123 34 2MB
German Pages 336 [448] Year 2012
PETER M. SEIDEL
Michael Helding Michael Helding (1506–1561)
(1506-1561) Ein Bischof im Dienst von Kirche und Reich
Seidel •
Die erstaunliche Karriere des schwäbischen Müllersohns Michael Helding, der es vom Schullehrer zum Mainzer Weihbischof brachte und als einziger deutscher Bischof der Eröffnung des Trienter Konzils beiwohnte, wird in diesem Buch geschildert. Im konfessionellen Konflikt um das Interim Karls V. federführend, wurde er mit dem geistlichen Fürstentum Merseburg belohnt und dessen letzter katholischer Oberhirte. Als Verfasser gefragter Predigtwerke von den Flacianern heftig befehdet, wurde er in den Widrigkeiten des Fürstenaufstands 1552 von lutherischen Soldaten mehrere Monate gefangengehalten und erst auf Intervention des sächsischen Kurfürsten Moritz freigelassen. Nach dem Religionsgespräch in Worms berief ihn Ferdinand I. 1558 an die Spitze des kaiserlichen Kammergerichts und 1561 zum Präsidenten des Reichshofrats. Helding vertrat zeitlebens als Verfechter des alten Glaubens die Notwendigkeit einer inneren Kirchenreform. Die ihm bisher zumeist ungeprüft zugeschriebene Charakterisierung als Vermittlungstheologe muss heute zur Diskussion gestellt werden.
RST 157
ISBN 978-3-402-11581-7
rst
REFORMATIONSGESCHICHTLICHE STUDIEN UND TEXTE BAND 157
I Peter M. Seidel
Michael Helding (1506–1561)
II
Zum Autor: Peter M. Seidel, Dr. iur. et Mag. theol., Jg. 1940. Nach beruflicher Laufbahn in Leitungsfunktionen der Industrie Studium der katholischen Fachtheologie mit dem Interessenschwerpunkt Kirchengeschichte der Frühen Neuzeit.
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Peter M. Seidel
MICHAEL HELDING (1506–1561) Ein Bischof im Dienst von Kirche und Reich
IV REFORMATIONSGESCHICHTLICHE STUDIEN UND TEXTE In Verbindung mit Karl-Heinz Braun, Josef Pilvousek, Manfred Rudersdorf, Anton Schindling und Dieter J. Weiß herausgegeben von Peter Walter BAND 157
Umschlag-Abbildung: Fresko mit Abbildung Michael Heldings im Merseburger Dom. Foto d. Verfassers
© 2012 Aschendorff Verlag GmbH & Co. KG, Münster Das Werk ist urheberrechtlich geschützt. Die dadurch begründeten Rechte, insbesondere die der Übersetzung, des Nachdrucks, der Entnahme von Abbildungen, der Funksendung, der Wiedergabe auf fotomechanischem oder ähnlichem Wege und der Speicherung in Datenverarbeitungsanlagen bleiben, auch bei nur auszugsweiser Verwertung, vorbehalten. Die Vergütungsansprüche des § 54 Abs. 2 UrhG werden durch die Verwertungsgesellschaft Wort wahrgenommen. Gesamtherstellung: Aschendorff Druckzentrum GmbH & Co. KG, Münster, 2012 Gedruckt auf säurefreiem, alterungsbeständigem Papier ∞ ISSN 0171-3469 ISBN 978-3-402-11581-7
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Steh auf, geh hin und predige! (Jona 1,2)
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VII
Vorwort Der vorliegenden Schrift liegt eine Dissertation zugrunde, die an der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg im Breisgau im Wintersemester 2010/2011 approbiert wurde. Nach dem am Ende meiner beruflichen Laufbahn an der Katholisch-Theologischen Privatuniversität Linz begonnenen und 2006 abgeschlossenen Magisterstudium der katholischen Theologie regte Prof. Dr. Karl-Heinz Braun im Zuge seines Wechsels auf den Freiburger Lehrstuhl für Mittlere und Neuere Kirchengeschichte an, die bis dahin von der Forschung nur am Rand behandelte Person des aus dem oberschwäbischen Langenenslingen (damals Grafschaft Hohenzollern) gebürtigen späteren Merseburger Bischofs Michael HELDING zum Gegenstand einer umfassenderen Untersuchung zu machen und ihn im ganzen Spektrum seiner Persönlichkeit im Kontext katholischer Reformbestrebungen als Theologen, kirchlichen und juristischen Amtswalter zu erfassen. Die örtliche Nähe zu den Quellen des römisch-deutschen Reiches in Wien, wo Bischof Michael HELDING als Präsident des Reichshofrats verstarb, bot Anlass und Gelegenheit, mir als Linzer Absolventen dieses Freiburger Forschungsdesiderat anzuvertrauen. Prof. Braun begleitete den Werdegang der Arbeit und erstellte das Erstgutachten, während ich ebenso auf wertvolle Hinweise des Zweitgutachters Prof. Dr. Peter Walter, Arbeitsbereich Dogmatik des Instituts für Systematische Theologie der Universität Freiburg, zählen konnte. Hilfreiche Unterstützung wurde mir durch die in Anspruch genommenen Archive und Bibliotheken zuteil, wobei an vorderer Stelle das Haus-, Hof-, und Staatsarchiv Wien als hauptsächliche Quelle des staats- und kirchenpolitischen Werdegangs HELDINGS zu nennen ist. Dem emeritierten Leiter Hon. Prof. Dr. Leopold Auer verdanke ich wegweisende Ratschläge. Eine große und unermüdliche Hilfe in der Bereitstellung von Archivstücken bot mir das Domstiftsarchiv Merseburg in Person von Mag. Markus Cottin, dem ich an dieser Stelle Dank zu sagen habe. Dank habe ich auch dem Niedersächsischen Landesarchiv (Hauptstaatsarchiv Hannover), dem Sächsischen Staatsarchiv (Hauptstaatsarchiv Dresden), dem Landeshauptarchiv Sachsen-Anhalt (Abt. Magdeburg), dem Bayrischen Staatsarchiv Würzburg, dem
VIII
Vorwort
Landesarchiv Speyer, der Württembergischen Landesbibliothek Stuttgart, der Niedersächsischen Staats- und Universitätsbibliothek Göttingen sowie der Universitätsbibliothek Tübingen für die prompte Erledigung von Auskünften und Kopierwünschen abzustatten. In die Werke HELDINGS konnte ich in der Österreichischen Nationalbibliothek, im Stift St. Florian bei Linz, in der Katholisch-Theologischen Privatuniversität Linz und der Universitätsbibliothek Freiburg i. Br. ausgiebig Einsicht nehmen. Den zuständigen Damen und Herren bin ich für ihre Unterstützung verbunden. Seiner Eminenz Prof. DDr. Karl Kardinal Lehmann und Herrn Weihbischof Prof. Dr. Paul Wehrle habe ich für großzügige Drucklegungszuschüsse seitens des Bistums Mainz bzw. der Erzdiözese Freiburg verbindlichsten Dank zu sagen. Linz, im April 2012 Peter M. Seidel
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Inhalt ERSTER TEIL Der Lebensweg Michael Heldings 1. Kapitel Grundlagen und Quellen der Arbeit 1. Zur Forschungslage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Zur Quellenlage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Schwerpunkte der vorliegenden Arbeit . . . . . . . . . . . . . . 4. Reform und Reformation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
3 10 12 13
2. Kapitel Zur Biographie 1. Von Tübingen nach Mainz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Wormser Religionsgespräch 1540/1541 . . . . . . . . . . . . . 3. Religionsgespräch Regensburg . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Helding in Trient 1545 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
17 27 35 41
3. Kapitel Reichspolitik 1. Kolloquium und Reichstag Regensburg 1546 . . . . . . . . . 1.1.Religionsgespräch 1546 – Ein fruchtloser Anlauf . . 1.2.Reichstag 1546: Tag des Misstrauens – Vorabend des Krieges . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Helding in Augsburg 1547/1548. . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
45 46 52 60
4. Kapitel Reform und Vergleichung 1. Die Genese des Textes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Interimkommission . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Die kaiserliche Deklaration – Das Interim . . . . . . . . . . . . 4. Die kaiserliche Formula reformationis . . . . . . . . . . . . . . . 5. Heldings Reichstagspredigten 1547/1548 . . . . . . . . . . . 6. Das Interim aus der Sicht der Stände . . . . . . . . . . . . . . . .
63 70 73 76 77 81
5. Kapitel Fürstbischof von Merseburg 1550-1561 1. Merseburg und das Reich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Versuch einer Rekatholisierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Die Besetzung im Spiegel der Regesten . . . . . . . . . . . . . . 4. Helding auf dem Reichstag 1550 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
85 87 89 92
X
Inhalt
5. Auf verlorenem Posten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
99
6. Kapitel Friedensbemühungen 1. Merseburg und der Augsburger Friede 1555 . . . . . . . . . . 2. Reichstag zu Regensburg 1556/1557 . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Helding auf dem Wormser Kolloquium 1557 . . . . . . . . .
105 109 94
7. Kapitel Kammerrichter Helding 1. Das Verfahren zur Bestellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Im Richteramt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. 1. Visitation und Revision des Kammergerichts . . . . . 2. 2. Visitationen in Heldings Amtszeit (1559, 1560, 1561) 2. 3. Heldings Wunsch nach Entlassung . . . . . . . . . . . . . . 3. Reichstag zu Augsburg 1559 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Wiederbelebung der Reformnotel von 1548 . . . . . . . . . . 5. Sächsische Beschwerde gegen den Kammerrichter . . . . 6. Heldings Ringen um gebührende Besoldung . . . . . . . . . 7. Resignation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
123 131 134 141 146 146 150 152 155 158
8. Kapitel Letzte Station Reichshofrat 1. Wien anstelle von Merseburg . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Der Reichshofrat nach der Ordnung 1559. . . . . . . . . . . . 3. Das Ende – Testament und Tod . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
163 166 174
ZWEITER TEIL Der Theologe in seinen Schriften 9. Kapitel Typologische Einordnung Übersicht der Schriftzeugnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10. Kapitel Helding als Reformer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Reformbemühungen im Reich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Regensburger Reformstatuten 1524 . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Die Mainzer Reformkonstitutionen 1541-1543 . . . . . . . . 4. Formula reformationis 1548 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Mainzer Provinzialkonstitutionen 1549 . . . . . . . . . . . . . . 5.1. Capitula ad fidem pertinentia. . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.2. Kontroversartikel im Kontext der Mainzer Statuten 1549 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.3. Capitula ad mores pertinentia . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6. Heldings Reformdokument Liber Merseburgensis . . . .
185 193 193 198 199 202 205 210 211 219 225
Inhalt
XI
6.1. Ordination und Einsetzung der Kirchendiener (ministri) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6.2. Kirchliche Ämter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6.3. Lebensweise und Ehrbarkeit von Klerikern . . . . . . . 6.4. Materielle Versorgung der Kleriker . . . . . . . . . . . . . . 6.5. Kirchenzehent und -vermögen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6.6. Errichtung von General- und Partikularschulen . . . 6.7. Verhalten der Laien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6.8. Buchdrucker und Buchhändler . . . . . . . . . . . . . . . . . 6.9. Visitationen und Kirchenversammlungen . . . . . . . . 7. Heldings Institutionenkritik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
227 229 232 234 236 236 238 241 242 243
11. Kapitel Prediger und Katechet 1. Katechetisches Schrifttum des 16. Jahrhunderts . . . . . . 2. Helding als Katechismusprediger . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2. Inhalt des Symbolum nach Helding . . . . . . . . . . . . . 2.3. Auslegung des Herrengebets. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.4. Gesetz und Freiheit – Dekalog . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.5. Die Sakramentenlehre . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
245 248 257 275 281 303
12. Kapitel Kontroversist und Kolloquent 1. Defensio adversus Matthiam Flacium Illyricum . . . . . . . 2. Sprecher beim Wormser Kolloquium 1557 . . . . . . . . . . .
341 347
13. Kapitel Zusammenschau 1. Die Verbindung von Wort und Schrift . . . . . . . . . . . . . . . 2. Theologische Anliegen Heldings . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Sein Menschen- und Gesellschaftsbild . . . . . . . . . . . . . . . 4. Kirchenpolitiker im zerrissenen Reich . . . . . . . . . . . . . . . 5. Im Urteil der Nachwelt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
351 353 356 359 364
Anhang 1 Heldings letzter Wille . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anhang 2 Entstehung des Interim (Graphik) . . . . . . . . . . . . .
367 376
Quellen und Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Ungedruckte Quellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Gedruckte Quellen und Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. 2. Biographische bzw. kontextuelle Schriften des 16. Jahrhunderts . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. 3. Allgemeine Literatur (inkl. Artikel in Periodika und Sammelwerken) . . .
379 379 379 388 392
XII Biographische Kurzportraits . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
410
Personenregister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Faszikelverzeichnis 1. Österr. Staatsarchiv Wien Abt. HHStA Reichskanzlei (RK): RK-Reichsregisterbücher Ferdinand I. 6, 11, 19, 21, 22, 24 RK-Reichstagsakten 7, 8, 13, 19, 21, 23, 24, 28, 29b, 31, 33, 36, 37, 38, 42, 43 RK-Reichsakten in genere 9, 10, 11, 12, 13c, 13 m, 13n, 14, 15, 16, 25, 33a, 36, 37, 38, 39, 42, 44 RK-Religionsakten 17, 18, 19, 20, 21, 22, 23, 24, 25, 26, 27, 28, 29 RK-Geistliche Wahlakten 24a, 26a RK-Reichsakten in specie 9 RK-Kleine Reichsstände 355-1 (Merseburg), 376-1 (Naumburg) RK-Kriegsakten 8, 9, 10, 11, 12, 13 RK-RKG-Visitationsakten 320, 321a, 321b, 379a RK-Geistliche Wahlakten 26a Merseburg Reichshofrat (RHR): Resolutionsprotokolle XVI/2a, 2b, 3a, 4, 5, 6, 7, 8, 9, 10, 13, 15, 17, 18, 19, 20a, 20b Confirmationes privilegiorum 131 Reichslehensakten dt. Exp. 174, 180 RHR Judicialia APA 112, 113/11 (M 1) Judicialia misc. 52, 53, 55 Impressorien 4, 5 Staatenabteilung: Moguntina 1, Saxonica 4, 5 Länderabteilung: Österr. Akten, Niederösterreich 4 Handschriften: weiß 328; blau: 595/1, 597/1, 2 Mainzer Erzkanzlerarchiv (MEA): MEA-Reichstagsakten 12, 13-3, 14-1, 17, 18, 19, 20, 21-3 u. 10, 23-3, 24, 25, 26, 27, 30, 32, 43, 44a, 46 MEA-Religionssachen 2, 5a, 5b MEA-RKG 4, 6, 7, 9, 13, 14a, 15
XIV
Faszikelverzeichnis
Abt. Hofkammer- und Finanzarchiv: Hofzahlamtsbücher 14, 15, 16, 17 Hoffinanzprotokolle 1560, 1561 Gedenkbücher 83 Abt. Allgemeines Verwaltungsarchiv: Alter Kultus 113-1
2. Bayerisches Staatsarchiv Würzburg Erzstift Mainz Urkunden Geistlicher Schrank: L 18/2 Pflugs Einleitungsrede zur Bearbeitung der Reformnotel 1559 L 19/3/8 Interim Märzformel 1548 L 19/3/9 Formula Reformationis 1548 L 19/4 Nr. 3 Leipziger Religionsgespräch 1539: HELDINGS lat. Ü. (ARCEG 6 [Nr. 1]) L 19/4 Interim Dezemberformel (ARCEG 6 [Nr. 17]): Brevis et succincta reformatio L 20/3 Mainzer Reformkonstitutionen 1541-1543 (ARCEG 4 [Nr. 24]) L 20/17 HELDINGS Formula Reformationis 1558 (Liber Merseburgensis) Mainzer Domkapitelprotokolle 8 (1544-1548) und 9 (1548-1550) Ingrossaturbuch 56, 64
3. Vereinigte Domstifter zu Merseburg und Naumburg und des Kollegiatstifts Zeitz Domstiftsbibliothek und Domstiftsarchiv Merseburg: C I, 186 C II, Nr.1, 3, 4, 14, 70, 71, 72, 855, 857, 860, 862 C III, Lit. E III, Nr. 2 C III, Lit. V III, Nr. 45, 542r-545r Urkundenrepertorium Rademacher 142-180 Regestensammlung Rademacher 79-90, 181-187 Stiftsbibliothek und Stiftsarchiv Zeitz: Sammlung Pflug, ct. pg. 70 n. Z-212 bis Z-221 (Pollet, Correspondance Nr. 159, 292, 403, 484, 517, 571, 580, 638, 642, 707)
5. Landeshauptarchiv Sachsen-Anhalt Abt. Magdeburg: Findbuch U 13 I. Nr. 54-59b; II. 3, Nr. 10-24;
Faszikelverzeichnis
XV
III. Städte 3, Schafstädt Nr. 1; IV. Ortschaften, Werderthau Nr. 1 Standort Wernigerode: Sign. A 30a i, Nr. 12-16, 177, 178
6. Sächsisches Staatsarchiv Hauptstaatsarchiv Dresden Bestand 10024, 10036A, 10118
7. Niedersächsisches Landesarchiv Hauptstaatsarchiv Hannover Hs Hildesheim Br. 1, Nr. 85
8. Landesarchiv Speyer Reichskammergerichtsprozesse 2061 u. 2097 (Nachlass Helding)
9. Niedersächsische Staats- und Universitätsbibliothek Göttingen Cod. theol. 176 I, 128r-132r (Ärztliches Gutachten zu HELDING vom 2. 1. 1552)
10. Universitätsbibliothek Tübingen Lateinische Handschriften Mc 214, Mc 282-3
11. Württembergische Landesbibliothek Stuttgart Cod. hist. 2° 889-41, 82rv.
XVI
Abkürzungsverzeichnis
Abkürzungsverzeichnis (sonst nach ³LThK 11 (2001) 692-746)
-A ADL AÖG ARCEG
-Akten Allerdurchlauchtig[i]ste[r] Archiv für österreichische Geschichte (Wien 1835 ff.) Acta reformationis catholicae ecclesiam Germaniae concernentia saeculi XVI, hg von G. Pfeilschifter (Regensburg (19591974) AVA Abt. Allgemeines Verwaltungsarchiv des Öterreichischen Staatsarchivs Bearb Bearbeiter Bf Bischof BWDG Biographisches Wörterbuch zur deutschen Geschichte (München ³1973-1975) CA Confessio Augustana Cat HELDING, Catechismus, das ist christliche Underweisung (Mainz 1551) CPG Corpus Christianorum Clavis Patrum Graecorum (Turnhout 1974-2003) CPL Corpus Christianorum Clavis patrum Latinorum (Turnhout 3 1995) CT Concilium Tridentinum (Freiburg 1901-2001) DStA Domstiftsarchiv DA Dein Andacht DBETh Deutsche Biographische Enzyklopädie der Theologie und der Kirchen (München 2005) DH Denzinger-Hünermann, Enchiridion symbolorum, definitionum et declarationum de rebus fidei et morum (Freiburg 412007) DL Dein Lieb DRTA Deutsche Reichstagsakten DRTA.JR Deutsche Reichstagsakten. Jüngere Reihe EA Erste Auflage Ebf Erzbischof EG Euer Gnaden ERKM Euer Römisch-Kaiserliche Majestät Erster HELDING, Die erste Epistel des hl. Apostels und Evangelisten Johannesbrief Johannes, katholisch ausgelegt und gepredigt zu Augsburg 1547/48 (Mainz 1566) erw erwählt
Abkürzungsverzeichnis Frede
XVII
Hermann Josef Frede, Kirchenschriftsteller. Verzeichnis und Sigel(Freiburg 41995) GM Großmächtigste(r) {H39} Hildesheimer Diözesanstatuten 1539 HDG Handbuch der Dogmengeschichte (Freiburg 1951 ff.) HDRG Handwörterbuch zur deutschen Rechtsgeschichte (Berlin 1971-1998) HGANT Handbuch theologischer Grundbegriffe zum Alten und Neuen Testament (Darmstadt 2006) Hg, hg Herausgeber, herausgegeben HHStA Abteilung Haus- Hof- und Staatsarchiv des Österreichischen Staatsarchivs. Hs, hs Handschrift, handschriftlich Institutio HELDING, Institutio ad pietatem christianam als Teil von {M49} K Konzept (Briefentwurf) {K36}, {K49} Kölner Provinzialstatuten 1536, 1549 Kard Kardinal KLK Katholisches Leben und Kirchenreform im Zeitalter der Glaubensspaltung (Münster 1927 ff.) KriegsA HHStA-Kriegsakten Kg, kgl König, königlich Ks, ksl Kaiser, kaiserlich Lit Literatur bzw. Literaturverzeichnis LRZ Lexikon der Reformationszeit (Freiburg 2002) (³LThK kompakt) LthW Lexikon der theologischen Werke (Stuttgart 2003) {M43} Mainzer Reformkonstitutionen 1543 (nicht eingeführt) {M49} Constitutiones Concilii Provincialis Moguntini 1549 (Mainz 1549) MEA HHStA-Mainzer Erzkanzleiarchiv Mel WW Philipp Melanchthons Werke (Halle 1834-1860) (CR 1-28) Mgf Markgraf NBD Nuntiaturberichte aus Deutschland (Paderborn – München – Wien 1895-1919) ÖNB Österreichische Nationalbibliothek ÖStA Österreichisches Staatsarchiv Or Original (vollständig HELDINGS eigene Hand) oO, oT, oJ, oD ohne Angabe von Ort, Tag, Jahr, Drucker PKMS Politische Korrespondenz des Herzogs und Kurfürsten Moritz von Sachsen (Berlin 1900-2006) Pr Predigt(en) Prov HELDING, Proverbia Salomonis (Mainz 1571) QFHG Quellen und Forschungen zur höchsten Gerichtsbarkeit (Köln – Wien – Weimar 1973 ff.) {R24} Regensburger Reformordnung 1524 RA ig HHStA-Reichsakten in genere
XVIII
Abkürzungsverzeichnis
RA isp HHStA-Reichsakten in specie RelA HHStA-RK-Religionsakten RelS MEA-Religionssachen RHR(O) Reichshofrat(s)ordnung RK HHStA-Reichskanzlei (14. – 19. Jh.) RKG(O) Reichskammergericht(s)ordnung) RK-RKG-VisitA Reichskammergerichtsvisitationsakten RST [Reihe] Reformationsgeschichtliche Studien und Texte RKM Römisch Kaiserliche / Königliche Majestät RTA Reichstagsakten SFG Seine Fürstliche Gnaden SL (sl) Sein Lieb StA Staatsarchiv StA-AVA Staatsarchiv Wien-Allgemeines Verwaltungsarchiv STh Thomas v. Aquin, Summa Theologica (Rom 1886-1887) (Leonina) Ü Übersetzung UÜW Unüberwindlichste(r) Urk Urkunde[n] Vf Verfasser ||
Zeilenumbruch im Buchtitel
1
ERSTER TEIL DER LEBENSWEG MICHAEL HELDINGS
Zur Forschungslage
3
1. Kapitel GRUNDLAGEN UND QUELLEN DER ARBEIT 1. ZUR FORSCHUNGSLAGE Die bislang ausführlichste Lebensbeschreibung Michael HELDINGS stammt aus dem Jahr 1894 und hat Nikolaus Paulus, den rührigen Herausgeber der Zeitschrift Der Katholik, zum Verfasser. Dieser lieferte unter Rückgriff auf ältere Veröffentlichungen zur Reichs-, Bistumsund Lokalgeschichte von Mainz, Merseburg, Württemberg, Hessen und Sachsen zahlreiche Quellennachweise zur Person des letzten katholischen Fürstbischofs des Hochstifts Merseburg, die auch heute nicht wesentlich ergänzt werden müssen.1 Auf Paulus stützte sich auch Gustav Kawerau2 in seinem Artikel im siebenten Band der Realencyklopädie (1899), brachte aber auch selbst einige Belege bei. Älteste gedruckte Zeugnisse zur Person sind bei Wilhelm Eisengrein (1565),3 Joachim Camerarius (1566),4 Heinrich Pantaleon (1568)5 und Cornelius Loos (1581)6 zu finden, wenn man von den zeitgenössischen konfessionell-literarischen Widersachern Johann Wigand (1550) und Matthias Flacius (1549, 1550, 1553) absieht.7 Unter die docti Moguntiae homines seiner Zeit reiht ihn 1604 der Mainzer Jesuit und Professor Nicolaus Serarius im ersten seiner fünf Bücher Moguntiacarum rerum.8 Während HELDING im katholischen Umfeld am Ende des 16. Jahrhunderts in Vergessenheit geriet, ist er in den Reformationsge1 2 3 4 5 6 7
8
Paulus, Art. Michael Helding. Ein Prediger und Bischof des 16. Jahrhunderts: Der Katholik 74/2 (1894) 410-430, 481-502. Kawerau, Art. Helding, Michael: RE 7 (1899) 610-613. Eisengrein, Catalogus testium veritatis (Dillingen 1565) 205. Camerarius, De Philippi Melanchthonis ortu, totius vitae curriculo et morte narratio (Leipzig 1696, EA 1566) 224. Pantaleon, Art. Michael Sidonius, Bischoff zu Merseburg: Teutscher Nation Heldenbuch 3. Teil (Basel 1570) 345, unter Berufung auf Johannes Sleidanus. Loos (Callidius), Art. M. HELDING: Illustrium Germaniae Scriptorum Catalogus (Mainz 1581) 186-190. Nicht unter den Anmerkungen erläuterte Personennamen finden sich als Kurzportraits im Anhang. In Joannis, Rerum Moguntiacarum Tomus 1, Pars 1 (Frankfurt 1722) 128-129.
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Grundlagen und Quellen der Arbeit
schichten jüngerer protestantischer Historiker als Exponent eines Rückfalls in eine überwunden geglaubte Epoche papistischer Zwänge, wenn auch überzeichnet, in Erinnerung geblieben; denn zu der ihm zugeschriebenen Entfaltung von Macht war der fürstliche Bischof HELDING nicht in der Lage gewesen. In einer reformationshistorischen Darstellung des Hochstifts Merseburg gibt der Historiker Georg Möbius (1688) Nachricht vom päpstischen Bischof HELDING , der sich vergeblich bemühte, einige katholische Elemente einzuführen.9 Die kritische Schau eines Möbius oder des Pfarrers Albert Fraustadt (1843) sollte vermutlich auch die durch Kurfürst August von Sachsen 1565 vorgenommene Sequestrierung des ganzen Hochstifts Merseburg, das ab 1654 einer der sächsischen Seitenlinien anheimfiel, übertünchen.10 In der ADB hat der evangelische Kirchenhistoriker Paul Tschakkert die Nahebeziehung HELDINGS zum kaiserlichen Hof hervorgehoben, ihn en passant auch der Oberflächlichkeit beim Nachweis der Messtradition geziehen.11 Dadurch habe sich Matthias Flacius herausgefordert gesehen, seinerseits der Ursprungsfrage der Messe auf den Grund zu gehen. Auch dass sich Flacius und Wigand in weiteren Pamphleten mit HELDING beschäftigten, bewahrte diesen ebensowenig vor dem Vergessen wie seine Nähe zur historischen Antiquität des Interim, diesem kaiserlichen Versatzstück einer Religionspolitik, die gegen Rom und die deutschen Fürsten eine Einheitskonfession, wenn auch nur auf Zeit, durchsetzen wollte, im Effekt aber den Konfessionalismus der Spaltung noch mehr verfestigte. In Zedlers Universallexikon 1763 wird HELDING (Michael Sidonius) in einer kurzen Darstellung als Concionator und Mitverfasser des Interim festgehalten. Der junge Ludwig Pastor,12 Schüler des katholischen Historikers Johannes Janssen, erwähnt in der Geschichte Pauls III. unter den frühen Jesuiten in Deutschland den Begleiter des spanischen Gesandten Ortiz am Wormser Religionsgespräch 1540, den spirituell besonders begabten ersten Gefährten des Ignatius von Loyola, Petrus
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Neue Merseburgische Chronika 1668 von Georg Möbius, als Nachdruck hg vom Verein für Heimatkunde in Merseburg (Merseburg 1914) 239-243. Fraustadt, Die Einführung der Reformation im Hochstift Merseburg, größtenteils nach handschriftlichen Quellen dargestellt (Leipzig 1843) 208-264. Tschackert, Art. HELDING, Michael: ADB 34 (1892) 164-167: König Ferdinand und nicht der Kaiser ernannte HELDING im März 1557 zum Rat, wohl mit Wissen von Karl V., der ihn als Ratgeber bereits zum Reichstag 1546 und später herangezogen hatte. Pastor, Geschichte Papst Pauls III. (Freiburg 91925) 442.
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Faber.13 Diesen, so schreibt Pastor, wählten zwei der besten Bischöfe des damaligen Deutschland zum Exerzitienmeister: es waren der milde, hochsinnige Julius Pflug, Bischof von Naumburg, und der gelehrte und beredte Michael HELDING , damals Weihbischof in Mainz, später Bischof von Merseburg. Leider bleibt uns Pastor seine Beurteilungsgrundlagen schuldig. In seiner Studie zu den Reunionsversuchen des 16. Jahrhunderts14 nimmt sich Pastor der Person HELDINGS näher an und teilt ihn innerhalb der konfessionellen Auseinandersetzung der Partei der Mitte zu. Damit sind Personen benannt, die der bestehenden Kirche die Fähigkeit und den Willen zur Selbstreform zubilligten und durch Schritte der Annäherung sogar die Rückkehr der gemäßigten Lutheranhänger erhofften. In diesen Zeitrahmen zum Ende des 19. Jahrhunderts (1888) fällt die Dresdner Dissertation von Georg Beutel über den Ursprung des Interim,15 in der der Autor die Rolle HELDINGS bei der Entstehung des Interim untersucht, seinen Beitrag allerdings zugunsten von Julius Pflug und Johann Gropper herabstuft. Josef Hundhausen hebt 1893 in Wetzer – Weltes Kirchenlexikon den Bekanntheitsgrad HELDINGS unter Protestanten auf Grund der Beteiligung am Interim und seiner Merseburger Kandidatur hervor.16 In Friedrich Hurters SJ Nomenclator 1906 ist der Wissensstand von Paulus und Kawerau zusammengefasst, aber nicht erweitert.17 Dies gilt auch für einen lexikalischen Artikel zu HELDING von Adolf Herte aus 1932.18 Herte vermisste Biographen über die hervorragendsten katholischen Schriftsteller des 16. Jahrhunderts.19 Mit einer Fortschreibung des Status um 1900 begnügen sich auch die kirchenhistorischen Werke der Folgezeit. Die durch Jahrzehnte mehrfach aufgelegten Lehrbücher der Kirchengeschichte von Jacob Marx20 und Karl Bihlmeyer – 13 14 15
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Petrus Faber SJ (1506-1546) hielt sich 1540-1542 in Worms, Regensburg und Mainz auf. Pastor, Die kirchlichen Reunionsbestrebungen während der Regierung Karls V. (Freiburg 1879) 345-417. Beutel, Über den Ursprung des Interims (Dresden 1888). Von der Wortbildung her muss der Genetiv ebenfalls Interim lauten. Nur in Originalzitaten folge ich der Vorlage Interims. Hundhausen, Art. Michael, mit dem Beinamen Sidonius: Wetzer – Welte 8 (1893) 1493-1498. Zu korrigieren ist die Bemerkung, HELDING habe seit 1558 abwechselnd in Speyer und Wien gewohnt. Sieht man von der dezidierten Angabe defunctaque uxore ordinatus sacerdos ab (Hurter, Nomenclator literarius 2 (1906), 1416-1419), die sonst allgemein nur als Vermutung geäußert wird. ²LThK 4 (1932) 942: Herte hebt die Augsburger Reichstagspredigten als aufsehenerregend besonders hervor. Herte, Von der neuesten reformationsgeschichtlichen Forschung: ThGl 24 (1932) 234-241, 352-363 (hier 358). Marx, Lehrbuch der Kirchengeschichte (Trier 101935).
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Hermann Tüchle21 hielten an HELDING als einem der altgläubigen Mitverfasser des Interim (neben Pflug) undifferenziert fest. Ebenso knapp fiel die Erwähnung im katholischen Standardwerk zur Reformation von Joseph Lortz aus.22 Davon leitete sich auch die Einordnung als Vermittlungstheologe ab. So blieb es den jüngeren Arbeiten vorbehalten, das Bild über HELDING insbesondere im Rückgriff auf seine schriftliche Hinterlassenschaft weiter aufzuhellen. Wie sieht die jüngere Forschung das Bild HELDINGS ? An erster Stelle ist das 1960 erschienene häufig zitierte Buch des nachmaligen Münchener Pastoraltheologen Erich Feifel zu nennen, der sich mit HELDINGS Schriften auseinandersetzte, wobei hauptsächlich der kerygmatische Teilaspekt des Gottesdienstes im Zentrum der Untersuchung von HELDINGS Werk und Wirken stand. Für Feifel stellte sich HELDING in erster Linie als Verkündigungstheologe dar. Der bis dahin vorherrschende (barocke) Eindruck des wegen seiner Vortragsweise gerühmten redegewandten Volkspredigers (Concionators) tritt hinter eine nicht minder bemerkenswerte, jedoch mehr durch den Inhalt als durch rhetorische Mittel die Menschen seiner Epoche ansprechende Priestergestalt zurück. Anton Ph. Brück urteilt überaus enthusiastisch in der NDB: Mit seinem Freunde Julius Pflug war HELDING der hervorragendste Vertreter der Mainzer Vermittlungspartei in der religiösen Auseinandersetzung des 16. Jhts., in die er auch durch seine Schriften immer wieder eingriff.23 In zeitlicher Nähe zueinander entstanden eine Mainzer Arbeit zur Anthropologie HELDINGS von Rudolf J. Siebert24 und die Tübinger Habilitation zum Interim von Horst Rabe, der HELDING in die Reihe der irenischen Vertreter erasmischer Versöhnungsbestrebungen stellte.25 Größere Aufmerksamkeit erlangte die Person HELDINGS durch die Regensburger Quellenedition von Georg Pfeilschifter über die Entstehungsstufen des Interim,26 die der Ursprungsfrage und den Verfassern im Einzelnen nachspürte. Darin wird der Hauptanteil am Modell des Interim 1548 zwar Julius Pflug zugeschrieben, HELDING aber 21 22 23 24
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Bihlmeyer–Tüchle, Kirchengeschichte 3. Die Neuzeit und neueste Zeit (Paderborn 14 1956). Lortz, Die Reformation in Deutschland (Freiburg i. Br. 1940) 2, 271. Brück, Art. HELDING: NDB 8 (1969) 466-467). Lt. Verfasser (www.rudolfjsiebert.org/publications) in Sigmaringen, Hohenzollerische Jahreshefte 1965 erschienen (dort gemäß schriftl. Auskunft des Hohenzollerischen Geschichtsvereins vom 22. 2. 2010 nicht ermittelbar). Rabe, Reichsbund und Interim (Wien 1971) 107. ARCEG 5 (1973) und 6 (1974) passim.
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als wichtiger Beitragender und Endredaktor gewürdigt. Pfeilschifter ging 1973 auch der Wiederauflage der Reformnotel von 1548 im Jahr 1559 nach und thematisierte dabei vor allem HELDINGS Beitrag, den sogenannten Liber Merseburgensis.27 Im Jahr 1985 wurde HELDING in den zweiten Band der Schriftenreihe Katholische Theologen der Reformationszeit aufgenommen. Hier sind in die Darstellung von Heribert Smolinsky bereits zusätzliche Erkenntnisse von Pfeilschifter aus den Mainzer Beständen des Staatsarchivs Würzburg eingeflossen, die die Wiederbelebung der Formula reformationis von 1548 entsprechend den Bemühungen Kaiser Ferdinands I. zum Gegenstand haben. Diese Neuauflage der erweiterten Reformnotel im Jahr 1559 und die dafür geleistete Vorarbeit HELDINGS in seiner auch als Liber Merseburgensis bezeichneten Formula reformationis cleri et populi per provintias [!] Archiepiscopatuum Germaniae wird nur von Pfeilschifter und Smolinsky genauer angesprochen.28 Auf diesem Stand verharren in gegenseitiger Bezugnahme auch die lexikalischen Artikel von Erich Reiter (1986), Heribert Smolinsky (1995), Clemens Brodkorb (1995) und Bernd Christian Schneider (2000).29 Symposium 2001 zum Interim Den bis dahin letzten Erkenntnisstand zum Interim bot Mehlhausen in TRE.30 Die Ergebnisse eines Symposiums 2001 in Wittenberg fasste eine von Luise Schorn-Schütte betreute und 2005 erschienene Aufsatzsammlung zum Augsburger Interim 1548/50 aus europäischer Sicht zusammen. Darin nahm Horst Rabe nochmals zu Pfeilschifters Erkenntnissen der Verfasserschaft Stellung und bestätigte Julius Pflug und Michael HELDING als gemeinsame Autoren der Endfassung. Zu ähnlichen Schlussfolgerungen kam Eike Wolgast in seinem Beitrag zur kaiserlichen Formula reformationis von 1548.31 Rabe machte seine durch den verbesserten Quellenzugang gegenüber 1971 in Reichsbund 27 28
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Pfeilschifter, Die Revision der Notula reformationis Karls V. von 1548. Die Bezeichnung liber bei Leeb, DRTA, Reichsversammlungen 2 (Nr. 477) 1199. In den Sitzungsprotokollen der kath. Reformkommission 1559 wird HELDINGS Formula auch als liber a Domino Merseburgense congestus oder als Reformatio Merseburgensis bezeichnet (z. B. MEA 5b-2, 116). Reiter, Art. HELDING, Michael (Michael Sidonius): TRE 15 (1986) 15-16; Smolinsky, Art. HELDING, Michael: ³LThK 4 (1995) 1402; Brodkorb, Art. HELDING, Michael: Gatz (Hg), Die Bischöfe des Hl. Röm. Reichs 1448-1648 (1995) 277-280 (mit Bild); Schneider, Art. HELDING, Michael: 4RGG 3 (2000) 1605. Mehlhausen, Art. Interim: TRE 16 (1987) 230-237. Schorn-Schütte (Hg), Das Interim 1548/50, 342-365.
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und Interim geweitete Sichtweise auch in einem nach dem erwähnten Symposium in 2003 erschienenen ausführlichen Artikel bekannt, in dem er die religionspolitische Linie Karls V. als durchaus konsistent beschrieb.32 Er glaubt nicht, dass dem Kaiser eine Zwangskatholisierung der Besiegten des Schmalkaldischen Krieges vorschwebte, was vermutlich die Erwartung in Rom war, sondern dass er im Einvernehmen mit König Ferdinand zu einer Verhandlungslösung mit den protestantischen Ständen, wenn auch aus einer Position der Stärke, tendierte. In der mit der Konzeption einer den Ausgleich suchenden Textbasis befassten Arbeitsgruppe setzte sich indessen trotz der Mitwirkung von HELDING in Abwesenheit von Pflug zunächst die strenge Linie bei der Redaktion im Dezember 1547 durch. Rabe hält die beiden Spanier Pedro Malvenda (doctrina) und Pedro de Soto33 (mores) für die verantwortlichen Redakteure dieses ersten Textentwurfes (Dezemberformel). Bei diesem blieb es dann allerdings nicht, weil der Kaiser darin kein Angebot an die Protestanten erkennen konnte, weshalb er sich veranlasst sah, eine Ständekommission des Reichstages einzusetzen. Unabhängig von dieser Kommission arbeiteten Pflug, HELDING und der brandenburgische Protestant Johann Agricola an einer Entschärfung der Dezemberformel. Gegen den Kaiser stellten sich jedoch die geistlichen Fürsten und Bayern und verweigerten dem Teil Doktrin ihre Zustimmung. Dies zwang dazu, die Idee einer gemeinsamen Zwischenreligion zu verlassen und bewirkte die vom Kaiser nicht gewollte Trennung in Interim für die Protestanten und Reform der Kirchendisziplin (Formula reformationis) für den altgläubigen Teil. An der Überarbeitung des Interimentwurfes nach Einlangen verschiedener Stellungnahmen war HELDING beteiligt. Den Beweis konnte Pfeilschifter mit der Auffindung eines Würzburger Exemplars der Märzformel 1548 mit dem eigenhändigen Textzusatz HELDINGS führen. Auch die Formula reformationis34 erweist sich als Gruppenarbeit, wobei die Beteiligung des Karmeliterprovinzials Eberhard Billick und Pflugs sicher sein dürfte. Dass der vor Ort schon durch seine Reichstagspredigten nachweisbare HELDING ebenfalls 32
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Rabe, Reichsbund und Interim. Die Verfassungs- und Religionspolitik Karls V. und der Reichstag von Augsburg 1547/1548 (Köln – Wien 1971). Ders., Zur Entstehung des Augsburger Interims (1547/48): ARG 94 (2003) 6-104. Mehlhausen, Vestigia Verbi 69, nennt neben Pedro de Soto auch dessen Namensvetter Domingo de Soto. Das Würzburger Exemplar (Mainzer Urkunden, Geistl. Schr. 19/3/9) trägt den vom Druck verschiedenen Titel Formula ad quam Catholici ad futurum usque Concilium reformari et abusus ac scandala, quibus offenditur populus tolli possint et debeant, und betont bereits die Vorläufigkeit des ganzen Vorhabens.
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eingebunden war, wird inzwischen von der Mehrzahl der Historiker angenommen.35 Differenzierter bezieht Reinhard Braunisch im 2006 erschienenen zweiten Band des Johannes-Gropper-Briefwechsels zur Textgenese des Interim Stellung,36 wenn auch nur im Zuge einer ausführlichen Textanmerkung.37 Braunisch erkennt einen mittelbaren (thematischen) Einfluss des Kölner Theologen Gropper ausgehend von dessen Enchiridion 1538 und dem Wormser Buch von 1540 bzw. dem daraus folgenden Regensburger Buch von 1541 über Pflugs und HELDINGS gemeinsamen Regensburger Textvorschlag von 1546 (Vergleichsformel)38 bis hin zur Märzformel des Interim und dessen Endfassung vom Juni 1548.39 Auch Braunisch belässt HELDING und Pflug einen nicht näher bestimmten Anteil an der Endfassung des Interim, äußert sich aber nicht bezüglich HELDINGS Anteil an der Reformnotel. Auch in Arbeiten jüngsten Datums, die dem Kreis seiner theologischen Zeitgenossen oder den Reichsversammlungen gewidmet sind, findet HELDING im Rahmen des schon bekannten Forschungsstandes als Mitautor Erwähnung.40 Dies wird durch die ebenfalls 2006 edierten Reichstagsakten von Augsburg 1547/1548 unterstrichen.41 Als Desiderat an die Interimforschung hat Rabe eine theologische und theologiegeschichtliche Einordnung der Textstufen des Interim angeregt. Ebenso vermisste er wirkungsgeschichtliche Erkenntnisse. Abseits der reformationsgeschichtlich stärker besetzten Thematik des Interim hat HELDINGS erfolglose Bemühung um die Kircheneinheit als Kolloquent des Wormser Religionsgesprächs 1557 in Benno von Bundschuhs Monographie (1988) ausführlich Behandlung gefunden. Eine bisher offenbar noch selten gestellte Frage gilt der Rechtswirkung des Augsburger Religionsfriedens auf den Sonderfall des aufgezwungenen katholischen geistlichen Fürsten im protestantisch gewordenen Territorium Merseburg. Hierin dürfte trotz nicht eindeutiger Lehrmeinung der Ursprung der Declaratio Ferdinandea vom 24. 9. 1555 mitbegründet sein. 35 36 37 38 39
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Vgl. Rabe, Zur Entstehung des Augsburger Interims (1547/48) 101. Braunisch, Johannes Gropper. Briefwechsel Bd. 2 (1547-1559) (Münster 2006). Ebd. 33-35. Auch als Zeitzer Formula sacrorum emendandorum bezeichnet (vgl. Pfeilschifter im Vorwort von ARCEG 6). Von der Dezemberformel wurde der diszplinäre Teil abgespalten und zu einer nur an die katholischen Stände gerichteten Formula reformationis, deren Endfassung der Kölner Karmeliterprovinzial Eberhard Billick unter nicht näher bestimmter Mitwirkung von Pflug und HELDING vornahm. Decot, Die Reaktion der katholischen Kirche auf das Interim: Schorn-Schütte (Hg) Das Interim 1548/50, 371. Machoczek, DRTA.JR 18.
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Die personellen Verbindungen zwischen Oberschwaben, Österreich und dem Reich thematisiert eine Aufsatzsammlung von 2006, in der sich Karl-Heinz Braun in einem Beitrag mit den beiden oberschwäbischen Theologen Johann Fabri und Michael HELDING befasste. Hier werden Züge persönlicher Frömmigkeit des Bibelhumanisten und Theologen HELDING ausgeleuchtet.42 HELDINGS Tätigkeit als Kammerrichter und im Reichshofrat ist über die bloße Erwähnung hinaus bisher nicht thematisiert worden.
2. ZUR QUELLENLAGE Haus- Hof- und Staatsarchiv Wien Archivstücke zu Michael HELDING sind im HHStA Wien in unterschiedlichen Beständen eingereiht, was abgesehen vom vorherrschenden Provenienzprinzip dieses für die betreffende Zeitspanne überaus fruchtbaren Hauses eine verständliche Folge von HELDINGS disparaten Tätigkeiten im Laufe seines Lebens ist. Das Suchfeld erstreckt sich auf die Mainzer Erzkanzlei, die Reichskanzlei, das Reichskammergericht und den Reichshofrat, schließt aber auch zahlreiche kleinere Bestandsgruppen ein. Es reicht vom Mainzer Protokoll des Kolloquiums zu Worms 1540 (Bestand MEA-RTA) über die Konzepte der kaiserlichen Kanzlei Karls V. und Ferdinands I. in den Reichstags- und Religionsakten zum verstreuten Material der Besetzung des Merseburger Stifts und der Papierflut, mit der die Parteien des Wormser Religionsgesprächs 1557 einander das Scheitern in die Schuhe schieben wollten. Während die Personalakten des Reichshofrates die Existenz Michael HELDINGS in der zugegebenermaßen knappen Zeit seiner Präsenz verschweigen, überraschen die Reichskammergerichts-Visitationsakten der Reichshofkanzlei, die eher unvermutet den gewundenen Vorgang von HELDINGS Bestellung zum Kammerrichter bieten. Eine knappe, aber wertvolle Ergänzung des breiten Suchspektrums ergeben die Reichshofratsprotokolle, aus denen eine Orientierung über das Geschehen in der Schaltstelle des Reichs abzulesen ist.43 Die ihnen entnommenen Hinweise auf Anlass gebende und veranlasste Korrespondenzen verleiten zu Suchvorgängen, die allerdings 42
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Braun, Johann Fabri und Michael HELDING. Zwei katholische Theologen aus Oberschwaben im Umfeld Karls V. und Ferdinands I.: Heimatkundliche Blätter für den Kreis Biberach (Sonderheft 2006) 34-43. Gross, Die Geschichte der deutschen Reichshofkanzlei 1559-1806 (Wien 1933) 247260.
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nicht immer die betreffenden Archivstücke selbst ans Licht bringen. Einem Reichshofratsprotokoll ist auch die letzte Tätigkeit HELDINGS als Hofratspräsident zu entnehmen. Ein Schlaglicht auf familiäre Beziehungen und die unerschütterte Glaubensfestigkeit und Frömmigkeit angesichts des nahenden Endes wirft das von HELDING zwei Tage vor dem Tod diktierte Testament. Das Merseburger Archiv der Vereinigten Domstifter44 Das Domstiftsarchiv Merseburg ist Teil einer Verwaltungseinheit, die auch Bestände aus Naumburg und Zeitz vereint, und hegt die bedeutende Stiftsbibliothek, in der sich auch noch Teile der Büchersammlung HELDINGS verborgen halten. HELDING nimmt in den Merseburger Annalen mehr als zehn Jahre von 1550 bis 1561 für sich in Anspruch, obwohl er nach 1557 nur mehr für kurze Zeit in sein Stift zurückkehrte. Die späteren durchwegs protestantischen Archivare und Historiographen haben diese Zeit des letzten katholischen Bischofs aber mit akribischem Interesse aufgezeichnet und auch Urkunden aus HELDINGS persönlichem Besitz in die Bestände aufgenommen, die in seine Mainzer Zeit zurückreichen. Die Protokolle des Merseburger Domkapitels ergänzen die Regesten und Urkundenverzeichnisse als zumindest mittelbare Quellen. Im Buchbestand findet sich ein schmaler Band mit HELDINGS Messpredigten aus 1548. Ein protestantischer Leser hat es nicht entfernt, sondern säuberlich exegetisiert und die vermeintlichen theologischen Irrtümer kommentiert. So sind Spuren seines Erbes auch am Ort des umfehdeten Wirkens erhalten geblieben. Aus HELDINGS eigenem Besitz sind bislang nur einige wenige Bücher ans Licht gekommen.45 Besondere Bedeutung für die Interimforschung besitzen die auf Julius Pflug zurückgehenden Dokumente in der Zeitzer Bibliothek. Bayerisches Staatsarchiv Würzburg (Mainzer Archivalien) Mainzer Urkunden verwahrt das Staatsarchiv Würzburg, Abteilung Geistlicher Schrank. Auch sie geben zumindest teilweise Auskunft 44 45
Vereinigte Domstifter zu Merseburg und Naumburg und des Kollegiatstiftes Zeitz. Einige Bücher wurden eruiert (Pers. Mitteilung des Merseburger Archivars Mag. M. Cottin vom 15. 10. 2008): Erasmus, En Novum Testamentum (Basel 1527); ders., Annotationes ad novum Testamentum (Basel 1527); [Conrad v. Halberstadt], Concordantiae maiores Sacrae Bibliae (Straßburg 1526); Theophylact, In quatuor Evangelia Enarrationes (Köln 1531); Rupert von Deutz, Libri XLII de operibus Sanctae Trinitatis (Köln 1528); ders., In Matthaeum lib. XIII, De Glorificatione Trinitatis et processione spiritus sancti lib. IX (Köln 1533).
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über die Entstehung des Interim und der Reformnotel. Hier findet sich auch der Text von HELDINGS Vorarbeit zur Formula nova von 1559.46 Eine wertvolle Quelle stellen die Protokolle des Mainzer Domkapitels dar, aus denen Einblicke in das Kräfteverhältnis zwischen dem bischöflichen Hof und dem Domkapitel47 zu gewinnen sind. Sie geben Einblick in den Personenkreis, der den jungen Michael HELDING beeinflusste und aus dem einzelne Personen für HELDING prägend werden sollten. Hier sind Namen wie Johann von Ehrenberg,48 Marquard von Stein, Friedrich Nausea, Sebastian von Heusenstamm, Julius Pflug, Jacob Jonas,49 Johann Wild, Konrad Necrosius und Konrad Braun verzeichnet, die als Kapitulare oder Angehörige des erzbischöflichen Hofes das Denken und Handeln des Mainzer Langzeitherrschers Kurfürst und Erzbischof Albrecht II. von Brandenburg und damit auch HELDINGS formten und mitgestalteten. Unabdingbar für eine Beschäftigung mit HELDINGS Anteil am Interim ist das verdienstvolle Sammelwerk Georg Pfeilschifters Acta Reformationis Catholicae Ecclesiae Germaniae, das sich im gegenständlichen Zusammenhang auf die schon erwähnten Bestände des Staatsarchivs Würzburg und des Domstiftsarchivs in Zeitz stützt. Daneben ist die detailgenaue, ihren Titel Correspondance sprengende Quellensammlung von J. V. Pollet OP50 über den Zeitgenossen, Mentor und geistlichen Weggefährten HELDINGS , den Naumburger Bischof Julius Pflug, unverzichtbar.
3. SCHWERPUNKTE DER VORLIEGENDEN ARBEIT Die Arbeit setzt sich zwei Schwerpunkte, konzentriert auf die Fragen a) Wie gelangte der einfachen Verhältnissen entstammende Michael HELDING zu höchsten Ehren und Ämtern? Welche biographischen Wegmarken werden sichtbar und wie ist seine Rolle als Inhaber hoher 46 47
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StA Würzburg, Mainzer Urkunden, Geistlicher Schrank 20/17. Herrmann (Hg), Die Edition der Protokolle des Mainzer Domkapitels 3. Band, 1. und 2. Teil (Nachdruck Darmstadt 1974) – nachstehend stets unter Herrmann, Protokolle – reicht bis 25. September 1545. Zu den Namen siehe die biographischen Kurzportraits. Der aus bäuerlichen Verhältnissen stammende Philologe und Jurist Jacob Jonas war von 1542 bis 1544 Mainzer Kanzler und stieg bis zum Reichsvizekanzler (15471558) auf (siehe Kurzbiographie). Pollet legte den umfangreichen Briefwechsel Pflugs in fünf Bänden mit Erläuterungen der Zusammenhänge und biographischen Anmerkungen vor: Julius Pflug, Correspondance (Leiden 1969-1982).
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geistlicher und weltlicher Ämter und seine Einbindung in das Reichsgeschehen um die Mitte des 16. Jahrhunderts auf dem Hintergrund der religionspolitischen Auseinandersetzung im alten Reich zu beurteilen. b) Welchen Standpunkt vertrat HELDING und welche Rolle fiel ihm im Konfessionsstreit als Zeitzeuge der Kirchenspaltung zu? Welchen theologischen Standort bezog er und was charakterisiert ihn am ehesten als Vermittlungstheologen,51 Ireniker, katholischen Reformer oder Katecheten am Vorabend der großen Klärung durch das Konzil zu Trient, die zur endgültigen Auflösung der einheitlichen Kirche führen sollte. Am Ende seiner Lebenszeit war die religiöse Spaltung für jeden Menschen im deutschen Reich ein persönliches tiefgreifendes Existenzial, das eine folgenschwere Gewissensentscheidung verlangte.
4. REFORM UND REFORMATION Der Begriff Reform oder Reformatio52 hat seinen Ursprung im Rahmen der Theologie nicht erst in den von Martin Luther ausgelösten religiösen, vor allem kirchlichen Neubildungen innerhalb der Christenheit, sondern ist älteren Datums. Schon Tertullian sah darin die Rückkehr zum idealen Schöpfungszustand, Ambrosius dagegen das Erreichen eines besseren Zustands, als Adam ihn auch ohne Sündenfall erlangt hätte, Augustinus einen durch Christus verwandelten Menschen (renovatio in melius).53 Das mittelalterliche Mönchtum (Hl. Bernhard von Clairvaux)54 verstand Reform im Sinn von emendatio als Korrektur unerwünschter Auswüchse bzw. verkehrter Regelanwendung.
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Der in dieser Arbeit verwendete Terminus Vermittlungstheologie im 16. Jahrhundert ist mit dem im Anschluss an Friedrich Schleiermacher von Albert Ritschl geprägten Begriff des 19. Jahrhunderts nicht deckungsgleich (vgl. Murrmann-Kahl, Art. Vermittlungstheologie: TRE 34 (2002) 730-737), sondern im Sinne eines irenischakademischen Diskurses von Theologen verschiedener Konfession, aber gleicher humanistischer Wurzeln zu verstehen. Zur Begriffsgeschichte Wolgast, Art. Reform, Reformation: GGB 5 (1984) 313360; Mahlmann, Art. Reform: HWPh 8 (1992) 416-427; Miethke, Art. Reform, Reformation: LMA 7 (1995) 543-550; Müller, Art. Reformation: ³LThK 8 (1999) 930949; Weiß, Art. Reformation: HDRG 4 (1990) 459-468; Schulze, Art. Reformation (Rechtsquellen): ebd. 468-472. Wolgast, Art. Reform, Reformation: GGB 5 (1984) 316. Leclercq, Art. Bernhard v. Clairvaux (1090-1153): ³LThK 2 (1993) 268-270. Er bekämpfte die simonistische Praxis auch außerhalb des Klosters.
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Bereits unter den Ottonen wurde der Begriff auf das Reich übertragen (Renovatio Imperii), womit die Wiederherstellung des antik-römischen Kaisertums und die Einbindung des Papstamtes in jenes propagiert werden sollte. Gregor VII. befreite die Kirche schließlich von den Fesseln der weltlichen Macht. Die engen Bezüge zwischen Reich und Kirche blieben aber bestimmend und deren Verweltlichung an der Spitze und in den Gliedern verstärkte sich in der Zeit des großen Schismas.55 Angesichts der Spaltung an der Kirchenspitze im 14. Jahrhundert wurde die Hoffnung in der Folge auf ein Konzil gesetzt, das vom Haupt her auch die Glieder erneuern sollte, wobei besonderen weltlichen Herrschergestalten eine leitende Funktion in der Umgestaltung aller Lebensbereiche zugetraut wurde, nachdem das Papsttum seine Autorität im Sumpf der Kurie56 eingebüßt hatte. Unter den einflussreicheren reformorientierten Kirchenpolitikern an der Wende zum 15. Jahrhundert ragen der nachmalige Bischof von Cambrai und Kardinal Pierre d’Ailly57 und sein Schüler Jean Gerson58 als Befürworter des Konziliarismus heraus. Das Konzil vom Pisa 1409 sollte die verweltlichte Kirche wieder zu ihren Wurzeln zurückführen. Eine tragfähige Aufbruchsstimmung entstand aber erst während des Konstanzer Konzils (1415),59 erneuerte sich am Beginn des Basler Konzils (1431-1449) und wurde mit der Person Kaiser Sigismunds60 und den auf dem Konzil gefassten Reformbeschlüssen verknüpft.61 Später transzendierte der Reformbegriff die Kirche, indem er die Sehnsucht nach einer Neuordnung und Verbesserung der Welt in 55
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Der unter dem Druck Bewaffneter in Rom gewählte Urban VI. (1378-1389) und der von französischen Kardinälen zum Papst erhobene Clemens VII. (1378-1394), der sich 1379 in Avignon niederließ, waren die Urheber des großen päpstlichen Schismas. Kreuzer, Art. Matthäus von Krakau (um 1345-1410): ³LThK 6 (1997) 1484-1485: De squaloribus curiae Romanae: Quellen zur Kirchenreform im Zeitalter der großen Konzilien (hg von Jürgen Miethke) 1, 60-165. Miethke, Art. Petrus v. Ailly (um 1351-1420): ³LThK 8 (1999) 101-103. Universitätslehrer am Collège de Navarre, Legat Johannes XXIII. in Konstanz. Er arbeitete auch an einer neuen Papstwahlordnung. Bauer, Johannes Charlier Gerson (1363-1429): ³LThK 5 (1996) 909-910. Schüler d’Aillys am Collège de Navarre, Kanzler der Universität Paris, Konziliarist, in Konstanz am Prozess gegen Hus und Wycliff beteiligt, Vertreter einer mystischen Theologie, Anreger der Kirchenreform. Das Konstanzer Konzilsdekret Haec sancta vom 6. 4. 1415 setzte sich eine Reformatio in capite et in membris zum Ziel. Werkmüller, Art. Reformatio Sigismundi: HDRG 4 (1990) 457-459. Müller, Art. Sigmund (geb. 1368, zum Kaiser gekrönt 1433, gest. 1437): ³LThK 9 (2000) 578-580. Ganzer, Art. Katholische Reform: ³LThK 5 (1996) 1358-1360; Helmrath, Art. Basel 4) Konzil: ³LThK 2 (1994) 53-57; Meuthen, Art. Basel, Konzil v.: LMA 1 (1980) 15171521.
Reform und Reformation
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den beiden Exponenten Kirche und Reich gleichermaßen artikulierte.62 Unter Friedrich III. (1452-1493) okkupierte die weltliche Macht den Begriff wieder stärker im Sinne einer rechtlichen Neuordnung (Rechtsreform). Unter Maximilian I. (1493-1519) nimmt sich die Verwaltung des Terminus an. Es folgen Reformen an den Universitäten als Neuerungen in Bezug auf Institution, Methode und Lehrinhalte. Der Begriff findet damit Eingang in alle gesellschaftlichen Dimensionen. Als geistesgeschichtliche Grundströmung belebt der Humanismus die Idee der Gestaltbarkeit der Welt durch einen neuen, sich seines Eigenwerts bewusst gewordenen Menschen.63 Damit kann auch der Einzelne, der seine Deformierung erkennt, durch Bildung zu einer neuen Form geleitet werden. Nicht überall wird die gleiche Aufbruchsstimmung erfahren: 1508 drückt der Straßburger Prediger Geiler von Kaysersberg eine eher skeptische Haltung zu einer Reformacion in seiner Emeis aus.64 Kirchenreform im 16. Jahrhundert Der Begriff erschien 1524 in der Schrift Constitutio ad removendos abusus et ordinatio ad cleri vitam reformandam, die auf Veranlassung des Legaten Lorenzo Campeggio auf dem Konvent in Regensburg beschlossen und im Druck veröffentlicht wurde.65 In den Bauernkriegen wurde Reformation und Ordnung auf die Fahnen geschrieben. Dahinter verbarg sich der Wunsch nach einer Befreiung von jeglichen kirchlichen und profanen Herrschaftszwängen. Im Jahr 1539 wird der 15 Jahre zuvor verkündete Reformaufruf unter dem Titel Reformatio cleri Germaniae ad correctionem vitae et morum ac ad removendos abusus den Hildesheimer Synodalstatuten unverändert vorangestellt. Kaiser Karl V. selbst nimmt 1547 den Reformgedanken auf und zwingt die geistlichen Fürsten zu einer Selbstprüfung. Katholische Reform66 in der Mitte des 16. Jahrhunderts ist einerseits Fortsetzung des schon mehrfach eingeleiteten Prozesses zur He62
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Die Literatur des frühen 15. Jh. nahm das Schlagwort der reformatio in membris auf und übertrug es auf die Selbstreform und moralische Besserung des Einzelnen (vgl. GGB 5, 322). Zum Humanismusbegriff: Godin, Humanismus und Christentum: Geschichte des Christentums 7, 613. Mertens, Art. Geiler von Kaysersberg, Johann (1445-1510): ³LThK 4 (1995) 364365: Prof. d. Theologie in Freiburg i. Br., Übersetzer der Werke von Jean Gerson; zuletzt Prediger in Straßburg. Pfeilschifter, ARCEG 1 (Nr. 124) 334-344. Maron, Art. Katholische Reform und Gegenreformation: TRE 18 (1989) 45-72 (Lit.); Ganzer, Aspekte katholischer Reformbewegungen (Mainz 1991).
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Grundlagen und Quellen der Arbeit
bung der Moral von Klerikern und Laien, andererseits aber auch dogmatische Klärung der altgläubigen Position, die Suche nach Antworten auf die Neuinterpretation der tradierten Lehre durch Luther und die Augsburger Konfessionsverwandten. Es wird im Laufe der Arbeit zu zeigen versucht, ob und inwieweit auf Michael HELDING die ihm zugeschriebene Rolle eines Reformers zutrifft. Erich Feifel,67 der letzte Biograph, der sich mit HELDINGS Werk intensiv auseinandersetzte, sah vor bald 50 Jahren noch keine hinreichende Aufarbeitung des kontroverstheologischen Materials, um eine Geschichte der Kontroversliteratur zu schreiben. Inzwischen hat die Kirchenhistorie neue Sichtweisen aufgenommen und den Charakter der katholischen Reform im Rahmen des Konfessionalierungsprozesses als eine eigenständige Bewegung stärker herausgearbeitet. Dabei wurde auch der anthropologische und soziostrukturelle Zugang im Gefolge dieses Theorems in den Blick genommen. So gewähren heute Detailstudien ein deutlicheres Bild von den handelnden Personen und lassen die Befindlichkeit in den Schichten der Gesellschaft, von Klerikern wie von Laien, in dem sie umgebenden Kontext besser verstehen. Vor allem sind zahlreiche Vertreter einer katholischen Reform in ihren Schriften und Biographien näher ins Blickfeld getreten.68
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Erich Feifel (1925-2003) Professor für Pastoraltheologie und Religionspädagogik in München, untersuchte HELDINGS Theologie des Gottesdienstes vor allem unter Aspekten der Glaubensverkündigung. Vgl. die in der Reihe Katholisches Leben und Kirchenreform im Zeitalter der Glaubensspaltung (KLK) im Auftrag der Gesellschaft zur Herausgabe des Corpus Catholicorum publizierten Arbeiten.
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2. Kapitel ZUR BIOGRAPHIE Vom filius molitoris zum geistlichen Fürsten Die Vita HELDINGS (1506-1561), der als einfühlsamer Prediger und dogmatisch versierter Theologe zu hohen Ämtern in Kirche und Reich aufstieg, lässt sich in drei große Abschnitte gliedern: Erster Abschnitt: (1531-1545)
Der Prediger und Seelsorger aus einfachen Verhältnissen als Konzilsdelegierter und theologischer Experte.
Zweiter Abschnitt: Ratgeber des Kaisers, Reformer in Mainz, (1546-1557) katholischer Bischof im protestantischen Merseburg und Kolloquent in Worms. Dritter Abschnitt: In höchsten Ämtern: Reichskammergericht (1558-1561) und Reichshofrat. Der Pflicht gehorchend. Ein ungeliebter juridischer Ausklang.
1. VON TÜBINGEN NACH MAINZ Einen ausführlichen Bericht über das Leben Michael HELDINGS verdanken wir dem elsässischen Priester und Historiker Nikolaus Paulus.69 HELDING , Sohn einer Müllersfamilie, wurde 1506 in dem kleinen Ort Langenenslingen am südöstlichen Rand der Schwäbischen Alb nahe Riedlingen (ehem. Bistum Konstanz) geboren. Mit 19 Jahren kam er als Stipendiat an die Universität Tübingen.70 Er durchlief 69
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Ich folge hier weitgehend der Biographie von Nikolaus Paulus. Zu diesem: Wesseling, Art. Nikolaus Paulus (1853-1930): BBKL 15 (1999) 1122-1131: Paulus war Verfasser zahlreicher biographischer Artikel über bedeutende Katholiken der Reformationszeit, die er in der Zeitschrift Der Katholik erscheinen ließ, darunter auch: Michael HELDING, Ein Prediger und Bischof des 16. Jahrhunderts, 74/2 (1894). Lorenz, Tübinger Professorenkalalog 1,1, Nr. 2349, [im Inhaltsverzeichnis ist Rydlingensis falsch mit Reutlingen übersetzt]; Hermelink, Die Matrikeln der
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Zur Biographie
die Artes-Studien, erlangte um Pfingsten 1527 das Baccalaureat und ging im Jänner 1528 als Magister artium von der Universität ab. Ein Studienkollege des gleichen Abschlussjahrgangs und Mitstipendiat am Martinianum war der aus Schorndorf gebürtige Ludwig Schradin, dem er am Ende seiner Tage wieder begegnen sollte.71 Die Zeit von Juli 1529 bis April 1531 liegt weitgehend im Dunkel. Einen flüchtigen Hinweis auf einen Mentor liefert eine kleine Druckschrift HELDINGS aus dem Jahr 1530 in drei Teilen, wovon die beiden ersten Hieronymus Lamparter von Gryphenstein, Doktor der Rechte, Propst von Mosbach, Kanoniker in Köln und Konstanz gewidmet sind.72 Diese offenbar seltene Schrift mit dem Titel Epistola Germaniae ad suos principes ist ganz im Sinne der mahnenden Appelle des Erasmus zur Eintracht und zur Türkenabwehr gehalten.73 Der Autor geht dabei auf die akute Bedrohung des Reichs nach der den Ungarn 1526 bei Mohacs zugefügten vernichtenden Niederlage und auf die Kriegsgräuel ein. Angeschlossen ist, thematisch völlig gegensätzlich, eine mythologisch-
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Universität Tübingen 1 (1477-1600) (Stuttgart 1906) 253: 1525 ist HELDING unter dem Rektor D. Balthasar Käuffelin als Nr. 16 immatrikuliert: Michael Molitoris Ridlingensis (Riedlingen war der unweit Langenenslingen gelegene größere Ort). In diesem Fall kann Paulus ergänzt werden: Lorenz, Tübinger Professorenkalalog 1,1, Nr. 2339 (Bakkalaureat); Stoll, Sammlung der Magisterpromotionen der Universität Tübingen 1477-1755 (ND Amsterdam 1972 [Stuttgart 1756]) 12: Der Dekan M. Michael Helmschrott promovierte fünf Personen, an erster Stelle Michael HELDING, Riedlingensem, vixit Tubingae in Stipendio Martiniano, an zweiter Stelle Ludovicum Schradin, Schorndorfensem, postea JC [Jureconsultus]. Die Matrikel meldet bei diesem zusätzlich: Studierte Ius in Heidelberg, war 15341537 Rat in Württemberg am Hofgericht, promovierte am 1. 8. 1537, lebte 1540 in Nürnberg. Bei Schradin handelt es sich um den späteren Juristen im Reichshofrat, der seit 1544 im Dienst von Ferdinand stand und dem HELDING 1561 im RHR wieder begegnete. Er war es auch, der HELDINGS Testament aufsetzte und an seinem Sterbelager weilte. Er selbst starb zwischen 1561 und 1563 vermutlich im Gefolge der in Wien grassierenden Epidemie (Gschliesser, Reichshofrat 95). Vgl. zum Martinianum die Dissertation (FU Berlin) von Gudrun Emberger über das Tübinger Collegium Sanctorum Georgii et Martini, in der beide Stipendiaten prosopographisch verzeichnet sind (frdl. Auskunft Dr.inGudrun Emberger, Gotha vom April 2010). Das Buch ist unter dem Titel der ersten Schrift verzeichnet. Eingangs ein Brief HELDINGS an Lamparter vom 8. 10. 1530. Lamparter selbst wurde am 3. 11. 1526 in die Tübinger Matrikel aufgenommen. Jahrgangskollege von Schradin wiederum war Otto Truchsess von Waldburg, der spätere Bischof von Augsburg. Das Titelblatt des Druckes der Freiburger Universitätsbibliothek (Signatur G 4610–16./17. Jh., nicht in VD 16) trägt eine handschriftliche Widmung HELDINGS an den Konstanzer Kanonikus Albert von Landenberg, suo benignissimo Domino, dem er den Band als Geschenk übersandt hatte. Erasmus gab seine Mahnschrift Liber de sarcienda ecclesiae concordia erst 1533 heraus, seine Ideen zur Versöhnung unter den Streitparteien waren unter seinen Anhängern aber seit der Anberaumung des hoffnungsträchtigen Reichstages von 1530 verbreitet worden.
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poetische Reiseskizze (Hodoeporicon), die offenbar einen konkreten Anlass in der Person des Gönners Lamparter aufgreift und HELDING Gelegenheit gibt, sich als Kenner der griechischen Mythologie auszuweisen. Im dritten Teil der Schrift finden wir außerdem in Form eines Hochzeitsgedichtes einen Anhaltspunkt auf den Fortbestand der Tübinger Studienfreundschaft mit Ludwig Schradin.74 HELDINGS Interesse an Poesie und Rhetorik dokumentiert sich auch in einer kleinen Schrift zur Silbenbildung und Akzentlehre, deren Entstehungszeitpunkt nicht genau bekannt ist.75 Der Biograph Paulus spricht in dieser Lebensphase auch von einer ehelichen Verbindung HELDINGS , die aber von begrenzter Dauer gewesen sein muss.76 Dieser Ehe entstammte ein Sohn, dessen Name Theodosius aus HELDINGS Testament hervorgeht.77 Für eine Fortsetzung höherer Studien fehlten vermutlich die Mittel78 und die Gründung einer Familie erforderte die Aufnahme eines Erwerbes, sodass er sich als Lehrer verdingte. Erste berufliche Lehrerfahrungen machte HELDING als Rektor an der Mainzer Domschule, an die er vermutlich auf Empfehlung des Domdekans Johann von Ehrenberg gerufen wurde.79 Die erste Erwähnung HELDINGS im Protokoll des Mainzer Domkapitels stammt vom 23. Oktober 1531. Dem Wortlaut zufolge muss er damals bereits einige Zeit an der Domschule gewirkt haben.80 Zu seiner ersten Klerikerstelle wurde HELDING , der in der Zwischenzeit das Theologiestudium in Mainz aufgenommen81 und Weihen empfangen hat74
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Es handelt sich um ein Epithalamion (Hochzeitslied), das er anlässlich der Vermählung Ludwig Schradins mit der ebenfalls aus Schorndorf stammenden Anna Schertlin, einer Verwandten des Heerführers Sebastian Schertlin, verfasste. Prosodia sive de carminum ratione libellus (Straßburg 1540, eine erste Ausgabe 1534 ist wohl verschollen). Paulus nimmt einen frühen Tod der unbekannt gebliebenen Ehefrau an. Wieviele Kinder der Ehe entstammten, war Gegenstand polemischer Vermutungen seiner späteren Gegner. Vgl. dazu die Ausführungen zu HELDINGS Testament. Widmann, Franz Behem. Ein Beitrag zur Geschichte des Buchhandels und der Litteratur des sechzehnten Jahrhunderts, auf Grund von bisher unbekannten Briefen geliefert (Paderborn 1889): darin ein Brief Philipp Arbogasts an den Drucker Behem vom 17. 6. 1568, 37-38. Der Katholik 74/2 (1894) 411: Paulus reicherte HELDINGS Lebensbeschreibung mit anekdotischen Bemerkungen an. In einer solchen erwähnt HELDING seine Lage als armer Student. Johann von Ehrenberg war seit 1519 Kapitular, seit 26. 1. 1531 Dekan und starb am 2. 11. 1544. Herrmann, Protokolle 3/1, 498: Item futurum scholasticum domini de capitulo unanimiter rogatum esse volunt, Mag. Michaelem, modernum scholarium rectorem, in servitio conservare. Er war demzufolge schon zuvor im Mainzer Schuldienst und tatsächlich schrieb er in sein Griechischlexikon: Veni Maguntiam Kal. Aprilis 1531. In den Mainzer Universitätsmatrikeln scheint HELDING nicht als Studierender auf.
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Zur Biographie
te, vom Generalvikar Valentin von Tetleben namens des Erzbischofs providiert.82 Tetleben stand dabei in Konkurrenz zum Domkapitular Balthasar Groschlag um den Vorrang bei der Nachbesetzung der Stelle des verstorbenen Pfarrers im Eisenchor Johann Stumpf-Eberbach, Ordinarius und Lehrer der Hl. Schrift.83 Jedoch präsentierten beide unabhängig von einander denselben Kandidaten, eben Michael HELDING . Anfang 1533 wurde er als Pfarrer für die erledigte Dompfarrei installiert.84 Auffallend, aber nicht ungewöhnlich für sein Wirken an dieser Stelle, ist das Fehlen einer theologischen Graduierung: Denn erst jetzt konnte er sich intensiver den theologischen Studien an der Mainzer Universität widmen.85 Schon bald finden wir ihn auch vertretungsweise auf der Kanzel. Zu dieser Zeit war Friedrich Nausea der bestallte Domprediger, während HELDING als Pfarrer im Eisenchor die Morgenpredigt zu halten hatte.86 Die nächste Nachricht über HELDING stammt vom Februar 1534, als ihm ein dritter Studientag pro Woche gewährt wird.87 Aus der Bemerkung zum begonnenen Doktoratsstudium ist die Fortsetzung der theologischen Studien zu ersehen, die er jedoch infolge anderweitiger Aufgaben über einen längeren Zeitraum erstrecken 82
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Aschoff, Art. Tetleben, Valentin von (1488/1489-1551): Gatz, B 1448, 690-692: Generalvikar in Mainz, damit auch Kapitelmitglied, 1538 Bischof von Hildesheim, Diözesansynode 1539, wegen des drohenden Abfalls häufiger Aufenthalt in Mainz. Er konnte nur wenige Jahre seine Jurisdiktion im Bistum ausüben und musste Ende 1541 definitiv nach Mainz zurückkehren. Sein Restitutionsgesuch wurde vom Mainzer Domkapitel am 15. 10. 1541 abgelehnt. 1530 hatte er als Protokollant des Augsburger Reichstags fungiert. Der Eiserne Chor war der mit einem Gitter abgeschlossene Ostchor des Mainzer Doms. Er diente als Pfarrchor (Weinert, Mainzer Domliturgie 16 u. 21). Herrmann, Protokolle 3/1, XXXII, 548-549: Am 11. 1. 1533 wurde die Präsentation und Provision HELDINGS zur Plebanie und Vikarie St. Crucis im Eisenchor vom Kapitel zugelassen und er am 20. 1. 1533 dort feierlich installiert. Die fälligen Statutengelder wurden gestundet. Mitte 1544 resignierte er. Vgl. dagegen Brück, Mainzer Dompfarrer des 16. Jhts: AMRhKG 12 (1960) 150-151: danach leistete er seinen Verzicht erst 1549. Herrmann, Protokolle 3/1, 561: Dem Pfarrer im Eisenchor werden widerruflich 2 Studientage erlaubt, die er aber stets dem Präsenzmeister anzuzeigen hat (17. 5. 1533). Immenkötter, Art. Nausea, Friedrich (1491/1496-1552): ³LThK 7 (1998) 705-706. Aus dieser Zeit haben sich Briefe HELDINGS an Nausea erhalten (in Epistolarum miscellanearum ad Fridericum Nauseam Blancicampianum, Episcopum Viennensem libri X (Basel 1550). Herrmann, Protokolle 3/1, 584 (25. 2. 1534): Die Bitte des Pfarrers im Eisenchor, ine diese Fasten zuzeschreyben lassen und darnach das kunftig jar aus noch 1 tag in der wochen zu den andern 2, also dass er 3 tag haben, auf dass er auf die predigen studiren und dem pfarrvolk vorsein, auch lectiones horen und ad gradum doctoratus procedirn mocht, mit erpietung, den chor als vil moglich zu frequentiren und libros lectionum in choro ecclesiae Mog. zu restituirn oder reformiren, wird aus Gnaden genehmigt.
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musste und, wie noch zu beleuchten ist, erst 1543 mit der Promotion bei dem Professor der Mainzer Universität Konrad Necrosius OP abschließen konnte. Im Juni 1534 befasste sich das Kapitel neuerlich mit den Studien HELDINGS .88 Nach dem Abgang Friedrich Nauseas Ende 1534, der einem Ruf an den Hof Kg Ferdinands nach Wien gefolgt war,89 übernahm er interimistisch bis Mitte 1536 die Predigten auf der Hauptkanzel.90 Eine förmliche Ernennung zum Domprediger blieb aber aus, weil man im Domkapitel HELDINGS Stimme als zu schwach beurteilte.91 Man übertrug ihm darauf die Aufgabe, selbst an der Bestellung eines besser entsprechenden Dompredigers mitzuwirken.92 Unter dem 3. 7. 1536 liefert das Protokoll eine obskure Nachricht von einer Zitation HELDINGS an die Kurie nach Rom, worauf das Kapitel auf HELDINGS Bitte den Erzbischof ersucht, ine gegen bebstlicher Heyligkeit zufurschreyben.93 Seit September 1536 gibt es mit Dr. Johann Mentzinger einen neuen Domprediger, den HELDING selbst bei Professor Eck in Ingolstadt auf dessen Empfehlung geworben und gleich nach Mainz mitgebracht hatte. Dieser übernahm die Domkanzel als erster Prediger. HELDING hielt weiterhin ebenfalls Predigten, so etwa die Adventpredigten, nicht aber die Christtagspredigt.94 Ernennung zum Weihbischof Zum ersten Mal wird das Thema des Suffraganats95 deutlicher im Protokoll des Domkapitels vom 14. März 1537 angesprochen.96 Dies ist 88
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Ebd. 596: Dem Pfarrer im Eisenchor, Mag. Michael [HELDING], wird auf Bitten, auf dass er teglich in theologia lectionem ordinariam horen und mit der zeit procediren, auch darneben auf die sonntagspredig studiren mog, aus Gnaden widerruflich in der Woche 1 freier Tag und im Tage 1 freie Stunde, darin er lectiones horen muß, bewilligt, mit dem verdinst der presenz, so es die stund erheischt. Jürgensmeier, Das Bistum Mainz 188. Herrmann, Protokolle 3/1, 613: Mag. Michael soll angesprochen werden, dass er die Kanzel bis zu anderweitiger Bestellung weiter versehe. Über den Zeitpunkt des Magisterabschlusses fehlen Angaben. Ebd. 678: Generalkapitel vom 26. 5. 1536: […seine Stimme] etwas schwach und nit wol zu hören. Ebd. 690-691. Hermann, Protokolle 3/2, 682: Paulus übergeht dies in seiner Biographie. Denkbar wäre, dass Erzbischof Albrecht dem Nuntius seine Absicht der Weihe HELDINGS angekündigt hatte und die röm. Kurie eine persönliche Beurteilung beabsichtigte. Postilla, De tempore, Winterteil 18v. Zu HELDINGS Zeit wurde der Weihbischof als episcopus in partibus infidelium Suffraganus tituliert. Herrmann, Protokolle 3/2, 713: Auf Bitten des Pfarrers im Eisenchor.
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Zur Biographie
bemerkenswert, zumal die päpstliche Bestätigung HELDINGS als Bischof von Sidon bereits das Datum VIII Id Febr (6. 2. 1537) trägt.97 Im Mai 1537 wird erstmals über eine Beschickung des künftigen Konzils beraten und HELDING , der nach wie vor nur Pfarrer im Eisenchor ist, vom Erzbischof als Theologe alternativ zu Johann Mentzinger oder dem Minoritenprediger Johann Wild98 vorgeschlagen. Das Domkapitel wünschte zu diesem Zeitpunkt jedoch eine treffliche Botschaft mit gelehrten Leuten, wofür man HELDING wegen seines noch nicht vollendeten Studiums (er war erst Baccalaureus) offenbar nicht hielt. Die Entsendungsabsicht verflüchtigte sich auf Grund der päpstlichen Politik inzwischen aber wieder.99 HELDINGS Supplik auf die Nachfolge des emeritierenden Weihbischofs Johann Monster nahm das Kapitel, nachdem ihn Erzbischof Albrecht II. von Brandenburg100 schon am 18. Oktober 1537 zum Weihbischof ernannt hatte, im November wegen seiner Geschicklichkeit und Gunst, die das gemeine Volk zu ihm trägt, ebenfalls an und erließ ihm die Chorpräsenz. Als Gegenleistung versprach er, die Dompfarre bis zum Ableben Monsters weiter zu betreuen und Fehler in den Lektionaren im hohen Chor zu emendieren.101 Als der neue Domprediger Mentzinger schon Anfang März 1538 unerwartet starb, wurde HELDING wieder um einstweilige Versehung der Kanzel gebeten. Man trat auch abermals an ihn heran, das Interesse des Tübinger Professors Käuffelin am Predigtamt zu erkunden.102 Dieser war jedoch weiterhin nicht zu gewinnen und deshalb übernahm HELDING nochmals die Vertretung auf der Kanzel. Mitte 97 98
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Rademacher, Urkundenrepertorium Nr. 1084-1087. In Mainz ist bereits im 6. Jh. ein Bischof namens Sidonius bezeugt. Dominguez, Art. Wild (Ferus), Johannes (um 1515-1554): ³LThK 10 (2001) 11671168; Paulus, Johann Wild. Ein Prediger des sechzehnten Jahrhunderts (Köln 1893). Verschiebung des für 23. 5. 1537 nach Mantua einberufenen Konzils auf unbestimmte Zeit. Zeeden, Art. Albrecht v. Brandenburg (1490-1545): ³LThK 1 (1993) 344; Jürgensmeier, Gatz, B 1448, 13-16: 1513 Ebf von Magdeburg, Bf von Halberstadt; zum Ebf von Mainz geweiht am 18. 8. 1514. Zur Biographie: Moufang, Albrecht von Brandenburg. Erzbischof von Mainz und von Magdeburg. Kardinal der römischen Kirche: Der Katholik 8 (1852/1) 213-230; (1852/2) 1-18, 113-135, 145-162, 193-207, 385-399, 433-459, 481-498; ebd. 9 (1853) 1-20, 49-65, 97-121; Jürgensmeier (Hg), Erzbischof Albrecht von Brandenburg (1490-1545). Ein Kirchen- und Reichsfürst der frühen Neuzeit (Frankfurt 1991); Reber (Hg), Albrecht von Brandenburg, Kurfürst – Erzkanzler – Kardinal (1490-1545) (Ausstellungskatalog des Landesmuseums Mainz) (Mainz 1990). Herrmann, Protokolle 3/2, 731 u.734: Das Kapitel belässt ihn weiter in seiner Funktion als Dompfarrer. Die Provision des Weihbischofs soll 200 fl. betragen. Davon gehen jedoch an den Emeritus Monster 100 fl. Auch Dr. Eck sollte abermals um Empfehlungen ersucht werden.
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1539 bezeichnet ihn das Protokoll trotz seiner am 8. 8. 1538 erfolgten Weihe unverändert als jetzigen Dompfarrer.103 Dann wird schließlich dem Franziskanerguardian Johann Wild die Dompredikatur übertragen.104 Diese Funktion hat HELDING in Mainz nie dauerhaft erlangt. Der Erzbischof teilte HELDING sogleich nach der römischen Konfirmation als Episcopus Sidoniensis entsprechende liturgische und seelsorgliche Aufgaben zu, wie z. B. eine Abtskonsekration in der Schlosskapelle Aschaffenburg.105 Über seine sonstige Tätigkeit gibt uns das Protokoll des Domkapitels näheren Einblick. Neben dem Erzbischof in persona und den hohen Hofbeamten unterstand HELDING auch dem Domkapitel und erhielt von diesem Aufträge. So wurde er auch außerhalb des Domfriedens in den Mainzer Herrschaftsgebieten eingesetzt, wir lesen von einer Reise nach Erfurt,106 im Auftrag des Domkapitels nahm er kirchenamtliche Bestellungen vor.107 Bei der Neuauflage des Mainzer Breviers wurde HELDING vom Kapitel als Experte herangezogen.108 Auch in anderer Funktion trat er in Erscheinung: Er fertigte eine lateinische Übersetzung der von Martin Bucer und Georg Witzel erarbeiteten Leipziger Vergleichsformel von 1539 an.109 Es zeigt sich schon hier eine Zusammenarbeit HELDINGS mit Julius Pflug, wofür der Umstand spricht, dass sich ein Exemplar dieses Libells von Pflug beschriftet in dessen Nachlass befindet. Die finanzielle Existenz des Weihbischofs HELDING stand auf schwachem Fundament. Die ihm vom Papst zugebilligten 200 fl. p.a. sollten aus verschiedenen Quellen gespeist werden. Das Siegelamt erbrachte die103
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Herrmann, Protokolle 3/2, 805: Erst 1539 ersucht HELDING das Domkapitel, auf ein Legat des vormaligen Pfarrers im Eisenchor greifen zu dürfen, um die beengten Verhältnisse im Pfarrhof, wo es nur 1 Stube gebe, zu verbessern (Vgl. ebd. 713). Ebd. 785. Pollet, Correspondance 4, 126-127, Anm. 1: Am 22. 8. 1540 weihte er Johann Specht zum Abt des Klosters Oldisleben. Herrmann, Protokolle 3/2, 734. Ebd. 736: Er nimmt die Bestellung von Kanonikus Dr. Heusenstamm (des künftigen Erzbischofs) u. a. zu Prokuratoren in Angelegenheit der Kassation von Pensionsbriefen vor. Ebd. 748: Das Kapitel lässt auch wieder bei Dr. Johann Eck um Empfehlung eines Nachfolgers anfragen. Schlüge HELDING ab, solle das Predigtamt einem Karmeliten oder dergleichen angetragen werden. Ebd. 828. Abdruck in ARCEG 6 (Nr. 1) 1-17. HELDINGS Autorschaft an dem unsignierten Exemplar im Staatsarchiv Würzburg, Mainzer Urkunden, Geistlicher Schrank 19/4 (Nr. 3) ist für Pfeilschifter durch hs Anmerkungen gesichert. Da sich HELDINGS Handschrift im Verlauf der Jahre stark veränderte, verglich ich dasselbe mit frühen Briefen an Pflug und stimme Pfeilschifters Annahme zu. Ein Adressat und der Anlass der Übersetzung sind nicht angeführt. Pflugs Exemplar befindet sich in der Zeitzer Stiftsbibliothek, Katalogseite 24/0.
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Zur Biographie
se Summe jedoch nicht, weshalb krampfhaft nach anderen Lösungen gesucht wurde. Albrecht von Brandenburg als Förderer HELDINGS Das Erzbistum und Kurfürstentum Mainz war Spiegelbild und Nervenzentrum der politisch-religiösen Verhältnisse, die den Organismus des alten Reichs bestimmten. Einerseits war Mainz als Territorialmacht in die Reichspolitik auf oberster Ebene, somit in das Kräftespiel zwischen Kaiser und Kurfürsten eingebunden, andererseits hatte es seine Spiritualia zu verteidigen, die von den Religionsneuerern in den weltlichen Fürstentümern zunehmend in Frage gestellt wurden. Mit seinem zersplitterten Herrschaftsgebiet war es in die geistige und religiöse Umwälzung von deren Beginn an involviert. Als geistlicher Kurfürstenstand nahm Mainz an der Reichsherrschaft direkt Anteil, als Erzkanzleramt stand es dem Kaiser nahe und zog daher auch dessen Gegner auf sich, als Kirchenprovinz verspürte Mainz unmittelbar die Erosion der kirchlichen Jurisdiktion. Pfalz, Hessen, Sachsen waren die mächtigen weltlichen Gegenspieler der Mainzer Kirche. Zu HELDINGS Lebzeiten hatten drei Kirchenfürsten das Mainzer Erzbistum inne. Die längste Zeit war dies die epochale Person des Kurfürsten Albrecht II. von Brandenburg, der durch drei Jahrzehnte (1514-1545) Mainz regierte und dessen Umfeld für Michael HELDINGS Werdegang prägend war.110 In Mainz hatten unter Erzbischof Albrecht zahlreiche Persönlichkeiten Einfluss erhalten, die das geistige Klima durch humanistische Ideen formten. Andererseits war diese Periode aus der Sicht altgläubigen Besitzstanddenkens eine Zeit steten Niederganges und Verlustes von Mainzer Territorium, einer Auflösung der festen einheitlichen Kirchenordnung und der tradierten religiösen Wertvorstellungen. Albrecht II. war in seinen späteren Jahren der Systemkritik gegenüber durchaus nicht taub und suchte durch Vorgaben auf der Ebene seiner Kirchenprovinz Einfluss auf seine Kleriker zu nehmen, die Ausbildung von Priestern zu forcieren und Missstände in Klöstern und Pfarren abzustellen, vornehmlich durch eine Neuordnung der Gerichtsbarkeit und durch Visitationen. Diskussionen zum Thema Klerusreform können bis in das Jahr 1527 zurückverfolgt werden. Al110
Zur Person der Nachfolger: Decot, Religionsfrieden und Kirchenreform. Der Mainzer Kurfürst und Erzbischof Sebastian von Heusenstamm (1545-1555) (Wiesbaden 1980); Jürgensmeier, Gatz B 1448, 291-292. Zum dritten Inhaber des Mainzer Stuhls zu HELDINGS Zeit Daniel Brendel von Homburg (1555-1582), dessen Wahl das Erzbistum für die katholische Seite bewahrte: Jürgensmeier, Gatz B 1448, 79-80.
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lerdings hatte damals das Mainzer Domkapitel dem Erzbischof nahegelegt, er möge mit seinem Einfluss darauf dringen, eine Reform für ganz Deutschland in die Wege zu leiten, bevor man im eigenen Bereich selbstständig Maßnahmen setzen wollte.111 Jahre später (1541) ordnete Albrecht eine Neufassung der Mainzer Konstitutionen an und beauftragte mit deren Ausarbeitung eine Kommission unter Bischof Valentin von Tetleben.112 Dieser Kommission gehörte auch Weihbischof HELDING an.113 Mit Blick auf HELDINGS Anteil an diesen Konstitutionen ist der zeitliche Zusammenhang mit seiner Predigtreihe ab dem Jahr 1542 festzuhalten, die in dem erstmals 1551 veröffentlichten Catechismus gesammelt vorliegen. Erzbischof Albrecht war weit davon entfernt, seine Herrschaft als Landesherr autonom gestalten zu können. Vielmehr war er in den meisten finanziellen Belangen vom sehr eigenständig agierenden Domkapitel abhängig, das ihm auch vielfach Widerstand entgegensetzte. Die Vergabe und Kontrolle der Lehensgüter, in denen ein Großteil der Wirtschaftsleistung des Hochstifts erbracht wurde, lag weitgehend in dessen Hand. Es war mit den Domkapiteln von Trier und Köln politisch verbunden und wurde daher auch mit den Reformen in Köln befasst.114 Aber auch um Fragen der Disziplin unter den Klerikern und Laien kümmerte sich das Kapitel.115 Das Domkapitel, das den Erzbischof zu wählen hatte, rekrutierte seine neuen Mitglieder völlig eigenständig aus dem Kreis landsässiger Adeliger, die einer strengen Ahnenprobe genügen mussten. Ein Kleriker aus dem einfachen Stand wie HELDING stand dem Domkapitel selbst noch in der Funktion des Weihbischofs zumeist als Supplikant gegenüber. Auch in das politische Geschehen rund um die Erzkanzlei wurde HELDING nicht einbezogen, zu keinem der Reichstage wurde er als Vertreter des Erzbistums delegiert. Diese Aufgabe oblag zumeist führenden Domkapitularen, dem Mainzer Kanzler und den Juristen. In den ersten zehn Jahren nach 1531 widmete sich HELDING neben seiner Tätigkeit am Dom dem Theologiestudium in Mainz und suchte seine wirtschaftliche Stellung nach empfangener Weihe weiter 111
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Herrmann, Protokolle 3/1, 344 (12. 11. 1527): Betreffend Reform des Klerus, die [das] Kapitel auf Anregung des Erzbischof under inen selbst tun sollen etc. acht ein domcapitel nit furtreglich, dass domit den weltlichen, darumb sye der reformation begern, genug beschee, ob sich die pfaffheyt zu Mainz reformir; dann sollt solchs fruchtparlich sein, so must clerus universaliter in Germania reformirt werden. Mainzer Reformkonstitutionen 1541-1544: ARCEG 4 (Nr. 7) 24-85. Herrmann, Protokolle 3/1, 920 vom 22. 11. 1541. Herrmann, Protokolle 3/2, 1069. Selbst gegenüber den eigenen Angehörigen wurde bezüglich der Präsenz und des Verhaltens im Chor mitunter Kritik geübt.
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zu verbessern. Aus einzelnen Splittern von Nachrichten in den Kapitelprotokollen kann ein Bild seiner Tätigkeit skizziert werden. So erfahren wir beispielsweise von der Feier eines jubilierenden Domkapitulars im Jahr 1538, wo Weihbischof HELDING an der Tafel eine Ansprache an den Klerus hielt.116 Der Kreis, in dem sich HELDING in Mainz bewegte, wird in Bezug auf den Religionsstreit zumeist als eine auf Ausgleich und Vermittlung bedachte Gruppe von Theologen (Vermittlungstheologen) beschrieben, worunter Personen wie Julius Pflug, Johann von Ehrenberg und Valentin von Tetleben gezählt werden, die unter Verzicht auf polemische Agitation und im Wege einer Kirchenreform in erasmischem Geist Möglichkeiten der Annäherung zu den Neuerern erblickten.117 Predigten HELDINGS in den Jahren ab 1535 bis 1539 und besonders von 1542 bis 1544 nachgewiesene Mainzer Predigten zeugen von einer für die Zeit raren, grundsätzlich unpolemischen Rhetorik, wobei nur selten auf die Protestanten als den anderen Teil Bezug genommen wird. Aus den Jahren 1540 und 1541 sind keine Predigten überliefert, was mit den theologischen Studien, der Teilnahme am Wormser Kolloquium 1540 und der Arbeit an den Statuten erklärt werden kann. Im November 1542 unterzog er sich gemeinsam mit Julius Pflug den eingangs erwähnten geistlichen Übungen bei dem Jesuiten Petrus Faber.118 HELDINGS theologische Prägung im Mainzer Gelehrtenkreis dürfte jedoch hauptsächlich durch Dominikaner beeinflusst worden sein. Damit ist er in seiner Grundeinstellung wohl dem Thomismus näher als jeder anderen Richtung. Die theologischen Studien schloss er 1543 mit der Promotion bei Dr. Konrad Necrosius nicht an der Universität in Mainz, sondern im Stift Haug in Würzburg ab.119 Unter den zeitgenössischen Theologieprofessoren der Mainzer Universität sind an dieser Stelle zu erwähnen: Johann Dietenberger OP (gest. 1537) als Autor einer deutschen Bibelübersetzung (1534) und polemischer, asketischer und katechetischer Schriften, wie eines Katechismus (1537) sowie insbesondere Friedrich Nausea, Professor der Exegese und Kontroverstheologie, der 116 117 118
119
Herrmann, Protokolle 3/2, 762. Smolinsky, Art. Vermittlungstheologie. Konfessionelles Zeitalter: ³LThK 10 (2001) 697; vgl. Pollet, Correspondance 2, 101. Auch Petrus Canisius war von den ignatianischen Exerzitien dermaßen beeindruckt, dass er sich der neuen Gemeinschaft noch im Jahr 1543 anschloss (vgl. Jürgensmeier, Bistum Mainz 190). Herrmann, Protokolle 3/1, 498, Anm. 1.
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1534 von König Ferdinand als Hofprediger und Koadjutor von Bischof Johann Fabri nach Wien berufen und 1541 dessen Nachfolger werden sollte.120 Der Erforscher Mainzer Historie Anton Philipp Brück nennt in dieser Reihe der Universitätslehrer überraschenderweise auch Michael HELDING als Professor für Kontroverstheologie.121 Aus einer Bemerkung in seinem Jonas Propheta sind wir informiert, dass HELDING auch Hebräisch-Kenntnisse besaß, so dass er über das Rüstzeug zur Erfassung der ursprachlichen Bibeltexte verfügte.122
2. WORMSER RELIGIONSGESPRÄCH 1540/1541 (28. 10. 1540 –18. 1. 1541) 123 In den Jahren nach dem Augsburger Reichstag 1530 hatte auf Seite des Kaisers der Gedanke Gestalt angenommen, die Spaltung der Religion im Reich durch den wieder aufzunehmenden Diskurs von Theologen beider Teile zu überbrücken. Man vermeinte, dogmenhistorisch versierte Experten wären in der Lage, sich auf gemeinsame Auffassungen zu verständigen. Unter den führenden Vertretern der Alten Kirche bestand dazu nur bedingte Neigung, denn für doktrinäre Interpretationen, auch wenn sie sich nur auf einen Teil Europas erstrecken sollten, war in ihren Augen einzig und allein ein allgemeines Konzil zuständig. Die Schatten der Vergangenheit, in der sich Konzilien über regierende Päpste hinweggesetzt hatten, waren in der römischen Kurie nach mehr als einem Jahrhundert noch nicht verflogen. Auch die deutschen Kirchenfürsten waren im Zweifel. Wie würden die weltlichen Mächte eine solche Konzilsversammlung zu ihren Gunsten beeinflussen? Könnte der Kaiser eine solche Versammlung 120 121
122 123
Nausea veröffentlichte seinen auf Mainzer Predigten zurückgehenden Cathechismus catholicus erst 1543 bei Quentel in Köln, als er schon Bischof von Wien war. Brück, Art. Mainz: ³RGG 4 (1970) 615, wiederholt von Böcher, Mainz, Universität: TRE 21 (1991) 720. Quelle hiefür könnte Praetorius, Professoren der kfl Universität Mainz 1477-1797 gewesen sein, wo HELDING im Catalogus als Rector um 1538 aufscheint. Bei allen anderen Biographen fehlt ein derartiger Hinweis. Es könnte sich um eine Verwechslung mit seiner Tätigkeit an der Domschule handeln. Jonas Propheta 59. Generell zur Geschichte der Reichsreligionsgespräche: Ganzer – Zur Mühlen – Matz (Hg), Akten der deutschen Reichsreligionsgespräche im 16. Jahrhundert, Band 1: Das Hagenauer Religionsgespräch (1540) (Mainz 2000) Einleitung; Band 2, Das Wormser Religionsgespräch 1540/1541 (Mainz 2002); Band 3, Das Regensburger Religionsgespräch 1541 (2007); Zur Mühlen, Art. Religionsgespräche: ³LThK 8 (1999) 1058-1059. Bizer – Lau, Reformationsgeschichte 1532-1555, K119K121.
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für sich instrumentalisieren? Papst Clemens VII.124 leistete zeit seines Lebens hinhaltenden Widerstand. Bis zu seinem Tod war trotz wiederkehrender Absichtserklärungen mit einer Berufung einer ökumenischen Versammlung nicht zu rechnen. Karl V. war indessen auch von anderen Themen in Anspruch genommen, so dass er sein Augenmerk auf die Verhältnisse in Deutschland nicht im gebührenden Maß richten konnte. Frankreich trat immer wieder herausfordernd auf, fühlte sich seinerseits bedrängt und koalierte mit der Hohen Pforte. Um den Rücken für die Abwehr der äußeren Gefahr freizubekommen, war Karl V. 1532 in Nürnberg einen Friedstand mit den Protestanten eingegangen.125 Damit war das Wormser Edikt vom 8. 5. 1521 faktisch aufgehoben und die letzte Rechtsbastion zum Schutz der Alten Kirche gefallen.126 Der Kaiser als Schirmherr der Kirche Andererseits erwies sich das innerkirchliche Instrumentarium angesichts der politischen Widerstände einer wachsenden Anzahl weltlicher Ordnungsträger zunehmend als zahnlos.127 Kirchliche Jurisdiktion, die immer des weltlichen Arms zur Durchsetzung bedurft hatte, wurde zusehends behindert oder vereitelt. Die zögerliche Haltung des Papstes Clemens VII. und die der Kurie taten ein Übriges. Bis dahin waren Fragen der Rechtgläubigkeit im Schoße der Kirche gelöst worden. Nun ereignete sich ein Paradigmenwechsel: Die Kirche als solche mit dem Papst an der Spitze wurde in ihrer bisherigen Existenz angezweifelt. Der Kaiser sah sich in seiner Rolle als Schirmherr gefordert, musste aber gleichzeitig erkennen, dass er dadurch mit seiner Position als Herrscher des gesamten deutschen Reichs in Konflikt geriet. Wenngleich er sichtlich von Abweichungen und Irrungen auf beiden Seiten der theologischen Front ausging und damals noch für seine Person an eine theologische Beilegung der Differenzen ge124 125 126
127
Gelmi, Die Päpste, 102-103: Clemens VII. (Giulio dei Medici, geb. 1478, erw. 1523, gest. 1534). Aulinger, DRTA.JR 10: Der Reichstag zu Regensburg und die Verhandlungen über einen Friedstand mit den Protestanten in Schweinfurt und Nürnberg 1532. Die Vollstreckung der mit dem Wormser Edikt vom 26. 5. 1521 über Martin Luther verhängten Reichsacht war den Reichsfürsten übertragen, 1524 bereits abgeschwächt und 1526 de facto supendiert. 1529 versuchte Ferdinand wiederum das Ketzerrecht durchzusetzen, stieß aber auf den Widerstand des Kurfürsten Johann Friedrich, des Landgrafen Philipp und ihrer Verbündeten (Ursprung des Wortes Protestanten). Luttenberger, Katholische Reform 191-199: Ein Mandat Erzherzog Ferdinands gegen die Ausbreitung der neuen Lehren vom 20. 8. 1527 ging im Zuge allgemeiner Kriegsdrohungen faktisch ins Leere.
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glaubt haben mag, hoffte er auf das Gewicht und Prestige der römischen Kirche, eine Lösung des Religionskonfliktes finden zu können. Daher stand Karl V. lange Zeit hinter der allerdings unausgegorenen Forderung nach einem Konzil. Eine politisch-konfessionelle Zäsur hatte schon der Reichstag in Speyer von 1529 bedeutet, der die von der Kirche abgefallenen Stände zu einem Zusammenrücken mit dauerhaften Folgen brachte. Die Protestanten suchten auf Grund einer vom damaligen Erzherzog Ferdinand als Vertreter Karls V. im Reich betriebenen Androhung, das Ketzerrecht durchsetzen zu wollen, ihrerseits den politischen Zusammenhalt im konfessionell-militärischen Bündnis von Schmalkalden.128 Der Augsburger Reichstag von 1530 hätte nach den Vorstellungen vieler friedenswilliger Kräfte eine Annäherung zuwege bringen sollen, führte jedoch, nicht zuletzt durch die sich formierenden machtpolitischen Gegensätze, deutlicher als zuvor zu einer gegenseitigen Abgrenzung der theologischen Positionen.129 Als Kaiser war Karl V. in den auf seine Krönung in Bologna (1530) folgenden Jahren in eine Fülle von weitgehend ineinander verwobenen Problemen und Konflikten verstrickt, die ihn wieder für ein Dezennium von den deutschen Landen fernhielten. Die Verkehrswege zwischen Spanien und dem Reich und die Küsten Siziliens wurden durch Piraten, die mit den Türken kooperierten, massiv gefährdet. Die Niederlande begannen gegen die spanische Fremdherrschaft zu revoltieren. Diese Konfliktherde zogen alle Aufmerksamkeit des kaiserlichen Hofes an sich. Das Reich wurde zum Nebenschauplatz. Rücksichtnahme auf protestantische Fürsten Noch gaben sich beide Teile in der Religionsfrage nach außen hin kompromissbereit und setzten gemeinsam auf die Lösungskompetenz eines allgemeinen Konzils. Politisch sah sich Karl V. aber bereits der Formierung eines Bündnisses deutscher Fürsten einschließlich Bayerns mit den Franzosen gegenüber.130 Andererseits musste der Kaiser für seine Pläne zur Königswahl seines Bruders, des Erzherzogs Ferdinand, bei aller altgläubigen Frömmigkeit die Kurfürsten gewinnen. 128
129 130
Decot, Art. Schmalkadischer Bund: ³LThK 9 (2000) 171-172: Aus Sorge vor einer Reichsexekution des für sie ungünstigen Reichsabschieds 1530 schlossen sich unter der Führung von Kursachsen und Hessen protestantische Fürstentümer und Reichsstädte zu einem Verteidigungsbündnis zusammen (27. 2. 1531). Formulierung des Augsburger Bekenntnisses und der Confutatio. Kohler, Antihabsburgische Politik 101-109: Bayern opponierte heftig gegen die Königswahl Ferdinands.
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Diese wussten die Gelegenheit des konkurrierenden bayerischen Anspruchs auf die Königskrone zu nutzen und handelten sich einen mehrjährigen Frieden und die Sicherheit aus, ihr Territorialkirchentum ausbauen zu können.131 Die erstarkte Rolle der protestantischen Fürsten bekam der neugewählte König Ferdinand unmittelbar zu spüren. Er musste das von ihm zwangsverwaltete Herzogtum Württemberg auf Druck der Kurfürsten und Bayerns 1534 wieder an Herzog Ulrich zurückstellen.132 Schließlich waren die äußeren Verhältnisse an den südöstlichen Reichsgrenzen, in deren Vorfeld das ungarische Königreich Ferdinands wiederum von den Türken angegriffen wurde, äußerst labil.133 Die jährlich wiederkehrende Bewilligung der Türkenhilfe setzte ein Eingehen auf die Wünsche der erstarkten protestantischen Stände voraus. Karl V. musste daher eine Annäherung an der Religionsfront zugestehen. Da unter dem neuen Papst mit dem Konzil trotz einer Ankündigung Pauls III.134 für die nahe Zukunft nicht zu rechnen war,135 setzte der Kaiser, um dem voranschreitenden konfessionellen Abfall entgegenzuwirken, wieder auf Gespräche unter deutschen Theologen. Zunächst wurde auf dem Frankfurter Reichstag 1539 der seit sieben Jahren bestehende Friedstand verlängert, gleichzeitig aber ein neuer Versuch zur Überwindung der religiösen Spaltung im Reich unternommen.136 1540 und 1541 wurden Religionsgespräche in Hagenau, Worms und Regensburg geführt.
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Reichstag in Nürnberg 1532. Hzg. Ulrich von Württemberg (1487-1550) war wegen Landfriedensbruch und Konspiration mit Frankreich gegen den Kaiser 1519 aus seinem Land vertrieben und dieses Ferdinand 1520 zur Administration übertragen worden. In der Folge ließ er nichts unversucht, um restituiert zu werden, wobei er im sich entfaltenden Religionskonflikt als Sympathisant Zwinglis zunehmend von den protestantischen Fürsten, vor allem Philipp von Hessen, unterstützt wurde. 1534 konnte er mit hessischer Unterstützung zurückkehren. Janssen 3 (1881) 246: Die Türken näherten sich Wien bis auf 2 Meilen, Reiter streiften bis an die Enns. In diese Zeitepoche fällt der poetische Aufruf des jungen HELDING an die Fürsten Deutschlands Epistola Germaniae ad suos principes. Gelmi, Die Päpste 104-105: Paul III. (Alessandro Farnese, 1468, gew. 1534, gest. 1549). Kurfürst Johann Friedrich hatte die päpstlichen Gesandten verletzend behandelt und zu erkennen gegeben, dass ihm wie den anderen an einem Papstkonzil wenig gelegen war. Hindernisse verursachten Frankreich und sogar der Herzog von Mantua (vgl. Pastor, Reunionsbestrebungen 96-99). Neuser, Die Vorbereitung der Religionsgespräche von Worms und Regensburg 1540/41, 75-85 (Text des Frankfurter Anstands vom 19. 4. 1539).
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HELDING als Mainzer Delegierter
Für das Kolloquium in Worms 1540/1541137 wurde auch Weihbischof HELDING als Mainzer Teilnehmer benannt. Welche Rolle HELDING tatsächlich ausfüllen sollte, wird weder zu Gesprächsbeginn, vor Ankunft des verspäteten kaiserlichen Delegierten Granvella,138 noch im weiteren Verhandlungsverlauf aus den Quellen klar ersichtlich.139 Vermutlich sollte er die theologische Front der katholischen Partei aus der zweiten Linie verstärken, während das Hauptgewicht der Gesprächsführung wohl den versierten Apologeten wie Eck, Nausea und Cochlaeus überlassen blieb. Auf protestantischer Seite war die Phalanx der neuen Lehre mit Philipp Melanchthon an der Spitze vertreten. Die Teilnahme am Wormer Kolloquium war für den jungen Weihbischof HELDING keine ungetrübte Erfahrung. Neben dem Domdekan Johann von Ehrenberg war als Vertreter der Mainzer Kurwürde auch der Mainzer Domherr und konfirmierte Bischof von Naumburg Julius Pflug nominiert. HELDING wurde mit Informationen knapp gehalten und musste bei Pflug brieflich um die näheren Umstände seiner vorgesehenen Verwendung anfragen, erhielt aber offenbar keine Direktiven.140 Seinen Stellenwert konnte er daran ermessen, welche Rolle ihm vom Mainzer Hof und vom Domkapitel zugewiesen wurde. Gegenüber dessen adeligen Kanonikern wurde ihm nur die Rolle eines Theologen neben anderen zugedacht, sein bischöflicher Rang zählte wohl nicht zuletzt wegen seiner bürgerlichen Herkunft wenig.141 Dennoch konnte er sich behaupten. HELDING tritt erstmals hervor
Der versammelte Kreis umfasste auf altgläubiger Seite mit Johann Eck, Eberhard Billick, Johannes Cochlaeus, Johann Fabri, Johannes Gropper, Friedrich Nausea, Julius Pflug, Gerhard Veltwyk renom137
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Ganzer – Zur Mühlen; Akten der deutschen Reichsreligionsgespräche im 16. Jh. 2: Das Wormser Religions- gespräch (1540/41) 1, 490. Roberg, Art. Granvella(e), Nicolas Perrenot de (1486-1550): ³LThK 4 (1995) 981982, kaiserlicher Orator (Staatsrat) unter Karl V., Granvella nahm an der Eröffnung des Tridentinums teil. Pollet, Correspondance 2 (Nr. 159) 169-171: Welche Aufgabe ihm neben Pflug, Ehrenberg, dem Juristen Konrad Braun und dem Theologen Ambrosius Pelargus zugedacht war, blieb HELDING bis zu seiner Abreise verborgen. Dies verwundert, da er im Mainzer Protokoll gemeinsam mit Ambrosius Pelargus als von wegen des Erzbischofs zum Gespräch verordnet geführt ist: Ganzer – Zur Mühlen, Das Wormser Religionsgespräch (1540/41) 1 (Nr. 20) 61. HELDING hatte damals sein Theologiestudium noch nicht abgeschlossen.
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mierte Theologen, während auf protestantischer Seite mit Philipp Melanchthon, Andreas Osiander, Erhard Schnepf, Martin Frecht, Johann Brenz, Jean Calvin, Martin Bucer die führenden Köpfe nach Luther vertreten waren. HELDING konnte seine Teilnahme daher als eine persönliche Wertschätzung betrachten, die zu rechtfertigen er sichtlich bestrebt war. Im Zuge der sich an Verfahrensfragen erschöpfenden Präliminarien finden wir HELDING als Wortführer eines Ausschusses der altgläubigen Seite, der sogar in Meinungsdifferenzen zum Präsidium geriet.142 Jedenfalls dürfte HELDING auf die Haltung der altgläubigen Seite schon damals bereits stärker Einfluss genommen haben, als von Biographen bisher angenommen wurde.143 Dem später eingetroffenen kaiserlichen Orator Granvella, der den bis dahin schleppenden Fortgang der Verhandlungen den Mainzer Räten zur Last legen wollte, wurde entgegnet, das sunderlich der Weybischoff zu Meintz den handel bisher, soviel billich were, gefurdert hette.144 In der seit 2002 vorliegenden Edition der Akten des Wormser Kolloquiums tritt der Dissens zwischen den Reichsständen, wie schon zuvor in Hagenau, bereits in prozeduralen Fragen zutage. Es erwies sich, dass eine breitere Beteiligung von Experten einem Konsens kaum förderlich war, zumal auch in den eigenen Reihen jeder vom Nachbar kritisch beobachtet wurde. Die katholische Partei, zu der sich in Worms noch Kurpfalz, Kurbrandenburg und Jülich-Kleve-Berg zählten, konnte zu keiner Einigung in der Frage der Rechtfertigung gelangen, da die drei genannten Stände sich der reformatorischen Position angeschlossen hatten.145 Nur im engsten persönlichen Rahmen kam eine Diskussion der Sachthemen voran. Offizieller Abbruch und geheime Unterhandlungen Nach drei Monaten ergebnisloser Gespräche und dem Austausch von Schriftsätzen ordnete der Kaiser ein Ende an und verlegte die Verhandlungen auf den bereits ausgeschriebenen Reichstag nach Regensburg. Daraufhin rafften sich die Parteien doch noch zu einer inhaltlichen Disputation auf, die Johann Eck und Philipp Melanchthon von 11. bis 18. 1. 1541 bestritten.146 Beide führten ihr Streitgespräch in Gegenwart des kaiserlichen Kommissars und Orators Granvella,147 142 143 144 145 146 147
Ganzer – Zur Mühlen, Das Wormser Religionsgespräch (1540/41) 1 (Nr. 98) 187. So z. B. bei Bautz, BBKL 2, 696-698. Ganzer – Zur Mühlen, Das Wormser Religionsgespräch (1540/41) 1 (Nr. 56) 104. Ebd. XI-XIV: Historische Einleitung. Ebd. (Nr. 117-122) 213-261. Wetzer – Welte 5, 1024-1030.
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des Bischofs von Seckau und der Präsidenten.148 Auf der Bank der Altgläubigen nahmen für Mainz Ambrosius Pelargus und der Suffragan von Halberstadt Johann Mensinger149 Platz, nicht aber HELDING . Dass den beiden promovierten Theologen Pelargus und Mensinger der Vortritt gelassen wurde, mag nicht verwundern, auch wenn HELDING schon einen Ausschuss der katholischen Seite geleitet hatte.150 Die katholischen Vertreter scheinen aber an einem Verhandlungserfolg wenig interessiert gewesen zu sein. HELDING gibt in einem kurzen Schreiben an Pflug zu verstehen, dass innerhalb der Mainzer Gruppe Ehrenberg, Braun und Pelargus eine offenbar von der seinen abweichende Auffassung vertreten würden, weshalb er sich zurückziehe, soferne ihn Pflug nicht ausdrücklich zurückrufe.151 Dazu kam es jedoch nicht. Das Religionsgespräch endete auf Grund der wenig kompromissbereiten Haltung beider Disputanten ergebnislos, sieht man von einer vorsichtigen Annäherung in der Frage der Erbsünde ab, die aber folgenlos blieb. Der Kaiser ließ sich vom vermutlich schon vorausgesehenen Scheitern nicht beeindrucken und vertagte das Kolloquium auf den noch während der Wormser Unterhandlungen am 14. 9. 1540 einberufenen nächsten Reichstag nach Regensburg, als dessen Vorspann es abgehalten werden sollte. Hinter den Kulissen hatte der kaiserliche Orator Granvella zwischen Johannes Gropper und Gerhard Veltwyk einerseits und Martin Bucer und Wolfgang Capito andererseits geheime Verhandlungen auf der Basis von Groppers Enchiridion christianae religionis152 und Bucers Römerbriefkommentar führen lassen. Als Ergebnis lag ein akkordiertes Dokument zu Fragen der Erbsünde, Willensfreiheit, Rechtfertigung, Sakramente und Kirchenzucht vor, das sogenannte Wormser Buch.153 Damit schien dem Kaiser der Beweis gegeben, dass es sinnvoll wäre, die Theologen ein Einvernehmen suchen zu lassen. Dieses Konsenspapier sollte – so hofften jedenfalls die an einer Einigung Interessierten – nun in Regensburg als Grundlage 148
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153
Auf altgläubiger Seite blieb noch der später am Interim mitbeteiligte Kölner Karmelit Eberhard Billick als Zuhörer, während die anderen Theologen sich zurückgezogen hatten. Gropper und Veltwyk hatten inzwischen mit Bucer und Capito am vertraulich gehaltenen sogenannten Wormser Buch gearbeitet. Smolinsky, Art. Mensing(er), Johannes OP (1475-1547): ³LThK 7 (1998) 137-138. Ganzer – Zur Mühlen, Das Wormser Religionsgespräch (1540/41) 2, 1122. Pollet, Correspondance 2 (Nr. 159) 169-171: Brief (ca.) vom 22. 10. 1540. Gropper hatte sein Enchiridion als Kommentar zu den Kölner Provinzialstatuten 1536 verfasst (gemeinsam erschienen 1538). Dieses umfangreiche Werk kann mit seiner Gliederung Symbolum, Sakramente, Oratio Dominica, Dekalog als Vorläufer von HELDINGS Institutio 1549 angesehen werden. Text bei Ganzer – Zur Mühlen, Das Wormser Religionsgespräch (1540/41) 1 (Nr. 225 u. 226) 574-701.
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für eine weitere Annäherung dienen.154 Allerdings war die Grundsatzfrage nach der Kirche und damit nach dem Papsttum aus der Diskussion völlig ausgeklammert worden. Dennoch waren die 23 Artikel des Wormser Buches ein vielversprechender Auftakt zu einer inhaltlichen Vergleichung unter Theologen. Es standen dem allerdings längst konträre politische Interessen entgegen, deren Exponenten der antihabsburgische Kurfürst Johann Friedrich und der unbeugsame Martin Luther waren. Schließlich hatten sich die protestantischen Fürsten in den meisten Fällen durch obrigkeitlich erlassene Ordnungen auf kaltem Weg der Kirchen ihres Territoriums bemächtigt. Welchen Vorteil konnten sie aus einer Überwindung der Spaltung ziehen? Die Haltung der Kurie wiederum ließ kaum einen Raum für Zugeständnisse. Für die vom Kaiser trotz dieses Hintergrunds angesetzte Fortsetzung des Kolloquiums in Regensburg nominierte Erzbischof Albrecht wieder Julius Pflug, obwohl dieser inzwischen am 20. 1. 1541 von seinem Naumburger Domkapitel gegen den Willen des sächsischen Kurfürsten Johann Friedrich zum Bischof gewählt worden war.155 Pflug war einer der erfahrensten Juristen und Theologen seiner Zeit, der schon 1530 am Religionsgespräch während des Augsburger Reichstages teilgenommen hatte. Dass der Mainzer Domkapitular Pflug, der mit Erasmus im Briefwechsel gestanden war156, und der gerade seinem Doktoratsstudium nachgehende HELDING in dieser Phase während und nach den Religionsgesprächen sich mit den anstehenden theologischen Streitfragen und der Suche nach Konsensmöglichkeiten weiter befassten und auch darüber austauschten, ist anzunehmen. HELDINGS Verhältnis zu Kaiser und König
An dieser Stelle ist die Frage angebracht, wie HELDING das Interesse und die Wertschätzung von Kaiser und König gewinnen konnte. Die Überlegung, welcher Umstand die Beziehung HELDINGS zu Kaiser Karl V.157 und König Ferdinand initiierte,158 dürfte bis zu dem unbefriedigenden Ergebnis des Hagenauer Religionsgesprächs zurückführen, das König Ferdinand 1540 präsidiert hatte. Der König war von der Art 154 155 156 157 158
Oberman, Kirche im Zeitalter der Reformation 193-195; zum Gesprächsverlauf vgl. Dingel, Art. Religionsgespräche IV: TRE 28 (1997) 658-660; Ortmann 191-229. Pollet, Correspondance 2, 908 berichtet über Pflugs Verhandlung mit Albrecht namens des Kapitels. Pollet, Correspondance 1, 215-222. Schindling, Art. Karl V. (1500-1558): ³LThK 5 (1996) 1243-1245. Zeeden, Art. Ferdinand I. (1503-1564): ³LThK 3 (1994) 1234.
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und Weise des Diskurses in Form einer wissenschaftlichen Disputation nicht angetan und dürfte für die Fortsetzung nach einer Erweiterung des Teilnehmerkreises auf altgläubiger Seite Ausschau gehalten haben. Obwohl HELDING nicht unter den nach Hagenau einberufenen katholischen Theologen war, wird sein Name als Übersetzer der Leipziger Artikel bereits genannt worden sein.159 Für eine Empfehlung HELDINGS beim kaiserlichen Hof könnten damals gewichtige Persönlichkeiten wie Friedrich Nausea, der im Domkapitel zu Mainz beurlaubte kaiserliche Sekretär Johann Obernburger160 oder Julius Pflug161 den Ausschlag gegeben haben. Auch stand HELDING bereits auf der Liste der von Erzbischof Albrecht für eine Delegation zum erwarteten Konzil vorgesehenen Mainzer Teilnehmer. In Worms hatte er sich zumindest im Kreis der katholischen Delegierten Gehör verschafft, was vom kaiserlichen Orator Granvella mit Sicherheit registriert worden war. Bei dem im Vorfeld des Reichstages von Regensburg 1541 angesetzten nachfolgenden Kolloquium fehlte er zwar wieder, vielleicht, weil seine Mitarbeit an den zur selben Zeit in Arbeit genommenen Mainzer Reformkonstitutionen Erzbischof Albrecht dringlicher erschien. Er dürfte aber schon zu diesem Zeitpunkt am kaiserlichen Hof zur Genüge bekannt gewesen sein. Letztlich muss es diesbezüglich aber mangels aussagekräftiger Archivalien bei Vermutungen bleiben.
3. RELIGIONSGESPRÄCH REGENSBURG (27. 4.–22. 5. 1541) 162 Schon im Ausschreiben für den Reichstag hatte der Kaiser die Absicht bekundet, den Religionskonflikt endgültig beizulegen und damit Frieden, Ruhe und Einigkeit im Reich wiederherzustellen.163 Das Wormser Buch hatte den Eindruck vermittelt, dass bei beiden Parteien ein Einigungswille bestünde. In seiner Proposition zum Reichstag164 stellte Karl V. den Zwiespalt in der Religion als die Hauptur159
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ARCEG 6 (Nr. 1) 1-20. Cardauns, Zur Geschichte der kirchlichen Unions- und Reformbestrebungen 1-24. Deutscher Text der Leipziger Artikel: 85-108; Henze, Aus Liebe zur Kirche Reform. Die Bemühungen Georg Witzels (1501-1573) um die Kircheneinheit 152-198. RHR-Jud. misc. 55/1: Vgl. HELDINGS Brief (Or) an Johann Obernburger vom 2. 10. 1549. Pflug, der aus dem Ritteradel in Meißen stammte, war seit 1530 Kanoniker in Mainz. Zur Mühlen, Art. Regensburger Religionsgespräche: ³LThK 8 (1999) 967-968. RK-RA ig. 13c/4, 8r-10v: Ausschreiben vom 28. 1. 1541. MEA-RTA 7/2, 59r-67r.
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sache von Streit und Zerrüttung im Reich in den Vordergrund und verwies auf die zuvor gescheiterten Versuche einer Vergleichung. Er setzte zwar nach wie vor auf ein Konzil als den einzigen Weg einer dauerhaften Bereinigung des Religionsstreits. Trotz dieser weitergespannten Erwartung, die auch von anderen Kräften abhängig war,165 hielt er aber auch an der Option einer von Rom unabhängigen Verständigung unter den deutschen Theologen fest. Daher war es seine Absicht, das in Worms offen gebliebene Gespräch noch vor den Reichstagsberatungen in Regensburg wieder aufzunehmen.166 An dieses erste Regensburger Religionsgespräch im Vorfeld des Reichstages 1541 knüpfte der Kaiser hohe Erwartungen, die er durch die Ankündigung unterstrich,167 erstmals nach vielen Jahren der Abwesenheit vom Reich den Reichstag persönlich zu besuchen. Ebenso sollte die Anwesenheit eines hochrangigen Vertreters des Papstes die Ernsthaftigkeit des Gesprächswillens der Kurie unter Beweis stellen. Dazu entsandte Rom Kardinal Gasparo Contarini,168 auf altgläubiger Seite wurden wieder Johann Eck, Julius Pflug und Johann Gropper nominiert, die Protestanten waren durch Philipp Melanchthon, Johann Brenz und Johann Nider (Pistorius d. Ä.) vertreten. HELDING war wie erwähnt diesmal nicht herangezogen worden.169 Das Religionsgespräch als Reichstagsvorspiel begann am 5. 4. 1541 mit der Behandlung einer eigenen kaiserlichen Proposition und endete am 22. 5. 1541, nachdem man sich in 16 Artikeln verglichen hatte, jedoch an der Frage der Kirche gescheitert war.170 Als Diskussionsgrundlage hatte das Wormser Buch gedient, das im Zuge der eingearbeiteten Verhandlungsergebnisse zum Regensburger Buch wurde.171 165 166
167 168 169
Es sei nur an die intransingente und intransparente Politik Frankreichs erinnert. Der Rat der Stadt Regensburg war bereits offen zum Protestantismus übergegangen. Karl V. hatte das Reich nach Augsburg 1530 verlassen und war erst 1541 wieder ins Reich zurückgekehrt. Ganzer, Art. Contarini, Gasparo (1483-1542): ³LThK 2 (1993) 1305-1306. MEA-RTA 7/2, 83r: Die Teilnehmer waren beauftragt, die streitigen artickeln gemelter Religion nach Inhalt gedachter proposition und bewilligung examinirn und erwegen wie die zuvergleichen. Unnd alsdann Jrer Mt: Churfürsten und fürsten und Stenden des anzaigung und bericht thun sollen, sich solichem anzaigen und bericht nach was zu gemelter vergleichung guet und dienlich sein mag ferner zuentschließen.
170
Dingel, Art. Religionsgespräch Regensburg (1540/41): TRE 28 (1997) 659; Ganzer– Zur Mühlen, Akten der deutschen Reichsreligionsgespräche im 16. Jh. 3: Das Regensburger Religionsgespräch (1541).
171
Zur Mühlen, Art. Regensburger Buch: ³LThK 8 (1999) 966-967. Das gesamte Regensburger Buch bei Ganzer – Zur Mühlen, Das Regensburger Religionsgespräch (1541) 1 (Nr. 150) 268-389, lat. u. deutsch; Art. 5: De iustificatione hominis 1, 288295.
Religionsgespräch Regensburg 1541
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Überraschenderweise schien die Frage der Rechtfertigung weitgehend verglichen.172 Der von Contarini zuletzt eigenhändig emendierte und gebilligte Wortlaut näherte sich einerseits durch starke Betonung der imputierten Gerechtigkeit der lutherischen Position an, hielt aber additiv auch an der altgläubigen Propagierung der Werke und der inneren Erneuerung des Gläubigen kraft der dem Menschen anhaftenden Gnade fest. Der Glaube als Zustimmung des Verstandes zur Offenbarung wird ergänzt durch einen vom Willen getragenen Akt (Der im Wormser Buch verwendete Begriff der iustificatio duplex ist nicht wieder aufgenommen, blieb aber dennoch bis zu seiner Verwerfung in Trient weiter in Diskussion).173 Der Wille wieder wird durch die Gottesliebe geheilt und bewirkt durch gute Werke ein weiteres Wachsen im Glauben.174 Dieser Linie nähert sich später auch HELDING an, indem er unter Akzentsetzung auf caritas und bona opera über allem eine gnadenhaft begründete Fähigkeit zum Glauben betont, wie im zweiten Teil der Arbeit noch zu zeigen ist. Die Kommunion unter beiderlei Gestalt erschien den altgläubigen Vertretern temporär hinnehmbar und bei den Sakramenten war man sich nahegekommen, weshalb bei manchen von Contarini vertraulich informierten Theologen die Hoffnung auf eine Reunion aufkeimte.175 Wie sich jedoch im weiteren Verlauf zeigte, ließen der Opfercharakter der Messe und die Wesensfrage der Kirche keinen Spielraum für Zugeständnisse zu. Dennoch empfand Karl V. auch dieses Ergebnis als Fortschritt, dem eine weitere Annäherung folgen könnte. Damit unterschätzte er jedoch die machtpolitischen Implikationen, die sich von der rein theologischen Erörterung unter Humanisten längst entfernt hatten.176 In der Religionsfrage insgesamt ergab sich kein Fortschritt. Im Regensburger Reichstagsabschied vom 29. 7. 1541177 setzte sich der Kaiser über die bisher erzielten Ergebnisse und Vorbehalte beider Tei172 173 174
175
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Pfnür, Colloquies 2; Dittrich, Contarini 669-679. Den Anstoß zu dieser Bewegung des Verstandes auf Gott hin gibt gnadenhaft der Hl. Geist. ARCEG 6 (Nr. 2) 54: 3. Fassung des Rechtfertigungsartikels: Et sic fide iustificamur seu reputamur iusti, id est accepti per ipsius merita, non propter nostram dignitatem aut opera…. Qui autem dicunt, sola fide iustificamur, simul tradere debent doctrinam de poenitentia, de timore dei, de bonis operibus. Dittrich, Contarini 623: Kardinal Reginald Pole äußerte sich hoffnungfroh über die weitere Entwicklung. Vogler, Die Religionsgespräche von 1540/41: Geschichte des Christentums 8, 396. Die Ablehnungsfront reichte von Luther und den Fürsten bis in die römische Kurie; Pastor, Reunionsbestrebungen 251. MEA-RTA 7/2, 478r-488v (Faszikelfoliierung d. Drucks Ivo Schöffer, Mainz v. 4. 9.1541).
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le hinweg und griff wieder vorrangig den Konzilsgedanken auf. Der päpstliche Gesandte habe einen baldigen Konzilsbeginn avisiert, sollte es dennoch nicht dazu kommen, würde in 18 Monaten ein neuer Reichstag angesetzt, der dann auch über ein Nationalkonzil befinden müsste. Dann stellte Karl V. eine rechtliche Schranke für die Ausbreitung der Neuerungen auf: Es soll auch biß zu obbestimpter endtlicher vergleichung / durch die Protestierenden über / unnd wider die Artickel / deren sich jre verordenten Theologi / allhie auff disem Reichßtag verglichen / nit geschritten werden.178 Reformabsichten des Kaisers Den geistlichen Ständen kündigte Karl V. im Rahmen des Reichsabschiedes 1541 eine Reform an.179 Worauf sich diese christliche Ordnung und Reformation als Vorbedingung einer Reunion tatsächlich erstrecken sollte, ist nicht weiter ausgeführt. Es konnte sich wohl nicht um doktrinäre Themen handeln. Diese wollte der Kaiser den Theologen auf dem Konzil vorbehalten. Pastor spricht von den trotz aller Reformversuche zu Beginn des 16. Jahrhunderts fortdauernden Missbräuchen in der Kirche Deutschlands.180 Er bleibt aber unbestimmt, welche Missstände er meinte. Allgemein wird auf die unter den Gravamina ecclesiastica subsumierten Beschwerden zu rekurrieren sein, die gegen den römischen Stuhl und seine Verwaltungs- und Jurisdiktionspraxis geführt wurden.181 Aber geistliche und weltliche Stände des Reichs erhoben auch gegenseitige Klagen und Beschwerden, die zumeist wirtschaftliche und soziale Probleme zum Inhalt hatten. So wurde auf den Synoden die große Zahl der Wanderprediger thematisiert, das Verlangen von Entgelt für die Sakramentenspendung kritisiert, aber auch die drückende Besteuerung des niederen Klerus (der Vikare) durch den hohen Amtsklerus und die simonistische Besetzung von Stellen angeprangert. Der niedrige Bildungsstand und die sittliche Disziplin von Klerikern und Laien wurden beklagt. Es bleibt unklar, wie sich Karl V. die Umsetzung von Korrekturmaßnahmen im Jahr 1541 vorstellte. Sieben Jahre später sollte er jedoch mit der Formula reformationis sehr konkret auf das Thema der Kirchenreform zurückkommen. 178
179 180 181
Ebd. 487r: Dazu die ksl Reformforderung: Eyn Christenliche ordnung und Reformation fürzunemen / unnd auffzurichten / die guter gebürlicher / und heylsamer administration der kirchen / fürderlich / und dienlich sei. Ebd. 485r. Pastor, Reunionsbestrebungen 1-16. Rudersdorf, Art. Gravamina: ³LThK 4 (1995) 992.
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Fortsetzung des Friedstands Im Folgenden dekretierte der Kaiser (meynen unnd wollen wir / hiemit ernstlich bevelhendt) die Prolongation des Nürnberger Friedstandes von 1532 bis zum nächstkünftigen Reichstag.182 Das entsprechende Verbot war ziemlich scharf formuliert183 und wäre bei strikter Befolgung eine offene Kampfansage an die Protestanten gewesen, die sich der Kaiser aber in der Praxis nicht erlauben konnte, wollte er die dringend erforderliche Türkenhilfe nicht aufs Spiel setzen. So kam es nachträglich zu einer vertraulichen Korrektur des verlautbarten Abschieds. Auf den erklärten Widerstand der weltlichen Kurfürsten hin signalisierte er den Protestanten in einer separaten Erklärung vom folgenden Tag die Aufrechterhaltung des status quo, der bis dahin immer zeitlich begrenzt worden war. Er verpackte diese interpretierende Stellungnahme in einer gegenüber den geistlichen Ständen geheim gehaltenen Deklaration vom 30. Juli 1541.184 Mit dieser authentischen Interpretation, die vom anderen Teil nur mehr die Erhaltung der Bausubstanz kirchlichen Eigentums verlangte, sonst aber den Protestanten freie Hand über kirchliches Vermögen ließ, stieß Karl V. die katholische Partei vor den Kopf. Diese sah nach Bekanntwerden nichts anderes als ein weiteres Zugeständnis an die Protestanten und formierte sich ihrerseits zu massivem Widerstand.185 Zuletzt verlang182 183
184 185
oder bis zum Ende eines Generalkonzils bzw. einer Nationalversammlung. Und [soll] nun hinfüran inn der Religion und Glaubens Sachen / auch sunst keyner andern ursachen halben / wie die namen haben möchten / niemandts Hochs oder Niders Standts / den andern biß zu endung obgemelts gemeinen oder National Concilij / oder künfftigen Reichßtags / bevehden / bekriegen / berauben / fahen / uberziehen / belägern. Auch darzu / durch sich selbs / oder jemandts andern / von seinet wegen / nicht dienen / noch eynich Schlösß / Stätt / Märckt / Bevestigung / Dörffer / Hoffe oder Weyler /absteigen / oder ohn des andern willen / mit gewaltiger thatt / frevenlich einnemen / oder geferlich mit brandt / oder inn andere weg beschadigen / noch jemandts solchen Thättern Rath / hülff / und in kein ander weiß beystandt oder fürschub thun. Auch sie wissentlich und gefehrlich nicht beherbergen / behausen / etzen / trencken / enthalten / oder gedulden: Sonder ein jeder den andern / mit rechter freundtschafft / und Christenlicher lieb / meynen. Auch die Klöster unnd Kirchen unzerbrochen / unnd unabgethan bleiben. Dergleichen den Geystlichen / so sich der Religion halben entsetzungen beklagen / jhre Renth / Zinß / und einkommen / so viel sie der noch in Posseßion seind / hinfüro unauffgehalten / vervolgen und zustehen lassen / alles bey vermeidung / unser schweren ungnad und straff / darzu der peen / inn unserm Keyserlichen außgekündten Landtfrieden / außgetruckt und begriffen. Es sollen auch die Protestierenden / niemands der andern seiten / zu sich tringen / bewegen / oder ziehen. Auch des andern theils Underthanen / in schutz unnd schirm nicht annemen / noch wider jre Oberkeyten vertheydingen in keinen weg (Reichsabschied Regensburg vom 29. 7. 1541 [MEA-RTA 7/2, 487v.] RK-RTA 7/5. Auszug in Kohler, Quellen zur Geschichte Karls V. (Nr. 76) 264-266. Pfeilschifter hat den dritten Band seiner ARCEG ausschließlich den altgläubigen Widerständen gegen die Unionspolitik des Kaisers gewidmet.
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ten die katholischen Reichsstände auf dem folgenden Reichstag zu Speyer 1542 die Aufhebung dieser Regensburger Deklaration, worauf der Kaiser aber nicht weiter einging.186 Mainzer Reformbemühungen Der Reformgedanke war Erzbischof Albrecht und seinem Domkapitel durchaus ein Anliegen, wenngleich der Elan der ersten Jahre infolge der territorialen und jurisdiktionellen Einbußen gegenüber der Landgrafschaft Hessen früh gebrochen war.187 Nachdem die anderen beiden geistlichen Kurfürstentümer, vor allem Köln, mit Synoden und dazu erstellten Statuten vorangegangen waren, wollte auch Mainz 1543 mit der Verabschiedung von Reformkonstitutionen für die Provinz nachziehen.188 Darin wurden zahlreiche Missstände angesprochen und Wege zu deren Beseitigung aufgezeigt. Es fehlten aber der Wille und die Kraft, um im gesamten Erzstift nennenswerte Verbesserungen durchzusetzen und der Tod Erzbischof Albrechts vereitelte letztlich die praktische Umsetzung des Reformvorhabens. HELDING tritt im Verlauf des Jahres 1541 nicht weiter in Erscheinung, mit Ausnahme eines Eintrags im Domkapitelprotokoll, wonach er, wie zuvor erwähnt, zur Reformkommission des Erzbischofs verordnet wurde.189 In der Folgezeit widmete er sich dem Theologiestudium und war vor allem auf der Kanzel tätig.190 1543 schloss er seine theologischen Studien mit der Promotion ab.191 Seine Arbeit wurde vom Domkapitel als verdienstvoll erachtet, was sich auch in der Besserung seiner wirtschaftlichen Lage äußerte. 1544 fiel HELDING die Pfründe seines Vorgängers an St. Stephan in Mainz zu.192 Offenbar besaß er daneben auch ein weiteres Benefizium an St. Moritz, von dem er sogar erst 1556 resignierte, als er längst schon in Merseburg fundiert war.193 Die folgenden Jahre sehen HELDING in vielfältiger Verwendung. Das 186 187
188 189 190
191 192 193
ARCEG 3 (Nr. 136) 416-421; Schweinzer-Burian, DRTA.JR 12/2 (Nr. 144, 145) 809815. Jendorff 44: Der Vertrag von Hitzkirchen 1528 im Gefolge der Packschen Händel besiegelte den Verlust wesentlicher Mainzer Einflussgebiete in Hessen und Sachsen; Jürgensmeier, Bistum Mainz 186-187. Text in ARCEG 4 (Nr. 7) 26-85. Herrmann, Protokolle 3/2, 920-921 (22. 11. 1541). Siehe seine Katechismuspredigten zwischen 1542 und 1544: Moufang hielt ihn deshalb für den eigentlichen bestallten Domprediger, was HELDING jedoch nicht war. CT 1, 190, Anm. 2 nennt den 25. 9. 1543 als Promotionstag. Herrmann, Protokolle 3/2, 1048. Ebd. 1049: Vom neuen Inhaber der Präbende Johann Segen begehrte HELDING eine Pension von 10 fl.
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volle Spektrum seines Wirken bis zum Entsendungsauftrag nach Trient 1545 lässt sich nur annähernd erschließen.194
4. HELDING IN TRIENT 1545 Ein ehrenvoller Auftrag HELDINGS intensive Predigttätigkeit seit dem Jahre 1542 wurde mit seiner Entsendung nach Trient unterbrochen. Im Frühjahr 1545, während in Worms wieder ein Reichstag stattfand, entsandte Erzbischof Albrecht seinen Mainzer Suffragan als offiziellen Vertreter zu dem seit November 1544 anberaumten,195 aber noch immer nicht eröffneten Konzil. Seit 18. Mai weilte der Mainzer Weihbischof in Begleitung seines Doktorvaters Konrad Necrosius und des Juristen Theodor Kauff in Trient. Erzbischof Albrecht hatte in einem als Vollmacht notariell beglaubigten Brief196 sein persönliches Fernbleiben mit der wachsenden Kriegsgefahr (bellorum et temporum difficultates et pericula) begründet und seinen vicarius in spiritualibus HELDING als amicus sincere dilectus präsentiert. Die Kriegsfurcht war keine Ausflucht, sondern die innere Gefahr schwelte trotz des im Jahr zuvor mit Frankreich geschlossenen Friedens von Crépy197 im Reich wie ein Feuer, das jederzeit zum Ausbruch gelangen konnte. Alle anderen Kirchenfürsten Deutschlands blieben ebenso dem Konzil fern. Überdies war Albrecht schon seit einigen Monaten kränklich und hätte mit Recht auch seinen Gesundheitszustand nennen können, wie etliche andere Bischöfe, die zu dieser Ausflucht griffen, um ihren Bischofssitz nicht verlassen zu müssen. Die Finanzkammer in Mainz hatte mit der Aufbringung der Reisekosten Schwierigkeiten, die nur durch einen Kredit beim Bankhaus Fugger überwunden werden konnten, es aber auch verständlich machen, dass sich Erzbischof Albrecht selbst die beschwerliche und obendrein aufwändige Reise ersparen wollte. Allerdings traf die Delegation noch immer viel zu früh am Tagungsort ein.198 Das Konzil kam nicht in Gang und bis zur tatsächlichen Aufnahme der Versammlung 194 195 196 197 198
Neben der Vorbereitung der 84 Katechismuspredigten arbeitete er am Entwurf der Mainzer Reformkonstitutionen. Vgl. Jedin, Geschichte des Konzils von Trient 1, 404-405. CT 4, 410-411 (Mandat für HELDING, Necrosius und Kauf[f]: Mainz, 27. 4. 1545). Im Frieden von Crépy vom 18. 9. 1544 gab Franz I. seine geheime Unterstützung der Protestanten auf. CT 1, 189-190: Am 18. 5. 1545 überreichte HELDING den Konzilslegaten in einer privaten Audienz seine notariell beglaubigte Vertretungsvollmacht, nachdem er wohlwollend empfangen worden war.
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Zur Biographie
sollte es Mitte Dezember 1545 werden. HELDING sorgte sich überdies um seinen Status in der Versammlung. Er berichtete seinem Vertrauten Julius Pflug unter Beifügung einer Liste der inzwischen eingetroffenen Teilnehmer, dass in den Beratungen nichts vorangehe und den Prokuratoren das Stimmrecht verweigert werden könnte.199 Entgegen seiner Besorgnis wurde der Weihbischof jedoch als Vollmitglied aufgenommen und fand Zugang zu den höchsten Prälaten, insbesondere den päpstlichen Legaten Präsident Del Monte, Cervini und Pole,200 als sich herausstellte, dass er der einzige bischöfliche Vertreter aus Deutschland war.201 Besonders Kardinal Cervini scheint an HELDING Gefallen gefunden zu haben. Dieser nützte die Wartezeit, um sich auch im Land umzusehen und besuchte die Stadt Venedig.202 Seine beiden Begleiter nahmen mit HELDING an der Messe am 29. 6. 1545 teil und traten nach einer neuerlichen Audienz bei den Legaten am 3. 7. 1545 die Heimreise an. Diskussion um HELDINGS Verbleib Noch vor der Konzilseröffnung starb Erzbischof Albrecht II. von Brandenburg.203 Schon drei Tage darauf überlegte das Domkapitel, ob der Weihbischof noch als Gesandter auf dem Konzil bleiben solle und beließ die Entscheidung dann dem künftigen Regenten.204 Anfang Oktober erreichte die Todesnachricht HELDING . Da er an der Wahl des Nachfolgers nicht beteiligt war, blieb er in Erwartung des angekündigten Auftakts der Kirchenversammlung in Trient. Als ihn der am 20. 10. 199
200
201 202 203
204
Pollet, Correspondance 2, 601-602: Brief HELDINGS an Pflug vom 6. 7. 1545: HELDINGS Begleiter Kauff und Necrosius reisten aus Trient wieder ab, da nur Repräsentanten im Bischofsrang ein Stimmrecht zuerkannt wurde. HELDING wurde als Weihbischof vom Präsidium nach Rückfrage in Rom akzeptiert. Ganzer, Art. Papst Julius III. (Giovanni Maria del Monte: geb. 1487, gew. 1550, gest. 1555): ³LThK 5 (1996) 1084-1085; Schwaiger, Art. Papst Marcellus II. (Marcello Cervini: geb. 1501, gew. 9. 4. 1555, gest. 1. 5. 1555): ³LThK 6 (1997) 1304; Ganzer, Art. Pole, Kard. Reginald (1500-1558): ³LThK 8 (1999) 374-375. CT 4, 421-422: Am 16. 5. 1545 Antrittsbesuch der Delegation beim Präsidium Del Monte und Cervini. Ebd. 194 und 204 (vom 26. 5. bis 4. 6. 1545). Mainzer Domkapitelprotokoll Band 8 (1544-1548) 174v: Eintrag vom Freitag, den 25. 9. 1545: Der Decanus zaigt an: Welchermassen gesterigs tags den vierundzweintzigsten deß monats Septembris zwischen Dreien unnd viern uhren nach mittag, der ewig got, weiland den Hochwirdigsten, Durchleuchtigsten und hochgepornen fursten unnd herren, herren Albrechten Cardinaln und Erzbischofen zu mentz, Churfürsten etc. auß diesen Jamerthal zu seiner gotlichen gnaden erfordert, Welchermassen auch alspald der Marschalckh zugefarn, unnd die Cammerjunnkhern, medicos, unnd andere, so seiner Chfl: Gd: Jn deren leben gewartet, Jn glübde genommen, solchen todt niemand zueröffnen, biß uff weithern bescheydt etc. Mainzer Domkapitelprotokoll Band 8, 176v (Eintrag vom 27. 9. 1545).
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1545 zum Erzbischof gewählte Sebastian von Heusenstamm abberief, intervenierten die Konzilslegaten in Mainz, um den Suffragan noch in Trient zu halten. Sie überredeten ihn, seine Abreise wenigstens bis zur Eröffnungssitzung des Konzils zu sistieren.205 HELDINGS Präsenz und seine Aufnahme in höchsten Kreisen der Kurie wurde auch von den kaiserlichen Legaten in Trient registriert, wie deren Korrespondenz mit Karl V. zeigt. Dies mag den Mainzer Weihbischof nach seinem ersten Auftritt 1540/1541 beim Wormser Kolloquium neuerlich am kaiserlichen Hof in Erinnerung gebracht haben. Daher erscheint die kaiserliche Ladung aus Gent zur Mitwirkung bei einem neuen Kolloquium in Regensburg 1546 nicht allzu überraschend.206 Im Dezember konnte HELDING endlich von der bevorstehenden Eröffnung des Konzils nach Mainz berichten,207 vernahm aber von dem auf der Durchreise nach Rom befindlichen Domkapitular Arnold von Buchholz, dass der neue Erzbischof ernsthaft auf seiner Rückkehr insistiere. Da er die Abreise dennoch einige Tage hinauszögerte,208 konnte er an der feierlichen Eröffnung des Konzils am 13. 12. 1545 als einziger deutscher Bischof teilzunehmen. Bei der ersten Generalkongregation am 18. 12. 1545 war er als Vertreter des Mainzer Stuhls anwesend.209 Bevor er dem Rückruf des neuen Erzbischofs Sebastian von Heusenstamm Folge leistete und Trient am 8. 1. 1546 verließ,210 überreichte er noch eine inzwischen verschollene Denkschrift (consilium) zur Kirchenreform.211 Ein Schreiben, mit dem Erzbischof Sebastian dem deklarierten Wunsch des Konzilspräsidiums doch noch stattgab und letztlich einem Verbleib seines Delegierten zustimmte, erreichte HELDING erst, als er sich schon auf dem Heimweg befand. Über die Gründe der Rückberufung HELDINGS aus Trient wurde reichlich spekuliert, der Mainzer Suffragan sei zum Objekt der 205 206 207 208
209 210
211
Sie verwendeten sich brieflich für HELDINGS Verbleib in Trient. CT 1, 341: HELDING wies dem Konzilspräsidium den ksl Brief vom 2. 11. 1545 vor und erbat die Abreiseerlaubnis. Ebd. 652-655: Brief HELDINGS an Pflug vom 19. 12. 1545. Als Begründung schreibt er, sein Abzug würde Misstrauen bei den Legaten erwekken und für die päpstliche Konfirmation des neuen Erzbischofs Sebastian von Nachteil sein. Vgl. Brück, Drei Briefe HELDINGS vom Tridentinum (AMRhKG 1950, 219-226). CT 10, 581, Anm. 7 führt HELDING als Episcopus titularis Sidoniensis an (consecratus 4. 8. 1538, translatus ad ecclesiam Merseburgensem 16. 4. 1550). Jedin, Trient 2, 11: Vor seiner Abreise stellte HELDING noch einen Antrag, gelehrte Theologen zur Aufstellung eines Arbeitsprogrammes und einer Geschäftsordnung einzusetzen. Der Antrag wurde auf die folgende Generalkongregation vertagt, an der HELDING nicht mehr teilnehmen konnte. Druffel, Monumenta Tridentina (München 1883) 353, zitiert in ARCEG 4 [Nr. 93] 311-312, Anm. 77.
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Politik geworden: Karl V. habe dem Konzil damit die Thematik des Reichs entziehen wollen, weil es nicht in der vorgedachten Form, die eine Mitwirkung der Augsburger Konfessionsverwandten ermöglicht hätte, angestellt und abgehalten wurde. Sebastian von Heusenstamm habe dem Kaiser dabei aus persönlichen Gründen mit der Auffassung, der vom Vorgänger erteilte Vertretungsauftrag HELDINGS sei mit Albrechts Tod erloschen, in die Hände gespielt.212 Beide Motive scheinen wenig fundiert. Als er am 24. Jänner 1546 in Mainz eintraf, ließ ihn der Kurfürst nicht zum Religionsgespräch nach Regensburg weiterreisen, obwohl sich auch dessen Beginn verzögert hatte. Immerhin hätte HELDING als einziger Bischof des Reichs den Regensburger Kolloquenten ein Stimmungsbild von der Konzilsatmosphäre vermitteln können. Sebastian von Heusenstamm beharrte aber auf HELDINGS Verbleib in Mainz mit der Begründung, dass er selbst noch nicht ordiniert sei und einen Vertreter in spiritualibus benötige. Dass dazu außer HELDING niemand verfügbar war, verwundert, da mit dem seines Bistums entsetzten Valentin von Tetleben wenigstens ein weiterer ordinierter Bischof in Mainz präsent war. Vielleicht irritierte den vormaligen adeligen Domscholaster Heusenstamm doch auch die Heranziehung seines Suffragans als theologischen Experten durch den Kaiser.213 Das Vertrauensverhältnis zwischen HELDING und dem neuen Erzbischof entwickelte sich vorerst schrittweise, scheint aber mit der Berufung HELDINGS in das Bischofsamt zu Merseburg gewachsen zu sein, wie ein Empfehlungsbrief Sebastians an das dortige Kapitel zeigt.
212
213
Vogel, Das zweite Regensburger Religionsgespräch 1546, 253-254. Interessanter ist die Bemerkung, die Legaten erachteten HELDING für die Rolle eines Kolloquenten als nicht genug versiert, was Vogel (ebd. 250, Anm. 272) mit einem entgegen allen anderen Quellen fehlenden theologischen Doktorat erklären will. Tatsächlich erwähnt auch Decot, Religionsfrieden, Heldings 1543 erworbenen Doktortitel nicht. Hier ist eine Bemerkung zur Wahrnehmung von Standesunterschieden in der Kirche angebracht. Adelige Mitglieder eines Domkapitels mussten sich einer strengen Ahnenprüfung unterziehen. Versuche der Kurie, den Kapiteln nichtadelige Besetzungen aufzudrängen, wurden lange Zeit erfolgreich abgewehrt. Überhaupt wahrten die Domkapitel ihren Besitzstand mit allen Mitteln und waren deshalb kaum reformwillig.
Kolloquium und Reichstag Regensburg 1546
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3. Kapitel REICHSPOLITIK Ratgeber der kaiserlichen Religionspolitik
1. KOLLOQUIUM UND REICHSTAG REGENSBURG 1546 Die kaiserliche Religionspolitik wurde schon von Hubert Jedin und später von Konrad Repgen als zögerlich und unentschlossen qualifiziert.214 Der Reichstag 1545 in Worms hatte unter der fehlenden persönlichen Präsenz der Kurfürsten und der krankheitsbedingten Abwesenheit des Kaisers gelitten, was eine endgültige Entscheidung zentraler Fragen unterband und daher eine baldige Fortsetzung verlangte. Karl V. fügte seiner Prorogation zu dem für 1546 nach Regensburg einberufenen Tag daher die ernste Mahnung zur verpflichtenden Teilnahme bei und griff trotz des Geschehens in Trient das Religionsthema selbst wieder auf. Für den zuvor im Jänner 1545 eröffneten Reichstag in Worms hatte der Kaiser in seiner Proposition aus Rücksichtnahme auf das angekündigte Konzil keinen eigenen Religionsartikel formuliert.215 Diese Zurückhaltung gab er jedoch auf Grund der Nachrichten aus Trient, dass von einer zügigen Befassung mit den Problemen im Reich nichts zu spüren war,216 auf und setzte wiederum trotz allem bisherigen Scheitern auf eine nationale Annäherung der Religionsparteien im Reich. Katholische Zweifel am Kolloquium 1546 Die katholischen Stände nahmen die Einberufung des Religionsgesprächs nach Regensburg mit größter Zurückhaltung auf, zumal in ihren Augen die so lange angestrebte Instanz für die Behandlung des 214 215
216
Repgen, Reich und Konzil 51. Im Vordergrund stand wieder die Türkenhilfe sowie Reichspolizei- und Münzordnung (Aulinger, DRTA.JR 16 (2003); Janssen 3, 526 hebt die deutliche Ablehnung des Konzils durch die Protestanten hervor. Vgl. Jedin, Trient 2, 9.
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Reichspolitik
Glaubenszwiespalts mit der päpstlichen Konzilsberufung nunmehr vorhanden war. Für die geistlichen Kurfürsten und Fürsten konnte ein weiteres Gespräch in Deutschland keine Verbesserung der altgläubigen Position erwarten lassen. Einem Religionsgespräch von wenigen Teilnehmern billigten auch die evangelischen Reichsstände kaum Chancen zu, bleibende Ergebnisse zu erzielen. Sie strebten vielmehr ein Nationalkonzil an, zumindest sollten die allenfalls beim Kolloquium verglichenen Artikel auf dem nachfolgenden Reichstag Gesetzeskraft erhalten und dadurch für die Zukunft bindend sein. Darauf konnte und wollte sich wieder Karl V. nicht einlassen, zumal auch er das Konzil als die letzte Instanz in Glaubensfragen betrachtete. Daher wurde sein Beharren auf dem Kolloquium, während das Konzil in Trient tagte, von den meisten Zeitgenossen als ein taktisches Manöver angesehen.
1.1. Religionsgespräch 1546 – Ein fruchtloser Anlauf (27. 1. –20. 3. 1546) Für dieses Religionsgespräch217 bestellte der Kaiser den Bischof von Eichstätt und den Grafen Friedrich von Fürstenberg, später auch noch Julius Pflug als Vorsitzende. Als Kolloquenten auf katholischer Seite berief er seinen Beichtvater Petrus Malvenda, Johann Cochlaeus, den Augustinerprovinzial Johann Hoffmeister, den Karmeliteroberen Eberhard Billick und auch Michael HELDING .218 Seinem Bruder, König Ferdinand, stellte er die Nominierung weiterer altgläubiger Teilnehmer, insbesondere auch vorderösterreichischer Theologen anheim. Die personellen Ressourcen waren jedoch so beschränkt, dass es bei dem genannten Kreis blieb.219 Als Gesprächsteilnehmer auf Seite der Augsburger Bekenntnisverwandten waren wieder Martin Bucer, Philipp Melanchthon, Johann Brenz und Erhard Schnepf geladen. Für den erkrankten Melanchthon wurde später Georg Major namhaft gemacht. Diese Berufung HELDINGS durch den Kaiser unterstreicht die Wertschätzung, die dem Mainzer Weihbischof mittlerweile entgegengebracht wurde 220. 217 218 219
220
Zuletzt 2009: Vogel, Das zweite Regensburger Religionsgespräch 1546; einführend auch: Aulinger, DRTA.JR 17, 38-40. Die Einbeziehung HELDINGS geht vermutlich auf Julius Pflug zurück. Die ihm vorschwebenden beiden Personen, der Basler Kanoniker Beer und der Innsbucker Gall, waren schon in vorgerücktem Alter. RK-RA ig. 12/1, 30v: Ksl Ladung an HELDING, Pflug, Billick, Hoffmeister, Bucer, Melanchthon, Brenz und Schnepf (Gropper hatte schon zuvor abgesagt).
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Mitwirkung Julius Pflugs Julius Pflug hatte zunächst ernste Bedenken gegen die Sinnhaftigkeit eines neuerlichen Gesprächsversuches geäußert, zumal er bereits zu diesem Zeitpunkt eine aufrichtige Vergleichsabsicht auf Seite der Protestanten anzweifelte. In seiner Antwort an Karl V. aus Mainz schützte er gesundheitliche Probleme und sein prekäres Verhältnis zu Sachsen vor.221 Der Kaiser antwortete postwendend, dass er ihm die Mitwirkung nicht erlassen könne, weil er, Pflug, nach der Absage Groppers inhaltlich beste Kenntnis vom vorangegangenen Kolloquium besitze und auf der protestantischen Seite mit Melanchthon und Bucer ebenso erfahrene Theologen verordnet seien, so dass man daher von einem beiderseitigen Vergleichsstand ausgehen könne. Dem kaiserlichen Sekretär Obernburger gegenüber zeigte sich Pflug aus anderem Grund sorgenvoll. Er befand ungleiche Bedingungen, da die altgläubigen Teilnehmer seiner Meinung nach der Dialektik der Lutheraner nicht gewachsen seien. Überdies befürchtete er eine Eskalation der Disputation bis hin zu einem Waffengang. Dazu wollte er nicht beitragen.222 Wenig später meldete er aber überraschend dem Kaiser seine Bereitschaft, nun doch in Regensburg zu erscheinen.223 Er fügte jedoch die Bitte an, ihn nicht direkt in der Disputation einzusetzen, sondern nur zur Unterstützung der Kolloquenten zu verwenden.224 Der Kaiser bestellte ihn schließlich zum dritten Präsidenten. Das Kolloquium wurde am 27. 1. 1546 mit der vom Kaiser vorgegebenen Aufgabenstellung eröffnet, dem Reichstag einen Vorschlag für einen Religionsvergleich vorzulegen. Damit war das gleichzeitig in Trient ablaufende Konzilsgeschehen, von dem man nicht wusste, welche Traktanden erledigt werden würden, nicht desavouiert. Anderer221
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Briefe gedruckt bei Pollet, Correspondance 2 (Nr. 313, 315, 316); ARCEG 3 (Nr. 189, 190, 193, 194, 199). Pflug an Karl V. am 18. 11. 1545: Pollet, Correspondance 2 (Nr. 315) 633-634: Aber, so setzt er seine eigentlichen Motive hinzu, AG Herr und RK aus deme so ich hiebevorn erfarenn unnd aus ytzigen umbstenden ermessen khann, trage ich vorsorge, das das vorstehenndt Colloquium sich zur Disputationn unnd allerley weiterung zihen werde, beneben deme das ich aus etzlichen vorgangenen handelungen vormarckt, das meyne gethraue meinung von meinen widderwertigenn in mißvorstanndt getzogen unnd nun solchs viel mehr geschen mochte, weil ich mit dem Churfursten zu sachssenn jn jrrung stehe. RK-RA ig 12/1 (1545) 59r-60v. Darauf ging Karl V. offenbar ein, denn bis Mitte Februar 1546 haben die Präsidenten auf ihn noch nicht zurückgegriffen, dann muss jedoch eine kaiserliche Order ergangen sein, denn am 20. 3. 1546 und später in der Relation an Karl V. erscheint Pflug als einer der drei Präsidenten. Bischof Moritz von Eichstätt tritt ab März 1546 nicht mehr in Erscheinung, sein Name findet sich aber wieder auf dem Schlussprotokoll des Präsidiums an den Kaiser.
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seits zeigte Karl V., dass er in der Religionsfrage den Status quo nicht als permanente Lösung hinzunehmen gewillt war. Beiderseits fehlender Konsenswille Der Kaiser hatte bestimmt, dass die Augsburger Konfession zur Grundlage zu nehmen und die im ersten Regensburger Gespräch bereits verglichenen Artikel beiseite zu lassen seien. Mit der Lehre von der Rechtfertigung225 und den damit in Zusammenhang stehenden Artikeln sollte begonnen werden. Die Präsidenten hielten sich streng an den Wortlaut ihrer Instruktion, zumindest Bischof Moritz von Eichstätt stand allerdings persönlich, ebenso wie der spanische Kolloquent Pedro Malvenda auf katholischer Seite, dem Ziel dieses Religionsgesprächs distanziert gegenüber. Noch vor dem förmlichen Beginn der Beratungen erhob sich ein heftiger Streit über die Geschäftsordnung. Die von den Protestanten gestellten Forderungen lehnte der Wortführer der Katholiken Malvenda unter Berufung auf seine ihm vom Kaiser erteilte Instruktion ab. Es folgten Kompromisse, so dass die Disputation am 5. 2. 1546 endlich ihren Anfang nehmen konnte.226 In Abwesenheit des kränkelnden Melanchthon wurde Martin Bucer Sprecher der Protestanten.227 Die Diskussion fuhr sich wie schon in den früheren Kolloquien immer wieder an den formalen Umständen fest und kam über den Austausch von prozeduralen Standpunkten, insbesondere der Frage einer wortgetreuen Dokumentation, nicht hinaus. Die von Malvenda erbetene Erklärung des Kaisers zum Modus procedendi entschied über das weitere Schicksal des Gesprächs. Karl V. hob alle inzwischen bewilligten Zugeständnisse der Präsidenten zum Prozedere der Verhandlungen wieder auf und wies Wünsche nach Änderung der Gesprächsordnung ab. Inzwischen war am 18. 2. 1546 Martin Luther in Eisleben verstorben, was im Umkreis des Kaisers auf eine neue Konstellation unter den Protestanten hoffen ließ. Am 26. 2. 1546 erfuhren die Kolloquenten vom Tod des Reformators. Die Evangelischen antworteten erst am 2. 3. 1546, wobei sie auf ihren Forderungen be225
Aus diesem Passus leitete Pfeilschifter die Vermutung her, der Teilentwurf zum Interim De peccato originali und De iustificatione (ARCEG 6 [Nr. 5]) rühre aus dem Jahr 1546.
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Über die Umstände und den Verlauf des Gesprächs aus prot. Sicht: Schultze, Das Tagebuch des Grafen Wolrad II. zu Waldeck (ARG 7 (1909/1910) 135-184 und 294347). Greschat, Martin Bucer. Ein Reformer und seine Zeit; ders., Art. Bucer, Martin: ³LThK 2 (1994) 739.
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harrten. Schließlich erboten sich die Präsidenten, beim Kaiser abermals Instruktionen zu erwirken. Bis dahin sollte in der bisherigen Form weiter diskutiert werden. Am 10. 3. 1546 wurden die Beratungen jedoch eingestellt. Die katholische Position kann dahingehend interpretiert werden, dass vermittelnde Persönlichkeiten wie Pflug zwar für die theoretische Vorbereitung einer Vergleichung gebraucht wurden, dass zunächst aber nochmals den erprobten Disputanten das Feld überlassen werden sollte. Ob man der kaiserlichen Seite bereits ein bewusstes Scheiternlassen des Gespräches unterstellen darf, um einen Anlass für den Weg des harten Durchgriffs zu haben, ist nicht zu beantworten. Allerdings wirkt der Kern des Streits um die Zulassung von zwei zusätzlichen Notaren als passendes fait accompli für einen gewollten Dissens. Insoweit behielt Pflug mit seinen Befürchtungen Recht. HELDINGS vermutete Teilnahme
An dieser Stelle scheint es von Bedeutung, den Blick wieder auf Michael HELDING zu lenken und Licht in seine bisher nicht eindeutig geklärte Präsenz in Regensburg zu bringen.228 Nachdem er der ursprünglichen Einladung zum Religionsgespräch nicht Folge leisten konnte und aus den obengenannten Gründen auch nach seiner Rückkehr aus Trient nach Mainz (am 24.1.1546) nicht durfte, hatte ihn der Kaiser abermals nach Regensburg gerufen und Erzbischof Sebastian am 8. 5. 1546 aufgefordert, ihn zum Reichstag mitzunehmen. Dieser entschuldigte sich weitläufig für seine Weigerung, HELDING am verspätet begonnenen Kolloquium teilnehmen zu lassen.229 Dementgegen spricht Anton Ph. Brück (NDB) von einer Teilnahme HELDINGS am Gespräch, verwechselt diese jedoch mit seiner Anwesenheit nach dem Kolloquium.230 Auch dass der Weihbischof zwar nicht als Teilnehmer, aber doch schon zur Zeit des Gesprächs in Regensburg anwesend gewesen wäre, wie Ernst Bizer meinte, ist nirgends nachweisbar.231 Jedenfalls befand sich HELDING in Mainz, als 228
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Lortz, Geschichte der Kirche 175, nennt HELDING sogar einen hervorragenden Mitstreiter am Regensburger Religionsgespräch, ohne dieses näher zu spezifizieren. Erzbischof Sebastian an Karl V. vom 8. 5. 1546 (RK-RTA 19/1, 1-4v; Druck: DRTA. JR 17, 85-87). NDB 8 (1969) 486-487. Dieser auch von anderen, zuletzt in DBETh 1, 622 wiederholte Irrtum ist durch den Verlust des offiziellen Protokolls erklärlich. Auch Zoepfl in DSp 7 (1969) nimmt in seinem ansonsten sorgfältig recherchierten biographischen Artikel HELDINGS Teilnahme am Kolloquium von Regensburg 1546 an. Ernst Bizer, Reformationsgeschichte K 140 meint irrigerweise, HELDING hätte
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ihn die neue Einladung des Kaisers vom 1. 5. 1546 erreichte.232 Am 7. 5. schrieb er noch von Mainz aus einen Brief an die päpstlichen Legaten in Trient, in dem er die Gründe darlegte, weshalb er nicht zum Konzil zurückkehren könne.233 Dass eine solche Rückkehr in Mainz ernsthaft erwogen wurde, ist unwahrscheinlich. Befragung der Theologen Der Kaiser gab nach dem Scheitern des Gesprächs bei den vier katholischen Kolloquenten Malvenda, Billick, Hoffmeister und Cochlaeus ein Gutachten zur Frage in Auftrag, ob Religionsgespräche weiterhin ein Weg der Annäherung sein könnten, bzw. ob eine solche in Zukunft überhaupt noch zu erwarten sei, ferner, wie man den schädlichen Religionsverhältnissen in Deutschland begegnen solle. Die Gutachter kamen zum Schluss, dass eine Fortsetzung der Disputationen fruchtlos sein würde.234 Nach seinem Einzug in die Reichstagsstadt hatte sich der Kaiser von den Präsidenten des Kolloquiums berichten lassen.235 Daraus war wohl die Idee erwachsen, die Situation nochmals kritisch zu analysieren. Karl V. holte daher auch bei einigen nicht am Kolloquium be-
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sich gemeinsam mit Pflug in Regensburg aufgehalten, ohne am Gespräch teilzunehmen. Bizer hat auch übersehen, dass Pflug nachträglich zum Co-Praeses bestellt wurde. Nach Ende des Gesprächs ist Pflug weiter in Regensburg geblieben, was durch seinen Brief an einen unbekannten Empfänger vom 18.6.1646 (Pollet, Correspondance 2 (Nr. 338) 688-690 bestätigt wird. Ebenso wird er in Präsenzlisten als Teilnehmer am Reichstag genannt (DRTA.JR 17, 524). HELDING wäre dann Bizer zufolge nach dem Ende des Kolloquiums nach Mainz zurückgekehrt und am 1. 5. 1546 vom Kaiser neuerlich gemeinsam mit Gropper nach Regensburg beordert worden. Wahrscheinlicher ist, dass HELDING während des Religionsgesprächs noch nicht in Regensburg war, erst nach der ksl Aufforderung zu Pflug stieß und sich bei dieser Gelegenheit mit dem von Pfeilschifter als Vergleichsformel vom Mai/Juni bezeichneten Entwurf (Vorstufe des Interim) befasste: ARCEG 6 (Nr. 15) 185-255. Dabei wird Groppers Reformgutachten (Begleitbrief vom 14. 5. 1546) mitverwertet worden sein. Das von Pfeilschifter aufgefundene und von diesem ebenfalls auf 1546 datierte Fragment De peccato originali und De iustificatione hominis) ist in diesem Zusammenhang nicht eindeutig einzuordnen und könnte auch einer früheren Phase entstammen (Siehe unten Kapitel 4). RK-RTA 19/1 (1946) unf.: Vom Konzept des Briefes liegt hier nur das zweite Blatt vor, während das vordere Blatt den im allgemeinen Teil gleichlautenden Brief an Gropper bildet und für das Schreiben an HELDING mitverwendet wurde. Dieses erste Blatt liegt in RK-RA ig 12/1 (1545) 127rv. CT 10, 479, Anm. 9: Ksl Berufung nach Regensburg, quod Mtas Caes. ad nova componendae religionis et sublevandae afflictae et miserae Germaniae…remedia animum intenderit…et aliquot pietate et doctrina commendabiles theologos adhibere decreverit. Gemeinsames Gutachten vom 14. 4. 1546: ARCEG 6 (Nr. 6) 148-151. RK-RA ig 12 /1 (1546) 106r-111r: Brevis et compendiosa de Colloquio Ratisponense Relatio.
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teiligten Theologen eine Einschätzung der Lage ein. Dieser Auftrag war abgesehen von Pflug an Gropper und HELDING ergangen.236 Der Kaiser legte dabei offenbar besonderen Wert auf HELDINGS Präsenz. Dieser war spätestens ab Mitte Mai 1546 in Regensburg anwesend und vermutlich sofort mit Vorarbeiten für ein Religionsdokument (christlichen radtschlag) betraut worden. Wenn der Teilentwurf betreffend Erbsünde und Rechtfertigung, auf dem HELDING eigenhändige Anmerkungen anbrachte, wie von Pfeilschifter vermutet, aus dem Jahr 1546 stammt, wäre dies ein Hinweis, dass die vom Kaiser zur Nachbereitung des Kolloquiums bestellten altgläubigen Theologen jedenfalls noch vor dem Reichstag an einem weiterführenden Konzept zu arbeiten beauftragt wurden.237 Anstatt der Einladung des Kaisers zum persönlichen Erscheinen Folge zu leisten, hatte Gropper am 14. Mai 1546 ein Gutachten übersandt,238 in dem er in 13 Kapiteln die brennenden Fragen einer Situationsanalyse unterzog, ohne damit eine Vergleichsformel zu bieten: Schwerpunkte seiner Exposition sind die Wiederherstellung der reinen Lehre (Gropper möchte z. B. alle häretischen Bibeln abschaffen), die Abstellung der Missbräuche in Zeremonien und bei der Sakramentenspendung, die Disziplin von Volk und Klerikern und die Ausbildungsstätten sowie die geistliche Gerichtsbarkeit. Dieses Gutachten war lange vermisst und wurde zeitweilig in dem in Zeitz befindlichen Scriptum latinum (siehe unten) vermutet. Letztlich wurde es von Heinrich Lutz in der Biblioteca Ambrosiana in Mailand aufgespürt.239 Nach Eröffnung des Reichstages legten die protestantischen Reichsstände eine weitere Erklärung vor, in der sie die Schuld am Gesprächsabbruch maßgeblich auf die katholischen Vorsitzenden abluden, weil diese von der Absicht, die Akten des Gesprächs nicht an Außenstehende gelangen zu lassen, sondern verwahrt zu halten, nicht abrücken wollten.240 Ob sich HELDING auch während des Reichstags 236 237
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ARCEG 6 (Nr. 6) 152-153; Pollet, Correspondance 2, 683-686. ARCEG 6 (Nr. 5) 130-147: Auf der Rückseite des 24 Bl starken (von HELDING mit Zitaten ergänzten) Konvoluts Staatsarchiv Würzburg Mainzer Urkunden, Geistlicher Schrank 19/4 hat Pfeilschifter einen Vermerk von Tetlebens Hand (Articuli theologorum) festgestellt, den er in das Jahr 1546 datiert. Die beiden Artikel De peccato originali und De iustificatione hominis weisen auf die Aufnahme dieser Kontroverspunkte in die Diskussion unter kath. Experten vor oder während des Religionsgesprächs hin. In den späteren Interimtext sind sie nicht eingegangen. RK-RA ig 12/3, 12rv (nur Begleitbrief). Gropper, Unica ratio reformationis: Erstveröffentlichung durch Lutz 1957: Reformatio Germaniae – Drei Denkschriften Johann Groppers (1546, 1558): Quellen und Forschungen aus italienischen Archiven 37, 222-310; danach: ARCEG 6 (Nr 13) 156-175. Abgedruckt in DRTA.JR 17 (Nr. 65) 418-426.
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ständig in Regensburg aufhielt, ist nicht erkennbar. In der Präsenzliste der Reichstagsteilnehmer scheint er nicht auf.241
1.2. Reichstag 1546: Tag des Misstrauens – Vorabend des Krieges (5. 6. –24. 7. 1546) Im Kommentar der meisten Historiker wird Karl V. mit dem Reichstag von 1546 vielfach die Absicht unterstellt, die Vorbereitung einer militärischen Aktion zu camouflieren. Als deren Ziel wird angenommen, der Kaiser wolle seine beschädigte Autorität als Reichsoberhaupt und Schirmherr der Kirche wieder stärken und die weitere Ausbreitung des Protestantismus eindämmen.242 Dieser Rolle hatte er sich seit 1521 zwar eher entzogen und seine Autorität im Reich damit tatsächlich geschwächt, die Bündnispolitik der Schmalkaldener243 aber höhlte auch die Reichsverfassung immer mehr aus und verlangte ein Handeln, bevor das Reich an den konfessionellen Grenzen auseinanderbrechen würde. Der Kaiser hatte sich die Option einer solchen Strategie der Stärke seit dem letzten Reichstag in Regensburg 1541 offengehalten. In der Realität taten sich jedoch gerade unter den verbliebenen altgläubigen Mächten die größten Hindernisse auf. Beginnend mit dem Papst, dem seine territorialen Interessen in Italien näher lagen als das Reich, der ständigen Eifersucht der Wittelsbacher auf Habsburg und schließlich der Halbherzigkeit auf Seite der geistlichen Kurfürsten war eine gemeinsame politische Front kaum zu schaffen. Und als sie später doch für kurze Zeit zustande kam, trug sie den Keim des Zerfalls schon in sich. Ein rein katholisches Bündnis war nicht gelungen und konnte auch nicht mehr zustandekommen, solange die konfessionell gespaltenen Reichsstände, insbesondere die Reichsstädte, zur Unterstützung von Reichsaktionen gewonnen werden mussten. Daher war die Führung eines reinen Religionskrieges mit klaren konfessionellen Grenzen ausgeschlossen, was zur damaligen Zeit auch nicht der militärischen Konstellation entsprochen hätte, da man die Söld-
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Der seit Mitte Mai in Regensburg anwesende HELDING war an den Beratungen der katholischen Reichstagsfraktion nicht beteiligt. Mainz war in dieser durch den Domkapitular Albrecht Fischborn, Kanzler Zacharias Pirer, Ewaldt Baumbach, Tiloman Dichtelbach und Georg Ludwiger vertreten: Ebd. (Nr. 110) 524. Decot, Religionsfrieden 55. Haug-Moritz – Schmidt, Art. Schmalkaldischer Bund: TRE 39 (1999) 221-228.
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ner als konfessionell freie Dienstleister, nicht aber als Kämpfer für ihren persönlichen Glauben rekrutierte.244 Karl V. nahm den protestantischen Herzog Moritz von Sachsen mit ins Boot. Was kurzzeitig einem geschickten Schachzug gegen das lutherische Lager und das ernestinische Sachsen als dessen protestantischem Vorort gleichkam, entfaltete sich beim Kaiser und bei Moritz zu einer Quelle von Enttäuschungen und Konflikten. Letztlich sollte aus dieser persönlichen Relation in der Ereigniskette der nachhaltige Macht- und Ansehensverlust des Kaisers im Reich und die dauerhafte Festigung der neugläubigen Territorialmächte in der Reichsverfassung selbst hervorgehen. Etwas zugespitzt formuliert, folgte daraus der frühzeitige Tod der beiden Proponenten, des Kurfürsten Moritz im Nachhall des von ihm entfesselten Fürstenaufstandes und des Kaisers im Gefolge der tiefen persönlichen Verbitterung, die am Beginn einer Reihe weiterer Schicksalsschläge stand.245 Moritz wurde mit einer Vereinbarung gewonnen, die zunächst nur eine persönliche Loyalitätsbekundung auf seiner Seite mit reziproker Unterstützungszusage von Karl V. und Ferdinand vorsah. Er verpflichtete sich zur Teilnahme am Konzil und der Vollziehung der dort zu treffenden Beschlüsse. Ferner versprach er, Bischöfe, Prälaten und Domkapitel in seinen Ländern bei ihrer alten Religion zu belassen. Was in mündlicher Nebenabrede zum Hauptgegenstand wurde, lässt sich nur ex post ersehen, nämlich die Übertragung der Kurwürde auf die albertinische Linie. Dass Moritz möglicherweise sogar die Wiedervereinigung der beiden Sachsen in seiner Person hinein interpretierte, wäre verständlich, fand sich aber ebensowenig im Wortlaut der schriftlichen Abmachung. Ob damals auch bereits über die künftige Rolle der drei sächsischen Hochstifte Naumburg, Merseburg und Meißen gesprochen wurde, ist nicht ersichtlich. Der Kontrakt vom 19. 6. 1546, vom Kanzler Granvella verfasst, ist in einem lateinischen Exemplar im HHStA Wien erhalten.246 244
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Hülle, Wulf, Art. Söldner: HDRG 4 (1990) 1695-1699. Der Begriff Kriegsgewerb gibt den marktwirtschaftlichen Charakter der Beziehung zwischen Kriegsknechten und Musterherren wieder. Bei Ausbleiben des vom Kriegsherrn (z. B. Kaiser) versprochenen Solds wurden auch Brandschatzungen von den Obristen geduldet, um die Söldner bei der Stange zu halten. Moritz starb am 11. 7. 1553, zwei Tage nach einer schweren Verwundung im Gefecht von Sievershausen im Feldzug gegen den zuvor verbündeten, später geächteten Albrecht Alkibiades. Karl V. zog sich nach der Niederlage gegen Frankreich vor der Reichsstadt Metz gänzlich aus dem Reich zurück. Der kurze politische Erfolg der Verehelichung des Sohnes König Philipp mit Maria Tudor entglitt ihm mit deren Tod 1558 wieder. RK-RA ig 12/3, 17r-19v: Primo Jllumus D. Mauritius Dux Saxoniae erga Caesaream et Regi-
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Reichstag der Entscheidung Der Beginn des Regensburger Reichstags verzögerte sich auch nach dem Eintreffen des Kaisers am 10. 4. 1546 wegen der fehlenden Fürstenpräsenz. Am 5. Juni eröffnete Karl V. den Ständen seine Proposition, in der er das Scheitern des Religionsgesprächs rügte und das zuletzt am Tag zu Worms übergangene Religionsthema trotz der in Trient in Bewegung geratenen Vorgänge wieder aufgriff. Die Proposition hatte formuliert, dass die Stände nach dem Scheitern des Kolloquiums weitere Vorschläge einbringen sollten, worauf sich der Kaiser entschließen und dazu verhelfen wollte, die Spaltung kraft und in Verantwortung seines Amtes als christlicher Kaiser zu gebührlicher christlicher Vergleichung zu bringen.247 Hieraus kann bereits eine Entschlossenheit herausgelesen werden, die umso deutlicher scheint, da das Konzil, das voll im Gange war, überhaupt nicht erwähnt wird. Karl V. hatte wohl selbst bereits die Aussichtslosigkeit erkannt, auf dieses zur Klärung der Religionsfrage im Reich zu setzen. Die Antwort der altgläubigen Stände auf die kaiserliche Proposition,248 am 12. 6. 1546 übergeben, bezweifelte den Nutzen eines neben dem Konzil einhergehenden Diskurses und erinnerte an die seit Jahren von beiden Teilen postulierte Forderung nach dem Konzil (ain gemain cristenlich concilium). Da die Irrungen auch andere Länder erfasst hätten, sei ein Universalkonzil die einzig mögliche Instanz zur Erledigung dieser Fragen. Der Kaiser möge auf die Protestanten einwirken, sich dem nun tagenden Konzil zu unterwerfen. Tags darauf ging die protestantische Stellungnahme ein.249 In dieser bedauerten die der Augsburger Konfession verwandten Stände eingangs das Separatvotum zur Proposition, für das sie die altgläubige Partei verantwortlich machten. In der Folge stellten sie die Vorgänge der vergangenen zwei Jahrzehnte im Abriss dar,250 woraus sich für
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am Matem, ipsumque Romanorum Imperium ita semper sese gerere promittit, ut obedientem et fidelem vasallum ac Principem decet, Jllisque omnem in partem addictus erit, eorumque honorem atque commoda promovebit et de incommodis ac damnis easdem sedulo admonebit, et quantum in se fuerit, avertere studebit. Das Deckblatt trägt die Aufschrift: Exemplum Tractatus inter Caesm et Ro: Regiam Mtes ac Illu m Ducem Saxoniae Ratisponae conclusus et erectus anno 1546 die 19 mensis Junij. Ein Blatt mit gleichem Text, diesmal erectus et conclusus, folgt. Aulinger, DRTA.JR 17 (Nr. 82) 460 nennt diese Archivalie nicht. DRTA.JR 17 (Nr. 58) 391-395, hier 393. Ebd. (Nr. 62) 403-406. Ebd. (Nr. 64) 410-417. Ebd. 414-415: Speyer 1526 habe den Status quo toleriert, Speyer 1529 die Duldung wieder beseitigt, Augsburg 1530 habe wieder das Ketzerrecht geltend gemacht, aber schon 1532 in Schweinfurt und Nürnberg wurde ein Friedstand geschlossen, der 1535 in Worms und 1539 in Frankfurt prolongiert und 1541 in Regensburg in
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sie die Konsequenz ergebe, dass sie die nunmehr vom Papst einberufene Kirchenversammlung in Trient nicht als jenes freie, allgemeine christliche Konzil auf deutschem Boden betrachten könnten, auf das hin alle bisherigen Abschiede, Vereinbarungen und Friedstände ausgerichtet worden seien. Damit war der bisher als gemeinsames Interesse beider Teile propagierte Lösungsweg verlassen. Diese Entwicklung war jedoch für den Kaiser nicht überraschend gekommen. Neben dem Reichstagsgeschehen hatte Karl V. inzwischen, getragen von seinem Erfolg im Jülich-Geldernschen Konflikt,251 auf eine andere Politik zu setzen begonnen. Er ließ einen militärischen Zugriff auf die Protestanten vorbereiten.252 Die Bündnisse des Kaisers Der Kaiser hatte dazu vorsorglich eine rege Diplomatie entwickelt, um sich die schon geraume Zeit überlegte Option der gewaltsamen Machtdemonstration offenzuhalten. Nach habsburgischer Tradition kam auch der Heiratspolitik eine Rolle zu.253 Des Beistands von Herzog Wilhelm IV. von Bayern hatte er sich bereits versichert. Anschließend ging Karl V. am 19. 6. 1546 den Beistandspakt mit Kurfürst Johann Friedrichs Vetter Moritz von Sachsen ein, dem entsprechend verlockende Zusagen gegeben worden waren.254 Die zuvor am 6. 6. 1546 mit dem Nuntius geschlossene, schon länger vorbereitete Vereinbarung über militärische Hilfe des Papstes wurde in Rom am 26. 6. 1546 gegengezeichnet. Papst Paul III. hatte den Sold von 60 000 fl und zusätzlich Soldaten zugesagt und erwartete dafür die Beseitigung
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einer eigenen ksl Deklaration (RK-RA ig 13c/4, 85r-88v) bekräftigt wurde. Schließlich wurde 1542 und 1544 jeweils beim Reichstag in Speyer die Anwendung des Augsburger Abschieds von 1530 bis zum Konzil ausgesetzt. Der Abfall des Herzogs von Jülich-Kleve-Berg wurde 1543 vom Kaiser gewaltsam verhindert, ohne dass die zu Hilfe gerufenen Schmalkaldener jenem den versprochenen Beistand geleistet hatten. Dies hätte allein in der Ausschaltung der Bundeshäupter Johann Friedrich und Philipp bestehen können, wie in einigen Quellen (Heidrich 113-114) angedeutet wird. Dass Karl V. zu diesem Zeitpunkt bereits den Kriegszug operativ beginnen wollte, ist unwahrscheinlich, sonst wäre er nicht vom gegnerischen Vorstoß nach Süden, vorgetragen vom vordem ksl Hauptmann Sebastian Schertlin, völlig überrascht worden. Kohler, Ferdinand I. 289: Ferdinand I. hatte insgesamt 10 Töchter, von denen 6 in Dynastien einheirateten. Auch Pfalzgraf Friedrich war mit einer Nichte Karls V. vermählt. (Vgl. auch Laurentius Surius, Chronick 1568, 215). Während des Reichstages wurde in Regensburg eine Doppelhochzeit gefeiert: Anna ehelichte den jungen Herzog Albrecht von Bayern, Maria den Herzog Wilhelm von Kleve. RK-RA ig 12/3, 17r-19v: lat. Kopie (Aulinger, DRTA.JR 17 (Nr. 82) 460, suchte die Archivalie an falscher Stelle).
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der Häresie in Deutschland, ohne offenbar klare Vorstellungen über deren tief eingewurzelte Verbreitung zu besitzen. Protestantische Ablehnung des Konzils als Kriegsmotiv Auf dem Reichstag brachten die protestantischen Räte ihre in der Antwort auf die Proposition niedergelegte ablehnende Haltung zum Konzil nochmals deutlich zum Ausdruck. An der nunmehr in Trient tagenden Versammlung würde man nicht teilnehmen. Diese Erklärung war der definitive Schlusspunkt unter die durch zwei Jahrzehnte verfolgte Politik der Hoffnung auf eine konfessionelle Vergleichung im Wege des Konzils. Für beide Teile war klar: Ein solches Konzil unter Ausschluss des Papstes konnte es nicht geben. Der Kaiser war nun gewillt, den Evangelischen diesen Weg auch gegen ihren Willen aufzuerlegen.255 Reichsacht und Exekutionsmandat Die so wie alle übrigen Kurfürsten persönlich dem Reichstag ferngebliebenen Johann Friedrich von Sachsen und Landgraf Philipp von Hessen setzten den nächsten Schritt. Sie richteten in befremdender Unhöflichkeit eine schriftliche Anfrage nach den Hintergründen der Kriegsrüstungen an den Kaiser, die dieser wegen des rüden Tones zurückwies.256 Darauf versuchten beide nochmals in einer ausführlichen Antwort auf die Situation einzugehen. Der Kaiser erließ jedoch am 20. 7. 1546 die Declaration und Acht257 wegen Verletzung des Reichs255
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Als Casus Belli bot sich dem Kaiser ein seit 1542 zurückliegender Vorfall. Die beiden Hauptleute des Schmalkaldischen Bundes, der sächsische Kurfürst Johann Friedrich und Landgraf Philipp hatten nach einer länger währenden verbalen Fehde mit dem katholischen Herzog Heinrich von Braunschweig-Wolfenbüttel in einem kurzen Krieg, der auf katholischer Seite als Landfriedensbruch qualifiziert wurde, dessen Territorium sequestriert, den Herzog gefangen genommen und die Reformation eingeführt. Heinrich rief das Reichskammergericht an, dessen Urteil die beiden Fürsten zurückwiesen, da sie es als Religionssache betrachteten, die seit 1534 dem Gericht entzogen wäre. Dieser zwar schon länger zurückliegende, aber noch immer unerledigte Fall des Herzogs verlangte ein Machtwort des Kaisers wegen der Verletzung des Friedens und der Rekusation des RKG-Urteils. Dazu kam, dass sich Kurfürst Johann Friedrich und Landgraf Philipp als politische Exponenten dem Kaiser gegenüber zuletzt anmaßend und herausfordernd erzeigt hatten. DRTA.JR 17 (Nr. 112) 529-533: Die übliche Ehrenbezeugung gegenüber dem Kaiser war unterblieben und der Ton der Anfrage zu den beobachteten Rüstungen undiplomatisch forsch gehalten. HHStA Kriegsakten 7, 87r-91ar (Sechsteiliger Einblatt-Druck als Plakat vom 20. 7. 1546); DRTA.JR 17 (Nr. 115) 552-562 unter Verwendung einer gedruckten Vorlage in RK-RA ig 12, 166r-178v. In ebendiesem Faszikel liegt eine hs Kopie (29r-41r).
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rechts. Karl V. ließ den Reichsabschied ausfertigen, der schließlich am 24. 7. 1546 publiziert wurde. Schon am 1. August erteilte er dem inzwischen abgereisten Herzog Moritz das Exekutionsmandat zur Vollstreckung der Acht.258 Der Schmalkaldische Krieg 1546/1547259 Eine unmittelbare Berührung mit dem innerdeutschen Krieg, den der Kaiser und der Schmalkaldische Bund gegeneinander führten, hatte Michael HELDING , der inzwischen in Mainz wieder seinen Aufgaben als Weihbischof nachging, nicht.260 In der Ereigniskette, die sein weiteres Leben betraf, stellt er jedoch einen bestimmenden Faktor dar. Herzog Moritz, der sich zunächst selbst eine neutrale Rolle zugedacht hatte,261 wurde durch das Mandat, die verhängte Reichsacht gegen seinen Vetter Johann Friedrich und seinen Schwiegervater Philipp zu vollstrecken, offenbar völlig überrascht. 262 Er kam diesem Auftrag auch keineswegs initiativ nach, sondern suchte zuerst Bündnisse mit König Ferdinand und Kurfürst Joachim von Brandenburg.263 Der Kaiser hatte für diese Taktik jedoch kein Verständnis und wiederholte daher seinen Exekutionsauftrag an Moritz.264 Auch sonst trug Moritz mit seiner Beteiligung von 1600 Reitern zur kaiserlichen Armee nicht entscheidend bei. Zwar hatte Moritz im Rücken des Vormarsches der Schmalkaldener an die Donau das Land des Vetters großräumig besetzt. Die Schmalkaldener hatten bei ihrem Vorrücken nach Süden an der Donau gehalten. Die ihnen zunächst anhängigen Städte wurden der Belastungen (Einquartierung, Proviantbereitstellung) bald müde und die kaiserliche Heerschar wuchs durch Zuzug aus Italien und den 258
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Ebd. 106r-111r. Der Auftrag lautete, in eigener Person die Acht zu exekutieren und das Land der in die Acht Erklärten zu erobern und einzunehmen, widrigenfalls ihm dessen Verlust oder bei offenem Widerstreben selbst die Acht drohe. Damit war ihm die Verantwortung des Erzmarschallamtes zugefallen, bevor er sich noch die Kurwürde hatte verdienen können. Schmidt – Westphal, Art. Schmalkaldischer Krieg (1546-1547): TRE 39 (1999) 228231. Zwischen Kriegsausbruch August 1546 bis zu seiner Berufung nach Ulm am 1. 7. 1547 schweigen die Quellen zu Helding. In seinen datierten Predigten kommen die Jahre 1546 und 1547 nicht vor. PKMS 3, 15. Dies geschah in der üblichen rigiden Form, dass Zuwiderhandeln den eigenen Verlust der Regalien und Lehen und sogar die Acht nach sich ziehen würde. Als Gegenleistung verzichtete Moritz auf sein Interesse an Magdeburg und stimmte der Besetzung des Erzbistums mit Joachims Sohn zu. KriegsA 7, 216r-217r: Karl V. an Herzog Moritz vom 6. 10. 1546.
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Niederlanden. Als den herbeigerufenen Spaniern der Rheinübergang gelang, zog sich das protestantische Heer wieder nach Norden zurück. Eine fragwürdige Lösung der Religionsfrage Es stellte sich bei Karl V. ein Gefühl der Übermacht über die protestantische Seite ein, das er für die Religionsfrage zu nutzen gedachte. Der Briefwechsel zwischen dem Kaiser und seinem Bruder lässt hinter die Kulissen blicken. Wenn das Konzil, das sich nach Bologna geflüchtet hatte, nichts zur Überwindung der deutschen Spaltung erwarten lasse, wollten Kaiser und König selbst eine Lösung in die Hand nehmen.265 Mit Hilfe nachrückender böhmischer Truppen Ferdinands konnte Johann Friedrich aus albertinischem Gebiet, das er inzwischen gegen den zögernden Moritz eingenommen hatte, verdrängt werden. Als sich die kursächsischen Kontingente über die Elbe zurückzogen, folgte das kaiserliche Heer, das inzwischen auf 30 000 Mann angewachsen war.266 Bei Mühlberg standen sich beide Heerhaufen gegenüber. Die kursächsische Streitmacht wähnte sich durch den Fluss getrennt in Sicherheit. Da ergriff der Kaiser die Gelegenheit, eine günstig gelegene Furt zu nützen, und befahl den nächtlichen Übergang. Er stieß dem kurfürstlichen Heer in die Flanke und schlug es nach kurzem Gefecht in die Flucht. Der Kurfürst wurde leicht verletzt flüchtend gefangen genommen und vor den Kaiser gebracht, dem er sich auf Gnade und Ungnade ergab. Das schon vorbereitete Todesurteil diente als Drohgebärde kaiserlicher Macht. Karl V. ließ es nicht vollstrecken.267 Johann Friedrich willigte in die strengen Bedingungen der Kapitulation und wurde in Gewahrsam genommen. Philipp von Hessen hatte sich zwar schon zuvor in Sicherheit bringen können, wurde aber von seinem Schwiegersohn Moritz veranlasst, ebenfalls die Vergebung des Kaisers zu suchen. Dieser ließ ihn gegen alle Erwartung jedoch ebenfalls in Haft nehmen. Wie sich zeigte, hatte Moritz seinen Einfluss bei Karl V. völlig überschätzt. Auf mehrfache Verwendungsbitten um Freilassung Philipps erhielt er Absagen, die 265
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Bucholtz 5, 553-555 u. 560-562: Karls V. Brief an Ferdinand vom 9. 1. 1547 und des Königs Antworten vom 18. 1. und 19. 2. 1547. Ferdinand empfahl für künftige Religionsverhandlungen auf katholischer Seite die Theologen Malvenda, Billick, Cochlaeus, Gropper, Hoffmeister, Witzel und die Bischöfe von Speyer, Eichstätt und Passau, sowie Pflug und HELDING (vgl. Rabe, Reichsbund 129-130). Militärhistoriker sprechen von der bis dahin größten Zahl von Kombattanten auf deutschem Boden. RK-RA ig 14/1, 8r-11r: Das Konzept für den kaiserlichen Urteilsspruch verfasste Johann Ulrich Zasius.
Kolloquium und Reichstag Regensburg 1546
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er zweifelsohne als kränkend empfinden musste. In der Wittenberger Kapitulation vom 19. 5. 1547 wurde das bis dahin aus zwei getrennten Teilen bestehende albertinische Sachsen mit ernestinischen Landesteilen zu einer territorialen Einheit verbunden. Thüringen blieb Johann Friedrich. Obwohl Moritz im Grunde den kaiserlichen Vollstreckungsauftrag nicht erfüllt hatte, erhielt er am 4. 6. 1547 feierlich die zugesagte Kurwürde verliehen. Die Erwartung auf völlige Einräumung der ernestinischen Lande und die Wiedervereinigung Sachsens erfüllte der Kaiser jedoch nicht. Diese Entttäuschung im Verein mit dem persönlichen Problem der Haft seines Schwiegervaters verwandelte ab diesem Zeitpunkt die Beziehung des neuen Kurfürsten zu Karl V.268 Dieser verfolgte die übrigen Kriegsgegner, die sich nicht unterwarfen, durch Erklärung in die Acht. Dies betraf unter anderen die Grafen von Mansfeld, vor allem aber die Stadt Magdeburg. Einige Stadtregierungen kehrten unter dem Druck der militärischen Machtverschiebung zur alten Religion zurück, so auch die Reichsstadt Frankfurt, deren Dom von Weihbischof HELDING am 14. 10. 1547 im Auftrag des Erzbischofs wieder rekonziliiert wurde.269 Die Bedingungen der Kriegsführung hatten sich inzwischen verändert und bewogen den Kaiser, den Feldzug zu beenden. Zunächst hatte der Papst sein Kontingent bereits Anfang 1547 wieder zurückgerufen. Dann hielt sich Frankreich nicht mehr an den vereinbarten Friedensschluss von Crépy 1544. Außerdem gingen die für die Besoldung der Truppen aufzuwendenden Mittel rasch zur Neige. Das vor allem für den Papst wichtige Kriegsziel, den Protestantismus in seiner ganzen Breite entscheidend zu treffen, war in keiner Weise erreicht, wenn auch die obersten Kriegsfürsten in des Kaisers Hand waren. Im Norden Deutschlands hatte die geringe militärische Präsenz der kaiserlichen Truppen den Protestanten zu Siegen verholfen und ihre Stellung bewahrt. Karl V. setzte nun auf eine Lösung aller offenen Fragen auf dem bereits einberufenen Reichstag zu Augsburg. Der Religionsfrage galt nunmehr seine größte Anstrengung. Auf Empfehlung Ferdinands, die dieser schon im Februar 1547, noch vor der militärischen Entscheidung, dem Bruder gegeben hatte, suchte er wieder den Rat von Theologen und lud wie schon 1546 neben Pflug und Gropper auch HELDING zur Beratschlagung zunächst nach Ulm, dann nach Augs268
269
Mehrere Anläufe zur Freilassung Philipps hatte der Kaiser bereits abgewiesen. Philipp hatte andererseits die auch von ihm verlangte Ergebung auf Gnade und Ungnade nicht geleistet. Decot, Religionsfrieden 114.
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burg ein.270 Gropper entschuldigte sich abermals, Pflug kam erst am 9. 11. 1547 nach Augsburg, übersandte jedoch zuvor an den Bischof von Arras ein Memorandum zur Religionsfrage.271
2. HELDING IN AUGSBURG 1547/1548 Wie kam HELDING zur Mitarbeit am Interim? Nach mehreren unergiebigen Reichstagen (1544 Speyer, 1545 Worms, 1546 Regensburg), die allesamt unter der mangelnden Fürstenpräsenz gelitten hatten, berief Karl V. nunmehr als Sieger die Stände nach Augsburg. Der fällige Reichstag war am 3. 7. 1547 für den 1. 9. ausgeschrieben worden. In der Proposition tadelte Karl V. das Verhalten der Stände auf den Wormser und Regensburger Tagen massiv (vergebenlich furgenomen, und mit schimpff und spot zergangen)272 und begründete den soeben geführten Krieg mit der Verletzung der kaiserlichen Autorität und Hoheit durch die Empörer. Als Zielsetzung für die Reichstagsverhandlungen wählte er die bekannte Formel der gütlichen Handlung und Beilegung der strittigen Religionsfrage, derer sich der nunmehrige Reichstag um des Friedens willen annehmen und sie zu Ende bringen müsse. In ihrer Antwort machten die weltlichen Kurfürsten unumwunden die Religionsfrage für die Zerrüttung im Land verantwortlich und schlugen die Festschreibung des Status quo in Bezug auf Rechte und Besitz, damit die endgültige Verfügung über Kirchengut durch die protestantischen Reichsfürsten, vor. Die altgläubig dominierte Fürstenbank wollte dagegen alle Streitfragen nur dem ökumenischen Konzil überlassen, dessen Wiederaufnahme sie erhoffte. Der Kaiser betrachtete ebenso wie die Augsburger Konfessionsverwandten den Alleingang von Papst Paul III. in der Gestaltung des Konzils als eine geplante Absetzbewegung Roms von der Kirche in Deutschland und als Aufsagung jeglicher Kompromisse, die eine Rückkehr der Protestanten noch einmal hätten bewirken können. Von 270
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Rademacher, Urkundenrepertorium Nr. 1189: Karl V. zitiert Weihbischof Helding nach Ulm (Coburg, vom 1. 7. 1547). Die Anregung dazu war von König Ferdinand bzw. seinen Räten ausgegangen (Vgl. Gutachten Gienger u. a.: ARCEG 5 (Nr. 11) 19-28, hier 24. Begleitschreiben bei Pollet, Correspondance 2 (Nr. 356) 751-753. Das Dokument selbst ist nur in 2 unvollständigen Zeitzer Konzepten erhalten (ARCEG 5 (Nr. 19) 39-57, verbessert durch Pollet, Correspondance 3 (Doc. 51) 599-617. Dazu auch Rabe, Zur Entstehung des Augsburger Interims 20. MEA-RTA 14a/1, 30r.
Helding in Augsburg 1547/1548
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Anfang an waren die Konzilsteilnehmer auf einen exklusiven Kreis, auf Offenlegung und Abwehr der Häresien und gegen jede Aufweichung des päpstlichen Supremats eingestimmt. Karl V. hatte durch zwei Jahrzehnte hindurch alle Hoffnung, die Religionsfrage zu lösen, auf das Konzil gesetzt, ohne allerdings Klarheit über das Prozedere schaffen zu können. Die Minimalbedingung, dass es ins Reich zurückgeführt werden müsse, stand für ihn nach der Translation jedoch fest. Er demonstrierte die Ernsthaftigkeit seiner Forderung und entsandte den Trienter Kardinalbischof Madruzzo zum Papst nach Rom, um die eheste Rückführung der Versammlung aus Bologna nach Trient zu erreichen. Die Mission scheiterte, der Kaiser aber war darauf aber vorbereitet und beschritt einen eigenen Lösungsweg.273 Des Kaisers Maßnahmen zur Rettung der Kirche In den Augen Karls V. und Ferdinands musste der fortschreitende Zerfall der Kirche im Reich zum Stillstand gebracht werden. Dies war trotz der bis dahin getroffenen Vereinbarungen, den Status quo zu wahren, von den Protestanten via facti unterlaufen worden. Der träge Apparat der Alten Kirche war kraftlos geworden. Die Menschen wandten sich den neuen Predigern zu, die oft als katholische Priester den alten Glauben verlassen und ihre Gemeinde mitgezogen hatten. Der Antiklerikalismus hatte sich im ganzen Land festgesetzt.274 Die Ratgeber des Kaisers vertraten diametrale Positionen zu einer Lösung, wie diese ständig wachsende Aushöhlung der Kirche im Reich eingedämmt werden könnte. Zu einem harten Kurs rieten die spanischen Hoftheologen Pedro Malvenda275 und Pedro de Soto276 sowie der Karmeliter Eberhard Billick.277 Sie setzten auf eine Rückforderung des entzogenen Kirchenvermögens, um den Nutznießern keine weiteren Anreize zu bieten. Andere, wie Pflug und wohl auch HELDING , glaubten mit einer radikalen Verhaltensänderung des Klerus das Kirchenvolk vom weiteren Abfall abhalten zu können. So blieben dem Kaiser, nachdem die Anwendung militärischer Mittel im Schmalkaldischen Feldzug ausschließlich unter dem Prätext der Exekution der Reichsacht zu verstehen gewesen war, nur die 273 274 275 276 277
Das in Trient begonnene Konzil wurde von Karl V. immer noch als endgültige Instanz betrachtet. Goertz, Antiklerikalismus und Reformation 75-78: Verweis auf die Bildpropaganda. Gonzalez-Novalin, Art. Malvenda, Pedro de (um 1505-1561): ³LThK 6 (1997) 12541255. Dominguez, Art. Soto, Pedro de, OP (um 1500-1563): ³LThK 9 (2000) 746. Rabe, Reichsbund 421.
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taktischen Schritte, die Dynamik des fortschreitenden Abfalls von der Alten Kirche durch Verhandlungen mit den Augsburger Konfessionsverwandten einzudämmen.278 Er hielt daher die Option eines die protestantischen Anliegen auf einem freien allgemeinen Konzil zu berücksichtigenden Ausgleichs weiterhin aufrecht. Daneben wollte er mit Zugeständnissen an die moderaten Fürsten, wie Joachim von Brandenburg und den Pfalzgrafen Friedrich, den real gelebten religiösen Verhältnissen entgegenkommen. Gleichzeitig mussten die altgläubig gebliebenen Teile der Kirche einer institutionellen und disziplinären Erneuerung unterzogen werden, die nicht länger aufgeschoben werden durfte, sollte nicht noch mehr Terrain verloren gehen. Trotz Karls V. seit 1541 mehrfach erneuerter Aufforderung zu Reformmaßnahmen an die geistlichen Stände waren solche nicht in Gang gekommen.
278
Der Feldzug des Kaisers schwächte mit der Gefangennahme des Kurfürsten Johann Friedrich im Gefecht von Mühlberg am 23. 4. 1547 den Schmalkadischen Bund nur für kurze Zeit. Auch die spätere Inhaftierung des zweiten Bundesführers Philipp von Hessen konnte den Widerstand der Protestanten nicht bezwingen.
Die Genese des Textes
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4. Kapitel REFORM UND VERGLEICHUNG Interim und Formula Reformationis 1. DIE GENESE DES TEXTES Welchen Anteil hat Michael HELDING am Interim? Diese Frage ist im vorliegenden Zusammenhang genauer zu prüfen, will man der Person des Bischofs auch in kirchenpolitischer Sicht gerecht werden. Üblicherweise immer im Zusammenhang mit Julius Pflug genannt, soll hier HELDINGS spezifischer Beitrag untersucht werden. Dank der Funde der Historiker Heinrich Lutz (in der Biblioteca Ambrosiana Mailand)279 und Georg Pfeilschifter (im StA Würzburg und in der Stiftsbibliothek Zeitz) und der Quellenanalyse durch Horst Rabe sind die Vorstufen zum Interim inzwischen mit größerer Genauigkeit nachvollziehbar.280 Die lange Zeit vorherrschende Meinung der Forschung ging auf Georg Beutels Arbeit aus 1888 zurück.281 Dieser stützte sich auf das vom Zeitzer Bibliothekar Christian Gottfried Müller bearbeitete Archivmaterial Pflugscher Provenienz. Beutels Schlussfolgerungen, in denen er den Anteil HELDINGS herabgestuft hatte, sind durch Pfeilschifter, der einige verfälschende Eingriffe Müllers feststellte,282 wieder zugunsten von HELDING revidiert worden. Sächsischer Modellversuch Der Auftakt zur Vergleichung zwischen Altgläubigen und Neuerern, die Karl V. mit dem Interim bis zu einer Konzilsentscheidung herbei279 280 281 282
Siehe Anm. 240. Die ksl verordnete Geheimhaltung reduzierte den dokumentarischen Niederschlag beträchtlich. Beutel, Georg: Über den Ursprung des Augsburger Interims. Inaugural-Dissertation zur Erlangung der philosophischen Doktorwürde an der Universität Leipzig (Dresden 1888). Zur Fälschung: So hat der Archivar Müller Ratisponensi durch Augustano ersetzt, um einen näheren zeitlichen Bezug dieses Textes zum Interim zu fingieren und damit Pflugs Verdienste zu betonen (vgl. ARCEG 6, Vorwort).
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Reform und Vergleichung
zuführen erhoffte, kann auf ein von Herzog Georg von Sachsen angeregtes, im erasmischen Geist am 29. 4. 1534 in Leipzig geführtes Gespräch zwischen Julius Pflug und dem herzoglichen Kanzler Georg v. Carlowitz283 einerseits sowie Philipp Melanchthon und dem kursächsischen Kanzler Gregor Brück andererseits zurückverfolgt werden.284 Julius Pflug hatte, aufgerüttelt durch den ihm gewidmeten Erasmustext De sarcienda ecclesiae concordia (EA 1533),285 durch Vermittlung seines Schwagers, des herzoglich-sächsischen Kanzlers Christoph von Carlowitz, eine Aussprache von Theologen unter Einigungsgesichtspunkten initiiert. Anfang 1539 kam es dann zwischen Georg Witzel286 auf altkirchlicher Seite sowie Brück, Melanchthon und Bucer auf protestantischer Seite zu Gesprächen. Der Wittenberger Kurfürst Johann Friedrich zog Brück und Melanchthon jedoch schon bald wieder zurück. Schriftlichen Niederschlag fand diese angedachte Vergleichung im Sinne einer Annäherung von theologischen Standpunkten zuerst in einem nicht zur Veröffentlichung bestimmten Text, den Witzel und Bucer für den katholischen Herzog Georg 1539 in Leipzig zustandebrachten.287 Von dieser Leipziger Formel liegt im StA Würzburg eine lateinische Übersetzung vor, die Pfeilschifter zu Recht HELDING zuschrieb.288 Anlass und Zeitpunkt dieser Übersetzung sind nicht ersichtlich. Die Idee einer religiösen Aussöhnung stand im Raum und es gab eine Reihe von Theologen, die eine Reunion als Ziel der Vergleichung im Sinn des erasmischen Aufrufs zur concordia in diesem Zeitpunkt noch immer für möglich hielten. Neben Pflug ist der Konvertit Witzel hier beispielhaft zu nennen. Ein reges Interesse an die-
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Pollet, Correspondance 1, 531-532: Georg v. Carlowitz (1480-1550) war Rat am Hof Georgs v. Sachsen und Onkel von Christoph v. Carlowitz. Stupperich, Der Humanismus und die Wiedervereinigung der Konfessionen 39-40. Erasmus hatte die Schrift Julius Pflug gewidmet. Der volle Titel: Des. Erasmi Roterodami liber de sarcienda ecclesiae concordia deque sedandis opinionum dissidiis cum aliis nonnullis lectu dignis (ASD 5/3, 247-313). Henze, Art. Witzel, Georg (1501-1573): ³LThK 10 (2001) 1263-1264; dies., Aus Liebe zur Kirche Reform 153-198. Diese Leipziger Unionsformel, die ursprünglich vertraulich gehalten werden sollte, gab Bucer 1545 heraus. Eine dt. Fassung bietet Cardauns (85-108) nach der Wiener Archivalie RK-RA ig 10. Mainzer Urkunden., Geistl. Schrank 19/4 Nr. 3, 6r-16v (Kopistenhand). Im 18-zeiligen Proemium und einer Randglosse zur Begründung einer Übersetzungslücke, die Cardauns nicht hat, erkannte Pfeilschifter die Hand HELDINGS: ARCEG 6 (Nr. 1) 1-20 (unter der Jahreszahl 1538). Diese lat. Übersetzung der Leipziger Unionsformel wurde in Trient bei der Behandlung der Tradition nach HELDINGS Abgang thematisiert (CT 1, 492): Vermutlich hatte HELDING sie dem des Deutschen unkundigen Legaten Cervini übergeben, um sie auf häretische Stellen wie die Ausblendung der Tradition überprüfen zu lassen.
Die Genese des Textes
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sem Text wird daher auch am erzbischöflichen Hof in Mainz, etwa in Vorbereitung der Religionsgespräche, bestanden haben.289 Die Zeitzer Quellen Beutel stellte sich die Frage nach den Vorläufern des Interim. Er hielt das Manuskript der Zeitzer Stiftsbibliothek (Katalogtitel: Loci doctrinae ab aliquo Romanae ecclesiae addicto), dessen Umschlag laut dem Zeitzer Bibliothekar Christian Gottfried Müller Pflugs Beschriftung trägt: Reformatio in proximo Augustano [!] conventu [statt ursprünglich Ratisponensi]290 per Suffraganeum Moguntinum et me proposita [statt ursprünglich composita] (von Müller als Formula sacrorum emendandorum… auch ediert)291 für das Kernstück des Textes. Mit diesem Text, der inzwischen nach Georg Pfeilschifter als PflugHelding-Vergleichsformel (ARCEG 6 [Nr. 15]) bekannt ist, befasste sich Beutel in seinen weiteren Überlegungen.292 Er bezweifelte HELDINGS Autorschaft und wollte darin nur Pflug erkannt haben, wobei er auf Pflugs nach der Interimzeit entstandende Schrift Aus was guten und löblichen Bewegnussen… zurückgriff,293 in der er viele Übereinstimmungen mit der Zeitzer Vergleichsformel sah. Die Einteilung gab Beutel mit Sündenfall, Rechtfertigung, Kirche, Sakramente, Zeremonien grob an. Da er die in die kaiserliche Reformnotel eingeflossenen disziplinären Punkte bei seiner Genese beiseite ließ, zählte er insgesamt nur 43 Kapitel, von denen 8 zu den Sakramenten wörtlich ins Interim eingingen. Von den 4 Kapiteln: De creatione hominis, De redemptione per Christum dominum nostrum, De iustificatione, De ecclesia wur289 290
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Auf dem Frankfurter Anstand 1539 wurde die Wiederaufnahme von Religionsgesprächen beschlossen. Von Pfeilschifter, ARCEG 6 (Nr. 15) 185-255, dagegen als Pflugs und HELDINGS gemeinsamer Entwurf einer Vergleichsformel vom Mai /Juli 1546 betrachtet und in dieser Arbeit auch als solche weiterhin bezeichnet. Müller (Hg), Formula sacrorum emendandorum in comitiis Augustanis anno MDXLVIII iussu Caroli V. imperatoris a Julio Pflugio episcopo Numburgensi composita et proposita. Ex autographo edidit et cum libro Augustano qui Interim vulgo dicitur contulit…(Leipzig 1803). Rabe, Reichsbund 266-272 stimmt Beutel zu. Müller habe Beutel zufolge Pflugs Betitelung noch ergänzt: Est Interim Augustanum a 1548 compositum a Mich. Sidonio Suffraganeo Moguntino et deinde Episcopo Martisburgensi, ac Julio Pflugio, qui verba superiora ipse scripsit et varia hinc illinc in libro more suo emendavit et correxit. Pflug, Aus was gutenn und christlichn Bewegnussen die Kayserl. Maiestät verursacht worden Jhre Declaration in Religionsachen dermassen wie auf jüngst gehaltenem Reichstage zu Augspurg geschehen, vorzunehmen und zu publiziren: Müller (Hg), Vertheidigung des Augspurgischen Interims von dem Bischoff Julius Pflug: C. F. Stäudlins und H. G. Tzschirners Archiv für alte und neue Kirchengeschichte 4/1, 104-148; Beutel 70, Anm. 1 las statt christlichn loblichen.
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Reform und Vergleichung
den Teile eingearbeitet. Einzelne Sätze wurden übernommen in den Kapiteln De auctoritate et potestate ecclesiae, De ceremoniis, De oblatione missae. Direkte Übernahmen finden sich in den Interimartikeln (1) (3) (4) (5) (9) (14) (17) (20), mit geringfügigen Auslassungen (15) (16), mit Zusätzen (18) (19) (21).294 Somit stammt die Hälfte der 26 Interimartikel aus der Vergleichsformel von Mai/Juni 1546. Quellen der Pflug-Helding-Vergleichsformel 1546 Beutel gab für diese wiederum zwei Vorläufer an: erstens das im Staatsarchiv Würzburg295 liegende Regensburger Buch von 1541 (Beutel vermutete noch als Urheber Cochlaeus, Witzel, Bucer und Gropper, die beiden letzteren mit größter Wahrscheinlichkeit),296 wobei allerdings eher inhaltliche als textliche Übereinstimmung bestünde;297 zweitens das schon erwähnte Scriptum latinum298, das zu einem Viertel in die Vergleichsformel von 1546 einging. Übernommen sind De poenitentia, De caeremoniis ab ecclesia constitutis, De constitutionibus ecclesiasticis und einzelne Sätze aus De muneribus ecclesiae. Dieses Scriptum latinum war für Beutel wegen der eigenhändigen Korrekturen Pflugs interessant und wurde insgesamt als eine Übergangsstufe zur ersten Interimfassung taxiert.299 Er stellte die Frage nach dem Autor, den Müller noch in HELDING vermutet hatte, was Beutel wiederum bezweifelte, weil trotz der späteren Redaktionsarbeit des Weihbischofs in die Dezemberformel des Interim von diesem Textmaterial nichts einfloss.300 Beutel tendierte vielmehr zu Gropper an Hand dessen Schreibens vom 15. 5. 1546 an Pflug. Er bezog sich dabei auf eine Ähnlichkeit der Aussage des Briefs…capita quaedam rerum ad solidam et stabilem reformationem spectantium ex variarum annotationum mearum sylvis subito excerpta mit den Schlussworten der Einleitung zum Scriptum latinum.301 Zutreffendenfalls hätte Gropper dann an Pflug (Scriptum latinum) und an den Kaiser (Unica ratio) verschiedene Gutachten gerichtet. Pfeilschif294 295 296
297 298 299 300 301
Beutel 75. StA Würzburg, Mainzer Urkunden, Geistlicher Schrank 19/1. Braunisch, Johannes Gropper Briefwechsel II (1547-1559) und Filser (Gropper 5660) beschreiben Parallelen zu Groppers Enchiridion von 1538 und widersprechen damit wiederum Pfeilschifter. ARCEG 6 (Nr. 2) 21-88. Den Anteil Contarinis ließ Beutel dabei unberücksichtigt. ARCEG 6 (Nr. 3) 88-126; Pastor, Reunionsbestrebungen 360. Beutel 78-79. Beutel 80-83. ARCEG 6 (Nr. 12) 155-156: Für eine Autorschaft Groppers im Sinne Beutels spricht vielleicht auch die abweichende Erzählweise in der 1. Person und die Verwendung des seltenen Wortes fretus [im Vertrauen auf] im Scriptum latinum (ARCEG 6 [Nr. 3] 90 Z. 16) und im Gropper-Brief (ebd. [Nr. 12] 155 Z. 29).
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ter folgt Beutel daher nicht. Für ihn kommt nicht überraschend als Verfasser des Scriptum latinum Pflug selbst in Frage, der ein eigenes Elaborat aus der Zeit zwischen Regensburger (1541) und Speyerer Abschied (1544), als der Kaiser von Theologen Stellungnahmen zur Religionsfrage anforderte, zwei Jahre später wieder hervorgeholt haben könnte. HELDINGS Hand findet sich noch auf einem weiteren Text, den Beutel nicht kannte: auf dem Fragment von 2 Artikeln De peccato originali und De iustificatione hominis, ebenfalls aus dem Mainzer Archiv und mit Zusätzen HELDINGS versehen.302 Pflug hielt sich nach seiner Rückkehr aus Regensburg 1541 bis in das Jahr 1544 so wie HELDING in Mainz auf. Wäre es nicht denkbar, dass die am selben Ort weilenden Bischöfe Pflug und HELDING gemeinsam die Vergleichstexte bearbeiteten, möglicherweise sogar gezielt im Rahmen einer Befassung mit dem Regensburger Buch von 1541 oder den Mainzer Reformkonstitutionen 1543? Damit hätte die zwischen 1546 und 1548 von beiden fortgeführte Arbeit an einem Vergleichsdokument auch einen gemeinsamen Ursprung.303 Beutel deutet Ähnliches an, wenn er meinte, selbst wenn HELDINGS schriftlicher Anteil gering gewesen sein mag, befand er sich in einer wechselseitigen geistigen Verständigung mit Pflug, so dass sein Beitrag in der solidarischen Interessengemeinschaft aufgegangen sei, die in der gemeinsamen Überreichung der Endfassung des Interim an den Kaiser auf dem Augsburger Reichstag ihren besten Ausdruck gefunden habe.304 Struktur und Inhalt derVergleichsformel 1546 Pfeilschifter betrachtete die Vergleichsformel (das oben erwähnte Zeitzer Dokument Reformatio in proximo Ratisponensi conventu) gegen Beutel als eine Gemeinschaftsarbeit von Pflug und HELDING , die in Regensburg im Gefolge des Kolloquiums am Rande des Reichstags 1546 nach älteren Vorlagen von beiden erstellt wurde, wobei sich der Text in seinem Aufbau von Groppers Papier unterscheidet. Der Entwurf sah drei Teile vor, von Konzessionen an die protestantische Seite ist noch nicht die Rede:305 302 303 304 305
ARCEG 6 (Nr. 5) 130-147. Braunisch bezieht diesen Text dezidiert auf Regensburg 1541 und Gropper. Smolinsky, Im Zeichen von Kirchenreform und Reformation 86, Anm. 15 folgt der Zuschreibung des Scriptum latinum an Pflug. Beutel 82: Beutel hat die 13 Kapitel des dritten Teils De Disciplina nicht mitgezählt. ARCEG 6 (Nr. 15) 185-255. Für die Entstehung kommt ein Zeitraum ab Mitte Mai 1546 bis zum Ausbruch des Schmalkaldischen Kriegs in Frage.
Reform und Vergleichung
68 Pars prima
Trinität, Schöpfung, Willensfreiheit, Sünde, Rechtfertigung, Gute Werke, Glaube, Liebe, Hoffnung (IXIX). Pars secunda Kirche, Sieben Sakramente, Zeremonien, Tradition, Kindertaufe, Heiligenverehrung, Fasten, Bigamie, Mönchtum, Kirchenkonstitutionen (I-XXIV). Pars tertia Disziplin der Kleriker und Laien, Schulen, Klerikerweihen, Auswahl der Priester und Prälaten, Bischofsamt, Predigt des Evangeliums, Visitationen, Synoden, Pfarrer, Präbenden (I-XIII). Als durchgehende Textübernahme kann der kurze Lasterkatalog im disziplinären Kapitel gelten: Ebrietas, luxus, libido et avaritia erscheinen in allen drei Textstufen vom Scriptum latinum, der Pflug-HELDING Vergleichsformel bis zu der aus dem Interim hervorgegangenen Formula reformationis 1548 als auszumerzende Übel. Ob dieser Text der Vergleichsformel dem Kaiser bereits zum Reichstag 1546 vorgelegt werden konnte, ist ungewiss.306 Für den Rest des Jahres 1546 hatten infolge der kriegerischen Auseinandersetzung weitere diesbezügliche Aktivitäten geruht, bis Karl V. am Ende des Feldzuges nach erfolgter Kapitulation der Kriegsfürsten wie oben erwähnt am 1. 7. 1547 neuerlich Theologen nach Ulm zu Beratungen im Vorfeld des kommenden Reichstages einberief.307 Wer neben HELDING an diesen Arbeiten beteiligt war, ist in der Vergangenheit vielfach diskutiert worden.308 Bei Horst Rabe ist von Pflug, De Soto, Malvenda, Fannemann und Billick die Rede. Tatsächlich war Pflug in dieser Phase persönlich noch nicht mitbeteiligt.309 Rabe verweist in diesem Zusammenhang auf die unterschiedlichen Positionen von Hardlinern und Moderaten auf katholischer Seite und damit auch innerhalb dieser Arbeitsgruppe.310 Infolge der Abwesenheit Pflugs311 musste HELDING den gemeinsamen Entwurf aus 306 307 308
309
310 311
Jedenfalls enthielt der Entwurf noch nicht die späteren Zugeständnisse Kelchkommunion, Priesterehe, Fasten. Wann die Gruppe ihre Arbeit nach Augsburg verlegte, ist offen. Ob Vorarbeiten zur Dezemberformel bereits in Ulm stattgefunden hatten, muss offen bleiben. Zu HELDINGS Besuch des Reichstages vgl. die Anm. bei Paulus, HELDING 417. Rabe; Reichsbund 193; ARCEG 6 (Nr. 17) 258-301: Pflug war nach der Rückgewinnung seines Bistums Naumburg während des Jahres 1547 mit dessen Restaurierung beschäftigt. Er wirkte erst wieder später, mit HELDING und Johann Agricola gemeinsam, an der Märzformel 1548 mit. Obwohl er noch am 9. 11 1547 in Augsburg erschien, konnte er auf die Dezemberformel nicht mehr direkt einwirken. Rabe; Reichsbund 263-265. Pollet, Correspondance 3, 49: Pflug legte ein kritisches Gutachten vor (ARCEG 6 [Nr. 18] 301-308).
Die Genese des Textes
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dem Vorjahr allein vertreten. Die vier anderen Mitglieder waren als Hardliner zu betrachten, von denen eine Annäherung an die protestantische Seite nicht erwartet werden durfte. Die Pflug-Helding-Vergleichsformel von 1546 wurde daher auch zur Hälfte in ihrem Sinn zur Dezemberformel umgeschrieben, wogegen Pflug bei seiner Ankunft in Augsburg sogleich Einspruch erhob.312 Er legte dem Kaiser oder dem Erzkanzler eine kurze Schrift vor, in der er zu den Kapiteln der Dezemberformel De iustificatione, De fiducia remissionis peccatorum, De sacramentis, De ecclesia, De ministris ecclesiae, De pontifice summo et episcopis Stellung bezog. Dabei verwendete er Passagen des Scriptum latinum und der Vergleichsformel von 1546.313 Dezemberformel Der Fokus der dreiteiligen Dezemberformel liegt bei den Glaubenslehren mit den Kapiteln Rechtfertigung, Erbsünde, Erlösung, Gute Werke, Kirche, Sakramente, Tradition, Kirchenstatuten, Heiligenanrufung, Reliquienverehrung und Fasten. Die 9 Kapitel des zweiten Teils legen die Ausspendung der Sakramente und die Zeremonien dar. Kapitel (4) sieht dabei erstmals die Dispensatio sub altera vel utraque specie vor.314 Die folgende Zwischenüberschrift De reformatione morum et disciplina Cleri et populi geht auf die Klerusreform ein, die in die drei Teile De ordinatione et electione ministrorum ecclesiae, De diciplina ecclesiastica cleri et populi und De distributione bonorum ecclesiasticorum gegliedert ist:315 Pedro de Soto, der Beichtvater Karls V., gab zu diesem Teil eine eigene Stellungnahme ab, Jedin nimmt auch noch die Mitwirkung eines dritten spanischen Theologen, des gelehrten Martin Pérez de Ayala,316 an. 312
313 314 315 316
Schon Beutel (95-102) nimmt einen starken redaktionellen Einfluss von De Soto und Malvenda an, ebenso Pfeilschifter (ARCEG 6 [Nr. 17)] 259) und Rabe, Zur Interimspolitik 138. Ein Exemplar dieses Textes (35 Blätter) der sogenannten Dezemberformel befindet sich im StA Hannover, Hildesheimer Nachlass Valentins von Tetleben mit dessen eh Aufschrift Catholicum et christianum Interim in negotio religionis Auguste in comitiis imperialibus iubente imperatore Carolo factum et per theologos comportatum mense Decembri anno 1547, non tamen publicatum. Mit dem Titel Brevis et succincta Reformatio, complectens doctrinae hac tempestate controversae Sacramentorumque et Rituum Ecclesiasticorum necessariam pro fidei unitate ac pace conservanda restitutione, sed ex Cleri et populi in moribus disciplinam liegt im StA Würzburg sub Mainzer Urkunden, Geistlicher Schrank 19/4/8 ein weiteres von Pfeilschifter bearbeitetes geheftetes Libell von 73 Seiten. ARCEG 6 (Nr. 18) 301-308. Ebd. (Nr. 17) 274. Ebd. (Nr. 17) 279-299. Stöhr, Art. Pérez de Ayala, Martin (1503/1504-1566): ³LThK 8 (1999) 28-29.
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Reform und Vergleichung
Rabe hat die beiden Archivalien der Dezemberformel317 nochmals gegen Pfeilschifters Edition in ARCEG 6 (Nr. 17) kollationiert und Korrekturen angebracht. Er fand seine frühere Hypothese bestätigt, dass die Endredaktion des doktrinellen Teils der Dezemberformel durch Malvenda und des disziplinären Teils durch Pedro de Soto erfolgte. HELDING fügte sich offenbar in die streng orthodoxe Linie ein. Karl V. war mit dem vorliegenden Ergebnis jedoch unzufrieden und setzte sofort eine neue kleinere Arbeitsgruppe ein, die nur mehr aus Pflug, HELDING und dem kurbrandenburgischen Hofprediger Johann Agricola bestand.318 Um den Charakter eines Privatgutachtens zu vermeiden, veranlasste der Kaiser am 14. 1. 1548 brieflich die Stände, eine Kommission zu bilden, die den Dezemberentwurf beraten sollte. Nach außen hin sollte dieser Entwurf dank der Mitarbeit Agricolas als Vorschlag des Kurfürsten Joachim von Brandenburg erscheinen. Dies nicht nur, um die Akzeptanz im Reich zu erhöhen, sondern auch, um beim Papst den Eindruck einer Anmaßung kirchlicher Jurisdiktion zu vermeiden.
2. INTERIMKOMMISSION Die Dezemberformel bildete die Arbeitsgrundlage der Kommission des Reichstags, der 16 Mitglieder angehörten, wobei die eigentliche Aufgabe der Textgestaltung bei den drei Verfassern des inzwischen korrigierten Dezemberpapiers lag. Obwohl nicht offizieller Reichstagsteilnehmer, wurde HELDING von Karl V. zum Mitglied der Kommission ernannt. In der ersten Sitzung am 10. Februar 1548 kommentierten die Teilnehmer zunächst den erhaltenen Auftrag. Eine Mitschrift der Diskussion gibt HELDINGS Auffassung über die anstehende Aufgabe in der ersten Sitzung undeutlich wieder: Hab gehort uber hievor gepflegten handlung nachmals bedacht, die strittig religion durch geburliche mittel abzuhelfen bis zu endung des conciliums. Dorumb der ksl: Mt: underthenigst zu dancken und Gott zu bitten, das er ir Mt: sein gnad verleihen. Bitt was er anzeig, das es ime onvorgrifflich sein soll. Weis sich schuldig, nichts an ime erwinden zu lassen. Dieweil aber die andern ein bedacht nehmen, las ers auch dorbey. 319 317 318 319
Niedersächsisches Landesarchiv, HStA Hannover, Hild. Br.1 Nr. 85; StA Würzburg, Mainzer Urkunden, Geistlicher Schrank 19/4 Nr. 8. Smolinsky, Art. Agricola Johann (1492/1494-1566): ³LThK 1 (1993) 249-250. DRTA.JR 18 (Nr. 177) 1710.
Interimkommission
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In der folgenden Sitzung vom 11. 2. 1548320 traten die unterschiedlichen Interessen deutlicher hervor. Einesteils war man auf die Erhaltung eines Friedstandes bedacht und die gegenseitigen Bedrängnisse sollten aufhören. Kirchenvermögen sollte sogar wieder zurückerstattet werden. Andererseits wurde dessen Entzug weiterhin mit den Missbräuchen in der Alten Kirche begründet und ein weiterer derartiger Eingriff damit von protestantischer Seite auch für die Zukunft nicht ausgeschlossen. Es zeigte sich unter den Mitgliedern der Kommission auch eine Unklarheit über den Zweck ihrer Mission. HELDING , der es eigentlich am besten wissen sollte, da er im Stillen bereits an einer Adaptierung der Formel arbeitete, interpretierte den Auftrag des Kaisers geradezu kryptisch. Er stellte sich unwissend, ob der Kaiser nur kirchenpolitische oder auch dogmatische Fragen bis zum Konzil selbst klären wollte und meinte, dass auf Wunsch des Kaisers ein Weg gesucht werde, der den anderen Teil nicht beschweren solle.321 Er unterstützte zwar ebenfalls den katholischen Standpunkt der Restitution des entzogenen Kirchenguts, versuchte aber dennoch die Diskussion auf die Reform der kirchlichen Disziplin hinzulenken: Die von HELDING als einem in die Texterzeugung voll eingebundenen Theologen merkwürdig undeutliche, ja fast distanzierte Stellungnahme im Kommissionsdiskurs lässt nur den Schluss zu, dass vor der größeren Kommission nicht alle Karten aufgedeckt werden sollten. Tatsächlich wurde die endgültige Redaktion von der Kommission schließlich wieder dem engsten Arbeitskreis übertragen, dem HELDING angehörte. Die ersten beiden Teile wurden zusammengefasst und thematisch gestrafft, der auf die Disziplin von Klerus und Volk zielende dritte Teil wurde herausgenommen, da die geistlichen Stände vehement eine Reform mit der Rückgabe des Kirchenguts verknüpften. Märzformel Für Beutel waren an den Änderungen der Dezemberformel, vor allem der Straffung und Schärfung bestimmter Artikel, wieder die spanischen Theologen De Soto und Malvenda beteiligt. Er vermutete deren Einfluss in der Verdeutlichung der Rolle der Kirche (Ausdehnung von 2 auf 5 Artikel (9) bis (13), in der Verdunkelung des Rechtfertigungsartikels durch Kürzung von ursprünglich 7 Artikeln auf die 2 Ar-
320 321
Ebd. 1713. Luttenberger, Glaubenseinheit 454.
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Reform und Vergleichung
tikel (6) und (7) des Interim322 und in einer stärkeren Hervorhebung der guten Werke. HELDINGS Anteil an der Verbesserung der Dezemberformel ist beispielhaft am Kapitel Messopfer abzulesen. Eine charakteristische Stelle in der fast unverändert zum Interim gewordenen Märzformel,323 die von der Verheißung der Passion bei Jesaia 63,3 spricht (Torcular calcavi solus), stammt dabei wörtlich aus einer seiner Katechismuspredigten.324 Die Voranstellung des Bußsakraments vor die Eucharistie und die Betonung der guten Werke liegt ganz auf HELDINGS Linie. Auch die von Pflug vernachlässigte Heiligenverehrung und die Fürbitten für die Verstorbenen lassen durchaus auf HELDINGS Beitrag schließen.325 Zur Beteiligung HELDINGS gibt es auch einen Beleg von Philipp Melanchthon, der die Textvorlagen der Kommission offenbar zur Begutachtung erhielt. In einem Bedenken, das er zur Märzformel über Glaube, Liebe und Rechtfertigung an den kurfürstlichen Rat Georg Komerstadt richtete, erwähnt er den listigen weybischoff (gemeint ist HELDING ), der den Apostel Paulus umdeuten würde.326 Andererseits sah Beutel bei den Messopferartikeln die spanische Handschrift. Der Teilentwurf ARCEG 6 (Nr. 18) 301-308 (Gegengutachten eines Ungenannten, den Pfeilschifter in Pflug zu erkennen glaubt) bringt erstmals die Funktion des Papstes iure divino ins Spiel.327 Dieser Artikel ging auch unverändert in die Märzformel und in das Interim ein. Dass gerade Pflug Urheber eines derart kontraproduktiven, die Lutheraner herausfordernden Passus, gewesen sei, verwundert.
322 323 324 325 326
327
Beutel 98. ARCEG 6 (Nr. 19) 308-348. Cat 245v (Predigt vom 22. Sonntag nach Trinitatis 1543). Vgl. HELDINGS in Augsburg 1547 gepredigte Fürbitt der Heyligen und Sorge und Hülffthuung für die Verstorbene: Postilla, De Sanctis Sommerteil, 76r-82v. PKMS 3, 777-778; 782-785: Melanchthon fasste dabei die wesentlichen Konzessionen des Interim bündig zusammen: Man wolle, dass das Sakrament unter beiderlei Gestalt gereicht wird, die alte Gewohnheit der einen Gestalt aber erhalten bliebe. Hinsichtlich der Priesterehe wolle man bis zum Konzil Geduld üben, weil hier ohne große Zerrüttung nichts geändert werden könne. Das seien die vornehmsten Stücke dieses Buches, das er [Melanchthon] als direkten Abkömmling des Regensburger Buches erkenne. Er hält HELDING und Bucer für die Verfasser. Die Mitarbeit Pflugs bezweifelt er, denn dieser habe ein leidlicheres eigenes Buch verfasst (möglicherweise ist Pflugs erst 1562 gedruckte Institutio christiani hominis gemeint). Interim (XIII): Atque ut ecclesia, quae est unius capitis, hoc est Christi unum corpus, eo facilius in unitate contineri posset, etsi multos habet episcopos, qui populum eius, quem Christus pretioso sanguine suo acquisivit, regant, idque iure divino, unum tamen in remedium schismatis, qui caeteris omnibus praesit, cum plenitudine potestatis summum pontificem habet, idque pro praerogativa Petro concessa.
Die kaiserliche Deklaration – das Interim
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Dieser zweite derart veränderte Entwurf (Märzformel) fand schließlich nach intensiven Partikularverhandlungen mit einzelnen Ständen, in die auch HELDING eingebunden war,328 auf der Sitzung des Reichstages am 15. 5. 1548 die mehrheitliche Annahme der Stände. Die überstimmten Parteien erhoben nachträglich noch Einwände. Inzwischen hatte der Kaiser aber auch die Bereitschaft der Stände erlangt, sich einem Konzil zu unterwerfen und er ließ daher die Deklaration nahezu unverändert gemeinsam mit dem Reichsabschied am 30. Juni 1548 publizieren.329 Die wenigen Korrekturen der amtlichen Fassung gegenüber der Märzformel stammen von der Hand HELDINGS und zeigen seine Nähe zur Textgestaltung.330 Fasst man das erreichte Ergebnis zusammen, kann man dem Handeln des Kaisers eine Konsequenz nicht absprechen. Da eine Wiederaufnahme oder gar ein Neubeginn des Konzils nicht absehbar war, hatte er zur Überwindung der Spaltung im Reich und um der weiteren Protestantisierung zu begegnen, zu anderen Mitteln gegriffen. Das Interim sollte dem Zulauf zum neuen Glauben Einhalt gebieten und möglicherweise sogar die Rückkehr in die Alte Kirche bewirken. Dazu war aber auch eine Reform der Kirche gefordert. Das Interim hatte der Kaiser im Rahmen des ihm mit Mehrheitsbeschluss zur Friedenserhaltung anheimgestellten Reichstagsmandats rechtlich fundiert verordnet. Die ursprüngliche Absicht, es auf alle Stände beider Konfessionen anzuwenden, stieß bei den geistlichen Fürsten jedoch auf großen Widerstand. Zunächst ist noch ein Blick auf die Aufnahme der Verordnung im Reich zu werfen.
3. DIE KAISERLICHE DEKLARATION – DAS INTERIM331 Die kaiserliche Erklärung (Deklaration), im Text selbst auch als Ratschlag und Bedenken (consilium et sententia) bezeichnet, hatte die erforderliche mehrheitliche Zustimmung gefunden, da es dem Kaiser gelungen war, auch Pfalz und Brandenburg auf seine Seite zu brin328
329
330 331
DRTA.JR 18/2 (Nr. 203g) 1863-1864: Verhandlung Pflug, Helding, Veltwyk mit Räten der Stadt Augsburg. Mehlhausen, Art. Interim: TRE 16 (1987) 230-237, hier 232; DRTA.JR 18/2 (Nr. 188) 1790: Erklärung der Reichsstände vom 14. 4. 1548 über ihre Unterwerfung unter das Konzil. DRTA.JR 18/2 (Nr. 210) 1910, Anm. 2. Vgl. Schorn-Schütte (Hg), Das Interim 1548/50 (Heidelberg 2003); Burkhardt, Art. Interim: ³LThK 5 (1994) 559; Mehlhausen (Hg), Das Augsburger Interim von 1548 (Neukirchen -Vluyn 1970) weist 12 zeitgenössische Drucke nach. Die jüngste Textausgabe (München 2006) bei DRTA.JR 18/2 (Nr. 210) 1910-1948.
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gen. Nur Kurfürst Moritz knüpfte sein Votum an eine Rückversicherung bei seinen Ständen, was ihm das Misstrauen Karls V. eintrug.332 Im Juli 1548 begann die Publikation des Interim-Dokuments im Reich.333 Schon unmittelbar nach der Kundmachung artikulierte sich reger Widerspruch bei protestantischen Theologen. Es wurde eine publizistische Flut von Gegenschriften in den nicht kaiserlich dominierten Orten losgetreten,334 die sich in der Folge auch in Schmähschriften gegen den Kaiser und gegen HELDING , der als maßgeblicher Autor gesehen wurde, äußerte. Dieser glaubte seinen Auftrag erfüllt zu haben und betrieb seine Rückkehr nach Mainz. Das Leben in der Reichstagsstadt war kostspielig und gefahrvoll. Nicht nur die Vielzahl an Kriegsknechten, die dem kaiserlichen und dem Tross der Fürsten angehörten, sondern die grassierenden Krankheiten bildeten ein ständiges Risiko, weshalb sich, wer konnte, alsbald dem Treiben in Augsburg entzog. Der Kaiser entließ HELDING aber noch nicht. Dieser werde, so schrieb er an Erzbischof Sebastian, in seinem Predigtamt weiter dringend erfordert und sei auch wegen des Interim vonnöten, wisse er doch zu den Irrungen und Disputationen, die sich täglich zutrügen, am besten Bericht zu geben. Tatsächlich verlangte die Umsetzung des Interim eine kompetente Auskunftsperson für die Interpretation der einzelnen Bestimmungen. Ein Beispiel mag dies verdeutlichen: HELDING als Interpret des Interim
Den diesmal persönlich in Augsburg anwesenden Kurfürsten, wie dem Kölner Erzbischof Adolph von Schaumburg, wurde die Resolution direkt ausgehändigt. Am Beispiel des Kölner Reichsfürsten können wir die Schwierigkeiten ablesen, die mit einer praktischen Umsetzung des Rathschlags335 verbunden waren. Nach seiner Rückkehr berief der Erzbischof unverzüglich seine Räte zu einer Begutachtung, wie Interim und Reformation im Erzstift und der Provinz exequiert werden mochten. Dieser Kommission gehörten mit Eberhard Billick, Johannes 332 333 334
335
Blaschke, Moritz 69. Die offizielle Urkunde der Mainzer Kanzlei trägt das Datum vom 30. 6. 1548 (HHStA-Allg. Urkundenreihe). Vgl. PKMS 4, 74-84, 88: Das Bedenken wurde unterzeichnet von Georg von Anhalt, Philipp Melanchthon, Caspar Cruciger, Johannes Pfeffinger, Daniel Greiser, Georg Major, Johannes Forster. Dem in Naumburg abgesetzten Nikolaus von Amsdorff war die Haltung Melanchthons noch bei weitem zu milde. RK-RelA 18, 33r-36r: So nennt Erzbischof Adolph von Schaumburg das Interim in seiner Anfrage vom 7. 8. 1548. Das Gutachten ebd. 39r-43v; Braunisch (2006) 569574.
Die kaiserliche Deklaration – das Interim
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Gropper und Heinrich Tungern versierte Theologen von Rang an. Ihr Gutachten warf etliche Fragen auf und veranlasste Adolph, den Kaiser schriftlich um eine Klarstellung zu bitten, die den Geltungsbereich in den katholischen Reichsteilen nochmals erläutern sollte. Sollte das Interim auch in katholisch gebliebenen Herrschaften gelten? Wie stand es um die geistliche Jurisdiktion in protestantischen Gebietsteilen innerhalb der geistlichen Territorien?336 Die Reaktion des Kaisers wirft ein Licht auf die Rolle, die HELDING in dieser Frage zugemessen wurde. Karl V. sandte Erzbischof Adolphs Anfrage samt dem Kölner rätlichen Gutachten unverzüglich HELDING zu337 und verlangte eine Stellungnahme, der dieser rasch nachkam.338 HELDINGS Antwort zeigt einmal, dass der tatsächliche Geltungsbereich des Reichsgesetzes nicht für jedermann klar war. Als Reichsgesetz war das Interim für alle reichsunmittelbaren Stände anzuwenden. Protestantische Untertanen katholischer Fürsten wurden verpflichtet, das Interim anzunehmen. Weitere Neuerungen außerhalb der drei Freiheiten wurden ihnen untersagt. Das hieß, dass sie sich bis auf die Ausnahmen dem alten Ritual fügen mussten und bedeutete für sie einen Schritt zurück zur Alten Kirche. Dies begannen die geistlichen Kurfürsten, Fürsten und Städte auch durchzusetzen. Umgekehrt sträubten sie sich, ihren katholischen Laien auf Verlangen die Kelchkommunion zu gewähren. Wir können aus dem HELDING erteilten Auftrag zur Textauslegung schließen, dass der Mainzer Suffragan am Interim einen gewichtigen Anteil haben musste. Mit der genannten Kölner Anfrage wird die zur Autorenschaft des Interim bisweilen geäußerte direkte Urheberschaft Groppers am Interim entkräftet, aber auch Rabes Annahme, Petrus Malvenda habe hinter der Endredaktion des Textes gestanden, wird zumindest relativiert. Es bleiben somit für die Entscheidung der Verfasserfrage letztlich nur Pflug und HELDING , ohne damit die von anderen Theologen, insbesondere Gropper, eingeflossenen Beiträge auszuschließen.
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Druffel 1 (Nr. 188) 136-137: Es wäre zu klären, ob nicht auch gegen die Ordnung verstoßen würde, wenn die Prediger lehren, dass eine eucharistische Gestalt genüge, und ob die entlaufenen Mönche und beweibten Priester Buße tun müssten. Des Weiteren wäre zu prüfen, ob ein geeigneter Katechismus existiere oder zu erwarten sei, und wie sich katholische Priester verhalten sollten, wenn von ihnen der Laienkelch verlangt würde. RK-RelA 18, 110r: Datum Speyer, 27. 8. 1548. RK-RelA 18, 188r-191r: HELDING an Karl V. vom 18. 9. 1548.
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Reform und Vergleichung
4. DIE KAISERLICHE FORMULA REFORMATIONIS (9. 7. 1548)339 Der Kaiser hatte die geistlichen Kurfürsten und Fürsten schon mehrfach zur Einbringung von Reformvorschlägen aufgefordert. Dazu war es jedoch nicht gekommen,340 weshalb die den Interimentwurf erarbeitende Gruppe Pflug, HELDING , Agricola sich im Auftrag Karls V. auch der katholischen Missbräuche annahm. Der Text der Reformnotel ist aus der ersten umfangreicheren Version des Interimtextes (Dezemberformel) hervorgegangen und basiert auf dem Überschuss, der in die Märzfassung des Interim nicht aufgenommen worden war.341 Viele Bestimmungen finden sich bereits im 3. Teil der Pflug-HELDING -Vergleichsformel 1546.342 Der Kaiser begnügte sich nicht mit der Verordnung, er gab auch Termine zur Durchführung vor. Mit dem nächsten Fest des hl. Martin, also noch 1548, wurde den Bischöfen ein Termin zur Abhaltung von Synoden in ihren Diözesen vorgeschrieben, für die Provinzen war eine Frist bis zum Frühjahr des Jahres 1549 gesetzt. Während die katholischen Stände stillschweigend von der Anwendung des Interim dispensiert blieben, obwohl es als Reichsgesetz für alle Stände ohne Ausnahme Geltung hatte, war ihnen durch das kaiserliche Mandat der Reformnotel eine Selbstreformation auferlegt.343 Zwar wurde den geistlichen Reichsständen zuletzt ein Einverständnis abgerungen, sodass die Formel als von ihnen selbst geprüft und angenommen publiziert wurde, dennoch stand der kaiserliche Wille als treibende Kraft unmissverständlich hinter der Verordnung. Der Kaiser griff damit in staatskirchenrechtlich hoheitlicher Funktion in die Vorrechte der Kirche ein, ihre eigenen Angelegenheiten autonom zu regeln. Viele Bestimmungen der Formel sind zwar nur deklaratorisch und erinnern an bestehende Canones, da aber über alle Provinzen 339
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DRTA.JR 18/2 (Nr. 215) 1960-1995: Der offizielle Titel bringt die Annahme durch die geistlichen Stände zum Ausdruck Formula reformationis per caesaream maiestatem statibus ecclesiasticis in comitiis Augustanis ad deliberandum exhibita et ab eisdem probata ac recepta; Wolgast, Die Formula reformationis: Schorn-Schütte (Hg), Das Interim 1548/50, 342-365. Abgesehen von der Stellungnahme Pflugs (Scriptum latinum, ARCEG 6 [Nr. 3] und Groppers Gutachten (Unica ratio reformationis, ARCEG 6 [Nr. 13]. Der Anteil des neugläubigen Johann Agricola an der Reformnotel wäre eigens zu prüfen. Die Darstellung der Sakramente verblieb im Interim, ihre Administration wanderte in die Reformnotel. MEA-RelS 17/2, 206r-231r: Reformatio per sacratissimam Caesaream maiestatem statibus ecclesiasticis in comitiis Augustanis loco directorii oblata 14. junii ao. 1548.
Heldings Reichstagspredigten 1547/1548
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Deutschlands hinweg neben dem Papst (im Sonderfall: Konzil) nur der Kaiser Anordnungsgewalt ausüben konnte, nutzte er seine Verordnungskompetenz als Schirmherr der Kirche auch in institutionellen und spirituellen Angelegenheiten. Er tat allerdings nichts anderes als das, was die protestantischen weltlichen Reichsfürsten in ihren Ländern bereits seit Jahren handhabten, indem sie sich an die Spitze einer Landeskirche gesetzt hatten.344 Corruptos mores reformare et excessus corrigere Schon die Präambel der Formula reformationis nennt als Ziel, die vielseitig deformierte Kirchendisziplin wiederherzustellen.345 Um die Missbräuche und das himmelschreiende Ärgernis unter Klerus und Volk auszumerzen und der Kirche ihr Gesicht wiederzugeben, muss sich der gesamte kirchliche Stand der Schrift und Tradition gemäß einer Reinigung unterziehen: Mit diesen Worten greift die Reformnotel den immer wieder erhobenen Vorwurf des Abusus (Missbrauchs) auf und macht seine Beseitigung zum vorrangigen Thema der innerkirchlichen Reform.346 Erste sichtbare Folge der Reformnotel war die vom Kaiser mit Terminen versehene Abhaltung von Diözesan- und Provinzialsynoden in den Erzbistümern Mainz, Köln, Trier und Salzburg in den Jahren 1548 und 1549.347
5. HELDINGS REICHSTAGSPREDIGTEN 1547/1548 Nachdem der Augsburger Bischof, Kardinal Otto Truchsess von Waldburg,348 von HELDINGS Mainzer Kanzelauftritten gehört hatte, veranlasste er ihn, den hohen Persönlichkeiten während des Reichs-
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Vgl. dazu Smolinsky, Altgläubige Kontroverstheologen und das Interim 63-64. Der Mainzer Dekan ermahnte z. B. die Domkapitulare, sie mögen auf ihre Dienstpersonen achten und verderbliche fahren lassen (Mainzer Domkapitelprotokolle Bd 9, 78). Die Domizellare wurden gerügt, weil sie in kurzen Kleidern mit langen Messern auf der Straße gingen (Herrmann, Protokolle 3/2, 1059). DRTA.JR 18/2 (Nr. 215) 1962: Präambel der Formula reformationis: Ut abusus et scandala (propter quae Deus iratus severiter adeo ecclesiam suam castigat) tollantur reformenturque clerus et populus iuxta sacros canones, traditiones maiorum et sacrae scripturae normam (quantum eius per hanc tempestatem fieri potest), donec concilium generale dissidiis et abusibus modum ponat, inprimis necessarium est, ut redintegretur repurgeturque ordo ecclesiasticus, quo confuso, indiscreto et incerto tota ecclesiae facies confusa et variis iactatur modis. Schannat – Hartzheim 6, 398-415 (Trier 1548), 415 (Salzburg 1549), 532-562 (Köln 1549), 562-595 (Mainz 1548 und 1549). Rummel, Art. Waldburg, Otto, Kard. (1514-1573): ³LThK 10 (2001) 950-951.
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Reform und Vergleichung
tages zu predigen.349 HELDING beteuerte zwar in einer Art von captatio benevolentiae seine Bedenken, einer solchen Aufgabe gewachsen zu sein, 350 nützte aber die ihm gebotene Gelegenheit, einfachen wie hochgestellten Zuhörern angesichts der Zustände im Reich deutscher Nation den Spiegel vorzuhalten. Er stellte die Predigtreihe unter den Leitgedanken von der christlichen Liebe, wie er sie in der ersten Johannesepistel besonders eingehend dargelegt fand,351 und nahm sich dabei innerhalb dieses Predigtzyklus in besonderer Weise der Messerklärung an, weil er hier einem verbreiteten Wissensmangel über das Sakrament der Eucharistie begegnete, dem er gerade bei wankend gewordenen Christen abhelfen wollte. Die 15 Predigten über die heilige Messe hinterließen bei den Zuhörern besonderen Eindruck und erschienen auf Anregung von König Ferdinand noch im selben Jahr an mehreren Orten im Druck. Der Inhalt seiner Predigten gibt keinen Hinweis auf seine gleichzeitige Arbeit am Interim. HELDING selbst spricht sich in einer Predigt aus dem Jahr 1547, die später als Catholischer bericht wie sich gemeine Pfarherr / unnd auch sonst Christen in reichung und entpfahung des heyligsten Sacraments des wahren leibs und bluts Christi in dieser verirreten und spaltischen zeit verhalten sollen, klar gegen den Laienkelch aus.352 Nur ein allgemeines Konzil wäre berufen, Änderungen des uralten Herkommens zu beschließen.353 Für HELDING war der sittliche Verfall bei Klerikern und Laien, den er mit dem Niedergang Jerusalems verglich, die Ursache des spi349
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Davon wurden 15 Reichstagspredigten 1548 unter dem Titel Von der hailigisten Messe veröffentlicht. Erster Johannesbrief 4r: Ich weiß sehr wol / das ich weder an kunst / oder auch im gebrauch solche grossen werck der gepür vorstehen mag / möchte nit unbillich disen last von mir geschüttelt haben / und mit dem Moyse sprechen / Ich bitt dich O Herr / sende wen du wilt / dann ich kann nit reden / Dann ich (nit wie Moyses seyd heut und gestern) sonder von jugent ahn / einer schweren unartigen unnd langsamen zungen bin / Exod.4. Aber weil meine entschuldiung nit hat statt finden mögen bey denen / die mir zugebieten haben / und denen ich fürnemlich in solchen heiligen und billichen bevelch / meinen gehorsam nit on sünd hab entziehen mögen / habe ich mich der beruffung Gottes nit wider setzen wöllen / ob ich gleich anderst nichts vorwenden möchte / so hab ich doch das lob der gehorsam / vor Gott und den Menschen erhalten wöllen. Und soferr ich nun mich selbs bedencke und meine eigne kräfft und geschicklichkeit erwege / weiß ich niemand nichts zugetrösten / wollte auch noch uff disen tag nichts liebers thun dann mit euch underm hauffen sitzen und ein andern anhören / der mit den gaben so zu disem werck von nöten seind / von Gott reichlicher dann ich versehen were. Erster Johannesbrief 6v: So ist kein buch in der gantzen Bibel / das so artig wol / und geschicklich und krefftig von der liebe lehrne als diese epistel Johannis. Auch den Glaubensgegnern sei aus christlicher Liebe kein Verderben zu wünschen. Die 15 Messpredigten sind im Ersten Johannesbrief als 18. bis 32. Predigt (Bll. 55112) mitenthalten. Erster Johannesbrief 175r: Dass er dennoch den Interimtext mitverfasste, zeigt jedoch einen Pragmatismus gegenüber den Kelchsakramentierern, dessen endgültige Auflösung auch er dem Konzil zuschob.
Heldings Reichstagspredigten 1547/1548
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rituellen Verlustes, der die Kirche heimsuchte.354 Die Protestanten nennt er zwar nicht namentlich, aber er hinterlässt keinen Zweifel, dass er sie meint, die die Zerstörung der Kirche, die Bereicherung an ihren Gütern und die Verführung des einfältigen Volks auf ihre Fahnen geschrieben haben: Gegen solchem unfleiß brauchen etliche solche unfügliche Reformation / das die artzney schädlicher sein will / dan der gebrech an im selbs ist. Richten nit auff und bessern nit was gefallen und zerbrochen ist / sonder was noch stehet / was noch taugt und gut ist / zerwülen / zerreißen / und verwüsten sie. Jenen muß die Kirche ein Kauffhauß sein / darin sie irn bracht / geitz und gewinn suchen. Die andern machen ein schul des irrthumbs darauß. Ein mord grub darin die arme Seelen mit verfürung und irrthumb getödtet werden.355 Es sei im Volk eine tiefe Entfremdung und Verbitterung in den Herzen vorherrschend, die zunächst ausgeräumt werden müsste. Aber auch unter den Häuptern der Kirche sei die Neigung zur Besserung nicht zu erkennen, vielmehr wolle man Änderungen verhindern. Kein Wunder, dass Gott selbst eingreifen muss.356 Es klingt die Sorge um das Schicksal der Kirche in Deutschland durch und die Hoffnung, es möge ihr nicht wie seinerzeit den Juden ergehen. In der ersten seiner Predigten357 zu 1 Joh führt HELDING die Gründe an, die ihm gerade diese Epistel für die Gegenwart passend erscheinen lassen. Als ersten Grund nennt er die vermeinte besondere Nähe des Lieblingsjüngers, den er in einer Person für den Evange354
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Ebd. 2v-3: Es hat Gott unser Teutschland auch angriffen mit seiner straff / aber so mit sanffter weicher hand / das wir ja sehen müssen wie Gott uber uns noch gedancken des friedens / und nit des verderbens vor hat. Wir müssen doch merken, das uns Gott lieber verzeihen dann strafen / lieber verschonen dann verderben wolt / so wir selber wollten. Ebd. 3v. Und ebd. der Hinweis auf Gottes strafende Hand: Neben andern schweren Sünden, die uns Teutschen mit andern gemein seind / haben wir on zweiffel ein schwere straff Gottes auff uns geladen / und sein gerechten zorn uber uns erwegt / mit dem das es in unsern Kirchen so ubel zugeht. Eins theyls sucht man geitz / bracht / wollust / gute tag bey der Kirchen. Sicht mehr gebreng / unnd hoffart / dann Gottseligkeit. Man last die Kirchen mit mißbreuchen verwüstet werden / und ist sonst allenthalb schreckliches unfleiß und versaumnuß ahn der lehr / an warem der heyligen Sacramenten / und an allem was das best und heylsamsts ist. Ebd. 3v: Da aber die tag unserer heimsuchung seind. Da etwann die Häupter der Christenheit handlung in der religion fürnemen wollten / da will mans zum theyl mit keim ernst angreiffen / die andern wollens zu den ordenlichen mitteln gar nicht kommen lassen. Sihe so muß Gott drein greiffen / und uns rechts gedeuchen lassen wie den Juden / muß dz schwert einfüren uber uns / das sol die Kirch reformiern und unsere sünden straffen. In HELDINGS Erstem Johannesbrief fehlen die sonst den Predigten beigefügten Sonn- und Feiertagsangaben sowie die Jahreszahlen. Es ist aber davon auszugehen, dass alle 48 Predigten aus den Jahren 1547 und 1548 stammen. In der 19. Predigt, die auf eine Phase im Jahr 1548 zu datieren sein dürfte, in der er schon dringend nach Mainz zurückkehren wollte, findet sich die Bemerkung, dass er nicht wisse, wie lange er noch in Augsburg bleiben müsse (Erster Johannesbrief 58r).
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Reform und Vergleichung
listen, den Apokalyptiker und den Epistelverfasser hält,358 zum Herrn, woraus man auf die Authentizität des Gesagten besonders vertrauen dürfe. Johannes zufolge besteht Christsein nicht im Reden vom Glauben, sondern im Tun, womit für HELDING in diesen Texten die Rolle der guten Werke besonders verdeutlicht wird. Der allererste Grund aber ist die Betonung der Liebe. Das Bemühen aller Stände, die schreckliche gefährliche Zwietracht in geistlichen und weltlichen Dingen aufzulösen und das deutsche Land zu Ruhe, Frieden und Einigkeit zu bringen, scheitert nach HELDINGS Urteil an Lieblosigkeit und Groll, den die Parteien gegeneinander hegen. Diesen zu überwinden, wird nur durch die Kraft der Liebe möglich sein, die er fördern will. Die Verbitterung in den Herzen der Menschen muss durch Fraw Charitas überwunden werden. Hiefür gebe eben diese Epistel ein beredtes Beispiel. Wohl halte man äußerlich noch auf Formen von Neigung und Freundschaft, aber nur um andere zu verderben. Dem stellt HELDING sein Plädoyer für die brüderliche Liebe gegenüber. Aus dem Ekklektizismus der verschiedenen durch den Verfasser unter dem gleichen Namen Johannes zusammengefassten Texte fügt sich eine katechetische Kette zusammen. Aus der Finsternis der Unwissenheit über Gott und jener der Sünde und Ungerechtigkeit weist der Evangelist Johannes den Weg zum Licht. Das führt den Prediger dazu, sich mit dem Glauben und den Werken zu befassen. Die Anfechtung der Werke nimmt er zum Ausgangspunkt seiner Schriftinterpretation: Auf das Wort, Gott werde für die Seligkeit ausschließlich den Glauben ansehen, entgegnet er, dass erst aus der Einbeziehung aller Schriftstellen eine einhellige gleichlautende Wahrheit erhoben werden kann, die in sich konsistent ist. Wenn das Evangelium an einer Stelle nur vom Glauben spricht (Joh 3,12-18), muss eben auch die andere hinzugenommen werden, die die Übung guter Werke, das Halten der Gebote verlangt (Mt 19,18-21). Glaube, Liebe, Hoffnung sind ineinander verschränkt. Der durch die Liebe erworbene Glaube verheißt die Seligkeit, die im Modus der Hoffnung gegeben ist.359
358
359
Erster Johannesbrief 6r: Dieses ist der Jünger den Gott im Geist gezeygt / und ihm seine verborgene geheimnuß eröffnet hat / der in der erforschung der Göttlichen geheimnussen für alle Evangelisten am höchsten gestigen ist / darumb er bei einem hochfligenden Adler bedeutet wird. Erster Johannesbrief 17v-20v.
Das Interim aus der Sicht der Stände
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6. DAS INTERIM AUS DER SICHT DER STÄNDE Die kaiserliche Urgenz vom 28. 5. 1549 Mit der Kraft seiner kaiserlichen Autorität wollte Karl V. der Zwischenreligion in den protestantischen Territorien den nötigen Nachdruck verleihen. Er verlangte von allen Ständen einen Lagebericht über die örtliche Situation der Kirche und drohte den Säumigen seine Ungnade an. Die vermeintliche Schwäche des protestantischen Lagers nach der Entscheidung bei Mühlberg in 1547 und der Inhaftierung der Bundeshäupter war nach dem Versiegen der kaiserlichen Finanzquellen und der darauf erfolgenden Entlassung der Söldner jedoch bald wieder ausgeglichen und kehrte sich ins Gegenteil, als sich neue protestantische Kräfte zum Teil auch am Katalysator Interim formierten und Moritz sich vom Kaiser abwandte. Nach Jahresfrist schrieb der Kaiser wieder an die Stände, erinnerte an die Beschlüsse von Augsburg, die von den geistlichen Kurfürsten, Fürsten und Ständen mit verabschiedet worden seien. Er habe aus bisherigen Berichten von den Bischöfen des Reichs erkennen müssen, dass die Aufrichtung der Deklaration und Ordnung deshalb behindert würde, weil es an den Orten der Neuerung an Priestern und Kirchendienern mangle. Es trete aber offenbar noch ein weiterer Grund hervor: Ordinarien hätten Bedenken, ohne besondere Bewilligung der Obrigkeit zu dispensieren bzw. gegen das alte Herkommen Änderungen zuzulassen. Daher habe er von Papst Paul III. die Ausstellung von Indultbriefen erwirkt, die diesem Verhinderungsmoment Rechnung tragen würden. Er erneuerte den Appell mit hohem Ernst und Fleiß, die angesprochenen Ordinarien würden nun kraft dieser päpstlichen Erlaubnis daran gehen, das Interim zu vollziehen. Solcherart sollten fern von jeder rigiden Strenge mit Augenmaß, Toleranz und Güte die verlorenen Glieder wieder in die Kirche zurückgeholt werden. Das umfangreiche Schreiben des Kaisers vom 28. 5. 1549 aus Brüssel,360 dem der päpstliche Indult beigegeben war, hinterlässt wieder Unklarheiten über den Geltungsbereich des Interim in den geistlichen Fürstentümern. Die Auffassung, in diesen sei die Deklaration und Ordnung nicht in Kraft gesetzt worden, wird durch den Tenor dieser kaiserlichen Ermahnung einigermaßen in Frage gestellt.
360
RK-RelA 21, 118r-123r.
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Reform und Vergleichung
Der Kaiser setzt nach In seiner bürokratischen Konsequenz forderte der Kaiser alle Stände, damit auch die drei geistlichen Kurfürstentümer zu einem Statusbericht über ihre Kirchenprovinz auf, unter ihnen auch den Erzkanzler zur Mainzer Provinz.361 Auch daraus ist abzuleiten, dass Karl V. die Bestimmungen des Interim ursprünglich auf alle altgläubigen Stände angewendet wissen wollte. Der Mainzer Oberhirte Sebastian berichtete über die Kommunikation mit seinen Ordinarien, woraus die Gründe zu ersehen seien, die der Aufrichtung des Interim im Wege stünden. Er versicherte dem Kaiser, wie sehr ihm daran gelegen sei, in seiner Jurisdiktion, wo immer sich eine Änderung und Neuerung in der Religion zugetragen habe, diese mit der allgemeinen christlichen Kirche in Einklang zu bringen und dem Interim gemäß zu leben. Seinem Schreiben legte er die Antwortbriefe einiger seiner Stände bei. Erzbischof Sebastian setzte aber ebenso im Sinn der Reformnotel eigene Reformschritte in der kirchlichen Verwaltung, er ließ neue Konstitutionen und Statuten für die Handhabung der geistlichen Jurisdiktion und der sittlichen Stärkung des Klerikerstandes ausarbeiten, wobei das Domkapitel die Absichten des Bischofs zwar nicht wesentlich förderte, aber sie auch nicht hintertrieb. Die Zeitumstände boten für diese Neuordnung jedenfalls genügend Anlass. Mancher Kleriker erhoffte, dass die kaiserliche Normierung die alte Ordnung wiederherstellen würde. Mit der Verkündung des Interim war es aber für diese Anhänger des Law- and Order- Gedankens nicht getan. Es musste eine Festigung der Lehrinhalte damit Hand in Hand gehen. Auf altkirchlicher Seite gab es verschiedene Stellungnahmen zur Durchführung des Interim. Eine derartige Stimme schien der kaiserlichen Kanzlei wert aufbewahrt zu werden. Es war die Stimme von Georg Witzel, dessen Schrift Wie die christliche Ordnung so man itzt Interim nennet überall yns werck und bestand ordenlicherweiße zu bringen sey als (vermutlich aus 1548 stammendes, nicht näher datiertes) Bedencken des G. Vuicelij in die Reichshofkanzlei gelangte.362 Die darin niedergelegten Überlegungen zeigen in einer gerafften Sichtweise die Problemfelder, die einem konfessionellen und gesellschaftlichen Ausgleich im Wege standen. Da es allenthalben an Predigern fehle, solle man sich nicht scheuen, in dieser Ausnahmesituation verheiratete Priester heranzuziehen und sogar theologisch gebildete Lai361 362
Ebd. 213r-215r: Antwort Sebastians vom 27. 6. 1549 auf die standardisierte Anfrage Karls V. vom 28. 5. 1549. RK-RelA 23, 240-243: Erwähnt bei Henze, Aus Liebe zur Kirche Reform 307.
Das Interim aus der Sicht der Stände
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en zu weihen und predigen zu lassen. Dazu müssen katholische Katechismen für jedermann zu erlangen sein. Dass der kaiserliche Eingriff in die Domäne der Kirche auch bei den geistlichen Ständen wenig Sympathie auslöste, ist verständlich. Für die Protestanten wurde es zum Reizthema. Zweifellos löste jedoch das Interim auch einen Diskurs aus, der das Problembewusstein für eine geordnete Koexistenz der Konfessionen schärfte und für die Fortsetzung des Konzils 1551 nicht von Nachteil war.363
363
Vgl. die allzu negative Position von Decot, Die Reaktion der katholischen Kirche 384.
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Reform und Vergleichung
Merseburg und das Reich
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5. Kapitel FÜRSTBISCHOF VON MERSEBURG Katholischer Außenposten im protestantischen Umfeld
1. MERSEBURG UND DAS REICH Die reichsverfassungsmäßige Rolle der sächsischen Enklave Stift Merseburg wie auch der Stifte Naumburg und Meißen war seit Jahren umstritten. Bei allen dreien versuchten die sächsischen Herzöge die Mediatisierung auf kaltem Weg durchzusetzen, indem sie schwache Fürsten und Domherren unter Druck setzten und kraft ihrer Vogteirechte statt Schutz und Schirm zu bieten, ihre Macht ausspielten. Das Hochstift Merseburg364 war bei der wettinischen Besitzteilung 1464 der albertinischen Linie zugeteilt worden, während die Ernestiner sich Naumburg-Zeitz vorbehielten. Meißen wurde als gemeinsamer Vogteibesitz betrachtet. Dies konnte geschehen, weil unter Kaiser Friedrich III. gerade um die Zeit der Meißener Aufteilung (1485) ein Schutz von Reichs wegen für derartige reichsunmittelbare Territorien nicht gewährleistet war. Mancher weltliche Reichsfürst nutzte die Gelegenheit zur Mediatisierung der wehrlosen Nachbarn und Enklaven.365 Die drei Hochstifte behaupteten sich zwar auf Grund der relativ starken Stellung ihrer von Adeligen gebildeten Domkapitel, über die sich der Landesherr nicht ohne weiteres hinwegsetzen konnte, gegenüber der Arrondierungspolitik des Schutzherrn, aber die Besetzung mit schwachen oder vom Herzog abhängigen Bischöfen ließ 364
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Willoweit, Art. Reichskirche: HDRG 4 (1990) 667-679: Mit dem Wormser Konkordat 1122 erlangten die Reichsbischöfe und Reichsäbte eine den weltlichen Fürsten ähnliche Rechtsstellung, die sie durch Mediatisierung des Landadels und kleinerer Städte, die sich nicht als Reichsstädte behaupten konnten, zu einem geschlossenen Territorium ausbauen konnten. Allerdings konnten die Vogteirechte nicht abgeschüttelt werden, die in der Form von Schutz und Schirm durch den Kaiser an weltliche Fürsten übertragen wurden (z.B. im Falle von Merseburg an das albertinische, bei Naumburg das ernestinische Sachsen). Grund dafür war die Interpretation, dass das Eigentumsrecht weiterhin beim Reich verblieben war. RK-RTA 6/1: So z. B. die Klage der Grafen von Löwenstein über ihre Mediatisierung durch Württemberg.
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Fürstbischof von Merseburg
die Reichsstandschaft auf der Fürstenbank im Lauf der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts in vielen Fällen zur Makulatur werden. Zunächst aber schien gerade in Merseburg sogar eine katholische Belebung möglich. Besondere Verhältnisse in Merseburg Das zur Kirchenprovinz Magdeburg gehörende Fürstbistum und Hochstift Merseburg war noch eine Zeit lang katholisch geblieben, bis nach dem Tod Herzog Georgs366 unter dessen Nachfolger Heinrich ab 1539 die Reformation auch im Herzogtum Sachsen einsetzte. Dem katholischen Fürstbischof Sigismund von Lindenau wurde durch einen Knebelungsvertrag seine faktische Möglichkeit zur Mitgestaltung im Reich genommen.367 Aber trotz der Versuche der albertinischen Herzöge, wie zunächst von Heinrich, so auch von dessen Sohn und Nachfolger Moritz, das Hochstift über die Nachbesetzung des Domkapitels gänzlich in die Hand zu bekommen, war es weiterhin in der Reichsmatrikel368 verblieben und seine Reichsstandschaft vom Kaiser ausdrücklich bestätigt worden.369 Nach dem Tod Sigismunds zu Neujahr 1544 bewog Moritz gegen die Empfehlung des Kaisers, dem Domkapitel seine freie Wahl zu belassen, das eingeschüchterte Kapitel dazu, seinen 18-jährigen Bruder August370 1545 zum Administrator zu wählen.371 Als Koadjutor in spiritualibus wurde Fürst Georg III. von Anhalt, ursprünglich katholischer Priester, dann von Martin Luther ordinierter Prediger, eingesetzt.372 366 367
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372
Smolinsky, Art. Georg d. Bärtige von Sachsen (1471-1539): ³LThK 4 (1995) 486. RK-RTA 6/1: Entschuldigungsbrief Sigismunds vom 14. 3. 1541. Zuletzt entsandte er doch den Domherrn Joachim von Lattorff (auch Latruff) nach Regensburg. Die Reichsmatrikel war dem Wormser Reichstag 1521 vorgelegen. Sie umfasste damals neben den 7 Kurfürsten 384 Stände: 49 geistliche Reichsfürsten, 31 weltliche Reichsfürsten, 65 Prälaten, 14 Äbtissinnen, 4 Ordensballeien, 137 Grafen und Herren, 84 Frei- und Reichsstädte: Gerlich, Art. Reichsstände, Reichsstandschaft: HDRG 4 (1990) 760-773, hier 765. HHStA HS weiß 328 enthält Abschriften ksl Briefe an HELDING, mit denen im 18. Jh. (!) die Immediatät Merseburgs nachgewiesen worden war. Diese Briefe scheinen in der Briefsammlung Karls V. nicht auf: Regensburg, 1. 5. 1546; Brüssel, 13. 3. 1550; Augsburg, 23. 3. 1551; Augsburg, 3. 10. 1551; Brüssel, 24. 5. 1553; Brüssel, 1. 8. 1553. August von Sachsen (1526-1586) war 1541 gesamthaft mit seinem älteren Bruder Moritz mit dem Herzogtum Sachsen belehnt worden. Blaschke, Moritz 34-39; Janssen 3, 543 spricht von einem geheimen Erbvertrag, in dem Moritz dem Bruder das Erzbistum Magdeburg samt Halberstadt und Merseburg zu übertragen versprochen hatte. Joppen, Art. Georg III. d. Gottselige, Fürst zu Anhalt-Dessau (1507-1553): ³LThK 4 (1995) 478-479.
Merseburg und das Reich
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Diesen Eingriff des sächsischen Landesherrn Moritz hatte Karl V. erstaunlicherweise kommentarlos hingenommen, wobei das Motiv unterstellt werden kann, dass er damals bereits überlegte, die Albertiner gegen den für gefährlicher eingeschätzten Anführer des Schmalkaldischen Bundes, den ernestinischen Kurfürsten Johann Friedrich, auf seine Seite ziehen zu können.373 Erzwungene Postulation HELDINGS Für Weihbischof Michael war die durch die Erfolge im Schmalkadischen Krieg geborene Absicht des Kaisers, ihn für den Bischofssitz des Hochstifts Merseburg vorzuschlagen, ein persönlicher Höhepunkt. Kaiser und König schätzten seine Fähigkeit und Loyalität und erhoben den filius molitoris zum Fürsten. Noch von Augsburg aus setzte ihn Karl V. beim Hof in Dresden und dem Domkapitel zu Merseburg für den altgläubig verwaisten Bischofsstuhl durch. Das neugläubig dominierte Domkapitel Merseburg musste nach einigem Widerstand schließlich dem energischen Druck Karls V. nachgeben. Die päpstliche Konfirmation erfolgte infolge des Ablebens von Papst Paul III. erst am 16. April 1550. Beim Reichstag 1550 saß HELDING bereits für Merseburg auf der Fürstenbank. Nach dem Empfang der Regalien in Augsburg verzögerte sich die förmliche Installierung auf dem Stuhl zu Merseburg aber noch bis Anfang Dezember 1550.
2. VERSUCH EINER REKATHOLISIERUNG Nach dem militärischen Erfolg 1547 schien die Gelegenheit zur Rückführung der sächsischen Reichsstifte Merseburg und Naumburg in die Alte Kirche nicht ungünstig. In Naumburg gab es kaum Widerstand, Moritz selbst unterstützte die Rückkehr Pflugs. Die Besetzung des Stiftes Merseburg durch HELDING war ein Ergebnis der hartnäckigen Politik des Kaisers, der gerade im protestantischen Sachsen ein Lebenszeichen für die alte Religion setzen wollte. Pflugs Biograph Pollet beschreibt die verschiedenen taktischen Züge Karls V. 373
Zwischen den beiden Sachsen hatte es immer wieder territoriale Spannungen gegeben, die der Kaiser weiter auszunützen gedachte. Dies zeigte sich 1546 in Regensburg, als er Moritz als Bundesgenossen gegen die Schmalkaldener gewann. Der Kaiser hatte aber kein Interesse an der Vereinigung Sachsens in einer Hand, womit Moritz wohl fest gerechnet hatte. Dass der Kaiser Moritz den Erwerb aller drei Hochstifte als Äquivalent für den jüngeren Bruder August in Aussicht gestellt hätte, wie es Fraustadt (208) behauptet, ist nicht belegt.
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Fürstbischof von Merseburg
und des vom Landesherrn Kurfürst Moritz gelenkten Merseburger Domkapitels ausführlich.374 Auf des Kaisers fordernden Wunsch, Herzog August möge von der Administration zurücktreten, hatten dieser und sein Bruder Moritz gemeinsam in einem langen Brief vom 14. Juli 1548 ausweichend und ablehnend reagiert.375 Der 22-jährige August machte vor allem den Prestigeverlust geltend, den er durch einen Rücktritt erleiden würde. Karl V. hielt ihm die beabsichtigte Eheschließung als Hinderungsgrund entgegen.376 Der Kaiser bricht den Widerstand Herzog August hatte zwar bis zuletzt gehofft, wenigstens Georg von Anhalt zur Nachfolge verhelfen zu können, aber der Kaiser hatte andere Pläne. Am Ende setzte sich noch einmal der imperiale Wille durch, zumal auch Moritz das Verhältnis zum Kaiser zu diesem Zeitpunkt nicht über Gebühr belasten wollte. Karl V. beharrte energisch darauf, das Stift wieder in altgläubige Hände zu bringen und ging von HELDING nicht ab. Er argumentierte überdies mit dem Merseburger Statut, das eine Trennung von Temporalia und Spiritualia auf Dauer nicht vorsehe.377 Daraufhin lenkten die beiden sächsischen Herzöge widerstrebend ein. Moritz fügte sich in die Wahl HELDINGS , nachdem er zuletzt noch einen Tausch mit Pflugs Bistum Naumburg ventiliert hatte, und erhielt dafür vom Kaiser die Rolle des Schutzfürsten zugesprochen.378 Dass die erzwungene Resignation Augusts von den beiden Albertinern aber nicht ohne Nachhall hingenommen werden würde, war zu erwarten. HELDING hatte daher auch vom ersten Tag an mit einigem Widerstand von Seiten des Dresdner Hofes zu rechnen. Andererseits wird, wie noch zu zeigen ist, auch die besondere kaiserliche Unterstützung erkennbar, die er auf diesem religionspolitischen Außenposten als altgläubiger Repräsentant genoss, solange die Verhältnisse sich nicht änderten. 374 375
376 377 378
Pollet, Correspondance 3 (Doc. 73) 729-734. RK-Saxonica 4 (vorm. 2, wie noch in PKMS 3) 54r-60r: eh Unterschriften von Moritz und August. Moritz gab später wohl auch deswegen nach, weil ihm sein anderes Anliegen, die Freilassung seines Schwiegervaters, im Moment wichtiger war. Am 10. 6. 1548 hatte er erst einen diesbezüglichen Bittbrief an Karl V. gesandt. Sorge bereitete beiden Fürsten aber, dass Augusts Renommee durch die Ablösung leiden würde. Daher kam des Kaisers Argumentation mit der Eheschließung als Abdankungsgrund beiden nicht ungelegen. August hatte sich 1548 mit Anna, der Tochter Christians III. von Dänemark verehelicht. RK-Saxonica 4, 64r-65v. Ksl Mandat zu Schutz und Schirm über Merseburg.
Die Besetzung im Spiegel der Regesten
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3. DIE BESETZUNG IM SPIEGEL DER REGESTEN Aus dem Urkunden- und Regestenverzeichnis des Stiftes Merseburg ist der mühevolle Werdegang von der kaiserlichen Aufforderung an das Domkapitel bis zur Installierung des neuen Fürstbischofs an nüchternen Daten nachvollziehbar.379 Um ein geschlossenes Bild zu zeichnen, wird nochmals bis in das Jahr 1548 zurückgegriffen. Am 10. 8. 1548 erließ der Kaiser ein Mandat, mit dem er den Status der Bischöfe von Meißen, Merseburg und Naumburg als Fürsten konstatierte und die (!) Kurfürsten von Sachsen aufforderte, jene in ihren Rechten als Reichsunmittelbare nicht zu stören. Damit sollte offenbar auch dem in Naumburg wieder eingesetzten Julius Pflug der Rücken gestärkt und das Feld für die kaiserlichen Absichten in Merseburg aufbereitet werden.380 Am folgenden Tag, dem 11. 8. 1548, appellierte der Kaiser an das Domkapitel, den Mainzer Weihbischof Michael Sidonius für Merseburg zu postulieren. Herzog August erklärte am 27. 9. 1548 seinen Verzicht auf die Administration. Am 22. 12. 1548 beharrte Karl V. gegenüber den Bedenken des Kapitels auf seinem Postulationswunsch. Nach weiteren Hinhaltemanövern wurde HELDING schließlich am 27. 5. 1549 mehrheitlich von den Mitgliedern des Domkapitels gewählt. Die Erlangung der päpstlichen Bestätigung war zwar durch den Kaiser bei der Kurie vorbereitet worden,381 jedoch verzögerte der Tod Papst Pauls III. die Abwicklung in Rom und verteuerte offenkundig auch den kurialen Vorgang, den HELDING zunächst sogar aus eigener Tasche finanzierte. Der als Agent des Domkapitels tätige Edelmann Joachim von Latorff forderte mehrfach Geld zur Befriedigung der einzelnen kurialen Dienststellen. Als die verlangten Nachschüsse HELDINGS Mittel erschöpften, musste sich dieser an das Domkapitel in Merseburg wenden, da es ja nicht seine private Angelegenheit sein könne, dass die Postulation zum Erfolg führe. Die einschlägigen päpstlichen Dokumente der Bestätigung wurden auf das einheitliche 379
380 381
Das hs Urkundenrepertorium, angelegt von Rademacher, enthält auch mehrere dem Archiv von HELDING selbst übergebene oder hinterlassene persönliche Dokumente aus den Mainzer Jahren. So sind sub lfd. Nr. 1084 -1088 die päpstlichen Urkunden über seine Berufung auf das Bistum von Sidon registriert, unter Nr. 1175 die Ladung HELDINGS zum Kolloquium Regensburg 1546, datum Gent, 2. 11. 1545. Sub 1183 ist die ksl Aufforderung vom 1. 5. 1546, nach Regensburg zu kommen, vermerkt; sub 1189 zitiert der Kaiser HELDING am 1. 7. 1547 nach Ulm. Sub 1198 ist der ksl Auftrag, den Kölner Theologen das Interim auszulegen, eingetragen. Rademacher, Regest Nr. 1196. Ebd. Nr. 1158: Ersuchen des Kaisers an den Papst vom 25. 6. 1549 um Bestätigung HELDINGS.
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Fürstbischof von Merseburg
Datum vom 16. 4. 1550 auf den Namen von Papst Julius III. ausgestellt.382 Dieser ernannte eine Kommission zur Entgegennahme des Amtseides und informierte Kaiser und Kapitel über die Konfirmierung.383 HELDING wurde in einem Breve als Bischof von Sidon entbunden und als solcher von Merseburg bestätigt. Der Papst ersuchte den Kaiser, den Bischof in seinen Rechten zu schützen. Dem Domkapitel Merseburg wurde mitgeteilt, dass der Bischof von Sidon seiner bisherigen Pflichten enthoben und ihm das Bistum übertragen wurde, und es erging der Aufruf des Papstes an Stadt und Diözese Merseburg, dem bestätigten Bischof Gehorsam zu leisten. Schließlich meldete Papst Julius dem Erzbischof von Magdeburg die Bestellung von Bischof Michael. Zuletzt ließ er HELDING selbst seine Konfirmation wissen. Verzögerte Inbesitznahme Schon zuvor war an den postulierten Bischof die kaiserliche Einladung zum Reichstag nach Augsburg ergangen.384 Diese Einladung ersparte HELDING zwar die Reise an den Hof nach Brüssel, verschob aber andererseits die Entgegennahme der Regalien um einige Monate, da auch dieser Reichstag wie üblich mit Verspätung eröffnet wurde. Mit der päpstlichen Konfirmation hätte der neue Bischof auch gerne alle anderen Voraussetzungen zum Antritt von Amt und Würde in Merseburg erfüllt. Vor der Besitzergreifung waren jedoch noch die Bedingungen der Kapitulation mit dem Domkapitel auszuhandeln. Inzwischen setzte HELDING aber doch bereits einige Merseburg betreffende Handlungen, wie die Ernennung von Moritz Bose zum Statthalter und des Lizentiaten Jodocus Mahler zum Sekretär. Der konfirmierte Bischof wollte durch sein verzögertes Eintreffen im Fürstentum keinen Zweifel über seine Ernsthaftigkeit hervorrufen und überlegte die Besitzergreifung per procuratorem, zu der er sogar eine päpstliche Bewilligung einholte. Hiezu ließ HELDING einen Notariatsakt errichten, mit dem er sich an die Handlungen des Statthalters vorweg für gebunden erklärte. Was dieser Vertreter inhaltlich tun sollte, hielt er in einer ausführlichen Instruktion fest.385 Diese gibt einen 382
383 384 385
Im Urkundenrepertorium von Rademacher mit Datum vom 17. 3. 1549 (!) eingetragen. Paul III. starb am 10. November 1549, Julius III. wurde am 8. Februar 1550 gewählt (Gelmi, Die Päpste 104-105). Pollet, Correspondance 3 (Doc. 73) 732-733: Am 8. 5. 1550 legte HELDING den Treueid vor Ebf Sebastian ab. 13. 3. 1550: Die Ladung ist an den postulierten und konfirmierten Bichof gerichtet. DStA Merseburg C 3, Lit. E 3, Nr. 2, 56r-61r: Instruktion an Mahler und von diesem verfasster Notariatsakt vom 5. 9. 1550.
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Eindruck von der Art und Weise wieder, wie er sein Bistum zu führen gedachte. Wir spüren einen durchaus bestimmten Willen, seine Autorität zur Geltung zu bringen, dabei aber auch auf die örtlichen Gebräuche Bedacht zu nehmen. Von der Vertretungsaktion selbst nahm der Bischof über Anraten des Domkapitels aber zuletzt wieder Abstand. Verleihung der Regalien Mit 11. 6. 1550 stellte das Domkapitel HELDING einen Revers aus, die weltlichen Regalien vor Ablegung des Eides und vor seiner Ankunft im Stift empfangen zu können. Vom 19. 8. 1550 stammt der kaiserliche Schutz- und Schirmbrief. Am 28. 9. 1550 erließ König Ferdinand ein Mandat an die Stände und Untertanen des Stifts, Michael als ihren Bischof zu respektieren. Mit Urkunde vom 17. 10. 1550 belehnte endlich der Kaiser Michael HELDING als Fürsten des Reichs mit den Regalien und bestätigte die alten Privilegien und Freiheiten des Stifts Merseburg, mit 19. 10. 1550 wurde erneut ein kaiserlicher Schutz- und Empfehlungsbrief für den Bischof von Merseburg ausgestellt. Am 27. 10. 1550 unterfertigte der Kaiser einen Geleitbrief für die Reise von Augsburg nach Merseburg, die sich aber wegen der weiteren Teilnahme am Reichstag verzögerte. Auf den 28. 10. 1550 ist das lobende Zeugnis des Erzbischofs Sebastian von Mainz für seinen ehemaligen Suffragan datiert.386 Noch vor seiner Einsetzung griff HELDING wieder Merseburger Angelegenheiten auf. Auf Bitte seines Domkapitels ersuchte er den Kaiser in einer lokalen Auseinandersetzung mit dem Erzstift Magdeburg um zwei Saaledörfer, eine Schlichtungskommission zu bestellen, was der Kaiser auch prompt anordnete.387 Am 7. 11. 1550 wies Karl V. seinen Beauftragten im Feldlager vor Magdeburg, Lazarus von Schwendi an, als Kommissar der Einführung und Huldigung HELDINGS beizuwohnen.388 Vom 2. 12. 1550 stammt das Notariatsinstrument der Eidesablegung und der Besitzeinweisung durch das Kapitel.
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Erzbischof Sebastian überträgt an HELDING am 8. 11. 1550 eine durch Resignation Bischof Ottos von Augsburg freigewordene Präbende in Konstanz, ein wegen der ernsthaften Reformabsichten beider erstaunlicher Umstand. RHR-APA 112, 276r-278v: HELDING an Karl V. vom 6. 11. 1550, wobei er die Bischöfe von Meißen und Naumburg als Mediatoren vorschlägt; Einsetzungsbefehl des Kaisers vom 10. 11. 1550 an Bischof Julius Pflug. Karl V. vom 7. 11. 1550: Lazarus von Schwendi befand sich gerade an der Seite des Reichserzmarschalls Kurfürst Moritz bei der Exekutionshandlung gegen Magdeburg.
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Die öffentliche Huldigung der Stände erfolgte am 6. 12. 1550.389 Der Vorgang ist auch im Reichshofratsprotokoll registriert.390
4. HELDING AUF DEM REICHSTAG 1550 (26. 7. 1550–14. 2. 1551) Die Religionsfrage nahm in der kaiserlichen Reichstagsproposition eine markante Stelle ein. Zunächst hatte Karl V. nochmals seine bekannte Position wiederholt, allen Zwiespalt auf einem Konzil, dem sich in Augsburg 1548 auch die Protestanten unterworfen hätten, auszuräumen. Die in der Replik und den folgenden Gegenschriften eingefügten Spezifizierungen eines Konzils als allgemein, frei und christlich,391 die einigen Sprengstoff enthielten, blieben zunächst hinter der Diskussion über eine Kontinuierung oder Neuaufrollung der ersten Trienter Session und deren Dekrete im Hintergrund. Die von einigen protestantischen Ständen mehrfach verlangte Reassumption der (ohne Mitwirkung von Kirchenvertretern aus dem Reich) in Trient schon abgehandelten Themen wurde vom Kaiser mit dem Hinweis auf den Augsburger Abschied 1548 übergangen, war damit aber nicht erledigt.392 Allein aus dem Grund, dass an der ersten Session keine Bischöfe aus dem Reich (außer Weihbischof HELDING bis Jänner 1546) teilgenommen hatten, eine Wiederaufnahme der bereits verabschiedeten Traktanden zu begehren, schien auf kaiserlicher Seite niemand ernsthaft zu erwägen. Dennoch ließ man den Protestanten gegenüber die Wiederaufrollung der bisherigen Ergebnisse als mögliches Angebot im Raum stehen. Und sogar von französischer Seite kamen Signale für eine neuerliche freie Diskussion der Religionsfrage. Als konfirmierter und mit den Regalien belehnter, aber noch nicht installierter, Bischof nahm HELDING 1550 zum ersten Mal an einem 389 390
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Fraustadt 239-244. Auch im Resolutionsprotokoll XVI/4, 119v des ksl Hofrats über Sessionen der Jahre 1547 bis 1550 fand die Merseburger Bistumsbesetzuung mit Bischof HELDING an mehreren Stellen ihren protokollarischen Niederschlag: 10. 10. 1549: Der Electus Merseburgensis wird kommissarisch betraut; 17. 11. 1549: Um Klärung der Schutzfunktion von Kurfürst Moritz; 19. 08. 1550: Das Ansuchen um Belehnung wird mit dem Zusatz behandelt: Ähnlich wie bei anderen Fürstentümern, ohne dass unnötige Reibepunkte invoziert werden sollen. Jedin, Trient 1, 169: Die Forderung nach dem freien, christlichen Konzil war erstmals schon auf dem Nürnberger Reichstag 1523 erhoben worden. Schriftkanon, Tradition, Rechtfertigung, Sakramente allgemein waren bereits als Dekrete verabschiedet.
Helding auf dem Reichstag 1550
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Reichstag teil.393 Dieser Reichstag, am 26. 7. 1550 wie zwei Jahre zuvor wiederum in Augsburg eröffnet, verbindet in zeitlicher und thematischer Hinsicht den einseitig kaiserlich dominierten Tag von 1548 mit dem von den Protestanten bestimmten Tag und Frieden von 1555. In dieser Spanne von sieben Jahren festigten die protestantischen Stände trotz oder gerade wegen des Interim ihre Stellung. Der umfangreiche Verhandlungskalender erstreckte sich über ein halbes Jahr bis zum Tag des Reichsabschieds am 14. 2. 1551. HELDING trat allerdings bereits Ende November 1550 die Reise nach Merseburg an, um dieses in Besitz zu nehmen, und versäumte daher den Schluss der Verhandlungen. Der Reichstag 1550/1551 stand im Zeichen des unbefriedigenden Ergebnisses der kaiserlichen Bemühungen um die Durchsetzung des Interim. Zwar war mit dem Tod Papst Pauls III.394 eine Bewegung in die seit langem in Aussicht gestellte Wiederaufnahme des Konzils gekommen, gleichzeitig wollten viele Ständevertreter unter diesem Prätext keine Änderungen der religiösen Verhältnisse vornehmen und unterliefen mit einem Appell an die kaiserliche Toleranz endgültig die Intention des Vorhabens der Zwischenreligion. Zudem standen allzu gewichtige Fragen ungelöst im Raum, wie die Rückforderung des entfremdeten und längst neuen Zwecken dienenden Kirchengutes und die Befristung der zugestandenen Konzessionen.395 Karl V. wollte auf diesem Reichstag in Augsburg 1550 dem Interim einen Durchsetzungsschub geben, obwohl sich bereits in Rom unter dem neuen Papst Julius III. die Fortsetzung des Konzils abzeichnete.396 HELDING war bei seiner Rückkehr nach Augsburg auch als Interpret des Interimtextes gefragt, wie seine Stellungnahme zum Taufsakrament gegenüber dem bischöflichen Vertreter von Straßburg zeigt. Gemeinsam mit dem Nuntius und dem Mainzer Erzbischof gelangte er zur Empfehlung, es solle cum administratione sacramentorum nichts innoviert werden, sondern den Gläubigen der bisher gepflogene Vorgang zuvor auf Deutsch erklärt werden, die rituelle Handlung aber weiter393
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DRTA.JR 19/2 (Nr. 285) 1499: Am 12. 7. 1550 übergab der Prokurator am Reichskammergericht Dr. Joachim Dick eine Vollmacht des Bischofs von Merseburg. Ob HELDING selbst zu diesem Zeitpunkt schon anwesend war und welche Aktivitäten er außer der Betreibung von 2 Suppliken setzte, ist nicht ersichtlich. Ganzer, Art. Papst Paul III. (Alessandro Farnese) (1468, gew. 1534, gest. 10. 11. 1549): ³LThK 7 (1998) 1520-1522. Eltz (DRTA.JR 19/1, 54) meint, dass sich der Kaiser in Überschätzung seiner Autorität über die Fakten hinwegsetzte und die ihn erreichenden Nachrichten über den wachsenden Widerstand nicht ernst genug nahm. Gelmi, Die Päpste 105: Julius III. (Giovanni Maria del Monte, geb. 1487, erw. 1550, gest. 1555) berief das Konzil für 1. Mai 1551.
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hin lateinisch erfolgen.397 Vom Augsburger Kardinal Otto Truchsess von Waldburg war HELDING wie schon 1548 gebeten worden, wieder das Predigtamt zu versehen. Er war dazu bereit und nahm sich als Leitgedanken einer Predigtreihe die Proverbia Salomonis vor, über die er schon früher gepredigt hatte. König Ferdinands Zweifel am Interim Der Kaiser selbst verkannte die Wirkung der im Interim konzedierten Maßnahmen. Die Zulassung der Eucharistie unter beiderlei Gestalt und die Duldung verehelichter Priester bewirkten beim einzelnen Konfessionsanhänger keine Rückkehr. Dazu war der Einfluss der Prediger schon zu groß und der politische Wille der protestantischen Stände trotz der Ausschaltung der Kriegsherren ungebrochen. König Ferdinand zweifelte am Erfolg einer Durchsetzung des Interim schon Anfang 1551 und beauftragte Christoph von Carlowitz, mit den Bischöfen HELDING und Pflug die Abhaltung eines neuerlichen Religionsgesprächs zu beraten; denn Ferdinand hielt die innerdeutsche Vergleichung für wirkungsvoller als eine doktrinäre Entscheidung durch das inzwischen wieder anlaufende Konzil. Hier zeigt sich ein deutlicher Dissens zur Auffassung des kaiserlichen Bruders. Gegner des Kaisers formieren sich Zur selben Zeit lag Kurfürst Moritz im Auftrag des Reichs vor der Stadt Magdeburg, die sich den Kampf gegen das Interim ebenfalls zu Eigen gemacht hatte, während sich unbemerkt im Nordosten des Reichs Widersacher des Kaisers verbündeten, zu denen auch Moritz Verbindungen anbahnte. Das neue Herzogtum Preußen und das Haus Mecklenburg schlossen sich dem aus persönlichen Gründen auf Distanz zum Kaiser geratenen Johann von Brandenburg-Küstrin an. Als Karl V. von allen Reichsständen Auskunft begehrte, ihm persönlich den Stand der Umsetzung des Interim zu melden, forderte er den Widerwillen der Protestanten erst recht heraus.398 Auch Bischof Michael musste mitteilen, dass er schon, als er nach Merseburg kam, keine Bereitschaft zum Einlenken bei seinem Kirchenvolk vorfand. In der Zwischenzeit habe er einzelne Schritte setzen können, die aber den protestantischen Grundkonsens im Fürst397 398
DRTA.JR 19/2 (Nr. 218) 1120: Dr. Welsinger an seinen Bischof Erasmus von Straßburg vom 3. 10. 1550. HHStA Hs weiß 328, 83r-84v (Karls V. Rundbrief vom 23. 3. 1551).
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bistum nicht verändert hätten. Seine persönliche Lage kommt in den Predigten zum Ausdruck, in denen er von Propheten spricht, die in aussichtsloser Lage ihren Glauben behaupteten.399 Er könne nichts ausrichten, solange er die Superintendenten, die die Bestellung der Geistlichen in der Hand hätten, nicht entfernen könne. Diese würden sich an ihre Ordination klammern, die sie selbst wiederum nur Gegnern der alten Religion erteilen, während sie das Interim überall verteufeln würden. Auf die Prediger im ernestinischen Sachsen habe er überhaupt keinen Einfluss. Von einer Annahme des Interim bzw. einer Reform könne keine Rede sein.400 Das Konzil wird fortgesetzt Der Aufforderung des Kaisers, dem für 1. Mai 1551 einberufenen Konzil nach dessen Rückführung nach Trient beizuwohnen, kamen nunmehr etliche deutsche Prälaten nach.401 Die Protestanten aber stellten vorweg Bedingungen für ihre Teilnahme, wie etwa ein Stimmengleichgewicht zwischen päpstlichen und protestierenden Ständen. Der Papst zähle nur als einer der Bischöfe. Das Konzil müsse für die protestantischen Teilnehmer persönliche Sicherheit gewährleisten und es sollte jeglichem freistehen, zu sagen und zu tun, was er wolle. Sie verlangten, dass ihnen freies Geleit zugesichert würde und dass sie nach ihrem Auftrag und ihrer Kommission handeln könnten. Kardinäle, Bischöfe etc. sollten vom Eid gegenüber dem Papst für die Konzilsdauer entbunden werden.402 Auf diese Wünsche konnte nicht eingegangen werden. Dennoch kamen Vertreter der Protestanten nach Trient und gaben außerhalb der eigentlichen Konzilsberatungen ihre Stellungnahmen ab.403 HELDING fehlte in Trient II. Dass er nicht kurz nach seinem Amtsantritt bereits wieder nach Trient verreisen wollte, ist verständlich. Er entschuldigte sich mit gesundheitlichen Problemen, allerdings erst, nachdem ihn der Kaiser gerügt hatte. 399
400 401
402 403
Jonas Propheta 17r: Wir sollen Gottes ehr und seine ware bestendige Catholische lehr mit grosser freudigkeyt verteydingen / und dagegen nichts achten / dz wir von verkerten Leuten und Feinden / reyner heylsamer lehr halben / höchste schmach / hönung / neyd und nachred leiden müssen. Druffel 1 (Nr. 781) 775. Ganzer, Art. Trient, Konzil, 2. Tagungsperiode: ³LThK 10 (2001) 229 zählt als Teilnehmer die Ebf Mainz, Köln, Trier und 11 Bischöfe auf, darunter Pflug und Nausea, der in Trient verstarb. RK-RelA 14/6, 45r. Es nahmen Räte von Württemberg, Straßburg, Kursachsen und Kurbrandenburg teil.
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HELDING als Anwalt seines Stifts HELDING bekam auch wieder seine prekäre Lage zu verspüren. In einer Supplik an den Reichstag hatten die kurfürstlichen Räte in Erfüllung der ihnen vom Kurfürsten gegebenen Instruktion einen förmlichen Protest gegen die in ihren Augen angemaßte Reichsstandschaft von Bischof HELDING eingebracht.404 Andererseits scheute er sich als Anwalt des Merseburgischen Stiftes nicht, wegen der vom vormaligen Kurfürsten Johann Friedrich im Schmalkaldischen Feldzug entfremdeten Besitztümer eine Supplik beim Reichstag einzubringen, die sogar vom nunmehrigen Träger der Kurwürde Moritz unterstützt wurde.405 Auch der Kaiser demonstrierte seine Rückendeckung für HELDING mit einem eigenen Schreiben an die jungen Fürsten von Sachsen.406 Das nunmehrige Herzogtum beantragte für die Beantwortung der Rückforderung eine Fristerstreckung. Über den Ausgang ist nichts bekannt. Auch gegen Magdeburg erhob HELDING einen derartigen Rückgabeanspruch.407 Damit geriet er, wenn auch nur ganz am Rande, in den Komplex der Magdeburgischen Reichsexekution.
Ein Angebot für HELDING Erwähnenswert ist eine Anfrage von Georg Gienger und Vizekanzler Jonas an HELDING vom 28. 12. 1551, ob er das Salzburger Suffraganbistum Gurk annehmen wolle. Diese Erkundung hängt mit der Suche nach einem Nachfolger für Bischof Antonius von Salamanca-Hoyos zusammen.408 Vermutlich ging dieses Angebot von König Ferdinand aus, der HELDING gerne in seinen Erblanden gesehen hätte. Von einer Antwort ist nichts bekannt. Kurfürst Moritz wendet sich vom Kaiser ab Der Gewahrsam, in dem sich die beiden protestantischen Kriegsfürsten Johann Friedrich und Philipp seit 1547 befanden, wurde durch keine politische Strategie auf kaiserlicher Seite begründet und sei404
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DRTA.JR 19/2 (Nr. 295) 1526-1527. HHStA Hs weiß 328 enthält in späteren Abschriften eine Dokumentensammlung zur Immediatät der Stifte Merseburg und Naumburg. Ebd. 1242; RK-RTA 24/ 6, unf. RK-RTA 24/16: Brief vom 11. 12. 1550. DRTA.JR 19/2 (Nr. 255) 1255: Der Anspruch richtete sich allerdings gegen das Erzbistum Magdeburg. Obersteiner, Die Bischöfe von Gurk 297-304: Antonius von Salamanca-Hoyos (15261551) war von seinem Kammerdiener ermordet worden.
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ne überlange Dauer auch nicht plausibel vermittelt. Karl V. hatte ursprünglich den Entwurf eines Todesurteils gegen den Kurfürsten Johann Friedrich zur Einschüchterung verfassen lassen. Dass er es ohne Prozess tatsächlich vollstrecken wollte, scheidet wohl aus. Damit hätte er sich nur größten Widerstand und offene Feindschaft im protestantischen Lager eingehandelt. Ein eigenes Verfahren wegen Landfriedensbruch oder Felonie hatte er als Kaiser aber auch nicht eröffnet. Karl V. ließ nicht erkennen, wie lange die Haft beider Fürsten noch dauern sollte und welche Bedingungen zu einer Freilassung führen könnten. So wird verständlich, dass zunächst unter den Anhängern des Landgrafen Philipp die Überlegung zu einer gewaltsamen Befreiung aufkam. Der Erfolg dieser Aktion wäre ohne Zweifel auch ein für den Kaiser demütigender Akt gewesen. Daraus wird der Zorn verständlich, mit dem Karl V. nach dem im Dezember 1550 gescheiterten Versuch zur Befreiung des Landgrafen nun weitere Gesuche um Freilassung der beiden Fürsten abwies.409 Moritz hatte die geplante Befreiungsaktion mit Geld unterstützt. Er musste den Fehlschlag als persönliche Niederlage empfinden, ging es doch um den Vater seiner Gemahlin. Was ihn zur Verbindung mit Markgraf Johann von Brandenburg-Küstrin und dem Königsberger Bund antrieb, muss mehr als die Abwehr von Rekatholisierungsabsichten des Kaisers gewesen sein. Wahrscheinlich war Moritz auch gegenüber den Bundesverwandten misstrauisch geworden. Nach außen hin traten diese als ein Defensivbündnis der protestantischen Interessen in Erscheinung. Moritz konnte es aber auch als gegen sich gerichtet interpretieren. Er wechselte demonstrativ die Seite und zeigte plötzlich für die Verteidigung des Augsburger Bekenntnisses großes Interesse. Bis dahin war er sogar bereit gewesen, das Interim in Sachsen, wenn auch stark verwässert, einzuführen. Nun trat er entgegen der Vereinbarung mit Kaiser und König von 1546 dezidiert auf die Seite der Protestanten. Der Fürstenaufstand wurde zur Realität.410 Gefangennahme HELDINGS Mit der Wiedereröffnung des Konzils erhoffte Karl V. einen entscheidenden Lösungsschritt in der Religionsfrage und sein Unmut über die säumigen Bischöfe wuchs. So hatte der Kaiser auch HELDING , wie allerdings auch zahlreiche andere Bischöfe, in einem in scharfem Ton 409 410
PKMS 4 (Nr. 809) 942. Zum Fürstenaufstand und zur Charakterisierung von Moritz: Fuchs – Rebitsch (Hg), Kaiser und Kurfürst. Aspekte des Fürstenaufstandes 1552; Smolinsky, Art. Moritz, Hzg (1541), seit 1547 Kf v. Sachsen: ³LThK 7 (1998) 477.
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gehaltenen Schreiben vom 3. 10. 1551 zum Besuch des Konzils aufgefordert.411 HELDING hatte sich darauf mit Krankheit entschuldigt,412 war aber dann doch aufgebrochen.413 Moritz selbst hatte dem Merseburger Bischof zugesagt, während dessen Abwesenheit auf Ruhe und Ordnung im Bistum zu achten. Am 15. 1. 1552 empfing der Bischof noch die Wünsche des Kurfürsten für eine glückliche Reise und die Versicherung, Moritz werde das Stift in seiner Abwesenheit in die Obhut nehmen. Als HELDING die Reise antrat, hatte sich die Sicherheitslage im Land völlig verändert. Auf dem Weg fiel der Bischof in die Hände des Landgrafensohns Wilhelm von Hessen, dem von Moritz aufgestachelten Mitstreiter in der Fürstenerhebung, und wurde mehrere Monate im Feldlager festgehalten.414 Ob man an einen Austausch mit dem gefangenen Landgrafen dachte, darüber kann nur spekuliert werden. HELDING wandte sich hilfesuchend an Kurfürst Johann (v. Isenburg) von Trier.415 Dieser erreichte sogar die Unterstützung des gefangenen Landgrafen Philipp und von Königin Maria für eine Intervention bei Moritz. Nach etlichen Wochen forderte Moritz mit Brief vom 20. 6. 1552 den Vetter Wilhelm energisch auf, den Bischof freizulassen.416 Darüber zeigte sich Wilhelm in seiner Antwort vom 25. 6. 1552 verwundert, habe sich Moritz die Anhaltung HELDINGS bei einem Zusammentreffen in Innsbruck doch noch sehr gefallen lassen. Er verlangte, zuerst möge sich Moritz bei ihm einfinden.417 Darauf replizierte dieser in scharfem Ton, worauf sich Wilhelm doch herbeiließ, die Freilassung des Fürstbischofs anzuordnen.418 411 412 413 414
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Rademacher, Urkundenrepertorium Nr. 1261. CT 7/4/3, 453-454 enthält ein Testimonium zweier Ärzte über ernsthafte Probleme im Urogenitalbereich. Schrader, Die Beschickung des Konzils: AHC 2 (1970) 303-352. PKMS 6, 198: Bittbrief HELDINGS vom 5. 6. 1552 an Moritz und dessen Schreiben an Wilhelm vom 13. und 20. 6. 1552: Darin ist allerdings nicht von Trient, sondern von einer krankheitshalber in ein Wildbad unternommenen Reise die Rede. Ob HELDING das wahre Ziel Trient vor der Soldateska verschweigen wollte oder trotz der unsicheren Lage tatsächlich sein Stift wegen einer Kur verlassen hatte, bleibt offen. Zwischen 7. 2. 1552, als er noch eine Hofordnung erließ, und 29. 9. 1552 sind im Urkundenregister keine ihn betreffenden Dokumente vermerkt. Er dürfte nicht vor dem 2. 7. 1552 wieder freigekommen sein. Druffel 2 (Nr. 1570) 614. Ebd. 628-629. PKMS 6, 231 (2. 7. 1552): Lgf Wilhelm an seinen Oberamtmann Reinhard Schenk, dieser solle den Bischof ohne Entgelt auf freien Fuß setzen. Falls dieser ein Geleit benötige, sollten ihm 1000-1500 fl. abgefordert werden. Unklar ist HELDINGS Aufenthalt in Mainz im Oktober 1552, der durch einen Brief an Pflug vom 22. 10. belegt ist (Pollet, Correspondance 3 [Nr. 571] 523-526). Wollte er dem rheinischen Fürstentag (13. 10.- 2. 11. 1552) beiwohnen?
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Zu diesem Zeitpunkt hatte sich die Konzilsversammlung in Trient angesichts der Kriegsgefahr bereits wieder aufgelöst.419 Die Gerüchte um HELDING wurden offenbar so weit gesponnen, dass er für tot gehalten wurde. Diese Nachricht gelangte bis nach Trient, von wo sie ein bayerischer Delegierter, der Benediktiner Wolfgang Sedelius, seinem Domkapitel in Freising übermittelte. Als eine Kurzcharakterisierung ist die Falschmeldung für HELDINGS Ansehen bezeichnend: Ille divinus et famatissimus predicator nennt ihn Sedelius.420
5. AUF VERLORENEM POSTEN In der Administration der Spiritualia waren Bischof HELDING die Hände von Beginn an gebunden. Schon bei seinem Eintreffen in Merseburg am 2. 12. 1550 wurde ihm von den ihn einholenden Domkapitularen das Versprechen abverlangt, keine die Religion betreffenden Änderungen vorzunehmen.421 Anlässlich seines Antrittsbesuchs im Domkapitel, bei dem er um die Besitzeinweisung zu bitten hatte, legte ihm Georg von Anhalt, der den abwesenden Propst und den Dechant vertrat, die Bedingungen der Kapitulation vor. Georg hob hervor, er selbst habe durch 32 Jahre diesem Stifte gedient und als Senior alle unchristlichen Missbräuche abgestellt.422 Deshalb solle auch die neu aufgerichtete Kirchenordnung unverändert erhalten bleiben. Persönlich erneuerte Fürst Georg von Angesicht zu Angesicht seinen Protest gegen die Bestellung HELDINGS . Dieser bekräftigte, dass er keine Änderungen in der Religion, wie er sie jetzt im Stift vorfinde, vornehmen wolle, es sei denn mit Vorwissen des ganzen Kapitels. Das gleiche Prozedere begleitete die Huldigung der Stände, an der auch Räte des Kurfürsten mit denselben mahnenden Empfehlungen an den Bischof teilnahmen. Als Fürst hatte HELDING einen kleinen Hofstaat unter der Leitung eines Kanzlers, Gegenspieler waren die Landstände, der Rat der Stadt Merseburg, die Superintendenten und vor allem in der ersten Zeit das Domkapitel. Über seine Präsenz in Merseburg geben Regesten und die Protokolle des Domkapitels nur unvollständig Auskunft, über die Zeit seiner Abwesenheit vom Stift unterrichtet teilweise der 419
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Suspension des Konzils durch Julius III. am 28. April 1552. Die Versammlung war am 1. 5. 1551 wiedereröffnet worden und hatte die Dekrete zur hl. Eucharistie (am 11. 10. 1551) und zur Beichte und letzten Ölung (am 25. 11. 1551) verabschiedet. CT 7/4/3, 553: Sedelius verwies besonders auf die 15 Messpredigten HELDINGS. Fraustadt 236. Georg hatte schon mit 11 Jahren ein Kanonikat in Merseburg erhalten.
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Briefwechsel des Bischofs mit dem Kapitel, vor allem während seiner Speyerer Zeit ab 1558. Verhältnis zum Domkapitel HELDING verfügte schon damals nicht über eine widerstandsfähige Konstitution, wie wir aus einer Bemerkung über Leibesschwäche dem Protokoll des Domkapitels entnehmen. Aber er ließ sich zumindest in der ersten Phase seines Wirkens nicht einschüchtern. Am Dienstag nach Quasimodogeniti 1551,423 um 3 Uhr erschien der Bischof persönlich in der Kapitelstube, um sich mit dem Domkapitel offenbar zum ersten Mal seit dem Amtsantritt ausführlich zu unterreden. Anwesend waren sein größter Widerpart Fürst Georg und die Kapitulare Moritz Bose, Bernhard v. Draschwitz, Johann v. Storckau, Doktor Franz Judicis, Joachim v. Kneuthlingen und Lizenziat Jodocus Mahler.424 Anlässlich dieser ersten gemeinsamen Sitzung mit dem Domkapitel versicherte der Bischof, er habe sich nur auf drei Dinge verpflichtet: die Religion nicht zu ändern, die Kapitulation zu unterschreiben und alle in ihren Rechten zu schützen. Mehr habe er nicht versprochen. Er wolle daher im Dom den katholischen Ritus einführen. Er habe auch nichts zu den clericis coniugatis versprochen. Trotz dieses Vorbehalts dürfte er allerdings gegen die Konkubinarier nicht scharf eingeschritten sein, denn schließlich hatte auch das Interim hier eine Tür offengelassen. Wie schwer sich der neue Bischof mit seinen Geistlichen tat, zeigt sein brieflicher Wunsch an Pflug, dieser möge ihm den widerspenstigen Domprediger Jacob abnehmen, und ihm dafür Dr. Artopaeus überlassen.425 Fürst Georg III. von Anhalt zog sich im Jahr 1551 endgültig aus dem Stift zurück und starb nach zwei Jahren auf seinem Schloss in Dessau.426
Die Verhältnisse wandeln sich Noch während des langwierigen Bestellungvorganges hatte sich das Umfeld für den katholischen Landesherrn im Stift Merseburg dramatisch verändert. Die Achse zwischen Kaiser und Kurfürst wurde von Tag zu Tag brüchiger. Das Gewicht der Argumente hatte sich unmerklich auf militärisches Gebiet verschoben. Karl V. hatte seinen Wider423 424 425 426
DStA Merseburg C 2, Nr. 1, 23 rv vom 7. 4. 1551. Die Schreibweise der Namen variiert. Pollet, Correspondance 3 (Nr. 517) 384-385. Artopaeus OCarm war Prediger in Mainz und wurde von Pflug nach Zeitz geholt. Gabriel, Fürst Georg III. von Anhalt 354.
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sachern selbst die Mittel in die Hand gespielt, mit denen er nun in die Defensive gedrängt wurde. Ehemals Verbündete waren Gegner des Kaisers geworden. Dieser politische Hintergrund mag erklären, weshalb HELDING trotz seiner bekannten Gunst bei Kaiser und König in seinem Fürstentum mit fortwährendem Widerstand zu kämpfen hatte, der ihm keinen Spielraum für Positionsgewinne ließ. Wie fragil das Verhältnis zu seinem Merseburger Kirchenvolk war, lassen seine Predigten spüren. Im Jonazyklus, der sich maßgeblich mit der Rechtfertigung, dem Bußsakrament und den guten Werken auseinandersetzte, fand HELDING Worte der Ermahnung und des Tadels, wenn er sie auch eher subtil einsetzte. Zunächst nahm er zur Berechtigung der Prediger Stellung. Nur der, welchen Gott zu diesem Amt berufen hat, soll sich Prediger nennen dürfen.427 Zur Werkpredigt fand er deutliche Worte. HELDING selbst nahm eine seiner Predigten zum Anlass, die Lage in Deutschland zu charakterisieren: So wie sich Jona vor dem Unwetter zum Schlaf ausstreckt, glaube Deutschland, es könne seinem Unwetter, das als Zwietracht, Verführung, Krieg im Inneren und von außen wüte, durch Untätigkeit entrinnen.428 Gebundene Hände Als der Kaiser in seiner an alle Stände gerichteten Aufforderung, über Interim und Reform Bericht zu erstatten, auch von HELDING wieder Rechenschaft begehrt, kann dieser nur beteuern, dass es ihm bisher unmöglich gewesen sei, das Interim oder gar katholisches Leben wieder einzuführen. Er muss im Gegenteil von Schmähungen und Verunglimpfung durch die von den Superintendenten aufgestachelten Prediger berichten.429 Wie die Matrikel des Hochstifts bezeugt,430 hat Bischof Michael in den circa sieben Jahren seiner Anwesenheit in Merseburg nur zehn Priester und elf Diakone selbst geweiht.431 Die427
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Jonas Propheta 58r: Den beruff und die kunst und erfarniß der heiligen Schrifften machen den Prediger aus. Damit merkte HELDING seine Zweifel an der protestantischen Ordination an. Jonas Propheta 21v: Das zu solchen gefärlichen / schwinden / erschrecklichen leuffen so wenig leut bey uns Teutschen seind / die unser vorstehende gefarlichkeit behertzigen und bedenkken wöllen / da möchte niemandt wol uber unsere sichere torheit klagen / und mit der schrifft sprechen. Gens absque prudentia & sine consilio. Es ist ein Volck bey denen kein rathe ist und die keine klugheit in jhren hertzen haben. HELDING an Karl V. vom 7. 10. 1551. Buchwald (Hg), Die Matrikel des Hochstifts Merseburg (Weimar 1926) 185-192 deckt sich weitgehend mit HELDINGS Wirken vom 20. 12. 1550 - 12. 3. 1558. Als erste Weihehandlung des Merseburger Bischofs HELDING ist die noch in Augsburg vorgenommene Ordination des Naumburger Domherrn Peter von Neumark
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se Zahl steht den 81 Ordinierten gegenüber, die Georg von Anhalt in den fünf Jahren seiner spirituellen Leitungsfunktion in Merseburg in den Kirchendienst eingegliedert hatte.432 Es gab von Seite der Protestanten auch immer wieder Nadelstiche gegen den Bischof. In der wirtschaftlichen Gebarung machte das Domkapitel seinen starken Einfluss energisch geltend. Der Bischof versuchte dennoch nach Kräften, auch eigene ökonomische Aktivitäten zu setzen und war in diesem Bereich offensichtlich erfolgreich, wie sein Kritiker Fraustadt konzediert: Der Bischof habe sich in weltlichen Dingen besonnen und friedliebend gezeigt. HELDING kümmerte sich persönlich um die Leitungsfunktionen in seinem kleinen Fürstentum. Am Beispiel einer Polizeiordnung lässt sich sein Engagement ablesen, eigenhändig eine Lösung zu konzipieren, wer die Polizei- und Haftaufwendungen zu tragen hat. Dabei tritt auch HELDINGS Mitfühlen mit den Armen wieder hervor.433 Trotz aller Hemmnisse war HELDING bemüht, in den gesetzten Grenzen auch das altkirchliche Leben wieder zu stärken. Das Kloster SS. Peter und Paul in der Altenburg lag ihm besonders am Herzen, da er dort eine Ausbildungsstätte für junge Geistliche einrichten wollte. Er setzte einen neuen Vorsteher, einen Schreiber sowie einen Vogt ein und finanzierte dem Kloster den Rückkauf der vom Administrator veräußerten Königsmühle und anderer Besitzungen. Als das Kloster dennoch nicht florierte, löste er die Königsmühle für das Hochstift wieder ein.434 Er nahm dazu Geld auf. Dass die Mittel knapp waren,
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zum Diakon am Allerheiligentag 1550 vermerkt. Die erste Priesterordination nahm er an seinem Amtskollegen in Meißen, Nikolaus von Carlowitz, am 21. 2. 1551 vor. Mit diesem wurde auch der zuvor in Breslau entlassene Valentin Schöder geweiht. Die weiteren von HELDING ordinierten Presbyter waren noch im selben Jahr 1551 Andreas Kekritz aus Stolpe, Johannes de Monte aus Pegau und der Magdeburger Joachim Brömer. Auch der spätere Domkapitular Philipp Arbogast tritt als Subdiakon erstmals in Erscheinung. 1552 gelang es HELDING auch wegen seiner längeren Gefangenhaltung nicht, jemanden für das Priesteramt zu gewinnen und zu ordinieren. Erst ab 1553 kommt es wieder zu einer Priesterweihe: Magister Andreas Haeisseus aus Erfurt (1553), Wolfgang Hempell aus Mögell (1554), der Naumburger Fridericus Piscator (1555), Laurentius Böhem und Bernardus Thanner treten 1556 in den Priesterstand. Bis zu seiner Übersiedlung nach Speyer in das Kammerrichteramt kann Bischof HELDING nur noch fünf Diakone für die geistliche Laufbahn gewinnen. Cottin 56-57. DStA Merseburg C 2, Nr. 1, 174r enthält das hs Konzept eines von HELDING entworfenen Artikels über die Kostentragung bei Malefizvergehen: Ordnung in unkosten der rechtfertigung im Ampt Scenditz zu halten. Vielleicht hing HELDING von seiner Herkunft als Müllerssohn her besonders an diesem Gewerbe. Die Königsmühle stiftet allerdings einige Verwirrung. Aus der Abschrift einer Schuldverschreibung seines Vetters Hans Sauter aus Langenenslingen (HELDINGS Geburtsort!) über 3000 fl an den Rat von Merseburg geht her-
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zeigt sich darin, dass er bei den Kartäusern in Erfurt leihen musste, um den Reichstag 1556 besuchen zu können. Es wird daher verständlich, dass sich HELDING auch um die Kosten seines Aufenthalts während des Kolloquiums im Jahr 1557 sorgte. Von den protestantischen Geschichtsschreibern werden seine Bemühungen naturgemäß kritisch bis abfällig kommentiert. Dennoch lässt sich auch daraus HELDINGS unermüdliches Ringen ablesen, den katholischen Glauben wieder Fuß fassen zu lassen. Um einige katholische Vertraute um sich zu haben, warb er auch in Mainz. Dem Lizentiaten Philipp Arbogast, der seinem Ruf gefolgt war, verlieh er ein Kanonikat, wozu ihn ein päpstliches Privileg ermächtigt hatte. In späteren Jahren gelang es ihm, im Domkapitel und in der Regierung einige Vertraute an sich zu binden, während sich die konfessionellen Gegner unter den Kanonikern offenbar zurückzogen und zumeist absent waren. Altgläubige Kapitelmitglieder waren im Jahr 1561 neben Arbogast der Senior Moritz Bose, Joachim von Lattorf und Georg Schlegel. Seine Amtsauffassung als Territorialherr über das kleine Fürstentum entsprach seiner Persönlichkeit, mit den ihm anvertrauten Menschen und Gütern behutsam, doch konsequent zu verfahren. Der Hof des kleinen Fürstentums war den bescheidenen Verhältnissen angepasst und umfasste nicht mehr als 25-30 Personen.435 Bischof HELDING empfand es als seine Verpflichtung in Merseburg, die wirtschaftliche Lage der Stiftssassen zu bessern, Schulden abzubauen, das Schulwesen in einen höheren Stand zu bringen. Dabei erwies er sich auch als Bürokrat im positiven Sinn. Vor seinem beabsichtigten Reiseantritt zum Konzil gab er noch eine Hofordnung heraus und legte eigenhändig Übersichten über die geleisteten Reichskontributionen an. Er erteilte erstmalig Anweisungen zu einer Haushaltsrechnung und vertiefte sich in Details von Verwaltungsangelegenheiten. Noch von Speyer aus nahm er als Kammerrichter ab 1558 regen Anteil und Einfluss auf die Geschehnisse in Merseburg und drängte deshalb immer wieder bei König Ferdinand auf seine baldige Rückkehr dorthin.
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vor, dass Sauter (und nicht das Hochstift) die Mühle vom Kloster erwarb. Dem war ein Schreiben des Kurfürsten vorausgegangen, wonach sich der Bischof wegen des erblichen (!) Erwerbs der Königsmühle an den Kanzler Kiesewetter wenden möge, dem sie 1546 vom damaligen Administrator Herzog August um 2500 fl. überlassen worden war. Sauter scheint auch in HELDINGS Testament als Begünstigter auf. DStA Merseburg C 3, Lit. 8, Nr. 45, 542r-545r: Hofbestallung aus 1561 (von Mag. Cottin, DStA mitgeteilt).
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6. Kapitel FRIEDENSBEMÜHUNGEN Reichssicherung statt Vergleichung 1. MERSEBURG UND DER AUGSBURGER FRIEDE 1555436 Der Tübinger Staatskirchenrechtler Martin Heckel hat die Bestimmungen des Augsburger Vertragswerks summarisch zusammengefasst:437 Erstreckung des Landfriedens auf den religiösen Bereich, damit Beendigung der latenten Möglichkeit, Protestanten als Ketzer zu verfolgen; Garantie für die protestantischen Reichsstände auf Schutz ihrer persönlichen Rechtsstellung, Herrschaft und Landeskirche; Suspendierung der geistlichen Jurisdiktion in protestantischen Territorien; Überlassung des vor dem Passauer Vertrag 1552 eingezogenen landsässigen Kirchenguts; Jus emigrandi; Bekenntnisfreiheit für die Reichsritterschaft; gemischt konfessionelle Reichsstädte verharren beim Status quo; Auslegung und Vollziehung der Friedensordnung liegen beim Reichskammergericht; Geltung des Friedens bis zu einer künftigen Religionseinigung unabhängig vom Konzil; auch beim Ausbleiben dieser Einigung ist der Frieden zu wahren.438 Wurde HELDING zum Gewinner aus dem Frieden 1555? Die rechtliche Anwendung des Religionsfriedens auf das kleine reichsunmittelbare Fürstentum und Hochstift Merseburg – ebenso wie auf Naumburg und Meißen – ist einige theoretische Überlegungen wert. Zunächst stellt sich die Frage der Reichsstandschaft. Trotz der von Sachsen an mehreren Reichstagen vorgebrachten Einwände 436
Stellvertretend für die Literatur anlässlich des 450-Jahr-Jubiläums: Gotthard, Der Augsburger Religionsfrieden (Münster 2004); Hoffmann u.a. (Hg), Als Frieden möglich war. 450 Jahre Augsburger Frieden (Regensburg 2005).
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Heckel: 4RGG 1 (1998) 957-958; ders., Ius reformandi: Dingel – Leppin – Strohm, Reformation und Recht im Zuge der Herausbildung der Konfessionen 98-101. MEA-RTA-49/2, 89v: Der Abschied 1555 selbst spricht von den in den letzten 30 Jahren mehrfach vereinbarten, doch nie eingehaltenen Friedständen.
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Friedensbemühungen
besaß das Hochstift Merseburg den Reichsstand mit Session und Votum auf der Fürstenbank. Zumindest deklaratorisch, wenn nicht sogar mit rechtsbegründender Wirkung, kann dafür die nicht unterbrochene Verleihung der Regalien aus der Hand des Kaisers ins Treffen geführt werden. Nachträglich (1559) hat auch noch das HELDING erteilte Privilegium de non appellando diese Unabhängigkeit unterstrichen. Dies alles vorausgesetzt, war auch Merseburg als reichsunmittelbares Fürstentum Partei des Vertragswerks von Augsburg mit allen daraus erfließenden Rechten und Pflichten geworden. Als Territorialfürst mit Reichsstandschaft stand der Bischof von Merseburg auf derselben Ebene wie sein Nachbar, der Kurfürst von Sachsen, und war daher autorisiert, seinen Untertanen das Bekenntnis vorzuschreiben. Wäre es HELDING als Landesherrn somit rechtlich freigestanden, das ius reformandi auch zur Rekatholisierung anzuwenden, hätte er dies persönlich gewollt und die Mittel dazu an der Hand gehabt? Dieser Frage soll kurz nachgegangen werden. In ihren Territorien hatten die weltlichen Kurfürsten, im Gleichklang mit ihren Landständen spätestens seit 1532 ein ius reformandi zugunsten des Augsburgischen Bekenntnisses in Anspruch genommen. Mit dem Frieden von 1555 wurde dieses angemaßte und geduldete Vorrecht einiger Fürsten, in ihrem Land die Religion zu ordnen, zum Bestandteil der Reichsverfassung. Nun war aber auch ein Fall sui generis eingetreten, wonach protestantisch gewordene Hochstifte einen katholischen Fürsten erhalten hatten: Naumburg 1546 mit der Wiedereinsetzung Julius Pflugs, Merseburg 1550 durch die Installierung HELDINGS .439 Die Terminologie des Augsburger Religionsfriedens scheint unter dem ius reformandi nur die Neuerungen des Augsburger Bekenntnisses zu meinen. Sie ist aber gleichwohl formal legistisch in beide Richtungen, also auch auf eine Rekatholisierung hin, interpretierbar.440 Wohl heißt es: Es soll auch kein Standt den andern / noch desselben Underthonen / zu seiner Religion tringen / abpracticiren / oder wider jhre Obrigkeit in Schutz und schirm nemen / noch vertheidingen in keinen weg. Und soll hiemit den Jenigen so hievor von alters Schutz und Schirm Herrn / anzunemen 439
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Gotthard, Religionsfrieden 325, spricht vom Zugewinn der drei Stifte für Kursachsen, meint daher eine Zeit nach 1561 (Merseburg) und 1564 (Naumburg). Der Meißener Bischof Johann von Haugwitz hatte seine Immediatät schon 1559 vertraglich zugunsten von Kurfürst August aufgegeben, ohne dass Kaiser Ferdinand I. sich dagegen gewandt hatte. Ebd. 269, Anm. 104 wird eine solche Auslegungsmöglichkeit sogar auf protestantischer Seite für möglich gehalten. Vgl. auch Kohler, Ferdinand I., 241 hinsichtlich der abgewehrten Freistellungsforderung.
Merseburg und der Augsburger Friede 1555
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gehabt / hierdurch nichts benommen / und dieselbigen nicht gemeint sein.441 Es dürfte aber unbestritten sein, dass damit nicht die Beziehung des Territorialherrn gegenüber seinen eigenen Untertanen gemeint sein konnte, sonst hätte es nicht eigens der (protestantischen) Forderung nach Freistellung der Untertanen als eines besonderen Instrumentes bedurft. Die nach beiden Seiten hin offene Interpretation wird noch durch die Formulierung des Ius emigrandi gestärkt.442 Kurfürstliche Übergriffe Wie verhielten sich die betroffenen Fürstbischöfe Pflug und HELDING in dieser neuen Lage? Nahmen sie diese überhaupt als eine solche wahr? Die territoriale Integrität der kleinen geistlichen Fürstentümer wurde von den großen Nachbarn nicht sonderlich ernst genommen. Dazu trugen auch die Besitzverhältnisse bei. Der sächsische Kurfürst besaß z. B. innerhalb des geistlichen Territoriums Naumburg offenbar die Burganlage bzw. das Schloss Naumburg, was dazu führte, dass dieser Ort unter den Augen des katholischen Landesherrn Pflug als Treffpunkt kurfürstlich sächsischer Aktivitäten bzw. zum Ort protestantischer Fürstentage gewählt wurde. So wurde dort am Vorabend des Reichstages 1555 die Erbeinung zwischen den beiden Sachsen, Hessen und der Mark Brandenburg neu befestigt.443 In einem ausführlichen Briefwechsel wollte Kurfürst August den Bischof, der sich zwar zur Wehr setzte, aber dann nolens volens nachgab, zunächst vom Besuch des Reichstages abbringen.444 Schon wollte er sich fügen, da überlegte es sich Pflug doch, weil er vermutlich von der Anwesenheit Ferdinands erfahren hatte und reiste nach Augsburg.
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443 444
MEA-RTA 49/2: Reichsabschied 1555, Sammlung der Reichsabschiede 91v. Ebd.: Wo aber unsere / auch der Churfürsten / Fürsten und Stände / Underthonen der alten Religion oder Augspurgischen Confeßion anhängig / von solcher jrer Religion wegen / auß unsern / auch der Churfürsten / Fürsten / und Stände des heyligen Reichß Landen / Fürstentumben / Stetten oder Flecken mit jhren Weyb und Kindern / an andere ort ziehen / und sich niderthun wölten / denen soll solcher ab unnd zuzuck / auch verkauffung jrer Gaab und Gütter / gegen zimlichem billichen abtrag der Leibeygenschafft / und nach stewr / wie es ein jedes ort von alters anhero ublichen herbracht / und gehalten worden ist / unverhindert menigklichs zugelassen und bewilligt / auch an jren ehren und pflichten / aller ding unentgolten sein. Doch soll den Obrigkeyten an jhren gerechrigkeyten / und herkommen der Leibeygnen halben / dieselbigen ledig zu zelen / oder nicht / hierdurch nichts abgebrochen oder benommem sein. Siehe den Brief der protestantischen Fürsten an König Ferdinand vom 11. 3. 1555 (RK-RelA 25/1, 54r-58v). Pollet, Correspondance 4 (Nr. 666-671) 163-179.
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Friedensbemühungen
Nach dem Frieden ließ Kurfürst August in den Jurisdiktionsgebieten Pflugs Kirchenvisitationen durchführen. Auch Lehen des Fürstbistums mussten immer wieder an sächsische Untertanen vergeben werden, die wie in Merseburg auf deren Fortbestand pochten und damit dauernden Einfluss behielten.445 Die Argumente des Kurfürsten stützten sich dabei auf das Gewohnheitsrecht, den Begriff des alten Herkommens, den er über die Lehensordnung stellte. Auf diese Weise blieb die Auseinandersetzung um die Reichsunmittelbarkeit der drei Hochstifte ständig virulent. Für eine tatkräftige Rezeption der Ergebnisse von Augsburg war HELDINGS Abwesenheit bei den Reichstagsverhandlungen wohl von Nachteil. Es stellt sich auch die Frage, wie die einmal eingegangenen Wahlkapitulationen in Beziehung auf den Frieden zu bewerten waren. Wozu und welcher Instanz gegenüber hatten sich Pflug und HELDING in causa religionis verpflichtet? Galten diese Kapitulationen über das Jahr 1555 hinaus fort? Wenn man dem Frieden, der Bestandteil des Reichsabschiedes wurde, den Charakter eines Grundgesetzes zubilligt, musste er alle bis dahin gültigen gegenteiligen Vereinbarungen suspendiert haben. Eine Befragung des Augsburger Abschieds selbst scheint keine Klärung zu bringen.446 Der Friede postuliert vor allem einen Gewaltverzicht der Reichsstände gegeneinander, der Landfrieden bildet die äußere Klammer des Religionsfriedens. Wäre nur das reine Territorialprinzip anzuwenden gewesen, hätten die Bischöfe HELDING und Pflug als Fürsten des Reichs und reichsunmittelbare Landesherren ihre Stiftssassen zu ihrer katholischen Religion zurückführen können. Die faktische Durchsetzbarkeit wäre allerdings höchst fraglich gewesen, da die Landstände nicht zu übergehen waren. Gegen deren Willen hätte ein geistlicher Territorialherr seine persönliche Konfession daher nicht durchsetzen können. Declaratio Ferdinandea Nun hatte Ferdinand aber auch noch den Geistlichen Vorbehalt einfügen lassen. Falls ein geistlicher Fürst konvertieren wolle, müsse er sein Amt zurücklegen. Diese Bestimmung war einseitig gegen einen zum 445 446
Kf August verwies auf das alte Herkommen, Pflug führte demgegenüber die Reichsmatrikel und den direkten Regalienempfang durch den Kaiser ins Treffen. Gotthard, Religionsfrieden 270, bezweifelt, dass der Ursprung der Declaratio Ferdinands mit den drei Hochstiften zusammenhängt, sondern hält die Declaratio für ein allgemeines Gegenstück zum Geistlichen Vorbehalt. Warum aber trat gerade Sachsen so vehement dafür ein und weshalb wurde sie vertraulich behandelt?
Reichstag zu Regensburg 1556/1557
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Abfall tendierenden katholischen Fürsten gerichtet, ein reziproker Fall (der protestantische Fürst konvertiert zur katholischen Kirche) wurde vermutlich nicht einmal ernsthaft erwogen. Wie der Fall zu beurteilen gewesen wäre, wenn die Stände mit ihrem Landesherrn mitgezogen hätten und im Gleichklang mit ihm ihre Konfession gewechselt hätten, bleibt als theoretische Annahme ebenso unbeantwortet. Jedenfalls spielten die Landstände als mitbestimmender Faktor eine größere Rolle. Gegen den Willen seiner Stände hätte sich der Fürst HELDING nicht auf seine Ordnungsmacht berufen können und auch kaum einer neuen (katholischen) Kirchenordnung zum Durchbruch verhelfen können. Dennoch wollten sich die Stände der drei sächsischen Hochstifte zusätzlich absichern, zumal sie erkennen konnten, dass die Immediatät von ihren Fürsten gegen den Schutzfürsten Kurfürst August hartnäckig verteidigt wurde. König Ferdinand griff zu einem Kompromiss: Wohl rechnete er von ihrer Persönlichkeit her nicht mit diesbezüglichen Initiativen Pflugs und HELDINGS , doch suchte er Augusts Bedenken in nuce zu stillen. Daher fand er sich zu einer geheimen Erklärung gegenüber dem Kurfürsten von Sachsen bereit.447 Die drei katholischen Fürsten sollten ihre protestantischen Landstände nicht gewaltsam unterdrücken. Ohne dass Pflug und HELDING dies ahnen mochten, waren sie demnach gebunden, ihren protestantischen Stiftssassen den konfessionellen Status unbeschwert zu belassen.448
2. REICHSTAG ZU REGENSBURG 1556/1557 (13. 7. 1556–16. 3. 1557) Für die folgende Reichsversammlung in Regensburg 1556 lud König Ferdinand HELDING mit einem persönlichen Brief zur Teilnahme ein. Der Bischof wollte sich zwar abermals wegen Unpässlichkeit vertreten lassen, erschien aber doch am 21. 12. 1556 in Regensburg im Fürstenrat des Reichstags.449 Auf diesem Reichstag trat er als Theologe wieder stärker ins Rampenlicht. Er wurde von den katholischen Stän447
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Declaratio Ferdinandea (HHStA-AUR 1555 09 24): Erklärung an den Erzkanzler und den Kurfürsten von Sachsen zum weiteren Schutz der neuen Konfession in den geistlichen Territorien bis zur endgültigen Vergleichung (als unveröffentliches Geheimdokument). Auch Gotthard, Religionsfrieden 270, Anm. 106, deutet – allerdings seinen eigenen Zweifel einwerfend – an, dass Kf August von Ferdinand die Beibehaltung des protestantischen Status in den Hochstiften Merseburg, Naumburg und Meißen zugesagt worden sein könnte und dies mancherseits für den eigentlichen Zweck der Declaratio Ferdinandea gehalten wurde. v. Bundschuh 167-168, Anm. 159.
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den für das vom Reichstag beschlossene Religionsgespräch in Worms 1557 einhellig als Kolloquent vorgeschlagen und von König Ferdinand in persönlicher Audienz nominiert. Nachdem die bis dahin unternommenen Versuche, die Religionsspaltung in Deutschland auf dem Konzil zu behandeln, gescheitert waren, verfolgte König Ferdinand parallel auch noch nach dem Religionsfrieden von 1555 Wege zur Annäherung der beiden Religionsparteien. Aus der Sicht Kaiser Karls V. war der Augsburger Friede eine weitere Niederlage im Kampf um die verlorene religiöse Einheit. Für König Ferdinand stellte sich die Lage etwas komplexer dar. Er erlebte mittlerweile in seinen eigenen Landen, in den Hauptstädten, an seinem Hof in Wien, Prag, Graz, Linz, Innsbruck, das Anwachsen des neuen Bekenntnisses neben dem alten Glauben und das Ringen der Konfessionen um Einfluss. In den Landständen begegnete er allenthalben protestantischen Adeligen. Es war zwar nichts endgültig entschieden und nach außen hin wurde wurde eine Art von Koexistenz gelebt, die die Gesellschaft zusammenhielt. Auswüchse, wie massive Propaganda, verhetzende Schriften, wurden verfolgt, aber in den erbländischen Behörden hatte die neue Religion ebenfalls bereits genügend Anhänger gefunden. Ferdinand sah sich sogar in der eigenen Familie mit dem Problem des Abfalls konfrontiert, da sein Sohn Maximilian für die neuen Ideen sehr empfänglich war und Lutheraner als Vertraute um sich hatte. Reform in Österreich Ferdinand betrieb als Landesherr die katholische Reform durch personelle Weichenstellungen und ein schärferes Vorgehen gegen Missbräuche.450 Er hatte 1552 die Jesuiten nach Wien geholt und die Besetzung des vakanten Bistums Wien veranlasst.451 Gegen den weiteren Verfall der Klöster halfen aber auch die Visitationen wenig, indem sie nur die betrüblichen Umstände aufzeigen, diese aber kaum ändern konnten.452 Ferdinand hatte durch den Augsburger Frieden zwar für sich die Position als Landesherr gestärkt, war aber von den eigenen Landständen in der Finanzierung des Türkenkrieges ebenso abhängig wie der Kaiser im Reich von den Reichsfürsten.453 Die Protestanten in den Landständen versuchten daher die Gelegenheit zu ergreifen, 450 451 452 453
Petrus Canisius war 1552 von Ferdinand nach Wien berufen worden. Eine Reformation der Domkirche St. Stephan erließ Ferdinand am 1. 1. 1554 und am 24. 7. 1556 (StA Wien, AVA-Alter Kultus 113r). Für Österreich ob der Enns: Eder, Glaubenspaltung 2, 72-80. Der jüngste Waffenstillstand war vom Sultan mit Jahresende 1555 limitiert worden, so dass Rüstungen zur Abwehr erforderlich wurden.
Reichstag zu Regensburg 1556/1557
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gegen die Gewährung einer erhöhten Türkenhilfe die Freistellung zu fordern.454 Ferdinand befürwortet Religionsgespräche Die Reichstagsverhandlungen sahen eine Fortsetzung des Religionsdiskurses vor, obwohl bisherige Anläufe nie weit gediehen und meist wegen eines äußerlichen Eklats abgebrochen worden waren. Es lag in der Intention Ferdinands, nachdem er auf der Reichsebene nach der faktischen Resignation des Kaisers455 auf den Goodwill der Kurfürsten in der eigenen Sukzession angewiesen war, auch in der Religionsfrage konsensuale Schritte zu setzen, obwohl von protestantischer Seite kaum Zugeständnisse zu erwarten waren. Andererseits wollte er einer dauerhaften Verfestigung der Spaltung entgegenwirken, die aus dem Stillhalten in der Faktizität bald zur Geltung als Rechtsanspruch führen musste. Ein Argument zur Wiederaufnahme der Religionsfrage bildete zweifellos die Differenzierung des lutherischen Bekenntnisses in mehrere Sonderformen, deren Duldung letztlich wieder an die Reichshoheit rührte. So schien eine Bestandsaufnahme zur Klärung aus Reichssicht notwendig. Darüber hinaus hielt König Ferdinand gegen die Meinung der geistlichen Kurfürsten die Wiederaufnahme der Gespräche schon deshalb für nützlich und notwendig, da sie im Augsburger Vertragswerk wie schon zuvor in den Passauer Verhandlungen als möglicher Einigungsschritt von beiden Parteien befürwortet worden waren. Zunächst war aber der Widerstand der geistlichen Bank zu überwinden, die wie schon vor Augsburg ihre Erwartungen auf die Wiederaufnahme des Konzils gerichtet hatte. Der mit der Reformnotel 1548 und den Synoden der Folgejahre erhoffte Aufschwung auf katholischer Seite war rasch verebbt. Da die Erfahrungen der letzten Religionsgespräche, die in der Form einer akademischen Disputation geführt worden waren, durchwegs negativ waren, setzte man diesmal auf den Weg der persönlichen Konsultation zwischen gottesfürchtigen und gelehrten Personen und suchte schon bei der Auswahl der Teilnehmer diesem Gesichtspunkt Rechnung zu tragen.456 Dermaßen kamen wieder Pflug und HELDING ins Gespräch. Aber auch sie teilten zunächst den Standpunkt, dass von einem weiteren Gespräch nichts zu 454 455
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Eder, Glaubensspaltung 2, 79. RK-RA ig 33a/3, 471r-475v: Brief Brüssel vom 3. 8. 1556 an König Ferdinand, Kaiser Karls V. Gwallt unnd Vollmacht dz Kaiserthumb mit aller anhangenden würde und hocheit volkhomenlich unnd unwiderruefflichen zuresignieren. Bucholtz 7, 362.
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erwarten sei. Dann ließen sich beide am Ende doch zur persönlichen Teilnahme am Reichstag bewegen.457 HELDING traf am 21. 12. 1556 in Regensburg ein und wurde sogleich in eine Kommission berufen, die König Ferdinands Intention, die Vergleichsfrage wieder zu forcieren, im Verhältnis zum Papst beurteilen sollte.458 Daneben fiel ihm auf Ferdinands Wunsch auch die Aufgabe zu, vor Volk und Teilnehmern zu predigen.459 Der Reichsabschied vom 16. März 1557 hielt schließlich den Vorschlag eines Kolloquiums als unverbindliche christliche Konsultation, Unterredung und Beratschlagung in freundlich vertraulichem Gespräch fest. Es fällt die außerordentliche Behutsamkeit auf, mit der die Zusammenkunft der beiden Konfessionen umschrieben wird, ihr Charakter völliger Unverbindlichkeit und gewünschter Atmosphäre der Toleranz, weshalb man nicht auf dem damaligen Reichstag, sondern an einem anderen Ort, nämlich in Worms, zusammenkommen wolle.460 Das Angebot der Stände an Ferdinand, selbst den Vorsitz zu führen, lehnte der König dankend ab und benannte den Bischof von Speyer als Präsidenten. Die Fürsten sollten auf geistlicher Seite durch die Erzbischöfe von Trier und Salzburg, weltlicherseits durch die Herzöge von Sachsen und Württemberg vertreten werden. Auch die weiteren Delegierten und deren Assistenz wurden bereits im Abschied festgeschrieben, ebenso die Zahl der auf beiden Seiten jeweils sechs Kolloquenten, Adjunkten und Auditoren und jeweils zwei Notare. Der Reichstagsausschuss war detailliert auf Verfahrensweise und Verhandlungsstil461 eingegangen und hatte als Ziel formuliert, Ruhm und Ehre des Allmächtigen, die christliche Wahrheit, die Nächstenliebe und allgemeine Einigkeit zu suchen. Die Gespräche sollten streng vertrau-
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MEA-RTA 44a, 207v-208r: Ausschuss der kath. Seite beschließt HELDING und Pflug als Kolloquenten. Eodem die (2. 2. 1557) post meridiem: Desselbigen nachmittags zu ainer uhren hat die KöM fur sich beschaiden lassen den Bischofen zu Merseburg und haben Jre Mt: erstlich selbst und nachmals in beisein des Erzbischoven zu Salzburg, des Bischofen zu Aistet, des meintzischen und mein mit des von Merseburg furstlichen gnaden geret und dahin vermogt, dass dieselbig bewilligt sich zu einem Collocutorn geprauchen zulassen. Den Vorsitz führte Canisius, auch Witzel und Staphylus wirkten mit (vgl. v. Bundschuh 212). Postilla, De tempore, Winterteil 41r-45r (Epiphaniepredigt: Christus lesset den Gerechten in seiner Anfechtung und Trübsal nicht stecken und Der Widerteuffer grewlicher irrthum); 52r-54r (am darauffolgenden Sonntag: Vom Kirchengehen, Kinderzucht und gehorsam). Vielleicht spielte die Erinnerung an das Wormser Buch, das erste Ergebnis einer Annäherung, eine Rolle. Ausdrücklich werden Überfluss [der Rede], Gehässigkeit, Verunglimpfung, und Geheimhaltung bis zum Ende angesprochen.
Helding auf dem Wormser Kolloquium 1557
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lich bleiben und die Protokolle bis zum darauffolgenden Reichstag in einer Truhe verwahrt und erst dann gemeinsam eröffnet werden.462 HELDING wird Rat des Königs
Die Einladung des Königs an HELDING , sich als Kolloquent zur Verfügung zu stellen, hatte noch eine weitere Konsequenz, die Ausdruck der seit langem bestehenden Wertschätzung war, welche er bei König Ferdinand genoss: Mit Dekret vom 1. 3. 1557, ausgestellt in Regensburg, nahm der König Bischof Michael in seinen besonderen Schutz und ernannte ihn zu seinem Rat.463 Die Motive liegen vermutlich auf der religionspolitischen Ebene in der Absicht, HELDING für die ihm zugedachte Rolle als Kolloquent zu stärken. Eine tatsächliche Teilnahme Bischof Michaels an königlichen Ratssitzungen vor seiner reichshofrätlichen Berufung ist nicht feststellbar. Andererseits dürfte von dieser Ehrenstellung ausgehend der spätere Übertritt in den neuformierten kaiserlichen Reichshofrat nicht sonderlich verwundern. HELDING bewegte die finanzielle Sorge, dass ihm die Stände eine Erstattung der Unkosten erst für den nächstfolgenden Reichstag zugesagt hatten. Er wollte sich deshalb zuletzt doch entschuldigen. Der König ließ die Entschuldigung nicht gelten und bot an, aus seiner Schatulle den Aufwand zu begleichen, würde dies der Reichstag verweigern. Dies war HELDING offenbar unangenehm. Er sagte daher gehorsam zu.464
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Hier wurde übersehen, dass die Parteien Schriftsätze austauschen konnten und sich damit fast zwangsläufig ein Ventil zur unerwünschten Verbreitung von Texten ergeben würde. Rademacher, Urkundenrepertorium Nr. 1335: DStA Merseburg C I, 186, 54v-55r (Or). RK-RelA 27, 34r-35r, 44rv, 55r: HELDING an Jonas v. 21. 4., an Ferdinand v. 4. 6. von Ferdinand am 20. 6. 57.
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3. HELDING AUF DEM WORMSER KOLLOQUIUM 1557465 (11. 9. 1557–12. 10. 1557) Das Religionsgespräch zu Worms 1557 hat v. Bundschuh in seiner Monographie, die auf eine Dissertation aus 1980 zurückgeht, ausführlich dargestellt.466 Ernst Laubach hat 2001 dieser Sichtweise grundsätzlich beigepflichtet.467 Nuancen könnte die Bewertung der Rollen von Canisius und HELDING ergeben. War HELDING auf Konsensfindung aus und Canisius auf Konfrontation eingestellt oder führte gerade HELDING den Abbruch und das Scheitern des Kolloquiums durch sein Insistieren auf die konfessionelle Uneinigkeit der protestantischen Vertreter untereinander herbei? Wie sinnvoll war es, auf dem Prinzip der Schriftlichkeit zu beharren, anstelle miteinander mehr in einen inhaltlichen Diskurs einzutreten? War ein solcher von den altgläubigen Teilnehmern überhaupt angestrebt und gewollt? Die auf der Wormser Bühne agierenden Persönlichkeiten hat v. Bundschuh eingehend vorgestellt, weshalb an dieser Stelle neben den Präsidenten Julius Pflug und Georg Sigismund Seld468 nur die Kolloquenten genannt werden:469 Kollokutoren der alten Religion: Bischof Michael HELDING , Johannes Delphinus, Jacob Tiletanus, Martin Rithovius, Petrus Canisius, Friedrich Staphylus. Kollokutoren des anderen Teils: Philipp Melanchthon, Erhard Schnepf, Johannes Brenz, Johannes Nider (Pistorius), Georg Karg, Jakob Rungius. Gemeinsam mit Assessoren, No-
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MEA-RelS 5a-6 enthält im Band Coll. Wormatiense Protokoll und Vorlagen (Originalia Actorum supra registratorem) der beiden Religionsparteien, darunter auch Dokumente von der Hand HELDINGS (163r-166r; 237r-240r; 286r). Die Gesprächsprotokolle des Johann a Via (MEA-RelS 5a-6, 14r-25r) und des Johannes Andreae (ebd. 33r-94v) illustrieren den Verhandlungsverlauf. Ergänzt werden sie durch die Faszikel RK-RelA 27 und 28 (Religionsakten der Reichskanzlei), in denen Kopien von Schriftsätzen (zum Teil in mehrfacher Ausfertigung) versammelt sind. v. Bundschuh, Das Wormser Religionsgespräch von 1557 unter besonderer Berücksichtigung der kaiserlichen Religionspolitik von 1557 (Münster 1988); Bucholtz, Ferdinand I., Bd. 7, 359-396. Laubach, Ferdinand I. als Kaiser 196-206, berichtet dabei vom Dissens zwischen Ferdinand und Philipp II. Erler, Art. Georg Sigismund Seld (1516-1565): HDRG 4 (1990) 1625-1626: Sohn eines Augsburger Goldschmieds, studierte in Ingolstadt, Bologna, Padua, Bourges und Paris Jurisprudenz; Rat bei Ludwig X. von Bayern, 1546 bayer. Gesandter am ksl Hof, 1547 von Karl V. in den ksl Dienst berufen, Vizekanzler, später in gleicher Funktion bei Ferdinand I. Er beeinflusste durch seine vermittelnde Haltung die Reichskirchenpolitik maßgeblich und gewann HELDING für das Kammerrichteramt. MEA-RTA 27, 91rv.
Helding auf dem Wormser Kolloquium 1557
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taren und Adjunkten waren nahezu alle prominenten Theologen aus dem Reich auf diesem Kolloquium vertreten. Aus dem Ablaufprotokoll, das für die Altgläubigen Johann a Via und auf protestantischer Seite Johannes Andreae parallel führten und das die Handlung der neun Tage470 festhielt, ist der Gang der Verhandlungen im Einzelnen zu verfolgen. Den beiden Protokollen ist ein Motto vorangestellt, das man sich offenbar gemeinsam vorgenommen hatte: Quod felix faustum ac salutare sit Ecclesiae Dei ac Reipublicae christianae.471 Der Verlauf des Gesprächs Der Eröffnungstag Samstag, 11. 9. 1557,472 begann mit der Verlesung der Proposition, darauf trug Seld den Brief des Königs an die Deputierten vor. Als erster der Deputierten ergriff Michael HELDING in verbindlicher Form das Wort,473 worauf Philipp Melanchthon, ohne auf die Proposition und den Ton der Vorredner einzugehen, mit heftigen Angriffen auf Trient und die Alte Kirche replizierte,474 was auf altkirchlicher Seite großes Befremden hervorrief. Am 13. 9. 1557 um 7 Uhr setzte man fort.475 HELDING begann seinen Vortrag mit der Petition, die vortägigen Reden gegenseitig auszutauschen, was Pflug und Seld nicht zuließen, um das durch Melanchthon angespannte Gesprächsklima nicht noch mehr zu belasten. Dann schritt man zur Vereidigung. Die dritte Sitzung am 14. 9. 1557 eröffnete HELDING neuerlich mit dem Vorschlag, die Stellungnahmen zwecks besserer Protokollierung schriftlich einzubringen.476 Dieser Anregung wurde in der Folge gegen den Einwand Melanchthons entsprochen.477 Sie führte aber zur Einstellung jedes inhaltlich freieren Diskurses. 470 471
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11., 13., 14., 15., 16., 20. Sept.; 6., 7., 12. Okt. Der Satz ist bereits HELDINGS Manuskript vorangestellt. Vgl. Erasmus, Hyperaspistes beginnt ebenfalls: Quod felix faustumque sit, protinus eam rem aggrediemur… (Erasmus, Ausgew. Schriften 4, 200). v. Bundschuh 426-430. Zur Analyse von HELDINGS Ausführungen siehe unten das Kapitel HELDING als Kolloquent. Melanchthons Antwort war offensiv und konträr zur verbindlichen Einleitung von HELDING und Seld. v. Bundschuh 431-433. Ebd. 433-438: Der Hintergrund dieses Vorschlages könnte in der Herausforderung der Fraktionen des anderen Teils gelegen haben, ihre Differenzen schriftlich bloßzulegen. Dazu meinte Melanchthon: Tres sunt viae procedendi. Prima est usitata inter amicos, qui ad unum & eundem scopum tendunt, nempe, ad inquisitionem veritatis, ut initio fiat familiaris & amica collocutio inter Colloquentes, quia si conveniret de aliquo articulo, poneretur una communis propositio. Sin nimis poneret utraque pars suam propositionem cum praecipuis &
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Im weiteren Vortrag ging HELDING auf die Entstehung der Spaltung ein und legte den Grundsatz dar, dass man den vorlutherischen Status der Kirche, als diese noch unbestritten in Einheit existierte (ante quadraginta annos), zum Ausgangspunkt der Diskussion machen müsse. Neben der Schrift sei die im Schutz des Lehramts der Kirche erfolgte Überlieferung Quelle des Glaubens. Einen zweiten Punkt, der noch Folgen haben sollte, schnitt HELDING mit dem Hinweis auf die dem Vernehmen nach bestehenden Differenzen unter den evangelischen Theologen kurz an. Dann schlug er vor, die Lehrunterschiede zwischen Alter Kirche und der Confessio Augustana gemeinsam zu bestimmen und übergab Melanchthon dazu eine Aufstellung von Artikeln, die Canisius anhand der Confessio Augustana zusammengestellt hatte.478 Damit war eine Arbeitsgrundlage angeboten, die die Protestanten akzeptierten. Am vierten Tag479 (15. 9.) nahm der Ansbacher Superintendent Georg Karg zunächst den Vorwurf der katholischen Seite auf und bekundete seinerseits, die bisher vor allem bei Melanchthon spürbare Emotion abbauen zu wollen. Dann trat er in die inhaltliche Disputation mit der Bestreitung der Tradition als einer der Schrift gleichwertigen Quelle ein. Alles, was sich als Missbräuche der Kirche zeige, sei nicht auf die Schrift gegründet. Zur Rückblendung zur Epoche vor 40 Jahren sei zu betonen, dass schon lange vor Luther von Theologen massive Kritik an den durch Tradition eingeführten Neuerungen geübt worden sei.480 Vielmehr habe sich die Kirche schon längst von der wahren Lehre der Schrift entfernt gehabt. Die notae ecclesiae als Beweis für die Konstanz der Lehre seien zu bestreiten, wenn beispielhaft die Lehre der Apostel zu Priestertum und Priesterehe mit der erst später aufgekommenen Tradition des Zölibats verglichen würde oder der Primat Petri als Beweis für die Rolle des kirchlichen Oberhaupts im weltlichen Bereich herangezogen würde. Die Tradition könne niemals gegen die Schrift gestellt werden. Für die Protestanten könne es keine Auslegung außerhalb des Schriftwortes geben. HELDING erbat sich den Text zur Begutachtung. Er selbst legte seine Erklärung zur Erbsünde vor, in der Wendungen aus der früheren Vergleichsformel
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fundamentalibus rationibus. Altera via est ut scriptis certet, quod longius erit quam quisque credere possit. Tertia ut instituatur iusta disputatio. Sed hoc rejicimus ad arbitrium Rssmi Dnj Praesidis & Jnclytorj Assessoris. Et petimus instituj Collocutionem iuxta ordinem Articulorum quem habet Augustana Confessio (MEA-RelS 5a-6, 20r-v). Index [der 23] articulorum controversorum exhibitus ab episcopo Mörsburgensi (MEA-RelS 5a-6, 242r, recte 241r (dieses Bl. übersprungen, 242 doppelt vergeben). v. Bundschuh 438-442. Dazu Protokoll Andreaes (ebd. alte Fol. 25v-20rv). Karg erwähnt Jean Gerson und Johann Wessel Gansfort als altkirchliche Kritiker.
Helding auf dem Wormser Kolloquium 1557
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zum Interim anklingen.481 Damit endete die Sitzung ohne weitere Diskussion.482 Die 5. Session am Nachmittag desselben 16. 9. 1557 stand im Zeichen von Canisius483 und Kargs Antwort auf HELDING . Canisius replizierte auf Kargs erste inhaltliche Einlassung zur Tradition und schlug wieder das Thema der Lehrdifferenzen innerhalb der Lutheraner an. Karg antwortete aber zunächst nicht darauf, sondern verlas einen von seinem Lehrer Melanchthon konzipierten Text, in dem er sich mit HELDINGS Erbsündendoktrin im schon bekannten Sinn der unauslöschlichen Sündhaftigkeit der Konkupiszenz auseinander setzte.484 Eine Annäherung war nicht im Geringsten zu erkennen. Canisius provoziert Streit unter den Protestanten In der 6. Sitzung am 20. 9. 1557485 wiederholte Canisius seinen Angriff auf die behauptete Uneinigkeit unter den Augsburger Konfessionsverwandten. Er griff die Abendmahlslehre und die Rechtfertigung auf und ging auf die Abweichungen zwischen Osiandristen, Majoristen, Adiaphoristen und Flacianern ein. HELDING wollte sich das Heft nicht ganz aus der Hand nehmen lassen und setzte nach, indem er die Gegenseite an Hand eines eilends an den Präsidenten gerichteten Antrags aufforderte, sich von den Abweichlern in ihren Reihen eindeutig zu distanzieren.486 Der Fraktion um Schnepf kam dieser Vorstoß sehr gelegen, hatten die drei Jenaer Theologen (Erhard Schnepf, Victorin Strigel und Johannes Stössel) eine Bereinigung der Augsburger Confession von Secten, Schwirmereien und Korruptelen in den protes481 482
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Vgl. ARCEG 6 (Nr.15) 190: …et vires inferiores superioribus non amplius parerent. Zu Recht spricht v. Bundschuh von einem Verfahrensmangel, der die thematische Einlassung in eine Diskussion zwischen den Theologen verhinderte. Es blieb daher beim Verlesen von Stellungnahmen. v. Bundschuh 443-451. Scheible, Melanchthon 231. v. Bundschuh 453-458. Rme Dne Preses. Inclyti dni Assessores. Notum esse putamus huic celeberrimo Auditorio nos semel atque iterum nihil altera petivisse, quam Imperiale decretum recte constituat, inter quos et de quibus rebus colloquium hoc habendum sit, ut Amplissimi Dni Collocutores alterius partis, clare exprimere et nominatim indicere vellint, quae nam dogmata ab Augustana confessione sua excludent et quae in ea comprehendi velint. Illi vero Swenckfeldium, Servetum, Thamerum et Anabaptistas excluserunt. Sed ut decreto Imperiali satisfiat, ab iis quaerendum existimamus an similiter etiam Zwinglianos et Calvinianos in Eucharistia, Osiandrinos in Iustificatione, Illyricanos de libero Arbitrio et bonis operibus [die letzten beiden Wörter unterstrichen, PS], Picardos in multis rebus ab ipsis discendentes a sua confessione excludant. Quod cum non invidiose, sed adducti necessitate quaeramus, obnixe rogamus super hac petitione nostra clarum responsum (interposita Rmae D. V. authoritati) nobis dari. (MEA-RelS 5a-6, 286r, Or HELDING).
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Friedensbemühungen
tantischen Reihen noch vor Beginn der ersten Session durchsetzen wollen und sich in den ersten Sitzungen nur widerstrebend auf Melanchthons Wunsch hin zurückgehalten. Welche Strategie andererseits die altgläubige Seite mit einer gezielten Zuspitzung der Lage verfolgte, bleibt einigermaßen unklar. HELDING , der, wie man annnehmen müsste, das starke Interesse König Ferdinands an einem Fortschritt in der Religionsfrage kannte, ließ sich offenbar von jenen katholischen Kräften bewegen, die einen Abbruch anstrebten. So entstand der Eindruck, HELDING sei es gelungen, das Kolloquium zu sprengen.487 Darauf wandte sich Melanchthon an Präsident Pflug und beklagte das grandiloquium des Vorredners.488 Er verlangte einen anderen Gesprächsstil, denn auf diese Weise würde man nicht zu einer gegenseitigen Übereinstimmung kommen.489 HELDING versuchte einzulenken und den Goodwill der eigenen Seite zu bekunden, worauf ihm Melanchthon ins Wort fiel. Vizekanzler Seld versuchte vergeblich zu glätten und schloss die Verhandlung, womit auch das Gesprächsprotokoll endet.490 Der weitere Verlauf ist durch die nun ausbrechenden Spannungen auf protestantischer Seite gekennzeichnet. Für das Präsidium schaltete sich nun Vizekanzler Seld in die Debatte ein, die sich zunehmend auf die Interpretation der im Reichsabschied vorgegebenen Geschäftsordnung des Kolloquiums erstreckte und die Handlungsfähigkeit des Präsidenten, die Rechtsstellung und Mitwirkungsrechte der Assessoren und andere juristische Fragen zum Thema hatte. Innerhalb der protestantischen Partei kam es zum Eklat. Die von ihrem Weimarer Fürsten491 genau angewiesenen Kolloquenten um Schnepf reisten demonstrativ ab, nachdem sie gegen die Melanchthon-Anhänger eine förmliche Protestschrift eingebracht hatten und daraufhin von den Assessoren der Augsburger Konfessionsverwandten von der weiteren Teilnahme ausgeschlossen worden waren.492 487 488
489 490 491
492
Biundo, Art. HELDING: ³RGG 3 (1959) 207. MEA-RelS 5a-6, 93v-94v: Melanchthons Erregung konnte der eigene Notar nicht gänzlich zu Papier bringen, wie die Auslassung im Protokoll Andreaes zeigt (ebd. 94r). Ob conciliatio oder consiliatio, ist nicht klar lesbar. MEA-RelS 5a-6, 94rv. v. Bundschuh 458-461. In dieses Bild der inneren Zerstrittenheit fügt sich der Brief des sächsischen Hzgs Johann Friedrich d. M. an Melanchthon vom 29. 9. 1557 mit der Ermahnung, die mit den Katholiken strittigen Positionen keinesfalls zu vergleichen. Dazu Melanchthons um Verteidigung bemühte Antwort vom 1. 10. 1557 (RK-RelA 27, 153rv [fortgesetzt] 178r-180r, offenbar den Katholischen zugespielte Abschriften. Druck: Melanchthon, Opera IX, Epist. XIII (1557) 301-305 und 310313). RK-RelA 27, 137r-146v: Beschwerdeschrift Schnepfs etc. an die eigenen Assessoren
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Auf katholischer Seite übernahmen nun die politisch denkenden Kräfte das Ruder und setzten durch, dass bei der Fortsetzung des Kolloquiums (7. Sitzung am 6. 10. 1557) die Protestschriften der Schnepfianer in das notarielle Verfahren publikumswirksam integriert wurden, obwohl die übrigen Beiräte der Augsburger Bekenntnisverwandten dagegen Einspruch erhoben und die Sitzung verließen. Am folgenden Tag, dem 7. 10. 1557, kehrten sie an den Verhandlungstisch zurück und brachten ihre Antwort auf die Ausführungen von Canisius vor. Melanchthon betonte die Selbstauslegungskraft der Bibel und stellte den Väterkonsens grundsätzlich in Frage. Als Beispiel für einen Widerspruch der Tradition zur Schrift nannte er wieder die Zölibatspflicht.493 HELDING , der in dieser Zeit auch nach der Darstellung bei v. Bundschuh innerhalb der katholischen Partei immer mehr in den Hintergrund trat, erscheint ein letztes Mal als Unterzeichner einer Stellungnahme vom 8. 10. 1557 an Präsident Pflug.494 Darin wies er den Frontalangriff auf den Väterkonsens zurück. Nachdem die katholischen Assessoren und Auditoren immer dominanter agierten und auch dem königlichen Ratschlag, alles für eine Fortsetzung des Kolloquiums zu tun, widerstrebten, ging es nur mehr um die Zuweisung der Schuld für das sich abzeichnende Scheitern des Gesprächs. Die 8. und letzte gemeinsame Session fand am 12. 10. 1557 statt.495 Die katholischen Assessoren wollten sich den Propagandaerfolg nicht mehr nehmen lassen und steuerten, obwohl die Theologen weitere Texte zur Disputation vorbereitet hatten, auf den Eklat zu. Das Argument, durch den Abzug der Schnepfianer wäre eine Überwindung der Spaltung nun nicht mehr möglich und daher der Auftrag des Reichsabschiedes unerfüllbar, übersah bewusst, dass von vornherein auch Calvin- und Zwingli-Anhänger mit am Tisch saßen. HELDING schloss sich nolens volens den eigenen Assessoren an, die das Gespräch zu einem Ende bringen wollten.496 Die folgenden Schriftsätze der Parteien dienten nur mehr der Rechtfertigung des eigenes Verhaltens und der
493 494 495
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u. Auditoren vom 21. 9. und Eingabe an Präsident Pflug vom 2. 10. 1557 (RK-RelA 27, 239r-243v) über deren Anmaßung. v. Bundschuh 479-483. RK-RelA 27, 309r-312r, nachträglich datiert mit 7. 10. 1557. v. Bundschuh 483-488: König Ferdinand wollte einen Abbruch des Gesprächs zunächst unbedingt vermeiden. Allerdings war er schon um den 10. 11. bereit, das Projekt aufzugeben, wie ein vorbereiteter Geleitbriefentwurf zum Verlassen der Stadt an HELDING und die anderen Kolloquenten erkennen lässt, der dann erst am 15. 12. expediert wurde (RK-RelA 28, 148r). HELDING mag auch aus Gründen der Sparsamkeit an einem baldigen Ende interessiert gewesen sein. Ferdinand ließ erst am 8. 10. 1557 für ihn und Pflug je 1000 fl. flüssig machen (RK-RelA 27, 200rv).
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Schuldzuweisung an den anderen Teil.497 Präsident Pflug rang noch während des Novembers um eine Fortsetzung, wie sie ihm in einem Schreiben Ferdinands vom 9. 11. nahegelegt worden war, musste sich aber dann die Aussichtslosigkeit seiner Bemühungen in der Relation vom 7. 12. 1557498 an den König eingestehen und um seine Entpflichtung ersuchen, die ihm mit Schreiben vom 20. 12. 1557 auch gewährt wurde.499 König Ferdinands Rolle im Konfessionsstreit Das Bild der höchsten staatlichen Obrigkeit war immer noch unverrückt. Niemand kam auf protestantischer Seite auf die Idee, Kaiser und König als katholische Parteigänger offen zu diskreditieren. Und der von Ferdinand vorgegebene oder so verstandene Geist des Gesprächs konnte als übergeordnete Richtschnur von beiden Seiten angerufen werden. Damit deutete sich bereits eine Trennung von Konfession und staatlicher Sphäre an, die die Funktion des Kaisers als Repräsentant des Reichs von dessen persönlicher konfessioneller Einstellung löste. Schließlich hätte der nächste Kaiser, Ferdinands Sohn Maximilian, sich bereits offen zum Protestantismus bekennen können. Es war daher durchaus auch im Interesse der Evangelischen, zu diesem Zeitpunkt an der höchsten Macht im Reich nicht zu rütteln. Letzte Rückkehr nach Merseburg HELDING kehrte, ohne den vom Reichstag zuvor zugesagten Aufwandsersatz erhalten zu haben, in sein Stift Merseburg zurück. Die Lage der katholischen Partei beschäftigte ihn weiter und veranlasste ihn, eine Reformschrift zu verfassen, die 1559 für die Neuauflage der kaiserlichen Formula reformationis Verwendung finden sollte.500 Eine Reihe von Predigten zum Propheten Jona, die er im ersten Merseburger Jahr gehalten hatte, überließ er dem Mainzer Domherrn Philipp Agricola, der sie 1558 in Mainz bei Franz Behem veröffentlichte. Die 497
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499 500
RK-RelA 27, 275r-277v; 279r-281v: Kath. Protest vom 12. und 19. 10. 1557; MEARelS 5a-6, 205r-208r: Die Rechtfertigung der kath. Kolloquenten und Assessoren an Kg Ferdinand vom 19. 10. (RK-RelA 28, 150r-152r) und an Pflug vom 6. 12. 1557; RK-RelS 28, 20r-24r: Eilbericht mit allen Eingaben der Parteien an König Ferdinand vom 7. 12. 1557, worin Pflug beteuert, sich um die Fortführung des Kolloquiums nach Kräften bemüht zu haben und eine Suspendierung bis zum nächsten Reichstag vorschlägt (eh. Sign. Pflugs). RK-RelS 28, 195r. Siehe unten den Liber Merseburgensis als Grundlage der Formula (reformationis) nova.
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darin behandelte Heilkraft der Buße erschien dem Verfasser als eine Antwort auf die Verrohung des Menschen in einer inhuman gewordenen Zeit. HELDING sollte auch nicht lange in seinem Stift Merseburg verbleiben, denn es zeichnete sich eine neue Aufgabe für ihn ab. Im Oktober 1557 wurde er vom Reichsvizekanzler Seld, dem König Ferdinand dringlich die Suche nach Kandidaten für das Kammerrichteramt auferlegt hatte, in Vorschlag gebracht. Aus einer Liste von zehn Vorgeschlagenen akzeptierte der König den Bischof als erste Wahl. Die damit verbundene Korrespondenz zeigt ein sichtlich gewachsenes persönliches Vertrauensverhältnis HELDINGS zu König Ferdinand, das sich in der Folge noch vertiefen sollte.
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Kammerrichter Helding
Das Verfahren zur Bestellung
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7. Kapitel KAMMERRICHTER HELDING Ein ungeliebtes Amt 1. DAS VERFAHREN ZUR BESTELLUNG501 Das unter Kaiser Maximilian I. 1495 geschaffene Reichskammergericht war zur Bewahrung des Landfriedens eingesetzt worden und hatte seit 1527 seinen Sitz in Speyer.502 Die Zuständigkeit erstreckte sich in erster und letzter Instanz auf das ordentliche zivile Verfahren von Reichsunmittelbaren gegeneinander oder von Untertanen gegen ihre reichsunmittelbaren Herren (Kameralprozess). Als Berufungsgericht in Zivilsachen entschied es über Appellationen gegen Urteile der Territorialgerichte. Daneben führte es das sogenannte Mandatsverfahren in Landfriedenssachen und Besitzstreitangelegenheiten, in denen Gewalthandlungen rasch unterbunden werden sollten. Seine Bedeutung war deutlich geschwächt, seitdem die Protestanten 1534 die Zuständigkeit in Religionssachen mit Erfolg zurückgewiesen hatten. Auf dem Tag in Frankfurt 1539 verknüpften sie die Gerichtsfrage mit der Türkenhilfe.503 Um 1540 gingen sie noch einen Schritt weiter und lehnten auch in weltlichen Causen das Gericht ab, da sie der Unparteilichkeit des Gerichts bei der bestehenden Glaubensspaltung misstrauten. Das bewirkte einen Stillstand in vielen Prozessen, die von geistlichen Institutionen wegen Eigentumsentzugs bei Gericht angestrengt worden waren. Die Prozessgrundsätze orientierten sich stark am kanonischen Recht, das auf einen hohen Grad von Schriftlichkeit setzte. Ein festes Ablaufschema mit mindestens 12 Verhandlungsterminen war äußerst zeitraubend und ermöglichte den Parteien durch mehr oder weniger plausible Entschuldigungen die Verschleppung
501 502 503
RK-RKG-VisitA 320, 321a, 321b. Laufs, Art. Reichskammergericht: HDRG 4 (1990) 655-662. Schmidt, Geschichte 8, 490; Janssen 3, 378-385: Beiderseitigen Rüstungen wurde im April 1539 vertraglich befristet Einhalt geboten.
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Kammerrichter Helding
des Verfahrens. Daher wurde die Verfahrensverkürzung zum wichtigsten Ziel.504 Organisation des Kammergerichts Die Reichskammergerichtsordnung (RKGO) von 1495, die bereits 1507 durch eine Visitationsordnung ergänzt worden war, erfuhr 1548 und 1555 Novellierungen, die den für die Bestellung HELDINGS maßgeblichen Status festlegten.505 Das Gericht setzte sich aus dem Kammerrichter als dem obersten Gerichtspräsidenten,506 den Beisitzern als den eigentlichen Urteilern, den beamteten Rechtsvertretern der Streitparteien, dem Pfennigmeister, dem Fiskal und dem Personal der Kanzleiverwaltung zusammen. Es spiegelte in seiner personellen Struktur territorial wie standesbezogen die Reichsverfassung wider, deren nicht unwesentliches stabilisierendes Element es trotz wiederkehrender Funktionsunterbrechungen und politisch-konfessioneller Anfechtungen bildete. Als Parteienvertreter traten in ursprünglich getrennt verstandenen Funktionen Prokuratoren und Advokaten zu HELDINGS Zeit nebeneinander auf.507 Der Normalstand von 24 Beisitzern (Assessoren) aus den 6 Reichskreisen, zur Hälfte gelehrte Juristen, die anderen vom hohen Adel, wurde durch Vakanzen zumeist unterschritten. Gerade in HELDINGS Zeit wurde der Stand zur Abarbeitung von Rückständen auf 32 Planstellen hinaufgesetzt. Die Beisitzer waren in Spruchsenaten oder in pleno mit der Fällung der Urteile befasst, besaßen jedoch keine Exekutionsgewalt. Dem Kammerrichter, der den Kaiser als Reichsoberhaupt vertrat, war die personelle Leitung und Aufsicht, nicht aber die Auswahl des Personals und auch nicht das Fällen von Urteilen auferlegt. Er sollte im Regelfall dem Fürstenstand angehören. Mangels bereitwilliger Vertreter 504 505
506
507
Dick, Kameralprozess 104-108. Die Wiederverlautbarung der novellierten RKGO 1548, die von den beiden Juristen Konrad Braun und Konrad Visch redigiert wurde, ist mit katholischem Einschlag versehen. Auch Protestanten mussten sich dem Gericht stellen. 1552 hatte sich das Blatt gewendet: Den Protestanten wurde die Parität in konfessionellen Sachen zugesagt und im §104 des Reichsabschieds 1555 bestimmt, dass Kammerrichter und Beisitzer von beiden Konfessionen präsentiert und geordnet werden (Gotthard 406; Laufs 21). Dick 82: Verwirrenderweise wurden auch die höchstrangigen adeligen Beisitzer, die den Vorsitz in den vom Kammerrichter gebildeten Senaten führten, als Präsidenten tituliert. Sellert, Art. Prokurator: HDRG 3 (1984) 2032-2034. Der Prokurator übernahm die Schriftsätze des Advokaten, brachte sie in die rechtlich gebotene Form, war aber ursprünglich kein materieller Parteienanwalt. Später verschoben sich die Grenzen und der Prokurator engagierte sich auch inhaltlich für das Anliegen der von ihm vertretenen Partei.
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dieses Standes fiel diese Funktion auch Grafen und Freiherren zu. Das Amt stand geistlichen wie weltlichen Kammerrichtern offen. Mit zunehmender Schärfe des Konfessionsstreits geriet ein geistlicher Kammerrichter, wie HELDING regelmäßig ein altgläubiger Vertreter, in das Kreuzfeuer der Protestanten. Der rechtskundige Fiskal war für die wirtschaftliche Gebarung des Gerichts und die Eintreibung der Gebühren, Strafen und der Türkenhilfe verantwortlich, unterstand aber dabei der Aufsicht des Kammerrichters. Die Besoldung war in der Gerichtsordnung festgelegt und bildete naturgemäß durch ihre Statik ein dauerndes Ärgernis, da sie über Jahre hinweg nicht den inflationären Verhältnissen angepasst wurde. Amt und Konfession – Der religiöse Einfluss Die Religionsspaltung hinterließ beim Reichskammergericht markante Spuren. Gleichzeitig trug das Gericht weiterhin der mittelalterlichen Einheit von Reich und Religion symbolhaft Rechnung.508 Im Zuge der Aneignung von Kirchengut durch die protestantischen Stände wurde dem Gericht aus konfessionellen Gründen die Kompetenz in Angelegenheiten der Religion abgesprochen. Seit der förmlichen Zurückweisung 1534 war der Rechtsdurchsetzung gegen Protestanten der Boden entzogen. Jede Sequestrierung von Kirchenvermögen konnte zwar eingeklagt werden, es lag aber im Belieben der protestantischen Beklagten, sich der Ladung zu stellen. Es herrschte beträchtliche Rechtsunsicherheit, die manchen Kandidaten vom Eintritt in das Reichskammergericht abhielt. Das Präsentationsrecht der Stände für das übrige Gerichtspersonal wurde sehr bald konfessionell verstanden. Auch die katholische Partei bediente sich selektiver Methoden, wie uns das Verhalten der oberösterreichischen Regierung in Innsbruck an einem Beispiel vor Augen führt. Die Bewerbung des als qualifiziert beschriebenen Juristen Johann Wenstel, eines imperialis consistorii advocatus, auf ein Assessorenmandat der oberösterreichischen Regierung, die man auf Grund des Curriculums zunächst unterstützt hatte, wurde eilends zurückgezogen, als man von der angeblichen Neigung des Aspiranten für das Augsburger Bekenntnis erfuhr.509 Der Augsburger Friede brachte in dieser Hinsicht eine Klarstellung. Die Gerichtspersonen, die sich zur Augsburger Konfession bekannten, besaßen seit 1555 die Zusicherung freier Religionsausübung.510 508 509 510
Heckel, Reformationsprozesse 17. RK-RKG-VisitA 320-15. Dick 77.
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Die Besetzung des Reichskammergerichtes war nach dem Niedergang in den Jahren des aufflammenden Religionsstreits schrittweise von Karl V. auf seinen Bruder übergegangen. Der Kaiser führte zwar nach der Resignation des Kammerrichters Werner von Zimmern511 noch Gespräche mit Kandidaten des hohen Adels wie Ernst von Bayern. Als dieser absagte, überließ er die Suche einer geeigneten Richterperson dem römischen König.512 Jedenfalls zeigte König Ferdinand ab 1556 ein verstärktes Interesse an der Wiederbelebung des Gerichtes und der Besetzung mit geeigneten Personen, was über sein eigenes Besetzungsrecht als Landesherr (z. B. für Oberösterreich, vertreten durch die Innsbrucker Regierung) hinausging. Er stand mit den verbliebenen Beisitzern in brieflichem Kontakt und ließ sich von einem der erfahrenen württembergischen Assessoren, Graf Friedrich von Löwenstein, der offensichtlich während der häufigen Abwesenheit des auf Zimmern gefolgten Kammerrichters Bischof Johann Hoya von Osnabrück die Geschäfte führte, mehrfach über die inneren Zustände des Gerichts unterrichten.513 Löwenstein brachte sich durch diese regelmäßigen brieflichen Kontakte in ein Naheverhältnis zu Ferdinand, das seine spätere Laufbahn positiv beeinflussen sollte. Er war offenbar ein Bruder oder Vetter des Diplomaten und Mitglieds des Reichshofrats Ludwig Löwenstein.514 Friedrich Löwenstein klagte z. B. über die Arbeitslast, die durch die Untätigkeit anderer Assessoren verschärft wurde. So führte er Klage über den Abt von Hornbach, Antonius Graf zu Salm, der nie am Gericht erschienen sei, sein Beisit511 512
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RHR-Prot. XVI/11, 56r vom 5. 6. 1554. Werner von Zimmern war seit 1548 im Amt. Zu den Reichshofratsprotokollen grundlegend: Gross, Reichshofrat 247-260. RHR-Prot. XVI/ 11, 154rv: Darauf wurden der Bischof von Speyer und die Grafen Carl von Zollern, Haug von Montfort, Wolf von Öttingen und Wilhelm Truchsess ins Auge gefasst (11. 6. 1555). Man wollte bei einer Absage des Bischofs von Speyer aber auf einen anderen geistlichen Fürsten zurückkommen und dachte an den Bischof von Osnabrück. Dieser sei zwar noch etwas jung, aber trefflich gelehrt und eines guten ehrlichen Wandels und habe bereits Erfahrung bei Gericht. Auf ihn entfiel dann auch die Wahl. Er übernahm das Amt (ebd. 188), erfüllte aber nicht die in ihn gesetzten Erwartungen. Pantaleon, Teutscher Nation Heldenbuch 3. Teil, 464-466: Graf Friedrich von Löwenstein (1529-1569), Beisitzer seit 1554 (RHR-Prot. XVI/11, 90v). Wenn das Geburtsdatum richtig ist, wäre er bereits mit 25 Jahren Beisitzer am höchsten Gericht gewesen. Löwensteins Reichsgrafschaft war unter Herzog Ulrich von Württemberg mediatisiert worden, was Friedrich bei Ferdinand beklagte (RK-RTA 6/1, unfol.). Gschliesser, Reichshofrat 93; Im RHR-Prot. XVI/13, 32 (1560) scheint Ludwig von Löwenstein erstmals als Vorsitzender im RHR auf. Die Grafen Löwenstein entstammten einem alten Geschlecht, das einer morganatischen Ehe Kurfürst Friedrich d. Siegreichen von der Pfalz mit der Augsburger Bürgerstochter Klara Dett (†1520) entsprang. Ludwig I. (1463-1524) erhielt das pfälzische Amt Löwenstein, dem später von Ulrich von Württemberg die Reichsstandschaft entzogen wurde.
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zeramt aber auch auf Anmahnung hin nicht aufgeben wollte.515 Ferdinand reagierte und veranlasste den ebenfalls säumigen vorgesetzten Kammerrichter Johann Graf von Hoya, sein Leitungsamt zurückzulegen.516 Als Nachfolger für Bischof Johann Hoya hatte Ferdinand I. hochadelige Persönlichkeiten ins Auge gefasst, wie den Markgrafen Philibert von Baden, der das Angebot jedoch ablehnte.517 Das Amt des Kammerrichters übte auf den dafür primär vorgesehenen hohen weltlichen Adel keine besondere Anziehungskraft aus. Das lag vermutlich an der Anwesenheitspflicht in der Stadt Speyer und an den Arbeitsanforderungen. Ebenso mäßig war in Adelskreisen das Interesse für die Beisitzerfunktion, das eigentliche Amt des Urteilers. Friedrich Löwenstein und seine verbliebenen Kollegen machten sich ihrerseits Gedanken über die Besetzung des Gerichts und brachten gegenüber König Ferdinand einige Namen als Kandidaten für das Beisitzeramt ins Gespräch. Darauf gab es von Ferdinand zunächst keine Resonanz, was offenbar auch Löwenstein resignieren und an seinen Abschied denken ließ. Zusätzlich hatte aber auch Reichsvizekanzler Seld im Auftrag von König Ferdinand seine Anwesenheit in Worms 1557 genutzt,518 Erkundigungen über mögliche Kandidaten einzuziehen und eine Liste von neun Namen an den Hof übersandt.519 In diesem überaus ausführlichen Schreiben vom 23. 10. 1557 befasste sich Seld auch mit den Problemen, unter denen der Geschäftsgang des Kammergerichtes litt. Nachdem sich der Stand der Beisitzer als der eigentlichen Urteile fällenden Richter durch Hinzufügung von zehn Extraordinarii nahezu verdoppelt hatte, war die ordnende Hand einer
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Friedrich Löwenstein am 27. 2. 1557 an König Ferdinand. Schon zuvor, am 11.1. 1557 hatte er sich über seinen Kammerrichter Johann von Hoya, postulierten und bestätigten Bischof von Osnabrück, beim röm. König wegen dessen Überziehung des für mehrere Monate genommenen Urlaubs beklagt. Für seine neben der Beisitzertätigkeit mühevollen Amtsvertretung wurde er auch nicht eigens entschädigt, worüber er sich bei der Visitationskommission bitter beklagte (RK-RKG-VisitA 3205). RK-RKG-VisitA 320-5: Enthebungsschreiben Kg Ferdinands vom 1. 3. 1557; Seegrün, Art. Hoya, Johann Gf v., (1529-1574): ³LThK 5 (1996) 291: Neffe Gustavs I. von Schweden, Kammerrichter von 1. 5. 1556 bis Mitte 1557, danach Fürstbischof v. Osnabrück. Philibert, Markgraf von Baden-Baden seit 1536, gest. 1569. Ferdinand an Seld vom 25. 10.1557: Seld soll bei Bischof Dietrich von Worms wegen Übernahme des Richteramtes anfragen. RKG-VisitA 320-12: Seld an Ferdinand vom 23. 10. 1557 [stückeigene Paginierung 1-14]. In dem ausführlichen Brief analysierte der Reichsvizekanzler das Anforderungsprofil für das Kammerrichteramt, wobei er sich auch des Kanzleiverwalters Dr. Visch (auch Fisch) bediente.
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Führungspersönlichkeit mit Autorität umso dringlicher geworden.520 Die größere Zahl an Gerichtspersonen521 habe in der Vergangenheit die Geschäfte eher behindert als gefördert. Es hätte sich daraus einige Unordnung ergeben und andere Vorkommnisse, die Seld aber nicht nennen wollte, hätten sich breit gemacht. Sollte eine geeignete Person nicht zu finden sein, wäre es nach Selds Meinung besser, das Amt noch eine Zeitlang unversehen zu lassen. Im Hinblick auf die Qualifikation, die Seld bei der Charakterisierung der einzelnen Personen hervorhob, finden sich die Begriffe fein, fromm, ehrsam, geschickt, vernünftig, verständig, tapfer, gerecht als jene Eigenschaften, die einen geeigneten Amtsverwalter in Speyer auszeichnen sollten. An das Ende seiner langen Vorschlagsliste, an die zehnte Stelle, hatte Seld den Bischof von Merseburg, Michael HELDING , gesetzt.522 Er widmete diesem eine ausführliche Darstellung, wobei er auf Stärken und Schwächen einging und auch HELDINGS prekäre Situation im längst protestantisch gewordenen Bistum Merseburg erwähnte, wo sich der Bischof Selds Urteil zufolge auf verlorenem Posten befand. Wir gewinnen aus dieser Charakterisierung ein etwas deutlicheres Persönlichkeitsprofil HELDINGS . Interessant ist die Bemerkung Selds, dass ihm HELDING nicht von anderen Personen vorgeschlagen wurde. Dabei ist es gut denkbar, dass er sich mit den in Worms Anwesenden, vielleicht sogar mit Pflug, der HELDINGS Lage aus nächster Nähe beurteilen konnte, besprochen haben wird. HELDING erwies sich für Seld als Gelehrter, der seine große Kenntnis der Patristik gut in den religiösen Diskurs einbringen könne, aber die scharfe direkte Auseinandersetzung, wie sie die scholastisch geübten Rhetoriker und Polemiker suchten, eher scheute. Wenn Seld dem Theologen andeutungsweise auch juristische Erfahrung absprach, diesen Einwand aber dennoch für vernachlässigbar hielt, wird der Zwiespalt in der Besetzungsproblematik sichtbar, zumal Seld eingangs seiner Berichterstattung für das Amt des Kammerrichters neben Leitungskompetenz 520
521 522
Ebd. [2]: So sollen sich auch ain zeitt her allerhand unordnung und anders (so man mir gleichwol nitt melden will) bey dem gericht eingerissen haben, welches durch khain ander weg, noch mittel zu pessern, dann durch ain geschickt verstendig haupt, das seiner geschicklichaitt, Erbar und tapferkhaitt halben, ob gleich das nitt fürstenstands bey den personen ain authoritet und ansehen hab, die negotia verstee und für sich selbs die selben wiß zu Dirigiern und zu befürdern, auch die personen aine vor der andern zu erkhennen und der gebür nach zu der arbeitt und Expedition causarum anzuhalten und was wo immer abzuschaffen, auch in dem allen sich mit einen Jeden und etwo die sorglichkeit under dem hauffen, Irer affection nach laitten lasse. Von ursprünglich 16 war die Zahl der Assessoren 1548 auf 24 und temporär auf 32 Planstellen angewachsen. RKG-VisitA 320-12: Seld an Ferdinand vom 23. 10. 1557, [8-9]: Auszug HELDING betreffend.
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eben auch besondere fachliche juristische Fähigkeiten eingemahnt hatte. Die Besetzung des Kammerrichteramts war aber offensichtlich zu dringend, um noch länger aufgeschoben zu werden. Daher hatte Seld Fürstbischof HELDING trotz eigener Vorbehalte auf die Liste gesetzt. Der später ausbrechende Zwist wegen des Bekenntnisses des Kammerrichters war damals bei beiden Konfessionen noch nicht merkbar, sonst wäre der sehr hellhörige Vizekanzler womöglich auch auf dieses Thema zu sprechen gekommen. Seld ging auch noch auf das Problem der Nachbesetzung von Beisitzerstellen ein. Dazu plädierte er für eine individuelle Lösung der Besetzungen und empfahl, die sach nitt so eben nach der schnur zu ziehen. Würde eine passende Besetzung des Kammerrichteramtes gelingen, wäre die Beisitzerfrage zweitrangig. Der König entscheidet sich für HELDING Durch die so lange ergebnislos gebliebene Suche innerhalb der weltlichen Fürsten und wegen des offenkundigen Ungenügens der übrigen Empfehlungen war Ferdinand zum Handeln entschlossen und griff die Anregung des Vizekanzlers sofort auf. Er begrüßte den Vorschlag HELDING und stimmte in seinem Urteil mit Selds Charakterisierung überein. Der König schätzte den Bischof von Merseburg als einen Mann ein, der für das Amt des Kammerrichters gerade in der gegenwärtigen Zeit wegen seines Verstandes, seiner Tugend und Ehrbarkeit tauglich und geschickt genug wäre.523 Er forderte Seld umgehend auf, den noch in Worms agierenden HELDING für die Übernahme des Kammerrichteramts zu gewinnen. Eine weitere Nachricht sollte an den derzeitigen Verweser des Gerichts Friedrich Löwenstein ergehen und ihm unter den neuen Umständen den weiteren Verbleib bei Gericht nahelegen. Ferdinand stellte Löwenstein, der sich möglicherweise schon selbst in der Kammerrichterposition gesehen hatte, für ein Verbleiben als Beisitzer auf zwei oder drei Jahre eine neue angemessene Verwendung in Aussicht.524 Bereits eine Woche später, am 7. 12. 1557, berichtete Seld aus Worms, dass er den Bischof von Merseburg ernsthaft für die Richterfunktion interessieren konnte. HELDING war vorsichtig genug, nicht Hals über Kopf zuzusagen, sondern schrieb an König Ferdinand einen Brief, in dem er auf die seiner Meinung nach ungenügende ju523 524
RK-RKG-VisitA 320-5: Ferdinand an Seld vom 24. 11. 1557. RK-RKG-VisitA 320-13: Ferdinand an Friedrich Löwenstein vom 7. 3. 1558. Dieses Versprechen löste er am 29. Mai 1561 (nach Löwensteins eigenen Angaben) mit der Ernennung zum Kammerrichter als Nachfolger HELDINGS ein.
130 ristische Kompetenz zu sprechen kam.525 Zudem hielt er fest, dass er sich seinem Domkapitel und den Ständen des Stifts Merseburg verpflichtet fühle und daher den König bitte, an Herzog August von Sachsen, das Kapitel und die Stände in der Sache heranzutreten. Der König möge dem Kurfürsten als Schirmherrn des Stiftes ans Herz legen, das Stift während seiner Abwesenheit vor Schaden zu bewahren. HELDING wollte sichtlich keinen Anlass für die Auffassung bieten, er würde sich seiner Herrschaft auf Dauer begeben wollen. Zusätzlich war er sich offensichtlich auch über die künftige Gewährung seiner Besoldung und seines Unterhalts im Unklaren. Außerdem erbat er noch eine Frist bis Ostern 1558, um vor dem Dienstantritt das Nötigste im Stift zu bestellen. Am Ende seines Memorandums fügte er noch eine gewichtige Bedingung an: Sollte ihm nach Ablauf eines Jahres die Verrichtung des Kammerrichteramts zu beschwerlich (zuviel und ungelegen) sein, möge der König ihn wieder davon entlasten.526 Ferdinand ging auf die Wünsche HELDINGS ein und wandte sich, zumal er sich der prekären Lage des katholischen Oberhirten im Stift Merseburg bewusst war, sogleich an Kurfürst August und das Merseburger Domkapitel.527 HELDINGS Selbstzweifel suchte der König mit einem besonderen Lob der intellektuellen Fähigkeiten des Bischofs zu zerstreuen. Er räumte auch die Möglichkeit ein, ihm nach einem Jahr, allerdings bei Vorliegen besonderer Gründe, das Amt wieder zu erlassen.528 In einem weiteren Brief vom 6. 3. 1558 wies König Ferdinand den Bischof an, sich vor dem 1. 5. 1558 in Speyer einzufinden, und übersandte ihm zugleich das Kredenzschreiben zur Vorlage beim Kammergericht. Damit war die Entscheidung gefallen. Bevor er Merseburg verließ, verkaufte der Bischof noch seinem getreuen Sekretär Johann Töpfer ein Haus aus dem Stiftsbesitz.529 Das Domkapitel in Merseburg war mit der neuen Aufgabe seines Fürsten keineswegs einverstanden, wie wiederholte Demarchen bei Ferdinand I. zeigen. Eine bemerkenswerte Aktion verdient Erwähnung, mit der der Bischofsstuhl HELDINGS im katholischen Interesse während seiner Abwesenheit gestützt werden sollte: König Philipp 525 526 527 528 529
Dieser Brief vom 6. 12. 1557 (Tag S. Nicolai) findet sich nicht in den Akten. RK- RKG-VisitA 320-5: Or Memorial HELDINGS Zu gedencken als Beilage zum Brief Selds an König Ferdinand vom 7. 12. 1557. Ebd.: Ferdinand an Kurfürst August von Sachsen und separat an das Domkapitel je vom 27. 12. 1557. RK- RKG-VisitA 320-5: Ferdinand an Michael Bischof von Merseburg vom 28. 12. 1557. Es wäre möglich, dass HELDING schon damals nicht mehr an eine baldige Rückkehr nach Merseburg dachte. Töpfer vertrat den Bischof auf den Reichstagen 1555 und 1559 und setzte sich auch im Nachlassverfahren im Sinne HELDINGS ein.
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von Spanien hatte einen Bewerber, einen jungen Grafen Wilhelm von Schwarzburg, der gerade in Italien studierte, als Koadjutor für HELDING ins Spiel gebracht und Ferdinand I. diese Idee offenbar gutgeheißen. Von HELDINGS Reaktion ist nichts bekannt, das Vorhaben unterblieb.530
2. IM RICHTERAMT Die dreijährige Amtsführung531 HELDINGS in Speyer vom Mai 1558 bis April 1561 spiegelt sich in wenigen administrativen Dokumenten und in den Visitationsabschieden seiner Amtszeit.532 In Prozessakten tritt der Kammerrichter grundsätzlich nicht in Erscheinung,533 weshalb aus diesen Nachrichten über HELDING nur als Zufallstreffer zu erwarten sind. Er trat sein Amt am Freitag nach Jubilate in Speyer an534 und griff sogleich zur Feder, um den Antritt seines Dienstes zu melden, aber auch, um die nur mündliche Vereinbarung über die Dauer seiner Funktion festzuhalten. Fast gewinnt man den Eindruck, dass ihn die Annahme bereits ein wenig reute.535 Er verwies auf seinen kränklichen Zustand, aber auch auf seine Stiftsuntertanen, denen er sich verpflichtet fühle.536 Dieses Unbehagen wurde durch die verminderte Besoldung wohl noch verstärkt, zumal ihm der Pfennigmeister nur das Salär eines Mitglieds des gräflichen und nicht des fürstlichen Standes gewähren wollte. Die Präsentation auf das Beisitzeramt war in HELDINGS Amtszeit, wie zuvor erwähnt, bereits in das Fahrwasser des konfessionellen Gegensatzes geraten, weshalb jeder Kandidat einer genauen Prüfung durch seine entsendende Behörde ausgesetzt war. Die Augsburger Konfessionsverwandten hatten die Rolle des Reichskammergerichts in Religionssachen schon mehrmals beschnit530 531
532 533 534
535 536
Rademacher, Urkundenrepertorium Nr. 1345: Brief Ks Ferdinands vom 18. 3. 1558 an HELDING. Smend, Das Reichskammergericht 1: Geschichte und Verfassung (Weimar 1911); Prange, Vom Reichskammergericht in der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts (Köln – Weimar – Wien 2002); Jahns, Das Reichskammergericht und seine Richter (Gießen 1990/1991). Das Verwaltungsarchiv des RKG ist im Gegensatz zu den Prozessakten untergegangen. Seine prozessleitende Funktion spielt sich im prozeduralen Raum ab. Freitag nach Jubilate war nach dem alten Kalender der 6. 5. 1558. Einen Monat zuvor hatte HELDING in Merseburg eine administrative Vertretung für den bischöflichen Hof eingesetzt (Fraustadt 260). RK-RKG-VisitA 320-13: HELDING an Ferdinand vom 19. 5. 1558. Innerhalb von 3 Monaten verstarben 2 Personen aus seinem Gesinde, weshalb er das Haus wechselte.
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ten bzw. alternativ die Einstellung von Beisitzern ihres Bekenntnisses gefordert, was ihnen 1555 auch zugestanden worden war. Rechtsgrundlagen der Kammerrichterfunktion Die Tätigkeit HELDINGS als Kammerrichter war durch die Kammergerichtsordnung von 1548 in der Fassung und Ergänzung des Augsburger Abschieds von 1555 bestimmt. Ferner war die jährlich an Hand der Visitationsordnung vorzunehmende Überprüfung des Gerichts und der von der Visitationskommission erlassene Visitationsabschied maßgeblich. Auch die zuvor erlassenen Visitationsabschiede waren zu berücksichtigen. Auf der Grundlage der Gerichtsordnung inspizierte eine vom Erzkanzler jährlich für den 1. Mai berufene Kommission kaiserlicher und reichsständischer Mitglieder (Commissarii et Visitatores) die Arbeit des Gerichtspersonals, prüfte die Gerichtsverwaltung, nahm aber auch zu prozessualen Fragen kritisch Stellung und beeinflusste damit die formale und materielle Rechtsentwicklung. Insbesondere konnte die Kommission im Rahmen eines eigenen Revisionsverfahrens Urteilssprüche abändern und Sanktionen über das Gerichtspersonal verhängen.537 Die Reichskammergerichtsordnung war 1555 auf dem Augsburger Reichstag novelliert worden. Wichtigste Bestimmung war die Herauslösung von Religionssachen aus der Gerichtskompetenz. Diese sollten auf dem Reichstag administrativ behandelt werden. Jedoch erwies sich in der Praxis die Abgrenzung, z. B. in Vermögensfragen geistlicher Stände, kaum möglich. Daher wurden weiterhin derartige Causen an das Gericht herangetragen und auch angenommen, weil dem beschwerten Teil sonst nur der Weg eines Gravamen, das aber von einem ganzen Stand vorgetragen werden musste, oder eine schlichte Supplik verblieb. Eine weitere wesentliche Neuerung war der erwähnte Zugang für protestantisches Personal zu den Assessorstellen. Aufgaben des Kammerrichters538 Die Verwaltung des Richteramts stellte keineswegs eine rein repräsentative Aufgabe dar. Sie involvierte die Zuteilung des Arbeitsanfalls, die personelle Führung der verschiedenen Gerichtsangehörigen,539 die 537 538 539
Dick, 50-61; Mencke, Die Visitationen am Reichskammergericht im 16. Jh., passim: Das Prüfungsergebnis erging als Visitationsabschied an Kaiser und Kurfürsten. §§ 9-11 der RKGO 1548 legten die Aufgaben des Kammerrichters fest. Zum Verfahren vor dem RKG: Sellert, Art. Prozeß des Reichskammergerichts: HRG 4 (1990) 29-36. MEA-RKG 6 enthält offenbar für Visitationen angefertigte Personalstandslisten zur Zeit HELDINGS.
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Einschaltung von Exekutoren zur Durchsetzung von Beugemaßnahmen und vor allem die Obsorge für die generelle Prozessökonomie. HELDING selbst geriet persönlich in Disputationen mit dem Fiskal, der für die Gebarung des Gerichts verantwortlich war. Tiefgreifender und herausfordernder war die regelmäßige und bisweilen anmaßende Kritik der Visitatoren, die sowohl in personelle Angelegenheiten als auch in Gerichtsentscheide kraft ihrer Rügekompetenz eingreifen konnten. Von der Aufgabenstellung her kam das Gericht und damit in erster Linie der Kammerichter immer wieder mit den Mächtigen des Reichs in Konflikt. Eine besondere Herausforderung für das Reichkammergericht bedeutete die Aufgabe, über Berufungen in Moderationssachen, also Verschiebungen in der Lastenverteilung unter den Ständen, zu entscheiden, wozu sich das Gericht mangels der erforderlichen Entscheidungsgrundlagen kaum in der Lage sah. Kammerrichter HELDING brachte daher namens des Gerichts eine Supplik auf dem Reichstag 1559 ein, mit dieser Funktion ein anderes Reichsorgan zu befassen. Der Reichstag wies diese Eingabe HELDINGS schroff zurück, wie er es auch ablehnte, wegen anderer vom Gericht unter HELDING aufgeworfener Fragen zusätzliche Bestimmungen zu erlassen.540 Neben der Gerichtsverwaltung, in der ihm der unabhängige Fiskal und der Pfennigmeister zur Seite standen, hatte der Kammerrichter eine prozessleitende Funktion wahrzunehmen. Er dirigierte die Audienzen an jeweils drei Nachmittagen pro Woche (Montag, Mittwoch, Freitag). In diesen wurden die Umfragen unter den Prokuratoren durchgeführt und die Urteile verkündet. Alle Akten liefen über den Kammerrichter, er nahm sie an, teilte sie je nach Arbeitsanfall möglichst gleichmäßig zu, bestimmte Assessoren zum Studium, beurteilte den Fleiß und die Kompetenz der Beisitzer an Hand ihrer Vorträge. Er beaufsichtigte die Beisitzer in den Räten (Bescheidrat und Diffinitivrat),541 achtete auf die Präsenz und Einhaltung der Ratsstunden durch die Beisitzer und auf den ordnungsgemäßen Ablauf der Verfahren. Im Zentrum der ihm abverlangten Ziele stand die Prozessökonomie, die Vermeidung von Stillstand durch Terminverzug, durch die Verzögerungstaktik der beklagten Partei mittels unnötiger Wiederholungen von und in Schriftsätzen, überlang ausufernde Vorträge in den Räten etc. Der Kammerrichter entschied daher über Parteienanträge auf Terminersteckung (z.B. um Beweismittel vorzubrin540 541
Das betraf die Vertretung von Delegierten zur Visitation und die dem Gericht auferlegten Nachmittagssessionen, die Richter und Beisitzer gerne vermieden hätten. Der Diffinitivrat fällte Zwischen- und Endurteile, der Bescheidrat behandelte prozesstechnische Fragen.
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gen). Stellte er eine absichtliche Hinhalte- bzw. Verschleppungstaktik bei den Prokuratoren fest, konnte er über diese Strafen verhängen. Um Akten vor Verlust oder Verstoß zu sichern, hatte er zu bestimmen, wann die Gerichtsakten in das Archiv zu stellen und von dort zu entnehmen waren. Er allein gestattete den Lesern den Zugang zum Aktenarchiv (den zwei Gewölben).542 Wichtige Akten und Geschäftsvorgänge zu denselben hatte der Kammerrichter selbst in seinem Register zu führen und evident zu halten. Waren zwei Assessoren (Referent und Koreferent) bei einer Zwischenentscheidung gegenteiliger Meinung, hatte er zu entscheiden. Er musste verhindern, dass Supplikationen mit Judizialsachen vermengt wurden. Der Kammerrichter hatte auch die Qualifikation der Advokaten und Prokuratoren zu überprüfen. Diese sollten keine unnötigen Rechtssätze vorbringen, was der Kammerrichter durch Einsichtnahme in die Protokolle feststellen sollte.543 Wie schwierig es für den neuernannten Kammerrichter HELDING war, mit dieser Aufgabenfülle zu Rande zu kommen, klingt in Äußerungen gegenüber seinem Domkapitel durch, wo er von der beschwerlichen Mühe und dem nun dank der Geduld seiner Mitarbeiter langsam erreichten Durchblick spricht.544
2. 1. Visitation und Revision des Kammergerichts Schon bald nach seinem Amtsantritt wurde HELDING mit der Visitationskommission konfrontiert, deren alljährliche auf den ersten Mai angesetzte Prüfungstätigkeit das Gerichtspersonal stark forderte. Die Visitation erstreckte sich auf den gesamten Wirkungskreis des Gerichts und wurde unter der Leitung kaiserlicher Kommissarien von rechtskundigen Delegierten aller Stände vorgenommen. Prüfungsgegenstand war die Einhaltung der Reichskammergerichtsordnung einschließlich des administrativen Bereichs, wie etwa die Kontrolle der 542
543 544
DRTA.JR 18/2 (Nr. 116) 1284: Die Archivordnung 1548 (Punkt 30) gibt einen Einblick in die vorkommenden Prozessmaterien, soweit die diesbezügliche Akten von den beiden Lesern zu beaufsichtigen waren: Unexpedierte Sachen betreffend Fiskus, Mandata, Friedensbruch, Vergewaltigung und Entsetzung der Geistlichen und Weltlichen aller oder mehrerteils ihrer Güter, Possession, Gerechtigkeit und Herkommens etc., Simplices Querelae, Kompromiss oder Bewilligung an das ksl Kammergericht, Anrufung des bracchium saeculare sollen im ersten Gewölbe aufbewahrt werden. Das zweite war für Appellationssachen reserviert. Im Gewölbe sollte auch die Geldtruhe des Fiskals stehen. Das zeigt, wie sehr HELDING doch von den rechtskundigen Beisitzern abhängig war. Vgl. Briefe HELDINGS vom 24. (oder 31.) 5. und 19. 8. 1558 an sein Domkapitel.
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Gebarung des Fiskals und des Pfennigmeisters. Die Kommissionsmitglieder hatten sich ihrerseits an die Bestimmungen der Kammergerichts- und der Visitationsordnung zu halten und konnten ihrerseits bei Verstößen vom Kammerrichter gerügt oder bei mangelnder Legitimation abgewiesen werden. In der Amtszeit des Kammerrichters HELDING ergingen drei Visitationsabschiede und ein Visitations- und Deputationsabschied. Als einer der ersten Fälle seiner Tätigkeit fiel ihm das heikle Problem zu, die ordnungsgemäße Zusammensetzung der mit 1. 5. 1558 tagenden Kommission zur Visitation und Revision zu überprüfen. Mangels eigener Erfahrung musste er sich auf die Beurteilung seiner Beisitzer verlassen, die vermutlich gerade dem neuen Kammerrichter ihre besondere Normenkenntnis demonstrieren wollten. Jedenfalls veranlasste der bis dahin das Kammerrichteramt vertretungshalber verwaltende Beisitzer Friedrich Graf Löwenstein den eben sein Amt antretenden Bischof HELDING , den nicht juristisch befähigten Vertreter des oberländischen Grafen- und Herrenstands mangels der geforderten Qualifikation zurückzuweisen. Da dieser aber auf seinem Prüfrecht beharrte, weigerten sich Kammerrichter und Beisitzer, sich von ihm als einer juristisch unqualifizierten Person, die überdies der lateinischen Sprache nicht mächtig wäre, examinieren zu lassen.545 Da es zu keiner Einigung kam, rief die Kommission den Kaiser an.546 Daraufhin wurde die gesamte Visitation auf das Folgejahr 1559 verschoben. Doch auch in diesem Jahr hatte der Kammerrichter Mitglieder der wieder ab 1. 5. 1559 tagenden Kommisssion zu bemängeln und nicht zuzulassen. Entscheidend für die Probleme des Jahres 1559 wurde aber ein anderer mit der sogenannten Revision zusammenhängender Umstand (siehe im Folgenden), der zum Rückzug von Kommissionsmitgliedern führte, sodass das Gremium handlungsunfähig wurde, worauf der gerade Session haltende Reichstag angerufen wurde. Dieser hieß die Rumpfkommission ihre laufende Visitation fortzusetzen, die Revision als Urteilsüberprüfung wurde jedoch abermals auf das Folgejahr 1560 verschoben. Zur Visitation 1559 war HELDING ein knappes Jahr im Amt und hatte eine Reihe von Problemen übernommen. Auf Grund einer bereits bei der Visitation 1556547 festgestellten Ansammlung unerledig545 546 547
Leeb, DRTA, Reichsversammlungen 3 (Nr. 547) 1331-1340; Mencke, Visitationen 98. RK-RKG-VisitA 320-12 (Protestatio vom 15. 5. 1558). RK-RKG-VisitA 320-10: Die Stellungnahme des Gerichts zum Visitationsabschied war dem den Kammerrichter vertretenden Beisitzer Friedrich von Löwenstein anvertraut worden.
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ter Endurteile hatte ein eigener Deputationstag in Speyer 1557 eine befristete Aufstockung des Personals um 16 [an anderer Stelle 10] Assessoren verfügt und auch neue Artikel zu den Fragstücken hinzugefügt. Die Proposition zum Reichstag 1559 verwies im Punkt Reichskammergericht auf Beschwerden, die noch vom vorherigen Reichstag in Regensburg 1556/1557 stammten und auch auf jenem der Reichskammergerichtsordnung gewidmeten besonderen Deputationstag 1557 nicht gelöst worden waren. Der Reichstag 1559 befasste sich deshalb in einem Hauptartikel speziell mit der Kammergerichtsordnung und mit den Beschwerden, die routinemäßig beim Gericht eingegangen waren. HELDING , der seiner Standespflicht als Fürst auch am Gericht nachkommen musste, plagten finanzielle Probleme. Nachdem er zu wiederholtem Male im Wege des Erzkanzlers an den Fiskal herangetreten war, dieser aber stereotyp auf die Stände als seine Auftraggeber verwiesen hatte, blieb ihm nichts anderes übrig, als direkt an den Kaiser wegen seiner zu niedrigen Einstufung zu supplizieren.548 Revisionsverfahren Die besondere, im zeitlichen Zusammenhang mit der Visitation stattfindende Urteilsüberprüfung stellte das Instrument der Revision dar,549 die von Parteien beim Erzkanzler wegen vermeintlich fehlerhafter Gerichtsentscheide gegen das Gericht eingebracht werden konnte. Diese Revision richtete sich gegen die Richter bzw. Assessoren persönlich und konnte bei Bestätigung der Vorhalte absichtlichen Fehlverhaltens oder grober Negligenz dem betroffenen Urteiler höchst abträglich werden. Dieses Beschwerdeinstrument stellte faktisch einen außerordentlichen Rechtszug gegen das ansonsten letztinstanzliche Urteil dar. War die Revision einer Partei erfolgreich, bedeutete das Abänderungs- und Aufhebungsvotum einen persönlichen Tadel gegenüber Kammerrichter und Beisitzern, die sogar mit Bestra548
549
RK–RKG-VisitA 320-13: HELDING beklagt bei Ferdinand (19. 7. 1558) die Haltung des Pfennigmeisters, der ihm den Sold des Vorgängers nicht gewähre, erklärt sich jedoch trotzdem bereit, dem Wunsch des Königs entsprechend länger als ein Jahr im Amt zu bleiben. Die Bitte, ihm das Richteramt in absehbarer Zeit aber wieder zu erlassen, hält er weiter aufrecht. MEA-RelS 5b-2, 153r-154r: Im Brief vom 14. 1. 1559, in dem er sich für den Reichstag entschuldigt (Datum der Weiterleitung an den Erzkanzler 30. 3. 1559), konkretisiert er seinen Wunsch, die Verantwortung des Amtes bis zum Herbst wieder abgeben zu können, wobei die Enttäuschung über die Besoldung und ein wieder aufgetretenes Leiden vermutlich gleichermaßen demotivierend wirkten. RKGO 1548, [53].
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fung zu rechnen hatten.550 Es verwundert nicht, dass diese darin eine Herabsetzung ihrer Würde mit negativen Auswirkungen auf das Ansehen des Gerichts erblickten und sich darüber bei Kaiser Ferdinand I. beklagten.551 In HELDINGS erster Amtsperiode stand ein spezieller Fall dieser Art an, bei dem die Kommission des Jahres 1559 sich zunächst selbst wegen Befangenheit auflöste.552 Wie ernst man die Verfahrensfragen, insbesondere die Legitimation der entsandten Deputierten, beim Gericht nahm, zeigt der Vorfall rund um den Lehensprozess, in dem Markgraf Johann von Brandenburg-Küstrin als Prozesspartei und dessen Bruder, Kurfürst Joachim von Brandenburg als delegierendes Kommissionsmitglied betroffen waren. Es ging um die Frage, ob ein Vertreter des Hauses Brandenburg bei der Entscheidung über das Rechtsmittel der Revision in Sachen seines eigenen Adelshauses in der Kommission überhaupt mitwirken konnte. Als Kurfürst Joachim zwei Visitationsräte zur Revision entsandte hatte, entschied Kammerrichter HELDING auf Unvereinbarkeit wegen der Verwandtschaftsnähe, obwohl die prozessbeklagten Gebrüder Borck, Lehensnehmer der Brandenburger, ihr Einverständnis dazu im Voraus erklärt hatten. Die Visitationskommission selbst konnte sich nicht einigen und der Kammerrichter trat an den Kaiser heran, der aber wiederum auf den Reichstag verwies. Der Kurfürstenrat verwarf den Entscheid des Kammerrichters und bemerkte spitz, dieser hätte den Fall nicht an den Reichstag gelangen lassen dürfen. Der Fürstenrat pflichtete dagegen HELDING mit dem Argument bei, dass diese Form von Umgehung der Unvereinbarkeit dann auch für die niederen Stände gelten würde.553 Am Ende trug der Kammerrichter den Sieg davon, da der Kaiser auch dieses Mal die Vertagung der Revision auf das Folgejahr anordnete.554 Die Befangenheitsfrage wurde aber auch im darauffolgenden Visitationsabschied vom Juni 1560 und dem eigens anberaumten Visitations- und Deputationsabschied vom Dezember 1560 bis zum Ausscheiden HELDINGS nicht mehr gelöst. Am Instrument
550
551 552 553 554
Außerordentliches Rechtsmittel gegen Urteile des RKG war neben der Revision auch die Syndikatsklage, die sich gegen einen bestechlichen oder sonst schuldhaft handelnden Urteiler richtete. RK-RTA 44, 405r (Besoldungssupplik vom 14. 1. 1559); RK-RTA 42, 263r-264v (Bittgesuch in Visitationsangelegenheiten vom 26. Mai 1559). Smend 1, 192. Die Rumpfkommission brachte die Visitation dann doch noch mit einem Abschied zu Ende. Leeb, DRTA, Reichsversammlungen 3 (Nr. 548) 1344-1346. Ebd. 3 (Nr. 651) 1673-1675.
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der Revision, das HELDING im Namen des Gerichts in Zweifel gezogen hatte, ließ der Kaiser jedoch nicht rütteln.555 Prüfungsprogramm in Form der Fragstücke Um einen Eindruck von der Vorgehensweise der Kommission und damit auch Einblick in das Spektrum der Aufgaben und Probleme des Kammerrichters zu erhalten, ist ein Blick auf den Fragenkanon zu werfen, mit dem HELDING bei der Visitation konfrontiert wurde. Die Visitatoren verfolgten ihren Prüfungsauftrag an Hand von sogenannten Fragstücken, einer im Lauf der Jahre entwickelten Zusammenstellung gleichbleibender Fragen, die aus dem Text der Gerichtsordnung, insbesondere der Reichskammergerichtsordnung 1548 und der Novelle 1555, und aus Visitationsabschieden entnommen und formal abgehandelt wurden.556 Aus diesen Interrogatorien lässt sich das hier näher interessierende Tätigkeitsspektrum des Kammerrichters und der Beisitzer gut erfassen. In HELDINGS Amtsperiode fanden z. B. Articul unnd Interrogatorien 1558 Anwendung, eine Liste mit 179 kasuistischen Fragen, überschrieben mit Gemein Fragstück daruf Cammerrichter unnd all ander Cammergerichtspersonen zufragenn.557 Beigefügt sind Newe Articul auß dem Abschiedt der Deputation daruber der Cammerrichter und Beysitzer zu hörenn mit weiteren 98 Fragen.558 Examinierung des Kammerrichters Die Liste beginnt mit dem Thema Religion. Es wird beim Kammerrichter erhoben, ob dem Gericht Personen angehören, die nach dem Abschied 1555 dem Gericht nicht angehören dürfen. Da der Friede 1555 sich exklusiv auf die dem Augsburgischen Bekenntnis anhängenden Personen bezog, waren alle Anhänger von Sekten, wohl aber auch Juden und andere am Gericht nicht zu dulden.559 Die nächsten Fragen dienten der Beurteilung des Kammerrichters selbst und zei555 556 557
558 559
RK-RKG-VisitA 320-16: Kaiser Ferdinand I. an Kammerrichter vom 8. 7. 1559. MEA-RKG 13: Der aktuelle Fragebogen wurde jeweils ex antiquis interrogatoriis ergänzt. Die Liste erfasste das gesamte Personal: Kammerrichter, Beisitzer, Prokuratoren, Kanzleiverwalter, Notare, Protonotare, Fiscal, Advokaten, Leser, Sekretäre und Ingrossisten, Botenmeister, Boten, Kanzleiknecht, Pfennigmeister, Pedell. Da die meisten Fragen, nicht nur die ihn spezifisch betreffenden, auch an den Kammerrichter gestellt wurden, wird der zeitliche Aufwand für HELDING erheblich gewesen sein. Auf dem Deputationstag 1557 beschlossen. Ebd. Randnummer 1.
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gen einen höchst modernen Zug. Es wird seine Führungsqualifikation und die Ausübung seiner Amtsbefugnisse geprüft. Durch Befragung seiner nächsten Mitarbeiter erkundet die Kommission seine Geschicklichkeit und Vertrautheit in den Bräuchen und Gewohnheiten der deutschen Nation,560 sein Verständnis der Gerichtsordnung und seine Leitungskompetenz. Die Kommission erhob die Einhaltung der Verfahrensweise beim Fällen der Urteile (Sitzordnung der Beisitzer in den Räten, Referierungspflicht), ob der Kammerrichter darauf achte, dass die Beisitzer an Audienztagen pünktlich um 12 Uhr im Rat erscheinen und die Bescheide zeitmäßig so abgehört würden, dass Richter und Beisitzer ab 13 Uhr wieder zu Gericht säßen, ob der Kammerrichter ein Register über die Verteilung der Akten führe, woraus zu ersehen sei, wer für Referierung bzw. ein Koreferat verantwortlich sei, ob jeden Samstag die diffinitive oder auf Interlokute561 beschlossenen Akten den Lektoren und Beisitzern ausgeteilt würden, ob die Bearbeitung der Akten ihrem Eingangsdatum entsprechend vorgenommen werde. Man erkundigte sich, ob auch die Armensachen der Ordnung gemäß verteilt würden, ob der Kammerrichter im Rat auf die Relationen und Voten der Beisitzer aufmerksam höre und achte, dass keine Verzögerungen eintreten, ob durch Nachlässigkeit und überflüssige Disputationen, Beschuldigungen und Wiederholungen unnötig Zeit vertan und andere Relationen dadurch aufgehalten würden, ob der Kammerrichter andererseits selbst den referierenden Beisitzern ins Wort falle oder zulasse, dass Assessoren einander behindern. Die Prüfer erhoben, wie die Koreferenten eingesetzt werden, ob bei der Abfrage der Voten nicht unnötig lang argumentiert und repetiert würde, ob der Kammerrichter Kontroversen unter den Beisitzern unterbinde, ob er mit den Beisitzern darauf achte, dass nicht zwecks Exekutionsvereitelung mutwillig appelliert werde und ob in diesen Fällen Strafen verhängt würden. Es wurde geprüft, ob er zur selben Zeit mehr als einem Beisitzer Urlaub gegeben habe, ob die Akten während des Urlaubs einem Vertreter zum Referieren aufgegeben würden, ob er den Lauf der den Beisitzern zum Referat gestellten Akten überwache und mit untauglichen, säumigen, unfleißigen Beisitzern nach der Ordnung verfahre, ob er auch die Prokuratoren in Schranken weise, keine unnötigen Rechtshandlungen zu setzen. 560
561
Hier ist wohl auf die Rechtsbräuche gemäß den partikularen Land- bzw. Stadtrechten etc. Bezug genommen, die neben dem subsidiären Pandektenrecht anzuwenden waren. Mit Interlokut (Beiurteil) wird eine Nebenfrage entschieden, während das diffinitive Urteil (Endurteil) das Verfahren abschloss.
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Es interessierte die Kommission auch, ob der Kammerrichter sicherstelle, dass die Protonotare dem Vortrag der Prokuratoren in ihrer Niederschrift sicher folgen können, ob er den Prokuratoren lange mündliche Vorträge gestatte und Rezess zulasse und in solchem Fall nicht auf schriftlichem Vortrag bestehe, ob er Prokuratoren außerhalb der Reihe reden lasse und ob er einander schmähenden Prokuratoren die gebührende Strafe auferlege. Die Visitatoren fragten weiter, ob der Kammerrichter darauf sehe, dass Beisitzer und Prokuratoren nicht bei einander Erkundigungen einziehen, sondern die ihren jeweiligen Pflichten entsprechende Distanz wahren. Ob er schließlich die Prokuratoren bei Verstößen gegen die Ordnung vor dem Rat, Gericht oder gegenüber der Kanzlei zur Einhaltung zwinge und auch strafe. Schließlich wurde gefragt, ob der Kammerrichter gegen Personen, die zu Unwillen und Zank Anlass geben, mit dem Rat der Beisitzer kraft seiner Amtsgewalt ernstlich vorgehe, Spaltung verhüte und Freundschaft und Einigkeit unter den Gerichtspersonen erhalte, ob er bei Säumnis und Übertretung der Gerichtsordnung Strafen verhänge und durch den Pedell einziehen lasse. Am Ende werden abseits der Frageliste Erkundigungen eingezogen, was am Kammerrichter allenfalls noch zu bemängeln wäre. In gleicher Weise werden die Vorsitz führenden Räte aus dem Kreis der Grafen und Freiherren am Gericht, die auch Präsidenten genannt werden, überprüft. Dabei wird erkundet, ob einer aus ihrem Kreis die Fähigkeit zur Vertretung des Kammerrichters besitzt. Dann werden ähnliche Fragen wie beim Kammerrichter gestellt. Prüfung der Beisitzer Das Fragstück setzt sich weiter mit jeder einzelnen Person innerhalb gleicher Gruppen auseinander. Nach dem Kammerrichter und den Präsidenten werden die einzelnen Beisitzer examiniert. Die Visitatoren wollen wissen, ob der Beisitzer als Urteiler in seinem Wesen und Wandel seinem Stand entsprechend gelehrt, tapfer, erfahren, tauglich und verständig sei, fünf Jahre Rechtsstudium mit Universitätsabschluss aufweise und Praxis als Advokat und Prokurator besitze. Ob er im Referieren seiner Sachen geschickt sei, oft ein singuläres Votum abgebe und sich generell der Ordnung gemäß halte. Viele bereits dem Kammerrichter gestellte Fragen, vor allem zur Prozessbeschleunigung, kehren mit dem Fokus auf den einzelnen Assessor wieder. Die Kenntnis des materiellen Rechts, des kanonischen und des gemeinen Reichsrechts, der jeweiligen Landrechte, Statuten und des Gewohnheitsrechts der Territorien und Herrschaften, aus denen die
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Rechtssache stammte, setzte eine umfassende Ausbildung voraus, über die sich die Kommission ebenfalls ein Bild zu machen hatte. Eine wichtige Frage betraf die Unabhängigkeit des Beisitzers: Auf Grund der langen Verfahrensdauer ist die Bestimmung nicht ungewöhnlich, dass ein Beisitzer in derselben Causa nicht bereits vertreten haben durfte. Dies war ein Fall von Befangenheit. Ferner wurde geprüft, ob der Assessor den Parteien vor oder nach dem Urteil Ratschläge erteilte, ob er Rechtssachen willkürlich in die Länge zog oder sogar Geschenke annahm. Die Kommission versuchte festzustellen, ob er sich von Kurfürsten und Fürsten und anderen Ständen aus Furcht oder durch Drohung abhalten ließ, gegen sie ein Urteil auszusprechen. Auch die Lebensumstände des Beisitzers interessierten: ob er jemanden entgegen der Ordnung bei sich im Haus habe oder mit jemandem ungewöhnliche Gemeinschaft pflege. Ähnliche Fragen wurden zur Gerichtskanzlei gestellt und betrafen die Tauglichkeit des dortigen Personals und die Führung der Urteilsbücher und Protokolle. Latente und offene Probleme Die meisten Punkte betrafen die Durchsetzungsfähigkeit des Kammerrichters und seiner untergebenen Leitungskräfte, die sich in der Prozessökonomie nach außen hin niederschlug. Indirekt lassen die Fragstücke auch etwas von den klimatischen Bedingungen, die am Gericht herrschten, verspüren. Die Konstruktion des Kammergerichtes, die gewollt unterschiedliche Rollen von Amtspersonen aus allen Ständen und ab 1555 überdies aus beiden Konfessionen unter einem Dach vereinte und gleichzeitig die Rollenträger gegeneinander auftreten ließ, musste auch ein Forum für latente und offene Konflikte unter den am Gericht Tätigen bilden. Dazu kam die ständige Überforderung durch die wachsende Prozessflut. Auch die Zahl der juristisch Gebildeten in der Gesellschaft nahm nach der Wiederbelebung und Neugründung der Universitäten zu, regte die Prozesslust an und verschärfte den Wettbewerb unter den rechtskundigen Personen innerund außerhalb des Gerichts.
2. 2. Visitationen in HELDINGS Amtszeit (1559, 1560, 1561) Die Visitationskommission 1559562 hatte auch das Gerichtsjahr 1558 einzubeziehen, dessen Prüfung wegen des Qualifikationsproblems in562
Mencke 99: Berufen waren neben Kaiser und Kurmainz die Vertreter für Kurbran-
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Kammerrichter Helding
nerhalb der Kommission unterblieben war.563 Sie beendete ihre umfangreiche bis in Details gehende Tätigkeit mit 1. 8. 1559. Kammerrichter HELDING wusste inzwischen, dass er noch länger im Amt zu verbleiben habe, und musste sich daher mit den Feststellungen der Kommission ausführlich befassen. Man gewinnt den Eindruck, dass die Prüfer HELDING als Neuling mit Respekt und Wohlwollen behandelten, aber doch eine gewisse Neigung des Kammerrichters zum raschen Nachgeben und zu großzügiger Auslegung von Vorschriften kritisierten, die wohl dem Wunsch HELDINGS nach Konfliktvermeidung in seiner neuen Umgebung entsprang. Die zahlreichen an den Kammerrichter gerichteten Empfehlungen im Visitationsabschied betrafen eine stärkere persönliche Einflussnahme auf Beisitzer und Prokuratoren. Hauptkritikpunkte in den Feststellungen der Prüfkommission waren zeitabsorbierende bürokratische Verhaltensweisen. So konstatierte man einen Arbeitsstau in der Kontumazumfrage, der durch einen zusätzlichen Gerichtstag verringert werden sollte. Da dies nur zu Lasten der Zeit für das Aktenstudium gehen konnte, widersprach HELDING zunächst dem Vorschlag. In der weiteren Folge stellte es die Kommission dem Gericht anheim, wann und wie es zu einem zusätzlichen Audienztermin gelangen könnte. Am Ende gab es einen Kompromiss. Die grundsätzliche Frage nach der Weiterbeschäftigung der Extraordinarii Beisitzer bejahte die Kommission, da der Aktenrückstau nach wie vor nicht bewältigt und sogar ein Anwachsen von neuen Causen festzustellen war. Sie stellte die Entscheidung aber dem Reichstag anheim, da die veranschlagten Mittel inzwischen aufgebraucht waren. Im Mai 1560 zeigte die Kommission schon bekannte Mängel erneut auf (das allerhandt delationes unndt substitutiones, uberschreyttungen der Excusationen zugelassen, auch untauglich Mandata unndt producta einpracht werdenn). Im Dezember 1560 erschien sie ein weiteres Mal, um die unerledigte Frage der Revision Brandenburgs zu behandeln. Die Visitationskommission bestand in diesem Fall wegen der verordneten Deputation aus rechtskundigen Repräsentanten aller Reichsstände sowie aus den drei kaiserlichen Kommissaren, angeführt vom Reichshofratspräsidenten Carl von Zollern,564 dem vorderösterreichischen Kanzler Johann Ulrich Zasius565 und dem Mitglied des Reichshof-
563 564 565
denburg, Pfalzgraf Wolfgang von Veldenz, die schwäbischen Grafen, die schwäbischen Prälaten, Stadt Straßburg sowie der Bischof von Bamberg in persona. Siehe Anm. 545. Fellner – Kretschmayr 228: Der Reichserbkämmerer Carl von Zollern wurde erster RHR-Präsident. Meußer, Für Kaiser und Reich. Johann Ulrich Zasius (1521-1570) als Rat und Ge-
Im Richteramt
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rats Dr. Thomas Schober.566 Der Visitations- und Deputationsabschied vom 24. 12. 1560 betraf das zweite volle Dienstjahr des Kammerrichters HELDING und kann als Beispiel für die Vorgehensweise und die von den Visitatoren getroffenen Feststellungen in Sonderfällen gelten.567 Die Kommission berief sich eingangs ihres Berichts, der wie gewohnt in der Rechtsform eines Abschieds erging, auf die durch den Reichstag 1555 beschlossene Novelle zur Reichskammergerichtsordnung.568 Der auf diese hin erfolgte Visitationsabschied 1556 hatte etliche Beschwerden konstatiert, auf die das Gericht repliziert hatte. Eine Behandlung auf dem Reichstag 1556 war jedoch aus mehreren Gründen unterblieben. Deshalb war die Visitation auf das Folgejahr 1557 prorogiert und einer eigenen Deputation übertragen worden.569 Dem Kammerrichter HELDING wurde wieder die Frage vorgelegt, ob die Extraordinarii Beisitzer, die 1558 eingestellt worden waren, noch weiter vonnöten seien. Das Gericht wehrte sich vehement gegen ihre Abschaffung und plädierte im Gegenteil für eine weitere Aufstockung. Die Kommission erinnerte jedoch wieder an die Erschöpfung der dafür einmalig bereitgestellten Mittel. Der Pfennigmeister könne die Dezember-Entlohnung nicht mehr leisten. Letztlich setzte sich HELDINGS Ansicht durch und der Reichstag beschloss die Beibehaltung der außerplanmäßigen Beisitzer bei gegebenem Personalstand. Eine Beamten-Denkschrift Einen Einblick in die bürokratischen Auswüchse, die auch unter HELDING offenbar fortbestanden, liefert eine Denkschrift des Advokaten Amand Wolf (Volphius).570 Darin zeigte dieser auf, dass Gerichtspersonen zu den vorgegebenen Terminen oftmals abwesend waren, wodurch die Ordnung der Relationen durcheinander gerate, und dass
566 567 568
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sandter der Kaiser Ferdinand I. und Maximilian II. (Husum 2004). Dr. Thomas Schober war Mitglied des Reichshofrats (vgl. Gschliesser, Reichshofrat 96). Die RKG-Visitationsakten sind eine eigene archivalische Kategorie im Bestand der Reichskanzlei. Der Abschied vom 24. 12. 1560 ist unter 321a archiviert. §§ 104-110 des Augsburger Vertragswerks 1555 handeln von der RKGO: Es wurde festgeschrieben, dass der Zugang zum RKG auch den Verwandten der Augsburgischen Konfession offen steht und die Besetzung des Gerichts künftig durch beide Konfessionen erfolgen wird. Mencke 98: Insbesondere wurde auch die Befangenheit vormaliger Beisitzer als Visitatoren geregelt. RK-RKG-VisitA 321a, Konvolut Zu befurderung des gerichtlichen Process solt oder möcht noth unnd diennstlich sein. Dorsalvermerk: Amandi Volphij Bedenckhen. Kammerrichter und Beisitzern zuzustellen. Conclusum Spirae in consilio commissariorum ac visitatorum (22. 6. 1560).
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Kammerrichter Helding
wegen Terminversäumnis überflüssige Submissionen vom Kammerrichter zugelassen würden. In seiner Darstellung des Aktenlaufs wird der überaus komplexe bürokratische Vorgang sichtbar, an dem auch HELDING offenbar nur wenig verändern konnte. Die Visitation vom 1. -- 20. 5. 1561571 hatte das letzte Arbeitsjahr HELDINGS zum Gegenstand.572 Ein seit dem Augsburger Religionsfrieden strittiges Thema waren die anhängigen Verfahren um Kirchen- und Klostergut, die Freizügigkeit von Untertanen, die ihrer protestantischen Konfession wegen zum Weichen genötigt wurden, aber über ihre Habe nicht mehr verfügen durften (Verletzung des ius emigrandi). Dieses Problem mündete auf der politischen Ebene in die Forderung der Protestanten nach allgemeiner Freistellung. In den protestantischen Herrschaften wiederum wehrten sich landsässige Stifte und Klöster sowie auswärtige Einkunftsberechtigte durch Anrufung des Reichskammergerichts gegen die Reformierung bzw. den Entzug der Einkünfte, wogegen die protestantischen Stände das ius reformandi geltend machten. Es gab auch zahlreiche im Religionsfrieden nicht eigens explizierte Fälle wie z. B. die direkt dem Papst unterstellten Orden. Ein wiederkehrendes Thema am Reichskammergericht war die Aufbringung der Mittel für das Gericht im Gefolge der jährlich zu erneuernden Finanzierung. Wiederholt gerieten beitragspflichtige Stände mit dem Kammerzieler in Rückstand, was sich auf die Besoldung des Gerichtspersonals auswirkte. Das Kanzleipersonal beklagte die gestiegene Arbeitsbelastung durch die ihm zusätzlich übertragene Eintreibung des Baugelds, der Türkenhilfe und des Reiterdienstes neben vermehrten Prozessmonitorien und Executorialen und bat z. B. 1560 um eine Ergötzlichkeit, wie sie schon früher gewährt worden war.573 Eine andere dem Gericht unter HELDING vorliegende äußerst komplizierte Prozessmaterie war der in politische Dimensionen reichende Streit zwischen dem Ritter Wilhelm von Grumbach, der lange Zeit im Dienst des inzwischen verstorbenen Markgrafen Albrecht 571
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Angabe bei Meußner, Zasius 464-465: Zwischen 26. und 30. 4. 1561 traf Zasius Kammerrichter HELDING in Bad Geislingen. Dort übergab er ihm die kaiserliche Aufforderung, nach Wien zu kommen. Zasius hielt sich dann auch noch ein weiteres Mal von 7. 5. - 19. 5. 1561 zur Visitation in Speyer auf, bei der HELDING bereits durch Hans von Pollweiler interimistisch vertreten wurde. Diesmal waren als kaiserliche Kommissare neben Johann Ulrich Zasius Wilhelm Truchsess von Waldburg und der Straßburger Kanzler Christoph Mellinger bestellt. Bf Dietrich von Worms, Christoph Philipp Zott von Perneck, Domkapitular Wolfgang Dalberg, Johann Gienger, Peter Zonnß, Wolff von Schierstett, Johann Jakob Han und Hermann Pechtold fungierten als weitere Mitglieder. RK-RKG-VisitA 321a: RKG-Kanzleipersonen an Kaiser Ferdinand I. (vor Sept. 1560).
Im Richteramt
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Alkibiades gestanden war, und der fränkischen Einung um Rückgabe der durch den Bischof von Würzburg eingezogenen Güter Grumbachs.574 Wiederholte Klagen und Suppliken Grumbachs, die von den brandenburgischen Fürsten unterstützt wurden, erbrachten keine Einigung, weshalb die Entscheidung des Reichskammergerichts gesucht wurde, die aber unter HELDING nicht mehr zustande kam. Ein Qualitätsurteil über den Kammerrichter In den drei Gerichtsperioden (Mai 1558 – Mai 1561) arbeitete das Gericht unter HELDING ohne besondere Auffälligkeit weiter. Die von Wolfgang Prange aus der Zahl der jährlich ergangenen Urteile abgeleitete Produktivität hält sich mit 811 (1558), 642 (1559) und 559 (1560) Gerichtsentscheiden bei sinkender Tendenz durchschnittlich im Rahmen der vor- und nachgelagerten Jahre.575 Der Rückgang gegenüber dem Jahr 1558 wird durch den Überhang an entscheidungsreifen Fällen im ersten Jahr erklärt, die durch die Extraordinarii rasch erledigt werden konnten. In schwebenden Verfahren wirkte sich der vermehrte Personalstand hingegen nicht mehr so deutlich aus. Andererseits dürfte der Kammerrichter HELDING , wenngleich ihm kein Remedium gegen die Prozessverschleppung zu Gebote gestanden war, in der Durchsetzung seiner möglichen Handhaben auch nicht besonders konsequent und durchschlagskräftig agiert haben, wie die regelmäßig mahnenden Empfehlungen der Visitatoren zeigen. Sein zumindest jährlich wiederkehrendes Gesuch um Ablösung wird überdies der Motivation auf Seiten des Gerichtspersonals nicht dienlich gewesen sein. Die alten Urteilssammlungen von Raphael Seiler und Andreas Gaill vermitteln einen Überblick über die Art von Prozessentscheidungen zu Verfahren, die in der Amtszeit HELDINGS abgeführt wurden, lassen aber keine Beobachtung zur Person des Kammerrichters zu.576 Überdies sind nur die wegen juristischer Relevanz ausgewählten Prozesse aufgenommen. Auch die noch vor der Amtszeit HELDINGS begonnenen Beobachtungen des gelehrten Assessors Joachim Mynsinger, die, nach dem kaiserlichen Privileg zu schließen, vor
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575 576
Leeb, DRTA, Reichsversammlungen 3 (Nr. 710) 1849-1855: Grumbach war auch der Anstiftung zur Ermordung des Würzburger Bischofs Melchior Zobel von Giebelstadt am 14. 4. 1558 verdächtigt worden. Prange, Die Urteile des Reichskammergerichts 1495-1587 (Köln 2002) 17-18. Werkmüller, Art. Urteilssammlungen: HRG 5 (1998) 622-628, hier 623.
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dem Ende des Jahres 1561 verfasst wurden, treffen zum Kammerrichter keine Aussagen.577
2. 3. HELDINGS Wunsch nach Entlassung Die Tätigkeit des Kammerrichters, die eine Fülle von Konfliktstoff nach innen und außen in sich barg, dürfte HELDING nicht leicht gefallen sein, wie er denn schon bald nach seinem Amtsantritt im Mai 1558 den Wunsch nach Ablösung nach dem einen Jahr, zu dem er sich vorweg verpflichtet hatte, äußerte. Bis es tatsächlich dazu kam, fügte er sich jedoch in die Mühen seines Amtes, das ihm dann doch trotz der wiederkehrenden Klagen über seine Gesundheit drei Jahre auferlegt bleiben sollte. Was hier stärker wog, die Sorge um sein Stift, das Ärgernis mit dem Amt oder sein körperliches Leiden, das HELDING in den Briefen durchklingen lässt, muss offen bleiben. Demgegenüber stand seine unverbrüchliche Treue zu Ferdinand I., dessen Wünschen er sich immer fügte. In seine Zeit als Kammerrichter fällt der Augsburger Reichstag 1559.
3. REICHSTAG ZU AUGSBURG 1559 (3. 3.–19. 8. 1559) Der letzte Reichstag578 zu Lebzeiten HELDINGS wird hier nur im Hinblick auf den Kammerrichter betrachtet, obwohl die Verhandlungen ein Spiegelbild der Verhältnisse im Reich liefern, wie sie sich während der zwei Jahrzehnte des mehr oder weniger öffentlichen Wirkens des Bischofs im Reich ergaben. An erster Stelle ist die Fortschreibung der tiefen Spaltung Deutschlands anzuführen, zu deren Überwindung mehrfache Anläufe, immer auf kaiserliche Initiative, unternommen wurden, die aber im Grunde nie auf Akzeptanz und aufrichtige Kompromissbereitschaft gestoßen waren. Hinter dem auf beiden Seiten wiederkehrenden Schlagwort Vergleichung verbargen sich unvereinbar gewordene Vorstellungen. In diesen zwei Jahrzehnten konnten die 577
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Mynsinger, der von seiner Beisitzerstelle 1556 als Hofjurist nach Braunschweig wechselte und 1563 auch an einer RKG-Visitation teilnahm, fasste in seinen Observationen 1563 jeweils eine Centurie von Rechtssätzen zusammen. Seiler, Bei- unnd Endurthayl 1572, gliederte chronologisch. Der schon unter HELDING tätige Assessor Andreas Gaill (auch Gayl) ordnete seine Urteilssammlung von 1578 dagegen sachbezogen. Leeb, DRTA, Reichsversammlungen 1556-1562, 2-3: Der Reichstag zu Augsburg 1559.
Reichstag zu Augsburg 1559
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weltlichen Kurfürsten ihre Position zulasten einer zentralen Steuerung des Reichs, vor allem mangels einer kaiserlichen Durchgriffsmöglichkeit gegen abtrünnige Stände, und zulasten der geistlichen Stände (Verlust von kirchlichen Jurisdiktionsgebieten) festigen und ausbauen. Eine Folge davon war, dass sich ab 1555 zunehmend eine Trennung von Staat und Religion durchsetzte, die über Jahrzehnte einen friedlichen Status convivendi durch eine Ausgewogenheit der Kräfte bewirkte. Katholische Reform Die Reform der katholischen Kirche, die mit großem Elan in allen Kirchenprovinzen mit den Synoden 1548/1549 angestoßen worden war, hatte in den folgenden Jahren wieder an Kraft verloren. Gleichzeitig schärfte die Abwendung großer Teile der Reichsbevölkerung von der una sancta ecclesia andererseits bei einzelnen katholischen Ständen selbstkritische Potenziale und machte schöpferische Kräfte frei (z. B. beginnendes Wirken von Jesuiten), die der Alten Kirche neues Leben einflößten. Zunächst war bei den Klerikern anzusetzen und mussten die unfähigen Organe durch fachlich geeignete glaubenstreue Prälaten ersetzt werden. Dazu dienten die Visitationen in den Provinzen und Diözesen, auch wenn sie der katholischen Seite die schmerzliche Erkenntnis erbrachten, dass manche Territorien unwiederbringlich neugläubig geworden waren. Schon im Verlauf der Frankfurter Verhandlungen um die Kaiserwahl 1558579 hatte Ferdinand I. den geistlichen Kurfürsten die Notwendigkeit weiterer Reformen ans Herz gelegt. Auf einem daraufhin dem Reformthema eigens gewidmeten Tag der drei geistlichen Kurfürsten in Bingen kam in den Überlegungen der Räte auch der nunmehrige Kammerrichter HELDING ins Spiel.580 Auf dem Reichstag 1559, der unter dem Vorzeichen des gescheiterten Religionsgesprächs von Worms 1557 stand, ließ sich HELDING als Merseburger Fürst wieder durch seinen gelehrten Rat und Sekretär Johann Töpfer vertreten. Mit der durch die Kurfürsten förmlich angenommenen Abdankungserklärung581 Kaiser Karls V. waren auch alle Lehensverhältnisse 579 580
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Kurfürstenversammlung vom 25. 2. bis 19. 3. 1558 anlässlich der Kaiserwahl. MEA-RelS 5b-2, 47r-48r: Memoriale vom 14. 9. 1558 der in Bingen versammelten Räte der 3 geistl. Kurfürsten zur weiteren Vorgehensweise nach dem ksl Reformappell unter Einbeziehung des Kammerrichters. Die Zurückweisung der Resignation Karls V. durch Papst Paul IV. und Verweigerung der Anerkennung des Kaisertums und der Vogtei Ferdinands I. führte zu schweren Spannungen des Hofes mit Rom, die sich erst mit dem Einlenken des nachfolgenden Papstes Pius IV. lösten. Vgl. dazu die kirchengeschichtlich bemerkenswerte Ex-
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Kammerrichter Helding
aufgehoben und mussten daher im Namen des Nachfolgers Ferdinand I. neu begründet werden, so auch jenes für HELDING in Bezug auf Merseburg. Die Reichshofkanzlei nutzte den passenden Anlass der Neuausstellung der kaiserlichen Belehnungsurkunden, um die von den kursächsischen Räten stereotyp angefochtene Reichsunmittelbarkeit des geistlichen Fürstentums Merseburg neuerlich zu unterstreichen.582 Für ihren vom Reichskammergericht in Speyer unabkömmlichen Herrn leisteten seine Räte den Lehenseid.583 Eröffnung der Wormser Akten Unter Bezugnahme auf das gemäß dem Regensburger Abschied 1556 gehaltene Wormser Kolloquium 1557 und dessen Abbruch betonte die Reichstagsproposition, dass allen Ständen Einsicht in die bei der Mainzer Kanzlei verwahrten Akten gewährt werde.584 Nach nunmehr vierzigjährigem Zwiespalt innerhalb der christlichen Religion sollte endlich eine Vergleichung und Einigung angestrebt werden und Fürsten und Stände hiezu Mittel und Wege suchen.585 Die Proposition ließ das aufgehobene Konzil ebenso wie ein neuerliches Religionsgespräch unerwähnt und appellierte an den Reichstag, zu einer Vergleichung zu gelangen. Kurfürsten, Fürsten und Stände sollten sich zu diesem Behufe nochmals mit den bisher nicht veröffentlichten Akten des Wormser Gesprächs auseinandersetzen. Mit dieser, seiner ersten Proposition als Kaiser ließ Ferdinand I. aufhorchen, erinnerte er doch an die Vorläufigkeit des Augsburger Friedens von 1555. Stände plädieren für die Beibehaltung des status quo In einer realistischen Einschätzung aller bisherigen fehlgeschlagenen Bemühungen setzten die Stände beider Konfessionen in ihrer
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pertise des Vizekanzlers Georg Sigmund Seld Außfuhrliches bedencken von wegen der zwischen den Röm. Keysern und denen Päbsten enthaltenen vielfaltigen Jrrungen und Mißverstendnissen (HHStA Hs blau W 604 [Aufschrift Erskein] und Hs weiß W 293 [lat. Fassung]; dazu auch Leeb, DRTA, Reichsversammlungen 1: Kurfürstentag zu Frankfurt 1558 (Einleitung) 180-192 (die vorgenannte Quelle darin nicht verzeichnet). Belehnungsurkunde vom 1. 8. 1559 (RHR-Reichslehensakten, deutsche Expedition 174). Reichsregister Ferdinand I. Band 11 (1557-1563) 207r: Lehensgesuch und Eid vom 17. 4. 1559. Der Grund dafür waren nachträglich von den Parteien eingesandte Schriften, in denen die Verantwortung für das vorzeitige Gesprächsende der jeweils anderen Seite angelastet wurde (vgl. v. Bundschuh 502-506). Leeb, DRTA, Reichsversammlungen 2: Reichstag zu Augsburg 1559 (Nr. 85) 538540.
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Antwort ihre Hoffnung zwar weiterhin auf das Konzil, hielten aber gleichzeitig an der Gültigkeit des Passauer Vertrages von 1552 und des Friedens von 1555 fest. In einer eigenen Ergänzung erklären auch die Protestanten, dem Konzilsgedanken weiter verpflichtet zu bleiben, aber darunter nur ein allgemeines freies, sicheres, christliches, unparteiisches, ökumenisches Konzil auf deutschem Boden zu verstehen, das nicht vom Papst und den ihm eidlich verpflichteten Geistlichen bestimmt würde. Sie müssten mitentscheiden können und dürften nicht überstimmt werden. Da aber solche Bedingungen bisher in Mantua und Vicenza (1537–1539) sowie in Trient (1545 bis 1548 und 1551 bis 1552) und auch derzeit nicht gegeben erscheinen, würden die protestantischen Stände es beim Passauer Vertrag und dem Augsburger Frieden bis zu anderer Gelegenheit und besserer Zeit bleiben lassen. Wohl wollte man aber die inzwischen aufgetretenen gegenseitigen Beschwerden (Gravamina) behandeln. Darauf antwortete der Kaiser nicht minder deutlich, dass er weder auf die Prozedur des Konzils einen Einfluss nehmen, noch Bedingungen setzen wolle, worauf die Protestanten begehrten, einen Hinweis auf das Konzil im Reichsabschied überhaupt entfallen zu lassen. Dem trug der Kaiser schließlich Rechnung. Der Reichsabschied vom 19. 8. 1559 erwähnt den fruchtlosen Ausgang des Wormser Kolloquiums und hält den Entschluss fest, diesmal (!) die Religionsfrage unter Aufrechterhaltung des Passauischen Vertrages 1552 und des Religionsfriedens von 1555 bis zu einer besseren Gelegenheit zu vertagen. Für Bischof HELDING war damit eine allenfalls noch gehegte Erwartung, eine Veränderung der Situation auf Grund der Augsburger Bestimmungen in seinem Stift anbahnen zu können, praktisch obsolet geworden. Reformappell des Kaisers Kaiser Ferdinand I. nutzte den Reichstag 1559, um den katholischen Fürsten die Wiederaufnahme von Reformschritten energisch abzuverlangen. In einer ausführlichen Nebenproposition sprach er die generellen Mängel im Klerus an.586 Hohe Stellen des geistlichen Standes werden in simonistischer Weise an unfähige und ungeschickte Personen vergeben, was der Kirche großen Schaden zufüge und vielen ehrlichen, frommen Menschen den Weg in ein kirchliches Amt versperre. Die geistlichen Stände begründeten in ihrer Antwort das bisherige Scheitern der Reform damit, dass auf Grund der veränderten 586
Leeb, DRTA, Reichsversammlungen 3 (Nr. 602) 1581-1588.
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Verhältnisse der weltliche Arm seine Unterstützung zur Durchsetzung der geistlichen Jurisdiktion vielfach entzogen habe und Visitationen behindert würden. Es müsse aber auch wieder die Disziplin der Laien mit Hilfe der weltlichen Macht eingefordert werden. Gleichwohl nahmen die Vertreter der katholischen Stände die Vorstellungen des Kaisers auf und bildeten noch während des Reichstages einen eigenen Arbeitsausschuss zur Reform.
4. WIEDERBELEBUNG DER REFORMNOTEL VON 1548 Nicht lange nach seiner Amtsübernahme in Speyer im Mai 1558587 war Kammerrichter HELDING wieder mit der Kirchenreform befasst worden. Erzbischof Daniel Brendel von Mainz hatte ihn mit der Leitung einer Theologenrunde aus den vier Erzstiften Mainz, Trier, Köln und Salzburg beauftragen wollen,588 welche die zehn Jahre alte kaiserliche Reformnotel von 1548 überarbeiten sollte, und er hatte HELDING ersucht, sich für eine Konsultation zur Verfügung zu stellen. In der Werbung des Erzbischofs kam das beachtliche Ansehen zum Ausdruck, das der nunmehrige Kammerrichter als Theologe für die Kirchenreform besaß. Andererseits war auch Daniels Eingeständnis vielsagend, keine geeigneten Personen aus seinem Umfeld für diese Aufgabe benennen zu können.589 In seiner Antwort vom 16. 10. 1558 wollte HELDING dem Wunsch trotz seiner heiklen Position nachkommen. Er hatte seinem Schreiben einen Index titulorum eines Reformdokuments beigelegt, das er im Anschluss an das Wormser Religionsgespräch 1557 zu Anfang 1558 noch in Merseburg zusammengestellt hatte. Mit Begleitschreiben vom 6. 11. 1558 hatte er Kurfürst Daniel auf dessen Ersuchen das Conzept, wie ich dasselbe daheim zu merseburg zusamengezogen, übermittelt.590 Die Theologengruppe war daraufhin zu 587 588 589
590
Die kaiserliche Ernennung war am 7. 5. 1558 erfolgt. HELDING hatte das Amt bis 29. 5. 1561 inne. RelS 5b-2,59r-62v: Ebf Daniels ausführliche Instruktion vom 4. 10. 1558 zur persönlichen Werbung bei HELDING. Pfeilschifter, Revision 321, zitiert Erzbischof Daniels Urteil über HELDING: MEARelS 5b-2, 64v (Brief vom 10. 10. 1558): [Er] sei eine gutte zeitt in geistlichen sachen, der heiligen geschrifft, der christlichen lehr und kirchenpreuchen geubt und erfaren, hievor bei vilfaltigen derogleichen handlungen und beratschlagungen gewesen, darin gepraucht, geubt, fur andern erfahrn und beruembt. Pfeilschifter, Revision 317-318. Der volle Titel der Schrift HELDINGS, die in Mainz vermutlich mehrfach kopiert wurde, lautet: Formula reformationis cleri et populi per provintias Archiepiscopatuum Germaniae N.N.N.N. Eine Kopie des Textes entdeckte Pfeilschifter im StA Würzburg, Mainzer Urkunden, Geistl. Schr. 20/17, 1r-80r. Ein Autorenhinweis ist an der Archivalie nicht ersichtlich. HELDINGS Autorenschaft
Wiederbelebung der Reformnotel von 1548
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HELDING nach Speyer gereist, um die alte Formula von 1548 zu überprüfen und unter Einbeziehung des HELDING -Textes zu revidieren, sie hatte ihr Vorhaben aber wegen durchziehender Truppen abbrechen und auf den bereits angekündigten Reichstag vertagen müssen. Damit war HELDINGS Anteil an der Neubearbeitung der Reformnotel erschöpft. Die weiteren Schritte fanden ohne ihn statt.
Pflug bringt die Reformnotel zu Ende Unter dem Vorsitz von Julius Pflug wurde von März bis Juli 1559 beraten.591 Als Arbeitsgrundlage diente die HELDING -Formel, die in der Kommission als Liber Merseburgensis bezeichnet wurde. Nach einem intensiven Auftakt geriet das Projekt wieder ins Stocken. Kaiser Ferdinand I. drängte aber auf ein beschleunigtes Verfahren und legte den geistlichen und weltlichen katholischen Ständen seine Reformvorstellungen vor.592 Am 7. 6. 1559 beauftragte Kurfürst Daniel Brendel persönlich Pflug mit der Weiterführung der Beratungen.593 Dieser fasste in einer programmatischen Einleitungsrede vor den Ausschussmitgliedern seine Überlegungen zum Reformvorhaben zusammen.594 Die Zusätze der Formula nova Die wesentlichen Zusätze zur Reformnotel von 1548 in der Formula nova von 1559595 betreffen die Verantwortung für die Besetzung höherer Kirchenstellen (Zugang zum Episkopat nur für Geweihte, obligatorische Eignungsprüfung für alle hohen Stellen), Verbesserungen im pastoralen Bereich, Empfehlungen für Predigthilfsmitteln wie Bücherlisten, insbesondere auch die Herausgabe von Katechismen, fer-
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kann aus dem Briefwechsel mit Ebf Daniel vom Oktober und November 1558 zufolge der darin für HELDING charakteristischen Bezeichnung Titel und Capitel, letztlich auch an inhaltlichen Merkmalen erschlossen werden. Vgl. Smolinsky, Michael HELDING: Kath. Theologen der Reformationszeit 2, 132-133. MEA-RelS 5b-2, 116-121 enthält das Protokoll der Mainzer Kanzlei. Leeb, DRTA, Reichsversammlungen 3 (Nr. 622) 1582-1588. Ebd. 2 (Nr. 495) 1217: Pflug, der sich seit Anfang Jänner 1559 in Augsburg aufhielt (ebd. 1, 289) wird gebeten, ut negotio reformationis manum apponere velit, quod ille minime recusat, quin omnem suam operam moguntino, herbipolensi et caeteris omnibus in tam salutari et ecclesiae necessario negotio pollicetur nusquam defuturam. Suadet modis omnibus, ut in hoc negotio reformatio Caroli V. Augustae anno 1548 proposita statibus ecclesiasticis ab iisque recepta et approbata tanquam regula habeatur et, ubi commodum visum fuerit, aliqua ex merseburgensi reformatione vel etiam adiiciatur. Pflugs Rede, in der er eingangs zu einer Reform der Schulen aufruft, bevor er die Missstände im Klerus anspricht, bei Pfeilschifter, Revision 326-347: StA Würzburg, Mainzer Urkunden, Geistl. Schrank 18/20. Leeb, DRTA, Reichsversammlungen 2 (Nr. 505 und 506) 1230-1232.
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Kammerrichter Helding
ner Verbesserungen des Lehrbetriebs an Universitäten und Kollegien. Mehrere Abschnitte wurden zur Gänze aus HELDINGS Reformentwurf übernommen. Das Kapitel über Benefizien wurde erweitert. Im Übrigen wurde der Text der kaiserlichen Reformnotel von 1548 belassen.596 Am 19. 7. 1559 wurde die erweiterte Formula in Form eines Nebenabschieds verkündet und als Separatdruck veröffentlicht.597 Was vom 80 Doppelseiten umfassenden Liber Merseburgensis für eine Charakterisierung des Reformtheologen HELDING von Bedeutung ist, bleibt einer Analyse hier im ZWEITEN TEIL vorbehalten.
5. SÄCHSISCHE BESCHWERDE GEGEN DEN KAMMERRICHTER Im Rahmen der Supplikationen an den Reichstag kamen Prozessfragen zur Reichskammergerichtsordnung zur Sprache, die den Kammerrichter HELDING in seiner Funktion persönlich betrafen. Neben der ungewollten Prolongation des Dienstes und der zögerlichen Behandlung der Besoldungsfrage bescherte die Reichsversammlung 1559 HELDING zusätzliches Ungemach, indem sich dieser unerwartet heftiger Kritik an seiner Amtsführung ausgesetzt sah, die der Weimarer Gesandte Eberhard von der Thann als Wortführer in einer Beschwerde gegen den Kammerrichter erhob. Diese Beschwerde der Räte des ernestinischen Herzogs Johann Friedrich des Mittleren weitete sich zu einem Eklat aus. In der Supplik sprach die sächsische Delegation dem Kammerrichter ad personam das Misstrauen aus. Er sei ein massiver Gegner ihrer Konfessionsverwandten, der sein richterliches Amt unmöglich gerecht und unparteiisch führen könne. Schließlich sei er wie alle katholischen geistlichen Stände eidlich an den Papst gebunden, ein Umstand, der sich in der Rechtsprechung für die Augsburger Konfessionsverwandten nachteilig auswirken müsse. Daher verlange man seine Ablösung. Der Kernsatz des Vorbringens lautete, eine geistliche Person dürfe nicht in weltlichen Angelegenheiten urteilen. Da der Kammerrichter im Namen des Kaisers, somit eines weltlichen Herrschers handle,
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Während man eingangs noch um einzelne Worte rang, wurden im Juli ganze Kapitel der alten Formel diskussionslos unverändert belassen (Protokoll: MEA-RelS 5b2, 118r-120v). Benutztes Exemplar: Formula Reformationis ecclesiasticae, in Comitiis Augustanis Anno M.D.LIX quibusdam adiectionibus aucta, & locupleta (Franz Behem, Mainz 1559) (Wien ÖNB 13.F.27).
Heldings Ringen um eine gebührende Besoldung
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dürfe er auch nur dessen profanem Stand angehören.598 Die Schrift wurde am 15. 6. 1559 im Fürstenrat eingebracht und rief sogleich große Empörung auf katholischer Seite hervor. In einem zweiten Schreiben wiederholte von der Thann die Vorhalte gegenüber HELDING direkt unter Namensnennung.599 Der Gesandte des Stifts Merseburg Dr. Johann Töpfer protestierte als persönlicher Vertreter HELDINGS energisch und geschickt mit einer Defensionsschrift gegen diesen Vorwurf,600 aber auch die geistlichen Stände im Kurfürsten- und Fürstenrat fühlten sich durch den Vorhalt der Eidesbindung an den Papst in besonderer Weise angegriffen. Sie sahen bereits den Religionsfrieden in Frage gestellt, und begehrten eine Klarstellung von Herzog Johann Friedrich d. Mittleren. Selbst der kurfürstlich sächsische Vertreter hielt die persönliche Attacke auf Bischof HELDING für unangebracht und empfahl den Kaiser einzuschalten. Dieser ließ in der Folge in Weimar rückfragen, ob die Räte zu einer dermaßen scharfen Stellungnahme überhaupt autorisiert gewesen seien. Das waren sie wohl inhaltlich, wenn auch nicht der Form nach gewesen, weshalb die katholischen Vertreter nun mit dem Abbruch des Reichstages drohten, sollte keine Entschuldigung an die Adresse HELDINGS erfolgen. Man verlangte eine öffentliche Zurechtweisung von der Thanns wegen Überschreitung seiner Befugnis. Johann Friedrich d. Mittlere lenkte, zumindest was den Ton betraf, ein: Er habe solchen furgefallenen misvorstandt nicht gerne gehort. Wolten auch am libsten, das derselbige vorblibenn wehre.601 Schon zuvor hatte der Herzog seinem Rat von der Thann eine Entschuldigung nahegelegt. HELDING selbst hatte den Kaiser in einem sehr emotionellen Schreiben um Schutz gegen die ehrverletzenden Vorwürfe der Parteilichkeit gebeten und gegen sich selbst eine Untersuchung seiner Tätigkeit als Kammerrichter begehrt.602
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RK-RTA 42, 316r-320r; Bucholtz 7, 455-457. Leeb, DRTA, Reichsversammlungen 3 (Nr. 629) 1602-1604: Verner ist, das auch die warheit und offentlich am tag, dz alle cardinel, bischoven und clerici dem babst zu Rom mit hochstem erschröckhlichen und grewlichsten aids pflichten zum hertesten verstrickht und verpunden seind – wie es dann der hochwierdigist herr Sidonius alls ain bischove zu Merßeburg nit wurdet khonnen vernainen, sonnder dz er in religions sachen nit allain partheyisch, sonder unser religion zum höchsten zuwider, im nechsten colloquio zu Wormbs wie dann die acta desselbigen außweißen, genuegsam hat beweiset. Ebd. (Nr. 630) 1604-1606. HELDINGS Vertreter Dr. Töpfer bat den Kaiser um Intervention, da HELDING nur auf dessen Wunsch seinen Dienst am Reichskammergericht verlängert habe. (MEA-RelS 5b-3 197r-198r). HHStA-Staatenabteilung, Saxonia 5, 66r-67v. RK-RKG-VisitA 320-14: HELDING (Or) an Ferdinand I. vom 5. 1. 1559.
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Ferdinand I. nahm den Vorfall sehr ernst und veranlasste auf den Wunsch des Kammerrichters hin eine Prüfung durch die Visitationskommission. Er ließ auch, obwohl er selbst an HELDINGS Untadeligkeit nicht zweifelte, die Beisitzer zum Vorhalt gegen den Kammerrichter befragen.603 Deren Bericht bescheinigte HELDING eine völlig einwandfreie Gestion.604 Diese Einschätzung wurde von der zugleich tagenden Visitationskommission vollen Inhalts bestätigt und dem Kammerrichter ein glänzendes Urteil ausgestellt.605 Kaiser Ferdinand, der den sächsischen Gesandten früherer Verdienste wegen schätzte, wollte es selbst übernehmen, diesen zu rügen (ein ernstlich furhalten thun zu lassen).606 Mag HELDING in der Unterstützung durch den Kaiser, die katholischen Stände und das Votum der Beisitzer eine Anerkennung seiner Person und Arbeit empfunden haben, so verstärkte der Vorfall doch seinen Wunsch, im Richteramt endlich abgelöst zu werden. Da der Kammerrichter in dem Beschwerdeverfahren völlig rehabilitiert wurde, sah der Kaiser aber keinen Anlass, sich der Suche nach einem Nachfolger allzu intensiv zuzuwenden. Sorge um das Stift HELDING hat sich als Kammerrichter keineswegs von der Mersebur-
ger Administration entbunden gefühlt, sondern traf auch von Speyer aus Entscheidungen im Stift.607 Dieser Umstand ist insoferne bemerkenswert, als die Reichskammergerichtsordnung vorsah, dass sich der Kammerrichter in seinem Amt von allen anderen Geschäften fernhalten sollte. Dies hatte allerdings auch schon der Vorgänger Johann von Hoya anders gehalten. HELDING nahm also weiter Einfluss auf die Vergabe von Lehen, die Auswahl von Beamten und auf wirtschaftliche Entscheidungen in Merseburg. Ein überaus reger Briefverkehr mit den Herren des Domkapitels zeigt, dass der Fürst sein Stift und seine Administratoren unter Kontrolle zu halten bedacht war. Er gab Anweisungen zu sparsamem Wirtschaften, versuchte den Einfluss der sächsischen Hofbeamten, die auf Merseburger Güter aspirierten, zu beschneiden, und trachtete da603 604 605
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Ferdinand I. an die Beisitzer des Reichskammergerichts vom 11. 7. 1559. MEA-Rel 5b-3, 200rv. RK-RKG-VisitA 320-20: Kommissionsbericht an den Kaiser vom 2. 8. 1559 (HELDING ist ein über jeden Verdacht der Parteilichkeit erhabener, hochverständiger Herr von hochbegabtem Verstand, der mit Erfahrung, Ernst und emsigem Fleiß sein Amt verrichtet.) MEA-Rel 5b-3, 135r-150r: Protokoll der kath. Stände. Rademacher, Urkundenrepertorium Nr. 1368: So zog er das schon mehrfach genannte Kloster SS. Petri et Pauli in der Altenburg wegen schlechten Wirtschaftens mit ksl Bewilligung in die Stiftsverwaltung.
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nach, den Hof von den übernommenen Schulden zu entlasten. Dies war nicht einfach für ihn, da er mit der eigenen Besoldung von zunächst nur 2000 Gulden für sein Richteramt die notwendigen Auslagen nicht decken konnte, zumal er damit auch seine persönlichen Bediensteten in Speyer unterhalten musste. Erst mit der rückwirkenden Erhöhung auf 3000 fl. konnte er seine Haushaltung besser bilanzieren. Wirtschaftliche Themen bildeten daher auch den Schwerpunkt des Briefverkehrs zwischen Speyer und Merseburg, während die geistliche Verwaltung nicht thematisiert wurde.608 HELDING suchte sichtlich in Speyer aus der stärkeren Position auch einigen Nutzen für die eigene Stiftsregierung zu ziehen. Ein eklatanter Fall von Ausschöpfung seiner Funktion ist die Vollstreckung, die auf einen widerrechtlich errichteten Mühlenbau geführt werden sollte. Hier scheint er auf die Erteilung eines kaiserlichen Mandats Einfluss genommen zu haben. Dem Domkapitel gab er dazu verfahrensmäßige Empfehlungen, wobei einmal nicht konfessionelle Motive im Vordergrund standen.609
6. HELDINGS RINGEN UM GEBÜHRENDE BESOLDUNG Schon drei Monate nach seinem Amtsantritt wollte der neue Kammerrichter sein Amt bei erster Gelegenheit wieder aufgeben. Er klagte über die schwere Bürde und gesundheitliche Probleme, auslösend dürfte aber die persönliche Enttäuschung über die Honorierung des Amtes gewesen sein.610 Schon in seiner Meldung des Amtsantrittes vom 19. 5. 1558 hatte er die Haltung des Pfennigmeisters beklagt. Die Reichskammergerichtsordnung unterschied die Höhe der Besoldung des Kammerrichters nach dessen Stand. Amtsträgern aus dem Ritteroder Herrenstand waren jährlich 2000 fl. zugesichert, ein Kammerrichter aus dem Fürstenstand sollte einen Aufschlag auf 3000 fl. beziehen. In der Person HELDINGS , eines Prälaten von nichtadeligem Herkommen, sah der zuständige Pfennigmeister offenkundig einen 608
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HELDING gab Anweisung, Einnahmen und Ausgaben ordentlich zu erfassen und beauftragte den Kammermeister damit. Auch ließ er sich eine Liste aller an der Tafel teilnehmenden Personen einschließlich des Futteraufwandes für Pferde nach Speyer senden. Erlangung eines kaiserlichen Mandats gegen den Bau einer Mühle, der den Stiftsinteressen oder HELDINGS persönlichen – vgl. den Mühlenerwerb seines Vetters Hans Sauter – zuwiderlief: HELDINGS Brief vom 22. 1. 1560 an das Domkapitel Merseburg (DStA Merseburg C 3, Lit. E 3, Nr. 2, 174rv). RK-RKG-VisitA 320-13: Brief HELDINGS an Ferdinand I. vom 19. 7. 1558. Der Pfennigmeister würde sich auf ein Verzeichnis berufen, in dem er, HELDING, nicht aufscheine. Der Kaiser antwortete am 7. 8. 1558, er werde sich vom Pfennigmeister berichten lassen.
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ungewöhnlichen Sonderfall, in dem er daher ohne ausdrückliche Weisung durch die Reichsstände nur die Normalbesoldung zuerkennen wollte. Auch dies kann als Hinweis auf die für übliche Verhältnisse außerordentliche Standeserhöhung gesehen werden, die HELDING durch die Berufung in das Fürstentum Merseburg erfahren hatte und die offensichtlich auch für einen Kleriker innerhalb des Reiches aus der Reihe fiel. Andere Inhaber von Bischofssitzen waren durchwegs aus dem Freiherren- und Grafenstand, wenn sie nicht der Sekundogenitur des Hochadels entstammten. Diese Erhebung des Müllerssohns Michael HELDING bestätigt die Anerkennung, die ihm von seinen Promotoren, vor allem den beiden habsburgischen Kaisern, zuteil wurde. Andererseits ist zu ersehen, dass ihm diese nicht von allen Seiten gezollt und zugebilligt wurde. Um sich den Standesregeln eines Fürsten gemäß verhalten zu können, war er auf regelmäßige Einkünfte angewiesen. Er selbst vergaß seine Herkunft und die Armut seiner Jugend nicht und wirtschaftliche Ängste scheinen ihn immer gedrückt zu haben. So stellte die finanzielle Absicherung für ihn zeit seines Lebens ein ständig wiederkehrendes Thema dar. Ob und wieviel HELDING weiterhin aus Merseburg an Unterhalt erhielt, ist nicht bekannt. Vor allem wird sein Auftreten in Worms als katholischer Kolloquent die Bereitwilligkeit der Merseburger Stände zur Abdeckung der erhöhten Hofhaltung nicht gerade gefördert haben, weshalb er um eine Abdeckung des Aufwands eingekommen war. Bemerkenswert ist in diesem Zusammenhang auch das Verhalten des Pfennigmeisters am Kammergericht, der sich allen Reichsständen insgesamt und nicht allein dem Kaiser verpflichtet fühlte und daher eine direkte Weisung Ferdinand I. ignorierte bzw. zur Entscheidung an den Reichstag weiterreichte.611 HELDINGS Haltung in der Vergütungsfrage lässt auch einen Zug seiner Persönlichkeit erkennen. Er blieb hartnäckig und wandte sich neuerlich an den Kaiser. Allerdings hatte er den leisen Unmut Ferdinands I. bezüglich seines Ablösewunsches verspürt und bekundete nun seine Bereitschaft, auch etwas länger als das eine Jahr am Gericht zu bleiben, nicht aber ohne einzuflechten, dass seine Untertanen durch seine Abwesenheit Schaden nehmen könnten. Keineswegs vergaß er aber, auf die Besoldungsfrage zu verweisen und bat um ein Darlehen aus dem Baugeldvorrat des Gerichts, um seine Hofhaltung in Speyer bestreiten zu können. In seiner Antwort führte der Kaiser HELDING die Bedeutung des Richteramts vor Augen und versuch611
Gemäß [40] RKGO war der Pfennigmeister an die geordnete besoldung gebunden.
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te, ihm die Sorgen um Merseburg auszureden, vertröstete ihn allerdings in allen anderen Punkten.612 Dabei merkte er an, der Bischof werde doch seine Angelegenheiten in Merseburg gebührend geregelt haben. Offensichtlich war Ferdinand I. Realist genug, die Leitung des Reichskammergerichts für wichtiger als die des kleinen Fürstbistums Merseburg zu erachten. Der Kaiser ging daher auf den Wunsch nach baldiger Ablöse nicht weiter ein und forderte HELDING auf, sich in Geduld zu üben, da nun auch er in der Besoldungsfrage den Reichstag nicht übergehen wollte.613 Nach seinem Schreiben vom 5. 1. 1559 in der Affäre von der Thann wandte er sich schon am 14. 1. 1559 gleich in drei Briefen wieder an den Kaiser: sie betrafen die Entschuldigung für die Absenz am Reichstag, das Belehnungsgesuch für Merseburg und die Urgenz der zugesagten Erstattung seines Wormser Aufwands.614 Das nach mehrfacher Erinnerung endlich eingeleitete Umlageverfahren, in das die katholischen Stände eingewilligt hatten, zeugt von einer beachtlichen Bürokratie, die ein Schlaglicht auf das Problem außertourlicher Finanzierungen auf Reichsebene wirft. HELDING klagte überdies über Gesundheitsprobleme, die ihm die Ausübung des mueheseligen Ambts nicht länger als bis Michaelis erlauben würden.615 Abermals trat er wegen seiner weiterhin unzureichenden Richterbesoldung mit einer Supplik an Ferdinand I. heran,616 die dem einschlägigen Supplikationsausschuss zugewiesen wurde. Die weitere Befassung endete damit, dass die Mehrzahl der Räte HELDINGS Arbeit lobend beurteilte und schließlich die Erhöhung um 1000 fl empfahl, allerdings erst für den
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RK-RKG-VisitA 320-13: Ferdinand I. an HELDING vom 27. 6. 1558. Ebd.: Schreiben Ferdinands an den Kammergerichtspfennigmeister Matthias Hueber vom 21. 6. 1558: HELDING soll das jährliche Fürstensalär von 3000 Gulden erhalten. Hueber ignorierte dies. MEA-Rel 5b-2, 153r-154v. Dazu Leeb, DRTA, Reichsversammlungen 2 (Nr. 802) 1950-1951: Ein diesbezügliches Ersuchen richtete HELDING am 24. 1. 59 auch an den Erzkanzler. Vorgängig hatte schon 1556 ein Reichstagsausschuss dem zum Kolloquenten bestimmten HELDING eine Kostenerstattung versprochen. Endlich einigten sich die kath. Stände, den Ersatz der Unkosten in Höhe von 3000 fl. bis zur Fastenmesse 1560 zu leisten. Zur Aufteilung der Unkosten wurden zunächst alle Stände erfasst, die sich nicht bereits 1556 entzogen hatten. Dann wurde ein Umlageschlüssel nach dem Reichsaufgebot zu Ross und zu Fuß festgelegt und für jeden Stand der Betrag ermittelt, der an zwei zentralen Plätzen im Reich zu erlegen war. Im Kalender 1559 sind für Michaelis 8. Mai u. 29. September verzeichnet. Er meinte wohl den früheren. MEA-RTA 45, 598r-599r. Erledigung in MEA-RTA 46 (Suppliken an den Reichstag 1559, Ausschussprotokoll) 226r: HELDINGS Supplik wurde mit kaiserlichem Dekret vom 30. 3. den Ständen überwiesen und dort am 12. 8. 1559 pro futuro bewilligt.
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nächsten Besoldungstermin und nicht wie erbeten rückwirkend.617 Dem widersprach nun der Kaiser entschieden und verfügte schlussendlich eine Nachzahlung auf den höheren Fürstensold ab HELDINGS Amtsantritt.
7. RESIGNATION Von der Teilnahme am Reichstag in Augsburg 1559 hatte HELDING mit Rücksicht auf sein Kammerrichteramt Abstand genommen. In seiner Entschuldigung vom 14. Jänner 1559, die er mit seinen Amtspflichten begründet hatte, brachte er zum zweiten Mal seinen Wunsch nach Entbindung vom Richteramt an. Aus seinen Worten spricht deutlich die Sorge, die Kontrolle über das Stift zu verlieren. Wieder führt er neben den Beschwerden, die ihn aus Merseburg erreichten, auch seinen physischen Zustand ins Treffen.618 Ferdinand hält den Kammerrichter noch im Amt Diesen Wunsch HELDINGS , nach dem zugesagten Jahr das Amt wieder aufzusagen, wies der Kaiser deutlich und bestimmt zurück. Auf das am 4. 3. 1559 wiederholte Ersuchen um Ablösung als Kammerrichter appellierte Ferdinand I. an ihn, sich noch im Amt zu gedulden, bis ein geeigneter Nachfolger gefunden sei. Zur Ablösung selbst replizierte Ferdinand nach drei Monaten in bekannter Weise mit seiner laufenden, jedoch bisher vergeblichen Rekrutierungsbemühung.619 Er unterstützte den Bischof, indem er die Stände des Merseburger Fürstbistums brieflich ermahnte, ihrem Regenten auch während seiner Abwesenheit Gehorsam zu leisten. Diese Haltung unterstrich der Kaiser durch die neuerliche Belehnung HELDINGS mit den Temporalien des Stifts am 1. 8. 1559.620 HELDING griff nun zu einem Mittel, das er schon 1548 bei Karl V. versucht hatte. Er forderte, wie damals seinen Erzbischof, nun sein Domkapitel und die Stände Merseburgs auf, beim Kaiser seine Rückkehr in das Stift zu fordern. Dieser Bittbrief von Domkapitel, Ritter617
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Ebd. 290 (Beschluss des Ausschusses vom 12. 8. 1559): Der Auftrag an den Pfennigmeister lautete, die iezige gereichte besoldung hinfüro järlichs 3000 fl. zu 16 patzen fur seiner L. und f. g. staat und besoldung zu schirst kunfftigem erstem bezalungsziel zu gewähren. 618 RK-RKG-VisitA 320-14. Ferdinand I. an HELDING vom 2. 6. 1559 (ebd.). Ferdinand an Domkapitel Merseburg vom 8. 5. 1559 (Rademacher, Urkundenrepertorium Nr. 1355).
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schaft und Landschaft des Stiftes Merseburg mit der Anforderung ihres fürstlichen Herrn traf tatsächlich beim Kaiser ein.621 Ferdinand I. beschied ihnen allerdings kühl, sich noch in Geduld zu üben. Dem Domkapitel ließ der Kaiser im Jänner 1560 bestellen, dass Bischof Michael von sich aus bereits um Entlassung vom Richteramt gebeten habe, dass er aber nun doch noch eine Zeit lang in Speyer bleiben werde.622 Er war für den Kaiser offensichtlich vorerst unverzichtbar und für den Fall der erfolgreichen Nachbesetzung des Gerichts dachte Ferdinand möglicherweise schon zu diesem Zeitpunkt an andere Aufgaben für HELDING . Offenbar verzögerte sich jedoch die Nachbesetzung für das Amt des Kammerrichters und Kaiser Ferdinand musste seine anderweitigen Pläne mit HELDING zurückstellen. Im Hinblick auf eine mögliche Konzilsbeschickung griff Ferdinand I., wie später noch zu zeigen ist, deshalb auch auf andere Theologen wie Friedrich Staphylus zurück.623 HELDING blieb also pflichtergeben weiter im Amt und hatte mit neuen Schwierigkeiten zu ringen. Sein nächster Mitarbeiter und erster Vertreter in der Gerichtsverwaltung, der erfahrene Beisitzer und langjährige Amtsverweser Friedrich Graf zu Löwenstein, kündigte wie schon 1558 abermals seine Stellung auf.624 HELDING meldete den Fall sofort dem Kaiser. Dieser beschied dem Beisitzer, seinen Abgang noch zu verschieben.625 Überraschende Bestellung von Friedrich Löwenstein Wir hören auch wieder von einer Verschlimmerung der Erkrankung HELDINGS und dem Besuch des Sauerbrunnens in Geislingen.626 621 622 623 624
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RK-RKG-VisitA 320-14: Domkapitel Merseburg etc. an Kaiser Ferdinand vom 10. 11. 1559. Rademacher, Urkundenrepertorium Nr. 1362: Ferdinand I. an Domkapitel Merseburg vom 22. 1. 1560. Witzel und Staphylus hatte Ferdinand I. schon zum Reichstag 1556 in der Religionsfrage eingeladen. RK-RKG-VisitA 321a: HELDING an Ferdinand I. vom 29. 1. 1560. Löwenstein nannte unaufschiebbare persönliche Geschäfte und den Umstand, dass er sich anlässlich der Rücknahme seiner vorausgegangenen Kündigung dem Kaiser gegenüber nur auf weitere zwei Jahre verpflichtet hätte. Ebd.: Vermerk und Antwort vom 10. 2. 1560: HELDING wird aufgefordert, gemeinsam mit dem Kanzleiverwalter zwei oder drei der älteren für tauglich befundenen Beisitzer namhaft zu machen, woraus der Kaiser die geeignete Ersatzperson bestimmen werde. Zuvor solle er aber versuchen, Löwenstein zum Verbleib zu bewegen. Pollet, Correspondance 3 (Nr. 550) 462: Schon kurz nach dem Amtsantritt 1550 in Merseburg hören wir von körperlichen Beschwerden. Anfang 1552 hatte Bernhard v. Draschwitz von einem ardor urinae gesprochen, wogegen HELDINGS Ärzte das Bad empfohlen hatten (vgl. medizinisches Gutachten für den Kaiser). 1555 hielt er
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Im Kreise der Fürsten war die Bereitschaft zur Übernahme des arbeitsintensiven und wenig einträglichen Amtes unverändert gering. Es schien sich für HELDING eine neuerliche Verlängerung anzubahnen. Die dem Domkapitel zuletzt avisierte Rückkehr um Martini 1560 verzögerte sich wieder. Der Kaiser spekulierte im Sommer 1560 sogar auf eine ein- bis zweijährige Verlängerung, wozu HELDING offenbar trotz aller Klagen wiederum bereit gewesen wäre. Dann trat aber eine überraschende Wende ein. Am 15. 3. 1561 berichten die zur Klärung der Personalfragen nach Speyer entsandten Kommissare, sie hätten mit Graf Friedrich von Löwenstein wegen des Kammerrichteramtes gesprochen und ihn trotz seines angekündigten Abganges am Richteramt interessiert gefunden.627 Darauf fiel im Reichshofrat offensichtlich sofort die Nachfolgeentscheidung. Dem Kurfürsten August sollte in optima forma vermeldet werden, dass der Kammerrichter bißhero Jrer Mat: am selben ort ganz getrewlich wol und nach Jrer Mat: gefallen gedient. Das auch Jr Mat: Jne daselbst, wa es sein gelegenhait also gegeben, gern lenger erhallten hette. Entlastung vom Kammerrichteramt Mit dem kaiserlichen Schreiben vom 15. 3. 1561 hielt HELDING endlich den Bescheid in Händen, der ihm erlaubte, aus dem Kammerrichteramt auszuscheiden.628 Der Kaiser ging dabei auf die mehrfachen Gesuche ein und betonte anerkennend, dass sich HELDING immer wieder hatte vertrösten lassen. Nunmehr wolle er aber dem jüngsten Gesuch, dass ihm eine weitere Amtsausübung aus Krankheitsgründen unmöglich sei, stattgeben, zumal sich in der Person des Grafen von Löwenstein ein geeigneter Nachfolger gefunden habe. Er bewilligte daher HELDING , mit Wirkung vom 26.5.1561 abzutreten. Es mag erstaunlich sein, dass die Wahl erst jetzt auf den schon sieben Jahre als Beisitzer und bereits während früherer Vakanzen mit der Vertretung des Kammerrichters betrauten, wohl bestens versierten, Friedrich Graf Löwenstein gefallen war.629 Nun wurde dieser für seine Zurücksetzung anlässlich der Amtsübernahme durch HELDING entschädigt. Ferdinand I. mahnte noch, dass durch die Übergabe des Amtes kein Stillstand am Gericht eintreten dürfe, zollte dem schei-
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sich während des Reichstags in Karlsbad auf. 1561 berichtet Nuntius Delfino, dass sich HELDING im April einer Bäderkur in Geislingen unterzog (NBD 2/1, 350). Auch Friedrich Nausea war einem Steinleiden erlegen. RHR-Prot. XVI/19, 32rv. RK-RKG-VisitA 321a. Ebd.: Ferdinand I. an Friedrich von Löwenstein vom selben Tag.
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denden Kammerrichter höchstes Lob und dankte ihm für seine Bereitschaft, das Richteramt so lange verwaltet zu haben, mit dem Versprechen, Dein Andacht und derselben Stifft zu jeder vorsteenden gelegenhait mit allen gnaden zu erkennen. Überraschenderweise ist im RHR-Protokoll XVI/18 (Geheimer Rat) bereits unter dem Datum vom 12. 5. 1561 der Auftrag vermerkt, HELDING brieflich nach Absolvierung seiner Kur nach Wien an den Hof zu bestellen. Weiter ist zu entnehmen, dass Ferdinand I. das Ergebnis eines Gesprächs, das Zasius mit HELDING geführt hatte, mit Wohlgefallen zur Kenntnis nahm und umgehend einen Vorderbrief an HELDING nach Bad Geislingen sandte.630
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Meußer 465 siedelt das Gespräch in Geislingen zwischen 26. und 30. 4. 1561 an.
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Letzte Station Reichshofrat
Wien anstelle von Merseburg
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8. Kapitel LETZTE STATION REICHSHOFRAT 1. WIEN ANSTELLE VON MERSEBURG Die letzte Lebensphase HELDINGS kann aus den Sitzungsprotokollen des Reichshofrates skizziert werden. Ende April 1561 hoffte HELDING , endlich in sein so lange verwaistes Stift Merseburg zurückkehren zu können. Mit der Abberufung hatte der Kaiser dem Kurfürsten August die Rückkehr Bischof HELDINGS in das Stift Merseburg avisiert.631 Mit 26. Mai 1561 sollte er sein Amt in Speyer auftragsgemäß niederlegen.632 Die von HELDING angestrebte Rückkehr in das Stift fand jedoch nicht statt. Kaiser Ferdinand durchkreuzte den Plan und beorderte ihn zwecks wichtiger Handlungen an den Hof nach Wien.633 Welche Aufgabe ihm der Kaiser in Wien tatsächlich zugedacht hat, bleibt offen. Dass HELDING trotz seines Widerstrebens als Delegierter des Reichs am wieder aufgenommenen Konzil in Trient hätte teilnehmen sollen, ist entgegen mehrfach vertretener Meinung unwahrscheinlich.634 Jedoch sollte er möglicherweise an den Konsultationen in der Vorbereitungsphase einer Konzilsbeschickung teilnehmen. Dem Papst sollte ein Reformprogramm vorgelegt werden. Dass dabei an HELDINGS Mitarbeit gedacht worden sein könnte, ist naheliegend. Jedenfalls übertrug ihm der Kaiser in Wien die Leitung des Reichshofrats.635 Auch diesem Dienst entzog sich HELDING in der ihm eigenen Loyalität zu Ferdinand I. nicht. 631 632 633
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Rademacher, Urkundenrepertorium Nr. 1373. Dieses Datum fügte sich auch in den Visitationsabschied, der am 20. 5. 1561 herausgegeben wurde. RHR-Prot. XVI/18 (Geheimer Rat) 62v: Dem Bischoven zu Mörsenburgkh einen Credenzbrief zu schreiben, auf das Jhenig so Irer Mt: Vicecanzler herr Doctor Seld aus Irer Mt: bevelh Ime schreibt. Datum 10. 2. 61. Ebd. 82v: An herrn michaeln Bischoven zu merseburg vorderbrief vermug Doctor Zäsis ubersenndt concept zuverfertigen, darin Jme bevolhen wirdet, sich nach verrichtung seiner chur zu Geislingen alsbaldt zu der Kay: Mt: an Irer Mt: hof zu verfügen. Datum Wienn 12. 5. 1561. Zuletzt u.a. Braun, Johann Fabri und Michael Helding (2006); zuvor Feifel (1960, 1962), die sich wohl auf Paulus (1894) stützen, der wieder Tilmann Bredenbach (Catechismus catholicus Köln 1562) zitierte. Ein Bestellungsdekret ist bislang nicht aufgefunden worden.
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Letzte Station Reichshofrat
Tadel aus Merseburg Das Merseburger Domkapitel hatte die ausgedehnte Abwesenheit seines Bischofs während seiner Tätigkeit als Kammerrichter lange Zeit geduldig hingenommen, zumal der Bischof von Speyer aus intensiv auf die Verwaltung Einfluss zu nehmen versucht hatte. Als nach Erledigung des Richteramts sich seine Heimkehr aber wieder verschob, stellte das Domkapitel nun in seiner Antwort auf Ferdinands I. Benachrichtigung, ihn nach Wien berufen zu wollen, seinem Fürsten die Rute ins Fenster. Mit deutlichen Worten forderten Domkapitel und Stiftsstände den Bischof auf, er möge sich an sein Stift begeben und diesem eine Zeit lang beiwohnen. Der Kaiser wieder wurde in einem separaten Brief des Kapitels gebeten, mit der Bestellung HELDINGS zuzuwarten.636 Darauf ging dieser nicht ein; denn HELDING trat sein neues Amt noch im Juni 1561 an.637 Er hatte nicht einmal Zeit gehabt, das Nötigste zu disponieren, wie sein Bericht nach Merseburg überliefert. Es eilte dermaßen, dass an eine Übersiedlung des in Speyer zurückgebliebenen Hausrats nicht zu denken war. Er sei am 5. 6. 1561 in Wien eingetroffen und sogleich zum Kaiser gerufen worden, der ihn freundlich empfangen und ihm den Vorsitz (Praesidenz) des Reichshofrates auferlegt habe. HELDING war vom Ansinnen des Kaisers sichtlich überrascht, rechnete aber offenkundig nicht mit einer längeren Tätigkeit bei Hof. Er erhoffte sich, wie er dem Domkapitel schrieb, mit Ende des Monats September endlich in sein Stift reisen zu können.638 Die Quellen decken hier eine deutliche Dissonanz in den beiderseitigen Absichten und Erwartungen auf: HELDING schloss aus der Zusage des Kaisers auf eine dauernde Heimkehr in das Stift, Ferdinand I. jedoch verstand die in Aussicht gestellte Reise nach Merseburg als Beurlaubung zur Abwicklung dringender Stiftsgeschäfte bzw. Besänftigung des Domkapitels und erwartete seine Rückkehr an den Hof, wie aus den Protokollen des Reichshofrats eindeutig hervorgeht.639 HELDINGS Tod löste den Knoten, sodass des Kaisers wahre Absicht sich im Dunkel verliert.
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RK-Geistl. Wahlakten 26a, Merseburg (1561): unfol. Schreiben des Domkapitels vom 11. 6. 1561. RHR-Prot. XVI/13, Eintrag vom 25. 6. 1561, weist HELDING als Episcopus Merseburgensis erstmals in der Vorsitzendenrolle im RHR aus. RHR Prot. XVI/18 (Geheimer Rat): Eintragung vom 13. 6. 1561. DStA Merseburg C 3, Lit. E 3, Nr. 2, 213rv (Dkap. an HELDING vom 13. 6. 1561) u. ebd. 214r-215r (Antwort vom 4.8.1561).
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Feierlicher Empfang in Wien Bei seinem Eintreffen wurde HELDING eine besondere Ehrung zuteil, die wie in solchen Fällen üblich, von der Universität veranstaltet wurde. Höhepunkt war ein Empfang mit einer Glückwunschadresse, die der Poesieprofessor der Wiener Universität, Nathanael Balsmann,640 ein aus Torgau gebürtiger Sachse, zum Vortrag brachte. Daraus lässt sich zumindest in Ansätzen der Bekanntheitsgrad abschätzen, den HELDING inzwischen besaß. Balsmann sollte es auch zufallen, wenig später eine Trauerrede auf den Bischof zu halten. Nuntiaturberichte geben Auskunft Die Nuntiaturberichte erweisen sich neben den Reichshofratsprotokollen641 als wertvolle Auskunftsquelle zu HELDINGS letztem Lebensjahr. Insgesamt vier päpstliche Gesandte hielten sich im Laufe des Jahres 1561 in Wien auf: der Nuntius bei Ferdinand I. Stanislaus Hosius, die mit Sonderaufträgen entsandten Legaten Kardinal Giovanni Commendone und Giovanni Canobio und der (ab 18. 6. 1561 anstelle des zum Kardinal erhobenen Hosius) neubestellte Nuntius Zaccaria Delfino. Hosius kannte HELDING ebenfalls, traf allerdings mit ihm nicht zusammen, da er die Stadt vor dessen Ankunft verlassen hatte. Commendone hatte die Stadt nur kurz berührt und war schon Ende Jänner mit der Konzilseinladung des Papstes zum Versammlungstag der protestantischen Fürsten nach Naumburg weitergereist. Canobio war zweimal, zuletzt im Mai 1561, in der Frage der Konzilsbeschickung in Wien. Delfino hingegen erwähnt mehrere Begegnungen mit HELDING in seinen Berichten an Kardinal Borromeo.642 In einem Bericht vom 18. 5. 1561 erfahren wir von einem Zusammentreffen, das er schon im April in der Reichsstadt Ulm mit dem scheidenden Kammerrichter hatte. Dabei habe er HELDING auch auf das Konzil hin angesprochen. Dieser habe aber eine persönliche Teilnahme dezidiert abge640
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Aschbach, Universität Wien, Nachträge 1/1, 32-43. Balsmann (auch Paltzmann) stand als Bittsteller 1551 und 1556 in brieflichem Kontakt zu Pflug und vermutlich auch zu HELDING: Pollet, Correspondance 3 (Nr. 527) 401-402; (Nr. 529) 404-405; 4 (Nr. 703) 233-237. RHR Prot. XVI/18 ist eine Nachschrift der deutschen Expedition vom 5. 1. 1560 bis 14. 9.1561. RHR Prot. XVI/19: Dieses Beschlussprotokoll parallel zu RHR Prot. XVI/ 20a reicht vom 2. 1. bis 5. 9. 1561 in Wien und wurde am 28. 9. 1561 in Prag fortgesetzt. Band 20a (30. 1. bis 13. 9. 1561) enthält nur Sitzungstag, Stichwort und kurzen Erledigungsvermerk. NBD 2/1 passim.
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lehnt. Dass ihn ein Ersuchen Ferdinands I. möglicherweise wieder umgestimmt hätte, ist nicht auszuschließen. Gerade in der Zeit zwischen Juni und August 1561 verdichtete sich die Überlegung, doch eine Gesandtschaft nach Trient abzufertigen. Aus der Korrespondenz des Kaisers mit Niklas Pollweiler, der bereits Kommissionen im Ausland übernommen hatte, ist zu ersehen, dass an die Entsendung einer Delegation gedacht wurde, obwohl man sich am Hof zur selben Zeit in dieser Frage nach außen hin gegenüber der Kurie sehr zurückhaltend gab. Da Pollweiler mit einer Zusage, das Reich zu vertreten, zögerte, hätte die Wahl doch noch auf HELDING fallen können.643 Unabhängig von der Entsendungsfrage beriet der Geheime Rat intensiv Reformvorschläge, die namens des Kaisers an das Konzil herangetragen werden sollten.644 So wie in Speyer ließen HELDING auch in Wien die Merseburger Geschäfte nicht los. Dies geben die beiden letzten aus Wien nach Merseburg gerichteten Briefe zu erkennen.645 Auch versuchte der Fürstbischof, durch seine Präsenz am Hof seinem Stift gute Dienste zu erweisen. Die letzten von ihm erwirkten Privilegien für das Stift Merseburg tragen das Datum vom 3. und 5. Juli 1561.646
2. DER REICHSHOFRAT NACH DER ORDNUNG 1559 Der Reichshofrat des Jahres 1559 geht auf zwei teilweise nebeneinander existierende Gremien zurück.647 1527 bildete Erzherzog Ferdinand einen Rat als obersten Gerichtshof für die Erblande und (auf Grund seiner Stellvertreterfunktion ab 1531) auch für das Reich. Seine Bedeutung wuchs durch eine jahrelange Lähmung des Reichskammergerichtes. Ein Aussschuss daraus mit dem Hofmarschall an der Spitze bildete gleichzeitig das höchste Beratungsorgan des Königs in allen politischen Angelegenheiten. Die Aufgaben wurden in Ord643
644 645 646 647
Pollweiler hatte aus einer Spanienmission noch Ersatzansprüche von 6000 fl. ausständig, was seine Bereitschaft zu neuen aufwändigen Diensten sichtlich einschränkte. Daraus resultierten die Petitiones a S. Caes. Mtis consiliariis et aliis a S. Mte deputatis exhibitae vom 20. 5. 1562 (CT 13/2/1, 661-685). DStA Merseburg C 3, Lit. E 3, Nr. 2, 214-215 vom 4. 8. 1561 (Letzter Brief nach Merseburg). Reichsregister Ferdinand I. XXI, 176v, 179v. Moraw, Art. Reichshofrat: HRG 4 (1990) 630-638; Sellert, Reichshofrat und Reichskammergericht. Ein Konkurrenzverhältnis; ders., Prozeßgrundsätze und Stilus Curiae; Ortlieb, Die Formierung des Reichshofrats; dies., Vom Königlich/Kaiserlichen Hofrat zum Reichshofrat.
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nungen der Jahre 1527, 1537 und 1541 festgeschrieben.648 Zur Verwirrung trägt bei, dass sich auch das engste Beratungsorgan Karls V. als Hofrat (Consilium) bezeichnete. An der Spitze dieses kaiserlichen Hofrates stand der Staatsrat für Burgund, für die Niederlande und für das Reich Nicolas Perrenot de Granvella, gefolgt von dessen Sohn Antoine, dem Bischof von Arras.649 Die zumeist spanischen Mitglieder dieses Rates waren in den deutschen Ländern nicht beliebt und die Ratszusammensetzung wurde zum Ziel vielfacher Beschwerden an Kaiser Karl V. Eine eigene Ordnung aus 1550 (Ordo consilii) regelte die Kompetenz dieses Hofrates. Da dieser den Kaiser auf seinen Reisen begleitete, hatte der ursprünglich nur erbländische Hofrat Ferdinands, der die Funktion der obersten Gerichts- und Verwaltungsbehörde in dessen Ländern verkörperte, auch im Reich eine an die Stellvertreterfunktion des Königs anknüpfende feste Rolle erhalten. Mit der faktischen Abdankung Kaiser Karls V. im Jahr 1556 kam es in den Zentralbehörden zu personellen Veränderungen, die sich bis zur Installierung der Reichshofkanzlei im Jahr 1559 erstreckten.650 Die neue Reichshofkanzlei vereinigte die Geschäfte der erbländischen Hofkanzlei mit den Reichsagenden. Reichsvizekanzler Georg Sigmund Seld trat nach dem Ableben von Jakob Jonas auch an die Spitze der österreichischen Kanzlei. Die Mainzer Erzkanzlei blieb daneben bestehen und war für die Ausfertigung der Reichsurkunden zuständig, die sie als Konzept von der Reichshofkanzlei zugestellt erhielt. Ebenso führte die Erzkanzlei Mainz weiterhin das Protokoll auf Reichstagen und bei den Religionsgesprächen und behielt die administrative Funktion bezüglich des Reichskammergerichts. Gegen den kaiserlichen Hofrat Karls V. hatte die protestantische Seite schon immer große Vorbehalte erhoben. In der Passauer Verhandlung 1552 und wiederum auf dem Reichstag in Augsburg 1555 wurde der Vorwurf laut, dieses kaiserliche Organ sei völlig in der Hand von landfremden Personen.651 So wie beim Reichskammergericht deutsche Beisitzer verlangt wurden, wünschten die Stände auch einen deutschen Präsidenten des Hofrates. Diesem Wunsch kam Ferdinand nach seiner Rangerhöhung nach. Auf Reichstagen sollte dem Rat ein Fürst präsidieren. Ferdinand I. berief als ersten Präsidenten 648 649
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Protokolle dieses ferdinandeischen Hofrates sind nicht erhalten (Fellner-Kretschmayr 226). Roberg, Art. Granvella, Nicolas Perrenot de (1484/86-1550); dessen Sohn Antoine (1517-1586): ³LThK 4 (1995) 981-982: Der jeweilige deutsche Vizekanzler war gegenüber dem Staatsrat weisungsgebunden. Herchenhahn 1, 541. Man forderte deutsche, erfahrene, geschickte, redliche, taugliche Personen.
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den Reichserbkämmerer Carl von Zollern an die Spitze der neuen Behörde.652 Diese Präsidentenstelle sollte auf Lebenszeit vergeben werden, was allerdings bei Zollern noch nicht zutraf. Die neue Reichshofratsordnung (RHRO 1559)653 trug der veränderten Aufgabenstellung Rechnung und war für HELDING in der kurzen Zeit seiner Tätigkeit maßgeblich.654 Der Reichshofrat war als Justiz- und Verwaltungsbehörde für Gratial- und Justizsachen im Reich, in den Erbländern und Burgund zuständig. In diesen fungierte er als Standesgericht in Adelsprozessen, ansonsten als Reichsgericht zweiter Instanz neben dem Reichskammergericht. Er konnte auch Rechtssachen direkt arrogieren. In der Frühzeit war er ebenso als politisches Beratungsorgan wirksam und befasste sich vorbereitend mit denselben Agenden, die dann noch der Geheime Rat behandelte. In seine Rolle als Behörde musste er aber erst hineinwachsen, wie die zunächst höchst unterschiedliche Art der Geschäftsfälle in der kurzen Ära HELDINGS ausweist.655 Sachliche Kompetenz In reichsrechtlicher Sicht erstreckte sich die Jurisdiktion des Reichshofrats auf alle Angelegenheiten des Reichs, die dem Kaiser vorbehalten oder von ihm zu entscheiden waren, wie Herrlichkeiten, Gerechtigkeiten, Pfandschaften, Lösung, Regalien, hohe und niedere Lehen, Privilegien, Indulte, Konfirmationen.656 Als Rechtsgrundlagen hatten neben der Ratsordnung die Goldene Bulle, das Landfriedensgesetz, Kammergerichts- und Polizeiordnung und die Konkordate der deutschen Nation aufzuliegen. Die beim Reichstag 1559 zum Reichskammergericht aufgeworfene Frage, ob ein Geistlicher unparteiischer Richter sein könne, hätte HELDING vermutlich auch bis in den Reichshofrat verfolgt, wäre er länger im Amt gewesen,657 zumal immer wieder auch Religionssachen zu behandeln waren. Mehrfach standen konfessionelle Probleme (z. B. in den Städten Wimpfen und Straßburg) auf der Tagesordnung. 652 653 654 655 656 657
Fellner-Kretschmayr 218-233, hier 228; Reichserbkämmerer Carl von Zollern (15161576) wurde zum Begründer der schwäbischen Linien der Hohenzollern. Auf dem Reichstag zu Augsburg 1559 beschlossen. Text bei Sellert, Die Ordungen des Reichshofrats 27-39. Ausgewertet wurde MEA-Reichshofratsakten 2. Vgl. Ortlieb, Die Formierung des Reichshofrats. Herchenhahn 2, 227-228. Herchenhahn hat von HELDING offenbar keine Wahrnehmung, denn er behauptet, seit Ferdinand I. habe es keine geistlichen Präsidenten gegeben (Geschichte 2, 17).
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Die Zahl der Ratsmitglieder war zu HELDINGS Zeit nicht vorgegeben, sie setzte sich aus Vertretern des Herrenstandes und Juristen zusammen. Auch der Reichshofrat hatte keinen festen Sitz, sondern begleitete das Hoflager. Während der kurzen Präsidentschaft HELDINGS amtierte er in Wien, bis er im September 1561, möglicherweise wegen epidemischer Krankheitsfälle, mit der Mehrzahl seiner Mitglieder und dem Hof nach Prag übersiedelte. HELDING blieb, bereits krank, in Wien zurück. Dass auch der Hofprediger Sittard und das Ratsmitglied Schradin an seiner Seite blieben, deutet auf den Ernst der Erkrankung hin. Blick in die Protokolle Obwohl Bischof HELDING im Jahr 1561 nur wenige Monate im Reichshofrat wirkte, soll eine knappe Darstellung dieses letzten Tätigkeitsfeldes seiner wechselhaften Lebensreise nicht fehlen. Welche Aufgaben der Präsident außer einer allgemeinen Vorsitzfunktion im Einzelnen wahrnahm, ist für die kurze Zeit von HELDINGS Wirken nicht erkennbar. Alles, was Wolfgang Sellert über die späteren Verfahrensweisen des RHR herausgearbeitet hat, ist in der frühen Phase noch amorph und wenig gefestigt.658 Die Traktanden wurden jeweils in einer deutschen und einer lateinischen Session separat behandelt und auch sprachlich getrennt von zwei verschiedenen Sekretären protokolliert. Ein Blick in die Protokolle der kurzen Phase unter HELDINGS Leitung ergibt ein heterogenes Aufgabenspektrum. Politica vermischen sich mit Gratialia, Feudalia, Straf- und Zivilrechtsfällen. Die Ordnung unterscheidet Staats-, Landes- und andere Sachen von den Justizfällen. Die Abgrenzung ist nicht ganz durchschaubar. Im Hofstaatenverzeichnis unerwöhnt In Fellner–Kretschmayrs Verzeichnis der Inhaber der obersten Hofwürden und der Vorstände der Zentralbehörden659 scheint während des für HELDING maßgeblichen Jahres 1561 an der Spitze des Hofrats nur Carl von Zollern auf, weshalb auch Oswald Gschliesser nur 658
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Sellert, Prozessgrundsätze und Stilus Curiae, bietet gerade für die Übergangszeit 1559-1563 keine Erkenntnisse zur Arbeitsweise des RHR und noch weniger des Präsidenten. Der Präsident findet zwar in nahezu allen Artikeln der Ordnung (1-5, 7, 9-11, 15-17, 19, 21-23 und 25) Erwähnung, außer allgemeinen Pflichten der Dienstaufsicht, Sitzungsleitung und Verfahrensökonomie sind keine Spezifika zu erkennen, auch nicht, ob der Präsident an der Abstimmung teilnimmt. Fellner-Kretschmayr 284.
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von einer interimistischen Tätigkeit des Bischofs von Merseburg im RHR ausging.660 Zu Jahresbeginn befand sich der Hof in Wien, und die sechs aus 1561 erhaltenen, sich zum Teil zeitlich überschneidenden Protokollbücher661 führen die Sitzungen des RHR und des inneren Geheimen Rats bis 5. 9. 1561 mit der Ortsangabe Wien bzw. Vienna an. Dann tritt eine Unterbrechung ein und ab 28. 9. 1561 erscheint erstmals die Ortsangabe Prag.662 Diese Protokollbände decken den Zeitraum von HELDINGS Wirken in Wien ab. Nur im Protokollband XVI/13, der vom Sekretär Kirchschlager für die lateinische Expedition geführt wurde, sind die Ratsmitglieder jeder Sitzung namentlich vermerkt. Es ist aber anzunehmen, dass der Präsident jedenfalls auch dem inneren Rat angehört hat. In der lateinischen Session sind 1561 hauptsächlich verschiedene Reichsitalien betreffende Causen verhandelt worden.663 Diese in den Sitzungen unter HELDING bearbeiteten Akten betrafen durchwegs laufende Verfahren, die bereits unter seinen Vorgängern eröffnet worden waren. Wesentliche Vollzüge waren daher auch von der punktuellen Befassung der angefallenen Causen unter HELDINGS Leitung nicht zu erwarten. Protokollband XVI/15, ebenfalls aus der lateinischen Expedition (Sekretär Singkmoser), erfasst separat die dem Kaiser vorgetragenen und von ihm persönlich entschiedenen Vorgänge. Protokollband XVI/18 betrifft den Geheimen Rat664 und hat diplomatisch-politische Themen zum Inhalt. Zumeist wurden die vertraulichen Berichte von Dr. Johann Ulrich Zasius, die dieser von seinen Besuchen an deutschen Fürstenhöfen dem Wiener Hof zusandte, besprochen. Religi660
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Gschliesser, Reichshofrat 102-103: Tatsächlich scheint Carl von Zollern mit anderen Agenden so ausgelastet gewesen zu sein, dass er bis in das Jahr 1561 nie nach Wien zu den Reichshofratssitzungen anreiste. RHR-Prot. XVI/13, 15, 18 (Geh. Rat), 19, 20a, 20b (Geh. Rat). An welchem Tag der Hof Wien verließ, ist nicht ersichtlich. 25.06.1561 Traianus Delphinus & Aegeria Sessia ca. Dominos Rotli (Roth?). 02.07.1561 Orator Mantuae in causa Montis ferrati ca. Vasallo; Iulius Bettonius ca. Ferdinand Gonzaga; Joannes Rogerius ca. Abbatem Sae Gertrudis Leodii. 14.07.1561 Paulus Picus ca. Barnabam Adurnum. 23.08.1561 Marchio Finarij ca. Januensem. 11.09.1561 Joannes Maria de Tihonibus ca comitem Augustinum; Caplm Tullense pro privilegio apponis, pro mandato ad subditos, et Conservatore; Dux Sabaudiae in causa comitis Decianae. 11.09.1561 Franciscus Ugart requiratur in foro a Figueroa; Alovisius Gonzaga ca. Maximilianum Gonzaga. RHR-Prot. XVI/18 (Hand Kirchschlagers) enthält das Jahr 1561 von 8. 1. bis 14. 9.; Kirchschlager hält auf fol. 99 fest, dass er dann mit dem Hof nach Prag ging, in der dortigen böhmischen Hofkanzlei eingesetzt wurde und erst nach einem Jahr wieder in die Reichshofkanzlei (die auch noch in Prag war) zurückkehrte.
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onspolitische Fragen standen mit dem wiederaufgenommenen Konzil an, in Straßburg und in Wimpfen war die katholische Religion in Gefahr, abgelöst zu werden. Die Bedrohung Livlands durch die Moskowiter wurde zum permanenten Thema. Diese besonderen Traktanden wurden offenbar in getrennter Sitzung des Geheimen Rats (mit verringertem Personenkreis) vom Sekretär Kirchschlager protokolliert. Protokollband XVI/19 (Sekretär Haller) und 20a (Kirchschlager)665 betreffen deutsche Geschäftsfälle in Form von Berichten an den Kaiser, Suppliken und Politica; Protokollband XVI/20b dokumentiert wieder Sitzungen des Geheimen Rats. Wie oben erwähnt, ist das erste Auftreten des Merseburger Bischofs im RHR am 25. Juni 1561 dokumentiert. Bis dahin hatte häufig Ludwig Graf Löwenstein den Vorsitz für den ständig abwesenden Carl von Zollern innegehabt.666 Der Tag des Dienstantritts HELDINGS in Wien lässt sich mit der Audienz beim Kaiser am 6. Juni 1561 exakt angeben. Schon unmittelbar nach seiner Ankunft ist er mit Aufgaben bedacht worden, die sich aus aktuellen Anlässen ergaben. So wurde im Reichshofrat innerhalb der erbländischen Themen die Lage der Klöster in Ober- und Niederösterreich behandelt.667 Eine Visitation hatte bestürzende Verhältnisse ans Licht gebracht. Im unweit der Residenz gelegenen Schottenstift in Wien wurde das Abendmahl unter beiderlei Gestalt gereicht. In den Männerklöstern lebten Frauen und Kinder. Die Besetzung der großen Stifte war unter das erträgliche Maß gesunken. Gerade in diesen Monaten waren vom Kaiser angesetzte Klostervisitationen anhängig, an denen auch der Dompropst von St. Stephan Matthias Wertwein teilnahm.668 Im September fand
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RHR-Prot. XVI/19 (Hand Hallers): 2. 1. 1561 - 2. 1. 1562 ( nicht 29. 12. 1561). RHRProt. XVI/20a (Expedition Kirchschlager) reicht vom 30. 1. 1561 - 13. 9. 1561 (Die späteren beigebundenen Protokolle setzen erst wieder mit 29. 10. 1562 ein (siehe Verlegung nach Prag). RHR-Prot. XVI/13, 39-44 zeigt den Übergang von Graf Ludwig Löwenstein (zuletzt am 28. 4. 1561 im Vorsitz) auf Bischof HELDING. Gründe für Ludwig Löwensteins Abgang sind nicht zu ersehen. HELDING könnte die Tätigkeit allerdings auch schon früher, sogleich nach der Audienz am 6. 6. 1561, aufgenommen haben, zumal nicht alles protokollarischen Niederschlag fand. NDB 2/1, 244 erwähnt das Schottenstift in Wien, dessen Missstände bis nach Rom gedrungen sind. Dieser wurde von HELDING testamentarisch mit der Begräbnisfeier betraut. Vgl. zu Matthias Wertwein: Göhler, Das Wiener Kollegiat- nachmals Domkapitel zum hl. Stephan in seiner persönlichen Zusammensetzung in den ersten zwei Jahrhunderten seines Bestandes 1365-1554 (Diss. Wien 1932); Mayer, Die Matrikel der Universität Freiburg von 1460-1656, Bd. 1 (Freiburg u.a. 1907) 326, Nr. 12, Anm. 12: Wertwein war gemeinsam mit Jodocus Lorichius u. a. Gründer des Collegium pacis in Freiburg. (Vgl. Braun, Pugna Spiritualis. Anthropologie der Katholischen Konfes-
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eine weitere Visitation des Schottenstifts statt, an deren Vorbereitung HELDING noch mitgewirkt haben dürfte.669 Aber auch das Konzilsthema war am Hof in Wien wieder aktuell geworden. Am 13. 3. 1561, also noch vor HELDINGS Ankunft, stand es auf der Tagesordnung des Rates. Der Kaiser wünschte die Meinung der geistlichen Kurfürsten einzuholen. Der noch von Karl V. als Konzilsdelegierter um 1551 vorgesehene Graf Hugo von Montfort, der dann allerdings krankheitshalber seinem Auftrag nicht nachgekommen war, sollte um die ihm seinerzeit erteilte Instruktion gebeten werden, wobei ihm bedeutet wurde, dass ihn der Kaiser diesmal gern einsetzen würde. Ebenso sollte die seinerzeit an den inzwischen verstorbenen Friedrich Nausea erteilte Instruktion aus der Kanzlei hervorgesucht werden. In einem Schreiben vom 30. April 1561 an Kardinal Borromeo nannte der Legat Stanislaus Hosius Namen der von ihm vermuteten Konzilsgesandten. Es seien die Bischöfe von Fünfkirchen und Raab für Ungarn, der Bischof von Wr. Neustadt für Österreich, der Graf von Helfenstein für Tirol und der Bischof von Merseburg für das Reich als Delegierte vorgesehen. Dieser habe jedoch abgelehnt.670 Zutreffendenfalls würde dies bedeuten,671 dass der Kaiser HELDING trotz dessen Widerstrebens tatsächlich für eine Mission in Trient vorgesehen hatte und ihm in der Zwischenzeit bis zum passenden, zunächst noch offenen Entsendungszeitpunkt andere Aufgaben in seiner Nähe übertrug. Auch Theodor von Sickel672 hat im Zuge seiner Recherchen zu einem Gutachten, das Kaiser Ferdinand I. zur Vorlage an Papst Pius IV. erstellen ließ, Hinweise auf weitere Arbeiten gefunden, die HELDING in der kurzen Wiener Zeit beschäftigten. Er spricht von einer Kommission, die ein Reformgutachten für den Kaiser erstellen sollte, und zu deren Teilnehmern der antistes Merseburgensis und der archiepiscopus Pragensis gehörten.673 Im August 1561 schließlich sollte HELDING gemeinsam mit Friedrich Staphylus und zwei weiteren Räten den formalen Ablauf der Klostervisitationen überprüfen.674
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sion: Der Freiburger Theologieprofessor Jodocus Lorichius [1540-1612] 20, Anm. 45). Wertwein ging von Wien als Kanoniker nach Brixen und starb dort 1580. NBD 2/1, 297-299; CT 13/2/1, 623, Anm. 1. NBD 2/1, 248-253, hier 252. Die von Hosius weitergegebenen Nachrichten waren nicht immer verlässlich. v. Sickel, Das Reformationslibell des Kaisers Ferdinand I. vom Jahre 1562 bis zur Absendung nach Trient: Archiv für österreichische Geschichte 45 (1871) 1-96, hier 24-26. Ebd. 26. NBD 2/1, 297-299.
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Da von den Protokollanten die Vorsitzführung durch einen Präsidenten von einer Vertretung adhoc unterschieden wurde, besteht an einer förmlichen Betrauung HELDINGS mit der Stelle des Präsidenten (Praeses) des Reichshofrates kein Zweifel.675 Diese Auffassung wird nicht zuletzt durch die Protokollierung des von HELDING abgelegten Eides zur Amtsübernahme676 und durch das notariell beglaubigte Testament, an dem das Hofratsmitglied Ludwig Schradin677 als Jurist mitwirkte, gestützt. Am 19. August 1561 erwähnt der Nuntius Delfino sechs Todesfälle im Hause des mantuanischen Gesandten Cavriani und spricht von der Pest, die in Wien jedoch schon wieder im Abklingen sei.678 In einem weiteren Brief vom 27. August finden wir eines der letzten Zeugnisse über HELDING . Am Vortag habe er, Delfino, abermals eine vertrauliche Unterredung mit den Bischöfen von Merseburg und Wien gepflogen, die den Besuch des Konzils zum Gegenstand hatte.679 Man war dabei einer Meinung gewesen, dass die maßgeblichen Prälaten des Reichs sich nicht eher nach Trient begeben könnten, bevor nicht ein Reichstag einvernehmlich mit den protestantischen Fürsten den Delegationsauftrag erteile. Der Nuntius führte noch weiter aus, dass 675
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Am 25. 6. 1561 sind neben HELDING als Teilnehmer verzeichnet; Magnus ab Egg, Wolfgang Sarau, Johannes Baptist Weber und die Juristen Thomas Schober und Leopold Lauffner. Am 11.9.1561, der letzten von HELDING präsidierten Sitzung, waren anwesend Sarau, Andreas Pögl, Christoph Zott, Ludwig Schradin, Gerhard Ach, Weber, Schober, Anton Schrottenperger, Helfreich Guett. Zu diesen Hofratsmitgliedern vgl. Gschliesser, Reichshofrat 89-110. Gegen Gschliesser, ebd. 102-103. Schradin, HELDINGS Studienkollege aus Tübinger Zeit, war zuvor Mitglied des ksl Rates Karls V., wie sich aus dem Innsbrucker Quartierregister 1551/52 und den folgenden Hofstaatenverzeichnissen ergibt. Sein Jahressold lag 1553 bei 500 fl (RHRJud. misc. 23). Mit der Auflösung des ksl Rates trat er in den Hofrat Ferdinands über. NBD 2/1, 296 spricht Delfino von der Pest. Ferner zitiert Theodor von Sickel (Zur Geschichte von Trient 370) aus einem Brief des Prager Erzbischofs Brus aus Trient an den Hofmarschall Trautson vom 18. 8. 1562 die folgende Passage: … permissione dei qui nos iuste pro peccatis nostris affligit, grassata est pestis in civitate Viennensi fere per integrum annum, et inter tot homines, qui mortui sunt, vix centesimus inventus est, qui sanctam catholicam communionem cogitaverit… Diese Zeitangabe würde bis zum Sterbetag HELDINGS zurückreichen und den raschen Krankheitsverlauf als Seuchenfolge plausibel erklären. Das Wiener Stadt- und Landesarchiv (schriftl. Auskunft vom 13. 11. 2007) bestätigte zwar erst für das Folgejahr 1562 das Auftreten der Pest, verweist dabei aber auf Csendes – Oppl, Wien, Bd. 2 (Wien – Köln – Weimar 2003) 112-113, wo indessen von einer obskuren Methode der Pestbekämpfung in der Stadt Wien gerade im Jahr 1561(!) die Rede ist. Tatsächlich ist die Seuche im Frühjahr 1562 wieder aufgeflammt und erreichte ihren Höhepunkt im Oktober und November dieses Jahres (Sterbelisten in HHStA-ÖA NÖ 4/5). NBD 2/1, 299-301, hier 302: Kommentar des Bearbeiters Steinherz.
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auch die beiden Juristen Gienger und Seld dieser Meinung des episcopus Merseburgensis beigepflichtet hätten. Letzte Ratssitzung Der Reichshofrat hielt seine letzten Sitzungen unter HELDING am 6. und 11. 9. (lateinische Expedition) ab, der letzte Protokollvermerk Kirchschlagers aus dem Reichshofrat stammt vom 14. September 1561.680 Danach übersiedelte der kaiserliche Hof mit dem von Ferdinand I. zuerst für Wien ernannten, dann aber für das Erzbistum Prag designierten Bischof Anton Brus nach Prag.681
3. DAS ENDE – TESTAMENT UND TOD Ein sich schon über Jahre erstreckendes Leiden, von HELDING selbst immer nur als Leibesschwäche bezeichnet, hatte seine Konstitution dauerhaft geschwächt, so dass ein zusätzlicher Anstoß – von einem epidemischen Krankheitsausbruch in Wien spricht eine Quelle – vermutlich ausreichte, seiner Laufbahn ein vorzeitiges Ende zu setzen. Testament in letzter Minute Nach nur dreimonatigem Wirken von Mitte Juni bis Mitte September erkrankte HELDING schwer. Er muss völlig überraschend von seinem letalen Leiden ergriffen worden sein. Trotz der über Jahre hinweg strapazierten physischen Konstitution682 brach das Geschehen unerwartet über HELDING herein. Die Quellen geben uns keine näheren Hinweise auf Krankheitssymptome. Ob der Bischof bis kurz vor Abfassung des letzten Willens sich seiner Lage bewusst war, ist zu bezweifeln. Wäre die Schwere seines Leidens früher spürbar gewor680 681
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RHR-Prot. XVI/18 (Kirchschlager). Von diesem 14. 9. 1561 stammt auch das letzte Schreiben des Kaisers mit dem Absendeort Wien an den Papst (NBD 2/1, 307). Steinherz, Briefe des Prager Erzbischofs Anton Brus von Müglitz 1562 -1563 (Prag 1907) mit einer Kurzbiographie. Steinherz benutzte dazu ÖNB Hs Cod. 5636, 5637. Verwirrenderweise trägt ein Brief von Bischof Brus das Datum vom 17. 12. 1561 und den Absendeort Wien. Das würde bedeuten, dass Brus wieder von Prag nach Wien zurückkehrte, für das er ja immer noch zuständig war. Auf Brus folgte zunächst eine zweijährige Vakanz, danach administrierte von 1563-1568 Bischof Urban von Gurk auch Wien. Die weitere Administration durch Generalvikare dauerte bis 1574, als mit dem Freiburger Theologieprofessor Johann Caspar Neubeck (bis 1594) wieder eine ordentliche Besetzung des Wiener Bistums eintrat. Zu denken ist an die berichteten Bäderaufenthalte in Göppingen, Karlsbad und Geislingen.
Das Ende – Testament und Tod
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den, hätte er sein Testament wohl noch bei besserer physischer Verfassung errichtet. Aus den Bemerkungen über seine Leibesschwäche, an der er seit den Merseburger Jahren litt und die er seit 1559 in seinem Wunsch nach Aufgabe des Kammerrichteramts mehrfach als Begründung angeführt hatte, ist wohl auf eine schleichende Grundkrankheit des Urogenitaltrakts zu schließen. Es sei an das ärztliche Gutachten erinnert, mit dem HELDING sich bei Karl V. wegen der Nichtteilnahme in Trient 1551 entschuldigt hatte.683 Im Frühjahr 1561 hatte er wieder das Bad aufgesucht. Allerdings kann eben auch 1561 auf den Ausbruch einer Epidemie in der Stadt Wien geschlossen werden. Ein Testament war nicht vorbereitet und musste am 28. 9. am Krankenbett in letzter Minute aufgesetzt werden.684 Die Aufgabe des Notars übernahm HELDINGS Studienkollege aus Tübinger Zeit, der kaiserliche Hofrat Ludwig Schradin. Zwei Tage nach der Errichtung des Testaments, am 30. September 1561,685 vollendete Michael HELDING , Fürstbischof von Merseburg, emeritierter Kammerrichter und seit wenigen Monaten neubestellter Präsident des kaiserlichen Reichshofrats Ferdinands I. seinen irdischen Weg. Er starb in der Fremde, umgeben von seinem bescheidenen Hofgesinde,686 in Wien am Ort seiner letzten Wohnstätte, dem Schallautzer Haus nahe der Peterskirche.687 Im letzten Willen äußerte er den Wunsch, im Wiener Dom zu St. Stephan auf einfache Weise bestattet zu werden. Eine im Druck erschienene Oratio funebris, die wieder derselbe Poesieprofessor Nathanael Balsmann verfasste, der auch die Begrüßungsadresse einige Monate zuvor beigesteuert hatte, ist verschollen.688 683 684
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CT 7/4/3, 453, Anm. 6: Ärztliches Gutachten als Beilage zum Brief HELDINGS an Karl V. vom 14. 12. 1551. Das Testament ist in Form der kaiserlichen Konfirmation in Prag vom 13. 11. 1561 und deren Eintragung im Reichsregisterbuch 24, 153-162 erhalten. Das Originaldokument Schradins wurde nicht aufgefunden. Gschliesser bezeichnet abweichend von allen anderen den 30. 11. 1561 als Todestag HELDINGS. Somit ist auch Gschliessers Annahme über die Funktionsdauer des zeitweiligen RHR-Vorsitzenden Ludwig von Löwenstein zu korrigieren (ebd. 93). Bestehend aus dem Hofmeister Philipp von Lindenau, dem Kämmerer Johann Rapp, dem Fürschneider Quirin von Retzer, dem Mundschenk Paule Preiser und dem Leibarzt Dr. Bartholomäus Müller, die zugleich als Testamentszeugen fungiert hatten. M. Bermann, Alt und Neu Wien (Wien 1880) 757: Hermes Schallautzer war Oberbaumeister der Stadt und Besitzer des Hauses Graben Nr. 13 (alt 571), das nach seinem Neffen, dem Arzt und Historiographen Wolfgang Lazius, später auch als Lazenhof bezeichnet wurde. Der Autor einer Biographie Balsmanns, Karl Schrauf, verweist auf Michael Denis’ Wiens Buchdruckergeschichte von Anbeginn bis auf das Jahr 1560. Dort findet sich in Bd. 2, 525: Anno 1561 empfing er (Balsmann) im Namen der Universität den Bischof Michael von Merseburg mit einer Rede, die Raphael Hofhalter druckte, und noch in diesem Jahre hielt er ihm auch die Leichenrede, die ebenda gedruckt ist. Nur die Oratio gratulatoria liegt
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Entgegen der in der Literatur zu Michael HELDINGS Beerdigung wiederholten Annahme einer Grablege im Stephansdom kann ein derartiger Nachweis, so sehr auch Vermutungen dafür sprechen mögen, nicht erbracht werden.689 Zwar ist dieser Wunsch in HELDINGS letztem Willen enthalten, ein Epitaph oder Fragmente eines solchen sind bis dato jedoch nicht ans Licht gekommen und auch die Befragung der besten zeitlich nächstliegenden Quelle zu den Epitaphia Viennensia blieb bisher ergebnislos.690 Bis dato ließ sich keine Spur einer Begräbnisstätte, kein Dokument, kein Grabstein, keine Inschrift im Dom oder dessen Archiv feststellen, ein für einen geistlichen Würdenträger seines Ranges eher überraschender Umstand, der allerdings infolge der Auflösung der innerstädtischen Friedhöfe unter Josef II. um 1785 durchaus seine Erklärung finden kann.691 Seine letzte Ruhestätte können wir im Nahbereich des Domes annehmen.692 Vermutlich war die Grablege aber nur an dessen Außenseite, auf dem Freythof. Im Dom wurden jedenfalls am 5. und 6. Oktober zwei Messen zu seinem Gedächtnis gelesen. Es mag daher die Annahme zutreffen, dass der testamentarisch gebetene und mit dem Verstorbenen persönlich bekannte Dompropst Matthias Wertwein693 zwar an der Beerdigung selbst teilnahm und auch die zwei Totenmessen veranlasste, sich aber für eine besondere Grablege im Dom mangels eines die Kosten verantwortenden hochgestellten Auftraggebers nicht zuständig fühlte. Auch HELDINGS Studienfreund Schradin konnte beim Kaiser, der erst im folgenden Jahr nach Abklingen der Epidemie nach Wien zurückkehrte, offensichtlich nichts mehr veranlassen, da er ebenfalls bald darauf starb.694 Eine Überstellung der sterblichen Überreste nach Merseburg oder an einen Ort seines früheren Wirkens (Mainz, Speyer) kann ausgeschlossen werden. Als letzte Spur bleibt die
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im Exemplar der Österr. Nationalbibliothek vor. RHR- Lehensakten 174/2: Schradins Brief an Ks Ferdinand vom 3.10.61. Der in der ÖNB eingesehene Codex Trautson (Epitaphia Viennensia, Cod. S. n. 12781 vom Jahr 1785) enthält dazu nichts. Auch die Protokolle des Domkapitels St. Stephan zu Wien schweigen. Bis 1784 bestand neben dem Dom der Stephans-Freythof. Die Gewissheit, von der Nikolaus Paulus ausgeht, ist heute nicht nachvollziehbar. Mit den aus Schwaben stammenden Propst Matthias Wertwein und dessen Bruder Christoph (dem ernannten Bischof von Wien 1552-1553) wird HELDING auch schon zuvor bekannt gewesen sein: Christoph war lange Zeit Beichtvater Ferdinands I. gewesen, bevor er zum Bischof von Wiener Neustadt und 1552 auch für Wien ernannt wurde. Christoph starb, bevor er bestätigt werden konnte, sein Bruder Matthias war als Dompropst Mitglied der Klosterreformkommission in 1561, an der sich auch HELDING beteiligte. Die letzte Nachricht von Ludwig Schradin findet sich im RHR-Prot. vom 29. November 1561. Ob er dem vollen Ausbruch der Epidemie im folgenden Jahr zum Opfer fiel, ist unbekannt.
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Eintragung in zwei Totenbüchern in Wien St. Stephan. Diesen Eintragungen ist kein Hinweis auf eine Todesursache zu entnehmen.695 Die Zeit war bewegt, eine Epidemie war im Anzug, der kaiserliche Hof eben nach Prag übersiedelt. Nur vom päpstlichen Gesandten Zaccaria Delfino und den knappen Protokollen des Reichshofrats haben wir überhaupt Kenntnis von HELDINGS letzter Lebensphase. Zwei Briefe Delfinos vom 25. und 27. September 1561 tragen noch den Absender Wien, während der darauffolgende vom 6. Oktober bereits von Prag aus versandt wurde.696 Daraus ist zu ersehen, dass Delfino knapp vor HELDINGS Ableben Wien verlassen hat, um sich auf Werbungsreise zu den katholischen Reichsfürsten und anderen Prälaten zu begeben. Über eine Erkrankung des Hofratspräsidenten verliert der Diplomat kein Wort.697 Missverständnis Konzilsreise Schon die älteren Biographen, Paulus, Kawerau und alle nachfolgenden geben an, HELDING sei auf dem Weg zur dritten Periode des Trienter Konzils verstorben.698 Als Konzilsdelegierter für das Reich habe er auf der Reise ein unerwartetes Ende gefunden.699 Diese Annahme
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Domarchiv St. Stephan in Wien: Protocollum Mortuorum (1553-1574) Tomus 3, folio 187: Kal. Octobris 1561 feria 5a et 6a: Episcopi de Merßburg; sonderbarerweise folgt auf f. 188 eine weitere Eintragung unter feria 6a unter dem Namen des Herrn Michaeln Bischoff von Merßburg“. Im parallel vorhandenen Tomus 4 findet sich nur eine Eintragung f. 62, Kal. Octobris feria 5a:: Michel Bischof zu merßburg. Vermutlich wurde an zwei aufeinanderfolgenden Tagen Seelenmesse gelesen. Eine Begräbnisstätte selbst ist nicht vermerkt. NBD 2/1, 309-314. Man dürfte wohl annehmen, dass sich ein hochrangiger Prälat zum Sterbelager eines befreundeten Bischofs begeben hätte, es sei denn, die Ansteckungsgefahr veranlasste eine beschleunigte Abreise. Der Hinweis auf die erwähnte Epidemie wird auch durch die Zeitung aus Linz vom 23. 3. 1562 gestützt, in der es heißt: Die sterbende lauff Jn Wien wollen noch nit aufhören und hat in der stat Newenstat acht meill von Wien erst angehebt zu sterben und aus dem gevolgt, die Mesner zu Baden und Newenstat haben ein kindt, welches an der Infection gestorben, genomen und gestatten, das das Wasser in die Weihkastl gefült, und wann der Pfarrer mit denselben gesprengt und die so getroffen worden, alsbald Jnficiert und gestorben. Deßgleichen haben Sy auch solchn wasser in den stain darinn das weichwasser gethan. Aber diese zwen seindt beide einkhomen. Der ain und der zu Baden hat sich im gefangkhnus selbs erhenngkht und dem andern wird man sein Recht thun (ÖStA ÖA-NÖ 4/5, 320). Auch daraus ist auf eine schon länger grassierende Seuche zu schließen. Die RHR-Protokollbücher geben keinen Hinweis auf HELDINGS Ableben. So bei Kawerau (RE 613) und Paulus (HELDING 494, unter Berufung auf Tilmann Bredenbach). Dieser schreibt im Vorwort zu den von ihm ins Lateinische übersetzten Katechismuspredigten: Cum ad sacrum oecumenicum Concilium Tridentinum superiori anno vocaretur, tandem morbo in ipso itinere contracto, Viennae Austriae spiritum Deo reddidit.
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widerspricht den Fakten.700 Ferdinand I. zögerte die Zustimmung zur Konzilsbeschickung lange hinaus, weil er immer noch die Einbindung der protestantischen Fürsten erhoffte, wozu weder diese noch Papst Pius IV. Bereitschaft erkennen ließen. Ein Auslöser der fälschlich gezogenen Schlussfolgerung könnte der schon erwähnte Brief des Nuntius Hosius an Kardinal Borromeo gewesen sein,701 in dem unter den vermuteten Delegierten auch HELDING genannt war. Ohne die Spekulation über Gebühr auszudehnen, wäre es denkbar, dass Ferdinand I. sehr wohl bei der Suche nach geeigneten Persönlichkeiten auch an HELDING gedacht hatte und ihn zu diesem Behuf durch Zasius nach Wien berief, HELDING aber seine physische Anfälligkeit ins Treffen führte.702 Daraufhin übertrug ihm Ferdinand die Leitung des Reichshofrats, da er den Vertreter des bislang stets abwesenden Präsidenten Carl von Zollern,703 den Grafen Ludwig Löwenstein,704 mit einer anderen Mission betraut hatte und sich HELDING für diese Funktion ebenso wie für Fragen der Kirchenreform als prädestiniert anbot. Dabei mag der Umstand, dass der Bischof ja auch kaiserlicher Rat war, die Überlegung gefördert haben. Als sich die Umstände zur Konzilsbeschickung im Laufe des Jahres 1561 nicht im Sinne des Kaisers gestalteten, rückte die Delegationsfrage überhaupt in den Hintergrund. Wohl aber wurden, wie der Nuntius berichtet,705 bei Hof Reformvorschläge beraten, die bei passender Gelegenheit an den Papst herangetragen werden sollten. Dazu wird Ferdinand I. auch die Erfahrung HELDINGS gesucht haben. Ein derartiges Expertengutachten (das von Theodor v. Sickel so bezeichnete, von Staphylus redigierte Reformationslibell) wurde 1562 tatsächlich dem Papst übergeben,706 fand allerdings nur geringe Beachtung. 700 701 702 703
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Diese Angabe wiederholen auch Feifel und alle weiteren auf ihn bezugnehmenden Autoren. NBD 2/1, 297. NBD 2/1, 252. Carl von Zollern, der zwar den Titel des Präsidenten trug, aber sein Amt faktisch nie angetreten hatte, kündigte Anfang 1561 seine Absicht an, erstmals nach Wien zu kommen, und später endgültig zu resignieren. Ferdinand I. ließ ihm antworten, er werde vom Präsidentenamt entbunden und brauche nicht mehr an den Hof zu reisen, da ein geeigneter Nachfolger bereits in Aussicht stehe. Ludwig von Löwenstein ist nicht mit dem Beisitzer und späteren Nachfolger HELDINGS am RKG Friedrich von Löwenstein zu verwechseln. Das Verwandtschaftsverhältnis beider ist nicht völlig festgestellt. NBD 2/1, 297-302: Delfino hat sich noch am 26. August 1561 mit HELDING über die Teilnahme am Konzil unterhalten. Dabei vertrat dieser den Standpunkt, dass über die Beschickung des Konzils durch Vertreter des Reichs ein Reichstag entscheiden müsse. v. Sickel, Das Reformationslibell: AÖG 45 (1871) 1-96.
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Keine katholische Nachfolge Obwohl die Zweifel an der Erhaltung des Stifts Merseburg für die katholische Seite stärker als zuvor waren, wurde im Reichhofrat nach Bekanntwerden von HELDINGS Ableben eilends versucht, durch Sondergesandte im Wege des Bischofs von Naumburg, der auch der örtlich nächstgelegene mögliche Intervenient war, auf die Neuwahl durch das Merseburger Kapitel Einfluss zu nehmen.707 Schon am 3. Oktober 1561 ließ Kaiser Ferdinand I. mehrere Eilbriefe abfertigen, um einen sofortigen Zugriff des sächsischen Kurfürsten auf das kleine Fürstentum zu verhindern. Auch HELDINGS Sekretär Johann Töpfer informierte den Hof über die von Kurfürst August beabsichtigten Schritte zur Annexion des Stifts.708 Die versuchte Verhinderungsstrategie gegenüber den kursächsischen Einverleibungsabsichten ging indessen nicht auf. Zwar betonte der Kaiser die Reichsunmittelbarkeit des Stifts und argumentierte mit dem geringen Alter des als Administrator vorgesehenen Prinzen Alexander, für den der Vater August als Vormund die Geschäfte übernahm. Auch würde der Sohn im Sukzessionsfall Kur und Stift nicht zusammen besitzen können, versuchte man zu argumentieren. Die kaiserliche Drohung half nicht mehr. Kurfürst August sicherte im überwiegend protestantischen Domkapitel die Übertragung der Administration an seinen siebenjährigen Sohn und revanchierte sich damit für seine eigene Entsetzung. Ferdinand I. verweigerte zwar die Regalien, nach dem frühen Tod des Prinzen Alexander 1565 setzte sich Kurfürst August jedoch bei Maximilian II. endgültig mit seinem Hoheitsanspruch auf das Fürstentum durch.709 HELDING blieb der letzte katholische Inhaber des Hochstifts Merseburg. Literarisches Epitaphium So bleibt mangels anderer Quellen am Ende jener lateinische Nachruf aus der Feder des Assessors am Kammergericht Cyprian Vomel,710 707
708 709 710
RK-Geistliche Wahlakten 26a Merseburg (1561): Nachricht von Sekr. Haller an Seld vom 3. 10. 1561, er möge den Bischof zu Naumburg vom Tod HELDINGS informieren und dieser solle erreichen, dass das Domkapitel in freier Wahl einen frommen katholischen Sukzessor wählen möge. Erst dann solle ein Bote die Todesnachricht an den Kurfürsten von Sachsen überbringen. RHR Prot XVI/19, 182-183. Fraustadt 262. Einen Überblick der Merseburger Regenten in den folgenden hundert Jahren gibt Pollet, Correspondance 5/2, 165-167. Pantaleon, Teutscher Nation Heldenbuch 3. Teil, 466 verzeichnet ihn als Beisitzer für den Oberrhein. Vgl. auch Paulus 493; Ruthmann, Die Religionsprozesse am
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den der Mainzer Drucker Franz Behem einigen seiner HELDING Ausgaben beifügte:711 Diesen Versen ist in etlichen Mainzer Drucken ein anonymer Stich vorangestellt, der HELDING in einem reich verzierten Mantel beim Studium sitzend zeigt, den Rosenkranz in der Rechten, dem Betrachter freundlich zulächelnd. Ein anderes Bildnis, dem die Jahreszahl 1562 eingeschrieben ist, zeigt in einem leicht veränderten Blickwinkel HELDING mit gefalteten Händen vor mehreren Büchern sitzend. Anstelle des reichen Mantels trägt er ein Priestergewand. Schließlich ist noch auf das Wandfresko im Merseburger Dom hinzuweisen, das HELDING als letzten einer Reihe von Bischöfen zeigt. Die Merseburger Bischofschronik verzeichnet Michael
711
.
RKG 128, Anm. 130 (aus der Juristenfamilie Vomelius Stapert stammend). 1515 geboren, wird er als Mag. art. und Bacc. iur. von Erzbischof Sebastian am 15. 2. 1547 zum Procurator Fiscal providiert. Nach Abschluss des Studiums wechselte er offenbar als Assessor an das RKG (StA Würzburg, Mainzer Ingrossaturbuch 64, 13-14). Z. B. in der Postilla 1574 (Mainz, Franz Behem): De Sanctis, Sommerteil, Titelblatt verso: Epitaphium Reverendissimi in Christo Patris ac Domini, D. Michaelis HELDINGII Episcopi Mersburgensis, simulque Camerae Imperialis Praesidis, &c. ad studiosam iuventutem Germaniae: Ex humili provecte loco virtutis in arcem Et requiem tandem aeternam sortite Michael HELDINGI, tua nos moesti componimus ossa Hoc tumulo, uberibus gemitu lachrimisque, profusis. Nam sumus orbati te tanto lumine, quantum Vidimus haud unquam plebeio ex ordine natum Germani aetherea quotquot modo vescimur aura. Infima tua iuvenis pueros elementa docebas, Frena Scholae Mogani summa moderatus in aede. Mox verbi praeco divini factus ibidem: Praesulis officium mitra redimitus obibas Pontificis summi tibi suffragante Senatu. Post paulo Caesar laudum rumore tuarum Carolus incensus te fecit Episcopon esse In Merspurgensi late ditione patente, Quem Ferdinandus Frater superare laborans, Imperii Camerae tibi commitebat habenas Auspice iustitia, gravitate fideque regendas. Nec tamen extremo stetit hoc tua gloria puncto. Scilicet Austriacam iussus concedis in aulam Consilia ut Praeses praesensque Augusta gubernes Pax quibus Europae constat tranquilla salusque. Sed Deus exiguo passus te tempore talem In terris agere, ad summum revocavit Olympum, Ascripsitque sibi comitem per secla beatum, Iustus ut assistas animarum censor in aevum. At tu quae studiis Germana iuventa dicata es Huius ad exemplum castis operare Camoenis Magno animo, nec te rerum penuria tardet. Ardua cuncta labor superat, sua premia necdum Virtuti desunt, famamque decusque paranti, Si quis eam toto sectetur pectore solers.
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ZWEITER TEIL DER THEOLOGE IN SEINEN SCHRIFTEN
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Übersicht der Schriftzeugnisse
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9. Kapitel TYPOLOGISCHE EINORDNUNG Übersicht der Schriftzeugnisse Um den Theologen HELDING erfassen zu können, sind wir neben dem eher spärlich dokumentierten Urteil der Zeitgenossen auf seine im Druck erschienenen Predigtenreihen angewiesen. Eine weitere Quelle bilden die offiziellen Reformschriften in Form des von ihm mitbearbeiteten Interim und der Formula reformationis (beide 1548), die Mainzer Synodalstatuten von 1543 (unveröffentlichtes Konzept), 1548 und 1549 sowie der Liber Merseburgensis (1558), der zum Teil in die erneuerte Reformnotel von 1559 einging. Dazu kommt die in Protokollen festgehaltene Mitwirkung beim Religionsgespräch in Worms 1557. Insoweit, als diese Mitwirkung im Rahmen einer Theologengruppe oder Kommission erfolgte, wird die unmittelbare Zuordnung von HELDINGS Anteil naturgemäß problematisch. Keinen entscheidenden Beitrag theologischer Natur bieten HELDINGS erhalten gebliebene Briefe. Sie halten aber wichtige Lebensspuren fest. Bei näherer Betrachtung lässt sich sein theologisches Œuvre somit in die folgenden Kategorien einteilen, die sich zum Teil überlappen: (a) Reformschriften (tlw. Mitarbeit HELDINGS ) 01 Mainzer Reformkonstitutionen (1541-1543) 02 Gutachten (Vergleichsentwurf mit Pflug) (1546) 03 Interim und Reformnotel (1548) 04 Mainzer Provinzialstatuten (1549) 05 Stellungnahmen im Kolloquium Worms (1557) 06 Liber Merseburgensis (1558) (b) Predigten Mainz 1535 bis 1544, Augsburg 1547/1548, 1550, Merseburg 1551 bis 1557,1 Regensburg 1556/1557 in folgenden Druckwerken: 07 Von der Heiligsten Messe (1548) (15 Predigten) 1
Die Jonapredigten wurden durch Philipp Agricola 1558 als Jonas Propheta ediert.
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Drei Predigten vom Fasten, Fürbitt der Heiligen und Sorge um die verstorbenen Gläubigen (1547)2 Predigt zum Gründonnerstag (1548) Fronleichnamspredigt (1548) Katholischer Bericht, wie sich gemeine Pfarrherren und auch sonst Christen in Reichung und Empfang des heiligsten Sakraments des wahren Leibes und Bluts Christi in dieser verirrten und spaltigen Zeit verhalten sollen (1548) Jonas Propheta (1558)
(c) Katechismen (Mainz 1549-1551) 13 Sacri canonis Missae paraphrastica explicatio (1548) 14 Institutio ad pietatem christianam (1549, Teil von 04)3 15 Brevis institutio (1549, dt. Ü. unter Catechesis (1555) 16 Catechismus, das ist Underweisung (1551)4 (d) Posthum veröffentlichte Schriften 17 Postilla (1565) (enthält Predigten aus 1535-1539, 15481557) 18 Erster Johannesbrief (1566) 19 Proverbia Salomonis (1571) (enthält frühe und Predigten aus 1550) (e) Briefe (unvollständig) Im Folgenden wird an Hand dieser Quellen eine Reihe von Fragen aufgeworfen, die der bisher Michael HELDING zuteil gewordenen theologiegeschichtlichen Einordnung im Einzelnen nachgehen. War HELDING Kontroverstheologe? Kann man ihn einen Humanisten nennen? War er Reformer oder eher kerigmatisch orientierter Katechet? Dem heutigen Begriff nach war Kontroverstheologe,5 wer sich im 16. Jahrhundert an der schriftlichen oder mündlichen Auseinandersetzung mit den Thesen der Protestanten beteiligte, gleichwie, ob dies im Modus der Polemik oder der sachbezogenen Argumentati2 3
4 5
Die Predigten 08-11 sind von Behem auch den Ausgaben des Ersten Johannesbriefs und der Postilla beigegeben worden. In Klammer der jeweils erste Druck. Institutio als Beigabe zu den Mainzer Provinzialstatuten (Druck von Franz Behem, Mainz 1549). Die Seitenzahlen von {M49} laufen im Teil Institutio weiter. Cat besteht aus 84 Predigten der Jahre 1542 bis 1544 in der Form eines Katechismus. Smolinsky, Art. Kontroverstheologie: ³LThK6 (1997) 333-335. Noch in 1LThK 6 (1936) wurde unter Kontroverstheologie auf die Artikel Polemik, Religionsgespräche, Predigt weiterverwiesen.
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on, in Schrift oder Predigt geschah und welcher geschichtlichen Strömung von Scholastik bis Humanimus man sich verpflichtet fühlte. Kontroversen gehen bis in die Anfänge der Kirche zurück, die sich gegen Lehrabweichungen im Laufe ihrer Geschichte immer wieder zur Wehr setzen musste. Nach der Trennung in die griechische und die lateinische Kirche 1054 und der Eindämmung der hussitischen Häresie zerbrach auch die Einheit der römischen Kirche in der deutschen Reformation Luthers. Von Anfang an wurden die aufgebrochenen Kontroversen in Form von Disputationen oder in Streitschriften ausgetragen, in denen dem anderen Teil seine Irrtümer vorgehalten wurden. Zum Unterschied zu den an Universitäten gepflogenen lehrmäßigen Disputationen fehlte den konfessionellen Kontroversen die beiderseits anerkannte Entscheidungsinstanz. Yves Congar6 sah den Ursprung der Kontroverstheologie einerseits in einem gegenüber der mittelalterlichen Scholastik unbefangeneren Umgang mit den Quellen, andererseits im Umstand, dass man der scholastischen Geisteshaltung intellektuell und methodisch weiter verhaftet blieb. Alle Erudition wurde nicht auch zum besseren Verständnis der Thesen und Argumente des anderen Teils, eben zur Wahrheitsfrage, sondern nur zur Bekräftigung und Verteidigung der eigenen Position eingesetzt.7 Solche Merkmale des kontroversiellen Umganges der Theologen miteinander zieht auch François Laplanche heran:8 Es findet sich ein verstärkter Zug zur Personalisierung des Streits, eine emotionale Aufladung, bisweilen eine gewaltimmanente Sprache, die vor der verbalen Vernichtung des mitchristlichen Widersachers nicht zurückschreckt und dabei sogar zu apokalyptischen Bildern Zuflucht nimmt. Im widersprechenden Anderen sah man einen Helfershelfer des Teufels, der, wie es für das Anbrechen der Endzeit prophezeit war, bereits die Herrschaft der Welt an sich gerissen habe. Beide konfessionellen Seiten verteidigten den Wunderanspruch zu ihren Gunsten. Starb ein Exponent des anderen Teils, so wurde dies als positives Himmelszeichen betrachtet. Laplanche sieht in diesem Zwang zur persönlichen Parteistellung einen charakteristischen Zug der Kontroverstheologie. Trotz der Frontstellung zwischen Christen gab es auch unter den altgläubigen Theologen einige, die zumindest bis zum Abschluss des 6 7 8
Osner, Art. Congar, Yves OP (1904-1995): ³LThK 2 (1994) 1295-1296: Kardinal, französ. Ekklesiologe. Congar, Art. Controverse: Catholicisme hier – aujourd’hui – demain 3 (1952) 154156, hier 156. Laplanche, Kontroversen und Dialoge zwischen Katholiken und Protestanten: Geschichte des Christentums 8 (1992) 330-355.
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Konzils von Trient immer noch im erasmischen Geist an der Wiederherstellung der christlichen Einheit auf friedlichem Weg festhielten (z. B. Georg Witzel, Julius Pflug, Michael HELDING ). Heribert Smolinsky9 nennt als die wesentlichen Kampfthemen der vortridentinischen Kontroversen aus altgläubiger Sicht das Verhältnis von Schrift und Tradition, die Frage nach der Kirche, insbesondere nach Papst und Hierarchie, sowie die Schriftinterpretation und das Verständnis von Rechtfertigung und guten Werken. In seiner nicht taxativen Aufzählung fasst er auf deutscher katholischer Seite eine Reihe von Theologen zusammen, die unbestritten als Kontroversisten zu bezeichnen sind: Johannes Eck, Augustin v. Alveldt, Hieronymus Emser, Johannes Cochlaeus, Georg Witzel, Georg Cassander, Kaspar Schatzgeyer, Johannes Fabri, und die Löwener Johannes Driedo und Albert Pigge. Obwohl hierunter nicht genannt, müsste HELDING dieser weiten Definition zufolge auch diesem Kreis zugeordnet werden, da er sich in seinen Schriften mit den Lehren, das hieß in seinen Augen mit den Missbräuchen und Häresien, des anderen Teils auseinandersetzt.10 Sie werden allerdings nie zum zentralen oder exklusiven Anliegen des Predigers und er vermeidet auch die persönliche Invektive als eines der Charakteristika der Kontroverstheologie (vgl. Laplanche). Eine Ausnahme wäre zu benennen: den gegen die Messerklärung (Von der heiligsten Messe 1548) und den kleinen Katechismus (Brevis Institutio 1549) anstürmenden Matthias Flacius versuchte er in einer singulären Defensio mit Argumenten und einer für ihn unüblichen Schärfe in der Diktion abzuwehren. Ulrich Köpf dehnt den Terminus weiter auf alle Lehrdifferenzen aus, die Störungen und Trennungen innerhalb der christlichen Gemeinschaft, letztlich die bleibende Scheidung der Christenheit in Konfessionen und Denominationen, hervorgerufen haben. Er verweist dabei neben der inhaltlichen auch auf eine stilistische Komponente des Diskurses, die an inquisitorische Diktion erinnert.11 HELDINGS Position Inhaltlich steht HELDING fest auf dem Boden der Tradition und der Kirche, auch wenn man seinen Beitrag zum Interim veranschlagt. Er 9 10
11
Geschichte des Christentums 7 (1995) 844-855: Die altgläubige Kontroverstheologie bis 1530. Den seit dem Reichstag in Speyer 1529 aufgekommenen Begriff Protestanten finden wir bei HELDING nicht. Zumeist spricht er vom Anderen Teil und von Secten, Rotten, Ketzern. Köpf, HWR 7 (2005) 1302-1311.
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verteidigt die Realpräsenz in der hl. Eucharistie, das Messopfer als memoria des Kreuzesopfers, die Siebenzahl in der Einsetzung und den Heilscharakter der Sakramente kraft der Wirkung des Hl. Geistes. Er propagiert die Kirche als alleinige Hüterin der Schriftauslegung, als Spenderin der Heilsmittel und als Gemeinschaft der Heiligen. Hier ist noch sein besonderes Engagement für das Bußsakrament anzuführen, von dem ausgehend HELDING eine Veränderung und Erneuerung des christlichen Menschen erhofft. In diesem Sinn ist sein Menschenbild trotz einer Skepsis am Besserungswillen seiner Zeitgenossen von der Caritas, der Liebe zu Gott und zum Mitmenschen, geprägt und von der Hoffnung auf die nachkommende Generation erfüllt, indem er besonders stark auf die Formung der Jugend in geeigneten Institutionen durch befähigte Lehrer setzt. Was spricht für HELDING als Vermittlungstheologen? Die Einschätzung HELDINGS als Vermittlungstheologen12 geht bei den meisten Kommentatoren auf seine Mitarbeit am Interim zurück, in dem er in den Auffassungen über Kelchkommunion, Priesterehe und Fasten eine offenere Position als die mitwirkenden spanischen Theologen vertrat. Hier ist einschränkend festzuhalten, dass er diese Konzessionen nur den Anhängern des Augsburger Bekenntnisses, nicht anderen Protestanten und keineswegs einem Katholiken zubilligte. Es sei auch erinnert, dass sich schon viel früher der von HELDING geschätzte Friedrich Nausea die Priesterehe vorstellen konnte. Dieses Zugeständnis hatte daher im Jahr 1548 bei verbreiteter Praxis keinen allzu großen Neuerungseffekt. Eher kann hier HELDINGS Bemühen eingeordnet werden, in der Rechtfertigungsfrage einen Ausgleich zu finden und dafür die für seine eigene Grundüberzeugung unabdingbare Anerkennung der guten Werke für den anderen Teil akzeptabel zu machen. Was HELDING auszeichnet, ist seine feste Überzeugung, dass die Spaltung in Deutschland zutiefst den Geist und das Gebot der Lehre Christi verletzt. Geistige Nähe zu Erasmus Wollte man HELDINGS Humanismus an Erasmus messen, ist wohl zunächst seine Bildung ins Treffen zu führen, seine eingehende Kenntnis der Heiligen Schrift in den Ursprachen Griechisch und Hebrä12
Zum mehrdeutigen Begriff im konfessionellen Zeitalter: Smolinsky, Art. Vermittlungstheologie: ³LThK 10 (2001) 697.
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isch, sein Studium der Vätertheologie, doch erscheint er eher als Exzerpent von Bibelstellen und Kirchenvätern für den Predigtdienst, weniger als Exeget im Sinne eigener Erkenntnissuche aus originärer Quelle. Dabei geht ihm die Fundstelle unmittelbar als Wort Gottes auf.13 Bei Erasmus steht das Ringen um den wahren Text im Mittelpunkt seiner Schrifttheologie, Exegese und Philologie vereinen sich, die Theologie erscheint im Gewand der Rhetorik. Erasmus erkennt die anthropomorphe Färbung der Heiligen Schrift und deren mitunter schwer erfassbare Stellen. An diese legt er die ihm wohlvertrauten Auslegungsregeln antiker Redekunst an, wie dies von Peter Walter nachgewiesen wurde.14 Erasmus verkörpert bei aller Rhetorik aber auch eine Theologie der Frömmigkeit im Geiste von Jean Gerson abseits scholastischer Subtilität.15 Bei HELDING ist die Schrift unstreitige Quelle des Transfers der persönlich erfühlten Pietas in die eigene Lebenspraxis und die derjenigen, denen er predigt. Die Hl. Schrift legt für ihn ein genügend helles Zeugnis der Wahrheit ab. Der Umgang mit den Kirchenvätern ist für Erasmus in der Suche nach unverfälschten Zeugnissen der Textwahrheit begründet und so sind auch seine beiden Katechismen in sein humanistisches Reformprogramm eingebettet bzw. in dessen Zusammenhang eingebunden (Rudolf Padberg).16 Nimmt man als Kriterium eines Humanisten die lebenslange eruditio, wird man HELDING die Vielseitigkeit seiner Erfahrungen, die ihm die gestellten heterogenen Aufgaben abverlangten, nicht absprechen können, mag man auch das Fehlen eines typisch humanistisch-didaktischen Werkes aus seiner Feder vermissen. Die poetischen Versuche des jungen Magisters wie die Dichtung Germania blieben ohne überlieferte Nachfolge.17 HELDINGS katechetische Schriften sind Gebrauchsanleitungen für die Sicherung der für jeden Getauften gültigen Heilszusage. Hiefür zieht er viele Argumente aus der Hl. Schrift und den Vätern und beweist seine hohe Belesenheit. Es geht ihm dabei aber nicht um den quellenkritischen Wahrheitshorizont. Er teilt nicht den Zweifel des Erasmus an einigen Paulusbriefen oder an der Biographie des vermeintlichen Paulus-
13
14 15 16 17
So sieht es auch Feifel, Der Mainzer Weihbischof Michael Helding. Zwischen Reformation und katholischer Reform (Reihe Vorträge des Instituts für Europäische Geschichte Mainz Nr. 33, 8. [Wiesbaden 1962]). Walter, Theologie aus dem Geist der Rhetorik 252. Kohls, Die Theologie des Erasmus 72. Padberg 22. Ein von Philipp Arbogast posthum zur Veröffentlichung vorgesehenes Carmen unbekannten Inhalts ist verschollen.
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schülers Dionysius Areopagita, dessen Werk er immer wieder konsultierte.18 Erasmus und HELDING treten der für sie unbegreiflichen Spaltung der Christenheit entgegen, jener auf literarische Weise, dieser in seiner Predigtpraxis. Beide sind überzeugt, eine selbstkritische Besinnung der institutionellen Kirche auf ihre ursprünglichen Tugenden, insbesondere auf die Liebe als deren höchste, würde wieder zur Einheit zurückführen. Auf seinen persönlichen Umgang bezogen, gibt Erasmus mehr dem Typus des auf Einheit bedachten neutralen Mittlers Gestalt,19 dem die Ausgrenzung einer bestimmten Gruppierung fremd ist. Auch HELDING verwirft die Vertreter des anderen Teils nicht endgültig und hofft lange Zeit auf die concordia, die Rückkehr der von der Kirche Abgewichenen, auch wenn er einmal resignierend bemerkt, wer sein Seel hasset / mag von der Catholica Kirchen lassen / unnd mit den Rotten und Sekten halten.20 Wegen seiner Kritik an kirchlichen Missbräuchen, an zeremoniellen Überlagerungen, gilt Erasmus auch als Reformer, sein Kampf um Bewahrung des freien Willens reiht ihn unter die Kontroversisten.21 In diesem Sinn zusammengefasst trifft das Attribut erasmisch auch auf HELDING zu. Auf textliche Bezüge zu Erasmus wird bei der Erläuterung des Catechismus hingewiesen. Am leichtesten sind die Zuschreibungen an HELDING als den hervorstechenden Prediger22 und Verkündigungstheologen23 zu bestätigen. In manchen Kommentaren wird ihm eine Art von Mischqualifikation erteilt: als humanistisch-erasmischer Reformkatholik,24 als zwischen den Fronten stehender Theologe, als Ireniker und als bibelhumanistisch-reformerisch orientierter Prediger.25 Die Aussagen differerieren im Wortlaut, zielen aber im Grunde auf gleiche Persönlichkeitsmerkmale: Vermeidung von Streit, Friedenswille, Suche nach Ausgleich theoretischer Positionen, Eingehen auf lebensnahe Praxis, Kritik an den Missbräuchen der Kirchenoberen, aber insgesamt kei18 19 20 21 22 23
24 25
Zur Dionysiusrezeption vgl. Ritter, Dionysius Areopagita im 15. und 16. Jahrhundert. Augustijn, Art. Erasmus, Desiderius (1466/69-1536): TRE 3 (1982) 1-18, hier 2. Cat 268v. Walter, Art. De libero arbitrio diatribe sive collatio (Erasmus 1524): LthW 179-181. Kawerau, Art. HELDING: RE 7 (1899) 610-613. Feifel, Grundzüge einer Theologie des Gottesdienstes (Freiburg – Basel – Wien 1960); Iserloh, Geschichte und Theologie der Reformation im Grundriß (Paderborn ³1985). Lau, Art. HELDING: ³RGG 3 (1959) 791. So Smolinsky, Art. Helding: ³LThK 4 (1995) 1402; Henze, Aus Liebe zur Kirche Reform 75-87 setzte sich mit diesen Kategorien und Begrifflichkeiten an Hand der Person Georg Witzels eingehend auseinander. Eine eindeutige Bestimmung HELDINGS ergibt sich aus der Zusammenschau nicht.
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ne Abkehr von der apostolischen Rückbindung der Mutter Kirche, deren treuer Sohn er bis zu seinem Ende blieb. Dafür spricht schon sein ausgeprägtes Obrigkeitsdenken, das er geistlicher und weltlicher Macht in gleicher Weise zollte, da für ihn die Ordnung von Kirche und Gesellschaft gottgewollt war. In HELDING treffen mehrere Koordinaten zusammen, die eine eindeutige Typisierung seiner Persönlichkeit nicht zulassen. In den nächsten Kapiteln wird HELDINGS Anteil an kirchlichen Reformbestrebungen und sein Wirken als Prediger und Glaubenslehrer artikuliert.
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10. Kapitel HELDING ALS REFORMER Kritiker und Bewahrer der Kirche 1. REFORMBEMÜHUNGEN IM REICH Was bedeutet in diesem Zusammenhang Reform und insbesondere Reform der Kirche für HELDING ? Zusammenfassend stehen dafür zwei Quellen HELDINGS zur Verfügung: die Institutio als Teil der Mainzer Provinzialstatuten (1549) und der Liber Merseburgensis (1558). Zunächst gilt es aber, das Umfeld im Erzbistum Mainz hinsichtlich der Reformanstrengungen zeitlich und örtlich zu beleuchten. Concilia Germaniae Der Alten Kirche völligen Unwillen zur Erneuerung zu unterstellen, würde an der historischen Wahrheit vorbeizielen. Ein Bewusstsein für notwendige Reformen bestand partikulär durchaus.26 Martin Luther wirkte dabei als Katalysator, durch den sich die aufgestaute Flut erstmals über die klerikalen Kreise hinaus in die gesamte Gesellschaft entlud. Seit dem fünften Lateranum27 war der Wunsch nach einer Fortsetzung oder eigentlichen Befassung mit den brennenden Zeitfragen in Rom wohl vernommen, aber aus politischen Erwägungen abgefangen worden. Im Ruf nach einem Konzil klang für den Heiligen Stuhl der Charakter einer Bevormundung, ja selbst einer Drohung durch. Noch war in der Kurie die vermeintliche konziliaristische Dominanz des vergangenen 15. Jahrhunderts nicht verwunden.28 Der eine oder andere Verantwortungsträger im Vatikan begriff aber, dass eine Politik des Abwartens und Hinhaltens die religiösen Spannungen weiter verschärfen würde, und war einem begrenzten Anpassungsprozess gegenüber aufgeschlossen. 26 27 28
Rapp, Die Länder der westlichen Christenheit: Deutschland: Geschichte des Christentums 7, 310-329. Einberufen von Julius II., fortgesetzt von Leo X. (3. 5. 1512-16. 3. 1517). Moeller, Geschichte des Christentums 218.
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Das vortridentinische theologische Schrifttum stand seit ca. 1520 im Zeichen der reformatorischen Herausforderungen an die Lehre der Kirche. Im Unterschied zu den Sentenzenkommentaren in der Nachfolge des Petrus Lombardus29 und den auf Thomas von Aquin30 aufbauenden Summen des Mittelalters, die das gesamte Lehrgebäude der Kirche umschrieben, war nunmehr literarisch und praktisch die direkte Auseinandersetzung mit den spezifischen Aussagen Martin Luthers bzw. Philipp Melanchthons und ihrer Anhänger gefordert. Vor allem für den in einer deutlichen Bildungsferne erzogenen niederen Klerus wurde eine Klarstellung der altgläubigen Lehre erforderlich. Erste Antworten auf die lutherischen Thesen, z. B. durch Sylvester Prierias,31 blieben im Kreis der Kanonisten, erst Johann Ecks Schriften fanden ein größeres Echo in Deutschland. Sein Enchiridion32 maß sich mit den Loci communes Melanchthons von 1521.33 Luther selbst hatte den Bildungsmangel der Kleriker mit seinen beiden Katechismen von 1529 direkt aufgegriffen.34 Synoden und Statuten Eine der Quellen kirchlicher Ordnung waren die von Bischöfen und Metropoliten für ihr Territorium erlassenen Synodalstatuten. Die vom Basler Konzil propagierten Kirchenversammlungen wurden vortridentinisch in Deutschland seit dem Lateranense V nahezu in regelmäßiger Folge, aber mit unterschiedlichen örtlichen Schwerpunkten abgehalten. Solche Synoden sind bei Schannat – Hartzheim verzeichnet. 35 29 30 31 32
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Brown, Art. Petrus Lombardus (1095/1100-1160): ³LThK 8 (1999) 128-129. Kluxen, Art. Thomas v. Aquin (1225-1274): ³LThK 9 (2000) 1509-1517. Pfnür, Art. Prierias, Sylvester OP (1456-1527): ³LThK 8 (1999) 557. Smolinsky, Art. Enchiridion locorum communium adversus Lutherum et alios hostes ecclesiae (Johannes Eck (1525): LthW 266-267. Das aus der römischen Rechtssprache (Sextus Pomponius, Mitte des 2. Jh. n. Chr.[Der Kleine Pauly 4, 1039]) herrührende Encheiridion bezeichnet ein Handbuch für die Praxis (wörtlich ein Instrument, gleich einem chirurgischen Messer [Georges I, 2417]). Peters, Art. Loci communes rerum theologicarum seu hypotyposes theologicae (Philipp Melanchthon 1521): LthW 478-480. Diese Katechismen waren aus den seit 1518 gehaltenen Predigten Luthers hervorgegangen. Ähnlich sollte 2 Jahrzehnte später HELDINGS Catechismus entstehen. HELDING verwendet den Begriff Catechismus auch für das Unterweisungsgeschehen zwischen Catechista und Catechumenus. Schannat – Hartzheim 6, I-VI: Index chronologicus: 1503 Basel und Passau, 1504 Meißen, 1505 Magdeburg, 1506 Bamberg, 1509 Breslau, Tournai, 1511 Havelberg und Breslau, 1512 Brandenburg und Regensburg, 1513 und 1515 Köln, 1520 Tournai, 1524 Regensburg, 1527 Mainz und Köln, 1528 Köln, 1533 Osnabrück, 1536 Köln (Provinz), 1539 Hildesheim, 1544 Köln und Salzburg, 1548 Köln, Mainz, Pa-
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Im 16. Jahrhundert wurden in Deutschland in den Provinzen Mainz (1549), Trier (1549) und Salzburg (1549) je eine, in Köln (1536, 1549) zwei Provinzialsynoden abgehalten, auf diözesaner Ebene fanden dagegen häufiger Synoden statt.36 Nach Schannat – Hartzheim, Band 6 (bis zum Jahr 1564 reichend) hielt Köln von 1512 bis 1551 außer den beiden genannten Metropolitanversammlungen elf weitere Diözesansynoden ab. Im Bistum Mainz ist nur noch die Synode von 1527 und jene von 1548 zu vermerken,37 die aber bereits im Vorfeld der Provinzialsynode von 1549 stattfand. Gleiches gilt für Trier. Die Bistümer Osnabrück 1533, Hildesheim 1539, Salzburg 1544, Augsburg 1548, Paderborn 1548, Straßburg 1549 ergänzen die Aufstellung. Es zeigt sich somit innerhalb der deutschen Kirchenprovinzen eine große Bandbreite in der Handhabung dieses vom Basler Konzil 1439 empfohlenen Lenkungsinstruments lokaler kirchlicher Administration. Diese großen Provinzial- und Bistumsversammlungen führten regelmäßig zur Aktualisierung von Normen, an denen sich die Beurteilung der dem Bischof nachgeordneten Amtsträger in den folgenden Visitationen orientierte. Grundlegend für institutionelle und verfahrensmäßige Fragen waren die Canones des Kirchenrechts, die in den Statuten interpretiert, aber auch meritorisch in Form einer zulässigen Partikulargesetzgebung erweitert wurden, wobei jüngere Konstitutionen auch auf ältere oder auf solche von anderen Jurisdiktionsbereichen verwiesen. Im Kern disziplinäre Probleme Dass erst negative gesellschaftspolitische Entwicklungen im Zuge des Autoritätsverlusts der Kirche im 16. Jahrhundert die Disziplinierung durch Reformstatuten notwendig machten, wird widerlegt. Bei genauerer Betrachtung zeigt sich, dass schon auf dem Konzil zu Basel 1435 (20. Session) ein Dekret gegen Konkubinarier verabschiedet wurde, das auf der Synode in Basel 1503 (33 Kapitel) erneuert werden musste. Das Keuschheitsgebot war eine oft übertretene Norm, der Zölibat eine scheinbar unerfüllbare Idealforderung. Andere Vorschriften nahmen sich des Umgangs der Kleriker in der Gesellschaft an. Kein Christ durfte sich in jüdischen Dienst begeben und von Ju-
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derborn, Augsburg, Lüttich und Trier, 1549 Salzburg (Provinz), Straßburg, Köln (Diözese und Provinz), Mainz (Provinz), Trier (Provinz), 1550 Köln und Cambrai, 1551 Köln, 1559 Glatz. Salzburg wird hier der besonderen Nähe zum Reich halber miterwähnt. Zur Mainzer Synode 1548: Lenhart, AMRhKG 10 (1958) 67-111.
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den eine Medizin annehmen.38 Genaue Bekleidungsvorschriften und Ermahnungen zu einem dezenten Äußeren (Länge der Haare, Bartrasur) wurden erlassen, Kanzelpredigten durch Stationarii, die nicht Priester waren, mussten eigens untersagt werden. Die Anwesenheit von Priestern im Anschluss an Begräbnisse in ludis et ebrietatibus, die die ganze Nacht andauerten, musste ausdrücklich unterbunden werden. Anstößiges und sittenwidriges Verhalten von Klerikern war schon deshalb untragbar, da das einfache Volk die sakramentale Wirkung der geistlichen Handlungen trotz gegenteiliger rechtlicher Darlegung auch auf die Person der Geistlichen bezog und eine Abschwächung der Heilsgaben durch solche Spender befürchtete. Darüber hinaus erwartete man von Klerikern eine Vorbild- und Erziehungsfunktion für die Jugend. Die Verhaltenskritik an den einfachen Klerikern artikulierte sich in wiederkehrenden Topoi, die als feste Tatbestände in die Synodalstatuten eingefügt wurden: Unsittliches Verhalten, auch in der Bekleidung bzw. im Umgang mit Profanen, ausschweifende Lustbarkeiten. Der hohe Klerus stand durch den Benefizienmissbrauch und die Neigung zur persönlichen Bereicherung in der Kritik. Regensburg – Köln – Hildesheim Ein erster Anstoß, sich mit der inneren Erneuerung der Kirche im Reich auseinanderzusetzen, ging von Rom aus, das aus Sorge vor einem angekündigten Nationalkonzil den Legaten Lorenzo Campeggio zur Abhaltung eines Konvents 1524 nach Regensburg entsandte. Dabei wurde auf Drängen von Bayern und Österreich eine Reform des Klerus beschlossen, deren Ergebnisse aber kaum wesentliche Änderungen erbrachten.39 Eine weitere Vorstufe zu den Mainzer Reformkonstitutionen 1543 nicht nur in zeitlicher Hinsicht, sondern auch durch die Person des dem Mainzer Domkapitel entstammenden Hildesheimer Bischofs Valentin von Tetleben, bilden die Hildesheimer Konstitutionen des Jahres 1539 {H39}. Von Tetleben war zuvor Mainzer Generalvikar und kehrte nach seiner Vertreibung durch die Bürger der Stadt Hildesheim wieder nach Mainz zurück. Im Jahr 1541 übertrug ihm Erz38
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Schannat – Hartzheim 6, 22: Davon ließen sich Kaiser Friedrich III. und Johannes Reuchlin zwei Jahrzehnte zuvor nicht abhalten: Der jüdische Leibarzt Jacob ben Jehiel Loans gab dem Humanisten Johannes Reuchlin bei dessen Aufenthalt als Gesandter Württembergs 1492 in Linz Unterricht in der Kabbala und in Hebräisch (Konrad Schiffmann, Reuchlin in Linz [Linz 1929]). Aulinger, Art. Regensburger Konvent und Bündnis: ³LThK 8 (1999) 967.
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bischof Albrecht das Projekt der Reformstatuten für die Mainzer Provinz.40 In diese Kurzbetrachtung sollen auch die Kölner Statuten wegen ihrer Verbindung mit Johannes Gropper und Erzbischof Hermann von Wied einbezogen werden.41 Im Gefolge der Regensburger Reformordnung von 152442 scheint gerade der Kölner Erzbischof Hermann von Wied als Erster Konstitutionen modernisiert und in eine für seine Offiziale handhabbare Form gebracht zu haben. Ein früher Niederschlag findet sich schon in den Kölner Statuten von 1528.43 In den Bereich der Disziplin des Kölner Klerus greifen dann die von Johannes Gropper44 redigierten Statuten von 1536 ein.45 Diese befassen sich mit Leben und Sitten der Kleriker, ihrem Verhalten in der Öffentlichkeit sowie mit den Bildungs- und Sozialeinrichtungen (Schulen, Spitäler, Waisenhäuser). Die Vorbildwirkung wird besonders angemahnt. Ein Pfarrer soll sich z. B. von jeglichem Luxus fernhalten. Auch an der Kurie wurde unter Papst Paul III. das Erfordernis von Änderungen erkannt und im selben Jahr 1536 eine Reformkommission gebildet, die 1537 eine Denkschrift Consilium de emendanda ecclesia erstellte, welche aber nicht weiter verfolgt wurde.46 Eine Weiterentwicklung lassen die Hildesheimer Statuten 1539 erkennen, die im Mainzer Reformkreis ihren Ursprung haben und sich besonders dem einfachen Klerus zuwenden. Als nächste sind die für die Mainzer Provinz von einer eigenen Kommission, der auch Weihbischof HELDING angehörte, entworfenen Reformkonstitutionen {M43} zu nennen, die infolge des Ablebens von Erzbischof Albrecht nicht mehr veröffentlicht wurden.
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Siehe unten Anm. 52. Bosbach, Art. Wied, Hermann v., Erzbischof und Kf v. Köln (1477-1547): ³LThK 10 (2001) 1145-1146: Hermann unterstützte zunächst das Wormser Edikt und die Regensburger Reform, geriet aber seit 1538 unter protestantischen Einfluss; Babea, Kurfürstliche Präeminenz, Landesherrschaft und Reform. Das Scheitern der Kölner Reformation unter Hermann von Wied (Münster 2009). Schannat – Hartzheim 6, 196-204: Constitutio ad removendos abusus et ordinatio ad cleri vitam reformandam. Ebd. 221-231. Die Bestimmungen gelten der Kirchenverwaltung (den Offizialen der curia Coloniensis). Meier, Art. Johann Gropper (1503-1559): 3LThK 4 (1995) 1062. Schannat – Hartzheim 6, 235-310: Das den Statuten beigefügte Enchiridion Groppers ist mit HELDINGS Institutio zu vergleichen (Die Reihenfolge Symbol, Sakramente, Herrengebet, Dekalog ist anders als im Cat). Pastor, Geschichte Papst Pauls III. 119-122; Dittrich 363-368 gibt den Inhalt des Gutachtens wieder.
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2. REGENSBURGER REFORMSTATUTEN 1524 Ernstere Bemühungen um Abstellung der Missbräuche in der Kirche hatten schon bald nach Luthers Auftreten eingesetzt. Der frühe Tod Papst Hadrians VI.47 ließ zwar erste Ansätze wieder bald verebben, jedoch konnte wenigstens der Legat in Deutschland, Kardinal Lorenzo Campeggio,48 eine gemeinsam mit den oberdeutschen altgläubigen Ständen erarbeitete Reformordnung{R24} zur Abstellung von Missbräuchen auf dem Konvent in Regensburg 1524 verlautbaren.49 Hierin war der Rahmen abgesteckt, den die reformwilligen Kräfte für unabdingbar hielten, wenn die Kirche nicht in den Stürmen der Neuerung untergehen sollte. Es ist daher von Interesse, welche Maßnahmen für den Klerikerstand in Betracht gezogen wurden: Kein Geistlicher darf ohne Zulassung durch den Bischof und eine damit gesicherte Rückbindung an das kirchliche Leitungsamt predigen. Die Auslegung der Schrift hat sich an den hl. Vätern und Kirchenlehrern zu orientieren (vornehmlich Cyprian, Chrysostomus, Ambrosius, Hieronymus, Augustinus, Gregor d. Gr.). Die Moral und das äußere Verhalten der Kleriker werden angemahnt (Kleidungsvorschriften, Tonsur, verbotener Aufenthalt in Wirtsstuben, Anwesenheit bei Spielen, Tänzen, Schauspielen, überhaupt Abkehr von jeglicher Leichtlebigkeit, Untersagung von Nebentätigkeiten als Wirt oder Kaufmann). Kleriker dürfen sich nicht bei Konvivien unter die Laien mischen und bei Leichenfeiern mit der Trauergemeinde fraternisieren. Pfarrer müssen ihren kirchenrechtlichen Verpflichtungen nachkommen. Sie sollen ihren Untergebenen, z. B. den Vikaren, keine allzu schweren wirtschaftlichen Lasten auferlegen. Für die Administration der Sakramente dürfen sie nach der Gewohnheit nur eine freiwillige Spende annehmen, aber kein Entgelt erzwingen. Pfarrer erhalten die Befugnis, occultos peccatores gratis zu absolvieren, außer Häretiker, Mörder und Exkommunizierte. Prälaten sollen die Seelsorge keinem unwürdigen Geistlichen vertretungsweise anvertrauen. Konkubinarier sind durch Strafen und Zensuren zu einem anderen 47 48 49
Gelmi, Die Päpste 102: Hadrian VI. (Adrian Florensz, geb. 2. 3. 1459, gew. 9. 1. 1522, gest. 14. 9. 1523). Jaitner, Art. Campeggio, Lorenzo (1474-1539): ³LThK 2 (1993) 915: Kardinal, Jurist, Prof. in Bologna. Text: ARCEG 1 (Nr. 124) 334-344: Lorenzo Campeggio Card. ad Germaniam &c. de latere Legatus, Constitutio ad removendos abusus, & Ordinatio ad Cleri vitam reformandam, Ratisbonae edita, in Synodis promulganda; ebenso Schannat – Hartzheim 6, 196-209; Jedin, Trient 1, 174 wies dabei auf die weitgehende Verwendung der Mühldorfer Synodalbeschlüsse der Salzburger Provinz von 1522 hin.
Die Mainzer Reformkonstitutionen 1541-1543
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Lebenswandel anzuhalten. Vazierende Priester müssen die Diözese nach einem Monat wieder verlassen. Festtage werden reglementiert, andere sind abzuschaffen. In den weiteren Bestimmungen klingt bereits massiv die Praxis von Bischöfen durch, sich auf Kosten ihrer untergebenen Geistlichkeit zu bereichern.50 Die Verfolgung von Häresien wurde eingeschärft. Schließlich wurde die alte Konzilsforderung wiederholt, in den Erzdiözesen alle drei Jahre eine Provinzialsynode abzuhalten. Diese Verpflichtung wurde nicht in allen deutschen Provinzen erfüllt. Bemerkenswerterweise war es aber gerade der Kölner Erzbischof, der dieser Aufforderung am häufigsten nachkam, so auch mit der Provinzialsynode von 1536, an deren Statuten Johannes Gropper maßgeblich beteiligt war. Seine 1538 dazu verfasste Lehrschrift Enchiridion Christianae Institutionis war Vorbild für HELDINGS Institutio ad pietatem Christianam 1549.
3. DIE MAINZER REFORMKONSTITUTIONEN 1541-1543 Erzbischof Albrecht hat im Anschluss an die für das Bistum Hildesheim erarbeiteten Statuten bei seinem nach Mainz zurückgekehrten vormaligen Generalvikar Valentin von Tetleben auch für seinen Wirkungsbereich eine solche Reformordnung in Auftrag gegeben. Der dazu einberufenen Kommission gehörten neben Tetleben der neue Generalvikar Bernhard Scholl, Domscholaster Sebastian von Heusenstamm, Abt Johann Manger, Domprediger Johann Wild, Professor Konrad Necrosius und Weihbischof HELDING an.51 HELDINGS Mitarbeit an den Reformstatuten {M43}52 Hiervon war die längste Zeit nur das von Ludwig Cardauns im Vatikanischen Archiv aufgefundene und 1910 publizierte Exemplar bekannt,53 bis Pfeilschifter im Staatsarchiv Würzburg ein weiteres offenbar von Bischof Tetlebens Hand stammendes Archivstück entdeckte.54 Eine frühe Version wurde dem päpstlichen Nuntius Moro50
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Schannat – Hartzheim 6, 197: Die Themen der übrigen Artikel (20)-(35) der Konstitution wiederholen Vermögens- und Strafbestimmungen des Kirchenrechts, die sich vornehmlich an Bischöfe richten. Jürgensmeier; Bistum Mainz 189-190. Herrmann, Protokolle 3/2, 920 (21. 11. 1541): Erzbischof Albrecht benennt Weihbischof HELDING als Verordneten zur Reformation. Cardauns 210-276. Diese frühe Fassung weist 142 Kapitel auf, einschließlich eines vierten Teils: De scrutinio, examine, seu exploratione ordinandorum. ARCEG 4 (Nr. 7) 24-85 hat nur 133 Kapitel. Es fehlt der letzte Teil über die Ordination.
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ne55 unterbreitet, der noch Korrekturwünsche anbrachte. Bei beiden Exemplaren ist die in Kapitel (4) angekündigte dogmatische Unterweisung für Pfarrer und Prediger nicht beigegeben. Möglicherweise war diese Lehrschrift bis zum Tode Erzbischof Albrechts nicht fertig geworden. Dies könnte auch der Grund gewesen sein, dass mit der Edition der Statuten nach deren Mitteilung an die Suffragane des Erzbistums noch weiter zugewartet wurde. Es ist zu vermuten, dass HELDING als Autor einer solchen Dogmatik vorgesehen war, diese auch in Angriff nahm, sie jedoch wegen seiner Entsendung nach Trient nicht abschließen konnte. Zu den Mainzer Provinzialstatuten 1549 (ab nun {M49}) konnte er dann jedenfalls auf Grundlage vorhandener Vorarbeiten in kürzester Zeit einen lateinischen Kommentar (eben die schon mehrfach erwähnte Institutio) beisteuern.56 In die Bearbeitungsphase der Reformstatuten fallen HELDINGS Katechismuspredigten. Er eröffnete diese Predigtreihe im Mainzer Dom am Sonntag Laetare 1542 und setzte sie bis Judica 1544 fort.57 Dass daraus später ein Druckwerk (die lateinische Institutio und der deutsche Catechismus) hervorgehen sollte, muss HELDING allerdings trotz gegenteiliger Beteuerung früh bedacht haben, wie aus der sorgfältigen Konzeption und Bewahrung der Manuskripte zu schließen ist.58 Die Mainzer Reformkonstitutionen{M43}59 gliedern sich in drei Teile (1) De statu, ministerio ac vita episcoporum, (2) De disciplina ecclesiastica et vita cleri recte instituenda, (3) De disciplina populi restituenda. Der Schwerpunkt ist auf Funktions- und Standesfragen des hohen Klerus gelegt (67 Kapitel), der Disziplin und Lebensweise jedes Klerikers sind 44 Kapitel gewidmet, die Wiederherstellung der Disziplin des Volks wird in 22 Kapiteln entfaltet.60 Als Vorlagen dienten die Regensburger Reformordnung von 1524{R24}, die Kölner 55 56 57 58
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Ganzer, Art. Morone, Giovanni, Kard. (1509-1580): ³LThK 7 (1998) 479-480. Institutio ad pietatem Christianam als integrierender Teil der Constitutiones Concilii Provincialis Moguntini 1549. Vom 19. März 1542 bis 30. März 1544 (Sonntagspredigten). Die Spekulation kann noch um ein Moment erweitert werden: Es ist nicht unwahrscheinlich, dass HELDING während der Erstellung der deutschen Fassung seiner Predigten, die in die Zeit von {M43} fielen, bereits parallel an der lateinischen Institutio als der vorgesehenen Erläuterung der Konstitutionen arbeitete. Sie lag daher bereits im Konzept vor, als einige Jahre später die Constitutiones {M49} verabschiedet wurden. Dies würde erklären, dass die Institutio im Umfang von 185 Blättern trotz der vielfältigen Aufgaben HELDINGS zwischen 1545 und 1549 auf Verlangen des Erzbischofs {M49} prompt beigegeben werden konnte. Der von Pfeilschifter gewählte Begriff Reformkonstitutionen stützt sich auf Tetlebens Beschriftung: Nota. De indice capitulorum seu canonum reformationis huiusmodi et locorum communium catholici dogmatis ac cathecismi orthodoxi conficiendo et huic opusculo praemittendo. Die durchgehende Kapiteleinteilung (1-133) geht auf Pfeilschifter zurück.
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Provinzialstatuten von 1536{K36}, Tetlebens Hildesheimer Diözesanstatuten von 1539{H39} sowie die Mainzer Konstitutionen aus 1451. Die Verfasser haben die korrekte Aufgabenerfüllung der Leitungsorgane und den an alle Kleriker gestellten moralischen und intellektuellen Anspruch zum Hauptgegenstand gewählt. Eine ausführliche Bestimmung, die sich auch auf Laien bezieht, befasst sich mit den Konkubinariern. Den Bischöfen weisen die Autoren die vierfache Aufgabe zu, (a) das Evangelium zu lehren und die Lehre vorzugeben, (b) zu ordinieren und zu examinieren, (c) den geistlichen Gerichten vorzustehen und (d) die Kirchen zu visitieren.61 Besonderes Augenmerk sollen die Suffragane auf die Gewinnung und Auswahl geeigneter Personen legen, die moribus et doctrina probati sunt. Niemandem soll trotz der angespannten Personalsituation zu rasch die weihende Hand aufgelegt werden. Die Erlaubnis zu predigen ist nur dem zu erteilen, der sich in der Lehre ausgewiesen hat. Streitigkeiten unter Predigern in der Auslegung des Wortes Gottes, die auf der Kanzel ausgetragen werden, verwirren die Gläubigen und sind unverzüglich dem zuständigen Bischof oder anderen Offizialen zu melden. Die Bischöfe betreffenden Reformpunkte greifen auch gesellschaftliche Fragen auf, die über den Klerus hinaus die jüdische Bevölkerung in Anspruch nehmen. Ein eigenes Kapitel62 verbindet in Fortschreibung älterer Bestimmungen mit der Ahndung des Delikts des Wuchers auch Kleidungsvorschriften für die jüdische Minderheit und beruft sich dabei auf den vormaligen Legaten in Germanien Kardinal Nikolaus Cusanus. Dieser habe 1452 Statuten einer Mainzer Synode,63 die solche sichtbaren Zeichen der Unterscheidung gegenüber der christlichen Bevölkerung postulierten, autorisiert. Die fehlende Unterweisung Kapitel (4) des ersten Teils kündigt unter der Überschrift Formula[m] catholici dogmatis parochis et contionatoribus praescribenda[m] et quae in se continebit eine Unterweisung für Prediger und Redner (declamatores) an, aus der sie das Material für Predigten entnehmen sollen, um die Lehre der Kirche richtig wiederzugeben. Der Inhalt dieser Instruktion wurde in Stichworten vorgegeben: 61
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ARCEG 4 (Nr 7) 32: Deinde sint episcoporum officia docere evangelium, et gubernare doctrinam, ordinare et explorare seu examinare ordinandos, praeesse iudiciis ecclesiasticis et visitare ecclesias. {M43} 66: ARCEG 4 (Nr.7) 59-60; eine gleiche Bestimmung De Judaeis in den Hildesheimer Statuten 1539. Mansi 32, 146.
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Gotteslehre und Christologie (consubstantialitas trinitatis, aequalitas personarum, duo naturae et unitas personae Christi et ceteri articuli symboli), Erbsünde, Kindertaufe, Sündenvergebung und Buße, Sündenstrafen, Rechtfertigung und Sündenvergebung, ewige Seligkeit, Glaube, Hoffnung, Liebe, Werke der Barmherzigkeit, Kardinaltugenden, Haupt- und Todsünden, Dekalog, Sieben Sakramente, Heiligengedenken und Anrufung zu Fürbitten, Verehrung der heiligen Märtyrer, Gebrauch der Bilder und Statuen, an denen nicht der Aberglaube gepflegt wird; schließlich das Messopfer (spiritualem tamen incruentem) und Fegefeuer. Zur Beigabe dieser Formula ist es offenbar nicht mehr gekommen und mit dem Tod von Erzbischof Albrecht rückte das Reformvorhaben für mehr als fünf Jahre in den Hintergrund. Der Nachfolger Sebastian Heusenstamm übernahm das vorliegende Reformdokument seines Vorgängers nicht. Es ist ihm aber zugute zu halten, dass er unmittelbar nach seiner Wahl bereits auf die Vorbereitung einer Reform in Mainz drängte und trotz der darauffolgenden Kriegswirren eine Visitation in der Mainzer Diözese anordnete.64
4. FORMULA REFORMATIONIS 1548 Der kaiserliche Reformauftrag An dieser Stelle muss auch die Reformnotel von 154865 angeführt werden, da sie als die den Synodalkonstitutionen übergeordnete Norm von den geistlichen Ständen beachtet werden sollte. Als legistische Selbstverpflichtung bildete sie den Rahmen für die in den Provinzen ausführend erlassenen Konstitutionen. Im Vergleich zu den Synodalstatuten verliert sich die Reformnotel des Jahres 1548 nicht in Einzelheiten und ist auf 22 Kapitel beschränkt. Einige erläuternde und ergänzende Passagen des Entwurfs wurden nicht in die Druckfassung aufgenommen.66 Ihr Programm kommt aber in der Einleitung deutlich zum Ausdruck, wodurch Ziel und Zweck verankert werden sollten: HELDING spricht aus, was be64 65 66
Mainzer Domkapitelprotokoll Band 8, 216r, 219r vom 4. und 6. 11. 1545. Die Visitation wurde am 9. 3. 1547 im Domkapitel behandelt (Ebd. 385v). MEA-RTA 17/2, 206r-230r; DRTA.JR 18/2 (Nr. 215) 1960-1995 (Druckversion); ARCEG 6 (Nr. 20) 348-380. Das entfallene Kapitel De dispensatione eucharistiae sub altera vel utraque specie hatte den historischen Werdegang der Kommunion unter einer Gestalt erwähnt und eine allfällige Änderung dem Konzil vorbehalten.
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sorgte Kirchenkritiker denken: Gott bestraft mittlerweile den Missbrauch und die Skandale, die seine Kirche durchziehen. Um diese für den allenthalben zu verspürenden Zorn Gottes verantwortliche Verkehrung des Heiligungsauftrags der Kirche auszumerzen und diese zu reformieren, ist eine Rückbesinnung auf die Schrift und die ursprüngliche Überlieferung der Väter notwendig. Dazu sollen die in der Formel verordneten Maßnahmen in den Bistümern des Reichs unverzüglich getroffen werden. Vor allem aber sei es erforderlich, dass sich der kirchliche Stand erneuere und von den Missbräuchen gesäubert werde. Daher setzt die Reform bei der Auswahl und Besetzung der Personen an, die in den geistlichen Stand treten wollen oder kirchliche Ämter anstreben. Kandidaten müssen im Lichte der um sich greifenden Häresien einer sorgfältigen Prüfung hinsichtlich ihres Glaubens unterzogen werden. Der moralische Status muss, vor allem bei auswärtigen Bewerbern, von zuständigen Pfarrern bestätigt sein.67 Bei Ämtern, die eine besondere Ausbildung verlangen, muss sichergestellt sein, dass die Bewerber ihre Titel nicht erkauft haben. Dieses Examen erstreckt sich auch auf die Bestellung von Bischöfen, die alle erforderlichen Weihen besitzen oder in nächster Zeit erwerben müssen.68 Ein besonderes Problem bildeten offenbar viele geweihte Kleriker ohne feste Pfründe, die ihren Lebensunterhalt in adeligen Häusern durch eine untergeordnete, oft schandbare Beschäftigung fristeten oder sich als Händler und Gastwirte betätigten. Auch die sprachliche Verständigungsfähigkeit sollte vor dem pastoralen Einsatz von Priestern geprüft werden, zumal im Reich viele Sprachen vorkamen.69 Predigtanleitung Mit Blick auf HELDING als einen praktisch versierten Prediger70 ist das Kapitel (8) De dispensatione verbi von besonderem Interesse. Zunächst war der Zugang zur Predigt zu beschränken. Klar ist die Aussa67
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An Eigenschaften wird unter Verweis auf 1 Tim 3,2-4 und Tit 1,6-7 gefordert: Sine crimine, irreprehensibilis, iustus, sanctus, sobrius, continens, pudicus, prudens, modestus, benignus, ornatus, non superbus, non litigosus, non iracundus aut percussor nec vinolentus aut turpis lucri cupidus (Kapitel 1). Wortwörtliche Übernahmen aus {K36} bzw. {M43} in die Reformnotel sind z. B.: Manum nemini cito imponendum; Dignis tantum beneficia esse conferenda; Idoneos tantum in praelaturos eligendos esse. Ein Anliegen, das sich bereits in {K36} und {H39} findet. Serarius in Joannis 1, 852 erwähnt HELDING unter Berufung auf dessen protestantischen Zeitgenossen Johannes Sleidanus als einen clarissimi tum nominis virum, quem Caesar muneri in aedium primaria publicae docendi praefecit et alios inter habuit comitem.
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ge, dass sich niemand unerlaubt die Predigt anmaßen soll. Das Wort Gottes muss gemäß der Schrift, nicht nach der eigenen Interpretation, sondern nach der Auslegung der Väter gelehrt werden. Daher ist es ratsam, sich der Homilien der Kirchenväter zu bedienen. Eine Predigt soll nichts enthalten, das profan, zweifelhaft, fabulös oder der Würde des Ortes nicht angemessen ist. Nur das soll Inhalt der Predigt sein, was von der ganzen Kirche und den Vätern anerkannt ist. Der Prediger soll sich von diffizilen und verwickelten Themen fernhalten, er soll nicht seine Bildung zur Schau stellen, sondern der Erbauung des Volkes dienlich sein. Er muss sich auf die Auffassungsfähigkeit seiner Zuhörer einstellen und bald als Katechet, bald als Ausleger der Schrift agieren, bald als Mahner gegen die Lasterhaftigkeit und bald als Lehrer der Mysterien. Stil einer Predigt Es werden auch Anleitungen zum Stil einer Predigt gegeben: Der Vortrag soll maßvoll, sachlich, ernsthaft, kraftvoll und würdig sein. Der Prediger hüte sich, andere zu verunglimpfen, zu gestikulieren, das Volk gegen Abwesende, Klerus oder Behörde aufzustacheln. Sooft sich eine treffende Gelegenheit ergibt, soll der Prediger die Barmherzigkeit, Liebe und Güte, die Gott den Menschen gegenüber hegt, zur Sprache bringen, damit die Zweifelnden und die um ihr Heil Besorgten zur Hoffnung und Gottesliebe hingezogen werden. Die Menschen sollen dahin gebracht werden, an das Gericht zu denken, das entweder den Himmel oder die Hölle und ewige Verdammnis mit sich bringt. Häufig wird das Kirchenvolk gegen die von allen Seiten wie Unkraut hervorsprießenden Häresien in der katholischen Glaubenslehre deutlich gestärkt werden müssen. Die Gläubigen müssen angehalten werden, das Wort Gottes aufmerksam aufzunehmen. Sie sind über die Mysterien der Sakramente zu unterrichten, um diese entsprechend der Tradition der Kirche zum eigenen Heil zu gebrauchen, um der Messe mit Freude beizuwohnen und das vom Priester dargebrachte Opfer Christi innerlich mitzuvollziehen. Den Gläubigen ist der Dekalog immer wieder einzuschärfen und zu diesem Zweck der Katechismus nahezubringen. Diesem Auftrag hat sich HELDING selbst in seinen Predigten sichtlich schon früh gestellt und mit der Institutio und dem Catechismus die besonderen Forderungen der Reformnotel für seine Mainzer Provinz erfüllt. Das Kapitel über die Zeremonie der Messe betont den uralten Charakter des Messopfers, der sich auf die Evangelien stützt. Die Formel setzt sich im Anschluss an die Messe mit den Sakramenten in der vol-
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len Siebenzahl auseinander und behandelt danach die Zeremonien der Kirche. Zur Disziplin des Klerus wird auch die Pfründenhäufung angesprochen und untersagt. Zuletzt wird auf das Instrument der Visitation und die im Basler Konzil angeordnete Pflicht zur Abhaltung von Provinzialsynoden im Dreijahresrhythmus verwiesen. Wegen der Größe der Provinzen sollen sich die einzelnen Diözesen alle zwei Jahre versammeln. Die Umsetzung des kaiserlichen Auftrags In der Folge werden am Beispiel von Mainz die Umsetzungsbemühungen der Formula reformationis 1548 weiter beleuchtet. HELDINGS anteilige Hand als Mitverfasser der Reformnotel konnte sich nun in der Feinzeichnung der Mainzer Synodalstatuten voll entfalten. Der Transfer in die Praxis stockte jedoch bald. Wie später zu zeigen ist, musste diese Reformnotel ein Jahrzehnt später von Kaiser Ferdinand I. neuerlich ins Bewusstsein gerückt und mit Ergänzungen, die sich weitgehend wieder einer Vorarbeit HELDINGS verdankten, im Anschluss an den Reichsabschied 1559 als Formula nova neu herausgegeben werden.71 Nachstehend wird auf die Mainzer Provinzialkonstitutionen auf Grund der maßgeblichen Mitarbeit HELDINGS näher eingegangen.
5. MAINZER PROVINZIALKONSTITUTIONEN 154972 Die Mainzer Diözesansynode von 1527 hatte noch Friedrich Nausea, der später von HELDING als Vorbild hochgeachtete Mainzer Domprediger, mit einer Rede eingeleitet. Darin geißelte er die calamitas huius temporis, in der nichts seinen festen Ort bewahre und jegliche Ordnung verkehrt werde, Reich gegen Reich, Volk gegen Volk, Bruder gegen Bruder in gegenseitigem Hass stehe, und in Aufständen, Tumulten und blutigen Kämpfen alles in glühende Aufwallung gerate.73 Er erinnerte die Stände der Kirche energisch an ihre Pflichten und hielt nach den Worten Cardauns eine große Sittenpredigt unter Aufzählung der quälenden Missbräuche: Verweltlichung, Nepotis-
71 72 73
Leeb, DRTA, Reichsversammlungen 3 (Nr. 622) 1581-1599. Beumer, Das Mainzer Provinzialkonzil aus dem Jahre 1549 und seine Beziehungen zu dem Trienter Konzil: AHC 5 (1973) 118-133. Schannat – Hartzheim 6, 205-209, hier 205.
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mus, Simonie, Benefizienhäufung, Stellenvergabe an Ungeeignete, Bevorzugung des Adels.74 Das Mainzer Domkapitel warnte allerdings vor einer überstürzten Eigeninitiative und forderte die Erstreckung von Reformmaßnahmen auf ganz Deutschland. Dann schweigt das Protokoll bis in das Jahr 1541, wo es lapidar heißt, es solle und müsse eine Reformatio cleri vorgenommen werden.75 Im Vorwort der nicht exekutierten Reformstatuten von 1543 brachte Erzbischof Albrecht zum Ausdruck, dass durch die überaus verderbliche, sich krebsartig verbreitende Seuche der Neuerungen ganz Deutschland dem Verderben entgegengehe. Einige Jahre später musste auch Erzbischof Sebastian in der Einberufung der Synode 1549 mit großer Besorgnis feststellen, dass die pastorale Kraft der Kirche nicht ausreiche, die Ausbreitung der Häresien einzudämmen. Er schloss in der Hoffnung, es gelänge doch noch, den Zusammenbruch zu vermeiden und die großteils daniederliegende Kirchendisziplin wieder aufzurichten.76 Neue Statuten unter Erzbischof Sebastian Der Mainzer Erzbischof erfüllte den Auftrag der Reformnotel unverzüglich und berief eine Diözesan- und anschließend eine Provinzialsynode. Wenn auch Albrechts Nachfolger eine textliche Neufassung der Statuten veranlasste, so wurde doch mit der Berufung von Weihbischof HELDING eine Kontinuität gewahrt. Der Mainzer Suffragan wurde wohl deshalb mit der Organisation der Diözesansynode von 1548, den anschließenden Visitationen77 und auch mit der Provinzialsynode 1549 betraut.78 Die Beschlüsse der auf die Erzdiözese Mainz beschränkten Synode 1548 wurden noch im selben Jahr gedruckt und den folgenden Visitationen zugrundegelegt.79 Rolf Decot schildert die Widerstände des Mainzer Domkapitels, mit denen sich Erzbischof Sebastian auseinandersetzen musste, als er eine Visitation 74 75
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Cardauns 43. Herrmann, Protokolle 3/2, 909 (9. 9. 1541): Domkapitel wünscht vom Erzbischof ein kommentiertes Konzept und empfiehlt eine Abstimmung unter den geistlichen Kurfürsten. Praefatio von Erzbischof Sebastian von Heusenstamm (Ebd. 564). Seine Mitwirkung in Nassau wird erwähnt (vgl. Herrmann, Das Interim in Hessen). Lenhart, Die Mainzer Synoden von 1548 und 1549, 88-89 hebt die irenische Haltung von HELDING gegenüber den erschienenen schismatischen und beweibten Priestern hervor, die dann auch an der Versammlung teilnehmen durften; ferner dazu Decot, Religionsfrieden 135. Die Diözesansynode fand vom 19.-24. 11. 1548 mit 76 Synodalen statt. Vom 6. - 24. 5. 1549 folgte das Provinzialkonzil. Acta et decreta synodi dioecesanae Moguntinae presidente Sebastiano… (Mainz, Schoeffer 1548).
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im Erzstift selbst ankündigte. Nach einigem Widerstreben unterzog sich das Domkapitel letztlich einer Selbstrevision unter milder Aufsicht des Erzbischofs.80 Während die Visitationen in der Erzdiözese Mainz im Gange waren, berief der Erzbischof eine weitere Synode der gesamten Kirchenprovinz ein. Die Mainzer Provinz umfasste formell den größten Teil des Reichsgebietes und reichte von Chur bis Verden, wobei allerdings viele Teile der faktischen Jurisdiktion bereits entglitten waren.81 Bezüge zu Trient Für die Fragestellung der katholischen Reform ist die Provinzialsynode von Mainz82 deshalb herauszugreifen, da sie in ihren Aussagen die Themen der Zeit reflektiert und in ihren Lösungsansätzen Trienter Konzilsbeschlüsse einbezieht bzw. vorwegnimmt.83 Zwar hatte sich mit der Eröffnung des Tridentinums zumindest der Gedanke der Unausweichlichkeit eines Erneuerungsprozesses durchgesetzt, bis zur endgültigen Klärung durch das Konzil, wie weitere Reformschritte umgesetzt werden sollten, ließ sich der Reformstau in Deutschland aber nicht mehr kanalisieren. Mit der im Reich als Affront empfundenen Verlegung des Konzils von Trient nach Bologna84 waren auch die Erwartungen rascher Resultate in der Reformdiskussion stark gedämpft. Einzig die Anmahnung der Residenzpflicht der Bischöfe und Pfarrer und die Errichtung von Lehrinstituten an den Kathedralen konnten als erste Reformergebnisse des Konzils verbucht werden.85 Mainzer Provinzialsynode Den Eröffnungsgottesdienst am 6. 5. 1549 feierte Weihbischof HELDING . Nach der Predigt des Erzbischofs Sebastian legte HELDING die Ziele des Provizialkonzils dar. Es wurden aus den anwesenden Vertretern zwei Kommissionen gebildet, von denen sich eine mit Glau80 81
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Decot, Religionsfrieden 108-145. Eubel 3, 350: Mainzer Suffraganbistümer sind im 16. Jh. Straßburg, Augsburg, Konstanz, Chur, Eichstätt, Halberstadt, Würzburg, Hildesheim, Paderborn, Speyer, Verden, Worms. Beumer, Mainzer Provinzialkonzil 1549: AHC 5 (1973) 118-133 vermutet eine partielle Übernahme von Trienter Formulierungen, die durch Mittelsmänner nach Mainz gelangt sein könnten. Vgl. Decot, Religionsfrieden 143. Beschluss in der 8. Session am 11. 3. 1547 gegen den Widerstand der Vertreter des Reichs. Ganzer, Art. Trient, ³LThK 10 (2001) 227 (5. Session am 17. 6. 1546). Endgültig approbiert wurde das Residenzdekret erst in der 6. Session 1547).
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bens-, die andere mit Standesfragen zu befassen hatte. Von den einberufenen Suffraganen war nur der Eichstätter Bischof Moritz von Hutten in persona erschienen. Worms, Würzburg, Speyer, Straßburg, Konstanz, Paderborn entsandten Vertreter, Hildesheim ließ sich entschuldigen.86 Dies hinderte jedoch keineswegs die intensive Befassung mit Glaubens- und Disziplinarthemen und schon am 24. 5. 1549 waren die erarbeiteten Dokumente druckreif. Die feierlich verabschiedeten Synodalbeschlüsse wurden verlesen und als Constitutiones Concilii Provincialis Moguntini promulgiert.87 Den ersten kürzeren Teil stellen die eigentlichen in 104 knappe Kapitel gegliederten Statuten dar, den größten Teil des Buches88 bildet HELDINGS Institutio ad pietatem Christianam als katechetische Erläuterung.89 Damit war auch der Maßstab für die folgenden Visitationen in der Provinz gelegt. Im Vergleich zu den Hildesheimer Normen, die eher Rechtsmaterie auslegen, und zum Unterschied von den eigenen Reformkonstitutionen von 1543 {M43} setzen sich die Mainzer Provinzialkonstitutionen {M49} mit den Eckpunkten der katholischen Lehre auseinander und thematisieren die dogmatischen Differenzen. Umfang und Detaillierungsgrad sind gegenüber {M43} stark reduziert. Die Sprache ist weniger kanonistisch geprägt, sondern im Ton verbindlicher. Sie ist im Konjunktiv gehalten (Doceant Pastores nostri). Hier könnte ein Einfluss HELDINGS gewirkt haben.90 Eingangs werden die Hirten aufgerufen, dem einfachen Volk die Trinität möglichst klar und verständlich an Hand der Hl. Schrift und der drei Symbola (Apostolicum, Nicaenum, Athanasium) zu vermitteln. Als Adressaten der Statuten werden (insgesamt und jeder für seinen Teil) Seelsorger, Pfarrer, Prediger und Kuraten der Mainzer Provinz angesprochen. Die Statuten verweisen auf die angeschlossene Institutio ad pietatem Christianam,91 die das Fundament der christlichen Religion umfassend darlege, und rufen Pfarrer und Priester zu deren Lektüre auf.92 Vor und nach der Synode wurden Visitationen durch 86 87 88 89 90 91 92
Beumer, Mainzer Provinzialkonzil 1549: AHC 5 (1973) 119. Lenhart, Die Mainzer Synoden 106. Constititutiones Conc. Prov. Mogunt. (Mainz, Behem 1549); Schannat – Hartzheim 6, 562-594. Feifel bezeichnete die Institutio als Catechismus maior. Zehn Jahre später wird auch HELDING schärfer und greift im Liber Merseburgensis zur Strafandrohung. Cap (48); die Reihenfolge von Christianam und pietatem wechselt im Text mehrfach. Lenhart, Mainzer Synoden 1548/1549: AMRhKG 10 (1958) Übersichtsblatt nach 108: Lenhart, der sich auf wieder entdeckte Protokolle stützen konnte, veranschaulichte den Einfluss der Reformnotel von 1548 auf die Statuten der beiden Synoden und die getroffenen Beschlüsse.
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eigene Examinatoren vorgenommen, die nach einem von HELDING entworfenen Fragstück arbeiteten. HELDING wirkte daran selbst noch nach seiner Postulation weiter mit, zumal sich seine Installierung in Merseburg bis zum Jahresende 1550 verzögerte. Zahlreiche Gebiete, die formell der Mainzer Jurisdiktion unterstanden, waren, wie in Hessen und Sachsen, allerdings bereits protestantisch geworden und wurden deshalb nicht mehr einbezogen oder widersetzten sich einer Visitation.93 Eine der wenigen unmittelbaren Erledigungen war die unter Mithilfe HELDINGS entstandene neue Mainzer Agende am 25. 3. 1551. Die wirksame Umsetzung der anderen statuierten Beschlüsse scheiterte für längere Zeit an den folgenden Wirren der Fürstenerhebung, worunter auch Mainz in den Jahren 1551 und 1552 arg zu leiden hatte.94 Darstellung der Provinzialkonstitutionen Die 104 Artikel sind im ersten Teil als Capitula ad fidem pertinentia (147) und im zweiten Teil als Capitula ad mores pertinentia (48-104) überschrieben.95 Die Gliederung von {M49} folgt dem Schema der Abgrenzung der Lehre gegenüber den angefochtenen evangelischen und sektiererischen Doktrinen (Kontroversthemen), Standes- und Disziplinfragen (Missbräuche) und den von den Visitatoren, Erzpriestern, Landdekanen und Synodalzeugen jeweils wahrzunehmenden Kontrollaufgaben. Im ersten Teil (fides) werden grundlegende katholische Glaubenssätze eingeschärft, insbesondere die den Gegenstand des kontroversen Diskurses bildende Lehre. Der zweite Teil (mores) ist der kirchlichen Diszplin gewidmet. Es standen 1549 bereits einige bedeutende Dekrete und Entwürfe aus Trient zur Verfügung (Symbolum, Erbsünde, Rechtfertigung, Schrift und Tradition, Residenz),96 die durch eine textliche Übernahme direkt in die Statuten von 1549 hätten einfließen können.97 Mainz wollte aber offenbar Rom nicht vorgreifen und 93 94 95 96 97
Jürgensmeier, Kurmainz 77-79; Herrmann, Das Interim in Hessen 99-185. Decot, Religionsfrieden 144-145; Leitermann, Zweitausend Jahre Mainz 115-117. Schannat – Hartzheim 6, 562-594 (der Ausgabe von Franz Behem, Mainz 1549 entnommen). Symbolum (sessio III), Schrift u. Tradition (sess. IV), Erbsünde, (sess. V), Rechtfertigung, Residenz (sess. VI), Sakramente allg., Taufe, Firmung (sess. VII). Beumer, Mainzer Provinzialkonzil 1549 123 überlegt, ob die von HELDING in Trient geknüpften Kontakte zur Übermittlung der sonst raren Trienter Konzilsdokumente nach Mainz gedient haben könnten. Es bedurfte aber wohl nicht dieser Kontakte, denn zwischen Kaiser bzw. Reich und Papst waren im Zuge des Pakts über die
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behielt seine eigene Darstellung bei. In der folgenden Übersicht erscheinen die Themen getrennt nach fides und mores.
5.1. Capitula ad fidem pertinentia98 Glaubenslehre und Lehrdifferenzen Die Mainzer Theologen nützten die Gelegenheit, um in umfassender Weise den katholischen Glauben in seinen Kernaussagen gegenüber den überall verbreiteten Neuerungen wieder zu verankern. Daher waren ihnen Erbsünde, Rechtfertigung, Willensfreiheit, gute Werke, Reue, Buße, Priestertum, Messe, Sakramente, Heiligenverehrung besondere Anliegen und eben diese Kernthemen finden sich auch in HELDINGS Institutio und seinen Predigtreihen wieder. Hubert Jedin hat sich in einem Aufsatz 1967 mit den lehramtlichen katholischen Reaktionen auf Luther vor Trient beschäftigt:99 Nach ersten Verurteilungen durch theologische Fakultäten in Köln und Löwen (Erbsünde und Rechtfertigung betreffend) folgte 1520 die Bulle Exsurge Domini mit den Hauptdifferenzen Bußsakrament, Schlüsselgewalt, Ablass und Fegefeuer.100 Luthers De captivitate babylonica löste eine weitere Verurteilung der Sakramentenlehre, diesmal durch die Pariser Sorbonne, aus. Wie Jedin deutlich macht, überließ die Kurie in der Folge das Feld Kontroversisten wie Johann Cochlaeus und Nikolaus Herborn, an erster Stelle aber Johannes Eck mit seinem Enchiridion. Als Antwort auf die sich organisierenden lutherischen Kirchentümer stellte Eck darin seine Lehre von Kirche, Papst und Konzil dar.101 Zum Augsburger Reichstag 1530 trug er die Irrtümer der Protestanten in 404 Artikeln vor, wodurch sich Melanchthon zur Abfassung des Augsburger Bekenntnisses herausgefordert sah. Die katholische Seite antwortete darauf mit der Confutatio.102 Luthers Schmalkaldische Artikel von 1537 forderten wiederum Gegenschrif-
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Kriegsunterstützung und die Suspension des Konzils regelmäßig Botschafter unterwegs (Farnese, Verallo, Sfondrato [Jedin, Trient 2, 343-351]). {M49}1-32v. Catholica 21 (1967) 85-100. DH 1451-1492: 41 Errores Martini Lutheri (15. 06. 1520). Smolinsky, Art. Enchiridion locorum communium adversus Lutherum et alios hostes ecclesiae (Johannes Eck 1525): LthW (2003) 266-267. Schützenhilfe leistete Johann Cochläeus mit seinen 500 Articuli vom selben Jahr (Jedin, Catholica 21 [1967] 90). Immenkötter, Art. Augsburger Bekenntnis II. Confutatio: ³LThK 1 (1993) 12291300.
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ten von Johann Cochlaeus, Georg Witzel und Johann Hoffmeister heraus. Aus katholischer Sicht wurden die wichtigsten Streitpunkte auch vom Wiener Bischof Johann Fabri 1540 zusammengestellt.103 Der konfessionelle Zwiespalt zur Zeit HELDINGS kann im Grunde in seiner ganzen Tiefe erst durch die späteren Kodifikationen, wie sie durch abschließende Konzilsdokumente und durch die protestantische Konkordienformel von 1580 formuliert sind, in der Rückprojektion erfasst werden. Eine Orientierung, wie sie sich für HELDING und seine Zeitgenossen darstellte, liefert die in Worms 1557 erstmals von beiden Konfessionen akzeptierte Auflistung der Lehrdifferenzen. Diese kontroversiellen Kernpunkte sind im Wormser Kolloquium von HELDING und Canisius eingebracht und von Melanchthon und seinen Mitverwandten als Diskussionsgrundlage angenommen worden.104 Die Aufstellung der 23 Positionen kann die konfessionellen Differenzen im Rückblick schlagwortartig auch für die Jahre 1548/1549 veranschaulichen, zumal sie zwar zeitlich später, aber aus der Denkweise desselben Personenkreises herrühren. Es kann nicht überraschen, dass viele Punkte deckungsgleich bereits von HELDING und seinen Mitverfassern in den nun zu besprechenden Statuten {M49} thematisiert worden waren.105
5.2. Kontroversartikel im Kontext der Mainzer Statuten 1549 Es soll in der Folge an einigen Beispielen (Erbsünde, Willensfreiheit, Rechtfertigung, gute Werke) untersucht werden, ob und inwieweit diese Streitthemen in die Mainzer Statuten Eingang fanden und welche Resonanz sie allenfalls in HELDINGS Schriften erhielten. Die 103 104
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Bischof Johann Fabri hat im März 1540 Kaiser und König in Gent eine Liste der Differenzen zu Luther, wie er sie sah, vorgelegt (Cardauns 108-131). Diese definitorische Abgrenzung ist auf katholischer Seite sukzessive durch die ersten Trienter Dekrete vollzogen worden. Zuvor gab es nur die CA, Confutatio und Apologie als jeweils einseitige Bekundung von Lehrdifferenzen (vgl. Pfnür, Immenkötter, Art. Augsburger Bekenntnis, Confutatio und Apologie: ³LThK 1 [1993] 1226-1230). Der Index articulorum controversorum (Worms 1557) enthält folgende Punkte: (I) De originali peccato (II) De libero arbitrio (III) De iustificatione (IV) De bonis operibus (V) De sacramentis in genere (VI) De baptismo (VII) De confirmatione (VIII) De Eucharistia (IX) De communione sub utraque vel altera specie (X) De sacrificio Missae (XI) De poenitentia et eius partibus, contritione, confessione et satisfactione (XII) De extrema unctione (XIII) De ordinis sacramento (XIV) De matrimonio (XV) De coelibatu (XVI) De votis monasticis (XVII) De Ecclesia eiusque capite (XVIII) De civili et ecclesiastica potestate (XIX) De traditionibus humanis (XX) De cultu et intercessione Sanctorum (XXI) De usu imaginum (XXII) De ceremoniis Ecclesiae (XXIII) De purgatorio et suffragiis pro defunctis.
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Statuten legen in sachlicher, unpolemischer Weise den katholischen Standpunkt dar und gehen auf den anderen Teil grundsätzlich nicht ein. HELDINGS Kommentar ist im Folgenden der Institutio, dem Catechismus, dem Ersten Johannesbrief und Jonas Propheta entnommen.
5. 2. 1. Sündenfall, Erbsünde und Freier Wille106 Streitpunkt mit den Protestanten ist der Verlust der Urstandsgerechtigkeit, der Grad der Schuldbefreiung durch die Taufe und die Qualifizierung der Konkupiszenz als verbleibende Sündhaftigkeit per se oder bloße Sündengeneigtheit.107 Schon im Kapitel De creatione et conservatione mundi halten die Statuten fest, dass Gott keineswegs Urheber der mala culpa sei: HELDING gibt im Catechismus auch eine kurze Skizze über den Verlust der Urstandsgerechtigkeit, nach der sich unter dem Einfluss des Teufels108 in der Natur des Menschen die Neigung zum Bösen ausbreitete und sich sein Verstand verdunkelte, so dass er das Göttliche nicht mehr begreifen konnte.109 In HELDINGS Weltbild existiert der Teufel als Feind und Verführer des Menschen. Er beherrscht die Welt und nimmt den Raum ein, der nicht vom christlichen Licht erhellt wird. Ständig lauert er darauf, den Menschen vom Heilsweg abzubringen, und lenkt ihn zu falschen Götterbildern. Ketzer agieren als Teufelsboten. Sie würdigen die Sakramente herab und verhindern so, dass die Menschen in deren heilbringenden Genuss kommen. HELDING spricht den Einzelnen damit aber nicht von persönlicher Schuld frei. Denn der Mensch verfügt über die Gabe des freien Willens. Der Mensch ist durch keine innere Notwendigkeit zum Sündigen getrieben, sondern hat die freie Entscheidung, seinen Willen in gleicher Weise auf Gutes und Böses richten zu können. Dies wird jedoch wieder durch die Mahnung modifiziert, dass nicht schranken106
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{M49}1v-2r: Qui cum mandatum Dei conditoris sui praevaricatus esset, sanctitatem, gratiam, & iustitiam in qua erat constitutus, iustissimo Dei iudicio amisit: irae Dei ac damnationi obnoxius, & in corpore simul & anima factus deterior, ut iam in corpore famem, sitim, & innumeras alias miserias & infirmitates, in anima concupiscentiam ad mala prolicientem, multasque noxias & molestias aerumnas, ac tandem utriusque videlicet corporis & animae, mortem sustineret. Schockenhoff, Art. Konkupiszenz: ³LThK 6 (1997) 271-274. Cat 46v: Nun ist aber einer / der Gottes ehr in der Welt und sein Reich nit gern leiden will / der Fürst dieser Welt / der Sathan / der mißgunt unserm Gott die ehr / die er von uns haben solt / und mißgünnet uns auch die gnade unnd gutthat / die wir davon entpfahen / wann Gottes Reich uber uns recht waltet / Der understehet sich / wie er Gottes Ehr under uns verdrucken möchte / und die Sach dahinn richten / das Gott inn unserem wandel / worten und wercken geschmähet würde / und also Gottes Reich zerbreche / welches stehet in Tugend und Heyligkeyt / und hergegen sein Reich in der Welt groß und starck würde / welches mit wüstem Leben / mit allerley Sünde und Ungerechtigkeyt verrichtet wirdt. Cat 8v.
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lose Willkür, sondern nur die in Liebe erfolgende Gesetzeserfüllung christlich ist. Zur Erbsünde, die durch die Fortpflanzung auf natürlichem Wege (mittels des männlichen Samens) auf jeden Menschen übergeht, verweisen {M49} auf die Wirkkraft der Taufe, die von der Erbsünde gänzlich befreit. HELDING verkennt keineswegs den ständigen Kampf (pugna continua) gegen die Konkupiszenz, den selbst heilige Menschen führen müssen.110 Im Gegensatz zu Melanchthon, der vom bleibenden morbus spricht, qui est malum pugnans cum lege Dei,111 gehen die Konstitutionen und auch HELDING im Catechismus aber von der Fähigkeit des Getauften aus, diese trotz der Erlösungstat Christi verbleibende Gebrechlichkeit des Menschen, seine Sündengeneigtheit, durch die Kraft des Hl. Geistes zu überwinden.112
5. 2. 2. Rechtfertigung113 Streitpunkt zwischen den beiden Teilen ist die Frage des Eigenanteils des Menschen an seiner Gerechtmachung bzw. seinem Heil. Während die Protestanten nur den Glauben an die Erlösungstat Christi und keinerlei Willensäußerung des Gläubigen gelten lassen, nimmt der Statutentext die Bibelzitate des Trienter Dekrets vom 13. 1. 1547 auf,114 kürzt aber ansonsten dessen Weitläufigkeit auf die wesentlichen Aussagen: Der Anfang der Gerechtmachung des Menschen geschieht durch die jeglichem Verdienst vorausgehende Gnade Gottes. Daraus erwächst der Glaube und mit ihm die Heiligung des Menschen, Sündenbefreiung um des Verdienstes Christi willen, Versöhnung mit Gott, Rettung vor ewiger Verdammnis, Einsetzung zum Erben der Hoffnung auf ewiges Leben.115 Die zuvorkommende ermöglichende Gnade ist durch kein Verdiensthandeln zu erlangen, sie erleichtert im
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Institutio 140v: Contra eius insidias nemo tanta cura advigilat, aut ductibus Spiritus tam integre obtemperat, ut legem Dei se plene implere, & ab omnibus delictis se immunem esse, gloriari queat. Mel WW 2/1, 270: Ideo sic respondemus: In baptismo tolli peccatum, quod ad reatum seu imputationem attinet, sed manere morbum ipsum, qui est malum pugnans cum lege Dei, dignum morte aeterna, nisi remitteretur. Diese Kontroverse war die einzige, die 1557 in Worms eingehender ausgetragen wurde. Cat 29v: Einem Christen, der Gottes Geist im Tauff entpfangen hat / ist es möglich / das er die böse gelüst seines fleischs verstrempffe / durch die krafft des Geists Gottes / und thue nicht die werck des fleischs. Vgl. Thomas v. Aquin, STh I-II, 80, 3, 3. Zum Vergleich: Pesch, Art. Rechtfertigung I, V-VII: ³LThK 8 (1999) 882, 889-902. DH 1520-1583. {M49}2v-3r: Talis autem iustificationis initium ex Dei gratia provenire, qua ante omne meritum, dum adhuc inimici & peccatores sunt, excitati & adiuti, & eidem gratiae sic excitanti & adiuvanti consentientes & cooperantes, ad iustifactionem disponuntur.
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Rahmen des Glaubens die Zustimmung, bzw. Mitwirkung zur Rechtfertigung. HELDING zu Gnade und Rechtfertigung Im Catechismus und in der Institutio spricht HELDING selten von Rechtfertigung bzw. Gerechtmachung, sondern vielmehr von Gnade in verschiedenen Kontexten.116 Gemeinsam ist, dass Gnade ein frei zugewendetes Geschenk Gottes ist, das dem Menschen dank der Verdienste Christi, die der Prediger verwirrenderweise auch mit Gnaden gleichsetzt, aus Barmherzigkeit zukommt. Er dehnt den Begriff aber auch auf individuelle Gnadengaben aus. Einige Beispiele für seine Verwendung des Gnadenbegriffs: Gott gibt dem reuigen Sünder die Gnade ins Herz (gratia infusa), die ihn dazu bringt, sich im Bußsakrament von der Sündenlast zu befreien. Durch den Hl. Geist und kraft der gnadenhaften Zuwendung werden wir mit Gott wieder versöhnt. Der Hl. Geist macht uns durch seine Kraft und Gnade wieder heilig. Ohne eine im Glauben, im Gottvertrauen verrichtete Buße kann der Mensch keine Verdienste der Gnaden Christi erlangen. In abgewandelter Diktion des Wortes vom Glauben (als der Tür zu Gott) bezeichnet HELDING auch die Buße als die Tür, durch die der Weg in die Schatzkammer der Verdienste Christi sich eröffnet. Aus eigener Kraft kann sich der Sünder nicht zu Buße und Gerechtigkeit aufraffen,117 deshalb ist auch seine Bekehrung, die Hinwendung zu Gott, wiederum der Gnade Gottes verdankt. Wenn er sie annimmt, wird er zur Selbsterkenntnis fähig und zur Buße bereit. Die Änderungsbereitschaft des Bußwilligen kann den Willen Gottes wenden.118 Dazu muss aber noch die Caritas, die Gottes- und Nächstenliebe, treten. Wir erflehen Gnade und Stärke als Gaben Gottes wider künftige Sünden. Heißt es bei Erasmus Fides dictat, charitas exequitur, veluti fidei ministra,119 so spricht HELDING vom wahren Glauben, der mit hoffnung und liebe understewert sein muss.120 Der Glaube gründet sich auf die Verheißungen der Schrift und manifestiert sich im Gebet. Durch den Glauben werden wir in die Verdienste Christi zugelassen, werden 116
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Das Augustinus-Zitat: Qui sine timore est, iustificari non potest ist eines der wenigen Vorkommen des Begriffs. Dazu noch: Siquidem ad iustificationem hominis, quam per poenitentiam inquirimus, propinquus gradus est, a peccando desistere (Institutio 173v). Cat 96r. Jonas Propheta 2v. Explanatio 6v. Cat 38r.
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uns die Verdienste Christi zugerechnet (Imputatio). Dies allein wäre nur ein äußerliches Geschehen, würde der Mensch durch den Hl. Geist nicht auch innerlich erneuert und auf Gott hin disponiert. Der Hl. Geist teilt ungleiche Gnaden und Ämter aus. Gottes Zorn, Gnade und Barmherzigkeit liegen eng beisammen. Mit dem Empfang der Gnade wird der Glaube eingepflanzt. In der für die Schüler in Mainz geschriebenen Brevis Institutio, in der er sich wohl am deutlichsten erklären will, betont er nochmals die Bedeutung von Liebe für die Rechtfertigung.121 Denn der Besitz des Erbteils im Himmel ist zunächst nur im Modus der Hoffnung gegeben. HELDINGS Auffassung zur Rechtfertigung verdichtet sich in den vor seinem kritischen Merseburger Publikum gehaltenen Jona-Predigten. Um die Bedeutung der Werke abzugrenzen, aber sie auch zu unterstreichen, legt HELDING das Verhältnis von Gott und Mensch in logischer Verknüpfung dar. Es geht um die Elemente Gnade, Glaube, Verdienst bzw. Gerechtigkeit Christi (äußere Rechtfertigung) bzw. Gerechtigkeit (Erneuerung) des inneren Menschen, Bußsakrament, Sündenvergebung, Versöhnung, Heiligung, Erlösung, ewige Seligkeit, Liebe und Hoffnung. Gerechtmachender Glaube (fides iustificans) bedeutet nach HELDING nicht allein, das Wort Gottes für gewiss zu halten, sondern für die Verheißungen Gottes Sympathie zu empfinden, sie begehren und genießen zu wollen, dies in der starken Hoffnung und dem festen Vertrauen, dass sie zum Heil gedeihen werden.122 Dabei stehen folgende Tatsachen für HELDING fest: Die innere anthropologische Grundlage der Rechtfertigung ist der Glaube. Dieser Glaube ist mehr als nüchternes Fürwahrhalten, er ist psychische Hingabe im Vertrauen auf die schützende, rettende Hand Gottes.123 Wenn Gott einen Menschen durch den Glauben gerecht macht, geschieht dies durch die Zuteilung der durch das Sühneopfer Christi am Kreuz erwirkten Verdienste. Der Glaube als solcher erwirbt aber nicht zwangsläufig die Gnaden. Es ist unter Berufung auf Röm 12 gerade umgekehrt: Die Gnade geht allem voraus (gratia praeveniens). In dieser von Gott geschenkten Gnade ersteht und wächst der Glaube. So betrachtet sind Glau121
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Non tamen hominem iustum esse sola fide, sed adiuncta spe & charitate, quae velut gravida & foecunda mater, intra seipsam bona opera fovet & continet, & ea suo tempore, si non impediatur, profert, ut sit iusticia hominis fides per dilectionem operans, quae iusticia nullis nostris praecedentibus meritis, sed sola Dei gratia nobis donatur per Iesum Christum Dominum nostrum. (Brevis Institutio, Defensio adversus Flacium, Kap. De iustificatione). Jonas Propheta 80r: Da man onzweiffel glaubt was Gott redet / man liebet was er verheist / man begerts und hoffets zuerlangen. Ebd. 79v. Er grenzt ein auf die fides iustificans und schließt fides historica und fides miraculosa aus.
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be und Liebe Gaben der das Gott-Mensch-Verhältnis bestimmenden Huld Gottes.124 HELDING entnimmt diese Reihenfolge dem Zusammenhang von Hebr 11,6b Accedentem ad Deum oportet credere und Joh 6,44: Nemo potest venire ad me, nisi pater qui misit me, traxerit eum et ego suscitabo eum in novissimo die. Auch Augustinus betont die Initiative Gottes attraxerit eum und HELDING folgt ihm dabei. Also müsse der Zug der Gnaden Gottes dem Glauben vorangehen.125 Gnade kann der Mensch auch nicht durch Gebet erwirken, dieses dient aber wohl zum Ergreifen und zur Stärkung des Glaubens. Dazu bedarf es auch für HELDING keiner Werke. Man könnte hier sogar von einer Überbietung von sola fide durch sola gratia sprechen. Allerdings sind Gnade und Glaube unauflösbar verschränkt. Aus dem Glauben, dem Vertrauen in Gott und der Gewissheit der Schrift erfolgt all das, was der Gerechtmachung und der Versöhnung des Menschen dient. Die Gerechtmachung geschieht, ähnlich wie bei Luther, ohne Verdienst. Der Mensch wird – Luther fügte in betont reduktiver Sprechweise zu Röm 3,28 noch das Wort allein hinzu126 – durch den Glauben, ohne die Werke des Gesetzes, gerecht gemacht. Eine Ergänzung zu Luther muss für HELDING aber erfolgen: Der Glaube ohne Liebe und ohne Hoffnung auf Erlangung des zugesagten Heils wäre nicht genug. Und er bringt einen weiteren Punkt ins Spiel, ohne den die Zurechnung des meritum Christi bloß äußerlich bliebe: Der Abwendung von der Sünde muss eine innere Erneuerung des Menschen folgen.127 An diesen zwei Punkten unterscheidet sich HELDING von Luther, der die Heilsgewissheit an nichts mehr gebunden wissen will.128
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Ebd. 77r: Und so gar ist und bleibt unser rechtfertigung versünung mit Gott / unnd unser seligheit ein gnade Gottes one allen unsern verdienst / dz auch niemand sein glauben dahin rhümen kann / und sprechen. Weil ich geglaubt habe / so habe ich die gnaden Gottes erworben / sonder muß bedencken und bekennen / das jme die gnade Gottes fürkommen sey / und habe jm den glauben auch geschenckt / den er one die gnaden Gottes nit hette erlangen mögen. Dann unser glaube so wol als unser alles anders thun und vermögen ist auß Gottes gnaden und ein gab und geschenck Gottes / und nicht auß uns selbs nach der zeugnis Pauli / Rom xij. AU ep 194, 3, 12 (PL 33, 878); Jonas Propheta 77v. Zur Einfügung des allein durch Luther: Wetzer – Welte 10 (1897) 861. Jonas Propheta 80rv: Es geht aber nit so bloß und leer ab / dass die gerechtigheit eines menschens den Gott durch den glauben gerecht machet / nur ein solche bloße zurechnung were der verdiensten und gerechtigkeit Christi / und nicht auch ein ernewerung des menschen sey…und bliebe der mensch wie vorhin. Pesch 179 zitiert Luthers Wort: Verflucht sei die Caritas. Zu den Guten Werken siehe ebd. 188, wobei angemerkt ist, dass ein Glaube, aus dem überhaupt keine Werke folgen, eher gar kein Glaube sein wird.
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Ein Kompromissvorschlag HELDINGS ? HELDING geht in der 28. Jona-Predigt einen Schritt weiter und leitet daraus die Chance einer für beide konfessionellen Teile annehmbaren inhaltlichen Vergleichung ab, die aus den Schrifttexten entnommen werden könnte. Er gesteht dem anderen Teil zu, dass der Glaube in der Schrift vielfach geradezu als unabdingbare Voraussetzung der Rechtfertigung erscheint.129 Zur Rechtfertigung tragen die Werke nichts bei, sie können auch nicht Gnaden erwirken, vielmehr ist es gerade umgekehrt. Dennoch sind Werke in der Hl. Schrift verlangt und sie verkleinern auch keineswegs die Verdienste Christi. In philosophischer Terminologie zieht HELDING zum Charakter der Rechtfertigung keine klare Trennlinie zwischen Habitus und Relation, sein Insistieren auf der Caritas als Grundhaltung neigt sich der Bezogenheit auf Gott zu. Diese manifestiert sich im Drang zu guten Werken.
5. 2. 3. Gute Werke130 Streitpunkt ist die von Luther verworfene Werkgerechtigkeit. Hier zieht HELDING Eph 2,8-10 heran. Taufe und Glaube allein verleiten zu einer falschen Sicherheit um das Heil, wenn sie nicht durch die Verrichtung guter Werke gefestigt und gewiss gemacht werden.131 Die Rechtfertigung wird aber nicht durch das Faktum des Werkhandelns erworben. Werke müssen von Herzen getan sein. In erster Linie denkt der Prediger dabei an die Gebote der Gottes- und Nächstenliebe. Gerade in Merseburg, wo die Werkpredigt, so subtil man auch beginne, sofort das Anschlagen der Sturmglocken hervorrufe,132 betont er in 129
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Jonas Propheta 78v: Solcher Spruche vom glauben seind in der Schrifft hauffet vil die dem glauben zugeben / das wir durch den glauben ahn unsern Herrn Jesum Christum / in seine verdienst zugelassen werden / in denen wir unser rechtfertigung / vergebung der sünden / versünung mit Gott und ewigs leben haben. Und vor solchen Sprüchen scheuhen wir in Catholischer Lehr gar nichts / sonder haben sie von hertzen lieb / theur / und werde. Gott wolte allein daß die Sprüche von wercken / so gleichsfals auß dem munde Christi seiner Propheten unnd Jünger außgangen seindt / bey unserm gegentheil so lieb gehalten unnd in jrem werde / so getrewlich gehandelt / und dem volck fürgehalten würden / als wenig die Catholische lehr ahn den Sprüchen so vom glauben zeugen / keinen mangel last / so were die sache richtig / und behielte Christus seine Apostel unnd Propheten (die zwar alle auß einem Geist geredt haben) allenthalben recht / da sie von wercken so wol / als da sie vom glauben reden / unnd würde auß beyderley Schrifften ein einhellige gesunde warhaffte lehr zusamen fliessen / die niergent wider sich selbs lauffen / sonder allenthalben eintrechtiglich zum rhum Göttlicher gnaden und der verdiensten Christi und zum heyl der glaubigen dienen köndte. {M49}3rv. Erster Johannesbrief 16r, 22v-24r. Jonas Propheta 74r.
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seiner Jona-Predigt die Rolle der Liebe bei der Rechtfertigung. HELDING hält dabei den altgläubigen Standpunkt der Kirche fest: Kein Glaube ohne gottgefällige gute Werke, kein gutes Werk ohne Glauben in Liebe und Hoffnung. Die Kette Gnade – Glaube – Liebe – Werk muss geschlossen sein. Nun versucht er seinen Hörern ein Verständnis für die vor Gott gültigen Werke zu vermitteln.133 Er erklärt, welche Werke vor Gott bestehen, woher der Gerechtfertigte zum guten Werk fähig wird, ob er hiefür eine Belohnung erwarten kann, und welcherart eine solche sei. Zunächst betont er: Die Natur hält den Menschen an, ständig tätig sein.134 Christus befehle die guten Werke nach Mt 5,16 und als diese gelte zunächst und allgemein das Halten der Gebote. Schlechte Werke bestehen für HELDING einerseits in ungöttlichem Wesen, wie Ketzerei, Aberglauben und allem, was der Ehre Gottes und dem wahren Gottesdienst zuwiderläuft, sie bestehen andererseits in der Vermengung mit weltlichen Gelüsten oder sie erfolgen sogar aus der Neigung, den Nächsten an Leib, Gut und Ehre zu schädigen. Von Paulus nimmt HELDING die Einteilung der guten Werke auf: nüchtern, gerecht, gottselig leben.135 Opera sobrietatis leistet der Mensch, der auf Zucht und Mäßigkeit bei sich selbst hält. Opera iustitiae sind solche, die der Mensch seinem Nächsten tun und widerfahren lassen soll, bzw. dass er, was er gern selbst empfangen würde, auch einem anderen leistet. Opera pietatis dienen der Ehre Gottes und sind auf einen wahren Dienst an Gott hin ausgerichtet. In den drei darauf folgenden Predigten geht HELDING auf je eine Art der Opera ein. Die Opera sobrietatis scheinen ein besonderes Anliegen des Predigers an seine Zuhörerschaft zu sein. Er geißelt die Fress- und Trunksucht in drastischer Weise, da sie zu Sittenlosigkeit und allen gräulichen Lastern verleite. Das Ringen um die Krone des ewigen Lebens vergleicht er mit einem Wettlauf, den nur der tüchtigste Kämpfer gewinne. Das sei gewiss nicht jener, der einen vollen Bauch vor sich her trage. Werke der Gerechtigkeit heißen jene, die den Nächsten nicht übervorteilen, sondern die sich um jedermann verdient machen, dessen Leib, Gut und Ehre schützen helfen und einem jeden angedeihen 133
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Jonas Propheta 82v: Unser einiger Meister Herr und Seligmacher scheut sich nit in seinen Predigten auch von guten wercken zureden / und derselbigen ehrlich zugedencken / wiewol sie jetz in die maßleide und in den verdrieß bey uns geradten seind / das man nit darvon reden darff / man wölle dann die leute auß der Kirchen predigen / das sie anfahen die köpff schütteln / unnd die Werckpredig als ein Gottslesterung zu verfluchen. Diese Aussage entspricht der wiederkehrenden Warnung, nicht müßig zu sein und sich auf den Glauben allein zurückzuziehen. Hierin grenzt sich HELDING wieder von reformatorischer Verabsolutierung ab. Jonas Propheta 84v.
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lassen, was Recht und Billigkeit erfordern. Werke der Barmherzigkeit werden in der Hl. Schrift an vielen Stellen berichtet und gefordert. Dazu zählt nicht nur Mildtätigkeit und Almosenvergabe, sondern auch dem Anderen vergeben, verzeihen können, sowie die Sorge um Witwen und Waisen. Aber auch der Obrigkeit Gehorsam zu erweisen und zu tun, was ein jeder seinem Stand nach zu verrichten schuldig ist, ist aus HELDINGS Sicht als gutes Werk zu betrachten. Am Schluss der 33. und letzten Jona-Predigt fasst er nochmals zusammen: Erstens sei es Gottes Wille, dass seine Gläubigen in guten Werken wandeln sollen. Gute Werke seien zweitens aber jene, die von Gott befohlen werden, zu denen er die Gläubigen ermahnt und für die er eine Belohnung zusagt. Die Kraft und das Vermögen, Gutes zu tun, erwächst aber wiederum nur aus der Gnade Gottes und dem Antrieb des Hl. Geists. Und dem Menschen kommt bestenfalls eine Mitwirkung zu.136 HELDING zitiert dazu aus einem Augustinusbrief ep 105, der Ps 102 [103],4b aufgreift: Cum Deus coronat merita nostra, nihil aliud coronat quam munera sua.137
5. 2. 4. Sakramente im Allgemeinen138 Streitpunkt mit den Protestanten ist die Siebenzahl und die Einsetzung durch Christus. Die zu den Sakramenten anzusprechenden Kontroversen, insbesondere die Einsetzung durch Christus, werden im 11. Kapitel bei der Darlegung des Catechismus mitbehandelt.
5.3. Capitula ad mores pertinentia139 Verbesserung der Kirchenzucht An die Adresse der katholischen Geistlichkeit und Laien richtet sich der umfangreichere Teil der Mainzer Provinzialstatuten. Für den innerkirchlichen Erneuerungswillen sind die Standesregeln der Kle136
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Ebd. 94r: Der Schluss des Jonas Propheta kehrt nochmals zum politischen Anliegen zurück: Der Allmechtig gütig Gott wölle uns durch seine gnade und heyligen Geist verleihen / das wir uns in eine wahre und jme wolgefellige lehr vergleichen / jme im glauben und wandel hie auff Erden wolgefallen / unnd nach dieser zeit seine verheissungen erlangen / und seine ewige seligheit mit jme und allen außerwelten besitzen / und ewiglich geniessen mögen durch Christum Jesum unsern Herrn. Amen. Ebd. 94r: AU ep 105 ist jetzt ep 194 (PL 33, 881), nicht bei Frede. Vorgrimler, Art. Sakrament III. Theologie-und dogmengeschichtlich; IV. Systematisch-theologisch: ³LThK 8 (1999) 1440-1445. {M49} 13r-32v, hier besonders 13r-14v.
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riker jeglicher Hierarchiestufe signifikant. Ihre Aufzählung gibt das ganze Spektrum der lebensweltlichen Aspekte von Reformansätzen exemplarisch wieder.
5. 3. 1. Disziplin der Kleriker Die Abschaffung der homines vagi et ignoti, die ohne Erlaubnis des Bischofs predigend umherziehen, ist auch in der Mainzer Provinz ein vorrangiges Thema. Nur jene Mendikanten und Klosterangehörigen, die in der Lehre qualifiziert sind und ein Zeugnis ihrer Oberen vorweisen können, werden in der Provinz als Prediger zugelassen. Wer falsche Lehren verbreitet, soll entfernt werden. Dazu sind die Visitationen abzuhalten und sorgfältig zu prüfen, ob die Wortverkündigung und Ausspendung der Sakramente nach der rechten Lehre erfolgen. Besonders tüchtige Männer und Priester sollen an verlassene oder vernachlässigte Orte von den Offizialen dienstzugeteilt werden. Später ist HELDING im Merseburger Umfeld in eigener Praxis mit der Problematik der fachlich nicht ausgewiesenen Kleriker konfrontiert. So bezeichnet er die unberufenen Prediger als unnützes Volk. Er geht von der Voraussetzung der Bescheidenheit aus, der sich, so wie früher die Propheten, jetzt die Prediger zu befleißigen hätten.140 Bücherkontrolle Die Überwachungsmaßnahmen erstrecken sich auch auf die Verwendung der Bücher und Texte, die von Pfarrern und Predigern bevorzugt gelesen werden. Das unkontrollierte Drucken von Schriften erfordert, dass die heiligen Bücher wie Missale, Antiphonale, Agenda, Breviarien durch gelehrte und fromme Männer geprüft und verdächtige oder häretische Bücher eíngezogen werden.141 {M49} enthalten selbst keinen Verbotsindex, da sich die Kurie in Rom dieses Themas 140
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Jonas Propheta 58r: Dieser Bescheidenheit vergessen vil leichtfertige Geister zu unserer zeit / die sich des Predigampts so leicht gelüsten lassen / wann sie in wenig etwas aus den Teutschen Büchlin gelesen haben / so schwellen sie davon und wil jnen jre grosse kunst den Bauch aufreissen / sie könden kein ruwe haben / sie predigens dann herrausser / durchlauffen dz Land biß sie ein ort bekommen / da sie zupredigen zugelassen werden. Da leren sie dann was sie noch nie gelernt haben / unnd werden Meister in einer Kunst / darin sie nie Lehrschüler gewest seind. {M49}17rv; Herrmann. Protokolle 3/2, 828: Auf die Mitteilung des Erzbischofs, neue Breviere drucken zu lassen, empfiehlt das Domkapitel im Nov. 1539 die Mitwirkung von Weihbischof HELDING. Bemühungen um bessere liturgische Bücher hat bereits der oberrheinische Humanist Jacob Wimpfeling unternommen. Zu diesem: Mertens, Wimpfeling, Jakob (1450-1528): ³LThK 10 (2001) 1219-1220.
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bereits angenommen hatte.142 Im Erzbistum Köln z. B. wurde hingegen 1550 eine Liste reformatorischer Literatur zusammengestellt. HELDING kündigt in der Institutio eine Positivliste an, die den Predigern vor allem die Kirchenväter nahebringen will. Zum Studium der alten orthodoxen Lehrbücher, aber auch der neuen, soferne sie nur rechtgläubige Inhalte verbreiten, sollen die Prediger vermehrt angeleitet werden. In seinem Liber Merseburgensis kündigt er eine Positivliste zeitgenössischer Schriften an, die für simplices parochi geeignet sind.143 Aufwertung der Messe Die mangelhafte Messbeteiligung des Volks soll durch die Mithilfe der Behörden verbessert werden. Die Messe selbst muss in würdiger Form, die das heiligste Geheimnis der christlichen Religion zum Ausdruck bringt, gefeiert werden und zur Wertschätzung und Verehrung dieses höchsten Mysteriums hinführen. Die Privatmesse wird ausdrücklich eingeschränkt. Es muss zumindest eine weitere Person teilnehmen. Die sittlichen Anforderungen an den Messpriester werden eingeschärft. Wer das opus Dei nachlässig oder in herabwürdigender Weise zelebriert, ist gemäß der Hl. Schrift ein maledictus. Ebenso soll der Priester nicht prodigus propriae salutis, impura conscientia, illotis manibus das Altaropfer verrichten. Untersagt werden auch die während der Predigt oder dem Opfer gleichzeitig an Nebenaltären gehaltenen Spezialmessen. Von den weiteren abzustellenden Missbräuchen erscheinen HELDING die Fälle des Presbyters, der von den Nachwirkungen eines Zechgelages gezeichnet die Messe feiert oder der das Messgeheimnis zur Wahrsagerei missbraucht, besonders verwerflich.144 Die Erklärung des Geschehens in der Messe war HELDING stets ein besonderes Anliegen. Die Prediger sollen angehalten werden, dem Volk den tieferen Sinn der eucharistischen Feier nahezubringen, wie es HELDING selbst in besonderer Weise mit seinen Messpredigten 1548 und mit seiner Missae Explicatio tat. Auch die Haltung und Devotion des Volks soll immer wieder angesprochen werden, um den spirituellen Gehalt zu sichern. Einer besonderen Betonung schien ihm der Hinweis wert, Primizfeiern ohne aufwändigen Pomp zu bege142
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Gründung der Congregatio inquisitionis 1542 durch Papst Paul III. Vgl. Schwedt, Art. Index (I.) der verbotenen Bücher. Historisch: ³LThK 5 (1996) 445: Erste Bücherzensuren durch die Universitäten Paris (1544) und Löwen (1546), die durch statutarische Verbote auf synodaler Ebene aufgegriffen wurden. {M49}14v; Liber Merseburgensis 25v. {M49}15v: …vespertinam compotationem usque ad intempestatem noctem produxerit & mane adhuc hesternam crapulam eructans, celebrare praesumpserit.
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hen. Diese Feierlichkeit sollte nur unter einigen Freunden des Jungpriesters möglichst nüchtern, ohne Luxus, in Gottesfurcht gehalten werden. HELDING nimmt sich auch in den Jona-Predigten des Themas an und kommt zum Schluss, dass durch den Unfleiß und die Verletzung der Sorgfalt der Vorsteher und Kirchendiener die Ausspendung der Sakramente in Verruf geraten sei.145 Bestellung der Prälaten146 Wer in ein Leitungsamt berufen werden soll, muss seiner besonderen Stellung gerecht werden können und ist daher einem besonderen Scrutinium zu unterziehen (de doctrina, de moribus deque omnibus iis disciplinis, quae ad regimen, cui destinantur, necessariae sunt). Als Beurteiler fungieren die Ordinarien, die den Kandidaten bestellen und konfirmieren. Benefizienhäufung147 Das Benefizienwesen ist ein besonderer Schwerpunkt der Synode. Die Anhäufung von Benefizien, die an Seelsorge gebunden sind, wird einen Einzelnen mit vielfachen Nachteilen für die Kirche überfordern. Denn wer in verschiedenen Kirchen Ämter innehat, kann diese nicht mit der nötigen Sorgfalt wahrnehmen. Mit dieser Mahnung verbinden {M49} eine Rechtsfolge, wonach eine Offenlegung aller Dispensen verlangt wird. Wer als Inhaber mehrerer Benefizien diese Dispensen nicht fristgerecht nachweist, verliert automatisch den Rechtstitel. Anscheinend verfügte man über keine zentrale Erfassung von Ämtern und Pfründen, sondern war auf die Angaben der Benefiziaten und Präbendare angewiesen. Es wurde daher eine Selbstanzeige und die Vorlage des Dispensdokuments begehrt. Bei Terminversäumnis sollten die Benefizien heimfallen und neu vergeben werden. Bei der Erteilung derartiger Ausnahmegenehmigungen war zu prüfen, ob die Seelsorge nicht leide. Im Weigerungsfall sollte der apostolische Stuhl eingeschaltet werden.148 HELDING selbst und besonders Julius Pflug besaßen mehr als ein Benefizium, beide hatten dazu auch die nötigen Dispensen erlangt. Vermutlich hatten beide Bischöfe Vikare bestellt. Über die Aufteilung der Einkünfte wissen wir nichts. 145 146 147 148
Jonas Propheta 34r. {M49}17v: De examine praelatorum. Ebd.: De his qui plura beneficia curata obtinent. {M49}17v-18r enthält einen Hinweis auf die Formula reformationis 1548.
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5. 3. 2. Verbessserung der Klerikerausbildung Der Niedergang der katholischen Studien lässt das Verschwinden der Nachwuchsbasis für die Besetzung von kirchlichen Ämtern zur Erhaltung der Lehre und Praxis befürchten. Es wird der dringende Ruf nach der Wiederherstellung herabgekommener Studieneinrichtungen erhoben, sollte nicht die Respublica Christiana zugrundegehen. 149 Daher ergeht der Aufruf an die Bischöfe der Provinz, die wenigen verbliebenen Generalstudien wieder aufzurichten und neue einzurichten, sonst würde die Jugend zu den Schulen der anderen Konfession abwandern. Man müsse nach herausragenden jüngeren Leuten Ausschau halten und diese an die Universitäten schicken. Auf dem Land und in den Städten sind katholische Schulen zu fördern, und es müssen zuverlässige glaubensfeste Pädagogen an deren Spitze gestellt werden.150 Auch die vermögenden Klöster sollen theologische Studien einrichten, die anderen ihre begabten jungen Konventsmitglieder an diese Anstalten entsenden.151 Studienreform Die gleichzeitigen Kölner Statuten {K49} stellen die Studienreform sogar an die Spitze ihrer Regelungen und befassen sich mit den Zugangsbedingungen der Studierenden, dem Unterhalt der Dozenten und den Lehrinhalten.152 Viele würden die Universitäten nur der Privilegien halber frequentieren und seien am Studium nicht interessiert bzw. für Studien völlig ungeeignet. Solchen müssen die Stipendien entzogen werden.153 Besondere Kritik wird aber am Kölner Lehrpersonal geübt, das mit einem enzyklopädischen Wissen aufwarte, jedoch die praxisorientierte Ausbildung ignoriere, weshalb aus dem Studium nur Halbgebildete hervorgehen würden.154 Ein eigenes Kapitel ist einer nüchternen Einsicht in die pädagogischen Möglich149 150 151
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Aus {M49} 18v-19r in den Liber Merseburgensis Titulus 6, 1, 66r-67r übernommen. {K49}: Schannat – Hartzheim 6, 580-581; ähnlich bereits {K36} pars 12: ebd. 402403. Von HELDING in den Liber Merseburgensis, Titulus 6, 2, 67v-68r übernommene Bestimmung{M49} 19rv: De clericis secularibus et regularibus ad studia ablegandis, et de studiis apud Monasteria instaurandis et conservandis. Schannat – Hartzheim 6, 535-537. {K49} verweist auf den Synodus Leodiensis von 1548, der in Kapitel (5) seiner Statuten regelt, qui gaudere possint Universitatum Privilegiis. {K49}: Schannat – Hartzheim 6, 536: Ex quibus officinis prodeunt nobis imperiti Medici, hominum temerarii interemptores, & jurisperiti omnia perturbantes, novarumque Religionum Authores, gloriosi Theologastri, qui magna stoliditate non verentur velut e Tripode Apollinis, de dogmatibus Ecclesiasticis & Religionis veritate pronunciare atque statuere, cum solidi nihil fere de eis sint assecuti verentur.
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keiten der Schullehrer gewidmet.155 Wenn die Kinder nicht im zarten Alter ehrenhaften, gebildeten, glaubensfesten Magistern übergeben werden, besteht kaum Hoffnung, dass bei ihnen später, wenn sie bereits mit fremden Lehren in Berührung gekommen sind, die wahre Religion noch restituiert werden kann.
5. 3. 3. Statushebung der Pfarrer Die Pfarrer sollen stärker von ökonomischen Aufgaben wie dem Einzug des Zehents (procuratio ecclesiae, officium fabricae) entlastet werden, wofür Laien tätig werden sollen. Einmal jährlich ist dem Pfarrer Rechnung zu legen. Auch wird die Aufbewahrung der eingehobenen Gelder und die Verwaltung der Zehentbriefe neu geregelt. Es wird den Pfarrern untersagt, für das Spenden der Sakramente Geld zu verlangen, freiwillige Spenden ex caritate dürfen aber angenommen werden.156 Zur Eindämmung der zahlreichen akatholischen Druckschriften wird auf die Reichsbestimmung verwiesen, die anonyme Druckwerke untersagt und ihre Konfiszierung anordnet. {M49} tragen den Offizialen die Kontrolle der Typographen und Händler auf.157 Konkubinat – ein unabänderliches Ärgernis Eine eigene Bestimmung gilt den Konkubinariern unter Verweis auf das Basler Dekret.158 Da sich die betreffenden Kleriker den Anweisungen, ihre Konkubinen zu entlassen, entzogen haben, wird mit Strenge vorgegangen.159 Sobald der öffentliche Rumor nicht mehr zurückgehalten werden kann, ist die Konkubine so weit fortzuschicken, dass kein weiterer Verdacht entsteht. Hier erscheint im mittelalterlichen Verständnis die Frau als einseitig Benachteiligte, die für ihren und allfälliger Kinder Unterhalt selbst sorgen muss. Vor allem jungen Klerikern, die sich an die Kohabitation gewöhnt haben, wird es später immer schwerer fallen, ihr Leben neu auszu155 156 157 158
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{K49}: Schannat – Hartzheim 6, 29-30. {M49}28r: ähnlich im Liber Merseburgensis. Ebd. 30v. Meuthen, Art. Basel, Konzil von: LMA 1 (1980) 1517-1521; Schannat – Hartzheim 6, 419-532, hier 484: Das Kapitel De vita & moribus Clericorum lehnt sich an das Basler Dekret gegen Konkubinarier Quincunque Clericus (20. Session von 1435) an. Zum Thema In ebrietatem & luxum, quibus die Paschae populum affectum vidit, wird ein Sermo des Basilius Magnus zitiert. Ebd. 31v. Gegebenenfalls müssen Prälaten den weltlichen Arm um Hilfe ansprechen.
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richten. Die bisherige Toleranz dieser Zustände muss der Reformnotel entsprechend einer rigiden Strenge weichen. Auch die weltliche Gewalt soll mit Sanktionen diese Form des Zusammenlebens unterbinden. Als Sonderform erwähnenswert sind die Straßburger Konstitutionen 1549, die einen generell unterschiedlichen Ansatz bieten, indem sie weniger eigene Bestimmungen formulieren, sondern die Kirchenväter als Autoritäten zu den einzelnen Themen heranziehen. Auch sie verweisen zur Klerikermoral auf den Text des Basler Konzils. Im Rahmen der Mitwirkung am Interim und an der Formula reformationis konnte HELDING seine theoretischen Reformvorstellungen von der Mainzer Provinz auf die Ebene des Reichs ausdehnen. Die Visitationen, an denen er 1548/49 in Mainz mitwirkte, zeigten ihm jedoch die Schwierigkeiten und Grenzen einer Reform in der praktischen Umsetzung auf. Nach Jahren in Merseburg fasste er im Liber Merseburgensis seine Systemkritik nochmals zusammen. Seine Empfehlungen beweisen, dass sich seit den Klagen Friedrich Nauseas 1527 auch nach drei Jahrzehnten nur wenig zum Positiven verändert hatte.
6. HELDINGS REFORMDOKUMENT LIBER MERSEBURGENSIS Nach dem fruchtlosen Ausgang des Wormser Kolloquiums von 1557 wandte sich HELDING dem weiterhin ungelösten Problem der katholischen Erneuerung zu. Vermutlich trug er sich schon länger mit der Absicht, die auch nach den verschiedenen Synoden von 1548/1549 und im Raum stehenden Empfehlungen und Beschwerden, wie sie schon seit Jahrzehnten immer wieder an die Kirchenoberen herangetragen worden waren, für sich selbst zusammenzufassen und mit seinen eigenen Erfahrungen aus Mainz und Merseburg zu einer Reformschrift für das ganze Reich zu verbinden.160 HELDING konzipierte in der kurzen Zeit vor Antritt des Kammerrichteramts eine Schrift, die er mit Formula Reformationis cleri et populi per provintias Archiepiscopatuum Germaniae N. N. N. N. überschrieb und die von den später damit befassten Theologen auch als Liber Merseburgensis bezeichnet wurde. Verschiedentlich griff der Autor dabei auf die Regensburger Reformordnung von 1524 und die Mainzer Reformstatuten {M43}, vor allem aber auf die Provinzialkonstitutionen von 160
Unmittelbarer Anlass der Niederschrift war eine Anregung des Augsburger Kardinals Otto von Waldburg, in die auch der Salzburger Erzbischof Michael von Kuenburg einstimmte, dass es eine gleichartige Reform für alle deutschen Bistümer geben müsse und Alleingänge in den einzelnen Provinzen nicht zielführend wären.
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1549 zurück, die seine Handschrift trugen.161 Der Wert seiner dem Umfang nach mit {M43}162 vergleichbaren Schrift liegt in der einheitlich für ganz Deutschland gedachten Konzeption, die den Partikularismus der kirchenprovinziellen und diözesanen Statuten überwinden wollte. Die das ganze Jahrhundert durchziehenden ungelösten oder permanent missachteten Reformthemen erscheinen im Liber naturgemäß wieder: z. B. die Eignungsvoraussetzungen für den geistlichen Stand, die Praxis der Bestellung in hohe Kirchenämter, deren Ausfüllung als Dienst und die Heranbildung des Nachwuchses in anspruchsvollen Ausbildungsstätten. Der Text ist in neun Abschnitte (Tituli) gegliedert:163 (1) De ordinatione & institutione ministrorum ecclesiae (2) De officiis ministrorum ecclesiae (3) De vita et moribus clericorum (4) De praebendis et clericorum alimentis (5) De censu ecclesiae seu fabricae. Et de templi aliarumque rerum in ministerio cultus divini necessariarum instauratione et conservatione tam apud ecclesias collegiatas quam parochiales (6) De scholis generalibus et particularibus instaurandis et conservandis. Et de adolescentibus ad studia publice alendis (7) De his quae ad plebem pertinent (8) De typographis et bibliopolis (9) De visitationibus et synodis. Der zweite Abschnitt ragt mit 61 Kapiteln heraus. Qualitas vor nobilitas Schon vom Seitenumfang her legt HELDING das Schwergewicht seiner Reformartikel zum Titel De ordinatione et institutione ministrorum ecclesiae auf die personalen Qualitätsmerkmale (Qualifikation, Bildung, Integrität) der Kleriker in allen Weihestufen, auf schärfere Auswahlkriterien für Aspiranten höherer Ämter, die zumeist aus dem Adel rekrutiert wurden. Er forderte eine Einschränkung des Patronatsrechtes (keine Ausnahme von der Examination) und wiederum die Ausschaltung simonistischer Praktiken. Zum Titel De officiis ministrorum ecclesiae legte er den größten Wert auf Predigtfähigkeit und Glaubensfestigkeit, Verwendung verlässlicher Bibeltexte, eine Erläuterung des Ab161 162 163
Dabei übernahm HELDING auch ganze Textteile: z. B. die Kapitel Festtage u. Klerikerverhalten. Den 133 Kapiteln der Reformstatuten kommt der Liber Merseburgensis mit 128 nahe. Pfeilschifter fand die Schrift im StA Würzburg, Mainzer Urkunden, Geistl. Schr. 20/17 auf. Das undatierte namenlose Exemplar von 80 Blatt eines Kanzleischreibers liegt der Arbeit zugrunde. Im Folgenden werden HELDINGS Bezeichnungen Titel und Kapitel beibehalten. Weitere Abschriften, die im Zuge der Vorarbeit zur Formula nova 1559 erstellt wurden, harren möglicherweise noch ihrer Entdeckung.
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laufs der Messe und auf die korrekte Sakramentenspendung. Weitere Tituli betonen in Anlehnung an {M49} eine ehrenhafte Lebensweise der Kleriker und die Schaffung von Ausbildungsstätten in den einzelnen Diözesen und in Klöstern. Einzelnen ihm besonders wichtigen Titeln stellt der Verfasser eine Einleitung voran. Jene zum ersten Titel De ordinatione etc. ist in die kaiserliche Formula reformationis nova übernommen worden.164 In den einzelnen Kapiteln dringt HELDING zum Teil detailhaft in spezifische Fragestellungen vor, wie sie schon zuvor in den verschiedenen Reformdokumenten formuliert wurden und erweitert sie dort, wo er besondere Bedürfnisse der Zeit erkannte. Im Folgenden werden die einzelnen Titel näher vorgestellt.165
6.1. Ordination und Einsetzung der Kirchendiener (ministri)166 De ordinatione et institutione ministrorum Ecclesiae Auch um 1558 liegt für HELDING die größte Beeinträchtigung der Unversehrtheit (incolumitas)167 und des Heils (salus) der Kirche in der unzureichenden Befähigung (qualificatio) des verantwortlichen Klerus. Wo nachlässige und unfähige Bischöfe am Werk sind, werden auch untaugliche Personen zum Kirchendienst angenommen und geweiht. Dieser Missbrauch erzeugt Unruhe und Verwirrung im Kirchenvolk und setzt einen Zirkel des Niedergangs in Bewegung. HELDING erinnert an die Sorge der Apostel und ihrer Nachfolger, nur geeignete Männer für den Kirchendienst auszuwählen und auszubilden. Der Patron trägt die culpa in eligendo und ist für den Missbrauch bei der Verleihung eines Amtes an einen Ungeeigneten oder die Reservierung von Anteilen für sich selbst ebenso zu maßregeln wie jener, der das Benefizium zu Unrecht innehat oder nachträglich die Wünsche des Patrons erfüllt. Als Ausschließungsgründe für den Bewerber nennt HELDING fehlende Ausbildung, Unmoral und mangelndes Alter. 164
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Liber Merseburgensis 8r: Ecclesiarum incolumitatem adeoque totam populi Christiani salutem a qualitate ministrorum, quibus Ecclesiarum gubernatio & divinorum munerum concredita est, ex magna parte pendere nemo sapiens inficiari potest. Übertragung der lat. Überschriften durch PS. Liber Merseburgensis 8r-20v. Incolumitas (Unversehrtheit, Ganzheit, Gesundheit) ist ein Marker in HELDINGS Diktion. Ein anderes persönliches Kennzeichen seines Schreibstils sind in Parenthese gesetzte Nebensätze.
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In weiteren Kapiteln geißelt er das unerlaubte Versprechen einer vakanten Stelle und die offenbar nicht auszumerzende Simonie. Je höherrangig ein Kirchenamt, desto strenger muss die Zensur ausfallen. Die erforderliche Weihestufe muss dem Amt entsprechen und die Ordination darf nicht aufgeschoben oder nachgesehen werden. Umgekehrt soll eine Ordination in ein Amt nur erfolgen, wenn die Investitur auf ein entsprechend sicheres Benefizium gewährleistet ist, das dem Inhaber einen ehrenhaften Lebensunterhalt ermöglicht.168 Für den Weihekandidaten soll der Bischof das Testimonium zur Doktrin abgeben, das Volk aber zu vita und mores des Kandidaten Stellung nehmen. Dieses Kapitel wurde 1559 zur Gänze in die Formula reformationis nova eingefügt.169 HELDING setzt sich in der Folge noch weiter mit dem zulässigen Alter und der persönlichen Aufrichtigkeit der Weiheabsicht auseinander. Mit psychologischer Einfühlung versetzt er sich in die jungen Kandidaten, die über das Leben eines Klerikers falsche Vorstellungen hegen, und er fordert, dass mentale Hindernisse zuvor durch einen erfahrenen Priester erforscht werden sollen. Einen weiteren Missbrauch sieht er im leichtfertigen Ausstellen von literae dimissoriae, kraft deren in eine andere Diözese gewechselt werden kann. Dort würden diese Kandidaten nicht oder nur mehr flüchtig überprüft und auf diese Weise gelangen ungeeignete Personen in Weihestufen, die ihnen in der Heimat nicht erteilt worden wären. Manche würden sich aber sogar ohne Entlassungsdokument nach Rom flüchten, wo es einfacher sei, ordiniert zu werden.170 Es solle deshalb künftig in das Entlassungszeugnis auch das testimonium vitae et eruditionis aufgenommen werden. Umgekehrt sollen auswärts Ordinierte vor Übertragung eines Benefiziums examiniert werden. Von einem Examen dürfen auch Absolventen des Theologiestudiums nicht ausgenommen sein. Der Usus, dass Patrone sich das Examen persönlich vorbehalten, soll dem Hl. Stuhl zur Klärung unterbreitet werden. HELDING beschließt dieses Kapitel mit dem Hinweis, dass alle Gesetze vergebens sind, wenn ihnen nicht strengstens nachgelebt und ein Verstoß auch sanktioniert wird.171 168 169 170 171
Hier klingt in der Sorge um das Klerikerproletariat auch HELDINGS eigene Lebenserfahrung durch. Formula nova 3rv, Liber Merseburgensis 15v-16r: De scientia & eruditione ordinandorum. Diesen Fall hat schon Valentin v. Tetleben in seinem Hildesheimer Statut 1539 aufgegriffen. Liber Merseburgensis 20rv: Hinc statuimus & praecipimus ut nemo praesentatus ad aliquod benefitium (praesertim, si cura illi animarum annexa sit) investiatur, nemo electus ad dignitatem vel praelaturam confirmetur, priusquam sit a suo episcopo, aut archidiacono episcopi, aut hac in parte vicario, aliisve sacrarum literarum, canonum & traditionum ecclesiasti-
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6.2. Kirchliche Ämter172 De officiis ministrorum ecclesiae Die wichtigsten Aufgaben des Kirchendieners (minister ecclesiae) sind die Predigt des Gottesworts, die Administration der Sakramente und die Ausführung der heiligen Kulthandlungen und Dienste unter Wahrung der zugehörigen Zeremonien. So leitet HELDING den folgenden umfangreichsten Abschnitt seiner Schrift ein. Mit bildhaften Worten warnt er vor den Wölfen, Füchsen und Räubern, die der Herde vorspiegeln, für ihr Seelenheil zu sorgen, sie in Wahrheit aber in ihr Verderben stürzen wollen. Neben diesen, die die Gläubigen bewusst in die Irre führen, sind die Unverständigen und Unerfahrenen, die sich dem Examen entziehen, vom Predigtamt fernzuhalten. Ein Thema besonderer Art sind die Mendikanten, die nicht vom Predigtdienst ausgeschlossen werden sollen, aber vor einem öffentlichen Auftreten ebenso examiniert sein müssen. Dann wäre es sogar wünschenswert, sie mit der Führung von Pfarren zu betrauen. Die weiterhin existenten vagi et profugi sollen aber nicht länger toleriert werden. HELDING gibt auch eine Anleitung, wie sich Concionatoren in ihren Predigten halten sollen. Sie sollen das Evangelium rein, lauter und besonnen abhandeln und die auftretenden schwierigen Stellen nicht nach eigenem Gutdünken auslegen, sondern sich vielmehr nach den heiligen Vätern und den Kommentaren der Kirchenlehrer richten.173 Verderbliche und verdächtige Bücher sollen den Predigern abgenommen, auf nützliche sollen sie hingewiesen werden.174 In die-
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carum peritis viris (quos episcopus aut archidiaconus aut scholasticus aut si cui examinandi ius competit, ad hoc designabit) examinatus & comprobatus idoneus possitque & velit muneri ad quod vocatus est, pro virili satisfacere & formulam reformationis, qua parte eum contingit, exequi. Quod si quis archidiaconus aut alius quispiam ius instituendi habens contra hanc institutionem praesumpserit aliquem non ita examinatum investire ipse quidem pro iudicio episcopi per certum tempus ab officii sui executione & fructuum perceptione suspendetur. Titulus reformationis secundus: De ministrorum ecclesiae (Liber Merseburgensis 21r-48v). Ne pro veris somnia & aniles fabulas, pro certis dubia tractant. Ne pro receptis apocrypha & iamdudum explosa damnataque ab ecclesia inducant prophana & vaniloquia divident. HELDING zählt als nützlich und unverdächtig die bereits in der Institutio genannten Cyprian, Hieronymus, Irenaeus, Ignatius, Chrysostomus, Basilius, Ambrosius, Augustinus, Hilarius, Gregorius, Bernardus, und andere [nicht namentlich angeführte] bislang von der Kirche approbierte lateinische und griechische Autoren auf und verweist an dieser Stelle des 2. Titulus (8) auf einen noch zu erarbeitenden Katalog zeitgenössischer Autoren. Worauf sich die Liste stützt, wird nicht mitgeteilt. Erasmus schätzte vor allen Origenes, den HELDING nur am Rand anführt. Sonst decken sich die Väternamen weitgehend. Eigenartigerweise nennt er die von ihm selbst oft erwähnten Dionysius Areopagita und Theophylact an dieser Stelle nicht.
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sem Abschnitt des Liber behandelt HELDING auch die Administration der Sakramente. Darüber referiert das nächstfolgende Kapitel.175 Zur Messfeier Zur Messfeier wiederholt HELDING einige Kritikpunkte aus {M49}, die das Mysterium stark beeinträchtigen. Die Sitte, während der allgemeinen Messe, inbesonders während der Predigt und dem Opfer Spezialmessen an den Seitenaltären zu lesen, war wie vieles andere schon in vorherigen Synodalstatuten mit einem Verbot belegt worden, jedoch offenbar nicht gänzlich unterbunden worden. Nun will HELDING sie endgültig abgeschafft wissen. Der Priester soll auch vor der Eucharistiefeier die Beichte ablegen und die Absolution erhalten haben.176 Einen weiteren Punkt hebt HELDING als sein besonderes Anliegen hervor. Der Prediger soll den verum usum missae dem Volk regelmäßig erklären. Er verlangt vom Priester, dass dieser mit richtig gesetzten Gesten und Gebärden dem Volk die verehrende Wertschätzung des Mysteriums verdeutlicht und in würdiger Haltung seine Gebete mit denen des Volks vereint. Er erinnert an die Stationen, wo der Priester das Knie beugt und das Haupt entblößt und der Gestus des ganzen Körpers so einzusetzen ist, dass die körperliche Aktion die geistige Intention glaubhaft ausdrückt. HELDING gibt hier offensichtlich seine eigene langjährige Praxis preis.177 Immer wieder mahnt er zu Einschränkungen in Äußerlichkeiten, so auch abermals bei der Primizfeier. Dabei soll jeder säkulare Pomp vermieden und das Gastmahl auf den Freundeskreis beschränkt werden. Mitgliedschaft in Kapiteln und Kollegien Ein neues Thema schlägt HELDING mit der Besetzung der Metropolitan- und Kathedralkapitel an, indem er betont, wie wichtig geeignete Männer an deren Spitze sind.178 Die zur Wahl Berufenen müsssen sich 175 176
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Da sich die Ausführungen mit jenen des Catechismus decken, werden sie dort miteinbezogen. Liber Merseburgensis 38r: Nos animarum salutis cupidi statuimus & ordinamus, ne aliter liceat cuique Missam celebrare, quam praemissa sacramentali confessione & absolutione emendato, iis, quae huius sacrifitiis devotio requirit antea persolutis. Ebd. 39r: Iam statim ab inceptione Canonis non sedeant, sed ad tremendi Mysterii pertractationem intenti, vultu itidem ad altare converso, corporibus humi demissis & mente in coelum elevata, sub silentio redemptionis humanae beneficium et passionem Christi, secum meditantes salutis nostrae authori, de impenso sanguine & tolerata pro nobis morte, debitam gratiarum actionem exhibeant. Ebd. 41r: Prima cura esse debet de electione eorum qui ad praelaturas & dignitates ecclesiarum provehendi sunt.
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bewusst werden, dass auch sie sich dem Urteil Gottes aussetzen, wenn sie wissentlich weniger Befähigte anderen vorziehen. Diese Mahnung fand ebenfalls sinngemäß in die Formula nova Eingang. Jede Einflussnahme von außen auf die freie Wahl muss vermieden werden.179 Ähnlich ist auf die Qualifikation zu achten, wenn Domizellaren auf die Stelle eines Kapitulars aspirieren. Weil dies lange unter Berufung auf alte Gewohnheiten vernachlässigt wurde, ist eine große Zahl moralisch anfechtbarer, ungelehrter Personen in Dom- und Kollegiatkapitel eingezogen, was zu einer großen Belastung wurde. Im Abschnitt über die Präposituren der Kollegien, die sich von der Zeit ihrer ursprünglichen Einrichtung jetzt durch Müßiggang ohne Gewinn für die Kirche deutlich abheben, spricht HELDING von neuen Konstitutionen, die mit Zustimmung des Hl. Stuhls diesen Körperschaften neue Aufgaben im Dienste der Kirche übertragen werden.180 Von besonderer Wichtigkeit für die Disziplin und den cultus divinus ist das Amt der Dekane an den Kathedralkirchen. Ihre Aufgabe ist es, wachsam auf Abweichungen etwa in Zeremonialsachen zu achten. Kanoniker würden sich gerne der Messe und dem Psalmengesang entziehen und es soll geahndet werden, wenn sie nicht bis zum Schluss der Messe ausharren. Benefiziaten in den Kollegien sollen die Weihestufe besitzen, die ihre Tätigkeit verlangt. Die disziplinären Kapitel, die aus der Übung geraten sind, sollen wieder gehalten und zum Ort einer gegenseitigen Korrektur von Fehlern und Ordnungswidrigkeiten werden. Dazu gehört auch besonders die Missachtung der Präsenzpflicht. Profanierung von kirchlichen Festen Die Abhaltung von Märkten und Tanzbelustigungen sowie anderer Spektakel an Sonn- und Feiertagen ist einzustellen. An diesen Tagen soll der Mensch nur spirituellen Gewinn suchen. Aus diesem Grund habe schon ein Konzilsdekret von Toulouse Gaudium und Tanz (tripudia et saltationes)181 und profane Schauspiele an Festtagen verboten. In den Kirchen dürfen scherzhafte und der Frömmigkeit entgegenstehende Schauspiele nicht aufgeführt werden, auch das störende Herumwandern (ambulationes) und die profane Unterhaltung in der Kirche, ob von Klerikern oder Laien, gleich welchen Standes und Ranges, muss untersagt werden. 179 180 181
Ob HELDING hier selbstkritisch seine eigene Bestellung bedachte? Ebd. 44r. Ebd. 48r: Vermutlich ein Konzil von 1229. Maskeraden und theatralische Scherze wurden schon in der 21. Session in Basel 1435 untersagt (Wohlmuth Dekrete 2, 491-492).
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Das Sinnenhafte und die Sinnenfreude in und um die Kirche stand als Teil der mittelalterlichen Tradition grundsätzlich nicht in Gegensatz zur inneren Frömmigkeit. Ob die überbordende hilaritas schon als Kirchenferne mit Häresieverdacht zu belegen war, bleibt dahingestellt. Dafür, dass sich HELDING aus der Erfahrung der Exerzitien bei Petrus Faber stärker einer asketisch-spirituellen Frömmigkeit zuwandte, die er bei anderen ebenso einforderte, gibt es aber keinen Hinweis.
6.3. Lebensweise und Ehrbarkeit von Klerikern De vita, moribus et honestate clericorum Unter dem dritten Titulus stellt HELDING das Verhalten des Klerus ins Zentrum seiner Kritik. Menschliche Schwäche der Ausspender hat zwar auf die objektive Wirkung der Gnadengaben keinen nachteiligen Einfluss, doch steht dem die Volksmeinung offenbar entgegen. Auch wird gerade der anstößige Lebenswandel eines Klerikers von manchen zum nachahmenswerten Vorbild genommen. Insoweit schätzt HELDING die gesellschaftliche Prägewirkung des geistlichen Standes immer noch hoch ein.182 Julius Pflug fasste die Missbräuche der Zeit unter vier crimina gravissima zusammen: luxus, avaritia, libido und pugnandi cupiditas, in denen der Klerus dem Volk um nichts nachstehe.183 HELDING wieder greift auf den Lasterkatalog des Apostels Paulus zurück,184 um damit die gewünschten Eigenschaften eines Klerikers zu kontrastieren. Eigene Kapitel schlägt er auf, um auf die Gefahren des Hochmuts, des Luxus, der Tanzlust, der Spielsucht, des Tavernenbesuchs, der Geschäftemacherei, der Gewalttätigkeit und der Unzucht hinzuweisen. Eine schwere Strafe haben jene zu gewärtigen, die dem Karten- oder Würfelspiel verfallen sind. Auch jedes Übermaß bei Essen und Trinken ist zu vermeiden.185 Die Befassung mit der Superbia führt zu einer eingehenden Vorgabe eines Kleidungscodes186 und einer Empfehlung für das Auftreten in 182
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Liber Merseburgensis 49r: Et utcunque divinorum mysteriorum virtus a qualitate ministri non dependeat, tamen sive malitia sive infirmitate humani iuditii fit, ut ex vilitate ministri plerumque in animis hominum etiam ipsa divina mysteria vilescant. Ideoque gravi cura advigilandum est, ut ministerii sanctitati ipsa etiam ministrorum vita respondeat. Pfeilschifter, Revision der Notula reformationis 335-336. Röm 1,29-31; Gal 5,19-21. Ebd. 51v: Hinc iubemus et proficimus ut clerici ab omni ebrietate & crapula & praesertim a compotationibus ad aequales haustus abstineant. Ähnlich schon {R24}8 und{M43}123. Liber Merseburgensis 50r: Ut clerici vestitum gestent, …decentem, modestum, praelongum,
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der Öffentlichkeit.187 Dass sich Kleriker nicht unter die Schauspieler und Tänzer begeben sollen, ist eine alte in den Synodalstatuten wiederkehrende Forderung, die von HELDING noch präzisiert wird.188 Mitglieder des geistlichen Stands sollen keine Tavernen betreten und auch keinen Gastwirt in ihr Haus kommen lassen. In einem längeren Abschnitt De continentia clericorum & concubinariis geht HELDING seinerseits dem Problem des Konkubinats nach. Es scheint, als würde er den licitus usus matrimonii noch akzeptieren, jede freie Form des Zusammenlebens eines Klerikers aber mit Vehemenz bekämpfen wollen. Er will mit Hilfe der Vorsteher in den Kollegien dahin wirken, dass im Haushalt des Klerikers überhaupt keine Frau ständig Arbeiten verrichtet. Gemäß den Bestimmungen des Basler Konzils189 sollen die betroffenen Priester aufgefordert werden, sich zu ändern und sich von den Frauen zu trennen, soweit diese nicht ohne Ärgernis im Haus behalten werden können. HELDING weist auch hier in väterlich mahnender Weise auf das schlechte Beispiel für junge Kleriker hin. Wo in ländlichen Pfarreien die häusliche Versorgung des Geistlichen nur durch eine Frau geleistet werden kann, empfiehlt HELDING , durch Alter und Verwandtschaft der betreffenden Person jeglicher Verdächtigung den Boden zu entziehen.190 Aus ähnlichen Gründen der latenten Verdächtigung dürfen Nonnenklöster von Klerikern, außer in ehrenhafter Begleitung, nicht betreten werden. Folgen tadelnswerten Lebenswandels In einem weiteren Abschnitt stellt HELDING nochmals den Zusammenhang zwischen dem untadeligen Diener der Kirche und der Devotion des Volks dar. Wo immer die Ausspendung der Heilsgaben geringgeschätzt wird, steht zumeist ein anfechtbarer Priester im Hintergrund.191 Ein anderes Thema sind die Religiosen, die durch ihre
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nec diffluentem et amplum, nec strictum, non versicolorem aut virgatum, non discissum. Pannis sericeis non utantur rubeum, viridem, adeoque omnem colorem nimis procacem vitent. Torques armillas, catenulas & annulos aureos non induant. Comam seu crines non ultra decentem brevitatem et sine exquisitiore cultu nutriant. Barbas vero instar militum omnino non gestent. Arma nisi peregre proficiscentes non induant. Ebd. 50v: Sedato & pari gradu incedant, non in omnes angulos obtutum contorqueant, aut in omnes fenestras oculos coniiciant, non manibus gesticularentur aut eas extra manicas exerant, quos gestus velut levitatis cordis indices scriptura condemnat. Ebd.: Mimis, ioculatoribus, & histrionibus non intendant, & praesertim ludos comicos aut iis similes, qui obscoenitatem habent, & illicitam voluptatem movent, Clerici omnino devitent. Decretum de concubinariis, sessio XX vom 22. 1. 1435 (Wohlmuth Dekrete 2, 485-487). Liber Merseburgensis 53r-54v. Ebd. 54v-55r führt er aus, dass zwar Divinorum mysteriorum virtutem ex qualitate ministrorum non existimari debere, [aber weil es sich doch so verhält, dass] propter turpitudi-
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Abkehr von den feierlich abgelegten Gelübden in der gesamten Kirche zu großer Verstörung beitragen. An die Prälaten und Äbte der Stifte und Klöster geht daher die Forderung, sich der ihnen anvertrauten Angehörigen sorgsamer anzunehmen und auf Einhaltung der Regel strenger zu achten. Die aufgegriffenen Mönche sind genau zu inquirieren und innerhalb eines Monats wieder in ihr Kloster zurückzuführen. Vorsteher, die diese Bestimmungen missachten, sollen ihrerseits gemaßregelt werden. Die Offiziale in den Kapiteln, Dekane, Erzdiakone und Landdekane, die sich nachlässig in der Handhabung dieser Vorschriften zeigen, müssen ihrerseits von den Bischöfen zur Beachtung derselben angehalten werden, Überhaupt muss nach HELDING der strikten Einhaltung der diesbezüglichen Vorschriften ein größeres Augenmerk beigemessen werden. Hier zeigt HELDING erstaunlich geringes Verständnis für die Problematik der Umstände, dass der Klostereintritt von Jugendlichen z. B. durchaus nicht immer einer freien Entscheidung entsprang. Er vertritt hier ein striktes Ordnungsdenken, das er durch Sanktionen abgesichert wissen will.
6.4. Materielle Versorgung der Kleriker De praebendis et alimentis Mit penibler Genauigkeit gibt HELDING Anleitungen zu einer gerechteren Verteilung kirchlicher Einkünfte und Abgaben.192 Der den mit der Seelsorge betrauten Pfarrherren und Predigern gebührende Lebensunterhalt, dessen notwendiges Ausmaß von den Bischöfen eingehend erkundet werden soll, muss als Minimaleinkommen sichergestellt sein (congrua). Gesicherte Versorgung der Amtsträger Durch Veränderung wirtschaftlicher Bedingungen sind die in der Vergangenheit festgeschriebenen Benefizien verschiedentlich so dürftig geworden, dass die standesgemäße Versorgung der davon zehrenden Inhaber nicht mehr gegeben ist. Dann muss die Zahl der Präbenda-
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nem ministrorum in animis hominum ipsa divina mysteria non raro vilescant, [muss allem skandalträchtigen Verhalten der Kirchendiener der Boden entzogen werden,] quod sacerdos in peccato mortali existens, non possit conficere corpus Christi, nec baptizare, nec sic ligatus subditos suos solvere vel ligare possit [et] pro haeretico & incredulo habeatur. Verwendete Begriffe sind census parochiarum, decima, congrua, fabrica.
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re angepasst werden. Wenn nicht einmal ein einziger ernährt werden kann, soll auf einer Synode eine Zusammenlegung von mehreren Pfründen vorgenommen werden. Bei längerer Absenz der Stelleninhaber muss den sie vertretenden Vikaren ein Anteil überlassen werden. Alle Pfarrangehörigen müssen die decima parochialis an den Pfarrinhaber erstatten. Es ist ein Akt von Frömmigkeit, diesen Anteil ohne ein Gefühl der Beschwernis zu leisten. Andererseits ist der Übergenuss aus nicht lebensnotwendigen Pfründen durch Umverteilung abzustellen. HELDING schneidet unter Bezug auf die kaiserliche Formula reformationis wie schon in {M49} auch hier das Thema der Anhäufung (coacervatio) von Benefizien an.193 Innerhalb von drei Monaten sollen die Bezieher von mehr als einem Benefizium die Rechtmäßigkeit des Empfangs nachweisen. Er geht aber einen Schritt weiter: Nichtsdestoweniger soll eine eigene Deputation prüfen, ob die Seelsorge an den einzelnen Orten, wo Einkünfte zu Recht bezogen werden, nicht vernachlässigt wird. In einem solchen Fall ist nach dem Urteil des Ordinarius durch Abzug eines entsprechenden Anteils zu strafen. Erscheint die vorgewiesene Dispens für den Bezug mehrerer Pfründen illegitim oder zweifelhaft, soll der Benefiziat freiwillig verzichten. Tut er das nicht, ist der Fall an den Apostolischen Stuhl heranzutragen. Die nicht residierenden Kanoniker will HELDING ebenfalls in ihren Einkünften beschränken, wobei er selbst ein Rechenmodell aufstellt. Als eine weitere offenbar verbreitete Gewohnheit prangert HELDING die Distribution von Einkünften entsprechend der Mitwirkung an bestimmten Kulthandlungen, so z. B. für die Lesung der Epistel oder eines Psalms, an. Als dem Ansehen der Kirche besonders abträglichen Missbrauch zeigt er auf, dass nichtresidente und keinerlei nutzbringende Dienste leistende Kanoniker in Kathedral- und Kollegiatkirchen ihre Anteile beziehen, während die sie in ihren Funktionen ständig vertretenden Vikare nur einen unzureichenden Unterhalt erhalten. Daher werden die Kapitel und die Kanoniker ernstlich ermahnt, den Vikaren ihren zustehenden Anteil zukommen zu lassen, widrigenfalls Maßnahmen zu ergreifen wären.
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Das schon im Formula-Entwurf (ARCEG 6 [Nr. 20] 371 ) und jetzt wieder verwendete Wort coacervatio [Anhäufung] sowie der Hinweis auf eine Konstitution Gregors X. auf dem Konzil von Lyon 1274 zeugen rückblickend von HELDINGS Anteil am Entwurf der Reformnotel 1548.
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6.5. Kirchenzehent und -vermögen De censu ecclesiae seu fabricae In diesem fünften Teil gibt HELDING Empfehlungen zur Gebarung der eingesammelten Gelder. Auch hier überrascht der Autor des Liber mit einer gleichermaßen bürokratischen wie pastoralen Ader zur Regelung von Verwaltungsabläufen. Die Einziehung aller der Kirche zustehenden Einkünfte wird einem Pfarrpriester (plebanus) überantwortet, der zumindest einmal jährlich Rechnung zu legen hat und damit dem Pfarrer die Unannehmlichkeit, selbst den Zehent einfordern zu müssen, erspart. Erhaltungsaufwendungen für Häuser, die zum Dotationsgut gehören, müssen von den Besitzern im Bedarfsfall aufgebracht werden. Die Steuerbriefe, Gelder und sonstigen Wertsachen müssen sicher verwahrt und die Behältnisse mit zwei Schlössern versehen sein. Ein Schlüssel ist vom Pfarrer oder Kirchenrektor zu verwahren. Rektoren und Kuraten sollen einmal im Jahr inspizieren und über Gegenstände und Ornate gewissenhaft ein Inventar anlegen. Ebenso sind die Besitzrechte, Stiftungen und sonstigen Einkünfte zu verzeichnen und die Originalurkunden wohl zu verwahren. Die Besitzer erhalten beglaubigte Abschriften.
6.6. Errichtung von General- und Partikularschulen De scholis generalibus et particularibus HELDING greift in diesem Abschnitt, der auch in die Formula nova (19v-20r) Eingang fand, auf {M49} zurück.194 Mit einem leidenschaftlichen Appell an die verständigen Menschen, die Respublica christiana vor dem Niedergang zu bewahren, drückt HELDING die Sorge aus, dass die Jugend für die Nachfolge nicht gerüstet ist, wenn sie nicht die erforderliche Ausbildung erhält. Vor allem jene Menschen im kichlichen Stande, denen die Bewahrung (incolumitas) der Religion anvertraut ist, müssen durch ihre Studien zur deren Verteidigung ausgebildet werden. Auch die Eltern sollen die Notwendigkeit erkennen, dass die Jugend zur Erhaltung der Religion und des Staatsfriedens erzogen wird. Durch die Vernachlässigung der Studien in den katholischen Territorien wird die studierende Jugend zu den die Neue194
Liber Merseburgensis 66r-67r ist eine wörtliche Übernahme aus {M49}18v-19r, davon wurde 66v in die Formula nova (Behem- Druck 1559) übernommen.
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rungen vertretenden Universitäten hingelenkt, so dass der Keim der falschen Lehre unter der Jugend leicht gesät werden kann. Daneben ist es ebenso wichtig, dass in den Diözesen die Schulen von glaubenstreuen unverdächtigen Lehrern geführt werden. Die besten Absolventen sollen dann an erstrangige Universitäten geschickt werden,195 um Theologie zu studieren. Fleißige Studenten sollen durch fünf Jahre unterstützt werden (quinquennium), die nachlässigen ihre Stipendien verlieren. Wer als Regularkleriker nach der Ausbildung nicht ins Kloster zurückkehrt, soll die ihm gewährte Unterstützung refundieren. Theologische Studien sollen auch in vermögenderen Klöstern eingerichtet werden. Professoren sollen ihr Einkommen, soweit es von den Studenten nicht aufgebracht werden kann, vom Ärar ergänzt bekommen. Benefiziaten haben täglich zumindest eine Vorlesung zu hören, deren Versäumnis bestraft wird. Heranbildung des Nachwuchses HELDING erkennt in der Erneuerung der Schulen eine Schicksalsfrage für den Fortbestand des katholischen Glaubens im Reich. Nur wenn alle Kräfte dazu eingesetzt werden, den Glauben an den Schulen unversehrt weiterzugeben, wird die heilige Religion in deutschen Landen bewahrt bleiben. HELDING entwickelt daraus die Überlegung, in jeder Kirchenprovinz eine Universität (velut alumna et mater) zu errichten und für die Professoren, vor allem der Theologie, den Unterhalt zu gewährleisten sowie Stipendien an mittellose Theologiestudenten zu vergeben. Die Metropolitane sollen eine entsprechende Zahl von Studenten durch die erforderlichen Subsistenzmittel jeweils in ihrer Provinz sicherstellen. Er denkt weiter an ein Anreizsystem, um junge Leute zu den bonae artes zu animieren. Für gute und fleißige Studenten, vornehmlich der Theologie, sollen Ehrungen und Preise, die ihrer Leistungen auch würdig sind, ausgelobt werden. Unter Bezugnahme auf das Basler Konzil soll jede Metropolitanoder Kathedralkirche einen in der Theologie ausgebildeten Doktor, Lizentiaten oder Baccalaureus unterhalten, der bei ständiger Präsenz den Predigtdienst versieht und zweimal in der Woche theologische Vorlesungen hält. HELDING vergisst in der für ihn signifikanten Art nicht, für den Fall einer nachlässigen Aufgabenerfüllung seitens des 195
Ebd. 67v: Et quo magis Ecclesiae idoneis ministris abundent, decernimus, ut capitula quarumlibet Ecclesiarum in provintiis nostris constitutarum ex clericis secularibus beneficiatis, iuxta cuiusque collegii facultates & personarum numerum, adolescentes aliqot bonae spei & docilis ingenii ad privilegiatas universitates pro studio potissimum Theologico (cuius usus cum primis est Eccclesiis necessarius) mittant.
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Dozenten vorzusehen, dessen Einkünfte durch das Dom- bzw. Kollegiatkapitel pro qualitate negligentiae zu kürzen. Zusätzlich will er verordnen, dass bei jeder Kathedral- oder Kollegiatkirche ein Drittel aller Präbenden graduierten Theologen vorbehalten wird und diese bei Vakanzen so lange anderen Absolventen, vermutlich wohl den Kanonisten, vorgezogen werden, bis die Quote erreicht ist.196
6.7. Verhalten der Laien De his quae ad plebem pertinent Kleriker, die dem Volk vorstehen, müssen erkennen lassen, dass es ihnen in der Erfüllung ihrer Funktion ernsthaft um das Wohl der Menschen zu tun ist. Daher sollen sie Ehrbarkeit und Mäßigkeit entsprechend den Konstitutionen sichtbar an den Tag legen. Nur dadurch können sie sich die gewünschte Anerkennung, Ehrerbietung und die Bereitschaft zum Gehorsam verdienen. In der Zwischenzeit muss aber auch das Kirchenvolk mit Unterstützung der weltlichen Macht und der Kirchenoberen zur verpflichtenden Kultausübung und Disziplin durch Ermahnung und Erlassung von Vorschriften hingeführt werden.197 Schon 1535 beklagte HELDING die Mainzer Verhältnisse, wonach die am Sonntag Septuaginta begonnene Kirchenordnung die Gläubigen unberührt lasse. Auch das Verhalten der Gläubigen während der Messfeier tadelt er gehörig. In einer Reichstagspredigt Anfang 1557 in Regensburg, zu der er wieder von König Ferdinand gebeten worden war, greift er das Thema des Kirchgangs und der Kindererziehung auf. Es wirft ein Licht auf die Verhältnisse, wenn er dabei die Besucher auffordert, statt ihrer Hunde lieber ihre Kinder in die Kirche mitzubringen.198 HELDING versteht seine Aufgabe als Seelsorger so weit, dass er sich für das Heil des anvertrauten und in seinen Augen teils unmündigen Volks verantwortlich fühlt. Wenn sich die Gläubigen von den Heilsgütern zurückziehen, ist daher auch ein Eingriff notwendig, um sie vor schwerem Schaden zu bewahren. Der Kirchenbesuch wird für das profane Volk (plebs) zur öffentlichen Verpflichtung erklärt, die 196 197
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Liber Merseburgensis 69v-70r. Ebd. 70v: Interim tamen plebs ad eam obedientiam & honoris exhibitionem non solum quam seculari potestati, sed etiam praepositis suis ecclesiae praelatis debet, adeoque ad omnem pietatis & disciplinae cultum sedulis adhortationibus incitanda, et propositis legibus inducenda est. Postilla, De tempore, Winterteil 52r-54r (Predigt vom 11. 1. 1557).
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von der weltlichen Behörde bzw. der lokalen Obrigkeit durchgesetzt werden soll. Dazu hält HELDING auch Strafen für gerechtfertigt, um zur Frömmigkeit zu erziehen. Zur Zeit der Predigt und der heiligen Ämter ist dem Kirchenvolk der Müßiggang zu verwehren und sind die Leute von den Marktplätzen und Tavernen wegzuweisen. Letztere sind überhaupt während der Messfeier geschlossen zu halten und jegliche Geschäftstätigkeit hat zu unterbleiben. Das Volk muss die Kirchenkonstitutionen,199 die zur Bewahrung der Disziplin bzw. der guten Ordnung und zur Hebung der Frömmigkeit erlassen sind, in Ehrfurcht beachten und diesen nachleben.200 Dazu gehört auch die ungeschriebene auf Consuetudo beruhende Übung, quam Paulus non violari vult.201 Sie ist von der bloß menschlichen Spitzfindigkeit zu unterscheiden, mit der schon die Pharisäer das Gesetz Gottes unterlaufen haben. Dies führt HELDING weiter zur Grundsatzfrage, warum die Verletzung von Kirchenkonstitutionen in foro conscientiae sündhaft ist. Das Kapitel über Fasten und Speisegenuss stammt aus {M49}12v13r. Fastenzeiten sind seit apostolischer Zeit zum Heil von Leib und Seele nach Vorgabe der Kirche gehalten worden und auch weiterhin verpflichtend. Die bloße Enthaltsamkeit vom Fleischgenuss allein kann Gott nicht gnädig stimmen, sondern muss mit einer das ganze Leben umgreifenden Enthaltsamkeit (sobrietas) einhergehen. Die Wahrung der Feiertage nützt der Frömmigkeit, denn erst in der arbeitsfreien Zeit kann sich die Seele Gott voll zuwenden. Tadelnswert ist daher das Verhalten des Volks, sich an diesen freien Tagen von Völlerei, Trunksucht, Spiel, und Marktgeschehen völlig vereinnahmen zu lassen. Dieser Profanierung Einhalt zu gebieten, ist Aufgabe des Magistrats, aber auch die Pastoren sind gehalten, gegen diesen Missbrauch in ihren Predigten Stellung zu beziehen. Um die gemeinsame Teilnahme an der Hl. Messe zu ermöglichen, ist der Sonntag als verpflichtender Ruhetag wie von Alters her dem Herrn zu widmen. Doch gerade den arbeitsfreien Tag missbrauchen manche.202 HELDING gibt eine Zusammenstellung der Feiertage mit dem Hinweis, dass in den einzelnen Diözesen spezielle Patrone eigens gefeiert wer199 200 201 202
Von HELDING wörtlich aus {M49}13rv mit geringen Schreibfehlern übernommen. HELDING scheint selbst um eine Begründung der überbordenden Vorschriften zu ringen. Diese sollten daher als Dei ordinationes betrachtet werden. Liber Merseburgensis 71r zitiert Pls 1 Kor 11,16. Ebd. 72rv: Qui ab operibus liberi, totos hos dies commessationibus, ebrietatibus, ludo, choreis nundinationibus absumunt ac nonnumquam cedibus, libidinibus & universa scelerum labe contaminant.
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den können.203 Es wird aber dem Einzelnen überlassen, wenn er an Sonn- und Feiertagen gezwungen ist, sich oder seine Angehörigen zu versorgen, nach Erfüllung der heiligen Handlung wieder zu seiner Arbeit zurückzukehren. Die offenbar weitverbreitete Trunksucht (ebrietas), die oft von anderen Lastern, besonders von der Blasphemie, begleitet wird, verlangt ebenfalls eine öffentliche Reaktion.204 Auch Wucher, Ausnützung einer Monopolstellung und ungerechte Verträge, die das christliche Gebot der Caritas schänden, beschweren die Armen und müssen von den weltlichen Behörden bestraft werden.205 Prediger sind ebenfalls unter Androhung dessen, was Propheten und Apostel dazu äußerten, gehalten, solche schädlichen Handlungen aufzuzeigen. Das Volk wird nach HELDINGS Meinung in diesen gefahrvollen Zeiten von gewissenlosen Menschen vergiftet, die die Religion in Wort und Bild schmähen. Die Behörden müssten dies durch entsprechende Edikte ausmerzen.206 Zu den Kapiteln der Exkommunikation und deren Vermeidung wiederholt HELDING , was schon in {M49} verordnet wurde.207 Da diese Strafe in der Vergangenheit ziemlich rasch verhängt wurde, wird den Offizialen und Prälaten ein vorsichtigerer Umgang mit dieser schwersten Zensur, die von der Kirche verhängt werden kann, angeraten. Hospize, Armenhäuser Als ein neues, bisher nicht behandeltes Thema wird in Kapitel (10) des 7. Titulus die Einrichtung und Renovierung von Häusern (hospitalia) zur Versorgung der Armen und Kranken vorgeschlagen. HELDING erinnert an die heiligen Väter, die diesem Zweck ein Viertel der Kirchengüter zugedacht hatten. Wenn der Kirchenzehent nicht 203
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Ebd 72v: Dies Nativitatis Dni, Sancti Stephani, Joannis Ev, Innocentium Circumcissionis, Epiphaniae Paschae cum feria secunda & tertia, Georgii, Ascensionis, Pentecostes cum feria secunda & tertia, Corporis Christi, Beatae Virginis, et Apostolorum, Joannis Baptistae, Magdalenae, Laurentii, Michaelis, Omnium Sanctorum, Martini, Nicolai & per singulas Dioeceses praecipuorum patronorum dies celebres & festi habeantur. {K49}Schannat – Harzheim 6, 776-779: Erzbischof Adolf von Köln musste 1550 ein Mandatum contra commessationes et ebrietates erlassen, die bei Prozessionen und Umgängen mit dem Allerheiligsten und Reliquien ein Übermaß angenommen hatten. Liber Merseburgensis 73v: Auf drastisch bildhafte Weise: …alimoniam miserorum quasi ex ipsis faucibus eripiunt. Dies schreibt er wohl auch im Blick auf sein Umfeld in Merseburg, wo er selbst die Obrigkeit repräsentiert, jedoch unerwünschte Prediger nicht abstellen kann. {M49}31v-32v.
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ausreicht, sollte von den Kollegien und Klöstern etwas beigetragen werden. Es sollen aber nur wahrhaft bedürftige Personen aufgenommen werden, hingegen Mendikanten und andere, die sich anderswo ihren Unterhalt verdienen können, ausgeschlossen bleiben. Die Armen sollen mit Kleidung versehen werden. Fremde sollen zwar zur Not verköstigt werden, aber nicht im Haus wohnen dürfen. Es sollen auch Begüterte um einen gerechten Preis im Haus Wohnung erhalten, sofern den Armen ihr vorgesehener Platz bleibt.208 Die Hospitäler erscheinen bereits im 3. Teil der Dezemberformel des Interim: Erigenda etiam hospitalia pro egentibus et bursae pro orphanis et studentibus.209 Die pars quarta dürfte aber erst in die Reformnotel 1548 eingetragen worden sein.210 Diese spricht von Häusern für Witwen und Waisen, Arme, Kranke und Fremde. Aus der pars quarta der Väter seien diese Häuser, die nunmehr vielfach verfallen sind, einst errichtet worden. Die Reformnotel hatte vorgeschrieben, diese Häuser wieder in Betrieb zu nehmen. Die Formula nova 1559 behielt den Text bei und ergänzte, dass die Rettung der Seele vor dem Körper Vorrang hat.211
6.8. Buchdrucker und Buchhändler De typographis et bibliopolis Um den Zustrom häretischer und verfälschter Schriften einzudämmen, sollten sich nach HELDING Drucker nur an Orten, wo Bischöfe residieren, niederlassen dürfen. Auch die Einfuhr von Büchern soll Kontrollen unterliegen. Schädliche Bücher sollen dem Volk vorenthalten werden, indem die Obrigkeit auf die Buchführer Einfluss nimmt, zumal die protestantischen Drucker selbst zumeist an auswärtigen Orten ihre Offizinen betreiben. Verderbliche Bücher und Bilder sollen die Behörden einziehen und beseitigen. Schon die Kölner Provinzialsynode von 1536 statuierte, dass Bücher vor dem Druck und Verkauf einer Prüfung unterliegen sollen.212 208 209 210 211
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Liber Merseburgensis 75r-77r. ARCEG 6 (Nr. 17) 297. Ebd. 74-76; ARCEG 6 (Nr. 17) 297 und (Nr. 20) 359-360. Formula nova 23v: Hinc ante omnia curandum est, ut in domibus istis, quae ad salutem animarum pertinent, minime neglegantur, sed ante omnia de Sacramentorum administratione, pauperibus, ac debilibus, provideatur. Ac ubi corporis infirmitas medicum postulat, ibi prius animae, deinde corporis medicus accersatur. {K36} pars 12, cap. 9: Schannat – Hartzheim 6, 304, Cap (9): Praeterea quum per abusum artis impressoriae librorum, plurimum malorum emerserit, prohibemus, ne ulli typographi, aut bibliopolae quenquam recens editum librum, aut chartam vel imprimant, vel venum
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Auf der Kölner Synode 1550 wurde den Druckern und Büchführern eine Liste der inzwischen indizierten Bücher vorgelegt.213 Für die Allgemeinheit und für den Schulgebrauch wurden genaue Leseempfehlungen erteilt. Häretische Bücher sollten konfisziert und verbrannt werden.
6.9. Visitationen und Kirchenversammlungen De visitationibus et synodis Den letzten Titel des Liber Merseburgensis bilden die Kapitel über die verschiedenen Arten der Kirchenversammlungen, die HELDING aus eigener praktischer Erfahrung seiner Mainzer Tätigkeit von 1548 bis 1550 beurteilen konnte. Mit unverkennbarer Resignation stellt er die Bemerkung voran, dass alle trefflichen Bestimmungen nichts nützen, wenn sie – wie offensichtlich im Dezennium davor – nicht befolgt werden. Von allen Bischöfen der Provinz sollen daher entsprechende Visitationsformulare ausgearbeitet werden, die sicherstellen, dass kein Bereich (vel in religionis observatione vel in moribus cleri et populi vel in ecclesiarum necessitate) von den Visitatoren unerforscht bleibt. In der Provinz soll alle drei Jahre, in jeder Diözese jährlich zweimal (bis per annum !) eine Synode abgehalten werden, zu der alle Prälaten der Metropolitan-, Kathedral- und Kollegiatkirchen und Klöster zu laden sind, ferner die Erzdiakone und Landdekane (diese quasi zu Augen der Bischöfe bestellt).214 Dabei sind Strafen für Übertretungen zu verhängen, die Einhaltung der Moralvorschriften des Klerus eifrig zu verfolgen, Streitfälle nach Billigkeit zu schlichten und für die Bedürfnisse und Ehre der Kirchen und das Seelenheil des Volkes Vorsorge zu treffen.
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exponant, vel vendant publice vel occulte, nisi hic liber revisus, & charta vel scripturam, vel picturam continens, per nostros ad hoc deputatos Commissarios, diligenter perspecta sit prius. Quae & typographi nomen & cognomen complectantur, atque eam civitatem seu oppidum, in quibus excusa sunt, nominatim designent. Quae vero hanc caruerint, nullo pacto venum exponantur. Porro typographi, bibliopolae, ac reliqui librorum institores ac geruli, qui huic ordinationi contravenerint, praeter confiscationem librorum, poenis etiam legalibus, ac pragmaticae constitutioni Augustanae subjacebunt. Contra quos in territoriis nostris fiscalis noster acerrime inquirere, ac ad justarum poenarum declarationem procedere non omittet. Schannat – Hartzheim 6, 640-641: Dazu wurde eine Positivliste empfohlener Literatur von Kirchenvätern und Zeitgenossen (z. B. die Postillen von Landsperger, Eck und Hoffmeister) für Schulzwecke beigegeben. Liber Merseburgensis 79r; vgl. Institutio 229r: dort auf Diakone im Verhältnis zum Presbyter bezogen.
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Zu den Ruralsynoden wird den Erzdiakonen und ihren Offizialen aufgetragen, sich nicht über wundersame Geringfügigkeiten (mirabiles observatiunculas) zu verlieren, sondern Abweichungen von Religion und Moral durch strenge Prüfer feststellen und ahnden zu lassen. Zur entsprechenden Vorbereitung sollen während eines ganzen Jahres geeignete Personen in der Provinz eine Problemaufnahme durchführen und ihre Feststellungen an die Ordinarien gelangen lassen, damit die Voraussetzungen für eine Entscheidung bereits zu Beginn der Versammlung reif sind. Die Tagungsorte sollen sich abwechseln. Schließlich erscheinen HELDING zu Bischofswahlen, über Vereinbarungen der Bischöfe mit ihren Kapiteln, und über die Korrektur von Statuten und Gewohnheiten noch spezielle Konstitutionen erforderlich.
7. HELDINGS INSTITUTIONENKRITIK Die Zahl der Altgläubigen im Reich und den nordischen Ländern Europas hatte sich in der ersten Lebenshälfte HELDINGS mehr als halbiert. Immer wieder wurde zur Reform der Kirche aufgerufen, um den Erosionsprozess aufzuhalten. Allerdings herrschte Uneinigkeit über die Methoden und Wege. Auch HELDING war sich der Notwendigkeit von Reformen bewusst. Aus seinen Predigten lässt sich erschließen, wie er über die Lage der Kirche dachte und was er empfand. An der Gestalt des Propheten Jona, den die Schiffsleute misshandeln, zeigt er auf, wie es nun den unfähigen Prälaten und Kirchendienern ergeht, die sich nicht mehr auf die Straße getrauen, weil sie vom Volk verachtet und verhöhnt würden. Er machte die Leitungspersonen der Kirche im Reich, vor allem die Personalauswahl und den dadurch verschuldeten Niedergang des Bildungswesens für den Verfall verantwortlich.215 HELDING spricht von einer verkehrten Welt, in der die Lastenverteilung zwischen hohen und niederen Ständen aus dem Lot geraten sei. Am Papst und der römischen Kurie übte er augenscheinlich nicht Kritik. Eine katholische Reform muss alle Stände der Christenheit erfassen, die da verwüstet, unflätig und 215
Liber Merseburgensis 14v: In institutione Ministrorum Ecclesiae ab investitura proxima gradu ad ordinationem conscenditur, quam vigili diligentia & summa cura vicarii nostri in pontificalibus, quibus hae vires imcumbunt, administrare debent, ne ordinandi munere negligenter administrato indignis & non satis idoneis ad gubernacula ecclesiarum cum extremo illarum detrimento aditum patefaciunt, et quasi ostio male custodito pro pastoribus in ovile Christi vastatores lupos intromittunt, aut ad sacerdotiorum stipendia, exclusis idoneis et utilibus ministris ignavos admittant fucos, adeoque malis omnibus agminatim in Ecclesias irrumpendi locum aperiant.
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mangelhaft sind. Hier steigert der Prediger seine Gesellschaftskritik auch gegenüber den Laien zu ungewohnter Schärfe. Er beklagt, dass viele kirchliche Bräuche und Heilsgaben in Misskredit geraten seien. Besonders den älteren Christen wirft er ein unheiliges, unchristliches Leben vor. Auch Beichtväter, die manchmal ungelehrt und liederlich seien, kritisiert er. Sie seien schuld daran, dass die Beichte oft gemieden werde, da sie mit den Sündern wenig einfühlsam umgingen.216 Seine mitunter scharfe Kritik an der Unfähigkeit, Unwilligkeit und Sittenlosigkeit des Klerus darf aber nicht als eine Absage an die Rolle der Kirche in der Gesellschaft, den besonderen Stand und den Bildungsauftrag der katholischen Geistlichkeit verstanden werden. Zwischen der Kirche als der die heilige Lehre allein vertretenden Institution und den Schwächen ihrer Glieder wusste HELDING wohl zu unterscheiden. Seine ganze Hoffnung galt der Jugend. Ihr traute er zu, die Kirche zu erneuern. Daher erscheint ihm ebenso wie Erasmus die richtige Erziehung der Jugend von größter Bedeutung.217 Die Intention HELDINGS , den verbreiteten Hang der Kleriker und Mönche zu weltlichen Lebensweisen wieder zurückzudrängen, mündet in eine Form starker Disziplinierung. Weltliche und kirchliche Obrigkeiten werden im hierarchischen System in kanonistischer Weise instrumentalisiert, um ein normiertes Verhalten der jeweils Nachgeordneten durchzusetzen. Offenbar glaubt der Verfasser nicht mehr an Wege, die Selbstverantwortung der Betroffenen auf andere Weise ansprechen zu können. Eine Antwort auf die Frage nach den Motiven und Bedingungen, warum sich hohe Prälaten von der Botschaft der armen Kirche so weit entfernt haben und andererseits viele Seelsorger ihr Leben unter unwürdigen Umständen fristen müssen, lässt HELDING offen.
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Jonas Propheta 35r. Walter, Theologie aus dem Geist der Rhetorik 68.
11. Kapitel PREDIGER UND KATECHET Surge, vade, praedica! 1. KATECHETISCHES SCHRIFTTUM DES 16. JAHRHUNDERTS.218 Die Vermittlung der wesentlichen Glaubenslehren für Kleriker und Laien an Hand einer gedruckten Lehrschrift beginnt in der Neuzeit mit dem Cathecismo des Bischofs von Ceuta aus 1504,219 der bereits die Gliederung in Symbolum, Oratio dominica, Dekalog und Sakramente aufweist. Katechetische Predigten sind seit Anbeginn als Medium der kirchlichen Glaubensunterweisung eingesetzt worden, wie einschlägige Sammlungen überliefern.220 Martin Luther setzte die katechetische Predigt als wirksame Form seiner Lehrverkündigung ein. Aus diesen Predigten waren auch seine beiden Katechismen von 1529 hervorgegangen,221 denen auf altgläubiger Seite, abgesehen von Johann Ecks kontroverstheologischem Enchiridion, vorerst nichts Gleichwertiges gegenüberstand. In den folgenden Jahren führte eine
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Moufang, Die Mainzer Katechismen von Erfindung der Buchdruckerkunst bis zum Ende des achtzehnten Jahrhunderts: Der Katholik 57 (Mainz 1877/1 u. 2); ders., Kath. Katechismen des 16. Jahrhunderts in deutscher Sprache (Mainz 1881); Bahlmann, Deutschlands katholische Katechismen bis zum Ende des sechzehnten Jahrhunderts (1894); Kötter, Die Eucharistielehre in den katholischen Katechismen des 16. Jahrhunderts bis zum Erscheinen des Catechismus Romanus (1566) (Münster 1969); ders., Zur Eucharistiekatechese des 16. Jahrhunderts (Paderborn 1980). Bellinger, Art. Katechismus, Geschichte: ³LThK 5 (1996) 1311-1315, hier 1313: Bischof Diego Ortiz de Villegas (1457-1519): Cathecismo pequeno da doctrina e instruiçam que os xpaaos ham de creer e obrar... (Lissabon 1504). Merkt, Art. Predigt III. Alte Kirche; Steer, Predigt IV. Mittelalter: ³LThK 8 (1999) 527-530 zeigen die Vielfalt des Inhaltsspektrums der Predigt auf, innerhalb dessen die Katechetik seit jeher ihren festen Platz hatte; Longère, Art. Predigt: LMA 7 (1995) 172 nennt karolingische Reichssynoden, die Credo und Herrengebet auszulegen anordneten. Reinhuber, Art. Deutsch Catechismus (Martin Luther, Wittenberg 1529): LthW 215-216; ders., Enchiridion. Der kleine Katechismus (Martin Luther, Wittenberg 1529): ebd. 264-265.
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Prediger und Katechet
intensive Aktivität auf katholischer Seite zu einer größeren Anzahl von Lehrschriften für Kleriker und Laien.222 Die weitere Entwicklung der Gattung Katechismus im 16. Jahrhundert ist zum Teil wegen der verschiedenen Buchtitel nicht einfach zu verfolgen.223 Für den deutschen Sprachraum stellte Christoph Moufang 1881 eine Reihe von Werken zusammen, die Franz Josef Kötter in seiner Untersuchung der Eucharistielehre 1969 an Hand von Katechismen von Erasmus bis Pflug noch ergänzte.224 In zeitlicher Folge wurden Katechismen von Georg Witzel,225 Johann Dietenberger, Johann Gropper,226 Friedrich Nausea, Jakob Schöpper, Michael HELDING (Institutio ad pietatem Christianam, Brevis Institutio bzw. Catechesis,227 Catechismus), Johann Fabri, Petrus Canisius und Julius Pflug veröffentlicht. Einen Abschluss stellt der nachtridentinische Catechismus Romanus (1566) dar. Die katechetische Predigtform verwendeten neben HELDING auch Friedrich Nausea und Jacobus Schöpper (1555).228 Die (mindestens) sieben Auflagen von HELDINGS Catechismus sprechen für den Bekanntheitsgrad des Autors.229 Erasmus als katechetisches Vorbild Erasmus publizierte 1514 ein Christiani hominis Institutum und 1533 die Dilucida et pia Explanatio Symboli. Die beiden Katechismen, das kleine222
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Smolinsky, Art. Enchiridion locorum communium adversus Lutherum et alios hostes ecclesiae (Johann Eck, Landshut 1525): LthW 266-267, die erste kontroverstheologische Replik, die sich aber nur an Theologen richtete. Es finden sich die Bezeichnungen Institutio, Summa doctrinae, Enchiridion, Catechesis. Kötter, Die Eucharistielehre, befasste sich in seiner Abhandlung auch noch mit einschlägigen Schriften von Jodocus Chlichtoveus, Christian von Honnef, Johann von Maltitz, den Autoren des Catechismus Treverensis, Pedro de Soto, Gasparo Contarini, Stanislaus Hosius, Konrad Klinge und Franz Sonnius. Witzels Catechismus ecclesiae: Lere und Handelunge des heiligen Christenthums (Leipzig, Lotter 1535) und Dietenbergers Evangelischer bericht und christliche underweisung (Mainz, Schöffer 1537) sind die ersten dt. Katechismen aus altgläubiger Sicht. Groppers Enchiridion ist als Erläuterungsteil der Kölner Provinzialstatuten 1538 erschienen und besteht ebenfalls aus den vier katechetischen Hauptstücken. Anders als bei HELDING ist der Dekalog an das Ende gerückt. Einige systematische Artikel sind zwischengeschaltet (z. B. De iustificatione hominis). Catechesis ist die dt. Übersetzung von HELDINGS Brevis Institutio durch Johannes Chrysostomus OSB, Abt von St. Jakob, Mainz aus dem Jahr 1555). Maday, Art. Schöpper, Jakob: BBKL 9 (2006) 658. Auflagen des Catechismus: 1551, 1553, 1557, 1561, 1562 (lat.), 1570, 1577 (lat.). Eisengrein erwähnt den Catechismus und die Messpredigten in seinem Catalogus von 1565. Die Verbreitung reichte bis nach Österreich ob der Enns (z. B. Stifte St. Florian, Kremsmünster).
Katechetisches Schrifttum des 16. Jahrhunderts
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re Institutum und die größere Explanatio Symboli230 weisen eine für den behandelten Gegenstand ungewöhnliche literarische Form als Carmen bzw. im Falle der Explanatio als Kolloquium zwischen Catechumenus und Catechista auf. Beide Schriften des Humanisten sind schon von Padberg 1956 untersucht wurden.231 Der umfangreichste Teil der Explanatio ist dem Symbolum gewidmet.232 Daran schließen in mehr kursorischer Weise Sakramente und Dekalog an. Schon außerhalb der sechs Katechesen, getrennt durch einen Widmungsbrief an den Sekretär des polnischen Königs Jodocus Wissenburg, ist dem Band noch eine Erläuterung des Herrengebets aus dem Jahr 1522 angefügt. Padberg ging auch der Wirkungsgeschichte der beiden erasmischen Schriften nach und konstatierte dabei deutliche Einflüsse auf die spätere Schriftkatechetik. Er nennt als Charakteristika die durchgängige Linie eines Heilsweges, die besondere Rolle der Glaubensunterweisung, die Fundierung der Kirche als Heilswirklichkeit in den Quellen sowie die Christozentrik und er verweist auf die Verwandtschaft von Julius Pflugs Schrift Institutio Christiani hominis.233 Wie im Einzelnen zu zeigen sein wird, lassen sich auch bei HELDING durchaus Gemeinsamkeiten mit Erasmus aufweisen. Beide messen z. B. dem Glauben eine alles entscheidende Bedeutung als Fundament der Gottesbeziehung bei, beiden ist Kirche die Gemeinschaft der Heiligen zu allen Zeiten. Eine geistige Verwandtschaft liegt dabei näher als eine direkte Abhängigkeit. Dass ein derartiger Basler Erasmustext auch HELDING in seinen Mainzer Jahren zugänglich und bekannt war, kann wohl angenommen werden. Bildungsmangel des niederen Klerus Der Katechismus des 16. Jahrhunderts kann generell als Antwort auf den allgemeinen Bildungsmangel des niederen Klerus und der Laien im Kirchenvolk verstanden werden.234 Mit der Confessio Augustana hatten die Protestanten ein weiteres Mal das Feld mit einem Lehr230
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Dilucida et pia explanatio symboli quod apostolorum dicitur, decalogi praeceptorum, & dominicae precationis, per Des. Erasmum Rot. Opus nunc primum, & conditum & aeditum (Basel, Froben 1533). Padberg lag eine Froben-Ausgabe Basel 1551 (VD 16/1/6, E 2627) mit leicht geändertem Titel Catechismus id est Symboli Apostolorum, Decalogi praeceptorum, & Orationis dominicae Explanatio vor. Er erwähnt nicht die beiden Froben-Drucke von März 1533 (Exemplar der ÖNB, VD 16/1/6, E 2624) und November 1533 (VD 16/1/6, E 2625) und die Ausgabe bei Michael Lotter in Magdeburg von 1534 (VD 16/1/6, E 2626). Explanatio 18. Padberg 157-159 hätte auch HELDING benennen können. Bellinger, Art. Katechismus I-III: ³LThK 5 (1996) 1311-1315.
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Prediger und Katechet
werk belegt. Darauf folgten zwar katholische Verteidigungsschriften wie die Confutatio der Theologenkommission auf dem Augsburger Reichstag von 1530.235 Aber erst Witzel, Dietenberger, Nausea, HELDING und Canisius schufen auf altgläubiger Seite den Typus einer lehrhaften Unterweisung, die für die Gläubigen überhaupt eine Unterscheidung der Lehren möglich machte. Die Predigten HELDINGS in Buchform werden dem Leser als ein Mittelding zwischen Traktat und Lehrgespräch erschienen und mit ihrer erbaulich-informativen, bisweilen unterhaltsamen Färbung ansprechend gewesen sein. Die Anregung zu einem Katechismus in Predigtform könnte HELDING Friedrich Nausea verdanken, der seine im Mainzer Dom gehaltenen Predigten zu einem lateinischen Lehrwerk vereinigt hatte.236 Dieses reiht sich in die nach 1530 auch als Antwort auf die Augsburger Bekenntnisschriften publizierten katholischen Katechismen in lateinischer Sprache.
2. HELDING ALS KATECHISMUSPREDIGER Die uns heute vorliegende Form des Catechismus ist das Ergebnis der Predigtreihe vom Sonntag Laetare 1542 (19. 3. 1542) bis zum Sonntag Judica 1544 (30. 3. 1544), die Jahre später in sein großes Predigtwerk einfloss.237 Anlass der redaktionellen Bearbeitung dieser Lehrpredigten war Erzbischof Sebastians Aufforderung, im Rahmen der Mainzer Provinzialsynode 1549 auch den Landgeistlichen und Laien der Mainzer Provinz eine Studierhilfe zur Verfügung zu stellen.238 HELDING greift in abgeschwächter Weise auf ein rhetorisches Modell zurück, indem er eine Form von Dialogizität konzipierte, welche den Hörer unmittelbar anspricht und die Resonanz der Zuhö235 236
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Immenkötter, Die Confutatio der Confessio Augustana vom 3. August 1530 (Münster 1979). Moufang, Mainzer Katechismen 1877/2, 627-634. Auf S. 631 Nauseas Definition: Est catechismus nihil aliud, quam sermo paulo rudior, quo praecipuis catholicae religionis articulis, utpote fide, spe, et charitate breviter instruuntur, quibus lacte, non cibo solido opus est; siquidem catechizo est doceo, instruo, in fide erudio. HELDING nennt seine Arbeit im Titelblatt auch Christliche Underweisung, im Text hingegen gibt er (von Symbolon bis Dekalog) jeder Verso-Seite die Überschrift Christliche Außlegung und dem SakramentenTeil die Überschrift Christliche Underrichtung. Paulus gibt richtigerweise die Ausgabe 1551 (VD 16-H 1593; z. B. auch UB Freiburg O 3185–16./17. Jh.) als die älteste an und nennt spätere Auflagen 1553 (VD 16-H 1594; diese lag Erich Feifel vor), 1557 (VD 16- H 1595 (z. B. auch ÖNB Wien 20.Bb.33), 1561 (VD 16-H 1596 (z. B KTU Linz II 1047, die der gegenständlichen Arbeit zugrunde liegt), 1562 (VD 16-H 1598 [lat.]), 1570 (VD 16-H 1597), 1585 (nicht in VD 16).
Helding als Katechismusprediger
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rerschaft einbezieht. Ein knappes Frage- und Antwortstück fasst den Kern jeder zentralen Glaubensaussage zusammen, wodurch auch die Schriftform die Lebendigkeit des gesprochenen Worts behält. Diese Darstellungsform ist allerdings nicht mit dem durchgestalteten Zwiegespräch bei Erasmus zu vergleichen. Dieser verwendet in seiner Explanatio die humanistische Kunstform der verteilten Rollen, wo der Catechumenus ausführliche den Gesprächsfortgang leitende Fragen stellt und damit dem Catechista die logische Themenentfaltung eröffnet.239 HELDINGS gepredigter Catechismus ist somit einer der zahlreichen Antwortversuche auf die Herausforderungen der Zeit vor dem Catechismus Romanus,240 den alten Glauben gegenüber den lutherischen Neuerungen abzugrenzen und gleichermaßen das danieder liegende Wissen unter den Altgläubigen wieder zu beleben und zu festigen. Während Nausea seinen 1543 erscheinenden lateinischen Katechismus catholicus nennt,241 bleibt HELDING in seiner deutschen Fassung beim umgreifenden Attribut Christliche Underweisung. Als erste Veröffentlichung HELDINGS waren zuvor 1548 seine während des Reichstags zu Augsburg von 1547 bis 1548 gehaltenen Predigten zur Hl. Messe auf Veranlassung von König Ferdinand im Druck erschienen.242 Vom selben Jahr 1548 stammen auch zwei (in späteren Auflagen den Messpredigten beigefügte) Drucke einer Gründonnerstags- und einer Fronleichnamspredigt und eine lateinische Kurzfassung der Messerklärung (Sacri canonis Missae paraphrastica explicatio). Mit seinen Messpredigten während des Augsburger Reichstags 1548 hatte HELDING einen besonderen Bekanntheitsgrad erlangt,243 der ihm sofort Attacken des notorischen protestantischen Kritikers Matthias Flacius Illyricus einbrachte.244 Gleiches geschah auf die Veröffentlichung der Brevis Institutio in 1549 hin. In deren zweiter Auflage 1552 gab HELDING seine Zurückhaltung auf und setzte Flacius 239 240 241 242
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Padberg 72-75. Bellinger, Art. Catechismus Romanus: ³LThK 2 (1994) 976-977. Ob Nausea mit dem Wort catholicus bewusst bereits auf die konfessionelle Engführung eingeht, ist unklar. Von der Hailigisten Messe. Fünffzehen Predige / zu Augspurg auff dem Reichßtag / im Jahr M.D.XLVIII gepredigt. Durch Michaelen Bischoff zu Sidonien / Meintzischen Suffraganeen (Ingolstadt 1548). In der Folge zitiert als “Von der Hl. Messe“. Ein um zwei weitere Predigten (darunter eine zu Fronleichnam) vermehrter Druck folgte 1549 (Dieser Druck im Besitz des Stifts St. Florian bei Linz liegt der Arbeit zugrunde). Die ganze Reihe der Reichstagspredigten 1548 stellte HELDING in den Rahmen einer Paraphrase auf 1 Joh. Die darin enthaltenen 15 Predigten zur Messe wurden sogleich separat gedruckt, die anderen posthum 1566. Barton, Art. Flacius (Vlacic), Matthias (1520-1575): LRZ (2002) 242-244.
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Prediger und Katechet
eine ausführliche, zum Teil derisorische Abrechnung entgegen, die diesen jedoch nicht von weiteren Gegenschriften abhalten konnte.245 Auf dem Reichstag in Augsburg 1550 war HELDING wieder mit einer Predigtreihe über die Proverbia Salomonis vertreten. Schließlich ist an dieser Stelle noch der Predigtzyklus Jonas Propheta anzuführen, den er nach seinem Amtsantritt in Merseburg seiner dortigen besonders hellhörigen Zuhörerschaft vermutlich während des Jahres 1551 vortrug. HELDING vertrat eine andere Methode als Canisius, indem er das grundsätzliche Glaubensgut in Predigtreihen einkleidete, in die er den Lehrstoff über einen längeren Zeitraum (ein Kirchenjahr) verteilte und seine Predigten unter den Prätext eines bestimmten Buches der Hl. Schrift (1 Joh, Spr, Jona) stellte, von dem aus er kontextuelle Bezüge zur Lebenspraxis herstellte. So befasste er sich innerhalb der Reihe zu 1 Joh schwerpunktmäßig mit christlicher Liebe, mit Glauben und guten Werken und mit der Erklärung der Messe, während er aus dem Buch Jona die Praxis der Buße entwickelte. Elemente einer Morallehre knüpfte er an die Proverbia Salomonis. Diese thematisch ausgerichteten zeitlosen Predigtsammlungen ermöglichten es den Verlegern, nach seinem Tod seine Schriften wieder aufzulegen sowie in einer neuen Konfiguration als Winter- und Sommerteil einer Postilla de tempore et de sanctis zusammenzustellen.246 Die Postilla enthält auch bis dahin ungedruckte Predigten aus seiner Mainzer Frühzeit (ab 1535), die bereits eine stark katechetische Orientierung aufweisen. Diese Predigten veröffentlichte der Mainzer Dompfarrer Philipp Agricola erst 1565. Der Winterteil setzt ein mit einer Predigt vom 1. Adventsonntag 1535, in der HELDING seinen Zuhörern den Ablauf des Kirchenjahres praxisnah darlegt. Er begründet den Sinn dieser Ordnung damit, dass der Inhalt des Glaubens über ein Jahr verteilt vollständig vernommen werden könne, und selbst dem, der des Lesens unkundig sei, durch die Wahrnehmung der äußeren Zeremonien ein Verständnis für den Inhalt der Schrift und damit des Glaubens vermittelt werde. Er vergisst nicht zu bemerken, dass diese Ordnung um vieles einprägsamer sei als die von Zeitgenossen neu erdichteten Leseordnungen, ein Umstand, der sich seiner Meinung nach auch bald beim ungelernten Kirchenvolk spürbar zeigen werde. Hier unterschätzte HELDING die Zugkraft der protestantischen Predigtweise.
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Brevis Institutio, Defensio adversus calumnias cuiusdam Matthiae [Flacii] Illyrici. Die Postilla wurde von Behem in Mainz 1565, 1568, 1574, 1582 und 1587 gedruckt.
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HELDING setzt auf die verschriftete tatsächlich gehaltene Predigt, die sich mit rhetorischen Mitteln, großer Plastizität und bewusst gesetzten Redundanzen an einen emotional ansprechbaren Leser als Zuhörer wendet. Er folgt in seiner fünfteiligen Gliederung in Glaubensbekenntnis, Herrengebet, Englischer Gruß, Dekalog, Sakramente nach der Analyse Erich Feifels dem Heilsweg als katechetischer und homiletischer Gedankenführung und liegt dabei mit Erasmus und den meisten Katechismenverfassern auf einer Linie.247 Auch in anderen Aspekten berühren sich HELDINGS Gedanken mit Erasmus. Dessen Explanatio war nach Padberg 1533 für England mit einer Widmung an Sir Thomas Rochefort, den Schwiegervater Heinrich VIII., gedruckt worden. Diese Widmung trägt den Entstehungsort Freiburg. Als Drucker von zumindest einer Ausgabe auf dem Boden des Reichs fungierte Hieronymus Froben in Basel, im Jahr darauf Melchior Lotter in Magdeburg. Es ist daher die Annahme berechtigt, dass das Buch nicht nur wie bekannt in England eine starke Resonanz auslöste,248 sondern auch im Reich selbst verbreitet war. Eine weitere Ausgabe erschien in Deutschland erst lange nach Erasmus’ Tod im selben Jahr 1551 wie HELDINGS Catechismus. In den Texten der beiden Autoren ist auf eine thematische Heranführung des Hörers bzw. Lesers Wert gelegt, wobei Erasmus seiner analytischen Ader gemäß auch immer wieder Begründungen offeriert.
Canisius als erfolgreicher Katechismusautor Als jüngerer Zeitgenosse mit ähnlichem Anspruch und reichem theologischen Spektrum war Petrus Canisius 1553 von König Ferdinand nach Wien geholt und ebenfalls zur Verfassung eines Katechismus aufgerufen worden, der 1555 erschien und sofort einen durchschlagenden Erfolg verzeichnete. Canisius richtete sein Buch von vornherein auf eine Lehrer-Schüler-Situation aus. Er stellt in größter Prägnanz die den Gläubigen berührenden Fragen und beantwortet sie sogleich. Allfällig aufkommende Zweifel und Unklarheiten werden sofort behandelt und der Lernende damit sicher durch die Glaubensmaterie geleitet. Die Komposition des Stoffes, die Canisius in seinem Großen Katechismus unternahm, folgt der Gliederung in sapientia und iustitia, wobei letzterer Teil die Tugend- und Sittenlehre kompakt umfasst.249 Der erste Teil umfasst Credo, Von der Hoffnung und vom 247 248 249
Feifel, Grundzüge 56 sieht die Sakramente bei HELDING zu weit von der Darstellung der Kirche abgesetzt. Vgl. Padberg 111. Filser, Petrus Canisius 51-54: Summa doctrinae christianae (dt. 1556 von Zimmer-
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Herrengebet mit dem Englischen Gruß, Dekalog mit Doppelgebot der Liebe und den Kirchengeboten. Mit den sieben Sakramenten beschließt Canisius den ersten Teil. Der unter dem Aspekt der christlichen Gerechtigkeit stehende zweite Teil enthält die Sündenlehre, die drei Arten guter Werke, Werke der Barmherzigkeit, Kardinaltugenden, Gaben und Früchte des Hl. Geistes, die acht Seligpreisungen, die evangelischen Räte und die vier letzten Dinge des Menschen.250 Canisius wuchs bereits in eine Zeit der sich verfestigenden konfessionellen Blöcke und Strukturen hinein. Er verstand die Unsicherheit, in die sich der einzelne Gläubige gestellt sah, als ein umfassendes Bildungsproblem und fand eine für Jahrhunderte gültige Antwort. Mit seinem Katechismus will er das Glaubensgut des wahren Katholiken inhaltlich aufrüsten und gegen Irrlehren und die Beliebigkeit von Aussagen selbsternannter und anderer Bibelinterpreten bestimmen und sichern. Er ist sich im Klaren, dass das Volk der Gläubigen keine homogene Gruppe ist, weshalb er auf das Leseverständnis von Kindern wie von mehr oder minder gebildeten Erwachsenen Bedacht nimmt. Das Ergebnis der Differenzierung sind drei verschiedene Fassungen, an denen Canisius seit 1550 arbeitete. Der Große Katechismus von 1555251 vermittelte die katholische Doktrin in der umfassendsten Weise und stellte das Gegengewicht zu Luthers Katechismen dar. Die Aufbereitung in 213 Fragen und Antworten entsprang der jesuitischen Studienordnung, hielt sich jeder Polemik fern und bot eine betont einfache klare Sprache.252 Für Schulzwecke war schon 1554 eine Kurzform erschienen und eine Kurzfassung für Erwachsene folgte 1558. Die protestantische Gegenschrift ließ wie bei HELDING nicht lange auf sich warten.253 Auf protestantischer reformierter Seite folgte 1563 Heinrich Bullingers Heidelberger Katechismus. Das Canisische Werk setzte sich gegen alle anderen katholischen Lehrstücke durch und behauptete sich sogar neben dem offiziellen Catechismus Romanus von 1566 bis weit in das 19. Jahrhundert.254
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mann) in 213 Fragen. Später erschienen noch in gekürzter Form lat. und dt. Fassungen in Ingolstadt 1556 (59 Fragen), in Köln 1558 (124 Fragen). Canisius, Der Große Katechismus 52-53. Summa doctrinae christianae: In usum christianae pueritiae per quaestiones recens conscripta et nunc primum edita (Wien 1554); Der Große Katechismus. Summa doctrinae christianae (Wien 1555) erlebte 400 Auflagen (BBKL 1 [1990] 909912). Canisius, Der Große Katechismus 51. Johannes Wigand, Verlegung aus Gottes wordt des Catechismi der Jhesuiten (Summa doctrinae Christianae genand) newlich im druck ausgangen. (Magdeburg, Michael Lotter 1556). Filser, Petrus Canisius 45.
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2. 1. Der Catechismus HELDINGS HELDINGS Theologie kann nur aus relativ wenigen Quellen geschöpft werden. Die Katechismuspredigten 1542-1544 fanden ihren doppelten Niederschlag im Mainzer Reformprojekt, dazu kommen noch die Predigtreihen zu Spr, 1 Joh und Jona und schließlich der schon behandelte Liber Merseburgensis.
Motive für die Katechismuspredigten In allem ist HELDINGS Mitfühlen mit der Lage der Kirche als Institution und der tiefen Verunsicherung der Gläubigen zu spüren.255 Die Häupter der Christenheit wollen zwar die strittigen Religionssachen aufgreifen, aber der eine Teil geht nicht mit Ernst an die Sache und der andere will es zu ordentlichen Mitteln gar nicht kommen lassen. So werden die Tage der Heimsuchung nicht ausbleiben und Gott wird das Schwert zur Reformation der Kirche führen. HELDING anerkennt die Bemühungen unter den Ständen des Reichstags, die gefährliche Zwietracht in geistlichen und weltlichen Sachen überwinden zu wollen, er sieht aber auch (in Predigten des Jahres 1548) die Verbitterung und den Groll vieler Menschen. Es müsste erst wieder die Liebe in die Herzen der Menschen eingepflanzt werden, so dass der gemeinsame Nutzen mehr bedacht würde. Weil 1 Joh von der Liebe handelt, nimmt der Prediger zu den Reichstagspredigten dieses Buch zur Hand. HELDINGS Theologie, die hauptsächlich aus diesen Predigten spricht, scheint trotz der systematischen Schwäche,256 und soweit sie über die kirchenpolitischen Tagesfragen hinausgeht, einer näheren Betrachtung wert. Den Hauptteil der Mainzer Provinzialkonstitutionen 1549 bildet die Institutio ad pietatem Christianam, in concilio provinciali promissa, continens explicationem Symboli Apostolici, orationis Dominicae, salvationis Angelicae, Decalogi, Septem Sacramentorum.257 In diesen 255
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Cat 3v: Neben andern schweren sünden die uns Teutschen mit andern gemein seind / haben wir on zweyffel ein schwere straff Gottes auff uns geladen / und sein gerechten zorn uber uns erwegt / mit dem das es in unsern Kirchen so ubel zugeht. Eins theyls sucht man geitz, / bracht / wollust / gute tag bei der Kirchen. Sicht mehr gebreng / unnd hoffart / dann Gottseligkeit. Man last die kirchen mit mißbreuchen verwüstet werden / und ist sonst allenthalb schreckliches unfleiß und versaumnuß ahn der lehr / an warem gebrauch der heyligen Sacramenten / und an allem was das best und heylsamsts ist. Der lat. Institutio, die auch dem Katechismusschema folgt, kann eine durchaus systematischere Behandlung des Lehrstoffs zugestanden werden, als sie der mehr narrative dt. Catechismus zu bieten vermag. Vom Umfang her der eigentliche Hauptteil der Provinzialstatuten Mainz 1549. Ein Vergleich des Textumfangs: 279 Bl. Catechismus (dt.) zu 233 Bl. Institutio (lat.); HEL-
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Kommentar in lateinischer Amtssprache für den Mainzer Klerus sind seine theologischen Studien und die Erfahrungen als Prediger und die Arbeit an den Reformkonstitutionen eingeflossen.258 Weitgehend den Katechismuspredigten folgend, besitzt die Institutio die gleiche Gliederung, jedoch unter Verzicht auf rhetorische Elemente des Predigtstils.259 Offensichtlich hat HELDING schon bei der Abfassung seiner Predigten, die in ihren Ursprüngen bis in das Jahr 1535 zurückreichen,260 die spätere Verschriftlichung vorausbedacht. Die systematische Ordnung und Ausrichtung auf das Kirchenjahr einerseits, das Setzen thematischer Schwerpunkte wie die Erklärung der Messliturgie und die ausführliche Interpretation der Sakramente zeugen von einer vorausschauenden Konzeption von Texten, die dann – wenn auch anscheinend von ihm selbst nicht unbedingt angestrebt – unschwer zum Druck gebracht werden konnten. Als Modell diente vermutlich Groppers Enchiridion 1538 als Erläuterung der Kölner Provinzialstatuten von 1536. Als Prediger fühlte sich HELDING in den Widerstreit der Religionsparteien voll involviert und alle kontroversiellen Themen der Zeit waren ihm vertraut.261 Die maßgeblichen Felder des Disputes waren anthropologische und institutionelle Themen: Glaube und Vernunft, Erbsünde, Sündhaftigkeit, Rechtfertigung, Caritas, freier Wille, Werke, die Fundierung von Kirche und Klerus, der Umfang der Sakramente und die Deutung des Abendmahls als Opfer. HELDING weiß um die Heilsmittel, die nur die Kirche besitzt. Daher ist es sein Anliegen, sich an die zu wenden, die zwar Sakramente aus Gewohnheit gebrauchen, aber deren Sinn nicht erfassen.262 Dieser verbreiteten Un-
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DINGS Autorschaft geht aus dem Text nicht hervor, ist aber unbestritten (vgl. Lenhart, Mainzer Synoden 1548/1549: AMRhKG 10 (1958) 109. Im Vergleich dazu zeichnet sich das gleichgestaltete Enchiridion Johann Groppers durch systematische Einschübe aus (z. B. das Kapitel über die Rechtfertigung innerhalb der Darlegung des Bußsakraments). Am 25. 9. 1543 schloss HELDING seine theologischen Studien mit der Promotion durch Konrad Necrosius ab (Paulus 416 beruft sich dabei auf Gudenus, Codex diplomaticus anecdotorum res Moguntinas illustrantium 2, 756; Vogel, Das zweite Regensburger Religionsgespräch 1546 (250, Anm. 272) übersah oder bezweifelte jüngst diesen Nachweis eines theologischen Doktorats HELDINGS). Catechismus und Institutio weisen in ihrem Index locorum communium auch die gleiche Gliederung auf, nur haben die Sakramente der Ehe und der Weihe ihre Plätze getauscht. Die älteste Predigt stammt vom Aschermittwoch 1535, jüngste überlieferte Predigten sind aus 1557 (Postilla). Die 28 Kapitel der Confutatio 1530 finden sich in den 23 Kontroversthemen in Worms 1557 wieder. Cat 2v: …die Christliche Sacrament mit eim verfluchten unverstand brauchen / ja vielmehr verwüsten / unehren / und schänden.
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wissenheit, die für ihn einer Gotteslästerung gleichkommt, müsste jede Christengemeinde durch eine ständige Unterweisung abhelfen, damit Jung und Alt lernen, wie sie sich in ihrem Leben anstellen müssen, um die Verheißung des heiligen Erbteils Gottes im Himmel zu erlangen. Das würde dann auch auf den Zustand der Gesellschaft zurückwirken. Struktur und Inhalt des Catechismus Der Catechismus besteht aus 84 Predigten (Pr), die mit dem Datum des Vortrags versehen, in 16 Kapitel gegliedert sind.263 In der den Auftakt bildenden Predigt264 liefert HELDING auch eine Vorstellung seines Konzeptes, eine kurze, deutliche, wahrhaftige und gründliche Unterweisung aller Lehrstücke zu geben, die ein Christ notwendig und vornehmlich wissen soll. Dazu entwickelt er seine Katechese an Hand der grundlegenden Bekenntnistexte der Kirche, die er mit lehrhaften Erläuterungen versieht: Symbolum Apostolicum, Herrengebet, Englischer Gruß, Zehn Gebote, Sakramente. Zuletzt richtet er einen Appell an die Hausväter unter den Zuhörern, sie mögen sich um Kinder und Gesinde sorgen und auch an deren Unterrichtung Anteil nehmen. An den Beginn seiner Predigtreihe sowohl des Catechismus wie der Institutio265 stellt er die zwölff Artickeln unsers heiligen Christen Glaubens.266 Die lateinische Institutio definiert sich als Lehre der Wissenschaft vom Heil, in der nicht menschliche Klugheit, nicht ein zeitlicher Nutzen verfolgt, sondern allein der Weg zu Gott gesucht wird.267 Dieser unfehlbare Pfad ist der Glaube. Die rechte thür / dardurch man zu Gott eingehet / ist rechter und warer Glaub.268 Unter Heranziehung von Hebr 11,6 und Röm 14,23b hält der Autor fest:269 Ohne Glaube kann niemand zu Gott gelangen. In einer Präambel zum Symbolum wird die Regel des wahren Glaubens überliefert und daher stehe dieses am Anfang 263
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Die erste Predigt des Catechismus stammt vom Sonntag Laetare 1542, die letzte vom Sonntag Judica 1544: (1) Vom Katechismus: 1 Predigt, (2) Vom Glauben – Gottvater: 1 Pr, (3) Christus: 2 Pr, (4) Hl. Geist: 7 Pr, (5) Vom Gebet: 5 Pr, (6) Englischer Gruß: 1 Pr, (7) Dekalog erste Tafel: 11 Pr, (8) Dekalog zweite Tafel: 17 Pr, (9) Von Sakramenten allgemein: 2 Pr, (10) Taufe: 5 Pr, (11) Firmung: 4 Pr, (12) Buße: 9 Pr, (13) Eucharistie: 9 Pr, (14) Ölung: 2 Pr, (15) Ehestand: 4 Pr, (16) Weihung: 4 Pr. Cat 1r-4r. Zumeist wird Cat als Referenz herangezogen, ergänzend wird auf die Institutio Bezug genommen. Cat 6r: Ich will es…also halten / das ich erstlich die Wort in sonderheit handeln und verkleren will / und nachmals ein rechten gnugsamen verstand auß allen worten fürgeben. Institutio 24r. Cat 4v. Vgl. Erasmus, Explanatio 6: Qui vult ingredi domum [dei] petit ianuam.
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jeder Einführung in das Christentum. Aber man darf nicht meinen, dass derjenige den Glauben besitzt, der die Worte des Symbols genauestens wiedergeben kann, sondern nur, wer die Kraft der Worte richtig erfasst, indem er mit dem Herzen annimmt, was sein Ohr aufnimmt. Was bloß über die Lippen kommt, aber nicht auch gleichzeitig im Herzen vertieft ist, wäre kein Glaube. Eine solche Herzensgläubigkeit (cordis credulitas)270 könne aber auch nicht der Katechet lehren oder der eigene Verstand eingeben, sondern sie ist ein Geschenk Gottes, der sie dem Gläubigen in das Herz eingießt.271 Schon Erasmus lässt seinen Catechista in der Explanatio auf die Frage Quid est fides? auf ähnliche Weise erklären: Glaube ist die dem menschlichen Geist eingeflößte Gabe, für wahr zu halten, was Gott in beiden Testamenten mitteilt und zusagt. Aber zuvor spricht er von der Caritas, die gleichsam zwei Augen habe: das rechte auf Gott gerichtet, das linke zum Nächsten gewandt.272 Der Glaube reinigt das Herz, das heißt Geist und Verstand. Was aber Inhalt des Glaubens ist, muss einmal gehört worden sein. Fides ex auditu, auditus autem per verbum Christi. Und weiter trifft HELDING nahezu exakt die Worte des Erasmus. Der Glaube erstreckt sich über die drei Zeitabschnitte: Von der Vergangenheit glauben wir, dass die heiligen Schriften wahre Ereignisse berichten, in der Gegenwart glauben wir an den Willen und die Werke Gottes an uns. Wir zweifeln nicht daran, dass die Welt und die Kirche von Gott gelenkt und bewahrt werden. Für die Zukunft glauben wir an die göttlichen Voraussagen.273 HELDING bevorzugt in seiner Belehrung die klassische Gliederung in Symbolum (Credo), Herrengebet, Dekalog, Sakramente, in Abweichung von Luthers Reihung Dekalog, Glaube, Vaterunser. Erasmus legt in der Explanatio den Schwerpunkt ganz auf das Symbolum, an das sich Dekalog und Herrengebet kursorisch anschließen.274
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Erasmus, Explanatio 7: Depone sensum carnis & humanae rationis argutias, ut simpliciter certoque credas quicquid nobis ad salutem tradidit divina autoritas, etiam si humano sensui videatur falsum, frivolum, absurdum, aut impossibile. Dem entspricht HELDINGS (naive) Leichtgläubigkeit des Herzens. Institutio 34r: Qualem cordis credulitatem, non Catechista docendo, sed Deus infundendo tradit: Fidem enim Dei donum est. Vgl. Erasmus, Explanatio 8: Fides…est donum divinitus infusum menti hominis. Erasmus, Explanatio 8v: …dum illum [deum] ut summum bonum amat supra omnia, hunc ad cognatum diligit propter deum. Institutio 34v: Auch hier eine wörtliche Anlehnung an Erasmus, Explanatio 8: Ea [sc. fides] porrigit ad tria tempora, praeteritum, praesens, & futurum. Feifel, Grundzüge 52, Anm. 181.
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2.2. Inhalt des Symbolum nach HELDING275 Die Institutio richtet sich an Kleriker als Erläuterung der offiziellen Konstitutionen,276 der Catechismus an das übrige Kirchenvolk. In der Institutio, ebenso in der Brevis Institutio, geht HELDING vom Text des Apostolicum aus, der mit geringen Abweichungen (coeli statt caeli; descendit ad inferos statt inferna; ascendit ad coelos statt caelos; Ecclesiam sanctam catholicam statt sanctam Ecclesiam catholicam; et vitam aeternam statt [nur] vitam aeternam) wortgleich dem im 8. Jahrhundert aufgekommenen textus “T“ (DH Nr. 30) entspricht. HELDING setzt sich mit jedem einzelnen der zwölf Artikel auseinander und verbindet dabei in anschaulicher Weise den Bibeltext mit dem Verständnis, wie es in den menschlichen Verhaltensweisen reflektiert wird. Die Predigt selbst veranschaulicht er als einen Trichter, durch den Gott den Glauben geschenkweise in die Herzen einflößt.277
2.2.1. Gotteslehre Entsprechend den drei Lehrstücken spricht HELDING beim Symbol, beim Herrengebet und zur ersten Tafel des Dekalogs von Gott. Er befasst sich mit der Gotteserkenntnis des Menschen und dem Wesen und Willen Gottes. Der Christ bekennt zu allererst seinen Gott als den allmächtigen Vater, Schöpfer Himmels und der Erde.278 Aber auch die bösen Geister erzittern vor ihrem Schöpfergott.279 Was dem Glauben des Christen frommt, ist (zum Unterschied von den Geistern), dass dieser sein
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Soweit nicht ausdrücklich anderes bezeichnet, aus dem Catechismus stammend. Ähnlich wie Groppers Enchiridion von 1538 innerhalb der Kölner Statuten. Cat 5v: …mein eusserlich Predig vom glauben ….ist euch von nöten / als ein gefäß oder trechter / durch die Gott sein Glauben einlassen kann in ewere hertzen; Institutio 35: Fides vera, quae donum est a Deo infusum, illa est, qua vera esse credimus, quae de Deo sacrae literae enunciant & sine haesitatione speramus, quae in scripturis sanctis promittit Deus, & timemus, quae minatur. Explanatio 8: Fides igitur, de qua nunc agimus, est donum divinitus infusum menti hominis, qua citra ullam haesitantiam credit esse verissima, quaecunque deus nobis per utriusque testamenti libros tradidit ac promisit. HELDING gibt einige Abgötter an, denen sich der Mensch in seinem Wahn unterwirft: Wol nach dem mißbrauch der menschen / heist das einem jeden sein Gott / darauff er sich mit seinem hertzen steuret / was jhm am liebsten ist / und worauff er sich fürnemlich verläst. Als den geitzigen ist der Mammon / reichthumb unnd gelt jhr Gott (Mt 6,24). Den mestlingen und schlemmern / die sich gedüncken lassen / sie seyen der welt / und die welt jnen darumb beschaffen / das sie fressen und sauffen und leibs lust suchen sollen / denen ist der Bauch jhr Gott (Phil 3,19). Jak 2,19: Dieselbe Stelle greift auch Erasmus in den Antibarbari auf (vgl. Kohls 80). Dieser Dämonenglaube ist bis in die Gegenwart nicht völlig erloschen.
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Herz280 ganz auf Gott hin ausrichten und sich ihm mit Leib und Seele anvertrauen kann. Diese Zuversicht ewigen Lebens tröstet den gläubigen Christen über die Unbill des Daseins hinweg, erspart ihm, in den Geheimnissen Gottes zu grübeln und gibt ihm die Kraft, alle Zweifel an der Existenz Gottes zu überwinden.281 Verstand kann Gott nicht fassen Menschliches Denken bzw. die Vernunft können Gott in seinem Wesen nicht begreifen.282 Der Mensch soll in seiner Neugier (curiositas)283 die Geheimnisse und Werke Gottes auch nicht verstandesmäßig (ratiocinando) ergründen wollen.284 Ein solches Geheimnis ist insbesondere die Wandlung der Natur von Brot und Wein in Leib und Blut Christi. Hier hält sich HELDING von scholastischer Rationalität fern. Andererseits geißelt er den Unverstand der Menschen, der sie das Evangelium nicht kennen und die Sakramente nicht begreifen lässt.285 An Gott glauben, heißt ihm vertrauen. HELDING nennt dieses Vertrauen Erkenntnis des Herzens. In dieser Herzenserkenntnis, dass Gott Herr und Schöpfer aller Dinge ist, wird sich der Christ nicht selbst rühmen, sondern alle Ehre Gott überlassen und ihm den gebührenden Dank zollen. Er wird Gottes ewiges Wesen und seine ewige Weisheit bekennen und ihn als gütigen, barmherzigen Vater anerkennen und lieben. HELDING relativiert dabei in bemerkenswerter Weise die Rolle des Menschen, der sich aller anderen Geschöpfe, in denen Gott genauso wie in ihm sei, nicht nach freier Lust bedienen dürfe.286 280
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Vgl. Frevel, Art. Herz: HGANT (2006): Das Herz steht in der Anthropologie HELDINGS in der alttestamentlichen Bedeutung einer Schaltstelle zwischen Gott und Mensch. Cat 7v. Brevis Institutio Kjr: Credo unum verum esse Deum, nullo sensu aut ratione humana comprehensibilem… Diese Auffassung von curiositas ist schon bei Augustinus grundgelegt und wird von Gerson gebrandmarkt. Institutio 36: Simul & curiositatem hominum excludit consyderata Dei omnipotentia, qua illi (sc. impii) in scrutandis Dei operibus anxie, interdum & perniciose, laborant: dum, quae facta affirmantur, quomodo fieri potuerint, rationando disquirunt. Erasmus, Explanatio 25: Philosophorum impia curiositas, haereticorum perversitas, verborum ac symbolorum induxit multitudinem. Cat 2v. Cat 7v: Unnd du wirst auch wissen / das du alle Creatur nit zu deinen lust allein / sonder nach Gottes bevelch und willen brauchen unnd wenden solt. Du wirst wissen / das Gott in dir und in allen Creaturen lebt und ist / und was dir deren keine zu gut dienen mag / anders / dann so dir es Gott günnet. Deshalben wirstu weder auff dich noch aller Creatur hilff bawen / sondern auf Gott. Canisius expliziert ergänzend den Schöpfungsakt als creatio ex nihilo solo verbo.
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Gott hat sich auch nicht nach dem Schöpfungsakt zurückgezogen, sondern erhält, regiert und lenkt die Welt. HELDING gibt sich in der Interpretation des Symbolum keinen weitreichenden Spekulationen über Gottes Wesen und spezifische göttliche Eigenschaften hin.287 Solche entfaltet er etwas breiter bei der Auslegung des Dekalogs. Mehrmals wird Gottes Allmacht, die uns Sicherheit geben soll, und sein ewiges Sein, auch seine ewige Weisheit unterstrichen. Aus dem deutschen Wort gut will HELDING etymologisch den Begriff Gott als das höchste Gut ableiten, so wie er in der lateinischen Institutio Deus als summum bonum bezeichnet. Im Zusammenhang mit der Zeile des Symbolum Sedet ad dexteram bemerkt er: Wir wissen wol, das Gott ein geist ist.288 Den Begriff der Person führt er in Verbindung mit dem Wort Vater ein.289 Der Vaterbegriff erlaube die innertrinitarische Unterscheidung der Personen in der heiligen Gottheit. Das Wort Vater entspreche aber auch dem Verhältnis des Schöpfers zu den Menschen und bringe seine väterliche Güte und Barmherzigkeit zum Ausdruck. Diesem Moment spürt er im Herrengebet nach. Sinn und Ziel der Schöpfung Die Frage nach dem Grund und Zweck der Schöpfung beantwortet HELDING einmal mit der Zeile Er hat alles erschaffen mir zu einem be-
hilff.290 An anderer Stelle, zum Auferstehungsartikel, nennt der Prediger als Schöpfungsmotiv, Gott wollte Mitgenossen seines ewigen Reichs, um an ihnen seine Allmacht zu erweisen und Gnade und Güte üben zu können.291 HELDING erkundet hier offenbar eine besondere Relation zwischen dem Schöpfergott und dem Geschöpf Mensch. Die Wesenszüge der Güte und Barmherzigkeit, im Grunde eine Umschreibung für Liebe, setzen einen Empfänger voraus. Wenn dazu die Communio zwischen Gott und Mensch besonders hervorgehoben 287 288 289 290 291
Cat 6r: Was Gott sey / mögen wir weder mit sinnen begreiffen / noch mit worten außsprechen. Zum Vergleich Erasmi Explanatio 54: Tenes Deum esse non corpus sed mentem infinitae virtutis, simplicissimam, aeternam, ut quae fuerit ante omnia tempora, nec tempore mutatur. Canisius, Großer Katechismus 83 spricht von Gott als der prima persona in Deitate. Cat 7r. Cat 28r. In der Institutio 52rv heißt es auf die Frage: Cur enim nos Pater condidit: Ut essent, in quos perpetuo divitias bonitatis suae dispensaret bonus & dives Dominus und später: Ergo aeterna vita, quam remissis per gratiam Christi peccatis accipimus, finis est, ob quem nos Pater condidit. Cat 36v: Nec in eo consummavit curam suam coelestis pater, ut res omnes crearet ad utilitatem hominis: sed creatas insuper conservat, & iterata foecunditate, subinde renovat universa, quibus humana vita sustentatur. Vgl. Erasmus, De sarcienda ecclesiae concordia 285: Hic est enim supremus finis, ad quem conditus est homo, ut agnoscat, amet, et hymnis celebret conditorem, redemptorem, gubernatorem et remuneratorem suum.
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wird, könnte man den Entwurf eines modernen Gottesbildes des gegenseitig aufeinander Bezogenseins herauslesen.292
2.2.2. Christologie HELDING schätzt die im zweiten Artikel bekundete Erlösung des Menschengeschlechts für eine noch größere Guttat als seine Erschaffung ein.293 Er rekapituliert zunächst die Anthropologie aus der Urgeschichte Gen 1-3. Um das Elementare der Erlösung zu verdeutlichen, greift er auf die Herkunft des Menschengeschlechts zurück, schildert die ursprüngliche ungetrübte Ebenbildlichkeit des Menschen, der begabt mit den besten Kräften des Leibes und der Seele ohne Anfechtung des Bösen sich im Besitz der ersten auch vererbbaren Gerechtigkeit befand. Der List des Teufels erlegen und zu Sünde und Ungehorsam gegen Gott verleitet, verfiel der postlapsarische Mensch dem harten Zorn und der Strafe und verlor diese Ebenbildlichkeit und seine ursprüngliche Gerechtigkeit. Böse Lust und Neigungen wuchsen in seiner Natur und sein Verstand verdunkelte sich. Zeit seines Lebens erwartete ihn Trübsal und Elend und der Tod wurde zur ewigen Strafe, ein Erbe, das die ersten Menschen auf ihre Nachkommen durch den Zeugungsakt übertrugen. Doch gedachte Gott seiner Barmherzigkeit und verhieß den armen Menschen einen Seligmacher, der sie dem Teufel entreißen und wieder mit Gott, ihrem Schöpfer, versöhnen würde. Als Mittler zwischen sich und den Menschen sandte er seinen Sohn, der zu seiner von ewig her seienden göttlichen Natur auch die menschliche Natur annahm. Warum Gott den Sohn entsandte Im Namen Christus (unctus) sieht HELDING zwei Ämter, das des Priesters und des Königs.294 Als Priester ist der Sohn der für die Darbringung des Versöhnungsopfers zwischen Gott und der Menschheit einzig mögliche Mittler. Als König ist es sein Amt, sein Volk vor dem Feind zu retten, zu schützen und anzuleiten. Die an dieser Stelle stark betonte Färbung der göttlichen Natur dämpft HELDING andernorts wieder, um jeglichem Doketismus zuvorzukommen. Damit die menschliche Natur nicht zu kurz kommt, geht HELDING nochmals auf das Mitt292 293 294
Vgl. Duns Scotus, Opus Oxoniense 3, 32, 1, 6: Gott will Mitliebende. Cat 8v. Vgl. Erasmi Explanatio 56-57: Christus…qui dictus est sacerdos secundum ordinem Melchisedec... & ut rex post resurrectionem apparens...Institutio 39: Ipse enim a Deo constitutus est sacerdos in aeternum, secundum ordinem Melchisedek (vgl. Hebr 7,17).
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leramt ein. Die Weise der Erlösung erfordere, dass der Sohn Gottes selbst auch wahrer Mensch, jedoch ohne Sünde, werde. Daher ist seine Empfängnis nicht von fleischlicher Art, sondern eine geistgewirkte gewesen, wie schon Jes 7,14 vorausgesehen hätte. Wer der Allmacht Gottes vertraue, wird diesen geistlichen Akt nicht bezweifeln.295 Zum Unterschied von der Conceptio war Jesu Nativitas ein natürlicher Vorgang, weshalb ihm eine wahre Menschheit nach aller Menschen Art zukommt. Daher ist Jesus allen natürlichen Schmerz- und Leidempfindungen unterworfen: Hunger, Durst, Hitze, Kälte, Müdigkeit setzen ihm zu, er zeigt Mitleid, Erbarmen, Trauer und Unmut. Ein Unterschied ist festzuhalten: Jesus war ohne Sünde und er kannte keinen Betrug. Deshalb bekennen die Christen in Jesu Person zwei Naturen. In der Menschennatur hat Christus [!] mit seinem leiblichen Tod die Versöhnung mit Gott erworben.296 Der lebhaften Ausschmückung dient HELDING das Schicksal des Teufels. Nach seinem Tod fuhr Jesus zur Hölle und zerstörte das Reich des Teufels und erwürgte den ewigen Tod. Damit wurde dem Teufel seine Untreue gegenüber Gott vergolten. Ihm geschah wie einem Fisch, der den Angelhaken, in diesem Fall die göttliche Macht Christi, verschlingt. Daher wurde er selbst zum Raub.297 Hier überzeichnet HELDING etwas, so dass man auf die endgültige Abschaffung der Hölle durch das gelungene Täuschungsmanöver Christi schließen könnte. HELDING steht fest auf dem Boden der Lehre des Versöhnungsopfers Christi, der mit seinem Blut den verdammten Menschen aus der schweren Dienstbarkeit des Teufels erkauft hat, wofür ihm der schuldige Dank gebühre.298 Der Prediger verdeutlicht seinen Zuhörern Christus als wahren, ewigen, einzigen Gott, gleichen Wesens, gleicher Macht, gleichen Willens und gleicher Ewigkeit mit dem Va-
295
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Cat 11r: Fragstdu / Wie hat solches geschehen mögen / das ein Jungfraw ein Sohn entpfienge / die von keinem Mann wüste? So antwort ich mit dem Engel / Luc.1. Der heilig Geist ist von oben kommen in diese H. Jungfraw / und die krafft des allerhöchsten Gottes / hat solches werck inn jhr angericht. Cat 12r: Sein leiden / creutzigung / und sterben ist geschehen / das durch sein unschuld unser sünde bezalt / und durch sein todt der ewig todt von uns genommen würde. Cat 12rv: Der Teuffel wolt Christum in todt und in die helle ziehen als ein menschen / und bedacht nicht / das under seiner menscheit auch die Gottheit / unnd alle unschuld verborgen lage. Das schon den Kirchenvätern geläufige Motiv des überlisteten Leviathan am Haken hat auch Luther aufgenommen (vgl. Rieske-Braun, Duellum mirabile 171-188). Anklänge an den Satisfaktionsgedanken sind bei HELDING nicht sehr ausgeprägt: Gott sendet seinen Sohn aus reiner Barmherzigkeit. Zwar heißt es passim, Christus bezahlte für die Sünden der Menschen, damit ist aber der Charakter der Erlösung, Christus als Löser, angedacht.
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ter. Er ist von Ewigkeit Gottes Sohn.299 An anderer Stelle bezeichnet er Christus als die Weisheit Gottes.300 Und da Christus ein dem Vater gleichmächtiger Gott ist, ist er Herr aller Menschen und Kreaturen.301 Christus sieht das Tun und Lassen der Menschen und so sind ihm ihre Werke, Worte und Gedanken unverborgen. Über diese wird er bei seiner Wiederkunft Rechenschaft verlangen. Das letzte Christusbekenntnis im Rahmen des Credo gemahnt uns nach HELDING , dass all unser Tun und Lassen, werck, wort und gedancken, für Gott offenbar ist und Christus bei seiner Wiederkunft uns danach richten wird.
2.2.3. Pneumatologie Sichtlich größere Mühe bereitet HELDING nach den ersten beiden Hauptartikeln (der Schöpfung bzw. der Erschaffung des Menschen durch Gottvater und der Erlösung durch Gott Christus) die Heiligung bzw. die Explikation des Hl. Geistes. Die Heiligung ist die von Gott gewirkte Bedingung der Möglichkeit, dass sich der Mensch durch die Taufe von der Erblast der Sünde befreit, zum Guten geneigt ist und die Kraft und den Willen aufbringt, sich Gott anzuvertrauen. Einleitend warnt HELDING , ohne dass daraus auf eine ihn irritierende zeitgenössische Häresie geschlossen werden könnte, aus den drei Personen einen Tritheismus abzuleiten. Wenn Gottvater die Erschaffung zugemessen wird, ist diese eo ipso durch den Sohn im Hl. Geist geschehen, an der Erlösung wirken auch Gottvater und Hl. Geist mit, wie zu unserer Heiligung Vater und Sohn zusammenwirken.302 Man verspürt hier sein Ringen um die Verdeutlichung des trinitarischen Gottes bei der Darlegung der dritten Person.303 Um aber der Vernunft304 doch noch Rechnung zu tragen, versucht HELDING im Bewusstsein der Schieflage menschlichen Begreifens, dem Geheimnis am Exempel des Feuers näher zu kommen: Dieses sei eine einzige Substanz, ein einziges Wesen und wirke doch auf dreifach unterschiedliche Weise, mit seiner Flamme, seinem Schein und 299 300 301 302 303
304
Cat 9r: Das helle Zeugniß der Schrift finde man in Jes 9; Bar 3; Ps 109. Cat 36v. Cat 10r. Cat 14r. Cat 14v: Hie muß aber der Glaub herfür tretten / unnd unserer vernunfft die augen zuhalten / dann diß ist jhrs wercks gar nicht. Es ligt nicht daran / das wir mit unserer vernunfft nit begreiffen / wie drey Person seind / und nur ein Gott / wie sonderliche wirckung einer jeden Person zugeben werden / und doch die ganze Dreifaltigkeit alles in uns und an uns wircket / Gnug ist es / wann wir solchs mit dem Glauben fassen mögen / wie es die Schrifft außredt. Cat 14v: Eine der wenigen Stellen, wo HELDING von der Vernunft redet, sonst spricht er von Verstand oder Klugheit.
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seiner Hitze. Und wie der Schein nicht brenne und die Hitze für sich nicht leuchte, seien doch die je für sich getrennten Wirkungen Teil der einen.305 HELDING bezieht sich dabei expressis verbis auf Augustinus und dessen De Symbolo.306 Der Frage des Hervorgehens des Pneuma (dem filioque) geht er nicht eigens nach und verweist nur auf Schriftbelege.307 Er führt aber seine Zuhörer und Leser sogleich auf den rechten Weg, indem er erklärt, was Glaube sei: Glaube ist demnach bedingungsloses Vertrauen, Sich-Einlassen auf Gott. Genau dies gelte auch im Glauben an den Heiligen Geist. Eine Unterscheidung der drei göttlichen Personen ist auch nur von den vornehmlichen Wirkweisen erschaffen, erlösen, heiligen her sinnvoll. Ähnlich wie Erasmus den verschiedenen Namen des Spiritus sanctus nachspürte, stellt auch HELDING die unterschiedlichen Bezeichnungen der dritten göttlichen Person in der Schrift heraus: Je nach seinen Wirkungsfeldern (operationes) werden in der Hl. Schrift dem Hl. Geist unterschiedliche Namen beigelegt: Spiritus sapientiae, intellectus, consilii, fortitudinis, scientiae, pietatis, timoris Dei.308 Er erscheint dem Menschen auch als Finger Gottes (digitus Dei) oder als Trostspender (Paraklet). Eine vierfache Wirkung des Heiligen Geistes zählt HELDING im Besonderen auf: Durch die Eingießung des Geistes in der Taufe werden wir in die Gemeinschaft der Kirche aufgenommen. Erst durch das fortwährende Wirken des Geistes festigt sich im Menschen die Kraft und der Wille zum Guten, indem er die Liebe in die Herzen der Menschen eingießt.309 Im Sünder weckt er die Reue und Bereitschaft zur Buße und zum Gebet.310 Damit stärkt er das Vertrauen in die ewige Seligkeit allen Widrigkeiten des Lebens zum Trotz. Man nennt ihn daher zu Recht den Trostspender. Aber auch in die Gemeinde wirkt er hinein, indem er den Vorstehern (und wohl auch den Predigern) die Fähigkeit zur wahrhaften Verkündigung des Gottesworts eingibt, ebenso wie den Gläubigen, 305
306 307 308 309 310
Cat 15r: Auch Erasmus, Explanatio 31-32, hat einen sinnfälligen Vergleich für die Trinität parat: Contemplare solem, & ab hoc manantes radios, tum ex utroque profectum calorem. Ut sol est fons luminis & caloris, ita pater fons est filij, qui est lumen de lumine. Et ut a sole simul & radiis manat calor, ita a patre & filio procedit spiritus sanctus (vgl. auch Padberg 87). AU, s sy 3, 9. oder sy (Frede 255 oder 258). Institutio 47; Cat 16v: Auß den gaben des heiligen Geists ist es / das wir hie dieses zeitliches leben Gottselig füren / vnnd dort das ewig besitzen mögen. Vgl. Hilberath, Gaben des Heiligen Geistes: ³LThK 4 (1995) 253-254. Cat 15v. Ebd. 16r: Der heilig Geist gibt uns ins hertz / alles was wir nützlich von Gott betten / und er dringt uns zu betten / und macht unser gebett erhörlich. Gott höret auch kein gebett / darzu uns der heilig Geist Gottes nicht bewegt hat.
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dieses zu hören, zu verstehen und zu glauben. Der Mensch als Mängelwesen wird erst durch den Geist befähigt, eine Beziehung zum Allerhöchsten zu gewinnen. Das menschliche Organ, das der Paraklet erleuchtet bzw. in das er hineinwirkt, gleichsam das Relais zu Gott, ist für HELDING das Herz. Der Heilige Geist erweckt die im Menschen schlummernden Potentiale für göttliche Dinge und die Neigung zum Guten. Er schafft die Bedingung des Vertrauens, aus dem der Glaube erwächst und reift. Der Geist ist schließlich, wie das Credo aussagt, auch selbst Objekt dieses Glaubens.
2.2.4. Ekklesiologie Auf gleicher Ebene wie die ersten neun Glaubensartikel steht für HELDING das Bekenntnis zur Kirche als zehnter Symbolartikel.311 Der Gottesglaube allein wäre nicht geeignet, Gottes zu genießen, würde nicht ebenso die heilige gemeine Kirche und Gemeinschaft der Heiligen unabdingbar in diesen Glauben eingeschlossen. HELDING betont die veränderte Redeweise, derer er sich hier bedient.312 Es sei ein großer merklicher Unterschied im Entfall der Präposition »in« in Bezug auf die Kirche gegenüber dem Glauben in Gott. Nicht die Kirche mache den Gläubigen selig, sondern sie stelle das Werkzeug bereit und wende es am Menschen zu seiner Seligkeit an.313 Eine solche Differenzierung war unter Theologen verbreitet, wie auch die Kölner Statuten 1549 erläutern: Sciendum est, quod ecclesiam credere, non tamen in ecclesiam credere debemus, quia ecclesia non Deus, sed domus Dei est.314 In einer seiner frühen Predigten (vom Sonntag Septuagesimae 1535) über den Beginn des Kirchenjahres hatte HELDING besorgt festgestellt, dass nunmehr Christen selbst beginnen würden, an der Kirchenordnung Kritik zu üben und sie zu verachten. Man sagt, wenn die Gebote Gottes gehalten würden, was brauche es da noch die Kirche? Dem tritt er mit der Feststellung entgegen, dass der Mensch der 311 312
313
314
Kirchenglaube bei Canisius als 9. Artikel. Ebd. 17rv: Credo in Deum, in Jesum, in Spiritum sanctum, aber credo ecclesiam. Diese Unterscheidung ist dem griechischen Text des Niceno-Constantinopolitanum allerdings fremd. Die Präzisierung geht auf Cyprian zurück, wie Erasmus in seiner Explanatio (36) feststellt, wobei er eine philologische Begründung liefert: Im Hebräischen würde häufig die Präposition im Sinne von in hinzugefügt, wo sie das Lateinische weglässt. Ebenso Gropper, Enchiridion 65. Ebd. 17v: Wir glauben aber, das ein heilige gemeine kirch sey mit jhrem thun und handel … in deren die mittel unserer seligkeit behalten und gebraucht werden / als da ist / Gottes wort / die heilige Sacrament / und alles was zu der reinigung unser Seelen dienen mag / Deren Gott als seiner einigen Gespons / sein tewer und köstliche morgengab / den schatz seiner gnaden unnd gaben geschenckt hat / und davon keine andere nebengesponß oder secten geniessen last. [K49} Schannat – Hartzheim 6, 432.
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Ermahnung, des Anreizes, der Anleitung und der Hilfe in seinem Gottesverhältnis bedarf.315 Folgende Kriterien sind bei HELDING für die Kirche kennzeichnend: Die Kirche ist zu allererst die Versammlung (Gemein, communio) des berufenen Volks Gottes, die Gemeinde der Heiligen.316 Diese Benennung gründet sich nicht auf Verdienst oder Tugend der Menschen, sondern einzig auf die Gnade und Barmherzigkeit Gottes. Sie umfasst in einer hierarchischen Ordnung, an deren Spitze Christus steht, diejenigen, die von Sünde zu Gerechtigkeit, von der Verdammnis zur Seligkeit, von Finsternis und Irrtum zum Licht der Wahrheit und zur rechten Gotteserkenntnis berufen sind. Die Gemeinschaft der Kirche reicht aber über die Gegenwart hinaus: Sie reicht einesteils bis zum Anfang der Welt zurück, ein Gedanke, den auch schon Erasmus in seiner Explanatio eingebracht hat.317 Nach Christus folgen die Engel. Sodann gehören dieser Communio auf der nächsttieferen Stufe Gottesfreunde und auserwählte Menschen an, die Gott von Anbeginn der Welt dienten. Diese Kirche ohne Makel sind jene Menschen, die, obzwar auch sie Sünder waren, durch göttliche Gnade und Barmherzigkeit gereinigt sind und Heilige genannt werden.318 Zum anderen Teil gehören ihr die gegenwärtig auf Erden lebenden Sünder an, die den Glauben an Christus bewahrt haben. HELDING spürt den sprachlichen Widerspruch, dass er die Kirche als heilig, als Gemeinschaft der Heiligen bezeichnet, obwohl sie es in einem Großteil ihrer Glieder nicht ist.319 Neben der Communio steht an zweiter Stelle die Leibmetapher. Durch die Taufe empfängt der Mensch die Gnade der Heiligung und Sündenvergebung und erwirbt die Gliedschaft in Christus. Alle gemeinsam stellen einen Leib dar, dessen Haupt Christus ist.320 Der Organismusaspekt, der bei Luther eine pneumatische Dimension in Abgrenzung zur institutionellen Alten Kirche gewinnt, ist aber auch dieser selbst nicht fremd.321 HELDING nennt die Christen, die sich in
315 316 317 318 319 320
321
Postilla, De tempore, Winterteil 78r-79r. Feifel, Grundzüge 85-105. Cat 17v: Solche Kirch oder Gemein hat Gott allezeit von anfang der Welt gehabt. Vgl. Padberg 100. Cat 20v: Dann solche Kinder Gottes sündigen nit tödtlich / und ob sie täglich sundtigen auß menschlicher gebrechlichkeit / so wirt es jhnen nit auffgerechnet / umb des herren willen. Cat 22v-23r. Söding – Jorissen, Art. Leib Christi: ³LThK 6 (1997) 769-773: Die Leib-Christi-Metapher verwendet HELDING noch unbeschwert, während der Terminus später als protestantisch belastet galt. Vgl. Feifel, Grundzüge 89.
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wüsten Sünden ergehen, lahme oder verdorrte Glieder am Leib Christi. Neben der Rede vom Leib Christi greift der Prediger an anderer Stelle Mt 20,1-16 auf und vergleicht die Kirche mit dem Weinberg,322 der gepflegt und ständig erhalten werden muss, und in dem die unterschiedlichsten Arbeiter ihren Lohn suchen, solche, die von Anfang an arbeiteten, aber auch andere, die erst gegen Abend zur Arbeit finden. Dennoch werden auch sie den gleichen Lohn erhalten. Nur jene, die ihren Tag andernorts verbrachten und die Arbeit im Weinberg scheuten, werden fortgejagt. Wer sich von der Kirche trennt, wird an ihren Heilsgütern nicht teilhaben und wäre er engelsgleich. Dieser Gedanke lässt HELDING in der folgenden Darstellung ein Sittenbild der Zeit zeichnen, das die schwierige Lage der Kirche veranschaulicht. Gibt es doch eine große Anzahl von Menschen, die in diesen wüsten leidigen Zeiten zwar die Sakramente gebrauchen, aber in ihrer groben Sündhaftigkeit der Gemeinschaft nur äußerlich, aber nicht dem Geiste nach angehören. Solange sie eine Besserung erhoffen lassen, mag man sie dulden, wenn nicht, soll sie die kirchliche Obrigkeit von den anderen absondern. Zwar sage schon die Schrift, dass die guten Glieder mit den schlechten bis zum jüngsten Gericht in der Gemeinschaft versammelt sein werden. Brüderliche christliche Liebe verlange zwar, dem Sünder bis zuletzt die Gelegenheit zur Reue und Umkehr zu geben. Wer diese Gemeinschaft der Heiligen aber verlässt, kann ihre Güter nicht mehr in Anspruch nehmen. Hier spürt man die Intention des Predigers, den in ihrem Glauben schwankenden Zuhörern und Lesern den großen Vorteil des Verbleibs in der Alten Kirche vor Augen zu führen und mit Verdammungsurteilen über die verlorenen Schafe trotz einer mitunter groben Sprache sehr vorsichtig umzugehen.323 Schließlich kann auch einer, der die jetzige Sünde ausgeräumt und die bösen unreinen Geister aus seinem Haus verjagt hat, wieder ein heiliger reiner Tempel Gottes werden. Für die fundamentalistische Gegenposition führt HELDING dezidiert die Novatianer und Wiedertäufer an, die jede Abweichung von ihren Normen schärfstens und erbarmungslos sanktionieren würden. Er führt die zeitgenössische Ausformung der Kirche bis auf die Kirchenväter zurück, die mit dem Beistand Christi alle gebreuch / ordnung und gewonheiten / die in Christlicher Kirchen von anfang fürgenommen / und noch gehalten werden, so geordnet haben, dass der Zugang des 322 323
Postilla, De tempore, Winterteil 81v (dort unrichtig Mt 21 angegeben). Ebd. 20v: Er zitiert 2 Petr 2,22 und spricht von argen Sündern, die sich nach der in der Taufe empfangenen Heiligung wie die Säue nach der Schwemme im Kot wälzen oder wie die Hunde das Ausgespiene wieder hineinfressen.
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Christen zu den göttlichen Dingen in die richtige Bahn kommt. Nur durch die Kirche und die vorgegebene Ordnung werden wir zur Andacht gebracht und an die göttlichen Gebote erinnert. Gott hat der Kirche den Gnadenschatz der Sakramente anvertraut, außerhalb von ihr gibt es keine Gnadengaben.324 Der verständlichen Anfrage, warum Gott durch seinen Heiligen Geist ungleiche Gnaden und Ämter verteile, kommt der Prediger mit dem Hinweis auf Eph 4,7.11-13 zuvor. Wir alle können der gleichen Gnaden zur eigenen Seligkeit teilhaftig werden, doch die Ämter, die der ganzen Kirche dienen, sind nur wenigen vorbehalten. Das liegt an den unterschiedlichen Charismen der einzelnen Menschen. Daher habe Gott den Ämtern, die zu auffbauung des ganzen leibs Christi dienet / als da ist / weißkeit / kunst / verstand und außlegung der Schrifft, eine eigene Ordnung gegeben, um die Gewissheit der Lehre zu festigen. Und auch zur Austeilung der Sakramente setzte er nur bestimmte Kirchendiener mit dem Auftrag ein, zu binden und von Sünden zu lösen. Das vorreformatorische Kirchenbild hatte zu HELDINGS Epoche seinen mittelalterlichen Charakter noch nicht abgelegt. Die Kirche wurde einerseits in mystischer Schau als Leib oder Braut Christi oder Haus Gottes, andererseits aber auch als konkrete Heilsanstalt, als Spenderin der Heilsmittel betrachtet. Man erwarb ihre Leistungen wie z. B. die Messlesung für verstorbene Angehörige oder den Ablassbrief wie andere Objekte des täglichen Bedarfs, daher war der Stand des Priesters in einem pastoralökonomischen Kontext unabdingbar und unangefochten. Neben der Verfügung über die Heilsmittel bestimmte die Kirche auch andere Lebensbereiche stark. Die Pfarre als lokale kirchliche Institution mit Behördencharakter repräsentierte die Kirche im sozialen Gefüge als Rechtsträgerin in allen Lebensbereichen: bei der Taufe, der Eheschließung, aber auch in der Schule bis hin zur Bestattung. In ihrer Unmittelbarkeit waren der Parochus und seine Gehilfen dem Kirchenvolk vertrauter als die fernen hohen Prälaten. Fielen jene von der Kirche ab, verstörten sie die Menschen oder zogen sie mit sich. Moralisches Versagen der Kirche Als Hüterin des moralischen Wertegefüges hatte die Kirche ihre Rolle in der Gesellschaft durch die sichtbaren Makel ihrer Repräsentanten und die Sanktionslosigkeit jeglicher Normverletzung stark eingebüßt. Das zeigt sich für HELDING in der allgemeinen Verachtung der Kirchenordnung. Obwohl er auch dafür das Verhalten einzelner Kir324
Cat 17v.
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chenvertreter in seine kritischen Bemerkungen einbezieht, beklagt er in erster Linie die Verstöße des Kirchenvolks gegen die Gebote der Kirche. Ob Fastengebote: Wer verachtet sie nicht? Ob Ehebruch und Unkeuschheit: Wer hält das Gebot? Ob rauben, wuchern, den Nächsten beschädigen: Wer lässt es sein? Man macht sich kein Gewissen mehr daraus und hält es nicht einmal für Sünde.325 In seiner Kritik führt er auch die fehlende soziale Verteilungsgerechtigkeit ins Treffen.326 Kirche in der Gesellschaft Sosehr die kirchliche Institution aus dem Leben der Menschen des 16. Jahrhunderts nicht wegzudenken war, der Gedanke einer Reformbedürftigkeit hatte sich seit langem festgesetzt. Der Klerus insgesamt wurde als privilegierter Stand gesehen, der die Lasten der Gesellschaft nicht im gerechten Maß mittrug.327 Mehr noch, man sah im Klerus generell eine unverdientermaßen begünstigte Gruppe, was de facto allerdings einer undifferenzierten Betrachtung entsprang. Der Stand der Geistlichen war in sich ständisch tief gegliedert und der überwiegende Teil der einfachen Kleriker von hohen Funktionsträgern sozial und wirtschaftlich abhängig und bedrückt. Demgegenüber führten hohe Prälaten einen aufwändigen Lebensstil, der eine ständig steigende innerkirchliche Umverteilung der Ressourcen von unten nach oben notwendig machte. Dass die reale Wertvernichtung in den Fehden und Kriegen auch die Einkünfte der Oberen schmälerte und den Druck auf den einfachen Stand verstärkte, ist anzumerken. In der öffentlichen Wahrnehmung der Laien war der Stand der Kleriker in Misskredit geraten. Insbesondere der Stand der Mönche trat schon durch die wachsende Zahl von Angehörigen der Bettelorden immer stärker ins Bewusstsein. In den Städten regte sich der Widerstand gebildeter Laien gegen ungebildete Kleriker.328 Die Verwaltung der Kirchengüter und Bestellung von Kirchendienern ist ein besonderer Angriffspunkt HELDINGS . In erster Li325 326
327 328
Postilla, De tempore, Winterteil 78v. Prov 22v: Es seind ja die Kirchen im Teutschland mit so vil guts versehen / daß zur besserung der nohtwendigen Kirchendienst gnug sein möchte / wenn der will und Fleiß bey uns were / dass man es der Kirchen zugut anlegen wolt / was man etwan zu ubrigem welt pracht verschwendt / unnd wenn man die billiche teilung hielte / dass die Empter in der Kirchen / so Mühe und Sorg haben / auch Ehr und Belohnung hetten / und nicht also zugieng / dass man das gutt und die belohnung auff einen hauffen / und die arbeit auf einen hauffen scharret. Wer die Reichthüme und die belohnung ereilet / der hat kein mühe / und kann wol ohn sorg müssig gehen: Wem aber die arbeit geredt / der muß dabey Armut und Hunger erleiden. Jedin – Moeller – Skalweit, Probleme der Kirchenspaltung im 16. Jahrhundert (Regensburg 1970) 59-60. Vgl. Goertz, Antiklerikalismus und Reformation 115-119.
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nie prangert er die Misswirtschaft bei der Ämtervergabe an: Aber ist jrgent ein schädlicher unfleiß in der Christenheit / ist jrgents ein gifft / dz verdammung vieler Seelen / verwüstung unsers H. Christen Glaubens wirckt / so ists der verflucht unfleiß unser Oberkeit in kiesung der Kirchendiener. Die zur Vergabe der Kirchenstellen berufenen Kirchenpfleger (Collatores) sollen geeignete Personen bestellen. Statt dessen betrachten sie die Kirchenvermögen nicht als Patrimonia martyrum, & donaria fidelium & devotorum hominum, die zum Besten der Gemeinde zu verwalten sind, sondern halten es mit den Kirchengütern so unrecht und lästerlich und entziehen das Vermögen für eigene Zwecke, so dass sich für eine derart brotlos gewordene Stelle niemand mehr finden lässt. Notae ecclesiae Zu den Notae ecclesiae vermissen wir bei HELDING eine deutlichere Betonung der Una Sancta, die nur aus dem Kontext ableitbar wird. Zu der mittlerweile beträchtlichen Zahl an Christen, die der Alten Kirche nicht länger angehören wollen und sich bereits in neuen Gemeinschaften organisiert haben, erfahren wir nichts.329 Tatsächlich betrachtete sich vor Trient jeder Teil (Altgläubige wie Protestanten) als die eine wahre von Christus eingesetzte Ecclesia und den anderen Teil als von ihr abgefallen. Daher bestand noch kein Grund, die theologischen Positionen des anderen Teils völlig zu ignorieren, denn theoretisch und auch in der Hoffnung des Predigers HELDING hätte das angestrebte allgemeine Konzil aus damaliger Sicht immer noch die getrennten Teile zusammenführen können. Die Kirche ist auch die katholische, weil sie zu allen Zeiten an allen Orten besteht. Christus hat ihr sein heiliges Wort und die Kraft der Sakramente übertragen. Diese Verheißung Christi an seine Apostel (Mt 28,19-20) wird nach HELDING vom Teufel bekämpft, der ständig eine Vielzahl von Häresien anstiftet. Dass die Sakramente in Misskredit geraten, weil der Ausspender durch seinen schandbaren Wandel oder durch einen abweichenden Gebrauch das Vertrauen der Gläubigen verliert, scheint HELDING immer wieder zu bewegen. Ebenso beklagt er Gewaltakte von abgefallenen gegenüber den der Kirche treu gebliebenen Gliedern. Wer sich der neuen Lehre nicht anschließen wolle, müsse oft Verfolgung erleiden.330 Für HELDING stehen Luther, den er nirgends nennt, und die Wortführer der Protestanten als Häretiker eindeutig außerhalb der 329 330
Döring, Art. Notae Ecclesiae: ³LThK 7 (1998) 918-921: Una, universalis, sancta, catholica, apostolica ecclesia. Cat 24v.
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Kirche, wie er alle, die die wahre Lehre verfälschen, mit dem Teufel im Bunde sieht.331 Wer sich durch Spaltung in der Glaubenslehre und einen abweichenden Sakramentengebrauch selbst aus der Kirche begibt, ist nicht einmal mehr ein dürres Glied am Leib Christi. Er bezieht sich dabei auf Augustinus, der bereits bis auf seine Zeit 88 Ketzereien gezählt habe, deren jede das wahre Gotteswort zu besitzen behauptete. Aber keine dieser Lehren konnte die Universalitas in Anspruch nehmen und obwohl sogar die Mehrheit der Christenheit damals dem Arianismus zuneigte, fehlte es diesem zuletzt am Nachweis, in der Kirche immer und überall gelehrt worden zu sein.332 An anderer Stelle zählt HELDING Arius zur Gruppe von Häretikern wie Novatianus, Sabellius, Donatus und Pelagius von denen jeder für sich die richtige Auslegung des Gottesworts in Anspruch zu nehmen glaubte.333 Ob er zu diesem Zeitpunkt die zeitgenössischen Neuerer im Reich noch für ein überwindbares Phänomen hielt, kann auch bereits bezweifelt werden, denn deren Rückkehr in die Kirche erhofft er nur mehr durch Gottes Barmherzigkeit. Woher soll die richtige Auslegung gewonnen werden? Das wahre Zeugnis für die rechte Lehre bieten nach HELDING Schriften der Kirchenväter, die er in jeder Hinsicht für authentisch ansieht. Die Institutio zählt an unterschiedlichen Stellen Clemens, Dionysius Areopagita, Cyprian, Origenes, Tertullian, Hieronymus, Basilius, 331
332
333
Ebd: Wer von sich behauptet: Hic est Christus, nur er vertrete die wahre Kirche und besitze Gottes Wort rein und lauter, steht außerhalb der katholischen allgemeinen Kirche. Und Cat 45v: Gott wölle allen jenigen wehren / die die Warheyt widerfechten / und füren falsche lehr / die eins verkerten Sins seind / und jrrig am Glauben / uff das sie fürthin nichts außrichten mögen in der Christenheyt / Sonder das jre thorheit und betrug bekandt und offenbar werde vor der gantzen Welt. Cat 24r-25; Drobner, Art. Vinzenz von Lérins: ³LThK 10 (2001) 798-799: Es fehlte am Kriterium semper ubique nach der Denkschrift (commonitorium) des hl. Vinzenz von Lerinum. Cat 25v: Erhebt sich ein zanck uber einer lehre / so sihe was in den selbigen Artickeln allezeit unnd an allen orten der Christenheit sey gelehrt worden / so findest du die warheit. Entstehet ein zweiffel uber einem Sacrament / sihe darnach / wie es allzeit und an allen orten in der Christenheit ist gehalten worden / so findest du die warheit. Wie aber zu jeder zeit und an allen orten sey gelehrt und gehalten worden in der Christenheit / von der auffart Christi biß auff diese stund / des haben wir ware ungezweiffelte / gewisse zeugniß auß den büchern deren / die zu jeder zeit in der Kirchen Christi gelebt / regiert / und gelehrt haben. Wir wissen ankunfft und ordenung / wie die Apostel nach Christo / und nach den Aposteln andere fromme gelehrte Menner gelebt / gelehrt / und gehalten haben / zu jederzeit in der Kirchen. An dieser beweisung mangelt uns nichts. Dieses ist uns auch ein unbeweglich zeugniß wider alle neuerung und sonderung aller Ketzer / wissen uns ohn fähl bey der gemeinen Kirchen zu halten. Cat 25v: Williams, Art. Arius: ³LThK 1 (1993); Vogt, Art. Novatian: ³LThK 7 (1998) 938-939; Kannengießer, Art Sabellius: ³LThK 8 (1999) 1407-1408; Kriegbaum, Art. Donatisten: ³LThK 3 (1994) 332-334; Wermelinger, Art. Pelagius: ³LThK 8 (1999) 5-9.
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Chrysostomus, Ambrosius, Augustinus und Theophylact auf. Die Tradition als eigenen Prozess spricht HELDING in diesem Zusammenhang nicht explizit an und äußert auch keinen Zweifel an der Qualität der Überlieferung. Seine Auffassung löst deshalb auch Einwände bei Gegnern aus. Flacius Illyricus hält ihm im Hinblick auf den Areopagiten entgegen, es hätten doch schon andere wie Lorenzo Valla334 und Erasmus (in den Annotationes) darauf hingewiesen, dass die Annahme einer direkten Tradition vom Apostel Paulus auf Dionysius nicht standhalten würde.335 Zusammenfassend ist auf HELDINGS häufige Verwendung des Communiobegriffes hinzuweisen, der jedem Getauften seinen Platz in der Gemein Christi zuweist, in der alle Glieder von den größten Heiligen bis zu den ärgsten Sündern (so sie bußwillig sind) vereint sind. Auch die Sünder verdienen die Liebe ihrer Mitgläubigen. Der Sünder bedarf der Ermahnung und Ermunterung durch seinen Nächsten. Jeder aber ist Teilhaber an den Gnadengaben.336 HELDING beschreibt sein Ideal von Kirche als Gemeinschaft derer, die mit ihrem Stand und den verliehenen Gnaden zufrieden sind.337 Wer besondere Gaben besitzt, soll sie den anderen brüderlich zur Verfügung stellen. Jeder enthalte sich der Kränkung und Verletzung des anderen und vermeide den Zank und die Spaltung, ja fördere vielmehr dessen Wohl und Nutzen. Zur gelebten Brüderlichkeit gehört es, den Nächsten vor Sünden zu bewahren. Keiner aber, der sich selbst für sündenfrei hält, solle den Sünder deshalb verachten.
2.2.5. Sündenvergebung Die beiden letzten Glaubensartikel der remissio peccatorum und der carnis resurrectio eröffnet HELDING mit der überraschenden Frage, warum Gott die Menschen erschuf. Die Antwort: Gott wollte Mitgenossen, an denen er seine Gnade erzeigen könne. Wem sonst sollte Gott seine reiche allmächtige Güte erweisen? Dafür war der Mensch zur ewigen Se334
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Hoeges, Art. Valla, Lorenzo (1407-1457): LMA 8 (1997) 1392-1393. Zu Vallas Dionysius-Kritik: Meinhardt, Dionysius Areopagites: LMA 3 (1986) 1079-1087, hier 1087; Ritter, Dionysius Areopagita im 15. und 16. Jahrhundert 152-154. Widderlegung der Missa Hv-Hijv. Institutio 51 (mit dem Randvermerk 1 Kor 12,13): Etenim in uno spiritu omnes nos in unum corpus baptizati sumus, sive Iudaei, sive gentiles, sive liberi, sive servi: & omnes in uno spiritu vocati [Vg: potati] sumus [Erasmus, Novum Test. : et omnes unum spiritum hausimus], inter quos velut unius corporis membra, rerum omnium est communio, qui bona malaque, secunda & adversa, invicem ferimus, & alter alterius onus sustinemus, sic adimplementes legem Christi. Hier leuchtet wieder HELDINGS persönliches Ordnungsdenken durch.
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ligkeit bestimmt, bevor er diese verspielte und nun auf die Barmherzigkeit und Gnade Christi zur Erlangung des Seelenheils angewiesen ist. Die Sündenvergebung ist der besondere Vorteil, den die Kirche Christi für den Sünder bereithält. Mit dieser einer werblichen Anpreisung gleichkommenden Ankündigung eines exklusiven Gnadenbesitzes zeigt HELDING den Unterschied zum Akt des Verzeihens in der Welt auf. Auch die Welt kann Strafen erlassen, jedoch bleibt der Makel haften. Dagegen wird die Sünde durch die Vergebung gänzlich weggenommen: Das Opfer Christi wäre umsonst gewesen, hätte der Mensch dadurch nicht den Schlüssel zur Sündenvergebung erlangt. Darin ist auch die Vergebung der Todsünden eingeschlossen, soferne der Sünder gebührend Buße tut. Davon ist nur eine Sünde ausgenommen, nämlich der Unglaube. Wer nicht auf Gnade und Vergebung hofft und daran glaubt, begeht eine Sünde wider den Heiligen Geist und wird in seinem Mutwillen und seiner Verstocktheit der Verdammnis anheim fallen.338 Diese Vergebung der Sünden gewinnt man nur innerhalb der Kirche durch Reue und Selbsterkenntnis. Nur durch den Gebrauch ihrer von Gott verordneten Mittel findet Sündenvergebung statt.339 An dieser Stelle des Symbolum will der Prediger dem Irrtum begegnen, der Mensch sei in seiner Schwachheit völlig außerstande, sündenfrei zu bleiben. Der durch die Taufe erneuerte Mensch ist durch die Kraft des heiligen Geists wohl kräftig genug, wenn er nur seinen Willen darauf richtet, sich vor einer Todsünde zu bewahren. Der Prediger gesteht indessen zu, dass der Mensch wegen der verbliebenen Gebrechlichkeit immer wieder in Sünde fallen wird, wofür die Kirche auch täglich das Mittel der Vergebung bereithält. Nur soll man auch diese Sünden nicht anhäufen, sonst erreichen sie die Schwere einer Todsünde. Er fügt die Mahnung an, den Entschluss zur Umkehr nicht von einem Tag auf den anderen zu verschieben.
2. 2. 6. Auferstehung Den letzten Artikel der Verheißung von Auferstehung im Fleisch und eines ewigen Lebens stellt HELDING in einen größeren kulturhistorischen Kontext. Schon immer habe der Mensch, auch Heiden und Ketzer, an ein Leben nach dem Tode geglaubt und der Gedanke sei nicht erst bei den Christen aufgekommen. Zwar habe es immer wieder gegenteilige Meinungen gegeben, aber die Mehrzahl der Weisen habe 338 339
Cat 30v. Cat 29-30: Zum Bußsakrament siehe unten 2. 5. 4.
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aus den Eigenschaften der Seele auf deren Unsterblichkeit geschlossen. Sie bedarf keines weiteren Beweises für HELDING , zumal viele heidnische Völker diesen Glauben teilen. Die Auferstehung des Fleisches aber entnimmt er dem Zeugnis der Schrift. Der Leib wird zwar eine andere Existenz aufweisen, aber es wird der individuelle Leib sein, der sich in neuer Form mit der unveränderten Seele vereinigt. Zweifeln hält er die billiche Gerechtigkeyt Gottes entgegen, dass auch der Leib an der ewigen Freude teilhaben müsse, habe er doch genauso wie die Seele in Gottes Dienst und nach seinem Willen gearbeitet.340 Begräbniskult, Opfergaben und Totenverehrung geben davon Kunde, wenngleich den Völkern für eine einhellige klare Vorstellung vom Wesen dieses neuen Lebens das göttliche Licht der Erkenntnis fehlte.341 Im christlichen Glauben, der ebenfalls diese Unsterblichkeit der Seele lehrt, tritt als wesentliches Merkmal hinzu, dass der Leib aus der Erde342 wieder auferstehen und verbunden mit der Seele ewig existieren werde. Der Apostel Paulus (1 Kor 15) macht den Glauben an die Auferstehung Christi zum Angelpunkt des Glaubens. Die Auferstehung Christi sei der Beweis für die Auferstehung im Fleisch. Wer dies nicht glaubt, verfehlt den Christenglauben. HELDING zeigt auch hier eine Neigung zur rationalen Durchdringung des Glaubensgeheimnisses und geht auf die Frage ein, wie ein verwesender Leib wieder erneuert werde. Schon Paulus und andere Lehrer haben Exempel aus der Natur geliefert: Das in die Erde gesäte Samenkorn verfault zunächst äußerlich, um nach geraumer Zeit in neuer Form zu ergrünen.343 Der Zeitpunkt der Auferstehung wird der Tag des Herrn sein, der unerwartet, wie ein Dieb bei Nacht, die Menschen überraschen wird. Die in Christo Verstorbenen werden ihren Leib mit aus den Gräbern nehmen. Der zu erwartenden Frage nach der Art der Leiblichkeit kommt HELDING zuvor: der Leib wird ein verklärter Leib sein, der keine Spuren von Gebrechlichkeit und Verwesung an sich trägt. Wir werden mit dem Leib auferstehen, den 340 341 342 343
Cat 32v. Cat 31v. Cat 32: auß der Erden; Institutio 43: …in novissimo die de terra surrecturus sum. Cat 33r: Das zweite Beispiel geht von den unsichtbaren Kräften der Erde aus. Item du kompst uber ein Grab / da vorhin ein Mensch in gelegen ist / unnd sihest nichts dann Erden / findest da kein fleisch / und sprichst: Wie sol wider fleisch auß der Erden werden / Ich sihe da nichts dann Erden: Antwort: Du bist auch nit der Meister / der es sehen und machen sol. Wann du uber ein Ertzgrub kompst / so sihestu auch nichts dann Erden / Aber ein erfarner Meister sicht inn der Erden Goldt / Silber / Kupffer / Bley / und er kan es darauß bringen / da du nichts dann Erden sihest. Also kann Gott der Herr auß der Erde / auß dem wasser / und allenthalb die verwesene Leib der Todten zusammenziehen / unnd ein jeden Menschen wider mit seim Leib bekleiden. Darumb ist die beste beweisung / dabei wir die Ufferstehung der verwesenen Corper glauben mogen / wann wir gedencken / das Gott / der sie aufferwecken wirdt / allmechtig ist.
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wir jetzt an uns tragen, doch wird er von anderer Art sein. Dem selig in Gott Verstorbenen werden auch die Freuden des Leibs wieder zuteil.344 Daraus folgt allerdings, dass sich Leib und Seele auch in der ewigen Verdammnis vereinigen. Eschatologische Splitter In zwei frühen Predigten345 geht HELDING auf den Tag des Herrn, der zweiten Zukunft Christi, näher ein.346 Während er in der ersten die vorausgehenden Zeichen am Himmel, auf dem Meer und auf der Erde nach dem Wort der Hl. Schrift (Jes 13,10; Zef 1,14-18) aufzählt, sieht er im darauffolgenden Jahr in einer, wie er selbst betont, geistlichen Deutung schon Vorboten der Endzeit: Christus, die Sonne der Gerechtigkeit, ist bei vielen verdunkelt oder erloschen, der Mond, der für die Kirche steht, hat den früheren Schein und seine Zierde eingebüßt. Täglich würden viele, die zuvor in der Lehre und in ihrem Leben glänzten, wie die Sterne vom Himmel, d. h. aus der Kirche, fallen. Es drängt sich der Schluss auf: der Tag ist nahe. Die dann Lebenden werden nicht mehr durch den Tod hindurchgehen, sondern direkt entrückt werden. Diese heißen in HELDINGS Interpretation von Paulus (1 Thess 4,17) vivi, die Lebendigen, weil ihre Verwandlung ohne Wehe, ohne Verlängerung der Zeit, ohne Begräbnis, in einem Augenblick sich vollzieht. Dieser Artikel soll nicht nur in Todesnot, sondern in jeglicher Trübsal und physischer Anfechtung Trost gewähren.347 Zum Ende seiner Auslegung des Symbolum, das er als einen Abriss der ganzen Glaubenslehre betrachtet, ruft der Prediger dazu auf, in diesem Bekenntnis fest zu verharren und einen guten Kampff zu streyten.348
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Cat 32v: Und hergegen / weil der Leib eines Gottseligen menschen / auch inn Gottes Dienst unnd Willen arbeitet eben so wol als die Seel / so erfordert es die billige Gerechigkeyt Gottes / das der Leib ewige Freude so wol geniessen sol und geniessen wirdt als die Seel. Postilla, De tempore, Winterteil 7v-10v; 10v-12r: jeweils 2. Adventsonntag 1535 und 1536. HELDING spricht von zweierlei Advent: der Geburt Jesu und dem Tag des Herrn. Cat 33v-34r: HELDING führt dazu eine Hymnuszeile aus dem Liber Apotheosis des Prudentius an: Pellite corde metum mea membra et credite vosmet cum Christo redditura Deo (CCL 126 [1966] 1080-1081). Cat 34v.
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2.3. Auslegung des Herrengebets Im nächsten Schritt setzt sich HELDING mit dem Herrengebet auseinander. Eingangs geht er auf die Art und Weise des richtigen Betens ein und korrigiert die Auffassung der Neuerer, Christus habe vorgegeben (Mt 6,6), nur im Geheimen zu beten.349 HELDING fragt, wie es trotz der vielen Bitten an Christus komme, dass Jammer und Unglück nicht weniger werden. Nicht jeder Wunsch ist wert, erhört zu werden. Wer sich Reichtum, den Tod seiner Feinde, Unrechtes und Unbilliges, das dem eigenen Seelenheil abträglich ist, erbittet, darf keine Erfüllung erwarten. Zeitliche Güter zu erbitten, ist nur dann angebracht, wenn diese dem ewigen Heil dienen. Das Gebet allein bewirkt aber nichts, wenn es nicht in der rechten Weise geschieht. Haltung und Ausdruck zeigen an, ob der Beter mit dem Herzen oder bloß mit dem Mund bei der Sache ist. So nützlich das private stille Bitten auch ist, es ersetzt nicht das Gebet in der Kirche, vor allem nicht das gemeinsame Gebet.350 Die rechten Worte gibt Christus selbst vor und wer mit diesen Worten sein Gebet spricht, wird wohl von Gott gehört werden, soferne er die rechte Einstellung aufbringt. Der Prediger knüpft die rechte Gebetsweise an drei unabdingbare Eigenschaften: die drei eingegossenen Tugenden Glaube, Hoffnung und Liebe. Ohne Glauben kommt das Bitten nicht bei Gott an. Ohne die Hoffnung, das Vertrauen in die Verheißungen, und ohne die Liebe zu Gott und zum Nächsten, die das Herz des Betenden ergreift, wird das Gebet keine Erhörung finden.351 HELDING liefert nunmehr eine schrittweise Wortanalyse und Auslegung der sieben Bitten in zehn Abschnitten:
2.3.1. Vatter unser / der du bist im Himel. Mit dem Wort Vater schlagen wir eine Brücke des Vertrauens, die uns den Mut gibt, Gott persönlich anzureden. Dem Vater als unserem Schöpfer wollen wir Ehre erweisen und dies geschieht durch den Ge349 350
351
Cat 38v: Nach HELDING ist cubiculum als Kammer des Herzens zu verstehen. Ebd.: Da kan ich nit underlassen / unsern leidigen missbrauch zu strafen / das wir zum gemeinen gebett so abscheuhig und gantz unfleissig seind / Wann wir ein gantze stund in einer predig gestanden sein / so bald der beschluß kompt / das man spricht: Last uns bitten fur das anligen einer gantzen christenheit / so pfludert man mit hauffen auß der Kirchen / und sein gar wenig / die des gemeinen Gebets erwarten wollen. Cat 38r: Ähnlich schon Friedrich Nausea, der in seinem Catechismus catholicus dem Symbolum den Glauben, den Sakramenten die Hoffnung und dem Dekalog die Liebe voranstellte (Vgl. Moufang, Mainzer Katechismen 1877/2, 630-634). Auch Erasmus machte das Liebesgebot zur Bedingung für die Gesetzeserfüllung (Padberg 116).
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horsam gegenüber seinen Geboten.352 Ferner erinnert uns nach HELDING das Wort Vater daran, dass wir die Züchtigung und Strafen, die Gott über uns verhängt, geduldig ertragen sollen. Gott als himmlischer Vater steht über dem leiblichen Vater und im Gehorsamskonflikt gebühre Gott der Vorrang vor den leiblichen Eltern. Das wie im Griechischen nachgestellte Possessivum unser erinnert an die Brüderschaft mit allen Menschen, auch mit den Heiden. Friede, Liebe und Freundschaft sollen unter den Brüdern herrschen. Keinen Hass und keine Verachtung dürfte es unter Brüdern geben, sondern sie sollten einander Gutes tun. Wenn dieser Bruder höheren Standes, von Adel, ist, sollen wir ihm die Standesehre zubilligen und umgekehrt soll jener nicht auf den Bruder niederen Standes herabsehen, sondern in den Herzen soll eine Gleichheit herrschen. Wer Amtsgewalt besitzt, soll eingedenk sein, dass er diese von Gott hat und die von ihm Abhängigen seine Brüder sind. Himmel ist der durch nichts begrenzte Ort, an dem wir dereinst versammelt werden, um Gottes Wesen in voller Freude anschauen zu dürfen. HELDINGS rationaler Sinn gewinnt dem Wort auch eine geographische Komponente ab, indem er Gott vom Himmel aus den besten Überblick über die Nöte der Menschen haben lässt und Gott von dort Regen und Sonne für das Fruchtwachstum auf die Erde herabsendet.
2.3.2. Geheiliget werde dein Name. Nach dieser Anrede folgt die erste der sieben Bitten, die sich im Grunde an die Mitmenschen richtet, der Name Gottes solle heilig gehalten werden. Immer besteht die Sorge, Menschen würden in ihrer Hybris den Namen Gottes verunehren. Dem Namen Gottes solle keine Schmach und Schande angetan werden, was durch jegliche Abkehr von den Artikeln des heiligen Glaubens in Wort und Tat hervorgerufen würde. Es ist ein Appell an den Hl. Geist, die wahre Lehre in den Christen zu festigen, falsche Lehre zu zerbrechen und den Aberglauben aus den Herzen der Menschen zu entfernen. Den Schandschwätzern, die mit dem Gottesnamen Schindluder treiben, ihn sogar zum Betrug missbrauchen, mögen ihre Mäuler gestopft werden. HELDING bringt noch einen weiteren Aspekt ins Spiel: Der Name Gottes wird auch durch den Wandel und die Werke seiner Gläubigen geheiligt. Wenn diese durch ihr unzüchtiges Verhalten das Ansehen Gottes bei den Ungläubigen herabwürdigen, trifft diese Schmach die ganze Christenheit. Dass dies nicht weiter geschehen möge, ist das Ziel dieser ersten Bitte. 352
Cat 40v.
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2.3.3. Zukomme dein Reich (!) Die zweite Bitte des Herrengebets ist der Wunsch, das angekündigte Reich Gottes möge bald anbrechen.353 Zwar wissen wir, dass Gott als König der ganzen Welt über die Völker herrscht. HELDING bemerkt dazu, dass Gott es im äußeren Reich unserer Sünden wegen ziemlich arg zugehen lässt, so dass man meinen könnte, er sei abwesend und habe das Regiment sogar dem Teufel überlassen.354 Diese deistische Klage ist auf die Verhältnisse im realen Reich in deutschen Landen gemünzt, in dem die Kirche offensichtlich unter der Gottesferne zu leiden hat. HELDING weiß wohl, dass die Gebetsbitte ein geistiges Reich Gottes meint, kann sich in diesem Zusammenhang aber nicht von den kontrafaktischen Gegebenheiten in der realen Welt freimachen. In dieses Reich gelangt man nur durch den Glauben und die Taufe. Das Reich Gottes solle am Ende die ganze Welt durch das Hinzutreten der Ungläubigen und des jüdischen Volkes umfassen. Und Gott möge alles abwenden, was das Reich behindere, nämlich Ketzerei und falsche Lehre, und er möge all denjenigen wehren, die die Wahrheit anfechten, eine falsche Lehre vertreten, eines verkehrten Sinns und irrig im Glauben sind.355 Diese Gebetsmeinung zu den falschen Lehren und der Verführung der Christen, zu den schrecklichen Folgen von Krieg und Gewalt, Krankheit, Elend und Jammer gibt uns auch einen Einblick in die Seelenlage des Predigers. Auf welche konkreten Verhältnisse HELDING hier im Sommer 1542 anspielt, können wir nur vermuten.356
2.3.4. Dein Will werde / wie im Himel / also auch auff Erden. Dem impliziten Wunsch der vorigen Bitte, Gott möge die ganze Welt an sich ziehen und über alle walten und herrschen, damit Sünde und Bosheit ausgemerzt und dafür Gerechtigkeit und Heiligkeit gepflanzt werden, steht nach HELDING der Fürst dieser Welt, Satan, entgegen. Er bedient sich unser verderbten natur, die zur Sünden auß sich selbst ge353 354 355
356
Cat 44v: Gottes Reich im Himmel heißt aeterna beatitudo, in der nur Freude herrscht. Ebd.: Unter dem Teufel regieren Falschheit, Betrug und Ungerechtigkeit die Welt. Cat 45v. So bitten wir, er wölle alle Secten und falsche lehr auß seiner Christenheit außreuten / welchs zu unser zeit ein uberauß nötig bittens ist. Jtem wir bitten / das Gott alle gewaltigen der welt straffen und zerbrechen wölle / die jr macht zur verderbung und verdruckung der heiligen Kirchen Gottes / und zur zerstörung unsers Heiligen Christen Glaubens wenden / denen wölle Gott jre Bogen zerbrechen / und jre Waffen zu nit und unnütz machen / und jre Schildt mit fewer verbrennen / wie Ps. 45 stehet. An äußeren Gefahren war 1542 sicher die Türkenbedrohung relevant, im Reich selbst die immer auch von Gewalt begleitete Durchsetzung des neuen Glaubens, die den Landfrieden ständig in Frage stellte, wie z. B. die Spannungen um Köln und Kleve.
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neigt ist, um sein Reich aufzurichten. Daher richtet sich die Bitte an Gott, die Gnade und Stärke von oben herabzusenden, damit auf Erden keiner erfunden werde / der do anderst handle / dann wie dein heiliger Will ist. Darin liege keine vermeintliche Einschränkung von Gottes Allmacht und Willen, wie HELDING einleitend erklärt, sondern das Anliegen, die im Himmel reichlich vorhandenen Gnaden mögen auch auf die Gedanken, Worte und Werke der Menschen auf Erden einwirken, so dass jeder nach dem Willen Gottes handle. Und er ergänzt dazu die Meinung etlicher, die diese bitt fein deuten: Der Mensch ist aus zweierlei Substanz, er ist aus Geist und Fleisch gemacht. Der Geist entstammt dem Himmel, das Fleisch der Erde. Der Geist, der innerliche Mensch, sei wohl gesinnt, Gottes Gesetz und Willen zu wahren, das Fleisch hingegen als die triebhafte Materie lehne sich gegen Gottes Willen und Gesetz auf und müsse erst vom Geist unterworfen werden.357 Die Bitte gehe daher dahin, durch die Gnade den Geist hiezu zu stärken. Dann werden Unkeuschheit, Unreinheit, Unzucht, Geilheit, Abgötterei, Zauberei, Hader, Neid, Zank und Zorn der Liebe, Freude, Frieden, Geduld, Milde und Keuschheit weichen müssen.358 Eine letzte Auslegung HELDINGS zur dritten Bitte des Herrengebets will daran erinnern, dass jeder seine Gaben von Gott in unterschiedlicher Art erhielt und sich daher in seinem Stand, zu dem ihn Gott berufen hat, begnügen soll. Nicht das eigene Begehren, sondern der Nutzen für die Gemeinschaft ist maßgeblich. Nur so wird die Gesellschaft in einem ruhigen Stand erhalten. Darin finden wir HELDINGS klar konturiertes und definiertes Gesellschaftsmodell.
2.3.5. Unser täglich Brot gib uns heut. Die höchste Sorge soll nicht dem Leib, sondern der Seele gelten. Diese bedarf der geistlichen Speise, dieses Brot ist das Wort Gottes. Der sterbliche Leib beschwert die Seele, die deshalb ohne Unterlass mit dem Wort Gottes gestärkt werden muss. Ein anderes geistliches Brot ist der im Sakrament gespendete wahre Leib und das wahre Blut Christi. Dieses soll man täglich genießen, da dieser Brauch aber offenbar nicht mehr Gewohnheit ist, appelliert der Prediger, es täglich am Altar wenigstens im Geiste zu begehren. Davon handelt HELDING ausführlicher in den Eucharistiepredigten. 357
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Man könnte hier einen dualistischen Ansatz wie im rabbinischen Sprachgebrauch herauslesen, wonach die Seele des Menschen vom Himmel, sein Leib von der Erde stamme (Seebaß, Art. Fleisch: ThBLNT [1993] 343). Cat 48r: Unter Anführung des Lasterkatalogs von Gal 5,19-21; vgl. Röm 1,29.
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Das übliche Verständnis dieser vierten Bitte ist allerdings materieller Natur und gilt den Nöten des zeitlichen Daseins. Dazu gehört das Flehen um gutes Wetter zum Gedeihen der Frucht, um Frieden, um Kleidung, die Bitte um Abwendung aller Gefahren für den Nahrungserwerb, wie Unwetter, Krieg, Wucher, falscher Vorkauf. Da wir letztlich alles dem Segen Gottes verdanken, solle diese Dankbarkeit vor und nach der Speise bekundet werden. HELDING gibt seiner Predigt auch eine ethische Richtung. Die Christen sollen das tägliche Brot redlich mit ihrer Hände Arbeit verdienen. Unser Brot bedeutet, dass die Nahrung auf alle Hungrigen zu verteilen ist und nicht Geiz, Betrug, Raub, Diebstahl gerade den Armen um sein Brot bringen dürfen. Auch den Luxus mancher und die Vergeudung der Nahrungsmittel spricht der Prediger an.359 Hier hat HELDING , der sich zeitlebens seiner eigenen Not erinnerte, realistische Einblicke in das gesellschaftliche Umfeld gegeben. Eine hier angeschlossene weitere Bitte erfüllt den heutigen Leser eher mit Verwunderung. Unter Berufung auf 1 Tim 6,7 und Mt 6,19 rät der Prediger davon ab, auf lange Sicht vorzusorgen. Schließlich wisse man nicht, ob man dann noch am Leben sei. Vor allem sei solche Fürsorge unstatthaft, weil sie zu viele Sünden hervorrufe.360
2.3.6. Erlaß uns unsere Schulden / als wir erlassen unsern Schüldigern HELDING sieht diesen Satz als eine auflösende Bedingung an. Auf unsere Bitte hin wird uns auch eine schwere Sünde von Gott nachgelassen. Dieses von Christus für uns erworbene Verdienst setzen wir leichtfertig aufs Spiel und zeigen uns einer solchen Wohltat Gottes unwürdig, wenn wir diese Bedingung ignorieren. Nur wenn wir die Gabe der Verzeihung besitzen und aus vollem Herzen einem anderen vergeben, wird Gott auch unserer Vergebungsbitte endgültig willfahren. Ohne selbst zu verzeihen, kann niemand Verzeihung erlangen. Fällt einem diese Verzeihung auch schwer – und hier zeigt HELDING die Einfühlung eines Seelsorgers – bemüht er sich aber ernstlich darum und ruft Gott um Beistand an, dann wird auch ihm die Gabe der Vergebung zuteil werden.
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Cat 50r: Brot ist im Lande ohne große Mühe herzustellen, das ist zu spott denen gesagt / die mit jhrer mühe und sorg biß inn ferre frembde Lande außreisen / allein darumb / das sie etwas sonders zu essen haben / und jhren bauch mit köstlichen speisen füllen / gehet jhnen grosse mühe unnd kosten darauff / biß sie jhr Kaat auß edlen Würtzen unnd Speisen samblen / Darneben aber muß der Arm (!) erhungern / was wir vergeuden. Cat 50r.
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Eine Ausnahme muss er in diesem Zusammenhang seinen Zuhörern deutlich machen: Dies kann nicht für die Organe der Rechtsprechung gegenüber dem Beschuldigten gelten. Wer als Ankläger, Richter oder Exekutor das gemeine Recht vollzieht und allein der Gerechtigkeit verpflichtet bleibt, ist dieser Bedingung nicht unterworfen.
2.3.7. Und füre uns nicht in versuchung Die sechste Bitte handelt davon, dass dem Menschen immer Widrigkeiten widerfahren, weil er von Gott auch geprüft wird. Davon geben die Märtyrer Kunde, die für ihr Erdulden reichen Lohn erhielten. Aber Gott züchtigt uns auch für unsere Sünden mit zeitlichen Strafen, damit wir den ewigen Strafen entgehen. Sich dagegen zu wenden, wäre nicht in unserem Interesse. Daher bedeutet die Bitte HELDING zufolge, dass uns Gott die Kraft schenken möge, dieses Leid zu ertragen. In erster Linie sind wir jedoch der Versuchung durch das Böse ausgesetzt. Wen Gott versucht, den will er heilen oder krönen, der Teufel versucht uns zum Bösen zu verleiten. Und doch ist auch er nur Werkzeug innerhalb der ihm gesetzten Grenzen. Die Waffen und Mittel des Menschenfeinds sind vielfältig und nutzen die Neigungen der schwachen menschlichen Natur aus, um sie zu Fall zu bringen. Wohl mag Gott sich des Teufels bedienen: Aber nur der, der sich nicht dagegen wehren will, bleibt ohne Hilfe. Wer Gott anruft, kann nicht überwunden werden.361
2.3.8. Sonder erlöse uns vor ubelem Die Welt ist voll von Unheil, Unglück und Bosheit. Mit dieser drastischen Zuspitzung einer überraschend negativen Weltsicht leitet der Prediger zur siebenten und letzten Bitte über. Kraft seiner Allmacht möge uns Gott in seiner Güte und Barmherzigkeit vor allen Übeln in dieser bösen Welt bewahren. Die Bitte ist auch auf dem Hintergrund von HELDINGS Feststellung zu sehen, dass er wie manche andere die Zerrüttung in der Religion und die Türkenbedrohung als eine kollektive Strafe deutet, die der Kirche im Reich auferlegt ist.
2.3.9. Engelischer Gruß Im Anschluss leitet HELDING zum Ave Maria über, das seit dem 11. Jahrhundert gemeinsam mit dem Credo und dem Herrengebet zum unaufgebbaren Bestand des Christenglaubens als recepta consuetu361
Cat 53r.
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do gehört.362 Die Mariologie wurde schon im Credo zu Empfängnis und Geburt Jesu mit der Formel natus de spiritu sancto ex Maria virgine gestreift. Die Verehrung der hl. Jungfrau darf aber nicht zur Idolatrie werden. Es gibt nach HELDING auch Christen, die in ihrer übertriebenen Sorge vor Abgötterei und einer Schmälerung des Mittleramtes Christi die intercessio sanctorum überhaupt ablehnen und dabei auch der Tradition zuwider den Engelischen Gruß entfallen lassen. Der Prediger legt Wert darauf, nicht von Gebet, sondern von Gruß und Lobpreis Mariens zu sprechen.363 Und um diese Auffassung noch zu untermauern, hält HELDING ein Plädoyer für den Dank an Gott, der sich in der Freude über das Erlösungswerk in der Form des Lobpreises der Jungfrau am besten ausdrücken lässt.364 So wie das ganze Evangelium dem Grunde nach nichts anderes als das Werk der Erlösung des Menschengeschlechts einpredigen will, dürfen wir nach HELDING den Eng[e]lischen Gruß als die Summa des gantzen Evangelii rühmen. 2.4. Gesetz und Freiheit – Dekalog Den Übergang zur folgenden Unterweisung des Dekalogs leitet HELDING vom Auftrag ab, an Gott nicht allein zu glauben, sondern auch nach seinem Willen zu handeln. Als ein Summarium aller diesbezüglichen Vorschriften der Hl. Schrift sind die Zehn Gebote der zwei Gesetzestafeln Mose eine hinreichende Richtschnur, den Willen Gottes zu erfahren, nicht zuletzt auch für den Einfältigen, der die Hl. Schrift nicht selbstständig erfassen kann.365 Die Weltweisen würden das ganze Recht in den einen Satz fassen: Ein jeder lasse dem andern widerfahren, was ihm gebührt, dass er keinen andern verletze und dass er selbst ehrbar und gerecht lebe. Gott 362 363
364
365
Heinz, Art. Ave Maria: ³LThK 1 (1993) 1306-1307; Messner, Art. Mariologie im lateinischen Mittelalter: LMA 6 (1993) 245-249. Cat 55v: Obgleich wir wohl nit betten / wann wir den Engelischen Gruß sprechen / so ist es doch Christenlich und wohlgethan / das wir in unserm hertzen Gott loben und preisen / umb alle große Gnade und guthat / die er der verderbten welt / durch diese heiligste Creatur zugetheilt hat. Ebd.: Eine Rehabilitierung des rufgeschädigten Bildes der Frau versucht HELDING ebenfalls: Sol es nit Freud in unsern hertzen bringen / und ist es nit steths dancks werd / wann wir ahn die selige stund gedencken / daran Gott durch mittel eines Weibs / die Welt wider auß dem jamer auffheben wolt / darein der Teuffel auch durch ein weib das ganz menschlich geschlecht gezogen hett. Cat 58r: Gott hat allen seinen willen in Zehen kurtzen gebotten verfast / in denn alle Gebott und verbott auffs kürtzigst eingeschlossen seind / die sonst in Propheten und heiliger Schrifft weitleuffig gehandelt werden. Wer diese Zehen Gebott weiß und helt / dem mangelt an einer gantzen / volkommener gerechtigkeit gar nichts / Er hat wie er in thun und lassen / sich gegen Gott und dem Menschen halten sol.
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aber sagt es noch kürzer aus: Du sollst Gott lieben und den Nächsten wie dich selbst. Diese Gebote sind die Richtschnur, nach welcher der Gehorsame sich am Willen Gottes orientieren kann, sie lassen klar erkennen, was Sünde und Irrtum ist, und erinnern daran, dass nur durch Reue und Buße die eingetretene Strafe aufgehoben wird. Nun meinen manche, diese Gebote der Juden seien für Christen als erledigt anzusehen. Dazu ist für HELDING eine Klarstellung vonnöten. Das Alte Gesetz Mose habe dreierlei bestimmt: einmal die Regeln für Gerichtshändel, sodann den Gottesdienst und die Zeremonien und schließlich die Sittenordnung, die das gerechte Handeln gegenüber Gott und den Menschen lehrte. Von diesem Gesetz seien die beiden ersten Teile nunmehr obsolet, da Christus sie neu geordnet habe.366 Das Sittengesetz sei hingegen weiter in Geltung, mit dem Unterschied, dass nicht die Gottesfurcht den Christen bestimme, sondern die eingegossene Liebe ihn leite, in Freiheit und ohne Zwang diese Gebote zu befolgen. HELDING versucht zu verdeutlichen: Der Gerechte werde das Sittengesetz nicht benötigen, somit ist es nur für den, der auf den Weg der Gerechtigkeit zurückgeführt werden soll. HELDING betont an dieser Schlüsselstelle mehrfach den freien Willen des Menschen. Ein Christ ist etwas mehr als ein Mensch. Denn er hat den Geist Christi in der Taufe empfangen, der ihm hilft, sich von den niedrigen Neigungen zu befreien.367 Der Dekalog ist die Richtschnur für alle Lebensbereiche. Und nicht nur der Leib sündigt, auch Herz und Wille sündigen. Die Gebote sind nicht allein dem Wort, sondern vielmehr dem Sinn nach zu verstehen. Mit dieser Einführung geht HELDING sodann die beiden Tafeln durch. Zuvor will er noch einmal das Bild des Gesetzgebers einschärfen und verständlich machen, weshalb der Mensch den Geboten im eigenen Interesse Folge leisten sollte.
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Cat 59r: Die Rechtsprechung sei heute durch das kaiserliche Recht gegeben, den Gottesdienst habe Christus eingesetzt. Cat 60r. Wirst du nun gefraget / ob Gottes Gebott möglich seyen zu halten: so kanst du antworten / Nach den natürlichen krefften eines menschen / seind sie unmöglich. Dann auß uns selbs vermögen wir nichts sollichs guts / Durch Gottes Gnade und Geist seind sie wol möglich. Deßhalben verfluchen wir / und Anathematiziern alle Pelagianer / die da sprechen / Das wir auß eigen krefften ohn Gottes Gnade / gutes thun / und seligkeit verdienen mögen. Hergegen verdammen wir auch nach rechter wahrer Lehre / alle die da sprechen / das Gottes Gesetz zu halten unmöglich sey / und wollen dasselbig auch von den ernewerten Christen verstehen / die da Gottes Geist haben. Kurtz unnd wahr / Niemand ist auß eigen krefften starck / niemand auß eigener tugend fromb / Aber alle ding vermögen wir durch den und in dem / der uns durch seinen Geist und Gnaden stercket / unser Gott in Christo Jesu unserm Herren.
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2.4.1. Gott der Gesetzgeber Auf zwei verschiedene Weisen gibt sich Gott zu erkennen, als gewaltiger mächtiger Lenker der Völker, dem kein Potentat gleichkommt, als Gott der Stärke und des Zorns und als eifernder strafender Gott. Und zum anderen erkennen wir ihn als Gott der Güte und Barmherzigkeit und der Wohltaten.368 Am Gott, der das Volk Israel aus Ägypten herausgeführt hat, können wir beide Seiten beispielhaft erfassen. Den Christen aber ist er der Gott, der seinen eigenen Sohn zu ihrer Rettung nicht verschonte, und der ihnen ewige Freude verheißt, wenn sie als Gegenleistung die Gebote halten. Diesen Satz unterstreicht HELDING mit den Versen Ex 20,1-17.369 HELDING geht auf den Umstand ein, dass Gott anscheinend nur verbiete, jedoch nichts positiv determiniere. Dies sei indessen kein Manko. Es gelte hier der Umkehrschluss, wo Unrecht verboten werde, sei rechtes Tun geboten. Auch wo Gott spreche, Du sollst nicht andere Götter neben mir haben, sei dies kein Beweis für die mögliche Existenz solcher Wesen, sondern es sei Gottes Gebot, ihn als den einzigen wahren Gott anzubeten.370 Der Schwierigkeit, dem Alten Testament dort gerecht zu werden, wo es von anderen Göttern spricht, sucht HELDING beizukommen, indem er sagt, hier rede Gott in der heiligen Schrift nach Menschenart.371 Es seien stets nur Menschen gewesen, die als erdichtete, erlogene, betrügerische, nichtige Götter angebetet wurden. Verschiedene Formen der Idolatrie und Abgötterei entspringen stets dem Gehirn des Menschen und haben mit Gott nichts gemein. So verwirft Gott den, der sich kraft seiner Weisheit und Geschicklichkeit erhaben glaubt, ebenso wie den, der sein Herz an weltliche Dinge hängt und sein Vertrauen in diese anstatt in Gott setzt. Aber auch derjenige treibt Abgötterei, der sich in pelagianischer Hoffart auf seine from-
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Cat 62r: HELDING möchte dies zumindest für die germanischen Sprachen auch etymologisch sicherstellen und glaubt irrigerweise an eine Ableitung des Wortes Gott von gut. Richtig ist die Annahme einer indogermanischen Wurzel *ghau = anrufen (Der große Duden 7, Etymologie 229 [Mannheim 1963]). Cat 63r: Ich bin der Herr dein Gott / ein Starcker / und ein Eyferer / Ich ersüche die boßheit der Vätter an ihren Kindern / biß in das dritt unnd vierdte Geschlecht / an denen die mich hassen / Unnd thue barmhertzigkeit in viel tausend / an denen / die mich lieben / und meine Gebott halten. Diese Warnung, die gleichzeitig Verheißung der Barmherzigkeit ist, stellt HELDING dem ersten Gebot voran. Cat 65v. Ebd.: Das aber Gott in heyliger Schrifft viel Götter nennet / da redet er nach der Menschen meinung / weil menschen gewest seind / unnd noch [erg. sind] / die jhnen selbs Creatur aufwarffen / die sie für jre Götter hielten / Nennet Gott dieselbige Creatur auch Götter / nicht das es Götter seyen / sonder weil es die Menschen darfür achten es seyen Götter.
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men Werke verlässt und glaubt, durch diese seine Seligkeit zu gewinnen.
2.4.2. Die erste Tafel 2.4.2.1. Das erste Gebot (Gott und Abgötterei) Du solt kein andere Götter haben neben mir / Du solt dir kein geschnitzt Bild machen / und kein Bildniß oder gleichniß dieser ding / die oben im Himel seind / oder hienunden auff der Erden / im wasser / Du solt sie nit anbetten / auch nitt ehren. Gott hat die Religion in die Natur des Menschen eingepflanzt. Jeder, auch der Heide, kann erspüren, dass es ein höheres Wesen gibt. Wer aber Gott sei, weiß nur derjenige, der die Offenbarung durch die Wirkung des Hl. Geistes in sich aufgenommen hat.372 An dieser Stelle des ersten Gebotes geht HELDING bereits auf die Werkgerechtigkeit ein. Er zeigt aber noch eine andere Abgötterei auf, jene, in der sich ein Mensch selbst zu seinem Gott macht, indem er seine eigene Ruhe, Wollust und Pflege seines Leibs über alles, eben auch über Gott setzt. Der Prediger setzt seine Fälle von Abgötterei weiter fort mit den Schwelgern und Säufern, die ihr leibliches Wohl über Gott setzen oder denen der Mammon zu ihrem Abgott geworden ist. Einer anderen Abgötterei verfällt, wer aus Furcht oder um des Gunsterwerbs willen einen Menschen höher als Gott achtet. Mitschuldig an dieser Sünde macht sich auch, wer andere hiebei unterstützt, berät und anleitet. Solche Abgötterey machen etwann die hoffdiener auß großen Herren, mag HELDING aus eigener Erfahrung eingefügt haben. Weitere Exempel zieht er aus Pentateuch, Psalmen und aus der römischen Geschichte, wonach z. B. Kaiser Caracalla sich und seinen von ihm ermordeten Bruder als Götter anbeten ließ.373 Immer wieder flicht HELDING hier als Ursache das Spiel des Teufels ein, der den wankelmütigen Menschen solche blasphemischen Ideen eingebe. Als Essenz der ersten Gesetzestafel gilt ihm die Gottesliebe, Gottesfurcht und Gottesverehrung, alles getragen durch den Glauben. Dabei setzt er sich auch mit den Fehlformen der Veneration des Höchsten auseinander. Idolatrie Für HELDING ist aber auch jener Glaube falsch, der sich an die Materie verliert, dabei zum Beispiel die Wirkkraft einer Arznei über al372 373
Jonas Propheta 19v: Alle Völker erkennen ein Wesen, das uber alle dinge weiß / uber alles gut / uber alles starck / allmechtig und ewig sey. Cat 69v: Ex 20, Ps 54.
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les stellt und Gott vergisst, der die Hand über jeden Menschen hält. Ebenso sind Amulette, Zettel mit Segenssprüchen gegen Viehsterben oder Hagel, wenn ihnen anstatt Gott Wirkungen zugemessen werden, verwerflich. Und selbst geweihte Substanzen oder Objekte wie Osterkerzen verführen zum Aberglauben, wenn ihnen als solchen die Heilwirkung zugeschrieben wird, während ihnen tatsächlich bloß die Erinnerung an das allein beschirmende Wort des Herrn zukommt.374 Besonders scharf wendet sich der Prediger gegen Wahrsager und Hellseher, denen er sogar zugesteht, auch Wahres auszusagen. Dadurch sollen die verblendeten Menschen zu ihrer ewigen Verdammnis vom wahren Glauben abgezogen werden. HELDING will erklären, wie dieser Vieh- und Wetterzauber zum Schaden von Mensch und Tier angestellt werden könne und gelangt zum Ergebnis, dass Gott den bösen Mächten erlaube, schädliche Wetter, ungestüme Winde, Blitz und Feuer aus den Wolken hereinbrechen zu lassen. Gott tue dies zur Bewährung oder zur Bestrafung der Betroffenen. Die biblischen Beispiele von Hiob bis Moses würden dies zur Genüge darlegen. Auch die einfache Segenserteilung über Stoffe wie Wasser und Salz oder über Früchte und Kräuter dürfe nicht missverstanden werden. Der gesegnete Stoff soll an die von Gottes Hand ausgehende Wirkkraft erinnern. Wer die Wirkung nur der Materie allein zuschreibt, verfällt dem Aberglauben. Zauberei schließt HELDING offensichtlich nicht aus, führt sie aber in augustinischer Tradition auf den Teufel zurück, wie eben auch z. B. die Entstehung böser Wetter. Aber auch hierin ist jener nur Werkzeug Gottes. Gegen Astrologie Eine besondere Form der Abgötterei ist für HELDING der Sternenglaube, von dem sich auch die Gelehrten und Weisen einnehmen lassen. Und wer diese Kunst nicht selbst versteht, befragt die Astrologen und vertraut ihren Worten. Dann glauben die Menschen nicht mehr an Gott, sondern an die Gestirne. Gott hat die Gestirne als Zeichen für den Ablauf von Tagen und Jahren erschaffen.375 Um diese Zeichen richtig zu deuten, hat er den Menschen die Vernunft gegeben.376 Die 374
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Cat 71v-72v: Offenbar hat HELDING Erfahrung mit Anbietern von Heil- und Zaubermitteln, die für ihn teuflischen Ursprungs sind. Wenn es tatsächlich zur erwünschten Wirkung kommt, ist dies ein Beweis, dass Gott den Frevler prüfen will. Cat 75r: Darauß folget nun / das die Astrologia, ein nütze / gute kunst ist / ja wann man sie in jhren rechten zielen bleiben last / unnd braucht sie / dahin sie Gott verordnet hat… Sie seind Zeichen zukünfftigen regens / zukünfftiger schöne / zukünfftiges windes / zukünfftiger trückne, das kann man wol auß dem gestern lehrnen. In diesem Zusammenhang verwendet HELDING wieder den Begriff Vernunft.
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astronomischen Fakten richtig zu lesen, sei für den erfahrenen Landmann auch durchaus nützlich.377 Etliche Meister dieser Kunst lassen es aber dabei nicht bewenden, sondern treffen Voraussagen über das künftige Leben einzelner Menschen oder des ganzen Volkes. Das bringt die Leute von Gott ab, da sie ihren Glauben dann an die Sterne binden. HELDING will diese Wahrsager und Sterndeuter Lügen strafen, indem er auf ungleiche Lebensläufe von Bauers- und Fürstenkind hinweist, die zur selben Stunde geboren wurden, desgleichen auf die unterschiedlichen Charaktere der Zwillinge Jakob und Esau. Er selbst bezweifelt, dass das Schicksal eines ganzen Menschenlebens vom Geburtshoroskop abhängen sollte. Was aber die Abgötterei verwerflich sein lässt, ist der Verlust der Gottesfurcht, an deren Stelle der Glaube an den Lauf der Gestirne tritt. Anstatt Gott zu vertrauen und ihn anzurufen, wird nur nach einer günstigen Konstellation der Gestirne gesucht.378 HELDING fürchtet auch um den Besserungswillen, da die Menschen dann leichter einem Fatalismus verfallen, wenn die Sterne ungünstig erscheinen. Nur wenn die Gottesfurcht erhalten bleibt, wird auch Reue und Umkehr zu erwarten sein. A signis coeli nolite timere: Qui ea timet, Deum timere non potest.379 Auch Erasmus hat sich in seinen Antibarbari entschieden gegen die Astrologie ausgesprochen.380 Bilderverehrung Mit dem Anhang zum ersten Gebot stellt sich die Frage nach den Bildern in der Kirche. In dieser Frage muss der Prediger zugestehen, dass sich Missbräuche eingebürgert haben und die Heiligenverehrung manchmal an die Grenze der Abgötterei heranreicht. Dies ist nicht der Kirche anzulasten, sondern dem unverständigen Volk, das nicht auf die rechtmäßige Lehre achtet, sondern nach eigenem Gutdünken die Heiligenverehrung praktiziert. HELDING stellt sich aber entschieden gegen die Bilderstürmer. So wenig er jedoch den Missbrauch der von Anbeginn (seit den Zeiten des Alt Christianismus, wie ihn die Apostel gelehrt haben) gehaltenen Verehrung der Heiligen verteidigt, so wenig gefallen ihm die Neuerungen, die das gut mit dem bösen entwheren und eine radikale Abkehr von den alten Bräu377 378 379 380
Das Wort Astronomie gebraucht HELDING nicht. Cat 77r. Cat 77v. Kohls 44-45: In den Antibarbari thematisiert Erasmus als Ursache des Zulaufs zur Astrologie den Bildungsverfall und macht die Obrigkeit für die Auswahl ungeeigneter Lehrer verantwortlich.
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chen vertreten.381 Bilder dienen dem Gedächtnis des Wortes und dem Werk Gottes. Gott gebiete auch nicht, seine Worte in Bücher zu schreiben und zu drucken und dennoch stoße sich niemand an der Schrift. Und gebe es auch keinen Befehl in der Schrift, Bilder zu schaffen, so sei es den gemeinen Layen nützlich, durch diese an das Werk Gottes erinnert zu werden. So würde die Betrachtung eines Bildes des gekreuzigten Jesus zwischen den beiden Schächern in einem Buch bei jedermann die grenzenlose Liebe des Salvators für uns erwecken, der zu unserer Erlösung den schändlichsten aller Tode auf sich nahm.382 Falsche Bilderverehrung HELDING stellt sich jedoch gegen folgende Formen des Missbrauchs, denen man durch Predigt und Ermahnung entgegentreten müsse: Das Volk darf dem Bildwerk keine geheime Kraft andichten, sondern muss sich des materiellen Charakters von Holz, Stein, Kupfer und Farbe bewusst bleiben. Es sollen auch keine unbekannten Heiligen dargestellt und keine ungesicherten Geschichten dazu erfunden werden. HELDING führt dies auf den Unverstand der schwachen Christen zurück, die auf die wahre rechtmäßige Lehre nicht genug achten würden. Allerdings, so räumt er ein, sei zuzugeben, dass hinleßige Bischoffe und ungelerte Pfarherrn die reine lehr verlassen und dem Pöfl zum jrthumb und Aberglauben verholffen haben.383 Ein spezifisch materieller Gesichtspunkt seiner Kritik lässt uns HELDINGS deutliche Abneigung gegen jegliche Überbetonung des Äußerlichen erkennen: Sträflicher Missbrauch ist es, das man die Bildniß mit so grossem kosten zurichtet / so doch solcher kosten besser auff dürfftige leut gewendt würde / weil die Bilder nicht anderst sollen sein / dann ein bedeutniß. Lieber was bedeut dir dann ein gülden Crucifix mehr / dann ein hültzens: Was thut dann so viel Golds an den Bildern / weil daneben viel arme not und hunger leiden.384 HELDING vergleicht dies mit der Weise, als würde jemand von seinem Freund ein aufwendiges Bildnis anfertigen lassen, komme dieser aber selbst an die Tür und bitte um Essen, würde man ihn davor stehen lassen. Und schließlich bringt der Prediger noch einen moralästhetischen Gesichtspunkt ins Spiel, der uns einen Blick auf sein eher konservatives Kunstverständnis werfen lässt:
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Cat 79r. Institutio 84r. Cat 78v. Cat 80v.
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… stehet es uberauß Heidenisch in unser Kirchen / das wir unsere Heiligen so frech / und mit solcher uppigkeit malen / als ob sie Ruffiner385 und gemeine Diern weren gewest.386 Der Prediger fügt eine grundsätzliche Bemerkung an, die das Verhaftetsein der Kirche und ihrer Lehre in der Geschichte ausdrückt. Niemals sei die reine Lehre ohne Anfechtung und Irrtum gewesen. Immer habe es Häresie und Schwachheit unter der Christenheit gegeben, dennoch muss man wissen, was Inhalt dieser wahren Lehre ist. 2.4.2.2. Das zweite Gebot Du solt den Nammen deines Gottes nicht vergeblich brauchen. Das Faszinosum des Heiligen vor Missbrauch und Herabwürdigung zu bewahren, ist HELDING ein wichtiges Anliegen. Der Name Gottes wird geschändet, wo immer er ohne zwingenden Grund gebraucht oder angerufen wird, bzw. gewohnheitsmäßig aus Torheit über die Lippen kommt. Noch verwerflicher aber handelt derjenige, der den Glauben öffentlich verleugnet, von göttlichen Dingen freventlich oder schimpflich redet, ohne rechte Andacht betet, im Namen Gottes lügt und betrügt und das Wort Gottes verkehrt, wer die Wahrheit der reinen Lehre verfälscht und andere in die Irre führt.387 Gotteslästerung im übelsten Sinn ist es, Gott zu fluchen und ihn in Worten zu schänden. Gleiches tut, wer die Sakramente schmäht und herabwürdigt. Ein anderer Missbrauch ist, ohne Grund leichtfertig zu Eid und Schwur zu greifen, falsch zu schwören oder das Beschworene nicht zu erfüllen. Es gibt nur zwei Gründe, die ein iuramentum rechtfertigen: das Gebot der Nächstenliebe und ein behördliches Verfahren. Alles andere grenzt bereits an Blasphemie. Es ist nach Meinung des Predigers eine Pflicht der Hausväter und bei deren Versagen der Obrigkeit, dem Missbrauch des heiligen Namen Gottes zu wehren. HELDING rät in ungewohnt martialischem Ton, die Behörde solle sogar mit dem thurn / mit zungen abschneiden / und dergleichen strafen, um die Gotteslästerung im Land einzudämmen.388 In großen und ernsten Dingen 385 386
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Ruffiano it. Kuppler. Cat 80v: Bey den alten Christen malet man die Bilder mit solcher dapfferkeit / das man Exempel aller zucht an jnen sahe. Wann ein fraw sich ehrlich kleiden wolt / kund sie ein form an den Bildern haben / und wer die Bilder ansahe / dem bewegten sie sein hertz zu andacht unnd tugent / Jetzt werden die Bilder also außgestrichen / wann es nit in der Kirchen were / so möcht man sprechen / Das wehre ein feine hurenrüstung. Wann man den weltleuten jre Sähl und Frawenzimmer und dantzpletz malet / so sollten die Maler solche kunst brauchen / Wann sie der Christen Bettheuser malen / sollten sie der zucht und dapfferkeit eingedencken sein / und gedencken wen sie abmalen. Der Heiligen Bildniß sollen zur andacht reitzen / Aber unsere Bilder / das ich nit etwas anderst sage / bewegen gar ein schlechten andacht / wer sie ansihet. Cat 86r. Cat 90v.
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steht es dagegen dem Christen wohl an, Gott anzurufen und die Hoffnung und Zuversicht an den Namen Gottes zu hängen. Es ist Gott ein ehr und wolgefallen / wann durch seinen Nammen fried und einigkeyt zuwegen bracht und gefordert wirt.389 HELDING sieht Gottes Strafe in den Plagen, die auf die Christenheit im Reich hereinbrechen. Ärger als die Türken, die Sakramente verunehren, ist die Strafe Gottes, indem er christliche Fürsten übereinander herfallen lässt. Da werden wir einer von dem andern beraubet / verbrandt / geplündert / geschendet und erwürget. 2.4.2.3. Das dritte Gebot Gedenck / das du den Sabbat tag heiligest. Das dritte Gebot nimmt HELDING zum Anlass, die Ablösung des mosaischen durch das neue Gesetz Christi anzusprechen. Alle Vorschriften und Bindungen, die sich auf Gerichtshändel, Zeremonien und Gebräuche Israels bezogen haben, binden die Christen nicht mehr. Die sittlich-moralischen Aspekte sind jedoch zu wahren.390 HELDING bezieht diese Passage zunächst auf die Heiligung des Sonntags anstelle des jüdischen Sabbats, nimmt aber dessen moralischen Kern auf und stellt die Besserung des Gläubigen in Liebe, Zucht und Gerechtigkeit in seinem Verhältnis zu Gott und zum Nächsten in den Mittelpunkt. Ein praktischer Aspekt des Ruhetags ist auch der Schutz für Knecht und Magd, der schon im alten Israel geboten war. Die Feier des Sonntags soll zur Liebe und Mildtätigkeit gegenüber dem Nächsten anhalten. Padberg hat in seiner Analyse der Explanatio des Erasmus drei loci einer Sittenlehre aufgewiesen: den im Blick auf die Trinität gelebten Glauben, das neutestamentliche Doppelgebot der Gottes- und Nächstenliebe und als dritten die Tafeln des Dekalogs.391 Es lassen sich Gemeinsamkeiten zeigen. Dem Gebot der Liebe widmete HELDING im Jahr 1548 die Augsburger Predigten zum ersten Johannesbrief. Nicht ohne Grund wählte er dem Anlass entsprechend diesen programma-
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Cat 89v. Cat 91v: Was aber in dem Gesetz und den Propheten geschrieben ist / das zu guten sitten dienet / wie ein Mensch in zucht / liebe / unnd gerechtigkeit thun und wanderen sol gegen Gott und seinem Nechsten / Solch sittliche Gebott binden auch uns Christen / und wir seind sie zu halten schüldig / und seind vor solchen Gebotten nit anderst frey / dan das Gott die hertzen der wahren Christen durch seinen heyligen geist mit liebe freiet. Bessert jhnen jren willen und hertz der massen / das sie ohn allen zwang / gern frey und gutwillig / auß lauter Liebe alles thun und halten / was zu guten sitten und einem gerechten wandel / gegen Gott und den Menschen / fürdern mag. Padberg 112-123.
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tischen Text des Aufrufs zur Bruder- und Nächstenliebe. Seine Ethik bindet er wie Erasmus an die zweite Tafel.
2.4.3. Die zweite Tafel Am 25. Sonntag nach Trinitatis 1542 (26. 11. 1542) wendet sich der Prediger der anderen mosaischen Tafel zu, in der Gott alles [lehrt], was wir gegen unseren Nechsten thun und lassen sollen. Das Spektrum seiner Tugend- und Sittenlehre in der Hinführung vorwegnehmend, bezeichnet HELDING jede Beschädigung bzw. Beeinträchtigung des Nächsten an Leib, Ehre und Gut als den Sündenkanon, unter dem die Menschheit sich selbst unmenschlich und gottfern begegnet.392 Wir können darin einen beachtlichen Wurf einer Theologia moralis erkennen, die sich unter Vermeidung von allzu breiter Kasuistik in einem mehr auf Überzeugung als drohende Sanktionierung setzenden Stil mit den Alltagsproblemen des Menschen und seinem Verhaftetsein in Sünde auseinandersetzt. Unter Anlehnung an modernes Vokabular lässt sich von einer ökonomischen und sozialen Ethik sprechen. 2.4.3.1 Das vierte Gebot Du solt dein Vatter und deine Mutter ehren. Auff das du lang lebest im Landt / das dir der Herr dein Gott geben will. In einer längeren Exposition der naheliegenden Gründe kindlicher Liebe gegenüber den Eltern entwickelt HELDING ausgehend von Beispielen des Alten Testaments die bedingungslose Pflicht der Eltern- und Kindesliebe. Dabei nimmt er bereits das vierte Gebot dazu auf, sein besonderes Anliegen der gegenseitigen Liebe zu verstärken. Über die Elternliebe als Gebot, der er in einem Nebensatz die Elternpflicht gegenüber ihren Kindern zugesellt, entwickelt er einen Grundsatz der hierarchischen Obsorge und Anerkennung zwischen jeglichem Gewalthaber und den ihm Anvertrauten und Abhängigen. Er spricht von Pädagogen (Zucht- und Schulmeistern) und nennt sogleich auch Bischöfe, Prediger und Pfarrherren. Auch das Verhältnis von Eheleuten untersteht für HELDING dem vierten Gebot. Herr und Knecht Einen besonderen Schwerpunkt setzt er in der Erörterung des Dienstes, des Verhältnisses von Herrn und Knecht oder – familiärer artikuliert – des Paterfamilias zu seinem Hausgesinde bzw. seinen Haus392
Cat 97v-98r.
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genossen. Dem Begriff des Dienstes verleiht er eine gegenüber dem heutigen Empfinden stark überhöhte, nahezu sakrale Bedeutung. Jede Verletzung solcher Pflicht gefährde das Seelenheil. Umgekehrt würde Gott fleißigen Dienst mit ewiger Seligkeit belohnen. Dazu betont er das Arbeitsethos als die ganz und gar im Sinne des Dienstherrn zu denkende Aufgabenerfüllung. Wie Kinder ihre Eltern sollen Dienstboten ihren Herrn von Herzen lieben, ihm alles Gute gönnen, ohne alle Ein- und Widerrede gehorsam sein, mit Ehrerbietung und Demut begegnen und des Herrn Leib, Ehre und Gut aufs beste zu bewahren helfen.393 Treue und Gehorsam sind unter Verweis auf Eph 6,5-9 die vom Untergebenen zu fordernden Tugenden, denen auf Seite des Dienstherrn eine allgemeine Fürsorgepflicht für Leib und Seele gegenübersteht. Der Hausvater hat auch für das Seelenheil des Dienstpflichtigen Verantwortung und muss ihn deshalb auch unterweisen. HELDING geht noch einen Schritt weiter und verstärkt das vorgestellte Idealbild, indem er von gegenseitiger Liebe spricht, die die beiderseitige Beziehung auszeichnen sollte. Taglöhner und Handwerker stehen in keinem persönlichen Abhängigkeitsverhältnis zu einem Herrn. Zwischen diesem und ihnen gebietet das göttliche Gebot jedoch gleichen Fleiß und gleiche Treue sowie gerechten Lohn in der Erfüllung ihrer Arbeit und Leistung. Wer den anderen Teil verkürzt oder übervorteilt, ist einem Dieb gleich zu halten.394 Diesem Fall geht er bei der Erörtertung des siebenten Gebotes noch genauer nach. HELDING spricht auch die Standesunterschiede an. Zumal jedermann um seinen Platz in der Gesellschaft kraft seiner Berufung wisse und verstehen könne, was ihm seinem Stand gemäß gebühre, sei jegliches Klagen über Benachteiligung gegenüber einem fremden (gemeint ist wohl auch höheren) Stand ungerechtfertigt. Nur wer, sei er von hohem oder niedrigem Stand, seiner Berufung treu ist und diese in höchstem treulichstem Dienst verwaltet, erwirbt sich den Dank Gottes und der Menschen.395 Gegenteiliges sei oft der Anlass zu Aufruhr und Empörung in der Gesellschaft. Diese Feststellung verwundert gerade aus dem Mund des einige Standesgrenzen übersteigenden einstigen Müllersohnes, der für sich offenbar die rare Ausnahme beansprucht. Ehestand – Geschlechterrollen HELDING dehnt die Domäne des vierten Gebotes auf den Ehestand und die Beziehung der Ehegatten aus. Hier begegnen uns im Grunde 393 394 395
Cat 105rv. Cat 108r. Cat 98rv.
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antike und mittelalterliche Rollenmuster, die unverändert in die Neuzeit übertragen werden. 1 Petr 3,1-6 wird als Zeugnis für die Untertänigkeit der Frau angeführt, ebenso liefern die Haustafeln Kol 3,18 und 1 Tim 2,11-15 Argumente für die besondere Zucht der Frau. Dann der mann ist des weibs häupt wie auch Christus das häupt der Kirchen ist.396 Dann nimmt HELDING einen archaischen Mythos auf, dass die Frauen von Gott über die Rechenschaft hinaus, die ein jeder Christ ablegen müsse, insonderheit angefordert werden, wie ihr euch im Weiber standt, im haußhaltung, in Kinderzucht, unnd in gehorsam gegen ewern Mennern gehalten habt. In aller Ausführlichkeit geht HELDING den Gründen dieser für ihn offenbar nicht anzufechtenden Rollenzuweisung und Diskriminierung nach. Zunächst wird die göttliche Ordnung angezogen, wonach zuerst der Mann und darnach das Weib aus dem Mann geschaffen wurde, woraus sich der Nachrang und damit der Gehorsam ergebe. Die andere Ursache aber sei des Weibes Verschulden, indem es sich verführen ließ und Gottes Gebot als erste übertreten habe. Sie habe damit dem Teufel die Tür geöffnet und den Tod in die Welt eingelassen. Damit nicht genug, gibt es noch als dritte Begründung für den Gehorsam der Frau ihre Einfalt und Schwachheit, die nach der Obsorge des Ehemannes verlange.397 Sanftmut und ein züchtiger Geist seien des Weibes Schmuck, der den Mann überdies nicht viel Geld koste. Dies aber, stellt nun HELDING selbst resignierend fest, sei leider nicht die Regel im Land. Viele ließen sich vom Äußeren verführen: Die Welt bleibt Welt, da will nichts helffen.398 Die Frau soll züchtig und keusch sein, ihre Kinder lieben und aufziehen und das Haus wohl besorgen. Um nun den Mann gebührend in die Ehegemeinschaft einzubinden, hat HELDING auch für ihn etliche Vorgaben. Als Haupt muss der Mann mehr sorgen als die schwache Frau. Ist er dagegen toll oder ein Säufer, der seine Ehefrau und Kinder vernachlässigt, so wird ihn die schwere Strafe Gottes treffen. Wer die Ehe nur zur Lust gebraucht, wie es die vernunftlosen Tiere tun, schließt Gott aus seinem Herzen aus. Wer sein Weib mehr liebt als Gott, macht aus ihr einen Abgott. Daher muss der Mann vielmehr in seinem ganzen Handeln vorbildhaft sein. Bei allen Widrigkeiten, die sich im Zusammenleben von Mann und Frau einstellen, erscheint HELDING die Ehe aus pragmatischen Gründen und zum Nutzen der Gesellschaft unabdingbar, wenngleich er ähnlich wie Albrecht von Eyb mit übermäßigem Lob der Ehe spart.399 396 397 398 399
Cat 108v. Cat 109r. Cat 109v. Albrecht von Eyb, Ehebüchlein 84-85: Nachkommenschaft und Zügelung der Se-
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Seelsorger Im nächsten Abschnitt wendet sich HELDING den Seelsorgern zu, die von Gott befohlen einem Hausvater vergleichbare Ämter innehaben. Er zählt dazu geistliche Väter wie Bischöfe, Pfarrer, Prediger. Im Auftrag Gottes an den Propheten Jona ist für ihn die Summe dessen, was ein Diener der Kirche verkörpern soll, zum Ausdruck gebracht: Steht auff / Geht hin / predigt.400 Dazu sind Bischöfe, Prälaten und Seelsorger von Gott gefordert. Das höchste geistige Gut, die Seelen der Menschen sind in der Obhut der geistlichen Väter. Deren Verhältnis zu den Laien sieht HELDING ebenfalls unter dem Topos des vierten Gebotes. Sein Urteil gibt den fatalen Zustand der Zeit ungeschminkt wieder.401 Die Klage über die Geistlichen ist für HELDING allgemein und berechtigt. Die Amtsverweser kommen ihren Pflichten nicht nach. Bischöfe, Episcopi ruft er ausdrücklich auf, sich ihrer Hirtenpflicht nicht zu entziehen. Er fügt allerdings an: Et erit sicut populus sic & sacerdos. Während die Geistlichen mehr das Amt und die Pfründe im Auge haben als das Heil der Herde, fragt der gemeine Haufen weder nach Diener noch Amt. Die Gaben Gottes werden mit Füßen getreten und verachtet. Gott hat über die Hirten zu klagen, dass sie geizig und unfleißig seien, ebenso aber über die Gemeinde, die die satte Weide der Kirche und das Wasser des heiligen Wortes nicht annehmen will.402 Geistliche Väter sind auch Paten zur Taufe und zur Firmung. Diesen weist HELDING eine hohe Verantwortung zu, die bereits mit der Bereitwilligkeit einsetzt, ein solches verantwortungsvolles Amt zu übernehmen. Aber, wer sich einem solchen mutwillig entzieht, verfällt der Sünde. Denn der Ruf Gottes an die Diener der Kirche ist Surge! Sie dürfen nicht länger müßig sein, sollen sich aus der Untätigkeit aufraffen und ihrem Auftrag zur Seelsorge und Unterweisung der ihnen Anvertrauten nachkommen. Obrigkeit HELDING steht in der paternalistischen Gesellschaftsordnung seiner Zeit, wenn er die Obrigkeit in das vierte Gebot einbezieht und ihre 400 401
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xualität als Ehemotive. Jonas Propheta 9v. Cat 110v: Wann ich dann reden sol / wie gemeine Christen gegen jren Geistlichen Fürstehern unnd gegen jhrem Ampt sich halten sollte / unnd hingegen / wie jene jhr ampt führen sollen / So finde ich zu beyden theilen so viel unradt / jammer unnd mangel / das ich lieber darüber wolt helffen klagen und jamern / als uber ein verderbte Sach / der schier nicht mehr zu helffen ist mit underweisung. Cat 111r.
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Achtung und Anerkennung durch die jeweils Untergebenen verlangt. Umgekehrt hat jeder Fürst, Herr, Amtmann usw. die Pflichten eines guten Hausvaters zu erfüllen und für das Wohl seiner Untertanen zu sorgen.403 Für HELDINGS Verständnis der Gesellschaft ist die strukturierte Ordnung unabdingbar. In ihr kommt den Trägern der Hierarchie, die sich vom Kaiser bis zum Paterfamilias abstuft, eine gesellschaftserhaltende Bedeutung zu. 2.4.3.2 Das fünfte Gebot Du solt nit tödten. Den Totschlag und die körperliche Beschädigung eines anderen Menschen verbiete nicht allein Gott, sondern auch das natürliche Gesetz. Dieser Bezug auf ein solches fällt auf, weil HELDING damit auf eine weitere Quelle der Moral hinweist, die neben der Hl. Schrift zum Tragen kommt, nämlich die Vernunft. Gott schuf den Menschen ohne irgendein Tötungswerkzeug, sein Körper besitzt keine Waffen, keine Hörner, keine Klauen, keine Reißzähne. Er ist schon von seiner Ausstattung her für den Frieden ausgestattet. Erst der Teufel rüstete ihn mit Waffen aus und machte aus ihm einen anderen Menschen.404 Der Todtschlag ist sein werck / unnd er ist von anfang ein Todtschleger / wie von ihm geschrieben stehet / Joh 8. Allen Totschlägern hänge der Kainsfluch nach und sie erwarte bereits die zeitliche Strafe. Wer eines anderen Blut vergießt, dessen Blut soll auch vergossen werden (Gen 9,6). Christen sind einander durch die Taufe zu Brüdern geworden. Jesus hat diese Liebe und Einigkeit befohlen (Joh 15,12). Aber nicht allein, was die Hand vollführt, kennzeichnet HELDING als den Gräuel des Totschlags, sondern auch, was nur im Bewusstsein, im Geist gehandelt wird. Der im Denken und Wollen beabsichtigte Totschlag ist oft Ursache der physisch begangenen Tat. Du solt nit tödten / weder mit gemut / hertz / willen noch mit der hand.405 Allein die Erwägung einer solchen Untat, nicht einmal noch der Vorsatz, sondern ein bloßer Wunsch, ist in gleicher Weise verwerflich. Hier will der Autor einen Gegensatz zum altjüdischen Gesetz herausarbeiten. Das mosaische Gesetz habe nur dazu verpflichtet, mit dem Leib die Gebote zu respektieren. Hass ist dem Totschlag gleich Hass, Zorn, Rache gegenüber dem Nächsten sind dem Töten gleich zu setzen. Wer seinen bruder hasset / der ist ein Todtschläger (1 Joh 3,15). 403 404 405
Cat 117rv. Cat 119v. Cat 121v.
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Wenn sich der Zorn in geberden und unholdseligen anreden ergeht, ist er noch eine Kategorie verwerflicher. Schließlich ist eines noch ärgeren Totschlags schuldig, wer einen anderen in der Öffentlichkeit in seiner Ehre verletzt, herabsetzt oder verleumdet. Umgekehrt liegt für HELDING im fünften Gebot e contrario der Auftrag, den Feind zu lieben, Frieden und Versöhnung zu suchen und Toleranz zu üben. Auszunehmen ist nur die Obrigkeit in Erfüllung ihrer Gesetzesvollziehung bzw. der Lehrer in seiner Schelte gegenüber dem Schüler.406 HELDING analysiert nun verschiedene Tötungsdelikte, wobei sein Begriff von Tötung gegenüber dem forensischen Verständnis weiter gespannt ist: Am gräulichsten ist ihm die Tötung von Hand; dann folgt, wer einen anderen mit erlogenen Worten zu Tode bringt (Ps 51 und 56);407 wer dem anderen die Lebensnotdurft aus Geiz vorenthält (Eccl 34, Spr 24); wer den Vorsatz hat zu töten, auch wenn es nicht zum Tod kommt; wer dazu anstiftet wie jene, die ohne Not Kriege anzetteln; wer als Richter die Gerechtigkeit hintansetzt und sein Amt missbraucht; wer sich im vollen Bewusstsein selbst tötet.408 Von Letzteren will der Prediger aber jene entschuldigen, die in eine Störung ihres Bewusstseins gefallen sind und sich unwissentlich selbst entleiben. Nicht exkulpieren will er aber jene, die sich wissentlich zu Tode trinken. Frauen, die mit Hilfe von Pharmaka eine Totgeburt hervorrufen, vergehen sich am fremden Leben. Frieden und gerechter Krieg In der Institutio geht HELDING auch auf die Notwehr und das Bellum iustum ein. Es ist nicht der Angegriffene, sondern quasi das Gesetz selbst, welches erlaubt, dass sich der mit dem Tod Bedrohte zur Wehr setzen darf: Vim vi repellere licet ist natürliches Recht, das auch Christus billigt. Er schließt die Frage an, ob im Krieg das Töten sündhaft sei. Mit Augustinus teilt er die Auffassung, dass sich jeder, der sich dem Ordo militandi zur Verteidigung des öffentlichen Wohls verschrieben hat, nicht als Mörder, sondern als Diener des Gesetzes fühlen darf.409 Als Fälle gerechter Kriegsführung betrachtet er die Unterdrückung von Raubzügen, Aufruhr und Gewaltakten im Auftrag Gottes (!) oder auf Befehl der Obrigkeit zur Erhaltung des öffentlichen Friedens. Das 406 407 408 409
Cat 122v. Billigerweise schilt und straft auch der Vater den Sohn und der Prediger das Volk. Heutige Zählung: 52.57. Cat 124r: Nicht entschüldiget [sind die] / die sich selbst oder andere wissentlich zu todt sauffen. Institutio 115v-116r: Tlw. wörtlich aus AU, Fau 22, c.74 (PL 42, 447-448).
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Kriegsrecht, demzufolge Kinder, Frauen und Greise zu schonen sind, verbietet überschießende Gewalt. Die Fürsten sollen den erreichten Sieg nicht an der Zahl der getöteten Feinde, sondern an der errungenen Sicherheit und dem Frieden bemessen. HELDING verharrt bei den Fürsten und prangert jene Principes als schändlichste Mörder an, die aus keiner gerechten Ursache oder öffentlichen Not, sondern aus reiner Lust an der Gewalt andere zum Kriegführen verleiten. Aber auch die Kriegsknechte, die sich einer landfremden Truppe aus Gewinnsucht oder Mordlust anschließen, sind zu verurteilen und fallen der Sünde anheim. Auch hier klingen erasmische Gedanken durch.410
2.4.3.3 Das sechste Gebot Du solt nit Ehebrechen. Der Ehebruch steht der Erhaltung brüderlicher (!) Liebe entgegen. Die Gatten überlassen einander nach 1 Kor 7,4 die Gewalt über den Leib des anderen und dürfen sich deshalb nicht an einen Dritten ausliefern. Mehr noch, der Leib hat dem Herrn zu dienen, der ihn mit seinem eigenen Blut erkauft hat.411 Die Mühen und Kosten der Erziehung, die der Vater für sein Kind erbringt, werden nach HELDING dadurch zunichte. Entgegen dem jüdischen Gesetz, das nur den tätlichen Ehebruch verfolgte, wird schon der dahin gerichtete Willen vor Gott gleichgehalten und gestraft. Nach Mt 5,28 hält Jesus fest, dass jeder, der ein fremdes Weib mit Gelüsten auch nur ansieht, gegen das Gebot verstößt. Der Vorsatz gilt für die vollendete Tat. Für HELDING ist die Concupiscentia Mangel und Gebrechen unserer verderbten Natur, der ein Christ aber durch ein starkes Herz, das sich in einem die Gedanken beherrschenden Willen ausdrückt, beizukommen vermag. Dem Ehebruch gleichgehalten ist die fornicatio, die man fliehen müsse: Wer einer Bübin anhangt / der wirt ein leib mit jhr / unnd kann nicht ein glied Christi sein.412 HELDING drängt uns, auch auf die Ursachen, die zur Unkeuschheit verleiten, zu achten und sie von vornherein zu meiden, denn Amor ardor est & ignis. Alles, was zur Unkeuschheit anreizt und treibt, muss den Menschen durch Einschärfung von Disziplin bewusst gemacht werden. HELDING versteht, dass niemand aus eigener Kraft und eigenem Bemühen ein Leben lang dem Keuschheitsgebot genügen könnte, würde ihm nicht göttliche Hilfe und Gnade zuteil. 410 411 412
Vgl. Herding, Erasmus – Krieg und Frieden (www. freidoc.uni-freiburg.de/volltexte/5749). Cat 125v. Cat 128r.
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Der Prediger geht einzelnen Textstellen nach, die sich mit den Vorbedingungen unkeuscher Gedanken befassen. Zunächst sind es die Augen, die zur Sinnlichkeit verleiten.413 Dann folgen die Unmäßigkeit im Essen und Trinken sowie der Müßiggang, dem die Begierden entspringen.414 Eine weitere Verführung vor allem der Jugend sieht HELDING unter Verweis auf Mt 18,6 im bösen Geschwätz, das die Sitten verdirbt. Zuletzt ist auch die Kleidung Auslöser unzüchtiger Gedanken, sowohl der Träger als auch derer, die sich durch deren Anblick verführen lassen. Hier nimmt HELDING offensichtlich einen zeitgenössischen Bezug auf, wurde doch in einzelnen Ländern und schließlich auf Reichsebene durch die Polizeiordnungen 1545 und 1548 das Kleidertragen zu einem nachhaltigen Thema.415
2.4.3.4 Das siebente Gebot Du solt nit stelen. Aus dem göttlichen Auftrag zur Nächstenliebe leitet HELDING ab, niemanden in seiner materiellen Existenz zu verkürzen, zu beleidigen und zu beschädigen. In seinem umfassenden Blick bezieht der Prediger den Güteraustausch und die Geldwirtschaft im weiteren Sinn ein und zeigt hier bemerkenswertes Verständnis für die auf den lokalen Märkten vorherrschenden Übungen und Missbräuche. Er sieht aber auch die größeren ökonomischen Zusammenhänge, wie die Bedeutung des privaten Eigentums, und welche Gefährdung ein überzogenes Abgabensystem, insbesondere auch seitens der Kirche, für die belasteten Schichten mit sich bringt. Die leidige geltsucht ist so gemein und groß / das sie alle stende mit unzelichem diebstal erfüllet.416 Die Handel- und Wirtschafttreibenden halten ihr Tun nicht für Unrecht, daher müsse erst das Bewusstsein für die weitreichende Geltung dieses Gebotes angesprochen werden, was HELDING über vier Predigteinheiten in extenso unternimmt. So klug ist die vortheilige welt / was sie in ein gewonheit bringt / des will sie darnach recht unnd fug haben / unnd will ungestrafft darinn sein.417
413 414 415 416 417
Verweis auf Eccl 9,8. Verweis auf Ez 16, Eccl 33, Prov 26. Cat 130r: Wo zucht oder unzucht in einem hertzen ist, die beweist sich in der kleidung. Vgl. Reichspolizeiordnung 1548: DRTA.JR 18/2 (Nr. 238) 2074-2075. Cat 131v. Ebd.
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Ethikverstöße in der Wirtschaft HELDING konstatiert folgende Tatbestände des Wirtschaftsverkehrs, die er unter das siebente Gebot stellt: im herkömmlichen Sinn der Malefizordnung den heimlichen Eigentumsentzug und die mutwillige Beschädigung oder Zerstörung eines fremden Gutes, die betrügerische Übervorteilung, falsches Maß und Gewicht, das Untermischen von schlechter Ware und Wucher. Dazu zählt er auch, dem Bediensteten den gerechten Lohn vorzuenthalten, ebenso unverdienten Lohn anzunehmen, dem Bedürftigen das Nötigste zu versagen, sein Eigenes zu verschwenden und danach durch Bettelei andere zu beschweren. Auch die exzessive Besteuerung durch die Obrigkeit verstößt gegen das siebente Gebot.418 Die meisten dieser moralwidrigen Verhaltensweisen Einzelner werden auch von den Malefizordnungen abgedeckt, worauf der Verfasser allerdings nicht Bezug nimmt. Aber untreue, arbeitsscheue Dienstboten, die das anvertraute Gut verwahrlosen lassen, sündigen mehr als der Einschleichdieb (Eph 6,5-8; Kol 3,23). Gleiches gilt auch für denjenigen, der es dem Gesinde an Essen, Trinken, Kleidung mangeln lässt, und Arbeitern und Taglöhnern das versprochene Entgelt vorenthält.419 Die öffentliche Hand (Obrigkeit) verschafft sich ihren ordentlichen Unterhalt in Form von Renten, Gülten und Zöllen (Röm 13,67; Mt 22,21). Wenn ohne Schuld der Obrigkeit ein Unheil über das Land kommt, ist man sogar mit Leib und Gut verhalten, zur Rettung des Vaterlands beizutragen. Wer dies seiner Herrschaft vorenthält, veruntreut oder unterschlägt, sündigt schwer. Untreue mit größten Folgen geschieht aber auch auf Seite der Obrigkeit durch exzessive Schatzung bzw. Besteuerung. Wer Abgaben in unbilligem Ausmaß oder nicht durch äußere Not veranlasst erhebt, sondern infolge Verschwendung und Misswirtschaft auferlegt, sündigt gegen das siebente Gebot. Richter und Amtleute sollten ermahnt werden, Frieden, Ordnung und Gerechtigkeit ohne Beschwerung und Entzug zeitlicher Güter zu erhalten. Weltliche und kirchliche Amtleute sollen keine Geschenke annehmen. Im Besonderen brandmarkt HELDING die kirchliche Obrigkeit.420 Wenn Kirchengüter durch Leute verschwendet werden, die zur Ehre Gottes wenig und zum Heil der Christen gar nichts beitragen, wird der Wille jener heiligen christlichen Stifter und 418 419 420
Cat 133v-134r. Cat 135v: Dann es geschehen … betrug und beschedigung zu beiden theilen wider billicheit / abziehens / verschlagens / reissen / schindens / das es uber alle maß ist. Cat 136rv.
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Spender gröblich missachtet. Und HELDING klagt weiter, es würden jetzt gerade diejenigen Personen Ämter und Renten der Kirche an sich reißen, die schlechte Vorsteher sind und den ehrlichen Arbeitern nichts als Schmach und Armut hinterlassen. Jeder hat aber auch die persönliche Pflicht zur Selbstverantwortung. Es ist dem Müßiggänger und Verschwender deutlich zu machen, dass sein Missbrauch allen in der Gemeinschaft zur Last fällt. Die Wirtschaft als Spiel Für HELDING gleicht das wirtschaftliche Geschehen einem Spiel, bei dem jeder gewinnen will, aber jedem Gewinner ein Verlierer gegenübersteht, der in seiner Einfalt oder durch die Schliche des anderen übervorteilt wurde. Schlimmer noch ist der offene Betrug, von dem schon Paulus spricht (1 Thess 4,6). Falsches Maß und Gewicht, falsche Waagen sind Gott ein Gräuel (Lev 19,11-13, Spr 11,1). Eine dritte Betrugsart liegt nach dem Prediger darin, eine Ware nicht nach ihrem wahren Wert, sondern so teuer wie möglich zu verkaufen. Dazu dient, sie bewusst zurückzuhalten und eine künstliche Knappheit zu erzeugen, selbst wenn die Ware damit an Qualität verliert. Der Krämer taxiert nicht die Ware, sondern den Käufer nach seinem Unverstand, und überhebt ihn in seiner Einfalt. Für HELDING gilt dabei nicht nur die Ausführung einer solchen Handlung, sondern schon der Vorsatz (die Absicht im Herzen) als schwere Sünde.421 Und wenn der Krämer darauf verweist, wie alles rundum teurer würde, gibt ihm der Interpret das Grundgesetz (Tob 4,15) zu bedenken: Quod tibi non vis fieri, alteri ne feceris. Hier liefert uns HELDING auch einen Zeitbezug: Solcher thewrung haben wir etliche jar erlitten, die auß keinem mißwachs / sonder nur auß untrew der Reichen herkommen seindt.422 Er sieht hierin kein Phänomen besonderer Marktverhältnisse bzw. ungenügenden Wettbewerbs, sondern spürt die Geißel des Geizes, der die Menschen befallen hat. HELDING thematisiert an Hand von Schriftstellen (Ex 22,20-26; Lev 25,35-38; Ez 18,8. 22,12; Ps 14) besonders die Geldwirtschaft und stellt fest, dass die allgemeine Einsicht für das Problem des Wuchers und der Ausbeutung schwinde. Aber nach der Hl. Schrift ist nur derjenige gerecht, der keinen ubernutz oder gewinn nimmt.423 Für HELDING wirft das Geld keine Jungen. Wer dem bedürftigen Bruder nicht helfen will und nicht aus Barmherzigkeit leiht, obwohl er es könnte, dem 421 422 423
Cat 138v. Cat 139r. Cat 140r.
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sei sein Geld zur Verdammnis. Der Prediger ist allerdings Realist genug, um den Geldverleih als eine leidige Gewohnheit zu erkennen, die auch das kanonische Zinsverbot und das Reichsrecht nicht ausmerzen werden. Gegen Selbstjustiz Nun würden aber manche (es gehören eitel rittermäßige Leute dazu), die von Opfern eines solchen Wuchergeschäftes angerufen werden, zur Selbstjustiz greifen und auf ihre Weise, um einem Einzelnen Gerechtigkeit zu verschaffen, durch Raub und Landfriedensbruch noch größeres Unrecht anrichten. Um einem Einzigen zu seinem Recht zu verhelfen, begehen sie an hundert anderen Unrecht. Was wäre es für ein grob barbarisches Recht, dass ein Übeltäter Macht hätte, den anderen zu strafen, fragt HELDING .424 Was rühmten sich die Christen, dass ihre reine Lehre die beste auf Erden sein, um züchtige Menschen zu erziehen. Und doch liege dieses Volk Gottes in solcher moralischer Finsternis, dass ihm das natürliche Licht nicht einleuchte. Es sei kein Ruhmesblatt der Christenheit, dass ihr Auftritt unter anderen Völkern wegen ihrer Geldsucht und ihres Geizes schlecht ankommt.425 HELDING , der dieses Thema im Jahr 1543 aufgreift, spricht von Mord und Raub und von mutwilligen, unnötigen Kriegen. Offenbar denkt er hier an Berichte aus der Neuen Welt über die Gewaltakte gegen die indigene Bevölkerung426 und hat die Kriege unter christlichen Herrschern, insbesondere mit Frankreich, im Bewusstsein. Er anerkennt zwar auch redliche und notwendige Kriege, doch in unsern kriegen siehe ich nichts / dan die helle / und all böse geister mit allem bösen gewerbe.427 Kriegführen, das tausendmal verderblicher sei als zu rauben und zu morden, gilt als ehrenhaft und sei doch ein viel ärgerer Verstoß gegen das siebente Gebot als ein einfacher Diebstahl. Aber auch hier gelte die Ungleichung. Den kleinen Dieb verfolgt man mit peinlicher Strafe, den großen lässt man ungeschoren. Je größer eine Sünde 424 425
426
427
Cat 140v. Cat 141r: Sie seind hingangen zu andern völckern / und haben meinen namen zu schanden gemacht vor den völckern / zu denen sie kommen sein / Dann man hat gesagt: dieses ist des Herren volck. Also geschicht es mit uns / wo wir hinkommen zu anderen völckern / das ist / Wo man von uns hört / und höret daneben unser ungeschickt wesen / so spricht man / Ist das die Christen lehr / Hat man ein solch recht bei den Christen? Ist dieß die christliche zucht? Meier, Art. Las Casas, Bartolomé de OP (1484-1566): ³LThK 6 (1997) 653-654: Las Casas war seit 1540 wieder in Spanien. Seine Relation über die Massaker an Indios könnte 1543 bereits im Reich bekannt gewesen sein. HELDING stand damals in engem Kontakt zu Dominikanern (z.B. zu Konrad Necrosius). Cat 141v.
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ist, desto weniger erkennt man sie als solche. Mutwillige Kriege von Christen gegen Christen seien der allergrößte Frevel. Damit kann der Prediger das Verhältnis zwischen Reich und Frankreich ebenso wie die inneren Verhältnisse im Reich apostrophiert haben. Fürsten, die nicht Schutz und Ordnung in ihren Landen schaffen, machen sich zu Komplizen und Handlangern dieser Verstöße gegen Gottes Gebot. Jedoch hat der Prediger eine Art von Genugtuung parat: Auch wenn es schwerfällt zuzusehen, wie mancher durch Gewalt, List, Untreue und Geiz ein Vermögen scheinbar ungestraft anhäuft: Es gibt genügend Beispiele, wie Gott diese schon in ihren zeitlichen Gütern straft, indem sie sich ihrer Güter wegen Krankheit, Verlustangst oder anderer Gründe nicht wirklich erfreuen können. HELDING weiß aber auch vom Gegenteil. Was Gott einem geschenkt hat, soll man auch genießen. Wen der Geiz so treibt, dass er von seinen Schätzen sich selbst und dem Nächsten nichts gönnt, der wird vor dem Richterstuhl Gottes Zeugnis ablegen müssen, dass er das werckzeug der seligkeit so unmiltiglich hinderhalten habe.428 Gott züchtigt mit Teuerung und Misswachs, aber auch mit Hilfe der äußeren Feinde wie der Türken. Und hier wird HELDING wieder zeitkritisch.429 2.4.3.5. Das achte Gebot Du solt kein falsch zeugniß wider deinen Nechsten reden.430 In der Institutio setzt sich HELDING noch extensiver als im Catechismus mit der Thematik auseinander, sodass man geneigt ist, an konkrete Anlässe zu denken.431 Gleich hoch wie Leib und Gut ist die Ehre des Mitmenschen zu schätzen, denn Schmach und Schande, die fälschlich über jemanden ausgebreitet werden, kommen, wie HELDING drastisch darlegt, dem Totschlag gleich. Nicht nur die Hand, auch die Zunge kann Schaden zufügen (linguae malitia). Er vergleicht die Zunge mit einem wilden ungezähmten Raubtier (nocentissima bestia), das durch dieses Gebot, welches die vorigen im Hinblick auf die Nächstenliebe ergänzt, in Schranken gehalten werden soll. Daher 428 429
430 431
Cat 142r. Cat 143r: Des betriegens und uber fortheilens und des schendlichen wuchers ist allenthalben so viel / das mans ordenlicher weiß nit alles straffen kann / Wer wolt hencker und galgen genug bestellen: Ey so schicket uns Gott züchtiger / die uns auff einmal alle straffen künnen / uber etliche kompt der Türck / von etlichen orten uberfelt ein Christ den andern mit kriegßvolck / die räumen auff einmal auff / alles was man mit langen betriegen wider Gott gesamlet hat / Verbrennen und verheren / was sie nit hinweg bringen / schenden darzu weib und kind / unnd nemmen etwann den leib mit dem gut. Cat 143v. Cat 144r-150v: Es könnte an HELDINGS eigene Nachrede über seinen Werdegang vom Kindesvater zum Kleriker gedacht werden, wie sie später von Flacius tatsächlich aufgegriffen wurde.
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dürfen über den Nächsten keine Unwahrheiten verbreitet und kein falsches Zeugnis abgelegt werden, das ihn um sein Leben, Vermögen oder seine Ehre bringen kann. HELDING setzt beispielhaft das falsche Gerücht über die mangelnde Sittenhaftigkeit einer Ehefrau einem tatsächlich begangenen Adulterium gleich. So wie schon bei den zuvor behandelten Geboten geht HELDING auch beim achten vom Pars pro toto aus und sieht hinter dem Ablegen eines falschen Zeugnisses jegliche Beeinträchtigung des Nächsten durch das Wort, in welcher Form und an welchem Ort auch immer. Aber die Wahrheit an sich ist ein Gut, das es zu schützen gilt. Dem menschlichen Gemüt ist nach HELDING eine Neigung zur Adoration eigen. So schmeichelt man gern dem Reichen, heuchelt, um die Gunst der Mächtigen zu erlangen. Umgekehrt sündigt selbst, wer die Sünde und Gebrechlichkeit eines anderen überall aus Lust und zur Kurzweil anderer verbreitet, als ein Winkelschwätzer und Afterredner.432 HELDINGS Anspruch zufolge darf nicht schweigen, wer von einer Ungerechtigkeit in Worten und Werken hört. Schon deswegen fällt auch das falsche Zeugnis vor Gericht, das einen Übeltäter vor Strafe schützen will, unter das Gebot. Alle Richter, Advokaten, Fürsprecher, Notare, die wissentlich eine gerechte Sache behindern, die Schutzlosigkeit von Witwen und Waisen zu deren Nachteil ausnützen oder einer ungerechten Sache weiterhelfen, trifft das achte Gebot nach HELDING ebenfalls.433 2.4.3.6. Das neunte und zehnte Gebot Du solt nit deines Nechsten hauß begeren.434 Du solt nit begeren deines Nechsten weib / nit sein knecht / nit sein magd / nit sein esel / noch alles was sein ist. Wie schon mehrfach betont, will Gott mit der zweiten Tafel die Pflicht zur Menschenliebe vor Augen führen. Auf dreierlei Arten kann dem Nächsten diesem Gebot zuwider Leid und Schaden zugefügt werden: mit der that / mit worten / mit dem willen und gemüt.435 Auf Tat und Wort, die an Leib, Gut und Ehegemahl des Nächsten Schaden stiften, beziehen sich das fünfte bis achte Gebot. Gott nimmt aber auch das Herz in die Pflicht. Das neunte und das zehnte Präzeptum setzen der Begehr-
432 433 434 435
Cat 148r verweist auf Ps 100 [101]. Hier hat HELDING offenbar eine eigene Vorstellung von der Rolle eines Advokaten als Parteienvertreter. Cat 151rv. Cat 152r-154v.
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lichkeit des Willens und der Lust eine Schranke und verlangen den Gehorsam der Gedanken im Herzen. HELDING stellt den altjüdischen Brauch der Trennung der Ehe zum Schutz der Frau dem christlichen Gebot der Unauflöslichkeit der Ehe gegenüber, nach dem ein ehrbarer Weg zur Gemeinschaft mit einem bereits verehelichten Menschen undenkbar ist. Er geht so weit, dass er auch die bloß versprochene Ehe geschützt wissen will. Das Abwerben von Dienstmägden und Knechten fällt wie die Begierde nach den Gütern eines anderen unter die beiden letzten Gebote. Wer sich aus solchem Beweggrund um ein Gut des Nächsten derart hartnäckig bemüht, dass dieser es zum Gegenwert, doch nicht aus freiem Entschluss, überlässt, verfällt ebenso dieser Sünde. Der Prediger zeigt offenbar aus Erfahrung gerade auf die, die unter dem Schein der Rechtlichkeit und Ehrbarkeit auf subtile Weise Güter anderer wie Häuser, Äcker an sich bringen. Wenn der Nachbar verarmt und ihm nur ausgeholfen wird, indem ihm das Haus abgenommen wird, ist zwar nicht das Recht, wohl aber das Christengebot verletzt. Das böswillige Ausschöpfen von Ansprüchen vor Gericht fällt auch hierunter. HELDING mahnt, solchen Neigungen schon im Anfang zu wehren, bevor sie als Begierden übermächtig werden.
2.5. Die Sakramentenlehre Im letzten und umfangreichsten Teil seiner christlichen Unterweisung436 befasst sich HELDING mit den Sakramenten.437 Dazu hat er im allgemeinen Vorspann, bevor er sich den einzelnen sakramentalen Vollzügen zuwendet, Predigttexte aus den Jahren 1543 und 1544 redigiert und mahnt den Leser ernsthaft, sich der Sakramente als Instrumente und Werkzeuge des Heils zu bedienen. Im gedanklichen Gleichklang mit dem Militia-Topos bei Erasmus438 spricht er von den Sakramenten als den gewaltigen festen Waffen, mit denen sich der 436
437 438
Cat 155r-279v, eingeleitet mit einem ganzseitigen Bild: Im Zentrum wächst aus dem Taufbecken, in das ein Säugling gehalten wird, ein Weinstock, der mittig in das Kreuz mit dem hängenden Christus übergeht, zu beiden Seiten Fruchtzweige, die je drei in Medaillons gefasste Darstellungen der sechs anderen Sakramente umranken. Aus der rechten Seite Christi ergießt sich ein Strahl in das Taufbecken mit den Worten Es wird alles gesund werden und leben / was dieser Strom antrifft [Ez. 47]. Zu Füßen des Gekreuzigten eine Taube im Strahlenkranz, zu Häupten in Wolken thronend Gottvater mit zum Segen erhobener Rechter (Signatur fehlt). In den folgenden Abschnitt ist auch HELDINGS Darstellung des Liber Merseburgensis einbezogen. Vgl. zur Metapher des Kampfes: Kohls, Die Theologie des Erasmus, Textband 225.
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Gläubige gegen den gefährlichen Anlauf des bösen Feinds rüsten muss. Er erweitert die Metaphorik, wenn er diese Gaben auch als starke heilsame Arzneien bezeichnet oder als einen Anker gegen die Anfechtung durch die Sünde, bzw. einen Stab, an dem sich der Sünder wieder aufrichtet und eine Schnur, an der er zum Brunnen der Gnaden Gottes zurückgeleitet wird.439 Immer wieder greift HELDING auf das Alte Testament zurück, so z. B. in der Reinigung und Besprengung mit Ysop.440 In der Regel handelt er jedoch vom neuen durch Christus konstituierten Gesetz. Viele Christen lassen den Gnadenschatz Christi müßig liegen und ergreifen die von Gott vorgesehenen Mittel nicht. HELDING beklagt für seine Zeit eine erschreckende Missachtung der heiligen Sakramente und, was noch mehr wiegt, ihre gotteslästerliche Herabwürdigung durch die Sekten. Dem Verständigen sei klar, dass dies eine List des Teufels sein müsse, der den Christenglauben schwächen wolle.441 Es sei so weit gekommen, dass uns höchstens noch die Predigt zusagt, die Werke dagegen verachtet werden und alle christliche Zucht aufhöre. Die Kirche, klagt der Prediger weiter, bewahre keine Disziplin. Fasten, Beten, Buße, Beichte gelten nichts mehr, außer der Anhörung des Gottesworts liege jegliche christliche Übung danieder. Dennoch glimmt in HELDINGS Menschenbild die Hoffnung, dass die Mehrzahl nur aus purer Unwissenheit und Unverstand handle und durch Aufklärung und Belehrung auf den rechten Weg zu bringen sei.
2.5.1. Der Begriff des Sakraments442 Streitpunkt zwischen den Konfessionen bildet die Siebenzahl bzw. die von Lutheranern bestrittene Einsetzung von Firmung, Buße, Krankensalbung, Priesterweihe und Ehe durch Christus.443 HELDING definiert die Sakramente auch als Mittel (Instrumenta resp. remedia salutis), durch die wir an den Heil, Trost und Rechtfertigung gewährenden Verdiensten und Gnaden Christi teilhaben können.444 Er vertritt den 439 440 441
442 443 444
Cat 156r. Num 19. Cat 158rv: Für HELDING zeigt sich die Not der Menschen auch darin, dass der böse geist so viel Menschen in verzweifflung getrieben [hat] / das sie an Gott und an jhnen selbst trostloß werden / unnd entleiben sich selbst / als jetzundt zu unsern tagen. {M49} cap. 11. Neumann, Art. Sakrament, VI. Kirchen der Reformation: ³LThK 8 (1999) 14471449. Institutio 142r-144r, hier 142r: Sacramentum dicitur sacrae rei signum externum & sensibile, efficaci significatione insinuans internam & invisibilem gratiam Dei, aut effectum gratuitum, ex divina institutione ad salutem hominis viatoris ordinatum.
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aristotelischen bzw. thomanischen Hylemorphismus von Materie und Form, wobei letztere als Wort oder signifikante Zeichenhandlung erscheint.445 Mit Augustinus fährt er etwas variierend fort: das einzelne Sakrament besteht aus Wort (verbum) und dem sichtbaren Element (signum).446 Mit dem Wort wird die innere spirituelle Wirkung übertragen, während im externen Bereich die sinnenhaften Merkmale eine Ähnlichkeit zu vertrauten Alltagsbezügen ausdrücken. Der Grund für diese Zeichenhaftigkeit liegt allein in der Einfalt menschlichen Begreifens, der sich Christus anpasst, so dass unseren Bedürfnissen besser gedient wird. Die Zeichensetzung ist aber keine absolute Voraussetzung: Bei Todesgefahr oder unabwendbarer Behinderung kann der fromme Wunsch nach dem Empfang des Sakraments das Signum ersetzen.447 Am Beispiel der Taufe sind dies das Element Wasser und die Anrufung der Hl. Dreifaltigkeit. Wie die natürliche Reinigungswirkung des Wassers den Wust von den äußerlichen Dingen nimmt, so säubert das Taufsakrament die Seele von allen Sünden und macht den Menschen zum ewigen Leben fähig. Diese Reinigung vollzieht sich durch die Kraft des Gottesworts.448 Wir merken HELDINGS Engagement, die Zeichenhaftigkeit seinen Zuhörern und Lesern zu verdeutlichen, wenn er von der Schmähung und Häme seitens anderer spricht.449 Die Zeichen sollen schließlich die Brücke vom Empfinden zum Verstand schlagen, wie er an jedem der ersten drei Sakramente nochmals darlegt: Der Firmung als einem Sakrament der Bekräftigung des Glaubens entspricht jene Substanz, mit der sich die Athleten zur Stärkung ihrer Glieder versehen. So begibt sich der Gefirmte mit dem Öl gestärkt in den geistlichen Kampf. Das Sakrament des wahren Leibs und Bluts Christi ist ein Symbolum unionis, eine Communio, ein Zeichen der Vereinigung und Gemeinschaft. Hiefür steht bei allen Völkern das gemeinsame Mahl, 445
446 447
448 449
Cat 159r: Und müssen allweg zwey ding zusamen komen / so machen sie ein Sacrament gantz. Nemlich die Creatur / die Materia oder Element / darinn Christus das selbige Sacrament eingesetzt hat / Unnd darnach das wort / welches sich auff die verheissung Gottes stewret und richtet / und bringt im namen und in der anrüffung der heiligen Gottheit / die kraft und genad / die Gott darbey verheissen hat. AU Jo 80, 3: Accedit verbum ad elementum et fit sacramentum. Institutio 153v: Ideo pius & benignus Dominus, ut sic sese imbellicitati nostrae accomodaret, & necessitati nostrae melius inserviret, per haec visibilia signa de sua nos voluntate & gratia erudire, & mentis nostrae infirmitatem sub sensibili forma confirmare voluit. Unde plane sentiendum est, iis quidem, qui a sacramentorum perceptione (quae tamen seriis animi votis expetunt) aut morte, aut violentia hominum, aut alia inevitabili necessitate impediuntur, pium animi sui votum, ad consequendam salutem, sufficere posse. Cat 159v. Cat 160r: Die Ketzer und Heiden sagen, was sol das Wasser oder das weiß bißle brots oder das rantzend Ole.
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die mensa als symbolum amicitiae. Das Brot als die Vereinigung der Getreidekörner und der Wein als solche der einzelnen Beeren sind weitere Zeichen dieser Communio mit Christus und untereinander. Sollte einer dann fragen, wozu überhaupt die Zeichen erforderlich sind, um Gottes Gnaden zu erhalten, bescheidet ihn HELDING wieder mit psychologischer Einfühlung.450 Sakramente sind aber auch Friedzeichen, Symbola der christlichen Einigkeit.451 Begründung für die Siebenzahl Die Siebenzahl der Sakramente ist durch den Herrn eingesetzt. Als exercitia pietatis können sie in einem einzigen Sakrament nicht angemessen erlangt werden. Es sollten aber auch nicht mehr Sakramente sein, damit das unter dem Evangelium frei gewordene Volk, das einstmals unter dem Gesetz der Knechtschaft lebte, durch die übermäßige Last heiliger Riten nicht allzu sehr bedrückt würde. Abermals verweist der Kommentator in der Institutio auf Augustinus, demzufolge die gegenüber dem alten Gesetz geringere Zahl an Sakramenten überdies heilwirkender sei, weil sie sich nun auf die Gesamtheit der christlichen Gemeinde erstrecke.452 Exklusivität der Kirche Kirche und Sakramente sind eine untrennbare Einheit, außerhalb der Kirche Christi gibt es keine Sakramente. Nun behaupten aber die Ketzer, die wahre Kirche sei bei ihnen. Nach der alten Regel ist die Kirche Christi jene, die zu allen Zeiten und an allen Orten bestanden hat und besteht. Und es mag dies als echt und wahr gelten, was immer schon gegolten hat, und nicht jene Meinung, die erst jetzt neu aufgekommen ist. In seiner einprägsamen Formulierung äußert HELDING sich in der Weise, dass er in den Herzen seiner Zuhörer die Andacht, die Lust und die Ehrerbietung gegenüber den Sakramen450
451 452
Cat 161r: Weil unser Gemüt / zu glauben und zu lieben was Gottes ist / etwas langsam und treg ist / so hat Gott unser gemüt durch solche eusserliche zeichen etwas wollen ermundern. Es gehet uns mehr ein / es bewegt uns mehr / was man inn eusserlichen zeichen mit uns handelt / dann was allein im geist unnd im gedencken stehet. Darzu seind die zeichen ein vergewisserung und starcke tröstung unserer gewissen / Wann ich das zeichen von aussen fasse / so werd ich gewiß / verlasse mich darauff / unnd glaubs ohn zweiffel / das ich jenes entpfahe / was mir Gott bey demselbigen Sacrament zugesagt hat. Also ist mir das eusserliche zeichen / gleich als ein pfand unnd ein siegel der verheissung Gottes / darbey ich gewiß werdt / das die jnnerliche wirckung mit mir geschehe / wie es Gott mir und einem jeden versprochen hat / der die heiligen Sacrament gebraucht. Cat 158r. Institutio 153v zitiert AU Fau 19,13; rel 17; do 3,9.
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ten als den von Gott verordneten Werkzeugen wecken und stärken will. Das Elend und die Gebrechlichkeit des physischen Daseins sehen die Menschen wohl, für das Elend ihres Seelenheils aber sind sie mit Blindheit geschlagen, daher achten sie die göttliche Arznei für gering. Schließlich spricht er noch die Schwächen der Spender selbst an. Mögen sie noch so durch Sünden gebrechlich sein, ihr Amt soll nicht gering geschätzt werden, denn sie übertragen die Kraft Gottes. Auch der Apostel Judas habe gültig getauft.453 Nach diesem Vorspann wendet er sich jedem einzelnen Sakrament zu.
2.5.2. Sakrament der Taufe Der Taufe widmet HELDING sechs Tage und zeigt damit, welche Schlüsselfunktion er ihr beimisst, obwohl der Baptismus nicht zu den allerersten Kontroversthemen zählt.454 Er versucht auch eine systematische Gliederung in 5 Punkte: a) Von den äußerlichen Zeichen, b) Von rechter Weise und Form der zu gebrauchenden Worte, c) Von der Kraft und Wirkung, d) Von den Taufspendern und dem späteren Verhalten des Getauften, e) Von den Kirchengebräuchen bei der Taufe. Im Zeichen des Wassers Nach Paulus (Eph 5,26) hat Gott seine Kirche gereinigt durch das Bad des Wassers im Wort des Lebens.455 Mit dem Taufakt geht ein geistliches Begräbnis einher, das Auftauchen aus dem Wasser bedeutet die Auferstehung in ein neues Leben. HELDING kennt wohl die Submersio, geht allerdings im liturgischen Regelfall vom Besprengen des Täuflings aus.456 Er hält uns vor Augen, dass wir unserem Leib diesen geistigen Tod täglich bereiten müssen, um die Sünden des Fleisches Unreinigkeit / Unzucht / Unmeßigkeit / Abgötterey / Zauberey / Feindtschafft 453 454 455
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Cat 22r. Die Buße (193v-222r) behandelt HELDING in acht, das Altarsakrament (222r249r) in neun Predigten. Ebd. 165r: So wie der Mensch aus zweierlei Substanzen, aus Leib und Seele, Fleisch und Geist, besteht, so gehört der äußerliche Teil des Sakraments, das Wasser, für den Leib, und das Wort trifft die Seele. Wie nun das heilige Tauffwasser am leib wäscht / also wäscht der heilige Geist von jnnen durchs wort ahn der Seelen / und wirt also durch den Tauff der gantze mensch rein und heilig. Das griech. baptizo bedeutet ebenso wie die gotische Wurzel daupjan tief machen, ein- bzw. untertauchen.
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/ neidt / todtschlag / hader / füllerey / gefreß / geiz / etc. abzulegen.457 Die Bereitung des Taufwassers erfolgt am Oster- und Pfingstabend.458 Die Form der Worte Die Einsetzung des Sakraments führt HELDING auf Jesus direkt zurück, der sich der Johannestaufe unterzog (obwohl ihn die Erbsünde nicht belastete) und verschiedentlich selbst taufte. Im thomanischen Sinn arbeitet HELDING die Elemente Materie und Form heraus.459 Dem äußeren Zeichen des Wassers müssen die Worte Ich taufe dich im Namen des Vaters, des Sohnes und des Heiligen Geistes unmittelbar folgen.460 An der Taufe von Neugeborenen hegt der Prediger keinen Zweifel und doch geht er von einem gegenseitigen Bündnis zwischen Gott und dem Getauften aus, das beide Teile gegenseitig verpflichte,461 was einen geschäftsfähigen Partner unterstellen würde. Gott verpflichtet sich, mittels des Hl. Geistes die alten Sünden abzutun, die Gnadenkraft zur Abwehr neuer Sünden zu verschaffen und auch in Zukunft dem Sünder nach dessen Reue und Buße zu verzeihen. Dem Ungläubigen hingegen kann selbst tiefste Reue und härteste Buße nicht helfen. Die Wirkung der Taufe Aus dem Bündnis erwachsen beiderseits Bindungen, wobei die Selbstverpflichtung Gottes immer ungeschuldet ist. Gott gibt dem Getauften den Hl. Geist ein, der ihn von den alten Sünden reinigt, und verspricht, ihm auch künftig zu vergeben. Gott nimmt die Werke, die an sich unvollkommen sind, aus drei Gründen in Gnaden an. Nicht das Werk als solches, sondern die dabei geübte Liebe, die Gott durch seinen heiligen Geist eingegeben hat, macht das Verdienst aus. HELDING betont stets, dass das Werk für sich allein nichts bewirken kann, wie er sich schon gegen die Pelagianer äußerte. Ein weiterer Grund ist nach HELDING die väterliche Liebe, die Gott für den als Kind angenommenen Täufling hegt. Der Getaufte soll sich von Sünde freihalten. Aber kraft des geschlossenen Bundes zeigt Gott auch dem Sünder 457 458 459 460 461
Cat 166v (vgl. Kol 3,5). Cat. 175r. Thomas v. Aquin, STh III, 60, 6, 2: Res et verba sunt unum sacramentum inquantum conveniunt in uno, scilicet in significando vel causando. Thomas v. Aquin, STh III, 60, 7, 0: Forma determinata verborum requiritur in sacramentis. Cat 167v. Gegen Wiedertäufer spricht er sich entschieden aus (Postilla, De tempore, Winterteil 44v).
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Wege des Trosts und der demütigen Hoffnung auf. Dieser Bund ist schon im Alten Testament verheißen (Jer 31,31) und bildet damit die dritte Ursache, weshalb unsere Werke Annahme finden können.462 Die Spendung der Taufe HELDING hat wohl die allgemeine Verfassung des Priesterstandes vor Augen, wenn er hervorhebt, dass man im Gebrauch der heiligen Sakramente Augen und Gedanken von den Dienern abwenden und allein auf Gott richten soll. Der Herr der Taufe ist Christus. Es wäre daher von Übel, wollte man die Wirkung an den Spender binden. Die Gegenwart von Gottvater, Sohn und Hl. Geist ist bei dem Akt das Wesentliche. Der Prediger beklagt, dass kaum jemand sich noch als Erwachsener taufen lasse oder zum Christenglauben konvertiere. Für den seltenen Fall beschreibt er den Vorgang. Voraussetzung ist die ernste Reue. Wollte einer seine gewohnten Laster nicht ablegen, ist ihm die Taufe zu versagen, täuscht er aber den Priester und verleugnet er seine Sünden, dann gilt die erteilte Taufe dennoch, sie wird ihm vor Gott aber nicht zur Seligkeit verhelfen.463
Die Taufzeremonie HELDING muss zunächst zugeben, dass die Gläubigen kaum einen Zugang zu den Gebräuchen des Taufaktes haben, da sie die Laien in der Kirche nie gelehrt wurden. Daher sei es nicht zu verwundern, dass diejenigen, die der Kirche ferne stehen, auch leicht von der Taufe abzubringen sind.464 HELDING will auch den Gegnern zugestehen, dass die Taufzeremonie nicht Wort für Wort in der Schrift vorgegeben ist. Aber er macht ebenso die Leitungsaufgabe der Kirche geltend, solche Bräuche zu ordnen. HELDING selbst nahm ein Formular zum Vorbild, das vermutlich der Mainzer Agenda Erzbischofs Uriel von Gemmingen entstammt.465 HELDING verweist dabei auf die Traditi462
463 464 465
Ebd. 168v: Sihe es kommen die Tag (spricht der Herr) das ich mit dem Hauß Israel und Juda / ein newe Bündniß schliessen werde / Nicht allein Bundniß wie ich gemacht hab mit jhren Vättern / als ich jhre Hand ergriffen / und sie aus Egypten gefüret hab / Sonder diß wirt mein Bund sein: Nach diesen Tagen (spricht der Herr) werde ich meine Gesetz in jhre jnnerliche Glieder geben / unnd in jr Hertz werde ichs Schreiben / Und ich werde jr Gott sein / und sie mein Volck / und ich will jrer ungerechtgkeit gnedig sein / und jrer Sünde will ich nit mehr gedencken [Jer 31,31]. Diese krafft hat auch der Heilige Tauff. Cat 173rv. Cat 174r. Exorzismus, Exsufflatio (böse Geister), Kreuzzeichen auf Stirn und Herz, Salzgabe, Kreuzzeichen, Exorzismus (Teufel), Traditio Evangelii, Vaterunser und Ave Maria der Umstehenden, Bestreichung der Nase und Ohren und Ephatharuf, unterstüt-
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on, wie sie durch die Kirche von Anfang zu allen Zeiten an allen Orten beibehalten wurde und stellt ihr die neuen Bräuche gegenüber, die unruhige Geister aus Mutwillen aufgebracht hätten. Da ist einmal deren Verzicht auf geweihtes Wasser, das durch bloßes Brunnenwasser ersetzt wird. Mag dieses auch nicht schlechter sein, fehlt HELDING doch jegliches Verständnis für den grundlosen Verzicht auf die Jahrhunderte alte Übung, das Taufwasser am Oster- und Pfingstabend zu segnen. Gerade dadurch wird gezeigt, wie die Taufe ihre Kraft aus dem Ostergeschehen, Tod und Auferstehung Jesu, und aus der Gnade des Hl. Geistes bezieht. Auf diesen Kontext sind auch die Gebete ausgerichtet.466 Luther selbst hat sich in seinen beiden Taufbüchlein 1523 (WA 12,42-48) und 1526 (WA 19,537-541) auf eine Verdeutschung und geringe Kürzungen bei den Exorzismen beschränkt.467 Zunächst war ihm auch die später allgemein bekämpfte Verwendung von Salz, Chrisam und heiligem Öl kein Anliegen. Er betonte vielmehr als Zentrum des Taufgeschehens den Bund zwischen Gott und Täufling.468 Weitere selbstständige Änderungen gingen von den Kirchenordnungen in Straßburg, Nürnberg und der Pfalz aus. Die Abrenuntiatio Satanae der Taufformel gibt HELDING Anlass zur Klage über die getauften Christen, die dieses seinerzeit gegenüber Gott abgegebene Versprechen brechen und das Geschäft des Teufels betreiben.469 Auch daran können wir ein Sittenbild der Zeit ablesen. Die Warnung, dass dem abgefallenen getauften Sünder die Sünde ärger angerechnet wird und Gottes Zorn und Strafe umso strenger ausfallen werden, scheint die von HELDING apostrophierten Christen wenig zu bekümmern.
466 467 468 469
zendes Gebet der Umstehenden, Wechsel in das Innere der Kirche, Vis-baptisariFrage, Abrenuntiatio, Interrogatio fidei, Confiteor, Salbung Herz und Schultern mit hl. Öl, Taufbad (Immersio) bzw. Infusio, unter Anrufung der Trinität, Dritte Salbung des Haupts mit Chrisam, Anlegung des weißen Kleides. Cat 175v: CYP, AU, PS-DION bezeugen bereits die Segnung des Taufwassers. Drews, Art. Taufe III. Liturgischer Vollzug: RE 19 (³1907) 438-440: Das Taufbüchlein 1526 sieht auch ein Sündflutgebet und die Verlesung von Mk 10, 13-16 vor. Jordahn 424. Cat 180rv: Es ist wol etwas weitleufftig / aber doch wol bekannt bey den Christen / was des Teuffels Pomp und werck seind / hoch brangen bey jhm selbst / eigennützig sein / unnd mit des andern beschwerd nach gut stellen / dasselbige verbrassen und verschwenden unnützlich / zum bracht nichts mangeln lassen / und zum Allmosen oder andern Göttlichen gebräuchen immerdar kargen und nichts thun oder vermögen / und darneben gegen dürfftigen unmild sein / wie es gemeinlich jetzt inn der welt geht / ist des Teuffels gebreng / Stoltz sein unnd andere verachten und underdrucken / ist des Teuffels gebreng / Unreines / wüst Leben füren / sauffen / stelen / neiden / tödten / ubels nachreden / Secten anstifften / liegen / betriegen / seind des Teuffels werck / und in Summa / alles was da Sünde und unrecht ist / des ist der Teuffel ein meister und anstiffter / und den selbigen wercken haben wir alle abgeschworen im Tauff.
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Die vom anderen Teil verspotteten Salbungen mit Chrisam und Öl verteidigt HELDING mit den Traditionszeugen Dionysius, Clemens, Hieronymus und Augustinus. Den Brauch, das Taufwasser zu Pfingsten zu segnen, haben ebenfalls schon Cyprian, Augustinus und Dionysius Areopagita gekannt. Die Salbung würde nach Ambrosius den Täufling zum Athleta Christi machen. In seiner Defensio adversus Flacium setzt er sich mit dessen Unterstellung auseinander, dass die Taufe ihre einmalige Wirkung im Menschen mit der Zeit einbüße. Die Kirche habe immer an der lebenslangen Wirkung der Taufgnade festgehalten.470 Im Liber Merseburgensis geht HELDING noch auf den schweren Mangel ein, dass die Salbung unterbleiben würde. Ferner erlegt er dem Spender auf, den Taufakt am Morgen durchzuführen. Im Wege der Magistrate sollen ausufernde Festlichkeiten auf ein christenwürdiges Maß beschränkt werden. Ebenso soll die Unsitte abgestellt werden, aus materiellen Gründen mehrere Patrini anzuheuern. Es wird daher untersagt, mehr als einen bzw., wo die Gewohnheit verbürgt ist, mehr als drei Paten anzunehmen. Schließlich ist der Baptismus nicht in Privathäusern zu erteilen.471
2.5.3. Sakrament der Firmung Christus will seine getaufte Herde gegen die Nachstellungen des Teufels immunisieren und hat dafür das Sakrament der Firmung verheißen: Durch den Hl. Geist wurde diese Kraft auf die Jünger übertragen. Von diesen ist das Sakrament in direkter Nachfolge in der Kirche bis auf die heutige Zeit weitergegeben worden.472 Es gibt Zeitgenossen HELDINGS , die über das Sakrament spotten, deshalb will der Prediger diese Gnadengabe in ihr volles Recht setzen.473 Nur wenige würden die Taufgnade unversehrt durch alle Anfechtungen dieser Welt bewahren können. Die Taufe ist somit eine notwendige, aber keine hinreichende Bedingung zur Seligkeit. Die Taufgnade ist stets gefährdet. Gott will uns nicht als Waisen allein in der fremden Welt zurücklassen, sondern gibt uns den Hl. Geist als Consolator ad tutelam, als Tröster und Vormund bei.474 Dieser kräftigt 470 471 472 473 474
Brevis Institutio, Defensio adversus Flacium Ciiijv-Cvr. Liber Merseburgensis 27v. Zur Entstehungsphase der Firmung vgl. Neunheuser in HDG 4,2b (²1983) 63. M. Hauke, Die Firmung 176-178: Luther bestreitet die Verheißung des Sakraments. Er sah in der Firmung nur eine Stiftung durch die Kirche. Cat 185rv: HELDING zitiert Joh 14,16-18 unter Vertauschung der Abfolge: Non relinquam vos orphanos. Rogabo patrem meum, & alium Paracletum dabit vobis, qui maneat apud vos in aeternum.
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die Herzen, rüstet sie aus mit seinen Gnaden, lässt sie standhaft werden gegen die Anfechtungen der Welt, des Fleisches und des Teufels.475 Warum auch dieses Sakrament jetzt mehr und mehr abkomme, fragt sich HELDING und verwirft sogleich den Gedanken, dass es etwa unter den Zeitgenossen des 16. Jahrhunderts nicht mehr vonnöten sei. Das Gegenteil sei der Fall.476 Zeugnis der Schrift HELDING nennt zuerst die Verheißung des Hl. Geistes durch Jesus an seine Jünger und alle, die durch das Schriftwort an ihn glauben (Joh 17). Mit dem Pfingsttag erfüllte sich diese Verheißung an den Aposteln (Apg 2,1-13).477 Als weitere Zeugnisse für die damit einsetzende Tradition gibt er Apg 8,14-17 und 19,5-6 an, woraus wir den Brauch der geistmitteilenden Handauflegung erfahren, die den Aposteln vorbehalten war und von Papst Innozenz I. (401-417) als Vorrecht des Bischofs normiert wurde.478 Die Kirchenväter würden dann auch seit dem 4. Jahrhundert von einer zweiten Chrisamsalbung berichten, die unabhängig von der Taufe erteilt wurde.479 HELDING eröffnet dabei auch das Geheimnis der siebenfältigen Gnaden, die mit der Eingießung des Hl. Geists empfangen werden.480 475
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HELDING geht von Wort confirmatio aus und deutet es als Kampfstärke, die der getaufte Christ zusätzlich erwirbt. Tatsächlich hängt das confirmare mit der Bekräftigung des Taufcredo zusammen und meint eine Befestigung der consignatio. Cat 189v: Wann ist die Welt je so dieff in allem wüst der sünden gelegen als jetzund. Wann ist je ein gefährlicher Leben gelebt worden in der welt? Wann seind alle ursach der sünden im schwanck daher gangen als jetzund? Und wann hat der böse Feind je solchen gewalt uber die menschen und so vielfeltig gebraucht als zu unseren zeiten / da er jetzt jenen inn ein verzweiffelung unnd kleinmutigkeit jagt / den andern erhebt er in ein trutz / das er sich für keiner sünde scheuhet / forcht kein trawung oder urtheil Gottes / last im nichts weren / veracht alle ding. M. Hauke, Die Firmung 11, verweist auf Joel 3,1-5 als Vorankündigung der Geistsendung. Cat 187v: Non pro eis tantum rogo. Darnach beweists der brauch der Apostel / wie sie den heiligen Geist entpfangen hetten / also theilten sie jn nachmals under alle die getaufft waren. Als die Apostel zu Hierusalem vernommen hetten / dz Samaria Gottes wort angenommen hett / sandten sie zu jhnen Joannem und Petrum / die legten jre hend uff sie / und sie entpfiengen den heiligen Geist. Gleichen gebrauch hielt S. Paulus auch als er gen Ephesus kam / und taufft alda etliche / nach dem Tauff legt er jnen die hend uff / Und der heilig Geist kam uber sie und sie redeten mit vielen sprachen / und sagten weiß. Cat 188v: Lt. HELDING sei bei PS-DION, Eccl. Hier., Kap. 4 die Salbung mit Chrisam durch die Apostel bezeugt. HELDING zufolge ist die Chrisamsalbung erst nötig geworden, als den Schwachgläubigen die offenbar nach Pfingsten zunächst noch länger anhaltende Geistwirkung mehr und mehr entschwand und ein neues sichtbares Zeichen nötig wurde. Cat 190v: Geist der Weisheit und des Verstands / des Rats und der Stärke / der Kunst und der Gottseligkeit / Geist der Furcht.
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Spendung des Firmsakraments Wie bei der Taufe bilden Materie und Wort gemeinsam das Sakrament. Das Wort bezieht sich auf die den Jüngern mehrmals verheißene und am Pfingsttag erfüllte Geistsendung. In der Praxis erfolgte die Firmung zunächst im Anschluss an den Taufakt durch die Apostel und deren Nachfolger, wobei die Erteilung dem Bischof vorbehalten war. Die sakramentalen Zeichen bestehen in der voll ausgebildeten Form zur Zeit HELDINGS im Auflegen der Hände, der Salbung, und dem Signum des Kreuzes auf der Stirne. Während die Auflegung der Hände auch für HELDING in der Hl. Schrift als ursprünglicher Bestandteil der Firmung verankert ist, bleibt er bei der Herkunft der Salbung etwas im Dunkel, indem er ihre Einführung auf das Ausbleiben der äußeren Zeichen zurückführt. Mit dem Kreuz auf der Stirn bezeichnet zu werden, trägt uns auf, den Streit für die rechte Lehre zu führen.481 Schließlich wird ein Backenstreich verabreicht, der an den Frieden des Herzens und des Gewissens gemahnt, den nicht die Welt, sondern nur Gott geben kann. Dieser innere Frieden ermöglicht es dem durch die Firmung Gestärkten, den Unfrieden der Welt zu ertragen. Der Prediger plädiert auch für eine baldige Geistsalbung bei Kindern, um sie keinen Gefahren für ihr Seelenheil auszusetzen. Zuletzt berührt HELDING kurz die Funktion des Paten (Patrinus), der sich wie bei der Taufe auch in diesem Sakrament vor Gott zum Schutz des Gefirmten verpflichtet hat. HELDING verliert explizit kein Wort über die Bischöfe als ausschließliche Spender des Firmsakraments, obwohl auch dies ein kontroversielles Thema geworden war. Nur in einem Nebensatz des von ihm wiedergegebenen Zitates von Clemens von Rom ist von der Rolle des Bischofs als dem, der den Getauften mit dem Kreuz bezeichnet, die Rede:482 Wer selig werden will / der sol sich eilen / das er erstlich newe geboren werde im Tauff / und nachmals / das er auch vom Bischof bezeichnet werde / und aldo die siebenfeltige genade des heiligen Geists entpfahe. Dem Bedürfnis, gegenüber den Sektierern die Firmung als ein unverzichtbares Sakrament zu behaupten, trägt HELDING in wieder481
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Cat 191r: Die Bezeichnung der Stirn mit dem Kreuz wird seit TE nach 2 Kor 1,22 Besiegelung genannt. Anklänge an den Gedanken der militia Christi sind unverkennbar. HELDING versteht die Stirn als den Ort, an dem die Herzensregungen sichtbar werden. Cat 187v: Clemens von Rom (um 90-120). Seine von HELDING als Quelle angegebene Epistola ad Julium et Julianum episcopos haben weder Frede noch LACL.
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kehrenden Begründungen Rechnung, die er zusammenfasst: Wenn wir den Hl. Geist in uns walten lassen, bewahrt er uns vor allen Gelüsten des Fleisches und Künsten des bösen Feindes und hält uns von Sünden fern.
2.5.4. Sakrament der Buße Mit der Buße setzt sich der Autor eingehend auseinander, einerseits, um ihren sakramentalen Charakter gegen den anderen Teil zu untermauern, andererseits, um auf ihre Voraussetzungen, Wirkungen und Missbräuche hinzuweisen.483 Die Predigtreihe Jonas Propheta aus der ersten Phase in Merseburg ist zur Gänze diesem von Luther in die Nähe der Werkgerechtigkeit gerückten Sakrament gewidmet. Trotz Taufe und Firmung ist der Mensch weit davon entfernt, in seinem Leben zur christlichen Vollkommenheit zu gelangen, die ihm die ewige Seligkeit verbrieft. Seine Schwäche zeigt sich allenthalben und, obwohl ihm das Rüstzeug zum Guten mitgegeben ist, verfällt der Durchschnittsmensch immer aufs Neue der Sünde. Die Taufe hilft nicht gegen die nachmaligen Sünden. Dafür ist durch die Gnade und das Verdienst Christi das Heilsmittel der Buße gegeben. Gottes Langmut und Barmherzigkeit gewähren Vergebung, und diese nicht nur einmalig, sondern sooft der Mensch in Sünde fällt. HELDING definiert Büßen als Gereuen, als Gemütsbewegung, sich selbst wegen einer Sünde anzuklagen und zu strafen. Drei Eigenschaften sind zur Buße verlangt: Reue im Herzen, Einbekenntnis der eigenen Schuld und Satisfaktion, die als ein Dreischritt zur Erlangung der Sakramentswirkung zu erfüllen sind. Er stützt sich ausführlich auf Väterzeugnisse und verweist dabei mehrfach auf einen liber de poenitentia des Augustinus.484 Definition der Reue (contritio)485 Wie ein Sünder zur wahren Reue gelangen kann, ist nach HELDING auf verschiedenen Wegen möglich: durch göttliche Erleuchtung, durch Ermahnung und Beispiel frommer Menschen, durch Schicksalsschläge, aber auch durch Einsicht in die große Barmherzigkeit 483 484 485
Cat 193v-222r: Vom 7. bis zum 14. Sonntag nach Trinitatis 1543 predigte er zur Buße. Nicht bei Frede und LACL.Siehe Anm. 496. Institutio 172v: Contritio est urgens animi dolor, & vehemens amaritudo conscientiae, quae se peccatis suis sentit iram Dei commeruisse, adeoque peccasse vehementer dolet, & irata peccatis suis, propositum assumit vitae in melius commutandae.
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Gottes.486 Andererseits gibt es Menschen, die sich nur durch Drohung mit der Strafe ewiger Verdammnis dazu bewegen lassen, ihr Inneres zu befragen. Die Väter stellten besonders die Gottesfurcht als Motiv der Reue in den Vordergrund. HELDING meint hiezu, die rechte Furcht wäre, Gott aus Liebe zu fürchten. Rechte Reue muss ernst und bitter sein, es geht dabei nicht mit Scherz und Kurzweil zu, wofern man sich wahrhaftig zu Gott wenden will. Einige Beispiele des gebührenden Reueernstes nennt er aus dem Alten Testament.487 Reue und innere Beichte sind Kern der willentlichen Reinigung und Erneuerung. Beichte (confessio) Bei der Confessio unterscheidet er die interne, die selbst von den Heiligen und Frommen täglich Gott gegenüber abzulegen ist, aber kein Sakrament ist, und die Aufzählung der begangenen Sünden gegenüber dem Priester. Das Schuldbekenntnis gegenüber der Kirche und dem Priester ist der Streitpunkt mit den Protestanten. Die Neuerer müssen sich den Vorwurf gefallen lassen, es mit der Buße nicht ernst zu meinen, wenn sie auf die Beichte verzichten. Selbst wenn sie diese in der einen oder anderen Form wieder einführen wollten, die einmal gewährte Freiheit dem gemein hauff wieder zu nehmen, würde ein unmögliches Unterfangen sein.488 In dieser Bemerkung klingt ein resignativer Zug HELDINGS durch, der vermutlich in den negativen Erfahrungen mit den revolutionären Strömungen des Bauernkriegs und der Wiedertäufer wurzelt. Die Kirche sollte wohl auch Ordnungshüter im Leben des Volkes sein. Die schwierige Lage der Zeit streift er auch mit der Bemerkung, dass es nicht mehr jederzeit ein Leichtes ist, einen Priester zur Abnahme der Beichte zu finden. Umso größere Bedeutung gewinnt die innere Beichte. HELDING spricht auch die psychologische Seite der Beichte an und stellt die Frage, warum die Menschen so leicht sündigen, aber die Kraft zur Beichte nicht aufbringen, obwohl sie in der Regel mit der Sündenvergebung rechnen könnten. Er vergleicht die Scheu mit jener vor dem Arzt, den einer längst aufsuchen sollte, sich aber aus 486 487 488
Ebd. 198v. Cat 200v: Beispiele sind David (Ps 37 [38]), Hiskia (Jes 38), Manasse (2 Chr 33,13). Ebd. 204v: Aber der gemein hauff ist wie ein schwerer stein / wann man jn vom Berg in das thal schalten will / so darff er nur ein wenig lüpffens / darnach laufft er für sich selbst / Als da man den gemeinen pöffel auß der zucht in ein leichtfertige freyheit füren will / darff einer schlechter arbeit / sie folgen gern / und künden auch wol unerlaubt und ungelehrt mutwillig unnd frey genug werden / Aber den gemeinen pöffel in ein zucht eintreiben / ist gleich als den stein gegen den Berg weltzen / braucht viel mühe und arbeit / wie fast man an jnen treibt / so begeren sie doch jmmerdar zurücke / in jre lose freiheit.
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Furcht vor der Wahrheit nicht dazu durchringt und damit sein Verderben hervorruft. Dabei wäre der erste Nutzen die Überwindung der Scham, über die eigene Untugend zu sprechen. Es ist eine Arbeit, die man an sich selbst leisten muss. Sie verlangt eine aufrichtige, demütige Gesinnung, wodurch die Hoffart überwunden wird. HELDING bringt auch wieder den Teufel ins Spiel. Dieser fordert als Ankläger vor dem Gericht Gottes Gerechtigkeit und Bestrafung des Sünders. Dessen Sündenbekenntnis, verbunden mit den bitteren Schmerzen der Reue, gibt Gott die Möglichkeit, den Teufel abzuweisen.489 Löse- und Bindegewalt Vor das dritte Element des Bußsakraments, die Genugtuung, schiebt HELDING in der Institutio noch zwei Kapitel ein, die sich nur an die Seelsorger wenden: die mit dem Abhören der Beichte und der Erteilung der Lossprechung verbundenen Umstände auf Seite des Beichte hörenden Priesters (Confessio sacramentalis, Absolutio). Wie soll der Diener der Kirche die ihm übertragene Vollmacht des Lösens und Bindens handhaben? Die ihm damit auferlegte Verpflichtung darf er nicht nach seinem Gutdünken, sondern nur nach dem Willen Christi erfüllen. HELDING betont auch die Entscheidung des Bindens, die der Priester unabhängig von der Person im erforderlichen Fall nicht scheuen dürfe.490 Ein weiteres Anliegen ist ihm die Darlegung der Wirkmacht des Sakraments, auch wenn es von einem selbst in Sünden verstrickten Priester erteilt wird. HELDING greift hier auf die scholastischen Kategorien der gratia gratis data und der gratia gratum faciens zurück.491 Die Löse- und Bindegewalt gründet sich auf die letztere und erlegt dem Priester eine hohe Verantwortung der Prüfung auf. Satisfaktion Der dritte Schritt zur vollständigen Buße, die Genugtuung, liegt HELDING besonders am Herzen. Die Satisfaktion ist jene Handlung, eine vom Beichtvater verhängte Strafe willig zu tragen oder eine gottselige Übung zu verrichten, durch die das begangene Unrecht wettgemacht 489 490 491
Ebd. 202v: So will Gott unser bekantnuß haben / das er damit dem Teuffel / unserem Ankleger / sein Maul stopffen möge. Cat 205v: Aber / sie müssen dem Herrn ein schwer rechnung darumb geben / wann sie Seelen tödten wollen / die nicht sterben / und wöllen lebendige machen / die nicht leben. Vgl. Thomas v. Aquin, STh I-II, 111, 1.
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wird.492 Damit kann sich der Sünder nicht die Vergebung erkaufen. Diese ist mit dem Ausspruch des Priesters bereits sakramental erfolgt, worauf HELDING besonders hinweist. Johannes Baptista forderte Früchte, die der Buße wert waren und an denen man eine Umkehr, einen neuen Wandel erkennen konnte. HELDING ist sich der Verleumdung der Kirche in diesem Bereich des Bußgeschehens bewusst. Diese entspringt nur dem Unverstand derer, die den kirchlichen Begriff der Genugtuung nicht erfassen: Die Werke der Genugtuung stellen keinen materiellen Gegenwert, keine Bezahlung für die Sünden dar, sondern der Bußwillige muss einen inneren Wandel zu einem gottgefälligen christlichen Leben vollziehen. Täte er dies nicht, würde sich der nicht ernsthaft zur Buße bereite Mensch eine neue schwere Sünde einhandeln. Die Schrift selbst gibt drei Bußwerke an, die gegen die Laster concupiscentia carnis, concupiscentia oculorum, & superbia zu verrichten sind: Beispielhaft ist an Ieiunium (Fasten), Eleemosyna (Almosen) und die Oratio (Gebet) zu denken.493 Die Bußübung muss sich über einen längeren Zeitraum erstrecken, zumal die Natur von der Sünde geschwächt ist und immer ein Rückfall droht.494 Früher musste die Satisfaktion bei schweren Delikten öffentlich geleistet werden. Jetzt ist die privata satisfactio die Regel. Missbrauch ist auch darin zu beklagen, dass es Prediger gibt, die das Volk mit sanften Worten verzärteln.495 Wenigstens einmal jährlich soll die Beichte vor dem Pfarrer oder dem geistlichen Vorsteher abgelegt werden. Der Ausspruch des Priesters ist ein iudicium. Neben Augustinus (ba, De vera & falsa poenitentia, De spiritu et anima, De vera invocatione)496 zieht HELDING Ambrosius (pae, Ca), 492
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Cat 197r: Das büssen mitt der that / satisfactio, oder wie es der hl. Johannes nent / das man frucht thun unnd erzeigen sol / die der Buß werth seindt / an denen man ein besserung des alten Lebens / und ein anstellung eines newen wandels spüren möge. Cat 213v: Die Schrift selbst kennt auch Bußübungen wie indui ciliciis, conspergi cinere, in terra dormire &c. Cat 214r: Paulus nennt die Sünden tela, spicula diaboli. Vgl. dazu Brevis Institutio, Defensio adversus Flacium, der auch mit Pfeilen, Spießen und Klauen kämpfen will (telis, pilis, unguibus). Institutio 201v: Non desunt, qui hanc vulgi negligentiam blandis, sed perniciosis sermonibus foveant, ad quantumvis levem de Dei misericordia confidentiam, omnium delictorum veniam & tam culpae quam poenae omnis condonationem pollicentes. Und Cat 220r: …die jhnen / wie der rechte Prophet sagt / küssen under jhre Arme / und Pfülben unter jedes Häubt legen / krawen jnen nur sanfft. Außer ba [De baptismo libri 7] alle AU-Titel nicht bei Frede. Schon Bellarmin bezweifelte in De scriptoribus ecclesiasticis 1613 (99-100) die Schrift De vera et falsa poenitentia im 4. Tomus der 10-bändigen Augustinusausgabe. Auch De spiritu et anima stufte Bellarmin als epigonal ein. PL 47, 1254-1256 spricht von einem AUFragment De poenitentia.
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Hieronymus (Mal), Origenes (super Ps. 37, super Lev, hom. 3 und 8), Tertullian (pae), Basilius (super Ps 32), Chrysostomus (sac, De Lazaro, In Mt hom. 3), Cyprian (lap), Hilarius (super Ps 137), Dionysius Areopagita (ep. ad Demophilum) und Sozomenus als Väterzeugen heran.497 Die Attraktivierung der Poenitenz ist für HELDING ein zentrales Element zur inneren Erneuerung der Kirche.
2.5.5. Sakrament der Eucharistie498 Die Lehrdifferenzen betreffen die Transsubstantiation und den Opfercharakter der Messe. Die Konzilsväter hatten das Thema 1547 abbrechen müssen und es erst 1551 wieder aufgenommen. Die Mainzer Verfasser waren daher auf die vorherigen Grundlagen angewiesen. Begriffe wie Conversio, Realpräsenz und Transsubstantiation kennt der knappe Wortlaut der Mainzer Konstitutionen von 1549 nicht, hingegen verwendet HELDING in der Institutio für die Verwandlung der species die Begriffe convertere, transmutare und transire.499 {M49} halten gegen die Protestanten fest, dass die eine Form den ganzen Christus darstelle.500 Der Laienkelch wird nicht kategorisch ausgeschlossen, der Mainzer Erzbischof behält sich aber die konkrete Zulassung vor. Zur Position HELDINGS ist in erster Linie auf seine 15 Messpredigten und eine Fronleichnamspredigt (beide aus 1547/1548), daneben auf die Erläuterung im Catechismus zu verweisen. Hier sei nur ein Zitat eingefügt:501 In diesem Sacrament des wahren Leibs und Bluts Christi / seind Brot und wein die zeichen und Element / zu denen kömpt das wort Christi / unnd wandert (!) diese Creatur in fleisch und blut… Diese beiden 497 498 499
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Sofern Nachweise möglich, nach Frede. Hilberath, Art. Eucharistie II. Historisch-theologisch; III. System.-theol.: ³LThK 3 (1994) 946-951. Institutio 208r: Nam qui in coena Eucharistiam conficiebat, idem nunc quoque in ecclesia in ministerio visibilis sacerdotis, ipse invisibilis sacerdos assistens, visibiles creaturas in substantiam corporis & sanguinis sui, verbi sui virtute convertit. Ebd. 209r: Cum in naturali comestione panem in carnem humanam, & vinum in sanguinem transmutari quotidie experiamur, vicina similitudine facile adducimur, ut panis vinique substantiam in veram Christi carnem, verumque sanguinem, coelesti benedictione & divina virtute converti credamus. Nam sicut nulla extrinsecus in pane & vino mutatio apparet, intus tamen substantia eorum vere transit in carnem & sanguinem Christi: ita in nobis, tametsi nihil foris apparet, intus tamen certo renovamur ad vitam, dum veram accipimus vitam. {M49} 8v: De veritate corporis & sanguinis Dominici, in Eucharistia plebem ex verbis Domini instruant, ut credant, post Consecrationem, sub speciebus panis & vini, veram corporis & sanguinis Domini substantiam contineri: Nec iam dividi Christum, aut sanguinem eius a carne separari unquam posse, quoniam amplius non moritur, ideoque sub alterutra specie Christum integrum contineri, & sub una specie tantum a fidelibus, quantum sub utraque, sumi. Cat 228r.
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Elemente verkörpern die lebenswichtigsten Gaben der Natur, die der Mensch zu seiner Existenz braucht, und sie stehen zeichenhaft für die wahre Sättigung der Seele. Brot hat dabei mehrfache Bedeutung, es bedeutet symbolisch Christus, der wie Brot am Leben erhält. Es steht aber auch für Gottes Wort, das die Gottseligen im ewigen Leben erhält. HELDING hat mit der menschlichen Begriffsstutzigkeit ein Einsehen: Ist wol ein schwer unbegreiflich werck / für unsere Sinn und menschlichen verstand.502 Die Bedingungen für den rechten Empfang der Eucharistie fordern auch wieder inzwischen abgekommene Verhaltensweisen ein, wie eben eine der Kommunion vorausgehende Beichte und Buße. 2.5.5.1. Das Thema des Laienkelchs503 HELDING hat in Augsburg 1547, also noch vor der offiziellen Veröffentlichung des Interim504 gepredigt und diese Predigt auch niedergeschrieben.505 Im Druck erschien dieser Catholische Bericht erst posthum im Ersten Johannisbrief 1566 und in Ausgaben der Postilla (1565, 1574). In einer früheren Predigt vom 20. Sonntag nach Trinitatis 1543 aus der Reihe der Eucharistiepredigten kommt HELDING ebenfalls auf den Sakramentenempfang unter beiderlei Gestalt zu sprechen. Unter den gläubigen Katholiken ist Unruhe entstanden, ob der Empfang allein unter der Brotgestalt nicht heilsnachteilig sei. Der Prediger sieht offenbar einen Erklärungsbedarf für den Umstand, dass die hl. Eucharistie unter beiden Gestalten gesegnet wird. Er nennt dazu zwei Gründe: Einmal soll die Handlung in der Kirche den Einsetzungsworten völlig entsprechen, und am Altar so gestaltet werden, wie es der Herr vollzog (Tut dies zu meinem Gedächtnis). Der andere Grund, weshalb die Segnung unter beiden Gestalten erfolge, ist die Veranschaulichung des Gedenkopfers.506 502 503 504 505
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Cat 229r. Ganzer, Art. Laienkelch I. Historisch-theologisch: ³LThK 6 (1997) 600-601. Mehlhausen, Interim 16: (dem Reichstag am 15. 5. 1548 vorgelegt und ab 20. 6. 1548 im Verkauf). Postilla, Catholischer Bericht 60v-72r: Catholischer Bericht wie sich gemeine Pfarherr / und auch sonst Christen in reichung und entpfahung des Heyligsten Sacraments des wahren leibs und bluts Christi in dieser verirrten und spaltischen zeitten verhalten sollen. Auff bitt eines fürnemen Fürsten des Reichs geschrieben / durch den Hochwürdigen Fürsten und Herrn Michael Weylandt Bischoffen zu Merßburg / beschrieben zu Augspurgk / etc. Zu diesem seindt drey Predig gesetzt vom fasten / fürbitt der Heyligen und sorge oder Hülffthuung für die Verstorbene glaubigen. Durch gemelten Herrn gepredigt / zu Augspurg / etc. 1547. Cat 238r: Auff das seine bedeutung under den underschiedlichen gestalten gnugsam und recht begrieffen werde / Dann dieweil das heilig Sacrament des Leibs unnd Bluts Christi ein Gedenckopfer / unnd ein gedechtnuß ist seines Leidens / so sol und muß die gedechtnuß der that und dem werck gleich sein. Nun aber in dem Leiden Christi / welches unser Erlösung gewircket hat / ist der Leib Christi für uns geben / unnd sein Blut ist für uns außgossen / und
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In der Folge argumentiert HELDING weniger schlüssig: Da Christus allezeit lebt, sind sein Leib und Fleisch und Blut ungetrennt. Daher ist Christus im Sakrament unter jeder Gestalt ganz. Dass er das Sakrament unter zwei unterschiedlichen Gestalten eingesetzt hat, ist nur um der Bedeutung des Gedenkopfers willen geschehen, das dem Hauptwerk gleich und ehnlich sein soll.507 Im Gebrauch des Sakraments sei diese Trennung jedoch unnötig und eine Gestalt genüge für beide. Warum der Kelch dann nicht auch das Brot ersetzen könne, erklärt HELDING aus der Übung der Apostel, da es heißt, zuerst brachen sie das Brot.508 Im Weiteren räumt er ein, dass der Eucharistieempfang unter beiderlei Gestalt weder wider die Schrift noch sündhaft und auch vereinzelt in der Tradition bezeugt sei.509 HELDING sieht aber in der Form des Eucharistieempfangs ein Symbol der Einheit der Kirche und dessen Missachtung wird für ihn zur Sünde. Die getreuen Anhänger der Hostienkommunion mögen getrost bei ihrem lange währenden Brauch bleiben, bis die gesamte Christenheit etwas anderes verordnen würde. Hier tritt bei HELDING sichtlich ein persönlicher Zweifel in Erscheinung, der sich später in seiner befristeten Akzeptanz des Laienkelchs unter den gegebenen Zeitumständen des Interim manifestiert. In den Mittelpunkt der Predigt 1547 stellte HELDING eine explizite theologische Erörterung der Einsetzungsworte. Er geht von der Unsicherheit aus, die viele Christen befallen hat, und versucht eine systematische Klarstellung zu geben. Dazu holt er weiter aus und versucht, verschiedenen Auslegungsmöglichkeiten nachzugehen. Drei verschiedene Annahmen sind nach HELDING denkbar: Einmal die häretische Annahme, in der Gestalt des Brotes werde nur der Leib, in der Gestalt des Weins nur Christi Blut empfangen. Das sei die Meinung des Ketzers Nestorius gewesen.510 HELDINGS Beweisgang verläuft folgendermaßen: Da Christus von den Toten auferstanden ist und nicht mehr stirbt, so müssen sein Leib (Fleisch), Blut, Seele und
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seind also zu unserem heil der Leib und das Blut Christi in seinem heiligen Leiden von einander abgesondert und entschieden worden. Darumb als Christus ein gedechtnuß seines Leydens stifften wolt / braucht er zwey zeichen. Damit nun dieses Gedächtnis und bedeuten seines Leidens / desto deutlicher unnd verständlicher were / so hat Christus sein heilige Sacrament seines Leibs und Bluts / welches ein gedechtnuß sein solt seines Leidens / in zweyen gestalten eingesetzt. Postilla, Catholischer Bericht 63v. Ebd. 67r: Christus selbst habe den Emmausjüngern nur das Brot gereicht (Lk 24,30), ebenfalls rede Apg 2,46 nur vom Brotbrechen. Er führt dafür als Beispiele Paulus [1 Kor 11,27-28] und (nach Frede) CY lap; PS-CY ep 2 an. Dagegen stehe die gegenteilige Überlieferung bei Theophylact (super Lk 24), Ambrosius, Augustinus und Ignatius [ohne nähere Angabe]. Amato, Art. Nestorius (381?-451?): ³LThK 7 (1998) 745-749.
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Gottheit, wie sie in der Auferstehung vereinigt sind, schon vordem ungetrennt beieinander gewesen sein. Wenn nun unter der Gestalt des Brotes nur der Leib und unter der Gestalt des Weins nur das Blut Christi konsekriert würde, müsste der Leib Christi bei jeder Konsekration von neuem sein Blut ausgießen und die Art eines wahren lebendigen Fleisches verlieren und es wäre in dem Brot das Fleisch Christi so, wie er blutlos und erstorben im Grab lag. Da ohne Blut im Leib Seele und Leben nicht bestehen, müsste man den Auferstandenen für ein Phantasma halten, während doch der auferstandene Jesus die Jünger seinen Körper spüren lässt. Das Fleisch allein hätte auch nicht die Kraft lebendig zu machen, wäre es nicht untrennbar mit dem Blut, dem Geist und der Gottheit vereinigt.511 Und um die Ganzheit Christi noch stärker zu betonen, verweist HELDING auf Hieronymus und Papst Hilarius, die erklärten, warum auch im kleinsten Stück des konsekrierten Brotes Christus ganz empfangen würde.512 Die zweite denkbare (lutherische) Auslegung nimmt den Auftrag Jesu Nehmet und trinket alle daraus im Wortsinn ernst, indem mit alle nicht nur der Jüngerkreis, sondern auch die nachkommenden Christen gemeint seien. Dem tritt HELDING mit Mt 26,27-28 entgegen. Er versteht das Wort alle nur auf die Jünger bezogen.513 Der Trinkbefehl sei somit ausschließlich an die Apostel und ihre Nachfolger, nicht aber an die ganze Kirche ergangen. Schließlich gibt HELDING eine dritte Interpretation, die das Handeln Jesu, auch wenn es kein Gebot wäre, genauso halten wolle, wie es der Herr beim Abendmahl vollzog und daher die Eucharistie unter beiden Gestalten zu empfangen vertrete. HELDING weiß auch für diesen Fall zu entgegnen, dass das Exempel Christi gerade beim Mahl von der Kirche keineswegs buchstabengetreu nachvollzogen wird. Allein, dass die Kirche die Eucharistie zumeist am Morgen feiere, sei schon ein deutlicher Hinweis auf freie Gestaltungmöglichkeiten, die sich die Alte Kirche von Anbeginn an erlaubt habe. So werde desgleichen die Fußwaschung unterlassen. Die Jünger haben nur im Namen Jesu Christi getauft. Die Kirche enthielt sich in der Frühzeit des Ge-
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Postilla, Catholischer Bericht 62v: HELDING zitiert eine Stelle des Cyrill [von Alexandria] In Johannem lib. 4. Cap. 34: Christi caro non ex se, sed propter inhabitantem in ea divinitatem vivificatrix est. Zu Cyrillus: Frede, CYR (CPG 5208). Ebd. 64v: Hieronymus (in sermone Dominicae quintae post festum Epiphaniae Domini) u. Papst Hilarius (de consecratione distin: secunda capite singuli, cap. ubi pars. [beide Stellen nicht bei Frede]). Betreffend Kelchkommunion: Mt 26,28 (pro multis) und Lk 22,20 (pro vobis) sind im Catholischen Bericht HELDINGS wie im Canon missae Romanus verbunden (event. durch Hg).
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nusses von Blut und Ersticktem. Später ging man von diesem Verbot wieder ab. Wenn der andere Teil sich auf Paulus, Cyprian und Chrysostomus berufe, die anders gehandelt hätten, sei dies wohl auch aus der Eingebung des heiligen Geistes geschehen, zumal in der Märtyrerzeit viele Christen ihr eigenes Blut vergossen und zu mehrer erinnerung und bekrefftgung ihres glaubens / und zu mehrer fridigkeit das Heylig Blut Christi in seiner eigenen gestalt trincken mochten.514 HELDING zieht hier auch eine Aussage von Kardinal Bessarions De eucharistia heran, wonach Kindern und Alten, die eine Begierde nach der Eucharistie zeigen, an ihrem Empfang aber gehindert werden, dennoch die Kraft des Sakraments zuteil wird.515 Es komme daher nicht auf die äußeren Zeichen, sondern die innere Kraft dieses Sakraments der Eucharistie an. In seinem Bericht für die Pfarrherren meint er, dass die Entscheidung über die etwas unklare Situation auf dem Konzil getroffen werden soll.516 Bis dahin soll zwar die eine Gestalt des Brotes bevorzugt werden, der Darreichung sub utraque aber nicht die Wirkung abgesprochen werden. Schließlich habe Christus die eusserliche weiß der Communion frey gelassen.517 Vielmehr liegt der Frevel der Kelchsakramentierer darin, dass sie sich bewusst von der communio der Gläubigen ausgrenzen. 2.5.5.2. Wesen des Altarsakraments Im Verlauf dieser Predigt geht HELDING auf das Wesen der Eucharistie ein.518 Mit seiner Eucharistielehre haben sich Erich Feifel (1960) und Franz Josef Kötter (1969) eingehend beschäftigt. HELDING hat dieses für ihn höchste und wichtigste Sakrament gegen alle Kritik bewusst hinter die drei vorangestellten Taufe, Firmung und Buße gerückt, weil diese Gnadengabe einen besonders vorbereiteten Empfänger verlangt. Hier handelt es sich – immer mit den Worten des Predigers – nicht wie beim Taufwasser um eine das Innere des Menschen reinigende Materie (Wasser bleibt Wasser, Salböl bleibt Salböl), 514 515 516 517 518
Postilla, Catholischer Bericht 69v. Capizzi, Art. Bessarion, Kard. (1403-1472): ³LThK 2 (1994) 319-320. Damit hat HELDING ein Kernthema des Interim vorweggenommen. Zum Kelchindult: Ganzer, Art. Laienkelch I. Historisch.theologisch: ³LThK 6 (1997) 600-601. Postilla, Catholischer Bericht 71r. Cat 227v: Drey ding seind in diesem heiligen Sacrament samentlich begrieffen / die jnen selbs underschiedlich seind / und werden samentlich dargereicht denen / die dies heiligthum wirdiglich gebrauchen. Es seind die eusserliche gestalt des brots und weins [sacramentum tantum] / Das ander ist Leib und Blut Christi [res et sacramentum] / Das dritte / krafft und genaden Gottes / zu zeitlichem und ewigem heil [res tantum nach scholastischer Terminologie].
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sondern um den hl. Leib und das hl. Blut Christi, der in Substanz und Wesen gegenwärtig ist. Es wäre Frevel, würde der gläubige Mensch ungeläutert und nicht von seinen Sünden gereinigt an den Tisch des Herrn treten. An dieser Stelle bezeichnet sich HELDING als ungeschicktes und unwürdiges Werkzeug, das Geheimnis dieses Sakraments angemessen und verständlich darzulegen.519 Er will in drei Schritten vorgehen und vorerst das Wesen des Altarsakraments und die verschiedenen Bezeichnungen erläutern, dann den Nutzen für den Empfänger und die würdige Vorbereitung darlegen und zuletzt den rechten Empfang erklären. Eucharistie und verwandte Bezeichnungen HELDING übersetzt Eucharistia als dem jüdischen Mahlbrauch entsprechende Danksagung Jesu bei der Einsetzung und Darreichung von Brot und Wein an seine Jünger.520 Eine andere Bezeichnung für Eucharistia ist Bona gratia oder Gute Gnade und bezieht sich auf die Erlösung, die dem Menschen durch das Kreuzesopfer zuteil wurde. Der Begriff Dank sei dann vom direkten Wort des Herrn an seine Jünger auf den Akt der Danksagung der gläubigen Nachgeborenen gegenüber dem Erlöser übertragen worden. Wenn das Sakrament genossen wird, soll dieser Dank (Eucharistia) an Christus ausgedrückt werden. Der Prediger geht den Bezeichnungen für das Altarsakrament noch weiter nach521 und führt Synaxis, Coagmentatio oder Communio als Begriffe der Zusammenfügung oder Vergemeinschaftung ein. Vom letzteren leite sich der Name communicare für den Empfang dieses Sakraments her. Die Kraft dieses Sakraments vereinige alle, die es genießen, zu einer Gemeinschaft, zu einem Leib. Der Ausdruck Synaxis, der sich schon bei Erasmus findet, wurde von diesem mit Conciliatio übersetzt, womit er die gegenseitige natürliche Zuneigung, das SichZueinander-Hingezogen-Fühlen der in Christus Vereinigten artiku-
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Cat 223 v. Cat 224v: Eucharistia heist so viel / als Gratiarum actio, oder bona gratia, auff unser Teutsch / ein Dancksagung / oder ein gute genade. Und hat diß Sacrament des wahren Leibs und Bluts Christi / den Namen Eucharistia, erholt auß der geberde / auß dem werck Christi / das er inn ein satzung dieses Sacraments geübt und erzeigt hat. Dann es bezeugen die heiligen Evangelisten / das Christus danck gesagt habe / als er diß heilige Sacrament seines wahren Leibs und Bluts einsetzt / und seinen Jüngern reicht / Und von dieser Dancksagung Christi / hat die Kirch dem Sacrament den Namen geben Eucharistia, das ist / Dancksagung. Vgl. zu den einzelnen Bezeichnungen auch Groppers Enchiridion.
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lierte.522 HELDING erläutert diesen trostspendenden Gemeinschaftsgedanken523 und spricht von einer spirituellen Solidarität aller, die in dieser Gemeinschaft leben, wobei er hervorhebt, dass zum Glauben auch das Tun hinzutreten muss. Wer in dieser Gemeinschaft Christi bleiben will, muss seinen wahren katholischen Glauben mit dem Herzen festhalten und mit dem Mund bekennen sowie in seinem Wandel sichtbar machen. Wer aber in Sekten und Ketzereien abtrünnig wird, wer sich von schweren Sünden einnehmen lässt, kann an der Gemeinschaft nicht teilhaben.524 Mit der Bezeichnung Convivium Dominicum erklärt HELDING das Herrenmahl als den einen geistlichen, heiligen, göttlichen Tisch: Schließlich nenne man das Altarsakrament aber auch einfach Mysterium, weil es nur der Glaube, nicht aber die Sinne fassen und ergreifen können. Bei der Benennung Coena Domini weist der Prediger darauf hin, dass die Gläubigen entgegen der Einsetzung durch Jesus (nach dem realen letzten Mahl) dieses Sakrament nüchtern, vor dem Genuss anderer Speisen, empfangen sollen. HELDING interpretiert den Unterschied: Das letzte Mahl Christi sei kein Sakrament, sondern die Erfüllung des alten Gesetzes gewesen. Das Sakrament hingegen sei der Anfang des neuen Gesetzes. Zeichen und Wort Brot und Wein zeigen als Zeichen und Elemente die natürliche Sättigung an, so wie der verwandelte Leib und das Blut Christi die Sättigung der Seelen bewirken. Brot bedeutet in der Hl. Schrift Christus selbst, denn wie das Brot das natürliche Leben erhält, ist Christus der, der alle Ding lebendig macht.525 Es bedeutet auch das Wort Gottes, das 522
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Explanatio 124-125: Synaxis, id est conciliatio, quod hoc mysterio figuratur & confirmatur arctissima coniunctio mystici corporis cum capite, & omnium Christi nomen vere profitentium talem societatem mysticam, qualis est naturalis omnium inter se membrorum in corpore eiusdem animantis. Könnte der Humanist dabei nicht auch an das Wort Konzil (concilium) gedacht haben? Cat 226r: Nu ist aber das recht und die eigenschafft einer jeden gemeinschafft / das man liebes und leids zugleich miteinander geneust und geduldet. Also gehets auch in dieser Gemeinschafft / Unsers elends nimpt sich Christus ahn / und jha auch alle Außerwelten / und hiergegen geniessen wir alles vortheils Christi und der Außerwelten / was in jnen guts ist / das dienet uns auch zu gut / auß krafft unnd eigenschafft der gemeinschafft / sonst hieß es nit ein gemeinschafft / wann ein jeder sein gut und böß für sich allein behelt. Cat 227r: Deßgleichen stehet die Gemeinschafft gegen der Kirchen auch inn zweyen theilen / Einer ist / das man in den dingen / die den Glauben betreffen / ein gleichheit halte. Zum andern / das ein jeder sich selbs auch mit seinen diensten und vermögen in die Gemein ergebe / und halte sich mit hertzen / Rede unnd wercken gegen andern / wie er es gern von den andern haben will. Cat 228r.
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die Seelen der Gottseligen speist und im ewigen Leben erhält. HELDING weiß um die Schwierigkeit, das Geheimnis der Transsubstantiation zu vermitteln.526 Er führt die Einsetzungsworte an Hand der synoptischen Stellen an und stellt die Propheten des Satans und die Ketzer an den Pranger.527 Der Prediger verweist auf die Allmacht Gottes, woraus sich jeder Zweifel am Realwert der Einsetzungsworte erübrigen müsse. Was menschlicher Verstand in seiner Begrenztheit nicht fasst, muss Gott nicht hindern, es gleichwohl geschehen zu lassen.528 In den folgenden Predigten kehrt HELDING immer wieder zur Transsubstantiation zurück, ohne den Begriff zu verwenden. Er setzt fort, dass die Schrift in zweierlei Weise vom Leib Christi spricht. Einmal als vom wahren natürlichen Leib mit Fleisch und Blut, wie er ihn aus der hl. Jungfrau Maria angenommen hat und zur Bezahlung unserer Sünden und zur Versöhnung am Kreuz dargeboten hat. Diesen Leib empfangen wir im Sakrament. Der andere Leib ist der geistliche Leib, bestehend aus der Versammlung der Auserwählten, der Heiligen und derer, die vor uns und nach uns den Glauben bewahrt haben und bewahren werden. Hier bringt er auch das Wort von der geistlichen Stadt ein, vermutlich eine Anspielung auf die Civitas Dei,529 in der die Auserwählten zu Bürgern werden. Viel heftiger als gegen die Kelchsakramentierer wendet sich HELDING gegen jene, die sich von diesem Sakrament überhaupt abgewendet haben oder es in frevelhafter Weise ohne Reue und Bußhandlung empfangen wollen. Die einen bringen sich um das ewige Leben 526
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Cat 229rv: Da bekennen wir einhellig mit der gantzen Catholischen Kirchen / unnd bekennens uber und wider allen Menschlichen verstand / kunst und weißheit / das wir under der gestalt des Brots den waren Leib Christi entpfahen / der für uns geben ist / und under gestalt und schmacke des Weins / trinken wir sein wahr Blut / welchs außgossen ist für uns und für viel / zur vergebung der Sünden. Nach HELDING ist es wiederum Satan, der die Ketzer auch zu unseren zeiten erregt hat wider dies heilig sacrament / oder wider die warheit des Leibs und Bluts Christi im Sacrament / gleich als ob wir den wahren Leib und das wahre Blut Christi im Sacrament nicht hetten / sonder allein ein bedeutung des Leibs und Bluts. Cat 231rv: Nun muß ich euch auch die ursach anzeigen / was die neuen Berengarios beweget / das sie die warheit des Leibs unnd Bluts Christi im Sacrament verleugnen / weil Christus wahr Leib und Blut hat / und die Schrifft von jhm bezeuget / das er in Himel auffgefaren sey / und sitzt zur Gerechten Gottes / von dannen er am jüngsten Tag kommen werde zu richten Lebendige und Todten / Wie es möglich sey / das Christus zur gerechtigkeit Gottes sitzet / und leiblich auch im Sacrament sein künde: Antwort: Wir wollen seine werck nicht ergründen / wir wollen sie glauben. Eins muß ich aber solchen dollen Leuten sagen / das wer so viel ein grob Esels vernunfft / wann sie meinen wolten / Christi sitzen sey ein solch sitzen / als wann zwen Menschen bey einander in einer Zechen sitzen / Ach ach / der heilig Leib Christi / den er durch sein heilige und gewaltige Aufferstehung clarificiert hat / ist nicht mehr ein solcher klump wie unser fauler nichtiger Leib / ist nit also / das er muß ein sessel haben / wann er sitzen will / er ist nit also in ein ort eingedruckt: Cessa quaerere, & crede scripturae. Brachtendorf, Art. De civitate dei (Augustinus): LthW 145-146.
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und die anderen essen und trinken sich selbst das Gericht.530 Schließlich geht HELDING der Frage des würdigen Empfangs der Eucharistie nach und fordert auf, den Tod Christi, seine Schmach und seine Schmerzen zu bedenken und Gott Dankbarkeit zu bekunden. 2.5.5.3. Eucharistie als Opfer Streitpunkt mit den Lutheranern ist die Interpretation der Einsetzungsworte. Ein breit angelegter Argumentationsbogen gilt dem Opfercharakter der Messe. Im Catechismus tritt das Sakrament der Eucharistie als Gedenkopfer des Leidens Christi bzw. als Dankopfer erst in einer späteren Predigt aus dem Jahr 1543 hervor, nachdem bis dahin alle anderen Deutungen, vor allem aber der Communio-Gedanke weitläufig behandelt wurden. Die Explikation der Messe als Gedächtnisopfer ist am besten HELDINGS Reichstagspredigten 1548 zu entnehmen. Hier tritt HELDING dann dem protestantischen Vorhalt, Christus werde in der Messe abermals wie am Kreuz geopfert, entgegen. Er verweist auf die Darstellung der Messe bei Dionysius Areopagita, der den Kanon auf die Zeit der Apostel zurückführte. Das Messopfer ist Gedächtnis und Erneuerung des unblutigen Opfers, in dem sich Jesus beim letzten Mahl Gott dargeboten hat, gemäß dem den Aposteln (und nur diesen) erteilten Gedächtnisauftrag. Er leitet aus dem eingeschränkten alle in Verbindung mit Lk 22,19 ab, dass sich der Gedächtnisauftrag Hoc est corpus meum, quod pro vobis datur: hoc facite in mei recordationem ausschließlich an die Apostel und deren Nachfolger im Priesteramt des Melchisedek richte, denen exklusiv das Opfer und die Konsekration aufgetragen ist. Und als Gegenbeweis gegen die Prädikanten führt HELDING an, dass bei einer Generalisierung des alle dann auch jedem Christen die Konsekration der allerheiligsten Eucharistie geboten wäre, was bisher auch kein Sektierer so verstanden hätte. Die Gemeinde erinnert und bittet Gottvater, das Opfer des Sohnes in Form von Brot und Wein anzunehmen.531 Das Kreuzesopfer Christi hat von seiner Kraft nichts verloren und wird bis ans Ende der Zeit die Menschen mit Gott versöhnen. Schon die Alte Kirche, deren Erwähnung viele Zeitgenossen nicht einmal hören mögen, hat zu apostolischer Zeit nach Meinung HELDINGS bereits den Begriff Missa für das freiwillige Opfer gebraucht.532 530 531 532
1 Kor 11,29. Erster Johannesbrief 88v-89r. Ebd. 58v-59r: Er zitiert PS-DION, De eccl. hier., cap. 3; Ignatius v. Smyrna; [ohne Autorennennung Cassiodors] Historia tripartita 3,11 und 4, 13 als Zeugen für die Handlung und den Namen: Missa aber auff unser Teutsche sprach / ist so viel als ein frey-
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Tägliches Opfer Dem Priester ist aufgetragen, das tägliche Opfer von Leib und Blut Christi in der gewandelten Form darzubringen. HELDING wendet sich gegen die protestantische Auffassung, wonach es nur ein geistliches allgemeines Priestertum und schon deshalb kein äußerliches Opfer geben könne. Er argumentiert mit der Tradition der Alten Kirche, dass immer neben dem allgemeinen ein besonderes Priestertum existierte und das Altarsakrament als ein echtes Opfer (für HELDING eben unter der Bezeichnung Missa) verstanden wurde.533 Als Traditionszeugen eines besonderen Priestertums führt HELDING Dionysius Areopagita, (epistula ad Demophylum), PS-CLE (epistula ad Jacobum) und die Päpste Anaclet, Alexander, Sixtus und Telesphorus an.534 Wäre es anders, müssten sich alle Propheten, die von einem solchen Opfer sprechen, geirrt haben. Das Opfer des Melchisedek, das dieser nach Abrahams Heimkehr in Form von Brot und Wein seinem Gott darbrachte, hat auf dieses Christusopfer verwiesen. Auch dafür nennt HELDING eine Reihe von Väterstellen.535 Diese Memoria entspricht auch dem Osterlamm der Juden, das diese im Gedächtnis ihrer Befreiung aus Ägypten aufopfern, wie z. B. Rupert von Deutz in De divinis officiis 2,10.15 und 6,22 darlege.536
2.5.6. Sakrament der Ölung (unctionis) Unser Leben ist ein Streit auf Erden, zitiert HELDING Hiob 7,1 (Malitia537 est vita hominis) und er meint damit die Hinfälligkeit menschlicher Existenz, das Ausgesetztsein gegenüber den Regierenden der Welt, den Gewalthabern und Verderbern, gegenüber der Kontingenz des Daseins. Wider die letzte Angst der Krankheit und des Todes, die
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willig opffer / das man von ungedrungener williger handt Gott dargibt. Wie viel ist aber deß böfels in unserm teutschland / denen der nam Missa ubler dann kein kat stinckt / die doch so grob und ungelehrt seindt / das sie warlich weder den namen / oder auch die handlung Missa verstehen. Erster Johannesbrief 60rv (3. Messpredigt): Mann hat gelehrt / glaubt unnd gehalten / das der leib unnd das blut Christi ein Allgemeines Opffer seye der Christenheit / welches die Kirch Gottes auß bevelch Christi jhres Herren alle zeit dem Himmelischen Vatter darstellen sol / und wirdt / zur gedechtnuß des kräfftigen heylsamen Creutz opffers welches der Sohn Gottes in seinem sterblichen leib und blut ein mal zur versönung der gantzen welt / am Creutz verricht hat. In welchem jhrem täglichem opffer die gemeind der glaubigen Gott dem Vatter höchsten danck saget / umb die erlösung Christi unsers Herren. Gelmi, Die Päpste 10-12. Erster Johannesbrief 67r: CY lb. 2. ep. 3; HI ad Evagrium; AU do 4,21; AM sa 4,3; AR Ps 109; Damascenus; Theophylact. Engelbert, Art. Rupert v. Deutz OSB (1075/1076-1129): ³LThK 8 (1999) 1366-1367. Anstelle Militia in der Vulgata.
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jeden Menschen befällt, hat Gott ein Gnadenmittel geschenkt, das die Todesfurcht und die Anfechtung des Bösen leichter bezwingen hilft, das Sakrament der heilsamen Salbung. Dieses Sacramentum unctionis tröstet den Leidenden in seiner Schwäche. HELDING verweist auf die Einsetzung durch Christus nach Mk 6,13, wonach die Apostel Vollmacht zur Dämonenaustreibung und Krankenheilung erhielten. Die nähere Ausgestaltung des Sakraments aber gibt Jak 5,14. HELDING ist sich bewusst, dass der Wortlaut der Schrift eher vom Charisma der Krankenheilung durch die Apostel im Allgemeinen spricht. Es liege nur am schwachen Glauben, dass Kranke erst zu spät angesichts ihres nahenden Endes um diese göttliche Hilfe ersuchen, weil sie dem Aberglauben verfallen sind, die Ölung sei bereits ein Todeszeichen und würde das Sterben befördern. In der Institutio bringt HELDING auch die dem Sterbenden erscheinenden Dämonen ins Spiel, die seinen Geist verwirren. Alle im Leben begangenen Sünden werden dem Sterbenden wieder ins Gedächtnis gerufen, um ihn verzweifeln zu lassen. Sollte einer einwenden, was das Öl auf der Haut zur Entlastung der Seele nütze, antwortet ihm HELDING , das Wort Gottes wirke in diesem Öl, dass die Seele getröstet werde.538 Der Prediger weiß um die Wirkung, die von einer versöhnten, mit sich ins Reine gekommenen Seele auch auf den geschwächten Körper ausgehen kann. Und die Salbung werde deshalb als extrema unctio bezeichnet, weil sie nach Taufe und Firmung die letzte in der Reihe sei, die der Gläubige in seinem Leben erhalte, aber er könne sie so oft erhalten, als er in eine Krankheit falle. Es muss aber ein deutlicher Unterschied zu einer Salbung als ärztlicher Behandlung vollzogen werden. Daher kann sie nur der Priester vornehmen, denn nur er kann die göttliche Heilkraft übertragen.539 Die sakramentale Handlung besteht im Gebet und in der Salbung im Namen des Herrn an den Gliedern, die der Sinnlichheit Werckzeug seind (Instrumenta sensuum).540 Der Kranke wird in den Schirm Gottes befohlen und ihm gewünscht, Gott möge seine Sünden nachlassen und seine Gebrechen und Schwächen heilen und ihm sein Leben erhalten. 538 539
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Institutio 238v. Cat 252v: Ungleiche Diener hat Gott in seiner Kirchen / durch die er sein wort und geheimniß außspendet / aber Gottes wort und seine gaben und Sacrament seind allezeit gleich / unnd krefftig zum heil der Glaubigen / die es in wahrem Glauben und mit rechter Christlicher andacht begeren und annemmen. Cat 253r: Dann die wurtzel und ursprung aller sünden ist in dem willen des Menschens / und der will ereigt sich durch die sensus, durch die fünfferley sinnlichheit / durch sehen / hören / riechen / schmacken und tasten.
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HELDING vollzieht dann eine Einschränkung, die bereits auf die erwartete Entgegnung der Protestanten eingeht: Sollte dieses Sakrament nicht von Christus eingesetzt sein und nicht in der apostolischen Kirche gebraucht worden sein, sollte der gläubige Christ schon allein wegen der heilsamen Wirkung des priesterlichen Gebetes, das im Namen der ganzen Kirche gesprochen wird, danach verlangen. Abschließend nennt HELDING Väterzeugnisse von Dionysius Areopagita (Hier. Eccl. 7), Chrysostomus (De sacerdotibus lib. 3), Theophylact (Super Marcum 6),541 Hieronymus und Augustinus (beide ohne nähere Angabe). Im Liber Merseburgensis werden einige zusätzliche Anwendungsbestimmungen erteilt. Die extrema unctio soll Kindern überhaupt nicht und Geisteskranken nicht ständig, sondern nur bei einem akuten Anfall von Krankheit erteilt werden; auch nicht jenen, denen ein gewaltsamer Tod bevorsteht.542 Das Sakrament soll gespendet werden, wenn bei einem bestimmten Leiden Todesgefahr besteht. Es darf für dieselbe Krankheit nicht wiederholt gespendet werden, wohl aber, wenn eine neue Krankheit hinzutritt.543 Auf Seite der Kritiker führt gegen das Sakrament der (letzten) Ölung Flacius Illyricus das Fehlen einer Einsetzung durch Christus an.544 Wohl habe man früher den Kranken mit verschiedenen Mitteln und Handlungen Erleichterung verschafft, es gebe aber keinen Grund, nur den hoffnungslosen Fällen diese Hilfen angedeihen zu lassen. Es seien eben Gebetszeremonien an Armen und Kranken gewesen, wenn auch von Leuten, die über charismatische Heilkräfte verfügten. Aus diesem Brauch ließe sich aber noch kein Sakrament ableiten. Flacius meint auch einer falschen Übersetzung von Jak 5,15 auf der Spur zu sein. Für [και] εγερει [αΰτον ό κύριος] – lat. excitabit – habe man früher treffender allevabit übersetzt.545 HELDING setzte sich in der Defensio, die als Vorspann der Brevis Institutio (in deren 2. Auflage) erschien, mit den Angriffen des Flacius ausführlich auseinander.546
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Theophylactus, In quatuor evangelia ennarationes (Köln, Quentel 1531) war in HELDINGS Besitz. HELDING umschreibt vermutlich den Strafvollzug. Liber Merseburgensis 32r. Widderlegung des Catechismi Diijrv. Erasmus, Testamentum Novum (Nürnberg, Peypus 1523) hat erigat; die Vulgataedition Leipzig 1831, hg von Naebe, übersetzte noch excitabit. Dagegen hat die Edition Innsbruck 1834, hg von Galura, bereits wie Nestle-Aland allevabit (aufrichten, aufhelfen). Siehe unten Kap. 12, 1.
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2.5.7. Sakrament des Ehestandes (matrimonii) In der Institutio steht dieses Sakrament an letzter Stelle nach dem Weihesakrament.547 Der Ehestand ist, wie Gen 2 berichtet, von Gott selbst eingesetzt. Alle anderen Stände gründen sich auf ihn, denn er zeugt die Menschen. Aus vier Ursachen schuf Gott diesen Stand: damit der Mensch Gesellschaft zum Trost in seinem Elend habe, damit Kinder aufgezogen werden. Der dritte Grund ist die Symbolhaftigkeit der Ehe als das Zeichen der Liebe und Vereinigung Christi mit seiner Kirche. Wie Mann und Frau ein Fleisch werden, so hat sich Christus mit seiner Kirche verbunden. Ein vierter Grund ist die Vermeidung von Unzucht (Matrimonium contrahitur ob vitandam fornicationem, 1 Kor 7,9).548 Daher rät schon der junge HELDING den Liebenden, eine Ehe einzugehen anstatt ihrer Armut wegen weiter in Unkeuschheit zu leben.549 Zum Schutz des Ehestandes ist das neunte Gebot verordnet. Weitere Vorschriften des alten Gesetzes regeln die Rollen der Eheleute und der Kinder, eine besondere Vorschrift gilt der Scheidung. Durch das gemein Liecht der Natur550 haben alle Völker die Bedeutung des Ehestandes als etwas Göttliches erkannt, aber erst die Christen haben die vollkommene, dem Willen Gottes entsprechende Haltung gefunden.551 Polygamie und Repudium wichen der neuen Ordnung.552 HELDING muss nun aber die Polygamie der Gottesfreunde Abraham, Jakob und David erklären. Warum wäre diese jetzt verboten und unrecht? Dafür bemüht HELDING wieder die Formel der Verheißung und Erfüllung von Jesu Kommen. Als es verheißen war, dass Christus viele Völker vereinigen würde, wurde dies in der Weise bedeutungsvoll angezeigt, dass ein Mann auch mehrere Frauen 547 548 549 550
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Institutio 244v: Matrimonium est maris & foeminae, ad individuam vitae consuetudinem inter se mutuo retinendam & traducendam, legitimus consensus. Institutio 246r. Postilla, De tempore, Winterteil 55r-58r (Predigt vom 11. 1. 1535). Cat 258r: Das Licht der Natur, das auch die Heiden besitzen, wird von HELDING nicht näher erklärt. Möglicherweise durch die ignatianischen Übungen inspiriert, spielt HELDING auf die Unterscheidung der Erkenntnismodi des Lumen naturae, des lumen gratiae u. des lumen gloriae an. Vgl. dazu Jorissen – Anzulewicz, Art. Lumen naturale: ³LThK 6 (1997) 1120-1121. Ebd.: Matrimonium habuerunt alii, Sacramentum non habuerunt. Discite Christiani, non omne matrimonium bonum est, sed matrimonium rite observatum Deo placet & ingreditur regnum Christi. Cat 259rv: Auß diesem allen folgt / das die Eheeinigung mehr dann under zweyen nit sein kan / die mit einander ein Leib werden. Und wie es wider menschliche vernunfft / wider die Recht der Natur / unnd wider Gottes ordenung ist / wann ein Weib ein ander Weib zur Ehe neme / Also ists nach der ordnung Gottes ein ungerumpts / wann ein Mann der vorhin mit eim Weib ein Leib worden ist / wölte nun zum andernmal den Leib / der nit mehr sein ist / und des er nit gewalt hat / dem anderen oder dritten Weib ubergeben. Das zeugen gewaltig die Schrifft und Sprüch.
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nehmen durfte. Mit seiner Ankunft und der Erfüllung des alten Gesetzes vermählte sich Christus mit der einen Kirche aus vielen Völkern und beendete die alte Deutung. Daher dürfen sich die Christen nicht mehr auf das Exempel der jüdischen Väter beziehen. In vielem hat das neue Gesetz das alte abgelöst und auch ins Gegenteil verkehrt.553 Ein anderes Beispiel ist das Verhältnis zur Virginität, die in Israel als Fluch galt, in der Christenheit aber über die Ehe gestellt wird.554 HELDING setzt sich im Anschluss an Augustinus555 mit dem Ehezweck der Schaffung von Nachkommen auseinander. So sollen sich die Eheleute aller Maßnahmen, die nicht diesem Zweck dienen oder diesen sogar verhindern, enthalten.556 Er geht auch auf unterschiedliche Absichten und Neigungen der Partner ein und analysiert das Verhalten hinsichtlich der Sündhaftigkeit. Nur die dem Kindeswunsch dienende Vereinigung ist völlig rein. Mischt sich darüber hinaus auch Begierde dazu oder zwingt ein Teil den anderen, folgt daraus eine vergebbare Sünde. Ausschließlichen Lustgewinn zu suchen, ist schwer sündhaft, wenn er sogar dazu führt, dass nicht einmal mehr die Zeit für das Gebet beachtet wird.557 Dieses Sakrament unterscheidet sich vom bisher erwähnten Zusammenwirken von Wort und Element dadurch, dass an Stelle des letzteren die Gebärde der Brautleute tritt. Das gegenseitige Versprechen der Brautleute wird dann zum Sakrament, wenn sie ihr Gelöbnis mit Gottesfurcht und Achtung und im Glauben versprechen und sich 553 554
555 556
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Zur Überbietung des alten durch das neue Gesetz bei Erasmus vgl. Walter, Theologie 94. Cat 259v: Ey es solt im Christen Glauben niemand so unverstenndig sein / er solt wissen / dass das Gesetz / und was im Gesetz war / auff Christum gedeut hat / und ist je jenes alles in einer Figur / bedeutung geschehen / under jenem Volck / zur anzeigung deren ding / die im newen Gesatz Christi geschehen unnd erfüllt werden sollten. Als nun Christi reich angangen ist / haben sich jene ding ändern müssen / die im Gesetz als bedeutung der zukünfftigen ding geschahen. Derhalben viel dings im Gesetz / die auff den zukünfftigen Christum jr bedeutung hetten / die geschahen recht / und gefielen Gott wol / weil Christus noch zukünfftig war. Nachdem aber Christus kommen ist / so sollten dieselbigen bedeutung aufhören / und es ist unrecht / gefelt Gott nit / wann man noch die bedeutung behalten wolt / weil die warheit schon kommen und erfült ist. Deren ist nun die vielfältige Ehe auch eines / die auff das zukünfftig Reich Christi gedeutet hat. AU conj 10. Institutio 246r: Procul tamen abesse debent coniuges a perversa animi malitia, ne sterilitatem data opera accersant, aut conceptionem foetus pharmacis impediant: aut alioqui tales concubitus exerceant, unde proles concipi non queat. Alioqui bis adulteri & scelerati homicidae erunt, si concumbere non cessent, & tamen hanc sexuum commixtionem a suo naturali fine, hoc est, ab effectu prolis, data opera impedire tentaverint. Institutio 247r: Tertius est coitus, qui ita exardescit nimius, ut tempora, quae ad orationem seponi iubet Apostolus, prorsus impediat, & quo coniuges in passionibus desiderii se invicem possidentes, & omni pudore seposito, frena libidini laxantes ad explendas cupiditates suas, per congressus pudendos aut etiam per inversum naturae ordinem feruntur.
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der göttlichen Mitwirkung zu der lebenslangen Verbindung bewusst sind. Der äußeren Gebärde der Verbundenheit entspricht die innere, unter Gottes unsichtbarer Anwesenheit, durch seine Gnade gestiftete Zusammenfügung zu einem Fleisch.558 Konsequenz der Verbindung bis zum Tode ist, dass bei Ehebruch eines Partners der andere sich zwar scheiden lassen kann, ja sogar soll, sonst würde er noch zum Schirmherrn der Unzucht, dass ihm aber zu Lebzeiten des Ehebrechers das Eingehen einer neuen Ehe verwehrt ist.559 Die Zeitumstände veranlassen HELDING , in mehreren Predigten seinen Zuhörern den sakramentalen Charakter nahezubringen, denn es gibt offenbar die Praktik der Scheidung bzw. Trennung und das Eingehen einer neuen Ehe. Schon vor einer Heirat ist auch die Religion zu bedenken. Gläubige Christen sollen daher Heiden, Juden, Ketzer und Schismatische nicht ehelichen. Damit ergab sich zweifellos auch gesellschaftlicher Zündstoff und möglicherweise der Abfall von Brautleuten zur Konfession des Partners. Die Brautwerbung verdient für HELDING Kritik. Man kümmert sich wenig um Sittsamkeit und Gottesfurcht, sondern fragt mehr nach Aussehen und Besitz. Wenn manche reden: Der hat ein Frawen kaufft, so heißt dies, Gottes Ehe und Werk zu schänden. Denn soweit man nur nach Geld und Gut und Hausrat giert, aber nicht nach Tugend, Glauben, Zucht und Gottesfurcht sucht, wird Gottes Ehre und Werk wahrhaft geschändet.560 Die im Matrimonium coniugum zeichenhaft erscheinende Verbindung Christi mit seiner Kirche wird von HELDING am Beispiel der Eheleute mehrfach ausgeführt: Wie die Frau dem Mann untergeben und dieser das Haupt der Familie ist, ebenso ist Christus das Haupt seiner Kirche und so wie Christus seine Kirche liebt, soll der Mann seiner Frau Liebe angedeihen lassen. Und so wie niemand sein 558
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Cat 262r: Etwas sophistisch erscheint HELDINGS Argument, weshalb ein Ehemann keine zweite Frau nehmen kann: Der Mann hat keine Gewalt mehr über seinen Leib, da er ein Fleisch mit seinem Weib geworden ist und diese über seinen Leib bestimmt. Will er sich einer anderen Frau versprechen, würde der Leib seiner ersten Frau mit ihm verbunden bleiben. Nun kann aber ein Weib sich nicht mit einem anderen verbinden. Cat 263r: HELDING bleibt ziemlich unbestimmt bezüglich der Geschlechter: im selben Absatz ist die Formulierung einmal gender-neutral, im Folgesatz ist aber wieder nur von der Ehebrecherin die Rede. Der Prediger weiß um die Belastung, die aus dem Verbot der Wiederverehelichung erwächst. So bliebe oft nichts anderes übrig, als sich mit dem ehebrecherischen Teil wieder zu versöhnen oder ledig zu leben. Und er gibt doch noch einen tröstlichen Rat: Wer eine(n) Ehebrecher(in) verjagt, tut, was recht und billig ist. Wer eine(n) Büßer(in) wieder aufnimmt, handelt als Christ. Cat 267r.
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eigenes Fleisch hasst, sondern es schätzt, hegt und nährt, so handelt auch Christus gegenüber seiner Kirche. Umgekehrt soll die Kirche ihren Gehorsam gegenüber dem Herrn erweisen.561 Am Ende setzt sich HELDING mit den tria bona matrimonii auseinander: Die Frucht der Ehe sind die Kinder, die nicht nur empfangen, sondern auch zur Ehre Gottes fromm erzogen werden sollen. Das zweite Gut ist die Treue, durch die jeder Eheteil dem anderen das Recht auf seinen Körper unbeschwert und unverletzt bewahren soll. Die dritte Gabe ist das Sakrament, durch dessen Kraft sich Mann und Frau in engster Gemeinschaft in einem unlösbaren Band verbinden. Diese Kraft erfließt aus der Gnade. Allein die Christen kennen dieses besondere Gut der Ehe,562 das allerdings jetzt durch Abweichler in den eigenen Reihen gefährdet wird. Der Prediger hat aber auch über die Zeitumstände zu klagen. Man fragt wenig nach Sitten und Tugend. Geiz, Pracht und Lust sind bestimmend. Die Zurüstung einer Hochzeit geschieht mit Pomp und Pracht und man vergisst bei Saitenspiel, Tanzen und Völlerei, dass ein Werk Gottes, ein Sakrament zu feiern ist. Der Liber Merseburgensis setzt hier auch fest, dass die Zeremonie nicht am Nachmittag und nicht in Privathäusern stattfinden darf, sondern nur in einer Messfeier im Gotteshaus in facie ecclesiae.563 Schließlich hält HELDING ein tröstliches Plädoyer für den Bestand der Ehe in allen Widerwärtigkeiten des Lebens, getragen aus dem Wissen um die Mitwirkung Gottes bei der Eheschließung und aus gebührender Gottesfurcht.564 Sonderfragen zum Matrimonium Der Liber Merseburgensis geht im Zusammenhang mit dem Sakrament auch auf die clandestinen Ehen ein und definiert sie als solche, quae sine consensu parentum aut propinquorum aut tutorum in der Gegenwart oder für einen späteren Zeitpunkt und ohne die erforderliche Proklamation geschlossen werden. Sie sind gültig und unauflösbar, versto-
561
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Institutio 249v: Si quidem Ecclesia Christo sponso paret per omnia, unum amat Christum, uni servat fidem, nullius alieni promissa sequitur, contenta viro suo Christo, cuius unius amore se oblectat, & in quo possidet omnia. Institutio 261r: Gentes vero, & Iudaei, & haeretici, virtutem Sacramenti in Matrimonio non agnoscentes, Polygamiae & divortiis contra Dei voluntatem & ordinationem fenestram aperiunt, & (quod dolendum est) etiam in ipsam religionem Christianam novo & pernicioso exemplo aditum praebent. Liber Merseburgensis 32r: In facie ecclesiae begründet HELDING mit der Würde der sakramentalen Handlung. Institutio 265v-267v.
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ßen aber gegen die guten Sitten. Für beteiligte Kleriker wird ein dreijähriges Funktionsverbot mit allen Folgen vorgesehen. Die Proklamation der beabsichtigten Eheschließung ist an mindestens drei aufeinander folgenden Sonntagen vor den Messbesuchern an den Orten, wo die Kandidaten bekannt sind, zu verlesen und das Volk ist zur Meldung von Hindernissen aufzurufen. Ein eigenes Kapitel widmet HELDING den Fällen von Kohabitation von nicht Verehelichten und umgekehrt befasst er sich mit Ehegatten, die nicht zusammenleben. Zum Thema der Scheidung richtet sich die Mahnung an die Richter, in diesen Prozessen nicht nachlässig und unbedacht zu agieren, denn das vinculum matrimonii wird auch durch die Scheidung nicht aufgelöst. Einen besonderen Fall von Wiederverehelichung, der anscheinend nicht selten auftrat, bildete das unerklärte Verschwinden des Ehegatten auf Reisen oder durch Kriegsereignisse, das bei entsprechender Mittellosigkeit die Ehefrau nach längerer Wartezeit zwang, sich in den Schutz eines neuen Ehegatten zu begeben. HELDING geht den kirchenrechtlichen Komplikationen nach und befindet, dass eine solche zweite Ehe von der Kirche nicht konfirmiert, aber doch als kleineres Übel geduldet werden kann. Da aber ein Missbrauch hiebei nie ausgeschlossen werden kann, soll eine Frist von mindestens 7 Jahren eingehalten werden. Die beiden Partner der Zweitehe müssen das Versprechen ablegen, dass bei einer Rückkehr des vermissten Gatten die erste Ehe wieder auflebt und die zweite aufgelöst wird.565 Für die Eheschließung an sich werden als Zeichen einer wieder stärker gelebten Frömmigkeit Verbotstage festgelegt und jeder übermäßige Pomp untersagt. Schließlich hält HELDING noch einen Passus für nötig, in dem er die Pfarrherren ermahnt, für die Spendung des Sakraments keine Gegenleistung zu fordern. Er bezeichnet ein solches Verlangen als überaus schandbar und verdammenswert. Selbst wenn eine Gabe freiwillig angeboten wird, ist sie in maßvoller Form zurückzuweisen. Die Archidiakone sollen bei Synoden oder in Kapiteln nachforschen, ob diese Form von Nötigung existiert.
2.5.8. Sakrament der Weihung (ordinis) Streitpunkt ist die apostolische Sukzession der kirchlichen Ordination. HELDING beginnt mit einem persönlichen Bekenntnis zur Lehre der katholischen Kirche, die immer der Probierstein für alle Abweichun565
Liber Merseburgensis 35rv.
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gen gewesen ist, wie etwa jene der Donatisten, deren Lehre sich nur in Afrika hielt und daher mangels ihrer Universalität nie zur allgemeinen werden konnte, oder des Arianismus, der zwar schon einen großen Teil der Christenheit eingenommen hatte, sich aber nicht auf die Weitergabe durch Apostel und Kirchenväter berufen konnte. Den Arianern fehlte das Zeugnis des semper ubique nachgewiesenen Kults. Auf diesem Hintergrund greift der Prediger das Sakrament der Weihe auf, das nun seit Jahren nicht mehr allseits gewürdigt werde.566 Das Hören des Gottesworts und der Empfang der Heilsmittel werden der Gemeinde jedoch erst durch den dazu berufenen Kirchendiener ermöglicht.567 Der Priesterstand als solcher werde aber nun in Frage gestellt und damit die Ordnung der Kirche gestürzt. Der Teufel wolle den besonderen Priesterstand verächtlich machen und durch Laien ersetzen, die ihm willfähriger seien. Das Weihesakrament ist aber für die Erhaltung aller anderen Heilsgaben unabdingbar. In mehr formaler Diktion definiert die Institutio: Ordo est Sacramentum, quo sub visibili signo spiritualis gratia, & ad executionem publici muneris in Ecclesia gerendi potestas confertur rite ordinato. Für HELDING ist das Weihesakrament der zum Sacerdotium besonders Berufenen das feste Band der Einheit in der Kirche.568 Wort und Element bewirken das Sakrament. Aber es muss ein befugter Diener der Christenheit sein, der diese Geheimnisse spendet. Er muss von der Kirche berufen und gesandt und zum Dienst besonders gerüstet sein. Electio und Ordo, Wahl und Weihung machen den Kirchendiener aus. Wurden die Propheten und Apostel, wie zuletzt Paulus und Barnabas, einst unmittelbar von Gott berufen, so ist die Wahl der Kirchendiener, nachdem die Wunderzeichen aufgehört haben, nun auf die Gemeinde Gottes übergegangen. Diese wählte die Amtsträger aus ihrer Mitte, wie das Beispiel der sieben Diakone (Apg 6,5) zeigt. Später führte diese Wahl mit dem Wachsen der Gemeinden und dem Abnehmen des Eifers und der Gottesfurcht, dem Eindringen von Neid und Ehrgeiz im Volk, oft zu üblen Praktiken. Daher musste die Bestellung neuer Diener der kirchlichen Obrigkeit anvertraut 566 567
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Cat 268v: Sakramente kommen nach HELDING zunehmend außer Gebrauch. Cat 269r: Es müssen Bischoff / Priester und Diener der Christenheit sein / als nachfolger der Aposteln / die als Diener Christi und Haußhalter und Außspender der geheimnüssen Gottes / uns solche Gottesgeheimnüß zutheilen…Es gehört erstlich darzu / das sie zum Ampt berüfft und gesand werden…Zum anderen müssen die… mit sonderen gaben und gnaden Gottes außgerüst sein. Institutio 213r: Hic ordo firmissimus Ecclesiae nexus est, & aptissimum vinculum, ad retinendam Ecclesiae unitatem.
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werden.569 An dieser Stelle kommt HELDING auf seine zeitgenössischen Verhältnisse zu sprechen, wonach bei der Bestellung von Kirchendienern durch die Collatores großer Missstand herrsche, zumal die zur Übertragung der Benefizien befugten Amtsträger diese Patrimonia Martyrum & donaria fidelium & devotorum hominum oft als ihren Privatbesitz betrachten und ungeeignete Personen bestellen.570 Tradierung der apostolischen Weihegewalt Zeugnisse für den Ursprung der Ordination in Christus und die apostolische Sukzession des Priesteramts sind für HELDING neben Joh 20,22 und Mt 28,19 die Weihe der Stephanusgruppe durch die Zwölf (Apg 6,6), die Berufung von Paulus sowie dessen Ordination des Timotheus (2 Tim 1,6).571 Schließlich zählt er noch unter Berufung auf den 1. Clemensbrief die Handauflegung des Zachaeus und 12 anderer Jünger durch Petrus und die Weihe des Origenes durch Alexander und Theochist und jene von Irenaeus und Ambrosius durch nicht näher genannte Bischöfe auf. Damit unterstreicht er beispielhaft, ohne es ausdrücklich zu betonen, eine von den Aposteln her lückenlose Weitergabe des Weihesakraments durch Älteste bzw. Bischöfe bis in seine Gegenwart.572 Weihe- und Hierarchiestufen Während die Konstitutionen dazu schweigen, geht der Kommentator HELDING in der Institutio unter dem Titel De maioribus ordinibus573 im Zusammenhang mit dem Weihesakrament auf die Funktionen und Weihestufen ein. Er hält fest, dass oft eine Begriffsvermischung zwischen Episcopus und Presbyter herrscht, die den Durchblick erschwert. Selbst der hl. Hieronymus habe im Ursprung der Kirche beide Funktionen für ein und dieselbe gehalten und sich selbst erst später korrigiert. Die bischöflichen Ämter und Würden sind in mehrere Grade gegliedert (Officiorum & dignitatum gradus): Bischof, Erzbischof, Primas, Metropolit, Patriarch. Letztere waren ursprünglich nur die 569 570 571 572
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Cat 270r. Cat 270v. 1 Tim 4,14 spricht abweichend von der Handauflegung durch die Ältesten. Cat 276r gebraucht er das Wort Sukzession in Verbindung mit der seelsorgerischen Pflicht des Priesters: Wes nachkommer wiltu sein / wiltu nit in die Succeßion und linien der Apostel eintretten? Institutio 228v-237r.
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Patriarchen von Rom, Antiochia und Alexandria, zu denen nach Konstantin dem Großen jene von Konstantinopel und Jerusalem hinzugezählt wurden. Papst Anicet574 habe deren Ausweitung später unterbunden. HELDING erweist sich als historisch fundiert, wie er die unterschiedliche Entwicklung der Ämter des Episcopus, des Presbyters und des Diakons darstellt. Vorrang des Petrusamtes Von allen Bischöfen steht der römische im höchsten Rang und ist daher das Haupt der ganzen Hierarchie. Christus habe diesen Vorrang dem Petrus als einzigem unter den Aposteln übertragen und von ihm ging dieser Vorrang in der Auctoritas und Potestas nach der einhelligen Auffassung der Rechtgläubigen auf den römischen Bischof als Hüter der Einheit der Kirche über.575 Mit den Anweisungen nach Mt 16,18-19 hat Christus allein dem Petrus die Autorität und Schlüsselgewalt übertragen. Die Institutio setzt mit dem Auftrag an Petrus fort: confirma fratres tuos. Damit verbindet sich die Autorität, Fehler aufzuzeigen, zu rügen, aufzurichten und zu ermutigen sowie an den Lehrsätzen Ergänzungen und Verbesserungen anzubringen.576 Die priesterliche Gewalt (sacerdotalis potestas), in der alle gleich sind, erfließt gleichsam aus einem gemeinsamen Ursprung. Der Bischof von Rom ist nicht im Rang des Sacerdotiums, wohl aber in der Herrschaftsbefugnis allen vorgeordnet. Von ihm leitet sich das gesamte Kirchenregiment in den verschiedenen Stufen ab. Er übt seine Macht zum Wohl der Kirche gegenüber allen aus, nicht um sie tyrannisch zu bedrücken, sondern sie in ihrem Amt zu schützen und zu festigen.577 Als Zeugen für die allgemeine Anerkennung des römischen Primats nennt HELDING Cyprian, der in einem Brief an Papst Cornelius (251-253) den römischen Stuhl Cathedra Petri genannt habe, ferner 574 575
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Schwaiger, Art. Aniketos (um 155 - um 166): ³LThK 1 (1993) 678: Papst Anicet, zehnter Nachfolger Petri. Institutio 233v: Hunc autem primatum Christus inter apostolos uni Petro (cuius successorem Romanum Episcopum omnes Orthodoxi unanimi sententia faciunt) multis argumentis & testimoniis detulit, dum unitatem & soliditatem Ecclesiae suae in uno Petro firmat & stabilit. Institutio 234r: Id enim singularis cuiusdam curae & sollicitudinis excellentiam insinuat, & cum singulari authoritate coniunctum esse debet, defectus aliorum admonitionibus, consolationibus, exhortationibus, & doctrinis supplere & emendare: hoc est enim confirmare fratres. Institutio 234v: Romanus autem Pontifex curam suam ad omnes Ecclesias extendens, potestatem exercet in omnes, non ut Tyrannide Ecclesiam opprimat, aut collegas suos debita potestate spoliet: sed ut singulos in officio contineat, & pro potestate sibi in omnes concessa, a singulis legitimam Sacerdotalis functionis usurpationem exigat, ut sic disciplina Ecclesiae conservetur, & schismatum occasiones devitentur.
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Tertullian und Irenäus, der die römische Kirche von zwei Aposteln errichtet bezeichnete, sowie Hieronymus, der ebenfalls von der Cathedra Petri sprach.578 HELDING geht auch auf das Verfahren der Bischofsweihe ein, die von drei Episkopen mit Zustimmung des Metropoliten vorgenommen werden soll.579 Zur Weihe des Metropoliten sollen sich alle Provinzialen versammeln. Zum Weiheablauf hebt HELDING hervor, dass das Evangelium dem zu Weihenden auf den Rücken gelegt wird, damit er die Last seiner Verkündigungsaufgabe symbolisch erfasse. Auch an dieser Stelle spricht der Prediger den Missbrauch bei der Vergabe der Benefizien an, die von den Verantwortlichen nicht an die Besten verliehen werden. Die Vergabeberechtigten halten es, als hätten sie der Kirche die Güter im Spiel abgewonnen. Die Wahl fällt dann auf denjenigen, der dem Lehensherrn Gegendienste verspricht und damit der Kirche ihr eigenes Gut belastet und entfremdet.580 Anfechtung des besonderen Priesterstands Die Gliederung der Kirche in Priester- und Laienstand wurde nach HELDING immer schon von den Feinden der Kirche angefochten.581 578
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CY, de simplicitate prelatorum; lib. 1, ep 3 (nicht bei Frede, dazu nennt Hoffmann, LACL 171, eine andere ep (unit. eccl.), in der ebenfalls Cathedra Petri vorkommt; TE, hae; HI ep mit dem Anfang Quoniam vetusto an Papst Damasus I. (366-384 [Gelmi 27] nicht bei Frede). HELDING gibt Anaklets zweiten Brief an die Bischöfe Italiens als Quelle an. Schwaiger, Art. Anaclet I. (79-90): ³LThK 1 (1993) 573-574: Als Papst zweiter Nachfolger Petri. Cat 270v: Die Collatores seind der Kirchen Pfleger / die sollens verschaffen / das der Kirchen umb jhr eigen gelt und gut solche Diener bestellt würden / die der Gemein Gottes mit nutz fürstehn möchten / so faren aber sie die Collatores zu / und halten es mit den Kirchen gütern so unrecht und lesterlich / als ob sie es der lieben Kirchen mit spielen abgewonnen hetten / Da müssen jre Ställ / jre Küchen von der Kirchengut bestelt werden / von den Renten der Kirchen müssen sie jhren Jägern / jren Fischern / ja allen jren diensten lohnen / und der armen verlassen Kirchen wirt durch jre ungerechte / ungetrewe Pfleger niemand / oder gar nahe niemand / doch von jrem eigen gut bestelt / der jr dienen künd oder wölt. Kurtzumb / der Kirchen gut kann niemant geniessen / er habs dann zuvor umb den Lehenherrn verdient / oder sey jm sonst durch bitt oder freundschafft befohlen / Ob er der Kirchen dienen könde oder wölle / da ist kein frag nach. Darumb seind wir auch ein solches Gesind zusammen / wann man unser ein gantz Schock zusammen triebe / die Kirchendiener hiessen / so fünde man doch sehr wenig / die der Kirchen dienen kündten / oder wollen wie sichs gebürt. Da ist der jamer uber die maß worden / den der heilig Gregorius zu seiner zeit beklaget: Ecce Mundus Sacerdotibus plenus est, sed tamen in messe Dei rarus valde invenitur operarius, quia officium Sacerdotis omnes suscipimus, sed opus officii non implemus. Cat 271r: Da ist des leidigen Teuffels fürnemmen nit in dem / das er einen standt auß der Kirchen Christi wegen und hinnemen wölle / sonder darnach arbeit er / wann er den Priesterstand leicht und verächtlich vorm gemeinen Volck gemacht hat / dz folgend auch alles jenig gering geachtet / und versaumbt werde / was durch die Priester zu heil des gemeinen Volcks
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Schon in der frühen Christenheit wurde ein allgemeines Priestertum jedes Gläubigen aus 1 Petr 2,9 (Vulgata: Vos autem genus electum, regale sacerdotium…) abgeleitet, ein eigener Priesterstand (sacerdotium externum) angezweifelt und in egalisierenden Tendenzen abgewertet sowie vor dem Volk verächtlich gemacht. HELDING sieht die Gefahr, die von den selbst ernannten Predigern ausgeht, und erläutert die Unabdingbarkeit des Weihestandes für den Empfang der Sakramente. Die von den Kritikern angezogene Briefstelle meine ein geistliches Priestertum (sacerdotium internum et spirituale), wie an derselben Stelle auch das geistliche Königtum des Christen angesprochen ist, wozu jeder Christ zu Lob, Preis und Dank und persönlicher Aufopferung befugt ist. Daneben gebe es aber ein eigens verordnetes äußeres Regiment (die besonders Priester heissen / Bischoffe / Diacon / und Hirten), dem die Ausspendung der Geheimnisse befohlen ist und dem zur Leitung der Kirche besondere Gaben verliehen sind. Am Beispiel des nachgewählten Apostels Matthias und des Diakons Stephanus (Apg 1,26; 6,5-7) stellt HELDING das Erfordernis der Wahl neben die Berufung. Dazu tritt aber noch die Ordination, das heißt die Begabung mit besonderen Gnaden.582 HELDING hält dazu die von Christus dem Priesteramt auferlegten Werke fest: Verkündigung des Evangeliums, Ausspendung der heiligen Sakramente und Geheimnisse Gottes, besonders in der Eucharistie die Wandlung von Brot und Wein in den wahren Leib und das wahre Blut Christi zur geistlichen Speisung der Gläubigen, schließlich als letzten Punkt die Verwaltung der Sünden, die Binde- und Lösevollmacht, die der Heilige Geist im Priester, der bloß Werkzeug ist, wirkt. Im Auflegen der Hände wird das Zeichen gesetzt, dass der Heilige Geist empfangen wird (unter Berufung auf Joh 20,22). Die Weihe wird auch sacer ordo genannt, weil dieser Stand heilige Dinge verwaltet und diese verwaltung des priesterampts mit besonderen Gnaden / unnd mit grossen geheimnissen zugehet. Es werden aber nun, wie HELDING feststellt, Priester geweiht, die für die Seelsorge kein Interesse und keinerlei Geschicklichkeit aufbringen. Diese reißen die Gülten der Kirche an sich, auch wenn sie nicht zu Pfarrern bestellt sind, und vernachlässigen die cura animarum, andere wollen von vornherein nur als Herren die Renten genie-
582
verhandelt / verwaltet und außgespent werden sol / Das alle Sacramenta, Predig / Gebett / und was dem Gottsdienst anhangt / desto verächtlicher vorm gemeinen Mann werde / wann sie erst gelehrnt haben / den Priesterstand gering und verächtlich zuhalten. Cat 272r: Da der / so zum Kirchen dienst erwelt ist / mit sonderlichen Gnaden unnd Gaben Gottes zum ampt außgerüstet und geschickt gemacht wirt / unnd wirt mit stercke angethon vom Himel. Dann das Priesterampt in der Kirchen Christi / stehet nit an menschlicher geschicklicheit / und last sich mit Menschen krefften nicht ertragen.
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Prediger und Katechet
ßen. Die göttliche Gnade wirkt aber zum Heil der Rechtgläubigen in allen Dienern der Kirche gleich, unabhängig von der Person des Spenders. Der Prediger fasst nochmals zusammen, wie die Kirchendiener ihr Amt zu verwalten haben und wie das Volk das Priesteramt zu seinem Nutzen in Anspruch nehmen soll. Sie müssen ihr Amt so führen, dass sie auf das Seelenheil der anvertrauten Gläubigen achten und über sie Rechenschaft ablegen können. Wo jr dern eins verderben läst / so mögt jhr es nit anders / dann auch mit blut und mit eweren eigen Seelen bezalen / da sihet euch nun eben für.583 In der 84. Predigt vom Sonntag Judica 1544 (30. 3. 1544), mit der er den Catechismus schließt, wird sich HELDING auch der Gefahr seiner eigenen allzu negativen Zeichnung des Priesterstandes bewusst. Er geht nochmals auf die Nachteile ein, die dem kritischen Gläubigen für sein eigenes Seelenheil drohen, wenn er in seiner Schelte der menschlichen Schwächen der Priester die Heilsgaben selbst geringschätzt oder vernachlässigt. Er ermahnt zur christlichen Tugend, den strengsten Maßstab an die eigene Person anzulegen, nicht über andere richten zu wollen, und dem Nächsten, selbst dem sündigen Diener Gottes, beizustehen. Für HELDING steht das Amt im Mittelpunkt, das der Priester nicht aus eigenem Vermögen, sondern mit der in ihm wirkenden Kraft des Hl. Geistes verrichtet.584
583 584
Cat 275v. Cat 278r-279v.
Defensio adversus Matthiam Flacium Illyricum
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12. Kapitel KONTROVERSIST UND KOLLOQUENT Als Ireniker im Glaubensstreit 1. DEFENSIO ADVERSUS MATTHIAM FLACIUM ILLYRICUM Das vortridentinische theologische Schrifttum war zu sehr in den sich ad hoc bildenden Streitpunkten verhaftet, um zu großen systematischen Entwürfen zu finden. Es war anlassbezogen, auf altgläubiger Seite defensiv angelegt und wies daher nicht die Geschlossenheit der scholastischen Gesamtschau auf. Als Beispiel kann der Ingolstädter Theologe Johannes (Maier von) Eck angesehen werden, der zwar philologische, juristische und theologische Voraussetzungen besaß, in seinen Schriften jedoch stark der Polemik und Kontroverse verhaftet blieb und neben seinem Enchiridion locorum communium und einer Predigtsammlung nichts von richtungweisender Bedeutung verfasste.585 Weniger von Polemik und mehr durch tiefer schürfende Quellenanalyse geleitet war das gleichnamige Handbuch Johann Groppers, das sich, als Unterweisung zum Kölner Provinzialkonzil 1536 entstanden, in weiterführender Weise mit den aufgeworfenen Reformfragen der Kirche befasste.586 Auf altgläubiger Seite trat 1537 Georg Witzel ebenfalls mit Vorschlägen zur Kirchenreform und Kircheneinheit auf den Plan, die er in einem Annäherungsprozess nach der Art des späteren Interim zu erkennen glaubte.587 Witzel und HELDING waren zwar über König Ferdinand indirekt verbunden, 1557 nahmen sie gemeinsam als Kolloquent und Adjunkt am Wormser Religionsgespräch teil, von engeren persönlichen Kontakten zueinander ist aber nichts bekannt. Die Qualifikation HELDINGS als Kontroversist, die ihm an dieser Stelle zuteil wird, gründet sich auf eine Schrift, die sich als eine 585 586
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Smolinsky, Johannes Eck: ³LThK 3 (1994) 441-443. Enchiridion Christianae Institutionis (Köln, Quentel 1538) als Anhang zu den Canones Concilii provincialis Coloniensis 1536 von Gropper verfasst (Schannat – Hartzheim 6, 235-310). Henze, Aus Liebe zur Kirche Reform 162 erwähnt auch ein Reformgutachten Witzels aus 1538.
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Kontroversist und Kolloquent
unmittelbare direkte Auseinandersetzung mit einem Exponenten der orthodox lutherischen Richtung darstellt. Doch auch in diesem Fall wendet sich HELDING nicht wie sein Widerpart Flacius in seiner deutschen Gegenschrift an ein breiteres Publikum, sondern stellt seine Verteidigung Defensio adversus M. Flacium Illyricum einer Neuauflage des angegriffenen Schülerkatechismus Brevis Institutio voran. Matthias Flacius Illyricus,588 kämpferischer Publizist des anderen Teils,589 ließ keine Gelegenheit vorbeigehen, Gegner seiner Ansichten durch eine polemische Attacke, gepaart mit übertriebener Schärfe des Ausdrucks, persönlich anzugreifen. So verfuhr er auch mit dem ihm in persona unbekannten HELDING , den er in seiner Widderlegung der Messpredigten als Fladenweiher, antichristlichen reißenden Wolf, schädliches Tier apostrophierte, als er von dessen Postulation auf das Hochstift Merseburg Kenntnis erhielt.590 Im Fall von HELDINGS Schülerkatechismus Brevis Institutio 1549 nahm er sich in seiner noch im selben Jahr erschienenen Confutatio catechismi larvati Sydonis episcopi die Kapitel Taufe, Rechtfertigung, Buße, Firmung, Letzte Ölung, Ave Maria und die Segnungen vor.591 Eine deutsche Ausgabe mit dem Titel Widderlegung des Catechismi des Larven Bischoffes von Sidon erschien 1550 in Magdeburg. Als HELDING 1552 in der 2. Auflage der Brevis Institutio mit der Defensio scharf antwortete, gab er sich nicht geschlagen und replizierte 1553 nochmals. Die Angriffe auf HELDING Die Kritik an den Messpredigten richtet Flacius auf den Opfercharakter der Messe und den besonderen Priesterstand. Der von HELDING schon für die früheste Zeit behaupteten Bezeichnung Missa für die an Gott gesandten Gaben widerspricht er heftig. HELDING bringe auch 588
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Barton, Art. Flacius (Vlačić), Matthias (1520-1575): ³LThK 3 (1995) 1312-1313. Weitere einschlägige gegen den Kaiser und indirekt HELDING gerichtete Schriften des Flacius sind: Wider das Interim, papistische Mess, canonem unnd Meister Eissleuben; Wider den schnöden Teuffel, der sich jetzt abermals in einen Engel des Liechtes verkleidet hat, das newe Interim. Die österr. Nationalbibliothek verzeichnet über 180 Nummern von Flacius-Schriften. Widderlegung der Predigten von der allerheiligsten Antichristischen Missa des fremden Bischoffs von Sydon. Meyntzischen Weihbischoff. In einem Nebensatz unterstellt er HELDING, fast bey acht Töchter zu haben. Er weiß auch, dass sich HELDINGS Catechismus in Leipzig gut verkauft. Eine dt. Fassung Widderlegung des Catechismus erschien 1550. Auf HELDINGS Defensio folgte die Kurtze antwort auff des Larven Bischoffs von Sydon Holhiplerey, damit er seinen Antichristlichen Catechismum vertedigen will. Als HELDINGS Reaktion ausblieb, versuchte er mit der Verlegung der Apologiae Sydonii, damit er seinen Catechismum verteidinget, den Streit weiter publizistisch auszuschöpfen.
Defensio adversus Matthiam Flacium Illyricum
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den Glauben zuwenig zur Geltung, er meine, die Gerechtmachung geschehe auf Grund der Werke und Tugenden, nicht aber aus Gnaden.592 Auch HELDINGS Sündenlehre stößt bei Illyricus auf Ablehnung. Jener betrachte die Concupiscentia nur als ein Stimulans zur Sünde, nicht aber als eigentliche Sünde. HELDING bleibe den Beweis schuldig, dass es außerhalb der Kirche keine Sündenvergebung gebe. Er verlasse sich auf die guten Werke und seine Sakramentenlehre sei nicht in der Schrift fundiert. Selbst Ambrosius habe nur über Taufe und Eucharistie disputiert und den anderen Zeremonien nie den Charakter von Sakramenten beigemessen. Im Bezug auf die Taufe erhob Flacius den Vorwurf, HELDING sondere die Buße (entgegen Johannes dem Täufer) von der Taufe ab. Er unterstellte ferner, HELDING vertrete eine Verminderung der Kraftwirkung der Taufe, um dem Bußsakrament zu größerer Bedeutung zu verhelfen. Illyricus vermisste auch eine spezifische Tauflehre vom Glauben und spottete über zauberisch geweihtes Salz und Salböl.593 Schließlich warf er HELDING vor, fälschlich von der Buße zu lehren: diese sei jedoch nicht ein Akt, dann und wann nach vorgängiger Reue vollzogen, sondern eine ständig erforderliche Bemühung um Vermeidung der Sünde, und damit eher eine Tugend, da der Mensch fortwährend sündige. Die Ohrenbeichte sei nirgends befohlen. Die Genugtuung aber gehöre nicht zur Buße, sondern sei Christi Werk. Für den besonderen Nachdruck, den HELDING auf die Firmung lege, weiß Flacius den Grund anzugeben: HELDING wolle sie wohl in seinem Stift Merseburg wieder einführen. Der Verweis auf die Apostelgeschichte sei vieldeutig, es gebe noch etliche andere Beispiele von Handauflegung durch Christus und die Apostel, die nicht zu Sakramenten wurden. Gegen die Krankenölung führt Flacius wieder das Fehlen einer Einsetzung durch Christus an. Wohl habe man stets versucht, den Kranken mit verschiedenen Mitteln und Handlungen Erleichterung zu verschaffen, es gebe aber keinen Grund, nur den hoffnungslosen Fällen diese Hilfen angedeihen zu lassen. Es seien eben Zeremonien an Armen und Kranken gewesen, und zwar von Leuten, die über Heilkräfte verfügten. Daraus dürfe man aber noch kein Sakrament ableiten. Flacius meint auch, einer falschen Übersetzung auf der Spur zu sein. Wenn HELDING durch die Ölung die Tilgung der peccata venalia verheiße, sei dies gotteslästerlich. Ebenso sei die dabei erfolgende Anrufung der Heiligen ein Irrtum. Dabei schließt er auch das Ave Ma592 593
Flacius, Widderlegung des Catechismi Biiijr- Cr. Ebd. Biiijv.
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Kontroversist und Kolloquent
ria ein, zumal der englische Gruß auch in der Schrift nicht geboten sei und man Toten überhaupt nicht göttliche Fähigkeiten beimesssen dürfe.594 Ähnlich wie beim Öl sei die Konsekration von Wasser, Salz und anderen Dingen ebenfalls nicht in der Schrift vorgegeben. Weiters hielt er HELDING vor, dieser sondere das Gedächtnis des Leidens und Sterbens Christi von der Kommunion ab, mache aus der Ordination ein Sakrament und bezeichne die Priesterehe als Sakrileg. Schließlich ist die Art und Weise der persönlichen Invektiven des Flacius zu erwähnen, mit der die Streitlust des Volks angefacht werden sollte, um die Stimmung der empfänglichen Leserschaft weiter gegen die Kirche und ihre Repräsentanten zu reizen.595 Um allerdings den Pegel seiner Schmähungen richtig einzuschätzen, genügt ein Hinweis auf die Adiaphoristen in den eigenen Reihen, die er der Gottlosigkeit zieh, und in diesen Kreis schloss er immerhin auch Melanchthon ein. Nicht zu übersehen ist, dass die Magdeburger Schriften des Flacius auch im benachbarten Merseburg verbreitet wurden, was den inzwischen dort residierenden Bischof HELDING nicht unberührt lassen konnte. Er meinte sogar eine Drohung von Flacius herauszuhören, dass der Zorn Gottes ihn bald erreichen würde, sollte sich die Vorsehung aber täuschen, würde dies jemand mit dem Dolch ausführen.596
HELDINGS Antwort HELDING fasst seine Defensio in die Form einer Vorrede zur neuen Ausgabe der Brevis Institutio von 1552. Deshalb wendet er sich immer wieder an den Leser als frommen, verständigen Interpreten. Eingangs betont er seine Unlust, sich in einen Streit verwickeln zu lassen, und nennt den Anlass für die Verfassung des Schülerkatechismus. Dieser war im Auftrag des Erzbischofs 1549 für die Edelknaben der Domschule in Mainz gedruckt worden. HELDING spricht auch den Lan594 595
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Flacius, Widderlegung des Catechismi Eiiijr-Fr. HELDING ist für ihn ein unverschämter Betrüger, falscher Bischof, Verführer, Wolf, Lügenmaul, aufgeblasenes Maul, Scharrhans, Sydoner und Sodomer, ungelehrter Papstesel, Gaukler, Schalk, loser Tropf, Bub. Dieser bleibt ihm indessen nichts schuldig und hat für Matthaeus Flacius Illyricus die Verballhornung des Namens zu Mataeus Deliricus, Mataeus Fatuus Deliricus, Mataeologus, oder er klassifiziert ihn als Magister impietatis, Dogmatistes errorum, Evangelicus conviciator, sycophanta, impos animi sui, homo impudentis audatiae, homo insipidus, homo alienatae mentis, rabida vel furiosa bestia, insaniae vicinus, furore dementatus. Defensio Avr: & sic, quod vates fefelisset, sicarius perficeret. Nicht milder geht Flacius in der Vorrede der Widderlegung des Catechismi (Aijv) mit HELDING um: O welch ein heyliger Man ist er / ach wolt Got / das ich ihn möchte auff einem hohen Holtz sehenn / andern zur warnung und vermanung.
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desverweis des Flacius aus seiner Heimat Illyrien an und hält ihm vor, als Exilierter, der in Deutschland aufgenommen worden sei, dieses Land nun in Aufruhr zu treiben. Der erste Vorhalt des Flacius betrifft die vermeinte Trennung der Buße von der Taufe. HELDING verweist auf die von den Vätern überkommene Tradition der Taufe als des Eingangstors in die Kirche Christi, wonach diese in zeitlicher Folge alle Heilsmittel zur Bewahrung und Förderung des Heils darbiete. Die Auffassung des Flacius, schon die Taufe verlange die Buße, sei zwar in der Schrift mehrfach belegt, diese Art der Buße sei aber, so HELDING , voraussetzender Bestandteil des Taufaktes selbst und habe mit dem sacramentum poenitentiae nichts zu tun. Der Bußakt vor der Spendung der Taufe könne schon deshalb kein Sakrament sein, weil dem Ungetauften keines zukommen kann. Es sind drei Bußakte auseinanderzuhalten: Der erste geht der Taufe voraus und gebiert den neuen Menschen. Ein anderer begleitet den Christen durch sein ganzes Leben. Was immer er an sich in seinem Inneren tadelnswert erkennt und reuig ändert, ist innere Buße. Die dritte Art von Buße wurde von Christus zur Vergebung der Sünden konzediert, die gegen die zweite Tafel des Dekalogs verstoßen. Nur diese allein ist in ihrem Wesen ein Sakrament und besitzt die heilsame Kraft.597 Auch die Rolle der Kirche wird von Flacius angefochten. Für HELDING kann es dagegen außerhalb der Kirche keine Sündenremission geben, denn nur in der katholischen Kirche wohnt der Heilige Geist, der von Sünden reinigt. Flacius reklamiert ferner, HELDINGS Lehre verlange für die Taufe nicht den Glauben, ferner, dass er eine unvollkommene Taufe vertreten würde, um die anderen Heilsgaben gewichtiger zu machen und schließlich, dass die Verwendung von Salz und Chrisam auf magische Bräuche hinweisen würde. Diese Behauptungen weist HELDING als in der Brevis Instititio nicht fundiert zurück. Den Ritus benedicendi aquam cum sale dispersam und die Verwendung des Öls hätten die ältesten Väter bereits als Tradition gehandhabt. Als nächsten Punkt behandelt HELDING den Vorwurf, er lehre nicht recht von der Rechtfertigung.598 Obwohl er sie im Schülerkatechismus nicht eigens herausgestellt habe, weil sie bei Taufe und Buße bereits mitbehandelt wurde, geht er dennoch auf das Streithema ein. Dem Vorhalt setzt HELDING seine klare Position in der Defensio entgegen. Die Rechtfertigung kommt wohl nicht aus früheren Leistungen, sondern aus dem Glauben, aber gepaart mit Hoffnung und Liebe.599 597 598 599
Defensio Bijr. Flacius, Widderlegung des Catechismi Biiijr. Ego vero cum Paulo & Ecclesia sentio hominem iustificari per fidem quae omnis salutis ini-
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Kontroversist und Kolloquent
Dass ein Mensch ausschließlich und allein durch seinen Glauben gerechtfertigt werde, dass gute Werke keinerlei Beitrag zur Förderung der Seligkeit leisten, diese Meinung lehnt die katholische Kirche ab. Wohl sei mit Paulus600 der Anfang und das Fundament des Heils stets der Glaube, ohne den niemand vor Gott Gefallen finde. Und wirklich wird der Mensch gratis gerechtfertigt, weil niemand (allein) aus den Verdiensten früherer guter Werke und ohne Gnade zum Geschenk der Rechtfertigung gelangen könne. Aber auch nicht allein durch den Glauben, sondern unter Hinzutreten von spes und caritas, vor allem der Liebe, die aus sich heraus gute Werke begünstigt und zur passenden Zeit wirkt. Dies sei nicht mit der Verrichtung der Werke des (alten) Gesetzes zu vergleichen. Der Schlüssel ist die dilectio, die Liebe, durch die das Werk bewirkt wird. Auf die neuerliche Replik des Flacius 1553, in der dieser HELDING noch als Bischof von Sidon anredete, obwohl er von der Innehabung des Merseburger Stuhls wusste, ließ sich HELDING nicht mehr ein. Er wollte lieber die reine Lehre vortragen, Lehrdifferenzen in allen Nuancen herauszuarbeiten, setzte er sich nicht zu seinem Ziel. Vielmehr war er um eine verbindende Argumentation im Sinne des Erasmus bemüht. Die Zeit hingegen forderte auf Seiten der Alten Kirche anderes: In HELDINGS Todesjahr 1561 richtete Papst Pius IV. am Collegio Romano einen eigenen Lehrstuhl für Kontroverstheologie ein.601
600 601
tium & Basis est, sine qua nemo potest placere Deo, aut regni eius consors fieri. Et gratis iustificari hominem, quia nemo ex meritis priorum bonorum operum, sed ex gratia Dei ad donum iustificationis venit, quae est ex fide. Non tamen hominem iustum esse sola fide, sed adiuncta spe & charitate, quae velut gravida & foecunda mater, intra seipsam bona opera fovet & continet, & ea suo tempore, si non impediatur, profert, ut sit iusticia hominis fides per dilectionem operans, quae iustitia nullis nostris praecedentibus meritis, sed sola Dei gratia nobis donatur per Iesum Christum dominum nostrum. Et haec genuina Pauli ad Romanos & Galatas est sententia, qui iustificari hominem per fidem sine operibus legis, nequaquam sic intelligit, quasi homines sola fide sine operibus charitatis iusti esse, & salutem consequi possint, sed ne quis existimet se meritis praecedentium operum ad donum Iustificationis posse pervenire, quae est ex fide, & non ex meritis, sed per gratiam donatur. Hinc enim Iudaeis iustitia legis tumidis, quasi meritis bonorum operum quae in lege fecerant, ad Evangelii gratiam pervenissent, hanc fiduciam amputare volens, docet hominem non ex operibus legis iustificari, sed per fidem, hoc est, ex sola Christi gratia, quae in illo iam otiosa esse non potest, sed si facultas contingit bene operatur per dilectionem. Et nisi ex fide per dilectionem opera bona promanent, ipsa fides sine operibus, Iacobi Apostoli testimonio, mortua, & ad salutem inutilis est. Quam Iacobi sententiam si quis putaverit cum doctrina Pauli pugnare, eadem ratione Paulum sibi ipsi contrarium esse existimare poterit, qui alibi docet. Non auditores legis, sed factores iustificari apud Deum. Et alio loco dicit. In Christo Iesu nec circumcisio aliquid valet, nec praeputium, sed fides quae per charitatem operatur. (Brevis Institutio Dvr-Dvijr). Ebd. Dvijr: Die angegebene Stelle 1 Kor 6 korrespondiert nicht mit dem Text. Passend wäre Röm 3,22. Smolinsky, Art. Kontroverstheologie: ³LThK 6 (1997) 333-335.
Sprecher beim Wormser Kolloquium 1557
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2. SPRECHER BEIM WORMSER KOLLOQUIUM 1557602 Der Wittenberger Präzeptor Philipp Melanchthon setzte mit der kompromisslosen Ablehnung des Interim und der Zurückweisung der 1546-1547 bzw. 1550-1551 bereits verabschiedeten Trienter Dekrete einem offenen Gespräch bereits zum Auftakt emotionale Schranken. HELDING stellte in seiner irenischen Haltung äußerlich unbeeindruckt den Grundsatz in den Raum, Ausgangspunkt des Diskurses solle die vorlutherische (ante quadraginta annos), damals noch unbestrittene, Lehre sein. Gleichzeitig empfahl er den Kanon der Hl. Schrift, wie ihn die katholische Kirche anerkenne, als Textgrundlage. Er vertrat als erstes theologisches Traktandum die altkirchliche Doktrin von der Gleichwertigkeit von Schrift und Traditio apostolica und übergab einen vorbereiteten Index articulorum controversorum, der auch inzwischen in Trient abgehandelte Themen (z. B. Erbsünde, Rechtfertigung) enthielt. Georg Karg603 replizierte mit der Abweisung der Tradition und der Feststellung, die rechte Auslegung sei allein aus der Schrift zu gewinnen. HELDING forderte die Klärung des Kanonumfangs und die Anerkennung des sanus, genuinus, syncerus et legitimus sensus als hermeneutisches Prinzip.604 Mit beiden Forderungen scheiterte er, da die in der Folge auch von Canisius unterstützend ins Treffen geführte Schiedsfunktion der Väter bei Auslegungsdifferenzen, letztlich aber die Rolle der Kirche als Beurteilungsinstanz, vom anderen Teil kategorisch zurückgewiesen wurde. Auch für HELDING ist die Hl. Schrift unverrückbares Zeugnis Christi und der Apostel. Im Grunde ist das Sola-Scriptura-Prinzip der Protestanten in hermeneutischer Sicht der Textwahrheit nicht näher als die Tradition und diese nicht ferner. Jenes Sola-Scriptura-Prinzip vertraut auf die Interpretation der vorpatristischen Literalform durch Luther selbst und zeitgenössische fromme Theologen im Horizont von Luthers Lehre. Das Traditionsprinzip beruht auf ebenso frommen Gelehrten der Spätantike und des Mittelalters, die ihren Text unter Einbeziehung inzwischen überlagerter Interpretationsschich602
603 604
Der Gesprächsverlauf ist im HHStA Wien, Akten der Mainzer Erzkanzlei und Reichshofkanzlei dokumentiert, worin sich auch eigenhändige Schriftstücke der Kolloquenten, darunter auch HELDINGS befinden. Von Bundschuh hat in seine umfassende Kommentierung des Religionsgesprächs auch die Protokolle aufgenommen, sodass der Kern der vertretenen theologischen Standpunkte dort nachvollziehbar ist. Zu dem von Melanchthon vorgeschickten Georg Karg: v. Bundschuh 408. Damit meinte er nicht den Literalsinn, sondern den von den Vätern unanimi consensu gefundenen syncerus intellectus.
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Kontroversist und Kolloquent
ten konsensual lasen: Beide Interpretationshorizonte sollten sich bei gleichzeitig unterstellter sprachlich korrekter Übertragung der Urtexte annähern. Der Mehrbestand an ungeschriebener Lehre musste nur an die Schrift zurückgebunden werden. Darüber hätten Theologen bei ihrer Wahrheitssuche bei dem Kolloquium zu diskutieren gehabt. Ein solcher Diskurs kam im 16. Jahrhundert nicht zustande. Dazu wäre die Frage der Übereinstimmung von Textzeugen zu prüfen, bzw. zu klären gewesen, ob dieser Konsens in sich überhaupt prüfbar ist. Die Lutheraner meinten zu Recht, eine Übereinstimmung als Folge kritikloser Übernahme durch einen Zeugen von einem anderen Traditionszeugen wäre minder zu bewerten als ein selbstständig und unabhängig zustande gekommenes konsensuales Ergebnis. Niemand könne aber die jeweils im Kopf des historischen Zeugen erfolgte Eigenentscheidung nachvollziehen. Wieviele Väter haben tatsächlich bloß von einander abgeschrieben? Melanchthon kritisierte nicht zu Unrecht (wie übrigens auch HELDING ) das punktuelle Zitieren von Väterstellen ohne Berücksichtigung kontextueller Zusammenhänge und lehnte eine Tradition, die nicht in der Schrift sicher fundiert wäre, überhaupt ab, womit allerdings auch jede Art von Exegese angefochten werden konnte.605 HELDING ging darauf nicht ein und bestand eher summarisch auf der Tradition als gültiger Quelle von überall und allgemein anerkanntem Glaubensgut und auf dem breiten Väterkonsens in der Weitergabe der Lehre durch die Zeit. Er hätte auch wie in der mit Pflug verfassten Vergleichsformel für das Interim606 2 Thess 2,15 oder wie Pflug später in seiner Christlichen Ermanung607 1 Kor 11,34 einwerfen können, die einen Freiraum für mündliche Regelungen und Überlieferungen außerhalb der Schrift untermauern. Mit dem Argument, wenn der Buchstabe der Schrift dunkel oder stumm bleibe, sei die zu einer Auslegung allein berufene Stimme das Lehramt der Kirche, ging HELDING einer subtileren Erörterung des Consensus patrum aus dem Weg.608 605 606 607
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Melanchthon nannte den Zölibat als Beispiel unfundierter Tradition. ARCEG 6 (Nr. 15) 194; vgl. Offele 194, Anm.164. Christliche Ermanung, [Kapitel] Von satzungen / Ordnungen / gewonheiten und gemeynen Ceremonien der Kyrche Miiijv-Piiijv: Es gibt apostolische dispositiones und traditiones außerhalb der Schrift, die von den hl. Vätern gemeiniglich beschlossen und von der Kirche als gewisse Regel der Wahrheit jederzeit gehalten wurden und noch werden: Kindertaufe, Widersagung, öffentl. Bekenntnis, Chrisam, Fasten, Kirchengesang, Predigtamt, Gebetszeiten, Bilder, Kleidung, Gotteshäuser, Sonnu. Feiertage, Heiligenverehrung, Totengedächtnis, Zölibat, päpstliche Gewalt. Der Gesprächsverlauf, insbesondere kurze Berichte zu HELDINGS Vorträgen, bei v. Bundschuh 426-488.
Sprecher beim Wormser Kolloquium 1557
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In der einzigen inhaltlichen Kontroverse, die in Worms ausgetragen wurde, in der Frage der Erbsünde, kam es über die Konfrontation der Standpunkte hinaus ebenfalls zu keiner Annäherung. HELDING führte dazu den schon bekannten Standpunkt aus, dass bei der Taufe als Rest der Ursünde die Sündengeneigtheit am Menschen haften geblieben sei, diese aber selbst nicht den vollen Charakter einer Sünde besitze. Die Erbschuld jedoch sei gänzlich aufgehoben.609 Die andere Partei hielt ihre Auffassung vom auch durch die Taufe nicht beseitigten Morbus aufrecht, der das Gottesverhältnis weiter belaste.610 An einer substanziellen Annäherung bestand unter den Theologen auf beiden Seiten kein aufrichtiges Interesse, wobei nicht einmal die im Regensburger Buch 1541 erreichte Annäherung aufrechterhalten wurde. HELDINGS letzte Intervention, den Ausschluss einzelner Richtungen aus der Augsburger Konfession zur Bedingung zu erklären, war jedenfalls nicht angetan, den theologischen Diskurs weiterzuführen. Er schloss sich damit dem politischen Kalkül an, den innerprotestantischen Konflikt auszuschlachten, obwohl ihm vielleicht mehr als anderen bewusst war, dass damit der Einigungsbemühung König Ferdinands, soweit sie unter katholischen Theologen überhaupt noch erwogen und vertreten wurde, nicht gedient war. HELDING konnte sich gerade wegen seiner persönlichen Konzilianz dem Druck der auseineinder strebenden Kräfte nicht entziehen, zumal ihm auch nicht die Durchsetzungskraft gegeben war, die eigenen Reihen der altgläubigen Theologen und Juristen hinter sich zu schließen.611
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MEA-RelS 5a-6, 251v-252r. Auszug: Quae [concupiscentia] quidem etsi maneat in renatis, ac vitiosa sit, ad Christianum certamen relicta, quae pios etiam ad peccatum sollicitat, ac spiritui reluctatur: tamen vere ac proprie peccatum non est, quod per se damnet, ac renatos vere iniustos Deoque abominabiles faciat, ut qui per fidem et sacramentum facti sunt in Christo iusti, puri et immaculati. Itaque per Iesu Christi gratiam non solum huius peccati reatus in Baptismo remittitur, verum etiam id totum quod veram propriamque peccati rationem habet, aufertur. Einer Narbe vergleichbar, die im Menschen das ursprüngliche Gottesverständnis trübe. Spürbare Vorbehalte gegen das Kolloquium aus Rücksichtnahme auf den Papst sind bei z. B. bei Canisius zu finden (v. Bundschuh 212-213).
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Kontroversist und Kolloquent
Die Verbindung von Wort und Schrift
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13. Kapitel ZUSAMMENSCHAU Versuch eines Profils. 1. DIE VERBINDUNG VON WORT UND SCHRIFT Abschließend wird der Versuch einer Charakterisierung der Persönlichkeit Michael HELDINGS unternommen, mit der gleichzeitig Antworten auf die eingangs gestellten Fragen formuliert werden. Als Bischof war er Teil des kirchlichen Establishments, eine Rolle, die er allerdings im vollen spirituellen Umfang nur außerhalb seiner Funktion in Merseburg wahrnehmen konnte. Schon als Suffragan in Mainz scheute er sich nicht, auf jene Missstände und Fehlentwicklungen in der römischen Kirche Christi hinzuweisen, die zu einem verbreiteten Antiklerikalismus612 und einer Ausdünnung der Kirchlichkeit im Volk geführt hatten. Allerdings war ihm in seinem Wirken das Wort näher als die Tat. HELDING war kein Publizist wie Georg Witzel oder Pamphletist wie Flacius Illyricus. Seine Schriften, die die hauptsächliche Quelle unserer Kenntnis seiner Person darstellen, gingen aus seiner Predigttätigkeit hervor. Die längste Zeit seines kirchlichen Lebens, ca. 17 Jahre, war HELDING Seelsorger. In den folgenden sieben Jahren als residierender Landesherr von Merseburg war sein geistlicher Wirkungskreis sehr eingeschränkt. In den drei Jahren als Kammerrichter in Speyer standen weltlich-administrative Aufgaben im Vordergrund. Die letzte Episode seiner Tätigkeit im Reichshofrat in Wien ist für eine Beurteilung zu kurz. HELDING sah sich selbst vermutlich vorwiegend als Seelenhirt. Wie er schon als Lehrer an der Domschule in Mainz jungen Menschen mit Unterweisung und Rat beigestanden war, verstand er sich auch später als Bischof in einer didaktischen, unterweisenden Verpflichtung gegenüber den ihm anvertrauten Menschen. Es ging HELDING aber nicht nur um deren Seelenheil, sondern auch um ihre sozialen Lebensumstände. Er prangerte Ungerechtigkeiten 612
Vgl. Goertz, Pfaffenhaß und groß Geschrei 247-248.
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Zusammenschau
und Fehlverhalten bei Klerikern und Laien an, dies aber in friedvoller Weise und Absicht. An der Einheit der Kirche hielt HELDING unbeugsam fest. Surge – Vade – Praedica Man hatte ihm in Mainz nicht einmal das Dompredigeramt anvertraut, aber es zeigte sich, dass er gerade in der Rolle des Kanzelredners, die ihm dennoch regelmäßig zufiel, offenbar eine starke Wirkung auf die Gläubigen erzielte.613 Das, obwohl er selbst anfänglich an seiner Eignung zweifelte. Dies mag der Grund für die voll ausgearbeiteten Vorlagen sein, die er für seinen Predigtvortrag erstellte. Später, am Ende seiner Tage in Wien, widerlegte er seine Selbsteinschätzung, wie wir aus dem Lob der feierlichen Begrüßung durch die Wiener Universität erfahren.614 In Mainz war ihm nur der Eisenchor des Doms zugewiesen worden, er musste jedoch häufig den hauptamtlichen Prediger auf der großen Domkanzel vertreten. Die Sprache seiner auf Deutsch gehaltenen Predigten war schlicht, ohne akademische Attitüde, bisweilen volkstümlich. Andererseits erfüllte seine lateinische Diktion, die wir in der Institutio und im Liber Merseburgensis finden, unbestritten die Anforderungen unter theologischen Experten. Er predigte zum Jahreskreis und zu den Hauptstücken des Glaubens. Dabei setzte er bei bekannten Schriftstellen an und betrachtete sie unter Perspektiven, in denen er auch die gesellschaftlichen Probleme oder solche im persönlichen Gottesverhältnis der Gemeinde intuitiv erfasste. Die Bedeutung der hierarchischen Instanzen,615 vor allem der Obrigkeit, für die Stabilität des Gemeinwesens und für das Wohl der Kirche strich HELDING immer wieder heraus. Die Kirchenoberen aber, die sich ihren Verpflichtungen entzogen oder unfähig waren, tadelte er ohne Scheu vor seinem vermutlich nicht immer überschaubaren Auditorium. Doch steht die Kritik grundsätzlich hinter der Unterweisung und Belehrung zurück. Das Bild des Seelsorgers stattete er mit Eigenschaften aus, die wohl auch seiner eigenen Persönlichkeit nahekamen. Er sah im Prediger ein wichtiges Bindeglied zwischen Staat (Obrigkeit) und Gesellschaft. 613
614 615
Vgl. Behems Vorwort zum Catechismus und die zweimalige Beauftragung HELDINGS auf den Reichstagen in Augsburg, nicht zuletzt die Nachrufe auf den Prediger. Auch unter Bedachtnahme auf die übliche überschießende Huldigungsformel bei Standespersonen. Zu Ps-Dionysius Areopagita entwickelte HELDING eine besondere Affinität.
Theologische Anliegen Heldings
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In einem etwas ungewöhnlichen Bild verglich HELDING den Prediger mit dem Magen: Wie dieser dem Körper dienstbar sei, so wirke der Prediger für seine Gemeinde.616 Im Zusammenhang mit der Beichte spricht er von der sanftmütigen Bescheidenheit, von Milde und Mitleid, die der Beichtvater zeigen muss. Doch scheute er sich auch nicht, Strenge und Strafen zu empfehlen, falls die Ordnung gröblich missachtet würde. In der uns vorliegenden Druckform sind die Predigten durchaus nicht ephemere Ergebnisse des kirchlichen Alltags, sondern Bausteine eines theologischen Programms. Er ließ sich in seinen Predigten nicht auf rhetorische und hermeneutische Kunstfertigkeit ein, sondern wollte seine Adressaten überzeugend ansprechen. Seine Predigten während des Reichstages in Augsburg 1547/1548 wurden von den Zeitgenossen allgemein gepriesen. Auch der heutige Leser der Texte kann erkennen, dass sich HELDING an der klassischen Anforderung des docere, delectare, movere orientiert hat.617 Viele Zeitgenossen werden HELDINGS Texte nur als Leser wahrgenommem haben. Warum bevorzugte der Verfasser die schriftliche Form der Predigt? Abgesehen vom ursprünglichen rhetorischen Defizit war ihm vermutlich der autoritative und didaktische Charakter dieser Ausdrucksform wichtig. Durch die als Randglossen angeführten Bibel- und Väterzitate gewannen die Texte zusätzlich an Gewicht. Seine deutsche Predigtreihe zur Messerklärung wird angesichts des sonst nur lateinisch zugänglichen Messkanons bleibendes Interesse erweckt haben, wussten die Laien doch kaum, was hinter den Altarschranken wirklich vor sich ging.618 Die als Katechismus verfassten Predigten gaben die Unterscheidungslehren gegenüber den umlaufenden häretischen Schriften an die Hand.
2. THEOLOGISCHE ANLIEGEN HELDINGS Die notwendigen Stücke unseres heiligen Glaubens Als programmatische Indikatoren seiner Bemühungen um den gläubigen Menschen lassen sich die Titel seiner Predigtreihen verstehen: Während die früheren Predigten der Jahre 1535-1541 dem Jahres616 617 618
Die Parabel von Magen und Gliedern wird auf den Römer Menenius Agrippa (5. Jh. v. Chr.) zurückgeführt (Der Kleine Pauly 3, 12139). Kursawe, docere – delectare – movere. Die officia oratoris bei Augustinus in Rhetorik und Gnadenlehre (Paderborn 2000). VD 16 weist 12 verschiedene Drucke der Messpredigten aus.
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kreis der Kirche und den Heiligenfesten folgen und unmittelbar das Schriftwort zum Ausgangspunkt nehmen, setzt HELDING ab dem Jahr 1539 neue Schwerpunkte. Er wählt einen moraltheologischen auf Christus zentrierten Ansatz mit der fortlaufenden Kommentierung der Proverbia Salomonis. Das katechetische Grundanliegen, die Glaubenslehren den Laien verständlich zu vermitteln, verwirklichte er in Wort und Schrift im ab 1542 gepredigten Catechismus. In den Augsburger Predigten 1547/1548 stellte er die durch Vernachlässigung der Caritas brüchig gewordene Communio mit der Trinität und die zerbrochene Einheit der Christen in das Zentrum. Die innere Umkehr des Menschen personifizierte er in der Gestalt des Jonas Propheta ab 1551. Darin verwies er mit seinem Zitat Surge – Vade – Praedica619 auf den Grundauftrag des Seelsorgers, nicht müde zu werden, sich initiativ bis zur Selbstentäußerung der ihm anvertrauten Gemeinde anzunehmen, und diese zu unterweisen, zu lehren und zu ermahnen. Der Kirchendiener gehört nicht mehr sich selbst, betont HELDING und gibt damit seine innere Überzeugung vom Amt preis. Deutschland ist zu Ninive geworden. Die Bosheit in Teilen des gottvergessenen Kirchenvolks ist bis in den Himmel aufgestiegen. Es bedarf dringend einer inneren Umkehr. In diesem Zyklus steht das Sakrament der Buße im Zentrum. Niemand soll zur Buß seumig sein620 Der Buße widmet HELDING lange Abhandlungen in der Institutio, im Catechismus und vor allem im Jonas Propheta. Er reiht das Bußsakrament vor die Eucharistie. In der Vernachlässigung der Buße sieht er eine Folge der Ablasspraxis, die die Beichte und das persönliche Schuldbekenntnis obsolet werden ließ. Mit der Propagierung der medicina poenitentiae will HELDING die Gläubigen wieder an die Kirche heranführen und verweist auf den schon von Thomas von Aquin dargelegten unabdingbaren Dreischritt Contritio, Confessio, Satisfactio.621 Gleichzeitig werden die guten Werke zum Prüfstein einer gelungenen persönlichen Metanoia, ohne damit der Rechtfertigung vorweg zu sein. Das Bußsakrament bekommt für HELDING sozialrevolutionären Charakter. Die persönliche Reform, die Neugestaltung des inneren Menschen als Voraussetzung für eine friedvollere und sozialere
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Jonas Propheta 10r-11r zitiert Vulgata: Prophetiae Jonae 1,2. Jonas Propheta 13r (Randglosse). Thomas v. Aquin, STh III, 90, 2, ad 3.
Theologische Anliegen Heldings
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Gesellschaft umkreiste er in eindringlicher Weise immer aufs Neue. Díe Buße gewinnt für HELDING eine Schlüsselfunktion.622 In der Reihe der Katechismuspredigten tritt uns HELDING auch als Schriftinterpret entgegen. Er bringt dies selbst zum Ausdruck, indem er Symbolum, Oratio Dominica und Dekalog unter Nachweis der Bibelstellen für den Leser auslegt, während er zu den Sakramenten eine Unterrichtung erteilt. Er verbindet den Literalsinn623 von Bekenntnis, Gebet und Gebot mit den jeweils zugrundeliegenden Schriftstellen, enthält sich ausgreifender Allegorien und schließt zumeist eine kurze resümierende Handlungsanleitung an. Vorbedingung jeglichen Verstehens der Hl. Schrift ist ihm der Glaube, der allein ihre Geheimnisse erschließt: Der Glaube ist die Tür zu Gott und damit auch zur Hl. Schrift. Rückgriff auf die Kirchenväter Vielfach stützte HELDING seine Interpretationen auf Kirchenväter als Traditionszeugen. Die Mainzer Reformkonstitutionen legten dem Theologen besonders das Studium der heiligen Väter Cyprian, Chrysostomus, Ambrosius, Augustinus und Gregor nahe.624 An diese Auswahl mag HELDING selbst seine Hand angelegt haben. Sie findet sich in der Institutio und im Catechismus wieder. Zum Studium der Väter standen von Humanisten besorgte Werkausgaben zur Verfügung.625 Einige Bücher erwarb er für sein Theologiestudium.626 Zur Darlegung der Sakramente greift HELDING besonders gern auf Väterzitate zurück. Sein häufigster Zeuge ist dabei Augustinus. Von den Scholastikern werden Hugo von St. Victor (zum Ehesakrament),627 Beda Vene622
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Nach HELDING bedürfte es keiner neuen Lehre, um den Menschen zu reformieren, wenn er nur die innere Umkehr durch die Kraft des Bußsakraments anstreben würde. Walter, Art. Schriftsinne: ³LThK 9 (2000) 268-269. Ohne nähere Stellenangabe; Institutio 90v nennt GR-NA (ad Basil. in Monodia, diese nicht bei Frede) als Musterform einer Heiligenanrufung. Allein Erasmus edierte zwischen 1517 und 1530 Werke von Hieronymus, Cyprian, Arnobius, Hilarius, Irenäus, Ambrosius, Augustinus, Epiphanius, Origenes, Basilius und Chrysostomus. Darüber hinaus bezieht sich HELDING in den Schriftpredigten auf Stellen von Anaclet, Evaristus, [Ps-]Clemens, Damascenus, Cyrill, Didymus Alexandrinus, Tertullian, Ignatius, Isidor, Innozenz I., Leo I., für Dionysius Areopagita und Theophylact zeigt er eine besondere Vorliebe. In der Institutio finden sich Quellenangaben auf Kapitelebene. Zum gesamten Umfang seines Bücherbesitzes ist nichts bekannt. Die vereinzelten in der Domstiftsbibliothek Merseburg aufgefundenen Exemplare aus HELDINGS Besitz stammen aus Erwerben der Jahre 1533-1536, also während seines Mainzer Theologiestudiums. Institutio 245r.
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rabilis (zur Krankensalbung), Bernardus und der Sentenzenmeister (zur Binde- und Lösegewalt des Priesters)628 herangezogen. Eine vollständige Übersicht aller einbezogenen Stellen ist aus seinen Angaben schwierig zu erheben. Zu dem ihm bewussten, 1557 in Worms auch thematisierten Problem der widerstreitenden Väterstellen, die in der Scholastik durch kunstvolle Interpretamente aufgelöst wurden, fügt sich seine Bemerkung, einen Sachverhalt immer von mehreren Seiten her zu beleuchten und sich nicht auf eine einzige Stelle zu verlassen.
3. SEIN MENSCHEN- UND GESELLSCHAFTSBILD HELDING ein Humanist? Er erfüllt die Kriterien klassischer Sprachbeherrschung, ist auch in der griechischen Mythologie und den Kirchenvätern bewandert, hingegen tritt der philosophische Diskurs und die einschlägige Diktion bei ihm in den Hintergrund.629 Die Vernunft ist für ihn die Magd des Glaubens. Sie dient zur Deutung der Zeichen des Himmels,630 nicht aber zur Erforschung der Geheimnisse Gottes. HELDINGS Vorstellung vom Menschen ist endzeitlich und daher pessimistisch gefärbt und hat wenig von einer Aufbruchsstimmung italienischer christlicher Humanisten wie Marsilio Ficino631 und Pico della Mirandola,632 aber auch katholischer Reformer wie Gasparo Contarini.633 Die humanistischen Ansätze des selbstbewussten, auf seine Fähigkeiten vertrauenden, der Lebens- und Entdeckerlust zugewandten Menschen sucht man bei HELDING vergebens. Das nach außen hin demonstrierte Selbstbewusstsein anderer missfällt ihm vielmehr deutlich. Mit einem engstirnigen Bilderstürmer hat HELDING allerdings nichts gemein, eher könnte ihn man einen Puristen nennen, dem alles Prangen und Prunken, wenn darunter renaissancehafte Ausdrucksformen verstanden werden, zutiefst zuwider ist. Seine Kritik an der Kleidermode und sein Befremden über die Renaissancemalerei lässt eine reformatorische Note erkennen. Seine Bemerkungen zur unzüchtigen Darstellung spiritueller Themen in der Malerei 628 629 630 631 632 633
Hier besitzen wir die präzise Stellenangabe lb 4. dist. 27. cap. 9. Eine Hervorhebung als Philosophus insignis (wie bei Eisengrein) ist quellenmäßig nicht zu bestätigen. Cat 75v. Otto, Art. Ficino, Marsilio (1433-1499): ³LThK 3 (1995) 1271. Kessler, Art. Pico della Mirandola, Giovanni (1463-1494): ³LThK 8 (1999) 283-284. Ganzer, Art. Contarini, Gasparo (1483-1542): ³LThK 2 (1994) 1305-1306.
Sein Menschen- und Gesellschaftsbild
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beruhen auf der beschränkten Kenntnis des Kunstschaffens im Italien des Seicento, das von humanistisch gebildeten geistlichen Auftraggebern sichtlich in der dargebotenen Weise geschätzt wurde. HELDINGS Lebenshorizont grenzte südwestlich an die Rheinlinie und den Bodensee, östlich kam er über die Linie Merseburg – Frankfurt – Wien nicht hinaus. Mehr als eine einzige kurze Reise von Trient nach Venedig war ihm nicht gegönnt. Wüssten wir mehr über HELDINGS Büchersammlung, wie es uns z. B. ein Blick in die Bibliothek Julius Pflugs ermöglicht, ließe sich mehr über die Weite seines Bildungshorizonts aussagen. Mit Erasmus verbindet ihn der leidenschaftliche Appell zu Frieden und Einigkeit unter den Christen Deutschlands. Seine Irenik ist im Glauben fundiert. Schon in einer Predigt vom 19. 3. 1536, noch als einfacher Priester, macht er den Zwiespalt in der Religion zum Thema. Dabei beschwört er die Bewahrung des Friedens der Christen untereinander (concordia) mit dem letzten Willen und Auftrag Christi.634 Ordnung der Gesellschaft – die Rolle der Obrigkeit Für HELDING würde eine einfache Regel des Zusammenlebens zur Gestaltung der Gesellschaft genügen: Ius suum unicuique tribuere, neminem laedere et honeste vivere.635 Jedoch verlangt die Unvollkommenheit des Menschen ordnende Maßnahmen zur Durchsetzung. Das Wort Ordnung hat bei HELDING einen hohen Stellenwert. Hüter der Ordnung ist für ihn die Obrigkeit (Oberkeit), wobei deren innere Differenzierung manchmal seltsam unbestimmt bleibt. Obwohl er die kirchliche Hierarchie einbezieht, meint er vornehmlich die weltliche Gewalt, die den Frieden und die Sicherheit für Leib und Leben gewährleisten muss.636 Außerdem haben die Repräsentanten der Obrigkeit gegenüber dem Kirchenvolk als Vorbild zu wirken. HELDING geht auch auf die unsichere Lage im Reich ein, die er am eigenen Leib verspürte. Die wichtigste Aufgabe der Obrigkeit, an erster Stelle des Kaisers, Königs und der Fürsten, ist für ihn, das gewalttätige Geschehen im Reich einzudämmen.637 Die Menschen müssen immer 634 635 636 637
Postilla, De tempore, Winterteil 114v: Warum sind wir uneins, wenn alle Zeichen unseres Glaubens uns zur Einigkeit ermahnen? Institutio 72v. Proverbia 173v-174v. Jonas Propheta 65r-67v: Man sicht es in gegenwertiger erfarung. Alle Reichßtage verabschidens. Alle Kirchen thure und Rathsheuser hangen voller Mandat und Gebotsbrieffe / das man von dem unchristlichen Gottslestern / unnd von dem vihischen volsauffen nachlassen soll / waran mangelts / das so ernste Gebott nit gehalten werden: Es mangelt an der Oberkeit / an Fürsten / Herrn / beim Adel / bey grossen Leuten. Bey denen ist es ein wolstandt sich
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wieder in Schranken gewiesen werden, sonst würde nur Raub, Schändung und Gewalt im Land vorherrschen.638 Die Fürsten sind für HELDING als weltliches Regiment von Gott eingesetzt und verdienen daher Achtung und Gehorsam. Darin durfte er sich später als Fürst auch selbst einbeziehen. Aber auch Könige und andere Regenten sollten stets bedenken, dass sie ihr Amt Gott verdanken. Er streift bei dieser Gelegenheit aus eigener Mainzer Erfahrung das höfische Wesen und gelangt zu einem erstaunlich positiven Urteil über die Fürsten. Diese werden von ihren Räten abgeschirmt und erhalten nur gefilterte Informationen über die Lage des Volks. Neid und Missgunst, Eigennutz und Ruhmsucht sind höfische Merkmale, die manchen Missgriff, manche unbillige Entscheidung des Herrschers erklären. HELDING lobt Fürsten, die sich Bußpredigten anhören und sich in rechte Demut schicken, und beklagt, dass Angehörige des niederen Adels viel weniger Geduld zeigen, wenn gegen sinnliche Freiheit, Lust und weltliche Freuden gepredigt wird. Ebenso wie er Zwangsmaßnahmen zur Wiederherstellung der friedlichen Ordnung im Lande gutheißt und die Behörde sogar zur Förderung des Kirchenbesuchs einsetzen will, erkennt er auch mit seherischem Blick: Ohne äußeren Zwang wird sich auch die Kircheneinheit nicht wieder herstellen lassen.639 Cornelis Augustijn hat als Merkmale des Bibelhumanismus das eingehende Studium der Schrift, die Popularisierung von daraus gewonnenen Ergebnissen, die Befassung mit den Kirchenvätern und eine generell kritische Haltung gegenüber den kirchlichen Zuständen formuliert.640 Sosehr auch einige dieser humanistischen Züge auf HELDING im Einzelnen zutreffen mögen, ist er von seinem gesamten Persönlichkeitsbild her betrachtet nicht als Humanist im vollen Wortverständnis zu bezeichnen.
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sewisch volsauffen / und dann grewlich Gottslestern. Denen fert der gemeyn hauff nach / unnd will auch gern nach der grossen Hern weiß handeln / und gedunckt sich gut darin sein / wann er es den grossen leuten gleich thut. Ebd. 69r: Dann weil underm gemeinen Böfel deren vil seind / bey denen man nit allzeit mit der güte erhalten kan / was recht / erbar / nutz / und heilsam ist / so gehört als dann der gewalt / das Schwert unnd der ernst darzu / das die unnütze leute wol müssen jren mutwillen lassen / und sich guter Ordnung halten. Jonas Propheta 72v: Solte in dieser spaltung und ungleicheit der Religion die Weltlich Oberkeit mit gewalt einplatzen / und mit dem Schwert wöllen Ordnung machen / welchen jamer und verderbens müst es geben biß aller jrrthumb und unordnung durch ein solche weiß außgerodt würde. Hingegen wann die Prediger allein mit vermanung wider die jrrthumb fechten sollen / und will die Oberkeit mit einem messigen gebürenden unnd nottürfftigem zwang nit auch anhalten / so bleiben alle vermanung bey dem grossen theil vergebens / dann der gemein hauff ist vil mehr vertolt / dann daß er sich allein mit gutem bericht auß den jrrthumben ziehen lasse. Augustijn, Humanismus H 104-107.
Kirchenpolitiker im zerrissenen Reich
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4. KIRCHENPOLITIKER IM ZERRISSENEN REICH Kein ausgeprägter Kontroversist Das Urteil, ob HELDING unter die Kontroversisten einzuordnen ist, bleibt ebenso ambivalent. Der weiten Definition Smolinskys zufolge könnte er als Kontroverstheologe bezeichnet werden, da er sich in seinen Schriften (zwar eher kursorisch als systematisch) mit den neuen Lehren, das hieß in HELDINGS Verständnis mit den Missbräuchen und Häresien des anderen Teils, auseinander setzte.641 Sie werden allerdings nie zum zentralen oder exklusiven Anliegen des Predigers. Ihm liegt vielmehr die Darstellung der Kirchenlehre an den Angriffsfronten der Reformatoren nahe. Weitläufige Gegenargumente unterlässt der Prediger. Es findet sich keine zusammenhängende Aufarbeitung und Bekämpfung reformatorischer Positionen aus seiner Feder.642 Auch enthielt sich HELDING der üblich gewordenen scharfen persönlichen Verunglimpfung, die für ein charakteristisches Merkmal eines Kontroversisten angesehen wird.643 Im Allgemeinen vermied er in seinen Predigten Angriff und Gegenrede und hob sich damit von Polemikern wie Johannes Eck, Johann Fabri, Johannes Cochlaeus und Friedrich Nausea ab.644 Inhaltliche Angriffe, wenn auch durch verbindlichen Tonfall gemildert, sind allenfalls in einer Rede in Worms 1557 erkennbar, wo er sich jedoch an der Seite von Petrus Canisius gegen den emotional aufgeladenen Widerpart Philipp Melanchthon kaum behaupten konnte. Aber selbst hier beschwört er in seinem Vorbringen stets die christliche concordia. Einem Vergleich mit Eck, Cochlaeus, Gropper und Witzel hält HELDING als Kontroverstheologe allein von deren literarischer Produktivität aus betrachtet nicht stand. Auffallend ist, dass viele katholische Kontroverstheologen mit der gleichen Vehemenz, mit der sie die Angriffe auf die Kirche abzuwehren suchten, auch deren Reform forderten. Diese Einstellung zeichnete auch HELDING aus. Zur politischen Ordnung von Kirche und Welt vertrat er jedoch durchwegs eine konservative Linie.645 641 642 643 644 645
Den Begriff Protestanten finden wir bei HELDING nicht. Zumeist spricht er vom Andern Teil und von Secten. Von der Defensio adversus Flacium als Ausnahme abgesehen. Laplanche, Kontroversen und Dialoge zwischen Katholiken und Protestanten: Geschichte des Christentums 8 (1992) 330-355, hier 333. Tugenden wie Geduld, Sanftmut, Milde, Güte, Barmherzigkeit wünscht er bei seinen Zuhörern zu sehen. Smolinsky, Art. Kontroverstheologie: ³LThK 6 (1997) 333-335; Lortz, Reformation 2, 154-198, zählt neben den vier Genannten noch weitere dreihundert Männer, Lai-
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War HELDING Vermittlungstheologe? HELDING hat in der Literatur mehrheitlich das Epitheton eines Vermittlungstheologen erhalten.646 Damit wird ihm eine Position zugeschrieben, die zwischen den beiden Konfessionen Gemeinsamkeiten hervorhebt, respektive nach solchen verbindenden Elementen sucht. Er vertrat lange Zeit die erasmische Forderung nach Frieden und Ausgleich unter den Religionsparteien und sah offenbar trotz des engen dogmatischen Korsetts Möglichkeiten, sich um der concordia et conciliatio willen in der Glaubenslehre mit den Protestanten zu vergleichen.647 Auch für ihn war die den beiden Parteien gemeinsame Schrift die Stimme Gottes, hinter der alles andere zurückstand. Doch sah er nur im gesamthaften geistigen Potenzial der Kirche die rechte Instanz für das wahre Schriftverständnis. Kein einzelner Interpret dürfe sich so weit vorwagen, allein die Wahrheit für sich zu beanspruchen. Die Kritik an den menschlichen Schwächen in einer der Verweltlichung ausgesetzten Kirche teilte er mit reformatorischen Stimmen durchaus. Im Wesentlichen zeigt sich HELDING als Mann der Versöhnung, der den Glauben an eine Reunion bis zuletzt nicht aufgab. So sind seine Reden und Wortmeldungen während des Wormser Kolloquiums 1557 grundsätzlich durch einen irenischen Grundton gekennzeichnet. Er betrachtete die Vertreter des anderen Teils als Gleichgesinnte, denen an einer friedlichen Übereinkunft ebenso gelegen sein musste wie ihm selbst, und gestand vor allem Melanchthon zumindest anfänglich aufrichtigen Willen einer Annäherung zu.648 Zumindest zweifelte HELDING nicht an gemeinsamen Werthaltungen unter den theologischen Gelehrten und verschrieb sich dem Geist des erasmischen Versöhnungsaufrufs De sarcienda ecclesiae concordia zum beiderseitigen studium verae et christianae concordiae.649
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en und Theologen, die den literarischen Kampf für die Kirche austrugen: namentlich nennt er Hieronymus Emser, Thomas Murner, Kaspar Schatzgeyer, Johann Dietenberger, Johann Hoffmeister, Bartolomäus Latomus, Albert Pighius, Johann Gropper, Konrad Wimpina, Stanislaus Hosius, Gasparo Contarini (Zu diesem: Jedin, Kardinal Contarini als Kontroverstheologe [Münster 1949]). Bitter, Art. Predigt VII: TRE 27 (1997) 263 zählt HELDING im Verein mit Johannes Wild und Georg Witzel und im Kontrast zu Eck, Fabri und Nausea zur Vermittlungsfraktion. Jonas Propheta 94r. PKMS 3 (Nr. 1057) 777-778: Die Protestanten nahmen ihn nicht als Vermittler wahr. Im Zusammenhang mit dem Interim apostrophierte Melanchthon HELDING als listig und meinte, er würde Paulus umdeuten. MEA-RelS 5a-6, 227r.
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Die Bezeichnung als Vermittlungstheologe wird hier dennoch mit einem Fragezeichen versehen. Es ist zu überlegen, in welcher Beziehung HELDING Brücken zwischen den Parteien geschlagen haben könnte. Eine solche Rolle als Vermittler kann Erasmus von Rotterdam zugebilligt werden, der selbst keine eindeutige Position im Religionskonflikt bezog und seinen persönlichen Standpunkt lange Zeit nicht offen deklarieren musste,650 so dass er für beide Teile als Gesprächspartner akzeptiert wurde. Einzig für den freien Willen bezog er eindeutig Stellung,651 ansonsten hielt er sich von Diskursen fern und blieb Ansprechpartner für Humanisten beider Konfessionen. Bis zum Ende seines Lebens brachte Erasmus deutlich seine Hoffnung auf eine Überwindung der konfessionellen Spaltung zum Ausdruck und wäre vielleicht sogar über eine reformierte Kirche der Einheit befriedigt gewesen. Dies stand für HELDING außer Frage. HELDING zeigte aber für die lutherische sola-fide-Engführung Verständnis und war bereit, den Lutheranern die überragende Bedeutung des Glaubens zuzugestehen. Er vertrat eine verwandte Position hinsichtlich der Heilsgewissheit, die jedem, der im Glauben fest stand und die Heilkraft der Sakramente in Anspruch nahm, offenstand. Er erwartete aber auch gleichsam als Gegenleistung ein Verständnis für die Werke, die ihm nach seinem Schriftverständnis unabdingbar schienen. Kann dies alles bereits als Vermittlung eingestuft werden oder zeigt sich hier nicht vielmehr ein Pragmatismus um des größeren Ziels der Einheit willen? HELDING erscheint in erster Linie als in Form, Sprache und Inhalt seiner Verkündigung moderater Theologe, der von der Glaubenslehre der Alten Kirche und ihrer institutionellen Rolle als Heilsspenderin nicht abwich, gleichzeitig aber an der Möglichkeit einer Überwindung von Lehrdifferenzen um des christlichen Friedens willen festhielt. In HELDING treffen mehrere Prägemerkmale zusammen, ohne dass er in der einen oder anderen Richtung eindeutig und ausschließlich festgelegt werden kann. Am ehesten würde die Charakterisierung als irenisch gesinnter, pragmatisch denkender, kerygmatisch ausgewiesener Reformtheologe seine Persönlichkeit treffen, eine Schlussfolgerung, die auch schon bei Feifel anklingt. Er war indessen nicht nur geistlicher Amtsträger, er hatte sich auch in den verschiedenen lokal- und reichspolitischen Kontexten in Mainz, Merseburg, Speyer und Wien zu bewähren.
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Walter, Art. Erasmus, Desiderius (1466/67-1536): ³LThK 3 (1995) 735-737. Walter, Art. De libero arbitrio diatribe sive collatio (Erasmus 1524): LthW 180-181.
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Verhältnis zu Kaiser und König HELDING war ein treuer und gewissenhafter Diener seiner hohen Herren (Erzbischöfe von Mainz, Kaiser, König), denen er seine Revirements verdankte.652 Die nach der Entsendung zum Konzil 1545 folgende Berufung nach Regensburg durch Karl V., die ihn auf eine Stufe mit den damals schon arrivierten Reformtheologen Pflug und Gropper stellte, zeigt die Wertschätzung, die er trotz seiner einfachen Herkunft ab diesem Zeitpunkt als Theologe am Kaiserhof erfuhr. Für die Überlegung, worauf sich diese stützte, kommen zwei Momente in Frage: die Empfehlungen des Mainzer Hofs (als Prediger und Mitwirkender am Reformprojekt) und aus dem Umkreis des Konzils (Legaten, kaiserliche Delegierte). Von besonderer Bedeutung war HELDINGS persönliches Verhältnis zum römischen König und späteren Kaiser Ferdinand I., das sich besonders in den fünf letzten Lebensjahren HELDINGS manifestierte.653 In einer Predigt 1557 spricht er den bemerkenswerten Satz aus, er schulde nach Gott der Römisch-Königlichen Majestät den höchsten Gehorsam.654 Aus ihrem Briefwechsel wird erkennbar, dass Ferdinand am Weg des aus einfachen Verhältnissen zum Fürsten aufgestiegenen Klerikers persönlich Anteil nahm. Dies ging wohl über den Umstand hinaus, in HELDING einen pflichteifrigen, verlässlichen, gehorsamen und auch duldsamen Erfüllungsgehilfen gefunden zu haben. HELDING nahm schwierige Aufgaben bereitwillig auf sich, wies aber auch selbstkritisch auf seine Grenzen hin. Kaiser Ferdinand I. hob HELDINGS Verdienste in etlichen Äußerungen und durch die Ernennung zum Rat hervor, wobei sich das Lob in erster Linie auf die Person und nicht auf die Konfessionsverwandtschaft bezog. Dabei zeichnet den auf höchste Ehrerbietung gegenüber den Majestäten bedachten HELDING bei der Durchsetzung seiner persönlichen Anliegen eine erstaunliche Hartnäckigkeit aus. Den Besuch des Augsburger Reichstags 1555 machte er gegenüber dem Kaiser Karl V. von der Rückerstattung der vom Stift Merseburg für die Magdeburger Angelegenheit vorgestreckten Kriegsbeiträge von 7000 Gulden abhängig. Dieses Ansinnen mag seinem Gerechtigkeitssinn entsprungen sein, da das Stift damit aller finanziellen Reserven beraubt worden war, sein Begehren deckt aber auch eine realpolitische Einfalt 652
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Das persönliche Verhältnis zu den Päpsten seiner Epoche (Paul III., Julius III., Marcellus II., Paul IV., Pius IV.) kommt außer in den beiden formellen Konfirmationen 1537 und 1550 nirgends zum Ausdruck. Vgl. Laubach, Ferdinand I. als Kaiser 143. Postilla, De tempore, Winterteil 52.
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auf.655 Für sein persönliches Rechtsempfinden steht beispielhaft auch seine Auffassung vom unabhängigen Richteramt. So bestand er gegenüber Ferdinand I. mit Vehemenz darauf, dass der gegen ihn als Kammerrichter erhobene Vorwurf von konfessioneller Parteilichkeit durch eine Untersuchung öffentlich entkräftet wurde. Neue Welt und alte Bedrohung HELDING nahm an den Begebenheiten in Europa und Übersee sichtlich Anteil, wie aus den im Jona-Buch eingestreuten Bemerkungen über die dem Christentum gewonnenen Heiden der neuen Inseln hervorgeht. Sowohl die äußere Bedrohung als auch die innere Zerrissenheit Deutschlands stellte er in den heilsgeschichtlichen Zusammenhang der Jona-Parabel.656 Gerade unter Christen wird das durch Christus teuer erkaufte Blut so gering geachtet, dass es aus nichtiger Ursache vergossen wird. Dass HELDING damit das Verhältnis der beiden christlichen Konfessionen zueinander im Schmalkaldischen Krieg 1546/1547 anspricht, ist offenkundig. Ebenso wird HELDING damit aber auch das Wüten der Landsknechthaufen meinen, die im Jahr 1551, in dem die Jona-Predigten entstanden, um Magdeburg einen Söldnerkrieg führten.657 Daneben zeigt er sich über die andauernde Bedrängnis der Christenheit durch die Türken besorgt. Diese Gefahr für das Reich qualifiziert er als Strafgericht Gottes. Nur bei einer Besserung werde die Rute der Züchtigung wieder abgewendet werden. Der Prediger greift wieder zur Leibmetapher, um die innere Spaltung als eine tödliche Gefahr für den Körper des Reichs zu brandmarken,658 und er bringt auch noch ein theologisches Argument an: Christus ist der Gott der Einigkeit. Seine Natur ist es, aus vielen Eines zu machen. Mit dem gegenteiligen Verhalten und Handeln hat sich das ganze Land von Christus abgewandt.659 So wie HELDING trotz seiner negativen Erfahrungen an die innere Erneuerungskraft der Kirche unter den von ihm genannten Prämis655 656 657 658
659
RK-Kleine Reichstände 355 Merseburg: Brief an Karl V. vom 22. 01. 1555. Jonas Propheta 7v: Gott wendet sich den Heiden zu und straft sein eigenes Volk für dessen Ungerechtigkeit. Ebd. 40v. Proverbia 172v: …wann ein volck / ein Reich sich wider sich selbst theilet / so muß es zu grund gehen. Nun also ists auff diesen tag mit uns / Wir haben Gott verlassen / darum ists kein wunder / das wir unsern frieden nicht behalten unter uns / weil wir Gottes Frieden gebrochen haben. Ebd.: In dieser 71. Predigt spricht HELDING offen (auf dem Reichstag 1550) direkt eine Kriegsgefahr an.
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Zusammenschau
sen (Bildungswesen, Qualifizierung des höheren Klerus, Entlastung der armen Bevölkerung von drückenden Abgaben) glaubte, war er auch von der Fähigkeit des einzelnen Christen überzeugt, sein Leben einer selbstkritischen, bußfertigen Prüfung zu unterziehen und sich aus innerer Einsicht und im Gottvertrauen zur Frömmigkeit leiten zu lassen. Voraussetzung musste sein, die dazu gebotenen Hilfen der Kirche, besonders den Wert der Sakramente, zu erkennen und anzunehmen. Daher war es für HELDING vordringliche Pflicht der Kirchenoberen, diese Bringschuld gegenüber den Gläubigen zu erfüllen, indem sie genügend vom Heiligen Geist erfüllte und für die jeweilige Aufgabe geeignete Kirchendiener bestellen. Als ein solcher war Bischof Michael HELDING auf seinem Sterbelager in Wien – wie er es selbst formulierte – im frommen Vertrauen auf Christus überzeugt, den ihm auferlegten Dienst an Gott und der allgemeinen christlichen Kirche erfüllt zu haben.
5. IM URTEIL DER NACHWELT HELDING verdankte seine zeitgenössische Bekanntheit dem publizistischen Erfolg der Messpredigten, die seinen Ruf als Prediger, den er schon in Mainz begründet hatte, verbreiteten. Dazu kam die Verbindung seines Namens mit dem Interim. Obwohl diesem die angestrebte Wirkung versagt blieb, sorgten die protestantischen Gegner mit einer Flut von Gegenschriften für die Verbreitung von HELDINGS Ruf. Catechismus und Institutio wurden im Bistum Straßburg noch 1566 als Unterlagen für Predigten empfohlen.660 Biographen wie Cornelius Loos betonten seine niedrige Herkunft (humilibus parentibus natus), andere wie Wilhelm Eisengrein würdigten sein Wirken. Darin wird sein für die Standesverhältnisse des 16. Jahrhunderts ungewöhnlicher Aufstieg deutlich.661 Sein publizistischer Einfluss auf den angestoßenen inneren Änderungs- und Läuterungsprozess der Kirche im Reich ist nicht zu verkennen. Die mit Hilfe seiner Vorlage erneuerte Reformnotel 1559 wurde zum Ausgangspunkt eines Umdenkens in der Auswahl und Ausbildung des Klerikernachwuchses und in der Be660 661
Schannat – Hartzheim 6, 439. Eisengrein, Catalogus testium veritatis (Sebald Meyer, Dillingen 1565) 205: Michael Sidonius, ep. Merseburgensis, sacri Imperialis Consistorii apud Nemetum Augustam Spiram Praeses, princeps ingeniosus, gravis et ornatus moribus, literarum cultor eximius, philosophus insignis, historicus celeberrimus, theologus sacrarum legum exercitatissimus. Conciones de sacrificio Missae habitas scripsit; Catechismum catholicum Canonis porro Missae paraphrasticam expositionem, cum declaratione caeremoniarum et brevi ad populum exhortatione composuit.
Im Urteil der Nachwelt
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setzung von Kirchenämtern, wenngleich die praktische Umsetzung erst nach Abschluss des Konzils von Trient ab 1563 sichtbare Ergebnisse zeitigte. Nachleben Anlässlich des Todes von HELDING würdigte Kardinal Otto Truchsess von Augsburg die tiefe Religiosität und gelebte Frömmigkeit mit bei Nikolaus Paulus überlieferten Worten, die den schmerzlichen Verlust für ganz Germanien bekunden.662 Und auch Petrus Canisius betrauerte den verstorbenen Mitstreiter.663 HELDINGS Vertrauter im Merseburger Domkapitel Philipp Arbogast war ein getreuer Verwalter des schriftlichen Nachlasses. 1565 erschien die Postilla, 1566 die Predigten zum Ersten Johannesbrief. Noch um 1570 plante Arbogast, weitere HELDING -Texte und Briefe herauszugeben. Allerdings gelang nur mehr die Veröffentlichung der Proverbia Salomonis 1571, die aus Predigten in den Jahren 1539-1541 hervorgegangen waren. Der kaiserliche Reformvorschlag an das Konzil von 1562 empfahl HELDINGS Katechismen als Schullektüre.664 Die Briefe HELDINGS sind zum größeren Teil verschollen. Im Urteil der Nachwelt verblasste die Einschätzung. In der Fortsetzung von Robert Bellarmins De Scriptoribus ecclesiasticis durch Andrea du Saussay665 ein Jahrhundert danach wird Michael HELDING nicht mehr erwähnt, obwohl dort zahlreiche seiner Zeitgenossen wie Fabri,666 Eck, Nausea, Cochlaeus, Driedo und Canisius genannt werden.667 Im Universallexikon von Zedler (1743) sind HELDING (Sido662
663
664 665 666 667
Paulus, 502 mit der Quellenangabe: Pogiani Epistolae III, 10: Grave omnino vulnus acceptum est in morte mersburgensium episcopi. Quid enim illo religiosius? Quid sanctius? Ut maximum paene suum ornamentum amiserit Germania nostra, illo sublato. Braunsberger, Beati Petri Canisii SJ Epistulae et acta 3 (1561/1562) Nr. 608, 257: Brief an Martin Cromer, Kanoniker an der Kathedrale Krakau und polnischer Legat bei Ferdinand I. (Augsburg, am 14. 10. 1561): De morte Mersburgensis Episcopi Germania merito tristetur: Parem doctrina et in concionando dexteritate nullum quem sciam, Episcopum Germanum reliquit, et in hac aula poterat Ecclesiae causam promovere. Dominus animae illius propitius esse dignetur. CT 13/2/1, 681. Insignis Libri De scriptoribus ecclesiasticis eminentissimii Cardinalis Bellarmini Continuatio (Toul 1665). Ebd. 25: Wegen Fabris (als Jacob Faber bezeichnet) aggressiven Auftretens gegen die Lutheraner eigens erwähnt: Cudit malleum Lutheranorum. Er teilt dieses Schicksal allerdings auch mit Johannes Gropper. Zedlers Universallexikon 7. Band (1743) 968-971 widmet HELDING (Sidonius) vier Spalten, die einige Tatsachenirrtümer enthalten, sich aber besonders mit seiner Katze beschäftigen, die ihm in der protestantischen Merseburger Lokalhistorie sogar den Ruf eines Hexenmeisters einbrachte.
366
Zusammenschau
nius) zwar vier Spalten gewidmet, in denen aber Fakten falsch wiedergegeben bzw. fehlgedeutet sind. In der Formula reformationis hingegen lebte HELDING weiter. Sie blieb überraschenderweise in der synodalen Gesetzgebung erhalten und besaß als subsidiäre Quelle des kanonischen Rechts auf Reichsebene weiterhin Gültigkeit. Eine im Jahr 1782 gedruckte Mainzer Dissertation des Speyerer Kanonikers und bischöflichen Rats und Pfarrers von Bruchsal Andreas Brauburger kommentierte die Reformnotel 1559 und ergänzte sie mit Vorschriften aus der Frühzeit und den in Trient und in späteren Synoden getroffenen weiteren Verfügungen.668 Der Jurist kam zur Schlussfolgerung, dass die Formula reformationis des Jahres 1559 bis in seine Zeit (1782) als subsidiäre Norm der Kirchendisziplin in den katholischen Ländern des römisch-deutschen Reiches in Geltung stehe.669 HELDING war es nicht vergönnt, als Theologe eine nachhaltige Wirkung zu erzielen, was aus seiner Persönlichkeit und seinen Lebensumständen zu erklären ist. Da der Kern des alten Glaubens für ihn unverrückbar war, blieb für sein persönliches Ringen um Annäherung zwischen den Konfessionen nur ein geringer Spielraum. Seine Katechismen und Reformschriften wurden bald übertroffen. Mit der Rezeption der Konzilsdekrete von Trient setzte die von ihm erstrebte kirchliche Erneuerung langsam ein, allerdings um den Preis der erhofften Einheit. HELDINGS Tätigkeit als Kammerrichter des Reichs und Reichshofratspräsident wird von der Historiographie nur flüchtig erwähnt. Die neuere Mainzer Bistumsgeschichte weist ihm als Seelenhirte und Prediger dagegen einen festen Platz zu.670 In der Merseburger Kirchenhistorie stellt er den Schlussstein einer 600 Jahre umspannenden Ära dar.
668 669 670
Andreas Brauburger, De Formula Reformationis ecclesiasticae commentatio iuris ecclesiastici (Mainz 1782). Ebd. 325-326. Jürgensmeier, Bistum Mainz 188-196.
Michael Heldings letzter Wille
367 Anhang 1
MICHAEL HELDINGS LETZTER WILLE Quelle: Kaiserliche Testamentskonfirmation vom 13. 11. 1561 (Prag) HHStA Reichsregister Ferdinand I. Bd. 24 (1561-1564) 153r-160r.671
Wir Ferdinand etc. bekhennen offentlich mit disem brief und thuen khundt allermenigelich, Das uns unnsere und des Reichs Lieben getreuen Philips von Lindenaw und Johann Rapp weyllendt des Ehrwirdigen michaeln Bischofen zu merßburg unsers fürsten Raths und lieben Andechtigen hofmaister und Camerling alls verordente Executorn und außrichter gedachts Bischoven zu merßburg aufgerichten Testaments und lezten willens, undterthenigelich zu erkhennen geben, welchermassen gedachter weillendt unnser lieber fürst michael Bischof zu merßburg khurz vor seinem Tödtlichen abgang gleichwol schwaches plödes Leibs, aber doch noch guet gesundter vernunfft und verstannds ain Testament Lezten willen und ordnung, wie es nach seinem Tödtlichen abganng gehaltten werden solle, Jn beysein des Ersamen gelerten unnsers hofRaths und Lieben getreuen Ludwigen Schrädins, der Rechten doctorn, alls aines offnen Notarien und Syben Jn sonnderhait darzue erforderten gezeugen, aufgericht unnd gemacht, von wort zu wortten also lauttendt.
Jn namen der allerhailigsten Dreifaltighait und ainigen unzerthailten Gotthait, Gott des Vatters, Sons und hailigen geistes amen. Kunndtgethon seye menigelichen und wissen, dz Jn Jar als man zelt nach Cristi Gottes unsers herrn unnd seligmachers menschlicher geburt Tausendt funfhundert ainundsechzig Jar, Jn der vierten Jndiction, der Römer Cinßzal genandt, Bey herrschung des aller hailigsten Jn Gott vaters und Herrn, Herrn Pius des vierten dis namens der hayligen algemainen Christlichen Chatholischen khirchen Papstes, seines Hl. Papstumbs Jm anndern Jare. Auch Regierung des allerdurchleuchtigisten Großmechtigisten unüberwundlichisten Herrn Herrn Ferdinanden solches namens des Ersten, Römischen Kaysers, zu Hungern, Behaim etc Königes etc, Dero Röm: Kayserl: Mt: Christli671
Alte Schreibweise mit Ausnahme des verdoppelten n in unnd und des endsilbigen ß wie in alß, deß.
368
Anhang 1
chen Kaiserthumbs und Reichen, des Römischen Jm ainunddreissigisten und der andern aller in fünffunddreissigisten Jaren, am Sontag an Sannt Wenzels des heiligen martirers tage,als den achtundzwainzigisten des herbstmonats morgens umb neun uhr nach dem khlainern zaiger zu Wienn, in der Schalaunzer hause und der Stuben gegen Sannt Peters khirchen über gelegen Der hochwirdig in Gott vatter und herr herr michael des hayligen Römischen Reichs fürst und Bischove zu merspurg und der höchstgemeltten Röm: Key: Mt: hofraths President mich hernach beschribnen Notarien, als seiner fürstlichen gnaden von Jugent auf wol bekhanndt und neben seiner fürstlichen gnaden auch wol vertrawten, den Erwirdigen hochgelerten vatern Sannt Dominicus Ordens herrn Mathien Sitharden der hailigen Schrifft Doctorn und höchsternenndter Röm: Kay: Mt: hofpredigern zu sich beschickht und ganz gnedigelich gesonnen hat, das wir unbeschweret seiner Fürstlichen Gn: lezten willen anhören. Und ich Notari denselben verzaichnen, auch verfertigen wolte. Dann sein fürstlichen Gn: befunden sich dermassen schwach dz Sie bedacht weren, noch dises tags mit dem allerhailigisten Göttlichen Sacrament des waren Leibs und pluets unnsers herrn und Erlösers Jesu Christi sich nach altter Christlicher Catholischen ordnungen sampt der hayligen ölung versehen zu lassen und also zu Gott dem Almechtigen gehorsamblichen aus diser betruebten welt zu richten. Mit gnedigem vererm begern wir wollten (wie ettlich täg bis heer) Sein Fl: Gn: Jn letster und sterbender Noth nit verlassen sonder bis zu leyblichem Abschaiden also verharren. Welches so christlichs und gnediges anlangen Seiner Fl: Gn: wir alspaldt zulaisten zuegesagt. Und erstlichen hab Jch Notari meines ampts halben alls erfordert, seiner fürstlichen Gn: Testament und lezten willen, oder wie es Ire Fl: Gn: auch nenneten, Legata ad pias causas von Seiner Fl: Gn: munndt, Jn beysein vorgedachts herrn mathien aufgeschrieben, Des gleichen alspaldt dz annder seiner Fl: Gn: Christliches begern mit den allerhailigisten Sacramenten und Priestern nach Catholisch ordnung zubelaitet. Welche sein Fl: Gn: so mit Christlicher Andacht, ehrerbietung, auch langen gebetten, so herzlichen angebettet, gehanndelt. Darzue die haylige Ölung empfangen, das es diser laidigen zeit nit von vilen erfaren noch gesehen ist. Und volgts als Jn beysein hernach beschriebner, Darzue beruefften gezeugen sein Fl: Gn: soliche unnser beyder fürgebrachte und mein beschribne verzaichnus auf beschehenes fürhaltten auch mit disen wortten bestätiget. Nemblichen, Es were seiner Fl: Gn: enntlicher willen, das es Jn alwege darbey pleyben sollte.
Michael Heldings letzter Wille
369
So hab ich darauf dieselben gezeugen, auch herrn Sitharden verrer meines ampts halben solches Jngedenckh zu sein gleichfals ermanet und zu becrefftigung dis alles wie sich gebürt gezeugen zu sein erfordert. Und lauttet wie underschiedlichen hernach volgt. « In nomine Sanctissimae Trinitatis Dei omnipotentis patris et filii et spiritus Sancti amen. Demnach der almechtig Gott mich Jezunder mit leibsschwacheit haimb gesuecht und Jch die ungewisse stundt des Todts nit zu erwartten bedacht bin. Weill der Prophet Jhenen Khönig sein hauß zu ordnen ermanet unnd zuvorderst unser seligmacher Christus Jesus mir und allen Jn gemain zu wachen so guetigilichen bevelhet. So will Jch bey guetter meiner vernunfft (wiewol schwaches leibs) disen nachvolgennden meinen Lezten willen und Testament aufgericht und verordent haben, auch ohne Testament begabung zue milden sachen ad pias causas genanndt oder wie und welcher gestalt er von Rechts und billichait wegen sonsten alls ain Codicil oder gabe von Todts wegen indert geltten solte, khann oder mag nit abgeschaiden sein, sondern zum wenigisten alls einen schlechten Lezten willen hiemit ausgesagt und bevolhen haben. Erstlichen bevilch Jch mein seel Gott dem Ewigen schöpffer, der sie miltigelich erschaffen hat, Jn sein grundlose barmbherzigait Jetzundt Jn der stundt, so sye von meinem sterblichen Cörper abschaiden wirdt und bitte Jesum Christum aller welt erlösern und heylandten, das Er solche mein seel seines bittern leidens und sterbens gnedigelich geniessen lasse und mit seinen außerwelttenn Jn ewiger freudt, auch wunsames anschawen seines göttlichen angesichts, zu seinem unaufhörlichen lobe wölle einfueren und vatterlich bewaren, damit sein unaussprechliche miltte guetin und Barmbherzighait an diser meiner seele von allem himelischen heer auch gebreiset werde. Und weyl Jch zum andern durch seine gottliche gnaden die tag meines lebens bis hieher in der waren Leere der hayligen Christlichen Khirchen bliben bin und alles Jhenig hab gelert, was ich durch die Göttliche mir verlihne gnaden verstannden habe. Aber was ich nit verstanden hab noch mir der almechtig Gott zuergründen und zuvernemen gegönt hat, allerwege nichtsdestoweniger meinen Sinn unnd verstandte der hailigen algemainen Christlichen Khirchen undergeben unnd auch genzlich underworfen habe. Solliches alles will Jch nochmals also offentlich bezeuget und bis Jn meinen lezten seufzen zuthuen hiemit angezaigt haben. Darinnen gewißlichen zu verharren.
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Anhang 1
So gar und steuff als ich die gemainschafft der heyligen (Inhalt der waren articl unsers algemainen Christenlichen glaubens) ye und allerweg geglaubet und warhafftigelich geehret habe. Also und nicht weniger beger Jch mit meiner verstorbenen Leich und Leybe, auch bey und Jn solicher gemainschafft der hayligen begraben zu werden, habe mir deshalber erwölet uund will dz mein Leich oder gestorbner Cörper alhie Jn Wienn (Wo sich der fall nach dem willen Gottes also fuget) zu Sannt Stephan Jn allerhayligen Thuembkhirchen begraben, gar one sonderliche Zierlichait und mit dem allerschlechtisten zur Erden bestettiget werde, auf dz Jch Ja also mit Leyb unnd Seel Jn der algemainschafft der heyligen Gottes gefunden werde unnd mit gesunder leer und herzen darinnen unverrückht berue. Jn sunnderhait aber auch der almechtig ewig Gott (welcher mich sonnsten in vil wege meiner sünden halber verwerffen möchte) von wegen vile und menigfaltigkhait der fürbitten seiner lieben hayligen desto eher begnaden und alles was die fürbitt seiner geliebsten und auserwelten hayligen vermage (wie Jch dann solches das sie vil vermag krefftigelich und bestendig glaube) mir deßhalben auch multiplicatis intercessoribus guetliche verleihe. Dann dieweil soliches der hayligen fürbitt unns allen Christgläubigen gemain ist, so zweifelt nur nit, der almechtig Gott werde mir dasselbig Jr hailige fürbitten auch Jetzunden zue guet khomen lassen. Unnd rueffe hierauf zue seiner Göttlichen Barmbherzigkeit, das Sie mir wolle vaterlich, guetlich und milttigelich verzeihen, vergeben und nachlassen alles, was Jch wider seine Göttliche maiestat Je vorgehapt, unnderstanden, gethan oder volnbracht habe. Ignosce Domine, Ignosce Domine, Ignosce Domine. Aber zum Dritten, Jn abwesen des herrn Bischoven672 soll man nach meinem ableiben dem herrn Thumbprobst zu Sannt Stephan allhie zu Wienn von meiner Barschafft ainhundertundvier gulden goldt zu belaitung meiner leich geben, welche wie obgemeldt ganz einfaltigelichen ac simplicissime funere Jn der khirchen belaitet werden solle. Frage gar nicht darnach, dz meinen abschiedt vom Leibe nit vil leuth wissen oder erfaren. Dann Jch Gott dem herrn lebe und sterbe. Dno et vivo et morior. Doch soll mir von der vor angeregten summen geldts der ainhundertvier goldt gulden allhie bey der Thuembkhirchen allerhayligen zu Sannt Stephan ain Jerliche gedechtnis und christliche fürbitte hieneben auch aufgericht und gestifftet werden.
672
Siehe Anm. 668 und 693.
Michael Heldings letzter Wille
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Zum Vierten stell Jch gar in khainen Zweifel, das nachdem menigelich offen und khundtbar ist, dz Jch mit meinen Diensten vil tausent gulden ausserhalb meines Stiffts Erworben habe und mir von oder aus meinem Stifft zu merßpurg nit zuhanden komen seyen, Derhalben dann vermog aller Rechten, gewonhaiten und altten herkhomen, Jch von denselbigen meinen lezten willen wol aufrichten khan unnd meines gefallens ohn allen des gedachten Stiffts nachtail (der mich sonsten hätte erneren sollen oder zuundterhaltten were schuldig gewesen) wol beschaiden oder verschaffen möge. Derwegen ist mein enndtlicher will (wie der ohne sonndere grosse Zierlichait der Rechten khann oder mag geltten oder besteen, daran mir nit zweifelt), Das mein hernach benanndte außrichter und Executorn bey der Römisch Kayserlichen maiestat unserem allergnedigisten herrn mein hofbesoldung, wie der wolgeborne herr Johann Trautson673 Freyherr höchstgedachter Kay: Mt: etc. Obrister Hofmarschalkh etc. wol waist, furderlichen einmanen sollen, welche ich ungeverlichen Jn zwölfhundert thaler achte. Und verschaffe hievon alßbaldt zuendtrichten und zu geben ainer Jeden Person, wie mit namen hernach steet, alls Philippen von Lindenaw meinem hofmaister ainhundert Taler, Quirin Retscher auch ainhundert thaler. Barteln müllern meinem Balbierern desgleichen ainhundert thaler. Dann dem Caspar Tuchern Kirchenschreibern fünffzig Taler. Aber Hieronimeen von Neitharten dreissig taller, meinem Rath Christoffen Gallen sechzig thaler. Beyden meinen Camerling Georgen von Oberstain und Florenz Nageln von Dienstain, Jedem vierzig thaler. Verrner da Johannes Rapp mein Camerling aus der Brobstey nichts bekhame, solle Jme auch ainhundert thaler gegeben werden. So Er aber Jme die Brobstei nuz machte, soll er wie abgeredt sich benuegen und Jme meine freundt oder gesipten lassen bevolhen sein. Das gutt Käsel sollen die von Lindenaw umb fünffzehnhundert guldin behalten, doch dz die bezallung noch vor Jetzt künfftiger Weinacht beschehe. Und solle die Suma alspaldt dergestalt ausgethailt werden, nemblich Hannsen Sautern, Jacob Helding, Hannsen Helding, Theodosio Helding, Sophien Heldingin, ainem so vil als dem andern. Und so aber Johannes Rapp vorgemelt nichts aus der Brobstei
673
Fellner – Kretschmayr I, 275 (Anhang): Trautson war seit 1558 Verwalter des Obersthofmeisteramtes.
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behellet, soll er mit disen Jezt benanndten an solchen kaufgelt auch ainen gleichen tail haben. Weil auch meine lange khlaidungen meinen freunden wenig nuz uund dass Sylbergeschirr nit so wol fueglich, darumb Jch mit meinen stiffts Thuembherrn dahin gehandelt, das Sie meinen freunden darfur ain Tausend gulden geben sollen, laß Jch es noch bey demselbigen bleiben. Doch demnach das Sylbergeschirr Jch bißher gepessert habe, sollen sich die Thuembherrn derselben pesserung umb Sylbergeschirr nit annemen. Sondern meinen freunden unverhinderlich volgen lassen, widan vorige abrede guetlich benuegig sey. Weitter soll man meinem bruder Gallen Helding zwanzig gold guldin geben, das Er jezundt widerumb haim ziehen möge. Was aber belannget meine Zinns oder schuldverschreibungen Jst erstlich zu befinden under denen von Nürnberg ain brieve umb füffzehen hundert guldin auf Theodosium Helding lauttend, denselben soll man Jme Theodosio frey also allein volgen lassen. Desgleichen bey Nyremberg noch ain brieve auf Jacoben Helding, meines bruders sone, umb Tausend guldin. Denselben soll man Jme Jacoben auch also volgen lassen. Dann aber ein brieve bey Nürnberg umb fünffzehen hundert guldin, welcher auf Gallen Helding verlauttet. Derselbig brieve soll hindter negst gemelttem Jacoben Helding blaiben. Und dem Gallen darvon sein leben lanng allain die pension lassen volgen. Aber nach sein Gallen absterben soll Jacob Helding denselben briefe mit der Pension oder abzins seinen Jacoben Brüdern und schwestern zue gleichen thailen volgen lassen uund zuestellen. Und so sich der fall zutruege mit Moßbach, soll dasselbe gelt nit wie es verschriben ist, sondern in die gemain Erbschafft und gemaine Legaten eingeworffen und ausgethaylt werden. Item also auch was das Capittel zu merßpurg an der khlaidung und sylbergeschirr herausgeben würt, soll gleicherweise Jn die gemainschafft gemaine Erbschafft eingeworffen werden. Und sollen weitter gemaine Legata und Erbschafft gerechent werden, alls die Kisten zu Speyer und was darinnen ist. Item der garten daselbsten. Verner dz haus zu Costenz umb tausent und sybenzig guldin. Was nun also über die obgeschribne sondere Legata noch ubrigs verner wurdt verhanden sein, woran dz Jmmer were, dasselbig alles solle alsdann meinen brudern und schwestern khindern (welche oben mit namen nit benenndt seyen), allain werden, Und wem zuvor hieoben was geschafft ist, nichts daran haben. Allain aber der Theodosius und
Michael Heldings letzter Wille
373
die Sophia sollen mit denselben meinen brudern und schwester khindern auch Jn gemainen thaylen empfahen und Erben. Und wann aber schon bruder und schwester khindskhinder Jn leben weren, so sollen Sie sich solchen gemeinen übrigen Erbschaft und gemainer Legata nit anmassen. Dann die khindskhind hierinn nit gemaint sein sollen. Im Fall aber dz an den obgeschribnen sondern gaben und besondern Legaten yemandts was abgeen oder nit gereicht werden und mangeln sollte oder würde, so soll man es aus diser übrigen gemainen Erbschafft und gemainen Legaten zuvor annemen und dann erst, also was überbleibt oder bevor sein würdt, unndter die gemeltte meine bruder und schwester khinndere mit dem Theodosio und Sophien taillen. Zu ganz volkhomenlichen außrichtern und Executorn dises meines lezten willens erkhierse Jch mir vorgedachten meinen hofmaister Philippen von Lindenaw und meinen Camerling Johann Rappen. Und weyl Sie mir bisher getrewlich gediendt, vertrawe Jch Jinen das sie dis mein geschefft und lezten willen als meine lieben getrewen fleissiglich und Jn allen puncten und Articln außrichten werden, bis in Stifft, allda soll Licentiat Philipp Arbogast Thuembherr mit und neben Jnen Executor sein. Darzue und was Jnen sonsten mer von nötten sein würdt, ist Jnen allen samptlich und Jr Jedem Jn sonnderhait hiemit ganz und gar ain freye verwaltung und beste volmacht oder gewalt mit gethaylt und gegeben haben will, wie soliches zue verrichtung dis alles ob geschribens Jnner oder ausserhalb rechtens Jndert Jn gemain oder Jnsonnderhait die notdurfft erhaischen wirdet, also dz sie alle und Jr yeder sonnderlich auch anndere mit gleichen volkhomnisten gewalt und volmacht an Jrer stat ordnen und wider an sich nemen oder auf Jr jedes absterben genzlich an Jrer stat andre auch kiesen, sezen und geben mögen. Auch sollen so lanng bis diser mein lezter wille allhie halber und genzlich volnzogen und außgerichtet würdt, wie sie dann mir solliches zuthuen zuegesagt haben, Darüber Sie auch nemand zu rechtfertigen oder umb rechenschafft anzulanngen ainichen fueg haben sollet.»
Beschehen, eroffent und ergangen sein diese sachen wie obgeschriben ist Jn beysein vorgedachts herrn mathien Sitharden Doctors Röm: Kay: Mt: etc hofpredigers etc., dann verner herrn Jacoben Lindern Hofcaplans, Philippen von Lindenaw Hofmaisters, Quirin von Retscher furschneiders, Paule Preiser Mundtschenkhs, Johann Rappen Camerlings, und Bartholomeen Müllers Leybarzten, alle hochge-
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dachts herrn Bischoven etc. hofgesinde. Doch als gezeug beruefft und Insonnderhait hierzue erfordert. Und Unns darauf diemuetigelich angerueffen und gebetten, das Wir solch Testament und lezten willen als Römischer Kayser zu confirmieren, zu solennisiern, authenticiern, zu becrefftigen und zu bestetten gnedigelich geruehten, desgleichen wie angesehen, solch Jr diemuetig zimblich bitt. Und darumb mit wol bedachtem mueth, guetem Rath und Rechten wissen solch obberurt Testament, geschefft und Lezten willen Jn allen wortten, puncten articuln, Clauseln, Jnhalttungen, mainungen und begreiffungen, Jnmassen dann solches alles von worth zu worth hierinn verleibt Jst, gnedigelich confirmirt, solennisiert, authenticiert, becrefftigt unnd bestettet, Confirmirn, Solennisiern, authenticiern, becrefftigen und bestetten dz alles auch hiemit von Römischer Kayserlicher machtvolkhomenhait wissentlich Jn Crafft dez briefs. Was wir von Rechts und billichait wegen daran zuConfirmiern, zubecrefftigen und zubestetten haben, Confirmiern und bestetten sollen und mogen, ob auch Jn dem Jezt gemelten Testament, geschefft und lezten willen an solennitet und zierlichait so vermog gemainer geschribner Recht, gemainer oder sonnderbarer statut, Lanndsgeprauch und gewonhait hetten gepraucht werden sollen oder sunst ainich mengl und geprechen weren oder erfunden würden, die demselben Testament, geschefft und Lezten willen nach aufsazung geistlichen und weltlichen Recht, Statut, Gesez und gewonhait der Lanndt abbruch oder verlezung, pringen oder geperen in was weise, gestalt oder wege dz immer erdacht oder erfunden werden möchte, nichts ausgenommen, dise von mengl und geprechen, alle und jede besunnder wöllen wir hiemit Jezt alsdann und damals Jezt von obberirter unnserer Kayserlichen Machtvolkhomenhait suppliert, erfuret und erstattet haben. Und meinen, sagen und wollen, das vorberurt Testament, geschefft und Lezter will Jn allen seinen worthen, puncten, Clauseln, articuln, Inhaltungen, mainungen und begreiffungen an allen ortten und ennden Jnner- und ausserhalb gerichts Crefftig und mechtig sein und darwider nit thuen, gethan, geurtailt noch gehandelt werden, sonndern gedachts Bischoven zu merßburg gesezte Erben und Legatarien und andere so solich Testament berürt, sich desselben nach seinem Jnhalt aller obberürter mengl unnd geprechn ungeirrt geprauchen, geniessen und genzlich dabey bleyben sollen und unverhindert und allermeniglich. Und gebieten darauf allen und jeden Churfürsten, Fürsten etc. ernstlich und vestigelich mit disem brief und wollen, das sie gedachts Bi-
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schoven zu Merßburg Erben und Legatarien unnd andere so solches berurt, bey obberurtem Testament, geschefft und lezten willen und dieser unnserer kayserlichen Confirmation, Solennisation, authenticierung, becrefftigung, erfüllung und erstattung vestigelich hanndhaben und bleyben. Unnd Sie des alles nach Jrem Jnhalt gerueligelich geprauchen und geniessen lassen. Und hiewider nit thuen noch handlen noch des jemand andern zuthuen gestatten. Jn kain weise alls Lieb ainem sey, unnsers und des Reiches schwere ungnaden und straff und darzue ain peen, nemblichen Vierzig marckh lottigs goldes zu vermeiden, die ain Jeder so offt Er frevennlich hier wider thett, unns halb Jn unnser und des Reichs Camer und den annderen halben thayll gedachtes Bischoven zu merßburg Erben, Legatarien, und andern, so dz berurt, unnachleßlich zu bezallen verhalten sein solle. Mit urkhundt diz briefs besigelt mit unserem kayserlichen anhanngenden Jnsigel. Geben auf unserm königlichen Schloß zu Prag, den 13. Tag des monats novembris nach Christi unsers lieben herrn geburt etc. und Jm lxj, unserer Reiche des Römischen Jm xxxj und des andern Jm xxxvj Jaren. Ferdinandus Vice ac nomine Rev Dni Archicancellarii Mogunt. V. Seld
Ad mandatum Sacrae Caesareae Maiestatis proprium Haller Straßberger
376 Anhang 2 ENTSTEHUNG DES INTERIM Vergleichs-und Reformversuche (nach1530)
Pflug, Vehe, Carlowitz, Gropper
1534
Georgs v. Sachsen Initiative Melanchthon, Brück
Gropper
1536
Enchiridion
1539
Bucer, Witzel
Leipziger Formel (1) Heldings Übersetzung
1540/41
Pflug, Veltwyk, Gropper
Wormser Buch Bucer, Capito
1541
Contarini, Morone
Pflug, Gropper, Bucer
Adaption
Regensburger Buch (2)
Helding
1543
1544
Mainzer Reformstatuten
Pflug
Scriptum Latinum (3)
1546
Malvenda
Rechtfertigungsthesen (4)
Pflug Helding
Vergleichsformel (15)
Helding
Pflug
Teilfragm. De moribus (14) De pecc. De iustif. (5)
Gropper
Unica Ratio (13)
377
1547
Malvenda, De Soto, Billick, Fannemann
Dezemberformel (17) Pflugs
(Helding)
Gegenentwurf (18)
1548/3
1548
Interimkommission
Trennung
Pflug, Helding, Agricola
Helding, Billick
Märzformel (19)
Reformpunkte
30. 06.
Interim
1549
09. 07.
Formula Reformationis (20) Helding
Institutio
1558
Helding
Liber Merseburgensis
Formula nova
1559
1648
Formelle Aufhebung Art. XVII,3 IPO = §117 IPM
(nach Pfeilschifter, ARCEG 6; Braunisch, Briefwechsel II; Rabe, Zur Entstehung)
378
Quellen und Literatur
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QUELLEN UND LITERATUR 1. UNGEDRUCKTE QUELLEN 1.1. Österreichisches Staatsarchiv HHStA Wien Reichsregister Ferdinand I., Band 24 (1561-1564) 153r-160r : Prag, 13. 11. 1561: Kaiserliche Konfirmation des Testaments HELDINGS. RK-Reichskammergerichtsvisitationsakten 320, 321a: Visitationsabschiede 1558-1561 Schriftverkehr zw. Ferdinand I. und Kammerrichter HELDING RHR-Resolutionsprotokolle XVI 1.2. Bayerisches Staatsarchiv Würzburg Mainzer Urkunden, Geistlicher Schrank 20/17: Formula reformationis cleri et populi per provintias archiepiscopatuum Germaniae (HELDINGS Liber Merseburgensis) Mainzer Domkapitelprotokolle Bände 8 (1544-1548) und 9 (1548-1550) 1.3. Domstiftsarchiv u. Domstiftsbibliothek Merseburg: Codex 1, 186 (Urkunden, Briefe: Abschrift des 18. Jh.) C 2, Nr. 1 (Domkapitelprotokolle) C 3, Lit E 3, Nr. 2 (Schriftverkehr zw. Domkapitel und Bischof HELDING) C 3, Lit. E 8, Nr. 45 (Hofbestallung: Abschrift 17. Jh. )
2. GEDRUCKTE QUELLEN UND LITERATUR 2. 1. HELDINGS gedruckte Schriften Zu den Drucken Michael HELDINGS im deutschen Sprachbereich verzeichnet VD 16, 1. Abt., Band 8 (1987) Nr. H 1573 bis Nr. H 1632.
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Quellen und Literatur
Im Folgenden sind die der Arbeit zugrunde gelegten Drucke angeführt: M. HELDING, EPISTOLA || GERMANIAE AD SUOS PRINCI= || pes, ut tandem necessarium contra Turcas || bellum, positis domi dissensionibus, su= || scipiant Michaele Heldingio || Enslingensi Authore. || EIUSDEM HODOEPORICUM, || olim Tubingae in discessum Clarißi= || mi Viri D. Hieronymi Lam= || parter exaratum. || IN NUPTIIS AMICI CU= || iusdam eruditi Epithalamion || eodem Authore [Mainz] [Schöffer] 1530). [25] Bl, 8°. Freiburg: Universitätsbibliothek G 4610–16./17. Jh.; VD 16 ZV 7590. M. HELDING, PROSODIA || SIVE DE CARMINUM || Ratione brevis Libellus, quo || nullus magis succinctus esse || poterit, Iam iterum ab e= || ius authore D. Michaele Heldin= || gio reco= || gnitus, inque locis || quibusdam repurgatus, additis || quae in priori editione desiderabantur. || [Hg THEOBAL= || DUS BRACT ALIAS SPENGEL] || EXCUSUM ARGENTINAE, || in aedibus Iacobi Iucundi, Anno || M. D. XXXX. || [24] Bl., D. 8°. VD 16 H 1619. M. HELDING, SACRI CA= || NONIS MISSAE || PARAPHRASTICA EXPLICA = || TIO, CUM DECLARATIONE CEREMO= || niarum. Et brevi ad populum exhortatione, || inter ipsum Sacrum habenda. Per || Michaelem Suffraganeum Mo= || guntinum, ad Cleri & po= || puli vtilitatem con= || scripta. || Cum Gratia & Privilegio Caesareae || Maiestatis, eiusdemque iussu aedita. || AVGUSTAE VINDELICORUM || Philippus Vlhardus || excudebat. [1548]. [1] Bl. 1. Innentitel: SACROSANCTI || CANONIS MISSAE SUCCINCTA || & dilucida explicatio, ex veterum & probatississimorum authorum ex= || positionibus paraphra= || stice congesta [27] Bl. Aij-Givv. 2. Innentitel: EXPL[I]CATIO MY= || STERIORUM SACRO= || SANCTAE MISSAE [11] Bl. H-L. 3. Innentitel: IN CELEBRATIONE SA= || crae Missae ad Circumstantes, || Exhortatio. [5] Bl. Liv-Mij (Lt./ dt.). Wien: ÖNB 13.F.13; 12.M.1.; VD 16 H 1621. M. HELDING, Ain Trostliche erma= || nung wie man das Ampt der Hai= || ligen Messe würdigklich vnd || Hailsam hören / und was || man hiebey geden= || cken soll. || Durch Michaelen Bischoff zu Sidonien / || Mentzischen Suffraganien. || M. D. XLVIIII. || Getruckt zu Augspurg durch || Hans Zimmerman. [3] Bl., 4°. Wien: ÖNB 35.F. 82; 35.F.82.; VD 16 H 1576.
Quellen und Literatur
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M. HELDING, Von der Hailigisten || Messe- || Fünfzehen Predige / zu Augsburg auff || dem Reichsztag / im Jar M. D. || XLviij. gepredigt. || Durch Michaeln Bischoff zu Sidonien / || Meintzischen Suffraganeen. || 1. Ioan. 2 || JESUS CHRISTVS ist ain versönung für unse= || re sünden / vnnd nit allain für vnsere / sonder für der || gantzen welt. || Mit Kayserlicher Freyhait auff Sechs Jar / || nit nachzutrucken. || Getruckt zu Jngolstat / durch Alexan= || der Weissenhorn || M. D. XLVIII. [4], XCI Bl. 4°. Wien: ÖNB 21.T.63.; VD 16 H 1624. M. HELDING, Predig auff den Grie= || nen Donnerstag / von der Heiligisten || Eucharistia ec. || Durch Michaeln Meintzischen Suffraganeen ||auff dem Reichßtag zu Augspurg gethon. || Anno 1548. || Mit Kayserlicher Freyhait Begnadet || nit nach zutrucken. || Getruckt zu Jngolstadt / durch Alexan= || der Weissenhorn. || M. D. XLVIII. XI Bl. 4°. Wien: ÖNB 11.V. 89. [nicht in VD 16]. M. HELDING, Von der Hailigisten || Messe || Fünffzehen Predige / zu Augsburg auff || dem Reichßtag / im Jar M. D. || XLviij. gepredigt. || Gemert mit zwaien Predigen / Die erst von der Haili= || gisten Eucharistia / am Grienen Donnerstag / Die || ander an unsers Herren Fronleichnamstag || zu Augspurg gethon. Anno 1548.674 || Durch Michaelen Bischoff zu Sidonien / || Meintzischen Suffraganeen. || 1. Ioan. 2 || JESUS CHRISTVS ist ain versönung für un= || sere sünden / und nit allain für unsere / sonder für der || gantzen welt. || Mit kayserlicher Freyhait auff Sechs Jar / || nit nach zutrucken. || Getruckt zu Ingolstat / durch Alexan= || der Weissenhorn || M. D. XLIX. [4], CIIII Bl. 4°. Wien: ÖNB 12.F.23.; Stift St. Florian VII 7233; VD 16 H 1628. M. HELDING, DE SANCTISSIMO AC PRAESTANTISSIMO Missae Sacrificio || CONCIONES XV. IN COMITIIS AVGVSTA= || NIS ANNO M. D: XLVIII. HABITAE, PER REVEREN || DUM IN CHRISTO PATREM AC D. D. MICHAELEM EPI= || SCOPUM SIDONIEN. ET SUFFRAGANEUM MOGUN= || tinensem. Nunc demum ex Germanico idiomate reddi= || tae Latine per F. Laurentium Surium, Carthusiae || Coloniensis ex professo monachum. || Accessit eiusdem Concio de sacrosancta Eucharistia, habita || Augustae ipso die Dominicae Coenae, Anno 1548. || Cum Indice gemino, Argumentorum videlicet in singulas Conciones, Re= || rumque & 674
Tatsächlich folgt die Gründonnerstagspredigt auf die Fronleichnamspredigt.
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Quellen und Literatur
Verborum promiscue in vniuersas (!).|| 1. IOANNIS 2. || IESUS CHRISTUS PROPICIATIO EST PRO PECCATIS NO= || STRIS: NON PRO NOSTRIS AUTEM TANTUM, SED || ET TOTIUS MUNDI. || Coloniae ex officina Ioannis Quentel, Anno M. D. XLIX. || Cum Gratia et Priuilegio Caesareae Maiest. Per Imperium, || Brabantiam, caeterasque eius haereditarias Ditiones, || AD SEXENNIUM. [12] Bl., 303, 8°. Wien: ÖNB 11.W.28.; VD 16 H 1631. ANONYM,675 CONSTITU || TIONES CONCILII PROVINCIALIS || MOGUNTINI, || Sub Reverendiss. in CHRISTO Patre || & Ampliss. Principe & Domino, Dn. SE || BASTIANO Archiepiscopo Mogun || tino, Sacri Roma. Imperij per Germani= || am Archicancellario, & Principe Electo-|| re, &c. sexta Maij, Anno Domini || M. D. XLIX. celebrati. || His accessit || [Angeschlossen unter Hinweis in Cap. XLVIII, f. XIIIv mit durchgehender Paginierung und Innentitel fol. XXXIII]: [M. HELDING], INSTITVTIO AD || PIETATEM CHRISTIANAM, || in CONCILIO PROVINCIALI || promissa, continens || [Sp.1:] Explicationem || [Sp.2:] Symboli Apostolici. || Orationis Dominicae. || Salvationis Angelicae. || Decalogi. || Septem Sacramentorum. || [Impressum auf letztem Bl.] MOGVNTIAE || APVD D. VICTOREM, ADMODVM || diligenter excudebat Franciscus Behem Typographus. || Mense Septembri, Anno || M. D. XLIX. || Laus & gratiarum actio Deo Opt. Max. [8], CCLXXVII, [1] Bl. mit Druckermarke Pelikan. 2°. Wien: ÖNB BE.2.G.9. [Einband Prinz-Eugen Bibliothek]; Linz: Privatbesitz Peter Seidel. M. HELDING, CATECHISMVS, || Das ist / || Christliche Vnderweisung || vnd gegründter Bericht / nach warer Euangelischer || vnd Catholischer lehr / vber die Fürnembste || stücke vnsers hailigen allgemei || nen Christen glaubens. || Nemlich / || [Sp.1] Von [Sp.2] den 12. Artickeln vnsers hailigen Christen Glaubens. || dem Gebet / Vatter vnser. || dem Engelischen Gruß. || den zehen Gebotten. || den hailigen Sacramenten. || Allen Gottsforchtigen / Guthertzigen / vnd sonderlich dem Frommen Einfaltigen || gemeinen Christlichen volck zu nutz / wolfart vnd trost. || Zu Maintz im löblichen Ertzdhomstiefft / durch Herren || Michaeln Bischoff zu
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Unter Mitarbeit HELDINGS.
Quellen und Literatur
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Merseburg / der zeit || Suffraganeen ec. gepredigt. / || Jtzo zum dritten mal gemehret / vnd in diese Form gestelt. || Psalm, XXXIII. || Kompt her jr kinder / höret mir zu / Jch will euch die || Forcht des Herren lehren. || Mit Römis. Kaiserl. Maiestat gnade vnd Freiheit / || in Sieben Jaren nit nach zudrucken. || Maintz || Druckts Frantz Behem / Jm Jar || M. D. LVII: [4], CCLXXIX Bl., 2°. Wien: ÖNB 20.Bb.33.; VD 16 H 1595. M. HELDING, CATECHISMVS, || Das ist / || Christliche Vnderweisung || und gegründter bericht / nach warer Euangelischer || und Catholischer lehr / vber die fürnembste || stück vnsers heiligen allgemeinen || Christen Glaubens. || Nemlich / || [Sp.1] Von [Sp.2] den zwölff Artickeln vnsers heiligen Christen Glaubens. || dem Gebett / Vatter unser. || dem Engelischen Gruß. || den Zehen Gebotten. || den heiligen Sacramenten. || Allen Gottsforchtigen / Guthertzigen / vnd sonderlich dem Frommen Einfältigen || gemeinen Christlichen Volck zu nutz / wolfart und trost. || Zu Meyntz im löblichen Ertzdhomstifft / durch den Hochwirdigen || Fürsten und Herrn / Herrn Michaeln Bischoff zu Merseburg / || der zeit Suffraganeen / ec. geprediget. || Jetzo abermal gemehret / vnd in diese Form gestelt. || Psalm XXXIII. || Kompt her jhr Kinder / höret mir zu / Jch wil euch die || Forcht des Herren lehren. || Mit Römis. Keyserl. Maiestat gnade und freyheit / || in zehen Jaren nicht nachzudrucken. || Meyntz / || Druckts Frantz Behem / Jm Jar || M. D. LXI. [4], 279, [1] Bl., 2°. Wien: ÖNB 65.N.65.; Linz: Kath.-theol. Privatuniversität Linz II 1047676; VD 16 H 1596. M. HELDING, CATECHISMVS CATHOLICVS || REVERENDISS: QUONDAM DN. || MICHAELIS || EPISCOPI MERSPVRGENSIS, IN CONCI= ONES LXXXIIII. SANE PIAS ET ERVDITAS PVLCHRE || DISTRIBUTUS, CONTINENS || [Sp.1:] Explicationem || [Sp.2]: Symboli Apostolici || Orationis Dominicae ||Salutationis Angelicae || Decalogi || Septem Sacramentorum: || Nunc primum Latinitate donatus per Tilmannum Bredembachium Embricensem. || Adiectae sunt eiusdem EPISCOPI egregiae Conciones XV. de Augustissimo || MISSAE Sacrificio, & seorsim vna de Sacrosancta Eucharistia, || Interprete F. Laurentio Surio Carthusiano. || COLONIAE || Apud haeredes Iohannis Quentel, & Geruuinum Calenium,
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Der Arbeit zugrunde liegendes Exemplar.
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Quellen und Literatur
Anno 1562. || Cum gratia et priuil. FERDINANDI Caesaris Augusti in decennium. [7] Bl., 470, [4] Bl., 122 Bl., 2°. Wien: ÖNB 21.P.22.; VD 16 H 1598. M. HELDING, CATECHISMVS || D. MICHAELIS EPI || SCOPI MERSPVRGENSIS, || IN CONCIONES LXXXIIII. || DISTRIBUTUS, || Latinitate donatus per TILMANNUM BREDEMBACHIUM Embricensem. || Eiusdem Episcopi Conciones XV. de Augustißimo Missae Sacrificio, et una de || Sacrosancta Eucharistia, Interprete F. Laurentio Surio Carthusiano. || LOVANII, || Apud Hieronymum Wellaeum, sub Diamante. || M. D. LXXVII. || CUM GRATIA ET PRIVILEGIO. [4] Bl., 312, 84. 4°. [Auf S. 84: LOVANII, || Excudebat Johannes Masius, Typographus || Iuratus, Anno 1577]. Wien: ÖNB 31.D.32. M. HELDING, Etliche schöne / Chri- || stenliche Predig / von dem Glauben || vnd guten Wercken / auch von anrüeffung || der lieben Heyligen / vnd von hilffthuung || für die verstorbene Glaubigen. || Gepredigt zu Augsburg im Thumbstifft / || Anno M. D. xlvij. || Durch den Hochwürdigen Fürsten || vnd Herrn / Herrn Michaelem Bischoff || zu Merßburg ec. || Math. 16. ca. 1. Tim. 3.… || Et portae inferorum non praevalebunt adver= || sus ECCLESIAM; columna enim & firma= || mentum est veritatis. || Mit Röm. Key. Maiestat Freyheit nit || nach zutrucken verbotten. || Gedruckt zu Dillingen / durch || Sebaldum Mayer. || Anno M. D. LI. Vorrede F. Joannes Fabri von Hailbrunn OP (Hg): an Johansen Grauen zu Nassaw [Aij-Eiv.] [55] Bl. Wien: ÖNB 2.S.62.; [nicht in VD 16]. M. HELDING, BREVIS || INSTITVTIO AD || CHRISTIA= || nam Pietatem, secundum Doctrinam Ca || tholicam continens, || [Sp. 1:] EXPLICA= TIONEM || [Sp. 2:] Symboli Apostolici, || Orationis Dominicae, || Salutationis Angelicae, || Decem Praeceptorum, || Septem Sacramentorum. || AD VSVM PVERORVM NO= || bilium, qui in Aula Reverendiß. in Christo || Patris, et amplißimi Principis et Domini, || Domini SEBASTIANI Archiepiscopi Moguntin. et || Principis Electoris etc. erudiun || tur, conscripta. || Per R. in Christo patrem ac D. D. || Michaelem Episcopum Sidonien || sem, et Suffraganeum Mo= || guntinensem. || MOGVNTIAE, || Excudebat Iuo Schoeffer, Anno 1549. [1], 78, [1: Druckermarke IS] Bl. 8°. Wien: ÖNB 20.Z.26.; VD 16 H 1577.
Quellen und Literatur
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M. HELDING, BREVIS || INSTITVTIO AD || CHRISTIA= || nam Pietatem, secundum Doctrinam || Catholicam continens, || [Sp. 1:] EXPLICA= TIONEM || [Sp. 2:] Symboli Apostolici, || Orationis Dominicae, || Salutationis Angelicae, || Decem Praeceptorum, || Septem Sacramentorum. || AD VSVM PVERORVM NO= || bilium, qui in Aula Reverendiß. in Christo || Patris, et amplißimi Principis et Domini, || Domini SEBASTIANI Archepiscopi || Moguntin. et Principis Electoris etc. || erudiuntur, conscripta. || Per R. in Christo patrem ac D. D. || Michaelem Episcopum Sidonien= ||sem, et Suffraganeum || Mogunt. || MOGVNTIAE, || Excudebat Iuo Schoeffer, Anno 1550. || [1], 78,[1] Bl. 8°. Wien: ÖNB 80.V.43.; VD 16 H 1581.
M. HELDING, BREVIS || INSTITVTIO AD PIETATEM || Christianam secundum Doctrinam || Catholicam continens || [Sp.1:] EXPLICA= TIONEM || [Sp.2:] Symboli Apostolici, || Orationis Dominicae, || Salutationis Angelicae, || Decem Praeceptorum, || Septem Sacramentorum. || AD VSVM PVERORVM NO= || bilium, qui in Aula Reverendiß. in Christo Patris, || et amplißimi Principis et Domini, Domini || SEBASTIANI Archepiscopi || Mogunt. et Principis Electoris || etc. erudiuntur. || Per R. D. Michaelem Episcopum Mers= || burgens. superiore tempore Suf= || fraganeum Moguntin. || Acceßit defensio Authoris adversus ca= || lumnias cuiusdam Mathiae Illyrici. || PROVERB. XXVI. || Responde stulto iuxta stultitiam suam, ne || sibi sapiens esse videatur. || Cum Gratia et Privilegio Caes. MOGVNTIAE, || Excudebat Ivo Schoeffer, || Anno M. D. LII. [Impressum auf dem Errata-Blatt Tiijv]. [147] Bl. A-Tiij. 8°. Wien: ÖNB BE.12.X.16.(2); Stift St. Florian VII 3976; VD 16 H 1582. M. HELDING, Ein sehr Christenliche || Sermon / durch den Hochwürdigen Für || sten vnnd herrn / herrn Michael Bischoff || zu Merßburg / auff den ain vnd zwain || tzigsten Sontag / Anno ec. 50. || Jm Thumbstifft zu Aug || spurg / gepredigt. || Numeri. 11. Cap. || Wolt Gott (sagt Moyses zu Josue dem Son || Nun / seinem diener) das alles das volck des ||Herren weyssaget / vnnd das der ||Herr seinen Gaist v= || ber sie gebe. || Gedruckt zu Jngolstat / durch Alexander vund Samuel Weissenhorn gebrüder. ||M. D. LI. [Widmung: Dem hochgelerten / für ||sichtigen / Ersamen Hern /hern Lud= ||wig Schradino / Gaistlicher vnnd Kayserlicher || rechten Doctori / Röm. Kön. Maye. Rath ec. || seinem günstigen Mecenaten / Wünscht || F. Joannes Fabri von Hailbrunn Thumb || prediger zu Augspurg / gnad vnd || friden durch Jesum || Christum.]
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Quellen und Literatur
[11] Bl. 4°. Wien: ÖNB 11.V.9.; VD 16 H 1622. M. HELDING, IONAS PROPHETA- || Etliche Christliche vnd nütze Predige ausz || dem Propheten Jona. || Vnder denen || Ein Christlicher Bericht ausz Gottes wort / von || guten wercken / zu disen zeiten nützlich zule= || sen. Am blat LXXIIII. || Durch Herrn Michael Bischoff zu Merßburg. || Gedruckt zu Meyntz durch Franciscum Behem. || zum Maulbaum / Anno 1558. [Vorrede zum Catholischen Leser / Durch Philippum Agricolam D.] [Front., 3], 94 Bl., 4°. Wien: ÖNB 48.N.30.; VD 16 H 1592. M. HELDING, Die erste Epistel des H. Apo= || stels vnd Euangelisten Joannis Catholisch ausz= || gelegt vnd gepredigt zu Augspurg auff ge= || meinem Reichßtag im Jar 1547 vnnd 48. || Durch den Hochwürdigen Fürsten unnd Herren / Herrn Michaeln / Weylandt Bischouen zu Mersenburg. || Dabey wird der Christlich Leser auch etliche an= || dere predig finden / alß nemlich bericht von glauben vnd || guten wercken / von der H. Missa vnd Eucharistia / von fürbit || der Heiligen und sorge für die verstorbene ec. || Alles jetzo erst von newem zusamen gebracht vnd || in Truck außgeben. || 1 Joan. 2. || Iesus Christus: Ipse est propitiatio pro peccatis nostris: non pro nostris || autem tantum, sed pro etiam totius mundi. || Gedruckt in der Churfurstlichen Stadt || Meyntz / durch Franciscum Behem || Anno Domini M. D. LXVI. [Vorrede des Johann Fabri OP, Domprediger zu Augsburg. Mitabgedruckt HELDINGS Brief an König Ferdinand vom 11. 2. 1548]. Beitrag Epitaphium von Cyprian Vomel. [4], 208 Bl., 2°. Wien: ÖNB 2.B.2.; VD 16 H 1590. M. HELDING, Catechesis || Das ist / || Kurtzer bericht vnseres || Heyligen Christlichen glau= || bens nach Catholi= || scher Lehr. [Sp.1:] Mit Ercklerung. [Sp.2:] Des Apostolischen || Symbels || Des Vatter unsers || Des englichsen [!] gruß || Der Zehen gepoth || vnd Der hailigen || Sacramenten || Erstlich Lateinisch / durch den || Hochwirdigen Fürsten vnd Herren || Herrn Michaeln Bi= || schoff zu Mersenburg || beschrieben.|| Jetzo allen frommen einfeltigen || Christen zu gut / wolfart vnnd || trost / Von F. Joanne Chriso =|| stomo zu Meyntz inß teutsch || treuwlich verendert.|| Gedruckt zu Meyntz || durch Franciscum || Behem || Anno M. D. LV. [dt. Übersetzung der Brevis Institutio]. [8], [82] Bl., 4°. [Vorreden von Theobaldt Spengel 1555 und J. Chrysostomus OSB 1554] Wien: ÖNB 19.K.65.; VD 16 H 1573.
Quellen und Literatur
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M. HELDING, Postilla. || das ist || Predige vnd außlegung nach || Catholischer lehre / aller Sontäglichen Euan || gelien mit etlichen den fürnembsten Festen || vom ersten Sontag des Aduents biß || zu ende des Jars. || Durch den Hochwürdigen in Gott Vatter Fürsten vund Herren / Herrn Michael Weylandt Bi= ||schoffen zu Mersenburgk geprediget. || Allen Catholischen Rechtglaubigen Christen / zu || trost vund wolfart der Seelen / jetzo erst || in Truck verfasst vund ge= ordnet. || Matth.11. || Venite ad me omnes qui laboratis et estis onerati, ego reficiam vos, etc. || Mit Röm. Keyserlicher Maiestat Freyheit in || acht Jaren nicht nachzutrucken. || Getruckt in der Churfürstlichen Statt || Meyntz / durch Franciscum Behem. || Anno Domini M. D. LXV. [4],CXLIII, XXXIX, CXCIII, XLVI Bl. 2°. Beitrag: Epitaphium von Cyprian Vomel. Wien: ÖNB 21.C.13.; VD H 1602. M. HELDING, Postilla || Das ist || Predig vnd auß || legung || Nach Catholischer lehre ||aller Sontäglichen Euangelien vnd mit etlichen den fürnembsten Festen / vom ersten Sontag || deß Aduendts biß zu ende des Jahrs / jetzo zum || dritten mahl vbersehen und mit vielen || Predigen gemehret.|| [Dieser VD 16 entnommene Titel des Winterteils De Tempore fehlt im verwendeten ungebundenen Exemplar. Deshalb ist der Innentitel des Sommerteils De Tempore vollständig wiedergegeben:] De Tempore || Das ist Sommertheyl der Postill und || Predig nach Catholischer Außlegung aller Sontäglichen Euangelien / von || Ostern biß auff den Aduent / ec. || Durch den Hochwürdigen in Got Vatter || Fürsten vund Herren / herren Michael || Weyland Bischoffen zu Mersenburgk || Gepredigt. ||Allen Catholischen Rechtglaubigen Christen / || zu trost vnd wolfart der Seelen / Jetzo von || newem vbersehen / gemehret und gebessert. || Psalm 33 || Venite filij, audite me, timorem Domini docebo vos. || Mit Röm. key. Maiestat / Gnad vund Frey= || heit / in zehen Jahren nicht nach zu drucken. || Gedruckt in der Churfürstlichen Statt ||Meyntz / durch Franciscum Behem. M. D. LXXIIII. [Angeschlossen:] M. HELDING, Catholischer Bericht wie sich || gemeine Pfarherr / vnd auch sonst Christen in reich || ung vnd entpfahung des Heyligsten Sacraments des || wahren leibs und bluts Christi in dieser verirre || ten vnd spaltischen zeitten verhalten sollen. || Auff bitt eines fürnemen Fürsten des Reichs geschrieben / || durch den Hochwürdigen Fürsten vnd Herrn Michael Weylande || Bischoffen zu Merßburg / beschrieben zu Augspurgk / ec. || Zu diesem seindt drey Predig gesetzt vom fasten / fürbitt der Heyligen || vnd
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Quellen und Literatur
sorge oder Hülffthuung für die Verstorbene glau || bigen. Durch gemelten Herrn gepredigt / || zu Augspurg / ec. 1547. [4], CLXVI, CCXXVII, XXXIX, LXXXII Bl. 2°. [4 Teile ungebunden]. Linz: Privatbesitz Peter Seidel,;VD 16 H 1604. M. HELDING, PROVERBIA SALOMONIS. || Außlegung der || Christlichen auch Catholischen er= || klärung der Sprüch Salomonis / durch den Hochwirdi= || gen in Gott / Herrn / Herrn Michaeln / weylandt Bischoffen zu || Mersenburg / gepredigt / und jtzo anfenglich / und zum er= || sten / allen Christgläubigen zu nutz / und heylsa= || mer Unterweisung in Druck || außgangen. || …. || Getruckt in der löblichen Churfürstlichen Statt || Meyntz / durch Franciscum Behem. || Anno M. D. LXXI. || [4], 293 Bl., 2°. Freiburg: Universitätsbibliothek L 4625–16. /17. Jh.; VD 16 H 1620.
2. 2. BIOGRAPHISCHE BZW. KONTEXTUELLE SCHRIFTEN DES 16. JAHRHUNDERTS N. BALSMANN, Oratio Gratulatoria, qua Reverendissimus in Christo pater, & Dominus, D. Michael Episcopus Mersburgensis Invictissimi Imperat: D. Ferdinandi aulicorum consiliorum praeses &c. Publico Archigymnasij Viennensis nomine per M. Nathanaelem Balsmannum Torgensem, publicum professorem fuit exceptus. (Wien, Raphael Hofhalter 1561). Wien: ÖNB 9.E.38. CANONES CONCILII PROVINCIALIS COLONIENSIS. sub Reverrendiss. in Christo patre ac dno, D. Hermanno S. Colonien. Ecclesiae Archiepiscopo, sacri Rom. Imp. per Italiam Archicancellario, principe Electore, Westphaliae & Ang. duce legatoque nato, ac Administratore Paderb. celebrati anno 1536. Quibus adiectum est Encheridion (!) Christianae institutionis Loci communes theologici insigniores, qui in institutione doctrinae Christianae, constitutionibus conciliaribus subiunctae, sparsim tractantur ac explicantur. Innentitel: Institutio compendiaria doctrinae christianae, in concilio provinciali pollicita. Beigefügt: Formula ad quam visitatio intra Dioecesim Coloniensem exigetur. (Köln 1537). Siehe J. GROPPER. Wien: ÖNB 24.F.20. [Exemplar im Vorbesitz des Wiener Bischofs Johann Fabri]. CONCILIUM PROVINCIALE COLONIENSE anno 1536 celebratum, cui haec sunt addita: Formula ad quam visitatio intra Dioecesim Coloniensem exigitur;
Quellen und Literatur
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Reformatio cleri ad correctionem vitae et morum; Statuta synodalia D. Valentini episcopi Hildesemensis, Formula vivendi canonicorum, vicariorum, et aliorum presbyterorum secularium (Venedig 1543). Wien: ÖNB 24.S.22. DES. ERASMUS ROT[erodamus], Dilucida et pia explanatio symboli quod apostolorum dicitur, decalogi praeceptorum, & dominicae precationis. Opus nunc primum, & conditum & aeditum (Basel, Johann Froben, 1533). Wien: ÖNB 45.H.73. W. EISENGREIN, Catalogus testium veritatis locupletissimus omnium orthodoxae matris ecclesiae doctorum, extantium & non extantium, publicatorum & in bibliothecis latentium, qui adulterina ecclesiae dogmata, impuram, impudentem & et impiam haeresum vaniloquentiam in hunc usque diem firmissimis demonstrationum rationibus impugnarunt variaque scriptorum monumenta reliquerunt, seriem complectens (Dillingen, Sebald Mayer, 1565). Freiburg: Universitätsbibliothek N 1509-16./17. Jh. FORMULA REFORMATIONIS per Caesaream Maiestatem statibus ecclesiasticis in comitiis Augustanis, ad deliberandum proposita, & ab eisdem, ut paci publicae consulerent & per eam Ecclesiarum, ac Cleri sui utilitati commodius providerent, probata & recepta (Löwen 1548). Wien: ÖNB 13.G.44. FORMULA REFORMATIONIS ECCLESIASTICAE in Comitiis Augustanis, Anno M. D. LIX. quibusdam adiectionibus aucta, & locupleta. (Mainz 1559). Wien: ÖNB 13.F.27. M. FLACIUS ILLYRICUS, Confutatio catechismi larvati Sydonis episcopi (o.O. 1549). Wien: ÖNB 80.M.56. M. FLACIUS ILLYRICUS, Widderlegung des Catechismi des Larven Bischoffes von Sidon (Magdeburg 1550). Wien: ÖNB 20.Dd.168.; Oö Landesbibliothek Linz I 61466. M. FLACIUS ILLYRICUS, Kurtze antwort auff des Laruen Bischoffs von Sydon Holhiplerey / damit er seinen Antichristlichen Cathechismum vertedigen will. Item etliche öffentliche verfelschung Gottes worts aus des Sidonii Büchern. Item ein stück aus einer schrifft des hochgelarten Gersonis (o.O., o.J.) Wien: ÖNB 20.Dd.649. M. FLACIUS ILLYRICUS, Widderlegung der Predigten von der allerheiligsten Antichristischen Missa des frembden Bischoffs von Sydon / Meyntzi-
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Quellen und Literatur
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Biographische Kurzportraits
BIOGRAPHISCHE KURZPORTRAITS ALBRECHT Alkibiades (siehe Brandenburg-Kulmbach) BEHEM, Franz (1500-1582): DBE 1 (1995) 396; LGBW 1, 276-277; Widmann 1889: kath. Verleger und Drucker in Mainz, verehelicht mit einer Nichte des Johannes Cochlaeus und in dritter Ehe mit einer Schwester des Mainzer Dompredigers Georg Artopaeus; Drucker HELDINGS. In einer Gesellschaft mit Theobald Bract, alias Spengel. BILLICK, Eberhard OCarm (1499/1500-1557): ³LThK 2 (1994) 460 (Smolinsky); KLK 5 (1988) 97-116 (Fabisch): Prior, Provinzial, Teilnehmer am Kolloquium Worms 1540, Mitstreiter Groppers in der vereitelten Kölner Reformation, an der Entstehung von Interim und Formula reformationis 1548 beteiligt. BRANDENBURG, Albrecht II., Kard. (1490-1545): ³LThK 1 (1993) 345 (Zeeden); Gatz B 1448, 13-16 (Jürgensmeier): Erzbischof v. Magdeburg (1513) und Bf v. Halberstadt. Die zusätzliche Bestellung zum Erzbischof und Kurfürsten von Mainz 1514 löste den Ablassstreit Luthers aus. Albrecht weihte HELDING 1537 zum Suffragan, delegierte ihn 1545 zum Konzil nach Trient und beteiligte ihn an Reformansätzen. Er starb nach dem Verlust großer Teile seines Jurisdiktionsgebietes persönlich völlig verarmt. BRANDENBURG, Joachim II. Hektor (1505-1571): BWDG 2 (1974) 12991300: Kf, Mgf, zunächst kath. und Mitunterstützer des Interim Karls V., befürwortete den friedlichen Ausgleich unter den Religionsparteien gegen zunehmenden Widerstand im eigenen Land (Einführung einer Kirchenordnung 1540). Als Heerführer 1542 im Türkenkrieg erfolglos. Im Schmalkaldischen Krieg 1546/47 und im Fürstenaufstand 1552 zunächst neutral, neigte er sich später unter dem Druck seiner Landstände dem Protestantismus zu. BRANDENBURG-KÜSTRIN, Johann (1513-1571): DBE 1 (1995) 338: Als Reichsfürst neben seinem kfl Bruder Joachim im Besitz der Neumark, des Landes Sternberg und der böhm. Lehen. Trotz Zugehörigkeit zum Schmalkaldischen Bund und anfänglich auch Initiator der Fürstenrevolution näherte er sich später politisch wieder der Seite des Kaisers an. BRANDENBURG-KULMBACH, Albrecht Alkibiades (1522-1557): DBE 1 (1995) 76; BWDG 1 (1973) 60-61: Mgf, mit Karl V. 1543/44 im Krieg gegen Frankreich und 1546/47 mit Moritz von Sachsen gegen die Schmalkaldischen Fürsten, 1550 wechselte er zu den Empörern gegen den Kaiser, gewalttätige erpresserische Feldzüge gegen Bfe vonWürzburg und Bamberg, vermittelte im Vertrag von Chambord 1552 die bleibende Auslieferung der Reichsstädte Metz, Toul, Verdun an Heinrich II. von Frankreich, abermaliger Seitenwechsel zu Kaiser Karl V. bei der erfolglosen Rückeroberung von Metz. Zog wiederum plündernd und brandschatzend mit Söldnern durch die frän-
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kischen Bistümer, fiel in die Reichsacht. Von Kf Moritz geschlagen, floh er an den frz. Hof, 1556 Rückkehr und früher Tod. BRAUN, Konrad (1491/1495-1563): ³LThK 2 (1994) 660 (Rössner); KLK 5 (1988) 117-136 (Bäumer): Jurist, Kontroverstheologe, bfl Kanzler in Würzburg (1526), Beisitzer und Kanzleiverwalter am RKG (1533-1540), für Mainz beim Kolloquium Worms 1540, zuletzt im Dienst von Kard. Otto von Waldburg. Verfasser von Traktaten und Flugschriften zur Verteidigung der altgläubigen Positionen. BRENDEL von Homburg, Daniel (1522-1582): ³LThK 2 (1994) 672 (Jürgensmeier): Erzbischof v. Mainz und Kf (1555); 1548 Domkapitular Mainz, 1552 Statthalter in Speyer, 1555 Wahl zum Erzbischof, 1557 Weihe. Er suchte HELDINGS Rat für die von Ferdinand I. am Reichstag Regensburg 1556/57 eingeforderte katholische Reform und schuf die Voraussetzungen für die Formula reformationis nova. BRENZ, Johann (1499-1570): ³LThK 2 (1994) 675-676 (Weismann): Reformator Württembergs, 1548 infolge des Interim als Prediger aus Schwäbisch Hall vertrieben, Teilnehmer an den Religionsgesprächen in Worms 1540, Regensburg 1546 und Worms 1557. BUCER, Martin (1491-1551): ³LThK 2 (1994) 739 (Greschat): Reformator in oberdeutschen Städten und in Straßburg, reorganisierte das Kirchenwesen für Philipp von Hessen, Mitwirkender am Leipziger (1539), Wormser (1540) und Regensburger Kolloquium (1541), verfasste mit Gropper das Regensburger Buch, scheiterte an ihm bei der Reformation Kölns. BULLINGER, Heinrich (1504-1575): ³LThK 2 (1994) 778-779 (Bächtold): Reformator der Schweiz, Anhänger und Nachfolger Zwinglis, Prediger und einflussreicher Publizist, verfasste den maßgebenden Katechismus der Reformierten. CALVIN, Jean (1509-1564): ³LThK 2 (1994) 895-900 (Ganoczy): Reformator Genfs, 1536 Christianae Religionis Institutio auf Grundlage von Luthers Schriften. In Genf verfasste er Kirchenordnung und Katechismus mit strenger Disziplinierung. 1538 vom Stadtrat ausgewiesen, 1541 zurückgeholt. Bekanntschaft mit Melanchthon, Mitunterzeichner der CA variata in Augsburg, Teilnehmer an Kolloquien in Hagenau, Worms und Regensburg. CAMPEG[G]IO, Lorenzo (1474-1539): ³LThK 2 (1994) 915 (Jaitner): Kardinal und Diplomat, Reformgutachter für Hadrian VI., Legatus a latere auf dem Reichstag Nürnberg und dem Konvent Regensburg 1524, wo er die Erlassung von Reformkonstitutionen veranlasste. Gesandter der Kurie in England. Auf den Reichstagen Augsburg 1530 und Regensburg 1532 anwesend. CANISIUS, Petrus SJ (1521-1597): Gatz B 1448 90-91 (Weissensteiner); ³LThK 2 (1994) 923-924 (Buxbaum); KLK 3 (1986) 88-102 (Diez): Studium Köln, geistliche Übungen bei Petrus Faber, 1543 Eintritt in die Gesellschaft Jesu, Priesterweihe, Teilnahme am Konzil in Bologna mit Kard. Otto von Waldburg, nach
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Rom und Messina berufen, Doktorat in Bologna, Prof. in Ingolstadt, 1552 von Ferdinand nach Wien gerufen, Administrator der Diözese Wien, Teilnehmer des Wormser Kolloquiums 1557, Berater Kaiser Ferdinands I. in den Differenzen mit der Kurie, 1925 heiliggesprochen und zum Kirchenlehrer erhoben. CANO, Melchior OP (um 1509-1560): ³LThK 2 (1994) 924-925 (Körner); KLK 3 (1986), 76-87 (Horst): Vertreter der Schule von Salamanca, Prof. in der Nachfolge von Francisco de Vitoria, als Konzilstheologe des Kaisers in Trient 1551/1552, Hauptwerk De locis theologicis posthum 1563. CARLOWITZ v., Christoph (1507-1578): ³LThK 2 (1994) 955 (Smolinsky): sächs. Rat bei Georg und Moritz von Sachsen, arbeitete an dessen Bündnis mit Karl V. und Kg Ferdinand, 1552 verhandelte er für Moritz den Passauer Vertrag, ab 1557 in Ferdinands Diensten. CARLOWITZ v., Nikolaus (1502-1555): Gatz B 1448 (Seifert): Studium in Leipzig, 1529 Domherr zu Meißen, 1550 zum Bischof von Meißen erw, zum Priester ordiniert von HELDING am 21. 2. 1551, versuchte gegen prot. Widerstand und Kf Moritz dem Interim Geltung zu verschafffen. CERVINI, Marcello, Papst (Marcellus II.) (1501, erw. 9. 4., gest. 1. 5. 1555): ³LThK 6 (1997) 1304 (Jaitner): Erzieher und Sekretär von Kardinal Alessandro Farnese, Diplomat bei Kaiser Karl V. und Franz I., Konzilspräsident in Trient I während HELDINGS Anwesenheit 1545. CLICHTOVEUS, Jodocus (1472/73-1543): ³LThK 2 (1994) 1232-1233 (Massaut); KLK 2, 82-91 (Fabisch): Mitarbeiter von Faber Stapulensis in Paris, Humanist und Theologe, Gegner Luthers, Vertreter der katholischen Reform. COCHLAEUS, Johannes (1479-1552): ³LThK 2 (1994) 1239-1240 (Bäumer); KLK 44, 73-81 (Bäumer): Humanist und Theologe (Dr. theol. Ferrara), Kontroversist, in mehr als 200 Schriften als Defensor ecclesiae entschiedener Luthergegner. Repräsentant der vortridentinischen Theologie. CONTARINI, Gasparo, Kard (1483-1542): ³LThK2 (1994) 1305-1306 (Ganzer): venez. Gesandter in Worms 1521 und in Rom, von Paul III. als Laie zum Kardinal ernannt, Mitglied der röm. Reformkommission und Mitverfasser des Consilium de emendanda ecclesia, 1541 als Gesandter in Regensburg an der erstmals verglichenen Rechtfertigungsformel beteiligt, die aber von der Kurie zurückgewiesen wurde. DIETENBERGER, Johannes OP (1475-1537: ³LThK 3 (1994) 220-221 (Fabisch); KLK 44, 82-89 (ders.): Dr. theol. Mainz 1515, Inquisitor in Köln und Mainz, Prof. an der Mainzer Universität, Mitverfasser der Confutatio, Vf eines Sentenzenkommentars, Hg der Bibel des Hieronymus Emser und einer eigenen dt. Übersetzung, Verfasser eines Katechismus. DIETRICH, Veit (1506-1549): LRZ 193 (Becht): ev. Theologe, Schüler Melanchthons, Sekretär Luthers, Prediger, als Vertreter Nürnbergs Teilnehmer an den Religionsgesprächen Regensburg 1541 und 1546. Er trat gegen das Interim auf.
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ECK, Johannes, Maier von (1486-1543): ³LThK 2 (1994) 441-443 (Smolinsky), humanistische Studien an div. dt. Universitäten, Priesterweihe, 1510 Dr. theol. in Freiburg und Prof. in Ingolstadt, KLK 44, 65-71 (Iserloh), Kontroverstheologe in Wort und Schrift, Verfasser von Reformvorschlägen, Leipziger Disputation 1519, Widerlegung der CA, Teilnahme an den Kolloquien in Hagenau, Worms und Regensburg 1540/41. ECK, Leonhard (*1480-1550): ³LThK 3 (1994) 443 (Eder): Dr. iur. Bologna, Siena; Rat des bayer. Hzgs. Wilhelm IV. Maßgeblicher Einfluss auf bayerische Politik, auch gegen Reichsinteressen. EHRENBERG, Johann v. (gest. 1544): Pollet, Correspondance 5/1, 121, Anm.1: Propst in Speyer, Doyen des Domkapitels Mainz, Gerichtskämmerer in Mainz, präsidierte beim ersten Wormser Kolloquium 1540 in Vertretung von Erzbischof Albrecht. ERASMUS von Rotterdam, Desiderius (1466/69-1536): ³LThK 3 (1995) 735737 (Walter); LMA 3 (1986) 2096-2100 (Herding): Erste humanist. Ausbildung im Augustinerkloster Steyn b. Gouda, Begegnung mit Rudolf Agricola, Priesterweihe 1492, Sekr. des Bfs von Cambrai, Theologiestudium in Paris (Collège Montague), freier Lehrer, religiöse, kirchenreformatorische und gesellschaftskritische Schriften, umfangreicher Briefwechsel mit europäischen Geistesgrößen, philologische Bearbeitung und Edition von Kirchenvätern und des Neuen Testaments aus griechischen Vorlagen, Verfasser von Lehrund Formelbüchern, Aufenthalte in Italien (Dr. theol. in Turin verliehen), England (John Colet, Thomas Morus), schriftlicher Streit mit Luther über Willensfreiheit, Plädoyer für den Frieden und die christliche Einheit (concordia), bei aller Kritik treu zu Kirche und Papst. FABER, Petrus (Favre, Lefèvre) SJ (1506-1546): ³LThK 3 (1995) 1146 (Wrba): der erste Gefährte des hl. Ignatius wuchs als Hirtenknabe auf, studierte in Paris. Als Begleiter des spanischen Orators bem Wormser Kolloquium kam er nach Deutschland, seine geistlichen Übungen fanden großen Zuspruch bei Klerikern und Laien. Auch HELDING und Pflug ließen sich unterweisen. Bei einem weiteren Aufenthalt in Mainz, wo er Vorlesungen abhielt, und in Köln gewann er Canisius für den Orden. Er forderte eine innere Reform der Kirche und vertrat gegenüber den Protestanten einToleranzverhältnis. FABRI, Johannes, (Faber) (1478-1541) Bischof v. Wien: ³LThK 3 (1995) 1148 (Immenkötter); KLK 1 (1984), 90-97 (ders.): Studium der Rechte u. Theologie in Tübingen und Freiburg, Generalvikar in Konstanz, 1530-1541 Bischof von Wien, Teilnehmer an den Religionsgesprächen von 1523-1540, Kontroversist. FERDINAND I. (1503-1564): DBE 3 (1996) 267-268; Kohler (2003): 1521 Erzherzog in den österr. Erblanden, 1526/1527 König von Böhmen und Ungarn, röm. König 1531, Abwesenheitsvertreter im Reich für Karl V., erw. Kaiser 1558. Seit 1552 eigenständige ausgleichende Politik im Reich, Passauer
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Vertrag, Augsburger Frieden 1555. Er suchte, die Religionsfrage trotz Spannungen mit den Päpsten Paul IV. u. Pius IV. bis zuletzt offen zu halten (Kolloquium Worms 1557 u. Reichstag 1559) und Reformen auf katholischer Seite im Reich und in den Erblanden durchzusetzen. Förderer HELDINGS. FLACIUS (Vlach), Matthias (1520-1575): LRZ 242-244 (Barton): Als Publizist Lutheraner, Studien in Venedig, Basel, Tübingen, Wittenberg (Magister), Prof. f. Hebräisch, Kritiker HELDINGS, Zerwürfnis mit Melanchthon-Anhängern, seit 1551 in Magdeburg. FRIEDRICH II., Kf von der Pfalz (1482-1556): DBE 3 (1996) 467: Leitete das Regensburger Religionsgespräch 1541, führte schrittweise bis 1546 die gegen das Erzbistum Mainz gerichtete Reformation ein, nach dem Schmalkaldischen Krieg nahm er eine ausgleichende Haltung in den Passauer Verhandlungen 1552 ein. GEILER von Kaysersberg, Johannes (1445-1510): ³LThK 4 (1595) 464-365 (Mertens): Prediger, Prof. in Freiburg, Übersetzer von Jean Gerson, Vertreter einer Kirchenreform. GEMMINGEN v., Uriel von (1468-1514): Gatz B 1448: 217-218 (Jürgensmeier): Erzbischof Mainz (1508), Dr. der Rechte, Assessor am RKG, Domherr, Liturgiereformer, trat gegen Konkubinat auf und vertrat eine verbesserte Priesterausbildung. GERSON, Jean ( siehe Johannes Gerson). GEORG III. von Anhalt (1507-1553): ³LThK 4 (1995) 478-479 (Joppen): urspr. kath. Priester, Kanoniker in Merseburg, Dompropst Magdeburg, seit 1530 der Reformation anhängig, Verweser in Spiritualibus im Stift Merseburg seit 1544, von Luther ordiniert, nach heftigem Widerstand gegen HELDING 1551 Rückzug aus dem Domkapitel Merseburg. GRANVELLA (Granvelle), Nicolas Perrenot de (1484/1486-1550): ³LThK4 (1995) 981 (Roberg): ksl Rat Karls V., Kommissar auf den Reichstagen Worms u. Regensburg 1540/41 sowie bei den dortigen Kolloquien, Teilnehmer an der Eröffnung des Tridentinum. GRANVELLA (Granvelle), Antoine Perrenot de, (1517-1586): ³LThK4 (1995) 981-982 (Roberg): Sohn des Nicolas, Kardinal, Bischof von Arras, Berater Karls V. in Staatsangelegenheiten. GROPPER, Johann (1503-1559): ³LThK 4 (1995) 1062 (Meier); KLK 44, 117124 (Braunisch): Theologe, Domherr in Köln, Kirchenreformer, Verfasser von Reformstatuten, bekämpfte reformatorische Bestrebungen Bucers in Köln, hatte an der Absetzung des Erzbischofs Hermann v. Wied 1543 maßgeblichen Anteil. Einfluss auf Gestaltung des Interim. HAUGWITZ, Johannes v. (1524-1559): Gatz B 1448, 262-263 (Seifert): Bf von Meissen, 1550 Domherr, Wahlkapitulation mit Moritz v. Sachsen, die Reformation zuzulassen, blieb Diakon, gab 1556 die letzten verbliebenen katholischen Territorien des Bistums auf.
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HEINRICH II., Hzg von Braunschweig-Wolfenbüttel (1514-1568): ³LThK 4 (1995) 1373 (Ziegler): Auf ksl Seite als letzter kath. Fürst im prot. norddt. Umfeld, von Kf Johann Friedrich von Sachsen vertrieben. Obwohl 1547 zurückgekehrt, konnte er die Ausbreitung des Protestantismus auf Dauer nicht mehr verhindern. HEUS(S)ENSTAMM v., Sebastian von (1506-1555): Gatz B 1448, 291-292 (Jürgensmeier): Studium Tübingen und Mainz, Dr. utr. iur., 1531 Priesterweihe, 1533 Kanonikus und Scholaster am Mainzer Domstift, 1541 Mitglied der Reformkommission, 1545 gegen den ksl protegierten Otto von Waldburg zum Erzbischof von Mainz gewählt. Hielt 1548 und 1549 Reformsynoden in Diözese und Provinz Mainz ab, 1551/1552 Teilnehmer in Trient II. HOFFMEISTER, Johannes OESA (1509/10-1547): ³LThK 5 (1996) 198 (Ekkermann); KLK 4 (1987) 43-57 (Bäumer): Prior des Augustinerklosters in Colmar, später Provinzial, Teilnehmer am Regensburger Kolloquium 1546, Kontroverstheologe (Loci communes rerum theologicarum [1547]). HOSIUS, Stanislaus, Kard (1504-1579): KLK 5 (1988) 137-152 (Wojtyska); Gatz B 1448, 314-318 (Karp): Bischof v. Kulm, dann Ermland, 1561 zum Kardinal erhoben, Lehrer und Hg von Humanisten in Krakau (Erasmus), Dr. utr. iur. Bologna, Leiter der kgl poln. Kanzlei, theol. Studien, 1543 Priesterweihe, 1549 von Kg Sigismund für Kulm, 1551 für Ermland postuliert, vergeblicher Versuch, Hzg Albrecht von Preußen für die kath. Kirche zurückzugewinnen, 1558 nach Rom zur Vorbereitung des Konzils berufen, 1560 zu Ks Ferdinand entsandt, 1561 zum Konzilslegaten von Pius IV. ernannt. Führte die Gegenreformation in seiner Diözese durch, zuletzt aber wegen wachsender Widerstände wieder in Rom. HOYA v., Johann Gf v. (1529-1574): Gatz B 1448, 320-321 (Schröer): Fürstbischof von Osnabrück (1554), Münster (1567), Paderborn (1568); Neffe von Kg Gustav I. Vasa; Studium der Rechte und Sprachen in Paris und Italien, 1552 Assessor am RKG, 1553 zum Bischof von Osnabrück postuliert, 1555 bis 1558 als Kammerrichter Vorgänger HELDINGS, 1567 und 1568 auch als Bischof von Münster und Paderborn vom Papst bestätigt. Persönlich auf dem Boden des Tridentinum stehend, trat er für den Ausgleich zwischen den Konfessionen ein. ISENBURG v., Johann (1507/1508-1556) Kf und Erzbischof von Trier: Gatz, B 1448, 325-327 (Seibrich): 1532 Kapitular, 1540 für Straßburg beim Wormser Kolloquium, seit 1547 Erzbischof, erhielt nie die Priester- und Bischofweihe. Teilnehmer in Augsburg 1548, unterstützte das Interim und die Klerusreform auf der Provinzialsynode von 1549. JOHANN FRIEDRICH I. (1503-1554): LRZ 371-372 (Decot): Kf von Sachsen, Vetter von Moritz, der von ihm die Kurwürde errang. Haupt der Schmalkaldener. Nach der Niederlage 1547 und Gefangennahme bis 1552 versuchte er auf die Empörer, auch seine Söhne, in der Fürstenerhebung mäßigend einzuwirken. Er hoffte vergebens auf die Restitution der Kurwürde.
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JOHANNES Charlier Gerson (1363-1429): ³LThK 5 (1996) 909-910 (Bauer): Student am Collège de Navarre, Theologe, Kanzler der Univ. Paris, Dekan in Brügge, Literar. Kampf gegen Papstschisma, Konziliarist, Teilnahme in Konstanz, nach Konzilsende wegen seiner Haltung gegen den Tyrannenmord vom französ. Hof verfolgt, im Exil in Rattenberg und Melk, zuletzt in Lyon, Vertreter einer mystischen Frömmigkeitstheologie. JONAS, Jacob (um 1500-1558): NDB 10 (1974) 593 (Burmeister): Aus einfachen bäuerl. Verhältnissen, studiert in Leipzig und Wittenberg Altphilologie, Prof. für Hebr. u. Griech. in Tübingen, dort absolviert er auch ein Jusstudium, als promov. Jurist 1533 Kanzler des Bfs v. Konstanz, 1538 Assessor am RKG, 1542 Kanzler in Mainz, 1547 Reichsvizekanzler, lehrte an der Wiener Universität, fördert Jesuiten, war am Zustandekommen des Religionsfriedens 1555 maßgeblich beteiligt. LÖWENSTEIN v.,Friedrich, Gf (1528-1569): RK-RKG-VisitA 379a (Resignationsbrief v. 22. 3. 1569 an Maximilian II.): Langjähriger erster Assessor und Nachfolger HELDINGS als Kammerrichter des Reichskammergerichts von 1561-1569. LUTHER, Martin (1483-1546): ³LThK 6 (1997) 1129-1140 (Pesch): Der Reformator Deutschlands, Dr. theol. und Prof. in Wittenberg. 1521 exkommuniziert, jedoch unter dem persönlichen Schutz des sächsischen Herzogs Friedrich des Weisen und danach der protestantischen Fürsten, stellte sich gegen alle Reunionsbemühungen und brach endgültig mit Kirche und Papsttum. Als Einzelner begründete er das theologische Fundament des neuen Glaubens, dessen Auseinanderfallen in Konfessionen noch zu seinen Lebzeiten er nicht verhindern konnte. MAHLER, Jodocus (Priesterweihe 1522, gest. 1559): Cottin, Merseburger Weihematrikel 50-51: 1550 von HELDING zum Sekretär bestellt, später Merseburgischer Domherr. MAJOR, Georg (1502-1574): ³LThK 6 (1997) 1216 (Mager): reformat. Theologe, Mit-Hg der Luther-Schriften, 1546 Teilnahme am Regensburger Kolloquium, unterstützte das Leipziger Interim. MALVENDA, Pedro de, (um 1505-nach 1561): LRZ 488 (Gonzalez-Novalin): ksl Beichtvater, Teilnehmer am Kolloquium Regensburg 1546. Mitverfasser des Interim. MELANCHTHON, Philipp (1497-1560): ³LThK 7 (1998) 75-77 (Wiedenhofer): Humanist und Reformator, festigte die lutherische Lehre in mehreren Schritten in den Loci theologici ab 1521, als Luthers Vertreter auf dem Reichstag in Augsburg mit der Confessio Augustana von 1530. Nach Luthers Tod 1546 als führender prot. Vertreter von einigen Lutherschülern wegen Verlassens der reinen Lehre angegriffen, verteidigte er die Einheit unter den Protestanten beim Kolloquium in Worms 1557 gegen HELDING und die
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kath. Vertreter, obwohl der Riss unter den Epigonen Luthers schon deutlich sichtbar wurde. MENSING, Johann (ca 1475-1547): KLK 3, 48-64 (Pfnür), Weihbischof in Halberstadt, Teilnehmer am Kolloquium Worms 1540/41. MORITZ von Sachsen (1521-1553): ³LThK 7 (1998) 477 (Smolinsky): Herzog, Kf 1548; als Ergebnis einer kaiserfreundlichen, gegen seinen Vetter Johann Friedrich gerichteten Politik. Er umging mit Hilfe von Melanchthon das Interim durch innerliche Aushöhlung. Infolge der langen, für ihn kränkenden Haft seines Schwiegervaters Philipp v. Hessen und aus persönlichem Ehrgeiz trat er in das Lager der Widersacher Karls V. und setzte sich 1552 an die Spitze der Fürstenerhebung gegen Karl V., an deren Beendigung er aber ebenfalls maßgeblich mitwirkte. Er fiel im Zuge der Vollstreckung der Reichsacht gegen den ehemals verbündeten Albrecht Alkibiades 1553 bei einem Gefecht. MORONE, Giovanni, Kard (1509-1580): ³LThK 7 (1998) 479-480 (Ganzer): Nuntius in Deutschlands, Teilnehmer an den Religionsgesprächen in Hagenau und Worms 1540/1541; 1555 in Augsburg, kathol. Reformer im Kreis von Contarini und Pole; 1557-1559 unter Paul IV. wegen seiner zur Häresie erklärten Zustimmung zum Regensburger Buch in der Engelsburg in Haft, von Pius IV. rehabilitiert, Präsident in Trient III, 1570 Kardinaldekan. NAUSEA, Friedrich (1491/96-1552): ³LThK 7 (1998) 705-706 (Immenkötter); KLK 45 (1985) 92-103 (Bäumer); Gatz B 1448 494-496 (Weissensteiner): Dr. iur. et theol., Domprediger Mainz, Hofprediger und Rat Ferdinands, Koadjutor von Bf Johann Fabri und 1541 dessen Nachfolger als Bischof von Wien, auf dem Konzil in Trient 1552 verstorben. NECROSIUS (Todt), Konrad OP (gest. 1553): Paulus, Die deutschen Dominikaner im Kampf gegen Luther, 214-215: Um 1500 Eintritt in das Dominikanerkloster Frankfurt, Prediger in Heidelberg, 1537 Nachfolger Johann Dietenbergers an derMainzer Universität, 1540 beim Wormser Kolloquium, 1543 Doktorvater HELDINGS, 1545 mit diesem in Trient. OBERNBURGER, Johann (um 1500-1552): Studium der Theologie, ab 1522 Schreiber in der ksl Kanzlei, 1524 Registrator, 1531 bis 1544 Inhaber einer Domvikarstelle in Mainz, 1532 ksl Sekretär, 1537 erster Sekretär der Reichskanzlei für die deutsche Expedition, ksl Rat. Vom Domkapitel Mainz als Prokurator am ksl Hof bestimmt (als Begründung für seine statutenwidrige Präsenzverletzung), 1544 trotz fortgesetzter Absenz auf eine dem Kaiser vorbehaltene Domvikariatsstelle providiert: (Hermann, Protokolle passim; E. Erfuth – H. Janson [Bearb]: www.hvv-obernburg.de am 20. 11. 2009). ORTIZ de Villegas, Diogo (1457-1519): ³LThK 7 (1998) 1198 (Bellinger): Bischof von Ceuta, Verfasser des ersten Katechismus im europäischen Raum. OSIANDER, Andreas (1496/98-1552): ³LThK 7 (1998) 1162-1163 (Seebass): Priester, Hebräischlehrer im Augustinerkloster Nürnberg, dort mit der Reformation vertraut, Prediger an St. Lorenz und Motor der neuen Bewegung. Er
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zog wegen des Interim nach Königsberg. Dort entwickelte er eine von Luther abweichende Theologie (osiandrischer Streit). PELARGUS (Storch), Ambrosius OP (*1493/94-1561): ³LThK 8 (1999) 12 (Smolinsky); KLK4 (1987) 75-96 (ders.): Prof. in Trier, Kontakte zu Erasmus, Teilnehmer an den Religionsgesprächen Hagenau und Worms 1540/41, Konzilstheologe in Trient 1546/47 und 1551/52. PHILIPP I. der Großmütige (*1504-1567): ³LThK 8 (1999) 233-235 (Rudersdorf): Lgf zu Hessen, frühzeitig aktiver Vertreter der neuen Religion. Mitbegründer des Schmalkadischen Bundes und Kriegsfürst 1546. Schwiegervater von Moritz von Sachsen, seine lange Inhaftierung war mitauslösend für die protestantische Fürstenerhebung 1552. PFLUG v., Julius (*1499-1564): Gatz B 1448, 528-531 (Brodkorb); ³LThK 8 (1999) 196-197 (Pfnür); KLK 64 (2004) 13-32 (Smolinsky): Bischof von Naumburg, Humanist und Kirchenreformer, Vertreter der Kircheneinheit, Domherr in Meißen (1514), Zeitz (1522), Merseburg (1528), Naumburg (1532), Domdekan Meißen (1537), 1539 übersiedelte er nach Mainz, wo er seit 1530 ebenfalls ein Kanonikat besaß; 1541 wurde er vom Domkapitel Naumburg zum Bischof gewählt, musste jedoch dem von Kf Johann Friedrich eingesetzten Nikolaus Amsdorff weichen und sich nach Mainz zurückziehen, 1547 wurde er im Schmalkaldischen Krieg von Moritz von Sachsen wieder installiert. Teilnehmer an den Reichsreligionsgesprächen seit 1530, mit HELDING gemeinsame Arbeit am Interim, Präsident beim Kolloquium Worms 1557. Mit seinem Tod kam das reichsfürstl. Stift Naumburg unter bleibenden kursächsisch-protestantischen Einfluss. PIGGE (PIGHIUS), Albert (um 1490-1542): ³LThK 8 (1999) 294-295 (Smolinsky); 4RGG 6 (2003) 1354 (Zschoch); KLK 1, 98-106 (Bäumer): altgläubiger Kontroverstheologe, Teilnehmer an den Religionsgesprächen in Worms und Regensburg 1540/1541, vertrat die Unfehlbarkeit des Papstes in der Lehrverkündigung. SCHNEPF, Erhard (1495-1558): 4RGG 7 (2004) 943 (Ehmer): Prof. in Marburg und Tübingen, Begleiter Philipps von Hessen auf Reichstagen Speyer 1529, Augsburg 1530; Reformator in Württemberg, nach Entlassung wegen des Interim in Jena, unter dem Einfluss von Flacius zu den Gnesiolutheranern tendierend, im Streit mit Melanchthon vom Kolloquium Worms 1557 demonstrativ abgetreten. SCHOEPPER, Jacobus (1512/1516-1554): KLK 64 (2004) 132-147 (Olschewsky): Priester, Prediger und Dichter, Verfasser eines Catechismus brevis et catholicus und des Predigtkatechismus Institutio christiana (1555). SCHWENDI v., Lazarus (1522-1584): 4RGG 7 (2004) 1074 (Klueting): humanistische Ausbildung und Studien der Artes und Rechte in Basel und Straßburg, 1546 im Dienst des Kaisers als Diplomat und Heerführer im Schmalkaldischen Krieg. Im Dezember 1550, während der Belagerung Magdeburgs,
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als ksl Vertreter zur Amtseinführung HELDINGS delegiert. Nach Dienst für König Philipp II. in den Niederlanden, wo er sich um religiösen Ausgleich bemühte, ab 1564 als ksl Feldhauptmann im Türkenkrieg. Nach 1568 Eintreten für eine Stärkung der ksl Macht auf Reichsebene, aber ebenso für Frieden und religiöse Toleranz. SELD, Georg Sigismund (1516-1565): BWDG 3, 2620-2621 (Riedenauer – Hofman); DBE 9 (1998) 277: Dr. d. Rechte (Bologna), 1546 bayerischer Gesandter am ksl Hof, 1547 Reichshofrat, 1551 ksl Vizekanzler, 1552 maßgeblich an den Passauer Verhandlungen beteiligt, 1557 mit Pflug Vorsitzender beim Wormser Kolloquium, nach Auflösung des Hofrates Karls V. wieder kurzzeitig in bayer. Diensten, 1559 von Kaiser Ferdinand zurückgeholt und als Vizekanzler an der Spitze der Reichshofkanzlei. Empfahl HELDING für das Kammerrichteramt. Er verfasste wichtige Denkschriften zur Reichs- und Kirchenreform. SIGMUND von Luxemburg (1368-1437): ³LThK 9 (2000) 578-580 (Müller); 4RGG 7 (2004) 1309-1310 (Baum): Kg von Ungarn, röm.- dt. Kaiser seit 1417, Beförderer einer Lösung der Kirchenspaltung in Konstanz 1414/1418; Reichsreformer, Abschluss der Kompaktaten mit den Hussiten, 1433 von Eugen III. zum Kaiser gekrönt, 1436 auch in Böhmen anerkannt, Schwiegervater des Nachfolgers Kg Albrecht II. von Habsburg. STAPHYLUS, Friedrich (1512-1564): ³LThK 9 (2000) 931-932 (Wermter): Student in Krakau, befreundet mit Jodocus Hoetfelder, Studium der Theologie in Padua, Mag. art. in Wittenberg, Vertrauter Melanchthons, Lehrer für alte Sprachen, Prof. der Theologie in Königsberg, Rat des Hzgs von Preußen, Streit mit Osiander. Ende 1552 zum Katholizismus konvertiert, 1554 Rat König Ferdinands, 1557 als Kontroversist zum Kollokutor in Worms bestellt. Verfasser von Gutachten. SURIUS, Laurentius OCart (1523-1578): ³LThK 9 (2000) 1140-1141 (Trippen): Humanist, befreundet mit Canisius, 1540 Kartäuser in Köln, Priester, Übersetzer, Historiker, in seinen Schriften um kirchliche Reform bemüht, lat. Ü der Messpredigten HELDINGS. TETLEBEN v., Valentin (1488/1489-1551): Gatz B 1448, 690-692 (Aschoff): Domkapitular in Hildesheim und Mainz, Agent in Rom, 1532 Generalvikar in Mainz, 1538 Bischof von Hildesheim, in Rom geweiht. 1539 Abhaltung einer Synode zur Klerusreform in Hildesheim, bei einem seiner seltenen Aufenthalte dort von den den Neuerungen anhängenden Stadtbürgern vertrieben, Rückkehr nach Mainz. Mitwirkung an Mainzer Reformstatuten. 1543 verfrüht in Trient, infolge der unabsehbaren Verzögerungen zurückgekehrt, nahm er an der Konzilseröffnung 1545 nicht mehr teil. Scharfer Gegner des Protestantismus, der seinem Metropoliten Erzbischof Albrecht Untätigkeit in der Umsetzung der notwendigen Reformen vorwarf.
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VITORIA, Francisco de OP (1483-1546): ³LThK 10 (2001) 830-831 (Dominguez): Prof. Salamanca, bezog völkerrechtliche und ethische Problemstellungen in die Theologie ein, Kritiker der spanischen Eroberungspolitik. WALDBURG v., Truchsess Otto, Kard (1514-1573): Gatz B 1448: 707-710 (Rummel): Kanoniker in Augsburg und Speyer, Studium Bologna, Pavia, 1537 in päpstl. Dienst, Teilnehmer an den Kolloquien 1540/1541, 1543 zum Bf von Augsburg geweiht, gründet Universität Dillingen, diplom. Aufgaben für den Kaiser, um Reformen bemüht, 1544 von Paul III. zum Kard. erhoben, 1544 Mitglied der päpstl. Reformkommission. Nach der polit. Lageveränderung im Reich 1552 lebt er zurückgezogen in Rom, Vorkämpfer der katholischen Belange auf den Reichstagen 1555 und 1556. WERTWEIN, Christoph (1512-1553): Gatz B 1448, 748-749 (Weissensteiner): Hofprediger, Rat und Beichtvater Kg Ferdinands, als Delegierter bei der Salzburger Provinzialsynode 1549 energischer Vertreter der kgl Kirchenpolitik, ernannter Bischof von Wiener Neustadt (1550-1552). 1552 vom Kg als Nachfolger Friedrich Nauseas für Wien postuliert, verunglückte er noch vor der päpstlichen Konfirmation durch einen Sturz vom Pferd. WERTWEIN, Matthias (gest. 1580): Tomek, Geschichte der Stadt Wien (Wien 1914) 5, 209, 214: gebürtig aus Pforzheim, Bruder des Wiener postul. Bischofs Christoph, Studium Heidelberg 1538, Freiburg 1541 (Dr. theol.), Kanoniker in Augsburg 1552, von König Ferdinand 1556 dem Domkapitel in Wien als Propst präsentiert, 1556 Temporalienverwalter des Wiener Bistums, seit 1558 auch Domherr in Brixen, 1561 bei HELDINGS Ableben der einzige in Wien anwesende höhere Geistliche und Vertreter des Bischofs Anton Brus von Müglitz, 1569 Abgang nach Brixen. WIED z., Hermann Gf; (1477-1552): Gatz B 1448,755-758 (Bosbach): Erzbischof von Köln 1515, bis 1538 kirchentreu, Reformen unter Mitwirkung Johann Groppers auf Provinzialkonzil 1536 beschlossen, unter Einfluss Bucers zunehmend in protestantisches Fahrwasser geraten, sagt er sich 1544 vom Papst los. Vom Kaiser mit Lehensentzug bedroht, 1546 exkommuniziert und vom Landtag 1547 abgesetzt, resignierte er von allen Ämtern. WIGAND, Johannes (1523-1587): LRZ 815-816 (Steimer): luth. Theologe, Prof. in Jena u. Königsberg, Mitarb. der Magdeburger Centurien (Kritiker HELDINGS). WILD, Johann OFM (1495-1554): ³LThK 10, 1167-1168 (Dominguez); KLK 64 (2004) 110-131 (Berger): Barfüßerorden, Domprediger Mainz, Verfasser von Bibelkommentaren und Schriftpredigten mit großer Verbreitung, 1596 indiziert. WILHELM von Honstein (1475-1541): Gatz B 1448, 310-312 (Rapp): Bischof von Straßburg; Großneffe des Mainzer Erzbischofs Berthold von Henneberg, Studium in Erfurt, Padua (Rechte) u. Freiburg, 1506 zum Erzbischof gewählt, Reformen auf Anregung von Geiler von Kaysersberg und gemäß den Regens-
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burger Konstitutionen von 1524 vom eigenen Domkapitel und mit Hilfe der Kurie in Rom abgewehrt, 1521-1531 ksl Rat. WILHELM IV., Hzg von Bayern (1493-1550): ³LThK 10 (2001) 1174 (Ziegler): Bruder von Hzg Ludwig (Mitregent bis 1545) und von Erzbischof Ernst von Salzburg. Bekämpfte erfolgreich den Protestantismus in Bayern. Forderte eine Kirchenreform, befand sich in zeitweiligem Gegensatz zum Kaiser und röm. König. Gegen die Konzessionen des Interim. WITZEL Georg (Vicelius) (1501-1573): ³LThK 10 (2001) 1263-1264 (Henze); KLK 1,125-132 (Bäumer): Priesterweihe, dann Heirat, ev. Pfarrer, Abwendung vom Prot., Prediger, im Dienst von Hzg Georg von Sachsen, nach dessen Tod in Fulda und Mainz. Verfechter einer Wiedervereinigung der Konfessionen. Er verfasste in diesem Sinn Gutachten und Lagebeurteilungen anlässlich von Reichstagen und Religionsgesprächen zwischen 1539 und dem Ende des Konzils von Trient. ZOBEL von Giebelstadt, Melchior (1500-1558): Gatz B 1448, 774-775 (Flachenecker): Fürstbf von Würzburg, Studium in Wittenberg und Leipzig, Kanoniker, 1540 Dekan, 1541 Priester, 1544 Bf; in der Fehde mit Wilhelm von Grumbach 1558 tödlich verwundet.
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Personenregister
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Personenregister (nicht aufgenommen Michael HELDING)
Ach, Gerhard 173 Agricola, Johann 8, 58, 63 Agricola, Philipp 120, 181, 185, 270 D’Ailly (de Alliaco), Pierre 14 Albrecht II. v. Brandenburg Kard Ebf, Kf 12, 22, 24, 30, 34, 35, 40, 41, 42, 197, 199, 202, 206, 419 Albrecht Alkibiades Mgf von Brandenburg-Kulmbach 53, 145, 410, 417 Alexander (Papst) 327, 336 Alexander (mj.) v. Sachsen 179 Alveldt, Augustin 188 Ambrosius Hl. 13, 31, 198, 229, 271, 311, 317, 320, 336, 343, 355 Amsdorff, Nikolaus 74, 418 Anaclet (Papst) 327, 338, 355 Andreae, Johannes 114, 115 Arbogast, Philipp 102, 103 181, 190, 365, 373 Arius 270 August v. Sachsen Kf 4, 71, 72, 73, 89, 90, 103, 106, 107, 132, 148, 149 Augustijn, Cornelis 191, 360, 392 Augustinus Hl. 13, 198, 214, 216, 229, 258, 263, 270, 271, 295, 305, 306, 311, 314, 317, 320, 325, 329, 353, 355, 401 Balsmann, Nathanael 165, 175, 388 Basilius Hl. 224, 229, 270, 318, 355
Beda Venerabilis Hl. 355 Behem, Franz 19, 20, 152, 180, 181, 186, 208, 209 250, 382, 383, 386388, 409, 410 Bellarmin, Roberto Hl. 317, 365, 401, 406 Bernhard v. Clairvaux Hl. 13 Bettendorf v., Dietrich Bf 127, 144 Beutel, Georg 5, 63, 65-67, 69, 71, 72, 392 Billick, Eberhard 8, 9, 31, 33, 46, 50, 58, 61, 68, 75, 377, 395, 410 Bizer, Ernst 27, 49, 50, 401 Böhem, Laurentius 102 Borck, Gebrüder 137 Borromeo, Carl 165, 172, 178 Bose, Moritz 90, 100 Brandenburg v. (siehe Albrecht II.; Albrecht Alkibiades; Joachim; Johann) Brauburger, Andreas 366 Braun, Karl-Heinz 10 Braun, Konrad 12, 31, 33, 124, 392, 405, 411 Braunisch, Reinhard 9, 66, 67, 74, 414 Braunschweig-Wolfenbüttel v., Heinrich 56, 415 Brendel v. Homburg, Daniel Ebf, Kf 24, 150, 151, 411 Brenz, Johann 32, 36, 114, 411 Brömer, Joachim 102 Brodkorb, Clemens 7
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Personenregister
Brück, Anton Ph. 6, 20, 27, 43, 49, 393 Brück, Gregor 64 Brus v. Müglitz, Anton Ebf 173, 174, 394, 420 Bucer, Martin 23, 32, 33, 46-48, 64, 66, 72, 397, 411 Bullinger, Heinrich 252, 411 Bundschuh v., Benno 9, 109, 112, 114- 119, 148, 347-349, 394 Calvin, Jean 32, 119, 411 Camerarius, Johannes 3 Campeggio, Lorenzo Kard 15, 196, 198, 411 Canisius, Petrus 26, 110, 112, 114, 116, 117, 119, 211, 246, 248, 250-252, 258, 259, 264, 347, 349, 359, 365, 394, 400, 404, 411, 413, 419 Cano, Melchior 412 Canobio, Giovanni 165 Capito, Wolfgang 33 Cardauns, Ludwig 35, 62, 199, 205, 206, 211, 394 Carlowitz v., Christoph 64, 94, 376, 412 Carlowitz v., Nikolaus Bf 102, 412 Cassander, Georg 188 Cavriani, Botschafter 173 Cervini, Marcello Kard, Papst 42, 64, 412 Chlichtoveus, Jodocus 246, 412 Chrysostomus, Johannes OSB 246, 386 Chrysostomus Hl. 198, 246, 271, 318, 322, 329, 355, 386 Clemens v. Rom (Papst) 313, 336 Clemens Alexandrinus Clemens VII. (Papst) 14, 28 Cochlaeus, Johann 31, 46, 50, 58, 66, 188, 210, 211, 359, 365, 392, 410, 412
Commendone, Giovanni 165 Congar, Yves 187 Contarini, Gasparo 36, 37, 66, 246, 356, 360, 376, 395, 399, 412, 417 Cornelius (Papst) 337 Cruciger, Caspar 74 Cusanus, Nikolaus 201 Cyprian Hl. 198, 229, 264, 270, 311, 318, 322, 337, 355. Dalberg, Wolfgang 144 Decot, Rolf 9, 24, 29, 44, 52, 59, 183, 206, 207, 209, 394, 405, 415 Delfino, Zaccaria 160, 165, 173, 177, 178, 403 Delphinus, Johannes 114 Dett, Klara 126 Dick, Joachim 93 Didymus Alexandrinus 355 Dietenberger, Johann OP 26, 246, 248, 360, 412, 417 Dietrich Bf siehe Bettendorf Dietrich, Veit 412 Dionysius Areopagita 191, 229, 270, 271, 311, 318, 326, 327, 329, 352, 355, 405, 408 Donatus 270 Draschwitz v., Bernhard 100 Driedo, Johannes 188 Eck, Leonhard 413 Eck Maier v., Johannes 21, 23, 31, 32, 36, 188, 194, 210, 242, 246, 341, 359, 360, 365, 399, 408, 413 Egg v., Magnus 173 Ehrenberg v., Johann 12, 19, 26, 31, 33, 413 Eisengrein, Wilhelm 3, 246, 356, 364, 389 Emser, Hieronymus 188 Erasmus, Desiderius 11, 18, 34, 44, 94, 115, 189-191, 214, 229,
Personenregister
244, 246, 247, 249, 251, 255-259, 263-265, 271, 275, 286, 289, 290, 296, 303, 323, 329, 331, 346, 355, 357, 361, 389, 394, 395, 400, 404, 408, 413, 415, 420 Ernst v. Bayern 126 Erasmus v. Straßburg Bf siehe Schenk Faber, Johann OP 384, 385 Faber, Petrus SJ 5, 26, 232, 411 Fabri, Johann Bf 10, 27, 31, 163, 188, 211, 246, 359, 388, 393, 413, 417 Fannemann, Balthasar 68 Feifel, Erich 6, 16, 163, 165, 178, 190, 191, 208, 248, 251, 256, 265, 322, 361, 395 Ferdinand I. 4, 8, 18, 27-30, 34, 46, 53, 55, 57, 58, 60, 78, 91 94, 96, 103, 106- 114, 119, 120, 121, 126- 131, 136, 137, 138, 143, 146-149, 151, 153-161, 163- 168, 172, 174, 178, 179, 205, 238, 249, 251, 341, 362, 263, 365, 367, 379, 386, 413 Ficino, Marsilio 356 Fischborn, Albrecht 52 Flacius, Matthias 3, 4, 188, 249, 271, 301, 329, 342-346, 351 Forster, Johann 74 Fraustadt Albert 4, 87, 92, 99, 102, 131, 179, 396 Frecht, Martin 32 Friedrich III. Ks 15, 85, 196 Friedrich I. v. d. Pfalz Kf 126 Friedrich II. v. d. Pfalz Kf 55, 414 Froben, Hieronymus 251 Gaill (Gayl), Andreas 145, 146, 390 Gall, Christoph 371 Geiler von Kaysersberg 15, 414, 420
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Gemmingen v., Uriel 309, 414 Georg III. v. Anhalt 74, 86, 88, 90, 100, 102, 396, 414 Georg v. Sachsen 64, 86 Gerson, Jean 14, 15, 116, 190, 258, 414, 416 Gienger, Georg 60, 96, 174 Gienger Johann 144 Granvella de, Antoine Perrenot Bf 35, 414 Granvella de, Nicolas Perrenot 3133, 53, 167, 414 Greiser, Daniel 74 Gregor I. (Papst) 198, 355 Gregor VII. (Papst) 14 Gropper, Johann 5, 9, 31, 33, 36, 46, 50, 51, 58, 59, 60, 66, 67, 75, 197, 199, 264, 341, 360, 362, 365, 376, 388, 390, 393, 396, 402, 411, 414 Groschlag, Balthasar 20 Grumbach v., Wilhelm 144, 145, 421 Guett, Helfreich 173 Hadrian VI. (Papst) 198, 411 Haeisseus, Andreas 102 Han, Johann Jakob 144 Heckel, Martin 105, 125, 397 Helding, Gallus 372 Helding, Han(n)s 371 Helding, Jakob 371 Helding, Sophia 371, 373 Helding, Theodosius 19, 371-373 Heinrich von Sachsen 86 Helmschrott, Michael 18 Hempell, Wolfgang 102 Herborn, Nikolaus 210 Herte, Adolf 5 Heusenstamm v., Sebastian Ebf, Kf 12, 19, 23, 24, 43, 44, 49, 52, 74, 82, 90, 91, 180, 199, 202, 206, 207, 304, 415
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Personenregister
Hieronymus Hl. 229. 251,270, 311, 318, 321,336, 338, 355 Hilarius (Papst) 229, 318, 321, 355 Hoffmeister, Johann 46, 50, 58, 211, 242, 360, 415 Ho(h)nstein v., Wilhelm Bf 420, 421 Hosius, Stanislaus Kard 165, 172, 246, 402, 409, 415 Hoya v., Johann 126, 127, 154, 415 Hueber Matthias 157 Hugo v. St. Victor 355 Hundhausen, Josef 5 Hutten v., Moritz Bf 208
Kawerau, Gustav 3-5, 177, 191, 400 Kekritz, Andreas 102 Kiesewetter, Hieronymus 103 Kirchschlager, Marx 170, 171, 174 Kneuthlingen v., Joachim 100 Köpf, Ulrich 188 Kötter, Franz Josef 245, 246, 400 Komerstadt, Georg 72 Konstantin d. Gr. 289
Irenaeus Hl, 229, 336 Isenburg v., Johann 77, 97, 98, 112, 195, 392 Janssen, Johannes 4, 30, 45, 86, 123, 399 Jedin, Hubert 43,45, 69, 92, 198, 210, 268, 360, 399 Joachim II. v. Brandenburg Kf 57, 62, 70, 137, 410 Johann v. Brandenburg-Küstrin 94, 97, 137, 410 Johann Friedrich v. Sachsen Kf 28, 30, 34, 55-59, 62, 64, 87, 96, 97, 415, 417, 418 Johann Friedrich d. M(ittlere) 118, 152, 153 Jonas, Jacob 12, 96, 113, 167, 416 Judicis, Franz 100
Lamparter v. Gryphenstein, Hieronymus 18, 19 Landenberg v., Albert 18 Laplanche, François 187, 188, 359 Latorff v., Joachim 89 Laubach, Ernst 114, 362 Lauffner, Leopold 173 Linder, Jakob 373 Löwenstein v., Friedrich 87, 126, 127, 129, 135, 159, 160 178, 181, 416 Löwenstein v., Ludwig 171, 178 Lindenau v., Philipp 371, 373 Lindenau v., Sigismund Bf 86 Loos, Cornelius 3, 364, 390 Lortz, Joseph 6, 49, 359, 401 Lotter, Melchior 251, 252 Luther, Martin 5, 13, 14, 28, 32, 34, 37, 48, 86, 187, 193, 194, 198, 205, 210, 211, 216, 217, 245, 249, 252, 256, 261, 265, 269, 304, 310, 311, 314, 326, 347, 348, 361, 365, 392, 404 Lutz, Heinrich 51, 63, 402
Karg, Georg 114, 116, 117, 347, 365 Kauff, Theodor 41, 42 Käuffelin, Balthasar 18, 22 Karl V. 4, 5, 10, 15, 28-31, 34-39, 43-50, 52-55, 58-61, 63, 68, 70, 75, 81, 82, 87-89, 91-94, 97, 100, 101, 114, 126, 158, 167, 172, 173, 362, 363, 392, 393
Madruzzo, Christoph Kard Bf 61 Mahler, Jodocus 90, 100, 416 Major, Georg 46, 76, 416 Malvenda, Pedro 8, 46, 48, 50, 58, 59, 68-71, 75, 376, 377, 416 Manger, Johann 199 Maria, Kgin v. Ungarn , Statthalterin. i. d.
Personenregister
Niederlanden 98 Matthaeus v. Krakau 14 Maximilian I. Ks 15, Marx, Jacob 5, 7 Maximilian II. Kg 110, 143, 179, 402 Mehlhausen, Joachim 7, 8, 73, 319, 402 Melanchthon Philipp 31, 32, 38, 52, 53, 60, 61, 94, 95, 96, 97, 98, 159, 173, 297, 299, 362 Mellinger Christoph 144 Mensinger, Johann 33 Mentzinger, Johann 21, 22 Möbius, Georg 4, 176, 403 Monster, Johann 22 Monte del, Giovanni Ciocchi Kard (Papst Julius III.) 42, 93, 99 Monte de, Johannes 102 Montfort v., Hugo 172 Moritz v. Sachsen Kf 43, 44, 46, 47, 48, 61, 71, 72, 78, 80, 81, 362 Moritz v. Eichstätt Bf 39 Morone, Giovanni Kard 200, 417 Moufang, Christoph 22, 40, 245, 246, 248, 275, 403 Müller, Bartholomäus 175, 373 Müller, Christian Gottfried 63, 65, 66, 408 Mynsinger, Joachim 145, 146, 390 Nagel v. Dienstain, Florenz 371 Nausea, Friedrich Bf 12, 20, 26, 27, 31, 97, 160, 172, 189, 205, 246, 248, 249, 275, 359, 360, 365, 392, 417 Necrosius (Toth), Konrad OP 12, 21, 26, 41, 42, 199, 254, 300, 417 Nestorius 320 Nider, Johannes (Pistorius d. Ä.) 36, 114 Novatianus 270
427
Obernburger, Johann 35, 47, 417 Oberstain v., Georg 371 Oettingen v., Wolf 126 Origenes 229, 270, 318, 336, 355 Ortiz de Villegas, Diogo 4, 245, 417 Osiander Gerhard 32, 417, 419 Padberg, Rudolf 190, 247, 249, 251, 263, 265, 275, 289, 404 Pantaleon, Heinrich 3, 126, 179, 390 Pastor, Ludwig 4, 5, 30, 38, 39, 66, 197, 404 Paul III. (Papst) 30, 55, 60, 81, 87, 90, 93, 197, 221, 404, 412, 420 Paulus, Nikolaus 3, 5, 17-19, 21, 22, 68, 72, 163, 170, 176, 177, 179, 248, 254, 365, 404, 417 Pechtold, Hermann 144 Pelagius 270 Pelargus, Ambrosius (Storch) 31, 33, 418 Pérez de Ayala, Martin 69 Perneck, Christoph Philipp 144 Petrus Lombardus 194, 212 Pfeffinger, Johannes 74 Pfeilschifter, Georg 7-9, 12, 15, 23, 39, 48, 50, 51, 63, 64-67, 69, 70, 72, 150, 151, 200, 226, 232, 377, 404 Pflug v., Julius Bf 5-9, 11, 12, 23, 26, 31, 33-36, 38, 42, 43, 46, 47, 49-51, 58-61, 63-70, 72, 73, 75, 76, 89, 91, 94, 95, 98, 100, 107109, 111, 112, 114-116, 119, 120, 128, 151, 165, 185, 188, 222, 232, 246, 348, 362, 376, 377, 390, 391, 403, 404, 408, 413, 418, 419 Philibert v. Baden 127 Philipp v. Hessen Lgf 28, 30, 55-59, 62, 96-98, 411, 417, 418
428
Personenregister
Philipp II. v. Spanien 114, 130, 419 Pico de la Mirandola 356 Pigge, Albert 188, 418 Piscator, Friedrich 102 Pius IV. (Papst) 147, 172, 178, 346, 414, 415, 417 Pögl, Andreas 173 Pole, Reginald 37, 42, 417 Pollet, Jacques V. 12, 23,26, 31, 33, 34, 42, 47, 50, 51, 60, 64, 68, 87, 88, 90, 100, 102, 107, 159, 165, 179, 180, 404, 413 Pollweiler v., Hans 144 Pollweiler v., Niklas 166 Prange, Wolfgang 131, 145 Preiser, Paul 175, 373 Prierias, Sylvester 194 Rabe, Horst 6-9, 58, 60, 61, 63, 65, 68-70, 377, 404, 405 Rapp, Johann 193, 385, 389, 391 Reiter, Erich 7, 405 Repgen, Konrad 45, 392, 403, 405, 409 Retscher, Quirin 371, 373 Rithovius, Martin 114 Rochefort, Thomas 251 Rungius, Jakob 114 Sabellius 270 Salamanca-Hoyos v., Alexander Bf 96 Salm zu, Antonius 126 Sarau, Wolfgang 173 Saussay du, Andrea 406 Sauter, Hans 102, 103, 175, 371 Schatzgeyer, Kaspar 188, 360 Schaumburg v., Adolph Ebf, Kf 74, 75 Schenk v. Limpurg, Erasmus Bf 77 Schertlin, Anna 19 Schertlin v. Burtenbach, Sebastian 19, 55
Schierstett, Wolff 144 Schneider, Bernd Chr. 7 Schnepf, Erhard 32, 46, 114, 117119, 418 Schober, Thomas 143, 173 Schöder Valentin 102 Schöpper, Jakob 246, 418 Scholl, Bernhard 199 Schradin, Ludwig 18, 19, 169, 173, 175, 176 Schrottenberger, Anton 173 Schwarzburg v., Wilhelm 131 Schwendi v., Lazarus 91, 418 Sedelius, Wolfgang 99 Seiler, Raphael 145, 146, 391 Seld, Georg Sig(is)mund 114, 115, 118, 121, 127-129, 148, 163, 167, 174, 179, 375, 402, 419 Serarius, Nikolaus 3 Sickel v., Theodor 172, 173, 178, 407 Siebert, Rudolf J. 6 Sigismund II. Kg v. Polen 415 Sig(is)mund v. Luxemburg Ks 14, 364 Sittard, Matthias 169, 368, 369, 373 Sixtus (Papst) 327 Smolinsky, Heribert 7, 26, 33, 67, 70, 77, 86, 97, 151, 286, 188, 189, 194, 210, 246, 341, 346, 359, 396, 397, 406-408, 410, 412, 413, 417, 418 Soto de, Domingo 8 Soto de, Pedro 8, 61, 68-71, 246, 377 Specht, Johann Abt 23 Staphylus, Friedrich 112, 114, 159, 172, 178, 419 Stein v., Marquard 12 Storckau v., Johann 100 Stumpf-Eberbach, Johann 20 Surius, Laurentius 73, 391, 419
Personenregister
Telesphorus (Papst) 327 Tertullian 13, 270, 318, 338, 355 Tetleben v., Valentin Bf 20, 25, 26, 44, 50, 51, 69, 196, 199, 200, 201, 228, 419 Thann v. d., Eberhard 152, 153, 157 Thanner, Bernhard 102 Theochist 336 Theophylact 11, 229, 271, 320, 327, 329, 355 Thomas v. Aquin Hl. 194, 213, 308, 316, 354 Tiletanus, Jacob 114 Töpfer, Johann 130, 147, 153, 179 Trautson, Johann 371 Truchsess, Otto Bf siehe Waldburg Tschackert, Paul 4 Tucher, Caspar 371 Tungern v., Heinrich 75
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Waldburg v., Wilhelm 144 Weber, Johann Baptist 173 Welsinger, Christoph 94 Wenstel, Johann 125 Wertwein Christoph Bf 176, 420 Wertwein Matthias 171, 172, 176, 420 Wied v., Hermann Ebf Kf 197, 414, 420 Wigand, Johann 3, 4, 252, 420 Wild, Johann 12, 22, 23, 181, 199, 360, 420 Wilhelm IV. v. Bayern 55, 413, 421 Wilhelm v. Hessen 98 Wissenburg, Jodocus 247 Witzel, Georg 23, 58, 64, 66, 82, 112, 159, 188, 211, 246, 248, 341, 351, 359, 360, 421 Wolf, Amand 143 Wolgast, Eike 7, 13, 76, 409
Ulrich v. Württemberg 30, 126 Valla, Lorenzo 228 Veltwyk, Gerhard 31, 33 Via a, Johannes 95 Vinzenz v. Lerinum 270 Vitoria de, Francisco 359, 365 Vomel, Cyprian 179, 386, 387 Waldburg v., Otto Truchsess Kard 18, 77, 91, 94, 225, 365, 411, 415, 420
Zasius, Johann Ulrich 58, 142, 144, 170, 402 Zimmern v., Werner 126 Zobel v. Giebelstadt, Melchior Bf 145, 421 Zollern v., Carl 142, 168-171, 178 Zonnß, Peter 144 Zott Christoph 173