI Branch auch Fallschirmagenten rekrutiert und gegen Ende des Krieges im Rahmen riskanter Spionagemissionen nach Öster­reich entsandt. Neben dem Hauptquartier in Washington, D.C. waren für die nachrichtendienstlichen, propagandistischen und subversiven Tätigkeiten im Deutschen Reich bzw. in Öster­reich vor allem die OSS-Stützpunkte in neutralen Staaten wie der 15 Exemplarisch siehe Lawrence C. Soley, Radio Warfare  : OSS and CIA Subversive Propaganda. New York  : 1989, 125–129  ; Traussnig, Geistiger Widerstand, 217–222. 16 So wird das an Öster­reicher in der Wehrmacht gerichtete OSS-Propagandalied Zum Donaukanal (das auf dem US-Song San Fernando Valley basiert) wie folgt beschrieben  : »Designed to affect Austrian soldiers. Theme  : Desertion. Lyric has the quality of a genuine folksong. Singability  : Good«  ; OSS/ MO Washington, All Musac Lyrics 1944–1945, Zum Donaukanal. NARA, RG 226, E 139, B 172. 17 Florian Traussnig, »›Sexbilder«  ; derselbe, Geistiger Widerstand, 130–194.



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Schweiz (Bern) oder der Türkei (Istanbul) und – entsprechend dem alliierten Vormarsch mit Fortdauer des Kriegs – die Außenstellen und Basen »im Feld«18 wie London, Algier, Bari/Caserta, Rom und Paris von Bedeutung.19 Das OSS, dessen Personalakten fast zur Gänze im US-Nationalarchiv einsehbar sind, erreichte einen Höchststand von weltweit mehr als 23.000 Mitarbeitern, Informanten und (Sub-) Agenten. Mehrere Hundert davon, vermutlich 250 bis 300, waren Öster­reicher.20 Die Bedeutung, die das OSS für das während des Krieges im Entstehen begriffene amerikanische Intelligence-System und vor allem für den trans- und multinational geführten Widerstandskampf antifaschistischer Exilanten unter dem organisatorischen Dach alliierter Geheimdienste hat, wird von Jürgen Heideking und Christof Mauch hervorgehoben  : Die Geschichte des OSS – der ersten zentralen, geheimen Nachrichtenagentur der Amerikaner – spiegelt nicht nur die Umrüstung der US-Bürokratie in eine Maschinerie der Kriegführung wider, sie symbolisiert zugleich den Aufstieg der USA zur Supermacht, deren »intelligence community« geradezu zum Markenzeichen ihres globalen Engagements wurde. […] Nach den Direktiven der Vereinigten Stabschefs waren die zentralen Aufgaben des OSS, geheime wie öffentliche Informationen zu sammeln und auszuwerten, Sabotage- und Propagandaaktionen zu organisieren sowie Widerstandsbewegungen in vom Feind beherrschten Ländern zu fördern.21

Zur Durchführung seiner vielfältigen Aufgaben zog das OSS daher nicht nur Amerikaner, sondern auch Hunderte von deutschen und öster­reichischen US-Emigranten unterschiedlichster politischer Ausrichtung heran. 22 Im geheimdienstlichen »Schattenkrieg« gegen die Achsenmächte stellten öster­reichstämmige »38er«-Flüchtlinge und Exilwiderstandskämpfer, aber auch Wehrmachtsdeserteure eine wichtige Humanressource dar, die nach anfänglicher Skepsis vonseiten der amerikanischen Behörden bzw. Kriegsinstitutionen intensiv genutzt wurde.23 Wie 18 Pirker, Subversion, 20. 19 Beer, »Alliierte Planung«, 82 f. 20 Bis dato habe ich auf Basis der von Siegfried Beer gesammelten Akten zu den Öster­reichAktivitäten des OSS und der von mir gesichteten Bestände des US-Nationalarchivs über 200 Öster­reicher, die während des Zweiten Weltkriegs operativ für das OSS, etwa als Analyst, Propagandist, Intelligence-Agent bzw. Spion, Kriegsgefangenenverhöroffizier etc. gearbeitet haben, ausfindig gemacht und in einer Datenbank erfasst. 21 Heideking/Mauch, »Vorwort«, 8. 22 OSS-Direktor Donovan hatte bei seiner Rekrutierungspraxis und der Umsetzung seiner Agenda keine ideologischen Skrupel. So standen neben prominenten öster­reichischen Sozialisten auch »austrofaschistische« Vertreter des Ständestaatregimes in Diensten des OSS. 23 Eppel, Exil, Bd. 2, 48.

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die folgenden beiden Kapitel noch zeigen werden, war das OSS daher ein Inkubator, der exilöster­reichischen Gegnern des Nationalsozialismus die Möglichkeit bot, aktiv am Kampf gegen die NS-Herrschaft in Europa teilzunehmen. Somit wurden oft erst unter der Ägide der westalliierten Geheimdienste exilöster­reichische Widerstandstätigkeiten ermöglicht. Ähnlich wie die britische SOE versuchte das OSS – aus militärischen und strategischen Interessen heraus – mit klandestinen Operationen und propagandistischen Maßnahmen gezielt die NS-Herrschaft im Land zu unterminieren, oppositionelle Bewegungen in Öster­reich zu unterstützen sowie einem antinationalsozialistischen Nationalbewusstsein Vorschub zu leisten. Dabei ging es den Amerikanern weniger um Altruismus oder um das Eintreten für öster­reichische Interessen, sondern mehr um die nüchterne »Geopolitik des Widerstandes«.24 Die amerikanischen Geheimdienste wie OSS oder G-2/MIS sahen diejenigen Exilöster­reicher, die das NS-Regime aktiv bekämpfen wollten, als nützlichen, hierarchisch jedoch streng untergeordneten Partner zur Durchsetzung eigener militärischer Interessen und strategischer (Nach-)Kriegsziele an. Die Akteure des öster­reichischen Exils in den USA, die für den Kriegsgeheimdienst arbeiteten oder mit ihm in informeller Verbindung standen, wussten in den meisten Fällen natürlich über den Pragmatismus der Amerikaner Bescheid. Umso mehr versuchten sie daher innerhalb dieses »geheimdienstlichen Feldes«25 ihre eigene antifaschistische bzw. öster­reichpatriotische Agenda voranzutreiben, indem sie die amerikanischen Kriegsinstitutionen auf die Schlüsselrolle, die Öster­reich im subversiven Schattenkrieg gegen NS-Deutschland ihrer Meinung nach innehatte, hinwiesen. So hat der Öster­reicher Hans Simon der Foreign Nationalities Branch des OSS mehrmals die geostrategische, kulturelle und politische Bedeutung (sowie die angebliche Opferrolle) Öster­reichs in Erinnerung gerufen. In einem FNB-Memorandum vom Juli 1943 unterbreitete er etwa Vorschläge für öster­reichbezogene Propaganda- und Widerstandsoperationen  : There is no need to point to the obvious strategical importance of Austria which has made her the traditional stepping-stone for German aggression […]. What, however, is not always fully appreciated is the fact that the identity of language between Austria and the Reich and the absence of control at the frontiers make Austria a convenient starting-point for Allied propaganda and perhaps for the organization of resistance both of which would presumably spread much quicker to Germany and particularly to South-Germany from Austria than they would from any other occupied country.26 24 Pirker, Subversion, 31. 25 Ebd., 30. 26 H. Simon to D. Poole, OSS Foreign Nationalities Branch, on Propaganda towards Austria, 15.7.1943. NARA, RG 226, FNB-INT-4AU-361.



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Nicht nur das OSS, auch der öster­reichische Exilwiderstand profitierte von der Einbindung der Exilanten in den Intelligence- und Subversionsapparat der Amerikaner  : Die öster­reichischen OSS-Agenten durften einen – zumindest symbolisch bedeutenden – aktiven Beitrag zur Befreiung ihres Heimatlands vom NS-Regime leisten, indem sie im Dienst der Anlehnungsmacht USA als geheimdienstliche Informanten und Analysten zu zentraleuropäischen Fragestellungen arbeiteten, als Agenten die Frontlinien infiltrierten oder mit dem Fallschirm ins Deutsche Reich bzw. das Gebiet des heutigen Öster­reich gelangten. Dort gelang es ihnen mit unterschiedlichem Erfolg, Spionage zu betreiben, »Kontakte zu NS-Gegnern zu knüpfen, Sabotage und Desertion anzuleiten, Kommunikationslinien herzustellen, sowie subversive Propaganda einzuschmuggeln.«27 Die zuvor gegebene Skizze über die bedeutendsten OSS-Abteilungen folgt auch einer gewissen diachronen Logik (auf Informationsbeschaffung und Analyse folgen Penetrations- und Propagandaunternehmungen »im Feld«). Während in der Frühphase des Krieges noch »das Sammeln von geheimen Nachrichten über den Widerstand« und das Generieren von Wissen über den Feind im Vordergrund standen, wurden gegen Kriegsende Hunderte Agententeams in die unter deutscher Herrschaft stehenden Gebiete entsandt.28 Die sehr ambitionierten und letzten Endes nur teilweise umgesetzten Kriegsziele des OSS beruhten auf einem universalistischen Verständnis von subversiver Geheimdiensttätigkeit und einer engen Verknüpfung von transnationaler Spionage und psychologischer Kriegsführung. Der Idealtypus des OSS-Mitarbeiters war einerseits der wissenschaftlich versierte, exileuropäische Analytiker in Washington, der die »ethnic drags of America for skill in languages and knowledge of foreign countries« 29 sowie den intellektuellen Überbau der Organisation verkörperte. Andererseits gab es im operativen Bereich den paramilitärisch ausgebildeten, mehrspachigen, kognitiv ebenfalls wendigen und physisch risikobereiten Multiagenten, der bei der Ausführung von aufwändig vorbereiteten Intelligence-Operationen spontan die Bildung von Widerstandszirkeln forcierte, nach Möglichkeit Sabotage betrieb und förderte sowie – wie das etwa auf dem italienischen Kriegsschauplatz der Fall war – subversives Propagandamaterial im Feindgebiet verbreitete. Das von OSS-Direktor Donovan forcierte Axiom »In a global, totalitarian war, intelligence must be total and totalitarian« steht für diese enge Verbindung von ge27 Pirker, Subversion, 19. 28 Christof Mauch, »Subversive Kriegführung gegen das NS-Regime. Der Widerstand gegen den Nationalsozialismus im Kalkül des amerikanischen Geheimdienstes OSS«, in  : Heideking/Mauch, Geheimdienstkrieg, 51–89, hier 77. 29 Cpt. Henry Kerby, Offizier des britischen Geheimdienstes SIS, zitiert in  : Knightley, Second Oldest Profession, 210.

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heimdienstlicher Informationsarbeit und militärischen Zielsetzungen sowie von hoher Wissenschaft und subversivem Aktionismus.30 Doch wie bereits im Kapitel 1.2.2 dieses Buchs am Beispiel der (von den amerikanischen Geheimdienstformationen an der Front nicht vorhergesehenen) Ardennenoffensive der Wehrmacht veranschaulicht, vermochte es das OSS nur teilweise, die Konflikte und Konkurrenzverhältnisse unter den einzelnen geheimdienstlichen Institutionen zu überwinden und seine hochgesteckten Ziele zu verwirklichen. Eine universalistische Durchdringung der vorhandenen amerikanischen Geheimdienststrukturen und große operative Erfolge sind dem OSS bis Kriegsende freilich nicht gelungen. Dennoch sind – gerade auch in Bezug auf öster­reichbezogene Aktivitäten des OSS – auch einige spektaktuläre Erfolge zu verzeichnen  : Das OSS setzte bei seinen Operationen und Aktivitäten nicht nur auf Vielseitigkeit und Flexibilität, sondern auch auf unkonventionelle und forsche Zugänge. So verwendete man in Missachtung völkerrechtlicher Bestimmungen etwa deutsche und öster­ reichische Wehrmachtsdeserteure für geheimdienstliche und propagandistische Spezialmissionen. Dieser zwar kontroverse, aber hochgradig pragmatische Zugang sollte schließlich mit ein Grund dafür sein, dass das OSS in der Endphase des Krieges bei der geheimdienstlichen Penetration des »Dritten Reichs« den britischen Seniorpartner in vielerlei Hinsicht überflügelte. Nicht zuletzt ermöglichte es diese Geheimdienstphilosophie auch überzeugten Antinationalsozialisten wie öster­reichischen Deserteuren und Kriegsgefangenen der Wehrmacht, sich aktiv am Kampf gegen Hitlerdeutschland zu beteiligen, anstatt die Kriegsgefangenschaft – wie es die Bestimmungen der Genfer Konvention vorsahen – Daumen drehend in einem alliierten Lager »absitzen« zu müssen. Doch während amerikanische Militaria- und Intelligence-Autoren wie Joseph Persico, Gerald Schwab oder Patrick O’Donnell in ihren teils sehr reißerischen, aber dennoch quellennahen und dokumentarischen Werken31 den Beitrag vieler Öster­reicher zum Schattenkrieg des OSS und zur Wiederherstellung des demokratischen Staates Öster­reich einem vorwiegend amerikanischen Publikum nahegebracht haben, gibt es hierzulande mit Ausnahme einiger deutschsprachiger Aufsätze und memorialliterarischer Werke keine vergleichbare publizistische, literarische oder historiografische Resonanz in Bezug auf die öster­reichischen Protagonisten innerhalb des OSS. Haben die Kriegsbiografien einer Handvoll öster­reichischer 30 Söllner, Archäologie, 25. 31 Joseph E. Persico, Piercing the Reich. The Penetration of Nazi Germany by American Secret Agents During World War II. New York  : 1979  ; Gerald Schwab, OSS Agents in Hitler’s Heartland  : Destination Innsbruck. Westport  : 1996.  ; Patrick K. O’Donnell, They Dared Return. The True Story of Jewish Spies Behind the Lines in Nazi Germany. Philadelphia  : 2009.



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OSS-Agenten bzw. -Informanten, darunter etwa jene der unbestrittenen Widerstands-Ikonen Fritz Molden oder Franz Josef Messner, Aufnahme in den historischen Widerstandskanon und öffentlichen Widerstandsdiskurs Öster­reichs gefunden, trifft das für Hunderte andere OSS-Agenten öster­reichischer Herkunft nicht zu. Die folgenden zwei Kapitel sollen einen kleinen Beitrag zur Dokumentation ihrer Rolle bei der Niederringung des NS-Regimes und der Befreiung Öster­reichs leisten. 2.1 In Öster­reich gegen Dollfuß, im US-Exil gegen Hitler – Rudolf Anzböck und die OSS Labor Section Ohne Politik kein Widerstand

Peter Pirker32

We can take advantage of the hatred of Hitler by members of the European labor movement. They fought the rise of fascism from its inception. They are its implacable enemy. Arthur J. Goldberg, Offizier des US-Kriegsgeheimdienstes OSS 33 This soldier is a native Austrian with fluent German language qualification and a considerable knowledge of Central Europe geography and social conditions. His physical condition is superior (ski troops) and he is willing to undertake hazardous overseas duty. He is urgently needed. Derselbe über den öster­reichischen Exilsozialisten und US-Soldaten Rudolf Anzböck34

In einem im März 2010 in der Wiener Tageszeitung Der Standard erschienenen Kommentar setzt sich der öster­reichische Historiker und Romancier Doron Rabinovici dafür ein, dass Josef Gerl, ein militanter Gegner der öster­reichischen Ständestaatdiktatur (1933–1938), der für seine subversive Agitation gegen dieses Regime mit seinem Leben bezahlt hat, als Widerstandskämpfer gegen den (»Austro«-)Faschismus eingestuft wird. 35 Gerl, ein kämpferischer Sozialdemokrat, hatte im Juli 1934 einen an die damaligen NS-Terrorattentate erinnernden Anschlag auf eine Signalanlage der Donauuferbahn verübt und kurz darauf einen 32 Pirker, Subversion, 177. 33 Arthur J. Goldberg, zitiert in Persico, Piercing, 24. 34 OSS Message Goldberg on Requisition of Anzbock, 10.5.1944. 35 Doron Rabinovici, »Kommentar der anderen  : Widerstand aus Begeisterung für Hitler und Stalin  ?«, in  : Der Standard, 3.3.2010, 35.

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Polizisten verletzt. Nachdem er verhaftet worden war, erweckte er während des Prozesses den Eindruck, der verbotenen öster­reichischen NS-Bewegung nahezustehen. Wohl aus taktischen Überlegungen versuchte Gerl während der Gerichtsverhandlung, seine im Graubereich zwischen »Terrorismus« und »Widerstand gegen ein faschistisches System« angesiedelte Tat den illegalen Nationalsozialisten, dem ideologischen Hauptfeind des Sozialismus, anzuhängen. In einem international Aufsehen erregendem Prozess36 wurde er daraufhin vom Gericht, das ein willfähriger Vollstrecker der autoritären Politjustiz des Dollfuß-Regimes war, schuldig gesprochen und anschließend hingerichtet.37 Zum Missfallen des Kommentar-Verfassers Rabinovici wurde Josef Gerl Jahrzehnte nach dieser Causa von Widerstandsforschern wie Wolfgang Neugebauer der Status eines glaubwürdigen und moralisch gefestigten Antifaschisten abgesprochen.38 Gerl sei demnach nicht mehr als eine Art Roter mit braunen Flecken, ein »Nazi« eben. Rabinovici kritisiert diesen Zugang scharf. Unabhängig von der Frage, ob Gerls Aktion einer zweifelhaften politischen Überzeugung entsprang oder nicht, sei es grundfalsch, so der Historiker, »nur lupenreine Demokraten als antifaschistische Widerstandskämpfer anzuerkennen«.39 Was hat die Causa Gerl mit den Exil-Öster­reichern im amerikanischen Kriegsdienst zu tun  ? Sehr viel, denn Rabinovici erwähnt in diesem Zusammenhang einen weiteren Sozialdemokraten, der Gerl bei seinem politisch motivierten Sabotageakt unterstützt hatte und auf den deshalb ebenfalls ein brauner Schatten bzw. der Verdacht des NS-Terrorismus fiel  : Dieser Mann, dessen Exil- und Kriegsbiografie ich im Folgenden näher ausbreiten werde, heißt Rudolf Anzböck. Um nun die »antifaschistische Widerstandstätigkeit« von Gerl und seinem Helfer Anzböck zu legitimieren und beide vom Verdacht nationalsozialistischer Neigungen freizusprechen, weist Rabinovici zu Recht darauf hin, dass ebendieser Rudolf Anzböck, der vom Ständestaatregime letztlich begnadigt worden war, nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten in Öster­reich »in die USA [emigrierte]. Nicht eben das typische Verhalten eines Nazikumpans«, so Rabinovici.40 Wer war also dieser Rudolf Anzböck  ? Ein mutiger linker Widerstandskämpfer, ein verkappter Nationalsozialist oder bloß ein ungeschickter Terrorist, der in den Wirren seiner Zeit sein Glück in Übersee suchte  ? Dort, wo die Ausführungen des Wiener Historikers enden, beim Gang ins Exil, wird in diesem Kapitel die 36 »Austria Hangs Young Socialist«, in  : Utica Daily Press, 24.5.1934, 1. 37 Wolfgang Neugebauer, »Das Standgerichtsverfahren gegen Josef Gerl«, in  : Karl R. Stadler (Hg.), Sozialistenprozesse. Politische Justiz in Öster­reich 1870–1936. Wien  : 1986, 369–379. 38 Vgl. »Die SPÖ und ihre braunen Wurzeln«, in  : www.dokumentationsarchiv.at/SPOE/Braune_ Flecken_SPOE.htm (letzter Zugriff  : 1.9.2011). 39 Rabinovici, »Kommentar«, 35. 40 Ebd.



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Fährte Anzböcks wieder aufgenommen. Sein Weg führte ihn ab 1938 über mehrere Stationen in Europa, Asien und Lateinamerika in die Vereinigten Staaten. Von dort kehrte er schließlich in amerikanischer Uniform wieder nach Europa, das mittlerweile Kriegsschauplatz war, zurück. Die Bestände des US-Nationalarchivs in College Park in Maryland, der 10th Mountain Division Collection der Denver Library in Colorado und des Dokumentationsarchivs des öster­reichischen Widerstandes in Wien bestätigen die Vermutung Rabinovicis, dass Anzböck kein glühender Nationalsozialist war, sondern sein Gang ins Exil und sein militärischer und geheimdienstlicher Beitrag im Krieg gegen Hitlerdeutschland vielmehr vom Gegenteil zeugen. Ein Blick auf die bisher noch nicht wissenschaftlich durchleuchtete Kriegsbiografie von Rudolf Anzböck legt jedoch auch den Schluss nahe, dass die Apologetik Rabinovicis, der ein desperates Attentat gegen ein repressives, aber letztlich doch nur semifaschistisches Regime41 zu einem »antifaschistischen Widerstandsakt« überhöht, gar nicht notwendig ist  : Rudolf Anzböck war in der Tat eine Art Widerstandskämpfer, sein wahrer Kampf gegen den Faschismus sollte aber aus dem Exil heraus und unter amerikanischer Ägide erfolgen. Das umstrittene Sprengen einer Wiener Signalanlage (bei dem er ohnehin nicht die treibende Kraft gewesen sein dürfte42) steht zwar als aktionistisches Statement für die Ablehnung der autoritären Ständestaatdiktatur im Raum, verglichen mit seinem späteren militärischen und geheimdienstlichen Kampf gegen den mitteleuropäischen Faschismus war es aber ein eher unbedeutender Akt. Rabinovicis überzeugendes Argument, dass jemand, der nach 1938 in die USA ausgewandert ist, kaum als glühender Nationalsozialist bezeichnet werden kann, gibt auch der um die Frage »Wer gilt als öster­reichischer Widerstandskämpfer  ?« kreisenden Historikerdebatte wichtige Impulse. Der einengende nationale Blick auf den Widerstand innerhalb Öster­reichs gegen die Regimes zwischen 1933 und 41 Gerhard Botz, der sich im Einklang mit der internationalen Geschichtswissenschaft und transnationalen Faschismusdiskursen sieht, stuft den normativen Begriff »Austrofaschismus« als überholt und zu ideologisierend ein. Das autoritäre Ständestaatregime von Dollfuß und Schuschnigg sei vielmehr ein hybrides Herrschaftsmodell gewesen, das zwar partiell faschistische Züge trug, aber auch ein Amalgam aus antidemokratischen, christlich-konservativen, nationalistischen und »ständischen« Ideologien war. Gerhard Botz, »Dollfuß  : Mythos unter der Lupe«, in  : Der Standard, 21.2.2015, in  : http://derstandard.at/2000011974523/Dollfuss-Mythos-unter-der-Lupe (letzter Zugriff  : 21.2.2015)  ; ähnlich auch das komparatistische Standardwerk von Stanley G. Payne, A History of Fascism. 1914–1945. London  : 21997, 250 f.  ; Ernst Hanisch ist zuzustimmen, wenn er behauptet, dass Dollfuß und Schuschnigg Öster­reich nicht in einen radikalisierten Führerstaat, sondern eher in einen »überdimensionalen, katholischen Bauernhof« unter autoritärer Führung zu verwandeln trachteten. Hanisch, Schatten, 315. 42 Anzböck war laut seinem politischen Weggefährten und späteren US-Geheimdienstkollegen, dem Sozialdemokraten Joseph Simon, »im Grunde ein völlig unpolitischer Mensch, der sich in die Sache hatte hineinziehen lassen.« Simon, Augenzeuge, 304.

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1945 ist bei der Charakterisierung des antifaschistischen Saboteurs bzw. Widerstandskämpfers Anzböck, der wie viele andere Oppositionelle und NS-Gegner den Großteil dieser autoritären Epoche außerhalb Öster­reichs verbrachte, nicht hilfreich.43 Der historische und gesellschaftspolitische Widerstandsdiskurs umkreiste nach 1945 – bis auf wenige Ausnahmen – lange Zeit nur jene Formen des antifaschistischen Widerstands, die innerhalb der öster­reichischen Staatsgrenzen bzw. der »Ostmark« und der »Alpen- und Donaugaue« von öster­reichischen Akteuren geleistet wurden. Dieser Widerstand von innen war aber vielfach mit dem Widerstand von außen verzahnt. Denn aufseiten der Anlehnungsmächte Großbritannien und USA fanden sich im Zweiten Weltkrieg Hunderte Öster­reicher, die für die anglo-amerikanischen Kriegsgeheimdienste SOE und OSS arbeiteten und somit aus dem Exil heraus Widerstand gegen den Nationalsozialismus leisteten. Während die SOE maßgeblich für die Bewaffnung des einzigen wirklich militärisch organisierten Widerstands auf öster­reichischem Boden (nämlich jenes der Partisanen in Südkärnten) verantwortlich zeichnete, sandte vor allem das OSS gegen Kriegsende Dutzende Fallschirmagenten nach Öster­reich, um dort Spionage zu betreiben, den autochthonen Widerstand zu unterstützen und andere subversive Tätigkeiten zu entfalten. Ohne Kenntnis der geopolitischen 43 Wirft man einen genauen Blick auf die exilöster­reichischen Beiträge zur Kriegsanstrengung der USA, verschieben sich manche Perspektiven. Wenn Rabinovici in seinem Kommentar etwa dafür plädiert, nicht nur »lupenreine Demokraten« als Widerstandskämpfer zu betrachten, müsste er konsequenterweise auch seine Meinung über bestimmte Vertreter und Anhänger des Dollfuß-Regimes revidieren  : Denn viele Vertreter und Sympathisanten der von Anzböck bekämpften und von Rabinovici als faschistisch bezeichneten Ständestaatdiktatur mussten selbst in die USA fliehen und haben im US-Exil aktiv und überzeugt gegen den Nationalsozialismus, der ihnen ihre bisherige Existenz genommen und sie aus der Heimat vertrieben hatte, gekämpft. Und dort im Exil, in den Redaktionen amerikanischer Propagandaämter, in den geheimdienstlichen Forschungs- und Analyseabteilungen oder auch im Kugelhagel an der Westfront in Europa, fanden sich auch Hunderte geflohene Dollfuß- und Schuschnigg-Anhänger Seite an Seite mit vertriebenen Sozialdemokraten wie Anzböck wieder. Natürlich dürfen Autokraten, deren Führer und Exekutivorgane über Jahre hinweg politische Gegner nicht nur einsperren, sondern sogar töten ließen, keineswegs von Handlungen und Überzeugungen zwischen 1933 und 1938 exkulpiert werden. Doch war ihr US-Kriegsdienst nicht ebenso wie jener des Wiener Sozialdemokraten Anzböck Teil des öster­reichischen Widerstandskampfes gegen den Nationalsozialismus  ? Ein gemeinsamer Kampf, der in erster Linie amerikanischen Interessen gedient haben mag und der kaum für lagerübergreifende Ziele oder einen verbindenden Öster­reich-Mythos gefochten wurde. Aber dennoch war es ein von Öster­reichern mitgetragener Kampf, der sich entschieden gegen den Nationalsozialismus richtete. Die nicht unproblematische, aber dennoch wichtige Aussage Rabinovicis, dass »Widerstand […] nicht dadurch definiert [wird], wofür, sondern wogegen diese Frauen und Männer ihr Leben riskierten«, müsste daher auch für jene in die USA geflohenen Rechtskonservativen, Legitimisten und »Austrofaschisten« gelten, die sich aus dem Exil heraus gegen die radikalste Variante des Faschismus, den Nationalsozialismus, stemmten.



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und militärischen Vernetzungen dieses Staatsgrenzen und nationale Denkmuster transzendierenden Geheimdienstkriegs und (Exil-)Widerstandskampfs lässt sich der Fall Anzböck nicht verstehen. So taucht sein Name im innenpolitischen Zusammenhang oder in historischen Abhandlungen bis heute meist nur mit dem »Sprengstoffattentäter Gerl« oder dem vermeintlichen »Nazi Gerl« auf, ist also negativ konnotiert und auf das Jahr 1934 beschränkt. Dass Rudolf Anzböck wie viele andere Öster­reicher in der US Army bzw. dem Kriegsgeheimdienst OSS jahrelang auf den Untergang des NS-Regimes hingearbeitet hatte und daher ein breites »Widerstands-Portfolio« vorweisen kann, fand bisher keine Beachtung. Nach diesen einleitenden Überlegungen zum Widerstandsbegriff komme ich nun zu dem zentralen Protagonisten dieses Kapitels. Rudolf Anzböck wurde am 15. März 1913 im oberöster­reichischen Rohrbach geboren (in späteren US-Akten wurde sein Geburtsort der damals noch zum Habsburgerreich gehörenden, späteren Tschechoslowakei zugerechnet44). Er verlegte seinen Lebensmittelpunkt bald nach Wien, wo er in den 1930er-Jahren als Hutmachergehilfe und sozialdemokratischer Funktionär in Erscheinung trat. Anzböck war Mitglied der SDAP-Vorfeldorganisation SAJ (Sozialistische Arbeiterjugend) in Wien-Leopoldstadt und gehörte nach der brutalen Niederschlagung des sozialistischen Schutzbundaufstandes durch das Ständestaatregime im Februar 1934 den verbotenen Revolutionären Sozialisten an.45 Nach dem Anschlag mit Josef Gerl in Wien war er durch die Ständestaatjustiz (die seinen Sabotageakt als »kommunistisch« einstufte46) in einer Art Schauprozess zum Tod durch den Strang verurteilt worden. Doch der Gang zum Schafott blieb Anzböck erspart  : Kanzler Dollfuß, der kurz darauf von den Nationalsozialisten ermordet wurde, optierte nach einer von Anzböck an Bundespräsident Wilhelm Miklas gerichteten Bitte um Gnade für die Strafmilderung auf »lebenslänglich«. Hier der Wortlaut des Gnadengesuchs  : Ich bitte um Gnade  ! Ich bin kaum über 20 Jahre alt, ein törrichter [sic  !], unerfahrener, junger Mensch, der fremden unseligen Einfluss, unterlegen ist. Ich habe im Leben wenig glückliche Tage gehabt. Als ich kaum 4 Jahre alt war, ist meine Mutter gestorben, mein Vater[,] der ein schwerer Trinker war, hat eine Frau geheiratet, die mir sehr feindselig gesinnt war, und mich schwer misshandelt hat. Aus lauter Verzweiflung bin ich mit 10 Jahren aus dem Elternhause geflohen. 44 US Army WW II Enlistment Record of Rudolf Anzbock, ASN 39134178. NARA, RG 64, in aad.archives.gov (letzter Zugriff  : 20.2.2010)  ; Separation Process Sheet R. Anzbock. OSS Personnel File Anzbock. 45 Dokumentationsarchiv des öster­reichischen Widerstandes/Bund sozialdemokratischer Freiheitskämpfer und Opfer des Faschismus (Hgg.), Josef Hindels. Erinnerungen eines linken Sozialisten. Wien  : 1996, 66. 46 AVA Justiz, Landesgericht für Strafsachen, Wien I, Amnestie 1938. DÖW 20718/3.

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Trotzdem bin ich ein ehrlicher Mensch geworden. Ich habe mich immer durch meine Arbeit erhalten und habe bis jetzt niemals gegen das Gesetz verstossen. Es kommen mir also sämtliche mildernden Umstände zu Gute, die das Gesetz überhaupt kennt. Alter knapp über 20 Jahre. [V]ernachlässigte Erziehung, umfassendes, reumütiges Geständnis, vollkommene Unbescholtenheit, Verleitung durch andere Personen. Schliesslich sei noch erwähnt, dass ich nach der ganzen Sachlage als Mindestbeteiligter zu bezeichnen bin, da ich [beim Sprengstoffanschlag mit Gerl] nicht die Haupttätigkeit entfaltet habe, und insbesondere an der Gefährdung des Lebens des Wachebeamten nicht schuldtragend bin. Aus all diesen Gründen hoffe ich nicht umsonst an die bekannte Menschlichkeit des Herrn Bundespräsidenten zu appellieren, wenn ich ihn bitte, mich durch einen Gna­ den­akt vor dem Äussersten zu bewahren Rudolf Anzböck.47 2.1.1 Flucht ins amerikanische Exil und Militärdienst in der US-Armee

Anzböck hatte ein weiteres Mal Glück. Auf politischen Druck Hitlers und der NSDAP, deren eingekerkerte Sympathisanten am meisten von einer der Schuschnigg-Regierung aufgezwungenen Generalamnestie im Februar 1938 profitierten, wurde er nach über drei Jahren Haft begnadigt und aus dem Gefängnis entlassen.48 Nach eigener Darstellung wurde Anzböck am 13. März 1938 ein weiteres Mal verhaftet, diesmal von den NS-Behörden. Er wurde jedoch wieder freigelassen und flüchtete kurz darauf in die Schweiz. Zum Heimatlosen geworden, hielt er sich in der Folge, von der vorrückenden Wehrmacht getrieben, in Frankreich, Norwegen und Schweden auf, wo er Kontakte zu linken Politiker- und Gewerkschaftskreisen pflegte.49 Unterstützt vom umtriebigen Fluchthelfer und letzten Vorsitzenden der Revolutionären Sozialisten in Öster­reich, Joseph Buttinger,50 47 Bundesministerium für Justiz, Gnadengesuch von Rudolf Anzböck an den öster­reichischen Bundespräsidenten, eingelangt am 24.7.1934, Aktenzahl 40092. Für eine Kopie dieses Dokuments möchte ich mich beim Präsident des Landesgerichts für Strafsachen für Strafsachen in Wien, Friedrich Forsthuber, herzlich bedanken. 48 Auf einer Liste mit den Namen von 171 Personen, die wegen diverser politisch motivierter Verbrechen von den Ständestaatbehörden eingekerkert waren, ist Anzböck wegen »kommunistischen« Tatbestands aufgelistet. Seine auf lebenslänglich reduzierte Strafe wurde durch die Enthaftung am 19. Februar 1938 hinfällig. AVA Justiz, Amnestie 1938. 49 Brief R. Anzböck, San José, Costa Rica, an Hubert [i. e. Joseph] Buttinger, 25.11.1940. DÖW 18890/1. 50 In seinem an den US-Konsul in Costa Rica gerichteten Affidavit of Support (Bürgschaftserklärung) für Anzböck gibt Buttinger nach zuvor erfolgter Absprache mit Letzterem an, dass Anz-



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gelang es ihm schließlich über die Zwischenstationen Japan, Panama und Costa Rica in die USA zu emigrieren.51 Nach anfänglichem Aufenthalt in New York ließ sich Anzböck 1941 mit seiner Lebensgefährtin Jean in San Francisco, Kalifornien, nieder. An der Pazifikküste war Anzböck unter anderem als Bus Boy (ein »hundselendig schwerer« Job) und Maschinist in einer Schraubenfabrik tätig, arbeitete jedoch bald wieder im gelernten Gewerbe als Hutmacher.52 Bereits seit Längerem vom zuständigen Draft Board der Armee in New York registriert,53 wurde der sprachlich begabte Einwanderer nach der Musterung in San Francisco und einigen für ihn verwirrenden bürokratischen Winkelzügen der Militärbehörden am 28. Mai 1943 offiziell als Rekrut in die US-Armee aufgenommen. »I have been expecting it for a long time«, schreibt Anzböck, der in Kalifornien mittlerweile beruflich und sozial halbwegs Fuß gefasst hatte und sich über die Einberufung nicht freute,54 im Mai 1943 in einem seiner in Englisch verfassten Briefe an Buttinger.55 Da er offensichtlich nicht freiwillig in die US-Armee einrückte, fällt es an dieser Stelle schwer, vom aufrechten Gang eines Antifaschisten in den bewaffneten Exilwiderstandskampf gegen Hitlerdeutschland zu sprechen. Die im selben Schreiben artikulierte Hoffnung, der »Ski- and Mountain Branch of the Army« (vgl. Kapitel 1.3 dieses Bands) zugewiesen zu werden, sollte sich für ihn jedoch erfüllen. Noch vor seinem Umzug nach Kalifornien war Anzböck, ein laut Selbstbeschreibung leidenschaftlicher Skifahrer mit einem Faible für generell alle Wintersportarten, mit dem New Yorker Büro des National Ski Patrol System (NSPS) in Kontakt getreten.56 Das NSPS war jene zivile Vereinigung, die für die Anwerbung und Rekrutierung von Personal für eine neu aufzustellende US-Gebirgseinheit zuständig war.57 Im Juni 1943, rund eineinhalb Jahre nachdem er in New York beim Skiverband vorgesprochen hatte, rückte Anzböck in Monterey zum aktiven Wehrdienst ein böck sein delikates Leumundszeugnis der Wiener Polizei trotz mehrerer Requirierungsversuche nicht erhalten hätte. Joseph Buttinger, New York, an den amerikanischen Konsul, San José, Costa Rica, 3.12.1940. DÖW 18890/1. 51 Passenger List S.S. Chiriquiri from Havana to New York, Arrival 13 January 1941. NARA, Records of the Immigration and Naturalization Service, Passenger and Crew Lists of Vessels Arriving at New York, New York, 1897–1957, MS T715, MR 6520, L 1 P 149, in  : www.ancestry.com (letzter Zugriff  : 15.1.2013). 52 R. Anzböck, San Francisco, an J. Buttinger, 10.12.1941. DÖW 18890/1. 53 Brief R. Anzböck an J. Buttinger, 21.3.1942. DÖW 18890/1. 54 Ebd. 55 Enlistment Record R. Anzbock  ; Brief R. Anzböck an J. Buttinger, 30.5.1943. DÖW 18890/1. 56 Brief R. Anzböck an J. Buttinger, 6.2.1943. DÖW 18890/1. 57 Vgl. Kapitel 1.3 dieses Buchs.

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und erhielt einen Marschbefehl für Camp Hale.58 Hier, in den nahezu unerschlossenen Bergen Colorados, befand sich der Ausbildungsort des Gebirgsregiments, dem Anzböck ab sofort angehören sollte. »9200 feet elevation and right on the job I am best suited for«, schreibt er am 11. Juni 1943 zufrieden an Joseph Buttinger. »They put me into an Infantry Company, and my general job probably will be rockclimbing in summer and skiing in winter«, fährt Anzböck fort.59 Das erwähnte Regiment, das später auf Divisionsgröße erweitert und in 10th Light Infantry Division (Alpine) bzw. 10th Mountain Division umbenannt wurde, sollte später auf dem italienischen Kriegsschauplatz spektakuläre militärische Erfolge erzielen. Anzböck wurde in Camp Hale dem im Juli 1943 gegründeten 90. Gebirgsinfanterieregiment und ab Februar 1944 dem 85. Regiment der 10. Gebirgsdivision zugeteilt.60 In den folgenden Monaten durchlief er in den wildromantischen Bergen Colorados eine äußerst harte Ausbildung zum Gebirgsinfanteristen. Ende April 1944, wenige Wochen bevor die Division nach Texas übersiedeln sollte, wo die Gebirgsjäger mit regulärem Infanterietraining auf den bevorstehenden Einsatz auf dem italienischen Kriegsschauplatz vorbereitet werden sollten, langte beim Kommandanten des 85. Regimentes ein vertrauliches Schreiben aus Washington ein. Der Brief stammte von Lieutenant Colonel D. M. Gregory, der in der Zentrale des Kriegsgeheimdienstes OSS in Washington für die Rekrutierung von zukünftigen Agenten zuständig war. Die Personaloffiziere des OSS suchten Freiwillige für eine »secret and hazardous mission in [the] E[uropean] T[heater of ] O[perations]« und waren in den Reihen der Gebirgstruppe fündig geworden. Aus einem dem Schreiben beigelegten Ansuchen, das von Major Arthur J. Goldberg, dem Leiter der sogenannten Labor Section des OSS, unterzeichnet worden war, geht hervor, dass für das besagte Vorhaben besonders US-Emigranten aus dem gewerkschaftlichen und sozialdemokratischen Milieu gefragt waren und der Infanterist Rudolf Anzböck ideale Voraussetzungen für dieses Projekt mitbrachte. Anzböcks öster­reichischer Regimentskamerad, der jüdische First Lieutenant Karl Gustav Porges, erinnert sich, dass derartigen Anfragen aus Washington eine Visite eines OSS-Rekrutierungsoffiziers vorangegangen war. Dieser suchte vielversprechende militärische Ausbildungsstätten wie die Intelligence-Schule in Camp Ritchie oder eben das Gebirgslager Camp Hale nach geeigneten Soldaten, die aus Deutschland und Öster­reich stammten, ab  :61 58 Telegramm R. Anzbock, San Francisco, an S. Hurlbut, National Ski Patrol System, New York City, 29.5.1943. Denver Library, Western, WH 1001. 59 Brief R. Anzböck, Camp Hale, Colorado, an J. Buttinger, 11.6.1943. DÖW 18890/1. 60 Company Morning Report, 85th Infantry Regiment, Company B, 10th Light Division, Camp Hale, 17.2.1944. Denver Library, 10th, TMD 1  ; OSS Requisition Sheet R. Anzbock, 3.5.1944. 61 Siehe hierzu Eppel, Exil, Bd. 2, 201–206.



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30 Auszug aus den Morning Reports des 90. Gebirgsinfanterieregiments der 10. US-Gebirgsdivision in Camp Hale, Colorado.

One day, there arrived a mysterious captain who interviewed us, one at a time, at Regimental H[ead]Q[uarters]. He turned out to be from the OSS and was looking for people who spoke German or French  ; one was, he hinted to be parachuted into occupied France to work with the Underground, or into Germany, to blow up something.62

Neben dem persönlichen Besuch eines Rekrutierungsoffiziers könnte auch das auf dem maschinellen Lochkartensuchsystem basierende Auswahlverfahren der amerikanischen Militärbürokratie63 ausschlaggebend für die Anwerbung Anzböcks durch das OSS gewesen sein. Durchaus möglich ist es ebenfalls, dass die Informationen gut vernetzter öster­reichischer Exilsozialisten wie Julius Deutschs bei der Rekrutierung Anzböcks eine Rolle gespielt haben. So wurde die ursprünglich für die Überwachung politischer Exilpersönlichkeiten in den USA zuständige, sich nun aber zunehmend als hilfreiches Rekrutierungsinstrument erweisende Foreign Nationalities Branch (FNB) des OSS durch Gespräche und Korrespondenzen mit ihren »Zielpersonen« auf potenzielle Rekruten aufmerksam gemacht. Deutsch wurde von der FNB nicht nur zu den 20 interessantesten »politically consequential figures« des öster­reichischen »38er«-Exils in den Ver-

62 Porges, »WW-2 Up Close«, 16. Hervorhebungen von Porges. 63 Van Creveld, Kampfkraft, 89 f.

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einigten Staaten gezählt,64 sondern vom OSS zunehmend auch als Informant in Personalfragen geschätzt.65 Im OSS-Personalakt des öster­reichischen Exilanten und OSS-Mitarbeiters Ralph Wand, eines aus Wien stammenden sozialdemokratischen Funktionärs jüdischer Herkunft, wird etwa darauf hingewiesen, dass Deutsch und der Sozialdemokrat Manfred Ackermann als Kontaktpersonen bei der Rekrutierung von vielversprechenden Agenten aus dem linken Milieu wertvolle Dienste leisteten.66 Unabhängig von der Frage, ob der Neo-OSS-Agent Anzböck von Rekrutierungsoffizieren, von Lochkartenmaschinen oder von exileuropäischen Sozialisten »gefunden« wurde, zeugen seine Korrespondenzen von großem persönlichen Interesse am Geheimdienstprojekt in Europa. Das standardisierte Anforderungsprofil der geheimnisvollen OSS-Mission in Europa, an der er teilnehmen sollte, beinhaltete folgende Fähigkeiten und Eigenschaften  : Rugged physical condition. Facility in a foreign language. Willingness to volunteer for a hazardous mission. Should be decisively anti-Nazi in feeling.67

Rudolf Anzböck wurde dem Desiderat des Kriegsgeheimdienstes in allen vier Punkten gerecht. Sein im US-Nationalarchiv frei einsehbarer »Theater Service Record« führt an, dass er neben Englisch (das er mittlerweile fließend sprach) und Deutsch auch Sprachkenntnisse in Französisch, Spanisch und Norwegisch besaß.68 Schon zu Beginn seines Gebirgsinfanterietrainings hatte er seinem Genossen Buttinger mitgeteilt, dass er seine Affinität zu sprachbezogenen Aktivitäten während des Kriegsdienstes geltend machen wollte.69 Diese spezielle Fähigkeit (im Beam64 Vgl. Eppel, Exil, Bd. 2, 47  ; siehe hierzu auch den Personalakt des OWI zu Deutsch  : OWI Personnel File of Julius Deutsch. NARA, NPRC, State, Bx 33135, Bu 204, CPR 338-58-3714 BL 35427, Bx 3/9. 65 Beer, »Exile«, 47 f.  ; vgl. derselbe, »Exil und Emigration«, 132–143. 66 »[R. Wand] suggests that MANFRED ACKERMANN of the Austrian Labor Movement […] should know many other [potential OSS recruits]. He can be found thru JULIUS DEUTCH [sic  !].« Excerpts from Letter, T. Wilson, to Devoe, Ft. McClellan, Alabama, on R. Wand and FAUST Project, 5.11.1943. OSS Personnel File of Rafael Wand. NARA, RG 226, E 224, B 815  ; zur allgemeinen Informations- und Beratertätigkeit von Julius Deutsch und anderen öster­reichischen US-Emigranten siehe grundlegend Beer, »Exil und Emigration«, 132–143. 67 OSS Request for Interview and Personal History of R. Anzbock, 13.4.1944. OSS Personnel File Anzbock  ; vgl. War Diary of the Secret Intelligence Branch of the Office of Strategic Services (OSS) in London, Vol. 6, 1–281, hier 102 f. NARA, RG 226, E 210, B 48. 68 Theater Service Record of Rudolf Anzbock, 15.10.1945. OSS Personnel File Anzbock. 69 »As you know, I will try to get into the Ski- and Mountain branch of the Army. But first of all



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tenjargon der US-Militärbürokratie wird seine »military occupational specialty« als »linguist, German« bezeichnet) qualifizierte Anzböck neben Hunderten von anderen Öster­reichern für eine Arbeit jenseits des Schützengrabens. Zudem war er als Teil einer hervorragend ausgebildeten Gebirgstruppe auch in hervorragender körperlicher Verfassung. Seine bereits aus der Vorkriegszeit bekannte Risikofreude und sein kämpferischer Antifaschismus waren offensichtlich auch im amerikanischen Exil nicht ganz verschwunden. Ob die OSS-Offiziere in Washington wussten, dass ihr zukünftiger Mitarbeiter ein ehemaliger Sprengstoffsaboteur und linker Untergrundaktivist war, konnte ich nicht herausfinden. Wie ein Blick in die spätere OSS-Historie zeigt, wies Anzböcks Eignungsprofil für eventuelle subversive Geheimdiensteinsätze in Europa einen weiteren Pluspunkt auf  : Not the least important advantage of using left and labor groups in intelligence work was the fact that they had experience working in clandestine situations.70

Der Kriegsgeheimdienst hat es in Anzböcks Fall also vermocht, den »Richtigen« zu finden. 2.1.2 Ausbildung zum Agenten einer »linken« OSS-Abteilung

Auch wenn er nach seiner Einberufung auf ausdrücklichen Wunsch zu den Alpintruppen gestoßen war, kam Anzböck die bevorstehende Versetzung zur OSS Labor Section nicht ungelegen. Seine in Briefen artikulierte Genugtuung über die Versetzung zum Geheimdienst nach Washington71 dürfte nicht nur mit seinem Interesse an intellektuellen Herausforderungen und der Freude am Neuen oder am Risiko, sondern auch mit pragmatischen Motiven erklärbar sein. Obwohl das geplante Engagement in dieser anfangs ominös wirkenden »linken« OSS-Abteilung mit lauter Gewerkschaftern und Sozialdemokraten seiner politischen Ausrichtung entsprach, darf man nicht übersehen, dass er sich in den Bergen Colorados gerade in einer wenig angenehmen Situation befand. Just als die Anfrage des OSS in Camp Hale eintraf, nahm Anzböck mit den Soldaten der 10th Mountain Division an einer Übung teil, die ein Autor später als »most grueling exercise in the history of the American Military« bezeichnen sollte. In den sogenannten D-Series im Frühjahr 1944 wurde die Belastbarkeit von rund 12.000 Gebirgsinfanteristen in Höhen von bis zu knapp 4.000 Metern und bei teilweise I will try to do something with my knowledge of languages and I think I should have a chance there.« Anzböck an Buttinger, 30.5.1943. 70 War Diary, SI Branch, Vol. 6, 3. 71 Brief R. Anzböck an J. Buttinger, 4.6.1944. DÖW 18890/1.

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arktischen Temperaturen überprüft. In diesen Wochen erlitten die Soldaten der 10. Gebirgsdivision fünf Mal mehr Krankheitsfälle und Verletzungen als jede andere US-Division des Zweiten Weltkrieges in der Ausbildung zu verzeichnen hatte.72 Dazu kam der Frust des »sinnlosen Abwartens«  : Anzböck machte ein Jahr lang Gebirgstraining durch, konnte sich aber als Angehöriger einer Division, die letztlich bis Jänner 1945 in Reserve gehalten werden sollte, nicht in den schon seit Jahren in Europa tobenden Krieg einbringen.73 Es scheint daher verständlich, dass er sich auf jegliches neue Arbeitsfeld beim Kriegsgeheimdienst freute – sei es auch noch nebulös definiert oder risikoreich. In einem Brief an Buttinger teilt Anzböck diesem mit, dass es sich bei seinem künftigen OSS-Job um eine »interessante« Tätigkeit handeln würde  : »I can not tell you what I am doing, but I think it is going to be interesting work.« Da er zu absoluter Diskretion verpflichtet war, verriet er seinem Parteigenossen Joseph Buttinger darüber hinaus nur, dass er nach Washington, D.C. abkommandiert wurde.74 Neben Anzböck wurden auch andere Öster­reicher in der 10th Mountain Division zum OSS geschickt. Der 1938 aus Wien geflohene Mathematiker und spätere Computerpionier Franz Leopold Alt, der in New York als »statistical clerk« gearbeitet hatte75 und in Camp Hale den Rang eines Korporals innehatte, erreichte im Kriegsgeheimdienst als Mitarbeiter des Chemical Warfare Service und später als Mathematikexperte für ballistische Studien den Rang eines 2nd Lieutenant (Leutnant).76 Anfang Juni 1944 wurde der zukünftige OSS-Mitarbeiter Anzböck von Colorado schließlich in die Kapitale am Potomac transferiert, um eine geheimdienstliche Spezialausbildung zu absolvieren. Auch er sollte schlussendlich am Hauptschlag der anglo-amerikanischen Alliierten gegen die NS-Herrschaft auf dem europäischen Festland beteiligt sein. Den ihm auf dem Schachbrett der Kriegslenker ursprünglich zugewiesenen Platz des Bauern (i. e. Infanteristen) hatte er mittlerweile aber verlassen  : Während zur gleichen Zeit auf dem Omaha Beach in der Normandie Hunderte junge GIs von deutschen Projektilen niedergemäht wurden, wusste Anzböck weder, welche Rolle ihm beim Kriegsgeheimdienst zugewiesen werden sollte noch wo sein späterer Dienstort sein würde. 72 Jenkins, Last Ridge, 116. 73 Porges, »WW-2 Up Close«, 16. Hervorhebungen von Porges. 74 Brief Anzböck an Buttinger, 4.6.1944. 75 Mitteilung von Dennis Hagen, The Denver Public Library, 10 th Mountain Division Resource Center, via E-Mail, 21.9.2011. 76 Interview Uta C. Merzbach with Franz L. Alt, 13.3.1969. Smithsonian National Museum of American History, Lemelson Center for Study and Invention and Innovation, Computer Oral History Collection 1969–1973, 1977, in  : http://amhistory.si.edu/archives/AC0196_alt690313. pdf (letzter Zugriff  : 19.6.2015). Siehe auch OSS Personnel File of Franz L. Alt. NARA, RG 226, E 224, B 12.



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Als er in die Hauptstadt übersiedelte, machte er zunächst eine mehrwöchige Schulung in »verschiedenen Camps nahe Washington«77 durch. »Dieses Training«, so sein bereits erwähnter öster­reichischer OSS-Kollege Rafael (Ralph) Wand, »war sehr arg. Zum Glück waren wir immer Sportler, Schifahrer, Bergsteiger usw., sodaß ich doch etwas trainiert war, aber es war schauderhaft.«78 Nach ihrem Transfer nach Europa durchliefen jene OSS-Agenten der Labor Section, die als Penetrationsagenten eingesetzt werden sollten, eine weitere Ausbildung in der »Milwaukee School« in England.79 Zukünftige »undercover agents« der Secret Intelligence Branch wie Anzböck absolvierten in der Regel in der sogenannten »Area E«80 einen rund 200-stündigen »SI-X2 Basic Course« (auf den ein abschließender »Finishing Course« folgte). Der Kurs sollte den zukünftigen Fallschirmspringern, Spionen und Sabotageagenten die wichtigsten Grundlagen geheimdienstlich-subversiver Tätigkeit vermitteln und setzte sich aus folgenden Gegenständen zusammen  : Introduction and Training Objectives Physical Training Hygiene & Camp Sanitation Radio (Code training) Maps and Map Reading Demolition and Explosives Weapons Field Sketching – topographical & panoramic Training Films Field Problems – One day Cover Scheme Written Examinations Critiques Special Subjects [i. e. Subversive Warfare, Security, Cover, Interrogation, Propaganda etc.] Three day Penetration Scheme81

Neben den – für den Gebirgsjäger Anzböck schon zur Routine gehörenden – physischen Anstrengungen standen vor allem auch psychische »hardships« im 77 Diese befanden sich unter anderem im Gebiet des heutigen Catoctin Mountain Park. 78 Dokumentationsarchiv des öster­reichischen Widerstandes (Hg.), Jüdische Schicksale. Berichte von Verfolgten. (= Erzählte Geschichte, Bd. 3). Wien  : 1992, 483–487, hier 484. 79 War Diary, SI Branch, Vol. 6, 117 f. 80 1st Lt. K. Miller, Acting Chief, Schools & Training Branch, to Col. J. Hoag, FA, on OSS Training Areas, 1.7.1943. NARA, RG 226, E 136, B 162, F 1757. 81 OSS Schools and Training, Curriculum, SI-X2-Basic Course, undatiert, vermutlich Juli 1943. NARA, RG 226, E 136, B 162, F 1757.

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Zentrum des Kurrikulums für künftige OSS-Agenten. Dazu gehörten angeblich eine simulierte »cross examination [in] Nazi style under blinding light« oder gruppendynamische Übungen, die bewusst zu psychosozialen Eskalationen führen sollten, um die Belastbarkeit der zukünftigen Geheimdienstleute zu testen. 82 Der bereits zuvor erwähnte Infanterieoffizier Karl Porges, der ebenfalls von der 10th Mountain Division zum OSS versetzt worden war, konnte diesen laut seiner Aussage von realitätsfernen Harvard-Psychologieprofessoren und unerfahrenen »psych graduate student[s]« durchgeführten Versuchen wenig abgewinnen – enttäuscht wandte er sich vom OSS ab und meldete sich erneut zur Infanterie.83 Wie die nähere Beschreibung der Fallschirmmissionen des OSS in Europa später noch zeigen wird, hatte sich Porges mit seiner sehr pessimistischen Einschätzung des operativen Potenzials des OSS geirrt. Doch auch den ehemaligen Sprengstoffsaboteur, Gefängnisinsassen und körperlich robusten Gebirgsjäger Anzböck, der sowohl die harte Hand des Ständestaatregimes als auch jene des Nationalsozialismus am eigenen Leib verspürt hatte, dürften die »naiven« OSS-Zivilisten an der Ostküste nicht sonderlich beeindruckt haben. 2.1.3 »… the best agent is the man who works because of personal conviction«84 – Zur Entstehung der Labor Section des OSS

Die Genese jener »linken Abteilung« des US-Kriegsgeheimdiensts, der Anzböck zugewiesen wurde, verrät viel über die unorthodoxe Mentalität, den Pragmatismus und die ideologische Unbefangenheit des OSS und seines Direktors William Donovan. Die Geschichte der OSS Labor Section (auch Labor Branch, Labor Division oder Labor Desk genannt) ist auch ein Beleg dafür, mit welcher Schnelligkeit es die amerikanische Kriegsmaschinerie allen Fehlern und aller Unerfahrenheit zum Trotz vermochte, das enorme menschliche Potenzial der heterogenen US-Einwanderergesellschaft in militärische oder geheimdienstli82 Marjorie Van de Water, »Selecting Secret Agents«, in  : The Science News-Letter, 12.1.1946, 26 f., hier 26. 83 »[T]o ascertain our aptitude as espionage agents by means of tests […] a psych graduate student, disguised as an ›armed guard‹, bursts into the room and takes you away, to be ›interrogated‹ by the ›police‹ (more psych professors and students) using what these innocents perhaps thought were Gestapo methods (no pain inflicted but plenty of yelling). All the time, they observed you and wrote in their little books. […] This went on for a week during which I became convinced that the OSS, or at least this part of the OSS, was a dead loss, run by self-important twits who, though they themselves had never risked their lives nor had any more knowledge of the details of espionage than the average boy scout, were busily concocting schemes that most likely would result in my being caught and shot.« Porges, »WW-2 Up Close«, 16. 84 War Diary, SI Branch, Vol. 6, 2.



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che Bahnen zu lenken und im Feld umzusetzen. Der britische Kriegspartner war hierfür zunächst das Vorbild. Ein Vorbild, das gegen Ende des Krieges im Bereich der geheimdienstlichen Penetration des Deutschen Reichs vom amerikanischen Juniorpartner sogar übertrumpft wurde. Doch der Weg dorthin war kein einfacher  : Schon im Jahr 1941 lernte OSSChef Donovan, damals noch Leiter der Vorgängerorganisation COI (Coordinator of Information), bei einer Inspektionsreise im kriegführenden Großbritannien die Vision Hugh Daltons, des Chefs der britischen SOE, kennen. Sich auf das »Konzept der europäischen Revolution« berufend,85 glaubte Dalton, dass Arbeiter und Fremdarbeiter innerhalb Deutschlands eine subversive Masse darstellten, die eines Aufrufs zur Tat, eines antifaschistischen Impetus von außen, regelrecht harrte. Die Vorläufer der sogenannten X-Section der SOE, die für geheimdienstliche Operationen in Deutschland und Öster­reich zuständig war, unternahmen und unterstützten bereits ab 1939 Sabotageaktivitäten im »Dritten Reich«. Die SOE stufte die Sozialdemokraten und Gewerkschafter »als stärkste oppositionelle Kraft in Öster­reich«, deren subversives Potenzial man sich zunutze machen sollte, ein.86 Wie Peter Pirker betont, stand bei solchen Revolutionsplänen nicht nur das nachrichtendienstliche Prinzip »know your enemy«, sondern auch der vom chinesischen Kriegstheoretiker Sun Tzu im gleichen Zusammenhang erwähnte Satz »know yourself« im Mittelpunkt. Bevor man also durch Spionage und subversive Tätigkeiten die Macht des NS-Regimes schwächen und eine politische Revolution innerhalb des NS-Machtbereichs initiieren konnte, brauchte man die Hilfe und das Wissen der »inneren Feinde des Feindes«. Viele Vertreter dieser dem Faschismus feindselig gegenüberstehenden Gruppe, vor allem die zahlreichen Exilsozialisten aus Deutschland und Öster­reich, befanden sich nun in Großbritannien und den USA und waren de facto ein Teil der Gesellschaft des jeweiligen Gastlandes geworden. Mehr noch  : Sie waren potenzielle Verbündete im Kampf gegen das Deutsche Reich. Man musste sich also mit dieser Gruppe von NS-Gegnern sowie mit ihren kriegswichtigen Humanressourcen befassen, um sich der geheimdienstlich getragenen Zersetzung des Feindes annehmen zu können (»know yourself«)  : Die Kenntnis der inneren Feinde des Feindes [bestimmte] das eigene Potenzial, ihn mit der Methode der inneren Zersetzung, der Subversion, anzugreifen. Welche Potenziale stehen zur Verfügung, welche möglichen Verbündeten gibt es, wie kann mit ihnen kooperiert werden, wie sind sie einsetzbar, um eigene Ziele zu befördern  ?87 85 Pirker, Subversion, 25. 86 Ebd., 88. 87 Ebd., 25.

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Doch im Gegensatz zu den Briten sollten sich die Amerikaner als weniger konservativ und vorsichtig erweisen, als es darum ging, das Potenzial des sozialistischen Exils für die eigene Kriegsanstrengung nutzbar zu machen. Den Sozialisten Dalton, der fest an die Möglichkeit einer von alliierter Seite initiierten proletarischen Revolution im »Dritten Reich« glaubte, »erfüllte es mit Zorn, dass seine Führungsoffiziere trotz angeblicher politischer Offenheit vor allem auf die Unterstützung von konservativem und rechtem Widerstand setzten«, das antifaschistische Potenzial der linken Gruppierungen und der Arbeiter jedoch großteils ignorierten.88 OSS-Direktor Donovan, stets offen für umstürzlerische Ideen und für hemdsärmeligen »Can do«-Aktivismus amerikanischer Prägung, griff hingegen Daltons Konzept auf – die Idee zur Gründung einer »linken« US-Geheimdienstabteilung zur Unterstützung einer subversiven Volksfrontbewegung in Deutschland war geboren.89 Neben Donovan und dem bekannten Gewerkschaftsanwalt Arthur Goldberg, der für den Congress of Industrial Organizations (CID) tätig war,90 sowie dem Gewerkschaftsfunktionär, Journalisten, Weltkriegsveteranen und Experten für psychologische Kriegsführung, Heber Blankenhorn91 war der öster­reichisch-deutsche Exilant Paul Hagen maßgeblich für die Installierung der OSS-Labor Section verantwortlich. Hagen, ein Psychoanalytiker, Ex-Kommunist und nunmehr sozialdemokratischer Publizist,92 war ein streitbarer und forscher homo politicus, der als Mitglied der linken deutschen Widerstandsgruppe »Neu Beginnen« über reiche subversive und konspirative Erfahrung im Hitlerdeutschland der 30er-Jahre verfügte. Auch in den Kampf gegen das semifaschistische Dollfuß-Regime war Hagen tief verstrickt gewesen  : Im Jahr 1934 hatte er, damals noch unter dem Namen Karl Frank firmierend, Otto Bauer und andere Vertreter der in Öster­reich verbotenen Revolutionären Sozialisten von der Notwendigkeit des gewerkschaftlichen Kampfes und der Bildung klandestiner politischer Betriebszellen überzeugt.93 Allen Dulles, der Leiter von COI New York und spätere Chef der OSS-Stelle in Bern, wurde 1942 oft in Gesellschaft von Gewerkschaftern und Personen des politisch linken Spektrums, darunter auch Hagen, gesichtet.94 Für Dulles, der »an 88 Pirker, »Politik im Schatten«, 34. 89 Mauch, »Subversive Kriegführung«, 51 f. 90 Goldberg war nach dem Krieg unter anderem als Richter am obersten US-Gerichtshof tätig. 91 Persico, Piercing, 25  ; zu Blankenhorns (letztlich gescheiterten) linken Propagandavisionen siehe Mauch, Schattenkrieg, 201–205. 92 Hagen verfasste 1942 das in vielerlei Hinsicht programmatische Buch Will Germany Crack  ? 93 Buttinger, Ende der Massenpartei, 318 f. 94 »During that spring and summer of 1942, Allen [Dulles] moved through the city’s social circles with his customary ease, but without evident purpose. […] In black tie he would attend stag dinners at the Waldorf Towers with diverse guests from unfamiliar parts of Europe, not all the types



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extrordinary amount of time with a motely assortment of foreign immigrants«95 verbrachte, war der in der New Yorker Gesellschaft bestens etablierte Hagen »a revolutionary with fire in his eye and determination in his soul«96, der COI/OSS einen Aktionsplan vorschlug, der es in sich hatte  : Um die laut Hagens Darstellung prinzipiell sehr große, aber eben nur latent vorhandene Widerstandsbereitschaft der Arbeiterschaft im »Dritten Reich« zu wecken,97 sollte der amerikanische Kriegsgeheimdienst eine Sonderabteilung gründen, die mit dem sozialistischen und gewerkschaftlichen Untergrund in Deutschland in Kontakt treten und diesen zum antifaschistischen Kampf bewegen würde. Durch enge Zusammenarbeit mit den ohnehin internationalistisch und transnational ausgerichteten sozialistischen Emigranten in den USA und anderen Exilländern sowie durch die penible Analyse des pressemedialen Stimmungsbildes innerhalb Deutschlands wäre man, so Hagen, in der Lage, das Widerstandspotenzial der Arbeiter und Fremdarbeiter im NS-Machtbereich präzise einzuschätzen. Danach sollten über neutrale Länder am Rande des deutschen Einflussbereichs, wie die Schweiz oder Schweden, Verbindungs- und Kommunikationslinien zwischen den Proletariermassen im Reich und dem OSS etabliert werden. Sei Letzteres erreicht, könne man zu gezielten Sabotage- und Propagandamaßnahmen übergehen. Schließlich würde man zur Rekrutierung linker Kriegsgefangener aus Deutschland und Öster­reich schreiten und diese (bzw. antifaschistische US-Exilanten) in weiterer Folge sogar als Penetrationsagenten ins Herz des Deutschen Reiches einschleusen, wo sie militärische, ökonomische und politische Informationen sammeln und die Arbeiterschaft zu Widerstand und Sabotage animieren würden. Nach Hagens Überzeugung würden allein die kriegswirtschaftlichen Schäden, welche die Arbeiter, vor allem das dem NS-System feindselig gegenüberstehende Millionenheer der Fremdarbeiter (von Daniel Lerner als »explosive mass of humanity«98 bezeichnet), in Deutschland nur durch Sabotage verursachen könnten, diesen Plan schon rechtfertigen. Die systematische Infiltration von OSS-Agenten würde die linke Revolution in Deutschland schließlich vollends eskalieren lassen und die Herrschaft des NS-Regimes unterminieren, so sein optimistisches Räsonnement.99 with whom [his employer] Sullivan and Cromwell would do business. […] [H]e was also seen with labor union leaders from the New York garment district – even some former communists  !« Peter Grosse, Gentleman Spy. The Life of Allen Dulles. New York  : 1994, 141 f. 95 Ebd. 96 COI Memorandum on P. Hagen, A. Dulles to H. Wilson, 29.5.1942. NARA, RG 226, E 210, B 78, F 1. [Diese Zitation ist nicht mehr aktuell] 97 Siehe hierzu Paul Hagen, »Our Allies inside Germany«, in  : Common Sense, September 1942, 294– 298, hier 296. NARA, RG 226, E 210, B 70. 98 Lerner, Sykewar, 100. 99 Mauch, Schattenkrieg, 91 und 238 f.

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Eine besondere Bedeutung in seinem proletarischen Umsturzplan maß Hagen neutralen Ländern wie Schweden zu. Peter Pirker hat etwa darauf hingewiesen, dass exilierte Sozialisten in Stockholm bis Ende 1943 »über einen Kontakt zu einer sozialistischen Stelle in Öster­reich verfügten.«100 Um derartige Vernetzungen für das OSS zu nutzen, schlug Hagen Goldberg und Donovan vor, linke Emigranten wie den gebürtigen Deutschen Bernhard Taurer alias Tower 101 als US-Kontaktmänner und Agenten nach Schweden zu entsenden. Taurer war als Arbeiter und Gewerkschafter in der öster­reichischen Metall- und Chemieindustrie sowie im Exil als politischer Autor und als Radiopropagandist für das Office of War Information102 tätig. In einer Nachricht an Dulles skizzierte Goldberg das gewünschte Tätigkeitsprofil des Labor-Agenten Taurer  : It is proposed to send Tower to Sweden. Tower, who is a German, lived in Norway and was vested with Norwegian citizenship for special services rendered to the Norwegian government. He will have to be provided with fictitious papers since he would be known under his name to the Swedish government for his activities in Norway. In Sweden Tower […] [like Mrs. Caples, another OSS-agent] […] would be able to establish contact with reliable trade unionists and with other people known to the Hagen group who have contacts in and communication with Germany. […] In addition, he would probably go into Norway and reestablish direct communications with the underground groups there.103

Im Juli 1942 hatte Hagen sein Ziel erreicht  : Das aus dem COI hervorgegangene OSS installierte die Labor Section als Unterabteilung des Secret-Intelligence-Zweigs (OSS/SI) mehr oder weniger entsprechend Hagens Vorstellungen. Der Chef der neuen Abteilung, Arthur Goldberg, war überzeugt, dass »das Prestige und die Popularität Amerikas unter den Gewerkschaftsgruppen in den feindlichen und besetzten Gebieten enorm« sei und die Idee eines »gewerkschaftlichen Geheimdienstes« auf breite Resonanz stoßen werde.104 Auf die ideologischen Befindlichkeiten der eher konservativen und antikommunistischen bzw. antisozialistischen Basis des OSS wurde bei der Umsetzung des Labor-Konzepts wenig Rücksicht genommen.105 Donovan, dem das Zitat »I’d put Stalin on the OSS pay100 Pirker, Subversion, 176. 101 Unter dem Pseudonym Jon B. Jansen verfasste Taurer gemeinsam mit Georg Eliasberg (Ps.: Stefan Weyl) 1943 das Buch The Silent War. The Underground Movement in Germany. 102 Gerhart Pistor, »Harret aus  !« Eine Stimme für Öster­reichs Freiheit. Wien  : 2005, 138–140. 103 COI Message A. Goldberg to A. Dulles, on P. Hagen and the »New Beginning Group«, 29.5.1942. NARA, RG 226, E 210, B 78, F 1. [Diese Zitation ist nicht mehr aktuell] 104 Mauch, Schattenkrieg, 243. 105 Vgl. ebd., 238 f.



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31 Die subversive Kraft des (linken) europäischen Untergrunds aus Sicht von Revolutionstheoretikern wie Paul Hagen.

roll if I thought it would help to defeat Hitler« zugeschrieben wird,106 wollte seine linke Schattenarmee unbedingt – und er sollte sie im Gegensatz zu seinem britischen Kollegen Dalton, dem ein wesentlich konservativerer politischer Wind entgegenwehte,107 auch bekommen. Paul Hagen wird oft als die zentrale Figur bei der Genese der Labor Section und als deren »Mastermind« dargestellt. Doch setzten Goldberg und Donovan auch auf regen Meinungsaustausch mit anderen einflussreichen deutschen oder öster­reichischen Exilsozialisten. Der bereits mehrfach erwähnte Julius Deutsch etwa, der zu dieser Zeit im Propagandaamt COI/FIS bzw. dessen Nachfolger OWI/ Overseas Branch als Redenschreiber sowie als Berater von COI/OSS tätig und nebenher politisch sehr aktiv war, versuchte die gewerkschaftlichen und sozialistischen Netzwerke in Europa aktiv in die amerikanischen Kriegsanstrengungen einzubinden. Er vertrat schon im Februar 1942 gegenüber dem COI/FNB-Mitarbeiter DeWitt C. Poole die Meinung, dass »the [Austrian] Socialist Party […] 106 Persico, Piercing, 209. 107 Vgl. Mauch, Schattenkrieg, 240.

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was now active in underground warfare, especially with the factory workers.«108 Ein Widerstandspotenzial, das nach Meinung von Deutsch von den Alliierten militärisch, geheimdienstlich und propagandistisch ausgenutzt werden sollte. Deutsch, der über durchaus gute Kontakte zu OSS-Chef Donovan verfügte und von diesem auch als Propagandist angeworben worden war, riet Goldberg im August desselben Jahres zur Schaffung eines »office […] established with the purpose to gather and utilize all news concerning the struggle of European labor against Nazism.« Diese Labor-Abteilung sollte alle linken Gruppierungen in den USA umfassen und als »a sort of clearing house for labor news with regard to anti-Nazi propaganda« fungieren. Das Amt, das Deutsch vorschwebte, würde zu den gewerkschaftlichen und sozialistischen Organisationen in Schweden, der Schweiz, Portugal etc. Delegierte entsenden, um von dort aus Kontakte nach Deutschland und Italien herzustellen. Der daraufhin zu erwartende »exchange of news« sollte schließlich die Produktion von effizienter und subversiver »Labor Propaganda«, die sich gegen das Deutsche Reich richtete, ermöglichen.109 Obwohl Deutschs Idee letztlich nicht realisiert wurde, zeigt seine Korrespondenz mit Goldberg und seine Hilfe bei der Rekrutierung von Labor-Agenten, wie eng die politische Linke in den USA mit Donovans pragmatisch agierendem Geheimdienst zusammenarbeitete. Der operative Fokus der Labor-Aktivitäten konzentrierte sich sofort auf die 1941 als COI-Stützpunkt gegründete und von David Bruce geleitete OSS-Außenstelle in London. Hier wurde das erste außeramerikanische Büro der OSS/SI Labor Division mit Goldberg an der Spitze eingerichtet. In der Stadt, die der Brennpunkt der nicht immer spannungsfreien britisch-amerikanischen Intelligence-Kooperation war, wimmelte es regelrecht von sozialistischen Exilanten und Funktionären von Arbeiterverbänden, die vor dem Vormarsch der Deutschen auf dem europäischen Festland geflohen waren und die sich als Rekruten für OSS/SI eigneten. Die von Dalton, Donovan, Hagen und Goldberg propagierte Idee eines von London, Stockholm und Bern aus gesteuerten »Volks-Geheimdienstes«, der in Ausnützung der transnationalen Verbindungen linker und gewerkschaftlicher Gruppen aus deutschen Industriearbeitern forsche Revolutionäre oder aus behäbigen öster­reichischen Eisenbahnern kämpferische Saboteure machen würde, schien ihrer Umsetzung nun einen gewaltigen Schritt näher gerückt zu sein. Wie dies realisiert werden sollte, zeigt sich später in den operativen Akten von OSS London. So sollten im April 1944 die beiden öster­reichischen OSS-Mitarbeiter 108 COI/FNB Memorandum on Conversation with General Deutsch, by D. Poole 11.2.1942. NARA, RG 226, E 92, B 8. 109 OSS Memorandum J. Deutsch to A. Goldberg, Suggestions for Gathering Strategic Information from Labor Channels, 22.8.1942. NARA, RG 226, E 92, B 120, F 28.



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Ernst Winkler und Berthold König, Letzterer ein »prominent Austrian trade unionist of the Railwaymen’s Union«, gezielt Agenten rekrutieren, die eine Eisenbahn-Operation in Öster­reich ausführen würden. Das letztlich nicht umgesetzte Projekt wurde wie folgt charakterisiert  : The purpose of this mission would be  : (1) with the assistance of Italian railwaymen trade unionists to contact Austrian railwaymen via Northern Italy  ; (2) to infiltrate agents (recruited with the aid of Koenig and Winkler in North Africa and Italy) into Austria through Northern Italy, or otherwise  ; (3) to stimulate the growth and development of Anti-Nazi trade union elements in Austria  ; and (4) to obtain military, political and economic intelligence in Austria.110

Kurz nach ihrer Gründung im September 1942 bestand die Londoner SI-Abteilung aus nur fünf Mitarbeitern. Der sich anfangs noch sehr bescheiden ausnehmende Außenposten war in vielen Belangen auf die Zusammenarbeit mit dem Secret Intelligence Service (SIS alias MI6), der SOE und anderen britischen Stellen angewiesen. Hierarchisch war OSS London nicht nur Direktor Donovan und dem US-Generalstab, sondern auch dem Oberkommandierenden der amerikanischen Verbände in Europa untergeordnet. Der »Theater Commander« der US-Armee in Europa, General Frank M. Andrews, und auch sein Nachfolger J. L. Devers betrachteten den europäischen OSS-Außenposten zunächst aber nicht als wichtigen Akteur, sondern lediglich als eine Art lästiges Anhängsel der militärischen Nachrichtenabteilung G-2. Während der Anfangsphase war die Arbeits- und Personalsituation in London – analog zur weder politisch gefestigten noch organisatorisch völlig ausgereiften Struktur des OSS – von vielen Schwierigkeiten gekennzeichnet. Zwischen 1942 und Mitte 1944 war deshalb an groß angelegte Sabotageaktionen bzw. die Entsendung von OSS-Agenten ins deutsche Kernland nicht zu denken. Als die anglo-amerikanische Militärführung die Landung in Frankreich vorbereite, wurden zwar für die geheimdienstlichen Aktivitäten rund um OVERLORD bzw. für das OSS mehr Mittel bereitgestellt, doch lag der Schwerpunkt hier eher auf taktischen Operationen im französischen Kampfgebiet, nicht auf aufwändigen und riskanten Fallschirmmissionen und strategisch angelegten Revolutionsplänen im Deutschen Reich. Immerhin gelang es Goldberg und der OSS Labor Section bis Herbst 1943, Kontakte mit bedeutenden europäischen Exilsozialisten und nationalen und internationalen Gewerkschaftsverbänden herzustellen und »a knowledge of the personality and character of many of the leading labor figures 110 OSS Message I. Dorfman an A. Goldberg, Kramer’s Mission to Italy, 18.4.1944. NARA, RG 226, E 97, B 32, F 553  ; vgl. Mauch, Schattenkrieg, 242 f.

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of almost all Continental countries« zu erlangen.111 So stand Willy Eichler, Leiter des militanten Internationalen Sozialistischen Kampfbundes (ISK), aus dessen Reihen 1944 der erste OSS-Fallschirmagent, der über dem Deutschen Reich absprang, hervorgehen sollte, schon seit 1942 mit OSS London in Kontakt.112 Auch Christof Mauch konstatiert, dass es feste Kontakte mit dem Arbeiter-Untergrund in allen Ländern unter deutscher Herrschaft und im neutralen Schweden gab.113 In den USA selbst wurde ab Frühjahr 1943 die New Yorker Arbeitsgruppe »European Labor Research« gegründet, die regelmäßige Verbindungen zu sozialdemokratischen Exilgruppen in Großbritannien und in der Schweiz hatte. Zu den kooperationsbereiten »leftists« des OSS in Europa zählte unter anderem Oscar Pollak, der nicht unumstrittene Herausgeber der Wiener Arbeiter-Zeitung und ein zentraler Akteur des Londoner Büros der Auslandsvertretung der öster­reichischen Sozialisten (AVOES).114 Pollak wurde 1940 von Hugh Dalton und dem linken Flügel der SOE nach Großbritannien gelotst, »um den Klub der öster­ reichischen Sozialisten in London für den subversiven Kampf gegen den Nationalsozialismus zu aktivieren.«115 Pollak, der auch an frühen britischen Radiosendungen für die Arbeiterschaft im »Dritten Reich« mitgewirkt hatte,116 propagierte in Hinblick auf die Pläne einer geheimdienstlich unterstützten linken Revolution in Deutschland die »Schaffung einer ›Fünften Kolonne der Freiheit‹«.117 Ebenso wie der exilöster­reichische Gewerkschafter Franz Novy sollte er sich mit Fortdauer des Krieges zunehmend vom britischen Geheimdienst ab- und dem OSS zuwenden.118 Pollak spielte etwa eine wichtige Rolle bei der Planung der berühmten Intelligence-Mission namens HOFER, die vom sozialdemokratischen Passeur Ernst Lemberger alias Jean Lambert für das OSS in Öster­reich durchgeführt wurde.119 OSS-Labor-Chef Goldberg, der im Jahr 1943 die Lochkartendateien des War Department in Washington und die Armeelager der USA systematisch nach geeigneten Penetrationsagenten durchforsten ließ120 und dabei Dutzende 111 G. Pratt, OSS London, to K. Bruce, Plan for Proposed Operations on the Continent – Labor Desk, 23.3.1944, 1–21, hier 3. NARA, RG 226, E 110, B 44. 112 Jan Foitzik, »OSS-Aktivitäten in Deutschland 1944/45«, in  : Schafranek/Tuchel, Krieg im Äther, 322–347, hier 325. 113 Mauch, Schattenkrieg, 242. 114 War Diary, SI Branch, Vol. 6, 14. 115 Pirker, Subversion, 111. 116 Ebd. 117 Ebd., 26. 118 Ebd., 417 und 426. 119 Lt. A. Jolis, OSS Labor Division Paris, to T. Wilson and G. Pratt, HQ & HQ Detachment, OSS, US Forces, European Theater of Operations, Labor Division, on Hofer Mission, 13.12.1944. NARA, RG 226, E 210, B 1, F 2. [Diese Zitation ist nicht mehr aktuell] 120 Vgl. Eppel, Exil, Bd. 2, 201–206.



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abenteuerlustige Sozialisten und andere Soldaten als zukünftige Agenten und Geheimdienstfunktionäre um sich geschart hatte,121 maß der Entsendung von Fallschirmmissionen ins »Dritte Reich« interessanterweise lange Zeit wenig Priorität bei. Zwar beteiligte sich das OSS durchaus erfolgreich an einer Reihe von Missionen unter dem Namen SUSSEX, die in enger Kooperation mit den Briten und der französischen Résistance durchgeführt worden waren. Doch der Herausforderung des Einschleusens von US-Agenten in Deutschland selbst schienen nicht einmal die in puncto Geheimdienstkrieg wesentlich erfahreneren Briten gewachsen zu sein. Im Vergleich zu den geheimdienstlichen Aktionen in Frankreich, wo die alliierten Agenten von einer wohlwollenden Bevölkerung nach allen Kräften unterstützt worden waren, galt die Penetration des repressivsten Polizeistaats aller Zeiten, nämlich Deutschlands, als enorme Herausforderung  : The task of penetrating Germany presented, of course, far more formidable obstacles than did secret intelligence work in France, where organized resistance groups and local patriots provided invaluable assistance to SI operations by furnishing parachuting fields, reception committees, safe houses, informants and other facilities for the agents. […] In Germany the problem was to penetrate a hostile country where controls were strict, where no organized resistance was known to exist, and into which there were no substantial lines of communication. This meant that agents introduced into Germany would face formidable difficulties in meeting the problems of daily living, as well as the greater problem of procuring and sending out useful intelligence. It meant that the first agents, at least, would have to be sent in »blind«.122

Nachdem eine schon 1941/42 gemeinsam mit kommunistischen Agenten des russischen Geheimdienstes NKWD durchgeführte SOE-Operation in Mitteleuropa nur bescheidene Erfolge erzielt hatte,123 vertrauten die Briten lieber ihren ULTRA-­Kryptoanalysten, statt Menschen in einen sinnlos scheinenden und mora121 Im Jänner 1944 befanden sich in den USA etwa 17 Rekruten des sogenannten FAUST-B-Projekts in »advanced stages of training«. Diese wurden später zu OSS/SI nach England transferiert, um von dort als Penetrationsagenten nach Deutschland gesandt zu werden, wo sie »reliable German labor groups« kontaktieren und »a network of informants throughout Germany« einrichten sollten. OSS Report on the Activities of the Labor Section, 8.1.1944, 1–15, hier 6. NARA, RG 226, E 97, B 32. 122 Excerpts from the War Diary of the Secret Intelligence Branch of the Office of Strategic Services (OSS) in London, Vol. 1, in  : Bradley F. Smith, The Spy Factory and Secret Intelligence. (= Covert Warfare, Vol. 2). New York und London  : 1989, 1–52, hier 28. 123 Siehe hierzu Hans Schafranek, »Die Anfänge der Operation Pickaxe 1941/42. Sowjetische Funk- und Fallschirmagenten unter der Patronanz des britischen Geheimdienstes SOE«, in  : Journal for Intelligence, Propaganda and Security Studies ( JIPSS), Vol. 2, No. 1/2008, 7–22.

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lisch fragwürdigen Tod zu schicken.124 Doch angesichts des Kriegsverlaufs schien die Penetration Deutschlands letztlich weder für Briten noch Amerikaner nötig zu sein  : Im Herbst 1944 trat Arthur Goldberg – er glaubte, dass nach dem Erfolg von OVERLORD und der Einnahme von Paris der Krieg bereits zu Weihnachten 1944 ein siegreiches Ende haben würde – vorzeitig als Leiter der Labor Section zurück. Es stellte sich jedoch heraus, dass die Niederlage Hitlerdeutschlands nicht, wie erhofft, unmittelbar bevorstand, sondern wegen des »stalemate«, also der starren Front im Westen, noch mehrere Monate, wenn nicht sogar Jahre, dauern würde. Aufgrund dieses Patts forcierten OSS-Direktor Donovan wie auch das alliierte Hauptquartier in Europa (SHAEF) nun verstärkt die Entsendung von OSS-Agenten ins Deutsche Reich.125 Der Schock der deutschen Ardennenoffensive im Dezember 1944 veranlasste einige Nachrichtenoffiziere der US-Armee dazu, ihre Skepsis gegenüber dem zivilen OSS abzulegen und die geheimdienstliche Penetration des deutschen Kernlands zu unterstützen bzw. einzufordern. Die Arbeit von einigen wenigen OSS Field Detachments,126 die, angegliedert an die einzelnen G-2-Abteilungen der einzelnen Armeen im Kampfgebiet, taktische Informationen über den Feind einholten (jenes der 7. US-Armee, bei dem der Öster­reicher Peter Viertel eine wichtige Rolle spielte, erwies sich hierbei als besonders produktiv), reichte den Militärkommandeuren, die ohnehin ihre eigenen G-2-Spezialisten zur Verfügung hatten, nun nicht mehr aus. Nicht an der Front, sondern aus dem Inneren Deutschlands wollten sie vom OSS eine Antwort auf die Frage bekommen, wie es um die nationalsozialistische Militär- und Rüstungsmaschinerie und die deutsche Kriegsgesellschaft im Allgemeinen bestellt war  : 124 »British intelligence was allegedly lukewarm to the whole [penetration] plan given Nazi Germany’s intense counter-espionage climate, the lack of supporting German resistance movement, the American use of leftist agents, and the presumed pointlessness of risking agents when the ›profitable exploitation of ULTRA SI[GNALS] INT[ELLIGENCE] offered so much operational material‹.« Nelson MacPherson, American Intelligence in War-time London. The Story of the OSS. London und Portland  : 2003, 160  ; vgl. Pirker, Subversion, 17. 125 OSS, Division of Intelligence Procurement, SI/ETO, Air Operations Section Final Report, Appendix. 1.7.1945. NARA, RG 226, E 110, B 49. Zitiert in  : Doria Marie Lynch, The Labor Branch of the Office of Strategic Services  : An Academic Study from a Public History Perspective. (Master of Arts Thesis, University of Indiana, 2007), 33, in  : https://scholarworks.iupui. edu/bitstream/handle/1805/1129/THESIS_COMPLETE.pdf  ?sequence=1, (letzter Zugriff  : 17.10.2011). 126 Der französischsprachige Öster­reicher Herbert T. Baru, der nach einer kurzen Armeekarriere als Artillerist wie Anzböck in der »Area E« des OSS zum SI-Agenten ausgebildet worden war, diente ab Herbst 1944 etwa beim OSS Field Detachment im Hauptquartier der 3. US-Armee. OSS Theater Service Record of Herbert T. Baru, undatiert. OSS Personnel File of Herbert T. Baru. NARA, RG 226, E 224, B 41.



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G-2 officers were strongly of the opinion that it was of much greater importance to have agents placed on the other side of the Rhine in key transport centers than to have agents perform shallow penetration missions a few miles behind the lines and then return. […] General Harrison [Chief of Intelligence of the 6th Army Group], who heard that OSS had a considerable supply of agents in England who were not being used, protested against excessive caution in their use, remarking that there should be no hesitation to risk agent’s lives when a thousand man were being killed on the front every day.127

Der bereits längere Zeit vorbereitete FAUST-Plan der OSS Labor Section, der die systematische Infiltration Deutschlands durch OSS-Fallschirmspringer bzw. Penetrationsagenten aus dem linken Exil-Milieu vorsah, schien geeignet, diese strategischen, politischen und ökonomischen Informationen über NS-Deutschland zutage zu fördern. Der Leiter der Londoner Labor Section, George Pratt, der im November 1942 Goldberg abgelöst hatte, skizziert diesen Plan mit einer sehr optimistischen Erwartungshaltung  : B. GERMANY (a) Faust B (Faust A operates from Algiers). The planned operation contemplates the dispatch of agents with W/T communication to various places in Germany and Austria to work with the underground labor left-wing and socialist groups obtaining through such contacts information on the state of the enemy economy, war production, transportation, morale, and political developments. The recruits are for the main part volunteers from the U.S. army, although several civilians have also been recruited. The total number of recruits is expected to total approximately 45, 40 of whom are from the Army. […] it is expected that all of these recruits will be in England by May 15 [1944]. The basic training of most of these recruits, including parachute training, will have been given in the United States before their arrival in England. A tentative curriculum for their further training in England has been discussed [...]. Instructors in specialized subjects are available in England and the Labor Section is undertaking the responsibility for their specialized training. The method of their introduction into Germany will vary. Some will be dropped in Germany by parachute, others will be transported to France and make their way to Germany via Luxembourg or Switzerland. They will take some funds in with them but for ordinary living it is felt they will probably have to secure jobs in Germany. Because of this fact they will be relatively immobile once they have reached Germany and every effort will therefore be made to select places to which they will go for their strategic importance. 127 Excerpts from the War Diary of the Secret Intelligence Branch of the Office of Strategic Services (OSS) in London, Vol. 12, Book 1, German Operations, in  : Smith, Spy Factory, 1–129, hier 45.

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In view of the extremely hazardous nature of this planned operation, it is appropriate, I think, to say a word concerning the prospects of success. First, I should say that all of the recruits have had the dangers explained to them fully and have volunteered for the job. Secondly, every effort is being and will be made to give them thorough and adequate training to equip them for their undertaking. Third, and probably most important, I personally have a strong belief in the success of the plan because of the fact that we know of the existence, and have the addresses of a number of trade unionists and socialists in Germany who are willing to help. I do not underestimate the hazards involved, but I believe that the risks are justified because of the fact that if we are successful we shall have laid important groundwork for wide and extensive operations not only in Germany, but in many of the satellite countries including Czechoslovakia and Hungary. 128

Am 19. August 1944 gab das SHAEF-Oberkommando schließlich grünes Licht für die Durchführung des Plans FAUST B.129 Es dauerte also bis zur Endphase des Kriegs, bis die US-Militärs in Nordwesteuropa die strategische Bedeutung des zivilen OSS erkannten. Die Hauptaufgabe der nun einzusetzenden OSS-Teams wurde wie folgt definiert  : To collect secret intelligence in Germany by means of espionage for dissemination to SHAEF G-2 and other authorized agencies.130

Parallel zur Neuausrichtung und sukzessiven Ausweitung der Intelligence-Aktivitäten wurde das Personal der Londoner OSS-Stelle laufend erweitert. So standen Mitte 1944 bereits rund 2.800 Mitarbeiter im Dienst von OSS London.131 Eigentlich war nicht die wachsende SI Branch mit ihrer Labor Section, sondern die Londoner Abteilung der OSS Special Operations (SO) für Kommando- und Sabotageoperationen zuständig. Nach der Gründung eines amerikanisch-britischen Special Forces Headquarters (SFHQ) im Mai 1944 und der Landung in der Normandie gelang es OSS/SO in enger Zusammenarbeit mit der britischen SOE (nach deren Modell SO geschaffen wurde) und der französischen Résistance, eine Reihe von spektakulären Operationen, wie etwa die berühmten JEDBURGH Missions, zu lancieren. Der in Öster­reich geborene OSS-Offizier Victor J. Layton, laut OSS-Akten zu Ende des Kriegs mehrfach für Tapferkeit ausgezeichnet und 1945 an der Seite von Fritz Molden, dem berühmten OSS-Verbindungsagenten und 128 Pratt to Bruce, Plan – Labor Desk, 23.3.1944, 8. 129 Mauch, Schattenkrieg, 242  ; FAUST A bezog sich auf Labor-Operationen in Nordafrika. 130 War Diary, SI Branch, Vol. 6, 112. 131 MacPherson, American Intelligence, 55–59.



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Passeur »K 28«, auch in Öster­reich aktiv, war Teil eines solchen SO/SOE-Teams namens CITRONELLE. Die von diesem Agententrupp organisatorisch und logistisch nicht ideal durchgeführte Operation im Gebiet der Ardennen konnte trotz der angeblichen Mobilisierung von rund 200 Widerstandskämpfern keine nennenswerten Ergebnisse verbuchen und brachte auch empfindliche menschliche Verluste.132 In weiterer Folge gelang es OSS/SO bis Kriegsende nicht, sein Tätigkeitsfeld auf »Hitler’s Heartland« zu erweitern und dort in größerem Umfang Fallschirmagenten oder sonstige Kommandoeinheiten abzusetzen. Gründe dafür waren auch hier einerseits der lange Zeit eher taktische Fokus des US-Militärs auf das Geschehen an der Westfront und die bereits erwähnte Skepsis des britischen Seniorpartners in Hinblick auf die strategische Entsendung von Agenten ins »Dritte Reich«. Aber andererseits war auch ein akuter Mangel an geeignetem, vor allem deutschsprachigem SO-Personal zu erkennen.133 Eine experimentell angelegte OSS/SO-Kooperation mit Agenten der kommunistischen Organisation CALPO, in deren Rahmen OSS-Kommandoeinheiten unter anderem SS- und Gestapo-Offiziere im Gebiet der vermeintlichen »Alpenfestung« der Nationalsozialisten in Südbayern und Westöster­reich gezielt töten sollten,134 wurde kurz vor Kriegsende aus politischen Überlegungen abgebrochen.135 Trotz dieser schwierigen Ausgangslage glaubte der junge OSS-Offizier William Casey, der schon im Februar 1943 in das schmucklose OSS-Hauptquartier in der Londoner Grosvenor Street eingezogen war und Ende 1944 Leiter der SI Branch des europäischen Kriegsschauplatzes wurde, fest daran, dass eine sys132 OSS/SO Activity Report of Cpt. V. Layton (i. e. TRIERDE), Ardennes Department, Mission CITRONELLE, 16.11.1944. OSS Personnel File of Victor J. Layton. NARA, RG 226, E 224, B 438. 133 Casey, Secret War, 185. 134 Für die wenig zimperliche Operation namens CROSS (auch IRONCROSS genannt) von OSS/SO wurde laut Nelson MacPherson Stefan Rundt, ein öster­reichisch-deutscher Stabssergeant, der sowohl für das OSS als auch für SHAEF/G-2 tätig war, als Instruktor engagiert. Rundt, ein eigenbrötlerischer Journalist und Autor, war Absolvent des Military Intelligence Training Center in Camp Ritchie und ausgewiesener Fachmann in Bezug auf die Geschichte und die Organisation der SS, für die er ein nahezu obsessives Interesse hegte. Er sollte den kommunistischen SO-Agenten von CALPO wichtige Informationen über die verschiedenen NS-Offiziere einschärfen, so dass Letztere nicht nur gezielt identifiziert und liquidiert, sondern zuvor auch noch zu taktischen, strategischen und politischen Themen befragt werden konnten. Dieses Prozedere implizierte auch die Folterung der deutschen Zielpersonen  : »To help facilitate the accurate application of torture, a certain Mr Stefan Rundt was made available ›to help the CROSS men identify the various types of officers‹, and to ›brief them on type of information to be extracted from the victims‹.« MacPherson, American Intelligence, 166 f.  ; siehe auch Simon, Augenzeuge, 293–296. 135 Mauch, Schattenkrieg, 246–248  ; MacPherson, American Intelligence, 166 f.

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tematische Penetration Deutschlands im Bereich des Möglichen sei. Casey, ein ambitionierter Mann und »inspired improvisor«136, war überzeugt, dass es für die Infiltration des Deutschen Reiches einer Zusammenlegung aller personellen und organisatorischen Mittel, die OSS London zur Verfügung standen, bedurfte. Mit Fortschreiten des Krieges in Europa hatte sich herausgestellt, dass die Aufteilung von Personal und Ressourcen auf verschiedene Suborganisationen wie SI oder SO und auf getrennt voneinander agierende geografische Desks und Detachments (es gab einen SI German Desk, einen SI Polish Desk, einen SI Dutch Desk sowie taktische Field Detachments bei den einzelnen Armeegruppen und Armeen etc.) ineffizient war. Nach dem Vorbild jener flexiblen und universalistischen Methoden, die er bei einer Visite der OSS-Stellen auf dem italienischen Kriegsschauplatz137 im Sommer 1944 näher kennengelernt hatte, schlug Casey vor, dass die Mitarbeiter aus den drei OSS-Abteilungen SI, SO und MO (Morale Operations) nicht separate Infiltrationsunternehmen verfolgen, sondern unter dem gemeinsamen Dach der Londoner SI Branch agieren sollten. Dazu Casey  : [A]ll talent and know-how should be concentrated into the operating machinery of SI and SI would be looked to to get people into Germany.138

Nach Caseys Vorstellungen würden die von der Londoner SI Branch eingesetzten OSS-Agenten139 als flexible und prinzipiell vielseitige Multiagenten nachrichtendienstliche Informationen sammeln, Widerstandsgruppen aufbauen sowie nach Möglichkeit Sabotage- und Propagandatätigkeiten initiieren. Casey, der es später bis zum CIA-Chef und zum Director of Central Intelligence (DCI) bringen sollte, setzte nicht nur auf Synergieeffekte und engere Zusammenarbeit innerhalb der Geheimdienststrukturen. Er war es auch, der das operative Potenzial der Labor Section in seinem vollen Umfang erkannte. Mit dem SI Labor Desk, mit Leuten wie Rudolf Anzböck und Ralph Wand, verfügte OSS London über eine große, vor allem auch deutschsprachige Schar an Mitarbeitern. Mit dem FAUST-Projekt hatte die linke Abteilung des OSS auch einen elaborierten Plan vorzuweisen  : 136 MacPherson, American Intelligence, 168. 137 In Nordafrika und Italien war der Labor-Mann Gerald van Arkel einer der ersten SI- bzw. Labor-Desk-Offiziere, die die systematische Penetration Deutschlands konsequent verfolgten. W. Casey, OSS London, to E. Brooks and J. Greedy, HQ & HQ Detachment, OSS, US Forces European Theater of Operations, Development of SI Operations since December 1944, 12.7.1945. NARA, RG 226, E 110, B 50. 138 OSS Message Casey to Brooks, Development of SI Operations, 12.7.1945. 139 In Nordafrika und Italien waren die vom OSS-Offizier Gerry van Arkel für Spezialmissionen rekrutierten OSS-Agenten meist keine linken US-Exilanten, sondern antifaschistische Kriegsgefangene und Deserteure der Wehrmacht.



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Only the Labor Division […] had any developed plan for the penetration of Germany and only that division had any substantial number of agents suitable for German work. The Labor Division had always directed its efforts primarily to German penetration. […] By the fall of 1944, all its efforts were concentrated directly against that objective.140 [T]he labor desk people were the only people who had any preparation for working into Germany. We had to turn to them to get information about the controls, the rationing, how the hell to stay alive.141

Die Grundlagen für die von der Londoner Labor Section wesentlich mitgetragene »penetration of Germany« waren also gelegt. Doch deren nunmehriger Chef George Pratt »knew virtually everything about the exiled European labor leadership in London and nothing about putting agents into enemy territory«, schreibt Joseph Persico in seinem Bestseller Piercing the Reich.142 Unter Caseys Führung und mit Donovans Unterstützung sollte es Pratt jedoch gelingen, die seit 1943 kontinuierlich angewachsene OSS-Schattenarmee von gewerkschaftlichen und sozialistischen Informanten, Subagenten, Kontaktmännern und Fallschirmagenten auf die systematische Penetration NS-Deutschlands vorzubereiten. Es wurde zunächst ein eigener OSS Operations Staff (OPSAF) geschaffen, der die Zusammenarbeit der einzelnen Branches SI, SO und MO koordinieren sollte. Innerhalb der von Labor-Leuten dominierten Londoner SI Branch wiederum installierte man im November 1944 die Division of Intelligence Procurement (DIP) unter der Leitung von Pratt, die alle Ressourcen und Potenziale der verschiedenen nationalen »Desks« ausschöpfen und sämtliche Penetrationsunternehmen mit dem Ziel Deutschland kontrollieren sollte. Die DIP war als ausführende Instanz für »planning, dispatch and operation of all agent missions« zuständig.143 Von besonderer Bedeutung war hierbei die »operational intelligence« der Labor Section, also jene Informationen, die man benötigte, um die Agenten auf ihren riskanten Einsatz im Deutschen Reich vorzubereiten.144 Die 102 Teams bzw. rund 200 Agenten, die schließlich unter der Schirmherrschaft von OSS/SI London und seinen Dependancen in Frankreich und Belgien bis Kriegsende nach Deutschland entsendet worden sind, um dort strategische Intelligence zu sammeln und Widerstandszirkel zu bilden, wären ohne die minutiösen Vorbereitungen der OSS-Mitarbeiter in London nicht weit gekommen. Dass nur wenige von 140 War Diary, SI Branch, Vol. 1, 28. 141 W. Casey, Interview by J. Persico, 27.8.1976. Hoover Institute, Persico Papers, 9–10, Box 1, zitiert in  : Lynch, Labor Branch, 71. 142 Persico, Piercing, 45. 143 War Diary, SI Branch, Vol. 12/1, hier 6 und 9. 144 Ebd., 12.

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den Fallschirmagenten ihr Leben verloren haben, zeigt, wie sorgfältig die Labor Section zu Werke gegangen war.145 Besonders die im April 1944 gegründete Bach Section (auch Bach Unit genannt), die bis Ende 1944 dem Labor-Zweig angehörte, hatte wesentlichen Anteil an diesem Erfolg. Diese von ihrem Leiter Lazare Teper nach dem berühmten Barockkomponisten benannte Abteilung hatte die Aufgabe, Informationen und Daten über das Alltagsleben im deutschen Kernland zu sammeln sowie die zukünftigen Agenten auf dessen Infiltration vorzubereiten (»cover and briefing«). Diese ebenfalls aus zahlreichen Sozialisten und Linken zusammengesetzte Einheit fungierte als Bindeglied zwischen der Research and Analysis Branch (R&A, zuständig für allgemeine Recherche über Deutschland und sein militärisches Potenzial), der Censorship and Documents Branch (C&D, Produktion von gefälschten NS-Papieren für die OSS-Agenten) und der Schools and Training Branch (ST, Intensivausbildung der Agenten in England).146 Der bereits erwähnte Öster­reicher Ralph Wand, der an der Seite von einer Handvoll Exildeutschen und -öster­reichern bei Bach arbeitete,147 erinnert sich  : Nach einer neuerlichen Ausbildung bin ich [im Herbst 1943] in eine Abteilung mit dem Decknamen »Bach Unit« eingeteilt worden, die erst im Aufbau war. P[rivate] f[irst] c[lass] Lazare Teper war im Kommando, und Corporal Henry Sutton, also Heinz Soffner, war sein Stellvertreter. Ich bin der Dritte gewesen. Vorerst haben wir die Aufgabe gehabt, die Gruppe »Bach« aufzubauen. Wir konnten von überall Leute anfordern, die wir brauchen  : von der Armee, von der Navy oder der Luftwaffe, und zwar unabhängig davon, welchen Rang sie hatten, also Offiziere, Unteroffiziere, Soldaten. Wir haben Leute gesucht mit Sprachkenntnissen, politischer Vergangenheit oder sonstigen Spezialkenntnissen. In kurzer Zeit ist »Bach« auf eine Stärke von 40 Mann148 angewachsen. Diese Leute kamen aus ganz verschiedenen Ländern und insgesamt beherrschten sie 18 Sprachen. Die »Bach Unit« hat die Aufgabe gehabt, Leute auszubilden, damit sie als Verbindungsleute, Organisatoren oder Führer in den Untergrundbewegungen der von den Nazis besetzten Länder eingesetzt werden konnten. Sie wurden nach Frankreich, Belgien, Holland, Jugoslawien, Deutschland und Öster­ reich geschickt. Wir haben auch Männer und Frauen in Kriegsgefangenenlagern und Internierungslagern gesucht, vor allem aber politische Flüchtlinge, von denen damals Tausende in England gelebt haben. Diese Arbeit war mühsam, man war häufig unter145 War Diary, SI Branch, Vol. 12/1, 29. 146 Cpt. R. Thompson, OSS Division of Intelligence Procurement, to G. Pratt, HQ and HQ Detachment, OSS European Theater of Operations, US Army, 26.5.1945, Appendix H, Operations Report [BACH Unit] DIP, SI, OSS, ETO, 28.5.1945, 1–3, hier 1. NARA, RG 226, E 110, B 49. 147 War Diary, SI Branch, 151. 148 Laut dem War Diary der SI Branch arbeiteten im Mai 1945 37 Personen bei Bach. War Diary, SI Branch, Vol. 12/1, 104.



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32 »[A] tactless subordinate suffering from a severe case of middle-European pedantry« (Joseph Persico), aber auch ein gefragter Geheimdienstexperte  : der Ex-Gewerkschafter Henry Sutton, Vizechef der Bach Section.

wegs. Den ausgewählten Kandidaten haben wir eine neue Identität verpaßt, sie mußten »umgemodelt« werden.149

Letztlich erwies sich die von Paul Hagen propagierte Theorie eines von Arbeitern und Gewerkschaftern ausgehenden revolutionären Umbruchs in Deutschland als illusorisch. Den sozialistischen (und in vielen Fällen auch nichtsozialistischen) OSS-Fallschirmagenten und Passeuren, die zwischen Herbst 1944 und Frühjahr 1945 von London und anderen Orten aus in den deutschen Herrschaftsbereich eingedrungen waren, gelang es nicht einmal ansatzweise, zu Massenstreiks im Transportwesen oder in der Industrie anzustacheln. Christof Mauch hat hierbei darauf hingewiesen, dass eine allzu »konsequente Beförderung der Widerstandstätigkeit das [gewaltsame] Ende der rudimentären Arbeiter- und Gewerkschaftszirkel hätte bedeuten können«150. Eine solche Zerschlagung wäre dem trotz des unaufhaltbaren Niedergangs des Regimes noch immer schlagkräftigen und 149 Dokumentationsarchiv, Jüdische Schicksale, 485 f. 150 Mauch, Schattenkrieg, 254.

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33 »[He] is only of average intelligence, however, he is extremely interested and willing to learn.« Auszug aus dem OSS-Personalakt zu Ralph Wand, österreichischer Labor-Agent und Bibliothekar in der Bach Section.

­ brutalen NS-Repressionsapparat wohl zuzutrauen gewesen. Von einer subversiven Durchdringung der Arbeiter- und Fremdarbeiterheere in Deutschland war daher bald keine Rede mehr. Beim FAUST-Projekt stand in der operativen Phase zwischen Herbst 1944 und Kriegsende kaum mehr das Entfachen einer linken Revolution als vielmehr – wie vom US-Militär gefordert – das Sammeln von allgemeiner Intelligence über den Kriegsgegner im Mittelpunkt. Wie die folgenden Ausführungen aber noch zeigen werden, hatten die Sozialisten und Gewerkschafter der Labor Section einen großen Anteil daran gehabt, dass die Penetration NS-Deutschlands durch Hunderte OSS-Agenten überhaupt erst möglich wurde. 2.1.4 Analyst und Instruktor für OSS-Fallschirmmissionen im Deutschen Reich

Auch wenn es in Hinblick auf seine Vorgeschichte und robuste Physis nahe liegend schien, wurde Rudolf Anzböck letztlich keinem Fallschirmkommando zugeteilt, sondern vom Bach-Führungsstab rund um den exzentrischen und umtriebigen Öster­reicher Heinz Soffner alias Henry Sutton (der früher Sekretär des Zentralvereins kaufmännischer Angestellter in Wien und nun Deputy Chief der



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Bach Section war151) für eine intellektuelle Tätigkeit ausgewählt. Als Anzböck im Oktober 1944 in London eintraf, erfuhr er, dass er seinen persönlichen Beitrag im Kampf gegen NS-Deutschland als »research analyst« leisten würde. Von den fünf Anforderungen, die Bach-Chef Teper an sein Personal stellte, erfüllte er bis auf »Research experience« vier  : Specifying the qualifications for Bach work in the research category, Lazare Teper noted five main qualifications  : Knowledge of the language. Research experience. High IQ personnel. It should be noted that the entire social life of Germany was the subject of the Bach researchers and the discriminating researcher had to be able to understand the intricate working relationships of the Nazi state. Understanding of such a complicated subject required better than average intelligence. For special research jobs a knowledge of O[rder of ]B[attle]152 was considered essential. Background knowledge of the concerned was obviously helpful.153 151 »Teper’s […] assistant, Private Henry Sutton was a soft balloon of a man, thirty seven years old, with apple cheeks and undisciplined tufts of thinning blond hair. He spoke pinch-nosed Viennese accent, which inevitably raised the question, whence the name ›Henry Sutton‹  ? He had been born Heinrich Sofner [sic  ! recte  : Soffner] to Viennese Catholic parents. Before the Anschluss, Sofner served as an officer in a white-collar worker’s union. An Austrian court had sentenced him to five years for an inflammatory speech which he had delivered in defiance of a ban of labor activity. After serving eighteen months, he was released under a general amnesty, just as the Nazis annexed Austria. He then began a political hegira which led him to Switzerland, France, and, finally, the United States. Sutton was drafted into the U.S. Army and took the opportunity to apply for American citizenship. During the citizenship hearing a court officer asked Sutton if he had a criminal record. He admitted to the sentence in Austria. The OSS man who accompanied him saw the reaction of the court official and feared that Sutton had destroyed his hopes of becoming an American. ›Sutton,‹ he whispered, ›are you a Communist  ?‹ ›Of course not, I am a Social Democrat.‹ ›But are you a Jew  ?‹ ›I am a Catholic.‹ How could someone, not a Communist and not a Jew, have possibly been sentenced for treason in Austria, the man wondered. Sutton eventually attained U.S. citizenship. But European Socialists and trade unionists like him would continue to bother certain of their native American OSS colleagues. Lazare Teper found Henry Sutton a tactless subordinate suffering from a severe case of middle-European pedantry. But the man possessed two virtues. He quickly absorbed the encyclopedic knowledge of conditions inside Germany and he spoke fluent European socio-politicalese, a valuable asset in dealing with the Labor Division’s refugees.« Persico, Piercing, 53. 152 Mit »Order of Battle« bezeichnet man die organisatorische Gliederung und Struktur der deutschen Wehrmacht mit all ihren Verbänden. In den OSS-Schulen in den USA wurden Anzböck und Wand mit dieser Materie vertraut gemacht. Vgl. hierzu das Kapitel über die öster­ reichischen »Ritchie Boys« (1.2) in diesem Buch. 153 War Diary, SI Branch, Vol. 6, 150 f.

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Im Rahmen der FAUST-Operation hatte Anzböck als Bach-Research-Analyst die Aufgabe, »to compile from various sources whatever intelligence was needed, either to answer specific questions relating to cover stories or briefing, and to prepare background information for further cover and briefing.«154 Die für die zukünftigen Fallschirmagenten nötigen Hintergrundinformationen über den Alltag im Deutschen Reich betrafen dabei unter anderem »the German Police, identity papers, rationing of food and clothing, labor draft, draft exemptions and deferment, […] housing accomodations, travel conditions and restrictions and innumerable other minutiae of daily, which the agent had to know […]«.155 So existierte bereits eine detailreiche »Civil Affairs«-Studie über das deutsche Postnetz, die es einem Offizier einer zukünftigen US-Militärregierung in Deutschland ermöglichen sollte, »den Laden zu schmeißen«. Kein Wort jedoch wurde in der Studie darüber verloren, wie man denn in Hitlerdeutschland einen einfachen Brief aufzugeben hat.156 Genau hier, bei scheinbar banalen, für OSS-Agenten im Feindesland aber mitunter lebenswichtigen Punkten, war die Arbeit des Bach-Personals gefragt. Ralph Wand, der als Bibliothekar bei Bach eng mit dem Analysten Anzböck zusammenarbeitete, beschreibt das Fabrizieren von solchen Cover Stories mit einfachen Worten  : Wir haben für sie eine »coverstory« fabriziert, sie haben neue Namen bekommen und eine komplette erfundene Lebensgeschichte, also auch sozusagen neue Eltern und eine neue Familie. Da manche als Fremdarbeiter getarnt arbeiten sollten, haben wir sie auch diesbezüglich umschulen, informieren und ausstatten müssen. Diese »coverstory« mußte natürlich auch durch möglichst authentische Dokumente belegt sein, der Mann oder die Frau hat sich damit ja unter Umständen bei deutschen Behörden melden müssen. Außerdem mußte die Geschichte auch im Falle einer Verhaftung halten. Das heißt, jedes Detail mußte nachprüfbar sein, alle Familien und Adressen müssen existiert haben. Jetzt hat man natürlich einmal eine Adresse wissen müssen, die nicht mehr existiert. Sagen wir, er kommt aus Mainz, er heißt Josef Schmidt aus Mainz. Jetzt mußten wir ihm doch eine Adresse geben, das Haus darf aber nicht mehr vorhanden sein. Wir haben für diese Sache Informationen von unseren Agenten benutzt, die schon im feindlichen Gebiet tätig waren. So haben wir die Adressen bombardierter Häuser und Namen von Familien genommen, die es nicht mehr gegeben hat. Die so ausgebildeten Agenten haben wir dann mit viel Geld – das meistens auch bei uns im Haus fabriziert worden war – und Chiffriermaschinen ausgerüstet ins Feindgebiet gebracht, […] mit Fallschirm abgesetzt. Dort sollten sie dann, wenn möglich mit dem »underground« Kontakt herstellen.157 154 Ebd. 155 Thompson, Appendix H, Operations Report BACH, 28.5.1945, 1. 156 War Diary, SI Branch, Vol. 6, 141. 157 Dokumentationsarchiv, Jüdische Schicksale, 486.



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Obwohl Wand es so darstellte, erfolgte die Nachrichtengewinnung für die Erstellung der Cover Stories nur teilweise durch Spionage bzw. durch die Agenten selbst. Das enzyklopädische Wissen der Briten, die Memoranden der OSS/R&A-Sektion sowie alliierte nachrichtendienstliche Bulletins verschiedenster Provenienz – dies waren ebenfalls wesentliche Quellen und kulturelle Speicher, aus denen man schöpfen konnte. Man setzte bei Bach aber auch stark auf »open source intelligence«, etwa durch die Analyse und Auswertung von deutschen Printmedien.158 Die Zeitungen aus dem Inneren des Reichs, die neben wichtigen politischen Geschehnissen auch über Alltägliches und scheinbar Unwichtiges berichteten, erwiesen sich bei der Vorbereitung der Fallschirmmissionen als essenzielle Nachrichtenquelle mit hohem Aktualitätsgrad  : Newspapers were full of trivialities about daily life, trivialities too small to find their way into official reports, but big enough to be disastrous to an agent if not known.159

Ein besonders wichtiger Faktor waren auch die Kriegsgefangenenverhöre160 und die Habseligkeiten und Dokumente, die die gefangenen Wehrmachtssoldaten bei sich trugen.161 Basierend auf all diesen Informationsgrundlagen erstellten Anzböck und seine Kollegen bis zum Frühjahr 1945 reihenweise Berichte, Studien und Übersetzungen zum Thema »Das Dritte Reich von innen«. Der Schwerpunkt lag dabei nicht nur auf allgemeinen Informationen über Deutschland, sondern wie erwähnt auch auf alltäglichen Dingen wie etwa Grußformeln im Feindesland. Dinge, die für amerikanische Spione (überlebens)wichtig waren. Hier ein paar Beispiele für die rege Analyse- und Publikationstätigkeit der Bach Section  : Germany, Labor Exchanges Report on SS-Schütze Josef Gross Sozialversicherung in Deutschland Germany (Postal Service – Austria  : Underground Movement Case Story of a Saboteur in the Army) 158 Als besonders hilfreich bei der Analyse des deutschen Pressediskurses erwies sich für die Bach-Mitarbeiter der News Digest des britischen Political Intelligence Department (PID)  : »Miscellaneous reports and studies turned out by this organization, […] were helpful. PID maintained a thorough system of newspaper clippings on German and enemy-occupied newspapers and on certain neutrals. A daily 50-page digest of all politically interesting items appearing in German newspapers two to four days previous was published by PID. This News Digest, as it was called, was invaluable.« War Diary, SI Branch, Vol. 6, 143. 159 War Diary, SI Branch, Vol. 6, 147. 160 Henry Sutton war einer der produktivsten Kriegsgefangeneninterviewer bei Bach. 161 »[ J]e mehr Gefangene gemacht wurden, desto mehr Material hatten wir für die Versorgung der Agenten zur Verfügung.« Simon, Augenzeuge, 304.

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Ausländische Arbeiter in Deutschland Ausweispapiere im Deutschen Reich Arbeitsverhältnisse in der deutschen Binnenschiffahrt Gruss-, Anrede und Umgangsformen in Deutschland Report on Travel in Germany Report on Vienna German Railways162

Der Grund, warum der ehemalige »Sprengstoffattentäter« und Gebirgskrieger Anzböck trotz seiner evidenten Eignung für gefährlichere Einsätze als Analyst und Agenten-Instruktor bei Bach landete, war wohl, dass er, wie sein Wiener Kollege Henry Sutton, »fluent European socio-politicalese« sprach163 und einen gewissen Draht zu den Labor-Agenten hatte  : Als ehemaliger Wiener Sozialdemokrat wusste er den Soziolekt der zentraleuropäischen Linken zu dekodieren und anzuwenden. Obwohl er selbst eher pragmatisch agierte und im US-Exil kaum durch parteipolitische Agitation auffiel, besaß der einstige »Widerstandskämpfer gegen den Austrofaschismus« wohl auch ein Gespür für die – ideologisch oft verbohrten – Akteure innerhalb des Labor Desk, mit denen er Nachforschungen über den Feind anstellen oder die er für brisante Einsätze instruieren sollte. Anzböcks Chef George Pratt schätzte Anzböcks Beziehungen zum linken Exil als sehr gut ein und attestierte ihm am Ende seiner Tätigkeit eine »outstanding ability in making good contacts and securing valuable information«.164 Doch nicht bei allen Londoner OSS-Mitarbeitern öster­reichischen Ursprungs stieß der mittlerweile stark amerikanisierte und sich von seinen mitteleuropäischen, sozialistischen Wurzeln zunehmend entfernende Anzböck auf Akzeptanz. Der als »Senior Research Analyst« ebenfalls bei Bach beschäftigte Wiener Exilsozialist Joseph Simon wertet Anzböcks Distanzierung von den eigenen politischen (und subversiven) Aktivitäten in der Zwischenkriegszeit als den Opportunismus eines »Schnellamerikaners« und »Alrightniks«.165 Als Neoamerikaner habe Anzböck das Präfix »Sozial-« vor dem Wort »Demokrat« abgestreift  : Vielleicht noch überraschender [als das Verhalten anderer öster­reichischer Sozialisten im OSS] war die Verleugnung seiner Vergangenheit durch Rudolf Anzböck, der am 24. Juli 1934 wegen Teilnahme an dem unsinnigen Sprengstoffanschlag auf die Do162 War Diary, SI Branch, Vol. 12/1, 117–119  ; War Diary, SI Branch, Vol. 6, 162 und 165. 163 Persico, Piercing, 43. 164 Theater Record Anzbock. OSS Personnel File Anzbock. 165 Peter Eppel (Hg.), Öster­reicher im Exil. USA 1938–1945. Eine Dokumentation. Bd. 1. Wien  : 1995, 251 f.



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nauuferbahn gemeinsam mit Josef Gerl zum Tode verurteilt worden war. […] Anzböck [wurde] begnadigt und […] auf freien Fuß gesetzt. Anzböck hatte sich inzwischen so an Amerika angepaßt, daß er auch nicht mehr richtig deutsch sprechen konnte.166

Für Anzböck scheint der Kriegserfolg der USA bzw. der breiten Anti-Hitler-Koalition in den Reihen von Armee und Geheimdienst nunmehr wichtiger gewesen zu sein als das Schicksal seines politischen Lagers, der Sozialdemokratie. Spätestens ab diesem Zeitpunkt gehörte er somit selbst zu jenen pragmatischen (bzw. zu überparteilicher Kooperation im Krieg gegen den Nationalsozialismus bereiten) Sozialisten, die sein ehemaliger Unterstützer und Brieffreund Joseph Buttinger als rückgratlose »Wirrköpfe« und Agenten der Reaktion bezeichnet hatte. Während orthodoxe Sozialisten wie Buttinger und der zuvor zitierte Simon nie ganz von »ihrer tiefen Skepsis gegenüber den Regierungen der westlichen kapitalistischen Staaten« abrückten,167 war Anzböck zum überzeugten Amerikaner geworden. Nach diesem kurzen Exkurs komme ich wieder auf die Kerntätigkeit des OSS-Agenten Anzböck zurück. Wie sahen nun seine operativen Beiträge in der Bach Section konkret aus  ? Seine oben bereits beschriebene Tätigkeit als Research Analyst war eng mit der Vorbereitung der Agenten auf ihren unmittelbar bevorstehenden Einsatz verbunden. Er sammelte also nicht nur operative Intelligence, sondern gab als »instructor of agent personnel« sein Wissen über die Destination innerhalb Deutschlands und die Gebräuche der feindlichen Bevölkerung weiter. Analysten wie Anzböck übernahmen in vielen Fälllen auch die Funktionen der »briefer«, das heißt, sie informierten die Agenten genau über bestimmte Charakteristika der Destination im Feindesland sowie andere wichtige Besonderheiten der jeweiligen Mission.168 Eine relativ erfolgreiche Fallschirmmission von OSS/ SI London, die vom Bach-Team rund um Anzböck mit vorbereitet wurde, führte zwei Agenten in sein ehemaliges Heimatland Öster­reich. Hier war Anzböcks Regionalwissen gefragt. Das sogenannte DOCTOR-Infiltrationsteam bestand aus zwei jungen belgischen Widerstandskämpfern, die, als Fremdarbeiter einer bayrischen Fabrik getarnt, ursprünglich den Auftrag hatten, in Süddeutschland und Tirol als »pathfinder for future missions« zu fungieren und die belgischen Fremdarbeiter in der Region in einer Untergrundbewegung zu organisieren. Auch ein ambitioniertes Kommunikationsnetzwerk »between Kufstein and Halle-Leipzig, Chemnitz-Freiberg-Dresden or even Berlin« sollte aufgebaut werden.169 166 Simon, Augenzeuge, 304. 167 Pirker, Subversion, 88. 168 OSS Commendation Anzbock, 17.5.1945  ; War Diary, SI Branch, Vol. 12/1, 105. 169 Excerpts from the War Diary of the Secret Intelligence Branch of the Office of Strategic Services (OSS) in London, Vol. 12, Book 2, 144–168, hier 147. Privatbestand Siegfried Beer.

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Der eben erwähnte Teil des Auftrags für das DOCTOR-Team trägt noch sehr stark die Handschrift des ursprünglichen FAUST-Plans, der eine Mobilisierung des (Fremdarbeiter-)Proletariats und der Linken sowie einen anschließenden Umsturzversuch anstrebte. Diese hochtrabenden Vorstellungen erwiesen sich bei der operativen Umsetzung der Mission als unrealistisch. Anstatt – wie es ursprünglich der Vision des Labor-Vordenkers Paul Hagen entsprach – in den urbanen Proletarierhochburgen Süddeutschlands eine Revolution zu starten, sollte das DOCTOR-Team letztendlich kleinere Brötchen backen und sich auf Nachrichtengewinnung in der konservativ-katholischen Provinz konzentrieren. Das DOCTOR-Team wurde ohnehin auch aus einem anderen Grund in das Grenzgebiet zwischen Bayern und Tirol entsandt  : Es sollte dort strategische Informationen über die industrielle und militärische Infrastruktur der sogenannten »Alpenfestung« (Alpine Redoubt)170 sowie Nachrichten über den Zustand der dortigen NS-Verbände und über Kriegsgefangenenlager liefern.171 Die Amerikaner befürchteten (zu Unrecht, wie sich später herausstellte), dass sich in einer solchen »Alpenfestung« in den Gebirgszügen Südbayerns und Westöster­reichs eine nationalsozialistische »Werwolf«-Bewegung auf einen hinhaltenden paramilitärischen Endkampf mit den Alliierten vorbereiten und dort geheime Rüstungsbetriebe und Waffendepots unterhalten würde. In der Endphase des Krieges sollten die beiden SI-Agenten daher diese Zone erkunden und – wenn möglich – Kontakte mit Widerstandszellen knüpfen sowie örtliche NS-Organisationen infiltrieren. Via Funknachrichten sollten sie die von ihnen gesammelte Intelligence aus dem Herzen der vermeintlichen Alpenfestung an das OSS weiterleiten. Leider sind in den von mir eingesehenen Akten, die über die Erstellung der Cover Stories und den Briefing-Prozess der Fallschirmagenten Aufschluss geben, die Namen der jeweiligen »briefer« nicht angegeben. Da aber Rudolf Anzböck neben Joseph Simon in seiner Doppelfunktion als Analyst und Briefer im Gegensatz zu den anderen sechs Bach-Briefern172 und einer Handvoll von Analysten der Einzige war, der in Öster­reich gelebt hatte bzw. der eine »wide knowledge of conditions in […] Austria« besaß,173 ist anzunehmen, dass er bei den Vorbereitungen zur DOCTOR-Mission beteiligt war. Das Briefing-Prozedere war langwierig und komplex. Zuerst erfolgte ein meist von Henry Sutton vorbereitetes »collective briefing«, das alle Penetrationsagenten über »general matters such as the intricacies of food rationings, the general setup of police controls, the Nazi Party setup and so forth« unterrichtete. Danach wur170 171 172 173

Zum (widerlegten) Mythos der »Alpine Redoubt« siehe Muigg, »›Alpenfestung‹«, 97–113. War Diary, SI Branch, Vol. 12/2, 148. War Diary, SI Branch, Vol. 12/1, 116. OSS Commendation Anzbock, 17.5.1945.



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den die Agenten über die »target information«, also über die Natur ihrer Spionagetätigkeit und die Art der Nachrichten, die sie übermitteln sollten, aufgeklärt. Diese wurden nicht von der Bach-Abteilung, sondern vom zuständigen SI-Intelligence-Offizier festgelegt. Als dritter und abschließender Punkt des Briefings erfolgte nun die »construction of the cover story« – dieser Punkt war der individuellste und heikelste und verlangte vom »briefer« ein hohes Maß an Intuition, psychologischem Gespür und Spezialwissen über die Lebensbedingungen und bürokratischen Usancen im Zielgebiet. Die Arbeit an der individuellen Cover Story, auf die später noch ein »final briefing« folgte, war nun der Aufgabenbereich von Leuten wie Anzböck. Sie wurde in drei Unterpunkte gegliedert  : Physical and biographical description of the agent. Character of the mission. Agent’s ideas regarding his cover story.174

Während Punkt 1, die genaue Beschreibung des Agenten, vor allem für eine glaubwürdig wirkende Lebensgeschichte und die fachmännische Fälschung von NS-Dokumenten von Bedeutung war und Punkt 3, die Ideen des Agenten zu seiner erfundenen Geschichte, auf der Mitarbeit desselben beruhte, kam Anzböcks regionale Expertise hauptsächlich beim Punkt 2, »Character of the mission«, zum Tragen  : Die zwei DOCTOR-Agenten benötigten nicht nur genaue Landkarten aus der Hand der amerikanischen Luftaufklärung, sondern auch politische und kulturelle Informationen über die »area of operation«,175 also Bayern und Tirol. Um nicht sofort in die Hände der Nationalsozialisten zu fallen und um Kontakte zum nationalen Widerstand knüpfen zu können, mussten sie über »any particular strata of society the agent would have to move in« Bescheid wissen.176 Wie wichtig für das von der Bach-Section und Leuten wie Anzböck instruierte Agentenduo eine glaubwürdige und »wasserdichte« Agententarnung als Fremdarbeiter war, zeigt exemplarisch das unten abgebildete Dokument der Gestapo-Stelle Koblenz vom Mai 1944. In diesem Rundschreiben wird dezidiert darauf hingewiesen, dass »ins Reich geschleuste Agenten mit Ausweisen versehen und als Zivilarbeiter eingesetzt worden« sind und daher aufgegriffene »arbeitsvertragsbrüchige« oder sonst irgendwie suspekte »ausländische Arbeitskräfte unter keinen Umständen unüberprüft den Arbeitsämtern zur Neuvermittlung zugeführt werden dürfen.« Die NS-Behörden im Reich wussten über die durch alliierte Fallschirmagenten »entstehenden Gefahren der Sabotage, Spionage, ille174 War Diary, SI Branch, Vol. 6, 152 f. 175 War Diary, SI Branch, Vol. 12/1, 106. 176 War Diary, SI Branch, Vol. 6, 153.

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galen Zellenbildung usw.« längst Bescheid und waren angewiesen, »sich herumtreibende ausländische Arbeitskräfte, die sich nicht genügend ausweisen können oder aber angeben, vom Transport abgekommen zu sein, […] einem Arbeitserziehungslager« oder gar einem Konzentrationslager zuzuführen.177 Anzböck und seine Wiener Kollegen bei Bach waren keine gebürtigen Tiroler oder ausgewiesenen Experten für diese Region. Exakte Intelligence über die Operationszone der beiden DOCTOR-Agenten stammte daher oft aus Kriegsgefangenenbefragungen oder anderen OSS-Reports. Doch auch wenn letztlich nicht der proletarische Untergrund Wiens, sondern der ländliche Westen Öster­reichs Ziel dieser FAUST-Mission werden sollte, waren Anzböck, Joseph Simon und Henry Sutton (der vermutlich mit Kriegsgefangenen der Region intensive Gespräche geführt hatte) die mit Abstand geeignetsten Personen für diesen Teil der operativen Vorbereitung. Die vom Bach-Personal und den Agenten gemeinsam ersonnene Cover Story für das DOCTOR-Team setzte nur da, wo es unbedingt nötig war, auf erfundene Details. Zu weiten Teilen stimmte die konstruierte Lebensgeschichte mit der wirklichen Biografie der Akteure überein. Dadurch sollten die beiden Spione, die sich als belgische Fremdarbeiter ausgaben, auch bei größtem Stress (etwa im Fall eines Verhörs durch die SS oder die Gestapo) in der Lage sein, eine glaubwürdige Geschichte zu erzählen. So verwendete man beim Agenten Jean Denis seinen realen, ursprünglichen Geburtsnamen (Blontrock) als nunmehrigen Decknamen. Auch der Inhalt seiner Cover Story stimmte bis zum Februar 1944 völlig mit seinem bisherigen schulischen und beruflichen Werdegang überein. Besonders heikel war aber jener Teil in seiner fiktiven Lebensgeschichte, der bei einer Kontrolle durch die NS-Behörden erklären sollte, warum er sich mit einem anderen Belgier in der Nähe des Tiroler Orts Kufstein aufhielt. Man entschied sich dafür, die von der Luftaufklärung der Air Force als »ausgebombt« identifizierten Münchner Optischen Werke G. Rodenstock als den Arbeitsplatz der beiden Männer auszugeben. Da die Fortsetzung der Arbeit im Werk unter diesen Bedingungen nicht möglich sei, hätten er und sein angeblicher Arbeitskollege Jan Smets (eigentlich Jan Blockx) einen Freigang erhalten. Mit einem von der Münchner Polizei offiziell beglaubigten Reiseschein – ein Produkt aus den Fälscherstuben der C&D Branch – seien Blontrock und Smets nun nach Kufstein aufgebrochen, um angebliche Freunde zu besuchen. 178 Die teils wahre, teils erfundene Cover Story von Blontrock sah wie folgt aus  :

177 Geheime Staatspolizei Koblenz, Warnung, betreffend wiederergriffene arbeitsvertragsbrüchige Ausländer, 24.5.1944, in  : www.fold3.com (letzter Zugriff  : 24.8.2013). 178 OSS SI London, Bach Section, DOCTOR Team 2nd & final draft of Cover Story for A. Blontrock. NARA, RG 226, E 210, B 1, F 1. [Diese Zitation ist nicht mehr aktuell]



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34 Gestapo-Warnung vor »sich herumtreibenden« Fremdarbeitern und Spionen.

DOCTOR TEAM 2nd & final draft. Name  : BLONTROCK, Alphonse Arthur Willem Date & place of birth  : July 20, 1921 at Bruges Marital status  : Single Work history  : Worked in the Belgian Air Ministry as general all-round office worker. In 1940 after the occupation of Belgium by the Germans Alphonse worked as a carpenter in Brussels. Residences  : 1911–1942 April, 96, Gouden Boomstraat, Bruges (96 Rue de l’Arbre d’Or). 1942–1944 Schaerbeek, 8 Avenue Rogier. Work in Germany  : 1944 (7 Feb.) Alphonse volunteered for labor in Germany, with the Brussels Werbestelle, 48 Rue de Namur. He was classified and had a physical examination at this place. Subsequently he filled out an »Anwerbebescheinigung« (Labor Enrolment Certificate) with data pertaining to his life history, job for which he is qualified etc. The employer in Germany with whom he arranged for a job was the Optische Werke G. Rodenstock, Isartal Strasse 41–44, Munich. This firm produces photographic lenses,

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binoculars, naval telescopes and surveying instruments. Some 600 workers are reported to be employed. He departed from Belgium on a Belgian passport which had been issued to him just before his departure and contained a »Sichtvermerk« which permitted him to cross the border into Germany. 14 February 1944 (Monday) Alphonse left Brussels by train with a small group of Belgian workers who were also going to be employed in Munich and the neighborhood. They travelled by way of Brussels – Namur – Arlon –Klein Bettingen (frontier post) – Luxemburg – Thionville – Metz – Ludwigshafen – Mannheim – Stuttgart – Augsburg – Munich. 16 Feb. 1944  : Arrived at Munich and he started his employment for Optische Werke G. Rodenstock the following Monday 21 February 1944. He was billeted with several other Belgian workers at Oberländer Strasse 18, Munich, which is located close to the plant. Later he met Jean Edmond SMETS who was employed at the same plant and who also was billeted in the same district. The district where the plant was located had been subjected to severe Allied bombing on several occasions and in a recent raid. 25 February 1945 the plant was partly knocked out. The office where Alphonse worked as a Büroangestellter had to close and he was granted a leave with the approval of the police. Together with SMETS he planned a short trip to Kufstein to visit friends. Documents  : 1. Carte d’identité, issued at Brussels 13 April 1942 2. Fremdenpass, issued at Munich 29 September 1944 by Polizeipräsident, Munich. 3. Arbeitskarte, issued at Munich 9 March 1944 by Arbeitsamt Munich. 4. Reiseschein for foreign workers, issued by his employer and countersigned by police, Munich, on 28 Feb. 1945. 5. Reise & Gaststaette Marken for 30 days. 6. Reichskarte für Urlauber 7. Reiseschein for foreign workers (blank)179

Wie erging es nun der DOCTOR-Mission, nachdem sie das Bach-Prozedere durchlaufen hatte  ? Das von der OSS Field Base Dijon, Frankreich, an Bord eines B-24-Bombers aufgebrochene Team sprang am 24. März 1945 über den tief verschneiten Kitzbüheler Alpen nahe Kufstein ab. Bald nach ihrer Landung trafen sie auf drei Tiroler Wehrmachtsdeserteure, die zuvor eine rot-weiß-rote Flagge in der Nähe des späteren Landeplatzes des DOCTOR-Teams gehisst hatten, um die Aufmerksamkeit der alliierten Flugzeuge auf sich zu ziehen und »to obtain some sort of aid for the Resistance Group which they were forming.«180 Der Kon179 Ebd. 180 OSS Report of the Mission of the Team »Doctor« by J. Denis and J. Blockx, ohne Datum, vermutlich Ende Mai 1945. NARA, RG 226, E 210, B 1, F 2. [Diese Zitation ist nicht mehr aktuell]



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takt mit der Widerstandsgruppe im Gebirge erwies sich als glückliche Fügung  : In verschiedenen abgelegenen Hütten, die mithilfe der erwähnten Gruppe um den Wehrmachtsdeserteur Rudolf Steiner aufgesucht wurden, und in Häusern von kooperativen Bauern fand das (durch zusätzliche Materialabwürfe der US Air Force gut versorgte) Team Zuflucht. Die Agenten konnten Verbindung mit den verschiedenen Widerstandszirkeln in der Region aufnehmen und auch die Ankunft von zwei weiteren OSS-Teams (VIRGINIA und GEORGIA) arrangieren. Der Versuch, mithilfe von Deserteuren und antifaschistischen lokalen Eliten wie dem Bürgermeister von Kitzbühel eine Widerstandsbewegung (»a maquis of 400–500 natives«)181 aufzustellen, war zwar gelungen, es entsprangen daraus aber keine signifikanten militärischen oder subversiven Aktivitäten. Auch der von dieser Gruppe geplante bewaffnete Sturm auf ein »concentration camp nearby«182 bzw. das Schloss Itter in Brixlegg (in dem angeblich die französischen Politiker Paul Reynaud und Édouard Daladier gefangen gehalten worden waren) wurde von OSS London, das lieber strategische Intelligence über die NS-Alpenfestung erhalten wollte, anstatt kurz vor dem Zusammenbruch der NS-Herrschaft noch draufgängerische Sabotageaktionen zu forcieren, nicht akzeptiert.183 Die Spionagetätigkeiten selbst verliefen für das DOCTOR-Team jedoch erfolgreich  : So wurden unter anderem eine deutsche Gebirgseinheit, mehrere Fliegerabwehrkanonen und Öldepots sowie der Aufenthaltsort von Gauleiter Franz Hofer eruiert und nach London weitergeleitet.184 Um den Einmarsch der US-Armee zu erleichtern, konzentrierte sich das Duo vermehrt auf taktische Intelligence und die Beobachtung der deutschen Defensiv- und Rückzugsmaßnahmen (»military intelligence of roads und railroads«).185 Zudem versuchte man, wo immer sich eine Möglichkeit bot, die Zerstörung der Infrastruktur durch die Wehrmacht zu sabotieren.186 Insgesamt konnten 52 Nachrichten via Funk an das OSS-Hauptquartier übermittelt werden. In einer Nachricht vom 3. Mai 1945 lobte Colonel Wentworth, der Kommandeur des an die G-2-Abteilung der 7. US-Armee angegliederten OSS Detachment, die gute Arbeit der beiden »Doctors«  : Intelligence received from […] Doctor sources has been most helpful to G-2.187

181 OSS Operations Report, DIP, SI/ETO, Section IV, Messages from W/T Team operating S[outh]E[ast] of Munich, 26.5.1945. RG 226, E 110, B 49, F 495. 182 War Diary, SI Branch, Vol. 12/2, 147. 183 Persico, Piercing, 257. 184 War Diary, SI Branch, Vol. 12/2, 155. 185 Persico, Piercing, 257. 186 Operations Report, DIP, Messages, 26.5.1945. 187 War Diary, SI Branch, Vol. 12/2, 155.

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Eine vom DOCTOR-Team verfasste Funknachricht über deutsche Truppenbewegungen in Tirol hatte folgenden Inhalt  : SATURN MESSAGE #19 18 April 1945 Various military columns, especially flak and Navy, coming from Brenner. Moved to Eastern Front through Kufstein-Salzburg, Worgel [sic  ! recte  : Wörgl]-Salzburg. Move only at night. Five hundred trucks follow the inner valley of the Inn. Coming from the Brenner via Innsbruck heavy flak reinforcing entire Inn Valley, as well as Rosenheim and Bayrischenerberge [sic  !]. Details follow. About 300 trucks park daily in the woods of Sparchen […].188

Die beachtliche Performance des DOCTOR-Teams beruhte neben einem gewissen Maß an Fortüne auch auf der sorgfältigen Vorbereitung durch die Bach Section. So hat etwa Jan Smets (alias Jan Blockx) in einer postoperativen Befragung angegeben, mit dem Briefing durch die Bach-Experten zufrieden gewesen zu sein. Auch wenn er mit Ausnahme einer flüchtigen Kontrolle seines »Fremdenpasses« durch einen Kufsteiner Polizisten189 letztlich nie einer genauen deutschen Ausweiskontrolle oder Befragung unterzogen worden war und daher nicht beurteilen konnte, ob die Dokumente und die Cover Story völlig »wasserdicht« waren, haben Anzböck und die anderen Kollegen der Bach Section offensichtlich gute Arbeit geleistet. Lediglich die von OSS London erhaltenen Landkarten wurden von Smets als ungenau charakterisiert.190 In einem Bereich jedoch dürfte die Bach Section einer Fehleinschätzung unterlegen sein. Joseph Persico erwähnt, dass das DOCTOR-Team vom Wehrmachtsdeserteur Steiner über einen wunden Punkt seiner Cover Story informiert wurde  : They learned from Steiner that the cover story which BACH had devised, that they were foreign workers on vacation in Kufstein, was a potential disaster. Producing their leave papers would have meant almost certain arrest. At that point, it was virtually impossible for a foreign worker to get a vacation.191

Da es aber in den umliegenden Bergen und Dörfern von vielen Subagenten unterstützt und abgeschirmt worden war, lebte das DOCTOR-Duo beinahe »completely under cover« und musste nie von seinen Waffen Gebrauch machen.192 188 Operations Report, DIP, Messages, 26.5.1945. 189 War Diary, SI Branch, Vol. 12/2, 160. 190 OSS Desk Interrogation of Jean Smets [i. e. Jan Blockx] of DOCTOR-Team, 29.5.1945. NARA, RG 226, E 210, B 1, F 2. [Diese Zitation ist nicht mehr aktuell] 191 Persico, Piercing, 257  ; ähnlich War Diary, SI Branch, Vol. 12/2, 150. 192 War Diary, SI Branch, Vol. 12/2, 150.



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Als das DOCTOR-Team Anfang Mai 1945 schließlich auf die ersten amerikanischen Verbände in Tirol traf und seine Mission offiziell beendete, neigte sich auch Anzböcks Tätigkeit für den OSS Labor Desk und die Bach Section in London dem Ende zu. Nach der Kapitulation des Deutschen Reichs wurde er, nachdem er für seine Arbeit bei OSS/SI ausgezeichnet worden war, nach Oslo versetzt. Da er sich schon während seines vorherigen Exilitinerars in Norwegen aufgehalten hatte, über Kontakte zu dortigen Sozialisten verfügte und zudem passabel Norwegisch sprach, wurde er in der Übergangsphase zwischen Weltkrieg und Kaltem Krieg von der Osloer SI Branch des OSS bzw. dessen Nachfolger SSU (Strategic Services Unit) eingesetzt. Offensichtlich hat er in Norwegen nach potenziellen OSS/SSU-Rekruten Ausschau gehalten. So berichtet Anzböck in einem OSS-Report, dass der sozialdemokratische Grazer Wehrmachtssoldat und ehemalige »Rotspanienkämpfer« Karl Cus nach dem Kriegsdienst in Norwegen im Frühjahr 1945 desertiert ist und danach als Widerstandskämpfer im norwegischen Untergrund aktiv war. Anzböck schlug Cus, der eine wechselvolle und abenteuerliche Flucht- und Widerstandsbiografie vorweisen konnte,193 daher als Intelligence-Mann oder für einen Posten in der Militärregierung in Deutschland vor194 – das außerordentliche Netzwerk der »leftists«, es half offensichtlich nicht nur den amerikanischen Schattenkriegern im Kampf gegen Hitler, sondern verschaffte einem auch auf dem Nachkriegs-Arbeitsmarkt gewisse Vorteile. Anzböck versuchte nach seinem Aufenthalt in Europa nicht mehr in Öster­ reich Fuß zu fassen und wurde Ende November 1945 in Fort Belvoir, Virginia, im Rang eines Korporals stehend, als SSU-Mitarbeiter und Soldat der US Army aus dem Kriegsdienst entlassen.195 Er kehrte schließlich in seine neue Heimat USA zurück und verstarb 1977 in Seattle. 2.1.5 Resümee

Am 11. Juni 1945 wurde Rudolf Anzböck »in recognition of the high degree of skill, initiative, and industry displayed while performing important services for the Office of Strategic Services« – wie zahlreiche andere OSS-Kollegen auch – für ein Leistungsabzeichen vorgeschlagen.196 In den abschließenden Beurteilungen 193 Amt der Steiermärkischen Landesregierung, Polizeidirektion Graz. Antrag auf Ausstellung einer Amtsbescheinigung nach §4 von Karl Cus, 12.12.1945. DÖW 20000/C106. 194 OSS Message R. Anzbock to M. Benson, 11.6.1945. NARA, RG 226, E 210, B 259, F 3. [Diese Zitation ist nicht mehr aktuell] 195 US Army, Separation Point, ASFTC, Fort Belvoir, Va, Final Payment for R. Anzbock, discharged 28 November 1945. NARA, NPRC, Military Personnel File of Rudolf Anzbock, ASN 39134178. 196 OSS HQ & HQ Detachment, APO 413, Proposed Citation of R. Anzbock, 11.6.1945. OSS

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seiner Performance bei OSS London werden nicht nur Anzböcks körperlicher Zustand und seine »ruggedness«, sondern auch seine Motivation und sein Einsatz im Rahmen der geheimdienstlichen Tätigkeit als hervorragend eingestuft  :197 HQ & HQ Detachment OFFICE OF STRATEGIC SERVICES EUROPEAN THEATER OF OPERATIONS UNITED STATES ARMY (MAIN)

APO 413, 17 May 1945 SUBJECT  : Commendation of Pfc. Rudolf Anzbock. TO   : Mr. W. J. Casey, Chief, SI Branch 1. Pfc. Rudolf Anzbock, ASN 39134178, has been serving with BACH Section SI, London, since October 1944 as research analyst and instructor of agent personnel. As a research analyst it has been his duty to compile from various sources whatever intelligence was needed, either to answer specific questions relating to cover stories or briefing, and to prepare background information for further cover and briefing. As an instructor of agent personnel, Pfc. Anzbock had to brief them on various aspects of life in Germany. 2. Pfc. Anzbock has done an excellent job in discharging the above described duties. He has developed a wide knowledge of conditions in Germany and Austria and has applied much intelligence and resourcefulness to his work. He has drawn up several outline studies used in the instruction of agents and otherwise contributed, in a superior manner, to the succesful operations of the BACH Section. 3. It is therefore desired to highly commend Pfc. Anzbock for this work. GEORGE O. PRATT Chief, DIP SI Branch198

Auch wenn er wohl nicht freiwillig in die US-Armee bzw. in den Kriegsdienst eingetreten ist, zeugt sein Personalakt von einem großen persönlichen Einsatz im War Effort der Vereinigten Staaten und im Kampf gegen den Faschismus. Die von Rudolf Anzböck und seinen Kollegen vorbereitete DOCTOR-Mission in Öster­reich wurde – wie auch das FAUST-Projekt der OSS Labor Section – erst sehr spät in Angriff genommen und war nicht mehr als eine kleine, unbedeutende Episode im Krieg gegen Hitlerdeutschland. Auch die von der Labor Section und Personnel File Anzbock. 197 Theater Record Anzbock. OSS Personnel File Anzbock. 198 G. Pratt, OSS Commendation of R. Anzbock, 17.5.1945. OSS Personnel File Anzbock.



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linken Exilintellektuellen der Reserach and Analysis Branch entworfene Utopie der vom OSS unterstützten bzw. initiierten »Erschaffung eines neuen Deutschland aus der eigenen Kraft der deutschen Antifaschisten und vor allem des einheitlichen Kampfes aller sozialistischen und demokratischen Gruppen«199 hat sich am Ende als undurchführbar erwiesen. Dennoch ist sie ein gutes Beispiel für die »Frontier-Mentalität« der experimentierfreudigen amerikanischen Schattenkrieger unter William J. Donovan200 und der US-Gesellschaft als Ganzes. Im Gegensatz zu den konservativeren und vorsichtigeren Briten verstand es die ab 1941 entstandene und in der Folge rasch expandierende Intelligence-Community der USA wesentlich besser, die Ressourcen und Potenziale ihrer multikulturellen, vitalen und vielseitigen Einwanderergesellschaft zu aktivieren und in die klandestinen Spezialoperationen einzubinden. Als Mitglied der OSS Labor Section konnte der Exilöster­reicher und Sozialist Rudolf Anzböck, der im Jahr 1934 seiner Ablehnung der autoritären und faschistischen Regimes in Mitteleuropa noch auf eher hilflose Weise (Sprengung einer Signalanlage) Ausdruck verliehen hatte, seinen persönlichen Kampf aufseiten der USA fortführen. Beide Seiten, sowohl das OSS als auch die von ihm rekrutierten linken Exilanten aus Öster­reich, profitierten von diesem pragmatischen »Deal«  : Das OSS konnte mithilfe seiner international vernetzten und ideologisch hoch motivierten »leftists« Hunderte Spione in das Herz des Deutschen Reichs entsenden  ; die vom Nationalsozialismus vertriebenen Sozialdemokraten und Gewerkschafter aus Öster­reich und Mitteleuropa wiederum konnten aktiv an der Niederringung des Faschismus partizipieren, der lähmenden Passivität des Exils entfliehen und einen psychohygienisch bedeutenden Beitrag zur Befreiung ihrer ehemaligen Heimat leisten. Der »Sprengstoffattentäter«, (Exil-)Widerstandskämpfer, Gebirgsinfanterist und Geheimdienstanalyst Anzböck, der mittlerweile besser Englisch als Deutsch sprach, fühlte sich schon seit längerer Zeit mehr als Amerikaner denn als Europäer.201 Wie seine Korrespondenzen und die Aussagen von Zeitzeugen illustrieren, hat Rudolf Anzböck im US-Exil rasch die Landessprache, die Gebräuche und das gesellschaftspolitische mindset seines Gastlandes internalisiert. Er war durch und durch ein Amerikaner geworden. Analog zu vielen anderen »38er«-Exilanten erwies sich hierbei wohl das US-Militär bzw. das OSS als amerikanisierender Faktor. Aus seiner persönlichen Lebensgeschichte hatte er seine Teilnahme an dem je nach Lesart »antifaschistischen Sabotageakt« oder »(NS-)Terroranschlag« in Wien längst verdrängt. So wie er den Fallschirmagenten von OSS/SI mit erfundenen Biografien das Überleben im Deutschen Reich ermöglichen wollte, legte 199 Söllner, Archäologie, 42. 200 Mauch, »Subversive Kriegführung«, 55 f. 201 Vgl. Simon, Augenzeuge, 304.

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auch er sich in den USA eine Art Cover Story zurecht, aus der er alle »Altlasten« seiner Biografie entfernt hatte. Das neue autobiografische Erzählmuster, das er im US-Exil entwickelt hatte, enthielt daher eine Art Leerstelle  : Ebenso wie die amerikanische Militärbürokratie den Umlaut ö – welcher in symbolischer Koinzidenz mit dem Anfangsbuchstaben seines Heimatlandes übereinstimmt – aus seinem Nachnamen gelöscht hatte, hatte der Neo-Amerikaner namens Anzbock alle Erinnerungen an Attentate, Gerichtsprozesse und jahrelange Gefängnisaufenthalte in Öster­reich aus seinem Lebenslauf getilgt. Nicht verdrängt oder vergessen haben dürfte der – manchmal etwas opportunistisch wirkende – (Ex-) Sozialdemokrat jedoch seine Aversion gegen die Willkür rechtsgerichteter Regimes. Die Tatsache, dass er Teil einer zwar nicht kriegsentscheidenden, aber außergewöhnlichen Institution war, deren Agenten es wagten, eine mörderische Diktatur aus ihrem Inneren heraus zu bekämpfen, dürfte für die Identitätssuche des Rudolf Anzböck nach dem Krieg eine größere Rolle gespielt haben als seine öster­reichische Herkunft und seine sozialistischen Wurzeln. 2.2 Ein »Feind jeder Uniform« in amerikanischer »Feinduniform« – Die außergewöhnliche Widerstandsbiografie des Oliver Schneditz-Rockhill202 Als sich der spätere ÖVP-Abgeordnete und Zweite Präsident des Kärntner Landtages, Wolfgang Mayrhofer-Grüenbühl, im Nachkriegssommer 1945 mit einem Brief an den Salzburger Stützpunkt des amerikanischen Kriegsgeheimdienstes OSS 203 wandte, um den Besatzungsbehörden die Beobachtung eines beunruhigenden Falles von Waffenbesitz am Kärntner Klopeiner See zu melden, erschien bei ihm »wenige Tage darauf […] ein Mann in amerikanischer Majors Uniform. […] Er war mittelgroß, blond, Uniform unauffällig, aber er trug sie mit der lockeren Elegance eines Weltmannes. Schuhe, Hemd und Krawatte waren deutlich privat, solide. Er stellte sich als Mjr. Rockhill vor, er komme auf Grund meines Briefes an die [sic  !] OSS. […] Mir fiel bald auf, dass er der Sprache nach Öster­reicher – vielleicht Wiener sein müsste.«204 202 Dieses Subkapitel ist eine überarbeitete und erweiterte Version eines bereits erschienen Aufsatzes. Siehe hierzu Traussnig, »Aristokratensohn«, 483–509. 203 Vgl. Siegfried Beer, »Kärnten im Frühsommer 1945. Drei Berichte und Analysen des amerikanischen Geheimdienstes OSS zu Politik, Wirtschaft und Gesellschaft in einem britisch-besetzten Bundesland«, in  : Carinthia I. Zeitschrift für geschichtliche Landeskunde von Kärnten, 177. Jg. 1987, 415–452. 204 Wolfgang Mayrhofer-Grüenbühl, Bericht über Oliver Schneditz (Typoskript). Privatbestand Familie Mayrhofer-Grüenbühl/Schneditz.

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auch er sich in den USA eine Art Cover Story zurecht, aus der er alle »Altlasten« seiner Biografie entfernt hatte. Das neue autobiografische Erzählmuster, das er im US-Exil entwickelt hatte, enthielt daher eine Art Leerstelle  : Ebenso wie die amerikanische Militärbürokratie den Umlaut ö – welcher in symbolischer Koinzidenz mit dem Anfangsbuchstaben seines Heimatlandes übereinstimmt – aus seinem Nachnamen gelöscht hatte, hatte der Neo-Amerikaner namens Anzbock alle Erinnerungen an Attentate, Gerichtsprozesse und jahrelange Gefängnisaufenthalte in Öster­reich aus seinem Lebenslauf getilgt. Nicht verdrängt oder vergessen haben dürfte der – manchmal etwas opportunistisch wirkende – (Ex-) Sozialdemokrat jedoch seine Aversion gegen die Willkür rechtsgerichteter Regimes. Die Tatsache, dass er Teil einer zwar nicht kriegsentscheidenden, aber außergewöhnlichen Institution war, deren Agenten es wagten, eine mörderische Diktatur aus ihrem Inneren heraus zu bekämpfen, dürfte für die Identitätssuche des Rudolf Anzböck nach dem Krieg eine größere Rolle gespielt haben als seine öster­reichische Herkunft und seine sozialistischen Wurzeln. 2.2 Ein »Feind jeder Uniform« in amerikanischer »Feinduniform« – Die außergewöhnliche Widerstandsbiografie des Oliver Schneditz-Rockhill202 Als sich der spätere ÖVP-Abgeordnete und Zweite Präsident des Kärntner Landtages, Wolfgang Mayrhofer-Grüenbühl, im Nachkriegssommer 1945 mit einem Brief an den Salzburger Stützpunkt des amerikanischen Kriegsgeheimdienstes OSS 203 wandte, um den Besatzungsbehörden die Beobachtung eines beunruhigenden Falles von Waffenbesitz am Kärntner Klopeiner See zu melden, erschien bei ihm »wenige Tage darauf […] ein Mann in amerikanischer Majors Uniform. […] Er war mittelgroß, blond, Uniform unauffällig, aber er trug sie mit der lockeren Elegance eines Weltmannes. Schuhe, Hemd und Krawatte waren deutlich privat, solide. Er stellte sich als Mjr. Rockhill vor, er komme auf Grund meines Briefes an die [sic  !] OSS. […] Mir fiel bald auf, dass er der Sprache nach Öster­reicher – vielleicht Wiener sein müsste.«204 202 Dieses Subkapitel ist eine überarbeitete und erweiterte Version eines bereits erschienen Aufsatzes. Siehe hierzu Traussnig, »Aristokratensohn«, 483–509. 203 Vgl. Siegfried Beer, »Kärnten im Frühsommer 1945. Drei Berichte und Analysen des amerikanischen Geheimdienstes OSS zu Politik, Wirtschaft und Gesellschaft in einem britisch-besetzten Bundesland«, in  : Carinthia I. Zeitschrift für geschichtliche Landeskunde von Kärnten, 177. Jg. 1987, 415–452. 204 Wolfgang Mayrhofer-Grüenbühl, Bericht über Oliver Schneditz (Typoskript). Privatbestand Familie Mayrhofer-Grüenbühl/Schneditz.



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35 Oliver Rockhill-­ Schneditz.

Die eben zitierte Beschreibung jenes ominösen amerikanischen Majors, der sich kurz darauf seinem verblüfften Gegenüber als Jugendfreund aus der Schulzeit in Klagenfurt zu erkennen geben sollte, mag auf den ersten Blick knapp gehalten sein und sich auf Oberflächlichkeiten wie Kleidung oder Haarfarbe beschränken, spiegelt aber bei genauerer Betrachtung den facettenreichen Charakter und die schillernde Vita dieses außergewöhnlichen Mannes wider. Das Leben von Oliver von Schneditz, wie der Geheimdienst-Offizier Rockhill mit ursprünglichem Namen hieß, birgt alle dramaturgischen Ingredienzien für eine filmreife Geschichte in sich  : Der Aristokratensohn aus dem Kärntner Lavanttal sollte zwischen 1938 und 1945 als Student, freischaffender Grafiker, Flüchtling, französischer Fremdenlegionär, Zwangsarbeiter, britischer Soldat und amerikanischer Geheimdienstmitarbeiter in Erscheinung treten. An jenem Sommertag traf Mayrhofer-Grüenbühl mit Rockhill-Schneditz auf einen Uniformierten, der von den Zentrifugalkräften des Krieges zwar unweigerlich erfasst worden, aber in seinem Inneren stets ein Zivilist und Individualist geblieben war. Das folgende Kapitel soll daher nicht nur ein exil- und militärbiografischer Abriss mit wissenschaftlichem Anspruch, sondern auch eine Erzählung über die persönliche Reifung eines

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Menschen sein, der sich innerhalb weniger Jahre, durch die Zwänge seiner Zeit und familiäre Spannungen, vor allem aber durch innere Überzeugung, vom jugendlichen Bonvivant zu einem ernst zu nehmenden Gegner des Nationalsozialismus entwickelt hatte. Als wichtigste Waffe in diesem Kampf sollte dem Kärntner Exilanten, Öster­reichpatrioten und Antifaschisten hierbei nicht das Gewehr, sondern der Schreibstift dienen. Nur in wenigen Fällen ergibt sich für den Historiker die Gelegenheit, die politischen und sozialen Umstände sowie die persönlichen Antriebe und existenziellen Nöte, die öster­reichische Exilanten während der Zeit des Nationalsozialismus dazu brachten, auf alliierter Seite zu kämpfen, so plastisch und detailreich veranschaulichen zu können. Beim durch zahlreiche und sehr informative Quellen dokumentierten Beispiel des Oliver Schneditz-Rockhill ist ein solcher Fall eingetreten. Das abschließende Teilkapitel dieses Bands und die im Folgenden dargelegte Kriegsbiografie über Oliver Rockhill ist daher vom Umfang her ausführlicher als die anderen Fallstudien und schließt auch das Vorkriegsleben des Protagonisten mit ein. Das soziale Milieu, in das Oliver 1917 hineingeboren wurde, kann als konservativ und großbürgerlich beschrieben werden, seine Eltern hatten aber auch eine sehr liberale, weltoffene Seite. Schneditz’ Vater, der 1885 im untersteirischen Ort Cilli (heute Celje, Slowenien) geborene und später im Gut Preblau im Lavanttal seßhaft gewordene k. k. Korvettenkapitän Gilbert von Schneditz, kann als ein klassischer Vertreter der alten zentraleuropäischen Militärtradition des »langen 19. Jahrhunderts«205 bezeichnet werden. In einem amerikanischen Geheimdienstmemorandum wurde er 1945 treffend als »typical Austrian aristocrat« beschrieben, dessen militärische Position durch »Austria’s loss of her Navy after the last war« hinweggerafft worden war.206 Seines beruflichen Status verlustig gegangen, sondierte Korvettenkapitän von Schneditz in der Zwischenkriegszeit neue Karrieroptionen  : So wird im Jahrbuch des Öster­reichischen Heimatschutzes von 1935 seine zwischen 1920 und 1923 ausgeübte Tätigkeit als »Geschäftsführer« und umtriebiger Oberstleutnant im Dienst des autoritär-nationalen und militaristisch ausgerichteten Kärntner Heimatschutzes erwähnt.207 In den 30er-Jahren trat Gilbert von Schneditz – sichtlich beeindruckt von den Karrierechancen in der hochgerüsteten Armee des Deutschen Reichs – für den »Anschluss« an NS-Deutsch205 Paradigmatisch hierzu Eric Hobsbawm, Europäische Revolutionen. 1789 bis 1848. Zürich  : 1962  ; derselbe, Die Blütezeit des Kapitals. Eine Kulturgeschichte der Jahre 1848–1875. Frankfurt am Main  : 1980  ; derselbe, Das imperiale Zeitalter. 1875–1914. Frankfurt am Main und New York  : 1989. 206 Memorandum des OSS [sic  ! recte  : SSU, i. e. Strategic Service Unit], Saint [Ps.], on O. Rockhill, 6.11.1945. NARA, RG 226, E 214, B 1. 207 Heimatschutz in Öster­reich. Sein Werden und die Juli-Ereignisse. Wien  : 1935, 138–140. Für diesen Literaturhinweis danke ich Alexander Verdnik.



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land ein.208 Als offenkundig opportunistischer, insgesamt aber eher unpolitischer Militär, literarisch interessierter Mensch und leidenschaftlicher Orientalist war er der nationalsozialistischen Rassenideologie jedoch nicht wirklich verbunden, wie überhaupt das im Haus Schneditz vorherrschende Geistesklima eher von der multikulturellen Tradition des Habsburgerreichs als von aggressivem Deutschnationalismus geprägt war. Dies hatte vor allem familiäre Gründe  : Gilbert von Schneditz’ Gattin Margarete war die Tochter des hochrangigen amerikanischen Diplomaten und US-Botschafters William W. Rockhill und hatte illustre und kosmopolitische Verwandte in den Vereinigten Staaten, Frankreich und England. Nachdem der junge Marineoffizier seine spätere Gattin auf einem Ball in Konstantinopel kennengelernt hatte, lebte die Familie abwechselnd in Kärnten, in Wien und in Italien, wo Gilbert ab 1913 bis zum Ende des Ersten Weltkriegs als »Capitano Mercantile« der k. k. Seebehörde tätig gewesen war.209 Der junge Oliver hatte zu seinen Eltern, vor allem zu seinem Vater, kein herzliches, sondern ein distanziertes Verhältnis. Beide Elternteile waren eher »intellektuell, aber nicht familiär orientiert«.210 Der im Spannungsfeld zwischen Traditionalismus und Liberalismus sowie väterlichem Zwang und pubertärer Rebellion aufgewachsene Sohn erwies sich als vor allem musisch begabter Schüler. Nachdem er zwischen 1931 und 1935 die Mittelschule an Wiener und Klagenfurter Gymnasien absolviert hatte, verfolgte sein Vater Pläne, die sich erheblich von den Vorstellungen des Sohnes unterschieden. So drängte Gilbert von Schneditz darauf, dass sein Sohn die Marineschule Mürwik im nationalsozialistischen Deutschland besuchte, was von Oliver jedoch vehement abgelehnt wurde  : »Oliver von Schneditz, being firmly anti-nazi, who has never made any secret of his convictions, was strongly opposed to his father’s desires.«211 Letztlich konnte der Sohn von 1935 bis 1937 an der Graphischen Bundes-Lehr- und Versuchsanstalt in Wien studieren, wo er zu einem begabten Grafiker heranreifte. Der in dieser Zeit allerdings bereits offen zutage tretende und ideologisch überlagerte Vater-Sohn-Konflikt im Hause Schneditz sollte das Schicksal der Familie in den folgenden Kriegsjahren aber auf dramatische Weise mitbestimmen. Im August 1939 trat Gilbert von Schneditz, dem vom Gemeindeamt des Dorfes Gräbern ein lupenreines »Sitten-Zeugnis« im Sinne der NS-Ideologie ausgestellt worden war,212 208 Ebd.  ; Interview Monique Mayrhofer und Daniel Schneditz, 14.5.2010. 209 Personaldokument Nr. 8707-13 des Imp.[eriale &] Reg.[ale] Governo Marittimo, ausgestellt auf Capitano Mercantile Gilberto Giuseppe Schneditz, Triest, 31.3.1913. Privatbestand Schneditz. 210 Interview M. Mayrhofer und D. Schneditz, 14.5.2010. 211 Sworn Statement of Eric Harris [i. e. Eric Loewe-Levai] before George R. Irminger, American Consul in Zurich, 29.4.1969. 212 Gemeindeamt Gräbern, Sitten-Zeugnis für Gilbert von Schneditz, 11.7.1938. Privatbestand Schneditz.

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schließlich in die deutsche Wehrmacht ein, um seine militärische Karriere wieder auf die Höhe vergangener Tage zu führen. Oliver Schneditz, über den sein Sohn sagte, dass »er ein ausgesprochenes Gerechtigkeitsgefühl [hatte], so wie der Michael Kohlhaas, so weit dass er sich selber schadet«213, verfügte seit jeher über ein starkes Gerechtigkeitsempfinden. Dies manifestierte sich bereits früh in einem kämpferischen Antifaschismus  : Als der ihm damals noch unbekannte jüdische Schüler Eric Loewe-Levai 1936 in Wien auf offener Straße Opfer eines antisemitischen Übergriffs durch eine Gruppe von gewalttätigen »hoodlums« wurde, eilte er zur Verteidigung des angegriffenen Passanten herbei – Loewe sollte in der Folge nicht nur ein langjähriger Freund von Oliver Schneditz werden, sondern später auch eine analog verlaufende Emigranten- und Kriegsbiografie mit ihm teilen. 214 Durch diesen Vorfall hatte sich Schneditz, der bis dahin kaum politisch in Erscheinung getreten war, »bereits vor dem Anschluß als Nazigegner exponiert«, was durch die Tatsache, dass er »vor allem in jüdischen Kreisen Freunde hatte«, noch an Gewicht gewann.215 2.2.1 Im französischen Exil

Im Jahr 1937 war Oliver Schneditz nach Paris übersiedelt, um einen Kurs in Trickfilmtechnik zu besuchen.216 Im Juni 1938 kehrte er noch einmal nach Öster­ reich, das nun unter NS-Herrschaft stand, zurück. Oskar Schneditz, sein Onkel, war zu dieser Zeit in der Polizeidirektion Wien beschäftigt und erfuhr durch einen Beamten von geplanten Verfolgungsmaßnahmen gegen seinen Neffen, der »für die damaligen Machthaber als politisch unzuverlässig« galt.217 Nach Warnungen des Onkels und seiner jüdischen Freunde gelang es Oliver daraufhin im August desselben Jahres, »im letzten Moment« aus Öster­reich zu flüchten.218 Anstatt den vom Vater vorgegebenen militärischen Karriereweg zu beschreiten oder die Freuden eines großbourgeoisen Lebens in der »Ostmark« zu genießen, musste sich Schneditz von nun an mit den »Fährnissen, die ein Emigrant zu überstehen hatte«, auseinandersetzen  : Flucht, Unstetigkeit, Entwurzelung, zermürbende bürokratische Prozeduren und Internierung.219 Die erste Phase des 213 Interview M. Mayrhofer und D. Schneditz, 14.5.2010. 214 Ebd.  ; Harris, Statement 1969. 215 Eidesstättige Erklärung von Erasmus Schneditz-Bolfras, Gmunden, 24.6.1980. Privatbestand Schneditz. 216 Notarized Statement of Dorothy A. Rockhill, Florida 12.3.1979. Privatbestand Schneditz. 217 E. Schneditz, Erklärung, 24.6.1980. 218 D. Rockhill, Statement. 219 Buchkommentar zu Pistor, »Harret aus  !«, in  : http://oe1.orf.at/artikel/202229 (letzter Zugriff  : 8.3.2011).



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36 Französisches Récépissé für Oliver von Schneditz, 1939.

französischen Exils war aber zunächst vielversprechend. So arbeitete Schneditz als freischaffender Grafiker im von seinem amerikanischen Cousin Hector Hoppin betriebenen Trickfilmstudio Animat in Paris, wo er am aufwändigen und ästhetisch ansprechenden, jedoch unvollendeten Animationsfilm Round the World in 80 Days mitwirkte.220 Dank seiner Zugehörigkeit zum Rockhill-Clan verfügte er in Paris auch über zumindest indirekte Kontakte zu mehreren hochrangigen US-Diplomaten, darunter Robert Murphy und Botschafter William Bullitt.221 Mit diesem privilegierten Zugang zu Diplomatenkreisen sondierte Schneditz die Möglichkeiten in Bezug auf eine Emigration in die USA. Aufgrund der zu diesem Zeitpunkt weder persönlich noch politisch allzu prekären Lage verfolgte er dieses Unterfangen aber nicht mit letztem Nachdruck. Er war deshalb lediglich im Besitz einer temporären Aufenthaltsgenehmigung für Frankreich (Récépissé), die 220 Beschreibung dieses Filmprojekts unter www.screenonline.org.uk/film/id/1342541/ (letzter Zugriff  : 8.3.2011). 221 Harris, Statement 1969.

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regelmäßig erneuert werden musste. Als er dieser Verpflichtung einmal nicht nachkam, wurde er für kurze Zeit festgenommen.222 Die kurzfristige Haft sollte sich als Menetekel herausstellen  : Frankreich, bis dahin das klassische Asylland Europas, verschärfte im Gefolge der Fluchtwellen rund um den »Anschluss« und der Sudetenkrise 1938 seine Sicherheitsvorkehrungen in Hinblick auf »unerwünschte« oder »gefährliche« Ausländer drastisch. In diese für Öster­reicher in Frankreich ohnehin bereits ungünstige Phase des Übergangs »von einer Asylpolitik zu einer Internierungspolitik«223 fiel im September 1939 der Beginn des Zweiten Weltkrieges. Als »38er« weigerte sich Schneditz, die deutsche Staatsbürgerschaft anzunehmen und deklarierte sich als staatenloser Öster­reicher. Hierbei handelte es sich aber um einen rein symbolischen Akt, denn den französischen Behörden galten Öster­reicher nunmehr als Deutsche und somit als feindliche Ausländer. Zum Zeitpunkt des französischen Kriegseintritts hielt Schneditz sich gerade bei seiner Schwester Dorothy Rockhill in Dinard in der Bretagne auf. Am 5. September, noch vor der großen Internierungswelle, die nominell alle im Land befindlichen männlichen Ausländer aus Deutschland und Öster­reich zwischen 17 und 65 Jahren erfassen sollte, stellte er sich den französischen Behörden und wurde zunächst in einem Inselgefängnis am Ärmelkanal bei Saint-Malo interniert.224 Um längerer Internierung bei schlechter Versorgung und Hygiene zu entgehen, meldete sich Schneditz, der zum Militarismus seit jeher antagonistisch eingestellt war, gemeinsam mit seinem ebenfalls emigrierten Freund Eric Loewe nun zum Dienst an der Waffe, mit dem erklärten Ziel, den Nationalsozialismus zu bekämpfen.225 Diese Entscheidung war nicht nur der Notlage eines mittellosen Flüchtlings geschuldet  : Briefe und Erklärungen im persönlichen Nachlass legen nahe, dass Schneditz aufgrund seiner Kontakte gute Chancen hatte, eine Einreisegenehmigung für die USA zu erhalten und sich dem französischen Wehrdienst zu entziehen. Seine Entscheidung, sich schließlich »pour la durée de la guerre« zu verpflichten,226 wurde daher wohl auch vom »moralischen Druck«, der von der französischen Öffentlichkeit auf die männlichen Ausländer ausgeübt wurde, 222 W. Mayrhofer, Bericht. 223 Barbara Vormeier, »Frankreich«, in  : Claus-Dieter Krohn/Patrik von zur Mühlen/Gerhard Paul/ Lutz Winckler (Hgg.), Handbuch der deutschsprachigen Emigration 1933–1945. Darmstadt  : 1998, 213–250, hier 232 f. 224 Erklärung von Vera Aisenberg, 7.1.1980. Privatbestand Schneditz  ; eidesstattliche Erklärung von Oliver Schneditz, betreffend Eric A. Harris, 11.4.1980. Privatbestand Schneditz  ; Mitteilung von T. Schneditz, 5.4.2011. 225 Interview M. Mayrhofer und D. Schneditz, 14.5.2010  ; Harris, Statement, 1969. 226 Ministère de la Guerre, Livret Individuel de Oliver von Schneditz, Eintrag vom 27.11.1939. Privatbestand Schneditz.



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damit diese loyal für ihr Gastland in den Krieg zögen, beeinflusst.227 Schneditz wurde allerdings – wie Tausende andere Flüchtlinge, die oft schlecht Französisch sprachen und nicht recht wussten, wie ihnen geschah – nicht in die allgemeinen Streitkräfte, sondern in die französische Fremdenlegion aufgenommen. Noch am 8. September hatte der französische Kriegsminister Deutsche und Öster­reicher kategorisch vom Wehrdienst ausgeschlossen, auf Betreiben des Außenministeriums wurde ihnen aber kurz darauf der Eintritt in die Fremdenlegion ermöglicht.228 Und so sollte sich der junge Rekrut bald im Bauch eines Truppendampfers wiederfinden, der von Marseille Kurs auf das algerische Oran nahm – anstatt den Faschismus in seiner Heimat zu bekämpfen, musste er von nun an vor allem den Kolonialinteressen seines Gastlandes auf der anderen Seite des Mittelmeers dienen. 2.2.2 »Ce lieu hostile au nom parfumé …«229 – Legionsdienst und Zwangsarbeit in Nordafrika

Von November 1939 bis Oktober 1940 diente Schneditz als einfacher Legionär in der französischen Fremdenlegion. Während der Großteil der »freiwilligen Ausländer« in eigens gegründete Marschregimenter (Régiments de marche de volontaires étrangers, RMVE), die laut Douglas Porch gar nicht zur »echten« bzw. »alten« Fremden­legion gehörten,230 zusammengefasst wurde, war Schneditz Kavallerist einer Eskadron des 1er régiment étranger de cavalerie (R.E.C.).231 Für den feinsinnigen jungen Mann war der Militärdienst in Afrika eine äußerst harte Erfahrung. In einem Brief an seine Schwester klagt er über die unerbittliche Saharasonne und erwähnt, dass er an nur einem Tag 130 Kilometer zu Pferd zurücklegen musste.232 Ebenso lernte er die drakonische Bestrafungspraxis und weitere Unbilden des Legionsdienstes zur Genüge kennen.233 Als die politisch-militärischen Umwälzun227 Szajkowski, Jews, 60. 228 Douglas Porch, The French Foreign Legion. A Complete History of the Legendary Fighting Force. New York  : 1991, 444  ; Eckard Michels, Deutsche in der Fremdenlegion 1870–1965. Mythen und Realitäten. Paderborn, München, Wien und Zürich  : 1999, 116 f. 229 Szajkowski, Jews, 83. 230 Porch, Legion, 445 f. 231 Dépot Commun des Regiments Étrangers, Entlassungsurkunde für Oliver von Schneditz, 15.10.1940  ; Oliver von Schneditz, Sidi Bel Abbès, Algerien, an Dorothy Rockhill, Dinard, Frankreich, 8.6.1940. Privatbestand Schneditz  ; Interview M. Mayrhofer und D. Schneditz, 14.5.2010. 232 Brief O. Schneditz an D. Rockhill, 4.6.1940. Privatbestand Schneditz. 233 Interview Monique Mayrhofer-Grüenbühl und Thomas Schneditz, 4.2.2011  ; für eine drastische und sehr negativ gezeichnete Darstellung des Legionsdienstes in Algerien vgl. Walter Widmer, In der Hölle der Fremdenlegion. Tatsachenbericht. Gütersloh  : 1955.

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gen des Jahres 1940 in Europa auch in Französisch-Afrika konkrete Folgen zeitigten, sollte sich Schneditz’ Lage mit einem Schlag aber noch weiter verschlechtern. Um spätere Ereignisse besser einordnen zu können, ist an dieser Stelle ein kurzer Exkurs über die zur selben Zeit wieder steil nach oben führende Militärkarriere von Olivers Vater Gilbert von Schneditz hilfreich. Der deutsch-französische Waffenstillstand von Juni 1940 hatte die Besetzung Nordfrankreichs und die Schaffung des deutschen Satellitenstaates Vichy-Frankreich zur Folge, räumte aber Letzterem die volle Souveränität über das afrikanische Kolonialreich ein. Die NS-Führung entschied sich aus militärstrategischen und politischen Motiven dafür, keine Ansprüche auf die französischen Kolonien in Nordafrika zu erheben, und gewährte dem Achsenpartner Italien das Recht auf Kontrollinspektion des französischen Machtbereichs in Marokko, Tunesien, Algerien, Syrien und Französisch-Somaliland,234 wobei sie aber bei den Italienern bald eine Art »Oberaufsicht« durch deutsche Verbindungsoffiziere etablierte.235 Eine besondere Volte des Schicksals war es nun, dass sich just Olivers Vater, Korvettenkapitän Gilbert von Schneditz, im Jänner 1941 als Verbindungsoffizier der deutschen Waffenstillstandskommission bei der italienischen Kontrollkommission in Nordafrika aufhielt.236 Dort hatte er zunächst die Aufgabe, den italienischen Kontrollen der französischen Mineralölproduktion in Nordafrika beizuwohnen, um »die Verhältnisse für die Errichtung deutscher Kontroll- und Verbindungsstellen zu untersuchen.«237 Nachdem Letztere eingerichtet worden waren, übte er von Februar 1941 bis Herbst 1942 als Verbindungsoffizier in Algerien und als Leiter des für Rüstung zuständigen »deutschen Verbindungskommandos Nordafrika« (später der »Kontrollinspektion Afrika« im marokkanischen Casablanca238 ange234 Karl-Volker Neugebauer, Die deutsche Militärkontrolle im unbesetzten Frankreich und in Französisch-Nordwestafrika 1940–1942. Zum Problem der Sicherung der Südwestflanke von Hitlers Kontinentalimperium. Boppard am Rhein  : 1980, 8 f.  ; vgl. ebd., 49  : »Durch den Abschluß der Waffenstillstandsverträge war es Hitler nicht nur gelungen, Frankreich als Kontinentalmacht aus dem Felde zu schlagen, sondern auch das französische Kolonialreich zu neutralisieren.« Siehe hierzu auch Hermann Böhme, Der deutsch-französische Waffenstillstand im Zweiten Weltkrieg. Erster Teil  : Entstehung und Grundlagen des Waffenstillstandes von 1940. Stuttgart  : 1966, 208. 235 Neugebauer, Militärkontrolle, 121  ; vgl. Eberhard Jäckel, Frankreich in Hitlers Europa. Die deutsche Frankreichpolitik im Zweiten Weltkrieg. Stuttgart  : 1966, 106. 236 Visitenkarte von Korvettenkapitän Von Schneditz, Verbindungsoffizier der deutschen Waffenstillstandskommission bei der königl. Italienischen Kontrollkommission in Nordafrika. Privatbestand Schneditz. 237 Neugebauer, Militärkontrolle, 122, zitiert nach Bundesarchiv  – Militärarchiv Freiburg (MA-WA), Wi III B/4, DWStK Rü 25/41 v. 5.1.[1941] betr. Bericht Korv. Kptn. v. Schneditz aus Algier  ; ebd., Abschlußbericht von Schneditz v. 15.1.1941. 238 Illustrierte Visitenkarte vom 9.5.1942, ausgestellt auf Korvettenkapitän von Schneditz, Mitglied der Kontrollinspektion Afrika. Privatbestand Schneditz.



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gliedert) eine vergleichbare Tätigkeit aus. Das ihm unterstehende Verbindungskommando sollte unter anderem »die politische, militärische und wirtschaftliche Entwicklung in Algier und Tunis […] beobachten und darüber wöchentlich der Deutschen Waffenstillstandskommission Bericht […] erstatten.«239 Die Bilddokumente aus dem Familiennachlass geben Zeugnis darüber, dass Gilbert von Schneditz’ Lebensstil in den Küstenmetropolen des Maghreb ein sehr mondäner war. Neben jovialen Unterredungen mit deutschen, französischen und italienischen Offizieren240 standen für den Marineoffizier zahlreiche koloniale Annehmlichkeiten241 und ausgedehnte Badeurlaube auf der Tagesordnung. Nach diesen Schlaglichtern auf den Alltag eines deutschen Karrieresoldaten in Nordafrika konzentriert sich der biografische Bericht nun wieder auf Oliver von Schneditz, der seit Oktober 1940, nur ein paar Hundert Kilometer von den Dienstorten des Vaters entfernt, ein Dasein führte, das völlig anders aussah. Aus dem politischen Flüchtling bzw. Fremdenlegionär war auf einmal ein politischer Häftling geworden, der sich in einer staubigen Kohlenmine in der Nordsahara als Zwangsarbeiter verdingen musste. Seine ohnehin unfreiwillig erfolgte Meldung zur Légion étrangère erwies sich letztlich nicht als ein von Romantik und Mystik umgebenes Kriegsabenteuer, sondern als fataler »stepping stone into mass concentration camps«.242 Wie kam es dazu  ? Die unter dem Druck der Achsenmächte stehende, prodeutsche Vichy-Regierung ordnete nach dem Waffenstillstand im Juni 1940 die Demobilisierung aller »freiwilligen« (i. e. vor allem antinazistischen und jüdischen) Fremdenlegionäre an, um sie anschließend in nordafrikanischen Arbeitslagern zu konzentrieren.243 Nach Anerkennung seiner »Bonne Conduite«244 wurde Schneditz im Oktober 1940 daher aus der Legion entlassen und gemeinsam mit den anderen Legionären in algerische Lager überstellt, wo sie »bei schlechter Verpflegung und unter harten klimatischen Bedingungen« zu Arbeitsdiensten im Berg- und Eisenbahnbau eingesetzt wur239 Neugebauer, Militärkontrolle, 123. 240 Auf einer undatierten Fotografie im Nachlass von Gilbert Schneditz ist etwa der Konsul und Vertreter der Deutschen Waffenstillstandsdelegation für Wirtschaft in Casablanca, Theodor Auer, zu sehen. Privatbestand Schneditz  ; vgl. Neugebauer, Militärkontrolle, 125. Laut der Zeitschrift Aufbau hielt sich Auer »mit einem ›Schwarm‹ von Sekretären« in Casablanca auf und war dort für seine hedonistischen »Gelage […] mit Vichyleuten und anderen Agenten« und NS-Größen bekannt. Maximilian Scheer, »Der Spion von Casablanca«, in  : Der Aufbau, 20.11.1942, 2. 241 Hierzu zählt etwa eine »Carte de Priorité« für die öffentlichen Verkehrsmittel von Casablanca. Privatbestand Schneditz. 242 Kenneth G. Crawford, »Foreign Legion was Gateway to Concentration Camps«, in  : The World, April 1943 [ohne genaues Datum], 6. 243 Szajkowski, Jews, 76 f. 244 Légion étrangère, Certificat de Bonne Conduite pour Oliver von Schneditz, Sidi Bel Abbès, 10.9.1940. Privatbestand Schneditz.

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den.245 So hielten sich im August 1942 über 4.700 antifaschistische Ex-Legionäre und andere unerwünschte Ausländer und Zwangsarbeiter in diesen Lagern auf,246 wo sie neben antisemitischen Ausfällen auch mit der Bespitzelung durch eingeschleuste deutsche Agenten konfrontiert wurden.247 »Voilà comment la France nous remercia pour notre engagement volontaire  !« (»So also bedankt sich Frankreich für unseren freiwilligen Einsatz  !«), urteilte hierzu der jüdische Fremdenlegionär und nunmehrige Zwangsarbeiter Joseph Ratz.248 Nach Aussagen von Zeitgenossen und Lagerinsassen kamen die Arbeitsbedingungen im GTE-4 in Kenadsa249, jenem Kohlebergwerk, in dem Schneditz und Eric Loewe bis Anfang 1943 Zwangsdienste leisten mussten, der Sklaverei nahe  : [Die Internierung im] Kohlebergwerk in Kenadsa […] war die schlimmste Zeit seit meiner Flucht. In der französischen Sahara, völlig isoliert, schwere körperliche Arbeit. Hitler war damals auf dem Höhepunkt seiner Erfolge […]. Für uns schien es keine Rückkehr ins Leben zu geben.250 Kenadsa was the center of the coal mines. There were about 6,000 workmen  : 5,000 Kabyle natives and 1,000, belonging to the Cie. Des Militaires Travailleurs, i. e., aliens, almost all Jews, demobilized from the French army which they joined voluntarily for the duration of the war. They were still under military control and discipline. The Kabyles worked in the mines and the Europeans were the architects, engineers, designers, doctors, overseers, accountants, etc. […] The coal was used for the Algerian railways. The Kabyles, who are white skinned, North Algerian mountaineers, worked badly  ; they were badly fed and lodged. […] About 10–20 died daily.251 245 W. Mayrhofer, Bericht. 246 Michels, Deutsche in der Fremdenlegion, 126. 247 Laut einem Artikel des Spiegel wurde die Legion bereits früh von deutschen Agenten infiltriert, die ein Auge auf die antifaschistischen Kriegsfreiwilligen geworfen hatten  : »1940 in Marseille […] suchten Hitler-Agenten in die Legion einzudringen. Im Verschiffungs-Depot der Legion […] tauchte eines Tages 1940 ein deutscher Offizier […] der Legion auf. Unter den deutschstämmigen Legionären suchte er die Nichtjuden heraus, beförderte sie außer der Reihe und ließ ihnen Privatquartiere anweisen. Er beschaffte sich Kopien von Legions-Akten und ganze Stammrollen von Legions-Regimentern, die er an die Gestapo weiterleitete.« »Dann sind es nicht mehr Deutsche. Wie früher ihre Väter«, in  : Der Spiegel, Nr. 3/1949, in  : www.spiegel.de/ spiegel/print/d-44435212.html (letzter Zugriff  : 14.3.2011). Auch Szajkowski berichtet über eine »fünfte Kolonne« in den Lagern Colomb-Béchar und Kenadsa, welche 1941 auf Betreiben der deutschen Waffenstillstandskommission eingeschleust worden sei. Szajkowski, Jews, 102. 248 Zitiert in Szajkowski, Jews, 76. 249 GTE = Groupement de travailleurs étrangers. 250 Erich Derman, »… aber unsere Stimme drang nach Öster­reich. Widerstand aus dem Exil via Radio«, in  : Medien & Zeit, 1/1988, 3. Jg., 31–35, hier 33. 251 Szajkowski, Jews, 97 f.



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An dieser Stelle sei jedoch erwähnt, dass Schneditz als Grafiker und polyglotter Geistesmensch ein vergleichsweise privilegierter Lagerinsasse war, der schon nach kurzer Zeit »zu einer leichteren Arbeit in der Kanzlei« eingesetzt wurde252 und auch sonst einige Freiheiten besaß.253 Er hatte in Kenadsa die Möglichkeit, um diverse Durchgangsvisa nach Amerika anzusuchen,254 und stand überdies mit seiner Schwester Dorothy und dem US-Konsul in Algier in regelmäßiger Korrespondenz.255 Als nun der deutsche Offizier Gilbert von Schneditz vom Los seines Sohnes erfahren hatte, trug sich vermutlich Anfang 1941 ein denkwürdiges Treffen zu  : Der in einer »dreckigen Lageruniform« steckende Oliver wurde von seinem einflussreichem Vater für eine Unterredung in eine Villa nach Oran geholt.256 Basierend auf teilweise inakkuraten, von Oliver Schneditz, Eric Loewe und anderen Quellen allgemein jedoch bestätigten, Informationen eines Insassen des Lagers Kenadsa, berichtete der Journalist Kenneth Crawford hierzu Folgendes  : [W. H. B. Simons, an internee in Kenadsa] told us about Oliver von Schnaditz [sic  !], a young German artist, who had fled before the Nazis […] to Paris and finally to North Africa, only to wind up […] in the Kenadsa mines. When the [German] armistice commission arrived, its chairman was General [sic  !] von Schnaditz, Oliver’s father. The general tried to persuade his son to return to Germany but Oliver, firmly anti-Nazi, refused to go.257

Bentwich erwähnt ebenfalls dieses Ereignis, welches später wiederum von zwei ehemaligen Fremdenlegionären, die vom Geheimdienst OSS befragt wurden,258 bestätigt wurde  : An Austrian, Von S., met his father, a naval captain, who was a member of the Commission. Asked to return to Germany he refused and remained in the camp.259 252 W. Mayrhofer, Bericht  ; vgl. hierzu auch Szajkowski, Jews, 98. 253 O. Schneditz, GTE Kenadsa, Algerien, an Dorothy Rockhill, Princeton, USA, 28.11.1941. Privatbestand Schneditz  ; Schneditz durfte von Familienangehörigen Geld- und Materialsendungen, die teils über den US-Konsul in Casablanca weitergeleitet wurden, empfangen. 254 Brief O. Schneditz an D. Rockhill, 12.10.1941. Privatbestand Schneditz. 255 Brief O. Schneditz an D. Rockhill, 8.12.1941. Privatbestand Schneditz. 256 W. Mayrhofer, Bericht. 257 Kenneth G. Crawford, Report on North Africa. New York  : 1943, 117. 258 »An interrogation report on two Germans, former foreign legionnaires and DAs in North Africa, states that Kapitan [sic  ! recte  : the son of Kapitan] von SCHNEDITZ, an Austrian, was anti-Nazi and had refused to return to Germany.« SSU Memorandum on O. Rockhill, 6.11.1945. 259 Norman Bentwich, I Understand the Risks. The Story of the Refugees from Nazi opression who fought in the Brititsh Forces in the World War. London  : 1950, 90.

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Als er das Offert des Vaters abgelehnt hatte, soll Oliver diesem vorhergesagt haben, dass das ideologisch fehlgeleitete Hitlerdeutschland den Krieg verlieren und er selbst eines Tages die Hilfe des Sohnes brauchen werde.260 Selbst wenn es sich bei diesem prophetisch anmutenden Kommentar um ein apokryphes bzw. nachträglich hinzugefügtes Zitat handeln sollte, war das durch mehrere Quellen belegte Aufeinandertreffen mit seinem Vater in Nordafrika zweifellos ein dramatischer Moment, der das individuelle Schicksal der Familie Schneditz-Rockhill mit der historischen Meta-Ebene des Zweiten Weltkriegs verknüpfte. Unabhängig von der Frage der Historizität des überlieferten Gesprächsinhalts der Vater-Sohn-Begegnung besteht kein Zweifel darüber, dass Oliver von Schneditz, der sich bereits bei Kriegsausbruch freiwillig für den Gang in die Armee entschieden hatte, einmal mehr den steinigeren – für ihn moralisch richtigen – Weg gewählt hatte. Schneditz’ Witwe Monique Mayerhofer-Grüenbühl konstatiert, dass Oliver von den Arbeitern und Mineuren im Lager Kenadsa ob seiner heroischen Geste sehr geschätzt wurde.261 Gilbert von Schneditz blieb in der Folge mit Oliver in Kenadsa in brieflichem Kontakt, konnte den »ungehorsamen« Sohn aber nicht von seinen Anschauungen abbringen, wie folgender Auszug aus einem Brief an seine amerikanische Tante vom 28. Oktober 1941 veranschaulicht  : [I] got a letter from Paul’s and Oskars brother [i. e. Gilbert von Schneditz]262 He is staying in Casablanca now, and starts again with his old story’s. […] I would be happy if I could get away so that he couldn’t annoy me anymore. They are so silly these peoples [sic  !].263

Die spannungsreiche Beziehung zwischen Vater und Sohn war nach diesem afrikanischen Dramolett also um eine Episode reicher. Die am 8. November 1942 unter dem Oberkommando von General Eisenhower erfolgte Invasion Nordafrikas durch die Alliierten führte am 11. No260 W. Mayrhofer, Bericht  ; Interview M. Mayrhofer und D. Schneditz, 14.5.2010. 261 Interview M. Mayrhofer und T. Schneditz, 4.2.2011. Ähnlich Crawford, Report, 117. 262 Wohl um vom amerikanischen Zensor dieses Briefes (der Briefumschlag wurde vom US-»Examiner 3695« geöffnet und wieder versiegelt) nicht mit dem Namen eines ranghohen deutschen Offiziers in Verbindung gebracht zu werden, wird Schneditz’ Vater von ihm als »Bruder von [seinen Onkeln] Paul und Oskar« bezeichnet. 263 Brief O. Schneditz an D. Rockhill, 28.11.1941. Privatbestand Schneditz. Laut T. Schneditz gibt es noch weitere, teils unterhaltsame Anekdoten, welche den zivilen Ungehorsam und die Abneigung von O. Schneditz gegen die Nationalsozialisten rund um Gilbert v. Schneditz bezeugen. So hat er in Briefen die amerikanischen Zensoren mehrmals mit augenzwinkerndem Spott bedacht und soll in Kenadsa einmal an Hitlers Geburtstag demonstrativ eine US-Fahne gehisst haben  ; Interview M. Mayrhofer und T. Schneditz, 4.2.2011.



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vember zur Unterzeichnung eines Waffenstillstandes für das französische Kolonialheer in Marokko und Algerien durch Admiral François Darlan. Obwohl sie als Kriegsfreiwillige gegen Hitlerdeutschland nun formal auf der Seite ihrer alliierten Befreier standen, änderte sich die Lage der antifaschistischen und jüdischen Fremdenlegionäre in den GTE-Lagern vorerst nicht. Die sich in einem politischen und organisatorischen Übergangsstadium befindende Kolonialregierung in Nordafrika zeigte wenig Interesse an deren Freilassung und zwang sie nach wie vor zum Verbleib in den Arbeitslagern.264 Hinzu kamen ideologische Überzeugungen und Ressentiments der Vichy-Franzosen gegen die neuen anglo-amerikanischen »Verbündeten«. Sinnbildlich für diese Umstände und die fortschreitende zivilisatorische Dekonstruktion innerhalb des sich auflösenden französischen Kolonialreichs während des Zweiten Weltkriegs ist ein Bericht, den Schneditz und die zwei Zwangsarbeiter Joseph Breuer und Kurt Huschak im Februar 1945 verfasst hatten. Um die philonazistische und antialliierte Haltung der französischen Lagerkommandanten in Algerien zu dokumentieren, gab das Trio zu Protokoll, dass ein gewisser Herr Candau, der noch amtierende Chef des Kraftwerks Colomb-Béchar, und ein Monsieur Boichart, Leiter des »electric service« der Kenadsa-Kohlenmine, wüste Tiraden gegen die – nunmehr offiziell mit ihnen verbündeten – alliierten Truppen losließen. Die drei öster­reichischen Zeugen, die am Abend des 10. Februar 1945 im Lokal »Cercle« in der Nähe der beiden Vichy-Funktionäre gesessen hatten, behaupteten, dass Schneditz von derartiger »Propaganda« angewidert gewesen sei und ihr lautstark widersprochen habe. Kulminiert sei der Disput zwischen faschistischen Vichy-Funktionären und antifaschistischen Zwangsarbeitern in einem Handgemenge  : M. CANDAU said with a loud voice and in a provoking tone […]  : »[A]t Oran and Algiers, the English force the doors [open] with their rifle-butts and rape the French women. The English are really the bl….iest [sic  !] bastards on the earth« M. BOICHARD agreed  : »You tell that to me  ? It’s a known fact«. M. CANDAU continued  : »There is only one unit in Tunisia that is really fighting, the French Corps Franc [sic  !], but every time the Corps Franc conquers a position these English and Americans settle down comfortably in it. Shicked [sic  ! recte  : Sicked oder Shocked] by similar remarks, we got up to go towards the group of which M. BOICHARD was the centre. M. VON SCHNEDITZ asked him  :

264 Michels, Deutsche in der Fremdenlegion, 126  ; siehe auch Bentwich, Risks, 90.

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»Have you finished with that German propaganda  ? Are you paid by the Jerries265  ?« M. BOICHARD replied  : »What we are talking about here is none of your business. We are at home and we say what we like. But you, we’ll give you the air«. [Im französischen Originalwortlaut  : »Vous, on va vous foutre à la porte.«]. M. VON SCHNEDITZ observed that, all the same, they should not forget that the English and the American[s] were Allies. But at that moment, M. BOICHARD was already assaulting M. BREUER who, nevertheless, retaliated successfully and shook him off.266

Auch in dieser Szene entspricht das Handlungsmuster von Schneditz seinem bisherigen Verhalten in weltanschaulichen Grundsatzfragen  : Wann immer er seine demokratischen und ethischen Ideale (und in diesem Fall auch seinen Proamerikanismus) bedrängt sah, war er bereit, Widerstand zu leisten sowie Konfrontationen und Risiken für die Verteidigung dieser Ideale auf sich zu nehmen. Schneditz’ Freund und Wegbegleiter Eric Loewe, der unter den harten klimatischen Bedingungen und der »shortage of all necessities of life«267 im Wüstenlager besonders gelitten hatte, gelang es schon im Jänner 1943, nach Algier zu fliehen und mit dem britischen Teil des alliierten Expeditionskorps Kontakt aufzunehmen. Dort hat er nach Angaben von Schneditz die Aufmerksamkeit der Briten auf die südalgerischen Anhaltelager und auf das harte Los seines Freundes gelenkt.268 Nach der Einsetzung einer interalliierten Kommission wurden die politischen Häftlinge schließlich freigesetzt und teilweise in alliierte, vor allem britische, Militärverbände aufgenommen.269 Schneditz wurde am 29. März 1943 befreit und – möglicherweise aufgrund der Intervention Loewes, dem er einst selbst in einer Notsituation geholfen hatte – vom britischen Kommissionsmit265 Jerries = Slang für »Deutsche« 266 Statements by Oliver von Schneditz, Joseph Breuer, Gerard and Kurt Huschak to the Director of Kanadja [sic  !], 11.2.1943. The Wiener Library for the Study of the Holocaust & Genocide. Paul Hollander  : Personal Papers, 1939–1944, Document 963/8. 267 Report of the Joint Commission for Political Prisoners and Refugees in French North and West Africa, 5.4.1943. Zitiert in  : Department of State, Washington, D.C. to H. H. Giodvad Grell, Greenwich, Connecticut, 15.4.1943. Privatbestand Schneditz. 268 O. Schneditz, Erklärung über die rassische Verfolgung und Internierung von Eric Loewe [i. e. Al Harris], Klagenfurt, 11.4.1980. In einer privaten Notiz führt Schneditz an, dass auch seine Schwester Dorothy Rockhill indirekt bei Major Younger intervenierte, um für ihren Bruder die Freilassung zu bewirken. In den Zeitraum dieser Interventionen fällt auch die Schaffung einer britischen Pionierkompanie, welche sich aus Deutschen und Öster­reichern in Nordafrika rekrutierte. Siehe hierzu »Pionierkompagnie aus Deutschen und Oesterreichern in Nordafrika«, in  : Der Aufbau, 8.1.1943, 3. 269 Report Joint Commission, 5.4.1943.



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37 OSS-Ausweis von Oliver Rockhill.

glied Major Kenneth Younger als Liaison-Beamter ausgewählt. 270 Ab April diente er als Unteroffizier in der 338. Pionierkompanie des britischen Alien Pioneer Corps, einer 169 Mann zählenden Arbeitseinheit. Sie setzte sich zum Großteil aus deutsch- und öster­reichstämmigen Fremdenlegionären, die in Colomb-Béchar, Kenadsa und Bidon interniert gewesen waren, zusammen. Viele Mitglieder der 338. Kompanie wurden bald anderen militärischen, geheimdienstlichen oder propagandistischen Institutionen zugeteilt.271 Es war daher nur eine Frage der Zeit, bis das OSS, das gerade im Begriff war, seine geheimdienstliche Außenstelle in Algier auszubauen und sich auf die Invasion Italiens vorzubereiten, auf Schneditz aufmerksam wurde. 2.2.3 »Multiagent« des OSS

Im Juli 1943 wurde Schneditz schließlich in Algier vom Geheimdienstoffizier Gerald van Arkel für das OSS rekrutiert. Nach penibler Überprüfung durch die sogenannte X-2-Abteilung der Amerikaner – sein Vater war immerhin ein 270 Notiz von O. Schneditz. Privatbestand Schneditz. 271 Wolfgang Muchitsch, Mit Spaten, Waffen und Worten. Die Einbindung öster­reichischer Flüchtlinge in die britischen Kriegsanstrengungen 1939–1945. Wien und Zürich  : 1992, 54  ; Bentwich, Risks, 91 f.  ; vgl. auch Derman, »Stimme«, 33.

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ranghoher Militär auf feindlicher Seite – war aus dem Kärntner Oliver von Schneditz nun der amerikanische Agent »Oliver W. Rockhill« geworden  : Oliver ROCKHILL, whose true name is Oliver von SCHNEDITZ, was recruited in North Africa by Mr. VAN ARKEL of SI [Secret Intelligence] Labor Desk about July 1943. […] About September of 1943 subject began working for the Psychological Warfare Branch [PWB] in Italy interrogating POWs and dividing his time between PWB and SI Labor Desk.272

Rockhills mannigfaltige Tätigkeit im für den mediterranen bzw. zentraleuropäischen Kriegsschauplatz neu gegründeten 2677. OSS-Regiment spiegelt in gewisser Weise auch den angestrebten Universalismus und den damit verbundenen Zwang zur ständigen Improvisation dieses Geheimdienstes wider. Der gebildete und vielseitige Neo-Agent brachte neben seiner Militärerfahrung, den Deutsch-, Englisch- und Französischkenntnissen und seinem Detailwissen über die politischen, geografischen und kulturellen Gegebenheiten Öster­reichs und Deutschlands auch eine gehörige Portion Kreativität in die nachrichtendienstliche Arbeit ein. Laut OSS-Dokumenten wurde Rockhill zuerst für den sogenannten »[German] Labor Desk«,273 welcher zurNachrichtenbeschaffungsabteilung Secret Intelligence (SI) gehörte, rekrutiert. Nach vermutlich defensiven SI-Tätigkeiten und der Mitarbeit beim Aufspüren von deutschen Fluchtrouten in Algerien und Spanisch-Marokko zwischen Herbst 1943 und Juni 1944274 war Rockhill nach der Landung der US-Armee in Italien hauptsächlich in der Analyseabteilung des OSS (Research and Analysis Branch, R&A) beschäftigt. Hier war er im Windschatten des alliierten Vormarschs gegen Norden mit der Befragung von deutschen und öster­reichischen Kriegsgefangenen beauftragt. Die von ihm verfassten Befragungsprotokolle und Berichte stellten eine wesentliche US-Quelle für Informationen über den deutschen Machtbereich dar und dienten hauptsächlich der Vorbereitung von Kommandounternehmen des SI-Zweigs, wo ab 1944 ein eigens gegründeter »Austrian Desk« unter Leutnant Alfred J. Ulmer für die

272 SSU Memorandum on O. Rockhill, 6.11.1945. 273 Vgl. hierzu Kapitel 2.1. In einem Report von Edward Mosk, Leiter des OSS/SI-Labor Desk in Bari, werden unter anderem die öster­reichischen Mitarbeiter Robert Wichmann, Otto Leichter und Karl Kriz genannt. OSS 2677th Regiment, Report E. Mosk to Chief SI, Washington, 10.2.1945. NARA, RG 226, E 212, B 6. Zum sozialistischen Spanienkämpfer, Fremdenlegionär, Lagerhäftling und späteren OSS-Mitarbeiter Karl Kriz siehe DÖW 2000/K837. 274 Interview M. Mayrhofer und T. Schneditz, 4.2.2011  ; OSS Order for O. Rockhill to proceed to Oran, Oujda and Casablanca, 13.11.1943. Privatbestand Schneditz  ; OSS Order for O. Rockhill to proceed to Algiers, SI German Desk, 6.6.1944. Privatbestand Schneditz.



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Penetrationsunternehmen auf öster­reichischem Boden zuständig war.275 Damit in Zusammenhang standen auch seine Berichte und Beiträge für die Propaganda-Abteilung des OSS (Morale Operations, MO), welche jener des Alliierten Hauptquartiers (Psychological Warfare Branch, PWB) hierarchisch untergeordnet war. OSS/MO war mit der Produktion von subversiver Propaganda betraut, die meist unter falscher oder bewusst offen gelassener Angabe ihrer Herkunft (»schwarze« bzw. »graue« Propaganda) den Gegner verwirren, verängstigen und demoralisieren sollte. Um im epochalen Konflikt mit den Achsenmächten die Demokratie amerikanischer Prägung zu verteidigen, setzte OSS-Direktor Donovan speziell im Bereich der Propaganda auf hemmungslosen Pragmatismus und das philosophische Prinzip  : »Der Zweck rechtfertigt die Mittel«.276 So schufen die Propagandisten von MO in partieller Imitation von NS-Methoden eine Fülle von aggressiven Propagandakommunikaten wie defätistische Flugblätter, gefälschte Dokumente und subversive Radiosendungen. Eine weitverbreitete Methode war hierbei etwa die gezielte Desinformation des deutschen Gegners durch »rumors« (Gerüchte).277 So wurden in Flugblättern und Radiosendungen unter anderem die angebliche Existenz von innerdeutschen Widerstandszirkeln, die sinkende Moral in der deutschen Truppe, die »Dekadenz« und Brutalität der NS-Spitzen sowie die »Unterdrückung der Zivilbevölkerung« thematisiert. Die ideologischen und defätistischen Botschaften wurden jedoch nicht explizit verkündet, sondern auf teils sehr subtile Weise in die Flugblätter, Liedtexte und Periodika des OSS eingestreut. Diese Zugangsweise sollte für »Chaos und Radau«278 im Feindeslager sorgen und – so war der Zeitzeuge Hanuš Burger überzeugt – »erreicht[e] ganz andere Gehirnzellen als die Holzhammerwahrheiten« aus der Hand herkömmlicher Propagandisten.279 Bei OSS/MO war Oliver Rockhill im Juli 1944 an der Planung und indirekt an der Durchführung der Operation SAUERKRAUT beteiligt. OSS-Direktor Donovan war im Zusammenhang mit dem Attentatsversuch auf Hitler am 20. Juli 1944 überzeugt, dass die innerdeutsche Opposition durch subversive Propagandaaktionen gestärkt werden sollte.280 Zu diesem Zweck arbeitete die in der Toskana 275 OSS Report O. Rockhill to J. McCulloch, 18.11.1944. NARA, RG 226, E 119, B 7. 276 Vgl. Laurie, Warriors, 201. 277 In einem instruktiven Handbuch für subversive Kriegführung von 1943 gab das OSS seinen Propagandisten im Feld konkrete Anweisungen über die Verwendung solcher Rumors, welche »the fear and anxiety of those who have begun to lose confidence in military success« ausnutzen sollten. In  : OSS Provisional Basic Field Manual for Morale Operations, 28.7.1943. NARA, RG 226, E 210, B 411. 278 Pirker, Subversion, 41. 279 Burger, Frühling, 168. 280 OSS Semimonthly Report, MO Section, 15–31 July 1944. NARA, RG 226, E 99, B 26.

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stationierte MO-Einheit des 2677. Regiments einen Plan zur Verbreitung von schwarzer Propaganda hinter den feindlichen Linien aus. Dem OSS mangelte es hierfür allerdings an geeignetem, das heißt Deutsch sprechendem und militärisch geschultem, Personal. Aufgrund der »monatelangen Erfahrung beim Interviewen von deutschen Kriegsgefangenen« hatten Rockhill und sein Kollege Frederick Burkhardt daher die ebenso einfache wie spektakuläre Idee, Kriegsgefangene und Deserteure der Wehrmacht, die sich freiwillig dafür meldeten (Deserter Volunteers), mit der Verbreitung von Propaganda im deutsch besetzen Teil Norditaliens zu betrauen.281 Obwohl die Amerikaner bereits auf mehreren Kriegsschauplätzen fallweise Wehrmachtsdeserteure für derartige Missionen engagiert hatten, handelte es sich hier um ein ambitionierteres Projekt. Der Name SAUERKRAUT geht ebenfalls auf einen Öster­reicher zurück, und zwar auf den Wiener OSS-Agenten Edmund F. Linder, der in OSS-Quellen auch Eddie Zinder genannt wird. Wie Schneditz ehemaliger Fremdenlegionär und Lagerinsasse von Kenadsa, war Linder bei MO »in charge of the [SAUERKRAUT-]project«.282 Er war unter anderem als Flugblattschreiber, Liedtexter, Dokumentenfälscher und Instruktor für die MO-Agenten im Einsatz.283 Von OSS-affinen Historikern wurde die sehr experimentell angelegte Ausführung des SAUERKRAUT-Plans sowohl in operativer Hinsicht als auch wegen des handlungsleitenden Effekts auf den Gegner als Erfolg eingestuft.284 Den im Schnellkursverfahren ausgebildeten Deserteuren und Kriegsgefangenen sollte es tatsächlich gelingen, in Fahrzeugen, auf Plätzen und in Gebäuden im Gebiet bei Bologna und Pistoia schwarzes Propagandamaterial zu deponieren, das von den Adressaten tatsächlich gelesen wurde und psychologische Auswirkungen zeitigte.285 Die SAUERKRAUT-Operation war keine interne Angelegenheit der MO-Abteilung, sondern auch eine abteilungsübergreifende Aufklärungsmission. Der OSSAgent Max Corvo berichtet in seinen Kriegsmemoiren über die enge Zusammenarbeit von MO mit der Beschaffungsabteilung SI (Secret Intelligence). Zunächst arbeitete die SI Branch sowie weitere andere OSS-Abteilungen den Propagandakriegern zu  : Um die Durchführung der Operation erfolgreich und die von den SAUERKRAUT-Agenten verteilte Propaganda möglichst zielgruppengerecht zu gestalten, hatten die SI-Mitarbeiter nicht nur »military intelligence«, sondern auch »morale intelligence«, also Stimmungs- und Meinungsbilder aus 281 The Story of the Sauerkrauts, May 1945. NARA, RG 226, E 210, B 213  ; vgl. Mauch, Schattenkrieg, 197  ; siehe auch Semimonthly Report, OSS/MO, 15–31 July 1944. 282 OSS, Story of the Sauerkrauts, 4. 283 OSS Report on Sauerkraut Operation, 17.10.1944. NARA, RG 226, E 210, B 317. 284 Clayton D. Laurie, »The ›Sauerkrauts‹  : German Prisoners of War as OSS-Agents, 1944–1945«, in  : Prologue Magazine, Volume 26  : 1994, 49–61, hier 54. 285 Mauch, Schattenkrieg, 198.



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38 SAUERKRAUT-Agenten beim Drill.

dem Inneren der Wehrmacht, über den Feind eingeholt. Als OSS-Verhöroffizier, der in den CSDIC-Lagern und anderen alliierten »prisoner cages« in Italien ein und aus ging, übermittelte auch der R&A-Mitarbeiter Schneditz-Rockhill den MO-Flugblattproduzenten wichtige Hinweise über das, was sich in den Köpfen der deutschen Soldaten abspielte. Auf Basis dieser Zusammenarbeit mehrerer OSS-Stellen und der teils sehr brauchbaren Informationen der SI-Abteilung wurde von der MO-Propagandatruppe rund um den Öster­reicher Edmund Linder etwa die sogenannte »Kesselring-Proklamation« (ein defätistisches Flugblatt, das sich als wahrer Desinformations-Coup des OSS erweisen sollte) verfasst.286 Doch auch die MO-Penetrationsagenten in den einzelnen SAUERKRAUT-Teams verteilten bei ihren riskanten Einsätzen hinter der Front nicht nur Propaganda, sondern fungierten ihrerseits als militärische Aufklärer. Die sowohl als Propagandabriefträger als auch als Spione eingesetzten »Sauerkrauts« sollten taktisch und strategisch relevante Informationen sammeln und an das OSS bzw. die G-2-Abteilung der 5. US-Armee weiterleiten. Wann immer es möglich war, versuchten die Penetrationsagenten zudem auch die Reaktionen der Rezipienten auf die US-Propaganda zu dokumentieren.287 Die von den »Sauerkrauts« verteilte Propaganda konfrontierte die Wehrmachtssoldaten unter anderem mit fäkalsprachlichen Sprüchen, pornografi286 Max Corvo, The O.S.S. in Italy 1942–1945. A Personal Memoir. New York  : 1990, 208 f. 287 Mauch, Schattenkrieg, 198  ; ähnlich Traussnig, Geistiger Widerstand, 151.

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schen Bildgeschichten288 und antinationalsozialistischen Zeitschriften wie Das Neue Deutschland oder Der Öster­reicher.289 Während Erstere sich als Sprachrohr einer innerdeutschen Widerstandsbewegung ausgab, hatte Letztere den Zweck, bei öster­reichischen Soldaten und Zivilisten, welche von MO als Zielgruppe mit besonderem Subversionspotenzial betrachtet wurden, Ressentiments gegen die »Piefkes« zu wecken und die Öster­reicher vom »preußischen« Nationalsozialismus loszulösen.290 Ein Unterfangen, das – zumindest in einzelnen Fällen – auch gelang  : Der aus Wien stammende Kriegsgefangene und gelernte »shoe designer« Oscar Lehmann, der als Unteroffizier in der 42. Infanteriedivision gedient hatte und gegen Kriegsende vom OSS interviewt wurde, war nach eigenen Angaben von derartiger Propaganda beeindruckt. Ähnlich wie sein 17-jähriger Landsmann, der aus Linz stammende Ferdinand Osim, schien er, ebenso wie mehrere öster­ reichische Zivilisten, welche die schwarzen OSS-Publikationen gelesen hatten, an die Existenz einer Widerstandsbewegung mit dem Namen Das Neue Deutschland zu glauben  : [Lehmann] stated he had often heard about this D[as]N[eue]D[eutschland] movement while talking with civilian friends in Vienna. He had a copy of the paper in his pocket. He stated his copy of the newspaper had been read by many of his friends, that other copies of DND. Lehmann stated he believed the movement comes from within Germany.291

In der von SAUERKRAUT-Agenten verteilten schwarzen OSS-Zeitschrift Der Öster­reicher wird der »Nichtsnutz« Hitler satirisch attackiert. Er habe – anders als oft behauptet – den Tourismus in der Tat angekurbelt, allerdings nicht den zivilen Erholungs-, sondern den militärischen Zwangsurlaub  : Das sagen die Leut’ auf den Hitler nicht gar Sie lassen an ihm auch nicht ein gutes Haar. 288 Siehe hierzu Traussnig, »Sexbilder«  ; derselbe, Geistiger Widerstand, 158–182. 289 Laurie, Warriors, 199. 290 So führte eine OSS-Leitdirektive für öster­reichbezogene MO-Operationen im Juli 1944 konkrete Vorschläge an, um die »endemische Abneigung« der Öster­reicher gegen die Deutschen ideologisch und militärisch auszunutzen. Dazu gehörten etwa die gezielte Verwendung von antideutschen Ethnostereotypen wie »Piefke« und »Kartoffelfresser«. OSS Planning Group, Implementation Study for the Special Strategic Services Activities in Austria, 3.7.1944, NARA, RG 226, E 144, B 22. 291 OSS/MO, Comebacks on Das Neue Deutschland, Excerpt from MO/Mediterranean Field Report of 15–30 April 1945, Effectiveness of MO, 1–5, hier 1 f. NARA, RG 226, E 99, B 88, F 5.



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Doch ein’s hat er g’macht und da muss ich ihn loben Den Fremdenverkehr, ja den hat er gehob’n. Die Wiener, sie hat er nach Finnland verschoben, damit er die […unleserlich] nach Wien einikriegt. Die Siebenbürger Garden befiehlt er nach Polen’ Und d’Südtiroler muss er aus Riga z’rückholen. Man hört jetzt französisch in Ottakring grüssen, aber die Böhm’ hab’n aus Favoriten fortmüssen. Bulgaren ergeht es in Serbien schlimm, die Wiener krepieren in Polen und Krim.292

Neben dem Provozieren von subversivem Aktionsdruck und der teilweisen Beeinflussung der Kampfmoral des Gegners sollte es den »Sauerkrauts« auch gelingen, militärisch nützliche Informationen wie etwa die Position der 4. deutschen Luftlandedivision an die OSS-Stützpunkte weiterzuleiten.293 Als informationsverarbeitender und -verteilender R&A-Agent arbeitete Rockhill regelmäßig der MO-Abteilung zu. In einem Schreiben an Eugene Warner, den Leiter von MO Italien, berichtet er am 10. April 1945 etwa über die im Wehrmachtsblatt Der Frontkurier publizierte deutsche Reaktion auf Wehrmachtszeitungen, die vom OSS in propagandistischer Absicht gefälscht und von MO-Agenten im Frühjahr 1945 verteilt wurden. Rockhill betont darin die Gefährlichkeit und die scheinbar große Wirkung derartiger Unternehmen, welche die deutschen Militärs sichtlich ärgerte  :294 Attached herewith [is] the Copy of »DER FRONT KURIER« of 15/3/45. Para[graph]. 2 and 3 shall give your section a good idea how dangerous your little work is and how »Sauer« the »Krauts« get about it. […] The Germans don’t know anything precise about the origin of mentioned material.295

Auch die SS-Truppenzeitschrift Das Schwarze Korps wurde von OSS/MO regelmäßig gefälscht. So erfährt der Leser in den OSS-Druckwerken, die unter diesem Namen liefen, über defätistisch anmutende Rückzugspläne eines Wehrmachtsoffiziers oder vom Ableben des Kärntner Wehrmachtssoldaten Hermann Paal, der 292 Faksimile des OSS-Flugblatts »Der Öster­reicher«, 28.9.1944. OSS, MO Handbook. NARA, RG 226, E 161, B 6, F 67. 293 Mauch, Schattenkrieg, 198. 294 Vgl. OSS Report on MIAMI Project, E. Lindner to Chief MO and O. Rockhill, 12.3.1945. NARA, RG 226, E 119, B 7  ; Laurie, »›Sauerkrauts‹«, 59. 295 OSS Report O. Rockhill to E. Warner, 10.3.1945. NARA, RG 226, E 119, B 7.

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just am Heiligen Abend sein Leben für den »Führer« ließ. Die Todesanzeige zum frei erfundenen »guten Vati« Paal, der im »Kampfe gegen den Bolschewismus« gefallen ist, liest sich im gefälschten Schwarzen Korps so  : Hart und schwer traf uns die traurige Nachricht, daß mein lieber, treusorgender Mann, unser guter Vati u. Schwager Hermann Paal SS-Unterscharführer i. d. Waffen-SS Am Weihnachtsabend, dem 24. Dez. 1942, kurz vor seinem 35. Geburtstag, im Kampfe gegen den Bolschewismus für Führer und Großdeutschland gefallen ist. Lina Paal, geb. Lottner, mit ihren Kindern Sieglinde u. Heidemarie  ; Gusti Lottner. Knappenberg (Kärnten).296

Die Redaktion des realen Schwarzen Korps sah sich im Jänner 1945 gezwungen, mit einem langen Leitartikel auf die für sie beunruhigenden Propagandaaktivitäten des OSS in Norditalien zu reagieren. Von den OSS-Offizieren wurden solche pressemedialen Reaktionen von feindlicher Seite auf die eigene Propaganda als »comebacks« bezeichnet und – sehr optimistisch – als Effizienzindikatoren für die eigene Propaganda gewertet.297 An dieser Stelle sollte Quellenkritik in Hinblick auf die wohlwollenden Einschätzungen von Rockhill und seinen OSS-Kollegen geübt werden. Denn trotz vereinzelter psychologischer Reaktionen von deutscher Seite konnten solche subversiven Propagandaaktivitäten den Lauf der militärischen Dinge kaum beeinflussen oder gar ändern. So war etwa die SAUERKRAUT-Operation, die in einem OSS-Report bereits in ihrer experimentellen Anfangsphase als »highly successful infiltration« gefeiert wurde,298 bei Weitem nicht so erfolgreich, wie sie in der heroisierenden Selbstdarstellung des OSS präsentiert wurde. In Bezug auf die 296 OSS/MO Washington, MO Fake Page from Issue of June 17, 1943. NARA, RG 226, E 99, B 88, F 4. In Bezug auf das vom OSS instrumentalisierte Propagandamotiv der »für Führer und Großdeutschland« gefallenen Öster­reicher erscheint mir folgendes Zitat von Ernst Hanisch passend  : »Es gab massenhafte Unzufriedenheit der Bevölkerung mit dem Nationalsozialismus, als die Zeit der Blitzkriege vorbei war, die Bombennächte anbrachen und immer mehr ›Heldentote‹ die Zeitungen füllten.« Ernst Hanisch, »Der Flüsterwitz im Nationalsozialismus«, in  : Oswald Panagl/Robert Kriechbaumer (Hgg.), Stachel wider den Zeitgeist. Politisches Kabarett, Flüsterwitz und subversive Textsorten. Wien, Köln und Weimar  : 2004, 121–128, hier 128. 297 Herbert A. Friedman, »Sex and Psychological Operations«, in  : www.psywarrior.com/sexandprop.html, unpaginiert (letzter Zugriff  : 7.10.2010)  ; vgl. OSS/MO Washington, Faksimile of Das Schwarze Korps, 11.1.1945. NARA, RG 226, E 99, B 88, F 4 und Excerpts from MO/ MEDTO Field Report, April 1945, ebd. 298 E. Warner, OSS Morale Operations Report for Period, 1–15 September 1944, NARA, RG 226, E 99, B 26.



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Frage der Effizienz sei etwa erwähnt, dass speziell die zuvor angesprochene an Öster­reicher gerichtete MO-Propaganda keine nennenswerten Revolten und Sabotagewellen von Öster­reichern innerhalb der Wehrmacht auslösen, geschweige denn den Sturz des NS-Systems in Öster­reich herbeiführen oder beschleunigen konnte. Bei SAUERKRAUT trat eine Reihe von Problemen auf. So kam es neben Sicherheitsproblemen aufgrund eines vermuteten Falles von Gegenspionage zu einem irrtümlichen Schusswechsel mit amerikanischen Militärs, der den Tod eines Agenten zur Folge hatte.299 Auch moralische und völkerrechtliche Fragen wurden aufgeworfen  : Die von Rockhill-Schneditz vorgeschlagene Verwendung von Kriegsgefangenen für geheimdienstliche Spezialeinsätze entsprach zwar voll und ganz den philosophischen Prämissen des OSS, stellte aber eine Verletzung der Genfer Konvention und der Haager Landkriegsordnung dar.300 Auch die Behandlung, die der Kriegsgeheimdienst den Deserteuren und SAUERKRAUT-Agenten, die die riskante Teilnahme am alliierten Schattenkrieg gegen die Wehrmacht und das NS-Regime dem »Absitzen« der Kriegsgefangenschaft vorgezogen hatten, angedeihen ließ, stieß – zu Recht – auf Kritik. Ebenso wie der vergleichsweise privilegierte R&A-Mitarbeiter und Grafiker Oliver Rockhill erwarteten sich viele SAUERKRAUT-Penetrationsagenten nach dem Krieg eine bevorzugte Behandlung durch die US-Behörden. Trotz des Protests von MO-Mitarbeitern, wie dem aus Wien stammenden Propaganda-Multiagenten Edmund Linder, wurden ihre Hoffnungen enttäuscht  : In late May 1945, three weeks after hostilities in Italy ended, Company D received orders from OSS Caserta to return all POWs [i. e. SAUERKRAUT agents] to the nearest Allied prison cage. Despite protests by several MO members, who claimed that the POWs had been promised immediate release with appropriate recognition and legal credentials after the war, Caserta responded that the agents were POWs and must be returned under appropriate military guard to prison enclosures. On June 16, 1945, all POWs who had participated in the SAUERKRAUT missions were unceremoniously returned. The abrupt dispatch of those who had risked so much to aid the Americans rankled many. Civilian MO member Edmund Lindner undertook a campaign within the OSS in late 1945 to obtain benefits, or at least some recognition, for the POWs, all of whom were now repatriated and scattered throughout Europe. […] Lindner suggested that these same men be recruited for OSS work within Germany or occupied Europe or at least be tracked down and offered compensation.301

299 Laurie, »›Sauerkrauts‹«, 58 f. 300 Mauch, Schattenkrieg, 198 f.  ; siehe auch Laurie, »›Sauerkrauts‹«, 57–59. 301 Laurie, »›Sauerkrauts‹«, 59.

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In den Hunderten OSS-Reports, die von Oliver Rockhill produziert wurden, wird er nicht als Mitarbeiter der Propagandaeinheiten OSS/MO oder PWB/AFHQ, sondern als ziviler Angestellter der OSS-Analysesektion R&A, Bereich Zentraleuropa, genannt.302 Diese informationsverarbeitende Abteilung wurde bereits 1941 innerhalb der Vorläuferorganisation COI (Coordinator of Information) gegründet und kann als das Herz und das »theoretische Gehirn« des im Zweiten Weltkrieg neu entstandenen Geheimdienstsystems der USA betrachtet werden.303 Die einer grundlegenden Direktive des Obersten Generalstabs von Dezember 1942 entnommene Formulierung, dass das OSS jegliche »political, psychological, sociological, and economic information«, die für Militäreinsätze benötigt werden könnte, erfassen und verarbeiten sollte, skizziert gleichzeitig auch die nachrichtendienstliche Arbeit der R&A-Branch.304 R&A sollte im Laufe des Krieges versuchen, durch das Erstellen von »Hunderttausenden von Meldungen, Aufzeichnungen, Interviews, Landkarten und Periodica […] ein umfassendes und globales Wissen über den Feind einzuholen.«305 Während die vom Harvard-Historiker William Langer geleitete und mit hochrangigen (Exil-)Intellektuellen und Wissenschaftlern wie Willibald Plöchl306 besetzte R&A-Zentrale in Washington vor allem strategische und abstrakte Analysen sowie Nachkriegsstudien über Mitteleuropa produzierte, sammelte Rockhill auf dem italienischen Kriegsschauplatz, wo er mit einer kleinen R&A-Sektion ab Mai 1944 an die G-2-Abteilung der 5. US-Armee angegliedert war, auch operative und taktische Informationen, die in sogenannten Field Intelligence Studies kompiliert wurden. Rockhills regionales Spezialwissen und seine sprachlichen Fähigkeiten waren vor allem bei der Befragung von Kriegsgefangenen hilfreich, wo er einer der wichtigsten »POW-Interrogators« des 2677. OSS-Regiments war. Laut den Memoiren seines Vorgesetzten H. Stuart Hughes wurden vor allem die öster­reichischen Kriegsgefangenen von »pädagogisch« eingestellten OSS-Kollegen oft mit Schokoladestücken für ihre Kooperation belohnt.307 Ein Thema, das für diese Befragungen gegen Ende des Krieges eine bedeutende Rolle spielte, waren die nordjugoslawischen Partisanen und deren weit in die Gaue Kärnten und Steiermark hineinreichende militärische Aktivitäten. Um in dieser Region mögliche Spezialoperationen des OSS bzw. Materialabwürfe durch die amerikanische oder britische Luftwaffe präzise vorzubereiten, versuchte Rockhill bei den POW-Befragungen Informationen über Präsenz, Anzahl 302 Siehe hierzu Beer, »Research and Analysis«. 303 Söllner, Archäologie, 27. 304 Marquardt-Bigman, Geheimdienstanalysen, 56 f. 305 Mauch, Schattenkrieg, 300. 306 Zur Dokumentation von Plöchls Tätigkeit siehe unter anderem Eppel, Exil, Bd. 2, 45 f. und 145 f. 307 H. Stuart Hughes, Gentleman Rebel. The Memoirs of H. Stuart Hughes. New York  : 1990, 157.



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39 Skizze von Oliver Rockhill über mögliche Partisanenverstecke im Saualpenbereich, 1944.

und Aktivität der Partisanen zu erhalten. In einem weiteren Schritt evaluierte er mit seiner »knowledge of Austrian terrain«308 die gesammelten Angaben und leitete seine Feldstudien an den Stab der öster­reichischen SI-Sektion sowie an andere OSS- und Militärstellen weiter. So verfasste er im Dezember 1944, nach Befragung des öster­reichischen Kriegsgefangenen Armin Duda, welcher durch einen steirischen Soldaten von angeblich »mehrere[n] tausend Partisanen auf der Saualpe, die sich in stillgelegten Kohleminen verstecken«309, erfahren hatte, eine mit detaillierten Kommentaren und geografischen Skizzen illustrierte Analyse. Darin versucht er die Angaben seines Informanten im Hinblick auf militärische Verwertbarkeit zu verifizieren und zu präzisieren  : Remark  : I [O. Rockhill] happen to know all this area very good and the P/W [Prisoner of War] does not. There are a lot of old mines in this region, as for example the 308 OSS Message #300 to Fortunato, 21.9.1945. NARA, RG 226, E 210, B 542. [Diese Zitation ist nicht mehr aktuell] 309 OSS Report O. Rockhill to A. Ulmer, 19.12.1944. NARA, RG 226, E 119, B 7.

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KLIENING-GRABEN, where there is an old Copper-mine. This mine is out of use since 100 or 150 years. The place is hard to find. – I attach a drawing of this region […]. – I know this region because my parents own a Mineralwater-well there, at PREBLAU. A brown-coal-mine [is located] at WIESENAU, an Gold-mine at THEISSENEGG and near SCHIEFLING, an coal-mine near SAU-OFEN on the SAU-ALPE and coal-mines near REICHENFELS and at LOELLING-GRABEN. All these mines are out of use since ages and good hideouts exept [sic  !] for WIESENAU, which might be working. […] If you want more details let me know.310

Am 5. März 1945 erfuhr Rockhill, nunmehr in Florenz stationiert, vom kriegsgefangenen Gefreiten Johann Breithuber aus St. Andrä im Lavanttal – seiner Heimatregion –, dass eine autochthone Partisanengruppe im August 1944 einen Mordanschlag auf einen lokalen NS-Ortsgruppenleiter verübt hatte. Auch Breithuber berichtete über Partisanenzellen auf der Kor- und Saualpe, »von denen viele Deserteure« gewesen seien, und über die Unterstützung, welche slowenische Tito-Partisanen von örtlichen Bauern erhalten hätten. Im selben Report wird ein weiterer Kärntner Wehrmachtssoldat zitiert, der ebenfalls aussagte, dass die Saualpe »full of ›Banditen‹ [NS-Diktion für Partisanen]« sei.311 Unabhängig davon, wie man die Errungenschaften des (wegen seiner prokommunistischen Ausrichtung und Nachkriegsziele oft marginalisierten) Ostkärntner Partisanenverbands ideologisch verortet, zeigt sowohl die historische als auch die montanwissenschaftliche Fachliteratur, dass die Aussagen der oben erwähnten Kriegsgefangenen stark übertrieben und die Schätzungen des Analysten Rockhill zu optimistisch waren.312 Wie Rockhill mit seinem quellenkritischen Hinweis auf die mangelnden geografischen Kenntnisse des Kriegsgefangenen Armin Duda im Bereich Unterkärnten selbst angedeutet hat, erfasste sein OSS-Bericht eher die Hoffnungen der Antifaschisten und der Alliierten, weniger jedoch die reale militärische Lage in Kärnten. Zunächst bezog sich Rockhills Regionalwissen vor 310 Ebd. 311 OSS R&A-Report O. Rockhill to F. Burkhardt, POW Intelligence on Partisan Activities, 5.3.1945. NARA, RG 226, E 119, B 7. 312 In einem auf Juni 1943 datierten Schreiben mit einem beigelegten Report über die Widerstandstätigkeiten in Kärnten, welcher von Arthur Goldberg, dem Leiter der OSS Labor Section, stammt, spiegelt sich dieser überzogene antifaschistische Optimismus ebenso wider wie jene rechtsideologische Diskurslinie, die sowohl vor als auch nach 1945 den Widerstand in Kärnten auf »kommunistische Bandentätigkeit« reduzierte. So erwähnt Goldberg hoffnungsvoll, dass die Region Kärnten »a very important center of anti-Nazi acitivities in Austria« gewesen sei, beklagt aber im gleichen Atemzug, dass die Nationalsozialisten »are inclined to ascribe all resistance activities to ›communists‹, while very often the resistance is from non-communist sources.« OSS Report A. Goldberg to Belin, 7.6.1943. NARA, RG 226, E 92, B 311, F 35.



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allem auf die nördliche Saualpe, wo im Gegensatz zum südlichen Teil dieses Gebirgskamms weit weniger Widerstandsaktivitäten zu verzeichnen waren. Die auf Informationen aus zweiter Hand basierende Aussage des Kriegsgefangenen, dass »tausende Partisanen« in alten Kohleminen ein Refugium gefunden hätten, kann klar widerlegt werden.313 Zwar beschreibt Rockhill in seiner vorsichtigen Expertise teilweise korrekt die Lage und den Status von einigen regionalen Bergbaustätten, wie etwa der noch aktiven (und daher als Guerilla-Quartier nicht in Frage kommenden) Kohlenmine Wiesenau bei St. Leonhard im Lavanttal. Christian Klösch und Alexander Verdnik verweisen auf durch NS-Quellen dokumentierte und punktuell erfolgreiche Partisanenangriffe auf nahe gelegene Montanbetriebe wie jenen auf das Glimmerbergwerk bei St. Leonhard. 314 Doch gibt es keine verlässlichen Quellen, die eine längere Partisanenpräsenz in diesen und anderen – stillgelegten – Minen belegen würden.315 Das OSS hat in der Folge auch 313 Wadl und Ogris sprechen von »lediglich einige[n] Hundert aktive[n] Kämpfern«. Wilhelm Wadl/Alfred Ogris, Die Partisanen in Kärnten. Kämpfer gegen den Faschismus, Kämpfer für …  ? Eine Ausstellung des Kärntner Landesarchivs. Klagenfurt  : 2003, 22. Fleck führt hierzu eine NSQuelle an  : »In der Kor- und Saualpe sind derzeit 400 Banditen mit Überfällen, Mord und Brandschatzung außergewöhnlich tätig.« Bericht des Vertreters des Sonderrings IX, Mineralische Rohstoffe im Hauptring Steine und Erde, 23.10.1944, Akt NS 19/ neu  : 1433, Bundesarchiv Koblenz. Zitiert in  : Christian Fleck, Koralmpartisanen. Über abweichende Karrieren politisch motivierter Widerstandskämpfer. Wien und Köln  : 1986, 288–290. 314 Christian Klösch, zitiert in  : »Partisanen auf der Saualm aktiv und Massaker mit zivilen Opfern«, in  : Unterkärntner Nachrichten, 15.10.2014, 7  ; Alexander Verdnik, Wolfsbergs dunkelstes Kapitel. NS-Herrschaft im Lavanttal. Unveröffentliches Manuskript. 2015, unpaginiert. 315 So führt Rausch in seinem Standardwerk über den Partisanenkampf an, dass sich in der kleinen Ortschaft Lölling am Westhang der Saualpe, wo Rockhill in der Ferndiagnose eine »coal mine« als potenzielles Partisanenversteck lokalisierte, ein deutscher Stützpunkt befand. Als Versteck für eine größere Gruppe von Widerstandskämpfern war daher die in der Zeichnung von Rockhill markierte und 1899 stillgelegte Eisenerz-Abbauanlage Lölling kaum geeignet, obwohl es unweit davon im August 1944 zu einzelnen von Partisanen verübten Sabotageakten bzw. zu Gefechten zwischen der »Boj-Kompanie« und SS-Polizisten gekommen war. Ebenso dürfte die fälschlich als »copper mine« in Kliening bezeichnete Goldmine nicht das ideale Partisanenversteck gewesen sein. Der Montanwissenschaftler Alfred Pichler konnte »keine Partisanenverstecke entdecken oder in Erfahrung bringen.« Belegbar seien lediglich einzelne Angriffe auf Bergbaustätten und die Verwendung eines Stollens im Karawankengebiet als »Verwundetennest für die Partisanen«. Siehe hierzu militärischgeschichtlich Josef Rausch, Der Partisanenkampf in Kärnten im Zweiten Weltkrieg. (= Militärhistorische Schriftenreihe, herausgegeben vom Heeresgeschichtlichen Museum, Heft 39/40). Wien  : 21983, 54 f. und 63  ; Janez Wutte (Luc), »Partisanenleben« (= DÖW, Erzählte Geschichte), in  : http://www.doew.at/erinnern/biographien/ erzaehlte-geschichte/widerstand-1938-1945/janez-wutte-partisanenleben (letzter Zugriff  : 19.6.2015)  ; Für montanwissenschaftliche Aspekte siehe Manfred Wehdorn/Ute Georgeacopol-Winischhofer/Paul W. Roth (Hgg.), Baudenkmäler der Technik und Industrie in Öster­reich, Bd. 2  : Steiermark, Kärnten. Wien  : 1991, 182–184  ; Mitteilung von Alfred Pichler, 9.4.2011  ; vgl.

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kein Penetrationsteam in die Region Öster­reichs entsandt. Trotz dieser aus der Distanz wohl unvermeidbaren Fehleinschätzungen und Errata waren derartige Berichte und Skizzen für das OSS und die alliierten Militärplaner eine brauchbare Informationsquelle, zum Beispiel für die Planung und Durchführung von Materialabwürfen für den Kärntner Widerstand und die Partisanen. Zudem geben Rockhills Befragungsprotokolle auch Zeugnis über den nicht zu unterschätzenden psychologischen und politischen Effekt, den der Partisanenkampf in Kärnten auf Freund und Feind ausübte  : Sowohl NS-Gegner unter den Kriegsgefangenen und alliierte Militärs als auch die Nationalsozialisten schätzten die Partisanentätigkeit als bedeutenden subversiven Faktor in der Region ein.316 Ein weiteres Beispiel für Rockhills Sammeln von militärstrategischen Informationen durch Kriegsgefangenenbefragung ist das Gespräch, das er im November 1944 mit Franz Koren, einem aus dem nordslowenischen bzw. damals untersteirischen Ort Pettau stammenden Infanteriepionier der Wehrmacht, geführt hat. Koren war bei der Sterntal-Aluminiumfabrik, einem für die deutsche Kriegsproduktion bedeutenden Rüstungsbetrieb und Zwangsarbeitslager, beschäftigt gewesen und berichtete über die dortigen Arbeitsbedingungen und die Repressionen der Nationalsozialisten gegenüber vermutlichen Partisanen  : To  : Major H. Stuart Hughes November 26th, 1944 From  : Oliver W. Rockhill (Civ.) R&A […] Inf.-Pion./ Gefr./ KOREN, Franz/ 27.5.1920/ ZIRKOWEZ nr. PETTAU (Yougoslavia)/ Mechanic P[risoner of ]/W[ar] worked at the Sterntahl factory from may 1942 to september 1942. At the moment the said factory employed 6.000 to 7.000 workers. This number was composed as follows  : About 2.000 Germans, 1.000 Italian P/W, 2.000 Yougoslavs (foreign workers), 1.000 French (foreign workers). All workers were billeted in the vicinity of the factory, the only ones able to leave this area, were the German and Yougoslav foreign workers, bearer of a »Steirischer Heimatbund-Mitgliedskarte« […]. All the rest of the employes were confined to the camp. derselbe, Bergbau in Ostkärnten. Eine Bestandsaufnahme der noch sichtbaren Merkmale der historischen Bergbaue in Ostkärnten. Klagenfurt  : 2003  ; Georg Sterk, »Zur Kenntnis der Goldlagerstätte Kliening im Lavanttal«, in  : Carinthia II, 145/65 (1955), 39–59, hier 43. 316 Erwähnenswert ist hier die nahezu bewundernde Haltung eines NS-Augenzeugen angesichts der »nagelneue[n] Maschinenpistolen englischer und amerikanischer Herkunft«, mit denen die »erstklassig bewaffnet[en]« Partisanen die Kohlengruben in St. Stefan im Lavanttal attackiert haben sollen. Vertreter Sonderring IX, Bericht 23.10.1944, zitiert in Fleck, Koralmpartisanen, 289  ; ähnlich Rausch, Partisanenkampf, 66 f.



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P/W worked with his brother at »Prager Hof« near Pettau, in his own workshop as locksmith. In may 1942 he was called upon to report to the Arbeitsamt at Pettau where he was assigned to the Sternthal Aluminum-factory. P/W is a member of the »Steirischer Heimatbund« (a camouflaged sister-organization of the NSDAP in order to keep control over recently annected southern Styrian territory and their inhabitants). This membership was an obligation, since it preserved its bearer from either being shot as a partisan or from deportation for forced labour. Source also states that since 1943 every inhabitant of this area, not wearer of the membership card, was charged with partisan activities, and therefor shot. […] membership of the »Steirischer Heimatbund« was obligatory in 1943. Source also states that in 1942, the Germans occupied mainly key-positions and administrative places, but otherwise no distinction was made between German and foreign workers. Source stated finally that the above mentioned factory was changed to an aircraft components plant, in December 1942, therfor [sic  !] the inside situation has probably changed considerably. […]317

In der Nachkriegszeit sollte Rockhill, nun für die OSS-Nachfolgeorganisation SSU (Strategic Services Unit) unter dem Codenamen Mustang operierend, noch einmal auf die Fabrik Sterntal stoßen. Beauftragt mit der Untersuchung von Entwicklungen und Problemen in der Grenzzone zwischen Kärnten und Jugoslawien,318 war er im Dezember 1945 nun nicht mehr mit den deutschen Repressionen, sondern mit von Tito-Kommunisten begangenen Verbrechen im dortigen Lager konfrontiert. Letztere hatten Dutzende ethnische Kärntner und Kärntnerinnen in das nunmehr jugoslawische Lager Sterntal verschleppt und unter teils menschrechtswidrigen Bedingungen als Zwangsarbeiter eingesetzt.319 Für Schneditz, selbst jahrelang Lagerinsasse, war das Wissen um Vorgänge wie jene in Sterntal wohl mit ein Grund für seinen rigiden Antikommunismus, der ein Leben lang anhalten sollte. Die Befragung von deutschen und öster­reichischen Kriegsgefangenen diente jedoch nicht nur dem Sammeln von nachrichtendienstlich relevanten Informa317 OSS Report O. Rockhill to J. Hughes, on POW Intelligence, 26.11.1944. NARA, RG 226, E 119, B 7. 318 Siegfried Beer, »Schlaglichter auf Kärnten 1945. Observationen und Berichte des US-Geheimdienstes OSS/SSU. Eine exemplarische Dokumentation«, in  : Carinthia I. Zeitschrift für geschichtliche Landeskunde von Kärnten, 185. Jg. 1995, 415–437, hier 416, 433 f. 319 Siehe zu Sterntal den autobiografischen Bericht von F.G.A. [Kürzel] aus Windisch-Feistritz (Slovenska-Bistrica), in  : www.gottschee.de/Dateien/Erlebnisberichte/Web%20Deutsch/FGA/ Index.htm (letzter Zugriff  : 20.3.2011)  ; vgl. exemplarisch Alfred Elste/Michael Koschat/Paul Strohmaier, Opfer, Täter, Denunzianten. »Partisanenjustiz« am Beispiel der Verschleppungen in Kärnten und der Steiermark im Mai/Juni 1945  : Recht oder Rache  ? Klagenfurt, Laibach und Wien  : 2007.

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tionen, sondern auch der Vorselektion bzw. Anwerbung von potenziellen Teilnehmern für OSS-Kommandounternehmen im Reichsgebiet. Die von ihm für subversive Propaganda vorgeschlagene Rekrutierungspraxis, antifaschistische Wehrmachtssoldaten aller politischen Couleurs als freiwillige Teilnehmer für Spezialoperationen zu verwenden, wurde von Rockhill mehrfach erprobt. So hatte er im Juli 1944 im alliierten Kriegsgefangenenlager bei Aversa den öster­ reichischen Wehrmachtsdeserteur Edgar Ulsamer interviewt,320 der später als SAUERKRAUT-Agent arbeitete und an der DUPONT-Mission teilnahm, die im Herbst desselben Jahres per Fallschirm im Burgenland abgesetzt wurde.321 Neben den Kriegsgefangenenbefragungen war Rockhill auch Mitautor der britisch-amerikanischen Intelligence-Publikation »Wochenberichte aus Sueddeutschland und Oesterreich«, die amerikanische Agenten mit (überlebens)wichtigen regionalen Informationen für geheime Operationen im Süden des Deutschen Reichs versorgte.322 An seinen langjährigen Freund und Begleiter Eric Loewe, der im OSS den nom de guerre Al Harris führte und unter anderem mit dem Fälschen von Dokumenten und Abzeichen beauftragt war, übermittelte er als primäre Kontaktperson mit den feindlichen Soldaten regelmäßig Detailinformationen über NS-Interna und Materialien, die er zuvor von Letzteren erhalten hatte.323 Ein interessanter Nebenschauplatz von Rockhills Tätigkeit als OSS-Nachrichtenoffizier ist die Dokumentation des Erwerbs und Raubs von Kunstwerken durch die Nationalsozialisten in den von ihnen beherrschten Ländern Europas. Im Juni 1943 hatte US-Präsident Roosevelt die American Commission for the Protection and Salvage of Artistic and Historic Monuments in War Areas gegründet. Diese Kommission »cooperated with the U.S. Army in protecting cultural treasures and gathered information about war damage to such treasurers [recte  : treasures], and compiled data on cultural property appropriated by the Axis Powers and encouraged is [recte  : its] restitution.«324 Auch die OSS-Offiziere waren angehalten, Informatio320 OSS Interview O. Rockhill and J. McCulloch with E. Ulsamer, 13.7.1944. OSS Memorandum on Members of DUPONT-Mission, undatiert. NARA, RG 226, E 124, B 26. In meinem Aufsatz in der Carinthia I habe ich fälschlicherweise den Vornamen Peter (recte  : Edgar) verwendet. Vgl. Traussnig, »Aristokratensohn«, 506. 321 Vgl. Beer, »Alliierte Planung«, 83  ; über diese und ähnliche Fallschirmoperationen siehe die Monografie von Persico, Piercing. 322 OSS Plan for the Work of an R&A Mission in Austria, vermutlich September oder Oktober 1944. NARA, RG 226, E 190, B 285, F 1260  ; vgl. »Wochenberichte fuer Sueddeutschland und Oesterreich«, einzelne Ausgaben. DÖW 20558. 323 OSS Message A. Harris to O. Rockhill, 25.3.1945. NARA, RG 226, E 119, B 7. 324 Inhaltsbeschreibung der »Records of the American Commission for the Protection and Salvage of Artistic and Historic Monuments in War Areas (The Roberts Commission), 1943–1946 (RG 239)«, in  : www.archives.gov/research/holocaust/finding-aid/civilian/rg-239.html (letzter Zugriff  : 8.12.2013).



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nen über den Verbleib und den Zustand von bedeutendem europäischen Kulturgut zu sammeln. Gemeinsam mit Frederick Burkhardt befragte Rockhill am 29. September 1944 daher zum Thema »extra-territorial Vatican [art] property« den Insider Ernst von Mohnen, einen deutschen Gesandten in Rom. Von Mohnen, der sich als Antifaschist bezeichnete und nach dem Abzug der Wehrmacht in der Stadt geblieben war, wo er nun unter dem besonderen Schutz des Vatikans stand, galt als ausgewiesener Kunstkenner und Experte für flämische Malerei. Bis 1943 war er für den deutschen Kunstreferenten in Paris als Gutachter für von den Deutschen erworbene (oder gewaltsam erpresste bzw. geraubte) Kunstwerke tätig gewesen. Von Mohnens Beschreibung der Vorgangsweise und der wichtigsten Akteure im Feld des internationalen Kunst-»Erwerbs« ist ein Sittenbild des Nationalsozialismus. Seine Einschätzung des Kunstgeschmacks einzelner NS-Granden war jedoch nicht nur für den kunstsinnigen Artistokraten Rockhill-Schneditz interessant, sondern lässt auch das Herz jedes Satirikers höher schlagen  : The acquisition of works of art in France by the Germans, according to Herr von Hohnen [sic  ! recte  : Mohnen], was not a highly organized venture, so far as any official policy was involved. Adolf Wüster who was appointed Kunstreferent in the Paris Legation was charged with keeping the official circles in Germany informed about various works of art which were for sale. He acted as an expert and adviser with Herr von Mohnen assisting him. In addition to the staff at the Legation, there were also agents for Goebbels, Goering, Ribbentrop, Hitler and other private and semi-private purchasers. The better known museums in Germany all had agents. The various agents all competed with one another and were often played one against the other by French art dealers. The largest group of agents was the [one] representing Goering. […] This group not only purchased works of art but requisitioned and stole them, especially from Jewish owners. In the case of German Jewish refugees who had succeeded in taking works of art out of Germany the excuse was used that they had failed to pay the legitimate tax (Reichsflucht Steuer) which everyone moving out of Germany had to pay, and the property of such persons was therefore liable to confiscation. The group was organized in the manner of our S[pecial Task] forces and moved into towns with or immediately after the first troops. They would make immediately for art collections and von Mohnen cited especially the case of Bordeaux, where the entire Wildenstein Gallery was requisitioned by the Einsatz[stab West] and transported to Germany. […] Von Mohnen stated that the agents for Goering were generally on the look-out for German works, especially those of Lucas Cranach, a great favorite of the Marshal. The agents of Goering would acquire so many paintings that exhibitions were frequently held in the Palais Dore in Paris. Goering would visit these with the Referent and other experts, select those he wanted and have them appraised by the experts. […] Hitler’s agents were mainly interested in second rate Viennese works.

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Von Ribbentrop seems to have had the best general taste. He was the only one who was interested in modern works, and the only German purchaser of French Impressionists.325

Als im Frühjahr 1945 der Sieg der Alliierten auf dem europäischen Kriegsschauplatz nur mehr eine Frage der Zeit war, fokussierte Rockhill in seinen Kriegsgefangeneninterviews zunehmend auf nachkriegsbezogene Themen wie etwa die »re-education« und Entnazifizierung der Wehrmachtssoldaten und der Bevölkerung Öster­reichs.326 In den hierfür bestimmten Fragebögen für deutsche und öster­reichische Kriegsgefangene standen Fragen wie  : »Glauben Sie dass der Nationalsozialismus irgendwelche Errungenschaften gebracht hat, die nach dem Kriege beibehalten werden sollten  ? Wenn ja, welche  ?« oder  : »Würden Sie die Rückkehr von Emigranten befürworten  ?«327 Nicht zuletzt aufgrund der oft schockierenden und von der ungebrochenen Persistenz des NS-Gedankengutes in den Köpfen vieler Soldaten zeugenden Antworten auf derartige Fragen betrachtete der austroamerikanische OSS-Offizier dieses seiner Meinung nach viel zu spät begonnene Unterfangen sehr desillusioniert. Rockhill glaubte nicht an eine dadurch angeregte moralische Katharsis der vom Nationalsozialismus jahrelang geprägten Bevölkerung. So schreibt er im März 1945 seinem Kollegen Burkhardt  : I don’t think very much about it, it[’]s damned late to study these questions and one should have started to correct wrong ideas long time ago on Nazi-P[risoner]s/[of ] W[ar] in the [United] States. But you know all that to good yourself. – I’ll send you a report on Nazi-Activities in this P/W camp [i. e. Kriegsgefangenenlager der 5. US-Armee in Norditalien], in the near future. It’s just disgusting.328

In der Schlussphase des Kriegs schuf der gelernte Grafiker und vermutlich von der MO-Sektion auch als Zeichner eingesetzte Rockhill-Schneditz etwa den unten abgebildeten Cartoon, der Hitler und seinen Adlatus Goebbels als kampfeslüsterne Eingeborene darstellt, deren atavistische Gewaltbereitschaft einen selbstzerstörerischen Weltenbrand entfesselt hat. Das im oben angeführten OSS-Bericht Rockhills über die Kunstvorlieben des »Führers« offenbarte Kulturbanausentum erfährt hier in der Metaphorik des vor Blut triefenden Bumerangs, auf dessen beiden En325 OSS R&A-Report O. Rockhill/F. Burkhardt to W. Langer, on Interview with Ernst von Mohnen on German Art Collecting in France, 30.9.1944, 1–4, hier 1 f., in  : www.fold3.com (letzter Zugriff  : 13.8.2013). 326 Siehe hierzu exemplarisch OSS Report O. Rockhill to F. Burkhardt, Questionnaire for German Prisoners of War for POW Duerfeld Wolfgang, 10.3.1945. NARA, RG 226, E 119, B 7. 327 Ebd. 328 OSS R&A-Message O. Rockhill to F. Burkhardt, on Questionnaire for German Prisoners of War, 10.3.1945. NARA, RG 226, E 119, B 7.



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40, 41 Propagandacartoons von Oliver Rockhill, Jänner und Februar 1945.

den die Inschriften »1938« und »1945« erkennbar sind, seine bitterböse satirische Zuspitzung  : Die Ideologie des angeblich körperlich, kulturell und intellektuell überlegenen deutschen Herrenvolks wird hier bildsprachlich entblößt und auf den Kopf gestellt. Zu Kriegsende konfrontiert mit den Folgen der von ihm zu verantwortenden Verbrechen, entpuppt sich der oberste Germane mit dem offensichtlich von den Hoden runterhängenden deutschen Reichskreuz als der eigentlich Primitive, als »second rate Viennese«,329 der ein blutiges Schlachtfeld hinterläßt. Ein plakatives und drastisches, jedoch psychologisch tiefschürfendes und dialektisch argumentierendes Beispiel für Bildpropaganda, das analytisch in einem stimmigen Verhältnis zur Suizid- und Selbstzerstörungsprognose, die Rockhills OSS-Kollege Walter Langer 1943 in Bezug auf Hitler abgegeben hatte, steht.330 2.2.4 Ein bemerkenswerter Rollentausch am Ende des Krieges

Die prägenden Erfahrungen, die Oliver Rockhill-Schneditz während seines afrikanisch-europäischen Itinerars zwischen 1938 und 1945 mit diversen Internierungs-, Zwangs- oder Straflagern gemacht hat, fanden auch nach der Kapitulation des Deutschen Reichs eine Fortsetzung. Im November 1945 wurde sein Vater, der Wehrmachtsoffizier Gilbert von Schneditz, als »führender Nazi« verhaftet331 und im 329 Vgl. OSS R&A-Report Rockhill/Burkhardt to Langer, on von Mohnen, 2. 330 Vgl. Mauch, »Top Secrets«, 16. 331 »Weitere Verhaftungen führender Nazis in Kärnten«, in  : Kärntner Nachrichten (Hrsg. von

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britischen Anhaltelager »Camp 373« in Wolfsberg, dem ehemaligen NS-Kriegsgefangenenlager STALAG 18A, interniert. Die Familienhistorie des Schneditz-Clans wurde nun um eine finale, fast hollywoodesk anmutende Episode reicher. Der ehemalige Lagerinsasse Oliver Schneditz, der seine Lagerkleidung mittlerweile gegen eine schicke amerikanische Uniform getauscht hatte, sollte – in verblüffender Umkehrung der Rollen – sein an das Auspizium der deutschen Kriegsniederlage gebundenes Versprechen an den Vater einlösen  : Er war es, der durch seine guten Beziehungen zu den Briten nun seinen Vater aus dem Lager holte und ihn ins nahe gelegene Familiendomizil in Preblau-Sauerbrunn brachte. Wie von Oliver Schneditz angeblich bereits 1941 vorausgesehen, war der Vater nun selbst auf die Generosität des Sohnes, der auf der Seite der Gewinner stand, angewiesen. Die in der obigen Zeichnung dargestellte Zirkelbewegung des Bumerangs sollte sich am Ende als mehrfach zutreffende Allegorie erweisen, denn im Lavanttal schlossen sich nun, am Ende des Zweiten Weltkriegs, gleich zwei symbolische Kreise  : Hitlers cäsarischer Irrwitz kehrte sich gegen Letzteren selbst und Gilbert von Schneditz’ schon einmal geplatzter Traum einer sicheren Militärkarriere erreichte dadurch wieder den Status quo ante 1939  ; und die Exil-Odyssee von Oliver Schneditz, die im elterlichen Gut Preblau ihren konfliktreichen Ausgang genommen hatte, kam mit dem Wiedereintreffen des Protagonisten im Kärntner Lavanttal an ihr Ende. Während er nach dem Krieg mit defensiven (i. e. gegen die sowjetischen oder jugoslawischen Intelligence- oder Militäraktivitäten gerichteten) Aufgaben für OSS/SSU im Bereich Salzburg332 sowie für das CIC (Counter Intelligence Corps) und schließlich auch kurz für die CIA aktiv gewesen war, bemühte sich Oliver Schneditz um die US-Staatsbürgerschaft. Colonel Charles Thayer, der frühere Leiter von OSS/Austria, setzte sich für den Wunsch seines Mitarbeiters, der vielen OSS-Beschäftigen öster­reichischer Herkunft nicht gewährt wurde, persönlich ein  : We believe that Mr. von Schneditz’ application for an immigration visa […] merits special consideration in view of his useful and loyal service to the Allied cause. […] Mr. von Schneditz […] is honest, industrious and quite obviously devoted to the principles of the American form of government and of society. We believe that because of his background, his past activities, his loyalty, and his democratic ideals, Mr. von Schneditz will […] become a trustworthy American citizen.333

der Psychological Warfare Branch der britischen Besatzungstruppen in Öster­reich), Nr. 166, 29.11.1945, 1. 332 Beer, »Schlaglichter«, 420 und 428. Vgl. W. Mayrhofer, Bericht. 333 SSU Report, C. Thayer to United States Consul General, November 1945. Privatbestand Schneditz.



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Der Wunsch sollte Wirklichkeit werden, doch nach einem kurzen, eher enttäuschenden Aufenthalt in den USA kehrte Schneditz 1951 nach Kärnten zurück. Dort war er unter anderem in der Mineralöl- und Montanindustrie sowie auch in seinem gelernten Beruf, der seine wahre Berufung war, nämlich Grafiker, tätig. Oliver Schneditz alias Oliver W. Rockhill verstarb 1984. Es fällt posthum nicht leicht, den vielseitigen Beitrag von Oliver Schneditz-Rockhill zur alliierten Kriegsleistung in wenigen Worten zusammenzufassen. Er hat – im Gegensatz zu anderen OSS-Agenten – weder halsbrecherische Spionage- oder Sabotageaktionen durchgeführt, noch ist er mit dem Fallschirm bei Nacht und Nebel hinter feindlichen Linien abgesprungen. Dennoch verkörpert er exakt jenes an Francis Bacon angelehnte Prinzip, das durch das anglo-amerikanische Wort Intelligence so treffend ausgedrückt wird  : Geheimdienstliche Tätigkeit beruht demnach zum Großteil nicht auf »Messer oder Schwert«, sondern auf Wissen, auf der Wendigkeit des Intellekts.334 So war er beim OSS als Autor, Übersetzer, Kriegsgefangeneninterviewer, Analyst, Propagandazeichner und kreativer Kopf aktiv. Als bedingungsloser Gegner des Nationalsozialismus und ein vom Strudel der Ereignisse seiner Zeit erfasster Mensch stellte er seine Strebsamkeit, musische Kreativität und seine – völkerrechtlich teils fragwürdigen – Ideen in den Dienst der US-Militärmaschinerie. Der humorvolle und elegante Schöngeist aus Kärnten sollte sich hierbei als »a thorough and able worker and a gentleman of education and culture« erweisen.335 Oliver Schneditz-Rockhill war aber nicht nur ein flexibler »Multiagent«, sondern auch ein prinzipientreuer Demokrat mit einem ausgeprägten Hang zum (zivilen) Ungehorsam. Obwohl er einen persönlichen Beitrag zur Niederringung Hitlerdeutschlands und zum Wiedererstehen Öster­reichs geleistet hatte, übte Schneditz sich zeit seines Lebens in äußerster Vorsicht in Bezug auf seine Widerstandstätigkeit aufseiten der Alliierten. Er tat dies nicht nur aus Sicherheitsgründen oder aus Diskretion, sondern auch im Wissen um die teilweise sehr ablehnende, oft sogar verächtliche Haltung, welche Personen, die im Kampf gegen das NS-Regime aus verschiedenen Gründen die »Feinduniform« getragen hatten, über lange Zeit entgegengeschlagen ist.336 In den letzten Jahren haben jedoch das offizielle Öster­reich und auch die Öffentlichkeit die Tätigkeit dieser Menschen aus einer empathischeren Perspektive beurteilt. Wie schon am Beginn möchte ich noch einmal Wolfgang Mayrho334 Bradley F. Smith, The Shadow Warriors. O.S.S. and the Origins of the C.I.A. New York  : 1983, 161. 335 Brief William F. Blois, U.S.N.R. an den United States Consul General in Naples, Italy, 9.11.1945. Privatbestand Schneditz. 336 Vgl. E. Th. [Kürzel], »›Weil er mit den Nazis sowieso noch ein Hühnchen zu rupfen hatte‹ wurde [OSS-Agent] Kohl zum Reichsverräter«, in  : Der Kamerad. Organ des Öster­reichischen Kameradschaftsbundes, 29/1987, Nr. 2, 5.

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fer-Grüenbühl, dessen Schicksal als späterer Gatte von Olivers Witwe Monique letztlich eng mit dem von Schneditz verwoben war, zu Wort kommen lassen  : Oliver von Schneditz war eher eine Künstlernatur. Ein Feind jeder Uniform. In dieser wirren Zeit mußte er französischer Fremdenlegionär werden, und nach seinem Lageraufenthalt in Kenadsa der britischen Armee beitreten und schließlich die amerikanische Offiziers-Uniform anziehen […] und [er] nannte sich Oliver Rockhill, nach dem Familiennamen seiner Mutter. Es war eine Ironie des Schicksals, daß Oliver nacheinander die Soldaten-Uniform dreier Länder tragen mußte  ; er, der sich vehement geweigert hatte, dem väterlichen Wunsche entsprechend die militärische Laufbahn zu ergreifen. Dieses Leben ist ein klares Beispiel für den Unsinn des Krieges überhaupt.337 2.2.5 Fallstudie  : »He took on daring assignments« – Edgar Ulsamer, Deserter Volunteer und OSS-Penetrationsagent The officer cadet was slim and straight, blue-eyed, with thick sandy hair brushed straight back from a studiously earnest face. »Sergeant, I want to scout the American lines.« The rumpled noncom eyed this seeming paragon of Hitler Youth with weary tolerance and waved in the direction of nearby foothills. The cadet had arrived at the front with a draft of replacements on January 7, 1944 at San Vittorio [wohl San Vittore], near Cassino. The new men had been briefed immediately on the position of the opposing armies. German forces, the map showed, occupied the hill country. The Americans held the lower ground to the south. After a half hour’s brisk walk, the cadet cleared the German lines and entered a hilly no-man’s land. He swung his rifle from his shoulder and pitched into the brush. He kept walking for another hour until he saw below him a cluster of deep-green tents, shadowed by the late-afternoon sun. He could see no one around them. He approached the nearest tent and stood before it, breathing slowly and deeply before pulling the tent flap aside. Inside, four American soldiers dozed. He tugged at a blanket. The man who was curled under it raised his head and stared at him vacantly. »I am Austrian.« His English was excellent, only lightly accented. »I want to help you.« Joseph Persico über den öster­reichischen Wehrmachtsdeserteur und OSS-Agenten Edgar Erik Ulsamer alias »Ernst Ebbing«338

Auf weltkriegsopfer.de, einer privaten Internetseite, die es sich zur Aufgabe gemacht hat, möglichst vielen der unzähligen gefallenen oder verschollenen Kriegsopfer des brutalen 20.  Jahrhunderts »ein Gesicht zu geben«, wird auch der 337 W. Mayrhofer, Bericht. 338 Persico, Piercing, 150–152.



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42 »[A] seeming paragon of Hitler Youth«  : Edgar Ulsamer.

­gebürtige Öster­reicher Edgar Erik Ulsamer, ein Unteroffizier des in Italien oper­ ie­renden 132. Grenadier-Aufklärungsregiments der 44. Infanteriedivision der Wehrmacht,339 erwähnt. Über ihn, den Wehrmachtsdeserteur, steht dort zu lesen  : Edgar Ulsamer wurde am 1. Dezember 1944 [von den NS-Behörden] verhaftet und am 11. März 1945 durch das Reichskriegsgericht wegen Kriegsverrats, Spionage und Fahnenflucht zum Tode verurteilt. Angaben zur Vollstreckung des Urteils und einer evtl. Grablage gehen aus der genannten Quelle leider nicht hervor.340

Wie dem eingangs zitierten Buch von Joseph Persico über amerikanische Pene­ tra­tionsunternehmungen im Zweiten Weltkrieg und den freigegebenen OSS-Be339 Im OSS-Personalblatt zu Ulsamer wird angegeben, dass er in der 7. Kompanie des besagten Regiments diente. OSS Data Sheet on Sauerkraut Agent Edgar Ulsamer. NARA, RG 226, E 210, B 204. 340 Eintrag zu Edgar Ulsamer, in  : www.weltkriegsopfer.de/Krieg-Opfer-Edgar-Ulsamer_Soldaten_0_625620.html (letzter Zugriff  : 6.10.2011).

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ständen im US-Nationalarchiv sowie auch den NKWD-Akten im Zentralarchivs des russischen Geheimdienstes FSB zu entnehmen ist,341 sind die Angaben, die auf der erwähnten deutschsprachigen Gedächtnis-Website über Erik Ulsamer gemacht werden, mit Ausnahme der Vermutung, dass er exekutiert oder im Krieg getötet wurde, korrekt. Was jedoch nicht erwähnt wird, ist der Grund, der dazu führte, dass der besagte Ulsamer als »Kriegsverräter« und »Spion« von den Nationalsozialisten hätte hingerichtet werden sollen. Da die Betreiber der Homepage annehmen, dass Ulsamer den Krieg nicht überlebt hat, fehlt auch jeglicher Verweis auf das produktive und medial dokumentierte Nachkriegsleben des vermeintlichen Weltkriegsopfers. Die Antwort auf die Frage, was mit dem »Fahnenflüchtling« Ulsamer zu Kriegsende wirklich passiert ist, geben daher auch hier die Archive und der (auf einem persönlichen Interview mit dem Betroffenen basierende) Beitrag zu Ulsamer im Buch Persicos  : Ulsamer wurde demnach von der NS-Justiz zum Tode verurteilt, weil er als Wehrmachtsdeserteur und amerikanischer Fallschirmagent im Rahmen einer Intelligence-und Widerstandsoperation ins »Dritte Reich« zurückgekehrt und dabei der Gestapo in die Hände gefallen war. Doch dem Wiener gelang es im März 1945, sich der Exekution durch Flucht zu entziehen. Nachdem er noch eine Zeit lang in Europa für die US-Militärbehörden tätig gewesen war, wanderte Ulsamer schließlich in die USA aus. Auch wenn der Verfasser des zuvor erwähnten Interneteintrags nicht wissen konnte, dass die Kriegsbiografie des gesuchten »Kriegsopfers« Edgar Ulsamer in Persicos Werk unter dem Decknamen »Ernst Ebbing« detailreich behandelt wird, besitzt die Gegenüberstellung eines amerikanischen Spionage-Bestsellers und der zentraleuropäischen Memorial-Internetseite weltkriegsopfer.de einen hohen Symbolwert  : Während nämlich viele Exilöster­reicher und Wehrmachtsdeserteure, die auf der Seite der Anlehnungsmacht USA gegen das NS-Regime und die Wehrmacht gekämpft haben, längst einen festen Platz in amerikanischen Kriegsnarrativen haben, ist in Deutschland und vor allem in Öster­reich wenig über die Exilwiderstandstätigkeit dieser Menschen bekannt. Der Beitrag des Wiener Fallschirmagenten Ulsamer zum War Effort der Westalliierten und zum öster­ reichischen Exilwiderstand – er wurde in unseren Breiten aus mehreren Gründen großteils ausgeblendet, ignoriert oder einfach nur »übersehen«  ; übersehen sogar von jenen, die, wie die Betreiber von weltkriegsopfer.de, ihren Fokus auf das Erinnern selbst legen. Man überließ es mehr oder weniger den Amerikanern, diese 341 Verhörprotokoll des Häftlings J. Sanitzer, 19.7.1949, Moskau (Übersetzung aus dem Russischen). Zentralarchiv des FSB (vormals KGB), Moskau, Ermittlungsakt MWD/MGB, betreffend Johann Sanitzer (SANIT10.ACC – Verhaftete amerikanische Agenten, 172–179). Für die Überlassung dieses Dokuments sei Hans Schafranek herzlich gedankt.



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Form des geheimdienstlichen Kampfes gegen das NS-Regime biografisch zu behandeln. Edgar Erik Ulsamer wurde 23. August 1924 in Wien geboren und wuchs in einem katholischen Elternhaus auf, das zwischen 1938 und 1945 dem konservativen Widerstand in Öster­reich zuzuordnen war. Der junge Edgar genoss eine humanistische Bildung und lernte auch früh, in Englisch zu parlieren. Sein Vater Karl Ludwig Ulsamer, ein Jurist und Regierungsrat, war Mitglied der »austrofaschistischen« Vaterländischen Front. Er dürfte vor dem »Anschluss« Öster­reichs an NS-Deutschland im persönlichen Umfeld von Kanzler Engelbert Dollfuß aktiv gewesen sein.342 Sowohl Ulsamers Vater Karl, der offensichtlich ein stiernackiger Autokrat, aber laut Persico auch ein »rabid anti-nazi« war,343 als auch seine Mutter Herta Ulsamer wurden aufgrund ihres rechtskonservativen Öster­ reichpatriotismus und nicht zuletzt wegen der tatkräftigen Unterstützung der Widerstandstätigkeit ihres Sohnes von den NS-Behörden verfolgt, verhört, verhaftet und schließlich bis Kriegsende eingesperrt.344 Obwohl von den NS-Machthabern zu einer längeren Haftstrafe verurteilt, war Karl Ulsamer ebenso wie sein Sohn in der Wehrmacht und wurde dort als Nachrichtenoffizier der deutschen Luftwaffe in der Luftgau-Nachrichten-Abteilung 8 eingesetzt.345 Ein OSS-Agent, der mit Edgar Ulsamer und seinem Vater Karl später direkt zusammengearbeitet hat, charakterisiert Letzteren als kämpferischen NS-Gegner  : [Ulsamer’s father] was a very intelligent and fine man as was his son [i. e. Edgar Ulsamer] and, I believe, a fanatical Nazi-hater. He was an attorney in civilian life and a member of the Christian Social Party. He wished to know why the Allies had not helped the Polish Partisans in Warsaw when they made their desperate but unsuccessful attempt to recapture their capitol in August. He was pleased to hear that the western Allies had sent 10 to 15 supply planes a night. I told him that any serious Austrian Partisan movement could expect the same assistance.346 342 Persico, Piercing, 151. 343 Ebd. 344 Untersuchungsanstalt Wien, Wien VIII/65, Landesgerichtsstrasse 11, Bestätigung der Verhaftung von Herta Ulsamer durch die Gestapo, erfolgt am 28.11.1944, ausgestellt am 10.5.1945. DÖW 20000/U27. 345 »The father had served ten months in a Nazi prison for political dissidence, which, however, had not saved him from being drafted into the Luftwaffe, where he was commissioned a captain in communications.« Persico, Piercing, 151  ; Siehe auch Eintrag zu Karl Ulsamer, in  : www. weltkriegsopfer.de/Kriegsopfer-Karl-Ludwig-Ulsamer-Dr_Soldaten_0_625622.html (letzter Zugriff  : 12.12.2012). 346 OSS Debriefing Report on DUPONT Mission, by Lt. J. Taylor, 30.5.1945. NARA, RG 226, E 124, B 26.

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Karl Ulsamers Sohn Edgar, der sich anfänglich noch für die Hitlerjugend begeistern konnte,347 später aber die Abneigung seiner Eltern gegen Nationalsozialisten in vollem Umfang teilte, hatte Zeitungswissenschaften studiert, als er im Jänner 1943 von der Wehrmacht einberufen wurde. In Wien durchlief er zunächst eine fünfmonatige Ausbildung in der Fernmeldetruppe. Nach eigenen Angaben wurde er wegen »bad conduct« (absichtliches Fernbleiben vom Dienst durch geschicktes Vortäuschen von Krankheit etc.348) zur Infanterie nach Znaim verlegt. Noch im Dezember desselben Jahres war er »scheduled to combat duty«.349 Und so fand sich der hagere junge Mann, der nach eigenen Angaben schon vor seinem Kriegsdienst gemeinsam mit zwei jugoslawischen Bekannten geplant hatte, in die Schweiz zu fliehen, Anfang Jänner 1944 an der süditalienischen Front wieder. Wie im einführenden Buchzitat beschrieben, gelang es ihm, seine gewagten Fluchtpläne in die Tat umzusetzen und »at the first opportunity« zu desertieren.350 Wenige Tage nach seiner Desertion wurde der Öster­reicher im Kriegsgefangenenlager von den Amerikanern als »anti-nazi« klassifiziert. Ulsamer gab gegenüber OSS-Offizieren mehrmals an, dass er an einem Kampfeinsatz auf alliierter Seite teilnehmen wollte. Seine »knowledge of English and his flair for writing« (Ulsamer hatte vor dem Krieg mit seinen Eltern längere Zeit in den USA verbracht) machten ihn jedoch nicht nur zu einem idealen Penetrationsagenten für OSS/SI, sondern auch zu einem »useful recruit for psychological warfare« (OSS/ MO).351 So wurde er bereits im Frühjahr 1944 vom Kriegsgeheimdienst für nachrichtendienstliche und propagandistische Tätigkeiten wie das Verfassen von subversiven Flugblättern herangezogen.352 Dazu Ulsamer  : I tried to join a fighting unit such as the »FOREIGN LEGION« but was told that this were [sic  !] not possible for PW’s at the present. Thus I worked for the Morale Operations unit of America’s OSS with Captain Kolisch and Sgt. McCulloch getting information 347 »Fallbeispiel zum WUG-X  : Familie Ulsamer«, in  : http://pk-deserteure.at/wordpress/3-verfolgung/2-verfolgungsorte/favoriten/wug-favoriten-fallbeispiel-ulsamer/ (letzter Zugriff  : 14.6.2015). 348 Persico, Piercing, 151. Der OSS-Personalakt zu Ulsamer zeigt, dass er vor dem Krieg sechs Monate lang Medizin studiert hatte. OSS Data Sheet Ulsamer. Die Behauptung Persicos, dass er sich bei der Wehrmacht als »gifted malingerer, [who was] feigning illness« gerierte, erscheint daher durchaus glaubwürdig. Persico, Piercing, 151. 349 OSS Files on Members of DUPONT Mission. Biography of Agent Edgar Erik Ulsamer, OSS Files on Members of DUPONT Mission, 24.11.1945. NARA, RG 226, E 124, B 26. 350 OSS Data Sheet Ulsamer  ; OSS DUPONT, Biography Ulsamer, 24.11.1945. 351 Persico, Piercing, 152. 352 Ebd.



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from other PW’s on German industrial areas and communication centers. In April 1944 I was sent to Sienna [sic  ! recte  : Siena] to join an M.O. outfit of 1st Lt. Daniels.353

Am 13. Juni 1944, zu einer Zeit, in der er bereits regelmäßig für das OSS tätig war, wurde Ulsamer vom Kriegsgefangenenbefrager Oliver Schneditz-Rockhill und Major John McCulloch von der SI German-Austrian Section des 2677. OSS-Regiments interviewt. Ulsamer gab seinen (austro)amerikanischen Befragern »all possible information about the German outfit [he] served with«354 und bot dem OSS offensichtlich seine Mitarbeit bei kommenden Spezialoperationen im Deutschen Reich an. Die beiden Offiziere wussten um das Potenzial und die Fähigkeiten des Wieners und stuften ihn als vielversprechenden Penetrationsagenten für die SI-Abteilung ein. Bevor er jedoch als Fallschirmagent in Erscheinung treten konnte, sollte er sich in der Toskana als risikofreudiger Propagandabriefträger im »MO outfit« von Lieutenant Jack Daniels bewähren. Hier muss angemerkt werden, dass in den nordafrikanischen und später italienischen »Field Stations« des OSS die Grenzen zwischen Abteilungen wie SI, SO und MO fließend waren. Wie Persico in seinem Buch richtig andeutet, war Ulsamer kurz darauf einer der ersten SAUERKRAUT-Agenten, die als Teil eines Dreier-Teams namens »Rita« in der Nähe der toskanischen Stadt Siena schwarzes Propagandamaterial hinter den feindlichen Linien verteilten  : [Ulsamer] occasionally took on more daring assignments. Dressed again in German uniform, he would slip through the lines to circulate phony proclamations in the name of various German officers ordering all their units under their command to surrender.355

Obgleich die erwähnte »phony proclamation« im Namen deutscher Offiziere erst im September 1944 produziert worden war und sich deshalb nicht unter den Materialien, die Ulsamer im Feindgebiet verteilt hatte, befunden haben konnte, bestätigt ein Bericht über die Mission des SAUERKRAUT-Teams Rita die anderen Angaben in Persicos Buch. Ulsamer gehörte also zu jenen Deserteuren, die bereit waren, bei einer experimentellen Propaganda- und Spionagemission hinter den Linien ihr Leben zu riskieren  : [T]he whole operation [was] to be carried out by five teams, each to be put through the lines at different times and different points. The teams were instructed as follows  : To reach any German assembly point, first aid station, kitchen or any other military vicin353 OSS DUPONT, Biography Ulsamer, 24.11.1945. 354 Ebd. 355 Persico, Piercing, 152.

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ity of their front line and to dissiminate MO material on or around that place. If possible to find out the political views and the reaction of the contacted units. To observe military installations, movements etc. and to return to base as soon as the MO mission is accomplished for reporting. […] The three men [of the »Rita«-team] were separated when crossing the river. ULSAMER left the MO material on trees and bushes in vicinity of a German outpost and approx. 20 mtrs. behind. He returnt to our lines at 6 AM next morning. […] Because of intense patroling activities of SS-troops the men would not go further inland.356

In Ulsamers OSS-Personalblatt zur Operation SAUERKRAUT befindet sich eine Anmerkung des Öster­reichers Edmund Linder, neben Oliver Schneditz-Rockhill einer der »Masterminds« der Operation SAUERKRAUT, die ebenfalls belegt, dass Ulsamer Ende Juli 1944 als MO-Penetrationsagent an »S[AUERKRAUT] # I« teilnahm. Linder stufte seinen Landsmann darin als »very good man« ein.357 Die Einsätze von öster­reichischen Deserter Volunteers und SAUERKRAUT-»Briefträgern« im Rahmen der OSS Morale Operations verliefen nicht immer so glimpflich wie oben dargelegt. So endete die Mission des niederöster­reichischen Sozialisten Franz Berger beinahe in einem blutigen Fiasko. Als er von einer bewaffneten deutschen Streife gestellt und beinahe enttarnt wurde, zeichnete sich Berger laut einem OSS-Report als nervenstarker Troubleshooter aus, der sich und einen anderen SAUERKRAUT-Agenten durch psychologisch geschickten Schusswaffengebrauch aus dieser misslichen Lage befreien konnte.358 Nach seinem Einsatz als SAUERKRAUT-Agent wurde Ulsamer – wie von ihm selbst gewünscht – im August 1944 zur OSS-Beschaffungsabteilung SI transferiert und als »operative« für eine Fallschirmmission auf öster­reichischem Boden ausgewählt. In einem Intensivkurs wurde der ehemalige Wehrmachts-Funkaufklärer auf seinen Einsatz vorbereitet, um an der Seite von zwei weiteren öster­ reichischen Wehrmachtsdeserteuren, nämlich dem Maurer Franz Guschlbauer (alias Fred Grant  ; bei Persico Anton Graf genannt) und dem ehemaligen Medizinstudenten und Piloten Hans Pascher (alias Harold Perkins bzw. Felix Huppmann) an der Operation DUPONT teilzunehmen. Das Ziel von DUPONT, die laut Siegfried Beer »zu den eher mißlungenen« Fallschirmoperationen des OSS in Öster­reich zu zählen ist,359 war es, mit ostöster­reichischen Widerstandszirkeln 356 OSS Report on Operation »SAUERKRAUT«, Teams »Berta«, »Mitzi« and »Rita«, by [Eddie] Zinder, 29.7.1944. NARA, RG 226, E 210, B 204. 357 OSS Data Sheet Ulsamer. 358 Traussnig, Geistiger Widerstand, 192. 359 Siegfried Beer, »Von der deutschen zur alliierten Besatzung. Graz und die Steiermark 19381945, aus anglo-amerikanischer Sicht«, in  : Stefan Karner (Hg.), Graz in der NS-Zeit 1938– 1945. Graz, Klagenfurt und Wien  : 1999, 1–24, hier 19.



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Kontakt aufzunehmen und strategische Intelligence über die industriell und logistisch bedeutende Region rund um Wiener Neustadt und die Hauptstadt Wien zu sammeln. Neben der militärisch bedeutenden Spionage über Rüstungsfabriken wie die Rax-Werke (Flugzeugherstellung) waren die Amerikaner auch an Informationen über den »Südostwall«, den die Nationalsozialisten als Defensivlinie, von Norden nach Süden durch das Burgenland und Niederöster­reich verlaufend, von Tausenden Zwangsarbeitern errichteten ließen, interessiert. Natürlich verfolgte die DUPONT-Operation auch geostrategische Ziele, die über den eben erwähnten Beitrag zum ohnehin schon entschiedenen Weltkrieg hinausreichten. Man war in der OSS-Zentrale auch daran interessiert, den künftigen Macht- und Einflussbereich der Sowjets zu erkunden. Der von den Russen gefangen genommene und 1949 vom Innenministerium bzw. Geheimdienst NKWD/mwd zu seinem Wissensstand über die Ziele von DUPONT befragte Gestapobeamte Johann Sanitzer definierte den Auftrag des vom amerikanischen Captain Jack Taylor kommandierten Viererteams wie folgt  : Wie mir TAYLOR sagte erhielten er und seine [DUPONT-]Gruppe drei verschiedene Aufträge. Erstens sollten sie die Partisanenbewegung im Burgenland organisieren, weil es im OSS Informationen über Partisanen im Burgenland gab. Zweitens ging es um das Sammeln von Informationen nachrichtendienstlicher Natur. Drittens sollte für den Fall der Besetzung Öster­reichs durch die Sowjetarmee auf Öster­reichs Territorium rasch ein Platz ausfindig gemacht werden, wo ein Flugzeug landen konnte, damit man die amerikanische Militärmission landen könnte. Das erklärte sich nach TAYLORS Erläuterungen dadurch, daß die Russen keine amerikanischen Militärmissionen auf den von ihnen besetzten Territorien Bulgariens und Rumäniens zugelassen hatten.360

Da in dem geplanten Absprunggebiet für die OSS-Agenten keine Hilfe von autochthonen Widerstandskämpfern zu erwarten war, gab es kein »ground reception committee«, das den Agenten den Weg weisen und sie am Anfang unterstützen würde.361 Man plante daher einen »blind drop« über dem Marschland am Nordwestufer des Neusiedler Sees, das nicht weit von Wiener Neustadt entfernt ist. Im Gegensatz zu seinen von ihm angeblich etwas herablassend als »Proletarier« eingestuften Teamkollegen Guschlbauer und Pascher durfte Ulsamer an der Seite Taylors an den Planungsbesprechungen zu DUPONT teilnehmen.362 Taylor, ein kalifornischer Marineoffizier und Zahnarzt, war ein hemmungsloser Abenteurer, der bereits über reichliche Erfahrung in der asymmetrischen Kriegführung 360 Aussage Sanitzer, Ermittlungsakt MWD/MGB, 174. 361 Taylor, DUPONT Debriefing Report, unpaginiert. 362 Persico, Piercing, 154 f.

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verfügte. Ulsamers Kollegen Pascher und Guschlbauer sollte als ortskundigen Agenten während der Operation die wichtige Aufgabe zukommen, für die Orientierung im Einsatzgebiet sowie für erste Kontakte und Unterkünfte zu sorgen. Ulsamer, der die Umstände im Großraum Wien gut kannte, stand laut Persico diesem Plan skeptisch gegenüber. Als ein im autoritären Umfeld des »Austrofaschismus« und Nationalsozialismus sozialisierter, obrigkeitshöriger Mann wagte er es allerdings kaum, seinen Vorgesetzten zu widersprechen  : Ernst Ebbing [i. e. Edgar Ulsamer] was an implacable anti-Nazi and independent enough to act on his convictions. He was also young, just twenty, and the product of an authoritarian society. Otherwise, he might have voiced his own reservations about DUPONT with more force. It was heady experience for a common soldier, a recent prisoner of war, to sit with American officers and plot a bold gambit against the Nazis […]. When asked his views, Ebbing would quietly state the advantages of a drop into partisan-held territory, rather than deep into Austria. Such a drop, say, on the northern Yougoslavian border, would still allow them to slip into Austria. Yougoslavia would also provide a base of partisan support and a sanctuary to which they could withdraw. But Ebbing did not express his views with great force.363

Die vier Agenten der DUPONT-Mission sprangen in der Nacht des 13. Oktober 1944 wie geplant nordöstlich des Neusiedler Sees ab. Unmittelbar nach der Landung stellte das Team fest, dass ein Teil der Ausrüstung, darunter auch das Funkgerät, entweder in der Bombenluke des Flugzeugs stecken geblieben,364 oder in den Neusiedler See gefallen war und somit die Kontaktaufnahme mit der Basis bzw. der »flow of intelligence« via Funk verunmöglicht wurde. Immerhin gelang es den Agenten, bei einigen Zivilisten in verschiedenen Orten unterzukommen und politisch und militärisch relevante Informationen im Operationsgebiet zu sammeln. Für Ulsamer selbst verlief der Einsatz von Beginn an schlecht  : Unmittelbar nach der Landung verletzte er sich an der Hand, während er im Schilfgras nach Halt suchte. Als das Team in den nächstgelegenen Ort aufbrach, musste er aufgrund von Herzproblemen eine Zeit lang allein zurückbleiben. Da zudem auch die wichtigsten öster­reichischen Vertrauensleute Ulsamers in der momentan unerreichbaren Hauptstadt Wien wohnten, stieg vorerst sein ehrgeiziger Landsmann, der Agent Guschlbauer, zum wichtigsten Akteur und Verbindungsmann der Gruppe auf. Kommandeur Taylor gelang es in der Zwischenzeit, mithilfe von Guschlbauer und Pascher in Orten wie Stixneusiedel oder St. Margarethen bei deren Verwand363 Ebd., 157. 364 Aussage Sanitzer, Ermittlungsakt MWD/MGB, 175.



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ten und Bekannten sowie bei oppositionell gesinnten Ortsansässigen kurzzeitig Unterschlupf zu finden und Intelligence-Informationen zu sammeln. So berichtet Taylor in seinem Debriefing Report über die hektischen Aktivitäten rund um den Bau des »Südostwalls« und erwähnt auch, dass in dem von der 15. US-Air-ForceLuftflotte als »zerstört« bezeichneten Munitionswerk Blumau weiterhin rege Betriebsamkeit herrschte. Hier ein Auszug aus dem Report Taylors  : [C]omplete data on the Southeast Wall was accumulated, including the exact location of fortified hills, anti-tank ditches, barbed wire and mine fields, pillboxes, artillery sites, etc. At this time (1 Nov.) there were 50.000 foreign workers and several hundred Hitler Youth preparing this defense line under the direction of the Organisation Todt and R[eichs].A[rbeits].D[dienst]. […] Additional important targets were  : a locomotive factory in Wiener Neustadt, turning out one day, a powder factory in Winzendorf employing 2000, a Wehrmacht lager in Vienna containing all materiels of war, an artillery school, flak school, numerous airfields and woods where the German fighters were hidden when the American bombers came over, government food storage houses in Vienna, etc. Economic information included wages for different types of work (and additional food rations), complete ration data, black market, farmers food stocks, estimated coal and petroleum storage, true value of the mark in buying other than rationed merchandise, barter, etc. Political information showed that approximately 2% to 5% of the farmers and villagers were devout Nazis, 10% to 15% were on the fence and 80% anti-Nazi, with 50% rabid anti-Nazi.365

Taylor zitierte noch eine weitere – aus heutiger Perspektive als illusorisch zu bezeichnende – Einschätzung der politischen Präferenzen der Öster­reicher, die von einer regimekritischen Frau, die angesichts der Ankunft eines amerikanischen Agenten in Freudentränen ausgebrochen sei, stammt  : Demnach seien 90 % der Öster­reicher gewillt, britische oder amerikanische Fallschirmgruppen aktiv zu unterstützen. Gleichzeitig berichtet Taylor aber von einem mehrfach beobachteten antiamerikanischen Ressentiment, das die Bombardierung von zivilen Gebieten im Rahmen des strategischen Bombenkriegs mit sich brachte. Taylors Team versuchte umgehend, die OSS-Basis in Caserta von derartigen Neuigkeiten zu unterrichten.366 Da jedoch kein Funkgerät zur Verfügung stand, wollte man einen Weg finden, um diese militärisch wichtigen Nachrichten nach Italien zu übermitteln. Nachdem Ulsamer wieder genesen und zur Dreiergruppe rund um Taylor, die sich gerade im Elternhaus von Pascher in St. Margarethen aufhielt, gestoßen war, er365 Taylor, DUPONT Debriefing Report, unpaginiert. 366 Ebd.

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hielt er Besuch von seiner Mutter Herta Ulsamer aus Wien. Die Idee, Ulsamers Mutter als Kurierin, die während einer vorgeblichen Erholungsreise in ihrer früheren Heimat Kärnten mit der dort operierenden Agentengruppe der OSS-Mission DILLON Kontakt aufnehmen würde, zu verwenden, wurde schnell wieder verworfen. Da die NS-Behörden verfügt hatten, dass alle Frauen, die für kriegsrelevante Zwecke körperlich geeignet waren, ihren Heimatort nicht verlassen durften, konnte Herta Ulsamer ihre geplante Urlaubsreise nicht antreten. Nach mehreren Überlegungen und gescheiterten Plänen einigte man sich schließlich darauf, mithilfe eines vom Agenten Guschlbauer hergestellten Kontakts ins jugoslawische Partisanengebiet und schließlich nach Italien auszureisen. Guschlbauer hatte einem Mann mit Namen Baudisch, einem Eisenbahn-Maschinisten aus Wiener Neustadt, angeblich die Zusage abgerungen, dass die US-Agenten sich in seinem Haus verstecken könnten, um später per Zug auszureisen. Da Taylor seinem nunmehr wichtigsten Verbindungsmann Guschlbauer, der durch Fahrlässigkeit in Sicherheitsfragen und seinen »extravagant pursuit of local women« die Mission mehrfach gefährdete,367 nicht mehr voll und ganz vertraute, schickte er auch Edgar Ulsamers Vater Karl zum Haus des Eisenbahners, um die Stichhaltigkeit von Guschlbauers Angaben zu überprüfen und den Plan sprichwörtlich »auf Schiene« zu bringen. Als Ulsamer senior bei der Frau des Eisenbahners vorstellig wurde, bemerkte er, dass Guschlbauer nie in diesem Haus gewesen sein konnte. Guschlbauer hatte offensichtlich versucht, bei Taylor Eindruck zu schinden, indem er sich als besonders eifriger Insider, der mit vielen potenziellen öster­reichischen Helfern in Kontakt stand, gerierte. Sein Optimismus hinsichtlich der politischen Einstellung und Risikobereitschaft der Familie Baudisch dürfte ihn veranlasst haben, das Baudisch-Domizil als »safe house« zu präsentieren – ein fatales Hasardspiel, wie sich kurz darauf zeigen sollte  : Nachdem Frau Baudisch von Ulsamer senior über das Vorhaben der OSS-Agenten, sich mit dem Zug Richtung Süden durchzuschlagen, unterrichtet worden war, zeigte sie sich kooperativ und versprach, dass sie ihren Ehemann um Hilfe bitten werde. Kurz darauf meldete sie dieses Vorkommnis jedoch bei der Gestapo – die DUPONT-Mission war aufgeflogen, ohne je eine Nachricht an die OSS-Zentrale übermittelt zu haben. Die vier Agenten wurden, ebenso wie Ulsamers Eltern, denen Hochverrat vorgeworfen wurde,368 von der Gestapo verhaftet und nach Wien gebracht. Im Gestapo-Hauptquartier am Morzinplatz wurden die vier DUPONT-Agenten vom berüchtigten und zum Sadismus neigenden369 Kriminalrat 367 Persico, Piercing, 169. 368 Untersuchungsanstalt Wien, Bestätigung der Verhaftung von Herta Ulsamer durch die Gestapo, am 28.11.1944. 369 Sanitzer gehörte laut Hans Schafranek »zu den brutalsten Schlägern« der Gestapo und »trug



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Johann Sanitzer, dem Chef des Abwehr-Referats IV A2 (Sabotage, Funk- und Fallschirmagenten), über Tage hinweg befragt. Der sich nun in Feindeshand befindende Ulsamer, der von Sanitzer später als »groß, sehr mager, braunhaarig, langes Gesicht, […] rasiert« beschrieben wurde,370 scheint bei diesen Befragungen durchaus hart im Nehmen gewesen zu sein.371 Einige Jahre später gab Sanitzer, sich nunmehr in russischer Gefangenschaft befindend, an, dass ihm Taylor sehr wohl einiges über die Struktur und den Aufbau des OSS erzählt und ihm auch die Namen wichtiger Protagonisten genannt hatte. Aber um »Taylor in diesem Zusammenhang [nicht in] ernste Schwierigkeiten« zu bringen, habe er nichts davon erwähnt, als er nach dem Kriegsende vom OSS-Offizier Jules König befragt wurde.372 Es ist daher anzunehmen, dass das Bild des harten und heroischen Spions, welches OSS-Mitarbeiter und amerikanische Autoren wie Persico von Taylor und Ulsamer zeichneten, stark idealisiert ist. So ist bei Sanitzers Verhör durch die Sowjets etwa von dem bei Persico behaupteten Widerstand Ulsamers gegen die Festnahme373 keine Rede. Dennoch dürfte Ulsamer im Vergleich zu seinen beiden öster­reichischen Teamkollegen, denen selbst im OSS-internen Mission Report aus Taylors Feder kein allzu heldenhaftes Verhalten bescheinigt wurde, neben Taylor der belastbarste und geeignetste DUPONT-Agent gewesen sein. Edgar Ulsamer saß nun wegen »Landes- und Hochverrat, Spionage, Desertation (amerikanischer Fallschirmagent)« in Haft374 und sah somit dem sicheren »Tod durch den Strang« entgegen. Doch wie auch alle anderen seiner Teamkollegen hatte er Glück. Während der durch einen alliierten Bombenangriff erzwungenen Evakuierung seiner Haftstätte in der Wiener Hardmuthgasse375 gelang es ihm, zu fliehen  : bei Verhören gelegentlich einen Wachstuch-Umhang, um seine Kleidung nicht mit dem Blut der Untersuchungshäftlinge zu bespritzen.« Hans Schafranek, »Das ›Anti-Hitler-Komitee‹ und die Fallschirmagenten-Gruppe um Gregor Kersche«, in  : Journal for Intelligence, Propaganda and Security Studies ( JIPSS), Vol. 6, Nr. 1/2012, 7–20, hier 17. 370 Aussage von Sanitzer, Ermittlungsakt MWD/MGB, 177. 371 »Sanitzer admitted that Taylor never ›talked‹, nor did Ulsamer. But Guschlbauer and Bascher [sic  !] were described by one of Sanitzer’s men as having talked ›like a book‹«.OSS, 2677th Regt., Headquarters Company A, Interrogation of Johann Sanitzer, by J. Konig, 30.6.1945. NARA, RG 226, E 124, B 26. 372 Aussage von Sanitzer, Ermittlungsakt MWD/MGB, 177. 373 Persico, Piercing, 173. 374 Personenansicht zum nicht zugänglichen Akt über den NS-Häftling Edgar Ulsamer (Persönliche Daten, Memos und Quellen, Haftstätten, Verhaftung, Anklage und Urteil, Todesdatum und Todesort). DÖW 12554 (ID 611992). 375 Ebd.

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[T]he other members [of the DUPONT] team, all sentenced to be beheaded as traitors, were still alive. In the crumbling last hours of the Reich, Ernst Ebbing [i. e. Ulsamer], Anton Graf [Guschlbauer], and Felix Huppmann [Pascher] had managed to escape from a temporary prisoner cage and had eventually found their separate routes back to OSS Italy.376

Ulsamer behauptete, dass er sich Ende März mit Geschick und Glück der Exekution entzogen und in die von der Roten Armee besetzten Zone in Ungarn gerettet hatte. Nach seiner Rückkehr nach Wien im Mai 1945 habe er sich bei der US-Armee für einen freiwilligen Kampfeinsatz gegen Japan melden wollen.377 Schenkt man dieser Selbstdarstellung Glauben, so zeigt sich, dass bei Ulsamer ein Amerikanisierungsprozess eingesetzt hatte und seine Widerstandstätigkeit gegen die Achsenmächte nicht nur aus öster­reichpatriotischen Motiven erfolgte. Während der ins Konzentrationslager Mauthausen überstellte DUPONT-Kommandeur Taylor, dessen Exekutionsbefehl von einem anderen Häftling absichtlich verbrannt worden war, nach seiner Befreiung durch die US-Armee die Strukturen und Vorgänge innerhalb des KZ-Universums penibel dokumentierte, begann Ulsamer als Autor erneut für die US-Propaganda zu arbeiten. Nicht mehr der Nationalsozialismus, sondern der neue Antagonist der USA, die kommunistische Sowjetunion, war nun der Gegner des gebürtigen Wieners  : Nach dem Krieg arbeitete Ulsamer für die amerikanische Propaganda- und Pressebehörde Information Services Branch (ISB). Er verfasste hierbei für das amerikanische Armeeblatt The Stars and Stripes antisowjetische Artikel378 und arbeitete auch als Korrespondent für die Associated Press.379 2.2.6 Deserteure im Exilwiderstand – Einordnung und gedächtnispolitische Aspekte

Die Kriegsbiografie von Edgar Ulsamer ist nur ein Beispiel unter vielen. Bevor ich seinen Beitrag zum amerikanischen Schattenkrieg gegen Deutschland innerhalb der (exil)öster­reichischen Widerstandsdebatte zu verorten versuche, soll noch kurz auf einen anderen Öster­reicher hingewiesen werden, der in einer dra376 Persico, Piercing, 391. 377 »On the 11th of March I was sentenced to death on three charges, but on March 28th I succeeded in sneaking out of the Gestapo jail and fled to Red Army troops in Hungary. In May I came back to Vienna and tried to join US Armed Forces in fighting Japan, but the war was over before I got a definite answer to my application.« OSS DUPONT, Biography Ulsamer, 24.11.1945. 378 So berichtete er etwa über den »brutalen Mord«, den »die Russen« an einem amerikanischen Beamten in Wien verübt hätten. Edgar Ulsamer, »E[conomic]C[ooperation]A[dministration Mission] Official Slain  ; Russians Accused«, in  : The Stars and Stripes, 1.11.1948, 1 und 12. 379 Aussage Sanitzer, Ermittlungsakt MWD/MGB, 177.



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matischen Situation seiner Kriegslaufbahn eine ähnlich existenzielle Entscheidung getroffen hatte  : Als der Tiroler Wehrmachtsoffizier Franz Weber 1941 am Warschauer Bahnhof eine Ansammlung von ausgemergelten und verwahrlosten Menschen jüdischer Herkunft erblickte, setzte bei dem an sich obrigkeitshörigen und militärisch ehrgeizigen Wehrmachtsoffizier eine schleichende, unaufhaltsame Epiphanie ein. Weber, ein nachdenklicher, heimatverbundener Mann, dem ein amerikanischer Geheimdienstoffizier später trotz seiner Jugend die Attribute »conservative, sound, and mature« zuschreiben sollte,380 wurde in diesem Moment (wohl nicht zum ersten Mal, aber auf sehr erschütternde, eindringliche Weise) des systematischen Dehumanisierungsprozesses der Shoah und der nackten Brutalität der NS-Herrschaft gewahr. Eine Erfahrung, die ihn prägen und seine weitere Kriegstätigkeit grundlegend verändern sollte. Weber war im Dorf Oberperfuss bei Innsbruck als Sohn einer tief katholischen Bauernfamilie aufgewachsen. In diesem bescheidenen, aber behüteten Umfeld und während der Gymnasialzeit im bischöflichen Paulinum in Schwaz 381 formte sich das Weltbild des jungen Tirolers, das auf Loyalität zu seinen ländlichen Wurzeln und ihren patriarchalisch-konservativen Ritualen sowie einem humanistisch gefärbten Katholizismus beruhte.382 Um einer möglichen Einziehung in die SS zu entgehen, meldete sich der ernste und ruhige Jurastudent freiwillig für die Wehrmacht und absolvierte 1940 die Ausbildung zum Unteroffizier.383 Erste Einsätze erlebte Weber mit der 45. Infanteriedivision an der Ostfront. Obwohl ihm der deutsche Kriegsdienst eine formidable Karriere ermöglichte und er anfangs vorsichtige Sympathie für den Nationalsozialismus bekundet hatte, 384 verschloss er nicht die Augen vor den Verbrechen des NS-Regimes in Osteuropa, deren unübersehbare Auswirkungen sich unter anderem in der zuvor beschriebenen Bahnhofsszene manifestierten.385 Nach Einsätzen in Polen und Russland 380 OSS, 2677th Regiment, Company B, Resume of Greenup Project, by Lt. A. Ulmer, 10.2.1945, 1–3, hier 2. NARA, RG 226, E 124, B 26. 381 Zu den NS-Repressionen gegen diese Bildungseinrichtung siehe Bernhard Schretter, »Das Paulinum während der Zeit des Nationalsozialismus (1938–1945)«, 1. Teil, in  : 55. Jahresbericht des Bischöflichen Gymnasiums Paulinum in Schwaz, 1987/88, 12–57  ; derselbe, »Das Paulinum während der Zeit des Nationalsozialismus (1938–1945)«, 2. Teil, in  : 56. Jahresbericht des Bischöflichen Gymnasiums Paulinum in Schwaz, 1988/89, 5–38. 382 Vgl. Persico, Piercing, 275. 383 Schwab, OSS Agents, 21 f. 384 Ebd., 28. 385 Mittlerweile werden sogar in populärwissenschaftlichen TV-Dokumentationen Aussagen Webers aus Oral-History-Interviews gesendet, in denen er über seine kritische Einstellung zum NS-Regime berichtet. So sendete das ZDF im Rahmen seiner »History«-Reihe am 5.10.2013 die (reißerische) Dokumentation »Die wahren Inglourious Basterds«, die sich auf die OSS-Mission GREENUP mit Franz Weber konzentrierte.

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wurde Weber, mittlerweile zum Leutnant aufgestiegen, 1944 auf den Balkan versetzt, wo er laut OSS-Angaben als Kommandant einer gewissen »130. Infanterie-Ersatzkompanie«386 im Kampf gegen kommunistische Partisanenverbände einen sehr liberalen Umgang mit den ihm anvertrauten Soldaten pflegte. Seine zunehmend oppositionelle Haltung gegenüber dem Regime vermochte er laut Gerald Schwab kaum mehr zu verbergen  : Franz’s generally relaxed leadership style caused a certain amount of consternation at the the regimental headquarters level. It was (correctly) rumoured that he tolerated his men listening to foreign broadcasts, a highly treasonable act.387

Die beiden erwähnten Episoden (i. e. Webers Nachdenken über den Holocaust388 angesichts der bemitleidenswerten Juden am Warschauer Bahnhof und sein permissiver Umgang mit alliierter Radiopropaganda) können als schicksalsweisend für Webers spätere »Fahnenflucht«, seine Rolle im US-Kriegsapparat und seinen Kampf gegen den Faschismus betrachtet werden. Während seines Dienstes in der Wehrmacht erkannte er nach und nach, dass die neopaganistische und rassistische Ideologie des Nationalsozialismus weder mit seinem persönlichen Wertekanon noch mit seinem altmodischen Soldatenethos vereinbar war. Zudem konnte er sich als lokalpatriotischer und gleichzeitig weltoffener Mensch – Weber sprach neben Deutsch auch passabel Italienisch und Englisch389 – mit dem aggressiven deutschen Nationalismus und Expansionismus nicht identifizieren. Die fundamentale und für den zum »Führer« lange Zeit loyalen Soldaten Weber nicht einfache Entscheidung, dem NS-System als Deserteur den Rücken zu kehren, traf er, der einem »stiff, old-style moralism« verpflichtet war,390 wohl nicht aus opportunistischen, sondern aus ethischen und moralischen Motiven  : Franz knew that he had several choices. He could just go along and protect himself as best he could. He might survive unscathed, become a casualty. Or be taken prisoner, and if he survived, he could claim that he had been a good and loyal soldier. […] Franz […] had voluntarily become a prisoner of war, but […] he had not taken this step merely in order to safeguard his own life. This he could not do in good conscience, and he now was prepared to make a contribution towards the defeat of the power that 386 OSS, German-Austrian Desk, Personnel Record F. Weber, 6.2.1945. NARA, RG 226, E 124, B 26. 387 Schwab, OSS Agents, 26  ; vgl. OSS, Resume Greenup Project. 388 Vgl. das gleichnamige Buch von Saul Friedländer, Nachdenken über den Holocaust. München  : 2007. 389 OSS Personnel Record Weber, 6.2.1945. 390 Persico, Piercing, 275.



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occupied his homeland. […] Desertion is often seen as means of saving one’s skin, of avoiding danger. But Franz was about to embark on an operation that was fraught with danger far greater than what he left behind.391

Die Weigerung Franz Webers, ein Pflichterfüller in einem mit brutalen Mitteln geführten Krieg zu sein, und die Entscheidung, stattdessen als US-Fallschirmagent gegen den nationalsozialistischen Unrechtsstaat zu kämpfen, hatten ihre Fundierung unter anderem in den christlichen Werten der Dorfgemeinschaft, der er entstammte. Dies sollte sich vor allem bei seinem geheimdienstlichen Einsatz auf amerikanischer Seite zeigen  : Wie Edgar Ulsamer ließ sich Weber nach seiner Gefangennahme durch die Alliierten vom OSS als Deserter Volunteer rekrutieren und nahm im Frühjahr 1945 an der äußerst erfolgreichen OSS-Fallschirm-Mission GREENUP 392 teil. Wie bei der Planung dieser Operation erhofft, fand Weber mit zwei weiteren OSS-Agenten Unterschlupf bei Dorfbewohnern in seinem Herkunftsort Oberperfuss. Bei den Helfern und Helfershelfern des GREENUP-Teams, das substanzielle und militärisch wichtige geheimdienstliche Informationen an die OSS-Basis in Italien weiterleitete393 und einen großen Anteil daran hatte, dass die Stadt Innsbruck kampflos an die amerikanischen Befreier übergeben wurde, handelte es sich um Vertreter eines bäuerliches Resistenz- bzw. Widerstandsmilieus. Die zu einem großen Teil weiblichen Subagenten und Helfer von Weber und seinen OSS-Kameraden waren wertkonservative Nonkonformisten, die das christlich-universalistische »Grüß Gott« konsequent dem deutsch-nationalistischen »Heil Hitler« vorzogen. Ihr »zähes Festhalten am Gewohnten«394 sowie ihr »unausrottbare[r] Regionalismus«395 und Katholizismus waren das Ferment, in dem die Operation GREENUP ihre Wirkung entfaltete.396 391 Schwab, OSS Agents, 42. 392 Vgl. hierzu Florian Traussnig, »Belohnter Wagemut  : Die OSS-Operation ›Greenup‹ [Rezension zu Patrick K. O’Donnell, They Dared Return. The True Story of Jewish Spies Behind the Lines in Nazi Germany. Philadelphia  : 2009.]«, in  : Journal for Intelligence, Propaganda and Security Studies ( JIPSS), Vol. 4, Nr. 1/2010, 151–153. 393 Dank der Funknachrichten des GREENUP-Teams konnte die US Air Force gezielt die deutschen Nachschublieferungen für die Wehrmacht in Norditalien, die über die Brenner-Eisenbahnroute abgewickelt wurden, bombardieren. 394 Hanisch, Schatten, 388. 395 Luža, Widerstand in Öster­reich, 277. 396 So rechtfertigte etwa Monika Langthaler, jene einfache, zutiefst humane Bäuerin, die während der sogenannten »Mühlviertler Hasenjagd« zwei aus dem KZ Mauthausen geflohene Sowjetoffiziere auf ihrem Hof im Mühlviertel versteckte, ihre menschliche und mutige Tat mit folgenden Worten  : »Der Herrgott ist für die ganze Welt, nicht nur für die Deutschen.« In  : Werner Sabitzer, »›Mühlviertler Hasenjagd‹«, in  : www.bmi.gv.at/cms/BMI_OeffentlicheSicherheit/2005/03_04/files/9_030405.pdf (letzter Zugriff  : 15.4.2010).

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Obgleich die Stilisierung und Überhöhung des Tirolers zum forschen Widerstandskämpfer gegen den Nationalsozialismus den historischen Fakten nicht ganz gerecht wird,397 ist der Beitrag des Tiroler Bauernsohnes Franz Weber zum amerikanischen War Effort und zum öster­reichischen (Exil-)Widerstand sowohl geheimdienstlich als auch symbolisch von großem Wert. Die Parabel des Franz Weber hätte in der Nachkriegszeit einen hervorragenden Ausgangspunkt für einen Mythos geboten. Einen Widerstandsmythos, um genau zu sein. Doch wie bereits in der Einleitung zu diesem Buch dargelegt, gelang es lange Zeit nicht, diesem Mythos Strahlkraft zu verleihen und ihm eine pädagogische Funktion zuzuweisen, die der demokratischen Kultur im Land zuträglich ist. Die beiden konservativen OSS-Agenten Ulsamer und Weber sind nur einige unter vielen potenziellen Identifikationsfiguren des Widerstands durch Wehrmachtsdeserteure. So haben zahlreiche Öster­reicher aus anderen gesellschaftlichen Kreisen und politischen Lagern, darunter etwa die Sozialisten Franz Berger und Emmerich Kohl, unter hohem persönlichem Risiko nicht nur subversive Propagandapamphlete und Flugblätter im deutschen Frontsektor verteilt und Spionageaufträge wahrgenommen, sondern sind auch als Fallschirmagenten in Öster­reich abgesprungen. In Öster­reich selbst war und blieb nach 1945 der hoch riskante Beitrag, den Leute wie Edgar Ulsamer, Franz Weber und Franz Berger zur Niederringung des NS-Regimes geleistet haben, so gut wie unbekannt. Doch auch der Einsatz jener exilöster­reichischen Penetrationsagenten, deren Beitrag zum alliierten Kampf gegen Hitlerdeutschland und zur Wiedererrichtung Öster­reichs einer breiteren Öffentlichkeit bekannt wurde, ist in den meisten Fällen von der Gesellschaft und ihren politischen Repräsentanten nicht honoriert worden. Im Gegenteil  : In der Regel wurden die Tätigkeiten der »Agenten in Feinduniform« bewusst marginalisiert, verdrängt oder negativ umgedeutet. So titelte die Zeitschrift des öster­reichischen Kameradschaftsbundes im Jahr 1987 mit erkennbarer Verachtung über die kurz zuvor vom Grazer Zeithistoriker Siegfried Beer aufgedeckte »Story« des öster­reichischen OSS-Agenten und Wehrmachts-Deserteurs Ernest Cole (Emmerich Kohl)  : »Weil er mit den Nazis sowieso noch ein Hühnchen zu rupfen hatte« wurde Kohl zum Reichsverräter.398 397 Ernst Hanisch erwähnt hierzu die 1947 durchgeführte verpflichtende Registrierung von ehemaligen Nationalsozialisten, die ergeben hatte, dass in Bezug auf die regionale Verteilung der öster­reichischen NS-Parteimitglieder »das erzkatholische Tirol 15 Prozent (ein historisch noch erklärungsbedürftiges Phänomen)« aufwies. Hanisch, Schatten, 370. 398 E. Th., »Reichsverräter«, 5.



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In Anspielung auf die sowohl vonseiten der Amerikaner als auch vonseiten der Öster­reicher nicht gegebene materielle oder symbolische Anerkennung für den gefahrvollen Einsatz des Sozialisten und Antifaschisten Kohl fährt der Autor polemisierend fort  : So wie allen Agenten ging es auch Kohl. Weder amerikanische noch öster­reichische Stellen fanden für seine Tätigkeit Worte der Anerkennung, wie er selbst gesteht. Auch sah er nie einen Cent der ihm versprochenen amerikanischen Agentenpension. Daß aber so mache mitbürger [sic  !] noch immer den Vorwurf erheben, er sei ein Verräter an der Heimat und kein Kämpfer für ein neues Öster­reich gewesen, darüber braucht er sich nicht zu wundern, wenn es auch den steirischen Exagenten am meisten schmerzt. Es galt auch für die Amerikaner  : »Man liebt den Verrat, aber man verachtet den Verräter  !«399

Derartige Ansichten wurden noch in den späten 80er-Jahren von vielen Öster­ reichern vertreten. Wie wenig die öster­reichischen Deserter Volunteers in den Reihen des amerikanischen Kriegsgeheimdienstes in den historischen Erzählungen und Dispositiven der Zweiten Republik präsent waren bzw. teilweise immer noch sind, zeigt sich auch am Beispiel des zuvor erwähnten Tiroler Wehrmachtsdeserteurs Franz Weber. Er wirkte mit seiner Tätigkeit als amerikanischer Fallschirmagent aktiv an der Befreiung Öster­reichs vom Nationalsozialismus mit. Als Politiker der konservativen Öster­reichischen Volkspartei war er nach dem Krieg jahrzehntelang aktiver Teilnehmer am demokratischen Prozess in seinem nach 1945 wieder errichteten Heimatland. In der Kurzbiografie auf der Homepage des öster­reichischen Parlaments steht über die an sich heroische Kriegstätigkeit dieses Volksvertreters jedoch nichts Heldenhaftes zu lesen  : Während des Zweiten Weltkrieges Militärdienst sowie vier Monate Gefangenschaft in Italien.400

Die Nicht-Erwähnung der Widerstandstätigkeit markiert eine äußerst vielsagende Leerstelle. Auch die Internet-Enzyklopädie Wikipedia verrät im Eintrag über Franz Weber nichts über den amerikanischen Agenten Weber oder den öster­reichischen Exilwiderstandskämpfer Weber. Es wird hier also das Bild eines gewöhnlichen Landsers gezeichnet, der wie Hunderttausende andere deutsche Kriegsgefangene passiv auf das Ende des Krieges wartete  : 399 Ebd. Hervorhebung durch den Autor 400 »Dr. Franz Weber, Biographie«, in  : www.parlament.gv.at/WW/DE/PAD_01435/pad_01435. shtml (letzter Zugriff  : 19.6.2015).

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Während des Zweiten Weltkriegs musste Weber auch Militärdienst in der Wehrmacht verrichten  ; gegen Kriegsende kam er vier Monate in alliierte Kriegsgefangenschaft in Italien.401

Die diskursiven Analogien der Passage »[er] musste Militärdienst in der Wehrmacht verrichten« mit dem Zitat des ehemaligen öster­reichischen Bundespräsidenten und Wehrmachtsoffiziers Kurt Waldheim, der behauptet hatte, dass er im Krieg nur seine »Pflicht als Soldat erfüllt« habe, sind frappierend. Dienst und Pflicht tun müssen lauten hier nach wie vor die Schlüsselwörter, während Widerstand und Desertion sprachlich ausgeblendet werden. Ob die Autoren solcher Einträge nun über Webers mutige Verdienste um die Befreiung Öster­reichs Bescheid wussten oder nicht  : Es ist bezeichnend für die gedächtnispolitischen Versäumnisse in diesem Land, dass Webers Beitrag zum Exilwiderstandskampf übersehen oder – wie von Oliver Marchart in der Einleitung dieses Bands beschrieben – einfach verdrängt wurde.402 Dass die Wiedereinrichtung demokratischer Institutionen wie jener des öster­reichischen Bundesrates, dem Weber später selbst angehören sollte, nicht nur den regulären Kampfverbänden der Alliierten, sondern auch desertierten Exilwiderstandskämpfern in amerikanischen und britischen Kriegsgeheimdiensten zu verdanken war, blieb in den hegemonialen Kommunikationsfeldern der Zweiten Republik lange Zeit unausgesprochen. Für diese auffällige öster­reichische Zurückhaltung – Webers OSS-Tätigkeit wurde immerhin von einer ganzen Reihe amerikanischer Geheimdienstliteraten aufgegriffen und nicht nur in englischer Sprache auflagenstark popularisiert – in Bezug auf die Exilwiderstandsaktivitäten desertierter Wehrmachtssoldaten gab es triftige Gründe  : Peter Pirker hat herausgearbeitet, dass das offizielle Öster­reich unmittelbar nach dem Krieg die Tätigkeit der Deserteure in alliierter Uniform zunächst »uneingeschränkt positiv« bewertet hatte. Im Rot-Weiß-Rot-Buch, das den in der Moskauer Deklaration geforderten eigenen Beitrag der Öster­reicher zu ihrer Befreiung dokumentieren sollte, wurden etwa die öster­reichischen Deserteure aufseiten des OSS und der britischen SOE als schlagender Beweis für den öster­reichischen Widerstand gegen NS-Deutschland angeführt. Doch die Wertschätzung der (Exil-)Widerstandskämpfer war nur von kurzer Dauer. Die opportunistische, auf handfesten außenpolitischen Überlegungen (die um die Gunst der Alliierten buhlende Republik erhoffte sich dadurch Vorteile bei den Staatsvertragsverhandlungen) beruhende Darstellung des heroischen Widerstandskämpfers bzw. Deserteurs wurde jedoch rasch durch ein anderes Narrativ 401 »Franz Weber, ÖVP«, in  : http://de.wikipedia.org/wiki/Franz_Weber_%28%C3%96VP%29 (letzter Zugriff  : 19.6.2015). 402 Vgl. Marchart, »Das historisch-politische Gedächtnis«, 29.



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verdrängt. Während die Mehrheit der »braven« Wehrmachtssoldaten innerhalb des Nachkriegsdiskurses rund um die Teilnahme von Öster­reichern am Zweiten Weltkrieg eine Schlüsselstellung erlangte, wurden die Deserteure aufseiten der Alliierten sprachlich und gesellschaftlich ins Abseits gedrängt.403 Kameradschaftsbündler, »Pflichterfüller« und passive »Opfer« des Nationalsozialismus konnten im postnationalsozialistischen Land eher mit Verständnis und Empathie rechnen, Deserteure, »Agenten« und »Banditen« in »Feinduniform« jedoch kaum. Ihre Version der Geschichte wurde nicht gehört, nicht geglaubt oder einfach nur »wegerzählt«  : Innerhalb der öster­reichischen Nachkriegsgesellschaft bekam die »Ansicht von der Desertion als Patriotenpflicht und als Akt des Widerstandes« ebenso wenig positive Resonanz wie das Lob der Kooperation mit den alliierten Armeen, mit Partisanen oder gar an der Schnittstelle von Widerstand und alliierten Geheimdiensten, was sehr rasch mit der negativen Metapher »Agent« belegt wurde. Vielmehr erfolgte in den »langen 1950er Jahren« die gesellschaftliche Rekonstruktion soldatischer Tugenden, die ihren erlebnisgeschichtlichen Anker in den Kriegsjahren, Fronterfahrungen, der Treue zur Wehrmacht und der Rede von der »Pflichterfüllung« fand – ein Prozess, der politisch und institutionell gefördert wurde. Im Zuge dieser kaum bekämpften oder herausgeforderten Entwicklung wurden die in der NS-Zeit radikal strapazierten Metaphern für Deserteure, nämlich »Kameradenschweine«, »Kameradenmörder«, »Feiglinge«, »Gemeinschaftsschädlinge« und »Verräter«, befestigt.404

Für Edgar Ulsamer, den zentralen OSS-Protagonisten des vorherigen Abschnitts, hatte diese fragwürdige gesellschaftliche Entwicklung keine persönliche Bedeutung mehr. So wanderte der ehemalige »Propagandabriefträger« und Fallschirmagent in das Land, für dessen Kriegserfolg er so große Gefahren und Mühen auf sich genommen hatte, aus und arbeitete dort mit großem Erfolg bis ins hohe Alter als Analyst für die US Air Force. Er war nicht, wie auf der einleitend zitierten Kriegsopfer-Homepage vermutet, ein Opfer der Nationalsozialisten. Er war kein victim, sondern wie auch der Gerechtigkeitsfanatiker und kämpferische Demokrat Oliver Schneditz-Rockhill ein victor. Er war ein forscher, sendungsbewusster Akteur des exilöster­reichischen Widerstands. Ein Zeitzeuge, der amerikanischen Autoren wie Joseph Persico (s)eine Geschichte der Selbstermächtigung erzählt hat. Eine Geschichte, die in das historische und kulturelle Gedächtnis seines Geburtslandes leider noch nicht nachhaltig eingeschrieben werden konnte. Der in den letzten Jahren feststellbare gesellschaftliche Wandel in der öffentli403 Pirker, Subversion, 511. 404 Ebd., 512.

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chen Wahrnehmung des (Exil-)Widerstands hin zu einer positiveren Einstellung eröffnet nun die Chance, dies nachhaltig zu ändern.

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Wie schade, dass wir so viele dieser wunderbaren und begabten Menschen […] verloren haben. Dass man sie vertrieben oder umgebracht hat. Und dass es solange gebraucht hat, sie mit offenen Armen zurück zu bitten. Kulturell und intellektuell erholt sich Öster­reich erst langsam und drei Generationen später von diesem Verlust. Elisabeth Scharang, Filmemacherin und Radiomoderatorin, über den exilöster­reichischen US-Soldaten und amerikanischen Film-Impresario Eric Pleskow1 Die Geschichte der Menschen und die Menschen selbst sind es wert, dass sie Anwältinnen und Anwälte der Erinnerung finden. Matthias Opis2

Es ist nahe liegend, dass eine Zusammenfassung über die militärischen und geheimdienstlichen Beiträge von geflohenen Exilöster­reichern in den USA zur Niederringung Hitlerdeutschlands und zur Befreiung ihres (ehemaligen) Heimatlands mit einem Verweis auf jene US-Einheit beginnt, die den Begriff »Austrian« in ihrem Namen trägt. Die Geschichte des »Austrian Battalion«, das vor allem von konservativen und monarchienahen Kreisen in den Vereinigten Staaten initiiert wurde, um in militärischer, aber auch in symbolischer Hinsicht einen genuin öster­ reichischen Beitrag zur amerikanischen Kriegsanstrengung und zur Wiedererrichtung Öster­reichs zu leisten, ist eine Geschichte des politischen Scheiterns  : Die am 27. Mai 1943 in Camp Atterbury, Indiana, vollzogene vorzeitige Auflösung des zu zweifelhafter Berühmtheit gelangten »Habsburg-Bataillons« bedeutete das Ende der einzigen »öster­reichischen« Kampfeinheit der US-Armee während des Zweiten Weltkriegs. Das nicht nur aus Soldaten öster­reichischer bzw. altöster­ reichischer Herkunft, sondern auch aus mehr oder weniger zwangsrekrutierten Süd- und Osteuropäern bestehende Bataillon hätte den nationalen Befreiungskampf des öster­reichischen Exilwiderstandes unter der Schirmherrschaft der US-Armee vorantreiben sollen. Doch dazu kam es nie – das öster­reichische Exil in den Vereinigten Staaten war letztlich viel zu heterogen, viel zu zerstritten, um aufseiten der Anlehnungsmacht USA einen gemeinsamen militärischen Verband 1

»Von Stars und Sternen« [Interview E. Scharang mit Eric Pleskow], in  : http://fm4v2.orf.at/scharang/225629/main.html (letzter Zugriff  : 9.11.2010). 2 Matthias Opis, »Der fremde Blick  : Wozu Geschichte  ?«, in  : Astrid Polz-Watzenig/Matthias Opis/Alois Kölbl/Rainer Bucher (Hgg.), Au contraire. Glaube, Emotion, Vernunft. Klagenfurt, Wien, Ljubljana und Sarajevo  : 2006, 41–54, hier 48.

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im Kampf gegen Hitlerdeutschland aufbieten oder einem voluntaristischen und patriotischen Schulterschluss aller exilöster­reichischen Kräfte Vorschub leisten zu können. Wie diese Studie gezeigt hat, gab es bei den öster­reichischen Flüchtlingen und Auswanderern in den USA mindestens zwei potenzielle Gruppen von Rekruten, die kein Interesse am konservativ-katholischen und monarchienahen Austrian Battalion hatten  : Bei der ersten Gruppe, den wohl mindestens 4.000 öster­ reichstämmigen US-Soldaten jüdischer Herkunft, setzte in der Regel ein rascher Amerikanisierungsprozess ein. Diese zum Großteil aus Wien geflohenen jungen Juden (»the G.I.s of World War II who came alone«3) waren ihrem Gastland dankbar und meist allzu gerne bereit, als US-Soldat in den Krieg zu ziehen. Für sie erwies sich die amerikanische Kriegsmaschinerie als veritable Amerikanisierungsagentur. Aufgrund des in vielen Fällen am eigenen Leib erfahrenen Antisemitismus des »Anschluss«-Jahres 1938 distanzierten sich viele Angehörige dieser Bevölkerungsgruppe sichtlich von dem Identitätskonzept namens Öster­ reich sowie von explizit exilöster­reichischen Aktivitäten. Sie kämpften als jüdische Neo-Amerikaner aus Überzeugung gegen den Unrechtsstaat NS-Deutschland, aber nicht oder kaum mehr für ein wieder zu errichtendes Öster­reich. Die zweite – natürlich nicht ganz von der ersten zu trennende – Gruppe, bestehend aus Sozialisten, Kommunisten, aber auch monarchiekritischen Liberalen und gemäßigten Konservativen, reihte sich in die breite Phalanx der politischen Widersacher ein, die das von Erzherzog Otto von Habsburg und seiner legitimistischen »Entourage« avisierte Bataillonsprojekt ablehnte oder gar mit Vehemenz bekämpfte. Führende Sozialisten, wie die ideologisch völlig starrköpfigen Dauerrevolutionäre Friedrich Adler und Joseph Buttinger oder der eine Spur pragmatischer agierende Julius Deutsch, sahen in einem von »Klerikalfaschisten« und gekrönten Häuptern unterstützten Austrian Battalion ein Menetekel für eine drohende Restauration der Habsburger post bellum. Wie etwa die aus der Feder des Kärntner Sozialisten und nunmehrigen US-Soldaten Joseph Podlipnig stammenden negativen Stimmungsbilder aus dem Inneren des Bataillons in Camp Atterbury gezeigt haben, strahlte die politische Agitation der politischen Führer der Linken weit in das exilöster­reichisch-sozialdemokratische Milieu innerhalb der US-Armee aus. Nicht zuletzt weil viele Sozialisten (zumindest bis zur politischen Wende der Moskauer Deklaration über Öster­reich im November 1943) der Idee eines politischen Zusammenschlusses von Öster­reich und Deutschland unter linken Vorzeichen nicht abgeneigt waren, konnte der Öster­reich-Begriff in diesem Lager wenig Suggestivkraft entfalten. Da das konservativ bzw. legitimistisch inspirierte Selbstermächtigungsnarrativ 3 Laqueur, Generation Exodus, 130.



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einer öster­reichpatriotischen Exilgemeinschaft, die unter der Ägide der US-Armee geschlossen zur Waffe greift, wegen der zuvor erwähnten Grabenkämpfe nicht in die Realität umgesetzt werden konnte, war das Öster­reich-Bataillon für viele Zeitgenossen zum Politikum und für nachfolgende Generationen von (Widerstands-)Historikern zum negativ besetzten Gemeinplatz innerhalb der Exildebatte geworden. Verknüpft man das politisch bedingte militärische Scheitern dieses Exilwiderstandsprojekts mit der militärischen Unbedeutsamkeit des autochthonen Widerstands innerhalb der »Alpen- und Donaugaue«,4 ergibt sich ein nachgerade desperates Bild  : Mit Ausnahme des vor allem vonseiten der Briten massiv unterstützten Partisanenkampfs in Kärnten scheint der öster­reichische Widerstand sowohl von innen wie auch von außen eine vernachlässigbare Größe gewesen zu sein. Die Tatsache, dass die öster­reichische Exil- und Widerstandsforschung bis heute ihr Augenmerk kaum auf die tatsächlich erbrachten militärischen Widerstandsbeiträge von Öster­reichern in den US-Streitkräften und Geheimdiensten, sondern zum Großteil auf die rein ideologisch geführte Debatte über Sinn und Unsinn des Öster­reich-Bataillons und die haarsträubenden Rankünen öster­reichischer Exilpolitiker gelegt hat, verfestigte diesen Eindruck nur noch. So ist etwa in Peter Eppels grundlegender Dokumentation zum öster­reichischen Exil in den USA zwischen 1938 und 1945 die Darstellung der Episode des Austrian Battalion der einzige längere narrative Beitrag über die US-Armee im Kapitel »Militärdienst und Mitarbeit [von Öster­reichern] an der Alliierten Propagandakriegführung«.5 Den von Tausenden exilierten Öster­ reichern in den USA in nahezu allen »units« der amerikanischen Landstreitkräfte (auf dem Schlachtfeld, in der Etappe, in der Versorgungseinheit etc.) erbrachten Beiträgen zur Niederringung des Faschismus und zur Befreiung ihres (ehemaligen) Heimatlandes wurde hingegen erstaunlich wenig Raum gegeben. Die Tatsache, dass Jack Hochwald als Veteran des Öster­reich-Bataillons nach dem vorzeitigen Ende dieser Einheit als US-Geheimdienstoffizier kriegswichtige Dokumente im Frontgebiet sicherstellte oder sein ehemaliger Bataillonskamerad Kurt Bresnitz während der Ardennenschlacht als Frontaufklärer sein Leben riskierte, hat sie nicht mehr historisches und gedächtnispolitisches Gewicht als der politische Streit um einen militärisch völlig irrelevanten Truppenkörper  ? Dennoch wurden die außerhalb des gescheiterten Öster­reich-Bataillons erfolgten, eminenten Verdienste exilöster­reichischer US-Soldaten und Geheimdienstagenten um die Befreiung Öster­reichs mehr oder weniger ignoriert. Von 4 5

Vgl. Pirker, Subversion, 531. Siehe Eppel, Exil, Bd. 2, 7–28. Auch im Dokumentationsteil des von Eppel publizierten Bandes werden vor allem Quellen zur Debatte rund ums Austrian Battalion angeführt. Vgl. ebd., 73–140. Ähnlich Ganglmair, »Öster­reicher«, 523–536.

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Historikern, von Politikern verschiedenster Couleurs und als Folge davon auch von den öster­reichischen Bürgern selbst. Dazu kam das schlechte Gewissen einer Nation, die, sich im dialektischen Spannungsfeld zwischen »Tätervolk« und »erstes Opfer des Nationalsozialismus« befindend, dem anderen Öster­reich gegenüberstand  : Der Exilant oder Deserteur aufseiten der US-Armee galt vielen – nicht nur Wehrmachtsnostalgikern und Rechtsextremen – jahrzehntelang als »Verräter in Feinduniform«, als Störfaktor, der die vermeintliche gesellschaftliche Harmonie während der sozialpartnerlichen »Backhendlzeit« der 50er-Jahre6 bedrohte. Weil er an den unterlassenen Widerstand der Mehrheit der Öster­reicher und die unrühmliche Rolle, die viele Landsleute während er NS-Zeit gespielt hatten, erinnerte, wurde der Widerständler und Deserteur aus dem kollektiven Gedächtnis verdrängt und marginalisiert. Wie die im ersten Kapitel dieses Buchs skizzierten Kriegsbiografien zweier junger Wiener Juden, die einige Monate im Austrian Battalion in Camp Atterbury ausgebildet wurden und danach auf dem europäischen Schlachtfeld gekämpft haben, exemplarisch zeigen, implizierte das vorzeitige Scheitern dieses Bataillons nicht das Ende des Kriegsdienstes der dort stationierten öster­ reichischen Soldaten. Ebenso wenig änderte die Auflösung des Bataillons etwas daran, dass – sehr vorsichtig geschätzt – mindestens 6.000 Öster­reicher in amerikanischer Uniform Hitlerdeutschland und Japan mit der Waffe in der Hand gegenübertraten. Vielmehr profitierte die US Army von der Auflösung dieses militärisch ohnehin unbedeutenden Truppenkörpers, der höchstens als Kuriosum in die amerikanische Militärgeschichte einging  : Vor allem das in diesem Buch detailreich beschriebene Military Intelligence Training Center des militärischen Nachrichtendiensts MID/MIS in Camp Ritchie diente als Sammelbecken für die öster­reichischen Soldaten aus Camp Atterbury, die mit Schlüsselqualifikationen wie der Kenntnis der deutschen bzw. öster­reichischen Sprache, Politik und (Militär-)Kultur aufwarten konnten. Die G-2-Sektion der US-Armee und die gemeinsamen Propagandainstitutionen der Amerikaner und Briten (PWB/AFHQ, PWD/ SHAEF) setzten diese öster­reichischen »Ritchie Boys« in der Folge als Kriegsgefangenenbefrager, Übersetzer, Analysten, Flugblattschreiber sowie in weiteren nachrichtendienstlich relevanten Positionen ein. Auch die Öster­reicher, die in der einzigen US-Gebirgsdivision der amerikanischen Ground Forces dienten, waren begehrte Schlüsselkräfte. Sie wurden von den Rekrutierungsbehörden meist automatisch als erfahrene Skifahrer und Bergsteiger eingestuft. In der Tat wäre ohne sie die anspruchsvolle Ausbildung der Gebirgskrieger der semielitären 10th Mountain Division, die ab 1945 auf dem 6

Dieter A. Binder, »Kabarett und gesellschaftlicher Wandel – Überlegungen zu einer spezifischen Quelle der öster­reichischen Geschichte«, in  : Panagl/Kriechbaumer, Stachel, 79–102, hier 80.



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italienischen Kriegsschauplatz spektakulär in Erscheinung treten sollte, kaum denkbar gewesen. In Hinblick auf den nationalen Identitäts- und Widerstandsdiskurs des öster­reichischen Exils in den USA waren die Nachrichten- und Gebirgstruppen der Amerikaner nicht nur ein Auffangbecken für ehemalige Angehörige des Austrian Battalion und Hunderte andere Exilöster­reicher, sondern sie sorgten auch dafür, dass der von den Legitimisten und Konservativen rund um Otto Habsburg entworfene (und letztlich gescheiterte) Öster­reich-Mythos in modifizierter Form und unter anderen ideologischen Vorzeichen weiterlebte. Während die US-Armee amerikanisierte, amerikapatriotische Immigranten anstelle von zaudernden Öster­reich-Nostalgikern oder renitenten »Bei-uns-niks«7 in ihren Reihen bevorzugte, war in Einheiten wie der 10. Gebirgsdivision just das Öster­reicher-Sein gefragt. Gemeinplätze wie das verklärende Klischee des öster­ reichpatriotischen, freiheitsliebenden und antinationalsozialistischen Bergfexes aus den Tiroler Alpen, der mit grazilen Skischwüngen einen verschneiten Gebirgshang hinabfährt und dabei Waffen und Uniform der amerikanischen Gebirgsjäger trägt, prägen bis heute den mächtigen Mythos der 10. Gebirgsdivision und ihrer (exilöster­reichischen) Protagonisten. Auch im nachrichtendienstlichen und propagandistischen Bereich war das Öster­reicher-Sein vorteilhaft und Öster­reicher galten als gefragte Experten. Die Produktion von Propagandaflugblättern an der Westfront, die sich speziell an Öster­reicher innerhalb der Wehrmacht richteten, wäre etwa ohne die analytische Vorarbeit von öster­ reichstämmigen Verhör- und Nachrichtenoffizieren und die sprachliche Kompetenz von öster­reichischen Flugblattschreibern nicht möglich gewesen.8 Ähnliches trifft auch für die schätzungsweise 250 bis 300 öster­reichstämmigen Mitarbeiter des für unkonventionelle und asymmetrische Kriegführung zuständigen Kriegsgeheimdienstes Office of Strategic Services (OSS), der ein regelrechter Inkubator für exilöster­reichische Widerstandskämpfer und Abenteurernaturen in den USA war, zu. Allein in Washington, D.C. arbeiteten Dutzende emigrierte öster­reichische Geisteswissenschaftler, Juristen und Politiker an kriegsrelevanten nachrichtendienstlichen Studien über Öster­reich und Mitteleuropa. In der sogenannten »Bach Section« des OSS-Außenpostens in London nutzten Exilsozialisten wie Rudolf Anzböck und Heinz Soffner alias Henry Sutton ihr Wissen über die politischen, gesellschaftlichen und kulturellen Spezifika Mitteleuropas sowie ihre Kontakte zu Gewerkschaftskreisen und sozialdemokratischen Zirkeln, um – vergleichsweise erfolgreich – eine Reihe von Fallschirmmissionen und Penetrationsunternehmungen des OSS im Deutschen Reich bzw. in Öster­ reich vorzubereiten. Das OSS produzierte zudem mithilfe von exilöster­reichischen 7 Eppel, Exil, Bd. 1, 251 f. 8 Siehe hierzu Traussnig, Geistiger Widerstand, 244–340.

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Agenten subversive »antipreußische« und proöster­reichische Propagandakommunikate, um die deutsche Herrschaft in Öster­reich zu unterminieren und einem antifaschistischen Öster­reichbewusstsein Vorschub zu leisten. Dies zeigt sich etwa beim psychologischen Schattenkrieg des in Nordafrika gegründeten 2677. OSS-Regiments, der vor allem in und von Italien aus geführt wurde  : Im Rahmen der von öster­reichischen OSS-Multiagenten wie dem ehemaligen französischen Fremdenlegionär Oliver Schneditz-Rockhill mit initiierten und von risikofreudigen Wehrmachtsdeserteuren und nunmehrigen OSS-Agenten wie Edgar Ulsamer durchgeführten Operation SAUERKRAUT waren speziell öster­reichische Wehrmachtssoldaten Adressat aggressiver »schwarzer« US-Propaganda. Obwohl die teilweise spektakulären Beiträge vieler Öster­reicher im OSS, wie auch die Tätigkeiten des US-Kriegsgeheimdienstes insgesamt, keine nennenswerten Widerstandsaktivitäten oder Sabotagewellen in Öster­reich oder innerhalb der Wehrmacht auslösen konnten, kann ihr symbolischer Wert und ihre Bedeutung für den Widerstand nicht hoch genug eingeschätzt werden. Die Tatsache, dass die idealisierte Vorstellung einer wie auch immer gearteten öster­reichpatriotischen Exilwiderstandsbewegung bzw. die mythische Imago des aufrechten Widerstandskämpfers in US-Uniform in Einheiten wie der 10. US-Gebirgsdivision oder in den Öster­reich-Abteilungen des OSS in abgeschwächter Form weiterlebte, darf natürlich nicht über die milieubedingte Brüchigkeit und politische Heterogenität des öster­reichischen Exils innerhalb des US-Kriegsapparates hinwegtäuschen. In der Gruppe der von mir bis dato betrachteten Protagonisten in US-Uniform, etwa 700 an der Zahl, sind »heimattreue«, patriotische oder konservative Öster­reicher, die primär für die Wiedererrichtung Öster­reichs kämpften, gegenüber eher unpolitischen (bzw. tendenziell der Sozialdemokratie nahestehenden) Juden oder internationalistisch-antifaschistisch gesinnten Sozialisten in der Minderzahl. Die bisher von mir gesichteten Militärakten und mündlichen oder schriftlichen Hinterlassenschaften von rund 400 öster­reichischen Juden im US-Kriegsdienst legen den Schluss nahe, dass diese so bedeutende Personengruppe nach 1945 an den mit zahlreichen Antisemiten bevölkerten Staat Öster­reich in der Regel keine guten Erinnerungen hatte. Nach dem Kriegsende und der Wiedererrichtung des Staates Öster­reich zeigten übrigens auch zuvor sehr heimatverbundende Öster­reicher nur mehr wenig Interesse an ihrem Herkunftsland  : Der Wehrmachtsdeserteur, OSS-Propagandist und Fallschirmagent Edgar Ulsamer, der aus jenem Milieu stammte, das am ehesten dem patriotischen Konzept der öster­reichischen Nation im US-Exil anhing, nämlich dem christlichen und konservativ-autoritären (bzw. dem »Austrofaschismus« nahestehenden), kehrte nach dem Krieg nicht mehr zurück. Er emigrierte in die USA. Eine lagerübergreifende und wirkmächtige öster­reichische Identität war im



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Exil bis 1945 nur in Ansätzen erkennbar. Zudem nahmen – im Gegensatz zu den autochthonen Widerstandsgruppen in Öster­reich – nicht alle Exilöster­reicher in den US-Streitkräften freiwillig am Kampf gegen den Nationalsozialismus teil. In den USA galt die allgemeine Wehrpflicht und manche wurden nolens volens zum »Exilwiderstandskämpfer«. Manche wiederum wandten sich als amerikanisierter US-Soldat oder Geheimdienstagent mit Überzeugung gegen den nationalsozialistischen Feind. Der Kampf von außen gegen das Deutsche Reich wurde von ihnen nicht vornehmlich wegen öster­reichpatriotischer Motive gefochten. Dennoch plädiere ich in Anlehnung an den breiten Widerstandsbegriff Wolfgang Neugebauers9 und an Doron Rabinovicis Diktum, dass ein Widerstandskämpfer sich vor allem dadurch auszeichnet, dass er gegen etwas kämpft, und weniger dadurch, dass er für etwas kämpft, dafür, jene Tausenden Exilanten in US-Armee und OSS als »Exilwiderstandskämpfer« zu definieren. Obwohl gerade öster­reichstämmige Juden und auch viele andere Exilanten in den US-Streitkräften vor und nach 1945 wenig Wert auf die Bezeichnung »öster­reichischer Widerstandskämpfer« legten, haben sie aktiv an der Befreiung ihres ehemaligen Heimatlandes vom NS-Regime mitgewirkt. Obgleich breite empirische und quantitative Forschungen zu den Tausenden öster­reichstämmigen Protagonisten im US-Kriegsdienst noch ausstehen, habe ich in diesem Buch versucht, die Geschichte der Exilöster­reicher im amerikanischen Militärapparat des Zweiten Weltkriegs vorsichtig in den nationalen Rahmen des öster­reichischen Widerstands zu integrieren bzw. diesen um eine bisher wenig beachtete transnationale Facette zu bereichern. Es sind Geschichten der Selbstermächtigung von aus Wien geflüchteten und rasch amerikanisierten Juden, die wenige Jahre zuvor noch machtlos im Angesicht nationalsozialistischer Gewalt waren und nun als Soldaten einer alliierten Siegermacht – zumindest kurzfristig – nach Mitteleuropa zurückkehrten  ; Geschichten der ideologisch motivierten, bedingungslosen Kampfbereitschaft von antifaschistischen Exilsozialisten und -kommunisten gegen den NS-Staat  ; Geschichten des desperaten und politisch ungeschickten Ringens konservativ-autoritärer und »patriotischer« Kräfte um ein öster­reichisches Nationalbataillon im Zuge des Widerstandskampfes und um eine starke öster­reichische Identität nach dem Krieg. Aber es ist auch die Geschichte des letztlich doch gemeinsamen Kampfes einer heterogenen Zweckkoalition von Öster­reichern unter amerikanischer Führung. Einer Koalition gegen den nationalsozialistischen Unrechtsstaat, der den Akteuren dieses Buchs ihre bisherige Existenz genommen und ihnen nach dem Leben getrachtet hat. Und genau auf diesem Punkt, nämlich der vehementen und lagerübergreifenden Ablehnung des NS-Regimes und der Bereitschaft, mit der Waffe in der Hand 9 Neugebauer, Widerstand, 15–17.

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aufseiten der Anlehnungsmacht USA gegen Letzteres vorzugehen, beruhen die Legitimation des Begriffs »Exilwiderstandskämpfer« und der bis heute nicht entsprechend gewürdigte historische Verdienst der beteiligten Personen. Wie in der Einleitung dargelegt, hat sich in Öster­reich in diesem gedächtnispolitischen Feld meiner Meinung nach in den letzten Jahren vieles zum Positiven verändert. Vielleicht kann dieses Buch einen weiteren Beitrag zu diesem gewandelten Bewusstsein gegenüber öster­reichischen NS-Gegnern in US-Uniform leisten und mithelfen, deren Vermächtnis im historischen und kulturellen Gedächtnis der Zweiten Republik zu verankern. Die bereits zu Beginn des Werks erwähnte Parabel Leo Lanias vom geflüchteten Öster­reicher, der auszog, um sein (ehemaliges) Heimatland nicht nur vom Nationalsozialismus, sondern auch von historisch gewachsenen und tief verwurzelten Vorurteilen zu befreien, würde dann spät, aber doch, beherzigt werden  : [D]ie noch vor kurzem aus Europa Eingewanderten, [könnten] eine besondere Mission in diesem Krieg […] erfüllen […]  : Nicht nur die Verteidigung ihrer neuen Heimat, der U.S.A., nicht nur die Zerstörung des Hitlerregimes, sondern auch die Befreiung ihrer alten Heimat aus den Fesseln jahrhundertealter Vorurteile. Ich glaube, sie sind ideal gerüstet, Mittler zwischen Amerika und Europa zu sein.10

10 Lania, »Mein Sohn«, 4.

Quellen und Literatur

Primärquellen in Archiven, Bibliotheken und privaten Sammlungen Dokumentationsarchiv des öster­reichischen Widerstandes (DÖW), Wien, Öster ­reich Selektive Aktenbestände zum Themenbereich öster­reichischer (Exil-)Widerstand und US-Kriegsdienst National Archives and Records Administration (NARA), College Park, Maryland, USA Record Group 64  : Records of the National Archives and Records Administration/World War II Enlistment Records (digitalisierter Bestand, online unter aad.archives.gov/aad/ index.jsp abgerufen) Record Group 165  : Records of the War Department General and Special Staffs Record Group 208  : Records of the Office of War Information Record Group 226  : Records of the Office of Strategic Services Record Group 331  : Records of Allied Operational and Occupation Headquarters Record Group 338  : Records of U.S. Army Operational, Tactical, and Support Organizations Record Group 407  : Records of the Adjutant General’s Office Record Group 498  : Records of Headquarters, European Theater of Operations, U.S. Army National Archives and Records Administration (NARA)/National Personnel Records Center (NPRC), St. Louis, Missouri, USA Official Military Personnel Files (U.S. Army) Official Personnel Folders of former Federal civil servants (Office of War Information) Library of Congress (LoC), Washington, D.C., USA American Folklife Center, Veterans History Project Leo Baeck Institute (LBI), New York City, USA Martha Werner Collection Denver Public Library, Denver, Colorado, USA 10th Mountain Division Resource Center Collection Charles Minot Dole Papers The Wiener Library for the Study of the Holocaust & Genocide, London, Großbritannien Paul Hollander  : Personal Papers, 1939–1944

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Quellen und Literatur

Privatbestand Siegfried Beer Hauptsächlich Bestände aus der NARA Record Group 226 (OSS)  ; selektive Bestände aus der Record Group 208 (OWI) und weitere Bestände aus US-Archiven Privatbestand Familie Mayrhofer-Grüenbühl/Schneditz Dokumente, Korrespondenzen und Unterlagen zum OSS-Geheimdienstkrieg in Nordafrika und Südeuropa

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Abkürzungsverzeichnis ABSIE ACIPSS AFHQ ALC AMPC/BEF ANC ASTP ASTU ATC AUS AVOES BBC BIAAS BZÖ C&D CBS CIA CIC CID COI CSDIC DCI DIP DÖW ECAD ECAR FALP FAM FBI FDC FIS FNB FSB G-2 GTE ICD IPW

American Broadcasting Station in Europe Austrian Center for Intelligence, Propaganda and Security Studies Allied Forces Headquarters Austrian Labor Committee Auxiliary Military Pioneer Corps/British Expeditionary Forces Austrian National Committee Army Specialized Training Program Army Specialized Training Unit Army Training Center Army of the United States Auslandsvertretung der öster­reichischen Sozialisten British Broadcasting Corporation Botstiber Institute for Austrian-American Studies Bündnis Zukunft Öster­reich Censorship and Documents Branch (OSS) Columbia Broadcasting System Central Intelligence Agency Counter Intelligence Corps Congress of Industrial Organizations Coordinator of Information Combined Services Detailed Interrogation Centre Director of Central Intelligence Division of Intelligence Procurement Dokumentationsarchiv des öster­reichischen Widerstandes European Civil Affairs Division European Civil Affairs Regiment Foreign Area and Language Program Free Austrian Movement Federal Bureau of Investigation Fire Direction Center Foreign Information Service (COI) Foreign Nationalities Branch (OSS) Federalnaja sluschba besopasnosti Rossijskoi Federazii Nachrichtendienst der US-Armee Groupe de travailleurs étrangers Information Control Division Interrogation of Prisoners of War

348  |

Abkürzungsverzeichnis

ISB ISK LBI LoC MID MIRS MIS MITC MO MTC MTG NARA NKWD NPRC NSDAP NSPS OCS ÖKB OKW ONI OPSAF OSS ÖVP OWI PID PWB/AFHQ PWD/SHAEF PWE PWI R&A RMVE SAJ SDAP SFHQ SHAEF SI SIS SO SOE

Information Services Branch Internationaler Sozialistischer Kampfbund Leo Baeck Institute Library of Congress Military Intelligence Division Military Intelligence Research Section Military Intelligence Service Military Intelligence Training Center Morale Operations Branch (OSS) Mountain Training Center Mountain Training Group National Archives and Records Administration Narodny kommissariat wnutrennich del National Personnel Records Center Nationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei National Ski Patrol System Officers Candidate School Öster­reichischer Kameradschaftsbund Oberkommando der Wehrmacht Office of Naval Intelligence OSS Operations Staff Office of Strategic Services Öster­reichische Volkspartei Office of War Information Political Intelligence Department Psychological Warfare Branch/Allied Forces Headquarters Psychological Warfare Division/Supreme Headquarters Allied Expeditionary Force Political Warfare Executive Psychological Warfare Intelligence Research and Analysis Branch (OSS) Régiment de marche de volontaires étrangers Sozialistische Arbeiterjugend Sozialdemokratische Arbeiterpartei Special Forces Headquarters Supreme Headquarters Allied Expeditionary Force Secret Intelligence Branch (OSS) Secret Intelligence Service Special Operations Branch (OSS) Special Operations Executive

SSU ST USSTAF VOA

Abkürzungsverzeichnis 

Strategic Services Unit Schools and Training Branch (OSS) United States Strategic Airforces in Europe Voice of America

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Abbildungsnachweis Abb. 1  : Local Draft Board No. 38, San Joaquin County, Stockton, California, Selection Note for Hans G. Stein, 16.9.1941, in  : Abb. 1  : Local Draft Board No. 38, San Joaquin County, Stockton, California, Selection Note for Hans G. Stein, 16.9.1941, in  : Records of J. Stewart, Library of Congress, American Folklife Center, Veterans History Project, John Stewart Collection (AFC/2001/001/47237). Abb. 2  : © The Family of Bill Benge, 1560th Service Unit, Signal Corps Photographer, in  : www.indianamilitary.org/Camp%20Atterbury/Austrian%20Bn/Austrian%20BN.htm (letzter Zugriff  : 10.8.2012). Abb. 3  : © The Family of Bill Benge, 1560th Service Unit, Signal Corps Photographer, in  : www.indianamilitary.org (letzter Zugriff  : 17.8.2012). Abb. 4  : © Walter Gallacher, in  : http://immigrantcolorado.blogspot.co.at/2011/11/kurt-­ bresnitz.html (letzter Zugriff  : 8.12.2013). Abb. 5  : US Army, Honorable Discharge of Kurt G. Bresnitz, 9.11.1945. NARA, NPRC, Military Personnel File of Kurt G. Bresnitz, ASN 35124201. Abb. 6  : US Army, Honorable Discharge of Kurt Latzko, 3.4.1946. Library of Congress, American Folklife Center, Veterans History Project, Kurt Latzko Collection (AFC/2001/001/15571). Abb. 7  : US Army, World War II Service Record Booklet of Leo Glueckselig. NARA, NPRC, Military Personnel File of Leo Glueckselig, ASN 32410626. Abb. 8  : Standbild aus der Filmdokumentation von Christian Bauer, The Ritchie Boys (2004), © Tangram Christian Bauer Filmproduction/Camp Ritchie Productions Inc. Abb. 9, 10  : 2nd Lt. Alfred Diamant to C.[ommanding]O.[fficer], F.[ield]I.[ntelligence] D.[epartment] ETOUSA, 23.6.1944. NARA, RG 498, E 100, B 381. Abb 11  : Bert L. Werner, etwa 1946, © Nucamera Studio, Gimbel Bros, New York, NY. Leo Baeck Institute, LBI Photograph Collection, Record ID 828715, in  : http://access. cjh.org/query.php?term=828715&qtype=basic&stype=contains&paging=25&dtype= any&repo=all&go=#1 (letzter Zugriff  : 8.9.2010). Abb. 12  : ASTP US Army, Certificate for Bert L. Werner, 30.10.1943. Leo Baeck Institute, Martha Werner Collection, Series IV  : Berthold Werner, AR 7261, Box 3, Folder 3. Abb. 13  : Civil Affairs Training School at Stanford University, Study on Austria, by B. Werner et al. LBI, M. Werner Collection, Box 3. Abb. 14  : The Denver Public Library, 10th Mountain Division Resource Center Collection, TMD 252, 10th Mountain Division Records, in  : http://digital.denverlibrary.org/cdm/ singleitem/collection/p15330coll22/id/71138/rec/1 (letzter Zugriff  : 8.8.2015). Abb. 15  : The Denver Public Library, 10th Mountain Division Resource Center Collection, TMD 257, Henry C. »Hank« Chase Papers.



Abbildungsnachweis 

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Abb. 16  : Denver Library, 10th, TMD 869, in  : http://digital.denverlibrary.org/cdm/single item/collection/p15330coll22/id/71065/rec/15 (letzter Zugriff  : 8.8.2015). Abb. 17  : Denver Library, 10th, TMD 444, in  : http://digital.denverlibrary.org/cdm/single item/collection/p15330coll22/id/36432/rec/1 (letzter Zugriff  : 8.8.2015). Abb. 18, 19, 20  : Denver Library, 10th, TMD 185 (von Trapp, in  : http://digital.denver library.org/cdm/singleitem/collection/p15330coll22/id/71082/rec/10 (letzter Zugriff  : 8.8.2015), TMD 457 (Korban, in  : http://digital.denverlibrary.org/cdm/singleitem/col lection/p15330coll22/id/36447/rec/1 (letzter Zugriff  : 8.8.2015), und TMD 185 (Gross, in  : http://digital.denverlibrary.org/cdm/singleitem/collection/p15330coll22/id/71086/ rec/4 (letzter Zugriff  : 8.8.2015). Abb. 21  : US Army Separation Qualification Record of Maximilian Gross, ASN, 17.2.1946. NARA, NPRC, Military Personnel File of Maximilian Gross, ASN 32876852. Abb. 22  : R. Anzbock, Camp Hale, Colorado, an J. Buttinger, 11.6.1943. DÖW 18890/1. Abb. 23  : The Denver Public Library, Henry Moscow Collection, TMD 60, 10th Mountain Division Records, in  : http://cdm16079.contentdm.oclc.org/cdm/singleitem/collection/ p15330coll22/id/70642/rec/4 (letzter Zugriff  : 20.7.2015). Abb. 24  : Theodore Lockwood, Mountaineers [Official Unit History of the 10th Mountain Division], Denver  : 1946, 1–65, hier 18. Zitiert in  : WW II Operation Reports, 10th Mountain Division. NARA, RG 407, E 427, B 6519. Abb. 25  : Zeichnung von Jacques Parker, in  : Lockwood, Mountaineers, 14. Abb. 26  : Denver Public Library, 10th, TMD 650, in  : http://digital.denverlibrary.org/cdm/ singleitem/collection/p15330coll22/id/83224/rec/1 (letzter Zugriff  : 8.8.2015). Abb. 27  : Friedl Pfeifer (mit Morten Lund), Nice Goin’. My Life on Skis. Missoula  : 1993, 122. Abb. 28  : © Familie Schneider, in  : http://newenglandskimuseum.org/herbert-schneider-­ 1920-2012/ (letzter Zugriff  : 19.6.2015). Abb. 29  : Personal History Statement for OSS Application of Willibald M. Plöchl, undatiert [vermutlich Anfang 1943]. NARA, RG 226, E 92, B 203, F 37. Abb. 30  : Company Morning Report, 90th Infantry Regiment, ohne Angabe der Kompanie, 10th Light Division, Camp Hale, 1.–20.6.1944. The Denver Public Library, 10th Mountain Division Resource Center Collection, TMD 1, 10th Mountain Division Records. Abb. 31  : Paul Hagen, »Our Allies inside Germany«, in  : Common Sense, September 1942, 294–298, hier 296. NARA, RG 226, E 210, B 70. Abb. 32  : Zitat über Sutton aus Joseph E. Persico, Piercing the Reich. The Penetration of Nazi Germany by American Secret Agents During World War II. New York  : 1979, 53. Bild aus Excerpts from the War Diary of the Secret Intelligence Branch of the Office of Strategic Services (OSS) in London, Vol. 12, Book 1, German Operations, in  : Bradley F. Smith, The Spy Factory and Secret Intelligence (= Covert Warfare, Vol. 2). New York und London  : 1989. 1–129, hier 45, Bildteil.

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Abbildungsnachweis

Abb. 33  : Zitat über Wand aus Personaldokument RAFE-E-70-E, ohne Datum. Bild aus Personal History Statement of Pvt. Rafael Wand, 5.11.1943; beide in OSS Personnel File of Rafael Wand. NARA, RG 226, E 224, B 815. Abb. 34  : Geheime Staatspolizei Koblenz, Warnung, betreffend wiederergriffene arbeitsvertragsbrüchige Ausländer, 24.5.1944, in  : www.fold3.com (letzter Zugriff  : 24.8.2013). Abb. 35  : Porträtfoto in  : Oliver W. Rockhill-Schneditz, US Department of Justice, Permit to Reenter the United States, 29.3.1951. Privatbestand Familie Mayrhofer-Grüenbühl/ Schneditz. Abb. 36  : Récépissé de Demande de Carte d’Identité pour Oliver von Schneditz, 10.7.1939. Privatbestand Schneditz. Abb. 37  : OSS, Company A, 2677th Regiment, Security Pass for Nr. 163 for Oliver Rockhill, Privatbestand Schneditz. Abb. 38  : OSS Report on Sauerkraut Agents, 2677th Regiment/MO to K. D. Mann, Chief MO, 17.10.1944, NARA, RG 226, E 210, B 303. Für die Bereitstellung dieses Akts sei Duncan Bare herzlich gedankt. Abb. 39  : OSS Report on POW Intelligence, O. Rockhill to F. Burkhardt, 5.3.1945. NARA RG 226, E 119, B 7. Abb. 40, 41  : Privatbestand Schneditz. Ob diese Zeichnung auch operativ von OSS/MO eingesetzt wurde, konnte nicht festgestellt werden. Abb. 42  : OSS Data Sheet on Sauerkraut Agent Edgar Ulsamer. NARA, RG 226, E 210, B 204.

Personenregister Ableitinger, Alfred 20 Ackerl, Karl 162 Ackermann, Manfred 226 Addeo, R. 138 Adler, Friedrich 43, 322 Aisenberg, Vera 270 Alexander, Geoff 191 Alt, Franz L. 171, 228 Ambrose, Stephen E. 121, 123, 124 Andrews, Frank M. 237 Angress, Werner T. 132, 133f. Angus, Ian 9 Anzböck, Jean 223 Anzbock, Rudolf, siehe Anzböck, Rudolf Anzböck, Rudolf 20f., 151, 176–178, 211, 217– 230, 240, 244, 248, 249–256, 260–264, 325 Aschkenasy, Leo siehe Askin, Leon Askin, Leon 16, 108 Auer, Theodor 273 Bach, Johann S. 246 Bacon, Francis 299 Baer, Ralph 140 Bank, Kurt J. 196 Barbour, John D. 204f. Bare, Duncan 7, 352 Baru, Herbert T. 240 Bauer, Christian 97, 99f., 102, 116, 122, 134, 150, 190 Bauer, Karl 201 Bauer, Manfred 7 Bauer, Otto 232 Baumgardner, Randy W. 155, 157, 161, 164, 166, 168, 170, 172, 176, 179f., 185, 188, 192–195, 201, 202, 205 Beer, Peter 145 Beer, Siegfried 7, 11, 13, 15, 16, 20, 23, 25, 43, 208, 211, 213, 226, 253, 264, 288, 293f., 298, 306, 316 Beers, Walter 133f. Beevor, Antony 22, 134 Benge, Bill für Seitenzahl zu Benge siehe die Seite mit dem Abbildungsnachweis

Benson, M. 261 Bentwich, Norman 275, 277, 279 Berger, Franz 306, 316 Bergson-Sonnenberg, Anthony 176 Bernstein, Victor H. 72 Billstein, Reinhold 77, 79 Binder, Dieter A. 49f., 324 Birenbaum, Betti 33 Bischof, Günter 97, 120, 155, 182 Bissell, Clayton 99, 102 Blankenhorn, Heber 232 Blois, William F. 299 Bock, Paul 195 Bogia, Roland 85 Böhme, Hermann 272 Boichard 277f. Bollag, Marcel 134 Botz, Gerhard 219 Bowen, R. J. 103f. Bradford, James C. 27, 96 Bradley, Omar N. 111, 123 Breithuber, Johann 290 Bresnitz, Kurt 62–65, 73–81, 89, 91, 323 Bromaghin, Ralph 174 Brown, Anthony Cave 132, 208 Breuer, Gustav Breuer, Joseph 277f. Brooks, E. 244 Bruns, Walter 117 Bucher, Rainer 321 Burger, Hanuš 20, 94, 98f., 100, 102, 104, 150, 281 Burkhardt, Frederick 202, 282, 290, 295f., 297 Busch, Wilhelm 125 Buttinger, Joseph 39, 40, 44, 58–60, 125, 151, 176, 177, 179, 222–224, 226, 227, 228, 232, 253, 322 Candau 277 Caples, Mrs. 234 Casey, William J. 123, 124, 243–245, 262 Celler, Emanuel 46 Chase, Henry C. 4

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Personenregister

Churchill, Winston 49 Clark, Mark W. 152, 182, 183 Clear, Warren 142 Cline, Ray S. 207 Coffman, Edward M. 28 Cole, Ernest siehe Kohl, Emmerich Colson, John 73 Connely, E. 210 Conrad, Vincent J. 37, 42, 44, 54, 64, 71f. Corvo, Max 282, 283 Cranston, Al 46 Crawford, Kenneth G. 273, 275 Cron, L. N.45, 65 Cullin, Michael 9 Cus, Karl 261 Czernin, Ferdinand 38, 43 Cziczatka, Angela 108 Daladier, Edouard 259 Dalton, Hugh 231f., 235f., 238 Daniels, Jack 305 Darlan, François 277 de Cillia, Rudolf 34 de Gaulle, Charles 49 Denis, Jean 256, 258 Derman, Erich 274, 279 Deutsch, Julius 16, 28, 29, 39, 225, 226, 235, 322 Devers, J. L. 237 Diamant, Alfred 20, 32, 34, 58, 93, 95, 106, 130, 131–137, 147 Diamant, Ann Redmon 32, 132 Dole, Charles M. 155, 157, 161, 166, 168, 170, 172, 181 Dollfuß, Engelbert 11, 39, 217, 218–220, 221, 232, 303 Donovan, William J. 208f., 213, 215, 230–232, 234–237, 240, 245, 263 Dorfman, Isaiah S. 237 Dreyfus 116 Duda, Armin 289f. Duffek, Karl 11, 13 Dulles, Allen 232, 233, 234 Dunner, Joseph 146 Dusek, Peter 36 Earle, George F. 191, 192, 193

Eckhardt, Tibor 40 Edelman, Dan 103f. Edwards, I. H. 47 Eisenhower, Dwight D. 121, 122, 276 Eliasberg, Georg 234 Elmer, Peter 176, 184–186, 195, 201f. Elste, Alfred 293 Engel, Ernst 170, 202 Engl, Siegfried 170 Epkenhans, Michael 52 Eppel, Peter 9, 16, 23f., 32f., 37f., 40, 42f., 45–48, 58, 61, 64, 72, 90, 108, 114, 126, 159, 163, 171, 206 Ertel 116 Faragher, John Mack 166 Farkas, Karl 16, 108 Feilchenfeldt, Konrad 50 Ferencz, Hans 176 Feuer, A. B. 178f. Fings, Carola 77 Fink, Hans-Jürgen 97, 106 Finnegan, John Patrick 96f., 99, 148, 192 Fisher, Jr., Ernest F. 198 Fisk, R. 101 Fitch, Lloyd 192 Fitzgerald, John 186 Fleck, Christian 291f. Foeger, Ludwig 165, 170f., 173f., 202 Foitzik, Jan 238 Förster, Stig 52 Forsthuber, Friedrich 7, 222 Freud, Harry 9, 33, 48, 105 Freud, Sigmund 33, 211 Friediger, Charles 43 Friedman, Herbert A. 286 Friedländer, Saul 314 Fritsche, Maria 13 Froelich, Joseph 165, 170 Frucht, Karl 20, 40, 87, 88, 107–121, 123–127, 130, 147 Fry, John 74, 185 Fry, Varian 108f. Ganglmair, Siegwald 24, 37, 323 Ganzlin, K. 128 Gardner-Smith, Brent 73



Personenregister 

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Gavin, S. 134 Gawne, Jonathan 27f., 33, 111 George, Ellen 117 Georgeacopol-Winischhofer, Ute 291 Gerbel, Christian 12 Gerl, Josef 217f, 221f., 253 Germann, Richard 155 Glückselig, Leo 32, 34, 36, 101 Gludovatz, Lorenz 86 Goebbels, Joseph 295f. Göpfert, Rebekka 97, 99f., 102, 116, 122, 134, 150, 190 Göring, Hermann 295 Goldberg, Arthur 177, 217, 224, 232, 234–238, 240f., 290 Goldsmith, Karl 107, 116 Goldner, Franz 37, 39, 42, 44, 47, 48, 65 Grabher, Gudrun 166 Grant, Fred siehe Guschlbauer, Franz Greedy, J. 244 Gregory, D. M. 224 Greiner, Helmuth 189 Greissle, Arnold 65–71 Greissle, Felix 70 Grell, H. H. Giodvad 278 Grischany, Thomas R. 120 Groome, J. 142 Gross, Josef 251 Gross, Maximilian 175–177, 201 Grosse, Peter 233 Grunfeld, Rudolph 113, 114, 119, 124 Guschlbauer, Franz 306–308, 310, 311, 312

Hawrylchak, Sandra H. 50 Hays, George P. 184f., 189, 193, 195 Heideking, Jürgen 18, 213, 215 Hellmann, John 166 Henke, Klaus-Dietmar 76, 77, 78f. Hennig, Andreas 170, 172, 195, 196 Heusser, Martin 166 Hindels, Josef 221 Hitler, Adolf 9, 11, 17, 20, 40, 51, 56f., 67, 69, 71, 73, 98, 121, 123, 125, 130, 132f., 157, 158, 161, 184, 205, 208, 209, 211, 216, 217, 222, 235, 243, 253, 261, 272, 274, 276, 281, 284, 295–298, 300f., 315 Hoag, J. 229 Hobsbawm, Eric 266 Hochwald, Jack 36, 52–55, 57f., 323 Hock, Nicholas 30, 159f., 163, 170, 181 Hodges, Courtney H. 111 Hofer, Franz 259 Hofstätter, Klaus 34 Hölbling, Walter 43 Hollander, Paul 278 Holzner, Johann 37 Horthy, Miklós 40 Hoskins, H. 40 Hughes, H. Stuart 288, 292, 293 Hurlbut, Stephen 172, 224 Huschak, Kurt 277, 278 Hüter, Michael 20, 161, 205

Habe, Hans 94, 103 Hackl, Erich 13 Haderlap, Maja 14 Hagen, Dennis 7, 159, 164, 178, 182, 194, 228 Hagen, Paul 232–236, 247, 254 Hagemann, Karen 52 Hamann, Brigitte 109, 126 Hampton, Charles M. 152 Hampton, Henry 190 Handel, Leo A. 190f., 198f., 200, 201 Hanisch, Ernst 10, 11, 24, 219, 286, 315f. Harris, Eric A. 267, 268, 269f., 278, 294 Harrison 241 Hauff, William 135

Jäckel, Eberhard 272 Janßen, Karl-Heinz 209 Jay, John 156f., 160, 165, 169f., 172, 173, 174 Jenkins, McKay 157–160, 167f., 175, 179f., 184, 198, 228 Jenning, Deveraux 190 Jolis, Albert 163, 238 Jones, Lloyd 181 Joseph, Margarete 32, 93 Jung, Carl Gustav 210 Jungk, Robert 16 Just, Heinz 176

Imbrie, John 181 Immerman, Richard H. 121, 123, 124

Kafka, Franz 26

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Personenregister

Kafka, Helene 14 Kahn, David 115 Kampl, Siegfried 14 Kargl, Maria 34 Karlweis, Oscar 108 Karner, Stefan 11, 13, 97, 208, 306 Karras, Steven 36, 55, 104f., 107, 116, 137, 140 Katzenstein, William 104 Keefer, Louis E. 48, 76 Keegan, John 28, 183, 186 Keller, Greta 16 Kerby, Henry 215 Kersche, Gregor 311 Kesselring, Albert 182, 197, 200, 201, 283 Kleibel, Caroline 10, 57, 91 Klein, Kurt 105 Knapp, Charles J. 195, 196 Knightley, Phillip 207, 215 Knowlton, Steve 190 Koch, Magnus 13 Kohl, Emmerich 13, 15, 299, 316f. Kolm, Henry F. 116 Kölbl, Alois 321 König, Berthold 237 König, Jules 311 Korban, Otto 164, 175f., 178, 197 Koren, Franz 292 Koschat, Michael 293 Kovacs, Edmond 182, 193f. Kramer, Fritz 161–163, 164, 170, 183, 190, 196, 204, 205 Kreisler, Georg 97, 104, 106 Kriechbaumer, Robert 286, 324 Krieser, Curt 176 Kriz, Karl 280 Krohn, Claus-Dieter 270 Kugler, Anita 77 Kuh, Anton 108 Lackner, Robert 7 Lafferty, Paul 172 Lang, Otto 174 Langer, William 210, 288, 296 Langthaler, Monika 315 Lania, Leo 9, 328 Laqueur, Walter 9, 60, 75, 98, 151, 204, 322 Latzko, Ernst 65, 82

Latzko, Grete 82 Latzko, Kurt 43, 64f., 81–89, 91, 115 Laugeloh, Robert H. 179 Laurie, Clayton D. 103, 146, 210f., 281f., 284f., 287 Layton, Victor J. 242, 243 Lebrecht, Ferdinand 174 Lechner, Manfred 12 Lehmann, Oscar 284 Leichter, Otto 280 Lerner, Daniel 101, 102, 233 Lerner, Maximilian 105 Levis, Nicholas 77 Lewis, Norman 184 Liebhart, Karin 34 Linder, Edmund F. 209, 212, 282f., 287, 306 Lindner, Edmund siehe Linder, Edmund F. Lindley, A. 172 Lockwood, Theodore 186, 187 Loewe-Levai, Eric siehe Harris, Eric A. Lorenz, Dagmar C. G. 12 Lorrain, Claude 186 Lund, Morten 151 Lunday, Philip A. 152 Luža, Radomír 12, 49 Lynch, Doria Marie 240, 245 MacPherson, Nelson 240, 242–244 Maginnis, John J. 77 Maguire, J. 76 Mann, Klaus 105 Manoschek, Walter 13 Marchart, Oliver 11, 318 Marcuse, Herbert 210 Marquardt-Bigman, Petra 209, 288 Marshall, George 28, 47, 96, 155, 180f. Mauch, Christof 18, 208f., 210, 213, 215, 232–235, 237, 238, 242f., 247, 263, 282f., 285, 287f., 297 Mauksch, Hans O. 140, 142 Mautner, Karl 57f., 131f. Mayr, Hubert 15 Mayrhofer-Grüenbühl, Monique 267f., 270f., 276, 280 Mayrhofer-Grüenbühl, Wolfgang 264f., 270, 274–276, 298, 299, 300 McCulloch, John 281, 294, 304f.

Mecklenburg, Frank 138f., 147 Mehring, Walter 108 Merritt, Dick 64 Merzbach, Uta C. 76 Messner, Franz J. 217 Metternich, Clemens W. L. 11 Metzl, Lothar 212 Metzler, Hannes 13 Michels, Eckard 271, 274, 277 Miklas, Wilhelm 221 Miller, H. 196 Miller, K. 229 Molden, Fritz 217, 242 Moll, Martin 20 Moll, Sebastian 184, 186 Mosk, Edward 280 Muchitsch, Wolfgang 279 Muigg, Mario 182, 254 Münkler, Herfried 166 Munk, Walter H. 30, 31 Mussolini, Benito 194 Naftali, Timothy 182 Nassau, Peter L. 4, 163f., 178f., 192–195, 197, 202 Nestroy, Johann 67 Neugebauer, Karl-Volker 272f. Neugebauer, Wolfgang 24, 33, 35, 43, 218, 327 Neumann, Richard siehe Norman, Richard L. Neuron, Walter 170 Norman, Felix 176 Norman, Richard L. 152–154, 176, 188, 201f. Novy, Franz 238 Nugent, David 140 O’Donnell, Patrick K. 216, 315 Öhner, Vrääth 12 Ogris, Alfred 291 Opis, Matthias 321 Orwell, George 9, 17 Orwell, Sonia 9 Osim, Ferdinand 284 Osterhammel, Jürgen 167 Overy, Richard 28, 114, 147 Padover, Saul K. 82, 120, 183 Panagl, Oswald 286, 324

Personenregister 

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Parker, Jacques [siehe Abbildungsverzeichnis] Pascher, Hans 306–309, 312 Patterson, John 77 Patton, George S. 85, 126, 128 Paul, Gerhard 270 Pauli, Hertha 107 Payne, Stanley G. 219 Pendleton, Henry McE. 78 Persico, Joseph E. 216, 217, 232, 235, 245, 249, 252, 259, 260, 294, 300–303, 304, 305f., 307, 308, 310, 311, 312–314, 319 Petzoldt, Paul 190 Pfanner, Helmut F. 37 Pfeifer, Friedl 20, 151, 158f., 165, 167, 170f., 172, 173, 174, 175, 181, 185, 190, 197f., 201f., 205 Pichler, Alfred 291 Pirker, Peter 7, 13, 15, 18, 22, 43, 49, 92, 213– 215, 217, 231, 232, 234, 238, 240, 253, 281, 318, 319, 323 Pistor, Gerhart 234, 268 Plasser, Fritz 120 Pleskow, Eric 16, 321 Plöchl, Willibald M. 16, 210f., 288 Polz-Watzenig, Astrid 321 Poole, Dewitt C. 43, 214, 235, 236 Porch, Douglas 271 Porges, Karl 163, 170, 176, 177f., 179f., 224, 225, 228, 230 Posselt, Alfred M. 23 Poulos, C. 46 Prager, Walter 162, 190 Prawy, Marcel F. H. 36, 104 Prelinger, Rick 191 Preses, Peter 16 Rabinovici, Doron 217–219, 220, 327 Radetzky von Radetz, Joseph W. 67 Raimund, Ferdinand 67 Rathkolb, Oliver 24 Ratz, Joseph 274 Rausch, Josef 291f. Reisigl, Martin 34 Rempel, Byron 158 Renner, Karl 50 Rettl, Lisa 13 Reynaud, Paul 259

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Personenregister

Riedl, Joachim 47 Riefenstahl, Leni 158, 159 Rockhill, Dorothy 268, 270, 271, 275, 278 Rockhill, Oliver W. siehe Schneditz, Oliver Rockhill, William W. 267 Rolfe, Onslow 159f. Röhr, Hans E. 127 Römer, Felix 120 Roosevelt, Franklin D. 28, 35f., 40, 43, 46f., 49, 54, 65, 90, 95, 294 Rosegger, Peter 67 Roth, Joseph 108 Roth, Paul W. 291 Rott, Hans 40, 42, 60 Roucek, Joseph S. 40, 42, 45, 51, 72 Rudinger, Ernest 176, 188 Rundt, Stefan 243 Ruschp, Sepp 162 Rust, M. E. 119 Sabitzer, Werner 315 Sachs, John 159f. Sahm, Hans 156 Said, Edward 204f. Sanders, Charles J. 159, 163, 165, 170, 172, 174f. Sanitzer, Johann 302, 307, 308, 310, 311, 312 Sayre, Ford 162 Schafranek, Hans 7, 11, 238f., 302, 310f. Scharang, Elisabeth 321 Scheichl, Sigurd Paul 37 Scheer, Maximilian 273 Schetsche, Michael 150 Schick, Peter 60f. Schick, Walter 60f. Schimmerl, Kurt 48 Schneditz, Daniel 267f., 270f., 276 Schneditz, Oliver 21, 127, 202, 264–283, 285– 300, 305f., 319, 326 Schneditz, Oskar 268, 276 Schneditz, Paul 276 Schneditz, Thomas 268, 270f., 276, 280 Schneditz-Bolfras, Erasmus 268 Schneider, Hannes 158f., 165, 170f., 175, 205 Schneider, Herbert 159, 170f., 173, 175, 181, 183, 185, 193, 201–203, 205 Schoenstedt, Walter 34

Schomann, Stefan 158 Schön, Franz 118–120 Schönberg, Arnold 66, 70 Schramm, Percy Ernst 189 Schretter, Bernhard 313 Schüller, Richard 42 Schuschnigg, Kurt 31, 219f. 222 Schwab, Gerald 216, 313, 314, 315 Schwab, Henry 104 Sebba, Gregor 43 Seufert, Michael 97, 106 Sevareid, Eric 108f. Shelton, Peter 152, 157f., 165, 172–175, 180f., 185f., 197, 200, 202, 204 Sieder, Reinhard 24 Simon, Hans 214 Simon, Joseph T. 42f., 93, 103, 105f., 201, 219, 243, 251, 252–254, 256, 263 Simons, W. H. B. 275 Smets, Jan 256, 258, 260 Smith, Bradley F. 239, 241, 299 Smith, Walter B. 180 Soffner, Heinz siehe Sutton, Henry Soley, Lawrence C. 212 Sollfrank, Alexander 156 Söllner, Alfons 208, 216, 263, 288 Spalek, John M. 50 Spiller, Ronald L. 27f. Stadler, Karl R. 218 Stalin, Josef 70, 217, 234 Steel, Johannes 43 Stein, Hans G. siehe Stewart John G. Steinbach, Peter 11, 18 Steiner, Ines 12 Steiner, Rudolf 259f. Steinmetz, Bernhard 198 Stelzl-Marx, Barbara 97, 120 Sterk, Georg 292 Stern, Guy 98, 103, 107, 108, 112f., 115, 125, 190 Sternfeld, Albert 29, 35, 49 Sternfeld, Paul E. 117 Stewart, John G. 27, 30, 113 Stiefel, Ernst C. 138f., 147 Stillfried, Alfons 11 Stimson, Henry 40f., 46, 54, 65, 156 Strauss, Johann 67

Strohmaier, Paul 293 Strutz, Andrea 12 Sutton, Henry 246–248, 249, 251, 252, 254, 256, 325 Szajkowski, Zosa 128, 271, 273–275 Tálos, Emmerich 24 Tappin, J. 161 Taurer, Bernhard 234 Taylor, Frederick 42 Taylor, Jack 303, 307–312 Teper, Lazare 246, 249 Thalberg, Hans 49 Thayer, Charles 298 Thompson, Dorothy 46 Thompson, R. 246, 250 Tokle, Torger 172, 190 Torberg, Friedrich 109 Tower, Bernard siehe Taurer, Bernhard Trask, David F. 96 Traussnig, Florian 19f., 103, 106, 120, 127, 130, 132, 205, 209, 212, 264, 283f., 294, 306, 315, 325 Traynor, Donald E. 193 Troller, Georg Stefan 26, 61f., 86, 116f. Truscott, Lucian 185 Tschol, Otto 170f. Tuchel, Johannes 11, 238 Turner, Frederick Jackson 166–168 Uhl, Alexander H. 71, 72 Uhl, Heidemarie 12 Ulio, James 157 Ulmer, Alfred 280, 289, 313 Ulrich, Rudolf 108 Ulsamer, Edgar E. 21, 212, 294,300–312, 315f., 319, 326 Ulsamer, Herta 303, 310 Ulsamer, Karl 303f. Van Arkel, Gerald 244, 279f. Van de Water, Marjorie 230 Van Creveld, Martin 28, 33, 98, 155, 170, 225 Verber, Otto 114 Verdnik, Alexander 7, 266, 291 Viertel, Berthold 16 Viertel, Peter 240

Personenregister 

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Vogel, L. 122 von Habsburg, Carl L. 43, 45, 47, 50, 54, 56f., 91, 92 von Habsburg, Felix 43, 45, 47, 54–58, 91, 92 von Habsburg, Franz Joseph 11 von Habsburg, Otto 19, 36f., 40–47, 49f., 52, 54f., 57f., 60–62, 64, 66–69, 71f., 90–92, 210, 322, 325 von Habsburg, Rudolph 43, 49, 50, 54–57, 91 von Mohnen, Ernst 295, 296f. von Ribbentrop, Joachim 295f. von Rundstedt, Gerd 78, 121, 123 von Schneditz, Gilbert 266f., 272, 275f., 297 von Schneditz, Oliver siehe Schneditz, Oliver von Schneditz-Rockhill, Margarete 267 von Schuschnigg, Kurt 31, 219f., 222 von Schuschnigg, Walter 42 von Senger und Etterlin, Frido 197 von Starhemberg, Rüdiger 39f. von Trapp, Werner 16, 48, 57, 170, 175 von Trapp, Rupert 170 von zur Mühlen, Patrick 270 Vormeier, Barbara 270 Wadani, Richard 13, 14 Wadl, Wilhelm 7, 291 Wagner-Trenkwitz, Christoph 36 Wagnleitner, Reinhold 43 Waller, Douglas C. 208 Walther von der Vogelweide 98 Walz, L. Humphrey 138 Wand, Ralph 226, 229, 244, 246, 248, 249, 250f. Warner, Eugene 285, 286 Weber, Franz 313–318 Wehdorn, Manfred 291 Weinicke, Christian 116 Wentworth 259 Weinsaft, Harry 176 Werfel, Franz 109 Werner, Bert L. 137–143, 145–147 Werner, Martha 137f., 140, 141f., 145f. West, James D. 45, 56 Wichmann, Robert 280 Wiesmüller, Wolfgang 37 Wilson, Ross 190 Wilson, John B. 84, 180f. Wilson, T. 163, 226

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Personenregister

Winckler, Lutz 270 Winkler, Ernst 237 Winter, Bud 175 Winter, Ernst F. 9–11, 57, 90, 171 Winter, Ernst K. 38, 57, 90f. Winter, Philipp 176, 178, 196, 200 Wodak, Ruth 34 Wolf, Julius 126–130, 147 Woodruff, John B. 153 Woodrum, Robert 84 Woodward, John 160 Wright, Phillip D. 129

Wüster, Adolf 295 Wurm 65 Wurtele, Rhoda 158 Wurtele, Rhona 158 Wutte, Janez 291 Younger, Kenneth 278, 279 Zagajsek, Johann 156 Zagovec, Rafael A. 97, 99, 113–115, 149 Zausmer, Otto 145f. Zernatto, Guido 42, 159