Metaphysik des Schwebens. Untersuchungen zur Geschichte der Ästhetik [1. ed.] 3788502827


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Metaphysik des Schwebens. Untersuchungen zur Geschichte der Ästhetik [1. ed.]
 3788502827

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Walter Schulz

Metaphysik des Schwebens Untersuchungen zur Geschichte der Ästhetik

Neske

"'

Erste Auflage Alle Rechte vorbehalten. © Verlag Günther Ncske Pfullingen 1985. Schutzumschh1gvon Brigitte Neske. Gesamth erstellung bei Wilhelm Röck, Weinsberg. Printcd in Gcrmany. ISBN J 7885 0 282 7

.1

Inhalt

Vorwort

11

Erster Teil Zur philosophischen Deutun g der Kunst 1m 19. Jahrhundert und in der Gegenwart Zur Gliederung

18

A. Die Vollendung der traditionellen Metaphysik

im Deutschen Idealismus und das Problem der Kunst

20

1.

Kapitel: Hegel: Die Verankerung der Kunst im absoluten Geist

20

2.

Kapitel: Schelling: Kunst als Orga non und Dokument der Philosophie

Jl

B. Kunst unrer dem Aspekt der Aufhebung der traditionellen Metaphysik

J5

r. Kapitel: Der Gegenzug der Kunst zur Erkenntni s der Sinnlosigkeit des Weltgeschehens J5 Vorbemerkung J5· 1. Schopenhauer: Kunst als Entlastung vom Willensdruck 36. 11. Nietzsche: Kunst nls Rechtfertigung des furchtbaren und fragwürdigen Charakters des Daseins 4) 2.

Kapitel: Kunst im l lonzont von Seinsgeschichte und Wirkungsgeschichte

55

Vorbemerkung 55. 1. Heidegger: Kunst als Ins-Werk-Setzen der Wahrheit 56. 11. Gadamer: Die Aurhebung der Subjektivität in Substantialität als Aufgabe der hermeneutischen Ästhetik 63 3. Kapitel: Kunst als dialektisch Anderes zur Entfremdung

71

Vorbemerkung 71. 1. Bloch: Kunsr als Vorschein einer besseren Welt 73. Adorno: Kunst als uneinlösbares Versprechen 80

11.

C. Der Gegenzug zur Metaphysik in der Ästhetik der Gegenwart 93 1.

Kapitel: Möglichke11cneiner auf sich gestellren freien Kunst

93 5

"

I. Kunst unter dem Aspekt der Aufhebung der Gebunden heit ,111 tk·n Gegen· stand und das Subjekt 91. 11. Die Sprathc als Sdilüssclphjnomen 10 1 111 . Bemerkungen 1ur modernen Malerei 10 ,

2.

Kapitel: Die ästhetische Erfah run g

1 09

Vorbc'.11erkung109- 1. Der modifizierte Rückgriff ,1ufK.1111 und die Wende zur Empme 110. 11. Die ästhetische Erfahrun g unter ~pr,1d1an,1ly11sd1cmund semiorischem Aspekt 114 3· Kapitel: Der Verlust der Weltgewißh cit des Selbs tbewußtse ins als Thema der Kunst (Sartr e)

120

Zweiter Teil Zum Problem der Deutungsho rizonte der Kun st von seite n der Philo sop hi e Zur Gliederung 1.

Kapitel: Die doppelte Reflexion als Meth ode der ph1losoph1s,hen Betrachtung

134

1 .35

1. Abschied von der Metaphy sik? 135. 11 . Reflexion als Zusammcnfoss ungder geschichtlichen Gegebenheiten und ab Erhebung zu den Grund~themata 1 J7 111.Vorläufige Charaktenstcrung der Grund1enden1.cn und de, Gru nd5 um · mungen des Wclrverhaltens 1.38. 1v. Weltbindung und Wcltvertrnucn als Indiz der Tradition 141 . v. Die Komplexität der Kunstdeutun g und der Rückzug auf das zweideutige Ich als lndir. der Gegenwart 144

2.

Kapitel: Zur totalphilosophischen Deutung der Kunst heut e

1 47

Vorbemerkung 147. 1. Totalphilosophie und Geschichtlichkeit 147. 11. Zum Verhältnis von Kunst und Kunstformen 149 3· Kapitel: Vom Selbstbewußtsein als Prinzip der Philosophie

1 58

4. Kapitel: Gru ndbeg riffe der klassischen Ästhetik

164

Vorbemerkung 164 . 1. Sich-ein-Bild-machen - Cinb1ldungskr:1f1 Phantam' 165. 11. Ding - ldee - Werk 179

Dritter Teil Wandlungen der Kun st und der Kun stdeutun g im Zeita lte r der klassischen Metaphysik Zur Gliederung 6

1. K:ipitel: Zur Vorgeschichte der Metaphy sik 2.

Kapitel: Die Welt als Ordnung~wsamme nhang

19)

,. Der Bezug von Göucrn und Menschen. Zur Plastik und Dichtung der Griechen 19,. 11.Das Aufheben der substantiellen Sittlichkeit und die Wende zur Idee 200 111.Platos Kritik der Kunst und die Wirkung seiner Ideenlehr e auf die spätere Ästhetik. Plotins kosmische Schau und seine Metaphysik des Schönen 204. 1v. Aristoteles' Lehre von der Dichtung 209 3. Kapitel: Die Vermittlung des Ich zur Welt durch Gott

214

Zum Verhältnis von Gott, Welt und Mensch im frühen Christentum 214 . 11. Die Wende nach innen und das Problem der Kosmologie: Augustin 218. 111.Zur Dialektik von obiektiver Schönheit und subjektiven Voraussetzungen in der Kunst 221. 1v. Zur Darstellung von Negativitiit in der christlichen Kunst 224 1.

4. Kapitel: Die Antinomie von Vernünftigk eit und Personalität in Gott und ihre Folge für den Weltbe zug des Menschen

228

Vorbemerkung 228. 1. Gott als Inbegriff der Vernunft 228. 11.Gott als freier Souverän 231. 111.Der Zusammenhang von Gott und Welt : Zum Problem des Pantheismus 234. IV. Die Vorbereitung des Ptiradigmcnwcchsels zur Neuzeit 111 der Philosophie des C-usaners und Brunos 236. v. Zur Entwicklung der Kunst in der frühen Neu1.eit 239 . v1. Der Wandel der Grundbestimmungen, dnrgestellt an den Strukrurm omenten des Eros (Plato), der Sehnsucht (Cusanus) und der l lero1schen Leidenschaft (Bruno) 246

5. Kapitel: Die Wende zur absoluten Subjektivität und das Problem ih rcr Zweideutigkeit in metap hysischer l linsicht

251

Kants transzendentale ßegriindung der Naturwissenschaft und der Ästhetik 253. 11. Zum Geniebegriff 259. 111 . Zum Problem der Klassik (Hegel, Goethe, Schelling, Schiller) 261. 1v. Romantische Transzcndentalpocsie und ihr Bezug zur Ironie 270 1.

6. Knpitel: Die Enrdeckung der Zweideutigkeit des We lt- und Selbstbezu ges und die Etablierung der haltlo sen Subjektivität 276 Die Wende zur »realen Welt« und die Umorientierung von Religion, Philosophie und Kunst 276. 11. Der Rückgnff auf die renlen foktoren des Geschehens und das Problem einer Reduktion der Kunst (Marx, Darwin, Freud) 278 . 111. Die Subjektivität als Synthese von Gegensätzen (Der späte Schelling) 283. 1v. Die Subjektiv1tätals unverrnmclbarer Widerspruch und die Exisrencialisieru ng der Ästhetik (Kierkegaard) 285 1.

7

Vierter Teil Zur Wechselbestimmung von Philosophie und Kunst Zur Gliederung

294

A. Die Zweideutigkei t der M etaphysik

296

1.

Kapitel: Metaphy sik und »höhere Bedürfnisse «

296

2.

Kapitel: Zur Aufhebung der ont ologischen Metaphy sik in eine Metaphy sik des Schwebens

.301

Metaph ysik und problematisierende Reflexion 301. 11. Ansätze zu einer Philosoph ie des Schwebens bei Fichte, Heidegger und Kierkegaard .306. m. Zum Problem des Einstiegs in die Metaphysik des Schwebens 315 1.

B. Strukturprob leme der gegenwärtigen Kunst Vorbemerkun g 319 1.

Kapitel: Aufhebung der klassis chen Gr undbegriffe de r Kun st in und durch die mod erne Äs th et ik

Vorbemerkung .322. Erinnern 329 2.

I.

.322

Einbildungskraft - Bild 322. 11. Verwesentlichen -

Kapitel: Wand lungen im Bild des Dichter s und der Dichtung

339

Vorbemerkun g JJ9· 1. Der Dichter als Zeuge der metaphy sischen O rdnung der Welt 340. 11. Der Dichter als Erei Schaffender . Das Unbewußte 34.3. m. Die Negativität der gesellschaftlichen Zustände als Gegenstand der Dichtung (Brecht, Camus und Weiss) 344. 1v. Weltzuwendung im Raum der Innerlichkeit 349. v. Wahre Empfindung und Heimkehr des Erzählers (Handke) 350. v1. Ausklamme rung des Selbstbezuges im Neuen Roman 353. v11.Dichter und Schrift steller als Gegenmög lichkeiten (Sartre) J5 4· vm. Gesellschaftsroman und reine Kunst (Flaubert) J55 3. Kapite l: Mög lichkeiten der Dichtun g in der Zeit des Übergangs zur Gegenwart

.358

Vorbemerkung 358. 1. Die Unzulänglichkeit unseres Fühlens und die Verwandlung der Dinge (Rilke) 358. 11. Geist als torm (Senn ) 365. 111. Ironie als gebrochener Weltbezug (Thomas Mann und Umberto Eco) 37t

8

C. Die Vieldeutigkeit total philosophischer Reflexion der Kunst 381 Vorbemerkung: Totalphilosophischc Grundbestimmungen als formale Rahmenbedingungen .381 1.

Kapitel: Die Frage nach der Selbständig keit der Kunst

Vorbemerkung 383. 1. Künstlerische Tätigkeit als Nachahmung und Schöpfung 383. 11. Die Ausgliederu ng der Kunst zur absoluten Sphäre .384. 111. Die Problemarisierung der Kunsrphilosophie liegels und die Frage nach der lndiensrnahmc der Kunst 388 2.

Kapitel: Kunst als Aufhebung und Transformation von Negativität 392

Vorbemerkung 392. J. Zum Zusammenhang von Negativität und Potentialität 393. 11. Das Zweideutigwerden der traditione llen Grundbegriffe der Kunst in der gegenwärtigen Ästhetik 395. ILJ. Die Verselbständigung der Kunstmit tel und das Wesentlichwerden der Form 397. 1v. Verinner lichung des Äuße ren und Veräußerlichung des Inneren 398. v. »Eine Form finden, die das Chaos unterbringt, ist heute die Aufgabe des Künstlers.« Anmerkungen zu ßeckett 399

3. Kapitel: Zum Problem der ästhetischen Wirkung

402

Vorbemerkung 402. 1. Zur Kategorie des Kunstgenusses 403. 11. Form und Sin nüchkeit 407. 111. Form und Geist 41.1. 1v. Distanz und Vergleichgültigung der Negativitfü 413 Zusammenfassung: zur Kunst

Metaphysik des Schwebens und ihr Bezug 415

Vorbemerkung 415. T. Zur Dialektik des Schwebens 416. 11. Zur Bedeutung der Subjektivität in der gegenwärtigen Kunst 418. ui. Kunst und indirekte Vermittlung 420. rv. Zur Differenz von Kunst und Philosophie 423

Fünfter Teil Zur Problematik des Welt- und Selbstbezuges im Roman des späteren 19. Jahrhunderts und der Gegenwart Zur Gliederung 1.

Kapite l: Zur Struktur des Selbstbezuges in der Tradition

430

Identität, Selbstverhältnis und Selbstfindung 430. 11. Entwicklung des Einzelnen unter den Aspekten der Entelechie, der Verinner lichung und der humanistischen Bildung 433 1.

9

2.

Kapitel: Die Wende zur realen Wirklichkeit und die Verflochtenheit der Person in Natur und Geschichte 436

Vorbemerkung 436. 1. Fontanc: Pessimismus, auf Heiterkeit obgerichtct 438. 11. Keller: Der Lauf der Welr und die poetisierende Erinnerung 440. 111. Raabe: Ruhe schnffen im Sturm des Lebens 445. 1v. Stifter: Das sanfte Gesetz und die Liebe zum Kleinen 447 }· Kapitel: Die Vieldeutigkeit der Subjektivität und die Undurchsich tigkeit ihres Weltbe zuges

450

Vorbemerkung 450. 1. Dostojewski: Die zerstörerische Macht des Negativen und die Grenzen der Dichtung 452. 11. Kafka: Das Gefängnis als Gitterkäfig und die Selbstaufzehrung 459. m. Musil: Der Möglichkeitsmensch und der andere Zustand 467 Exkur s: Zur Wandlung der Todesdar stellung im Roman

474

Vorbemerkung 474. 1. Der Tod als Befreiung. Der Gang ins Licht und der Gang in die Dunkelheit: Tolstoi und Turgcnjew 474· 11. Psychologische Betrachtung von Tod und Sterben. Tod als körperlicher Vorgang. Tod als Symbol des Verfalls und der Ichdestruktion 480 4

. Kapitel: Die »Auflösung« der Subjektivität als Gegenstand

der Ästhetik

8 4 3

Joyce· Leben als Sichgehenlassen und Sichwicderfo11• · Vor bemerkung 4 8.3, 1• gen a . u. Beckett: Weitermachen 495· lll. Der Ichroman als Voll•endung 4 9

der Ästhetik 506 Anmerkungen Namenregister

10

511

Vorwort

Die Zeiten, in denen Philosophie sich in der Form von Systemen etablierte, die das Ganze des Seienden als einen Ordnung szusammenhang auslegten und die den differenten Gebieten menschlicher Tätigkeit in diesen hierarchisch gegliederten Gedankenbauten einen Platz zuwiesen, gehören der Vergangenheit an. Eine Philosophie der Kunst als systematisches Teilgebiet'der Realphilosophie erscheint heute genauso anachronistisch wie eine Philosophie der Natur; Kunst und Naturforschung haben sich von der Philosophie abgelöst, sie sind selbständig geworden und weisen den Versuch einer philosophischen Fundierung als überflüssig oder gar als unangemessen zurück. Diese Sachverhalte sind als Fakten anzuerkennen. Die folgenden Analysen streben keine Wiederholung vergangener Positionen an, sondern sehen die gegenwärtige Situat ion als Grund und Boden der Untersuchung an. Sie suchen diese Situation aber ihrer Struk tur nach von ihrer Genesis her verständlich zu machen, insbesondere durch Vergleiche mit der vorausgehenden Tradition. Eine solche Untersuchung verschreibt sich keiner Geschichtsphilosophie; sie bemüht sich nur darum, von der Gegenwart als unserem Standort her die Vergangenheit in ihren Konstellationen zu erfassen, um die uns verbleibenden Möglichkeiten adäquat zu begreif.en. Die philosophische Tradition vollendet sich in Hegels System. In ihm wird die Kunst dem absoluten Geist zugeordnet . Dieser Geist stellt eine übergeschichtliche Dimension dar, in der alle Äußerlichkeit und Zufälligkeit aufgehoben ist, weil alles Seiende vollkommen durchsichtig im Äther der reinen Wissenschaft als einem Vernunftzusammenhang erfaßt wird. Die Kunst ist die unterste Stufe im absoluten Geist. Sie ist der Religion und diese der Philosophie untergeordnet. Hegel vollendet mit dieser Einordnung der Kunst in den absoluten Geist die Tradition, in der Kunst wesentlich metaphysisch fundiert wurde durch den Bezug auf die ideale Wesenswelt, von der her sie ihre Ausrichnmg erhielt: Kunst ist Erscheinung des Ideals, sie umerstellt sich dem Gesetz der Schönheit. Die Geschichte der abendländischen Kunst von diesem ihrem Zusammenhang mit der abendländischen Metaphysik her zu begreifen, ist eine der Aufgaben dieser Arbeit. Sie trägt, indem sie die geistesgeschichtlichen Hintergründe des Kunstschaffens aufdeckt, sicherlich für die konkreten Analysen der einzelnen Kunstwerke nichts Erhebliches in unmittelbarer Weise bei, wohl aber vem1agsie die allgemeinen Horizonte aufzudecken, 1.1

von denen alle Tätigkeit des Menschen auch das Kunstschaffen, umgriffcn ist, und de~en _Wcscntlichkcitsich in den Umbru~hszeiten des geschichrlilhen Geschehens, dos he1~t in Epochcneinschnittcn und Paradigmenwechseln zeigt. Die Herau~stellung dieser Horizonte bedarf leitender Begriffe. Als solche werden die Tendenzen, sich primär an der Welt odcrnm Ich zu orientieren, und die Grundstimmungen des W~ltvertra_uens und der Weltangst angesetzt. Diese Begriffe_sind so ~e11und :ag~, da~ die geschichtlich konkreten Erschcinungen, von denen her sie konz1p1ensind, m sie eingepaßt werden können. Sie sind aber dialektisch miteinander verbunden, und auf Grund dieser Verflechtung konkretisieren sie sich in bestimmten epochalen Konstellationen. In der Tradition vollzieht sich- um an bekannte und fast triviale Tatsachen zu erinnern - ein Wa~del von der Weltorientierung zur Jchoricntierung hin; vom ~spekt der Metaphysik her gesehen: unsere Welt wird in einer höheren Welt als Über- oder Hinterwe lt fundiert, diese höhere Weli aber wird im Verlauf der Entwicklung personifiziert und subjektiviert, das heißt , sie wird auf Gott, den absoluten Geist und das absolute Ich als ihre Träger verankert. Alle diese verschiedenen Konzeptionen gründen in der Tatsache, daß der Mensch nicht ~raglos in die Welt eingefügt ist, sondern durch einen gebrochenen We(~be~ug~~sti111 111t 1st. Er ist in die Notwendigkeit gesetz t, sein Welt- und Selb~tverhalt~is st?nd1g zu sichc~n und neu zu konstituieren, um se111Welrvertra.~e~ zu s_ra~ken.Diese Sicherung hat viele Grade und Ausformungen - eine primäre Moglichkeit 1st es, daß der Mensch sich von der Welt ein Bild mach t und sie sok hermoßcn darzu stellen und fe5 rzustcllen sucht. . ·· dmsses · h"ert . 1 hcmatis1 Wenn der Wandel des Welt- und Selbsrvcrstan . ertw1rd . . und seine g roßen Epocheneinschnitte herausgehoben werden, so geschieht diles emdzigund aliiri . ht t·iche Ana h·1nau _ vom Aspekt der Kunst her, genauer: wenn die gesehic . < yse • arauf •• 5 läuft, daß das Zeitalter der Metaphysik zu Ende ist und _daß damit -~u.chdie Moglichk~it, die Kunst in einer ontologischen Metaphys~ ~u fundieren, ~mfalli~ gewo_rdentst, 50 ergibt sich mit Notwendigkeit die Frage: wie ist heut_eangesichts dieser Snuation di Kunst zu orten oder noch schärfer: ist der Versuch einer Ortung der KunH nicht , _e dem Verfall de; traditionellen Metaphys ik als unmögliches und unsinniges Unternesehit _ men zu kennzeichnen ? Diese Frage kann nur-das ist der die Analysen leitende methodische Gcsichrspu11k im konkreten Ausgang von den Kunstproduktionen her beantwortet werden ~- Reflexion von den umgreifenden Leitideen her muß stän dig modifiziert und re ·d· te werden von .den_Kun~~ h~o~enen her. Hier sind Fragen vi:lfältiger Art ..:u gerade um die E1gen stand1gke1t der modernen Kunst zu begreifen. Wie wird he . d n, Künstler gewertet, wenn er nicht mehr als Nachahmer Gottes oder als Günstl~te er Natu r, das heißt als Genie, mit einer bestimmten Aura umgeben ist? Ist tng der Experimenta tor in einem Laboratori um (Benn), oder berührt er doch noch die r ef r nur , )1. - w·1e ste h t es mit · der Best1mmung · W et1 (Cezanne Kunstwerk, wenn es ni h ie ender h · Fo d M · · d ·eh H armorue von rm un atene, m er s1 unbewuBte und bewuBte r c· ·t me k . r als · d ? Ist es heute noch angebracht ··baug S1·cht barke1·t verb'111den, verstan den wir 1 e1t zur . b h ' u cnaupt di kk Wer ategone zu ge raue en - Werk als ein Vollendetes und in · h R h e verstanden? - Wie ist das gesellschaftliche Verhältnis von K t sdtc u endes . . 1 uns pro uzenten und K unstrez1p1enten auszu egen, wenn Kunst nicht mehr auf e,·ne t d't' II , h d •I . ra 1 1011e metaph s1sc un sozia ausgerichtete Geschmacksbildung zurückoefu··hrt d k yo wer en ann und

s::,t:rt

12

Kunstprodukte ausgefallen und dem Laien nicht mehr verständlich erscheinen? - Vor allem aber: ist es nach dem Untergang der traditionellen Metaphysik nicht angebracht, alle ontologischen Fragen zurückzustellen und nur von der ästhetischen Erfahrung auszugehen, und ist dieser Rückgangauf dje Erfahrung ein Anzeichen für eine allgemein sich vollziehende Subjektivierung der Kunst, in der die Cegenstandsbindung zurücktritt? Diese hier nur angedeuteten Fragen können aber - das ist die andere Seite - einer Antwort nur nahegebracht werden, wenn der total philosophische Aspekt leitend bleibt. Unter einem totalphilosophischen Aspekt verstehen wir einen Ansatz, der davon ausgeht, daß es zu jeder Zeit, also auch heute noch, Menschen gibt, die über sich und ihre Stellung in der Welt nachdenken, und die diese Gedanken von den sie bewußt oder unbewußt leitenden Grundideen her zu strukturieren suchen. Der Begriff Totalphilosophie fungiert, wenn man so will, als formalisierter Surrogatbegriff für den Begriff Metaphysik, das heißt, Totalphilosophie versteht sich als ein hypothetisches Verfahren, das die typische Gestalt der traditionellen Metaphysik, nämlich ihre Verklammerung mit der feststellenden Ontologie, zu vermeiden sucht. Zugleich aber bleibt die totalphilosophische Betrachtung doch auf die Metaphysik bezogen; sie nimmt die Frage auf, ob das Ende der traditionellen Metaphysik das Ende »einer jeden möglichen Metaphysik überhaupt« bedeutet. Sie sucht diesem Problem von der Kunst her nachzugehen, indem sie fragt, ob nicht gerade in der modernen Kunst, wenn man versucht, sie in ihrer Zeitgebundenheit totalphilosophisch zu durchdringen, sich Möglichkeiten zeigen, das Wesen der Metaphysik neu zu bedenken. Die Zeitgemäßheit der Kunst zeigt sich darin, daß sie Negativität und Subjektivität als heute bestimmende Faktoren nicht beiseite schiebt, sondern thematisiert. Negativität: verstanden als Aufhebung des Weltvertrauens zugunsten der Weltungesichertheit-der fast selbstverständlich gewordene Verlust der Metaphysik wirkt sich dahin aus, daß der Ausdruck Weltangst als zu hoch gegriffen erscheint, an seine Stelle tritt heute der Hinweis auf die Ungesicherrheit realen Weltproblemen gegenüber. Der Negativität entspricht eine l lerausstellung der Subjektivität, insofern sie in sich selbsr keinen Halt findet und gerade darum die Tendenz hat, sich wieder an die Welt, die doch auch keine Sicherheit bietet, zu verlieren. Diesen Zustand der Ungesichertheit bezeichnen wir als Zustand des Schwebens. Das Wort Schweben hat hier zunnchst einen negativen Beiklang: Verlust der Festigkeit im Sinn von Fraglosigkcit und Positivität. Schweben zeigt sich im Hin und Her zwischen Welt und lch, die doch beide nicht mehr verläßliche Orientierung bieten. Dieser Zustand des Schwebens ist ein allgemeines Zeichen der Zeit. Im Alltagsleben wird er jedoch verständlicherweise mit Recht zurückgedrängt und verdeckt. Thematisierbar wird er nur in den Regionen, in denen die sich noch immer meldenden »höheren Bedürfnisse« abzudecken sind: Philosophie und Kunst. Gerade die moderne Kunst ist als nicht metaphysisch fundierte in der Lage, die Aspekte der Nichtfestgelegtheit in vielfältiger Hinsicht aufzuzeigen. Sie vermag die ))metaphysische Negativität«, daß nichts mehr dahintersteht, daß keine Hinterwelt mehr bestimmt und trägt, zu verifizieren und aufzuweisen, daß wir es immer nur mit dem Spiel der Signifikanten zu tun haben, weil das Signifikat ständig aufgeschoben istin der Sprache des Spätstrukturalismus geredet. Schließt die Analyse der gegenwärtigen Kunst kritische Vergleiche mit der Tradition in sich ein, dann kommt sie in die Lage zu begreifen, daß die Aufhebung der

lJ

ontologischen Metaphysik der Schönheit die Möglichkeit hcrnufführt , dns Schwebenals legitime »Grundlage« der modernen Kunst zu bedenken. Ons Schweben ist nicht nur negativ zu werten, indem man es an der vergangenen Tradition der Metaphysik mißt. Es ist in sich selbst betrachtet daraufhin zu befragen, ob ihm nicht eine Schlüsselbedeurung zukommt in bezug auf die Frage nach On und Funktton der Kunst Ist nicht Kunst wesenhaft als Schweben eine Mischung von Schein und Sein, Wahrheit und Uige, mit Nietzsche geredet, vor allem aber : eine Mischung von Anschauung und Reflexion- Kunst bleibt als Kunst nn die Anschauung gebunden, aber die heutige.Kunst ist weithin mit Reflexion durchsetzt? Liegt nicht das Geheimnis und die Faszinano_n der Kunst in dieser nicht aufzulösenden Zweideuugkeit des lnemanders und Gegenein_anders dieser Bestimmungen? Und ist es nicht gerade der Vorzug der Kunst, uns diese Zweideutigkeit ad oculos zu demonstrieren , das heilst, dem Menschen sichtbar 2 ~ machen, was es mit seiner gebrochenen Weltstellung ouf sich hat : daß jede Gew(Bhe1t immer wieder fraglich wird, daß sie sich der festlegenden Ausdeutung entzieht? Ist nicht die Kunst der eigentliche Ort einer Metaphysik der Schwebe? Sicher: diese Metaphysik ist Gegenzug zu einer Metaphysik, die aufgrund der Onto logie festen Halt verspricht. Aber entspricht nicht die Metaphy sik des Schwebens, wenn sie lll der Kun5t Gestalt gewinnt, dem eigentlichen Wesen der Metaphysik, das Gegebene aufzuheben und es zu transzendieren , indem man es übersteigend transformiert auf seine verbo_rgenen Wesensmöglichkeiten hin, die eben nicht endgültig zu erfassen sind, und die es vielleicht als endgültige gor nicht gibt? . Die Untersuchungen sind historisch und systematisch ausgerichtet, im Bewußtsein, daß eine reine Systematik ohne Rückgriff auf das geschichtlich Vorliegende eben~ verfehlt ist wie eine Anhäufung von sogenannten Fakten. Alle Teile sind relanv selbständig und in sich geschlossen, sie verweisen aber aufeinander ; Wiederholungen sind nicht zu vermeiden, auch wenn der jeweilig leitende Gesichtspunkt wechse!l. Ober die Gliederung der einzelnen Teile wird an deren Anfang berichtet , jetzt sei n_ur, um das Lneinander von Systematik und Historik zu verdeutlichen , nuf die Konzepnon des Ganzen hingewiesen. . Der erste Teil - »Zur philosophischen Deutung der Kunst im 19. Jahrhundert un_d ~n der Gegenwart« - ist hisrorisch ausgerichtet . Er thematisiert in seinem Haupt~cil in einzelnen Analysen die Ästhetik der großen Philosophen von Hegel bis Adorno,..1n d~r Überzeugung, daß die Gedanken dieser Philosophen iiber die Kunst für das Versran~ms der gegenwärtigen Ästhetik nicht zuletzt in ihrer Zweideutigkeit aufschlußreich sindDieser Teil schließt mit einem Überblick, der die Andersheir der gegenwärtigen Kun5t der Tradition gegenüber herausstellt. Der fünfte Teil - »Zur Problematik des Welt- und Selbstbezuges im Romon des späteren 19. Jahrhunderts und der Gegenwart « - ist ebenfalls historisch orientiert. Er untersucht die Entwicklung des Romans unter dem Gesichtspunkt der Wandlungen~~ Selbstverständnisses, in denen sich eine Wendung zur Negotivitiit und Desrrukuvitat zeigt. Die vorgelegten Interpretationen sollen die ollgemeinen Annlysen von den Texten her verifizieren, insbesondere soll das Scheitern der Selbstgewißheit, das heißt , der Weg von der Idee der entelechialen Selbstentwicklung zur radikolisierten Vorstellung des Selbstverlustes untersucht werden. Der zweite und der vierte Teil sind stärker systematisch ausgerichtet. Im zweiten Teil»Zum Problem der Deutungshori~onte der Kunst vonseiten der Philosophie« - _werden cÜemethodischen Verfahrensweisen als »Reflexion von oben« und ols »Reflexion von 14

unLe1Hcharakterisiert. Die Reflexion von unten sucht die vorgegebenen Phänomene .1.usammenzufassen,und die Reflexion von oben bemüht sich, sie unter den Aspekten der leitenden Grundtendenzen und Grundstimmungen zu strukturieren. Maßgebende Voraussetzung dieser Analyse ist es, das Selbstbewußtsein als zentra le Bestimmung herauszustellen: der ichhafte Mensch ist in der Lage, gen:iuer: er ist genötigt, sein Selbst- und sein Weltverhältnis durch sich selbst zu konstituieren, wobei Selbstverhal ten und Weltverhalten sich gegenseitig bedingen. Der vierte Teil - »Zur Wechselbestimmung von Philosophie und Kunst « - nimmt die Analysen des zweiten Teiles auf und sucht sie von der gegenwärtigen Situation her zu rndikalisieren. Es werden zuerst von der Philosophie her Strukturen einer Metaphysik des Schwebens diskutiert, hier wird insbesondere die Bedeutung des problematisierenden Denkens als eines Gegenzuges gegen das feststellende Denken herausgestellt. Sodann wird auf Strukturveränderungen der modernen Kunst hingewiesen, die von den Kunstprodukten her die Möglichkeit eines Bezuges der Kunst zu einer Metaphys ik der Schwebe anzeigen. Am Abschluß wird noch einmal auf die Vieldeutigkeit der totalphi losophischen Reflexion hingewiesen. Der dritte Teil - »Wandlungen der Kunst und der Kunstdeutung im Zeitalter der klassischen Metaphysik « - sucht die Entwicklung der Ästhetik bis zum Deutschen Idealismus herauszustellen. In dieser Epochewurden die zentralen Begriffe der Ästhetik entwickelt, wie Einbildungskraft und Phantasie, ldealisieren und Verwesentlichen, die Dialektik von Form und Gehalt und der Zusammenhang von Ding, Werk und Idee. Diese Begriffe sind auch heute noch weithin in Geltung, auch wenn sie in der gegenwärtigen Ästhetik enrscheidend modifiziert werden. Der Titel des Gcsnmtwerkes »Metaphysik des Schwebens« ist nicht als Versuch gedacht, die Kunst nach Art der traditionellen Philosophie durch eine festlegende Unterordnung unter eine Definition zu fundieren. Er soll vielmehr auf die Möglichkeit hinzeigen, vom Phänomen des Schwebens her die Chancen einer Kunst zu bedenken, deren hoher Rang sich gerade darin zeigr, daß sie im Sinn der klassischen Metaphysik ortlos geworden ist.'

Erster Teil Zur philosophischen Deutung der Kunst im 19. Jahrhundert und in der Gegenwart

Zur Gliederung Der erste Teil unserer Arbeit gliedert sich in drei Abschnitte. Der Abschnitt A trägt die Überschrift : »Die Vollendung der traditionellen Metaphysik im Deutschen ldealisml\s und das Problem der Kunst«. Im ersten Kapitel wird die Ästhetik Hegels und im zweiten Kapitel die Ästhetik Schellings untersucht . In Hegels und Schellings Systerneti vollendet sich die metaphysische Deutung der Kunst, die in der Tradition bestimmen(! war. Das Wesensmerkmal der Auslegung der Kunst durch Hegel ist darin zu sehen, daß di~ Kunst in ein System eingeordnet wird, das das Ganze des Seins unter dem Anspruch der unbedingten Wahrheit umgreift. Kunst und Religion gehören der Sphäre des absolutet) Geistes an; sie stehen aber als anschauungs- und vorstellungsgebunden unter der Philosophie, in der der absolute Geist sich auf den Begriff bringt. Hegels Ansatz wir(! bereits im Deutschen Idealismus durch Schelling aufgehoben. Schelling spricht in einer bestimmten Epoche seines Denkens der Kunst einen höheren Rang als der auf den Begriff festgelegten Philosophie zu. Der Begriff kann das Absolute immer nur in der Weise des verständigen Denkens, das heißt, eingeschränkt und einseitig erfassen. Die Kunst dagegen umgreift Natur und Geist in unverkürzter Form. Daher isr sie der wahre Repräsentant des Absoluten. lm zweiten Abschnitt B, überschrieben »Kunst unter dem Aspekt der Aufhebung der traditionellen Metaphysik s, herabfä llt > die Kunst das einzig wahre und ewige Organon zugleich und Document der Philosophie«.' Um das entscheidende Kriterium der Verbindung von Philosophie und Kunst noch einma l herauszustellen: ich kann als Philosoph eine letzte Einheit von Natur und Geist postulieren; ich muß es, wenn ich eine einheitliche Seinsdeutung anstrebe. Aber diese Erklärun g bleibt abstrakt : ich möchte daher etwas dahabcn, was mir die Einheit beweist. Und dies ist eben das Kunstwerk. Hier werden bewußt e und unbewußte Tätigkeiten vereinigt. Absicht und Absicht slosigkeit gehen zusamme n zur Harmonie. Im Schaffensprozeß, der absichtsvoll inszeniert wird, wird das Absichtslose als Objektives dazugebracht, so wird das Unbegreifliche, »was ohne Zuthun der Freiheit und gewissermaßen der Freiheit entgegen «, mit dem Begrifflich-Bewußten vereint. Das Kunstschaffen lebt von und in der Aufhebung des Widerspruches. Kunst synt hetisiert Natur und Freiheit, aber in der Weise der Spannun g, zu der es gehört, die Gegensätze nicht zu beseitigen. Unendliches wird endlich und bleibt doch unendlich. Schelling definiert: »Das Unendliche endlich dargestellt ist Schönheir«.J Schönheit ist als durch Kunst hergestellt zugleich das Prinzip für die Beurteilung des Natu rschönen. Natur schönheit ist keine fraglose Vorgegebenheit, nicht sie, sondern die Kunst setzt die Maße. Nicht die Welt als vorhandene wird im Kunstwerk abgebildet, sondern die weltbildende Kraft als solche wird im Kunstwerk versichtbart und manifest. Deswegen ist das Kunstwerk die Aufhebung von Jenseitigkeit und 0ie sseirigkeit. Will man die Bedeutung von Schelling s Phi losophie der Kunst recht erfassen, so ist der Unterschied zu Hegel zu beachten. Religion und Philosophie werden nicht mehr der Kunst übergeordnet. Religion wird in dieser Epoche von Schellings Philosophie relativ kurz behandelt und in moraJische und geschichtliche Zusammenhänge eingeordnet.

Schelling erklärt, daß sich mc,rnlisches ! landein durchsetzt, ist Sache der Vorsehung. Die Vorsehung aber, das heißt der ll n ter dem Begriff Vorsehung geforderte Zusammenhang von innerem Wollen und äußerem Erfolg, ist eben ein Postulat , das die Philosophie zwar ,11~ notwendig herau sstellt , aber nicht beweisen kann. Erst und allein die Kunst zeigt die Möglichkeit ab grundsiitzlich verwirklicht auf, daß Innen und Außen überhaupt zu ~iner Einheit zusammenkommen können. Die Philosophie stellt, wie Schelling darlegt, die Aufgabe, deren Lösung eben nicht si~, sondern die Kunst erbringt. Die Übernrdnung der Kunst über die Philosophie und Religion hat unter anthr opologischem Aspekt hochbedeutsame Folgen. Vom Kunstwerk her ist eine Entlastung und f.rhcbung 7.U gewinnen , die die begrifflich gebundene Philosophie und die dogmatisch festgelegte Religion als solche nicht geben. Zu beachten ist aber: die Erhebung durch Kunst ist und bleibt onrologisch -metaphysisch fundiert. Die Kunst wird dementsprechend in einem philosophischen Gesamte ntwurf geortet, der sid, als geschlossene Konstruktion gibt. Zeichen der Geschlossenh eit ist eben Rückkehr zum vermittelte n Anfang: am Ende isl die Aufgabe gelöst, das heißt, das Absolute ist als der Ursprung von Natur und Geist erwiesen und >>biszur höchsten Vereinigung von Freiheit und Notwendigkeit in der Kunst ,, aufgezeig t und fortgeführt worden. Vondiesem Gesamtansatz her ergeben sich, so führt Schelling aus, bestimmte Folgen riir die kon krete Ausgestaltun g der Philosophie der Kunst. 4 Wenn Kunst Verbildlichung der schöpferischen Kraft, die das Universum gestaltet, ist, dann hat die Philosophie der Kunst die Aufgabe, die Stuf en der Bildung des Ganzen in ihrem Bereich und ihrer Möglichkeit nnch wiederzugeben . Schelling erklärt , daß nur die Philosophie der Kunst, insofern sie »Wissenschaft des All« ist, »uns in Ansehung dieser Wissenschaft auf das Cebicr einer absoluten Wissensch aft der Kunst« erhebe. l Dieser Angleichung von Weltund Kunste pochen entsprechend, gilr es, den allgemeinen Dualismus, der sich im Universum zeigt, auch in der geschichtlichen Entwicklung der Kunst, so im Verhältnis der antiken zu r modernen Kunst, nachzuvollziehen, wobei eben die Einheit herauszustellen, das heißt die jeweilig nicht pri mär betonte Tätigkeit als schon wirksam zu lleklarieren ist. Die griechische Philosophie wird von Schelling wesentlich im Zusammmhang mit der griechischen Mythologie t1ntersucht. Diese ist symbolisch, der Künstler weiß sich noch nicht al~ Künstler, er gesta ltet instinktmäßig. Schelling erklärt, der Ki.instlersei vom Unendlichen her bestimmt, das als Harmoni e immer schon anwest. Schelling will insbesondere zeigen, daß diese Harmonie ein Spannungsverhältnis ist. Ruhe und Stille schließen eine solche Spannun g ein, dies wird deutlich im Urbild der Athene, in dem Erfindung und Zerstörung, Stä rke und Strenge verein igt sind; und entsprechend ist Apollo, tötend und heilend zugleich, der Gott des Lichts. Die Plastik zeigt sich als Vereinigung von Widerspri.ichen, wobei diese im vollendeten Werk - und nur dieses steht ja vor uns - imm er schon ausgetragen erscheinen. Im Drama, insbesondere in der Trngödie, spielt das Bewußtse in und das Bewußtwerden eine wesentliche Rolle. Schelling greift hier au f ein gru ndsätzliches Problem zurück, nämlich die Frage, ob das Unendliche als bewußt gewo rden nicht verendlich t und somit aufgehoben werde. Dieser Cef:1hr begegnet man nur, wenn man das Bewußtwerden nicht vom Menschen her, sondern als ein Selbsterken nen des Unendlichen interpretiert, das heißt, wenn wir selbst uns als die at1s dem O bjektiven ins Subjektive wiederhergestellte Freiheit des Anfangs verstehen. Eben diese Wieder hers tellu ng aber soll im Drama herausgestellt werden. Jedes Drama ist, insofern es diese Aufgabe leistet, mythologisch, auch das moderne

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Drama. Der Faust ist daher »ein wahrhaft myLholugisches Gedicht zu ncnncn(> frei« wird. Und das heißt, daß sie »von sich aus« befreiend wirken kann . Die Befreiung gründet nicht darin, daß Kunst mit einem Absoluten verbindet, sondern Kunst ist der Akt eines entaktualisierenden ästhetischen Gegenzuges zu unserer Welt. Kunst gibt Gegenbilder zu dieser Welt, selbst dort, wo sie das Elend dieser Welt rhemarisien. Schopenhauer und Nietzsche stellen rue Umwandlung der Weltsichr durch die Kunst in das Zentrum und deklarieren von ihr her die Möglichkeit einer erhebenden Entlastung. Ob diese Entlastung sich in der kontemplativen Schau (Schopenhauer) oder im Rausch (Nietzsche) aktualisiert, in beiden Fällen geschieht sie ohne Anhalt an einer irn Absoluten verankerten Oberwelt.

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B. Kunst unter dem Aspekt der Aufhebung der traditionellen Metaphysik

Erstes Kapitel Der Gegenzug der Kunst zur Erkenntnjs der Sinnlosigkeit des Weltgeschehens Vorbe merkung Uen Analysen der Kunst , die Schopenhauer und Nietzsche vorlegen, kommt in der Entwicklung der Kunstdeutung im 19. Jahrh undert eine wesentliche Bedeutung zu. Es hnndelt sich in beiden Fällen um eine Philosophie des Übergangs, die als solche nach vorw~ns zur Gegenwart h in und nach rückwärts zur Tradition hin zu interpretieren ist. Konkret: beide Philosophen geben eine Gesamtdeutung der Welt und der Stellung des Mmschen in ihr - sie sind Totalphilosophen - und beide bestimmen Ort und Funktion der Kunst von dieser Deutung her. Bei beiden Denkern aber steht die Negation der Vcrnunftmetaphysik im Zentru m, und dementsprechend wird auch die Kunst als Ccgenzug zu r rationa len Weltsicht verstanden und begründet. Diese Übergangsposition bringt es mit sich, daß sich das Begründungsproblem der Kunst durch die Philosophie kompliziert und in sich selbst vieldeutig wird. Rein fomial gesehen verbergen sich un ter dem Terminus »Begründung der Kunst« zwei zwar mi1ein:111 der zusammenhänge nde, aber doch in gewisser Weise voneinander zu untersd1eidende Möglichkeiten. Es bnn sich einmal darum handeln, die Kunst unter metnphysischem Cesich tspunkt zu fundieren - dies ist Hegels und Schellings Anliegen. [ s kann sich zweitens darum handeln, zu erkennen, was unter anthropologischem Cesichtspunkt Kunst leistet . Die modernen Ansätze stellen diese zweite Bedeutung, die in der Tradition nicht eigens thematisier t wurde, weil sie mit der metaphysischreligiösen Erhebung zum Absoluten mitgegeben war, ins Zentrum . Sie stehen solchermaßen im Gegensatz zur Totalphilosophie, insofern sie vermeinen, daß Kunst gar nicht vom Außerhalb ihrer selbst begründ et werden kann, und daß Kunst auch garnicht einer grundsärzlichen Fundierung bedarf. Schopenhauers und Nietzsches Ansätze sind metaphysisch bestimmt, aber der anthropologische Aspekt rückt doch bereits entscheidend in den Vordergrund. Wenn die Welt nicht mehr als sinnha fter Prozeß erscheint, dann fällt es nach diesen Denkern der Kunst zu, Möglichkeiten zu finden, mir der negativ gesehenen Welt »zu Rande zu kommen« und sich von ihrem Druck zu entlasten. Diese Möglichkeit der Entlastung b nn doppell gcdcu tct werden. Es kann sich um eine Art Flucht aus der Misere der Welt handeln in Form der Weltdistanz oder um eine allerdings paradoxe Bejahung der sinnlosen Welt im Ganzen. Vorgreifend und schematisierend gesagt: Schopenhauer sieht sich genöt igt, die Kunst in Gegensatz zur Welterfahrung, die vom Willen bestimmt 1st, zu setzen; Nietzsche dagegen will von der Kunst her die Welterfahrung fundieren in

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der Weise eines möglichen Einklanges zwischen beiden. Philosophisch gesehen sind diese Ansätze jeweilig durch eine zweifache Parndoxie bestimmt . Niet7.sche erscheint insofern als der traditionsgebundenere Denker, weil er Kunst und Wirklichkeit - darirt formal der metaphysischen Tradition vergleichbar - zur Deckung bringt ; Schopcnhauer ist demgegeni.iber moderner, weil er Kunst in Gegensatz zur Wirklichkeit setzt und Weltdistanz fordert. Aber zugleich gilt das Umgekehrt e: die von Nietzsche proklamierte Einheit ist als ganze die Umkehrung der Vern unft , Nietzsche ist insofern der eigen dich~ radikale Denker; Schopenhauer wagt diese Umkehrung noch nicht: die Welt Wird negativ gewertet und die Kunst als ein Ausweg aus dem Elend der Welt gesehen: ir\ bezug auf die Distanz zur negativen Welt bleibt Schopenhauers Kunstdeutu ng der christlichen Metaphysik, die die Welt nls gefallene Welt betrachtet , verhaftet.

1. Schopenhauer: Kunst als Entlastun g vorn W illensd ruck Schopenhauer fragt nach dern Ding an sich. Dieser Begriff bezeichnet bei ihm das innerste Wesen alles Seienden, das -ga nz anders als bei Kant - durchaus erfaßbar ist. Als dieses Ding an sich deklariert Schopenhauer den blinden und dranghaften Willen. Dieser Wille ist mir primär zugänglich in der Selbsterfahru ng, genauer: der Erfahrung meiner selbst als Leib. Der apersonale Wille als Drang bestimmt aber nicht nur mich, sondern aJJes Seiende und formt seine Entwicklung aus. In djese Gesamtreihe gehört auch der Mensch hinein, und von ihr her bestimmt sich sein Intellekt : er ist nur der Insti n ktersatz. Die Unersätt lichkeit des Willens zeigt sich sehr deutlich im Zusammen leben der Menschen. Neben den Egoismus, das Urgesetz des Lebens, tritt die Bosheit und die Grausamkeit. Geht es im Egoismus »nur Wunderhorn«, »gonz be~onDie Sterne, die begehrt man nicht, Man freut sich ihrer Pracht.daß die Kunst mehr werth ist als die Wahrheit«.>' Nietzsche bemüht sich, diese grundsätzliche Deutung der Kunst im einzelnen frühere Ansätze aufnehmend - zu fundieren. Zunächst zur biologischen Deutung der Kunst: Kunst und Kunstschaffen muß als Überschuß blühender Leiblichkeitverstanden werden. Kunst ist das Zeichen eines Mehr von Kraft. Die Fülle entlädt sich im Rausch. Rausch und Geschlechtlichkeit hängen zusammen. Von diesen Phänomenen her ist das ,>Vollkomm en-machen und Vollkommen-sehen« der Kunst, »welches dem mit geschlechtlichen Kräften überladenen cerebralen System zu eigen ist«,31 zu deuten. Von diesem Vollkommen-machen her aber ist wiederum der große Stil zu verstehen. Er beruht auf dem Sinn für Logik, Vornehmheit und Schönheit. »Die Vollkommenheit:das ist die außerordentliche Erweiterung seines Machtgefühls, der Reichthum, das nothwendige über schäumen über nlle Ränder .. . «JJ Das üb erschäumen über alle Ränder vermag auch das Häßliche zu bejahen. Auch das

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Häßliche erhöhe das Lebcnsgefiihl und 1stein Sttmulans , es gibt eine Lust am Häßlichen. Nur wenn und insofern das Häßliche Ausdrllck einer Depression ist, das heißt Kraft mindert und ver:mnen läßt, ist es als •Gegensatz zur Leichtfülsigkc1tdes Tanzenden, verderblich. Ebenso wie das Häßliche 1st für den Ki.instler dos Bö~cnicht einfach negat11 abzuwerten . Der Künstler muß vielmehr das Böse als solches zu rechtfertigen versu, chen. »Die Tiefe des tragischen Kiinstlers liegt darin , daß scm aestheuscher lnstinktdi~ ferneren Folgen übersieht, daß er nicht kurzfristig beim Nächsten stehen bleibt, daBCt die Okonomie im Großen bejaht, welche das Furchtbare, Base, Trns wiird(tt erfaßt oder schli eßlich, ob man sich auf die Möglichkeiten seiner selbst hin im p.lanenden Lebensverständnis entwirft: immer ist im Verstehen Sachbezug und Personenbezug vereint, und zwar innerhalb eines jeweiligen Horizonte s, dessen Weite und Enge das Verstehen ebenso bedingt, wie es von ihm bestimmt wird. Verstehen hat immer Grade. Man kann besser oder schlechter verstehen. Verstehen kann zum Beispiel, wo es gewohnheitsmäßig eingespielt ist und schließlich mechanisch leerläu ft, durch wiedererweckten Sachbezug berichtigt werden. Das besagt, Verstehen ist und lebt - und hierset-l t die Herm eneutik an - von der Möglichkeit der Veränderung im Sinn der Korrektur. Zu dieser gehört es aber, daß man die zunächst nicht beachtete n Vorurteile und Vorverständnisse, die die geschichtlich geprägte Lebenswelt bestimmen, ans Licht hebt. Diese Vorverständnisse wirken - das ist dur chaus nicht nur negativ zu bewerten oder zu bedauern - zunächst und zumeist unbewußt. Es ist nicht nur nicht möglich, sondern wäre dem menschlichen Sein auch nicht angemessen, die verborgenen Vorur teile restlos ins Bewußtsein zu heben. Absolute Durchsichtigkeit im Sinne der Bewußtseinsphilosophie kann vielleicht einen Gott kennzeichnen , aber sie widerspri cht der Endlichkeit des geschichtlich lebenden Menschen. Hegels Fehler war es - dies hebt Gadamer immer wieder heraus - das philosophische Ideal im absoluten Geist als einem reinen SichWissen festzumachen und damit die Geschicht e und die Geschichtli chkeit faktisch zu negieren. Gadamer erk lärt: »Geschichtlichsein heißt, nie im Sichw issen aufge hen. Alles Sichwissen erhebt sich aus geschichtlicher Vorgegebenheit, die wir mit Hegel Substanz nenn en, weil sie alles subjektive Meinen und Verhalten trägt und damit auch alle Möglichkeit, eine Überlieferung in ihrer geschichtlichen Andersheit zu verstehen, vorzeichnet und begrenzt. Die Aufgabe der philosophischen Herme neutik läßt sich von hier aus geradezu so charakterisieren: sie habe den Weg der Hegelschen Phänomenologie des Geistes insoweit zurückzugehen, aJs man in aller Subjekt ivität die sie bestimmende Substantialität aufweist «. ' 4 Wenn sich Leben und Geschichte in der Weise einer Mischun g von Helle und Dunkel, Durchsichtigkeit und Undurchsichtigkeit vollziehen, so muß der hermeneu tisch angemessen Verstehende diesen Strukturen Rechnung tragen. Er dar f nicht seinen Horizont absolut setzen. Es ist aber zugleich offensichtlich , daß niemand seine Ausgangslage zu überspringen venn ag. Diese ist vielmehr in aller Ungeklärtheit und Undurchdachrheit als Einsatzpunkt zu nehmen, aber man hat sich zug leich auszusprechen, daß eine

KI" ,s/~ung nur n~öglich 1st im Gespräch mit der Vergangenheit. Unser Selbstverständnis sor ;ippelt b_ edmgt : es beruht nicht nur auf subjektiven Vormeinungen der Gegenwart, :veitgeh~nd auch auf dem, was uns von der Tradition, di~ _unser d.ial~kti~ch 5 1s t ll1aß , her uberkommt. Die Ausem:mde rsetzung mit der Tradit10n-dies 1st eme 1 1, gebend~ Vornussetz ung - steht aber unter dem geschichtlich begründeten Vorurc, e, daßes 111der Verga ngenheit und in der Gegenwart im Grunde um die gleichen oder vcrwa d S h ' 11 ten ac verhalte geht. d Umangemessene und unan gemesse ne Vorurteile untersche iden zu können, muß sich asl Verstehen auf die Dialekti k vo n Frage und Antwort als einer offenen Dialektik ~In assen,_das heißt begreifen, daß der Horizont der Gegenwart in ständiger Bildung /ßn ffen 1st,sof~rn wir alle un sere Vorurtei le ständig erproben müssen. »Der Horizont Gegenwart bildet sich also gar nicht ohne die Vergangenheit. Es gibt so wenig einen •~gcnwart shorizonr für sich, wie es historische Horizonte gibt, die man zu gewinnen hJtle. Vielmehr ist Verstehen immer der VorRnnRder Verschmelwng solcherve rmeint/1cJ (" . 1 . ' < 1 111· sie I se1e11d er Horizonte. «•5 3 G damer bestimmt diese l lor izontverschmelzung als das Wesen der Wirkungsge':hirhte, die ein Sinngcschehcn ist, das durch unabsch ließbare Offenhe it bestimmt ist. Ccsrhichtliches Verstehen ist un endliche Interpretation. Die Sache, um die es geht, ist nieaußerhalb der Horizonte und des sich in diesen bewegenden Verstehens da. Das Ve:s1ehen steht zwar als hermeneutische Kunst unter dem Vorgriff der Vollkommenl~e11, aber es erreicht diese nie. Entsprechend kann nie von einem endgültigen Haben der Sache geredet werden. Dies wäre nur außer halb der Geschichte möglich. Hier zeigt sich die Dialektik. Alle Bestimmungen: Verstehen, Horizont und Sache, verweisen komplementär aufeinander. Sie sind Reflexionsbegriffe im positjven und nega1iven Sinne. Währ end ich in naiver und unreflektie rter Einstellung vermeine, mich nur auf die Sache zu beziehen , reflektiert die hermeneutische Reflexion auch die bedingenden liorizon te. Sie weiß, daß die Sache n icht ohne dje Horizonte, daß aber auch (liese nicht ohn e Sachbezug sind. Deren Thematisier ung bedeutet ein Herauslösen bestimmter Bezüge, insofern diese unter einer spezifischen Frage stehen, die von einer bestimmten Intention geleitet , die Zu sammenhänge reflektierend auseinandernimmt und in eine Antwort verfestigt. Diese Verfestigung ist wiederum aufzuheben zugunsten desVerweisungszusammen hang es, der aller Reflexion voraus ist als die umgreifende Totalität. Unter Reflexionsaspekten formuliert: Auslegung und Verstehen wollen in ihrerhöchsten Möglichkeit das Ganze zur Sprache bringen, aber sie müssen wissen, daß sie sich immer schon oder immer noch in ihm als einem Medium bewegen, das sie nie endgültigvergegenständlichen können. Das Gespräch, das ich als Einzelner anfange, ist durchwalretvon dem Gesamtgespräch , als welches das geschichtliche Geschehen selbst wesi.Ich darf mich nicht als einen fixen Punkt , von dem her Einheit gesetzt wird, betrachten , sondern ich muß mich als durch das Gespräch bewegt erkennen. Das Gesprächist das Geschehen , durch das ich immer schon vermitte lt bin. Es wird durch michnur für mich aktualisiert. Diese Aktualisierung ist notwendig, denn das Gespräch ~csc hich1zumeist in der Weise des Vergessens, die Wirku ngs- und Vermittlungszusammenhänge bleiben unausdrückli ch. Die Dialektik der gegenseitige n Verweisung verstehen heißt, sich in das Geschehen als das mich angehende und einbeziehende Gespräch einordnen und Mitspieler sein . Geschichte , Gespräch und Sprachlichkeit überhaupt sind vertauschbare Größen. Ihr formalesMerkmal ist die rückbezüg lich e Bewegtheit, die sich in der Sprachlichkeitzeigt.

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Die Sprachlichkeit unserer Welterfahrung ist vorgängig gegenüber allem, das als s~i~nd erkannt und angesprochen wird. Das Zirkclargi 1rncnt wird positiv ausgewertet: 111~n kann nicht die sprachliche Welt von oben einsehen wollen. Es gibt keinen Stat\dort außerhalb der sprachlichen Selbsterfahrung, von dem her sie selber zum Gegenstat\dzu werden vermöchte. Die Ansetzung der Sprac_he unter dem Aspekt des Gespräches wci~t auf Hcidegger zurück und zeigt doch zugle1~hden Unterschied an. Heidegger deutet die Sprache alsein Geschehen im Sinne einer »Uber-Metaphysik«. Das Geschehen ist uffen nach der Seite des zuschickenden Seins. Das Sein kom rnt zur Sprache, aber es geht nicht in der Sprache, im Gespräch auf. Das Sein ist das ständig Ankommende, das sich im Ankon1tl)eil zugleich verbirgt. Deswegen muß, wenn anders die Sprache dem Sein gemäß ist, gerade der grundsätzlichen Unsagbarkeit des Seins als dessen Entzug entsprochen werden, und das heißt, das Wort muß zerbrechen. Heidegger sagt: >)Zerbrechen heißt hier: Das verlautende Wort kehrt ins Lautlose zurück, dorthin, von woher es gewährt wird: ln das Geläut der Stille, das als die Sage die Gegenden des Weltgeviertes in ihre Nähe be-wcgr. Dieses Zerbrechen des Wortes ist der eigentliche Schritt zuri.ick auf den Weg de5 Denkens«. '6 Das Sein im Sinne Gadarners ist das geschichtliche Geschehen selbst, dns uns als von der Vergangenheit her überkommende Wirkungsgeschichte immer schon voraus ist. Die Hermeneutik ist nichts anderes als die Reflexion, die gegen das Voraussein, das konkret als Vorverständnis fungiert, angeht, aber ohne endgültigen Erfolg. Gadamer erklärt : »Die Reflexion eines gegebenen Vorverständnisses bringt etwas vor mich, was sonst hinter meinem Rücken geschieht. Etwas - nicht alles. Denn wirkungsgeschichtliches Bewußtsein ist auf eine unaufh ebbare Weise mehr Sei11 ab Bewußtsein «. 17 Die Reflexion weiß sich auf Grund dieser Zweideutigkeit abgesichen. Wieviel sie ihrer ursprünglichen Intention , der Bewußtmachung, gemäß von der Substantialität auch aufzuheben vermag, sie kommt nie zu Ende. Damit ist ihre Arbeit als unendliche garantiert. Das Gespräch, das Ji e Geschichte ist, findet keinen Abschluß. Wie ist nun von diesem Ansatz her das Phänomen der Kunst zu deuten? Vorn method ischen Aspekt her scheint die Verbindung of fonsich tlich. Ku 11stund Kunstwcrke bedürfen der Auslegung, die aber nicht ans Ende kommt , weil dns Kunstwerk nicht in den Begriff aufzuheben ist. Diese Gegenstellung der Kunsr zum Begriff wird von Heidegger 1111d Gadamcr herausgearbeitet. Gleichwohl zeigt sich auch hier zwischen beiden Denkern ein Unterschied. Heideggers Ansatz ist durchaus von der Gesamtbewegung metaphysischer Kunstdeutung her anzugehen, die unter der Vornussetzung steht, daß es ein Letztes und Höchstes gibt, einen Bezugspunkt, der aber nicht durch die Philosophie, das heißt, das begriffliche Denken, sondern nur durch die Kunst zu vermitteln ist, so zwar, daß er in keiner Vermittlung aufgeht. Gadamers Ansatz ist zweideutiger. In Bezug auf ihn erhebt sich nun die doppelte Frage, ob eine metaphysische Ausrichtung der Kunst dieser angemessen sei, und sodann, ob vom Aspekt der Universaütä t der Hermeneutik her letztlich nicht eine Sonderstellung der Ästhetik auszuschließen sei. Gadamer thematisiert in der Tat die Kunst wesentlich unt er hermeneutischen Gesichtspunkten. Es gilt, die spezifisch neuzeitli che Fassung der Ästhetik, insbesondere ihre Fundierung in der Subjektivität, zu negieren. Die der Neuzeit vorausgehende humani stische Tradition ist nach Gadamer noch weithin von der Idee einer allgemeinen Bildung bestimmt . Dies zeigt sich im Begriff des sensus communis, der sich konkret als Urteilskraft und Geschmacksbildung auswirkt, denn richtiges Urtei len beruht auf

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\L1 cmGcscl1 11·g , h . rnack«' uncJd1L'~"r"\·1 _, ~ [ ~ 1 nu 1·dcm b··urgcr 1icJ1cn Gemeinsinn. Kant dagegen a t sie nicht _mehr auf drn LL'mc1ns1nnals Tntsache, er sucht Urtei l und Geschmack st ~Lbre~ .:~_legll~!meren. das lwißt, er lührt sie 1ranszendentalphilosophisch auf die 1 JC·tivitat zuiuck, urn von dieser her ihre .illgemeine Gü lngkea zu begründen. Als 1 -Llsa i~inenspi~I von Verswnd und Ansch,wung ist die Erfassung des Schönen von 1 l11Jroischen Ein5tellungen unabh,ing1g . ½ir 1st überhaupt nicht unmittelbar gegen' 1311~ '.sbezogen· Jh re ligent ii ml 1d1ke1t zeigt s1Ch1111Genie, dessen Begriff der eigentliche ~~hli _issel zu~ W~sen d~r Kun)t rs1. •>DieKunst des Genies besteht darin, das freie Spiel 111 Erkenntniskrnhc m1ttcdbar zu mad1cn. Das leisten die ästhetische n Ideen die es 1 Tfuidct.«'~ Der Geschmack bestimmt scincr~eits das ästhetische Wohlgefallen'. dieses beruht aber auf Reflexwn . Godnmer sng1 daher vom Geschmack: »Er 1st em Vennögen de, Beur1eilung, also ein Rctlexion sgcsc hmack , aber das, worauf er reflektiert, 1st eben ICner Gemü1szu:;rnnd der Belebung der Lrkcnntniskriihe, der sich ebensowohl am ~.lturschönen wie am Kunstschönen ergibt«. '' 1 Der kantische Ansat7 wirkt sich 111 der 1-olgczcit dahin aus, daß die Kunst zur f"rlrbniskun:;t wird, das heds1 in e11wr bc,ondercn Einstellung, dem ästhetischen lll'll'uBtsein, gründet. Das Kunsterleben steht quer zu den alltäglichen Erfahrungen des Lebens.l:.s scheinr , so sagt Gnd,1mer, ,,ge r~1geglaubt, oder >nicht geglaubt Trompetensignal im Fide!io und das Christförmig e des Auferstehungstags « die »gemäße Richtung « anzeigen, aber er merkt an, es sind Bilder, »alle um das her aufgestellr, wos für sich selber spricht, indem es noch schweigt«. ,ij Das zweite Beispiel: das Lied der Seeräuber-Jenny aus der »Dreigroschenoper« von Brecht. Auch dies Lied wird als apokalyptische Befreiung ausgelegt, mit ironischem Unterton. Bloch erklärt : ,,Der himmli sche 8riiutign11, erscheint der Schubertschen Nonne, die hier die Seerä11b er-Jenny ist, als Pirnt, 1111d dns Hoppla ist so apokalyptisch, wie man n11rwill. Und der reitende Bote des Königs, mit dem die Dreigroschenoper als ,Opernparodiertcm,um sich selbst Zentrie rtem und dnher Zweideutigem. Die Dichtung bedeutet den Verlust dieser sp1cgelhaften Abgeschlossen heit des Zeichens und der Botschaft«.'° Diese Destruktion wird radikalisiert. Mit dem lingu1s11schenSubjekt wird auchdas ökonomische Subjekt und schließlich auch d:1s Subjekt des Bewußtseins und sog,1rdas Subjekt des Unbewußtseins aufgegeben. All diese Subjekte sind Simulationsmodcllr, deren Codes und ob1ektive Rationalisierung en auf das Sub1ekt des Wissens verweisen , »dessen Form seit heute, ab sofort von der ungeteilten lebendigen Sprache zerbrochen wird«.' ' Ob Baudrillards Aussagen, die den Tod, die Todesseligkeit und den Opfertod als den gebotenen Ausweg darsrelJen-de r Opfertod 1stdie einzige Chance der Kat:istrophc-,z u bejahen sind, ist mehr als fraglich. Bei Lichte besehen 1st die pos11iveEssenz nichtso absolut neu - man denkt an Nietzsche zurück. Wesentlich aber bleibt die formal~ Argumentation: der Bezugspunkt ist das Syst'L'm,d:is zwar Wandlungen unterlicg('nd die Neuzeit im Ganzen beherrscht bis zur Konzeption eines reinen Code ohne Referenten. Die Destruktion des Systems geht zusammen mit der Destruktion d~ Subjektes, aber diese bereitet sich im System insofern vor, als dessen FunktionJl1tat Negation jeder fixen Gegenständlichkeit ist, und von da nus wird die Frngewach,ob diese Auflösung nicht das »Fundament der Poesie« sei: die Sprache selbst ergreift das Won. Baudrillard erklärt: »Das Gedicht 1steine tödliche Deklinierung des göttlichen Namens. Und für uns, die wir keinen Gott mehr haben, und für die die Sprache zum Gott geworden ist, (der volle und phallische Wert des göttlichen Namen s ist fiir uns in die ganze Breite des Diskurses übergegangen) ist die Poesie der Ort, nn dem wir unsere Ambivalenz gegenüber der Sprache und unsere eigene Macht zur Vernichtung desCode; zum Ausdruck bringen«. zi Diese Intention n11feine systematische A11flös11ngdes Fixen ei11schließ/icl,des Subjektes - eine Intention, in der sich Ästhetik, Linguistik und philosophisch~ Fragestellung vereinen - sucht sich selbst nls Negativität zu »positivieren«. Wir begegnen einem vergleichbaren Sachverhalt bei Derrida, Barthes und Lacan. Mit Lacan geredet: es gibt kein festes dahinterstehendes Signifikat, das als solches begreifbar wäre der Signifikant ist immer das, was als Subjekt für einen anderen Signifikanten sich präsentiert. Sinn gibt es also nur in der Verbindung der Signifikanten. Parndox formuliert: der »Grund« für die Beziehung oder die Unrerscheidung der Zeichen zc1~1 » .. .

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~id, eben nur im Spiel 1,wisrhenden Hestimmungsoperationen; er ist als die leere, in die ,,d, die Bestimm u ngcn einordnen . Sehr erndrücklich hat J. Kristeva diesen Sachverhalt 1brgelegt: ,,Jn diesem anderen Raum, in dem die logischen Gesetze der gesprochenen Spr,1cheerschüt tert werden, wird das Subjekt aufgelöst, und an die Stelle des Zeichens tritt das Zusammenstoßen von sich gegenseitig vernichtenden Signifikanten. Eine Operation verallgememerter Negativität, die weder mit der Negativität, die durch das logische Urteil gcbtlJct wird, etwas zu tun hat, noch mit der Negarivität im Innern des logisLhenUrteils (0-1 ), es ist eine Negativität, die vernichtet (Buddhismus: sunyavada). L111Subjekt der Null- Logik, ein Nicht-Subickt , das ein Denken auf sich nimmt, welches ~rch selbst vernichtet «. H !)er Zusammenhang von Strukturalität, sei sie positiv oder negativ gewertet, und Aufhebung von Subjektivität zugunsten einer reinen Negativität, ob diese nun als NJC hts oder als Tod bezeichnet wird, zeigt deutlich, daß eine einfache Etikettierung dieser Ansiitze durch die ~ormel »Irrationalismus« im Sinne eines Ausschlusses von w1sSl'l1 schafllicher Argumentation völlig verfehlt ist. Die Negation vollzieht sich ja wcHgchcnd 1m Rückgriff ,,uf linguistische und informationstheoretische Argume11 ta1ionsforrnen. Bedeutsam isr jedoch, daß die Deutung der Negativität von Tod und Nichts here,nc mögliche Niihc•zur Metaphysik anzeigt, freLlich-dasmacht die Destruktion der 'iubicktivitäl deutlich - einer Metaphysik, die nicht mehr ontologisch bestimmt ist. Einigeder genannten Denker beziehen sich übrigens bewußt auf Heidegger - wir werden diesen Zusammenhiingen nachzugeh1m haben, wenn wir die Metaphysik des Schwebens erörtern. II. Die Sprac he als Schlüssclphi:in omen Imvorhergehenden wurd e, ausgehend vom Phänomen der Freiheit der Kunst und dem Problem des Irrationalismus, auf die Destru ktionsbewegung des Gegenstandes und der Subjektivität hingewiesen. Um diese Destruktionsbewegung zu kennzeichnen, wurden fronzös1sche Texte angeführt, die Extrempositionen darstellen. Direkte Parallelen zu diesenTexten im deutschen und angelsächsischen Raum sind relativ selten. Sicher gibt es Berührungspunkte und Gemeinsamkeiten zwischen den französischen, angelsächsi~chen und deut~LhenPo:.itioncn. Sie lassen sich schematisierend dadurch charakterisieren,daß die Überzeugung allgemein leitend ist, daß die Sprachedas Schlüsselphänomen der Kun~tdeutung sei. Es ist hier nicht möglich, die Vielfalt der maßgeblichen Ansätze ,u Slhildern. Einige Andeutungen müssen genügen. Die hohe Bedeutung der Linguistik und der Strukcuralitiit wird allgemein anerkannt. Sie wirkt sich njcht nur in den wundsätzlichen Erörterungen, sondern auch in den konkreten Interpretationen der Literaturwissenschaft aus, hier sich überschneidend mit hermeneutischen und sprnchnnnlytischen Ansätzen. Kennzeichnend fi.irdie veränderte Situation der Kunstdeutung 1st d,c mtcnsivc Zusammenarbeit meiner Gruppe, nicht die großen Entwürfe einzelner Denker, wie im :L9. Jahrhundert, sind wesentlich. [in c111Z1ges Beispiel zur Verdeutlichung dieser ATbeitsweisesei angefi.ihrt, der Arbeitskreis » Poetik 1111d Hcrm e11e11 tih. Hier werden jeweilig bestimmte Themenkreise 1n~Zcntru111 gestellt, zum Beispiel: Text und Applikation, Das Komische, Nachahmung und Illusion, Funktionen des Fiktiven, Identität. Diese Themenkreise werden von wr~chiedcncn wi.ssensch.ifdichen Aspekten her angegangen, von philosophischen, 1 01

» ... Man könnte Bataille folgend sagen, daB in der Poesie die Diskontinuität (Diskursi-

vität) des Namens in der radikalen Kontinuität des Gedichtes aufgelöst wird. Ekstasedes Todes. Im Gedicht ist weder Gott - auch nicht in versteckter Form - das Subjektder Aussage, noch ist der Dichter das Subjekt der Aussage. Die Sprache selber ergreiftdas Wort, um sich im Gedicht zu verlieren. « '9 Dieser Ansatz wird in einem zentra len Kapitel, das »Dns Imaginäre der Linguistik. betitelt ist, weiter ausgedeutet. Es wird in Auseinandersetzung mit Jakobson als Defizit der Linguistik angeführt, daß sie am Jdcntitätsprinzip, am Modell »Sender und Empfänger« und an der Relation »Autor und LeserVision, und >Rationalität, wird falsch, weil die Reflexion, und zwar in ihrer begrifflichen, systematischen Form, bereits als Bestandteil des schöpferischen Prozesses zu gelten hat«. 13 Sicher: die Konstruktivit ät der Bilder füh11oft als »Selbstzweck des Machbaren( zu einer »Steigerung des Gebildecharnktersdes Werkes«, die die I Jilfe des Dolmetschers , wie bei Produkten von Psychopathen , braucht. Das Phänomen der Fremdheit ist aber verständlich, besser: legitim; weil hier die unnaturalist ische Funktion des Geistes am Werk ist, gerade darum wird er sich erkennbar: das Malen, sich unterwegs durchaus abwandelnd und seine eigene Gru ndform umspielend , schlägt sich selbst »in wechseln den Spuren im Bilde nieder, es wird sein eigener Gegenstand und empfängt sichals Sichtbarkeit zurück«. 34 Die Bilder - als Zwischendimension gleichsam eine neue, nach außen gelagerteWeltgehen nicht mehr auf direkte Naturformen zurück, allenfalls wäre zu sagen, daß die Einbeziehung der sonderbaren Nati.irlichkeit >> im Abbau, im Welken, Verrosten, Abblättern, Sichverfärben und Verwittern einen unkontrollierten Reiz von Natiirlicltkeit bekommt«.JS Als Ganzes ist das Gebilde aber auf sich ausschließende Zugänge gebaut, seine Identität wechselt. Der Zuschauer frngt sich, ob das überhaupt nochein Gegenstand sei. Dieser Zustand objektiver Unbest immtheit ist gerade wesentlich.Die Bilder haben »das Suspendierte und Schwebende, das unserer eigenen in sich reflektierten Seelenlage zugeordnet ist«.J6 Daß solchermaßen die Vorstellung dessen, was in der Kunst Bild bedeutet, sich verändert, ist, insbesondere wenn sich Mittel, form und Farbe verselbständigen und selbst zu gegenständlichen Motiven werden, ein ebenso anzuerkennender Sachverhalt wie die Tatsache der neuartigen Verbindung von Kunst und Reflexion. »Heute ist Kunst Reflexionskunst, Inspiration und Kalkül sind zusammengewachsene Zwillinge, >Vision> Der Tausch von Bild und Abbild, von Zeichen und Bezeichnetem, die Verkoppelung verschiedener Materien führen auf Picassos Einstellung zurück, daß Malerei nicht nur Sprache, sondern auch Sprachlosigkeit ist. Die Definition, die an die Stelle einer Sache tritt, zählt nur dann, wenn sie sich selbst aufhebt. Zwar muß sie erst einmal hergestellt werden, aber schon in der Herstellung steckt der Zweifel, was ihre Aussagekraft betrifft. Ein Spielzeugauto, das als Affenkopf dient, löst mit diesem Transfer auch seine Defini• tionsmöglichkeiten auf: wenn ein Spielzeugauto ein Affenkopf sein kann, so baut inan am besten weder auf das eine noch auf das andere; man l'Utgut daran, den Definitionen und den Begriffen ebenso zu mißtrauen wie den Gegenständen, die ihr Anlaß sind«.4; Hans Platschek versucht, eine gewisse differenzierende Ortung zu setzen, nicht zeitlich, sondern sachlich bestimmt. Cezannes Schlüsselwort ist Motiv, »gemünzt auf Naturausschnitte, Cezanne will sehen, er beharrt auf der »sens:ition «; die Kubistensind nicht mehr auf den Gegenstand bezogen, sie haben nicht nur »die Gegenstände gemalt, die sie sahen, sondern, laut Appollinaire, das, was sie von ihnen wußten. Die Unschuld Cezannes dem Natu rbild gegenüber stand ihnen aus guten Gründen nicht mehr bei.Jhre Modernität äußerte sich nicht zuletzt in der Einsicht, daß es ohne Vem1ittelungen kein Natu rbild gäbe, und diese, nicht die Natur, das wirkliche Thema scien«. 44 Bildelemente und Bezeichnungsmittel (Material) decken sich nicht mehr. Während Cezanne sich noch an dem Gegenstand und auch Picasso sich noch an Vorlagen hält, und während die Kubisten die Außenseite der Dinge zersplittern und in Bestandteile zerlegen, aber die »logischen Zusammenhänge noch wahren «, kehrt, so Platschek, Klee das Verhältnis um : »In dürren Worten: er bedeckt eine Leinwand mit Farben und forme n, bald einer Improvisation folgend, bald jenen Abwägungen, die er im Jenaer Vortrag beschrieben hat. Die Formen werden aus den Gestaltungsmittel n direkt abgeleitet: erst im Verlauf der Operation stellt sich das Thema ein«. 45 Ob man die Entwicklung in eine so aneinanderreihendc Abfolge aufteilen kann, mag fraglich sein: wesentlich ist es, die Unstimmigkeiten und Widersprü che hcrnuszustellcn und festzuhalten, die die moderne Malerei in sich birgt. 108

Zweites Kapitel Die ästhetische Erfahrung Vorbemerkung Wir haben im vorhergehenden den Bezug von Kunst und Kunstdeutung zu explizieren gesucht, indem wir das Problem des Zusammenhanges diskutierten, in dem sich der Gegenzug zu der Rationalität mit wissenschaftlichem Vorgehenverbindet, insbesondere rmt strukturalistischen Methoden , die unter schiedlich vorgehen, jedoch alle dahin tendieren, das S11bjl'kfzu rl>e ntsprechende Antworten« auf die mir vorgegebene Situntion. Sartre spricht in der Arbeit >1Mailarmes Engagement« von einer Art Einfügung in das Sein, einem Neigungswinkel gegenüber der Welt. »Diese Haltung gegeniiucr dem Sein enthüllt sich in unseren Augen als unsere reine und unaussprechliche Qualität und den Augen der anderen als unser undefinierbarer Stil. Kurz, es ist die apriorische Struktur unserer Affektivität. Diese lebendige und schöpferischeSensibilität dienl allen i111 seren empirisd1en Affektionen als Grundlage: da sie ja unsere Verbindung mit dem gn 11ze11Realen realisiert ... «13 Es gilt nun aber zu beachten, daß Sartre diese Haltung durchaus als zweideutig deklariert. Sart re sagt: »Doch diese existentielle Beziehung hat ihre Pathologie. Es gibt Krankheiten des In-der-Welt-Seins, so wie Merleau-Ponty von >Krankheiten des Cogito< gesprochen hat (das auch ein konkretes und apriorisches Verhältnis des Bewußtseins zu sich selbst ist). Die Mehrdeutigkeit des In-der-Welt-Seins rührt daher, daß sich ein Zufallscxistierender zur Beziehung mit Allem macht. Eines der Glieder der Beziehung ist also im anderen in Gefahr. Und obwohl der Mensch keinerlei Partikularität erfassen will, es sei denn >auf dem Hintergrund eines UniversumsDeckmantel>Alsein vorübergehender und endlicher Modus der blinden Materie muß das menschliche Sein die Hoffnung verlieren , sich von den anderen molekularen Kombinationen zu unterscheiden. Wenn sichdas Universum auf ein Gewirr von Atomen beschränkt, worauf dann die Moral gründen? Worauf die soziale l lierarchle, wenn die Menschheit nur noch eine Spe.des ist? Wornuf die Überlegenheit der Elite, wenn das Höhere sich durch das Niedere erklären lassen muß? ... Der Zorn der Dichter war schrecklich. Die heftigsten ließen plötzlichihren Hoß auf den Menschen erscheinen, jenen Betrüger, der das unermeßliche Unrechtharte, nicht der Sohn Gottes zu sein. « ' 6 Fest steht eben: »Das Universum fiel auseinander:die Natur war nur noch ein unendlicher Tanz von Staubkörnchen ; unter den klebrigen Chemikalien des Lebens spürte der Mensch seine geheime Mineralitöt Mallar11,e schreibt auf die erste Seite seiner »Poesies completes~ das Wort »Nichts«. Sartre kommt zu dem Schluß, daß Mailarme, äußerst reflektiert und ausgezeichnet durch seine charmante und destruktive Ironie, gewuß t härte, daß die Kunst eine gloriose Lüge sei. Aber die Frage, ob dies Durchschauen nicht eme Wandlung hätte bewirkell können , ist sinnlos, denn die Zeitumstände und die eigene Wahl legten den Rahmen fest fi.irdas, was für Mallarme Dichtung war: eine durch Autonomie bestimmte Kunst f iir die Kunst, die sich in einer unendlichen Einsamkeit vollzieht. Die Welt wird Buch, Schreiben ist die Aufhebung der Welt, ihre Zer~törung durch Sprache, die sich selbst 1,ll negieren sucht. Mailarme ist nicht übcrbietbar. Sartr e erklärt: »Die Wissenschaft des Negativen, dieses Nichts, das wie ein Schneeball sich um andere Nichrse bereichert, um seine Artikulationen wieder einzuziehen und sich jenseits der Auslöschung der Ersche1nun· gen als das imaginäre Nichts oder als die lmaginarität des Nichts zu offenbaren, h:it natürlich Stephane Mailarme zur höchsten Vollendung gebracht «.' 7 Es ist nicht möglich, Sartres Analyse der Dichtung, wie er sie in Bezug auf Mnllnrmt' aber auch in bezug auf Fla11bertentwickelt, auf einen einheitlichen Nenner zu bringen. Sie ist und bleibt vieldeutig und zum Teil widersprüchlich. Sicher will Sanre weder Mailarme noch Flauben als negative Figuren anprangern. Das geht schon deswegen nicht an, weil die durch sie gewählte Haltung Möglichkeiten aufweist, die der Situation des Menschen von Grund auf nahe liegen. Diese Dichter sind uns ja nicht fremd. lrri Buch über Ge11cffindet sich die Feststellung, daß Genet ein großer Schriftsteller sei, daß seine Prosa das Gute sei, und daß wir seine Brüder seien ; es wird sogar behauptet, daß auch wir in jedem Moment »mon ströse und elende Tiere « zu werden drohen . Wie viel näher als diese Möglichkeit Uegt es jedoch, Mailarme zuzustimmen, wenn er die Sinnlosigkeit und Vergeblichkeit, das heißt , die reine Negativitiit, als die Wahrheit erkennt. Sartre hat diese These ja in »Das Sem und das Nichts « selbst verkündet : »Wir richten uns umsonst zugrunde; der Mensch ist eine nutzlose Leidenschaft «.'~ Aber die Frage ist ja gar nicht, ob und wie weit unter philosophischem Aspekt Sortrc und Mailarme das gleiche Menschenbild vertreten , sondern es geht darum , ob eine nndere Konzeption der Dichtung, als Mailarme oder Flaubert sie erwählten , überhaup t möglich sei. Um die hier auftauchende n Probleme zu verdeutlichen , greifen wir auf ein Interview zurück, das Sartre im Jahre 1969 gegeben hat . Sartre wird gefragt, warum er über Flaubert geschrieben habe. Sartre nennt verschiedene Gründe. Zunächst erklärt er, daß Flauberr »für mich das genaue Gegenteil meiner eigenen Auffassun g von Literatur (ist): totale Unengagiertheit und die Suche nach einem Formideal, das ganz und gor nicht das meine ist«. 29 Cs zeigt sich hier also, daß Sartre, auch wenn er Mailarme oder Flaubert nicht moralisch verurteilt , ihre Möglichkeit der Dichtun g zu seiner Bestimmung des 128

Schnftstellcrs als rotal gegensätzlich herausstellt. Ein weiterer Grund für das Interesse :in Flaubert liegt im Psychologischen. Flauberrs Figuren sind immer er selbst. Sartre erklart: »Er quält sie, weil sie er selbst sind, und weil er zeigen will, daß die anderen Menschen, daß die ganze Welt ihn quälen. Er quält sie aber auch, weil sie nicht er selbst sind, und da er bösartig und sadistisch ist, will er immer andere quälen. In diesem Kreuzfeuer haben seine unglücklichen Personen wenig Chancen. Gleichzeitigversetzt sich Flauben immer ganz in seine Personen hinein und spricht daher in gewisser Weise immervon sich selbst. So gelingt es ihm in einer einzigartigen Weise, von sich selbstzu sprechen «.3" Schließlich nennt Sartre den entscheidenden Grund. Er erklärt, »daß die Studie über Flaubert eine Fonsetzung meiner frühe ren Arbeit über >Das ImaginäreIn diesem Buch versuchte ich zu zeigen, daß Vorstellungen keine neu erweckten oder vom Verstande bearbeiteten Empfindungen und auch keine vom Wissen veränderten und verminderten früheren Wahrnehmungen sind, sondern etwas ganz anderes: eine abwesende Realität, die sich eben gerade in ihrer Abwesenheit in dem kundtut , was ich ein Analogon genannt habe, das heißt in einem Objekt, das als Analogieträge r dient und von einer Intention durchdrungen wird ... In ,DasJn1aginäret - die< Wg• "n Bhck auf