Geistiger Widerstand von außen: Österreicher in US-Propagandainstitutionen im Zweiten Weltkrieg 9783205204558, 9783205203827


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German Pages [404] Year 2017

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Geistiger Widerstand von außen: Österreicher in US-Propagandainstitutionen im Zweiten Weltkrieg
 9783205204558, 9783205203827

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Florian Traussnig

Geistiger Widerstand von außen Österreicher in US-Propagandainstitutionen im Zweiten Weltkrieg

2017 BÖHLAU VER LAG W IEN KÖLN WEIM AR

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"--. EUROPA "- INTEGRATION ÄUSSERES

BUNDESMINISTERIUM REPUBLIK ÖSTERREICH

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Gedruckt mit der Unterstützung durch: Bundesministerium für Europa, Integration und Äußeres Zukunftsfonds der Republik Österreich Österreichische Forschungsgemeinschaft MA 7, Kulturabteilung der Stadt Wien Stadtgemeinde Wolfsberg

© 2017 by Böhlau Verlag Ges.m.b.H & Co. KG, Wien Köln Weimar Wiesingerstraße 1, A-1010 Wien, www.boehlau-verlag.com Umschlagabbildung  : Left to right, T/5 Fred Lorenz, NY and M R B Co.; Mr. David Hertz, PPW, 12th Army Group of Los Angeles, CA; and T/3 Benno D. Frank, New York, NY, broadcast to Germany from Radio Lux, Luxembourg. © L. Tom Perry Special Collections. Harold B. Lee Library, Brigham Young University, Provo, Utah. Alle Rechte vorbehalten. Dieses Werk ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist unzulässig. Lektorat  : Rainer Landvogt, Hanau Umschlaggestaltung  : Michael Haderer, Wien Satz  : Michael Rauscher, Wien Druck und Bindung  : Generaldruckerei, Szeged Gedruckt auf chlor- und säurefrei gebleichtem Papier Printed in the EU ISBN 978-3-205-20382-7

Inhalt

Danksagung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  9 Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11 1 Österreicher im Office of War Information (OWI) . . . . . . . . . . . . . . 33 1.1 »Wir werden Ihnen täglich die Wahrheit sagen« – Die weiße Propaganda des OWI . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 33 1.2 »Dem Nazi ane rechts und ane links« – Die populistische Gemütlichkeitspropa­ganda des OWI Austrian Desk. . . . . . . . . . . 38 1.2.1 Die Anfänge der deutschsprachigen US-Radiopropa­ganda im Zweiten Weltkrieg. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.2.2 »[It] looked as though revolt was near in Austria« – Österreicher als Zielgruppe. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.2.3 Problemfelder der österreichischen Gemütlichkeitspropa­ganda . . . . 1.2.4 Resümee. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.2.5 Fallstudie  : Schöpfer von volkstümlichen Rundfunksatiren – Arthur Steiner. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.2.6 Fallstudie  : Exilsozialist und eine Stimme Amerikas – Julius Deutsch .

1.3 »… impossible to locate another designer of his caliber« – Henry Koerner als Plakatkünstler an der amerikanischen »Heimatfront«. . 1.3.1 Propagandakünstler im OWI . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.3.2 Die Campaign on Waste Kitchen Fats. . . . . . . . . . . . . . . . 1.3.3 Bildlinguistische Detailanalyse  : Koerners Save-Waste-Fats-Poster . .

. . . .

44 47 60 73 76 81 95 105 119 122

1.3.4 »Again, things were made possible for me« – Soldat, Geheimdienstfotograf und Zeichner bei den Nürnberger Prozessen .. 136 1.3.5 Resümee. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 140

2 Österreicher im Office of Strategic Services (OSS) . . . . . . . . . . . . 2.1 Machiavellistisch, »schmutzig« und hochgradig kreativ  : Die schwarze Propaganda des OSS . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2 »SAUERKRAUT« und Sexbilder – Die psychologischen Tricks und Operationen des Eddie Linder . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2.1 Medizinstudent, Fremdenlegionär und »Multiagent« des OSS . . .

. . 145 . . 145 . . 153 . . 155

2.2.2 Bildlinguistische Detailanalyse  : Sex-Flugblätter als »Büchsenöffner für Gehirne«  ? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 174 2.2.3 Resümee. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 198

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Inhalt

2.2.4 Fallstudie  : Freiwilliger OSS-Agent und Flugblatt-»Briefträger« – Franz Berger. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 201

2.3 »Swing Them to Death« – Der defätistische Sirenengesang Vilma Kuerers im subversiven Radiokrieg gegen die deutsche Wehrmacht .. 213 2.3.1 Ein ungewöhnlicher Soldatensender für kriegsmüde Landser. . . . . . 217 2.3.2 »The vigorous musical culture that can flourish in a democratic society« als verlockende Alternative zum deutschnationalen Einheitsbrei . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.3.3 Fallstudie  : Vom Wiener Brettl-Literaten zum Rundfunklibrettisten des US-Kriegsgeheimdiensts – Lothar Metzl.. . . . . . . . . . . . 2.3.4 Die Reaktion der Rezipienten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.3.5 »Nicht allein die Nacht kann dunkel sein, sondern auch der Klang einer Stimme« – Vilma Kuerer als »black voice« des OSS. . . . . . . 2.3.6 Resümee. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

. 226 . 231 . 237 . 241 . 260

3 Österreicher in den Propagandaabteilungen der US-Armee . . . . . . . . . 263 3.1 Vom ungeliebten Stiefkind zur bedeutenden Auxiliarwaffe im Feld  : Die pragmatische und lebensnahe Propaganda der US-­ Armee . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 263 3.2 Artillerist im Pazifik, »Ritchie Boy« in den Bergen Marylands und Experte für die »Feindmoral« an der Westfront – Jacob Tennenbaum .268 3.2.1 Camp Ritchie – Nachrichtendienstliches Kreativlabor und babylonischer Turm der exileuropäischen Intelligenz . . . . . . . . 3.2.2 »Our motto was be unprepared« – Dienst als PropagandaNachrichtenoffizier in der Second Mobile Radio Broadcasting Company . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.2.3 Moralanalyst im Psychological Warfare Combat Team der 1. USArmee . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.2.4 Detailanalyse  : Der Weekly Intelligence Report for Psychological Warfare . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.2.5 Resümee. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.2.6 Fallstudie  : »They are going to drive us crazy« – Fred Lorenz, schelmischer Radiosprecher der PWD/SHAEF . . . . . . . . . . . . 3.2.7 Fallstudie  : »Unsere alte Heimat vom fremden Joch befreien« – Otto de Pasetti vom Austrian Radio der PWB/AFHQ.. . . . . . . . . . .

. 270 . 277 . 293 . 303 . 337 . 341 . 353

Schlusswort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 363 Quellen und Bibliografie. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 371 Primärquellen in Archiven, Bibliotheken und privaten Sammlungen.. . . 371



Inhalt 

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Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 372 Zeitungen und nichtwissenschaftliche Periodika. . . . . . . . . . . . . . . 388 Internetquellen.. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 389 Abkürzungsverzeichnis. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 391 Abbildungsnachweis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 393 Personenregister.. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 397

Danksagung

Der Weg, den ich während der Arbeit an diesem Werk zurückgelegt habe, war ein schöner, oft sogar ein aufregender. Manchmal jedoch war er auch steinig und mühsam. Ich möchte allen Fach- und Arbeitskollegen sowie Freunden und Familienmitgliedern, die mich in diesen Jahren in irgendeiner Form unterstützt haben, herzlich danken. Dem Betreuer dieser hier in überarbeiteter und aktualisierter Form vorliegenden Doktorarbeit, Siegfried Beer, bin ich zu großem Dank verpflichtet. Von seiner fachlichen Expertise und seiner Lebenserfahrung habe ich als Jungwissenschaftler sehr profitiert. Die von ihm ermöglichte Einbindung in das Forschungsprojekt, das mit der vorliegenden Studie eng verknüpft ist, und die zahlreichen Archivmaterialien, die er mir zur Verfügung stellte, möchte ich an dieser Stelle besonders hervorheben. Auch dem Dekanat der Geisteswissenschaftlichen Fakultät der Karl-Franzens-Universität Graz, das durch ein Stipendium diese Arbeit über weite Teile finanziert hat, bin ich zutiefst verbunden. Für hilfreiche fachliche Hinweise und/oder die Bereitstellung von Literatur oder Quellenmaterialien danke ich weiters Gudrun Bachleitner-Held, Duncan Bare, Manfred Bauer, Herbert Friedman, Wolfgang Göderle, Klaus Kirchner, Joseph L. Koerner, Robert Lackner, Martin Moll und Lee Richards. Weiters möchte ich mich bei Elisabeth Dechant und Ursula Huber vom Böhlau Verlag für die Unterstützung bei der Veröffentlichung dieses Buchs und die bereits seit längerer Zeit anhaltend gute Zusammenarbeit bedanken. Für Druckkostenzuschüsse danke ich der Stadt Wien, der Stadtgemeinde Wolfsberg, dem Bundesministerium für Europa, Integration und Äußeres, der Österreichischen Forschungsgemeinschaft und dem Zukunftsfonds der Republik Österreich herzlich. Meinen Eltern, Anneliese und Karl Traußnig, gebührt bei dieser Aufzählung von Namen und Verbundenheiten ein besonderer Platz. Sie haben mich immer ermutigt, den von mir gewählten Weg konsequent zu gehen, und mich in jeder möglichen Form – ob moralisch oder materiell – unterstützt. Zu guter Letzt will ich dieses Buch einer bestimmten Person widmen, deren Verständnis, Empathie und Nachsicht während der Arbeiten an diesem Buch manchmal wohl über Gebühr strapaziert worden sind: meiner Frau Katja.

Einleitung

Ein Papierbündel am Wegesrand An einem Spätsommertag im September 1944 stieß eine vierköpfige Streife von deutschen Wehrmachtssoldaten nahe dem Ort Ceretto in der norditalienischen Region Emilia-Romagna auf ein am Wegesrand liegendes Papierbündel, dessen Herkunft ungeklärt war. Die neugierigen Landser begannen umgehend damit, die vorgefundenen Druckwerke, bestehend aus Flugblättern, Zeitschriften und anderen Schriftstücken, die in deutscher Sprache verfasst waren und sich an die Wehrmachtstruppen am italienischen Kriegsschauplatz richteten, zu inspizieren und zu lesen. Unmittelbar danach brachen sie in hitzige Diskussionen aus und rannten hektisch in Richtung Bologna, der nächsten größeren Stadt. Einer der Soldaten warf sogar sein Gewehr zu Boden, bevor er sich wie seine anderen Kameraden davonmachte  : They seemed very excited and one rifleman dropped his rifle and kept on running.1

Was war der Grund für all die Aufregung  ? Schenkt man dem eben zitierten amerikanischen Geheimdienstbericht, der sich auf Augenzeugenaussagen amerikanischer Spezialagenten beruft, Glauben, dann reagierte die deutsche Streife »positiv« auf Propaganda. Auf Propaganda, die aus der Hand des alliierten Feindes stammte. Eines Feindes, der der Wehrmacht auf der anderen Seite der Front mit der amerikanischen 5. Armee und der britischen 8. Armee gegenüberstand und dessen Propagandaabteilungen unablässig daran arbeiteten, die Kampfmoral der deutschen Truppe zu untergraben. Der vierköpfige Wehrmachtstrupp verhielt sich in etwa so, wie es sich die Verfasser der Texte, auf die wir in der Folge noch näher eingehen werden, erhofft hatten. Nämlich mit Verunsicherung. Die deutschen Soldaten waren vielleicht deshalb beunruhigt und rannten davon, weil sie mit anderen Kameraden ihrer Kompanie über den Inhalt der eben gelesenen Propagandamaterialien diskutieren wollten. Vielleicht überlegten sie gar, zu desertieren und der deutschen Kriegsmaschinerie (die sich in dieser Phase des Zweiten Weltkriegs ohnehin im Niedergang befand) den Rücken zu kehren. Vielleicht – 1

1st Lt. J. Daniels, MO Branch, OSS Headquarters Detachment, 2677th Regiment, Report on MISSION SAUERKRAUT II on each Team, 17.9.1944, Team #3, 7–10. National Archives and Records Administration [NARA], R[ecord]G[roup] 226, E[ntry] 210, B[ox] 204.

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Einleitung

und das ist das wahrscheinlichste Szenario – handelte es sich aber auch nur um einen flüchtigen Gemütszustand, der bald nach dem Lesen der mysteriösen und beunruhigenden Flugblätter wieder abebbte und auf die Diensteifrigkeit der vier Kameraden und ihre Loyalität zur Wehrmacht und zum »Führer« keinen Einfluss hatte. Über die weiteren Handlungen, die die Soldaten nach dem Lesen der feindlichen Flugblätter gesetzt hatten, und die Gedanken, die ihnen dabei durch den Kopf gegangen waren, lässt sich aus heutiger Sicht nur spekulieren. Lediglich die im eingangs zitierten Geheimdienstreport festgehaltene Aussage, dass die Lektüre der alliierten Propaganda bei den Rezipienten für einen gewissen Aufruhr sorgte, ist heute überliefert. Obwohl wir aus der historischen Perspektive kaum beurteilen können, welche langfristigen Wirkungen die erwähnte psychologische Attacke auf die Adressaten hatte, wissen wir sehr viel über das, was sie angeblich kurzfristig in einen Zustand der Erregung und Verunsicherung versetzte, und sehr viel über diejenigen, die für die Gestaltung dieser Propaganda verantwortlich waren. Die Aufregung der Soldaten erklärt sich zunächst vor allem aus dem Inhalt der rätselhaften Druckwerke, die sie neben der Straße aufgelesen hatten. Diese waren von der sogenannten Morale Operations Branch des amerikanischen Kriegsgeheimdienstes Office of Strategic Services (Amt für strategische Dienste, OSS) kreierte Desinformationstexte. Sie beruhten auf dem Konzept der »schwarzen Propaganda«. Das heißt, die amerikanischen Propagandisten versuchten bewusst ihre Urheberschaft in Bezug auf das von ihnen produzierte Medienprodukt zu verschleiern. Die Autoren des OSS, der nicht nur ein Geheimdienst, sondern auch eine Propagandaorganisation war, wollten bei den Lesern nicht den Eindruck erwecken, dass es sich um »Feindpropa­ganda« handelte, und täuschten ihnen daher eine deutsche bzw. national­sozialistische Herkunft der Texte vor. Die deutschsprachigen Mitarbeiter des OSS, die über Sprache und Mentalität der feindlichen Adressaten genaue Kenntnisse hatten, versuchten mit sehr viel Einfallsreichtum und allen verfügbaren Mitteln (dazu gehörten hochgradig subversive und unorthodoxe Methoden aller Art sowie Übertreibungen, Lügen, Fälschungen, Einschüchterungen usw.) ihren Gegner zu demoralisieren, zu brechen und kampfunfähig zu machen. Unter den Texten, die im Zuge der hier angesprochenen Operation des OSS im deutschen Frontsektor in Italien verbreitet wurden und die die vier neugierigen Patrouillengänger angeblich dazu gebracht haben, aufgeregt durch die Gegend zu rennen und jegliche Soldatendisziplin zu missachten, befand sich ein auf September 1944 datierter Aufruf an die deutschen Offiziere. Es handelte sich dabei um eine vom OSS gefälschte Proklamation des Feldmarschalls Albert Kesselring, der damals den Posten des Oberbefehlshabers für den Bereich Süd (Italien) innehatte. Der vermeintlich reale Kesselring rief darin deutsche Wehrmachtsoffiziere in Italien mit Vehemenz auf, von Vorbereitungen für einen Rückzug der Truppe



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nach Norden sofort abzusehen. Die Absicht, die die amerikanischen Verfasser der gefälschten Proklamation verfolgten, ist klar  : Der Leser, und das war nicht nur der direkt angesprochene Offizier, sondern indirekt auch der einfache deutsche Mannschaftssoldat, sollte aufgrund des »Faktums«, dass in einem offiziellen Heeresdokument das Wort »Rückzug« erwähnt wird, annehmen, dass es mit der Wehrmacht in Italien bergab geht. Der einfache Landser sollte zudem darüber erzürnt sein, dass sich seine Offiziere klammheimlich auf diesen bevorstehenden Rückzug vorbereiteten, während er und seinesgleichen über derartige Vorgänge und die angespannte strategische Lage nicht in Kenntnis gesetzt wurden. Er sollte zum Schluss kommen, dass es ohnehin sinnlos ist, für einen verlorenen Feldzug, der von geheimniskrämerischen, egoistischen und feigen Offizieren angeführt wird, noch weiter zu kämpfen. Er sollte, so die Idealvorstellung der Propagandisten, eine »responsive action«2 ausführen und desertieren oder sich ­irgendwie defätistisch verhalten. Das Beispiel der gefälschten Kesselring-Proklamation veranschaulicht, dass es sich bei jener Art von Kommunikation, mit der die deutsche Streife konfrontiert wurde, um »all types of creative deceit«,3 also um die kunstvolle Täuschung des Lesers durch einfallsreiche Propagandakünstler der gegnerischen Seite handelt. Ergänzt wurden solche subversiven Texte aus amerikanischen Propagandaschmieden durch mehr oder weniger offene (und oft deftig formulierte) Aufrufe zur Desertion. Fallweise fanden sogar explizit pornografische Bildgeschichten ihren Weg ins deutsche Lager. Es waren also alles andere als alltägliche Propagandatexte, die der amerikanische Kriegsgeheimdienst hier produzierte. Doch nicht nur das Papierbündel, welches die vier Landser neben der Straße auflasen, war ungewöhnlich, auch die Verbreitung dieser Propagandamaterialien kam auf nicht alltägliche Art und Weise zustande  : So wurden die schwarzen OSS-Flugblätter und -Zeitschriften nicht wie ansonsten üblich per Flugzeug abgeworfen (was für die Adres­ saten ein klarer Hinweis auf die anglo-amerikanische bzw. feindliche Herkunft der Propaganda gewesen wäre), sondern durch geheimdienstliche Penetrations­ trupps, die hinter den feindlichen Linien operierten, »an den Mann gebracht«. Die hierfür nötigen Spezialagenten hatte das OSS direkt aus dem Lager des Feindes rekrutiert, das heißt, sie waren ehemalige Kriegsgefangene, die kurz zuvor von der deutschen Wehrmacht zu den Amerikanern übergelaufen waren. Nachdem sie sich freiwillig für den gefährlichen Einsatz als OSS-Agent gemeldet hatten und in einem Schnellkurs zum »Propagandabriefträger« und Spion ausgebildet worden 2

Siehe hierzu Daniel Lerner, Psychological Warfare Against Nazi Germany. The Sykewar Campaign, D-Day to VE-Day. Cambridge und London  : 21971, 289 f. 3 Garth S. Jowett/Victoria O’Donnell, Propaganda and Persuasion. Thousand Oaks, London und Neu-Delhi  : 42006, 19.

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waren, infiltrierten sie – als gewöhnliche Wehrmachtssoldaten getarnt und vollgepackt mit deutschsprachigem Propagandamaterial – den deutschen Sektor. Dies alles geschah im Rahmen der sogenannten OSS-Operation SAUERKRAUT, eines von Sommer 1944 bis Kriegsende durchgeführten Subversionsunternehmens, das mittlerweile eine gewisse Berühmtheit erlangt hat. Natürlich ist die hier zitierte aus US-Geheimdienstakten entnommene Episode mit den vier »reaktionsfreudigen« Deutschen mit quellenkritischer Vorsicht zu genießen. Solche aus amerikanischer Hand stammenden Berichte über die Wirkung von Propaganda auf die feindlichen Soldaten waren nicht selten »auffrisiert«. Die OSS-Mitarbeiter wollten ihre eigene Tätigkeit in einem guten Licht erscheinen lassen und behaupteten, dass ihre Operation sehr ertragreich gewesen sei. Es ist in unserem Fall allerdings fraglich, ob sich das deutsche Soldatenquartett tatsächlich von ein paar Flugblättern derartig aus der Ruhe bringen ließ. Heute wissen wir, dass die Propaganda des OSS, so raffiniert sie auch sein gewesen mag, auf den Kriegsverlauf und den sozialen Zusammenhalt und die Kampfkraft der Wehrmacht keinen nennenswerten Einfluss hatte. Dennoch handelte es sich bei der Operation SAUERKRAUT zweifelsfrei um eine der spektakulärsten Episoden in der Geschichte der psychologischen Kriegsführung. Eine Episode, bei der – aus ihrer österreichischen Heimat vertriebene oder vor dem NS-Regime geflohene – Exilanten und Deserteure als nunmehrige US-Propagandisten beteiligt waren. Nicht nur bei der Idee zur Operation, sondern auch bei deren Planung und Durchführung hat eine ganze Reihe von österreichischen Propagandisten bzw. Geheimdienstmitarbeitern eine wichtige Rolle gespielt, die bis dato noch kaum dokumentiert worden ist. Im Folgenden möchte ich diese österreichische Beteiligung anhand eines konkreten Beispiels, nämlich eines weiteren, im Zuge der SAUERKRAUT-Operation verteilten OSS-Propagandaflugblatts veranschaulichen  : Der Text, um den es sich handelt, ist ein Flugblatt, das den Titel In Grinzing drauss’t trägt. Dieses Flugblatt wurde auf die gleiche Weise wie die Kesselring-Proklamation unter den Wehrmachtssoldaten in Italien verteilt und richtete sich explizit an eine bestimmte Zielgruppe unter den Adressaten  : an Österreicher. Als Partitur zu einem »langsamen Walzer« getarnt, sollte das Grinzing-Flugblatt den Eindruck erwecken, dass es sich um ein unterhaltsames Lied, um eine Art Wiener Schlager handelte. Um ein Stück Populärkultur also, das den harten Kriegsalltag des Lesers, der vielleicht Heimweh nach »seinem Österreich« hat, ein wenig versüßt. In Wahrheit jedoch ist der Text, der im (ost)österreichischen Dialekt gehalten ist, hochgradig ideologisch, da er die angesprochenen Österreicher als ein friedliebendes, »gemütliches« Volk darstellte, das von den deutschen Nationalsozialisten, i. e. den unsympathisch-militaristischen »Piefkes«, seiner Freiheit beraubt worden war. Auch hier ist die persuasive und handlungsleitende Intention klar  : Der Adressat dieses



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schwarzen Propagandaliedes, sprich der Wehrmachtssoldat österreichischer Provenienz, sollte durch die Lektüre des Liedtexts nicht nur unterhalten, sondern auch mit antinationalsozialistischem Gedankengut indoktriniert und sich seiner österreichischen Identität bewusst werden. Der Idealfall aus amerikanischer Sicht wäre auch hier jener gewesen, dass der Angesprochene aus österreichpatriotischem Pflichtgefühl heraus von der Wehrmacht desertiert wäre und dem Hitler’­ schen Eroberungskrieg (der ohnehin zu einem aussichtslosen Verteidigungskrieg geworden war) den Rücken gekehrt hätte. Ich habe das Flugblatt In Grinzing drauss’t nicht nur wegen seines österreichspezifischen Inhalts, sondern auch wegen seines österreichischen Verfassers gewählt. Autor war der junge OSS-Mitarbeiter Edmund Linder, ein 1938 aus Wien geflohener antifaschistischer Medizinstudent und späterer Fremdenlegionär, der, nachdem er von den Alliierten in Nordafrika aus einem Arbeitslager des Vichy-­ Regimes befreit worden war, vom OSS angeworben und als Propagandaspezialist und »Multiagent« eingesetzt wurde. Er war Texter und Zeichner, aber auch Doku­mentenfälscher und fungierte überdies als operativer Vorbereiter und »Briefer« der einzelnen SAUERKRAUT-Agententrupps, welche die Propaganda hinter der Front verteilten. Linder, der als Experte für österreichspezifische Inhalte galt, gab der SAUERKRAUT-Operation auch ihren Namen. Die zündende Idee zum Konzept der Operation geht zu weiten Teilen auf einen anderen Österreicher zurück, nämlich auf den Kärntner Aristokraten und Exilanten Oliver von Schneditz alias Oliver W. Rockhill, der unter anderem als Kriegsgefangeneninterviewer und geheimdienstlicher »Analyst im Feld« für das OSS tätig war. Er trat aufgrund seiner Erfahrungen aus Gesprächen mit antifaschistischen Gefangenen erfolgreich dafür ein, dass man jene deutschen Kriegsgefangenen, die bereit waren, für die alliierte Sache zu kämpfen, als freiwillige »Propagandabriefträger« des OSS einsetzen sollte. Schneditz war als Verhöroffizier eine Kontaktperson zum Kriegsgegner und lieferte dem OSS geheimdienstliche Nachrichten über die militärische Lage des Gegners und über die »Feindmoral«, ohne die eine aktuelle und stichhaltige Propaganda kaum möglich ist. Aber auch unter den Propagandabriefträgern, das heißt unter den von der Wehrmacht zum OSS übergelaufenen SAUERKRAUT-Agenten, die Linders Grinzing-Flugblatt und die fiktive Kesselring-Proklamation im feindlichen Frontabschnitt verteilten, befanden sich Österreicher. Der Niederösterreicher Franz Berger, der im Sommer 1944 von der Wehrmacht desertiert war, ist einer von ihnen. Berger meldete sich im italienischen Kriegsgefangenenlager Aversa als Deserter Volunteer (freiwilliger OSS-Penetrationsagent) und kämpfte aus politischer Überzeugung gegen die Nationalsozialisten, indem er unter hohem persönlichem Risiko die brisante Post des OSS im deutsch besetzten Feindgebiet »austrug« und dabei auch Spionageaufträge wahrnahm. Er sorgte schließlich dafür, dass die von

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seinem Landsmann Linder produzierten Flugblätter und andere Materialien aus amerikanischen Propagandawerkstätten die Empfänger tatsächlich erreichten. Von seinem Penetrationstrupp stammte übrigens der eingangs zitierte Report über das deutsche Soldatenquartett, das nach der Propagandalektüre angeblich Nervenflattern bekommen hatte. Auch im technischen Bereich arbeiteten Österreicher der SAUERKRAUT-Operation zu  : So war der Wiener OSS-Agent Helmut Gruchol als »Printer« der Morale-Operations-Abteilung in Rom für die Flugblattproduktion verantwortlich. Viele an Österreicher gerichtete Propagandatexte, die durch die von Gruchol bediente Druckerpresse liefen, wurden nicht in Italien, sondern in den USA von ebenfalls österreichischen OSS-Mitarbeitern geschrieben. Es steht daher außer Frage, dass ohne die Hilfe deutschsprachiger respektive öster­reichischer Exilanten und Kriegsgefangener die Operation SAUERKRAUT in dieser Form nicht stattgefunden hätte. Wie die einzelnen Kapitel noch exemplarisch zeigen werden, waren zwischen 1941 und 1945 neben den »SAUERKRAUTs« Hunderte weitere Österreicher in die Planung, nachrichtendienstliche Vorbereitung und Produktion von amerikanischer Kriegspropa­ganda involviert. Themen, Fragestellungen und Methoden Durch den eben vorgenommenen In-medias-res-Einstieg wurde bereits ein tiefer Einblick in Thema, Inhalte und Forschungsziele dieser Studie gegeben  : Es handelt sich also um Propaganda im Zweiten Weltkrieg sowie um Propagandisten österreichischer Herkunft, die im Rahmen der psychologischen Kriegsführung in verschiedenen amerikanischen Kriegsinstitutionen arbeiteten. Der einführende Blick auf die SAUERKRAUT-Operation des OSS hat gezeigt, wie intensiv österreichische Exilanten hier in die Kriegsaktivitäten der USA eingebunden waren und wie vielfältig sich ihre Beiträge im geistigen Kampf gegen Hitlerdeutschland ausnahmen. Die zentralen Fragen dieses Buchs lauten daher  : Wer waren die Öster­ reicherinnen und Österreicher, die in den wichtigsten Propagandaschmieden der USA während des Zweiten Weltkriegs arbeiteten  ? Welche Tätigkeiten übten sie aus  ? Wie sah das Endprodukt ihrer Bemühungen, also das Propagandakommunikat selbst (Radiosendung, Flugblatt, Poster etc.), aus  ? Wie kreativ, wie produktiv gingen sie dabei vor  ? Wie sehr wirkte sich ihr kultureller und biografischer »Rucksack«, den sie aus Österreich in die USA und deren Kriegsorganisationen mitbrachten, auf die Propaganda aus  ? Wie lässt sich ihr propagandistisches Wirken bzw. ihr Beitrag zum alliierten Krieg gegen die Achsenmächte innerhalb der österreichischen Exilwiderstandsdebatte verorten  ? In methodischer Hinsicht geht es mir darum, einen facettenreichen Einblick in die Tätigkeit der Protagonisten zu vermitteln. Die einzelnen Kapitel sind sehr



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personenzentriert angelegt. Der biografische Teil ist eher in einem deskriptiv-­ narrativen Stil gehalten, die Darstellung der von den Protagonisten produzierten und gestalteten Propagandatexte trägt hingegen stark (diskurs)analytische und hermeneutische Züge. Im Mittelpunkt der Darstellung steht weniger eine möglichst lückenlose Dokumentation der Exil- und Kriegsbiografie der Prota­ gonisten sowie ihres kriegsinstitutionellen Umfelds, sondern vielmehr deren Propagandatätigkeit selbst, also die von ihnen erdachten, (mit)gestalteten oder artikulierten Kommunikate. Diese richteten sich zum überwiegenden Teil gegen den nationalsozialistischen Feind. Ich möchte hierbei dezidiert darauf hinweisen, dass ich die Propagandaaktivitäten von Österreicherinnen und Österreichern in amerikanischen Kriegsinstitutionen nur am Rande auf ihre Wirksamkeit hin untersuche. Warum  ? Es gilt heute als wissenschaftliche communis opinio, dass der militärische Verlauf des Zweiten Weltkriegs von den beachtenswerten Anstrengungen, die die beteiligten Länder im Feld der psychologischen Kriegsführung unternahmen, nicht maßgeblich beeinflusst oder verändert wurde. Die Auswirkungen der von Exilösterreichern in die Welt gesetzten US-Propaganda auf das Kriegsgeschehen waren – zumindest auf den ersten Blick – bescheiden und beim (feindlichen) Zielpublikum lassen sich kaum nennenswerte Propaganda-»Effekte« nachweisen. Die meisten der im Folgenden vorgestellten Textsorten, Aktivitäten und Operationen zeitigten nur selten erkennbare oder kriegsrelevante Folgen, die im Sinne der österreichischen Produzenten bzw. ihrer amerikanischen Arbeitgeber gewesen wären. Wie die folgenden Detailanalysen zu den Aktivitäten österreichischer US-Exilanten noch zeigen werden, hat die Propaganda-Wirkungsforschung zudem ein Validitätsproblem. Der Erfolg oder der Misserfolg eines Propagandatexts war und ist trotz einer mittlerweile großen Zahl an methodischen Zugängen schwer messbar. Thymian Bussemer behauptet in seiner Theoriegeschichte der Propaganda, dass gerade jene Analysten und Sozialwissenschaftler, die »ein ungebrochenes Vertrauen in die Berechenbarkeit menschlichen Handelns« setzten, es nicht vermochten, mit ihren Quantifizierungsmethoden »zu festgefügten Regeln […] der Propagandawirksamkeit zu kommen«.4 Wenn ich in diesem Buch anhand von konkreten biografischen Beispielen Überlegungen über die Wirksamkeit von Propagandaaktivitäten anstelle, beruhen diese daher weniger auf empirischen Daten, sondern auf einer historisch-hermeneutischeren Vorgangsweise,5 die von (bild)linguistischen, semiotischen und kulturwissenschaftlichen Analysen ergänzt und vertieft wird. Wie Bussemer überzeugend darlegen kann, zeigt die Erforschung, Interpretation und Bewertung von 4 5

Thymian Bussemer, Propaganda. Konzepte und Theorien. Wiesbaden  : 22005, 306 und 308. Vgl. Hans Wagner, »Heinz Starkulla jr. – Leben und Werk«, in  : Heinz Starkulla jr., Propaganda. Begriffe, Typen, Phänomene. Baden-Baden  : 2015, 11–58, hier 24.

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Propagandaoperationen immer wieder, dass sich »[s]emiotische Analysen und historiografische Ansätze […] der empirisch-quantitativen Forschung vielfach als überlegen erwiesen« haben. Denn, so Bussemer, »die Propagandaforschung setzte selten am Detail an, sondern suchte die abstrakten Höhen von generalisierbaren Befunden und objektiv gültigen Gesetzen – meist mit dem Resultat, dass sie daran scheiterte.«6 So hätte eine Arbeit, die – etwa aus nationalistischen und personenzentrierten Perspektiven heraus – krampfhaft versucht, die Wirkmacht der von Exilösterreichern produzierten US-Propaganda zu »beweisen«, methodisch und inhaltlich keine Aussicht auf Erfolg. Mich interessieren daher primär die Produktivität und die Kreativität, die die österreichischen Protagonisten mit ihrem Einsatz für die psychologische Kriegsführung der USA an den Tag gelegt haben, weniger die »Messbarkeit« ihrer Arbeit. Ihr Wirken wird in diesem Buch vor allem »als Zeugnis des propagandistischen Könnens, als Zeugnis der Genese vielschichtiger Symbolik und als Zeugnis der [(exil)österreichischen] Mentalitätsgeschichte des Zweiten Weltkrieges« verstanden und untersucht.7 Bei der inhaltlichen Analyse der untersuchten Propagandakommunikate werde ich also mithilfe von (zumindest grundlegenden) sprach- und kulturwissenschaftlichen Ansätzen wie Semiotik und Diskursanalyse versuchen, Intention und Machart der von Österreichern gestalteten Propagandatexte und -bilder aufzuzeigen. Oft – und dies ist in Bezug auf die mentalitätsgeschichtlichen Aspekte der einzelnen Fallstudien sehr spannend – waren nicht nur die Produzenten der US-Propaganda, sondern auch deren Rezipienten im Feindgebiet Österreicher. Das heißt, Österreicher produzierten Propaganda mit österreichspezifischen Inhalten für ein österreichisches Publikum (»Designed to affect Austrian[s]«8). In diesem Fall hatten die Exilanten in Diensten der USA die Chance, den Inhalt ihres kulturellen Rucksacks, den sie aus ihrem Heimatland mitgebracht hatten, »auszupacken« und zielgruppengerecht auszuschlachten. Und – obwohl dies wie gesagt nicht im primären Fokus dieses Buchs steht – gerade in solchen Fällen eines kommunikativ nutzbar gemachten Kulturtransfers lassen sich aus der Analyse der Tätigkeit der hier dargestellten Personen plausible Schlüsse und Vermutungen in Hinblick auf die Propagandawirksamkeit ziehen. An dieser Stelle gilt es nun, die zuvor von mir geäußerte Skepsis in Bezug auf die tatsächlichen Wirkungen der US-Propaganda im Zweiten Weltkrieg teilweise zu relativieren. Warum  ? Wie Hans Wagner überzeugend darlegt, ist eben nicht »Überzeugungs- oder 6 Bussemer, Propaganda, 382. 7 Andreas Fleischer, »Feind hört mit  !« Propagandakampagnen des Zweiten Weltkrieges im Vergleich. Münster, Hamburg  : 1994, 4. 8 OSS/MO Washington, All Musac Lyrics 1944–1945, Zum Donaukanal. NARA, RG 226, E 139, B 172.



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Meinungsumkehr oder gar eine Handlungsentscheidung die primäre Wirkung von Kommunikation, nicht das Überlaufen des Feindes die primäre Wirkung von (Kriegs-)Propaganda. Die Primärwirkung besteht vielmehr im Einfluss und im Eingriff auf die Anschlusskommunikation, auch auf die relevanten Gerüchteprozesse.«9 Gerade in diesem Feld, der erst auf den zweiten Blick erkennbaren und schleichenden Unterminierung feindlicher Moral und der Desorientierung des nationalsozialistischen Gegners durch Anschlusskommunikation, haben Exil­ österreicherinnen und -österreicher im Dienst der USA mitunter Beachtliches geleistet  : etwa beim Anstacheln und Befeuern eines zwar nicht kriegsentscheidenden, aber in zahlreichen Einzelfällen dennoch belegbaren deutschlandfeindlichen und »antifaschistischen« Österreichnationalismus  ; oder mittels raffinierter Flugblätter, die sich gezielt und sehr emotional an Wehrmachtssoldaten richteten und die auch stark das sozialkommunikative Bedürfnis nach zwischenmenschlichem »Tratsch« und dem Verbreiten von Gerüchten ausnutzten.10 Die Empfänger solcher Propagandakommunikate haben nach deren Rezeption nur selten eine unmittelbare Handlungsentscheidung, etwa zur Desertion, getroffen. Sehr wohl aber sind bestimmte Inhalte dieser amerikanisch-exilösterreichischen Feindpropa­ganda, der sie über Monate oder gar Jahre ausgesetzt waren, auch in die Köpfe und die Gedankenwelt Tausender deutscher Soldaten oder Zivilisten »eingesickert« und haben dort auf unterschiedlichste Weise weitergewirkt. Diese sekundären bzw. nicht sofort ersichtlichen Propagandawirkungen, die sich in Form von Gerüchteprozessen und Referenzdiskursen manifestierten und die NS-Herrschaft und das »Dritte Reich« subtil unterminierten, wurden bisher in der Forschung wohl zu wenig beachtet.11 Mit einem wirkungsästhetischen Ansatz, bei dem Machart, Charakteristik und stilistische Merkmale des jeweiligen Propagandatexts im Mittelpunkt der Analyse stehen, werde ich in Folge auch einigen dieser Rezeptionsphänomene hermeneutisch auf den Grund gehen.12 Österreichische US-Propagandisten als »Exilwiderstandskämpfer« Die Tätigkeit von Österreichern, die sich der Macht der Worte, Klänge und Bilder bedienten, um zwischen 1941 und 1945 unter der Ägide der amerikanischen Kriegsmaschinerie gegen den Faschismus und für die Befreiung ihres (ehema  9 10 11 12

Wagner, »Heinz Starkulla jr.«, 53. Siehe hierzu Starkulla jr., Propaganda, 283 f. Vgl. ebd. Vgl. Kristina Moorehead, Satire als Kriegswaffe. Strategien der britischen Rundfunkpropa­ganda im Zweiten Weltkrieg. Marburg  : 2016, 25.

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ligen) Heimatlandes zu kämpfen, kann als Widerstand gegen das NS-Regime gedeutet werden. Bevor ich zur kriegsbiografischen Darstellung und inhaltlichen Analyse der US-Propagandaaktivitäten österreichischer Exilanten schreite, möchte ich daher kurz versuchen, ihren geistigen Kriegseinsatz innerhalb der österreichischen (Exil-)Widerstandsdebatte zu verorten. Der Beitrag österreichischer Exilanten zum Propagandakrieg der Alliierten war zwar militärisch nahezu bedeutungslos, in symbolischer, politischer und moralischer Hinsicht aber von hohem Wert. Er bot dem – im Allgemeinen eher unglücklich agierenden und politisch zerstrittenen – österreichischen Exil ein Betätigungsfeld und einen öffentlichkeitswirksamen Diskursrahmen, um ein Bild des »anderen Österreich« zu zeichnen und auf die nationalsozialistisch beherrschte Heimat via Rundfunk und Flugblatt einzuwirken. Die kriegführenden USA und ihr rasch wachsender Militär-, Geheimdienst- und Propagandaapparat gaben den österreichischen Flüchtlingen im Land die Möglichkeit, aus dem Exil heraus gegen den braunen Unrechtsstaat vorzugehen und gegen Letzteren geistigen Widerstand zu leisten. Die Vereinigten Staaten und ihre wichtigsten Propagandaämter, wie das Office of War Information (Amt für Kriegsinformation, OWI), das bereits erwähnte OSS und die »Psywar«-Einheiten der US-Armee, waren eine unverzichtbare »Anlehnungsmacht« für jene Exilanten, die das NS-Regime in Österreich von außen bekämpfen wollten.13 Die USA waren nicht nur das industrielle »Arsenal der Demokratie« (Franklin D. Roosevelt) und der wichtigste Rüstungsproduzent der Alliierten, sondern auch für alle NS-Gegner österreichischer Herkunft im US-Exil ein unverzichtbarer Verbündeter, der geistigen Widerstand in Form von Propaganda überhaupt erst ermöglichte. Durch die Einbindung in amerikanische Kriegsinstitutionen sollte es letztlich gelingen, einzelne Vertreter des politisch heterogenen und notorisch zerstrittenen österreichischen Exils in den USA zu einer Art Arbeitsgemeinschaft gegen Hitler zusammenzubringen.14 Doch es ging dabei nicht nur um die Niederringung des Faschismus, sondern auch um den Versuch, ein lagerübergreifendendes österreichisches Nationalbewusstsein zu formen, das 13 Jürgen Heideking/Christof Mauch, »Vorwort«, in  : Jürgen Heideking/Christof Mauch (Hgg.), Geheimdienstkrieg gegen Deutschland. Subversion, Propaganda und politische Planungen des amerikanischen Geheimdienstes im Zweiten Weltkrieg. Göttingen  : 1993, 1–9, hier 7  ; Peter Steinbach, »Der Kampf gegen den Nationalsozialismus – von außen. Emigranten, Flüchtlinge, Kriegsgefangene, Fallschirmagenten als Regimegegner«, in  : Hans Schafranek/Johannes Tuchel (Hgg.), Krieg im Äther. Widerstand und Spionage im Zweiten Weltkrieg. Wien  : 2004, 16–32, hier 17. 14 Zum bewaffneten Exilwiderstandskampf von Österreichern in der US-Armee siehe den Überblicksaufsatz von Siegwald Ganglmair, »Österreicher in den alliierten Armeen, 1938 bis 1945«, in  : Truppendienst, Nr. 6/1990, 523–536, und die kürzlich erschienene Monografie des Autors  : Florian Traussnig, Militärischer Widerstand von außen. Österreicher in US-Armee und Kriegsgeheimdienst im Zweiten Weltkrieg. Wien, Köln, Weimar  : 2016.



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seine Wurzeln »im Widerstand gegen das NS-Regime und in der Emigration«15 und in der 1943 verlautbarten Moskauer Deklaration über Österreich hatte. In der Moskauer Deklaration wurden die Österreicher nicht nur als »erstes Opfer des Nationalsozialismus« bezeichnet, sondern auch zum aktiven Beitrag zur eigenen Befreiung, sprich zum Widerstandskampf, aufgefordert. Auch wenn die Herausbildung dieses kämpferischen Österreichbewusstseins nur teilweise erfolgreich war und der überwältigende Großteil der von den Alliierten angesprochenen Österreicher nicht aktiv gegen das NS-Regime zu kämpfen bereit war – die handelnden Akteure dieses Buchs wurden dem Aufruf zum Widerstand weitgehend gerecht. Die zentralen Protagonisten dieser Studie sind vor allem Journalisten, Diplo­ maten, Autoren, Juristen, Schauspieler und Sänger. Die Lebensläufe von Kulturschaffenden und Intellektuellen, die ursprünglich etwa in mitteleuropäischen Kleinkunstcafés und Theaterbühnen beschäftigt, nun aber dem amerikanischen Propagandaapparat verpflichtet waren, sind oft sehr faszinierend und gut dokumentiert. Dem Historiker fällt es daher nicht schwer, interessante und spannende Quellen zu diesen schillernden (und oft prominenten) Menschen zu finden und diese in gefällige, gut lesbare Kriegsbiografien einzubetten. Doch handelt es sich hierbei auch um Widerstands-Biografien  ? Geht man dieser Frage nach, so erkennt man bei der Rechereche, dass sich die »Widerstands«-Tätigkeit dieser Exilpropagandisten gegen den Nationalsozialismus ungleich schwerer beweisen und dokumentieren lässt als deren zivile Erfolgsgeschichten. An dieser Stelle tun sich einige Problemfelder auf  : Zunächst ist die Frage zu klären, ob man Menschen, die im fernen US-Exil saßen, während in Österreich das NS-Regime herrschte, überhaupt zum österreichischen Widerstand zählen soll. So sind beispielsweise die Beiträge des österreichischen Exils zur alliierten Rundfunkpropa­ganda in der Regel nicht Teil eines direkten Kampfes, in dem Österreicherinnen und Österreicher in der »Ostmark« bzw. den »Alpen- und Donaugauen« gegen das NS-Regime (militärischen) Widerstand leisten, sondern nur Ausdruck eines über den Umweg medialer Fernkommunikation ausgetragenen Gefechtes der Worte. Selbst wenn man den bewaffneten Kampf von innen gegen den NS-Apparat nicht als zwingende Voraussetzung für die Zurechnung zum österreichischen Widerstand erachtet und den »breiten« (i. e. auch nichtmilitärische und subversive Handlungsweisen beinhaltenden) Widerstandsbegriff Wolfgang Neugebauers als Maßstab nimmt,16 haftet den exilierten Propagandisten noch ein weiterer »Makel« an  : Sie, die – so eine in Österreich bis heute weitverbreitete (antisemitische) 15 Ruth Wodak/Rudolf de Cillia/Martin Reisigl/Karin Liebhart/Klaus Hofstätter/Maria Kargl, Zur diskursiven Konstruktion nationaler Identität. Frankfurt am Main  : 1998, 116. 16 Zum »breiten Widerstandsbegriff« siehe Wolfgang Neugebauer, Der österreichische Widerstand 1938–1945. Wien  : 2008, 15.

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Vorstellung – im bequemen Exil saßen oder an der dekadenten US-Ostküste der Exaltiertheit frönten, sollen ebenso zu der Kategorie der Widerstandskämpfer zählen wie jene Partisanen, die sich mit chronisch leeren Bäuchen in unwirtlichen Landstrichen mit ss- oder Polizeieinheiten blutige Scharmützel lieferten  ? Die antifaschistischen Propagandisten im US-Exil traten zwar wortreich gegen das NS-Regime und für die Befreiung Österreichs ein, doch waren sie tatsächlich »Kämpfer« für dieses Österreich  ? Gehörten exilösterreichische Rundfunksprecher, Plakatkünstler und Propagandaanalysten in den USA überhaupt zum nationalen Widerstand  ? Die hier angerissene Debatte sollte nicht mit dem Argument, dass die zuvor zitierten und sich in Österreich bis heute teils hartnäckig haltenden Zerrbilder eines »angenehmen« Exillebens nur auf faschistoider Stammtisch-Rhetorik beruhen, abgetan werden. Vielmehr bedarf es auch vonseiten jener Wissenschaftler, die – wie ich – eine grundsätzlich positive Haltung gegenüber den österreichischen Exilpropagandisten in den USA einnehmen, einer gewissen Skepsis hinsichtlich einer unreflektierten Zuordnung dieser Personengruppe zum Widerstand. Ihr Beitrag zur amerikanischen Kriegsführung und zur Wiedererrichtung Österreichs war wesentlich unspektakulärer als jener der Wider­ standskämpfer in Österreich und beinhaltete in der Regel keine physischen Grenzgänge, keine Todesgefahr. Antinationalsozialistische Radiosatiren, die ein österreichischer Dramaturg in einem New Yorker Rundfunkstudio zu Propa­ gandazwecken verfasste, können nicht mit antifaschistischen Sabotageakten in Österreich gleichgesetzt werden, die im schlimmsten Fall mit der Hinrichtung des Widerstandskämpfers oder der Widerstandskämpferin endeten. Ebenso musste sich ein Exilbarde in den Vereinigten Staaten beim Darbieten eines Radio-Spottliedes auf den »Führer« nicht mit jenen Kalamitäten auseinandersetzen, die einem Untergrundaktivisten, der eine Wiener Hausmauer mit Anti-Hitler-Parolen bemalte – und dabei entdeckt wurde – drohten. Der von Exilösterreichern in den USA mitgetragene Propagandakrieg war daher zweifellos eine »komfortablere« Art der Kriegsteilnahme als der bewaffnete Widerstandskampf in Europa. Doch wie sich etwa am Beispiel Stefan Zweigs, der es im Ersten Weltkrieg möglichst vermeiden wollte, »einem russischen Bauern ein Bajonett in die Gedärme zu stoßen«17, und stattdessen lieber Kriegsdienst im Archiv versah, zeigt, vermögen Geistesmenschen und Künstler in Kriegszeiten mit Geschriebenem, Schauspiel oder Gesang ohnehin mehr zu erreichen als mit der Waffe in der Hand. Im Personalakt des OSS über den für propagandistische Radioaufnahmen verpflichteten Wiener »Operettenbuffo« Max Willenz18 wird 17 Stefan Zweig, Die Welt von gestern. Erinnerungen eines Europäers. Stockholm  : 1946, 164. 18 Hans Jaray, zitiert in Rudolf Ulrich, Österreicher in Hollywood. Wien  : 2004, 345.



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mit schonungsloser Direktheit ausgesprochen, dass sich Kunstschaffende wie er schon aufgrund ihrer oft fragilen Psyche nicht zum Widerstandskämpfer oder Soldaten eignen  : Subject [i. e. Max Willenz] is nervous and frightened and should never be used in a combat area.19

Im Rahmen dieser Studie können daher Exilanten im Dienste der amerikanischen Propaganda nur bedingt unter den österreichischen Widerstandsbegriff subsumiert werden. Dennoch kommt man trotz aller Differenzierungen und Relativierungen nicht umhin, die Aktivitäten österreichischer Exilanten für die Alliierten zu einer zumindest erweiterten Kategorie des Widerstands gegen den Nationalsozialismus zu zählen. Durch Propaganda, also jene Tätigkeit, die ihren geistigen Fähigkeiten am ehesten entsprach, leisteten die Protagonisten dieses Buchs energischen Widerstand gegen das Regime, das ihnen ihre bisherige Existenz geraubt und einen verbrecherischen Vernichtungskrieg auf ihrem Heimatkontinent ausgelöst hatte. Obwohl die österreichischen Exilpropagandisten den Gräueln des Krieges und der NS-Herrschaft nicht direkt ausgesetzt waren, kann und soll ihr Wirken »durchaus zu den Formen des ›leisen‹ Widerstands gerechnet werden«.20 Sie waren letztlich auch »Soldaten« des Zweiten Weltkriegs21 – ihre Munition waren Worte, Klänge und Bilder. Für die von außen gegen das Deutsche Reich agierenden US-Exilanten gilt dasselbe, was für den nationalen Widerstand in Österreich gilt. Ihr geistiger Kampf gegen das NS-Regime hatte kaum militärische, sehr wohl aber eine »politische und moralische Bedeutung«.22 Für ihren in vielen Fällen freiwillig und fast immer mit großem Einsatz geleisteten Kriegsdienst aufseiten der Anlehnungsmacht USA und der demokratischen Allianz gegen den Nationalsozialismus haben die Exilpropagandisten Anerkennung und Respekt verdient. Nicht zuletzt bot die geistige, journalistische und künstlerische Mitarbeit im US-Propagandakomplex für die eher der intellektuellen und musischen Sphäre zugehörigen Akteure eine vergleichsweise unmilitärische, mitunter auch subversive Nische in den systemischen Gegebenheiten der amerikanischen Kriegsgesellschaft  ! Die Tätigkeit in der psychologischen Kriegsführung kam also den individuellen Fähigkeiten der österreichischen Exilanten entgegen 19 OSS Theater Service Record of Max Willenz, 12.6.1944. OSS Personnel File of Max Willenz. NARA, RG 226, E 224, B 838. 20 Primavera Gruber, »›Mein lustigstes Lied wird ein Trauermarsch sein‹. Musik und Widerstand gegen den Nationalsozialismus«, in  : Medien & Zeit, 4/2003, 18. Jg., 4–10, hier 10. 21 Vgl. Sergei A. Kussewizki, zitiert in  : Annegret Fauser, Sounds of War. Music in the United States during World War II. Oxford, New York  : 2013, 15. 22 Radomír Luža, Der Widerstand in Österreich 1938–1945. Wien  : 1985, 234.

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und kanalisierte ihre politischen Energien und persönlichen (Widerstands-)Motive im Kampf gegen NS-Deutschland zugunsten des Gastlandes USA. Zum Propagandabegriff Wie das einführende Beispiel zur von zahlreichen Österreichern mitgetragenen SAUERKRAUT-Operation des US-Kriegsgeheimdienstes OSS gezeigt hat, ist das primäre Forschungsfeld der vorliegenden Studie die Propaganda. Präziser gesagt handelt es sich um die Propagandaaktivitäten amerikanischer Staatsinstitutionen während des Zweiten Weltkriegs, also eines totalen Krieges, welcher »nicht nur mit Waffen, sondern auch mit Worten« ausgefochten wurde23 und eine »militärisch-wirtschaftliche-moralische Gesamtanstrengung«24 für die beteiligten Nationen darstellte. Im Rahmen dieses in der Geschichte beispiellosen Konfliktes haben sowohl diktatorische Regimes wie NS-Deutschland und das faschistische Italien als auch deren demokratische Gegner wie Großbritannien und die USA in großem Umfang In- und Auslandspropa­ganda betrieben. Bevor wir auf die US-Propaganda im Allgemeinen und die österreichischen Mitarbeiter in einschlägigen US-Institutionen im Speziellen eingehen, erscheint eine kurze Begriffsbestimmung zum Terminus Propaganda nötig – auf eine ausführliche historische Skizze zu Genese und Entwicklung dieses Begriffs wird an dieser Stelle verzichtet. Seit jeher haben Menschen den Drang, ihre eigene Meinung und Weltsicht persuasiv zu verbreiten. Ideologiediffusion25 durch Propaganda ist eine in ihren Ursprüngen bis in die Antike zurückreichende anthropologische Konstante und wird in und von allen Staaten der Welt – dazu zählen neben Diktaturen übrigens auch sämtliche Demokratien – angewandt. Propaganda ist heute ein fester Bestandteil der Kommunikationskultur unserer modernen Gesellschaft, in natio­ naler wie in globaler Hinsicht. Obwohl Propaganda – vor allem aufgrund der einschlägigen Aktivitäten des NS-Staates vor und im Zweiten Weltkrieg – negativ konnotiert ist und gerne mit »Massen-Manipulation« in Verbindung gebracht wird, hat sie sich als stets kontroversiell empfundene, im Kern jedoch pragmatisch intendierte Sozial- und Kommunikationstechnik bis heute behauptet. Wenn man in Betracht zieht, wie gezielt und mitunter auch aggressiv gerade westliche Demokratien im 20. und 21. Jahrhundert Propaganda zur Erreichung ihrer militärischen und politischen Ziele einsetzten, wird ersichtlich, dass »Propaganda in 23 Gerhard L. Weinberg, Eine Welt in Waffen. Die globale Geschichte des Zweiten Weltkrieges. Stuttgart  : 1995, 622. 24 Starkulla jr., Propaganda, 149. 25 Bussemer, Propaganda, 39.



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der Tat ein völlig normaler Kommunikationsprozess ist – und nicht von Hause aus der monströse Verführungs- und Überwältigungs-Popanz, den so manche Kulturkritiker und verschreckte Bürger bis auf den heutigen Tag pauschal darin sehen.«26 Definitionen des Begriffs Propaganda wurden in den letzten Jahrzehnten von ganzen Heerscharen von Historikern, Kommunikationswissenschaftlern und Soziologen erarbeitet. Ebenso unterschiedlich wie die Forschungszugänge, persönlichen Dispositionen und Interessen der Definierenden sind auch die Ergebnisse ihrer Definitionsversuche. Nicht immer stand bei Letzteren die Funktionalität im Vordergrund, sondern oft auch semantische Haarspalterei, wissenschaftliche Detailsucht, ideologische Voreingenommenheit oder – wie zuvor dargelegt – moralische Empörung. Das Konzept der Propaganda wird zudem auch mit verschiedensten Phänomenen und Epochen identifiziert oder assoziiert  : So verorteten im 20. Jahrhundert viele Forscher die Propaganda im militärischen Bereich und nahmen sie als »psychologische Kriegsführung« bzw. als außeralltäglichen Kommunikationsmodus wahr, während andere den Begriff zunehmend auf verschiedene Persuasionsphänomene ausdehnten und Werbung oder neuere Formen der Public Relations teilweise mit Propaganda gleichsetzten. Angesichts der Widersprüchlichkeit vieler konkurrierender oder sich überschneidender Deutungsansätze und der sich daraus ergebenden methodischen Probleme erscheint mir zunächst ein Blick auf Leonard Doobs Diktum sehr dienlich  : A clear-cut definition of Propaganda is neither possible nor desirable.27

Auch der Zeitungs- und Kommunikationswissenschaftler Heinz Starkulla jr. spricht mit gebotener Vorsicht darüber, dass es sich bei seinen – sozialempirisch durchaus fundierten und praxisbezogenen (sowie politisch mitunter provokanten) – Überlegungen zu einer tragfähigen Propagandatheorie höchstens um »Prolegomena«, also Vorbemerkungen, handeln kann, weil eine »gültige« Theorie noch außer Reichweite ist.28 Ein wesentlicher Theoriebeitrag wird im Rahmen dieser Arbeit nicht geleistet. Eine intensive Auseinandersetzung mit Propagandatheorien oder gar eine katalogisierende Erörterung der einzelnen phänomenologischen Dimensionen von Propaganda würden den Rahmen dieses Buchs sprengen. Für das hier untersuchte Forschungsfeld, nämlich die von Österreichern im USExil betriebene Kriegspropa­ganda gegen das Deutsche Reich, werde ich dennoch kurz versuchen, eine brauchbare Definition von Propaganda zu erarbeiten. 26 Starkulla jr., Propaganda, 71. 27 Leonard Doob, zitiert in Jowett/O’Donnell, Propaganda, 4. 28 Starkulla jr., Propaganda, 233.

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Auch wenn jeglicher Versuch einer exakten Beschreibung bzw. theoretischen Einfassung des Begriffs Propaganda nahezu »unmöglich« bzw. nichts anderes als ein Konstrukt ist, will ich auf eine »Sortierungshilfe komplexer Realitäten«,29 also eine Begriffsklärung, nicht verzichten. Für den personenzentrierten Zugang dieser Studie ist es nötig, eine relativ klare Vorstellung davon zu haben, was (Kriegs-)Propaganda ist, um in weiterer Folge entscheiden zu können, wer als Propagandist bezeichnet und klassifiziert werden kann und unter welchen Kriterien man seine Propagandaprodukte analysiert. Unter dem Terminus Propaganda lassen sich mithilfe der vorliegenden Literatur zunächst psychologische bzw. sozialkommunikative Maßnahmen zur (außen)politischen Meinungslenkung in militärischen Konflikten sowie eine Reihe weiterer persuasiver Kommunikationstechniken subsumieren  : So kann Propaganda in Friedenszeiten der gouvernementalen Selbstrepräsentation und dem »manifacturing of consent« innerhalb eines Staates dienen.30 Gleichzeitig kann sie auch als Werbetechnik im Sinne der Public Relations angewandt werden, die am globalisierten Markt der Meinungen letztlich nicht (nur) kommerziellen, sondern auch ideologischen Zwecken dient. In Kriegszeiten unterstützt Propaganda in der Regel die konventionelle Kriegsführung des Militärs durch psychologische Angriffe auf den Gegner. Propaganda ist nach den Worten von Harold Lasswell eine »technique of influencing human action«31. Sie ist bis heute ein hochgradig pragmatisches und »ubiquitäres Kampf-, Droh- und Tarnmittel, um die je eigenen Wahrheitsansprüche durchzusetzen.«32 Propaganda als Technik zur Beeinflussung bzw. Steuerung menschlichen Handelns wird vor allem (aber nicht nur) von staatlichen und politischen Institutionen betrieben  ; methodisch bedient sich die Propaganda vornehmlich (bild)sprachlicher Mittel und sämtlicher Spielarten symbolischer Kommunikation  ; inhaltlich zeichnet sie sich »durch die Komplementarität von überhöhtem Selbst- und denunzierendem Fremdbild aus« und ordnet die »Wahrheit dem instrumentellen Kriterium der Effizienz unter«.33 Gerade der pragmatische (menschliches Handeln zweckdienlich beeinflussen) und der konfrontativ-­ ideologische Grundsatz (positive Freund- und negative Feindbilder zeichnen) ist bei der Definition von Kriegspropa­ganda bedeutend. Während Propaganda ein allgemeiner Überbegriff für Beinflussungsmaßnahmen auf bestimmte Gruppen 29 Ernst Bruckmüller, zitiert in  : Wodak et al., Diskursive Konstruktion, 122. 30 Vgl. Noam Chomsky, Media Control. The Spectacular Achievements of Propaganda. New York  : 2 2002, 14. 31 Harold D. Lasswell, »Propaganda«, in  : Robert Jackall (Hg.), Propaganda. New York  : 1994, 13–25, 13. 32 Wagner, »Heinz Starkulla jr.«, 55. 33 Bussemer, Propaganda, 33.



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bzw. Rezipienten ist, bezieht sich der 1920 erstmals offiziell verwendete 34 Terminus Psychologische Kriegsführung auf propagandistische Kriegsaktivitäten, die sich hauptsächlich gegen einen feindlichen Empfänger richten.35 Es geht bei psychologischer Kriegsführung vor allem darum, den Feind nicht physisch anzugreifen oder zu töten, sondern ihn verbal und bildlich zu attackieren, zu diffamieren oder einzuschüchtern, während man die eigene Seite überhöht und idealisiert. Wie Milton Eisenhower, damals Associate Director des US-Kriegspropa­gandaamtes Office of War Information, in einer im Mai 1943 gehaltenen Rede vor amerikanischen Bankiers und Finanzexperten feststellte, ist die psychologische Kriegsführung nur eine Fortsetzung und Unterstützung des bewaffneten Kampfs mit nichtmilitärischen Mitteln. In einem totalen Krieg, der an vielen Fronten und mit vielen Mitteln ausgefochten wird, stelle Propaganda, so Eisenhower, einen vitalen und unverzichtbaren Teil der gesamten Kriegsanstrengung dar  : The battles we are waging there are a vital part of total war. They involve a struggle for men’s minds no less urgent, in terms of ultimate victory than the struggle for men’s blood. Wars are not won by the winning of men’s minds, to be sure  ; […] But […] if we weaken the convictions of our enemies, we weaken their will to fight  ; and if we strengthen the convictions of our allies and ourselves, we strengthen our capacity to win. No, I do not suggest that this war will be won with propa­ganda. It will be won only by defeating the enemy on the field of battle – by killing more of the enemy than the enemy kills of us. But we do not cease to think, merely because we learn to shoot  ; and neither does the enemy. Propaganda is therefore an important auxiliary of our armed forces  : it can help them to win  ; it can help shorten the war  ; and it can save lives.36

Ziel von (US-)Kriegspropa­gandaaktivitäten war es, im »Zusammenstoß zwischen (unserer  !) Wahrheit und (ihrer  !) Lüge«,37 Handlungen anzuregen und Gefühle bei den feindlichen Empfängern hervorzurufen, die im Sinne der propagandistischen Kommunikatoren waren. Das heißt, die (exilösterreichischen) Mitarbeiter der US-Propagandaämter versuchten, die deutschen und österreichischen Adressaten von der Richtigkeit der alliierten Sache zu überzeugen und zu indoktrinieren und sie zu bestimmten Tätigkeiten zu bewegen. Ein – sich aus heutiger Sicht als illusorisch erweisendes – Maximalziel der amerikanischen Anstrengungen in diesem Bereich war es, die feindlichen Propagandarezipienten in großer Zahl 34 Starkulla jr., Propaganda, 135. 35 Vgl. David Welch, Propaganda. Power and Persuasion. London  : 2013, 38. 36 Talk by M. Eisenhower, Associate Director of [Office of ] War Information, before the Kansas Bankers’ Association, Topeka, Kansas, 22.5.1943. NARA, RG 208, E 1, B 9. 37 Starkulla jr., Propaganda, 75.

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dazu zu bringen, die Kriegsführung ihres Staates zu behindern und das NS-Herrschaftssystem zu bekämpfen, etwa in Form von Sabotage, Desertion, Defätismus und bewaffnetem Widerstand usw. Neben diesen auf Handlungsentscheidung beim feindlichen Empfänger abzielenden Absichten verfolgten amerikanische Propagandainstitutionen aber auch das Ziel, informierend zu wirken, weltanschauliche Orientierung zu vermitteln und die Vorzüge der amerikanischen Demokratie einer internationalen Öffentlichkeit zu präsentieren. Um die eigene »Wahrheit« vor dem Feind und der Welt darzulegen, bietet Kriegspropa­ganda »einen möglichst narrensicheren Bezugsrahmen für das Zurechtfinden zwischen den Lagern an.«38 Propaganda will also nicht nur Handlungen sichtbar beeinflussen, sondern auch über die eigenen Absichten und Überzeugungen aufklären, um dadurch zumindest mittel- oder langfristig einen Einfluss auf Haltungen, Stimmungen und Dispositionen des Empfängers auszuüben. Wer ist ein Propagandist  ? Der Fokus der Analyse ist in Bezug auf die Institutionen, die Propaganda betrieben haben, ein amerikanischer  ; was die Propagandisten bzw. ihre geistigen Werke betrifft, ist er zum überwiegenden Teil ein (exil)österreichischer. Im Zuge meiner bisherigen Recherchen zu diesem Thema bin ich auf rund 180 Österreicherinnen und Österreicher gestoßen, die während des Zweiten Weltkriegs in den wichtigsten Propagandaschmieden der USA arbeiteten und somit einen intellektuellen Beitrag zur Niederringung des NS-Regimes und zur Wiederherstellung von Öster­reich als demokratischem Staat leisteten. Die Kriegsbiografien und Tätigkeiten der mir am interessantesten erscheinenden Vertreter dieser Personengruppe werden in den folgenden Kapiteln vorgestellt. Auf die allgemeine Exilgeschichte von Österreichern in den USA möchte ich hierbei nicht eingehen, da diese bereits in einer Reihe von einschlägigen Arbeiten erschöpfend behandelt worden ist.39 Obwohl der Begriff Propagandist eher schwammig und die Zuordnung der beforschten Personen zu diesem Terminus nicht immer einfach ist, schätze ich die Anzahl der österreichischen Mitarbeiter in den amerikanischen Propagandaorganisationen des Zweiten Weltkriegs auf etwa 300 bis 400 Perso38 Ebd., 118. 39 Grundlegend ist hier Peter Eppels zweibändige DÖW-Dokumentation zu nennen, die neben zahlreichen Archivquellen auch zusammenfassende Darstellungen und Literaturangaben zum Thema beinhaltet. Peter Eppel (Hg.), Österreicher im Exil. USA 1938–1945. Eine Dokumentation, Bd. 1. Wien  : 1995  ; derselbe (Hg.), Österreicher im Exil. USA 1938–1945. Eine Dokumentation, Bd. 2. Wien  : 1995.



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nen. Diese österreichischen Exilanten wirkten in den amerikanischen Kriegs­ institutionen unter anderem als Texter, Redakteure, Sprecher, Zeichner, Musiker, Arrangeure, Regisseure, Schauspieler, Aufklärungsoffiziere und Ideengeber. Wie das einführende Beispiel der SAUERKRAUT-Operation gezeigt hat, traten Österreicher in verschiedensten institutionellen, geografischen und thematischen Kontexten als US-Propagandisten in Erscheinung. Sie taten dies unter anderem auf amerikanischen Boden, in Großbritannien, in Frankreich, Nordafrika und Italien. Sie, die wenige Jahre zuvor noch im Inneren des nunmehrigen Deutschen Reichs gelebt hatten, waren mit der Sprache, der Denkweise und der Kultur des Feindes vertraut. Für ihre amerikanischen Dienstgeber waren sie daher wertvolle Experten und Schlüsselkräfte. Eine Gesellschaftsgruppe, deren Fähigkeiten und intellektuelle Kapazitäten im psychologischen Kampf und im Schattenkrieg gegen die Achsenmächte zwar spät, aber doch genutzt wurden. Wer kann, wer darf eigentlich zu den exilösterreichischen Propagandisten in den USA gezählt werden  ? Aufbauend auf die zuvor erarbeitete Propaganda-Definition bezeichne ich jene österreichischen Exilanten in den USA, die ab 1941 im Dienst amerikanischer Kriegsinstitutionen versuchten, mit Worten, Klängen und Bildern menschliche Handlungen und Denkweisen auf der feindlichen (und teilweise auch auf der eigenen) Seite zu beeinflussen, als Propagandisten. Dies klingt plausibel, reicht aber nicht aus, um der Komplexität propagandistischer Tätigkeit gerecht zu werden. Die Produktion bzw. der Ausstoß eines propagandistischen Kommunikates erfordert einen Arbeitsprozess, bei dem mehrere Personen in verschiedenen Funktionen beteiligt sind. Lange Zeit existierte vielerorts die Vorstellung, dass es einen Propagandisten als prägendes und beinahe allmächtiges Subjekt gibt, der als exklusiver Hersteller und »Sender« fungiert. Diese grob vereinfachende Vorstellung ist heute nicht mehr haltbar  : So stellt sich bei deutschsprachigen Rundfunksendungen amerikanischer Herkunft etwa die Frage, wer denn hier »der Propagandist« ist  : Der (exilösterreichische) Verfasser von Rundfunkreden, die an den deutschen Feindhörer adressiert sind  ? Der Radiosprecher, der gewisse propagandistische Inhalte durch persönliches Charisma, Stimmgestaltung und Betonung bestimmter Inhalte noch verstärken und damit das Propagandakommunikat »verändern« kann  ? Die Sängerin, die zwischen den erwähnten Rundfunkreden ein antifaschistisches Lied zum Besten gibt und damit die feindliche Bevölkerung auf sehr emotionale, ebenfalls propagandistische, Weise anspricht  ? Der Geheimdienstoffizier, der jenen propagandistischen Rohstoff über die »Feindmoral« und die Geschehnisse im feindlichen Lager liefert, der für die Rundfunkrede unseres Manuskriptschreibers so wichtig, ja unverzichtbar ist  ? Der wissenschaftliche Analyst, der die nachrichtendienstlichen Informationen zur Propaganda(-Wirkung) evaluiert und Propagandatheorien und -handbücher erarbeitet  ? Die obersten Chefs der Propagandaämter, die die groben Richtlinien

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vorgeben und somit auch inhaltlichen Einfluss auf den Propagandatext ausüben  ? Der US-Präsident selbst, wenn er etwa entscheidet, dass ab sofort dieses oder jenes Leitthema die amerikanische In- oder Auslandspropa­ganda dominieren sollte  ? Man sieht, dass die Frage, wer ein Propagandist ist und wer nicht, keine einfache ist. So fordert Rainer Gries eine Ausdifferenzierung der propagandistischen Akteure und Funktionseliten, indem er beispielsweise die oft überschätzte Rolle von führenden Alphatieren relativiert und sie nicht als autonome, mächtige Subjekte, sondern nur als kleinen Teil inmitten einer ganzen Gruppe von prägenden »Psychokriegern« und Propagandainstanzen betrachtet  : Die Gruppe der traditionell als ›Sender‹ verstandenen politischen Akteure sollte hinterfragt und ausdifferenziert werden. […] Wer genau konzipiert, verfasst und kommuniziert die politischen [und ideologischen] Botschaften ›von oben‹  ? Nicht nur Konrad Adenauer, Charles de Gaulle und Willi Brandt waren Propagandisten ihrer Sache, sondern auch die Agenten und Agenturen, die ihre propagandistischen Narrative medialisierten und vergesellschafteten. Im Medienbereich gibt es unzählige Funktionseliten zu entdecken, die zu den Sendern von Propaganda hinzugezählt werden müssen. […] An der Verbreitung und an der Aufbereitung propagandistischer Narrative sind freilich nicht nur ›Spezialisten‹ für Massenkommunikation, mithin Medienakteure, beteiligt, sondern auch wissenschaftliches und pädagogisches Personal, Künstler und Karikaturisten, ebenso wie Priester und Prediger.40

Da sich zeigt, dass der Terminus Propagandist ein unscharfer und eine eindeutige Zuordnung von Exilösterreichern in den US-Propagandaschmieden zu diesem Begriff schwierig ist, werde ich auch hier eine definitorische Eingrenzung vornehmen. Als exilösterreichische US-Propagandisten möchte ich in einem ersten Schritt all jene österreichischen Exilanten bezeichnen, die durch ihre Tätigkeit für amerikanische Propagandaämter und -einheiten nachweisbar auf die inhaltliche Gestalt der Propagandakommunikate Einfluss genommen haben. Das heißt, ein exilösterreichischer Autor, der ein Manuskript für eine Rundfunkrede an die deutschen Hörer verfasst, gilt ebenso als Propagandist wie ein exilösterreichischer Nachrichtenoffizier, der feindliche Soldaten gezielt auf propagandistische Themen hin interviewt und die einschlägig verwertbaren Äußerungen des Soldaten dem Rundfunkautor übermittelt bzw. durch eigene Beiträge ergänzt. Obwohl der Rundfunkautor als Verfasser des Texts eine Art Primärkommunikator und im Vergleich zum »zuarbeitenden« Nachrichtenoffizier der bedeutendere Mitarbeiter 40 Rainer Gries, »Zur Ästhetik und Architektur von Propagemen. Überlegungen zu einer Propagandageschichte als Kulturgeschichte«, in  : Rainer Gries/Wolfgang Schmale (Hgg.), Kultur der Propaganda (= Herausforderungen, Bd. 16). Bochum  : 2005, 9–36, hier 15.



Einleitung 

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ist, haben beide eben erwähnten Personen durch ihre Arbeit auf das propagandistische Kommunikat Einfluss genommen. Kein Propagandist im engeren Sinne ist hingegen derjenige, der zwar für Propagandainstitutionen arbeitet, dabei aber rein technische Tätigkeiten wie das Drucken von Flugblättern ausübt. Um der Nachweisbarkeit der Propagandatätigkeit noch mehr Konsistenz und Faktizität zu verleihen, habe ich die operativen Dokumente und Personalakten der amerikanischen Kriegsinstitutionen als zusätzliches Auswahlkriterium verwendet. Ein österreichischer Exil-Propagandist in den USA zwischen 1941 und 1945 ist demnach nur, wer den von mir zuvor vorgenommenen Propaganda-Definitionen gerecht wird und wer nachweislich einer der US-Propagandainstitutionen (OWI, OSS, US Army etc.) des Zweiten Weltkrieges angehörte. Die Bandbreite der Instrumente und Kommunikationsmittel, welche die Protagonisten dieses Buchs zum Zweck der psychologischen Kriegsführung anwendeten, war groß. Ich werde mich bei der Analyse der von Österreichern geleisteten Propagandatätigkeiten vor allem auf jene Textsorten und Medien konzentrieren, die am häufigsten genutzt wurden und die im Krieg der Meinungen am bedeutendsten waren  : Dies sind für die Auslandspropa­ganda vor allem Rundfunkkommunikate wie Radioansprachen oder Lieder sowie Flugblätter verschiedenen Typs. Für die Inlandspropa­ganda an der US-»Heimatfront« waren (neben den hier ausgesparten Bereichen Inlandsrundfunk und Film) Poster und Plakate ein bedeutendes Medium. Das institutionelle Umfeld der österreichischen Exilpropagandisten Die österreichischen Exilanten trafen in den institutionalisierten Propagandawerkstätten der USA im Groben auf zwei Spielarten und Philosophien psychologischer Kriegsführung. So unterschied sich das »mindset« der zwei maßgeblich für die psychologische Kriegsführung der USA zuständigen Organisationen in Bezug auf die von ihnen produzierten Inhalte wesentlich voneinander  : Während im OWI eine eher idealistische, weiße Propaganda produziert wurde, verfolgte man aufseiten des Kriegsgeheimdienstes OSS den pragmatischen, stark auf militärische Zwecke zugeschnittenen Ansatz der schwarzen Propaganda bzw. der »subversive psychological warfare«. Zu Beginn des jeweiligen Hauptkapitels und im Rahmen des Analyseteils werde ich auf die Genese sowie die jeweilige Charakteristik und Propagandaphilosophie dieser Institutionen und deren Bedeutung für die von ihnen beschäftigten Österreicher näher eingehen. An dieser Stelle möchte ich nur einen kursorischen Überblick über die wichtigsten historischen Entwicklungen im Feld der US-Kriegspropa­ganda während des Zweiten Weltkrieges geben.

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Einleitung

Wurde die psychologische Kriegsführung, vor allem die der Auslandspropa­ ganda, in der Anfangsphase des Krieges von den zivilen Institutionen OWI und OSS dominiert, stiegen gegen Ende des Krieges die US Army und ihre Propagandaabteilungen namens Psychological Warfare Branch/Allied Forces Headquarters (PWB/ AFHQ) und Psychological Warfare Division/Supreme Headquarters Allied Expeditionary Force (PWD/SHAEF) zur dominierenden Instanz in Fragen der überseeischen Kriegspropa­ganda auf. Von der PWD/SHAEF etwa wurden ab 1944 viele Mitarbeiter des OWI und des OSS, darunter zahlreiche Exilösterreicher, übernommen bzw. in militärisch kontrollierte Propagandaeinheiten kooptiert. Ich habe mich in Bezug auf die Anordnung der Kapitel dafür entschieden, grosso modo dieser historischen Entwicklung der amerikanischen Propagandaämter zu folgen  : Zuerst wird die von Österreichern produzierte US-Propaganda der zivilen Ämter (OWI, OSS) in den Mittelpunkt gestellt, danach jene der US-Armee. Wie die einzelnen Analysekapitel noch zeigen werden, wirkte sich das jeweilige Gepräge der verschiedenen Institutionen sehr stark auf die Propagandatätigkeit der Protagonisten aus. Vorarbeiten Im Rahmen dieses Werks konnte ich insgesamt bereits rund 180 Österreicherinnen und Österreicher in amerikanischen Propagandainstitutionen des Zweiten Weltkriegs eruieren und in einer Datenbank erfassen. Die meisten von ihnen haben keine Erwähnung in dieser Arbeit gefunden. Die hier dargestellten Kriegsviten sind kein repräsentativer Querschnitt für diese Personenkohorte. Die qualitativen Einzelstudien und biografischen Schlaglichter zu den ausgewählten Protagonisten und die Mikroanalysen von deren Propagandaaktivitäten sollen aber einen möglichst anschaulichen Einblick in das Wirken dieser Menschen und die Charakteristik ihrer Propaganda- und Exilwiderstandstätigkeit und ihre antifaschistische Kriegsleistung geben. Thematisch und von den Quellen her ist dieses Buch eng mit einem ebenfalls von mir durchgeführten Forschungsprojekt zu Öster­reichern in US-Kriegsinstitutionen des Zweiten Weltkriegs verknüpft. Während der vorliegende Band sich dem geistigen Widerstand widmet, dokumentiert das Buch Militärischer Widerstand von außen den militärischen Kampf des österreichischen Exils in den USA41 – es ist daher eine Ergänzung zu dieser Arbeit. 41 Für das Ergebnis dieses von der Dietrich W. Botstiber-Stiftung finanzierten und vom Austrian Center for Intelligence, Propaganda and Security Studies (ACIPSS) durchgeführten Projekts siehe Traussnig, Militärischer Widerstand. Die in diesem komplementären Werk angeführten Informationen zu den aufgesuchten Archiven und Bibliotheken sind weitgehend deckungsgleich mit jenen, die für dieses Buch anzuführen wären. Daher habe ich auf einen redundanten Überblick über die Quellenlage verzichtet.

1 Österreicher im Office of War Information (OWI)

1.1 »Wir werden Ihnen täglich die Wahrheit sagen« – Die weiße Propaganda des OWI Als Julius Deutsch, eine der einflussreichsten und kämpferischsten1 Figuren der österreichischen Sozialdemokratie der Zwischenkriegszeit, während seiner Zeit im US-Exil als »Beamter des Office of War Information« (OWI) und als Geheimdienst-Informant arbeitete, zeigte er sich tief beeindruckt vom gewaltigen Militär- und Propagandaapparat der Amerikaner, der in kurzer Zeit geschaffen wurde und der die Achsenmächte schließlich niederringen sollte.2 Deutschs autobiografische Angaben werden durch die Tatsache, dass das OWI während des Krieges allein 3.000 Mitarbeiter mit der Vorbereitung und Produktion von Radiosendungen betraute, untermauert.3 Wie kam es zur Genese jener Organisation, die die Exilkarrieren von Österreichern wie Deutsch wesentlich prägen sollte  ? Der Aufbau des von Deutsch angesprochenen Medien- und Propagandaapparates der Kriegsnation USA mit dem OWI im Mittelpunkt verlief alles andere als geradlinig und war von vielen gesellschaftsphilosophischen Debatten und politischen Winkelzügen begleitet. Die Figuren, die bei der Schaffung des OWI und dessen organisatorischem Vorläufer, dem COI (Coordinator of Information),4 federführend waren, entstammten verschiedenen Ecken des politischen Spektrums der Vereinigten Staaten. Geeint wurden sie durch ihre interventionistische und prinzipiell antifaschistische Haltung.5 Seit Ende der 1930er-Jahre waren die USA in ihren 1 2 3 4

5

Deutsch war Veteran der k. u. k. Armee des Ersten Weltkrieges und republikanischer Artillerieoffizier im Spanischen Bürgerkrieg. NARA, National Personnel Records Center (NPRC), OWI Personnel File of Julius Deutsch, State, Bx 33135, Bu 204, CPR. Julius Deutsch, Ein weiter Weg. Lebenserinnerungen. Wien  : 1960, 368 f. Conrad Pütter, Rundfunk gegen das »Dritte Reich«. Deutschsprachige Rundfunkaktivitäten im Exil 1933–1945. Ein Handbuch (= Rundfunkstudien, Bd. 3). München, London, New York, Oxford, Paris  : 1986, 136. Solide Überblickswerke zu Entstehung und Auslandsaktivitäten des OWI sind Allan Winkler, The Politics of Propaganda. The Office of War Information 1942–1945. New Haven und London  : 1978, und Clayton D. Laurie, The Propaganda Warriors. America’s Crusade Against Nazi Germany. Lawrence  : 1996. Vgl. Holly Cowan Shulman, The Voice of America. Propaganda and Democracy, 1941–1945. Madison  : 1990, 10.

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Österreicher im Office of War Information (OWI)

Augen eine Nation, die sich dem unvermeidlichen Konflikt mit den expansiven Achsenmächten nicht entziehen durfte und sich militärisch darauf vorzubereiten hatte. Zu diesem aktionistischen Kreis zählten linksliberale Kulturschaffende, die dem Idealismus eines Woodrow Wilson anhingen, wie Robert Sherwood, der Redenschreiber Präsident Franklin D. Roosevelts, oder Archibald MacLeish, Leiter der Library of Congress, aber auch Leute aus dem konservativen und militärischen Spektrum wie William J. Donovan, republikanischer Anwalt und Weltkriegsveteran, der ein forsches und unorthodoxes Vorgehen gegen militärische Aggressoren wie Hitlerdeutschland befürwortete.6 Als sich die politisch buntscheckige Allianz der Interventionisten gegenüber den Isolationisten durchzusetzen begann, schuf Präsident Roosevelt im Juni 1941, also noch vor dem japanischen Angriff auf Pearl Harbor, mit dem COI erstmalig in der Geschichte der USA einen zentralen und weitgehend zivil geführten Nachrichtendienst. Dieser wurde von Donovan geleitet während Sherwood für dessen Auslandsinformationsabteilung Sherwood verantwortlich war. Neben der Beschaffung, Analyse und Weiterleitung von Intelligence war das COI auch für Auslandspropa­ganda zuständig. Da es innerhalb des COI in Bezug auf Charakteristik und Zielsetzungen der Propaganda bald zu einem Richtungsstreit zwischen militärnahen und pragmatischen »Machiavellisten« wie Donovan und idealistisch-linksliberalen Literaten wie Sherwood kam, entschied sich Roosevelt im Juni 1942 – mittlerweile befanden sich die USA seit einem halben Jahr im Krieg und ein effektiveres institutionelles Modell zur Planung und Durchführung von In- und Auslandspropa­ganda war dringend vonnöten – für eine salomonische Lösung  : Mit der Verfügung Nr. 9182 schuf er einerseits das Office of War Information, das unter der Leitung des bekannten Journalisten Elmer Davis für die Dauer des Krieges als zentrales Informationsorgan der amerikanischen Regierung fungierte. Die Auslandsinformationsabteilung des COI wurde mit Sherwood an der Spitze vom OWI übernommen. Auch andere Regierungsinstitutionen wie das Office of Facts and Figures, das u. a. Radiosendungen koordinieren und die US-Bevölkerung über die amerikanischen Defensivmaßnahmen aufzuklären hatte, oder das Office of Government Reports und das Office of Emergency Management (oem) gingen ganz oder teilweise im OWI, das sämtliche Spielarten von Informationspolitik und propagandistischer Arbeit vereinheitlichen und koordinieren sollte, auf. Zeitgleich jedoch installierte der Präsident das von Donovan geleitete und unter der Ägide des US-Generalstabs operierende Office of Strategic Services (OSS) (siehe Kapitel 2), das, mehr als das OWI, die eigentliche Nachfolgeorganisation des COI war. Das OSS widmete sich neben nachrichtendienstlichen Tätigkeiten 6 Laurie, Warriors, 5.



Die weiße Propaganda des OWI 

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allen subversiven Spielarten der Propaganda und betrieb – in einem permanenten Spannungsverhältnis zum OWI stehend – psychologische Kriegsführung im wahren Wortsinne. Die schwarze OSS-Propaganda versuchte die feindlichen Empfänger auf vielfältige Weise anzuschwindeln, zu täuschen, zu verunsichern und zu verängstigen. Das militärisch ausgerichtete OSS kopierte oder adaptierte teilweise die Methoden des NS-Staates (welche laut dem Propagandaexperten und Soziologen Daniel Lerner auf der »strategy of the big lie«, also auf einem ideologisch fundierten, riesigen Lügengebäude, basierten7) und arbeitete mit »schwarzen«, »grauen« und allgemein unorthodoxen Methoden wie Verhüllung der amerikanischen Urheberschaft von Propagandakommunikaten, Gerüchten, Rufmordkampagnen, gefälschten Postsendungen usw. Das OWI hingegen betrieb eine mit der Politik der Roosevelt-Regierung weitgehend abgestimmte, offene, »weiße« und eher idealistische Staatspropa­ganda (»the strategy of truth«). Die weiße Propa­ ganda des OWI wollte bei den Empfängern vor allem eines  : Glaubwürdigkeit vermitteln und als seriöse Informationsquelle wahrgenommen werden.8 Offiziell war das OWI für die regierungsamtliche Selbstdarstellung, das Erklären der US-Kriegspolitik und -ziele sowie für die Produktion und den Vertrieb von vielen weiteren kriegsbezogenen Informationen via Radio, Presse, Plakat und Film, die an die in- und ausländische Öffentlichkeit gerichtet waren, zuständig. Ab Juni 1942 war es die zentrale Clearingstelle und oberste Koordinierungsinstanz für alle US-Rundfunksender in Bezug auf »faktentreue« Kriegsinformation. In der Verordnung zur Gründung des OWI behauptete Roosevelt, dass es ein »right of the American people and of all other peoples opposing the Axis aggressors to be truthfully informed about the common war effort« gäbe. 9 Nur zwei Tage nach dem japanischen Angriff auf Pearl Harbor bekräftigte er the public’s right to know  :

7 Lerner, Sykewar, 29  ; vgl. Winkler, OWI, 76. Mit fragwürdigen Argumenten bezeichnet Heinz Starkulla jr. Lerners plausible These von der auf ideologischen Motiven basierenden nationalsozialistischen Großen Lüge als »drollig«, »rabulistisch« und »metapropagandistisch« (Starkulla jr., Propaganda, 121 f.). Dennoch kann er das aus unzähligen Quellen belegbare Gefälle zwischen unwahrer deutscher Propagandarede und diametral entgegenstehender Kriegsrealität nicht von der Hand weisen. Das Faktum, dass auch die – im Großen und Ganzen ziemlich wahrheitsgetreu informierenden – US-Propagandainstitutionen in zahlreichen Fällen die Realität propagandistisch verzerrt oder zum Instrument der schwarzen Propaganda gegriffen haben, widerlegt nicht die Tatsache, dass das NS-Regime und seine Propagandisten in einem ungleich radikaleren Ausmaß mit dem Instrument der bewussten »Lüge« gearbeitet haben als die Amerikaner. 8 Jowett/O’Donnell, Propaganda, 17. 9 Franklin D. Roosevelt, zitiert in Angela Cziczatka, US-Propaganda im Zweiten Weltkrieg  : Österreich im Spiegel des US-Rundfunks. Frankfurt am Main und Wien  : 2003, 91.

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Österreicher im Office of War Information (OWI)

We must share together the bad news, the defeats and the victories – the challenging fortunes of war.10

Information, nicht Propaganda, war also das Wort der Stunde. Hinter den euphemistischen Termini Information und Wahrheit stand de facto aber eine Institution, die »explizit und ausschließlich als Propagandaapparat gedacht war«11 und »handfeste Propaganda« betrieb.12 Auch wenn das OWI stets behauptete, wahrheitsgetreu zu informieren, war es doch eine den Interessen der amerikanischen Kriegspartei untergeordnete »Wahrheit«.13 Das OWI arbeitete primär auf den Gewinn des Krieges, nicht auf Objektivität in der Berichterstattung hin. Während der Begriff Information dem Rezipienten aufklärerische Intentionen suggerieren sollte, rief der Terminus Propaganda bei jenen Amerikanern, die während des Ersten Weltkriegs schlechte Erfahrungen mit den rassistischen und agitatorischen Kampagnen des sogenannten Committee of Public Information unter der Leitung von George Creel gemacht hatten, negative Assoziationen hervor, die sich unter dem Eindruck der NS-Propaganda ab 1933 noch verstärkten. Doch muss man einräumen, dass zahlreiche Führungspersönlichkeiten des OWI in der Tat an den Wahrheitsgehalt der von ihnen produzierten Propagandainformationen glaubten. In ihrer idealistischen, teils naiv-utopischen Weltsicht redeten sich Leute wie James Warburg, jener »ardent interventionist«,14 der später als Deputy Director und Verfasser von Radiodirektiven eine Schlüsselposition in der OWI-Überseeabteilung innehatte, auf autosuggestive Weise ein, dass eine möglichst wahrheitsgemäße Information die dahinter stehende Propaganda nicht nur verbergen, sondern sogar an deren Stelle treten könne. So behauptete Sherwood, der ideologisch der Roosevelt-Administration und dem New Deal nahestand  : [T]he truth coming from America, with unmistakable American sincerity, is by far the most effective form of propa­ganda.15

Damit legte das OWI den sendungsbewussten Idealismus US-amerikanischer Prägung als grundlegende Propagandaphilosophie fest. In Letzterer spiegelt sich das 10 Franklin D. Roosevelt, zitiert in Jordan Braverman, To Hasten the Homecoming. How Americans Fought World War II through the Media. Lanham  : 1996, 44. 11 Andreas Elter, Die Kriegsverkäufer. Geschichte der US-Propaganda 1917–2005. Frankfurt am Main  : 2005, 80  ; vgl. Siegwald Ganglmair, Amerikanische Kriegspropa­ganda gegen das Deutsche Reich in den Jahren 1944/45 (Diss.). Wien  : 1978, 21. 12 Ganglmair, Kriegspropa­ganda, 22. 13 Vgl. Bussemer, Propaganda, 33. 14 Winkler, OWI, 74. 15 Ebd., 76.



Die weiße Propaganda des OWI 

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traditionelle außenpolitische Credo Amerikas wider, »dass seine inneren Prinzipien selbstverständlich universal seien und sich stets segensreich auswirken würden« (Henry Kissinger).16 Genährt wurden diese Weltsicht und der Glaube der OWI-Führungsfiguren, die »gospel of democracy« in die Welt hinaustragen zu müssen,17 durch die starke Tradition des demokratisch-pluralistischen US-Journalismus. Die etwa in amerikanischen Radioproduktionen des OWI getätigten Aussagen wie »Wir werden Ihnen täglich die Wahrheit sagen«18 waren mehr als bloße Propagandafloskeln. Trotz ihrer nationalistisch-ideologischen Implikationen spiegelten sie wesentliche politische und philosophische Säulen des amerikanischen Gesellschaftsmodells wider und »transzendierten ihre propagandistische Brauchbarkeit bei weitem.«19 Im OWI nahm man den Wahrheitsgrundsatz durchaus ernst und war auch willens, der »faktenhungrigen« Weltöffentlichkeit über »bittere Pillen« wie militärische Niederlagen der USA durchaus tatsachengetreu zu berichten.20 Gleichwohl war die Vermeidung von Begriffen wie Propaganda oder psychologische Kriegsführung in den Gründungsdokumenten des OWI auch kontraproduktiv. Das Mandat der größten Propagandabehörde der USA im Zweiten Weltkrieg war – nicht zuletzt wegen Roosevelts relativ geringem Interesse für die Fragen der psychologischen Kriegsführung – von Anfang an schwammig definiert.21 Aus diesen und anderen Gründen entstand ein dauerhafter, nie völlig gelöster Konflikt um den Charakter und die Zielsetzungen der persuasiven »Informations«-Tätigkeit des OWI, der sich organisatorisch und operativ oft zum Nachteil dieser Institution auswirkte und andere Propagandaorganisationen wie das OSS oder die »Psywar«-Abteilungen der US-Armee begünstigte.22 Wo kein klar umrissenes Tätigkeitsfeld und keine stringente »Propaganda Policy« vorhan16 Henry Kissinger, Weltordnung. München  : 2014, 265. 17 Winkler, OWI, 27 und 76. 18 OWI [COI] Records of the Domestic Operations Branch, Jan.–Feb. 1942. COI-Sendemanuskript der Voices from America, 12.2.1942. NARA, RG 208, E 460 A[VD], B 1. 19 Alfred Ableitinger, Rezension zu Celia M. Kingsbury, For Home and Country. World War I Propaganda on the Home Front. Lincoln und London  : 2010, in  : Journal for Intelligence, Propaganda and Security Studies ( JIPSS), Vol. 5, Nr. 2/2011, 146–148, hier 147. 20 Dazu der OWI-Mitarbeiter Leonard Carlton  : »We have had to recognize the fact that in our most important audiences the great hunger is for very hard, factual news. […] They want information, hard news – the true account of what is going on, even when the news is unpleasant. American short wave radio, therefore, insists upon truth in its news as well as in the commentaries which are based upon the news. Such bitter pills as Pearl Harbor have been presented without apology.« Leonard Carlton, »Voice of America. The Overseas Radio Bureau«, in  : Public Opinion Quarterly, Vol. 7, Nr. 1, 1943, 46–54, hier 47. 21 Laurie, Warriors, 46. 22 Die vielen Konflikte der US-Propagandainstitutionen untereinander werden bei Laurie, Warriors detailreich dargelegt.

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Österreicher im Office of War Information (OWI)

den sind, gibt es auch keine verlässlichen Vorgaben, welche die Arbeit der Propagandisten strukturieren und erleichtern. Hinzu kam, dass die leitenden Köpfe des OWI, Direktor Davis und der Leiter der Auslandsabteilung, Sherwood, zwar den Umgang mit Wörtern beherrschten, jedoch administrativ weder über sonderliches Talent noch Erfahrung verfügten. Diesen Umständen zum Trotz entwickelte sich das OWI während des Krieges zu einem beispiellosen Medien- und Informationskoloss, der weltweit rund 10.000 Mitarbeiter beschäftigte. 23 Es ist nicht Ziel dieses Buchs, das institutionelle Umfeld der US-Propagandisten und die mannigfaltigen Konflikte zwischen den Organisationen, in denen sie arbeiteten (vor allem jenen zwischen OWI und OSS), detailreich aufzurollen. Vielmehr stehen die konkreten Beiträge der Menschen im Dienst dieser Organisationen im Mittelpunkt. In diesem Kapitel sind dies die Propagandaaktivitäten von österreichischen OWI-Mitarbeitern. Das OWI bestand aus einer Inlandsabteilung (Domestic Branch) und einer wesentlich größeren Auslandsabteilung (Overseas Branch). Während im ersten Abschnitt dieses Kapitels der Fokus auf exilösterreichischen Rundfunkaktivitäten in der Overseas Branch liegt, widmet sich das zweite Unterkapitel einer Fallstudie über einen exilösterreichischen Plakatkünstler in der Domestic Branch des OWI. Diese war für die inneramerikanische »Homefront«-Propaganda zuständig.24 In der Folge wird sich zeigen, wie vielfältig und bunt sich das Tätigkeitsfeld der einzelnen Protagonisten in diesen beiden Bereichen ausnimmt. 1.2 »Dem Nazi ane rechts und ane links« – Die populistische Gemütlichkeitspropa­ganda des OWI Austrian Desk Freier Weg zum Ohre durch die Luft, Willige Welle, die dem Wunsch sich fügt Auch die des Redners, der unendlich lügt  : Trage nun den Ehrenmann wie sonst den Schuft  ! Abgesandter du der Freiheit, schwinge In die waffenstarre Festung dich  ! Zu den dort Gefangenen sprich und sprich, In das Innerste des Landes dringe  ! Nur im Innern kannst du dich entfalten, 23 Pütter, Rundfunk, 136  ; laut Angela Cziczatka hatte die Auslandsabteilung des OWI (Overseas Branch) im Mai 1945 sogar an die 8.400 Mitarbeiter, wovon knapp die Hälfte Ausländer waren. Cziczatka, US-Propaganda, 232. 24 Siehe hierzu das Kapitel 1.3 zu Henry Koerner in diesem Band.



Die populistische Gemütlichkeitspropa­ganda des OWI Austrian Desk 

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Was kein Heer von außen trifft, triffst du. Sprich dem Volke Mut und Hoffnung zu, Falsche, nur erzwungene Einigkeit zu spalten. Stimme der Revolution, Sprichst du erst, wer kann dein Wort verbergen  ? Es vernimmt den Spruch das Ohr der Schergen, Einer Stimme können sie nicht drohn. Können sie die Luft zu Boden schlagen, Die dem Volk die wahre Losung weiß  ? Freiheitssender  ! Frei um jeden Preis  ! Krähte da ein Hahn  ? Bald wird es tagen. »Freiheitssender« von Berthold Viertel, 193925 Er  : A Stelzn vom Schweinderl Sie  : A heuriges Weinderl, Er  : Paar lustige Freunderl Beide  : So war einst Wien … Sie  : Dann kamen, oh Jammer siebn mag’re Jahr’ Er  : A Kreuz war das Hakenkreuz, das war klar Sie  : Man sagte nicht »servas«[,] Musst »Heil« nur schrein Er  : Und hob seinen Arm, wie der Fozl sein Bein Sie  : Statt lebn und lebn lassen Er  : Nur Morden und Hassen Sie  : Und fluechtende Massen Beide  : Das ist jetzt Wien … Auszug aus der Rundfunkpropa­gandasendung »Herr und Frau Adabei«, 11. März 194526

Als Berthold Viertel im November 1939 die eingangs zitierte pathetische Ode auf die antifaschistische Rundfunkpropa­ganda der Gegner Hitlers verfasste, stand dem 55-jährigen Dramaturgen, Übersetzer und Regisseur der Sinn weder nach Altersmilde noch nach künstlerischer Selbstgenügsamkeit. Als jüdischer Wiener 1933 aus Deutschland vor dem Nationalsozialismus geflohen und später in die USA emigriert, rief er aus dem Exil energisch zum Freiheitskampf gegen das Hitler-Regime auf. So klagte er im Dezember 1942 bei einem Treffen der

25 Zitiert in Pütter, Rundfunk, 10. 26 OWI-Sendemanuskript der American Broadcasting Station in Europe (ABSIE), Austrian Show, »Herr und Frau Adabei«, 11.3.1945. Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstandes (DÖW) 9549. Hervorhebung von mir.

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amerikanischen Civilian Defense27, der er sich kurz zuvor angeschlossen hatte, lautstark darüber, dass es »noch immer zu viele« gibt, die durch eine »furchtbare Brandkatastrophe in Boston erschüttert wurden, die aber noch nie daran gedacht haben, daß heute die ganze Welt brennt und daß alle Hände gebraucht werden, um diesen Brand zu löschen.«28 Der nach militärischem Aktivismus dürstende Exilpoet war zu diesem Zeitpunkt schon seit fast einem Jahr Teil des amerikanischen Kriegsapparates  : Obwohl er in den USA von der mit der politischen Überwachung der Immigranten beauftragten Abteilung des Geheimdienstes COI als »parlor pink«, also als mehr oder weniger offener Kommunist, eingestuft worden war29 und man ihm angeblich bei einem FBI-Verhör Verbindungen zu subversiven Kreisen zur Last gelegt hatte,30 wurde Viertel Anfang 1942 vom Schauspieler und Filmproduzenten John Houseman eingeladen, bei einem neuen Kriegspropa­gandaprojekt internationaler Ausrichtung mitzuwirken. Houseman, Chef der Radiosektion der FIS (i. e. Fo­ reign Information Service, Auslandsinformationsabteilung der OWI-Vorgängerorganisation COI), wusste um das schöpferische Potenzial und die ideologischen Antriebe des deutschen und österreichischen Exils in den USA. Unter diesen nach Nordamerika geflüchteten Menschen gab es viele erfahrene Medienleute und Intellektuelle, die dem NS-Staat feindselig gegenüberstanden und bereit waren, gegen Letzteren aktiv zu werden. Für eine neue deutschsprachige Radioreihe, die an die Bevölkerung des »Dritten Reiches« adressiert war und mit dramatischem Gestus die Weltsicht der US-Regierung in den Äther tragen sollte, suchte Houseman Autoren, Redakteure, Übersetzer und Sprecher. Die Wege Housemans, der laut Clayton D. Laurie »especially adept at hiring alien media people« war, 31 kreuzten sich daher nahezu unweigerlich mit jenen von Viertel.32 Im Februar 1942, nach anderen Angaben schon Ende Januar, wurden unter Viertels Mitwirkung die ersten an das NS-Gebiet gerichteten deutschsprachigen Radioproduktionen von COI/FIS unter dem Titel Stimmen aus Amerika/Voices from America aufgenommen. Danach wurden sie via »Radiotelephone« nach London gesendet und über britische Sendeanlagen in den mitteleuropäischen Äther

27 Organisation für Zivilverteidigung (i. e. nichtmilitärische Verteidigung) der USA. 28 Bericht der »Freiheit für Österreich« über ein Civilian Defense Meeting in New York mit B. Viertel (1.12.1942), 15.12.1942, in  : Eppel, Exil, Bd. 2, 56 f. 29 COI/FNB Memorandum D. Poole to Erhardt, Biographical Information on Austrian Immigrants, undatiert, vermutlich Ende 1941. NARA, RG 226, NY-FNB-INT-4AU-710. 30 Konstantin Kaiser, »Berthold Viertel (1885–1953)«, in  : http://www.literaturepochen.at/exil/ l5024.pdf (letzter Zugriff  : 16.9.2011). 31 Laurie, Warriors, 83. 32 John Houseman, Front and Center. New York  : 1980, 56.



Die populistische Gemütlichkeitspropa­ganda des OWI Austrian Desk 

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1 Exzentrischer Exilösterreicher bei der Voice of America  : Berthold Viertel.

geschickt.33 Als wichtiger Bestandteil des rasant wachsenden amerikanischen Propagandaapparates hatte die später in Voice of America (VOA) umbenannte Station die Aufgabe, Politik und Maßnahmen der US-Regierung der ausländischen Hörerschaft zu erklären und ihr gegenüber zu verteidigen.34 Es gab anfangs nur zwei permanente Redakteure, eine Sekretärin und ein paar Sprecher, zu denen der Österreicher Robert Bauer, ein Jurist und ehemaliges Mitglied der »austrofaschistischen« Vaterländischen Front, gehörte.35 Viertel, der nicht offiziell beim COI 33 Offiziell gilt der 24. oder 25. Februar 1942 als Geburtstag der deutschsprachigen Voice of America. John Houseman, Leonard Carlton und Walter Roberts datieren den Beginn der Sendungen auf Anfang Februar bzw. Ende Januar. Ein von mir im US-Nationalarchiv eingesehenes, auf den 12. Februar datiertes »Voices from America«-Manuskript stützt die Aussagen von Roberts und Houseman. Siehe Cziczatka, US-Propaganda, 90  ; Carlton, »Voice«, 51  ; Walter R. Roberts, »The Voice of America. Origins and Recollections«, unpaginiert, in  : http://www.unc.edu/depts/diplomat/item/2009/1012/fsl/roberts_voice.html (letzter Zugriff  : 18.4.2012). 34 Vgl. Oliver Rathkolb, »Voice of America’s political propa­ganda for Austria (1945–1950)«, in  : International Communication Gazette, Vol. 39/1, 1987, 31–45, hier 32. 35 Cziczatka, US-Propaganda, 89 f.; vgl. COI/FIS-Memorandum von J. Warburg über die German

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angestellt war, fungierte als Redakteur, Autor und führte Studioregie. In dieser Funktion hatte er die thematischen Vorgaben und die Direktiven der COI-Leitung funkdramaturgisch umzusetzen – was ihm laut seinem Vorgesetzten John Houseman hervorragend gelang  : I invited him to direct some of our German shows, which he did admirably, with a fine sense of language and tempo.36

Neben allgemeinen Kriegsinformationen für die deutschen Hörer wurden unter Viertels Ägide Anspielungen auf die »versklavte« Bevölkerung des NS-Staats in die Sendungen eingebaut und demokratische Alternativen aufgezeigt. In einer der ersten Sendungen ließ man etwa die amerikanische Ikone Abraham Lincoln zu Wort kommen, der »[i]n einer seiner grössten Reden gesagt hatte, dass ›[e]in in sich brüchiges Haus […] nicht stehen [kann]. Keine Nation kann dauern, halb frei, halb versklavt‹.«37 Bis Kriegsende waren neben dem feinfühligen, zeitweise zwischen Despotismus und Hochmut schwankenden Exzentriker Berthold Viertel eine ganze Reihe von illustren deutschen und österreichischen Flüchtlingen jeder politischen Couleur in der New Yorker Abteilung des COI/FIS (bzw. des aus Letzterem hervorgegangenen OWI) tätig. Houseman berichtet in seinen Memoiren über die deutschsprachige Radioabteilung, die er – ebenso wie Viertel – irgendwo zwischen Genie und Wahnsinn ansiedelte  : On the surface, they [the Germans and Austrians] presented a model of discipline and efficiency  ; when I passed by, the entire section rose to its feet and bowed. Their newscasts were punctual, precise, clearly delivered and in rigid accord with the dictates of the Control Desk. But under this bureaucratic decorum there flowed an undercurrent of wild hysteria. With the first crisis they fell apart. At the slightest hitch – a change in schedule, an imagined personal affront or some minor disagreement over interpretation of a new directive – they would flare into sudden violence. Voices would rise an octave, shrill and guttural with misery and hate  ; scripts flew, chairs fell, screams of rage set the needles of the studio dials peaking  ; and shows failed to get on the air while the rest of us looked on in uncomprehending amazement. Typical of this intransigence was the behavior of Berthold Viertel […]. [T]his mild and cultivated man had a professional stance that was violent, tyrannical and obsessively concerned with personal prestige. In Section, undatiert, vermutlich Anfang 1942, zitiert in  : Gerhart Pistor, »Harret aus  !« Eine Stimme für Österreichs Freiheit. Wien  : 2005, 138–140. 36 Houseman, Front, 56. 37 OWI Sendemanuskript der Voices from America, 12.2.1942.



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2 »Wir sagen Ihnen die Wahrheit« – Rundfunkmanuskript der Stimme Amerikas.

those early days of shortwave broadcasting the technician was king. Viertel found it necessary to remind our engineer several times a night of the abyss that lay between a director and a mere dial-twiddler.38

Die Österreicher hinterließen neben einigen schillernden Anekdoten viele mentalitätsgeschichtlich interessante Spuren in der deutschsprachigen USRadiopropa­ganda des Zweiten Weltkrieges. In der Folge werde ich kurz auf die Entstehung der amerikanischen Rundfunkpropa­ganda während des Krieges eingehen und danach Auszüge von Radiosendungen unter dem Aspekt der österreichischen Kulturpropa­ganda ausführlich analysieren. Vertieft wird diese Analyse am Ende durch zwei biografische Fallstudien zu österreichischen Mitgliedern des OWI Austrian Desk.39 38 Houseman, Front, 55 f. 39 Das folgende Kapitel basiert auf einer überarbeiteten und erweiterten Fassung eines Aufsatzes von mir. Siehe hierzu Florian Traussnig, »›Dem Nazi ane rechts und ane links‹ – Die österreichische Gemütlichkeitspropa­ganda des US Office of War Information im Ätherkrieg zwischen 1942

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1.2.1 Die Anfänge der deutschsprachigen US-Radiopropa­ganda im   Zweiten Weltkrieg

Als der Exilösterreicher Walter Roberts (früher Rothenberg) eines Tages über den Universitätscampus von Harvard spazierte, wurde er von William Langer, seines Zeichens Mitarbeiter des Kriegsgeheimdiensts COI/OSS und Leiter von dessen Research and Analysis Branch, angeredet  : »Walter, you know German, don’t you  ?« Als der Angesprochene dies bejahte, fügte Langer hinzu  : »We need ­people like you […]. Would you like to work for the US Government  ?«40 Roberts reagierte ein weiteres Mal positiv. Kurz darauf erhielt er einen Brief des COI. Er wurde darin aufgefordert, nach Washington, D.C. zu kommen, wo auf ihn eine anspruchsvolle Aufgabe wartete  : Er möge versuchen, für die Analyseabteilung des COI die interne wöchentliche Direktive des NS-Propagandaministeriums zu rekonstruieren, ohne genaue Informationen über diese zu besitzen. Roberts antwortete, dass dies auf Grundlage von Open Source Intelligence, also der Lektüre der Transkripte von aufgezeichneten deutschen Rundfunksendungen und der bedeutendsten NS-Zeitungen, kein Problem sein dürfte. Kurz darauf war der Österreicher »on the job«. Er sollte in den folgenden Kriegsjahren nicht nur als Analyst, sondern auch als Sprecher der Stimme Amerikas eine wichtige Rolle beim rasch expandierenden COI-Unternehmen spielen und zu einem produktiven Propa­ ganda­akteur des OWI aufsteigen.41 Welche Art von Rundfunkpropa­ganda sollten Roberts und zahlreiche weitere österreichstämmige Mitarbeiter der Radiosektion des COI/OWI in den folgenden Jahren betreiben  ? Wie in der Einführung zur Entstehung und der Philosophie des OWI bereits dargelegt, handelte es sich um weiße Propaganda, die sich der Weltöffentlichkeit »seriös«, staatstragend und faktentreu präsentierte. Im Bereich der Rundfunkproduktion trat die sogenannte Overseas Branch (welche aus der vom OWI übernommenen FIS-Auslandsradioabteilung des COI bestand) daher zwischen 1942 und 1945 als offizielle Stimme der Nation bzw. als ziviler und strategischer Informations- und Überzeugungsrundfunk auf. Das OWI stand hierbei im scharfen Kontrast zu den Rundfunkaktivitäten des OSS, das eher das Konzept eines taktischen Subversionsrundfunks forcierte. 42 Von Beginn an verfolgten die OWI-Radioplaner wie John Houseman die von Präsident Roosevelt betonte »strategy of truth«. Man verwendete also Nachrichten als primären und 1945«, in  : Journal for Intelligence, Propaganda and Security Studies ( JIPSS), Vol. 6, Nr. 1/2012, 95–117. 40 Roberts, »Voice«, unpaginiert. 41 Ebd. 42 Nach Pütter, Rundfunk, 16.



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Diskursträger für Rundfunkpropa­ganda und beanspruchte, die Hörer stets wahrheitsgemäß über die Vorgänge in den USA und auf den Kriegsschauplätzen zu informieren. Die in New York City angesiedelte OWI-Überseeabteilung bestand aus einer Filmsektion (Overseas Motion Pictures) und einer Radiosektion (Overseas Radio Programs) sowie den Zweigen Overseas Publications und Overseas News and Features Bureau.43 Die propagandistisch bedeutendste Abteilung dieses Apparats, das Radio Program Bureau, trat unter Houseman und seinem Nachfolger Lawrence Blochman während des gesamten Krieges als Produzent von Radiobeiträgen, die sich an europäische Hörer richteten, auf. Mit dem von ­europäischen Literaten wie Berthold Viertel idealistisch überhöhten Radio glaubten viele Antifaschisten im US-Exil das ideale Medium gefunden zu haben. »[D]ie – vermeintliche – Freiheit des Äthers und die physikalisch begründete Tatsache, daß für Radiowellen Staatsgrenzen kein Hindernis sind«44, übten zu Recht eine große Faszination auf sie aus. Das Radio wurde von einigen Emigranten daher in überschwänglichem Optimismus als »›Wunderwaffe‹ der Propaganda«45 und eine Art »Zauberkasten« betrachtet, mit dem die Hörer die Weltgeschichte, die sich »blutig, grausig und entscheidend« ereignete, miterleben46 und sie in weiterer Folge als von den Amerikanern »informierte« und überzeugte Akteure mitgestalten konnten. Das ein Gefühl der Intimität zwischen Sprecher und Hörer vermittelnde Rundfunkgerät erwies sich zur Übermittlung von persuasiv aufbereiteten »News« als das ideale Medium  : The decision to use news as the basis for propa­ganda gave radio an important part in OWI’s overseas activities. Only through radio could developments be reported immediately and could a sense of intimacy and personal contact be conveyed.47

Andreas Elter ist recht zu geben, wenn er behauptet, dass es heute ein »schier unmögliches Unterfangen« ist, den »Ausstoß an Propagandareden und Kriegsdebatten US-amerikanischer Radiostationen während des Zweiten Weltkrieges quantifizieren zu wollen«48. Fakt ist, dass die OWI-Auslandssendungen der Voice of America mit ihrem Ableger in Europa nach bescheidenen Anfängen zu einer der größten und bedeutendsten Rundfunkprogrammreihen des Zweiten 43 Laurie, Warriors, 121. 44 Pütter, Rundfunk, 10. 45 Elter, Kriegsverkäufer, 103. 46 Joe Gassner, »Welle Aufbau – Kurznotizen über Radio«, in  : Der Aufbau, 26.12.1941, 18. 47 Winkler, OWI, 78. 48 Elter, Kriegsverkäufer, 100.

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Weltkriegs aufstiegen. Der Weg dorthin war jedoch steinig. Die amerikanischen Auslands-Radioaktivitäten waren zum Zeitpunkt des Kriegseintritts der USA die Angelegenheit von einigen privaten Sendern wie etwa der CBS. Die staatlichen Radioanstrengungen hingegen waren von der Reichweite und Qualität englischer oder deutscher Rundfunkproduktionen weit entfernt. Dazu kamen technische Hindernisse  : So verfügten das COI und das OWI im Gegensatz zur britischen BBC anfangs weder über gut ausgestattete Aufnahmestudios noch über eigene Transmitter, die in der Lage gewesen wären, via Kurzwellen bis ins europäische Festland auszustrahlen. Nachdem die wichtigsten privaten amerikanischen Sendestationen zunächst gemietet worden waren, übernahm das OWI im Herbst 1942 – kurz vor der alliierten Invasion in Nordafrika – die Kontrolle über alle 14 kommerziellen US-Kurzwellensender und errichtete bald darauf eine Reihe von neuen, leistungsstarken Sendeanlagen.49 Die New Yorker OWI Overseas Branch wuchs in der Folge rasant und produzierte im Herbst 1942 täglich 253 15-minütige Radioprogramme. Mitte 1943 arbeitete die Belegschaft bereits rund um die Uhr und sendete in 24 Sprachen – der charakteristische Yankee Doodle erklang in nahezu allen Regionen der Welt. 50 Die Radioabteilung der Overseas Branch arbeitete relativ autonom und entkoppelte sich mit Fortdauer des Krieges zunehmend von der OWI-Leitung und dem für die Ausgabe von Direktiven zuständigen Planning Board in Washington, D.C., dem auch Vertreter des (dem OWI stets kritisch gegenüberstehenden) State Department und des Generalstabs angehörten. Das Radio Program Bureau setzte sich aus mehreren Unterabteilungen zusammen, wobei die sogenannten Language Desks, die nach nationalen und sprachlichen Kriterien aufgestellt wurden und zielgruppengerechte Auslandspropa­ganda produzierten, die zentrale Rolle einnahmen. Die Language Desks waren ein Sammelbecken für Emigranten wie Berthold Viertel, Robert Bauer und Julius Deutsch und stellten – auch im (inter-) kulturellen Sinne – das Herzstück der Stimme Amerikas dar.51 In ihren Herkunftsländern meist in der Medien- und Kommunikationsbranche, der Politik oder im literarisch-künstlerischen Milieu tätig, tendierten diese exileuropäischen Mitarbeiter großteils »toward liberalism and the political left wing« (und wurden dafür von konservativen und republikanischen Kräften, die dem »linken« OWI generell nicht wohlgesinnt waren, mitunter als »Communist lunatic fringe« bezeichnet52), vereinzelt befanden sich jedoch auch Autoritär-Konservative, »Austrofaschisten« und Legitimisten darunter. Es war ein »ta49 Eppel, Exil, Bd. 2, 172 f. Vgl. Cziczatka, US-Propaganda, 89  ; Carlton, »Voice«, 46–48. 50 Laurie, Warriors, 123  ; Winkler, OWI, 78 f.; Carlton, »Voice«, 48. 51 Shulman, Voice, 28. 52 Laurie, Warriors, 118 und 178.



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lented and forceful lot«,53 das hier durch die Umstände des Zweiten Weltkriegs zu einer wohl singulären Arbeitsgemeinschaft zusammengeführt wurde. Holly Shulman liefert eine plastische Beschreibung, wie die über Kabel in den sogenannten News and Features Desks eingelangten Kriegsinformationen von den Mitarbeitern der Language Desks für die Radiosendungen aufbereitet wurden  : News came from the wire services to the news and features desk. This desk edited and rewrote the news and then sent it on to censorship, or Control, which after inspecting the material turned it over to the language desks. Each language desk appraised and translated the material, using what was most relevant and suitable for the particular country for which it was intended. The atmosphere at the desks was always hurried and tense as the writers churned out story after story as the news came in, like waiters and cooks in a crowded New York coffee shop during a perpetual lunchtime rush. Shortly before airtime a producer came up to the language desk and asked for the scripts for the next show. He counted the lines in each script and figured out at what speed it could be read within the allotted time, after which he went to casting and asked for announcers for the show. The announcers went into the studio worried that they could not read their script with the speed, clarity, enunciation, and accent demanded of them without rehearsal, for which there was never enough time. The producer finally pulled the show together from behind a glass wall where he stood like a conductor, speeding up or slowing down the production with his hands and arms waving in the air. And then the Voice of America went on the air.54 1.2.2 »[It] looked as though revolt was near in Austria« – Österreicher als Zielgruppe

»[It] looked as though revolt was near in Austria and that the time had come to strike a hard political warfare blow at crumbling Austrian morale«55 – so beschreibt Robert Keyserlingk die propagandistischen und strategischen Absichten (und Hoffnungen) der Westalliierten in Hinblick auf die Genese und die Motive für die Veröffentlichung der Moskauer Deklaration über Österreich im November 1943.56 Für die deutschsprachige, nach außen gerichtete Radiopropa­ ganda der USA bedeutete dies, dass man den großen Deutschland-Fokus um einen Österreich-Schwerpunkt erweiterte. Da das Deutsche Reich neben Japan 53 Winkler, OWI, 73. 54 Shulman, Voice, 27 f. 55 Robert H. Keyserlingk, Austria in World War II. An Anglo-American Dilemma. Kingston und Montreal  : 1988, 134. 56 Vgl. grundlegend Siegfried Beer, »Alliierte Planung, Propaganda und Penetration 1943–1945. Die künftigen Besatzungsmächte und das wiederzuerrichtende Österreich, von der Moskauer Deklaration bis zur Befreiung«, in  : Stefan Karner (Hg.), Das Burgenland im Jahre 1945. Eisenstadt  : 1985, 67–88.

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die bedeutendste Feindnation war und täglich von der US-Propaganda ins Visier genommen wurde,57 schuf man zu Jahresbeginn 1942 einen German Desk, bei dem sowohl deutsche als auch einige österreichische Redakteure, Autoren und Sprecher beschäfigt waren. Anfangs wurden Deutschland und das 1938 »angeschlossene« Österreich noch als einheitliches Zielgebiet behandelt, doch war es den amerikanischen Nachrichtendiensten und Radiostrategen nicht entgangen, dass zwischen Deutschen und Österreichern veritable soziokulturelle Unterschiede existierten, die für den Krieg im Äther von Bedeutung sein könnten. Vom German Desk wurde bereits im Februar 1942 eine erste Austrian Show produziert, um auf die mentalitätsspezifischen und politischen Bedürfnisse der österreichischen Hörer einzugehen und das österreichische Nationalbewusstsein zu stärken.58 In einem Memorandum von John C. Wiley, dem Leiter der Foreign Nationalities Branch des COI,59 an James Warburg ging der COI konkret auf das mittels monatelanger Beobachtung und Befragung der österreichischen politischen Emigration in den USA festgestellte Potenzial einer Österreichabteilung in der New Yorker Radiozentrale ein  : The creation of broadcasts to Austria over shortwaves from the U.S. is very important and may have a great influence on the will to resist of the Austrian people  : • It would be a grave mistake to make German programs and no specific Austrian programs  : • Because the Austrians consider themselves as an occupied country and would consider it as a grave insult, if they had to get their information over programs made for their oppressors  ; • Because the German of the Austrians is very different from the German spoken by Germans  ; • Because the Austrian spirit is completely different from the German spirit. • Shortwave broadcasts are popular in Austria […]  ; • Clandestine listening in Austria has had a great development since the German occupation. • The prestige of the U.S. in Austria has been always big and has tremendously increased since it was known that the U.S. Government has taken a friendly attitude in the Austrian question.60 57 Laurie, Warriors, 123. 58 OWI Memorandum on Development of the Austrian Desk of the Overseas Operations Branch, April 1942–January 1945, 26.1.1945. DÖW 6756/2A. Zitiert in  : Eppel, Exil, Bd. 2, 175 f. 59 Die COI Foreign Nationalities Branch war mit der Überwachung der Tätigkeiten des politischen Exils innerhalb der USA betraut und wurde 1942 vom OSS übernommen. 60 OSS/FNB, Memorandum J. Wiley to J. Warburg, Austrian Radio, 6.3.1942. NARA, RG 226, FNB-INT- 4AU-43.



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Die dem Nationalsozialismus feindlich gesinnten österreichischen Exilanten wurden in den USA natürlich nicht müde zu behaupten, dass sich die Österreicher ob ihrer Mentalität und ihres Dialekts von den Deutschen unterschieden. Nicht zuletzt war es auch dem massiven Lobbying und der Agitation politisch einflussreicher Figuren wie Otto von Habsburg und Ferdinand Czernin zu verdanken, dass die US-Behörden dem österreichischen Exil überwiegend wohlgesinnt waren und in ihren Memoranden stereotype Phrasen wie »the spoken language […] strongly differs from the harsh accents of Prussian« zu lesen waren.61 Bereits vor der für Österreich wichtigen politischen Wende des Zweiten Weltkriegs, der schon erwähnten Moskauer Deklaration vom 1. November 1943, wurde in den vom OWI eigens eingeführten Weekly Propaganda Directives [for] Austria festgelegt, dass die Österreicher im Reich und in der Wehrmacht in künftigen Radiosendungen verstärkt als eigener Adressat und das Land als zu befreiender »Nazi prison state« zu behandeln seien. Die Moskauer Deklaration verfolgte das Ziel, die Österreicher von Deutschland abzuspalten und die Bevölkerung »zu einer Erhebung aufzustacheln«.62 Sogar das der modernen psychologischen Kriegsführung skeptisch gegenüberstehende Department of State gab 1943 zu, »that we ought […] to be examining the Austrian question with a view to doing something about it […]. Austria is undoubtedly one of the weak links in Nazi Germany.«63 Hier ein Auszug aus einer wöchentlichen OWI-Direktive für Österreich vom Herbst 1943, in der die Propagandaproduzenten aufgefordert werden, folgende Botschaften und »Wahrheiten« zu verkünden oder thematisch zu berücksichtigen  : Office of War Information Overseas Operations Branch Washington, D.C.

November 6, 1943

Weekly Propaganda Directive AUSTRIA I. The declaration of the Moscow conference regarding Austria contains a warning as well as a message of hope. Do not neglect to stress Austria’s responsibility for contributing to her own liberation. 61 Cziczatka, US-Propaganda, 174. 62 Evan Burr Bukey, »Die Stimmung in der Bevölkerung während der Nazizeit«, in  : Emmerich Tálos/Ernst Hanisch/Wolfgang Neugebauer/Reinhard Sieder (Hgg.), NS-Herrschaft in Österreich. Ein Handbuch. Wien  : 2000, 73–87, hier 84  ; vgl. Rathkolb, »Voice«, 32. 63 Keyserlingk, Austria, 134.

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II. A. The Moscow declaration regarding Austria has undoubtely produced the following effects  : 1. Popular demonstrations in Vienna. 2. An increasing number of desertions among Austrian troops on the Eastern Front, and in Norway and Finland. 3. Extensive replacement of Austrian troops by German troops and SS. 4. Nazi purges in the Austrian civilian administration. 5. Marked influx of Gestapo reinforcements into Austria.64

Im Mai 1944 wurden bereits drei (später vier) regelmäßige Österreichsendungen produziert und die Schaffung eines Austrian Desk unter der Leitung der Österreicher Martin Fuchs und Robert Bauer vollendete die bereits 1943 erkennbare faktische Trennung zwischen »dem Deutschen« und »dem Österreichischen« im OWI endgültig.65 Sprach man in den Austrian Shows zunächst vor allem die österreichische Arbeiterschaft, die in Ostösterreich bzw. im Großraum Wien konzentriert war, an, bereitete man später auch Inhalte für ein breiteres Publikum, i. e. bäuerliche, weibliche oder soldatische Zielgruppen, auf. Die Absicht hinter diesen Diversifizierungsmaßnahmen war, »to inspire and promote democratic thought in the administration and in organisations, particularly in village, youth, religious and farm groups in the rural areas of Austria.«66 Die Bandbreite der Themen der nach Österreich gerichteten OWI-Sendungen war groß  : Neben allgemeinen Berichten über die US-Außen- und Kriegspolitik wurden gemäß der amerikanischen Strategie der Wahrheit etwa »news from Germany that is being withhold by the Nazis«,67 Musikstücke und antifaschistische Satiren ausgestrahlt. Im Oktober 1944 ging mit Schlaucherl und Schleicherl ein in New York produziertes Feature auf Sendung, das speziell den österreichischen Hörern jeden Samstag antinazionalsozialistische Propaganda in satirisch-kabarettistischer Form näherbringen sollte. Nach dem Vorbild der ähnlich gestrickten und bedeutenderen BBC-Reihe Kurt und Willi kam es bei dieser Sendung zu einem »antithetischen Dialog des Nörglers und des Optimisten«,68 wie er schon

64 OWI Overseas Operations Branch, Weekly Propaganda Directive for Austria, 6.11.1943  ; NARA, RG 208, E 363, B 821  ; vgl. OWI, Weekly Directive Austria, 2.10.1943  ; NARA, RG 208, E 363, B 821. 65 OWI Memo on Austrian Desk, in  : Eppel, Exil, Bd. 2, 175 f. 66 OWI Long Range Directive for Austria, 28.10.1944, zitiert in Cziczatka, US-Propaganda, 202. 67 OWI Memo on Austrian Desk, in  : Eppel, Exil, Bd. 2, 176. 68 Joanne McNally/Peter Sprengel, »Vorwort«, in  : Joanne McNally/Peter Sprengel (Hgg.), Hundert Jahre Kabarett. Zur Inszenierung gesellschaftlicher Identität zwischen Protest und Propaganda. Würzburg  : 2003, 7–11, hier 11.



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3 Martin Fuchs, »Chief Editor« des Austrian Desk und Sprecher der Voice of America.

in Karl Kraus’ Tragödie Die letzten Tage der Menschheit zu finden ist.69 Während der Letztere von Beginn an ein Opfer der NS-Propaganda war, handelte es sich bei seinem schwarzhumorig veranlagten Widerpart um einen »äußerst skeptischen und ironischen Wiener«.70 Die beiden Protagonisten dieser Sendung diskutierten das aktuelle Geschehen im Deutschen Reich bzw. in Österreich, wobei natürlich der naive Parteigänger der Nationalsozialisten und die ihm in den Mund gelegten »Verdrehungen und Halbwahrheiten« der NS-Propaganda71 ordentlich aufs Korn genommen wurden. Das Ziel eines solchen satirischen Ansatzes war das »aufklärerische, dekuvrierende Lachen« des Hörers,72 dem im Idealfall eine aktive Widerstandshandlung folgte. Die Sprecher von Schlaucherl und Schleicherl setzten in 69 Uwe Naumann, »Im Ätherkrieg. Die satirischen Serien der BBC im Zweiten Weltkrieg«, in  : McNally/Sprengel, Hundert Jahre Kabarett, 87–95, hier 92  ; siehe hierzu auch die umfangreiche, neu erschienene Studie von Moorehead, Satire. 70 OWI Overseas Branch, Radio Program Bureau, Progress Report of D. Schneider, 1.–30.11.1944. NARA, RG 208, E 366A, B 243. 71 Naumann, »Ätherkrieg«, 92. 72 Moorehead, Satire, 83.

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ihren Dialogen die österreichische Gemütlichkeit dem preußischen Militarismus entgegen und zielten dadurch speziell auf die Mentalität der österreichischen Hörerschaft ab. Das Sprecherduo, bestehend aus den österreichischen Emigranten Jens Friedrich und Rudi Weiss,73 versuchte die folgenden, aus der Feder des Feuilletonisten und Autors Alfred Polgar stammenden Innenansichten der österreichischen Seele rundfunkpropagandistisch umzusetzen. »Der Oesterreicher«, so Polgar, »hatte Widerwillen gegen Automatisierung und Uniformierung des Daseins. […] Er hatte Witterung für das Komische im Pathetischen, das Lächerliche im allzu Selbstbewussten  ; sein Mutterwitz war auch immer am quicksten, wo es galt, dem deutschen Bruder eins in die grosse Schnauze zu geben.«74 In einer knapp vor Kriegsende verfassten OWI-Propagandadirektive für Österreich zeigt sich, wie sehr sich dieses idealisierte Selbstbild des fröhlichen, humorvollen und hedonistischen Österreichers auf die deutschsprachige Rundfunkpropa­ganda der Amerikaner auswirkte  : Generally, the national character of the Austrians, their language bond with Germany notwithstanding, differs very much from that of the Germans. These differences developed on the basis of historical background, character of culture and subsequent formation of political and social ideals. The average Austrian is open-minded and easy going. There are elements of hedonism in most Austrians  ; they would consider the happiness of the individual as more essential than one’s sacrifice to an all-powerful state. Austrians are not likely to be given to extremes, which they are apt to ridicule  ; as a rule they have little use for »Teutonic« heroism and are inclined to compromise rather than face the consequences of an uncompromising attitude. On the other hand, they can be very patient and enduring. Austrian capacity for passive resistance stands against German active aggression. On the whole, however, Austrians like to live and let live. They want their peace and are therefore inclined to leave others in peace.75

Die Österreicherinnen und Österreicher sollten jedoch nicht nur dazu gebracht werden, sich in ihrer Identität gegenüber den Deutschen abzugrenzen, sondern auch dazu, die »Piefkes zu hassen«. In der von der Intelligence-Abteilung der OWI Overseas Branch herausgegebenen Materialhandreichung »Expressions of Hatred and Reasons for Hatred for the Germans« werden vorgeblich authentische Stimmen aus Österreich angeführt, die den Österreich-Propagandisten als geistige Munition dienen sollten. Der Nachrichtendienst des OWI wusste über poten73 Cziczatka, US-Propaganda, 267. 74 Alfred Polgar, »Der Unterschied (Zum Thema Österreich)«, in  : Austro-American Tribune, August 1944, 5–7. 75 OWI Overseas Branch, Long Range Policy Directive for Austria, 12.4.1945. NARA, RG 208, E 363, B 825.



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zielle oder tatsächliche österreichisch-deutsche Konflike, wie etwa den Wohnraumbedarf ausgebombter Flüchtlinge aus dem Altreich, die nun in Österreich Unterflucht suchten, oder die Bevorzugung der »Nazis« bei der Postenvergabe, Bescheid. Diese Themen wurden mit griffigen antideutschen Zitaten unterlegt. So steht darin zu lesen  : Vienna is not Vienna any more. It is merely a miserable German province. (September) We were not able to get an apartment, as the bombed-out people from the Reich got all flats. We are being driven out of our country by the »Pifkes.« [sic  !] (April) The impudent attitude of the Germans is causing a grand hatred for everything that comes from Prussia.76

Je ein Halbjahr vor und nach der Publikation dieses »Hass«-Leitfadens wurde in einem Verhörreport der US-Armee und in einem Stimmungsbericht des Kriegsgeheimdienst OSS behauptet, dass der Hass zwischen Deutschen und Österreichern in Wien extrem ausgeprägt sei.77 Auch wenn dieses Urteil sehr stark amerikanischen und österreichpatriotischen Zweckoptimismus widerspiegelt, zeigt sich, dass die scharfe Abgrenzung gegenüber den Deutschen für viele Österreicher eine wichtige Triebfeder im Kampf gegen die Nationalsozialisten darstellte. Sie war neben einem überzeugtem Antifaschismus letztlich wohl auch der Kitt, der mithalf, den politisch heterogenen Austrian Desk zusammenzuhalten. Oliver Rathkolb hat darauf hingewiesen, dass die Österreich-Abteilung in New York eine durchaus gut funktionierende Arbeitsgemeinschaft war, in der die hartnäckigen politischen Konflikte der Ersten Republik und des österreichischen US-Exils dem Kampf gegen den Faschismus weitgehend untergeordnet wurden. Doch nicht nur die gemeinsame Aversion gegen die »Preußen« schweißte zusammen – auch das Faktum, dass sich auffällig viele Juristen unter den Mitarbeitern des Austrian Desk befanden, dürfte das Arbeitsklima positiv beeinflusst haben. Zu den wichtigsten Redakteuren und Sprechern gehörten neben Martin Fuchs and Robert Bauer auch die »junior members« Walter Roberts (Rothenberg), Konrad Maril78 und Ernest 76 OWI Bureau of Overseas Intelligence, Expressions of Hatred, 30.12.1943. NARA, RG 208, E 366, B 222. 77 OSS, Bern Office, »Stimmungsbilder« from Vienna, 14.6.1944. NARA, RG 226, E 210, B 376 [Diese Zitation ist nicht mehr aktuell]. Ähnlich ein Kriegsgefangener, der in Bezug auf seinen Fronturlaub in Wien sagte  : »Reich Germans are more hated now that ever before«  ; POW Interview Report [CSDIC], No. N[on]O[perational]I[ntelligence]/80 MI(L), 19.5.1943. NARA, RG 226, CID 37294 [Diese Zitation ist nicht mehr aktuell]. 78 Oliver Rathkolb, Politische Propaganda der amerikanischen Besatzungsmacht in Österreich 1945 bis 1950  : Ein Beitrag zur Geschichte des Kalten Krieges in der Presse-, Kultur- und Rundfunkpolitik (Diss.). Wien  : 1981, 479 f.

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G. Land (Landau).79 Dieser Gruppe gelang es, die OWI-Direktiven umzusetzen bzw. die operativen Freiräume, die sich dabei boten, zu nutzen und die österreichische Hörerschaft mit zielgruppengerechten Radioproduktionen anzusprechen.80 Im Zuge der Vorbereitung der alliierten Invasion in der Normandie entstand mit der American Broadcasting Station in Europe (ABSIE) eine weitere US-Rundfunkstation, deren Sendungen über britische Anlagen ausgestrahlt wurden. Der OWI-Außenposten London hatte sich nach dem Kriegseintritt der USA zu e­ iner Art verlängertem Arm der OWI Overseas Branch entwickelt und war mit seinen rund 2.500 Mitarbeitern auch ein Umschlagplatz für geheimdienstliche Informationen und Nachrichten über den deutschen Kriegsgegner.81 Die ABSIE, die ab April 1944 neben den Produktionen aus New York sowie verschiedenen BBC-Sendungen und den Stellungnahmen des alliierten Hauptquartiers in Europa eigene Radioformate via Mittelwellensender nach Deutschland ausstrahlte, agierte näher am Kampfgeschehen und wurde schneller und besser mit Intelligence-Informationen aus Mitteleuropa versorgt als die Zentrale an der US-Ostküste. Sie erhielt ihre militärbezogenen Direktiven vom alliierten Oberkommando in Europa (Supreme Headquarters Allied Expeditionary Force, S­ HAEF)82 und stimmte ihre Propagandalinie mit der von Letzterem kommandierten Psychological Warfare Division (PWD/SHAEF) ab.83 Das Programm von ABSIE war daher wesentlich stärker von militärischen Themen dominiert als jenes der Voice of America. Gerhart Pistor, der Biograf des österreichischen OWI-Sprechers, Arrangeurs und »producers« Fritz Bock (Fred Bordes), definiert ABSIE durchaus zutreffend als »›Kampfsender‹, allerdings mit Show-Charakter.«84 Auch hier wurde ein Austrian Desk gegründet, der in seiner rund einjährigen Existenz sehr produktiv war. Nach einem ähnlichen Rezept wie bei Schlaucherl und Schleicherl schuf der Austrian Desk des ABSIE in London die laut Hörerreaktionen aus dem neutralen Ausland sehr populäre Show Herr und Frau Adabei, die stets am Sonntag 57 Wochen lang von österreichischen und internationalen Schwarzhörern empfangen werden konnte.85 In Herr und Frau Adabei wurden die »politischen und kriegerischen Ereignisse der letzten sieben Tage in Lied und Prosa 79 Vgl. Cziczatka, US-Propaganda, 275, und Pütter, Rundfunk, 150 f. 80 Rathkolb, »Voice«, 33. 81 Laurie, Warriors, 121. 82 OWI London, Radio Division, Budget Justification, 1.7.1945–31.12.1945. NARA, RG 208, E 6J, B 3. 83 Pütter, Rundfunk, 232. 84 Pistor, Harret aus  !, 152. 85 OWI Records of the Historian relating to Overseas Branch, Report on the German Section, 1–47, hier 19 und 40. NARA, RG 208, E 6E, B 1  ; Leo Klein, »Daddy Was a DJ to the Germans in WWII«, in  : http://chicagolibrarian.com/node/159 (letzter Zugriff  : 21.5.2012).



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glossiert«86 und versucht, die »national personality« des Ziellandes87 politisch zu instrumentalisieren sowie die »Individualsphäre des ›kleinen Mannes‹« anzusprechen.88 Man wollte also nach dem Mund des Volkes reden. Das humoristische Österreich-Feature, in dem unter anderem propagandistisch umgetextete Heurigen-89 und Wienerlieder im Stil des berühmten Klavierhumoristen, US-Exilanten und OWI-Künstlers Hermann Leopoldi90 zu hören waren, widmete sich nicht nur dem Kampf gegen Hitlerdeutschland, sondern auch der Unterhaltung der oft kriegsmüden Hörer. Sehen wir uns einen satirischen Sketch, welcher im Januar 1945 im Rahmen der Österreichischen Radiostunde ausgestrahlt wurde, näher an  : Fredl [sic  ! recte Ferdl]  : Mali, jetzt hättest Du mit mir in der Elektrischen fahren müssen. Mali  : Warum  ? Was war denn los  ? Er  : Na, wie gewöhnlich war der Wag’n g’steckt voll, da humpelt bei einer Haltestell’n ein Soldat auf Krücken herein – er hat nur mehr an Fuss g’habt, der arme Kerl – sagt so ein ausg’fressner Nazi, der da g’sessen is, zu einem ausländischen Arbeiter  : »Steh’n Sie auf und lassen Sie den wackeren Soldaten sitzen«. Darauf mischt sich der Invalid’ hinein und sagt  : »Warum soll er denn aufsteh’n  ? Steh’n Sie auf  ! Mein Fuss haben’s ja net seinetwegen wegg’schossen  !« Sie  : Des war aber a saftige Antwort  ! Er  : Der ganze Wagen nimmt natürlich sofort gegen den Nazi Partei. Steht a anderer Wiener auf und sagt zum Nazi  : »Sie soll’n überhaupt den Mund halten se – se Doppelverdiener se.« – »Wieso bin ich ein Doppelverdiener  ?« schreit der Nazi empört. »Se san a Doppelverdiener«, sagt der Wiener ruhig, »denn se verdienen ane rechts und ane links.«91

Zu den Autoren dieser Sendungen gehörte etwa die vor dem Nationalsozialismus in die USA geflohene und später nach England versetzte jüdische Wiener Juristin Clementine Bern, eine produktive Übersetzerin, die sich zuvor unter anderem 86 Mitteilungen von A. Steiner an das DÖW über dessen ABSIE-Tätigkeit, 14.4.1966, zitiert in  : Eppel, Exil, Bd. 2, 180. 87 Shulman, Voice, 28. 88 Beer, »Alliierte Planung«, 77. 89 Ein Heuriger ist eine Weinschenke, in der der Wein der letzten Ernte (Heuriger) ausgeschenkt wird. 90 Hermann Leopoldi arbeitete dem OWI und dem Austrian Desk aber als Komponist, Musiker und Arrangeur zu. Er wirkte auch an der Seite von Karl Farkas bei der vom OWI finanzierten Rundfunksendung We Fight Back mit. »We Fight Back«, in  : Der Aufbau, 19.2.1943, 8  ; Cziczatka, US-Propaganda, 213 und 263. 91 Pistor, Harret aus  !, 154 f.; vgl. Eppel, Exil, Bd. 2, 38 f. und 180, sowie Beer, »Alliierte Planung«, 78.

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als Dienstmädchen, Korrespondentin, Sekretärin und Lehramtsstudentin durchschlagen musste. Da sie eineinhalb Jahre beim British Information Service92 in New York gearbeitet und dort englische und deutsche Rundfunksendungen transkribiert hatte,93 verfügte Bern über großes Experten- und Insiderwissen in Bezug auf sämtliche Spielarten der Rundfunkpropa­ganda. Nach ihrem Transfer nach Europa wurde sie bei ABSIE London u. a. als »Feature Writer«, »Austrian Editor«, »Regional Specialist« und Interviewerin eingesetzt94 und verfasste laut eigener Angabe »hunderte von Programmen«.95 Auch Arthur Steiner, ein vor dem Krieg erfolgreicher Sportjournalist sowie Dramaturg im Londoner Exil, zählte zum engsten Kreis der österreichischen Radiosatiriker der ABSIE.96 Der bereits erwähnte Fritz Bock-Bordes, ein früher der Vaterländischen Front nahestehender Wiener Marionettentheater-Sprecher, prägte die Arbeit des Londoner Austrian Desk ebenfalls wesentlich mit.97 Ein weiteres Beispiel für die Gemütlichkeitspropa­ganda des Austrian Desk in London findet sich bei der Österreich-Abteilung der ABSIE rund um Clementine Bern. Man ließ regelmäßig österreichische Kriegsgefangene in den Rundfunksendungen im »O-Ton« zu Wort kommen. Deren patriotischen Aussagen wurden mit sentimentalen Wiener Liedern emotional verstärkt. So ließ man einen Kriegsgefangenen etwa ein Heurigenlied über die »Stadt des Hamurs und der Gmuetlichkeit«98 und die »Grinzinger Weinseligkeit« singen.99 Die zuvor erwähnten Autoren setzten mit ihren satirischen Beiträgen, welche 92 Bern hatte offensichtlich Verbindungen zu britischen Nachrichtendiensten  : Sie war neben ihrer Tätigkeit für das British Information Service auch Sekretärin und wichtige Mitarbeiterin der Austrian Action, einer von Ferdinand Czernin und Gregor Sebba gegründeten Exilorganisation des liberal-konservativen Spektrums. Die Austrian Action war laut Peter Pirker »die effektivste Exilorganisation [des britischen Geheimdienstes SOE] in den USA«. Peter Pirker, Subversion deutscher Herrschaft. Der britische Kriegsgeheimdienst SOE und Österreich (= Zeitgeschichte im Kontext, Bd. 6). Wien  : 2012, 16. 93 Application for Federal Employment, C. Bloch-Bern, 9.2.1944  ; OWI Personnel File of Clementine Bern. NARA, NPRC, State, Bx 32855, Bu 64, CPR. 94 OWI Personnel Record Card of C. Bern. OWI Personnel File Bern  ; Cziczatka, US-Propaganda, 247–251. 95 Bericht von C. Zernik über deren Rundfunk-Aktivitäten beim British Information Service in New York und bei der ABSIE in London, 27.6.1983, in Eppel, Exil, Bd. 2, 189 f., hier 190. Zu Bern siehe auch Cziczatka, US-Propaganda, 247–251. 96 Mitteilungen Steiner an DÖW, 14.4.1966  ; Brief A. Steiner and B. Morgan, OWI, Application for further employment, 6.7.1945. OWI Personnel File of Arthur Steiner. NARA, NPRC, State, Bx 946, Bu 34620, CPR. 97 OWI, G. Hanfmann to All Members of the [ABSIE-]German Section, vermutlich Mai 1945. DÖW 19719  ; siehe zu Bock-Bordes die Biografie von Pistor, Harret aus  ! 98 ABSIE, Herr und Frau Adabei, 11.3.1945. 99 Pistor, Harret aus  !, 152 f.; vgl. hierzu das thematisch ähnliche Propagandaflugblatt In Grinzing



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4 Foto aus dem OWIPersonalakt von Clementine Bern.

den morbiden Wiener Humor widerspiegelten,100 nicht nur auf bewährte antideutsche Ressentiments. Sie sprachen auch ein österreichisches Kulturphänomen an, das man mit dem Begriff Bockerer-Sentiment beschreiben kann. Der Bockerer wurde 1945 von Peter Preses, einem Wiener Exilanten und Soldaten der US-Armee, sowie von Ulrich Becher als Bühnenspiel verfasst und nach mehreren Theateradaptierungen 1981 von Franz Antel verfilmt. Die Handlung dieser geschichtsdidaktisch angelegten Parabel kreist um einen sprichwörtlich bockigen Wiener Fleischhauer, der sich mit einer sympathischen Mischung aus zivilem Ungehorsam, Bauernschläue, Witz und Glück durch die NS-Zeit laviert, ohne dabei seine Menschlichkeit zu verlieren.101 Der Protagonist, ein kleinbürgerlicher Simplicissimus mit einem großen Herz und »ein kunstvolles Beispiel für die subversive Kraft der menschlichen Einfalt«,102 ist alles andere als ein Held. Dennoch drauss’t aus der Feder des österreichischen OSS/MO-Agenten Eddie Linder (siehe Kapitel 2.2 dieses Bandes). 100 Vgl. Eppel, Exil, Bd. 2, 38 f., 178–180, sowie Beer, »Alliierte Planung«, 78. 101 Siehe hierzu Hilde Haider-Pregler, »Der Bockerer und die Folgen. Variationen und Mutationen des ›Homo viennensis‹‹«, in  : Jeanne Benay/Alfred Pfabigan/Anne Saint-Sauveur Henn (Hgg.), Österreichische Satire (1933–2000). Exil – Remigration – Assimilation. Bern  : 2003, 363–394. 102 Naumann, »Ätherkrieg«, 90.

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wird dieser »grantelnde« und zur Beschaulichkeit neigende Homo viennensis als Allegorie des »guten Österreichers« inszeniert, der gegen die gewaltverherrlichenden und rassistischen Parolen des Nationalsozialismus resistent zu sein scheint. Der Austrian Desk des ABSIE versuchte mit seiner Variante dieses durch Vorkriegsfilme wie Abends in Wien beim Heurigen (1936) popularisierten nationalen Gemeinplatzes das vermutete Widerstandspotenzial der österreichischen Zielgruppen anzusprechen. Durch die polemische Gegenüberstellung von hochdeut­scher Rede (»wackere[r] Soldat«) und dialektalem Wiener Schmäh (»aus’gfressner Nazi«  ; »se Doppelverdiener se«) wurde die eigene kulturelle Identität hervorgehoben und versucht, die angebliche charakterliche Verschiedenheit von militaristisch-preußischen »Nazis« und pazifistisch-harmlosen Österreichern als unumstrittenes Faktum, als »truth« im Sinne der OWI-Doktrin, festzuschreiben. Diese Form der mit antideutschen Ethnostereotypen unterlegten Propagan­ da­kleinkunst verfolgte jedoch nicht nur konkrete handlungsleitende Absichten (in Form von indirekten Aufrufen zu Widerstand), sondern auch das Ziel, die österreichischen Hörer zumindest »für ein paar Minuten von der täglichen Tris­ tesse abzulenken.«103 Man suchte also den Bedürfnissen der kriegsmüden Hörerschaft, die sich Ablenkung, Spaß und eskapistische Angebote und nicht nur schnöde politische Propaganda erwartete, gerecht zu werden.104 In Folge 44 von Herr und Frau Adabei vom 4. März 1945 wurde auf ein ähnliches Rezept gesetzt und der Topos des (in Österreich relativ bedeutenden) christlichen Widerstands in die Pointe eingebettet  : Sie  : No, dass d’endlich wieder daham bist, Ferdl, diese sogenannte Sitzung im Wirtshaus, die hat sie heut’ wieder bisserl gezogen  ! Er  : Mali, i hab do mein alten Spezi Prokop begrüßen müssen, der is gestern aus Oslo zurückgekommen. Du  ! Der erzählt Sachen  ! Sie  : Soo  ?  ? Was erzählt er denn  ? Er  : Na da is zum Beispiel ein Osloer Bueger [sic  ! recte Bürger] bei der Gestapo anzeigt wordn, dass er seinen Papagei drauf dressiert hätte, allerweil »Nieder mit Hitler  !« zu schrein. Zum Glück hat der Mann von der Anzeige Wind gekriegt, rennt zu seinem Pfarrer, der zufällig a an Papagei hat und bittet ihn um Hilfe. »Weisst Du was, mein Sohn«, sagt der Pfarrer, »lass mir Deinen Papagei da und nimm Dir meinen mit  !« Das geschieht auch und wie die Gestapo bei dem Mann erscheint und ihm vorhält, dass er seinen Papagei zur Führerbeleidigung aufgereizt hätte, sagt der Norweger ganz treuherzig  : »Meine Herren, mein Papagei is absolut unpolitisch  !« Drauf stellt sich ein Gestapomann vor den Käfig und schreit  : »Nieder mit Hitler  !« Der Papagei schweigt. 103 Pistor, Harret aus  !, 156. 104 Vgl. Bussemer, Propaganda, 403.



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5, 6 OWI-Führungszeugnis für Clementine Bern von George Hanfmann, Juli 1945.

Dann schreit der zweite Gestapomann mit – schliesslich stehn alle drei Gestapoleut’ vor dem Käfig und brüllen »Nieder mit Hitler  !« Da öffnet der Papagei des Pfarrers den Schnabel und sagt  : »Gelobt sei Gott.«105

Das sich in den zitierten Manuskripten manifestierende Österreich-Narrativ ist natürlich ein idealisiertes und auch etwas opportunistisches Selbstbild der öster­reichischen Exilpropagandisten, das mit hemmungslos populistischen und chauvinistischen Inhalten garniert wurde. Die Radiomitarbeiter in New York und London gaben sich – wider die historischen Tatsachen – als vox populi eines von deutschen Faschisten geknechteten, unschuldigen Völkchens aus. Doch trotz der denunzierenden Darstellung der Deutschen in den Sendungen des Austrian Desk kann man dem Propagandamotiv »gemütlicher Österreicher« versus »militaristischer Piefke« eine gewisse Unterhaltsamkeit nicht absprechen. Diese gerade im eben zitierten Papagei-Beispiel zutage tretende humoristische Komponente spiegelte sich übrigens auch in der Personalstruktur des Austrian Language Desk der New Yorker OWI-Abteilung wider. Nicht ohne Augenzwinkern gibt der gebürtige Deutsche Robert Goldmann Zeugnis über die von ihm beobachteten Unterschiede zwischen der Radioabteilung der Deutschen und der der Österreicher  : 105 OWI/ABSIE, Austrian Show, Herr und Frau Adabei, 4.3.1945, DÖW 9549.

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[Die österreichische] Abteilung [war] war eine ganz anders eingestellte Gruppe. Die kulturellen Charakteristiken der Österreicher spiegelten sich ebenso in der Atmosphäre wie bei ihren deutschen Kollegen nebenan  : Die anstehende Arbeit wurde erledigt, jedoch ohne sich dabei über die Maßen anzustrengen. Witze aus den Kaffeehäusern und Gelächter hallten durch den Raum. Jens Friedrich brüllte seine Beschwerden heraus, ohne daß ihm jemand sagte  : ›Hör auf, ich versuche zu arbeiten.‹ […] Ich schlug vor, mich an einer Sendung für Jugendliche zu versuchen, auch wenn ich weiterhin Sprecher bei den ›Piefkes‹ – ein österreichisches Scherzwort für Deutsche – blieb.106 1.2.3 Problemfelder der österreichischen Gemütlichkeitspropa­ganda

So unterhaltsam die an Österreicherinnen und Österreicher adressierten Satiresendungen des OWI auch sein mögen, so wenig Auswirkungen hatten sie auf das NS-Herrschaftssystem im Land, das ungeachtet der Hoffnungen antifaschistischer Exilanten nicht durch innere Revolution, sondern erst mit dem Einmarsch alliierter Truppen beseitigt wurde. Unabhängig von der psychologischen Effizienz der einzelnen Kommunikate, auf die wir noch eingehen werden, gab es jedoch auch technische Probleme, die der Verbreitung und dem Erfolg der OWI-Propaganda hinderlich waren  : So war das Abhören feindlicher Sender mit dem deutschen Volksempfänger und ähnlichen Geräten, denen ebenfalls ein Kurzwellenteil fehlte, oft nicht möglich, womit bereits ein großer Teil der US-Sendungen in Deutschland bzw. Österreich nicht empfangen werden konnte.107 Deutsche Störsender versuchten zudem die alliierte Informationsweitergabe zu unterbinden. Auch in Bezug auf die für Propaganda notwendige Informationsbeschaffung und die Evaluierungsmethoden gab es einige Schwierigkeiten. Ein österreichischer Propagandaexperte im US-Exil, der Militärwissenschaftler und Historiker Stefan T. Possony, behauptete 1942 zu Recht, dass die Einschätzung der politischen Stimmungslage im Deutschen Reich durch amerikanische Propagandastrategen und -praktiker (zumindest in der Frühphase nach dem Kriegseintritt der USA) auf zweifelhaften Faktoren beruhte. Zwar erhielte man viele Informationen über den Gegner, etwa durch Flüchtlinge, Journalisten und das Abhören von deutschen Sendern, doch der direkte Kontakt mit der Bevölkerung des Feindlandes, also ein empirisch valides Feedback vonseiten der Empfänger der Propagandabotschaften, fehlte.108 Possony trug übrigens persönlich dazu bei, die von ihm angesprochenen 106 Robert Goldmann, Flucht in die Welt. Ein Lebensweg nach New York. Frankfurt am Main  : 1996, 139 f. 107 Pütter, Rundfunk, 11, 25. 108 Stefan T. Possony, »Needed – A New Propaganda Approach to Germany«, in  : Public Opinion Quarterly, Vol. 6, Nr. 3, 1942, 335–350, hier 349.



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Intelligence-Defizite zu beheben. So war er seit 1943 für den Geheimdienst der US-Marine, das Office of Naval Intelligence (ONI), als »originell denkender« Analyst für psychologische Kriegsführung beschäftigt und arbeitete in dieser Funktion auch der OWI-Radiopropa­ganda zu. Von seinen Arbeitgebern als »unersetzbar« bezeichnet,109 evaluierte er für ONI und OWI nachrichtendienstliche Reports über Zustand und Kampfmoral der feindlichen Marine- und U-Boot-Besatzungen und setzte die gewonnenen Erkenntnisse als »kreativer Schreiber« für Rundfunksendungen um.110 Für die zu einiger Berühmtheit gelangte Radiosendung namens Commander Norden (Geheimprojekt OP-16-W ), die sich an deutsche U-Boot-Besatzungen und Matrosen richtete,111 hat Possony rund 250 Rundfunkmanuskripte verfasst. In den mysteriösen »Norden broadcasts« gab sich ein deutschsprachiger Sprecher als »Fregattenkapitän Robert Lee Norden der Amerikanischen Kriegsmarine« aus112 und versuchte nach allen Regeln der Kunst, die Kampfmoral der Hörer im Lager der deutschen Kriegsmarine zu brechen. Nach Angaben des ONI war diese Sendung sehr erfolgreich. Auch die anderen Tätigkeiten Possonys werden von seinen Arbeitgebern gewürdigt  : The »Commander Norden« broadcasts to German submarine crews, which are prepared complete and ready for overseas broadcast by ONI, are an outstanding OWI feature. In addition, we receive a constant flow of background material from the Navy, which aids us materially in our overseas propa­ganda to enemy countries. We also receive answers from the Office of Naval Intelligence to questions submitted by our German and Italian Section. This work for OWI, we understand, is done by two civilians, one of whom is Dr. Stefan Possony. This partnership has been very succesful for a year. […] [Possony 109 Selective Service System, Affidavit Occupational Classification of S. Possony, [ONI-]Analyst and Editor for Broadcast Material, 26.7.1944. ONI Personnel File of Stefan Possony. NARA, NPRC, F 22-080-337. 110 »Major Responsibilities and Tasks – Subject [Possony] analyzes and evaluates Navy reports of a highly classified nature and, based on such analyses, prepares Navy broadcast scripts in German for the Office of War Information.« Job Description Sheet, Division of Naval Intelligence, concerning S. Possony, Op-16-W, 15.2.1944. ONI Personnel File Possony. 111 Siehe hierzu die Autobiografie von Ellis M. Zacharias, Secret Missions. The Story of an Intelligence Officer. Annapolis  : 22003, 302–320, 341 und 352 f.; im ONI-Personalakt Possonys wird seine Arbeit wie folgt eingeschätzt  : »Dr. Stefan T. Possony is an expert in psychological warfare, an original thinker, with imagination, and a linguist. His present activities in Op-16-W include preparing naval guidance and ›War at Sea‹ for the Overseas Branch of the Office of War Information, background material for the Captain E. M. Zacharias Broadcasts to Japan […]. He has become of increasing value to Op-16-W«. Navy Department, Office of the Chief of Naval Operations, Op-16-W to Op-16-1-A on Increase of Salary of S. Possony, 7.7.1945. ONI Personnel File Possony. 112 Zacharias, Secret Missions, 353.

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belongs to the] specialists in this field – men who are skilled propagandists, who know the languages and also the enemy Navies[.]113

Dieser Exkurs hat gezeigt, dass die von Possony 1942 noch skeptisch beäugten nachrichtendienstlichen Kanäle der Amerikaner (das OWI besaß eine eigene Monitoring Section, die in- und ausländische Sendungen abhörte, und ein Bureau of Overseas Intelligence  ; es erhielt auch fallweise Informationen des OSS und der US Army sowie von den britischen Diensten) mit Fortdauer des Krieges einen quantitativen und qualitativen Zuwachs erfuhren. Vor allem nach den Landungen in Nordafrika im Spätherbst 1942 und in der Normandie im Sommer 1944 lieferte die westalliierte Intelligence mitunter beachtliche Informationen über die Situation im feindlichen Lager, etwa in Form von Stimmungsberichten aus Österreich und von österreichischen Kriegsgefangenen in alliierten Verhörlagern. Dennoch ist Possony bzw. Conrad Pütter zuzustimmen, wenn Letzterer behauptet, dass die »Planer und Redakteure deutschsprachiger Sendungen […] in den meisten Fällen sprichwörtlich ins Blaue hinein« arbeiteten.114 So waren etwa die Teilnehmer der »listening panels« des OWI (Hörerreaktionen aus dem neutralen Ausland) in Städten wie Bern oder Stockholm tendenziell antinationalsozialistisch und proamerikanisch eingestellt, weshalb sich ihre Meinung – einmal abgesehen von ihrer Nichtanwesenheit im Deutschen Reich – zu den Deutschland- und Österreichsendungen nur begrenzt als objektives Stimmungsbarometer für die deutsche Bevölkerung eignete.115 Doch auch in den Fällen, in denen sich die amerikanischen Reports auf innerösterreichische Stimmen berufen, gab es in der Regel wenig Anlass zu Optimismus  : Laut einem Telegramm der US-Botschaft in Bern behauptete ein ominöses »Austrian resistance headquarters in Vienna« Ende 1944, dass eine österreichische Kulturpropa­ganda, die nahezu zynisch auf »heurige Weinderl« und »Stelz’n vom Schweinderl« sowie launige Politsatire setzte, die vom NS-Repressionsapparat und den alliierten Bombenangriffen paralysierten Österreicher wohl nicht zum Widerstand zu bewegen vermochte  : Austrians are unreceptive at this time to Heurigensketche, Leopold Lieder and other similar propa­ganda programs from London, and it would be too much to expect an opposite attitude, caught as they are between daily Anglo-American air attacks and Nazi terror.116 113 Lt. Col. C. Thomson, OWI, Overseas Planning Board, to Rear Admiral A. Schuirmann, USN, Navy Department, Washington DC, on S. Possony, 11.1.1944. ONI Personnel File Possony. 114 Pütter, Rundfunk, 24. 115 Vgl. Cziczatka, US-Propaganda, 288–291. 116 American Legation Bern to Secretary of State, Washington, on Austrian morale, 23.12.1944. NARA, RG 208, E 358, B 106.



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Auch Evan B. Bukey behauptet auf Grundlage der Stimmungsberichte, die der Sicherheitsdienst der SS (SD) und andere Dienststellen des Regimes in der Spätphase der NS-Diktatur in Österreich angefertigt hatten, dass die Moskauer Deklaration und die Propagandaversprechen der Westalliierten wenig an der »apathischen« Haltung der Österreicher geändert hätten.117 Wie ein Auszug aus einer Propagandadirektive der Overseas Branch nahelegt, haben die Realisten im OWI zu diesem Zeitpunkt wohl längst geahnt, dass die vermuteten Widerstandsgruppen im Land (Industriearbeiter im Nordosten, Katholiken und Traditionalisten im Südwesten, ferner Kommunisten und Fremdarbeiter) keine militärische oder revolutionäre Bewegung in Gang setzen, sondern sich mit Ausnahme der Partisanen in Kärnten höchstens zu kleinen Subversions- und Sabotageakten sowie »›go slow‹-methods« hinreißen lassen würden.118 Offene Aufrufe zum Widerstand wurden daher vom OWI weitgehend vermieden.119 Wie aus der oben zitierten Einschätzung der »Heurigen«-Propaganda ersichtlich, gab es neben technischen und strukurellen Problemfeldern auch personenbezogene, gestalterische und inhaltliche Aspekte, die einen handlungsleitenden Effekt solcher Österreich-Sendungen fragwürdig erscheinen lassen. Zunächst einmal gilt es zu hinterfragen, ob österreichische Exilanten als Autoren, Redakteure und vor allem als Radiosprecher mit ihrem speziellen kulturellen und sprachlichen Gepräge in der Lage waren, ihre Landsleute in der Heimat für sich zu gewinnen bzw. zu indoktrinieren. Eine Gruppe von anglo-amerikanischen Propagandaexperten vertrat während des Krieges und danach die Meinung, dass nicht launige Radiobeiträge, die von sich an die Zielgruppe anbiedernden Emigranten im (österreichischen) Dialekt gesprochen werden, sondern von amerikanischen oder britischen Rednern in Hochdeutsch verlesene Nachrichten bei den deutschen und österreichischen Schwarzhörern am ehesten auf Resonanz und Glaubwürdigkeit gestoßen sind. Bei der britischen BBC, die laut Siegwald Ganglmair wegen ihrer sprachlichen Nüchternheit wesentlich erfolgreicher war als die mit hochtrabenden, emotionalen Floskeln um sich werfenden US-Sender Voice of America und ABSIE,120 hat man stark auf diesen Zugang gesetzt. Obwohl die teils sehr schwarzhumorigen Beiträge des Austrian Desk nicht unbedingt repräsentativ für die oft naive und idealistische Propagandarhetorik der OWI-Rundfunkprogramme sind, hat die Kritik des US-Radiosprechers William H. Hale an den deutschsprachigen Exilanten in den Radiostudios Gewicht  : 117 Bukey, »Stimmung«, 82. 118 OWI Long Range Directive for Austria, 23.10.1944. NARA, RG 208, E 415, B 805. 119 Vgl. OWI, Austrian Directive, 15.12.1944, zitiert in Cziczatka, US-Propaganda, 203. 120 Ganglmair, Kriegspropa­ganda, 367  ; ähnlich Lerner, Sykewar, 307  ; eine gegenteilige Darstellung findet sich in den OWI-Unterlagen  : OWI Records of the Historian, Report on German Section, 45.

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As both ineffectual and mischievous I look on the use of German [and Austrian] refugees on Allied broadcasting stations in positions where they were able to use »brotherly« or otherwise tenderhearted appeals to the German public, often with the implication that the German people as a whole were innocent, while their leaders alone were guilty. (This practice […] lingered on until 1943 in the »Voice of America.«)121

Deutsche und österreichische Rundfunksprecher bei der Voice of America galten vielen Kritikern auch deshalb als »ineffektiv«, weil man auf den im Zielpublikum weitverbreiteten Antisemitismus Rücksicht nehmen wollte. Jüdische Emigranten, die »es sich im Exil schön ›gerichtet‹ haben« und aus der Ferne österreichische bzw. deutsche Hörer zur offenen Revolte gegen den NS-Apparat aufrufen, seien für die Hörer demnach nicht glaubwürdig. Nicht zuletzt hatte auch die nationalsozialistische Propaganda (der neben Goebbels’ Ministerium auch das Auswärtige Amt und die Wehrmacht selbst angehörten) diesen Punkt dankbar aufgegriffen und die »verjudeten Feindsender« der Alliierten mehrfach attackiert. Ein weiteres Problem in Bezug auf deutschsprachige Exilanten als Rundfunkmitarbeiter ergab sich aus der egozentrischen Persönlichkeitsstruktur und der Realitätsferne bestimmter österreichischer Radiopropagandisten. So wird etwa in einem geheimdienstlichen Memorandum des OSS behauptet, dass der OWI-Mitarbeiter und Redenschreiber Julius Deutsch fest davon überzeugt sei, »that he carries more personal weight than any other Austrian abroad.«122 Ein Insider behauptete daher schon im Jänner 1942, dass die Hörerschaft in Deutschland bzw. Österreich auf solche Radiosprecher eher ablehnend reagieren würde. Dazu kam, dass viele ausländische COI/OWI-Mitarbeiter und -Radiosprecher, darunter der eben angesprochene Exilsozialist Deutsch, neben der US-Propagandatätigkeit eigene politische Ziele verfolgten, die nicht unbedingt im Einklang mit amerikanischen Interessen und propagandistischen Erfordernissen waren. Die Befürchtung, dass der Einsatz von »German refugees« sich auf die Effektivität der deutschsprachigen Radioprogramme kontraproduktiv auswirken würde,123 war daher nicht ganz unberechtigt. Ein weiterer diskussionswürdiger Aspekt in Hinblick auf die sprachliche Gestalt der Österreich-Beiträge des Austrian Desk ist die 121 W. Hale, zitiert in Lerner, Sykewar, 72  ; auch der selbst aus Österreich stammende US-Verhöroffizier Saul Padover vertrat diese Meinung. Saul K. Padover, Lügendetektor. Vernehmungen im besiegten Deutschland 1944/45. München  : 2001, 249. 122 OSS/FNB-Memorandum to the Director, The Austrian-American Situation reviewed on the eve of Austria’s Liberation, 7.9.1944. NARA, RG 226, FNB-INT-4 AU-587. 123 »I am warned against the use of German refugees. I am told that every one of them is convinced that he alone can save the situation […]. Their impact on Germany is to arouse suspicion rather than acceptance. They are the ›least important‹ of any possible broadcasters I am told.« COIMemo, M. Gilbert to E. Taylor, on German Radio Announcers, 9.1.1942. RG 208, E 6B, B 7.



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Frage des Dialekts und die Zulässigkeit der Gleichung »Österreichische Sprache für österreichische Hörer bringt größeren Erfolg als hochdeutsche Sprache für österreichische Hörer«. Ist Österreich-Propaganda beim Zielpublikum erfolgreicher, wenn sie in österreichischem Dialekt vorgetragen wird  ? Die Antwort darauf lautet nicht zwingend »Ja«. So postulierte etwa Morris Janowitz in den 1950er-Jahren den auch heute noch überzeugenden Grundsatz, dass die Sprache der jeweiligen »Mission« angepasst werden muss. Der Glaube, so Janowitz, »that the language idiom and accent must be correct and identical with that current in the target audience is not an invariable formula.«124 So waren der Austrian Desk und seine Sendungen trotz der zunehmenden Diversifizierung des OWI-Propagandaaustoßes in Richtung Österreich und trotz der Ausstrahlung spezieller regionaler Programme sehr »Wien-lastig«. Dadurch öffnete sich ein weiteres Problemfeld  : Die meisten Autoren, Redakteure und Sprecher der Österreich-Abteilung stammten aus der Hauptstadt und dementsprechend hörten sich auch die von ihnen verfassten und verlesenen Rundfunkprogramme an. Der Einsatz von städtischen ostösterreichischen Exilanten als Sprecher und der von ihnen massiv eingesetzte wienerische Dialekt, der den Österreichern Glaubwürdigkeit suggerieren und eine Abgrenzung zum faschistischen Germanentum ermöglichen sollte, brachte aus sozialkommunikativer Sicht jedoch einige Nachteile. Außerhalb der Hauptstadt, vor allem im alpinen und ruralen Westen des Landes, war und ist das Wienerische bis heute weniger beliebt als im Nordosten, was zur Folge haben konnte, dass anstatt der österreichpatriotischen Ideologisierung auch der gegenteilige Effekt, nämlich die Ablehnung der Radiosatiren mit Wiener Lokalkolorit, eintrat. Eine Tiroler Bäuerin mochte sich mit »Wiener Schmäh« und Heurigenseligkeit weit weniger identifizieren als ein Hauptstadtbewohner, dasselbe gilt für den Salzburger Wehrmachtssoldaten, den Kärntner Kaufmann usw. Gerade in diesem Zusammenhang war es oft nicht die von Exilösterreichern betriebene US-Propaganda, sondern das NS-Regime, das es besser verstand, diese innerösterreichischen Rivalitäten auszunutzen und die vor 1945 ohnehin schwachen Österreich-Identitätskonstrukte der »Ostmärker« durch eine übergeordnete deutsche »Reichsidentität« zu ersetzen. Das Konzept der nationalsozialistischen Volksgemeinschaft, so Thomas Grischany, »exploited the dislike many people in the Länder harbored against the historical predominance of Vienna within the Austrian state, while undercutting memories of older, ›Austrian‹ overarching iden-

124 Morris Janowitz, »Language Idiom and Accent in Psychological Warfare«, in  : William E. Daugherty/Morris Janowitz (Hgg.), A Psychological Warfare Casebook. Baltimore  : 41968, 609–611, hier 611.

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tities.«125 In diesem Sinne dürfte die auf Mentalität und Idiom der Hauptstadt fokussierende OWI-Radiopropa­ganda für Österreich in den eher »landespatriotischen« Regionen des Reichs wie Tirol oder Kärnten126 der amerikanischen Sache sogar mehr Schaden als Nutzen gebracht haben. Das Faktum, dass nicht wenige Sprecher des German Desk und des Austrian Desk (Wiener) Juden waren, dürfte ebenfalls für Ressentiments bei vielen Hörern in der Provinz gesorgt haben. Der in den oft unrealistisch und zweckoptimistisch angelegten OWI-Direktiven für Österreich zu lesenden Aufforderung, »the simple, religious, unsophisticated populations of rural and Alpine areas« mit der »artistic sophistication of the Vien­ nese« zu verbinden,127 konnten die Macher der Österreichschwerpunkte der Voice of America und der ABSIE daher kaum gerecht werden. Der nächste inhaltlich-gestalterische Kritikpunkt ergibt sich aus der schwierig zu beantwortenden Frage, ob Humor, Satire und Entertainmentformate für propagandistische Zwecke geeignet, ob sie ein wirkungsvolles Mittel zur geistigen Überwältigung des Empfängers sind. So behauptete der Exilösterreicher Lothar Metzl, der als Texter für den bei den Deutschen sehr populären britischen Soldatensender Calais Hunderte Folk- und Popsongs mit propagandistischen Inhalten versehen hatte, dass Unterhaltung und Humor als Köder für Propaganda und sogar als Propagandaträger selbst wirken können.128 In einem Bericht zu diesem »schwarzen« Rundfunkprojekt des US-Kriegsgeheimdienstes steht etwa zu lesen, dass Humor und antifaschistische Satire zu den effektivsten Propagandawaffen gehören und die wunden Punke des NS-Systems treffen würden.129 Zwar vermag es der Humor, wenn er bestimmte persuasive Inhalte transportiert, den Abwehrreflex des Empfängers, der mit Politik und Ideologie konfrontiert wird (»Das ist doch nur Feindpropa­ganda  !«), zu umschiffen und dessen Interesse an einem unterhaltsam aufbereiteten Text zu wecken. Dies ist den österreichischen Radiomachern im OWI in manchen Fällen sicherlich gelungen. Auch Dass Humor, Ironie und Satire aber die geeigneten Mittel zur Schaffung eines 125 Thomas R. Grischany, »Mental Aspects of Austrian Wehrmacht Service«, in  : Günter Bischof/ Fritz Plasser/Barbara Stelzl-Marx (Hgg.), New Perspectives on Austrians and World War II (= Contemporary Austrian Studies, Bd. 17). New Brunswick und London  : 2009, 45–65, hier 50  ; ähnlich Richard Germann, »Austrian Soldiers and Generals in World War II«, in  : Bischof et al., New Perspectives, 29–45, hier 38  ; sowie Günter Bischof, »Einleitung. Kriegsgefangenschaft und Österreichbewußtsein im Zweiten Weltkrieg«, in  : zeitgeschichte, 3/2002, 29. Jg., 109–112, hier 110. 126 Wodak et al., Diskursive Konstruktion, 125. 127 Cziczatka, US-Propaganda, 212. 128 L. Metzl, OSS Terminal Report on Musac Operation, 7.5.1945, unpaginiert. NARA, RG 226, E 139, B 172, F 2280. 129 OSS/MO, Musac Project Book I. NARA, RG 226, E 139, B 172.



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hohen Erregungs- oder Empörungszustandes bei den Hörerinnen und Hörern am Radiogerät sind, steht zu bezweifeln. Vergleicht man unterhaltsame und »politisierende« Propagandadialoge wie jene von Herr und Frau Adabei mit einem Auftritt heutiger Kabarettisten, so zeigt sich, dass politischer Humor, vor allem jener, der Konzepte wie die »österreichische Gemütlichkeit« in den Mittelpunkt stellt, paradoxerweise eher einen systemaffirmativen und keinen aufrührerischen Effekt auf das Publikum hat  : Indem Kleinkünstler, damals wie heute, die herrschende politische Kaste satirisch attackieren und demaskieren, wird den Hörerinnen und Hörern ein Ventil geboten, ihrem Frust über »die da oben« Luft zu machen, ohne sich dabei allzu zerstörerisch oder umstürzlerisch zu gerieren. Das kathartische Lachen über einen politischen Witz stärkt die eigene Identität, hilft der Psychohygiene und unterstützt den Abbau von Aggressionen – ein Akt des »Dampf-Ablassens«, der jedoch eher regimestabilisierend als subversiv wirkt. Selbst totalitäre Herrscher wussten laut Ernst Hanisch, dass der Volkswitz, speziell der politische, »eine Ventilfunktion hatte«, die bis zu einem gewissen Grad akzeptabel, ja sogar gewollt, war.130 Politische Kleinkunst und Satire sind ein Spiegel des politischen Geschehens und ein Kommunikationsphänomen, das zwar Aufklärung und kritische Reflexion bestehender Missstände,131 aber nicht zwingend gewaltsame Agitation fördert. Dies gilt sowohl für heutige Kabarettbesucher, die sich über diverse Korruptionsaffären führender Politiker ärgern, als auch für kriegsmüde und regimekritische Radiohörer in Österreich während des Zweiten Weltkriegs. Die Menschen in Österreich machten zwar durchaus Witze über Hitler und freuten sich teilweise hämisch über die satirische Radio­ propa­ganda der Westalliierten, doch spiegelte dies weder einen kämpferischen Antifaschismus wider, noch erwuchsen daraus nennenswerte Widerstandshandlungen. Denn die Menschen, wie Hanisch es in Anlehnung an Evan B. Bukey formuliert, schauten »häufig in verschiedene Richtungen gleichzeitig. Sie blickten vertrauensvoll auf Hitler, der Führer weiß, was er tut, und erzählten gleichzeitig Witze über ihn. Die Befreiung vom Nationalsozialismus geschah dann nicht durch Witze, sondern durch amerikanische Flugzeuge und die sowjetischen Kanonen.«132 An dieser Stelle muss man einräumen, dass die humoristischen Österreich-­ Sendungen der Voice of America und von ABSIE stets im Verbund mit anderen Radioformaten zu interpretieren sind. Auch wenn die These dieses Kapitels lautet, 130 Ernst Hanisch, »Der Flüsterwitz im Nationalsozialismus«, in  : Oswald Panagl/Robert Kriechbaumer (Hgg.), Stachel wider den Zeitgeist. Politisches Kabarett, Flüsterwitz und subversive Text­ sorten. Wien, Köln, Weimar  : 2004, 121–128, hier 121. 131 Vgl. Naumann, »Ätherkrieg«, 95. 132 Hanisch, »Flüsterwitz«, 128.

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dass die Hörer durch diese Österreich-Beiträge nicht politisiert oder emotional aufgewühlt wurden, so haben Serien wie Herr und Frau Adabei zweifellos eine willkommene Abwechslung dargestellt, die manche Hörer wegen ihres hohen Unterhaltungswerts an das Radiogerät band, um davor oder danach auch andere Nachrichtensendungen und Österreich-Features zu hören. Kristina Moorehead ist zuzustimmen, wenn sie behauptet, dass solche westalliierten Satireprogramme trotz der wohl ausbleibenden handlungsleitenden Wirkung auf die Hörer beigetragen haben, das deutschsprachige Rundfunkprogramm »abwechslungsreicher zu gestalten, das Informationsdefizit einer Anzahl von Menschen zu verringern, ihre Isolation in einem diktatorischen System punktuell zu durchbrechen und sie in ihren humanistischen Werten zu bestärken.«133 Mit dem aufklärerischen, befreienden Lachen und der Satire in enger Verbindung steht schließlich das zentrale Konzept der hier vorgenommenen kritischen Inhaltsanalyse der Radiopropa­ganda des Austrian Desk, nämlich der bereits angesprochene locus classicus der österreichischen Gemütlichkeit. Sowohl das österreichische Selbst- als auch das Fremdbild werden in vielerlei Hinsicht von diesem Klischeebild, das auch als »Phäakenstereotyp« bekannt ist, determiniert. Der Begriff Gemütlichkeit bezeichnet einen subjektiven Zustand des Wohlbefindens, der durch materielle oder nichtmaterielle Impulse und Gegebenheiten ausgelöst wird. Gemütlichkeit gilt zwar gemeinhin nicht nur als »typisch« österreichische, sondern auch als deutsche Eigenart.134 Doch vor allem von österreichischer Seite wird bis heute vielfach die Meinung vertreten, dass das »seelische Fluidum« namens Gemütlichkeit »nur in der Donaurepublik und nicht im benachbarten Deutschland anzutreffen sei.«135 Die Phäaken wiederum sind ein Volk der griechischen Mythologie, das für seine überbordende Genussfreude und Sorgenlosigkeit bekannt ist. In ihrer Wahrnehmung schreiben sich die »gemütlichen« und »liebenswürdigen« Österreicher die Eigenschaften der Phäaken vielfach selbst zu  : [Dem Phäakensterotyp] zufolge seien die ÖsterreicherInnen ein heiteres, gemütliches, lebenslustiges Volk, dem die kulinarischen Genüsse, das Essen und Trinken wichtig seien. Mit diesem Stereotyp ist häufig der Hinweis auf eine angebliche Friedfertigkeit der ÖsterreicherInnen verbunden. Immer wieder wird auch die Ansicht verbreitet, daß es den ÖsterreicherInnen an »kalter« politischer Berechnung fehle. Diese Klischees 133 Moorehead, Satire, 343. 134 Peter Melichar, »Die Gemütlichkeit oder der Wille zur Abstraktion«, in  : Emil Brix/Ernst Bruckmüller/Hannes Stekl (Hgg.), Memoria Austriae I. Menschen, Mythen, Zeiten. Wien  : 2004, 271–300, hier 275–277. 135 Osman Durrani, »Die Masken des Herrn Karl  : Das österreichische Kabarett der Nachkriegszeit«, in  : McNally/Sprengel (Hgg.), Hundert Jahre Kabarett, 117–126, hier 118.



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haben eine schon sehr alte Tradition und werden auch in der Literatur gepflegt. Auch werden an sich negativ konnotierte Eigenschaften wie mangelnder Fleiß, Trägheit, oder Schlamperei meist ins Positive uminterpretiert, als »liebenswürdige« menschliche Schwächen, die deren TrägerInnen nur umso sympathischer machen.136

Die Begriffe Gemütlichkeit und Humor werden oft synonym gebraucht, bzw. wird Humor als Unterbegriff des Wortes Gemütlichkeit gedeutet. So berichtet Daniel Lerner etwa über die »gemütlichen« und unterhaltsamen Geschichten eines deutschen Exilanten, der sich für einen alliierten Propagandasender als amerikanischer Soldat mit Deutschkenntnissen ausgab.137 Wie definiert man überhaupt Gemütlichkeit  ? Ist sie, so Peter Melichar, eine »zeitweilige individuelle Gemütsbefindlichkeit, eine seelische bzw. psychische Verfassung  ? Oder ist Gemütlichkeit ein Effekt, der durch eine harmonisierende Kombination von äußerer Ästhetik und innerer Befindlichkeit entsteht  ? Oder handelt es sich um so etwas wie eine Mentalität, d. h. um eine kollektive psychische Disposition, und würde dies bedeuten, dass Gemütlichkeit nie unabhängig von anderen, also stets nur in Beziehung zu anderen empfunden werden kann  ?« Melichar stellt auch die berechtigte Frage in den Raum, »worin der behauptete Zusammenhang zwischen Österreich und der Gemütlichkeit eigentlich besteht«.138 Der definitorisch nur schwer erschließbare Begriff der Gemütlichkeit, der etwa durch die Figur des Bockerer oder das Radio-Duo Ferdl und Mali verkörpert wird, sollte also die hedonistische, lustige und entspannte Seite des typischen Österreichers139 veranschaulichen und das antinationalsozialistische Selbstbild des nationalen Widerstands festigen. Der »gemütliche Österreicher« wurde als Unschuldiger inszeniert, der allein ob seiner Passivität, seines Schmähs und seiner Entspanntheit mit den Verbrechen der »Teutonen« nichts zu tun haben konnte. Die Überbetonung der Gemütlichkeit, dieses Behäbigkeitsmotiv, mag der kollektiven Exkulpierung der Österreicherinnen und Österreicher in Bezug auf die NS-Verbrechen und der Stilisierung des Landes zum »ersten Opfer« des Nationalsozialismus zwar dienlich gewesen sein, dass nostalgische Reime auf die Beschaulichkeit des alten Wien und die fröhliche Weinseligkeit seiner Bewohner den aktiven Widerstand gegen das Regime befördert haben, ist jedoch einmal mehr stark zu bezweifeln. 136 Wodak et al., Diskursive Konstruktion, 123. 137 »Humor, too, was fashioned to fit popular German tastes […] One type of humor was a regular feature of Radio Luxembourg, broadcast as ›Corporal Tom Jones.‹ […] His broadcasts ended with a ›joke‹ – usually a gemütlich [sic  !] little story with a comical aspect, but invariably with a moral lesson.« Lerner, Sykewar, 204. 138 Melichar, »Gemütlichkeit«, 271 f. 139 Vgl. OWI, Long Range Policy Directive for Austria, 12.4.1945.

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Trotz seiner antinationalsozialistischen Stoßrichtung redete der Begriff der Gemütlichkeit daher eher der Demobilisierung, nicht der Mobilisierung das Wort. Seit der späten Ära der Monarchie ist laut Melichar zu beobachten, dass der österreichischen »Gemütlichkeit ein Moment des Widerstands innewohnt, weniger im Sinne einer resistance, […] sondern eher im Sinne einer Renitenz, [die eine …] immanente Abwehr- oder Verweigerungshaltung (gegenüber dem Neuen)«140 mit einschließt. Diese im konservativ-katholischen Österreich weitverbreitete Ablehnung alles Neuen mag sich durchaus auch in Misstrauen und Feindseligkeit gegenüber den neuheidnischen »Nazi-Preußen« niedergeschlagen haben, aber diesen Ressentiments folgten keine nennenswerten widerständigen Handlungen. Hans Veigls Ausführungen über die durch ihren Variantenreichtum imponierende wienerische Umschreibung des Zustandes der Trunkenheit legen den Schluss nahe, dass eine Gemütlichkeitspropa­ganda, die vor allem der österreichischen »Selbstberuhigung« dient, konsequenterweise auch den Begriff des antinationalsozialistischen Widerstands abschwächen und verniedlichen müsste  : Welche vorzeigbare Weltsprache verfügt schon über ein derart reichhaltiges Repertoire an Verniedlichungsformen zwecks selbstberuhigender Verschleierung eines an sich klaren Tatbestandes, der dann auch ganz offen und quantitativ präzise mit a wengerl, a bisserl, a Alzerl von an Fahnl, Fetzen, Schweigerl, Schwamma, Schwül, Spitz oder Schwipserl angegeben wird […].141

Vom Desiderat namens Widerstand bliebe demnach höchstens ein »Wi­der­stan­ derl« übrig. Die österreichische Gemütlichkeit, diese »Selbstbezüglichkeit und Widerstand verschmelzende […] Form des kollektiven Handelns«,142 ist als Propagandawaffe also nicht nur in Bezug auf die Effektivität schwierig einzuschätzen, sondern schuf auch moralische und politische Probleme. Wie bei Kriegspropa­ ganda üblich, entwarf man aus pragmatischen Gründen ein simplifizierendes und mit holzschnittartigen Ethnostereotypen durchsetztes Österreich- und Deutschlandbild und blendete dabei die dunklen und beunruhigenden Seiten der österreichischen Gemütlichkeit aus. Es ist eine ironische Volte der österreichischen Geschichte, dass gerade das antifaschistische Exil in den anglo-amerikanischen Propagandaschmieden jene vermeintlich friedlichen Charakterzüge der NS-Täternation Österreich mythisch überhöhte, auf denen das Opfernarrativ der Zweiten 140 Melichar, »Gemütlichkeit«, 280. 141 Hans Veigl, zitiert in  : Iris Fink, »›Wien, Wien, nur Du allein …‹ – Das Wiener Lied im öster­ reichischen Kabarett als Ort der Identitätsfindung«, in  : McNally/Sprengel, Hundert Jahre Kabarett, 51–63, hier 56. 142 Melichar, »Gemütlichkeit«, 278.



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Österreichischen Republik fußte. Genau dieser von den österreichischen Rundfunkmitarbeitern in den USA und Großbritannien oft betonte – und von der nationalen und internationalen Forschung heute widerlegte143 – Opfermythos war es, der es letztlich sogar den ehemaligen österreichischen Nationalsozialisten ermöglichte, Rechtfertigungen für ihre Mitarbeit an den NS-Verbrechen bzw. ihr Mitläufertum und ihren unterlassenen Widerstand gegen das Regime zu finden.144 Als verbindendes Element zwischen diesen beiden durch dialektische Janusköpfigkeit geprägten Narrativen vor 1945 (angeblicher Widerstandsgeist der Österreicher gegen Hitler) und nach 1945 (Opferrolle der Österreicher unter Hitler) spielte die Gemütlichkeit eine zentrale Rolle. In den Diskurs der Gemütlichkeit konnte man etwa die bis heute in Österreich verbreitete Abneigung gegen die »Piefkes« einschreiben, ebenso eine Reihe von anderen antidemokratischen, antiintellektuellen und antihumanistischen Denkweisen. Laut Steven Beller nahmen hierzulande etwa die Deutschen nach der massenhaften Vertreibung, Deportation und Ermordung der österreichischen Juden deren Stellung als Projektionsfläche für nachkriegsösterreichische Frustgefühle ein.145 Auch hier zeigt sich  : Die dunkle Seite der österreichischen Gemütlichkeit ist wandelbar. Der in den Sendungen des Austrian Desk viel strapazierte Humor, oder wienerisch »Hamur«, der aus dem ambivalenten Konstrukt der Gemütlichkeit erwächst, steht daher nicht nur für eine der sympathischsten und menschlichsten Regungen überhaupt sowie für den Antifaschismus oder den Pafizismus der Öster­reicher, sondern gibt einer spielerischen Form genuin österreichischer Grausamkeit Ausdruck. Alfred Polgar – selbst ein aus seiner »gemütlichen« Heimat Vertriebener – hat diese Grausamkeit scharf verurteilt  : Im März 1938 […] und in den Jahren der Vorbereitung zu diesem tragischen Wendepunkt ihres Schicksals haben die Österreicher bewiesen, dass sie auch Bestien sein können. Zu ihren Schändlichkeiten, an den Juden verübt, mussten die österreichischen Nazi[s] nicht erst kommandiert werden  ; sie begingen sie aus blankem Spass an der Sache, mit einer Art von sportlichem Ehrgeiz, in ihr Originelles zu leisten, und zeigten schöpferische Phantasie in der Verschmelzung von Brutalität und Gemütlichkeit. Sie waren keine finsteren Quäler, misshandelten ihre Opfer nicht mit tierischem Ernst 143 »Austrian claims at the end of the war to have been Hitler’s first victim were completely bogus«, hält Antony Beevor lapidar fest. Antony Beevor, The Second World War. London  : 2014, 10. 144 Siehe hierzu Heidemarie Uhl, »Vom Opfermythos zur Mitverantwortungsthese  : NS-Herrschaft, Krieg und Holocaust im ›österreichischen Gedächtnis‹«, in  : Christian Gerbel/Manfred Lechner/Dagmar C.G. Lorenz/Oliver Marchart/Vrääth Öhner/Ines Steiner/Andrea Strutz/ Heidemarie Uhl (Hgg.), Transformationen gesellschaftlicher Erinnerung. Studien zur »Gedächtnisgeschichte« der Zweiten Republik (= Reihe kultur.wissenschaften, Bd. 9). Wien  : 2005, 50–85. 145 Vgl. Steven Beller, A Concise History of Austria. Cambridge  : 2006, 238.

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sondern mit jener Spielart einheimischen Humors, die »Hamur« ausgesprochen wird und so grausig ist wie ihr Name.146

Das von Veigl verwendete und Gemütlichkeit suggerierende Diminuitivsuffix -erl wird in einer der von Polgar erwähnten Schändlichkeiten an den Wiener Juden anschaulich. Das sogenannte »Reiberl«, die Juden aufgezwungene Gehsteig­ reinigung unter den schadenfrohen Blicken antisemitischer österreichischer Bürger, war in den Straßen Wiens 1938 sehr populär.147 Melichar behauptet, die seit jeher aus politischen oder gesellschaftlichen Notwendigkeiten heraus instrumentalisierte Gemütlichkeit sei »ein ästhetische[s] Konzept, das Kaffeehaus- und Heurigenwirten, Henkern und Massenmördern gleichermaßen dienstbar gewesen war«.148 Österreichische Gemütlichkeit bedeutet demnach auch »österreichische Grausamkeit«. Obwohl sie nur die schönen und harmlosen Seiten der Nation darstellen sollten, allegorisierten die aus propagandistischen Motiven entstandenen kleinbürgerlichen Bockerer-Figuren der OWI-Sendungen noch weitere dunkle Seiten der österreichischen Seele, die mit den soziologischen Beobachtungen Polgars und Melichars korrelieren  : Es sind dies Fremdenfeindlichkeit und faschistoide Kirchturmmentalität, die sich unverhohlen als antinationalsozialistisch, weil antipreußisch, ausgeben  : So widerständig seine resolute Ablehnung gegen alles (von ihm mit dem Nationalsozialismus gleichgesetzte) Deutsche auch ist, so kommt darin ebenso eine unterschwellige engstirnige Ablehnung gegen alles Fremde zum Ausdruck. Ein klein wenig von dem berüchtigten ›mir san mir‹-Wienertum, das sich dann 1961 der hemmungslose Opportunist Herr Karl auf seine Fahnen schreibt […], steckt bereits im Bockerer.149

Gerade der Darsteller des eben erwähnten »Herrn Karl«, der Kabarettist und Schauspieler Helmut Qualtinger, war Teil einer Künstlergruppe, die sich nach dem Krieg als »Vorkämpfer gegen die österreichische Gemütlichkeitskultur« 150 und die damit verbundenen gesellschaftlichen Schattenseiten sah. Kabarettisten und Satiriker wie Qualtinger wollten nach Dieter Binder den »auffallenden Kontrast zwischen Verdrängung der Vergangenheit in den fünfziger Jahren, dem Postulat des ›Unpolitischen‹ der ›Backhendlzeit‹ und dem subkutanen, perma146 Polgar, »Unterschied«, 6 f. 147 Vgl. Dieter A. Binder/Ernst Bruckmüller, Essay über Österreich. Grundfragen von Identität und Geschichte 1918–2000. Wien und München  : 2005, 98. 148 Melichar, »Gemütlichkeit«, 293 und 296. 149 Haider-Pregler, »Bockerer«, 365 f. 150 Durrani, »Masken«, 118.



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nenten Vorhandensein der Geisteshaltung der Nazi-Zeit« aufzeigen.151 So gelang es mit der »monologisierenden Figur« des Herrn Karl in der Tat, die Kehrseite der von der OWI-Propaganda so gepriesenen Gemütlichkeit breitenwirksam zu thematisieren, »die Haltung einer ganzen Generation von Mitläufern, Nutznießern und Schmarotzern« bloßzustellen152 und einen kritischen Diskurs anzuregen, der in den 80er-Jahren seinen (späten) Kulminationspunkt fand. Die vom Herrn Karl offengelegte Kehrseite der Gemütlichkeit wird laut einer sozialwissenschaftlichen Studie zum Selbstbild der Österreicherinnen und Österreicher vor allem durch Begriffe wie »grausam« oder »vorsätzlich böse« charakterisiert153 – Charaktereigenschaften also, die während der NS-Zeit in Österreich fröhliche Urständ feierten. Zwischen dem renitenten, aber antifaschistischen Herrn Adabei in den Österreich-Sendungen des Austrian Desk und dem opportunistischen NS-Mitläufer Herrn Karl gibt es letztlich mehr Gemeinsamkeiten, als man meinen mag. 1.2.4 Resümee

Die humoristische und antideutsche Österreich-Radiopropa­ganda des Office of War Information während des Zweiten Weltkriegs ist ein mentalitätsgeschichtlich faszinierendes Kommunikationsphänomen, das jedoch – wie die Moskauer Deklaration, die nicht zuletzt auch eine Art alliiertes Propagandamanifest und »Handreiche für einen nationalen österreichischen Gründungsmythos« war154 – keine relevanten massenpsychologischen oder militärischen Auswirkungen gezeitigt hat. Abgesehen vom Signal, das von ein paar vereinzelten Widerstandsaktivitäten ausging, wurde die nationalsozialistische Herrschaft über eine demoralisierte bzw. apathische Bevölkerung bis zum Kriegsende auf brutale Weise aufrechterhalten, behauptet Robert Keyserlingk.155 Eine ohnehin durch den NS-Terrorapparat eingeschüchterte Bevölkerung konnte und wollte durch die Gemütlichkeitspropa­ganda des OWI nicht dazu gebracht werden, die ihr zugeschriebene Gemütlichkeit genau dann abzulegen, als es um den Widerstandskampf gegen die »faschistischen Usurpatoren« des Landes ging. Die Schnittmenge aus bockigem Antigermanismus und österreichischer Lebensart, die der Austrian Desk in seinen Sendungen so oft beschworen hatte, vermochte während 151 Dieter A. Binder, »Kabarett und gesellschaftlicher Wandel – Überlegungen zu einer spezifischen Quelle der österreichischen Geschichte«, in  : Panagl/Kriechbaumer, Stachel, 79–102, hier 80. 152 Ebd., 80 f. 153 Wodak et al., Diskursive Konstruktion, 123. 154 Pirker, Subversion, 218  ; in Pirkers Werk findet sich eine (Neu-)Interpretation der Moskauer Deklaration, welche vor allem britische Quellen in die Darstellung einbezieht. 155 Keyserlingk, Austria, 159.

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des Zweiten Weltkrieges keine breiten Aufstands-, Protest- oder Sabotagewellen auszulösen. Trotz ihrer von Beginn an geringen Erfolgschancen, ihrer konzeptuellen Schwächen und der in den politischen Diskurs der Nachkriegszeit hineinreichenden chauvinistischen Implikationen steht die Österreichpropa­ganda des OWI für den lagerüberschreitenden Kampf des in politischer Hinsicht notorisch zerstrittenen österreichischen Exils gegen den Nationalsozialismus. Es war ein Kampf, der in Österreich durchaus wahrgenommen wurde. So war Schwarzhören als Form des Widerstands im Kleinen (»Rundfunkverbrechen«) in allen Bundesländern verbreitet.156 »[D]ie Tatsache allein, daß ihr lauscht«, sagte Thomas Mann in einer seiner Reden an die deutschen Hörer, »ist schon ein Akt geistigen Widerstandes gegen den Hitler-Terror und der geistigen Sabotage des blutigen und unabsehbaren Abenteuers, in das er euch Deutsche gestürzt hat.«157 Auch Rathkolb stuft die österreichischen OWI-Sendungen aus New York und London eher als wirkungslos ein, weist aber auf deren moralische und politische Bedeutung hin. Sie seien ein vitales Symbol des österreichischen Exilwiderstands, das es sogar vermochte, bis ins Herz des NS-Terrors vorzudringen und zumindest den »inneren Widerstand« zu stärken.158 Der vor allem von jüdischen Flüchtlingen aus Zentraleuropa ausgefochtene Kampf im Äther war nicht bloß eine Spielart des »leisen« Widerstands, er offenbarte vielmehr die unterschiedlichen Lebenswelten des auf rassischem Superioritätsdenken beruhenden deutschen Faschismus und der ethnisch buntscheckigen US-Demokratie  : So sorgten die Mitarbeiter der Austrian Desks und anderer Länderabteilungen im OWI Radio Program Bureau für einen manchmal widersprüchlichen und ineffektiven, oft von utopischen Hoffnungen getragenen, aber dennoch nie abreißenden »babble of languages«,159 der die Diversität und Kreativität des amerikanischen Gastlandes gegenüber den »germanisch«-völkischen Nationalsozialisten antithetisch verkörperte. Ironischerweise lässt sich die unter notorischem Platzmangel leidende und chaotische Übersee-Radioabteilung des amerikanischen Propagandaamts mit einem rassistischen Kampfbegriff aus dem rhetorischen Arsenal von Adolf Hitler am besten beschreiben. In Mein Kampf bezeichnete der spätere »Führer« und Kriegsherr die Stätte seines frühen künstlerischen und beruflichen Scheiterns, die österreichische Kapitale Wien, abwertend als »Rassenbabylon«. Versieht man diesen hier negativ verwendeten Begriff mit einer humanistischen Lesart, zeigt sich, dass das »cavernous building« in New York, in dem »bekannte, aber unterbezahlte europäische Autoren« nachrichtendienstliche 156 Neugebauer, Widerstand, 15, 212 f. 157 Thomas Mann, zitiert in Pütter, Rundfunk, 9. 158 Rathkolb, »Voice«, 33. 159 Vgl. Pistor, Harret aus  !, 158  ; Shulman, Voice, 3.



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Stimmungsberichte und Direktiven mit Hingabe und Verve in tägliche Radio­ shows umwandelten,160 ein wahrhaft babylonischer Turm war. In diesem Turm hat sich eine außergewöhnliche und multikulturelle Ansammlung von Intellektuellen, Exilpolitikern, Dichtern, Juristen und Journalisten zusammengefunden.161 Es war ein modernes Babel, das sich dem Gefecht der Worte in einem totalen Krieg verschrieben hatte und in dem die aus dem zentraleuropäischen »Rassenbabylon« vertriebenen Österreicherinnen und Österreicher einen wichtigen Platz einnahmen. In Anlehnung an Uwe Naumann kann man die »gemütlichen« Radiosatiren des OWI Austrian Desk als »ein echtes Stück Exilliteratur« bezeichnen, das eine Fortsetzung der vor der NS-Herrschaft florierenden Wiener »Brettlkultur« bzw. des österreichischen Kabaretts »mit anderen Mitteln und vor einem erheblich größeren Publikum« darstellt  : Zugespitzt formuliert  : als innerhalb Deutschlands ein politisches literarisches Kabarett nicht länger möglich war, führten Kabarettkünstler im Exil in London [und New York] die Tradition ihrer Kunstform im Medium Rundfunk fort.162

Ein vom Exilösterreicher Walter Schick überlieferter Kommentar eines Emi­ gran­ten aus dem Osten des ehemaligen Habsburgerreiches, der sich 1942 freiwillig für das kurzlebige und politisch umstrittene Österreich-Bataillon der US Army (ein militärisches Exilprojekt, das von konservativ-legitimistischen Kreisen rund um Otto Habsburg initiiert wurde) gemeldet hatte, soll meine Ausführungen zur »gemütlichen« österreichischen Kulturpropa­ganda des OWI im Zweiten Weltkrieg beschließen. Gefragt, warum ein Mann aus der Bukowina bereit sei, als in die USA Eingewanderter für ein »Habsburg-Bataillon« freiwillig in den Krieg gegen Hitler zu ziehen, verwies der Angesprochene lapidar auf den Schlendrian der Österreicher  : Where there are Austrians, there could be no shooting.163

Das lakonische, von Schweijk’schem Opportunismus und trockenem Humor geprägte Diktum des Soldaten Bloch bestätigt das Konstrukt des gemütlichen Öster­reichers unreflektiert, gleichzeitig legt es aber Zeugnis ab von der Sugges­ 160 Shulman, Voice, 3. 161 Die New Yorker Overseas Branch »appeared to betoken a Babel, not only of bustle, but also of positively raffish confusion.« Laurie, Warriors, 92. 162 Naumann, »Ätherkrieg«, 90  ; vgl. Cziczatka, US-Propaganda, 264. 163 Biografischer Bericht von Walter Schick über den Dienst in der US Army (1972), zitiert in Eppel, Exil, Bd. 2, 63–65, hier 63.; für das volle Zitat siehe Traussnig, Militärischer Widerstand, 60 f.

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tivkraft dieses von der US-Propagandamaschinerie eifrig aufgegriffenen Topos. Ein Topos, der vielversprechend erschien, aber bei der Zielgruppe letztlich kaum Wirkung zeigte  : Die von den Stimmen Amerikas angesprochene Bevölkerung Österreichs übte sich zwischen 1938 und 1945 – bis auf eine kleine Minderheit – nicht in Widerstand, sondern höchstens in Renitenz. Das auf »Feindwelle« eingestellte Radiogerät war für sie ein Informationsmedium mit eskapistischen Zusatzangeboten, nicht aber der erhoffte Zauberkasten, der die Weltgeschichte veränderte. Wenn auch ethisch nicht immer korrekt und makropolitisch sowie militärisch praktisch folgenlos – für viele vor dem Radiogerät sitzende Österreicher war die OWI-Kulturpropa­ganda à la Bockerer vor allem eines  : kurzweilig, unterhaltsam und … gemütlich. 1.2.5 Fallstudie  : Schöpfer von volkstümlichen Rundfunksatiren – Arthur Steiner

Die durch auffällige Kontinuitäten gekennzeichnete Vorkriegs- und Exilbiografie von Arthur Max Steiner, einem der prägendsten österreichischen Radiopropa­ gandisten der OWI/ABSIE und des Austrian Desk in Europa, ist ein anschauliches Beispiel für das zuvor skizzierte Phänomen der Gemütlichkeitspropa­ganda. Obwohl Steiners persönlicher Nachlass im Wiener Stadt- und Landesarchiv wegen der 40-jährigen Sperre nicht ausgewertet werden kann,164 lässt sich mit den überlieferten amerikanischen und österreichischen Quellen und den Sendemanuskripten ein repräsentatives Bild seines Wirkens zeichnen. 1896 in Wien geboren, studierte Steiner zunächst Rechtswissenschaften und versuchte sich mit überschaubarem Erfolg als Fußballer. In der Zwischenkriegszeit trat er vor allem als Sportjournalist in Erscheinung und schrieb regelmäßig Reportagen für die Illus­ trierte Kronen-Zeitung, den Vorläufer des heutigen österreichischen Massenperiodikums Kronen Zeitung. Laut eigenen Angaben war er auch für die Blattlinie mitverantwortlich und »wrote important articles which were politically or editorially difficult.«165 Die für ihn typische, in seinen OWI-Radiosketchen im Stile von Herr und Frau Adabei zutage tretende einfache Diktion und die »Vermenschlichung« der Sprache sind bereits in seinem frühen journalistischen Œuvre erkennbar  : Steiner war als ein »Starreporter«166 der Krone wesentlich dafür verantwortlich, dass zu Beginn der 1930er-Jahre eine laut Hans Dichand »für alle Leser ver164 Siehe hierzu die Informationen über den Nachlass von Arthur Steiner, in  : http://aleph-prodacc.obvsg.at/F?local_base=nlv&func=find-c&ccl_term=npz=steiner+arthur? (letzter Zugriff  : 30.7.2016). 165 Application for Federal Employment, Steiner, 31.5.1946. 166 Gerhard Urbanek, Österreichs Deutschland-Komplex  : Paradoxien in der österreichisch-deutschen Fußballmythologie. Wien, Berlin, Münster  : 2012, 102 f.



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ständliche Sportberichterstattung Einzug in das Wiener Boulevardblatt« hielt.167 So war er einer der wenigen »Adabeis«, die 1932 beim »Londoner Wunderspiel« der österreichischen Nationalmannschaft in der Mannschaftskabine Zeugen der viel zitierten Worte des Fußballtrainers Hugo Meisl (»Spüüts euer Spüü  !«) wurden. Derartige Ereignisse verpackte Steiner in griffige Reportagen, die vom breiten Publikum (dem »kleinen Mann«) goutiert wurden, ihm vonseiten kritischer Journalisten aber den Vorwurf des »menschelnden« Populismus einbrachten.168 Im März 1938 entließ die Kronen Zeitung ihren Starreporter aus rassischen Gründen.169 Einem »Zeitungsjuden« (Peter Rosegger)170 wie Steiner blieb nichts anderes, als zu emigrieren. Er ging nach Großbritannien. Im Londoner Exil war er in seinem Brotberuf als Journalist bei der Tageszeitung Daily Sketch tätig und wirkte als Produzent und Dramaturg in einem »little theatre in Hampstead«. 171 In der von ihm dort geleiteten Kabarettbühne »By Candlelight«, die laut Oscar Teller »eine jüdische Note betonte«, spiegelten sich die Unbilden des deutschen Bombenkrieges in London wider  : Übrigens sollte der Name des Cabarets nicht etwa auf eine behagliche Atmosphäre hinweisen, sondern entsprach im Gegenteil den vom Krieg geschaffenen Umständen  : Es wurde tatsächlich bei Kerzenlicht gespielt und die Zuschauer fanden sich mit Hilfe von Taschenlampen auf ihren Plätzen ein. Autoren, Musiker und Darsteller stammten auch hier aus Wien, Berlin und Prag, und die deutschen Fliegerbomben, deren Krachen nicht selten den Pianisten übertönte, haben auch hier das gesamte Textmaterial zerstört.172

Der Krieg sollte Steiner noch weiter in seinen Bann ziehen  : Im Frühjahr 1944 wurde er in seinem »kleinen Theater« schließlich vom damaligen Direktor der neu gegründeten ABSIE, Brewster Morgan, entdeckt. Morgan warb ihn umgehend für 167 Hans Dichand, zitiert in  : Rudi Renger/Franz Rest, »Die Neue Kronen Zeitung. Massenmediales Flaggschiff aller österreichischen Populismen«, in  : Richard Faber/Frank Unger (Hgg.), Populismus in Geschichte und Gegenwart. Würzburg  : 2008, 175–210, hier 180. 168 Vgl. ebd. 169 Urbanek, Deutschland-Komplex, 103  ; im Bewerbungsbogen des OWI gab Steiner die »Invasion of Austria« als Grund für die Entlassung an. Application for Federal Employment, Steiner, 31.5.1946. 170 Hildegard Kernmayer, Judentum im Wiener Feuilleton (1848–1903). Exemplarische Untersuchungen zum literarästhetischen und politischen Diskurs der Moderne. Tübingen  : 1998, 98. 171 Application for Federal Employment, Steiner, 31.5.1946  ; Steiner an Morgan, Application, 6.7.1945. 172 Oscar Teller, Davids Witz-Schleuder. Jüdisch-politisches Cabaret. 50 Jahre Kleinkunstbühnen in Wien, Berlin, London, New York, Warschau und Tel Aviv. Darmstadt  : 21985, 24 f.

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den Londoner ABSIE Austrian Desk an,173 wo er gemeinsam mit den aus New York eingetroffenen OWI-Mitarbeitern wie Clementine Bern als Spezialist für öster­reichbezogene Feature-Sendungen eingesetzt wurde. Darüber hinaus war er auch Skriptschreiber für die Glenn Miller Show der ABSIE und verfasste deutsche Texte zu »American popular songs to be sung by Bing Crosby, Dinah Shore etc. for propa­ganda purposes«.174 Der US-Superstar Dinah Shore wurde vom OWI mit dem Ziel »to sway German troops« als psychologische Waffe der Stimme Amerikas eingesetzt. Shore, die kein Deutsch sprach, las die von Londoner OWI-Autoren wie Steiner ins Deutsche übertragenen Texte in deren phonetischer Transkription ab.175 Steiner trat unter der Leitung von William L. Klein etwa bei der Sendung Herr und Frau Adabei nicht nur als Autor, sondern auch als Radiosprecher des »Ferdl« in Erscheinung (an der Seite von Mutz Meier, welche die Rolle der »Mali« verkörperte). Steiner behauptet in mehreren Dokumenten, der Hauptautor der Adabei-Texte zu sein.176 Es ist nicht völlig geklärt, ob er oder Clementine Bern die zentrale Figur bei der Gestaltung der Adabei-Manuskripte war, doch gilt es nach der Auswertung seines OWI-Personalakts wohl als gesichert, dass ein Großteil der Sendungen seine Handschrift trug. In einem Brief an das Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstandes behauptet Steiner, dass er »jede Woche ein humoristisches Programm, betitelt ›Herr und Frau Adabei‹«, geschrieben hat. »Meine Sendungen wurden in Österreich viel gehört. Vielfach wurde vermutet, daß Herr Adabei Hermann Leopoldi sei, der aber um diese Zeit bereits in Amerika lebte. Im Verlauf dieser Sendung habe ich sämtliche populären Wiener Heurigenlieder mit neuen satirischen Texten versehen.«177 Im erwähnten Schreiben zitierte der Wiener Exilkünstler auch ein Beispiel für die von ihm verfasste Gemütlichkeitspropa­ganda. Folgende Liedstrophe könnte auch aus dem Munde des Bockerer stammen  : Erst wann’s aus wird sein Mit all dem viel’n Heil-Hitler-Schrei’n Das einem durch Ost-Mark und Bein immer geht. Wann wir nix entbehr’n 173 Application for Federal Employment, Steiner, 31.5.1946  ; Steiner an Morgan, Application, 6.7.1945. 174 Application for Federal Employment, Steiner, 31.5.1946  ; vgl. hierzu den Pressebericht über die ABSIE-Tätigkeit von Dinah Shore, »More Song Propaganda« (Name der Zeitung nicht angeführt), vermutlich Ende September 1944 (OSS Musac Files). NARA, RG 226, E 139, B 172. 175 »More Song Propaganda«, unpaginiert  ; vgl. Kapitel 2.3 dieses Bandes. 176 Mitteilungen Steiner an DÖW, 14.4.1966  ; Steiner an Morgan, Application, 6.7.1945. 177 Mitteilungen Steiner an DÖW, 14.4.1966.



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und dürfen sogar Radio hör’n Ohne deshalb glei aufg’hängt z’werd’n Ehnder net. Dann gehn geruhsam wir durch Grinzing[,] Währing Die Butter essen wir und nicht Herr Göring s’gibt kann Hitlerplatz, für Gmütlichkeit gibt’s kann Ersatz Die Uhr dann wieder richtig geht … Ehnder net  !178

Der Text zeigt, wie sehr Steiner seine im Wien der Zwischenkriegszeit eingeübte Rolle als »Volksjournalist« internalisiert hatte. Wie in seinen Sportreportagen übte er sich in einer sehr einfachen Sprache, die durch Dialektausdrücke (»Ehnder net  !«), Alltagsbezüge (»die Butter essen wir«) und Heurigenseligkeit (»Grinzing«) an das österreichische Wir-Gefühl der Hörer appellierte. Und ebenso wie der Sportjournalist Steiner dürfte auch der Radiodramaturg Steiner bei seinen Hörern durchaus auf positive Resonanz gestoßen sein. Schenkt man den vom OWI festgehaltenen Hörerreaktionen auf Herr und Frau Adabei179 und Steiners Angaben Glauben, dann hat der damalige ABSIE-Direktor Morgan mit dem gebürtigen Wiener den richtigen Mann gefunden, um die Gemütlichkeitspropa­ ganda des Austrian Desk einem breiten Publikum spannend aufzubereiten.180 Der erfolgreiche OWI-Mitarbeiter Arthur Steiner war also ein Vertreter des Wiener Boulevardjournalismus, der dem Volk »nach dem Mund redete« und ein Sensorium dafür hatte, wie man mit Radiosatiren über »gemütliche« Bockerer-­ Archetypen den (Wiener) Hörer vor dem Radiogerät ansprechen und fesseln konnte. Gerade die biografischen Kontinuitäten im Leben dieses Volksjournalisten vor dem Krieg und während des Krieges stellen jedoch die Ambivalenzen der Gemütlichkeitspropa­ganda und »die Zwiespältigkeit des Populismus«, wie er von den Mitarbeitern des Austrian Desk betrieben wurde, bloß. Einerseits benutzte der hemmungslose Populist Steiner sein schriftstellerisches und satirisches Talent, um auf demokratischer Seite gegen den Faschismus zu kämpfen. Andererseits bereitete er mit seinen vorurteilsbeladenen Tiraden gegen die »Piefkes« mitunter jenem engstirnigen »Mir san mir«-Österreichertum den Boden, das nach dem Krieg in seiner ehemaligen journalistischen Heimat, der Kronen Zeitung, besonders zur Geltung kam. Die Kronen Zeitung, von linksliberalen Zeitdiagnostikern wie Franz Schuh nicht ganz zu Unrecht als das »Zentralorgan der 178 Ebd. 179 OWI Records of the Historian, Report on the German Section, 19 und 40. 180 Steiner an Morgan, Application, 6.7.1945.

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Gegenaufklärung« bezeichnet,181 setzt im Sinne Steiners bis heute zwar auf eine »menschelnde«, emotionalisierende Sprache. Diese ist in ihrer teilweise offenen Feindlichkeit gegenüber allem Weltläufigen, Liberalen und »Anderen« (was sich in den xenophoben Rülpsern der Krone-Journalisten zu artikulieren pflegt) aber alles andere als »menschlich«. Die bewusst zur Schau gestellte Volksnähe des ehemaligen Krone-Starreporters und OWI-Radiopropagandisten Steiner bzw. die von ihm perfektionierte Feier des »gemütlichen kleinen Mannes« in Form der populistischen Übersteigerung der Adabei- und Bockerer-Figuren, sie trägt nicht nur demokratische Züge  : Einerseits verkörpert der Begriff [Populismus] schon von seiner Bedeutung her demokratische Ideale. Populismus ist nach dieser Logik ein fester Bestandteil von Demo­ kratie. Andererseits, gemäß dem Suffix -mus, intendiert Populismus schon per se eine Übersteigerung, welche sich auch gegen Normen des modernen demokratischen Verfassungsstaats […] richten kann.182

Arthur Steiner war nach dem Krieg weiterhin als amerikanischer Propagandist tätig. Er arbeitete als Redakteur in München für die OWI- und PWD/SHAEF-­ Nachfolgeorganisation Information Control Division (ICD)183 und, nachdem er 1946 vom War Department übernommen worden war, einmal mehr als »Feature Writer«.184 Er hatte hierbei die Aufgabe, in der US-Besatzungszone die amerikanische Sichtweise in dem wiederauferstehenden deutschen Pressewesen zu vertreten. Später zog er in die USA, wo er u. a. Kolumnist der deutschsprachigen New Yorker Staats-Zeitung war.185 An seinem Lebensabend wieder nach Europa zurückgekehrt, verstarb Steiner 1983 in München.

181 Franz Schuh, »Ansinnen & Intention«, in  : Datum, Nr. 10/2011, unpaginiert, in  : http://www. datum.at/artikel/ansinnen-intention/ (letzter Zugriff  : 23.6.2013). 182 Florian Hartleb, Rezension zu  : Richard Faber/Frank Unger (Hgg.), Populismus in Geschichte und Gegenwart. Würzburg  : 2008, in  : H-Soz-u-Kult, 16.12.2008, http://hsozkult.geschichte.hu-berlin.de/rezensionen/2008-4-234 (letzter Zugriff  : 24.5.2013). 183 OWI [ICD], Personnel Action, Temporary Appointment of A. Steiner as Editor for ICD Main, 6870th Dis. C.C., 18.10.1945. OWI Personnel File Steiner. 184 State Department, Personnel Action, Transfer to War Department of A. Steiner as Feature Writer, 22.6.1946. OWI Personnel File Steiner. 185 Urbanek, Deutschland-Komplex, 103.



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1.2.6 Fallstudie  : Exilsozialist und eine Stimme Amerikas – Julius Deutsch Julius Deutsch […] may be accounted one of the two or three most dynamic of the Austrian Exiles now in the United States. He combines established reputation with intellectual and physical vigor. Memorandum des Kriegsgeheimdienstes OSS über den österreichischen Exilpropagandisten und Informanten Julius Deutsch, 1944186 The only real forces in Austria were workers and peasants DeWitt C. Poole, Mitarbeiter des OSS-Vorläufers COI, zitiert Julius Deutsch, 1941187 Aus […] den Kreisen der Arbeiter und Bauern […] bildeten sich Formationen von Freiheitskaempfern. […] Die Oesterreicher sind sich des grossen Wandels der Dinge, der sich mit unwiderstehlicher Wucht vollzieht, durchaus bewusst. Julius Deutsch in einer Rundfunkrede der Voice of America, 1944188 [W]eiterarbeiten, weiterkämpfen, weiterleben bis zur Morgenröte besserer Tage. Chaim Weizmann189

Während des Zweiten Weltkriegs zählte die Foreign Nationalities Branch des OSS, also jene geheimdienstliche Abteilung, die für die Überwachung und Beobachtung »politischer« Immigranten in den USA zuständig war, den Sozialdemokraten und OWI-Mitarbeiter Julius Deutsch (1884–1964) zu den 20 interessantesten »politically consequential figures« des österreichischen Exils in den Vereinigten Staaten.190 Deutsch – in jeder Phase seines Lebens ein hochpolitischer Geist mit militaristisch-kämpferischen Zügen – hat im US-Exil als unermüdlicher antifaschistischer Agitator, als Geheimdienstberater und nicht zuletzt als Rundfunkpropagandist zu den amerikanischen Kriegsbemühungen und zum Kampf gegen den Nationalsozialismus einen großen Teil beigetragen. Sein persönlicher Antrieb war hierbei überwiegend politischer bzw. ideologischer Natur. Ziel der folgenden Fallstudie ist es daher, nicht nur den exilösterreichischen Propagandisten 186 OSS/FNB-Memorandum on Austrian-American Situation, 7.9.1944. 187 COI/FNB, Memorandum on Conversation with General Deutsch, by D. Poole 11.2.1942. NARA, RG 226, E 92, B 8. Hervorhebung von mir. 188 OWI German Section, Austrian Show on Belgrad, 21.10.1944. NARA, RG 208, E 414, B 2222. Hervorhebung von mir. 189 Zitat von Chaim Weizmann am 22. August 1939 beim 21. Zionistenkongress in Genf. In  : Saul Friedländer, Das Dritte Reich und die Juden. Die Jahre der Verfolgung 1933–1939. Die Jahre der Vernichtung 1939–1945. München  : 2007, 390. 190 Vgl. Eppel, Exil, Bd. 2, 47.

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7 Julius Deutsch.

Deutsch, sondern auch den Politiker Deutsch darzustellen. Peter Pirkers Diktum »Ohne Politik kein Widerstand«191 möchte ich in Bezug auf Deutsch daher um den Zusatz »Ohne Politik keine (Exil-)Propaganda« erweitern. Deutschs Kriegsbiografie liest sich wie eine Parabel auf den notorisch zerstrittenen österreichischen Exilwiderstand in den USA, der sich letztlich nicht aufgrund eigener Stärke, sondern nur aufgrund realpolitischer und militärisch-strategischer Zwänge formierte  : Erst unter dem Dach der Anlehnungsmacht USA bzw. in deren Kriegsinstitutionen wie der OWI-Radioabteilung sollte sich Deutsch Seite an Seite mit seinen alten politischen Gegnern aus Österreich wiederfinden, um NS-Deutschland bekämpfen und an der Wiedererrichtung Österreichs aktiv mitzuwirken. Der Sohn eines burgenländischen Gastwirts mit jüdischen Wurzeln erlernte zunächst das Druckerhandwerk und stieg, nachdem er im zweiten Bildungsweg die Matura abgelegt hatte und zum doctor juris promoviert wurde, bereits 1909 zum Parteisekretär der österreichischen SDAP auf. Zwischen 191 Pirker, Subversion, 177.



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1918 und 1933 war der »politisch geschickte«192 Deutsch im Nationalrat, in der österreichischen Volkswehr und als Staatssekretär bzw. Parlamentskommissär für Heereswesen im Verteidigungsressort tätig, verfasste Bücher zu sozialdemokratischen Themen und arbeitete als Journalist in Zeitungen des linken Spektrums. Nachdem sich in den frühen 20er-Jahren der Konflikt zwischen den zunehmend autoritär agierenden Christlichsozialen und den Sozialisten verschärfte, begann Deutsch, der mittlerweile eine zentrale Rolle im linksoppositionellen Lager innehatte, den Republikanischen Schutzbund als defensiv konzipierten militärischen Arm der Sozialdemokratie zu positionieren. Als die Spannungen in der sich fast zu einem Bürgerkrieg ausweitenden Schutzbundrevolte im Februar 1934 kulminierten, flohen er sowie Otto Bauer und andere Sozialisten in die Tschechoslowakei. Der wehrhafte193 Antifaschist, der schon im Ersten Weltkrieg als Artilleriebeobachter gedient hatte,194 kämpfte anschließend auf republikanischer Seite als Artillerie-»General« im Spanischen Bürgerkrieg. Nach der Niederlage der Republikaner emigrierte über Frankreich und Kuba in die USA, wo er und seine Frau 1941 eintrafen. In den kriegführenden USA machte Deutsch eine interessante weltanschauliche und persönliche Entwicklung durch. So sollte aus einem internationalistisch gesinnten Linkspolitiker, der lange Zeit den »Anschluss« an ein sozialistisches Großdeutschland propagiert hatte, ein mehr oder weniger österreichpatriotischer Exilwiderstandskämpfer im Dienst der US-Radiopropa­ganda werden. Der Weg dorthin war aber kein linearer oder einfacher. Die politischen, geheimdienstlichen und propagandistischen Exilaktivitäten von Deutsch sollten sich während des Krieges auf drei große Bereiche konzentrieren, die, obgleich eng miteinander verwoben, in einem konfligierenden Verhältnis zueinander standen  : 1. das Verbreiten der internationalen Agenda der Sozialdemokratie, 2. den intellektuellen Kampf gegen den Faschismus (der auch den Widerstand gegen den »Austrofaschismus« und seine Vertreter im Exil inkludierte), 3. den geheimdienstlichen und propagandistischen Kampf für ein »Selbstbestimmungsrecht« des vom Nationalsozialismus beherrschten Österreich 195 (wobei 192 Ernst Hanisch, Der lange Schatten des Staates. Österreichische Gesellschaftsgeschichte im 20. Jahrhundert. Wien  : 1994, 276. 193 Vgl. die bereits früh erschienene programmatische Schrift  : Julius Deutsch, Antifaschismus  ! Proletarische Wehrhaftigkeit im Kampfe gegen den Faschismus. Wien  : 1926. 194 Siehe hierzu die nun in Buchform vorliegenden Kriegsmemoiren der Jahre 1915 und 1916  : Julius Deutsch, Kriegserlebnisse eines Friedliebenden. Aufzeichungen aus dem Ersten Weltkrieg (= Herausgegeben von Michaela Maier und Georg Spitaler). Wien  : 2016. 195 Vgl. hierzu Brief von M. Fuchs an E. Hoor betreffend die politische Emigration in den USA, vermutlich Mitte 1942, zitiert in Eppel, Exil, Bd. 2, 248–252, hier 248.

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von ihm bis zur Moskauer Deklaration die Option für den »Anschluss« an Deutschland offengelassen wurde). Die Spannungsfelder und Widersprüche, die sich für Deutsch aus diesem Aktionsfeld ergeben mussten, manifestierten sich unter anderem in der Diskussion um die Anerkennung einer österreichischen Exilregierung bzw. einer Auslandsvertretung in Amerika. Einerseits wusste Deutsch um den politischen, propagandistischen und – in weiterer Folge – militärischen Nutzen, den eine gesamtösterreichische Auslandsvertretung im Kampf gegen den Nationalsozialismus mit sich bringen würde, andererseits versuchte er, den Einfluss des konservativ-legitimistischen und des ehemals »austrofaschistischen« Exils, das sich in den USA vor allem unter dem Dach des Free Austrian Movement (FAM) organisiert hatte, in dieser Frage zurückzudrängen. Als sich der ehemalige Minister des Kabinetts Schuschnigg, Hans Rott, 1941 in einem Akt besonderer Chuzpe und mit Unterstützung Otto von Habsburgs und des Kirchenrechtlers Willibald Plöchl als »Bundespräsident« des österreichischen Exils196 (bzw. später als »Federal Minister of Austria«197) einsetzte, reagierten Deutsch und die Sozialisten darauf mit brüsker Ablehnung. Obwohl er noch im französischen Exil gemeinsam mit monarchistischen Kräften und dem moderat-konservativen Autor (und späteren OWI-Kollegen) Martin Fuchs über eine gesamtösterreichische Vertretungskörperschaft als Rechtsnachfolger der österreichischen Bundesregierung verhandelt hatte, wollte Deutsch keiner Exilvertretung zustimmen, an deren Spitze »reaktionäre« und ­legitimistische Vertreter wie Rott oder Plöchl stehen würden. Rotts und Habsburgs ehrgeizige Pläne konnten angesichts der fehlenden Zustimmung aus dem sozialistischen, aber auch aus dem moderaten bzw. liberalkonservativen Emigrantenlager (zu dem u. a. Ernst Karl Winter und Irene Harand zählten) nur schwer in die Tat umgesetzt werden.198 Nachdem Christlichsoziale und Monarchisten aus dem Umkreis der FAM 1942 mit der Gründung des Austrian National Committee (ANC) einen weiteren Versuch zur Bildung einer gesamtösterreichischen Exilregierung unternommen hatten, wurde im Februar desselben Jahres mit dem Austrian Labor Committee (ALC) unter Friedrich Adler ein sozialistischer Widerpart geschaffen, bei dem Deutsch prominent beteiligt war. In einem Leserbrief in der deutschsprachigen Exilzeitung Aufbau bezeichnete Deutsch das konservative und monarchienahe ANC als Organisation ohne »irgendwelche offizielle Funktionen«, die »nur einige hiesige Emigrantenvereine und von der österreichischen Bevölkerung nur einen verschwindenden Bruchteil 196 Eppel, Exil, Bd. 2, 380–382. 197 Ebd., 148–150. 198 Vgl. ebd., 296.



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vertritt«.199 In einem Memorandum des Department of State vom März 1942 behauptet Deutsch, dass das ANC von der großen Masse der österreichischen Arbeiterklasse nicht akzeptiert werden würde.200 Der knapp vor Kriegsende, im März 1945, per Briefwechsel ausgetragene Disput zwischen Deutsch und Rott gibt Zeugnis über die desintegrierende Dynamik der österreichischen Exilpolitik und die ideologischen Sollbruchstellen zwischen Konservativen und Sozialisten. Deutsch setzte sich hierbei als »Wortführer der republikanischen Österreicher« in Szene  :201 Die österreichischen Sozialdemokraten lehnen es ab, mit »Republikanern auf Kündigung« eine Arbeitsgemeinschaft zu bilden. Sie sind dagegen nach wie vor bereit, mit allen demokratischen Gruppen der Bevölkerung zusammenzuarbeiten, seien es Bauern oder Bürger. Sie verlangen nichts anderes, als daß bei dieser Zusammenarbeit die demokratische und republikanische Grundlage gesichert bleibe, auf der unser Staat aufgebaut wurde und ohne die es für Österreich keine Entwicklung zu Fortschritt und dauerndem Frieden geben kann.202

Solche politischen Animositäten sollten nicht nur die Schaffung einer gesamtösterreichischen Vertretungskörperschaft verhindern, sondern auch gemeinsame österreichische Widerstandsaktivitäten erschweren. Ein weiteres Problem in Bezug auf die Schaffung einer österreichischen Exilregierung waren, wie bereits angedeutet, die sozialistischen Vorstellungen für die Nachkriegsordnung in Zentraleuropa. Der von Sozialdemokraten der Zwischenkriegszeit wie Otto Bauer und Karl Renner verfolgte Pangermanismus war nach dem 12. März 1938 und den Erfahrungen mit dem NS-Regime zwar zunehmend obsolet geworden, doch konnten die in die USA geflohenen Sozialisten mit dem Konzept der österreichischen Nation weiterhin wenig anfangen. Dem konservativen Exilpolitiker und OWI-Mitarbeiter Martin Fuchs ist recht zu geben, wenn er behauptete, dass vonseiten der österreichischen Sozialisten »[v]on irgendeinem Kampf für ein unabhängiges Österreich […] in der offiziellen Aufzählung der Ziele des Labor Committee nicht mit einer Silbe die Rede« ist.203 Dennoch sorgten realpolitische Zwänge und die Erfordernisse des breiten Koalitionskrieges gegen die Achsenmächte für eine Annäherung zwischen kompromissbereiten Linken und 199 »Die politische Emigration spricht«, in  : Der Aufbau, 3.4.1942, 5. Vgl. Eppel, Exil, Bd. 2, 298 und 417 f. 200 Department of State, Memorandum of Conversation of J. Deutsch and Mr. Hoskins, on Free Austria, 10.3.1942. DÖW 10005. 201 Deutsch, Weiter Weg, 361. 202 J. Deutsch an H. Rott, New York, 13.4.1945, in Eppel, Exil, Bd. 2, 484–486, hier 485. 203 M. Fuchs an E. Hoor, Politische Emigration, 1942.

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Rechten bzw. für eine Art partielles Zweckbündnis exilösterreichischer Kräfte im US-Exil. Viele der »innenpolitischen Divergenzen der Österreicher im Ausland« waren ab November 1943, nach der Veröffentlichung der Moskauer Deklaration über die Unabhängigkeit Österreichs, »an zweite Stelle gerückt.«204 Während streng dogmatische Mitglieder des Austrian Labor Committee wie Friedrich Adler auch nach der Moskauer Deklaration, die einerseits Österreich als erstes Opfer der Hitler’schen Aggression definierte, andererseits aber auch den aktiven Widerstand der Österreicher gegen das NS-Regime einforderte, strikt an der sozialistischen »Anschluss«-Idee festhielten, war Deutsch pragmatisch genug, den taktischen Schwenk zur prinzipiellen Bejahung einer eigenständigen österreichischen Nation zu vollziehen. Die »gesamtdeutsche« Lösung in Hinblick auf einen »Anschluss« an Deutschland dürfte er als gelernter Austromarxist dennoch nicht völlig aufgegeben haben.205 Diese vergleichsweise hohe Flexibilität Deutschs zeigt sich etwa bei der Debatte rund um das sogenannte Austrian Battalion, das 1942 auf Betreiben von Otto von Habsburg und seiner »Entourage« als eigene Kampfeinheit der US-­ Armee eingerichtet wurde.206 Dieses aus exilierten Österreichern in US-Uniform (und zwangsrekrutierten Exilanten aus den Nachfolgestaaten der k. k. Monarchie) bestehende Bataillon sollte sowohl in militärischer als auch propagandistischer Hinsicht die amerikanische Kriegsanstrengung, die Niederringung des Faschismus und die Wiedererrichtung Österreichs unterstützen. Der Radiopropagandist Julius Deutsch war sich des symbolischen und psychologischen Werts eines solchen Unterfangens durchaus bewusst. Obgleich er später von legitimistischen und konservativen Exilverbänden oft als unversöhnlicher Gegner der Idee ­eines österreichischen Nationalbataillons bezeichnet wurde, sprach sich Deutsch kurz nach der Gründung des »Habsburg’schen« Österreich-Bataillons ebenso wie seine konservativen Gegner dafür aus, dass »so-called ›enemy aliens‹, such as Austrians, Rumanians, Hungarians, and others‚ […] who were most anxious to fight against the Axis« in einer »alien military unit« zusammengefasst werden sollten. Da er als ehemaliger Verteidigungsminister seines Heimatlandes und »Rotspanienkämpfer« bereits reichlich Erfahrung in militärbürokratischen Fragen und bei der Aufstellung von Truppenkörpern gesammelt hatte, wusste er je204 Pistor, Harret aus  !, 142. 205 OSS/FNB Memo Austrian-American Situation on the eve of Austria’s Liberation, 7.9.1944  ; vgl. Eppel, Exil, Bd. 2, 534. Vgl. auch Dieter A. Binder, »Otto von Habsburg  : Aspekte der Politik im Exil«, in  : John M. Spalek/Konrad Feilchenfeldt/Sandra H. Hawrylchak (Hgg.), Deutschsprachige Exilliteratur seit 1933. Bd. 3, Teil 5  : USA. Zürich und München  : 2005, 357–375, hier 366 f. 206 Siehe hierzu das Kapitel über das »Austrian Battalion« in Traussnig, Militärischer Widerstand, 36–92.



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doch auch um die organisatorischen Probleme, welche solche Einheiten für die amerikanischen Militärbehörden mit sich brachten. Laut einem Memorandum des State Department unterstrich er aber nachdrücklich deren propagandistisches Potenzial.207 Der von den Habsburgern geprägte und vom autoritären Ständestaat adaptierte Österreich-Mythos hatte für Deutsch und die eher internationalistisch gesinnten Sozialdemokraten kein identitätsstiftendes Potenzial. Otto Habsburg lag daher in seiner Einschätzung, dass Deutsch zwar ein vergleichsweise moderater Sozialist sei, der sich jedoch nie in eine allgemeine österreichische Freiheitsbewegung im Exil einreihen würde, nicht ganz falsch  : Of all the Socialists Deutsch is probably the most moderate. His pro-German leanings can be explained by his Sudeto-German origin. […] It seems improbable that he will ever have the courage of breaking with his party in order to unite with an united Austrian front.208

Obwohl er ein gesamtösterreichisches Exilorgan bzw. eine österreichische Legion in der US-Armee mit Beteiligung von Vertretern aus dem Hause Habsburg und ehemaligen »Austrofaschisten« ablehnte und zumindest bis zur Moskauer Deklaration im November 1943 für die Idee einer österreichischen Nation wenig übrighatte, muss konstatiert werden, dass Julius Deutsch auch außerhalb der propagandistischen Tätigkeit für die OWI-Radioabteilung einen genuin österreichischen Beitrag zum Widerstand gegen Hitlerdeutschland geleistet hat. Dies zeigt sich bei seiner Rede auf der sozialdemokratischen Gedenkfeier zum 26. Jahrestag der Gründung der Ersten Republik in einem New Yorker Club, welche von OSS/ FNB protokolliert wurde. Zwar ist in Deutschs Diktion die austromarxistische »Anschluss«-Doktrin der Zwischenkriegszeit noch präsent, es überwiegt darin aber der Aufruf an das österreichische Proletariat, die deutschen Kriegstätigkeiten und die »Nazi oppressors« zu sabotieren und Widerstand als Pflicht aufzufassen.209 Wie bereits erwähnt, war Deutsch einer der aktivsten Exilpolitiker in den USA. Der Chef des Kriegsgeheimdiensts COI/OSS, William Donovan, war sowohl vom kämpferischen Habitus als auch von der intellektuellen Kapazität des österreichischen »Generals« überzeugt. Donovan setzte ihn zunächst als informellen Berater ein. Deutsch wurde von COI/OSS nicht nur zu den politisch bedeutendsten Figu207 Department of State, Memorandum of Conversation, J. Deutsch with H. Hoskins, 10.3.1942, 1–3, hier 3. DÖW 10005. 208 Eppel, Exil, Bd. 2, 245. 209 OSS/FNB, Interoffice Memo, C. Friediger to D. Poole, on 12 November Anniversary of the First Austrian Republic, 13.9.1944. NARA, RG 226, FNB-INT-4AU-654.

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ren des österreichischen »38er«-Exils gezählt,210 sondern war auch ein geschätzter und häufig konsultierter Informant in zentraleuropäischen Fragen.211 Als Kenner der sozioökonomischen und militärischen Situation des vornationalsozialistischen Österreich war er häufiger Interviewpartner des ebenfalls aus Österreich stammenden OSS-Mitarbeiters Charles Friediger und anderer Instanzen der FNB des OSS. Allerdings erwiesen sich nicht wenige der Expertisen Deutschs, der ja seit 1934 nicht mehr in Österreich lebte, bei genauerer Betrachtung als erratisch und waren weniger von analytischer Schärfe als von politischem Wunschdenken geprägt. Illustriert werden kann dies mit einer Lagebeschreibung Österreichs im Juli 1944, in der Deutsch behauptet, dass 90 % der Bevölkerung Gegner der NS-Herrschaft wären  : Dr. Julius Deutsch […] said that the news he and his friends were receiving showed that ninety per cent of the Austrian population was opposed to the Nazis. The sabotage committed by the peasantry and workers is simply enormous. There were recently twenty workers hanged in Wiener Neustadt (the great industrial center in Lower Austria). The Nazis said they were Czechs – they all were Austrians. There is great disappointment against the Nazis, but also against the »Piffkes« [sic  !] – the North Germans.212

Mehr Kenntnisreichtum besaß Deutsch hingegen in Bezug auf die komplexen Beziehungsgeflechte des österreichischen Exils in den USA, das von den amerikanischen Gastgebern aufmerksam beobachtet wurde. Der Großteil der von der FNB bei Deutsch eingeholten Einschätzungen zu dieser Thematik ist – zumindest in der ersten Kriegshälfte – jedoch weniger als geheimdienstlich oder propagandistisch relevanter Beitrag zur amerikanischen Kriegsanstrengung, sondern eher als allgemeine politische Informationstätigkeit zu werten. Nach dem Kriegseintritt der USA verwandelte sich COI/FNB bzw. OSS/FNB zunehmend von einer Überwachungs- und Monitoring-Organisation in Bezug auf die politisch aktiven Ausländer in ein Rekrutierungsinstrument der US-Kriegsmaschinerie  : Da in den FNB-Akten zu Deutsch die Erfahrungen des österreichischen Sozialisten im Bereich subversiver Agitation und Propaganda ihren Niederschlag fan210 Vgl. Eppel, Exil, Bd. 2, 47. 211 Siegfried Beer, »Exile Between Assimilation and Re-Identification  : The Austrian Political Emigration to the USA, 1938–1945«, in  : Walter Hölbling/Reinhold Wagnleitner (Hgg.), The European Emigrant Experience in the U.S.A. Tübingen  : 1992, 39–50, 47 f.; vgl. derselbe, »Exil und Emigration als Information. Zur Tätigkeit der Foreign Nationalities Branch (FNB) innerhalb des Kriegsgeheimdienstes COI bzw. OSS, 1941–1945«, in  : Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstandes (Hg.), Jahrbuch 1989. Wien  : 1989, 132–143. 212 OSS/FNB-Memorandum on J. Deutsch, 11.5.1942. NARA, RG 226, FNB-INT-4 AU-113.



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den213 und auch COI/OSS-Chef Donovan von den Fähigkeiten Deutschs überzeugt war, lag es auf der Hand, dass er früher oder später von der COI-Abteilung für Auslandspropa­ganda (FIS) rekrutiert und später gemeinsam mit Letzterer vom OWI übernommen wurde. Donovan beauftragte ihn daher bereits Anfang 1942 mit der Durchführung von Propagandaaktivitäten.214 Doch auch nach der Aufspaltung des COI in den Kriegsgeheimdienst OSS und das Propagandaamt OWI im Juni 1942 arbeitete Deutsch mit beiden der nunmehr miteinander rivalisierenden Ämter zusammen. Die stark expandierenden organisatorischen Zweige des OSS, wie etwa die Nachrichtenbeschaffungsabteilung Secret Intelligence (SI) oder die Propagandaabteilung Morale Operations (MO), interessierten sich nun verstärkt für deutschsprachige Immigranten mit kriegswichtigen Fähigkeiten. Deutsch war hier offensichtlich eine Schlüsselfigur in Bezug auf die Anwerbung von OSS-Agenten aus dem sozialistischen Lager. Deutsch hat dem OSS als Kontaktperson bei der Rekrutierung von Agenten aus dem linken Milieu gedient. Er half auch beim Aufbau der sogenannten Labor Section, einer Geheimdienstabteilung, die mit dem (utopischen) Ziel gegründet wurde, durch Ausnutzung der gewerkschaftlichen und sozialistischen Netzwerke in Europa eine »linke« Revolution in NS-Deutschland zu entfachen.215 Im Zuge der Genese der erwähnten Labor-Abteilung des Kriegsgeheimdienstes versuchte der Radiopropagandist Deutsch bereits im Sommer 1942 seinen politischen Einfluss in sozialistischen Kreisen geltend zu machen und drängte den designierten Leiter der OSS Labor Section, den Gewerkschaftsanwalt Arthur Goldberg, zur Schaffung eines »office […] established with the purpose to gather and utilize all news concerning the struggle of European labor against Nazism.« Dieses Informations- und Propagandaamt sollte alle linken Gruppierungen in den USA umfassen und als »a sort of clearing house for labor news with regard to anti-Nazi propa­ganda« fungieren. Das Amt, das Deutsch vorschwebte, würde zu den gewerkschaftlichen und sozialistischen Organisationen in neutralen Ländern wie Schweden, der Schweiz, Portugal etc. Mitarbeiter entsenden, um von dort aus Kontakte nach Deutschland und Italien herzustellen. Der daraufhin zu erwartende »exchange of news« sollte schließlich die Produktion von effizienter 213 »He [Deutsch] now has his office with the Free World Organization, for which he directs Propaganda in German to South America. […] [He said that] the Socialist Party […] was now active in underground warfare, especially with the factory workers.« COI/FNB, Memorandum on Deutsch, 11.2.1942. 214 Deutsch, Weiter Weg, 368. 215 Excerpts from Letter, T. Wilson, to Devoe, Ft. McClellan, Alabama, on R. Wand and FAUST Project, 5.11.1943. OSS Personnel File of Rafael [Ralph] Wand. NARA, RG 226, E 224, B 815  ; siehe hierzu grundlegend Beer, »Exil und Emigration« und das Kapitel über Rudolf Anzböck und die Labor Section des OSS in Traussnig, Widerstand, 217-263.

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und subversiver »Labor Propaganda«, die sich gegen das Deutsche Reich richtete, ermöglichen.216 Deutschs Idee wurde letztlich nicht umgesetzt, dennoch zeigt diese Episode, wie sehr er die Bereiche Politik, Widerstand und Propaganda im US-Exil miteinander verband. Wie sah die Rundfunk-Propagandatätigkeit von Julius Deutsch für COI und OWI nun konkret aus  ? Vom damaligen COI-Direktor Donovan, den er laut eigenen Angaben schon in der Zwischenkriegszeit persönlich kennengelernt hatte,217 wurde Deutsch wie erwähnt im Frühjahr 1942 vom Foreign Information Service, der Auslandsnachrichtenabteilung des COI, als Berater und Skriptschreiber für deutschsprachige Radiosendungen mit Österreich-Schwerpunkt engagiert und dem German Desk unter der Leitung des Österreichers Franz Höllering zugeteilt. Die am 25. April 1942 erstmals ausgestrahlte Österreich-Sendung der Voice of America bestand aus einem Nachrichtenblock und einem der Arbeiterschaft gewidmeten Teil, welcher vermutlich von Deutsch geschrieben worden ist. 218 In den Akten des OWI scheint Deutsch zwar erst ab September 1944 als offizieller »writer« von Radiomanuskripten für die Voice of America und die ABSIE auf, doch wird erwähnt, dass er de facto seit April 1942 täglich Radiotexte für COI/FIS verfasste. Seine vom COI-Mitarbeiter James Warburg, einem später sehr einfluss­ reichen »policy maker« des OWI, als exzellent bewerteten Rundfunkbeiträge,219 wurden ohne Verweis auf die Identität des Verfassers von Sprechern der Voice of America verlesen und via Kurzwellen in den Äther gesandt.220 Formal war Deutsch, der als Ausländer de jure keinen Posten in einer Regierungsbehörde bekleiden durfte, in der Frühphase seiner COI/OWI-Tätigkeit bei der Tarnfirma »Short Wave Research Inc.« angestellt.221 Ab Frühjahr 1943 arbeitete Deutsch schließlich als offizieller Mitarbeiter im Radio Program Bureau der OWI Overseas Branch in New York, zunächst als »Consultant«, später als Redakteur und »Feature Writer« für den German Desk (bzw. den später aus der deutschen Abteilung herausgelösten Austrian Desk).222 Er verfasste Rundfunktexte 216 OSS-Memorandum J. Deutsch to A. Goldberg, Suggestions for gathering Strategic Information from Labor Channels, 22.8.1942. NARA, RG 226, E 92, B 120, F 28. 217 Deutsch, Weiter Weg, 368. 218 Eppel, Exil, Bd. 2, 35 219 OWI, Personnel Office, Justification for »Rapid Promotion«, concerning J. Deutsch, 18.12.1944. OWI Personnel Record Card of J. Deutsch, undatiert. NARA, NPRC, OWI Personnel File of Julius Deutsch. State, Bx 33135, Bu 204, CPR. 220 OSS/FNB, Gesprächsnotiz zum Telefongespräch von J. Wiley mit J. Warburg, betreffend die Rundfunktätigkeit von J. Deutsch, 1.5.1942, zitiert in Eppel, Exil, Bd. 2, 166. Vgl. Pütter, Rundfunk, 134 f. 221 OWI Personnel Card Deutsch  ; vgl. Laurie, Warriors, 83. 222 OWI Personnel Card J. Deutsch.



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für die Voice of America und ab 1944 für deren europäischen Ableger ABSIE, die vor an die österreichischen Industriearbeiter und das linke Milieu im Land adres­ siert waren. Er beschrieb diesen Beitrag zur amerikanischen Kriegsleistung in seiner Autobiografie wie folgt  : Ich hatte täglich eine aufklärende Rede auszuarbeiten, die, von einem Berufsschauspieler gesprochen, auf Kurzwellen nach Österreich ging. Außerdem verfaßte ich von Fall zu Fall militärische Erläuterungen zur Kriegslage. Den Dienst versah ich in New York.223

Im German Desk und Austrian Desk des OWI arbeitete Deutsch nun pikanterweise Seite an Seite mit Vertretern jenes politischen Lagers, das in der Diktion seiner Partei als »reaktionär« und »austrofaschistisch« bezeichnet wurde und das er eigentlich bekämpfte. Darunter befand sich etwa Martin Fuchs, der als Presseattaché in Paris noch ein »leader of the Habsburg propa­ganda machine« gewesen war,224 nun aber dem moderat-liberalen Spektrum angehörte. Fuchs sollte nach der Moskauer Deklaration zum Leiter des Austrian Desk im Radio Program Bureau in New York und somit zum Vorgesetzten von Deutsch aufsteigen. Auch der Radiosprecher Robert Bauer, der laut einem Geheimdienstmemorandum zu den »Austrian legitimate followers of pretender Otto« gehörte,225 war nun, ebenso wie der ehemals der »Vaterländischen Front« und nun der moderaten Austrian Action rund um Ferdinand Czernin nahestehende Sprecher und Arrangeur Fritz Bock-Bordes, ein Kollege des Sozialisten Deutsch.226 Die Wandlung Deutschs vom »großdeutschen« Linken zum sozialdemokratischen Österreich-Propagandisten war spätestens Anfang 1944 also offiziell abgeschlossen. Die auf einem stark ausgeprägten politischen Sendungsbewusstsein beruhende hohe Produktivität Deutschs wurde vonseiten des OWI geschätzt. In seinem Personalakt findet sich eine Begründung für die »rapid promotion« des Österreichers vom Redakteur zum »Feature Writer«, in der Deutschs politische und journalistische Erfahrung und seine Kenntnisse der Sprache und Mentalität der propagandistischen Zielgruppe hervorgehoben werden  : Mr. Julius Deutsch has been writing daily features for our broadcasts directed to Austria since April 1942. At this time Mr. Deutsch was employed by Shortwave Research Inc., 223 Eppel, Exil, Bd. 2, 167 f.; Deutsch, Weiter Weg, 368 f. 224 Cpt. R. MacFall, Office of Naval Intelligence, Washington DC, Memorandum on Austrian Action Personalities, 29.4.1941. NARA, RG 226, FNB-INT-4 AU-1. 225 Ebd. 226 Siehe hierzu das Buch von Pistor, Harret aus  !

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and subsequently as consultant by the OWI. Since April 1944 Mr. Deutsch selects the material and themes for the features he writes. These features have to be of special interest to an Austrian audience. This necessitates special treatment in content and style as well as strict observance of policy and directives. This task requires familiarity with the psychology and with the language most appealing to the particular audience. For many years Mr. Deutsch played an important part in Europe’s political and scientific life. […] During the years prior to his entry into OWI services (1937–1942) Mr. Deutsch did highly successful and diversified work as a writer and editor. From 1937 to 1940 he was editor of the military magazine »War and Peace« and permanent correspondent of the Paris Daily »Le Populaire« […] During the following years Mr. Deutsch was a regular contributor to the Free World Magazine, New York, and also published several articles in the »Nation«. […] Mr. Deutsch’s vast experience in public life in Austria as well as his writing experience make him eminently qualified for this position.227

Im amerikanischen Nationalarchiv befinden sich zur Rundfunktätigkeit von Julius Deutsch und seinen Kollegen für den Austrian Desk einige Materialien, darunter ein OWI-Radiomanuskript der Voice of America für die »Austrian Show« vom 21. Oktober 1944, dessen (Mit-)Verfasser mit hoher Wahrscheinlichkeit Deutsch ist.228 Der Wortlaut dieses Appells an die Österreicher spiegelt die sozialistische Ideologie des Verfassers wider  : Oesterreicher  : Nach dreiundeinhalbjaehriger Herrschaft sind die Nazis aus der Hauptstadt Jugoslawiens vertrieben worden. Am 20. Oktober 1944 wurde in Zusammenwirken russischer Divisionen mit jugoslawischen Streitkraeften des Marschall Tito Belgrad befreit. Die Befreiung Belgrads ist von grosser politischer Bedeutung. Sie kuendigt das Ende der nazistischen Beherrschung des Balkans an. Wieder is ein grosser Traum des Hitler und seiner Bande in Nichts zerronnen. Wie jubelte seinerzeit die Goebbels-Propaganda, als es den deutschen Armeen gelungen war, das durch einen ploetzlichen Angriff ueberraschte Jugoslawien niederzuwerfen  : Aber die Freude der Nazis dauerte nicht lange. Aus den Resten der geschlagenen Armee und aus den Kreisen der Arbeiter und Bauern des Landes bildeten sich Formationen von Freiheitskaempfern. Sie sammelten sich in entlegenen Waeldern und auf einsamen Bergen. Von dort brachen sie hervor und fuegten den deutschen Truppen viel Schaden zu. Allmaehlich entwickelte sich die tapfere Schar der Freiheitskaempfer 227 OWI Personnel Record Card Deutsch. 228 Das unter dem Sendungsnamen angeführte Kürzel für die Autoren/Redakteure des Texts lautet »JD/TH«. JD steht für Julius Deutsch. Siehe hierzu OWI/ABSIE, German Show, Allerlei von Ueberall, 25.3.1945. DÖW 9549 und Cziczatka, US-Propaganda, 250.



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zu regelrechten militaerischen Abteilungen. Sie haben nun gemeinsam mit den Russen die jugoslawische Hauptstadt befreit. Militaerisch gesehen bedeutet die Befreiung von Belgrad nicht bloss die Besiegelung des Schicksals der deutschen Truppen, die sich noch auf dem Balkan befinden. Sie bedeutet mehr. Sie bedeutet die Oeffnung des Weges der ueber Kroation und Slovenien nach der oesterreichischen Grenze fuehrt. Oesterreich rueckt in den Operations-Bereich der anmarschierenden Divisionen der Vereinten Nationen. Die Oesterreicher sind sich des grossen Wandels der Dinge, der sich mit unwiderstehlicher Wucht vollzieht, durchaus bewusst. In ihren Kreisen ist bei der Befreiung der Stadt Belgrad das Prinz Eugen-Lied wieder lebendig geworden in dem es heisst  : (Follows Record  : […] »Prinz Eugenius, der edle Ritter …«) […]229

Bei der Lektüre dieses Texts wird ersichtlich, dass die von Deutsch verwendeten sozialistischen Ideologeme in einen bewusst österreichpatriotischen Rahmen eingebettet wurden. Anlässlich der »Befreiung Belgrads durch Marschall Tito« werden der linke Partisanenmythos und die jugoslawischen Widerstandskämpfer »aus den Kreisen der Arbeiter« hervorgehoben.230 Die Absicht hinter derartigen Formulierungen ist klar  : Die dem Autor weltanschaulich nahestehenden jugo­ sla­wischen Proletarier und einfachen Bauern231 sowie die Partisanengruppen am Balkan (bzw. in Kärnten) sollten den potenziellen österreichischen Widerstandskämpfern mit Nachdruck als nachahmungswürdiges Beispiel präsentiert werden. Ein weiterer mythischer Gemeinplatz, nämlich das am Ende des Texts erwähnte triumphalistische Narrativ des österreichischen »Türkenschrecks« Prinz Eugen von Savoyen, der bei Belgrad die osmanischen Truppen besiegt hatte, sollte im Sinne des – von Deutsch ab Ende 1943 akzeptierten – Österreichschwerpunkts des Austrian Desk die Hörerschaft nationalistisch »aufladen«. Das Prinz-EugenLied wurde nach dem Verlesen des Manuskripts in Form eines inhaltlich adaptierten Heldengesangs abgespielt. Im OWI unterstützte der Politiker Deutsch nicht nur die Kriegsanstrengung der USA, sondern er fand dort laut einem OSS/FNB-Memorandum auch »the grea­test understanding for his activities as an Austrian and every possible accommodation between his work in that office and his outside activities« vor.232 In einem Brief an Friedrich Adler fragte er schon im März 1943, ob seine Tätigkeit 229 OWI, Austrian Show on Belgrad, 21.10.1944. 230 Zu Arbeitern als Zielgruppe von OWI-Featuresendungen siehe Cziczatka, US-Propaganda, 136–139. 231 Vgl. COI/FNB, Memorandum on Deutsch, 11.2.1942. 232 OSS/FNB, Memorandum to B. Braatoy, ohne Datum. NARA, RG 226, FNB-INT-4AU-610.

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als »Consultant« beim OWI mit seiner politischen Arbeit vereinbar sei. Adler antwortete, dass technisch-operative Tätigkeiten ohne politische Implikationen kein Problem darstellten, »politische Meinungsäußerung« oder »politische Mitverantwortung« solle man, so Adler, jedoch tunlichst vermeiden.233 Deutsch, der jedoch bereits seit Beginn seiner COI/OWI-Karriere stets mehr als ein »Berater«, nämlich auch Propagandaproduzent und Redenschreiber war, betätigte sich in der Folge eindeutig »politisch«, wenn auch großteils im Sinne seiner Partei. Wie der oben angeführte Text zur Befreiung Belgrads gezeigt hat, ließ er seine sozialistische Weltsicht vielfach in die Propagandasendungen des Austrian Desk einfließen. Dies lag durchaus auch im Kalkül des eher von linksliberalen Kräften dominierten OWI, das einem nahezu naiven Glauben an den Widerstandswillen der europäischen Arbeiterschaft anhing. In einem Briefwechsel mit dem in der Schweiz agierenden Sozialdemokraten Anton Linder vom Jänner 1945 wird Deutsch von Letzterem darin bestärkt, den Standpunkt seines politischen Lagers in den OWI-Radiosendungen für Österreich deutlich zu vertreten.234 Auch wenn er seine politische Agenda im OWI relativ frei umsetzen konnte, war das Verfassen von Texten und die bürokratische Routinearbeit im OWI für den aktionistisch veranlagten Deutsch eine eher ungeliebte Tätigkeit. Als sich im Juli 1944 die US Army vom Süden peu à peu in Richtung Österreich bewegte, suchte Deutsch beim OSS um die Versetzung nach Rom an, um die »Absurdität des Herumsitzens« in New York zu beenden.235 Seinem Plan, von dort aus die österreichische Arbeiterschaft psychologisch zu beeinflussen, wurde vonseiten seines eigentlichen Arbeitgebers, des OWI, jedoch ebenso wenig Gehör geschenkt wie seiner späteren Bitte um Versetzung nach London236 – Deutsch blieb bis zum Kriegsende in New York. Seine Leistungen als Propagandist wurden gegen Kriegsende nicht nur von den amerikanischen OWI-Mitarbeitern, sondern auch von konservativen Vorgesetzten im Radio Program Bureau, wie dem »Chief Editor« des Austrian Desk, Martin Fuchs, als »exzellent« eingestuft. Diese lagerübergreifende Wertschätzung seiner Arbeit zeigt, dass Julius Deutsch seine journalistischen und rhetorischen Fähigkeiten nicht nur für sozialistische oder gar »Anschluss-freudige« Parteipolitik, sondern auch für österreichpatriotische Radiopropa­ganda unter amerikanischer Ägide eingesetzt hat.237 Die Be233 Cziczatka, US-Propaganda, 233. 234 Schreiben von A. Linder, Zürich, an J. Deutsch, New York, 24.1.1945. NARA, RG 226, FNBINT-4AU-720. 235 OSS/FNB, Memorandum Poole to Friediger, 23.7.1944. NARA, RG 226, FNB-INT-4AU-562. 236 Vgl. FNB-INT-4AU 642. 237 OWI Report of Efficiency Rating for J. Deutsch, OWI Radio Program Bureau, Language Division, German Section/Austrian Unit, 1.4.1945–31.3.1945, rated by M. Fuchs, 4.4.1945. OWI Personnel File Deutsch.



Henry Koerner als Plakatkünstler an der amerikanischen »Heimatfront« 

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zeichnung »österreichischer Exilwiderstandskämpfer« trifft auf ihn daher zweifellos zu. Der eingangs zitierte Appell von Chaim Weizmann an die jüdische Diaspora, der zerstörerischen Dynamik des von den Nationalsozialisten ausgelösten Weltenbrands kämpferisch entgegenzutreten und gleichzeitig an einer politischen Vision festzuhalten, kann auch auf Deutsch übertragen werden. Der jüdische Sozialdemokrat Deutsch hat wie der Zionist Weizmann tief in den existenziellen Abgrund seiner Zeit geblickt. Beiden war jeglicher Defätismus fremd und beide haben sich rastlos für zwei Ziele eingesetzt  : einerseits für das universaldemokratische Ziel der Befreiung Europas vom Nationalsozialismus  ; andererseits für ein ideologisches, nicht unumstrittenes Ziel, das der eigenen Weltanschauung verpflichtet war. Deutschs parteipolitische Handlungen waren dem österreichischen Exilwiderstand und dem amerikanischen (Propaganda-)Kampf gegen NS-Deutschland nicht immer zuträglich, aber damit stellte er innerhalb des fragmentierten und oft egoistisch agierenden österreichischen Exils in den USA keine Ausnahme dar. Julius Deutsch war gleichzeitig Internationalist und Österreichpatriot, Kämpfer und Pragmatiker, Militarist und Pazifist. Was jedoch überwiegt und ihn, abgesehen von jeglicher politischen Beurteilung, auszeichnete, ist die Tatsache, dass er seinen Militarismus mit großem persönlichem Einsatz in den Dienst der Demokratie gestellt hat  : als Redenschreiber des Office of War Information, als auskunftsfreudiger »Consultant« für den Geheimdienstapparat des OSS, als unermüdlicher Agitator des antifaschistischen Kampfs. Sein mit Weizmann geteilter kämpferischer Glaube an die »Morgenröte besserer Tage«, an einen New Day nach Hitler, wurde von der militärischen Anlehnungsmacht USA zu Recht als authentisch empfunden. 1.3 »… impossible to locate another designer of his caliber« – Henry Koerner als Plakatkünstler an der amerikanischen »Heimatfront« Propaganda is an art requiring special talent. It is not mechanical, scientific work. Leo Bogart 238

Im vorliegenden Kapitel steht mit dem vor dem Holocaust geflohenen ­W iener Gebrauchsgrafiker und Maler Henry Koerner (1915–1991) ein in den USA äußerst erfolgreicher, in seinem Geburtsland Österreich hingegen nahezu unbe238 Leo Bogart, zitiert in  : Jowett/O’Donnell, Propaganda, 5.

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kannter Künstler239 und Exilpropagandist des Zweiten Weltkrieges im Mittelpunkt. Heinrich Sieghart Körner wurde am 15. September 1915 in Wien als Sohn eines altösterreichischen Vaters und einer aus Polen stammenden Mutter geboren und wuchs in der Leopoldstadt, einem Anfang des 20. Jahrhunderts kulturell prosperierenden Zentrum jüdischen Lebens in Wien, auf.240 Leo ­Körner, Heinrichs Vater, war Prokurist und Geschäftsmann, der sich hie und da als Amateurzeichner versuchte, seine Mutter war ebenfalls kunstaffin. Die Körners und ihre Verwandten waren bürgerlich-assimilierte Juden mit teilweise christlich­ sozialem Hintergrund. Laut Heinrich Körner (später Henry Koerner) war sich die Familie ihrer Andersartigkeit aber trotz aller Anpassungsversuche an die »richtigen« Wiener schmerzhaft bewusst  : [Y ]ou never forgot for one second in Vienna […] that you are Jewish, because there is an innate anti-Semitism in Vienna hovering like the smog over the city, you know, you just can’t escape and you are always confronted with him […].241

Angesichts dieser Situation mag es vielleicht mit eskapistischen Motiven zu tun haben, dass der junge Heinrich Zuflucht im Reich der Fantasie und Literatur fand. Der musisch begabte Schüler kam schon früh mit Kunstströmungen wie Impressionismus, Surrealismus und Naturalismus in Kontakt. Körner, der sich regelmäßig »am grotesken Witz von E.T.A. Hoffmann, Edgar Allan Poe, Gustav Meyrink und Oscar Wilde« erfreute,242 besaß ein ausgeprägtes Sensorium für die Ambivalenzen, Widersprüche und Absurditäten des Alltags. Den so oft auf Wien gemünzten Stereotypen des Morbiden und des Freudianischen gerecht werdend, hegte er großes Interesse für die bizarren Bildwelten eines Hieronymus Bosch, an Horror- und Gruselgeschichten sowie generell an allem Unheimlichen.243 Die von Düsternis, aber auch von Humor und Ironie durchzogene Motivik des Grotesken, 239 So gibt es im Juli 2016 keinen deutschsprachigen Eintrag zu Henry Koerner in der Internet-­ Enzyklopädie Wikipedia. 240 Siehe hierzu Ruth Beckermann (Hg.), Die Mazzesinsel. Juden in der Wiener Leopoldstadt 1918– 1938. Wien, München  : 1984. 241 Interview von B. Alpern/L. Hurwitz, National Council of Jewish Women, mit H. Koerner, 12.12.1978. Oral History Project Nr. 2, National Council of Jewish Women (NCJW ), Pittsburgh Section Papers, 1894–2003, AIS.1964.40, Archives Service Center, University of Pittsburgh, Box 103 FF 8, in  : http://images.library.pitt.edu/cgi-bin/i/image/image-idx  ?view=entry  ;cc=ncjw  ;entryid=x-ais196440.243 (letzter Zugriff  : 21.3.2012). 242 Joseph Leo Koerner, »Unheimliche Heimat«, in  : Thomas Trummer (Hg.), Unheimliche Heimat. Henry Koerner. 1915–1991 (= Österreichische Galerie Belvedere, Wechselausstellung, 209). Wien  : 1997, 8–148, hier 12. 243 Vgl. ebd., 10–12.



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die den Zweck hat, »die widersprüchliche und doppeldeutige Fülle des Lebens darzustellen«, sollte in der Folge zu einem zentralen Motiv in Körners Werk werden.244 In einem Interview aus dem Jahr 1978 verortete der gern theatralisch und wortgewaltig auftretende Künstler den Grund für diese lebenslange und tiefgehende Suche nach den Gegensätzen in der Welt innerhalb der jüdischen Philosophie. Diese, so Körner, sei nicht durch naiven Idealismus geprägt und leugne den in der Welt vorhandenen Dualismus von Gut und Böse nicht. Sein Glaube an die Existenz und Wirkmacht dieser Gegensätze und Widersprüche wurde wohl durch die Erfahrung des Holocaust,245 die ihm sein Judentum auf brutale Art und Weise bewusst machte, überformt.246 Nach dem Besuch der Realschule und der Graphischen Versuchs- und Lehranstalt in Wien, wo er ein höchstens mediokrer Schüler war,247 arbeitete Körner bis Herbst 1938 im Studio von Victor Theodor Slama, einem der bedeutendsten zeitgenössischen Grafiker im deutschsprachigen Raum.248 In den 20er-Jahren hatte Slama für die Kommunistische Partei Deutschlands eine Reihe von wuchtig-­ kraftvollen Plakaten gezeichnet249 – Anklänge an diesen »proletarischen« Stil sollten sich später in den amerikanischen Propagandapostern seines Schülers und Mitarbeiters Körner wiederfinden. Vergleichbar mit heutigen Rucksacktouristen unternahm Körner, der auch begeisterter Pfadfinder und Anhänger der Körperkultur-Bewegung war,250 in dieser Zeit eine ausgedehnte »sketching tour« durch Süd- und Mitteleuropa, während deren er sich vor allem an Naturdarstellungen übte.251 Den jungen Zeichner interessierte stets das Profane wie auch das Erhabene und Schöngeistige. So hatte er sich, unter dem Einfluss seines Bruders Kurt, eines überzeugten Kommunisten, stehend, nicht nur als kunstinteressierter Schüler, sondern auch als Gestalter von subversiven Propagandaplakaten und Flugblät244 Michail M. Bachtin, zitiert in Tanja Dembski, Paradigmen der Romantheorie zu Beginn des 20. Jahrhunderts. Lukács, Bachtin und Rilke. Würzburg  : 2000, 405. 245 Vgl. John Czaplicka, Emigrants and Exiles  : A Lost Generation of Austrian Artists in America 1920– 1950. Wien  : 1996, 39. 246 »I am a Jewish artist, because I illustrate the true meaning of life which is blessing and cursed, the true meaning of God, which is blessing and cursed, the true meaning of everything, […] which is only seen, […] in the Jewish consciousness  !« Interview H. Koerner, 12.12.1978. 247 Mitteilung von Joseph L. Koerner via E-Mail an den Autor, 13.3.2012  ; ähnlich Körner selbst, in  : Interview H. Koerner, 12.12.1978. 248 Einen fundierten Überblick bietet hier Anita Kern, Österreichisches Grafikdesign im 20. Jahrhundert. Salzburg, München, Wien  : 2008. 249 Körner behauptete, dass in seiner Heimatstadt das Plakat eine gesellschaftlich wirkmächtige Semiophore war  : »The poster in Vienna is like the music. Everybody sees it, everybody has an attitude towards it.« Interview H. Koerner, 12.12.1978. 250 Mitteilung J. Koerner, 13.3.2012  ; Interview H. Koerner, 12.12.1978. 251 Koerner, »Unheimliche Heimat«, 12  ; Interview H. Koerner, 12.12.1978.

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tern hervorgetan. Obwohl er sich später nicht als Kommunist betrachtete252 und Massenbewegungen generell ablehnend gegenüberstand, bewegte sich Körner Mitte der 30er-Jahre in kommunistischen Zirkeln rund um charismatische Intellektuelle wie Franz West (Franz Weintraub), deren dialektische Debatten ihn sehr beeindruckten.253 Aufgrund dieser »kommunistischen« Aktivitäten sollte er einige unfreiwillige Begegnungen mit dem Polizeiapparat des Ständestaatregimes erleben, die für ihn im Gegensatz zu seinem Bruder, der zwischen 1934 und 1938 monatelang eingekerkert wurde, meist glimpflich ausgingen.254 Während Kurt im Zuge politischer Aktivitäten gewillt war, hohe persönliche Risiken auf sich zunehmen, hielt sich Heinrich, der kein »ideological fervor« besaß, 255 dementsprechend zurück. Später sollte er zugeben, dass er zu jener Zeit nicht dem Typus des draufgängerischen Widerstandskämpfers entsprach, sondern eher jenem des angepassten »survivor[s]«256 – ein Begriff, der angesichts der Familiengeschichte der Koerners während der Shoah noch tragisches Gewicht bekommen sollte. Die spannende und von einigen qualvollen Momenten überschattete, aber über weite Strecken wohl glückliche und erfüllte Jugendzeit Körners wurde letztlich weniger durch das biologische Altern des jungen Wieners, sondern vor allem durch die politischen Umwälzungen des Jahres 1938 beendet  : Mit dem Einmarsch der Nationalsozialisten in Österreich und der unmittelbar danach einsetzenden Welle der Gewalt gegenüber der jüdischen Bevölkerung sollten nicht mehr jugendliche Unbeschwertheit, aktionistische Experimente und ästhetische Selbstfindung, sondern Fluchtgedanken das Leben des Grafikers beherrschen. Nachdem er als »Volljude« vom Wehrbezirkskommando II in Wien seiner Wehrpflicht entbunden worden war und die Auswanderungsgenehmigung erhalten hatte,257 konnte sich Körner im Spätsommer 1938 – ohne ein Visum für sein späteres Zielland USA zu besitzen und auf den Gnadenakt eines italienischen Polizeibeamten angewiesen – unter »surrealistischen« Umständen nach Italien absetzen. Er war seit dieser Zeit diesem Land sowie der Güte und dem calore umano der Italiener 252 Interview H. Koerner, 12.12.1978. 253 John Czaplicka behauptet, dass Koerner der Vereinigten Front der Sozialisten und Kommunisten beigetreten war. Czaplicka, Emigrants, 316. 254 Siehe Eintrag zu Kurt Körner als wegen kommunistischer Vergehen eingesperrter Häftling. Amnestie Februar 1938, DÖW 20718/5. 255 Später verglich Koerner seinen Bruder mit den Protagonisten der aufkommenden Hippie-Bewegung in den USA. Letzterer stand Henry Koerner sehr kritisch gegenüber. Mitteilung J. Koerner, 13.3.2012. 256 Koerner, »Unheimliche Heimat«, 13 f.; Mitteilung J. Koerner, 13.3.2012. 257 Faksimile der Bescheinigung des Volljudentums und der Befreiung vom Wehrdienst für H. Koerner, Wehrbezirkskommando Wien II, 30.7.1938, abgebildet in  : Czaplicka, Emigrants, 1.



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zutiefst verbunden.258 In Mailand lebte er für ein paar Monate in bescheidenen, aber gesellschaftlich spannenden Verhältnissen (»one of the happiest times of my life«) und war als Grafiker für kleinere Werbekampagnen tätig.259 Im Jänner 1939 erhielt er in Neapel die von seinem in den USA lebenden Großonkel Rudolf Theumann übermittelten Affidavit-Erklärungen und so emigrierte er über Le Havre als »deutscher Quotenimmigrant« mit der Visumsnummer 21094 in die Vereinigten Staaten, wo er am 6. April 1939 in New York ankam.260 Von seinen frühen Werken hatte er gerade vier Zeichnungen über den Atlantik gerettet.261 In New York änderte Heinrich Körner seinen Namen in Henry Koerner. Die Tatsache, dass er, der unauffällige Wiener Schüler mit einem Faible für bizarre Fantasiewelten, als einziges Mitglied seiner Familie dem rassistischen Massenmord in Europa entrinnen, kurz darauf eine bemerkenswerte Karriere im Regierungs- und Militärapparat der USA hinlegen und ein »wundersames« Leben führen sollte, interpretierte er später als unverrückbares Fatum  : All life for me is miraculous. […] I was thrown out of Austria, I was taken into the Army […]. I was put into the freedom of […] being not like other people, [that] have to make a living. […] I was a painter in the Army [sic  !]. Always the stage was set for me. I did not have very to fight for anything. Everything was predestined for me. That’s the miraculous thing.262

Koerner lebte anfangs noch bei seinem New Yorker Onkel, den er später als »kleinen Tyrannen« bezeichnen sollte.263 Bald ließ er sich im Stadtteil Brooklyn, der auch heute passenderweise die Wirkstätte einer kreativen, hippen und alternativen städtischen Bohème ist, nieder. Er bekam eine Anstellung als Gebrauchsgrafiker in den Maxwell-Bauer-Studios am Broadway, wo er vor allem mit Airbrush-Techniken arbeitete. 264 Koerner gestaltete Werbeplakate und 258 Vgl. Interview H. Koerner, 12.12.1978. 259 Ebd. 260 United States Civil Service Commission/Office of War Information, Declaration of Appointee H. Koerner, 13.1.1943. NARA, NPRC, OWI Personnel File of H. Koerner, B 510, Bu 33768, CPR  ; Passenger List S.S. Paris to New York, Arrival 6.4.1939. NARA, Records of the Immigration and Naturalization Service, Passenger and Crew Lists of Vessels Arriving at New York, New York, 1897–1957, M[icrofilm] S[erial] T715, M[icrofilm] R[oll] 6308, L[ine] 13 P[age] 101, in  : http://www.ancestry.com/ (letzter Zugriff  : 8.3.2011). 261 Mitteilung J. Koerner, 12.3.2012. 262 Interview H. Koerner, 12.12.1978. 263 Ebd. 264 Application for Federal Employment Koerner, undatiert, vermutlich Ende 1942. OWI Personnel File Koerner.

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Buch­umschläge von Kriminalromanen, wobei das Experimentieren mit gestalterischen »Schocktaktiken«265 seinen Sinn für den Geschmack und die visuellen Bedürfnisse der amerikanischen Kunden förderte. Kurzum  : Er musste lernen, als Grafikkünstler den Anforderungen des amerikanischen Marktes gerecht zu werden. Eine Erfahrung, die ihm als Propagandakünstler noch zugutekommen sollte  ! Parallel dazu dilettierte er auch als Amateurmaler und schuf zahlreiche Landschaftsaquarelle. Sein dynamisches und pluralistisches Gastland faszinierte ihn in all seinen Facetten und Widersprüchen.266 Stets offen für neue künstlerische Einflüsse und Techniken, gelang es dem jungen Exilanten in kurzer Zeit, eine erfolgreiche Karriere als Plakatzeichner zu lancieren, die bald von mehreren Auszeichnungen begleitet werden sollte. So gewann er mit einem Bild, für das seine damalige Frau Modell stand,267 bereits 1940 den Poster-Wettbewerb der American Society for the Control of Cancer. Eine Entwicklung, die dem unauffälligen Wiener Kunstschüler wenige Jahre zuvor wohl niemand zugetraut hätte.268 Während Koerner in den USA beruflich Fuß fasste und es sich bald leisten konnte, parallel zu seinen Jobs auch künstlerischen Experimenten nachzugehen, sollten seine Eltern und sein Bruder Kurt in Europa der gnadenlosen Mordmaschinerie der Nationalsozialisten zum Opfer fallen. Kurt wurde im Februar 1941 nach Kielce deportiert und später ermordet,269 im selben Jahr erhielt Henry den letzten Brief von seiner Mutter – sie und sein Vater Leo wurden im Juni 1942 in Minsk vergast.270 Obwohl es nicht völlig geklärt ist, wie viel Henry Koerner in den USA über das Schicksal seiner Familie erfuhr und wann er darüber Klarheit erlangte, war der Holocaust wohl mitverantwortlich dafür, dass der eher unpolitische Koerner sich später voll hinter den amerikanischen War Effort und den Kampf gegen das NS-Regime stellte.271 Er ging jedoch im Gegensatz zu seinem Bruder, der ein feuriger homo politicus gewesen war, auch hier eher unideologisch zu Werke und hegte laut eigener Aussage gegenüber den Deutschen und Österreichern nie Rachegefühle  : Sein bester Freund bei den Maxwell-Bauer-Studios war ein überzeugter Nationalsozialist.272

265 266 267 268 269

Koerner, »Unheimliche Heimat«, 14. Interview H. Koerner, 12.12.1978. In dieser Zeit ehelichte er seine Wiener Schulfreundin Fritzi Apfel. Ähnlich Joseph Koerner, in Mitteilung J. Koerner, 13.3.2012. Eintrag zu Kurt Körner in der Shoah-Datenbank des Dokumentationsarchivs des österreichischen Widerstandes, in  : http://de.doew.braintrust.at/db_shoah_14080.html (letzter Zugriff  : 12.3.2012). 270 Koerner, »Unheimliche Heimat«, 22. 271 Mitteilung von Joseph L. Koerner via E-Mail an den Autor, 12.3.2012. 272 Interview H. Koerner, 12.12.1978.



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Wie bereits am Beginn seiner Grafikerlaufbahn, als ihn sein Bruder für kommunistische Aktivitäten in Österreich eingespannt hatte, waren es auch im amerikanischen Exil eher extrinsische Faktoren, die den Künstler Koerner neuerlich in die Sphäre des Politischen bzw. der Propaganda rückten. Der Kriegseintritt seines Gastlandes, dessen politische, soziale und ökonomische Auswirkungen nach und nach sämtliche Lebensbereiche der amerikanischen Gesellschaft zu durchdringen begannen, wirkte sich unweigerlich auf das Leben und Schaffen des Wiener Grafikers aus. Der Krieg in Europa hatte Koerner eingeholt  : Er war nunmehr ein »War Artist«. Ende 1942, kurz bevor er selbst für die Propa­ gandaschmieden der Regierung zu arbeiten begann, hatte Koerner in zwei Kategorien des vom New Yorker Museum of Modern Art ausgeschriebenen nationalen Kriegsposter-Wettbewerbs gewonnen.273 Ziel dieses in Grundzügen bereits vor dem Kriegseintritt der USA eingeführten Wettbewerbs war es, die kreativen Energien von bildenden Künstlern und Grafikern so zu kanalisieren, dass deren Arbeiten ohne allzu große ästhetische Abstriche propagandistisch für Verteidigungs- bzw. Kriegszwecke verwendet werden konnten.274 Da sich die militärischen Erfolge der Vereinigten Staaten 1942 noch in Grenzen hielten, war die Regierung umso mehr um eine massenwirksame Legitimierung ihrer Kriegsmaßnahmen unter Eingliederung der schöpferischen Zunft bemüht. Mit Erfolg  : Allein im Jahr 1942 nahmen neben Koerner rund 2.200 Künstler an der patriotischen Bilderschau teil.275 Koerner schien auch den Spagat zwischen Gefälligkeit und Eigenwilligkeit gut gemeistert zu haben. Dies zeigt sich an einem seiner beiden im Kriegsposterwettbewerb von 1942 ausgezeichneten Werke, das ihm letztlich eine Anstellung beim Office of War Information einbrachte  :276 an dem von der R. Hoe Company geförderten Poster mit dem Titel Someone talked  ! Dieses Plakat entstand im Kontext einer landesweiten Regierungskampagne zur Aufrechterhaltung der inneren und militärischen Sicherheit, an der sich auch viele private Unternehmen und institutionell nicht an das Office of War Information oder andere Regierungsorganisationen angebundene Zeichner beteiligten. Um zu vermeiden, dass feindliche Spione im Landesinneren an kriegswichtige Informationen gelangten, wurden die Bürger durch Plakatkampagnen aufgerufen, während des Kriegs jede Form von »loose talk« und unvorsichtigem Ausplau273 Pressemitteilung des Museum of Modern Art zur Preisvergabe anlässlich der National War Poster Competition des Jahres 1942, vermutlich November 1942, 1–10, in  : http://www.moma. org/momaorg/shared/pdfs/docs/press_archives/841/releases/MOMA_1942_0083_1942-1121_421121-76.pdf ?2010 (letzter Zugriff  : 3.3.2012), 3 und 5. 274 William L. Bird Jr./Harry R. Rubenstein (Hgg.), Design for Victory. World War II Posters on the American Home Front. New York  : 1998, 23 f. 275 Pressemitteilung Museum of Modern Art, 1942, 1. 276 Interview H. Koerner, 12.12.1978.

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dern von Kriegsgeheimnissen zu vermeiden.277 Im Sinne einer ganzen Reihe von restriktiven Verordnungen, wie des im Jänner 1942 erstmals erlassenen Code of Wartime Practices, sollten sich die Presse und die allgemeine Öffentlichkeit des Landes einer permanenten Selbstzensur unterziehen. Dies bedeutete, dass die Bürger, vor allem die Geheimnisträger unter ihnen, wie Soldaten, hohe Beamte und andere, »über Ort, Ziel, Ausstattung, Stärke, Routen, Identität und Registrierungsnummern der verschiedenen US-Truppenteile […] [und] über das Personal von Heer, Luftwaffe und Marine sowie jegliche Truppenbewegung« zu schweigen hatten.278 Koerners künstlerische Interpretation des Imperativs Schweig  ! ist eine sehr eindringliche Anklage an die Adresse eines verantwortungslosen Bürgers, der mit solchen militär- und sicherheitsrelevanten Informationen offensichtlich zu sorglos umgegangen war. Für Koerner war die Preisverleihung des Kriegsposterwettbewerbs ein Triumph. Die vornehmlich aus Künstlern und Kuratoren zusammengesetzte Jury des Museum of Modern Art war offensichtlich der Meinung, dass diese Art der abschreckenden Warnung vor deutschen und anderen ausländischen Spionen innerhalb des Landes279 nicht nur gestalterisch ansprechend sei, sondern auch zu einer Art Sozialdisziplinierung, Verschwiegenheit und Selbstzensur innerhalb der Gesellschaft beitragen könnte. Gleichzeitig beinhaltet das Plakat neben der aufrüttelnden Negativaussage auch eine positiv-beschwichtigende Botschaft, die sehr subtil vermittelt wird. Mehr noch, Koerners Plakat besitzt sogar einen Schuss Humor. Doch sehen wir uns zunächst die negative und aufrüttelnde Aussage des Plakats an. Diese beruht auf einem alarmistischen Narrativ  : Ein Amerikaner, der über brisante und kriegswichtige Informationen verfügte, konnte offensichtlich seinen Mund in der Öffentlichkeit nicht halten, was zur Folge hatte, dass feindliche Spione die genauen Daten einer Schiffsüberfahrt über den Atlantik herausfanden, was schließlich zur Torpedierung des (fiktiven) Schiffes und zum Tod von Hunderten Besatzungsmitgliedern führte. Koerner, der ein gutes Gespür für die »Wohlfühl«-Bedürfnisse des Betrachters besaß, vermied es jedoch tunlichst, Letzteren mit weiteren unangenehmen Botschaften zu konfrontieren. Zwar will das Plakat Beklemmung und Betroffenheit beim Rezipienten hervorrufen. Dennoch lenkt es negative Gefühle und mögliche Schuldzuweisungen in Bezug auf die durch »loose talk« ausgelöste Katastrophe auf die Figur des kleinen, anonymen Mannes auf der Straße (Letzterer 277 Siehe hierzu Fleischer, Feind, 6. 278 Elter, Kriegsverkäufer, 68  ; Flankiert wurden diese eindringlichen Aufrufe an die Bevölkerung von den Tätigkeiten des Office of Censorship (OC), welches unter anderem für die Kontrolle des Schriftverkehrs, von Telefongesprächen, Zeitungsberichten und Radioprogrammen zuständig war. 279 Vgl. Laurie, Warriors, 48–50.



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8 »Verschwiegenheits«-Poster von Henry Koerner, 1942.

wird als ein nach außen hin harmlos wirkender Jedermann mit dunklem Anzug und Hut dargestellt). Dieser bietet sich als negative Projektionsfläche an, und die Betrachter müssen kein schlechtes Gewissen haben, da der Zeigefinger der vielen Opfer nicht auf sie selbst, sondern auf den kleinen Mann mit dem Hut, einen anderen also, gerichtet ist. Da im Zeitungsausschnitt bereits über die vielen Toten der Schiffskatastrophe berichtet wird, ist Koerner zudem auch nicht gezwungen, die Opfer (die Ertrinkenden) selbst darzustellen, und erspart den Betrachtern diesen unangenehmen Anblick. Über den semiotisch raffinierten Umweg des Zeitungsauschnitts kommt es also zu einer Abstraktion in Bezug auf die Unglücksursache und die »exploitation of guilt feelings«.280 Koerner stellt weder die Opfer figürlich dar, noch hat er den Betrachter seines Bildes als möglichen Täter direkt im Fokus. Diese Exkulpierung des einzelnen Betrachters bedeutet jedoch nicht, dass Dramatik und Eindringlichkeit der Propagandabotschaft geschmälert werden, im Gegenteil  : Durch die Wahl des schriftlichen Codes als 280 David L. Jones, The U.S. Office of War Information and American Public Opinion During World War II, 1939–1945 (Diss.). New York  : 1976, 225.

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Veranschaulichungsmittel für die Folgen des »unbedachten Geredes« reduzierte der österreichstämmige Zeichner zwar das menschliche Opfer auf nüchterne Zeitungsbuchstaben. Dadurch konnte er aber gleichzeitig die Zahl der Opfer vervielfachen und das Unglück noch mehr dramatisieren  : So geben die beiden Nullen in der Artikelüberschrift auf der Zeitungshand dem Leser zu erkennen, dass mindestens 100 Personen den feindlichen Torpedoangriff nicht überlebt haben. Dadurch konnte Koerner die Tragweite des Unglücks darstellen (»So viele Tote wegen einer einzigen Unachtsamkeit  !«), aber trotz all dem Pathos die Schuldgefühle und Frustration des Einzelnen in Grenzen halten (»Dieser Mann aus unserer Mitte ist schuld, nicht ich  !«). Trotz aller Subtilitäten ist die Aussage des Plakats jedoch klar. Koerner stellt sowohl »[t]he ultimate outcome and the cause – careless talk«281 dar. Die zwischen blubbernden Luftbläschen (die auf das untergehende Schiff hinweisen) platzierte Zeitungshand in Koerners Plakat steht zudem nicht nur für aufrüttelnde Unglücksmeldungen, sondern hat den Zweck, auch ein positiv konnotiertes amerikanisches Gesellschaftsphänomen in die Plakatbotschaft einzubringen  : nämlich die Printmedienkultur der Vereinigten Staaten. Allein die Tatsache, dass die in Koerners Bild thematisierten US-Medien relativ offen über Schiffe, die von Deutschen torpediert, oder über Schlachten, die verloren worden sind, sprechen,282 soll den Bildbetrachter davon überzeugen, dass die USA im Gegensatz zum Deutschen Reich auch im Krieg die Wahrheit sagen. Dieser bereits in der Einführung zum OWI erwähnten »strategy of truth« versuchten die Vereinigten Staaten mit einer »multitude of voices«283 in Form eines demokratischen und pluralistischen Pressewesens gerecht zu werden. In der vorwurfsvollen und gleichzeitig selbstbewusst-optimistischen Zeitungshand veranschaulicht der Zeichner, so meine These, die von der Regierung und vom (späteren) OWI-Direktor Elmer Davis gepriesene Offenheit und Ehrlichkeit in der US-Kriegsberichterstattung. Es handelt sich bei Koerners Motiv daher um eine Verknüpfung von menschlichen (die Menschenhand mit dem Zeigefinger als »Kollektivsingular« für alle Amerikaner) und sachlichen Metaphern (der mit der Hand eine organische Einheit bildende Zeitungsausschnitt als Sinnbild für die freien und wahrheitssuchenden US-Medien).284 Dadurch wird die unangenehme und repressive Grundaussage der Antispionage-Kampagne (»Schweig  !«) abgeschwächt. Der Zeigefinger in Koerners Plakat muss daher nicht wie bei den – vergleichs281 Zbynek Zeman, Selling the War. Art and Propaganda in World War II. London  : 1978, 50. 282 Vgl. Elter, Kriegsverkäufer, 74. 283 A.H. Feller, »OWI on the Home Front«, in  : Public Opinion Quarterly, Vol. 7, Nr. 1, 1943, 55–65, hier 56. 284 Vgl. Fleischer, Feind, 18 f.



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weise brutalen – NS-»Maulkorb«-Kampagnen in Deutschland285 als Bedrohung der eigenen Freiheit gelesen, sondern kann auch als optimistischer Wegweiser für die wahrheitsgemäße Informationspolitik einer wehrhaften, humanistischen Demokratie interpretiert werden  : »Hier ist er, der Schuldige  ! – Doch schaut genau hin, hier ist auch sie, unsere Presse, die euch und die Welt wahrheitsgemäß über Triumph oder Niederlage informiert und unseren Werten stets treu bleibt  !« Zudem suggeriert eine Zeitungsnachricht ein hohes Maß an Glaubwürdigkeit und Faktizität. Koerners Entscheidung, die Zeitung als Überzeugungsinstrument zu verwenden, zeugt von großem kommunikativen Geschick. Und zu guter Letzt ist zu konstatieren, dass der sorglose Jedermann mit dem Hut von seinem Schöpfer nicht mit unvorteilhaften Zügen versehen, sondern comichaft-rundlich, ja nahezu liebenswert dargestellt wird. Während vergleichbare US-Plakate oder etwa die NS-Propagandisten mit ihrer düsteren Verschwiegenheitsikonografie durchgehend ernste oder bedrohliche Bilder zeichneten, versuchte Koerner, mit seinem Motiv etwas weniger humorlos zu sein und »eine ganze Kette von Ideen in ein prägnantes Bild zu teleskopieren«.286 Doch trotz aller Subtilität und Mehrdeutigkeit von Koerners Sujet ist die Grundbotschaft »Schweig  !« auch für weniger spitzfindige Leser schnell ersichtlich. Der Betrachter hat bei seinem Plakat auf jeden Fall die Möglichkeit, der Strenge des Themas etwas zu entfliehen bzw. auch erbauende, ja sogar unterhaltsame Lesarten zu entdecken. Es ist verständlich, dass die Grafikabteilung des Office of War Information angesichts solch preisgekrönter und kreativer Arbeiten reges Interesse an Koerners Schaffen zeigte. 1.3.1 Propagandakünstler im OWI

Das Bureau of Publications and Graphics unter der Leitung von John R. Fleming wurde als eines von sieben Media Bureaus der Inlandsabteilung des Office of War Information (OWI Domestic Branch) gegründet. Es verfolgte die Absicht, die zu Beginn des Zweiten Weltkrieges nur unzulänglich koordinierten Informationsaktivitäten staatlicher Behörden im Bereich der publizistischen und der bildlichen Kriegspropa­ganda zu vereinheitlichen und Duplizierungen sowie sich gegenseitig widersprechende Botschaften zu vermeiden. Obwohl zumindest auf dem Papier als oberste und zentrale Propaganda- und Informationsbehörde konzipiert, war das OWI nur eine von mehreren amerikanischen Institutionen, die für die Her285 NS-Propagandisten stellten in ihren »Schweig  !«-Kampagnen die von ihnen abgebildeten Menschen oft nicht als wertvollen Teil der Gesellschaft, sondern als Befehle empfangendes »Menschenmaterial« dar. Siehe Fleischer, Feind, 18 f. 286 Ebd., 5.

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stellung von Kriegspostern verantwortlich zeichneten. Andere, meist seit Längerem existierende Regierungsämter, die bei der Plakatpropa­ganda mitwirkten, waren etwa das Graphics Bureau des Office of Facts and Figures, das Department of Agriculture und das Treasury Department. Auch die Division of Information des Office of Emergency Management und das Letzterem untergeordnete War Production Board, das mit Leuten aus Regierung, Militär, Wirtschaft und den Gewerkschaften besetzt und für die Optimierung der Rüstungsproduktion zuständig war, sowie eine Reihe von nichtstaatlichen Organisationen und privaten Unternehmen steuerten Tausende von Plakaten zum Propagandaausstoß an der »Home­front« bei. So gab es etwa die Organisation der Artists for Victory, deren über 8.000 Mitglieder in ganz Amerika für das OWI Plakate produzierten.287 Das OWI Bureau of Publications and Graphics trug bis Herbst 1943 jedoch die Hauptlast der kriegsbezogenen Bildproduktion und war auch die zentrale Clearingstelle bei der Konzeption, Produktion und Distribution von landesweit erscheinenden Plakatserien.288 Ende 1942 benötigte die Graphics Division als die vornehmlich für Plakatproduktion zuständige Unterabteilung dringend qualifizierte Mitarbeiter. Es mangelte an Designern, bildenden Künstlern und Museumskuratoren. Es mangelte an Leuten wie Henry Koerner.289 Koerner eignete sich jedoch nicht nur aufgrund seiner bis in die Wiener Jugendzeit zurückgehenden Erfahrung als Grafiker und seines Riechers für griffige, populäre und dennoch avantgardistische Motive zum Propagandakünstler, sondern auch weil er ein produktiver, schneller Arbeiter war. In einem Memorandum des OWI wird Francis Brennan, der Leiter der OWI Graphics Division, mit den Worten zitiert  : »it would be impossible to locate another designer of his caliber at this time«. Koerners Dienste würden dringend gebraucht.290 Koerners Sohn berichtet, wie ein OWI-Kollege das außergewöhnliche Vorstellungsvermögen und die bildnerischen Fähigkeiten des österreichischen Einwanderers wahrgenommen hatte  : [T]he artist Bernard Perlin […] said that my father had the capacity to draw any object (weapon, vehicle, piece of garment) from the entire army catalogue of supplies without looking at the image, or the thing, and that he could draw it from any angle.291 287 Barbara McLean Ward (Hg.), Produce and Conserve, Share and Play Square  : The Grocer and the Consumer on the Home-Front Battlefield During World War II. Portsmouth, NH  : 1994, 174. 288 Bird/Rubenstein, Design, 23 f. 289 Vgl. Office of Emergency Management [Office of War Information], Request for Personnel Action concerning H. Koerner, 28.12.1942. OWI Personnel File Koerner. 290 OEM [sic  ! recte  : OWI]-Memorandum K. Duffy to S. Silverman on H. Koerner, 5.1.1942 [sic  ! recte 1943]. OWI Personnel File Koerner. 291 Mitteilung J. Koerner, 13.3.2012.



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9 Henry Koerner als OWI-Mitarbeiter.

Die in New York City ansässige Graphics Division hatte von ihrer Gründung im Juni 1942 bis Sommer 1943 den Auftrag, »Kriegsinformationen« in Bilder bzw. Bild-Schrift-Texte umzusetzen, welche an nahezu allen öffentlichen Plätzen der USA sichtbar angebracht wurden.292 Die fünf Funktionen der OWI Graphics Division wurden bei ihrer Gründung so definiert  : 1. To translate war information and war information objectives into graphic form 2. To plan and design graphic material on over-all information themes established by OWI 3. To design graphic material for other war agencies upon their request 4. To clear for policy, design and copy all graphic material produced in all government war agencies

292 Robert Ellis, »Getting the Message Out  : The Poster Boys of World War II«, in  : Prologue, Vol. 37, Nr. 2, Sommer 2005, unpaginiert, in  : http://www.archives.gov/publications/prologue/2005/ summer/posters-1.html (letzter Zugriff  : 2.4.2012).

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5. To act in an advisory capacity to industry and business seeking advice on war theme material293

Neben der Clearing- und Koordinationsfunktion in Hinblick auf die »propa­ ganda policy« und die Zusammenarbeit mit Industrie und Wirtschaft gab es im Groben zwei produktive Aufgabenbereiche für die Abteilung  : Sie fungierte einerseits als zuarbeitende Instanz, die für andere Regierungsbehörden, Propa­ gandainstitutionen und -kampagnen »booklets, posters, placards, advertisements, folders, stuffers and miscellaneous materials« vorbereitete oder produzierte und hierfür auch Zeichner, Designer und Experten zur Verfügung stellte  ; andererseits wurden, oft in Zusammenarbeit mit dem OWI Bureau of Campaigns, eigene, über eine Vielzahl von medialen Kanälen wie Plakate, Zeitungsinserate oder Flugblätter laufende, Großprojekte selbstständig geplant und umgesetzt. In Koerners Metier, der Gestaltung von Postern, konnte es sein, dass diese »from the first scratch and idea through the finished art stage« vollständig von der Graphics Division produziert wurden oder dass nur die ersten Entwürfe von OWI-Zeichnern stammten und die eigentliche Ausarbeitung durch freiberuflich tätige bzw. externe Grafiker erfolgte. Umgekehrt wurden die Plakatidee und das Layout oft auch außerhalb konzipiert und danach von OWI-Künstlern fertiggestellt. Generell kann man davon ausgehen, dass es pro Sujet meist drei bis vier Überarbeitungen brauchte, bevor ein Plakat für druckreif befunden wurde.294 Kurz vor Koerners Übernahme als Graphic Designer mit einem Jahressalär von 3.800 Dollar295 wurde das Tätigkeitsprofil des österreichischen Emigranten innerhalb dieses Handlungsrahmens festgelegt  : Under general supervision of a S[enio]r. Visual Information Specialist […] [Koerner] participates in conferences devoted to determining the most effective graphic presentation of information issued by the OWI or other U.S. Government war agencies  ; makes recommendations concerning the type of presentation to be used and also the designer who might best portray it if the work is not to be done by an OWI staff artist  ; on the basis of plans formulated in these conferences or from a written description, idea or photograph, makes layouts for posters, booklets, bulletins, pamphlets, etc. […] prepares comprehensives to be given to an outside artist or another staff designer for finished artwork, or executes the entire job himself, including drawings, layouts, diagrams, illus293 OWI Memorandum D.R. Martin to J. Dunlay, History of Graphics in OWI, Chapter 1  : The Use of Graphics in Home Front War Programs, 13.4.1945. NARA, RG 208, E 6A, B 1. 294 OWI Domestic Branch, Description of Activities of the Graphics Division, 21.1.1943. NARA, RG 208, E 251, B 1153. 295 OWI Personnel Record Card for H. Koerner. OWI Personnel File Koerner.



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trations, cartoons, etc., for whatever purpose desired in any and all graphic media and also lettering and type specification for the printer  ; makes recommendations to the Chief, Graphics Division, of poster ideas on over-all themes or Government campaign material in the form of memoranda sketches or both.296

Henry Koerner war als Gestalter von Postern natürlich kein singulärer Kommunikator oder allein stehender »Sender«, der eigenmächtig über Inhalt und Gestalt seiner Arbeiten bestimmen konnte. Zunächst gab es eine Reihe von anderen Akteuren im Umfeld des OWI, wie Politiker, Direktoren, Werbeexperten, Kampagnenmanager, Texter, andere Zeichner usw., die allesamt an der Konzeption und am Entstehungsprozess von Kriegspostern beteiligt waren. 297 Als Grafiker musste sich Koerner daher an den Leitthemen und Slogans von laufenden OWI-Kampagnen orientieren. Darüber hinaus musste er interne Direktiven, welche als Richtschnur für die oft mühsam mit Regierungs-, Militär- und Geheimdienstvertretern ausgehandelte »propa­ganda policy« dienten, grafisch umsetzen. Auch wenn man das handelnde Subjekt Henry Koerner nicht als allmächtigen Propagandisten betrachten darf, hatte er dennoch eine Reihe von gestalterischen Mitteln in der Hand, um seinen Plakaten ein individuelles Gepräge zu geben und die Gesamtbotschaft entsprechend seinen Vorstellungen dem Empfänger oder der Empfängerin näherzubringen. Die innerhalb des OWI erfolgte Zusammenführung von Professionisten und Führungsfiguren aus den Bereichen Wirtschaft, Werbung, Kunst und Medien erwies sich durchaus als gewinnbringend und befruchtend. Gleichwohl sorgte dieser heterogene Mitarbeiterpool auch für Konflikte  : Francis Brennan, Chef der Graphics Division und vorheriger künstlerischer Direktor des Magazins Fortune, förderte einen Plakatstil, der den »sophisticated style« zeitgenössischer Kunst mit der Zweckgebundenheit und Nüchternheit kriegsbezogener Propagandabilder zu vereinen suchte.298 Brennan wurde von Vertretern der Werbewirtschaft, für die auch die Kriegsposter der Regierung nichts anderes als Werbeanzeigen waren und die sich eher als Handwerker denn als Künstler verstanden, wegen seines Hangs zu stilisierten und symbolistischen »war graphics« heftig kritisiert. Dieses der kapitalistischen Gesellschaftsform der USA geschuldete Spannungsfeld zwischen der mächtigen und omnipräsenten Werbebranche und den idealistischen oder linksideologischen (Propaganda-)Künstlern ist auch für das Verständnis von Koerners OWI-Tägigkeit an der »Heimatfront« von zentraler Bedeutung. So wird 296 OWI, Domestic Operations Branch, New York, Field Classification-Sheet for H. Koerner, Field Number 1272(a), 30.12.1942. OWI Personnel File Koerner. 297 Gries, »Ästhetik«, 15. 298 Bird/Rubenstein, Design, 31.

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etwa im Historical Dictionary of American Propaganda der Begriff »Home Front Propaganda« wie folgt definiert  : Attempts by the U.S. government to sell the people at home on the war being fought overseas.299

Allein schon die hier verwendete kapitalistische Diktion (»to sell the people …«) gibt beredt Aufschluss über die sowohl kulturell als auch produktionstechnisch engen Zusammenhänge zwischen der Industrie bzw. der kommerziellen Werbung und den staatlichen amerikanischen Informationsbehörden des Zweiten Weltkrieges, welche sich unweigerlich auf Gestalt und Inhalt der Propagandaprodukte auswirkten. Mit dem versierten Gebrauchsgrafiker Koerner fand Brennan nun eine zwischen den beiden Polen Kunst und Werbung stehende Integrationsfigur. Koerner, obgleich im Herzen eine Künstlernatur, kannte und respektierte die Methoden, Mechanismen und Potenziale der kommerziellen Gebrauchsgrafik und der amerikanischen Werbeindustrie. Er wusste, dass die Werbung ihm nicht nur eine durchaus lukrative Beschäftigungsmöglichkeit bot, sondern dass diese ein »integral part of the free enterprise capitalist system« und die finanzielle Grundlage für das riesige Netzwerk der Massenkommunikation der USA war.300 Diese enge Verzahnung von Werbeindustrie, Medienlandschaft und Propa­ gandaapparat zeigte sich bei Koerners Tätigkeit für das OWI  : So hatten führende Werbeexperten über das sogenannte War Advertising Council und den ab Herbst 1943 geschaffenen Art Directors Pool ein gewichtiges Wort bei der Gestaltung von OWI-Plakaten und Regierungspostern mitzureden. Auch in Bezug auf die Wirkungsforschung konnte man es sich kaum leisten, auf die Ressourcen der Werbebranche zu verzichten. Im Frühjahr 1942, noch vor der Gründung des OWI, wurde etwa auf Betreiben von Chester J. La Roche, dem Vorsitzenden des War Advertising Council, eine »reaction survey« mit kanadischen Rezipienten durchgeführt. Die Studie sollte den OWI-Grafikern letztlich aufzeigen, wie man ein Plakat nicht macht. Die Meinungsforscher der Werbeagentur Young & Rubicam kamen zum Ergebnis, dass nicht wenige der bisher im Namen der Regierung produzierten Propagandaposter wegen ihrer zu rätselhaften und zu abstrakten Charakteristik bei der Zielgruppe vor allem eines bewirkten  : Konfusion. Weitere Studien in den USA selbst verstärkten diesen Befund. Ein Kriegsposter, so die zurate gezogenen Experten, konnte nur dann erfolgreich sein und handlungsleitend wirken, wenn es auch vom »unteren Drittel« der Bevölkerung verstanden 299 Martin Manning/Herbert Romerstein (Hgg.), Historical Dictionary of American Propaganda. Westport, CT und London  : 2004, 134. 300 Jowett/O’Donnell, Propaganda, 146.



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wurde.301 Als Konsequenz dieser Studien und einer aus der Zeit des Ersten Weltkriegs stammenden Untersuchung, die zum Schluss kam, dass der Durchschnitts­ amerikaner den Intellekt eines 13-Jährigen besitzt,302 wurde den Zeichnern vonseiten des Office of Facts and Figures bzw. des späteren OWI nahegelegt, sich der Einfachheit der Werbesprache und -ikonografie zu bedienen. Die bereits erwähnte Zeitschrift Fortune widersprach zwar dieser teilweise auf methodischen Unschärfen beruhenden Meinung303 und vertrat die Ansicht, dass der »American Man in the Street Being Adult« auch ein »Adult Treatment« verdienen würde.304 Doch hatten sich die Befürworter des Einfachheitsparadigmas im Großen und Ganzen durchgesetzt. Der Betrachter von Kriegspropa­ gandaplakaten durfte ihrer Ansicht nach intellektuell nicht überfordert und auf Symbolismus und subtilen Humor sollte ganz und gar verzichtet werden. 305 Die Arbeiten der »part-time surrealists« und schöngeistigen Künstler rund um OWI-Grafikdirektor Brennan sträubten sich gegen dieses Diktat und erfüllten die neuen Vorgaben nur zum Teil – auch das Antispionage-Bild Koerners setzte auf humorvolle Avantgarde. Daher sollte der Konflikt zwischen den (Kunst-)Ästheten und (Werbe-)Pragmatikern bis zur einschneidenden OWI-Budgetkürzung von Sommer 1943 weiter schwelen. Letztere bedeutete de facto das Ende der OWI Domestic Branch mitsamt der Graphics Division als entscheidender Akteur an der Heimatfront. Henry Koerner war während dieser Zeit jedoch einer der wenigen OWI-Grafiker, die es verstanden, eine geschickte Zwischenposition einzunehmen und die Bereiche Kunst und Propaganda/Werbung nicht als Widerspruch zu sehen. Er vermochte es vielmehr, die damit verbundenen Spannungen produktiv zu kanalisieren. Kunst und Propaganda sind zwei Phänomene, die zwar verschwistert sind, aber zueinander in einem klaren Spannungsverhältnis stehen. Problematisch beim Zusammenführen von Kunst und Propaganda durch staatliche oder parteipolitische Instanzen ist, dass Kunst, vor allem moderne Kunst, die Tendenz hat, die Gesellschaft in ihrer Komplexität, Irrationalität, Widersprüchlichkeit und Pluralität 301 Bird/Rubenstein, Design, 27 f. Vgl. auch das Handbuch von Young & Rubicam, Inc./Office of Facts and Figures, How to Make Posters That Will Help Win the War. Recommendations Based on a Study of Canadian War Posters. New York  : 1942. 302 Jones, OWI and Public Opinion, 243 f. 303 Das derartigen Überlegungen oft zugrunde liegende kulturpessimistische Massenparadigma Gustave Le Bons (vereinfacht dargestellt lautet dessen zentrale Aussage  : »Die Masse ist prinzipiell irrational, wenig intelligent und gefährlich und soll von den staatslenkenden Eliten dementsprechend manipuliert und gelenkt werden«) gilt heute weithin als widerlegt. Vgl. Bussemer, Propaganda, 234–250. 304 Jones, OWI and Public Opinion, 244. 305 Bird/Rubenstein, Design, 28–31.

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zu erfassen und zu kritischen Interpretationen oder zumindest tiefschürfenden Reflexionen und Abstraktionen anzuregen. Propaganda hingegen versucht eher das Gegenteilige, nämlich simple Antworten und Handlungsanleitungen zu gesellschaftlichen und politischen Fragestellungen anzubieten, indem sie die Komplexität der Gesellschaft und der Welt an sich »wegerzählt« und klar definierte Feind- und Freundbilder postuliert.306 Diese pragmatische Funktion erklärt, warum die sich in politisch motivierter Vereinnahmung der Kunstschaffenden durch die totalitären Diktaturen des 20. Jahrhunderts manifestierende Propagandakunst ein heute noch präsentes Phänomen ist. Ein von einem Staat oder einer Partei beauftragter Propagandakünstler läuft jedoch leicht Gefahr, sein schöpferisches Potenzial und künstlerisches oder gesellschaftspolitisches Ethos zugunsten einer stumpf und eintönig angelegten Persuasionstätigkeit zu vernachlässigen  : Die Kunst entledigt sich in einem solchen Falle ihrer ästhetischen, gesellschaftskritischen und intellektuellen Aspekte und verkommt zur Pseudokunst. Die vor allem in NS-Deutschland, aber auch in heutigen Diktaturen wie Nordkorea anzutreffende autoritäre Propagandaikonografie307 ist daher Auftragskunst, die mehr mit ideologisiertem Kitsch als mit Kunst im Sinne von freiem Gestalten zu tun hat. Mitteleuropäische Künstler, welche die Folgen totalitärer Kulturpolitik am eigenen Leib erfahren haben, können hierfür als Beispiel dienen. Nach anfänglichen Sympathien für die neuen Machthaber blickte etwa der bereits nach kurzer Zeit desillusionierte deutsche Maler Oskar Schlemmer im Herbst 1933 mit Schaudern auf die Kulturpolitik der Nationalsozialisten. Nicht frei von Pathos, aber analytisch präzise sah er in einer propagandistisch zu sehr beeinflussten Kunst eine Gefahr für die »Reinheit der echten Kunst« und geißelte den Aufstieg der »Kitschiers«.308 Und ja – an völkisch-monumentalem Kitsch mangelte es im »Dritten Reich« wahrlich nicht. Der Terminus Propagandakunst beinhaltet daher einen Widerspruch, der nie völlig auflösbar ist. Diese Widersprüchlichkeit zeigt sich, wie bereits erwähnt, nicht nur in der monotonen Propagandaikonografie autoritär regierter Staaten, sondern oft auch in den »Informations«-Kampagnen von Demokratien wie den Vereinigten Staaten. Das ästhetische, politische und kulturphilosophische Dilemma, vor dem ein Propaganda-»Künstler«, egal ob er nun für eine demokratische Partei oder für ein diktatorisches Regime Plakate gestaltet, steht, ist daher nicht zu unterschätzen. Als der junge österreichische Flüchtling Henry Koerner im Jahr 1943, am 306 Vgl. Bussemer, Propaganda, 33. 307 Exemplarisch und vielsagend ist folgender Band  : Peter Noever (Hg.), Blumen für Kim Il Sung. Kunst und Architektur aus der Demokratischen Volksrepublik Korea. Nürnberg  : 2010. 308 Klaus von Beyme, Das Zeitalter der Avantgarden. Kunst und Gesellschaft 1905–1955. München  : 2005, 741.



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Höhepunkt des Zweiten Weltkrieges, vor die Aufgabe gestellt wurde, die amerikanische Nation durch patriotische »Plakatpädagogik« zu Verschwiegenheit in Sicherheitsfragen, zum Energiesparen, zu bewussterem Konsumverhalten und zu tatkräftiger Unterstützung der Kriegsanstrengung zu bewegen, war er mit einem vergleichbaren Dilemma konfrontiert. Koerner war jedoch einer jener wenigen Propagandaproduzenten in amerikanischen Diensten, denen es während des Zweiten Weltkrieges nachweislich gelungen ist, bei ihren Plakatkreationen die politischen Vorgaben eines Propagandisten zu erfüllen, ohne den ästhetischen Anspruch eines Künstlers oder die intellektuellen Freiräume eines modernen Werbegrafikers aus den Augen zu verlieren. Sein von Kunstexperten (etwas unscharf, aber dennoch zutreffend) als magischer Realismus bezeichneter Stil,309 dessen Grundzüge sich bereits während des Krieges herausbildeten, spiegelte sich nicht nur in seinen späteren Ölgemälden, sondern auch in den US-Propagandaplakaten, die er während des Zweiten Weltkrieges für die »Homefront« produzierte, wider. Die zuvor skizzierten Widersprüche und Herausforderungen der Propagandakunst sorgten natürlich auch für Konflikte und Verwerfungen innerhalb der Kreativabteilung des amerikanischen Propagandaapparates. Dies zeigt sich bei Koerners prägendstem Kollegen beim OWI, dem aus Litauen stammenden jüdischen Maler Ben Shahn. Koerner, der zwar ausgebildeter Grafiker, aber kein gelernter Maler war, beobachtete seinen älteren Kollegen bei der Arbeit genau und eignete sich dessen Maltechnik an. Durch Shahn lernte Koerner einen realistischen Stil kennen, der es »vermochte, den ästhetischen Wert von Umrissen durch nüchterne Darstellungen täglichen Lebens zu verdeutlichen.«310 Anders als die mitteleuropäischen Vertreter der Neuen Sachlichkeit und anders als Realisten wie Otto Dix verbildlichte Shahn, der sich politisch für Roosevelt und den New Deal engagierte, die »rohe Modernität Amerikas«, von der Koerner fasziniert und abgestoßen zugleich war.311 Shahn, der den aufstrebenden Immigranten zuerst noch belächelt hatte,312 betrachtete Koerner zunehmend als Konkurrenten, der ihn als arrivierten Seniorkünstler zu verdrängen drohte.313 Neben persönlichen Animositäten waren auch weltanschauliche Gründe für dieses angespannte Verhältnis verantwortlich  : Im Gegensatz zu Koerners Werken waren Shahns Arbeiten eminent politisch. Sein volksnah-primitivistischer und von Expressionismus und Kubismus beein309 Koerner, »Unheimliche Heimat«, 10. 310 Ebd., 14. 311 Ebd. 312 Laut Joseph Koerner soll Shahn einmal zu Henry Koerner, der gerade mit der Airbrush-Technik arbeitete, gesagt haben  : »Don’t you know how to paint at all  ?« Mitteilung J. Koerner, 13.3.2012. 313 Ebd.; ähnlich Interview H. Koerner, 12.12.1978.

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flusster sozialer Realismus zeigte auf großflächigen Gemälden und Fotografien das Leben der Minderheiten und des urbanen Proletariats in all seiner Schlichtheit. Shahn setzte auf düstere, aufrüttelnde und handlungsleitende Motive. In einem an die »French workers« gerichteten OWI-Poster klagte er etwa die deutsche Vernichtungs- und Eroberungspolitik in (Vichy-)Frankreich an. Der von Shahn, dem proletarischen Volkskünstler, gepflegte direkte und authentische Bezug zur Lebenswelt der Menschen stellt bis heute ein Desiderat vieler Propagandakampagnen dar314 und wurde auch von Koerner, der wie Shahn alles andere als ein oberflächlicher »Kitschier« war, geschätzt. Doch wurde diese gewünschte Schlichtheit der Darstellung von der Werbefraktion innerhalb des Propagandaapparates nicht mit aufrüttelnden Bildern von den Repressionen und Gräueltaten des Feindes, sondern mit »unpolitischer« Massentauglichkeit und teilweise eben auch mit hemmungslosem Kitsch gleichgesetzt. Propaganda musste gefällig sein, musste auch Hausfrauen, die sich für das Schicksal der französischen Fremdarbeiter in Europa nicht interessierten und teilweise nicht einmal die Rationierungspolitik der eigenen Regierung logisch nachvollziehen konnten,315 ansprechen  ! Shahns kompromissloser und ideologischer Realismus, der für die Pragmatiker und Werbeprofis in der OWI-Führung und, entsprechend deren Logik, auch für die breite Öffentlichkeit »not ›appealing enough‹« war, erfüllte diese Kriterien nicht. Das OWI verwendete deshalb nur zwei seiner Poster.316 Abgesehen von Ausnahmen wie den (unverhohlen rassistischen) Darstellungen des japanischen Kriegsgegners bevorzugte auch Präsident Roosevelt eher eine »positive imagery«, welche nicht in aufwühlender Manier die brutalen Seiten des Krieges oder des Feindes, sondern das Heldentum der US-Soldaten und die patriotischen Opfer der Amerikaner in der Heimat in den Vordergrund r­ ückte.317 Roosevelt, der reihenweise Leute aus Wirtschaft, Industrie und Werbung in wichtige Positionen innerhalb der Informations- und Propagandabehörden hieven ließ, blendete bei seinen Personalentscheidungen weltanschauliche Unterschiede zwischen den Anhängern seines demokratischen New-Deal-Projekts und deren aus konservativen Businesskreisen stammenden Gegnern aus. Er hatte schließlich einen Krieg zu gewinnen. 318 Linksliberale und idealistische OWI-Künstler, also Leute wie Ben Shahn, die im Dienst der Staatspropa­ganda nicht bereit waren, von ihrer gesellschaftspolitischen oder künstlerischen Agenda 314 Siehe hierzu auch Elter, Kriegsverkäufer, 86. 315 Jones, OWI and Public Opinion, 230 und 236–238. 316 Frances K. Pohl, Ben Shahn. New York  : 1993, 68. 317 Ward, Produce and Conserve, 174  ; ähnlich Elter, Kriegsverkäufer, 86. 318 Ward, Produce and Conserve, 37  ; vgl. Gerd Horten, Radio Goes to War. The Cultural Politics of Propaganda during World War II. London  : 2003, 5.



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10 »Klebriger Propagandakitsch«  : OWIPoster von Alfred Parker, 1943.

abzurücken oder diese aufzuweichen, hatten angesichts dieser Konstellation schlechte Karten. Die Debatte zwischen anspruchsvollen, eher linken Propa­ gandakünstlern und Roosevelt-affinen New Dealers auf der einen sowie nüchternen Pragmatikern aus Wirtschaft und Werbung auf der anderen Seite spiegelte sich auch im sogenannten »OWI Writers’ Quarrel« des Jahres 1943 wider  : Nicht weniger als 15 Autoren und Mitarbeiter des Bureau of Publications and Graphics hatten hierbei aus Protest gegen die zunehmende Macht der Werbe- und Marketingexperten innerhalb des OWI den Rücktritt erklärt.319 Sie taten dies, weil sie die Bevorzugung von »slick salesmanship« gegenüber wahrheitsgemäßer und (ästhetisch) anspruchsvoller Information nicht mehr mittragen wollten und weil die Übersimplifzierung des Propagandaaustoßes320 ein für sie unerträgliches Maß erreicht hatte. 319 Braverman, Homecoming, 65  ; grundlegend siehe auch Sydney Weinberg, »What to Tell America  : The Writers’ Quarrel in the Office of War Information«, in  : The Journal of American History, Vol. 55, Nr. 1, 1968, 73–89. 320 Jones, OWI and Public Opinion, 246.

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Ein Plakat von Alfred Parker, einem OWI-Zeichner, soll kurz illustrieren, was mit diesen beiden Begriffen gemeint ist. Als Diskursträger für die epischen Aufrufe der US-Regierungsbehörden zur Opferbereitschaft an der Heimatfront wählte Parker eine schlanke, weiße Kleinstadthausfrau und ein pausbäckiges Mädchen, die in bizarr anmutender Adjustierung und penetrant lächelnd mit dem Eindosen von Gemüse und Obst beschäftigt sind.321 Die Betrachter dieses Plakates sollten angehalten werden, es den beiden Personen auf dem Poster gleichzutun und im eigenen Garten eifrig Gemüse zu ziehen, zu konservieren und somit mitzuhelfen, die Lebensmittelversorgung der US-Bevölkerung in Kriegszeiten zu erleichtern. Anders als bei den ernsteren Sujets von Shahn oder Koerner kontrastieren die Saturiertheit und der fröhlich zur Schau getragene Wohlstand der beiden Figuren in Parkers Poster scharf mit der übergeordneten Thematik des Verzichts, des Opfers und des entbehrungsreichen Kampfes ums Überleben der USA (s. Abb. 10). Viele »Kriegsverkäufer« im OWI glaubten also während des Krieges daran, dass ein Poster vor allem auf belangloser Gefälligkeit beruhen sollte. Koerners Chef Francis Brennan trat 1943 im Zuge der »Art vs. Advertising«-Debatte als Leiter der Graphics Division zurück und richtete zum Abschied eine flammende Philippika an die Adresse von OWI-Direktor Elmer Davis. Auch er wandte sich letztlich wie sein deutscher Kollege Oskar Schlemmer gegen »[d]ie Entlassung der Avantgardisten und die Inthronisierung der ›Kitschiers‹«322 aus den Reihen der Werbeagenturen  : Some advertising techniques are valuable, […]. If you mean the fairly simple job of getting messages printed, distributed, and read, I agree. But if you mean psychological approaches, content, ideas, I most firmly do not agree. In my opinion those techniques have done more toward dimming perceptions, suspending critical values, and spreading the sticky syrup of complacency over the people than almost any other factor in the complex pattern of our supercharged lives.323

Das obige Beispiel des missglückten OWI-Plakats mit den Kleinstadt-Heldinnen und ihren prall gefüllten Erbsengläsern hat klar gezeigt, welche inhaltlichen und ästhetischen Konsequenzen eine (zu) starke Kommerzialisierung, Simplifizierung und Entideologisierung der Propaganda haben kann. Eine auf aalglatte Verkäufermentalität und eine »selective reality of sacrifice and struggle exorcised of

321 Vgl. Bird/Rubenstein, Design, 38 f.; Jones, OWI and Public Opinion, 217. 322 Beyme, Zeitalter der Avantgarden, 741. 323 OWI Resignation Letter F. Brennan an E. Davis, zitiert in Bird/Rubenstein, Design, 40.



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troublesome detail«324 ausgerichtete Propagandakunst war für Leute wie Henry Koerner oder Ben Shahn keine Option. Doch führt ein Mehr an Werbemethoden und ein Weniger an Ideologie unwiderruflich zu Oberflächlichkeit und Banalisierung  ? Nur bedingt. Der Gebrauchs- und Werbegrafiker Koerner erkannte im Gegensatz zu seinem Vorbild und Konkurrenten Shahn offenbar, dass die gestalterischen Vorgaben der Werbefraktion im OWI nicht immer ein Hemmnis für die künstlerische Entfaltung der Zeichner waren, sondern dass die pragmatische Mentalität der Vertreter aus der Werbeindustrie und deren Forderung nach einer reduzierten, gefälligen Bildsprache auch ästhetische Möglichkeiten, ja sogar Freiheiten bot. Freiheiten, die ein »politischer« oder durch und durch »propagandistischer« Zeichner nicht hat. Propagandisten, das kann man apodiktisch festhalten, bewerben im Grunde nicht imageträchtige Produkte, sondern mehr oder weniger starre Ideologien. Nach Umberto Eco versucht die Werbung im Gegensatz zur Propaganda meist nicht den ideologischen Rahmen der beworbenen Personen (ein Weltbild, eine politische Meinung etc.) zu beeinflussen oder zu ändern, sondern Letztere zur Einordnung in einen pragmatischen Rahmen (den Konsum) zu bewegen.325 Da er nicht die grundsätzlichen weltanschaulichen Dispositionen des Rezipienten verändern oder in Frage stellen will, hat der Werbeproduzent im Gegensatz zum Propagandisten einige Freiheiten, die sich auf die rhetorische und ästhetische Gestalt des Werbekommunikats auswirken. Der Werber darf sich sozusagen künstlerisch »austoben«  : Es herrscht kein Ideologie- und Themenzwang vor, daher sind Werbeplakate über weite Strecken vieldeutiger, humorvoller und teilweise auch komplexer gestaltet als ihre propagandistischen Entsprechungen. Man spricht in Bezug auf dieses eher postmoderne Phänomen heute von der »Spektakularisierung« der Werbung.326 Dem Linguisten Ulrich Schmitz ist voll zuzustimmen, wenn er der Werbung den Status eines »avantgardistische[n] Schrittmacher[s] in der Entwicklung unserer Massenmedien« zuspricht.327 Doch trifft diese Beobachtung nicht nur auf heutige, sondern mitunter auch auf frühere Werbung zu  : Am Beispiel der kapitalistischen USA der 30er-Jahre meinte etwa der wie Koerner aus Wien stammende Designer und Zeichner Joseph Binder zu 324 Ebd., 48. 325 Umberto Eco, Einführung in die Semiotik. München  : 1972, 286. 326 Vgl. Gudrun Held [i. e. Bachleitner-Held], »A proposito di una nuova testualità. Osservazioni semiotiche e linguistiche sulla base dei testi multimodali nella stampa odierna«, in  : Italienisch, Nr. 54, 27. Jg. 2005, 46–65, hier 46. 327 Ulrich Schmitz, »ZAP und Sinn. Fragmentarische Textkonstitution durch überfordernde Medienrezeption«, in  : Ernest W. B. Hess-Lüttich/Werner Holly/Ulrich Püschel (Hgg.), Textstrukturen im Medienwandel. Frankfurt am Main, Berlin, Bern, New York, Paris, Wien  : 1996, 11–30, hier 21.

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erkennen, dass die Arbeit von kommerziellen Werbegrafikern nicht zwangsläufig für materialistischen Stumpfsinn und Oberflächlichkeit, sondern auch für eine progressive und moderne Kunstauffassung steht. Der von der Werbeindustrie eingespannte Reklamegrafiker ist für Binder keine Marionette der US-Konsumgesellschaft, sondern ein stilprägender, einflussreicher Künstler.328 Im Gegensatz zu anspruchsvollen Spielarten von (heutiger) Werbung weisen Propagandaplakate in der Regel ein wesentlich bescheideneres künstlerisches Niveau auf und nähern sich nicht selten der Trivialität oder schieren Stumpfheit an. Spätestens mit dem Aufkommen der Postmoderne, aber auch schon im frühen 20. Jahrhundert, hat sich gezeigt, dass Einfachheit, Berechenbarkeit und Eindeutigkeit für die Werbung keine zwingende Grundvoraussetzung darstellen. Während also die moderne Werbung »beträchtliche ästhetische Qualitäten annehmen« kann329 und mehr Raum für Kreativität, Verspieltheit und Vieldeutigkeit bietet, ist Propaganda bis heute relativ berechenbar und dementsprechend »langweilig« geblieben. Wenn man etwa moderne Plakatwerbungen im städtischen Raum in Bezug auf die ästhetische Qualität hin analysiert, dann entpuppt sich die Betrachtung einer Haarshampoo-Werbung oft als spannender und unterhaltsamer als jene eines Wahlplakats einer politischen Partei. Die avantgardistischen Köpfe innerhalb der modernen Werbeindustrie bewältigen heute den Spagat zwischen Kunst und Persuasion im Gegensatz zu den klassischen Propagandisten in vielen Fällen sehr gut – nicht selten gelingt es ihnen, ein banales Konsumgut emotional, ironisch oder dramaturgisch »aufzuladen« und dadurch immateriell aufzuwerten. Obwohl es problematisch ist, die zeitgenössische Werbelandschaft und Kommunikationskultur mit der kriegführenden US-Gesellschaft zu vergleichen, kann man konstatieren  : Wo Ideologie zurückgedrängt und Ironie ermöglicht wird, da ergeben sich auch neue künstlerische und intellektuelle Potenziale. Henry Koerner nutzte sie. Wie die Schöpfer der postmodernen und subtilen Werbeplakate des 21. Jahrhunderts war auch der Werbegrafiker und Neopropagandist Koerner nicht an Ideologie, sondern an OWI-Plakaten, die einerseits wirksam, andererseits auch künstlerisch anspruchsvoll waren, interessiert. Er hing also einem Kunstverständnis an, das nicht linksliberal, humanistisch oder in einer anderen Weise weltanschaulich gefärbt war und das auch keinen ultimativen Wahrheitsanspruch er328 »Die Konditionen in Amerika sind besonders vorteilhaft für die Entwicklung der zeitgemäßen Kunst, da die immerwährend aktive Industrie viele Möglichkeiten gewährleistet. […] Die zeitgemäße Stilentwicklung ist die Aufgabe des Reklamekünstlers.« Joseph Binder, zitiert in  : http:// www.posterpage.ch/reviews/re50bind/re50bind.htm (letzter Zugriff  : 3.6.2013). 329 Helene Karmasin, »In illo tempore. Wie Werbung mit Vergangenheit umgeht«, in  : Gries/ Schmale, Kultur der Propaganda, 59–92, hier 70.



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hob. Da er den USA wegen des dortigen Schutzes vor der NS-Verfolgung und der sich ihm unerwartet bietenden Karrieremöglichkeiten sehr dankbar war, stellte er sich zwar bedingungslos hinter die nationale Kriegsanstrengung, nicht aber hinter ein wie auch immer geartetes Weltbild.330 Von seinem juvenilen linken Aktionismus in Wien hatte er sich längst abgewandt und im US-Exil eine zunehmend ideologiekritische, ja sogar antikommunistische Haltung eingenommen. Er dämonisierte die kapitalistische Werbeindustrie nicht und war der Meinung, dass vielmehr Shahns proletarische Werke »propagandistic and humorless« waren.331 Werbung bzw. die Techniken der Werbebranche dürften für den nunmehrigen OWI-»Poster Artist« Koerner kein rotes Tuch, sondern eher ein Quell der Inspi­ ration gewesen sein. Vermutlich war es die von ihm gefundene Mischung aus Eklektizismus, Pragmatismus und Ästhetizismus, welche seiner Karriere innerhalb der Propagandawerkstätten der USA so genützt hat. Koerners Lehrer hingegen, der Altmeister Ben Shahn, war aus weltanschaulichen und künstlerischen Gründen nicht bereit, einen solchen Weg zu gehen, und ging innerhalb des OWI – überspitzt formuliert – in Schönheit unter. 1.3.2 Die Campaign on Waste Kitchen Fats [T]he function of poster art is to make coherent and acceptable a basically incoherent and irrational ordeal of killing, suffering and destruction that violates every accepted principle of morality and decent living. O. W. Riegel, OWI-Analyst332

Eine jener inneramerikanischen Plakatreihen, bei denen das OWI und Henry Koerner im Jahr 1943 direkt beteiligt waren, war die sogenannte Campaign on Waste Kitchen Fats. Diese landesweite Regierungskampagne war primär an amerikanische Hausfrauen an der »Heimatfront« der USA gerichtet. Das OWI hatte gemeinsam mit den War Production Board ab Januar 1943 den Auftrag, mit einer breit angelegten Kampagne zur Sammlung von nicht weniger als 200.000.000 Pfund altem Küchenfett aufzurufen. Dieser Rohstoff wurde unter anderem zur Herstellung von Sprengstoff und anderen kriegswichtigen Materialien verwendet.333 Laut einem OWI-Memorandum sollten Plakate und andere Propagandakommunikate wie Plaketten, Zeitungsanzeigen und Filme helfen, die Konsumenten bzw. Propagandaempfänger so zu »erziehen«, dass diese die Not330 Mitteilung J. Koerner, 13.3.2012. 331 Ebd. 332 O.W. Riegel, zitiert in Braverman, Homecoming, 228 f. 333 OWI-Memorandum on Waste Kitchen Fats, 20.1.1943. NARA, RG 208, E 40, B 146.

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wendigkeit des Sparens von Altfett akzeptieren und über die Art und Weise, wie Letzteres vonstattengeht, informiert sind.334 Ein Fact Sheet des OWI Domestic Radio Bureau, das aus demselben Jahr stammte, verkündete hierzu lapidar  : The United States is no longer a land of the plenty.335 Das heißt, auch die Amerikaner sollten ab sofort den Gürtel enger schnallen. So produzierte etwa der Walt-Disney-Konzern den Propagandafilm Out of the Frying Pan into the Firing Line, der die Botschaft »Save Waste Fats  !« in die Kino­ säle trug.336 Mitunter nahm diese Kampagne seltsame Züge an. So hatte laut dem kruden Plot des OWI-Films Letter from Bataan ein moribunder amerikanischer GI, der während der Kampfhandlungen verwundet worden war, kurz vor dem Sterben nichts anderes zu tun, als seine Mutter an der Heimatfront zum Aufbewahren von altem Küchenfett aufzufordern.337 Die Herausforderungen, vor denen Koerner und seine OWI-Kollegen standen, waren groß. Einer Bevölkerung, welche bis vor wenigen Jahren noch großteils isolationistisch eingestellt gewesen war und einem transatlantischen Krieg ablehnend gegenübergestanden hatte, musste man auf Plakaten nun einen solchen Krieg und eine jähe Abkehr von liebgewonnenen kapitalistischen Annehmlichkeiten schmackhaft machen. Der Zweite Weltkrieg war für die USA eine Zeit des »domestic upheaval«,338 welche bei den Bürgern nicht nur für nationalistisch-kriegerische Euphorie, sondern auch für soziale Spannungen und Missmut sorgte.339 Für viele Menschen konnte die Frustration, welche der durch die Rationierungspolitik der Regierung erzwungene Verzehr von Pferdefleisch-Burgern, ja sogar von Bisamratten, 340 in ihnen hervorrief, nur bedingt durch Hurrapatriotismus und bunte Bilder von mutigen Soldaten oder fleißigen Fabrikarbeiterinnen gemildert werden  : World War II did generate ill feeling on the home front. People were overworked and fatigued  ; they had to stand in line  ; they could not travel where they wished and buy what they wanted.341

334 Ebd. 335 OWI Domestic Radio Bureau, Washington D.C., Fact Sheet Nr. 169, Fight Waste, undatiert (vermutlich Herbst 1943). NARA, RG 208, E 222, B 1078. 336 Ward, Produce and Conserve, 174. 337 Ebd., 46. 338 Ebd., 37. 339 Jones, OWI and Public Opinion, 231 f. 340 Ward, Produce and Conserve, 39. 341 Braverman, Homecoming, 68.



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War es für die Plakatgestalter der Save-Waste-Kitchen-Fats-Kampagne schon schwierig genug, der amerikanischen Bevölkerung einen Krieg zu »verkaufen«, musste man der Bevölkerung nun auch einen Bruch mit uramerikanischen Paradigmen nahelegen. Entgegen dem bisher vorherrschenden kulturellen und marktwirtschaftlichen Selbstverständnis der USA, das – nach der Überwindung der Wirtschaftskrise der 30er-Jahre – ein nie endendes Übermaß an Ressourcen suggerierte und eifrig zum Konsumieren und Verbrauchen animierte,342 musste das OWI nun zum exakten Gegenteil aufrufen – zum Sparen, Rationieren und Konservieren  : The nature of the war required […] to encourage restraint rather than excess – rationing, not purchasing. Familiar slogans such as »Use it up, wear it out, make it do, or do without,« an old Puritan axiom, exemplified this approach of self-denial. The advertising industry, founded on exaggeration, perhaps came of age by demonstrating that its persuasive techniques could be applied equally to restraining a nation during emergency circumstances – to unsell what it had been selling.343

Das »making acceptable« eines solchen in einem kapitalistischen Staat eigentlich »inakzeptablen« Zustandes fiel nun propagandistischen Kommunikatoren wie Henry Koerner zu. Sie hatten die Aufgabe, Begriffe wie Sparen semantisch und semiotisch neu aufzuladen und damit bisherige Lebensweisen und kulturell ausgehandelte Praktiken, die auch sprachlich und bildlich fest verankert waren, in Frage zu stellen und zu verändern. Die zu lösende kulturelle Problematik für die US-»Kriegsverkäufer« ist nach Gerd Horten in der folgenden Frage zusammengefasst  : Wie motiviert man ein Volk, das, inmitten eines Krieges stehend, noch Jahre von dem versprochenen, auf Konsum beruhenden, Wohlstand entfernt ist  ?344 Ende Januar 1943 erhielt Koerner nun auf Betreiben des OWI Bureau of Campaigns den Auftrag, ein Plakat auszuarbeiten, das die Amerikaner, vor allem aber die Amerikanerinnen, zum Sparen von Küchenfett aufrufen sollte. Das Ergebnis dieses Projekts entpuppte sich als eines der erfolgreichsten Propagandaplakate des Zweiten Weltkriegs und sicherte seinem Schöpfer einen festen Platz im kulturellen Gedächtnis der Nation und der globalisierten Medienwelt  : das Save-Waste-Fats-Poster.345 Der erste OWI-Produktionsauftrag dieses Posters trug 342 Vgl. Horten, Radio, 3 f. 343 Jones, OWI and Public Opinion, 251. 344 Horten, Radio, 8. 345 Witkowski vertritt die interessante These, dass jene Poster, die heute im Internet zu den beliebtesten und am meisten vervielfältigten Kriegsplakaten zählen, einen massentauglichen und wirkungsästhetischen Wert besitzen, der die Zeiten überdauert hat. Terrence H. Witkowski, »World War II Poster Campaigns  : Preaching Frugality to American Consumers«, in  : The Journal of Advertising, Vol. 32, Nr. 1, 2003, 69–82, hier 70.

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den programmatischen Arbeitstitel Out of the Frying Pan into the Firing Line. Zunächst hatten Koerner und ein Kollege die Aufgabe, das grobe Layout und das Schriftbild zu erarbeiten. Für die allgemeine bildnerische und inhaltliche Gestaltung des Plakats diente eine bereits zirkulierende OWI-Broschüre zum Thema Fat Salvage als Vorbild. Nach Begutachtung des Erstentwurfs durch Grafik-Chef Brennan sowie weitere OWI-Berater erledigte Koerner die Arbeitsschritte »Fini­ shed Art« und »Finished Lettering« alleine.346 1.3.3 Bildlinguistische Detailanalyse  : Koerners Save-Waste-Fats-Poster

Laut dem Sprachwissenschaftler Hartmut Stöckl »zielt die gesamte sprachliche Gestaltung eines Werbetextes auf die übergeordnete Funktion des Überredens (Persuasion)«347 ab. Jede Form von Werbung oder Propaganda ist daher persuasiv. Bei der Textsorte des Plakats wird der Akt des Überredens von Faktoren beeinflusst bzw. beeinträchtigt  : So nimmt der Empfänger oder die Empfängerin das Plakat in der Regel meist nur sehr flüchtig wahr, der Blickkontakt bleibt im Regelfall auf wenige Sekunden beschränkt. Bei dieser »abgeschwächten«, einseitigen Kommunikationssituation verfügen die Plakatproduzenten über begrenzte sprachliche Möglichkeiten zur Beeinflussung des Empfänger – sie haben nur eine limitierte Sehfläche, um eine ganze Reihe von Botschaften zu kommunizieren. Deshalb versuchen sie den zur Verfügung stehenden Raum möglichst ökonomisch auszunutzen. Ein Propagandaposter ist daher ein sehr dichtes semiotisches Gebilde, in dem sich viele Informationen in konzentrierter Form befinden. Anfang der 40er-Jahre, vor allem nach dem Kriegseintritt der USA im Dezember 1941, wurden die amerikanischen Rezipienten an der »Homefront« mit Propagandatexten verschiedenster Art (Zeitungsinserate, Posters, Radiosendungen, Filme, öffentliche Reden, Handbücher usw.) regelrecht überflutet. Parallel dazu sandte auch die immer aktive und – trotz der Einschränkungen des Konsums durch die Kriegswirtschaft – noch immer tonangebende Werbebranche ihre ma-

346 OWI Graphics Division, Production Order 580, W-202, Poster for New Fats Salvage Campaign, 28.1.1943  ; OWI Graphics Division, Production Sheet 580, W-202, Fats Salvage Poster, 29.1.1943  ; OWI Graphics Division, Production Order, 580, W-202, Save Waste Fats Poster, 5.3.1943  ; OWI Graphics Division, Production Sheet 580A, W-202, Job #127, Save Waste Fats (Out of the Frying Pan) Poster, 6.3.1943  ; OWI Graphics Division, Production Sheet 580A, W-202, Job #131, Save Waste Fats (Out of the Frying Pan) Poster, 6.3.1943  ; alle in  : NARA, RG 208, E 251, B 1152. 347 Hartmut Stöckl‚ »Werbekommunikation – Linguistische Analyse und Textoptimierung«, in  : Karlfried Knapp (Hg.), Angewandte Linguistik. Ein Lehrbuch. Tübingen, Basel  : 2004, 233–255, hier 240.



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11 »Out of the frying pan into the fire«  : OWI-Poster von Henry Koerner, 1943.

terialistischen Lockrufe an die potenziellen Kunden aus.348 Die Propagandastrategen und -produzenten mussten im Rahmen ihrer Tätigkeit beim OWI also in einem diskursiven Raum arbeiten, der mit Werbekommunikaten bereits gesättigt war. Je einfallsreicher, kreativer und rhetorisch überzeugender ein Propagandaplakat war und je mehr es die ihm zur Verfügung stehenden schriftlichen und bildlichen Ressourcen ausnützen konnte, umso größer war die Chance, dass das Poster auch wahrgenommen und am Markt der Meinungen reüssieren würde. Doch waren hier der Kreativität und dem Ästhetizismus klare Grenzen gesetzt  : Einfachheit und Verständnis hatten oberste Priorität. Mit einer (bild)linguistisch-­ semiotischen349 Detailanalyse des Save-Waste-Fats-Posters sollen im Folgenden die angesprochenen Verbindungen zwischen Bild und Sprache, zwischen visuellem und verbalem Text, und die dahinter stehenden Ideen, Intentionen und Methoden von Henry Koerner veranschaulicht werden. 348 Jones, OWI and Public Opinion, 226. 349 Grundlegend siehe hierzu den Band von Hajo Diekmannshenke/Michael Klemm/Hartmut Stöckl (Hgg.), Bildlinguistik. Theorien – Methoden – Fallbeispiele. Berlin  : 2011.

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Zunächst gilt es, das Plakat zu beschreiben  : Vor grauschwarzem Hintergrund ist im oberen Bildfeld eine von einer weiblichen Hand festgehaltene leicht gekippte Bratpfanne zu sehen, aus der Öl in das Bildzentrum gegossen wird. In der Mitte ist eine Explosion bzw. ein Mündungsfeuer in Form eines gelblich-­roten Feuerballs abgebildet. Von der Plakatmitte bewegen sich mehrere ringförmig angeordnete Raketen, Bomben und Projektile unterschiedlicher Größe in Richtung des Betrachters. Unter der Bratpfanne steht in gelber Farbe der Schriftzug »Save waste fats for explosives« zu lesen. Ein zweiter, weißfarbiger Schriftzug mit dem Text »TAKE THEM TO YOUR MEAT DEALER« ist unter dem Hauptmotiv platziert und in großen Buchstaben gehalten. Ein Instrument, mit dem man die gestalterische Qualität des Posters sowie die rhetorischen und persuasiven Strategien Koerners adäquat veranschaulichen kann, ist die sogenannte Sprechakttheorie. Diesen von John L. Austin und vor allem John R. Searle entwickelten sprachwissenschaftlichen Ansatz,350 der eine Theorie sprachlichen Handelns aus pragmalinguistischer Perspektive351 entwirft, werde ich als grobes Analyseschema auf unser Plakat anwenden. Für Koerners Propagandaposter, das aus visuellen Codes (Bild) und verbalen Codes (Schriftsprache) besteht, sind vor allem drei von Searles Sprechaktgruppen relevant  : die repräsentativen, die direktiven und die kommissiven Sprechakte. Mit repräsentativen (bzw. assertiven) Sprechakten trifft der Sender eine Aussage über einen Sachverhalt in der Welt (das heißt, er behauptet, erzählt oder protokolliert etwas). Mit direktiven Sprechakten hingegen drückt er Forderungen oder Wünsche gegenüber dem Empfänger aus (bitten, auffordern, befehlen, fragen). Durch kommissive Sprechakte verpflichtet sich der Sender gegenüber dem Empfänger zu bindenden Handlungen (versprechen, vertragliche Verpflichtungen eingehen). Die zuvor dargestellte Reihenfolge der drei Sprechakte repräsentativ – direktiv – kommissiv lässt sich chronologisch auf die Propa­ gandakommunikation übertragen  : Jeder Produzent eines Propagandatexts macht zunächst Aussagen über die Welt, für die der Wahrheitsanspruch erhoben wird (repräsentativer Sprechakt), dann fordert er die Empfänger zu bestimmten Handlungen auf (direktiver Sprechakt), an deren Ausführung oft indirekte oder direkte politische, militärische, wirtschaftliche oder gesellschaftliche Versprechungen 350 Grundlegend siehe Angelika Linke/Markus Nussbaumer/Paul R. Portmann, Studienbuch Linguistik. Tübingen  : 52004, 217–219. 351 Die Pragmalinguistik untersucht, welche Sprachhandlungen ein Sprecher verwendet, um mit einem Sprechakt eine gewünschte Wirkung zu erzielen. Jede Form von sprachlicher (linguistischer) Kommunikation, die darauf abzielt, das Gegenüber bzw. den Adressaten (pragmatisch) zu einer bestimmten Handlung – etwa zum Öffnen eines Fensters oder zum Wählen einer politischen Partei – zu bewegen, kann als pragmalinguistisch bezeichnet werden. Siehe grundlegend J.L. Austin, How to do things with Words. The William James Lectures delivered at Harvard University in 1955. Oxford  : 1962.



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11a Der verbalsprachliche Code (Detailausschnitt).

vonseiten des Propagandisten gekoppelt sind (kommissiver Sprechakt). Indem ich nun diese drei Sprechaktklassen auf unser Poster übertrage, soll gezeigt werden, was der schriftliche und der bildliche Code in kommunikativer Hinsicht jeweils zu leisten imstande sind und wie sie von Koerner zusammengefügt wurden. Beginnen wir zunächst mit dem Textteil und den schriftlichen Signifikanten352 Save waste fats for explosives und TAKE THEM TO YOUR MEAT DEALER. Schon auf den ersten Blick wird hier ersichtlich, dass das Plakat nur als Gesamtkomposition seine volle Wirkung entfaltet. Würde man diese beiden Sätze alleine und ohne Unterstützung durch Bilder im Raum stehen lassen, so wäre der propagandistische Effekt wohl sehr bescheiden. Dennoch werden wir zunächst den visuellen Code nicht beachten und nur den verbalen, i. e. schriftlichen, Code auf die drei für uns relevanten Sprechaktklassen hin untersuchen. Die Signifikanten waste fats, explosives und meat dealer können als repräsentative Sprechakte definiert werden. Der Sender gibt für den Empfänger über die Existenz dieser Dinge und Personen Auskunft und hält allein durch deren Erwähnung fest, dass diese existieren (»Es gibt altes Speisefett«, »Es gibt Sprengstoffe« usw.). 353 Die Signifikanten save (!) und take (!) leiten hingegen in propagandistisch-handlungsleitender Absicht direktive Sprechakte ein (»Bewahre das alte Fett auf  !«, »Bring es zum Fleischer  !«). Der verbale Code, in unserem Fall also etwa der unmissverständliche Imperativ save (!), hat die Aufgabe, die Gesamtbotschaft des Textes mental zu verankern und die Vieldeutigkeit der Bilder zu entschärfen. Ohne entsprechende Texterklärung könnten Bilder nämlich oft missverständlich gedeutet werden.354 Sollte ein Interpret nicht in der Lage sein, die Bilder richtig zu deuten, hilft die sprachliche Klarheit des Textes weiter. Die direktive Botschaft wird durch möglichst einfache Textformulierungen wie for explosives unterstützt. 352 Signifikanten sind Schrift- oder Bildsymbole, die für einen bestimmten sprachlichen Inhalt, genannt Signifikat, stehen. Ersterer gilt als das Bezeichnende, Letzteres als das Bezeichnete. 353 In der Sprachwissenschaft wird dies auch als Existenzpräsupposition bezeichnet. 354 Eco, Semiotik, 271.

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Sind die ersten beiden für unsere Analyse bedeutenden Sprechaktgruppen (repräsentativ und direktiv) auf der schriftlichen Ebene klar identifizierbar, verhält es sich mit den kommissiven (»versprechenden«) Sprechakten schon anders  : Das einzige Versprechen, das im Textteil an die beiden Handlungsaufforderungen (»Küchenfett aufbewahren und zum Fleischer bringen  !«) gekoppelt ist, ist die Signifikantenkette for explosives. Die kommissive Aussage lautet  : »Wir werden aus altem Öl/Fett Sprengstoffe machen«. Die im Normalfall bereits durch unzählige andere Propagandatexte zum Thema »Fett-Sparen« informierte Empfängerin konnte also innerhalb kurzer Zeit schlussfolgern, dass durch das Sammeln von Küchenfett die Rüstungsproduktion der USA erhöht und der Krieg dadurch wohl verkürzt werden würde. Doch war dies ein sehr abstraktes und indirektes Versprechen, das zwar auf den Beitrag der angesprochenen Hausfrau und Bürgerin zum Kriegsgewinn hinwies,355 das ihr aber wenig direkten »Nutzen« bot. Würde man allein auf die Schrift als Propagandamittel vertrauen, regte dieses Propaganda­ versprechen wohl kaum die Fantasie der Betrachterin an. Die Front mit ihren Haubitzen und explodierenden Sprengkörpern war von den amerikanischen Küchen und vom Vorstellungsvermögen der Zivilistinnen und Zivilisten in der Heimat weit weg. Wenn man sich das spektakuläre Bild mit den fliegenden Sprengkörpern und der Bratpfanne wegdenkt, verspricht die nüchtern-technizistische Formulierung for explosives der eigentlichen Zielperson, also der amerikanischen Hausfrau, in emotionaler oder materieller Hinsicht nichts Greifbares oder Vorteilhaftes. Mit dem schriftlichen Code konnte Koerner daher das Propaganda­ thema erläutern und vorstellen sowie den vom OWI erstrebten Handlungsappell darlegen, doch er konnte damit keine glaubwürdigen Versprechen machen, keine positiven Emotionen hervorrufen, keine »Konzeptionen des Wünschenswerten« entwerfen.356 Hier leistet nun der bildliche Code als emotionsfördernde Ressource und »semiotische[r] Partner« der Schrift357 Abhilfe. Kommen wir daher zum Bildteil in unserem Poster. Betrachtet man diesen unabhängig vom sprachlichen Code, wird schon auf den ersten Blick klar, welches persuasive Potenzial diese Bildkomposition aufweist. Da in der Regel ohnehin zuerst der visuelle Code betrachtet und erst dann die Schrift gelesen wird, steht und fällt ein Plakat mit der Kraft seiner Bilder und würde ohne die »Aufmerk355 Durch das Versprechen »Wenn altes Küchenfett gesammelt wird, dann wird daraus Sprengstoff« wird ein kausales Verhältnis zwischen dem »direktiven Antezedens« (Fett sammeln und abgeben) und dem »kommissiven Sukzedens« (Fett mutiert zu Sprengstoff und hilft, den Krieg zu gewinnen) hergestellt. 356 Karmasin, »In illo tempore«, 73. 357 Ulrich Schmitz, »Sehflächenforschung. Eine Einführung«, in  : Diekmannshenke et al., Bildlinguistik, 23–42, hier 30.



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11b Der bildsprachliche Code (Detailausschnitt)

samkeit und Interesse aktivierende Funktion« dieser visuellen Elemente358 in den städtischen Plakatwäldern einfach untergehen. Auch wenn er keine wissenschaftlich plausible Erklärung für seine positive Meinung zu diesem Poster gibt, ist Terrence Witkowski beizupflichten, wenn er den Bildteil in unserem Plakat als »stunning visual connection between the kitchen, represented by a well-mani­ cured female hand pouring a stream of fat from a frying pan, and actual hostilities, epitomized by a veritable explosion of bullets, bombs, and shells« bezeichnet.359 Diese »atemberaubende« Bildkomposition baut auf einer klaren Botschaft bei einer gleichzeitig rätselhaften Bildsprache auf. Warum ist dieses Bildmotiv rätselhaft  ? Nun, betrachtet man zunächst nur das Bild, so erschließt sich der Sinnzusammenhang zwischen einer Bratpfanne und fliegenden Sprengkörpern erst durch einen Interpretationsakt, der dem Betrachter eine gewisse kognitive Leistung abverlangt. Spätestens mit dem Lesen des Schriftteils löst sich jedoch diese Rätselspannung und der Leser bzw. die Leserin wird über das Thema des Posters aufgeklärt. Die meist als »spannend« empfundene Zeitspanne zwischen der an358 Nina Janich, Werbesprache. Ein Arbeitsbuch. Tübingen  : 22001, 129 f. 359 Witkowski, »World War II«, 75.

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fänglichen Verwunderung und dem anschließenden »Aha-Effekt« garantiert die Aufmerksamkeit des Empfängers. Vergleichbar ist dies mit den postmodern-ironischen Wortspielen in der zeitgenössischen Werbung. Gerade weil dem Großteil der angesprochenen Hausfrauen die Kampagne zum Fettsparen bereits aufgrund vieler Regierungskampagnen bekannt war, verleiht diese Rätselspannung dem Plakat einen hohen Neuigkeitswert. Dieser ergibt sich weniger aus seinem Inhalt, sondern mehr aus seiner expressiven und wuchtigen Ästhetik. Die mit suggestiven und spektakulären Motiven arbeitende Bildmontage, die Öl aus einem amerikanischen Haushalt in die Bomben und Projektile der amerikanischen Streitkräfte fließen lässt, macht aus der drögen Botschaft »Spare Fett zugunsten der Kriegsanstrengung« einen dramatischen Handlungsaufruf. Im bildlichen Teil sind folgende Bildsymbole bzw. Signifikantenketten erkennbar  : woman’s hand, frying pan, waste kitchen oil, explosion, explosives (bombs/rockets/ shells/bullets) und (to) pour. Ähnlich wie im Schriftteil erfüllen diese Signifikanten auch im Bildteil direktive und kommissive Sprechaktfunktionen, auf die wir noch näher eingehen werden. Interessant ist zunächst, dass Koerner im Bildteil einige Signifikanten des Schriftteils, wie waste fats oder explosives, noch einmal aufgreift und bildlich darstellt, während er andere nicht verbildlicht. Eine solche bildsprachliche Spezifizierung des Texts nimmt Koerner vor, indem er den im Textteil erwähnten Schriftzug Save waste fats for explosives auch bildlich darstellt, ihn also dupliziert. Damit die Grundbotschaft des Sujets von der Betrachterin verinnerlicht wird, musste er jedoch eine semiotische Brücke zwischen dem Altöl und den explosives schlagen. Ein interessantes Detail ist hierbei, wie gezielt er zu diesem Zweck mit der Farbgebung operierte. Da die Bildsignifikanten waste kitchen oil und explosion eine gelbliche Farbe haben und auch typografisch in gelber Farbe dargestellt werden, gehen die gelben Bild- und Schriftsignifikanten waste fats und explosives eine »kohäsive« Verbindung ein. Die Typografiegestaltung als »paraverbale semiotische Ressource«360 sorgt hier also dafür, dass die Botschaft über mehrere Sinnesebenen (»multisensorisch«) kommuniziert wird und die daran gekoppelte Propagandaaussage »Das gelbe Fett und die gelbe Explosion gehören zusammen  ! Sorg dafür, dass sie zusammenkommen  !« noch eindringlicher wirkt. Neben den erwähnten Textelementen, die sowohl im Schrift- als auch im Bildteil dargestellt werden, treten nun im Bildteil aber auch einige neue, zuvor nicht erwähnte Signifikanten in Erscheinung. So ist rechts oben etwa eine im Schriftteil nicht angesprochene Frauenhand zu sehen, welche eine ebenfalls nicht erwähnte Bratpfanne mit Speiseöl festhält, während in der Bildmitte die im Schriftteil erwähnte Explosion stattfindet. Mit der Frauenhand – die metony360 Hartmut Stöckl, »Sprache-Bild-Texte lesen. Bausteine zur Methodik einer Grundkompetenz«, in  : Diekmannshenke et al., Bildlinguistik, 45–72, hier 45.



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misch für alle amerikanischen Hausfrauen an der Home Front steht361 – teilt der Zeichner den amerikanischen Rezipientinnen konkret mit, welcher Empfängerkreis sich direktiv angesprochen fühlen soll (»Hausfrau, bewahre du das alte Fett/ Öl in der Bratpfanne auf, es werden Bomben und Raketen daraus gemacht  !«). Damit wird eine Verbindung zwischen dem geschriebenen Verb save (!) und dem abgebildeten Verb (to) pour hergestellt. Die Hausfrau soll also das Altöl nicht einfach weg-, sondern in etwas hineinschütten. Dieses Etwas sind die explosives, welche man so dringend für den Krieg brauchte. Die Bratpfanne in der Hand der Hausfrau wird dadurch zur kriegswichtigen Waffe stilisiert. Nachdem die Adressatinnen von Koerner unter Zuhilfenahme der Macht der Bilder direktiv angesprochen worden sind, wird ihnen im Bildteil ein attraktiv erscheinendes kommissives Propagandaversprechen gemacht. Dieses Versprechen beruht eher auf Emotion, nicht auf Logik oder Vernunft. An diesem Punkt zeigt sich nun eindeutig, dass der Bildteil in diesem Poster den Textteil nicht bloß ­illustrierend begleitet, sondern dass der bildliche Code wichtige kommunikative Aufgaben übernimmt, die die Sprache allein nicht wahrnehmen kann. Dem Gebrauchs- und Werbegrafiker Koerner war bewusst, dass der visuelle Code unter teilweiser Zuhilfenahme von paraverbalen Codes wie der Typografie es wesentlich mehr als der schriftliche Code vermag, einerseits interpretationssteuernd zu wirken und andererseits »den rationellen Diskurs zu untergraben und durch eine emotionale Logik zu ersetzen.«362 Jenes Konzept, das sich nahe an der Lebenswelt einer durchschnittlichen Rezipientin befindet und einen starken »emotional pull« hervorruft,363 wird also gezielt mit dem Code des Bildes veranschaulicht. So weist die nur im Bildteil vorkommende Frauenhand nicht nur in physischer Hinsicht die größte Nähe zur Empfängerin364 auf, sondern auch in emotionaler  : »Das ist meine Hand, das bin ja ich  !« Ein im Plakat ebenfalls erwähntes Konzept, das ihr örtlich nicht so nahe ist wie ihre Hand bzw. wohl auch keine besonderen Emotionen bei ihr hervorruft, ist der meat dealer. Da dieser keinen emotionalen Wert für die Rezipientin besitzt, wird er von Koerner ausschließlich mit der Schriftsprache dargestellt. Durch einen Dekodierungsprozess, der sich aus der zuvor beschriebenen Wechselseitigkeit von Sprache und Bild ergibt, gelangt man zur Erkenntnis, in welchem Verhältnis die nahen (home), die fernen (front) sowie alle anderen Elemente dieser Sehfläche zueinander stehen. 361 Ähnlich Eco, Semiotik, 273 f. 362 Rolf Felbinger/Katja Scherl, »›Flieger sind Sieger  !‹ Konstruierte Erlebniswelten in der Populärkultur des Nationalsozialismus«, in  : Gries/Schmale, Kultur der Propaganda, 119–165, hier 133. 363 Bird/Rubenstein, Design, 48. 364 Frau und Hand sind hier eine Einheit, stehen also in einem isomorphen Verhältnis zueinander.

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Wie sehen nun die bereits angesprochene emotionale Logik des Bildlichen und das dadurch getätigte – und schließlich eingelöste – kommissive Versprechen an die amerikanische Hausfrau konkret aus  ? Zur Beantwortung dieser Frage ist zunächst ein Blick auf die Vereinfachungsfunktion des bildlichen Codes nötig. Bevor der Zeichner der Hausfrau die abstrakte Thematik der Kriegsrüstung auf aufrüttelnde Weise näherbringen konnte, musste er dafür sorgen, dass die eigene Botschaft klar verständlich ist. Dazu braucht es einen direkten, unmittelbar wirksamen Appell an die Betrachterin.365 So versuchte Koerner im Bildteil alles, was am Produktionsvorgang von Sprengstoffen und am Krieg selbst abstrakt und alltagsfern erschien, vereinfachend darzustellen, auszublenden oder – soweit möglich – mit positiven Emotionen aufzuladen. In einer OWI-Direktive, die 1943 ausgegeben wurde, konnten die Propagandakünstler hierzu lesen  : The keynote of a good poster is simplicity  ; simplicity in subject, simplicity in design and composition, simplicity in lettering. Don’t try to express more than one idea in a poster  : if you have other ideas, make other posters. Be specific and direct  ; tell people what they should do rather what they should not do.366

In Kriegspostern fällt Bildern nun die Aufgabe zu, die Komplexität von sprachlichen Inhalten entsprechend der Trias Übersichtlichkeit, Einfachheit und Einprägsamkeit zu reduzieren. »Bilder«, so Ulrich Schmitz, »stellen Realität so dar, als weise sie keine sehr komplexe innere Struktur ihrer Bestandteile auf.« 367 Obwohl Koerners Poster es nicht so kommuniziert, ist die Kriegsproduktion von Sprengkörpern auf der Basis von altem Haushaltsfett ein komplexer Vorgang. Das Fett musste im Haushalt zunächst säuberlich von anderen Essensabfällen getrennt und anschließend zum Metzger oder diversen Sammelstellen gebracht werden. Von dort wurde es an die Produktionsstätten für Munition und Sprengkörper weitergeleitet, um mit einem technisch komplizierten Verfahren zu Glyzerin verarbeitet zu werden. Danach musste das fertige Produkt, also die Sprengkörper, Projektile, Raketen, Granaten und Bomben, mit großem logistischem Aufwand an den Kriegsschauplatz befördert werden, um schließlich seine »Sprengkraft« zu entfalten. Doch von all diesen Zwischenstationen des Öls/Fetts erfährt die Hausfrau, welche Koerners Plakat betrachtet, nichts. Der im Schriftteil noch erwähnte Signifikant meat dealer wird im Bildteil ebenso wie der komplizierte Produktionsprozess ausgeblendet. Vielmehr stellt das von der 365 Vgl. Zeman, Selling the War, 7. 366 OWI Graphic Division, Bulletin for Graphic Specialists (undatiert, i. e. 1943). NARA, RG 208, E 6A, B 1  ; ähnlich Welch, Propaganda, 96. 367 Schmitz, »Sehflächenforschung«, 35.



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Bratpfanne direkt zur Explosion bzw. den fliegenden Sprengkörpern fließende Öl eine wortwörtliche Verschmelzung der beiden Konzepte home und front (i. e. homefront) dar, welche stark komplexitätsreduzierend wirkt. Gleichzeitig ist das Poster auch ein bisschen geheimnisvoll  : Da etwa die Hausfrau nicht im Schriftteil, sondern nur über die bildliche Ebene direkt angesprochen wird und diese Botschaft nur mithilfe einer gewissen geistigen Anstrengung verstanden werden kann, entsteht die bereits erwähnte spielerische Rätselspannung, die dem Poster auch eine intellektuelle »Attraktivitätsfunktion« verleiht.368 Indem Henry Koerner und andere Künstler, die dieses Bild in ähnlichen Plakaten aufgegriffen haben, suggerierten, dass man als Hausfrau das alte Öl aus der Bratpfannne direkt in die fliegenden Bomben und Projektile füllen könne, inszenierten sie die Hausfrau als machtvolle Akteurin, die Fett innerhalb weniger Sekunden in Bomben verwandelt – die Frau wird quasi aus der Küche direkt an die Front katapultiert. Der amerikanischen Hausfrau wird vermittelt, dass der Krieg von ihr wesentlich beeinflusst bzw. sogar gesteuert werden kann und dass die (durch die Explosion im Bildteil veranschaulichte) »Sprengkraft« des Küchenfetts in ihren Händen – und nicht nur in den Händen des Fleischhauers, der Rüstungsindustrie und der kämpfenden Truppe – liegt. Die Hausfrau, die im Krieg militärisch gesehen keine aktive, sondern eine lediglich unterstützende Rolle innehatte, wird daher zur aktiven Kriegerin stilisiert (»empowerment«). Hier ist es nun, das kommissive Versprechen an die Rezipientin. Ihr wird durch die ebenso einfache wie emotionalisierende Bildsymbolik versprochen, dass ihr persönlicher Beitrag zur Kriegsanstrengung wertvoll sei  : The woman who cooked for the family, now enrolled as an officer to fight the war in the kitchen […].369

Die innerhalb der sozialen Hierarchie der USA symbolisch aufgewertete Frau370 scheint mit der Bratpfanne eine Art Zauberstab in der Hand zu haben, mit dem eine wundersame Flüssigkeit herbeigezaubert wird, die den Krieg zugunsten der USA entscheiden kann. Die metaphysisch überhöhte Metapher des Zauberstabs (wenn der Bildsignifikant Bratpfanne mit Öl vom weiblichen Zauberer aktiviert wird, dann werden daraus Raketen und Bomben entstehen) hebt die Hausfrau 368 Janich, Werbesprache, 129 f. 369 Ward, Produce and Conserve, 105. 370 Ein von der OWI Surveys Division 1942 erstellter Bericht behauptet, dass die amerikanische Bevölkerung bereit gewesen sei, staatlich verordnete Opfer zugunsten der Kriegswirtschaft in Kauf zu nehmen, wenn die Lasten nach dem »equality of sacrifice«-Prinzip sozial gerecht auf verschiedene Gesellschaftsschichten verteilt wären. Jones, OWI and Public Opinion, 241 f.

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in eine fast gottähnliche Position, sie scheint imstande, ex nihilo etwas zu schaffen, das einerseits dem (Ehe-)Mann im Schützengraben, andererseits der ganzen US-Kriegsgesellschaft zugutekommt. Dieses kommissive Versprechen an die Hausfrau lässt sich daher in Anlehnung an die Werbelinguistik auf eine »vorstellungsaktivierende« Gestaltung des Plakats zurückführen.371 Hier geht nun Koerners Kunststil eine Synthese mit der Propagandarhetorik des OWI ein. Er kombiniert in diesem Plakat eine eigenwillige Form des Realismus mit dem ihm so oft zugeschriebenen Konzept der Magie, ohne jedoch auf die von seinen Auftraggebern geforderte Klarheit der Botschaft zu verzichten. Sein Plakat weist, angefangen von den düsteren Farbtönen und Schattierungen bis hin zur sehr expressiven und perspektivisch gelungenen Veranschaulichung der explosives, eine hohe ästhetische Qualität auf. Stellt man seinem Propaganda­ poster etwa die zahlreichen anderen, künstlerisch weniger gelungenen OWI-Plakate zum Thema Fett-Sparen gegenüber, so zeigt sich, dass Letztere in der Regel wesentlich kitschiger und oberflächlicher gestaltet waren. Sie waren zwar leicht verständlich, besaßen aber nicht dieselbe dramaturgische Intensität und Eindringlichkeit. Im Gegensatz zu Koerners Darstellung vermochten die sehr oft in einer naiven, ja sogar infantilen Bildsprache gehaltenen Mainstream-Arbeiten anderer OWI-Künstler daher weder eine aufmerksamkeitsfördernde Rätselspannung zu erzeugen noch einen ästhetischen Mehrwert zu schaffen. Obwohl Koerner die Vorgaben und Konventionen der Auftraggeber respektierte (eine Plakatbotschaft soll binnen weniger Sekunden verstanden werden können), versuchte er mit seiner dramatischen Verschmelzung von Heimat und Front den Betrachterinnen einen gewissen Spannungsbogen und einen »Wow  !«-Moment beim Ansehen des Plakats zu ermöglichen. Neben dem hohen Avantgardefaktor, den Koerners Plakat bietet, ist auch seine hohe Glaubwürdigkeit in Bezug auf die Thematisierung des Krieges zu erwähnen. Das Plakat, das als eines der überzeugendsten und gelungensten US-Propagandaplakate des Zweiten Weltkriegs gilt,372 vermittelte trotz oder gerade wegen seiner »dunklen« und symbolisch aufgeladenen Bildsprache auch so etwas wie Authentizität. Dies zeigt sich etwa an der Frauenhand in Koerners Plakat. Der vom jungen Henry Koerner in Wien eifrig gelesene E.T.A. Hoffmann erwähnt in seiner Erzählung Das öde Haus eine mysteriöse, edle Frauenhand, die aus der Fensteröffnung eines verwunschenen Hauses herausragt und den Betrachter ebenso verwirrt wie fasziniert.373 Die »well-manicured female hand«374 in Koern371 Janich, Werbesprache, 130. 372 Vgl. Ward, Produce and Conserve, 174. 373 E.T.A. Hoffmann, Nachtstücke. Stuttgart  : 1990, 164 f. 374 Witkowski, »World War II«, 74.



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ers Bild mag zwar sehr gepflegt sein, sie ist im Gegensatz zu vergleichbaren Postern375 jedoch knorrig und länglich gehalten, noch dazu ist ein Teil überhaupt im Dunkeln verborgen. Sie wirkt fast ebenso mysteriös wie die Hand in Hoffmanns Erzählung. Lange Schatten, Explosionen, wohlgeformte und gleichzeitig mysteriöse Frauenhände, die aus dem Dunkeln hervorragen – das alles ergibt eine latent beklemmende Szenerie, deren Zustandekommen wohl eng mit der morbiden Vorstellungswelt und der kulturellen Prägung des Zeichners zu tun hat. Damit wurde Koerner, der laut eigener Aussage jede Form von »romantic shit« zutiefst verachtete,376 der harten und schattenreichen Kriegsrealität gerecht. Koerners Bild lässt auch an der »Heimatfront«, wo gearbeitet, rationiert und gespart wird, etwas von der Düsternis des Jahres 1943 spüren. Koerner wollte den Krieg nicht trivialisieren und wurde damit der Forderung eines Journalisten der Washington Post gerecht, welcher der Meinung war, »daß es endlich an der Zeit sei, die Bevölkerung wie Erwachsene zu behandeln und ihr das wirkliche Bild des Krieges zu präsentieren.«377 Denn der Krieg war nicht »rosafarben«, er war dunkel, hart, brutal. Durch die dramatische Schwere und Dunkelheit ihres Umfelds lässt Koerner die Frau, zu der die Hand gehört, mit der realen Dunkelheit, Härte und Derbheit des Soldatenalltags so verschmelzen, wie er sie durch den Ölstrahl physisch mit den Bomben und Projektilen zu verbinden scheint. Die suggestive Farbenkraft des Sujets öffnet ein großes assoziatives Feld für die Betrachterin  : Ist es vielleicht just der Ehemann der Abgebildeten, der im Moment der Plakatbetrachtung im »shit« hockt und gerade einsilbig fluchend378 seine wertvollen explosives, die er (auch) der Frau mit der Pfanne zu verdanken hat, auf den Feind abfeuert  ? Die am Ende der hier veranschaulichten Verwandlung von Altöl zu Sprengstoff stattfindende Explosion wird von Koerner als lichtbringender und erlösender Moment (Fiat lux  !) inszeniert. Der im Poster dargestellte Bomben- und Kugelhagel steht also für den militärischen Triumph der Nation. Ein negativ besetztes Konzept wie Gewalt wird umgedeutet, ohne die Schattenseiten des Krieges zu verschweigen oder »weichzuzeichnen« (wie das so manche Kollegen von Koerner taten). Koerners Poster wird der Kriegsrealität hingegen eher gerecht. In gewisser Weise war er der Zeit voraus. Wenige Monate nach der Veröffentlichung 375 Exemplarisch für diesen naiven und schönfärberischen Zugang ist das OWI-Poster von W. Richards mit dem Titel  : »Housewives  ! SAVE WASTE FATS FOR EXPLOSIVES«, in  : http://library. umkc.edu/spec-col/ww2/posters/poster13.htm (letzter Zugriff  : 3.4.2012)  ; die Werbeexperten von Young & Rubicam haben genau dieses Bild in ihrem 1942 erschienenen Handbuch für die Grafiker im Dienste der Regierung als Ideal für verständliche und zielgruppengerechte Bildpropa­ganda präsentiert. Koerner hielt sich kaum an derartige Vorgaben. 376 Interview H. Koerner, 12.12.1978. 377 Elter, Kriegsverkäufer, 85 f. 378 Vgl. Georg Stefan Troller, Selbstbeschreibung. München  : 21991, 202 f.

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Österreicher im Office of War Information (OWI)

12 OWI-Plakat von Henry Koerner, das patriotische Gefühle wecken und zum Fang und Konsum von Fisch anregen sollte, 1943.

seines Plakats, im September 1943, erlaubte und förderte die Regierung erstmals die Veröffentlichung von Bildern, die auch die Schrecken und die Brutalität des Krieges zeigten  : »They inched closer to a depiction of ›real war‹«.379 Auch weitere Arbeiten aus Koerners OWI-Periode strahlen denselben harten und gleichzeitig magischen Realismus aus. Die bereits mehrmals thematisierte kulturelle und biografische Prägung des Exil-Wieners Henry Koerner dürfte auch beim Poster UNITED we are strong, das die militärische Potenz der alliierten Gegner Hitlers nahezu wortwörtlich veranschaulicht, eine Rolle gespielt haben. Das Poster steht nicht nur für die für Koerner so typische Mischung aus wuchtigem Realismus und (freudianischem) Symbolismus, sondern weist Parallelen zu einem Plakat von Victor T. Slama, 380 seinem ehemaligen Arbeitgeber in Wien, auf. Neben der Zerstörungskraft der 379 Horten, Radio, 9. 380 Siehe hierzu das KPD-Plakat »Wählt Kommunisten  !«, Plakate 1880–1990, Plakatkatalog 12, Nr. 50–61, Politische Plakate 1928–1930, in  : http://www.plakatkontor.de/images/malsov 1928panzerkreuzer12293.jpg (letzter Zugriff  : 3.4.2012).



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13 OWI-Poster von Henry Koerner, 1943.

Kanonenrohre betont Koerner dabei im Sinne der »positive imagery« der OWI-­ Inlandskampagnen vor allem das Gemeinsam-Handeln unter Einschluss der Sowjetunion. Im Sommer 1943 kürzte der konservativ dominierte Kongress – in der Wahrnehmung vieler republikanischer Politiker war das OWI eine Roosevelt-hörige New-Deal-Werbeagentur – die Budgetmittel für das OWI, vor allem für dessen Inlandsabteilung, massiv.381 Die Graphics Division war somit zu einer Art Koordinationsbehörde degradiert worden, die nur mehr eine Handvoll eigener Zeichner und Grafiker beschäftigte. Die Werbeexperten hatten sich im Bereich der Inlandspropa­ganda durchgesetzt und bis Kriegsende die führende Rolle bei der Gestaltung von Postern und anderen Bereichen der Kriegsinformation übernommen  :

381 Die Domestic Branch des OWI wurde erheblich geschwächt, sodass 1944 nur rund 10 % des OWI-Budgets für die Heimatfront-Propaganda zur Verfügung gestellt wurde. Braverman, Homecoming, 64.

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To the same degree that the »dollar-a-year-men« – business leaders recruited for government work during World War II – had taken over the W[ar]P[roduction]B[oard] and other economic agencies, they also captured the propa­ganda apparatus by 1943. […] The OWI was officially depoliticized, no longer disseminating high-minded politi­ cal appeals that might favor specific political ideals and civic duties. It was now in the hands of advertisers and their corporate clients, who would inscribe this propa­ganda with private, commercial, and – supposedly – apolitical appeals.382

Obwohl er mit seiner eher unpolitischen, pragmatischen und durchaus »werbefreundlichen« Zugangsweise diesen Trend vorweggenommen hatte, wurde Henry Koerner, wie die meisten seiner Kollegen, aus dem Dienst für die Regierung entlassen. Laut den »Efficiency Reports« und Beurteilungen seiner Vorgesetzten war die Qualität von Koerners Arbeiten in der kurzen Zeit im OWI jedoch hoch.383 1.3.4 »Again, things were made possible for me« – Soldat, Geheimdienstfotograf und Zeichner bei den Nürnberger Prozessen

Nachdem das OWI Koerners Dienste nicht mehr in Anspruch nehmen konnte, wurde er zum Wehrdienst einberufen und trat im August 1943 als Private in die US-Armee ein.384 Nach dem infanteristischen Basic Training – es war nicht seine erste militärische Ausbildung385 – durchlief er im Engineer Replacement Training Center (ERTC) in Fort Belvoir, Virginia, eine etwa zweimonatige und mit einigen Härten verbundene Ausbildung zum »Combat Engineer«386, die neben Pionierdienst auch spezialisierte Tätigkeiten wie Aufklärung beinhaltete.387 Während der Zeit in der Kompanie D des 7th Engineer Training Battalion hatte der erfolgsverwöhnte Grafiker laut seinem Sohn auch intensiven Kontakt »with 382 Horten, Radio, 7. 383 OWI Report of Efficiency Rating for H. Koerner, vom 14.1.1943 bis 31.3.1943. OWI Personnel File Koerner. 384 US Army WW II Enlistment Record of Henry Koerner, ASN 42032874, in  : NARA, RG 64, https://aad.archives.gov/aad/index.jsp (letzter Zugriff  : 15.9.2010). 385 Koerner hat in Österreich eine »vormilitärische Ausbildung« erhalten. Czaplicka, Emigrants, 316  ; in der Zeit des »austrofaschistischen« Ständestaats fand diese Ausbildung in den »Knabenschulen« vor allem »im Rahmen des Turnunterrichtes, an Wandertagen und an Freiluftnachmittagen« statt. Werbeanzeige für das Buch Vormilitärische Jugenderziehung von Karl Koske in  : Die Österreichische Schule, Jg. 1936, H. 3, unpaginierter Reklameteil. 386 Interview H. Koerner, 12.12.1978. 387 Siehe Paul K. Walker »The Engineer Replacement Training Center, Fort Belvoir, Virginia«, in  : Barry W. Fowle (Hg.), Builders and Fighters  : U.S. Army Engineers in World War II. Fort Belvoir, VA  : 1992, 65–76.



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people far less educated than any he had encountered in Austria«.388 In einer Januarnacht des Jahres 1944, als Koerner mit einem jüdischen Kameraden gerade im verschneiten Shenandoah Valley biwakierte, vernahm er die Worte  : »Koerner pack your stuff, you’re moving out  !«389 Nachdem ihm in einer OSS-Sicherheitsüberprüfung Charakterfestigkeit und Kompetenz attestiert worden waren,390 hatte man ihn in die Zentrale des Kriegsgeheimdienstes OSS nach Washington, D.C. beordert. Er arbeitete dort als Entwerfer in der Presentation Division, welche Teil der sogenannten Field Photographic Branch des OSS war.391 Seine Versetzung von der Pioniertruppe zum Kriegsgeheimdienst erfolgte ohne Koerners Zutun, sondern über die Rekrutierungsbemühungen der Militärbürokratie und/ oder über persönliche Hinweise von Kunstschaffenden mit Beziehungen zum OSS. Er deutete diese für ihn vorteilhafte Wendung einmal mehr war als gottgewolltes Fatum  : »Again, things were made possible for me«.392 Am 21. Januar 1944 zum US-Bürger geworden,393 wurde Koerner nach London und später nach Kontinentaleuropa gesandt, wo er an der Seite des Essayisten und Lichtbildners Samuel Rosenberg als Kriegsfotograf im Dienstrang eines Technician 5th Grade394 tätig war.395 Der Transfer zum OSS und der Aufbruch zum europäischen Kriegsschauplatz bedeuteten für Koerner »a gigantic emotional […], mental and spiritual upheaval«, der aus ihm, dem »normal citizen«, eine laut Eigenaussage »abnormal person« machte  : Er ließ sein beschauliches und regelmäßiges Leben in den 388 Mitteilung J. Koerner, 13.3.2012. 389 Interview H. Koerner, 12.12.1978. 390 OSS Security Office, Investigation Report on H. Koerner to H. C. Barton, 25.10.1943. OSS Personnel File Koerner. 391 H. Koerner, Morning Report OSS HQ & HQ Detachment, Washington D.C., 10.1.1944 und OSS HQ & HQ Det., Special Orders, 11.1.1944. OSS Personnel File Koerner  ; die OSS Field Photographic Branch war unter anderem für die Produktion von Trainingsfilmen für die US-Armee und für Fotografien zuständig, erfüllte jedoch auch nachrichtendienstliche Aufgaben. So filmten und fotografierten die Mitarbeiter der Field Photographic Branch etwa die Kampfhandlungen der US-Armee in Europa und dokumentierten NS-Verbrechen in verschiedenen Konzentrationslagern. 392 Interview H. Koerner, 12.12.1978. 393 W. Carmine, US Army HQ Fort Belvoir, to OSS Washington, on Naturalization of Pvt. H. Koerner, 2.2.1944. OSS Personnel File Koerner. 394 Ein Technician 5th Grade ist ein mit dem Corporal vergleichbarer Dienstrang, den Soldaten mit speziellen »technical skills« bekleideten. Joseph Koerner und Czaplicka behaupten, dass Koerner zu dieser Zeit bereits Lieutenant Colonel, also Oberstleutnant, gewesen sei. Koerner, »Unheimliche Heimat«, 146  ; Czaplicka, Emigrants, 317  ; laut seinem OSS-Personalakt war Koerners höchster Rang nur ein Technician 4th Grade. 395 »OSS Artist Henry Koerner Celebrated«, in  : The OSS Society Journal, Summer/Fall 2010, 41  ; Interview H. Koerner, 12.12.1978.

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USA zurück, stürzte sich in seine neuen Kriegsaufgaben und entfremdete sich von seiner Frau, die mehr seine »nice paintings« als Werbegrafiker und weniger seine »verstörenden« neueren Gemälde und Arbeiten schätzte.396 Betrachtet man Koerners Schaffen im Lichte seiner langfristigen künstlerischen und persönlichen Entwicklung, so hat man den Eindruck, dass der Kriegsdienst für das OSS in Europa für ihn ein Mittel zur Selbstfindung und zur Flucht aus einem als langweilig empfundenen bürgerlichen Leben war. Das apokalyptische Szenario des Zweiten Weltkriegs kam seinem aktionistischen Erlebnisdrang und seiner »dunklen« künstlerischen Ader hierbei entgegen. Er deutete die Kriegsgeschehnisse, die er nun aus nächster Nähe erlebte, nicht nur als Abfolge von Katastrophen und Tragödien, sondern auch als spannendes Abenteuer und existenzialistische Herausforderung  ; als Chance, endlich »sein Ding durchzuziehen«, und zwar dort, wo es so »richtig abgeht«. War er noch 1943 gezwungen, sich die Kriegsmotive für seine OWI-Poster an einem Schreibtisch in New York auszudenken, befand er sich ein halbes Jahr später nun im Herzen des Krieges, am Puls des Geschehens, umgeben von realen explosives und echtem Soldatenblut – Koerner interpretierte dies später als eine Art Selbstverwirklichung. Ähnlich wie der Musiker und US-Soldat Marc Blitzstein unterstützte er die Kriegsführung der USA künstlerisch und war mit dieser regelrecht verschmolzen (»fused«).397 Koerners nachrichtendienstliche Aufgabe in Europa war es nun, »as a photographer the destruction of Germany and Austria« zu dokumentieren.398 Die nach dem Sieg über Hitlerdeutschland und dienstlichen Aufenthalten in Wiesbaden, Frankfurt und Berlin erfolgte Rückkehr in seine zerstörte Heimatstadt Wien war eine prägende Erfahrung für ihn, die er durch eine Reihe von Fotografien mit seiner (später verloren gegangenen) Leica-Kamera und mit tiefschürfenden Ölgemälden wie The Skin of Our Teeth zu verarbeiten suchte. In Bezug auf seine Arbeit in Europa und vor allem auf sein Eintreffen in Österreich sagte der Maler  : Reality had turned into surreality […] »normal« life into existentialism.399

396 Interview H. Koerner, 12.12.1978. 397 »Life in the service […] was ›exactly what I want, need for realization  : the chance to do my own work, fused into the stream of the most terryfing events of our time, and right at the field of operations  !‹« Marc Blitzstein, zitiert in  : Fauser, Sounds, 24. 398 »OSS Artist Koerner«, 41. 399 Taped Interview P. Chew with Henry Koerner. Retrospective Exhibition, Greenburg, PA  : Westmoreland County Museum of Art, 1971, zitiert in  : http://www.caldwellgallery.com/bios/koerner_biography.html (letzter Zugriff  : 10.4.2012).



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14 »There is no ounce of revenge« (H. Koerner, 1978) – Göring, Heß und Ribbentrop, von Henry Koerner bei den Nürnberger Prozessen gezeichnet.

In Wien fand er 1946 am Tabor nur mehr die Trümmer seines Elternhauses vor und erfuhr definitiv vom Tod seiner Eltern und seines Bruders.400 Während Koerner ab 1944 nebenher als bildender Künstler sehr produktiv war, erhielt auch seine Karriere innerhalb des Kriegs- bzw. Militärapparates neuerlichen Auftrieb. Im OSS-Personalakt wurde sowohl sein Charakter als auch sein soldatisches »efficiency rating« als »exzellent« eingestuft401 und von der Militärregierung in Deutschland wurde er im Herbst 1945 als Zeichner der Angeklagten der Nürn400 »I have seen enough of Vienna. Now I know what I must do. I must go to Am Tabor and be told that my mother and father are murdered. I will be told all the details. On the corner a grocery store was open – the only store spared on the whole street. Frau Busch stood at the door. It was she who told me what I had known all the time. Her voice was unmoved. It had an undertone of satisfaction, but tears formed in her eyes and rolled down her cheeks. A puff of wind blew through the broken building. I looked up to the room in which I was born. I loved and belonged to the empty space behind the torn curtain.« Henry Koerner, zitiert in  : »Henry Koerner (1915–1991)«, in  : http://chgs.umn.edu/museum/exhibitions/absence/artists/hKoerner/ (letzter Zugriff  : 17.7.2013). 401 OSS Extract of Service Record of H. Koerner. Letzte Eintragung vom 2.3.1945. OSS Personnel File Koerner.

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berger Kriegsverbrecherprozesse rekrutiert. »Even today, if I would see a Nazi I could not kick him«, sagte Koerner in Bezug auf seine Darstellung von NS-Größen wie Hermann Göring.402 Auch in diesem Stadium seines Kriegsdienstes ist bei Koerner kein ideologischer Antrieb erkennbar. Ebenso wenig war er als Jude daran interessiert, sich im Namen seiner Familie und seines Volkes an den Tätern zu rächen. Entschlossen, das menschliche Antlitz »immer so zu zeichnen, wie er es sieht«,403 stellte er die nationalsozialistischen Verbrecher ohne diabolische Züge dar. Es waren vorurteilsfreie Zeichnungen von scheinbar harmlosen Jedermännern, die »[d]urch ihr objektives schnappschußartiges Mis-en-page […] die Erwartungen derer, die glaubten, daß das Böse am Gesicht ablesbar sei oder daß Gefühle die Bewegungen des Stiftes beeinflussen sollten«, enttäuschten. 404 Dazu Koerner  : In drei Reihen saßen dort die Mörder meines Volkes. Einige waren Mitglieder der Regierung, die 1938 Juden auf die hügeligen Wiesen im Prater trieben, um die Erde zu waschen und Gras zu essen. Aber ich haßte sie nicht. Da saßen sie, fügsam und harmlos und sahen aus wie alle anderen Deutschen.405 1.3.5 Resümee

Durch seine bildnerischen Arbeiten für die Inlandssparte des Office of War Information und seine Tätigkeiten für die Film- und Fotografieabteilung des Office of Strategic Services hatte der dem Holocaust entronnene österreichische Jude Henry Koerner die Chance, gegen den Nationalsozialismus, der ihm seine Heimat und seine Familie genommen hatte, zu kämpfen. Koerner legte in den USA eine steile Grafiker- und Künstlerkarriere hin, die durch seine Propagandatätigkeit im Zweiten Weltkrieg noch weiter befeuert wurde. Er nahm seine Aktivitäten für die amerikanische Regierung jedoch nicht als ideologischen Kreuzzug, sondern als ästhetische Herausforderung wahr und versuchte – äußerst erfolgreich –, künstlerische Autonomie und intellektuellen Anspruch mit den handfesten Zielen politischer Propaganda zu vereinen. Die wohlwollende Reaktion auf seine OWI-Plakate, sowohl vonseiten der Auftraggeber als auch vonseiten der Kunstexperten und des Publikums an der amerikanischen »Heimatfront«, hat gezeigt, dass dieses ambitionierte Unterfangen über weite Strecken gelungen ist. 402 403 404 405

Interview H. Koerner, 12.12.1978. Koerner, »Unheimliche Heimat«, 18. Ebd., 24. Henry Koerner, zitiert in ebd.



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»Wer weiß, was die nächste Generation von Künstlern hervorgebracht hätte, wären Studenten wie der 22-jährige Henry Koerner nicht gezwungen gewesen, das Land zu verlassen […]  ?«, fragt John Czaplicka in der Einleitung seines Buchs über deutschsprachige Künstler im US-Exil.406 Diese Frage hat Gewicht, ist aber nicht leicht zu beantworten. Einerseits hat gerade Henry Koerners breites Œuvre gezeigt, dass der Exodus des Geistigen aus Österreich ein großes kulturelles und intellektuelles Vakuum hinterlassen hat. Andererseits bedeutet dies nicht, dass durchschnittliche Wiener Schüler vom Schlage eines Henry Koerner ohne die prägenden und existenziell bedeutsamen Erfahrungen wie NS-Herrschaft, Krieg, Holocaust und Exil in Österreich dieselbe Produktivität an den Tag gelegt hätten, wie sie es in den und für die USA getan haben. Auf dieses Paradoxon des Exils geht etwa der aus Österreich stammende US-Soldat und spätere Politologe Alfred Diamant, der im Rahmen der Invasion in der Normandie schwer verwundet worden war, ein. So fühlt sich der Exilant Diamant in seinen Memoiren ausgerechnet Adolf Hitler zu Dank verpflichtet  : [H]ow can I explain my transformation from an average academic performer in Vienna in the 1930s to a magna cum laude degree from Indiana University in 1947  ? Certainly emigration, the challenge of life in a different country, and World War II all shaped me in crucial ways. Perhaps I should be »thankful« to Adolf Hitler for having forced me out of my comfortable shell […] [and] for having liberated me from the confines of the Brunnengasse and for having opened an entire new world to me.407

Edward Said bietet mit seinem Konzept der »contrapuntal awareness« des Exils eine überzeugende Erklärung für die oft außerordentliche und auf den ersten Blick widersprüchlich wirkende Produktivität und Kreativität jener Menschen, die gezwungen wurden, ihre Heimat zu verlassen und in einem fremden Land bei null zu beginnen. So schreibt John D. Barbour in Anlehnung an Said, dass viele Exilanten nicht trotz, sondern wegen ihrer speziellen Lebensbedingungen und -erfahrungen (Verlust der Heimat, Entfremdung, Nomadentum und Randgruppendasein) so erfolgreich waren  :

406 Czaplicka, Emigrants, 34. 407 Ann Redmon Diamant/Alfred Diamant, Worlds Apart, Worlds United  : A European-American Story. The Memoirs of Ann and Alfred Diamant. Bloomington  : 2010, 199 und 128  ; vgl. Florian Traussnig, »›I should be ›thankful‹ to Adolf Hitler for having me forced out of my comfortable shell‹. Die spektakuläre Militärlaufbahn des exilösterreichischen G-2-Offiziers Alfred Diamant im Zweiten Weltkrieg«, in  : Alfred Ableitinger/Martin Moll (Hgg.), Licence to Detect. Festschrift für Siegfried Beer zum 65. Geburtstag. Graz  : 2013, 413–442.

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Being attuned to more than one culture can give the exile »contrapuntal« awareness of simultaneous dimensions of reality. Because an exile’s life is nomadic, decentred and lived on the periphery of the established order, he must create his own structures of meaning. In all of these ways, although exile is anything but a privilege or a pleasure, some positive things can come of it.408

Auch Annegret Fauser betont, dass gerade die Exilkünstler es gewohnt waren, einen Tick wendiger und einfallsreicher zu sein, um reüssieren zu können.409 Zahlreiche Angehörige der (jüdischen) Generation Exodus410 sahen in ihrem Schicksal weniger einen Fluch, sondern eine Chance. Anstatt der Vergangenheit und ihrem materiell eher privilegierten Leben in Österreich nachzutrauern, stellten sich Leute wie Koerner den Herausforderungen des Exils. Trotz ihrer von Verlust und Entfremdung geprägten Lebenserfahrung seien Exilanten wegen ihres multikulturellen und mehrsprachigen Hintergrunds in der Lage, in pluralistischeren, komplexeren und visionäreren Dimensionen zu denken, so Fauser.411 Henry Koerner hätte ohne das Erscheinen Hitlers, ohne Shoah, Krieg und Flucht in die USA vielleicht nie eine derartige Karriere hingelegt. Angesichts seiner jegliche Art von Widersprüchen und Paradoxien bejahenden Lebensphilosophie kann es nur auf den ersten Blick als Ironie des Schicksals wirken, dass Koerner erst im Exil zum »richtigen Künstler« heranreifte. War er anfangs nur Airbrush-Experte und bloßer »Kunsthandwerker«, entwickelte er sich gerade während der profanen Exiltätigkeit für die US-Kriegspropa­ganda zum anerkannten, »richtigen Künstler«  : [H]is work evolved, organically, into »art« under those conditions, and perhaps only under those.412

Er lebte also die Vieldeutigkeiten, Brüche und Ambivalenzen, die er in seine Bilder einfließen ließ, selbst vor. Ebenso unberechenbar und widersprüchlich wie seine Bilder war auch Koerners Künstlerleben. Vergleicht man etwa die in diesem Kapitel analysierten Propagandaposter Koerners miteinander, stößt man nicht nur auf smarte Bildsprache, künstlerische Kreativität und handwerkliches Ge408 John D. Barbour, »Edward Said and the Space of Exile«, in  : Literature and Theology, Vol. 21, Nr. 3, 2007, 293–301, hier 295. 409 Fauser, Sounds, 185. 410 Siehe hierzu Walter Laqueur, Generation Exodus. The Fate of Young Jewish Refugees from Nazi Germany. Hannover und London  : 2001. 411 Fauser, Sounds, 185. 412 Mitteilung J. Koerner, 13.3.2012. Koerner begann in dieser Zeit »in Eitempera, Gouache, Kasein und Öl zu malen«. Czaplicka, Emigrants, 317.



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schick, sondern einmal mehr auf Gegensätze  : Während er in seinem Antispionage-Poster Ende 1942 mit comichaften Darstellungen auf subtilen Humor und Ironie setzte, streichen das Save-Waste-Fats-Plakat und vergleichbare Arbeiten dunklere Seiten des Krieges hervor. Koerner vertraute bei der Gestaltung seiner Plakate auf seinen künstlerischen Genius und weniger auf institutionelle Vorgaben oder wissenschaftliche Effektivitätsstudien zur Propaganda. Er folgte, und hierbei gab ihm letztlich sein großer Erfolg als Propagandakünstler recht, keiner klaren thematischen oder methodischen Linie, sondern eher seiner Intuition und Vorliebe für Unberechenbares, Doppeldeutiges, Rätselhaftes. Vermutlich spiegelte Koerners Wesen genau jene Komplexität wider, welche den Menschen als gesellschaftliches Wesen auszeichnet. Und vielleicht fühlten sich die Mitglieder der amerikanischen Kriegsgesellschaft deshalb so sehr von seinen Plakaten angesprochen, weil er sich dieser conditio humana sowie der verstörenden und gleichzeitig anregenden Vielfältigkeit der Welt stellte. Die von existenzieller Dichte geprägten Jahre des Nationalsozialismus, des Exils und des Krieges waren nicht nur entscheidend für seine großen Erfolge in den Propagandaschmieden der Vereinigten Staaten, sondern auch für seinen späteren Werdegang als »magischer Realist«, »Expressionist« und »Surrealist«. Sosehr der Propagandist Koerner die Festlegung auf eine bestimmte ideologische Linie ablehnte, sosehr war der Künstler Koerner offen für verschiedene Stilrichtungen und die »doppeldeutige Fülle des Lebens«.413 Sowohl die Motive des Lichts als auch jene der Dunkelheit flossen in seine Arbeiten für das OWI, das OSS und die US-Militärregierung in Deutschland ein. Der von Kunsthistorikern oft bemühte Begriff der Magie mag in seinen Arbeiten empirisch nur schwer fassbar sein, emotional und atmosphärisch hingegen ist ein im Unheimlichen, Alltäglichen und Humorvollen verborgener Zauber stets präsent, stets greifbar. Koerner durfte nach dem Krieg insgesamt 64 Coverbilder des Time-Magazins gestalten414 und seine Propagandakunst erfreut sich bis heute ungebrochener Popularität. Er schlug in der Folge eine wechselvolle Karriere als Künstler in seinem neuen Lebensmittelpunkt, der Stadt Pittsburgh, ein. Bis zu seinem Tod 1991 – auf einer Radtour an der niederösterreichischen Donau wurde Koerner von einem Auto, dessen Insasse später Fahrerflucht beging, angefahren und starb wenige Wochen später415 – besuchte er regelmäßig Österreich und hielt sich oft in Wien, das ihm noch immer ein Ort der Inspiration war, auf. Obwohl er seiner Meinung nach vom Schicksal dafür bestimmt war, Wien zu verlassen, um in Amerika Karriere zu machen, wurde er laut Joseph Koerner in der Nachkriegszeit 413 Dembski, Paradigmen, 405. 414 »OSS Artist Koerner«, 41. 415 Koerner, »Unheimliche Heimat«,148.

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einer der intensivsten Porträtisten ebendieser verlorenen Heimatstadt. Sein ganzes Werk, so sein Sohn, sei letztlich vor allem eines gewesen  : [S]omething deeply viennese.416

416 Mitteilung von Joseph L. Koerner via E-Mail an den Autor, 6.3.2012.

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2.1 Machiavellistisch, »schmutzig« und hochgradig kreativ  : Die schwarze Propaganda des OSS In an age of bullies we cannot afford to be a sissy.

William J. Donovan, Direktor des amerikanischen Kriegsgeheimdienstes OSS1

Das im Juni 1942 gegründete Office of Strategic Services (OSS) bzw. dessen Vorläufer namens Coordinator of Information (COI) war »die erste selbständige und ausschließlich zum Zweck der Informationssammlung und -verarbeitung geschaffene Organisation« der Vereinigten Staaten.2 Das OSS steht nicht nur für den ersten zentralen Geheimdienst der USA und den historischen Vorläufer der CIA, sondern auch für den spektakulären Versuch, den subversiv, arkan und asymmetrisch geführten »Schattenkrieg gegen Hitler« als festes Instrument amerikanischer Kriegsführung zu etablieren. Und wie das obige Zitat bereits andeutet, war dieses Instrument von unkonventioneller Natur – dies gilt gerade für die Propagandaaktivitäten des OSS, die im Mittelpunkt dieses Kapitels stehen. Da die politischen Debatten, die die Genese dieser Geheimdienstinstitution begleiteten, bereits an anderer Stelle erwähnt wurden3 und über die Bedeutung des OSS für den (österreichischen) Exilwiderstandskampf gegen das NS-Regime bereits einiges an Sekundärliteratur publiziert wurde,4 werde ich 1

William J. Donovan zitiert in Maochun Yu, Rezension zu  : Christof Mauch, The Shadow War Against Hitler  : The Covert Operations of America’s Wartime Secret Intelligence Service. New York  : 2003, in  : The American Historical Review, Vol. 110, No. 3, 2005 817 f., hier 817. 2 Alfons Söllner (Hg.), Zur Archäologie der Demokratie in Deutschland. Bd. 1  : Analysen von politischen Emigranten im amerikanischen Geheimdienst 1943–1945. Frankfurt am Main  : 1986, 24. 3 Siehe die Einführung zum OWI in Kapitel 1 dieses Buchs. 4 Eine gute und analytische Monografie zum OSS ist Christof Mauch, Schattenkrieg gegen Hitler. Das Dritte Reich im Visier der amerikanischen Geheimdienste 1941 bis 1945. München  : 1999  ; für die Aufsätze Siegfried Beers zu den Österreich-Aktivitäten des OSS siehe exemplarisch Beer, »Alliierte Planung«  ; derselbe, »Target Central Europe  : American Intelligence Efforts Regarding Nazi and Early Postwar Austria« (= Working Papers in Austrian Studies 97-1). Minneapolis  : 1997, in  : http://www.cas.umn.edu/assets/pdf/WP971.PDF (letzter Zugriff  : 17.6.2011)  ; derselbe, »Research and Analysis about Austria, 1941–1949. American Intelligence Studies on the Recon­ struction of Central Europe«, in  : Wiener Beiträge zur Geschichte der Neuzeit, Nr. 24, 2000, 192–210. Siehe weiters Traussnig, Militärischer Widerstand, 207–216.

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hier nur einen kursorischen Überblick über die Charakteristik dieser Organisation geben. Von Beginn an war das OSS als weitgehend zivil geführte, in ihren Zielen aber sehr militärisch ausgerichtete Organisation stark auf ein prägendes Subjekt ausgerichtet, nämlich auf seinen Direktor, den konservativen Anwalt und hochdekorierten Offizier des Ersten Weltkriegs, William J. Donovan. Der hemdsärmelige, machiavellistische5 und auch nicht unumstrittene Leiter des OSS war innerhalb kurzer Zeit zum führenden Kopf der im Zweiten Weltkrieg entstandenen »intelligence community« aufgestiegen. Als Interventionist, der von den britischen Geheimdiensten bereits früh wesentliche Ideen und Konzepte übernommen hatte, vertrat er die Vision eines mit aggressiven und unorthodoxen Mitteln geführten Kampfes gegen die potenziellen und realen Feinde der USA. Trotz des mitunter heftigen Widerstands von politischen, nachrichtendienstlichen, propagandistischen und militärischen Instanzen – wie von Teilen des Kongresses, dem State Department, dem FBI, dem Office of War Information, der Navy und der Armee – setzte Donovan durch, dass das an beinahe allen Kriegsschauplätzen operierende OSS neben klassischer Spionage (»Secret Intelligence«) auch Spezial­ operationen (»Special Operations«) und subversive bzw. »schwarze« Propaganda (»Morale Operations«) betreiben durfte.6 Sublimiert wurde diese Zugangsweise durch eine »dynamische Verkopplung von wissenschaftlicher Strategiebildung und Kriegführung«, i. e. durch die Einbindung von führenden Akademikern und Intellektuellen in die nachrichtendienstliche Tätigkeit des OSS.7 Neben dem OSS-Hauptquartier in Washington, D.C. waren für die geheimdienstlichen und propagandistischen Tätigkeiten in Bezug auf das Deutsche Reich bzw. auf Österreich vor allem die Stützpunkte in neutralen Staaten wie der Schweiz (Bern) oder der Türkei (Istanbul) und – entsprechend dem alliierten Vormarsch – die Außenstellen »im Feld«8 wie London, Algier, Bari/Caserta, Rom und Paris von Bedeutung.9 Das OSS erreichte einen Höchststand von weltweit mehr als 23.000 Mitarbeitern, Informanten und (Sub-)Agenten. Etwa 250 bis 300 davon waren Österreicher.10 Donovan sollte es als Leiter des OSS gelingen, einen wahrlich außergewöhnlichen und teils hochkarätigen Mitarbeiterstab, bestehend aus Militärs und Zivilisten, Rechten und Linken, Amerikanern und Europäern, um sich zu versammeln. Dass diese heterogene Ansammlung trotz   5 Anthony Cave Brown (Hg.), The Secret War Report of the OSS. New York  : 1976, 5 f.   6 Petra Marquardt-Bigman, Amerikanische Geheimdienstanalysen über Deutschland 1942–1949. München  : 1995, 54  ; vgl. Mauch, Schattenkrieg, 91.  7 Söllner, Archäologie, 25.  8 Pirker, Subversion, 20.   9 Beer, »Alliierte Planung«, 82 f. 10 Siehe hierzu auch Traussnig, Militärischer Widerstand, 207–320.



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unnegierbarer Widersprüche und gewisser anarchischer Tendenzen letztlich sehr produktiv war und nicht in Zank und Chaos unterging, ist neben dem einigenden Feindbild namens Adolf Hitler vor allem dem gewinnenden Naturell Donovans, der den Spitznamen »Wild Bill« trug, zu verdanken. Die Ausrichtung und die Philosophie des OSS spiegelten sich von Anfang an in seinen Methoden wider  : Um im epochalen Konflikt mit den Achsenmächten die Demokratie amerikanischer Prägung zu verteidigen, setzte Donovan speziell im Bereich der Propaganda auf das philosophische Prinzip  : »Der Zweck rechtfertigt die Mittel«.11 Ob es sich nun »um klassische Spionage hinter feindlichen Linien, wissenschaftliche Berechnungen zur Ernährungssituation des Deutschen Reiches oder um das Verfassen von Flugblättern für den italienischen Kriegsschauplatz handelte – der eingangs zitierte Pragmatismus und Aktionismus Donovans war das Leitmotiv des OSS.«12 Gerade in der Personal- und Rekrutierungspolitik kam dieses Prinzip zum Tragen. Obgleich selbst ein Vertreter des konservativen und republikanischen Lagers, war Donovan nicht gewillt, im Schattenkrieg gegen NS-Deutschland auf die Mitarbeit und das geheimdienstliche Potenzial von (exilierten) Sozialisten, ja sogar Kommunisten, zu verzichten. So wird ihm das Zitat  : »I’d put Stalin on the OSS payroll if I thought it would help to defeat Hitler« zugeschrieben.13 In seiner Personalstruktur eher zivil, in seinen Zielen jedoch militärisch ausgerichtet, wurde das OSS Ende 1942 dem Obersten Generalstab der US-Armee unterstellt und verfügte seit 1943 über einen ausgereiften Organisationsgrad. Das Herz des OSS waren die operativen Abteilungen, wovon hier kurz die wichtigsten genannt werden  : Secret Intelligence (SI, Nachrichtenbeschaffung), Research & Analysis (R&A, Forschung und Analyse), Foreign Nationalities Branch (FNB, Beobachtung politisch aktiver US-Immigranten) sowie Special Operations (SO, Operationen im Feld), Morale Operations (MO, subversive Propaganda) und X-2 (Spionageabwehr). Die Secret Intelligence Branch (SI), die primär für das Einholen von Informationen über den Feind, also für das nachrichtendienstliche Kerngebiet, sowie später auch für die Durchführung von Spezialoperationen im Feindesland – eigentlich die Domäne der Abteilung Special Operations (SO) – verantwortlich zeichnete, war die operativ bedeutendste OSS-Abteilung. Da aber Intelligence 11 Vgl. Laurie, Warriors, 201. 12 Florian Traussnig, »Sexbilder als ›Büchsenöffner für Gehirne‹. Die subversiven Propagandaoperationen des österreichischen OSS-Agenten Eddie Linder, 1943–1945,« in  : Journal for Intelligence, Propaganda and Security Studies ( JIPSS), Vol. 4, Nr. 2/2010, 70–88, hier 71. 13 Joseph E. Persico, Piercing the Reich. The Penetration of Nazi Germany by American Agents During World War II. New York  : 1979, 209.

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nicht nur auf der Einholung, sondern vor allem auch auf der analytischen Aufbereitung und Verarbeitung von Informationen und Wissen basiert, nahm die mit ranghohen Exil-Intellektuellen und -Wissenschaftlern wie Herbert Marcuse oder dem österreichischen Kirchenrechtler und konservativen Ständestaat-Politiker Willibald Plöchl14 besetzte Analyseabteilung (Research and Analysis Branch, R&A) eine sehr wichtige Rolle innerhalb des OSS-Konzepts ein. Die interdisziplinär ausgerichtete R&A war das schon 1941 gegründete »theoretische Gehirn« und intellektuelle Rückgrat des Kriegsgeheimdienstes. Die oft in mehreren Sprachen parlierenden und als Experten für Zentraleuropa eingesetzten österreichischen und deutschen R&A-Mitarbeiter kompilierten nicht nur kriegsrelevante Studien zu bestimmten Regionen des Deutschen Reichs, sondern auch strategische und außenpolitische (Nachkriegs-)Analysen und Handbücher für die zukünftige Militärregierung in Deutschland und Österreich.15 Da beim OSS der Geheimdienstkrieg eng mit psychologischer Kriegsführung verbunden war, stellt die relativ spät geschaffene Propagandaabteilung eine zwar kleine, aber nicht unbedeutende OSS-Sektion dar. Nachdem das COI/OSS ab 1942 bereits mit Rundfunkpropa­ ganda in Nordafrika experimentiert hatte,16 wurde schließlich im März 1943 die Morale Operations Branch (MO) als OSS-Propagandaabteilung gegründet. Der Kriegsgeheimdienst und seine Unterabteilungen waren zwar formell dem Präsidenten und dem obersten Generalstab unterstellt, doch wie wir am Prota­ gonisten dieses Kapitels und später anhand des Beispiels des österreichischen OSS-Radiopropagandisten und US-Soldaten Fred Lorenz noch sehen werden, wurde er in vielerlei Hinsicht von kreativen »geheimdienstlichen Artisten«17 aus der zivilen Sphäre dominiert. Bei der Propagandaabteilung MO arbeiteten besonders viele Nichtmilitärs, darunter zahlreiche europäische respektive österreichische Flüchtlinge. Sie alle leisteten mit ihren individuellen Fähigkeiten und kreativen Einfällen einen geistigen Beitrag zum Kampf gegen NS-Deutschland. Das pragmatische Organisationsmodell von OSS/MO basierte auf einer Propa­ 14 Obwohl vom OSS-Mann William Langer als zu »legitimistisch« eingestuft, wurde der rechtskonservative Plöchl ins OSS aufgenommen und arbeitete als Analyst für R&A. W. Langer, Director, Branch of Research and Analysis, OSS Washington, to Col. E. Connely, Chief Personnel Procurement, about Mr. Willibald Ploechl, 29.12.1944. NARA, RG 226, E 92, B 203, F 37. 15 Die Research and Analysis Branch war mit einer Vielzahl von Akademikern und Geistesmenschen besetzt. Sie produzierte auf der Grundlage sämtlicher verfügbarer Informationen unter anderem Regionalstudien und periodische »Intelligence Summaries«. Siehe hierzu Beer, »Research and Analysis«, 192–210. 16 Laurie, Warriors, 157 f. 17 Karl-Heinz Janßen, »Die Staatsmoral und die Staatsräson«, in  : Die Zeit, 5.12.1975, 1–7, hier 3, in  : http://pdf.zeit.de/1975/50/die-staatsmoral-und-die-staatsraeson.pdf (letzter Zugriff  : 10.12.2012).



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gandastrategie, die hauptsächlich auf militärische Effizienz abzielte. Zimperlich ging das OSS dabei nicht vor. Das Leitkriterium, das von OSS-Mitarbeitern, wie den im folgenden Kapitel erwähnten Edmund Linder im Feld umgesetzt wurde, war nicht die aufklärerische und positive Selbstdarstellung der USA nach außen (weiße Propa­ganda), wie sie etwa das OWI betrieb. Vielmehr strebte das OSS die Demoralisierung und Brechung des Gegners mit allen verfügbaren Mitteln (subversive psychologische Kriegsführung) an. Eine solche schwarze Propa­ganda ist nach Garth S. Jowett und Victoria O’Donnell nichts anderes als die »big lie«, die »große Lüge«, die auf der gezielten Verbreitung von »lies, fabrications, and deceptions« basiert.18 Hier näherte sich eine Kriegsinstitution eines stark mit Moral und Idealismus argumentierenden Landes wie der USA also bewusst jenen Propa­ gandamethoden an, die von NS-Deutschland in manipulativer und repressiver Absicht verfolgt wurden. Zu dieser Form der Propa­ganda, die von OSS/MO als erste Eskalationsstufe des Geheimdienstkriegs gegen die Feinde der USA betrachtet wurde, gehörte im Gegensatz zur weißen Propa­ganda des OWI die falsche oder offengelassene Herkunftsangabe der eigenen Propa­gandatexte (schwarze und graue Propa­ganda). Die zentralen Inhalte, Methoden und Ziele der schwarzen Propa­ganda waren Desinformation, Einschüchterung und Verängstigung des Gegners. In einem Field Manual for Morale Operations aus dem Jahr 1943 werden die allgemeinen Kriegsziele von OSS/MO wie folgt dargelegt  : a. To incite and spread dissension, confusion, and disorder within the enemy’s country, to promote subversive activities against his government by encouraging underground groups, and to depress the morale of his people. b. To encourage and support resistance, revolt, and undetectable or subtle sabotage by the people of countries occupied or controlled by the enemy, and to raise their morale and will to resist. c. […] d. To encourage rebellion and to induce low morale among enemy troops wherever they may be found. Morale operations support military operations by decreasing the combat military strength of the enemy. 19

Da die MO-Abteilung nicht einem Propa­gandaamt im eigentlichen Sinn, sondern einer geheimdienstlichen Organisation, eben dem OSS, angehörte, war deren Propa­gandatätigkeit von Anfang an eng mit Intelligence-Aktivitäten und 18 Jowett/O’Donnell, Propa­ganda, 17  ; vgl. Lerner, Sykewar, 29. 19 OSS Provisional Basic Field Manual for Morale Operations, 28. 7. 1943. NARA, RG 226, E 210, B 411, 1–72, hier 1.

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Special Operations aller Art verknüpft. Das OSS verstand sich als ein hybrides Unternehmen, das alle Spielarten der geheimdienstlichen und psychologischen Kriegsführung unter einen Hut bringen wollte  : Der idealtypische »field agent« des OSS war demnach eine Art Multiagent, der unabhängig von seiner jeweiligen Abteilungszugehörigkeit bei der Ausführung von Intelligence-Operationen (SI) nicht nur Spionage betrieb, sondern nach Möglichkeit auch die Bildung von Widerstandszirkeln forcierte sowie Sabotage- und Propa­gandaaktivitäten (SO und MO) durchführte oder zumindest vorbereitete.20 Diese Aktivitäten basierten nicht nur auf unüberlegtem Aktionismus und einer forschen Umsturzdoktrin, sondern hatten auch einen theoretisch-intellektuellen Überbau, der durch die OSS-Forschungs- und -Analyseabteilung R&A verkörpert wurde. Donovans Axiom »In a global, totalitarian war, intelligence must be total and totalitarian« spiegelt diesen Konnex zwischen analytisch-nachrichtendienstlichen und militärisch-subversiven Zielsetzungen eindrücklich wider.21 So sollte die Wirkung der schwarzen Propa­ganda auch durch Spezialoperationen anderer OSS-Abteilungen verstärkt und ergänzt werden. Ein Beispiel aus den OSS-Akten, das dem Leser einiges über das »mindset« des OSS verrät, soll diese Zusammenhänge zwischen Nachrichtenbeschaffung und Propa­gandaproduktion aufzeigen  : Eine der ergiebigsten Informationsquellen, die das OSS während des Krieges mit Nachrichten aus dem Deutschen Reich versorgten, war der aus zentraleuropäischen OSS-Agenten bestehende Spionagering namens CEREUS. Obwohl eigentlich mit reinen Intelligence-Aufgaben betraut, machten sich CEREUS-Mitglieder bzw. OSS-Informanten wie die Österreicher Josef Lehrner (OSS-Deckname »Periwinkle«) und Franz Josef Riediger (»Stock«), ein Manager der Reifenfirma Semperit, der zum Umfeld des berühmten »Maier-Messner«-Widerstandszirkels zählte, auch Gedanken darüber, wie man die westalliierte Radiopropa­ganda verbessern könnte.22 So arbeiteten Lehrner und Riediger, die für die Westalliierten und das OSS primär Wirtschaftsspionage betrieben, im September 1943 eine Art Vorschlagskatalog aus, um den Ätherkrieg 20 »A secondary [OSS-]objective is, whenever possible, to complement and facilitate special operations (SO). Physical actions by agents or guerrillas against personnel, communications, supplies, and transport, if accompanied by carefully planned and timed subversive activities, achieve effects which go far beyond the results of physical acts alone.« Ebd., 2. 21 Söllner, Archäologie, 25. 22 Siehe hierzu die Beiträge von Siegfried Beer, »ARCEL/CASSIA /REDBIRD. Die Widerstandsgruppe Maier-Messner und der amerikanische Kriegsgeheimdienst OSS in Bern, Istanbul und Algier 1943/44«, in  : Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstandes (Hg.), Jahrbuch 1993. Wien  : 1993, 75–100, und Charles Fenyvesi, »The Brave Men from ›Die Fledermaus‹. OSS-Istanbul and Austrian Resistance 1943/44«, in  : Journal for Intelligence, Propa­ganda and Security Studies ( JIPSS), Vol. 3, Nr. 2/2009, 42–58.



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der Briten und Amerikaner zu unterstützen. Die beiden österreichischen Agenten stellten in diesem Report der britischen BBC-Rundfunkpropa­ganda für Österreich insgesamt ein gutes Zeugnis aus, sie forderten aber – ganz im Stile des OSS – eine aggressive Feinddiffamierung durch Propa­ganda. Das heißt, sie wollten, dass die weißen Propagandisten der BBC und der amerikanischen Sender zu denselben oder ähnlichen Methoden griffen wie die schwarzen Psychokrieger des OSS. So regten Riediger und Lehrner unter anderem an, dass die dunklen Flecken in den Lebensläufen prominenter Nationalsozialisten bzw. diverse Gerüchte um Letztere propagandistisch ausgeschlachtet werden sollten  : Adolf Hitler möge demnach im Rundfunk als »unemployable loafer«, (»erwerbsunfähiger Gammler«) bezeichnet, Heinrich Himmler als »homosexual« »zwangsgeoutet«, der – tatsächliche – Morphinist Hermann Göring als »drug addict« (»Drogensüchtiger«) gebrandmarkt und der Reichserziehungsminister Bernhard Rust als »school-teacher dismissed for sexual crimes« (»wegen sexueller Vergehen suspendierter Lehrer«) enttarnt werden.23 Ob solche – in satirischer und humoristischer Hinsicht nicht unspannenden – Unterstellungen wahr oder unwahr waren, interessierte die Anhänger der schwarzen Propa­ganda bzw. der subversiven Kriegsführung à la OSS nicht. Sie legten ihre Propa­ganda nicht idealistisch, sondern pragmatisch an. Obwohl die BBC und ihr amerikanisches Pendant, die Voice of America, letztlich wohl nicht auf die Propa­gandaideen der beiden österreichischen OSS-Agenten reagierten, zeigt das Beispiel sehr gut, mit welcher Selbstverständlichkeit die nachrichtendienstlichen Kanäle dieser Organisation genutzt wurden, um geheimdienstliche Tätigkeit mit psychologischer Kriegsführung zu verbinden. Und es zeigt auch, dass dem Einfallsreichtum der OSS-Mitarbeiter kaum Grenzen gesetzt waren, wenn es darum ging, den faschistischen Aggressor mit deftigen Formulierungen zu attackieren. Die Feinddiffamierung durch Lächerlichmachen des Gegners kann als eine veritable Spezialdisziplin von OSS/MO bezeichnet werden. So wird etwa in einem OSS-Memorandum eine schwarze Propa­gandapostkarte aus den MO-Werkstätten erwähnt, die den »tanzenden Hitler im Ballettkostüm« zeigt.24 Das OSS betrieb also mit Hingabe aggressive und aufpeitschende Propa­ganda und setzte bei seinen Angriffen auf den Feind sehr gezielt auf »harte« Themen wie Gewalt, Drogenmissbrauch, Sex und Pädophilie. Diese hauptsächlich auf die Schaffung von negativen Gefühlszuständen beim Propa­gandaempfänger abzielende Form der psychologischen Kriegsführung ist, auch wenn sie sich gegen Un23 OSS, CEREUS-Circle, Stock/Periwinkle, Austrian Radio Transmissions  : Suggested Reforms, 12.10.1943 NARA, RG 226, E 210, B 447 [Diese Zitation ist nicht mehr aktuell]. 24 OSS-Memorandum, E. Warner to MOPO Committee, Hitler Taking Dance Lessons, 3.8.1943. NARA, RG 226, in  : www.sofir.org/resources/oss/hitlerdancinglessonsphotos4aug1943.htm (letzter Zugriff  : 10.6.2013).

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rechtsstaaten wie Hitlerdeutschland richtet, nie als ethisch »keimfrei«, sondern stets mit zivilgesellschaftlicher Wachsamkeit und wissenschaftlicher Distanz zu betrachten. Neben dem Hinweis auf moralische und weltanschauliche Fragen erscheint zur einführenden Problematisierung auch eine realistische Einschätzung des Anteils von schwarzer Propa­ganda an der militärischen Niederringung des »Dritten Reichs« notwendig. Obwohl die Tätigkeiten des OSS, darunter vor allem jene im Feld der Propa­ganda, in einer Reihe von historischen (Selbst-)Darstellungen als Erfolgsgeschichte präsentiert wurden,25 ist die Skepsis von konservativen Militärhistorikern wie John Keegan berechtigt  : Die gemeinsamen Anstrengungen von SOE [Special Operations Executive] und OSS auf dem Gebiet der psychologischen Kriegsführung […] waren für die daran beteiligten Journalisten und Intellektuellen sicherlich sehr aufregend, für die öffentliche Meinung in besetzten Ländern aber unbedeutend und für die Moral der deutschen Zivilbevölkerung irrelevant. »Schwarze Propa­ganda« […] vermochte verständlicherweise keinen Deutschen hinters Licht zu führen, der tagtäglich miterlebte, wie absolut die Kontrolle der Gestapo über die deutsche Gesellschaft war.26

Der Vorsitzende des britisch-amerikanischen Joint Intelligence Committee (JIC) mit Sitz in London, Victor Cavendish-Bentinck, gab in Bezug auf die Tätigkeiten von Propa­g andaorganisationen wie SOE, PWE (Political Warfare Executive) oder OSS an, »that he was ›rather doubtful as to whether it had shortened the (recent) war by one hour.‹« 27 Unabhängig davon, ob man mit Keegan und Cavendish-Bentinck einer Meinung ist oder nicht, muss man einräumen, dass – abgesehen vom erfolgreichen Lostreten bestimmter »Gerüchteprozesse« und der damit verbundenen fallweisen Schwächung des deutschen Kampfwillens28 – aus heutiger Sicht entscheidende handlungsleitende Wirkungen amerikanischer Kriegspropa­g anda, die im Sinne der Propa­g andaproduzenten wären (Arbeiteraufstände und breiter Widerstand im Inneren, Massendesertionen in der Wehrmacht) kaum nachgewiesen werden können. Dies gilt besonders für die schwarze und subversive Propa­ganda des OSS  : Als vergleichsweise kleines mediales Nischenprodukt und Steckenpferd launiger Zivilisten stand sie während des Kriegs nicht im Zentrum des Interesses der breit angelegten militärischen 25 Vgl. die Biografie von Bill Casey, dem Leiter der SI-Abteilung des Londoner OSS-Außenpostens und späteren CIA-Direktor  : William Casey, The Secret War Against Hitler. Washington, D.C.: 1988. 26 John Keegan, Der Zweite Weltkrieg. Berlin  : 2004, 729. 27 Nelson MacPherson, American Intelligence in War-time London. The Story of the OSS. London und Portland  : 2003, 207. 28 Hans Wagner in Anlehnung an Heinz Starkulla jr., in  : Wagner, »Heinz Starkulla jr.«, 53.



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Propa­g andaanalysen und psychologischen Wirkungsstudien der US-Armee. Über die »sichtbaren« Auswirkungen der OSS-Propa­g anda, geschweige denn ihre möglichen Erfolge, ist daher noch weniger bekannt als über jene der konventionellen (weißen) Propa­ganda von anderen amerikanischen bzw. alliierten Propa­gandaorganisationen wie OWI oder PWD/SHAEF.29 Schwarze Propa­ganda war wohl kein Faktor, der den Kriegsverlauf wesentlich beeinflusst hat. Wie die folgenden Fallbeispiele noch zeigen werden, kann man aber zumindest davon ausgehen, dass die psychologische Kriegsführung des OSS in bestimmten Fällen eine »Sickerwirkung« entfaltete und auf oft subtile Weise die Stimmungen und Einstellungen der Rezipienten beeinflusste. Die im Folgenden dargestellten Exilösterreicher im OSS mit ihren oft provokanten, aber auch kreativen Propa­ gandaideen haben also keinen entscheidenden Beitrag zur Befreiung Österreichs vom Nationalsozialismus geleistet. Symbolisch und politisch war ihr Beitrag aber von großer Bedeutung. 2.2 »SAUERKRAUT« und Sexbilder – Die psychologischen Tricks und Operationen des Eddie Linder Der Nazi schreckt vor nichts zurück Und kommt dadurch zu seinem Fick. Textauszug aus einem an deutsche Soldaten gerichteten oss-Flugblatt von Edmund Linder30 Sexualität zählt zu einem der wichtigsten Aspekte des menschlichen Lebens, des männlichen zumal. Sönke Neitzel und Harald Welzer über die Gedankenwelt von Wehrmachtssoldaten 31

Dieses Kapitel32 widmet sich einem Propa­gandaspezialisten, der als »field agent« im Kampf gegen die deutsche Kriegsmaschinerie der subversiven Vision und dem forschen Aktionismus des OSS-Chefs William Donovan gefolgt ist – dem aus Österreich stammenden und vor den Nationalsozialisten geflohe29 Vgl. Clayton D. Laurie, »Black Games, Subversion, and Dirty Tricks  : The OSS Morale Operations Branch in Europe, 1943–1945«, in  : Prologue, Vol. 25, Nr. 3, 1993, 258–271, hier 270. 30 OSS-Flugblattbüchlein »6 Bilder«, vermutlich Herbst 1944. OSS/MO Propa­ganda Samples. NARA, RG 226, E 92, B 2. 31 Sönke Neitzel/Harald Welzer, Soldaten. Protokolle vom Kämpfen, Töten und Sterben. Frankfurt am Main  : 2012, 217 f. 32 Das Kapitel basiert auf einer überarbeiteten Fassung eines Aufsatzes von mir. Siehe hierzu Traussnig, »Sexbilder«.

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nen OSS-Mitarbeiter Edmund F. Linder alias »Eddie Zinder«. Der inhaltliche Schwerpunkt dieses Abschnitts liegt weniger auf der Kriegsbiografie Linders als vielmehr auf sprachlichen und bildlinguistischen33 Aspekten seiner propagandistischen Tätigkeit, welche von der Komposition defätistischer Soldatenlieder im Zuge spektakulärer »Psywar«-Operationen bis zum Verfassen von schlüpfrigen »Porno«-Flugblättern für die deutschen Landser reichte. Nach einem Überblick über die vielfältigen und ungewöhnlichen Propa­gandaaktivitäten Linders werde ich am Beispiel einer von ihm erdachten und produzierten pornografischen OSS-Flugblattreihe eine text- bzw. bildlinguistische Detailanalyse vornehmen. Beim im Folgenden im Mittelpunkt stehenden Themenkomplex Pornografie und Sex handelt es sich um ein von der Kriegspropa­ganda häufig aufgegriffenes Phänomen, das in der Alltagswelt von Soldaten bzw. männlichen Propa­ gandarezipienten eine wichtige Rolle spielt. Eine Rolle, die von der Militärsoziologie und der historischen Propa­gandaforschung lange Zeit kaum berücksichtigt ­wurde.34 Da die Pornografie – ebenso wie das taktische Flugblatt – als »bildlastige« Textsorte gilt, bietet sich der bildlinguistisch-semiotische Zugang als Analyseinstrument von Linders »Propa­gandapornos« an.35 Ich habe daher in diesem Kapitel – wie generell in dieser Arbeit – auf die Auswertung von quantitativen Statistiken und abstrakten Zahlenreihen, welche die angebliche »Effizienz« von Propa­gandaprodukten oder deren historische Relevanz belegen sollen,36 verzichtet und mich für eine qualitative Mikroanalyse von Propa­gandabildern unter Berücksichtigung semiotischer Aspekte entschieden. Bei der Interpretation von Linders Sex-Flugblättern und anderen seiner Propa­gandabeiträge werde ich stärker auf die individuellen Absichten und das propagandistisch-handwerkliche Geschick des historischen Akteurs und Subjekts Linder und weniger auf die vermeintlich »objektiven« Gesetzmäßigkeiten der Propa­gandawirkung eingehen. Obwohl das hehre Ziel einer exakten Messung der Effizienz von Propa­ gandaflugblättern laut Thymian Bussemer zum Scheitern verurteilt ist,37 werde ich gegen Ende der Analyse dennoch versuchen, Schlüsse über die Wirksamkeit der untersuchten Propa­gandakommunikate zu ziehen. Dies geschieht – wie bereits in der Einführung dieses Bands erwähnt – nicht mit dem positivistischen 33 Siehe hierzu grundlegend Diekmannshenke et al., Bildlinguistik. 34 Neitzel/Welzer, Soldaten, 218. 35 Vgl. Bussemer, Propa­ganda, 382. 36 Ein eher fragwürdiges Beispiel für diese Überbetonung quantifizierbarer »Belege« findet sich bei Jan Isenbart, »Britische Flugblattpropa­ganda gegen Deutschland im Zweiten Weltkrieg«, in  : Jürgen Wilke (Hg.), Pressepolitik und Propa­ganda. Historische Studien vom Vormärz bis zum Kalten Krieg. Köln, Weimar und Wien  : 1997, 191–256. 37 Vgl. Bussemer, Propa­ganda, 306–308 und 382.



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Anspruch auf Objektivität, sondern eher mittels hermeneutischer Analyse und subjektiver Interpretation. Die Leitfragen lauten daher kurz gesagt  : Welche Art von Propa­ganda produzierte Linder und mit welcher Absicht  ? Mit welchen sprachlichen Mitteln, mit welchem Maß an Individualität und Einfallsreichtum ging er dabei vor  ? Wie dürfte der »typische« Empfänger reagiert haben  ? Im Anschluss an diesen Abschnitt wird in einer Fallstudie am Ende des Kapitels die Agentenbiografie des österreichischen Wehrmachtsdeserteurs und OSS-Mitarbeiters Franz Berger dargestellt. Im Auftrag der risikoreichen Operation SAUERKRAUT, bei der Eddie Linder federführend war, penetrierte der OSS-Agent Berger die feindlichen Linien in Italien und brachte im deutschen Frontsektor die schwarze (Sex-)Propa­ganda Linders sowie andere OSS-Produkte »an den Mann«. 2.2.1 Medizinstudent, Fremdenlegionär und »Multiagent« des OSS

Von den mehreren Hundert Österreichern im OSS war der Propagandist Eddie Linder eine der produktivsten und schillerndsten Figuren. Edmund Friedrich Linder38 wurde am 11. Mai 1918 in Wien geboren. Bevor er 1938 infolge des »Anschlusses« an Hitlerdeutschland aus Österreich flüchtete, war er laut OSS-Dokumenten Student der Medizin an der Universität Wien und hatte als Journalist gearbeitet (die erworbenen Kenntnisse in diesen beiden Bereichen sollten für seine Kriegsaktivitäten noch eine entscheidende Rolle spielen). Da sein Vater bereits in den späten 1920er-Jahren in die USA ausgewandert war, versuchte Linder Einreisepapiere für die USA zu erhalten und über die Schweiz, Frankreich und Belgien zu emigrieren.39 Als das Deutsche Reich im September 1939 den Krieg gegen Polen vom Zaun brach, hielt er sich gerade in Frankreich auf und galt für die dortigen Behörden als feindlicher Ausländer. Er konnte aber der dauerhaften Internierung durch den Eintritt in die französische Fremdenlegion entgehen – was für Linder, einen Nonkonformisten und »civilian at heart«,40 alles andere als ein leichter Schritt war. Doch nach der militärischen Niederlage Frankreichs im Juni 1940 erwies sich die Légion étrangère für ihn (und ebenso für viele andere Flüchtlinge und Antifaschisten in ihren Reihen, wie etwa den Kärntner Aristokraten Oliver von Schneditz41) als Falle  : Im Gefolge des deutsch-französischen 38 Edmund Linder wird in amerikanischen Quellen oft als »Edmund Lindner« geführt. 39 OSS Algiers, Biographical Sketch on Zinder [i. e. E. Linder]. NARA, RG 226, E 210, B 540, 30.9.1944 [Diese Zitation ist nicht mehr aktuell]. 40 Herbert A. Friedman, »Obituary  : Edmund F. Lindner, (1918–2007)«, in  : https://www.psywar. org/lindner.php (letzter Zugriff  : 12.10.2010). 41 Zu Schneditz-Rockhill siehe Florian Traussnig, »Vom Lavanttaler Aristokratensohn zum amerikanischen Geheimdienstagenten – Die außergewöhnliche Kriegsbiographie von Oliver Schneditz-Rockhill zwischen 1938 und 1945«, in  : Carinthia I. Zeitschrift für geschichtliche Landeskunde

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Waffenstillstands zog die nunmehr prodeutsche Vichy-Regierung den Exilöster­ reicher Linder und andere »feindliche« (i. e. jüdische) Kombattanten von der Fremdenlegion ab und sandte sie ins algerische Anhalte- und Arbeitslager GTE-4 in Kenadsa (GTE steht für Groupe de travailleurs étrangers), ein Kohlebergwerk in der Nordsahara,42 wo sie bis Frühjahr 1943 Zwangsarbeit leisten mussten.43 In den algerischen Lagern wurden die ehemaligen Fremdenlegionäre »bei schlechter Verpflegung und unter harten klimatischen Bedingungen« zu Arbeitsdiensten im Berg- und Eisenbahnbau gezwungen.44 Im Sommer 1942 befanden sich über 4.700 antifaschistische Ex-Legionäre und andere »unerwünschte« Ausländer und Zwangsarbeiter in diesen Lagern,45 wo sie unter anderem mit Judenfeindlichkeit und der Bespitzelung durch geheime NS-Agenten konfrontiert wurden.46 »Voilà comment la France nous remercia pour notre engagement volontaire  !« (»So also bedankt sich Frankreich für unseren freiwilligen Einsatz  !«), schrieb etwa der jüdische Fremdenlegionär und nunmehrige Zwangsarbeiter Joseph Ratz über den Umgang mit ehemaligen Fremdenlegionären.47 Als amerikanische und britische Verbände unter dem Oberkommando von General Dwight D. Eisenhower am 8. November 1942 die Landung in Nord­ afrika (Operation TORCH) erfolgreich eingeleitet hatten und sich in der Folge mit dem in Marokko und Algerien stehenden französischen Kolonialheer unter Admiral François Darlan auf einen Waffenstillstand einigten, änderte sich – zumindest formell – auch die Lage der von der Vichy-Regierung festgehaltenen Insassen im Lager Kenadsa. Aus den Unterlagen des OSS ist ersichtlich, dass Linder schon Ende 1942 versucht hatte, in die US-Armee einzutreten, aber die französischen Behörden auf der Internierung beharrten. Die sich in einem Status politischer und organisatorischer Transition befindende Kolonialregierung in Nordafrika wollte die Arbeitskraft der Internierten in Kenadsa offensichtlich noch möglichst lange ausbeuten und hatte daher wenig Interesse an der Haft-

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von Kärnten, 201. Jg. 2011, 483–509, sowie die überarbeitete Fassung dieses Beitrags in Traussnig, Militärischer Widerstand, 264–312. Kenneth G. Crawford, »Foreign Legion was Gateway to Concentration Camps«, in  : The World, April 1943 (ohne genaues Datum), 6. Privatbestand Familie Mayrhofer-Grüenbühl/Schneditz. OSS Algiers, Biographical Sketch Zinder, 30.9.1944. Wolfgang Mayrhofer-Grüenbühl, Bericht über Oliver Schneditz (Typoskript). Privatbestand Schneditz. Eckard Michels, Deutsche in der Fremdenlegion 1870–1965. Mythen und Realitäten. Paderborn, München, Wien und Zürich  : 1999, 126. Vgl. »Dann sind es nicht mehr Deutsche. Wie früher ihre Väter«, in  : Der Spiegel, Nr. 3/1949, in  : http://www.spiegel.de/spiegel/print/d-44435212.html (letzter Zugriff  : 14.3.2011), sowie Zosa Szajkowski, Jews and the French Foreign Legion. New York  : 1975, 102. Zitiert in ebd., 76.



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entlassung proamerikanischer und antifaschistischer Gefangener. Erst im März 1943 wurden Linder und die anderen Insassen des GTE Kenadsa zusammen mit den restlichen Lagerinsassen befreit und teilweise in alliierte, vor allem britische, Militärverbände integriert.48 Nachdem ihm der Eintritt in die amerikanische Armee verwehrt geblieben war, wurde Linder am 1. April 1943 kurzfristig in die 338. Kompanie des britischen Royal Pioneer Corps, einer unbewaffneten Auxiliareinheit, aufgenommen, die sich zum Großteil aus deutsch- und österreichstämmigen Fremdenlegionären, die in Colomb-Béchar, Kenadsa und Bidon interniert gewesen waren, zusammensetzte. Viele der oft ebenso polyglotten wie kämpferischen Antifaschisten und Ex-Fremdenlegionäre dieser Kompanie wurden bald anderen militärischen, geheimdienstlichen oder propagandistischen Institutionen zugeteilt.49 So war es naheliegend, dass das OSS, das gerade im Begriff war, seine Außenstelle in Algier auszubauen und die Invasion Italiens in geheimdienstlicher Hinsicht vorzubereiten, auf österreichische Flüchtlinge wie Linder oder Schneditz aufmerksam wurde. Wegen seiner Deutschkenntnisse und wohl auch wegen seiner akademischen Bildung und journalistischen Erfahrung heuerte das OSS in Algier Linder schließlich als Mitarbeiter an.50 Während des Vormarschs der Amerikaner in Italien teilte man ihn der Propa­gandakompanie des 2677. OSS-Regiments zu, wo er unter anderem als Flugblattschreiber, Liedtexter und sogar als »doctor« aktiv war. Die OSS-Propa­gandaabteilung am südeuropäischen Kriegsschauplatz, MO-­ MedTO,51 hatte entsprechend dem Frontverlauf Niederlassungen an Standorten in Kairo, Algiers, Neapel, Bari, Caserta, Rom und Siena und arbeitete teilweise mit der OSS-Stelle unter der Leitung von Allen Dulles in Bern zusammen. MOMedTO war formell der OSS-Zentrale in Washington, D.C. unterstellt und erhielt ihre Direktiven und auch einige Propa­gandamaterialien aus den USA. In Südeuropa unterstanden die Mitarbeiter von OSS/MO jedoch der Propa­ganda­institution des alliierten Oberkommandos (PWB/AFHQ) und mussten entgegen der Donovan’schen Doktrin auch weiße Kampfpropa­ganda für diese Institution produzie48 Vgl. Report of the Joint Commission for Political Prisoners and Refugees in French North and West Africa, 5.4.1943. Zitiert in  : Department of State, Washington D.C. to H.H. Giodvad Grell, Greenwich, Connecticut, 15.4.1943. Privatbestand Schneditz. 49 Wolfgang Muchitsch, Mit Spaten, Waffen und Worten. Die Einbindung österreichischer Flüchtlinge in die britischen Kriegsanstrengungen 1939–1945. Wien und Zürich  : 1992, 54  ; Norman Bentwich, I Understand the Risks. The Story of the Refugees from Nazi oppression who fought in the Brititsh Forces in the World War. London  : 1950, 91 f.; vgl. auch Erich Derman, »… aber unsere Stimme drang nach Österreich. Widerstand aus dem Exil via Radio«, in  : Medien & Zeit, 1/1988, 3. Jg., 31–35, hier 33. 50 OSS Algiers, Biographical Sketch Zinder, 30.9.1944. 51 MedTO = Mediterranean Theater of Operations.

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ren.52 Insgesamt verfügten die in Italien operierenden »field agents« wie Linder aber über einen sehr hohen Grad an Autonomie bei der Gestaltung ihrer Propa­ gandaprodukte und arbeiteten in vielerlei Hinsicht nach eigenem Gutdünken. Bei OSS/MO erkannte man schnell, dass Linder ein »remarkably versatile young man«53 war, der keinerlei Hemmungen hatte, seine breit gestreuten Talente bei der Erzeugung subversiver Propa­gandakommunikate einzusetzen. Er entsprach damit genau dem von Donovan forcierten Ideal des schwarzen Propa­gandisten, der mit Einfallsreichtum und Verve – und jenseits von moralischen und völkerrechtlichen Konventionen – tief in die psychologische Trickkiste greift, um den faschistischen Gegner zu demoralisieren. Mit der Präzision eines Chi­rurgen versuchte der studierte Mediziner Linder nun »Operations« an der Psyche des Gegners durchzuführen. Der unter Kollegen (und später unter Zeithistorikern) als humorvoller Schelm bekannte Linder54 spielte zwischen Sommer 1944 bis knapp vor Kriegsende etwa bei der mittlerweile zu einiger Berühmtheit gelangten OSS-Propa­gandaoperation SAUERKRAUT eine zentrale Rolle. Schon der Name der Operation selbst geht laut einem von Christof Mauch geführten Interview mit B. Podorski auf einen Einfall Linders zurück. Demnach habe Linder gesagt  : »Die Deutschen sind ohnehin ›Krauts‹. SAUERKRAUT schien absolut passend für die Operation.«55 Im Sommer 1944 hatte sich die strategische Lage Deutschlands dramatisch verschlechtert. Die Invasion der Alliierten in der Normandie war geglückt und auch im Osten befand sich die Wehrmacht in der Defensive. OSS-Chef Donovan war aufgrund des gescheiterten, aber symbolisch bedeutenden Attentats auf Hitler am 20. Juli 194456 überzeugt, dass angesichts des nahenden Untergangs des NS-Regimes die Opposition im Inneren des Reichs bzw. der Wehrmacht durch subversive Propa­ gandaaktionen bestärkt und ermutigt werden sollte.57 Zu diesem Zweck arbeitete die nunmehr in der Toskana stationierte MO-Einheit Linders einen neuen Plan zur Verbreitung von US-Propa­ganda im deutsch besetzten norditalienischen Zielgebiet aus. In personeller Hinsicht stand man hierbei aber vor einigen Problemen  : Man brauchte deutschsprachige und geheimdienstlich oder militärisch geschulte Agenten, um eine derartige »hazardous mission« hinter feindlichen ­Linien durch52 Laurie, »Black Games«, 262. 53 OSS Report on Sauerkraut Agents, 2677th Regiment/MO to K. D. Mann, Chief MO, 17.10.1944, NARA, RG 226, E 210, B 303. 54 Interview S. Beer mit E. Linder, 1997, Westport, Connecticut, OSSOHP (= OSS Oral History Project). Dieses Interview ist leider nicht auffindbar, die Angaben beruhen auf Erinnerungen Siegfried Beers. 55 Mauch, Schattenkrieg, 197. 56 Das OSS hatte dank Geheimdienstberichten bereits zuvor von den Attentatsplänen erfahren. 57 OSS Semimonthly Report, MO Section, 15.7.–31.7. 1944. NARA, RG 226, E 99, B 26.



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15 Edmund F. Linder alias Eddie Zinder.

führen zu können. Agenten, die es in dieser Form schlichtweg nicht gab. Anstatt nun reguläre Militärs oder OSS-Personal mit der Verbreitung von Propa­ganda­ material im deutschen Frontsektor zu betrauen, schlugen Oliver Schneditz-­ Rockhill und Frederick Burkhardt vor, Kriegsgefangene der Wehrmacht als Agenten für derartige Operationen einzusetzen. »Der Plan, den die Company D in der Nacht zum 21. Juli 1944 ausheckte, war«, so Christof Mauch, »überraschend einfach und schien mit einem Schlag alle genannten Probleme zu lösen  : Als Agenten für die verdeckten Aktionen sollten nicht OSS-Leute oder Militärs, sondern deutsche Kriegsgefangene gewonnen werden.«58 Obwohl die Amerikaner und andere Kriegsparteien bereits auf mehreren Kriegsschauplätzen freiwillige Wehrmachtsdeserteure als Passeure bei Spezialund Penetrationsmissionen eingesetzt hatten, handelte es sich bei der Operation SAUERKRAUT um ein ungleich ambitionierteres Projekt. Die Verwendung von Kriegsgefangenen als »Deserter Volunteers« im Rahmen operativer Einsätze war 58 Mauch, Schattenkrieg, 197  ; siehe auch OSS, The Story of the Sauerkrauts, May 1945. NARA, RG 226, E 210, B 213, und Semimonthly Report, OSS/MO, 15–31 July 1944.

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eine heikle Sache, da sie eine Missachtung der Genfer Konvention, der Haager Landkriegsordnung sowie des Regelwerks der US-Armee für Landkriegsführung implizierte. Kriegsgefangene durften demnach nicht für militärisch-operative Zwecke in eigener Sache eingesetzt werden. OSS/MO nahm diese Verletzungen gängiger Völkerrechtsnormen und normativer Bindungen bewusst in Kauf und schickte Dutzende Kriegsgefangene der Wehrmacht als nunmehrige US-Agenten mit propagandistischen und nachrichtendienstlichen Aufträgen wieder zu den Deutschen zurück. Die SAUERKRAUT-Mission veranschaulicht daher »the willingness of the OSS leadership to use whatever means were necessary to defeat the Nazis« auf exemplarische Weise.59 Linder, der »in charge of the project« war,60 erwies sich hierbei als wahrer Multiagent und »supreme master of briefing, preparation of documents and preparing P[risoner of ] W[ar]’s for infiltra­ tion«.61 Er besorgte für die Agenten gefälschte Wehrmachtsdokumente, Bargeld, Wehrmachtsuniformen, Waffen und weitere Notwendigkeiten wie Streichhölzer und Erste-Hilfe-Pakete bzw. bereitete selbst diese Materialien für den Einsatz auf. Nachdem die SAUERKRAUT-Penetrationsagenten von ihm, der auch für das (Mit-)Verfassen von Propa­gandatexten sowie das »briefing« zuständig war, in ihre sogenannte Cover Story eingewiesen worden waren, überschritten sie voll bepackt mit OSS-Propa­ganda in Dreier- oder Vierergruppen die Front, um ihre subversiven Tätigkeiten im deutschen Machtbereich zu entfalten. Sie sollten so tief wie möglich ins feindbesetzte Gebiet eindringen und Flugblätter und andere Propa­gandamaterialien an Bäumen und Gebäuden anbringen bzw. an öffentlichkeitswirksamen Plätzen sichtbar deponieren.62 Neben Linder und Schneditz-­ Rockhill waren noch weitere Österreicher an der SAUERKRAUT-Operation beteiligt, und zwar nicht nur als nachrichtendienstlich-propagandistische Experten, sondern auch als technische Mitarbeiter  : So war etwa der Wiener OSS-Mitarbeiter Helmuth Gruchol als Drucker in der MO-Dependance in Rom für das »printing [of ] millions of items seven nights a week« zuständig.63 Von OSS-affinen Historikern (die schon während des Krieges eifrig damit begannen, die »Erfolgsgeschichte« dieses nicht immer erfolgreichen Geheimdienstes zu verfassen) wurde die sehr experimentell angelegte Ausführung des SAUERKRAUT-Plans sowohl in operativer Hinsicht als auch wegen des psychologischen 59 Laurie, Warriors, 201. 60 OSS, Story of the Sauerkrauts, 4. 61 OSS Report on Sauerkraut Agents, 17.10.1944. 62 Ebd.; vgl. auch Herbert A. Friedman, »OSS Operation Sauerkraut«, in  : https://www.psywar.org/ sauerkraut.php (letzter Zugriff  : 14.10.2010). 63 OSS, 2677th Regiment, Semi-Monthly Report, MO Section, 1.7.–15.7.1944. NARA, RG 226, E 99, B 26.



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16 Die schwarze Propagandazeitschrift Das Neue Deutschland wird von einem SAUERKRAUT-Agenten an den Mann gebracht (gestellte Aufnahme).

Effekts auf den Gegner als Erfolg eingestuft.64 Den im »Crashkurs«-Verfahren ausgebildeten Penetrationsagenten bzw. Deserter Volunteers der ersten Missionen sollte es gelingen, in Fahrzeugen, auf Plätzen und in Gebäuden im Gebiet bei Bologna und Pistoia schwarzes Propa­gandamaterial zu deponieren, das von den Adressaten tatsächlich gelesen wurde und psychologische Auswirkungen zei­ tigte.65 Die von den »SAUERKRAUTs«, die noch wenige Wochen zuvor Häftlinge in alliierten Kriegsgefangenenlagern gewesen waren, verteilte Propa­ganda konfrontierte die »Krauts« unter anderem mit Flugblättern und Pamphleten, die im »Landserjargon« formuliert waren. In einem Flugblatt, das vom Team »California« in WC-Anlagen bei Bologna hinterlassen wurde, forderte man die – sich zum Zeitpunkt der Textrezeption in einer körperlich delikaten Situation befindenden – Wehrmachtssoldaten mit unmissverständlichen und derben Fäkalmetaphern zur Rebellion gegen das NS-System auf  :

64 Clayton D. Laurie, »The Sauerkrauts. German Prisoners of War as OSS-Agents, 1944–1945«, in  : Prologue, Vol. 26, Nr. 1, 1994, 49–61, hier 54. 65 Mauch, Schattenkrieg, 198.

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KAMERADEN  ! Genug mit der ganzen Scheisse  ! Wir kämpfen nicht mehr für Deutschland, sondern nur mehr für Hitler und Himmler. Die NSDAP hat uns in diese Scheissgosse geführt aber die Bonzen denken jetzt nur daran, ihre eigene Haut zu retten. Uns lassen sie im Dreck krepieren, wir sollen bis zur letzten Patrone aushalten. Die letzten Patronen brauchen wir aber, um Deutschland vor der ss-Scheisse zu befreien. SCHLUSS  !  ! FRIEDE  !  !66

Das Thema dieses Flugblatts wurde von OSS/MO nicht zufällig gewählt. Daniel Lerner behauptet, dass sich solche Methoden zur Verbreitung von Gerüchten (»rumors«) besonders gut eigneten und, so Wolfgang Langhoff, »[d]ie unglaublichsten Gerüchte […] auf der Latrine produziert« werden.67 Neben inhaltlich ähnlich gelagertem (Bild-)Material verteilten die SAUERKRAUT-Passeure bei ihren Einsätzen auch antinationalsozialistische Zeitschriften, die als deutsche Periodika getarnt waren. Die OSS-Forschungsabteilung hatte laut Laurie festgestellt, dass auch der belesenste Deutsche nicht mehr als 30 oder 40 Zeitungen und Magazine kannte und daher auf die Schnelle kaum in der Lage wäre, eine gefälschte OSS-Publikation von einer tatsächlichen deutschen Druckschrift zu unterscheiden.68 Die Zeitschriften, die von den OSS-Agenten unter den deutschen Truppen verbreitet wurden, nannten sich etwa Das Neue Deutschland oder Der Österreicher.69 Während Erstere (deren Name, ebenso wie ein gleich­ namiges Propa­gandalied, von Eddie Linder stammten70) sich als Sprachrohr einer innerdeutschen Widerstandsbewegung ausgab und in Millionenauflage unter die deutsche Bevölkerung gebracht wurde,71 hatte Letztere im Sinne der »Wedge-­ Driving«-Methode72 den Zweck, bei österreichischen Soldaten und Zivilisten, welche von MO als Zielgruppe mit besonderem Widerstandspotenzial betrachtet wurden, Ressentiments zu wecken und die Österreicher von den Deutschen loszulösen. Der Österreicher wurde von exilösterreichischen bzw. deutschsprachigen OSS-Mitarbeitern in Washington geschrieben und produziert, in Rom gedruckt und ab Oktober 1944 durch SAUERKRAUT-Agenten und Luftabwürfe verbreitet. Eine OSS-Leitdirektive für österreichbezogene MO-Operationen im Juli 1944 66 OSS-Flugblatt »Scheisse«, vermutlich Sommer 1944. OSS/MO Propa­ganda Samples. NARA, RG 226, E 92, B 2. 67 Lerner, Sykewar, 267. 68 Laurie, »Black Games«, 264. 69 Laurie, Warriors, 199  ; für Faksimiles der beiden Flugblattzeitschriften siehe OSS/MO Propa­ ganda Samples. NARA, RG 226, E 92, B 1. 70 Mauch, Schattenkrieg, 206. 71 Ebd., 207  ; Laurie, »Black Games«, 264 f. 72 Laurie, »Black Games«, 265  ; Martin F. Herz, »Some Psychological Lessons from Leaflet Propa­ ganda in World War II«, in  : Public Opinion Quarterly, Vol. 13, Nr. 3, 1949, 471–486, hier 482.



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führte konkrete Vorschläge an, um die »endemische Abneigung« der Österreicher gegen die Deutschen auszunutzen. Dazu gehörte etwa die gezielte Verwendung von antideutschen Ethnostereotypen wie »Piefke« und »Kartoffelfresser«.73 Allein das Wort Österreicher im Titel der zuvor erwähnten Propa­gandaschrift ist ein subversives Statement  : Mit der bloßen Erwähnung des Begriffs Österreich – diesen »Staat« gab es im Jahr 1944 politisch gesehen nicht – suggeriert das Blatt, dass Österreich als Nation existiert. Die eben erwähnte pragmalinguistische Waffe der Existenzpräsupposition wird von Werbefachleuten und Propagandisten bis heute häufig eingesetzt. So lautete die unterschwellig mitgeilte Botschaft des OSS an die Österreicher  : »Es gibt den Staat Österreich, also verhalte dich wie ein Österreicher und wehre dich gegen die ›preußischen Nazis‹  !« In Der Österreicher wurde auch der »Nichtsnutz« Adolf Hitler öfters satirisch angegriffen. Während die weiße US-Propa­ganda des OWI und der PWD/SHAEF im Wissen um die noch immer große Beliebtheit des »Führers« von direkten Angriffen auf Hitler absah, lancierten die Mitarbeiter von OSS/MO – die ja mit ihrer schwarzen Propa­ganda offiziell nicht im Namen der USA sprachen – auch direkte Attacken auf ihn.74 In den dicken Papierbündeln der SAUERKRAUT-Agenten fanden sich noch eine ganze Reihe weiterer österreichspezifischer OSS-Propa­gandamaterialien, wie etwa das Flugblatt 10 Gebote für Österreicher, das unter anderem dazu aufrief, »nicht mit ›Heil Hitler‹ [zu] grüssen, sondern den guten österreichischen Gruss ›Grüss Gott‹ wieder aufleben [zu] lassen«,75 oder die offiziös wirkende Verlautbarung der fiktiven »Vereinigung Reichstreuer Ostmärker«. Diese behauptet mit kalkuliertem Zynismus, dass »[o]stmärkische Männer […] stolz [sind,] sich für den Führer in Russland, Polen, Frankreich, Holland, Jugoslavien und Italien opfern zu dürfen. Sie fallen für die Verteidigung der Ostmark. […] Gut und Blut für das Dritte Reich  ! Heil Hitler  !«76 Die Absicht dieses Flugblatts war es, den Österreichern die selbstzerstörerische Sinnlosigkeit der Aufopferungsappelle des militärisch bereits besiegten, aber an allen Fronten unentwegt weiterkämpfenden Regimes bewusst zu machen. Die Rezipienten sollten sich fragen, was die »Verteidigung der Ostmark« mit dem verlustreichen Angriffs- und Vernichtungskrieg des »Dritten Reiches« in ganz Europa zu tun haben soll. 73 OSS Planning Group, Implementation Study for the Special Strategic Services Activities in Austria, 3.7.1944. NARA, RG 226, E 144, B 22. 74 Vgl. das Schmähgedicht »Der Fremdenverkehr«, in  : Traussnig, Militärischer Widerstand, 284 f. 75 OSS-Flugblatt »10 Gebote für Österreicher«, vermutlich Sommer 1944. OSS/MO Propa­ganda Samples. NARA, RG 226, E 92, B 1  ; ein Kriegsgefangener der Wehrmacht, der im Jahr 1942 oder 1943 auf Heimaturlaub in Wien war, gab an, dass »[t]he common greeting when entering [Viennese] shops is ›Guten Tag‹ or ›Gruss Gott‹« [sic  !]. POW Interview Report NOI/80 MI(L), 19.5.1943. 76 OSS-Flugblatt »Vereinigung Reichstreuer Ostmärker«, vermutlich September 1944. OSS/MO Propa­ganda Samples. NARA, RG 226, E 92, B 1.

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17, 18 Von SAUERKRAUT-Agenten verteilte »propa­ganda stickers«.

Natürlich ließ es sich Linder nicht nehmen, mehrere von ihm persönlich produzierte Flugblätter unter die von den SAUERKRAUT-Agenten verteilten Materialien zu mischen. Mit dem von ihm verfassten und an Österreicher in der Wehrmacht (und in der Heimat) adressierten Flugblatt In Grinzing drauss’t versuchte er die Leser mit den zuvor erläuterten proösterreichischen und »antipreußischen« Gedanken zu konfrontieren. Dieses vorgeblich vom deutschen Komponisten »Friedrich Lindner«77 verfasste und angeblich von der »Ufaton-Verlags G.m.b.H. Berlin«78 produzierte Flugblatt besteht formal aus den Noten und dem Text zu einem »Wiener Lied und langsame[n] Walzer«. Der Walzer diente jedoch nicht zur Unterhaltung der österreichischen Soldaten, sondern als Diskursträger für antinationalsozialistische Propa­ganda. Es handelt sich um ein Paradebeispiel für das schwarze Täuschungsspiel des OSS. Inhaltlich steht hierbei das propagan­ distisch oft aufgegriffene Ethnostereotyp eines »goldenen österreichischen Zeitalters« im Vordergrund. Demnach waren die Österreicher vor dem Krieg und während des Krieges nichts anderes als friedliebende Gesellen, die mit »den ­Nazis« und dem Eroberungs- und Vernichtungskrieg der Wehrmacht nichts am Hut haben. Dieser bereits im ersten Kapitel über die OWI-Österreichpropa­ganda erwähnte »Phäaken«-Topos der österreichischen Gemütlichkeit79 wurde von allen US-Propa­gandainstitutionen, die im Zweiten Weltkrieg Texte für österreichi77 Es handelt sich hier um ein – für Linder typisches – autoreferenzielles Sprachspiel, mit dem er Bezug auf den Namen des Autors, also auf sich selbst, nimmt. 78 Die UFA (Universum Film AG) war während des Krieges das wichtigste Film- und Unterhaltungsunternehmen des Deutschen Reichs. 79 Wodak et al., Diskursive Konstruktion, 122–124  ; vgl. hierzu das Kapitel 1.2 zur österreichbezogenen »Gemütlichkeitspropa­ganda« des OWI in diesem Band und Traussnig, »Nazi«, 110–113.



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19 »Die Preussen sind an allem schuld  !« – OSS-Flugblattzeitung Der Österreicher, März 1945.

sche Adressaten produzierten, verwendet. Das Zeitalter, das in Linders Walzer besungen wird, ist jenes des ungestörten Weintrinkens und des savoir vivre in den Heurigenschenken von Wiener Ortsteilen wie Grinzing. Nach dem Lamento über die seit 1938 durch die Herrschaft der faschistischen Fremdherrscher aus dem Norden jäh unterbrochene Ära der Wiener Gemütlichkeit schließt der Liedtext mit einer mehr oder weniger offenen Kampfansage an das NS-Regime und ruft indirekt zur Befreiung Österreichs auf. Der als Musikstück getarnte Aufruf zum Widerstand schließt mit einem Ausrufezeichen (was als Subtext im Sinne von  : »Tu es  ! Wehr dich gegen die Nazis  !« zu lesen ist) und einem Fragezeichen (was als  : »Wie lange noch wirst du dem Treiben der Nazis zusehen, bis du für die Befreiung Österreichs eintrittst  ?« ausgelegt werden kann)  : Da sitzt man zusammen, ist glücklich zu zwei’n, Und sieht die Zukunft noch goldner als den Wein. Die gute Zeit kommt wieder und Österreich wird frei  ! Die alten Wiener Lieder erklingen uns neu …

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Ja kann’s irgendwo schöner noch sein, Als draussen in Grinzing beim Wein  !  ?80

Die Operation SAUERKRAUT, das ausführende Personal derselben sowie die während dieser Operation verteilten Propa­gandatexte spiegelten von Anfang an den Universalismus und die ehrgeizige Subversionsdoktrin des OSS, der gleichzeitig Geheimdienst und Propa­gandainstitution war, wider. Es handelte sich bei der Planung und Durchführung von SAUERKRAUT nicht nur um eine unkonventionelle Propa­ganda-, sondern auch um eine abteilungsübergreifende Intelligence-Mission. Der während des Krieges in der Italien-Abteilung eingesetzte OSS-Mitarbeiter Max Corvo berichtet in seinen Kriegsmemoiren über die enge Zusammenarbeit der MO Branch mit der Beschaffungsabteilung SI (Secret Intelligence). So arbeitete die SI Branch etwa den OSS-Propa­g andakriegern zu  : Um die Durchführung der Operation effizient und die von den SAUERKRAUT-Agenten verteilte Propa­ganda möglichst zielgruppengerecht zu gestalten, hatten die SI-Mitarbeiter daher nicht nur »military intelligence«, sondern auch ­»morale intelligence« über den Feind eingeholt. Auch von den Verhöroffizieren der G-2-Abteilung der 5. US-Armee und des OSS, wie etwa dem R&A-Agenten Schneditz-Rockhill, der Hunderte von deutschen und österreichischen Kriegsgefangenen aus den sogenannten »POW Cages« interviewt hatte, erhielten MO-Flugblattproduzenten wichtige Hinweise über die »Feindmoral« und darüber, was in den Köpfen der deutschen Soldaten vorging. Auf Basis dieser Zusammenarbeit mehrerer OSS-Stellen und der teils sehr brauchbaren Informationen der SI-Abteilung wurde von der Propa­gandatruppe rund um Linder etwa die sogenannte »Kesselring-Proklamation« verfasst.81 Über dieses Flugblatt, das ein wahrer – wenngleich militärisch wenig bedeutender – Desinformations-Coup des OSS war, werde ich später noch näher berichten. Doch auch die MO-Penetrationsagenten in den einzelnen SAUERKRAUT-­Teams verteilten bei ihren riskanten Einsätzen hinter der Front nicht nur Propa­ganda, sondern fungierten ihrerseits als militärische Aufklärer. So gelang es den sowohl als Propa­gandabriefträger als auch als Spione eingesetzten »SAUERKRAUTs«, taktisch relevante Informationen, wie etwa die Position der vierten deutschen Luftlandedivision, an das OSS bzw. die G-2-Abteilung der 5.  US-Armee weiterzuleiten. Wann immer es möglich war, versuchten die Penetrationsagenten zudem auch die Reaktionen der Empfänger auf die US-Propa­ganda zu dokumentieren.82 80 OSS-Flugblatt »In Grinzing drauss‹t«, von E. Linder, vermutlich Sommer 1944. OSS/MO Propa­ganda Samples. NARA, RG 226, E 92, B 1. 81 Max Corvo, The O.S.S. in Italy 1942–1945. A Personal Memoir. New York  : 1990, 208 f. 82 Mauch, Schattenkrieg, 198.



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20 Ein Loblied auf »gemütliche« Österreicher und »Wiener Schatzerl« – OSS-Flugblatt von Eddie Linder, vermutlich Sommer 1944.

Am italienischen Kriegsschauplatz gelang es Donovans Geheimdienst daher, das in seiner Organisationsstruktur schlummernde »potential for centraliziation«83 auszuschöpfen  : Unabhängig von der propagandistischen Effizienz der von den SAUERKRAUT-Agenten verteilten schwarzen Propa­ganda war die Zusammenlegung aller personellen und organisatorischen Mittel im Einsatzbereich von OSS/ MedTO erfolgreich. Die enge Zusammenarbeit und Experimentierfreude der verschiedenen OSS-Zweige wie SI, MO und R&A am afrikanisch-südeuropäischen (Neben-)Kriegsschauplatz gab auch wichtige Impulse und Planungsanleitungen für die vom umtriebigen OSS-Offizier William Casey im großen Ausmaß vorangetriebene »penetration of Germany«. Im Zuge dieses ab Herbst 1944 vom OSS-Stützpunkt London aus erfolgten Großunternehmens konnten letztlich über 100 OSS-Fallschirmagententeams im Inneren des Deutschen Reichs abgesetzt werden.84 Obgleich auch hier der militärisch-taktische und vor allem der stra83 MacPherson, American Intelligence, 209. 84 W. Casey, OSS London, to E. Brooks and J. Greedy, HQ & HQ Detachment, OSS, US Forces European Theater of Operations, Development of SI Operations since December 1944,

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tegische Nutzen des geheimdienstlichen Schattenkriegs gegen Deutschland eher gering gewesen sein dürfte, zeigt sich, dass die experimentierfreudigen Amerikaner mit ihren unkonventionellen und forschen Zugängen ihren britischen Seniorpartnern langsam den Rang abzulaufen begannen und einen Intelligence- und Propa­gandakomplex schufen, der – bis heute – seinesgleichen sucht. Wie sah nun aus propagandistischer Sicht das Resümee der SAUERKRAUT-­ Operation aus  ? In den Berichten des 2677. Regiments und von MO-MedTO wird nahezu gebetsmühlenartig wiederholt, dass das Streuen von Gerüchten und Provozieren von Unfrieden und subversivem Aktionsdruck im gegnerischen Lager erfolgreich war. Von deutscher Seite reagierte man offensichtlich mit Sorge auf diese neue Form der psychologischen Kriegsführung. Die ss-Truppenzeitschrift Das Schwarze Korps, die von OSS/MO mehrfach gefälscht worden war, sah sich im Jänner 1945 gezwungen, mit einem langen Leitartikel auf die beunruhigenden Propa­gandaaktivitäten des OSS in Norditalien zu reagieren. Von den OSS-Offizieren wurden solche pressemedialen Reaktionen von feindlicher Seite auf die eigene Propa­ganda als »comebacks« bezeichnet und mit überbordendem Optimismus als Effizienzindikatoren und Erfolg der schwarzen Propa­ ganda gewertet.85 In Kriegsgefangenenverhören stellten die OSS-Propagandisten fest, dass sich etwa die als eigene Zielgruppe angesprochenen Österreicher von den SAUERKRAUT-Kommunikaten teils sehr beeindruckt zeigten und dass sie sich davon zu »responsive actions«, i. e. dem Überlaufen des Landsers nach der Flugblattlektüre zu den Amerikanern oder Briten, veranlasst gefühlt haben. Zwei aus Österreich stammende Kriegsgefangene gaben gegenüber dem OSS an, die Propa­gandamaterialien von OSS/MO nicht nur gelesen und deren Inhalte wohlwollend aufgenommen, sondern die Materialien teils auch aktiv verteilt zu haben. Aufgrund solcher Multiplikatoreffekte und solcher »Anschlusskommunikation« schienen österreichische Zivilisten in der Heimat, die die zuvor erwähnten schwarzen OSS-Publikationen ebenfalls mit Interesse rezipiert hatten, an die Existenz einer Widerstandsbewegung mit dem Namen Das Neue Deutschland zu glauben. Dass es sich dabei um eine reine Propa­gandakampagne von OSS/MO handelte, wusste einer der erwähnten Gefangenen nicht.86 In seinen teilweise äußerst scharfsinnigen Überlegungen zu den kommunikativen Resultaten von 12.7.1945. NARA, RG 226, E 110, B 50. Siehe grundlegend hierzu auch die Memoiren von Casey, Secret War. 85 OSS/MO Washington, Faksimile of Das Schwarze Korps, 11.1.1945, und Excerpts from MO/ MEDTO Field Report, April 1945, beide in NARA, RG 226, E 99, B 88, F 4  ; vgl. Herbert A. Friedman, »Sex and Psychological Operations«, in http://www.psywarrior.com/sexandprop.html (letzter Zugriff  : 7.10.2010). 86 OSS/MO, Comebacks on Das Neue Deutschland, Excerpt from MO/Mediterranean Field Report of 15–30 April 1945, Effectiveness of MO, 1–5, hier 1 f. NARA, RG 226, E 99, B 88, F 5.



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Kriegspropa­ganda kommt Heinz Starkulla jr. zum Schluss, dass die Hauptfunktion von grauen und schwarzen Kampagnen »geradewegs darin bestand, Wirkung durch Anstiftung von zersetzender Folgekommunikation zu erzeugen  : durch Gerüchteproduktion und -Verstärkung nämlich.«87 Nicht nur feindliche Soldaten, sondern auch die zentrale Analyseabteilung des OSS in Washington (R&A) sowie die renommierte Washington Post fielen auf derartige Täuschungen herein und nahmen an, dass es sich bei Das Neue Deutschland um eine reale Widerstandsgruppe handelte.88 Allerdings können solche impressionistischen Eindrücke und die gelungene Irreführung von Zeitungsjournalisten nicht darüber hinwegtäuschen, dass der propagandistische Effekt all dieser Kommunikate insgesamt doch ein eher bescheidener war. Massendesertionen oder gar Revolten im deutschen Frontsektor blieben aus. Auch operativ waren bei Weitem nicht alle Missionen erfolgreich. Es kam etwa zu einer vermutlichen Infiltration durch einen Doppelagenten und in einem Fall sogar zu einem »Friendly fire«-Schusswechsel von SAUERKRAUT-Agenten mit amerikanischen Soldaten, der den Tod eines GIs zur Folge hatte.89 Die Behandlung, welche der Kriegsgeheimdienst den Deserteuren und SAUERKRAUT-Leuten, die die riskante Teilnahme am alliierten Schattenkrieg gegen die Wehrmacht und das NS-Regime dem »Absitzen« der Kriegsgefangenschaft bei guter Verpflegung vorgezogen hatten, angedeihen ließ, stieß ebenfalls auf Kritik – und dies zu Recht  : Ebenso wie der vergleichsweise privilegierte Aristokrat und »OSS civilian« Oliver Schneditz-Rockhill erwarteten sich österreichische SAUERKRAUT-Penetrationsagenten nach dem Krieg eine bevorzugte Behandlung durch die US-Behörden oder gar die amerikanische Staatsbürgerschaft. Da sie als deutsche Kriegsgefangene jedoch nie offiziell als OSS-Agenten beschäftigt worden waren und auf keiner »pay roll« aufschienen, wurden die Deserter Volunteers im Dienste von MO-MedTO weder finanziell für ihre Arbeit entschädigt geschweige denn mit Einbürgerungen belohnt. Trotz des energischen Protests von Eddie Linder, dem die »US citizenship« im Jahr 1949 gewährt werden sollte,90 zerschellten die Hoffnungen der Agenten an der Gleichgültigkeit der amerikanischen Bürokratie bzw. an den juridischen Fallstricken des völkerrechtswidrigen Unterfangens namens SAUERKRAUT. Die Agenten der Mission wurden nach ihrem Einsatz einfach wieder 87 Starkulla jr., Propa­ganda, 295. 88 Laurie, »Black Games«, 265. 89 Mauch, Schattenkrieg, 199. 90 Petition for Naturalization of Edmund F. Lindner, U.S. District Court, New York City, Nr. 685661, 11.8.1949. NARA, Northeast Region, Index to Petitions for Naturalization filed in Fed­ eral, State, and Local Courts located in New York City, 1792–1989, in  : http://www.ancestry.com/ (letzter Zugriff  : 8.5.2013).

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in die Kriegsgefangenenlager gesteckt.91 Dass das OSS den von der Wehrmacht desertierten SAUERKRAUT-Mitarbeitern mit unorthodoxen Kompensationen und »well deserved pleasures« wie Bordellbesuchen in Italien eine kurzfristige Befriedigung verschaffte, darf nicht über die problematischen und fragwürdigen Aspekte der Personalpolitik von MO-MedTO hinwegtäuschen.92 Manche der Beteiligten übten sich angesichts dieser Situation sogar im Gestus der Rebellion  : In einem – leider bis dato nicht auffindbaren – Interview mit Siegfried Beer hat Linder 1997 behauptet, dass die deutschen Ex-SAUERKRAUT-Agenten Willi Haseneier und Hans Tappert nach getaner Arbeit nicht wieder in ein Kriegsgefangenenlager zurückzukehren wollten, sondern es vorgezogen hätten, ein Spielkasino in Rom zu überfallen und auszurauben.93 Wie bereits anhand des schwarzen Propa­gandaflugblatts In Grinzing drauss’t gezeigt, betätigte sich Linder nicht nur als operativer Vorbereiter und Mastermind der SAUERKRAUT-Operation, sondern auch als mehrfacher Songschreiber. Während seines Dienstes in Italien hatte er etwa das Lied Wie lange noch  ?, einen »langsamen Foxtrott«, komponiert. Dieser »very tuneful song« 94 wurde teils im Verbund mit dem Grinzing-Song als »neuester Schlagererfolg« im Feindgebiet verbreitet und war im Stil der ähnlich gelagerten OSS-Operation MUSAC95, welche auf Unterminierung der deutschen Moral durch defätistische Radioprogramme abzielten, gehalten. Das Lied wurde über subversive britisch-amerikanische Propa­gandarundfunkstationen wie den von Woburn bei London aus operierenden Soldatensender Calais in den Äther gesandt und erreichte somit auch Zivilisten.96 Das soldatische SAUERKRAUT-Publikum der Wehrmacht in Nord­italien »beglückte« man ebenfalls mit dem Text zu Wie lange noch  ?, der in Form eines raffiniert gefälschten »Ufa«-Flugblatts verteilt bzw. abgeworfen wurde. Der Text des Liedes auf dem Flugblatt Wie lange noch  ? lautete wie folgt  : 1. Es war an einem Tage schon Jahre zurück, Da hast Du mir versprochen das grosse Glück. Ich glaubte an Dich und ging mit Dir mit  ; Doch jetzt bereu ich zutiefst diesen Schritt. 91 Laurie, »Sauerkrauts«, 59. 92 Mauch, Schattenkrieg, 200 und 380  ; Christof Mauch, »Top Secrets und Gefährliche Spiele oder  : Was man aus der Geschichte des amerikanischen Geheimdiensts OSS lernen kann«, in  : Journal for Intelligence, Propa­ganda and Security Studies ( JIPSS), Vol. 7, Nr. 2/2013, 7–19. 93 Interview Linder, OSSOHP, 1997  ; vgl. Mauch, Schattenkrieg, 380. 94 E. Warner, Chief MO Branch, OSS Morale Operations Report for Period 1–15 July 1944. NARA, RG 226, E 99, B 26, F 2. 95 Siehe hierzu das Kapitel 2.3 zu Vilma Kuerer in diesem Band sowie Lawrence C. Soley, Radio Warfare  : OSS and CIA Subversive Propa­ganda. New York  : 1989, 125–129. 96 Siehe hierzu Herbert A. Friedman, »The Use of Music in Psychological Operations«, in  : http:// www.psywarrior.com/MusicUsePSYOP.html (letzter Zugriff  : 21.10.2010).



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21 Umschlagseite des als OSSFlugblatt veröffentlichten Liedtexts Wie Lange Noch  ?

Refrain  : Warum hab’ ich nicht gleich verstanden, Dass Du mich belügst  ? Und nicht geahnt (als wir uns fanden), Dass Du mich betrügst  ? Ich will nicht mehr warten, mich von Dir loszusagen – Ich will nicht mehr länger dieses Schicksal ertragen  ! – Wie lange noch  ?  ! Wie lange noch  ?  ! 2. Die Welt ist doch so gross und Du bist so klein  ; Du kannst nicht über Alles allmächtig sein  ! Dein Spiel ist jetzt aus, der Traum ist vorbei – in kurzer Zeit bin auch ich wieder frei  ! Refrain  :[…]97

Die Phrase Wie lange noch  ? stellt historisch gesehen einen Gemeinplatz persuasiver Rhetorik dar und wurde schon von Cicero in seinen Reden gegen den Verschwörer Catilina verwendet  : »Quo usque tandem abutere, Catilina, patientia nostra  ?« (»Wie lange noch, Catilina, wirst du unsere Geduld missbrauchen  ?«) Ob dieser Topos von Linder bewusst aufgegriffen wurde, lässt sich nicht mit 97 OSS-Flugblatt »Wie Lange Noch  ?«, von E. Linder, vermutlich Sommer 1944. OSS/MO Propa­ ganda Samples. NARA, RG 226, E 92, B 1.

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Sicher­heit feststellen. Wie lange noch  ? war auf jeden Fall kein thematisch isolierter Einzelbeitrag Linders, sondern Teil einer groß angelegten, ab Sommer 1943 in Italien, Südfrankreich und auf dem Balkan lancierten amerikanischen Propa­ gandaaktion, welche aus insgesamt 16 vorgeblich aus der Feder eines Widerstandszirkels stammenden Flugblättern und anderen Materialien bestand.98 Die thematisch aufeinander abgestimmten Inhalte wurden mittels eines multisensorischen Mix, bei dem auch »Stickers« und Musik eine Rolle spielten, vermittelt.99 Auch andere US-Propa­gandainstitutionen wie die der 5. US-Armee unterstellte Einheit der Psychological Warfare Branch (PWB/5th Army) griffen dieses Thema auf. Als taktische Kampfpropa­gandatruppe operierte die PWB/5th Army, wie auch OSS/MO-MedTO, unter dem gemeinsamen organisatorischen Dach der PWB/ AFHQ. So findet sich in den Memoiren des deutschen Autors und US-Frontpropagandisten Klaus Mann100 ein Faksimile eines amerikanischen Desertions-Flugblatts, das ebenfalls mit der Textzeile »Wie lange noch  ?« schließt.101 Inhaltlich ist das Subtile am Liedtext von »Wie lange noch  ?« gewiss nicht seine poetische Qualität, sondern seine in vermeintlich harmlose Populärkultur verpackte subversive Botschaft. Letztere zielt auf zwei verschiedene Ebenen der Textinterpretation bzw. der Lebenswelt der Empfänger ab  : Zunächst kann man den Text als sentimentales Liebeslied, als klagendes Rührstück einer einsamen Frau interpretieren, die dem kriegsmüden und an Liebesentzug leidenden deutschen Soldaten mit dem Ende der Beziehung droht und ihn damit indirekt zu Defätismus und Desertion auffordert (»[ich] ging mit dir mit […] jetzt bereu ich zutiefst diesen Schritt«). Die zweite Lesart ist die allegorische  : Der angesprochene Wehrmachtssoldat steht für den Führer selbst, der – ähnlich der Figur des Rustan in Franz Grillparzers Der Traum ein Leben (1834)102 – aus seinem von Cäsarenwahn befeuerten Fiebertraum von Ruhm, Ehre und Weltherrschaft gerissen wird. Die unzufriedene Geliebte verkörpert das anfangs geblendete Volk, das sich von Hitler und seinen willigen Helfern – dazu gehören auch die Frontsoldaten – ab- und der Freiheit zuwendet (»Dein Spiel ist jetzt aus, der Traum ist vorbei – in kurzer Zeit bin auch ich [i. e. das deutsche Volk] wieder frei  !«).  98 Laurie, Warriors, 194.  99 Manning/Romerstein, Historical Dictionary, 205  ; vgl. Laurie, Warriors, 194 f. 100 Mann war mit der First Radio Mobile Broadcasting Company (1 st MRBC) und dem Psychological Warfare Combat Team der 5. US-Armee (PWB/5th Army) in Nordafrika und Italien im Einsatz. 101 PWB/AFHQ, Flugblatt T-49, »Deutscher Soldat an der italienischen Front  !«, abgebildet in  : Uwe Naumann/Michael Töteberg (Hgg.), Klaus Mann. Auf verlorenem Posten. Aufsätze, Reden, Kritiken 1942–1949. Reinbek bei Hamburg  : 1994, unpaginierter Illustrationsteil. 102 Siehe Franz Grillparzer, Der Traum ein Leben. Dramatisches Märchen in vier Aufzügen. Stuttgart  : 1998.



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Sowohl die erste Interpretationsweise des Liedes (Frau verlässt Soldat) als auch die zweite (Volk verlässt Führer) basiert auf dem Prinzip der assoziativen Kopplung  : Die im Lied beschriebene Situation und die daraus resultierenden Gefühle sollen vom Hörer psychologisch an das Verlangen nach einem baldigen Ende der Kampfhandlungen geknüpft werden. Der schnellste Weg, dies zu ermöglichen – zumindest nach der Idealvorstellung des OSS-Propagandisten Eddie Linder –, ist die Desertion. Der Empfänger sollte die rhetorische Frage »Wie lange noch  ?« als konkreten Appell »Wie lange noch willst du kämpfen, Soldat  ?« deuten. In einer von ihm verfassten und vom MO-Chef in Italien, dem Zivilisten Eugene Warner, an die OSS-Zentrale in Washington weitergeleiteten Schreiben ging Linder konkret auf die psychologischen Absichten seines schwarzen Propa­gandakommunikates ein. Er schlug den schwarzen Propa­gandasendern der Westalliierten vor, vor Abspielen seines Lieds eine »introductionary speech« zu verlesen, die den Rezipienten Hinweise auf die »richtige«, i. e. die allegorisch-politische Lesart des Wie-lange-noch  ?-Foxtrotts gab und die den repressiven, aber laut Linder zunehmend zahnlos auftretenden NS-Überwachungs- und -Zensurapparat bloßstellen sollte. In dieser Rede wird behauptet, dass »der Herr Zensor den Foxtrott ›Wie lange noch  ?‹ ohne Weiteres passieren liess, obwohl die Worte zum Lied – wenn man ein wenig zwischen den Zeilen liest – ganz deutlich sagen  : ›Der Führer hat uns soviel versprochen. Warum haben wir nicht sofort erkannt, dass all dies nur reiner Betrug war  ? Die Welt ist doch so gross, Adolf, und Du bist so klein  ; […] Dein Spiel ist jetzt aus  !‹ […] Es ist nur ein kleines Lied, ein Foxtrott, Herr Propa­gandaminister. Wollen Sie es nicht noch mal hören  ?«103 Eine Art Sprachspiel und Interpretationsanleitung für semantische Doppelbödigkeiten. Wenige Wochen nach der Einreichung von Linders Foxtrott zur propagandistischen Verbreitung im Äther äußerste sich Eugene Warner lobend über den Beitrag Linders und berichtete, dass das Lied von schwarzen Radiosendern gespielt wurde.104 Die bisher angeführten Beispiele geben also einen Einblick in den konkreten Arbeitsalltag des ebenso umtriebigen wie unorthodoxen Feldpropagandisten Eddie Linder.

103 E. Warner to Chief MO Branch, OSS, Washington D.C., on Song »Wie Lange Noch«, 22.9. 1944. NARA, RG 226, E 92, B 487, F 1. 104 E. Warner, Chief MO Branch, OSS, Morale Operations Report for Period 15–31 October 1944, 3. NARA, RG 226, E 99, B 27, F 3  ; möglicherweise wurde das Lied auch vom schon im Frühjahr 1943 gegründeten OSS-Radiosender in Italien, Italo Balbo, gespielt. Siehe hierzu Laurie, Warriors, 203 und Mauch, Schattenkrieg, 209 f.

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2.2.2 Bildlinguistische Detailanalyse  : Sex-Flugblätter als »Büchsenöffner für Gehirne«  ?

Um das in Linders Lied vorherrschende Motiv der einsamen (Soldaten-)Frau zu verstärken, fanden sich unter den Flugblättern der zuvor beschriebenen Wielange-­noch  ?-Serie auch einige mit sexuellen Andeutungen. Bei Weitem aggressiver und schlüpfriger als die Flugblätter dieser Reihe waren jene explizit pornografischen »Sex Cards and Envelopes«, die Eddie Linder für eine weitere Operation von OSS/MO-MedTO verfasste. Rund 65.000 Flugblätter dieser Serie verließen die Druckerpressen, um in Norditalien hinter feindlichen Linien verbreitet zu werden.105 Linder produzierte hierfür sechs pornografische Zeichnungen, die sich in dem bedruckten Umschlag eines »Seductive and Subversive Booklet«106 befanden und die heute im US-Nationalarchiv einsehbar sind. Das Flugblattbüchlein trug den Titel 6 Bilder – In der Heimat da gibt’s ein Wiedersehen  !, der durch die handschriftliche Notiz  : »Nur für Männer« ergänzt wurde.107 Bereits die auf der Umschlagseite platzierte Überschrift war nicht zufällig gewählt. Die Phrase »In der Heimat da gibt’s ein Wiederseh’n  !« ist der Titel eines deutschnationalen Soldatenliedes von Hugo Zuschneid (1861–1932).108 Das Bildbüchlein wurde so dem angesprochenen Wehrmachtssoldaten als patriotisches Produkt präsentiert. Dieses für schwarze Propa­ganda charakteristische Verschleiern der Herkunft von Propa­gandatexten sollte dafür sorgen, dass die amerikanischen Propa­gandabilder von den deutschen Soldaten und Militärbehörden nicht sofort als solche entdeckt und aus dem Verkehr gezogen wurden. Für unsere Analyse ist jedoch auch von Interesse, dass im erwähnten deutschen Soldatenlied aus dem 19. Jahrhundert neben dem üblichen Kriegspathos und nationalistischem Triumphalismus auch der Wunsch nach Rückkehr des Kämpfers in seine Heimat – und damit indirekt der »wehrkraftzersetzende« Wunsch nach dem Wiedersehen mit Frau und Kind – thematisiert wird. Die Heimatnostalgie im Sinne Zuschneids war also nicht das eigentliche Thema von Linders Bilderserie, sondern nur ein funktionales Element unter vielen. Um zu erreichen, dass 105 OSS, Final Report of Production and Distribution of Leaflets from July 15, 1944 to May 15, 1945, in  : Friedman, »Sex«. 106 Vgl. War Diary of the Morale Operations Branch of the Office of Strategic Services (OSS) in London, Vol. 4, Special Operations, Seductive and Subersive Booklet, [Bildteil] 57. NARA, RG 226, E 210, B 86. 107 Friedman, »Sex«  ; die nicht zensierten Kopien der Original-Bilder aus dem Flugblattbüchlein »6 Bilder«, sind einzusehen unter  : OSS/MO Propa­ganda Samples. NARA, RG 226, E 92, B 2. 108 Liedtext von »In der Heimat da gibt’s ein Wiederseh’n  !«, in  : http://www.volksliederarchiv. de/nun-gehts-ans-abschiednehmen-in-der-heimat-gibts-ein-wiedersehn/ (letzter Zugriff  : 25.7.2016).



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der angesprochene Wehrmachtssoldat den Inhalt tatsächlich mit Interesse lesen würde, griff Linder auf eine zeitlose anthropologische Triebfeder zurück – auf Sex. Der pornografische Köder (»pornographic bait«109) in Form von expliziten Darstellungen nackter Frauen sollte dem feindlichen Soldaten die US-Propa­ganda schmackhaft machen. Wie die Propa­gandastrategen aller kriegführenden Mächte wusste auch er, dass das Konzept Sex bei einer jungen, männlichen Zielgruppe wie Soldaten Aufsehen erregt.110 In ihrem bemerkenswerten Buch Soldaten. Protokolle vom Kämpfen, Töten und Sterben berichten Sönke Neitzel und Harald Welzer über die Gesprächsthemen und die Gedankenwelt Tausender deutscher Kriegsgefangener, die von den westalliierten Geheimdiensten in speziellen Abhörlagern ohne ihr Wissen belauscht worden sind. Die von den amerikanischen Ver- und Abhöroffizieren meist als »Geschwätz« eingestuften Wortwechsel der Wehrmachtssoldaten über Frauen und Sex wurden zwar als militärisch irrelevant erachtet, bieten heutigen Propa­gandaforschern, Psychologen und Soziologen aber einen Blick in die komplexe Gedankenwelt des »typischen« Landsers. »Was in den Gesprächen vorkam«, so die Autoren (die Tausende alliierte Abhörprotokolle zunächst mittels der EDV-gestützten quantitativen Inhaltsanalyse thematisch strukturiert und danach nach dem Aspekt der Repräsentativität ausgewertet hatten), »reicht aus, um einen Eindruck davon zu bekommen, welche Rolle Sex für die Soldaten spielt«  :111 Da – insbesondere junge – Männer sich zwar intensiv, aber nicht ausschließlich für Technik, sondern mit vergleichbarer Inbrunst auch für Frauen interessieren, ist aller Erfahrung nach anzunehmen, dass die Männer über Sex mindestens ebenso viel geredet haben – eines der Abhörprotokolle deutet das auch in aller Klarheit an, ohne eine einzige Zeile zu transkribieren  : 18  : 45 [h] Women 19  : 15 Women 19  : 45 Women 20  : 00 Women112

Das erwähnte Gespräch wurde im geheimen US-Abhör- und Verhörlager Fort Hunt (das vom militärischen Nachrichtendienst G-2/MIS und dem Office of Naval Intelligence betrieben wurde) aufgenommen. Der US-Soldat, der das Gespräch belauschte und protokollierte, schien dem breit diskutierten Thema 109 Sam Keen, Faces of the Enemy. Reflections of the Hostile Imagination. San Francisco  : 1986, 76. 110 Vgl. Herbert Selg, Pornographie. Psychologische Beiträge zur Wirkungsforschung. Bern  : 1986, 67 f. 111 Neitzel/Welzer, Soldaten, 224 f. 112 Ebd.

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»Frauen« wenig militärische oder analytische Bedeutung beizumessen. Auch viele Forscher aus dem Bereich der Sozial- und Geschichtswissenschaften interessierten sich offenbar kaum für diesen Aspekt männlicher Lebenswelten und legten – so Neitzel und Welzer – eine notorische »Alltagsferne« an den Tag  : Der Themenkomplex Soldaten und Sex wurde wissenschaftlich über Jahrzehnte hinweg nicht wirklich behandelt. Das Forscherduo weist jedoch darauf hin, dass Sex bzw. »[s]exuelle Eskapismen im Alltag [der Soldaten] fest verankert« waren. In der Regel wurde und wird der mehr oder weniger starke Sexualdrang von Männern von der »großen Nischengesellschaft der Sexindustrie« und anderen Gesell­ schaftsphänomenen kanalisiert. Im von Extremsituationen gekennzeichneten Referenzrahmen113 des Krieges kommt es jedoch nicht selten zu verbrecherischen Auswüchsen und Exzessen wie etwa Massenvergewaltigungen von Frauen durch Militärs.114 Sex ist also ein menschlicher Trieb, der die Soldaten täglich beschäftigt und der durch gewisse Aktivitäten, wie etwa das Aufsuchen von Freudenhäusern, Masturbation oder (gleichzeitigen) Konsum pornografischer bzw. erotischer Druckwerke befriedigt werden kann. Sex ist somit ein griffiges Propa­gandathema. Laut Herbert Friedman waren Flugblätter mit sexuellen Inhalten »the most widely read and circulated enemy documents of any war«.115 Für Propagandisten scheint die Darstellung nackter Haut der ideale Aufhänger für die Verkündigung ihrer Botschaften an das männliche Soldatenpublikum zu sein. Bevor ich zur inhaltlichen Analyse eines pornografischen (Bild-)Textes aus dem erwähnten 6-Bilder-Booklet von Eddie Linder schreite, werde ich versuchen, die kommunikationspsychologischen Absichten Linders zu veranschaulichen und einen etwas weiter ausholenden Einblick in das Thema »Sex als Propa­gandawaffe im Zweiten Weltkrieg« zu geben. Im Rahmen der Mikroanalyse des Bildes werde ich vor allem die von den Produzenten erhoffte Wirkungsabsicht und weniger die tatsächlich erzielte Wirkung des Produkts darstellen. Die zentralen Forschungsfragen lauten daher  : Welche Ziele verfolgte Linder bei der Erstellung dieses Produkts  ? Wie sahen die handlungsleitenden Effekte aus, die er bzw. das OSS sich durch die Verbreitung dieses Bild erwarteten  ? Welche linguistischen und rhetorischen Methoden wurden verwendet, um diese Ziele zu erreichen  ? Dazu der Sprachwissenschaftler Hartmut Stöckl  :

113 Zur Methode der Referenzrahmenanalyse in Bezug auf die historische Rekonstruktion soldatischer Kriegswahrnehmung siehe Harald Welzer, Täter  : wie aus ganz normalen Menschen Massenmörder werden. Frankfurt am Main  : 2006. 114 Neitzel/Welzer, Soldaten, 217 f. 115 Friedman, »Sex«.



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Welche kognitiven, logisch-semantischen und rhetorischen Operationen liegen der inhaltlich funktionalen Kopplung von Sprache und Bild zugrunde  ? […] [Wie] können einerseits die Motive de[s] Textproduzenten wie auch prototypische Lesarten in der Textrezeption rekonstruiert werden  ?116

Nach der Darstellung aus Sicht des Propa­gandapraktikers Eddie Linder folgt schließlich eine kritische Einschätzung vonseiten des Propa­gandaanalytikers, also von mir, welche den Propa­gandaempfänger sowie seine möglichen Überlegungen und Reaktionen (»prototypische Lesarten«) in den Mittelpunkt stellt. Um die Frage nach den Absichten und Methoden des Propa­gandaproduzenten zu beantworten, scheint die Einbeziehung von Linders soziokulturellem Hintergrund sinnvoll. Dem im Wien Sigmund Freuds aufgewachsenen (und morbidem und düsterem Gedankengut sichtlich nicht abgeneigten) OSS-Mitarbeiter fiel es offenbar nicht schwer, aus dem reichen psychoanalytischen Inventar117 der verdrängten Ängste und sexuellen Obsessionen suggestive und verstörende Bilder hervorzuholen und propagandistisch zu verwerten. In einem Interview hat Linder seine psychologischen Intentionen in Bezug auf die pornografischen Bilder unmissverständlich dargestellt  : The »6 Bilder« were not just idle pornography. The »fun« part served […] to achieve wide and rapid dissemination of the material, which was not designed simply to stimu­ late raging hormones. Its purpose was to stimulate second thoughts – a nagging suspicion and discomfort as to the possibility of actual events, even though depicted in pornographic caricature. Could it be that my young son is being corrupted and violated by his Hitlerjugend fuehrer  ? Is my wife’s yearning for sexual fulfillment satisfied by a surrogate, perhaps a neighbor’s dog  ? Whose friend is the Nazi functionary – the soldier’s friend or the soldier’s wife’s  ? In other words, it’s not the porn part of the picture that we wanted to work for us, but the message part (as subliminal as it may seem).118

Linder selbst betrachtete die pornografischen Inhalte des 6-Bilder-Büchleins als »bedeutungslos« – sie hätten nur den Zweck gehabt, Aufmerksamkeit zu erregen und den Leser zu den »teuflischen« und »unterschwelligen« Botschaften des Be116 Stöckl, »Sprache-Bild-Texte«, 60. 117 Der damals noch als Direktor des COI (Coordinator of Information) fungierende OSS-Direktor William Donovan versuchte bereits im November 1941 eine Psychoanalytical Field Unit unter der Leitung des Freud-Schülers Walter C. Langer einzurichten, welche die kollektive Psyche Hitlerdeutschlands erforschen sollte, um in weiterer Folge eine »sound psychological offensive« gegen Deutschland zu lancieren. Mit dem OSS konnte er diese Pläne ab 1943 in abgeschwächter Form realisieren. Laurie, Warriors, 97 f. 118 Edmund Linder, zitiert in  : Friedman, »Sex«.

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gleittexts hinzuführen.119 Der analytische Duktus in Linders Aussagen und sein luzider Blick auf die sozialen und körperlichen Bedürfnisse und Ängste der Propa­gandaempfänger weisen auf ein ausgeprägtes Bewusstsein für die Gedanken und Sorgen der Zielgruppe hin. Linder war jedoch keineswegs der Erste, der derartige Überlegungen in konkrete Propa­gandamaßnahmen umsetzte. Alle Kriegsparteien hatten mehr oder weniger subtil versucht, das Thema Sex in ihrer Propa­ ganda zu thematisieren bzw. die Angst des Soldaten in Bezug auf die sexuelle (Un-)Treue seiner Frau oder Freundin in der Heimat an einschlägige Bild- und Textsymbole zu koppeln. Der ehemalige Infanterieoffizier der Wehrmacht Armin Scheiderbauer berichtet etwa über die – wenig überzeugenden – Versuche der Roten Armee (»des Russen«), die deutschen Soldaten an der Ostfront mithilfe eines sexuellen Köders zum Überlaufen zu bewegen und die »Feindmoral« zu untergraben  : Plötzlich ertönten die »Geschichten aus dem Wienerwald« zu meiner großen Überraschung. Dann rief der Sprecher  : »Fritz [Spitzname für »deutscher Landser«], komm rüber, bei uns gibt’s Pudding. […] Auf der Wiese von Podmoschje warten tausend nackte Weiber auf Euch.«120

Die Adressaten von propagandistischen Erotika waren zudem nicht nur auf der feindlichen Seite zu finden  : Um den »warrior spirit« in der eigenen Truppe zu heben, sponserte die US-Regierung eine Pin-up-Bilderserie für die eigenen Soldaten, im Wissen, dass der Sex-Appeal der abgebildeten Damen »the main draw for sex-starved GIs« darstellte.121 Die Nationalsozialisten wiederum hatten schon während des Westfeldzuges von 1940 grafisch durchaus ausgefeilte Sex-Sujets verwendet, die Linders pornografischen 6 Bildern teils sehr ähnlich waren.122 An der italienischen Front konnte Linder ab 1943 an vorderster Stelle beobachten, mit welchen Mitteln die Deutschen in diesem Feld arbeiteten. In den Akten von OSS/MO finden sich deutsche Flugblätter, die sich an britische Soldaten richteten und die die Eifersucht und die Beziehungssorgen der mit der US-Armee verbündeten Briten mit nationalsozialistisch-ideologischen Inhalten wie der »jüdischen Weltverschwörung« vermischten. So wird etwa in einem Flugblatt namens News from Home das Bild vermittelt, dass amerikanische Soldaten, die (vor allem im Frühjahr 1944) in England stationiert waren, nichts anderes zu tun hätten, als 119 Ebd. 120 Vgl. Bertrand Michael Buchmann, Österreicher in der Deutschen Wehrmacht. Soldatenalltag im Zweiten Weltkrieg. Wien, Köln. Weimar  : 2009, 230. 121 Horten, Radio, 7. 122 Vgl. Jowett/O’Donnell, Propa­ganda, 18.



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22 Aus einem Flugblattbüchlein von OSS und PWD/SHAEF  : Der pornografische Köder (r.) lockt den Blick des deutschen Soldaten zum Propagandainhalt (l.).

englischen Ladies und Ehefrauen nachzustellen. Ziel war es, durch solche Flugblätter einen Keil zwischen die britischen Soldaten und ihre amerikanischen Verbündeten zu treiben. Die »noblen« Briten sollten nach der Lektüre dieser Flugblätter eifersüchtig werden und die GIs als charakterlose Lüstlinge, die einer kulturlosen und barbarischen Gesellschaft entstammten, betrachten. Doch nicht nur das  : Die deutschen Propagandisten hofften mit dem Motiv »Angst um die (untreue) Ehefrau in der Heimat« nicht nur das Interesse des Lesers zu wecken, sondern diesen so weit zu bringen, dass er auch andere im Flugblatt enthaltene Aussagen aufmerksam las. Auf einer anderen Darstellung desselben NS-Flugblatts sind daher mit »semitischen« Zügen versehene »Doktoren«123 abgebildet, die so lange am offenen Gehirn von Premierminister Churchill herumhantieren, bis dieser endlich davon überzeugt ist, dass Stalin nicht der schlimmste »Bluthund« der Geschichte, sondern ein Freund Englands sei. So sollte neben Eifersuchtsgefühlen in Bezug auf die Amerikaner auch die krude These der »Weltverschwörung des jüdischen Bolschewismus« in die Köpfe der britischen Soldaten gelangen. 123 NS-Flugblatt »You Americans«, vermutlich Frühjahr 1944. OSS/MO German Propa­ganda Samples, NARA, RG 226, E 92, B 508.

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Die Nationalsozialisten setzten bei ihrer Kampfpropa­ganda nicht nur auf das häufig verwendete Propagem124 der Leben-Tod-Alternative125 (»Besser in Gefangenschaft geraten als einen sinnlosen Schlachtentod sterben  !«), sondern koppelten das weltanschauliche NS-Leitthema Antisemitismus an sexuelle Inhalte. Dies taten sie in der Hoffnung, dass ein weiblicher und erotischer Köder den alliierten Soldaten dazu bringen würde, auch den ideologischen Teil des Flugblatts zu lesen. Eine Methode, die von US-Propagandisten wie Leo Margolin und wohl auch von Linder als »clever« eingestuft wurde.126 Die Amerikaner taten es in der Folge den Deutschen gleich, und das OSS zeigte keinerlei Scheu, nationalsozialistische Methoden zu übernehmen oder zu adaptieren. Für Leute wie Donovan zählte nicht das Copy­ right, sondern nur militärischer und operativer Pragmatismus. Während die weißen Propa­gandainstitutionen wie das OWI oder die Psychological-Warfare-Abteilungen der US-Armee, die sehr auf seriöses und glaubwürdiges Auftreten bedacht waren, fast gänzlich auf pornografische Propa­gandainhalte verzichteten, nahm sich der Kriegsgeheimdienst des Themas mit voller Inbrunst an. In einem Leitfaden für subversive psychologische Kriegsführung vom Juli 1943 legt das OSS seinen (Radio-)Propagandisten unter anderem folgende »Audience techniques« nahe  : Using slang, vulgarity, and pornography […], giving gossip and »dirt«, e.g., describing the sexual life of prominent enemy officials or their wives.127

Aus westalliierter Sicht waren übrigens nicht nur fiktive oder reale »Nazi-Bonzen«, sondern auch der oberste NS-Psychokrieger Zielscheibe von schlüpfrigen Botschaften aus den schwarzen Propa­gandawerkstätten. So wurde der »Reichsminister für Volksaufklärung und Propa­ganda«, Joseph Goebbels, auf einer Darstellung »with a seminude aspirant to stardom on his lap« abgebildet.128 Kommen wir nach diesem Überblick über Sex als Waffe im Krieg der Bilder nun wieder zu unserer Detailanalyse von Linders pornografischen OSS-Flugblattzeichnungen zurück. Beim Blättern in Linders Büchlein mit den 6 Bildern stößt der Leser nicht nur auf gefällige (Erotik-)Motive und lustvollen Sex, sondern – gemäß der oben zitierten OSS-Propa­gandadirektive – auf großteils harte und drastische Darstellungen kontroversieller bzw. »verbrecherischer« Sexual­ 124 Zum Konzept des Propagems als langlebiges Kommunikationsmuster siehe Gries, »Ästhetik«, 9–36. 125 Ganglmair, Kriegspropa­ganda, 170–173. 126 Leo J. Margolin, Paper Bullets. A Brief Story of Psychological Warfare in World War II. New York  : 1946, 144. Hervorhebung von mir. 127 OSS Provisional Basic Field Manual/MO, 28.7.1943, 29. 128 Lerner, Sykewar, 266.



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praktiken wie Homosexualität,129 Sodomie und Pädophilie, die allesamt vom Leitthema nationalsozialistischer Willkür und Gewalt überlagert werden. Auf zwei dieser sechs grafisch eher minimalistisch gehaltenen, mitunter sehr deftigen und detailfreudigen Schwarz-Weiß-Cartoons werden etwa nackte (Ehe-)Frauen dargestellt, die sich in Abwesenheit ihrer in der Wehrmacht dienenden Männer der lesbischen Liebe hingeben. Zwei weitere Bilder wiederum zeigen die Vergewaltigung von Knaben durch grobschlächtige NS-Funktionäre mit hartem Realismus. Die deutschen Soldaten sollten dadurch überzeugt werden, dass die ihnen nahestehenden »women, boys, and girls were being forced to submit to all sorts of Nazi sexual perversions.«130 Die erwähnten Beispiele zeigen eindrücklich, dass Linder versuchte, bildliche Darstellungen von sexuellen »Perversionen« bzw. von sexuellen Verbrechen mit der NS-Herrschaft und den Nationalsozialisten in Verbindung zu bringen. Sehen wir uns nun ein Bild dieser Serie genauer an, nämlich jenes mit dem Titel »Partei greift durch«. Darauf ist ein nackter, eindeutig der nationalsozialistischen Gesinnungsgemeinschaft zuzuordnender Mann in einem Schlafzimmer abgebildet. Der entkleidete Mann, der eine auffällig starke Körperbehaarung aufweist, will sich offensichtlich jeden Moment an einer auf dem Bett liegenden ebenfalls nackten Frau vergreifen. Trotz seiner erkennbar heftigen sexuellen Erregung setzt der Peiniger vor dem Konterfei des Führers noch inbrünstig zum Hitlergruß an, während auf dem Nachtkästchen der Frau das Porträt ihres in Wehrmachtsuniform gekleideten (und ergo an der fernen Front weilenden) Mannes oder Partners erkennbar ist. Der unmissverständlich formulierte Begleittext kommentiert die Szene  : Er drohte Ihr bis daß sie nett Ihm folgte in sein warmes Bett. Der Nazi schreckt vor nichts zurück Und kommt dadurch zu seinem Fick.131

Soweit die formale Beschreibung des Flugblatttexts. Vom kommunikationsstrategischen Standpunkt aus erscheint die von Linder hier ins Auge gefasste Instru­ mentalisierung erotischer Fantasien und der damit oft verbundenen sozialen 129 Die Tatsache, dass Homosexualität in dieser Bilderreihe in einem Atemzug mit psychisch abnormen bzw. devianten und/oder verbrecherischen Sexualpraktiken wie Sodomie und Vergewaltigung gezeigt wird, spiegelt den gesellschaftlichen Leitdiskurs zum Thema Homosexualität in jener Zeit wider. 130 Laurie, Warriors, 196. 131 OSS-Flugblattbüchlein »6 Bilder«, OSS/MO Propa­ganda Samples.

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Ängste äußerst gewinnversprechend. Es braucht in der Tat wenig Vorstellungsvermögen, um sich auszumalen, wie es um den Hormonhaushalt eines durchschnittlichen Wehrmachtssoldaten im fünften und sechsten Kriegsjahr bestellt war. Die »psychophysischen Dispositionen des [Propa­ganda-]Empfängers«132 wie die allgemeine sexuelle Not an der Front (die lediglich durch Bordellbesuche oder – schlimmer – durch Vergewaltigung von Zivilistinnen ein gelegentliches Ventil fand133) trugen sicherlich ihr Scherflein zur Verbreitung pornografischer Bilder unter den Soldaten bei. Die Pornografie wurde von Linder daher als aufreizender Blickfang und eine Art »Büchsenöffner für Gehirne« verwendet.134 Propa­ganda und Pornografie scheinen sich – zumindest auf den ersten Blick – ideal zu ergänzen. Der Literaturwissenschaftler Ulrich Joost geht in Anlehnung an Steven Marcus sogar so weit, die Pornografie wegen ihrer handlungsleitenden Intentionen zur selben Kategorie wie Propa­ganda zu zählen. Der Unterschied zwischen den beiden Konzepten liegt demnach lediglich bei der konkret umzusetzenden Handlung, nicht jedoch bei der allgemeinen Absicht  : Die Wirkung der Pornographie, ihr Erfolg ist biophysisch meßbar, nicht nur, wie anderer Literatur auch zugestanden wird, am Puls, sondern mit dem Zentimetermaß. Daher ordnet Marcus sie in dieselbe Kategorie wie Werbung und Propa­ganda ein. Deren Intention sei es genau wie bei der Pornographie, Handlungen nahezulegen. In der Praxis scheint sich das bei dieser auf die Selbstbefriedigung zu beschränken.135

Wie Linder im zuvor erwähnten Interview mit Friedman richtig feststellte, sind kriegspropagandistische Porno-Cartoons jedoch nie der nackten Haut oder des »Zentimetermaßes« wegen pornografisch, sondern beabsichtigen vielmehr einen Bruch mit der pornografischen Konvention. Das heißt, die hochgradig ideologische Gesamtbotschaft von Linders »Propa­gandapornos« steht in einem scharfen Kontrast zu den ideologiefreien Zeichenbotschaften der Lust, die bei einem pornografischen Bild normalerweise im Mittelpunkt stehen. Da Pornografie seit jeher hauptsächlich der Befriedigung körperlicher, nicht intellektueller, politischer oder emotionaler Bedürfnisse dient, blendet sie bei ihren Zeichenketten Themen wie Politik oder Liebe aus. Linder holt im »Partei greift durch«-Bild aber gerade diese Themen – wie etwa die Wut des Soldaten 132 Eco, Semiotik, 424. 133 Vgl. hierzu den Abschnitt »Sex« in  : Neitzel/Welzer, Soldaten, 217–229. 134 Fleischer, Feind, 180. 135 Ulrich Joost, »Die Angst des Literaturwissenschaftlers bei der Sexualität. Thesen zur Begrifflichkeit, Systematik und Geschichte der Pornographie in neuerer fiktionaler Literatur«, in  : Rudolf Hoberg (Hg.), Sprache – Erotik – Sexualität. Berlin  : 2001, 308–327, hier 318.



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23, 24 »Partei greift durch« (o.) und »Neue Gewohnheiten in der Heimat« (u.)  : Zeichnungen aus dem nicht jugendfreien OSS-Flugblattbüchlein »6 Bilder«, vermutlich Herbst 1944.

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auf die »Bonzen in der Heimat« oder die Hoffnung, dass die Ehefrau ihm treu bleibt – in den pornografischen Rezeptionsakt hinein und will damit einen aufrüttelnden Aha-Effekt provozieren. Anstatt, wie bei Pornografie üblich, sexuelle Handlungen (an sich selbst) vorzunehmen, soll der Empfänger also zum politischen Akteur werden. Bevor es jedoch soweit kommt, muss erst einmal die Neugier des Betrachters geweckt werden. Zu diesem Zweck wurde etwa der auf dem Umschlag des Bildbüchleins erwähnte Wunsch nach der Rückkehr des Soldaten in die Heimat (»In der Heimat da gibt’s ein Wiederseh’n  !«) mit der Formulierung 6 Bilder ergänzt. Die Homophonie von »6 Bilder« und »Sexbilder« kann als Anspielung auf den pornografischen Inhalt der Bilderserie gelesen werden. Mit diesem Sprachspiel wollte Linder jene Rätselspannung erzeugen, die bei den Empfängern den Wunsch nach einer genaueren Betrachtung der Bilder wecken sollte  : »Welche 6 Bilder birgt wohl dieser Heimat-Umschlag  ?« Der Empfänger strebt eine Distension, eine Auflösung der Rätselspannung rund um die Begriffe Heimat und 6 Bilder an – er steigt ins Sprachspiel ein. Sprachspiele haben immer die Erregung von Aufmerksamkeit zum Ziel und streben in weiterer Folge oft die Überzeugung des Empfängers an  : Ein Sprachspiel lässt sich […] durch zwei wichtige Merkmale charakterisieren  : Von der Form her stellt es eine irgendwie geartete (= spielerische) Abweichung von der sprachlichen Norm oder zumindest von den Erwartungen der Kommunikationsteilnehmer dar, weshalb es beispielsweise grundsätzlich geeignet ist, Aufmerksamkeit zu erregen. Zum anderen erfolgt diese Abweichung absichtlich mit dem Ziel, eine komische, witzige oder – wird »Sprachspiel« weiter gefasst – allgemein persuasive Wirkung zu erzeugen.136

Der Philosoph, Literaturtheoretiker und Kulturwissenschaftler Roland Bar­ thes hat diese Lust am Spiel mit Wörtern bzw. sprachlichen Zeichen als »Lust am Text« bezeichnet.137 Nachdem die Aufnahmebereitschaft des Empfängers für feindliche Propa­ganda durch den Einsatz von Sprachspielen geweckt ist, sollen die sechs Bildchen mitsamt den beigefügten Texten gelesen werden und handlungsleitend wirken. Doch wie bringt man einen Soldaten dazu, sich nach diesem Sprachspiel von den Inhalten des Heftchens angesprochen zu fühlen  ? Linder setzt hierfür nicht nur auf einen pornografischen Stimulus, sondern auch 136 Janich, Werbesprache, 146 f. 137 Roland Barthes, Die Lust am Text. Frankfurt am Main  : 1974  ; vgl. auch John Fiske, »Populäre Texte, Sprache und Alltagskultur«, in  : Andreas Hepp/Rainer Winter (Hgg.), Kultur – Medien – Macht. Cultural Studies und Medienanalyse. Wiesbaden  : 32006, 41–60, hier 45.



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auf das Rezept »Emotionalisierung durch Personifizierung«. Personifizierung bedeutet, dass der Betrachter unseres für die Detailanalyse ausgewählten Bildes »Partei greift durch« mit der Darstellung von konkreten Personen konfrontiert wird, welche ein an und für sich abstraktes soziales Phänomen didaktisch veranschaulichen und ideologisch deuten. So veranschaulicht die im Bett kauernde, leidende (Ehe-)Frau die sexuell aufgeladene »Brutalität der NS-Funktionäre«, die sich durch Vergewaltigung ein Ventil sucht. Doch auch der Empfänger dieses »didaktisch nützliche[n] Schreckensbild[es]«,138 der Frontkämpfer in Italien, wird in die Bildgeschichte hineingenommen und dadurch personifiziert. Er ist letztlich der Mann, der im gerahmten Porträt neben dem Bett abgebildet ist. Er ist es auch, der durch diesen Sprung von der realen Ebene der Betrachtung in jene des fiktiven Propa­gandabildes katapultiert wird und quasi hilflos zusehen muss, wie ein regimetreuer Bürohengst an der Heimatfront seine Frau vergewaltigt. Die im Begleittext gestellte Frage »Auch deine Frau  ?« gilt ihm und soll so gedeutet werden  : »Willst du, dass auch deine Frau von so einem Nazi-Scheusal vergewaltigt wird  ?« Diese indirekt an die Adressaten gestellte Frage war für den soldatischen Leser oft eine brennende  : Die Tatsache, dass man es »[i]m Falle von Soldaten im Krieg […] mehrheitlich mit jüngeren oder jungen Männern zu tun« hat, »die getrennt von ihren realen oder phantasierten Partnerinnen« leben,139 verleiht dem beunruhigenden Motiv der einsamen und gleichzeitig bedrohten Ehefrau ein gewisses Gewicht. Da viele Angehörige der Wehrmacht fernab der Heimat jedoch mit Prostituierten regelmäßig Sex hatten und im Extremfall (vor allem an der Ostfront, aber fallweise auch am südeuropäischen Kriegsschauplatz) auch vor Vergewaltigung von Zivilistinnen nicht zurückschreckten, 140 dürfte die Möglichkeit, dass auch die eigene Frau in der Heimat während dieses brutalen Krieges irgendwann einmal von irgendjemand vergewaltigt wird, zumindest unterbewusst in den Köpfen vieler Landser präsent gewesen sein. Das schlechte Gewissen mancher deutscher Soldaten, die – wie der Panzerjäger Walter Langfeld in Weißrussland – persönlich erlebt haben, wie im Zuge von militärischen Operationen »sämtliche [Partisanen-]Mädchen durchgezogen« und »gebürstet worden« sind,141 rief den Betrachtern der 6 Bilder die Verwundbarkeit der eigenen Frau oder Freundin in Erinnerung und sensibilisierte sie für dieses Thema. Das von Linder verwendete Possessivpronomen deine soll die suggerierte emotionale und persönliche Bindung des Soldaten an das sexuelle Objekt, die bedrohte Frau im Bild, weiter verstärken. Die Personifizierung ideologischer Aussagen soll Emotio138 Vgl. Fleischer, Feind, 169. 139 Neitzel/Welzer, Soldaten, 218. 140 Ebd., 217–229. 141 Ebd., 229.

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nalisierung herbeiführen. Der Soldat soll sich direkt angesprochen und aufgefordert fühlen, in die Bildszene einzugreifen, um »seine« Frau vor den Übergriffen barbarischer Parteifunktionäre zu schützen. Auf der Ebene der Bildkomposition fällt hier vor allem die Symmetrie auf  : Einem realen Täter (dem nackten NSMann) steht ein reales Opfer (die bedrängte Ehefrau) gegenüber, während auf den beiden Porträts im Schlafzimmer ein abstrakter bzw. indirekter Täter (Hitler) und ein abstraktes bzw. indirektes Opfer (der Soldat und Betrachter) abgebildet sind. Durch das bewusste Hereinnehmen des soldatischen Betrachters ins Bild soll dieser erkennen, dass der scheinbar abstrakte Täter auf dem Wandbild, nämlich Hitler, letztlich ein realer Täter und Grund allen gesellschaftlichen Übels ist. Ebenso soll das scheinbar abstrakte Opfer sich als reales, handelndes Ich erleben. Da dies innerhalb der Bildgeschichte nicht möglich ist, bleibt – so zumindest die Hoffnung der OSS-Strategen – nur ein Ausweg  : die Beendigung des Krieges und der NS-Herrschaft mit allen Mitteln bzw. die Verwandlung des Propa­ganda­ objekts in ein handelndes Subjekt (i. e. Saboteur/Deserteur/Widerstandskämpfer). Durch Zuhilfenahme des aus der Werbeforschung stammenden AIDA-Modells werde ich nun versuchen, den propa­gandastrategischen Ansatz Linders zu veranschaulichen. AIDA steht für Attention–Interest–Desire–Action (Aufmerksamkeit–Interesse–Verlangen–Handlung). Um die Motivationen und Handlungen potenzieller Konsumenten strategisch einordnen zu können, zeigt diese Formel die idealtypischen Phasen, die ein Kunde bzw. Rezipient durchläuft, bevor er sich für den Kauf bzw. die Akzeptanz eines angebotenen bzw. beworbenen Produktes entscheidet. Das AIDA-Modell ist dem Pawlow’schen Reiz-Reaktions-Schema, das oft bei der Erforschung und Interpretation von Propa­ganda angewandt wird, sehr ähnlich.142 Es geht von einer starken Wirkung von Werbung bzw. Propa­ganda und einem Konditionierungsprozess des Konsumenten, der vom Produzenten steuerbar ist, aus. Obwohl die Validität dieses Modells in neueren kommunikationswissenschaftlichen Arbeiten (vor allem im Hinblick auf die Rolle des Empfängers) relativiert wird,143 eignet es sich gut, um die Strategien und Ziele des Propa­gandaproduzenten darzustellen. Anhand unseres pornografischen Bildbüchleins werden wir nun diese vier Phasen auf den tatsächlichen Propa­gandaempfänger, den Wehrmachtssoldaten, projizieren  : Nachdem das Sprachspiel mit den »6 Bildern« und der pornografische Reiz der Bilder beim Soldaten Aufmerksamkeit erregt haben, entwickelt er Interesse am Inhalt des 142 Vgl. hierzu Ceyhun Sunsay, »An Associative Explanation of Affective Propa­ganda and its Impact on Social Cognition«, in  : Journal for Intelligence, Propa­ganda and Security Studies ( JIPSS), Vol. 3, Nr. 2/2009, 59–70. 143 Manfred Bruhn, Kommunikationspolitik. Systematischer Einsatz der Kommunikation für Unternehmen. München  : 32005, 161–163.



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Propa­ganda­textes, in dem aber weniger sexuelle Freuden, sondern vor allem die Gewaltakte der Nationalsozialisten gegen Frauen und Kinder dargestellt werden. Aus der emotionalisierenden Beschäftigung mit dem Inhalt erwächst das ideologisch unterlegte bzw. verstärkte Verlangen, dem nationalsozialistischen Treiben Einhalt zu gebieten, also den Krieg durch konkrete Handlungen zu beenden und zu den einsamen und bedrängten Frauen und Kindern zurückzukehren. Eine modernere, aber ebenfalls idealtypische und sehr produzentenzentrierte Beschreibung des persuasiven Prozesses stammt von der Motivforscherin Helene Karmasin. Die Strategien und Intentionen des Werbeproduzenten bzw. Propagandisten sowie der von ihm gewünschte Prozess der Dekodierung durch den Empfänger werden von ihr mit semiotischen und kulturwissenschaftlichen Termini beschrieben  : Unter den semiotischen Strategien, die sich naturgemäß ebenso in den Produktrealitäten […] wiederfinden, spielt die Werbung eine besondere Rolle. Sie ist es, […] die Zeichenfelder so wählt, dass ein möglichst attraktiver und wirksamer Appell entsteht, dass der Wert des Produktes erhöht wird, indem ein semantischer Mehrwert hinzugefügt wird. Sie muss dabei an die Werte appellieren, denen sie einen breiten oder gruppenspezifisch wirksamen Konsens unterstellt – das, worüber wir uns unhinterfragt verständigen können  ; sie muss die Denkkategorien und die kulturelle Logik benützen, die ihre Zuhörer teilen, und sie muss alle rhetorischen und semiotischen Strategien beachten, die für wirksame Kommunikation relevant sind.144

Diese funktionale Darstellung werden wir nun wie eine Folie auf Eddie Linders 6 Bilder projizieren. Der laut Karmasin am Beginn des Persuasionsprozesses stehende »möglichst attraktive und wirksame Appell« ist bei Linders Bildserie zunächst nicht die Pornografie, sondern die Umschlagaufschrift »In der Heimat gibt’s ein Wiederseh’n – 6 Bilder«. Solche suggestiven Schrift- oder Bildsymbole (Signifikanten) erzeugen durch ihre Vieldeutigkeit und ihre Rätselspannung jenen semantischen Mehrwert, der notwendig ist, um beim Betrachter überhaupt Interesse hervorzurufen. Beim Betrachten der pornografischen Darstellungen kommt neben dem semantischen auch der semiotische Aspekt hinzu. Linder hatte erkannt oder zumindest erahnt, dass sprachliche Zeichen wie Wörter und Bilder nicht die Realität widerspiegeln, sondern nur kulturell festgeschriebene – und daher auch ideologisch beeinflussbare – Symbolisierungen sind. Trotz des erwiesenen Konstruktcharakters der Sprache und sprachlicher Zeichen sind wir laut Michel Foucault aber bereits »vor dem geringsten gesprochenen Wort […] 144 Karmasin, »In illo tempore«, 73.

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durch die Sprache beherrscht und von ihr durchdrungen«.145 Wenngleich ein einzelnes Subjekt wie Linder die Sprache nicht beliebig beherrschen kann, erklärt die Abhängigkeit des Menschen vom Logos und von sprachlichen Symbolen dennoch ihre propagandistische Inanspruchnahme. Denn die Sprache bzw. der Diskurs ist nach Foucault »dasjenige, worum und womit man kämpft  ; er ist die Macht, derer man sich zu bemächtigen sucht«.146 Wie andere Propagandisten auch, sah Eddie Linder in der semiotischen Aufbereitung seiner Propa­gandatexte die Chance, sich des Diskurses zu bemächtigen. In den Mittelpunkt dieses Unterfangens stellte er bei den 6 Bildern die ideologische Kodierung von Bildern. Wie wir im Kapitel 1.3 über den OWI-Zeichner Henry Koerner gesehen haben, können Bilder nicht nur von gebildeten, sondern auch von illiteraten Empfängern leicht verstanden bzw. dekodiert werden. Zudem weisen sie im Vergleich zu schriftlichen Zeichen eine höhere informative Dichte bei geringerer symbolischer Konventionalität auf.147 Das heißt, sie verpacken sehr viele Informationen in relativ wenige Zeichen, während die Art und Weise, wie diese Zeichen dargestellt werden – im Gegensatz zu den Buchstaben der Schrift – nicht vorgegeben ist. Der hohe kommunikative Wert von Bildern bei gleichzeitig hohem gestalterischem Freiraum kommt daher sowohl dem werbestrategischen Bedürfnis nach sprachlicher Ökonomie (prägnante Botschaften  !) als auch den von Karmasin beschriebenen persuasiven Intentionen des Propa­gandadiskurses entgegen. Wegen der von ihr suggerierten Faktizität und »Echtheit« eignen sich Bilder auch sehr gut, um Aussagen wie »fauler, frauenschändender Nazi« zu propagieren  : Aufgrund ihres großen wirklichkeitsspiegelnden Potentials sind Bilder auch besonders gut dazu geeignet, Emotionen auszulösen und ideologische Embleme und Mythen zu transportieren. In vielerlei Hinsicht also haben visuelle Zeichen einen höheren Wirkungsgrad als verbale.148

Eine mithilfe semiotischer Strategien vorgenommene ideologische Kodierung eines Bildes bzw. Bilddetails ist etwa der zum NS-Mann gehörende Signifikant dicker Bauch. Dieser wird von Linder bewusst an das konnotative Signifikat (i. e. emotional gefärbte gedankliche Konzept) Bierbauch gekoppelt – es handelt sich 145 Michel Foucault, Die Ordnung der Dinge, in  : Michel Foucault, Die Hauptwerke. Frankfurt am Main  : 2008, 7–470, hier 364 f. 146 Michel Foucault, zitiert in Annette Treibel, Einführung in soziologische Theorien der Gegenwart. Wiesbaden  : 72006, 62. 147 Hartmut Stöckl, »Multimediale Diskurswelten«, in  : Bernhard Kettemann/Martin Stegu/Hartmut Stöckl (Hgg.), Mediendiskurse. verbal-Workshop Graz 1996. Frankfurt am Main, Berlin, Bern, New York, Paris, Wien  : 1998, 73–92, hier 77. 148 Ebd.



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bei diesem Vorgang daher um eine semiotische Kopplung. Das Signifikat Bierbauch impliziert wiederum die negativ wertenden Bedeutungskomponenten »Faulheit« und »Trunksucht«. Eine weitere propagandistische (Um-)Kodierung eines kulturell festgeschriebenen Signifikats wird durch die Brille, die der NS-Täter in der Hand hat, angestrebt. Während der Bild-Signifikant Brille in unserem Kulturkreis meist mit dem neutralen Denotat »Sehbehelf« bzw. den positiv besetzten Konnotaten »Bildung« und »Kultiviertheit« in Verbindung gebracht wird, wird er hier bewusst mit negativen Gefühlen in Bezug auf den Anderen, den Feind, in Verbindung gebracht (Brille = »Schreibtischtäter«-Konnotation). Eine der aggressivsten – und ethisch bedenklichsten – semiotischen Kopplungen bzw. Propa­gandaaussagen in Linders Bild wird durch die auffällig starke Körperbehaarung des nackten Mannes kommuniziert. Die animalische Physiognomie des faschistischen Sex-Unholds soll den Leser zur Gleichung »stark behaarter Mann« = »Untier« verleiten. Der Bildsignifikant Körperbehaarung verstärkt diese Umdeutung von »zivilisiert« (Brillenträger) zu »barbarisch« (Affe). Der von Linder imaginierte Feind wird demnach nicht nur als Mensch veranschaulicht, sondern weist auch körperliche Attribute eines wilden Tieres auf. Er wird damit in die Nähe einer dehumanisierten Bestie gerückt. Als barbarische King-Kong-Figur soll dieses Leben negative Gefühle wecken. Die durch die Betrachtung derartiger Bilder ausgelösten Gefühle leiten sich laut Karmasin aus jenen »Denkkategorien und […] kulturelle[n] Logik[en]« ab, über die sich eine Gesellschaft »unhinterfragt verständigen« kann. Zu diesen unhinterfragten Denkweisen gehört etwa die Ablehnung der Vergewaltigung der eigenen Frau durch einen betrunkenen Parteifunktionär. Neben den eben veranschaulichten suggestiv mächtigen Konnotationen gibt es auf unserem Flugblattsujet noch ein weiteres Beispiel für die propagandistische Kopplung von Sprache und Bild. So ist etwa die sogenannte Kohäsion, das syntaktische Zusammenhaften von schriftlichen und bildlichen Elementen an der Oberflächenstruktur des Textes, zu erwähnen.149 Die Kohäsion soll »semantische Beziehungen zwischen Bild und Text mit formalen Mitteln unterstützen«150 und ist mitunter die Bedingung dafür, dass die Gesamtbotschaft des propagandistischen Bild-Text-Kommunikates (»Willst du, dass auch deine Frau von so einem Nazi-Scheusal vergewaltigt wird  ?«) vom Empfänger als sinnvoller, kohärenter und mit »logische[r] Stringenz« ausgestatteter Text verstanden werden kann.151 Wenn Bild und Schrift dank diesem Verknüpfungsmittel in ihrem äußeren Erscheinungsbild konform gehen und inei­ 149 Vgl. Anna Cicalese, »Testo e testualità«, in  : Stefano Gensini (Hg.), Manuale della comunicazione. Modelli semiotici, linguaggi, pratiche testuali. Rom  : 1999, 169–202, hier 173. 150 Schmitz, »Sehflächenforschung«, 36. 151 Stöckl‚ »Werbekommunikation«, 235.

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nandergreifen, lässt sich auch der ideologische Inhalt des Textes besser darstellen und verstehen. Daher steht der Begleittext (»Partei greift durch – Auch Deine Frau …  ?«) durch die Materialität seiner Schrift, welche typografisch als eine alte deutsche Schrift dargestellt ist, in einem kohäsiven Verhältnis zu dem nationalsozialistischen »Frauen-Vergewaltiger«. Man trifft auf dieses textstilistische Phänomen heute etwa bei neonazistischen Internetseiten. Obwohl die ideologischen Vorzeichen hier andere sind (Schrifttypen wie die »deutsche« Rune werden in diesem rechtsextremen Kontext an positive, nicht negative Darstellungen der Deutschen gekoppelt), ist das Prinzip dasselbe  : Auch hier wird eine ideologische Botschaft durch Kohäsion verstärkt. Das Ziel all der von Karmasin erwähnten und von mir illustrierten semiotischen Maßnahmen ist letztlich dasselbe wie beim AIDA-Modell – der Empfänger soll die Propa­gandabotschaft glauben, verinnerlichen, desertieren usw. Soweit die Theorie aus der Sicht der Propa­gandaproduzenten und Werbestrategen. Bevor wir zur Kritik an diesen Modellen und an Linders Methoden ansetzen, möchte ich auf jene Aspekte seiner Verfahrensweise eingehen, die einer kulturwissenschaftlichen und historischen Prüfung durchaus standhalten. So ist die Kombination von politischer Propa­ganda mit unpolitischen Unterhaltungs-Elementen wie Pornografie ein vergleichsweise moderner Ansatz, der den komplexen Kommunikationsbedürfnissen des Rezipienten und seinem »unconscious desire for propa­ganda« sehr entgegenkommt.152 Neuere Studien zeigen, dass die Empfänger von Propa­ganda-, Werbe- oder Public-Relations-Botschaften nicht nur persuasive Inhalte, sondern auch Unterhaltung und die Befriedigung sozialer und kommunikativer Bedürfnisse erwarten.153 Auch der primäre Adressat von Linders Propa­ganda, der von Frau und Familie getrennte Frontsoldat, wollte wohl nicht nur von der ewig gleichen Propa­gandaideologie überschwemmt, sondern auch unterhalten werden. Er wollte vielmehr, dass man auf ihn, auf seine lebensweltlichen Bedürfnisse, eingeht  : Um erfolgreich und massenhaft Ideologie zu vermitteln, reicht es nicht aus, die Produktions- und Distributionsbedingungen der Massenkommunikation zu kontrollieren. »Vielmehr muß Ideologie, soll sie wirksam sein, auf die Menschen eingehen«.154

Linder versuchte bei seiner Propa­gandakonzeption daher »der Eigenlogik von Massenkultur zu folgen, um deren Massenattraktivität« für ideologische Zwe-

152 Jacques Ellul, Propa­ganda. The Formation of Men’s Attitudes. New York  : 1965, 138. 153 Bussemer, Propa­ganda, 403. 154 Felbinger/Scherl, »Flieger«, 129.



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cke zu nutzen.155 Er ging auf das Bedürfnis der Empfänger nach einem kommunikativen Mehrwert ein, indem er seinen Propa­gandatext als pornografische Bildgeschichte verkleidete. Das Schlüsselkonzept dieser multimodalen, also aus semiotisch geschickt auf bereiteten Bild- und Schriftelementen bestehenden,156 Propa­g andatexte kann man mit dem heute geläufigen Begriff des Infotainments (Vermengung von Information und Entertainment 157) vergleichen, wobei die Information stets von Persuasion überlagert ist. Mit anderen Worten  : Während der Entertainmentteil den Leser tatsächlich unterhalten soll, dient der Informationsteil weniger der Information, sondern der propagandistischen Indoktrination. Man könnte daher auch von Propatainment sprechen. Zu dieser Mischform aus Unterhaltung und Propa­g anda passt auch die von modernen Propa­gandaforschern häufig vertretene These, dass der Propa­ganda-Adressat nicht nur ein naiver und unselbstständiger Empfänger ideologischer oder sonstiger Botschaften, sondern stets ein aktiver Propa­gandaproduzent ist, der bestimmte Propa­g andainhalte, die ihm attraktiv erscheinen, bewusst rezipiert und weitergibt. Da der Empfänger durch die Lektüre von unterhaltsamen und abwechslungsreichen Propa­gandatexten individuelle Bedürfnisse befriedigen kann, ist er gerne bereit, bestimmte Inhalte (etwa Erotika) zu akzeptieren und weiterzuverbreiten. Der Kommunikationswissenschaftler Rainer Gries vertritt die von Linder bereits erahnte und von (post)strukturalistischen Literaturtheoretikern wie Barthes vertretene These des aktiven Lesers bzw. Empfängers, der sich die Inhalte der ihm angebotenen Texte entsprechend seinen Vorlieben und Bedürfnissen aneignet  : Nicht nur die traditionell »Sender« genannten Kommunikatoren, sondern auch die traditionell »Empfänger« genannten Teilnehmer am propagandistischen Kommunikationsgeschehen sollen […] als eine Akteursgruppe begriffen werden. […] denn sie eignen sich die offerierten propagandistischen Inhalte nach ihren politischen, sozialen und kulturellen Bedürfnissen an.158

155 Ebd., 130. 156 Als multimodal bezeichnet man die gezielte semiotische Aufbereitung eines Textes, der mit mehreren Codes (Bild, Schrift etc.) arbeitet. Da gerade bei der Textsorte der Flugblattpropa­ ganda die »Beschränktheit einer einzelnen semiotischen Ressource« vermieden werden soll, setzen die Propagandisten sehr stark auf die Synergien von Bild und Schrift bzw. auf das multimodale Zusammenwirken verschiedener Zeichenträger. Nicht nur beim Propa­gandatext gilt der »multimodale Text daher als Normalfall des Kommunizierens, und nicht als ein überkomplexer Sonderfall«. Stöckl, »Sprache-Bild-Texte«, 47. 157 Vgl. Held, »Nuova testualità«, 52. 158 Gries, »Ästhetik«, 15 f.

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Das Modell des aktiven Empfängers, der sich gezielt bestimmte Teile der an ihn gerichteten Propa­gandabotschaften herauspickt und aneignet, ist nicht nur ein Argument für den Einsatz von Sex-Flugblättern im Stile Linders, sondern leitet gleichzeitig den skeptischen Part meiner Analyse ein. Denn entgegen dem Wunschdenken der OSS-Propagandisten war der Wehrmachtssoldat, der Linders Porno-Bilder begutachtete, wohl nur in den seltensten Fällen eine stumpfe und konditionierbare »Reflexamöbe«,159 der die amerikanische Propa­gandabotschaft »Schnell weg von der Front und heim zur bedrängten Frau  !« naiv verinnerlichte und noch am selben Tag desertierte. Realistischer ist vielmehr die Annahme, dass die Zeichnungen vom aktiven Empfänger nicht sklavisch als Handlungsanleitung zu Desertion oder Widerstand, sondern als vielseitiger, eventuell interessanter (Pornografie  !), vielleicht aber auch uninteressanter Lesestoff (Feindideologie) aufgefasst worden sind. Stellen wir uns einen Wehrmachtssoldaten vor, der sich nur für die pornografischen Bilder und die damit verbundene Befriedigung körperlicher Bedürfnisse interessierte und den ideologischen Teil des Texts geflissentlich ignorierte.160 So wurden unserem imaginierten Soldaten die zuvor abgebildeten lesbisch aktiven Frauen einerseits als sexuell anregendes (»Büchsenöffner für Gehirne«), andererseits als gesellschaftlich abschreckendes Beispiel für die Zustände in der Heimat präsentiert. Eine »Sodom und Gomorrha«-Konnotation quasi, wobei natürlich die letztere Lesart überwiegen sollte. Dies ist jedoch nur die intentio auctoris, die Absicht des Propagandisten. Vonseiten des Empfängers sieht die Sache weit komplexer aus. Die Konnotationen der verschiedenen Leser zum bildlichen Konzept »weibliche Homo­ sexualität« sind nämlich nicht an feste Interpretationsregeln gebunden, sondern polysem, also in ihrer Bedeutung offen und von den persönlichen Vorlieben sowie dem soziokulturellen Umfeld des Soldaten abhängig.161 Nicht jeder Wehrmachtssoldat wird daher auf die Signifikantenkette nackte Frau liebt nackte Frau automatisch mit Empörung reagiert haben.162 So wollen wir bei unserem ideal­ typischen Soldaten nun nicht Ekel, sondern einen »gezielt pornographischen Lektürevorgang supponieren«, dessen handlungsleitender Effekt sich »auf die Selbstbefriedigung […] beschränk[t].«163 Genauso ist es aber auch möglich, dass sich ein anderer Soldat über die in den Pornobildern angedeutete »Verkommen159 Bussemer, Propa­ganda, 337. 160 Vgl. Friedman, »Sex«. 161 Nach Roland Barthes sind Konnotationen Zeichen »zweiter Ordnung, die durch eine relativ große Bandbreite von Assoziationen und auch von Definitionen decodiert werden können.« Felbinger/Scherl, »Flieger«, 128. 162 Vgl. Selg, Pornographie, 73 und 79  ; heute gilt die explizite Darstellung von Sexualakten zwischen Frauen etwa als eines der größten Geschäftsfelder der Pornoindustrie im Internet. 163 Joost, »Angst«, 317 f.



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heit der NS-Bonzen« in der Heimat furchtbar ärgerte (und diesem Ärger auch unter den Kameraden Luft machte), ohne jedoch den von Linder unterstellten sexuellen Grausamkeiten der Nationalsozialisten Glauben zu schenken und von der Wehrmacht oder dem NS-Regime abzufallen. In beiden Beispielen waren die Pornobilder zwar ein Lockvogel, der dafür sorgte, dass sich der deutsche Soldat mit dem Propa­g andaprodukt auseinandersetzte, die geistige Überwältigung des »eigensinnigen« Empfängers ist jedoch in keinem der beiden Fälle geglückt. Die sexuelle Komponente der Bilder und der ideologische Part wurden wohl kaum als ein glaubwürdiger, kohärenter Gesamttext, sondern als voneinander unabhängige bzw. sogar »kollidierende Diskurse«,164 die willkürlich zusammengepresst worden sind, wahrgenommen. Warum kommt es zu einer derartigen Kollision  ? Um erfolgreich zu sein, muss die Pornografie – wie auch die kommerzielle Werbung – darauf bedacht sein, »Konzeptionen des Wünschenswerten« (Lebensfreude, Lust, befriedigender Sex etc.) zu inszenieren.165 Der Großteil von Linders »Propa­gandaporno« hingegen beinhaltete bei genauerem Hinsehen aus der Sicht der Wehrmachtssoldaten allerdings das Gegenteil von wünschenswerten Vorstellungen  : nämlich ideologische Phrasendrescherei und Polemik, »gewaltdurchsetzte Erotika«166 und andere Unbill. Der von Linder bewusst hergestellte, durchaus verlockende Referenzrahmen »Sex« wurde also durch ebenso bewusst eingestreute unangenehme Themen ad absurdum geführt. Spätestens nach wenigen Sekunden eingehender Lektüre spürt der Leser daher, dass der spannende »Fun«-Moment des Pornografischen endet und der weniger spannende Teil der Feindpropa­ganda beginnt. Der deutsche Betrachter der pornografischen OSS-Flugblätter war letztlich wohl schlau genug, den von Linder bewusst in Kauf genommenen Bruch mit pornografischen Konventionen und die thematische Inkohärenz zwischen Porno und Propa­ganda als psychologischen Trick zu entlarven. Er hat – und dies zeigt das Ausbleiben nennenswerter Reaktionen auf diese Form der Flugblattpropa­ganda – wohl nicht daran geglaubt, dass der NS-Kreisleiter in seiner Heimatstadt sich an seiner Frau vergreift, während er im fernen Italien im Schützengraben liegt. Zudem stellte Linders Veranschaulichung der angeblichen Untreue der deutschen Frau an der Heimatfront für viele Rezipienten keinen »Spaß«, sondern ein Ärgernis dar, auf das sie eher mit Kopfschütteln als mit Defätismus oder Desertion reagiert haben dürften. Zu einem derartigen Schluss kommt zumindest die Propa­ganda Reaction Survey der Psychological-­WarfareAbteilung der 5. US-Armee in Italien (PWB/5th Army), die mittels Kriegsgefan164 Vgl. Fiske, »Populäre Texte«, 45. 165 Karmasin, »In illo tempore«, 73. 166 Selg, Pornographie, 90 f.

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genenbefragungen zustande gekommen war.167 Der d ­ eutsche Soldat erwartete sich also Pornografie und vielleicht eine Portion »fun«, er erhielt jedoch im Falle der 6-Bilder-Flugblätter nichts anderes als Ideologie, die letztlich nicht einmal allzu unterhaltsam verpackt war. Blickt man auf die Propa­gandatätigkeiten des deutschen Kriegsgegners, so war der weltanschauliche Anteil dort sogar noch penetranter  : Denn während Linders pornografische OSS-Flugblätter trotz ihrer ideologischen Stoßrichtung eher alltagsnahe Aspekte (»Wird auch meine Frau von einem Nazi vergewaltigt  ?«) in den Vordergrund stellten, setzen deutsche Propa­gandatexte wie etwa das erwähnte NS-Flugblatt News from Home nicht nur auf die Themen Sex und Eifersucht, sondern auf groteske NS-Ideologeme wie »jüdischer Bolschewismus«. Dass diese »silly Nazi arguments«168 den Soldaten der Westalliierten nicht sonderlich am Herzen gelegen sind, liegt auf der Hand. Die realitätsferne und auf rassischem Superioritätsdenken basierende Weltsicht der Nationalsozialisten mag zwar den irrationalen Glauben vieler Deutscher an den »Endsieg« gestärkt haben, bei ihren Feinden, den pragmatisch-rationalistischen Westalliierten, stießen sie damit auf taube ­Ohren. Doch nicht nur die Briten und Amerikaner, sondern auch die deutschen Soldaten selbst waren so sehr an das unmittelbare Kriegserlebnis gebunden, dass nicht ideologische Fragen, sondern Alltags- und Überlebenssorgen im Mittelpunkt ihrer Handlungen und Überlegungen standen. Wie Studien auf Basis von 371 (geheim aufgezeichneten) Gesprächsprotokollen deutscher Soldaten in einem britischen Abhörlager belegen, kreisten deren Gedanken auch Wochen nach Ende ihres Kampfeinsatzes in der Regel kaum um Politik oder Strategie, sondern vielmehr um taktische Gefechtserlebnisse und den klassischen »focus of attention« eines Kriegshandwerkers im Einsatz.169 Edward Shils und Morris Janowitz ist zuzustimmen, wenn sie behaupten, dass jene (Bild-)Symbole in der US-Propa­ganda, die sich auf alltagsferne und abstrakte Konzepte außerhalb des 167 »One leaflet on the occasion of Christmas 1944, having a very sentimental appeal, was thought by P[risoner]s/[of ]W[ar] to be meant to poke fun at the German soldiers. All references to possible infidilities [sic  !] of soldiers’ wives were violently resented.« PWB/AFHQ, PWB-CPT 5th US Army, Propa­ganda Reaction Survey, Italian Campaigns, Period from 9.9.1943–2.5.1945, 7. NARA, RG 208, E 6G, B 12  ; vgl. hierzu auch Laurie, »Black Games«, 263. 168 J. Tennenbaum, HQ 1st US Army, Office of the P&PW Officer, PW Combat Team, Weekly Intelligence Report, Nr. 2, 29.1.–4.2 1945, 5.2.1945, 1–19, hier 20. NARA, RG 338, E 37042, B 5711. 169 Edward A. Shils/Morris Janowitz, »Cohesion and Disintegration in the Wehrmacht in World War II«, in  : Public Opinion Quarterly, Vol. 12, Nr. 2, 1948, 280–315, hier 315  ; vgl. Alexander Hoerkens, »NS-Nähe als Generationsfrage«, in  : Harald Welzer/Sönke Neitzel/Christian Gudehus (Hgg.), »Der Führer war wieder viel zu human, viel zu gefühlvoll«. Der Zweite Weltkrieg aus der Sicht deutscher und italienischer Soldaten. Frankfurt am Main  : 2011, 299–314, hier 303.



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soldatischen Horizonts bezogen, den deutschen Landser wenig interessierten und ihn noch weniger zur Desertion bewegen konnten  : The behavior of the German Army demonstrated that […] attempts to modify behavior by means of symbols referring to events or values outside the focus of attention and concern would be given an indifferent response by the vast majority of the German soldiers.170

Der Irakkriegsveteran Kevin Powers, ein ehemaliger Maschinengewehrscharfschütze der US-Armee, gibt in einem jüngeren Roman aufschlussreich Einblick in typische Soldatengedanken. Diese drehen sich bis heute demnach hauptsächlich um eine diffuse und omnipräsente »Angst und die Versuche, sich am Leben zu erhalten«, sowie um »das armselige, pietätlose Krepieren irgendwo« in einem Erdloch.171 In den Kampfpausen drehen sie sich wohl auch um nackte Frauen und die damit verbundene Triebabfuhr. Für tiefgehende Reflexionen oder gar ideologische Sophistereien hatten und haben Frontsoldaten in der Regel wenig übrig. Auch wenn man Linders 6 Bildern nicht per se Alltagsferne unterstellen kann, ist deren ideologische Intention für die Leser leicht erkennbar. Der propagandistische Teil dieser Flugblätter ist daher im Vergleich zum sexuellen Entertainment-Teil wesentlich uninteressanter für die Soldaten. Außerdem dürften viele Soldaten ob der propagandistischen Verzerrung der Lebensrealität an der Heimatfront in Linders Bildern verärgert gewesen sein. Clemens Zimmermann behauptet in Anlehnung an Michael Balfour, dass es für die Glaubwürdigkeit der eigenen Propa­ganda gefährlich sei, allzu tendenziöse Bilder der Kriegswahrnehmung zu zeichnen.172 So gab ein kooperativer gefangener Landser den amerikanischen »Psywarriors« in Italien folgende Ratschläge  : 1. Print only true facts, preferably with true figures, locations, units, happenings. 2. Omit anything that sounds like propa­ganda and is not likely to be true.173

Ratschläge, die Linder mit seinen schwarzen Pornoflugblättern offensichtlich nicht berücksichtigte. Die von mir hier artikulierte These der eher schwachen 170 Shils/Janowitz, »Cohesion«, 315. 171 Jutta Sommerbauer, »Wenn der Krieg kein Ende nimmt«, in  : Die Presse am Sonntag, 28.4.2013, 32. 172 Clemens Zimmermann, Medien im Nationalsozialismus. Deutschland 1933–1945, Italien 1922– 1943, Spanien 1936-1951. Wien, Köln, Weimar  : 2007, 41. 173 [PWB/AFHQ] HQ 5th Army Psychological Warfare Branch, Functions of the 5th Army Combat Propa­ganda Team, 1–61, hier 46, in  : https://www.psywar.org/psywar/reproductions/5ACPT PWB.pdf (letzter Zugriff  : 30.1.2010).

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Wirksamkeit von Linders pornografischen Flugblättern basiert zugegebenermaßen weniger auf breiten empirischen Studien, sondern auf hermeneutisch-impressionistischen Interpretationen, die sich aus heutiger Sicht schwer verifizieren lassen. Deshalb sollte man auch erwähnen, dass es wegen dieser beunruhigenden Bilder durchaus einige empirisch belegbare Reaktionen im deutschen Lager gegeben hat, die auf eine gewisse Verunsicherung schließen lassen. So hat laut Linder die bereits erwähnte NS-Militärzeitung Das Schwarze Korps mit einem langen Leitartikel auf die 6 Bilder des OSS reagiert.174 Auch im Kapitel 3.2 über die Tätigkeit des Moralanalysten Jacob Tennen­ baum zeigt sich, dass das OSS mit seinen aggressiven schwarzen Propa­gan­da­ kommunikaten den feindlichen Leser ohnehin nicht »bespaßen« oder positiv stimmen, sondern ihn vor allem verängstigen, verärgern, demoralisieren etc. wollte. Daniel Lerner behauptet etwa in Bezug auf die an deutsche Landser gerichtete OSS-Zeitung Nachrichten für die Truppe, dass sich die meisten via Kriegsgefangenenverhör befragten Rezipienten zwar nicht von deren Inhalten täuschen ließen. Andererseits gab es, so Lerner, eine »relatively high number who were irritated or rather amused by it.«175 Waren die Soldaten der Wehrmacht in Norditalien vielleicht doch in irgendeiner Form irritiert, verunsichert oder gar demoralisiert, nachdem sie mit »Propa­gandapornos« oder erotischen Flugblättern konfrontiert worden waren  ? »Funktionierten« diese Flugblätter vielleicht doch und emotionalisierten sie ihre Leser  ? Nun, die zuvor erwähnten von der PWB/AFHQ erhobenen ablehnenden Reaktionen deutscher Soldaten auf »Untreue«-Anspielungen in den schwarzen Pornobildern der Amerikaner legen nahe, dass etwa die 6 Bilder Linders nicht auf Zustimmung bei den Lesern stießen, aber – ganz im Sinne der Donovan’schen Einschüchterungs- und Desinformationstaktik – zumindest teilweise das Ziel der Irritation oder Verärgerung des Empfängers erreicht haben.176 Doch folgten kaum militärisch bedeutende Handlungen auf die Lektüre, die im Sinne Linders waren, wie etwa Desertion, Sabotage oder gar Widerstand innerhalb der Wehrmacht. Wie folgender Bericht des amerikanischen GIs Bud Winter nahelegt, wurde durch Flugblätter, in denen Sex oder attraktive Frauen als »Büchsenöffner für Gehirne« fungieren sollten, wohl nicht dem eigentlichen Hauptziel der Verängstigung, sondern eher der Belustigung und sexuellen Befriedigung des jeweiligen Feindsoldaten Vorschub geleistet  : The Jerries shell us with leaflets with a picture of a beautiful girl on one side and a skull and cross bones on the other. One side says Life and the other Death …. Well, anyway, 174 Friedman, »Sex«. 175 Lerner, Sykewar, 264  ; vgl. Starkulla jr., Propa­ganda, 295–297. 176 PWB/AFHQ, PWB/5th Army, Propa­ganda Reaction Survey, 9.9.1943–2.5.1945, 7.



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it seems to raise the morale of most of the fellows because they hang the side with the beautiful girl up for a pinup and say to hell with the other side.177

Die Aussagen Winters stützen einmal mehr die Annahme, dass die Gegenüberstellung von weiblichem Köder und propagandistischer Botschaft sich als eher zahnlose Methode erwies, weil der soldatische Leser – sei er nun Deutscher oder Amerikaner – zwischen diesen beiden kollidierenden Diskursen klar zu unterscheiden wusste. Als aktiver und »eigensinniger« Propa­gandakonsument eignete er sich daher nur jene Inhalte der Propa­ganda an, die seinen persönlichen Vorlieben und Dispositionen entsprachen und die seiner Lebensrealität gerecht wurden. Die Fähigkeit zur kritischen Reflexion und die kognitiven Abwehrkräfte des aktiven Rezipienten dürfen also in diesem »semiotischen Guerillakrieg« (Umberto Eco) nicht unterschätzt werden.178 Die These, dass die Sexualisierung des Propa­ gandaproduktes automatisch eine Ideologisierung des Propa­gandaempfängers herbeiführt, erscheint nicht haltbar. Sexuelle Propa­gandakommunikate waren im Krieg zwar beliebt, aber nicht der Propa­ganda wegen, sondern schlicht und einfach wegen ihrer sexuellen Inhalte. Mitunter dürfte diese Art von Flugblättern sogar paradoxe oder ganz und gar ungewollte Effekte gezeitigt haben. Herbert Friedman behauptet in Übereinstimmung mit dem oben zitierten Erfahrungsbericht, dass Sexbilder und -flugblätter eine »moralhebende« Wirkung gehabt hätten und letztlich die am meisten geschätzten Sammelobjekte für die männlichen Beteiligten in den Kämpfen des Zweiten Weltkriegs gewesen seien.179 Ebenfalls wirklichkeitsfern erscheint in diesem Zusammenhang das eingangs erläuterte AIDA-­Modell (Attention–Interest–Desire–Action), welches die Phasen des Überzeugungsprozesses lediglich aus der Sicht des Werbestrategen bzw. des Propagandisten, nicht aber aus der Lebensrealität und den Dispositionen des Empfängers herleitet. Der Glaube, dass am Ende des fälschlich als »Persuasionsvorgang« interpretierten AIDA-Rezeptionsprozesses tatsächlich eine ideologische Überwältigung des Empfängers stattfindet, ist auf den Zweckoptimismus der Textproduzenten, nicht aber auf die realen Auswirkungen der Propa­ganda zurückzuführen. Die von Eddie Linder für das OSS produzierten Propa­gandatexte waren in Zugang und Methodik ambitioniert. Er war ohne Zweifel ein vielseitiger und kreativer Kopf. In Bezug auf seine handwerkliche Kompetenz ist jedoch zu hinterfragen, ob Linder überhaupt über ein ausgereiftes Theoriefundament und ein methodisches Wissen verfügte, die ihm in der konkreten Praxis als Richtschnur gedient ha177 Bud Winter, zitiert in Peter Shelton, Climb to Conquer. The Untold Story of World War II’s 10th Mountain Division Ski Troops. New York  : 2003, 175. 178 Felbinger/Scherl, »Flieger«, 129 f. 179 Friedman, »Sex«.

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ben könnten. Das heißt, er war zwar Jahrzehnte vor der großen Zäsur des linguistic turn in der Lage, Bild- und Textsymbole pragmalinguistisch geschickt einzusetzen, wusste aber als hemdsärmeliger Propa­gandahandwerker über das theoretische Fundament dieser Methoden wohl wenig Bescheid. Er war daher eine Art intuitiv vorgehender Proto-Semiotiker, der mit seinen Porno-Sujets nationalsozialistische Methoden adaptierte bzw. erweiterte. Es lässt sich an dieser Stelle schlussfolgern, dass letztlich weniger eine theoriegeleitete Propa­gandapraxis, sondern das für Donovan und das OSS so typische »Let’s do it«-Paradigma das Handeln von Linder und seinen Kollegen in der Propa­gandaabteilung des OSS in Italien bestimmte. 2.2.3 Resümee

Der österreichische Flüchtling, französische Fremdenlegionär und amerikanische Geheimdienstmann Eddie Linder, der in seinem Wiener Vorkriegsleben mit Begriffen wie schwarze Propa­ganda wohl kaum etwas anzufangen wusste, war als Mitarbeiter der OSS Morale Operations Branch zwischen 1943 und 1945 ein wahrer Multiagent. So trat er am italienischen Kriegsschauplatz ab 1943 als Verfasser von Liedern und Flugblättern, Illustrator und operativer Vorbereiter in Erscheinung. Trotz der Faszination an bestimmten Aspekten von Linders Tätigkeit hat die Analyse die eingangs erwähnten Urteile über die begrenzte Wirksamkeit von (schwarzer) Propa­ganda eher bestätigt als widerlegt. Obwohl dieses Kapitel sich hauptsächlich mit den Handlungen und Intentionen eines historischen Subjekts, jenen des propagandistischen Kommunikators Edmund Linder, auseinandergesetzt hat, will ich in unserem Fall der skeptischen Armada von (post)strukturalistischen Literaturtheoretikern, Semiotikern und Diskursanalytikern, welche die Wirkmacht des einzelnen Textproduzenten bei der sprachlichen Konstituierung von »Wirklichkeit« als begrenzt erachten, zustimmen. An diesem Punkt überschneiden sich die Ansichten eines Roland Barthes ironischerweise mit der Propa­gandakritik von konservativen Militärhistorikern wie John Keegan. Die Propa­gandatätigkeiten des OSS im Allgemeinen und von Linder im Speziellen mögen spannend gewesen sein und haben gewiss in einigen Fällen eine »Sickerwirkung« beim Empfänger entfaltet. Wie das in der Einleitung dieses Buchs erwähnte Beispiel der vier Wehrmachtssoldaten, die gerade einen Propa­gandatext der »SAUERKRAUTs« gelesen haben und daraufhin – laut Aussage der beobachtenden OSS-Agenten – wild diskutierend davongerannt sind, nahelegt, dürfte die von OSS/MO produzierte Propa­ganda zumindest punktuell für »Gerüchteprozesse« und »Anschlusskommunikation« gesorgt haben.180 Insgesamt schuf die schwarze OSS-Propa­ganda aber kaum »außermediale Kriegs180 Wagner, »Heinz Starkulla jr.«, 53.



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realitäten«181 und hat zum Sieg der Alliierten wenig beigetragen. Der Einschätzung des Journalisten Phillip Knightley, dass das OSS und dessen Propa­ganda »no more than a minor cog in the enormous industrial military machine which really won the war«182 gewesen sind, kann man in Bezug auf Linders Tätigkeit kaum widersprechen. Im semiotischen Guerillakrieg der Propa­ganda darf die diskursive Macht des Autors und Senders nicht über- und jene des Empfängers nicht unterschätzt werden. Linders Sexbilder waren vielleicht ein »Büchsenöffner für Gehirne«, den Inhalt der Büchse, also die Psyche des Feindes, vermochten sie jedoch nicht wesentlich zu beeinflussen. Neben der Frage der Effektivität stellt sich letztlich auch noch die Frage nach der moralischen Dimension von dieser Art von Propa­ganda. Im Analyseteil wurde auf die kommunikativen und soziologischen Grenzen von Linders Tätigkeit bereits hingewiesen, im Resümee sollen auch seine nicht gerade zimperlichen Propa­gandamethoden in ihrer ethischen Dimension thematisiert werden. Eddie Linder hat die Donovan’sche Maxime, dass man es sich »im Zeitalter der Tyrannen nicht leisten könne, ein Weichei zu sein«, über weite Strecken internalisiert. Um die vom OSS angestrebten Ziele im Bereich der psychologischen Kriegsführung zu erreichen, produzierte er unter Zuhilfenahme von kontroversiellen Konzepten wie Pornografie, Denunziation des »Anderen« und bewusst gestreuten Unwahrheiten eine Fülle von unorthodoxen und subversiven Propa­ganda­ kommunikaten und scheute dabei nicht vor den Methoden, die auch die Nationalsozialisten verwendeten, zurück. Während etwa die führenden Mitarbeiter des weißen Propa­gandaamtes OWI im Verbund mit humanistisch-linksliberalen Amerikanern nach dem Motto »Don’t imitate those barbarians«183 jegliche Nachahmung nationalsozialistischer Methoden verurteilten, hatten schwarze Propagandisten wie Linder keine Skrupel beim Anwenden von »faschistischen« Persuasionstechniken. Linder hat sich für die Benutzung »of whatsoever techniques ›work‹«184 entschieden, um die amerikanischen Kriegsanstrengungen zu unterstützen. Moralische Bedenken waren für das OSS im Schattenkrieg gegen Hitler fehl am Platz.185 Wie jede Form von Kriegspropa­ganda kann, ja muss diese 181 Zimmermann, Medien, 41. 182 Phillip Knightley, The Second Oldest Profession. Spies and Spying in the Twentieth Century. New York  : 1986, 239. 183 Deems Taylor, zitiert in  : Fauser, Sounds, 70. 184 Robert K. Merton, »Mass Persuasion  : A Technical Problem and a Moral Dilemma«, in  : Robert Jackall (Hg.), Propa­ganda. New York  : 1994, 260–274, hier 270. 185 »[W]hen ›effectiveness‹ is measured solely by the number of people who can be brought to the desired action or the desired frame of mind, then the choice of techniques of persuasion will be governed by a narrowly technical and amoral criterion exacts a price of the prevailing morality, for it expresses a manipulative attitude toward men and society.« Ebd.

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forsche und rücksichtslose Feinddiffamierung kritisch hinterfragt werden. Es stellt sich die Frage, ob nicht die von Linder in seinen OSS-Sexbildern verwendete Methode der Gräuelpropa­ganda und Dehumanisierung des Feindes (»Der Nazi ist ein behaarter Affe, der sich an unschuldigen Ehefrauen vergreift«) dazu beitrug, dass die sich als freie, demokratische Gesellschaft verstehenden USA so erscheinen konnten, wie nach ihrer Ansicht eigentlich der Nationalsozialismus war  : nämlich menschenverachtend. Blickt man etwa auf die offen rassistischen US-Darstellungen des japanischen Kriegsgegners und die gleichzeitig massenhaft stattfindenden (Menschenrechte verletzenden) Internierungen von japanischstämmigen Amerikanern im Land, dann zeigt sich, dass der Grat zwischen (rhetorisch überspitztem) Rassismus in der Propa­ganda und Rassismus im konkreten Alltag durchaus schmal sein kann. Denn wenn man den Feind systematisch als blutrünstiges oder Frauen vergewaltigendes (Un-)Tier darstellt, ist der aktionale Schritt zur »legitimen« Vernichtung einer solchen »Bestie« kein allzu großer mehr. Der schwarze Propagandist Linder hat seine Lektion im Schaffen von solchen Feindbildern offensichtlich gelernt.186 Dennoch scheint moralische Empörung am Ende dieses Abschnitts fehl am Platz  : Obgleich Eddie Linders Beitrag zur amerikanischen Kriegsleistung vom ethischen Standpunkt aus fragwürdig ist, darf man – speziell vor dem biografischen Hintergrund der Vertreibung, Verfolgung und Freiheitsberaubung durch Nationalsozialismus und Vichy-Regime – die antifaschistische und prodemokratische Komponente seiner Arbeit und auch jener des OSS nicht vergessen. Bei der historischen Verortung von Linders Kriegsaktivitäten sollte man sich stets fragen, warum und für welche Weltanschauung er schwarze Propa­ganda produzierte bzw. wogegen er kämpfte, gegen welches System er aus dem Exil heraus Widerstand leistete. Zudem sollte man trotz aller Skepsis gegenüber den Methoden und der Wirksamkeit der OSS-Propa­ganda auch nie die politische Gesamtsituation des Zweiten Weltkriegs aus den Augen verlieren. Die eifrige Imitation des OSS-Chefs und obersten amerikanischen Schattenkriegers William Donovan durch (Exil-) Propagandisten wie Linder mag von den Methoden her teils fragwürdig gewesen sein, doch hatte sie letztlich nicht die dauerhafte psychische Manipulation der Deutschen und Österreicher, sondern deren Befreiung von einem Terrorregime zum Ziel. Die vom OSS betriebene Propa­ganda war trotz all ihrer Härten, Geschmacklosigkeiten und »silly tricks«187 in ihren Zielen dem demokratischen Gemeinwohl der USA und ihrer Verbündeten verpflichtet, während die Propa­ganda eines Unrechtsstaates wie des Dritten Reiches in der Tat durch Gewalt und Re-

186 Vgl. Keen, Faces, 9. 187 Persico, Piercing, 152.



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pression komplementiert wurde.188 Im Gegensatz zu den Nationalsozialisten, die ihren Propa­gandasentenzen über die »rassisch minderwertigen« Feinde des »deutschen Blutes« vielfach Glauben schenkten und diesen auch brutale Taten folgen ließen, betrachteten die amerikanischen Schattenkrieger ihre Angriffe auf »frauenschändende Nazi-Untiere« eher als eine pragmatische Waffe zur Verkürzung des Krieges, nicht mehr. Welche verbrecherischen Blüten die forsche Subversionsdoktrin des Geheimdienst- und Propa­gandasystems namens OSS tatsächlich treiben konnte, sollte sich erst bei dessen Nachfolgeorganisation, der CIA, zeigen.189 Gerade der oft kritisierte, teils skrupellose Pragmatismus des OSS unter Donovan gab Leuten wie Linder überhaupt erst die Möglichkeit, gegen den Nationalsozialismus aktiv vorzugehen. Wie viele andere Österreicher in amerikanischen Propa­ gandaorganisationen war der mit der Medal of Freedom ausgezeichnete Linder190 ein Mensch, der aus dem erzwungenen Exil heraus gegen den Zivilisationsbruch des Faschismus kämpfte. Nach dem Krieg lebte Edmund F. Linder, der nunmehr den Nachnamen Lindner angenommen hatte, in den USA und war als Werbetexter und »advertising director« tätig.191 Er blieb dem Gewerbe der Persuasion also treu. 2.2.4 Fallstudie  : Freiwilliger OSS-Agent und Flugblatt-»Briefträger« – Franz Berger

Im Gegensatz zum SAUERKRAUT-»Mastermind« und Propa­gandaautor Eddie Linder war der 1923 in Neunkirchen in Niederösterreich geborene Franz Berger kein Propagandist im eigentlichen Sinne, sondern eine Art »Propa­ gandabriefträger«  : Er war nicht für die Produktion schwarzer Propa­ganda, sondern für die – wie wir noch sehen werden – äußerst riskante Verteilung derselben zuständig. Noch wenige Wochen vor seiner kurzen, aber spektakulären Geheimdienstkarriere bei OSS/MO war Berger ein Wehrmachtssoldat gewesen. Da er sich aus politischen Motiven weigerte, ein Pflichterfüller in einem aussichtslosen Krieg zu sein, der vom nationalsozialistischen Unrechtsstaat mit großer Brutalität geführt wurde, entschied sich Berger zur Desertion. Während der amerikanischen Kriegsgefangenschaft meldete er sich freiwillig für einen Spezialeinsatz im Dienste des OSS und wurde schließlich zum SAUERKRAUT-Agenten, mit dem Auftrag, die Botschaften von OSS/MO, darunter wohl 188 Vgl. Bussemer, Propa­ganda, 39. 189 Für einen kritischen, journalistischen Blick auf die Operationen der CIA im Kalten Krieg siehe Eric Frey, Schwarzbuch USA. Berlin  : 2008, 156–172. 190 Special Forces, Roll of Honour for Edmund F. Lindner, in  : http://www.specialforcesroh.com/ showthread.php?37022-Lindner-Edmund-F-%28Ed%29&highlight=edmund+lindner (letzter Zugriff  : 20.6.2013). 191 Ebd.

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auch die 6 Bilder Linders, im Feindgebiet zu verbreiten.192 Franz Berger gehörte typologisch somit zur bemerkenswerten Gruppe der Deserter Volunteers, also zu jenen österreichischen Widerstandskämpfern, die nach dem Überlaufen zum Kriegsgegner als Agent des US-Kriegsgeheimdiensts für die Amerikaner und gegen die NS-Herrschaft kämpften. Bei Leuten wie Berger handelte es sich aus Sicht des OSS um einen »entirely untried type of agent«, der sich aus antifaschistischen Motiven den Planern der Operation SAUERKRAUT rund um Linder und Schneditz-Rockhill als Mitarbeiter anbot. Berger war laut den OSS-Akten ein vielseitiger Mann. Obgleich auf einem Bauernhof aufgewachsen und konservativ-katholisch sozialisiert, wandte er sich früh der politischen Linken zu. Nach Grundschule und Lehrzeit in Niederösterreich als Stahlarbeiter beschäftigt, fand sich der passionierte Bergsteiger und Skifahrer in seinem beruflichen Umfeld »surrounded by Social Democrats« – ein Umstand, der zu seiner Politisierung wohl ebenso beigetragen hat wie die Deportation vieler seiner Freunde in NS-Konzentrationslager. Laut dem narrativen SAUERKRAUT-Bericht des OSS (der von Protagonisten dieser Geheimdienstoperation ein stark idealisiertes Bild zeichnete) betätigte sich Berger seit 1938 subversiv gegen das Hitlerregime. So hat er in seiner Heimatstadt angeblich »kommunistische« Slogans und Zeichen auf Wände und Gehsteige gemalt, Sabotageakte in seinem Betrieb begangen sowie eifrig »Feindsender« gehört193 und konspirative Treffen besucht.194 Berger wurde am 22. Juli 1944 im alliierten Kriegsgefangenenlager 306 in Aversa (Italien) von der tschechischen OSS-Verhöroffizierin und Flugblattautorin Barbara Lauwers (»Zuzka«) als Mitarbeiter rekrutiert.195 Auf seiner Personalkarte wurden die Feststellungen »[er] haßt die Nazis« und »Mitwirkung beim Kampf gegen die Nazis« als Beweggründe und Ziele für die Mitarbeit beim OSS angeführt.196 In einer eigenen Rubrik, in der die potenziellen OSS-Agenten ihre persönlichen Wünsche und Vorstellungen für ihren geheimdienstlichen Einsatz angeben konnten, äußerte der forsche Sozialdemokrat den Wunsch, über dem heimatlichen Schwarzautal in Niederösterreich abzuspringen und dort unter der Bevölkerung »gegen die Nazis« tätig zu werden.197 Franz Berger war 1942 in die Wehrmacht eingezogen worden und hatte in Norwegen und Finnland gedient. Vermutlich im Frühjahr 1944 wurde er als Mit192 OSS Data Sheet on Sauerkraut Agent Franz Berger. NARA, RG 226, E 210, B 204. 193 Zur (in diesem Fall durchaus anzunehmenden) Faktizität solcher Angaben vgl. Cziczatka, USPropa­ganda, 295. 194 OSS, Story of the Sauerkrauts, 31. 195 OSS Data Sheet Berger. 196 Ebd. 197 Ebd.



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25 Franz Berger als Wehrmachtssoldat.

glied der Fliegerabwehr, Abteilung 304, Heeres-Flak-Artillerie, welche der 26. deutschen Panzerdivision unterstellt war,198 nach Italien transferiert. Der von den Amerikanern als »Antifaschist« klassifizierte Berger hat nach eigenen Angaben auf die Gelegenheit, sich dem Kriegsdienst für die Nationalsozialisten zu entziehen, schon länger gewartet. Das Durcheinander infolge der deutschen Rückzugsbewegungen am italienischen Kriegsschauplatz bot hierfür ideale Bedingungen. Zwischen Anfang und Mitte Juni, nachdem die Wehrmacht Rom geräumt hatte und sich in Richtung Arno und Gotenlinie zurückzog, desertierte er und lief in der Nähe des Bolsenasees199 zu den US-Truppen über. Doch anstatt die Kriegsgefangenschaft bei guter Ernährung und physischer Sicherheit »abzusitzen«, um später ins zivile Leben heimzukehren, war Franz Berger einer von jenen Österreichern, die sich aus freien Stücken für die Teilnahme an einer »dangerous and hazardous mission«200 gegen den Nationalsozialismus entschieden hatten. Nachdem Bergers Akt auch von X-2, der Gegenspionageabteilung des OSS, auf Glaubwürdigkeit und Sicherheitsfragen hin überprüft worden war, brachte man ihn gemeinsam mit 15 anderen Deserteuren, die sich ebenfalls freiwillig für dieses 198 Samuel W. Mitcham, Jr., The Panzer Legions. A Guide to the German Army Tank Divisions of WWII and Their Commanders. Mechanicsburg  : 2007, 185 f. 199 Im postoperativen Report des OSS wird der Ort als »Lago Bolcano« angegeben. Es handelt sich hierbei wohl um den »Lago di Bolsena« (dt. Bolsenasee), der auf der deutschen Rückzugsroute gelegen ist. 200 Siehe hierzu das Kapitel über Rudolf Anzböck und die OSS Labor Section in Traussnig, Militärischer Widerstand, 217–264.

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Unternehmen gemeldet hatten, ins toskanische Siena, das SAUERKRAUT-Hauptquartier. In den folgenden Tagen und Wochen wurden die Deserter Volunteers in regelrechten Crashkursen auf ihren gefährlichen Einsatz in dem von Deutschen gehaltenen Gebiet vorbereitet. Auf dem Programm standen unter anderem das Einüben und Wiederholen der deutschen Truppengliederung, der jeweiligen »Cover Story« der Agenten (vor allem des Decknamens im gefälschten Militärausweis), Landkartenkunde, der Umgang mit Waffen und Sprengstoff für Sabotagezwecke usw. Während der Ausbildung erwiesen sich Berger und seine Kollegen laut OSS-Angaben als »kooperativ, fleißig und interessiert«.201 Berger nahm schließlich an den SAUERKRAUT-Missionen Nr. II und III teil. Sein erster Einsatz im Rahmen von SAUERKRAUT II, der im Gebiet von Prato, Pistoia und Bologna stattfand, war laut dem Bericht der Company D von OSS/MO an OSS-Direktor Donovan ein spektakulärer Erfolg. Die Agenten hatten die Aufgabe, Propa­gandamaterialien zu verteilen sowie die »enemy morale« zu sondieren und die Distributionswege von offiziellen Wehrmachtsinformationen an die Einheiten und Soldaten zu eruieren. Weiters sollten sie taktische Informationen zur Lage an der Front sammeln, Aufenthaltsorte deutscher Truppen lokalisieren und die strategischen Auswirkungen alliierter Operationen evaluieren. Geht es nach ihren Vorgesetzten, haben Berger und seine sechs Kameraden von SAUERKRAUT II ihre Vorgaben großteils erfüllt. Ihnen gelang es laut eigener Darstellung, alliierte Druckwerke in Truppenquartieren, Latrinen, Lagerhäusern, Fahrzeugen, ja sogar Werkzeugkisten zu deponieren. Sie berichteten auch von positiven Reaktionen auf die antifaschistischen und defätistischen Aussagen in Flugblättern und Zeitungen wie Das Neue Deutschland und Der Österreicher und konnten die Positionen von Verbänden und Hauptquartieren, darunter etwa einzelne Panzergruppen und die 4. deutsche Luftlandedivision, herausfinden.202 Die feindlichen Reaktionen auf SAUERKRAUT II beeindruckten auch die in Hinblick auf die Aktivitäten von OSS/MO sehr skeptische (und anfangs nicht in die Operation eingeweihte) G-2-Abteilung der 5. US-Armee. So sorgte vor allem eine mit der gefälschten Unterschrift von Generalfeldmarschall Albert Kesselring, dem Oberbefehlshaber Süd, versehene Proklamation, in der von einem »geordneten Rückzug« der Deutschen die Rede ist, für Aufsehen und Unruhe in Wehrmachtskreisen. Dank der Mithilfe der Agenten der SI Branch, die nicht nur nach militärischen Objekten im Feindeslager, sondern auch nach potenziellen Schwachpunkten der »Feindmoral« Ausschau gehalten hatten, erfuhren die Planer der SAUERKRAUT-Operation, dass die deutschen Offiziere hinter vorgehaltener 201 OSS, 2677th Regiment, Semimonthly Report, MO, 16.8–29.8.1944. NARA, RG 226, E 99, B 26, F 3. 202 Laurie, »Sauerkrauts«, 52 f.; vgl. Mauch, Schattenkrieg, 198.



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26 Waffenkunde. Zweiter v. r.: Franz Berger.

Hand ein vorzeitiges Ende des Italienfeldzugs bereits voraussahen und dass »many officers […] have packed their belongings to facilitate a hasty departure.« Diese Informationen wurden umgehend propagandistisch ausgeschlachtet und OSS/MO druckte und publizierte eine vorgeblich von Kesselring unterschriebene Order, die es deutschen Offizieren verbot, Vorbereitungen für einen Rückzug zu treffen.203 In einem OSS-Report werden die SAUERKRAUT-Mission Nr. II, an der Berger direkt beteiligt war, und die Kesselring-Proklamation prominent erwähnt. Die Mission sei ein voller Erfolg gewesen und habe »spektakuläre« Ergebnisse gebracht  : MO-Propa­gandainhalte seien entlang der ganzen Front verteilt und von den feindlichen Soldaten in Gesprächen weitergetragen worden. So hätten rund 30 Wehrmachtssoldaten im Kriegsgefangenenlager in Livorno SAUERKRAUTPropa­gandamaterialien entweder bei sich getragen oder diese zumindest wahrgenommen. Die G-2-Stelle der 5th US Army habe zudem erfahren, dass General Kesselring explizit die Urheberschaft der vom OSS gefälschten, mit seinem Namen unterzeichneten »Proklamation« abgestritten habe. Dieses schwarze Propa­ gandakommunikat, so der Autor des Berichts, »was perhaps the most important 203 Corvo, O.S.S., 208 f.

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in the MO material sent out.«204 Auch OSS-Mann Corvo vertritt diese Meinung  : Laut ihm hatte dieser Text »such a negative effect that Marshal Kesselring was forced to deny its authorship.«205 Diese Kesselring-Proklamation insinuiert ein indirektes Eingeständnis der deutschen Niederlage vonseiten des obersten Wehrmachtsführers im Süden  : Der sich an Offiziere und das »Wehrmachtsgefolge« in Italien richtende und in einer technizistisch-bürokratischen Sprache gehaltene »Kommandobefehl« setzt wie fast alle MO-Kommunikate auf die Verbreitung von subversivem Aktionsdruck bzw. das Auslösen von Gerüchteprozessen  : 278. Infanterie-Division Kommandeur IIa Nr. 62/58 g. Kdos. Betr.: Disziplin PP.

Div. Gef. Std., den 5.9.44

Kommandobefehl Trotz meiner verschiedenen Befehle wird immer [wieder] festgestellt, dass Truppenteile aus den verschiedensten Frontabschnitten sich aus ihren Stellungen zurückziehen und sich den zum Rückzug befohlenen Truppenteilen anschliessen. Es wurde gleichfalls festgestellt, dass Einzelpersonen, sowohl Mannschaften, wie auch Unteroffiziere und in vielen Fällen Offiziere, sich ohne Rückzugsbefehl in unverantwortlicher Weise von ihren Standorten entfernen. Zu diesem Zwecke haben sich auch wiederholt Unbefugte Kraftwagen, Fahrräder und Kraftstoff widerrechtlich angeeignet. Diese Handlungsweise ist dazu angetan, die Feinderfolge bedeutend zu vergrössern. Der geordnete Rückzug wird dadurch gefährdet. Es ist unumgänglich notwendig, dass genügend Mannschaften zur Deckung der sich vom Feinde absetzenden Truppen zurückgelassen werden. Ich befehle daher  : 1. Truppenteile und Einzelpersonen müsen [sic  !] sich bei jedem Rückmarsch mit gültigen Rückzugsbefehlen ausweisen können. Für Einzelpersonen ohne Unterschied des Dienstgrades gelten die grünen Sonderausweise mit Ueberdruck »Norditalien«. 2. Die Rückzugsbefehle und Sonderausweise sind den Organen der Feldgendarmerie und der geheimen Feldpolizei, sowie anderen übergeordneten Dienststellen, zum Passiervermerk vorzuweisen. 3. Kommandeure von Truppenteilen oder Einzelpersonen, die ohne Rückzugsbefehl den Rückmarsch antreten, sind an Ort und Stelle ohne kriegs- oder standgericht204 OSS, 2677th Regiment, Comment on Semimonthly Reports, 28.9.1944. NARA, RG 226, E 99, B 27, F 2. 205 Corvo, O.S.S., 208 f.



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liches Verfahren zu erschiessen. Den Befehl hierzu gibt der Offizier des Kontrolldienstes, der den Vorgang in kurzen Stichworten schriftlich festgelegt und ihn seiner unmittelbar vorgesetzten Dienststelle meldet. 4. Vorstehender Befehl tritt mit dem 6. 9. 1944 00.00 Uhr in Kraft. Er ist unverzüglich allen Unteroffizieren, Soldaten, sowie dem Wehrmachtsgefolge bekannt zu geben. F. d. R. d. A. v. BERG gez. KESSELRING Major und Adjutant Ob. Südwest206

Der »einfache« deutsche Leser sollte nach der Lektüre dieser Zeilen zum Schluss kommen, dass sich die Wehrmacht in einem aussichtslosen Kampf gegen einen übermächtigen Gegner befindet und sich einige Offiziere klammheimlich auf einen Rückzug vorbereiteten, während das Gros der Landser über die kritische Lage nicht in Kenntnis gesetzt wurde. Die Tätigkeit von Bergers Team Nr. 3, das im Rahmen von SAUERKRAUT II hinter die deutschen Linien gesandt wurde, war – ganz im Sinne der breiten und universalistischen OSS-Agenda – sowohl von propagandistischen als auch von nachrichtendienstlichen Aktivitäten geprägt. Franz Berger geriet laut dem hier in fast voller Länge wiedergegebenen Bericht über seinen Einsatz in einige gefährliche Situationen, in denen er jedoch laut den OSS-Quellen Ausdauer, Intelligenz und Mut gezeigt hat. Der folgende Text ist an manchen Stellen wohl etwas »frisiert« und zweckoptimistisch. Dennoch ist er ein beeindruckenes Zeugnis über die Entschlossenheit, die österreichische Deserter Volunteers in Diensten des OSS mitunter an den Tag legten  : TEAM # 3 This team, composed of Hans Tappert as a Feltwebel [sic  !], Franz Berger as a Gefreiter and Karl Mache as an Unteroffizier, were [sic  !] infiltrated through the enemy lines at Prato at 2400 hours 7/8 September. They were to proceed north along the road from Prato toward Bologna for a few kilometres and then head west toward Pistoia. This was to avoid a heavy mine field west of Prato. They proceeded north of Prato 2 km where they waited until dawn, at which time they crossed the Bisenzio River and the railroad tracks near Santa Lucia at (692-844) [Koordinatenangabe]. They saw an anti-tank gun, mule drawn, at (690-860) and a second anti-tank gun, mule-drawn, 1 km west, both retreating north. The team spoke with an anti-tank gunner who said the remainder of his platoon had retreated to Vaiana. The remainder of his company were 10 km north of Vaiana. This was at 0900 hours 8 September. They were told that guns were placed in position at Vaiana and north of Vaiana to cover the Prato-Bologna road. 206 OSS/MO, False Orders from Kesselring, September 1944. NARA, RG 226, E 99, B 88, F 5.

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The team then travelled from Santa Lucia west to Figline and en route saw many enemy troops retreating in a northerly direction. They placed propa­ganda material in positions north of the troops where they would find it in their retreat. Near Ceretto, Berger and Mache saw a patrol of 4 men headed up the trail and going ahead of them placed 20 pieces of propa­ganda in the trail. The patrol read the propa­ganda, discussed it excitedly, and all broke their regular formation and ran in the direction of Bologna with the papers in their hands. They seemed very excited and one rifleman dropped his rifle and kept on running. At 1100 they placed propa­ganda in a house on a road north of Figline and posted on walls and fences about 15 pieces of propa­ganda. At noon, 8 September the team approached a house at approximately (660-890). They enquired of civilians [  !] the road to Pistoia and the civilians told them that inside the house there were some German soldiers with a map. Leaving Mache outside on guard, Tappert and Berger entered the house. They found it was a company C[ommando]P[ost]. Sizing up the situation quickly Tappert assumed the role of a Feldwebel on a Gestapo security mission and demanded to know where the outpost was that was supposed to have been just north of Prato (he had earlier that morning seen this group retreating north). The Feldwebel in charge of the CP was flustered at the presence of a Gestapo Feldwebel and was further intimidated when Tappert demanded to see the Feldwebel’s credentials (not showing his own). The bluff worked and Tappert demanded to know where all the troops had gone. He said he had been separated for six hours from any troops and was unable to find any. The Feldwebel took him to the situation map and showed him the disposition of all German troops in that sector, which is stated below  : Situation at 1400 hours, 8 September  : The Feldwebel’s unit was the 956th Regiment and was deployed along the mountain ranges in a line from Villa di Baggio southeast to a point [unleserlich] km north of Tobbiano, circumventing Tobbiano to the north and continuing to (647-875). This regi­ ment formed the German initial line of resistance and was previously a well-connected group of outposts. On the right of the 956th Regiment was the 1060th Regiment (division not ascertained), the commander officer of which was Hauptmann Kaiser. That regiment had retreated to the »Green Line« beginning their retreat Monday, 4 September. They had left one company at Tobbiano as rear guard. Only a few patrols of the 1060th Regiment were south of Tobbiano. Most of these patrols were composed of three men and each patrol carried one machine gun. To the right of the 1060th Regiment was the 1059th Grenadier Regiment which had also withdrawn to the »Green Line« and was in similar tactical disposition. After studying the situation map for 20 minutes at will Tappert prepared to leave the CP. At this time a German soldier upstairs in the house recognized Mache as of his



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old unit and called out to him, saying  : »I thought the Partisans had eaten you up before now«. The soldier said he would come down and talk to Mache. Mache, knowing his credentials gave a pseudonym, told his friend he was going to the latrine a moment and would be upstairs to talk to him. Mache made his way northeast of the house to the woods and ran toward the mountains beyond. Tappert, hearing the confusion from within the house, covered for Mache by moving to the door and shouting for him to return and then turning to the Feldwebel said, »That man is crazy, is shell-shocked, has amnesia and does not know who he really is«. The Feldwebel agreed to accompany Tappert and Berger into the woods to search for Mache, thinking him deranged, and they searched for him for over an hour, calling and whistling for him, but Mache did not appear. Tappert and Berger then left the CP. The team continued in the direction of Tobbiano, leaving 15 pieces of propa­ganda along the road about 1 km past the CP. En route to Tobbiano dissemination was made in 10 different places with a total of 80 pieces of propa­ganda being placed in positions from 10 to 20 meters behind fortifications, machine gun nests, troop positions and outposts. These places would have to be passed by soldiers going to the rear from these positions. They spoke with the leader of a patrol composed of a sergeant and 8 men at (581903). He said his patrol was from the 1027th Regiment which was in reserve in a strong position at Collina. They had withdrawn the 2nd of September. The code name of his regiment was »Sina«. He also said the »Green Line« started at Collina, that the »Green Line« was the same as the Gothic Line, but that its eastward and westward extensions were unknown to him. Upon leaving the patrol Tappert saw a sign on the road pointing the way to CP of »Sina« Regiment. 600 meters north of Tobbiano the team saw one company of mountain artillery and one company of 80 mm mortars. […] Soldiers contacted at (545-925) told the team [that] two mountain artillery bases were in position on the road from Pistoia to Bologna, 15 km north of Pistoia. The team then moved in a circular route from Tobbiano to the north and then west and then south to Montale, covering a total of about 8 kms. En route they disseminated 50 pieces of propa­ganda along the road where patrols passed and troops moved toward the rear. Then they moved in a circular route northwest to 3 kms north of Montale and then southwest to the mountains, 2 kms northwest of Pistoia. In this route they put 100 pieces along the way where troops would find them and posted them on houses, trees and fences. From the mountain top northwest of Pistoia they saw, 3 kms to the south, British patrols moving along the road towards Pistoia. Searching for more Germans they turned north from that position and went to Baggio and then north to San Pellegrino. From there they continued north to Poggio Tondo 12 kms north of Pistoia. Along this whole route 200 pieces were placed on houses, in the road with rocks on top of them, on trees and abandoned vehicles.

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At Baggio (560-930) they watched a patrol of three soldiers pick up propa­ganda. One soldier read and tore up the propa­ganda, the other two read it, folded it and put it in their pockets. At Stabiazonio [sic  !] 7 soldiers in a patrol found 20 copies beside a house and posted on the house, and read for 10 minutes. They discussed the material and were heard to say they believed the war was over and their sector had not been informed. A sergeant came along, read part of the propa­ganda, spoke very sharply to the men and took the propa­ganda away, putting it in his pocket (this is the second occurrence reported like this). The soldiers seemed very disgruntled. The team heard them say that it must be true and that was why they had received no information for several months. Near Poggio Tondo a five-man patrol sighted the team. At their approach the team discarded the remainder of their propa­ganda in the bushes. The patrol demanded Tappert’s credentials. Berger was 30 yards behind Tappert at the time and partially behind a tree. The patrol leader, upon examination of Tappert’s credentials, was suspicious of them because a poorly made stamp said the credentials were no good. The patrol leader said  : »Come with me. I’ll telephone your company and check on your credentials«. At this point Berger realized that the situation reached a crisis. It seemed to be a place where they had to shoot it out with the patrol. The team was armed with only two berettas and one rifle which was no match for a five-man patrol in which there were three machine pistols. He also realized that to kill any of the patrol and not to kill all would alarm the sector and endanger all the other teams. Acting with great resourcefulness he fired his beretta into the air twice. The patrol immediately took cover, not knowing from where the shots came. At this moment Tappert and Berger made a break and ran 50 yards before the patrol opened fire on them. Tappert fired three more rounds into the air. The patrol taking cover again, the team made their get-away to the east into the mountains. This was the morning of 9 September. The team then proceeded south through the mountains toward Pistoia, keeping several kilometres east of the road, arriving at a house near Pistoia at (540-[unleserlich]90). The house was a headquarters for a partisan group and the team surrendered to the partisans and asked for safe conduct through the lines. They said they worked for the Americans. The partisans seemed unwilling to help the team until Tappert insisted they were a special mission for the American Army and were told to report to that headquarters for safe conduct and if they did not return on time American intelligence would know the partisans had not cooperated. About this time heavy artillery barrage fell in the vicinity of the house and all of the partisans, approximately 100, fled for the hills, demanding that Tappert and Berger go with them as their prisoners. Tappert said, »No, we are going to stay here«. The partisan chief and several others remained in the house with them until the barrage stopped and then conducted them to Pistoia where they surrendered to soldiers from the Guards Brigade, South African Division. The



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account of the failure of the team to be interrogated by the South African Division is covered previously in this report. On general information regarding MO intelligence and the general situation in the German lines, Team #3 concurred in detail with the observations of Teams Nos. 1 and 2, adding that there was much confusion and little organization among the troops toward the Gothic Line. Their area of dissemination covered an area within a perimeter of Prato, Pistoia, San Marcello, Biagioni, San Pollagrino [sic  !], Tobbiano, La [unleserlich]riglia, Santa Lucia. Briefing of Mache revealed that when he left Tappert and Berger at the German CP he went into the mountains for 2 kms and then south again to Bagnola, then eastward to (666-850) where he arrived at 2200 the 8th. There he saw 8 trucks and 3 mule-drawn wagons moving on the road toward Bologna. He put the remainder of his propa­ganda on these vehicles as they passed. He estimates it was 75% of the material with which he started on the mission. He slept that night on a mountain 1 km west of that point. He woke at 0700, spent the morning on the mountain top and at 1500 the 9th surrendered to a British tank at Coiano. During that time he says saw nothing of military intelligence value. He did not see the Germans find any material. His dissemination is presumed to have been chiefly along the Prato-Bologna road and to have been carried north by the vehicles in which he placed it. […] In reading the above report reference should be made to the initial report of operation SAUERKRAUT II […]. Their mission as stated in the report was an extremely difficult one and called for great resourcefulness, stamina, intelligence and courage. Comparison of this report with the written statement of their mission requirements will reveal that the teams carried out their missions to a point of excellence. […] The military intelligence brought back by these teams [has been] checked closely with intelligence [that] G-2, 5th Army had on the sector before their attack and the information they found during and after the attack. Jack Daniels, 1st Lt., Inf. MO Branch207

Im Oktober 1944 nahm Franz Berger an der ebenfalls als Erfolg eingestuften Mission SAUERKRAUT III im Gebiet von Bologna und Modena teil. Auch bei einem Team dieser Mission, nämlich der Gruppe namens MARIE, kam es zu einem spektakulären Zwischenfall  : Nachdem ein ss-Hauptmann die Agenten beim Anbringen von Flugblättern auf Bäumen gesehen hatte, erfolgten mehrere Schusswechsel mit zwei verschiedenen Patrouillen, die jedoch nur für Letztere 207 Daniels, Report on SAUERKRAUT II, 17.9.1944, Team #3.

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fatale Konsequenzen hatten. Die Agenten konnten in die Berge fliehen und später in die US-Zone zurückehren. In den OSS-Reports und der streckenweise sehr schöngefärbten »Story of the SAUERKRAUTs« wird erwähnt, dass diese dritte Mission ebenfalls »valuable front-line intelligence« einbrachte208 und dass Berger bei seinen beiden Einsätzen »gute«209 oder »hervorragende« Resultate erzielt hat.210 Obwohl Berger 1944 im Dienst von OSS/MO stand und auch für einen eventuellen Einsatz in Österreich vorgesehen war, taucht sein Name innerhalb der amerikanischen Kriegsbürokratie nur in wenigen operativen Akten des OSS 211 auf  – der Geheimdienst wollte über die völkerrechtswidrige Verwendung von Kriegsgefangenen für Infiltrations- und Propa­gandazwecke den Mantel des Schweigens breiten. Obwohl einige österreichische Agenten der SAUERKRAUT-Operation, wie etwa der Wiener Tischler und Wehrmachtsdeserteur Alois Haas, hofften, dass sie durch ihre Teilnahme am Kampf gegen den Nationalsozialismus eine bevorzugte Behandlung in der Nachkriegszeit erfahren 212 oder gar die amerikanische Staatsbürgerschaft erlangen würden, wurden sie nach ihrem Einsatz in der Regel einfach wieder in die alliierten Kriegsgefangenenlager gesteckt. Es sollte nicht die letzte Enttäuschung sein, welche die österreichischen Deserter Volunteers des OSS nach ihrem Einsatz erlebten  : Denn in Österreich, in jenem Land, zu dessen Befreiung vom Nationalsozialismus sie unter Einsatz ihres Lebens einen Beitrag geleistet haben, galten sie vielen nicht als Befreier, sondern als »Verräter«, die mit dem Feind gemeinsame Sache gemacht hatten.213 Heute, im Jahr 2016, sind derartige Stimmen eher rar geworden und verfügen innerhalb der österreichischen Deserteur- und Widerstandsdebatte über keine diskursive Hegemonie mehr. In Wien wurde 2014 nach vorangegangenen langen Debatten ein Deserteursdenkmal errichtet, um Menschen wie Franz Berger zu gedenken. Auch andere Kulturinitiativen, Publikationen und Ausstellungen thematisieren zunehmend die militärische, moralische und politische Dimension des Widerstandskampfs. Obwohl wir in einem postheroischen Zeitalter leben, erkennt das offizielle Österreich nun spät, aber doch, an, dass jene Menschen, die sich durch Flucht dem NS-Kriegsdienst entzogen haben, in der Regel nicht feige, 208 209 210 211 212 213

OSS, Comment on Semimonthly Reports, 28.9.1944. OSS Data Sheet Berger. OSS, Story of the Sauerkrauts, 31. OSS/MO, Report 2677th Regiment, 1–15 July 1944. RG 226, E 99, B 26, F 2. OSS Data Sheet on Sauerkraut Agent Alois J. Haas. NARA, RG 226, E 210, B 204. Laut Peter Pirker wurden »die Überlebenden des Widerstands, der Verfolgung und des Exils […] unter den Stereotypen ›Verräter‹, ,Feigling‹ und ›Kriegsgewinnler‹ zu Projektionsflächen für Schuldumkehr«. Peter Pirker (Hg.), Patrick Martin-Smith. Widerstand vom Himmel. Österreicheinsätze des britischen Geheimdienstes SOE 1944. Wien  : 2004, 31.



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sondern sehr oft heroisch gehandelt haben. Umso mehr gilt dies für die Deserter Volunteers des OSS, die sich nach der Desertion freiwillig für gefahrvolle Einsätze im Kampf gegen den Nationalsozialismus gemeldet und unter großen Gefahren und Risiken aktiv an der Wiedererrichtung Österreichs als demokratischer Staat mitgearbeitet hatten. 2.3 »Swing Them to Death« – Der defätistische Sirenengesang Vilma Kuerers im subversiven Radiokrieg gegen die deutsche Wehrmacht Professional entertainment can serve not only as bait for propa­ganda. If used properly, it can be made into propa­ganda itself and become a strong weapon of psychological warfare. Lothar Metzl, Songtexter der OSS-Propa­ganda-Operation MUSAC, über Populärkultur als Mittel zur Unterminierung feindlicher Moral 214 Das wäre eine kleine Kunst, die nur klänge und keine Sprache, noch Zeichen für Seelenzustände hätte  ! Robert Schumann, Komponist215

Die nach dem »Anschluss« vor dem Nationalsozialismus aus Österreich geflohene Sängerin und Schauspielerin Vilma Kürer (später Kuerer) war während des Zweiten Weltkrieges in eine der bemerkenswertesten und aufwändigsten Rundfunkoperationen der westalliierten Propa­gandaämter involviert. Als verführerische und gleichzeitig defätistische Radiostimme, die sich im Auftrag des Kriegsgeheimdienstes OSS von Amerika aus an ein deutsches Soldatenpublikum richtete, sollte die österreichische Sängerin die feindlichen Hörer in den Reihen der Wehrmacht mit unterschwelligen Texten beschallen, mit dem Ziel, aus diesen verängstigte, kampfunfähige Zauderer und Deserteure zu machen. Obgleich diese ebenso kreative wie ambitionierte Operation mittlerweile in mehreren einschlägigen Büchern216 und Aufsätzen beschrieben wurde, ist über die Rolle, die Kürer dabei gespielt hat, bisher nur wenig bekannt. Es interessiert mich dabei weniger eine deskriptive Aufzählung der Propa­gandatätigkeiten, bei denen die österreichische Künstlerin beteiligt war, sondern eher die Art und Weise, wie 214 Metzl, Terminal Report on Musac, 7.5.1945. 215 Robert Schumann, zitiert in Ulrike Voltmer, Semiose des Musikalischen. Zur Rekonstruktion musikalischer Erkenntnis. Saarbrücken und Wien  : 2005, 245. 216 Vgl. hierzu die Monografien von Mauch, Schattenkrieg, und Soley, Radio Warfare.

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ihre individuellen Fähigkeiten und ihre Persönlichkeit von den Amerikanern im Ätherkrieg gegen NS-Deutschland eingesetzt bzw. instrumentalisiert wurden. Ich werde also verstärkt auf die performative Funktion der Sängerin Kürer innerhalb der US-Radiopropa­ganda und weniger auf die allgemeine Biografie der Protagonistin eingehen.217 Vilma Kürer wurde am 16. Oktober 1914 im oberösterreichischen Melk in ein jüdisches Elternhaus hineingeboren. Nach ersten kleinen Schauspielrollen in Wien, die bereits ihr außerordentlich expressives Talent und ihren Hang zur Koketterie offenbarten, war sie in den frühen 30er-Jahren am Deutschen Theater in Prag tätig. Wieder in Wien, besuchte sie als Gastschülerin die berühmte Schauspielschule Max Reinhardts, der von E. Wilder Spaulding als »perhaps the theater’s greatest in his time« bezeichnet wurde.218 Im Ensemble der improvisationsfreudigen Kleinkunstbühne »Der liebe Augustin« war Kürer »repräsentativ als Erscheinung, zudem lustig, spitzig [sic  !] und vielseitig verwendbar.«219 Als literarische und politische Revue bot die im Untergeschoss des Wiener Cafés Prückel beheimatete Bühne des Augustin vielversprechenden Kabarettisten und Schauspielern, wie etwa Kürers späterem Schicksalsgenossen im US-Exil Manfred Inger (Fred Lorenz),220 Entfaltungsmöglichkeiten. Neben heiter-burlesken und anti­ faschistisch-satirischen Rollen reüssierte die junge Künstlerin auch im ernsten Fach. So beschwor sie etwa mit dem von Gerhart H. Mostar geschriebenen Chanson Denn was man sagt … die – sich wenige Jahre später für viele Juden als fatales Menetekel erweisende – »Melancholie der Bahnhofsatmosphäre« herauf.221 Kürer wirkte auch im Theater in der Josefstadt, im Kabarett »Simpl«222 und an diversen Filmprojekten mit. In Ungarn etwa spielte sie 1937 als »Mädchen vom Jachtklub« ihre erste kleine Filmrolle in der in Deutsch und Ungarisch verfilmten Sportoperette Roxy und ihr Wunderteam.223 Dieses kleine, auf der simp217 Für eine Kurzfassung des folgenden Beitrags siehe Florian Traussnig, »›Twisted Lyrics‹ für Wehrmachtssoldaten. Die österreichische Exilantin Vilma Kuerer als subversive Propa­ganda­ stimme des US-Kriegsgeheimdiensts OSS«, in  : Hiltrud Häntzschel/Inge Hansen-Schaberg/ Claudia Glunz/Thomas F. Schneider (Hgg.), Exil im Krieg 1939-1945 (= Krieg und Literatur/ War and Literature, Vol. XXII). Osnabrück  : 2016, 121-132. 218 E. Wilder Spaulding, The Quiet Invaders. The Story of the Austrian Impact upon America. Wien  : 1968, 295. 219 Ingeborg Reisner, Kabarett als Werkstatt des Theaters. Literarische Kleinkunst in Wien vor dem Zweiten Weltkrieg. Wien  : 2004, 72. 220 Siehe hierzu die kurze Kriegsbiografie zu Fred Lorenz im Kapitel 3.2.6 dieses Bandes. 221 Reisner, Kabarett, 59. 222 »Premiere im Simpl«, in  : Die Stimme, 28.2.1936, 8. 223 Walter Fritz, Die österreichischen Spielfilme der Tonfilmzeit (1929–1938). Wien  : 1968, 136  ; siehe hierzu auch  : Angela Eder, »›Lieber bin ich unter den Vieren in Hollywood als unter den Vierzigtausend am Friedhof‹. Paul Ábraháms Fußballoperette Roxy und ihr Wunderteam«, in  : Ka-



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27 Vilma Kuerer als Schauspielerin der Kleinkunstbühne »Die Arche« in New York, 1943.

len Trias »Fußball, Liebe und Gesang« fußende Filmprojekt sollte übrigens die letzte unabhängige österreichisch-ungarische Koproduktion vor dem »Anschluss« sein. Nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten in Österreich erkannte die »nichtarische« Künstlerin bald den Ernst der Lage und floh 1938 aus der Tschechoslowakei via Polen in die USA,224 in die sie unter Mithilfe des britischen Journalisten Sydney Morell einreisen durfte.225 Im amerikanischen Exil änderte sich ihr Name von Kürer auf Kuerer.226 Ihr gelang es rasch, innerhalb der personell sehr dichten und hochrangigen Riege der zentraleuropäischen Kleinkunst-, kanien Revisited, 8.9.2004, 1–15, hier 1, 3, 5 und 8, in  : http://www.kakanien-revisited.at/beitr/ fallstudie/AEder1.pdf (letzter Zugriff  : 24.5.2012). 224 Passenger List M.S. Batory to New York, 12.10.1938. NARA, Records of the Immigration and Naturalization Service, Passenger and Crew Lists of Vessels Arriving at New York, New York, 1897–1957, MS T715, MR 6239, L 16 P 53, in  : http://www.ancestry.com/ (letzter Zugriff  : 29.11.2011). 225 Christian Klösch/Regina Thumser, From Vienna. Exilkabarett in New York 1938 bis 1950. Wien  : 2002, 61  ; Ulrich, Österreicher, 261. 226 Im Folgenden wird nur mehr den amerikanisierten Namen »Kuerer« verwendet.

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Revue- und Vaudevilledarsteller in den USA einen prominenten Status zu erlangen und sowohl vom österreichischen Exilpublikum als auch von einer Handvoll interessierter Kulturjournalisten der Ostküste mit Lob bedacht zu werden.227 Zunächst fand Kuerer in der unter der Leitung von Herbert Berghof 228 stehenden »Refugee Artist Group« Beschäftigung. Der Theaterkritiker Brooks Atkinson schrieb im Februar 1940 in der New York Times über das neue, zwischen amerikanischer Revueshow und zentraleuropäischer (Polit-)Kleinkunst angesiedelte Programm dieser Gruppe mit dem Titel Reunion in New York. Besonders hob er die »moving sincerity« Kuerers hervor, die in einem authentischen Lamento das Schicksal Polens, Böhmens und Österreichs besang.229 In einem Kommentar bezeichnete auch die für ihre notorisch harten Rezensionen bekannte New York Post-Journalistin Wilella Waldorf die österreichische Aktrice und Sängerin als »the comely Vilma Kuerer, one of the company’s leading actresses, […] who sings as well as she looks«.230 Aber nicht nur als unschuldige Interpretin von melancholischem bis fröhlichem Liedgut war die Österreicherin präsent. Die »besonders attraktiv[e]« Darstellerin231 schien auch wie geschaffen für das, was Alfred Polgar »ungeniertes, saftiges Theater«232 nannte  : 1942 trat sie in Die Wunderbar, einer Produktion, bei der sie an der Seite von Karl Farkas zu sehen war, als betörender »Miniaturvamp Electra Pivonka« auf.233 Interessant ist, dass sie vor ihrem Kriegseinsatz als Radiopropagandistin sowohl in Österreich als auch in den USA eher als Gute-Laune-Mädel in Erscheinung trat – eine Rolle, die sich mit dem exilpolitisch vereinnahmten Topos der »urwienerischen Gemütlichkeit« offensichtlich gut vereinbaren ließ. So berichtete die jüdische Exilzeitung Der Aufbau am 5. Dezember 1941, also nur einen Tag vor dem japanischen Angriff auf Pearl Harbor, über die humorvolle und vom Publikum bejubelte Performance Kuerers und ihrer Kolleginnen und Kollegen in der »reizenden Parodie« Das Weiße 227 Hans-Christof Wächter, Theater im Exil. Sozialgeschichte des deutschen Exiltheaters 1933–1945. München  : 1973, 153  ; vgl. Klösch/Thumser, From Vienna, 12  ; Ernst Lothar, Das Wunder des Überlebens. Erinnerungen und Ergebnisse. Hamburg, Wien  : 1960, 164 f. 228 Berghof hatte Erfahrung mit antifaschistischen Stücken. So spielte er in der die nationalsozialistische »Rassenlehre« ad absurdum führenden Karl-May-Persiflage Für die reifere Jugend einen auf den Namen »Hermann Adolf Siegfried« getauften Bräutigam, der pikanterweise eine Indianerin, deren Vater ein »Mischling ersten Grades« war, heiraten wollte. Reisner, Kabarett, 140 f. 229 Brooks Atkinson über die Revue Reunion in New York der Refugee Artist Group, in  : The New York Times, 22.2.1940, zitiert in Eppel, Exil, Bd. 1, 398  ; vgl. Klösch/Thumser, From Vienna, 62 f. 230 Wilella Waldorf, »Review of Reunion in New York«, in  : New York Theatre Critics’ Reviews 1940, Vol. 1, 388–389, hier 388. 231 Teller, Davids Witz-Schleuder, 24. 232 Alfred Polgar, Lauter gute Kritiken. Zürich  : 2006, 265. 233 »Die Wunderbar im Pythian Theatre«, in  : Der Aufbau, 6.11.1942, 9.



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Rössl am Central Park.234 In der jüdischen Kleinkunstbühne Die Arche, welche sich durch ihre kämpferische Haltung gegenüber dem Nationalsozialismus auszeichnete und bei der »sich Lachen und Nachdenken provozierende Texte stets im richtigen Verhältnis gegenüberstanden«,235 »brillierte [Kuerer] in ein paar Chansons durch ihre impulsive Ausdruckskraft«.236 Dem Urteil der Kritiker nach wusste Vilma Kuerer in New York also das Chan­gieren zwischen dem Bühnenarchetypen des bisweilen harmlos-lustigen, bisweilen in alteuropäischer Nostalgie schwelgenden Mädels und jenem der burlesken Göre geschickt zu meistern. Die junge Künstlerin hatte sich in den USA etabliert und der Krieg in Europa war für sie medial zwar stets präsent, doch lebensweltlich weit entfernt. In der Hochphase der militärischen Auseinandersetzungen sollte die geflohene Jüdin aber erneut von den Zentrifugalkräften des Zweiten Weltkriegs, dieses totalen Krieges, erfasst werden. Während die alliierte Militärmaschinerie im Sommer 1944 in Nordwesteuropa Fuß fassen konnte, nahmen die Planer einer neuartigen, vom Kriegsgeheimdienst OSS durchgeführten Propa­gandaoperation die Dienste Kuerers in Anspruch. Die Österreicherin repräsentierte genau das, wonach die Morale Operations Branch (MO), die Abteilung für psychologische Kriegsführung des OSS, suchte  : eine »verführerische« weibliche Radiostimme, die mit ihren deutschsprachigen Sirenenklängen die feindlichen Soldaten der Wehrmacht betören sollte. Die Washingtoner Propa­ gandaexperten zeigten sich daher nicht am braven Bühnenmädl, sondern vor allem am gewagteren und lasziveren Teil von Kuerers Künstlerpersönlichkeit interessiert. Sie sahen in Vilma Kuerer eine subversive Propa­gandawaffe. Auch die Informationspolitik des OSS fügte sich in das Bild einer wenig auf (geschlechter-) politische Korrektheit oder persönliche Befindlichkeiten Wert legenden Propa­ gandapraxis  : Die exilösterreichische Chanteuse dürfte zwar wissentlich als US-Propagandistin tätig gewesen sein, sie wurde aber laut Lawrence C. Soley während des Projekts niemals offiziell darüber informiert, dass diese Tätigkeit im Rahmen einer geheimdienstlichen Operation des OSS erfolgte.237

234 »Café Vienna«, in  : Der Aufbau, 5.12.1941, 14  ; »Broadway Bulletin«, in  : Der Aufbau, 12.12.1941, 10. 235 Reinhard Hippen, Satire gegen Hitler. Kabarett im Exil. Zürich  : 1986, 156. 236 Regina Thumser/Christian Klösch, »Exil-Kabarett in New York«, in  : John M. Spalek/Konrad Feilchenfeldt/Sandra H. Hawrylchak (Hgg.), Deutschsprachige Exilliteratur seit 1933. Bd. 3, Teil 4  : USA. Zürich und München  : 2003, 375–415, hier 388  ; Auch auf Ernst Lothars »Österreichischer Bühne« war Kuerer vertreten, siehe hierzu Klösch/Thumser, From Vienna, 161. 237 Man teilte den Sängern und Sängerinnen angeblich mit, dass die aufgenommenen Musikstücke für die Voice of America, den weißen Propa­gandasender des OWI, verwendet werden würden. Vgl. Mauch, Schattenkrieg, 216 und Soley, Radio Warfare, 125.

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2.3.1 Ein ungewöhnlicher Soldatensender für kriegsmüde Landser

Die zwischen Juli 1944 und April 1945 lancierte und strenger Geheimhaltung unterliegende OSS-Kampagne namens MUSAC 238 entstand im Rahmen einer Kooperation des OSS mit dem britischen Propa­gandarundfunkprogramm Soldatensender Calais (nach der alliierten Einnahme von Calais im Herbst 1944 Soldatensender West genannt). Dieser vom Journalisten Sefton Delmer und seinen »black boys«239 unter der Ägide der britischen Political Warfare Executive (PWE)240 betriebene Schwarz- bzw. Grausender war einer der bemerkenswertesten und beliebtesten Propa­gandasender des Zweiten Weltkriegs. Ursprünglich als provisorische Ergänzung für den sogenannten Deutschen Kurzwellensender Atlantik konzipiert,241 richtete sich diese Rundfunkstation sowohl an ein soldatisches als auch an ein ziviles Publikum. Der Soldatensender und die Atlantik-Station suggerierten ihren Hörern – zu denen auch der sichtlich beeindruckte und ob der unorthodoxen Machart der Programme ebenso besorgte NS-Propa­gandaminister Joseph Goebbels gehörte –, ein deutscher Rundfunkdienst für deutsche Landser und Schiffsbesatzungen zu sein. Was Goebbels jedoch »viel mehr beunruhigte als die gespielte Musik«, war das unmittelbar auf die Musikstücke folgende Nachrichtenprogramm.242 Denn dieses war aus nationalsozialistischer Sicht alles andere als erbauend. Es handelte sich hierbei nicht um linientreue »Nachrichten für die Truppe«, sondern um defätistische Propa­ganda anglo-amerikanischer Provenienz, die die deutschen Hörer verunsichern und gegen ihre politischen und militärischen Führer aufbringen sollte.243 Weil die alliierte Herkunft des mysteri238 Der Name MUSAC bezieht sich auf die beteiligte Plattenfirma Muzak Recordings. Weiters ist MUSAC eine komprimierte Form des Syntagmas Musical Action. Mauch, Schattenkrieg, 215  ; Soley, Radio Warfare, 125. 239 Hans Habe, Ich stelle mich. Meine Lebensgeschichte. München  : 1986, 461. 240 Personell setzte sich die PWE vor allem aus ehemaligen Mitarbeitern des Ministry of Information (MOI), der BBC sowie der Abteilung SO 1, bis dahin die Propa­gandaabteilung der Special Operations Executive (SOE), zusammen. 241 Vgl. Pütter, Rundfunk, 126. 242 Zimmermann, Medien, 139. 243 Dazu der OSS-Offizier William Casey  : »Britain’s ›black propa­ganda‹ – the real stuff – was […] devilish. […] Sefton Delmar [sic  !], who had covered Hitler’s Germany […] with both panache and imagination ran PWE’s ›black‹ operations. His crew was a motley and fascinating bag. On the one hand there was a band of talented journalists and scholars who knew Germany and the Nazi leaders, their history and their psychology. On the other, as a kind of back-up, Delmar had gathered a group of refugees and prisoners of war […]. His writers used both the available ›ethnic‹ talent, and the flow of intelligence from Germany that Delmar had organized – including current newspapers and magazines, radio broadcasts, and prisoner of war interrogations – to produce rumors known as ›sibs‹. These were spread around Europe through radio broadcasts and



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ösen Senders bei den deutschen Rezipienten ein offenes Geheimnis war, wird der Soldatensender als »graue«, i. e. im Graubereich zwischen weißer und schwarzer Propa­ganda angesiedelte, Rundfunkstation bezeichnet. Ich werde im Folgenden auf detaillierte Unterscheidungen zwischen grauer und schwarzer Propa­ganda verzichten, weil die hinter diesen beiden Zugängen stehende Philosophie mehr oder weniger dieselbe ist – wer graue oder schwarze Propa­ganda produzierte, wollte den Empfänger bewusst täuschen. Von der grauen Propa­ganda im Stile des Soldatensenders sagt Heinz Starkulla jr., dass sie »das Produkt einer sehr speziellen Nachrichtenpolitik darstellt, in der […] ein einzigartiges Gemisch aus ›Wahrheiten‹, ›Lügen‹ und ›Halbwahrheiten‹ zu einem wohlerwogenen kommunikativen Wirkungsganzen komponiert ist.« 244 Ein amerikanischer Intelligence-Offizier des OSS, der die britische Radiopropa­ganda der PWE anerkennend als »some of the slickest of the war« charakterisierte,245 berichtet über die allabendlichen einleitenden Klänge des Soldatensenders und die an die deutschen Hörer gerichteten Worte  : Every night at 6 p.m. [sic  ! recte 8 p.m.], with a crack of drums and a blare of trumpets, a jubilantly boisterous German march would burst from radio sets tuned to almost the same band as »Radio Deutschland« in Munich. In crisp German the announcer would say  :246 »Soldatensender Calais mit dem Kameradschaftsdienst für die Wehrmacht im Bereich des Befehlshabers West und Norwegen.«247

Der Soldatensender Calais, dessen von Woburn aus operierender Transmitter auf der stärksten Mittelwellenfrequenz des Kontinents sendete, verfügte über alle technischen Voraussetzungen, um auf das europäische Festland auszustrahlen. Der sich an deutsche Marine- und U-Boot-Besatzungen richtende Kurzwellensender Atlantik und der vornehmlich an die Wehrmacht adressierte Soldatensender Calais waren als Nachfolger des bereits 1941 auf Sendung gegangenen Schwarzsenders Gustav Siegfried Eins sehr ausgereifte britische Unternehmen, die sich neben allerlei psychologischen Kniffen der Techniken des »popular journalism« anglo-amerikanischer Prägung bedienten.248 Ein durchschnittlicher Sendetag dieser beiden auf derselben Frequenz zu empfangenden Stationen war news sheets that seemed to come within Germany or the occupied areas. […] ›Soldatensender Calais‹ and ›Kurzwellensender Atlantik‹ reached not only troops […] but civilians all over Germany.« Casey, Secret War, 27 f. 244 Starkulla jr., Propa­ganda, 326 f. 245 Casey, Secret War, 27. 246 Ebd. 247 Pütter, Rundfunk, 125. 248 Lerner, Sykewar, 342.

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zwölf Stunden lang (Soldatensender Calais/West von 20.00–24.00 Uhr, Kurzwellensender Atlantik von 24.oo–8.oo Uhr) und legte seinen Nachrichtenschwerpunkt auf Front- und Marineberichte, fingierte Verlautbarungen des Oberkommandos der Wehrmacht, Warnmeldungen über bevorstehende Bombenangriffe und darauffolgende Schadensmeldungen etc. Zwischen den mehr oder weniger subversiv gestalteten Nachrichten sendeten der Soldatensender und der Kurzwellensender Atlantik politische Stellungnahmen von deutschen Kriegsgefangenen, hämische »Society«-Reportagen über die deutsche Kriegsgesellschaft, schlüpfrige Hinweise über sexuelle Eskapaden untreuer Soldatenfrauen aus dem Inneren des Deutschen Reichs sowie humoristische Beiträge und Satire – natürlich allesamt mit einem antifaschistischen Duktus versehen.249 Wie die weiteren Ausführungen in diesem Kapitel noch zeigen werden, spielte auch die Musik eine zentrale Rolle im Konzept dieser Rundfunkstation(en). Die beschwingten Instrumentalstücke und die Populärmusik des Senders, die von der europäischen Hörerschaft oft mit dem schwammigen Begriff »Jazz« bezeichnet wurden,250 waren bei den Adressaten sehr beliebt. Der Soldatensender wurde sowohl wegen seiner realitätsnahen Nachrichten als auch wegen seines hohen Entertainmentfaktors von Soldaten und Zivilisten geschätzt.251 Ein narrativ etwas ausgeschmücktes, aber sehr plastisches Beispiel für die von den Machern von Calais und Atlantik ersonnene Mischung aus antifaschistischem Boulevardrundfunk, militärischem »Informations«-Dienst und Musiksender gibt der Zeitzeuge Hanuš Burger. Der tschechische Exilant, Regisseur und Autor war als Propa­gandaspezialist der Second Mobile Radio Broadcasting Company252 und OSS-Mitarbeiter selbst an der Westfront in ein ähnliches Radioprojekt involviert und verarbeitete in seinem »Tatsachenroman« 1212 sendet seine Erlebnisse als Rundfunkpropagandist. Burger berichtet von einem Dialog zweier angeblicher Marinesoldaten, den er als Hörer des Soldatensenders bzw. der Atlantik-Station mitverfolgt hat. Das scheinbar harmlose Zwiegespräch der beiden Radiostimmen artet rasch in einen einseitig geführten Monolog aus, der Zwietracht und Misstrauen unter den Kameraden und gegenüber den »korrupten NS-Bonzen« säen wollte. Der von allerlei Ungemach berichtende britische Sprecher vergisst natürlich nicht auf die permanente Todesgefahr in den deutschen U-Booten und die 249 Vgl. Laurie, Warriors, 205. 250 Vgl. Kermit Roosevelt (Hg.), The Secret War Report of the OSS. Volume 1. Washington, D.C.: 1976, 219. 251 Laut einer Umfrage waren »[f ]ast ein Viertel der Deutschen, die ausländische Programme hörten, […] mit den Programm des britischen Geheimdienstsenders vertraut«. Mauch, Schattenkrieg, 212  ; vgl. Padover, Lügendetektor, 222. 252 R.J. Bowen/Dan Edelman [U.S. Army], History, Second Mobile Radio Broadcasting Company. September 1943–May 1945. [ohne Ort  :] 1945, 89.



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angebliche Untreue der auf dem Festland zurückgelassenen Frauen hinzuweisen. Laut Burger war der Stil dieses Senders »aufreizend, gnadenlos. Nicht umsonst wurde erzählt, daß einige solcher Sendungen Schlägereien an Bord deutscher Kriegsschiffe hervorgerufen haben sollten. Dann gab es eine Platte Tanzmusik, dann einen Marsch und dann die Nachrichten.«253 Der sowohl für die »weißen« als auch für die »schwarzen« Rundfunkpropa­ gandisten mehr oder weniger verbindliche Kanon für diese Form des persuasiven Radiojournalismus setzte sich aus den scheinbar strikt voneinander getrennten Bereichen »straight news«, Kommentar und Unterhaltung zusammen. Gemäß dem Motto »news should always take priority over views«254 stand die Informationsvermittlung klar im Vordergrund. Die Aussage des an der Westfront tätigen Intelligence-Offiziers Jacob I. Tennenbaum bestätigt diese journalistische Regel. Tennenbaum analysierte jede Woche die Berichte der Kriegsgefangenenverhörteams und andere nachrichtendienstliche Quellen und besaß detaillierte Kenntnis über die Meinungen der Wehrmachtsangehörigen zum alliierten Radio- und Flugblattausstoß. Die deutschen Soldaten schätzten demnach vor allem die »plain, simple news« der Amerikaner  :255 News is their [the Landser’s] main interest at the present time, and all other programs are of lesser importance.256

Die in einem sachlich-dokumentarischen Duktus und ausschließlich »live« dargebotenen257 Inhalte der beiden Sender Calais und Atlantik waren daher im Gegensatz zum schwülstigen und triumphalistischen NS-Jargon258 zu weiten Teilen realitätsnah, akkurat und informativ. Viele Wehrmachtssoldaten, darunter auch Offiziere, hörten den Sender, um brauchbare Informationen über die militärische Lage in ihrem Gebiet zu erhalten.259 Glaubwürdige »News« waren für sie wichtiger als Unterhaltung.260 Doch wie die subtil antinationalsozialistische Diktion der Nachrichtentexte des Soldaten- und Atlantik-Senders zeigt, gilt gerade für diese Form der Propa­ganda auch der von George Gerbner postulierte Merksatz  : 253 Hanuš Burger, 1212 sendet. Tatsachenroman. Berlin  : 1965, 81. 254 Lerner, Sykewar, 342. 255 Margolin, Paper Bullets, 90. 256 Tennenbaum, Weekly Intelligence Report, Nr. 2, 5.2.1945, 19. Zu Tennenbaum siehe Kapitel 3.2 dieses Bandes. 257 Pütter, Rundfunk, 125. 258 Vgl. Leo Glückselig, Gottlob kein Held und Heiliger  ! Ein Wiener »Jew-boy« in New York. Wien  : 1999, 228. 259 Tennenbaum, Weekly Intelligence Report, Nr. 2, 5.2.1945, 18  ; vgl. Burger, 1212, 180. 260 Vgl. Carlton, »Voice«, 47.

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All news is views.261

Indem man etwa unter dem Deckmantel der Information über die drohende Ostfront-Versetzung jener Soldaten, die sich im Kampf im Westen ausgezeichnet hatten, und über deutsche Truppenteile berichtete, die sich von den Alliierten mehr oder weniger bereitwillig hatten gefangen nehmen lassen, versuchte man die militärischen und politischen Ansichten der Empfänger zu lenken und unterschwellig einem antifaschistischen Defätismus das Wort zu reden. Gleichzeitig wurde damit indirekt zur Nachahmung von »wehrkraftzersetzenden« und widerständigen Handlungen aufgerufen. So berichtete der von Mitarbeitern des amerikanischen Abhördienstes regelmäßig gehörte Kurzwellensender Atlantik schon am 26. Juli 1943, also einen Tag nach dem Waffenstillstand des faschistischen Italien mit den Alliierten, über italienische Fremdarbeiter im österreichischen Wiener Neustadt, die angeblich sofort repatriiert werden wollten, da der Krieg aus ihrer Sicht nun vorbei sei.262 Der Aktionsdruck, der durch solche (unwahren oder verzerrten) Nachrichten entstand, sollte Sabotagewellen und Revolten in Deutschland Vorschub leisten. Der Soldatensender Calais war daher ein wichtiges Distributionsmedium für derartige »views« und auch für »sibbery« (»Gerüchte-Streuen«). So wurden über den Sender antinationalsozialistische Gerüchte (»rumors«, »sibs«) in die Welt gesetzt, die von einem anglo-amerikanischen Underground Propa­ganda Committee, dem auch die OSS/MO-Zentrale in Washington zuarbeitete, ersonnen worden waren.263 In einigen Fällen gab der Soldatensender den Hörern sogar offene Anleitungen zur Sabotage.264 Zu den Mitarbeitern des Senders im südenglischen Dörfchen Milton Bryan zählten übrigens auch einige Österreicher, wie etwa der 1943 im sizilianischen Catania desertierte Wehrmachtssoldat Karl Jocher. Nachdem er sich eigener Darstellung zufolge geweigert hatte, drei italienische Frauen zu exekutieren, desertierte Jocher und lief zu den Briten über, die ihn als Wehrmachtskenner umgehend nach England schickten, wo er als »Studioleiter der jeweiligen Schicht bei Soldatensender Calais und Atlantik« beschäftigt wurde.265 261 George Gerbner, zitiert in  : Reinhold Wagnleitner, Coca-Colonization and the Cold War  : The Cultural Mission of the United States in Austria after the Second World War. Chapel Hill und London  : 1994, 84. 262 Monitoring Transcript, German Shortwave Station Atlantic, 26.7.1943. Deutsche Radiosendungen, die vom amerikanischen Nachrichtendienst [sic  !] aufgenommen wurden. DÖW 9548. 263 War Diary, MO Branch, OSS London, Vol. 4  : Special Operations, 63 f. NARA, RG 226, E 210, B 86. 264 Howard Becker, »Nature and Consequences of Black Propa­ganda«, in  : Daugherty/Janowitz, Psychological Warfare Casebook, 672–680, hier 675. 265 Schilderung des Widerstandskämpfers K. Jocher über den Soldatensender Calais, 21.2.1963. DÖW 1061.



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Die prinzipielle Glaubwürdigkeit, Aktualität und Stichhaltigkeit der Nachrichten, welche die deutschen Hörer des Soldatensenders sehr beeindruckte, war zu weiten Teilen der gut geölten Informationsmaschinerie des anglo-amerikanischen Geheimdienstkomplexes zu verdanken. Neben der Auswertung von Open-Source-Intelligence wie den Baedeker-Reiseführern zu Deutschland oder Zeitungen sowie von abgefangenen deutschen Briefen war die Befragung von Kriegsgefangenen aus der Wehrmacht eine wichtige Quelle für die Nachrichtenformate des Senders. Burger zitiert einen britischen Propa­gandaoffizier namens McCullen, der die Faszination und die psychologische Wirkung des Soldatensenders vor allem auf die »Allwissenheit« seiner Redakteure und Sprecher zurückführte. Die nicht selten infantilen und spitzbübischen Propa­gandahandwerker der PWE waren in der Tat mit nachrichtendienstlichen Reports und Bulletins bestens versorgt und hätten laut McCullen dank ihres Wissensvorsprungs mit ihren verdutzten Hörern ihre diabolischen Spielchen getrieben  : Der Witz des Soldatensenders ist […] nicht die Fiktion, daß es sich um einen deutschen Sender handelt. Daß er keiner ist, das weiß jeder. Der Witz besteht in seiner Informiertheit. Deswegen hört man uns zu  ; wo haben die Kerle das alles her, fragt sich jeder Deutsche. Und dann beginnt er dem Nachbarn zu mißtrauen, die Sicherheitsvorschriften werden verschärft, hohe Tiere werden verdächtigt, beobachtet, kaltgestellt, an die Front geschickt. Kurz der Apparat gerät in Unordnung. Das ist der Witz des Soldatensenders. Das Ganze ist ein Spiel  !266

Das eben angesprochene »Spiel« des Soldatensenders kommt vor allem beim musikalischen Teil seines Programms zum Tragen. Wie bereits erwähnt, steht in diesem Kapitel das – ab 1944 vor allem vom amerikanischen Kriegsgeheimdienst produzierte – Musikprogramm des Senders im Mittelpunkt des Interesses. Die amerikanischen Institutionen der psychologischen Kriegsführung, allen voran das OWI als zentrales Informations- und Propa­gandaorgan, nahmen an, dass Musik ein effektives Propa­gandamittel war, das den nichtamerikanischen bzw. nichtbritischen Hörern in der Regel »unverdächtiger« erschien als herkömmliche, also verbal artikulierte, alliierte Propa­ganda. Erreichte man die Gefühle der Deutschen durch Musik, würden »aus Feinden Freunde« werden.267 Die Musik des Soldatensenders war also ein Köder, der den feindlichen Adres­ saten an das Radiogerät fesseln und bei ihm einen »freundlichen« Eindruck hinterlassen sollte – mit Erfolg  : Der Chef des Soldatensenders Calais, Sefton Delmer, der vor der NS-Machtübernahme als Korrespondent des Daily Express 266 Commander McCullen, zitiert in Burger, 1212, 66. 267 Fauser, Sounds, 85.

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in Deutschland wirkte, zitiert in seinen mitunter fabulösen Kriegsmemoiren einen Mitarbeiter des britischen Abhördiensts, der sich an der »ausgezeichnete[n] Tanzmusik« des ihm damals noch unbekannten (und ergo von den Urhebern hervorragend getarnten) »deutschen« Soldatensenders erfreute. Es habe sich um eine Art von Musik gehandelt, »die schmissiger und rhythmischer war als alles, was er je gehört hatte«.268 Delmer lässt in seinem zwischen Tatsachenbericht und Autofiktion oszillierenden Rückblick jedoch unerwähnt, dass das attraktive und gegen Ende des Krieges auch verstärkt mit deutschsprachigen Inhalten versehene Musikprogramm dieser englischen Rundfunkstation ohne die Unterstützung der amerikanischen Entertainmentbranche und des OSS in dieser Qualität nicht realisierbar gewesen wäre. Es waren letztlich die von Delmer in Fragen der psychologischen Kriegsführung als hoch überlegen dargestellten Briten, welche die Amerikaner im Bereich der Musik um Unterstützung baten. Das unter der enormen Kriegslast stöhnende Großbritannien besaß trotz großartiger Leistungen auf dem Gebiet der Radiopropa­ganda schlicht und einfach nicht dieselben finanziellen und (massen)kulturellen Ressourcen wie die Vereinigten Staaten. Das Land von Bing Crosby, John Ford und Dinah Shore war am Beginn der Kooperation mit dem Soldatensender Calais nicht nur das für die alliierte Rüstung so wichtige »arsenal of democracy«, sondern auch die Heimstatt der größten Unterhaltungs- und Propa­gandamaschinerie der Welt. Die Medienkomplexe in Los Angeles und New York suchten in 40er-Jahren ihresgleichen. Alleine das Office of War Information stellte mit seinen rund 10.000 Mitarbeitern (zumindest personell und finanziell) alle anderen kriegführenden Mächte in den Schatten. Trotz ihrer ungleich größeren – auch OSS-Direktor Donovan beeindruckenden269 – Erfahrung im psychologischen Schattenkrieg gegen Hitlerdeutschland konnte und wollte die britische PWE bei ihren ausgefeilten Radioprogrammen daher nicht auf die produktiven Kapazitäten der USA verzichten  : By April 1944, however, PWE operations had so expanded that they no longer felt they could produce the quality programming thought necessary to hold an enemy ­audience.270

Um eine langfristige Bindung der sich offensichtlich nach mehr musikalischer Abwechslung und ästhetisch anspruchsvoller Radiounterhaltung sehnenden deutschen Hörer zu sichern, wurde die OSS-Außenstelle London im Frühjahr 1944 mit einer kritischen Evaluierung der »entertainment features« des Soldaten268 Sefton Delmer, Krieg im Äther. Geheimsender gegen Hitler. Zürich  : 1963, 148. 269 Soley, Radio Warfare, 124. 270 Laurie, »Black Games«, 267.



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sender-Programms beauftragt. Das OSS hatte schon ab 1943 für den Soldatensender in den USA und in Großbritannien rund zwei Dutzend Musiker, Schauspieler und Autoren rekrutiert,271 darunter den deutschen Exilschriftsteller Egon Larsen (früher Lehrburger).272 Nach eigenen Angaben hatte Larsen, von den »American bosses« angeheuert, in einem »little room on the top floor with a h ­ ired piano« für den Calais-Sender rund 100 Swing- und Jazzsongs mit deutschen Texten versehen.273 Doch verfolgten die Strategen von OSS/MO mittlerweile ehrgeizigere Pläne. Der vom New Yorker Radioexperten und Mitarbeiter des OSS/ MO-Außenpostens in London, Ira Ashley, ausgearbeitete Bericht empfahl im Sommer 1944 eine weitgehende Neukonzeption des Soldatensender-Programms. Trotz des hohen Anteils an Jazz- und Unterhaltungsmusik war Ashley das musikalische Angebot noch immer »zu trocken«, und er schlug vor, den Schwerpunkt auf germanisierte Pop-, Folk- und Schlagersongs amerikanischer Provenienz zu legen.274 Nur mit einer stärkeren Entertainment-Schiene könne man die feindlichen Hörer an den Sender binden, so Ashley.275 Inhaltlich sollten diese neuen Unterhaltungsangebote eine defätistische Wirkung auf die deutschen Hörer ausüben. So steht in einem bereits im März 1944 verfassten Bericht von OSS/MO London an die Zentrale in Washington zu lesen  : Swing Them to Death. […] Proposal  : Send German troops tunes designed to make soldiers homesick, jealous of their women at home, create considerable morale problems.276

In den Vereinigten Staaten rannten die in Großbritannien stationierten OSS-­ Mitarbeiter offene Türen ein – das Projekt MUSAC war geboren und der Soldatensender Calais verwandelte sich in der Folge von einem rein britischen in ein interalliiertes Rundfunkprogramm (»a joint MO-PWE venture«277) mit stark ame271 OSS Report on Soldatensender, Description of the OSS Radio Department, taken from BiMonthly Report from R. Smith, MO/ETO, 1.8.1944. NARA, RG 226, E 99, B 88  ; vgl. Laurie, Warriors, 287 und Pütter, Rundfunk, 126 f. 272 Siehe Teller, Davids Witz-Schleuder, 103  ; zu Larsens Aktivitäten in London vgl. auch Hippen, Satire gegen Hitler, 107–124. 273 Egon Larsen, »Now It Can Be Told. The Story of the Soldatensender«, in  : AJR Information, Vol. XL, Nr. 9, September 1985, 1 f.; zu Larsens Arbeit für die BBC-Radiopropa­ganda siehe Hiltrud Häntzschel, »What’s wrong with the propa­ganda to Germany  ? Egon Larsens kritische Überlegungen zur Propa­gandapraxis des Deutschen Dienstes der BBC und seine satirischen Sketche Politik im Hofbräuhaus 1941-1944«, in  : Häntzschel et al., Exil, 111-120. 274 Soley, Radio Warfare, 124 f. 275 OSS Report on Soldatensender, MO Personnel Section, vermutlich August 1944. NARA, RG 226, E 99, B 88. 276 OSS ETO, Theater Office Pouch Report, 8.4.1944. NARA, RG 226, E 99, B 12, F 38. 277 Laurie, Warriors, 204.

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rikanischen Akzenten. Nur wenige Wochen nachdem die ersten MUSAC-Lieder für den von PWE betriebenen Soldatensender auf Sendung gegangen waren, sollte der MO-Offizier Kenneth Mann stolz berichten, dass »sixty percent of the total time on air« mittlerweile aus amerikanischer Produktion stammten.278 Der Grat, auf dem man sich bewegte, war jedoch schmal. MUSAC war nur vordergründig ein Entertainment-Projekt. In Wahrheit handelte es sich – wie bei generell allen Kommunikaten, die unter dem Signum des Soldatensenders gesendet wurden – um Propa­ganda, die subtil verpackt und getarnt werden musste und daher sehr viel Kreativität erforderte. Einerseits sollten die für den Soldatensender ausgewählten Musikstücke den deutschen Hörer anlocken, ihn unterhalten, ihn begeistern  ; andererseits sollten sie ihn beunruhigen, verängstigen und demoralisieren. Ashleys Meinung, dass die vom Soldatensender beschallten deutschen Propa­ gandaempfänger intensive Momente der Unterhaltung und der populärkulturellen Gratifikation erfahren sollten, traf offenbar den Nerv der Zeit. Laut dem Propa­g andaforscher Thymian Bussemer war die Resistenz des Publikums gegenüber persuasiven Botschaften in den 1940er-Jahren gestiegen, da die Empfänger im Zeitalter der Mediengesellschaft bereits an den Massenkommunikationstypus des Radios gewöhnt waren. Es traf demnach vor allem jene Art von (Rundfunk-)Propa­ganda den Geschmack des Publikums, welche, so Bussemer, »mit künstlerischen oder unterhaltenden Angeboten einher[ging]« 279 und dramaturgisch attraktiv auf bereitet war. Die vermeintlich unpolitischen und ideologiefreien Elemente eines derartigen Propa­gandaansatzes, wie Lieder, Sketche und Hörspiele, »können jedoch präzis kalkulierte Medienangebote darstellen, welche die Akzeptanzchancen überwiegend persuasiver Kommunikation zu erhöhen vermögen.«280 2.3.2 »The vigorous musical culture that can flourish in a democratic society« als verlockende Alternative zum deutschnationalen Einheitsbrei

OSS/MO reagierte auf die eben dargelegten international beobachtbaren Entwicklungen im Bereich der Rundfunkunterhaltung und profitierte vom Umstand, dass die operativ in die Kriegswirtschaft eingebundenen amerikanischen Musikproduzenten und Werbeagenturen ein Interesse an groß angelegten Kriegskampagnen hatten, die eine monetär einträgliche Verquickung von Entertainmentkunst und

278 OSS Report on »Come Back«, K. Mann to J. Roller and D. Williamson, 29.8.1944. NARA, RG 226, E 99, B 88. 279 Bussemer, Propa­ganda, 403. 280 Gries, »Ästhetik«, 21.



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28 Pressebericht über die Propaganda-Tätigkeit der berühmten US-Sängerin Dinah Shore, September 1944.

staatlicher Propa­ganda garantierten.281 Doch nicht nur der Blick auf die zeitgenössischen Rezeptionsbedingungen von Rundfunkpropa­ganda und die ökonomischen Produktionsbedingungen in einem kapitalistischen Staat kann helfen, den Konnex zwischen der anglo-amerikanischen Rundfunkpropa­ganda und der US-Entertainmentbranche zu verstehen. Auch die Miteinbeziehung eines anderen historisch gewachsenen Gesellschaftsphänomens scheint hier sinnvoll. So war in den USA seit dem frühen 20. Jahrhundert eine global ausgreifende »Kultur der Performanz« entstanden, die einerseits auf inhaltlicher Einfachheit und Gefälligkeit, andererseits auf dem Einfallsreichtum und der Vielseitigkeit ihrer Bevölkerung beruht.282 Laut Winfried Fluck erzwang die ethnische Buntscheckigkeit der amerikanischen Gesellschaft, die vor allem durch Heterogenität in Hinblick auf die kulturellen Gebräuche und Bedürfnisse gekennzeichnet war, einen semantisch und semiotisch operablen Meta-Code. Das heißt, dieser Meta-Code als kulturelle Kommunikationsform musste von allen Bevölkerungsgruppen verstanden und akzeptiert werden  : 281 Mauch, Schattenkrieg, 216 und 226  ; ähnlich Fauser, Sounds, 76 f. 282 Siehe hierzu den Aufsatz von Winfried Fluck, »›Amerikanisierung‹ der Kultur. Zur Geschichte der amerikanischen Populärkultur«, in  : Harald Wenzel (Hg.), Die Amerikanisierung des Medienalltags. Frankfurt am Main und New York  : 1998, 13–52.

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Aufgrund der Multikulturalität der eigenen Gesellschaft und immer neuer Einwanderungswellen um 1900, also dem Zeitraum der Entstehung der modernen Populärkultur, war die amerikanische Kulturindustrie frühzeitig gezwungen, quasi-»internationale«, von Mitgliedern ganz verschiedener Kulturen und Bildungshintergründe gleichermaßen verständliche Kommunikationsformen zu entwickeln.283

Nach Fluck einigte sich die US-Gesellschaft in einem Aushandlungsprozess auf die Formel des expressiven Individualismus, i. e. eine für Menschen, die aus ethnisch und kulturell verschiedenen Umfeldern stammen, leicht verständliche Ausdrucksform, um sich kulturell mitzuteilen. Im Mittelpunkt des expressiven Individualismus stehen weniger die Verbalsprache selbst, sondern Bilder und Klänge bzw. Inhalte, die visuell (Film) oder nonverbal (Musik und Tanz) kodifiziert werden. Diese (tendenziell eklektische) »universale« Sprache »der Visualität, der Performanz, des ›Spektakels‹«,284 später auch in der Ausformung als Pop bekannt, war einerseits massentauglich, bot aber auch Raum für individuelle Kreativität und Entfaltung. Die Kultur der Performanz drängte den bisher vorherrschenden, vor allem durch Schriftlichkeit medialisierten, klassischen Kulturkanon zugunsten einfacherer, ästhetisch jedoch attraktiver Kommunikationsformen zurück und sprach einen weit über die Vereinigten Staaten hinausgehenden Adressatenkreis an. Dies spiegelte sich etwa in Phänomenen wie der Vaudeville-Show wider, die als Pendant zum europäischen Kabarett »Tanz- und Gesangsnummern, akrobatische und komische Einlagen in einer abwechslungsreichen Mischung« vereinte und seit dem frühen 20. Jahrhundert in Amerika zu großer Beliebtheit gekommen war.285 In diesem international ausstrahlenden amerikanischen Kulturmilieu bewegten und entfalteten sich auch österreichische Exilschauspieler und (Propa­ ganda-)Künstler wie Vilma Kuerer. Die scheinbar unaufhaltsame, von Performativität und universaler (Formen-) Sprache getragene Amerikanisierung der Welt stellte sich im Zweiten Weltkrieg, in dem das nationale und soziale Grenzen überschreitende Massenmedium namens Radio eine große Rolle spielte, als großer Vorteil für die westalliierten Propa­gandaschmieden heraus. Ein Rundfunksender, der – die Vorherrschaft der US-Populärkultur im Nachkriegs-Mitteleuropa vorwegnehmend286 – rhythmische amerikanische Populärmusik, die aus ethnischer Pluralität heraus entstanden und 283 Ebd., 14 f. Die »vigorous musical culture that can flourish in a democratic society« wird von Cedric Larson erwähnt  : Cedric Larson, »Music – A Medium for Psychological Warfare«, in  : Daugherty/Janowitz, Psychological Warfare Casebook, 580–585, hier 584 f.; vgl. Cziczatka, USPropa­ganda, 213. 284 Fluck, »Amerikanisierung«, 14 f. 285 Ebd., 33. 286 Vgl. Cedric Larson, »Music«, 580  ; vgl. auch den Band von Wagnleitner, Coca-Colonization.



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mit deutschen Texten versehen worden ist, in den Äther schickt, erweist sich schon wegen seines verlockenden »Einschleich«-Angebots an die Adressaten als nützlich für Kriegspropa­ganda  : [D]as Radio erlaubt es, sich in die Welt fremder Gruppen und Schichten zu begeben und diesen »zuzuhören«, ohne die aus finanziellen und sozialen [sowie politischen] Gründen schwer zugänglichen und oft angstbesetzten Räume selbst aufsuchen zu müssen. Was im realen Leben nur schwer denkbar wäre, wird durch dieses »Einschleichen« (»sneak-in«-Potential) des Radios auf unkomplizierte Weise möglich. So waren es beispielsweise in den vierziger und fünfziger Jahren kleine, auf so genannte »race music« spezialisierte, Radiostationen, die weißen jugendlichen Hörern einen ersten Kontakt mit Formen schwarzer Musik ermöglichten, die bis dahin nur in Clubs und Bars von oft zweifelhaftem Ruf zu hören waren oder auf Schallplatte nur in den Vierteln der Schwarzen erhältlich waren. Das war die Geburtsstunde des Rock ’n’ Roll […].287

Doch wie erreichte man aus der Sicht des OSS bzw. des Soldatensenders Calais, dass sich die deutschen »Feindhörer« in das Programm des Soldatensenders einschlichen  ? Nun, bevor man im Ätherkrieg den Feind oder den Anderen ideologisch überhaupt erst für sich gewinnen konnte, musste man dessen Interesse an den eigenen Radioprodukten wecken. Die »Vitalität und aufregend fremdartige Hybridität« der amerikanischen Populärkultur288 mit ihren farbigen Jazzmusikern und exileuropäischen Vaudeville-Sängerinnen vom Schlage einer Vilma Kuerer brachte ideale Voraussetzungen für die US-Radiopropa­ganda mit. So wurden vom OSS afroamerikanische Spirituals, die sich wegen ihrer sprichwörtlich schwarzen Ästhetik und Melancholie gut für defätistische Radiopropa­ganda eigneten, ins MUSAC-Programm des Soldatensenders aufgenommen.289 Angesichts der gleichförmigen Entertainmentformate und Musikprogramme der Nationalsozialisten (die zwar professionell gestaltet, aber wegen ihrer obsessiven Fixiertheit auf das »Germanische« langweiliger waren als die alliierten Pendants290) verwundert es 287 Fluck, »Amerikanisierung«, 35 f. 288 Ebd. 289 Mauch, Schattenkrieg, 217  ; Soley, Radio Warfare, 126. 290 Goebbels war sich bewusst, dass ab 1939 »englische Rundfunkprogramme gerade wegen ihrer Jazzmusik bei Jugendlichen, jungen Erwachsenen und Soldaten erfolgreich« waren. Ab 1941/42 setzte die NS-Rundfunkpropa­ganda daher auf eine stärkere Betonung des Entertainment-Teils sowie auf eine »Amerikanisierung« des Programms. So versuchte man mit sogenannter »Neuer Deutscher Tanzmusik« den »Feindsendern« Paroli zu bieten. Wegen ihres Mangels an Authentizität konnte die NS-Spielart des Jazz mit dem amerikanischen Original aber nicht mithalten. Zimmermann, Medien, 133 und 139.

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kaum, dass die amerikanischen Swing- und Jazzmusiknummern einen großen Reiz auf viele Deutsche und Österreicher ausübten und sich als scheinbar »unpolitisches« Lockmittel regelrecht anboten.291 Musik diente in der anglo-amerikanischen Rundfunkpropa­ganda daher vor allem dazu, »die Hörerschaft für die darauf folgenden Propa­gandamitteilungen zu gewinnen.«292 Die Hinwendung zur vom NS-Regime geächteten amerikanischen »Niggermusik« und das bewusste »Einschleichen« des deutschen und österreichischen Schwarzhörers in die Kultur der anderen Seite waren auch ein Akt der Rebellion und Ausdruck des individuellen Freiheitsdrangs bzw. des »leisen« Widerstands gegen das Regime. Dies traf vor allem auf die Jugend zu. So weist Wolfgang Neugebauer darauf hin, dass Jugendliche sich den NS-Gesellschafts- und -Rollenbildern bewusst entzogen haben. Etwa »indem sie sich der aus den USA kommenden Unterhaltungsmusik wie Jazz und Swing zuwandten, die vom NS-Regime als Bedrohung ihrer ideologischen Vorstellungen einer deutsch-völkischen Jugenderziehung gesehen, als ›Negermusik‹ diffamiert und verboten wurde. Dessen ungeachtet oder gerade deswegen fand diese Musik beträchtliches Interesse, wobei zugleich auch gegen die Elterngeneration rebelliert wurde.«293 Wenn sich nun ein deutscher Hörer in dieses vermeintlich unpolitische Unterhaltungsprogramm der »Anderen« einschlich und Gefallen an dem einzigartigen Gemisch aus Musik, Entertainment, Satire, Boulevard und Nachrichten fand, war er wohl auch geneigt, hin und wieder »dranzubleiben« und die ideologischen Teile der anglo-amerikanischen Radioprogramme zu verinnerlichen. Das galt vor allem auch für Wehrmachtssoldaten.294 Der spätere deutsche Journalist Uwe Storjohann behauptete, dass die Swing- und Jazzmusik der britischen BBC eine Art »Katalysator-Wirkung« für Hörer wie ihn gehabt habe und er dadurch »ein politisch denkender Mensch geworden« sei.295 Doch auch abgesehen vom politisch-propagandistischen Endzweck des Soldatensender-Projekts und anderer anglo-amerikanischer Rundfunkreihen vermochte es die abwechslungsreiche Jazz- und Populärmusik der Westalliierten sehr gut, das Interesse der »unpolitischen« deutschen Hörer zu wecken und sie eine Weile an das Radiogerät zu binden. So schufen die US-Radiostationen unter dem Slogan »Music knows no politics« generell einen Gegenpol zur NS-Propa­ganda. Der künstlerische (Unterhaltungs-)Wert, nicht die Weltanschauung dahinter, war hierbei die Grundlage, 291 Larsen, »Story of the Soldatensender«, 1. 292 Cziczatka, US-Propa­ganda, 213. 293 Neugebauer, Widerstand, 218  ; ähnlich Zimmermann, Medien, 139. 294 Michael H. Kater, Different Drummers. Jazz in the Culture of Nazi Germany. Oxford, New York  : 1992, 123. 295 Naumann, »Ätherkrieg«, 94.



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auf der die Amerikaner die Qualität der Musik bewerteten296 – allein dieser qualitative Zugang erwies sich für viele Deutsche bereits als attraktiv. Auch wenn auf amerikanischer Seite die Rolle, welche die OSS-Propagandisten bei der Programmgestaltung des Soldatensenders gespielt hatten, auf Kosten der Briten in ein möglichst vorteilhaftes Licht gerückt wurde, war der aufsehenerregende Soldatensender letztlich eine Erfindung der PWE. Bis Kriegsende waren die Briten für die Gestaltung des Nachrichtenteils und die allgemeine »propa­ganda ­poli­cy« des Senders zuständig. Die OSS-Propa­gandaabteilung spielte in London lediglich im Bereich des Musikprogramms des Soldatensenders eine Rolle, während das Nachrichtenprogramm nach wie vor fest in britischer Hand war. Schenkt man Nelson MacPhersons Buch über OSS London Glauben, dann dürfte die (von ihm nicht erwähnte) Anbahnung des MUSAC-Radioprojekts einer der wenigen wirklichen »Erfolge« von OSS/MO London gewesen sein. Die im Juni 1943 als Ein-Mann-Abteilung eingerichtete Dependance in London war eine den britischen Propa­ gandaorganisationen nicht ebenbürtige Kraft am nordwesteuropäischen Kriegsschauplatz.297 OSS/MO London konnte im Gegensatz zur wesentlich erfolgreicheren Beschaffungsabteilung OSS/SI (Secret Intelligence), der es von England aus gelang, reihenweise OSS-Fallschirmgruppen im »Dritten Reich« abzusetzen, dem britischen Seniorpartner im Feld der Propa­ganda nicht das Wasser reichen. Dies hatte zur Folge, dass man sich auf propagandistische Hilfsdienste für die PWD/SHAEF und eine überschaubare Anzahl von schwarzen Propa­gandaspielereien beschränkte.298 Auch bei der Operation MUSAC selbst spielten die OSS-Abgesandten in Großbritannien eher eine Vermittlerrolle zwischen Washington und London, das kreative und produktive Gewicht des Soldatensenders ruhte auf den Schultern der PWE und auf den OSS-Musikern und -Songschreibern in den USA. Der produktive und kulturelle Beitrag, den die amerikanische Musikindustrie und deutschsprachige Exilkünstler zum Erfolg des Soldatensenders leisteten, war letztlich aber ein essenzieller. 2.3.3 Fallstudie  : Vom Wiener Brettl-Literaten zum Rundfunklibrettisten des USKriegsgeheimdiensts – Lothar Metzl

Nach diesem Exkurs über die amerikanische Populärkultur blicken wir nun wieder auf die Propa­gandaoperation MUSAC. Das OSS übertrug die Anwerbung der MUSAC-Künstler und die Produktion der Tonaufnahmen für den Soldatensender Calais einer New Yorker Werbeagentur. Um die Geheimhaltung des Projekts zu 296 Nach Cziczatka, US-Propa­ganda, 212. 297 MacPherson, American Intelligence, 207 f. 298 Ebd.; Laurie verweist im Gegensatz zu MacPherson auf einige »erfolgreiche« Operationen von OSS/MO in Nordwesteuropa. Laurie, Warriors, 198 f.

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gewährleisten, war auch eine »dummy corporation« involviert, die jegliche Spur zum OSS verwischen sollte. Die Verletzung von Urheberrechten – die Melodien amerikanischer Songs wurden für Auslandspropa­ganda klammheimlich übernommen, die Texte adaptiert – wurde vom OSS gemäß der Donovan’schen Leitdoktrin »the end justifies the means« ebenfalls in Kauf genommen. Die Ashleys Vorschlägen Rechnung tragende künstlerische Umsetzung des Konzepts, i. e. das definitive Musikprogramm mitsamt den Texten, wurde nicht zuletzt durch die kulturelle Verfasstheit der amerikanischen Gesellschaft determiniert  : Current and past hits were selected for recording and airing on the Soldatensender. Current hits were selected from those ranked by Variety. Past hits were subdivided into ballads, rhythm numbers and novelty songs, based on mood and tempo. A mix of slow and fast tunes was selected so that the station would attract listeners of all musical tastes. The tunes were selected from different genres, including jazz, spirituals, and broadway tunes. Songs from shows by Rogers and Hart, Cole Porter, Irving Berlin, and the Gershwins were translated into German and recorded.299

Für die instrumentale Begleitung der einzelnen MUSAC-Songs konnten der für die NBC tätige Irving Miller und sein renommiertes Orchester gewonnen werden. Die Rekrutierung von geeigneten Gesangskünstlern, vor allem aber die Suche nach einem Librettisten, der in der Lage war, amerikanische Folk- und Popsongs nicht nur mit einem harmonischen Versmaß ins Deutsche zu übertragen, sondern diese auch mit einem subtilen propagandistischen Duktus zu versehen, stellte die MO-Strategen vor große Herausforderungen. Nachdem mehrere Kandidaten, zu denen unter anderen der als politisch zu links, zu avantgardistisch und wenig volksnah eingeschätzte Bertolt Brecht gehörte, abgelehnt wurden, fiel die Wahl schließlich auf Lothar Metzl (1906–1989), einen schrulligen österreichischen Immigranten, der vor dem NS-Regime über Großbritannien in die USA geflohen war.300 Der studierte Jurist, der in seinem erlernten Metier nicht glücklich gewesen war, hatte seine wahre Berufung als Dramaturg, Satiriker und Kleinkunstautor gefunden und stieg in der florierenden Wiener Kulturszene der Zwischenkriegszeit an der Seite von anderen »Brettl«-Literaten wie Jura Soyfer, Peter Hammerschlag und Rudolf Weys zum Hausautor der populären Kleinkunstbühne »Literatur am Naschmarkt« auf.301 Laut Ingeborg Reisner 299 Soley, Radio Warfare, 126. 300 Vgl. Reisner, Kabarett, 101 f. 301 Abschnitt über Lothar Metzl, in  : Miguel Herz-Kestranek/Konstatin Kaiser/Daniela Strigl (Hgg.), In welcher Sprache träumen Sie  ? Österreichische Lyrik des Exils und des Widerstands (= Antifaschistische Literatur und Exilliteratur 21). Wien  : 2007, 350.



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29 Schallplatten und Liedmanuskripte zum geheimen Rundfunkprojekt MUSAC.

zählt der eigenwillige Metzl »zu den interessantesten Köpfen der damals in der Kleinkunst tätigen Autoren.«302 In der Ära des »Austrofaschismus«, der Zensur und des in ganz Europa erstarkenden Totalitarismus303 gab es »auch Platz für politisches Propa­gandakabarett«.304 So schrieb Metzl »Problemstücke« und kritische Parabeln, die »Kurt Weillsche Schärfe mit Offenbachscher Leichtigkeit« vereinten.305 Seine schriftstellerischen Fähigkeiten und sein Wissen über die Gegebenheiten in Zentraleuropa brachte Metzl nach der Einreise in die Vereinigten Staaten beim New Yorker Rundfunksender WMCA ein, wo er als Koautor des politischen Radiodramas Report on the Underground mitwirkte.306 An einer öster­ reichpatriotischen Sendung des Wiener Radiomoderators Willy Trenk-­Trebitsch war er 1943 ebenfalls beteiligt.307 Auf Trenk-Trebitsch geht übrigens das anti302 Reisner, Kabarett, 101. 303 Zu Fragen der Zensur durch das Ständestaat-Regime siehe Reisner, Kabarett, 119–121. 304 Binder, »Kabarett«, 86. 305 Reisner, Kabarett, 102. 306 OSS Personnel – MO Branch, Information for Files of Field Theater Officer on L. Metzl, signed by S. Scrivener, 1.5.1944. OSS Personnel File of Lothar Metzl. NARA, RG 226, E 224, B 520. 307 Ulrich, Österreicher, 531.

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faschistische Spottlied Herr Goebbels macht es mit der Fresse zurück.308 Dass die Propa­­ganda­abteilung des Kriegsgeheimdienstes ein Interesse an »brillanten« poli­ tischen Satirikern wie Metzl309 und Trenk-Trebitsch hatte, liegt auf der Hand. Von Camp Lee, einem Armeelager in Virginia, in dem der im Juli 1943 eingerückte Wiener seinen Dienst versah, wurde er im Sommer 1944 zur MO-Abteilung nach Washington, D.C. gelotst. Metzl, der laut seinem OSS-Kollegen, dem späterem CIA-Direktor Richard Helms, stets aussah, »as if he had just stepped out of a Vienna coffeehouse – rumpled, quizzical, and slightly preoccupied«,310 erwies sich als äußerst produktiver und begabter Texter,311 der pro Tag durchschnitt­ lich einen Liedtext für die OSS-Rundfunkpropa­ganda und die Operation MUSAC verfasste bzw. übersetzte. »Während die meisten Kleinkunstautoren naturalistisch oder lyrisch schrieben, tendierte Lothar Metzl am stärksten zu einem straffen Realismus« und orientierte sich sprachlich stark an Karl Kraus.312 Seine Diktion war klar und eingängig, die Inhalte seiner Reime wiesen trotz ihrer populärkulturellen Züge ein solides literarisches und intellektuelles Niveau auf. Dies galt nicht nur für seine Arbeit als Kabarettist in Österreich, sondern auch für seine Propa­gandatätigkeit in den USA, wo Metzl sich – ähnlich wie der exilösterreichische Propa­gandakünstler und OWI-Plakatzeichner Henry Koerner – eine gewisse künstlerische Freiheit bewahren konnte. Bei der Übertragung von amerikanischen Versen ins Deutsche, bzw. bei deren Neuinterpretation versuchte er, die zuvor von Fluck beschriebene expressiv-pluralistische US-Populärkultur mit dem Hörergeschmack und den Vorlieben des deutschen Publikums in Übereinstimmung zu bringen. Laut Lawrence C. Soley zeichnete sich Metzl bei der Germanisierung von amerikanischem Liedgut durch hohe Kreativität aus  : Here Lothar Metzyl [sic  !] made a virtue of necessity. For most of the songs he created new verses that fit the American rhythms while conforming to the German public’s taste. Although he knew that the procedures were mainly expecting pure entertainment from him, he mixed a whole series of propa­ganda texts into the batch of sentimental love songs, nostalgic ballads, and entertaining little songs that made up the bulk of Musac’s production.313

308 »Eine Österreichsendung«, in  : Der Aufbau, 20.3.1943, 13  ; Ulrich, Österreicher, 531. 309 OSS Requisition Sheet, Personnel Procurement Branch, 6.1.1944. OSS Personnel File Metzl. 310 Richard Helms/William Hood, A Look over My Shoulder  : A Life in the Central Intelligence Agency. New York  : 2003, 111. 311 OSS Office Memorandum E. Cushing to D. Williamson on Musac Lyrics and L. Metzl, 26.3.1945. NARA, RG 226, E 92, B 487, F 2. 312 Reisner, Kabarett, 101. 313 Soley, Radio Warfare, 155.



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Das sentimentale, aber unpolitische amerikanische Liebeslied I’m Sad and ­Lonely verwandelte Metzl beispielsweise in den anklagenden Wehgesang einer Mutter über den Verlust ihres friedliebenden Sohnes, der dem Krieg zum Opfer gefallen ist (Verlass’n, Verlass’n). Gesungen wurde dieser im Dialekt gehaltene und auf die mentalitätsspezifischen Befindlichkeiten der Österreicherinnen und Österreicher abzielende Liedtext von der aus Wien stammenden Opernsängerin Hertha Glatz  : »Mein Buam ham’s erschoss’n, erschoss’n ham’s ihn, und s Blut ist gefloss’n zum Herrgott dahin«.314 Neben Kuerer und Metzl war Glatz nur eine aus einer ganzen Reihe von Künstlerinnen und Künstlern österreichischer Herkunft, die von OSS/MO aus dem »vast reservoir of exiled German talent« rekrutiert wurden.315 So waren auch Lizzi Balla, Greta Keller,316 Lotte Lenya, Herbert Berghof und der in der Einleitung dieses Buchs erwähnte Max Willenz für die schwarze OSS-Rundfunkpropa­ganda tätig. Der pessimistische und bedrückende Song Verlass’n, Verlass’n war nicht nur ein indirekter Aufruf zur Rebellion gegen das NS-Unrechtssystem, sondern aufgrund seiner idiomatischen und landesspezifischen Gemeinplätze auch ein Appell an das österreichische Nationalbewusstsein. Metzl mischte hierbei bewusst »propa­ganda nuggets […] into the neutral items«  :317 Mit Schlüsselwörtern wie dem im Lied angerufenen »Herrgott« verfolgte er die Absicht, katholischen Österreichern einen Aufhänger für ihre Ablehnung des heidnischen Führerkults der NSDAP zu bieten. Die auf die österreichischen Hörer zugeschnittenen MUSAC-Texte schlachteten auch gezielt den antipreußischen, i. e. antinationalsozialistischen Topos der »österreichischen Gemütlichkeit« aus.318 So wird zu den Takten des koketten Liedes Louisiana Hayride wehmütig des so geliebten »Tanzens beim Wiener Gschnas« gedacht, das wegen Krieg und NS-Gewaltherrschaft eingestellt wurde.319 Andere Beiträge wie Auf d’Nacht, da kauf ich mir an Riesenrausch wiederum sind mit Austriazismen wie »Mizzerl« (Kosename für Maria) durchsetzt.320 Ein weiterer Text aus der Feder Metzls, der vom deutschen Sänger John Hendrik zur Melodie von San Fernando Valley gesungen wurde, war ein mehr oder weniger offener Aufruf an heimweh314 OSS/MO Washington, All Musac Lyrics 1944–1945, Verlann’n [sic  ! recte Verlass’n]. NARA, RG 226, E 139, B 172. 315 Metzl, Terminal Report on Musac, 7.5.1945. 316 Keller war auch für das Office of War Information tätig. OWI-Memorandum Overseas Branch, New York Review Board, 11.8.1944. NARA, RG 208, E 415, B 805. 317 Lerner, Sykewar, 343. 318 Vgl. hierzu das Kapitel 1.2 zur OWI-Gemütlichkeitspropa­ganda und den Aufsatz von Melichar, »Gemütlichkeit«. 319 OSS, Musac Lyrics, Louisiana Hayride. NARA, RG 226, E 139, B 172, F 2280  ; auf Internetplattformen wie Youtube ist dieser Song im US-Original abrufbar. 320 OSS, Musac Lyrics, Auf d’Nacht, da kauf ich mir an Riesenrausch.

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geplagte Soldaten zur Desertion. »Pfuet di Gott Militaer  !«, ruft die männliche Stimme, die sich als vox populi mit den österreichischen Landsern im Feld solidarisiert, im Frustlied Zum Donaukanal provokant. Die erste Strophe dieses Stücks lautete  : Heut reise ich aus – Militaer – pfuet di Gott  ! Mir g’fallt’s besser zu Haus in der Wienerstadt. Mich hat das Heimweh packt mit Haenden wie Stahl. Mich zieht’s mit aller G’walt zum Donaukanal.321

In den MUSAC-Akten wurde dieses Loblied auf die Desertion so charakterisiert  : San Fernando Valley. Original lyric. Designed to affect Austrian soldiers. Theme  : Desertion. Lyric has the quality of a genuine folksong. Singability  : Good.322

Die österreichstämmigen Landser, die von den zuvor erwähnten Liedern möglichst emotional beeinflusst werden sollten, waren laut Thomas Grischany überdurchschnittlich musikaffin.323 Für Rundfunkpropa­ganda im Stile der Operation MUSAC, die auf die so geliebten »familiar tunes«, Heimatgefühle und nationalen bzw. lokalpatriotischen Identitätsentwürfe der österreichischen Frontsoldaten in der Wehrmacht Rücksicht nimmt, war dies natürlich ein Vorteil. Ob diese Differenzierung zwischen deutschem und österreichischem Programm erfolgreich war, lässt sich freilich aus heutiger Sicht schwer feststellen. Die Kollegen »im Felde« begannen, nach anfänglicher Euphorie, Metzls Texte als großteils hastig zusammengestellt, inhaltlich und stilistisch überladen und für die Vokalisten schwer interpretierbar zu bezeichnen. Wie Reisner konstatiert, war Metzl, der mitunter auch »wirr und schwer verständlich« schrieb, nicht nur manchen anglo-amerikanischen Propagandisten, sondern auch zeitgenössischen Wiener Kabarett-Besuchern teilweise zu avantgardistisch.324 Konfrontiert mit Kritik an seinen MUSAC-Liedtexten, verteidigte der Österreicher sein Œuvre entschieden gegen die Londoner Kritiker. Metzl, der sich immer noch als Kleinkünstler und nicht nur als Propagandist fühlte, sparte dabei auch nicht mit Seitenhieben auf seinen britischen Ko-Librettisten, mit dem er vermutlich 321 All Musac Lyrics, Zum Donaukanal. 322 OSS, Musac Lyrics, Lyric Analysis. 323 Grischany, »Mental Aspects«, 49. 324 Reisner, Kabarett, 116.



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Egon Larsen m ­ einte.325 Die inhaltliche Kompromisslosigkeit und der Mut zur Abstraktion sprechen jedoch für die künstlerische und politische Integrität des Autors, der sich mit seinen sarkastischen Possen, originellen Versen und »burleske[n] Oper[n]«, die laut einem Kritiker voller »sprühender Einfälle« waren,326 durchaus auch volkstümlich gab.327 2.3.4 Die Reaktion der Rezipienten

In der Frühphase der Operation MUSAC war man beim OSS sehr darum bemüht, ein gewisses Vertrauen vonseiten der Rezipienten zu bekommen, und verzichtete in den Liedtexten für den Soldatensender auf allzu offene ideologische Appelle. Nachdem OSS/MO durch (im US-Pressediskurs kontrovers diskutierte328) Experimente mit Kriegsgefangenen329 und nachrichtendienstliche Informationen zum Schluss gekommen war, dass die deutsche Hörerschaft »im Kampfraum« die MUSAC-Stücke akzeptierte, ja den deutschen Produktionen vielfach sogar vorzog, wurden die Themen und Lieder immer düsterer  : Later, when MO felt confident that its entertainment had been accepted, it began the process of weakening the enemy’s will to resist, appealing to nostalgia, homesickness and war weariness. These emotional appeals were made through music, sentimentality, dramatic episodes and maudlin verse.330

325 OSS Office Memorandum L. Metzl to E. Cushing on Musac Lyrics, 17.10.1944. NARA, RG 226, E 92, B 487, F 2. 326 Rezension in der Neuen Freien Presse, 1.3.1935, zitiert in  : Reisner, Kabarett, 118. 327 Reisner, Kabarett, 133 f. 328 Mauch, Schattenkrieg, 221. 329 In einem Fragebogen für deutsche Kriegsgefangene in amerikanischen Camps versuchte OSS/ MO Genaueres über die Hörgewohnheiten der Wehrmachtssoldaten herauszufinden. Die Fragen lauteten unter anderem  : »1. Moechten Sie gerne deutsche Tanzmusik hoeren  ? 2. Wenn ja, was fuer Lieder wollen Sie hoeren  ? A. Heitere  ? B. Sentimentale  ? […] 6. Wollen Sie amerikanische Tanzlieder hoeren  ? […] 10. Haben Sie in der Armee Gelegenheit gehabt, Radio zu hoeren  ? A. Wenn ja, was fuer Programme haben Sie am liebsten gehoert  ? Genau beschreiben. B. Haben Sie im eigentlichen Kampfraum Radio gehoert  ? Wenn ja, was fuer Programme  ? C. Hat sich ihr Geschmack im Kampfraum veraendert  ? Inwiefern  ? D. Haetten Sie im Kampfraum lieber gute Musik als leichte Tanzmusik gehoert  ?« OSS Interoffice Memo, D. Williamson to E. Cushing, Musac Project, 28.11.1944, Attachment  : Questionnaire for German Prisoners of War. NARA, RG 226, E 139, B 172, F 2284. 330 Kermit Roosevelt (Hg.), The Secret War Report of the OSS. Volume 2 – The Overseas Targets. Washington, D.C.: 1976, 299.

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Typisch für diese Strategie der Evokation und Verstärkung von Kriegsmüdigkeit ist etwa das als programmatisch zu bezeichnende MUSAC-Lied Perfidia. Angesichts der Reaktionen von Joseph Goebbels, der die subtile Machart der PWE/ OSS-Radiopropa­ganda als geschickt und hinterhältig erachtete, erscheint dieser Titel umso passender. Der Song zeichnet ein »grim picture« von einem Soldaten, der von seinem »Hinterland-Liebchen« betrogen wurde.331 Regelmäßig stößt man in amerikanischen Intelligence-Berichten, die auf den Reports von Verhöroffizieren beruhen,332 sowie in Kriegsmemoiren darauf, dass der Soldaten­ sender ob seiner faszinierenden Mischung aus Unterhaltung und straight news von vielen Deutschen gerne und über einen langen Zeitraum gehört wurde. Manche Protagonisten des Soldatensenders erhielten sogar Fanpost von der Hörerschaft.333 Auch der in London stationierte OWI-Beamte Jan Houbolt, der offensichtlich über die britische Herkunft des Senders nicht aufgeklärt war, aber dennoch den regimekritischen Unterton zu deuten wusste, berichtete seiner Frau 1944 in einem Brief vom spannenden und authentischen Unterhaltungsprogramm des ominösen und unorthodoxen Propa­gandasenders  : [T]here is a German station on the air, comes through as strong as the BBC and it calls itself Calais. It is the best piece of propa­ganda I have ever listened to – the station pretends to be a Nazi station speaking about the Allies as the enemy, giving lots of personal messages to German soldiers and sailors outside Germany … It gives reports of the bombing of German cities by the enemy and goes into detail about the addresses 331 M. Reichner, E. Cushing, Recordings/Lyric Analysis, 28.7.1944. NARA, RG 226, E 139, B 172, F 2282. 332 »[…] BBC and Soldatensender continue to influence the population of Germany since in spite of the increasing threats against black listeners the necessity for it is too great and it is becom­ ing a habit with the majority of the people.« J. Tennenbaum, HQ PW Combat Team, 1st US Army, Weekly Intelligence Report, 15.–21.1.1945, 21.1.1945, 1–14, hier 14. NARA, RG 338, E 37042, B 5711. »Intelligence reports show that the radio programs of which these records form a very significant part, commands a wide audience among German troops.« OSS Report from S. Scrivener to R. Tryon on Musac Project, 5.2.1945. NARA, RG 226, E 92, B 487, F 1  ; auch in der Geschichte der Psychological Warfare Division steht zu lesen  : »[A] combined radio program of news and music for the German Armed Forces known as ›Soldatensender Calais‹ and ›Kurzwellensender Atlantik‹ broadcasted daily. […] Prisoners of war captured during operations on the Continent stated that the Calais transmissions were heard by them regularly and most of the contents believed. Special success was achieved by the campaign representing the Gener­ als’ conspiracy on Hitler’s life as powerful movement to save Germany from military disaster.« Headquarters US Forces, European Theater (Hg.), The Psychological Warfare Division, Supreme Headquarters, Allied Expeditionary Force  : An Account of Its Operations in the Western European Campaign 1944–1945. Bad Homburg  : 1945, 52 f. 333 Laurie, »Black Games«, 267.



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30 Bei deutschen Soldaten als auch bei Zivilisten sehr beliebt  : Der »illegale« und »interessante« Soldatensender Calais.

naming numbers and streets in the cities bombed. It tells as if it is straight news – that (for instance) gas and water in such and such a section of Berlin have not yet been repaired after such and such a night. Then it mentions soldiers by name and rank bringing to one of [sic  !] the greetings of his wife in Hamburg, to the following a reminder not to forget his fifth wedding anniversary next week Thursday, to another the admonition not to share his package of delicatessen from home with the officers [–] »they have enough« [–] and the music … ah … there again you have the master touch. It is American jazz with a German flavor … even the music sounds authentic German … […] That thing is so cleverly done that friend and foe have just got to listen to it. It is as refreshing commanding and appealing as anything I have listened to.334

Nach der Eroberung von Calais durch die Alliierten wurde der Soldatensender Calais in Soldatensender West umbenannt. Das Programm war nun forscher. Doch trotz ihres zunehmend aggressiven und propagandistischen Stils und des mehr oder weniger offenen Geheimnisses ihrer alliierten Urheberschaft dürfte die Soldatensender-Station aufgrund ihres hohen Entertainmentfaktors und ihrer nach wie vor akkuraten Nachrichten ihre Popularität bei den deutschen Hörern nicht eingebüßt haben. Der von PWD/SHAEF in Nord- und Westeuropa als Interviewer von Kriegsgefangenen und Zivilisten eingesetzte Österreich-Amerikaner Saul K. Padover berichtet in seinem Buch Lügendetektor. Vernehmungen im besiegten Deutschland 334 J. Houbolt, OWI, US Embassy London, to Barbara Levèque, New York, ohne Datum, vermutlich Sommer oder Herbst 1944, zitiert in  : David Garnett, The Secret History of PWE. The Political Warfare Executive 1939–1945. London  : 2002, 384 f.

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1944/45 von der vergleichsweise hohen Popularität des Soldatensenders unter der Zivilbevölkerung. So ergab ein von Padovers Team mit zwölf Frauen und zwei Männern durchgeführtes Gruppeninterview, dass der Soldatensender angeblich noch vor der BBC der beliebteste ausländische Sender der Befragten war.335 Die hohe Akzeptanz dieses alliierten Senders unter den Deutschen hatte neben dem Informationshunger auch pragmatische Gründe  : Die Gefahr, beim »Schwarzhören« ertappt zu werden, war geringer, da es sich beim flüchtigen Hinhören ja um einen Soldatensender für die Landser der Wehrmacht zu handeln schien336 und der Ertappte sich (zumindest anfangs) auf sein Unwissen berufen konnte. Wie bereits an den Liedern Verlass’n, Verlass’n und Zum Donau­kanal gezeigt wurde, versuchte man mit einem eigenen Österreichschwerpunkt antideutsche und separatistische Nationalgefühle anzusprechen. Der aus amerikanischer und britischer Sicht ideale Vertreter der österreichischen Zielgruppe lässt sich durch einen 27-jährigen Kriegsgefangenen veranschaulichen, der von den Amerikanern 1944 verhört wurde. Der aus Salzburg stammende, seit 1939 in der Wehrmacht dienende »pastryman« war laut eigenen Aussagen österreichpatriotisch, legitimistisch und antinationalsozialistisch eingestellt, ebenso gab er an, ein eifriger und überzeugter Hörer der Calais-Frequenz gewesen zu sein.337 Auch Österreicher, die keine Antifaschisten, sondern Nationalsozialisten waren, attestierten dem Soldatensender, dass er zumindest unterhaltsam sei. So erzählt Hanuš Burger in seinem Radioroman von einem gewissen »Generalleutnant [sic  ! recte Generalmajor] Ernst von Poten«, der, von den Amerikanern gefangen und seiner Offiziersuniform beraubt, aussah »wie ein pensionierter, leicht degenerierter Hofrat aus Graz.« Als er von Burger, der ihn als windigen Opportunisten darstellt, über seine Meinung zur anglo-amerikanischen Propa­ganda befragt wurde, antwortete der Homo austriacus im Idiom seines Heimatlandes  : Rundfunk  ? Dös ham mer ja aa g’mocht, zuerscht in Frankreich und dann von Belgrad aus, für die englischen und amerikanischen Soldaten. I glaub aber net, daß allzu viele drauf ’ reing’fallen sind. Was anderes ist natürlich so ein Soldatensender Calais. Das 335 Padover, Lügendetektor, 222. 336 Aus einem Report über die Befragung von Zivilisten im Rheinland erfährt man, dass bei einer Essensausgabestation des Roten Kreuzes bei der Bahnstation Köln-Nippes die dort weilenden Frontsoldaten ganz offen und unverblümt mit dem Soldatensender Calais über die Lautsprecher beschallt wurden. Cpt. John P. Dickson, PWD/SHAEF, Intelligence Notes on Interrogation of Civilians in First Army Area, 10 November 1944, 1-8, hier 6. NARA, RG 331, E 87, B 23. 337 POW Interviews CSDIC West/NOI/408, undatiert, vermutlich Oktober oder November 1944. NARA, RG 498, E 211, B 1231  ; Laurie behauptet, dass der Soldatensender unter Kriegsgefangenen »especially popular« war  : »90 percent of POWs taken in the summer 1944 said they had listened regularly to its broadcasts.« Laurie, Warriors, 205.



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muß a großes [sic  !] Gaudi sein. […] A Mordshetz is auch euer Sender Zwölfhundertzwölf. I muß sagen – der fasziniert mich direkt.338

Derartige Aussagen geben nicht nur Aufschluss über die Faszination, die von den schwarzen PWE- und OSS-Sendern wie Calais/Atlantik ausgegangen ist, sondern stellen ein wichtiges Element schwarzer Propa­ganda in den Mittelpunkt  : das Ludische, die infantile Lust am Täuschen und Tarnen, am Schwindeln, an »black games« aller Art. Dies legt etwa ein von US-Kriegsheimkehrern aus der deutschen Gefangenschaft übermittelter Rundfunk-Report der Überseeabteilung des Propa­gandaamts OWI vom 28. März 1945 nahe. Den Hörern auf der »anderen Seite« schienen demnach die subversiven Spiele des Senders zu gefallen  : BBC, Calais, and Atlantic are tuned in most regularly. […] Calais and Atlantic are liked for their humor and for the music between the news […] Soldatensender-West was unanimously liked for its humor and satire  : »because it was funny«  ; »because it made believe it was neutral but everybody knew it was from the Allies« … »(because) it gave the news ›getarnt‹ (disguised).«339

Nicht nur zahlreiche Hörer, sondern auch nahezu alle schwarzen Propagandisten aus den Reihen von OSS und PWE schienen diese Psychospiele zu lieben. Trotz – oder vor allem wegen – der apokalyptischen Nebengeräusche und des Blutvergießens während des Krieges war das spielerische Element ein nicht zu unterschätzender produktiver und soziologischer Faktor, der die graue und schwarze Rundfunkpropa­ganda Großbritanniens und der USA maßgeblich prägte. Dies gilt sowohl für die Lust, die die Produzenten beim Verfassen und Darbieten ihrer einfallsreichen und oft schrägen Texte empfanden, als auch für die »Mordshetz«, die so mancher deutsche Hörer angesichts der unterhaltsamen und »gut getarnten« Programme hatte. Nicht zuletzt sind satirischer Humor und kindisches Verhalten auf Produzenten- wie auf Rezipientenebene ein ideales Ventil zum Abbauen von Kriegsstress und Angstgefühlen. 2.3.5 »Nicht allein die Nacht kann dunkel sein, sondern auch der Klang einer Stimme« – Vilma Kuerer als »black voice« des OSS

War Metzl der intellektuelle Mastermind und das kreative Hirn der Operation MUSAC, so waren Künstler wie Vilma Kuerer die Exekutoren des ambitionierten 338 Burger, 1212, 180 f. 339 OWI Records of the Historian relating to Overseas Branch, O.B. Radio Program Germany, Report by Gripsholm Repatriates, 28.3.1945. NARA, RG 208, E 6B, B 7. Hervorhebung von mir.

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31 Vilma Kuerer, verführerisch-elegant in Szene gesetzt.

Plans. Während Kuerer dem österreichischen Exilpublikum und amerikanischen Bewunderern durch humorvolle und energiegeladene Auftritte eine Möglichkeit zur Ablenkung von Alltagsproblemen und zur »Abfuhr seelischer Erregung«340 geboten hatte, tat sie nun bei den schwarzen Radioprogrammen von OSS/MO eher das Gegenteil. Die Hörer des Soldatensenders waren keine antifaschistischen Emigranten oder kulturinteressierten Amerikaner mehr, sondern deutsche oder österreichische Wehrmachtssoldaten, die den Eid auf Hitler geleistet hatten. Die für die Psychohygiene im Sinne Sigmund Freuds und die mentale Gesundheit dieses »Nazi«-Publikums so hilfreiche Zerstreuung, etwa in Form von Musikdarbietungen, war jedoch nur ein Köder für die Hörer, nicht der Zweck des Unterfangens  : »[C]alculated to win and hold a large enemy listening audience«, 341 stellte das Radioprogramm des OSS letztlich eine ausgezeichnete Möglichkeit dar, die Bedürfnisse und Wünsche der deutschen Rezipienten mit den Absichten der alliierten Propagandisten auf einen gemeinsamen Nenner zu bringen. 340 Klösch/Thumser, From Vienna, 17. 341 Roosevelt, War Report. Vol. 2, 299.



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Kuerer, der vielfach eine betörende und erotische Aura, die sich nicht nur aufs Äußere beschränkte, attestiert worden war, bekam vom OSS die Rolle des weiblichen Lockvogels, der die anzüglichsten und schlüpfrigsten MUSAC-Songs zu interpretieren hatte, zugewiesen. Wohl nicht zufällig war die attraktive Österreicherin zuvor in der amerikanischen Presse als »bewitching ›bathtub beauty‹ of the Viennese stage« bezeichnet worden.342 In dem von Metzl selbst verfassten Abschlussbericht zur Operation MUSAC wird die junge Künstlerin entsprechend der amerikanischen Theatertradition des Typecasting343 als »a personality singer of night club type«344 charakterisiert. Es handelte sich also um einen »Frauen­ typus«, der auf deutsche Soldaten, die Hunderte Kilometer von ihren Partnerinnen entfernt einen entbehrungsreichen Krieg führen mussten, in vielen Fällen eine magnetische Wirkung ausübte. Die ursprünglich sehr vielseitige Aktrice, die sich mit ihrem Temperament und ihrer impulsiven Ausdrucksart in die von Fluck skizzierte US-Strömung des expressiven Individualismus nahtlos eingefügt hatte, sollte für das OSS also den Part der verführerischen femme fatale spielen. Warum eine derart facettenreiche Künstlerin wie Vilma Kuerer in die relativ starre Schublade der schlüpfrigen Verführerin gesteckt wurde, lässt sich aus heutiger Sicht nicht feststellen. Fest steht, dass die OSS-Kommunikatoren, so wie in der Regel alle Propagandisten, gerade im Bereich der Radiounterhaltung massiv auf Vereinfachungen, Zuspitzungen und Klischeebilder setzten. Als Radio-­S irene und Diskursträgerin der OSS-Propa­ganda sollte Vilma Kuerer unter dem Deckmantel der Unterhaltung mit Metzls »twisted lyrics«345 Pessimismus und Kriegsmüdigkeit generierende Anspielungen auf das Amouröse, Anrüchige und Pornografische machen. »[B]y introducing the subtle poison of defeatism and war weariness through nostalgic music«346 versuchte sie die Seelen der feindlichen Truppen mit sprichwörtlich schwarzen Gedanken zu fluten. Dies zumindest war das Kalkül von OSS/MO. Ein rekurrentes Motiv in vielen MUSAC-Songs, das die Hörer einschüchtern und negativ beeinflussen sollte, war der Tod. In einem der Liedtexte, die Lothar Metzl für Kuerer verfasst hatte, benannte die Exilkünstlerin ihre Rolle als Todesengel der feindlichen Soldaten ganz explizit und unverhohlen. So wurde der lateinamerikanische Klassiker Besame mucho von ihr mit folgenden – gewissermaßen selbstreferenziellen – Worten gesungen  : 342 O. Verf., »Viennese Star Doesn’t Want to Marry and Stay in the U.S.«, in  : The Lowell Sun, 15.4. 1939, 16. 343 Lothar, Wunder, 198. 344 Metzl, Terminal Report on Musac, 7.5.1945  ; zitiert auch bei Mauch, Schattenkrieg, 216. 345 OSS, Musac Project Book I, Umschlagseite. 346 OSS/MO, Musac Project Book II. NARA, RG 226, E 139, B 172, F 2287  ; vgl. Roosevelt, War Report. Vol. 2, 299.

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[…] Besame, Besame mucho – Dein Haar ist schwarz wie Nacht und meine Lippen sind rot. Besame mucho – und meine Liebe bedeutet fuer dich den Tod.347

Sehen wir uns nun ein Beispiel für die kunstvolle Tarnung von propagandistischen Inhalten in den Darbietungen von Vilma Kuerer genauer an. Lothar Metzl, der Librettist des MUSAC-Projekts, kannte Kuerer bereits aus dem österreichischen Kulturmilieu und hatte als Gagschreiber in den Revuen From Vienna und Reunion in New York an Kuerers Seite mitgewirkt. Für die österreichische Chanteuse – die, wie der Großteil aller anderen beteiligten Künstler, nie zur Gänze über die subversive Verwendung ihrer musikalischen Beiträge durch das OSS aufgeklärt worden war – konnte er dank der Kenntnis ihrer gesanglichen und performativen Qualitäten eine Reihe von maßgeschneiderten Texten verfassen. Einer dieser Beiträge, der im August 1944 produziert wurde, geht so  : Title (German)  : Title (English)  : Singer  : Date  :

Kein Kuss, kein Mann, kein Fruehling No Love, No Nothin’ Vilma Kurer 2 August 1944

Er [sic  ! recte Es] haelt ihr Wort ein jedes Maedchen aus Liebe fuer den Mann. Doch fragt sich heute ein jedes Maedchen wie lang sie treu sein kann. Kein Kuss – kein garnichts [sic  !], solang du nicht bei mir bist. Kein Mann – kein garnichts, bis du mich wiederum kuesst. Ich klagte nicht, verzagte nicht, ich gab dich freudig her. Doch nun bin ich so leer, und Warten ist so schwer.

347 OSS/MO Washington, All Musac Lyrics 1944–1945, Besame Mucho. NARA, RG 226, E 139, B 172.



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Kein Kuss – kein garnichts. Die Fruehlingsblumen verbluehn. Kein Glueck fuer beide – Hat Warten noch einen Sinn  ? Die Wolke zieht, die Zeit wird mued, die Melodie wird stumm. Kein Kuss, kein Mann, kein Fruehling – und ich frage, Warum  ?348

In einer OSS-internen Charakterisierung von insgesamt 305 MUSAC-Aufnahmen wurde der Song Kein Kuss, kein Mann, kein Fruehling mit den Buchstaben B (= Ballad), S (= Sentimental), NOP (= No Propa­ganda Content) beschrieben.349 Es handelt sich also um ein Kommunikat, bei dem an der Textoberfläche keine explizite propagandistische oder persuasive Botschaft, keine direktive Anweisung zum antifaschistischen Handeln erkennbar ist. Vielmehr wird versucht, auf subtile, indirekte Art und Weise Aversionen gegen das NS- und Wehrmachtssystem hervorzurufen bzw. zu verstärken. Laut der Eigendarstellung von OSS/MO konnte man die Metzl-Texte in drei Klassen aufteilen  : Die erste und größte Gruppe sind Texte ohne Propa­gandainhalt oder ideologische Botschaft  ; die zweite und kleinere Gruppe sind die sogenannten »Zwischen-den-Zeilen-Propa­gandatexte« (sentimentale, nostalgische Balladen, die Kriegsmüdigkeit und Defätismus beim Hörer hervorrufen sollen)  ; die dritte Gruppe besteht letztlich aus offener »hard-hitting« Propa­ganda.350 Das hier analysierte Lied gehört der zweiten Gruppe an. Das Verfassen von »Zwischen-den-Zeilen-Texten« beherrschte der österreichische Librettist souverän. Bereits im autoritär-konservativen Österreich der 1930er-Jahre hatten politisch engagierte, eher links und regierungskritisch eingestellte Kabarettisten wie Metzl dieses Spiel mit der Vieldeutigkeit betrieben. Den von den Zensurbehörden skeptisch beäugten Kulturschaffenden war es mit viel Einfallsreichtum und Sprachwitz gelungen, den »Maulkorbzwang« zu umgehen.351 Das wehmütige Rührstück Kein Kuss, kein Mann, kein Fruehling, das der OSS-Poet Metzl nun für Kuerer verfasst hatte, sollte bei den Empfängern Zweifel, Angst, Unruhe sowie Gefühle der Melancholie, der Schwermut und der Aussichtslosigkeit hervorrufen, ohne dass die Rezipienten über die wahren 348 OSS/MO Washington, All Musac Lyrics 1944–1945, Kein Kuss, kein Mann, kein Fruehling. NARA, RG 226, E 139, B 172. 349 Metzl, Terminal Report on Musac, 7.5.1945, Table of Songs. 350 OSS/MO, Musac Project, 1–3, hier 2. NARA, RG 226, E 139, B 172, F 2282. 351 Reisner, Kabarett, 26 f.

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32 »Hoffentlich seh ich ihn nicht zum letzten Mal« – Manuskript zum OSS-Song »Mein General«, geschrieben von Lothar Metzl, gesungen von Vilma Kuerer, August 1944.

­ Intentionen der Musikproduzenten Bescheid wussten. Die von der Kommunikatorenseite angestrebte Reaktion bei der Hörerschaft ist zunächst weniger Aktionismus als vielmehr Defätismus. Der Defätismus, so das Kalkül der MO-Strategen, führt strategisch gesehen zu einer Verminderung der Kampfkraft des betroffenen Soldaten, im taktischen Idealfall später sogar zu »wehrkraftzersetzenden« Handlungen wie Desertion oder Widerstand gegen die NS-Eliten und Sabotage gegen die deutsche Militärmaschinerie. Der Text, die musikalische Begleitung und die Stimmgestaltung der Sängerin wirken sentimental, düster und gefühlsschwer und sollen den Hörer affektiv aufladen. Zuerst wollen wir uns auf den verbalen Teil des Liedes konzentrieren, also den Inhalt des Liedexts aus der Feder Metzls. Während im amerikanischen Original des auf Kuerer zugeschnittenen Songs mit dem Titel No Love, No Nothin’ von der Ehefrau das Liebeswerben eines Nebenbuhlers mit einer überzeugten Bekräftigung des gegenseitigen Treueversprechens abgeschmettert wird (»No love, no sir  ! No nothin’, Till my baby comes home«), hat die von Metzl für das feindliche Soldatenpublikum adaptierte deutsche Version eine pessimistischere Note. Die sich ebenfalls als Anklägerin gerierende Frau ist in Metzls Text vom Fortbestand der Beziehung nicht sonderlich überzeugt  : »Hat Warten noch einen Sinn  ? […] und ich frage  : Warum  ?« Die eigentlichen Schöpfer dieses Liedes, Harry Warren und Leo Robin, hatten die propagandistischen



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Interpreten desselben, Lothar Metzl und Vilma Kuerer, zwar mit einem musikalischen und kommunikativen Rahmen versorgt, die Intention, die Letztere verfolgten, war aber eine völlig andere. Obgleich es in keiner Zeile explizit angesprochen wird, kreist dieses Lied nicht nur um Beziehungskrisen, Verlustangst und Zweifel, sondern auch um einen sexuellen Alp, der viele Soldaten plagte. Genauer gesagt handelt es sich um das Nichtstattfinden von Liebesakten mit den (Ehe-)Partnerinnen. Die im Folgenden noch näher zu erläuternde Androhung dieses Liebes- und Sexentzugs soll also emotionales Unbehagen beim Hörer hervorrufen. So stellen Liedpassagen wie »kein gar nichts« und »Die Frühlingsblumen verblühen« auf den ersten Blick innerhalb des Texts semantisch eine Leerstelle (ein Nichts) oder eine bloße Beschreibung eines biologischen Vorgangs, der von den zyklischen Faktoren Wachstum (Blühen) und Verfall (Verblühen und Sterben) determiniert wird, dar. Bei genauerem Hinhören konnte der Hörer zwischen diesen Zeilen aber schlüpfrige Anspielungen und sexuelle Konnotationen entdecken. Indem Metzl und Kuerer bestimmte Beziehungsrituale wie einen Kuss semantisch und semiotisch mit den sexuellen Wünschen und Ängsten der männlichen Rezipienten verknüpften, wurde aus einem an sich harmlosen Popsong ein subversives Kommunikat. Wie sah diese zweite Sinnebene genau aus  ? Nun, dem im Lied besungenen Kuss folgen in der realen Lebenswelt des Soldaten oft ritualisierte Sexualhandlungen zwischen Mann (hier  : Soldat und passives Objekt der Radiopropa­ganda) und Frau (hier  : Radiosängerin und handelndes Subjekt), ganz nach dem Motto  : »zuerst der Kuss, dann der Koitus«. Der erhoffte Körperkontakt zwischen dem Mann an der Front und der Frau in der Heimat wird jedoch von den propa­ gan­distischen Kommunikatoren bewusst verunmöglicht  : Dem von Frau und Bett getrennten deutschen Frontsoldaten werden vonseiten des weiblichen Subjekts, als dessen Sprachrohr sich Vilma Kuerer ausgibt, nicht erotische Freuden in Aussicht gestellt, sondern das genaue Gegenteil  : Wenn er noch länger an der Front verbliebe, würde die Liebe »verblühen« und er keine Küsse mehr erhalten. Schlimmer noch, auch im (Ehe-)Bett wäre in der Folge »gar nichts« mehr los. Die verblühenden Frühlingsblumen können hier nicht nur als Parabel auf den bevorstehenden Untergang des »Dritten Reichs«, dessen frühlingshafter und triumphaler Aufbruch in ein heroisches und tausendjähriges Zeitalter schon einige Jahre zurücklag,352 und als drohende Vorankündigung des nahenden Schlachtentodes des deutschen Soldaten, sondern auch als dreifache Metapher auf das Nichtstattfinden bzw. den Entzug der erotischen Liebe gelesen werden. Einerseits stehen die absterbenden Frühlingsgewächse, entsprechend dem zuvor beschriebenen biologischen Gesetz von Wachstum und Verfall, für das nicht mehr »aufblühende« Geschlechtsteil des Soldaten, andererseits ist die Blume ein 352 Begriffe wie »Verfall« und »Untergang« waren in den MUSAC-Texten omnipräsent.

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Symbol für Sinnlichkeit, Romantik und Libido. Und schließlich repräsentiert der Frühling wie keine andere Jahreszeit das Amouröse, Erotische. All dies bleibt dem Hörer laut Sängerin Kuerer verwehrt. Der sexuelle Subtext des Liedes sollte aufgrund dieses mehrdeutigen Inhalts nicht nur für literarisch gebildete Textinterpreten erschließbar sein. Auch der einfache Landser im Schützengraben soll von der defätistischen Stimmung des Lieds erfasst und der tieferen Sinnschichten desselben gewahr werden. Ziel ist eine doppelte Traumatisierung des deutschen Soldaten  : Ernüchtert soll er anhand des nur vordergründig unpolitischen, in Wahrheit jedoch äußerst ideologisierten Rührstücks erkennen, dass die glanzvolle Vision eines nationalsozialistischen Millenniums sich auf ein tausendjähriges Jahrzwölft353 beschränken und mit dem Cäsarenwahn Hitlers auch das eigene Liebesglück fortgeschwemmt wird. Den Hörer erwartete also kein optimistischer Tagtraum voller bunter Frühlingsblumen, sondern ein düsteres Nachtmahr. Doch konnte man alleine aufgrund solcher Liedtexte davon ausgehen, dass der oft illiterate soldatische Empfänger jene intellektuellen Fähigkeiten besaß, die er benötigte, um zu der gewünschten defätistischen Lesart des Liedtextes zu gelangen  ? Würde der durchschnittliche deutsche Hörer das Lied Kein Kuss, kein Mann, kein Fruehling, das im launigen amerikanischen Urtext sogar eine diametral entgegengesetzte, i. e. eine optimistische, Botschaft hatte, automatisch als apokalyptisches Menetekel für den allgemeinen Niedergang der Wehrmacht erkennen  ? Die Antwort lautet hier zunächst »Nein«. Es bedurfte vielmehr konkreter semiotischer Hilfestellungen vonseiten der Kommunikatoren, die das bestehende Lied propagandistisch adaptierten (Textautor Metzl, Dirigent Irving Miller und sein Orchester, Sängerin Kuerer). Neben dem Logos, also der Schriftsprache – die hier ja ganz im Sinne einer schwarzen Propa­gandakampagne in keiner Strophe Themen wie Defätismus oder Desertion offen anspricht –, waren also noch zusätzliche kommunikative Codes nötig, um die obigen Verse zu einer psychologisch effektiven Gesamtkomposition zu erweitern. Man versuchte deshalb ein Propa­­gandakommunikat zu schaffen, das seine Wirkmacht und Überzeugungskraft mithilfe der Multimodalität und der Synästhesie entfaltet. Derartige Propa­gandabotschaften operieren mit mehreren Kommunikations- und Wahrnehmungskanälen und sprechen dabei verschiedene Sinnesbereiche an. So können etwa durch Musik, Stimmgestaltung und andere »devices of audio-stimulation«354 hochgradig subjektive, kognitiv jedoch sehr wirksame Sprach-Bilder, wie etwa jenes der – in unserem Fall sprichwörtlich schwarzen – »Klangfarbe«, generiert werden.355 353 Teller, Davids Witz-Schleuder, 103. 354 Lerner, Sykewar, 209. 355 »So beschäftigt sich die Wahrnehmungspsychologie unter dem Oberbegriff der ›Synästhesie‹



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Die synästhetisch vermittelte Zersetzungsbotschaft von Kein Kuss, kein Mann, kein Fruehling ergibt sich nicht nur aus dem verbalsprachlichen (i. e. schriftlichen) Code bzw. dem Liedtext an sich, sondern vor allem auch aus der Stimme Vilma Kuerers sowie dem weiblichen Körper, der diese Stimme hervorbrachte. Kuerers angebliche »Nachtklubstimme« wurde vom Texter Metzl oder den MUSAC-Programmdirektoren rund um Lester O’Keefe daher als »Parasprache«356 bzw. als »paraverbale semiotische Ressource«357 verwendet. Indem die MUSAC-Planer Kuerers Stimme als Waffe im Krieg der Worte einsetzten, antizipierten sie wesentliche neurobiologische und wahrnehmungspsychologische Erkenntnisse über die Rezeption von synästhetisch inszenierten Texten.358 Mit ihrer Stimme verlieh Kuerer den ihr sprichwörtlich auf den Leib geschneiderten Liedern eine Klangfarbe und Materialität, die am ehesten mit »erotisch-suggestiv« beschreibbar ist. Umberto Eco zählt Parasprachen wie Kuerers Stimmgestaltung ebenso zum semiotischen (i. e. sprachlichen Sinn generierenden) Feld wie die Musik selbst. Bestimmte Stimmqualitäten (Höhe der Töne, artikulatorische Kontrolle usw.) und Stimmgebungen (Stimmcharakterisatoren wie Lachen, Weinen, Schluchzen und Flüstern  ; Stimmqualifikatoren wie Tonintensität und -höhe  ; Stimmsegregate wie Zungengeräusche, Nasalisierungen und Einatmen), so Eco, können den schriftlichen Text mit konnotativen Bedeutungen aufladen.359 Kuerers vokale Interpretation des Liedes Kein Kuss, kein Mann, kein Fruehling ist daher nicht zwingend an die schriftlich vordefi­ nier­ten Bedeutungen in Metzls Manuskript gebunden, sondern ermöglicht als ein semantisch eigenmächtiger Teil der Gesamtkomposition völlig andere Bedeutungszuschreibungen  : Von einer erotischen Stimme mit verführerisch wirkenden Stimmcharakterisatoren, Stimmqualifikatoren und -segregaten (Hauchen, Flüstern, rauchige und tiefe Stimme etc.) gesungen, lässt sich der Signifikant verblühende Frühlingsblume nicht nur als unverdächtig-harmloses »Gewächs im Verfallsstadium«, sondern eben auch als »ausbleibender Sexualakt« interpretieren. mit dem Unternehmen, aus biologisch-physikalischer Perspektive eigentlich differente Sinnes-­ Eindrücke, die jedoch im Erleben interferieren, als psychologische und damit wirkende Phänomene ernst zu nehmen. Solche dort untersuchten Erfahrungen des Sehens von Tönen oder des Hörens von Farben sind nicht nur Künstlern bekannt – man denke nur an Wassily Kandinskys ›Der gelbe Klang‹ […] –, sondern reflektieren sich auch in der Sprache  : Nicht allein die Nacht kann dunkel sein, sondern eben auch der Klang einer Stimme, aber auch ein Rotwein oder ein Charakter.« Andreas Englhart, »Anmutung und Bewertung vor kognitiver Verarbeitung. Überlegungen zur stimmlichen Eigen-Art in der Wahrnehmung des Rezipienten«, in  : Hans-Peter Bayerdörfer (Hg.), Stimmen – Klänge – Töne. Synergien im szenischen Spiel (= Forum Modernes Theater, Bd. 30). Tübingen  : 2002, 109–126, hier 113. 356 Eco, Semiotik, 21. 357 Stöckl, »Sprache-Bild-Texte«, 45. 358 Englhart, »Anmutung«, 125 f. 359 Eco, Semiotik, 21  ; vgl. Englhart, »Anmutung«, 110.

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Die OSS-Propagandisten erhofften sich nichts anderes, als dass die eigentlich »unerotischen« Signifikanten im Liedtext (Frühlingsblume usw.) eine sexuelle Konnotation erlangen würden, wenn sie von Personen wie Vilma Kuerer oder Marlene Dietrich »anzüglich« interpretiert werden. Mit ihrer stimmlichen Eigenart und ihrer »erotische[n] Mischung aus Timbre und Sprache« sollte die junge Emigrantin den deutschen Soldaten vor dem Radio »den Atem, die Rauheit, das Fleisch der Lippen, die ganze Präsenz des menschlichen Maules hören« lassen.360 In loser Anlehnung an den eben zitierten Barthes werden wir nun die »Kunst, seinen Körper zu führen«, auf Vilma Kuerers Sangestätigkeit übertragen. Die von ihrem Frauenkörper hervorgebrachte »Nachtklubstimme« war für die OSS-Propagandisten kein einfaches Trägermedium, kein simples Werkzeug zur Informationsvermittlung, das hinter dem Text des oben analysierten Klageliedes steht oder sich im schriftlichem Text auflöst. Vielmehr sahen die MUSAC-Planer in Kuerers angeblich erotisch-suggestiver Stimme und der Musik selbst einen weiteren Code, der im Stile einer Opernsängerin neben oder sogar vor Metzls Liedtext steht. Die musikalischen Zeichen traten also in den Vordergrund und »Zeichenerzeugung, Informationsvermittlung und Textverständlichkeit« wurden von ihnen zurückgedrängt.361 Zum aus (gendertheoretischer Sicht fragwürdigen) Konstrukt der »erotischen Frauenstimme« hat Miriam Dreisse eine brauchbare Metapher anzubieten, welche die Vereinnahmung von eines solchen Stimmtyps durch Institutionen für psychologische Kriegsführung treffend erklärt  : Ist der Eindruck einer erotischen Stimme bei beiden Geschlechtern an die tieferen Tonlagen gekoppelt, so ist die tiefe, raue Stimme bei der Frau Zeichen für […] offensive Sexualität  : Die erotische und bedrohliche femme fatale hat immer eine solche tiefe, raue oder rauchige Stimme (man denke an Marlene Dietrich oder Lauren Bacall im film noir), das »Mehr an Körper« in der Stimme wird hier gleichsam zum phallischen Attribut der Frau, ähnlich der Waffe in ihrer Hand.362

Laut Barthes versuchten schon die antiken Redner ihre Ansprachen um einen zusätzlichen – körpersprachlichen – Code zu bereichern, mit dem sich beispielsweise Entrüstung oder Mitleid ausdrücken ließen. Diese mimische und gestische Verstärkung des Gesprochenen nannte sich actio und gehört zu den wichtigsten rhetorischen Instrumenten.363 In unserem Falle träfe dies zu, wenn die fotogene 360 Barthes, Lust, 97 f. 361 Englhart, »Anmutung«, 109 f. 362 Miriam Dreisse, »Die stimmliche Konstruktion und Dekonstruktion von Geschlechteridentitäten auf der Bühne«, in  : Bayerdörfer, Stimmen – Klänge – Töne, 81–92, hier 87. 363 Barthes, Lust, 97.



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33 Propagandaattacke auf alle Sinne  : Das OSSFlugblatt »Front-Woche« ergänzt die erotischen Radiostimmen des Soldatensender Calais mit suggestiven Bildern.

Sängerin Kuerer sich während der musikalischen Darbietung sinnlich und lasziv in einem Bett oder einer Badewanne räkeln würde, um Sinnlichkeit oder Wollustgefühle wortwörtlich zu verkörpern. Doch hier gibt es ein großes semiotisches Pro­ blem  : Kuerers hübscher Körper und die grazilen und verführerischen Bewegungen, die diesen Körper performativ in Szene setzten (actio), waren für die räumlich entfernten, vor dem Radiogerät sitzenden Hörer unsichtbar. Das OSS versuchte daher die der Person Vilma Kuerer zugeschriebene theatralische Erotik und die daran gekoppelten subversiven Propa­gandainhalte nicht nur durch Musik und Stimme zu kommunizieren, sondern mit zusätzlichen semiotischen Ressourcen greifbar zu machen und zu veranschaulichen. Dies geschah vor allem durch den Einsatz mehrerer Propa­gandamedien, welche allesamt die üblichen Themen – Defätismus und weibliche Reize – aufgriffen. Dieser multimediale Ansatz wurde etwa durch ein vierseitiges OSS-Druckwerk mit dem Namen Front-Woche, das auf dem sogenannten »Grey Plan« des OSS basierte, realisiert.364 Die Inhalte dieses oben abgebilde364 OSS-Flugblattartikel »Film-Schau«, in  : »Front-Woche«, 21.4.1944, unpaginiert. NARA, RG 226, E 99, B 88.

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ten per Flugzeug über der Westfront abgeworfenen Propa­gandamagazins waren »variations on the theme of playing on the nostalgia-for-home in the soldier of the Wehrmacht«.365 Während die defätistischen Inhalte und Kriegsnachrichten des Blattes also die Botschaften des PWE/OSS-Soldatensenders und der MUSAC-Propa­ ganda festigen und verstärken sollten, fungierten suggestiv-erotische Bilder, wie jenes der im Bett liegenden »Ufa-Schauspielerin Greta Kurt« (eine der blühenden Fantasie der OSS-Kreativabteilung zu verdankende Figur), als visuelle Begleitung zu Metzls Liedern und als Emotionsverstärker im Sinne der actio. In dem vermutlich eher selten eintretenden Idealfall, in dem das OSS dem Soldatensender-Hörer in der deutschen Armee sowohl über das Medium Radio (Ton) als auch das Medium Frontzeitung (Bild) eine derart komplette Darstellung der eigentlich gesichtslosen und anonymen Radiofiguren à la Vilma Kuerer vermitteln konnte, sollte diese Strategie der szenischen Synergie ihre volle Wirkung entfalten. Die semiotische Wucht des hör- und nun auch sichtbaren Frauenkörpers sollte den männlichen Empfänger überwältigen und ihn fesseln, ihm ein ganzheitliches Lustgefühl vermitteln. Nach Barthes’scher Lesart wird – ähnlich wie im Theater oder im Film – vom Kommunikator versucht, den eigentlichen Inhalt der (Propa­ganda-)Botschaft, also »das Signifikat[,] ganz weit weg zu rücken und den anonymen Körper des Schauspielers sozusagen in mein Ohr zu werfen  : das knirscht, das knistert, das streichelt, das schabt, das schneidet  : Wollust.«366 Doch wie auch für die Protagonisten in den MUSAC-Songs darf es für die verführerische Filmfigur und ihren Liebhaber weder im Radio noch in der Presse ein Happy End geben. Vielmehr muss das propagandistische Leitmotiv des Leidens und Dahindarbens im Krieg im Mittelpunkt stehen. Nun kommt also – etwas anders als bei Barthes367 – wieder das Signifikat bzw. die lexikalische Bedeutung des verbalen Texts ins Spiel.368 Während für Intellektuelle wie Barthes der eher realitätsferne »gelehrte Gestus, in kulturellen Zusammenhängen und Sachverhalten ein fein gesponnenes Netz exklusiver und subtiler Bedeutungen zu identifizieren«,369 im Mittelpunkt steht, waren die OSS-Propagandisten 365 OSS/MO, Grey Plan, NARA, RG 226, E 99, B 88. 366 Barthes, Lust, 98. 367 Hier ist anzumerken, dass die postmodern-lustvolle Verknüpfung von Sprache und Körperlichkeit im Sinne von Barthes mit der propagandistischen Arbeit der MUSAC-Produzenten nur die »Lautmalerei des Fleisches« gemein hat. Während Barthes dem »menschlichen Maul« vor allem wegen eines intellektuell und ästhetisch überlagerten Lustgewinns eine wichtige Rolle bei der Textrezeption zuweist, verfolgte man bei OSS/MO andere Absichten – nämlich die ideologische Überwältigung des Emfpängers. 368 Zu den kognitiven Wirkungen der Performanz und ihrer Verortung im Theoriegebäude von Barthes siehe Englhart, »Anmutung«, 111 und 125. 369 Lutz Musner, »Jenseits von Dispositiv und Diskurs. Historische Kulturwissenschaften als Wie-



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an Profanerem interessiert. So holt der Verfasser der fiktiven »Filmschau« in der Front-Woche seine von der »Wollust erfassten« Leser unsanft in die Lebenswelt des Jahres 1944 zurück, wenn er behauptet, dass »die ganze seidige Uppigkeit [sic  !]« der beiden Liebenden auf der Leinwand einen willkommenen Kontrast zur »grimmen Wirklichkeit des Krieges« bietet.370 Eine ähnliche Strategie verfolgten die weißen Flugblattautoren der Psychological Warfare Division des alliierten Hauptquartiers (PWD/SHAEF).371 Welche Gemeinsamkeiten und diskursiven Synergieeffekte ergeben sich, wenn mehrere Propa­gandainstanzen gleichzeitig eine Botschaft über verschiedene mediale Kanäle kommunizieren  ? Ebenso wie die schwarzen Radiopropagandisten von PWE und OSS setzten auch die Flugblattschreiber der PWD/SHAEF in der Spätphase des Krieges auf ein Hauptthema der Frontpropa­ganda, nämlich den direkten und indirekten Aufruf an den militärisch unterlegenen Feind zur Desertion. In unzähligen Flugblättern und Frontzeitschriften wurde die Aufforderung »Ergib Dich  !« ausgesprochen. Eines dieser weißen Flugblätter begann so  : Zwei Worte, die 850.000 Leben retteten.372

Die »zwei Worte«, die hier gemeint sind, lauten  : »I Surrender«. Indem die Verfasser dieses Flugblatts diese Phrase an die deutsche Phonetik (engl. »Ei sörrender«, dt. »Ich ergebe mich«) anpassten, verfolgten sie ausgeklügelte Ziele  : So stand der Aufruf zum »Sich Ergeben« oft in einem engen Zusammenhang mit der Methode der Indirektion. Diese »war eine der am häufigsten verwendeten Techniken. Erzähle einem Soldaten, der vis-a-vis im Schützengraben liegt, er solle zur Feindseite herüberkommen und er könne dann genug Zigaretten haben, eine zweite Tasse Kaffee zum Frühstück, mit warmen Wasser baden, eine zweite Decke beim Schlafen benützen, Lektüre für seine Freizeit verlangen sowie Schreibpapier für Briefe, so wird jener diese Versprechen als ›Propa­ganda‹ abtun und keines zweiten Blickes würdigen  ; verpackt in einem ›Blitzsprachkurs für Landser‹ aber auf der Rückseite eines Flugblattes, abgedruckt auf Englisch, Deutsch und in der Lautschrift, mit dem Vermerk versehen, daß solche Sätze dem potenziellen Kriegsgefangenen von Nutzen sein könnten, konnten solche Versprechen indirekt im feindlichen Soldaten die Grundhaltung unterwandern derentdeckung des Sozialen«, in  : Jan Kusber/Mechthild Dreyer/Jörg Rogge/Andreas Hütig (Hgg.), Historische Kulturwissenschaften. Positionen, Praktiken und Perspektiven. Bielefeld  : 2010, 67–80, hier 72. 370 OSS-Flugblatt »Film-Schau«, unpaginiert. 371 Siehe hierzu allgemein das Kapitel 3 in diesem Band. 372 Lerner, Sykewar, 216.

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und in einer kritischen Situation, in der er sich zu entscheiden hat, den Ausschlag im – vom alliierten Standpunkt aus – positiven Sinn geben.«373 Dadurch versuchten die amerikanischen Propagandisten das Wort »Surrender« im Unterbewusstsein des Lesers zu verankern. Da verlockende Formulierungen wie »[I] want a cigaret, please« raffiniert in derartige Flugblätter eingebaut wurden, sollte den Wehrmachtssoldaten der Akt des Übertritts374 zu den westalliierten Armeen erleichtert werden.375 Wie bereits erwähnt, interagierte die schwarze OSS-Radiopropa­ganda, die aufgrund ihrer Aggressivität und Anrüchigkeit den »seriösen«, auf Glaubwürdigkeit bedachten weißen Propagandisten der Westalliierten das Leben oft schwer machte, hier mit der weißen Flugblattpropa­ganda der US-Armee. Das OSS ­arbeitete jedoch auf seine Weise den Zielen der PWD/SHAEF zu. So verbarg sich in dem im November 1944 von Greta Keller376 gesungenen MUSAC-Stück Ich ergebe mich (I Surrender) hinter der scheinbar harmlosen Liebesmetaphorik eine simple Logik  : Je öfter man die Signifikantenkette Ich ergebe mich hört, liest und ausspricht, umso mehr Bedeutung misst man ihr bei, umso eher ist man auch am Schlachtfeld bereit, sich dem Feind zu ergeben.377 Um den semiotischen Synergieeffekten der beiden Medien Rundfunk und Flugblatt weiteren Nachdruck zu verleihen, kamen auch noch Appelle per Lautsprecher hinzu. Si Lewen, einer ­jener deutschen Emigranten, die als Mitglied einer Lautsprechereinheit eines PWB Combat Team an der Westfront in unmittelbarer Nähe der deutschen Einheiten und unter permanenter Lebensgefahr die Landser zur Desertion aufriefen, erinnert sich im Gespräch mit Christian Bauer an diese Einsätze, die dazu dienten, das Syntagma Ei Sörrender regelrecht in das Hirn des Adressaten einzubrennen  : Wenn das Flugblatt über den deutschen Linien abgeworfen worden war, rückte Lewen mit seinem […] gepanzerten Lautsprecherwagen nach  : »Ich habe gerufen  : ›Habt ihr’s 373 Ganglmair, Kriegspropa­ganda, 190. 374 Siehe hierzu den Beitrag über den Deserteur Edgar Ulsamer von Florian Traussnig, »Die Linie, die nur wenige überschreiten. Eine zeithistorisch-biographische Betrachtung über einen unerhört transgressiven Akt«, in  : Denken + Glauben, Nr. 176, Sommer 2015, 16–19. 375 Lerner, Sykewar, 216 f. 376 Man beachte deren Namensähnlichkeit mit der zuvor in der Front-Woche abgebildeten, von OSS/MO geschaffenen, Fantasiefigur Greta Kurt. 377 Dazu der PWD-Experte für die »Feindmoral« der Wehrmacht, Jacob I. Tennenbaum  : »Even though it is difficult to determine if our propa­ganda by radio or leaflet produced a state of mind leading to desertion, it nevertheless became evident that leaflets played a vital part in the mental process since many of those deserters admitted having behaved according to instructions issued on our leaflets including the words ›I Surrender.‹« Tennenbaum, Weekly Intelligence Report, Nr. 2, 5.2.1945, 7.



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34, 35 »Sprich nur zwei bestimmte Worte aus und Du erhältst ›dieselbe Kost wie wir, das bestverpflegte Heer der Welt‹« – Instruktives Flugblatt zur »Surrender«-Kampagne der PWD/SHAEF.

schon gelernt  ? Ei Sörrender  ! Sagt mir’s nach  : Ei Sörrender  ! Es ist doch ganz einfach  ! Ei Sörrender.‹ Das haben sie sich dann doch gemerkt.«378

In den musikalischen Rundfunkbeiträgen des Soldatensenders übernimmt die österreichische Sängerin, der sich der Hörer ergeben soll, gewissermaßen die Funktion eines Sprachrohrs der US-Streitkräfte. War ein am »Endsieg« zweifelnder und emotional angesprochener deutscher Soldat bereit, sich dieser verführerischen Ätherstimme zu ergeben, dann konnte er eine kognitive Brücke zum performativen Akt der Desertion schlagen  : Mein Alles, ich ergebe mich, Denn ich liebe dich.379

378 Si Lewen, zitiert in  : Christian Bauer/Rebekka Göpfert, Die Ritchie Boys. Deutsche Emigranten beim US-Geheimdienst. Hamburg  : 2005, 139. 379 OSS/MO Washington, All Musac Lyrics 1944–1945, Ich ergebe mich. NARA, RG 226, E 139, B 172.

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Die Ei-Sörrender-Kampagne war also ein Angriff auf alle Sinnes- und Wahrnehmungskanäle der Wehrmachtssoldaten. Zuckerbrot und Peitsche wechselten sich hierbei ab  : Wurden die »Krauts« zunächst mit Unterhaltungsmusik und verlockenden Versprechen beschallt, flogen ihnen wenige Minuten später Projektile und Granaten um die Ohren. Bei dem im Herbst 1944 in der Nähe von Aachen von der US-Armee gefangen genommenen Wachtmeister Franz Schön, einem lange Zeit linientreuen Soldaten aus Wien, hat diese nervenzerrüttende Mischung aus Gewalt und Musik offenbar einiges bewirkt. Schön dürfte bald nach dem hier zitierten Tagebucheintrag desertiert sein bzw. sich den Amerikanern ergeben haben  : 2 Oct 44 It is almost midnight, I am on the O.[bservation]P.[oint]  : it is only 60 m to the American lines. For 5 days the iron language of the front has been drumming in my ears. How different it is here from Russia  ! There the eternal brrr-rrrp of the M[achine]G[un] and the roaring Hurrah of the Asiatic steppes. Here the uninterrupted and nerve-wracking Art[iller]y and mortar fire. We are in position in the Southeastern outskirts of AACHEN, with a continuous uneasiness in our hearts that we might be encircled. Nobody told us anything about the danger, but everybody can see for himself that the circle around us is almost closed. It’s a wonderful moonlit night and the enemy loudspeaker from the Bismarck tower announces clearly  : German soldiers, surrender  ! You are encircled. Our planes bomb AACHEN, our Arty shells AACHEN. You have no other way out  ! (Is that actually true  ?) Then we hear some recent hitsongs until the finale comes with a tremendous barrage from all the guns around AACHEN. There is nothing else which could be more demoralizing. What would my wife say, or my parents, if they knew about me right now  ? I wonder whether I’ll see them again. Must I end like Loisl in front of STALINGRAD  ?  !380

Dieses nicht repräsentative, aber sehr beeindruckende Einzelbeispiel für die Effektivität einer multimedialen und thematisch gebündelten Propa­gandaattacke der verschiedenen Propa­gandabehörden der PWD/SHAEF steht im Einklang mit neueren Erkenntnissen der Wirkungsforschung. Demnach »müssen mehrere Medien benutzt werden, um Effekte [beim Empfänger] zu erzielen und zu verstärken«.381 Eine genauere Lektüre des eben zitierten, von einem österreichstämmigen »Docu-

380 First US Army, Prisoner of War Interrogation Reports, First Army Special Report, Excerpts from the Diary of Sgt Franz Schoen, translated by K. Frucht 11./12.10.1944. NARA, RG 498, E 245, B 1282. Hervorhebungen von mir. 381 Zimmermann, Medien, 27.



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ments Examiner« des Armeegeheimdienstes G-2/MIS 382 ins Englische übersetzten Tagebuchauszugs legt den Schluss nahe, dass der Wachtmeister Schön sein Wissen über die militärische Großwetterlage dem Informationsfluss von alliierten Frontzeitungen und Radiosendungen (wie jenen des Soldatensenders) verdankte. Dies bedeutet, dass er die anglo-amerikanische Propa­ganda, die ihn über verschiedene Medien erreichte, aufmerksam studierte und Teile davon auch »schluckte«  : 20 Sep 44 […] At the moment the situation there is not too good for us. In the West we already fight inside of the Reich, NW and S of AACHEN. In East Prussia, the Russians attack with 40 Divisions. Fierce fighting N of Florence. Thanks to the treachery of Rumania [sic  !] and Bulgaria the Russians could advance as far as Grosswardein  ; they are already on Slovakian and Hungarian soil. There are revolts in Slovakia and we have to employ our troops against our former Allies. We have to do the same in Bulgaria, Rumania, and Finland. In Finland our troops have to retreat all way up North to Norway. In view of these facts I really ask myself  : how shall this end  ?383

Solche »Propa­ganda Intelligence« über die »Feindmoral« wurde auch an die nachrichtendienstlichen Abteilungen der Frontpropa­gandaeinheiten der US-Armee weitergeleitet, welche die Gedanken über die eigene Existenz und die nagenden Zweifel des Soldaten Schön, der hier exemplarisch für Tausende andere Wehrmachtsangehörige steht, als »Rohstoff« für neue Flugblatt- und Lautsprecherkampagnen zum Thema Desertion aufbereiteten.384 Dieses individuelle Beispiel für gleichbleibende Propa­gandainhalte, die erfolgreich mit mehreren medialen Kanälen (Radio, Flugblatt, Lautsprecher) verbreitet werden, darf jedoch nicht darüber hinwegtäuschen, dass die sprachlichen und semiotischen Synergien von Radio-, Flugblatt- und Lautsprechertexten nicht immer auf der gemeinsamen und kongenialen Zusammenarbeit und Planung der verschiedenen Propa­ gandainstitutionen beruhten, sondern sich in der Regel zwangsläufig ergaben. Die zivilen und militärischen Propa­gandainstitutionen bedienten sich von Haus aus ähnlicher Schlagworte und Slogans (die letztlich immer um dieselben soldatischen Schlüsselthemen wie Desertion, Versorgung der Truppe oder Sehnsucht des kriegsmüden Kämpfers nach einer Rückkehr zur Familie kreisten) und stimmten ihre Maßnahmen – oft wegen gegenseitigen Misstrauens und Standesdünkels – nur im Idealfall miteinander ab. Und selbst wenn die Kooperation 382 Eine detaillierte Fallstudie zum angesprochenen Verhöroffizier Karl Frucht findet sich in Traussnig, Militärischer Widerstand, 107–-122. 383 First US Army, Excerpts Diary Schoen, 11./12.10.1944. 384 Vgl. hierzu das Kapitel 3.2 über Jacob I. Tennenbaum in diesem Band.

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von OSS und US-Armee unter dem Dach der PWD/SHAEF in Nordwesteuropa gegeben war oder mehrere Kommunikate zu einem Leitthema sogar aus ein und derselben Propa­gandaschmiede (OSS/MO) stammten, war die klassische Rezeptionssituation der MUSAC-Texte im Normalfall meist eine rein auditive  : Man hörte nur Vilma Kuerers oder Marlene Dietrichs Lied und der Hörer des Soldatensenders befand sich nicht im Kinosaal, sondern vor einem Radiogerät. Er musste sich die singende Person in seiner Fantasie ausmalen. Gleichwohl hat der obige Auszug aus dem Soldatentagebuch gezeigt, dass die über mehrere mediale und sensorische Kanäle betriebene Konfrontation mit einem alliierten Propa­gandaslogan einen kumulativen Effekt bei bestimmten Adressaten haben kann, nämlich Demoralisierung und Defätismus. Wie bereits erwähnt, operiert das Lied Kein Kuss, kein Mann, kein Fruehling nicht nur mit dem verbalsprachlichen Code (Metzls mehrdeutiger Liedtext) und mit paraverbalen Codes (Kuerers Stimme), sondern auch mit dem nicht minder wichtigen musikalischen Code (Melodie, Instrumentalisierung, Rhythmik usw.). Gehen wir daher auf die propagandistische Funktion der Musik ein. Dass Musik gerade für die feindlichen Wehrmachtssoldaten eine große Rolle gespielt hat, zeigt eine sozialwissenschaftliche Umfrage der Surveys Section der Londoner Abteilung des Office of War Information unter deutschen Kriegsgefangenen. Die Reaktion der befragten Feindhörer auf eine Musiksendung des ABSIE-Senders des OWI war eine positive – eine »Wehrmacht Musical«-Schwerpunktreihe hatte demnach bei den »Nazis« Zustimmungsraten von 80 % und bei »anti-Nazis« 89 %.385 Trug Musik als Propa­gandamedium nun dazu bei, die Gefühle der Hörer anzusprechen und damit die Botschaften des Soldatensenders besser zu »verkaufen«  ? Obgleich die häufig geäußerte These, die der Musik den Status einer Sprache mit eigenem semiotischen Inventar zuspricht, innerhalb der Sprach-, Musik- und Kulturwissenschaft kontrovers diskutiert wird, steht für mich außer Frage, dass Musik in der Lage ist, emotionale Botschaften zu transportieren. Musik kann sich, so Ulrike Voltmer, »in bestimmte Formen kleiden, die dem Ausdruck der Gefühle nahekommen.« Auch wenn »Musik ein andersartiges Zeichenmittel als unsere Verbalsprache ist, […] können doch beide als eine Art ›Zeigehandlung‹ verstanden werden.«386 Propa­ganda, die mit Musik arbeitet, versucht diese oft nicht nur als Lockvogel zur Bindung des Hörers einzusetzen, sondern auch die Zeigefunktion und die emotionsfördernde Wirkung von Musik ideologisch zu instrumentalisieren. Durch das Abspielen von Hymnen oder Militär385 OWI Records of the Historian relating to Overseas Branch, Report on the German Section, 1–47, hier 45. NARA, RG 208, E 6E, B 1. 386 Voltmer, Semiose, 245.



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märschen sollen etwa beim Hörer, also dem einfachen Mann aus dem Volk, bestimmte Gefühle freigesetzt sowie patriotische oder militaristische Denkweisen hervorgerufen werden. George Orwell weist darauf hin, dass sogar er, eine Ikone der undogmatischen Linken und alles andere als ein stiernackiger Militarist, sich der emotionalen Kraft patriotischer und »reaktionärer« Musik nicht entziehen konnte  : I grew up in an atmosphere tinged with militarism […]. To this day it gives me a faint feeling of sacrilege not to stand to attention during »God save the King«. That is childish, of course, but I would sooner have had that kind of upbringing than be like leftwing intellectuals who are so »enlightened« that they cannot understand the most ordinary emotions.387

Musik schafft oder verstärkt daher nicht nur Emotionen, sondern kann den Hörer auch inhaltlich in die vom Propagandisten gewünschte Richtung lenken. Allein die musikalische Gattung kann hierbei schon ein Indikator für die Gesamtbotschaft sein  : Laut Eigendefinition des OSS ist das zuvor untersuchte Lied Kein Kuss, kein Mann, kein Fruehling eine »sentimentale Ballade ohne offenen propa­ gandistischen Inhalt«. Ein eher melancholisches, bisweilen gar düsteres Genre, das sich in unserer Kultur durch viele Generationen hindurch herausgebildet hat und »konnotativen Wert« besitzt. Wie etwa die von Eco zitierten Genres der »kriegerische[n] Musik« oder »spannungserzeugende[n] Musik«388 sendet die von Kuerer dargebrachte Ballade eine emotionale Botschaft aus, die neben dem verbalen Text steht und mit diesem zwar interagiert, aber semantisch nicht zwingend deckungsgleich ist. Durch die zuvor herausgearbeitete bedeutungskonstituierende Kraft der Stimme und die ebenfalls bedeutungskonstituierende Kraft der Musik weist Kuerers vermeintlich unpolitisches Lied daher emotionale Konnotationen wie Erotik oder Defätismus auf. Nachdem bisher vor allem den psychologischen und semiotischen Strategien der Kommunikatoren Raum gegeben wurde, sollen auch ein paar kritische Überlegungen zu Vilma Kuerers performativer Funktion im Rahmen des MUSAC-/Soldatensender-Projekts angeführt werden. Wie setzte sie die Ideen der Programmdirektoren und des Songschreibers bzw. langjährigen Bühnenkollegen Lothar Metzl um  ? Zunächst ist hier die Schablone der weiblichen Verführerin, in die man sie steckte, zu hinterfragen. Die amerikanischen Geheimdienst- und 387 George Orwell, »My Country Right or Left«, in  : Sonia Orwell/Ian Angus (Hgg.), The Collected Essays, Journalism and Letters of George Orwell. Vol. 1 – An Age like This 1920–1940. London  : 1968, 535–540, hier 540  ; »Songs can be bullets«, behauptet Earl Robinson in Fauser, Sounds, 15. 388 Eco, Semiotik, 22.

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Entertainmentexperten kamen angesichts der attraktiven Physis von Vilma ­Kuerer, die ihre gesanglichen Qualitäten offensichtlich ergänzte, zum Schluss, sie als laszive und »verruchte« Nachtklubsängerin, die mit erotischen Anspielungen und »twisted lyrics« das Gift des Defätismus in die Köpfe der Soldaten träufelt, zu typologisieren. Die ausnehmende Schönheit der Künstlerin mag in der Konstruktion dieses stark sexualisierten Rollenbildes und der Produktion des damit verbundenen auf »Gefühlsaufpeitschung berechnete[n] Materials«389 eine gewichtige Rolle gespielt haben. Die Propa­gandaoffiziere des OSS nahmen in diesem Fall ihr weibliches Gegenüber mit physiognomistischen Augen wahr. Die Physiognomik als (ethisch fragwürdige) Lehre von der Isomorphie von Körper und Seele, fußt darauf, dass die körperliche Beschaffenheit eines Menschen Aufschluss über sein seelisches Innenleben, seine Fähigkeiten und seinen Charakter gibt.390 So steht in einer der zuvor zitierten Theaterkritiken über die Protagonistin die vielsagende Phrase »[Kuerer] sings as well as she looks« zu lesen.391 Die deutschen Hörer der Kuerer-Songs konnten – im Gegensatz zu den amerikanischen Theater­besuchern und MUSAC-Planern – in den meisten Fällen jedoch das hübsche Antlitz von Kuerer nicht erblicken, noch konnten sie sich ein ganzheit­liches Bild von ihr machen. Sie hörten nur eine anonyme, gesichtslose Stimme, die sentimentale und melancholische Liebeslieder auf angeblich »verführerische« Art interpretierte. Dies geschah übrigens auf eine etwas weniger schlüpfrige Weise als bei Marlene Dietrich, denn Kuerers »Nachtklub«-Stimme war etwas höher als das rauchige Organ des deutschen Superstars. 392 Mit dem bei der Rundfunkkommunikation obligatorischen Wegfallen der bildlichen Darstellung von Kuerers Körperlichkeit geht aber eine wesentliche bedeutungskonstituierende Komponente dieser Szenerie verloren. Es stellt sich daher die Frage, ob die von den amerikanischen Propagandisten geschaffene Sexbombe Kuerer mit den Codes Text, Musik und Stimmgestaltung bei den deutschen Hörern eine auch nur annähernd so große Wirkung erzielen konnte wie beim amerikanischen Theaterpublikum und ob dies den OSS-Propa­gandamachern auch bewusst war. 2.3.6 Resümee

Der der NS-Mordmaschinerie zum Opfer gefallene Wiener »Brettl-Literat« Jura Soyfer mag weltanschaulich mit den MUSAC-Propa­gandatechnikern der Werbe-

389 390 391 392

Starkulla jr., Propa­ganda, 191. Vgl. Albrecht Schöne, Emblematik und Drama im Zeitalter des Barock. München  : 21964, 52. Waldorf, »Review of Reunion in New York«, 388. Vgl. Dreisse, »Stimmliche Konstruktion«, 87.



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und Unterhaltungsindustrie in den USA393 wohl wenig gemein gehabt haben, als er schon im Jahr 1931 sagte, dass es ihm gleichgültig sei, »ob das, was wir schaffen, Kunst ist oder nicht […]. Wir dienen nicht der Kunst, sondern der Propa­ ganda.«394 Dieses aktionistische und linke Kulturverständnis trifft – natürlich unter anderen ideologischen und gesellschaftlichen Vorzeichen – auch auf die OSS-Tätigkeit Kuerers zu. Wie schon die Abkürzung MUSAC (Musical Action) verrät, strebte das OSS mit seinen schwarzen Radioprojekten nur oberflächlich die Produktion und Popularisierung musikalischer Kunst an. Unter der Oberfläche war man an der von Soyfer beschriebenen politischen und weltanschaulichen Beeinflussung der Rezipienten interessiert. Insofern war Vilma Kuerers gesamte künstlerische Vergangenheit, ihr Engagement in politischen und antifaschistischen Kleinkunstbühnen wie dem »Lieben Augustin« in Wien und der »Arche« in New York konsistent mit ihrem propagandistischen Beitrag zum amerikanischen War Effort. Ihre Musik war demnach eine psychologische Waffe im Krieg der Worte, Klänge und Bilder. Und doch diente Kuerer nicht nur der Propa­ganda, nicht nur dem Pragmatismus der kriegführenden kapitalistischen USA und deren machivaellistischem Kriegsgeheimdienst. Sie war in ihrem Selbstverständnis stets eine Künstlerin geblieben. Eine Künstlerin, die auf den ersten Blick eine ausführende Interpretin, ein schmuckvolles performatives Werkzeug und weniger eine aktive Produzentin der Propa­ganda war. Der Begriff Cabaret, der im Französischen ursprünglich ein Wirtshaus bezeichnete, in dem Autoren ihre Dichtungen vortrugen, fungierte als soziologische Klammer, die ihr früher österreichisches und nunmehr amerikanisches Film- und Kleinkunstpublikum mit den deutschen Propa­gandaadressaten vor dem Radiogerät verband. Sie alle, egal ob sie sich in einer Wiener Kellerbühne voller Zigarettenqualm oder mit der Zigarette im Mundwinkel in einem Schützengraben an der Westfront befanden, wurden von Kuerer unterhalten, ja wollten vielmehr von ihr unterhalten werden. Es dürften neben dem hohen Informationswert der Nachrichten des Soldatensenders Calais vor allem die »belohnenden« Angebote der MUSAC-Songs gewesen sein, welche (trotz aller pessimistischen Anspielungen und all der Seelenfinsternis zwischen den Zeilen) den Hörern zusagten und sie an diese Rundfunkstation banden. Der von den alliierten Propagandisten langfristig erhoffte handlungsleitende Effekt trat allerdings selten ein.395 Und in den Fällen, in denen Landser tatsächlich desertierten, nachdem sie Kuerers Lieder gehört hatten, ist dieser Akt wohl nicht auf Radiopropa­ ganda, sondern auf eine Gemengelage von Motiven, Ereignissen und Stimmun393 Vgl. Mauch, Schattenkrieg, 226. 394 Jura Soyfer, zitiert in Herz-Kestranek et al., In welcher Sprache, 13. 395 Vgl. Shils/Janowitz, »Cohesion«, 315.

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gen zurückzuführen. Winfried Fluck ist zuzustimmen, wenn er behauptet, dass der Rundfunk letztlich nicht das ideale Mittel zur affektiven Aufladung der Menschen, sondern eher ein Informationsmedium und Stimmungsverstärker ist  : [Man] benutzt […] das Radio, um den Tag zu strukturieren und Stimmungshöfe zu schaffen. Der Film produziert starke Emotionen. Das Radio schafft, verstärkt und verlängert Stimmungen.396

Die von den OSS-Strategen als erotischer Todesengel und verführerische Radio-­ Sirene eingesetzte »MUSAC Artist« Vilma Kuerer und ihre Lieder waren ein solcher Verstärker von Stimmungen, jedoch keine Wunderwaffe. Die nur mit gewissen Abstrichen als Widerstandskämpferin zu bezeichnende Exilantin vermochte mit dem »phallischen Attribut der Frau«397, also ihrer Stimme – ihr schöner Schauspielerinnenkörper war ja unsichtbar –, den einen oder anderen Landser zu betören und zu verunsichern. Es gelang ihr aber wohl nur selten, jemand damit zur Desertion oder gar zum offenen Widerstand gegen das Regime zu bewegen. Doch ist auch hier einmal mehr der symbolische und moralische Wert eines solchen Beitrages zum Kampf gegen den Faschismus hervorzuheben  : Die vom OSS nie zur Gänze über die subversive Natur der Operation MUSAC aufgeklärte Sängerin besaß laut Lawrence C. Soley zumindest Kenntnis darüber, dass ihre vermeintlich für die weiße Radiostation Voice of America aufgenommenen Beiträge dem Propa­gandaausstoß der Alliierten dienten.398 Ihre Teilnahme am MUSAC-Projekt entsprang daher vermutlich nicht nur monetären oder pragmatischen Motiven, sondern kann als resiliente Widerstandshandlung im Exil, als Ausdruck des »Anständig-bleiben-Wollens« angesichts des Unrechts, das durch den Nationalsozialismus verursacht wurde, gedeutet werden. Kuerer war daher nur auf den ersten Blick ein schmuckes Werkzeug oder eine von Geheimdienst­ offizieren instrumentalisierte Frau. Auf den zweiten Blick war sie auch eine erfolgreiche Sängerin, die sich mit ihren kreativen, überzeugenden und selbstbewussten Beiträgen zum Propa­gandakrieg eine gewisse künstlerische Autonomie bewahrt und »zum Krieg und zur Katastrophe ihrer Zeit ›nicht geschwiegen‹« hat.399

396 Fluck, »Amerikanisierung«, 37. 397 Dreisse, »Stimmliche Konstruktion«, 87. 398 Soley, Radio Warfare, 125. 399 Zitat nach Hiltrud Häntzschel im Rahmen der Eröffnung von Exil im Krieg (1939–1945) – Jahrestagung der Gesellschaft für Exilforschung e.V. und der Arbeitsgemeinschaft »Frauen im Exil« – vom 27. bis 29. März 2015 in Osnabrück. Siehe hierzu den Sammelband von Häntzschel et al., Exil.

3 Österreicher in den Propa­gandaabteilungen der US-Armee

3.1 Vom ungeliebten Stiefkind zur bedeutenden Auxiliarwaffe im Feld  : Die pragmatische und lebensnahe Propa­ganda der USArmee Nimmt man die schier unüberblickbare Menge an geistigen und medialen Produkten, welche die US-Armee während des Zweiten Weltkrieges im Bereich der psychologischen Kriegsführung produziert hat, zum Maßstab, so gingen die wichtigsten Vertreter des Militärs lange Zeit erstaunlich zögerlich mit der Waffe namens Propa­ganda um. Das ist ein erstaunlicher Befund, denn die Armee der Vereinigten Staaten ist unter den drei in dieser Studie dargestellten Propa­gandainstitutionen die mit Abstand traditionsreichste. Obwohl man in diesem Fall noch kaum von den Taten einer institutionalisierten und regulären US-Armee sprechen kann, hat man auf amerikanischer Seite bereits in den Revolutionskriegen Versuche unternommen, hessische Soldaten, die für die Briten kämpften, mittels Propa­ganda zur Desertion zu bewegen.1 Im Ersten Weltkrieg wiederum hat die Military Intelligence Division der US-Armee unter Federführung von Offizieren wie Heber Blankenhorn aktiv Kampfpropa­ganda gegen die Mittelmächte betrieben. Blankenhorn, im Brotberuf ein Gewerkschaftsjournalist, kommandierte die Propa­ganda-Unterabteilung G-2D beim Stab der amerikanischen Expeditionsstreitkräfte in Europa. Diese aus nur zwei Dutzend Mann bestehende Einheit zeichnete für die Produktion und Verbreitung des ersten US-Kampfpropa­gandaflugblatts im Krieg verantwortlich. Mit einer Auflage von 2.000 Stück richtete es sich an österreichisch-ungarische Soldaten, die in der Nähe des französischen Orts Richecourt gegen die Alliierten kämpften. Das Flugblatt wurde von Letzteren angeblich eifrig gelesen.2 Eine eigene Psychological Subsection analysierte und evaluierte wiederum die Wirkungen der Propa­ gandatexte auf die feindlichen Truppen3 – die 1918 begonnene Arbeit solcher 1

Lyman H. Butterfield, »Psychological Warfare in 1776  : The Jefferson-Franklin Plan to cause Hessian Desertions«, in  : Daugherty/Janowitz, Psychological Warfare Casebook, 62–72. 2 Manning/Romerstein, Historical Dictionary, 28  ; Clayton D. Laurie, »›The Chanting of Crusad­ ers‹  : Captain Heber Blankenhorn and AEF Combat Propa­ganda in World War I«, in  : The Journal of Military History, Vol. 59, Nr. 3, 1995, 457–481, hier 457. 3 George B. Bruntz, »Allied Propa­ganda and the Collapse of German Morale in 1918«, in  : Daugherty/Janowitz, Psychological Warfare Casebook, 96–105, hier 97 f.

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»Moralanalysten« im Dienst der US-Armee wird auch in diesem Kapitel intensiv behandelt werden. Blankenhorn sollte im Zweiten Weltkrieg übrigens ein veritables Comeback als Propa­gandakrieger erleben. Doch trotz der gesammelten Erfahrungen und Teilerfolge in Bezug auf psychologische Kriegsführung im Feld hatte Propa­ganda als Kommunikationstechnik in den folgenden zwei Jahrzehnten einen schweren Stand in den USA. Im militärischen Bereich gab es dafür materielle und strukturelle Gründe  : Da die in der Zwischenkriegszeit chronisch unterfinanzierte und schlecht ausgerüstete US-Armee4 in der Frühphase des Zweiten Weltkriegs sich mehr mit der existenziellen Frage der Wiederaufrüstung und Massenmobilisierung als mit der scheinbar unwichtigen Frage der Propa­ganda befasste, überließ sie das Feld der psychologischen Kriegsführung zunächst weitgehend den zivilen Institutionen  : nämlich dem OWI und dem OSS.5 Doch wirkten sich hier nicht nur die wirtschaftlichen und militärstrategischen Zwänge ungünstig aus. Wie bereits im Kapitel über die Entstehung des OWI dargelegt, gab es auch starken gesellschaftlichen Widerstand gegen jeglichen staatlich sanktionierten Einsatz von Propa­ganda. In den Augen vieler Amerikaner pervertierten die teils offen rassistischen antideutschen Hetzkampagnen des – zivil gelenkten und für Inlandspropa­ganda zuständigen – Committee of Public Information während des Ersten Weltkriegs die idealistischen und moralisch hochtrabenden Grundsätze der Präsidentschaft Woodrow Wilsons. Das Wort Propa­ganda war seitdem »beschädigt« und im gesellschaftspolitischen Diskurs der Nach- und Zwischenkriegszeit zum Reizwort geworden. Als die Nationalsozialisten in den 30er-Jahren den Propa­gandabegriff offensiv für sich in Anspruch nahmen und sogar ein ganzes NS-Ministerium danach benannten, wuchs dieses Misstrauen umso mehr. Im historischen Bericht der Propa­gandaabteilung der 12. Armeegruppe wird mit klagendem Unterton darüber berichtet, dass Propa­ganda in der amerikanischen Gesellschaft vor dem Zweiten Weltkrieg generell als »outlaw« und als »malignant factor in life, whether during peace or war« betrachtet wurde.6 Das breite Misstrauen gegenüber diesem wenig erprobten Instrument der Kriegsführung kam dem tief verwurzelten Konservativismus vieler Militärs und ihrer ablehnenden Haltung gegenüber jeglicher Neuerung natürlich entgegen  : Warum sich die Finger verbrennen mit einer Kriegswaffe, die kaum bekannt, kaum erprobt und noch dazu allgemein unbeliebt ist  ? Es gehörte damals zum inhaltlichen Mainstream der US-Streitkräfte, Propa­ ganda nicht als geistige und sozialkommunikative Waffe zu betrachten, welche 4 Vgl. Traussnig, Militärischer Widerstand, 27 f. 5 Laurie, Warriors, 104. 6 Headquarters 12th Army Group, History  : Publicity and Psychological Warfare, 12th Army Group, January 1943–August 1945, 20. NARA, RG 331, E 194, B 3, hier 2.



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die konventionelle militärische Kriegsführung unterstützte – oder in manchen Fällen sogar ersetzte –, sondern in ihr mehr eine lästige zeitgeistige Erscheinung zu sehen, die den Erfolg im Krieg eher behindert als beschleunigt. Letztlich interessierten sich die meisten Offiziere für praktischere, unmittelbarere und greifbarere Dinge als Propa­ganda.7 Und selbst dann, wenn Propa­ganda sich im Einsatz bewährte, zog dies nicht automatisch Anerkennung nach sich. So zitiert ein 1942/43 in Nordafrika eingesetzter Propagandist und OWI-Mitarbeiter die schroffen Worte eines ranghohen Kommandeurs, die Letzterer an eine vor Ort tätige Kampfpropa­gandaeinheit der US-Armee gerichtet hatte  : Look, you confetti soldiers  ! I’ve had this division for 20 months teaching them how to kill the enemy with rifles, machine guns, hand grenades and mortars. You’ll ruin their morale if you show them how prisoners can be taken with little pieces of paper. Why don’t you go and cut your paper dolls back in Algiers  ?8

Neben der allgemeinen Skepsis gegenüber dem Einsatz von psychologischer Kriegsführung gab es auch zwischenmenschliche Gründe und soziologische Faktoren, die diese Haltung noch verstärkten  : Viele Offiziere der westalliierten Invasionsstreitkräfte in Europa, darunter einflussreiche Figuren wie General Eisenhowers knorriger Stabschef Walter Bedell Smith, stuften die Propa­gandakrieger als »exzentrische Primadonnen« und »verrückte Randgruppe« ein9 (vielfach taten sie das nicht ganz zu Unrecht). Als Propagandist hatte man also beim amerikanischen Militär in der Frühphase des Krieges wahrlich keinen leichten Stand  : Zwar hatte das War Department bereits Ende 1940, also ein Jahr vor Kriegseintritt, eine Studie über Propa­ganda als »little understood weapon in war« ausarbeiten lassen. Doch wurde diese nicht – wie ursprünglich geplant – als Grundlage oder »field manual« für anstehende Operationen verwendet, sondern wegen der damals vorherrschenden militärischen Prioritäten und der für Propa­ganda ungünstigen Meinungslage für etwaige »zukünftige« Maßnahmen auf die lange Bank geschoben.10 Mitte 1941 – zeitgleich zur Gründung des zivilen Coordinator of Information (des späteren OSS) als erster zentraler, auch Propa­ganda betreibender Geheimdienst – kam es dann doch zu konkreten Schritten auf dem wenig bekannten Terrain der psychologischen Kriegsführung. Auf Betreiben von Propa­ gandavorreitern wie dem Assistant Secretary of War, John McCloy, gab Gene 7 Laurie, Warriors, 145.  8 Margolin, Paper Bullets, 93.   9 Klaus-Dietmar Henke, Die amerikanische Besetzung Deutschlands. München  : 21996, 302. 10 Military Intelligence  : Propa­ganda, with foreword of Mjr. P.M. Robinett, General Staff. NARA, RG 165, E 207, B 269  ; vgl. Laurie, Warriors, 145 f.

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ralstabschef George C. Marshall das Plazet zur Errichtung einer geheimen (und unbedeutenden) »Special Study Group« für psychologische Kriegsführung. In der Folge wurde eine Reihe von – innerhalb der militärischen Sphäre nur halbherzig unterstützten – »Psywar«-Abteilungen und -Komitees geschaffen. So wurde in der mittlerweile neu aufgestellten und verschlankten Military Intelligence Division (MID/G-2)11 1942 eine Psychological Warfare Branch (PWB/G-2) – nicht zu verwechseln mit den letztlich viel bedeutenderen operativen »PWB«-Einheiten im Feld – eingerichtet. Diese erwies sich aber ebenfalls als kurzlebig und zahnlos.12 Während die US-Armee im Zuge der alliierten Invasion in Nordafrika versuchte, die Kontrolle über die hauptsächlich von OWI- und OSS-Zivilisten produzierte Kampfpropa­ganda zu erlangen, schuf das War Department in den USA im Dezember 1942 die sogenannte First Combat Propa­ganda Company. Aufgestellt und ausgebildet im nachrichtendienstlichen Ausbildungslager Camp Ritchie, bestand diese Einheit aus den je 40-köpfigen »First and Second Broadcast Station Operating Detachments«. Die in dieser Form völlig neuartige Truppe produzierte taktische Frontpropa­ganda und bildete den Prototyp für künftige Operationen auf der Ebene der einzelnen »Armies« im Feld. Dies markierte einen riesigen Schritt in Richtung Professionalisierung der militärischen Propa­gandaausbildung. Kurz darauf zeigte sich aber noch einmal die Vorherrschaft der zivilen Propa­ gandainstitutionen in- und außerhalb der USA  : Der Generalstab verfügte nämlich, dass ausschließlich das OSS für Planung, Koordination und Durchführung der militärischen psychologischen Kriegsführung verantwortlich zeichnet. Die First Combat Propa­ganda Company war nun also nicht mehr der US Army, sondern dem OSS unterstellt. Mit ihren oft hochgradig politischen und ideologisch mitunter irrlichternden Aktivitäten bereiteten die zivilen Propagandisten des OSS (und vor allem jene des linksliberal ausgerichteten OWI) den bodenständig-konservativen Militärs ziemliches Unbehagen – auf Betreiben von George Strong, einem G-2-Stabsoffizier, und Leuten wie Robert A. McClure, seines Zeichens Chef der Abteilung Information, News and Censorship des alliierten Hauptquartiers in Nordafrika, wurde die Führungsrolle des OSS deshalb bald zugunsten des War Department und der US-Armee zurückgedrängt. Somit stand die First Combat Propa­ganda Company im Frühjahr 1943 wieder unter militärischer Kontrolle.13 Später unter dem Namen First Mobile Radio Broadcasting Company (1st MRBC) bekannt geworden, griff diese Kompanie aktiv in die nordafrikanisch-­ südeuropäischen Kämpfe mit den Achsenmächten ein. In Italien sollten einige Mitarbeiter der 1st MRBC später auch im Psychological Warfare Combat Team 11 Vgl. Traussnig, Militärischer Widerstand, 95 f. 12 Laurie, Warriors, 145–149. 13 Ebd., 148 f. und 155–157.



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der 5. US-­Armee (PWB/5th Army) dienen. Die Erfahrungen der 1st MRBC im Einsatz dienten als wichtige Grundlage für die Ausbildung der künftigen Propa­ gandakompanien, die nach der Invasion in der Normandie im Juni 1944 im Feld eingesetzt wurden.14 Mit der Einrichtung einer eigenen militärischen Ausbildungsstätte für psychologische Kriegsführung in Camp Sharpe, Pennsylvania, hatte man endgültig die strukturellen und personellen Weichen für breit angelegte und ambitionierte Kampfpropa­gandaaktivitäten gestellt.15 Letztendlich gelang es der US Army gegen Ende des Krieges, die von ihr weitgehend dominierten Propa­gandaabteilungen namens Psychological Warfare Branch/ Allied Forces Headquarters (PWB/AFHQ, 1942/43 am südeuropäischen Kriegsschauplatz implementiert) und Psychological Warfare Division/Supreme Headquarters Allied Expeditionary Force (PWD/SHAEF, 1944 im Vorfeld der Landung und der Offensive in Nordwesteuropa als interalliierte Dachorganisation geschaffen) als die zentralen und übergeordneten sowie explizit militärisch geführten Instan­ zen für sämtliche Formen der Kriegspropa­ganda zu positionieren.16 Obwohl PWB/AFHQ und PWD/SHAEF britisch-amerikanische Gemeinschaftsprojekte waren, stellten die Amerikaner in beiden Organisationen das Gros des Personals und der Ressourcen und hatten eine dementsprechend hegemoniale Stellung inne. Nachdem das US-Militär schließlich die Vorherrschaft über alle Aspekte der psychologischen Kriegsführung an den europäischen Kriegsschauplätzen erlangt hatte, nutzte es die Propa­ganda als sehr pragmatische Auxiliarwaffe im Feld.17 Spät, aber doch trat also die US-Armee als zentraler, koordinierender und inhaltlich prägender Akteur auf, der im europäischen Kampfgebiet auch die Mitarbeiter der beiden zivilen Propa­gandainstitutionen OWI und OSS weitgehend seiner Kontrolle unterstellte. Dies brachte mit sich, dass die zuvor von zivilen US-Propagandisten sehr betonten politischen, ideologischen bzw. anarchisch-subversiven Inhalte zunehmend lebensnäheren Themen wichen und die Kampfpropa­ganda auf die Individualsphäre und Alltagssorgen der feindlichen Soldaten stärker einging.

14 Vgl. Headquarters First Mobile Radio Broadcasting Company, US Army, Unit Historical Report, 9 October 1944. NARA, RG 407, E 427, B 18468. 15 Zu Camp Sharpe siehe Beverly D. Eddy, Camp Sharpe’s »Psycho Boys«. From Gettysburg to Germany. Bennington, VT  : 2014. 16 Lerner, Sykewar, 47–51. 17 Laurie, Warriors, 143.

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3.2 Artillerist im Pazifik, »Ritchie Boy« in den Bergen Marylands und Experte für die »Feindmoral« an der Westfront – Jacob Tennenbaum If knowledge of his target is a primary requirement for the propagandist, then propa­ ganda intelligence is one of its most important tools. Especially is this true during a war, when even the most expert propagandist is cut off from his normal sources of information. Daniel Lerner, Chief Editor der Intelligence-Abteilung der Psychological Warfare Division/SHAEF 18 Wo haben die Kerle ihre Informationen her  ? Hanuš Burger, US-Propagandist an der Westfront, zitiert die Reaktion deutscher Hörer auf anglo-amerikanische Radiosendungen19

Die historischen Spuren, die der 1917 in Wien geborene Unternehmer, Exilant und US-Soldat Jacob Isaac Tennenbaum der (europäischen) Nachwelt hinterlassen hat, sind rar. Die vorhandenen Quellen20 reichen aber aus, um zu behaupten, dass dieser hierzulande völlig unbekannte Mann während des Krieges einer der produktivsten österreichischen Mitarbeiter des US-Propa­gandaapparates war. Auf den folgenden Seiten werden wir uns vor allem auf die nachrichtendienstlichen Beiträge dieses Vertriebenen, der es vom ehemaligen Nähmaschinenhändler zum Chief of Intelligence der Propa­gandaabteilung der ersten US-Armee gebracht hat, konzentrieren. Während die anderen Protagonisten dieser Studie eher als Propa­ gandaproduzenten (Autoren, Redakteure, Zeichner, Sprecher usw.) definiert werden können, handelt es sich bei Tennenbaum um einen »Zuarbeiter« der Propa­ ganda  : Als Nachrichtenoffizier an der Westfront hatte er jene Informationen zu beschaffen, die nötig waren, um effektive und qualitativ überzeugende Propa­ 18 Lerner, Sykewar, 94. 19 Hanuš Burger, Der Frühling war es wert. Erinnerungen. Frankfurt am Main, Berlin und Wien  : 1977, 197. 20 Im Zuge des seit März 2015 laufenden, gemeinsam mit Robert Lackner durchgeführten ACIPSS-Projekts »Österreichische Exilanten im Nachrichtendienst der US-Armee. Eine kollektive Kriegsbiografie der ›Ritchie Boys‹« (finanziert vom Jubiläumsfonds der Österreichischen Nationalbank und dem Österreichischen Zukunftsfonds, geleitet von Siegfried Beer) haben wir in den US-Nationalarchiven (NARA) in College Park, Maryland, und St. Louis, Missouri, sowie in der Sammlung der Hoover Institution in Stanford/Palo Alto, Kalifornien neue Archivmaterialien zu Jacob Tennenbaum gefunden, die nicht mehr zeitgerecht in dieses Buch eingearbeitet werden konnten. Ein überarbeiteter Beitrag zu Tennenbaums Tätigkeit wird daher Teil dieser kommenden Buchpublikation sein.



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gandakommunikate für die Soldaten der feindlichen Wehrmacht zu produzieren. Wie dieses Kapitel zeigen wird, ist die Tätigkeit der Nachrichtenbeschaffung für die Propa­gandaproduktion fast ebenso wichtig wie die der eigentlichen Propa­ gan­disten, welche für die Gestaltung des Propa­gandaoutputs verantwortlich sind. In seiner Heimatstadt Wien war Tennenbaum bis zur Machtübernahme der Nationalsozialisten im »importing & exporting business« tätig und handelte mit Nähmaschinen und Nähmaschinenzubehör.21 Nach dem »Anschluss« flüchtete er wegen seiner jüdischen Religionszugehörigkeit 21-jährig aus Österreich und schiffte sich im Oktober 1938 nach New York ein.22 In New York fand Tennenbaum zunächst als Expedient (»Stock Clerk«) Arbeit, bis er im Februar 1941, also bereits vor dem Kriegseintritt der USA, in die Armee einrückte.23 Im Militär stieg Tennenbaum, der zunächst im Coast Artillery Corps (CAC) diente, vom einfachen Private rasch zum Unteroffizier auf. Zwischen Oktober 1942 und April 1943 nahm er mit seinem Regiment an der Seite der elitären 1. und 2. Marine­ infanteriedivision der US Navy an den blutigen Inselschlachten gegen die japanischen Streitkräfte im südpazifischen Raum teil. Im Oktober 1942 landete Tennenbaum mit seinem Regiment in der Gefechtszone bei der (militärhistorisch zu einiger Berühmtheit gelangten) Insel Guadalcanal.24 Als »Instrument Sergeant« war er unter anderem für »fire control instruments« und für Aufklärungsaufgaben (Reconnaissance) zuständig – eine Tätigkeit, die ihm später als Intelligence- und Propa­gandaoffizier noch zugutekommen sollte  ! So assistierte er vor dem Einsatz dem jeweiligen Reconnaissance Officer bei Beobachtungsflügen über dem Operationsgebiet. Im einschlägigen Coast Artillery Journal berichtete er über seine »Feuertaufe« und die erfolgreiche »Befriedung« des geostrategisch wichtigen Flugplatzes Henderson Airfield und anderer heftig umkämpfter Gebiete bei Guadalcanal. Er beschreibt darin, wie das japanische Artilleriefeuer »das Bild wunderbarer Kokosnussplantagen in eine düstere Realität, bestehend aus Krieg und Blut«, verwandelte.25 21 Training Records of the Military Intelligence Training Center, Camp Ritchie, Maryland, 1942 – 1946, Personal History Card of Jacob I. Tennenbaum, ASN 01081764. NARA, RG 165, E 206, B 50. 22 Passenger List S.S. Ile de France to New York, Arrival 7 October 1938. NARA, Records of the Immigration and Naturalization Service, Passenger and Crew Lists of Vessels Arriving at New York, New York, 1897–1957, MS T715, MR 6230, L 16, P 132, in  : http://www.ancestry.com/ (letzter Zugriff  : 22.6.2012). 23 US Army WW II Enlistment Record of Jacob I. Tennenbaum, ASN 32005751. NARA, RG 64, in  : https://aad.archives.gov/aad/index.jsp (letzter Zugriff  : 4.2.2012). 24 Zum »heroische[n] Kampf um Guadalcanal« siehe Keegan, Weltkrieg, 425–446. 25 Jacob I. Tennenbaum, »Combat on Guadalcanal. Instrument Sergeant’s Story«, in  : Coast Artillery Journal, Vol. 86, September–October 1943, 19 f., hier 19.

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Sergeant Tennenbaum war also nicht nur ein aufstrebender Unteroffizier, sondern auch in der Lage, eine gut lesbare (und möglichst spektakuläre) Darstellung des militärischen Geschehens zu verfassen. Nach dem Kampfeinsatz im Pazifik war die Entsendung des sprachlich und intellektuell begabten Österreichers in die Coast Artillery Officer Candidate School in Fort Monroe, Virginia, die er im Herbst 1943 als 2nd Lieutenant abschloss,26 ein logischer Schritt. Die bei der Artillerie erworbenen Erfahrungen und Fähigkeiten im Bereich der militärischen Aufklärung sollten neben seinen Deutschkenntnissen mit ausschlaggebend dafür sein, dass er sich im November 1943 in einem geheimen Ausbildungslager des War Department wiederfand, dessen illustre Rekruten für den geheimdienstlichen und propagandistischen Kampf gegen die Wehrmacht ausgebildet wurden. Am Ende seiner artilleristischen Laufbahn hatte es Tennenbaum zum Headquarters Battery Officer der 214th Anti-Aircraft Artillery Group, Hq&Hq Battery gebracht27 und die amerikanische Staatsbürgerschaft erlangt.28 3.2.1 Camp Ritchie – Nachrichtendienstliches Kreativlabor und babylonischer Turm der exileuropäischen Intelligenz

Für Jacob Tennenbaum und viele andere junge europäische Flüchtlinge im US-­ Kriegsdienst war nicht nur – wie sonst üblich – die Zugehörigkeit zu einem kämpfenden Truppenkörper, sondern auch die Ausbildung in einem ungewöhnlichen, geheimen und mythenumwobenen Ausbildungslager der US-Armee ein prägendes Erlebnis ihrer Militärlaufbahn. Es handelt sich hierbei um Camp Ritchie, ein im Zweiten Weltkrieg wohl singuläres Ausbildungslager des militärischen Nachrichtendiensts der US-Armee. Die Soldaten, die dieses »Kreativ­ labor«29 durchliefen, fühlten sich oft als Teil einer geheimnisvollen Elite, die sich an einem nicht minder geheimnisvollen Ort befand.30 Dieses Bewusstsein schuf unter den Kameraden von Camp Ritchie eine Art »Standesbewusstsein«, das sich

26 Pay Roll, Final Payment for Enlisted Men, October 1943, Coast Artillery School, Ft. Monroe, Virginia, Class #26, Tennenbaum J., 21.10.1943. NARA, NPRC, Military Personnel File of Jacob I. Tennenbaum, ASN 32005751. 27 Training Records MITC, Personal History Card J. Tennenbaum. 28 Petition for Naturalization of Jacob I. Tennenbaum, U.S. District Court, New York City, Nr. 5318482, 24.5.1943. NARA, Northeast Region, Index to Petitions for Naturalization filed in Federal, State, and Local Courts located in New York City, 1792–1989, in  : http://www.ancestry. com/ (letzter Zugriff  : 22.6.2012). 29 Doris Griesser, »Die Geschichte der fabelhaften Ritchie Boys«, in  : Der Standard, 26.8.2015, 32. 30 Vgl. Michael Schetsche, »Das Geheimnis als Wissensform. Soziologische Anmerkungen«, in  : Journal for Intelligence, Propa­ganda and Security Studies ( JIPSS), Vol. 2, Nr. 1/2008, 33–50, hier 34.



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in der Regel wie ein roter Faden durch ihre Kriegslaufbahn zog.31 Bevor wir der Natur dieses geheimnisvollen Camps näher auf den Grund gehen, ist ein kurzer Blick auf die Vorgeschichte dieses Lagers hilfreich. Hier spielte die strategische Lage der USA nach Kriegseintritt eine wichtige Rolle  : Die lange vorbereitete und mehrmals aufgeschobene zweite Front der Alliierten in Europa, die den Beginn des anglo-amerikanischen Hauptangriffs auf das deutsche Kernland markierte, stellte den amerikanischen Generalstab nicht nur vor materielle und logistische, sondern auch vor enorme personelle Herausforderungen. Handlungsbedarf bestand hierbei vor allem im Intelligence- und Propa­gandasektor. Die Organe des militärischen Nachrichtendienstes G-2 hatten die Aufgabe, durch Luftaufklärung, Feldbeobachtung, Kryptoanalytik, Funkaufklärung, Spionage sowie durch Kriegsgefangenenbefragungen möglichst viele Fakten und Daten aus dem deutschen Lager und jegliches Wissen, das die Kampfhandlungen zugunsten der US-Armee beeinflussen könnte, zu beschaffen  : Military intelligence involves »the gathering, analysis, protection, and dissemination of information about the enemy, terrain, and weather in an area of operations or area of interest … during peacetime and in war.« It develops »evaluated information concerning the strength, activities, and probable courses of action of foreign countries or nonstate actors that are usually […] enemies or opponents.«32

Es gab jedoch in der Frühphase der US-Kriegsführung de facto keine nennenswerten militärisch geschulten Armeekader, die a) der Sprache des Feindes, also des Deutschen, mächtig waren und b) gleichzeitig über das erforderliche nachrichtendienstliche und/oder propagandistische Wissen für den geheimdienstlichen und psychologischen Kampf gegen die Wehrmacht verfügten. Wer sollte die Tausende von deutschen Kriegsgefangenen auf militärisch relevante Informationen hin verhören, die nach der Invasion in Europa zu erwarten waren  ? Wer sollte die deutschsprachigen Propa­gandaflugblätter verfassen, um die Kampfmoral des Gegners zu unterminieren  ? Von Juli 1942 bis Anfang 1945 wurden daher von der Military Intelligence Division (MID) in einem idyllisch gelegenen Camp in den Blue Ridge Mountains in Maryland über 2.600 deutschsprachige Soldaten für die Befragung deutscher Kriegsgefangener sowie eine Reihe von anderen nachrichtendienstlichen und propagandistischen Tätigkeiten ausgebildet.33 Diese meist 31 Hans Habe, Ich stelle mich, 432. 32 David F. Trask, »Military Intelligence«, in  : James C. Bradford (Hg.), A Companion to American Military History. Bd. 2. Chichester  : 2010, 695–708, hier 695. 33 Rafael A. Zagovec, »›The Mind of the Enemy‹. Kriegsgefangenenverhöre und die Moralanalysen der westalliierten Aufklärung«, in  : Günter Bischof/Stefan Karner/Barbara Stelzl-Marx (Hgg.),

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vor dem Nationalsozialismus geflohenen Deutschen und Österreicher erfüllten zumindest eines der zwei oben genannten Desiderate  : Sie kannten die Sprache (und auch die Mentalität und Kultur) des Feindes.34 Indem das War Department diese jungen Männer, die meisten von ihnen Angehörige der (jüdischen) Generation Exo­dus,35 zu Tausenden in ein geheimnisumwobenes nachrichtendienstliches Camp lotste und dort mit großem Aufwand ausbildete, verfügten die USA in den letzten beiden Kriegsjahren über ein militärisch wertvolles Personalreservoir, das sie auch dementsprechend einsetzten. Diese exileuropäischen Intelligence-Experten dienten später in den Reihen des Armeenachrichtendienstes Military Intelligence Service (MIS), der im Zuge einer allgemeinen Militärreform im März 1942 als operativer Arm der MID installiert worden war, oder in verschiedenen Propa­ gandatruppen. Ohne diese großteils als Verhörsoldaten dienenden Deutschen und Österreicher wäre es den Alliierten letztlich unmöglich gewesen, aus den unzähligen deutschen Kriegsgefangenen (und Zivilisten) jene »Human Intelligence« und jene Informationen zu extrahieren, die nicht selten über Erfolg und Misserfolg bzw. über Leben und Tod am Schlachtfeld entschieden und zum Gelingen von so mancher Flugblattkampagne beigetragen haben. Das vielen Beteiligten nicht nur als ungewöhnliches Armeelager, sondern auch als babylonisches Sammelbecken der exileuropäischen Intelligenz in Erinnerung gebliebene, am Ufer eines malerischen Sees gelegene Military Intelligence Training Center (MITC) Camp Ritchie war während des Zweiten Weltkriegs zweifellos einer der interessantesten, buntesten und »schrägsten« Orte der USA. Das Lager beherbergte bis 1945 über 15.000 Soldaten, die aus verschiedenen Nationen stammten.36 Die Memorialliteratur und die mündlichen Quellen zu diesem militärisch und exilsoziologisch relevanten Gedächtnisort sind reich an Kuriosa und AnekdoKriegsgefangene des Zweiten Weltkrieges. Gefangennahme – Lagerleben – Rückkehr (= Kriegsfolgen-­ Forschung, Bd. 4). Wien und München  : 2005, 267–286, hier 279. Zu Camp Ritchie siehe Bauer/ Göpfert, Ritchie Boys, sowie Robert Lackner/Florian Traussnig, »The US Army’s Creativity Lab  : Camp Ritchie and its Austrian Trainees in World War II«, in  : Journal for Intelligence, Propa­ganda and Security Studies ( JIPSS), Vol. 9, Nr. 2/2015, 7–23. 34 Siehe exemplarisch  : Interview Margarete Joseph with Alfred Diamant, vermutlich 6.6.2004. Library of Congress, American Folklife Center, Veterans History Project, Alfred Diamant Collection (AFC/2001/001/4944). 35 Laqueur, Generation Exodus, 83. 36 John P. Finnegan erwähnt eine Gesamtzahl von 19.669 Ritchie-Absolventen. John P. Finnegan, Military Intelligence, A Picture History. Arlington  : 1985, 70  ; in den Unterlagen des MITC wird an einer Stelle behauptet, dass sich die Summe aller »Graduates«, i. e. derjenigen, die die verschiedensten Klassen (IPW, Order of Battle etc., CIC-Absolventen nicht inkludiert) erfolgreich absolviert haben, auf 15.564 beläuft. Training Records MITC Camp Ritchie, Appendix XIX. Summary of Students Satisfactorily Completing MITC Courses of Instruction. NARA, RG 165, E 207, B 250.



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ten.37 Als positiv besetzter, »anderer« Raum war das MITC Camp Ritchie inmitten der Lagerlandschaft des geografisch breit gestreuten Disziplinierungsapparats der US-Armee ein vergleichsweise liberaler und verspielter Ort. Der später als Kommunist bekannt gewordene »Ritchie Boy« Hanuš Burger, der in diesem Camp einen »Ausdruck der verspielten, oftmals naiven, öfters infantil primitiven, aber stets pragmatischen Natur der Amerikaner« sah,38 blickt in seiner nicht immer ganz faktentreuen Biografie mit kernigen Worten auf die Zeit in Camp Ritchie zurück  : In dieses Camp […] wurde man aufgenommen, wenn man irgendwelche Sprachen Europas halbwegs passabel meisterte. Es wimmelte hier also nicht nur von Ex-Deutschen, Ex-Österreichern, Ex-Franzosen und -Italienern, sondern die Lochkartenmaschinen des Pentagon hatten darüber hinaus alle ausgespuckt, die diese Sprachen aus den verschiedensten Gründen irgendwann gelernt hatten. Ausser Emigranten konnten also ebensogut Ur-Amerikaner hierher verschlagen werden, Universitätsdozenten zum Beispiel, die Germanistik lehrten und Spezialisten für Walther von der Vogelweide waren, oder Hotelportiers, die fünfundzwanzig gängige Sätze in vier verschiedenen Sprachen beherrschten, die mit ihrem Beruf zusammenhingen. Lochkarten sind da unparteiisch.39

In einem achtwöchigen Kurs, der laut dem deutsch-jüdischen Emigranten Guy Stern »straffer war als je in der Schule oder Universität«, wurden die zukünftigen Intelligence-Offiziere, Verhörsoldaten und Übersetzer »in den verschiedensten Arbeitsmethoden militärischer Aufklärung« instruiert.40 Der Kurs war nicht nur für Nachrichten- bzw. Verhöroffiziere, sondern auch für zukünftige Propagandisten (die über ein möglichst exaktes Wissen über den Feind, seine Ideologie, seine Rede- und Denkweise verfügen sollten) relevant und »vermittelte ein solides Grundwissen über die deutsche Armee, das sich von der Uniformkunde über taktische Zeichen bis hin zu den gebräuchlichen Marschliedern erstreckte. Lektionen zu Verhörtechniken, beispielsweise dem Vermeiden von Suggestivfragen, und zahlreiche Übungsverhöre schlossen sich an. Die sprachlichen Ausbildungsinhalte – Dialektkunde, ›Landserjargon‹ etc. – waren auf hohem Niveau angesiedelt und setzten offenbar bei den Schülern eine intensive Kenntnis des Deutschen voraus.«41 37 Siehe hierzu Hans-Jürgen Fink/Michael Seufert, Georg Kreisler. Gibt es gar nicht. Die Biographie. Frankfurt am Main  : 2005. 38 Burger, Frühling, 133. 39 Ebd.; vgl. Guy Stern, »In the Service of American Intelligence  : German-Jewish Exiles in the War against Hitler«, in  : Leo Baeck Institute Year Book 37, 1992, 461–477, hier 463. 40 Guy Stern, zitiert in  : Bauer/Göpfert, Ritchie Boys, 54. 41 Zagovec, »›The Mind of the Enemy‹«, 279.

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In Camp Ritchie wurden die Intelligence-Soldaten vor allem in der Kriegsgefangenenbefragung (i. e. IPW, Interrogation of Prisoners of War) ausgebildet. Rafael Zagovec behauptet, dass die deutschen »Kriegsgefangenen als Informationsträger und Repräsentanten ihrer nationalen Gesellschaft« fungierten und ihre Befragung durch eigens ausgebildete Verhörsoldaten tiefe »Einblicke in die gegnerische Gesellschaft als Ganzes« und in den »Geist des Feindes« zuließen.42 Doch bevor sie in diese Materie eintauchen und »zur massenhaften Vernehmung kriegsgefangener Angehöriger der Wehrmacht und der Waffen-SS«43 schreiten durften, mussten die IPW-Studenten in Maryland die erlernten Verhörmethoden an Deutsch sprechenden Soldaten, welche Kriegsgefangene der Achse imitierten (und von Kameraden als »Meerschweinchen« bezeichnet wurden), üben.44 Auch eine ganze Reihe von weiteren nachrichtendienstlichen Fertigkeiten, wie der Unterricht in der »German Order of Battle, [i. e.] der Aufschlüsselung aller deutschen Divisionen, auf die wir treffen konnten«,45 oder im Auswerten von Luftbildern (eine Tätigkeit, die dem mit der aviatischen Aufklärung bestens vertrauten Artilleristen Tennenbaum bekannt war), stand in Camp Ritchie auf der Tagesordnung.46 Wie die allgemeine »collection, evaluation, and dissemination of military intelligence«47 den Schülern nähergebracht wurde, schildert Burger anhand eines griffigen Beispiels  : In einer Sonderbaracke lagerten zentnerweise erbeutete Dokumente, Briefe, Landkarten und Ausrüstungsstücke. Hier wurde unterrichtet, wie man solches Fallobst des Schlachtfeldes ausdeutet, auswertet und archiviert. […] [Dazu gehörte] eine dicke Broschüre, in der man nachschlagen konnte, wie der deutsche Abschnittskommandeur von St. Sauveur in der Normandie hieß, wie lange er im Dienst war, ob ihn seine Mannen schätzten und warum, ob er verheiratet, ein lauer oder scharfer Nazi war. […] Aber was konnte sich alles geändert haben, bis wir selbst in Frankreich landen würden  !48

Neben dem Basiskurrikulum mit dem Hauptbereich Verhörtechniken gab es weitere Schwerpunkte und Inhalte wie Counterintelligence (militärische Abwehr), Signal Communication, Verarbeitung von erbeuteten Feinddokumenten 42 43 44 45 46 47

Ebd., 269 und 286. Ebd., 268 f. Vgl. Bauer/Göpfert, Ritchie Boys, 68–73. Guy Stern, zitiert in  : Bauer/Göpfert, Ritchie Boys, 54. Vgl. Burger, Frühling, 134 f. Mjr. Gen. C. Bissell, Memorandum for the Commandant, MITC, Policy Directive, 20.3.1944, 1–5, hier 1. NARA, RG 165, E 207, B 84. 48 Burger, Frühling, 135  ; vgl. Stern, »Service«, 463.



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usw.49 Auch Nahkampftechniken sowie die Verwendung von Faustfeuerwaffen und Handgranaten wurden geübt.50 Der im Juni 1944 als Verhöroffizier mit der 82nd Airborne Division in der Normandie abgesprungene Deutsche William Katzenstein behauptet, dass er in Ritchie »numerous ways to think on my feet« kennengelernt hatte  : und zwar vom Fliegen in einem Piper-Cup-Flugzeug bis zum Anfertigen einer improvisierten Landkarte.51 Der Wiener Marcel Prawy, der später zum Kulturoffizier der Besatzungsbehörden in Österreich und zum beliebten Opernjournalisten aufsteigen sollte, war auch Schüler des MITC gewesen, bevor er dauerhaft zu unverfänglicheren Entertainment-Tätigkeiten abkommandiert wurde. Er erinnert sich an eine Feldübung, die »eight days problem« genannt wurde und bei der die »irgendwo ausgesetzten« Soldaten mittels eigens aufbereiteter Landkarten und anderer Orientierungshilfen einen »deutschen« Ort in der Umgebung erreichen sollten.52 Besonders für spätere Frontpropagandisten wie Tennenbaum war es hilfreich, dass man sich im Camp »objektiv mit den Mentalitäten der Menschen [in Deutschland und Österreich]« auseinandersetzte.53 »Vermutlich«, so der österreichische Ritchie-Absolvent Joseph T. Simon, »wußte der durchschnittliche Kursbesucher in Ritchie mehr über das deutsche Heer als die meisten deutschen Offiziere und Soldaten.«54 Der bereits kampferfahrene Jacob Tennenbaum, der wie viele seiner exilöster­ reichischen Kameraden in Camp Ritchie der Personalkategorie 5(A), i. e. IPW German, zugeteilt wurde, absolvierte an der Seite von militärisch wesentlich unerfahreneren »grünen« Rekruten, die kurz zuvor oft noch Zivilisten gewesen waren, die 14. Klasse des MITC. Nicht die militärischen Hierarchien, sondern die Kenntnis der Sprache des Kriegsgegners sowie analytische oder propagandistische Spezialkompetenzen waren entscheidend für die Zusammensetzung der einzelnen Klassen.55 In den Akten der MID/MIS scheint Tennenbaum als erfolgreicher Schüler auf. Eine nach dem Krieg erstellte Liste von IPW-Absolventen, 49 Siehe hierzu die jeweiligen Lehrpläne der Klassen in  : MITC Camp Ritchie, Maryland, Grades & Qualifications. NARA, RG 165, E 207, B 259. 50 Memorandum Bissell, MITC Policy, 1  ; Bauer/Göpfert, Ritchie Boys, 62 f. 51 William Katzenstein, Personal Narrative, in  : Steven Karras, The Enemy I Knew. German Jews in the Allied Military in World War II. Minneapolis  : 2009, 95–101, hier 98. 52 Marcel Prawy/Peter Dusek/Christoph Wagner-Trenkwitz, Marcel Prawy erzählt aus seinem Leben. Wien  : 1996, 85  ; siehe auch Training Records, Military Intelligence Training Center Camp Ritchie, Personal History Card of Marcell F. H. Prawy. NARA, RG 165, E 206, B 26. 53 Prawy et al., Leben, 85. 54 Joseph T. Simon, Augenzeuge. Erinnerungen eines österreichischen Sozialisten. Eine sehr persönliche Zeitgeschichte. Herausgegeben von Wolfgang Neugebauer. Wien  : 1979, 281  ; ähnlich Kurt Klein, Personal Narrative, in  : Karras, Enemy, 269–283, hier 274. 55 Karras, Enemy, 274.

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die »only those with high scholastic records« beinhaltete,56 diente den Personal­ offizieren als Grundlage dafür, bewährte Geheimdienstleute der Armee für die »future prosecution of Axis criminality in Germany« zu rekrutieren – der Name Tennenbaum kommt darin vor.57 Der Dienst in Ritchie bot den vielen Intellektuellen und Journalisten im Lager – die ja in der Regel nicht gerade als die besten Soldaten galten 58 – unerwartete Entfaltungsmöglichkeiten. Für den später als US-Politikwissenschaftler reüssierenden Wiener Alfred Diamant waren die Zeit in den Bergen Marylands und der »faszinierende« Ausbildungskurs zum Verhöroffizier die ersten »wirklich sinnvollen« Dinge seiner Soldatenlaufbahn. Camp Ritchie habe ihn für so manches frustrierende Armeeerlebnis entschädigt und ihn entsprechend seinen Fähigkeiten auf den Krieg vorbereitet.59 Die IPW-Kader aus Camp Ritchie wurden nach der Invasion in der Normandie vom operativen militärischen Nachrichtendienst MIS/G-2 als Teil von wohl mindestens 200 deutschsprachigen Verhörteams am europäischen Kriegsschauplatz eingesetzt. Die IPW-Einheiten dienten auf Regiments-, Divisions-, Korpsund Armeegruppenebene bzw. in mobilen Verhörtrupps und spezialisierten Task Forces  : Once in the European Theatre of Operations and after the invasions of Italy and Normandy, the Ritchie graduates found themselves attached to intelligence units (S-2 and G-2) ranging from regimental to army level. And, depending upon their assignment, they were handed the task of ferreting out important tactical and strategic information. At the regimental level, a Prisoners-of-War Interrogator (PWI [sic  ! recte IPW]) might be charged with eliciting the exact location of an enemy artillery position  ; at the army level he was to assess German morale inside the Reich, locate industrial targets for the air force, pinpoint supply and troop replacement routes, report on the effect of air raids and of psychological warfare and, towards the end of the war, unmask perpetrators of atrocities and war crimes.60

Ein idealtypisches »IPW-Team German« setzte sich aus einem meist amerikanischen Captain (Chief Interrogator), einem 1st Lieutenant wie Tennenbaum 56 Cpt. E. Wilde, HQ, MITC, Camp Ritchie, to AC of S, G-2, War Department, on German IPW-Graduates, 27.3.1946 und Attachment  : List of IPW-Graduates. NARA, RG 165, E 207, B 252. 57 Memorandum, Col. T. Taylor, G.S.C., to Col. G. Rogers, Chief, Training Branch, MID, 22.3.1946. NARA, RG 165, E 207, B 252. 58 Vgl. Ganglmair, Kriegspropa­ganda, 127. 59 Diamant, Worlds, 212  ; vgl. Traussnig, »›I should be ›thankful‹ to Adolf Hitler‹«, 413–442. 60 Stern, »Service«, 464.



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(Interrogator) und der großteils exileuropäischen Mannschaft, bestehend aus Master Sergeant (Assistant Interrogator), Staff Sergeant (Documents Examiner), Technician 3rd Grade (Clerk-Typist) und Technician 5th Grade (Driver), zusammen.61 Die Mitglieder eines solchen Teams waren als gebürtige Zentraleuropäer über den Kriegsgegner in der Regel gut informiert. Der aus Österreich stammende Verhöroffizier John G. Stewart (früher Hans G. Stein), der bei seinem Einsatz in Europa unter anderem Gestapo-Beamte verhörte, berichtet, dass jeder seiner Teamkollegen neben der Kenntnis des Deutschen auch »especially qualified in certain areas of Germany and Austria« war.62 Im Einsatz erwies sich das »Auspressen« von Kriegsgefangenen63 vor allem im frontnahen, taktischen Bereich als effiziente Methode zur Steigerung der militärischen Schlagkraft.64 Vielfach war die IPW-Intelligence sogar die einzig brauchbare Quelle für Informationen über den Feind.65 3.2.2 »Our motto was be unprepared« – Dienst als Propa­ganda-Nachrichtenoffizier in der Second Mobile Radio Broadcasting Company

Letztlich war die Bezeichnung Kriegsgefangenenverhöroffizier für Tennenbaum nicht ganz zutreffend, denn er wurde nach der nachrichtendienstlichen Grundausbildung in Camp Ritchie nicht (nur) als IPW-Offizier eingesetzt, sondern als Propa­ganda-Nachrichtenoffizier zu verschiedenen Armeeeinheiten für psychologische Kriegsführung abkommandiert. Dass Tennenbaum im vorletzten Kriegsjahr bei der Propa­gandasparte eingesetzt wurde, war kein Zufall. Jemand, der Kampferfahrung, nachrichtendienstliches Wissen und Kenntnis der Mentalität des Feindes besitzt, scheint nicht nur als Verhöroffizier, sondern auch zur Teilnahme am geistigen Kampf gegen die Wehrmacht geeignet. Zudem ist psychologische Kriegsführung »eng mit dem militärischen Nachrichtendienst G-2 verbunden, da dieser Informationen über die Feindmoral besitzt und weiß, welche Art der Manipulation am besten zum Erfolg führt.«66 Wenn mit Intelligence das Einholen von Nachrichten über den Feind gemeint ist, so steht Propa­ganda bzw. 61 Lt. Colonel R. Fisk, HQ European Theater of Operations, US Army, Policy Concerning Intelligence Specialist Teams, 3.8.1943. NARA, RG 165, E 207, B 252. 62 Records of T/Sgt. John G. Stewart, US Army, Military Intelligence, WW II 1941–1945, European Theater, 1–43, hier 27. Library of Congress, American Folklife Center, Veterans History Project, John Stewart Collection (AFC/2001/001/47237). 63 Vgl. Zagovec, »›The Mind of the Enemy‹«, 271. 64 Siehe exemplarisch Karl Frucht, Verlustanzeige. Ein Überlebensbericht. Wien  : 1992, 188  ; vgl. G-2 Section, MIS, Personnel Reports, 1943–1945, List of IPW-Teams. NARA, RG 498, E 110, B 365. 65 Zagovec, »›The Mind of the Enemy‹«, 269. 66 Ganglmair, Kriegspropa­ganda, 117.

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psychologische Kriegsführung für die Produktion von Nachrichten für den Feind. Bevor die amerikanischen Propa­gandaabteilungen nun ihre Nachrichten für den Feind produzieren konnten, brauchten sie also Nachrichten über ihn. Der Begriff Nachrichten ist deshalb laut Hanuš Burger »sowohl im herkömmlichen Sinn (Intelligence) als auch im wörtlichen zu nehmen«.67 Da beide Sparten, also das allgemeine Militär sowie die Propa­gandatruppe, Nachrichten über den Kriegsgegner benötigen, besteht Intelligence im Kriegsfall nicht nur aus militärischer, sondern auch aus propa­gandabezogener Informationsbeschaffung  : [I]ntelligence of the enemy was essential for Sykewar [i. e. propa­ganda] purposes  : How strong was his will to resist  ? Where could it be attacked  ? These, and similar questions were also the province of G-2, which collected intelligence on all matters bearing upon the enemy situation, including »morale intelligence«. Next, having formed an estimate of morale among the enemy soldiers, Sykewar undertook to form propa­ganda policy on how to attack it.68

Um die Handlungen des Kriegsgegners möglichst zielgruppengerecht zu ihren Gunsten beeinflussen zu können, versuchten die US-Propagandisten ein solides Wissen über die Verhaltensweisen und Handlungsmuster des »typischen« Landsers sowie über seine Ideologie, seine Einstellung zum NS-Regime bzw. zum »Führer« und seine Haltung zu Militarismus, Defätismus usw. zu erhalten. Es ist die Aufgabe der Propa­ganda Intelligence, möglichst viele Informationen, die Kampfmoral und »Geist« des Feindes betreffen, für die Planer (»policy maker«) und Produzenten (»output personnel«) der psychologischen Kriegsführung zu sammeln, zu dokumentieren, zu analysieren und zu evaluieren  : Psychological warfare intelligence may be defined as that body of knowledge resulting from the collection, evaluation, collation, and interpretation of pertinent information concerning the opinions, attitudes, beliefs, sensitivities, and patterns of rational and nonrational behavior that may characterize a group that one hopes to influence through propa­ganda appeals and other nonlethal devices.69

Während die reguläre G-2-Abteilung der Armee mit ihrer Aufklärungstätigkeit militärische Ziele verfolgte, versuchte die Propa­ganda Intelligence nicht nur Einschätzungen und Nachrichten über die »Feindmoral« einzuholen, sondern, darauf aufbauend, auch Inhalte für die propagandistische Nachrichtenproduktion aufzube67 Burger, Frühling, 141. 68 Lerner, Sykewar, 54. 69 Daugherty/Janowitz, Psychological Warfare Casebook, 425.



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reiten. Wie in diesem Kapitel noch näher ausgeführt werden wird, gingen die komplexen Tätigkeiten der Experten für Propa­ganda Intelligence deshalb weit über die gewöhnliche Military Intelligence und die Agenden regulärer Verhöroffiziere hinaus.70 Erst nachdem die Planer und Produzenten der Propa­ganda die Aufklärungsberichte der G-2-Stellen und die Moralanalysen der Propa­ganda Intelligence erhalten hatten, lancierten sie ihre Angriffe auf die Psyche des Gegners. Der Kriegsdienst des Autors Klaus Mann, ebenfalls ein Absolvent des MITC Camp Ritchie, der im nordafrikanischen und italienischen Raum im Einsatz war, zeugt von der Interdependenz und der operativen Verzahnung von Frontpropa­ganda und G-2-Ebene  : Klaus Mann […] schreibt und redigiert Flugblätter, die sich an die Soldaten auf der anderen Seite der Front richten und zur Desertion aufrufen. […] Die Stimmungslage in der deutschen Truppe […] wird von der P.W.B. […] geradezu wissenschaftlich eruiert. Klaus Mann führt Dutzende von Verhören mit Kriegsgefangenen und wertet sie in stichwortartigen Protokollen aus  : die Basis für die Flugblatt-Arbeit.71

Die Propa­ganda Intelligence bzw. Psychological Warfare Intelligence (PWI) war daher sowohl eine Angelegenheit des Armeegeheimdienstes G-2 als auch der Propa­gandaeinheiten der Armee mitsamt ihren eigens gegründeten PWI-Nachrichtenabteilungen. Ein entscheidender Arbeitsschritt für jeden PWI-Analysten war die Auf bereitung des empirischen Materials zur »Feindmoral«, das zu einem weiten Teil aus den regulären (also militärzentrierten) IPW-Vernehmungen der G-2-Stellen, aus den propa­gandazentrierten Verhören der psychologischen Kriegsführung, aber auch aus Umfrageblättern und anderen Geheimdienstquellen stammte. Für die Offiziere der Propa­ganda Intelligence waren die in Camp Ritchie wochenlang geübten Kriegsgefangenenverhöre nach wie vor ein wichtiger Teil des nachrichtendienstlichen Alltags. Denn Camp Ritchie war – im Gegensatz zu seiner kleineren Dependance, dem Propa­ganda-Ausbildungslager Camp Sharpe – primär eine Intelligence-Ausbildungsstätte und weniger eine Schule für psychologische Kriegsführung. Ein Blick auf die Lehrpläne macht das deutlich  : Im Lehrplan der 36. Klasse des MITC (»Division Class« von November bis Dezember 1944) wird dem Fach »Psychological Warfare« gerade einmal eine Stunde gewidmet. Zum Vergleich  : Für das Intelligence-Fach »Observation, Reconnaissance and Patrolling« standen allein 32 Unterrichtsstunden zur

70 »Psychological Warfare intelligence differs from other military intelligence in the sense that it must gather material not only for an appreciation of the situation but also for actual production in the various media.« PWD/SHAEF, Account of Operations, 29. 71 Naumann/Töteberg, Klaus Mann, 11.

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Verfügung.72 Die meisten Ritchie Boys waren Intelligence-Experten und nicht, wie oft fälschlicherweise behauptet, »psychologische Krieger«.73 Als die US-Armee im Zuge der Vorbereitung für die alliierte Invasion in der Normandie ihre Propa­gandasparte massiv ausbaute, entstanden ab 1942 neue »Psywar«-Einheiten wie die im Dezember 1943 gegründete Second Mobile Radio Broadcasting Company (2nd MRBC). Die insgesamt fünf von der US-Armee geschaffenen MRBCs stellten eine beachtliche Weiterentwicklung und Verbesserung der in Camp Ritchie gegründeten First Combat Propa­ganda Company dar. »The mission of the company«, steht in einem Report der 2nd MRBC gegen Ende des Krieges zu lesen, »was to conduct all Psychological Warfare activities in support of elements of the […] United States Army«.74 Eine MRBC-Kompanie war ein veritabler Propa­ganda-Wanderzirkus, der neben Flugblattautoren, kreativen Wortkünstlern, Radiosprechern, Redakteuren und Technikern auch über eine Reihe von Produktionsmitteln und medialen Distributionskanälen (Flugblattpressen, Lautsprecher, mobile Radiosende- und Abhöranlagen etc.) verfügte. Diese konnten im jeweiligen Gefechtsraum einer amerikanischen Armee ebenso spontanen wie speziellen Missionen zugeteilt und ad hoc, also »unprepared«,75 zur Verbreitung persuasiver Botschaften eingesetzt werden  : An improvement on the original army propa­ganda detachments, it [the MRBC] was unlike anything seen before. It contained complete public address systems, radios, monitoring sets, loudspeakers, typewriters, printing-presses, and leaflet bombs and was intended to be a self-contained, army-controlled mobile unit that could be dispatched on a moment’s notice to the front for the purpose of conducting tactical propa­ganda in direct support of military operations.76

Das Personal der MRBC-Kompanien stammte vor allem aus den Reihen der nachrichtendienstlich geschulten Soldaten des MITC Camp Ritchie, von denen einige zuvor in speziellen Offiziersschulen der US-Armee ausgebildet worden waren. Aber auch in Geheimdienstkreisen wurde eifrig rekrutiert. So waren zahlreiche 72 War Department, MITC, Camp Ritchie, Course of Instruction for Division Class Thirty-Six. NARA, RG 165, E 207, B 250. 73 Siehe hierzu etwa den Buch-Klappentext von Bauer/Göpfert, Ritchie Boys. 74 Cpt. A. Jaffe to Commanding General, Special Troops 12th Army Group, Report of Activities of Second Mobile Radio Broadcasting Company, 12.4.1945. NARA, RG 338, E 37042, B 5711. 75 »Our motto was be unprepared«. Arthur Jaffe, zitiert in  : Douglas Martin, »Together Again, These Sly Foes of Nazi Resolve«, in  : The New York Times, 14.4.1990, http://www.nytimes. com/1990/04/14/nyregion/about-new-york-together-again-these-sly-foes-of-nazi-resolve.html (letzter Zugriff  : 29.7.2016). 76 Laurie, Warriors, 157.



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36 Die Kerntätigkeiten der MRBC- und PWB-Kompanien  : Flugblätter schreiben, Gefangene »auspressen«, Lautsprecheransagen lancieren und Grafiken gestalten.

deutschsprachige »language men« der MRBCs ursprünglich OSS-Mitarbeiter gewesen, die nun zur US-Armee detachiert wurden.77 Die MRBCs standen, im Gegensatz zu den zivilen Propa­gandaeinheiten des OWI und des OSS, unter militärischer Führung und dienten der US-Armee als Personalgrundlage für die psychologische Kriegsführung im Feld.78 Die Methode der von Captain Arthur H. Jaffe kommandierten 2nd MRBC war die Kampfpropa­ganda, ihre Themen waren militärisch, ihre Zielgruppe feindliche deutsche Soldaten. Wie sahen neben der (bereits im Namen erwähnten) Rundfunkarbeit die Aufgaben einer MRBC im Feld aus  ? Der Kernbereich der Tätigkeiten war vor allem taktischer Natur  : Wenn es etwa darum ging, eine eingekesseltes Regiment deutscher Soldaten zum Aufgeben zu bewegen, redete ein über die Lage der deutschen Landser bestens informierter79 MRBC-Mann von einem »Hog Caller«, einem gepanzerten »Tal77 Bowen/Edelman, History, 17. 78 PWD/SHAEF, Account of Operations, 19. 79 Die Berichte der Monitoring Unit der MRBC stellten gemeinsam mit anderen Quellen diesen hohen Informationsgrad sicher.

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king Tank«80 oder Lautsprecherwagen (der wegen seiner leichten Ortbarkeit oft unter Beschuss war81) aus auf die deutschen Soldaten ein.82 Andere Kreativköpfe der Kompanie taten als Sprecher einer improvisierten Rundfunkstation Ähnliches oder hatten die Aufgabe, defätistische Flugblätter zu verfassen, die, von der eigenen mobilen Druckerei vervielfältigt und anschließend in »leaflet bombs« verpackt, auf die Adressaten herabregneten.83 Es handelte sich also um eine flexible Auxiliareinheit der US-Armee, die nach dem Motto »words are cheaper than bullets« der militärischen Gewalt psychologischen Nachdruck verleihen oder diese in bestimmten Fällen – wie etwa in jenem einer durch Propa­gandaappelle herbeigeführten Massendesertion – sogar ersetzen sollte. Die 1st MRBC war der Prototyp und das Experimentierfeld für die Entwicklung der späteren MRBC-Kompanien. Als Teil der Psychological Warfare Branch (PWB/ AFHQ) der Westalliierten unter der Leitung von Colonel Charles B. Hazeltine bzw. John McClure war sie seit Anfang 1943 im »Mediterranean Theater of Operations« (MedTO) in Nordafrika im Einsatz. Die journalistisch herausragenden Figuren der 1st MRBC spielten im Gefolge der Operation TORCH unter anderem eine Schlüsselrolle beim Aufbau des strategischen alliierten Gemeinschaftssenders Radio Algier.84 Ursprünglich war für jede Armee (1st US Army, 5th US Army etc.) eine MRBC vorgesehen. Ein Vorhaben, das ebenso wie die Verwendung der MRBCs als nahezu autarke Propa­gandastoßtruppen mit fixem Personal in der Praxis jedoch nicht umgesetzt werden konnte. Wie die Erfahrung mit der 1st MRBC in Afrika gezeigt hatte, waren die Kompanien »overambitiously organized« und »unwieldly for effective operations.« Die 1st MRBC wurde daher in kleinere Task Forces aufgesplittet.85 Die MRBCs traten mit Fortdauer des Einsatzes daher weniger als unabhängige Propa­gandaeinheiten, sondern vielmehr als Personalpool für meist kleinere, flexiblere und spezialisierte Propa­gandatrupps auf, die verschiedenen Ar80 »The amplifiers, with their sensitive tubes, were installed inside the [loudspeaker] tank, in a space cleared by removing the ammunition racks. This symbolic act completed the transformation of a shooting tank into a talking tank.« Lerner, Sykewar, 242. 81 Alfred Toombs, Chief of Intelligence der P&PW-Abteilung der 12. Armeegruppe, berichtet, dass die Lautsprecherwagen aus akustischen Gründen vom Feind schnell geortet werden konnten und oft unter Beschuss gerieten. Vgl. Toombs, HQ 12th Army Group, Publicity & Psychological Warfare, Daily Summary of Intelligence, Annex B, 12.4.1945  ; ähnlich Mjr. Gen. T. Larkin, HQ, European Theater of Operations, USA Army, Immediate Report Nr. 107 (Combat Observations), 15.4.1945, beides in NARA, RG 338, E 37042, B 5711. 82 Vgl. Bowen/Edelman, History, 35. 83 Ebd., 32. 84 Für grundlegende Informationen siehe hierzu Pütter, Rundfunk, 248–250. 85 William E. Daugherty, »Martin F. Herz, A Propagandist of World War II«, in  : Daugherty/Janowitz, Psychological Warfare Casebook, 251–257, hier 254  ; vgl. HQ 1st MRBC, Unit Historical Report, 9 October 1944.



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37 Ein MRBCLautsprecherwagen im Kampfpropa­ganda-Einsatz in SaintMalo, Bretagne, August 1944.

meeabteilungen zugeteilt wurden. Diese Spezialisierung zeigte sich an der Westfront, wo die von vielen personellen Umgruppierungen betroffenen Propa­gandaund Technikertrupps der 2nd, 3rd, 4th und 5th MRBC in separate Task Forces und »PWB-Combat Teams« innerhalb der einzelnen Armeen der 6. und 12. US-Armeegruppe umgewandelt und aufgeteilt wurden.86 Vor ihrem Einsatz in Europa wurde die 2nd MRBC in die Bereiche Service und Administration (First Platoon), Propa­ganda (Second Platoon) und Radio (Third & Fourth Platoon) gegliedert. Ohne die unentbehrliche Arbeit der Rundfunktechniker, Kraftfahrer und Militärbürokraten schmälern zu wollen, kann man behaupten, dass der sich vor allem aus »foreign language speaking personnel« zusammensetzende Propa­gandazug87 in schöpferischer und intellektueller Hinsicht die bedeutendste Subeinheit der Kompanie war. First Lieutenant Tennenbaum, der ebenfalls der Second Platoon angehörte, war Kommandeur von deren Propa­ganda-Intelligence-­Abteilung.88 86 Vgl. Ganglmair, Kriegspropa­ganda, 109 f.; Jaffe, Report of Activities 2nd MRBC, 12.4.1945. 87 Jaffe, Report of Activities 2nd MRBC, 12.4.1945. 88 Bowen/Edelman, History, 10.

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Im von einem »sea of mud« umgebenen Camp Sharpe in Pennsylvania,89 einer Außenstelle des MITC-Stammlagers in Ritchie, durchliefen die »specialists« der 2nd MRBC, darunter auch der im Februar 1944 zur Kompanie gestoßene Jacob Tennenbaum,90 einen mehrwöchigen Intensivkurs. Der Leiter dieses Lehrgangs war Hans Habe, ein Österreicher mit ungarischen Wurzeln, der während des Zweiten Weltkrieges und der Nachkriegszeit einer der einflussreichsten, kreativsten, produktivsten und auch exzentrischsten Emigranten innerhalb des USPropa­gandaapparates war.91 Habe, der mit Vorliebe Fantasieuniformen trug und mit pomadisiertem Haar herumlief, war soeben vom südeuropäischen Kriegsschauplatz zurückgekehrt, wo er deutsche Kriegsgefangene interviewt hatte, um Informationen über die »enemy morale« in der Wehrmacht zu erhalten  : At Sharpe, the company’s specialists received intensive training in their respective fields. The most important course was offered by Capt. Habe. For five weeks he held daily classes from 0900 to 1700, explaining the employment of combat propa­ganda by American units in the Mediterranean campaigns and describing the possibilities of psychological warfare in Europe. The trainees simulated combat situations in practical exercises, preparing leaflets and newspapers, writing scripts for radio broadcasts and even producing complete radio shows in French and German.92

Nach der geplanten Landung der Kompanie in der Normandie sollte Tennenbaum als Kommandeur der Intelligence-Abteilung der 2nd MRBC zu speziellen »intelligence gathering missions« aufbrechen, um sich vor Ort ein genaues Bild von der militärischen Lage im Invasionsgebiet zu machen, persönlich Kriegsgefangene zu verhören und die gesammelte IPW-Intelligence auf ihre propagandistische Verwertbarkeit hin zu analysieren und evaluieren (i. e. PWI). Nach der Einholung der PWI-Nachrichten lag es an Tennenbaum und seinen Kollegen, diese in konzentrierter Form als »Rohstoff« und Planungsgrundlage für die Kampfpropa­ganda der MRBC und anderer Psychological Warfare-Einheiten zur Verfügung stellen. Er sollte also mithelfen, nachrichtendienstliche Erkenntnisse in konkrete Kriegshandlungen umzumünzen. Auch Liaison, also regelmäßiger Kontakt und Austausch mit anderen G-2- und PWI-Stellen, 89 Ebd., 19  ; für eine neuere Kollektivbiografie der Propa­gandasoldaten in Camp Sharpe und ihren Kriegseinsatz siehe Eddy, Camp Sharpe. 90 Training Records of the Military Intelligence Training Center, Camp Ritchie, Maryland, Student Card File of 2nd Lt. J. Tennenbaum, CAC 01081764, Cl. 14, Sec 5A. NARA, RG 165, E 206, B 17. 91 Stern, »Service«, 471. 92 Bowen/Edelman, History, 19.



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Die größte militärische Operation der Weltgeschichte,93 die amphibische und aviatische Invasion in der Normandie, rückte nun immer näher und mit ihr auch der Kriegseinsatz von Tennenbaums 2nd MRBC. Am 1. April 1944 brach er als einer von 20 Offizieren der insgesamt nun 164 Mann starken Propa­ gandakompanie von New York in Richtung »European Theatre of Operations« (ETO) auf. Hatte er als Artillerieoffizier im Pazifik noch gegen Japan gekämpft, so war nun die deutsche Wehrmacht in Westeuropa der Gegner seines zweiten Gefechtseinsatzes, der weniger vom Gebrauch der Waffe als vom Einsatz des Schreibstifts gekennzeichnet war. Das Ziel war zunächst Großbritannien.94 Nach der Ankunft im pittoresken Südengland bereitete man sich mit wochenlangem Training für den Einsatz in Kontinentaleuropa vor. Tennenbaum und andere Vertreter des Propa­gandazuges besuchten im April eine britisch-amerikanische Propa­gandaschule in Brondesbury, wo sie nicht nur von lieblichen »chamber maids« umsorgt wurden,95 sondern auch einen sehr fordernden Lehrgang in psychologischer Kriegsführung absolvierten. So lernten sie hier die – auf sehr deter­ ministischen, aber als Arbeitsgrundlage gewiss brauchbaren Feind-Typologien beruhenden – »psychologischen Fundamente« der Wehrmacht kennen, wie sie vom britischen Psychiater und Offizier Henry Dicks propagiert wurden. In Brondesbury erhielten Tennenbaum und weitere »Psycho Boys« aus Camp Sharpe von den erfahreneren Briten auch taktisch wertvolle Hinweise für den bevorstehenden Einsatz in Kontinentaleuropa.96 Die im Bereich der 12. Armeegruppe operierende 2nd MRBC mit Tennenbaum gehörte nun der von Brigadegeneral John McClure, einem Intelligence-Offizier aus dem Stab von General Dwight D. Eisenhower, geleiteten Psychological Warfare Division/Supreme Headquarters Allied Expeditionary Force (PWD/SHAEF) an. Die im Frühjahr 1944 gegründete PWD war eine Abteilung des alliierten Hauptquartiers in Europa und unterstand direkt dem Befehl von Oberkommandeur Eisenhower. De facto war sie eine eigene SHAEF-Stabsebene und fungierte als oberste militärische Propa­gandabehörde der Alliierten an der Westfront. Die PWD wurde mit der Absicht gegründet, den bei der Vorläuferorganisation PWB/ AFHQ in Afrika und Südeuropa noch offen zutage tretenden Wildwuchs an (miteinander konkurrierenden) zivilen Propa­gandabehörden einzudämmen und die westalliierte Propa­gandamaschinerie im Kampfgebiet unter straffe militärische Oberaufsicht zu stellen. Mit Erfolg  : Die im Großen und Ganzen pragmatisch 93 Für eine dramaturgisch gelungene Darstellung siehe Antony Beevor, D-Day. The Battle for Normandy. London  : 2012. 94 Bowen/Edelman, History, 21. 95 Ebd., 24 f. 96 Eddy, Camp Sharpe, 45–48.

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38 Ein deutscher Kriegsgefangener wird in Toul, Frankreich, von einem Master Sergeant und einem Captain der Third US-Army verhört.

und eher ideologiefrei agierende PWD und ihre Unterabteilungen erwiesen sich am nordwesteuropäischen Kriegsschauplatz nicht nur als tonangebende Verbindungs- und Clearing-Stelle zwischen den zivilen Propa­gandaämtern der Amerikaner und Briten und den Propa­gandatrupps an der Front,97 sondern auch als die »produktivste alliierte Propa­gandaeinheit«.98 Laut Klaus-Dietmar Henke war die PWD der »eigenwilligste und ideenreichste Stab von SHAEF«. In der »riesenhaften, weltweit operierenden Propa­gandamaschinerie der Westmächte« waren diese Organisation und ihre Mitarbeiter zwar »nur ein kleines, aber doch wichtiges Rad.«99 Nach der Landung in der Normandie verfolgte die PWD neben einer Reihe von weiteren Aufgaben100 vor allem ein Ziel, nämlich  :

 97 Ganglmair, Kriegspropa­ganda, 83.  98 Isenbart, »Britische Flugblattpropa­ganda«, 210.  99 Henke, Besetzung, 299 f. 100 Die drei Hauptaufgabenbereiche der PWD waren  : combat propa­ganda, strategic propa­ganda und consolidation propa­ganda (Konsolidierungspropa­ganda in bereits eroberten Gebieten). Vgl. Laurie, Warriors, 188.



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39 Ein gefangener deutscher Fallschirmjäger spricht mit einem Verhör-Soldaten über ein Propagandaflugblatt.

to help win the war by facilitating enemy surrender.101

Neben den zivilen US-Propa­gandainstitutionen OWI und OSS waren auch die britischen Ämter Political Warfare Executive (PWE) und Ministry of Information (MOI) unter dem organisatorischen Dach der PWD vertreten. Beide Länder stellten neben Propa­gandamitarbeitern im Feld auch jeweils einen eigenen Militärberater innerhalb des PWD-Stabs, wobei die Amerikaner die dominantere Rolle einnahmen. Das sogenannte Tripartite Committee, in dem die amerikanischen und britischen Propa­gandadirektoren von OWI und PWE regelmäßig mit einem PWD-Vertreter zusammentrafen, war ein wichtiges Instrument zur Koordination des alliierten Propa­gandaausstoßes am nordwesteuropäischen Kriegsschauplatz. So etwa im Bereich der Flugblattpropa­ganda, wo man ab April 1944 ein »gemeinsame[s] PWD-PWE-OWI Flugblattproduktions- und -verteilungsprogramm ins Leben rief.«102 Ein Programm, das alle bisherigen Flugblattaktivitäten der Amerikaner und Briten in den Schatten stellen sollte. Auch ein Special Opera101 Isenbart, »Britische Flugblattpropa­ganda«, 210. 102 Ganglmair, Kriegspropa­ganda, 107.

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tions Committee, das sich mit der Planung und Produktion von subversiver bzw. schwarzer Propa­ganda im Stile des OSS und der SOE befasste, wurde, ebenso wie ein Joint Planning Committee, das die Zusammenarbeit der PWD-Leitung mit den Propa­gandaabteilungen der 12. und 21. Armeegruppe optimieren sollte, eingerichtet.103 Während die Zentrale und das »Gehirn« der PWD bis Kriegsende in London saßen (PWD/Rear bzw. PWD/SHAEF Headquarters), gab es entsprechend dem Verlauf des westalliierten Vormarschs auch Stützpunkte in Paris (PWD/ Main) und im Feld (PWD/Advance). In ihrer rund einjährigen Geschichte konnte die PWD zahlreiche Akzente im geistigen Krieg gegen Hitlerdeutschland setzen. Diese waren nicht nur quantitativer Natur – angeblich warfen die Alliierten zwischen der Landung in der Normandie und der Kapitulation mehr als drei Milliarden Flugblätter ab –, sondern auch qualitativer Natur  : So gelang es in einem groß angelegten Zusammenspiel mit amerikanischen und britischen G-2-Einheiten und Intelligence-Diensten und mithilfe systematischer Befragung deutscher Kriegsgefangener, den Propa­ gandaoutput mit Fortdauer des Einsatzes laufend zu optimieren. Eine Reihe von PWD-Flugblättern bzw. -Radio- oder -Lautsprecheransagen konnte beeindruckende Erfolge bei den feindlichen Adressaten zu erzielen. Aufgrund der bei der alliierten Konferenz in Casablanca beschlossenen Formel der »bedingungslosen Kapitulation« des Kriegsgegners Deutschland fanden die PWD-Propagandisten inhaltlich zwar eng gesteckte Grenzen vor – dennoch war die Themenbandbreite erstaunlich und die »sprachliche und graphische Gestaltung von großer Virtuosität.«104 Gleichwohl waren dies nur punktuelle Teilerfolge der Propa­ganda, die den groben Verlauf der militärischen Operationen nur marginal beeinflussten. Viele Zivilisten, die eigentlich im Dienste des OWI und des OSS standen, waren 1944 neben den Ritchie Boys am europäischen Kriegsschauplatz eingetroffen und arbeiteten nun für die PWD bzw. mit dem ihr untergeordneten MRBC-Personal zusammen. Schon seit der Gründung der 2nd MRBC bewegten sich diese und andere oft nicht aus den Reihen der US-Armee stammenden Propagandisten im Umfeld der Kompanie, die auch eine Art Kaderreservoir für die anderen MRBCs und Durchlaufstation für PWD-Mitarbeiter im Feld war. Die medienerfahrenen Europäer und US-Journalisten aus den Radiozentralen und Zeitungsredaktionen der Ost- und der Westküste gehörten eher der zivilen Sphäre an und sollten den Mangel an »echten« Propa­gandaexperten in den militärisch dominierten MRBCs ausgleichen. Anders als die aus den Rängen der Armee rekrutierten (Rundfunk-)Techniker und Bürokraten in der Kompanie waren diese neu angeworbenen OWI- und OSS-Zivilisten, die von so manchem Offizier – nicht ganz zu 103 Ebd. 104 Henke, Besetzung, 300.



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Unrecht – als undisziplinierte »Sterngucker« beschimpft wurden,105 die tonangebenden Produzenten der Frontpropa­ganda. Sie bestimmten oder beeinflussten nun zu weiten Teilen die inhaltliche Arbeit, während die klassischen Militärs in den MRBC-Kompanien eher technisch-administrative Arbeiten ausführten.106 In Tennenbaums Einheit waren mehrere Österreicher in verschiedenen Funktionen tätig. So war der politisch und diplomatisch erfahrene (nicht in Camp Ritchie ausgebildete) OSS-Mitarbeiter und konservative Katholik Francis Seidler Anfang 1944 als Propa­gandaredakteur und Verhörexperte tätig,107 während die Wiener Fred Placek und Rudolf Moskovits nach der Invasion in der Normandie als »Intelligence Clerk« sowie als »Leaflet Shell Loader« im bürokratischen bzw. technischen Bereich der 2nd MRBC arbeiteten.108 Das Tätigkeitsfeld des PWI-Offiziers Tennenbaum blieb während des ganzen Kriegseinsatzes im Kern unverändert  : Er sollte die Moral des Gegners erforschen und dadurch mithelfen, den anglo-amerikanischen Propa­gandaoutput zu optimieren. Nach monatelangen Vorbereitungen in den USA und England stand Ende Mai der Kriegseinsatz der 2nd MRBC unmittelbar bevor. Knapp vor dem D-Day besuchte Jacob Tennenbaum im Rahmen eines »last-minute practical training« ein CSDIC-Kriegsgefangenenlager109 bei London, wo er sich in Verhörtechniken übte. Als Teil eines Voraustrupps der 2nd MRBC bzw. einer »intelligence-gathering expedition for the psychological warfare operations that were to follow« landete Tennenbaum nun zwei Tage nach dem Beginn der Invasion der anglo-amerikanischen Armada am berühmten Omaha Beach, einem der blutigsten Schauplätze der Invasion  :

105 Ganglmair, Kriegspropa­ganda, 127. 106 Laurie, Warriors, 157. 107 2nd Lt. C. Crosby, Personnel Officer A.U.S., to Commanding Officer 2nd MRBC, Camp Ritchie, Transmittal of Q.M.C. Form Nr. 487 for F. Seidler  ; alle in  : OSS Personnel File of Francis Seidler. NARA, RG 226, E 224, B 694  ; 1st US Army, HQ PW Combat Team, Roster of Psychological Warfare personnel attached to First U.S. Army, 4.10.1944. NARA, RG 338, E 37042, B 5711. 108 US Army Enlisted Record and Report of Separation of Fred Placek, ASN 34894493, 29.5.1946. NARA, NPRC, Military Personnel File of Fred Placek  ; Bowen/Edelman, History, 13  ; Training Records of the Military Intelligence Training Center, Camp Ritchie, Personal History Card of Rudolf Moskovits. NARA, RG 265, E 206, B 44  ; Eddy, Camp Sharpe, 76. 109 CSDIC bedeutet Combined Services Detailed Interrogation Centre und steht für ein Netzwerk von gemeinsam von Briten und Amerikanern betriebenen Verhörlagern in Großbritannien, Algerien, Ägypten, Italien und Frankreich, in denen vor allem strategische Intelligence gesammelt wurde. Sie galten vielen als »Quetschmühlen«, da sie die Gefangenen detaillierten und teils harten Verhören unterzogen. Das US-Abhörlager Fort Hunt war eine Weiterentwicklung des CSDIC-Konzepts. Vgl. Zagovec, »›The Mind of the Enemy‹«, 272, und Felix Römer, Kameraden. Die Wehrmacht von innen. München  : 2012, 33.

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[Tennenbaum] immediately undertook to gain a picture of the general situation and the order of battle of enemy forces in the area by carrying out interrogations of prisoners of war at the newly-established »cages« in the vicinity. His principal aim was to acquire as much information as possible that would be of value to the psychological warfare detachment that was to arrive a couple of days later.110

Nach der Beendigung dieser ersten Mission stieß Tennenbaum zu einer kompakten Propa­gandagruppe, die aus einigen Intelligence-Leuten, einem Flugblattschreiber, einem »recording expert«, zwei Liaison-Offizieren (einer davon sollte die Verbreitung der MRBC-Flugblätter mittels eigener Artilleriegeschosse sicherstellen) sowie einem Lautsprechertrupp bestand. Diese flexible Vorauseinheit war nicht nur in der Lage, nachrichtendienstliche Informationen zu sammeln, sondern auch konkreten Propa­gandaoutput zu produzieren. Dies geschah etwa in einem umkämpften Sektor des Utah Beach, wo ein unter großem Zeitdruck angefertigtes Flugblatt unter Zuhilfenahme einer privaten Druckerei in Bayeux 38.000-mal kopiert und durch die Artillerie verteilt wurde. Dieses dank einer gewissen Improvisationsgabe zustande gekommene Flugblatt war der »first notable combat success« der 2nd MRBC und führte angeblich zur Desertion von 30 Wehrmachtssoldaten.111 Dass es weniger das »merciless bombardment of psychological pellets«,112 sondern eine komplexe und kumulative Gemengelage aus Motiven, Stimmungen, Ereignissen und Dispositionen war,113 was die bedrängten Landser in solchen Fällen zur Desertion bewegte, war für die monokausal denkenden Autoren der Unit Histories der US-Armee völlig irrelevant. Sie nutzten vielmehr positivistische Parameter wie Abwurfzahlen von Flugblättern und die Zahl der gefangenen deutschen Soldaten und setzten diese in eine simple Reiz-Reaktions-Relation, um die »Effektivität« taktischer Propa­gandakampagnen zu belegen. Gemessen an solch zweifelhaften Maßstäben lassen sich während der Kampfphase natürlich viele Erfolge für die Einheiten der MRBC-Kompanie verbuchen.114 Der Rest der 2nd MRBC, die Ende Juni am Omaha Beach einer anderen, bereits gelandeten Gruppe nachfolgte, wurde an das 72nd Publicity Service Battalion angegliedert und bezog im Château de Colombières, in der Nähe von Isigny, Quartier. Hier befand sich die Press and Psychological Warfare Section (P&PW) der zwölften Armeegruppe, die ebenfalls eine Unterabteilung der PWD war, »und alles, was 110 Bowen/Edelman, History, 25 und 31. 111 Ebd., 31 f. 112 A. Jaffe, HQ 2 nd Mobile Radio Broadcasting Company, First Anniversary of Company, 29.12.1944. NARA, RG 338, E 37042, B 5711. 113 Vgl. hierzu auch Zagovec, »›The Mind of the Enemy‹«, 283 f. 114 Vgl. Lerner, Sykewar, 287 sowie Bussemer, Propa­ganda, 306 und 308.



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direkt oder indirekt, mit Medien zu tun hatte«. Der prominente Ritchie Boy und MRBC-Mann Stefan Heym zählte zu diesem Mediencluster neben der 2nd MRBC auch »das gesamte Pressekorps mit seinen Zeitungs- und Rundfunkkorrespondenten«.115 Der schillernde Hans Habe, der für die Produktion der bedeutenden weißen Flugblatt- und Rundfunkreihen Frontpost und Radio Luxemburg maßgeblich verantwortlich zeichnete und als PWD-»key strategist« für sämtliche Fragen der psychologischen Kriegsführung galt, war in Colombières und den weiteren Standorten des Propa­gandatrosses der 12. Armeegruppe tätig.116 Er stützte sich bei seinen Aktivitäten auf die Mitarbeit bewährter Propagandisten und Intelligence-Experten der MRBC-Kompanien, die er in Camp Ritchie kennengelernt bzw. in Camp Sharpe ausgebildet hatte. In Colombières nahm Jacob Tennenbaum, nunmehr als Assistant Chief of Intelligence seiner »Psywar«-Einheit, an langen nächtlichen Besprechungen teil, bei denen unter anderem der Chief of Intelligence der P&PW-Abteilung der 12. Armeegruppe, Alfred Toombs, und einige wichtige Zivilisten anwesend waren. Dieser Kreis diskutierte und analysierte das Material, das von den Intelligence-Unteroffizieren auf Divisions- und Korpsebene sowie durch Besuche von Gefangenenlagern und durch Befragung von Zivilisten in der befreiten Zone eingeholt worden war. Diese »close-range intelligence« wurde durch globalere Informationen erweitert, welche die Monitoring Section der 2nd MRBC beisteuerte. Letztere hörte alliierte und feindliche Radioprogramme ab. Das Planungsteam rund um Tennenbaum entschied in der Folge, was in operativer Hinsicht mit diesen Informationen über den Feind geschehen sollte  : After the intelligence material was digested, ideas for new psychological attacks were thrashed out and decisions made on activities for the next few days. The following morning the wheels would be set in motion either for production of a new leaflet, the carrying out of a combat loudspeaker appeal or the employment of a radio broadcast.117

Nach dem Durchbruch der amerikanischen Verbände bei Saint-Lô wurden die MRBC-Kompanien von den einzelnen Armeen abgezogen und auf Armeegrup­ pen­ebene konzentriert. Von dort aus wurden Stoßtrupps für »specific jobs« entsendet. Jacob Tennenbaum befand sich einmal mehr an vorderster Stelle einer solchen Vorauseinheit, als es in der noch umkämpften Bretagne, dem Einsatzbereich des VIII. US-Korps, darum ging, »every aspect of combat psycho115 Stefan Heym, zitiert in Bauer/Göpfert, Ritchie Boys, 113. 116 Ebd.; Erik Barnouw, »Propa­ganda at Radio Luxembourg  : 1944–1945«, in  : K.R.M. Short (Hg.), Film & Radio Propa­ganda in World War II. Beckenham  : 1983, 192–200, hier 193  ; Bowen/Edelman, History, 39. 117 Bowen/Edelman, History, 34.

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logical warfare« im Hinblick auf zukünftige Propa­gandaaktivitäten zu prüfen und zu evaluieren So begleitete er mit Lt. Salvatori und anderen Spezialisten die 4. US-Panzerdivision nach Vannes, wo sie auf eine Propa­gandagruppe der 3rd MRBC stießen.118 Als im Ort Landevisieu noch eine weitere Lautsprechereinheit und eine mobile Druckerei-Abteilung zu Tennenbaums Gruppe gestoßen waren, formierte sich ein »well-rounded psychological warfare team«, das als PWB Advance, VIII Corps bezeichnet wurde und sich nunmehr im Gefolge von rasch vorrückenden Panzer- und Infanteriedivisionen auf die Stadt Lorient zubewegte. Tennenbaums Aufgabe war auch hier die Einholung von Informationen über die »Feindmoral«. Der Liaison-Unteroffizier dieser Kampfpropa­gandaeinheit sammelte auf Divisions- und Korpsebene täglich G-2-Informationen und klapperte die alliierten Kriegsgefangenenlager auf der Suche nach propa­gandarelevanter Intelligence ab. Seine Reports wurden vom nachrichtendienstlichen PWI-Stab rund um Tennenbaum jede Nacht evaluiert »and a decision was made as to the most suitable form of the next psychological ›attack‹«.119 Die Propa­gandaexekutoren im PWBTeam des VIII. Korps, die Flugblattautoren und »layout artists«, nutzten die gesammelte PWI-Intelligence umgehend für ihren Output. Unter Beteiligung von Kadern der 2nd und der 3rd MRBC wurde etwa der Amerikanische Feldfunk von Lorient eingerichtet, eine taktische Rundfunkstation, die für die eingeschlossene deutsche Garnison in der Küstenstadt eine zwar mäßig erfolgreiche, aber hohen Unterhaltungswert besitzende Desertionspropa­ganda produzierte.120 Eine Mitte August als Unterstützung für die 6. US-Panzerdivision bei Concarneau durchgeführte Lautsprechermission von Tennenbaums Trupp soll an einem einzigen Tag hingegen zur Aufgabe bzw. Desertion von 102 deutschen Soldaten beigetragen haben. Eine der wichtigsten »Lektionen« der Kampagne von Tennenbaums »advance team« in der Bretagne war, dass Lautsprecher als mobile taktische Waffe auch auf der Korpsebene stets verfügbar sein sollten.121 Wie bereits erwähnt, gab es vom Eintreffen der 2nd MRBC in Nordfrankreich bis zum Ende der Kampfhandlungen immer wieder personelle Änderungen122 und zahlreiche Umgruppierungen, die dazu führten, dass die Angehörigen der Kompanie im Bereich der 12th Army Group (sowie eine kleinere Gruppe bei der 21st Army Group) zu verschiedenen Propa­gandaabteilungen, die in Cherbourg, Rennes, Luxemburg, Paris und anderen Orten operierten, abkommandiert wur118 Ebd., 50. 119 Ebd. 120 Ebd.; siehe hierzu Unterkapitel 3.1.7 über den Österreicher Fred Lorenz. 121 Bowen/Edelman, History, 52. 122 Ebd., 53.



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40 Der Österreicher Rudolf Moskovits von der der 2nd MRBC präpariert im belgischen Spa Propagandadrucke, die in spezielle Artilleriegeschosse (»leaflet shells«) gesteckt werden.

den.123 Das Personal der Kompanie verteilte sich nunmehr auf mehrere militärische Propa­gandaabteilungen der 12. Armeegruppe (1., 3. und 9. US-Armee), wobei hier die US-amerikanische Dominanz in der PWD/SHAEF klar zutage trat.124 Speziell bei der ersten US-Armee, die zu dieser Zeit im Bereich Saint-Lô, Mortain und Falaise tätig war, konnte man viele ehemalige Ritchie Boys, OSS-Zivilisten sowie andere Kader der 2nd MRBC, die ab Spätsommer 1944 nicht mehr unter dem direkten Kommando ihrer Stammkompanie gestanden hatten, antreffen. Ihre im Feld erbrachten Leistungen verbuchte die 2 nd MRBC, die letztlich kaum mehr als eine bürokratische Entität und ein »personnel pool« für die Propa­ gandaeinheiten der 12. Armeegruppe war,125 jedoch weiterhin für sich. 3.2.3 Moralanalyst im Psychological Warfare Combat Team der 1. US-Armee

Jacob Tennenbaum wurde im Herbst 1944, knapp vor dem Großangriff aufs deutsche Kernland, gemeinsam mit rund 20 anderen Soldaten aus den Reihen der US-Armee zum neu gegründeten Psychological Warfare Combat Team #1 (im Folgenden PWB/1st Army genannt) detachiert. Diese taktische Propa­gandaeinheit 123 Ganglmair, Kriegspropa­ganda, 109 f. 124 Für eine Auflistung dieser PW-Abteilungen siehe Jaffe, Report of Activities 2nd MRBC, 12.4. 1945. 125 Vgl. Bowen/Edelman, History, 44.

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war an die G-2-Abteilung des Hauptquartiers der militärhistorisch bedeutenden ersten Armee126 angeschlossen. Tennenbaum erlebte nun einen veritablen Karrieresprung, denn er bekleidete in dieser »unit«, die gegen Ende des Krieges auf 60 Mann angewachsen war, die Rolle des Chefs der Nachrichtenabteilung. Die PWB/1st Army, die ab Februar 1945 eine ausgereifte Organisationsstruktur aufwies,127 war wie die MRBC-Kompanien in der Lage, selbstständig Propa­ganda zu konzipieren, zu produzieren und zu vervielfältigen sowie – nicht zuletzt dank Informationsaustausch mit anderen PWD-Stellen – die Reaktion der deutschen Adressaten auf die eigenen Propa­gandakampagnen zu dokumentieren und zu evaluieren. Den (Flugblatt-)Autoren und Redakteuren dieser Einheit lieferte der PWI-Mann Tennenbaum regelmäßig Informationen über die Zielgruppe und deren Reaktion auf die US-Propa­ganda. Eine der Hauptaufgaben Tennenbaums als leitender Offizier der PWB-Intelligence Section war das Verfassen von regelmäßigen PWI-Reports bzw. von möglichst akkuraten Psychogrammen über die Wehrmacht. Diese Reports über die Stimmung im feindlichen Lager basierten großteils auf der Auswertung von Kriegsgefangenenbefragungen. Die IPW- und PWI-Verhöre waren meist qualitative Einzelinterviews und »impressionistic observations«,128 die letztlich ein eher subjektives Bild der deutschen Soldatenseele zeichneten. Die Moralanalysten auf der PWD-Stabsebene, aber auch die PWB-Abteilungen auf der Ebene der Armeen stützten sich bei ihrer Arbeit jedoch nicht nur auf qualitative Interviewmethoden bzw. hermeneutisch angelegte Reports, sondern auch auf standardisierte Fragenkataloge, die auf den sogenannten Morale Questionnaires basierten. Diese »konstituierten eine der umfangreichsten zeitgenössischen Meinungsumfragen«, die deutschen Soldaten in westalliierten Verhörlagern zur Beantwortung vorgelegt wurden.129 Sie beinhalteten immer dieselben Fragen  : [I]hre Meinung zum vermuteten Kriegsausgang, ihre Haltung zu Hitler und zum Nationalsozialismus, ihr Eindruck von der Moral in der Wehrmacht, ihr Bild von ihren Kriegsgegnern und zu anderen Aspekten.130

Eine weitere Form standardisierter Datenerhebung zur »Feindmoral« waren die von der obersten Stabsebene von PWD/SHAEF am europäischen Kriegsschauplatz 126 Jonathan Gawne, Finding Your Father’s War. A Practical Guide to Researching and Understanding Service in the World War II US Army. Drexel Hill  : 2006, 261. 127 Vgl. Laurie, Warriors, 191. 128 Lerner, Sykewar, 112. 129 Römer, Kameraden, 39. 130 Ebd.; vgl. Lerner, Sykewar, 109–113 und 115 f.



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41 Ein joviales Loblied des Kommandanten zum einjährigen Bestehen der Second Mobile Radio Broadcasting Company, Dezember 1944.

ausgegebenen Fragebögen (PWI Surveys bzw. Opinion Surveys). Während die qualitativen Einzelinterviews mit repräsentativen Soldatentypen131 in der Regel auf einer biografischen Tiefenbefragung des Kriegsgefangenen beruhten, konzentrierten sich die quantitativen PWI Surveys eher auf geschlossene Ja/Nein-Fragen zu verschiedenen propa­gandarelevanten Themen.132 Der große Aufwand, den man mit solchen Umfragen an mehreren Orten und mithilfe verschiedener Personengruppen betrieb, ermöglichte tiefe Einblicke in die Geisteswelt des Feindes. Vergleicht man etwa die im geheimen US-Abhör- und -Verhörlager Fort Hunt erhobenen Daten aus den Morale Questionnaires mit denen der PWD/SHAEF aus Nordwesteuropa, so zeigt sich, dass die in den USA unter den deutschen Soldaten erhobenen Zustimmungswerte zu Hitler mit den in Europa eingeholten PWI-Umfrageergebnissen ziemlich deckungsgleich waren.133 Die quantitativen 131 Vgl. Lerner, Sykewar, 109. 132 Ebd., 112. 133 Felix Römer, »Volksgemeinschaft in der Wehrmacht  ? Milieus, Mentalitäten und militärische Moral in den Streitkräften des NS-Staates«, in  : Welzer et al., »Führer«, 55–94, hier 61 f.

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Daten solcher Fragebögen wurden in der Folge mit den subjektiven und impressionistischen Eindrücken aus den IPW- und PWI-Verhören abgeglichen, um daraus ein Gesamtbild der »Feindmoral« zu konstruieren. Obwohl dieser duale Zugang, bestehend aus qualitativer Tiefen- und quantitativer Breitenanalyse, von den Amerikanern nicht immer mit wissenschaftlicher Exaktheit, sondern oft mit hemdsärmeligem Pragmatismus umgesetzt wurde, kann er als innovativ bzw. sogar als bahnbrechend bezeichnet werden.134 So wurde dadurch versucht, die massenhaft zur Verfügung stehenden, aber oft wenig aussagekräftigen Zahlenkolonnen und standardisierten Daten der PWI Surveys und Morale Questionnaires mit dem Korrektiv der biografischen Detailanalyse und der Einzelbetrachtung der »Feindmoral« (Interviews, erbeutete Tagebücher usw.) in Einklang zu bringen  : Die Analysen der »Military Intelligence« [und »Propa­ganda Intelligence«] weisen […] in ihrer Kombination von Einzelinterview und quantitativen Umfragen bereits auf die Nachkriegsentwicklung der Sozialforschung hin. Zum methodischen Herzstück dieser Annäherung wurde neben den Meinungsumfragen das lebensgeschichtliche Interview ausgesuchter Kriegsgefangener, so genannter »representative types«, die man aufgrund von Herkunft, Beruf oder Elternhaus für repräsentativ für ein bestimmtes Milieu oder eine bestimmte soziale Schicht hielt.135

Die quantitativen Fragebögen vermochten es, gewisse Grundzüge der »enemy morale« anschaulich zu machen. Die PWI-Abteilung des PWD-Hauptquartiers stellte etwa auf Basis solch standardisierter Fragebögen zur Moral im März 1945 fest, dass im letzten Kriegsjahr ein drastisch sinkender Glaube an den deutschen Kriegserfolg erkennbar war, während das Vertrauen in den »Führer« (zumindest bis wenige Wochen vor der deutschen Kapitulation) erstaunlich hoch blieb  : Hitler hatte demnach konstante Zustimmungsraten von rund 60 %  !136 Solche Informationen verrieten also viel über die »Haltungen« der Landser und das Innerste der Wehrmacht. Die hier abgefragten Inhalte waren für die Verwendung in der konkreten Propa­gandaproduktion in vielerlei Hinsicht aber nicht brauchbar. Warum  ? Da das Vertrauen der Deutschen in den »Führer« laut den Fragebögen sehr groß war, vermied die PWD/SHAEF es, ihn zu thematisieren bzw. gar direkte Angriffe auf ihn zu lancieren. Die zitierten Umfrage-Erkenntnisse zu Hitler boten 134 »[T]he PWI surveys […] were among the historic first attempts by a military staff section to make systematic analyses of enemy morale on the basis of comparable data. […] [The quantitative surveys] contributed continuous checks upon the ›impressionistic‹ insights produced by the qualitative methods. Used together, prolonged interviews and sample surveys produced a fairly high order of intelligence data on morale.« Lerner, Sykewar, 112 f. 135 Zagovec, »›The Mind of the Enemy‹«, 284 f. 136 Lerner, Sykewar, 114 f.



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also für die Flugblattschreiber weder eine lohnenswerte Zielscheibe noch sprachlichen »Rohstoff« für persönliche Angriffe auf ihn. Im Gegenteil  : Der oberste Nationalsozialist zog sogar »lauwarme Nationalsozialisten und selbst Gegner dieser Weltanschauung in seinen Bann« und blieb bis zum Schluss – »inviolate as a symbol«137 – eine charismatische und väterliche Figur, zu der man trotz aller Katastrophen loyal und vertrauensvoll aufblickte.138 Als etwa zwei deutsche Wehrmachtssoldaten 1944 in einem CSDIC-Verhörlager in Frankreich nach ihrer Meinung zum weiteren Kriegsverlauf befragt wurden, gaben sie an, dass Hitler in einen aussichtslosen Kampf verstrickt sei. Doch auch sie waren nicht geneigt, ihrem »Führer« die Schuld dafür zu geben, sondern sie sprachen von »too much power in the hands of the SS and the Gestapo« bzw. davon, dass – entgegen allen Tatsachen – Hitlers »Freundschaftspakt« durch die Russen gebrochen und Deutschland dadurch in den Krieg hineingezogen worden sei.139 Aus Sicht des US-Militärs wäre es daher kontraproduktiv gewesen, angesichts der langen Serie von deutschen Kriegsniederlagen den »Führer« in den Mittelpunkt der Flugblattkampagnen zu stellen oder allgemein auf zu politische Argumentationslinien zu setzen.140 Der »Führer« blieb weitgehend eine »no go area« für taktische Frontpropa­ganda.141 Da dieses Beispiel zeigt, dass die quantitativen Umfrageergebnisse eher einen allgemeinen Überblick zu deutschen Einstellungen und strategischen Fragen vermittelten, aber nicht unbedingt eine gute Grundlage für zielgruppengerechte Propa­gandakampagnen darstellten, bedienten sich die Output-Produzenten der PWD in der Praxis vor allem am Daten- und Informationsmaterial aus den qualitativen Kriegsgefangenenverhören. Ein Vorteil des auf einem persönlichen Gespräch basierenden Einzelinterviews ist der authentische Einblick in Habitus, Lebenswelt und Sprache eines »typischen« Landsers – dies war mit den Morale Questionnaires oder den geschlossenen Fragen der PWI Surveys kaum möglich. Konnte man die in den Umfragen erhobenen Themen, die oft um Ideologie oder Strategie kreisten – Dinge also, die für den um sein Leben kämpfenden Soldaten im Schützengraben meist nur von sekundärer Relevanz waren –, nur schwer propagandistisch ausnutzen, so warfen die Einzelverhöre konkrete und greifbare Schlaglichter auf die lebensweltlich bedeutenden Fragen der Soldaten. Fragen, die für den Flugblattadressaten im Feld, der situativen Zwängen wie Überlebens137 Ganglmair, Kriegspropa­ganda, 435. 138 Henke, Besetzung, 301. 139 POW Interviews CSDIC West/NOI/460, undatiert, vermutlich Herbst 1944. NARA, RG 498, E 211, B 1231. 140 Lerner, Sykewar, 167. 141 Ganglmair, Kriegspropa­ganda, 299.

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drang, Hunger und Angst ausgesetzt war, wichtiger waren als abstrakte, lebensferne Themen. Das im Kriegsalltag sehr bedeutende Thema der Desertion ist daher ein wesentlich häufiger strapazierter Topos der taktischen psychologischen Kriegsführung als der der antifaschistischen Ideologie. Je weiter der Krieg fortgeschritten war, desto entideologisierter erlebten ihn die Wehrmachtssoldaten, umso mehr rückte für sie in vielen Fällen der militärische Aspekt bzw. jener des nackten Überlebens angesichts der alliierten Übermacht in den Vordergrund.142 Es war nicht der Einfallsreichtum der PWD/SHAEF und ihrer Offiziere, der für diese pragmatische Themenwahl bei der Flugblattpropa­ganda verantwortlich war. Desertion und Defätismus sind seit jeher Propageme, die im Kriegsfall aufgegriffen werden. Doch noch nie wurden die Reaktionen auf die klassischen Themen der taktischen Kriegspropa­ganda so aufwändig festgehalten und untersucht wie von den Amerikanern und Briten im Zweiten Weltkrieg. Der analytische Aufwand, der gerade in Bezug auf die Einzelverhöre betrieben wurde, wertete in vielen Fällen die Qualität des amerikanischen Propa­gandaoutputs auf. Denn die vornehmlich auf qualitativen IPW- und PWI-Verhören basierenden Intelligence-Berichte Tennenbaums dokumentieren nicht nur die wunden Punkte der deutschen Soldatenmoral  ; sie gaben auch die im Soldatenslang vorgetragenen defätistischen »stories« kriegsmüder bzw. desertionswilliger Wehrmachtssoldaten oft eins zu eins an die Output-Stellen weiter und legten den Flugblattautoren, Lautsprecheransagern und Radiosprechern, die den Gegner zur Desertion aufriefen, die Worte bereits in den Mund. Worte, die von »typischen« Landsern stammten.143 Die PWI-Offiziere als Materiallieferanten der Flugblattpropa­ganda hatten also nicht nur das, was die von den Verhöroffizieren befragten Landser sagten, zu dokumentieren, sondern auch festzuhalten, wie und mit welchen sprachlichen Mitteln sie es sagten. »It is an axiom of all propa­ganda of the written word«, so ein prominenter Flugblattschreiber der PWD/SHAEF, »that the language must be truly that of the recipient«.144 Und die hier gemeinte Sprache war die einfache, oft derbe Sprache des Soldaten, der meist über einen »begrenzten Horizont« verfügte und, wie bereits erwähnt, »nonpolitical, commonsense, and straightforward appeals« anstelle hochtrabender Rhetorik oder Ideologie erwartete.145 Nach David Welch ist die Erfolgsformel eines guten Flugblatts bis heute die folgende  : eine möglichst direkte, im Idiom des Rezipienten gehaltene Sprache und leicht 142 Ebd., 170. 143 Lerner, Sykewar, 101. 144 Herz, »Psychological Lessons«, 478. 145 Laurie, Warriors, 219.



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zu verstehende Bilder.146 Ein österreichischer Infanterist etwa, der beim Verhör durch einen PWI-Offizier in seinem regionalen Dialekt über die unfähigen »Piefkes« seiner Kompanie wettert, war eine wahre Inspiration für jeden US-Flugblattautor.147 Auch wenn es darum ging, antinationalsozialistische Witze aus dem Inneren Deutschlands mittels Flugblatt oder anderer Medien zu verbreiten, leistete die Propa­ganda Intelligence wertvolle Dienste. Da die PWI-Aufklärung Informationen und satirische Zitate aus dem Mund der feindlichen Bevölkerung unverzüglich an die eigenen Propa­gandaautoren weiterleitete, wiesen die »anti-Nazi jokes« der Amerikaner zur Verblüffung vieler Deutscher einen hohen Aktualitätsgehalt auf.148 Im frontnahen Bereich auf der Ebene von Armeen, Korps und Divisionen war die eben beschriebene taktische Output-Funktion die wichtigste Aufgabe der Propa­ganda Intelligence.149 Tennenbaum arbeitete jedoch nicht nur den psychologischen Kriegern im Einflussbereich seiner Armee, sondern auch den höheren Kommandostäben der P&PW/12th Army Group und der PWD im SHAEF-Hauptquartier zu. Diese oberen Ebenen, die sich nicht nur um Kampfpropa­ ganda, sondern auch um strategische Flugblätter und Radioprogramme für ein breiteres P ­ ublikum kümmerten, maßen sowohl den subjektiven Einzelinterviews als auch den standardisierten Umfragen der Propa­ganda Intelligence eine hohe Bedeutung zu. Die PWD-Strategen nutzten beide dieser Quellen als Gefühls­ barometer und zur Gewinnung von sogenannter »pure intelligence« über die generellen Meinungs- und Stimmungslagen innerhalb der feindlichen (Militär-) Gesellschaft. Letztere lieferte im Gegensatz zur »output intelligence« keinen Rohstoff für spontane Propa­gandaattacken im Feld, sondern diente als Grundlage für langfristige Planungen und eine vorausschauende Propa­gandapolitik der obersten PWD-Stäbe.150 Die Arbeit Tennenbaums bei der PWB/1st Army war maßgeblich vom unaufhaltsamen Vorrücken der materiell überlegenen anglo-amerikanischen Streitkräfte und dem ebenso unaufhaltsam scheinenden Niedergang der deutschen Wehrmacht geprägt. Für ihn und andere Propa­gandaexperten stellte sich ab Herbst 1944 weniger die Frage, ob die deutschen Soldaten der alliierten Aufforderung zur Aufgabe des Widerstands Folge leisteten, sondern wie viele von ihnen desertieren würden und wie man diese Zahl durch geschickte persuasive Agitation noch erhöhen 146 Welch, Propa­ganda, 96. 147 Siehe hierzu Morris Janowitz/William E. Daugherty, »Intelligence for Output«, in  : Daugherty/ Janowitz, Psychological Warfare Casebook, 486–490, hier 487. 148 Ebd. 149 PWD/SHAEF, Account of Operations, 32. 150 Lerner, Sykewar, 98  ; zum oft problematischen Dualismus von »output intelligence« und »pure intelligence« siehe Janowitz/Daugherty, »Intelligence«, 486–490.

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konnte. Gerade in dieser Phase des deutschen Niedergangs – in der vergleichsweise viele Wehrmachtssoldaten zum Strecken der Waffen vor dem mächtigen Gegner bereit waren – setzten die Kommandeure der kämpfenden Truppen große taktische Hoffnungen in die Fähigkeiten der Propagandisten und ihrer Kommunikate. Zu diesen Hoffnungsträgern gehörte etwa der Österreicher Emanuel Rapoport, der als Lautsprecheransager beim Kampfpropa­gandateam der 9. US-Armee diente und in dieser Funktion angeblich Hunderte Gegner an der Westfront zum Aufgeben überreden konnte.151 Leute wie er waren Verwerter des von den PWI-Nachrichtenoffizieren aufbereiteten »Rohstoffs«. Zur Veranschaulichung der Charakteristik des Lautsprechers als Propa­gandamedium und der Bedeutung, den die PWI-Aufklärung dabei hat, wird in Folge ein Auszug aus dem Text, den ein Lautsprecherteam der 28. US-Infanteriedivision an Soldaten der 89. Infanteriedivision der Wehrmacht richtete, zitiert. Der hier in der englischen Übersetzung angeführte und vom österreichischen MRBC-Soldaten Paul Eisler verlesene Text ist gemäß der Propa­gandaphilosophie der PWD nüchtern und informativ und gibt militärischen und lebensweltlich relevanten Themen gegenüber ideologischen Inhalten den Vorzug. Die Angaben über Frontverläufe und Truppenstärken und -bewegungen waren in der Regel wahrheitsgetreu, ganz nach dem weißen Propa­gandamotto der PWD »Der Starke braucht die Wahrheit nicht zu fürchten«  : Attention, Attention, all German soldiers from the 1055[th] Regiment of the 89th Infantry division. Here speaks an American GI to you, he has an important message for you. This is not a propa­ganda broadcast, for we realize that you are indoctrinated with propa­ganda day in and day out, this broadcast is meant to tell you facts, nothing but bare facts. […] Do you know that Koenigsberg is captured by the Russians  ? Do you know that Breslau is completely encircled  ? Do you know that the Allies are just a few kilometers away from Cologne  ? All these statements are bare facts, but you might not know these facts. You heard the terrific thunder, roaring high over your heads, you might be wondering what they were up to. They are bombing and strafing your comrades, who have chosen to sacrifice you and have [sic  !] are fleeing towards the Rhine. We know that during the past two days you have been moving all your equipment to the rear. They have left you there to hold the line. You know that this is impossible.152

Durch die Konfrontation mit der nackten Realität sollten die deutschen Kämpfer zu pragmatischen Überlegungen im Stile von »Wenn der Ami schon vor Köln 151 Lackner/Traussnig, »US Army’s Creativity Lab«, 13–20  ; Eddy, Camp Sharpe, 139 f. 152 Cpl. Eisler, P[&]PW Broadcast for 28th US Infantry Division, undatiert, vermutlich Frühjahr 1945. NARA, RG 338, E 37042, B 5711.



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steht, sieht es ja schlecht mit uns aus  !« gebracht werden. Die Betonung der Allwissenheit (»We know …«),153 ein oft strapaziertes Motiv der amerikanischen Kriegspropa­ganda im Zweiten Weltkrieg,154 die in diesem Fall durch die Behauptung »We know that […] you have been moving all your enemy equipment to the rear« veranschaulicht wird, ist das wohl stärkste Argument dieses Texts. Da die – durch die amerikanische Aufklärung in Erfahrung gebrachten – Vorgänge im feindlichen Lager detailliert beschrieben werden, teilt man dem Hörer unmissverständlich mit  : »Der Ami ist nicht nur militärisch überlegen  ; er weiß auch über jeden Schritt, den Du tust, Bescheid  ! Gegen so einen Feind Widerstand zu leisten ist sinnlos. Gib auf  !« Es war Usus, solche Lautsprecheransagen unmittelbar vor dem Abwurf von Flugblättern über dem Feindgebiet (wie bei dem hier zitierten Beispiel der Fall) bzw. vor oder nach einem schweren Artillerieangriff vorzutragen. Das daraus resultierende enervierende Wechselspiel aus »paper bullets« und »metal bullets« sollte die feindlichen Soldaten zermürben. Doch war die Dienstzeit Tennenbaums trotz der Überlegenheit der US-Armee keineswegs eine ununterbrochene Folge von Siegen am militärischen und propagandistischen Schlachtfeld  : Als die im belgischen Spa stationierte PWB/1st Army kurz vor Weihnachten 1944 von der Bedrohung durch die deutsche Ardennenoffensive erfuhr, wurde es für die »Psywarriors« ungemütlich. Saul K. Padover berichtet über einen Besuch bei den G-2- und PWB-Abteilungen der ersten Armee, deren Sorgen auf einmal nicht mehr der Psyche des Feindes, sondern der eigenen Sicherheit galten. Die Front war Tennenbaum und anderen PWB-Leuten, die bisher einen eher unspektakulären Kriegsdienst geleistet hatten, nun plötzlich bedrohlich nahe gerückt.155 Die zahlreichen zwischen Spätherbst 1944 und Frühjahr 1945 von Tennenbaum verfassten Intelligence Reports für die PWB/1st Army waren Teil jener gigantischen, oft redundanten, oft widersprüchlichen und kaum überblickbaren Datenmenge, welche die alliierte Intelligence- und Propa­gandamaschinerie in Europa innerhalb kürzester Zeit hervorbrachte. Martin van Creveld behauptet in seiner (für die Amerikaner wenig schmeichelhaften) komparativen Studie der Wehrmacht und der US Army, dass die »Informationssucht« der Amerikaner, die »einen möglichst hohen Informationsstand für den Schlüssel zum Sieg hielt[en]«, zu einer Konzentration der »Besten und Intelligentesten« im nachrichtendienst-

153 Vgl. Zacharias, Secret Missions, 307. 154 »Die [die alliierten Radiopropagandisten] haben viel gewusst.« Zeitzeugenvortrag von Hermine Liska im Rahmen der Fachdidaktik-Ausbildung für Geschichtelehrer am BG/BRG Kirchengasse in Graz, 15.1.2013. 155 Siehe Padover, Lügendetektor, 157 f.

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lichen Bereich führte.156 Was für die kämpfende Truppe, wo solche aufwändig ausgebildeten Offiziere oft fehlten, ein Nachteil war, erwies sich für die Propa­ ganda Intelligence und die Propa­gandaproduzenten als Segen. Die Briten und Amerikaner verfügten über ein enormes Wissen über den Feind. Wo hatten Leute wie Tennenbaum eigentlich ihre Informationen her  ? Nun, die mit der Konzeption von Propa­gandakommunikaten beauftragten Abteilungen und Ebenen der PWD stützten sich bei ihrer Arbeit auf eine Vielzahl von Quellen. Für die Propa­ganda Intelligence aller PWD-Einheiten, vor allem aber für die oberste SHAEF-Stabsebene, erwiesen sich in loser Anlehnung an Daniel Lerner folgende Bücher und Nachschlagewerke als Fundus für die allgemeine »back­ ground intelligence« über den Kriegsgegner und dessen Bevölkerung  : die Publikationen des britischen Political Intelligence Department (PID), darunter etwa die Biografie-Sammlung Who is Who in Germany, oder die Town Plans der deutschen Metropolen. Wichtige allgemeine Informationen lieferten auch offene Quellen wie deutsche Reiseführer oder Zeitungen. Die für inhaltlich präzise und zeitlich optimierte Propa­gandamaßnahmen so wichtige »up-to date information«157 hingegen stammte aus anderen Wissensbeständen  : Dazu zählten die periodischen Intelligence Reports der PWD/SHAEF sowie der G-2-, P&PW- und PWB-Abteilungen. Vor allem das ab Oktober 1944 37-mal erstellte »wöchentliche ›Moralbild‹« namens Weekly Intelligence Summary for Psychological Warfare der PWD/SHAEF 158 und das Daily Summary of Intelligence der P&PW-Abteilung der 12. Armeegruppe sind hier zu erwähnen.159 Weitere wichtige Datenquellen waren unter anderem diverse Berichte des britischen War Office und des Foreign Office  ; die bereits mehrfach erwähnten Interrogation Reports der unzähligen IPW- und PWI-Teams im Feld bzw. in den Verhörlagern der MIS in den USA160 und den CSDIC-Lagern der Briten und Amerikaner  ; die Field Intelligence Reports und das Political Intelligence Weekly des OSS  ; der täglich erscheinende, laut Lerner unverzichtbare PID-News-Digest und der Daily Digest for Germany and Austria und die Morale Studies der Abteilung für Armeepsychiatrie der britischen Streitkräfte unter der

156 Martin van Creveld, Kampfkraft. Militärische Organisation und Leistung der deutschen und amerikanischen Armee 1939–1945. Graz  : 42009, 195. 157 Janowitz/Daugherty, »Intelligence«, 486. 158 Falko Bell, Britische Feindaufklärung im Zweiten Weltkrieg. Stellenwert und Wirkung der »Human Intelligence« in der britischen Kriegführung 1939-1945 (= Krieg in der Geschichte, Bd. 95). Paderborn  : 2016, 310 f. Ein Teil dieser Propa­ganda Intelligence-Wochenberichte ist im US-Nationalarchiv in College Park unter der Referenz NARA, RG 331, E 87, B 24 einsehbar. 159 Siehe exemplarisch A. Toombs, HQ 12th Army Group, Publicity & Psychological Warfare, Daily Summary of Intelligence, 10.4.1945. NARA, RG 338, E 37042, B 5711. 160 Siehe hierzu grundlegend das Buch von Römer, Kameraden.



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Führung des Psychologen Henry Dicks.161 Die verschiedenen PWD- und PWB-Instanzen trugen zu dieser riesigen Datensammlung über den Feind nicht nur aktiv bei, sondern bedienten sich dank des regen Austauschs der nachrichtendienstlichen Berichte innerhalb der verschiedenen westalliierten Propa­gandaeinheiten und Geheimdienststellen auch selbst reichlich am Informationsbuffet. Die eben gegebene Auflistung beruht zu weiten Teilen auf Wissensaustausch und »liaison intelligence«, also auf jenen Informationen, die ein Propa­gandatrupp im Feld wie PWB/1st Army weniger durch eigene Erhebungen, sondern von anderen alliierten Institutionen oder höheren Stäben erhielt. Gereiht nach Wichtigkeit waren die direkten nachrichtendienstlichen Quellen für die Kampfpropa­ganda-Teams der US-Armee nach Lerner  : deutsche Kriegsgefangene und Zivilisten, alliierte Agenten, ehemalige Fremdarbeiter in Deutschland, Exilanten aus dem Deutschen Reich, deutsche und neutrale Radiostationen bzw. (Presse-)Publikationen sowie erbeutete deutsche Dokumente.162 Lerner hebt hervor, dass gerade die deutschsprachigen Flüchtlinge in Großbritannien und den USA, also Leute wie Tennenbaum, eine vorzügliche Quelle für allgemeine Hintergrundinformationen über die Feindnation darstellten. Da die Flüchtlinge aber in der Regel schon seit längerer Zeit nicht mehr in Österreich oder Deutschland lebten, war man bei der »current intelligence« massiv auf die deutschen Kriegsgefangenen angewiesen.163 Die mit ihrer Hilfe gewonnene »Human Intelligence« war letztlich der Dreh- und Angelpunkt für die permanente Optimierung und Zielgruppenorientierung der Propa­ gandatätigkeit der MRBC- und PWB-Einheiten im Feld. 3.2.4 Detailanalyse  : Der Weekly Intelligence Report for Psychological Warfare

Nach der Darstellung von Tennenbaums bisheriger Kriegsbiografie wenden wir uns nun dem Weekly Intelligence Report for Psychological Warfare/1st Army zu, den er als Chef der PWI-Nachrichtenabteilung der PWB/1st Army regelmäßig verfasst hat. Der Weekly Intelligence Report war ein sich primär auf den direkten Kontakt mit dem Feind (Kriegsgefangenenbefragung) stützender Bestandteil des eben skizzierten westalliierten Informationsmosaiks. Als (vermeintliches) Spiegelbild der gegnerischen Moral waren solche Berichte die geistige Munition für die taktische US-Propa­ganda an der Westfront und für groß angelegte Flugblatt- und Rundfunkkampagnen der PWD/SHAEF. Sie wurden von den Propa­ gandaplanern und -produzenten, aber auch von regulären Offizieren verschiedenster Waffengattungen und Ebenen regelmäßig rezipiert  : 161 Lerner, Sykewar, 103–105. 162 Ebd., 105 f. 163 Ebd., 106 und 108.

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[These] reports originated in the field and worked their way up the echelons of higher authority, one step at a time. At each echelon, the reports were used for whatever local purposes they served and passed up, together with all other reports received from below, to the »next higher headquarters« until they reached SHAEF, which was the »supreme« level for [any] intelligence reporting, as for other matters. […] The overall objective of these analyses, as of the whole PWI effort, was to provide Sykewarriors with current and accurate information on the shifting attitudes and behavior of »Hitler’s Germans.«164

Nachfolgend werde ich auf den Inhalt des wöchentlichen Berichtes Nr. 3 vom 12. Februar 1945165 näher eingehen. Zu einem Zeitpunkt, an dem die Alliierten nach dem Schock der Ardennenoffensive wieder die Oberhand auf den Schlachtfeldern gewonnen hatten, destillierte Tennenbaum aus einer Reihe von nachrichtendienstlichen und militärischen Informationen Ereignisse und Themen heraus, denen er besondere propagandistische Relevanz beimaß. Die wichtigsten Quellen dieser Wochenberichte setzten sich aus den Verhörberichten der IPW-Teams und aus der Propa­gandaaufklärung von anderen Einheiten sowie den Informationen der – ebenfalls in Camp Ritchie ausgebildeten – Spezialisten für die Schlachtordnung und die Struktur der Wehrmachtseinheiten (OB, Order of Battle) zusammen. Weitere nachrichtendienstliche Daten (etwa über erbeutete Feinddokumente) und die ebenfalls meist auf Verhörarbeit basierenden Berichte der G-2-Abteilungen aller Ebenen ergänzten das Bild. Letztlich hatte Tennenbaum bei seiner Tätigkeit die Aufgabe, »to sift the mass of incoming data, to separate the relevant from the irrelevant and the probable from the doubtful, and to integrate what remained into a cogent, reliable and readable summary of the weeks intelligence for ›psychological warfare‹.«166 Im Folgenden werden wir Tennenbaums Wochenbericht genau analysieren. Im Punkt 1, Military Situation, zeichnet der Autor zunächst ein situatives Gesamtbild der militärischen Vorgänge rund um das Dorf Schmidt und den nahen Fluss Rur. Schmidt war während der von Oktober 1944 bis Februar 1945 dauernden (und für die Amerikaner zunächst verlustreichen) Schlacht um die Region Hürtgenwald167 (im heutigen Nordrhein-Westfalen) heftig umkämpft. Als Tennenbaum seinen Bericht verfasste, war der heroische und anfangs erfolgreiche 164 Ebd., 117 und 120. 165 J. Tennenbaum, HQ 1st US Army, Office of the P&PW Officer, PW Combat Team, Weekly Intelligence Report, Nr. 3, 5.2.–11.2.1945, 12.2.1945, 1–24, hier 1. NARA, RG 338, E 37042, B 5711. 166 Lerner, Sykewar, 118. 167 Die Schlacht im Hürtgenwald war eine von einer Reihe von Abwehrschlachten der Wehrmacht, die aufgrund ihres hohen Blutzolls den amerikanischen Teilnehmern in besonderer Erinnerung blieb.



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42 Saul K. Padover (r.), Nachrichtenoffizier des OSS und der PWD/SHAEF mit österreichischen Wurzeln, bei der Arbeit in Belgien.

Kampf der Deutschen um Schmidt nur mehr eine Fußnote in den Tagebüchern des OKW. Tennenbaum fokussierte deshalb vor allem auf Ereignisse, welche von der schwindenden Kampfmoral des materiell und personell unterlegenen Gegners zeugten und von der US-Propa­ganda dementsprechend ausgeschlachtet werden konnten. Die Episode einer deutschen Streife, der befohlen wurde, die Urfttalsperre, die den Fluss Urft zu einem großen See aufstaute, zu sprengen, dabei aber den Wahnwitz dieser »Selbstmordmission« erkannte und geschlossen zu den Amerikanern überlief, lieferte den Abnehmern von Tennenbaums Reports geistige Munition für Desertionsflugblätter und Lautsprecheransagen.168 In Punkt 2 berichtet Tennenbaum über die für die psychologischen Krieger nicht minder interessanten Losses und Replacements innerhalb der Wehrmacht und führt dabei unter anderem an, dass laut Aussage eines Kriegsgefangenen zwei Infanterieregimenter der 62. Volksgrenadierdivision auf Kampfgruppen von nur mehr 70 bis 100 Mann zusammengeschmolzen seien.169 Die sogenannten 168 Tennenbaum, Weekly Intelligence Report, Nr. 3, 12.2.1945, 1 f. 169 Ebd., 2.

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Volksgrenadiere waren eine beliebte Zielscheibe der alliierten psychologischen Kriegsführung  : So wurden für die Volksgrenadierdivisionen (ein zynischer Begriff, der die Verbundenheit der moribunden Wehrmacht mit dem deutschen Volk, dem die Nationalsozialisten gegen Kriegsende mörderische Militärdienste aufzwangen, unterstreichen sollte) in großem Stil neue Kader ausgehoben, die beim »Durchkämmen der Etappe« entdeckt worden und kaum kampffähig waren. Josef Heindl, ein elitärer Leutnant der Wehrmacht, verspottete die Soldaten der Volksgrenadierdivisionen als »Einäugige, Finger ab, Magenkranke, die, die früher u.k. gestellt worden sind, Kriegsneurose, Plattfüße, auch so körperlich Behinderte.«170 In der zuvor angesprochenen 62. Volksgrenadierdivision dienten zudem auch »viele eingezogene Tschechen und Polen aus annektierten Gebieten, Männer, die kein Deutsch sprachen und deren Sympathien den alliierten Truppen gehörten«.171 Die US-Verhöroffiziere und -Propa­gandastrategen hatten schnell herausgefunden, dass die Volksgrenadiere eine lohnende Adressatengruppe für ihre defätistische Flugblattpropa­ganda darstellten. Der sich über rund 13 Seiten erstreckende Punkt 3, Morale, ist der wesentliche Kernbereich des Weekly Intelligence Report und behandelt in Unterabschnitten mehrere Themen. So wird etwa im Unterpunkt a), Military Situation, festgehalten, dass der Kampfwille der materiell unterlegenen Landser generell im Sinken sei.172 Der Abschnitt b) konzentriert sich auf den Bereich Food (der wohlgenährte GI als Antithese des hungernden Hitler-Anhängers war ein »running gag« in taktischen Flugblättern173) und c) auf »Weapons« (die 62. Volksgrenadierdivision musste laut Tennenbaum auf großkalibrige Mörsergeschütze verzichten, während sich die US-Artillerie u. a. den Luxus gönnte, mit modernen »Pozit«-Zündern zu experimentieren). In einem früheren Report ging Tennenbaum etwa auf die verheerende Wirkung ein, welche die enorme Feuerkraft der Amerikaner in manchen Fällen auf die Kampfmoral der Deutschen hatte. So zitiert er Kriegsgefangene der 18. Volksgrenadierdivision, die im Jänner 1945 im Raum St. Vith gekämpft hatten  : 170 Römer, Kameraden, 372. 171 Keegan, Weltkrieg, 648 f. 172 Dazu Tennenbaum  : »Their own precarious situation, which means fighting a well-equipped enemy with makeshift equipment, foreign guns […] and the lack of heavy infantry weapons and artillery mostly due to the lack of ammunition and transportation, makes it clear to them that they cannot stop us.« Tennenbaum, Weekly Intelligence Report, Nr. 3, 12.2.1945, 4  ; siehe auch Richard Overy, Why the Allies Won. London  : 22006, 255–299 und 386–400. 173 Vgl. Starkulla jr., Propa­ganda, 273  ; auf einem »Passagierschein«-Flugblatt der Amerikaner ist etwa verheißungsvoll das »Mittagessen in einem amerikanischen Kriegsgefangenenlager« abgebildet. OSS, RI Archives, Washington MO, verschiedene Propa­gandamaterialien, OWI-PWB/ AFHQ-Flugblatt »Passierschein«, USG 1. NARA, RG 226, E 112, B 1.



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The American artillery fire was too much for us. We couldn’t possibly endure it any longer.174

Da er selbst als Artillerist im südpazifischen Raum gekämpft hatte, hatte Tennenbaum wohl eine ungefähre Ahnung, wovon die deutschen Kriegsgefangenen sprachen, wenn sie über die »overwhelming superiority«175 der US-Artillerie und -Bomberschwadronen klagten. Ein strategischer Morale Report, der auf qualitativen Befragungen einer kleinen Gruppe von eher regimetreuen Wehrmachtssoldaten in Frankreich beruht, zeigt exemplarisch, dass die materielle Unterlegenheit der Deutschen trotz allen Festhaltens an der Institution Wehrmacht und an der Schimäre eines herbeigelogenen »Endsiegs« vielen Beteiligten schmerzhaft bewusst war  : »Equipment was incomplete and poor«.176 Nach dem Punkt d), Clothing and Health,177 folgen in Tennenbaums Report die Bereiche e), Desertion, und f ), Surrender. Diese entsprechen jenen »responsive actions«, welche im Idealfall am Ende aller Bemühungen der alliierten psychologischen Kriegsführung stehen. Zu diesen dem Propa­gandastimulus unmittelbar folgenden Handlungen zählt nach dem monokausalen Grundsatz post hoc ergo propter hoc etwa das Hissen einer weißen Flagge, nachdem der deutsche Soldat den alliierten Lautsprecherappell »Desertiere  !« gehört hat. Da in den meisten Fällen die Desertion oder die bewusst herbeigeführte Gefangennahme durch amerikanische Einheiten aber einer Vielzahl von Gründen und Motiven – und nicht nur der Überzeugungskraft von alliierten Flugblättern oder Radiosendungen – geschuldet ist,178 versuchte Tennenbaum herauszufinden, ob die propagandistischen US-Kommunikate an den defätistischen Aktionen der Wehrmachtsangehörigen Anteil hatten und, wenn ja, wie groß er war und wie man mithilfe der Vorschläge und Meinungen der Kriegsgefangenen die zukünftige Propa­ganda effizienter gestalten konnte. Wie konnte man am besten desertieren  ? Dieser Frage gingen Leute wie Tennenbaum nach. Über die immer zahlreicher werdenden Überläufer, die er als »mostly […] Volksdeutsche and anti-Hitlerites« einstuft, schreibt Tennenbaum, dass es eine verbreitete und kluge Praxis unter den Deserteuren sei, sich von den vorrückenden US-Einheiten möglichst unauffällig einholen und gefangen nehmen zu lassen und dabei weiße Flaggen zu schwenken oder sogenannte Safe Conduct Passes mit sich zu führen  : 174 J. Tennenbaum, HQ 1st US Army, Office of the P&PW Officer, PW Combat Team, Weekly Intelligence Report, Nr. 1, 22.–28.1.1945, 1–20, hier 8. NARA, RG 338, E 37042, B 5711. 175 Ebd. 176 POW Interviews CSDIC West/NOI/416, undatiert, vermutlich Oktober/November 1944. NARA, RG 498, E 211, B 1231. 177 Tennenbaum, Weekly Intelligence Report, Nr. 3, 12.2.1945, 2–6. 178 Vgl. Starkulla jr., Propa­ganda, 294 f.

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[T]he wisest course to adopt was to hide out somewhere or stay behind when the retreat order was given and let the advancing Americans to come to them. Most of these cases have white flags prepared and also Safe Conduct passes which are usually much in demand at such time, and we heard of one case where a Social Democrat who was determined for a long time to desert persuaded his group to stay with him and who had previously distributed 20 Safe Conduct passes which he had collected during the last month. These men also study carefully the surrender instructions given on our leaflets so that one can rightly class these men as outright deserters.179

Der Safe Conduct Pass, oder auch »Passierschein«, war ein instruktives Flugblatt, das den Wehrmachtssoldaten eine korrekte Behandlung durch amerikanische Truppen im Falle des freiwilligen Streckens der Waffen zusicherte und Anleitungen zum Akt des Sich-Ergebens gab.180 Da sich herausstellte, dass dieser auf logischen und lebensnahen Argumenten basierende Flugblatttyp vielen kriegsmüden Soldaten der sich mit Fortdauer des Kriegs »desintegrierenden« Primärgruppen der Wehrmacht die Desertion erleichterte,181 wurde er massenhaft eingesetzt und mehrfach adaptiert. Der Passierschein war zweifellos einer der größten Erfolge der taktischen US-Propa­ganda im Zweiten Weltkrieg. Der österreichische IPW-Mann Georg Troller, der laut eigener Aussage in Südfrankreich auch mit Lautsprecher Kampfpropa­ganda betrieben hatte, begründet den Erfolg des Safe Conduct Pass damit, dass er einerseits die Ehrgefühle der Deutschen nicht verletzte, andererseits den Lesern klar die Nützlichkeit eines solchen »ermächtigenden« Papierzettels vor Augen führte  : Für Troller war die US Army für »Subtilitäten zu primitiv, erfand aber immerhin den erfolgreichen ›Passierschein‹. Eine Aufforderung zur Übergabe, deutsch und englisch gedruckt. Oben sehr heroisch-heraldisch das amerikanische und britische Wappen, unten die persönliche Unterschrift Eisenhowers. Schon das Wort Passierschein war ein genialer Einfall, weil es nichts Unehrenhaftes in sich schloß. Das Ganze, fein gedruckt vor gestochenem grünem [oder rotem] Hintergrund, wirkte wie ein kostbares Wertpapier. Oder eine solide Versicherungspolice aufs Überleben. Und an viel anderem waren die Krauts jetzt ohnehin nicht mehr interessiert.«182 Tennenbaum schreibt in seinem Weekly Intelligence Report, dass viele deutsche Deserteure einen Safe Conduct Pass bei sich trugen.183 An allen europäischen Kriegsschauplätzen reagierten die Landser gegen Kriegsende »positiv« auf 179 Tennenbaum, Weekly Intelligence Report, Nr. 3, 12.2.1945, 7. 180 Vgl. Herz, »Psychological Lessons«, 473 und Bildteil. 181 Shils/Janowitz, »Cohesion«, 315. 182 Troller, Selbstbeschreibung, 211. 183 Tennenbaum, Weekly Intelligence Report, Nr. 3, 12.2.1945, 7.



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diesen Flugblatttyp. Nach einer Statistik der PWB/AFHQ in Südeuropa führten von einem Sample von Hunderten deutschen Soldaten, die im Jänner 1944 in der Nähe des italienischen Orts Garigliano den Passierschein gelesen hatten, mindestens 40 % ein solches Flugblatt mit sich.184 Der Bericht von David Brower, einem Soldaten der in Italien kämpfenden 10. US-Gebirgsdivision, bestätigt derartige Statistiken exemplarisch. So hätten zahlreiche gefangene Deutsche mit einem »sheepish smile« ein Passierschein-Flugblatt vorgewiesen, als sie zum Verhör gerufen wurden.185 Das von PWI-Offizieren wie Tennenbaum eingeholte Feedback vonseiten der deutschen Rezipienten gab den Planern auf allen PWD/SHAEF-Ebenen praxisnahe Anregungen und Impulse für die laufende Verbesserung des Flugblatts und für künftige Kampagnen zum Thema Desertion. Doch verlangte diese Interdependenz von Propa­ganda Intelligence und Propa­ganda Output eine dialektische Zugangsweise und ständige Reflexion. So kam man dank der Auswertung der PWI-Befragungen zum Safe Conduct Pass zur Überzeugung, dass die bürokratieaffinen und gründlichen Deutschen186 von den kunstvollen Siegeln und von General Eisenhowers Unterschrift auf dem ausgefeiltesten dieser Flugblätter beeindruckt waren. Sie betrachteten den Passierschein als »Dokument«. Menschen im westlichen Kulturkreis, unter ihnen vor allem Deutsche, neigen generell dazu, behördlichen Verlautbarungen, Amtsdokumenten und Äußerungen von Uniformierten Glauben zu schenken – die US-Propagandisten nutzten diesen weitverbreiteten Obrigkeitsglauben für ihre Zwecke. Mit Erfolg  : Aufgrund seines vertrauenerweckenden Erscheinungsbilds und der bereits von Troller erwähnten semantischen Dehnbarkeit des Worts passieren erleichterte der Safe Conduct Pass auch jenen Landsern, die in Hinblick auf ihre »Soldaten­ ehre«187 und den Eid, den sie Hitler geleistet hatten, der »Fahnenflucht« abgeneigt waren, den Akt des Überlaufens. Neben der Angst um das Sozialprestige als Soldat stellte auch die Sorge um die eigene Familie in der Heimat (der im Falle der Desertion eines ihrer Mitglieder Repressionen drohten) eine psychologische Barriere für viele kriegsmüde Landser, wie etwa den Österreicher Hubert Schmid, dar.188 Die potenziellen Deserteure konnten ihr Gewissen etwas beruhigen, in184 HQ 5th Army/PWB, Functions of the 5th Army CPT, 20  ; vgl. Laurie, »Black Games«, 263. 185 Shelton, Climb to Conquer, 175. 186 Vgl. Van Creveld, Kampfkraft, 26. 187 Vgl. Lerner, Sykewar, 146. 188 Im September 1944 hörte der erwähnte Schmid eine britische Lautsprecherdurchsage. Er wäre daraufhin gerne desertiert, aufgrund der Furcht vor »Todesstrafe und Sippenhaftung« sah er davon aber ab. Buchmann, Österreicher, 233 f.; dazu Tennenbaum  : »[F]ear of retaliation against the families are [sic  !] holding many soldiers back.« HQ 1st US Army, Office of the P&PW Officer, PW Combat Team, Weekly Intelligence Report, Nr. 1, 29.1.1945, 1–20, hier 16. NARA, RG 338, E 37042, B 5711.

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dem sie sich auf autosuggestive Weise einredeten, sie würden die Linie zum Feind mit einem offiziellen Dokument in der Hand »passieren«, anstatt »feige« zu desertieren.189 Wenn sie sich geschickt dabei anstellten, wurden sie von ihren ehemaligen Vorgesetzten nicht als Deserteure klassifiziert. Die Macher des Safe Conduct Pass wussten, dass für die Besitzer des Passierscheins die Möglichkeiten, in US-Kriegsgefangenschaft zu geraten, ohne zwingend als Deserteur zu gelten, mannigfaltig waren.190 Tennenbaums Berichte über die Verhöraussagen von solch »klugen« Deserteuren waren daher für die ständige Verbesserung des Passierscheins von einiger Bedeutung. Martin F. Herz, der wohl wichtigste deutschsprachige Flugblattschreiber der PWD/SHAEF, berichtet, dass IPW- und PWI-Verhöre auf die Gestalt des Passierscheins und die Dialektik der Propa­ganda Intelligence einen entscheidenden Einfluss ausgeübt hatten.191 Der Erfolg des ständig überarbeiteten und an mehreren Kriegsschauplätzen verwendeten Passierscheins war das Produkt eines kreativen und dynamischen Prozesses, an dem mehrere deutsche und österreichische Intelligence- und Propa­gandaexperten beteiligt waren. So findet sich im Nachlass des österreichischen Ritchie-Absolventen, OWI-Mitarbeiters und PWD-Offiziers Bert L. Werner ein undatiertes Flugblatt mit dem Titel »Geleitpass nach Hause« – eine frühe Version des »Safe Conduct«-Passes, die vermutlich die späteren Versionen mit beeinflusst hat.192 Basierte der Erfolg des Safe Conduct Pass auf der Abschätzbarkeit von »typisch deutschen« Handlungsmustern und bestätigte er damit weitverbreitete 189 Siehe HQ 5th Army/PWB, Functions of the 5th Army CPT, 17. 190 Vgl. ebd., 9. 191 »[P]risoner reactions could even be used to sharpen its effectiveness, as in the case of the wellknown SHAEF Safe-Conduct leaflet. The first edition of that leaflet […] showed merely the seal of the U.S. and the British royal crest, together with a standard text in English and German which called upon the Allied front-line soldier to accord his prisoner good treatment. By the time the Safe-Conduct leaflet went into its sixth printing, the following changes had been made as the result of P/W interviews  : a) the German text had been placed above the English  ; b) a note had been inserted, stating specifically that the English text was a translation of the German  ; c) General Eisenhower’s signature had been added  ; d) his name had been spelled out, because it was learned that Germans did not recognize the written signature as Eisenhower’s  ; e) the leaflet was printed in red rather than in green, which made it more conspicuous on the ground  ; and f ) a note had been added under the word ›Safe Conduct,‹ pointing out that the document was valid for ›one or several bearers.‹ These improvements resulted from continuous testing of the leaflet’s effectiveness.« Herz, »Psychological Lessons«, 473  ; Tennenbaum, Weekly Intelligence Report, Nr. 3, 12.2.1945, 21. 192 Flugblatt »Deutsche Soldaten«, undatiert. Leo Baeck Institute, Martha Werner Collection, Series IV  : Berthold Werner, AR 7261, Box 3. Für Details siehe die diesem Buch zugrunde liegende Dissertation  : Florian Traussnig, Geistiger Widerstand von außen. Österreicher in USPropa­gandainstitutionen des Zweiten Weltkriegs (Diss.). Graz  : 2013, 292 f.



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43 Eine Version des berühmten »Passierscheins« für deutsche Soldaten.

Vorurteile über den angeblichen Nationalcharakter der Deutschen  ? Obgleich »man der westalliierten nachrichtendienstlichen Annäherung […] zugute halten [muss], dass sich ihre Perspektive von den Theorien der zu ihrer Entstehungszeit virulenten Volks- und Nationalcharakterforschung deutlich unterschied« und sie von »einem bemerkenswert komplexen Gesellschaftsbild« ausging,193 dürfte das holzschnittartige Ethnostereotyp vom strammen, autoritätsgläubigen und bürokratievernarrten Deutschen bei der Genese des Passierscheins eine zentrale Rolle gespielt haben. Ob die amerikanischen Propagandisten sich mit dem Glauben an derartige Klischees und Vorurteile eine eigene Realität herbeigeschrieben haben oder manche Deutschen mit ihrer allzu naiven Rezeption des Passierscheins tatsächlich den Klischeebildern bzw. dem Propa­gandadiskurs der PWD-Autoren gerecht geworden sind, sei dahingestellt.194 Nicht zu leugnen ist jedenfalls die Tatsache, dass in den Befragungen zur Reaktion der Deutschen auf den Passierschein unzählige Stellungnahmen zitiert werden, die die Existenz der zuvor er193 Zagovec, »›The Mind of the Enemy‹«, 283 und 285. 194 Vgl. Foucault, zitiert in Treibel, Einführung, 62.

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wähnten »deutschen Charakterzüge« untermauern bzw. deren propagandistische Inanspruchnahme rechtfertigen. Unterpunkt f ), Surrender  : In diesem umfangreichen und militärsoziologisch interessanten Abschnitt seines Wochenberichts beschreibt Tennenbaum, wie sich einzelne Wehrmachtssoldaten allein oder in Gruppen den Amerikanern ergeben haben, welche Motive sie hatten und welche kommunikativen Strategien sie wählten, um dieses Ziel zu erreichen. Sehr illustrativ ist hierbei die Aussage eines »intelligenten« Überläufers, der über Kameraden berichtete, die – als es darum ging, desertionswillige Gruppen und Widerstandszirkel zu bilden – eine hohe pragmalinguistische Kompetenz an den Tag legten. Mit ausgefeilten Methoden hätten diese versucht, den anderen Soldaten weltanschaulich auf den Zahn zu fühlen, bevor sie sich selbst als »Verräter« exponierten  : An intelligent PW explained that men are purposely trying to feel out their neighbours’ opinions, and they usually start off by cursing at the local conditions in general, switching to the destruction of Germany, which they all agree upon. But depending on whom the person is cursing, namely the Allies or the Party, he is either »friend or foe.« If he curses the Party, they assume rightly that he will be willing to listen to the convincing argument that it is better to live for Germany than to die for Hitler and Company. The realization that these political fanatics will never quit and will fight to the last German, with the Volkssturm the best example, leads ultimately to the conviction that the continuance of the fight only means a prolongation of the life of the Nazi bosses. […] The most frequent argument in such discussions is the fact that it is better to remain behind and let themselves be captured than to retreat only to be committed again.195

Die Angst der Familie in der Heimat um den Ehemann, Vater, Bruder, ­Onkel oder Sohn, der an der Front jeden Moment von einer amerikanischen Gewehr­salve niedergemäht werden könnte, war ebenfalls ein Gemeinplatz der Kampfpropa­ ganda. Tennenbaum griff daher die Aussage eines deutschen Infanteristen, »[who] had been urged by his wife on his Christmas furlough to surrender rather than risk being killed«, auf.196 Neben Themen wie Familie arbeitete die alliierte Kriegs­ propa­ganda gezielt mit nationalistischen »Wedge-Driving«-­Narrativen,197 in der Hoffnung, dass diese sich desintegrierend auf das »Dritte Reich« und seine Streitkräfte auswirken würden. Die rund 1,3 Millionen in der Wehrmacht dienenden Österreicher sollten etwa gegen die nationalsozialistischen Deutschen, die im 195 Tennenbaum, Weekly Intelligence Report, Nr. 3, 12.2.1945, 8. 196 Ebd., 11. 197 Herz, »Psychological Lessons«, 482  ; Laurie, »Black Games«, 265.



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amerikanischen Propa­gandaoutput oft als heidnische Usurpatoren einer friedlichen katholischen Kulturnation dargestellt wurden, ausgespielt werden. Bereits im Gefolge der Operation TORCH in Nordafrika hatte man »die Vernehmungsoffiziere auf Probanden mit katholischem Hintergrund, auf Industrie­arbeiter, Lehrer, oder Soldaten aus Österreich angesetzt, immer in der Hoffnung, Sympathisanten der alliierten Sache einfacher identifizieren«198 und mit ihrer Hilfe maßgeschneiderte Propa­gandaattacken lancieren zu können. Gerade im Feld der proösterreichischen bzw. antideutschen Kampfpropa­ganda waren die »policy maker« und Propa­gandaproduzenten bei der Durchführung ihrer Aktivitäten sehr stark auf die Expertise der deutschsprachigen PWI-Offiziere angewiesen. Als militärisch erfahrener, nachrichtendienstlich ausgebildeter Moralanalyst besaß der Exilant Jacob Tennenbaum intime Kenntnis der kulturellen, sprachlichen,199 psychologischen und politischen Verfasstheit der deutschen Kriegsgesellschaft200 sowie über potenzielle ethnische oder gesellschaftliche Konfliktlinien im Reich. Der junge Offizier wusste nicht zuletzt aus seinen Wiener Tagen, dass viele Österreicher eine endemische Abneigung gegenüber allem Deutschen hegten. In dieses bestehende antigermanische Substrat versuchten die anglo-amerikanischen Propagandisten nun bestimmte Ideologeme wie etwa »österreichischen Antimilitarismus« einzupflanzen, um in weiterer Folge möglichst viele Österreicher in der Wehrmacht zur Desertion zu bewegen. Wenn Tennenbaum bei seinen Verhören oder bei der Lektüre von Verhörberichten auf österreichische Kriegsgefangene traf, versuchte er daher gezielt, »ethnic intelligence« über österreichische Deserteure zu sammeln. Die oft mit schwarzhumorigen Witzen durchsetzten Erzählungen über den Abfall von Österreichern vom NS-System waren Wasser auf die Mühlen der Flugblattschreiber der PWD- und PWB-Einheiten. Tennenbaum gibt derartigen österreichischen Surrender Narratives in seinem Report viel Platz  : Austrians are definitely more willing to call its [sic  !] quits and often persuade their German comrades to join them. The following is the story of an Austrian from the Regimentsstab, 991 Reg[imen]t, 277 V[olks]G[renadierdivision]. While he was in a bunker with the regimental commander, Oberstleutnant Jaquet, the P[risoner of ]W[ar], a switchboard operator, received messages from different units of the regiment that they were all surrounded by the enemy. The C[ompany]O[fficer] grabbed the phone and called up division, asking  : »Welche Freiheiten stehen mir zu, wenn ich tuermen gehen 198 Zagovec, »›The Mind of the Enemy‹«, 285. 199 Die PWI-Offiziere, die mit Kriegsgefangenen zu tun hatten, besaßen laut Lerner »some mastery of every important dialect of the German language as actually spoken in Germany and Austria.« Lerner, Sykewar, 77. 200 Ebd., 243  ; Zagovec, »›The Mind of the Enemy‹«, 285.

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muss  ?« […] whereupon the replay was  : »Gar keine.« Fight to the last man. […] But after his [the CO’s] C[ommando]P[ost] was practically surrounded and after alarming all the surrounding bunkers, the CO gave order to leave the position, intending to get permission afterward. After they marched through our fire as if on parade and had suffered heavy casualties, they finally dispersed and [the] PW found himself in the company of ten more men and two noncoms201 on a small sideroad. After talking it over with one another they decided to hide in a bunker and surrender instead of going to certain death. When they heard the platoon commander calling for his men, [the] PW advised them to keep quiet and after the other withdrew his group proceeded farther into the woods until they found a small bunker occupied by one U[ntero]ff[i]z[ier] and two men also waiting for an opportunity to surrender. That night the discussion revolved around surrender, and the main argument was that even if they should be able to make their way back they would be thrown into another commitment anyway. Of the men in hiding seven were Austrians who were the principal talkers in favour of surrendering, citing the lost war and the hopelessness of their position. They prepared a flag out of a pole and a white towel and on the morning of Feb 1 the PW went outside to look for American soldiers and noticed two sentries 50 metres away from him. Waving the flag, the entire group surrendered to the two Americans. During this procedure PW saw a white flag on another bunker a little farther back and saw 20 men come out of it to surrender. […] The division was originally about 70% Austrian, which accounted for the bad morale, and after it had been practically wiped out it received Luftwaffe replacements with equally bad morale. […] How bad the morale is with the Austrians is characterized in an often heard expression  : »Wenn ich nur schon wieder arbeitslos waer’, da ist’s mir besser gegangen« […], alluding to Hitler’s main argument that he ended unemployment.202

Tennenbaums Annahme, dass Österreicher häufiger der Wehrmacht den Rücken kehren würden als Deutsche, spiegelt sich mehrfach in seinen Berichten wider  : Auch ein Wiener Wehrmachtssoldat der 277. Volksgrenadierdivision war demnach beeindruckt von US-Flugblättern mit Österreich-Bezug.203 Ähnliche Ansichten wurden auch von anderen Verhöroffizieren vertreten. In der Tat finden sich in den US-Verhörakten zahlreiche Indizien und Belege für desertionswillige bzw. bereits desertierte Österreicher. Die früher als Moralanalysten der PWD/ SHAEF, später als Sozialwissenschaftler tätigen Propa­gandaforscher Edward Shils und Morris Janowitz präsentierten nach Kriegsende eine Studie über eine Befragung von 443 in Nordafrika gefangen genommenen deutschen Soldaten, die 201 Ein Noncom (Non Commissioned Officer) ist ein Unteroffizier. 202 Tennenbaum, Weekly Intelligence Report, Nr. 3, 12.2.1945, 12 f.; Hervorhebung von mir. 203 Tennenbaum, Weekly Intelligence Report, Nr. 2, 5.2.1945, 16.



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den Schluss nahelegt, dass Österreicher in der Wehrmacht besonders zur Desertion neigten. So klassifizierten die Autoren 29 % aller Befragten aus dem deutschen »Altreich« als Deserteure oder potenzielle Deserteure, während 55 % der österreichischen Kriegsgefangenen in eine dieser beiden Gruppen fielen. Auch in Westeuropa seien viele Österreicher unter den Deserteuren gewesen. 204 Neben solch positivistischen oder deterministischen Auslegungen von Fragebögen und Datensätzen zu Kriegsgefangenen finden sich zahlreiche Feldberichte und Verhöraussagen, welche die These des desertionsfreudigen »Ostmärkers« impressionistisch verstärken. Die Österreicher in der 277. Volksgrenadierdivision stellen hier nur ein kleines Grüppchen unter Tausenden dar. In einem (wohl auch auf Tennenbaums Schreibtisch gelandeten) G-2-Verhörprotokoll des ebenfalls im Bereich der ersten Armee operierenden IPW-Teams Nr. 5, dem auch der Österreicher Karl Frucht angehörte,205 werden im Dezember 1944 etwa die zwei Panzergrenadiere Ernst Nadeler und Hermann Niemann genannt. Die beiden Österreicher waren in die Wasser der Our gesprungen, um sich später den Amerikanern zu ergeben.206 Der Panzerkommandeur Generalleutnant Heinrich von Lüttwitz wiederum stellte entsetzt fest, dass Österreicher seiner Truppe gruppenweise zum Feind überliefen.207 Die Offiziere des PWB Combat Team der 5. US-Armee in Italien meinten etwa in österreichischen Soldaten eifrigere Leser von weißer Kampfpropa­ganda als in ihren deutschen Kameraden zu erkennen  : It would appear that Austrians look for leaflets more diligently than Germans. They certainly impress Austrians more, although even Nazis [  !] admit that we tell the truth.208

Diese Aufzählung ließe sich beliebig fortsetzen. Als Grund für die hier zitierten Beispiele und die auf den ersten Blick hohen Zahlen an österreichischen Deserteuren werden neben dem angeblichen Widerstandsgeist der Österreicher oft Spannungen zwischen »faschistischen« Deutschen und »antifaschistischen« Österreichern angeführt. Ein bereits vorher erwähnter österreichischer Wehrmachtssoldat, der von CSDIC-Verhöroffizieren in Frankreich als »anti-Nazi« eingestuft wurde, sprach im Herbst 1944 über eine »Austro-Prussian animosity in the Army« und beschwerte sich über die herablassende Behandlung der Öster204 Shils/Janowitz, »Cohesion«, 285. 205 US Army, G-2, Military Intelligence Service, Personnel Reports 1943–1945, List of IPWTeams, April 1944, IPW-Team Nr. 5, 1st US Army. NARA, RG 498, E 110, B 365. 206 First US Army, G-2, Prisoner of War Interrogation Reports, Cpt. R. Grunfeld, First Army, PWI Report Nr. 6, 20./21.12.1944. NARA, RG 407, E 427, B 1497. 207 Beevor, D-Day, 340 f. 208 HQ 5th Army/PWB, Functions of the 5th Army CPT, 48.

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reicher vonseiten der deutschen Soldaten und Offiziere.209 Bertrand Buchmann zitiert einen »echt preußischen« Oberfeldwebel, der sich über die »Scheiß-Wiener Schlappschwänze« alterierte.210 Diese Abneigung beruhte nicht selten auf Wechselseitigkeit, denn auch viele Österreicher hegten – und hegen bis heute – tiefsitzende Vorurteile gegen die Deutschen, die von zahlreichen Österreichern abschätzig »Marmeladinger«, »Saupreußen« oder eben »Piefkes« genannt wurden.211 Viele US-Moralanalysten kamen nun in Bezug auf die Österreicher in der Wehrmacht zum Schluss, dass die Rezeption von alliierter (Österreich-)Propa­ ganda bei der Zielgruppe für »responsive actions« sorgen würde, die im Sinne der amerikanischen Propagandisten wären. Doch die Österreicher in deutscher Uniform waren nicht nur Propa­ gandarezipienten, sondern teils auch Propa­gandaproduzenten  : Ein weiteres subjektives Stimmungsbild aus den Unterlagen der in Nordafrika und Italien tätigen PWB/AFHQ verrät viel über die Rolle von österreichischen Kriegsgefangenen als Quelle und Zuträger der amerikanischen Propa­ganda Intelligence und als (Ko-) Produzenten für österreichbezogene Flugblätter. So gab der im August 1943 in Italien desertierte österreichische Gefreite eines deutschen Panzerregiments, Werner Kammerdiener, in einem PWI-Verhör im CSDIC-Verhörlager Algier konkrete Hinweise für die Gestaltung zukünftiger Flugblätter. Er legte zwei von ihm selbst verfasste – wenig gelungene – strategische Flugblätter vor, die sich an seine Landsleute richteten. Der als »intelligent« und »typical independence-loving Austrian«212 eingestufte Sozialdemokrat fordert darin, die Antipathiegefühle der Österreicher gegenüber den Deutschen psychologisch auszunutzen  : Kammerdiener suggested propa­ganda making use of the Austrians dislike of the Germans, especially in view of the fact that the former look upon the Allies as their future liberators. Two leaflets which he wrote upon his own initiative before interrogation follow  : [LEAFLET #1] FOR AUSTRIAN PROPAGANDA SUBMITTED BY KAMMERDIENER I Oesterreicher  ! 209 POW Interviews CSDIC West/NOI/408, 1944  ; ähnlich Buchmann, Österreicher, 40–44. 210 Buchmann, Österreicher, 42. 211 Ebd. 39  ; ähnlich Weekly Intelligence Report, Nr. 3, 12.2.1945, 13  ; vgl. auch POW Interview Report NOI/80 MI(L), 19.5.1943. 212 Allied Force Headquarters, Psychological Warfare Branch, CSDIC-Report on the interrogation of 2 individuals for P.W.B, 3.9.1943. NARA, RG 226, CID 44556 [Diese Zitation ist veraltet].



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Die ersten Bomben auf oesterreichisches Gebiet sind gefallen. Trotz wiederholter Warnungen des englischen und amerikanischen Rundfunks hat Hitler bedeutende Ruestungswerke in Oesterreich errichtet und ist dabei noch weitere zu errichten. Die [sic  !] geschah in der Annahme, dass es den Alliierten nicht moeglich sein wird die oesterreichischen Industriegebiete zu bomben. Damit hat Hitler einen neuen Verrat am oesterreichischen Volke begangen, denn Hitler weiss, dass die Oesterreicher niemals mit seiner Kriegspolitik einverstanden waren. Hitler fuehrt den »totalen Krieg«. Wir werden die Kriegsindustrie »total« vernichten, wo immer wir sie finden. Unsere Aufgabe und unser Ziel ist es, das Hitlerregime zu vernichten und damit dem oesterreichischen Volke die ersehnte Freiheit wieder zu geben. Oesterreicher  ! Helft durch Eure Haltung mit, dieses Befreiungswerk schnellstens zu vollenden  !213

»Making use of the Austrians dislike of the Germans« – wie reagierten nun die Propa­gandaproduzenten der PWD/SHAEF und ihrer untergeordneten Einheiten auf diese von Tennenbaum sowie von mehreren G-2-Stellen und Geheimdiensten beobachteten antideutschen bzw. »antinationalsozialistischen« Stimmungen  ? Ein Beispiel dafür ist die PWD-Schrift Landser haben das Wort. Dieses wahrscheinlich von Martin Herz verfasste Periodikum wurde von der P&PW-Abteilung der 12. Armeegruppe produziert und näherte sich der Methodik der grauen und schwarzen Propa­ganda an. Mit einer auf den ersten Blick unverfänglich wirkenden Zitatcollage, die jedoch im Wesentlichen aus »wehrkraftzersetzenden« Stellungnahmen realer oder erfundener Wehrmachtssoldaten bestand, versuchte Herz die Kampfmoral der Adressaten zu unterminieren. So sind die Überschriften des Flugblatts einerseits mit der Lingua Tertii Imperii (»Endsieg«, »Ostmärker«) durchsetzt, transportieren andererseits defätistische Aussagen (»Keine Angst vor dem Frieden«). Die einzelnen Zitate entsprechen repräsentativen Typen und Milieus, die der Leser einer bestimmten Gesellschaftsschicht oder einer bestimmten nationalen oder ethnischen Gruppe zuordnen sollte.214 Die PWI-Analysten hielten gezielt nach subversiven Aussagen Ausschau, welche dann in dem Landser-­F lugblatt als reale Zitate solcher »Typen« ausgegeben wurden. Wenn keine authentischen Zitate verfügbar waren, half man mit selbst erdachten (aber keineswegs aus der Luft gegriffenen) Aussagen nach  : So lässt man darin einen Gefreiten zu Wort kommen, der schon in die »Nachkriegszeit« blickt und verwundert darüber ist, wie gut die Dorfbevölkerung eines für kurze Zeit von 213 Ebd. 214 Vgl. Zagovec, »›The Mind of the Enemy‹«, 284 f.

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den Amerikanern zurückeroberten Ortes über die GIs redete  ; und schließlich den mutigen Realisten, der sich aus österreichpatriotischen Gründen zur Desertion entschlossen hatte, um unmittelbar danach am opulent gedeckten Esstisch der Amerikaner zu speisen  ; Letzterer war ein »ostmärkischer Soldat«, der vorgab zu wissen, »dass Österreich nach dem Krieg wieder unabhängig wird. Für mich gab es doch gar keine Frage«, so der anonyme bzw. fiktive Deserteur, »– wozu sollte ich noch meinen Kopf hinhalten  ? Im Morgengrauen zog ich los und kam bei den Amerikanern gerade zum Frühstück zurecht.«215 Natürlich waren derartige Zitatcollagen oft nichts anderes als durchschaubare Worthülsen. Der Wiener Wehrmachtsleutnant Egon Blaschka berichtet in Bezug auf das Versprechen der »guten Verpflegung und Versorgung«, wie weit propagandistische Emanationen und Realität voneinander entfernt sein können. Er stellte fest, dass die Amerikaner »von der großen Zahl der Gefangenen völlig überrascht und überfordert« waren216 und sie ihre Gefangenen zwischendurch bei bitterer Kälte ohne warme Decken und Verpflegung dahindarben lassen mussten. Für die pragmatisch denkenden US-Propagandisten war dies jedoch irrelevant. Sie wollten den feindlichen Leser lediglich beeindrucken und ihn zum Ausscheiden aus dem Kampfgeschehen animieren. Die wichtigste Basis für die Formulierung von »wehrkraftzersetzenden« Österreich-Zitaten waren die qualitativen Moralanalysen und -reports der PWI- und IPW/G-2-Teams. Tennenbaums von einem gewissen Wunschdenken geprägte Aussage, dass Österreicher in bestimmten Truppenkörpern »the principal talkers in favour of surrendering« waren, schlug sich in anderen PWI-Berichten vielfach nieder und wurde von den US-Propagandisten dementsprechend instrumentalisiert. Die oft übertriebenen Erzählungen über sich subversiv gerierende Minderheiten innerhalb der deutschen Wehrmacht lieferten den Flugblattautoren der PWD sowie den Lautsprecher- und Rundfunkteams der MRBCs und den PWB Combat Teams der US-Armee griffige »output intelligence«. Im zuvor analysierten Wochenbericht Tennenbaums über die Österreicher in der 277. Volksgrenadierdivision werden die Erkenntnisse über den Akt des Aufgebens von Österreichern und die »ethnic intelligence« zu den Österreichern in der Wehrmacht gekonnt miteinander verwoben. Die bemerkenswerten analytischen Bemühungen der US-Streitkräfte im Feld der österreichbezogenen Kampfpropa­ganda und die teilweise beeindruckenden Leistungen ihrer Intelligence-Kader dürfen nicht darüber hinwegtäuschen, dass beinahe alle von den amerikanischen Propa­g andaschmieden des Zwei215 PWD/SHAEF, Flugblatt ZG 83, »Landser haben das Wort. Westfront, 2. Folge«, in  : https:// www.psywar.org/product_1944ZG083.php (letzter Zugriff  : 19.7.2012). 216 Buchmann, Österreicher, 277.



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ten Weltkriegs unternommenen Versuche, die österreichischen Zivilisten oder Soldaten durch separatistisch-nationalistische Kommunikate zu Widerstandshandlungen zu bewegen und/oder Massendesertionen in Gang zu setzen, als gescheitert betrachtet werden müssen. Neuere Arbeiten relativieren vielmehr das von Tennenbaum gezeichnete schönfärberische und zweckoptimistische Bild des defätistischen und antifaschistisch gesinnten Österreichers. Günter Bischof destilliert als Grundaussage der von Rafael Zagovec, Robert Billinger jr. und Rüdiger Over­mans vorgelegten Arbeiten heraus, »daß sich die österreichischen Kriegsgefangenen der Wehrmacht nur ansatzweise und meist erst gegen oder nach Kriegsende wieder mit Österreich zu identifizieren begannen. Zu tief waren sie durch das Kameradschaftsdenken der deutschen Wehrmacht indoktriniert worden, zu sehr erschien ihnen ein Ausbrechen aus dieser Schicksalsgemeinschaft als ›Verrat‹ an den Kameraden, mit denen man vorher ums Überleben gekämpft hatte.« 217 Richard Germann behauptet, dass sich Österreicher insgesamt als motivierte und »verlässliche« deutsche Soldaten erwiesen haben. Sie wären auch bereit gewesen, bis zum bitteren Ende für die Wehrmacht und das NS-Regime zu kämpfen. Regionale Prägungen und Lokalpatriotismus seien für sie wichtig gewesen, der Öster­reich-Gedanke hingegen kaum – sie hätten »die Republik Österreich schnell vergessen«, so Germann.218 Während Germann die Loyalität der Österreicher gegenüber den Kriegsanstrengungen der Wehrmacht und dem NS-Staat unter anderem mit der Wirkmacht des Mythos der »reichsdeutschen« Volksgemeinschaft und dem gleichzeitig nahezu inexistenten Nationalbewusstsein im Land erklärt, verweist Evan B. Bukey vor allem auf die demokratiefeindliche Obrigkeitshörigkeit österreichischer Katholiken. Die katholischen Prägungen und die damit verbundene Autoritätsgläubigkeit der nur ihre Pflicht erfüllenden Österreicher hätten sich, so Bukey, für die Aufrechterhaltung der NS-Herrschaft letztlich als stabilisierender – und weniger als subversiver – Faktor erwiesen  : [Es] dienten rund 1 126 000 Österreicher bei den deutschen Streitkräften [….]  ; da nahezu jeder einen Verwandten in Uniform hatte, bestand in der Zivilbevölkerung ein verständliches Interesse an einem erfolgreichen Ausgang des Konflikts. Schließlich hatte es Hitlers Krieg möglich gemacht, den potenziellen Widerstand von Seiten der katholischen Bevölkerung auszuschalten  ; das auf Grund eines Hirtenbriefs des deutschen Episkopats, der die »katholischen Soldaten« aufforderte, »ihre Pflicht unter Hingabe ihrer ganzen Person im Gehorsam gegenüber dem Führer zu erfüllen«. […] Solange die katholische Kirche die deutschen Kriegsanstrengungen unterstützte, 217 Bischof, »Einleitung«, 110. 218 Germann, »Austrian Soldiers«, 38.

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konnte von den österreichischen Katholiken kaum erwartet werden, sich gegen die Nazi­herrschaft zu stellen.219

Laut Thomas Grischany hat das Gros der Österreicher daher – wie die meisten deutschen Soldaten – Hitler und der Wehrmacht bis zum bitteren Ende die Treue gehalten.220 Nicht zu Unrecht weist er darauf hin, dass viele übergelaufene oder gefangen genommene österreichische Soldaten aus opportunistischen Motiven ihr Österreichertum »wiederentdeckt« und ihre Rolle als Gegner bzw. Opfer des Nationalsozialismus gegenüber den US-Verhöroffizieren besonders hervorgehoben hätten. Demnach hofften viele kriegsgefangene Österreicher durch ihr demons­ tratives Bekenntnis zu ihrem Heimatland auf bevorzugte Behandlung. Abgesehen von einer kleinen Minderheit entschiedener und reflektierter »Österreicher« gebe es in den bisherigen Studien jedoch keine Belege für ein breites und tragfähiges Nationalbewusstsein unter den Kriegsgefangenen, so Grischany. 221 Germann, der in seinen neueren Forschungen auf Basis britischer und amerikanischer Verhörund Abhörakten die Weltsicht und die Kriegswahrnehmung von bisher rund 200 in alliierten Abhörlagern internierten österreichischen Wehrmachtssoldaten 222 untersucht hat, berichtet ebenfalls von einer überraschend »große[n] Akzeptanz der deutschen Wehrmacht als Institution auch bei den österreichischen Soldaten«  : Obwohl sie zumindest in groben Zügen über die begangenen Gräuel Bescheid gewusst haben müssen, gab es kaum grundsätzliche Kritik. Auch bekommt man nicht den Eindruck, dass sich die Österreicher mehrheitlich in diese Kriegsmaschinerie hineingezwungen fühlten.223

Demnach stellten die von den Westalliierten belauschten »›Österreicher‹ gleich ihren deutschen Kameraden das unmittelbare Kriegserlebnis – taktische 219 220 221 222

Bukey, »Stimmung«, 80. Siehe hierzu Grischany, »Mental Aspects«. Ebd., 57. Die Studiengruppe rund um Neitzel, Römer, Welzer, Germann et al. arbeitete mit der in der empirischen Sozialforschung gut erprobten »qualitativen Inhaltsanalyse«. Diese Methode beruht auf einer mithilfe der EDV vorgenommenen quantitativen Sortierung von Textpassagen zu bestimmten Inhalten aus den Verhör- und Abhörakten der Westalliierten. Dadurch wird es möglich, die am häufigsten erwähnten Gesprächsthemen und Topoi in den Gesprächen der deutschen Kriegsgefangenen zu eruieren. Vgl. Sönke Neitzel/Harald Welzer, »Einleitung«, in  : Welzer et al., »Führer«, 9–24, hier 13 f. 223 Richard Germann, zitiert in  : Doris Griesser, »Die innere Sicht der Wehrmacht«, in  : Der Standard, 24.4.2013, 15. Siehe hierzu auch Richard Germann, »›Österreichische‹ Soldaten im deutschen Gleichschritt  ?«, in  : Welzer et al., »Führer«, 217–233.



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Gefechts­situationen, Technik, Fragen nach dem Verbleib von Kameraden, mili­ tärische Orden, Befehlsstrukturen, etc. – in den Mittelpunkt der Konversation, und das unabhängig davon, ob das Visavis nun ebenfalls ›Österreicher‹ oder aber ›Reichsdeutscher‹ war. […] In der Wahrnehmung des Krieges gab es keine signifikanten Unterschiede zwischen ›Österreichern‹ und ›Reichsdeutschen‹. […] Die Abhörprotokolle sind ein wichtiger Beleg dafür, dass die ›Österreicher‹ in ihrer militärischen Funktion ganz normale Wehrmachtssoldaten waren.«224 Auch nachdem sie in den Kriegsgefangenenlagern von den Inhalten der Moskauer Deklaration erfahren hatten, sei von den Österreichern kaum eine Reaktion darauf festzustellen gewesen, so Germann.225 Obwohl genaue Schätzungen zu den Desertionszahlen der Österreicher in der Wehrmacht kaum möglich sind, scheint also »der Glaube an Österreich […] nur in Spurenelementen vorhanden gewesen zu sein«.226 Entgegen diesen jüngeren Erkenntnissen hielt sich während des Krieges in der US-Armee die von Exilösterreichern wie Tennenbaum vertretene Meinung, dass Österreicher häufiger desertieren und eher auf alliierte Propa­ganda ansprechen würden als ihre deutschen Kameraden, sehr hartnäckig und floss auch dementsprechend in die Desertionspropa­ganda ein. Eine derartige »rein interpretative Erschließung von Textstellen«, behaupten Sönke Neitzel und Harald Welzer zu Recht, führt »zu Überbewertungen von Themen«, die aus der Sicht Tennenbaums zwar interessant sein mögen, die aber für die betroffenen Soldaten in Wirklichkeit »nebensächlich waren«.227 Vermutlich wog der subjektive Eindruck, den einige sich ihrer nationalen Identität bewusste Österreicher – laut Bischof waren dies eher die Exilanten als die Wehrmachtssoldaten228 – bei den Interviews auf die Verhöroffiziere machten, so stark, dass die Masse an wehrmachtstreuen Österreichern nicht realistisch eingeschätzt wurde. Auch bei einem weiteren Punkt ist in Bezug auf die zuvor erwähnte Episode mit den offensichtlich kapitulationsfreudigen Österreichern der 277. Volksgrenadierdivsion Skepsis angebracht. Das von Tennenbaum zitierte Beispiel der Gruppe von sieben Österreichern, die der Wehrmacht den Rücken kehrte, zeigt, dass der Akt der Kapitulation bzw. der Desertion in vielen Fällen kein unabhängiger Entschluss eines einzelnen »österreichpatriotischen« Soldaten war, sondern auf dem Zusammenspiel von mehreren Faktoren, vor allem jedoch auf Gruppendynamik oder gar Gruppenzwang beruhte. Es war wohl auch hier 224 Germann, »›Österreichische‹ Soldaten«, 224. 225 Sinngemäßes Zitat von Richard Germann im Rahmen der Diskussion zum Vortrag »Soziale Zusammensetzung von Wehrmachtseinheiten im Verhältnis zur österreichischen Opferthese« am Österreichischen Zeitgeschichtetag 2016 an der Karl-Franzens-Universität Graz, 11.6.2016. 226 Bischof, »Einleitung«, 110. 227 Neitzel/Welzer, »Einleitung«, 14. 228 Bischof, »Einleitung«, 109.

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eine Gemengelage aus Motiven, sozialen Dynamiken und Zwängen und nicht die Lektüre eines bestimmten Flugblatts, welche jeden einzelnen der sieben Österreicher zur Aufgabe bewegte. Das Wunschbild des durch US-Propa­ganda affektiv aufgeladenen Österreichers, der nach der Lektüre der Flugblätter als autonom handelndes Subjekt zu den Amerikanern überläuft, lässt sich in solchen Fällen kaum aufrechterhalten  : [Es] wirkten zumeist verschiedene Faktoren zusammen  : ein schlechter Allgemeinzustand infolge mangelnder Versorgung, demoralisierender Beschuss, die Überlegenheit des Feindes und die Unterlegenheit der eigenen Waffen, die Reaktionen der Nebenleute, denen man es gleichtat. Der Entschluss zur Kapitulation fiel zudem häufig in der Gruppe, seltener individuell. Viele Soldaten wurden im Strudel der Ereignisse wohl eher zur Aufgabe getrieben, als dass sie selbst darauf hingewirkt hätten.229

Dennoch hat eine gut dokumentierte Minderheit unter den österreichischen Wehrmachtssoldaten sich als »Österreicher« gefühlt. Insgesamt dürften die Propa­ganda Intelligence und die daraus resultierenden Flugblätter dazu beigetragen haben, diese Minderheit emotional anzusprechen und in ihrem »Österreichertum« zu bestärken. Im Kapitel zu Vilma Kuerer wurde an einem Fall veranschaulicht, dass die amerikanische (Österreich-)Propa­ganda zumindest vereinzelt als Stimmungsverstärker gewirkt haben dürfte.230 Wenn die Rezeption der ethnisierten Kampfpropa­ganda der Amerikaner und Briten nämlich mit bestimmten Einstellungen und Dispositionen wie dem von Tennenbaum mehrfach beobachteten österreichpatriotisch und/oder antifaschistisch überlagerten Defätismus zusammenfiel, erscheint die Annahme, dass die betroffenen österreichischen Soldaten fallweise in ihrer Kampfkraft geschwächt bzw. stufenweise zur Desertion »hingeführt« wurden, zulässig. An dieser Stelle sind ein paar Überlegungen zur Effektivitätsfrage in Bezug auf die Propa­ganda Intelligence durch Kriegsgefangenenbefragung angebracht. Martin Herz, der als Flugblattautor die Intelligence-Reports der PWB/1st Army regelmäßig las, nennt in einem Aufsatz mehrere Effektivitätsindikatoren der Flugblattpropa­ganda wie  : die Anzahl an alliierten Flugblättern, die ein Kriegsgefangener bei sich trägt  ; die Erinnerung, die gefangene Deutsche an bestimmte Flugblätter haben, und wie sie über diese urteilten bzw. mit ihren Kameraden darüber diskutierten  ; die Art und Weise, wie sich die Gefangenen ergeben haben  ; die Antworten der deutschen Gegenpropa­ganda auf die alliierten Flugblätter  ;

229 Römer, Kameraden, 368. 230 First US Army, Excerpts Diary Schoen, 11./12.10.1944.



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Äußerungen der feindlichen Kommandeure über die eigene »Truppenmoral«.231 Herz ging bei seinen Effektivitätsanalysen mit dem Selbstbewusstsein einer »Generation von Sozialwissenschaftlern, […] Strukturfunktionalisten, Behavioristen« und »Vertreter[n] neuer Erhebungsverfahren der Meinungsumfragenforschung« ans Werk, die glaubte, dass die enorme empirische Quellenbasis der Propa­ganda Intelligence, die aufgrund der methodisch durchaus fortschrittlichen Kombination aus quantitativen (standardisierte Fragebögen) und qualitativen (individuelle Interviews) Daten zustande gekommen war, es ermöglichte, direkt »ins Hirn des Feindes« zu kriechen.232 Doch war der Glaube, dass man die Stimmung im Lager des Gegners einfach »messen« und bestimmte Handlungen wie die Desertion als unmittelbare Reaktion auf die Propa­ganda kategorisieren kann, ebenso verführerisch wie naiv. So steht sogar in der alles andere als selbstkritischen Institutionsgeschichte der PWD/SHAEF zu lesen, dass die Aussagekraft der quantitativen PWI-Fragebögen aufgrund der bereits genannten methodischen Probleme begrenzt ist.233 Tennenbaum selbst räumt in einem seiner Reports ein, dass die oft beeindruckenden Zahlen an Deserteuren wenig Aufschluss über das Verhalten der noch nicht Desertierten erlauben würden.234 Sowohl die zu dieser Zeit tonangebenden, empirisch-positivistischen Propa­ gandaforscher der USA, wie etwa Harold D. Lasswell oder Edward Shils, als auch die dem Stimulus-Response-Konzept verhafteten Feldpropagandisten wie Martin Herz haben ihre Forschungen und Modelle zur Nachweisbarkeit der Wirkung von Kriegspropa­ganda fälschlicherweise »für ein realistisches Gemälde gehalten und sich eingebildet, man würde exakt die Welt kopieren.«235 Doch ist menschliches Handeln nicht einfach mess- oder kopierbar. Aus heutiger Sicht, so Thymian Bussemer, muss der hehre »Anspruch, durch Quantifizierung und Kategoriebildung zu festgefügten Regeln und Konzepten der Propa­gandawirksamkeit zu kommen«, als »gescheitert« betrachtet werden.236 Allein schon die Ausgangsbasis für die Produktion der amerikanischen Kampfpropa­ganda, nämlich die von der Propa­ganda Intelligence analysierte »enemy morale« ist ein unscharfer Begriff  : Auf welchen inhaltlichen Prinzipien beruht eigentlich die durch Tausende Interviews und Fragebögen »erhobene« Feindmoral  ? Auf ideologischen Überzeugungen des Einzelnen  ? Auf der allgemeinen kameradschaftlichen Stimmung inner231 232 233 234 235

Herz, »Psychological Lessons«, 472 f. Zagovec, »›The Mind of the Enemy‹«, 268. PWD/SHAEF, Account of Operations, 32. Tennenbaum, Weekly Intelligence Report, Nr. 2, 5.2.1945, 7. Bruno Latour, »Zirkulierende Referenz. Bodenstichproben aus dem Urwald am Amazonas«, in  : Bruno Latour, Die Hoffnung der Pandora. Untersuchungen zur Wirklichkeit der Wissenschaft. Frankfurt am Main  : 2000, 36–95, hier 94 f. 236 Bussemer, Propa­ganda, 308.

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halb der jeweiligen Truppe  ? Auf individuellem oder kollektivem Leistungs- und Kampfwillen  ? Wie misst, wie gewichtet man solche Phänomene  ? Und schließlich die Gretchenfrage  : Wie bringt der über die »Feindmoral« in Kenntnis gesetzte Propagandist den Feind dazu, seine Propa­gandaaussagen zu »schlucken« bzw. darauf positiv zu reagieren  ? Besonders bei den qualitativen Kriegsgefangenenverhören, wo weniger die vergleichsweise leicht feststellbaren Zahlen von abgeworfenen Bomben oder verlorenen Panzern, sondern die sprachliche Beschreibung und das Verstehen der komplexen Gedankenwelt eines Menschen im Mittelpunkt stehen, werden die methodischen Probleme der Propa­ganda Intelligence offensichtlich. Die zur detaillierten Befragung herangezogenen deutschen Kriegsgefangenen wurden zwar wegen ihrer ständigen Verfüg- und Befragbarkeit zu Recht als »the pollster’s dream« bezeichnet,237 doch stellten sie die Moralanalysten vor enorme Herausforderungen. Zunächst geht es um nichts weniger als die Glaubwürdigkeit der Kriegsgefangenen als primäre PWI-Quelle  : Für einen Kriegsgefangenen, der aus militärischen (Verwirrung des Gegners), opportunistischen (»to please his captors«238) oder sonstigen Gründen bei den Befragungen log, war es prinzipiell ein Leichtes, die amerikanischen Verhöroffiziere zu täuschen und die Effektivitätsanalysen zur US-Propa­ganda zu manipulieren. Dies geschah etwa, indem er fälschlicherweise behauptete, dass er vor seiner Gefangennahme bereits Sympathien für die Alliierten empfunden oder deren Propa­ganda regelmäßig gelesen hatte. Wenn ähnliche Falschangaben auch noch gehäuft in den Daten der parallel erhobenen Morale Questionnaires auftauchen, ergibt sich insgesamt ein fragwürdiges Gesamtbild der »Feindmoral«. Gefangene, die etwa US-Flugblätter horteten und sie bei der Verhaftung als »Beweis« für ihren Antifaschismus vorwiesen, taten dies, wie erwähnt, oft aus opportunistischen Motiven und nicht, weil sie vom Inhalt dieser Propa­ganda überzeugt waren. In vielen Fällen wollten sie sich durch »gefällige«, aber eben nicht wahrheitsgemäße Aussagen Vorteile bei der Behandlung durch die Amerikaner verschaffen. Das Mittragen eines Flugblattes sagt nur wenig über dessen psychologischen Effekt auf seinen Besitzer aus. Doch gibt es gewichtige Stimmen, welche die Aussagen deutscher Soldaten in Gefangenenverhören prinzipiell als glaubwürdig einstufen. So kommt Felix Römer in seiner Arbeit über das geheime US-Verhör- und -Abhörlager Fort Hunt in Virginia zum Schluss, dass die Wehrmachtssoldaten »sich zu ihrer politischen Weltsicht gegenüber den US-Verhöroffizieren in der Regel kaum anders als gegenüber ihren Kameraden in den Zellen« äußerten.239 Wie kann man diese Aussage verifizieren  ? Da in Fort Hunt die Zellenräume verwanzt waren, konnten die 237 Lerner, Sykewar, 111. 238 Charles Cruickshank, The Fourth Arm. Psychological Warfare. 1938–45. London  : 1977, 171. 239 Römer, Kameraden, 39 und 51.



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dort eingesetzten Ab- und Verhöroffiziere (oft Ritchie Boys wie Tennenbaum) mit ihren Horchapparaten die Aussagen der Häftlinge, die sie im Rahmen eines intimen und vertrauten Gesprächs im Zellenraum tätigten, aufzeichnen. Diese wurden daraufhin mit den Aussagen der Abgehörten in den Kriegsgefangeneninterviews und in den Morale Questionnaires verglichen. Und tatsächlich gab es laut Römer, der alle diese Quellentypen auswertete, in puncto Weltanschauung keine auffälligen Abweichungen zwischen den Aussagen in den Verhören und jenen im privaten Rahmen der Wehrmachtssoldaten untereinander. Die Landser sagten im offenen Gespräch während des Interviews in der Regel dasselbe wie im (vermeintlich) stillen Kämmerchen  ! Die Tatsache, dass in Fort Hunt »die Bandbreite der belauschten Soldaten umfassend« (wenn auch nicht ein repräsentiver Querschnitt) war, verleiht dieser These weitere Aussagekraft.240 Da zu jedem der ver- und abgehörten Soldaten auch noch ein detaillierter biografischer Akt angelegt wurde, lassen sich alle Aussagen und Angaben in den Verhören, Fragebögen und abgehörten Zellengesprächen »an die biographischen Hintergründe« der Untersuchungsobjekte »rückbinden.«241 Die Morale Questionnaires stuft Römer deshalb ebenso wie die Verhöre selbst als »zuverlässige Quelle über das Meinungsbild in der Wehrmacht von 1944/45« ein.242 Ebenfalls relevant für die Propa­ganda Intelligence ist die von Herz erwähnte Art und Weise, wie die Verhörten ihre Gefangennahme beschreiben. Da ein Propagandist bzw. ein PWI-Offizier »only in the rarest instances […] the behavior in battle of those enemy units which had been subjected to a specific leaflet message« beobachten konnte,243 suchte er zunächst einmal von den »POWs« selbst genaue Berichte über ihre Gefangennahme durch die US-Armee zu bekommen. Diese Surrender Narratives beinhalteten meist wichtige Informationen für Tennenbaums Moralanalysen. Vor allem die freiwillig übergelaufenen »friendly prisoners of war«,244 zu denen laut Tennenbaum viele Österreicher zählten, wiesen im Gegensatz zu jenen, die sich nur zähneknirschend gefangen nehmen ließen, eine hohe Motivation in Bezug auf die Zusammenarbeit mit den Amerikanern auf, die sich in der Regel auch positiv auf ihre Glaubwürdigkeit in den Interviews auswirkte. Ein österreichisches Beispiel für einen »friendly prisoner« mit hoher intrinsischer Motivation ist der bereits erwähnte Gefreite Kammerdiener, der in Italien desertiert war und sich als Informant und Flugblattschreiber den Ame240 Neitzel/Welzer, Soldaten, 427. 241 Römer, Kameraden, 39. 242 Ebd., 51  ; In einer neueren Studie erwähnt Falko Bell, dass im britischen Gefangenen- und Abhörlager Trent Park »die ›tatsächlichen Meinungen‹ der einzelnen [deutschen] Generäle« mit ähnlichen Abhörmethoden eingeholt werden konnten. Bell, Feindaufklärung, 336. 243 Herz, »Psychological Lessons«, 472. 244 PWD/SHAEF, Account of Operations, 32.

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rikanern andiente.245 Solche »friendly prisoners« sprachen gerne und ausführlich über ihre Beweggründe zur Desertion, über ihre Einstellung zur alliierten Propa­ganda, über die Reaktion ihrer Kameraden auf einzelne Flugblätter usw. Als authentische Stimmen waren sie den PWI-Offizieren beim Vorbereiten bevor­ stehender Operationen eine große Hilfe.246 Der Akt der Desertion, der oft mit dem performativen Sprechakt »Ich ergebe mich« – »I surrender« – einherging, wurde nachrichtendienstlich vielfach beobachtet und als rhetorisches Instrument in die künftige US-Propa­ganda eingebaut. So versuchte man das stets wachsende Heer der Defätisten in der Wehrmacht direkt anzusprechen. Hier muss einmal mehr kritisch angemerkt werden, dass auch die prinzipiell als glaubwürdig eingestuften Verhöraussagen der Deserteure und »friendly prisoners« keine monokausalen Rückschlüsse über die Wirkung der PWD-Flugblattpropa­ganda rechtfertigen. Es wäre schlichtweg naiv zu glauben, dass Soldat X sich wegen des Flugblatts Y ergeben hat und bereitwillig übergelaufen ist. Trotzdem gilt  : Auch wenn ihr intellektueller Beitrag zur alliierten Propa­ganda nur schwer mess- oder quantifizierbar ist, haben die kooperativen und gesprächigen Überläufer nach ihrer Gefangennahme der Propa­ganda Intelligence zugearbeitet und viel zur Sublimierung der Flugblätter beigetragen. Dies hatte zur Folge, dass die taktische Desertionspropa­ganda permanent verbessert und adaptiert wurde und die nachkommenden potenziellen Deserteure mit noch ausgefeilteren Flugblättern konfrontiert wurden, was den Aktionsdruck in Richtung Desertion noch weiter erhöhte usw. Dies gilt vor allem für Österreicher  : Wie das von Tennenbaum erwähnte Exempel von österreichischen Volksgrenadieren, die nicht nur selbst die Waffen gestreckt, sondern auch ihre anderen Kameraden von der »hopelessness of their position« überzeugt hatten, zeigt, gerierten sich nicht wenige der »friendly prisoners« sowohl als eifrige Adressaten als auch als aktive Produzenten von (amerikanischer) Propa­ganda.247 Propa­ gandakommunikation kann in solchen Fällen also zum Stimmungsverstärker werden. Der letzte große Bereich in Tennenbaums Weekly Intelligence Report Nr. 3 ist Punkt 4, Propa­ganda, und beinhaltet eine Beschreibung sowie eine teilweise Effizienzanalyse feindlicher und eigener Kommunikate. Der Autor beginnt mit [4]a), der Enemy [Propa­ganda], und erwähnt, dass ein von Generalfeldmarschall Walter Model autorisiertes deutsches Flugblatt jedem Soldaten, der einen alliierten Tiefflieger zu Boden bringt, zehn Tage Fronturlaub verspricht (gratifikatorische 245 AFHQ/PWB, CSDIC-Report on 2 individuals for P.W.B, 3.9.1944. 246 William E. Daugherty, »Evaluation of Combat Propa­ganda«, in  : Daugherty/Janowitz, Psychological Warfare Casebook, 684–696, hier 691. 247 Gries, »Ästhetik«, 15 f.



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Propa­ganda). Ein anderes Poster »of Goebbels’ printing press«, auf dem vor dem Hintergrund des zerbombten und brennenden Köln ein »heiliger« Racheeid gegen die alliierten Zerstörer Deutschlands geschworen wird (agitatorische Propa­ ganda), wird ebenfalls kurz besprochen.248 Der österreichstämmige PWI-Mann ortet anhand von konkreten Beispielen einen Qualitätssprung bei der deutschen Propa­ganda für die US-Truppen, da sie auf »dumme« ideologische Phrasen mehr und mehr verzichte und auf pragmatische und lebensweltlich relevante Argumente fokussiere  : [W]e must say that their output is getting better since they confine themselves more or less to one main line, dropping their silly Nazi arguments like Bolshevism and Jews.249

Im Unterpunkt [4]b), Allied [Propa­ganda], greift der Autor einzelne Aussagen aus Kriegsgefangeneninterviews, welche die Machart und Rezeption anglo-amerikanischer Propa­ganda betreffen, heraus. Wenig überraschend sieht er sich in seiner Meinung bestätigt, dass die Kommunikate der PWD- und PWB-Einheiten von den Empfängern positiv aufgenommen würden. Die weißen Flugblätter bzw. Frontzeitschriften würden wegen ihres hohen Informationswertes und Wahrheitsgehaltes eher gelesen als ihre schwarzen Pendants, die neben Information auch auf Desinformation, Defätismus und Einschüchterung setzten  : This week’s interrogation reports prove again that our leaflets are well received and widely discussed. […] Among the airdrops the »Frontpost« was the most frequently mentioned, together with the [»]Nachrichten fuer die Truppe[«], and in many cases the Frontpost was favored since it is considered less propa­ganda than Nachrichten. The veracity of our news is being accepted, especially since we admitted more of our own setbacks during the Ardennes battle than the German communiqués and also since our news is being confirmed four or five days later by the German Wehrmachtsbericht. That latter fact seems to be the most convincing argument that we are telling the truth, and therefore somewhat doubtful articles, especially figures, are accepted without too much question.250

Um welche PWD-Flugblätter handelt es sich hierbei  ? Die Frontpost war ein von der P&PW-Abteilung der 12. Armeegruppe geschaffenes und auch in Südeuropa verbreitetes weißes Flugblatt, das im Stile einer Truppenzeitung gestaltet wurde wöchentlich durch die 9th US Air Force und andere Bomberverbände abgewor248 Tennenbaum, Weekly Intelligence Report, Nr. 3, 12.2.1945, 17 f. 249 Ebd., 20. 250 Ebd.

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fen wurde. Unter redaktioneller Führung von Hans Habe sowie der Beteiligung von mehreren Ritchie Boys bzw. MRBC-Leuten wurde die Produktion gegen Ende des Krieges zunehmend professioneller. Die zwischen Sommer 1944 und Frühjahr 1945 regelmäßig erscheinende Frontpost entwickelte sich innerhalb der Wehrmacht zu einer der bekanntesten und offensichtlich auch beliebtesten »Feindschriften«. Weil die Nationalsozialisten die »strategy of the big lie«251 verfolgten (zumindest behauptete dies die westalliierte »Metapropa­ganda«252) und ihre Feldsoldaten und Zivilisten nur selten wahrheitsgemäß über die militärischen und geopolitischen Entwicklungen informierten, versuchte die alliierte Propa­ganda mit informativen und realitätsnahen Publikationen wie der Frontpost dieses Vakuum auszufüllen und den »news-hunger of the Landser« zu befriedigen.253 Bei den Kriegsgefangenenbefragungen behaupteten die Wehrmachtssoldaten oft, dass sie die Frontpost für die realistische Darstellung der militärischen Lage und die darin abgedruckten Landkarten sehr schätzen würden.254 Ein stetig wachsender Teil der befragten deutschen Soldaten mochte zu Beginn des Jahres 1945 den befremdlichen Euphemismen der NS-Propa­ganda, die den unaufhaltsamen Rückzug der Wehrmacht als eine Reihe von »Frontbegradigungen« an einer »elastischen« Kampflinie verkaufen wollte,255 keinen Glauben mehr schenken. Da von den Wehrmachtsstäben und den NS-Blättern »niemals kraß herausgesagt« worden war, dass es sich bei diesen angeblich temporären Verschiebungen der Kampflinie um ein »ständiges Rückwärts handelte«,256 war der Bedarf an vertrauenswürdigen oder halbwegs objektiven Militärnachrichten groß. Tennenbaum behauptet in seinem Bericht aufgrund der Aussagen eines feindlichen Luftlande­ soldaten, dass die »straight facts«, die die Amerikaner den Deutschen erzählten,

251 Lerner, Sykewar, 29. 252 Als Metapropa­ganda bezeichnet Heinz Starkulla jr. jene Propa­gandaaussagen, welche von Propagandisten über (feindliche) Propagandisten getätigt werden. Laut Starkulla sind viele metapropagandistische Aussagen der kriegführenden Parteien später in Fleisch und Blut übergegangen und hätten dadurch unvoreingenommene »Forschung behindert«. Auch Amerikaner hätten als Propagandisten »gelogen«, ogbleich sie im Krieg Gegenteiliges behaupteten. Gleichwohl bin ich der Ansicht, dass die führenden und leitenden amerikanischen Kriegspropa­ganda-Akteure (vor allem der »weiße« Propa­gandamainstream) ihre »strategy of truth« nicht nur als hohle Phrase, sondern auch weitgehend als philosophische Grundausrichtung und mitunter idealistische »Mission« empfunden haben. Vgl. Starkulla jr., Propa­ganda, 120–124. 253 »News Sheets As Weapons of War«, in  : History  : Publicity and Psychological Warfare, 12th Army Group, January 1943–August 1945, zitiert in  : Daugherty/Janowitz, Psychological Warfare Casebook, 556–562, hier 556. 254 Ebd., 560  ; ähnlich Tennenbaum, Weekly Intelligence Report, Nr. 3, 12.2.1945, 17 f. 255 Victor Klemperer, LTI. Notizbuch eines Philologen. Leipzig  : 31975, 293. 256 Ebd.



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am meisten geschätzt würden.257 Zwar hatten auch die Westalliierten militärische Niederlagen zu verbuchen, sie waren aber der deutschen Jubelpropa­ganda »gerade dadurch überlegen, dass sie deprimierende Misserfolge relativ offen publizierten.«258 Ein überzeugter NS-Gegner unter den Verhörten war von der Frontpost, speziell von den darin publizierten deutschen Fußballergebnissen und der »intimate knowledge of German affairs« so angetan, dass er sich sogar als Mitarbeiter des Blatts empfahl.259 Auch der sprachliche Duktus des Blatts, der »informal and chatty, but not friendly« war,260 dürfte zur Gefälligkeit der Frontpost beigetragen haben. Ein Bericht von der in Italien eingesetzten PWB/5th Army behauptet, dass solche »news leaflets« oft die einzige glaubwürdige Informationsquelle über die militärischen Katastrophen der Wehrmacht an der Ostfront gewesen wären. Sie hätten die Entscheidung vieler Soldaten, sich zu ergeben, wesentlich beeinflusst.261 Auch wenn solche Berichte oft »auffrisiert« wirken, ist die These, dass der Informationshunger der Deutschen von Blättern wie der Frontpost gestillt wurde, empirisch mehrfach belegbar. Die Frontpost galt daher als ein »Erfolg«. Das von den PWI-Offizieren oft festgestellte Bedürfnis der Deutschen nach Information ist ein immer wieder auftauchendes Motiv, dem laut Tennenbaums Beobachtungen vor allem durch faktentreue und weiße Nachrichtenblätter im Stile des Propa­gandaamtes OWI und weniger durch aggressive schwarze Kommunikate im Stile des OSS Rechnung getragen wurde. Die »informative« Frontpost wird vom Autor daher in puncto Beliebtheit über das »zu propagandistische«, also zu viele »Lügen« und Verzerrungen der Realität beinhaltende, schwarze Gegenstück namens Nachrichten für die Truppe gestellt. Die Nachrichten für die Truppe waren ein von einem rund 25 Mann starken Redaktionsteam, bestehend aus OSS-, PWE- und PID-Personal unter der Führung der PWD/SHAEF, zusammengestelltes Tagesblatt, das in England produziert wurde. Im Gegensatz zur Frontpost deklarierten sich die Macher der Nachrichten nicht als alliierte Propagandisten. Ihr vierseitiges Blatt war ganz im Sinne des Kriegsgeheimdienstes OSS ein graues Kampfblatt, das zwischen einer Reihe von korrekten und von den Soldaten oft überprüfbaren Informationen über die Vorgänge im Westen gezielt »uncheckable, irrefutable and highly subversive home news« verbreitete.262 So wurde etwa mit der Absicht, den in Frankreich kämpfen257 Tennenbaum, Weekly Intelligence Report, Nr. 3, 12.2.1945, 23. 258 Zimmermann, Medien, 41. 259 Tennenbaum, Weekly Intelligence Report, Nr. 3, 12.2.1945, 24. 260 P&PW, 12th Army Group, »News Sheets as Weapons«, 557. 261 [PWB/AFHQ/]PWB-CPT 5th US Army, Propa­ganda Reaction Survey, Italian Campaigns, Period from 9.9.1943–2.5.1945, 6. NARA, RG 208, E 6G, B 12. 262 Lerner, Sykewar, 235.

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den Leser dieser Flugblattzeitung gegen seine militärische Führung aufzubringen, behauptet, dass das Oberkommando der Wehrmacht und die Parteiführung der russischen Front wesentlich mehr Bedeutung zumaßen als dem nutzlosen und hinhaltenden Kampf im Westen. Auch gab ein desillusionierter Leutnant täglich seine Kommentare zum Kriegsgeschehen ab und es wurde über die schlimmen Zustände in der deutschen Heimat »berichtet«  : Skandale, Ausbeutung von Frauen für Rüstungsdienste, Kinderleid, Korruption der »Nazi-Bonzen« usw. Dieser unorthodoxe Ansatz wurde – ähnlich wie beim Soldatensender Calais263 – mit aufmerksamkeitserregenden und boulevardesken Elementen wie halbnackten Frauen, Sportnachrichten,264 Humor und Entertainment kombiniert. Gestalterische Freiheiten also, die die weiße, sich an Fakten und »Wahrheiten« orientierende Propa­ganda nicht bot.265 Unmittelbar nach der Landung der alliierten Armada in der Normandie wurde über deutschen Reservedivisionen in Nordfrankreich eine Ausgabe der Nachrichten mit der Schlagzeile, dass der »Atlantikwall« von den angelsächsischen Angreifern durchbrochen worden sei, abgeworfen. Lerner unterstreicht, dass eine derartig an aktuelle Ereignisse angepasste Propa­gandakampagne »the closest cooperation among intelligence, policy, and operating sections of PWD, as well with other staff sections of SHAEF« erforderte.266 Tennenbaum, der zum Zeitpunkt des Erscheinens dieser Ausgabe noch mit einer Vorauseinheit der 2 nd MRBC in der Normandie operierte, war mit seinen Reports ein wichtiger Teil dieses auf Aktualität und Informationshoheit basierenden anglo-amerikanischen Intelligence-Systems. Der Erfolg dieses Systems hing nicht zuletzt von der möglichst raschen und vertikalen Mobilität der PWI-Nachrichten (von der Divisions- und Armee-Ebene bis hinauf zum SHAEF-Stab und vice versa) ab.267 Bei der Evaluierung der Effizienz der weißen Frontpost und der grau-schwarzen Nachrichten schlägt sich Tennenbaum klar auf die Seite der weißen Propa­ ganda. Der Grund dafür lag nicht zuletzt in den nahezu diametral entgegengesetzten Propa­gandaphilosophien, welche die eher seriös und »informierend« 263 Vgl. das Kapitel 2.3 zu Vilma Kuerer in diesem Band. 264 Siehe PWE/OSS-Flugblatt »Nachrichten für die Truppe«, Nr. 269, 13.1.1945, 1–4, hier 3, in  : https://www.psywar.org/product_1945NFDTT269.php (letzter Zugriff  : 25.7.2012). 265 Lerner, Sykewar, 235 und 237. 266 Ebd., 237. 267 Vgl. hierzu Saul Padover  : »Und so verbrachte ich den Tag im Gespräch mit vielen Deutschen, um herausfzufinden, was in ihnen vorging. Meine Berichte, die ich abends schrieb, gingen durch ›Kanäle‹ an das Hauptquartier der I. Armee und der 12. Heeresgruppe, an das Oberkommando der Alliierten, nach London und Washington. Gelesen wurden sie von den zuständigen Leuten der BBC, im amerikanischen Sender in Europa [ABSIE] und in Luxemburg. Sie wurden in den Propa­gandaabteilungen gelesen und von hochrangigen Politikern.« Padover, Lügendetektor, 43.



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auftretenden US-Kriegsinstitutionen wie das OWI vom umstürzlerisch und arkan agierenden OSS unterschieden  : Nach Meinung vieler PWD-Offiziere wurde die Ehrlichkeits-Rhetorik der weißen Propagandisten durch die schwarze Einschüchterungs- und schrille Lügenpropa­ganda des OSS regelrecht konterkariert. Trotz seiner Skepsis gegenüber der OSS-Propa­ganda kommt auch Tennenbaum interessanterweise zum Schluss, dass viele »somewhat doubtful articles«, wie sie gehäuft in den Nachrichten publiziert worden waren, von den Lesern »geschluckt« worden sind.268 Die Nachrichten besaßen sowohl Elemente, die bei den Deutschen Vertrauen erweckten (propa­ganda of enlightenment), als auch Elemente, die verstörten (propa­ganda of despair). Die PWD/SHAEF setzte auf beide dieser Zugänge, wobei der erstere jedoch klar überwog.269 Das aggressiv vorgehende OSS, das bei der Produktion der Nachrichten federführend war, setzte fast ausschließlich auf letzteren. Da trotz der offenbar größeren Popularität der weißen Frontpost beide Zugänge ihre Vor- und Nachteile besaßen, sollte die Gefälligkeit und politisch-moralische Korrektheit einer Flugblattserie nicht automatisch mit ihrer psychologischen Effizienz gleichgesetzt werden. Es ist nicht die primäre Absicht schwarzer bzw. subversiver Kommunikate, das Vertrauen des Rezipienten zu gewinnen oder ihn gar glücklich(er) zu machen, sondern vielmehr ihn zu verunsichern. Feindpropa­ ganda will nicht (nur) gefallen, sie will vielmehr die Psyche des Lesers beeinflussen, notfalls auch mit der Erzeugung von negativen Gefühlen. Paradoxerweise könnten daher gerade die aggressiv-propagandistischen – aber letztlich auf völlig rationalen Persuasionsabsichten beruhenden – Inhalte der Nachrichten jenen Reflexionsprozess und jene »Folgekommunikation« in Gang gesetzt oder zumindest verstärkt haben, die zwar nicht zu Amerikabegeisterung oder Antifaschismus, aber zu brodelnden Gerüchten, nagendem Zweifel, Hilflosigkeit, Zorn und Defätismus führten  :270 »Ist es wahr, dass der Atlantikwall durchbrochen ist  ?« »Stimmt es, dass die Nazi-Bonzen in der Heimat in Saus und Braus leben, während wir hier verrecken  ?« usw. Die von Tennenbaum zitierten Leserreaktio­nen lassen daher die Interpretationsmöglichkeit zu, dass auch die Nachrichten zur Schwächung der Kampfmoral deutscher Soldaten einiges beigetragen haben könnten. Charles Cruickshank kommt auf Grundlage von britischen Kriegsgefangenenverhören zum Schluss, dass »Nachrichten für die Truppe […] the most ambitious and most successful [leaflet]« von PWE und OSS bzw. PWD/SHAEF gewesen sei. Vor allem die nervösen Reaktionen der deutschen Kommandeure, die, so Cruickshank, ein langsames Einsickern defätistischer Gedanken in die Köpfe der Mannschaften 268 Tennenbaum, Weekly Intelligence Report, Nr. 3, 12.2.1945, 23. 269 Isenbart, »Britische Flugblattpropa­ganda«, 211. 270 Vgl. Starkulla jr., Propa­ganda, 283 f. und 295.

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befürchteten, würden die »Glanzleistungen dieser grauen Zersetzungspropa­ ganda« (Heinz Starkulla jr.) belegen.271 Doch wie bereits mehrmals dargelegt  : Da die Soldaten der Wehrmacht im semiotischen Guerillakrieg der Propa­ganda272 bis zum Schluss über eine erstaunliche ideologische Resistenz und hohe kognitive Abwehrkräfte verfügten und dem »Führer« und dem »Dritten Reich« bis knapp vor dem Untergang weitgehend loyal gegenüberstanden, haben sich die »responsive actions« nach Lektüre der Nachrichten wohl in Grenzen gehalten. Wie reagierten eigentlich die Output produzierenden Propa­gandapraktiker (Flugblattautoren und -grafiker) von Tennenbaums PWB/1st Army auf die Erkenntnisse der IPW- und PWI-Aufklärung und die im Weekly Intelligence Report angeführten Informationen  ? Anhand eines von Tennenbaum erwähnten US-Flugblatts der ersten US-Armee und der Reaktion eines deutschen Soldaten darauf soll im Folgenden gezeigt werden, wie bedeutend die Intelligence über den Feind für die Flublattproduktion war. Die PWB-Teams auf Armee-Ebene stellten, wie eingangs erwähnt, auch ihre eigenen Flugblätter her. So produzierte PWB/1st Army mehr als 6o Flugblattreihen, die auf die speziellen Bedürfnisse ihres militärischen Großverbands abzielten und regionale Spezifika enthielten. Während der blutigen Schlacht um den Hürtgenwald (ein Höhenplateau) wurde beispielsweise ein Flugblatt unter dem Kürzel »CT« und mit dem Titel Am Kreuzweg publiziert, das an die unmittelbaren Gegner der eigenen US-Infanteriedivisionen der ersten US-Armee (hier die 272. und 277. Volksgrenadierdivision) adressiert war. Genau dieses Flugblatt war einem deutschen Adressaten, der vermutlich in der 272. Volksgrenadierdivision diente, aus der ganzen Flut von amerikanischen Propa­gandatexten im Gedächtnis geblieben.273 So berichtet Tennenbaum, dass dieser Kriegsgefangene, der sehr viele Flugblätter gesehen hatte, sich nur an den »Passierschein« und an ein weiteres Flugblatt zum Thema »Ein Kreuz in der Eifel oder ein Weg ins Stalag« genauer erinnern konnte. Letzteres hatte der Gefangene in der Nähe des Orts Bergstein beim Hürtgenwald gefunden.274 Der Inhalt dieses »Kreuzweg«-Flugblatts ist spannend und vielfältig  : Der deutsche Leser wird auf der Vorderseite mit der bildlich und schriftlich veranschaulichten Metapher des Scheidewegs zwischen dem Tod in der Schlacht und dem lebensrettenden Gang in ein US-Kriegsgefangenenlager konfrontiert. Dieser Scheideweg nimmt bewusst Anleihen bei der Passion Christi – also dem Leidensweg eines Unschuldigen  : 271 Cruickshank, Fourth Arm, 171  ; Wagner, »Heinz Starkulla jr.«, 51. 272 Felbinger/Scherl, »Flieger«, 129. 273 Martin Herz stuft die bewusste Erinnerung an bestimmte Flugblätter als wichtigen Effizienzindikator ein. Siehe Herz, »Psychological Lessons«, 472  ; Auch Daugherty weist auf die Verlässlichkeit und recht hohe Relevanz derartiger Angaben hin. Daugherty, »Evaluation«, 691. 274 Tennenbaum, Weekly Intelligence Report, Nr. 3, 12.2.1945, 23.



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Du hast die Wahl  : Ein Kreuz in der Eifel oder ein Weg aus der Eifel.275

Im Gegensatz zur biblischen Erzählung des Neuen Testaments wird hier im Flugblatt aber der Eindruck vermittelt, dass es am Ende des Kreuzwegs eine selbstbestimmte Alternative zum Tod des Unschuldigen gibt  : nämlich den rettenden Gang in die Kriegsgefangenschaft. Angelangt an der Kreuzung zwischen Leben und Tod, steht also der Weg des (Weiter-)Lebens offen. Die mit pragmatischen, nicht ideologischen oder moralischen Argumenten operierenden Flugblattproduzenten der PWB/1st Army setzten mit dieser Leben-Tod-Alternative auf ein Hauptthema der PWD-Kampfpropa­ganda.276 So empfahl eine PWD-Direktive vom August 1944 den amerikanischen »Propa­ganda Warriors«  : Show that those [Germans] who stand and fight are killed.277

Tennenbaums PWB-Einheit setzte diese Vorgaben im sogenannten Kreuzweg-­ Flugblatt um. Warum hat ausgerechnet dieses Flugblatt einen bleibenden Eindruck bei unserem Kriegsgefangenen hinterlassen  ? Ich wage die Hypothese, dass die mit religiösen Erlösungsmotiven und gleichzeitig klaren, pragmatischen Botschaften durchsetzte Dramatik des Flugblatts eine aufwühlende Wirkung beim Leser zeitigte. So waren die deutschen Landser oft mit (pseudo)religiösem Gedankengut konfrontiert. Ein Beispiel für dieses eher irrationale »mindset« der Nationalsozialisten ist das Informations- und Indoktrinationsblatt für Wehrmachtssoldaten namens Neun Gebote zur Panzerbekämpfung mit der Panzerfaust. Der Kampf am Schlachtfeld wird hier durch biblische Begriffe wie Gebote verbrämt und in die Nähe des Göttlichen gerückt. Die erste Regel dieses an Moses Zehn Gebote erinnernden NS-Ratgebers zur richtigen Handhabe einer Panzerfaust ist mit dem Beginn der Zehn Gebote (»Du sollst …«) ident. Sie ist nichts anderes als eine Apotheose der Gewalt  : Du sollst den Feindpanzer nicht fürchten, sondern alles aufbieten, ihn umzulegen.278

275 PWD/SHAEF, PWB/1st Army-Flugblatt CT 40, »Am Kreuzweg« Privatbestand Traussnig. Für die Bereitstellung dieses Flugblatts möchte ich Klaus Kirchner herzlich danken. 276 Ganglmair, Kriegspropa­ganda, 170–173. 277 Ebd., 170. 278 Wehrmachts-Flugblatt »Neun Gebote zur Panzerbekämpfung mit der Panzerfaust«, ohne genaues Datum, wohl 1944. Privatbestand Traussnig.

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Die im Kreuzweg-Flugblatt verwendete Sprache versucht diese »religiöse« NS-­ Rhetorik aufzugreifen, um die feindlichen Soldaten mit gewohnten sprachlichen Mustern zu konfrontieren. Doch religiöses Pathos allein ist noch keine überzeugende Botschaft – es brauchte auch Botschaften, die auf die grundlegen­den Bedürfnisse und lebensweltlichen Interessen des Empfängers abzielen  : Während die nationalsozialistische Militärführung bzw. die NS-Propa­ganda das Tötungsverbot der Zehn Gebote bewusst ignorierte und sich todesmutige Panzerfaustschützen wünschte, betonten die amerikanischen Flugblattschreiber das Motiv des Lebens. Das heißt, auf der einen Seite wurde der deutsche Soldat von den Amerikanern mit religiös angehauchter NS-Diktion angesprochen, der Inhalt des Kreuzweg-Flugblatts sprach sich aber klar gegen die »Nazi-Religion« des bedingungslosen Kämpfens, Tötens und Sterbens für die »Volksgemeinschaft« aus und redete dem eher pazifistischen Tenor der Bibel das Wort. Der Text bietet aber nicht nur die Möglichkeit einer moralisierenden bzw. religiösen Lesart, sondern lässt auch Spielraum für »bodenständigere« Interpretationen. Aufgrund des geografischen Bezugs zur Hürtgenwaldschlacht und der daher großen emotionalen Nähe des von Tennenbaum zuvor erwähnten Lesers (der sehr wahrscheinlich selbst an dieser Schlacht teilgenommen hatte) zu diesem Ereignis dürften ihn Thema und »Schauplatz« des Flugblatts und der an den Hausverstand gerichtete Appell »Wähle das Leben, nicht den Tod  !« angesprochen haben. Die PWI-Experten Shils und Janowitz haben behauptet, dass die alliierte Propa­ganda beim deutschen Rezipienten dann am ehesten etwas bewirkt hat, wenn sie auch auf die existenziellste aller Fragen einging, nämlich  : »Leben oder Tod  ?«279 Die in diesem Flugblatt bewusst vorgenommene Kopplung einer solchen Grundsatzfrage an »definite, simple instructions«, wie etwa an die Aufforderung, sich zu ergeben, 280 hat sich als psychologisch geschickte Maßnahme erwiesen. Doch nicht nur die durch den Soldatenhelm auf einem Holzkreuz eindringlich veranschaulichte (neutestamentliche) Todessymbolik, sondern auch die »hard facts« des Flugblatts sprechen für sich. Die im Haupttext enthaltenen Angaben über die stark zusammengeschrumpften Kampfverbände der Wehrmacht, die der materiellen Übermacht der Alliierten wenig entgegenzusetzen hatten, hielten sich nah an den Fakten. Die auf den US-Flugblättern abgedruckten militärischen Insider-Informationen über die Wehrmacht wurden mithilfe der Nachrichtenoffiziere eingeholt. Die oft sehr stichhaltigen Angaben über die noch Widerstand leistenden feindlichen »Kampfgruppen«, die sich einer alliierten Übermacht mit besserer Ausrüstung gegenübersahen, besaßen ein großes argumentatives 279 Shils/Janowitz, »Cohesion«, 285  ; vgl. ebd., 302. 280 Aussage des Kampfpropa­ganda-Lautsprecheransagers Si Lewen, zitiert in Eddy, Campe Sharpe, 54 f.



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Gewicht und beeindruckten die Landser sehr. Tennenbaum bzw. die Flugblattschreiber bekamen diese Detailinformationen aus den IPW-Reports der G-2-Abteilung der ersten Armee. Im Report vom 13. Dezember 1944 konnten sie etwa die Rohdaten über die Stärke der Kampfgruppen der 272. Volksgrenadierdivision nachlesen. Deren »KG Pieper«, wird darin behauptet, sei an die 40 Mann stark. Der auf Grundlage solcher Reports erstellte Text des Kreuzweg-Flugblatts argumentierte daher mit der durchgehend realistischen und glaubwürdigen Aussage, dass die erwähnte Kampfgruppe mittlerweile nur mehr 32 Mann stark sei.281 Die Rückseite des Flugblatts ist nicht innovativ, aber handwerklich solide  : Dort ist blattfüllend der handschriftlich verfasste Text eines (fiktiven) Landsers abgebildet. Dieser typografische Modus ist bewusst gewählt worden, da er Authentizität und Glaubwürdigkeit suggeriert (»Das hat einer von uns geschrieben  !«). Der Inhalt des Textes auf der Rückseite besteht aus der Darstellung des komfortablen Kriegsgefangenenalltags bei den Amerikanern, der sich für manchen halb ausgehungerten Landser wohl wie ein Augenzeugenbericht aus dem Schlaraffenland ausnehmen musste, ganz nach dem Motto  : »Da drüben, beim Ami, kann man nicht nur seine Haut retten, sondern sich auch mal ordentlich den Bauch vollschlagen  !« Solche vermeintlich authentischen Zeugenaussagen über das viele »Fleisch« und den brühwarmen »Bohnenkaffee« der Amerikaner wirken wie »behagliche bzw. beruhigte Stoßseufzer der Verbraucher«, also der deutschen Propa­gandaadressaten selbst.282 Dadurch sollte der Text auf der Flugblattrückseite nicht als feindlicher Appell, sondern als »Stimme der Unsrigen« wahrgenommen werden. Die US-Flugblätter stellten die amerikanischen Feldküchen als regelrechte Gourmet-Tempel dar. Die Flugblattrückseite erweiterte also die existenzielle Dimension des Scheideweg-Motivs um eine pragmatische Komponente. Der Faktor Essen ist im letzten Kriegsjahr, das auf deutscher Seite von Entbehrungen und Engpässen gekennzeichnet war, nicht zu unterschätzen  : Wer auf eine Reihe von Lebensmitteln verzichten muss, ja teils sogar unterernährt ist, der nimmt für eine Verbesserung der Ernährungssituation eher die Flucht ins besser versorgte Feindeslager in Kauf als ein Soldat, dessen physische Grundbedürfnisse befriedigt sind.283 Insgesamt ist das Kreuzweg-Flugblatt ein gelungener Themenmix, der rhetorisch und semiotisch geschickt umgesetzt wurde. Aufgrund der Häufigkeit der deutschen Rückmeldungen, wie jener des Flugblattlesers im Hürtgenwald, wurde bei PWB/1st Army und bei 281 First US Army, G-2, Prisoner of War Interrogation Reports, First Army, Summary on 272 VG Div[ision] 12./23.12.1944. NARA, RG 498, E 245, B 1282. 282 Starkulla jr., Propa­ganda, 284. 283 So berichtete ein IPW-Verhörteam, dem der Österreicher Ernest Stern angehörte  : »All [German] prisoners are impressed by the quality of food served American soldiers.« »Krauts May Be On The Ropes But They Still Love Das Reich«, in  : Blood and Fire [63rd Infantry Division], 10.3.1945, 2 und 4.

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PWD/SHAEF entschieden, ob eine Propa­gandaflugblattkampagne thematisch weiter verfolgt, verändert oder eingestellt werden sollte. Mein (subjektives) Urteil über die inhaltliche und formale Qualität des Kreuz­ weg-­F lugblatts fällt insgesamt sehr positiv aus  : Obwohl die These, dass die Österreicher in der 277. Volksgrenadierdivision eher zur Desertion neigten als ihre deutschen Kameraden, auf Basis neuerer Arbeiten eher widerlegt wird und sich die von Tennenbaum als besonders defätistisch bezeichneten Österreicher dieser Einheit insgesamt wohl kaum antifaschistischer als ihre Kameraden aus dem »Altreich« gerierten, waren die Reports von PWB/1st Army über die niedrige Kampfmoral dieser zusammengewürfelten Truppe im Kern zutreffend – das argumentativ überzeugende und einprägsame Kreuzweg-Flugblatt hat also letztlich die richtigen Adressaten gefunden. Von den einzelnen Divisionen der ersten Armee erhielt Tennenbaum regelmäßig G-2-Reports über die wichtigsten militärischen Vorgänge in deren Frontabschnitten. Ein im Umfeld der 28. US-Infanteriedivision arbeitender Verhöroffizier stellte fest, dass etwa das 4. Bataillon der 109. deutschen Infanteriedivision zu weiten Teilen aus älteren Soldaten bzw. aus ehemaligen Zollbeamten bestand. Sie hatten keine Einberufung zum Frontkampf erwartet und ihnen wurden leere Versprechen über bald eintreffende moderne Waffen gemacht. Daraus erklärt sich wohl die »niedrige Moral« dieser Einheit.284 Für die Flugblatttexter der PWD-Einheiten wie PWB/1st Army waren Berichte über übel gelaunte und schlecht ausgerüstete Zöllnerbataillone und marode Soldaten in den Reihen der Volksgrenadierdivisionen natürlich ein gefundenes Fressen. Wie bereits anhand der Aussagen eines deutschen Soldaten über das Kreuzweg-Flugblatt demonstriert, riefen maßgeschneiderte und dank aufwändiger Propa­ganda Intelligence ständig verbesserte Flugblätter bei einigen Rezipienten durchaus Reaktionen hervor, die im Sinne der Propagandisten waren. In Felix Römers auf Tausenden von Abhörprotokollen und Befragungen von Wehrmachtssoldaten basierender Mentalitätsgeschichte über die »Wehrmacht von innen« erwähnt der Autor etwa den 36-jährigen Unteroffizier Heinrich Knieper. Letzterer war alles andere als ein eingefleischter Krieger, vielmehr der Prototyp eines Volksgrenadiers mit niedriger Kampfmoral. Er wurde erst spät zum aktiven Kriegsdienst einberufen und nach wenigen Wochen Infanterieausbildung an die Front in der Eifel versetzt, wo er, so Römer, »nach wenigen Tagen in Gefangenschaft geriet – angeblich ohne einen einzigen Schuss abzufeuern.«285 Wenn Leute mit antimilitaristischen Dispositionen wie Knieper Texte wie jene des Kreuzweg-Flugblatts lasen, konnte die US-Propa­ganda durchaus als affektiver 284 US Army, HQ, 28th Infantry Division, G-2 Periodic Report, 23.–24.1.1945, Annex, Nr. 2, IPW-Report. NARA, RG 407, E 427, B 7380. 285 Römer, Kameraden, 369 f.



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44, 45 Der Hürtgenwald als Golgotha mitsamt Aussicht auf ein Happy End  : Das KreuzwegFlugblatt der Ersten US-Armee.

Verstärker wirken, der den Leser einen Schritt näher an die Desertion oder Kapitulation brachte.286 Die »potential waverer[s]«287 wie Knieper oder der Österreicher Kammerdiener waren die dankbarsten Abnehmer der amerikanischen Frontpropa­ganda und als »friendly prisoners« und kooperative Verhörpartner auch eifrige Zuarbeiter der Propa­ganda Intelligence. 3.2.5 Resümee

Die Propa­ganda Intelligence und die Moralanalysen Jacob Tennenbaums und anderer amerikanischer Nachrichtenoffiziere der PWD/SHAEF können als eine Art hermeneutische Zirkelbewegung charakterisiert werden  : Die PWI- und IPW-»Verhörtätigkeit wurde zu einem fortlaufenden, vielstimmigen ›Gespräch

286 Vgl. Tennenbaum, Weekly Intelligence Report, Nr. 2, 5.2.1945, 7. 287 Herz, »Psychological Lessons«, 475.

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mit der Volksgemeinschaft‹«,288 das es ermöglichte, die (empirisch schwer fassbaren) Wirkungen der US-Propa­ganda bzw. die »responsive actions« der deutschen Empfänger mit den Tätigkeiten der US-Propa­gandaproduzenten immer wieder aufs Neue in Einklang zu bringen. Das propagandistische Fachwissen der Amerikaner wurde – vor allem dank der Auswertung der Kriegsgefangenenverhöre – ständig erweitert, neu bewertet und auf eine höhere, subtilere Ebene gestellt. Dieser Intelligence Cycle bzw. dialektisch angelegte Prozess war keineswegs frei von Hürden und Schwierigkeiten  : Die Wissenschaft zur Erhebung der Effektivität der psychologischen Kriegsführung und die von ihr gezeichneten Bilder der deutschen Soldatenmoral basierten zu weiten Teilen auf dem naiven Glauben an die Messbarkeit des Menschen bzw. auf subjektiven Moralanalysen und impressionistischen Befragungen. Die Methoden, mit denen die Amerikaner versuchten, die Gedankenwelt des deutschen Feindes zu verstehen und in der Folge durch Propa­ganda zu beeinflussen, waren Produkte ihrer Zeit und Ausdruck der Mentalität der Beteiligten  : Sie mögen – wie im Fall der standardisierten Morale Questionnaires und PWI Surveys – empirisch-positivistisch oder – wie im Fall von Tennenbaums wöchentlichen PWI-Reports – zu interpretatorisch-hermeneutisch gewesen sein. Gewiss waren sie kein getreues Abbild einer wie auch immer gearteten Realität und hatten Konstruktcharakter. Doch wurden die methodischen Problemfelder und erkenntnistheoretischen Dilemmata dieses Ansatzes durch die permanente Übereinstimmung von standardisierten und quantifizierbaren PWI-Daten mit qualitativen Detailstudien zu den verhörten Kriegsgefangenen entschärft. Im Idealfall – wie im MIS-Abhörlager Fort Hunt – wurden diese beiden Methoden sogar durch ein drittes Datenerhebungsverfahren, nämlich das geheime Abhören von Gefangenen­ gesprächen, ergänzt und sublimiert. Oder, um es in Anlehnung an Bruno Latour auszudrücken  : Das von den Amerikanern in großem Umfang betriebene dialektische Zusammenspiel aus quantitativen und qualitativen Moralanalysen war ein sehr ausgefeiltes Realitätsmodell, welches das abstrakte Feld der Propa­ganda bzw. der Propa­ganda Intelligence »über sukzessive Schritte mit der [‚realen‹] Welt, die ihrerseits ausgerichtet, transformiert und konstruiert ist«, verband.289 Indem sie im »Zwischenreich von Worten und Dingen«290 operierten, versuchten die west­ alliierten PWI-Experten die diskursive und die soziale Ebene des Krieges zusammenzuführen und abzugleichen, um in weiterer Folge die »reale Welt« nach ihren Vorstellungen formen zu können. Diese reale Welt der deutschen Soldaten außerhalb des propagandistischen Mikrokosmos wurde hierbei nicht nur tausendfach 288 Zagovec, »›The Mind of the Enemy‹«, 269. 289 Latour, »Zirkulierende Referenz«, 94 f. 290 Musner, »Dispositiv und Diskurs«, 79.



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untersucht und unter moralanalytischen Gesichtspunkten erfasst, sondern auch im Sinne der amerikanischen Propagandisten permanent beeinflusst, verändert und auf gewisse Art und Weise stets aufs Neue erschaffen, stets neu konstruiert. Denn das, was die PWI-Offiziere über Psyche und Kampfkraft der Wehrmacht zu wissen glaubten bzw. was sie an ausgefeilten Arbeitshypothesen entwarfen, floss oft direkt in die Flugblätter ein und schuf in bestimmten (Ausnahme-)Fällen genau jene Realität, die sich die amerikanischen Propa­gandakrieger herbeischreiben wollten  : defätistische Volksgrenadiere, frustrierte Österreicher, desertierende Unteroffiziere. Und wie die zuvor zitierten Beispiele für gelungene oder halbwegs glaubwürdige Propa­gandakampagnen, wie jene des »Passierscheins« oder des Kreuzweg-Flugblatts, nahelegen, kam das Endprodukt all dieser analytischen Anstrengungen den Erfordernissen der »realen Welt« weit entgegen  : Der dialektische und dialogische Blick der Amerikaner in die Seele des Landsers, er war meist ein sehr scharfer. Dies ändert natürlich nichts daran, dass bis zum Ende des Krieges die Kampfkraft der Wehrmacht und der kameradschaftliche Zusammenhalt innerhalb der soldatischen Primärgruppen an der Front sehr groß und die Zahl der Desertionen niedrig war. Die meisten Landser blieben dem »Führer« treu und konnten von der mitunter beeindruckenden und mit großem Aufwand betriebenen feindlichen Propa­ganda nicht zur Aufgabe bewegt werden.291 Tennenbaums Tätigkeit im Rahmen der Propa­ganda Intelligence und psychologischen Kriegsführung sollte jedoch – wie auch die Beiträge der anderen Protagonisten dieser Studie – nicht nur in Bezug auf ihre tatsächliche Effizienz hin bewertet werden. Der für die Amerikaner erfolgreiche Kriegsverlauf am europäischen Schlachtfeld spiegelte gewissermaßen auch die Entwicklungen am Feld der Propa­ganda wider  : So zeigt sich gerade an Tennenbaums Kriegsbiografie, dass das amerikanische Propa­gandasystem nach einem holprigen Start rasch professionalisiert wurde und vergleichsweise rational, wissenschaftlich und pragmatisch ausgerichtet war  ; der US-Propa­gandaoutput hielt sich weitgehend an die Fakten (»Strategie der Wahrheit«) und wurde von umfangreichen analytischen Studien komplementiert. Das Propa­gandasystem Hitlerdeutschlands hingegen beruhte zu weiten Teilen auf irrationalen, pseudoreligiösen Mythen und völkischen Ideologien  ; der deutsche Propa­gandaoutput setzte bewusst und massiv auf eine systematische Verzerrung der Realität (»Strategie der großen Lüge«)292 und öffnete damit auch einer systematischen Selbsttäuschung Tür und Tor. Langfristig gesehen war der amerikanische Zugang eindeutig der erfolgreichere. Der propagandistisch verbreitete Irr291 »Die Mehrheit stand bis weit ins letzte Kriegsjahr hinter Hitler, und für die meisten von ihnen war es selbstverständlich, sich im Krieg für die Nation einzusetzen.« Römer, Kameraden, 470. 292 Lerner, Sykewar, 29.

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glaube der Deutschen an die Allmacht eines unbesiegbaren, gottähnlichen Führers, der ein rassisch überlegenes und mit Wunderwaffen bestücktes Heer zum unvermeidlichen Endsieg führt, musste früher oder später an der Realität und am nüchternen Pragmatismus der Westalliierten zerschellen. Gerade der massive Einsatz geheimdienstlich geschulter PWI-Offiziere wie Tennenbaum und die realitätsnahen Propa­gandatexte der amerikanischen Seite veranschaulichen, dass die PWD/ SHAEF nicht auf »silly arguments« und irrationale Lügenpropa­ganda, sondern auf wissenschaftliche Analytik und militärische Zweckmäßigkeit setzte. Der schlachtenerfahrene Artillerieoffizier, Verhörexperte und Propa­ganda­ analyst Jacob Tennenbaum versuchte als Teil des militärischen Propa­ganda­ apparates der US-Armee bzw. des alliierten Oberkommandos in Europa zwischen Juni 1944 und Kriegsende direkt in die Gedankenwelt des Feindes zu blicken – eines Feindes, den er als aus Wien geflohener Jude recht gut kannte. Mit seinen zahlreichen Moralanalysen und PWI-Reports hatte er einen wichtigen Anteil an der ständigen Verbesserung und inhaltlichen Aktualisierung der Propa­ gandakommunikate der PWD/SHAEF bzw. der PWB/1st Army. Jacob Tennenbaum hat aber nicht nur die Psyche der deutschen Soldaten analysiert, sondern auch zur Beeinflussung derselben durch psychologisch verbesserte oder inhaltlich aktualisierte amerikanische Propa­gandakommunikate beigetragen. Er war ein wichtiges Element der im komplexen Spannungsfeld zwischen Empirismus und Hermeneutik angesiedelten Propa­ganda Intelligence. Nicht nur die Flugblattautoren und Output produzierenden Psychokrieger, sondern auch die PWI-Offiziere wie Tennenbaum, die mit ihren Moralanalysen den Rohstoff für die Flugblätter und andere Propa­gandatexte lieferten, waren – ebenso wie die von ihnen verhörten bzw. analysierten Landser selbst – aktive Produzenten der US-Kampfpropa­ganda. Unser Protagonist wird in Daniel Lerners Standardwerk wohl nicht zufällig als einer von jener Handvoll »conspicuously successful writers« zentraleuropäischer Herkunft bezeichnet, die sich beim Ausdeuten der Feindinformationen an der Westfront und beim Verfassen von Texten im Rahmen der psychologischen Kriegsführung besonders hervorgetan haben.293 Wie viele andere zentraleuropäische IPW- und PWI-Offiziere besaß der Österreicher »[t]he sensitivity and the intimate knowledge of the German psyche«, die nötig waren, um den »mostly prosaic detritus of the crumbling Third Reich into an effective tool of psychological warfare« zu verwandeln.294 Obwohl sich die Effizienz der amerikanischen Propa­ganda im Feld – sofern sie überhaupt wissenschaftlich belegt werden kann – in Grenzen hielt, kann Tennenbaums Propa­gandahermeneutik als bemerkenswert bezeichnet werden. Letztlich ging es für ihn und die ande293 Ebd., 75 f. 294 Stern, »Service«, 472.



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ren Propa­ganda-Intelligence-Experten weniger darum, »exakte« Wissenschaft zu betreiben, sondern auf Basis einer vernünftigen und abwägenden Evaluation der »enemy morale« praktikable und umsetzbare Lösungen für eine möglichst effektive Gestaltung der Propa­gandakommunikate auszuarbeiten  : [O]ur failure to inject exactitude or certainty into our assessment of propa­ganda effects should not discourage us from making such progress as is possible. […] [As one authority claims] »the tendency is toward realism which accepts the limitations that exist and endeavors to make the most of the knowledge, talents, and facilities available. Research is aimed not so much at the discovery of exact formulas as at a broader understanding which will increase the probability of effectiveness. Evaluation is based more on experienced judgement than on scientific measurement.«295

Jacob Tennenbaum kehrte übrigens nicht nach Österreich zurück. Er nahm später den Namen Jack Tilden an und lebte bis zu seinem Tod im Jahr 1988 an der amerikanischen Ostküste. 3.2.6 Fallstudie  : »They are going to drive us crazy« – Fred Lorenz, schelmischer Radiosprecher der pwd/shaef

Der 1907 in Wien geborene Schauspieler und Kabarettist Manfred Inger (später Fred Lorenz) war als Propa­gandasprecher im Dienste der US-Armee und des Kriegsgeheimdienstes in Nordwesteuropa ein eifriger Rezipient der nachrichtendienstlichen Informationen und der Propa­ganda Intelligence der Ritchie Boys in den G-2- und PWD-Einheiten. Das heißt, er verwertete jene Nachrichten über die Feindmoral, die den Propa­gandaeinheiten von Leuten wie Jacob Tennenbaum zur Verfügung gestellt worden waren. Inger, der vor 1938 unter anderem in Wien am Raimundtheater und bei der »Literatur am Naschmarkt«, aber auch in den Theatern Breslaus tätig war, flüchtete nach dem »Anschluss« unter dem Namen Manfred Ignatz über Belgien in die USA296 und tauchte nach dem Kriegseintritt der Vereinigten Staaten bald auf dem Radar der Personaloffiziere verschiedener Propa­gandainstitutionen auf. Nach einigen Anfangsschwierigkeiten konnte Inger im exilösterreichischen Kulturmilieu an der Ostküste Fuß fassen und wirkte bei den erfolgreichen ös295 Daugherty, »Evaluation«, 685. 296 Passenger List S.S. Westernland to New York, 10.12.1938. NARA, Records of the Immigration and Naturalization Service, Passenger and Crew Lists of Vessels Arriving at New York, New York, 1897–1957, MS T715, MR 6263, L 4 P 155, in  : http://www.ancestry.com/ (letzter Zugriff  : 19.10.2012).

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terreichischen Broadway-Shows From Vienna und Reunion in New York mit. Als Schauspieler nur in kleinen Rollen zu sehen, beteiligte sich Inger, der sich in Amerika Fred Lorenz nannte, auch bei der antifaschistischen Propa­gandasendung We Fight Back des Propa­gandaamtes OWI und des jüdischen Exilblatts Aufbau. Im April 1943 wurde er zum Militär eingezogen, wo er sich angeblich gegen antisemitische Angriffe auf seine Person ohne Rücksicht auf Verluste körperlich zur Wehr setzte.297 Bald nach der Grundausbildung wurde der Kriegsgeheimdienst OSS auf den sprachlich versierten Wiener aufmerksam und rekrutierte ihn für den Bereich Morale Operations. Anfang 1944 wurde er als deutschsprachiger Propa­gandaexperte kurzzeitig zur Second Mobile Radio Broadcasting Company der US-Armee (2nd MRBC) nach Camp Ritchie,298 später zur 3rd MRBC transferiert. An der Westfront in Europa trat er nach der Landung in der Normandie als Radiosprecher in verschiedenen Propa­gandaabteilungen der PWD/SHAEF und der 12. Armeegruppe in Erscheinung. Formell gehörte Lorenz sowohl der Armee als auch dem (semi)zivilen OSS an. Doch nicht nur das OSS, sondern auch die Propa­gandaeinheiten der US-Armee, bei denen Lorenz diente, waren letztlich weit weniger militärisch, als es auf den ersten Blick den Anschein hatte. Trotz ihrer Zugehörigkeit zum alliierten Oberkommando bzw. den anglo-amerikanischen Streitkräften in Europa war etwa die PWD/SHAEF mit ihren Subeinheiten »a mili­ tary formation in name only«.299 Der Grund dafür liegt auf der Hand  : Operativ waren die militärischen »Psywar«-Abteilungen der Amerikaner und Briten von der sprachlichen Begabung und dem psychologischen Spürsinn von Menschen, die aus einem sprach- und kulturaffinen Milieu stammten, abhängig. Diese waren nun einmal mit großer Mehrheit (ehemalige) Zivilisten oder MITC-Absolventen, die nur oberflächlich militarisiert worden waren. Die Ritchie Boys, die – wie Fred Lorenz – später in den PWD-Trupps in Europa landen sollten, waren im Brotberuf in der Regel linksliberale Poeten, unabhängige Journalisten, Politiker, Juristen usw. gewesen, nur eines waren sie meist nicht  : »echte« Krieger. Von den Militärs skeptisch beäugt,300 galten die illustren exileuropäischen Propagandisten in den Reihen der PWD als »aggressively imaginative and administratively irresponsible symbol-manipulators, representing the war’s disorganized ›characters‹«. 301 Oder etwas vereinfacht ausgedrückt  : Die zivilen Kreativköpfe und Ritchie Boys wie 297 Burger, 1212, 161. 298 OSS HQ & HQ Det., Washington DC, Special Orders Nr. 8/Cpt. G. Riggin, Special Orders, 11.1.1944. OSS Personnel File of Henry Koerner [Lorenz wird darin erwähnt]. NARA, RG 226, E 224, B 415  ; Training Records of the Military Intelligence Training Center, Camp Ritchie, Personal History Card of Fred Lorenz. NARA, RG 265, E 206, B 42. 299 Lerner, Sykewar, 67. 300 Ganglmair, Kriegspropa­ganda, 127. 301 Lerner, Sykewar, 67.



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Fred Lorenz mögen fantasievolle Propagandisten gewesen sein, aber als Soldaten waren sie aus der Sicht vieler Offiziere unbrauchbar. Diese Eigenschaften brachten aber nicht nur organisatorische Probleme mit sich, sondern garantierten – wie die folgenden Einblicke in die Rundfunkaktivitäten von Fred Lorenz zeigen werden – auch ein gerüttelt Maß an Humor im düsteren Kriegsalltag. Schon bei seinem ersten Einsatz nach der Invasion in Frankreich konnte der gelernte Schauspieler viele seiner Stärken propagandistisch nutzen. Der eher experimentell angelegte Amerikanische Feldfunk von Lorient, dessen Team Lorenz angehörte, produzierte von August bis Mitte Oktober 1944 für die rund 28.000 in der Küstenstadt Lorient eingeschlossenen deutschen Soldaten tägliche Propa­gandasendungen, die die Hörer zur Aufgabe ihres Widerstands oder zur Desertion bewegen sollten.302 Lorenz erlangte hierbei als vielseitiger und schelmischer Sprecher dieses fast autonom agierenden Senders, der vor allem mit dem Personal der Propa­gandaabteilungen der 3. und 9. US-Armee betrieben wurde,303 eine gewisse Berühmtheit. Wie in der Geschichte der 2nd MRBC, in deren Umfeld sich Lorenz oft bewegte, festgehalten wird, war der Wiener einer der zwei »Stars« des taktisch angelegten Feldfunks, der zum Überlaufen einiger Hundert Soldaten einen – wenn auch nur schwer eruierbaren – Teil beigetragen hat. Um seinen Adressaten das Gefühl vermitteln zu können, dass die Amerikaner über alles und jeden in der eingeschlossenen Stadt Bescheid wüssten und es besser wäre, sich dem nicht nur materiell, sondern auch informationstechnisch übermächtigen Gegner zu ergeben, war er stark auf die Erkenntnisse der Kriegsgefangenenbefragungen, die verschiedenen Propa­ganda-Intelligence-Reports und die G-2-Nachrichten über das gegnerische Lager angewiesen. Lorenz, der auch persönlich PWI-Verhöre durchführte, war ein eifriger Rezipient der Propa­ ganda Intelligence  : [A] familiar figure was that of T/5 [Fred] Lorenz, an expert actor, who portrayed and mimicked personalities of the garrison (using information gathered in interrogations) to lend humor to the programs. Together these two turned out programs featuring captured mail, world news, local news of Lorient, lists of captured Lorienters, lists of German casualties, music and entertainment and reports and spectacular events calculated to bring home to the armed forces in Lorient the fact their every move was known to the Americans.304

Das Kriegsgefangenenverhör erwies sich im Fall des Feldfunks von Lorient einmal mehr als Fenster in die Gedankenwelt der Landser, das wichtige »current intelli302 Bowen/Edelman, History, 53 f.; vgl. Eddy, Camp Sharpe, 76. 303 Pütter, Rundfunk, 253. 304 Bowen/Edelman, History, 53 f.

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gence« und »output intelligence« für die defätistischen Propa­gandaattacken von Lorenz auf die Garnisonssoldaten bereitstellte. Lorenz’ Kollege David Hertz, der ebenfalls in Lorient diente, berichtet über den Blick ins Innere der deutschen Festung, der ohne die Kriegsgefangenenbefragungen kaum möglich gewesen wäre  : Our existence as a functioning tactical weapon depended on intelligence from prisoners. We ate, slept, and drank with prisoners. Many nights I was awakened by members of our crew dragging in deserters, who sat on my bedroll, dripping the waters of the river Scorff as they told us that Winchell dope on what went on inside the fortress. We were so constantly in the company of prisoners that the French were suspicious of us until they learned what we were doing.305

Lorenz’ performative Spezialität als Sprecher des Feldfunks war die satirisch überzeichnete Imitation von Soldaten bzw. Offizieren der eingeschlossenen Wehrmachtstruppen in Lorient. Er konnte hierbei auf seine reichen Erfahrungen im mitteleuropäischen Theatermilieu zurückgreifen. So hatte er in der Spielsaison 1934/35 in Wien etwa bei der »Literatur am Naschmarkt« im Stück Die Festwoche des braven Soldaten die Hauptfigur des Schweijk verkörpert. Eine Rolle, mit der er sein damaliges Publikum nicht nur unterhalten, sondern auch politisieren wollte  : Die ideologisch eher links stehenden Autoren und Schauspieler dieser Wiener Kabarettbühne hatten das autoritäre Dollfuß-Regime, das zu dieser Zeit in Österreich an der Macht war, abgelehnt und den schelmischen Schweijk als Diskursträger für oppositionelles Gedankengut und Stachel wider den österreichischen »Klerikalfaschismus« genutzt.306 Die von Fred Lorenz (alias Manfred Inger) vor dem Krieg auf den städtischen »Brettl«-Bühnen oft geübte Praxis, humorvolle Dialoge mit regimekritischen Anspielungen zu versehen, kam nun in der psychologischen Kriegsführung wieder voll zur Geltung. Hier wie da ging es um affektive Aufladung und 305 David Hertz, »The Radio Siege of Lorient«, in  : Daugherty/Janowitz, Psychological Warfare Casebook, 384–392, hier 386. 306 Vgl. hierzu den Sammelband von Panagl/Kriechbaumer, Stachel  ; Ingeborg Reisner zitiert die doppelbödigen und politisch lesbaren Aussagen des von Manfred Inger-Lorenz verkörperten Schweijk, als dieser auf den Feuerwehrmann des Wiener Stephansturms trifft  : »Schweijk  : (am Turmfenster) No alsdann –, da liegt ja mein liebes Wien  ! Direkt hingebettet  ! Sagen’s was hame da für Aussichten –  ? Feuerwehrmann  : ›Aussichten–  ?  ?‹ Herr–  !  ! Sie wer’n ja politisch  ! Sie dürfen mi höchstens nach Gebäude fragen. Schweijk  : Als wo is, bitteschen, das Parlament –  ? Feuerwehrmann  : Sie müssen natürlich gleich wieder mit dem Heiligsten anfangen  ! Sehgen’s dort rechts –  ? Des is di Votivkirchen. Glei daneben – die Minoritenkirchen. Da mehr im Vordergrund is di Karlskirchen–, und dort –, ganz hinter die Kirchen versteckt, is des Parlament …« Reisner, Kabarett, 124.



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geistige Unterwanderung des Rezipienten. Der folgende Auszug aus einem Bericht von Hertz belegt, dass die von Lorenz und anderen US-Propagandisten befragten deutschen Deserteure bei der Verbesserung der Programme des Feldfunks kräftig mithalfen – Letztere waren daher nicht nur Objekte der PWI-Aufklärung, sondern bis zu einem gewissen Ausmaß auch Subjekte und Propa­gandaproduzenten  : [A] valuable program feature [of Der amerikanische Feldfunk von Lorient was] Erlausch­ tes aus Lorient. These were conjectured conversations with characters who actually existed inside Lorient. When a deserter would tell us about a particularly famous or infamous personage inside the garrison, we would take careful note of the way the personage was supposed to speak. Our best actor, Corporal Fred Lorenz, would work at the difficult job of mimicking a voice he had never heard by trying various nuances of tone until the deserter would say that Fred had hit the correct one. Next we would write dialogue we believed to be characteristic of the individual selected. After that, both the dialogue and Fred’s mimicking were tried in rehearsal on dozens of deserters before we actually produced an approximation of the man on the air. In the end we achieved a pretty close satirization of the characters inside the garrison.307

Wie Hertz in der Folge durchaus unterhaltsam ausführt, hatte der ehemalige Wiener Schweijk-Darsteller Lorenz in der Sendung Erlauschtes aus Lorient nun auch als US-Propagandist die Möglichkeit, »seinen Schweijk zu spielen« 308 und die Sinnlosigkeit des deutschen Widerstands gegen die Alliierten satirisch zu attackieren. So steigerte sich der Österreicher angeblich derartig in die Rolle eines gewissen Herrn Schimak hinein, dass er von den anderen Rundfunkmitarbeitern regelmäßig vom Mikrofon weggezerrt werden musste  : Then there was Schimak, a character remindful of the Good Soldier Schweik, a fool who was fanatically, tiresomely devoted to der Fuehrer [sic  !]. The Fuehrer was always with Schimak, even when no one else noticed him around. He had a habit of cornering his comrades during air raids, the only time they couldn’t escape him. When Fred mimicked Schimak we would end his broadcast by dragging him away from the mike with a hand over his mouth.309 307 Hertz, »Radio Siege«, 388. 308 Lorenz’ Schweijk’sche Rolle war ein Gemeinplatz der exilösterreichischen Rundfunkpropa­ ganda  : Der aus Österreich stammende Kabarettist Robert Lucas (früher Robert Ehrenzweig) hat für die britische BBC bereits seit 1940 antinationalsozialistische Satiresendungen verfasst, in denen eine naive Pikaro-Figur namens Adolf Hirnschal die »Nazi-Politik ad absurdum« führt. Naumann, »Ätherkrieg«, 88 und 90  ; Für eine detaillierte Untersuchung dieser Beiträge siehe Moorehead, Satire, 12, 196-202 und 267-283. 309 Hertz, »Radio Siege«, 388  ; vgl. ähnliche Aspekte in Naumann, »Ätherkrieg«, 95.

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Die Figur des Schimak-Schweijk wurde nur noch durch den ebenfalls von Lorenz dargestellten Charakter des Herrn Huber, eines real existierenden, stottern­den Eisenbahners, der seinen Dienst beim »only railroad train left in Lorient«310 versah, übertroffen. Als sich herausstellte, dass die US-Armee die Stadt Lorient – trotz anderslautender und vollmundiger Ankündigungen der Sprecher des Feldfunks – nicht einzunehmen gedachte (man verzichtete bis zum Ende des Kriegs auf einen militärisch unnötigen Entscheidungskampf mit der eingeschlossenen Wehrmachtsgarnison), war die Glaubwürdigkeit des Feldfunks ziemlich beschädigt. Da sich das alttestamentliche Wunder von Jericho, dessen Stadtmauern nicht aufgrund eines konventionellen militärischen Angriffs, sondern dank einer psychologischen bzw. akustischen Attacke mit schallenden Trompeten einstürzten, in Lorient nicht wiederholen ließ, überließen es die einfallsreichen Feldfunk-Mitarbeiter ihrem Radiostar Herrn Huber alias Fred Lorenz, die propagandistische Niederlage der nun doch nicht angreifenden Amerikaner auszubügeln. Der schrullig-sympathische Eisenbahner mit Sprachfehler und hohem Wiedererkennungswert sollte den deutschen Hörern die blamable und falsche Ankündigung des Feldfunks von der bevorstehenden Eroberung der Stadt durch die US-Armee als ebenso paradoxe wie perfide amerikanische Zermürbungsstrategie verkaufen. Hertz zitiert aus der englischen Übersetzung eines deutschen Sendemanuskripts, in dem der stotternde Zivilist Huber ironischerweise als mental robust, zwei (real existierende) Wehrmachtssoldaten jedoch als Fall für die Psychiatrie dargestellt werden, nachdem sie von den amerikanischen GIs nicht bekämpft, sondern als harmlose »babies« verhätschelt worden waren. Die folgenden Zeilen, in denen die satirische Schärfe der Wiener Brettlbühnen teilweise durchblitzt, sind nicht arm an humoristischen Glanzlichtern  : Mr. HUBER [i. e. Fred Lorenz] (with a heavy speech impediment). […] What do I think  ? It’s very simple. The Americans are trying to drive us crazy, that’s what. First they’re going to attack and then they don’t attack and then they’re going to let the French have our guns they took from Brest and let them attack and then they deny that and th-th-they still don’t attack. What do they mean by this  ? It’s quite clear they’re going to drive us crazy. Of c-c-course they can’t bother a man like me. I’m a man quite without nerves. But you take those two comrades of ours … (He names two men known in the garrison. The story he tells is a true story of something that happened the day before.) They went out on a food-requisitioning party yesterday. They got a lot of food from the farms near the front and started back to Lorient. But they got lost and walked into the American lines. There were two Americans lying in the sun atop 310 Hertz, »Radio Siege«, 389.



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an armored jeep, but they didn’t shoot – they just asked, »What you got there, babies  ?« Our men showed them the food and told how they’d got lost. The Americans said they didn’t like the food and the requisitioning patrol could take it back to Lorient where it was needed. Not only that. They showed our patrol the way back on their maps and told them good day and it hadn’t been any trouble at all and don’t mention it. And what do you think became of those two comrades of ours  ? You heard that screaming last night in Bunker No. 5  ? The doctor had to give them injections of sodium amytal to quiet them. One of ’em’s developed a tic like a cuckoo in a clock … I tell you, this is American strategy, all right … Well time to pull the train out. Wait for me if you like. I’ll be back in seven minutes. Heil Hi-hi-hi- -oh, you know what I mean.311

Nachdem seine von farbigen Anekdoten begleitete, überaus kreative, militärisch jedoch irrelevante Tätigkeit in Lorient beendet war, wurde Lorenz zum wesentlich ambitionierteren und bedeutenderen US-Schwarzsender 1212 (auch Operation Annie genannt) transferiert, der in Zusammenarbeit von PWD/SHAEF und OSS/Morale Operations entstanden war und unter dem Kommando des OSS-Majors Patrick Dolan stand. Nach der Befreiung Luxemburgs am 10. September 1944 wandte sich 1212 als eher strategisch angelegter Sender – der den Hörer auch tief im Feindesland erreichende Rundfunk ist das strategische Propa­ gandamedium schlechthin – jede Nacht zwischen 2 und 6 Uhr an die Bevölkerung des Rheinlands. 1212 sandte seine Botschaften auf der modifizierten Frequenz der (vornehmlich von OWI- und BBC-Personal sowie von Militärs betriebenen) weißen Rundfunkstation Radio Luxemburg in den Äther. Bestehend aus einer Mischung von militärischem »Informations«-Dienst, unterschwellig antifaschistischem Boulevardrundfunk und populärkulturellem Musikprogramm, suggerierte 1212 seinen Hörern, dass er eine deutsche Rundfunkstation aus dem Inneren des deutschen Machtbereichs sei und eine Separatistengruppe mit Verbindungen zu Offizierskreisen der Wehrmacht ihre Finger im Spiel hätte. Diese schwarze bzw. graue Propa­ganda stand im scharfen Kontrast zur weißen Propa­ ganda von Radio Luxemburg. War letzterer Sender für Information zuständig, sorgte die schwarze Propa­ganda von 1212 für Desinformation, indem sie nicht nur ihre alliierte Herkunft zu verschleiern suchte, sondern auch alle verfügbaren Zersetzungsmittel und »dirty tricks« einsetzte, um den Gegner und seine Bevölkerung moralisch zu brechen und zur Aufgabe zu bewegen. Der an der Operation Annie prominent beteiligte Ritchie Boy Hanuš Burger hat in seinem stark fiktionalisierten »Tatsachenroman« 1212 sendet die Entstehung und Charakteristik dieses Radioprojekts aus Sicht eines Zeitzeugen detailund fantasiereich beschrieben. Er erwähnt dabei auch den charismatischen und 311 Ebd., 389 f.

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völlig unmilitärisch agierenden PWD-Propa­gandakrieger und OSS-Mann Fred Lorenz, dem er den Decknamen Toni Breuer312 gab  : Eine andere Neuerwerbung [des Senders 1212] war Toni Breuer [i. e. Fred Lorenz], ein Wiener Schauspieler, der gerade begonnen hatte, sich einen Namen zu machen, als die Nazis einmarschierten. […] Er war lang, dünn und unbeholfen. Seine Haltung war denkbar unmilitärisch. Mit den unbequemen Notwendigkeiten des Soldatenlebens schloß er auf seine Weise Frieden  : Er betrachtete das Ganze einfach als Engagement an einer kleinen, primitiven Provinzbühne. […] Toni fügte sich schnell in unseren Kreis. Was er von unserem Unternehmen hielt, verriet er nie. Das sei eine Rolle für ihn, erklärte er auf meine direkte Frage. Es machte ihm Heidenspaß, verschiedene Dialekte zu kopieren. Er hatte ein gutes Ohr und überraschte uns nach drei Stunden Verhör eines Kriegsgefangenen aus Offenbach zwar keineswegs mit wichtigen Informationen, dafür aber mit unverfälschtem »Offebächerisch«.313

Lorenz, der angeblich die Chuzpe hatte, für die »Nachtproben«, also die nächtlichen Radioauftritte in Luxemburg, an denen teilzunehmen er dienstlich verpflichtet war, eine Extragage zu fordern,314 werden von Burger (der sich später dem Kommunismus zuwandte) auch einige Heldentaten angedichtet. So soll er ein standhafter Verteidiger des Wiener Karl-Marx-Hofes im Kampf gegen die »austrofaschistischen« Schergen des Dollfuß-Regimes gewesen sein. Ungeachtet solch politisch motivierter und pointierter Darstellungen zeigt die eben zitierte Textpassage in Burgers Buch aber eindrucksvoll, wie wichtig das Verhören von Kriegsgefangenen war, um aktuelle, glaubwürdige und authentisch wirkende Propa­gandakommunikate (bzw. in diesem Fall oft im Dialekt vorgetragene Propa­gandasatiren) für die deutschen Landser und Zivilisten zu produzieren. Sowohl beim eher unbedeutenden Feldfunk von Lorient als auch beim einflussreicheren Sender 1212 kann die Bedeutung der (PWI-)Kriegsgefangenenbefragung als Ergänzung zu anderen Aufklärungsmethoden sowie zum Einfallsreichtum der Akteure gar nicht hoch genug eingeschätzt werden.315 Die Tatsache, dass die deutschen Hörer aufgrund der selektiven und manipulativen Nachrichtenpolitik ihrer politischen Führung möglichst viele (Kriegs-) Informationen aus anderen Quellen bekommen wollten, machten sich die Propagandisten des OSS und der 12th Army Group zunutze. Die Fakten, die Lorenz 312 Im später erschienenen Werk Der Frühling war es wert verzichtet Burger auf diesen Decknamen und verwendet Lorenz’ früheren Namen Manfred Inger. 313 Burger, 1212, 160 f. 314 Ebd. 315 Vgl. Lerner, Sykewar, 101.



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als Sprecher von 1212 seinen Hörern auftischte, waren zum Großteil korrekt. Die Art und Weise jedoch, wie diese Fakten präsentiert wurden, war – wie beim berühmten Soldatensender Calais – hochgradig subversiv und antinationalsozialistisch. In den Sendungen, in denen Lorenz als Sprecher auftrat, wechselten sich (oft sehr beschwingte) Musikbeiträge mit der Verlesung der aktuellsten regionalen Fußballergebnisse ab. Reale oder fiktive Missstände innerhalb des NS-Systems, wie etwa ein »Betrugsskandal«, in den ein NS-Ortsgruppenleiter verwickelt war, wurden von Lorenz mit dezent ironischem Unterton ausgeschlachtet  : Oberbürgermeister Fitzmar ist grösstenteils für die schnellen Fortschritte der Aufräumungsarbeiten und Reparaturen verantwortlich. Auch Ortsgruppenleiter Neuser, der Ortsgruppenleiter Burg nach dem kürzlichen Betrugsskandal ablöste, verdient hohes Lob. Oberbürgermeister Fitzmar blieb im Amte, da seine Mitschuld nie nachgewiesen werden konnte.316

Bereits im nächsten Absatz folgten in nüchternem Tonfall vorgetragene Berichte über alliierte Bombenangriffe, welche die erdrückende militärische und materielle Überlegenheit der Alliierten betonten und indirekt auf die Aussichtslosigkeit jeglichen deutschen Widerstands hinwiesen  : Wie 1212 erfährt, fanden gestern Angriffe auf Aschaffenburg, Mannheim, Heilbronn, Euskirchen und Mayen statt. Damit war Mannheim zum zweiten Male innerhalb zweier Tage das Opfer eines Feindangriffs. Die anglo-amerikanischen Fliegerverbände sollen über 1000 Maschinen umfasst haben.317

Unter diese für die Deutschen wenig erbauenden Nachrichten wurden gemäß der destruktiven und schwarzen Philosophie des OSS gezielt unwahre oder irreführende Informationen gemischt. »Man beschrieb«, so Conrad Pütter in seinem Standardwerk zur alliierten Rundfunkpropa­ganda im Zweiten Weltkrieg, »mit bewußt falschen oder halbwahren Meldungen die Absurdität der letzten Kriegsmonate«.318 So kann die Berichterstattung von 1212 über die Westfront als insgesamt objektiv eingestuft werden, »während der für die westdeutsche Bevölkerung durchaus ominöse Vormarsch der Sowjets gezielt in den düstersten Farben geschildert wurde.«319 Das Magazin Time hat schon 1946 über die einfallsreichen 316 PWD/SHAEF, Subject Files, Radio Broadcast Scripts, Radio Annie/1212, Sendung vom 22.1.1945. NARA, RG 331, E 88, B 50. 317 Ebd. 318 Pütter, Rundfunk, 165. 319 Mauch, Schattenkrieg, 208.

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psychologischen Tricks und das Spiel der schwarzen Propagandisten mit den sogenannten »Fakten« im Rahmen der Operation Annie berichtet  : Subtly, Annie became bolder as more & more Nazis accepted her authenticity. […] Annie would innocently report »facts« that troubled civilians. Example  : the Reich’s cartographical institute, said Annie, was short of maps numbered 315 to 318  ; they were badly needed for national defense. Why, the Germans asked themselves, did the high command need maps of Westphalia, still 300 miles inside the Reich  ?320

Wann immer die deutschen Rezipienten dieser Sendungen die Möglichkeit zum »fact check« in Bezug auf all diese Behauptungen hatten, kamen sie zum mehr oder weniger gleichen Bild  : Auch wenn man der alliierten »Feindpropa­ganda« skeptisch gegenüberstand und in manchen ihrer Aussagen nur dreiste Lügen erkannte, waren die Informationen der Amerikaner über die Lebenswelt der Deutschen und die wichtigsten militärischen Geschehnisse an der Front akkurat und realitätsnah. Hanuš Burger verdichtete die verdutzten Reaktionen der deutschen Hörer auf die ebenso zersetzenden wie informationsreichen Radioproduktionen der Amerikaner und Briten mit den in der Einleitung zu diesem Kapitel zitierten Worten  : »Wo haben die Kerle ihre Informationen her  ?«321 Die Antwort darauf ist einfach. Die Informationen stammten aus unzähligen IPW- und PWI-Befragungen von deutschen Soldaten und Zivilisten, aus zahlreichen erbeuteten deutschen Dokumenten sowie aus den teils sehr detaillierten Reports des OSS, dessen Agenten via Fallschirm oder auf dem Landweg das Deutsche Reich penetrierten und dessen Analyseabteilung (R&A) wertvolle strategische Intelligence und Einblicke in das Alltagsleben im Deutschen Reich lieferten. Neben dem aus Öster­reich stammenden OSS-Nachrichtenoffizier Saul Padover,322 der ab 1944 bis Kriegsende für die PWD Hunderte deutsche Bürger in den eroberten Gebieten interviewt hatte, 323 sorgten etwa Alfred Toombs, der Chief of Intelligence der P&PW-Abteilung der 12. Armeegruppe, oder eben Leute wie Jacob Tennenbaum aus den PWB-Teams der Armeen für einen steten Informationsfluss. 324 Doch auch die Open Source Intelligence aus dem Deutschen Reich, darunter »Berge von Speisekarten, Preiskatalogen, Vereinsnachrichten, Sportberichten«,325 ermög320 »Radio  : Operation Annie«, in Time, 25.2.1946, unpaginiert, in  : http://content.time.com/time/ magazine/article/0,9171,852708,00.html (letzter Zugriff  : 27.1.2013). 321 Burger, Frühling, 197. 322 Siehe hierzu OSS Personnel File of Saul K. Padover. NARA, RG 226, E 224, B 590. 323 Vgl. Padover, Lügendetektor, 43. 324 Pütter, Rundfunk, 164  ; siehe exemplarisch Toombs, P&PW, Daily Summary of Intelligence, 10.4.1945. 325 Burger, 1212, 45.



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46 Fred Lorenz (l.) mit David Hertz und Benno Frank im Radiostudio in Luxemburg (OSS Operation ANNIE/1212).

lichte es den Autoren und Redakteuren von 1212, ein facetten- und detailreiches Bild über die Zustände im Inneren des Rheinlands zu zeichnen. Die schwarzen Propa­gandasender der Amerikaner und Briten waren laut Kriegsgefangenen- und Heimkehrerbefragungen äußerst beliebt. Das subversive Spiel, das Radiostimmen wie Fred Lorenz mit ihren Hörern trieben, wirkte auf diese mitunter durchaus erheiternd. Die puerile Lust am Täuschen und Tarnen, am Karnevalesken und Spielerischen, am Schwindeln und Verstellen war eine Eigenschaft, die den »black boys«326 aus den Reihen der PWD und des OSS eigen war.327 Nicht zuletzt attestierten zahlreiche deutsche Hörer, darunter auch viele höhere Offiziere, der schwarzen Rundfunkpropa­ganda der Alliierten neben dem hohen Informationsgehalt auch einen hohen Entertainmentfaktor.328 Die schwarze Propa­ganda im Stile des OSS mag oft sehr aggressiv, manchmal verstörend und letztlich begrenzt wirksam gewesen sein, doch eines waren sie und ihre Produzenten sicher nicht  : langweilig. 326 Habe, Ich stelle mich, 461. 327 OWI Radio Report by Gripsholm Repatriates, 28.3.1945. 328 Burger, 1212, 180 f.

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Fred Lorenz gehört zu jenen österreichischen US-Propagandisten, die den Inhalt ihres »kulturellen Rucksacks«, den sie seit ihrer Flucht vor dem Nationalsozialismus auf dem Rücken trugen, im propagandistischen Kampf aufseiten der USA auspacken und für sich persönlich gewinnbringend nutzbar machen konnten. Sein (für ihn sehr bedeutendes und Identität stiftendes) Österreichertum und seine typisch zentraleuropäische Art, sich künstlerisch auszudrücken, waren im Krieg der Worte, im Kampf um die Gunst der deutschen Propa­gandarezipienten sehr gefragt. Es waren vor allem seine in Österreich erlernten schauspielerischen Fähigkeiten, sein »Schmäh« und sein – besonders beim Imitieren von Personen und Dialekten zutage tretendes – Sprachtalent, die ihm, dem allem Militärischen abgeneigten Wiener Kabarettisten, einen vergleichsweise angenehmen Kriegsdienst in den Schreibstuben und Radiostudios hinter der Front sicherten. Beim Befragen von Kriegsgefangenen und beim Auswerten der PWI-Intelligence holte er sich wichtige Inspirationen und Ideen für seine Auftritte in den Radiosendungen. Die von ihm und seinen Rundfunkkollegen dank Propa­ganda Intelligence vorgenommene »pretty close satirization« des deutschen Kriegsgegners in der Stadt Lorient329 (Mikroebene) lässt sich mit der Propa­ganda Intelligence der PWD/SHAEF (Makroebene) vergleichen  : Auch hier gelang es den Moralanalysten, mit einem ungleich ambitionierteren Mix aus quantitativer und qualitativer Propa­ganda Intelligence die Gedankenwelt der deutschen Soldatenseele »pretty close to reality« darzustellen. Doch die Kriegsvita des Fred Lorenz, die uns nicht nur von gut vorbereiteter, witziger und kreativer Propa­ganda, sondern auch vom militärischen Irrelevanz derselben beim amerikanischen Feldfunk von Lorient erzählt, zeigt auch, dass taktische Kampf- und Desertionspropa­ganda selbst mit formidabler nachrichtendienstlicher Unterstützung und selbst mit noch so kompetenten Moralanalysen nur selten zum schnellen Erfolg, sprich zu massenhafter Desertion des Feindes, führt. So sind nach Angaben eines US-Offiziers während des Zeitraums, in dem der Feldfunk zu hören war, durchschnittlich 20 Deutsche zu den Amerikanern übergelaufen. Militärisch ist diese Zahl – die nicht monokausal als »Wirkung« von Rundfunkpropa­ganda gedeutet werden sollte – völlig unbedeutend.330 Als Kreativlabor und Experimentierfeld für weitere Radiooperationen mit ähnlicher Ausrichtung brachte der Feldfunk von Lorient freilich lohnende Erfahrungen und wichtige Erkenntnisse. Manchen Hörern in der deutsch besetzten Garnisonsstadt brachte der unorthodoxe Radiosender wohl auch eine Prise Unterhaltung in den Kriegsalltag. Fred Lorenz alias Manfred Inger war als Propagandist von Anfang bis Ende des Kriegs ein Auftretender, ein Schauspieler geblieben. Wie in Burgers Roman erwähnt, 329 Hertz, »Radio Siege«, 388. 330 Ray K. Craft, zitiert in Eddy, Camp Sharpe, 76.



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sah er in der – von ihm ziemlich ideologiefrei abgewickelten – Mitarbeit bei der psychologischen Kriegsführung der US-Armee bzw. des OSS eine Art temporäres Engagement, eine Rolle an einer wenig geliebten, aber angesichts der Umstände akzeptablen Provinzbühne. Wie gesagt  : Die schwarze Propa­ganda, sie hatte etwas Karnevaleskes, Spielerisches. Die eingangs erwähnte Metapher des kulturellen Rucksacks, der von den Protagonisten dieser Studie einerseits in die US-Propa­gandaarbeit mitgenommen wird, andererseits aber auch eine oft starke österreichische Identität stiftet, scheint für ihn eine geeignete. Lorenz brachte nicht nur seine Berufserfahrung als Wiener »Brettl«-Schauspieler in die psychologische Kriegsführung der USA mit ein, sondern nahm später auch wieder seinen ursprünglichen Namen an, packte seine Koffer und kehrte als einer der wenigen US-Soldaten bzw. Armeepropagandisten österreichischer Herkunft wegen Heimweh nach Österreich zurück. 3.2.7 Fallstudie  : »Unsere alte Heimat vom fremden Joch befreien« – Otto de Pasetti vom Austrian Radio der PWB/AFHQ

War der jüdische und linksliberale Wiener Frontpropagandist Fred Lorenz in Westeuropa aktiv, so kämpfte sein konservativer und katholischer Landsmann, der Tiroler Otto von Pasetti-Friedenburg alias Otto de Pasetti, vom italienischen Kriegsschauplatz aus gegen das NS-Regime. Freiherr von Pasetti wurde 1902 als Sohn eines aus Norditalien stammenden k. k. Offiziers im Schloss Pakein in Kärnten geboren. In Tirol aufgewachsen und 1925 in Innsbruck zum Doktor der Staats- und Wirtschaftswissenschaften und 1926 zum Doktor der Rechtswissenschaften promoviert,331 trat er bis Mitte der 30er-Jahre vor allem als Kulturschaffender in Erscheinung. Nachdem von Pasetti als Tenor in Metropolen wie Wien und Mailand unter anderem in Aufführungen von Bertolt Brecht sang, war er in den Jahren 1936 und 1937 an der Grazer Oper tätig. Im Jahr 1937 verließ von Pasetti, der fließend in Italienisch und Französisch parlierte, Österreich und zog nach Paris, wo ihn laut eigenen Angaben ein »better job« an der Oper erwartete. Da er später in seinem Ansuchen um Aufnahme in den amerikanischen Kriegsdienst angab, zwischen 1924 und 1929 bei der Heimwehr (im Bewerbungsbogen für das OSS gibt er »Voluntary Austrian Homeguard« an) gewesen zu sein, dürfte er der Vaterländischen Front bzw. dem autoritär-nationalkonservativen Milieu nahegestanden haben.332 Seine Entscheidung, noch vor dem »Anschluss« ins Ausland zu gehen, entsprang daher wohl nicht nur be331 Otto de Pasetti, Application Form for US Federal Employment, 26.10.1944. OSS Personnel File of Otto de Pasetti. NARA, RG 226, E 224, B 181. 332 De Pasetti war auch Mitglied der 1938 von den Nationalsozialisten aufgelösten Vereinigung katholischer Edelleute in Österreich.

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ruflichen, sondern auch politischen Überlegungen. Als Frankreich sich im Herbst 1939 im Krieg mit dem Deutschen Reich befand, bemühte er sich um die Ausreise in die USA. Im April 1940 gelangte er schließlich mit einem Quotenvisum in die Vereinigten Staaten, wo er sich Otto de Pasetti nannte und in Kalifornien sesshaft wurde. In den USA arbeitete er – ein typisches Einwandererschicksal – zunächst als Restaurant Manager und Hotel Clerk in Los Angeles. Nach Ablauf seines Visums wurde er wie viele Österreicher im September 1942 eine Zeitlang als »enemy alien« klassifiziert bzw. sogar interniert.333 Ab Dezember 1942 diente de Pasetti freiwillig in der kalifornischen Nationalgarde und war im März 1943 als Sekretär des American-Austrian War Finance Committee des Finanzministeriums beschäftigt. De Pasetti bemühte sich um einen »active job« innerhalb der amerikanischen Streitkräfte, der seinen persönlichen Fähigkeiten entsprach. 1944 wurde der Kriegsgeheimdienst OSS schließlich auf den vielseitigen und gebildeten Österreicher aufmerksam. Aus jener Textstelle in seinen Bewerbungsbögen, an der er sein Wissen über die von den Achsenmächten beherrschten Staaten preisgibt, geht hervor, warum de Pasetti in der Folge als Österreich-Experte bei den amerikanischen Streitkräften in Italien und Österreich eingesetzt wurde  : I have a complete and perfect knowledge from personal experience of the geography and the topography, of the people, the habits, manners and customs of the North and South Tyrol […]. Also knowledge of the other part of Austria including cities as Vienna, Graz, Salzburg. Also in Italy  : the region of the Lake of Garda, the Italian Riviera between Genoa (Genova) […]  ; cities as Rome, Florence, Naples, Milan, Venice, Verona, Parma ecc. […]334

Bei der von ihm angestrebten Tätigkeit für das OSS gab der studierte Staatswissenschaftler und Jurist »mental work« an.335 Der Geheimdienst überlegte nicht lange  : Seine Kenntnis der italienischen Sprache und seine persönlichen Verbindungen in Italien prädestinierten den Aristokraten regelrecht für den Propa­ gandaeinsatz am südeuropäischen Kriegsschauplatz.336 Nachdem er am 16. Juni 1944 in Washington, D.C. von der Propa­gandaabteilung des OSS übernommen worden war, verfasste de Pasetti unter anderem den zehnseitigen »Austrian Psychological Plan«, in dem er die bisherige, wegen des Ausbleibens einer breiten Widerstandsbewegung im Land »gescheiterte« Österreichpropa­ganda der Alli333 OSS Engagement Sheet of Otto de Pasetti, 13.3.1944. OSS Personnel File de Pasetti. 334 Ebd. 335 Otto de Pasetti, Application for Federal Employment, 26.10.1944. OSS Personnel File de Pasetti. 336 Pasettis Vater war Südtiroler, sein Onkel diente einst als k. k. Botschafter in Italien. Rathkolb, US-Propa­ganda, 27.



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ierten kritisch evaluierte und Vorschläge für eine effektivere psychologische Beeinflussung der Österreicher anführte. Eine seiner zentralen Forderungen war die – bereits bekannte und von vielen geforderte – »Erweckung« eines Österreichbewusstseins innerhalb der österreichischen Bevölkerung  : Awake in the Austrian the idea of an Austrian homeland (Heimatidee).337

Er verwies in dem Papier unter anderem darauf, dass die US-Propa­ganda nicht weiterhin den Fehler begehen sollte, die (früher) großteils in Wien beheimateten weltläufigen Intellektuellen und die Oberschicht des Landes als repräsentativ für den österreichischen Nationalcharakter anzusehen. Leute aus genau diesem Milieu (darunter meint er mit einem subtilen Anflug von Antisemitismus wohl die vielen Wiener Juden) repräsentierten Österreich nun im Ausland. Im Gegensatz zu dieser Minderheit, die, so de Pasetti, ein verzerrendes Bild des gemütlichen, entspannten und eher bürgerlichen Österreichers vermittelt und somit eine »misleading impression about general Austrian national character« gegeben hätte, seien die meisten Österreicher Arbeiter oder Bauern. Diese sollten als getrennte Primärzielgruppen der US-Propa­ganda identifiziert und durch spezielle Identifikationsfiguren (ein Priester für die Westösterreicher, ein Gewerkschaftsfunktionär für die Ostösterreicher) angesprochen werden  : We are talking to mostly simple peasant and working people.338

Zur Umsetzung dieser wohl ideologisch oder lokalpatriotisch motivierten, aber in demografischer und gesellschaftlicher Hinsicht zweifellos richtigen Erkenntnis schlug de Pasetti vor, die urbanen und proletarischen Ostösterreicher (damit meinte er vor allem das »rote« Wien) und die ruralen und katholischen Westösterreicher mit unterschiedlichen bzw. zielgruppengerechten Propa­ gandazeitungen zu beeinflussen. Als wichtigste Distributionsmittel neben solchen Druckwerken identifizierte er Rundfunk, Flugblätter, Poster und – hier spricht eindeutig ein OSS-Mitarbeiter – Penetrationsagenten. Letztere könnten als »connecting link between the A.[ustrian] P.[sychological] P.[lan] and the expected actions against the Nazis« in Österreich eingesetzt werden.339 Nach einer einschlägigen Propa­gandaschulung konnte de Pasetti ab November 1944 seine optimistischen Propa­gandatheorien auf ihre praktische Tauglich337 OSS/MO, O. de Pasetti, Austrian Psychological Plan, 27.9.1944, 1–10, hier 6. NARA, RG 226, E 139, B 177. 338 Ebd. 339 Ebd., 9.

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keit überprüfen, indem er als Field Representative des OSS an den südeuropäischen Kriegsschauplatz (MedTO) versetzt wurde, wo er der Psychological Warfare Branch des von General Eisenhower kommandierten alliierten Hauptquartiers (PWB/ AFHQ) bei der 15. Armeegruppe unterstellt wurde. Ähnlich wie ihre Nachfolge­ organisation in Nordwesteuropa, die PWD/SHAEF, sollte auch die vom Kavallerieoffizier Charles Hazeltine und seinem Kollegen McClure kommandierte PWB/AFHQ in Nordafrika und Italien die zivilen Propa­gandainstitutionen unter militärische Aufsicht stellen. Im Gegensatz zu Ersterer war die Organisationsstruktur der PWB/ AFHQ jedoch wenig ausgereift und die ihr nominell unterstellten Mitarbeiter des OWI oder des OSS arbeiteten oft nach eigenem Gutdünken oder standen sich im Krieg der Worte aus ideologischen Gründen und institutionellem Konkurrenzdenken heraus gegenseitig im Weg.340 Die Zivilisten der nichtmilitärischen Propa­ gandaämter, also Leute wie Otto de Pasetti, dominierten laut Clayton D. Laurie »all aspects of psychological warfare in the Mediterranean theater«.341 De Pasettis Aufgabe in Rom war es, deutschsprachige Texte für weiße alliierte Rundfunksendungen zu verfassen und vorzutragen. Sein Arbeitsplatz war der nunmehr in Rom ansässige Sender Stimme des alliierten Hauptquartiers Mittelmeer [PWB/AFHQ],342 der mit dem bereits im März 1943 in Algier gegründeten (und ab 1944 ebenfalls von Rom aus operierenden) Sender der Vereinten Nationen eng verflochten bzw. in vielerlei Hinsicht ident war.343 Das Programm der Stimme des alliierten Hauptquartiers Mittelmeer setzte sich laut Conrad Pütter zusammen aus »taktischen Sendungen für die Soldaten der Wehrmacht in Nordafrika, Italien und Südfrankreich  ; Schilderungen der aussichtslosen militärischen Lage der deutschen Truppen, Aufrufe[n], die Kämpfe einzustellen und zu den Alliierten überzulaufen, Bekanntgabe von Befehlen des Hauptquartiers, Übersetzungen von Ansprachen Eisenhowers an die Truppen, dazu Bekanntmachungen der alliierten Kriegs­ ziele.«344 Die Stimme des alliierten Hauptquartiers arbeitete inhaltlich sehr eng mit dem zivilen OWI zusammen. Ausgestrahlt wurden die meist knapp 15-minütigen Sendungen, die keine festen Sendezeiten hatten, durch Anlagen in Nordafrika und Südeuropa sowie durch die alliierten Sender in Nordwesteuropa.345 De Pasetti wirkte an der Seite von Österreichern wie Erich Derman als Sprecher und Redakteur von gemeinsamen Feature-Sendungen der Stimme des al340 Laurie, Warriors, 151 f. und 164. 341 Ebd., 163 f. 342 Pütter, Rundfunk, 246 f.; siehe auch PWB/AFHQ, Psychological Warfare in the Mediterranean Theater, Part IV, 4, 25.9.1945. NARA, RG 208, E 6G, B 12  ; in den Akten der PWB wird der Sender auch als Radio Rome bezeichnet. 343 Pütter, Rundfunk, 248. 344 Ebd., 247. 345 Ebd., 246.



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liierten Hauptquartiers und des Senders der Vereinten Nationen, die unter dem Titel Austrian Radio in den Äther gesandt wurden.346 Während die meisten Inhalte dieser beiden Zwillingssender und der anderen alliierten, vom Militär kontrollierten Rundfunkstationen in Westeuropa sich auf taktisch-nüchterne Propa­ganda für die Wehrmacht konzentrierten, entsprachen die Sendungen des Austrian Radio eher jenen eines strategischen Überzeugungsrundfunks und richteten sich nicht nur an die österreichischen Soldaten in Italien, sondern auch an die Österreicher im Deutschen Reich. Derman, der als Chefredakteur der Öster­ reich-Radiosektion in Rom fungierte, berichtete über seine und de Pasettis Tätigkeit beim Austrian Radio und die Rolle, welche – wie bei Fred Lorenz – die Propa­ganda Intelligence mittels Kriegsgefangenenbefragung dabei spielte  : Mit inzwischen mir zugeteilten drei weiteren Österreichern und zwei Mitarbeitern aus England traten wir […] in einen geistigen Kontakt mit Österreich. Wir hatten auch Gelegenheit, österreichische Kriegsgefangene in Algerien und Italien zu interviewen. Für mich bedeutete diese Rundfunkarbeit  : an jedem Tag ein Kommentar, die Aufarbeitung von Bergen von Meldungen, Aufrufe an die Österreicher, zum Teil auch in Flugblättern, die über österreichischem Gebiet abgeworfen wurden.347

De Pasetti und Derman waren bei ihrer österreichbezogenen Rundfunkarbeit auf die Moralanalysen und die entsprechende »ethnic intelligence« des PWB/ AFHQ-Propa­gandatrupps der fünften US-Armee in Italien (PWB/5th Army),348 auf PWI-Befragungen in den CSDIC-Lagern sowie auf allgemeine G-2-Informationen des alliierten Hauptquartiers angewiesen. Die strategisch bedeutenden und »streng geheime[n] Informationen aus Österreich« von den Agenten von de Pasettis ursprünglichem Arbeitgeber OSS waren ebenfalls eine wichtige Informationsquelle.349 Die nötige »background intelligence« zum Objekt seiner Propa­ 346 Für einen Einblick in die Sendemanuskripte des Austrian Radio siehe auch  : PWB/AFHQ, Rundfunkmanuskript Austrian Radio, Talk  : Der Kampf um den Donauraum hat begonnen, by E. Derman, 28.3.1944. DÖW 21153/1  ; zu den Aktivitäten der »Austrian Radio Section« siehe Heidemarie Uhl, »›Die ganze Welt haelt den Atem an waehrend das Schicksal Wiens seinen Lauf nimmt‹. Die ›Austrian Radio Section‹ des Senders ›Stimme des Alliierten Hauptquartiers Mittelmeer‹ berichtet über die Schlacht um Wien«, in  : Lucille Dreidemy/Richard Hufschmied/ Agnes Meisinger/Berthold Molden/Eugen Pfister/Katharina Prager/Elisabeth Röhrlich/Florian Wenninger/MariaWirth (Hgg.), Bananen, Cola, Zeitgeschichte. Oliver Rathkolb und das lange 20. Jahrhundert, Bd. 1. Wien, Köln, Weimar  : 2015, 432-452. 347 Derman, »Stimme«, 33 f. 348 Siehe exemplarisch PWB-CPT 5th US Army, Propa­ganda Reaction Survey, Italy, 9.9.1943– 2.5.1945  ; HQ 5th Army/PWB, Functions of the 5th Army CPT, 1–61. 349 Derman, »Stimme«, 33.

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gandatexte, also Österreich, hat de Pasetti zu weiten Teilen selbst eingebracht. Die »current intelligence« über den Kriegsverlauf und die Stimmungslage der Österreicher innerhalb der Wehrmacht und in der Heimat etc. bezog er wie erwähnt aus nachrichtendienstlichen Quellen. Da viele Rundfunktexte der Stimme des alliierten Hauptquartiers auch als Flugblätter über österreichischem Boden verbreitet wurden, dürften dort Inhalte des Austrian Radio (auch) in schriftlicher Form rezipiert worden sein.350 Das Austrian Radio richtete sich auch an Soldaten. Wie in Westeuropa hatte man am italienischen Kriegsschauplatz die Österreicher in der Wehrmacht als vielversprechende Propa­gandazielscheibe identifiziert und eigene Österreich-Pläne und Direktiven ausgearbeitet, die den Flugblattschreibern und Radioleuten wie de Pasetti – zumindest theoretisch – den Handlungsrahmen vorgaben.351 In seinen Aufrufen an die Österreicher vor den Radiogeräten operierte er wenig überraschend nun verstärkt mit nationalistischen und österreichpatriotischen Begriffen. Eine solche von de Pasetti im Austrian Radio mit Nachdruck vertretene Argumentationslinie war etwa der Topos der moralischen Überlegenheit des Österreichers gegenüber dem deutschen Usurpator. Er suggeriert dabei, dass es einen historisch gewachsenen und nun wieder erwachten Widerstandsgeist des österreichischen Volks gäbe. So behauptete er in einer Sendung vom 18. März 1945, dass die vor dem Nationalsozialismus geflohenen Österreicher in US-Uniform eine typisch »österreichische« Tapferkeit und Militärtradition »in die Vereinigten Staaten mitgebracht« hätten und im Kampf gegen das »fremde Joch« des Hitlerfaschismus an den Tag legen würden.352 Im Februar 1945, als die militärische Niederlage der Wehrmacht längst feststand, thematisierte de Pasetti im Austrian Radio den Widerstandskampf der italienischen Partisanen. Die vom Oberkommandeur der 15. Armeegruppe, General Mark Clark, gepriesenen antifaschistischen Partisanen auf dem Gebiet des von Mussolini regierten deutschen Marionettenstaates in Norditalien (Republik von Salò) werden von ihm darin als nachahmungswürdiges Beispiel für einen mögli350 Vgl. die Faksimile-Sammlung zu österreichbezogenen Flugblättern der PWB/AFHQ in Italien unter  : OSS/MO German Propa­ganda Samples. NARA, RG 226, E 92, B 508. 351 Im Plan of Psychological Warfare for Austria der PWB/AFHQ steht Ende 1943 zu lesen  : »The main objects of psychological warfare against Austrians are  : a) encouragement of desertion by Austrian soldiers incorporated in the German Army […] b) stimulation of Austrian action against Hitlerite Germany, more particularly action tending to slow down production in Austrian factories working for the German war machine and to paralyse German lines of communication running across Austria.« C. Hazeltine, AFHQ, Information and Censorship Section, Psychological Warfare Branch, P.W.B Plan of Psychological Warfare for Austria, 9.11.1943. NARA, RG 208, E 6G, B 10. 352 O. de Pasetti, Austrian Radio/PWB Rome, 18.3.1945. NARA, RG 226, E 139, B 162, F 1276.



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chen Aufstand der Österreicher gegen das NS-Regime präsentiert (indirekte, instruktive Propa­ganda). Die im ersten Teil dieses Radiomanuskripts angeführten Anweisungen für den italienischen Widerstand sind eine zwischen den Zeilen mitgeilte Botschaft an potenzielle österreichische Widerständler – man beachte die Parallele zu den Partisanen in Kärnten – in der Heimat. Im zweiten Abschnitt des Texts werden Letztere explizit zur Bildung von subversiven Gruppen, sprich zu aktivem Widerstand aufgerufen. Am Ende der Rede versucht de Pasetti schließlich, seine Propa­gandatheorien über die Notwendigkeit, die zwei von ihm angegebenen österreichischen Zielgruppen (städtisch-proletarische Ostösterreicher und ländlich-bäuerliche Westösterreicher) anzusprechen, in der konkreten Propa­ gandapraxis umzusetzen. Hierbei amalgamiert er das »linke« Partisanennarrativ mit »rechten« bzw. patriotisch-konservativen Gemeinplätzen. So schließt der geschichtsdidaktisch argumentierende Tiroler de Pasetti sein Loblied auf die Partisanen mit einer vermutlichen Anspielung auf die autochthone Widerstandstradition seines ehemaligen Bundeslands in der Person des Andreas Hofer (vgl. das unten zitierte »Österreicher  : Es ist Zeit  !« mit dem tirolerischen »Mander  : S’isch Zeit  !«)  : Austrian Radio PWB-AFHQ (Rome) »General Clark’s Message to Italian Partisans.« 21th [sic  !] February 1945 By Otto de Pasetti. Waehrend aller Augen auf die atemraubenden Vorgaenge an der Ostfront blicken, die in der Geschichte antiker und moderner Kriegsfuehrung nicht ihresgleichen haben, ist ein Ereignis an der Suedfront fast unbemerkt geblieben. Vergangenen Sonntag wurde in Rom der Tag des italienischen Patrioten gefeiert. Die italienische Regierung hat im Verein mit den alliierten Militaerbehoerden Tribut gezollt jenen tapferen Kaempfern jenseits der Linien, die seit Jahren einen Kleinkrieg gegen die Nazi fuehren. Es ist ein hartes, entbehrungsreiches Leben, das die Maenner fuehren. Wochenlang kein Dach ueber dem Kopf, tagelang keinen warmen Bissen im Magen, immer auf der Hut vor dem Feind, das ist ihr Tagewerk. Manche von ihnen haben alles geopfert, Familie, Haus und Hof, nur um einem Gedanken, einer Idee zu folgen  : die Heimat wieder frei zu sehen vom verhassten Feind. Viele von ihnen werden den Tag der Befreiung, des Jubels und der Freude nicht mehr erleben. Sie sind treu ihrem Patrioteneid gefallen. An 14 dieser Helden wurde am vergangenen Sonntag die hoechste Tapferkeitsauszeichnung Italiens, die Goldmedaille, verliehen. Sie waren die Wegbereiter fuer den Endkampf um die neue Freiheit. Dieser Kampf wird bald beginnen. Der Oberkommandierende der alliierten Streitkraefte in Italien, General Clark, hat im Verein mit dem italienischen Generalstab einen Aufruf an die

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Patrioten in Norditalien gerichtet, bereit zu sein fuer die grosse Offensive, fuer den Entscheidungskampf. General Clark hat ihnen genau erklaert, was sie zu tun haetten  : Organisiert Eure Gruppen wieder, sorgt, dass Eure Leute mit Waffen und Munition versorgt sind. Ihr muesst kleine Gruppen bilden, denn nur diese koennen wirksam Sabotage vollfuehren. Bereitet alle noetigen Transportmittel vor, um im geeigneten Augenblick Eure Leute dort einsetzen zu koennen, wo sie gebraucht werden. Organisiert die Heranschaffung Eurer Verpflegung und Eurer Munition. Sorgt fuer eine gute und verlaessliche Verbindung zwischen Euren Befehlsstellen, sodass ein einheitliches Kommando gesichert ist, wenn es losgeht. Sendet Kundschafter aus, die Euch genau ueber die Stellungen des Feindes und seine Absichten auf dem Laufenden halten. Das wird Eure Aufgabe ungeheuer erleichtern. »Patrioten«, so schloss der Aufruf, »der Augenblick der Befreiung ist nahe. Wir werden Euch das Signal geben, wenn es Zeit zum Losschlagen ist.« Das alliierte Oberkommando hat zum ersten Mal in dieser Eindringlichkeit zu den italienischen Patrioten gesprochen. Sie wissen nun, dass es ernst ist. Auch zu den Oesterreichern, zu den Wienern, den Steirern, den Tirolern, wird in naher Zukunft eine aehnliche Botschaft kommen. Sie mag von General Clark, Marschall Tolbukhin oder General Eisenhower ausgehen. Sie darf die Oesterreicher nicht unvorbereitet treffen. Genau wie Eure Vorgaenger in Frankreich, in Belgien, in Italien, muesst Ihr bereit sein, den aktiven Kampf gegen die Nazi aufzunehmen. Oesterreicher  ! Es ist Zeit, die letzten Vorbereitungen zu treffen. Bildet Eure Gruppen, schart Euch um Eure Fuehrer. Von alliierten [sic  !] Seite wird Euch genau gesagt werden, was Ihr zu tun habt.353

Es handelte sich also auch hier, wie bei der österreichbezogenen Flugblattpropa­ ganda an der Westfront, um »Wedge-Driving«-Diskurse, die sich dank der Kriegsgefangenenbefragungen auf eine moralanalytisch »erhobene« Stimmungslage innerhalb der Wehrmacht stützten  : Da die PWI-Offiziere der US-Armee in Italien ebenfalls oftmals zum Schluss kamen, dass Österreicher in der Wehrmacht eifriger alliierte Flugblätter lasen als ihre deutschen Kameraden,354 versuchten Österreich-Propagandisten wie de Pasetti in ihren Propa­gandabeiträgen für die PWB/AFHQ einen Keil zwischen die »guten Österreicher« und die »militaristischen Piefkes« zu treiben. Im Juli 1945 schätzte der Chef von OSS/MO in Italien, Eugene Warner, die Performance von Pasetti, der als einflussreicher Katholik auch gute Beziehungen 353 O. de Pasetti, Austrian Radio/PWB Rome, 21.2.1945. NARA, RG 226, E 139, B 162, F 1276. 354 HQ 5th Army/PWB, Functions of the 5th Army CPT, 48.



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zum Heiligen Stuhl unterhielt,355 als »sehr gut« ein. Sein Vorgesetzter bei der PWB/AFHQ, der Journalist James Minifie, attestierte dem Aristokraten ebenfalls eine »gute« Leistung. Neben dem hohen Arbeitspensum de Pasettis, das beide Propa­gandaoffiziere unisono lobten, hob Minifie auch die linguistischen Fähigkeiten und die guten »connections« des Österreichers hervor.356 Doch trotz all seiner Fähigkeiten als Propagandist und Kommunikator und trotz der umfangreichen und brauchbaren Propa­ganda Intelligence, die ihm vom nachrichtendienstlichen Apparat der Westalliierten zur Verfügung gestellt worden war, konnte auch Otto de Pasetti ein zentrales Versprechen, das er in seinem 1944 verfassten Austrian Psychological Plan gegeben hatte, nicht einlösen. Als er dieses Papier verfasste, hatte er noch mit fast rührender Naivität daran geglaubt, dass man die »leicht beeinflussbaren« Österreicher innerhalb eines Monats mit zielgruppengerechter Ethnopropa­ganda in Widerstandskämpfer und Deserteure verwandeln könnte.357 Weder das von Rom aus operierende Austrian Radio der PWB/AFHQ mit de Pasetti in seinen Reihen noch die mit wesentlich höherem Aufwand betriebenen österreichspezifischen Feature-Sendungen der OWI-Radiosender Voice of America und ABSIE oder die taktische US-Flugblattpropa­ganda konnten die Österreicher letztlich »knacken«. Das von Leuten wie de Pasetti gezeichnete Bild des durch Propa­ganda affektiv aufgeladenen, heimatbewussten und antinationalsozialistischen Österreichers blieb bis zum Ende der NS-Herrschaft in Österreich bzw. in der Wehrmacht ein Wunschbild, nicht mehr. Auch die von ihm geforderte Spezialisierung und Regionalisierung des Propa­gandaoutputs (Wiener und Nichtwiener Publikum, Arbeiter und Bauern gezielt ansprechen usw.), die in all den zuvor erwähnten Propa­gandamedien letztlich umgesetzt worden war, konnte nichts daran ändern. Ebenso zeigten die Erfahrungen der Nachkriegszeit, dass die von de Pasetti im zuvor erwähnten Radiotext gefeierten Österreicher, die in der US-Armee gegen Hitler Widerstand leisteten, in ihrer alten Heimat weniger als antifaschistische Helden, sondern als »Verräter in Feinduniform« angesehen wurden. Da er mit seiner Österreich-Ideologie während des Propa­gandakrieges kaum handlungsleitende Akzente setzen konnte, wurde de Pasetti bei der »reeducation« seiner Landsleute umso mehr gebraucht  : Im August 1945 verlieh ihn das

355 Rathkolb, US-Propa­ganda, 27. 356 J. Minifie, PWB Efficiency Rating of Otto de Pasetti, 19.4.1945  ; Warner, OSS Efficiency Rating of Otto de Pasetti, 23.7.1945  ; beide in OSS Personnel File de Pasetti. NARA, RG 226, E 224, B 181. Vgl. Rathkolb, US-Propa­ganda, 27. 357 OSS/MO, de Pasetti, Austrian Psychological Plan, 27.9.1944, 9.

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OSS ans OWI,358 welches ihn bald gänzlich in seine Dienste übernahm.359 Als Kultur­offizier der Theatre & Music Section der Propa­ganda- und Zensurbehörde Information Services Branch (ISB), welche unter anderem aus dem OWI, der PWB/ AFHQ und der Information and Censorship Group (INC)360 hervorgegangen war, hatte er während der amerikanischen Militärbesetzung Österreichs »die undankbare Aufgabe, die österreichischen Künstler nach ihrer Rolle im Dritten Reich zu klassifizieren«.361 Des Weiteren arbeitete de Pasetti »mit nur wenigen Mitarbeitern« daran, »den Kulturbetrieb in der US-Besatzungszone […] wieder in Schwung zu bringen.«362 In der Folge vertraten er und seine Mitarbeiter bzw. Nachfolger »eine bewußt konservative, von bürgerlichen Wertvorstellungen geprägte Kulturpolitik, die gut in die beginnende Ära des Kalten Krieges paßte und von den Westalliierten unterstützt wurde.«363 Oliver Rathkolb attestiert dem akademisch gebildeten Musiker, dass er »die notwendigen Voraussetzungen für die Stelle eines Kulturoffiziers [erbrachte] – perfekte Sprach- und Milieukenntnisse sowie praktische Erfahrung auf dem Gebiet der klassischen, aber auch modernen Musik.«364 Ebenso wie Fred Lorenz kehrte Otto de Pasetti, der in den frühen 30er-Jahren übrigens mit der österreichischen OSS-Sängerin und Exilpropagandistin Lotte Lenya liiert war, also in sein Geburtsland zurück.

358 V. Johnston, OWI Acting Director of Personnel, to E. Warner, OSS/MO, Washington DC, on Personnel Requests, 31.7.1945. OSS Personnel File de Pasetti. 359 L. Brown, OSS Austria, to Lt. K. Woodring, Chief, Fiscal Services, OSS, Washington DC, on O. de Pasetti, 5.10.1945. OSS Personnel File de Pasetti. 360 PWB/AFHQ, Psychological Warfare in the Mediterranean Theater, Part I, 14 f., 31.8.1945. NARA, RG 208, E 6G, B 12. 361 Thomas Theodor Heine, Die Wahrheit ist oft unwahrscheinlich. Thomas Theodor Heines Briefe an Franz Schoenberner aus dem Exil. Herausgegeben von Thomas Raff. Göttingen  : 2002, 399  ; Otto de Pasetti war es, der der bekannten Schauspielerin Paula Wessely, die zuvor auch für die NSFilmpropa­ganda tätig gewesen war, eine Auftrittserlaubnis gab. 362 Otto Karner, »Kulturpolitische Rahmenbedingungen in Österreich am Beginn der Zweiten Republik«, in  : Markus Grassl/Reinhard Kapp/Eike Rathgeber (Hgg.), Österreichs Neue Musik nach 1945  : Karl Schiske. Wien, Köln, Weimar  : 2008, 31–65, hier 37. 363 Karner, »Rahmenbedingungen«, 38. 364 Rathkolb, US-Propa­ganda, 27.

Schlusswort

Hitler is my best friend. He shakes the tree and I collect the apples. Walter W. Cook, Leiter des Institute of Fine Arts an der New York University, über den Zustrom an Intellekt und Produktivität, den die USA dank der Flüchtlinge vor dem Nationalsozialismus erlebten1 Wir Österreicher waren zwar das fünfte Rad am Wagen, aber unsere Stimme drang nach Österreich […]. Erich Derman über seine Tätigkeit beim »Sender der Vereinten Nationen«, der von Italien aus Rundfunkpropa­ganda für die deutschen und österreichischen Hörer in den Äther schickte2 Ohne uns würden die Herrschenden ruhiger schlafen. Bertolt Brecht über die umtriebigen Gegner Hitlers im Exil3

In der Geschichte des größten und blutigsten militärischen Konflikts aller Zeiten stellen jene geschätzten 300 bis 400 Österreicherinnen und Österreicher, die in den Schreibstuben, Radiostudios und Feldlagern amerikanischer Propa­ganda­ institutionen beschäftigt waren, um mit Worten, Klängen und Bildern gegen das Deutsche Reich zu kämpfen und die amerikanische Kriegsanstrengung zu unterstützen, kaum mehr als eine unbedeutende Fußnote dar. Dies liegt zunächst am Phänomen Propa­ganda selbst bzw. an der Bedeutung, die man ihr als Kriegswaffe beimisst. Unzählige Studien haben belegt, dass sich die von allen Kriegsparteien betriebene (Auslands-)Propa­ganda, also die durch Flugblätter, Radiosendungen usw. verbreitete Feinddiffamierung bei gleichzeitiger Selbstüberhöhung, nicht als magisches Instrument zur Meinungs- und Handlungslenkung der Menschen erwiesen hat. Vielmehr stellte Propa­ganda nur eine von vielen Waffen in einem totalen Krieg wie dem Zweiten Weltkrieg dar. Einem Krieg, der letztlich durch den militärischen, nicht den psychologischen Kampf entschieden wurde und in dem Letzterer im Vergleich zu Ersterem lediglich eine unterstützende, nicht tragende Funktion hatte. Nimmt man weiters auch die Tatsache, dass während des Kriegs 1 2 3

Walter W. Cook, zitiert in  : Claus-Dieter Krohn, »Vereinigte Staaten von Amerika«, in  : Claus-Dieter Krohn/Patrik von zur Mühlen/Gerhard Paul/Lutz Winckler (Hgg.), Handbuch der deutschsprachigen Emigration 1933–1945. Darmstadt  : 1998, 446–466, hier 459. Derman, »Stimme«, 33. Bertolt Brecht, zitiert in Moorehead, Satire, 344.

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allein für das größte Propa­gandaamt der USA, das Office of War Information (»Kriegsinformationsamt«), insgesamt an die 10.000 Menschen arbeiteten, als Maßstab, kann man das Wirken von ein paar Hundert österreichischen »Psychokriegern« im Dienste der USA getrost als quantité négligeable bezeichnen. Gleichwohl hat diese Arbeit gezeigt, dass es unabhängig von der eher begrenzten Wirksamkeit der Propa­ganda und der noch bescheideneren Rolle, die österreichische Exilanten in den USA bzw. in amerikanischen Kriegsinstitutionen spielten, zahlreiche geschichts-, sprach-, kulturwissenschaftliche, exilsoziologische und (gedächtnis)politische Aspekte an deren Propa­gandatätigkeit gibt, die es wert sind, genauer durchleuchtet zu werden. Vor dem Kriegsausbruch waren die Protagonisten dieser Studie in der Regel Emigranten, Vertriebene und Flüchtlinge, die es nach der NS-Machtübernahme in Österreich im März 1938 über teils abenteuerliche Wege ins amerikanische Exil geschafft hatten. Es waren Menschen, die trotz zuvor oft sehr erfolgreicher Lebensläufe in Österreich in ihrem Fluchtland eher am Rand denn im Zentrum der US-Gesellschaft standen. Menschen, die sich nicht selten entwurzelt und heimatlos fühlten und sich mit diversen »jobs« über Wasser hielten. Nach dem Kriegseintritt der USA im Dezember 1941, der nicht nur für Millionen von Amerikanern, sondern auch für einige Tausend österreichische Einwanderer im Land eine biografische Zäsur in Form des aktiven Kriegsdienstes darstellte, zeigten amerikanische Kriegsinstitutionen zunehmend Interesse an dieser Bevölkerungsgruppe. Weil sie die Sprache des Feindes beherrschten, dessen Mentalität kannten und bestimmte kreative Eignungen und berufliche Erfahrungen besaßen, rückten Hunderte von österreichischen US-Exilanten nun gewissermaßen vom Rand in den Mittelpunkt der amerikanischen Kriegsgesellschaft  : Sie wurden »Psywarriors« im Sold amerikanischer Propa­gandaämter. Als Mitarbeiter in den wichtigsten zivilen und militärischen Propa­ganda­ schmieden der USA waren Österreicher und Österreicherinnen im Exil direkt und prägend an der Vorbereitung, Produktion und Verbreitung von kriegsbezogenen Propa­gandakommunikaten amerikanischer Provenienz beteiligt. Sie waren dies von verschiedenen Orten in den USA, aber auch von den Kriegsbrennpunkten in Nordafrika und Europa aus. Im Krieg der Worte, Klänge und Bilder traten sie als Planer, Analyst, Intelligence-Experte, Zuarbeiter und Ideengeber, Flugblattautor, Redakteur, Radioansager, Zeichner, Plakatkünstler, Lautsprecherpropagandist und sogar als »Propa­gandabriefträger« im Rahmen spektakulärer Kommando­ unternehmen im Feindgebiet in Erscheinung. Mit der von ihnen produzierten Propa­ganda zielten die österreichischen Exilanten zum Großteil auf das »Dritte Reich« und den Nationalsozialismus, sehr oft auch speziell auf ihr ehemaliges österreichisches Heimatland. Sie taten dies stets mit dem – aus heutiger Sicht als utopisch zu bezeichnenden – Vorhaben, die deutsche bzw. österreichische Be-



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völkerung und die Soldaten der Wehrmacht für die alliierte Sache zu gewinnen sowie zur Subversion nationalsozialistischer Herrschaft beizutragen. So produzierten die exilösterreichischen Protagonisten, die zu Beginn des ersten Kapitels vorgestellt wurden, als Mitarbeiter des Austrian Desk der Übersee-­ Rundfunkabteilung des Propa­gandaamtes OWI proösterreichische und gleichzeitig antinationalsozialistische Radiofeatures, die mit Kurzwellen über den Atlantik geschickt wurden, um die österreichischen Hörer im »Dritten Reich« zum Abfall vom NS-Regime zu bewegen. Mit dieser Form der weißen, also offiziell als amerikanisch deklarierten Rundfunkpropa­ganda wollten sie auf satirische Weise (hier »Gemütlichkeitspropa­ganda« genannt) die Österreicher in ihrem Nationalbewusstsein stärken und gegen die »preußischen Nazis« ausspielen. Ein mentalitätsgeschichtlich interessanter Nebenaspekt dieses von Leuten wie dem Krone-Sportjournalisten Arthur Steiner oder der Juristin Clementine Bern produzierten, genuin österreichischen Beitrags zum Ätherkrieg gegen Deutschland war etwa, dass die Wiener Kabarett- und »Brettl«-Kultur, die durch die NSMacht­übernahme in Österreich nahezu zum Erliegen gekommen war, in anderer Form und einem anderen Kontext weiterlebte. Nämlich dem Kontext des Exils, des Widerstands von außen und der Propa­gandasatire. Der Austrian Desk in der babylonisch anmutenden multiethnischen OWI-Rundfunkabteilung in New York und dessen Ableger in London waren zudem auch gewissermaßen erzwungene Arbeitsgemeinschaften, die es Vertretern aus allen Lagern des notorisch zerstrittenen öster­reichischen politischen Exils (dazu zählten neben dem kämpferischen Sozia­listen Julius Deutsch etwa der ehemalige »Austrofaschist« Robert Bauer) in den USA ermöglichten, als Stimmen Amerikas und gleichzeitig als gemeinsame vox Austriae des Exils gegen den Nationalsozialismus aufzutreten und diesen aktiv zu bekämpfen. Ein weniger positiver Aspekt dieser Art von Österreich-Propa­ganda ist die Tatsache, dass durch den rabiat »antipreußischen« Duktus der Radiosatiren des Austrian Desk auch dem (fremdenfeindlichen, antidemokratischen und sogar faschistoiden) »Mir san mir«-Gefühl Vorschub geleistet wurde. Der zweite Part des ersten Kapitels hat veranschaulicht, dass exilösterreichische US-Propagandisten sich mit ihrer Arbeit nicht nur an das deutschsprachige bzw. (aus amerikanischer Perspektive) feindliche, sondern auch an das amerikanische Publikum selbst richteten. So zeichnete der aus Wien stammende jüdische Propa­gandakünstler Henry Koerner, der ebenfalls beim OWI angestellt war, für dessen Inlandsabteilung patriotische Propa­gandaposter, um die amerikanischen Kriegsanstrengungen an der »homefront« zu unterstützen. Koerners vielschichtige, ausdrucksstarke und teils sehr düstere Plakate, die die Amerikaner etwa zu Verschwiegenheit in Bezug auf geheime Kriegsinformationen oder zum kriegswichtigen Sammeln von Speisefett aufforderten, gelten bis heute nicht nur als schnöde Propa­ganda oder kitschig-naiver Hurrapatriotismus, sondern als ebenso

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publikumswirksame wie künstlerisch anspruchsvolle Werke und semiotisch komplexe Artefakte. Und obwohl sie sich binnenpropagandistisch an ein rein amerikanisches Publikum richteten, verraten Koerners Bildwelten viel über die österreichische Sozialisierung und Vorkriegsbiografie dieses begabten und gefragten Grafikers und Malers – die Plakate Koerners tragen etwas »zutiefst Wienerisches«4 in sich. Während der Kriegsjahre künstlerisch sehr erfolgreich, wurde er zu Kriegsende auch Fotograf des Kriegsgeheimdiensts und arbeitete später als Zeichner bei den Nürnberger Prozessen. Die im zweiten Kapitel im Mittelpunkt stehende Abteilung des Kriegsgeheimdiensts OSS namens Morale Operations (MO) war für schwarze Propa­ganda zuständig, also jene Form von psychologischer Kriegsführung, die ihre Herkunftsquelle nicht bekannt gibt und mit aggressiven und unorthodoxen Texten und Bildern den Propa­gandaempfänger täuschen, desinformieren und einschüchtern will. OSS/MO hatte zahlreiche Österreicher in ihren Reihen, darunter etwa den am italienischen Kriegsschauplatz stationierten Multiagenten Edmund Linder, der in die Produktion von »deftigem« Schriftgut aller Art involviert war. Er verfasste und zeichnete etwa pornografische Flugblätter, welche die feindlichen Soldaten einerseits »ködern«, andererseits demoralisieren sollten, und versuchte mit zielgruppengerechten Texten auch speziell österreichische Propa­gandaadressaten anzusprechen. Was die Verbreitung seiner und anderer schwarzer OSS-Propa­ganda unter den Empfängern anbelangt, griffen er und seine Abteilung in Italien zu ungewöhnlichen Mitteln  : Man setzte deutsche und österreichische Deserteure der Wehrmacht, die freiwillig dazu bereit waren, für die Amerikaner einen riskanten Spezialauftrag auszuführen, als »Propa­gandabriefträger« ein. Umgesetzt wurde diese Mission auch durch Österreicher wie den Sozialisten Franz Berger, der sich als sogenannter Deserter Volunteer dem Kampf gegen das NS-Regime verschrieben hatte und die OSS-Propa­ganda im deutschen Frontsektor »an den Mann brachte«. Obwohl Linders Propa­gandakompanie auch mit sehr harten und teilweise geschmacklosen Methoden operierte und deren Aktivitäten sogar die Verletzung völkerrechtlicher Normen implizierten, kann der vielseitige OSS-Agent als kreativer und produktiver österreichischer Exilwiderstandskämpfer gegen den Nationalsozialismus betrachtet werden. Die im zweiten Teil des zweiten Kapitels vorgestellte OSS-Mitarbeiterin, im weiteren Sinne eine Kollegin Linders, war die Kleinkunstdarstellerin, Schauspielerin und Sängerin Vilma Kuerer. Die jüdische Exilantin versuchte im Rahmen eines ambitionierten Musikprojekts als »verführerische« Interpretin von deutschsprachigen Propa­gandaliedern bzw. -schlagern unter dem Deckmantel populärkultureller Unterhaltung das »Gift des Defätismus« in die Köpfe von 4

Mitteilung J. Koerner, 6.3.2012.



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deutschen Wehrmachtssoldaten zu träufeln. Geschrieben wurden die von Kuerer gesungenen und sprachlich durchaus anspruchsvollen Subversionstexte von ihrem Landsmann, dem produktiven Wiener Kabarettisten und OSS-Propa­ gandaautor Lothar Metzl. Ausgestrahlt wurden sie von einem vermeintlich deutschen, in Wahrheit aber britischen Soldatensender, der aufgrund seiner attraktiven Mischung aus relativ faktentreuen, aber doch unterschwellig antifaschistischen Kriegsnachrichten und »schmissiger« anglo-amerikanischer Populärmusik bei den feindlichen Hörern sehr beliebt war. Obgleich auch dieser Beitrag zum Ätherkrieg kaum Einfluss auf das Kriegsgeschehen hatte, zählt das Radioprojekt, an dem Metzl und Kuerer teilnahmen, aus kulturwissenschaftlicher Sicht zu den faszinierendsten Episoden, die mir in meinen Forschungen untergekommen sind. Der dritte Abschnitt, der neben dem propagandistischen auch einen nachrichtendienstlichen Schwerpunkt aufweist, hat die Tätigkeit von Exilösterreichern in der US-Armee dokumentiert. Die militärischen Propa­gandaeinheiten avancierten gegen Ende des Krieges zum wichtigsten amerikanischen »player« im Kampf um die »hearts and minds« in Europa, indem sie dort die zivilen Propa­ gandaämter zunehmend unter militärische Kontrolle brachten. Im ersten Teil wurde veranschaulicht, wie der aus Wien stammende und im geheimen Military Intelligence Training Center Camp Ritchie ausgebildete Aufklärungsoffizier Jacob Tennenbaum als Mitarbeiter der Psychological Warfare Division an der Westfront (PWD/SHAEF) die »Feindmoral« analysierte. Als Chief of Intelligence der Propa­gandatruppe der ersten US-Armee sammelte bzw. evaluierte Tennenbaum alle verfügbaren Informationen, die den westalliierten Frontpropagandisten Aufschluss über die Stimmung im deutschen Lager gaben und die dazu hätten beitragen können, die taktische und strategische US-Flugblattpropa­ganda zu verbessern. Dies geschah etwa, indem er authentische (und defätistische) Zitate aus dem Mund kooperativer Kriegsgefangener sammelte und edierte, die man später in den Propa­gandaoutput einfließen ließ. Die von Tennenbaum vorgenommene Auswertung und Kommentierung von Berichten über Kriegsgefangenenverhöre zur »enemy morale« war eine Art Fenster in die Gedankenwelt des Gegners, den man durch Flugblätter, Radiosendungen und Lautsprecheransagen zur Aufgabe oder Desertion bewegen wollte. Durch den Fokus auf die Propa­ganda Intelligence, also die Nachrichtenbeschaffung über den Feind, die nötig ist, um für diesen Feind effektive propagandistische Nachrichten zu produzieren, wird deutlich, dass Propa­gandaproduktion ein komplexer dialektischer Prozess ist, bei dem viele Akteure inhaltlich einen Einfluss auf die Gestalt des Propa­gandatexts nehmen. In zwei kleineren Fallstudien des dritten Abschnitts wurden abschließend zwei exilösterreichische Radiopropagandisten vorgestellt, die als Sprecher, Redakteur bzw. Autor der militärischen Propa­gandaabteilungen der US-Armee, nämlich der

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Psychological Warfare Division (PWD/SHAEF) und der Psychological Warfare Branch (PWB/AFHQ), die Informationen von Propa­gandaaufklärungs-Offizieren wie Tennenbaum in propagandistische Kommunikate umwandelten. Nachdem sie zuerst Mitarbeiter des OSS waren, wurden die beiden Österreicher wie viele ihrer Kollegen gegen Kriegsende von der US-Armee »kooptiert« und an den europäischen Kriegsschauplatz geschickt. Der linksliberale jüdische Wiener Schauspieler Fred Lorenz setzte als Radiosprecher an der Westfront in Frankreich auf das Mittel der Satire, um die gegnerischen Soldaten zur Desertion zu bewegen. In den Sendungen des sogenannten Feldfunks von Lorient baute der begnadete Stimmenimitator Lorenz die von deutschen Kriegsgefangenen »ausgepressten« Neuigkeiten und den von ihnen wiedergegebenen Tratsch (»gossip«) aus dem Inneren der von der US-Armee belagerten Garnisonsstadt Lorient ein. Er versuchte, durch humorvolle antinationalsozialistische Parodien der realen Personen im Feindeslager bzw. in der eingeschlossenen Stadt – über deren charakteristische Eigenschaften er von den Kriegsgefangenen genau in Kenntnis gesetzt wurde – nicht nur für Lachstürme, sondern auch für subversiv wirkende Gerüchte­prozesse und »Einsicht« bei den Empfängern zu sorgen. Das heißt, er hoffte, dass die Soldaten in großer Zahl zu den Amerikanern überlaufen würden. Die messbaren Erfolge dieses und eines weiteren Radioprojekts, an dem er ebenfalls beteiligt war, hielten sich schließlich in Grenzen. Aus einer mentalitätsgeschichtlichen Perspektive ist der anekdotenreiche Beitrag des vom Habitus her völlig unmilitärischen Propa­gandasoldaten und leidenschaftlichen Österreichers Lorenz jedoch sehr interessant. Vom kulturellen Aspekt her ist er vor allem eines  : unterhaltsam. Den Schlusspunkt dieses Kapitels bildet ein Blick auf die Rundfunktätigkeit des konservativen Tiroler Aristokraten Otto de Pasetti, der ähnlich wie Lorenz von einem (semi)zivilen Propa­gandaamt (dem OSS) zur militärischen Propa­ gandasparte versetzt wurde und der sich von Italien aus als Autor und Sprecher des Austrian Radio der PWB/AFHQ an die Österreicher wandte. De Pasetti, der als einer der wenigen österreichischen Exilpropagandisten nach dem Krieg in sein Heimatland zurückkehrte, um als Kulturoffizier bei der Entnazifizierung mitzuwirken, setzte als Radiopropagandist auf geschichtliche Parabeln und regionale Mythen. In der Absicht, den konservativen, »rechten« Österreichpatriotismus mit dem »linken« Widerstandsmythos des (italienischen) Partisanenkampfs zusammenzuführen, teilte er den Österreichern in seinen Sendungen mit, dass es ehrenhaft und vorbildlich sei, im Kampf gegen die faschistischen Usurpatoren aus dem Norden »Familie, Haus und Hof« aufs Spiel zu setzen. Die ereignisreichen und oft schillernden Lebensläufe der Protagonisten und vor allem ihr von teils großer Kreativität und hoher Qualität zeugendes propa­ gandistisches Œuvre spiegeln nicht nur die dramatisch-existenzialistische, sondern auch die transformative und »kontrapunktische« Dimension des Exils (Ed-



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ward Said)5 wider  : Das heißt, der Gang der österreichischen »38er«-Generation ins US-Exil und der darauf folgende Krieg, der auch die vor den europäischen Wirren Geflohenen im fernen Amerika letztlich erfassen sollte, erwiesen sich für die Protagonisten dieser Studie nicht nur als Schicksalsschlag oder Lebenstragödie. Vielmehr boten diese beiden Ereignisse ihnen auch Chancen und setzten produktive Energien frei, ja ermöglichten sogar Lebenswege und Karrieren, die ohne das Auftauchen eines Mannes namens Adolf Hitler und die Flucht vor den Nationalsozialisten kaum denkbar gewesen wären. Genau dieser Aspekt des Schöpferischen und nicht der Aspekt der Propa­gandawirksamkeit ist es, der das Schaffen der hier beforschten Personen auszeichnet. Es gibt noch einen weiteren, entscheidenden Aspekt, der die hier vorgenommene Dokumentation und Analyse österreichischer Beiträge zur amerikanischen Kriegspropa­ganda rechtfertigt  : jenen des Exilwiderstandskampfes eines »anderen Österreich«, das von außen, im Dienst der Anlehnungsmacht USA mit geistigen Waffen gegen die faschistische Herrschaft in Österreich und für die Wiedererrichtung des (ehemaligen) Heimatlandes kämpfte. Dieser Kampf mag nicht kriegsentscheidend und der große materielle und personelle Aufwand hierfür nicht gerechtfertigt gewesen sein. Er vermag nicht zu verdecken, dass das österreichische Exil in den USA politisch zu fragmentiert und zerstritten war, um eine breite »Volksfront«-Koalition zu bilden. Er mag auf den Verlauf des Zweiten Weltkrieges im Allgemeinen sowie die Entwicklungen in Österreich im Speziellen keinen nennenswerten Einfluss gehabt haben. Wie bereits eingehend in diesem Buch dargelegt, haben vor allem die von Österreichern geschaffenen oder mitgestalteten und explizit an Österreicher gerichteten US-Propa­gandakommunikate kaum erkennbare oder gar kriegsentscheidende Wirkungen gezeitigt  : Der von den westalliierten Kriegslenkern, Entscheidungsträgern und Propagandisten erhoffte entscheidende »hard political warfare blow at crumbling Austrian morale« ist letztlich nicht erfolgt.6 Dennoch haben die Kriegsbiografien von ausgewählten exilösterreichischen Protagonisten und die Analyse von deren Propa­gandakommunikaten gezeigt, dass dieser mit viel Einsatz, Einfallsreichtum und Verve gefochtene Kampf der Worte, Klänge und Bilder zumindest fallweise und auf oft subtilem Wege die Meinungen, Haltungen und Stimmungen der Propa­gandaempfänger beeinflusst und den primären Kriegsgegner der USA, NS-Deutschland, geschwächt hat. Sie haben auch gezeigt, dass dieser geistige Kampf in Hinblick auf den Ausgang der militärischen Operationen zwar nur von sekundärer Bedeutung war – moralisch, symbolisch und (gedächtnis)politisch hingegen war er ein wichtiger. Ein Kampf, 5 Barbour, »Edward Said«, 295. 6 Keyserlingk, Austria, 134.

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der nicht nur ein Lebenszeichen der exilierten Opposition gegen das Hitlerregime darstellte, sondern »in weiterem Sinne für die Suche nach einer österreichischen Identität post bellum« wichtige Impulse gab.7 Der Propa­gandaexperte Daniel Lerner schreibt in seinem auch heute noch sehr lesenswerten Buch über die Aktivitäten der westalliierten Kriegspropa­ganda in Nordwesteuropa, dass es ohne die – von manchen Personen innerhalb des anglo-amerikanischen Propa­ gandaapparates skeptisch beäugten – Exilanten aus Deutschland und Österreich letztlich wohl keinen »Sykewar«, keinen Psychokrieg gegen Deutschland, gegeben hätte. Denn trotz des Spannungsfeldes zwischen amerikanischen Kriegszielen und exilösterreichischen Partikularinteressen, dem die vor dem NS-Regime geflohenen Österreicher in den US-Propa­gandawerkstätten ausgesetzt waren, ist es ihnen gelungen, ihren aus dem Heimatland mitgebrachten kulturellen Rucksack auszupacken und nutzbar zu machen. Sie wurden dadurch zu unverzichtbaren Schlüsselkräften im Krieg der Worte, Klänge und Bilder  : [T]he great majority of leaflet writers, radio speakers, POW (Prisoner of War) interrogators, and document analysts were former Germans or Austrians. […] [T]heir enormous contribution to Sykewar has never been given adequate attention and credit. […] In view of America’s incapacity to produce and adequate number of natives possessed of the essential skills, the Sykewar tasks could not have been accomplished without the use of refugees.8

Als erstaunlich produktive US-Propagandisten arbeiteten die eben angesprochenen österreichischen Flüchtlinge und Emigranten jahrelang auf das Ziel hin, dass es bald »aus wird sein mit all dem viel’n Heil-Hitler-Schrei’n«.9 Eher der geistigen und musischen Sphäre zugehörig und alles andere als typische Kriegshandwerker, haben die Akteurinnen und Akteure dieses Buchs in den systemischen Gegebenheiten des US-Kriegsapparats eine passende Nische gefunden, aus der heraus sie die amerikanische »Anlehnungsmacht« mit ihren Fähigkeiten und Talenten unterstützen konnten. Vielleicht kann diese Studie dazu beitragen, diesen Menschen, die während des Zweiten Weltkrieges geistigen Widerstand von außen leisteten, zu jener Anerkennung zu verhelfen, die ihnen aus historischer, aber auch aus politisch-moralischer Sicht zusteht. 7

Florian Traussnig, »Belohnter Wagemut  : Die OSS-Operation ›Greenup‹ [Rezension zu Patrick K. O’Donnell, They Dared Return. The True Story of Jewish Spies Behind the Lines in Nazi Germany. Philadelphia  : 2009.]«, in  : Journal for Intelligence, Propa­ganda and Security Studies ( JIPSS), Vol. 4, Nr. 1/2010, 151–153, hier 153. 8 Lerner, Sykewar, 72. 9 Mitteilungen Steiner an DÖW, 14.4.1966.

Quellen und Bibliografie

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Privatbestand Florian Traussnig Diverse Flugblätter und Druckschriften des Zweiten Weltkriegs

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Zeitungen und nichtwissenschaftliche Periodika Der Aufbau Austro-American Tribune Blood and Fire Coast Artillery Journal Datum Denken + Glauben Fortune The Lowell Sun New York Post The New York Times The OSS Society Journal Die Österreichische Schule Die Presse Das Schwarze Korps Der Spiegel Der Standard Die Stimme The World Die Zeit Zeitspiegel



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Abkürzungsverzeichnis ABSIE ACIPSS AFHQ ALC ANC BBC CBS CIA CIC COI CSDIC FAM FBI FIS FNB G-2 GTE ICD INC IPW ISB JIC KPD MID MIS MITC MO MOI MRBC NBC NSDAP OEM OKW ONI OSS OWI PID POW P&PW

American Broadcasting Station in Europe Austrian Center for Intelligence, Propa­ganda and Security Studies Allied Forces Headquarters Austrian Labor Committee Austrian National Committee British Broadcasting Corporation Columbia Broadcasting System Central Intelligence Agency Counter Intelligence Corps Coordinator of Information Combined Services Detailed Interrogation Centre Free Austrian Movement Federal Bureau of Investigation Foreign Information Service (COI) Foreign Nationalities Branch (OSS) Nachrichtendienst der US-Armee Groupe de travailleurs étrangers Information Control Division Information and Censorship Group Interrogation of Prisoners of War Information Services Branch Joint Intelligence Committee Kommunistische Partei Deutschlands Military Intelligence Division Military Intelligence Service Military Intelligence Training Center Morale Operations Branch (OSS) Ministry of Information Mobile Radio Broadcasting Company National Broadcasting Company Nationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei Office of Emergency Management Oberkommando der Wehrmacht Office of Naval Intelligence Office of Strategic Services Office of War Information Political Intelligence Department Prisoner of War Publicity and Psychological Warfare [Section]

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Abkürzungsverzeichnis

PWB/AFHQ PWB/C[P]T

Psychological Warfare Branch/Allied Forces Headquarters Psychological Warfare Branch/Combat [Propa­ganda] Team (PWB/ AFHQ oder PWD/SHAEF) PWD/SHAEF Psychological Warfare Division/Supreme Headquarters Allied Expeditionary Force PWE Political Warfare Executive PWI Psychological Warfare Intelligence R&A Research and Analysis Branch (OSS) RIAS Rundfunk im amerikanischen Sektor SD Sicherheitsdienst (SS) SDAP Sozialdemokratische Arbeiterpartei (Österreich) SHAEF Supreme Headquarters Allied Expeditionary Force SI Secret Intelligence Branch (OSS) SO Special Operations Branch (OSS) SOE Special Operations Executive SS Schutzstaffel VOA Voice of America

Abbildungsnachweis Abb. 1  : © Bildarchiv der Österreichischen Nationalbibliothek. Abb. 2  : [COI] Records of the Domestic Operations Branch, Jan.-Feb. 1942. COI-Sendemanuskript der Voices from America, 15.2.1942. NARA, RG 208, E 460 A[VD], B 1. Abb. 3  : © Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstands. Abb. 4  : OWI Personnel Record Card of Clementine Bern. NARA, NPRC, State, Bx 32855, Bu 64, CPR. Abb. 5, 6  : ©  Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstands, DÖW 9545. Abb. 7  : OWI Personnel Record Card of J. Deutsch, undatiert. NARA, NPRC, owi Personnel File of Julius Deutsch. State, Bx 33135, Bu 204, CPR. Abb. 8  : Poster von Henry Koerner, 1942, in: http://fulltimegypsies.files.wordpress. com/2013/03/someone-talked.jpg (letzter Zugriff  : 25.8.2013). Abb. 9  : OWI Personnel Record Card of H. Koerner. NARA, NPRC, OWI Personnel File of Henry Koerner, B 510, Bu 33768, CPR. Abb. 10  : OWI-Poster von Alfred Parker, »›We’ll have lots to eat this winter, won’t we Mother  ?‹: grow your own, can your own«. UNT Digital Library, Washington, DC, in   : http://digital.library.unt.edu/ark   : /67531/metadc556/m1/1/ (letzter Zugriff   : 12.3.2012). Abb. 11  : OWI-Poster von Henry Koerner, »Save Waste Fats for Explosives!«, 1943, in: http://www.crazywebsite.com/Free-Galleries-01/USA_Patriotic/Pictures_WWII_ Posters_LG/World_War_II_Patriotic_Posters_USA_Conservation_Fats_2LGHQ. jpg (letzter Zugriff: 12.4.2012). Abb. 12  : OWI-Plakat von Henry Koerner, »America’s Fishing Fleet and Men«, in  : http://2.bp.blogspot.com/-4IuZ6xHOt_w/VVIh8pzliYI/AAAAAAABWLc/V2ejv3tVcfg/s1600/1943%2BKoerner.%2BAmerica‹s%2Bfishing%2Bfleet% 2Band%2Bmen%E2%80%A6%2Bassets%2Bto%2Bvictory%2B(USA).jpg (letzter Zugriff  : 26.4.2016). Abb. 13  : OWI-Poster von Henry Koerner, »United We Are Strong«, in  : Wikimedia Commons, https://commons.wikimedia.org/wiki/File  :UNITED_WE_ARE_ STRONG,_UNITED_WE_WILL_WIN_-_NARA_-_515925.jpg#/media/ File  :UNITED_WE_ARE_STRONG,_UNITED_WE_WILL_WIN_-_NARA__515925.jpg (letzter Zugriff  : 31.7.2016). Abb. 14  : ©  Collection of Mrs. Henry Koerner, abgebildet in  : John Czaplicka, Emigrants and Exiles  : A Lost Generation of Austrian Artists in America 1920-1950. Wien  : 1996, Illustrationsteil, Katalog Nr. 95. Abb. 15  : OSS Report on Sauerkraut Agents, 2677th Regiment/MO, E. Warner to K. D. Mann, Chief MO, 17.10.1944, NARA, RG 226, E 210, B 303. Abb. 16  : OSS, The Story of the Sauerkrauts, May 1945, 15. NARA, RG 226, E 210, B 213. Abb. 17, 18  : OSS/MO Propa­ganda Samples. NARA, RG 226, E 93, B 1.

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Abbildungsnachweis

Abb. 19  : OSS-Flugblattzeitung »Der Österreicher, März 1945. OSS/MO Propa­ganda Samples. NARA, RG 226, E 92, B 1. Abb. 20  : OSS-Flugblatt von Eddie Linder, vermutlich Sommer 1944. OSS/MO Propa­ ganda Samples. NARA, RG 226, E 92, B 1. Abb. 21  : OSS-Flugblatt »Wie Lange Noch  ?« OSS/MO Propa­ganda Samples. NARA, RG 226, E 92, B 1. Abb. 22  : War Diary of the Morale Operations Branch of the Office of Strategic Services (OSS) in London, Vol. 4, Special Operations, Seductive and Subersive Booklet, [Bildteil] 57. NARA, RG 226, E 210, B 86. Abb. 23, 24  : OSS-Flugblattbüchlein »6 Bilder«, vermutlich Herbst 1944. OSS/MO Propa­ganda Samples. NARA, RG 226, E 92, B 2. Abb. 25  : OSS, The Story of the Sauerkrauts, May 1945, 31. NARA, RG 226, E 210, B 213. Abb. 26  : OSS, The Story of the Sauerkrauts, May 1945, 12. NARA, RG 226, E 210, B 213. Abb. 27  : © Österreichische Exilbibliothek, Nachlass Oscar Teller. Abb. 28  : »More Song Propa­ganda« (Name der Zeitung nicht angeführt), vermutlich Ende September 1944. OSS MUSAC Files. NARA, RG 226, E 139, B 172. Abb. 29  : OSS/MO MUSAC Project. NARA, RG 226, E 92, B 587. Abb. 30  : PWD/SHAEF, Intelligence Notes on Interrogation of Civilians in First Army Area, November 1944. NARA, RG 331, E 87, B 23. Abb. 31  : http://www.famousfix.com/post/vilma-kurer-28149298/p257773  ?view=large (letzter Zugriff  : 11.5.2016). Abb. 32  : OSS, OSS/MO Washington, All Musac Lyrics 1944-1945, Mein General. NARA, RG 226, E 139, B 172. Abb. 33  : OSS-Flugblatt »Front-Woche«, 21.4.1944, unpaginiert. NARA, RG 226, E 99, B 88. Abb. 34, 35  : PWD/SHAEF-Flugblatt »Zwei Worte die 850.000 Leben retteten«, ZG 112K, Februar 1945. Für die Bereitstellung dieses Flugblatts möchte ich Lee Richards von www.psywar.org herzlich danken. Abb. 36  : Clive E. Shives (Hg.), History of the 5th Mobile Radio Broadcasting Company. Bad Nauheim  : 1945, unpaginiert, in  : NARA, RG 407, E 427, B 18359. Abb. 37  : HQ 2nd Mobile Radio Broadcasting Company, Historical Report 1944-45. NARA, RG 338, E 37042, B 5710. Abb. 38  : Photo by J. M. Heslop, MSS-P-661-950. © L. Tom Perry Special Collections. Harold B. Lee Library, Brigham Young University, Provo, Utah. Abb. 39  : HQ 2nd Mobile Radio Broadcasting Company, Unit History. NARA, RG 338, E 37042, B 5710. Abb. 40  : HQ 2nd Mobile Radio Broadcasting Company, Historical Report, 1944-45. Photo by M. Heslop. NARA, RG 338, E 37042, B 5711. Abb. 41  : A. Jaffe, HQ 2nd Mobile Radio Broadcasting Company, First Anniversary of Company, 29.12.1944. NARA, RG 338, E 37042, B 5711. Abb. 42  : Photo by J. M. Heslop, MSS-P-661-1041. © L. Tom Perry Special Collections. Harold B. Lee Library, Brigham Young University, Provo, Utah.



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Abb. 43  : PWD/SHAEF-Flugblatt »Passierschein«. Julius Schreiber Collection, Hoover Institution Archives, Stanford, Kalifornien. Abb. 44, 45  : PWD/SHAEF, PWB/1st Army-Flugblatt CT 40, »Am Kreuzweg« . Für die Bereitstellung dieses Flugblatts möchte ich Klaus Kirchner herzlich danken. Abb. 46  : Photo by J. M. Heslop, MSS-P-661-1025. © L. Tom Perry Special Collections. Harold B. Lee Library, Brigham Young University, Provo, Utah.

Personenregister

Namensnennungen, die nur in Fußnoten vorkommen, sind kursiv gesetzt. Ableitinger, Alfred 37, 141 Adler, Friedrich 84, 86, 93f. Alpern, Betty 96 Angus, Ian 259 Antel, Franz 57 Ashley, Ira 225f., 232 Apfel, Fritzi 100 Atkinson, Brooks 216 Austin, John L. 124 Bacall, Lauren 250 Bachleitner-Held, Gudrun 9, 117 Bachtin, Michail M. 97 Balbo, Italo 173 Balfour, Michael 195 Balla, Lizzi 235 Barbour, John D. 141, 142, 369 Barnouw, Erik 291 Barthes, Roland 184, 191, 192, 198, 250, 252 Barton, H. C. 137 Bauer, Christian 254, 255, 272–275, 280, 291 Bauer, Otto 83, 85 Bauer, Robert 41, 46, 50, 53, 91, 365 Bayerdörfer, Hans-Peter 249f. Becher, Ulrich 57 Becker, Howard 222 Beckermann, Ruth 96 Beer, Siegfried 9, 47, 55, 57, 88f., 145f., 148, 150, 158, 170, 268 Beevor, Antony 71, 285, 315 Bell, Falko 302, 325 Beller, Steven 71 Benay, Jeanne 57 Bentwich, Norman 157 Berg v. 207 Berger, Franz 15, 155, 201–205, 207–212, 366 Berghof, Herbert 216, 235 Berlin, Irving 232 Bern, Clementine 55–57, 59, 78, 365 Beyme, Klaus von 112, 116

Binder, Dieter A. 72, 73, 78, 233 Binder, Joseph 117f. Bischof, Günter 66, 271, 319, 319, 321, Bissell, Clayton 274f. Bird, William L. 101, 106, 109, 111, 116, 129 Blankenhorn, Heber 263 Blaschka, Egon 318 Blitzstein, Marc 138 Blochman, Lawrence 45 Bock, Fritz 54, 56, 91 Bogart, Leo 95 Bordes, Fred siehe Bock, Fritz Bosch, Hieronymus 96 Bowen, R.J. 220, 281–285, 289–293, 343 Braatoy, Barne 93 Bradford, James C. 271 Braverman, Jordan 36, 115, 119f., 135 Brecht, Bertolt 232, 353, 363 Brennan, Francis 106, 109–111, 116, 122 Brower, David 309 Brown, Anthony Cave 146 Brown, L. 362 Bruckmüller, Ernst 26, 68, 72 Bruhn, Manfred 186 Bruntz, George B. 263 Buchmann, Bertrand Michael 178, 309, 316, 318 Bukey, Evan Burr 49, 63, 67, 319, 320 Burger, Hanuš 220f., 223, 240, 241, 268, 273f., 278, 342, 347f., 350, 351, 352 Burkhardt, Frederick 159 Bussemer, Thymian 17f., 24, 26, 36, 58, 111f., 154, 190, 192, 201, 226, 290, 323 Butterfield, Lyman H. 263 Carlton, Leonard 37, 41, 46, 221 Carmine, W. 137 Casey, William 152, 167, 168, 218f. Catilina, Lucius Sergius 171 Cavendish-Bentinck, Victor 152



Personenregister 

Durrani, Osman 68, 72 Dusek, Peter 275

Chew, Paul A. 138 Chomsky, Noam 26 Churchill, Winston 179 Cicalese, Anna 189 Cicero, Marcus Tullius 171 Connely, E. 148 Corvo, Max 166, 205, 206 Crawford, Kenneth G. 156 Creel, George 36 Creveld, Martin van 301, 302, 309 Crosby, Bing 78, 224 Crosby, C. 289 Cruickshank, Charles 324, 331, 332 Cushing, Edward 234, 237f. Czernin, Ferdinand 49, 56, 91 Czaplicka, John 97f., 136f., 141, 142 Cziczatka, Angela 35, 38, 41, 46, 49f., 52, 54– 56, 62f., 66, 75, 92–94, 202, 228, 230f.

Eco, Umberto 117, 197, 249, 259 Edelman, Dan 220, 281–285, 289–293, 343 Eder, Angela 214 Ehrenzweig, Robert siehe Lucas, Robert Eisler, Paul E. 300 Eisenhower, Dwight D. 156, 265, 285, 308f., 310, 356, 360 Eisenhower, Milton 27 Ellis, Robert 107 Ellul, Jacques 109 Elter, Andreas 36, 45, 102, 104, 114, 133 Englhart, Andreas 249f., 252 Eppel, Peter 28, 40, 46, 48, 50, 55–57, 75, 81, 83–88, 90f., 216 Erhardt, John G. 40

Daniels, Jack 11, 211 Darlan, François 156 Daugherty, William E. 65, 222, 228, 263, 278, 282, 299, 302, 326, 328, 332, 341, 344 Davis, Elmer 34, 38, 104, 116 de Cillia, Rudolf 21 Delmer, Sefton 218, 223f. Dembski, Tanja 97, 143 Derman, Erich 157, 356f., 363 Deutsch, Julius 33, 46, 64, 81–95, 365 Diamant, Alfred 141, 272, 276 Diamant, Ann Redmon 141 Dichand, Hans 76, 77 Dicks, Henry 285, 303 Dickson, John P. 240 Diekmannshenke, Hajo 123, 126, 128, 154 Dietrich, Marlene 250, 258, 260 Dix, Otto 113 Dollfuß, Engelbert 344, 348 Donovan, William J. 34, 87, 89f., 145–147, 150, 153, 157f., 167, 177, 180, 196, 198, 199–201, 204, 224, 232 Doob, Leonard 25 Dreidemy, Lucille 357, 386 Dreisse, Miriam 250, 260, 262 Dreyer, Mechthild 253 Duffy, K. 106 Dunlay, J. 108

Faber, Richard 77, 80 Farkas, Karl 55, 216 Fauser, Annegret 23, 138, 142, 199, 223, 227, 259 Felbinger, Rolf 129, 190, 192, 197, 332 Feller, A.H. 104 Fenyvesi, Charles 150 Fink, Hans-Jürgen 273 Fink, Iris 70 Finnegan, John P. 272 Fisk, R. 277 Fiske, John 184, 193 Fitzmar 349 Fleischer, Andreas 18, 102, 104f., 182, 185 Fleming, John R. 105 Fluck, Winfried 227f., 229, 234, 243, 262 Ford, John 224 Foucault, Michel 187f., 311 Fowle, Barry W. 136 Freud, Sigmund 177, 242 Frey, Eric 201 Friediger, Charles 87, 88, 94 Friedman, Herbert A. 9, 155, 160, 168, 170, 174, 176, 177, 182, 192, 196, 197 Friedrich, Jens 52, 60 Friedländer, Saul 81 Fritz, Walter 214 Frucht, Karl 256f., 277, 315

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Personenregister

Fuchs, Martin 50f., 53, 83, 84f., 91, 94 Ganglmair, Siegwald 20, 36, 63, 180, 254, 276, 277, 283, 286f., 289, 293, 297, 333, 342 Garnett, David 239 Gassner, Joe 45 Gawne, Jonathan 126 Gensini, Stefano 189 Gerbel, Christian 71 Gerbner, George 221 Germann, Richard 66, 319–321 Gershwin, George 232 Gershwin, Ira 232 Gilbert, M. 64 Giodvad Grell, H.H. 157 Glatz, Hertha 235 Glückselig, Leo 221 Glunz, Claudia 214 Goebbels, Joseph 64, 92, 180, 218, 229, 234, 238, 326 Göpfert, Rebekka 255, 272–275, 280, 291 Goldberg, Arthur 89, 90 Goldmann, Robert 59, 60 Göring, Hermann 79, 139f., 151 Grassl, Markus 362 Gries, Rainer 30, 109, 118, 129, 180, 191, 226, 326 Griesser, Doris 270, 320 Grillparzer, Franz 172 Grischany, Thomas R. 65, 66, 236, 320 Gruber, Primavera 23 Gruchol, Helmut 16, 160 Grunfeld, Robert 315 Haas, Alois 212 Habe, Hans 218, 271, 284, 291, 327 Habsburg, Otto von 49, 75, 84, 86f. Hansen-Schaberg, Inge 214 Häntzschel, Hiltrud 214, 225, 262 Haider-Pregler, Hilde 57, 72 Hammerschlag, Peter 232 Hanfmann, George 56, 59 Hanisch, Ernst 49, 67, 83 Hale, William H. 63, 64 Harand, Irene 84 Hartleb, Florian 80 Haseneier, Willi 170

Hawrylchak, Sandra 86, 217 Hazeltine, Charles B. 282, 356, 358 Heideking, Jürgen 20 Heine, Thomas Theodor 362 Heindl, Josef 306 Held, Gudrun siehe Bachleitner-Held, Gudrun Helms, Richard 234 Hendrik, John 235 Henke, Klaus-Dietmar 265, 286, 288, 297 Hepp, Andreas 184 Herz, Martin F. 162, 282, 296, 298, 308, 310, 312, 317, 322f., 325, 332, 337 Herz-Kestranek, Miguel 232, 261 Hess-Lüttich, Ernest W.B. 117 Heß, Rudolf 139 Heym, Stefan 291 Himmler, Heinrich 151, 162 Hippen, Reinhard 217, 225 Hitler, Adolf 15, 20, 39, 58f., 67, 71, 74f., 78, 86, 92, 95, 134, 141f., 145, 147, 151, 152, 158, 162f., 172, 186, 199, 217f., 224f., 238, 242, 248, 273, 276, 294–297, 304, 306, 309, 312, 314, 317, 319f., 339, 361, 363, 369 Hoberg, Rudolf 182 Hoffmann, Ernst Theodor Amadeus 96, 132f. Hofstätter, Klaus 21 Hölbling, Walter 88 Höllering, Franz 90 Hoerkens, Alexander 194 Holly, Werner 117 Hood, William 234 Hoor, Ernst 83, 85 Horten, Gerd 114, 121, 134, 136, 178 Hoskins, H. 85, 87 Houbolt, Jan 238, 239 Houseman, John 40, 41, 42, 43, 44f. Hütig, Andreas 253 Hufschmied, Richard 357 Inger, Manfred siehe Lorenz, Fred Isenbart, Jan 154, 286f., 331 Jackall, Robert 26, 199 Jaquet 313 Jaffe, Arthur H. 280, 281, 283, 290, 293 Janich, Nina 127, 131f., 184 Janowitz, Morris 65, 194, 195, 222, 228, 261,

263, 278, 282, 299, 302, 308, 314, 315, 326, 328, 334, 344 Janßen, Karl-Heinz 148 Jaray, Hans 22 Jocher, Karl 222 Johnston, V. 362 Jones, David L. 103, 111, 114–116, 120f., 123, 131 Joost, Ulrich 182, 192 Jowett, Garth S. 13, 25, 35, 95, 110, 149, 178 Kaiser 208 Kaiser, Konstantin 40, 232 Kammerdiener, Werner 316, 325, 337 Kandinsky, Wassily 249 Kapp, Reinhard 362 Kargl, Maria 21 Karmasin, Helene 118, 126, 187–190, 193 Karner, Otto 362 Karner, Stefan 47, 271 Karras, Steven 275 Kater, Michael H. 230 Katzenstein, William 275 Keegan, John 152, 198, 269, 306 Keen, Sam 175, 200 Keller, Greta 235, 254 Kern, Anita 97 Kernmayer, Hildegard 77 Kesselring, Albert 12–15, 166, 204–207 Kettemann, Bernhard 188 Keyserlingk, Robert H. 47, 49, 73, 369 Kingsbury, Celia M. 37 Kirchner, Klaus 9 Kissinger, Henry 37 Klein, Kurt 275 Klein, Leo R. 54 Klein, William L. 78 Klemm, Michael 123 Klemperer, Victor 328 Klösch, Christian 215–217, 242 Knapp, Karlfried 122 Knieper, Heinrich 336f. Knightley, Phillip 199 Koerner, Henry 38, 95–114, 116–126, 128–143, 188, 234, 342, 365f. Koerner, Joseph L. 9, 96f., 100, 144 Körner, Heinrich S. siehe Koerner, Henry

Personenregister 

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Körner, Kurt 98, 100 Körner, Leo 96 Koske, Karl 136 Kraus, Karl 51, 234 Kreisler, Georg 273 Kriechbaumer, Robert 67, 73, 344 Krohn, Claus-Dieter 363 Kuerer, Vilma 170, 213–217, 219, 228f., 235, 241–252, 258–262, 322, 330, 366f. Kürer, Vilma siehe Kuerer, Vilma Kusber, Jan 253 Kussewizki, Sergei A. 23 Lackner, Robert 9, 268, 272, 300 Laqueur, Walter 142, 272 Land, Ernest G. 53f. Landau, Ernest G. siehe Land, Ernest G. Langer, Walter C. 177 Langer, William 44, 148 Langfeld, Walter 185 Langhoff, Wolfgang 162 Larkin, T. 282 La Roche, Chester J. 110 Larsen, Egon 225, 230, 237 Larson, Cedric 228 Lasswell, Harold D. Latour, Bruno 323, 338 Laurie, Clayton D. 33f., 37, 40, 45f., 48, 54, 75, 90, 102, 147f., 153, 158, 160f., 162, 169f., 172f., 177, 181, 194, 204, 220, 224f., 231, 238, 240, 263–267, 280, 286, 289, 294, 298, 309, 312, 356 Lauwers, Barbara 202 Le Bon, Gustave 111 Lechner, Manfred 71 Lehrner, Josef 150f. Lenya, Lotte 235, 362 Leopoldi, Hermann 55, 78 Lerner, Daniel 13, 35, 63f., 69, 149, 162, 180, 196, 219, 221, 235, 248, 253f., 267, 268, 278, 282, 290, 294–299, 302f., 304, 309, 313, 324, 328f., 330, 339, 340, 342, 348, 370 Levèque, Barbara 239 Lewen, Si 254, 334 Liebhart, Karin 21 Lincoln, Abraham 42 Linke, Angelika 124

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Personenregister

Linder, Anton 94 Linder, Edmund F. 15f., 57, 147, 149, 153–160, 162, 164–167, 169–178, 180–182, 184–202, 366 Lindner, Edmund siehe Linder, Edmund F. Liska, Hermine 301 Lorenz, Dagmar, C.G. 71 Lothar, Ernst 216f. Lucas, Robert 345 Lüttwitz, Heinrich von 315 Luža, Radomír 23 Mache, Karl 207–209, 211 MacLeish, Archibald 34 MacPherson, Nelson 152, 167, 231 Maier, Heinrich 150 Mann, Klaus 172, 279 Mann, Kenneth D. 226 Mann, Thomas 74 Manning, Martin 110, 172, 263 Marchart, Oliver 71 Marcus, Steven 182 Marcuse, Herbert 148 Margolin, Leo J. 180, 221, 265 Maril, Konrad 53 Marshall, George C. 266 Martin, D.R. 108 Martin-Smith, Patrick 212 Mauch, Christof 20, 145f., 158f., 161f., 166, 169f., 173, 204, 213, 217f., 220, 227, 229, 237, 243, 261, 349 May, Karl 216 Mayrhofer-Grüenbühl, Wolfgang 156 McCloy, John 265 McClure, John 266, 282, 285, 356 McCullen 223 McNally, Joanne 50f., 68, 70 Maier, Michaela 83 Meier, Mutz 78 Meisinger, Agnes 357 Meisl, Hugo 77 Melichar, Peter 68, 69f., 72, 235 Merton, Robert K. 199 Messner, Franz J. 150 Metzl, Lothar 66, 213, 231–236, 237, 241, 243–250, 252, 258f., 367 Meyrink, Gustav 96

Michels, Eckard 156 Miller, Glenn 78 Miller, Irving 232, 248 Minifie, James 361 Mitcham, Samuel W. 203 Model, Walter 326 Molden, Berthold 357 Moll, Martin 9, 141 Moorehead, Kristina 19, 51, 68, 345, 363 Morell, Sydney 215 Morgan, Brewster 56, 77, 78, 79 Moskovits, Rudolf 289, 293 Mostar, Gerhart H. 214 Muchitsch, Wolfgang 157 Musner, Lutz 252, 338 Mussolini, Benito 358 Nadeler, Ernst 315 Naumann, Uwe 51, 57, 67, 75, 172, 230, 279, 345 Neitzel, Sönke 153, 154, 175, 176, 182, 185, 194, 320, 321, 325 Neugebauer, Wolfgang 21, 49, 74, 230, 275 Neuser 349 Niemann, Hermann 315 Noever, Peter 112 Nussbaumer, Markus 124 O’Donnell, Patrick K. 370 O’Donnell, Victoria 13, 25, 35, 95, 110, 149, 178 Öhner, Vrääth 71 O’Keefe, Lester 249 Orwell, George 259 Orwell, Sonia 259 Overy, Richard 306 Padover, Saul K. 64, 220, 239f., 301, 305, 330, 350 Panagl, Oswald 67, 73, 344 Parker, Alfred 115f. Paul, Gerhard 363 Perlin, Bernard 106 Persico, Joseph E. 147, 200 Pfabigan, Alfred 57 Pfister, Eugen 357 Pirker, Peter 56, 73, 82, 146, 212 Pistor, Gerhart 42, 54, 55f., 58, 74, 86, 91

Placek, Fred 289 Plasser, Fritz 66 Plöchl, Willibald 84, 148 Podorski, B. 158 Poe, Edgar A. 96 Pohl, Frances K. 114 Polgar, Alfred 52, 71f., 216 Poole, Dewitt C. 40, 81, 87, 94 Porter, Cole 232 Portmann, Paul R. 124 Possony, Stefan T. 60–62 Poten, Ernst von 240 Powers, Kevin 195 Prager, Katharina 357 Prawy, Marcel F.H. 275 Preses, Peter 57 Püschel, Ulrich 117 Pütter, Conrad 33, 38f., 44f., 54, 60, 62, 74, 90, 218f., 221, 225, 282, 343, 349, 350, 356 Qualtinger, Helmut 72 Raff, Thomas 362 Rathgeber, Eike 362 Rathkolb, Oliver 41, 49, 53, 54, 74, 354, 357, 361, 362 Ratz, Joseph 156 Reichner, M. 238 Reinhardt, Max 214 Reisigl, Martin 21 Renger, Rudi 77 Renner, Karl 85 Ribbentrop, Joachim von 139 Richards, Lee 9 Richards, Walter 133 Richter, Martin siehe Fuchs, Martin Riediger, Franz J. 150f. Riegel, O.W. 119 Roberts, Walter 41, 44, 53 Robin, Leo 246 Robinett, P.M. 265 Robinson, Earl 259 Rockhill, Oliver W. siehe Schneditz, Oliver Röhrlich, Elisabeth 357 Rogers, G. 276 Rogge, Jörg 253 Roller, J. 226

Personenregister 

Römer, Felix 289, 294f., 302, 306, 320, 322, 324f., 336, 339 Romerstein, Herbert 110, 172, 263 Roosevelt, Franklin D. 20, 34–37, 44, 113–115, 135 Roosevelt, Kermit 220, 237, 242f. Rosegger, Peter 77 Rosenberg, Samuel 137 Rothenberg, Walter siehe Roberts, Walter Rott, Hans 84f. Rust, Bernhard 151 Said, Edward 141, 142, 368f. Saint Sauveur, Anne 157 Salvatori, Albert 292 Savoyen-Carignan, Eugen von F. 93 Schafranek, Hans 20 Scheiderbauer, Armin 178 Scherl, Katja 129, 190, 192, 197, 332 Schetsche, Michael 270 Schick, Walter 75 Schiske, Karl 362 Schlemmer, Oskar 112, 116 Schmale, Wolfgang 30, 118, 129 Schmid, Hubert 309 Schmitz, Ulrich 117, 126, 130, 189 Schneditz, Oliver 15, 155, 156, 157, 159f., 166, 169, 202 Schneditz, Oliver von siehe Schneditz, Oliver Schneider, D. 51 Schneider, Thomas F. 214 Schoen, Franz siehe Schön, Franz Schön, Franz 256f., 322 Schoenberner, Franz 362 Schöne, Albrecht 260 Schuh, Franz 79, 80 Schumann, Robert 213 Schuschnigg, Kurt 84 Scrivener, S. 233, 238 Sebba, Gregor 56 Seidler, Francis 289 Seidler, Franz von siehe Seidler, Francis Selg, Herbert 175, 192f. Seufert, Michael 273 Shahn, Ben 113f., 116f., 119 Shelton, Peter 197, 309 Sherwood, Robert E. 34, 36, 38

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Personenregister

Shils, Edward A. 194, 195, 261, 308, 314, 315, 323, 334 Shore, Dinah 78, 224, 227 Short, K.R.M. 291 Shulman, Holly C. 33, 46, 47, 55, 74f. Silverman, S. 106 Simon, Joseph T. 275 Slama, Victor T. 97, 134 Smith, Walter Bedell 265 Smith, Rae 225 Soley, Lawrence C. 170, 213, 217, 218, 224f., 229, 232, 234, 262 Söllner, Alfons 145f., 150 Sommerbauer, Jutta 195 Soyfer, Jura 232, 260f. Spalek, John M. 86, 217 Spaulding, E. Wilder 214 Spitaler, Georg 83 Sprengel, Peter 50f., 68, 70 Stalin, Josef 147, 179 Stegu, Martin 188 Stein, Hans G. siehe Stewart John G. Steinbach, Peter 20 Steiner, Arthur 55, 56, 76–80, 365, 370 Steiner, Ines 71 Stekl, Hannes 68 Stelzl-Marx, Barbara 66, 271 Stern, Ernest 335 Stern, Guy 273f., 276, 284, 340 Stewart, John G. 277 Stöckl, Hartmut 122, 123, 128, 176, 177, 188f., 191, 249 Storjohann, Uwe 230 Strigl, Daniela 232 Strong, George V. 266 Strutz, Andrea 71 Sunsay, Ceyhun 186 Szajkowski, Zosa 156 Tálos, Emmerich 49 Tappert, Hans 170, 207–211 Taylor, Deems 199 Taylor, E. 64 Taylor, T. 276 Teller, Oscar 77, 216, 225, 248 Tennenbaum, Jacob I. 194, 196, 221, 238, 254, 257, 268–270, 274–277, 283–285, 289–294,

298f., 301–310, 312–315, 317–319, 321–323, 325f., 327, 328–341, 350, 367f. Theumann, Rudolf 99 Thumser, Regina 215–217, 242 Tito, Josip B. 92f. Toombs, Alfred 282, 291, 302, 350 Töteberg, Michael 172, 279 Trask, David F. 271 Traussnig, Florian 20, 32, 43, 75, 86, 89, 141, 145–147, 153, 155f., 163f., 203, 214, 254, 257 Traussnig, Katja 9 Traußnig, Annelies 9 Traußnig, Karl 9 Treibel, Annette 188, 311 Trenk-Trebitsch, Willy 233f. Troller, Georg Stefan 133, 308f. Tuchel, Johannes 20 Tryon, R. 238 Uhl, Heidemarie 71, 357 Ulrich, Rudolf 22, 215, 233f. Ulsamer, Edgar 254 Unger, Frank 77, 80 Urbanek, Gerhard 76f., 80 Veigl, Hans 70, 72 Viertel, Berthold Viertel, Peter 39–43, 45f. Voltmer, Ulrike 213, 258 Wächter, Hans-Cristof 216 Wagner-Trenkwitz, Christoph 275 Wagnleitner, Reinhold 88, 222, 228 Waldorf, Wilella 216, 260 Walker, Paul K. 136 Walther von der Vogelweide 273 Wand, Ralph 89 Warburg, James 36, 41, 48, 90 Ward, Barbara McLean 106, 114, 120, 131f. Warner, Eugene 151, 170, 173, 360, 361f. Warren, Harry 246 Weill, Kurt 233 Weinberg, Gerhard L. 24 Weinberg, Sydney 115 Weintraub, Franz siehe West, Franz Weiss, Rudi 52 Weizmann, Chaim 81, 95

Welch, David 27, 130, 298, 299 Welzer, Harald 153, 154, 175f., 182, 185, 194, 295, 320, 321, 325 Wenninger, Florian 357 Wenzel, Harald 227 Werner, Bert L. 310 West, Franz 98 Weys, Rudolf 232 Wilde, E. 276 Wilde, Oscar 96 Wiley, John, C. 48, 90 Wilke, Jürgen 154 Willenz, Max 22f., 235 Williamson, D. 226, 234, 237 Wilson, T. 89 Wilson, Woodrow 34, 264 Winckler, Lutz 363 Winkler, Allan 33, 35–37, 45–47 Winter, Bud 196f.

Personenregister 

Winter, Ernst K. 84 Winter, Rainer 184 Wirth, Maria 357 Witkowski, Terrence H. 121, 127, 132 Wodak, Ruth 21, 26, 66, 69, 73, 164 Woodring, K. 362 Yu, Maochun 145 Zacharias, Ellis M. 61, 301 Zagovec, Rafael A. 271, 273, 274, 277, 289f., 296, 311, 313, 317, 319, 323, 338 Zeman, Zbynek 104, 130 Zernik, Clementine siehe Bern, Clementine Zimmermann, Clemens 195, 199, 218, 229f. 256, 329 Zur Mühlen, Patrik von 363 Zuschneid, Hugo 174 Zweig, Stefan 22

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FLORIAN TRAUSSNIG

MILITÄRISCHER WIDERSTAND VON AUSSEN ÖSTERREICHER IN US-ARMEE UND KRIEGSGEHEIMDIENST IM ZWEITEN WELTKRIEG

Während des Zweiten Weltkriegs dienten tausende Österreicher – meist Geflohene vor dem Nationalsozialismus – im Kriegsapparat der USA. Neben der US-Armee hatten vor allem die Geheimdienste, wie das subversiv agierende »Office of Strategic Services«, österreichische Exilanten in ihren Reihen. Öster reicher kämpften in amerikanischen Divisionen und nahmen als Wehrmachtsdeserteure an riskanten Geheimdiensteinsätzen teil. Der Widerstandskampf im Exil wurde unter dem Dach der amerikanischen »Anlehnungsmacht« und oft mit hohem persönlichem Risiko geführt. Florian Traussnig liefert eine Zusammenschau des Forschungsstands und wirft biographische Schlaglichter auf die Beiträge, die die Vertreter des »anderen Österreich« im Kampf gegen Hitler-Deutschland und bei der Befreiung ihres ehemaligen Heimatlandes geleistet haben. 2016. 360 S. 42 S/W-ABB. FRANZ. BR. 155 X 235 MM. | ISBN 978-3-205-20086-4

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