Meister Eckhart in Melk: Studien zum Redaktor Lienhart Peuger. Mit einer Edition des Traktats >Von der sel wirdichait vnd aigenschafft< [Reprint 2011 ed.] 9783110924367, 9783484360488

The present study deals with the reception of the works of Meister Eckhart during the first half of the 15th century at

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German Pages 613 [616] Year 1999

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Table of contents :
Teil I: Untersuchungen
0. Einleitung: Forschungsstand und Fragestellung
0.1. Zum Stellenwert der Überlieferung von Meister Eckharts deutschen Predigten in Melk
0.2. Der Traktat ›Von der sel wirdichait vnd aigenschafft‹
0.3. Der Schreiber der Melker Eckharthandschriften
0.4. Lienhart Peuger
0.5. Zielsetzung und Vorgehensweise dieser Arbeit
1. Der Schreiber: Zur Person Lienhart Peugers
2. Die Reimpaarreden Lienhart Peugers: Spirituelle Haltung und Arbeitstechnik
3. Die Handschriften: Peugers literarischer und geistlicher Horizont
4. Die Melker Laienbrüder als Adressaten: Peugers Motivation und sein Zielpublikum
4.1. Publikumsorientierte Motivation
4.2. Bestimmungen für Laienbrüder
4.3. Laienbrüderbibliothek
4.4. Melk und andere Klöster der Melker Reform
4.5. Aufgabenteilung und Bildungshorizont der Laienbrüder
4.6. Bearbeitungen für Laien
5. Die Melker Eckhart-Handschriften
5.1. Melk, cod. 183 (603/L23) = Me4
5.2. Melk, cod. 235 (639/L67) = Me5
5.3. Melk, cod. 1389 (72/B37) = Me7
5.4. Melk, cod. 856 (881/Q10) = Me8
5.5. Melk, cod. 1569 (615/L27) = Me3
5.6. Melk, cod. 1865 (586/L5 = Mel) und cod. 705 (371/G33 = Me2)
6. Die Eckharttexte
6.1. Predigten
6.2. Traktate, Sprüche, Quästionen
6.3. Weitere Mystikertexte
7. Lienhart Peugers Sammlung von Eckhart-Predigten
7.1. Anlage der Sammlung
7.2. Vorlagen
7.3. Maister Ekchart von paris
8. Lienhart Peuger als Redaktor
9. Lienhart Peuger als Kompilator eines geistlichen Sendbriefs
10. Zur Kompilation des Traktats ›Von der sel wirdichait vnd aigenschafft‹ und zu den Hintergründen der Eckhart-Überlieferung in Melk
10.1. Zur Kompilation des Traktats
10.2. Hintergründe der Melker Eckhart-Überlieferung
Teil II: Edition des Traktats ›Von der sel wirdichait vnd aigenschafft‹
Zur Textausgabe
Anhang
1. Reimpaarreden Lienhart Peugers
1.1 ›Von chlagen der sunten leben‹
1.2 ›Von der natur hitz‹
2. Spruchsammlung mit Eckhart-Zitaten aus cod. 235
3. Melker Predigt ›lntravit Iesus‹
Abkürzungen
Literaturverzeichnis
Abbildung 1
Abbildung 2
Abbildung 3–15
Register
Handschriftenregister
Ortsregister
Personenregister
Register der nicht eckhartschen Texte
Register der Eckhart zugeschriebenen Werke
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Meister Eckhart in Melk: Studien zum Redaktor Lienhart Peuger. Mit einer Edition des Traktats >Von der sel wirdichait vnd aigenschafft< [Reprint 2011 ed.]
 9783110924367, 9783484360488

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TEXTE UND TEXTGESCHICHTE

Herausgegeben von Klaus Grubmüller, Konrad Kunze und Georg Steer

48

Freimut looser

Meister Eckhart in Melk Studien zum Redaktor Lienhart Peuger Mit einer Edition des Traktats >Von der sei wirdichait vnd aigenschafft
Von der sei wirdichait und aigenschafftVon der sei wirdichait vnd aigenschafft< 0.3. Der Schreiber der Melker Eckharthandschriften 0.4. Lienhart Peuger 0.5. Zielsetzung und Vorgehensweise dieser Arbeit

3 3 6 12 14 23

1. Der Schreiber: Zur Person Lienhart Peugers

25

2. Die Reimpaarreden Lienhart Peugers: Spirituelle Haltung und Arbeitstechnik

33

3. Die Handschriften: Peugers literarischer und geistlicher Horizont 4. Die Melker Laienbrüder als Adressaten: Peugers Motivation und sein Zielpublikum 4. l. Publikumsorientierte Motivation 4.2. Bestimmungen für Laienbrüder 4.3. Laienbrüderbibliothek 4.4. Melk und andere Klöster der Melker Reform 4.5. Aufgabenteilung und Bildungshorizont der Laienbrüder 4.6. Bearbeitungen für Laien

. . . . 43 55 55 57 61 62 63 66

5. Die Melker Eckhart-Handschriften 69 5.1. Melk, cod. 183 (603/L23) = Me4 71 5.2. Melk, cod. 235 (639/L67) = Me5 86 Eine Spruchsammlung mit Eckhart-Exzerpten 87 Eine deutsche Übersetzung des >Exemplars< Anselms von Canterbury 92 5.3. Melk, cod. 1389 (72/B37) = Me7 102 5.4. Melk, cod. 856 (881/Q10) = Me8 120

VIII 5.5. 5.6.

Melk, cod. 1569 (615/L27) = Me3 Melk, cod. 1865 (586/L5 = Mel) und cod. 705 (371/G33 = Me2) . Texte der Nikolaus-von-Dinkelsbühl-Redaktion Weitere Texte Texte Meister Eckharts Der Inhalt des cod. 1865 Der Inhalt des cod. 705

141 172 177 185 186 187 212

6. Die Eckharttexte 6.1. Predigten 6.2. Traktate, Sprüche, Quästionen 6.3. Weitere Mystikertexte

257 257 261 263

7. Lienhart Peugers Sammlung von Eckhart-Predigten 7.1. Anlage der Sammlung 7.2. Vorlagen 7.3. Maister Ekchart von pans

265 265 268 270

8. Lienhart Peuger als Redaktor

273

9. Lienhart Peuger als Kompilator eines geistlichen Sendbriefs

303

10. Zur Kompilation des Traktats >Von der sei wirdichait vnd aigenschafftVon der sei wirdichait vnd aigenschaffi
Von chlagen der sunten leben< >Von der natur hitz
Intravit Iesus
Lehrgedicht< in der Schlierbacher Hs. I 16, f. 79v-82r, weitere Gedichte in cod. 235 und den von Peuger übersetzten Psalter im cod. 808. Vgl. jetzt: F. LÖSER, Peuger, Lienhart, in: 2VL Bd. VII (1989), Sp. 534-537. 50 H. RUPPRICH, Die deutsche Literatur vom späten Mittelalter bis zum Barock, Teil I Das ausgehende Mittelalter, Humanismus und Renaissance. 1370-1520 (DE BOOR/NEWALD, Geschichte d. dt. Lit. IV/1), München 1970, S. 199. RUPPRICH bezeichnet Peuger als Schüler des Teichner (s.o.) und weist auf Peugers Psalmenübersetzung hin (vgl. unten S. 15, 16, 45). 51 J. TWAROCH, Literatur aus Niederösterreich. Von Frau Ava bis Helmut Zenker. Ein Handbuch, St.-PöltenAVien 1984, S. 21. 52 Christliche Hausblätter. Beilage zur >Kremser ZeitungVocabularius ex quo< mit den deutschen Äqui-

Forschungsstand und Fragestellung

17

die »alte Ritterfamilie Peuger oder von Peuge« hinwies, »welche zu Rustbach, Dietmanns, Krug, Reitzenschlag [... in der Nähe Altenburgs also] gehauset hat«, schien (obwohl KEIBLINGER dies nicht behauptete) einiges dafür zu sprechen, daß auch Lienhart Peuger zu dieser Familie gehörte und damit wohl eher in Altenburg als in der Steiermark ins Kloster eingetreten war. So wurde in der Folge aus Peuger ein »Waldviertler Dichter«, »ein Sproße des Geschlechtes der Peuger von Reitzenschlag (bei Litschau)«, der »in schönen gemütlichen deutschen Versen das Leiden Christi besang.«69 1974 wird »Fr. Leonhart Peuger« in einem Beitrag über den Adelssitz von Reitzenschlag als »Sprößling der Peuger (Poiger) aus dem Horner Poigen-Gebiet [...], zuerst Ritter, dann Kloster-Bruder in St. Lambrecht (Altenburg ), dann Melk« bezeichnet.70 Vorsichtiger äußert sich Meta BRÜCK in ihrer Arbeit über das Melker Profeßbuch: Auch sie hebt Lienhart Peugers ritterliche Herkunft hervor, betont aber: »Da die Familie bisher nicht lokal eingeordnet werden konnte, ist auch nicht mit Sicherheit festzustellen, ob Leonhard aus dem Stift Altenburg oder aus St. Lambrecht in der Steiermark nach Melk kam.«71 BRÜCK kann anhand des Necrologium Mariae Cellensis und des Necrologium Mellicense den 13. Dezember als Todestag Peugers bestimmen.72 Erstmals wird Peugers Status im Kloster thematisiert: Bereits aufgrund ihrer >WerkübersichtKremser ZeitungPhysiologus< (S. 255-262) hat HENKEL, S. 96-98 Anm. 132 ausführlich beschrieben.

18

Einleitung

Bildungsniveau erkennen«.74 Sie meint, der Zusatz Conversus in den Melker Profeßlisten75 »könnte sich auch darauf beziehen, daß Leonhard seine Conversio morum vom Beruf des Waffenträgers her vollzogen hat und noch nicht unbedingt auf den status vivendi im Kloster.« Allerdings werde Peuger in den Wahlakten nie erwähnt, was einem Status als Laienbruder entspreche.76 Die Frage nach Peugers status vivendi ist auch insofern von Bedeutung, als C.C. DE BRUIN (ohne Angabe der Quelle, wohl aufgrund einer mißverständlich formulierten knappen Angabe STAMMLERS)77 den deutschen Psalter (cod. 808) des, wie DE BRUIN glaubt, 1430 gestorbenen Leonhard Peuger als Beispiel dafür heranzieht, daß die Bibelübersetzungen nicht von Laien geleistet wurden: »de namen van bijbelvertalers wel aan de dag gekommen zijn, is gebleken dat het gras van deze overzettingen niet door leken, maar door leden van de regulierte clerus is bewerkt.«78 Wenn sich nachweisen ließe, daß der Übersetzer des Melker Psalters ein Laienbruder war, wäre DE BRUINS Beleg zu modifizieren. Die jüngsten in Melk selbst entstandenen Arbeiten, Pater Gottfried GLASSNERS engagierte >Geschichte der Melker Stiftsbibliothek als Wegweiser zu einer Lebensform im Horizont christlicher Werte< und Christine GLASSNERS präziser Überblick über die Geschichte der eigenen Klosterbibliothek im Mittelalter, heben Peugers inzwischen deutlich gewordene herausragende Stellung zu Recht hervor: »Als bedeutendster Schreiber, Redaktor und wohl auch Übersetzer ist der außerordentlich gebildete Konverse Lienhard Peuger anzusehen«.79 Ad 2: Die bislang ausführlichsten, in der späteren Forschung aber übersehenen Angaben zu Peuger und seiner literarischen Produktion stammen bereits aus dem Jahr 1907, J. SEEMÜLLERS literarhistorischem Überblick über die Wiener Dichtung vom Ende des 13. bis ins 16. Jh.80 SEEMÜLLER weist auf eine in Reimpaaren verfaßte Sittenlehre im Codex 14269 (f. 260r-267r) der Wiener Hofbibliothek hin, an deren Schluß sich Bruder Lienhart Pewiger als

74 75

BRÜCK, S. 105.

Cod. 46, f. 159V und cod. 391, f. 86r gleichlautend: Leonardus Peuger ex armigero conversus. 76 BRÜCK, S. 106 Anm. 2. 77 »Um 1430 begegnet noch einmal der Name eines Übersetzers, es ist der Melker Benediktiner Leonhard Peuger, und noch liegt das Manuskript in seinem Kloster.« (STAMMLER, Mittelalterliche Prosa,Sp. 878.). 78 79

80

DE BRUIN, S. 138. C. GLASSNER, Schreiben, S. 302; vgl. G. GLASSNER, Christliches Ethos, S. 308. Ähnlich knapp und zutreffend bewertet Peugers Leistung auch F. P. KNAPP, Die Rolle des Stiftes Melk in der Entwicklung der mittelalterlichen Literatur, in: 900 Jahre Benediktiner in Melk (Jubiläumsausstellung 1989), Stift Melk 1989, S. 422^25, hier S. 425.

SEEMÜLLER, S. 65-67.

Forschungsstand und Fragestellung

19

Verfasser nenne, und kann den Wiener Ursprung der Hs. wahrscheinlich machen. Gleichzeitig macht er auf eine Wiener »Bürgerfamilie« Peuger aufmerksam, die zwischen 1299 und 1380 nachweisbar sei.81 Mit dem S. 64 Fig. I abgebildeten Wappen Lienharts82 werden jedoch Zweifel an seiner Zugehörigkeit zur Wiener Familie der Peuger begründet, denn »die Wiener Peuger auch nur unter siegelberechtigte und wappengenössische Bürgerfamilien zu rechnen, haben wir sonst keinerlei Anhaltspunkte.«83 Auch die mögliche steirische Herkunft Peugers wird von SEEMÜLLER erwogen; aber schließlich wird die Frage nach der engeren Heimat offengelassen. Ausgehend von den im Codex 808 bildlich dargestellten >Arma Christi< wird Peugers Dichtung erstmals inhaltlich vorgestellt und deren Programm der geistlichen Ritterschaft erwähnt. Gleichzeitig weist SEEMÜLLER darauf hin, daß Peugers Gedichtschluß den typischen Schluß der Teichner-Sprüche variiere, und daß Peuger auch »in der Spruchform, [...] ein Nachfolger des Teichners« sei.84 Ad 3: Nicht Peugers eigene Dichtung, sondern seine Tätigkeit als Schreiber fremder Texte interessiert in zwei jüngeren Arbeiten: U. SCHÜLKE beschreibt zwei Hss. Peugers, die eine Prosafassung von >Konrads Büchlein von der geistlichen Gemahelschaft< enthalten.85 Die wenigen Mitteilungen SCHÜLKES zum Schreiber beruhen nur auf KROPFF und KEIBLINGER. Angaben zur Parallelüberlieferung einiger Texte nennen eine Reihe Melker Codices, die SCHÜLKE offenbar nicht eingesehen hat; denn inzwischen ließ sich feststellen, daß 12 der 19 von ihm erwähnten Hss. von Peugers Hand stammen.86 SCHÜLKE bezeichnet den Text des cod. 235 als außerordentlich schwer zu fassende, selbstständige, überlegte und sinnvolle Textredaktion, die er allerdings nicht näher charakterisiert. Der Text des cod. 1730 dagegen sei »textlich am besten von allen Prosatexten«, stamme aus dem niederösterreichischen Sprachraum wie der Archetyp der Prosafassung und stehe diesem am nächsten.87 Zwar konstituiert SCHÜLKE eine >Melker Prosafassung< des >Büchleins< das »vermutlich in Melk zum erbaulichen Klostertraktat umgeschrie-

81

Belege bei SEEMÜLLER, S. 65 Antn. 3. Nach der Melker Hs. 808: »Schild mit schrägem Balken, in dem vier rothe Kugeln, das ganze umgeben von der Legende: Secunda magna spes mea es tu post Jesum, virgo Maria.« (Ebd. S. 66). 83 Ebd., S. 66. 84 Ebd. S. 66f. 85 Melk, codd. 1730 und 235: SCHÜLKE, S. 44-^9. 86 SCHÜLKE nennt in dieser Reihenfolge die von Peuger geschriebenen codd. 1762, 808, 1389, 670, 981, 970, 677, 1001, 1765, 867, 183, 1569; femer die codd. 1651, 868, 570, 1841, 575, 1596 und 1752. 87 Ebd., S. 65. 82

20

Einleitung

ben« worden sei.88 Dennoch wird weder die Frage nach dem Verhältnis der Peugerhss. zum erschlossenen Archetyp gestellt, noch wird diskutiert, ob Peuger nicht als Verfasser dieses Archetyps in Frage komme. H. KRAUME nimmt dagegen an, daß Peuger eine Melker Übersetzung der >Ars moriendi< Gersons in der Hs. 1389, f. 345r-349r nicht nur geschrieben, sondern »vielleicht auch angefertigt hat.«89 Er unterscheidet Peugers Abschrift/Übersetzung der >Ars moriendi< (= Teil III von Gersons >TripartitumTripartitum< durch die Melker Professen Johannes von Speyer und Heinrich von Preußen. Er übersieht dabei, daß einer der Textzeugen, die er unter der Übersetzung des Johannes von Speyer aufführt (Melk, cod. 235) von Peuger stammt, und daß in Melk (mit cod. 273, f. -57 und cod. 677, f. 27r-64v) zwei weitere Codices vorliegen, die das g e s a m t e deutsche >Tripartitum< von Peugers Hand enthalten. Die Bearbeitungen durch Johannes von Speyer und Lienhart Peuger sind nicht Thema von KRAUMES Arbeit; ihr Verhältnis zueinander bleibt ungeklärt. KRAUME bezeichnet Peuger als Schreiber und Redaktor mehrerer Hss. der Melker Stiftsbibliothek, ohne diese zu nennen. Zwiespältig ist der Eindruck, den die letzte Arbeit hinterläßt, in der Peuger eine etwas größere Rolle zukommt: Ausgehend von der Überlieferungsgeschichte der >Epistel Rabbi Samuels an Rabbi Isaac< in der volkssprachlichen Übertragung Irmhart Ösers stieß K. H. KELLER auf die beiden Peuger-Codices 220 und 849. In einem Teil (S. 239-315) seiner Dissertation, die nach dem Abschluß der hier vorliegenden Arbeit und dem Erscheinen meines Verfasser-Lexikonartikels über Peuger publiziert wurde, steht der Codex 220 im Zentrum. Dabei versucht KELLER jeweils die Melker >Haustradition< der Texte des cod. 220 zu erfassen. Ihm gelingt dabei ein erster Zugang zur umfangreichen Tätigkeit Peugers und anderer Schreiber. Allerdings nahm KELLER keinen Einblick in die Melker Codices. So sind die wenigen Handschriften Peugers, die er nennt, oft nicht als solche erkannt (z.B. S. 247: cod. 888), ihm zu vorsichtig zugeschrieben (S. 300: cod. 849 »wohl« aus der Hand Peugers), und nur zum geringsten Teil erfaßt. Das gilt ähnlich für die Überlieferungsgeschichte der Texte, die KELLER beschreibt: Dem >Buch der himmlischen (heimlichen) Gottheit< Friedrichs des Karmeliters wird ein Kapitel gewidmet, aber von den vier Textzeugen in Melk hat KELLER (S. 269-274) nur drei ermittelt und gerade die wohl älteste Melker Hs. übersehen.90 Die >Haustradition< der sogenannten >Melker Evangelien< die KELLER behauptet, nahm ihren Ausgang von Texten des deutschen Ordens, was er nicht wissen konn88

89 90

Ebd., S. 7l und 79.

KRAUME, S. 39. Vgl. unten zu cod. 1865, f. 204*.

Forschungsstand und Fragestellung

21

te.91 Daß aber eine Evangelien-Handschrift des Laienbruders Johannes von Schweinfurt dem Novizenmeister Johannes von Speyer zugeschrieben wird (S. 247f.), läßt sich nur aus mangelnder Einsicht in die Handschriften erklären. Wenn der Tradition des Literaturzentrums Prag in Melk ein ganzes Kapitel gewidmet wird, sollte auch die umfangreiche Melker Überlieferung des > Stachels der Liebe< wenigstens Erwähnung finden. In diesem Zusammenhang bespricht KELLER die Melker Überlieferung des >Buches der LiebkosungHieronymus-Briefe< hat KELLER (S. 278ff.) Handschriften der >Melker Haustradition< übersehen.94 Wenn KELLER mit Bezug auf die Ps.-Augustinischen >Sermones ad fratres in eremo< davon spricht, von einem »Aufgreifen einer Melker Haustradition« könne »keine Rede sein«, so ist das wohl nur daraus zu erklären, daß er die mehrfache Verwendung der >Sermones< durch Peuger übersehen hat.95 Ähnliches läßt sich für die >VitaspatrumHaustradition< (neben dem cod. 220 die Hss. 1004 und 1752) aber übersieht.96 KELLER erkennt, daß Peuger Texte redigiert, beschreibt aber nicht die Art der Redaktion. Ebenso fehlt eine Einsicht in die Motivation des Schreibers, seine Wirkabsicht, sein Verhältnis zum Publikum. Der >Sitz im Leben< der Texte in Melk (Lesungen, Laienbrüder-Ordnungen, Laienbrüder-Bibliothek) wird nicht ermittelt. Von den Überzeugungen der Reformer in Melk ist nicht die Rede. Was aber vor allem fehlt, ist ein Einblick in die gesamte Handschriftenproduktion in Melk (wenigstens in die Handschriften, die Peuger vorlegte). Die falschen Angaben SCHÜLKES zu übernehmen97, reicht dafür nicht aus.98

91

Vgl. F. LÖSER, Das Neue Testament aus dem Deutschen Orden und die Melker Reform, ZfdPh 118 (1999), S. 1-26. 92 Außer den von KELLER genannten noch die codd. 1762, 1401, 856 und 1569. 93 KELLER, S. 256-267. Der von KELLER anonym genannte Cod. 981 stammt ebenfalls von Peuger. Vgl. zum ganzen Komplex: unten zu cod. 1569, f. 118V. 94 Vgl. unten zu cod. 856, f. 86r. 95 Vgl. KELLER und die Registereinträge hier zu den >SermonesVitaspatrum< - den Peuger-Codex 220 beschrieben.100 W. WEGSTEIN hat sich besonders mit dem Melker >Physiologus< des cod. 867 befaßt und arbeitet an einem Aufsatz über die Verbindungen des Klosters Melk (und Lienhart Peugers) zu den Grafen von Cilli, wo sich Peugers >Physiologus< auch überliefert findet. (Dieses Thema bleibt deshalb hier weitgehend ausgeklammert). B. SCHNELL schließlich hat den Peugercodex 235 knapp beschrieben101 und als »eine Mustersammlung von Bestsellern des 15. Jh.s« charakterisiert, »die aszetisch-mystische Literatur und Erbauungsschriften der >Wiener Schule< vereint.«102 Peugers Abschrift von Thomas Peuntners >Büchlein von der Liebhabung Gottes< wird als sehr selbstständig charakterisiert.103 SCHNELL spricht von »Souveränität gegenüber der Vorlage« und weist in diesem Zusammenhang auch auf Peugers eigenständige Bearbeitung des Liedes G 41 des Mönchs von Salzburg hin.104 Der Forschungsstand zu Lienhart Peuger läßt demnach die folgenden Fragen offen: 1. Lassen sich familiäre Herkunft und Stand näher bestimmen? Kam er aus St. Lambrecht (Steiermark) oder aus Altenburg nach Melk? 2. Was war sein status vivendi im Kloster? Welche Funktion hatte er dort inne? Wie lange lebte er dort? 3. Was sind die Ziele, Methoden, Inhalte und Stilmittel seiner eigenen literarischen Produktion? Lassen sich seine Reimpaarreden unter literaturund religionsgeschichtlichen Aspekten genauer beschreiben? In welchem Verhältnis stehen eigene Dichtungen und Schreibertätigkeit? "Es handelt sich um: codd. 183, 220, 235, 670, 808, 856, 867, 970, 981, 1389, 1401, 1569, 1730 und 1765. Ich möchte Bernhard SCHNELL und Werner WEGSTEIN, die mir eine Liste der Melker Exkursionsteilnehmer mit den genannten Peugerhss. überließen, herzlich danken. Besonderen Dank aber schulde ich Kurt RUH, der mir sein gesamtes handschriftliches Material zu diesen Codices zur Verfügung stellte. 100 K. KLEIN, >VitaspatrumBüchleins von der geistlichen GemahelschaftArs moriendiBüchleins von der Liebhabung Gottes< und der Lieder des Mönchs von Salzburg scheinen deutlich in diese Richtung zu weisen). 7. Was sind (eventuell gemeinsame) Merkmale der Bearbeitung? Sind sie für die einzelnen Texte vergleichbar? Läßt sich ein textsortenübergreifender Zusammenhang erkennen? 8. Vor allem: Welchen Stellenwert hat die Rezeption der Werke Meister Eckharts durch Lienhart Peuger in dessen Gesamtwerk? Und welchen Stellenwert gewinnt sie damit im Zentrum der Melker Reform?

0.5. Zielsetzung und Vorgehens weise dieser Arbeit Als Untersuchungsgegenstand dieser Arbeit zeichnen sich demnach vor allem zwei Kerngebiete ab: Zum einen der eben beschriebene Komplex um den Schreiber der Melker Eckharthandschriften, zum zweiten die Untersuchung der Eckharthandschriften und ihrer Texte (insbesondere des unikal überlieferten Traktats >Von der sei wirdichait vnd aigenschafftVon der sei wirdichait vnd aigenschajft< identifizieren, seine Quellen namhaft machen und die Frage beantworten zu können, ob Peuger ihn kompiliert hat. Auf dieser Basis kann dann der Text des Traktats ediert und seinen Quellen gegenübergestellt werden (Teil II, S. 326ff). Die Wiedergabe aller handschriftlichen Texte in dieser Arbeit folgt den für diese Edition gültigen Prinzipien, wie sie zu Beginn der Handschriftenbeschreibungen (S. 70f.) und zu Beginn von Teil II genannt werden.

105

Vgl. LÖSER, Nachlese, S. 14Iff.

1.

Der Schreiber: Zur Person Lienhart Peugers

Bezieht man den Eintrag der Melker Profeßlisten, bei Peuger handle es sich um einen früheren monachus Lamperti (vgl. S. 16 und Kap. 0, Anm. 67) auf St. Lambrecht in der Steiermark, muß zunächst steirische Abstammung Peugers erwogen werden. Doch diese ist unwahrscheinlich. Zwar begegnet der Name Peuger vereinzelt auch in steirischen Quellen,1 doch ließ sich in der Steiermark weder eine Adelsfamilie dieses Namens nachweisen, noch das Wappen Lienhart Peugers identifizieren.2 Mehr sprach dafür, in Lienhart Peuger ein Mitglied jener Familie zu sehen, die seit 1276 auf der ehemaligen Grafenburg zu Poigen3 saß und im 15. Jh. auch in den Besitz der Feste Reitzenschlag bei Litschau gelangte.4 Die Familie stand offenbar in Beziehungen zum Stift Melk,5 war besonders eng jedoch mit dem Kloster Altenburg verbunden. Bezieht man die Einträge der Melker Profeßlisten, Lienhart Peuger sei vor seinem Übertritt nach Melk in St. Lambrecht gewesen, auf Altenburg,6 so ergibt sich ein scheinbar lückenloser Zusammenhang: Das Benediktinerstift Altenburg war 1144 von Hilde-

1

Etwa der Judenburger Bürger Gilg Peuger als Stadtschreiber und Mitglied des Rats (Der Adler 11 [1977-1979] 103). 2 Benutzte Quellen: H. EBNER (Hg.), Beiträge zur Burgen- und Herrschaftsgeschichte sowie zur Genealogie obersteirischer Adelsfamilien, Graz 1974; J. KRASSLER, Steirischer Wappenschlüssel (Veröffentlichungen des Steiermärkischen Landesarchivs Bd. 6), Graz 1968; ders., Fünf Steirische Wappenwerke im Steiermärkischen Landesarchiv, in: Mitteilungen des Steiermärkischen Landesarchivs 5 (1955) 72-85; ders., Das Kraussche Wappenbuch, in: Mitteilungen des Steiermärkischen Landesarchivs 11 (1961) 67-71; G. PFERSCHY (Hg.), Siedlung und Herrschaft: Studien zur geschichtlichen Landestopographie der Steiermark, Graz 1979; F. POSCH, Gesamtinventar des Steiermärkischen Landesarchivs, Graz 1959; Elisabeth SCHMÖLZER, Die Adelswappen der Untersteiermark im Mittelalter (Diss. masch.), Graz 1975; Zeitschrift des historischen Vereins für Steiermark. 3 Auch R. BLEIER, Zum Ursprung einiger Waldviertler Familiennamen, in: Beiträge zur Namenforschung NF 20 (1985), 272-289, hier S. 275 führt den Familiennamen Peuger auf diesen Siedlungsnamen zurück.

4

5

BIEDERMANN, S. 11 f. und 14f.

Noch 1531 gab das Stift den Peugern von Reitzenschlag den Zehent des Stiftes zu Schönfeld an der Wild zu Lehen. (BIEDERMANN, S. 12). 6 Ein Übertritt Peugers von Altenburg nach Melk scheint ohne weiteres möglich, da zwischen beiden Klöstern »zu allen Zeiten gute Verbindungen« bestanden. (ANGERER, Caeremoniae, S. XXV).

26

Kapitel l

burg, der Witwe des Grafen Gebhard von Poigen, und ihrem Sohn Hermann gegründet worden. Auch nach dem Aussterben der verschiedenen Zweige des gräflichen Stammes im 12. und 13. Jh.7 behielt das Kloster offenbar engen Kontakt zu den neuen Herren in Poigen.8 Noch heute wird im Stift Altenburg das Adelsdiplom des Johann Ludwig Peuger von Puige und Raizenschlag aufbewahrt (gegeben von Kaiser Karl VII. am 16. August 1737), in dem es heißt, daß »aus zerschiedenen alten Urkunden und Briffschaften mit mehreren glaubwürdig angezeigt und dargethan worden, was gestalten das Geschlecht deren Peuger von Puige [...] nicht nur von urfürdenklichen Jahren her in dem alten Ritterstand Unsers Erzherzogthumbs Oesterreich unter der Ennss sich befinde [...] sondern auch vor mehr Hundert Jahren schon einige auss diesen sogahr den Gräflichen Namen geführt [...] deren Nachkomben aber, nachdem sie durch viele erlittene schwäre unglücks-fälle in eine grosse Mittllosigkeit gerathen, umb ihres leichteren fortkommens willen freiwillig in den Ritterstand zurückgetreten.«9 Die Peuger von Reitzenschlag beriefen sich also ganz bewußt auf die Gründer des Klosters Altenburg .'° Im 14. und 15. Jahrhundert erscheinen einige Mitglieder der Familie in Urkunden des Klosters." Ein Lienhart oder Leonhard ist jedoch nicht darunter. Mitglieder der Familie scheinen ins Kloster Altenburg eingetreten zu sein; beispielsweise findet sich im Necrologium des Klosters12 ein P. Thomas Peuger. Leider wird sein Name nur unter den Nomina eorum Religiosorum genannt, von denen außer dem Todestag nil aliud notum est.n Weitere Quellen (etwa die Alten-

7 8

Dazu: LECHNER, Wappen, S. l Of.

»Ab 1276 nennen sich zwei verschiedene Familien nach Poigen, von denen die eine dem Stande der milites, die anderen dem niederen Stande der clientes angehörte. Wahrscheinlich saßen die milites auf der ursprünglichen Grafenburg zu Grünberg, die clientes unten in Poigen selbst.« (LECHNER, Poigen, S. 474). 9 Zitiert nach H. BURGER, Geschichtliche Darstellung der Gründung und Schicksale des Benediktinerstiftes St. Lambert zu Altenburg in Mieder-Österreich, Wien 1862, S. 7f. 10 Nach dem Aussterben des männlichen Stammes der Familie (mit dem Tod des Franz Freiherrn von Buige am 7.12.1759) suchte die Schwester Johann Ludwig Peugers in Altenburg »um Unterstützung an, da sie ganz mittellos von ihren Eltern schon frühzeitig als Waise zurückgelassen, nun schon 65 Jahre alt, in sehr misslichen Umständen sich befand. Bis an ihr Lebensende erhielt sie vom Stifte eine jährliche Unterstützung.« (Ebd., S. 10). " Der Ritter Herr Nicolaus der Peuger vom Sigharcz urkundet mehrfach um das Jahr 1358. Siehe: H. BURGER (Hg.), Urkunden der Benediktiner-Abtei Altenburg 1144-1522 (Fontes rer. austr. II Abt. 21. Bd. [1865], S. 1^40, hier S. 216, S. 217 o., S. 231 o., S. 239; vgl. das Register S. 381 unter Peugen und Beuger). 12 Catalogus Religiosorum patrum et frat rum Monasterii ad S. Lambertum in Altenburg Austriae inferioris ordinis S. Benedicti ex Necrologio Monasterii excerptum per Honorium BURGER, Abbatem, Wien 1864. 13 Ebd., S. 6 Nr. 112. Der Altenburger Nekrolog erwähnt auch einen an einem 14. Juni gestorbenen Fr. Leonhardus (Ebd. Nr. 101), bei dem es sich nicht um Lienhart Peuger handeln kann, der ja an einem 13. Dezember in Melk starb, (s.o. S. 17, Kap. 0, Anm. 72).

Der Schreiber: Zur Person Lienhart Peugers

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burger Profeßurkunden) stehen aufgrund der mehrmaligen Zerstörung des Klosters während der Hussitenkriege und der Verluste nach 1945 nicht zur Verfügung.14 Dennoch schien einiges dafür zu sprechen, in Lienhart Peuger ein Mitglied der Poigener-Reitzenschlager Familie zu vermuten. Allerdings gleicht keines der bekannten Wappen der Waldviertler Peuger15 dem Wappen Lienhart Peugers, wie es sich in den Melker Hss. findet. Doch erscheint im Melker Codex 867, f. Peugers Wappen unter dem rot-weiß-roten Bindenschild (Abb. 3); dies könnte als Indiz dafür verstanden werden, daß Lienhart Peuger seine Abstammung von den Grafen von Poigen herleitete oder einer Familie aus dem Poigreich angehörte. Der rot-weiß-rote Bindenschild war das Wappen der Grafen von Poigen. Während K. LECHNER 1942 vermutete, »daß mit deren endgültigem Aussterben auch ihr Wappen [...] von den Babenbergern übernommen wurde«,16 hat H. MlTSCHA-MÄRHElM gezeigt, daß »die Grafen von Poigen in all ihren Linien enge Gesippen der Babenberger gewesen sind und mit ihnen seit je das gleiche Wappen geführt haben.«17 Einigkeit besteht darüber, »daß zahlreiche Ritter- und Ministerialengeschlechter im Raum der Poigener Besitzungen denselben Schild geführt haben. [...] Amts- und Familienwappen waren bei zahlreichen großen Geschlechtern nebeneinander gebräuchlich.«18 Unter der Gruppe der dienstmännischen und ritterlichen Geschlechter, die eine räumliche, bzw. besitzgeschichtlich-soziologische Bindung zur früheren Grafschaft Poigen aufweist und den Bindenschild führt, nennt K. LECHNER auch »die Peugener«.19 Doch handelt es sich dabei nicht um die Waldviertler Peuger, sondern um eine Familie, deren Stammsitz die abgekommene gleichnamige Feste bei Schwechat war: »Poigen lag unterhalb Mannswörth am rechten Donauufer und ist zwischen 1469 und 1500 verödet und schließlich abgekommen.«20 Nach dieser abgekommenen Feste nennt sich die reich be-

14

Ein Schreiben an den Abt von Altenburg, der auch Bibliothek und Archiv verwaltet, blieb unbeantwortet, so daß ich wieder dem Melker Stiftsbibliothekar P. Gottfried Glaßner, der die nötigen Auskünfte in Altenburg einholte, herzlich zu danken habe. 15 J. SIEBMACHERS groszes und allgemeines Wappenbuch in einer neuen, vollständig geordneten und reich vermehrten Auflage, Bd. IV Abt. IV: Niederösterreichischer Adel, I. Abt. A-R, Nürnberg 1909, S. 343 und Tafel 187.

16 17

LECHNER, Wappen S. 11.

H. MlTSCHA-MÄRHElM, Babenberger und Ebersberger und ihre Erben in und um das Poigreich, in: Jahrbuch für Landeskunde von Niederösterreich NF 42 (1976 = BabenbergerForschungen), 216-232, hier S. 231. 18 Ebd., S. 231. 19 20

LECHNER, Wappen S. 10. M. WELTIN, in: NÖLA. Mitteilungen aus dem Niederösterreichischen Landesarchiv 4 (1979), S. 46; Vgl. dazu: Quellen zur Geschichte der Stadt Wien, Wien 1895ff., II. Abteilung: Re-

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Kapitel l

urkundete Familie,21 die aus Wien stammt22 und dort Besitzungen hatte;23 sie erhielt am 22. Februar 1301 die Feste Poigen (bei Mannswörth) zu Lehen. Die Urkunde findet sich im Niederösterreichischen Landesarchiv.24 Weitere ungedruckte Urkunden des Niederösterreichischen Landesarchivs25 sind deshalb von Bedeutung, weil sie den frühen Verkauf der Feste Poigen dokumentieren26 und die Siegel Pilgrims II., seines Bruders Andre und ihres Vetters tragen. In der Tat gehörten die Wiener Peuger, anders als SEEMÜLLER annahm, also zu den »siegelberechtigten und wappengenössischen Familien.« Bestandteil ihrer Wappen ist der Bindenschild, den auch Lienhart Peuger in einer Melker Hs. abbildet; aber sein Wappen unter dem Bindenschild ist ein anderes. Auch unter den (ab 1301 und besonders in der zweiten Hälfte des 14. Jh.s zahlreich bezeugten) Wiener Peugern ist kein Lienhart oder Leonhard. Die Spuren, die die bisherige Forschung angeboten hatte, haben also nicht dazu geführt, Lienhart Peuger eindeutig als Mitglied einer der genannten Familien identifizieren zu können. Aber auch eine neue Spur ermöglichte bisher nicht die Identifizierung der Familie: Im Januar 1986 fand ich die von Lienhart Peuger selbst geschriebene Profeßurkunde in Melk.27 Darin nennt er sich lienhart Peuger von matzsee. (Vgl. Abb. 4). Ein Ort (auch ein abgekommener Ort) gleichen Namens ist weder in Niederösterreich,28 noch im angrenzenden Böhmen29 nachweisbar. Es kann sich also nur um den Ort im gesten aus dem Archive der Stadt Wien, Bd. I, Nr. 1065 erwähnt im Jahr 1384 Peugen im Plintendorfer velde. 21 Quellen zur Geschichte der Stadt Wien, Wien 1895ff., I. Abteilung: Regesten aus in- und ausländischen Archiven mit Ausnahme des Archives der Stadt Wien Bd. I Nr. 266, 640, 641, 884; Bd. II Nr. 1551, 2913, 2915; II. Abteilung: Regesten aus dem Archive der Stadt Wien Bd. I Nr. 1065 u. 1393; Bd. II Nr. 2418; III. Abteilung Bd. I Nr. 170, 859 u. 1049; Bd. III Nr. 3377. 22 Paltram von dem Freithof, Vater Pilgrims I. von Poigen war ein »Wiener Ritterbürger«. Für diese Auskunft und die Hilfe während der Arbeit am Niederösterreichischen Landesarchiv bin ich Herrn Professor M. Weltin zu herzlichem Dank verpflichtet. 23 Ebd. I. Abt. Bd. II Nr. 1551: Pilgreim von Pivgen hem Paltrams sun verkauft 1306 dem Erzbischoff Konrad von Salzburg ain hofstat die da leit hinder der Schotten pavmgarten ze Wienn mit der hant seines Burgherren. 24 NÖLA StA Nr. 33 gedruckt bei M. WELTIN, Die Urkunden der niederösterreichischen Stände, in: NÖLA. Mitteilungen aus dem Niederösterreichischen Landesarchiv 4 (1979), S. 44-46, Nr. 35. 25 NÖLA StA Nr. 275: Andre von Poigen, Bruder Pilgrims II. von Poigen, verkauft 1340 alle die Werde die da ligent in der Tvnawe zwischen pevgen vnd vischamun.de (Fischamend). 26 NÖLA StA Nr. 369: Im Jahr 1347 verkauft Pylgreim von Peugen II. das haus ze Peugen an Chalhoch von Eberstorf vnd hern petrein seinen prüder. 27 Archiv des Stiftes Melk 6 Karton 4. 28 Vgl. H. WEIGL, Historisches Ortsnamenbuch von Niederösterreich, 7 Bände, Wien 1964-1975. Ergänzungsband 1981. 29 Vgl. A. PROFOUS, Mistni jmena v öechäch Jejich vznik, püvodni vyznam a Bd. V, Prag 1960.

Der Schreiber: Zur Perxon Lienhart Peugers

29

Salzburgischen handeln. (Auch die Salzburger Erzbischöfe führten den Balkenschild).30 Doch blieben die Nachforschungen in Mattsee31 und Salzburg32 ergebnislos. Weder ist dort eine Familie Peuger beurkundet noch Lienhart Peugers Wappen bekannt. So bleibt als einziges, doch gewichtiges Zeugnis für Peugers Herkunft aus Mattsee seine eigenhändige Profeßurkunde. Bei den zahlreichen und engen Bindungen Salzburgs in die Steiermark33 ist es gut möglich, daß Peuger (eher als in Altenburg) ins steirische St. Lambrecht eingetreten ist. Dort wiederum besaß man schon seit früheren Zeiten gute Verbindungen nach Melk: Melk war mit St. Lambrecht seit 1312 verbrüdert;34 St. Lambrecht stand auch mit dem Reformkonvent von Subiaco, der Keimzelle der Melker Reform,35 in Verbindung: Ein anonymer ehemaliger St. Lambrechter Konventuale schreibt 1400 aus Subiaco an einen St. Lambrechter Mitbruder und regt an, daß weitere junge Mönche seinem Beispiel folgen und nach Italien kommen sollten. Der Casparus sacrista in Gersten, dem der Empfänger des Briefes über Subiaco berichten soll, ist identisch mit Kaspar von Garsten, der dann wirklich nach Italien kam und schließlich 1418 Nikolaus Seyringer von S. Anna in Mondragone über Konstanz nach Melk begleitete.36 St. Lambrecht in der Steiermark war also eng verbunden mit Nikolaus Seyringer und seinen Gefährten, die 1418 von Subiaco kamen und die Reform in Melk begannen. In den ersten Jahren der Reform wurden die Melker offenbar auch von St. Lambrecht unterstützt: In

30

1398 hat Bischof Georg von Passau Herrschaft und Burg Mattsee an Erzbischof Gregor von Salzburg verkauft. (DOPSCH/SPATZENEGGER 1/2, S. 1016f.; zum Balkenschild: z. B. im Thronsiegel und Goldgulden Pilgrims II. von Puchheim [1365-95] vgl. ebd. Abb. 42 [1/2, nach S. 480]). 31 Dr. K. Gebetsberger, dem Probst des Kollegiatstiftes Mattsee schulde ich Dank für den Nachweis, daß in Urkunden und Hss. des Stiftes weder der Name Peuger noch Lienhart Peugers Wappen erscheint. Außerdem verwendete Literatur: W. ERBEN, Quellen zur Geschichte des Stiftes und der Herrschaft Mattsee (Fontes rer. austr. II. Abt. 49. Bd. [1896]) 1-226; W. HAUTHALER, Traditionen von Mattsee (Salzburger Urkundenbuch I, Heft V) S. 869-888, Salzburg o.J.; M. KASERER, Das weltpriesterliche Chorherrenstift Mattsee, Salzburg 1877; Mon. Germ. hist. SS, IX, S. 823-837 (= Annales 1305-1395). 32 Zu danken habe ich Frau Mag. U. Engelsberger und Frau Dr. R. Preiss, die mir bei der Arbeit im Salzburger Landesarchiv halfen. 33 Vgl. etwa DOPSCH, S. 1038 und die Karte S. 1034f.; HOLTER, S. 312 mit Anm. 21, sowie EBNER und PFERSCHY [Kap. l, Anm. 2]. 34 35

KEIBLINGER, S. 409.

Dazu: FRANK, Subiaco S. 556 Anm. 54 und S. 558; ANGERER, Caeremoniae, S. CLXX-CLXXIII. 36 Brief in Melk, cod. 979 (784/C20), f. 1-2; gedruckt von B. PEZ, Bibliotheca antiquo-nova Bd. VIII, Regensburg 1725, S. 493-502. Literatur zu diesem Brief: ANGERER, Caeremoniae, S. CLXf.; FRANK, Subiaco, S. 550 u. 556; KOLLER, S. 83 Anm. 23.

30

Kapitel l

einer bislang unbeachteten, im vorderen Spiegel des Melker Codex 266 erhaltenen Abschrift einer im Januar 1420 ausgefertigten Urkunde bestätigen Nicolaus [Seyringer] Abbas, petrus [von Rosenheim] prior et conuentus monasterü Mellicensis [...] obligates nos esse venerabili in christo patri dominico dei gracia Abbau monasterü Sancti Lamberti et eius monasterio in centum libris denariorum [...] necessitatibus per eum creditis. Auch die Gästeliste des Melker Klosters zeigt, daß man in Verbindung mit St. Lambrecht stand. Diese Gästeliste - im selben Teil der Melker Annalen (cod. 391, f. 83r-88r) und von derselben Hand wie die Liste der Melker Professen - bietet ein weiteres Indiz dafür, daß Peuger wohl aus der Steiermark nach Melk kam: Der Melker Prior Petrus von Rosenheim hat für das Jahr 1419 Andreas de Bauaria monasterü Sancti Lamberti als Gast eingetragen, für das Jahr 1420 (das Jahr von Peugers Profeß) Symon Prior monasterii in Altenburga . Das zeigt, daß er offenbar die beiden Klöster unterschiedlich bezeichnete. Deshalb wird sich der Eintrag Leonhardus Peuger [...] prius monachus Lamperti31 von seiner Hand wohl auf St. Lambrecht in der Steiermark beziehen. Ein weiteres Indiz dafür läßt sich aus der Geschichte eines Textes ableiten: Der Codex 867 enthält f. den Eintrag Hieronimus Udelius/ Nouitius Mellic 86. Daraus zog N. HENKEL den Schluß, daß dieser Novize aus Schrobenhausen (zwischen Ingolstadt und Augsburg) die Hs., die in dieser Gegend entstanden sei, nach Melk mitgebracht und der Stiftsbibliothek wahrscheinlich anläßlich seiner Profeß 1588 vermacht habe. Dieser Schluß lag nahe, da HENKEL weitere Peugerhss. nicht kennen konnte. Tatsächlich stammt der Codex eindeutig von Peugers Hand, enthält auch (S. 254) sein Wappen. Die Hs. überliefert als Unikat den sogenannten >Melker PhysiologusPhysiologus< vor seinem Übertritt nach Melk (1419) und etwa zur selben Zeit wie die datierten Hss. 1037, 183 und 1001 der Jahre 1413 und 1414 enstand und annimmt, daß Peuger in St. Lambrecht war, findet die Beziehung zwischen dem Text der Hs. und der Steintafeln eine Erklärung.39 Gewißheit läßt sich nicht erreichen, denn nach der Auflösung des Klosters sind zwar zahlreiche Hss. aus St. Lambrecht erhalten geblieben,40 nicht jedoch die Pro37

38 39

cod. 391, f. 86r.

HENKEL, S. 96-110.

St. Lambrecht (wie auch Melk) stand in engen Beziehungen zu den Grafen von Cilli. 40 Heute in der Universitätsbibliothek Graz.

31

feßlisten oder Profeßurkunden. (Der Catalogus Religiosorum41 beruht auf dem Nekrolog, der den in Melk gestorbenen Peuger nicht erwähnt). Mit Sicherheit läßt sich nur feststellen, daß Peuger 1419 nach Melk ging und 1420 dort Profeß ablegte. Auch sein Geburtsjahr läßt sich nur annäherungsweise bestimmen: Aus einer Reimpaarrede, in der die eigene Profeß als Einkleidung durch die hawptmannin Maria geschildert wird, geht hervor, daß Peuger erst mit 22 Jahren ins Kloster eintrat.42 Da der Text in einer Hs. steht, deren erster Teil vor Peugers Übertritt nach Melk zu Beginn seines Klosterlebens in St. Lambrecht geschrieben wurde und mit einiger Sicherheit auf die Zeit um 1410-1413 zu datieren ist,43 muß der Eintritt ins Kloster etwa um 1413 erfolgt sein. Somit dürfte Peuger um 1390 geboren sein. Seine Identifizierung mit einem Leonardus Payger, der im Jahr 1385 sein Studium an der Wiener Artistenfakultät aufnahm44 verbietet sich deshalb. Wo Peuger seine Ausbildung erhalten hat, läßt sich nicht sagen. Sollte seine Familie einem der genannten Klöster nahegestanden haben, wohl dort. (Für Altenburg beispielsweise ist eine Stiftsschule, auf die die umliegenden Adelsgeschlechter ihre Söhne schickten, schon sehr früh nachgewiesen).45 Durch den Fund von Peugers Profeßurkunde eindeutig geklärt ist hingegen die Frage nach seinem status vivendi in Melk: Er selbst bezeichnet sich als lay. Als Todestag konnte der 13. Dezember ermittelt werden. Da seine letzte datierte Handschrift (cod. 856) aus dem Jahr 1455 stammt, kann er frühestens am 13. Dezember dieses Jahres gestorben sein. F a z i t : Lienhart Peuger ist vermutlich ein um 1390 geborener, aus Mattsee stammender wappenberechtigter Angehöriger des Ritterstandes, der im Alter von 22 Jahren seine conversio vollzog (ex armigero conversus). Mit hoher Wahrscheinlichkeit trat er zunächst in das Kloster St. Lambrecht in der Steiermark ein, um - angezogen durch die dort beginnende Reform - 1419 nach Melk überzutreten, wo er 1420 seine Profeß als Laienbruder ablegte. Dort ist er auch an einem 13. Dezember (im Jahr 1455 oder danach) gestorben. 41

Catalogus Religiosorum perantiqui Monasterii ad S. Lambertum Ord. S. P, Benedicti in Styria Superion a. 1877, Graz 1877. 42 Vgl. den Text der Reimpaarrede Von chlagen der sunten leben(Anhang l, S. 501-508). Die Aussage, daß der Verfasser in der Welt von der Gnade berührt wurde (vv. 187-189), macht deutlich, daß die Umkehr, von der er spricht (v. 211) identisch ist mit dem Eintritt ins Kloster. Dieser erfolgte mit tzway vnd tzwaintzig iar (v. 8). 43 Vgl. Kap. 2, Anm. 5. 44 Matrikel Wien, Bd. I, S. 13: »Leonardus Payger 1385 II A 18« und »Stephanus Payger 1385 II A 19«. Da beide je 4 gr. Gebühren bezahlten, hat es sich (nach der Gebührenordnung der Universität) um Landadlige gehandelt. 45 F. ENDEL, Studien und Wissenschaften im Stifte Altenburg, in: Stud. Mitt. 20 (1899) 146-170.

2.

Die Reimpaarreden Lienhart Peugers: Spirituelle Haltung und Arbeitstechnik

Außer als Zeugnisse für die Biographie Peugers1 sind die von ihm verfaßten Reimpaarreden hier vor allem aus vier Gründen von Interesse: 1. Sie bezeugen Peugers eigene spirituelle Grundhaltung wie seine Ansichten zu Fragen des monastischen Lebens. 2. Sie ermöglichen Schlüsse auf Bildung, literarischen Geschmack und Intentionen des Autors.

1

Daneben lassen sich gereimte Texte natürlich auch als Instrument zur Lokalisierung der Sprache verwenden, wobei der Forschungsstand und die spezifische Situation im bairischösterreichischen Sprachgebiet eine kleinräumige Lokalisierung freilich nicht erlauben: Dennoch sind in dieser Hinsicht die Reimpaarreden Peugers - und gerade deren »mundartlich« (SEEMÜLLER, S. 67) gefärbte Reime von Interesse: E. KRANZMAYER hat den Wandel von »mhd. o zum offenen dd-Laut« als »mundartliches Landesmerkmal für Niederösterreich« beschrieben. Er hat zwar darauf hingewiesen, daß bald nach 1300 »aus ganz Österreich in den großen Kanzleien solche falsche a-Schreibungen« zu finden seien, diese jedoch als »wienerisch bedingte Verkehrs- und Schreibmoden in der Provinz« klassifiziert und ää für mhd. ö als »mundartliches Landesmerkmal« Niederösterreichs beansprucht: »Dieses ää aus mhd. ö fällt in großen Teilen des Landes zusammen mit dem anderen d-Laut aus dem kurzen und langen a des Mittelalters, des mhd. a und a. [...] Weigl erbrachte urkundliche Fehlschreibungen, wie rat statt rot, Astern statt Ostern, hach statt hoch für die Zeit bald nach 1300, ebenso durften seit 1280 Wiener und Niederösterreichische Dichter ö und a oder a im Reime miteinander verbinden.« (KRANZMAYER, S. 207f.). Solche Reime finden sich auch in den Versen Peugers: So reimt f. 109" chran (krön) auf man, f. 113r char (kor) auf war, f.= l 13r schar auf enpar (enbor), f.= I 13V dan (don) auf wan usw. Dies ist nun allerdings bei der weiten Verbreitung des Merkmals (vgl. KRANZMAYER Karte I nach S. 232) kein Beweis dafür, daß Peuger Niederösterreicher war oder gar der Familie der Peuger, die aus Wien stammte, angehörte. Auffällig allerdings sind in diesem Zusammenhang die zahlreichen Belege für grawz und rawt (mhd. groz und rot), die sich in den Pewgerhss. der Jahre vor 1419 finden, denn »die spezifische Weiterentwicklung von mhd. ö in Gestalt der Palatovelardiphtongierung zu [...] erfüllt [...] Altbayern, das westliche und südliche Oberösterreich und das nördliche Salzburg.« (P. WIESINGER, Phonetisch-phonologische Untersuchungen zur Vokalentwicklung in den deutschen Dialekten, [2 Bde], Berlin 1970, Bd. I, S. 218). Dies würde sich gut zu einer Herkunft Peugers aus Mattsee fügen. Aber auch dieses sprachliche Merkmal ist weiter verbreitet als es zunächst den Anschein hat. (vgl. I. REIFFENSTEIN, Salzburgische Dialektgeographie. Die südmittelbairischen Mundarten zwischen Inn und Enns, Giessen 1955, S. 9 Paragraph 5 und Karte 14). Damit läßt sich anhand dieses Kriteriums weder eine Herkunft aus der Gegend um Altenburg, noch aus der Steiermark stringent ausschließen. So bleibt nur die Feststellung, daß Peuger diese >mundartlich< geprägte Gewohnheit in den späteren, in Melk entstandenen Hss. ablegt.

34

Kapitel 2

3. Ihre Rezeption gibt Auskunft über Peugers Verhältnis zu seinem Publikum. 4. Arbeits- und Kompositionstechniken des Verfassers lassen sich beschreiben, anhand seiner eigenen literarischen Produktion bestimmen und schließlich mit dem Charakter der von ihm besorgten Redaktionen vergleichen. Unter diesen vier Gesichtspunkten sollen im folgenden die erhaltenen Reimpaarreden Peugers besprochen werden. Ad l (Spiritualität, Monastisches): Die Reimpaarreden, die Peuger in Melk verfaßte, widmen sich - wie beispielsweise die kurze, bislang unbekannte Reimpaarrede O münich in der Hs. 1389, S. 280 - zur Hauptsache Themen des eigenen klösterlichen Lebens: l

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15

O münich lazz dir dein cell ein paradeis sein vnd das refent dein narung mit prat vnd wein, Dy metten ein süezz contempliern vnd aller gots dienst deins hertzen iubiliern Rains leben vasten vnd fleisch meiden Sey dir ein frewd an leiden. Dw pist nicht gevadert dy sei zw Verliesen Sunder ir das ewig leben zw erchiesen vnd wildw vil vbels vber haben wem So pis stat in deiner cell gern vnd lazz dich leichten syn nicht erheben Dar aws zw gen vnd anders zw leben dann der von dir vadern tuet Der dich chawft hat mit seim pluet wann es ist gar ein löbleiche tat da ein münich in seiner cell wanung hat vnd sein tzeit nützleich vertiert vnd achtt nicht wer gewint oder verhert.

Die Forderung, die Zelle nicht zu verlassen, ist Peuger ein Anliegen, das er etwa auch im sog. Melker >Physiologus< (cod. 867, S. 255-262) zum Ausdruck bringt: Während die Physiologi über den Salamander sonst nur berichten, daß das Feuer verlöscht, wenn er damit in Berührung kommt,2 bietet Peugers Text eine Auslegung, die auf die Klosterzelle Bezug nimmt: Der Salamander ist ein tier das mues stat in dem fewer wanen wan es an es nicht geleben mag ff Also der rain mensch mues stat leben in dem fewer götleicher lieb an das er chain tzeit nicht pleiben mag. vnd auch als wenig ein rechter münich aws seiner cell etc? 2 3

HENKEL, S. 102. Melk, cod. 867, S. 260; abgedruckt bei STAMMLER, Spätlese II, S. 44-47, hier S. 46,87-91.

Die Reimpaarreden

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Die Aufforderung Peugers, fleisch zu meiden entspricht einem der Gebote der Melker Reform.4 Insofern sie ihren Verfasser als Verfechter der Klosterreform zeigt, ist die zitierte Reimpaarrede O münich charakteristisch für Peugers eigene literarische Produktion. Untypisch ist sie in einigen Punkten: Ihr fehlt die sonst übliche Schlußzeile (Also ficht prueder lienhart Peuger) genauso wie die Formulierung des Programms der geistlichen Ritterschaft, die Marienverehrung Peugers und seine Andacht zur Passion des Herrn (die nur Z. 14 kurz anklingt). Die genannten Merkmale charakterisieren die vier Reimpaarreden, die der cod. 808 als eigenen Block (f. 109r-120r) überliefert,5 und die damit einen zweiten thematischen Komplex - neben dem Klosterleben - umspannen: Von Magen der sunten leben . Jesus . maria . O Süezzer nam ihesu christ dar nach maria der pest ist hört mein stym vernembt mein chlagen das ich tue pey iungen tagen [...] vnd pringt im den segen mit hawffen So er in die wunten tuet lawffen des Herren ihesu christi genannt der vns lösst von der trakchen pannt vnd füert vns aws aller swdr Also ficht prueder lienhart Peuger. (109r-l 13V)

(Der Text ist im Anhang l, S. 501ff. nach dieser - einzigen - Hs. vollständig gedruckt). In 314 einfachen Reimpaarversen schildert Peuger, literarisch stilisiert, einen wichtigen Teil seines Lebens. Während der Niederschrift noch pey iungen tagen (v.4) blickt er zurück auf seine sündige Jugend und die Umkehr (7-14; vgl. 55f.). In dieser Situation empfiehlt er sich ganz Christus (34f.)6 und Maria, die er nach dem Herrn stets besonders verehrte.7 Die Con4

Zur Praxis in Subiaco und Melk: ANGERER, Caeremoniae, S. CLIXf. Zu denSchriften des Johannes von Speyer, der das Verbot propagierte: BRÜCK, S. 97-104; bes. S. 97, S. 99 zu a) und S. 103 Anm. 10. Stellungnahmen Bernhards von Waging und Johannes Schlitpachers: 2 VL Bd. I, Sp. 780 und Bd. VIII, Sp. 734 und 746. 5 Die Hs. wurde vor 1419 gebunden. Der Schriftduktus ihres ersten Teils weist die Charakteristika der datierten Codices 1037, 183 und 1001 der Jahre 1413 und 1414 auf. Mit der Abbildung des Wappens (f. 108") war sie ursprünglich beendet (vgl. Abb. 5). Die Reimpaarreden (ab f. 109r) wurden in Melk nachgetragen (Abb. 6). Die Hs. enthält davor den deutschen Psalter (mit Cantica) und die Lieder G41, G40 und G3 des Mönchs von Salzburg. 6 Vgl. zu Peugers Verehrung der Wunden Christi: die >Arma< in fast allen seinen Hss. und die Gebete in den vorderen Spiegeln der codd. 1401 u. 1569; s.u. S. 144. 7 Man vergleiche den >Wahlspruch< Peugers, mit dem er sein Wappen umgibt: Secunda magna spes mea es tu post Jexum virgo Maria.

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Kapitel 2

versio erfolgt im wörtlichen Sinne einer Umkehr: O maria mine maid / Als dw mich auch ermannt / da ich was in dem frömden lant /8 vnd spracht mir in als dw wolt/ob dw mir scholts werden holt/so muesst ich mich vmb ehern / vnd ein andre weis lern (206-212). Diese andere, neue Weise findet der armiger Peuger in der >Militia Christi< des Ordens des hl. Benedikt (269f.). Ausgehend von 2 Tim 2,5 (95f.) formuliert Peuger immer wieder den Gedanken der Ritterschaft Christi (l05ff., 152), die besonders auch als Dienst an Maria interpretiert wird, die als füererin und hawbtmanninn bezeichnet wird. Maria ist es auch, die die >Einkleidung des jungen Ritters< vornimmt (244-247; 279-286). Man wird angesichts der >Aufnahmeformeln< (erst durch die >Einkleidung< wird der Knappe zum Ritter) an die Profeß zu denken haben. Es ist - der Schlußvers macht dies deutlich - die Profeß eines adeligen Laienbruders, der - einst Ritter - nun >geistlich streiten< will: Also ficht prueder lienhart Peuger. Aber auch in diesem autobiographisch stilisierten Konversionsbericht, der besonders auf das Lob Mariens zielt, offenbart sich Peuger wieder als Anhänger der Klosterreform: Mit Kritik an Mißständen - auch innerhalb des Ordens - wird nicht gespart (131-138). Da es sich hier, wie die Variation des bekannten Teichner-Schlusses zeigt, um einen von Peuger selbst verfaßten Text handelt, den er mit eigener Hand schrieb,9 waren die oben (S. 31) beschriebenen Schlußfolgerungen für seine Biographie möglich (Geburt um 1390, Eintritt ins Kloster im Alter von 22).

Der Text selbst wurde allerdings erst später in Melk niedergeschrieben: Die Kritik an den Zuständen in den Klöstern läßt erkennen, daß der Verfasser den Gedanken der Reformer um Nikolaus von Dinkelsbühl und Nikolaus Seyringer von Matzen nahesteht; der Schriftduktus zeigt das charakteristische d, das in den Hss. der Zeit vor 1419 so nicht zu finden ist; er weist eine deutliche Verwandtschaft mit der Schrift der Melker Profeßurkunde auf (vgl. Abb. 4 u. 5). Peuger könnte den Text anläßlich seiner Profeß in Melk verfaßt haben. Die beiden in cod. 808 folgenden spruch vber das salue regina (226 Reimpaarverse) bzw. vber das aue maria (102 Verse)10 sind ein weiteres 8

Eher als an eine Anspielung auf einen realen Aufenthalt in der Fremde, wird man hier an die regio dissimilitudinis des hl. Augustin denken. 9 Beleg für ein Autograph ist z.B. die Korrektur f. 109V, Z. 60, die Tatsache, daß f. 110', Z. 95f. die Reimwörter nach disem eilend und an das end von gleicher Hd. mit anderer Tinte nachgetragen sind, und daß f. 11r, Z. 143 an einer Zeile radiert und das Reimwort pein später etwas vom Text abgesetzt nachgetragen ist. 10 113V-117r Ein spruch vber das salue regina . Jesus . maria . / GRuesst seist chunigin der parmhertzichait / Maria pehuett mich vor dem ewigen laid / vnd gib mir zw hörn dein süessen dan / Jn gnaden sterkch auff ein solhen wan [...l 17r...] - / vnd sey vnser mainung zw dir maria / vnd zw dem süezzen nam ihesum / den da versmacht der tumb / der im nicht er tuet pechant / So er mit warten wirt genant / der vns hilfft aws aller swar / Also ficht prueder

Die Reimpaarreden

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Zeugnis für Peugers ausgeprägte Verehrung der Jungfrau Maria, die auch hier um Fürbitte zur Vergebung der Sünden aufgerufen wird. Die einzelnen Zeilen des >Salve< bzw. des >Ave< erhalten jeweils zwischen 11 und 19 Verse einer knappen >Auslegung< beigestellt. Auch hier spricht der Autor von sich selbst als Jn meinen jungen tagen, (Vgl. f. 109r, Z. 4). Auch hier ist die weit der Grund für die pitterchait des leidens, Mariens liepleichs ansehen hingegen Quelle lustsamer frewd (f. 114V und 116r). Die vierte und letzte in cod. 808 erhaltene Reimpaarrede" gipfelt in einer erneuten Anrufung der hl. Jungfrau um Beistand im Kampf gegen die Sünde, unter der hier vor allem die Unkeuschheit verstanden wird. Besonders für den, der in seinen iungen tagen / Ein wider sten pegert vnd suecht (Z. 34f.), wird um Hilfe gebeten. Denn gerade denen, die Keuschheit geschworen haben und sich nicht an ihren Schwur halten (Z. 75f.), droht harte Strafe. Im Kampf gegen die Bedrohung durch die Sünde wird wiederum das Bild des Ritters aufgerufen (Z. 45). Stilisierte Autobiographie, Marienlob und Ermahnung der Mitbrüder dienen moraldidaktischer Unterweisung. >Mystisch-Kontemplatives< (im Rahmen eines Marienlobes ja durchaus denkbar) fehlt völlig. Kein Gedanke, kein Satz Eckharts hat in diese Dichtung Eingang gefunden. Zitiert werden Paulus, Chrisostomus, Hieronymus, Bernhard und Anselm von Canterbury. Ad 2 (Literarische Einordnung): Der Wert dieser Dichtung mag leicht abschätzig beurteilt werden. SEEMÜLLER berücksichtigt immerhin die Tradition, in der der Autor steht: »In der Spruchform, in der Schlussformel, in der Wahl religiöser und sittlich-lehrhafter Stoffe, in der Verwendung epischer Einleitung, auch in der inneren Gliederung des Spruches von der Keuschheit [= Von der natur hitz] ein Nachfolger des Teichners, steht er andererseits in einer vom Reimzwang unabhängigen Blümung der Rede, wie der Suchenwirt, unter meistersingerischen Einflüssen.«12 Peuger selbst läßt seine Texte in cod. 808 den Hymnen des Mönchs von Salzburg folgen, und so drängt sich ein Vergleich geradezu auf. KROPFF urteilt denn auch: »Fuisse hominem arlienhart Peuger, 117r-l 18V Ein sprach vber das aue maria / .Jesus . maria . / Aue maria grüesst seist dw / da dw pist in der ewichait nw / vnd vmb slozzen mit ern vil / dar vmb ich dein chnecht wil / das dw dich tuest naigen zw mir [...118*...] - / vnd wirt mit vnrecht nicht gernert / Als sich das tuen der weit verchert / Jn vnglukch vnd in irre mär / Also ficht prueder lienhart Peuger [letzte Zeile am Rd. neben Rasur]. "118 V -120 r Von der natur hitz. Jesus . maria . / JCh han gedacht in meinem muet / von der hitz des leibs glue t / dy natürleich im pluet p rinnt / vnd manigen swarleich twingt [...120'...] - / Jn der pein der martrer schar/die mit solhem lawffsind chomen dar / da sy für pas nicht habent swar / Also ficht prueder lienhart Peuger: / Jhesus . maria . / aue maria [am oberen Rd.]. Textwiedergabe in Anhang l, Text 2. 12

SEEMÜLLER, S. 67.

38

Kapitel 2

tium liberalium non omnino expertem, nee inelegantem, varii ejus rhytmi quas de diversis rebus cecinit, testantur.«13 Er selbst will dieses Urteil jedoch nur auf Peugers eigene literarische Produktion bezogen wissen. Das »Psalterium Germanicum«, das in cod. 808 den Reimpaarreden und den Texten des Mönchs vorausgeht, sei »eleganter a Leonardo germanice translatum.« Zu einer vergleichbaren Einschätzung über die >sprüch< gelangt SEEMÜLLER: Peuger »hat zwar die bequeme Form des Spruches in Reimpaarversen gewählt, aber auch diese beherrscht er nicht. Versbau und Reim machen ihm Schwierigkeiten. Er zieht seine Satzgefüge in die Länge, seine Reime sind stark mundartlich, öfters blosse Assonanzen; weil er sie nicht leicht fand, verdunkelt er um ihretwillen häufig den Sinn«.14 Auch wenn man die abwertende Haltung, die der Gattung als ganzer galt (»bequeme Form des Spruches in Reimpaarversen«) heute nicht mehr teilt, und mit LÄMMERT nicht von Fragen des literarischen Niveaus, sondern von der Wirkungsabsicht ausgeht,15 bleibt Peugers Unsicherheit im Satzbau, die oft verkrampft wirkende Suche nach Reimwörtern, die mangelnde Ordnung des Gesamtgefüges, die Beliebigkeit der Reihung usw. zu >beanstandensprüchVon der sei wirdichait vnd aigenschafft< zu berücksichtigen sein.

3.

Die Handschriften: Peugers literarischer und geistlicher Horizont

In Melk sind etwa 120 rein deutschprachige Hss. erhalten.1 Die folgenden 23 davon stammen vollständig von Peugers Hand. In einer 24. Hs. (cod. 677) hat er ein Faszikel geschrieben. (Die Liste gibt hinter der heutigen Signatur die beiden früheren Signaturen an. Die Siglen Me l bis Me5 und Me7/Me8 sind die von QUINT in der Eckhart-Edition verwendeten): 183 220 235 273 670 677 705 808 849 855 856 867

(603/L23) = Me4 (584/L3) (639/L67) = Me5 (1738/-) (902/L41) (767/O24; Fasz. , -83 ) (371/G33) = Me2 (813/O5) (856/P59) (83l/-) (881/Q10)=Me8 (18/A20)

888 970 981 1001 1037 1389 1401 1569 1730 1762 1765 1865

(543/K14) (347/G7) (801/P55) (756/-) (762/-) (72/B37) = Me7 (648/L77) (615/L27) = Me3 (653/L82) (652/L81) (283/E74) (586/L5) = Mel

Dazu kommt das zweite Faszikel (f. 143r-175v) der ehemals Mondseer, heute in Wien, ÖNB, befindlichen Hs. 3021 (Lunael. 8° 98; QUINTS Wll). Schreiber einer so großen Anzahl mittelalterlicher Handschriften sind eher selten zu finden. Zwar ist Peuger kein Einzelfall.2 Doch ist bisher kein Fall ' Bei der Sichtung der Melker Handschriftenbestände, die in zwei mehrwöchigen Aufenthalten dort erfolgte, wurden nicht nur die rein deutschsprachigen Hss. berücksichtigt; eingesehen wurden auch die zweisprachigen (z.B. Vokabularien) und solche lateinische Hss., die einzelne deutsche Texte enthalten. Die Frage, ob Peuger in Melk auch lateinische Hss. schrieb, ließe sich nur durch Sichtung aller lat. Hss. der Stiftsbibliothek klären. Nach den bisherigen Beobachtungen steht fest, daß Peuger auch lateinische Hss. besaß (cod. 1267 [1850/E85] etwa zeigt f. sein Signum iesus. maria. in charakteristischer Form); lat. Hss. von seiner Hand jedoch haben sich bislang nicht gefunden. 2 Um nur ein Beispiel aus etwa derselben Zeit, demselben Raum und demselben Orden zu nennen: Johann Hauser (um 1440-1513) schrieb in Mondsee etwa 20 Codices (9 erhalten).

44

Kapitel 3

eines Laienbruders bekannt, dem 25 Hss. zuzuweisen wären. Die Zuweisung ist deshalb genau zu begründen. Sie beruht auf folgenden Kriterien: In einigen Hss. findet sich Peugers Wappen mit seinem Namen, umgeben von seinem Wahlspruch (cod. 670, f. 182V; cod. 808, f. 108V; cod. 970, rückwärtiger Spiegel; cod. 981, S. 288).3 Cod. 867, S. 254 bietet nur das Wappen (Peugers Name wurde weiß übermalt). Die Codices 867, 970, 981 und 1001 zeigen Peugers Wappen jeweils zu Beginn des ersten Textes in der Eingangsinitiale (Abb. 8). Daß Wappen und Namen nicht etwa nur einen Hinweis auf den Besitzer der Hss. geben, sondern Signum des Schreibers sind, zeigt der Schriftvergleich mit der von Peuger eigenhändig geschriebenen Profeßurkunde (Abb. 4). Der Schriftvergleich ermöglicht besonders deshalb die eindeutige Identifizierung der Hss. Peugers, weil mit der Entdeckung der Peugerschen Profeßurkunde auch die Urkunden aller anderen Melker Professen ans Licht kamen. Der jeweilige Schriftduktus der zwischen 1419 und 1456 geschriebenen Profeßurkunden ist deutlich von Peugers Schriftzügen zu unterscheiden. (Nur die Schrift des hanns von plankchsteten zeigt eine entfernte Ähnlichkeit mit Peugers Schreibweise).4 Zudem weisen die Hss. Peugers eine Reihe gemeinsamer charakteristischer Merkmale auf, die den Codices anderer Melker Schreiber fehlen. Der Vergleich der Profeßurkunden zeigt, daß Peuger als einziger die stehende Formel des Eingangs (In dem namen Jesu Christi Amen) variiert. Er allein greift in den Text der Profeßformel ein und schreibt: Jn dem namen Jesus vnd mariam amen. Spiegel seiner besonderen Marienverehrung sind nicht nur seine Reimpaarreden und die Worte, mit denen er in einigen Codices (s.o.) sein Wappen umgibt.5 Vielmehr stellt er fast allen seinen Handschriften6 auf der jeweils ersten Seite in großen roten (seltener schwarzen) Lettern die Namen Jesu und Mariae voran. (Vgl. Abb. 9); auch die Abschrift der einzelnen Texte beginnt er in der Regel mit den Worten Jesus, maria.7 Doch kann dieses Merkmal für sich allein genommen nicht schon als Signum Peugers gelten. Die Namen Jesu und Mariae finden sich in anderen Hss. der Stiftsbibliothek ebenfalls,8 beispiels3

Vgl. Abb. 7. Hans von Plankstetten (zwischen Nürnberg und Ingolstadt), der 1423 in Melk Profeß ablegte, wird bei BRÜCK (Arbeit noch ohne Kenntnis der Profeßurkunden entstanden) nicht erwähnt. Allerdings nennt BRÜCK einen Johannes de Perching (Profeß 1423), bei dem es sich um dieselbe Person handeln muß: Berching liegt neben dem Kloster Plankstetten. Eine Hs. von der Hand des Johannes (er war nach Ausweis der Melker Profeßlisten cultellifex) hat sich nicht gefunden. 5 Vgl. Abb. 7. 6 Codd. 220, 273, 670, 677, 808, 849, 855, 856, 888, 970, 981, 1037, 1389, 1401, 1569, 1730, 1762, 1765, 1865. 7 Vgl. Abb. 6. 8 Vgl. auch die Melker Handschrift, die sich heute in Lilienfeld befindet: Lilienfeld, Stifts4

Die Handschriften

45

weise auch im cod. 1752 (651/L79), f. 41r u. 98r (Abb. 11). Diese Hs. stammt von der Hand Frater Michaels.9 Michael, dessen Profeßurkunde sich in Melk nicht fand, der sich aber in anderen Hss. nennt, ist zugleich der zweite Melker Schreiber, dessen Schriftzüge denen Peugers entfernt ähneln. Seinen Hss. fehlen jedoch zwei weitere Merkmale der Peuger-Codices: Wie alle Hss. der Melker Bibliothek (und der Bibliotheken aller Klöster, die sich der Melker Reform anschlössen) wurden auch die Hss. Peugers auf dem vorderen Deckel mit je zwei Pergamentzettelchen versehen; das kleinere nennt die StandortSignatur (Buchstabe und Zahl);10 das größere einen Autor-Namen oder eine knappe Inhaltsangabe." Rote Ziffern, die die einzelnen Codices nummerieren, finden sich jedoch nur in den vorderen Spiegeln der Hss. Peugers. Die Nummerierung entspricht dabei nicht einfach der Chronologie der Hss. (s.u.), sondern läßt eine eigene Ordnung der von Peuger angelegten Bibliothek erkennen. Hier genügt der Hinweis, daß auch die roten Nummern als Hilfsmittel zur Identifizierung von Hss. Peugers dienen konnten.12 Ein weiteres Erkennungsmerkmal der Peugerschen Hss. ist die Darstellung der Arma Christi, die sich in fast allen Quarthss. jeweils im vorderen Spiegel findet (Vgl. Abb. 15).13 In den kunstgeschichtlichen Untersuchungen bildlicher Darstellungen der Arma Christi14 werden Peugers Hss. nicht erwähnt. Interessant ist die Wappenform: »Daß arma außer Waffe auch Wappen bedeutet, wies von vornherein auf die Möglichkeit einer Anordnung [von Christi Leidens Werkzeugen] in Wappenform hin; aber potentielle Möglichkeiten und ihre Realisierungen sind zweierlei. Immerhin war um 1320 in aristokratischen Kreisen die Wappenform möglich.«15 (Kleine Abweichungen

bibliothek, cod. 21. Dazu: GLASSNER, Schreiben, S. 308. Zu den Namen Jesu und Mariae in Melker Hss. auch KELLER, S. 241. 9 Von seiner Hand auch die Codices 1417, 1601 und ein Faszikel (f. 172V-213V) des cod. 1596. 10 Die Katalogisierung erfolgte i. J. 1483. Während der Katalogisierung des Jahres 1517 wurden diese Standort-Signaturen durch Überschreiben verändert oder die Zettelchen ausgewechselt. 11

12

Vgl. HOLTER, S. 307.

Die erste erhaltene Nummer (6) findet sich in cod. 855, die Nr. 7 in cod. 1001, die Nr. 10 in cod. 849, die Nr. 11 in cod. 1730, 12 in cod. 970; 16: cod. 1762; 20: cod. 888; 22: cod. 183; 23: cod. 808; 24: cod. 670; 28: cod. 981; 32: cod. 1765; 33: cod. 1389; 36: cod. 1401. 13 In einigen Codices ist das Blatt aus dem vorderen Spiegel herausgerissen, weshalb Arma und rote Nummern fehlen; erhalten sind die Arma in den codd. 183, 670, 808, 849, 867 (fragm.), 970,981 und 1001. 14 R. SUCKALE, Arma Christi. Überlegungen zur Zeichenhaftigkeit mittelalterlicher Andachtsbilder, in: Stadel-Jahrbuch N.F. 6 (1977) 177-208; R. BERLINER, Arma Christi, in: Münchner Jahrbuch der bildenden Kunst 3. F. Bd. VI (1955) 35-152; W. SCHEFFLER, Das Wappen Christi, in: Der Herold NF 3 (1943) 89-108, bes. Gruppe III (Das vollständige Wappen ohne Schildhalter); vgl. auch: G. SATZINGER/H.J. ZIEGELER, Marienklagen und Pietä, in: W. HAUG/B. WACHINGER (Hgg.), Die Passion Christi in Literatur und Kunst des Spätmittelalters (Fortuna Vitrea 12), Tübingen 1993, S. 211-140, hier S. 265 und 271. 15

BERLINER [Anm. 14], S. 52f.

46

Kapitel 3

der einzelnen Darstellungen Peugers untereinander zeigen, daß keine Schablone benutzt wurde). Anhand der aufgeführten Kriterien können die genannten Hss. zweifelsfrei Lienhart Peuger zugeschrieben werden. Der Überblick über seine gesamte Produktion als Schreiber, der auf diese Weise möglich wird, scheint mir aus mehreren Gründen wertvoll. Er kann am ehesten dazu dienen, den Stellenwert von Peugers Eckhart-Abschriften zu bestimmen. Wie hoch ist der prozentuale Anteil von Eckhart-Texten am Gesamt-Schaffen Peugers? Wie sind die Abschriften von Eckhart-Texten unter chronologischem Aspekt in Peugers Lebenswerk einzuordnen? Wie fügen sich die Eckhart-Texte ins Gesamtbild der anderen Schriften? Wie schließlich ist Peugers geistlicher Horizont zu bestimmen? Im folgenden sollen Peugers Handschriften kurz dargestellt werden. Bei der Fülle des Materials kann dies hier nur durch einen tabellarischen Überblick über die Chronologie und die wichtigsten Texte der Hss. Peugers geschehen. (Nicht datierte oder schwer datierbare Hss. - vor allem sind dies gerade diejenigen, die die wichtigen Eckharttexte enthalten - finden sich am Ende der Tabelle). 1413

cod. 1037 datiert 4° 298 Bll. - Heinrich von Langenstein, >Erkenntnis der SündeDe quattuor instinctibus< - Martin von Amberg, >Gewissensspiegel< - >Lucidarius
Orationes et Medidationes Anselmi< 17

[vor 1419]18

cod. 808 4° 120 Bll. - Psalter - Lieder des Mönchs von Salzburg - Reimpaarreden Peugers (Nachtrag)

16

Zur Melker Überlieferung des Textes (ohne diese Hs.): KELLER, S. 267-269 und 306. Vgl. LÖSER, Anselm, Eckhart, Lienhart Peuger, S. 236-241 und 250f. 18 Aufgrund des Schriftduktus, der äußeren Einrichtung der Hss., besonders aber aufgrund des charakteristischen Einbandes, der demjenigen der datierten Hss. 1037, 183 und 1001 gleicht und in der Melker Stiftsbibliothek nur bei diesen sechs Hss. Peugers begegnet, sind auch die codd. 808, 867 und 981 vor Peugers Übertritt nach Melk zu datieren. Zu danken habe ich P. Gottfried Glaßner, der mit mir gemeinsam die Einbände aller Melker Hss. durchsah. 17

Die Handschriften

47

[vor 1419]

cod. 981 4° 308 S. - Johann von Neumarkt, >Buch der Liebkosung< 19 (= ps.-augustinische >SoliloquienBuch von den sechs Namen des Fronleichnams< - Heinrich von St. Gallen, Predigtzyklus über die >Acht Seligkeiten - Georgslegende (Nachtrag)

[vor 1419]

cod. 867 4° 262 S. - Vater-Unser-Auslegung >Adonay< - Johann von Neumarkt, >Stachel der LiebePhysiologus< (Nachtrag)20

[nach 1419]21

cod. 970 4° 284 S. - Johann von Neumarkt, > Stachel der LiebeDe missarum mysteriis< - Heinrich von St. Gallen, >Extendit manum Passionstraktat
Brief des Rabbi Samuel< - Friedrich der Karmeliter, >Buch von der himmlischen (heimlichen) Gottheit< (Auslegung von 1,1-14) - PS.-Bernhard, >Epistola de cura rei familiaris (Version F.)Der lerer sprüch< (= Exzerptsammlung Peugers u.a. aus der >Erkenntnis der SündeElucidarium< des Honorius Augustodunensis)24

[nach 1422]25

cod. 677 4° 84 Bll. Fasz. I - Johannes von Speyer, >Wie sich die laypruder sullen halten< (= David von Augsburg, >De exterioris hominis compositioneTripartitum< - >Erkenntnis der SündeBuch der LiebkosungMeditationes Anselmi
Büchlein von der geistlichen Gemahelschaft
Laienbrüderordnung< in Lambach: ANGERER, Lateinische und deutsche Gesänge, S. 89f. 18 Kapitel >Von den Laybrudem< der Consuetudines Tegernseenses, gedruckt bei ANGERER, Die Bräuche, S. 279-283, hier S. 280f. Vgl. die libri legibiles ad collationem, hier S. 52f.

19 20

THOMA, S. 128. Vgl. HAYER, S. 176.

21

Salzburg, St. Peter, cod. b II 21, f. 86r"v: Die formb der profess der laybrueder In dem namen iesu christi Amen Jch prueder N. von N. lay zu lob vnd zu eren den almechtigen gott vnd der

60

Kapitel 4

Die Anweisungen, wie sich die laidpruedern (!) sollen halten (f. 88rff.) sind dabei ebenso eindeutig wie die Tegernseer Bestimmungen. Auch hier beinhaltet der Abschnitt Von der collatzen die Pflicht der Laienbrüder, sich zu treffen und einem Vorleser zuzuhören: Alle tag zu der letzen zeit des abents die man vor der complet list wellig lay brueder mit gnädigen geschafft durch gehorsam nicht gehindert sind die sollen zusamen gen an ein gwisse stat vnd da sol in ir ainer der da khan etwas lesen zu ir vnderweisung.22

Das Kapitel Von dem Predigen bestimmt - ähnlich wie in Tegernsee, der Konversenmeister oder ein Beauftragter des Abtes solle an Sonn- und Feiertagen den Konversen eine Predigt halten. Wenn dies nicht möglich sei, müßten die Laienbrüder dennoch zusammenkommen. Dann solle ir ayner der das chan den ändern aus einem puoch peberdt lesen ainer stund lang.23. Ein eigener, wenn auch sehr kurzer Absatz trägt den Titel Von den puechern und bestimmt: Dy puecher die de(!) laybrueder haben sol ir maister yn haben vnd sol in die [...] leichen was yedlichem nucz ist.24 Aus den einzelnen Bestimmungen ergibt sich folgender Befund: Die Laienbrüder trafen sich nicht nur sonntags, sondern alle tag zur Lektüre, die sie entweder unter Anleitung des Konversenmeisters oder selbständig durchführten. Demjenigen unter ihnen, der lesen konnte, kam dabei die Rolle des Vorlesers zu. Die Statuten hielten sie zur Lektüre an, die Bücher pewärtter geschrift wurden nach Ordnung der obern ausgewählt und durch eine eigene Laienbrüderbibliothek, die der Konversenmeister verwaltete, zur Verfügung gestellt.25

seligen iunckfrauen marie vnd vnserm vattern sant benedicten vnd allen heiligen mit disem brieff verhaiss stetigkhait vnd bekherung meiner siten vnd gehorsam nach der regl des egenanten heiligen sant benedicten vor got vnd seinen heiligen vnd sunderlich vor sant peter vnd vor sant paul zwelfpoten vnd sant colman martrer vnd vor anderen heiligen der heiltumb in diser khirchen rastund ist usw. 22 Salzburg, St. Peter, cod. b II 21, f. 95'. Vgl. auch München, Bayer. Staatsbibl., cgm 423. Zu dieser Melker »Laienbrüderordnung« von 1435 ist jetzt auch SCHREINER, Gebildete Analphabeten?, S. 309 und 297 Anm. 2 zu vergleichen. "Zitiert nach München, Bayer. Staatsbibl., cgm 423, f. 6 . Vgl. SCHREINER, Gebildete Analphabeten?, S. 309. 24 Salzburg, St. Peter, cod. b II 21, f. 99V. Ähnlich München, Bayer. Staatsbibl., cgm 423, f. 63r~v (vgl. SCHREINER, Gebildete Analphabeten?, S. 320). 25 Schon die Tatsache, daß keine der Hss. Peugers in den mittelalterlichen Bibliothekskatalogen Melks aufscheint, spricht für die Existenz einer eigenen Laienbrüderbibliothek, deren getrenntes Verzeichnis vielleicht verschollen ist oder nie existiert hat. Zu den mittelalterlichen Melker Verzeichnissen: MBK 1,1, S. 137-261.

Die Melker Laienbrüder als Adressaten

4.3.

61

Laienbrüderbibliothek

Die Existenz dieser von der lateinischen Bibliothek der geweihten Mönche getrennten Laienbrüderbibliothek wird nicht nur durch Bestimmungen der Consuetudines, sondern auch durch die Hss. selbst belegt: Der 1472 entstandene Codex 132 (583/L2) etwa schließt (f. 216r): Geschriben zu Melkch den wirdigen geistlichen laypruedern daselbs vnd gehört jnjr librei. Im vorderen Spiegel des Peuger-Codex 855, der die Apostelgeschichte enthält, hat eine andere Hand als die Peugers vermerkt: Das puech sullen lesen dy lay die sich mit yerr arbayt nern als dy tzwelifpoten. Die Hs. 1417 (73/B28) v.J. 1440 wird im vorderen Spiegel als Liber fratrum laicorum, hoc est conversorum in Mellico bezeichnet. Dieser Codex und die Hss. 180 (296/E86)26 und 1601 (241/E39)27 enthalten neben den Texten der >Melker Evangelien< jeweils ein tafel zw vinden die euwangeli die einem yden tag des Jars zw gehören nach der haltung vnd gewanheit der Munich des klaster zw Melkch™ In allen drei Codices werden dye jnnhalter der tafel vnd der ewwangelien gleichlautend gemant das sy nit treg sein vnd durich die savmikchait der lesung der ewangelien chömen zw der ewigen pein. Das aber heißt, daß in Melk tägliche Evangelien-Lesungen in deutscher Sprache erfolgten. Es läßt sich dabei zeigen, daß die Sorgfalt in Melk sogar soweit ging, jedem Laienbruder, der lesen und schreiben konnte, ein eigenes Handexemplar der Evangelien zur Verfügung zu stellen.29 Der Befund berührt sich mit den Erkenntnissen ANGERERS, der die musikalischen und liturgischen Gepflogenheiten in Klöstern der Melker Reform< untersucht hat und dabei »verhältnismäßig viele deutsche Lieder« nachweisen konnte, von denen die meisten Übersetzungen lateinischer, zur Liturgie gehörender Texte (Salve regina, Te deum, Credo) sind. ANGERER macht deutlich, daß die Kleriker die Übersetzungen der lateinischen Gesänge nicht nötig hatten, »insbesondere dann nicht, wenn es sich um solche handelte, die Bestandteil ihres Offiziums, damit jener Gebetsverpflichtungen waren, die das Volk, die Laien nicht trafen, es sei denn sie gehörten als Laien zu einer klösterlichen Gemeinschaft, die sich, gleichgültig ob als Priester26

Perg.; 14. Jh.; omd.; am Anfang des 15. Jh.s nach Melk gekommen und dort bearbeitet. Vor 1440; derselbe Schreiber (Frater Michael) wie cod. 1417. 28 Zitiert nach cod. 1601, f. . In den omd. Codex 180 wurden nachträglich zwei Sexternionen mit den Melker Perikopentafeln für die tag des jars in den vorderen, für die Heiligenfeste in den rückwärtigen Spiegel geklebt. 29 Einzelnachweise zur Überlieferungsgeschichte der Texte und eine Erörterung der Frage, ob dabei die lingua vernacula über die Konversen als liturgische Sprache in das Offizium eingebracht wurde, oder ob man an eine andere Verwendung (etwa bei Tischlesungen im eigenen Refektorium der Laienbrüder) zu denken hat, finden sich bei LÖSER, Das Neue Testament aus dem Deutschen Orden und die Melker Reform, ZfdPh 1999. 27

62

Kapitel 4

oder Laienmönche als eine Gebetsgemeinschaft verstanden.« Im Zuge der Melker Reform könne eine beachtliche Zunahme der Konversen und Donaten festgestellt werden. Vor diesem Hintergrund werde verständlich, weshalb in den Klöstern der >Melker Reform< Übersetzungen der Offiziumstexte so gefragt und beliebt waren. »Sie dienten in erster Linie den Laienbrüdern«.30

4.4. Melk und andere Klöster der Melker Reform Diese Beobachtung gilt nicht nur für das Kloster Melk, dem eine Sonderrolle nur insofern zukommt, als es die Reformen anderer Klöster initiierte. Das belegen etwa die Arbeiten G. HAYERS zu den deutschsprachigen Handschriften der Benediktiner Erzabtei St. Peter in Salzburg. HAYER verzeichnet rund 70 Codices aus der zweiten Hälfte des 15. Jh.s, mehr als die Hälfte davon nur deutsch geschrieben und erklärt diese »eindrucksvolle Handschriftenproduktion«31 und die »signifikante Aufwertung der Volkssprache in St. Peter« mit den Auswirkungen der >Melker Reformsand Jeronimus spricht

Die aws legung des pater noster etc. DEr lerar sand Jeronimus spricht chestigung zambt vnd haut das fleisch des menschen vnd petten haut dem menschen sein gemüet vnd seinn gaist [...37V...] Erledig vns von dem vergangen vnd von dem chünftigen vbel. Amen das pitt wir [38r] des peger wir das es geschech Amen. Lit. u. Überl. (ohne diese Hs.): ADAM, S. 227f., Nr. l v. 38r-42v

>Die geistliche Klause Sechs Übungen zur Vollkommenheitx

Von Häher volchomenhait des lebens Wer da chomen well zw der hohen volchomenhait vnd zw der anschawung des öbristen gruntlasen guets das got selber ist der mues haben ein erchennen seins selbers vnd der ding die ob im sind. Nw sind sechs ding die eim ysleichen menschen gar nutz sind ze wissen. [...50V...] - wan die sei mit plazzer warhait in got siecht das ist nutzer dan alle leipleiche merkchung die die heilig christenhait von püezzen ye gewaricht. wan da von chümbt wäre vnd gantze er[5V]lewchtung der gwizzen Amen. Lit. u. Überl.: BRETHAUER, Texte, S. 158; QUINT, Fundbericht, S. 39 u. 41f.; RUH, Bonaventura deutsch, S. 107 u. 151; SKUTELLA, ZfdA 71, S. 78; SPAMER, PBB 34, S. 321 Nr. 16 u. S. 372; RUH, Von Vollkommenheit. (Sechs Übungen zur Vollkommenheit), 2VL, Bd. 10, Sp. 493-496. Der Text berührt sich nur eingangs mit PF. Tr. II (>Von der edelkeit der sele< = >Der mslacMeister< zitiert wird, »unter dem wir zweifelsohne Meister Eckhart zu verstehen haben.«20 SPAMER, PBB 34, S. 321 Nr. 16 hat den Traktat >Von den sechserlei Übungen des guten Menschen< in der Textform der Hs. Wien, ÖNB, cod. 2757 (W5), f. 115V-130V analysiert, die Aussprüche des >Meisters< identifiziert und weitere Eckhart-Zitate nachgewiesen, (darunter auch PF. Tr. III, S. 414,4-7). Wie sich zeigen läßt, ist aber der ganze Abschnitt in PF. Tr. III, S. 414,2-15 den entsprechenden Aussagen der >Sechs Übungen zur Vollkommenheit identisch.21 In dem Traktat von den >Sechs Übungen zur Vollkommenheit, in Peugers Quelle also schon, wird Eckhart mehrfach bewußt zitiert. Dies zeigt 18

f. 216V = PF. Tr. III, S. 414,4-7; f. 218v-219r = PF. Tr. III, S. 414,10-14. "RUH, Bonaventura deutsch, S. 107: St. Gallen,ri Stiftsbibl. cod. 965, S. 126-134und (S. 151) Köln, Historisches Archiv, cod. W 4° 135, f. l M6vb (ausführlichere Fassung, doch in den sechs Übungen entsprechend). 20 RUH, Bonaventura deutsch, S. 107 Anm. 2. 21 Vgl. Teil II, S. 484ff.

Melk, cod. 183 (603/L23) = Me4

79

die Liste der verwendeten Eckhart-Dicta.22 Dies beweist vor allem auch ein bislang übersehener, sonst nicht unbekannter Textzeuge: St. Florian, Bibliothek des Augustiner-Chorherrenstiftes, cod. XI 123.23 QUINT hat den Inhalt der Hs. sehr ausführlich,24 jedoch - wie in seinen Beschreibungen üblich nicht vollständig dargestellt. So fehlen in seiner Inhaltsanalyse der Hs. die Blätter 14r-19v.25 Gerade im Bereich dieser Blätter (f. 16r-19v) aber steht unter dem Titel Di anschawunge der Traktat von den >Sechs Übungen zur Vollkommenheit^ In diesem Fall erweist sich die Überprüfung deshalb als lohnend, weil die beiden ersten von RUH (Bonaventura deutsch, S. 107, Anm. 2) aus St. Gallen, cod. 965 abgedruckten, von RUH und SPAMER Meister Eckhart zugewiesenen Zitate vom Schreiber der St. Florianer Hs. e x p l i z i t Meister Eckhart zugeschrieben und in authentischerer Textform als in der St. Galler Hs. tradiert werden. (Zitiert nach St. Florian, cod. XI 123, f. 17r und 18r; in Klammern Abweichungen der St. Galler Hs. [G 4]:) Maister ekhart spricht (Ain maister sprach G 4) Der in allen steten ist dehaim der ist gots wirdich Vnd der an allen zeiten pleibet ein dem ist got gegenwärtig Vnd in dem sint geswigen all creaturen Jn dem gepert got got (got [2] getilgt G4) sein einborn sun. = PFEIFFER, Spruch Nr. 4, S. 598,22-25. Vgl. ebd. Spruch Nr. 10, S. 600,8-11. Maister ekhart spricht (Ain maister sprach G 4) . Di hailige geschrift rafft alle zu mal dar auf daz auch der mensch seins willens (sin selbs G 4) ledich werde Wenne also vil vnd du deins selbes ledich pist also vil pist du dines gewaltig Vnd also vil als du deins selbes gewaltig pist Also vil pistu deins selbes aigen Vnd als vil als du deins selbes aigen pist als vil ist got dein aigen (Vnd als ... dein aigen fehlt G 4; Horn.) vnd alles daz got ie geschuf, (gelaisten mag G 4) vor war sag ich dir als werleich daz got ist vnd ich mensch pin (vorwar ... pin fehlt G 4) wirst du deins selbes also ledich als du pist des hosten engilis der hoste engel wer dein also aigen als du dein selbis pist. Jn dirr vbunge wirf der mensch seins selbes gevaltig [!] = PFEIFFER, Spruch Nr. 5, S. 598,27-36.

Eine e x p l i z i t e Zuweisung der Dicta an Meister Eckhart bieten, soweit ich sehe, sonst nur zwei Hss.: Bremen, Staatsbibl. ms. C. 18 (= Bre 1), f. 66r-73r, aus der BRETHAUER Teile des Traktats abgedruckt hat,26 und Berlin, SBPK, ms. germ. 8° 329 (= B14), f. 90-102r aus dem Tertiarierkloster in Aachen: 22 23

Vgl. SPAMER,PBB 34, S. 321 f.

Vgl. K. RUH (Hg.), David von Augsburg, Die sieben Staffeln des Gebetes (Kleine deutsche Prosadenkmäler des Mittelalters 1), München 1965, S. 16f. 24 QUINT, Fundbericht, S. 62-76. 25 Ebd., S. 65. 26 BRETHAUER, ZfdA 69, S. 256f. mit Hinweis auf weitere Überlieferung in Köln, Stadtarchiv, G. B. 8° 69,f. 20r.

80

Kapitel 5: Die Melker Eckhart-Handschriften

Dit sin vj oefungen (f. 90r). STAMMLER27 hat daraus den wieder explizit Eckhart zugeschriebenen Spruch PF. »Nr. 10« [wohl eher die Textfassung von Nr. 4] mitgeteilt.28 Die explizite Zuweisung der Dicta an Meister Eckhart ist schon deshalb kaum zu bezweifeln, weil die Wahrheitsbeteuerung in der Form der St. Florianer und Wiener Hss. - deutlicher als im St. Galler Codex und den Melker Hss. - die Diktion Eckharts trägt: vor war sag ich dir als werleich daz got [got] ist vnd ich mensch pin - so formuliert Eckhart beispielsweise auch in den Predigten 64 und 65 (DW III, S. 89,7f. und 100,12): vnd das ist als war, als got got ist [...] und ist als warliche war, als daz got got ist. PFEIFFER hat dem Traktat (in der Form der Wiener Hs. 2757) die beiden eckhartschen Dicta entnommen,29 diese isoliert als Spruch Nr. 4 und 5 wiedergegeben und ihrem Überlieferungszusammenhang entrissen: Der letzte Satz von Spruch Nr. 5, in dirre üebunge werde der Mensch smes selbes gewaltic (PF., S. 598,35f.) wird erst in seiner Einbettung in den Traktat von den >Sechs Übungen< verständlich und als nicht mehr zum Eckhart-Zitat gehörig erkennbar. Das heißt: Eine Beschäftigung mit den Sprüchen Nr. 4 und 5 (wie mit den Sprüchen generell) hätte immer deren Überlieferungszusammenhang, hier eben den Traktat von den >Sechs Übungem, als Ganzes zu berücksichtigen. So ließe sich - erstens - deutlich machen, daß die Texte, denen PFEIFFER die >Sprüche< entnahm, oft weit mehr eckhartsches Gut enthalten als die von PFEIFFER ausgewählten Dicta. Zweitens wäre zu zeigen, warum und in welchem Kontext der Kompilator jeweils Eckharts Sätze verwendet. Eine solche Detailanalyse muß hier unterbleiben; doch läßt sich festhalten: Der Text stammt als Ganzes so nicht von

27

W. STAMMLER, Studien zur deutschen Mystik, in: ZfdPh 55 (1930) 291-300, hier S. 297; vgl. ebd., S. 300 zu f. 10 [= Spruch Nr. 5]; zur Hs.: SPAMER, PBB 34, S. 402f. Anm. l und SKUTELLA, ZfdA 71, S. 78 (mit Hinweis auf die Überlieferung in Berlin, SBPK, ms. germ. 4° 1486, f. 96-97v; Nürnberg, Stadtbibl., Cent. IV 37, f. \-4 und Den Haag, Königl. Bibl., V 52 (218 b Th), f. 23b-25b. Eine weitere Haager Hs. (73 E 23 [Cat. 644], f. 25va-27*) nennt BRETHAUER, Texte, S. 158, der fälschlich meint, es würden dort nur zwei Eckhart-Zitate überliefert. In der Tat sind es drei. Das von BRETHAUER übersehene Zitat (PF. S. 598, 27-36 = Spruch 5) findet sich f. 26*-26va. Auch ist der Text nicht »umgebaut«, wie BRETHAUER angibt, sondern die Blätter sind falsch ineinandergelegt. Wenn BRETHAUER (ebd.) schreibt, Eckhart werde »in allen bisher bekannten [Hss.] außer Berlin germ. oct. 329 anonym»zitiert, so übersieht er dabei die (ZfdA 69, S. 256 Nr. XLII) von ihm selbst abgedruckte Bremer Hs., die die Zitate explizit Meister Eckhart zuschreibt. 28 Ebenfalls STAMMLER verweist auf Berlin, SBPK, ms. germ. 2° 1313, »geschrieben im J. 1469, aus Baiern«, eine Hs., in der »eine Mischung von Gedanken und Sätzen, die bei PFEIFFER II [= Sprüche] Nr. 1,3,4,10 abgedruckt sind [...] mitten in einer Autoritätenkette steht.« 29 Vgl. PFEIFFERS Quellenangaben, S. IX Nr. 16.

Melk, cod. 183 (603/L23) = Me4

81

Meister Eckhart, zitiert ihn jedoch mehrfach; er ist ein gewichtiges Zeugnis für Eckharts Weiterwirken und als solches durchaus einigen von PFEIFFER unter Eckharts Namen gedruckten Traktaten, oder etwa den Eckhart-Zitationen in der >Blume der Schauung< und im >Traktat von der Minnepraktisch-didaktische< Ausrichtung (Übungen) zu geben. Das eben begründet auch seine Stellung in dieser Hs.: nach der Paternoster-Auslegung (chestigung zdmbt vnd hallt das fleisch)^ nach der >geistlichen Klause24 Zeichens Im Vergleich mit den anderen Textzeugen erweist sich diese Hs. als stark kürzende Bearbeitung. Peuger weist die Dicta zwar nicht explicit als eckhartsche aus, scheint sie aber als solche erkannt zu haben: Nochmals gekürzt und umgestellt fanden Teile der >sechs Übungen< Eingang in den Traktat >Von der sei wirdichait vnd aigenschafft< (vgl. Teil II, S. 484f.). 5 -55 PF. Tr. VII >Diu zeichen eines warhaften grundes< = >MeisterbuchVon 24 Stücken eines vollkommenen Lebens < Von volchomen leben etc. Man vint wol menschen die da chomen zw chlarr verstantnus vnd zw vernüftiger vnterschaid pild vnd form [...55r...] - das sind die vier vnd tzwaintzig zeichen eins war[55"]hafien gruntz vnd grechten lebens da das pild aller warhait in lebt, vnd wer ir nicht hat der schol von seiner vernuft noch auch ander menschen nichts nicht halten etc. Lit.: LASSON, S. V; A.M. LÜCKER, Meister Eckhart und die Devotio Moderna (Studien zur Geistesgeschichte des Mittelalter I), Leiden 1950, S. 46; SCHAEFER, S. 20; SPAMER, PBB 34, S. 325 zu Nr. 24 u. S. 380f.; G. STEER, Rulman Merswin, in: 2 VL Bd. VI (1986), Sp. 420-442. Überl.: QuiNT, Neue Handschriftenfunde, S. 79 (nicht 97, wie im Register angegeben), 131, 140, 200, 214, 216; ders., Fundbericht, S. 12, 16, 40, 75, 89; SPAMER, PBB 34, S. 380f. SPAMER hat, wie bereits vor ihm LASSON, Eckhart den Traktat aus dem Grund abgesprochen, weil man glaubte, seine Zugehörigkeit zu einem anderen Werk erkannt zu haben: Es handle sich um »den traktat >Von den 24 zeichen eines warhaften grundes< aus dem Meisterbuch des Rulman Merswin«. 30

31

K. RUH (Hg.), Die Blume der Schauung (Kleine deutsche Prosadenkmäler des Mittelalters 16), München 1991; ders., Traktat von der Minne, in: Philologie als Kulturwissenschaft (Fs. K. STACKMANN zum 65. Geburtstag), Göttingen 1987, S. 208-229. Vgl. oben S. 77.

82

Kapitel 5: Die Melker Eckhart-Handschriften

Der Traktat, der auch außerhalb des Meisterbuchs überliefert ist, wurde aber nicht aus diesem herausgenommen, sondern im Gegenteil in das Werk integriert (STEER, Sp. 437). Sicherlich ist kaum anzunehmen, daß Eckhart selbst 24 Zeichen, an denen man die gerehten vernünftigen geweren anschouwer gotes [...] bekenen kann (PF. S. 476,29f.), rein additiv aneinanderreihte; wohl aber könnte ein Redaktor ursprünglich eckhartsches Gut so zusammengestellt haben. 55v-62r

>Vom Liebhaben der Kreatur
Von abegescheidenheiK, S. 427 und HAAS, Nim din selbes war, S. 150-152. Vgl. HAAS, ebd., S. 24; ders., Der Mensch als dritte Welt im Annolied, in: HAAS, Geistliches

Melk, cod. 183 (603/L23) = Me4

83

der mensch ist leipleich vnd geistleich. Nach dem ynnern menschen ist er geistleich vnd nach dem awzzern leipleich. dar an erchennt man das der mensch von tzwain naturn ist. Aws den fließen geistleich lieb vnd leipleich lieb. (f. 58v-59r)· Nachdem die dreierlei Arten der geistlichen Liebe (vnnatürleich, natürleich vnd vbernatürleich) gegen die dreyerlay Arten der leipleich lieb (natürleich, fleischleich vnd vnnatürleich) abgehoben wurden, schließt der Text mit einer Warnung vor fleischleicher lieb. 62r-65r

> Regel und Leben Marias nach Christi Himmelfahrt

Wie sich vnser fraw in irm leben gehalten hat nach der auffart irs suns etc. Der himlischen chünigin leben was also das sy zw metten zelten got lobt mit psalm vntz an den margen. [...64V...] - die selb Junchfraw vnd mueter des chunigs der engel sey vnser gevert aws dem tal der zäher vnd der armuot in die stat der ewigen wollu[65']tichait [!] Amen etc. Lit.: HiLG, S. 405. Überl.: Ebd., S. 406. Zur Überlieferung gehört auch Melk, cod. 1752 (651/L79), f. 37V-40V, eine Hs. des frater Michael v.J. 1438. Eine zweite, nicht identische Regel Marias nach Christi Himmelfahrt enthalten die Peuger-Hss. 235, f. 344rt>-vb und 1569, f. 23V-24V jeweils im Anschluß an Peugers Fassung von >Historienbibel Illb Anhang Der Gewissensspiegel
Gewissensspiegels< bis auf die Zeilen 1318ff. (= her mertens pete = >Nachwort Gewissensspiegels < nicht als gültig geklärt gelten können. (Vgl. RUH, S. 424; SCHWINGER, S. 127; STEER, S. 204f.; WERBOW, 2VL, Sp. 146). Zur Überlieferung:35 Es ist auf eine zweite bisher nicht beachtete Melker Hs. hinzuweisen: cod. 329 (411/H24).36 In ihrer 1960 erschienenen Beschreibung dieser Hs. hat Annelies HOFMANN37 den Text des >Gewissensspiegels< übersehen, obwohl er in der mittelalterlichen Inhaltsangabe (im vorderen Spiegel) als Ain puech der gwissen aufgeführt ist. (Die lederne Lasche f. 179, die den Beginn des Textes markierte, ist ausgerissen.). K. RUH,38 der zu fast allen anderen Hss. HOFMANNs Textidentifizierungen nachtragen konnte, hat sich mit dieser Hs. (HOFMANNs Nr. 4) nicht befaßt. R. HORWEGE39 fußt in seiner Neubeschreibung der Hs. weitgehend auf HOFMANN, teilt aber immerhin den Textbeginn des >Gewissensspiegels< mit, ohne ihn zu identifizieren. Die Hs. enthält den >Gewissensspiegel< f. 178vb-196rb: Hie hebt sich ain puechel der gewissen genant vnd in dem so vindet ain mensch daz merer tail seiner begangen 35

Vgl. die Zusammenstellung bei WERBOW, S. 20ff., die Ergänzungen bei RUH und die Dissertation SCHWINGERS. 36 Zur Hs.: LÖSER, Ein zweiter Textzeuge [Kap. 0, Anm. 47], S. 133ff.; LÖSER/STÖLLINGERLÖSER [ebd.], S. 261 f. 37 Annelies Julia HOFMANN, Der Eucharistie-Traktat Marquards von Lindau (Hermaea NF 7), Tübingen 1960, S. 27-30. 38 K. RUH, Rezension zu HOFMANN, in: AfdA 73 (1961/62) 13-24, bes. S. 15-20. 39 R. HORWEGE, Marquard von Lindau, De Nabuchodonosor (Diss. masch.), Indiana University 1971, S. 16-18.

Melk, cod. 183 (603/L23) = Me4

85

svndenn [...] Das waiss man wol, daz ain jegleicher christenleicher ordenn ze lobenn ist vnd auch gut ist [...196rb...] - dye got allain denn seinen bereytt halt in dem fron himelreich vnd auch allenn denn gemaint hat dye seinen willenn tund vnd sein gepot volpringent das sew wesiczen sullen dye Jmmer werundfrewd ewichleich an End vnd das vns das allen wider far daz verleich vns ihesus christus Amen. An dieser Stelle (= WERBOW, S. 96, 1313-1317) endet der Text auch in dieser Hs. (cod. 183) und in den Hss. »DLMNOTW« WERBOWS (s.o.). (Es folgt, wie in der >GewissensspiegelLucidariusLucidariusLucidariusElucidarium< III, die Peuger im Jahr 1422 mit dem Codex 670 vorlegte.42 15

Explicit Anno domini mm° cccc xiiij" [nicht ccccxiij0, wie bei SCHORBACH, S. 36 fälschlich angegeben] die anne matris marie etc [=26. Juli 1414] das tzway vnd xx puech

152r-157v

[leer; 157 nicht gezählt]

E r g e b n i s : Peuger hat schon vor seinem Übertritt nach Melk die Eckhartpredigt PF. Nr. 76,1 (>Expedit vobis ut ego vadam24 Stücke eines vollkommenen Lebens< und die >Sechs Übungen zur Vollkommenheit, die Eckhart bewußt zitieren, abgeschrieben. Doch dokumentiert dies noch kein ausgeprägtes Interesse an Eckharts Werken. Eckhart-Texte stehen nicht im Mittelpunkt dieser Hs. (In den fünf weiteren Hss., die vor 1419 entstanden,43 fehlen sie ganz). Es wurde eine Bra3 N l nahestehende Vorlage bemerkt, die wohl auch schon JOSTES Nr. 54 (=Text l dieser Hs.) überlieferte. An keiner Stelle dieser Hs. oder ihrer Vorlage findet sich die für die späteren Melker Hss. Peugers (und deren Vorlagen) charakterische Zuschreibung der Predigttexte an maister Ekchart von paris. (s.u.)

5.2

Melk, cod. 235 (639/L67) = Me5

Melk - Papier - 345 Blätter -29,8x22 (2°) - um1440 Die Hs. ist der Eckhartforschung seit längerem bekannt. Da sie eine Abschrift des Traktats >Von abegescheidenheit< enthält, hat J. QUINT sie vorgestellt.44 Peuger hat den Traktat mehrfach abgeschrieben (auch in cod. 1389 = Me7, v.J. 1444 und in cod. 856 = Me8, v.J. 1455). Der Text wurde auch im Traktat >Von der sei wirdichait vnd aigenschqft< verwendet. (Teil II, S. 371 f., 375ff. u. 397). Kurze bislang unbekannte Auszüge begegnen in cod. 705 und Wien, 42

Vgl. oben S. 48 und GOTTSCHALL, S. 89 und 104-106. Vgl. oben S. 45ff. 44 DW V, S. 461^68. 43

Melk. cod. 235 (639/L67) = Me5

87

ÖNB, cod. 3021 (=W11). Die Bearbeitung entfernt sich dabei immer mehr vom ursprünglichen Wortlaut des Traktats, dem der Text dieser Hs. noch am nächsten kommt. Die Hs. wurde zweimal beschrieben.45 Nach B. SCHNELL stammt die um 1440 entstandene Hs. von der Hand Peugers. (SCHNELLs Datierung läßt sich jetzt mit textgeschichtlichen Argumenten stützen: Im Jahr 1444 griff Peuger auf Texte dieser Hs. zurück [s.u. S. 105f.]). Ebenfalls SCHNELL hat sie als »Mustersammlung von >Bestsellern< des 15. Jahrhunderts« charakterisiert, »die aszetisch-mystische Literatur und Erbauungsschriften der >Wiener Schule< vereint«.46 Hinsichtlich des Inhalts, der bei SCHNELL und SCHÜLKE sonst vollständig angegeben ist, sind zwei Nachträge nötig. Der erste gilt einer übersehenen Spruchsammlung mit Eckhart-Zitaten, der zweite ist für die Quellen eines im Traktat >Von der sei wirdichait vnd aigenschafft< Meister Eckhart zugeschriebenen Gebetes von Bedeutung. Eine Spruchsammlung mit Eckhart-Exzerpten f. 330ra-336rb folgt auf Heinrich Seuses >Büchlein der ewigen Weisheit< ein Text, den SCHÜLKE und SCHNELL ohne weitere Angaben nur als > Sprüche der Lehrer< verzeichnen. Er trägt in der Hs. die rote Nummer xxiij. und steht unter der Überschrift: Hie heben sich an ettleich der lerer spriich vnd des ersten sand pernhart. Incipit: Jn der weit ist vntrewe lieb vnd chain sicher leben. Aus anderen Handschriften, die er selbst geschrieben hatte, hat Peuger (f. 330ra-331rb; jeweils durch kleine rote Caputzeichen getrennt) ohne erkennbaren inhaltlichen Zusammenhang Dicta der Heiligen Bernhard, Gregorius, Augustinus, Hieronymus und Isidor versammelt. In diese Reihe stellt er aber auch Meister Eckhart. Ein rot geschriebener Vermerk am rechten Rand (f. 33 l rb ) weist darauf hin: Nota. Dy hernach geschahen sprüch sind genomen aws der ler Maister Ekcharts von paris. Die bisher übersehene Spruchsammlung aus Werken Eckharts47 beginnt f. 33l rb mit einem kleinen roten Caput-Zeichen (ff zw Paris ward ainsten von den lererh) und endet f. 336rb (Zw der vns got allen helff Amen ). Auch hier

45 46

SCHÜLKE, S. 46-49; SCHNELL, S. 134f.

SCHNELL, S. 254. Hier sind auch die wichtigsten Texte der Hs. zusammengefaßt (Mönch von Heilsbronn, >Traktat von den sechs Namen des FronleichnamsPassionstraktat< und >Von den acht Seligkeiten^ David von Augsburg, >NovizentraktatStimulus amorisVon abegescheidenheitBüchlein der ewigen WeisheitTripartitum< und den Sprüchen Salomonis; Thomas Peuntner, >Betrachtung über das VaterunserBeichtbüchlein< und >Liebhabung GottesVon der sei wirdichait vnd aigenschafft< exzerpiert. (In allen diesen Fällen werden die Lesarten aus cod. 235 in den Anmerkungen zur Edition dokumentiert). Fast alle sprach Eckharts in dieser Handschrift konnten in ihrem ursprünglichen Zusammenhang nachgewiesen werden, die Sammlung läßt sich in ihre Einzelbestandteile zerlegen. In der von der Forschung bisher übersehenen Spruchsammlung wird Peuger erstmals als Kompilator eigener Eckhart-Exzerpte greifbar. Als Beispiel für seine Arbeitsweise ist gegenüber ein Teil von f. 333va abgebildet. Anhang 254 gibt den gesamten Text der Spruchsammlung und die Quellen der Exzerpte wieder. Die Spruchsammlung ist aber nicht nur mit Blick auf den Redaktor Lienhart Peuger, sondern auch mit Blick auf den Autor Eckhart von Interesse. Das zeigt der hervorgehobene Abschnitt: Die Predigt Par. an. Nr. 16 war bis vor einiger Zeit nur aus den >ParadisusVon der sei wirdichait vnd aigenschafft< (Teil II, S. 425—431) bekannt. In allen diesen Abschriften fehlt das hervorgehobene Stück. Es findet sich nur in der erst 1986 entdeckten Londoner Eckharths. Lo4 (London, Victoria and Albert Museum, cod. L 1810-1955, f. 160rb~va). Ich habe es damals bekannt gemacht und die These vertreten, daß es einen ursprünglichen Bestandteil der Eckhartpredigt bildete.56 Eckhart sagt zunächst, die Seele könne das mynste Ion nicht enphan das von dem mynsten werke kommt und betont dann: Jch setcze myne sele czü phande an dem iungisten tage czü der helle czü geben das dis war sy daz ich nü sprechen wel Ob alle dy kraft aller seien vnd aller engele vnd aller creaturn czümal geacht were uf eyne sele sy mochte das mynsten Ion eins guten gedanken nicht enphan dy in der ewigen übe gedacht wirt sy müste czü guten vnd czüflißen vnd sterben, (zitiert nach Lo4, f. 160rb~va).57

Der kleine Abschnitt in der Spruchsammlung des cod. 235 beweist nun, daß Peuger in Melk eine Vorlage zur Verfügung hatte, die den Text so überlieferte 54

S. 512-536. Danach gedruckt von STRAUCH (= Par. an.), S. 39,8^t2,3. 56 LÖSER, Als ich me, S. 215 mit Textabdruck nach Lo4. 57 Ebd. 55

Melk, cod. 235 (639/L67) = Me5

91

wie Lo4. Die Textausfälle im >Paradisus< und in Peugers Predigt-Hs. 705 sind somit unabhängig voneinander entstanden. Der Satz wird in der Spruchsammlung explizit als Eckhart-Exzerpt ausgewiesen. Das Beispiel illustriert die These G. STEERS, daß es sich der Textkritiker angesichts der schmalen Überlieferung der Predigten Eckharts nicht leisten kann, von vornherein auf die Textbezeugung aus dem Bereich der Mosaiktraktate und Kompilationen zu verzichten.58 Die Spruchsammlung bietet auch Exzerpte zweier ungedruckter, in Lo4 überlieferter Predigten (Alle die schar"1* und Sente peter spricht), die ich noch ohne Kenntnis dieser Spruchsammlung - Meister Eckhart zuzuweisen

Abb. 1: Cod. 235, f. 333va: Par. an. Nr. 16, S. 41, 16ff. In der Predigt fehlt der dunkel gekennzeichnete Abschnitt.

58 59

STEER, Echtheit und Authentizität, S. 45. cod. 235, f. 335™ = Lo4, f. 157*.

92

Kapitel 5: Die Melker Eckhart-Handschriften

versuchte.60 Die beiden Predigten sind in Lo4 ohne Autornamen überliefert. Hier finden sich nun Exzerpte daraus in einer Sammlung von Dicta, die ausdrücklich Eckhart zugeschrieben werden. Die zweite Predigt war bislang nur aus Lo4, f. 131vb-133vb bekannt. Sie erläutert die 12 Früchte des heiligen Geistes nach Gal. 5,22. Sie bildet (auf ihr nacktes Gerüst reduziert) den Schlußpunkt der Spruchsammlung (f. 336rb), eingeleitet mit dem Hinweis: Dar vmb sint dy menschen dy nach dem geist leben pey newn dingen zw erchennen. (Die achte, neunte und zehnte Frucht [hantwenig, maze, entheltnizze] fehlen). Ich habe an anderer Stelle Predigt-Volltext und Spruchsammlungsexzerpte gegenübergestellt61 und zu zeigen versucht, wie durch Kürzung einer Predigt, deren aufreihender Charakter sich durch das Bibelwort (12 Früchte des Geistes) ergibt, ein Text entsteht, den man nur schwer als Text Eckharts erkennen, eher für eine >uneckhartsche Aufzählung< halten würde. Die Kürzung und Reduktion ursprünglich breiter gefaßter Aussagen auf numerisch gereihte >ZeichenZersetzung< häufig zu beobachten ist, läßt sich an diesem Beispiel konkret aufzeigen. Ebenso konkret läßt sich zeigen, wie Peuger den moraltheologischen Aspekt des Textes verstärkt, indem er - anders als Eckhart im Ausgangstext - betont, daß Geduld die Seele von Sünden läutert.62 Das Beispiel zeigt aber auch, daß das Gerüst der Predigt im wesentlichen gewahrt bleibt, und daß in Melk eine vollständige Fassung der Predigt vorgelegen haben muß, die Peuger bei der Aufnahme in die Spruchsammlung kürzte. Die beiden in Lo4 überlieferten Predigten ließen sich jedoch in den von mir eingesehenen Melker Hss. nicht finden. Peuger muß demnach eine (oder mehrere) Vorlagen zur Verfügung gehabt haben, die noch umfangreicheres Material boten, als es sich in seinen Melker Predigthandschriften findet. Diese verlorenen Vorlagen müssen mit der mitteldeutschen Eckharths. Lo4 eng verwandt gewesen sein. Eine deutsche Übersetzung des >Exemplars< Anselms von Canterbury Der Codex enthält f. 81 3-120 eine Reihe von Gebeten.63 G. STEER hat sie als deutsche Fassung des >Liber meditationum et orationum< Anselms von Canterbury bezeichnet,64 SCHNELL nennt sie ohne weitere Angaben »Bischof Anselms Gebete für eine Gräfin Mechthild von Plauen«.65 SCHÜLKE, der sie 60

LÖSER, Als ich me, S. 219-225. LÖSER, Nachlese, S. 134-138. 62 Ebd., S. 137. 63 Vgl. zum folgenden: LÖSER, Anselm, Eckhart, Lienhart Peuger, S. 236-241. 64 STEER, Scholastische Gnadenlehre, S. 3 Anm. 2 und ders., Anselm von Canterbury, in: 2VL Bd. I (1977) Sp. 375-381, hier Sp. 381. 61

65

SCHNELL, S. 134.

Melk, cod. 235 (639/L67) = Me5

93

unter demselben Titel f hrt, vermutet als Autor »Anselm, Bischof von Ermland (seit 1250), Bruder des Deutschen Ordens«.66 Die Gebetssammlung ist hier deshalb von Interesse, weil der erste Text (hier f. 81va) im Traktat >Von der sei wirdichait vnd aigenschaffi< Bestandteil eines Gebetes ist, das dort ausdr cklich Meister Eckhart zugeschrieben wird. (Teil II, S. 495ff.). Dieselben Texte wie hier finden sich auch im Codex 1001, den Peuger im Jahr 1414 geschrieben und nach Melk mitgebracht hat.67 Die folgende Tabelle nach der Reihenfolge dieser Hs. nennt jeweils das Blatt, auf dem ein Gebetstext hier beginnt, dann das Blatt, auf dem es in cod. 1001 beginnt und schlie lich die berschrift nach cod. 1001: cod. 235

cod. 1001

Titel

81ra 81rb 81va 84Λ 85va 86ra 86vb 87ra 93™ 93vb 94va 95rb 98ra 99va lOO1* 102Λ 103rb 106rb 107Λ 109Λ 110ra l ll r a 111 va 112Λ 113ra 115rb 116ra 117Λ 117va 119ra

Γ Γ lv 9V 16r 72r 74r 84V 13V 16V 20V 2Γ 98V 102V 29V 34r 37r 46r 49V 53r 55V 106V 107V 64r 57r 69V 66r 105r 76r 80r

Widmung Zw got dem vater Von der sei liebchosung Von vnserm herren Jhesu Christo Von Jhesu Christo Von vnserm herren Jhesu christo Von vnserm herren Jhesu christo Von vnserm herren Von dem heiligen chrewtz Von vnser frawn Aber von vnser frawn Von vnser frawn Von vnser frawn marie Von vnser frawn Von sand Johanns dem tawffer Von sand peter Von sand pauls Von sand Johanns ewangelisten Von sand Johanns ewangelisten Von sand Steffan Von sand Steffan Von sand Andres apostulus Von sand pertelmeus Von dem heiligen vater sand benedicten Von sand Niclas Von einem ysleichen tzwelifpoten Von sand marie magdalene Von einer ysleichen heiligen Junchfrawn Von der hertten gwizzen der sei Von der sei gwizzen

66

67

SCH LKE, S. 47.

Einzelne Gebete auch in den codd. 1389, S. 174-197 und 1569, f. 83v-85r.

94

Kapitel 5: Die Melker Eckhan-Handschriften

Es folgt ein Verzeichnis des Inhalts von cod. 1001 mit den von mir vorgenommen Identifizierungen. Incipit Über meditacionis sancti Anshelmi episcopi. Jesus . maria . ANshelmus der vnwirdig pischolffder enpewt der erwirdigen gräfinn frawn Mechthilden seinen grues vnd ewrer hachwirdichait hat gevallen - SCHMITT, S. 4 [Prologus, PL 158, Sp. 709] f. l r

f. l v

f. 9V

f. 13V

f. 16r

f. 16V

f. 20V

f. 21 V

f. 29V

f. 34r

f. 37r

f. 46r

Nr. l Zu got dem vater O Almächtiger got vndparmhertziger schepher = SCHMITT, Oratio l, S. 6f. [= PL, Oratio IX, Sp. 876f.] Nr. 2 Von der sei liebchosung O Christenleiche sei O sei die [dw] * erchükcht pist = SCHMITT, Meditatio 3, S. 84 [= PL, Meditatio XI, Sp. 762f.] Nr. 3 Von vnserm herren Jhesu Christi vnserm hailant [10r] O herre Jhesu christe mein erlöser meinparn hertzichait = SCHMITT, Oratio 2, S. 6 [= PL, Oratio XX, Sp. 902] Nr. 4 Von dem heiligen chrewtz O heiligs chrewtz durch das mir zw gedächtnüzz chümbt das heilig chrewtz = SCHMITT, Oratio 4, S. 11 [= PL, Oratio XLI, Sp. 935] Nr. 5 Von Jhesu christo ein gepet O herre Jhesu christe der von der schikchung des voters vnd von der mitwürchung = SCHMITT, Oratio 3 [= PL, Oratio XXXIV, Sp. 927] Nr. 6 von vnser frawn O Maria dw heilige vnd nach got vater vnter allen heiligen pesunder geheiligt = SCHMITT, Oratio 5, S. 13 [= PL, Oratio L (XLIX), Sp. 948] Nr. 7 Aber von vnser frawn der aller liebsten mueter [2 ] O dw erwirdige Junchfraw der weit dw liepleiche mueter menschleichs geslachts = SCHMITT, Oratio 6, S. 15 [= PL, Oratio LI, Sp. 950] Nr. 8 Von vnser frawn [22 ] Maria dw grazz maria dw die grözzer vnter den säligen marein = SCHMITT, Oratio 7, S. 18 [= PL, Oratio LII, Sp. 952] Nr. 9 Von sand Johanns dem tawffer O heiliger herr sand Johanns der dw got tawft hast dw der dw von dem fürst engel = SCHMITT, Oratio 8, S. 26 [= PL, Oratio LXIII (LXII), Sp. 969; Druckfehler in PL: Zahlen vertauscht. Es handelt sich korrekt um LXIII (LXII), nicht um LXII (LXIII); WlLMART, Les prieres, S. 43] Nr. 10 Von sand peter O dw heiliger vnd dw aller güetigester dw getrewer herr sand peter = SCHMITT, Oratio 9, S. 30 [= PL, Oratio LXIV (LXIII), Sp. 972] Nr. 11 Von sand pauls O heiliger sand pauls der dw ainer pist der grazzen tzwelifpoten = SCHMITT, Oratio 10, S. 33 [= PL, Oratio LXV (LXXII), Sp. 975] Nr. 12 Von sand Johanns ewangelisten

Melk, cod. 235 (639/L67) = Me5

f. 49V f. 53r f. 55V

f. 57r f. 64r f. 66r

f. 67r f. 67r

f. 69V

f. 72r

f. 74r

f. 76r

95

[46V] O dw heiliger vnd saliger sand Johanns dw aller höchster ewangelist = SCHMITT, Oratio 11, S. 42 [= PL, Oratio LXVII (LXV), Sp. 985] Nr. 13 Von sand Johanns ewangelisten O heiliger herr sand Johanns dw der ainer ist von den grazzen Jungern = SCHMITT, Oratio 12, S. 45 [= PL, Oratio LXVIII (LXVI), Sp. 988] Nr. 14 Von sand Steffan O heiliger herr sand steffen heiliger sand steffan dw güetwilliger ritter = SCHMITT, Oratio 13, S. 50-52,65 [= PL, Oratio LXIX (LXVII), Sp. 992] Nr. 15 Von sand steffan O herr sand Steffan wan da dein feint dich irn frewnt verdambten als ein warhafte schrift pezewgst = SCHMITT, Oratio 13, S. 52,66ff. [= PL, Retractio charitatis S. Stephani, Sp. 994] Nr. 16 von sand Niclas O Sun der menschen dw vil nottürftiger dw der got vil gelaidigt hast = SCHMITT, Oratio 14, S. 55 [= PL, Oratio LXXI, Sp. 999] Nr. 17 Von dem heiligen voter sand benedicten O dw heiliger vnd dw saliger sand benedict den die obrist gnad gereicht hat = SCHMITT, Oratio 15, S. 61 [= PL, Oratio LXXII (LXX), Sp. 1005] Nr. 18 Von sand marie magdalene O dw heilige maria magdalena .dw die mit den prünnen der zäher pist chomen = SCHMITT, Oratio 16, S. 64-65,26 [= PL, Oratio LXXIV (LXXIII), Sp. 1010 bis Abschnitt C et amico tuo.] [...] - vnd von dem aller süezzisten Herren vnd deinem frewnt der da lebt vnd herscht ymmer vnd ewichleichen Amen etc Nr. 19 Von sand marie magdalena O dw sälige prawt [christi] * wer chan aws gesprechen wie gar mit güetwilliger haimleichait = SCHMITT, Oratio 16, S. 65,27ff. [= PL, Oratio LXXIV (LXXIII), Sp. 1010 ab Abschnitt C Quis enim expücet] Nr. 20 Von einem ysleichen tzwelifpoten vnd hawbtherren etc O dw heiliger .N. O dw güetiger vnd dw saliger ainer von den erwirdigen tzwelifpoten gots [...] ein vnwizzenter sarigualtiger abt = SCHMITT, Oratio 17, S. 68 [= PL, Oratio LXXV (LXXIV), Sp. 1012] Nr. 21 Von vnserm herren Jhesu christo O Süezzer vnd güetiger herr Jhesu ehr i st e der vns dy lieb hast erzaigt vber die nyembt chain grozzere lieb hat - SCHMITT, Oratio 18, S. 71 [= PL, Oratio XXIII, Sp. 906] Nr. 22 Von vnserm herren Jhesu christo O Almachtiger got vnd güetiger herr Jhesu christe ich peger dich gnadig ze sein meinen frewnten. So ist auch vor dir wes mein hertz schol wünschen mein veinten = SCHMITT, Oratio 19, S. 73 [= PL, Oratio XXIV, Sp. 908] Nr. 23 Von der hertten gwizzen der sei Mich erschrekcht mein leben, wan so das aigenleich vnd mitfle'izz ervarn wirt

96

Kapitel 5: Die Melker Eckhart-Handschriften

so erscheint es mir = SCHMITT, Meditatio l, S. 76 [= PL, Meditatio II, Sp. 722] r f. 80 Nr. 24 Von der sei gwizzen O sei dw mein gar arme sei. dw dürftige sei eins menschleins slach aws dein trachait vnd ervar dein sünt = SCHMITT, Meditatio 2, S. 80 [= PL, Meditatio III, Sp. 725] f. 84V Nr. 25 Von vnserm Herren O herr mein got verleich meinem hertzen dich zw pegern vnd in dem pegern dich suech vnd in dem suchen dich vind = Jean de Fecamp (?) [= PL, Oratio (X + II), Sp. 877; siehe WlLMART, La tradition, S. 62 u. 64. Oratio X wird f. 91' zu Ende geführt:] vnd mach das ich tailhqftig werd der die dich fürchten vnd deine pot pehüetten auff das ich mit dem dienst der voricht verdien ze chomen zw der gnad der lieb. Im direkten Anschluß daran, ohne Überschrift und Nummer, folgt PL, Oratio II: Jch rüeff dich an mein got ich rüeff dich an. wan dw pist nahent allen den die dich an rüeffent in der warhait. wan dw pist die warhait. Auf den Schluß dieser Oratio (f. 98V) folgen, jeweils durch rote Initien abgehoben, drei kleinere Stücke: O herr erparm dich vber dein diener vnd dienerin [...] O herr wir pitten dich das dw rainigst [...] O herr der würcher ist würdig seins lans [...] f. 98V Nr. 26 Von vnser frawn marie O fraw vnd dw aller heiligiste Junchfraw maria nymb war ich sunter vnd hertzen laidiger stee vor dem antlitz = PL, anonym [= PL, Oratio XLVI (XLV), Sp. 942. Siehe WILMART, La tradition, S. 67]. f. 102V Nr. 27 Von vnser frawn O maria dw pesunder für gesehen pist vnd [ 103r] allain verdient pist in ebenpilden = Maurille de Rouen [= PL, Oratio XLIX (XLVIII), Sp. 946]. Siehe WILMART, La tradition, S. 68. r f. 105 Nr. 28 Von einer ysleichen heiligen Junchfrawn christi O dw heilige vnd sälige .N. Junchfraw erwirdige christi .dw die dan noch in dem chrankchen alter pist inhitzig gwesen von dem fewer der götleichen lieb [=?] f. 106V Nr. 29 Von sand Andres apostulus O heiliger vnd güetiger sand andres Es sitzt vnd schreit an der für deiner güetichait = anonym [= PL, Oratio LXVI (LXIV), Sp. 983 ab Anm. 1913. Siehe WlLMART, La tradition, S. 69f.] V f. 107 Nr. 30 Von sand pertelmeus O dw heiliger sand pertelmeus dw apostel christi dw erwirdiger martrdr dw gwaltiger frewnt gots [= ?] f. 110r [...] - Durch den selben vnsern herren ihesum christum der mit got dem voter vnd mit dem heiligen geist lebt vnd herscht ymmer vnd ewichleichen Amen . Anno etc xiiij". Jesus, maria. f. 11 -113 leer

Melk, cod. 235 (639/L67) = Me5

97

f. 113V [Register:] Hie sind verschriben die gepet vnd meditaciones [meditaciones über Rasur] die geschriben stent in den gegenwurtigen puech vnd wo man yetz vinden schol l des ersten von got dem voter [...] - 30 von sand pertelmee 31 von sand Jacob 32 von sant Johanen tauffer [Nummern 31 und 32 nicht von Peugers Hd.]. Lit.: PL 158, Sp. 141-1208; S. Anselmi Cantuariensis Archiepiscopi Opera omnia I-VI ad fidem codicum recensuit F.S. SCHMITT, Edinburgi 1938-61; SCHNELL, S. 134; SCHÜLKE, S. 47; G. STEER, Anselm von Canterbury, in: 2VL Bd. I, Sp. 375-381; A. WILMART, Les prieres envoyees par S. Anselme ä la comtesse Mathilde en 1104, in: Revue Benedictine 41 (1929) 35^5; ders., La tradition des prieres de saint Anselme, in: Revue Benedictine 36 (1924) 52-71.

Im Jahr 1929 machte A. WILMART (Les prieres, S. 38f.) auf zwei lateinische Hss. aufmerksam (Admont, Stiftsbibliothek, cod. 289 und Stuttgart, Württ. Landesbibl., cod. Theol. 4° 234 aus Zwiefalten), die ein Schreiben Anselms von Canterbury an die Gräfin Mathilde von Tuscien enthalten. Anselm entbietet seinen Gruß und beginnt: Placuit celsitudini uestrae ut orationes quas diuersis fratribus secundum singulorum peticionetn edidi uobis mitterem. Die 19 Orationes und drei Meditationes, die auf dieses Schreiben in den Hss. folgten (und also im >ExemplarExemplarsExemplar< enthielt. Schon anhand der Übersichtstabelle kann die Vorlage des Übersetzers näher bestimmt werden: Der Codex aus Admont bietet die Orationes 2—4 in anderer Reihenfolge; in der Leipziger Hs. fehlen die Texte der Orationes X+II des Jean de Fecamp, die in Peugers Hs. den >ExemplarExemplar< einbeziehen); im Zwiefaltener Codex gehen diese Gebete den Texten des >Exemplars< voraus, doch fehlt Meditatio 3, ist das Widmungsschreiben an den Schluß gestellt.

Die Erlanger Hs. allein entspricht in ihrem Aufbau exakt der deutschen Übersetzung. Nur hier finden sich - wie in der Übersetzung - die kurzen Gebete nach Oratio X und II, die auch in der Erlanger Hs. miteinander vereinigt sind.72 Dieser Befund wird bestätigt, wenn man die Varianten des lat. Widmungsschreibens (nach SCHMITT, S. 4) mit der deutschen Übersetzung vergleicht:73 1

2

72 73

Anseimus,74 indignus Cantuariensis ecclesiae 76 episcopus: reuerendae comitissae Mathildi7K salutem. Placuit celsitudini vestrae ut Orationes, quas diversis fratribus

H. FISCHER [Kap. 5, Anm. 68], S. 215.

Anshelmus75 der vnwirdig pischolff der 71 enpewt der erwirdigen grafinn frawn Mechthilden seinen grues vnd79 ewrer hachwirdichait80 hat gevallen das ich euch senten schüll81 die gepet die ich manigerlay82 prüedern

Im folgenden werden zum deutschen Text auch die Varianten des cod. 235, f. 81ra~rb mitgeteilt, der eine spätere Bearbeitung darstellt. 74 Anshelmus mss. 75 Vor Anshelmus: Hie hebt sich nw an das puech sand Anshelms gepet vnd meditiern das er geschriben hat zw einer grafinn von plaben. 76 Cant. ecd. om. S; cod. Erlang. 77 der fehlt 78 Mathilde Admont; N. Zwiefalten 79 vnd/wan 80 erwirdichait 81 schalt senten 82 manigerlay/vil

100

Kapitel 5: Die Melker Eckhart-Handschrifien

secundum singulorum petitionem edidi, sibi mittet-em*5 In quibus quamvis quedam sint quae ad vestram personam non pertinent, 86omnes tarnen volui mittere, ut, si cui i « fiQ placuennt, de hoc exemplari eas possit accipere. Quae quoniam 9l ad ey.cila.ndam legentis mentem94 ad dei97 amorem vel timorem seu ad suimet discussionem sunt editae non sunt legendae cursim vel'00 velociter.

83

senten schol von ir Jsleichs83 gepets84 wegen. vnd wie woll das ist das vnter den gepeten ettleiche sind die nicht zw ewer person gehörn.87 so wolt ich euchs doch senten dar vmb88 ob sy villeicht ettwenn gevieln das man sy dan 90 nam von dem exemplar, Vnd da von das sy von des wegen 92 gemacht sind warden 9i das sy das gemüet des der sy da list95 erwegen 96 schallen das er gewinn gotleiche lieb98 vnd vorcht oder das er99 sein selbers leben durch suech.

So schol man sy nicht lesen als der sy vberlawffen wil mit snellichait101

yets gepets/pegern 85 edidi sibi mitterem sie cod. Erlang; mitterem edidi N; edidi sibi mitterentur S 86 pertineant N 87 nicht... gehörn/ewerer persan nicht zw gehörn 88 50 ... dar vmb/doch so han ich euchs dar vmb gesant 89 placuerit N 90 dan fehlt 91 quoniam/quomodo S 92 von des wegen/dar vmb 93 warden fehlt 94 mentem legentis N 95 das gemüet... list/des leser gemüet 96 pewegen 97 ad dei/et ad dei N 98 gotleiche lieb gewinn 99 oder das er/vnd auch 100 veUnec S 101 als ... snellichait/noch paid vber lawffen 84

101

Melk, cod. 235 (639/L67) = Me5

sed paulatim cum intenta et morosa meditaüone. Nee debet intendere lector quamübet earum totam legere, sed tantum quantum ad excitandum affectum orandi ad quod factae sunt, sentit sibi sufficere.

Sunder langsam vnd mit fleizziger wolpedachter petrachtung102 vnd wer sy list der schol nicht gedenkchen das er Jsleichs gepet gar schüll lesen103 Sunder er schol i r nwr als vil lesenl04 als vil in die pegerungl05 pewegt ze pellen. wan durch des willen sind sy gemacht warden. vnd wan er des enphint da schol er sich an lazzen genüegen.]W>

Der Übersetzer muß eine Vorlage verwendet haben, die dem Text der Erlanger Hs. sehr nahe verwandt war. Zu fragen wäre auch, in welchem Verhältnis diese Vorlage des Übersetzers zu den lat. Hss. benediktinisch-österreichischer Herkunft steht, die zwar die Texte des >Exemplars< (in veränderter Reihenfolge), nicht jedoch den Widmungsbrief tradieren (Wien, Schottenkloster cod. 293, f. 2r-31v, Zwettl, Stiftsbibl., cod. 225, f. 96-147, auch mit Texten des Jean de Fecamp [vgl. Or. X+II]; Subiaco, Archivio, cod. CCLXXXII und London, British Museum, Additions 18.318, f. 67V86V).107 »L'exemplaire de Subiaco depend d'un manuscript rapporte tardivement d'Allemagne ou d'Autriche« betont WlLLMART.108 Hier sei daran erinnert, daß der spätere Melker Reformabt Nikolaus Seyringer 1403 nach Subiaco aufbrach. Die Londoner Hs. kam wohl im Jahr 1390 nach Altenburg, doch scheidet sie als Vorlage der Übersetzung aus: der Widmungsbrief fehlt, die Texte stehen in anderer Reihenfolge).

Ergebnis l.Der Melker Codex 1001 ist eine Übersetzung von Anselms >ExemplarExemplar< Ad sanctum Benedictum (und vermerken die Codices aus Altenburg, Zwettl und Subiaco dazu Oratio propria monachorum), so lesen wir in der Übersetzung Von dem heiligen vater sand benedicten. Alle deutschen Hss., die diese Übersetzung des >Exemplars< tradieren, stammen aus Peugers Feder. 5. Peuger hat im Jahr 1414 Anselms >Exemplar< übersetzt, seine Übersetzung nach Melk mitgebracht und dort der Fassung des cod. 235 zugrundegelegt. 6. Im Codex 235 wurde die ursprüngliche Reihenfolge des cod. 1001 in eine andere Ordnung gebracht (beispielsweise alle Gebete zu Christus und Maria zusammengestellt); dabei wurden auch die Texte bearbeitet. 7. Ein Teil des Gebets, das im Traktat >Von der sei wirdichait vnd aigenschafft< Eckhart zugewiesen wird, ist die erste >Oratio< Anselms von Canterbury.110 8. Wie die Lesarten zeigen (Teil II, S. 495ff.), wurde für den Traktattext nicht auf cod. 1001 (von 1414), sondern auf cod. 235 (um 1440) zurückgegriffen. 1 "

5.3

Melk, cod. 1389 (72/B37) = Me7

Melk - Papier - 358 S. - 15,2x11,2 (8°) - 28. März 1444 (S. 355) Beschreibung: Catalogus Bd. I, S. 142-144. Ein Schreiber: einspaltige bairische Bastarda. Peugers Hd. wurde durch Schriftvergleich identifiziert. (Abb. 12). Die Hs. ist sauber und sorgfältig geschrieben. Die Initialen erinnern an die Codices 1865 und 705. Ein Hinweis auf Peuger findet sich bereits Catalogus, S. 142: »Ille codex una manu (Leonardi Peuger, Mellicensis) lineis longis nitide scriptus est.« Wz.: In der gesamten Hs. Waage im Kreis (abgenommen S. 25 u. 27). Nicht bei PICCARD und BRIQUET; auch in cod. 1569.

109 110 Ill

Zu Melk und Subiaco vgl. S. 29, zu Altenburg S. 26. Vgl. dazu LÖSER, Anselm, Eckhart, Lienhart Peuger, S. 233-236 und Anhang l, S. 247. Vgl. ebd. Anhang 2, S. 248.

Melk, cod. 1389 (72/B37) = Mel

103

Lagen: Sextemionen. Die Seitenzählung des 17. Jh.s (Tinte) von 1-357 beginnt erst auf der Verso-Seite des ersten Blattes. Mittelalterliche Lagenzählung zum größten Teil erhalten; in der Lagenmitte jeweils leere Papierstreifen; zwischen S. 251/252 und 347/348 Pergamentstreifen mit lat. Text. VI23 + [24: ij]VI47 + [48: iij]VI71 + [72: iiij]VI95 + [96: v]VI 119 + [120: vj]VI 143 + [144: \ij· ij abgeschnitten]VI167 + [168: viij]VI 191 + [192: ix]VI215 + VI239 + [240: xi]VI263 + VI287 + VI311 + [312: xiiij]VI335 + [336: xv]VI357; das letzte Blatt in den rückwärtigen Spiegel geklebt. Schriftraum: (S. 126: 14,5x11,0) horizontal: innen 1,4 - 7,6 - 2,0; vertikal: oben 1,6 10,4 - 2,5. Der durch blinde Linien vorgegebene Rahmen wird eingehalten, der Rand z.T. (z.B. S. 117, 143, 144, 162, 164) für Korrekturen oder größere Ergänzungen (S. 250 und 266) genutzt. Einspaltige Seite ä 34 Zeilen. Einband: 15,2x11,2 (8°); rot eingefärbtes, ursprünglich helles Schweinsleder über Holz; 2 Bünde; auf Vorder- wie Hinterdeckel ursprünglich je fünf Buckel, die heute ausnahmslos fehlen; einfaches Streicheisenmuster: X im Viereck. Eine Schließe: Hafte (Metallplättchen mit Raute) am Vorderdeckel erhalten; Krampe und Band ausgerissen; Nagel am Hinterdeckel fehlt. Wie in cod. 888 waren in jeden Deckel von oben und unten je zwei Nägel geschlagen, die heute fehlen. Auf dem Vorderdeckel ist die Inschrift im oberen Dreieck des Streicheisenmusters nicht mehr lesbar (sys [...] er [...] lisl). Im Schnitt sind 14 rote und blaue lederne Markierungslaschen erhalten. Das in den vorderen Spiegel geklebte Pergament ist vom Holz gelöst (Seite zum Deckel hin leer). Auf der Seite zum Buchblock hin wurde ein Blatt Papier auf das Pergament geklebt und - wie in cod. 1401 - mit einem großen roten Herzen bemalt. Über diesem Herzen ist mit Bleistift die alte Signatur 72 eingetragen. In den rückwärtigen Spiegel wurde das letzte Blatt der letzten Lage geklebt. Von dem Bibliotheksschild des Rückens ist nur ein Fragment mit den Buchstaben Melli erhalten. Der Melker Besitzeintrag des Jahres 1517 findet sich auf der Vorderseite des ersten Blattes (S. 0): Monasterij Mellicensis. Auf dieser Seite auch mit roter Tinte die Namen .iesus. .maria. in für Peuger charakteristischer Form. Darunter (schwarze Tinte) von seiner Hand die Ziffer .33. und die knappe Inhaltsangabe: . Das puech der ewigen weishait vnd andre churtze ding. Eine andere Hd. des 15. Jh.s hat diese Angaben ergänzt durch die Worte: Sand Augustin regel / Spiegel der siten sandpernhart/Maria egiptiaca legend/ Wie man sich pei dem krankchen halten sol in der zeit des tods als maister hanns gerson lernt. Der Einband dieser Hs. ist dem des Codex 1401 sehr ähnlich: in beiden Fällen findet sich im Vorderspiegel das große rote Herz; cod. 1401 war ursprünglich in ein Stück des gleichen roten Leders gebunden wie cod. 1389. Datierung: Explicit Anno etc. xliiij". Jn octava sancti benedicti (= 28. März 1444) (S. 355).

104

Kapitel 5: Die Melker Eckhart-Handschriften

Benutzerspuren: In der durchweg sehr gut erhaltenen, nicht >zerlesenen< Hs. finden sich nur einmal die Spuren einer anderen Hand als der Peugers: Ein Melker Schreiber des 15. Jh.s hat die kurze Inhaltsangabe (S. 0) ergänzt. Peuger selbst hat den Codex an den Rändern sorgfältig korrigiert (S. 32, 33, 59, 65, 85, 94), z.T. auch längere Passagen (so etwa innerhalb einer Spruchsammlung S. 250 ein Augustinuszitat; vgl. S. 266) auf dem breiten unteren Rand ergänzend nachgetragen. S. 35 hat er den Text durch Aufkleben eines schmalen Streifens Papier und erneutes Beschreiben (steilerer Schriftduktus) korrigiert. Obwohl die Hs. selbst bereits Auszugcharakter trägt, hat er auch sie offenbar für Exzerpte genutzt; das in allen seinen Hss. festzustellende / -Zeichen findet sich etwa S. 56 u. 206. Besonders im Text der Meditatio Anselms v. Canterbury (S. 186 und 187) wurde mitunter ein Schrägstrich (/) in den seitlichen Rand geritzt.

Inhalt S. 0 [Nummer 33 und knappe Inhaltsangabe der Handschrift; vgl. die Einzelangaben oben unter >EinbandDas Büchlein der ewigen Weisheit< [Inhaltsverzeichnis zu Seuses Text]

Dy tafel des püchleins was dar inn verschriben ist vnd wo man es vintt. [Es folgen 26 rot gezählte Kapitel] fT Des ersten hebt sich an dy vor red j" $ Wie ettleich menschen von got zw im vnwissenleichen tzogen wem ij. [...2...] ?T Ein gepet der petrachtung vber das leiden ehr is t i vnd vnserfrawn mitleiden .xxvj.

S. 2-174

[Text]

Hie hebt sich an die vor red des puechs der ewigen weishait des inn hallung am moisten sagt von dem leiden christi vnd von dem laid marie [S. 3] .Jesus.maria. EEin münich prediger ardens stuend ainsten vor eim crucifix nach metten vnd chlagt got andachtichleichen das er nach seiner marier vnd nach seim leiden nicht petrachten chund [...173...] - da dw vom grab verwaisent giengt mit der lieben geselschafft dy pey dir pliben in deim hertzen laid also stee mir pey an meinn [S. 174] lesten tzeiten Amen Explicit Anno etc. Lit. u. Überl.: BIHLMEYER erwähnt die Hs. S. 15* zusammen mit cod. 55 (178/D15; nicht von Peugers Hd.), f. 1-281. Beide Hss. auch erwähnt bei G. HOFMANN, Seuses Werke in deutschprachigen Handschriften des späten Mittelalters, in: Fuldaer Geschichtsblätter 45/Nr. 4-6 (1969), S. 178. Der Text auch im Peuger-Codex 235, f. 293vb-329ra; Auszüge in cod. 1569, f. 27V.

Melk, cod. 1389 (72/B37) = Me7

S. 174-188 (PL 158).

105

Anselm v. Canterbury, Meditatio 3 (SCHMITT) = Meditatio XI

Das schreibt Anshelmus von der sei liebchosung in den gepeten seins meditiern. O dw christenleiche sei O sei dy dw erchukcht pist von dem swarn tod O sei dy dw erarnt vnd erlöst pist mit dem pluet gots i he s u ehr is t i von dem armen dienst. Erwekch deinn muet vnd gedenkch deiner erchükchung Gedenkch deiner narung vnd deiner erlösung. petracht an welcher stat vnd was chraft dein hailung sey. [...S. 188...] - O güetiger herr verwirff sy nicht wann sy socht [!] vor hunger deiner lieb speis sy vnd pesitz sy gantz. Der dw pist mit dem voter vnd mit dem heiligen geist ain wäre gothait vnd gesegent ewichleichen. Lit.: Siehe zu S. 188-197 [= nächstes Stück]. S. 188-197 (PL 158).

Anselm v. Canterbury, Meditatio l (SCHMITT) = Meditatio II

Anhelmus [!] spricht nw von der sang einer scharffen gwissen Mich erschrekcht mein leben wann so ich das mit fleizz ervar so erscheint es mir aintweder vnnützleich im volpringen oder süntig vnd ob halt ettwann frucht dar inn funden wirf so ist es aintweder in gleichsenhait geschehen [...S. 197...] - vnd dein nyezz vnd mich in dir rüem vnter alle den dy deinn namen liebhaben Der dw lebst vnd herscht mit got dem vater vnd mit dem heiligen geist ewichleichen Amen. Nähere Angaben: Hier, S. 92ff. zu cod. 235, Nachtrag II. Vollständig und in ursprünglicher Reihenfolge liegt Anselms von Canterbury >Exemplar< in cod. 1001, f. 1-110 vor, mit Umstellungen der Texte auch in cod. 235, f. 8\™-\20 . Die Meditationes 3 (XI) und l (II) finden sich in cod. 1001, f. -9 und f. 76-80r, in cod. 235, f. 8 3-84 und 117va-119ra. Das Verhältnis der drei Hss. untereinander stellt sich so dar: Cod. 1001 (v.J. 1414) enthält die ursprüngliche Übersetzung der Texte Anselms, die Peuger in cod. 235 umgruppiert und im einzelnen leicht bearbeitet hat. Die weitergehende Überarbeitung der beiden Meditationes in cod. 1389 (v.J. 1444) erfolgte dann unter Rückgriff auf die Textform von cod. 235, der einige Jahre vor cod. 1389 entstanden ist. Als kleines Beispiel zur Illustration dieser Textgeschichte, auf die hier nicht näher eingegangen werden kann,"2 soll der Beginn von Meditatio l (II) dienen: cod. 1001, f. 76r cod. 235, f. 117va-b cod. 1389, S. 188

112

Mich erschrekcht mein leben Mich erschrekcht mein leben Mich erschrekcht mein leben

Ein weiteres Beispiel: Teil H, S. 495.

106

Kapitel 5: Die Melker Eckhart-Handschriften

1001 235 1389

wan so das aigenleich vnd mit fleizz ervarn win wan so das aigenleich vnd mit fleizz ervarn wirt wann so ich das mit fleizz ervar

1001 235 1389

50 erscheint es mir also aintweder das es süntig ist so erscheint es mir aintweder süntig so erscheint es mir aintweder

1001 235 1389

oder aber gar vnnützleich volpracht oder aber vnnützleich volpracht vnnützleich imvolpringen oder süntig

S. 197-209 >Stachel der LiebeGlaubenSchweigen< findet sich wiederum in cod. 670, f. 83v-85r. So stimmt das Beispiel vom Altvater A g a t h a n hier S. 271 fast wörtlich zum gleichen Zitat in cod. 670, f. 84V. Gut erkennen läßt sich die punktuell exzerpierende Methode Peugers, die der Vorlage einzelne Sätze entnimmt, diese kaum bearbeitet und dabei die Reihenfolge der Vorlage wahrt."4 Man vergleiche etwa die Ps.-Augustinus-Predigt aus cod. 220, f. 238va-239rb und die Auszüge daraus in cod. 1389, S. 269-270. Die Texte sind hier ungekürzt und in unveränderter Reihenfolge wiedergegeben:

113 114

Zu den >SermonesWar swigen< (RUBERG), bzw. >Von der swigung< des pseudo-albertischen Traktats >Paradisus animaesünde-Version< und ein zweites Mal (S. 298-301) nach einer Hs. mit einer Bearbeitung dieser Version durch Schwester Regula gedruckt. SÖLLER (S. 385ff.) hat den gesamten Traktat in der sog. >vnfMgeni-Version< ediert.

Die Auszüge Peugers beginnen in dieser Hs. mit dem Anfang des SchweigenKapitels: vnd vber das spricht pischolff Alb r echt .wars vnd rechts sweigen ist nicht allain ein entziehen dy tzung von vnnutzen warten als nachreden liegen swern usw. bis S. 272 so man in reden nicht mazz hat (= RUBERG, S. 295,2-19 und 298,2-8 = SÖLLER, S. 385,2-14). Unterbrochen jeweils durch Abschnitte aus anderen Werken (darunter wieder Ps.-Augustinus, Sermo III) folgt in der Hs. S. 272: RUBERG, S. 297,79-96 und 299,31-36 = SÖLLER, S. 386,56-70 und cod. 1389, S. 273: RUBERG, S. 296,37-45 und 299,11-19 = SÖLLER, S. 385,28-33. Die Stelle RUBERG, S. 298,122-132 und 300,45^9 = SÖLLER, S. 387,89-94 und damit der Schluß des Kapitels über das Schweigen wurde gegen Ende der Peugerschen Zitatsammlung (S. 279) eingearbeitet: Als pischolff albrecht spricht, dy sweig wirt ettwan pehalten von valscher tzewgnus wegen also das er in reden nicht geschambt noch gemerkcht werd oder das er durch sweigen gelobt werd oder er schambt sich ze reden von vnweishait wegen oder das vnter der sweig sein tarhait pedekcht werd. wann dy weil der tar sweigt so wirt er weis geschätzt.

Der Vergleich mit den bei RUBERG und SÖLLER gedruckten Texten zeigt, daß die Exzerpte in dieser Hs. weder zur >sündevntugent-VeTs'ion< gehören können. Eine dritte Version (>w7?e/-VersionMelker Mischtext
Melker Mischtexts< nach dieser Hs.); ders., Maria Aegyptiaca in: 2VL Bd. V (1985), Sp. 1251-1255, hier Sp. 1254; KELLER, S. 281-283. KUNZE (VL) weist auch auf cod. 220 (Peuger-Hs.!) hin, der f. 397rb-399rb eine frühere Fassung des Textes (v.J. 1439) enthält. KUNZE (VL und Die Legende, S. 88) führt aus, daß aus einer langen lat. Fassung (>Magnum Legendarium Austriacum< = MLA) und der Kurzfassung der >Legenda aurea< »eine österreichische Version mittleren Umfangs« (überliefert nur in den beiden Peuger-Hss. !) »zusammengestückt« wurde. »Besonders akzentuiert« sei in dieser Version »die Hilfe der Gottesmutter für die Sünderin«. Es zeige sich deutlich, daß der Melker Mischtext »zu Ehren der Jungfrau Maria verfaßt wurde« (Studien, S. 116). Dies legt die These nahe, daß in Peuger, dessen besonders ausgeprägte Marienverehrung stets greifbar ist,"8 nicht nur der Schreiber, sondern der Verfasser/Übersetzer/Kompilator der Melker Version zu sehen ist. Denn der von KUNZE (Die Legende, S. 88-94) dokumentierte Umgang des >Melker Mischtextes< mit den Vorlagen (wortgetreue Übernahme und Auslassung einiger Sätze bei genauer Wiedergabe der übrigen) ist auch für andere Peuger-Texte charakteristisch: Man vergleiche nur das kurze Übersetzungsbeispiel, das KUNZE, Studien, S. 116 gibt, mit dem eben aus dem >Speculum monachorum< (diese Hs. S. 331-335) mitgeteilten oder mit der Übersetzung der >Orationes et Meditationes< Anselms (vgl. die Angaben zu cod. 235, S. 99). Zur Methode der Auslassungen sei beispielsweise an den Text >Vom nutz der sweig< (diese Hs. S. 269-280) und dessen Ps.-AugustinusExzerpte erinnert.119

118

Vgl. S. 34ff., Peugers Wahlspruch und seinen Spruch >Von Magen der sunten lebenMagnum Legendarium Austriacum< selbstverständlich vorlag: cod. 97 (vgl. KUNZE, Studien, S. 190).

Melk, cod. 1389 (72/B37) = Mel

S. 345-355

119

Johannes Gerson, >Opus tripartitumArs moriendi
Tripartitum< dreimal als Ganzes abgeschrieben, bevor er einen Auszug des dritten Teils in cod. 1389 aufnahm. Doch die beiden vollständigen Hss. (cod. 273, f. lr-54v; cod. 677, f. 27r-64v) blieben KRAUME unbekannt. Vgl. cod. 235, f. 266va-280rb. S. 355 Explicit Anno etc. xliiij". Jn octava sancti benedicti (= 28. März 1444) Gedult tiemuetichait vnd rains leben Geruech vns got in gehorsam ze geben. S. 355-357 Gebet nach dem Abendmahlsempfang, KLAPPER Bd. IV, Nr. 70, S. 262-265 Das gepet sand Augenstin schol man sprechen so man gotzleichnam enphangen hat O lieber herre i he s u christe wie mag ich dir gedankchen das dw mir vnrainn vnd vngeschikchten menschen vnd vnwirdigen hast gestatt zw deim frantisch zw gen [...S. 357...] - vnd pey dir ewichleich pleib vnd dich mit allen erweiten an endt lob vnd er Amen. Lit.: KLAPPER Bd. IV, S. 262-265 (ohne die drei Melker Hss.). Derselbe Gebetstext in cod. 1752 (651/L79), f. 13 -135 vor den >Sermones ad fratres in eremoDie 24 goldenen Harfen < (Auszug)

Das her nach geschriben ding ist genomen aws der vater collatzen das da haist das puech der vier vnd tzwaintzig gülden herpphen. Die tzwen altudter Cassianus und Germanus warn tzwen abbt in tzwain Mastern vnd Heien grasse lieb zw ein ander [... 84r ...] - wann ein munich solt sich selber ein stawb schätzen vnd einn mist [...] wer aller ding durch meinn willen verlat der wirt es hundertueltichleichen widernemen vnd dar zw das ewig leben. Das verleich vns der almdchtig got Amen. Lit.: Die Hs., die KAEPPELI II, S. 513 nicht nennt, jetzt erwähnt durch E. HILLENBRAND, Johannes Nider, OP, in: 2VL Bd. VI (1987), Sp. 971-977, hier Sp. 973; bei HILLENBRAND auch weitere Hss. und Literaturangaben; M. BRAND, Studien zu Johannes Niders deutschen Schriften (Institutum historicum fratrum praedicatorum. Dissertationes historicae. Fase. XXIII), Rom 1997; Register unter Peuger, Lienhart). Eine Ausgabe und überlieferungsgeschichtliche Studien fehlen. Immerhin kann jetzt auf die neue Arbeit BRANDS verwiesen werden, wo diese Hs. erwähnt und überlieferungs- und textgeschichtlich eingeordnet ist.120 Wenn die Angaben WElNRICHs und DAHMUS'121 zutreffen, sind die >Harfen< 1427-29 geschrieben und gehen auf zuvor in Nürnberg gehaltene Predigten zurück. Zweierlei ist an Peugers Abschrift des Niderschen Textes bemerkenswert: Erstens hat er in seiner großen Eckharths. cod. 1865 (f. 205ra u. 190ra) die Texte von Niders 15. (von den gaben des h. geistes = hier f. 40r) und 9. Harfe (vom petten = hier f. 13V) auf Predigten über die Gaben des hl. Geistes und über das Beten folgen lassen.122 Das nota-Zeichen, das sich in dieser Hs. am Rand neben Passagen findet, die im cod. 1865 verwendet wurden, könnte darauf hindeuten, daß cod. 856 als Vorlage diente. Dies würde bedeuten, daß das zweibändige Predigtwerk (cod. 1865 u. 705) nach 1455 entstand. Tatsächlich stimmt der Text Niders hier wie dort fast wörtlich überein.123 Doch ist die Frage ohne eine kritische Edition der >24 goldenen Harfen< oder ohne die Kollation von deren Textzeugen und die Einordnung der Melker Handschriften in die Textgeschichte nicht gültig zu klären. Zu bedenken ist auch,

120 121

Die Angaben BRANDS beruhen auf den in meiner Dissertation gemachten. N. WEINRICH, Die deutsche Prosa des Dominikaners Johannes Nider in seinen >Vierundzwanzig goldenen HarfenVon sechs Nutzen des Leidens Christi< + Meister Eckhart, >Paradisus anime intelligentis< Nr. l (Schluß) Von sechs nutzen dingen dy vns der herr ihesus christus verdient hat DEr erst nutz den vns der herr ihesus verdient hat mit seim leiden das er vnschuldichleichen geliten hat das dy tawff dy chrafft hat das sy allen den die eribsünt ab nymbt [...180r...] - der sei nichts frumen an die ainung gots. Derselbe Text auch in cod. 1569 (Me3) f. 171r-172v. Hier wie dort folgt nach dem sechsten Nutzen der Schlußteil von Eckharts Predigt Par. an. Nr. l (S. 9,2-15) über die Taufe. Der bisher übersehene Eckharttext wird hier nicht wiedergegeben. Ein Abdruck nach cod. 1569 f. 17 in der dortigen Beschreibung (S. 170f.); der Text hier weicht von dem des cod. 1569 nur in einer Lesart ab (Auch ist das ein grasse salichait 1569 / Vnd das ist auch ein grasse salichait 856). Sonst sind beide Texte Wort für Wort identisch. Dieser Abschnitt aus der Predigt Par. an. Nr. l wurde auch im Traktat >Von der sei wirdichait vnd aigenschafft< verwendet. (Vgl. Teil II, S. 353). 180r-190r

Guiard von Laon, >Zwölf Früchte der Eucharistie
Oberdeutschen Zwölf-FrüchteTraktaten I und IILim-

128

Kapitel 5: Die Melker Eckhart-Handschriften

burgse Sermoenen< zu vergleichen, die RUH als die »ausführlichste und sorgfältigste« aller Fassungen bezeichnet, denn »sie berücksichtigt Exordium wie Schlußteil der Vorlagepredigt.« (RUH, Sp. 297). Das trifft auch auf die Fassung in dieser Hs. zu, nicht jedoch auf den Text des Melker Codex 1752 (651/L79), f. 125 3 , den RUH, Sp. 298 nennt. Dort ist derselbe Text stark gekürzt und bearbeitet. Cod. 1752 stammt von der Hand des Melker Frater Michel, dessen Schrift dem Duktus Peugers entfernt verwandt ist und dem sich durch Schriftvergleich außerdem die Codices 1596 (645/L73), 1417 (73/B38) und 1601 (241/E39) - die beiden letzteren mit den sog. >Melker Evangelien< - zuweisen ließen.134 Da cod. 1752 mit der gekürzten Fassung der >Zwölf Früchte< vom Jahr 1438 datiert,135 darf angenommen werden, daß in Melk bereits 1438 eine vollständige (in cod. 1752 dann gekürzte) Fassung der >Zwölf Nutzen< vorlag. 190 -19 >Zwölf Bitten vor dem Abendmahlsempfang< (= KLAPPER Bd. IV Nr. 53, S. 229-232) Das gepet get awff dy tzweliff oben geschriben nütz von gots leichnam O lieber herr i he s u ehris t e gib mir das ich dein heiligen leichnam hewt als andachtigleichen [...191'...] - da ich essen sol nicht als hie die schal dy chleiben vnd den stawb sunder das charn den ehern vnd das mel die in deiner lawtern gothait sind da von dy heiligen engel ewichleichen gespeist wem Amen. Lit.: KLAPPER Bd. IV, S. 229-232 u. LII, LXV-LXVII; ders., Johann v. Neumarkt, Bischof und Hofkanzler. Religiöse Frührenaissance in Böhmen zur Zeit Karls IV. (Erfurter Theologische Studien 17), Leipzig 1964; W. HÖVER, Johann von Neumarkt, in: 2VL Bd. IV (1982), Sp. 686-695, hier Sp. 690f.; OCHSENBEIN, Die deutschen Privatgebete; ders., Eine bisher unbekannte böhmische Handschrift (besonders S. 86f. Anm. 4: Zusammenstellung der KLAPPER unbekannten Überlieferung); ders., Johann von Neumarkt als geistlicher Schriftsteller. (Alle ohne diese Hs.).

KLAPPER (Bd. IV) hat den Text nicht als Gebet Johanns von Neumarkt angesehen, sondern nach der ihm einzig bekannten vollständigen Hs. Prag, ÜB, XVI.G.28, f. 102V (KLAPPERS Pg)136 als Nr. 53 unter den ostdeutschen Gebeten der Zeit Johanns< gedruckt. In der Prager Hs. ist der Text gegliedert in xii gutte gepet nacheynander, die man sprechen sal, so man den heiligen

134

Vgl. Kapitel 3. cod. 1752 f. 235V: Das püechlein ist geschriben da man czalt nach christy gpurt tawsent vierhundert vnd jm acht vnd dreizzigesten iar vnd pitt got vor mich Jesus maria . 136 KLAPPERS Hs. Brl2 (= Breslau, ÜB, I Q 446, f. 94', die Sammelhs. des Nikolaus vonKosel von 1417-1421) enthält nur die erste der zwölf Bitten (= KLAPPER, S. 229,19-23). 135

129

Melk, cod. 856 (88J/QJO) = Me8

leichnam enphaen wil. Die zwölf >Gebete< sind durchgezählt (Das erste, Das ander usw.) und beginnen stets mit der stereotypen Wendung Gib mir, (über) herre Ihesu Christe, das ich deinen heiligen leichnam [...] entphaen müsse. Nur die Art, wie man den leichnam entphaen müsse variiert: also ynniclichen, also trostleichen, also heiligleichen in der ersten Bitte, also andechtigliehen in der zweiten, in begerlicher senung in der dritten, in ersamiger forchte in der vierten usw. Erst auf diesen stereotypen Eingang folgt jeweils die eigentliche Bitte. Anders in dieser Hs. Peugers: Hier fehlt sowohl die formelhafte Einleitung jeder einzelnen Bitte als auch die Numerierung. Zwar sind die zwölf Bitten durch Rubrizierungen und kürzere Einleitungen (Jch pitt dich auch, Herr ich pitt dich) auch hier etwas voneinander abgesetzt, doch werden sie als ein Text behandelt, was auch die Überschrift anzeigt: Das gepet get awff dy tzweliff oben geschriben nütz von gots leichnam. Der Vergleich mit den vorausgehenden >Zwölf Nutzen< des Guiard von Laon zeigt, daß sich die zwölf Bitten in der Tat auf die >Zwölf Nutzem beziehen (links der Gebetstext, rechts die entsprechenden Abschnitte der >Zwölf Nutzem:) Cod. 856, f. 190r:

Cod.856, f. 18 :

O lieber herr i he s u ehr i st e gib mir das ich dein heiligen leichnam hewt als andachtichleichen als trostleichen vnd hewlichleichen enphahen müezz das ich von den wunten meiner sünten gehallt wert vnd das mein sei von allen maiin der vnsawbrichait gantz rain vnd gesunt wert vnd pitt dich auch das ich von deim götleichen fewer also prannl wert vnd von allen peinn dy ich vmb mein sünt leiden solt gantzleich hie erledigt wert.

Dy erst frucht vnd der nutz der an gots leichnam ist das er den menschen an der sei hail macht von allen tödleichen wunten vnd rainigt von den maiin der sünten.

Der ander nutz der an gots leichnam leit ist das er dy sei von den peinn löst dy sy vmb ir sünt leiden solt [...] vnd vnser sünt abprenn vnd vnser hertz, erleucht also das wir von der enphahung

130

Kapitel 5: Die Melker Eckhart-Handschriften

Jch pitt dich auch das mir dein heiliger leichnam sey ein pewarung vor allem pösen willen vnd pestdtt mich an eim gueten leben vnd vertilig mein lasleich sünt [190V] vnd pehüett mich vor todsünten vnd penymb mir pedachtleichs wol gevallen zw sünten vnd gib mir has vnd missuall da wider

des götleichen fewers gelawtert wem. [...] (f. 182r:) Der drin nutz der an gots leichnam leit ist das er pösen willen penymbt vnd pestatigt den gueten willen. Also das ein mensch pewart wirt nicht allain vor dem willen zesünten sunder im wirt auch penomen pedachter lust vnd pöse lieb vnd gevalnus an sünten. [...]

Die Gegenüberstellung, die sich fortsetzen ließe, zeigt, daß >Zwölf Nutzen< und >Zwölf Bitten< eine Einheit bilden. Die >Zwölf Bitten< beziehen sich auf die >Zwölf Nutzen< Guiards, sind deutlich aus diesen heraus entwickelt und gewinnen ihren Sinn erst im Rückbezug auf Guiards Text. In KLAPPERS Ausgabe (wie in den beiden von ihm benutzten Hss.) ist dieser Sinnzusammenhang zerrissen; gewahrt blieb er einzig in dieser bislang unbekannten Fassung Peugers. 191r-203v

>Die Fittiche der Seele
Die Fittiche der SeeleSi in spiritu vis proficere< , vom Münchner Augustiner-Eremiten Georg Strobel i. J. 1425 erstellt (F. J. WORSTBROCK, Strobel, Georg, in 2VL Bd. IX, Sp. 450-453). Jeder der flüg (Furcht wie Liebe) hat vier chör, jeder dieser chör hat drei vedern. So ist der erste chör der Furcht dy gedachtnus der sünt, dessen erste

Melk, cod. 856 (88J/Q10) = MeS

131

Feder, das man pedenkch den schaden den man von den sünten enphangen hat, die zweite Feder, daß man pedenkch als das guet vnd all dy salichait dy man mit sünten verlarn hat und die dritte Feder, das man pedenkch dy vnersamchait dy wir vnserm trewn voter tan haben mit vnserer hachuart. Nach diesem Schema werden alle 4 chör zu je drei Federn der Furcht wie der Liebe abgehandelt. Der Text, der auch in der erwähnten Melker Hs. 982137 begegnet, schließt f. 203V mit einem kurzen Gebet (O herr almachtiger got [...] - dy dw vom anvang peraitt hast den dy dich fürchten vnd entleich lieb haben. Amen ) und wie die Karlsruher Hs. (s.u.) mit einem Abschnitt Von nutzen gedankchen, der die Formulierungen des Beginns wieder aufnimmt, indem er dazu auffordert, man solle sich entziehen von eiteln vnd weltleichen gedankchen vnd setz sich in seim muet awff am veder oder tzwo oder awff einn char des puechs [...] - Gestalt er aber seinn gedankchen hin vnd her ze wandern vnd wie wol sy nutz sind vnd lans wert so wem sy doch selten gnadenreich. Dar vmb wer sich also mit seinn gedankchen wel verainen der pestatt vor in seim muet war awff er gedankchen well so mügen sy gnadereich wem zw nutz vnd zw lanparchait Amen. 203V-215V

>Von abegescheidenheit< (=DW V, Traktat 3)

Hie vintt man von eim abgeschaiden leben Als vil ich in der heiligen geschrifft han ervarn mügen von haidnischen maistern vnd aws der alten vnd newn ee aws den ich mit gantzem fleizz gesuecht han [...215V...] - Dar vmb herr lazz dich vinden vnd ersatt dy sei dy dich lieb hat mit deinn gnaden vnd mach sy von dir trunkchen das sy in dir attain rue vnd wanung hob vnd in eim abgeschaiden leben stee vnd sunst alle ding awsser dir lazz. Der dw pist triueltig in der person vnd ainig in götleicher natur Amen. Lit.: DWV, S. 461^68. Cod. 856 gehört zur Gruppe der drei Melker Textzeugen des Traktats >Von abegescheidenheit< (dazu: cod. 235 und 1389). Nach QUINTS Stemma (S. 468) stellt der Text dieser Hs. (=Me8; zur Zeit des Erscheinens von DW V noch als Me6 bezeichnet) die letzte Stufe der Bearbeitung dar. Der stemmatische Befund stimmt zur Chronologie der Peugerhss. (cod. 235 um 1440, cod. 1389 v. J. 1444, cod. 856 v. J. 1455; Stemma und Stemmabegründung: DW V, S. 465^68). Die Exzerpte aus dem Traktat >Von abegescheidenheitVon der sei wirdichait vnd aigenschafft< (cod. 1569) begegnen, gehen auf die selbe Vorlage zurück, die für diesen Codex (856) benutzt wurden. (In der Edition des Traktats >Von der sei ...< in dieser Arbeit wurden für die >Von 137

Vgl. oben S. 125 zu f. 86r-178r.

132

Kapitel 5: Die Melker Eckhart-Handschrifien

abegescheidenheitVon abegescheidenheitVon abegescheidenheitVon abegescheidenheitMelker EvangelienBuchs143 der Liebkosung< Johanns von Neumarkt identifizieren.144 (Als Bei138

DW V, S. 462. Im zweiten Teil dieser Arbeit jeweils in den Anmerkungen. 140 DW V, S. 462. 141 Vgl. dazu die Beschreibung der codd. 1865 und 705 (S. 182). 142 Vgl. die Beschreibung von cod. 1865 Nr. 18, S. 211. 143 Vgl. KELLER, S. 256-267, ohne diese Hs. 139

144

KLAPPER Bd. I, S. 134-135 u. 166.

133

Melk, cod. 856 (881/Q10) = Me8

spiel rechts der Text von Kapitel XXX nach der >Von abegescheidenftei'fSoliloquienBuch der LiebkosungVon den fünf Eingängen Gottes in die Seele< (darin Exzerpte aus der >Guten Klosterlehre< und >Schwester Katreiguten KlosterlehreSchwester KatreiSchwester Katrei< - Teilstück der >Zehn Punkte< (= PFEIFFER, Traktat VI, S. 467,27^68,28 und 475,5^75,25 + Schlußstück = SCHWEITZER, S. 334,19-29, S. 335,19-337,10 und 369, 29-370,17)

Melk, cod. 856 (881/Q10) = Me8

137

?T Ein mynner von par i s schreibt von einer Junchfrawn dy sein peichtachter was vnd von irm gueten leben zw sölher heilichait cham das sy ainsten vntz an den dritten tag in got entzuckchl wart das sy der awssern synn also perawbt was das man sich versach oder sy war tod. vnd war ir peichtuater nicht gwesen man hiet sy also lemtige pegraben. vnd da sy zw ir selber wider cham (=SCHWEITZER, S. 334,19-29) vnd vil von ir gehört het da pat er sy was sy am maisten zw sölher salichait pracht hiet. Da sprach sy das erst was das ich mich da lassen han wo ich mich vand.

Es folgen aus dem Mund der Junchfraw die aus der >Schwester Katrei< bekannten zehn Punkte (PFEIFFER, S. 467,27ff. = SCHWEITZER, S. 335,25ff.), deren zehnter (f. 225V) lautet: das ich mich ynnen vnd awssen albeg awffdas aller höchst zw got gvbt han. Nach den Ausführungen der Junchfraw von der ynnern vbung (PFEIFFER, S. 468,17-28) kommt (f. 225V) wieder der >Erzähler< zu Wort: vnd sy sagt irm peichtuater so vil haimleicher ding vnd von der grözz gots vnd von seiner fürsichtichait das er von allen awssern synnen cham das man in in ein sundere cell tragen muest darinn er ein lange weil lag. (- PFEIFFER, S. 475,5ff. = SCHWEITZER, S. 369,29ff.).

Der Text der >Schwester Katrei< geht f. 226r (mit PFEIFFER, S. 475,25 = SCHWEITZER, S. 370,17 - und das ist bis auf 5 Zeilen auch der Schluß des Textes -) zu Ende. Es folgt ein kurzes Plusstück, das das Exempel knapp erläutert: Aws den dingen mag man wol erchennen das vnter hundert tawsenten nicht ain mensch zw sölher volchomenhait chümbt als dy Junchfrawn von der oben gesagt ist [...226r...] - Jch sprich auch mer das ir vnterschaidung verrer ist dann icht vnd nicht vnd sind doch alle chinder der ewigen salichait ob sy an todsunt in der lieb sterben, ihesus Christus. Amen. Lit.: QUINT, Neue Handschriftenfunde, Register: Tr. VI und besonders S. 18, 181 u. 275; ders., Fundbericht S. 24-27 u. 93; SCHWEITZER (bes. S. 371f. und 433^35); SIMON (bes. S. 18-20); SPAMER, PBB 34, S. 377-380 (zu VI. >Schwester Katrei Seh wester KatreiZehn Punkten< oder >Zehn Regeln< (PFEIFFER, S. 467,27ff.) nimmt in der Textgeschichte des Traktats eine gewisse Sonderstellung ein: Es begegnet vielfach für sich alleine überliefert, fand so auch Eingang in die sogenannte Spruchsammlung 149

Vgl. DW V, S. 462-465.

138

Kapitel 5: Die Melker Eckhart-Handschriften

des Engelhart von Ebrach.150 Die Überlieferung des Stückes außerhalb des Traktat-Kontextes ist von QUINT und SPAMER (s.o.) zusammengetragen, von SCHWEITZER jedoch für seine Neuedition des Traktats nicht berücksichtigt worden.151 Von vier Melker Hss. (außer cod. 856: codd. 235, 705, 1865) hat man zwei übersehen. Der Überlieferungsbefund, wie die Tatsache, daß das Stück in der Eckharths. G4 (St. Gallen, Stiftsbibl., cod. 965) vom Traktat getrennt ist, diesem vorausgeht und eine eigene lateinische Einleitung besitzt,152 hat bereits SIMON zu der Feststellung geführt, daß wir »demnach in dem Abschnitt ein ursprünglich in sich selbständiges, wahrscheinlich auf eine lateinische Vorlage zurückgehendes Stück zu erblicken haben, das erst späterhin in unseren Traktat hineingearbeitet worden ist.«153 SCHWEITZER kommt zu dem weiterführenden Schluß: »Obwohl [...] dieses kurze Stück eigentlich ein Plusstück ist, so ist es doch jedenfalls das am engsten mit dem Tr.[aktattext] verbundene und möglicherweise zuerst aufgenommene. [...] Daß es sich um ein ursprünglich selbständiges Stück handelt, steht wohl außer Zweifel. Nur kann es sich bei der lateinischen Fassung der >Zehn Regeln< [...] genauso um eine Rückübersetzung eines deutschen Stückes handeln wie um eine ursprünglich lateinische Regel. Eine solche, sei sie nun primär oder sekundär verfaßt, zu finden, war mir jedenfalls nicht möglich und bleibt weiteren Forschungen überlassen.«154 Ein erster Schritt dieser Nachforschungen könnte von Hinweisen ausgehen, die die bisher vernachlässigten Melker Peuger-Hss. geben. Von geringem Interesse ist dabei die seit SPAMERS Beschreibung bekannte Hs. 705 (Me2),155 die f. 319rb die >Zehn Punkte< so einleitet: Ein andachtige Junchfraw ward in hohe volchömenhait tzogen dy fragt ir peichtuater was sy am maisten zw irer sölhen salichait tzogen /z/ei.156 Am Eingang des Stückes ist nichts Auffälliges; er stellt sich neben Einleitungen, wie sie die von QUINT beigebrachten Hss. P4 und W9 bieten, die die >Zehn Punkte< ebenfalls als eigenes Stück überliefern.157

130

151 152

153 154 153 156

Verfasserschaft umstritten. Engelhart von Ebrach nennt sich nur als schriber der St. Emmeramer Hs. München, Bayer. Staatsbibl., cgm 172, könnte aber doch der Kompilator der Spruchsammlung sein. Vgl. SPAMER, S. 327; V. HONEMANN, Engelhart von Ebrach, in: 2VL Bd. 11(1978), Sp. 555f.

Vgl. SCHWEITZER, S. 667 Anm. 2. G4, S. 182: Ex libro virginis. Quidam magnus doctor jnterrogauit quendam perfectum hominem dicens: »Quid tibi uidetur - Waz danket dich...« (zitiert nach SCHWEITZER, S. 433).

SIMON, S. 19. SCHWEITZER, S. 224 u. 435. Vgl. SPAMER, PBB 34, S. 367.

Die >Zehn Punkte< auch in längeren Abschnitten aus >Schwester Katrei< in cod. 1865 (Mel) f. 106*. 157 Dit synt thien puncten van groter volcomenheit om daer tot comen Een gheleer man vraechde

Melk, cod. 856 (88I/QIO) = Me8

139

Merkwürdig mutet die Überleitung zu den >Zehn Punkten< an, wie sie der von SCHWEITZER konstituierte >Schwester KatreiSchwester KatreiSchwester Katrei< bislang übersehenen Melker PeugerHs. cod. 235 (Me5), die f. 333vb-334rb einige Stücke überliefert, die auch in den >Schwester KatreiZehn Punkte< so einleitet: een maghet die van heyleghen leuen was. (P4 - Paris, Bibl. Nat., neerl. 40, f. 3 ); vgl. QUINT, Neue Handschriftenfunde, S. 275; fast wörtlich gleich W9 = Wien, ÖNB, Ser. nova 12869, f. 35r; vgl. QUINT, Fundbericht, S. 93. 158 Völlig ohne Aussagewert ist der Eingang der Eckharths. S l (Salzburg, ÜB, M I 476 [V3/H148]), die f. 16 -162" PFEIFFER, S. 467,27- 475,30f. bietet: Hie spricht der bihter zu der dohter (f. 16 ); dazu QUINT, Neue Handschriftenfunde, S. 181. 159 An den Begriff der regio dissimilitudinis zu denken, bieten die vorausgehenden wie folgenden Textpassagen der >Schwester Katrei< keinen Anlaß. 160 In diesem Zusammenhang verdient Erwähnung, daß SCHWEITZER die Entstehung des >Schwester-Katrei-Traktates< inzwischen in oder um Straßburg in der dortigen Begardengruppe lokalisiert, aber inhaltlich deutliche Verbindungen zum >Miroir des simples ämes< der Marguerite Porete annimmt. (F.-J. SCHWEITZER, >Schwester KatreiSchwester KatreiZehn Punkte< (cod. 856: Ein mynner von par i s schreibt)™* um einen Franziskaner handelt, dürfte den Tatsachen entsprechen. Ausgehend von rein »inhaltlichen Details eher franziskanischer Färbung« hat SCHWEITZER die Vermutung ausgesprochen, er »glaube [...] die Rolle des Beichtvaters eher mit der eines franziskanischen als eines dominikanischen pfaffen identifizieren zu dürfen.«164 Diese am Gehalt des Textes orientierte These findet jetzt ihre Bestätigung durch die bislang übersehenen Melker Textzeugen. Die Suche nach der Ausgangsfassung der >Zehn Punkte< kann in einem lokal, historisch, textgeschichtlich und ordensspezifisch begrenzten Umfeld beginnen. 226r Explicit Anno domini M° cccclv0 feria tercia ante vestum sancti philippi et Jacobi apostolorum (= 29. April 1455).

162

S. 342,32ff. + PFEIFFER, S. 474,32ff. = SCHWEITZER, S. 369,8ff.; f. 334"-* = PFEIFFER, S. 475,5ff. = SCHWEITZER, S. 369,26ff.

SCHWEITZER, S. 369,29f.: vnd das man ime in ein heimliche zelle helfen muste. Identität besteht also zwischen dem Berichterstatter der >Zehn Punkte< und der Figur des >Beichtvaters< der >Schwester KatreiBeichtvaters< und dem Verfasser/Kompilator des gesamten >Schwester KatreiBeichtvater< und >-lochten. 164 SCHWEITZER, S. 183 und 205; vgl. ebd. S. 200-204 u. 223. 163

141

5.5

Melk, cod. 1569 (615/L27) = Me3

Melk - Papier - 173 Blätter - 15,4x11,0 (8°) - nach 1440. Beschreibung: Die Hs. wird als Peuger-Hs. erwähnt bei WARNOCK/ZUMKELLER, S. 72f. Ein Schreiber: Einspaltige bairische Bastarda. Die Hand Lienhart Peugers wurde durch Schriftvergleich mit der Profeßurkunde und den durch Peugers Wappen und Namen signierten Codices identifiziert; f. 00r finden sich die Namen Jesus, maria. in der für Peugers Hss. charakteristischen Form. (Vgl. Abb. 13). Das in allen Codices Peugers anzutreffende nota-Zeichen etwa f. 15r, 120V, 122V, 123V usw. Die Hs. ist sehr sauber geschrieben; die Überschriften stammen ebenfalls von Peugers Hand. Sie und die zwei- bis vierzeiligen Initialen (Eingangsinitiale fünfzeilig) sowie die ein- bis zweizeiligen Caputzeichen sind in roter Tinte ausgeführt. Die Namen Jesu, Mariae, der Heiligen, Kirchenväter und Bibelbücher sind stets sauber rot unterstrichen. Peuger hat die Hs. sehr sorgfältig korrigiert; so ist f. 146r ein durch Rasur entstandenes Loch mit einem winzigen Zettelchen überklebt (Z. 14) und der Text (vier Buchstaben) darauf korrigiert. Wz.: Zwei Wasserzeichen. Vom Beginn der Hs. bis f. 95 und wieder ab f. 144 bis Schluß: Waage im Kreis (abgenommen f. 60 und 61). Von f. 96-143: Dreiberg im Kreis. Nicht bei PlCCARD und BRIQUET. Waage so auch in cod. 1389 v.J. 1444. Dreiberg in cod. 235 (um 1440) und cod. 856 (v.J. 1455). Lagen: Sexternionen. Mittelalterliche rote Foliierung von 00 bis f. 169; f. 170-173 Tintenzählung des 17. Jh.s Mittelalterliche Lagenzählung (arabische Ziffern; schwarze Tinte) zum größten Teil erhalten. In den Falzen: Pergamentstreifen (lat.). Das erste Blatt der ersten Lage wurde als 00 gezählt: (00) VI 11 + [12r: 2]VI23 + [24r: 3]VI35 + [36r: 4]VI47 + [48r: 5]VI59 + [60r: 6]VI71 + VI83 + VI95 + VI107 + [108r: 10]VI"9 + [120r: 11]VI131 + [132r: 12JVI143 + VI155 + VI167 + III173 (die letzten drei Doppelblatt mittels eines Pergamentstücks zwischen 155 und 156 angeklebt). Schriftraum: f. 98r: (14,6xlO,6cm) horizontal: innen 1,0-8,0-1,6; vertikal: oben 1,5-11,2-1,9. Der mit blinden Linien vorgezeichnete Rahmen wird stets gewahrt, der Rand für Korrekturen von Peugers Hand (f. 17V, 32V, 39r, 43r, 106V usw.) sowie für einzelne Einträge einer anderen Hd. (s.u.) genutzt. Einspaltige Seite ä 33 Zeilen; oberste Randlinie beschrieben. Einband: 15,4x11,0; graues Schweinsleder über Holz; zwei Bünde; vorne fünf runde Messingbuckel (rechts unten nur noch Nagel); auf dem Hinterdeckel ebenso fünf (links oben nur noch Nagel) und zwei zusätzliche Buckel, deren Nägel das erneuerte rote Lederband der zwei Schließen halten. Schließen komplett erhalten; die

142

Kapitel 5: Die Melker Eckhart-Handschriften

Metallplättchen an Hafte und Krampe rautenförmig verziert. Einfaches x-förmiges Streicheisenmuster. Das Bibliotheksschildchen der Katalogisierung des Jahres 1517 ist abgerissen. Unterhalb der Leimspuren ist zweimal mit Tinte die Signatur L27 auf das Leder geschrieben. Auf den vorderen Deckel geklebt wurde das mittelalterliche Pergamentschildchen mit der knappen Inhaltsangabe von Peugers Hand: Etlich legend vnd vil andren ding. Darunter mit Tinte die Signatur des Jahres 1517 (L 125) auf das Leder geschrieben. Im Schnitt zehn rote Markierungslaschen aus Leder. Im vorderen und hinteren Spiegel jeweils nicht mehr lesbarer Abklatsch eines lat. Textes und Pergamentreste, die erkennen lassen, daß sie mit Papier überklebt waren. Das fehlende Papier im Vorderspiegel hat fraglos die in Peugers Hss. übliche Inhaltsangabe und die Nummer des Codex enthalten, höchstwahrscheinlich auch (wie das Gebet f. 00r nahelegt) die Darstellung der >Arma ChristiNeue Ee< (>Historienbibel Illb AnhangNeue Ee< den Standpunkt Bernhards von Clairvaux: vnd da Anna swanger wart vnd das chind in ir lemtig wart da ward es geheiligt in mueter leichnam von der anparn sünt. An den Rand hat der unbekannte Schreiber die Mahnung verstee es recht notiert (= f. 2V). Dieselbe Mahnung gilt einigen Aussagen des Büchleins der Ewigen Weisheit< zur Trinität (f. 33V). Besonders häufig begegnen die Warnungen des Anonymus neben Texten, die Meister Eckhart zugeschrieben sind: Bei den Aussagen des >Liber Positionummslac< (f. 87r-94r) 165

Vgl. die Bemerkungen zu f. -23 und die Ausschnitte aus dem Traktat >Von abegescheidenheit< im Traktat >Von der sei wirdichait vnd aigenschafftVon der sei \virdichait vnd aigenschafft< über Gott und die Seele: chain sei mag in got nicht chömen sy werd dann ee got als sy got was ee sy in got peschaffen ward. Solche Stellungnahmen zu dogmatisch bedenklich scheinenden Äußerungen Eckharts sind in der Eckhart-Überlieferung auch anderwärts anzutreffen. So enthält der Codex Cent. VI 46h der Stadtbibliothek Nürnberg aus dem dortigen Katharinenkloster eingangs den Kommentar, das Buch sei swer und unbekant manchen Menschen. Darumb sol man es nit gemeyn machen, des pin ich durch got, wann es ward auch mir verholten [...] Wer aber icht hie inne, das man straffen macht in der warheit, so sol man da wissen, das es da nicht schuld ist meins Unglaubens sunder es ist schuld meiner unbekantnusz.167

Die Mahnungen zeigen, daß man in späterer Zeit auch in Melk die Texte Eckharts, die in Peugers Abschriften zunächst zur Verfügung gestellt wurden, als bedenkliche, für Laienbrüder und Novizen sehr schwierige und leicht mißzuverstehende Lektüre einschätzte.

Inhalt Or

Monastery Mellicensis L 125 = Besitzeintrag und Sigle der Katalogisierung des Jahres 1517 .Jesus, maria.

Empfehlung in den Schutz Christi< = KLAPPER Bd. IV Nr. 45, S. 215,1-216,8 O herre Jhesu christe ich enphilich mich hewt in das durchgraben Jnsigel das dw aws dir selber gemacht hast an dem heiligen chrewtz [...] - nach deiner ynndristen götleichen lieb vnd gruntlasen parmhertzichait Amen. $ Herre i he s u christe deim heiligen tod gib ich mich jn dein heilig fümff wunten senkch ich mich [...] - Mit deim heiligen rasenuarben pluel spreng ich mich für all mein veint sichtig vnd vnsichtig. Amen. 167

Zitiert nach JOSTES, S. XXIV Anm. 2. Dieselbe >Wamung an den Leser< auch in Mai4 (Maihingen, Fürstl. Oettingen-Wallersteinsche Bibl., [jetzt Augsburg, ÜB], cod. III. 1.4°. 41, f. 194r; vgl. W. STAMMLER, Gottsuchende Seelen. Prosa und Verse aus der deutschen Mystik des Mittelalters, München 1948, S. 8 Nr. I). Vgl. PFEIFFER, ZfdA 8, S. 251,3-12 (cgm 133).

144

Kapitel 5: Die Melker Eckhan-Handschriften

Lit.: KLAPPER Bd. IV, S. 215-216 und XLVIIIf.; ders., Johann von Neumarkt, Bischof und Hofkanzler. Religiöse Frührenaissance in Böhmen zur Zeit Karls IV. (Erfurter Theologische Studien 17), Leipzig 1964; W. HÖVER, Johann von Neumarkt, in: 2 VL Bd. IV (1982), Sp. 686-695, hier Sp. 690f.; P. OCHSENBEIN, Die deutschen Privatgebete; ders., Eine bisher unbekannte böhmische Handschrift (besonders S. 86f. Anm. 4 mit Zusammenstellung der KLAPPER unbekannt gebliebenen Überlieferung); ders., Johann von Neumarkt als geistlicher Schriftsteller. (Alle ohne diese Hs.).

Von KLAPPER (Bd. IV, Teil II) nach der einzigen ihm bekannten Hs. (Breslau, ÜB, cod. I 0 9, f. 123V) veröffentlicht. Johanns von Neumarkt Verfasserschaft wird als »möglich aber nicht beweisbar« (Bd. IV, S. XXIII) angesehen. Weitere Überlieferung dieses Gebets ist nicht bekannt.168 In dieser Hs. ist der Text im Vergleich zu KLAPPERS Breslauer Codex stark überarbeitet und in zwei kleinere Gebete zerlegt. In einer ebenfalls redigierten Fassung (aber als ein Text) liegt er im Melker Peuger-Codex 1401, f. 30 vor. Die Melker Hss. bestätigen zum ersten den im Vergleich zu KLAPPER (auf den ostmitteldeutschen Raum beschränkte Hss.) entscheidend modifizierten Überlieferungsbefund OCHSENBEINS (1979, S. 102ff.), der von einer breiter gefächerten regionalen Streuung ausgeht. Zum zweiten fügen sich Peugers stark redigierte Texte zu OCHSENBEINS Beobachtungen über die Passionsmeditation KLAPPER Bd. IV Nr. 40, die zeigen »wie eine ursprünglich wohl in der Volkssprache verfaßte Crucifixus-Meditation für Nonnen im Spätmittelalter zu einem der beliebtesten Volksgebete wird und im Verlauf der Tradierung«, die weit vor Johann von Neumarkt beginne, vielfache Umformungen und Aufschwellungen erfährt.169 Das Gebet wurde von Peuger wohl aus zwei Gründen adaptiert: Erstens entspricht die Crucifix-Meditation Peugers stark ausgeprägter Verehrung der Wunden Christi; diese geht so weit, daß er sogar in einen Text Meister Eckharts (der sich selbst ja gerade dafür ausspricht, solche Meditationen, die im Grunde an der Menschheit Christi haften, zu übersteigen)170 die Erinnerung an Christi Blut einfügt: Während Eckhart in der Predigt Par. an. Nr. l (S. 8,13) nur sagt, Christus habe uns so dure irarnit, schreibt Peuger, Christus habe uns so fewer mit seim pittern tod erarnt vnd chawfft mit seim heiligen pluet.

168 169

Vgl. OCHSENBEIN 1979, S. 86 Anm. 4.

Ebd., S. 104. 170 Vgl. cod. 183, f. 2 -26 und beispielsweise DW V, S. 436,17ff.: Sol aber ich vf das hoheste körnen das mus beschehen da mitte das mir solliche gnade besehene Das ich min selbes al zu mole vergisse Vnd xpi menscheit Vnd aller siner wunden vergisse Vnd alles des so creatürlich namen het.

Melk, cod. 1569 (615/L27) = Me3

145

Zweitens fügt sich das Gebet in das von Peuger immer wieder formulierte Programm der geistlichen Ritterschaft: Mit Sicherheit hat das aus dem vorderen Spiegel gelöste Papierblatt die Darstellung der >Arma Christi< enthalten. Dieses ursprüngliche Gegenüber von Text (f. Or) und Bild (Vorderspiegel) läßt sich >rekonstruierenArma Christi< (Abb. 15) gegenüberstellt. In der Zusammenwirkung von Text und Bild erklärt sich der Eintrag des Gebets auf der ersten Seite der Hs., erhält Peugers Redaktion des Gebetstextes eine neue Dimension: van (Z. 5) und schilt (Z.7), unter denen gekämpft werden soll, sind die dargestellten >Arma ChristiHistorienbibel Illb Anhang< (kürzende Bearbeitung)

Sand Jeronimus schreibt das zw sand Anna vnd Joachim tzeiten ein Chaiser was der hies Augustus, vnd von Dauid geslächt ward in der stat nazaret Joachim parn. [...23V...] - vnd ihesus nam zw in weishait vnd in alter vnd an gnaden vor got vnd vor den menschen. [Lc 2,52]. Lit.: HlLG, S. 421 f. Nr. 55; VOLLMER Bd. 1,1, S. 29-35 und 162-175 und Bd. IV. Wie HlLG, S. 422, feststellt, handelt es sich bei dem so nur hier und im Melker Peuger-Codex 235, f. 336 *-344 überlieferten Text um eine kürzende Bearbeitung des von VOLLMER als Anhang zur Historienbibel Illb mitgeteilten Marienlebens bis zur Rückkehr mit dem zwölfjährigen Jesus nach Nazareth [Mt 2,19-23 und Lc 2,42-52]. Die Melker Textzeugen enthalten VOLLMERS (Bd. IV) Kap. 3-6; 10-12; 13 (nur S. 25 Z.25-28); 14 (nur S. 26 Z.21f.); 15f.; 17 (S. 32 Z.21 - S. 34 Z. 16); 19; 21 (S. 43 Z.21-28); 24 (nur S. 54 Z.9-12).171 Da eine weitere Überlieferung dieser Bearbeitung nicht bekannt ist und es sich bei beiden Melker Codices um Hss. Peugers handelt, liegt der Gedanke Angaben nach HlLG, S. 422 zu Melk, cod. 235; Vgl. SCHÜLKE, S. 46-49.

146

Kapitel 5: Die Melker Eckhart-Handschrifien

nahe, in Peuger den Redaktor zu sehen, der den Auszug herstellte. Interessant an dieser Redaktion ist dabei weniger ihr Auszugscharakter, als vielmehr die Tatsache, daß zwischen die Kapitel des >Anhangs zur Historienbibel IIIb< die Evangelienberichte nach Lukas und Matthäus eingefügt sind.172 Einzigartig in der Textgeschichte dieses Marienlebens ist das Verhalten des Redaktors, der sich von Fall zu Fall aus der histori >ausblendetBibeltreue< orientiert ist. Der Grund für die Bearbeitung liegt in einer Auffassung, die Peuger etwa in der Predigt des Nikolaus von Dinkelsbühl zur Himmelfahrt Mariens (MADRE, S. 222f.Nr. 2) begegnet war (zitiert nach dem Peuger-Codex 705, f. 237rb): wie wol man vil in ettleichen püechlein list dy apocrifi haissen. Das ist man wais nicht wer sy gemacht hat. vnd man hat auch tzweifel ob es war sey was sölhe püchel inn halten, vnd dar vmb lazz ich es vnter wegen [...weil...] man das nicht hat [...] aws der pewarten geschriffi der wibel noch aws den ewangelisten noch der tzwelifpoten.

Der Kompilator der Melker Fassung der >Neuen Ee< steht den apocrifi ebenso kritisch gegenüber und ersetzt die histori, wo immer dies möglich ist, durch den Bericht der Evangelien. Die Untersuchung der hierbei verwendeten Evangelientexte bestätigt die eingangs geäußerte Annahme, daß der Melker Laienbruder Lienhart Peuger nicht nur der Kopist des Textes, sondern selbst der Bearbeiter ist, dessen >Ich< von Fall zu Fall kurz aufscheint (das wil ich nach der histori wart hie nicht schreiben). Bei den verwendeten Evangelientexten handelt es sich nämlich um die sogenannten >Melker Evangelien< in der Bearbeitung Peugers.173 172 173

Darauf weist HlLG, S. 422 zu cod. 235 knapp hin. Vgl. zur Textgeschichte der >Melker EvangelienMelker Evangelien< zurückgriff. Daß er dazu nicht die Ausgangsfassung in cod. 888, sondern die Fassung des cod. 220 (von 1439) verwendete, läßt sich anhand der kurzen Textstellen nicht zweifelsfrei beweisen, wohl aber sehr wahrscheinlich machen.175 Sicherlich jedoch ist cod. 1569 mit der weitestgehenden Bearbeitung der Evangelien nach 1439 (cod. 220), ohne Zweifel nach 1438 (cod. 888) entstanden.

174 175

Micheas am Rd. per Verweiszeichen nachgetragen. Zudem bestätigen die Lesarten zum vorher zitierten Beispiel Lc l,38ff. eine vermittelnde Stellung des cod. 220 (f. 48*-va) zwischen cod. 888 und cod. 1569: Mit cod. 888 gemeinsam hat cod. 220: da Elizabet hört den grues marie; vnd schray aws mit grazzer stym; in frewden in meint leichnam. Mit cod. 1569 teilt cod. 220 dagegen: da dy stym deins gruezz zw meinn arn cham.

150

Kapitel 5: Die Melker Eckhart-Handschriften

23V-27V Regel Marias nach Christi Himmelfahrt, Epiphanius zugeschrieben Von der reget vnd arnung nach der maria gelebt hat nach irs suns awffart Uns schreibt in der histori E p i f f a n i u s von marie der Junchfrawn dy manigen tag hat grasser heilichait phlegen [...27V...] - Dar vmb als es got das grösst gevallen ist so man seim willen nach voligt also ist es auch vnserfrawn dy grösst er so man irm leben nach voligt als verre man mag. Lit.: HlLG, S. 406f. (mit Hinweis auf Quellen und Überlieferung). Derselbe Text zur Tagesordnung Marias findet sich sonst nur noch im Melker Peuger-Codex 235, f. 344rb~vb ebenfalls im Anschluß an Peugers Bearbeitung von >Historienbibel Illb Anhangs 27V-37V Heinrich Seuse, >Büchlein der Ewigen Weisheit, Kap.XVI: Von dem wirdigen lobe der reinen kunigen von himelrich Von dem lob marie DEr almachtig got des gericht vnpegreiflich sind vnd des weg vnerchannt der hat in manigualtiger weis sein güet gegen vns ertzaigt [...37V...] - Sy ist vns chömen zw eim gueten anvang sy sol vns auch ein guet entt erwerben. Das verleich vns ir lieber sun [...] vnd herseht got ewichleichen Amen. Es handelt sich um eine (der Forschung bislang unbekannte) stark überarbeitete (und gegen Ende um Zitate aus Hieronymus und Augustinus erweiterte) Fassung des 16. Kapitels des >Büchleins der Ewigen Weisheit< (BlHLMEYER, S. 262ff.). Derselbe Text auch im Melker Peuger-Codex 1401, f. 47V54r. Peuger nimmt dem Text den Dialogcharakter und >entsubjektiviert< ihn, indem er die d i r e k t e Anrede Gottes, der Ewigen Weisheit und Mariens in ein Reden ü b e r Gott, Christus und Maria transponiert. Der Beginn des Kapitels kann das veranschaulichen:176

J76

BdeW (BlHLMEYER, S. 262 16-22 und 26-263,11):

cod. 1569, f. 27v-28r:

Von dem wirdigen lobe der reinen kunigen von himelrich. Der diener: O hohu richeit der gütlichen kunst und wisheit, wie sint dinu gericht so unbegriffenlich und din

Von dem lob marie

Vgl. diese Hs., f. 13 -143 .

DEr almachtige got des gericht vnpegreifleich sind vnd des

151

Melk, cod. 1569 (615/L27) = Me3

wege so unerkant! Wie hast du so mengen vromden weg,

die armen seien

wider ze bringenne!

Wie gedeckt du, oder wie was dir so wol ze mat in diner ewigen unwandelberkeit, do du so adellichen schufde die reinen, die zarten die wirdigen kreatur ob allen lutren kreaturen!

weg vnerchannt der hat in manigualtiger weis sein güet gegen vns ertzaigt da mit er dy armen sei menschleichs geslachts dy in dem gwalt des tewfels swarleich gevangen was ledig vnd las gemacht durch seinn ainparn sun vnsern herren ihesum christum vnd hat vns den zw eim mittler tzwischen im vnd vns ge[28T]ben. Vnd vber das als so was im mit grassen wol gevallen ze muet in seiner ewigen vnwandelpdrchait das er wolt peschaffen dy edel creatur ob allen lawlern vnd vernünftigen creaturn dy sdligen Junchfrawn maria

Eya, himelscher votier, wie getorste ein sundiger mensche ze dir körnen, es were denne, daz du uns hettist gegeben din einiges uzerweltes kint, die Ewigen Wisheit, ze einem leiter? Eya, Ewigu Wisheit, wie getorste ein armer sundiger mensche iemer die baltheit gewinnen, daz er vur sogtane luterkeil

wie törst sünst ein süntiger mensch für den almachtigen got treten hiel er vns nicht geben seinn lieben vnd ewigen sun zw eim vorsprechen. Oder wie törst der sünter so türstig sein das er für dy ewigen weishait christum

152

Kapitel 5: Die Melker

getorste gezoigen, es were denne daz er die muter aller erbarmherzikeit ze einem schirme nemi? Ewigu Wisheit, bist du min bruder, so bist du och min herre; bist du ein wäre mensche, owe, so bist du och ware got und ein vil strenge rihter der missetat. Eya dar umbe, so unser armen seien sint in dem engen notstal grundloses herzleides und wir enkunnen noh hin noh her komen, so blibet uns nit denn daz wir unser eilenden eigen uf bieten ze dir, uzerweltu kunigin von himelrich!

37V-83V

Eckhart-Handschriften

vnsern herren mit seim aigen vbel cham hiet er nicht dy mueter der parmhertzichait zw einer versunerin.

vnd dar vmb seit wir hie in dem natstall grazz hertzenlaits stenn vnd chünnen dar aws weder hin noch her chömen so füegt vns nicht anders dann das wir vnser eilenden awgen zw ir erheben.

7 Prosalegenden von Jungfrauen und Märtyrerinnen

Lit.: WILLIAMS-KRAPP, S. 29. WILLIAMS-KRAPP weist darauf hin, daß »in der von Lienhart Peuger hergestellten Melker Hs.« eines jener »Jungfrauenbüchlein in Prosa« vorliege »welche n i c h t aus volkssprachlichen Legendaren abgeleitet sind.«177 Da bereits oben wahrscheinlich gemacht werden konnte (S. 118, zu cod. 1389, S. 335-345), daß Peuger der Redaktor der Maria Aegyptiaca-Legende war, der aus der Kurzfassung der >Legenda aurea< und einer langen lateinischen Fassung den >Melker Mischtext< kompilierte, darf man in ihm wohl auch den Bearbeiter der nur in dieser Hs. überlieferten Legenden sehen. Seine Auswahl bietet die Legenden der vier virgines capitales, erweitert um Agnes, Juliana und Christina, in der Reihenfolge der Heiligenfeste.

177

Zu danken habe ich Werner Williams-Krapp für die mündliche Auskunft, daß es sich bei allen sieben hier überlieferten Legenden um Unikate handelt.

Melk, cod. 1569 (615/L27) = Me3

3T-461

153

Von sand Agnes.

Dy heilig Junchfraw vnd martrerin sand Agnes ist pürtig gwesen aws Ram von edeln geslacht vnd hat am dreitzehenden iar irs alters dy marter des tods geliten da durch sy das ewig leben funden hat [...46r...] - vnd mit dem ward alle anuechtung des fleischs am priester erlescht. Lit.: WILLIAMS-KRAPP, S. 387 >Agnes von Rom< Nr. 7.

46r-53r

Von sand Dorotheam

Dy heilig Junchfraw sand Dorothea ist pürtig gewesen aws der stat Cezaria der gegent Capadocie dy got mit vassten vnd petten fleizzleich dient. [...53r...] Dy ding sind geschehen vnter Diocleciano vnd Maximiane den Chaisern. Lit.: WILLIAMS-KRAPP, S. 403 >Dorothea von Rom< Nr. 12 und ders., >DorotheaJuliana von Nikomediem Nr. 1. Eine Fassung mit verwandtem Initium in Gießen, ÜB, Hs. 705a, f. 190va. Dazu: Hans-Jochen SCHIEWER, >Die Schwarwälder PredigtenMargaretha von Antiochien< Nr. 6 und ders., >Margareta von AntiochienChristina von Bolsena< Nr. 2.

154

67r-81v

Kapitel 5: Die Melker Eckhart-Handschriften

Von sand katrein

Dy heilig Junchfraw sand katrey ist ein ainige tachter gwesen des Chünigs Costi aws der stat antiochie dy lies der vater dy frein chunst lernen [...81V...] Der mit got dem vater vnd mit dem heiligen geist lebt vnd herscht ewichleichen Amen. Lit.: WILLIAMS-KRAPP, S. 426 >Katharina von Alexandrien< Nr. 17 und P. ASSION, >Katharina von AlexandrienBarbara< Nr. 16 und E. REUTER, >Barbara< in: 2VL Bd. I (1977), Sp. 601-603 (dort ohne diese Hs.).

83v-85r

Ps.-Anselm von Canterbury, Gebet an die Jungfrauen

.Das gepet hat Anshelmus gemacht da mit man ein yede Junchfrawn sunder ern mag O Dw heilige vnd salige Junchfraw vnd martrerin sand .N. dy dw noch in deinn Jungen tagen pist hitzig gewesen von dem fewer der götleichen lieb vnd hast versmacht dy gantzen weit [...85r...] - durch das verdienn der saligen Junchfrawn sand .N. verleich mir dy süezzichait deiner saugen haimsuehung der dw lebst vnd herscht got ewichleichen Amen. Auch in den Peuger-Hss. 1001, f. 105r-106v und 235, f. 117rb-117va: vgl. S. 92ff.

85r-87r Meister Eckhart (?), >Vom Sakrament< (= >Liber Positionum< Nr. 149-154, PFEIFFER, S. 678,24-680,32) Nota vom Sacrament guet frag Maister ekchart von pans Dar vmb spricht er wan wir vns zw der speis gots leichnams wol peraitten so enphahen wir den der vns dy speis der sei an im selber peraitt hat. Wann dy sei hat einn sundern influs der gnaden von dem wirdigen enphahen gots leichnams mer dann sünst von chainer gab. Vnd der influs ist das dy natur ir natur enphacht [...87r...] - wann das sterben der menschait christi was dy schidung der sei vom leichnam in dy vorhell in der tzeit sy im leichnam nicht was vntz an dy vrstend seins chlorten leichnams den er mit der sei veraint Amen. Lit.: SPAMER, PBB 34, S. 324f. u. S. 408^*18. QUINT, Neue Handschriftenfunde, S. 53.

Melk, cod. 1569 (6I5/L27) = Me3

155

Deutlich erkennbar liegt ein in sich geschlossener scholastischer Text vor, der in fünf aufeinander bezogenen Quaestionen Aspekte des Sakraments der Eucharistie erörtert und innerhalb des von PFEIFFER aus 162 Stücken der verschiedensten Hss. zusammengesetzten >Liber Positionum< eine eigene Einheit bildet. Diesen am Text selbst gewonnenen Befund bestätigt ein Blick auf die (von SPAMER, S. 408-415 zusammengestellte) Überlieferung der einzelnen Teile des >Liber Positionumliber positionumLiber positionum< neben einer großen Zahl von Fragmenten und Exzerpten aus Predigten »eine ziemlich grosse anzahl reiner quaestionen zurück und wenn die verschiedenen hss. auch ihre einkleidung recht verschieden geben [diese Hs. weist ausdrücklich auf den Quaestionen-Charakter hin!], und wenn auch an ein grösseres einheitliches [deutsches] quaestionenwerk nicht gedacht werden kann, so bleibt doch die frage offen.«180 Die Frage, ob die Zuweisung eine deutsche Übertragung lateinischer quaestiones Eckharts meinen könnte, läßt sich nicht entscheiden, solange der zweite Teil von Eckharts opus tripartitum, das opus quaestionum, als verloren gelten muß.181 Daß freilich Fragen der Eucharistie im Werk Eckharts allgemein und besonders im Bereich der Klosterkollazien einen hohen Stellenwert besitzen, dokumentiert das 20. Kapitel der >Rede der underscheidungeLib. Pos.< Nr. 151 auch in Br4 (Brüssel, Bibl. Royale, cod. 14688 [Katalog Nr. 876; SPAMER, S. 414 Nr. 18]) und G5 (St. Gallen, Hs. 1033, f. CCXXV-CCXXVF; QUINT, Neue Handschriftenfunde, S. 53).

SPAMER, PBB 34, S. 408.

Ebd. 181 Vgl. RUH, Meister Eckhart (1985), S. 74 und LW I, S. 149,3-5 und Anm. 3, wo alle Erwähnungen des opus quaestionum zusammengestellt sind. 182

J. QUINT in DW V, S. 351 Anm. 307.

156

Kapitel 5: Die Melker Eckhart-Handschriften

und andäht.m Eine inhaltliche Untersuchung der guetfrag und ein Vergleich mit der Quaestio Utrum in corpore Christi morientis in cruce remanserint forme elementorum (LW V, S. 77-83) beispielsweise steht aus. 87r Von anderer Hand am unteren Rand: Dye matery der siben pleter ist hoch vnd dem menschen wenig nucz darvmb verstee es recht. Die Mahnung bezieht sich auf den folgenden, von Peuger Eckhart zugeschriebenen184 Text. 87r-94r >Der inslac< (=PFEIFFER, Traktat II >Von der edelkeit der seleBuch der LiebkosungDer mslacVon der edelkeit der seleDer mslac< vorgeschlagen).

183 184

185 186

DW V, S. 262,6-274,7. Peugers Formulierung der obgenannt maister von paris (f. 87r) bezieht sich auf Maister ekchart von paris (f. 85r)·

Vgl. KELLER, S. 256-267 (ohne diese Hs.). Vgl. SPAMER, PBB 34, S. 359, wo fälschlich II.III. statt II.II. angegeben ist, S. 365 und 371. Im einzelnen bietet Me2 PF. S. 382,30-33; 383,1-384,10; 385,16-19 u. 29-386,2 u. 5-13u. 15-18; S. 392,37-394 Schluß.

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Zu SPAMERS Analyse und Identifizierung der Einzelteile bleibt nachzutragen, daß sich die nicht dem >mslac< entnommenen »2 sätze aus einem tractat >von den 7 planeten< + l satz« (f. 87V)187 als Teil der Eckhartpredigt D W I Nr. 19 identifizieren ließen.188 Ebenfalls identifizieren läßt sich der letzte von SPAMER nur als »ausführlicher schlussteil« (SPAMER, S. 325) charakterisierte Abschnitt f. 9 -94 :189 « Vnd von der erchantnus der heiligen driualtichait spricht sand Augenstin .Herr ich han dich erchannt einn scheppher himels vnd der erden bis zum Schluß des Textes f. 94r. Es handelt sich dabei um den im einzelnen gekürzten und bearbeiteten zweiten Teil des 32. Kapitels aus dem >Buch der Liebkosung Buch der LiebkosungSoliloquia animae ad deum< durch ein großes rotes Caputzeichen von dem vorausgehenden Text getrennt und durch die rot unterstrichene Nennung des hl. Augustinus als Werk eines anderen Autors gekennzeichnet. Die Zuweisung an Meister Eckhart bezieht sich lediglich auf den Text f. 87 -9 . Betrachtet man diesen aus einzelnen Teilen des >inslac< (= PF. Tr. II) bestehenden Text, so fällt auf, daß es sich um eine Reihe einzelner Quaestionen zur Trinität handelt: In der ersten Frage (PF., S. 387,15ff.) wird der Aspekt der drei persan in einer gothait erörtert: Dar vmb sind drey persan gothait nach der ainichait irer natur [...] Nicht das dy gothait ein andre sey dann das sy selber sind sunder sy sind gothait nach der ainichait irs natürleichen wesens. (= f. 87r) ff vber das ist dy ander frag ob sy das vermügen nach den persan haben oder nach dem wesen. (= f. 87V = PF., S. 388,9ff.) fT Nw ist dy dritt frag seit got an allen steten ist ob er mit seiner natur da sey. (= f. 88r = PF., S. 389,24ff.) ff Nw ist dy vierd frag wie das sey das dy persan des suns ist gesantt warn menschleich natur an sich ze nemen aws marie der iunchfrawn vnd ist dannoch aws der infliezzung des voters schazz dy der trän gots ist nye geschaiden warn. (= f. 90V = PF., S. 391,15ff.) 187

SPAMER, PBB 34, S. 324, Z.2f. v.u. f. 87V: Das wart das got ewichleich spricht [...] dem sy ir wesen nemen = DW I Nr. 19, S. 312,5-7 + 8f. + 313,2 + 2-5; QUINT, Fundbericht, S. 41. 189 Dem entspricht in cod. 1865 (Mel) f. 212ra-213ra. 190 cod. 1569, f. 9 Herr ich han dich erchannt bis f. 94r wer ist dir gleich = KLAPPER Bd. I, S. 152,6-160,24. 191 Näheres dazu: Vgl. die Beschreibung dieser Hs., f. 118V-123V. 192 f. 87r: wart ze hörn von der heiligen driualtichait gots die der obgenannt maister von pans sagt. - f. 9P: von der erchantnus der heiligen driualtichait spricht sand Augenstin. Zum >Buch der Liebkosungfn5/acin.s/acmslac< (ab PF., S. 392,3) gelten, der dem Thema der Vereinigung mit Gott gewidmet ist. Ähnlich eingeschränkt sind »stilistische und terminologische Überschneidungen« mit »der von PFEIFFER (ZfdA 8, S. 243-251) unter dem Namen [Johannes] Frankes [von Köln] herausgegebenen (diesem aber nicht mit Sicherheit zuzuschreibenden) Predigt über >Ego sum via, veritas et vitamslac< hätte demnach von der Annahme eines Komposit-Traktats auszugehen, der eckhartsche (?), von Peuger mindestens Eckhart zugeschriebene, Quaestionen mit nicht-eckhartschen Teilen verknüpft. 94r-118v >Von der sele werdikeit und eigenschaft< S. 394,5-416,3)

(= PF., Tr. III,

Von der sei wirdichait vnd aigenschafft Da got dy sei peschueffda graiffer in sich selber [... 118V...] ewichleich gesegenter almachtiger got Amen. Textausgabe und Untersuchungen: Teil II, S. 327ff. 118V-123V Johann von Neumarkt, >Buch der LiebkosungVon der sei wirdichait vnd aigenschafftSi sint gleich den engein vnd sind gotes kinder.< Vnd was Wunders mag das gesein? Wenn sind si gots kinder, so sind si auch gleich den engelen. Vnd werleichen sind si gots kinder, wenn gots sun des menschen

so wem wir nach de inn warten gleich den engein vnd wem chinder gots.

160

Kapitel 5: Die Melker Eckhart-Handschriften

vnd wann ich das pedenkch so han ich trast ze reden das der mensch

höher ist dann der engel. wann der mensch ist got vnd got ist mensch vnd nicht der engel.

kint worden ist. Vnd wenn ich das betracht, so hab ich trost czu sprechen: Der mensch ist niht geminnert wenig minner von den engein, er ist auch nicht geleich den engein sunder hoher wenn di engel, wenn der mensch ist got vnd got ist mensch, niht der engel.

Auch an dieser Gegenüberstellung läßt sich wieder Peugers Kürzungsverfahren erkennen, das der Vorlage nur einige Sätze entnimmt, diese etwas überarbeitet und in ihrer Reihenfolge beläßt.194 Die Lesarten dieser Hs. stellen sich zu KLAPPERS Hss. Mk und Mk1. Das verwundert nicht, denn dabei handelt es sich um die Melker Hss. 981 und 220, in denen Peuger das >Buch der Liebkosung< S. 1-106, bzw. f. 25 "-277 abschrieb. Die mehrmalige Abschrift des >Buchs der Liebkosung< durch einen Melker Laienbruder läßt Rückschlüsse auf die Überlieferungssituation der Übersetzungen Johanns von Neumarkt zu: P. OCHSENBEIN konnte 1979 »in Auseinandersetzung mit der BurdachSchule« zeigen, »wie sehr der Frühhumanist Johann vom Inhaltlichen her der Tradition verpflichtet ist« und im Blick auf die Überlieferung seiner Gebete deutlich machen, »daß die Gebetstexte Johanns im Verlaufe des 15. Jahrhunderts vom einzelnen Schreiber [...] in keiner Weise als etwas Neuartiges empfunden [...] wurden.«195 Vergleichend verweist OCHSENBEIN auf die Arbeit D. RICHTERS, der ebenfalls zu dem Ergebnis gelangt war, »daß das was dem Betrachter Johanns von Neumarkt im Rückblick als >religiöse Frührenaissance< und >Lösung der ostmitteldeutschen Bildung vom Geiste des Mittelalters< erscheint, im Bewußtsein (mindestens eines Teils) des Lesepublikums der Zeit noch der mittelalterlichen geistlichen Tradition integriert war« (S. 71). RICHTER stützt diesen Befund auf die Analyse der Hs. Nürnberg, Germanisches Nationalmuseum 155317 v.J. 1460, die wohl aus dem Dominikanerkloster Schwäbisch-Gmünd stammt: »die Handschrift ist im Kloster entstanden; die Übersetzungen Johanns von Neumarkt wurden hier zusammen mit 194 195

Vgl. S. 112: cod. 1389 zu S. 269-280. OCHSENBEIN, Eine bisher unbekannte böhmische Handschrift, S. 85; vgl. ders., Johann von Neumarkt, und: B. K. VOLLMANN, Prager Frühhumanismus, in: J. HEINZLE/L. P. JOHNSON/G. VOLLMANN-PROFE (Hgg.), Wolfram-Studien XIII: Literatur im Umkreis des Prager Hofs der Luxemburger. Schweinfurter Kolloquium 1992, Berlin 1994, S. 58-66.

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den Zeugnissen einer weitverbreiteten katechetisch-aszetischen Literatur gelesen, die (soweit man heute schon weiß) ihre Wurzeln vornehmlich in der dogmatischen und moraltheologischen Spekulation der Scholastik und Mystik, ihre Bedingungen in der pastoralen Praxis der Mendikantenorden hat. Andere Handschriften lassen Ähnliches erkennen.« (ebd.). Als Beleg für diese These werden aus der >SoliloquienSoliloquien< gesamthaft in den Blick, erscheint sie unter einem neuen Aspekt: HÖVER, der »die gesamte bekannte Überlieferung« verzeichnet, nennt 24 Textzeugen des >Buchs der Liebkosung^ Mindestens fünf dieser Hss. stammen aus Klöstern, die im Ausstrahlungsbereich der Melker Reform lagen.197 Weitere sieben der von HÖVER aufgezählten Textzeugen (z.T. Auszüge) liegen heute in Melk, dem Zentrum der Reform: cod. 220; cod. 670; cod. 981; cod. 1401; cod. 1569 (= diese Hs.); cod. 1730; cod. 1762. Bis auf cod. 981 sind sie in Melk geschrieben. Hier seien nur die kurzen Inhaltsangaben der auf die Vorderdeckel geklebten Pergamentzettelchen angeführt. Diese Zettelchen wurden im 15. Jh. in wohl allen Klöstern der >Melker Reform< verwendet198 und geben den besten Eindruck, wie man damals die betreffende Hs. einschätzte. Diese Inhaltsangaben lauten für cod. 220 Die vier euuangelisten vnd gar vil andre ding (= besonders Nikolaus von Dinkelsbühl); für cod. 670 Der lerer sprüch (= Auszüge aus den >SoliloquienHieronymusWiener Schule< um Heinrich von Langenstein und Nikolaus von Dinkelsbühl und die deutsche Bibel. Über die 196 197

OCHSENBEIN, S. 100, Anm. 30.

Salzburg, St. Peter, cod. b I 1: Petersfrauen, Ende des 15. Jh.s; Salzburg, Nonnberg, cod. 23 B 7 (26 A 17); ebd. cod. 23 B 8 (26 A 19); München, Bayer. Staatsbibl., cgm 70, aus Salzburg St. Peter, dann Nonnberg; Wien, Schottenkloster, cod. 145 (Hübl 209 [53.C.6]) v.J. 1462-67; - Vorau, Stiftsbibl., olim cod. 156 (verschollen) (?). Folgt man den Überlegungen BAUERS (S. 180ff.), so gehört zusätzlich die >SoliloquienSoliloquien< entstand in Klöstern der Melker Reform. Werkzeug dieser Reform ist Lienhart Peuger; aus seiner Feder stammen alle Melker Abschriften des Textes; die älteste Fassung (cod. 981) hat er 1419 dorthin mitgebracht, überarbeitet und immer wieder abgeschrieben.199 123 -13 Heinrich von Friemar der Ältere, Von vierlay insprechen götleichs englischs tewflischs vnd natürleichs (= >Melker Kurzfassung< von >De quattuor insünctibusKlosterkollazie
Büchlein der Ewigen WeisheitSoliloquien< - leider ohne Einsicht in alle Melker Hss. Peugers - bei KELLER, S. 256-267.

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ich han dich ettwann in reiher tzier vnd chlarhait gesehen da siech ich dich als einn armen vertriben pilgrem der nyder genaigter awff eim stab lainund stet vor einer vergangen alten stat der graben sint in vallen [...]

pey dem warn gesicht sol man versten dy ewigen weishait

vnsern herren i he s um

Christum der ettwann in der stat geistleichs lebens in grasser wirdichait ist gehalten warn vnd nw von der sünt wegen ist vertriben warn.

tromet mir? Ich sah dich vor in so rilicher Schönheit und in so lieplicher Zartheit; nu sich ich nit denne einen armen vertribnen eilenden bilgrin, der stat dort erbermklich geneiget uf sinen stab vor einer alten zergangnen stat. Die graben sint vervallen [... S. 217,22:] Owe, minneklicher got, waz meinet diz? [...] Entwurt der Ewigen wisheit: Du gesiht ist ein gesiht der lutren warheit. Hör ein kleglich ding und laze es din miltes herz erbarmen. Sihe, ich bin der eilend vertriben bilgri, den du sehe ich waz etwenne in der stat in grozzer wirdikeit, nu bin ich ermkliche verellendet und vertriben.

Die Gegenüberstellung zeigt, daß Seuses Text wiederum seiner Dialogstruktur entkleidet, das Gespräch des Dieners m i t Christus transponiert, die Klage über den Zustand der Christenheit damit quasi objektiviert wird.200 Interessant ist, daß in Peugers Kompilation dabei auch mit Kritik am Priesterstand nicht gespart wird. Dazu zieht Peuger eine Predigt des Nikolaus von Dinkelsbühl zum palmtag (MADRE, S. 141 Nr. 31) heran, die ihm in der deutschen Fassung des sog. Nikolaus-von-Dinkelsbühl-Redaktors vorlag, und die er in seiner Hs. 1865 (Mel), f. 118va-120vb abgeschrieben und bearbeitet hatte. Die Kritik beginnt mit einem Chrysostomus-Zitat (Dar vmb spricht Chrisostomus es ist nicht ein yeder priester heilig sunder ein yeder heiliger mensch ist ein priester nach der wirdichait seins rainn lebens) und endet: 200

Vgl. die Beschreibung dieser Hs. zu f. 27V-37V und 143 -15 .

164

Kapitel 5: Die Melker Eckhart-Handschriften

Ein pöser priester macht im von seim ambt mer schanten dann wirdichait. wan so er recht lernt vnd würcht pösleich so wirf er sein selbs richter vnd lernt got wie er von im süll verdambt wem. Es sind nw vil priester mit dem namen aber wenig priester mit dem leben. Dar vmb ern das an solhen das vnser ist vnd lassen in das ir schannt ist.201

Hieran schließt Peuger ein Zitat an, das sich in den anderen Hss. der Nikolaus-von-Dinkelsbühl-Redaktion nicht findet und das er ausdrücklich als Wort Meister Eckharts kennzeichnet: Awffdas spricht Maister ekchart von par is der war ein rechter priester der als vil schannt vnd achtung vmb sein grechter ler von der weit hiet als er ern von seim ambt hat vnd wolt dannoch priester sein durch gots willen. Aber es ist nw dar zw chömen das ir tawsent mal mer priester wem von der selben er wegen vnd gemachs vor gen irs lebens dann das sy demselben ambtt wellen genueg sein, vnd man mag des ein ebenpild am pabst nemen der den grözzten gwalt hat awff erden wann er hat mir vmb ein Maine puezz all mein sünt zw vergeben aber es stet mit got vnd mit mir [142va] ob ich rechte rew hob vnd mag dannoch wol geschehen das er verdamt werd. vnd das ist nyembts schuld dan sein selbs das er sich nicht halt das seim stannt zw gehört, (f. 142r"v).

QUINT hat auf die Stelle hingewiesen, sie z.T.202 abgedruckt, sie jedoch weder abgegrenzt noch identifiziert.203 Das Ende des Eckhart-Zitats und der Beginn einer neuen Einheit wird in Peugers Kompilation jedoch deutlich markiert: Durch ein Bibelwort (Os 13,9) und ein darauf folgendes Bonaventura zugeschriebenes Zitat, das sich als Teil des zehnten Kapitels von Buch III des >Stachels der Liebe< identifizieren läßt.204 Auch hat QuiNT übersehen, daß SPAMER das Eckhart-Zitat z.T. abgedruckt, identifiziert und ausführlich kommentiert hatte: »Es stammt aus der bei Jundt als no. II gedruckten klostercollazie (S. 238,6-8). Interessant ist die antipäpstliche gesinnung des Verfasser, wie sie sich [im zweiten Teil des Zitats: vnd man mag des ein ebenpild am pabst nemen usw.] kundgibt. [...] Es steht dieser ausfall zwar in directem anschluss an Eckeharts angriffe auf die falschen priester und sein lob des gerechten, [dennoch] ist es unzweifelhaft, dass dieser angriff gegen den papst nicht von Eckehart selbst, sondern von dem anonymus aus Melk herrührt, [dessen] Selbständigkeit [...] ihn [...] leicht dazu verführen konnte, etwas eigenmächtig mit dem fremden gut umzugehen.«205 201

Hier f. 142v-143r = cod. 1865, f. 120^va. Bis all mein sünt zw vergeben. 203 202

204

205

QUINT, Fundbericht, S. 41.

Dar vmb spricht Bonauentur zw allen den dy sich irr wirdichait vbernemen O hachuertiger lucifer nachuolger antwurt mir vnd ob dw dich got nicht gleich pegerst zw machen so machstu dich im aber vngleich. = KLAPPER Bd. III, S. 301,18-302,14.

SPAMER, PBB 34, S. 355f.

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Das trifft nicht zu. SPAMER hat übersehen, daß auch der >antipäpstliche< Teil des Zitats Bestandteil der >Klosterkollazie< ist. (Er findet sich in dem von SPAMER selbst 1912 - drei Jahre nach seinen Ausführungen in PBB 34 veranstalteten Druck S. 86/87,28-88/89,5, während die erste Hälfte des Zitats dort S. 84/85,7 beginnt.) Peuger hat also lediglich zwei Auszüge der >Klosterkollazie< zusammengestellt.206 In dieser Ausgabe S. 84f. Anm. zu Z. 7 hat SPAMER das gesamte Eckhart(?)-Zitat aus dieser Hs. und aus cod. 705 (Me2), f. 229* abgedruckt. SPAMER wie QUINT haben aber nicht bemerkt, daß dieselben Auszüge aus der >Klosterkollazie< in zwei weiteren bekannten Eckhart-Hss. aus Melk begegnen: In cod. 235 (Me5) stehen die Sätze im Rahmen der bislang übersehenen Eckhart-Spruchsammlung.207 Sie finden sich dort umgestellt, in zwei Teile zerlegt und durch Zitate aus anderen Werken Eckharts unterbrochen (f. 334rb-va). Der zweite von SPAMER und QUINT nicht beachtete Melker Codex, der das Zitat aus der >Klosterkollazie< enthält, ist die bekannte Eckhart-Hs. Me l (cod. 1865). Dabei bietet diese Hs. zum ersten ein weit umfangreicheres Exzerpt aus der >Klosterkollazie< als die anderen drei Peuger-Codices. Zum zweiten erklärt sie das Nebeneinander der Aussagen des Nikolaus von Dinkelsbühl und Meister Eckharts: Das zentrale Thema der Schlußpassage der Palmtagspredigt des Nikolaus geht aus von der Feststellung: Man list nynndert im ewangeli das dy machtigen iuden noch dy pischolff christo seinn engegen geriten. [...] Sunder man list wol das im ein grasse menig ist nach gangen vnd enkegen chömen. vnd aws dem erchennt man allain das gemain volkch das albeg leichter zw gots lob ze naigen ist dann dy grassen hawbt (f. 119ra~b) [...] vnd das ist nicht allain zw versten von den öbristen der Juden sunder auch von den öbristen der christenhait der ze vil ist yetzund warn dy mer mit pösen werchen vnd ebenpilden ändern vrsach zw sünten geben dann von sünten ze lassen, (f. 119rb).

Den Schlußpunkt der Kritik bildet das oben erwähnte Chrysostomus-Zitat und die Feststellung: Nw sind vil priester mit dem namen aber wenig priester mit dem leben. Jr wem tawsent mal mer priester von der selben er wegen vnd gemachs wegen irs leibs dann das sy dem selben ambtt wellen genueg sein.

206

SPAMER, Texte Nr. 8, (Pseudo-) Eckeharts Klosterkollazie von Pfaffen, Meistern und Laien, S. 78-91. (= Synoptischer Abdruck der Fassungen A [= mittelfränkischer] und B [= schwäbisch-alemannischer Text]). 207 Vgl. die Beschreibung von cod. 235 in Kap. 5.2.

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Kapitel 5: Die Melker Eckhart-Handschriften

Exakt hier nun (f.!20va) schließt Peuger, getragen vom reformerischen Impetus des Nikolaus von Dinkelsbühl, weit entfernt von jeder »antipäpstlichen Gesinnung«, wie sie SPAMER annahm, an die Kritik der Mißstände in den eigenen Reihen, die Nikolaus äußert, die sehr treffend ausgewählten Passagen der >Klosterkollazie< an:208 Awffdas spricht aber Maister ekchart von par is. (84/85,7:) der war ein rechter priester der als vil schannt vnd lasier von der weit hiet vmb sein grechte ler vnd heiligs leben209 als er ern von seim ambtt hat vnd wolt dannoch durch gots willen priester sein. (86/87,7:) Jch sprich von den pischolffen wann ainer in eim pistumb ist so ist ir genueg sind ir aber tzwen so stet das pistum vbel. (86/87,17:) vnd pey dem sol man versten an was sach dy ewig salichait nicht leit wil man es dann merkchen so vintt man vil lug gegen der warhait mit der im ein mensch selber recht geit. (86/87,28:) vnd das es war sey so gee wir mit dem glauben an den pabst der awff erden den grössten gwalt hat. wann er mag mir mein sünt mit einer chlainn puezz vergeben vnd das leit dannoch an got vnd an mir ob ich rechte rew dar vber han vnd mag dannoch wol geschehen das er selber verdambt wert. (88/89,25:) Man vintt wol ettleich lerer dy sich mit warten für geben vnd sprechen. Jch han das tzaihen an mir das ich dy armen lieber han dann dy reichen vnd ist nicht war. walten sy aber das ire wart war warn so sollen [120vb] sy dy armen als lieb haben das sy als wenig vor in pehielten ob ir ainer sein leben mit aim haller solt lösen das er sein vor armuet nicht hiet. Jch sprich mer sy selten ir selbs als arm sein das sy hin für mit willen nymmer gedachten das sy wollen das sy das pehalten hieten das sy den armen geben hieten.

SPAMER hat zwei Fassungen des Textes der >Klosterkollazie< gedruckt: A (mittelfränkischer Text) und B (schwäbisch-alemannischer Text). Der Abschnitt, der in den vier Peugerhss. vorliegt, ist zu kurz, um ihn völlig zweifelsfrei einer der beiden Fassungen zuzuordnen; er scheint aber der (von SPAMER nach einer mittelfränkischen Hs. gegebenen) Fassung A näher verwandt.210 Dies ist nicht verwunderlich, sind doch Peugers Vorlagen für seine Eckharttexte allgemein im mitteldeutschen Raum, nicht im Südwesten entstanden.2" Die Überlieferung der >Klosterkollazie< ist bei STEER212 zusammengestellt. Dazu kommen die Exzerpte der genannten vier Peugerhss. und der Traktat, den die Gruppe der Hss. um den Wiener Codex 3021 (W 11) überliefert, und dessen Beginn mit dem der >Klosterkollazie< identisch ist:213 Maister Ekch208

Der Text ist ungekürzt. Die in Klammern gesetzten Seiten- und Zeilenangaben beziehen sich auf SPAMER, Texte. 209 vmb ... leben am Rand nachgetragen. 210 so gee wir mit dem glauben Mel - SPAMER, S. 86,28: so geint wirmit dem gloüuen A S. 87,28: so gant mit mir in den glauben B. 211 Vgl. Kapitel 7. 212 G. STEER, >Eine gute KlosterlehreKlosterkollazie< stets explizit Meister Eckhart zuschreibt. Dabei geht er konform mit der »Mehrzahl der Hss.«,214 die die >Klosterkollazie< als Werk Eckharts kennzeichnet. Bei den Überlieferungsträgern handelt es sich durchweg um bekannte Eckharthss. Von der Überlieferungssituation und den Zuschreibungen her gesehen ist eine, wie immer geartetete, ursprüngliche Urheberschaft Eckharts durchaus nicht unwahrscheinlich. Vom Ort der Entstehung her ist weder die Verfasserschaft Eckharts noch Taulers auszuschließen: Wann rechter priester, ir ist nit vil czwyschen pasel vnd mencz vnd köln. (SPAMER, S. 85,4f.). Auch die Zweckbestimmung des Textes innerhalb der cura monialium schließt Eckharts Autorschaft (etwa in seiner Straßburger Zeit) nicht aus. (Daß der Text aus Gesprächen mit Klosterfrauen hervorging, wird z.B. SPAMER, S. 90/91,9ff. deutlich.) Gegen eine Verfasserschaft Eckharts sprechen allerdings zwei Gründe: Zum einen scheint der Text das Große Schisma anzusprechen, wäre also nicht vor 1378 entstanden: so gant mit mir in den glauben bis an den babst. Wann das ist war, das er vermag, das auf ertrich chain haubt vermag als vil, als er allain. Wann er ist irdischer got, vnd sol kain got me sein uf ertrich denn er allain. Wann wenn zwen werdent, so stund es vbel in der cristenhait. Nun das ist war, das er mir mein Sünde mag vergen mit clainer buz; aber es müsz ser an mir ligen [...].

Zum zweiten finden sich einige Ausdrücke, die nicht eckhartisch, aber im Werk Taulers anzutreffen sind. Nur Tauler »kennt die Vorstellung von der schalkeit der naturen (VETTER 75,20f. [= SPAMER, S. 88/89,16] und gebraucht die Ausdrücke behendekeit und gates heimlikeit (VETTER 74,29 u.ö.).«215 Angesichts der Überlieferungssituation (Zuweisung an Eckhart; Eckharthss.) und des Textbefundes (spezifisch Taulersche Termini, Schisma?) wäre zu erwägen, ob ein älterer Text später überarbeitet wurde. (Die Stelle, die das Schisma anzudeuten scheint, könnte späterer Hinzufügung entstammen; jedenfalls scheint sie nicht recht in den Zusammenhang des eigentlichen Gedankens [Sündenvergebung] zu passen). Überhaupt läßt sich der Text so wohl nicht einem Verfasser zuweisen. Er berichtet von den Gesprächen, die ein Meister und sein Schüler mit Klosterfrauen führen. Natürlich ist es reizvoll, sich dabei Eckhart und Tauler vorzustellen. Ob der Text dann einem realen Gespräch folgt, oder dieses fingiert, wäre die zweite Frage. »Eine 214 215

STEER [Anm. 212], Sp. 330. Ebd.

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Kapitel 5: Die Melker Eckhart-Handschriften

letztgültige Zuweisung«, so STEER,216 »wird erst nach einer überlieferungsgeschichtlichen Untersuchung des Textes und seiner kritischen Sicherung möglich sein.« Die >gute Klosterlehre< ist ein hochinteressanter Text; eine eingehende Untersuchung wäre dringend wünschenswert. 143 5 Das der herr ihesus ein spie gel der lieb ist (= Auszüge aus Heinrich Seuse, >Büchlein der Ewigen WeisheitBüchleinsStachel der LiebeBuch von den sechs Namen des Fronleichnams< - stark gekürzt und bearbeitet. Exzerpte aus Par. an Nr. 46 und >Klosterkollatie< Es spricht pischolff Albrecht wir sollen als das gern leiden vnd mit frewden vnd dankchsagen enphahen was got hintz vns verhengt oder zw sentt awff das wir verwandelt wurden von vnserm vnedeln leben in ein pessers. vnd wie das geschehen müg das tzaigt er vns in einer gleichnuzz vnd spricht .Mächt das chrawt das man aws dem garten pricht versten das es von seim vnedeln wesen mächt in ein pessers chert vnd verwandelt wem wie fröleich es alle arbeit lit dy zw der wandlung gehörten [...165r...] - vnd wirf sehen all heiligen in vnawsprechleichen frewden. vnd wie wol das gras vnd wunnsam ist so ist noch vil wunnsamer wirdiger vnd grözzer das ansehen gots von dem aller lan vndfrewd awsflewst. Das verleich vns got der vater vnd der sun vnd der heilig geist Amen. Lit. und Überl: G. STEER, Mönch von Heilsbronn, in: 2VL Bd. 6, (1987), Sp. 649-654, hier Sp. 652 (mit Nachträgen zur Überlieferung, aber ohne diese Hs. und cod. 1389); MERZDORF. Die Melker Hss. des >Buchs von den sechs Namen< werden in einer über Merzdorf hinausgehenden Zusammenstellung der Überlieferung erwähnt von ILLING, S. 41f. Anm. 20. ILLING nennt: »cod.=235 (olim 639), 2ra-19rt); 841 (olim 644/L72), -12 ; 981 (olim 861), S. 106-198; 1401 (olim 648), 29V36V (6. Name); 1841, 88v-115r (6. Name).« Dabei ist ihm ein Versehen unterlaufen: Bei der Hs. >841< (olim 644/L72) handelt es sich tatsächlich um den Codex 1841 (644/L72), den ILLING ein zweites Mal erwähnt. Das >Buch von den sechs Namen < findet sich in diesem Codex auch nicht f. -12 und 88v-115r, sondern (wie SCHÜLKE, S. 46 angibt) f. -164 . Nur dieser Codex stammt nicht von Peuger; alle anderen genannten Melker Hss. sind von seiner Hand. Der Text hier bietet (wie der ebenfalls bisher übersehene Text aus cod. 1389, S. 209-226) eine stark gekürzte Fassung (entspricht MERZDORF, S. 35,6v.u. - 58,25). Dazu kommen (nur hier) kurze Exzerpte aus einer >ParadisusVon sechs Nutzen des Leidens ChristiParadisus anime intelligentis< Nr. l (Schluß) + Auszug aus Konrad Ülin von Rottenburg, Predigt über Mt 11,25 Von sechs nützen vnsers Herren leiden Der erst nutz ist den vns der herr ihesus mit seim vnschuldigen leiden verdient hat das dy tawff dy chrafft hat das sy allen den dy erib sünt ab nymt dy dar inn tawfft wem. vnd in wirt auch dar zw geben dy inkozzen lieb [...172r...] - dem wirf dy in gössen lieb als vil geben vnd gemert als dem der das werch des almuesen tan hat.

220

221

ILLING, S.46f.

B. Alberti Magni, Ratisbonensis Episcopi Ordinis Praedicatorum, Opera Omnia. Vol. 38, ed. AUG. et AEM. BORGNET, Parisiis 1899, S. 272a.

Melk, cod. 1569 (615/127) = Me3

171

Peuger integrierte in diese stichpunktartige Aufreihung der sechs nützen vnsers Herren leiden einen Text Eckharts, der SPAMER (PBB 34, S. 324f.+355f.) und QUINT (Fundbericht, S. 41) unbemerkt blieb. Peuger führt den hier anonym gebotenen Text Eckharts mit deutlichem Rückbezug auf den ersten Nutzen (Sakrament der Taufe) an. Treffsicher ausgewählt ist die kurze Äußerung deshalb, weil hier die aus den deutschen Werken einzig nennenswerte Stellungnahme Eckharts zum Taufsakrament vorliegt. Der Text Eckharts (f. 17 durch ein Caput-Zeichen eingeleitet, f. 172r durch ein weiteres Caput-Zeichen beendet) wird vollständig wiedergegeben: $ Auch ist das ein grasse sälichait das der herr i he s us ehr is t us mit seiner aigen natur das wazzer im Jordan perüert hat da er tawfft wart da mit er allen wassern hat chrafft geben wer dar inn tawfft wirt nach rechter arnung der win erledigt von den anparn sünten. Aber das aller grösst ist so sich got offenbart vnd in der sei parn wirt in geistleicher ainung. wann da von wirt dy sei säliger dann der leichnam ehr is t i. wann ein sauge sei ist edler dan sein tödleicher leichnam. vnd dar vmb ist dy inwendig purd gots an der sei ein volpringung aller irer sälichait. vnd dy sälichait frumt ir mer [f. 172r] dann das christus mensch wart vnd das wasser in der tawff anruert. wann dy ding möchten der sei nichts frumen an dy ainung gots. (= Par. an. Nr. l, S. 9,3-15).

Vollständig hat Peuger diese Predigt Par. an. Nr. l in cod. 705 (= Me2) abgeschrieben und dort explizit als Eckhartpredigt geführt (der betreffende Teil dort f. 314vb). Die Stelle begegnet auch im Traktat >Von der sei wirdichait vnd aigenschafftVon sechs Nutzem findet sich auch in cod. 856 (= Me8), f. 179r-180r. Auch dort ist Eckharts >Paradisussechs Nutzen< angehängt ist,223 diesen voran (Vgl. cod. 856,f. 179r).

222

Vgl. Teil II, S. 353. Ein Abdruck aller Melker Textzeugen dieser Stelle findet sich jetzt in DW IV, S. 2-4. Die Untersuchungen zur Filiation aller Hss. von Par. an. Nr. l und die Kollation der Textstelle (ebd., S. 10-13) lassen die Sonderstellung der Peugerschen Textbearbeitung klar erkennen. 223 f. 172r: fl" Auch sprechen dy lerer wann ein priester mezz hat vnd das Sacrament enphacht vnd ein anderer ist pey der mezz vnd sind gleich andächtig so win aim als vil dy inkozzen lieb gemert als dem ändern. Der Zusammenhang mit den >sechs Nutzem ist zu beachten: der erste Nutz ist dy inkozzen lieb. (f. 17 ). Die Vorlage für diese Ülin-Exzerpte bildet Melk, cod. 1865 (= Mel) f. 75ra, wo die Predigt Konrad Ülins vollständig geboten ist. Dort ist die betreffende Stelle durch ein -Zeichen hervorgehoben: Aber jetzund wann ein priester mezz list vnd das Sacrament enphacht vnd ein anderer ist pey der mezz vnd sind gleich andachtig so wirt aim dy gnad der inkozzen lieb als vil gemert als dem ändern.

172

Kapitel 5: Die Melker Eckhart-Handschriften

172r-173r Nikolaus von Dinkelsbühl, >5 Nutzen der Eucharistie< (Auszug aus der ersten Predigt am antlastag.) Von fümff nützen Hie sol man hörn von fümfflay nütczen dy von gots leichnam chömen wer in wirdichleichen enphacht als dy lerer schreiben Der erst nutcz ist das dy in gössen lieb da von gemert win Das ander das man da mit das ewig leben verdient, vnd ob er es vor verdient hat so wirt im der lan zw himel da von gemert. [...173r...] - vnd also sol man es auch von den ändern Sacramenten versten das dy wart dy chrafft nicht haben ir arnung ze würchen sunder attain dy chrafft gots etc. Suech vor am 141 plat. Lit.: MADRE, S. 245-249.

In der Melker Peugerhs. 1865 (= Mel) beginnt f. 127ra eine Reihe von 5 Eucharistiepredigten, als deren Verfasser Nikolaus von Dinkelsbühl - nicht nur wegen der generellen Zuschreibung an ihn (f. Or) - mit Sicherheit zu identifizieren ist, denn in der ersten Predigt nennt er seinen Namen selbst: Des nembt ein gleichnus den rokch den ich an hon der ist nicht Nikolaus noch ich Nikolaus pin nicht der rokch sunder ich pin nwr pedekcht mit dem rokch (f. 127va). Den Schluß dieser ersten Eucharistiepredigt (f. 129va"b) bilden Ausführungen, daß dem menschen, der mit andacht hin zw geht vnd nymbt gotz leichnam dem selben wem da von vil nütz geben vnd sunder fümff. Da von der maister sentenciarum im vierden puech schreibt distincio 12. vnd Bonauentura vnd sanctus thomas in scripto et similiter in 3a p arte summe 9. 7. vnd dy ändern lerer gemainchleich. Der erst nutz ist das dy gnad der in kozzen lieb da von gemert wirt. Der ander nutz ist das der mensch da mit das ewig leben verdient, vnd ob er es vor verdient hat so wirt im dannoch der lan zw himel da von gemert. usw. ... Diese Schlußpassage der Predigt aus cod. 1865 (=Mel) ist hier wörtlich übernommen. Peuger hat die Predigt-Hs. also nicht nur für Exzerpte aus Eckhartpredigten benutzt. 173V

leer

5.6. Melk, cod. 1865 (586/L5 = Mel) und cod. 705 (371/G33 = Me2) Es handelt sich um den ersten und zweiten Band eines einheitlich angelegten Predigtwerkes. Die beiden Codices werden deshalb als Einheit behandelt und gemeinsam besprochen. Der erste Band wurde schon frühzeitig, doch nur sehr knapp von O. SIMON beschrieben.224 A. SPAMER beschrieb im Jahre 224

SIMON, S. 13-15. F.-J. SCHWEITZER hat in der Neu-Edition des Traktats >Schwester Katrei
Von der sei wirdichait vnd aigenschaffi< bestätigen, daß dort nicht nur diese beiden Hss. als Vorlagen gedient haben können.229 Sicher ist die zeitliche Nähe der Entstehung von cod. 856 und den beiden Hss. Die beiden Eingangsinitialen stammen nicht von Peuger selbst, sind für Peugers frühere Hss. untypisch, finden jedoch Entsprechungen in der Melker Hs. 319, die im Jahr 1466 in Melk gebunden wurde.230 Cod. 1865 und 705 dürften unmittelbar nacheinander in den 50er Jahren entstanden sein, mit Sicherheit jedoch nach 1439 (= Entstehung des Peuger-cod. 220 mit einer Fassung des >Buchs der himlischen Gottheit Friedrichs des Karmeliters, die Peuger in cod. 1865 benutzte).231 Zählung: cod. 1865: Mittelalterliche Blattzählung (Peugers Hd.) von 1-228 in der Mitte der Seite, wobei das erste Blatt (Register) und die beiden letzten leeren Blätter nicht mitgezählt sind. Das erste Blatt später als I, die letzten Blätter mit Bleistift als 229 und 230 gezählt. Mittelalterliche Lagenzählung (schwarze Tinte, arabische Ziffern) teilweise erhalten; die einzelnen Blätter jeder Lage sind numeriert. cod. 705: Mittelalterliche Blattzählung (Peugers Hd.) von 228^73. Das erste Blatt (Register) wurde nicht mitgezählt, jedoch später mit Tinte als 227 beschriftet. Die Zählung ist nicht fehlerfrei (Sprung von 345 auf 350 und von 416 auf 418). Mittelalterliche Lagenzählung (schwarze Tinte, arabische Ziffern) sowie die Zählung der einzelnen Lagenblätter zum Teil erhalten.

Wz.: cod. 1865: 1. Waage (abgenommen 3V; nicht in cod. 705); 2. Waage im Kreis (abgenommen 37V; gleiches Wz. zu Beginn von cod. 705 [bis f. 280]); 3. Ambos (abgenommen f. 121; gleiches Wz. in cod. 705 [f. 403]); 4. Dreiberg im Kreis (abgenommen f. 126; nicht in cod. 705); 5. Dreiberg im Kreis (abgenommen f. 140; nicht in cod. 705); 6. Waage im Kreis (abgenommen f. 145; nicht in cod. 705); 7. Waage in ornamentaler Umrahmung (abgenommen f. 228). cod. 705: 1. Waage im Kreis (abgenommen f. 244; bis 280; gleiches Wz. zu Beginn von cod. 1865 [2.]); 2. Ambos (abgenommen f. 403; gleiches Wz. wie in cod. 1865 [3.]); 3. Waage ohne Kreis (abgenommen f. 396; nicht in cod. 1865); 4. f. 399, 401-404 u. 409 wieder Ambos; 5. Dreiberg mit Herz (ab f. 411; abgenommen 228

Vgl. S. 131. Vgl. z.B. Teil II S. 341 und hier S. 131. 230 Diesen Hinweis verdanke ich dem Melker Stiftsbibliothekar P. Gottfried Glaßner. 231 Vgl. unten S. 204, Nr. 16. In den Codices finden sich auch Exzerpte aus Johannes Niders >24 goldenen HarfenVon der sei wirdichait vnd aigenschaffi< aufgenommen wurden,350 handeln sie doch zentral von den gab der sei christi (cod. 1865, f. 195 ), bzw. davon, das dy sei von natur zwm himel peschaffen ist (ebd., f. 196rb). f. 198rt>-vb: Am suntag nach dem awffertag = MADRE, S. 145 Nr. 49 f. 198vb-199rb: Sand pawls spricht wandert im geist [Gal 5,16] vber das spricht ein awsleger ?351 - f. 199va-204rb predig amphingstag = vgl. MADRE, S. 146 Nr. 50-52 u. Anm. 24.

34siebzehn< [es sind sieben!] Wassern, die aus Gott fließen, benutzt« werde. Die Predigt könne somit »nicht von M. Eckhart stammen« und sei ihm »aus chronologischen Gründen abzusprechen«.353 G. KORNRUMPF hat STAMMLERS Angaben präzisiert. Demnach handelt es sich nicht nur um ein Zitat; vielmehr ist der gesamte Text ab PF. S. 367,38 bis 370,7 (= Schluß der >PredigtBuch von der himmlischen (heimlichen) Gottheit< Friedrichs des Karmeliters. KORNRUMPF hat auch eine Melker Abschrift des gesamten >BuchesBuchesBuch< f. 27r-78r) und cod. 677, dessen erstes Faszikel ebenfalls von Peuger geschrieben wurde (das >BuchBuchs< in Melk untersucht hat (S. 269-274), hat diese Hs. übersehen.

Melk, cod. 1865 (586/L5 = Me]) und cod. 705 (37I/G33 = Me2)

Abb. 2: Cod. 1865, f.

(Predigten des Nikolaus von Dinkelsbühl)

205

206

Cod. 677, f. 162r Der heilig geist sein heilichait Seit vns in siben gaben die warhait. HJe sprechen wir fürbas von den wazzern Wir schallen das wizzen das siben wazzer fliezzent aus got das sind dye siben gab des heiligen geistes do mit werden wir gates sun Die erst ist die gab der voricht. [...] von dem ersten geist der voricht das wazzer hat ein lant dar in es flezzet das haist diemuetichait [...] ye so die gnad pas genaigt ist ye das wazzer tieffer ist [...] dicz wazzer hat sechs streng

die erst ist voricht dy ist natürlichen Als ein ieglicher mensch der da furcht dy ding dy do schaden der natur [...] der ander stranck haizzet ein menschleich voricht vnd wirt vnderweilen torieich funden

Kapitel 5: Die Melker Eckhart-Handschriften

Cod. 849

Von des heiligen gaists siben gaben etc

Wir schulten wizzen das siben wazzer aws got fliezzen vnd haissent die siben gab des heiligen gaist mit den wir gots sün werden Die erst gab des heiligen gaists ist die gab der voricht. [...] des ersten der geist der vorcht hat ein wazzer dar auff sy flewst haist die diemutichait [...] wan so die gnad ye pas genaigt ist ye tieffer das wazzer ist [...] das wazzer hat sechs streng oder tail die erst ist die naturleich vorcht als ein mensch der da furcht die ding dy der natur schaden [...] der ander sträng ist menschleich vorcht vnd wirt ettwan törleich funden

Melk, cod. 1865 (586/L5 = Mel) und cod. 705 (371/G33 = Me2)

Cod. 220, f. 323vb-324A

Cod. 1865, f.206ra (=PR, S. 367,38ff.) $ Hie ist fürpas ze wissen

Von den siben gaben des heiligen geists

das maister Fridreich des ardens der weissen prüeder schreibt von

Es sind sibenlay wazzer dy aws got fliezzen vnd haissen die siben gab des heiligen geists mit den wir gots sün wem Dy erst gab ist der vorcht. [...] Dy erst gab dy vorcht flewst auff ein wasser haist diemuetichait [...] wann so die gab der diemuetichait ye pas genaigt ist ye tewffer das wazzer der gnaden

wirt. [...] Das wazzer hat sechs tail Der erst ist dy natürleich vorcht Als da man dy ding furcht dy der natur schat [...] Der ander tail ist menschleich vorcht dy ettwann törleich funden wirt.

sibenlay wazzer dy aws got fliezzen vnd haissen dy siben gab des heiligen geists mit den wir gots sün wem Dy erst gab ist dy vorcht. [...]

vnd flewst auff dem wazzer der diemuetichait [...] wann so die gab der diemuetichait ye pas genaigt ist ye tewffer das wazzer der gnaden wirt. [...] Das wazzer hat sechs tail das erst ist natürleiche vorcht als da man dy ding furcht dy der natur schaden [...] Der ander tail ist menschleich vorcht dy ettwann törleich funden wirt.

207

208

Kapitel 5: Die Melker

Eckhan-Handschriften

Peuger hat den Text Friedrichs dreimal bearbeitet. Für das in cod. 1865 wiedergegebene Kapitel griff er nicht auf die frühe Fassung des cod. 849, sondern auf cod. 220 v.J. 1439 zurück. Der Text der PFEiFFER->Predigt< 110, S. 367,38-370,7 (Schluß) stammt nicht von Meister Eckhart. Das gilt aber auch, was bisher unbemerkt blieb, für den Abschnitt der >Predigt24 goldenen Harfen< Johannes Niders, die Peuger im cod. 856 vom Jahr 1455 (f. -841) vollständig abgeschrieben hat. Als Beispiel sind die Anfänge der Texte PFEIFFERS [nach cod. 1865] und Niders [nach cod. 856] gegenübergestellt: PF. Pr. 110,8.365,35-366,5 (=Cod. 1865, f. 205ra-b).

Von den gaben des heiligen geistes sprichet Nestor, der heilige vater, daz sie ouch etwenne den tötsündern geben werden. In enwerdent ouch etliche gäbe niht geben, sie haben danne vor riuwe über ir sünde. Dar umbe ist diu gäbe des heiligen geistes zweierleie. Diu erste heizet ein gäbe umbesus unde der sint niune, daz ist wtsheit, kunst, grözer geloube, reden mit manigerleie zunge, verstendekeit der geschrift, künfügiu dinc ze sagen unde so man daz tnsprechen des heiligen geistes merken kan. Die gäbe werdent boesen unde guoten geben, wan der herre Jesus hatte zwei/ junger, under den was Judas boese und

Cod. 856, f. 40r

Dy xv gülden harpphen perüert dy gab des heiligen geists. Von den gaben des h. geists NEstro der heilig vater spricht das dy gab des heiligen geists auch ettwann den todsüntern geben werd. Jn wem auch ettleich gab nymer geben sy haben dann rew vber ir sünt. wann dy gab des heiligen geists ist tzwayerlay. Dy erst haist ein gab vmb sünst vnd der sind newn. das ist weishait chunst grasser glaub, reden mit manigerlay tzung. verstantnus der geschriffi. chümftige ding zesagen. vnd so man das insprechen des heiligen geists merkchen chan. Dy gab wem pösen vnd gueten geben, wann der herr ihesus het tzwelff Junger vnter den was Judas pös vnd

Melk, cod. 1865 (586/L5 = Mel) und cod. 705 (371/G33 = Me2)

verdamnet, wie wol er hete zeichen getan als die frumen junger.

209

ward verdambt wie wol er tzaihen tan het als dy frumen iungern.

Wieder besteht eine >Predigt< PFEIFFERS aus drei verschiedenen Teilen:356 PF., S. 364,1-365,34: ? PF., S. 365,35-367,37: Nider, 15. Harfe PF., S. 367,38-370,7: Friedrich der Karmeliter, Von den 7 Gaben des hl. Geistes. Wieder hat erst PFEIFFER die drei Texte für einen Text gehalten; Peuger hat sie nicht miteinander vermengt, sondern deutlich voneinander abgegrenzt. Weil es sich diesmal um Texte verschiedener Autoren handelt, hat er die Namen Nestor und Fridereich rot unterstrichen und zur Trennung große rote Caput-Zeichen verwendet. Wieder geschah die Zusammenstellung der Texte im Blick auf das gemeinsame Thema. Auf die Pfingstpredigt des Nikolaus von Dinkelsbühl über den Heiligen Geist, der mit seinn gaben dy Junger erfüllt (f. 199vb) folgt eine Eckhart zugewiesene Predigt vom heiligen geist (f. 204*); an diese angeschlossen (f. 205ra) Niders >Harfe< Von den gaben des h. geists und darauf das Kapitel Friedrichs des Karmeliters mit demselben Titel. Die Zuweisung an Meister Eckhart bezieht sich nur auf den ersten Teil von PFEIFFERS >PredigtBuch der göttlichen TröstungVon der sei wirdichait vnd aigenschafftDer tnslac< (= PF., Traktat II >Von der edelkeit der seleBuch der Liebkosungmslac< mit dem folgenden Soliloquien-Kapitel (aber ohne Text 18) bietet der Peuger-Codex 1569, f. 87r-94r. Nähere Angaben dort (S. 156ff.). Ein sehr kurzes Exzerpt aus dem >inslac< auch im Traktat > Von der sei wirdichait vnd aigenschaffi< (Teil II, S. 367). 17b.

f. 213ra-b Frage zu

1,11

Auf den >SoliloquienVon der sei wirdichait vnd aigenschafft< (Teil II, S. 335). f. 213rb-216rb: Am ändern suntag nach phingsten - MADRE, S. 147 Nr. 54 f. 216rb-218vb: Am dritten suntag nach phingsten = MADRE, S. 147 Nr. 55 f. 218vb-221rb: Am vierden suntag nach phingsten = MADRE, S. 147 Nr. 57. 18.

f. 219va~b Über die Sündelosigkeit Christi

Ebenfalls nicht identifizieren konnte ich den von SIMON übersehenen Abschnitt, den Peuger f. 219va~b in die letztgenannte Predigt des Nikolaus von Dinkelsbühl einfügte, von dieser durch ein großes rotes Caput-Zeichen zu Beginn und ein kleines am Ende abtrennte und am Rand ausdrücklich Meister Eckhart zuwies: ?T wann Maister ekchart vonparis spricht362 wie wol vnser herr ihesus christus chain sünt nye tan het so erchannt doch sein heilige sei volchömenleichen das sein raine menschait als das von gnaden gots het das sy hei vnd was. weihe creatur möcht es verdient haben das sy mit got ein persan war. wann als paid sein menschait in der Junchfrawn peschaffen wart da was sy mit der gothait veraint was 362

Maister bis spricht am Rand nachgetragen.

212

Kapitel 5: Die Melker Eckhan-Handschriften

mächt sy da verdient haben dy vor der ainung ain stund nye gwesen was. [...219vb...] - vnd vmb das geh dy menschait christi all ir er der gothait von der sis hat.

Derselbe Text wörtlich schon oben (Text 17a), f. 211vb-212ra, dort zwischen den Teilen des >inslac< und den >SoliloquienSendbrief< (Wll, f. 195v-160r),363 ein fünftes Mal in der >Von abegescheidenheitKlosterkollazie von Pfaffen, Meistern und Laien< = SPAMER, Texte, S. 85,7-10 und 83,14-16 In die Predigt des Nikolaus von Dinkelsbühl >eingebautguten Klosterlehre< auch in den codd. 1865, f. 120rb~vb (s.o. Nr. 5), 235, f. 334rb-va und 1569, f. 13 -143 . Nähere Angaben und Abdruck des Exzerptes dieser Hs. bei der Beschreibung von cod. 1569 (S. 163). f. 229vb-231ra: Am newnten suntag nach phingsten - MADRE, S. 148 Nr. 62

363 364

Vgl. Kap. 9. Vgl. DW V, S. 464 Mitte. Inhaltlich sind die Aussagen durchaus eckhartisch. Vgl. DW IV, S. 213 Anm. 13.

Melk, cod. 1865 (586/L5 = Mel) und cod. 705 (371/G33 = Me2)

20.

213

f. 23 lra-va PF. Pr. 26 = JOSTES Nr. 36

Dy predig ist Maister Ekcharts von pans Sandpauls spricht Jch han euch einn man vertrewt. Dy predig get am maisten awff den ynnern menschen [...231va...] - Das ist sy mues in ewichait geschehen nw von newn dingen. Sehr umfangreiche Exzerpte aus dieser sicher echten Eckhartpredigt365 finden sich auch im Traktat >Von der sei wirdichait vnd aigenschaffiDie Pharisei frageten vnsern Herren, weles das grösste gebot wäre in der eVon der sei wirdichait vnd aigenschafft< finden, wurde der gesamte Abschnitt va ra f. 231 -232 in Teil II, S. 391 ff. abgedruckt. Auch im Traktat folgen die Exzerpte aus PF. Pr. 26 und aus dieser Predigt unmittelbar aufeinander. Überlieferungsgemeinschaft der beiden Texte ist auch in anderen Hss. feststellbar (SKUTELLA). Das Stück366 ist in der Interpretation von Ct 3,2 (Teil II, S. 393.) wörtlich identisch mit JOSTES Nr. 37, S. 33,12ff. und PF. Tr. XI,2, S. 503,17ff. Im Text von B8, gedruckt bei PRIEBSCH, Bd. I, S. 309-311, fehlt der Schluß. Der Text der Eckhart-Hss. ist nicht identisch mit RlEDER Nr. 76. 22. f. 232ra-b PF. Tr. VII >Diu zeichen eines wärhaften grundesMeisterbuchVon 24 Stücken eines vollkommenen Lebens < Vom vorausgehenden Text durch ein großes rotes Caput-Zeichen getrennt: ?T Dar vmb sprechen dy lerer das v U menschen wol zw Mär er verstentichait vnd zw vernünftiger vnterschaid chömen mügen Aber der ist gar wenig dy vber verstentleiche peschawung vnd vber vernünßigs pegreiffen pild vnd form chömen [...232rb...] - Als Lucifer mer pein hat dann ander tewffel darvmb das er vil verstanden hat vnd hat das nach dem willen gots nicht prawcht der in peschaffen hat. 365 366

Edition in Bd. IV der Predigten. ÜberlieferungzusammengestelltbeiSPAMER,PBB 34,S. 359Nr. III(Bl,f. 35r-38r;B2,f. 37v-41r; Ba4,f. 83ra-85ra; Kal,f. 88^*), SKUTELLA, S. 66 Anm. l (B8,f. 107v-108r; B9, f. 6 -1( und 94V-98V: doppelt überliefert) und JOSTES/RUH, S. 208f. Nr. 37; vgl. QUINT, Fundbericht, Register (S. 96) zu PFEIFFER, Tr. XI,2 und QuiNT, Neue Handschriftenfunde, Register, S. 286.

214

Kapitel 5: Die Melker Eckhart-Handschriften

Eine genaue Analyse des von Peuger gekürzten Textes im Vergleich zu PFEIFFERS Druck bei SPAMER, PBB 34, S. 359. Der Text begegnet auch im PeugerCodex 183, f. 51r-55v. Nähere Angaben dort (S. 81). 23.

f. 232rb~va Drew ding, dy das awg der sei hintern

Vom vorausgehenden Text durch ein kleines rotes Caput-Zeichen getrennt: «T Es sind drew ding dy das awg der sei hintern das es des warn Hechts peschawn nicht sehen mag das got ist. Das awg ist dy vernufft oder dy erchantus. Das erst ist dy vinster vnserer sünten [...232va...] - vnd mit eim andächtigen gepet wann das ist ein volle sicherhait gantzer verainung . wann seit des geists natur ist das im natürleich ist ze geben so ist es im auch natürleich zw enphahen.

Die Anfangssätze dieses kurzen Stückes auch in cod. 235, f. 332ra in der Spruchsammlung aus dort Meister Eckhart zugeschriebenen Zitaten. 24. f. 232va-233ra >Der mslac< (= PF. Tr. II >Von der edelkeit der seletnslac< hier, f. 210ra-213ra (s.o. Nr. 17a; nähere Angaben dort). Einige Sätze leiten zur nächsten rot überschriebenen Predigt über. Fraglich ist, ob Peuger die Zuweisung an Meister Eckhart (f. 231ra vor Nr. 20) nur für die Texte bis f. 232ra (erstes Caputzeichen) oder bis 233ra verstanden wissen wollte. Immerhin findet sich Text 23 auch in cod. 235 in einer Sammlung angeblicher Eckhart-Zitate. f. 233ra-234vb: Am x. suntag nach phingsten = MADRE, S. 148 Nr. 63 - f. 234vb237rb: Am aindleften suntag nach phingsten = MADRE, S. 149 Nr. 64 (darin f. 235va-236ra, als extra sermonem M. Nicolai gekennzeichnet: Dar vmb sol man hie von vierzehen vbel merkchen = Johannes Nider, >24 godene Harfen< [Auszug]: vgl. cod. 856, f. 19r) - f. 237 -243 : Dy erst predig von vnserfrawn schidung irr himeluart = MADRE, S. 222f. Nr. 2 (darin f. 239rb~va, als extra sermonem Magistri Nicolai gekennzeichnet: Wie wol man sünst = Exzerpt der Brigitta-Legende) f. 243rb-244vb: Ein andre predig von vnserfrawn schidung = MADRE, S. 224 Nr. 3 -

Melk, cod. 1865 (586/L5 = Mel) und cod. 705 (371/G33 = Me2)

215

f. 244vb-250ra: Dy dritt predig von vnserfrawn schidung = MADRE, S. 226 Nr. 4 f. 250ra-251vb: Am xij. suntag nach phingsten = MADRE, S. 149 Nr. 65 - f. 251vb253va: Am xiij. suntag nach phingsten = MADRE, S. 149 Nr. 66 (darin, f. 252va253va, als extra sermonem Magistri Nicolai ausgewiesen: Sand ieronimus schreibt = weitere Exzerpte aus Nider [vgl. cod. 856,f. 6V]) - f. 253va-255va: Am xiiij. suntag nach phingsten = MADRE, S. 149 Nr. 67.

25.

f. 256ra-rb >Von abgescheidenheit< (Exzerpt)

Das kurze Exzerpt, das SPAMER, PBB 34 übersah, steht in einer Passage, die auf die Predigt Am xiiij. suntag nach phingsten des Nikolaus von Dinkelsbühl (MADRE, S. 149 Nr. 67) folgt und die (f. 255va) im Text als Extra sermonem Magistri Nicolai gekennzeichnet ist. Da ein umfangreiches Exzerpt aus >Von abegescheidenheit< auch im Traktat >Von der sei wirdichait vnd aigenschafft< verwendet ist, wird dieser Text aus cod. 705 in Teil II S. 371 und 377 vollständig mitgeteilt, die Vorlagenfrage dort S. 373 erörtert. f. 256rb-258rb: Am xv. suntag nach phingsten = MADRE, S. 149 Nr. 68 (darin f. 257ra wieder ein gekennzeichnetes Nider-Exzerpt) - f. 258 -26 : Am xvj. suntag nach phingsten - MADRE, S. 150 Nr. 69 (darin f. 258vb-259rb ein weiteres Nider-Exzerpt; vgl. cod. 856, f. 13r und l ) - f. 261 "-263 : Das ewangeli am xvij. [sie] nach phingsten = MADRE, S. 150 Nr. 70 (darin f. 262ra vom opphern = MADRE, S. 250f.) - f. 263rb-265ra: Am xviij. suntag nach phingsten = MADRE, S. 150 Nr. 71 (darin f. 264ra ein weiteres, als extra sermonem M. Nicolai gekennzeichnetes Nider-Exzerpt) - f. 265ra-265vb: Am xix. suntag nach phingsten = MADRE, S. 150 Nr. 72.

26. f. 265vb-266ra Johannes von Sterngassen (?), WACKERNAGEL Nr. 62 (>Ein heilig sprichet das si heilikeitVon der sei wirdichait vnd aigenschafft< begegnen, ist der Text dieser Hs. in Teil II, S. 333 vollständig abgedruckt. 27.-29.

f. 266ra-va PF., ZfdA 8, Nr. IX, 2 (= Johannes von Sterngassen ?)

Durch Caputzeichen vom vorausgehenden Text und untereinander getrennt:

367

WACKERNAGEL, S. 113,1 u. 455 verweist beispielsweise auf Basel, ÜB, cod. BXI 10 (14. Jh.), f. 145r-153r (siehe: MORVAY/GRUBE, S. 116, (91)). Weitere Zuschreibungen an Sterngassen bei SENNER, Teil I, S. 317. Die Überlieferung zusammgengestellt bei S. IRRGANG, Ausgewählte deutsche Prosa zugeschrieben dem Dominikaner Johannes von Sterngassen (Würzburger Zulassungsarbeit o. J.), S. 8-12 und QUINT, Neue Handschriftenfunde, S. 44 (anonym), 136 (anonym), 171 (Salzburg, ÜB, cod. M I 476 [olim V3 H 148/6], f. 32r: Der von Sterngassen sprichet; Text nur S. 164,20-165,42), 197 (ebd. f. 237r; Text, S. 163,1-164,37 + 165,53-55), 207 (anonym) und ders., Fundbericht, S. 44 (anonym) und 77 (anonym) sowie DW V, S. 398. Neueste Zusammenstellung der Überlieferung jetzt bei SENNER, Teil I, S. 315-318. Dazu kommt das >Lehrsystem der deutschen Mystik< (= >GRElTHs TraktatVon der sei \virdichait vnd aigenschafft< übernommen: Textabdruck Teil II, S. 437ff.

31.

f. 271 rb-vb SIEVERS Nr. 23

Vom vorausgehenden Text durch ein großes Caputzeichen getrennt: ?T Man fragt ainsten einn abtgot wie man zw got chömen mächt. Der sprach erchenn dich selber so chümbstu zw got [...271vb...] - lust der lieb anhangen dy man in chainn tugenten haben mag. 377

RUH, ZfdPh 78, S. 101-103. Vgl. jetzt: RUH, Geschichte Bd. 3, S. 354ff. RUH (Hg.), Abendländische Mystik, S. 109f. 379 So ich mich aber eher in dy freihält meiner lawtem abgeschaidenhait so vind ich das mir got mag gleich sein [...] Ein frumer mensch was chömen zw der freihält der lawtrichait seins geists (cod. 1865, f. 266rb). Vgl. auch DW V, S. 402,3-6 und Anm. 7 u. 8. 380 Danach gedruckt bei SIEVERS, S. 427,1^30,96. 378

Melk, cod. 1865 (586/L5 = Mel) und cod. 705 (371/G33 = Me2)

219

Überl.: B8 (Berlin, SBPK, ms. germ. 4° I486), f. 110 v -lll r ; B12 (ebd., ms. germ. 4° 381 1131), f. 100 ; K2 (Kassel, Murhardsche u. Landesbibl., cod. theol. 94), f. 301v-303r; Lo4 (s.o. Nr. 8), f. 141va-142vb.

SPAMER weist darauf hin, daß auch in K2 diese Predigt auf SIEVERS Nr. 24 folge.382 Das trifft nicht zu. Vielmehr ist die Reihenfolge in K2 eine andere: f. 30 -303 : SIEVERS Nr. 23 - f. 303r-304v: DW III Nr. 60 - f. 304v-306r: SIEVERS Nr. 24. Dieselbe Reihenfolge wie hier begegnet jedoch in Lo4: f. 139vb-141va: SIEVERS Nr. 24 - f. 141va-142vb: SIEVERS Nr. 23. Dieselbe Reihenfolge wahren auch die Exzerpte im Traktat >Von der sei wirdichait vnd aigenschqfftDer mslac< (= PF. Tr. II >Von der edelkeit der seleVon der sei wirdichit vnd aigenschaffl< nicht benutzt. Nähere Angaben s.o. Nr. 17a. 33.

f. 272ra-272va >Geistbuch< (Predigt über Lc 5,27)

Vom vorausgehenden Text durch ein großes rotes Caput-Zeichen getrennt: $ wann man list luce v" das der her r i he s us einn offen sünter sach am tzol sitzen der hies leui zw dem sprach er volig mir nach, vnd er verlies alle ding vnd voligt im nach. Nach volgen gueter ding ist ein volchömenhait [...272va...] - der mensch pewegt auch got mit seim frein willen den er im nicht nemen wil vnd wil auch wider des willen nicht tuen.

381

382 383

Zu den beiden Berliner Hss.: SKUTELLA, ZfdA 71, S. 79.

SPAMER, PBB 34, S. 362. Vgl. LÖSER, Als ich me, S. 217.

220

Kapitel 5: Die Melker Eckhart-Handschrifien

Es handelt sich hier nicht um die - meiner Ansicht nach eckhartsche - Predigt >Vidit ihesus matthaeum sedentem in teloneo et ait illi: Sequere meihesus sach< (LANGENBERG, S. 196,Z.8v.u.) - Ihesus die sach ende sprac (ebd., S. 197,Z.16v.u.) - Dat wort illi dat hevet (ebd., Z.2v.u.). Der in Melk überlieferte Text (Textteil?) hingegen gilt schon zu Anfang dem Sequere me: Nachvolgen gueter ding ist ain volchömenhait [...]. Da sich ein Auszug auch im Traktat >Von der sei wirdichait vnd aigenschafft< findet, ist in Teil II, S. 401 ff. der gesamte Text nach dieser Hs. wiedergegeben. QuiNT hat ein kurzes Incipit eines sehr viel umfangreicheren Textes aus Mai4 (erst Maihingen, dann Harburg, Fürstl. Oetingen-Wallerstein'sehe Bibl., cod. III l 4° 41 [heute in Augsburg, ÜB], f. 198v-215r) bekannt gemacht, das sich - soweit sich das feststellen läßt - mit dem Eingang des Melker Textes berührt. Derselbe Text wie in Mai4, für den STEER noch Eckharts Autorschaft erwägt,386 war QuiNT noch in Ga (Gaesdonck, Collegium Augustinianum, Ms. 16, f. 124r-163r) bekannt (Kriegsverlust).387 Inzwischen hat K. SCHNEIDER388 zu diesem Text weitere Überlieferungsträger identifiziert,389 den anonymen mystischen Traktat unter dem Titel >Geistbuch< vorgestellt und insbesondere auf die Verwendung eckhartscher Sätze hingewiesen.390 Auch der kürzere, im wesentlichen aber identische Text aus Melk weist deutliche Berührungspunkte mit Werken Eckharts auf (Teil II, S. 403).

384

LANGENBERG (ebenso ders., Über das Verhältnis, S. 38-43) druckt ohne das auch in B6 unmittelbar anschließende Stück PRIEBSCH, S. 101: Sente peter sprach: Herre, sich wi habben alle dinc gelaten; vgl. PAHNCKE, Eckehartstudien, S. 4 Nr. VIII und IX. Weitere Überlieferung dieses Textes bei LOTZE, S. 5 (Hamburg, cod. theol. 1896, S. 15-23) und SKUTELLA (Berlin, SBPK, 4°171, f. 131-134). Eine Analyse der letztgenannten Hs. bei STRAUCH, PBB 54, S. 228ff. 385 Auch die anderen, bei MORVAY/GRUBE, S. 23 angeführten gedruckten Predigten über die Parallelstelle Mt 9,9 sind nicht einschlägig. 386 STEER, Scholastische Gnadenlehre, S. 72. 387 QUINT, Neue Handschriftenfunde, S. 114 und J.H.A. BEUKEN, Rondom een Middelnederlandsche Eckehart-tekst, in: OGE 8 (1934) 310-337, hier S. 321 Nr. 13. 388 Vgl. auch SCHNEIDER, Augsburg, S. 362. 389 Sl, f. 162V-166V; N2, f. 23V^48V; P3, f. 82r-88v + 97r-98r (unvollständig); Paris, Bibl. de Arsenal, cod. 8029, f. 262r-263r. 390 K. SCHNEIDER, >GeistbuchDe quattuor instinctibusVon der sei wirdichait vnd aigenschaffiVon der sei wirdichait vnd aigenschafftVon der sei wirdichait vnd aigenschafft< stehen dort in derselben Reihenfolge. Abdruck: Teil II, S. 467ff. Der letzte Abschnitt über das Suchen Gottes sehr viel ausführlicher auch in Lo4, f. 133vb-134rb. (Teil II, S. 471). 40. f. 278rb-va PF. Tr. VI >Schwester S. 453,40-454,22 und 454,28-32)

Katrei
Von der sei wirdichait vnd aigenschaffiGracia dei sum id quod sumParadisus anime intelligentisParadisusGracia-DeiVon zweierlei WegenVon der sei wirdichait vnd aigenschafft< eingegangen. Vgl. Teil II, S. 477. 421 Vgl. beispielsweise DW I, S. 184,4—8: Disiu kraft nimet alliu dinc in der wärheit. Dirre kraft enist kein dinc bedecket. Ein geschrift sprichet: den mannen sol daz houbet bloz sin und den vrouwen bedecket. Die vrouwen daz sint die nidersten krefte, die suln bedecket sin. Der man ist disiu kraft, diu sol blöz und unbedecket sin; DW II, S. 369,1-3: Also solle diu oberste kraft

Melk, cod. 1865 (586/L5 = Mel) und cod. 705 (371/G33 = Me2)

231

dem hawbt ist der sei stat vber tzehen tawsent meil als nahent als dy stat da ich yetzund an stee.422 Jn der chrafft ist der sei dy tzeit dar inn got dy welt peschaffen hat vnd auch der iungst tag als nahent als dy tzeit dar inn ich yetzund red.423 vber das mächt ettwer fragen was nutz der sei von dem cham so sy sich sambt in der chrafft des hawbts stet, vber das sol man wissen das daz der nutz ist den sy da von enphdcht das ir all dy gnad vnd all dy salichait dy all heiligen pesezzen haben [298ra] als gemain wirt als ob sy ir aigen warn.424 vnd als das chünig vnd chaiser von gold ye gewunnen das ist ir als aigen als mir meine awgen aigen sind vnd vil aigner. vnd dar süllen wir vnser hawbt awff heben vnd sullen erchennen das vbel vnserer sünten. wann das ist ein gwisse warhait wer recht in das hawbt cham der tat nymer chain sünt. Jm wurd auch dy ewigfrewd so erchannt vnd wurd als gelert das er chainer predig pedarff ff [...].

Den Schlußsatz formuliert Eckhart anderwärts (DWIII, Pr. 68, S. 143,4-144,2) als Rückverweis (die entsprechenden Schlüsselwörter sind recte gesetzt): Ich pflige under ztten ein wort ze sprechenne: in swelcher sele >gotes riche< erschinet, diu >gotes riche< ir nähe bekennet der endarf nieman predigen noch leren si wirt da von geleret und wirt versichert des ewigen lebens; und diu weiz und bekennet, wie >nähe< (ir) >gotes riche< ist.

In der Anmerkung dazu verweist QUINT auf die bekannte Stelle der Predigt 9 (Der niht dan die creatüren bekante, der endörfte nierner gedenken üf keine predige, wan ein iegltchiu creature ist vol gotes vnd ist ein buoch)425 sowie auf DW I, S. 258,9f. (Dit es subtijl. die dit verstaet, he es gnoech ghepredecht). In einer Anmerkung zur letztgenannten Stelle wird weiter PF. Tr. III, S. 412,37—40 genannt. Das aber ist nichts anderes als ein bearbeitetes Exzerpt aus der hier vorgestellten Predigt im Traktat >Von der sei wirdichait vnd der sele, diu daz houbet ist, glich erhaben sin under den zein gütliches liehtes, daz daz götlich lieht dar in geschinen mähte. 422 Vgl. DW II, S. 233,1-3: In dem houbete der sele, in vemünßicheit, in der bin ich als nahe der stat über tüsent mile jensit des mers als der stat, da ich iezuo inne stän; DW I, S. 220,7-9: vemünßicheit: dirre kraft enist niht verre noch üzer. Daz enent des mers ist oder über tüsent mile, daz ist ir als eigenliche hunt und gegenwertic als dise stat, da ich inne stän. 423 Vgl. DW II, S. 24,3-8: Ez ist ein daz oberste teil der sele, daz stat obe zit und enweiz niht von der zit noch von dem libe. Allez, daz ie geschach vor tüsent jären, der tat; der vor tüsent jären was, der ist in ewicheit niht verrer dan disiu stunde, da ich ze (disem) male iezuo stän, oder der tac, der über tüsent jar körnen sol oder als vil du gezeln mäht, der enist in ewicheit niht verrer dan disiu stunde, da ich iezuo inne stän. 424 Vgl. DW I. S. 86,8-87,1: ich spriche wcerliche: allez daz guot, daz alle heiligen besezzen hänt und Maria, gotes muoter, und Kristus nach siner menscheit, daz ist min eigen in dirre nature; DW I, S. 81,4-7: Er ist all zumaul unser aygen, und alle ding sind unser aigen in im. Alles, das all engel und all haiigen hond und unser frow, das (ist) mir aigen in im und enist mir nit fremder noch verrer denn, das ich selber hon. Alle ding sind mir glich aygen in im. 425 DWI, S. 156,7ff.

232

Kapitel 5: Die Melker Eckhart-Handschriften

aigenschafft< (Teil II, S. 476). Auf diese Predigt über Lc 21,28 bezieht sich also der Rückverweis, nicht auf die vage Parallele in Pr. 9. Dort ist von der Kreatur die Rede, im Rückverweis von der Seele. Nur hier finden sich auch die vier Schlüsselwörter des Rückverweises. Die Annahme einer echten Eckhart-Predigt ergibt sich also aus: 1. dem Überlieferungsbefund dieser Hs. (Text nicht als Kompilation ausgewiesen); 2. der vertrauenswürdigen Zuschreibung in dieser Hs.; 3. Parallelen zum Werk Eckharts; 4. dem Rückverweis aus DW III Pr. 68. Eine weitere Parallele zu DW III Pr. 68 wirft ein textkritisches Problem auf: Die Stelle lautet in QUINTS Edition: Der himel ist auch reine und klär sunder alle vlecke äne den mänen. Die meister heizent in eine hebeamme des himels, daz niderste bi der erden. Der kritische Text beruht nur auf dem Kölner Taulerdruck und der Hs. Lol (London, Library of University College, MS. germ. 11).426 Der Text des Druckes fällt an der vorliegenden Stelle aus. Die Konjektur hebeamme rechtfertigt QUINT: die Hs. Lol biete eyne heuen des hemels, »wobei das heuen offenbar verderbt ist. Ich halte es für entstellt aus mhd. hebeamme, indem ich auf In Gen. n. 106, LW l, S. 261, l f. verweise:427 >luna quasi Lucina< [...] Lucina aber ist [...] der Name der Geburtsgöttin (Juno).«428 Dagegen ist zu betonen, daß die Konjektur unnötig, hefen in beiden Predigten der korrekt wiedergegebene Wortlaut Eckharts ist, der in Sermo XXXVIII sagt: Ubi notandum quod in ipsa quidem sphaera lunae malum cadit, sicut ostendit eius fades vel macula in ipsa apparens {et) eclipsis sua; quod malum est ex vicinitate terrae. Propter quod et ipsa »faex429 est corporum caelestium, sicut terra faex est aliorum elementorum«, hoc indicante natura quod ex amore et affectione terrenorum maculatur anima et privatur lumine gratiae, veritatis et virtutis.4*0

Wieder sind die Schlüsselbegriffe recte gesetzt. So sieht man deutlich, daß die Parallele der Stelle in Pr. 68 nicht so nahe steht wie der bisher unbeachteten Predigt:

426

Die Hs. stammt aus Köln; vgl. LÜDERS, S. 155-184. Ubi notandum quod luna est a luce positive, non privative, »luna quasi Lucina« per subtractionem mediae syllabae. 428 QUINT, DW II, S. 147 Anm. 2. 429 LW III, S. 331 Anm l zur Übersetzung: »wörtlich: Die Hefe.« 430 Ebd., S. 330,12-331,6. Vgl. dazu und zu weiteren lateinischen Parallelen im Werk Eckharts insbesondere LÖSER, Einzelpredigt, S. 46-49. 427

Melk, cod. 1865 (586/L5 = Mel) und cod. 705 (371/G33 = Me2)

233

Der man der ein hefen des himmels ist der ist der erden nahenter dann chain stern vnd hat vil prechen er ist ettwann Hecht vnd ettwann vinster. Also ist es vmb dy sei ye nahenter sy den tzeitlichen dingen ist ye vnedler sy ist Darvmb spricht der herr hebt awff ewer hawbt das ist ewer sei von irdischen dingen, (cod. 705, f. 297vb; s.o.). 54. f. 298ra-298vb JOSTES Nr. 76 S. 386-388)

(=STRAUCH,

PBB

49,

Nr.

VIII,

Vom vorausgehenden Text durch ein großes rotes Caput-Zeichen getrennt: fT Salomon spricht im puech der weishait Jch han gewünscht vnd mir ist geben der syn Jch han gerüeffi vnd in mich ist chömen der geist der weishait. pey den warten han ich gemerkcht das chünichreich gewalt herschafft vnd reichtumb als nichts ze schätzen ist wider den geist der weishait. [...298vb...] - vnd enphach das von gnaden das dy engel nw in gnaden pesezzen haben [= JOSTES, S. 81,37: Schluß der Predigt] + Awff das sprichtt Anshelmus der mensch wirf zw dem nicht volpracht dar zw er peschaffen ist ob er nicht volpracht wirt zw gleichnus den engein. Die Überlieferung (9 Hss.) ist zusammengestellt bei JOSTES/RUH, S. 211 und LÜDERS, S. 158-160. Dazu kommt Lo4, f. 125 -127 . Mit Ausnahme der Melker Hs. gehören die Überlieferungsträger vorwiegend dem md. Raum (speziell Köln) an. Nur der letzte Satz der Predigt fand Eingang in den Traktat > Von der sei wirdichait vnd aigenschafft< (Teil II, S. 349.). Hinfällig ist die Argumentation von LÜDERS, die auf einen scheinbaren Gegensatz zu den Werken Meister Eckharts aufmerksam machte: Die Predigt zitiere (JOSTES, S. 80,9ff.) Avencebrols >Fons vitaeFons vitae< zitiert,432 und daß eines dieser Zitate (LW II, S. 218f.) sich mit dem der JOSTES-Predigt fast wörtlich berührt. Eine Untersuchung des Textes hätte vor allem auch zu klären, ob sich die sehr präzisen Rückverweise der Predigt DWII Nr. 59 (S. 623,3ff· und S. 628,3) - anders als QUINT meint - nicht doch auf ihn beziehen können.433

«'LUDERS, s. 16l.

432

Vgl. J. KOCH, Meister Eckhart und die jüdische Religionsphilosophie des Mittelalters, in: KOCH, Kleine Schriften, S. 349-365, hier S. 351. Zu Eckharts Zitaten beispielsweise: LW I, S. 684,6 und Anm. 3. 433 Selbst wenn man den DW II, S. 623 Anm. 2 und S. 628 Anm. 2 vorgetragenen Überlegungenen QUINTS folgen würde, bliebe zu klären, auf was - wenn nicht auf diese Predigt - sich Eckhart bezieht.

234

55.

Kapitel 5: Die Melker Eckhart-Handschriften

f. 298vb-299va SIEVERS Nr. 26

Vom vorausgehenden Text durch ein großes rotes Caput-Zeichen getrennt: ff wann da der patriarch Jacob von Bersabe gein Aram gie als schriben stet Gen vnd nach der sun vntergang an ein stat cham ze ruen da legt er einn stain vnter sein hawbt [...299va...] - vnd sullen sein erchantnus haben von dem nyembt mag petrogen werden. Überlieferung: B6 (= Berlin, SBPK, ms. germ. 4° 1084, f. 58V) Fragm.; B7 (ebd., ms. germ. 8° 4, f. 243r-247v); K2 (Kassel, Murhardsche u. Landesbibl., cod. theol. 94, f. 307v-309r); Lo4 (s.o. Nr. 8, f. 127ra-128va); N l (Nürnberg, Stadtbibl., Cent. IV 40, f. 76va-77va); M29 (München, Bayer. Staatsbibl., cgm. 4880, f. 36r) Fragm.; Wo l (Wolfenbüttel, Herzog-August-Bibl., cod. Guelf. 1066 Heimst., f. 125r-131r). Mit Ausnahme von K2 und M29 enthalten alle diese Hss. auch die Predigt JOSTES Nr. 76 (vgl. LÜDERS, S. 158-160). In Lo4 folgt (wie hier) SlEVERS Nr. 26 auf JOSTES Nr. 76. Die Predigt wurde im Traktat >Von der sei wirdichait vnd aigenschaffi< verwendet. (Teil II, S. 337). 56.

f. 299va-b PF. Pr. 53

.Dar vmb spricht er .hebt awffewer hawbt vnd voligt mir nach das ir dem vrtail der verdambten enphliehen mügt. Auf diesen kurzen Überleitungssatz folgt PF., S. 173,10: von dem spricht Origenes der mensch vertzeicht sich sein selbs der dy sünt mit tagleichem streit von im treibt [...299vb...] - mich mag nyembt sehen der noch lebt. Überliefert ist diese echte Predigt Eckharts434 wieder in der Gruppe der md. Hss. (QUINT, Überlieferung, S. 501). Auch in Lo4 (f. 128va-129va) folgt der Text auf SIEVERS Nr. 26. Diese Reihenfolge findet sich auch in den Exzerpten des Traktats >Von der sei wirdichait vnd aigenschaffi< (Teil II, S. 341). 57.

f. 299vb JOSTES Nr. 74, S. 76,16-22 u. 30f.

•T wann dy weil wir noch hie leben ist vns das an sehen gots verpargen. vnd dar vmb war chain geschafft vnd wann der mensch von natur dy arnung gots an der creatur erchannt er müest got von recht nach volgen [...] - das vns der herr poten hat das hat er selber tan. Überlieferung: B8 (Berlin, SBPK, ms. germ. 4° 1486, f. 11 -112 ); 12 (ebd., ms. germ. 4° 1131, f. 99™). In Wo l folgt der Text f. 13 -133 auf SIEVERS Nr. 26 (hier Nr. 55), in Lo4 (f. 129va-131ra) wie hier auf PF. Pr. 53. Daß sich der Predigteingang, der in B12, Lo4, N l (danach von JOSTES gedruckt) und Wo l als Rückverweis

434

Vgl. künftig die Edition in Bd. IV der Predigten.

Melk, cod. 1865 (586/L5 = Mel) und cod. 705 (371/G33 = Me2)

235

formuliert ist, mit Werken Eckharts berührt, läßt sich zeigen. In Peugers hier vorliegender Fassung findet sich nur ein kurzes Exzerpt.435

58.

f. 299vb-300va Meister Gerhard, >Kölner Klosterpredigten< Nr. 38

Vom vorausgehenden Text durch ein großes rotes Caput-Zeichen getrennt: ?f Dar vmb hebt awffewer hawbt vnd merkcht als geschriben stet Mathey xxv". [Mt 25,6] zw mitternacht ward ein geschray nembt war der prewtigan chümbt get im enkegen. Es mag nyembt gwissen ob er noch den ersten trit recht zw got ye hangen sey Dar vmb sol man des ersten aws gen von sünten vnd von vngearnter lieb [...300va...] - Als im himel ein heilig mit seiner rainchait got nahenter ist dann der ander. Dar vmb sol der mensch albeg in eim streit sten vnd sol nymer ein genüegen haben in diesem leben er chöm dann awff grasse rainchait in der sich got zw im füeg als das scheff zw lant sich füegen tuet. Die Predigt war bisher nur in der verschollenen Hs. Hamburg, Staats- u. Univ.bibl., cod. theol. 2205, f. 125V-130V bekannt. Nach den Angaben STRAUCHS, der das Incipit und drei kurze Exzerpte abdruckte, wird sie dort als ein Werk Meister Gerards geführt.436 Der Text findet sich jetzt auch in Lo4, f. 144va-146va (anonym; im Verbund mit Werken Eckharts). Zwei andere Predigten der Sammlung (Nr. 22 u. 37) in der Eckharths. B10 (Berlin, SBPK, ms. germ. 4° 1079) aus Köln.437 Text- und Überlieferungsgeschichte weisen nach Köln. Ein Exzerpt aus dieser Predigt ist in den Traktat > Von der sei wirdichait vnd aigenschafft< eingegangen. (Teil II, S. 405.). Der Vergleich der drei Textzeugen ergibt, daß für die Exzerpte des Traktats nicht diese Hs. (cod. 705), sondern eine weitere Hs. (gemeinsame, verlorene Vorlage von cod. 705 und dem Traktat) benutzt wurde (Teil II ebd.). Im Vergleich mit Lo4 erweist sich der Peuger-Text als gekürzt. So fehlen insbesondere die Exempel und näheren Erläuterungen. Auch die konkreten Anspielungen auf Köln sind getilgt, etwa das Beispiel: Manch schyff lyt czü kolne das sümeliche nümmer darin körnen ettislich hübet vndir wilen verre vf czen mile gelein. (Lo4, f. 146ra).438

435

LÖSER, Als ich me, S. 218. STRAUCH, Kölner Klosterpredigten, S. 26 u. 48. Vgl. HONEMANN, >Kölner KlosterpredigtenKölner Klosterpredigten< künftig: F. LÖSER, Predigten in dominikanischen Konventen. >Kölner Klosterpredigten < und >Paradisus anime intelligentisParadisus anime intelligentisVon der sei wirdichait vnd aigenschaffi< (Teil II, S. 475) gehen den Ausschnitten aus der oben vorgestellten Predigt über Lc 21,28 (s.o. Nr. 53) unmittelbar voraus. Die Predigt, deren Text ich im folgenden gerafft wiedergebe, besitzt zahlreiche Parallelen im Werk Eckharts. Sie kann deshalb nur eine Kompilation oder eine bisher ungedruckte und unbeachtete Predigt Eckharts sein. Aus denselben Gründen wie bei Nr. 53 (besonders dem Überlieferungsbefund dieser Hs.) spricht alles für die zweite Annahme: Der akcher, so beginnt die Auslegung, pedewt dy weit vnd der schätz das himelreich der im akcher pegraben ist. Inwiefern aber ist das Himmelreich in der Welt begraben? Antwort: Got ist in allen dingen gegenwärtig mit der er als süezz ist das chain ding macht noch wolt sein dar inn er nicht gegenwärtig war so war es nichts.*40 Beispiel: Der engel sind an tzal44' vnd ein yeder hat sein natur vnd seinn himel442 vnd ein yeder engel ist dy weit wann alle weit ist in im pilt.443 Dar vmb wollen dy engel nicht sein ob got in in nicht

439

Vgl. zum folgenden: LÖSER, Nachlese, S. 141-145. Vgl. DW I, S. 69,8-70,7: Alle creatüren sint ein later niht. Ich spriche niht, daz sie kleine sin oder iht stn: sie sint ein later niht. Swaz niht wesens enhät, daz ist niht. Alle creatüren hänt kein wesen, wan ir wesen swebet an der gegenwerticheit gates. Kerte sich got ab allen creatüren einen ougenblik, so würden sie ze nihte. Ich sprach etwenne und ist auch war: der alle die werlt nceme mit gote, der enhtete niht me, dan ob er got aleine hate. Alle creatüren hänt niht me äne got, dan ein mucke hcete äne got, rente glich noch minner noch me. 441 Vgl. DW III, Pr. 65, S. 100,4f.: Nä han ich underwilen me gesprochen, daz der engel st vil sunder zal und sunder menige. Der unbestimmte Rückverweis bezieht sich u.a. auf DW II, Pr. 38, S. 234, l f.: Die meister sprechen!, daz der engel menige ist zal hoben zal und DW II, Pr. 40, S. 274,8f.: Der engel ist vil äne zal, [...] wan sie sint äne zal. 442 Wieder kann DW II, Pr. 38 verglichen werden: Also hat ein ieglich engel eine ganze nature und ist gesunden von den ändern als ein tier von dem ändern, daz einer ändern nature ist (DWII, S. 235,6f.). Vgl. ebd. Anm. l und DW III, Pr. 70, S. 191,6-8: Ez sint vil himel; ieglicher hat sinen geist und sinen engel, der im zuogeordent ist. Solle er an einem ändern himel würken, da er niht zuogeordent enist, er enkünde niht da mite. 443 Vgl. DWIII, Pr. 81, S. 403,10-12: Als ich ouch me gesprochen han, daz alle bilde und gltchnisse aller creatüren e geschaffen wurden an den engein', DW II, Pr. 37, S. 221,3-4: Cot hat alle dise werlt geistliche gemachet in einem ieglichen engel, e disiu werlt gemachet würde in ir selber. 440

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solt gegenwärtig sein, vnd das ist das reich der himel wann alle creatur sue hen got.444 Nachdem so bewiesen ist, daß der Schatz im Acker i s t , erläutert die Predigt den Aspekt seiner Verborgenheit: Der schätz ist verpargen wann west der stain das got als wol in im ist als in dem obristen engel er war als salig als der obrist engel.445 Der Aspekt der Verborgenheit Gottes findet im folgenden seine Deutung im Sinn der pseudo-dionysischen theologia negativa: Der schätz ist int akcher verpargen wann alle weit wais von got nichts wan das ich predig das ist got nicht, wann gots aigenschafft ist das er vngenannt vnd vnerchannt ist. Jch wais wol was er nicht ist aber was er ist das chan ich nyembt sagen, wer wol erchennt was got nicht ist vnd das dw dann nicht erchenst das ist er.446 Exempel: wan da sich der herr ihesus vor petro iacobi vnd iohani awff dem perg verwandelt da sprach petrus herr mach wir hie drew getzelt. Dy maister sprechen das er dar an hob törleich geret das er hie in der tzeit dy ewigen ding haben wolt seit got in dem hie nyembt gesehen mag. wann got ist chain pild vnd wirt auch in chaim form pegriffen vnd ist auch nicht in der tzeit.447 Jch sprach newleich in der predig vnd sprich es aber das mein sei nach dem [301ra] obristen tail in der tzeit nicht ist vnd würcht auch nicht in der tzeit. Jch sprich auch das mein sei dem das vber tawsent meil ist als nahent ist als der stat da ich yetzund an stee.448 Auch sprechen dy lerer das als das pild ye enphieng oder tzeit ye perüert des chöm nichts in dy sei.449 Sy sprechen auch nicht allein das tzeit ye perüert sunder auch das ye

444

Vgl. DW II, S. 326,3: Alle creatüren suochent etwaz gote glich; DW III, S. 368,7f.: ich spriche me, daz aller creatüren wesen und leben liget dar ane, daz sie got suochent. 445 Vgl. DW III, S. 142,4—6: min wesen hanget dar ane, daz mir got nähe und gegenwertic st. Also ist er auch einem steine und einem holze, me r: sie enwizzens niht. Weste daz holz got und bekente, wie nahe er im ist, als ez der hcehste engel weiz, ez wcere als scelic als der hcehste engel. 446 Vgl. beispielsweise die bei RUH, Meister Eckhart (21989), S. 56f. zusammengestellten Parallelen: »Meister Eckhart: >Es kann niemand von Gott das im eigentlichen Sinne aussprechen, was er ist< (DW I 329,9f.); >alle die von Gott aussagen wollen, haben unrecht, denn sie sagen nichts von ihm aus. Die aber, die ihn nicht aussagen wollen, die haben recht, denn kein Wort vermag Gott auszudrücken (DW I 347,2ff.), was als Dionysius-Zitat gekennzeichnet ist; >Wer aber bi nihte, verneinend, von Gott redet, der redet im eigentlichen Sinne von ihm< (DW III 224,3)«. 447 Vgl. Sermo XI, l: Unde arguitur Petrus qui dix.it: >faciamus hie tria tabernaculaNachtragspredigt< PFEIFFERS, die (besonders an die >RdU< erinnernd) die Weiselosigkeit des Gottsuchens- und -findens erörtert: Got der ist alle wise unde gelich in aller wise, der in gelich kan genemen [...] ob er in vindet in allen dingen [...] Diz were daz edeliste unde daz beste, der in dirre gelicheit kerne [...] daz er got künde genemen und möhte gebrüchen in aller wise.452 Diese Worte berühren sich mit dem Eingang der Predigt über Mt 13,44. QUINT sagt zur >NachtragspredigtNachtragspredigt< überliefert (und dies als möhte got von ztt berüeret werden, er enwoere niht got. [...] Da got geborn sol werden in der sele, da muoz alle ztt abegevallen sin. 450 Vgl. DWII, S. 630,8-631,3: Kein creature vermähle daz, daz si ez [hier: das Leben] gäbe; wcere ez mügelich, daz ez dehein creature geben möhte, so hazte got die sele also zart, daz er ez niht geliden enmöhte, sunder er wil ez selber geben. Gcebe ez ein creature, daz ware der sele unwert; si ahtete sin als wenic als einer mucken. Ebenfalls vergleichbar ist die von mir vor einiger Zeit Meister Eckhart zugewiesene Predigt >Alle die scharbürgelm-Predigt< (PFEIFFER Nr. 8) zusammen. Danach weichen beide Texte voneinander ab. QUINT hat die PFEiFFER-Predigt als DW I Nr. 2 ediert. Die Stellen, auf die sich Eckhart in II art. 13 (THERY, S. 183) und II art. 51 (THERY, S. 253) der >Rechtfertigungsschrift< bezieht, finden sich erst DW I, S. 43,1-44,4 und S. 39,1^0,4, fehlen also in dieser Hs. Eckhart sagt zum 51. Artikel: Solutio: dicendum quod in sermone illo jam dudum michi oblato, multa inveni que nunquam dixi. Multa etiam ibidem scripta sunt absque intellectu, obscura et confusa et quasi sompnia, propter quod ilia penitus reprobavi (THERY, S. 258). Und ähnlich ad decimumtertium, cum dicitur: in anima est quoddam castellum, etc., in hoc sermone multa sunt obscura et dubia, et que nunquam dixi (THERY, S. 204). (Aus solchen Äußerungen glaubte man früher schließen zu dürfen, Eckhart wende sich gegen Nachschriften seiner Predigten. K. RUH hat dagegen mit P.G. VÖLKER klargestellt, daß Eckhart die Predigten generell durch Diktat oder Redaktion autorisierte).455 Ich habe in einem Aufsatz den von QUINT edierten Text analysiert und zu zeigen versucht, daß Eckhart sich von einzelnen Aussagen distanziert, die Grundaussagen der Predigt aber verteidigt. Seine Kritk entzündete sich offenbar besonders daran, daß ihm eine sinnentstellte Predigt, die er schon früher zurückgewiesen hatte, ein zweites Mal vorgehalten wurde.456 KARRER hat aus der Stelle der >Rechtfertigungsschrift< den Schluß ge-

455

Z.B.: RUH, Meister Eckhart (VL); vgl. STEER, Der Prozeß, S. 62-64 und HAAS, Deutsche Mystik, S. 275f. 456 Vgl. LÖSER, Pahncke versus Quint.

242

Kapitel 5: Die Melker Eckhart-Handschriften

zogen, man könne den Text, den SPAMER nach dieser Hs. gedruckt hatte, als purgiert auffassen (da die inkriminierten Stellen fehlen) »aber auch - besonders wegen des Eckehartschen Protestes gegen den PFEiFFER-Text - als eine bessere Überlieferung, wenn man nicht gar, wie THERY meint, den SPAMERText als eine von Eckehart selbst geschriebene Bearbeitung unter Benutzung der PFEIFFER-Vorlage bezeichnen will.«457 Besonders im Blick auf Eckharts Aussage, er habe die entstellte Predigt schon früher zurückgewiesen, erscheint die Annahme einer zweiten durch Eckhart überarbeiteten Fassung als sinnvoll. Doch hat QUINT diese Auffassung vehement zurückgewiesen: als »purgiert« könne er den Text nicht ansehen, da die inkriminierten Exzerpte der Predigt erst in dem Stück stehen, das der Text nicht mehr enthält [!?]. Daß eine von Eckhart selbst geschriebene Bearbeitung des ursprünglichen Textes vorliegen könne, entbehre jeder Begründung.458 In der Tat zeigt der Vergleich von DWI Nr. 2 (bis S. 36,7) und SPAMER (bis S. 62,22) die charakteristischen Merkmale der Bearbeitung durch Peuger:459 Der Melker Text beläßt die Reihenfolge der Vorlage und kürzt, indem er einzelne Abschnitte ganz herausnimmt.460 Dabei wurde Eckharts Aussage, viele Gaben verdürben, so daß der Mensch davon nicht seliger werde, ebenso gestrichen wie Eckharts Kritik an allen die mit eigenschaft gebunden sint an gebete, an vastenne, an wachenne [...] und kestiunge. Auch das Beispiel von den eliche\n\ liute[n] die bringent des järes lützel me dan eine vruht fehlt. Diese Streichungen sind verständlich, wenn man weiß, daß ein benediktinischer Laienbruder sie vornahm. Der Text bis SPAMER, S. 62,22 (= DW I, S. 36,7) ist also eine gekürzte Bearbeitung der von QUINT edierten >bürgelin-Predigt< durch Peuger. Ob es aber auch Peuger war, der den gesamten Schlußteil der Predigt mit den inkriminierten Passagen tilgte und durch einen anderen Schluß ersetzte, scheint mir zumindest fraglich. Der neue Schluß der Predigt beginnt f. 308ra, durch ein kleines rotes Caput-Zeichen abgesetzt und eingeleitet mit dem Satz: Nw sol man hörn was das castel sey dar in ihesus ist gangen!461 QuiNT glaubt, mit diesem Satz »schwenkt die Hs. von dem [...] Text ab und führt die Predigt unter mosaikartiger Verwertung verschiedener Eckharttexte zu Ende.« Der Nachweis der Bestandteile des >Mosaiks< erfolge in den Fußnoten SPAMERS.462 Weiter ging QUINT auf den Text nicht ein; er übersah, daß KARRER die Äußerung THERYS etwas mißverständlich zitiert hatte. THERY bezieht sich nämlich nicht nur auf 457 458

KARRER-PIESCH, S. 154.

DW I, S. 23; vgl. QUINT, Überlieferung, S. XXIIf., 156 und 159f. 459 Sie sind in Kapitel 8 beschrieben. 460 So fehlen in SPAMERS Text: DW I, S. 27,6-28,2; S. 28,7-30,2; S. 32,6-36,3. 461 SPAMER, S. 62,23-67,10 = Schluß. 462 DW I, S. 21; vgl. schon QUINT, Die Überlieferung, S. 125.

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den Teil des Textes, den die Melker Hs., wenn auch bearbeitet und gekürzt, mit allen anderen Hss. gemeinsam bietet (bis DW I, S. 36,7 = SPAMER, S. 62,22 also); vielmehr meint THERY den g e s a m t e n von SPAMER gedruckten Text, wenn er sagt: »Le texte [...] du manuscrit de Melk se presente ä nous comme une compilation dont on retrouve des fragments dans les oeuvres d'Eckhart, comme Spamer l'indique en note. Le redacteur de cette compilation - peut etre Eckhart lui-meme, ä la rigueur avail sous les yeux le texte A [= PF. Pr. S].«463 Die »mosaikartig verwerteten Eckharttexte«, die SPAMER in den von QuiNT und THERY zitierten Fußnoten nachweist, aber sind nichts anderes als Teile aus PFEIFFERS Traktat III,464 was THERY hervorhebt: »On voit aussi qu'il [der Redaktor des SPAMER-Textes] a connu et utilise le traite III qu'on a longtemps attribue a maitre Eckhart: Von der sele Werdikeit und Eigenschaft.« Es ist genau umgekehrt: Nicht der Traktat wurde verwendet, um die Predigt zu kompilieren, sondern Teile der Predigt oder deren Vorlage wurden (wie in allen anderen Vergleichsfällen) für den Traktat benutzt. (Teil II, S. 363 und 381). Dasselbe gilt für SPAMERS Hinweis, einige Zeilen stünden auch in dem Traktat von den 7 Planeten, der sich f. 433ra-439ra in derselben Hs. finde und in gekürzter Form als PF. Pr. 67,1 gedruckt wurde (vgl. oben Nr. 63). Wie sich unten (Nr. 77) zeigen wird, handelt es sich bei dem >Planetentraktat< um eine Kompilation Peugers, die neben vielen anderen Quellen auch diesen Text465 verwendete.466 Kurz: Der hier vorliegende Predigttext wird nicht »unter mosaikartiger Verwendung« von Teilen des Traktats >Von der sei wirdichait vnd aigenschafft< und des >Planetentraktats< beendet. Er fand vielmehr Eingang in diese Kompilationen, wurde also seinerseits für Mosaike verwendet. Das Beispiel kann vielleicht zeigen, welche Ergebnisse ein überlieferungskritischer Ansatz zeitigen kann, wie ihn QUINT gegen BRETHAUER (gerade im Zusammenhang mit der Frage dieser Predigt!) eher zurückgewiesen hat:467 Man wird die Frage erneut aufgreifen müssen. In der >Rechtfertigungsschrift< wendet Eckhart sich nicht gegen Nach- oder Mitschriften seiner Predigten. Vielmehr ist den zitierten Stellen zu entnehmen, »daß Eckhart bereits 463 THERY, S. 254. 464 SPAMER, Anm. 465 466

zu S. 63. SPAMER, Texte, S. 64,29-65,3 = cod. 705, f. 436va.

Die weitere »mosaikartige Verwertung« von Eckharttexten, die SPAMER nachweist, besteht aus Parallelen in PF. Pr. 106, (SPAMER, Texte, Anm. S. 64) und aus einer Parallele zur sog. >Klosterkollazie< (hier Nr. 5; ein Text der selbst zu untersuchen wäre), die gerade nicht wörtlich, sondern inhaltlich sind. Erst am Ende (ab SPAMER, Texte, S. 66,24) ergeben sich die ersten wörtlichen Übereinstimmungen mit der Predigt PF. Nr. 106 (allerdings durch ein Zitat aus Johannes Damascenus, das als solches ausgewiesen ist). 467 Vgl. QuiNT, Überlieferung, S. XXII-XXIV.

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Kapitel 5: Die Melker Eckhart-Handschriften

mit fehlerhaften und sinnentstellenden Redigierungen seiner Predigten konfrontiert wurde [...] Eine sinnentstellende Version seiner >Bürgelinbürgeltn-PredigtRechtfertigungsschrift< bezieht: Eckhart distanziert sich von den obscura et dubia, et que nunquam dixi, die man ihm vorhielt. (Die Anklagepunkte finden sich in der Redaktion der >bürge/in-Predigt bürge lin-Predigt< (QuiNTs Fassung) verteidigt [vgl. Kap. 5, Anm. 456]. Aber die folgenden Sätze aus dem Predigttext dieser Hs. stehen in ebenso enger Beziehung zur >Rechtfertigungsschriftx, was bedeuten könnte, daß versucht wurde, unklare Aussagen der Erstfassung zu verdeutlichen: Das erst ist dy sicherhait, dy die sei von got nymbt in der chrafft irer verstentichait [sub ratione veri ab intellectu] Zwm ändern mal hat sy von got gantzen nutz in irer wanung vnd hat alle ding in der chrafft der lieb [sub ratione boni a voluntate].

Wann als ir von mir gwis seit, das ich ein mensch pin, als gwisleich pirt got sein aigne natur in den grünt meiner sei, als warleich als im himel vnd auch in eim yeden menschen er sey haiden oder jud. es sey dann, das maria dar zw chömen sey, das sy dy gothait in irer vernufft verstanden hab, anders ir chewsch [casto et puro] war eitel gwesen. Cot hat vns peschaffen das wir in erchanten vnd lieb hieten vber alle ding [homo deum amet et querat absque omni velamine].469

Die Zuweisung der Predigt an Eckhart wird durch die Hs. ein zweites Mal bekräftigt, denn der Text, der f. 309vb (durch ein großes rotes Caput-Zeichen abgetrennt) folgt, ist am Rand in roter Tinte ausdrücklich als extra sermonem 468 469

STEER, Der Prozeß, S. 63. SPAMER, Texte, S. 63,15f., 18f. u. 26ff., S. 64,19ff.

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M. ekchardi gekennzeichnet. Nach all dem erscheint es mir keineswegs »jeder Begründung« zu entbehren, wenn man in der Melker >bürgelin-Pred\gt< eine von Eckhart selbst verfaßte Neufassung der ihm vorgehaltenen entstellten Predigt sieht. Freilich ist diese Neufassung durch Lienhart Peuger ein zweites Mal redigiert worden. Eine Detail-Analyse der Melker >bürgelin-PTedigt< mit Textabdruck bietet Anhang 3 (S. 537ff.). f. 309vb-313ra: >Marienlob< = Kompilation Peugers aus anderen eigenen Textabschriften.470

65.

f. 313ra-314rb Predigt über Rm 13,11

Ein predig vom advent Maister Ekcharts von pans Sand pauls spricht zw den Römern xiij" prueder es ist tzeit das wir vom slaff awfsten. Dy wart sind vom advent geret vnd pedewt den der chümftig ist. Dar vmb süllen wir erchennen dy ding dar zw vns got peschaffen hat. Da von spricht sand Augenstin vnd ich mit im das got den menschen zw chaim mynnern guet gemacht hat dann er selber ist. Awffsten pedewt ein vnpechumerts hertz in dem wir got mit grözzerm fleizz suchen süllen dann vns selber. [...313va...] «T Es ist vnter den lerem ein frag ob got vermocht hiet dy sei von dem selben guet ze machen das er selber ist an weis vnd aigenschafft nicht von sein selbs wesen. [...314rb...] - so glaub ich das im des nichts werd ab genomen dar zw in got peschaffen hat vnd fürgesehen.

Der, soweit ich sehe nur hier überlieferte, bislang unbeachtete Text471 verdient eine eingehende eigene Untersuchung. Die Frage, ob hier tatsächlich eine weitere von der Forschung bisher nicht berücksichtigte predig vom advent Maister Ekcharts vorliegt (wie die Zuschreibung durch Peuger behauptet) muß dabei nach den bisherigen Erfahrungen472 zunächst beim Textaufbau ansetzen; dabei muß die Überlegung im Mittelpunkt stehen, ob es sich um e i n e n einheitlichen Text handelt. Das ist in der Tat der Fall. Zwar begegnet f. 313va ein kleines rotes CaputZeichen. Doch ist es nicht von der Art, die Texte verschiedener Herkunft voneinander trennt,473 sondern dient als Gliederungshilfe innerhalb desselben Textes. Inhaltlich entwickelt sich die dem Caput-Zeichen folgende frag, ob

470

Vgl. z.B. zu dem Anselm-Zitat f. 31 : die Anselm-Texte der codd. 1001 und 235. (LÖSER, Anselm, Eckhart, Lienhart Peuger). 471 SPAMER, S. 66 teilt lediglich das kurze Incipit mit. Von den bei MORVAY/GRUBE, S. 247 verzeichneten gedruckten deutschen Predigten über Rm 13,11 ist keine mit dem hier vorliegenden Text identisch. 472 Vgl. oben Nr. 12 Fazit. 473 Vgl. etwa das Caput-Zeichen f. 314 vor Beginn der nächsten Predigt.

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Kapitel 5: Die Melker Eckhart-Handschriften

got vermocht hiet, dy sei von dem selben guet ze machen, das er selber ist, klar aus dem vorher Gesagten; und sie bezieht sich schließlich auf das Bibelwort des Predigteingangs zurück: Dar vmb wer nw zw dem ersten chömen well, den got natürleicher ist dann sy in selber, der merkch dy wart sant pauls: >wir sullen awfstenKernsätze< der Predigt über Rm 13,11 in der Textgestalt der Wahrheitsbeteuerungen sehr eng damit berühren, ist evident: 474

DW II, S. 581,2. DWII, S. 581 Anm. 1. 476 Die Edition dieser Predigt ist für Bd. IV der deutschen Predigten vorgesehen. 477 JOSTES Nr. 82, S. 90,36ff. Vgl. zur edelkeit der Seele bei Meister Eckhart insbesondere auch DW II, S. 528,8 und S. 529 Anm. 1; DW III, S. 79f. und 399f. 478 RUH, Meister Eckhart (21989), S. 190f. 475

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Jch sprich in der warhail wer dy ding recht verstüend im war dy lieb nicht ein tugent von gnaden sunder sy war im natürleich als sy got natürleich ist. vnd got müest in im den awsflus würchen seiner götleichen gothait das er sich awfftat vnd das got aws im erschinn [...] Aber ich sag euch in der warhait dy got selber ist das dy menschen wol zw grasser ler ewiger salichait chömen den sich got also nach irm hertzen geben mues. (f. 313vb).479

66.

f. 314 -315 2 Par. an. Nr. l

Vom vorausgehenden Text durch ein großes rotes Caput-Zeichen getrennt: *T Dar vmb spricht got durch den weissagen Jeremiam. Nembt war dy tag sind chömen das ich den sam Dauits wil erwekchen vnd dy frucht sol weis sein vnd sol vrtail vinden [...315ra...] - wann dy ding möchten der sei nicht frumen an dy verainung gots. Die Eckhart-Predigt480 wurde auch für den Traktat >Von der sei wirdichait vnd aigenschaffi< benutzt (Teil II, S. 353). Mit Par. an. Nr. l beginnt eine Reihe von Eckhart-Predigten aus der Sammlung des >Paradisus anime intelligentis< (Nrr. l, 54, 4, 16, 34, 46). Für die ursprüngliche Version diser Arbeit wurden die Überlieferungsverhältnisse untersucht. Hier kann darauf verzichtet und stattdessen auf Bd. IV der Eckhart-Edition verwiesen werden. Festgehalten sei nur, daß sich die Überlieferung in der Regel in zwei Äste spaltet, wobei die Hss. der >ParadisusVon der sei wirdichait vnd aigenschaffi< verwendet (Teil II, S. 425). 71.

f. 318ra-b DW II Nr. 32 = Par. an. Nr. 34

Durch ein großes rotes Caput-Zeichen vom vorausgehenden Text getrennt: ?T Das dann dy sei Besprechen mag Jch han dy steig meins hawzz peschawt Das ist dy sei perüert mit den obristen chrefften dy ewichait vnd mit den nidristen dy creatur da von sy offt zw vnedelchait tzogen wirt. wann mächt dy sei got als gantz erchennen als dy engel sy war in den leichnam nye chömen [...318 ...] - Das dritt das er sich tziech von irdischer weishait zw ewiger salichait. QUINT hat die Bestandteile der Predigt genannt und den Text abgedruckt.483 Erst wenn man diese Angaben auf den kritischen Text überträgt, wird deutlich, daß Peuger geschlossene Abschnitte aus dem Text tilgte. An der redaktionellen Tendenz ist wieder der Melker Laienbruder erkennbar: Insbesondere fehlt Eckharts Kritik: die vil vastent und vil wachent und gröziu werk tuont [...] die triegent sich selben und sint des tiuvels spot. Die Predigt wurde ebenfalls im Traktat >Von der sei wirdichait vnd aigenschaffi< benutzt (Teil II, S. 431.). Auch dort folgt sie auf Par. an. Nr. 16. 72.

f. 318* Par. an. Nr. 46 (Ausschnitt)

In direktem Anschluß an den vorausgehenden Text: vnd mit dem sol dy sei mit den nydristen chreßen got hie dienn vnd mit den obristen in der ewichait. wann sy ist weder von tzeit noch von ewichait gemacht [...] - vnd mit der sterkch vnd statichait vber wintt sy dy wandelparn ding. [+ ein Satz:] Dar vmb sol man sich halten zw dem vrsprung götleicher warhait vnd weishait durch dy man ewichleich salig wirt. Vgl. oben Nr. 66. Peuger hat den Text der Predigt Par. an. 46484 in dieser Hs., f. 275vb-276vb vollständig abgeschrieben (s.o. S. 221, Nr. 36). Doch wurde für das Exzerpt im Traktat >Von der sei wirdichait vnd aigenschafft< (Teil II, S. 431) nicht die vollständige Fassung, sondern dieselbe Vorstufe wie für das hier vorliegende Exzerpt verwendet. Auch im Traktat folgt exakt derselbe Ausschnitt wie hier auf Exzerpte aus DW II Nr. 32 (oben Nr. 71). Andere Exzerpte derselben Predigt: Cod. 1865, f. 81va"b (s.o. S. 189, Nr. 2) und cod. 235, f. 335va.

483

484

D W II, S. 126. Siehe jetzt DW IV.

250

73.

Kapitel 5: Die Melker Eckhart-Handschriften

f. 318rb [Sechs Dinge, die gut zu halten sind]

Vom vorausgehenden Text durch ein kleines rotes Caput-Zeichen getrennt: «T Sechs ding sind guet ze halten zw geistleicher tzucht. Das erst ist ein tzimleichs genaigts antlitz [...218va...] - Also ist im vmb dy weih da von man harlt an mail chümbt. Derselbe kurze Text noch einmal in dieser Hs. (f. 468vb-469ra), auch in cod. 856, f. 224v-225r (s.o. S. 136 mit vollständigem Textabdruck) und cod. 235, f. 334*"va. Die Fassung hier und in cod. 235 ist ausführlicher als in cod. 856. In cod. 856 geht der Text einem Ausschnitt aus PF. Tr. VI (>Schwester KatreiSchwester Katrei< (= PFEIFFER Tr. VI, S. 467,27^68,28 und 470,5-14 = SCHWEITZER, S. 335,19-337,10 u. 338,3-6 u. 339,29-37) Durch ein großes rotes Caput-Zeichen vom vorausgehenden Text getrennt: ?T Ein andachtige Junchfraw ward in hohe volchömenhait tzogen dy fragt ir peichtuater was sy am maisten zw irer solhen salichait tzogen hiet [...319va...] - des hiet er vor dem ändern ewichleichen mer frewden. Derselbe Auszug in cod. 856, f. 225r-226r. Nähere Angaben siehe dort (S. 136). Ein kurzer Abschnitt auch im Traktat >Von der sei wirdichait vnd aigenschafft< (Teil II, S. 337). Weitere Textbezeugung in cod. 1865, f. 103va106vb und cod. 235, f. 334ra.

Melk, cod. 1865 (586/L5 = Mel) und cod. 705 (371/G33 = Me2)

251

Ein Schlußsatz beendet diesen letzten Block eckhartscher und eckhartnaher Texte, in dem auf das Bibelwort (f. 313ra: Rm 13,11) rekuriert wird: .Dy sei dy ir tzeit all ir tag vertiert hat vnd der wesen got gwesen ist der wesen pleibt got nach sei vnd leib ewichleichen. Dar vmb süllen wir nach den warten sand pauls awfsten vom slaff der sünten vnd süllen aws rechter erchantnus der lieb dar vber rew haben vnd süllen vns aws vns selber erheben vnd aws allen peschaffen dingen awffdas dy war lieb dy got selber ist vnser wesen vnd leben sey.

76.

f. 319va-319vb Gebet Meister Eckharts

In direktem Anschluß an den vorausgehenden Text: wann seit dy sei zw so hohen himlischen dingen peschaffen ist vnd nach got gepilt ist so pitt ich vnd sprich O hoher reichtumb götleicher natur [...319vb...] - got triueltigen in den person vnd ainig im wesen der natur. Amen.

Damit sind die Jahrespredigten beendet. Es folgt ein großes rotes Caput-Zeichen und die Überschrift: Nw heben sich hie an die predig awsser der suntag. Des ersten an sand Michels tag von der ergernüzz. Waren bisher (außer f. 227V = Beginn des Codex) nur 2-3zeilige Initialen verwendet worden, so steht jetzt eine sechszeilige Initiale am Anfang der Predigt MADRE, S. 237 Nr. 2. Das Gebet findet sich auch (umfangreicher) im Traktat >Von der sei wirdichait vnd aigenschafftElsässischen Legenda aureaPlanetentraktat
Sp 257-259, hier Sp. 257f. 487 Verwechslungen mit Nikolaus von Gorran sind innerhalb der Nikolaus-von-DinkelsbühlÜberlieferung mehrfach zu beobachten (vgl. MADRE, S. 300). Peuger dagegen hat den Text korrekt benannt. Ähnlich ist die Zuweisung der Predigt in der Hs. Stockholm, Kungliga Bibl., cod. A 190, f. 390V formuliert. Bei B. SCHNEYER, Repertorium der lateinischen Sermones des Mittelalters, Bd. IV, Münster 1972, S. 255ff. findet sich keine Gorransche Kirchweihpredigt über Lc 19,1. Das Werk Gorrans ist nicht aufgearbeitet. Andere deutschsprachige Übersetzungen sind meines Wissens nicht bekannt. 488 Vgl. S. 186. 489 Vgl. U. WILLIAMS/W. WILLIAMS-KRAPP, Die Elsässische Legenda aurea (TTG 3), Bd. l, Tübingen 1980, S. 314ff.

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QUINT hat einen kurzen Abschnitt des Traktats gedruckt und gezeigt, daß er der Predigt entnommen ist (DW III Nr. 61, S. 30). Vor QUINT hatte SPAMER den Traktat analysiert und darin eine Reihe von Stücken, die sich mit Eckhartpredigten berühren, nachgewiesen.490 Dabei hat er die Ansicht vertreten, ein Teil der Predigt PF. 67,1 (überliefert nur in Wien, ÖNB, cod. 2728, »das in engerer beziehung zu den Melker Hss. steht«)491 sei ein »dispositionsauszug aus diesem planetentractat.« Es verhält sich umgekehrt. Der Text der sehr viel älteren Wiener Hs. bildet das Grundgerüst für den (Eckhart nicht zugewiesenen!) Mosaiktraktat. Peuger füllt das Gerüst mit Texten, die er anderen eigenen Hss., u.a. den Eckhartpredigten der Hss. 1865 und 705 selbst entnahm. Das läßt sich an den folgenden Stellen des >Planetentraktats< zeigen: Die Ausdeutung des zweiten Planeten (Jupiter; f. 433va) ist der Predigt WACKERNAGEL Nr. 62 entnommen, und zwar in derselben Form, die schon der Spruchsammlung in cod. 235 zugrundegelegt wurde: Wann es ist nicht genueg das man dy creatur am wolhaben abschaid sunder man mues sy auch aws der pegier tuen vnd aws treiben aws den zw vallunden pilden die dy sei swarleich vernichten vnd vom mittel abchem.492 Die Ausführungen über den Himmel (f. 436va und 437"*) finden sich so auch in der Melker Fassung der Predigt DW I Nr. 2 (Intravit Iesus).49i Eine andere Stelle wurde der oben vorgestellten, bislang unbeachteten Predigt über Lc 21,28 entnommen: wann ye nahenter dy sunn der erden ist ye mynner sy chrqfft der frucht hat. Der man der ein hefen des himels haisst der ist der erden nahenter dann chain stern vnd hat natürleich prechen vnd ist ettwann Hecht vnd ettwann vinster. Also ist es vmb dy sei ye nahenter sy den tzeitleichen dingen ist ye vnedler sy ist (f. 437 ). Dieser Text findet sich in seiner ursprünglichen Fassung, die oben S. 230, Nr. 53 abgedruckt und erläutert wurde, in dieser Hs., f. 297vb. Ein langes Exzerpt aus der Predigt DW III Nr. 61 beginnt f. 437va: Pey dem himel sol man sunder vier ding versten und endet f. 437vb—438ra: Zwm vierden

490

SPAMER, PBB 34, S. 324f. Anm. 2. Der Text hat nichts zu tun mit der sehr viel umfangreicheren - von der Gattung her vergleichbaren - Auslegung des Himmels und der Planeten in Jans van Ruusbroec >Vanden XII Beghinen< (vgl. Jan van Ruusbroec, Werken Bd. 4, hg. von J. VAN MIERLO und L. REYPENS, S. 67ff.). 491 Vgl. oben S. 216, Nr. 26. 492 Vgl. cod. 235, f. 331va: Wann es ist nicht genueg das man dy creatur am wolhaben abschaid sunder man mues sy auch aws der pegier tuen vnd aws den zw vallunden pilden treiben die dy sei swarleich vernichten vnd vom mittel abchem. (WACKERNAGEL Pr. 62, S. 164, 37f.). 493 Vgl. die Analyse dieser Predigt im Anhang 3 (S. 537), wo auch die Parallelen aus dem >Planetentraktat< abgedruckt sind.

254

Kapitel 5: Die Melker Eckhart-Handschriften

mal macht der himel mit seim influzz dy nidern ding fruchtpar wan er ist ein stuel gots vnd dy erden ein schamel seiner föezz.494 Das darauf folgende Textstück (f. 438ra) entstammt einer vor einiger Zeit von mir entdeckten Predigt Eckharts über Lc 6,19: Ein maister spricht wer arm ist der pegert reichtums vnd wer müed ist der pegert rue vnd wer siech ist der pegert des gesunts.495 Einer der folgenden Sätze ist dem >Schwester-Katrei-Traktat< (PFEIFFER, Traktat VI) entnommen;496 der folgende Abschnitt (f. 438ra) entstammt der Predigt PFEIFFER Nr. 26: wann vnser natur hat an ir das sy dem voter albeg gleich pern wil vnd wurd sy nicht gehinttert so wurd ein sun parn vnd nymer chain tachter.491 Die anschließenden Aussagen über Himmel und Engel (f. 438rb) entstammen der Predigt DW III Nr. 84: Wann da got den himel peschueff da peschueff er in auch voller engel also das ir mer ist dann laub vnd gras, vnd ein yeder engel hat sein sundere natur also das chainer dem ändern gleich ist. Vnd durch ir natur flewst vns herab paide Hecht vnd gab. vnd denselben awsflus raicht gor der sei zw enphahen.49* Darauf folgt wenige Zeilen später ein Auszug aus der Predigt D W I Nr. 19: Vnd das wart das got ewichleichen spricht das leit so tewffin der sei das man es weder wissen noch hörn mag. Da ist ein still an lawt vnd dy höchsten chrefft pieten den nydristen.499 Im folgenden Abschnitt hat Peuger den Text seiner Quelle umgestellt und bearbeitet: vnd got lokcht vns zw im mit seim lan als ein lamp mit eim grüenn laub von ainer stat zw der ändern gelokcht win. vnd als das got zw lan geben mag das ist er selber, wann an dem tag da sand Augenstin pechert wart da chund er nicht ersatt wem in dem wunnsamen lust den er het von der huet dy got der sei legt da mit er sy zw im pechert (f. 438va). Der Text entstammt der Predigt Par. an. Nr. 16 und lautet in seinem ursprünglichen Zusammenhang (zitiert nach dieser Hs., f. 317ra-318ra):

494

Abdruck des Exzerpts und Identifikation mit den entsprechenden Stellen der Predigt durch QUINT DW III, S. 30. 495 Vgl. Lo4, f. 154va: Ein meister spricht wer arm ist der gert des richtüms wer müde ist der gert der ruwe wer sich ist der gert der gesüntheit. 496 wann der Daner chümbt von nichte anders dann von vngleichait (f. 438ra) = PF., S. 466,32f.: Die meister sprechent, daz der tunre kome niergen von denne von ungltcheit. 497 Vgl. PF. Pr. 26, S. 100,37ff. 498 DW III Nr. 84, S. 457 in der Fassung von Me2B10. 499 DWI, S. 312.

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als seltzam ist der weg zw got da mit er ainn mit lust zw im tzewcht vnd den ändern mit vngemach vnd siegen. Als sand pauls wunderleich pechert wart da er am weg was dy christen ze slahen vnd am tag dar an sand Augenstin pechert wart chund er nicht ersatt wem von dem wunderleichen lust den er het an der huet dy got der sei legt da mit er sy zw im chert (f. 317* = Par. an. Nr. 16, S. 39,29^0,2). [...] wann wer vor alter oder von chrankchait leipleiche werch nicht vermag der halt sich an dy ynnern geistleichen werch dy edler vnd grosser sind dann dy awzzern werch. wann der guet willen vnd dy lieb pehalten im den lan. wann got der herr lokcht vns zw im mit seim lan als das schaff mit eim grüenn lawb von ainer stat an dy ander gelokcht win. Das lan ist als das got vermag (f. 317vb = Par. an. Nr. 16, S. 41,16-24). Der Nachweis, daß Lienhart Peuger selbst der Kompilator des >Planetentraktats< ist, beruht nicht nur darauf, daß die verwendeten E c k h a r t texte PeugerHss. entnommen sind. Vielmehr wurde für andere Abschnitte auch auf Texte zurückgegriffen, die sich in anderen Hss. Peugers in ursprünglicher Form finden. Man vergleiche den >Planetentraktat< des cod. 705, f. 436va~* mit der Ausgangsversion der Gregorschen >Dialogi< aus cod. 220, f. 212va-213ra. Die Verwendung der >DialogiPlanetentraktat< reicht bis f. 437ra.501 Peuger hat sie im Vergleich zur (vollständigen) Übersetzung des cod. 235 etwas überarbeitet und sprachlich geglättet. Fazit: Der >Planetentraktat< ließe sich genauso in seine einzelnen Bestandteile zerlegen wie dies hier (in Teil II) für den Traktat >Von der sei wirdichait vnd aigenschafft< unternommen wird. Er enthält eine Fülle von geistlichen Ausdeutungen Eckharts und anderer, die Peuger zu den Stichworten >Himmel, Sonne, Mond, Sterne< aus eigenen Abschriften zusammentrug. Welchen Zweck er mit der Kompilation des Traktats verfolgte, läßt sich recht gut anhand einer Passage zeigen, die er der schon erwähnten Predigt über Lc 6,19 entnommen hat. Zunächst folgt er dem zweiten Teil dieser Eckhart-Predigt, wenn er den armen Menschen so definiert: Der war ein rechter armer mensch des geists der als das het das got peschaffen hat vnd da pey an seim geist chain aigenschafft leiden macht. Dar vmb wer recht well arm sein, der geh alle gab dy er nach sei vnd leib enphangen hat vnd opphere got alle tag rain vnd lawter hin wider von dem er sy hat.502 Soweit also übernimmt Peuger in seinem >Planetentraktat< Eckharts Definitionen eines armen Menschen. In der Folge aber bezieht er den Begriff ganz 500

Zur Überlieferung der >Dialogi< in Melk auch KELLER, S. 50-254 (ohne dieses Exzerpt). Darauf folgt ein weiteres Eckhartexzerpt. 502 Vgl. die Fassung der Predigt in Lo4, f. 156ra"va. Vgl. zu dieser Predigt in Lo4: LÖSER, Der niht enwil, S.412ff. 501

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konkret auf sich und auf seine Mitbrüder: dy recht willigen armen des geists sollen inn chlöstern sein vnd sollen zw der tugent chewsch vnd geharsam halten (f. 435va).503 An zwei Stellen des Traktats >Von der sei wirdichait vnd aigenschafft< wurden dieselben Vorlagen wie für den >Planetentraktat< verwendet. (Teil II, S. 337 u. 355). f. 439ra-446va: Dy nachgeund predig hat gemacht der pabst honorius awff den suntag den man nennt sexagesima = Honorius Augustodunensis, >Sermo generalis< - f. 446va-462rb: Extra sermonem M. Nicolai. Von verpinten vnd glüh tuen (446va) Von gedult (450rb) - Von neid vnd has (450vb) - Hie sol man merkchen von xv schueln vnd chünsten mit fümflay vnterschaid geistleich awsgelegt (452"*) = Johannes Nider, >Die 24 goldenen Harfen< (Auszüge; vgl. cod. 856).504- f. 462rb468vb: Hie her nach genn tzway guet predig dy ein maister zw Saltzpurg predigt hat = Niklas von Salzburg.505

78.

f. 467vM68ra

QUINT hat auf das Eckhart-Zitat »innerhalb einer Predigt eines Meisters zu Salzburg, das SPAMER übersehen hat und das sich in seinem Umfang wohl nicht abgrenzen läßt«, hingewiesen und den Beginn des nicht identifizierten Zitats abgedruckt.506 Bei der Predigt handelt es sich um Niklas von Salzburg, >Von den fünf Eingängen Gottes in die SeeleKlosterkollazieNachtragspredigt
Planetentraktatbürgelin-Predigtgrammatikalische Änderungen umschreiben kann. Singular und Plural, Tempus, Modus Es findet sich in den erwähnten sechs Predigten nur zweimal ein Wechsel zwischen Singular- und Pluralformen. Beide Male setzt Peuger den Singular statt des Plurals ein:

7 8

Vgl. auch LÖSER, Nachlese und ders., Der niht enwil. Par. an. Nr. l, 16 und 46; PFEIFFER Nr. 108 und 109 und D W III Nr. 84.

Lienhart Peuger als Redaktor

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DW III 84, S. 458,4f.: waz in gote lieht und wesen ist, daz ist in den creatüren vinsternisse /... der creatur DW III 84, S. 459,5: und alle creatüren begernt wisheit/... creatur begert...

Einmal findet sich eine Veränderung des Tempus: DW III 84, S. 455,4: alle mine gedanke, die ich ie gedächte/... gedacht han

Einmal wird eine längere Passage konsequent vom Konjunktiv in den Indikativ gesetzt: DWIII 84, S. 460,7-461,1: daz viur würket; mähte ez allez ze viure machen, daz bi im waere ez teste ez. Also taete ouch daz wazzer mähte ez auch allez daz ze wazzer machen und benetzen allez daz bi im wire/... ist... tuet... pegiezzen das vmb es ist

Einmal findet sich der umgekehrte Vorgang: PF. Pr. 108 K 187: als verre einer creature mügelich ist/... war

Einmal auch wird ein Genitiv ersetzt: PF. Pr. 108 K 197: daz irr [der Werke] niemant geergert werde/... da von ...

Hieraus lassen sich keine Tendenzen im einzelnen erkennen, wohl aber die hinsichtlich grammatikalischer Änderungen ausgesprochen zurückhaltende Redigierung Peugers. Endstellung des Verbs im Nebensatz In einem Teilbereich der Syntax kann von Zurückhaltung nicht die Rede sein: die Endstellung des Verbs im Nebensatz ist in allen untersuchten Texten nahezu konsequent durchgeführt. Hier nur einige Beispiele: Par. an. l K 223f.: [die Liebe,] ane dy der mensche nicht mag czü dem hymmilriche körnen / an dy chain mensch zum himel chömen mag Par. an. l K 153f.: [der Sohn,] der ein wisheit ist des voters / der des voters weishait ist

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Kapitel 8

PF. Pr. 109K250f.: wann die bekantnisse rüeret unsern Herren got/... erchantnus gotperüert PF. Pr. 109 K 234: welches der wäre kerne st des ewigen lebens / weligs der rechte ehern des ewigen lebens sey DW III 84, S. 457, 4f.: und allez, daz got geben mac, daz ist allez einer sele ze kleine, enga?be sich got nicht selber in den gäben /... war der sei als zw wenig ob sich got selber in der gab nicht gab

PF. Pr. 108 K 125ff.: vnd alle die scelicheit, die die heiligen besezzen habent in dem himelnche/... im himel pesezzen haben PF. Pr. 108 K 122f.: Alle die gnade und scelicheit, die da lit an allen guoten werchen/ ... an gueten werchen leitt PF. Pr. 108 K76f.: Diu sele, diu got Hep hat und entbrant ist in heizer begerunge/... vnd in heisser pegier print PF. Pr. 108 K 193f: Daz dritte ist, wie die Hute suln sin, an den disiu dinc suln geschehn/... sein süllen ... geschehen süllen ...

Endstellung des Infinitivs Ebenso zahlreich sind die Stellen, in denen Peuger den Infinitiv ans Ende stellt: PF. Pr. 108 K 174f.: Dar umbe sol die sele gereiniget und geliutert werden und sol gern mit aller craft libes und sele / Dar vmb sol dy sei lawter vnd rain sein vnd sol gar schön wem vnd sol mit gantzer pegier aller irer chrefft pegern PF. Pr. 109 K 107ff.: Also sal sich der mensche bestetigen vnd Sterken mit vorbedachten dingen/... mit vor pedachten dingen sterkchen

Par. an. l K 20f.: vnd dyfrucht sal wise sin vnd sal vinden orteil vnd machen gerechtikeit in ertriche / ... vrtail vinden vnd awff erden grechtichait machen

Lienhart Peuger als Redaktor

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Verknüpfung < Die Umstellung des Verbs resultiert oft auch aus Peugers Vorliebe, ursprünglich kürzere und selbständige syntaktische Einheiten miteinander zu längeren Gebilden zu verknüpfen: PF. Pr. 109 K98ff.: Aaron beczeichent ein stete gemute. Das ist, das sich der mensche alle czit sal bereiten keyn der bekorunge / Aaron pedewtt einn stäten muet mit dem sich der mensch altzeit gegen der anweigung peraitten sol DW III 84, S. 455,6-456,1: Von dem enwil ich nü niht me sprechen. Durch vier dine sol diu sele >üfstän< und wonen hoben ir selber /, von dem ich hie nicht mer reden wil, sunder wie dy sei sol vber sich tzogen werden vnd vber ir selber wanen durch vierlay ding wegen DW III 84, S. 460,3-6: Diu sele muoz ouch hoben ir selber wonen, sol sy got begnfen. Wan alliu dine würkent sich selber; ein ieglich würket sine nature. Warumbe enwürket diu nature des apfelboumes niht win, und warumbe enwürket der wmstock niht epfel? / wan wil dy sei got pegreiffen, so mues sy ir wanung vber sich selber setzen, wan ein yede natur wurcht das ir, wann des apphels pawm mag nicht wein würchen noch dy natur des weinstokchs öpphel

PF. Pr. 108K219ff.: und mit maze sol si [die Seele] gebrächen aller dinge. Dy sele hat liden und anevehten an dem nidersten teile, wan die ist so wandelhafiig und unstcete von den dingen, die in der zit laufen. Mit der lidunge und anevehtunge kaufet si die gotheit / und prawchen, wann an den nydristen chrefften hat dy sei leiden vnd anweigung, wann sy wandelpdr vnd vnstat ist von den dingen, dy in der tzeit vmblawfen, vnd mues mit leiden vnd anvechtung dy gothait chawffen

In den beiden letztgenannten Bereichen sind die Belege so häufig, daß sich Endstellung des Verbs und syntaktische Verknüpfung als Charakteristika der Bearbeitung durch Peuger erkennen lassen. Präfixe Ebenfalls nicht nur Einzelerscheinungen, sondern Änderungstendenzen ergeben sich im Bereich der Präfixe. Zwar sind die Umsetzungen von gebrächen in prawchen (PF. Pr. 108 K 219), geschaffen in peschaffen (DW III 84, S. 462,2), vorgenglich in tzergankleich (Par. an. 46 K 44) und bevilhe in enphilich (PF. Pr. 109 K 262) nur jeweils einmal zu beobachten, doch läßt sich allgemein feststellen, daß Peuger erchantnus, nicht bekantnisse verwendet und daß sein Verb erchennen, nicht bekennen ist: bekantnisse ist konsequent durch erchantnus ersetzt (PF. Pr. 109 K 236, 241 u. 251; Par. an. 16 K 156; Par. an. 46 K 192 u. 205), bekennen durch erchennen (PF. Pr. 109 K 221 u. 301; Par. an. l K 117 und 121; Par. an. 16 K 159).

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Kapitel 8

Wortersatz (Einzelbeispiele) Sehr ausgeprägt ist Peugers Änderungswille in dem gesamten Bereich, der sich mit dem Stichwort >Wortersatz< umschreiben läßt. Hier läßt sich eine Fülle von Einzelbeobachtungen machen, die bei Heranziehung weiterer Predigten z.T. Tendenzen erkennen lassen würden, wie sie sich für einige Lemmata bereits in den sechs genannten Predigten ergeben. Es soll aus der Fülle des Materials zunächst Wortgut ausgewählt werden, das jeweils nur einmal ersetzt wird, während häufiger umgesetzte Wörter anschließend besprochen werden. Bemerkenswert zurückhaltend agiert Peuger dabei im Bereich der K o n j u n k t i o n e n (abgesehen von dem häufig eingefügten wan), A d v e r b i e n und A d j e k t i v e , wobei sprachgeographisch bedingter Wortersatz (vntz statt bis in PF. Pr. 108 K 101 und K i l l ) eher selten ist. Einmal findet sich seit statt Darumbe, wann (DW III Nr. 84, S. 455,3), einmal ettwas statt iht (DW III Nr. 84, S. 458,3). Weitere Beispiele für einzelnen Wortersatz: DW III 84, S. 455,5: so enhcete ich nicht wan ein wort/... nwr ... DW III 84, S. 457,4: und allez, daz got geben mac, daz ist allez einer sele ze kleine engcebe sich got niht selber/... zw wenig ...

Par. an. l K 34: Augustinus da er noch vnbekart was/... nicht pechert... PF. Pr. 109 K 103: so ist sy öm deste lichter czü lyden/... dann ringer ...

Par. an. 46 K 76f.: ein vorsehende swigen / entzige sweig

Auffällig ist dabei, daß selbst an einer Stelle, an der relativ zahlreiche Einzeländerungen vorgenommen werden, die inhaltliche Essenz nicht eigentlich verändert wird: Par. an. l K 38ff.: Es ist ein iemerlich ding das der mensche von dem ist an dem er nicht behegelich mag gesin / Dar vmb ist es ein pdrmchleich ding so ein mensch an das guet ist an das er got nicht gevallen mag

Höher (und das letzte Beispiel stammt bereits aus diesem Bereich) ist die Änderungsfrequenz beim Ersatz von Verben.

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Par. an. 1 K 109ff.: mogelicher ist das daz hymel vnd erde sich wandele dan dy wort vnsers hern gewandelt mögen werden / wann es ist mügleicher das himel vnd erden vergenn dan dy wort gots PF. Pr. 109 K 33: Oüch wissen es alle creaturn / wann das ertzaigen auch alle creatur PF. Pr. 109 K 52: wan den menschen icht werret/... petruebt

PF. Pr. 109 K 248ff.: gib in daz ewic leben, daz ich in gelobet habe /... verhaissen ...

Par. an. l K 105: Sehit / Nembt war PF. Pr. 108 K 211: Dise einunge hat unser herre Ihesus Christus uns allen gegeben/... pracht

DW III 84, S. 455,4f.: Mähte ich alle mine gedenke, die ich ie gedähte oder iemerme gedenken sol, in einem gedanke begrifen/... haben DW III 84, S. 457,4 daz biutet got der sele ze empfähenne/... reicht...

Als letztes Beispiel in dieser Reihe kann der Ersatz des (laut Ausweis der Belege bei LEXER und GRIMM hauptsächlich im mitteldeutschen Raum verbreiteten) Verbs gezwidigen dienen. Wer so betet, führt Eckhart aus, dem wird seine Bitte gewährt: so win man geczwidigit / so chumbt man zu dem (PF. Pr. 109 K 151 f.). Ebenso zahlreich sind die Belege für Wortersatz im Bereich der S u b s t a n t i v a, wobei sich auch hier eine gewisse Tendenz erkennen läßt, aparte Wendungen durch allgemein verständlichere (wie z.B. im Verb-Bereich: werret /petruebt; geczwidigii) aber auch weniger präzise Ausdrücke (begrifen/ haben) zu ersetzen. So wird etwa Eckharts ungewöhnliche und innerhalb der deutschen Werke nur einmal belegte Formulierung, der Mensch solle den anderen Menschen eine wante (= Wendung; ker) zu Gott sein, von Peuger substituiert: PF. Pr. 108 K235f.: daz er si ein lieht und ein want den Hüten zuo gote / das er damit ändern ein liecht vnd weg zu got sey

Statt vom entspring götlicher clarheit spricht Peuger vom vrsprung (Par. an. 46 K 67), und statt vom vel des Menschen von seiner hawt (PF. Pr. 108 K 166).

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Kapitel 8

Fiel bereits im vorletzten Beispiel auf, daß Peuger das Wort Hute meidet, so ersetzt er es an anderer Stelle der selben Predigt (PF. Pr. 108 K 193f.) durch menschen und in Par. an. 16 (K 91) cristen lüde durch christen. Weitere Beispiele: In der Predigt Par. an. l (K 320) spricht Eckhart von Christus als einem spigel one flecken, Peuger von einem spiegel an mail. Par. an. 46 K 236ff.: Dy boszheit ist öm von der pein nicht ankörnen. Sündir dy boszheid wirt geoffenbart in der pein / das vbel ist in von der pein nicht an chömen sunder das vbel der vngedult wirt in der pein offenbar

Ebenso konsequent wie hier boszheit durch vbel wird an anderer Stelle yniclich und ynikeit durch andachtichleich und andacht ersetzt: Par. an. 46 K 79ff.: man mag ynniclicher messe horn dan messe spreche : wolde ein prister suchen czü vel ynnikeit an der messe, er machte thün das schedelich were. Min rat ist, das man suche vor vnd nach ynnikeit Vnd wan man ein werk thün wel, das man es redelich thü. Wolde ein prediger ynikeit suchen an der predigate er mochte sine rede nicht wol gethün. mir genüeget wol, das ich halb also vel ynnikeit heile in der predigate also ich haben mag also ich sy bedenke / Dar vmb mag man andachüchleicher mezz hörn dann mezz lesen, wolt ein priester in der mezz ze vil andacht suchen er macht tuen das vnpeschaiden war. Dar vmb ist mein rat das man vor vnd nach andacht suech vnd was noch man tue das man es arnleich tue. wolt ich andacht in meiner predig suehen ich wurd gehintert an meinn Worten Mich genüegt wol das ich in der predig nwr als vil andacht hob das ich sy pedenkch.

Wortersatz (konsequent) Konsequente (oder nahezu konsequente) Umsetzung läßt sich für eine Reihe von Wörtern (auch über einzelne Predigten hinweg) feststellen. So meidet Peuger das von Eckhart ab und an gebrauchte Verb prüeven und ersetzt es durch andere Wendungen: PF. Pr. 108 K 24: Zwo dem ersten prüeven wir die liebe / Des ersten sol man dy lieb merkchen

Par. an. 46 K 213: Dis hatte wol geprüfet sancta elizabeth / Das hat sand elizabet wol erchannt

Statt sprechen bevorzugt Peuger reden: DW III 84, S. 455,6: Von dem enwil ich nü niht me sprechen/... reden

Lienhart Peuger als Redaktor

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PF. Pr. 109 K 16: Er hatte ein wort gesprochen/... geret

In der Eucharistie wird Gottes lichnam nicht >empfangen< sondern genommen interessanten< Teile entnimmt. Verzicht auf Beispiele Dieses Kürzungsverfahren läßt sich näher bestimmen. So werden zwar Eckharts inhaltliche Aussagen (in der Regel), wenn auch z.T. verkürzt, korrekt wiedergegeben; auf deren nähere Exemplifikation aber wird oft verzichtet: PF. Pr. 109 K 36ff.: wan man ön [den Kreaturen] schaden wel so flyn sy in ör behald. darumme ist das wan der mensche in noten ist so wirt er bleich das dy natur czumal sich vorczit des libes vnd flüt czü dem herczen wan da der begyn vnd der born des lebens in dem herczen ist/ darumme . . . herczen ist fehlt Ein solcher Verzicht auf die Beispiele Eckharts zeigt sich auch in Par. an. 46 K 162-191, wo im Anschluß an Eckharts von der dionysischen theologia negativa geprägte These, man könne positiv von Gott nichts aussagen, die ganze folgende Passage durch Peuger gestrichen wird: wer von gote allermeist kan der vorlauket sin aller meist. Alse man prüfen mag by eyme schiffe wolde ich eyme wise ein schiff der es nie gesen hatte ich spreche es ist nicht von eyme steyne noch vireckecht Itczyunt hette ich om etczwas bewiszt von dem schiffe. Czwene meister warn an gebete der eyne riff vnsern hern got an by siner gewald und wiszheit Der ander sprach: swig du lesters. got ist so hö obir alles das wir gespreche mögen were got so otmütig nicht vnd hetten es dy heyligen

288

Kapitel 8

nicht gesprochen vnd hette es got von ön nicht geannamt ich torste ön nummer mit warten geloben fehlt PF. Pr. 109 K l B f f . : dy bürnende Übe. Also dy brüt spricht in der Übe buch das dy übe sterker ist dan der tod [Cant. 8,6] vnd ein meister spricht Das dy übe vnd dy togent machen den menschen vnmogeliche ding mogelich czü ton. Also ist es vm vnrechte libe vnd leide dy sin also kreftig das kein mensche also kreftig mag gesin er hüte sich dan sy mögen ön vellen. / dy prinund lieb dy sterkcher ist dann der tod vnd vnmügeliche ding mügleich macht ze tuen. Die These (die Peuger übernimmt), daß der geistliche Mensch sich selbst besser erkennt als der leibliche Mensch, erläutert Eckhart durch ein von ihm gern gebrauchtes Beispiel aus der Optik, das Peuger streicht: PF. Pr. 109K294ff.: Also daz sehen des ougen, daz gegozzen ist üf zuosamen gesalzte dinc, enkan sich selber nicht besehen, wan ez üf ander dinc gegozzen ist, also bekennet ein vleischlich mensche baz ander Hute danne sich selber fehlt Kürzung von Rückverweisen Als für die Echtheitsdiskussion der in Peugers Hss. überlieferten Eckhartpredigten von Bedeutung erweist sich besonders die Kürzung von Rückverweisen. So war ein Echtheitsnachweis qua Rückverweis (in QUINTS hierarchischer Ordnung der Echtheitskriterien immerhin das dritte Kriterium)9 für die Predigten PF. Pr. 108 und 109 nicht möglich, solange beide nur aus der Peugerhs. Me l bekannt waren, nach der allein PFEIFFER sie gedruckt hat. Erst aus später aufgefundenen Hss. (z.T. erst aus Lo4) ist bekannt, daß beide Predigten ursprünglich jeweils einen von Peuger getilgten Rückverweis aufweisen. PF. Pr. 108 K202ff.: Die erste reinecheit sol sin den obersten kreften der sele als ich ouch me gesprochen hän, daz dem manne daz houbet blöz sol sin und der vrouwe bedecket, daz ist, daz die obersten krefte blöz und unbeworren suln sin, daz sich die sele genzlich gote müge bereiten an den höchsten/... also das sy plas vnd vmpechumert sein süllen aller tzeitleicher ding vnd sich got am aller höchsten erpieten müg.I0

9 10

Vgl. DW l, S. XlXf. und DWII, S. VIII-X; STEER, Echtheit u. Authentizität, S. 46-48. Konsequent bearbeitet hat Peuger im Anschluß dann auch den Abschnitt K 214ff.: Daz den vrouwen daz houbet bedecket sol sin, daz ist als vil, daz diu sele mit den nidersten kreften mit maze enpfähen sol daz dienst der creatüren / vnd nach den nydristen chreften sol dy sei den dienst der creatur mit mazz enphahen.

Lienhart Peuger als Redaktor

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PF. Pr. 109K269ff.: >Ich wil, daz si mit uns ein sin als ich und du ein sint< daz ist an rehtem bekantnisse vnd übe. Dar umbe daz der sun genzliche bekennet den vater, so hat er in liep volkumenltche und ist ein warer got mit im. Ich habe ez ouch me gesprochen: Ware ez mügelich, daz der mensche also genzliche bekennet got, als unser herre Ihesus Christus, er hette in liep also volkomenliche und würde genzliche ein mit ime fehlt

Daß Peuger dazu tendiert, die Rückverweise Eckharts zu tilgen, geht nicht nur aus den hier untersuchten sechs Predigten hervor: Schon SPAMER hat dieselbe Beobachtung auch für die Predigt JOSTES Nr. 77 (jetzt DW II Nr. 58) gemacht.11 Umgekehrt ist bei der vergleichenden Lektüre aller von Peuger überlieferten Eckhartpredigten (nicht nur der hier behandelten sechs) kein Fall begegnet, in dem Peuger selbst einen zusätzlichen Rückverweis eingefügt hätte. Das heißt: Rückverweise aus Predigten, die nur in Peugerhss. bekannt sind, sind mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit ursprünglich. Inhaltliche Änderungen Im letzten hier angeführten Beispiel hat Peuger mehr getilgt als nur den Rückverweis: Es fehlt in seiner Abschrift die gesamte Passage, die den Gedanken der Unio hervorhebt. Hier zeigt sich, daß Peugers Kürzungen also auch hinsichtlich des Inhalts der Predigten relevant sein können. An einigen Stellen greift er ein, um Äußerungen Eckharts, die ihm als zu >radikal< erschienen sein mögen, zu streichen oder zu bearbeiten. Dies betrifft vor allem die subtilia, (wie im letzten Beispiel) den Aspekt der unio qua Univozität, die von Eckhart nicht selten formulierte Gleichheit des Menschen im Hier und Jetzt und der Heiligen im Himmel im Zustand der visio beatifica sowie die von Eckhart in einigen Texten behauptete Möglichkeit des Verzichts auf Werke der Barmherzigkeit. Im folgenden werden alle in den sechs untersuchten Predigten vorgenommenen inhaltlichen Änderungen Peugers verzeichnet. Relevanz und Eindeutigkeit dieser Eingriffe sollten nicht darüber hinwegtäuschen, daß ihre Zahl niedrig ist; der Impetus von Peugers Redaktion ist bei allen Änderungen ähnlich und klar definierbar: Par. an. l K 116ff.: da dy alden veter bekanten das iammer da sy an warn da schrieten sy mit erer gerunge in das hymmilrich vnd worden in got geczogen mit orme geiste vnd lasen in göüicher wisheit daz got geboren wolde werden in menschlicher natur der vns losen solde von aller vnser iamerkeit / wann da dy alten vater das eilend "SPAMER, PBB 34, S. 362.

290

Kapitel 8

erchannten dar inn sy warn da schrlern sy mit grozzer pegier zw got das er chain vnd sy erlöst PF. Pr. 108 Schluß: Ich spriche daz genzltche: Wcere der mensche also diemüetic und also bereit als sente Paul, got der gebe ime also graze gnade als sante Paul. Ich bin des gewiz: Mähte der mensche also gröze diemüeticheit gehaben als Maria, gotes muoter, er besaeze die selbe saelecheit in dem himelriche, die si besezzen hat / wann vnser fraw hat sich mer irer diemuetichait gerüembt dann chainer ändern tugent Par. an. l K 13Iff.: auch ist das war wer ein trunk kaltes wassers gebit sime eben criste in der ewigen Übe da got mensche ynne warden ist dem werden alle sine sünde vorgeben vnd ich nemes uf myne sele: wer einen guden gedanke vnserm hern gate opphert in der ewigen Übe der win beholden dar vtnme darffder mensche nicht vorchten den tufel noch dy werlt noch dy eygen wollust sins fleisch Joch got darff er nicht vorchten fehlt

Eine sehr nahe Parallele zu diesem Eckharttext wie zu Peugers Vorgehen bietet Par. an. 16 K 286ff., wo Eckhart betont (ich zitiere nach Me2), ob aller sei chraffi in ainer sei war so möcht sy hie den mynnisten Ion nicht enphahen der von dem mynnisten were h chümbt. Wenn Peuger diese Formulierung noch übernimmt, so streicht er - wie unabhängig von ihm auch der Redaktor der >ParadisusParadisusradikal< klingen konnten - und Eckhart selbst wußte wohl darum (deshalb die Wahrheitsbeteuerung!) - und Mißverständnisse provozierten (vgl. Bulle >In agro dominicoParadisus< wie der Melker Laienbruder Lienhart Peuger den Passus gestrichen. Daß die Kürzungen unabhängig voneinander erfolgten, geht aus der Tatsache hervor, daß Peuger eine Vorlage benutzt haben muß, die Eckharts Text vollständig überlieferte. 12

Vgl. LÖSER, Als ich ml, S. 215.

Lienhart Peuger als Redaktor

291

(Dies belegt ein Rudiment des hier gestrichenen Passus in der neuentdeckten Eckhartspruchsammlung der Peugerhs. 235 [639/L67 = Me5], f. 333V).13 In dieselbe Stoßrichtung (Betonung der Werke) zielen - stärker noch als die Kürzungen - die Eingriffe Peugers, die sich unter dem Stichwort weitergehender Redigierung oder inhaltlicher Veränderung zusammenfassen lassen: Par. an. l K 26ff.: Noch der achte der sunde so ist der mensche verre von gode dar vmb ist eme daz himelriche als ein verre fremede lant / pey dem verren lannt ist ein yeder sünter pedewt der gar verre vom himel ist zw dem sein guete potschaffi tagleich chömen solt: stät rew vnd andacht gueter werch.

In derselben Predigt erläutert Eckhart wenig später, warum der Vater dem fürsprech Christus nichts versagen kann: wan er sin wiszheit ist. Er mag keyn eme nicht gefechten wan er sin craft ist. dar vmme darffder mensche got nicht vorchten Er möge mit allen synen Sachen kvnlich czu gote gein / vnd vmb das mag der sünter allzeit sicher zw got lawffen vnd mag mit rew in seim sinn pitten Vergebung seiner schuld. Aber wer das versmacht ze tuen der get gein hell, wann der tod ihesu christi chümbt nyemt zw staten an guete fleissige vnd vermügende werch.

Dies ist nun ein sehr weitgehender Eingriff in Eckharts Text und in den untersuchten sechs Predigten nimmt diese Stelle deshalb eine gesonderte Position ein. Gegen Ende der Predigt Par. an. l (K 267ff.) fügt Peuger dann die Mahnung zu tätiger Reue, die Eckhart nicht (oder hier nicht) im Sinn hat, wenn er von der Möglichkeit der Rückkehr zu Gott spricht, noch einmal in den Text ein: vnd nü ist das hymmilrich uffen an allerley hüte dar vmme mag der mensche künlich czü gote gen / Vnd mit dem ward das reich der himel awfftan also das ein yeder mensch mit rew vnd puezz da hin chömen mag.

Bei Eckhart kann der Mensch künlich czü gote gen, bei Peuger bedarf er der Reue, der Buße und der guten Werke. Textzusätze Qualifiziert man die Worte mit rew vnd puezz als Zusatz, so liegt hier einer der sehr wenigen Textzusätze Peugers vor (in den sechs untersuchten Predigten finden sich noch ganze drei ähnliche kurze Zusätze):

13

Vgl. S. 90.

292

Kapitel 8

DWIII84, S. 464, l f.: also mac man ouch sterben von vroüden/... frewden diser weit Par. an. l K 295ff.: [Durch Christi Taufe im Jordan wurde allen Wassern die Kraft gegeben] wan der mensche getauft wirt das er gereynigt wirf von allen syn Sünden / wer darinn tawfft wirt nach rechter arnung der wirt erledigt von den anparn sünten

Par. an. l K 150: [Christus hat uns so] thüre irarnit / fewer mit seim pittern tod erarnt vnd mit seim heiligen pluet

chawfft

Hier tritt Peugers ausgeprägte Christusfrömmigkeit, seine Andacht zum Leiden Christi in den Vordergrund, die ihren Ausdruck sonst etwa in der bildlichen Darstellung der >Arma Christi< (jeweils im Vorderspiegel nahezu aller Melker Peuger-Hss.) oder in den Gebeten des Codex 1569 (615/L27 = Me3) f. Or findet. Insgesamt zeigen die Veränderungen des Inhalts wie die noch selteneren Textzusätze Peugers einen sehr bewußt eingreifenden Redaktor, dessen Interesse weniger theologischen Streitfragen, sondern der Katechese und der gelebten Frömmigkeit gilt. In diesem Sinn hat er Eckharts Predigten gekürzt und bearbeitet. Dies zeigen vor allem die wenigen kurzen Textzusätze, unter denen zwei durch ihre Länge aus dem gewohnten Rahmen fallen: Alle anderen Textzeugen der Predigt PFEIFFER 108 beschließen den Text mit Eckharts emphatischem Ausruf Ich bin des gewiz: Mähte der mensche also graze diemüetecheit gehaben als Maria, gotes muoter, er besaeze die selbe saelecheit in dem himelriche, die si besezzen hat; wie oben gezeigt, ist in Peugers Bearbeitung davon nur die Betonung der diemuetichait vor aller ändern tugent geblieben. Während alle anderen Textzeugen nun noch einen knappen Schlußsatz (Daz uns daz geschehe des helfe uns got. Amen.) bieten, so folgt in Peugers Hs. (Mel) ein längerer Text: Ein yede geschikchte sei wolt albeg gern vasten wachen vnd chainn lust des leibs haben, vnd als vil es an ir ist, so wolt sy an vnterlas an got gedenkchen von dem sy chömen ist. vnd seit sy ein geist vnd der engel swester ist, So wolt sy gern ein englisch leben haben. Aber dy weil dy sei peswdrt ist mit dem tödleichen leichnam so mues sy iamer vnd nat leiden mit tagleichem streit wider ir veint. Doch sol man nicht glauben, das alle pöse naigung allain von natur chömen sunder sy chömen auch von pöser gewanheit der sünten. wir wem also von vnsern veinten nicht vberwunten als man want, wann sy sind wol antzünter pöser ding aber nicht ein sach, sunder im menschen ist ein verpargens fewer, das chan der tewfel wol schürn vnd antzünten. Aber wer dem widerstet, der verdient grassen lan. wann das geistleich haws vnser sei chan nymmer verprinnen, es sey dan das der ekstain christus vor verlriben sey mit todsünten vnd darumb süllen wir got pitten:das er vns das

Lienhart Peuger als Redaktor

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wasser der rew geh mit dem wir gewaschen wem von allen vnsern sünten vnd das ewig leben verdienn. Amen.

PFEIFFER hat diesen Text als Bestandteil der Eckhartpredigt 108 angesehen und (S. 357, 7-24) abgedruckt. Ein Abschnitt (wer dem widerstet, der verdient grassen lari) begegnet ähnlich, ja schärfer formuliert auch bei Eckhart, der betont, »die Anfechtung und Versuchung zur Sünde [dürfe] dem Menschen nicht genommen werden, denn die Neigung zur Sünde treib[e] ihn positiv zur Tugend«: In der wärheit, dem reht wäre, haete der gewalt ie wünschenne, er ensölte niht wellen wünschen, daz im vergienge neigunge ze den Sünden, wan äne die stüende der mensche ungewis in allen dingen und in allen stnen werken und äne sorge bi den dingen und darbete auch der eren des strites und siges und des lönes; wan der anstöz und diu bewegunge der untugent diu bringent die tugent und den Ion in dem müejenne.14

Freilich ist die Auffassung vom Lohn, den man sich im Kampf gegen die Sünde verdient, nicht nur bei Eckhart zu finden; und andere Abschnitte des Peugerschen Plustextes laufen Eckharts Lehre zuwider. So ist die scharfe dualistische Scheidung zwischen sei und leichnam so sicherlich nicht eckhartisch,15 so wird gerade die Überbetonung von vasten und wachen von Eckhart abgelehnt.16 Zusätze durch Kompilation Tatsächlich handelt es sich bei dem Peugerschen Plustext in der Predigt PFEIFFER 108 weder um einen Text Eckharts noch um einen von Peuger selbst formulierten Zusatz. Vielmehr läßt sich der gesamte Abschnitt als nur leicht bearbeitetes Zitat aus Johannes Niders >24 goldenen Harfen< erweisen. Peuger, dessen Kompilationsmethode hier deutlich greifbar wird (vgl. das nächste Kapitel), verwendet hier Exzerpte aus der vierten und sechsten >Harfe24 goldenen Harfen< folgen läßt.17 Der einzige Unterschied besteht darin, daß hier (im Fall der Predigt 108) Niders Text nicht wie üblich (und PFEIFFER 108 bildet die Ausnahme von der sonst stets eingehaltenen Regel) durch ein Caput-Zeichen vom Eckhart-Text abgesetzt wurde. Dennoch war auch hier der Text (aufgrund seines eindeutig nicht-eckhartschen Charakters) als Fremdtext erkennbar und identifizierbar. Auch hier gilt die Regel vom Nacheinander eckhartscher und nicht-eckhartscher Texte; der Nider-Passus bildet einen Nachtrag zu Eckharts Predigt, nicht eigentlich einen Bestandteil. Hauptintentionen: Neu-Situierung und Aktualisierung Aus den Texten, die Peuger mit Aussagen Eckharts kombiniert, lassen sich Rückschlüsse auf seine Absichten ziehen. Die von Peuger mehrmals im Anschluß an Eckhart-Predigten verwendeten >24 goldenen Harfen< scheinen seinem katechetisch-aszetischen Impetus besonders entgegengekommen zu sein. Das zeigen die vier staffeln und sehs dinc des gebetes, die Ausführungen von sehs leie weinen und sehs zeichen, da bi man erkennen mac, obe man erhört si, die Peuger aus Niders >Harfen< entnimmt und der Eckhart-Predigt PFEIFFER 109 anschließt, das zeigen die zweierleie gäbe und drie fruhte aus den >HarfenSitz im Leben< gibt, indem es diese konkret nimmt und auf die eigene Situation bezieht, findet seinen Niederschlag in Peugers Redaktion: In der Predigt PFEIFFER 108 wird der Bericht des Johannes-Evangeliums über die Szene nach dem Abendmahl ( 13,4-11) und der Brauch der Fußwaschung erörtert: Dar umbe, sagt Eckhart, beginnen eteliche geistliche Hute bi den jungen die vüeze zuo twahen und zuo dem testen den alten. In Peugers Fassung lautet der Text: vnd nach dem haben ettleiche chlöster dy gewanheit das sy am antlastag an den jungisten an heben ze waschen. Außerhalb der hier besprochenen sechs Predigten findet sich an einigen weiteren Stellen eine vergleichbare Aktualisierung und Ausrichtung der Eckharttexte im Blick auf die eigene Lebenspraxis:

' Vgl. die Beschreibung von cod. 1865 Nrr. 12 und 16 (S. 197 und 204).

296

Kapitel 8

Were volkomenheit der selikeit lit an vir dingen, heißt es in der Predigt SlEVERS Nr. XXIV,18 Das erste ist das sy nummer nicht so libis habe es sy ör also üb czu laßen also czu beholden dar an lit vorcziunge eygener wollust. Peuger, der Abschnitte dieser Predigt in die bereits erwähnte Eckhart-Spruchsammlung seines Codex 235 (639/L67 = Me5, f. 335ra) aufnahm, hat sie in seinem Sinn bearbeitet: wäre volchömenhait der geharsam leit sunder an vier dingen. Das erst das man so liebs nymer hob oder es sey sunder eim cMaster persan als lieb ze lassen als zw haben, wann an dem leit vertzeihung aigens dings. Im >Planetentraktat< des Codex 705 (371/G33 = Me2) schließlich, in dem Peuger zahlreiche Eckhart-Texte verwendet hat, werden die willigen armen aus Eckharts großer Armuts-Predigt (DW II Nr. 52) auf das Klosterleben verpflichtet: wann dy recht willigen armen des geists sollen in chlöstern sein vnd sollen zw der tugent chewsch vnd geharsam halten. (Cod. 705, f. 435va). Adressaten-Bezug Aus der Orientierung Peugers an den klösterlichen Tugenden erklärt sich auch seine Bearbeitung der Predigt >Gracia dei sum id, quod sumslee awff< vnd dy tod was stuend lemtige awff vnd gesunte. Man könnte annehmen, daß es sich auch hierbei wieder um einen Zusatz Peugers handelt. Allerdings begegnet der Text so nicht in dessen Fassungen der >Melker Evangeliem. Weiter scheinen bei der Überprüfung des Predigteingangs zwei Probleme auf: Erstens findet sich der von QUINT konstituierte Text so in keiner der fünf Handschriften. Zweitens gerät QUINT 20

Vgl. den Text in cod. 220, f. 93"

298

Kapitel 8

durch die Identifizierung des Schrifttextes als Lc 8,54 (= Puella, surge, wie es so nur die >ParadisusPuella surge< nicht vorkommt, wohl aber in der Entsprechung bei Lukas 8,54. Gleichviel dürfte Eckhart die Predigt am 24. Sonntage nach Trinitatis gehalten haben und das für seine Predigt allein maßgebende Wort >surge< aus Lukas 8,54 entnommen haben.« Das ist nicht wahrscheinlich. Bei dem Text, den Peuger überliefert, sticht die Berufung auf Mt 9 ins Auge; tatsächlich erweist sich bei näherem Zusehen der Me2-Text als geschickte Zusammenziehung einiger Verse aus Mt 9, die alle maßgeblichen Worte enthalten: Mt 9,5 Surge et ambulla + 6 Surge, tolle lectum tuum et vade + 7 Et surrexit + 22 Et salva facta est mulier ex illa hora + 25 et surrexit puella. Eckhart scheint eine gewisse Vorliebe für derartige Kontraktionen gerade im Bereich der Bibelworte2'zu haben. Angesichts einerseits der Worttreue und Ausführlichkeit des Evangelienberichts, den Peuger in die Predigt PFEIFFER 109 einfügte, sowie andererseits der zahlreichen Kürzungen, die der Redaktor der Vorlage von O und H2 (der anderen Textzeugen der Predigt 84) gerade im Bereich der Bibelworte durchführte,22 ist es nicht unwahrscheinlich, daß an dieser Stelle Peuger keinen Zusatz, sondern Eckharts Text bietet. Jedenfalls würde diese Interpretation und die damit nötige Revision des QuiNT-Textes die Schwierigkeiten beheben, die durch die Identifikation des Textwortes als Lc 8,54 entstanden sind. Der Vergleich der Me2-Lesarten mit dem kritischen Text von DW III, Nr. 84 erbrachte eine Reihe vergleichbarer Stellen, an denen QUINTS Text wohl zu revidieren wäre: So läßt sich S. 457,5 bei einem zweiästigen Stemma (»NuO H2-Gruppe - Gegengruppe Me2 B l O«)23 das nur in Nu überlieferte ist nicht halten, bedenkt man, daß nicht nur Me2, sondern jede andere Hs. (auch O und H2) wcere bietet. (QuiNT, der an dieser Stelle für jede Hs. eine eigene, verschieden lange Variante angibt, wird dabei die Gemeinsamkeit [wcere statt ist] übersehen haben).

Umfangreicher und relevanter ist die Revision des QuiNT-Textes an der Stelle DW III, S. 456,2^57,4, an der Me2 (mit B10) vom kritischen Text abweicht. Zunächst wird der gemeinsame Text (Mitte), dann QUINTS Text (links) neben dem Me2 Text (rechts) wiedergegeben (Lesarten der Hss. in den Anmerkungen): 21

Vgl. etwa nur die Zusammenfassung des Hohepriesterlichen Gebets Christi, die Eckhart knapp und präzis in PFEIFFER Predigt 109 aus 17, 9-26 extrapolliert. Eckharts Umgang mit den Texten der Bibel wäre ein höchst reizvolles Thema, das hier abzuhandeln zu weit führen würde. 22 Vgl. etwa nur DW I, S. 341; DW II, S. 130, 208, 312, 591; DW III, S. 375. 23 DW III S. 450 u. 452.

Lienhart Peuger als Redaktor

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diu volkomenheit gates enmohte sich niht enthalten, er enlieze üz im vliezen creatüren, den er sich gemeinen mohte, die sine gltchnisse enpfähen mohten [...] und sint als unmaezliche üzgevlozzen, daz me engel sint dan griez oder gras und loubes.

Durch die alle vliuzet uns lieht und gnade und gäbe her nider. Daz selbe, daz durch alle dise creatüren oder27 natüren vliuzet, daz biutet got der sele ze enpfahenne.

flewst

das der engel mer ist dan gras vnd gries vnd tropphen wazzer ye warn sind24 vnd ein yeder engel hat sein sunder natur25 also das chainer dem ändern gleich ist vnd durch dy natur alle vns her ab paide Hecht vnd gab26 vnd das selb als das durch dy natur all flewst raicht got der sei zw enphahen?*

Das >Textplusstück< in Me2 stellt mit Sicherheit keinen Zusatz Peugers dar, denn es findet sich so (fast wörtlich) auch in B10, muß mithin schon in Peugers Vorlage gestanden haben. So stellt sich hier die Frage nach dem Authentizitätsgrad von Peugers Vorlage. QUINT hält »das Textplusstück, das Me2 und B10 hinter gras bieten, [...] für einen sekundären Zusatz der gemeinsamen Vorlage der genannten Hss., der leicht als eine geläufige Aussage über die Engelnatur eingefügt werden konnte, aber inhaltlich nicht recht in den Zusammenhang paßt.« (DWIII, S. 457 Anm. 1). Aber die »geläufige Aussage über die Engelsnatur« findet sich erstens auch mehrfach bei Eckhart. In einer (bisher allerdings unbekannten) Predigt29 sagt er beispielsweise: ein yeder [Engel] hat sein natur vnd sein himel und anderwärts (DWIII, S. 191,6-8) lehrt er: Ez sint vil himel; ieglicher hat [...] stnen engel, der im 24

25

warn sind / gewart B10.

natuer Sonderlingen B10. 26 vnd durch ...gab/Dver alle dese natüren vliet dat Dat ons hier neder comet Licht ende gaue in menniger cünne maniren B10. 27 creatüren oder fehlt in allen Hss. außer Nu. 28 vnd das selb ... enphahen / Ende al dat doer al dese natüren comet dat bud god der zielen ontfae die moghe B10. 29 Vgl. S. 236: Beschreibung von codd. 1865/705 Nr. 59.

300

Kapitel 8

zuogeordent ist. Sölte er an einem ändern himel würken, da er niht zwogeordent enist, er enkünde nicht da mite.™ Zweitens: Die Aussage paßt in den Zusammenhang der den Aspekt der manicvaltige[n] wollust (S. 456,2) betont, die die Seele in gote vindet; das Beispiel von der je sunder[en] natur der Engel hebt die Perspektive der Vielheit, Geteiltheit und jeweiligen Abgesondertheit (sunderheif) hervor, die erst und nur in Gottes samentheit, auf die Eckhart später (S. 459,1) zu sprechen kommt, in Eins gesetzt und aufgehoben ist. Drittens: Eckhart selbst greift die Formulierung von der sunder[en] natur der Engel im unmittelbar folgenden Text wieder auf: die Stelle, die QUINT wiedergibt (Daz selbe, daz durch alle dise creatüren oder natüren vliuzet), macht doch nur Sinn, wenn zuvor von der je sunder[en] natur der Engel die Rede war, denn daß »mit natüren wiederum die Engel gemeint sind« bemerkt auch QUINT (S. 457 Anm. 2). QUINTS Text ist an dieser Stelle also revisionsbedürftig. Nicht NuOH2, deren Vorlage hier wieder gekürzt ist, sondern Me2 B10 überliefern Eckharts Text. Ähnlich könnte dies für den gesamten Schluß der Predigt (DW III, S. 464,2 - 465,6 = Schluß) gelten, dessen Erörterung hier aber zu weit führen würde.31 F a z i t : Lienhart Peuger hat die Predigten Meister Eckharts sehr bewußt bearbeitet und gekürzt. Mißverständnisse und Fehler (wie Homöoteleuton-Lükken) sind selten. Weitgehende Änderung hat vor allem die Syntax (Endstellung des Verbs) und der Wortschatz erfahren, wobei Peugers Wortersatz in der Regel den Sinn Eckharts unberührt läßt, jedoch so weit geht, daß sich in den Predigten durchaus >uneckhartsche< Wörter finden lassen. (Stil- und Wortschatzuntersuchungen als Sonden für die Echtheit der nur von Peuger überlieferten Predigten verbieten sich somit). Kürzungen wurden absichtlich vorgenommen: sie betreffen in der Hauptsache die Exempel, die Eckhart einflicht, um einen Sachverhalt näher zu erläutern, können aber auch Aussagen betreffen, die Peuger im Blick auf sein Publikum als bedenklich erschienen. Vor allem gestrichen wurden Eckharts Rückverweise. (An keiner

30 31

Vgl. DW III, S. 200,23f.; S. 403, 12ff.; S. 412 Anm. 31. Auch dort dürften Me2 und B10 den ursprünglichen Text tradieren, nicht NuOH2, denen QUINT folgt, obwohl er S. 451 betont hat, daß der »Schlußteil der Predigt [...] allerdings, wie durchgängig in den OH2-Texten, Kürzungen aufweist.« Daß Eckhart den Schluß von den vier sehnten der Seele in Gott so formulierte wie ihn Me2 B10 bieten, zeigt sich schon daran, daß auch NuOH2 - obwohl sie einen vollständig abweichenden Text tradieren - exakt die vier Substantiva vorhte, hoffenunge, begerunge und vergezzenheit bewahren. Diese vier Eigenschaften sind wohl - wie in Me2 B10 überliefert - die vier von Eckhart gemeinten Schritte in Gott, nicht die >Schritte< wie sie sich in NuOH2 finden.

Lienhart Peuger als Redaktor

301

Stelle wurde ein Rückverweis zusätzlich eingefügt.) Die wenigen sinn-ändernden Eingriffe und Zusätze Peugers dienen der Aktualisierung der Texte im Hinblick auf die konkrete Lebenspraxis der Melker Laienbrüder und sind deutlich von einem katechetisch-aszetischen Impetus und von Peugers Christus-Frömmigkeit geprägt. Fremdtexte werden in der Regel deutlich abgesetzt an den Eckhart-Text angehängt, nicht in diesen eingearbeitet. Wo dies dennoch geschieht (zwei Stellen in sechs Predigten), sind die fremden Texte als solche erkennbar und aus der Kenntnis der anderen Hss. Peugers auch als Texte anderer Autoren identifizierbar. Peugers eigene Zusätze sind in der Regel auf jeweils wenige Worte beschränkt. Text aus anderen Predigten Eckharts wurde in keinem Fall verwendet; Umstellungen waren nicht zu beobachten und sind bei Peugers stets dem Ablauf der Texte streng folgendem Kompilationsverfahren auch nicht zu erwarten. Die sehr starke Überarbeitung, die Eckharts Texte durch Peuger erfuhren, hindert nicht, daß Peugers Hss. in einigen Fällen einen >verläßlicheren< Text bieten als etwa die >ParadisusBüchlein von der geistlichen gemahelschaft< »zu einem erbaulichen Klostertraktat umgeschrieben« worden sei.35 Merkmale der Redigierung durch Peuger sind dabei - neben der starken Tendenz zur Überformung der Texte durch den Blick auf das eigene Klosterdasein, durch Gedanken der Reform und durch Merkmale der Christusund Marienfrömmigkeit - vor allem der Wille zur Kürzung und die Methode des Kompilierens größerer Blöcke durch Kontamination verschiedener eigener Hss. Beide Methoden finden sich etwa in den vier Textzeugen Peugers, die die >Melker Kurzfassung< von >De quattuor instinctibus< Heinrichs von Friemar enthalten36, die WARNOCK untersucht hat, im >Melker Mischtext der Maria Aegyptiaca-LegendeMelker Kurzfassung< der >24 goldenen Harfen< Johannes Niders, die BRAND beschrieben hat.38 Gerade diese Arbeitsweisen Peugers ließen sich auch im Rahmen dieser Arbeit nicht nur für die Texte Meister Eckharts erkennen; vielmehr begegnen diese Verfahren auch bei einer ganzen Reihe nicht-eckhartscher Texte, die hier nur kurz besprochen werden konnten: Bewußte Umformung zeigt sich beispielsweise mit Blick auf Peugers Seuse-Redaktion.39 Für die Kürzungsweise durch Herausnahme ganzer Blöcke bietet der Text >Vom nutz der sweig< mit seinen Auszügen aus den >Sermones ad fratres in eremo< ein ebenso gutes Beispiel40 wie Peugers Kurzfassungen des >Buchs der LiebkosungNeuen eeMaria Aegyptiaca-Legende< - die einzelnen Bestandteile gut unterscheiden.

33 34 35 36

SCHNELL, S. 255. SPECHTLER, S. 323-326. SCHÜLKE, S. 71 und 79.

Vgl. vorne zu cod. 183, f. -2 . Vgl. vome zu cod. 1389, S. 335-345. 38 Vgl. vorne zu cod. 856, f. -84 . 39 Vgl. zu cod. 1569, f. 27V-37V. 40 Vgl. zu cod. 1389, S.269ff. 41 Vgl. zu cod. 1569, f. 118V-123V. 42 Vgl. zu cod. 1569, f. -23 . 37

9.

Lienhart Peuger als Kompilator eines geistlichen Sendbriefs

W. STAMMLER hat behauptet, Meister Eckhart werde »noch 1501 beschworen, um für ein einheitliches Klosterleben aws der tugent der gehorsam vnd der volkumen lieb zu zeugen.«1 Die Quelle, auf die sich STAMMLER beruft, ist ein Text, der im folgenden als Sendbrief Peugers erwiesen und als Beispiel für seine Kompilations- und Bearbeitungsmethoden behandelt werden soll. STAMMLERS Zitat stammt aus München, Bayer. Staatsbibl., cgm 800, f. 210r. Die Hs. wurde 1501 im Auftrag der Anna Gurr, Äbtissin des Benediktinerinnenklosters Neuburg/Donau geschrieben.2 QUINT hat die Hs. erfaßt und mitgeteilt, sie enthalte 210V [SCHNEIDER: 210r] einen »Traktat, der sich im Eingang auf eine >Lehre< Meister Eckharts bezieht«, unter der (Pseudo-) Eckeharts >Klosterkollazie< = >Eine gute Klosterlehre< »gemeint sein muß.« Anfang und Schluß des Traktats hat QuiNT abgedruckt.3 Eckhart wird zu Beginn als Maister Eckhart der schuel von Pariß bezeichnet. Karin SCHNEIDER hat darauf hingewiesen, daß sich derselbe Text und die vorausgehenden drei Texte auch in den Hss. Wien, ÖNB, cod. 3021, f. 143r-167v und Salzburg, St. Peter cod. b II 13, f. 185r-210r sowie ebd., cod. b III 11, f. 169r-189r finden. (QuiNT hat auch die Wiener Hs. aus Mondsee in seinem zweiten Fundbericht erwähnt, Anfang und Ende des Textes mitgeteilt und die >Identifizierung< aus den >Handschriftenfunden< wiederholt).4 Die Salzburger Hss., die QUINT nicht kannte, wurden von G. HAYER beschrieben, der für die betreffenden Texte jeweils nur auf die zweite Salzburger Hs. verweist.5 Auch in den Salzburger Hss. und in der Wiener Hs. beginnt der Text wörtlich gleichlautend mit der Berufung auf Maister Ekchart der schuel von Paris. Diese Formulierung der Zuweisung an Eckhart aber wurde soeben als charakteristisch für die Melker Eckhartüberlieferung und deren Vorlagen beschrieben. Wie gelangte sie in eine Neuburger, eine Mondseer und zwei Salzburger Hss.? Die Salzburger Hs. b III 11, 1462 in St. Peter geschrieben, überliefert nicht nur vier Texte, die sich auch im cgm 800 finden; sie bietet a l l e Texte der Neuburger Hs. in exakt gleicher Reihenfolge (Incipits nach Salzburg): 1 2 1 4

5

STAMMLER, Sp. 974. SCHNEIDER, Bd. V, S. 372. QUINT, Neue Handschriftenfunde, S. 140. QUINT, Fundbericht, S. 89f.

HAYER, S. 168 u. 199.

304

Kapitel 9

Salzburg, St. Peter, cod.blll 11

cgm 800 Neuburg

Text

Incipit

2r-173r

Auslegung der Benediktinerregel

Eya ir aller liebsten prüeder

2. 145r-148v

174r-178r

Spruchsammlung über Eigenbesitz und Gehorsam im Ordensleben

Sant Benedict redt in seiner regel

3. 148V-168V

178r-200r

Johannes von Indersdorf: Von dreierlei Wesen der Menschen

Qualiter homo debet se disponere

4. 169r-174v

200r-206r

Über die compassio domini

Das vor allen dingen gar nucz und guet ist

5. 175r-179r

206r-210r

Über die Geduld Anfechtungen zu ertragen

Von dem übel das uns hye an leit

6. 179r-189v

210r-220v

Über das Klosterleben mit >Schreiberspruch
Mystische Lehren für Mönche< und bemerkt, daß sie (f. 143r167V) von einer Hand geschrieben sind.7 Die Hs. wurde nach 1482 (MENHARDT, Text 1; Text 9: 1456) in Mondsee gebunden. Sie besteht aus mehreren Faszikeln. Aus dem dritten Faszikel (f. 176r-193v; Hd. III [bis 190V] = Cristannus Conuersus; f. 19 -193 leer) wurde oben die deutsche Übersetzung des Kapitels XVI der Melker Caeremoniae (>De fratribus conversis laicisPlanetentraktatSchreibervermerk< (HAYER, S. 168): Am entt hie meins verschreibens tuet nach dem rat als sand pernhart spricht usw." als Schlußformel eines Sendbriefs.12 Der Anfang von Text 4 ist als Beginn eines Briefes formuliert: Gnad vnd parmhertzichait frid vnd lieb sey euch von got dem vater vnd von ihesu ehr ist o vnserm Herren.™ Text 4-6 bildeten also eine eigene Einheit: die eines geistlichen Sendbriefs des Melker Laienbruders Lienhart Peuger nach Mondsee oder Salzburg. Die Kollation der Textzeugen bestätigt den überlieferungsgeschichtlichen Befund, der durch Vergleich der äußeren Gestalt der Hss. gewonnen wurde:

7

MENHARDT, Teil II, S. 798-800. Vgl. S. 58. 9 Es beginnt f. 143r: [143r]VI154 + (VI+1)167: Blatt 167 (= VI-11, der Rest einer fehlenden Sexternio) wurde an Blatt 166 geklebt + (VI-12 = eine zweite fehlende Sexternio) + (VI4)175: die ersten vier Bll. der Sexternio sind ausgerissen. Es fehlen insgesamt also 27 Bll. Die Texte Nr. 4-6 der Tabelle stehen auf f. 143r-167v; dann folgt die Lücke, dann folgen f. 168r175V acht leere Blätter mit dem Schriftspiegel wie bei 143r-167v [Blattgröße 14,0x10,3; vertikal: oben 1,2 - 11,1 - 1,7; horizontal: innen 0,7 - 8,2 - 1,4]; daraus ist die Zugehörigkeit zum Faszikel zu erkennen; die starke Beschmutzung von 175V und 176r zeigt das Ende des einen und den Beginn eines anderen Faszikels. 10 Text Nr. 5 auch in der Peuger-Hs. 1401 (nach 1440), f. 70r-72r: Von dem gegenwärtigen vbl das vns an leit. " Wien, ÖNB, cod. 3021, f. 167V; Salzburg, St. Peter, cod. b II 13, f. 210r; ebd., cod. b III 11, f. 189'; München, Bayer. Staatsbibl., cgm 800, f. 210V. 12 Unter den Katalogisatoren fiel der Sendbriefcharakter Karin SCHNEIDER auf (sie gibt dem vierten Text den Titel: >Ermahnung zur Passionsbetrachtung, geistlicher SendbriefAutograph< ist bewußt gewählt; denn daß Peuger auch der >Verfasser< des Textes ist, wenn man einen Kompilator so nennen will, läßt sich zeigen. Der Inhalt des Traktats (Text 6 der Tabelle)17 berührt sich nur eingangs mit der >guten Klosterlehre< (= SPAMER, Texte, S. 78-91), zitiert dann aus Augenstin, geht jedoch schließlich (f. 156r) zu einem Eckhart-Text über. Diesen und die folgenden Eckhart-Exzerpte hat QUINT übersehen.18 Der EckhartText ist die Predigt DW II Nr. 58, die in der Fassung des Peuger-Codices 705, f. 275ra-vb verwendet wurde. Ein Beispiel:

14

Wien, ÖNB, cod. 3021, f. 156V: wan ir ist vil von der weit in dy chlöster chömen dy vnter den pösen sind vn[ 157r]schuldig pliben vnd sind vnter den vnschuldigen in sünt gevallen /... sind schuldig pliben ... cod. b III 11 (f. 180r); ... sind pliben schuldig ... cod. b II 13 (f. 199r). wann ye nahenter vnser heilig vater mit irm rainn leben zwm himel chamen ye vngerner sy wider zw dem traut der creatur cherten. / ... natur ... cod. b II 13 u. b III 11 (ebd.). Die Münchner Hs. (Kopie von St. Peter b III 11 ?) konnte nicht verglichen werden. 15 Daß der in der Hs. unmittelbar vor dem Sendbrief stehende Traktat des Johannes von Indersdorf seinen Weg von St. Peter nach Mondsee nahm, konnte HAAGE zeigen: B. HAAGE, Zur Textgeschichte des Traktats >Von dreierlei Wesen der Menschern: Hs. Salzburg, St. Peter, cod. b III 11, in: ZfdA 105 (1976) 122-125, hier S. 125. Vgl. ders., Ein neues Textzeugnis zum spätmittelalterlichen Traktat >Von dreierlei Wesen des Menschen< des Johannes von Indersdorf [zu einer weiteren Mondseer Hs.], ZfdA 100 (1971), S. 227-230. 16 Zu Salzburg: vgl. S. 59; zur Verbindung Mondsee (Reform 1435) - Melk: SCHNELL, S. 265; ANGERER, Die liturgisch-musikalische Erneuerung, S. 67; J. STOHLMANN, Johannes de Werdea, in: 2VL Bd. IV, Sp. 799-811, hier Sp. 800; H. HEGER, Hauser, Johann, in: 2VL Bd. III, Sp.551f. 17 WH, f. 155V: Hie vintt ir ler vnd nutze vnterweisung da von ir guete ding pegreiffen mügt Maister Ekchart der schuel von paris spricht in seiner ler. Ein Master mit seiner samnung ist als vil gesprochen [... 167va...J - Got verleich vns ein saligs entt also das wir nach dem ellent zw gefüegt wern in dy tzal der erweit gots Amen Jesus, maria. . 18 Er nahm die Hs. nur wegen der festgestellten Berührung mit der >Klosterlehre< unter die Eckharthss. auf, gab ihr die Sigle W l l und hat sie nicht weiter berücksichtigt. Vgl. QUINT, Neue Handschriftenfunde, S. 140 und Fundbericht, S. 89f.

307

Llenhart Peuger als Kompilator

Wien, ÖNB, cod. 3021, f. 156ra:

Melk, cod. 705, f. 275rb:

Hie spricht Dionisius. Got pewt das himelreich vail vnd wann es vail ist so ist chain ding als snöd als es ist. vnd ist nichts so edel vnd sdlig ze haben als es so es vergolten ist. vnd es haist dar vmb snöd das es eim jeden vail ist vmb als vil er vermag. Dar vmb sol ein mensch vmb das himelreich geben als das er hat. das ist seinn aigen willen.

Awff das spricht Dionisius. Got pewt das himelreich vail vnd wann es vail ist so ist chain ding als snöd als es ist. vnd ist nichts so edel vnd salig ze haben als es ist so es vergolten ist. vnd es haist dar vmb snöd das es eim yeden ist vail vmb als vil er gelaisten mag. Dar vmb sol der mensch geben vmb das himelreich als das er hat. das ist seinn aigen willen, wann dy weil er seins aigen willen ichts hat so hat er das himelreich nicht vergolten, wann wer sich selber vnd seinn aigen willen lat dem sind leicht alle tzeitleiche ding zelassen dy gar Main sind wider dy geistleichen.

so hat

er alle ding awff geben vnd hat sich

vnd alle ding lassen

Awff das spricht Anshelmus das ist [...] gehorsam [...] Die Beispiele ließen sich fortsetzen; der Traktat ist in seine einzelnen, nicht immer eckhartschen Bestandteile zerlegbar. (Eine große Anzahl der Exzerpte werden in Teil II, S. 333, 377, 395 nachgewiesen). Im Mittelpunkt steht ein umfangreicheres Exzerpt aus >Von abegescheidenheit< (f. 164V— 165r); ein längerer Abschnitt aus Par. an. Nr. 46 (f. 16 = Par. an., S. 105,34-106,4) be-

308

Kapitel 9

gegnet ebenso wie in cod. 1865 Eckhart zugewiesene Dicta,19 Exzerpte aus PF. Pr. 110 (f. 158V = PF., S. 366,27ff.), der Schlußteil von WILHELM Nr. 5 in der Fassung von Me2 (Wll, f. 162V-163V = Me2, f. 282raff.), Exzerpte aus JOSTES Nr. 76 und 74 (f. 164r = JOSTES, S. 80,9-18 und 76,36-77,2), WAKKERN AGEL Nr. 62 (f. 164V) und Teile der >bürgelin-Predigt< in der Melker Fassung (f. 167r = SPAMER, Texte, S. 63,31), sowie schließlich Stücke aus bisher ungedruckten, sonst nur in cod. 705 vollständig überlieferten Predigten.20 Der Mosaiktraktat der vier Hss. kann hier nicht ebenso ediert und in alle seine Einzelteile zerlegt werden wie der Traktat >Von der sei wirdichait vnd aigenschaffiKlosterkollazie< durch Peuger ersatzlos gestrichen wurden: wann wissent sicherlich, das ir got vil werder sind in disen dingen mit clainer vbung, denn vor in grosser vbunge. Das verstaut, das das war sey. Tausent pater noster sint vil glicher der helle denne fierczig [...] Enkaines ist dem ewigen leben aller gleichist. (SPAMER, Texte, S. 81). Stattdessen verläßt Peugers Kompilation die >Klosterkollazie< und fordert: dy vntertanichait sol als snell sein das sy nicht allain wart awff des obristen pot sunder man sol auch dem winkchen seiner mainung als geharsam sein als got selber. Den Exzerpten aus >Von abegescheidenheit< folgen Mahnungen vom nutz der sweig, und das ir pehüett dy tzwen stern ewerer äugen, die in sehr viel ausführlicherer Form auch im Peuger-Codex 1765 (vom Jahr 1432) zu finden sind. So meint der Begriff hier die klösterliche abegescheidenheit; Eckhart-Exzerpte werden in einen Kloster-Traktat integriert: Dar vmb sol dy tugent ewer harnasch sein in dem ir dy sei sterkcht wider das fleisch, vnd in dem streit sullt ir stat sein als ein frumer ritter 19

Wien, ÖNB, cod. 3021, f. 159^16(7 = cod. 1865, f. 219^; vgl. oben S. 211 zu cod. 1865 Nr. 18. 20 Wien, ÖNB, cod. 3021, f. 165r = Melk, cod. 705, f. 314rb; vgl. S. 245: Beschreibung von cod. 705, Nr. 65.

Lienhart Peuger als Kompilator

309

christi [...] vnd pey dem süllt ir versten das chlaid ewerer chutten (Wien, ÖNB, cod. 3021, f. 159r) - Lienhart Peuger benutzt Äußerungen Eckharts für einen Traktat, der dem Programm seiner Reimpaarreden verwandt ist: Im Geist der Benedikt-Regel wird das geistliche Rittertum der Mönche propagiert. Geht es im Eckhart-Zitat aus DW II Nr. 58 (f. 156r) darum, den aigen willen aufzugeben und alle ding zu lassen, so engt Peuger diesen Imperativ auf die ein, die in dy chlöster chömen, wobei er besonders diejenigen kritisiert, die ihr Gelübde nicht erfüllen: Dar vmb wer wider sein glüb seinn aigen willen wider angreiffi den er vor offenleich hat awff geben [gemeint ist die Profeß], wer im das Master als einn ringen charcher durch gots willen aws erweit hat vnd dar nach den strikch der sünten wider nymbt, ist pilleich, das er dar an in der hell erhangen werd (f. 156v-157r)·

Das Exempel aus PF. Pr. 110 (daß der Leib bereit sein müsse, bevor ihm die Seele eingegossen wird) endet mit der Aufforderung der mensch müsse ein söleich leben haben, das dem chümftigen leben gleiher sey dann dem gegenwärtigen. Für Peuger konkretisiert sich ein solches Leben wieder im regeltreuen Leben des benediktinischen Mönches: wann seit eins münichs willen nichts aigens an im hat, so sol er sich nichts anders frewen dann an seiner volchömen gehorsam, in der er zum ewigen leben gen mag (f. 158v-159r). Das Eckhart zugesprochene Diktum, daß Christus nie eine Sünde tat und dennoch Gott und seiner Gnade stets die Ehre gab (f. 159v-160r), dient dazu, den Satz Peugers zu erläutern: wann so wir dy ding nicht erlangen dar zw wir von got gearnt vnd gerüfft sein, so seyn wir in der warhait nye recht münich warn (f. 159V). Nicht mystische, theologische oder philosophische Lehren Eckharts interessieren bei der Auswahl der Dikta und Exzerpte, sondern ihre konkrete >NutzanwendungLebensregel< für Mönche. In dieser Form (nicht in der Form der Predigt-Abschrift) verbreitet Peuger >seinen< Eckhart in den anderen Klöster der Melker Reformbewegung. Peugers >Eckhart< steht im Dienst der Klosterreform: Alle Hss., die Peugers Sendbrief überliefern, enthalten zentral die Regel und ihre Auslegung. Die Adressaten Peugers sind die Laienbrüder der anderen Klöster. Zwei Fakten zeigen den Laienbruder-Charakter der Hss.: In Mondsee band man das Kapitel >De fratribus Conuersis laicisVon der sei wirdichait vnd aigenschafft< und zu den Hintergründen der Eckhart-Überlieferung in Melk

10.1 Zur Kompilation des Traktats quadruplex est modo faciendi librum. Aliquis scribit aliena, nihil addenda vel mutando; et isle mere dicitur scriptor. Aliquis scribit aliena, addenda, sed nan de suo; et iste compilator dicitur. Aliquis scribit et aliena et sua, sed aliena tamquam principalia, et suo tamquam annexa ad evidentiam; et iste dicitur commentator, non auctor. Aliquis scribit et sua et aliena, sed sua tanquam principalia, aliena tamquam annexa ad confirmationem; et talis debet did auctor. Bonaventura1 In den beschriebenen Handschriften sind immer wieder Texte begegnet, die Lienhart Peuger kompiliert hat. Dabei war der >Komposittraktat< (auch anderwärts im Bereich der Meister Eckhart zugeschriebenen Traktate häufig), der einzelne größere Bausteine von begrenzter Zahl verwendet, ebenso anzutreffen, wie der >MosaiktraktatZersetzungHistorienbibel Illb Anhang< mit den >Melker Evangelien< verknüpft, an die >Mischfassung< der Maria Aegyptiaca-Legende, an die monastisch-aszetischen Traktate des cod. 1389, die aus den pseudo-augustinischen >Sermones ad fratres in eremo< ebenso schöpfen wie aus dem pseudo-albertischen >Pa1

S. Bonaventura Opera omnia, 10 Bde., Quaracchi 1882-1902, Bd. I, S. 14f. Vgl.: A.J. MlNNIS, Late-medieval discussions of Compilatio and the role of the compilator, in: PBB 101 (Tub. 1979) 385^21. 2 Zur Differenzierung der Textsorte: K. RUH, Die Blume, S. 22; vgl. ders., >Die Blume der SchauungBüchlein der ewigen Weisheit. Hierher gehört auch die >Melker Kurzfassung< von Heinrichs von Friemar >De quattuor instinctibusVon der sei wirdichait vnd aigenschaffi
Von der sei wirdichait vnd aigenschafft< mit dem Hinweis einleitet Da von spricht maister ekchart von par i s , dann heißt das nicht, daß der ganze Traktat so von Eckhart stammt. (Der im vorausgehenden Kapitel besprochene Traktat der Wiener Hs. 3021 etwa beginnt mit einem ähnlich formulierten Hinweis, stammt aber weder als ganzer noch auch nur in allen seinen Teilen von Eckhart). Wenn es aber am Ende des Traktats PF. III über maister Ekchart heißt, die ob gesagten ding seien aws seiner geschrifft genomen? dann wird damit zum einen signalisiert, daß es sich hier um eine compilatio handelt, zum zweiten wird deutlich gemacht, daß Exzerpte aus dem Werk eines auctor vorliegen.7 In diesem Sinn ist es zu verstehen, wenn Eckhart der ding aller peschreiber genannt wird. Behauptet wird damit nur, daß alle Bestandteile der compilatio aus Eckharts Werk entnommen wurden. In der folgenden Edition wurde diese Behauptung überprüft. Dabei ließ sich zeigen, daß der Traktattext Satz für Satz aus anderen Handschriften Lienhart Peugers exzerpiert wurde, daß die Texte am jeweiligen Fundort in der Regel ausführlicher sind und in ihrem ursprünglichen Zusammenhang stehen, und daß sie dort explizit Meister Eckhart zugeschrieben sind. Die Edition stellt den Traktat diesen Texten gegenüber, identifiziert die Texte oder verweist - für ungedruckte Texte - auf nähere Untersuchungen im Handschriftenbeschreibungsteil. In einigen Fällen hat Peuger die Texte mehrfach abgeschrieben. (Nachweis und Lesarten finden sich dann in den Anmerkungen). Zwar habe ich nicht für alle Sätze des Traktats Entsprechungen in anderen Handschriften Peugers finden können, wohl aber für etwa 95%. Peuger hat aber nicht nur seine eigenen Predigtabschriften, sondern in Einzelfällen auch deren Vorlage für den Traktat benutzt. Dies zeigt beispielhaft S. 448ff. der Edition, wo dem Traktat eine vollständigere Fassung der Predigt DW I Nr. l zugrunde lag als sie sich in cod. 1865 findet. Nicht immer also ist der Traktattext den Peugerschen Predigtabschriften entnommen; er kann im Einzelfall mit ihnen auf eine gemeinsame (verlorene) Vorlage zurückgehen. (Hier liegt die Erklärung für die fehlenden 5%). In insgesamt fünf Fällen von Predigten8 und für vier Exzerpte aus >Von abegescheidenheit Von der sei wirdichait vnd aigenschafftErkenntnis der SündeVon der sei wirdichait vnd aigenschafft
Von der sei wirdichait vnd aigenschafft< benutzte. Der Traktat vereint also alle Äußerungen Eckharts, oder solche, die Peuger aufgrund seiner Vorlagen als eckhartisch galten, zum Thema >Von der sei wirdichait vnd aigenschafftSpruchVon der sei wirdichait vnd aigenschaffi< und parallel dazu - aber deutlich gekürzt - in cod. 705, f. 319va"b.20 In der Predigthandschrift bildet es den Schlußpunkt der Jahrespredigten (unter den darauf folgenden Heiligenpredigten findet sich keine Eckhartpredigt mehr); auch im Traktat ist es bewußt ans Ende gestellt. Im Traktat wird es dezidiert Meister Eckhart zugewiesen: so hat maister Ekchart von paris am entt der ob gesagten ding dy aws seiner geschriffi genomen seinn ein gepet gesetzt vnd spricht Ein gepet.2I O haher reichtumb [...]. Die Handschriftenbeschreibungen ergaben, daß der Zuverlässigkeitsgrad der Zuweisungen Peugers (und seiner Vorlage[n]) hoch ist. Nach dem Über-

15

JOSTES Nr. 74: Teil II, S. 343; STRAUCH, PBB 49 Anhang Nr. VII: Teil II, S. 459ff. A.M. HAAS, Meister Eckhart und die deutsche Sprache, in: HAAS, Geistliches MA, S. 215-237, hier S. 224; und ebd.: »Erst das kontemplative Gebet - dessen exemplarische Höhepunkte die Predigtbrüder durchaus bei den alten Mönchsvätern vorfinden wollten macht die Anstrengung der Predigt zu einer sinnvollen, die dem Seelenheil der Menschen dienlich ist.« 17 Vgl. HAAS, Meister Eckhart als normative Gestalt, S. 78f. Kap. 5.5. >Nichts und Alles im GebetDas GebetVon der sei wirdichait vnd aigenschafft
Tegernseer Anonymus Laudatorium doctae ignorantiae< (v.J. 1451/52) entspann. Neben Bernhard von Waging und Marquard Sprenger auf der einen und Vinzenz von Aggsbach auf der anderen Seite war auch Johannes Schlitpacher daran beteiligt, der seit 1434 in verschiedenen Funktionen in Melk tätig und 1458/59 dort Prior war.47

40

Vgl. QuiNT, Fundbericht, S. 42-53 und LÖSER, Nachlese, S. 128. Vgl. LÖSER, Anselm, Eckhart, S. 243. 42 Vgl. Kap. 9. 43 QUINT, Fundbericht, S. 54-62. 44 W. HÖVER, Theologia Mystica in altbairischer Übertragung (MTU 36), München 1971, S. 198-200. 45 Dies bestätigt sowohl die Überlieferungsgeschichte der verwendeten Texte (durchweg andere als bei Peuger), als auch die Überlieferungsgemeinschaft mit Predigten Taulers, die man in Melk nicht kennt. Zudem hat HAYER für die bairisch-österreichische Sprache des betreffenden Teiles der Hs. auf »alemannische Einflüsse« verwiesen. (HAYER, Die dt. Hss., S. 303-306). 41

46 47

BAUER, S. 137-159. Dazu vor allem: E. VANSTEENBERGHE, Autour de la docte ignorance. Une controverse sur la

322

Kapitel 10

»Die neue Wendung Tegernseer Theologen zu kontemplativer und mystischer Theologie, beobachtbar zuerst bei Johannes Keck, mitinspiriert maßgeblich von Schriften des Nikolaus von Kues und seit 1454 von ihm selber auch brieflich und durch Widmungen begleitet, zog auch Schlitpacher an. In der von 1453 bis 1460 sich hinziehenden Auseinandersetzung Bernhards von Waging (und Marquard Sprengers) mit Vinzenz von Aggsbach um die Bedeutung von Intellekt und Affekt als Bedingungen mystischer Erfahrung neigte Schlitpacher der Tegernseer Seite zu, suchte aber zwischen den Tegernseern, die mit Johannes Gerson und dem Kusaner die Tätigkeit des Intellekts als unabdingbar vorgängig, den Effekt als ergänzend und vollendend betrachteten, und dem antiintellektualistischen Kartäuser zu vermitteln.«48

Im Mittelpunkt der Diskussion stand die Lehre des Nikolaus von Cues, der mit den Reformern regen Briefkontakt pflegte. Cusanus seinerseits stand (besonders zwischen 1440 und 1450) unter dem »Einfluß Meister Eckharts«.49 Er war dadurch selbst in das beschriebene >Spannungsfeld< geraten: der Heidelberger Magister Johannes Wenck von Herrenberg warf ihm in >De ignota litteratura< (1442) vor, er erneuere die pantheistischen Irrtümer Meister Eckharts.50 Man ist versucht, angesichts der zeitlichen Koinzidenz die Wertschätzung des Cusanus für Eckhart mit dem durch Peugers Hss. evidenten Melker Interesse in Zusammenhang zu sehen. Doch anders als die Salzburger Handschrift St. Peter, cod. b VI 15 bietet die Melker Eckhartüberlieferung dafür keine Indizien. (Es fehlt etwa auch jeder Anhaltspunkt, Peugers Eckhart-Kompilation >Von der sei wirdichait und aigenschaffi< als Antwort auf Johannes Wencks >Büchlein von der Seele< [1436] zu deuten). Die eigentlichen Texte der lateinisch geführten Debatte um die mystische Theologie wurden den Melker Laienbrüdern gerade nicht vermittelt. So ist das Interesse des Melker Laienbruders Lienhart Peuger an den Schriften Meister Eckharts wohl nicht als Ausfluß der Debatte um die mystische Theologie zu deuten. Es ist vielmehr Ausdruck einer geistig/geistlichen Grundsituation im Kloster Melk und damit im Zentrum der Reformbewegung, aus der heraus sich auch die Debatte der 50er Jahre entwickelt hat. theologie mystique au XVe siecle (Beiträge zur Geschichte der Philosophie des Mittelalters XIV,2^), Münster 1915; M. GRABMANN, Bernhard von Waging, Prior von Tegernsee, ein bayerischer Benediktiner des 15. Jahrhunderts, in: Stud. Mitt. 60 (1946) 82-98; W. HÖVER, Bernhard von Waging, in: 2VL Bd. I (1977), Sp. 779-789. 48 Franz-Josef WORSTBROCK, Schlitpacher, Johannes, in: 2VL Bd. VIII (1992), Sp. 727-748, hier Sp. 729 mit weiterer Literatur zur Debatte. 49 H. WACKERZAPP, Der Einfluß Meister Eckharts auf die ersten philosophischen Schriften des Nikolaus von Kues. 1440-1450 (Beiträge zur Geschichte der Philosophie und Theologie des Mittelalters XXXIX.3), Münster 1962. 50 Vgl. G. STEER, (Hg.), Johannes Wenck von Herrenberg, Das Büchlein von der Seele (Kleine deutsche Prosadenkmäler des Mittelalters 3), München 1967, S. 9ff. und R. HAUBST, Studien zu Nikolaus von Kues und Johannes Wenck (Beiträge zur Geschichte der Philosophie und Theologie des Mittelalters XXXVIII,!), Münster 1955.

323

Was bleibt ist die Feststellung, daß in einer Zeit, in der die gelehrten patres aus Melk an der intensiv geführten Debatte um die mystische Theologie teilnahmen, auch den Laienbrüdern des Klosters Melk eine umfangreiche Reihe deutscher Texte Meister Eckharts vermittelt wurde: Durch einen der ihren, und in stark redigierter, >abgemilderter< Form. Dabei stehen die deutschen Predigten Eckharts im Mittelpunkt des Interesses. Dazu kommen aus seinen Sentenzen kompilierte Spruchsammlungen und Klostertraktate, die sich auf die Klosterreform und das eigene Leben im Kloster beziehen lassen, und ein Traktat, der alle greifbaren Äußerungen Eckharts über die Seele zusammenträgt.

Teil II: Edition des Traktats >Von der sei wirdichait vnd aigenschaffi
Von der sei wirdichait vnd aigenschafft< wird als diplomatischer Abdruck des Unikats in cod. 1569 jeweils auf der linken Seite wiedergegeben. Allerdings wird auf die Wiedergabe von f und 3 verzichtet. Kürzel sind aufgelöst. Der Druck bildet die Seiten-(Folioangaben in eckigen Klammern) und Zeilenstruktur der Handschrift exakt ab. D.h. eine Zeile des Abdrucks entspricht einer Zeile der Hs., wobei Worttrennung durch einen senkrechten Strich gekennzeichnet ist (Bsp.: S. 330: ma\cht). Ist ein Wort in eckige Klammern gesetzt und dahinter mit einem Stern gekennzeichnet, so wurde dieses Wort von Peuger am Rand der Hs. nachgetragen (Bsp.: S. 330: [vnd]*). Entsprechendes gilt für mehrere Wörter. Um die Synopse zu ermöglichen, mußte die Zeilenstruktur der Traktathandschrift z.T. aufgebrochen werden: wird eine Zeile mit einem Pfeil (-») begonnen, so signalisiert dies, daß es sich in der Handschrift nicht um eine eigene Zeile, sondern um die Fortsetzung der im Druck vorhergehenden Zeile handelt, Bsp. S. 330 : sy nach seiner gleichnus. -»· Da von spricht entspricht in der Hs. der Zeile: sy nach seiner gleichnus. Da von spricht In der Handschrift rot unterstrichene Worte sind gesperrt gedruckt (Bsp.: S. 330: ekchart von paris). Die Interpunktion ist diejenige Peugers. Anders als im Untersuchungsteil wird ein großes rotes Caput-Zeichen durch «Tff wiedergegeben. Ein kleines rotes Caput-Zeichen erscheint als «T. Ein Punkt wird als Punkt, eine Virgel als Komma mitgeteilt. Punkte am Zeilenanfang (Bsp.: S. 334: .Da von Gregorius spricht) und am Beginn von Zitaten (Bsp.: S. 420: ihesus sprach zw seinn iungern Jch gen euch zw peraitten) entsprechen dem Usus der Hs. (Die Textaufnahme erfolgte anhand von Kunstlichtphotographien des QuiNT-Nachlasses, die Korrektur am Original der Stiftsbibliothek Melk). Ein Ausrufezeichen in runden Klammern weist wie üblich darauf hin, daß der Text so in der Hs. steht (Bsp.: S. 412: ver \ vernuffi (!)). >Fehler< wurden nicht >gebessertFünfersprung· Da von spricht maister e k c h a r t von (394,10) paris got hat ni |chts peschaffen das im gleicher sey dann dy sei. wann als got nyembt chain gestalt geben mag also mag man auch der sei chain gestalt geben, vnd als got untödleich ist also hat er auch dy sei untödleich peschaffen.

Parallelen und Vorlagen

331

Me3, f. 115r

i

vnd ist dy ediist creatur dy got ye gedacht hat. wann got graiff tzwischen der gothait vnd der götleichen natur in sein ewigs wesen vnd macht dy sei von nichte

2 3 4 5 6

Mel, f. 124va (= DW I, Pr.l, S. 5,9-6,1) vnd dar vmb ist nichts in himel noch in erden das im got als gleich hab peschaffen als dy sei.

Me8, f. 204V

10 11

Dar vmb hat got nichts peschaffen das im gleicher sey dann dy sei. vnd als er vntödleich ist also hat er auch dy sei vntödleich peschaffen. vnd als man got chain gestalt geben mag also mag man auch der sei chain gestalt geben.

2-4 Für den ersten Satz des Traktats, den Peuger in freier Anlehnung an Eckhart formuliert, fand sich nur eine inhaltliche, keine wörtliche Entsprechung. Die Hs. Me8 ist auch nicht die unmittelbare Vorlage der folgenden drei Sätze des Traktats (Z. 12-18). Diese Sätze finden sich weder in der Hs. Me2, f. 265vb, der die Textpassage ab S. 333,3 entnommen ist, noch in Wien, ÖNB, cod. 3021 (QuiNTs Wll), f. 164V, die einen Auszug aus Me2, f. 265vb enthält, noch in Wien, ÖNB, cod. 2728 (QuiNTs W2), die mit Me2, f. 265vb eng verwandt ist. Tatsächlich begegnen die drei fraglichen Sätze zwar in der Melker Peugerhs. Me8, f. 204V, doch kommt diese als unmittelbare Vorlage für Traktat III nicht in Betracht. Die drei Sätze - Satz 2 und 3 zudem in umgekehrter Reihenfolge - stehen dort innerhalb einer Abschrift des Traktats >Von AbegescheidenheitVon AbegescheidenheitVon Abeg.· wann so dy sei an tzeitleichen dingen nicht hangt vnd ist am geist awff genomen vnd ist [947 götleichen werchen nahent z& treten (394,15) so vermag sy grasse ding, vnd mich wu | ndert das dy sei so vil gleichnus mit got hat vnd hat auch grassen adel vnd das sy dannoch halt nach irr

Parallelen und Vorlagen

Me2,

333

f. 265vb (= Johannes von Sterngassen ?, >Ein heilig spricht,

das si heilikeiu = WACKERNAGEL, S. 165,39ff.)

2

?T?f Hie spricht Maister E k c h a r t von p a r i s westen dy menschen ir selbs hinternus 3 vnd was sy ewiger warhait erchennen möchten so sy den ynnem menschen mit fleizz 4 pehüetten taten sy möchten dy ding wissen dy allen den verpargen sind dy sich ledig 5 noch plas in dy frey abgeschaidenhait nicht gesetzt haben eins awff tringunden geists. 6 vnd dy auch der gnad nicht nachuolgen noch dy warhait zw in laden dy nyembt 7 vnmiigleich zw wissen noch zw erchennen ist. Als der maister vom haben synn 8 spricht. All dy sich aller ding vnwissund haben vnd von allen tzeitleichen dingen 9 ehern dy miigen sy erwerben. [Wackernagel, S. 165,58] 10 wan dy sei dy 11 an der tzeit noch an tzeitleichen dingen nicht hangt vnd 12 ist am geist awff genomen vnd hat 13 götleichen werchen nahent zw treten so 14 vermag sy grasse ding, vnd vber das wundert mich 15 das dy sei so vil gleichnus mit 16 der gotheit hat vnd hat auch grassen adel n vnd das sy dannoch halt nach irer 18

l Die Predigt ist als Werk des Johannes von Sterngassen (vgl. 2 VL Bd. IV, Sp. 760-762) gedruckt bei WACKERNAGEL, Altdt. Prr., Nr. LXII. Die Stelle wurde nur zum Teil (ab 165,73) identifiziert von SPAMER, PBB 34, S. 373. SPAMER verweist a.a.O. auf die Hs. Wien, ÖNB, cod. 2728 (W2), f. 9V ff., die ausführlicher sei als WACKERNAGELS Abdruck. (Unsere Stelle dort f. 12r"v.) Die Predigten dieser Hs. werden dort allerdings Meister Eckhart zugeschrieben, der wie stets durch Peuger - als maister von paris bezeichnet wird: f. : Daz sint di predige di da gemacht hat bruder Echart eyn maister von paris. Auch in Me2, f. 265vb findet sich die Zuweisung an Meister Eckhart. 3-6 auch in W11, f. 164V: $ wann westen dy menschen ir selbs hintrung vnd was sy ewiger warhait erchennen möchten so sy den ynnern menschen mit fleizz pewarn taten sy möchten dy ding wissen dy allen den verpargen sind dy sich ledig noch plas in dy freihält des awff tringunden geists nicht gesetzt haben. Hierauf folgt in W11 ein auch in Traktat III verwendetes Zitat aus •»Von Abegescheidenheit< (S. 371, App. zu Z. 20-26). Auch in Me 5, f. 331va: Aber sprechen dy von paris. westen dy menschen ir selbs hintrung vnd was sy ewiger warhait erchennen möchten so sy den ynnern menschen mit fleizz pehüetten taten sy möchten dy ding wissen dy allen den verpargen sind dy sich mit lediger plashait in dy frey abgeschaidenhait des awff tringunden geists nicht gesetzt haben, wann es ist nicht genueg das man dy creatur am wolhaben abschaid sunder man mues sy auch aws der pegier tuen vnd aws den zw vallunden pilden treiben die dy sei swarleich vernichten vnd vom mittel abchem. $ Auch in Me5 wird durch die allgemeine Zuweisung zu Beginn der Eckhart-Spruchsammlung (f. 331": dy hernach geschriben sprach sind genomen aws der ler maister ekcharts von paris) das Stück Meister Eckhart zugeschrieben. 11-15 auch in Me8, f. 204V im unmittelbaren Anschluß an S. 331,12-18: vnd wann sy den tzeitleichen dingen nicht anhangt vnd ist am geist awfftzogen vnd götleichen werchen ist nahent zw treten so vermag sy grasse ding. Hierauf folgt in Me8 S. 337,5-7 und 9-18.

334

1 2 3 4 5

art ein so chreftigs wort nicht ge | sprechen mag als got. vber das spre | chen ettleich maister es sey [des] * schuld was in got wesenleich ist das ist in der sei nicht wesenleich.

6 7

8 9 10 n

-* vnd des got (394,20) sein selbs wesen ist das hat er von im selber aber was dy sei ist das hat sy von got

12 13 14 15 16 17 18 19

20 21 22 23 24 25 26 27 28

-*· vnd ist also von im aws ge | flozzen das sy am wesen [nicht] * ist inn pliben sunder sy hat ein frömts wesen en | phangen das seinn vrsprung von dem götleichen wesen genomen hat dar vmb mag sy got nicht gleich würchen. wann als got alle ding pe wegt in himel (394,25) vnd in erden vnd allen dingen das leben geit

29 30

31 32 33 34 35 36 37 38 39 40

->· also pewegt dy sei den leichnam vnd geit im das leben in allen glidern das er mag sehen hörn greiffen reden vnd gen wie wol sy mit irn gedankchen anders wo ist . Da von G r e g o r i u s spricht chain sichtig ding mag nicht gesehen wem dann dur | ch ein vnsichtigs. wann das äug sich chain leipleich ding (394,30) es hab dann ein vnleipleich ding das es scherff zw

Von der sei wirdichait vnd aigenschafft

Parallelen und Vorlagen

335

art nicht ein als chreftigs wart sprechen i mag als der himlischs vater. von dem sprechen 2 ettleich maister es sey des schuld 3 was in got wesenleich ist das ist in 4 der sei nicht wesenleich vnd vmb das mag 5 sy got nicht gleich würchen. vnd wie wol sy nach got gepilt ist dannoch mag sy ein so 6 chreftigs wort nicht sprechen. Auch sprechen da von ettleich [266ra] ander maister 7 das got s sein wesen ist das hat er von 9 im selber aber was dy sei ist das hat sy 10 von got enphangen. 11 vnd vmb das müg sy sich got in irn werchen nicht gleihen. Aber ich sprich das sy das 12 nichts hintert. wann der sun hat auch vom vater enphangen als das er ist vnd würcht 13 doch dem vater gleich, wann er vnd der vater giessen aws den heiligen geist. das ist er H get von in paiden aws götleicher chrafft vnd dar vmb mag sy auch nichts hintern. Aber 15 ain wart trait einen syn in im das dy sei hintert an dem mich ein wenig genüegt vnd 16 doch nicht gar. Das ist das der sun ist aws der persan des vaters geflozzen nach seiner n persan vnd nicht nach dem wesen sunder er ist also im wesen pliben was der vater is nach seiner persan wesenleich vermag das vermag auch der sun. 19 Aber dy sei ist von den persann aws geflozzen 20 vnd ist am wesen nicht inn pliben 21 sunder sy hat ein frömts wesen enphangen 22 das seinn vrsprung von 23 dem götleichen wesen hat. 24 25 26 27 28

Me l, f. 213 -

29

zwm ändern mal haben ettleiche ding niht aigen wesen an ste/2/Jr/7ten vnd sind doch dar inn. Als dy sei dy mit irer chrafft im leichnam ist von der er sich pewegt hört vnd siecht smekcht greifft vnd get vnd ist doch mit irn gedankchen anders wo.

30 31 32 33 34 35 36 37 38 39 40

29 Nähere Angaben: Beschreibung von Me l, f. 210ra.

336

Von der sei wirdichait vnd aigenschaffi

1 sehen. Dar vmb nym hin den geist 2 [957 das ist dy sei dy man nicht siecht so ist 3 das awg vmb sünst offen das vor ge | sehen

5 hat. wann got hat dy sei geformt 6 an im vnd mit im vnd in im vor der 7 tzeit in der tzeit vnd nach der tzeit. wann

9

to chain sei mag in got nicht chömen 11 sy werd dann (394,35) ee got als sy got was 12 ee sy in got peschaffen ward.

13

14 15 16 n is

->· vnd in got mag chain ding vallen das got ni | cht ist vnd als dy sei in got ist also (395,1) ist sy auch got vnd ist in got tragen awff seim ewigen wartt.

19 20 21 22 23

7 vor wann am Rand von anderer Hand: verstee es recht.

Parallelen und Vorlagen

Me8,

337

f. 204V (im Anschluß an S. 333,11-15)

wann got hat dy sei an im geformt vnd mit im vnd in im vor der tzeit in der tzeit vnd nach der tzeit. Me2,

f. 319va (= PF. Tr. VI, >Schwester KatreiPlanetentraktatPlanetentraktats< bei SPAMER, PBB 34, S. 324 Anm. 2. 9—12 auch in Me l, f. 106*: Dar vmb sprechen dy lerer wer ein sei mezzen well der sol sy nach got messen wann der grünt gots vnd der sei grünt sind ain wesen. wann in got ist nichts dann got vnd chain sei mag in got chömen sy werd dann ee got als sy got was ee sy in got peschaffen was. Auch in Me5, f. 331vb: wann nichts mag in got dann er selber, vnd chain sei mag in got sy sey dann vor got als sy got was ee sy in got peschaffen wart. 9-18 verkürzt auch in Me8, f. 204V, im Anschluß an 5-7: Dar vmb mag chain sei in got chömen sy werd dann ee got als sy got was ee sy in got peschaffen wart, vnd als dy sei in got ist also ist sy auch got vnd ist in got tragen awff seim ewigen warft. Hierauf folgt in Me8 S. 339,30-36.

19 20 21 22 23

338

i

2 3 4 5 6 7 s 9 10 n

-> wann dy sei ist ein mittel tzwischen got vnd der creatur vnd ist am anvang vnd am entt des obristen gesetzt vnd periiert arnleiche ercha [ ntnus vnd den trast den ir dy engel von got pringen. wann (395,5) so sy mer den nydristen chrefften der fünff synn anha | angt (!) dann den obristen da von sy himli | sehe ding erchennt so wirt sy vn | edel vnd grob.

12 13 14 15 16 17 18

19 20 21 22 23

->· wann den lust den dy sei an der creatur hat an dem hat got chainn lust vnd wann sy das recht erch | annt sy verwurff allen lust in dem got nicht war.

24 25 26 27 28 29

30 31 32 33 34 35 36

(395,10) Dy weil dy sei noch hie im slaff ist so dient ir dy englisch ere | atur so sy aber erwacht vnd zw der warn erchantnus gots chümbt so trei bt sy dy engel von ir vnd mag der creatur dienst nicht mer leiden vnd pegreifft [95v] sich allain mit got.

Von der sei wirdichait vnd aigenschafft

Parallelen und Vorlagen

339

da von sy den f299rb] adel himlischer ding erchennt. Dar vmb spricht ein maister das i dy sei ein 2 mittel tzwischen got vnd der creatur sey. wann 3 sy ist am anvang vnd am entt des öbristen 4 gesetzt vnd perüert arnleiche erchantnus 5 vnd den trast den dy engel der sei 6 von got pringen 7 8 9 10 11

. wann das obrist liecht ist in seiner süezzichait so chreftig das es dy sei chain tzeit 12 enphahen mag oder sy werd dar an gehintert als das chrankch awg von der sunn 13 schein. Dar vmb steigen dy engel ab vnd awff vnd pewarn dy sei dy noch hie ist als in H eim slaff. wann als Di on i s i us spricht so hat got aller pildnus gleichnus des ersten s gewaricht vnd in gedrukcht in dy nydristen engel vnd wem also pracht vnd in dy 16 creatur trukcht. Als ein gueter maister dy chunst dy er im hertzen hat pegriffen awff i? ettwe petzaihent also petzaihen dy engel das lieht gots vnd seinn trast in dy sei 18 wann allen lust den dy 19 sei an der creatur hat dar an hat got 20 chainn lust, vnd wann das dy sei recht erchannt 21 sy verwurff allen lust in dem got 22 nicht war 23 . wann es haben vil menschen Ram nye gesehen vnd ist doch Ram. Vnd zw paris ist 24 vil wunders das vil menschen nye sahen vnd ist doch da. Also sagt man vil von den 25 himlischen frewden vnd wie wol wir es nye gesehen haben so ist es doch war. Dar 20 vmb sprach J a c o b da er vom slaff erwacht. Der herr ist wärleich an der stat gwesen 2? vnd ich west sein nicht, wann [299va] da er erwacht da waich alle creatur von im vnd 28 erchannt got allain. 29 Also ist es vmb dy sei dy weil sy 30 im slaff ist so dienn ir dy engel 31 wann sy aber erwacht vnd zw der 32 erchantnus gots chümbt so treibt 33 sy dy engel von ir vnd mag der creatur 34 dienst nicht mer leiden sunder sy halt 35 sich gots allain. 36

30-36 auch in Me8, f. 204V, im Anschluß an S. 337,9-18: Dar vmb dy weil dy sei noch hie im slaff ist so dient ir dy englisch creatur so sy aber erwacht vnd zw der warn erchantnus gots chümbt so treibt sy dy engel von ir vnd mag der creatur dinst nicht mer leiden vnd pegreifft sich allain mit got vnd chert sich in abgeschaidenhait. *t

340

2 ->· Da von spricht sand 3 A u g e n s t in dy sei ist edler sterkcher 4 vnd grözzer dann alle creatur. Aber 5

6 7 s 9 10

dy engel sind in irer natur edler dar vmb das sy des ersten von dem geist gots tzogen (395,15) sind von dem sy ir enthalten haben.

11 12 13

14 is 16 n

-> Auch spricht G r e g o r i u s der sei der got also erschinn ist das sy in ettwas erchennt, der sind alle creatur zw eng vnd ze nichte warn.

Von der sei wirdichait vnd aigenschafft

Parallelen und Vorlagen

Me2,

341

f. 299va (= PF. Pr. 53, S. 173,16-34)

wenn dy sei als sand A u g e n s t i n spricht ist edler sterkcher vnd grosser dann alle creatur vnd ist got am gleichisten. Aber dy engel sind dar vmb edler das sy des ersten von dem götleichen geist tzogen sind von dem sy ir enthaltung haben des dy sei noch also nicht hat. Hie möcht ettwer fragen seit got in seim vermiigen ainig ist war vmb peschueff er nicht ainerlay ding als dy engel. Vber das sprechen dy lerer ainerlay creatur warn got nicht gnueg dar vmb wolt er manigerlay creatur pe/299v/7schaffen das in ein yede erchannt vnd sich nach irm wesen vnd nach der natur vermiigen im peweist. Dar vmb spricht G r e g o r i u s der sei der got erschinn ist da von sy in ettwas erchannt hat der sind alle creatur ze nichte warn.

l PFEIFFER hat den Text seiner Predigt 53 nach der Hs. Strl gedruckt. Die weitere Überlieferung ist bei QUINT, Überlieferung, S. 501ff. und LÜDERS, S. 181f. zusammengestellt. Der Straßburger Hs. (und dem Fragment Str3 sowie B8) stehen die Lesarten des »Kreises mitteldeutscher Eckharthandschriften« (LÜDERS, S. 182; gemeint sind: B6, B7, Lol und NvL) und N l gegenüber. Zu diesem »Kreis« gehört jetzt auch Lo4 (vgl. LÖSER, S. 208). Die Lesart des Traktats, die Engel seien edler in irer natur (Z. 6) entspricht PF. Pr. 53, S. 173, Z. 19f., sie seien edeler dan ir nature. Diesen von PFEIFFER so nach Strl gedruckten Text bestätigen auch die md. Hss. (vgl. Lo4, f. 128vb-129ra). Peugers Abschrift in Me2, wo in (bzw. dan) irer natur fehlt, steht allein. Ebenso bietet der Traktat (Z. 16) eng, was sich in PFEIFFERS Text (S. 173, Z. 3) wie in den md. Hss. (vgl. Lo4, f. 129ra) ebenfalls findet, in Me2 wiederum fehlt. Das heißt Peugers Abschrift in Me2 kann nicht Vorlage für das Exzerpt des Traktats gewesen sein. Aber im Traktat fehlt die Zeile 5 vnd ist got am gleichisten (entspricht PF. Pr. 53, S. 173, Z. 18f.) und der gesamte Abschnitt Z: 10-13 Hie möcht bis peweist (= PF. Pr. 53, S. 173, Z. 22-30), sodaß die Traktatfassung umgekehrt auch nicht Vorlage für Me2 gewesen sein kann. Beide Hss. gehen auf eine gemeinsame Vorlage zurück. Weil Me2 und der Traktat »durchgehends im Wortlaut von den anderen Hss. abweichen« (QuiNT, Überlieferung, S. 505), muß bereits diese erschließbare Vorlage erheblich bearbeitet gewesen sein.

2 3 4 5 6 7 8 9 10 n 12 13 14 15 ie 17

342

2 3 4 5 6 7 s 9 10

-> wann so dy obri | sten chrefft der sei got stltleich anhangen so pewegt sy auch dy nydristen chreft also was an in geschiecht das chumbt mit erchantnus (395,20) an dy obristen. Dar vmb haist dy obrist chrafft der sei ein liecht das nymer erlischt durch die ercha | ntnus der sei dy sy in der chrafft hat. wan

1l 12

13 wie verre ir chrafft von got gefüert 14 wirt dannoch erchennt sy got albeg 15

16 . Dar vmb mag ir chrafft nymer so gar i? erlescht wem oder sy prinn dannoch al |beg 18

19 20 21 22 23

ettwas in der sy der sei (395,25) scha|den chund tuet ob sy halt in der sunt geistleich tött ist, das sy wizz wider lemtig ze wem vnd awff ze sten mit warr rew vnd puezz.

Von der sei wirdichait vnd aigenschafft

Parallelen und Vorlagen

343

Lo4, f. 130vb-131ra (= JOSTES Nr. 74, S. 77,39-78,11) Also ist es vmbe dy kreft der sele: 2 dy obirsten, dy da gote czü hangen, 3 dy bewegen alle dy nedirsten; 4 was an den nedirsten geschet, das komt 5 von bekentnisse an di obirsten. Dar vmbe 6 heiszt di obirste kraft ein meister ein born 7 der nymmer vortrüget durch dy bekentnisse 8 der sele, dy sy an deser craft hat. 9 Wy tiff der mensch vellet, si nebeschelde alle czit dy sünde. Dar vmbe ist dy craft 10 bewist by der Jüngfrawen, dy gefangen vnd gefurt wart aus dem lande der bekentnisse 11 in das land der vnbekenntnisse vnd sy got doch bekante. Also geschet es an der sele: 12 wy verre dese [131ra] craft gefurt wirt von 13 gote, Sy bekennet doch gote u vnd smeckt doch gotliche edilkeit 15 Dar vmbe mag sy nimmer 10 verlescht werden noch vorblendet genczlich n wen als alle dy crefte vorstört werden is vnd dy sele getöt wirt an den Sünden, 19 so löufft dese kraft czu vor vs vnd 20 kundiget den schaden des menschen. 21 22 23

l Die JOSTES-Predigt 74 ist in Melk sonst nicht vollständig überliefert. Die Überlieferung, zusammengestellt bei JOSTES/RUH, S. 211, ist auf Nl 79va-80va, die eben (S. 341, App. 1) erwähnte Hs. B8, f. 11 -112V, B9 und Wol beschränkt. Dazu kommt Lo4, f. 129va-131ra. Ich gebe den Text nach Lo4 wieder. Die Stelle läßt Rückschlüsse auf die gerade (S. 341, App. 1) erschlossene Vorlage Peugers zu; denn von allen genannten Hss. überliefert nur Lo4 (f. 127ra128va; 128va-129va; 129 "-13( die Predigten SlEVERS Nr. 26, PF. Nr. 53 und JOSTES Nr. 74 in derselben Reihenfolge, in der auch in unserem Traktat Peugers Exzerpte aufeinander folgen. Eben diese Reihenfolge bewahrt aber auch Me2, wo f. 298vb-299vb Exzerpte aus SIEVERS Nr. 26 und PF. Nr. 53 einem anderen Exzerpt aus JOSTES Nr. 74 (JOSTES, S. 76,16-22 u. 30f.) vorausgehen. Der Block dieser Texte wird in Me2 f. 298ra-298vb mit JOSTES Nr. 76 begonnen, das auch in Lo4 (f. 125*-127ra) vor SIEVERS Nr. 26 stand. Das heißt: Peuger hat eine Vorlage, die JOSTES Nr. 76, SlEVERS Nr. 26, PF. Nr. 53 und JOSTES Nr. 74 in derselben Reihenfolge wie Lo4 tradierte, unabhängig voneinander für seine Exzerpte im Traktat und in Me2 benutzt. 6 von/mit N l = JOSTES, S. 78,1!

344

3

4 5 6 7 8 9 10 n

->· fj" Hie ist ein fr | ag ob dy sei mit irn aigen chrefften ir höchste sälichait pegreiffen müg. zw dem sprechen dy vier lerer thorn | as e g i d i u s (395,30) h a i n r i c u s vnd a l b e r t u s .Hiet dy sei ir aigne verstentichait an [96 7 pildnus als sy ir wesen hat, so möcht sy ir höchste sälichait pegreiffen wan

12 13 14 15 16

n sy ist ein vnmesleiche mazz dy got is mit nichte erfüllen mag dann mit im 19 selber. 20 21

22 23 24

25 26 27 28 29 30

3l 32 33 34

->· Auch spricht sand a u g e n s t i n hi et dy sei ir aigne natürleiche edel an mittel gegenwärtig, so war sy ir sei | bs aigen mer (395,35) dann alle creatur in irr natur dar in sy gearnt ist.

Von der sei wirdichait vnd aigenschafft

Parallelen und Vorlagen

345

Me2, f. 288* (9 Fragen)

.

Hie sind ettleich frag wann all predig dy maister E k c h a r t in seiner ler pegreifft genn 2 am maisten nwr awff den ynnern menschen. 3 Dy erst frag ist 4 ob dy sei mit irn aigen chreften 5 ir höchste salichait pegreiffen müg. 6 Z w dem sprechen dy lerer t h o m a s 7 E g i d i u s h a i n r i c u s O r i g e n e s vnd A l b e r t u s s .Hiet dy sei ir aigne verstentichait an 9 pildnus als sy ir wesen hat so möcht 10 sy ir höchste salichait pegreiffen. 11 Dy ander frag ist ob sich dy sei natürleich zw grünt versten müg. Vber das sprechen 12 dy lerer war das sich dy sei von natur grüntleich versten möcht so miiest sy ein aigne 13 natürleiche chrafft haben dy an weis vnd an s u b s t a n t s wir als dy gnad vnd war H natürleich sälig als t h o m a s J o h a n n e s D a m a s c e n u s t u l i u s [288va] O r i g e n e s is R i c h a r d u s de s a n c t o v i c t o r e A l b e r t u s vnd maister D i e t r e i c h sprechen das 10 dy sei ein vnmessleiche mazz sey wann got 17 mag sy mit nichte erfüllen dann mit im is selber. 19

Me2, f. 288vb

20

[dritte Frage] Alle ding fliezzen aws der vernufft gots nach vnterschaid der natur vnd nicht nach dem verrnügen irer würchung. wann es geschiecht ettwann das ettleich natur dy verre vnter dy ändern gearnt sind gleich an den pilden wem aber nicht gleich nach dem verrnügen in der natur. Da von sand A u g e n s t i n spricht hiet dy sei ir aigne natürleiche edel gegenwürtig an mittel so war sy ir selbs mer aigen dann sunst alle creatur in irer natur dar in sy gearnt sind.

21 22 23 24 25 20 2? 28 29

Me2, f. 289ra

30

Dy fünft frag ist ob dy sei geschikcht sey dy warhait zw enphahen nach der ainichait 31 irs wesen oder nach der vernufft gots. Vber das antwurt O r i g e n e s vnd D a m a s - 32 c e n u s vnd sprechen das sich dy sei nach dem verrnügen der gnaden erheb nach der 33 sy von got gemacht ist vnd hang der warhait mit lust wesenleich an. wann dy 34

l Nähere Angaben: Beschreibung von Me2, f. 288*. 3 Vgl. PF. Pr. 107, S. 349,35; hier S. 389, App. 14, sowie S. 409,44; 417,31; 445,15f. 16 Ein längeres Zitat Dietrichs von Freiberg auch in Me2, f. 302va.

346 l 2

3 4 5 6 7 s

-* wann got ist ein geist vnd vergeist dy sei vnd ist in irm geistleichen aigen vber alle creatur gearnt, da von sy der creatur mag genu | eg sein in dem ebenpild der ewigen war | hait das sich an mittel in ir erpilt $

9 10 l!

12

13 14 is 16 n is 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29

. Nw ist aber ein frag in welher mazz got in dy sei chöm seit er doch wesenlei | ch in ir ist vnd sy mit seim wesenlei | chen werch (396,1) enthalt vnd wesen vnd leben in ir würcht. vber das sprechen ettleich lerer das got triueltichleichen in dy sei chöm. Des ersten mit seiner gnad durch dy der mensch erfrewt wirt vnd lust gewint all tugent zw erfüllen vnd hat ein pegern das im das (396,5) von chainer creatur nymer penomen werd. Des ändern mals chümt got in dy sei mit lawterer erchantnus in der sich der mensch peschawt vnd lernt sich selber erchennen das er got in allen dingen genueg sey, dar in er in tzewcht es sey leiden oder Versuchung geistleich oder leipleich.

30 31

32 33 34 35 36

-> zwm dritten mal chümt got in dy sei mit rechter freihält (396,10) da mit er den menschen [96V] freit von allen sargen des lebens. Dar vmb sol in dy sei wirdichleichen enphahen

37 38

39 -»· vnd 40 sol sich an nyembt genüegen lazzen dann 41 an im allain.

Von der sei wirdichait vnd aigenschafft

Parallelen und Vorlagen

347

gemainschafft [gots] * ist wesenleich an zwval vnd ist nicht ir natur aber dy natur gots ist das er sich gemainschafft. 2 Got 3 ist ein geist vnd vergeist dy sei vnd ist 4 in irm geistleichen aigen vber alle creatur 5 gearnt vnd mag der warhait genueg 6 sein in dem ebenpild der ewigen warhait 7 das sich an mittel in ir erpilt. 8 vnd dy sei enphlcht vnd dy sei enphächt (!) doch des pilts nichts mit chainer creatur 9 ze würchen. wann sy hat ein vermügen in disem widerpild [289rh] der warhait das sy 10 sich mag würchen in das manigualtig reich dy warhait ze prawhen vber dy engel. 11 Mel,

f. 121rb (= PF. Pr. 107, S. 348,28-349,5)

Hie ist ein frag in welher mazz got in dy sei chöm seit er doch wesenleich in ir ist vnd sy enthalt mit seinn wesenleichen werchen in dem er in ir wesen vnd leben würcht. von dem sprechen ettleich lerer das got triueltichleichen in dy sei chümbt ff Des ersten mit seiner gnad durch die der mensch erfrewt wirt vnd lust gewint [12 "] all tugent zw erfüllen vnd pegert das im das von chainer creatur nymer penomen wert ?T Zwm ändern mal chümbt got in dy sei mit lawterer erchantnus in dem sich der mensch selber peschawt vnd erchennen lernt awff das er got genueg sey in alle dem dar in er in tzewcht es sey leiden oder versuechung leipleich oder geistleich. wann sand A u g e n s t i n spricht Got lit den menschen in chain leiden gen dann als vil er widersten mag ob er von im hilff suecht vnd pegert. ?T Zwm dritten mal chümbt got in dy sei mit rechter freihait da mit der mensch von allen sargen des lebens gefreit wirt. Dar vmb sol in dy sei wirdichleichen enphahen als dem chünig aller chünig zw gehört. Sein wirdige enphahung ist so sich im dy vernufft vntertan macht vnd an chainn dingen ein genüegen hat in aller creatur dann an got allain.

12 13 u 15 16 17 s 19 20 21 22 23 24 25 20 n 28 29 30 31 32 33 34 35 30 37 38 39 40 41

348

Von der sei wirdichait vnd aigenschaffi

5

6 7 s 9 10 11 12 is 14 is 16 n is 19 20 21 22 23 24 25 26 27

->· Der mensch ist nach dem obristen tail seins inwendigen menschen der sei got gleiher dann allen creaturn. vnd wie wol er natürleich mer mit der creatur ist, so ist er doch nach der (396,15) vernufft got gleiher dann chain creatur. wann so dy sei nach der art irs vermügens [vnd] * nach der aigenschafft irs wesens vemüftich | leichen in got ruet so wem ir alle ding als aigen als ob sy durch anderer ding willen nicht peschaffen warn dann allain durch irn willen, vnd in dem tail leiden sy alle creatur vnd sind ir vnter|tan (396,20) als ob sy von ir peschaffen warn . wann in der chrafft warn dy vogel F r a n c i s c o vntertan vnd hörten sein predig . Es was auch in der chrafft der D a n i e l pegabt vnd hielt sich allain gots da er vnter den leon sas. Jn der chrafft ist auch der heiligen vbung gewesen dy ir leiden also awff namen, das es in in grasser lieb chain leiden was.

28

29 so 31 32 33 34 35

-> (396,25) Awff das sp | rieht D i o n i s i u s dy sei sol sich so rain machen das sy in volchömenhait erjlewcht werd, das sy den engein gl | eich werd vnd enphach das von gna den das dy engel nw von gnaden pesezzen haben.

Parallelen und Vorlagen

349

Mel, f. 122vb (= PF. Pr. 107, S. 351,12-29) Das dritt wann ein mensch in im ansieht, das er von gnaden das vermügen hat das er 2 ein form gots mag wem also das got alle seine werch mer wem zw gelegt dann im 3 selber vnd mer lust hat an den ebenpilden ihesu c h r i s t i vnd in seinen tugenten 4 dann an der vbung des werchs. 5 vnd dar vmb ist der mensch nach dem 6 obristen tail seins inwendigen menschen 7 got gleicher dann allen creaturn. vnd s wie wol er naturleich mer mit dem geschepph der 9 creatur ist so ist er doch mit der vernufft 10 got gleiher dann chain creatur. wann so 11 dy sei nach der art irs vermügen vnd nach 12 der aigenschaft irs wesens vernüftichleich 13 in got pesitzt so wem ir alle ding 14 als aigen als ob sy durch chains ändern dings is willen peschaffen warn dann 10 allain durch irn willen, wann in dem tail n leiden sy alle creatur vnd sind ir vntertan als ob sy von ir peschaffen warn. 19 wan in der chrafft warn dy vogel f r a c i s c o (!) 20 im vntertan vnd hörten sein predig. 21 Es was auch in der chrafft D a n i e l 22 pegabt vnd hielt sich gots da er 23 vnter den leon sas. Jn der chrafft ist auch 24 der heiligen vbung gwesen dy ir leiden also hie 25 tragen vnd awff genomen haben das es in von grasser 20 lieb wegen chain leiden was. 2?

Me2, f. 298vb (= JOSTES Nr. 76, S. 81,32-37)

28

Da von spricht D i o n i s i u s dy sei sol sich so rain machen vnd sol in volchömenhait so lawter wem das sy den engein gleich werd vnd enphach das von gnaden das dy engel nw in gnaden pesezzen haben. Awff das spricht A n s h e l m u s

29 30 31 32 33 34 35

35-S. 351,3 auch in der Spruchsammlung von Me5, f. 336ra: ? was wunn der heilig geist in eint hertzen hat das gegen seinn vbel günnern ein fridsams gemttet trait wann er im v/7 süezzer gnad in gewst. Aber sölhe senftichait ist yetzund pey vnsern tzeiten pey geistleichen lewten seltzam. vnd seit der mensch zw dem nicht volpracht wirt als Anshelmus spricht zw dem er peschaffen ist er werd dann gleich den engein in den chain sünt ist was gerichts wem dann dy enphahen dy ir sünt nicht abtuen [...]

350

1 2 3 4

Von der sei wirdichait vnd aigenschaffi

->· wann dy sei wirt dar zw nicht volpracht dar zw sy pe | schaffen [97r] ist, sy werd dann gleich den en | geln in den chain sünt ist.

9 10

n 12 B H is

->· vnd dar (396,30) vmb das dy sei vom himel ist das ist von got der ein himel der sei ist vnd der leichnam von der erden so sind sy albeg wider ein ander.

16 17 18 19 20 21

22 23 24 25 26 27 28 29 so

->· Dar vmb mues dy sei dy zw got wider chömen wil von dann sy ist geflozzen alle ding lazzen vnd fliehen dy got nicht sind, noch zw got weisen, wann alle pildnus vnd (396,35) glei | chnus als d i o n i s i u s spricht hat got des ersten in dy nydristen engel in gedru | kcht, das sy dann das götleich Hecht vnd den trast gots in dy sei drukchen,

3l 32

33 34 35 36

-*· das sy chömen müg in ir ainigs ain das got ist, da nye chain creatur in plikchen no | ch sehen mocht.

Parallelen und Vorlagen

der mensch wirt zw dem nicht volpracht dar zvV er peschaffen ist ob er nicht volpracht wirt zw gleichnus den engein.

351

2 3 4

Me2,

f. 298vb (= SIEVERS Nr. XXVI, S. 433,10-434,34)

5

vnd da er entslieff da sach er ein laiter awff der erden sten dy mit irer hoch den himel 6 periiert dar an dy engel ab vnd awff stigen. vnd der herr laint sich an dy laitter vnd ? sprach zw im Jn deim geslächt wem alle diet gesegent. vnd da er erwacht da sprach er s wärleich der herr ist an der stat gwesen vnd ich west sein nicht, vnd sprach aws 9 vorchten hie ist nicht anders dann ein haws gots vnd ein porten des himels. 10 Also ist es 11 von der sei dy vom himel chömen ist 12 13

vnd der leichnam von der erden das ist von vater 14 vnd mueter vnd sind albeg wider ein ander. 15 ra als esaw vnd [299 J Jacob wider ein ander warn, wan Jacob was von got erweit vnd 10 esaw verwarffen. Also sind ir noch vil dy nach dem geist ewiger ding pegem vnd der i? ist an tzal mer dy nach dem fleischs tzeitleicher ding pegern. Awff das hat der herr ihesus gesprochen Jr ist vil gerüefft aber wenig erweit, vnd ir ist vil dy den weiten 19 weg genn der zwm tod der ewigen verdambnus fiiert aber der ist gar wenig dy den 20 engen weg zwm leben des himels genn. 21 Dar vmb mues 22 dy sei dy zw got chömen wil 23 dy vngearnten tzeitleichen ding 24 fliehen. [...299rh...J 25 (= ebd. S. 435,55-60) 20 wann als D i o n i s i u s spricht so hat got aller pildnus gleichnus des 2? ersten gewaricht vnd in gedrukcht in dy nydristen engel 28 vnd wem also pracht vnd 29 in dy creatur trukcht. 30 Als ein gueter maister dy chunst dy er im hertzen hat pegriffen awff ettwe petzaihent 31 also petzaihen dy engel das lieht gots vnd seinn trast in dy sei. 32 33 34 35 36

352

Von der sei wirdichait vnd aigenschaffi

s -> ff Dy lerer sprechen das 9 der sei salichait an dem grosser sey so 10 got in ir sich selber pert an leipleiche ainung dann der leichnam c h r i s t i (397,1) an sein got|hait 12 vnd an sein sei. wann ein yede is sälige sei ist edler dann der tödleich lei | chnam 14 c h r i s t i . wann dy inwendig gepurd is gots in der sei ist ein volpringung aller 16 irer sllichait. wann dy sSlichait frumbt i? ir mer dann das c h r i s t u s mensch ward 18

19 . vnd das hiet der sei nicht mügen (397,5) nutz sein 20 an dy verainung gots. 2l 22 23 24 25 26 27 28

Parallelen und Vorlagen

Me2,

353

f. 314vb (= Par. an. Nr. l, S. 9,2-15)

So ist vns vil grösserer gesunt chömen da vns der sun gots perüert hat mit dem an sich 2 nemen menschleicher natur aws dem rainn leichnam marie der iunchfrawn durch 3 das menschleich natur ist hail vnd silig warn. Noch grözzer sälig ist das [314ra] 4 i h e s u s c h r i s t u s vnser herr mit seiner aigen natur hat perüert das wazzer im iordan s da er tawfft wart da mit er allen wazzern hat chrafft geben wer dar inn tawfft wirt 6 nach rechter arnung der wirt erledigt von den anparn sünten. ? vnd dy aller grözzt sälichait ist so got 9 geoffent vnd in der sei parn wirt an einer geistleichen ainung. wann da von wirt dy sei säliger dann der 11 leichnam c h r i s t i . wann ein 12 sälige sei ist edler dann sein tödleicher leichnam. 13 vnd dar vmb ist dy inwendig purd 14 gots an der sei ein volpringen aller 15 irer sälichait. vnd dy sälichait frumbt 16 ir mer dan das c h r i s t u s mensch wart n vnd das wazzer in der tawff an riiert. s wann dy ding möchten der sei nicht frumen 19 an dy verainung gots. 20 Me2,

f. 435rb (= >Planetentraktat< = PF. Pr. 67,1, S. 213,23-26)

21

fl" Der sechst stern haist M e r c u r i u s der ein gewinner der sei ist dy alle ding vmb 22 got geit. vnd pringt zw lan das guet der gothait in dem der schätz des himelreichs 23 peslozzen ist. Da von sprach der herr i h e s u s . Sälig sind dy armen des geists wan ir 24 ist das reich der himel. Der war ein rechter armer mensch des geists der als hiet das 25 got peschaffen hat vnd da pey an seim geist chain aigenschafft leiden möcht. Dar vmb 20 wer recht well arm sein der geb alle gab dy er nach sei vnd leib enphangen hat vnd 2? opphers got alle tag rain vnd lawter hin wider von dem er sy hat 28

21 Vgl. Beschreibung von cod. 705, zu f. 433ra^39ra (= Nr. 77). 4—20 auch in Me8, f. 180r: vnd das ist auch ein grasse sälichait das der herr ihesus christus mit seiner aigen natur das wasser im iordan perüert hat da er tawfft wart da mit er allen wassern hat chrafft geben wer dar inn tawfft wirt nach rechter arnung der win erledigt von den anparn sünten. Aber das aller grözzt ist so sich got offenbart vnd in der sei parn wirt in geist leicher ainung. wann da von wirt dy sei saliger dann der leichnam christi. wann ein sauge sei ist edler dann sein tödleicher leichnam. vnd dar vmb ist dy inwendig purd gots an der sei ein volpringen aller irer sälichait. vnd dy sälichait frumbt ir mer dann das christus mensch wart vnd das wazzer in der tawff an rüert. wann dy ding möchten der sei nichts frumen an die ainung gots. Der selbe Text auch in Me3 (diese Hs.) f. 17 ; mit einer Ausnahme (vnd ... auch/ Auch ist das Me3) Wort für Wort identisch mit dem Me8-Text. Peuger hat für das zweite Exzerpt in Me3 also nicht die hier vorliegende Traktatfassung, sondern Me8 oder dessen Vorlage verwendet.

354

Von der sei wirdichait vnd aigenschafft

->· Da von D i o n i | s i u s 2 spricht dy sälichait ist ein inn pleiben 3 mit got, also das in dy sei mer gegen | würtigen 4 hab dann sich selber.

9 10 n 12 B

->· vnd dy sei pegreifft [got] * am aigenleichist so sy mit [97V] eim fridleichen hertzen zw im lawfft, wan im frid ist sein stat vnd hat vns im frid zw seinn chinden erweit.

14 15 16 17 18 19 20 21 22

23 -> wann 24 (397,10) als got in dem gestirnten vnd vmbla wffunden 25 himel ein peweger ist, 26

27 28 29 30 31 32 33

-»· al | so ist er auch hie in der sei ein pe | weger der freihält vnsers willens zw im selber vnd zw allen gueten din | gen, in dem sy peschawn mag das Hecht im Hecht vnd veraint wem im Hecht mit dem Hecht.

Parallelen und Vorlagen

355

i

Wann dy armut des geists ist ein pleiben in got. Vnd mit dem hat der mensch got mer gegenwürtigen dann sich selber. Me2,

f. 436ra (= >Planetentraktat< = PF. Pr.67,1, S. 213,26-214,3 + PF. Pr. 67,2 S. 214,32-215,1)

2 3 4 s 6

Der sibent p l a n e t ist der man der ein lawffer haist vnd pringt ze lan das pegreiffen ? der salichait. s Wann dy sei 9 pegreifft got am nächsten so sy mit eim fridleichen hertzen zw im lawfft. wann u sein stat ist im frid vnd hat vns im 12 frid zw seinn chinden erweit 13 awff das dy ewig salichait vnser erib wurd. Dar vmb sprach der herr i h e s u s salig 14 sind dy fridleichen wann [436rh] sy wem chinder gots gehaissen. Hie sol man wissen 15 das ob den p l a n e t e n der himel ist an dem dy stern stenn dy man pey der nacht 10 siecht lewchten. Vnd pedewten der sei werch dy also süllen gearnt sein das sy vor den n menschen lewchten zw dem lob gots vnd zw pesrung dem nächsten, wann all stem is enphahen ir Hecht von dem chlarn schein der sunn vnd doch Venus der lieber am 19 lawtristen. Also süllen alle vnsre werch chrafft vnd lawtrichait des vol chömen Hechts 20 enphahen vnd süllen in der tugent der lieb dy all ander tugent vberscheint mit irm 21 Hecht als dy sunn dy stern vor got lewchten. (Z. 23-30 = PF. Pr. 67,2, 22 S. 214,32-215,1) wann 23 als got in dem gestirnten vnd vmblawffunden 24 himel nicht anders ist dann ein peweger 25 vnd ein prunn der infliessunden chrafft. 20 Also 27 ist er auch hie in der sei ein peweger 28 der freihait vnsers willen 29 zw im selber vnd zw allen gueten dingen. 30 31 32 33

23-30 Derselbe Text auch in Me2, f. 303ra: wann got ist in dem gestirnten vnd vmblawffunden himel nicht anders dann ein peweger vnd ein prunn der infliessunden chrafft. Also ist er auch hie in der sei als ein peweger der freihait vnsers willen zw im vnd zw allen gueten werchen.

356

2 3 4 5 6 7 s 9 10 11 12 n

Von der sei wirdichait vnd aigenschaffi

-> wann dy le|rer sprechen das nach aigner natur (397,15) die engel im himel edler sind dann dy sei c h r i s t i oder m a r i e . wann sy sind got gleiher am wesen dann dy sei aber dy sei c h r i s t i hat von irm verdienn mer frewden dann all engel haben vnd ist got nahenter dann chain engel. Also ist es auch von der sei m a r i e aber nicht natürleich wann von natur so ist dy sei c h r i s t i vnd m a r i e (397,20) als mein sei oder eins ändern menschen sei.

Parallelen und Vorlagen

Me l,

357

f. 131ra (= Dictum des Nikolaus von Dinkelsbühl)

Auch sol man wissen das nach aigner natur dy engel im himel edler sind dann dy sei c h r i s t i oder m a r i e . wann sy sind got gleiher jn e s s e n c i a das ist [131rb] am wesen dann dy sei. Aber dy sei c h r i s t i hat von irm verdienn mer frewden dann all engel haben vnd ist got nahenter dann ynnert ein engel. Also ist es auch vmb dy sei m a r i e aber nicht natürleich. wann nach der natur so ist dy sei c h r i s t i vnd m a r i e als mein sei oder eins ändern menschen sei.

2-13 Dieser Abschnitt folgt Me l, f. 131ra durch ein kleines rotes Caputzeichen abgesetzt auf die Eucharistiepredigt, die f. 129vb beginnt, und die aufgrund eines Mißverständnisse Eingang in den Traktat fand. Derselbe Text auch in Wien, Dominikanerkonvent, cod. 177/144b, f. cijv-ciijr. Dort ist neben der Predigt des Nikolaus von Dinkelsbühl nach dem Vermerk Extra sermonem genau dieselbe Passage wie in Me l, f. 131ra notiert: Nach aygner natur so sind die engeil edler denn die sei christi oder marie wenn sy sind got gleicher in essencia das ist am wesen denn die sei aber die sei christi von jrem verdienn hat meer frevden denn all engeil habent vnd ist got nachende r dennjndert ein engelU [....] so ist die sei christi oder Marie gleich als mein oder dein sei/ das hat der maister sust geret vnd nicht an der predig. Ein ähnlich lautender Vermerk dort auch f. lxxxxvij v : die gleichnüzz hat der maister nicht gesagt an der predig man hat sust von ym gehört. Der Schreiber/Redaktor der großen Wiener Nikolaus v. Dinkelsbühl-Hs. vermerkt also ausdrücklich, daß die zitierte Textpassage nicht aus einer Dinkelsbühl-Predigt stammt. Zu fragen wäre, ob Nikolaus die Äußerung in Melk getan haben könnte. Man vergleiche etwa Wien, Dominikanerkonvent, cod. 177/144b, f. cccxxxj: Nota illa verba magister non dix.it in sermone sed propter claustrales extra sermonem. Zu Nikolaus von Dinkelsbühl, dem sogenannten Nikolaus von Dinkelsbühl-Redaktor und dem Verhältnis der Wiener Dominikanerhs. zu Mel/Me2 vgl. die Beschreibung der codd. 705 u. 1865.

2 3 4 5 6 7 s 9 10 11 12 13

358

10

n 12 n κ is 16 i?

-> Auch spre eben dy lerer das dy sei im menschen mer dann tawsentueltichleichen ist vnd ist gantze in eim yeden glid in den vingern in den awgen im hertzen vnd in eim yeden tail aller glider grazzer vnd chlainer.

18 19 20 21

22 ->· Als in dem achtten himel an 23 dem so vil stern sten ist ein engel (397,25) der

Von der sei wirdichait vnd aigenschafft

Parallelen und Vorlagen

Me l,

359

f. 129vb (= Nikolaus von Dinkelsbühl, Eucharistiepredigten, Sermo 2)

i 2

Dy a n d e r p r e d i g von g o t z l e i c h n a m Sich sol nyembt wundern das daz prat in 3 den leichnam c h r i s t i verwandelt wirt vnd der wein in sein pluet. wan es stet schri- 4 ben Gen xix° das des l o t t weib in ein saltz sewl verwandelt wart, vnd der dürr stab s den M o i s e s in der hant trueg in ein slangen als schriben stet ex öd i iiij°. vnd vil 6 anderer ding dy in figurn geschehen sind. Sunder so hat got himel vnd erden pe- 7 schaffen von nichte michels mer mag [130ra] er ettwas von ettwe machen. Vns sol s auch nicht wundern das der leichnam c h r i s t i hie vnd zw Ram ist vnd in allen 9 chirchen da man mezz list. wan n als dy sei in des menschen leichnam 12 mer dann tawsentueltichleichen ist vnd 13 ist gantz vnd gar in eim yeden glid inn 14 vingern inn awgen im hertzen vnd 15 in allen chlainn tailn eins yeden 10 glitz. n Als A r i s t o t i l e s schreibt im achten puech p h i s i c o r u m vnd am tzwelifften puech is M e t a p h i s i c e , wie sind ettleich s u b s t a n t s dy er haist i n t e l i g e n c i a s vnd sind 19 geist vnd der yede ist in irm himel den sy vmb treibt vnd ist auch gantze in eim yeden 20 stükchlein des selben himels. 21 Als in dem achten himel an 22 dem als vil stern sind ist ein engel der 23

l Soweit sich dies anhand der knappen Angaben bei MADRE, S. 249 u. 245 festzustellen läßt, handelt es sich beim folgenden Text um die zweite der fünf Eucharistiepredigten des Nikolaus von Dinkelsbühl, deren dt. Fassungen »nur zum Teil ähnliche Übersetzungen der lat. Sermones« darstellen (MADRE, S. 249). Daß eine Predigt des Nikolaus von Dinkelsbühl für eine Eckhartkompilation verwendet wurde (einer von drei nachgewiesenen Fremdtexten in diesem Traktat) erklärt sich aus einer Verwechslung: Me l, f. 129vb ist die Predigt als Dy ander predig von gotz leichnam überschrieben; die Hss. Me l u. Me2 aber sind in der Regel so gegliedert, daß die erste Predigt zum jeweiligen Anlaß von Nikolaus von Dinkelsbühl stammt, die ander predig von Meister Eckhart. (Vgl. die Beschreibung von Mel/Me2.). Da der Text einige Berührungspunkte mit Aussagen Eckharts aufweist, ist es nicht verwunderlich, daß sich das Mißverständnis nicht sofort klärte. 18-S. 361,2 Ein Auszug dieses Textes auch im >Planetentraktat< (Me2, f. 437^va): £5 spricht auch Aristotiles das ettleich geist sind der jeder in seim himel ist {437"'] vnd treibt den vmb vnd ist gantzer in eim yeden stükchlein des selben himels. Als in dem achtten himel an dem als vil stem sind ist ein engel der den selben himel vmb treibt vnd ist in eim yeden stern gantz· Vnd also ist er ains mals mit ein ander an vil steten. Vnd dar vmb ob man halt den himel taut es wurd dar vmb der engel nicht tailt der im himel gegenwurtig ist vnd in eim yeden tail des himels.

360

1 den selben himel vmb treibt vnd ist 2 in eim yeden stem gantzer. 3 4 5 6 7

9

10 n 12 13 14 15

16 17 18 19

20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 so 3l 32

-»· wann da got [98r] den ersten menschen peschueff da arnt er in also das chain chrankchait in in vallen mocht. wann ein guideine chetten wol gearnter schikchung gie von der driualtichait in dy obristen ehre | fft der sei vnd durch [gie] * auch ir nidrist ch | refft, das sy den obristen (397,30) geharsam warn, da von chain sucht der chrankch | ait weder in leib noch in sei vallen mo | cht, vntz das er das pot vber gie. Dar

Von der sei wirdichait vnd

aigenschafft

Parallelen und Vorlagen

361

den selben himel vmb treibt vnd ist i in eim yeden stem gantz. vnd also ist er ains mals mit ein ander in vil steten. Auch 2 setzt in seiner ler A u e r r o i s ein verstentichait dy da ist in allen menschen hie vnd ze 3 Ram vnd vberal. vnd p l a t o sprach das wir ein ding das er haist y deam das gantz in 4 dir war vnd in mir vnd in eim yeden menschen was awff erden ist. Auch wann man s das oblat ob dem alter []30rh] pricht vnd tailt so pricht man noch tailt dar vmb nicht 6 den leichnam i h e s u c h r i s t i der dar vnter pedekcht ist. vnd des gleihen hab wir 7 auch in der natur wan so man eim menschen ein hant oder einn fues absiecht dar vmb s wirt dy sei im leichnam nicht tailt dy dar inn ist. vnd also wann man das S a c r a m e n t 9 tailt so tailt man nicht den leichnam c h r i s t i wann er pleibt gantzer in eim yeden tail 10 wie chlain das ist. vnd ob ein ainfaltiger mensch dy ding nicht verstet der pedenkch 11 das vil dings ist das er nicht verstet, vnd gedenkch im ob ichs nicht versten so verstets 12 aber ein anderer mensch den got mer erlewcht hat vnd mer verstentichait geben hat n dann mir nach dem fleizz den er dar zw tan hat. vnd dar vmb sol er dar an nicht 14 tzweifeln sunder er sol es vestichleichen glauben. 15 Me2,

f. 315ra (= Hane der Karmelit, Par. an. Pr. 54 S. 118,12-25+ 119,1-2+ 10-14+ 28f. + 120,lff. = JOSTES Nr. 42, S. 40,10-25 + 41,1-3 + 14)

10 n is

Dar vmb stet schriben M a t h e y x i i i j 0 all dy in an riierten dy wurden von irer 19 chrankchait gesunt. wann da got 20 den ersten menschen peschueff da arnt 21 er in also das chain chrankchait in 22 in vallen mocht. wann ein guideine 2.1 chetten das ist ein wolgearnte schikchung gie 24 von der driualtichait in dy obristen chrefft 25 der sei vnd durch gie dy nydristen chrefft 20 das sy den obristen geharsam 2? warn, vnd dar vmb mocht chain sucht noch chrankchait 28 weder in sei noch in leib vallen 29 Aber da er das pot vbergie 30 da viel er in tödleiche chrankchait vnd als menschleichs geslacht mit im. Aber des 31 mocht dy parmhertzichait gots nicht [315rb] leiden dy sich aller creatur gemainsambt 32

11 Auf die hier zweimal angeführte, auch von Eckhart gelegentlich zitierte Lehre vom ungeteilten Sein der Seele in allen Gliedern (Vgl. DW I, Pr. 9, S. 143,4-7; LW IV, Sermo LV,4, S. 465,13f.; Par. an. Pr. 55, S. 121,2f.; vgl. ebd. Florentius von Utrecht, Pr. 63, S. 137,lf.) folgt eine Aussage, die erkennen läßt, auf welches Publikum die Bearbeitung der Predigten durch den Nikolaus-von-Dinkelsbühl-Redaktor zielt. 16 Der zweite nicht-eckhartsche Auszug im Traktat. Wahrscheinlich eine falsche Autorenzuweisung schon in Peugers Vorlage: Die Predigt Hanes wird in der >Paradisus (397,35) fTff Man sol auch wizzen das in der sei ein chrafft ist dy tag noch nacht nicht rue hat vnd flewst aws dem geist vnd ist gantz geistleich. vnd in der chrafft ist got gantz plüeund vnd gruenund in all den frewden vnd ern

25 am Rand neben wizzen bis S. 364,7 mer: verstee es recht.

Parallelen und Vorlagen

363

vnd santt seinn sun dy chrankchait ab ze nemen dy in dy natur in dem ersten men- i sehen gevallen was. vnd dar vmb was es allen den nat dy pehalten selten wem das sy 2 in in ettleicher mazz riierten ee er cham. Aber A r i s t o t o l e s vnd p l at o periierten in 3 nicht dar vmb wurden sy auch nicht gesunt wie wol wir noch von irer weishait 4 natürleiche chunst lernen. Hieten sy in aber im glauben perüert so warn sy gesunt 5 warn von irer sucht, wann ir verstentichait was nach den obristen dingen aber sy heten 6 des glaubens nicht. 7 Dar vmb ist dy sei nach den obristen chrefften s ein geist vnd nach den nydristen 9 ein sei. vnd also ist ein strikch (!) twischen 10 der sei vnd dem geist in dem 11 ainigen wesen. 12 wann ettleich sehen got chlarleich vnd doch mit eim mittel. Als dy sind dy got vber 13 alle ding lieb haben vnd ob sy westen dy ding dy wider got warn sy liezzen sy vnd 14 haben dannoch dy ding lieb dy sy von got nicht scheiden. Dar vmb wer got well rüern, 15 der sol vber sein natur treten vnd wann er nichts wais ze püezzen vnd chainn streit im 10 hertzen hat so ist er gesunt warn. n

Me2, f. 308ra (= DW I, Pr. 2 = PF. Pr. 8 = SPAMER, Texte, S. 61-67,10)

ig 19

Jesus gie in ein castel vnd ward enphangen von einer Junchfrawn dy ein weib was. 20 Ein Junchfraw dy nach der mainung ein weib ist dy ist frey vnd vnpunten vnd pringt 21 vil grazzer frucht. vnd pringt der antzal mer perund dann hunderttawsent mal. wan 22 i h e s u s ist das Hecht vnd der schein des viterleichen hertzen vnd hat es mit gwalt 23 durch lewcht vnd ist mit einer solhen sei veraint dy ein weib ist. 24 25

vnd in der sei ist ein chrafft dy tag noch nacht chain rue hat vnd flewst aws dem geist vnd ist gantz geistleich. Jn der chrafft ist got gantz plüeund vnd gruenund in allen frewden vnd em

18 Eine Analyse des Me2-Textes in DW I, S. 21; Hinweis auf PF. Tr. III ebd. S. 32 Anm. l und QUINT, Überlieferung, S. 126. Anhand einer Lesart läßt sich zeigen, daß die Fassung von Me2 nicht die unmittelbare Vorlage für den Traktat gewesen sein kann. Der Satz des Traktats S. 364,5-7 wann war der mensch in der chrafft albeg veraint der selb mensch mächt nicht alt wem fehlt in Me2, bildet aber (DW I, S. 34,2f.) einen Bestandteil der Eckhart-Predigt: Wcere der geist (mensche St l, B l, Pl, Kai, BT, Ga) alle zit mit gote (mit gote fehlt Kob, B l, Pl) vereinet in dirre kraft, der mensche enmöchte niht alten. Die Gemeinsamkeiten zwischen beiden Abschriften Peugers, die von den anderen Textzeugen stark abweichen (vgl. DW I, S. 21; QUINT, Überlieferung, S. 125 u. 156), weisen erneut auf eine gemeinsame bereits stark bearbeitete Vorlage des Traktats und der Predigths. hin.

20 2? 28 29 30

364

1 2 3 4 5 6 7 s 9 ίο 11 12

Von der sei wirdichait vnd aigenschafft

als er in im selber ist. wann da ist so gar hertzenleiche frewd vnd so grazz fralo | kchen das sy weder mit gedankchen mag pegriffen wem noch mit warten aws gesprochen, wann war der mensch (398,1) in der chrafft albeg veraint der selb mensch m cht nicht alt wem. Jch sprich mer vnd soll ein mensch nwr ainn awgen | plikch in der chrafft dy wunn vnd frewd sehen dy dar inn ist vnd solt er alle ding leiden das wir im als ein genuegsa | me frewd.

13 14

is ->· (398,5) Dar vmb sol dy sei von 16 got vier aigenschafft nemen in der 17 18

19 20 21 22 23 24 25 26 27

[98V] chrafft irer verstentichait. Das erst ist gantze sicherhait [sich] * frey ze vinden von aller creatur ab ze treten dy got an ir nicht haben wil. Das ander das sy von got gantzen nutz in irer wanung hab in der chrafft der lieb. Das dritt das sy von got ein gantze huet (398,10) hab da von ir alle creatur nicht schaden miigen. Das vierd das sy in der chrafft all ir veint vberwinten

28 SOl. 29 30

31 32 33 34 35 36 37

-»· wann in das der sun gots pilt ist na|ch dem ist dy sei pilt. vnd in dem der sun nymbt in dem nymbt dy sei dann das sy an dem nicht hangt da der sun vom vater awsflewst. Fewer vnd hitz ist ains. smekchen (398,15) vnd gestalt ist ains vnd sind doch verre von ein ander.

Parallelen und Vorlagen

365

als er in im selber ist. wann da ist so gar hertzenleiche frewd vnd so grazz fralokchen das es nyembt pegreiffen noch aws sprechen mag.

i 2 3 4 5 6

Ich sprich mer soll ein mensch nwr ainn awgenplikch dar in sehen dy wunn vnd frewd dy dar inn ist vnd solt er alle ding leiden dy got von im haben wolt das wir im als ein lustige frewd. /... 308rh...J J h e s u s gie in ein castel. das ist er gie in seiner gothait in dy natur des geists dy ein castel gots ist vnd hat alle aigenschafft dy eim castel zw gehört.

7 s 9 10 11 12 13 H 15

Vier ding gehörn eim castel zw. 10 Das ist sicherhait vor den veinten vnd der inwaner nutz vnd lustichait vnd huet vor n den veinten. ig Das erst ist dy sicherhait dy die sei von got nymbt in der 19 chrafft irer verstentichait in der sy sich vintt gefreit von 20 aller creatur vnd mag alle dem widersten das got an ir 21 nicht haben wil. Zwm ändern mal hat sy von 22 got gantzen nutz in irer wanung vnd hat alle ding in der 23 chrafft der lieb. Zwm dritten mal hat sy von got 24 gantze huet dar vmb [308va] ir alle creatur 25 nicht schaden miigen. Zwm vierden mal 20 hat sy von got dy chrafft in der sy all veint vberwintt. 2? 28

Mit den vier dingen ist das castel m a r i e sei vnd leibs pehiiet warn in der chraft gots 29 vom anvang als sy ist parn warn vntz an den tag irer himeluart 30 3l 32 33 34 35 36 37

366

5

6 7 s 9 10 11 12 13 14

->· Das wart das got ewichleich spricht das leit so verpargen in der sei das man es weder wissen noch hörn mag. Da von spricht D i o n i s i u s dy sei hat ein gleich | nuzz des in fluzz in der gothait, da dy ob | risten chrefft der sei vnd dy natur ein aigenschafft tragen, also das ein (398,20) yede chrafft in dy ändern flewst.

15

16 n 18 19 20 21 22 23 24 25

->· Dar vmb wil dy sei ein geist wem, so sol sy im gang in dy ewichait haben irs wesen vnd sol mit fleizz petrachten das sy von der gab gots ein vntzerglnkchleiche natur ist, der mügleich ze chömen ist zw der ewigen sälichait.

Von der sei wirdichait vnd aigenschafft

Parallelen und Vorlagen Me l,

367

f. 210rb (= >Der mslac< = PF. Tr. II, S. 387,29-39)

i

Der influs ist in der gothait ein ainichait der dreyer persan an vnterschaid. Jn dem selben fluzz flewst der vater inn sun vnd der sun flewst wider in den vater vnd sy paid fliezzen in den heiligen geist vnd der heilig geist [flewst] * wider in sy paid, wann der vater vnd der sun haben ainn geist.

2 3 4 5

Das

6

wart das got ewichleich spricht das leit so verpargen in der sei das man es weder wissen noch hörn mag.

7 s 9

10 II 12 13 14

Me8, f. 204r

15

Dar vmb

10

weihe sei wil ein geist wem dy sol irn gang haben in dy ewichait irs wesen vnd sol mit fleizz pedenkchen das sy von der gab gots ein vntzergänkchleiche natur ist der mügleich ist ze chömen zw der ewigen salichait. wann sy wirt da ein leipleiche natur haben vnd ein vnleipleiche weis in dem der geist nach dem leichnam nach vichleichen dingen nicht wirt nachuolgen. vnd nach dem mag ir chain frömde [204V] inpildung in vallen so sy das pild mit fleizz pewart das got

n s 19 20 21 22 23 24 25

l Vgl. zum Folgenden D W I Nr. 15, S. 252,2-6 und dort Anm. 2, sowie PF. Nr. LIV, S. 175,36ff. und DW III Nr. 81, S. 399,2ff. 15 Der folgende Abschnitt Z. 16-S. 371,17 konnte nur in Me8 identifiziert werden. Die in Me8 unmittelbar vorausgehende Textpassage hat QuiNT, D W V, S. 462 unten abgedruckt. 10-14 Nur sehr vage mit dem Dionysiuszitat des Traktats berühren sich die in Me l unmittelbar anschließenden Sätze: Da ist ein still an lawt vnd dy höchst chrefft pewt den nydristen. wann als das gearnt ist das mues vnter das gearnt sein das ob im ist. vnd es gevellt auch got [sonst] * nicht sy vber schein dann das vber natürleich in dem sy ir wesen nemen. Die gesamte Passage auch in Peugers >fns/ac ist nicht anders, dann ein 6 vbervam in das vnpeschaffen leben 7 das got selber ist. 8 9 10

11 12 is 14

15 16 17 18 19 20 2l 22 23 24 25

-> vnd haist dann nicht ein sei -> sunder dy obrist chrafft gots dar vmb das er seinn willen mit ir würchen mag

Von der sei wirdichait vnd

aigenschafft

Parallelen und Vorlagen

375

Me8, f. 306V Da von spricht D i o n i s i u s J n 2 got sterben 3 vnd in im pegraben wem 4 ist nicht anders dann ein 5 vbervam in das vnpeschaffen leben 6 das got selber ist. 7 Als die liebhabund sei spricht. Herr wo speistu deine schaff, vnd er antwurt vnd s spricht, das tuen ich an dem nahen mittentag da alle creatur in mir rast, vnd da selbs 9 ist dy sei in got vnd got in ir 10 vnd haist dann nicht ein 11 sei als D i o n i s i u s spricht 12 sunder sy haist dy obrist chrafft gots dar vmb 13 das got seinn willen mit ir würcht. 14 Me5,

f. 188ra-b = Me7, S. 236-237 = Me8, f. 208™ (= >Von AbegescheidenheiU, DW V, S. 419,8-421,1)

.5 10

Dar vber schol man wissen das dy lerer sprechen das an eim yeden menschen tzwen i? menschen sind. Der ain haist der awsser mensch das ist dy synnleichait der fünff synn is dy dem menschen dienn vnd würcht doch der awsser mensch von chrafft der sei. Der 19 ander haist der ynner mensch, da von schol man wissen das der ynner geistleich 20 mensch der got lieb hat geprawcht der sei chrefft in dem awzzern menschen nicht 21 anders dann als vil dy fünff synn ze nat pedürffen. vnd dy inwendichait chert sich 22 nicht zw den fünff synnen dann als vil sy ein weiser ist der selben fünff synn vnd ir 23 hüetten das sy nicht prawchen irs gegenwurfs nach vichleichait. Als ettleich menschen 24 tuen dy nach leipleichen lusst leben als das vich das nicht vernufft hat. Dar vmb 25

2-7 Das erste Dionysius-Zitat auch in Me l, f. 198ra im unmittelbaren Anschluß an PF. Pr. 76,1, S. 242,7f. wo ebenfalls Col 3,3 zitiert wird: von solhen spricht paulus Jr seit tod vnd ewer leben ist mit ehr is t us in got verpargen. Vber das spricht Dionisius Jn got pegraben wem ist nicht anders dann ein vberfarn in das vnpeschaffen leben, und in Me5, f. 33 l vb : vnd söleich sind pegraben in christus. Von dem spricht Dionisius Jn got pegraben wem ist nicht anders dann ein vber varn in das vnpeschaffen leben., sowie in PF. Pr. 76,2, S. 249,22ff. = Me l, f. 198ra. Vgl. auch W5, f. 117V (SPAMER, PBB 34, S. 321). 17 das dy lerer sprechen fehlt Me8 17-20 tzwen ... ynner mensch/ ein awsserer vnd ein ynnerer mensch ist Me8 18 sinndleichait Me7 19 dy dem ... sei/ vnd würcht doch der awsser mensch von der sei chrafft wie vil sy nw dem menschen nach der sinndleichait dienn Me7 20 da von/von dem Me7 da von schol man wissen das/ vnd wann Me8 geistleich fehlt Me8 21 der( l) fehlt Me8 geprawcht/so prawchterMeS der sei chrefft/ die chrefft der sei Me7 22 anders/me r noch anders Me7; me r Me8 dy inwendichait fehlt Me8 sich auch Me8 23 nicht anders Me7; nicht mer Me8 den fünff synnen / in Me8 ein ... synn/ in ein weiser (anweisung Me8) ist (sind Me8) Me7, Me8 vnd fehlt Me8 24 ze hatten Me8 sy ir Me8 vichleichem synn Me7; irs ... vichleichait/nach dem gegenwurff vichleichs synns Me8 25 tuen dy fehlt Me8 leipleichen/irs leibs Me7, Me8

376

i 2 3 4 5

. vnd was dy fünff (399,15) synn chrefft von einer sölhen sei nemen, das geit sy als dem ynnern menschen so er ettwas hachs vnd edels gegenwurffs hat.

6

7 ->· vnd ein sölher haist dann synnlas wann sein 9 gegenwurff ist ein pild verpargner ver | nufft

10 II 12 13 14 15 16

Von der sei wirdichait vnd aigenschafft

Parallelen und Vorlagen

377

haissen söleich pilleicher vich dann menschen. vnd was dy sei chrefft hat vber das sy den fünff synnen geit dy selben [188rh] chrefft geit sy all dem ynnern menschen vnd wann dann der ynner mensch ettwas hachs vnd edels gegenwurffs hat so tzewcht dy sei wider an sich all chrefft dy sy den fünff synnen vor gelihen hat

i 2 3 4 5 6

vnd

7

ein solher mensch haist dann synnlas vnd verchukcht wann sein gegenwurff ist ein vnvernüftigs pild oder ettwas vernüftigs an pild.

s 9

Me5,

f. 188vb = Me7, S. 240-241 = Me8, f. 209r~v (> Von Abegescheidenheiu, DW V, S. 426,6-428,11)

Nw frag ich aber was des abschaiden hertzen gepet sey. Des antwurt ich vnd sprich das abschaidne lautrichait nicht petten chan. wann wer pett der pegert ettwas von got das es im werd oder das ims got wendig mach. Aber das abschaiden hertz pegert nichts noch hat auch nichts des es gern las vnd ledig war dar vmb stet es ledig als gepets ? ? von dem synn mag man nemen das wart das

10 n 12 n H is 10

16 Der folgende Abschnitt auch in W11, f. 164v-165r und Me2, f. 256* (im unmittelbaren Anschluß an die oben S. 371, App. 20-26 wiedergegebenen Stücke): Sand pauls spricht (Auch spricht sand pauls Me2J Jr ist vil dy all nach der chran lawffen vnd win nwr (doch nwr Me2 ) aim geben, vber das spricht .Dionisius all chrefft der sei lawffen nach der chran vnd (vber ... vnd/ All chreft der sei lawffen nach der chran vnd wirt allain dem weisen geben, vber das spricht Dionisius Me2,) der lawff ist nicht anders [165r] dann ein abchem von aller creatur (allen creaturn Me2j vnd sich verainn in dy vnpeschaffen gothait. vnd wann (wann dann Me2j dy sei dar zw chiimbt so lawffi sy in irm namen vnd tzewcht got so vast in sich das sy an ir selber zw nichte wirt. von dem spricht auch sand Augenstin (von ... Augenstin/ Als dy sunn dy margenröt an sich tzewcht das sy nichts wirt. Man mag auch dar zw nemen das sand Augenstin spricht Me2j dy sei hat einn himlischen in gang in dy götleich natur das ir alle ding zw nichte wem. wann des geists ainung sind all die menschen dy got alle ding lazzen haben als er sy hat da wir nicht warn. Die Lesarten von W11 und Me2 (379,9 vnpeschaffen gothait; 12 so und in; 20 dy götleich natur; 27 des geists ainung sind all die; 28 lazzen haben) bestätigen die enge Verwandtschaft der Exzerpte in W11 und Me2 mit Me8 und Me3. Dabei steht Me2 dem Ausgangstext deutlich näher als W l l . Der Text ab I Cor 9,24 mit dem Wort des Ps.-DionysiusAreopagita (vgl. DW V, S. 455 Anm. 90) findet sich auch in PF. Tr. XI, S. 427,4-428,3. In diesem Traktat wird anderwärts auch zweimal der hier wiedergegebene, dem heiligen Augustinus zugeschriebene Spruch (DW V, S. 455 Anm. 92) zitiert: PF. S. 504,34-37 und 509,12-13 (vgl. DW V, S. 382f. unter Nr. 2). 1 Dar vmb ... menschen fehlt Me7, Me8 2 f. vnd was dy sei chrefft hat vber das sy den fünff synnen geit dy selben chrefft/ vnd was dy fünff [208V] synn chrefft von der sei nemen dy Me8 2 vber/ vnd Me7 4 vnd wann dann /so Me8 der ynner mensch/er Me8 6 so/vndMe% dy sei fehlt Me8 all (dy selben Me8) chrefft wider an sich Me7, Me8 vor fehlt Me8; den fünff synnen vor/ vor den fünff synnen Me7 verlihen Me8 8 vertzukcht Me7; vnd verchukcht fehlt Me8 9 vnvernüftigs ... an pild./pild verpargner vemufft Me8 12 Nw ist (ist aber Me8) ein frag Me7, Me8 abgeschaiden Me7, Me8 Des/Zw dem Me7, Me8 13 abgeschaidne lawtrichait Me7; lawtre abgeschaidenhait Me8 pitt Me8 14 das ims got/ im das selb Me8 abgeschaiden Me7, Me8 15 noch/vnd Me7, Me8 las vnd fehlt Me7, Me8 ledig (2)lfrey Me7;frey vnd ledig Me8 16—S. 379,4 nemen ... geben/dy wart nemen dy sand pauls spricht Jr ist vil dy all nach der chran lawffen vnd wirt doch nwr aim geben. Awff das spricht Dionisius Me8. Die Lesart belegt, daß Me8 nicht Vorlage für Me3 war. 16 das/dy Me7 das/dy Me7

378

Von der sei wirdichait vnd aigenschafft

1 . D i o n i s i u s spricht vber dy wart 2 sand p au l s wann Jr ist vil dy all nach 3 der chran lawffen vnd wirt 4

5 6 7 s 9 10 11 12 n H is

->· allain dem weisen geben. (399,20) Der lawff ist nicht an | ders, dann ein abchem von allen creaturn [100r] vnd sich verainn in dy vnpeschaffen got|hait. vnd wann dann dy sei dar zw chü | mbt, so lawfft sy in irm namen vnd tzew | cht got so vasst in sich, das sy an ir selber zw nichte wirt. Als dy sunn dy mar|genröt in sich tzewcht das sy ze nichte wirt.

16 17

is 19 20 21 22

-*· Auch spricht sand A u g e n s t i n dy (399,25) sei hat ein himlischen ingang in dy götleich natur, das ir alle ding zw nichte wem. vnd wer des geists chost, dem wirt vngesmach das fleischleich.

23

24 25 26 27 28

.vnd wann dy sei awff das höchst chümbt so wirt [sy] * von erchennen chennlas. -> wan des geists ainung sind all die dy got alle ding lassen haben als er sy het da wir

Parallelen und Vorlagen

379

D y o n i s i u s spricht vber das wart sand p au l s da er spricht Jr sind vil dy all lawffen 2 nach der chran vnd wirt 3 doch nwr aim geben. All chrefft der sei lawffen nach der chran vnd wirt 4 allain dem . s weisen geben. 6 Hie spricht D y o n i s i u s der lawff ist nicht anders 7 dann ein abchem von allen creaturn s vnd sich verainen in dy vnpeschaffenhait gots 9 vnd wann dann dy sei dar zw chiimbt so lawfft sy in irm namen vnd tzewcht 11 got als vast an sich das sy an ir selbs 12 ze nichte wirt. Als dy sunn dy margen rot 13 an sich tzewcht das sy nichts 14 wirt. is zw dem pringt den menschen nicht anders dann lawtre abschaidenhait . Dar zw mag 10 man auch nemen n das sand A u g e n s t i n spricht. is .dy sei hat einn himlischen in gang in 19 götleiche natur das ir alle ding ze 20 nichte wem. 21 22

Der in gang ist awff erden nicht anders dann lautre abschaidenhait. vnd wann dy abschaidenhait awff das höchst chiimbt so wirt sy von erchennen chennlas vnd von lieb lieblas vnd von Hecht liechtlas. wann dy ainung des geists sinddie dy got alle ding awff geben vnd lazzen haben als er sy het da wir

23 24 25 20 2? 28

l das/dy Me7 2 sandpauls da er spricht/dy sand pauls spricht Me7 7 Hie/von dem Me7 Hie ... Dyonisius fehlt Me8 9 vnpeschaffen gothait Me8 12 als/so Me8 an sich/in sich Me8 selber Me7, Me8 14 nichts/ze nichte Me8 16 zw dem/Dar zw Me8 abgeschaidenhait Me7, Me8 16 f. Man mag auch dar zw Me7, Me8 20 dy götleich Me8 21 wem./ wem wann wer des geists chost dem wirt vngesmach das fleischleich ist. Me8 23 vnd dar vmb ist der in gang Me8 erden zw dem ewigen leben Me8 abgeschaidenhait Me7, Me8 24 dy abschaidenhait/ sy Me7; dy sei in dem Me8 27 des geists ainung sind all Me8 28 awff geben ... haben/ haben lazzen vnd awff geben Me7; lassen haben Me8

380

Von der sei wirdichait vnd aigenschafft

i nicht (399,30) warn. 2 3

4 -> wann der Herr i h e s u s ist der 5 sei vor gangen vnd hat vns ebenpild geben in dem würchen seiner menschait 7 . Aber nach dem ynndristen tail der dreyer s persan gothait geist sach nye chain 9 creatur weder sei noch engel noch dy 10 menschait c h r i s t i von ir aigen natur. n ff wann es sprechen ettleich vnd sunder 12 Maister E k c h a r t von (399,35) par i s der ding aller 13 peschreiber 14

is 16 n 18

-* .als ir von mir gewis seit das ich ein mensch pin als ge wisleich pert got sein aigne natur in dem grünt meiner sei als im himel

19

20 21 22 23 24 25 26 27

. vnd vmb das pin ich nicht salig ob ich mich nicht zw got eher vnd alle mittel der sünten vnd ir geslächt mit aller creatur nicht ableg. wann in [!00V] dem selben grünt da der vater seinn aigen sun inn pen nach seiner aigen natur aws (400,1) dem pin ich parn.

Parallelen und Vorlagen

381

nicht warn, vnd das mag nyembt tuen dann ein lauters vnd abschaidens hertz. Das i aber got in eim abschaiden hertzen lieber sey dann in allen ändern hertzen das merkch 2 wir da pey [...] 3 4 5 6 7 8 9 10 II 12 13

Me2, f. 308va (= SPAMER, Texte, S. 63,26-64,23) $?T wann als ir von mir gwis seit das ich ein mensch pin als gwisleich pirt got sein aigne natur in dem grünt meiner sei als warleich als im himel. vnd auch in eim yeden menschen er sey haiden oder Jud.

u 15 10 n is 19 20 2l 22

Jn 23 dem selben grünt dar in der vater seinn aigen 24 sun pirt nach seiner aigen natur 25 aws dem pin ich parn. 20 wann ee vnser fraw ein mueter gots nach der menschait wart da was sy gots mueter an 27

14 Weitere Angaben: Beschreibung von Me2, f. 308va. l vnd ... hertz/ vnd das mag nwr ein lawters abgeschaidens hertz tuen Me7; fehlt Me8. In Me8 folgt hier unmittelbar das Bernhardzitat, das Peuger so auch in diesem Traktat S. 394,8ff. verwendet. Die Fortsetzung des Traktats > Von Abegescheidenheit< (vnd das got in eim abgeschaiden hertzen lieber sey ...) folgt dann in Me8, f. 210r. $ Das Me7 2 f. merkcht man Me7 27-8.383,2 Ausschnitte aus diesem Text auch in der Spruchsammlung von Me5,f. 331*. Der Beginn dieser Spruchsammlung lautet: fT Zw paris ward ainsten von den lerem ein frag tan. ob maria dy Junchfraw von dem sey saliger gwesen das sy got nach der menschait parn hat oder mit dem das sy dy gothait verstanden hob. Awff das antwurt ir ainer vnd sprach es sey dann maria dar zw chömen sey das sy dy gothait in ire r vernufft verstanden hob anders ir chewsch war eitel gwesen. wann ee maria ein mueter gots nach der menschait ward da was sy gots mueter an der gothait. Vnd von der purd das sy in gepar in der gothait da wider pilt sich [331™] dy purd gots in ir in der gothait das er mensch von ir wart parn.$ Eckhart diskutiert die Frage mit gleichlautenden Argumenten häufig. Vgl. DW I, S. 375, Iff. und Anm. 1; DW III, S. 351 f. u. 352 Anm. 1; DW II, S. 428; PF. Pr. 44, S. 150, 2ff; Par. an. Pr. 37, S. 85, 37 und ganz besonders (wörtlich anklingend!) PF. Pr. 106, S. 345, 21ff. Die Fortsetzung des Me5-Textes

382

Von der sei wirdichait vnd aigenschaffi

5

6 7 s 9 10 n

-> vnd also pert auch der vater natürleich seinn sun in der sei als wärleich als ich von meim vater ein lemtiger men | seh parn pin

12

13 ->· dy alle ding tzeitleichs 14 schaden vnter ir füezz treten hat. vnd in 15 16 17 18 19 20

21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36 37 38 39

dem selben grünt dar inn der vater seinn (400,5) sun haben wil dar inn wil er mi | ch haben vnd all dy der vater mit seinn gnaden zw im tzewcht. wann als got zu im selbs ist von allen dingen in alle ding da pin ich als das von gnaden das got von natur ist. wann zw dem vns got all haben wil das ist so guet das es wenig menschen glauben mügen dann dy ir selbs sind aws (400,10) gangen, vnd ob got der sei alle peschaffne ding gab von dem möcht sy nicht erfüllt wem dann mit im selber, wann er ist der aller höchst vnpeschaffen himel aller himel in gotleicher natur. vnd das dy sei in vns vntödleich ist das ist von vns nicht geschehen sunder von got vnd ist doch natürleich. Aber dy sach der verainung (400,15) chümbt von gnaden so sich der obrist also

Parallelen und Vorlagen

383

der gothait. vnd von der purd das sy in gepar in der gothait da wider pilt sich dy purd gots in ir in der gothait das er mensch von ir parn ward. Mein obrist chrefft sind dar 2 z& gearnt das sy got pegreiffen vnd sich mit im verainn. wann so sich dy sei awff ir 3 aigne erchantnus chert dy in ir ist so geschiecht dy purd in der sich der himlisch vater 4 selber pirt. Das pild ist der sun vnd dy lieb der heilig geist. 5 wann 6 der vater gepirt seinn 7 sun in der sei als natürleich als ich s von meim vater ein lemtiger mensch 9 pam pin an [308vh] gleichnus. 10 Der vater spricht zw seim sun Jen han dich geparn vnd gepir dich das dw dich perst in 11 iacob vnd ruest in S y o n . pey Jacob sol man versten dy sei 12 dy alle ding 13 vnter ir füezz treten hat vnd in 14 der nichts awfstet dann ein haisse prinunde pegier zw got ff Zw ainn tzeiten fragten \s dy lerer zw paris vnter ein ander ob maria dy Junchfraw von dem sey säliger gwesen 10 das sy got nach der menschait parn hab oder an dem das sy dy gothait verstanden hab. i? Awff das antwurt ir ainer vnd sprach, es sey dann das m a r i a der z& chömen sey das s sy dy gothait in irer vemufft verstanden hab anders ir chewsch war eitel gwesen. Got 19 hat vns peschaffen das wir in erchanten vnd lieb hieten vber alle ding. 20 2l 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31

SPAMER, Texte, S. 65,15f.

32

Der aller höchst vnpeschaffen himel ist got in götleicher natur.

33 34 35 36 37 38 39

entspricht S. 383,3-10. Sie findet sich - nach einer Reihe zwischengeschalteter Exzerpte f. 33 l vb : .wann so sich dy sei awff ir aigne erchantnus chert dy in ir ist so geschiecht dy purd in der sich der himlisch vater selber pert .Das pild ist der sun vnd dy lieb der heilig geist. wann der vater gepirt natürleich seinn sun in der sei als warleich als ich [332m] von mein vater ein lewtiger mensch parn pin. $

384

Von der sei wirdichait vnd aigenschafft

1 naigt das er ein form dem nydristen 2 wirt aws dem dy hoffnung vnsers anse | hens 3 chümftig wirt.

g 9

io ->· Dar vmb sol n dy sei von leipleichen dingen awfsten vnd 12 13 14 15 16 17

is 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28

sol vber sich tzogen wem vnd sol in ir selber wanen. Des ersten durch (400,20) der lustigen [1017 ding willen dy sy in got vintt. wann dy volchömenhait gots macht sy in im sein gleichnus enphahen. Dar vmb sind sein volchömenhait so vnmesleich aws gössen das der engel mer ist dann gras vnd santt vnd tropphen wazzer ye wur | den. vnd ein yeder engel hat sein sundere natur also das chainer dem ändern glei | ch (400,25) ist.

29 30 31

32 33 34 35 36 37

->· zwm ändern mal sol dy sei awfsten durch dy lawtrichait dy sy in got vintt wann alle ding sind in im als lawter vnd edel als paid sy aws im fliezzen in dy nächsten creatur so wirt es als vngl | eich als ettwas vnd nichts.

38

39 -»· zwm dritten 40 mal sol dy sei awfsten durch dy sam | nung 41 dy sy in got vintt. 42

Parallelen und Vorlagen

385

Me2, f. 287 '-288 (= DWIII Nr. 84, S. 454,1^56,6 = SIEVERS Nr. XVII = Par. an. Nr. 57)

4 5

Ein andre predig M a i s t e r E k c h a r t s von p a r i s Es stet schriben M a t h e y ix° 6 das der Herr i h e s u s zw einer Junchfrawn sprach stee awff. vnd dy tod was stuend 7 lemtige awff vnd gesunte. von den warten spricht Maister E k c h a r t von paris. Der s herr i h e s u s 9 lernt hie dy sei wie sy von allen leipleichen dingen sol awfsten vnd n als der sun ein wart des vaters ist also lernt er dy sei mit dem wart wie sy sich sol 12 erheben nach dem der vater ein wart sprach das was sein sun in dem ainigen wart er 13 alle ding sprach, war vmb sprach er das ain wart seit im alle ding gegenwiirtig warn. 14 Möcht ich all mein gedankchen dy ich ye gedacht han oder ymer gedenkchen sol in is aim gedankchen haben so hiet ich nwr ain wart vnd der mund pringt für das im 10 hertzen ist. von dem ich hie nicht mer reden wil n sunder wie dy sei sol vber sich tzogen wem vnd ob ir is selber wanen. durch vierlay ding wegen, f Das erst ist dy ainig lustichait 19 dy sy in got vintt. wann dy 20 volchömenhait gots macht sy in im 21 sein gleichnus zw enphahen. wann sy sind 22 als vnmesleich aws 23 gelassen das der engel mer ist dann gras 24 vnd gries vnd tropphen wazzer ye warn sind. 25 vnd ein yeder engel hat sein sundere 26 natur also das chainer dem ändern gleich n ist.

28 vh

vnd durch dy natur alle [287 ] flewst vns herab paide Hecht vnd gab. vnd das selb als 29 das durch dy natur all flewst raicht got der sei zw enphahen. wann als das got geben 30 mag das war der sei als zw wenig ob sich got selber in der gab nicht gab. 31 Das ander ist das dy sei sol awfsten 32 durch dy lawtrichait dy sy in got vintt. 33 wann alle ding sind in got als lawter vnd 34 edel als paid sy aws got fliezzen in dy 35 nächst creatur so wirt es als vngleich 36 als ettwas vnd nichts. 37 wann was in got Hecht vnd wesen ist das ist in der creatur vinsternus vnd nichts. 38 Das dritt 39 ist das dy sei sol awfsten durch dy samnung 40 dy sy in got vintt. 4i wann da ist chain vnterschaid seit reichtumb vnd guet ains in got ist. Da selbs ist dy 42

386

9

10 -»· wann sol sy 11 got pegreiffen so (400,30) mues sy ir wanung 12 vber sich setzen, n 14 15 16 17 18

19 20 21 22 23 24 25

-> wann hiet got tawsent himel vnd tawsent edreich peschaffen dy pegriff dy sei alle mit der ainn ch | rafft des würchen der widerchrafft dan | noch mag sy got nicht pegreiffen nach dem werch da mit er sy nach im pilt hat.

26 27

28 29 30 31

-> zw vierden mal sol dy sei awfsten durch dy vnmesleichen gueten ding dy sy in (400,35) [got] * vintt. wann in im sind alle ding nach yeder tzeit

32 33

34 35 36 37

new in seim sun der hewt parn wi | rt als ob er vom vater nye parn war . vnd als got in dy sei flewst also flew | st sy hin wider in got

38 39

40 41 42 43 44

->· ?f Dy sei tritt [1017 vier trit in got ->· wann so sy sich zw got naigt so chümbt sy des ersten in ein vorcht von seiner grassen wirdichait

Von der sei wirdichait vnd aigenschafft

Parallelen und Vorlagen

387

weishait auch guet vnd also auch dy parmhertzichait dy mit ir dy grechtichait pringt. i war in im guet ains vnd weishait ein anders so möcht dy sei mit got nymer ein 2 genüegen haben, wann dy sei ist von natur zw gueten dingen genaigt vnd alle creatur 3 pegert von natur weishait. wann war guets ains vnd weishait ein anders so müest dy 4 sei das guet mit pein lassen so sy sich dar in ergossen hiet vnd wolt sich in dy weishait 5 ergiessen. Dar vmb spricht sand A u g e n s tin dy sei im himel sind noch nicht vol- 6 chömenleich sllig von der naigung wegen dy sy noch zwm leichnam haben. Dar vmb i mag dy sei in nyembt rue haben dann in got wan in im vintt sy allain dy samnung aller 8 gueten ding. 9 wann wil dy sei got pegreiffen so mues sy ir wanung 11 vber sich selber setzen. 12 wann ein yede natur [288ra] wurcht das ir wann des apphels pawm mag nicht wein 13 würchen noch dy natur des weinstokchs öpphel. Aber das fewer wurcht fewer vnd 14 möcht es als das zw fewer machen das pey im ist das tat es. Also tuet auch das wazzer 15 möcht es als das pegiezzen das vmb es ist es tätz als vasst hat ein yede natur ir wesen 16 das sy von got enphangen hat. Dar vmb mues dy sei ob ir selber wanen sol sy got ? pegreiffen. is wann hiet got tawsent 19 himel vnd tawsent edreich peschaffen 20 dy pegriff dy sei alle mit der ainn chrafft 21 des würchen der widerchrafft vnd dannoch 22 mag sy got nicht pegreiffen 23 nach dem werch vnd got dy sei nach 24 im selber pilt hat. 25 Der vnmesleich got der in der sei ist der pegreift den got der vnmesleich ist. Da 20 pegreifft got got da wurcht got sich selber in der sei 2? ?T Das vierd da durch dy

28

sei sol awfsten ist dy vnmesleichait 29 dy sy in got vintt. wann 30 alle ding sind in got nach yeder tzeit. 31 Jm puech der tawgen stet schriben der awff dem trän sas der sprach ich mach alle ding 32 new. Alle ding sind oben 33 new mit dem sun wann er wirt hewt parn 34 als ob er vom vater nye parn wir. 35 vnd als got in dy sei flewst also flewst 36 sy hin wider in got. 37 vnd als man von vorchten sterben mag vom slag also mag man auch sterben von 38 frewden diser weit. Also stiribt auch dy sei ir selber [288rh] ee sy in got chiimbt. 39 Wan dy sei tritt 40 vier trit in got. das ist vorcht hoffnung pegerung vnd vertzagung. 41 Des ersten so sich dy sei zw got 42 naigt so chiimbt sy in 43 vorcht von seiner grassen wirdichait 44

388

1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 n

Von der sei wirdichait vnd aigenschafft

wegen, zwm ändern mal tritt sy in dy vorcht vnd enphächt ein ho | ffnung (401,1) von der edeln naigung gots . zwm dritten mal tritt sy in ein pegern vnd nymbt als ein vertzagnus von dem vnmesleichen pegreiffen dar inn sy von got pegriffen wirt. zwm vierden mal chümbt sy in so grazze vergessenhait das sy chains aws ga | ngs nymer mer gedenkcht (401,5) von dem das sy nw in got funden hat.

12 13 14 15 16 17 18 19

20 21 22 23 24 25 26 27 28 29

-> Got hat dy sei dar vmb peschaffen das sein ainparner sun ir ir parn werd. vnd wann vnd wo dy gepurd geschiecht das ist got lustsamer dann da er himel vnd erden peschueff dar vmb das dy sei edler vnd weiter ist dann der himel. wann als ein ee tzwischen man vnd weib ist (401,10) also ist ein ee tzw | ischen got vnd der sei.

30 31 32 33 34

35 36 37 38 39

->· Dy obrist ch | rafft an der sei ist der man vnd dy nydrist ist das weib. Der sei man in der sei sol albeg plas sten vnd das weib pedekcht also das dy nydrist

Parallelen und Vorlagen

wegen, zwm ändern mal so vertritt sy dy vorcht vnd enphächt ein Hoffnung von der grassen edeln naigung gots. zwm dritten mal tritt sy in pegerung vnd nymbt ein vertzagnus von der vberpegreifleichen pegreiffung der chrafft dar in sy pegriffen win. zwm vierden mal tritt sy von der vertzagnus vnd chiimbt in ein so grasse vergessenhait das sy chains aws gangs nymermer gedenkcht. vnd mit dem chiimbt sy in ein state rue der sicherhait an dem das sy pegriffen hat fTff Me2,

f. 231ra (= PF. Pr. 26, S. 100,1-101,21)

389

2 3 4 5 6 7 s 9 11 12

Dy p r e d i g ist M a i s t e r E k c h a r t s von p a r i s . Sand pauls spricht .Jch han euch 13 einn man vertrewt Dy predig get am maisten awff den ynnern menschen der an 14 massen pesser ist dann der awzzer. Dar vmb ist der vertrewt man c h r i s t u s gots sun is der in der sei volchömenleichen pam wirt gruenund an vnterlas. Er ist dy götleich 10 machtichait vnd weishait in dem got der vater alle ding peschaffen hat. wann als ein n awssre ee tzwischen man vnd weib ist also sol ein ynwendige ee sein tzwischen got 18 vnd der sei. Dar vmb geit man zw ein ander man vnd weib das frucht von in chömb. 19 wann got hat 20 dy sei dar vmb peschaffen das sein 21 ainparner sun in ir parn werd. [231rh] vnd 22 wo vnd wann dy purd geschiecht 23 das ist got lustiger dann da er himel 24 vnd erden peschueff dar vmb das 25 dy sei edler vnd weiter ist dann der

20

himel.

2? 28 29

vnd awff dy wart ich mach alle ding new spricht sand A u g e n s t i n Gots sprechen ist 30 sein pern vnd sein pern ist sein sprechen. Er sprach nye chain wart mer dann ains das 31 selb ist im als lustig ze sprechen das er nymer chain anders sprechen wil. Vnd liezz 32 got das selb wart vngesprochen als vmb einn awgenplikch so müest himel vnd erden 33 tzergen. vnd als oben gesagt ist von der ee man vnd weib also ist ein ee nach der sei. 34 Das obrist an der 35 sei chrefft dy got peschawt ist der man vnd das 30 nydrist an der sei ist das weib. Der man 3? in der sei sol albeg plas sten vnd das 38 weib pedekcht. vnd also sol das nydrist 39

14 Vgl. PF. Pr. 107, S. 349,35 und hier S. 345, App. 3.

390

Von der sei wirdichait vnd aigenschaffi

i chrafft in dy obrist der sei tzogen werd 2 3 4

5 6 7 s 9 10

.wann von erst pert got in der sei sein gleichnus vnd dar nach sich selber (401,15) als er in ewichait ist. Gots sun ist [102r] der sei sun. Vnd in dem hat got vnd dy sei ainn sun, das ist got.

11 12 13 14 15

16 i? is 19 20

-* Dy sei in der dy ge | purd ainsten geschiecht dy wirt nach got gevugt. vnd ye mer dy gepurd geschiecht ye mer dy sei in got gevü | egt wirt vnd in das vlterleich hertz

2l 22 23 24 25

26 27 28 29 30 31

32 (401,20) ff Dy sei hat tzwen füezz das ist verstentich | ait 33 vnd lieb vnd ye mer sy verstet ye mer 34 sy lieb hat. 35

Parallelen und Vorlagen

391

awff in das obrist tzogen wem. Dy natur hat an ir das sy dem vater albeg gleich pern wil vnd wurd sy nicht gehintert 2 so wurd albeg ein sun para vnd nymer chain tachter. Got spricht ich han alle ding 3 perhafft gemacht war vmb war ich dann selber nicht perhafft. 4 Got pert von erst in der sei 5 sein gleichnus vnd dar nach sich selber 6 als er in ewichait ist. Gots sun ist 7 der sei sun vnd also hat got vnd dy sei ainn sun das ist got. 9 vnd dar vmb geit er sich in ewichait an tzeit von newn dingen new gruenund an 10 vnterlas des sy nicht verdriessen mag. Aber dy sei wil nymer gruenn sy chöm dann zw 11 dem vrsprung [231va] da von p h i l i p p u s zw i h e s u m sprach .Herr tzaig vns den 12 vater so genüegt vns. wann als er in dem vaterleichen hertzen awff get also get er in 13 der sei awff. Das awsser würchen ist leipleich vnd das ynner geistleich. Dy frucht ist H des ersten im pawm dar nach plüet sy hangund am pawm. 15 Dy sei in der dy gepurd 16 ainsten geschiecht dy wirt nach 17 got gevüegt. vnd dar vmb ye mer dy gepurd s geschiecht ye mer dy sei in got gevüegt 19 wirt vnd in das vlterleich hertz 20 da von sy zw got ein anhangen gewint vnd ein vmb vahen vnd ein indrukchen vnd ein 21 insigeln vnd ein indringen vnd ein inpringen vnd ein insmeltzen vnd ein invaltzen vnd 22 ein infliezzen vnd ein inn pleiben. Dy gepurd mues oben geschehen nw vnd hie. Hie 23 das ist dy stat. nw ist dy tzeit. Das ist sy mues in ewichait geschehen nw von newn 24 dingen. 25

Me2, f. 231va-232ra [unmittelbar anschließend] (= >Die Pharisei frageten wann der trast gots wi | rt 5 allein der sei geben dy allen tzeitleich | en 6 trast versmächt. 7 9 10 11

12 -*· vnd ye sneller sy 13 von der creatur flewcht ye sneller ir H der scheppher zw lawfft (402,10) vnd veraint sy mit im.

15 16 17 18

19 -*· Dar vmb spricht D y o n i s i u s dy 20 lieb setzt dy sei aws ir selber vnd arnt

Parallelen und Vorlagen

Me5,

397

f. 189™-" = Me7, S. 242-243 = Me8, f. 210V (= >Von abegescheidenheiK, DW V, S. 431,4-432,13)

2

Dar vmb schaitt ab dy pildnus vnd ainigt euch mit formleichem wesen. 3 wann der geistleich trast gots ist 4 als tzart das er nyembt geben wirt dann den dy leipleichen 5 lust versmächen. 6 Da pey ist ze merkchen das nyembt pezzern muet hat dann der mensch der in der 7 grössten abschaidenhait stet, wann chain tzeitleicher trast nymer gesein mag [189rl>] s an geistleichen schaden. Als sand p a u l s spricht .das fleisch ist wider den geist vnd 9 der geist wider das fleisch. Dar vmb wer im fleischs sät vngearnte lieb der sneit da 10 von den ewigen töd vnd wer im geist geamte lieb sät der sneit da von das ewig leben. 1 1 Dar vmb ye schien· der mensch 12 flewcht von der geschepph ye sneller im 13 z& lawfft der scheppher. 14 Me2,

f. 281vb-282ra (= WILHELM, >Gracia dei Von Abegescheidenheiu identifiziert sind. 4 geistleich fehlt Me8 5 f. dy hie den tzeitleichen lust versmahen. Me7; dy allen tzeitleichen trast versmahen. Me8 7 Da pey ... hat/ vnd dar vmb hat nyembt pessern muet Me7, Me8 8 abgeschaidenhait Me7, Me8 8 f. trast nymer gesein mag an geistleichen schaden. / trast der mit der vorcht gots nicht pesetzt ist der mag an geistleichen schaden nicht sein. Me8 9 Als/Da von Me8 istalbegMe& 10 wer/welherlay man Me7 10—11 im fleischs ... lebenfm dy werch des geists sät der sneitt da von das ewig leben aber wer in das werch des fleischs sät der sneitt da von den ewigen tod Me8. In Me8, das (wie die Lesart zu Z. 5f. zeigt) mit Traktat III eine gemeinsame Vorlage benutzte, ist an dieser Stelle in den Text des Traktats > Von Abe ge sehe idenheit< Mt 16,21-25 eingeschoben: Dar vmb sprach der herr ihesus zw petro da er in strafft da er in gesagt het wie er soll leiden vnd tön wern vnd am dritten tag ersten .Herr das sey verrre von dir vnd es sol an dir nicht geschehen, vnd vmb ehe rund sprach er zw im .Gee nach mir Sathanas wann dwpist mir ein ergernus vnd smekchst nicht das got zw gehört sunder das dem menschen zw gehört, wann wer mir well nachuolgen der verlawgen sein selbs vnd heb awff sein chrewtz. vnd wer sein sei wil hailbartig machen der verlies sy so vintt er sy dar nach in mir. Quelle dafür ist Peugers Evangelientext in cod. 888, f. 28V. vngearnte lieb fehlt Me8 11 vnd ... lieb/ aber was man im geist Me7 der ... da von/da von sneitt man Me7 12 schierr/sneller Me8 13 schepphung Mel \flewcht... geschepph/vom geschepph flewcht Me8 14 der scheppher zw lawfft. Me8

398

Von der sei wirdichait vnd aigenschqffl

sy in den sy lieb hat vnd macht sy 2 als synnlas das sy ir selber nichts acht 3 dar vmb das sy des willen volpring 4 den sy am aller liebsten hat.

6 -> wann dy 7 chrefft der sei dy sy hat am muet des [103r] geists dy himlisch sind dar vmb (402,15) das 9 sy himlische werch wurchen

10 n 12 13 u is 16 n

-> so en | phächt dy erst chrafft dy ander pesch | awt vnd dy dritt hat lieb, wann so sich dy sei an der enphahung gots vbt in der gedächtnus irer ynnichait vnd an der peschawung irer vernufft so pringt sy dy lieb in dy ynnichait der gothait da

18

19 dy rue der ewichait ist. 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36 37

38 -> Dar vmb wa | nt 39 der (402,20) vater in der sei das er sy an sein 40 hertz trukch. vnd in dem in drukchen

Parallelen und Vorlagen in in den er lieb hat vnd macht in an witz das er seins Schadens nicht achtt awff das er des willen volpring den er lieb hat ?f

Me2,

f. 302vb (= PF. Pr. 67,2, S. 214,13-215,37)

399

2 3 4

5

wann dy 6 chreft der sei dy sy am muet des 7 geists hat dy sind himlisch dar vmb das 8 sy himlische werch würchen. 9 wann von dem geist des herren mund sind all chrefft der himel 10 Dy erst chraft 11 enphächt dy ander peschawt 12 dy dritt hat lieb, wann so 13 sich dy sei vbt an der enphahung gots H in dy [303ra] gedachtnus yrer ynnichait vnd an 15 der peschawung irer vernufft so pringt sy 10 dy lieb in dy ainichait der gothait. Da n geschiecht dann dy pewarung der himel an dem werch der fruchtparchait dy s an der rue der ewichait leit. 19 wann aller pewegung entt ist dy rue. Da von der weissag Johel spricht, himel vnd 20 erden wem pewegt. vnd nach der pedewtnus chümbt dy rue. Nw mag gantze rue an 21 der vernufft peschawn nicht sein dar vmb das in irm werch ein pewegnus awzzrer 22 ding zw der sei ist. wann von der selben ding pewegnus wirt ir pildnus in dy sei 23 trukcht. vnd ist ein anvang einer pewegung der sei stätichait vnd des wesens der 24 warhait der ding dy in den pilden lewchten. vnd dy pewegung ist im willen der albeg 25 ruet. wann got ist in dem gestirnten vnd vmblawffunden himel nicht anders dann ein 20 peweger vnd ein prunn der infliessunden chrafft. Also ist er auch hie in der sei als ein 27 peweger der freihält vnsers willen zw im vnd zw allen gueten werchen. vnd ist ein 28 prunn der gnaden der von seim götleichen hertzen in dy sei flewst. Nach den himeln 29 ist ein vnpewegleicher himel vnd ist dy stat der salichait in dem got ist vnd volpringt 30 dy persanleichen werch seiner ewigen gothait. Also sol dy sei nach der menig des 31 himels gleichnus dy tugent in sich tziehen an dy innichait des fewreinn himils. nicht 32 das er prinn sunder von [303rh] dem lewchten seiner chlarhait. wann all dy in dem 33 himel sind dy prinnen in dem fewer götleicher lieb, vnd wann dy sei zw der tugent 34 chümbt so wirt sy ein himlische wanung der ewigen gothait der seine werch in ir 35 volpringt von der sy solche süezzichait enphicht dy allen den verpargen ist dy den 36 stannt des fewreinn himels nicht schätzen. 37 Dar vmb want 38 der vater in der sei das er sy an sein 39 hertz trukch. 40

4 Vgl. Par. an. Nr. 27, S. 62,15ff. und Nr. 37, S. 85, l f. 28 Vgl. S. 355,23ff.

400

1 2 3 4 s 6 7 s 9 10

des vaters enphlcht sy den sun in sich nach seiner persan awsgang da von sy sein inn pleiben erchennt mit dem vater in irm wesen fT wann der herr spri | cht ich wil sy in dy wüest füem. Das ist er füert dy sei aws von aller eitelchait vnd spricht das wart das sein ainparner (402,25) sun ist in sy. vnd in der selben perung seins suns giessen sy den hei | ligen [geist] * in dy sei der sy alle ding lernt

II

12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27

28 29 30 31 32 33 34

Von der sei wirdichait vnd aigenschaffi

. wann alle werch der sei dy des ewigen lans stillen tailhäftig wem dy müezzen in got geschehen, vnd wie guet das werch an im selber ist vnd in got nicht gewaricht wirt so wirt es von im nicht pelant. wann er (402,30) wirt nicht lanen nach der leng noch grözz noch

Parallelen und Vorlagen

401

2 3

wann er spricht. Jch wil sy füern in dy wiiest. Das ist er füert sy aws von aller creatur eitelchait vnd spricht das wart das ist seinn sun in dy sei. vnd in der selben purd gewst der vater vnd der sun den heiligen geist in dy sei in der sy alle ding lernt. vnd mit dem wirt sy in got von allen dingen an entt ruen.

4 5 6 7 s 9 10 11

Me2, f. 272ra-va (= Predigt über Lc 5,27)

12

•TfTwann man list l u c e v° das der herr i h e s u s einn offen sunter sach am tzol sitzen 13 der hies leui zw dem sprach er volig mir mach, vnd er verlies alle ding vnd voligt im H nach. Nach volgen gueter ding ist ein volchömenhait so sich des menschen willen s arnleich dem willen gots vntergeit vnd [272rh] geharsam ist vnd nichts suecht dann 10 das gevallen gots. vnd spricht mer. wer mir voligt der wandert im Hecht. Das ist wer i? nach im get der get auch mit im in veraintem willen. Als p a u l u s spricht er ist das is hawbt vnd wir dy glider vnd aws des hawbts chrafft fliezzen all tugent in dy sei der 19 willen ist was got wil. wann der mensch vermag alle ding mit got vnd wer zw im 20 chömen wil der mues haben ein leben das dem chünftigen leben gleiher sey dann dem 21 tzeitleichen. Der willen gots ist dreyerlay. Jn dem willen seins gevallen würcht got 22 sein volchömne werch. vnd in seim aller liebsten willen würcht er seine grechte 23 werch. vnd in dem willen seins werchs würcht er swäre werch. Das sind der menschen 24 werch. Jn dem willen irer gueten werch get man für got. vnd in dem gevelchleichen 25 allerliebsten willen get man nach got in dem des menschen wilen ist der willen gots 26 warn, vnd was got in dem willen würcht das würcht er in sein selbs natur. 2? wan alle werch dy des ewigen 2g lans süllen teilhaftig wem dy müessen 29 in got geschehen, wann wie guet das 30 werch an im selber ist vnd wirt in got nicht 31 tan so nymbt es chainn ewigen 32 lan. wann got wil 33 nach der leng nach grözz noch 34

l Der folgende in Me2 fehlende Satz findet sich so auch in W2: unde da enpfehet si den sun in sich in der indrückunge des vater nach siner persönlicher üzgenclichkeit unde wirt erkennende sin inblibunge mit dem vater in dem wesen (PF., Pr. 67,2, S. 215,24-26). Das bedeutet, daß Peuger auch hier für die Fassung des Traktats nicht unmittelbar auf Me2 zurückgefgriffen haben kann, sondern daß Traktat und Predigtabschrift auf eine gemeinsame Vorlage zurückgehen. 12 Vgl. die Beschreibung von Me2, f. 272ra.

402 1 2 3 4 5 6 7 g 9 10 11 12 13 14

nach der menig der werch sunder nach dem vnd sy in got volpracht wem. wann dy [103V] sei ist ein werchtzewg gots dar inn er seine werch würcht vnd wann sy sich mit got veraint so wirt sy al | so geadelt das sy von gnaden wirt das got von natur ist.

Von der sei wirdichait vnd aigenschafft

Parallelen und Vorlagen

403

nach der tzal der werch nicht lanen sunder nach dem i vnd sy in got volpracht wem. Doch ist der 2 mensch ein werchtzewg gots da 3 er seine werch awff würcht. vnd wann 4 sich der werchtzewg mit got veraint so wirt er also 5 geadelt das er von gnaden wirt 6 das got von natur ist. 7 wann da würcht got nach dem adel des tzewgs wann got ist tzewg vnd materi vnd ein 8 [272va] tzewg des werchs. Da von sand A u g e n s t i n spricht, ein yeder ist dar nach 9 vnd sein lieb stet, hastu lieb so pistu lieb. Got pewegt guet vnd pös menschen. Dy 10 gueten in der stym seins warts dar inn er in manigerlay gnad offenbar macht vnd n chund tuet. Er pewegt auch dy pösen vnd vermant sy das sy an sein hilff nichts 12 vermügen. Der mensch pewegt auch got mit seim frein willen den er im nicht nemen n wil vnd wil auch wider des willen nicht tuen ffff 14

8 Vgl. DW III Pr. 82, S. 427,11-14: Daz muoz sin, daz ein ieglich gezouwe als verre reiche, als der werkman würket, ob daz werk volkomen sin sol; wan der mensche ist ein gezouwe gotes, und nach der edelkeit des Werkmeisters würket das gezouwe und ebd. Anm. 4; ebd. S. 429,5-9: Nochdenne engenüeget der sele niht an der gnade werke, wan si ein creature ist, si enkome dar zuo, da got würket in sfn selbes nature, da der Werkmeister würket nach der edelkeit des gezouwes, daz ist: in sin selbes nature, da daz werk als edel ist als der Werkmeister; vgl. auch JOSTES, S. 66,15f. 9 Vgl. zu diesem von Eckhart häufig verwendeten Augustinus-Zitat (In ep. loh. ad Parthos tr. 2 n. 14, PL 35,1997): DW II Pr. 38, S. 238,10ff. und ebd. Anm. 2.

404

2 3 4 5 6 7

Von der sei wirdichait vnd aigenschafft

-> wann weihe sei irm prewtigan (402,35) i h e s u c h r i s t o mit tä|gleichen tugenten nicht engegen chümbt vnd sich hie versawmt vnd sich dem himel nicht z& fiiegt dy wirt er abfüern in der hell grünt

Parallelen und Vorlagen

Me2,

405

f. 299vb-300va (= Meister Gerhard, Kölner Klosterpredigt 38)

[...300™...] wann wer der sei prewtigam tägleich mit tugenten nicht enkegen chümbt vnd sich versawmbt ab ze legen sein prechen den wirt er fiiern in der hell grünt

2 3 4 5 6 7

l Nähere Angaben: Beschreibung von Me2, f. 299va. Die einzige Hs., die die Kölner Sammlung als Ganzes bot (Hamburg, Staats- u. Univ.bibl., cod. theol. 2205 12°) ist verschollen. Glücklicherweise kann jetzt der neuentdeckte Text der Eckhart-Hs. Lo4 (LÖSER, Als ich me gesprochen hän S. 226f.) verglichen werden. Der Vergleich zeigt, daß Peuger die Predigt stark kürzte. Dem ersten der oben wiedergegebenen Auszüge entspricht in Lo4 f. 144vb: Wiliu dem brutegam nicht czu kein gen [...] so salt u begem genüegede aller vnordenünge wan wiltu dich hy nicht vor synne noch dyne gebrechen abe lege [...] er sal dich hy nach wol besynne [...] fugistu dich nicht czu setzen in den hymmel Er füget dich in der helle grünt [...] da du syne gerechtikeit salt also cziren also sente peter in dem hymmel. 2-S. 407^1 in Lo4, f. 145ra: Nü warvmme so quam deser brutegam. Sümeliche spreche [...] uf das sine boten warhaftig wamfünden adir worden fünden. [...] Di ändern wollen das er durch der rechten lüte gebet [...] queme wan dem gerechten wirt nicht vorsait. Sünder werlich dar vmme quam er das er sine ewige vnsichtige gütliche übe syner sichtigen menscheit vns offenbarte [...145rh...] Ouch quam er durch das [...] das er vnser menschliche natur voreinte mit syner gotheit vnd dy selbe natur geret vor dy natur obir alle creaturn. [...] Das ander ist vnser velicheit das ist erbeit [...] vnd pin dy nam er [145™] er an sich behalbir sünde vnd höte dy natur obir alle engele vnd bist also gehöt mit öm das du nummer macht gedenken nach gewen das er vmmer edeler creatur geschepphe dan du pist [...] Oüch quam er uff das das vnser libhafle synne genügede vnd gebruchunge heften an syner menscheit als vnser sele an der menscheit [gestrichen; darüber:] gotheit hat. [...] Hy von spricht sanctus Augustinus wir sullen in gen mit der sele in dy gotheit vnd mit den libhaften synen in dy menscheit [...] vnd sullen guten smak vnd weide vinden. [...] Nü ist gesait wy vnd warvmme der [...] brutegam sy körnen sunder dis hilft dir alles nicht [I45vh] [...] düßizest dich dann das du körnest da du [...] vindest got der komt nummer czu dir wann er [...] stet stete an siner gotheit dy nvmmer sich hot noch neiget. Nu merke wy got gehöt ist in der wirdikeit vnd in [...] der ere obir alle wirdikeit der engele Nem marien [...] also hö das sy nummer möge tzü öm gereichen. [...] in also höcher wirdekeit czu der kein creatur gereichen kan. Das Gegeneinander der Textformen von Me2, Me3 einerseits und Lo4 andererseits ist ohne weiteres einsichtig. Der Vergleich zeigt auch, daß Traktat III nicht Vorlage für die Abschrift der Predigt in Me2 gewesen sein kann. Andererseits kann Peuger aber nicht seine Predigtabschrift in Me2 als Vorlage für die Textexzerpte des Traktats benutzt haben. Die Lesart zu S. 406,8 sichtigen Me3, Lo4, fehlt Me2 legt vielmehr nahe, daß Me2 und Me3 auf eine gemeinsame Vorlage zurückgehen, die, wie Lo4, sichtigen tradierte, was Peuger in Me2 dann tilgte. Das Augustinus-Zitat (ab S. 407,20) findet sich auch in der Spruchsammlung Me5, f. 332vb: Dar vmb spricht sand A ugenstin. wir süllen mit der sei in dy gothait gen vnd mit des leibs synn aws in die menschait i he s u christi gen. wann alle creatur rüefft zwm menschen das er got lieb hob. vnd spricht aber, als das mir hie in der tzeit vnerchannt pleibt das pleibt mir auch vnlieb gehabt, vnd als das mir vngeliebt pleibt des sol ich ewichleich nymer geprawhen.

406

1 2 3 4 5

da sy sein grechtichait als vil in lei | den vintt als sand peter im himel ewiger frewden. wann der war prew | tigan vnser herr i h e s u s C h r i s t u s ist dar vmb her zw der sei chömen

6

7 ds er ir

s 9 10 11 12

sein götleiche lieb in seiner sichtigen menschait (403,1) offenbaret awff das vn | ser natur von aller creatur geert wirt

13

14 is 16 n 18 19 20 21 22 23 24

-> dy vber dy engel ist erhebt warn, vnd vmb das dürffen wir nicht gedenkchen das er chain ed | lere creatur peschaff dann wir seinn . Dar vmb süllen vnser synn ein ge | nüegen an seiner menschait haben als (403,5) vnser sei an seiner gothait hat. Als sand a u g e n s t i n spricht wir süllen mit der sei in dy goth | ait gen vnd mit vnsern leipleichen synnen in dy menschait i h e s u c h r i s t i

25 26 27

28 29 so 3i 32 33 34 35 36

dy vber aller heiligen vnd engel wi | rdichait erhöcht ist vnd da hin ch | chain (!) [104r] creatur nach seim vnwandel | parn götleichen wesen raihen mag

Von der sei wirdichait vnd aigenschafft

Parallelen und Vorlagen

407

da er sein grechtichait als wol vinden wirt als sand peter im himel. 2 wann der prewtigan 3 ist dar 4 vmb chömen 5 das sein poten warhaft funden wurden vnd durch der grechten pet willen, vnd sunder 6 dar vmb das er vns 7 sein vnsichtige götleiche lieb mit seiner s menschait offenbart. Er cham auch dar vmb das er vnser 9 menschleiche natur veraint mit seiner götleichen 10 natur vnd also von aller creatur geert 11 wurd. 12 [...] Das ander ist das c h r i s t u s der prewtigam arbait vnd pein an sünt an sich nam 13 vnd erhueb dy natur vber all 14 engel. vnd also ist vnser natur mit im erhöcht warn 15 das wir nicht gedenkchen dürffen das er chain edlere 10 rb [300 ] creatur peschaff dann wir seinn. n Er ist auch dar vmb chömen das vnser leipleich synn ein genuegs prawhen 18 hieten an seiner menschait 19 als vnser sei an seiner gothait 20 hat. [...] Dar awff spricht sand A u g e n s t i n 21 wir süllen mit der sei in dy gothait 22 gen vnd süllen mit des leibs 23 synn aws gen in die menschait i h e s u c h r i s t i . 24 vnd wie wol wir nw wissen war vmb der sei prewtigan chömen ist das hilfft vns nichts 25 wir haben dann fleis da hin ze chömen da wir in vnwandelpärn vinden in seim 20 götleichen wesen 2? da er vber alle wirdichait der engel vnd aller heiligen 28 also erhöcht ist das chain 29 creatur zw im geraihen mag.

30 31

Mel, f. 121ra-124va (= PF. Pr. 107, S. 347-353)

32

Ain andere predig vom palmtag Maister Ekcharts von paris Der herr i h e s u s spricht 33 im e w a n g e l i o M a t h e y xxj° die wart dy vor lang im weissagen t z a c h a r i a s sind 34 geret warn . Sag der tachter von S y o n dein chünig chümbt dir semfter sitzund awff 35 eim esel. Dy wart gehörn wol zw einer vnterschaid in dem chund wem der sei chrefft. 36

32 Der innere Zusammenhang der folgenden Stellen mit den vorausgehenden war für Peuger wohl durch die gleiche Thematik der Kölner Klosterpredigt und der Predigt PF. Nr. 107 gegeben. Hier wird nur der unmittelbare Kontext aus Mel wiedergegeben; der weitere Zusammenhang des Textes kann der Ausgabe PFEIFFERS entnommen werden, der die Predigt Nr. 107 nach der unikalen Überlieferung in Mel druckte.

408

2 3 4 5 6 7 s

fT Dar vmb wann der andächtigen sei dy (403,10) zu chumft irs chünigs i h e s u c h r i s t i durch ettleiche ding verchünt wem so frewt sich als das in ir ist -> vnd des Chünigs recht ist das er würch nach seiner herschafft vnd erfüll der sei hoffnung, dy sein pegert sy zw sterkchen

9

10 II 12

13 -»· das sy H den awssern synnen chain stat geh ichts is zw würchen in chainer creatur an den 16 willen gots. 17 18 19 20 21 22 23

24 -> vnd dy (403,15) sichrist frewnt | schafft 25 des chünigs ist so dy sei in 26 alle dem voligt dar in sy got tzew | cht 27

28 29 so 31 32 33 34

. wann so dy sei von der wir mer menschen sein dann vom leichnam der an dy sei tod ist einer yeden manung gots voliget sy vberwuntt alle anvechtung an arbait vnd war ir ein lust was sy durch seinn willen tragen solt.

35 36 37 38 39 40

41 ->· vnd wann (403,20) sy nichts an ir vintt 42 das zw straffen sey so ist sy frey mit 43 gantzem frid vor allem vrtailn. 44

Von der sei wirdichait vnd aigenschaffi

Parallelen und Vorlagen

409

wann so dy zw chumft ihesu c h r i s t i durch 2 ettleiche ding verchünt wem so frewt 3 sich in hoffnung als das in der wanung ist dar in der 4 chünig chömen wil. vnd dar vmb ist des chünigs 5 recht das er nach seiner herschafft 6 würch vnd erfüll all der hoffnung 7 dy sein pegert haben. 8 wann dem himlischen chünig gehört tzimleich zw das er chöm zw den anhebunden 9 menschen f...] Einer liebhabunden sei gehörn sunder die ding zw dy da wil das der 10 chünig i h e s u s C h r i s t u s [121rh] zw ir chöm. Das ist state huet mit der sy den n awssern menschen mit fleizz an den awssern fünff synnen pewar 12 das sy 13 den in chainer creatur stat geb ichts 14 ze würchen dan als vil sy da von dy gegenwürtichait 15 gots enphahen mag 16 Oder so sy zw eim sundern lust mag tzogen wem zw got oder zw dem nächsten. Dar n vmb sol sich dy sei mit stätem fleizz vben in dem pild der menschait i h e s u c h r i s t i . [...121vh...] $ Dar nach sol man merkchen das den warten .Sag der tachter von Syon 19 frewntschafft zw gehört, vber das ist ein frag vnter den lerern was frewntschafft sey. 20 Dar zw sprechen ettleich das sey ein frewntschafft so sich dy sei ainigt in dy werch 21 der tugent als vil sy ir mit vorpilden wem vortragen von den awzzern dingen der 22 creatur. 23 Aber das ist dy sichrist frewntschafft 24 als ettleich lerer sprechen so dy sei got in 25 alle dem nachuolgit dar in er sy tzewcht 20 vnd alle ding von got willichleichen awff nymbt. n wann so ein mensch 28 29

einer yeden manung 30 got voliget er vberwuntt an arbait 31 alle anvechtung vnd wir im ein 32 lust was er durch seinn willen tragen 33 solt. 34 wann als dy lerer sprechen so ist dy sei ein tachter des himlischen chünigs dy in 35 schuldig ist zw enphahen vnd zw wirten nach den ern aller wirdichait ff Vber das 36 fragen dy lerer ob dy sei dy got enphlcht an im alle ding enphach. Ja. wann sand 37 A u g e n s t i n fragt ainsten got vnd sprach herr hab ich alle ding an dir oder [122ra] 38 han ich dich allain. Da sprach der herr wer mich hat der hat an mir alle ding. Dar vmb 39 wann der mensch in sein gwissen get 40 vnd vintt nichts dar inn 41 das in straff so ist er frey mit 42 gantzem frid vor allem vrtail. 43 wann dy ding alle der predig genn alle awff den ynnern menschen. 44

44 Ein für Peuger typischer Hinweis. Vgl. S. 345, App. 3.

410 1 2 3 4 s

Von der sei wirdichait vnd aigenschaffi

-> Dar vmb gehört der sei zw dy got lieb hat das sy irn willen an seinn willen nymer volpring sider der tzeit vnd sy sich in seinn dienst ergeben hat.

6 7 8

9 -»· wann got 10 ist ein aigen das nichts pedarff vnd 11 des alle ding pedürffen. 12 13 14

is 16 n ig ig

->· vnd dar vmb (403,25) wann sich dy sei von ynnen an siecht vnd erchennt sich von gnaden alle ding [104V] zw vermügen so halt sy sich in ir aigen natürleich pild.

20 21

22 23 24 25 26 27 28 29 30 31

-> Dar vmb sol dy sei von got merkchen. Das erst das sy hab ein erchantnus des der zw ir chümftig ist. Das ander das sy des (403,30) ein gantze ain | ung hab der in ir würchen wil. Das dritt das sy hab ein lustigs prawhen des der sy so reichleich zw tischs nemen wil. Das vierd das sy von des hersch | äfft ein peschirmung nem mit dem sy ruen sol.

32

33 -»· Awff das spricht D i o n i s i u s

Parallelen und Vorlagen

411

Dar vmb gehört einer yeden tachter des himlischen chünigs zw 2 das sy irn willen an den willen irs vaters nymer 3 volpring von der tzeit vnd sy sich 4 das ist dy liebhabund sei in den dienst gots geben hat. s Es chamen zw ainn tzeiten ettleich pest maister der geschafft zw ein ander ze reden 0 was got vnd dy sei war. Da sprach der ain got ist etwas das in seiner ainigen erchant- 7 nus würcht. Da sprach der ander s got 9 ist ein aigen des alle ding pedürffen vnd 10 in im selber nichts pedarff. n Da sprach der dritt got ist ein vernüfftichait dy in ir selbs wesen lebt. Nw lazz ich den 12 ersten vnd den dritten vnd red von dem ändern das got ein aigen ist das nichts pedarff 13 vnd des alle ding pedürffen. wann als Syon pedewt ein peschawunts gesicht u also is wann sich der mensch von ynnen an siecht 10 vnd erchennt sich von gnaden alle ding n ze vermögen so halt sich dy vernufft 18 das ist dy sei in ir aigen natürleich pild 19 irer natur als dy pild der fünff awsbendigen [I22rh] synn. [...] $ Zwm dritten mal 20 nymb ich vierlay sach nach den warten 21 .Sag der tachter 22 von S y o n . Das erst ist 23 ein aigens erchennen des der zw mir chümftig 24 ist. Das ander ein gantze ainichait 25 des der in mir würchen wil. Das 20 dritt ein lustsamchait vnd ein geprawhen 2? des der mich so reichleich zw tischs nemen 28 wil. Das vierd von des herschafft 29 ein gantz peschirmen mit dem 30 ich men sol ff [...] 31 [,..122va...J fT Aws dem sol man noch dreyerlay ding versten. Des ersten 32 als Di on i s i u s spricht 33

12 Eckhart zitiert (wie hier) den >Liber 24 philosophorum< wiederholt. Vgl. vor allem DW I, Pr. 9, S. 142,1-7 und Anm. 1. 32-S. 413,7 Der folgende Abschnitt findet sich auch in der churtzen ler, die Peuger in Me8 dem Traktat >Von Abegescheidenheit< folgen läßt. Er schließt direkt an das Exzerpt aus S. 393,19-395,6 an: [212r] Da von Dionisius spricht wann sich dy sei zw got chert so gehört ir zw das sy sich in im also erpild das aws ir selbs erchantnus chain gestalt awsser im in ir awfstee. vnd [212V] wann das dy sei tuet so enthalt sy den awssern menschen in rechter amung dem sy das natürleich leben geil. Unmittelbar darauf folgt in Me8 S. 413,35-39; der Vergleich der drei Hss. - besonders zu S. 412/413,3 und 6 - bestätigt die Verwandtschaft von Me3 und Me8 gegenüber Mel.

412

1 2 3 4 5 6 7 «

Von der sei wirdichait vnd aigenschafft

wann sich dy sei zw got chert so gehö | rt ir zw das sy sich in got also erpild das aws ir (403,35) selbs erchantnus chain ge | stalt awsser got in ir awfste. vnd wann das dy sei tuet so enthalt sy den awssem menschen in rechter arnung dem sy das natürleich leben geit.

9

10 11 12 13 H is 16

-*· wann so sich got in dy sei spricht so hat er sich mit ir veraint vnd würcht dann dy sei in sich selber vnd macht sy so vermügig das sy tzimbt oder es sey hie in der tzeit nichts das sy hintern müg an gueten dingen.

17 18 19 20 21 22

23 24 25 26 27 28 29

-» wann sich dy (404,1) sei in der ver vernufft (!) irs pilds in tugent würcht vnd das ir alle ding gegenwärtig sind von dem insprechen gots so hat der geist ein freis in sprechen in got na | ch dem vnd das vaterleich insprechen peweist ist.

30 31 32 33 34

35 36 37 38 39 40 41

-> Dar vmb sol dy sei wi | ssen wie sy sich tzwischen ir vnd got (404,5) halten süll also das sy verneinen müg [105r] in welherlay vbung sy got tziech vnd manung tue. vnd vmb das sol dy lie | bhabund sei got vber alle ding lieb haben der sich selber in sy senkcht vnd

Parallelen und Vorlagen

413

wann sich dy sei von ersten zw got chert so gehört i ir zw das sy sich in got also erpild 2 das aws ir selbs erchantnus nymer aws ir 3 selbs werch ein pildnus in ir awfste. vnd 4 wann das dy sei tuet so enthalt sy den s awzzern menschen nach arnung dem 6 sy das natürleich leben geit. ff 7 [...]23rb...J $ Zwm fünften mal pedewten dy wart. Sag der tachter von S y o n ein 8 verainigung. 9 wann so sich got in dy sei spricht so hat er sich 11 mit ir veraint vnd chümbt vnd würcht sy 12 in sich selber vnd macht sy als vermiigig 13 das sy tzimbt oder es sey hie in der tzeit 14 nichts das sy hintern miig. 15 16

Als sand p a u l s spricht .Ich vermag alle ding in dem der mich sterkcht. $ Zw ainn n tzeiten ward ich in der schuel zw paris gefragt wie man dy geschrifft alle erfüllen is müg. [...] [...123va...] wann so dy sei nach ändern tugenten ee fragen tat dann nach der 19 lieb so hiet sy der tugent nichts, vnd wann sich dy sei in dem halten liezz vnd sich 20 daraws nicht waricht in ir vernüftige chrafft so wurd sy auch perawbt des ersten zw 21 nemens in dem sy in tugenten zw nam. 22 So sich aber dy sei in der vernufft 23 irs pilts in würcht 24 vnd das ir alle ding gegenwürtig sind 25 von dem insprechen gots in der chrafft der tugent lieb so hat der 20 geist ein freis insprechen in got nach 27 dem vnd das vaterleich in sprechen 28 peweist ist. 29 wan ettleich menschen ruen ze vil awff den awssern tugentleichen werchen vnd haften 30 ze vil an den lüsten dy sy in gnaden erlangt haben in den werchen der awssem synn 31 vnd der nydristen chrefft der sei. vnd söleich sind nicht töchter der freihält sunder sy 32 sind tiem des diensts. /... 123vb...] $ Nw wil ich hie ettwas zwm sechsten mal sagen 33 von den warten .Sag der tachter von S y o n das ynnigen sein zw gehört. 34 Das ist 35 wie sich der mensch tzwischen im vnd got 36 halten süll also das er verneinen müg 37 in welherlay vbung in got tziech vnd 38 manung tue. [...124ra...] vnd dar vmb gehört einer liebhabunden sei zw das sy das 39 lieb hab dar aws dy geschrifft irn vrsprung nympt. Das 40 ist got der sich mit seiner gnad in dy sei senkcht vnd 41

35-39 in Me8, f. 212 V im direkten Anschluß an S. 411,32-413,7: Dar vmb sol dy sei wissen wie sy sich tzwischen ir vnd got halten siill also das sy vernemen müg in welherlay vbung sy got tziech vnd manung tue. Darauf folgt unmittelbar S. 415,15-22.

414

1 2 3 4

würcht in ir mit seim geist vnd geit ir erchantnus das sy dy lieb dy sy von im ynnen an im hat sol gegen allen menschen haben vnd ertzaigen.

9 10 11 12 13 14

is 16 i? is 19 20 21 22

-»· (404,10) vnd dy sei sol got sich also vntertan machen als ob er allain seinn tod durch irn wil | len erliten [hab] * vnd wann sy das tuet so nymt sy in der warhait zw vnd ist geschikcht zw enphahen dy gemain gab gots mit der sy chömen sol zw dem weg der war | hait der menschait c h r i s t i.

23 24 25 26

27 28 29 30

->· Aber so sy mynner tuet dann sy vermag so wirt sy im lei | chnam (404,15) eim tier gleihent das man zw grözzerm vermiigen nötten mues. wann

Von der sei wirdichait vnd aigenschafft

Parallelen und Vorlagen

415

würcht mit seim geist in ir das sy in lieb hat vber sich selber vnd geit ir erchantnus in dem sy dy lieb vnd den lust den sy von ynnen an im hat gegen allen menschen aws tailt.

Me2,

f. 290ra (= Predigt Eckharts über

14,6)

i 2 3 4

5 0

fTff Dar vmb spricht der herr i h e s u s i o h a n i s x x i i i j .Jen pin der weg dy warhait vnd das leben, von der warhait wil ich hie einn syn sagen der allen den vnpegreiffleich 7 ist dy mit lust dy creatur mer pesitzen dann alle warhait dy got dem menschen geben s wil. Den aber dy inwendigen awgen der sei sind awff tan dy wissen wol was ich main 9 « Hie ist ein frag in der geschrifft wie manig grad geistleichs lebens im weg der 10 warhait seinn vnd in welhem grad sich dy menschait i h e s u C h r i s t i gevbt haben, vber das sagen dy lerer sunder von drein graden. [...290va...J $ Der dritt grad ist das 12 der mensch sich in der warhait aller tzeitleicher ding vnwirdig tzimb vnd chain creatur 13 ymer pesitz an dy gegenwürtichait des pilts vnsers herren i h e s u c h r i s t i . H vnd is sich im also vntertan mach 10 als ob er durch seinn willen allain n den tod erliten hiet so nymt \» er in der warhait zw. wann durch das wirt er geschikcht 19 zw enphahen dy gemain gab gots in 20 dem er chömen mues zwm weg der warhait 21 der menschait c h r i s t i . 22 ff«!" Nw ist ein frag wie dy menschait c h r i s t i ein weg vnserr menschait sey. vber das 23 antwurten dy lerer vnd sprechen als das zw dem dy menschait c h r i s t i von gnaden 24 chömen ist das sey ein weg vnd ein pild vnserer menschait. vnd als das C h r i s t u s hie 25 in der tzeit gevbt hab das müg der mensch von gnaden volpringen. 20 vnd dar vmb wer ichts mynner n tuet dann er vermag der ist 28 eim tier gleicher dann eim menschen. 29 wan 30

5 Nähere Angaben zu Me2, f. 290". 29 Vgl. DW V, S. 420,5f. 15-22 in Me8, f. 212 V , im unmittelbaren Anschluß an S. 413,35-39: Dar vmb sol sy sich got also vntertan machen als ob er allain seinn tod durch irn willen erliten hiet. vnd wann sy das tuet so nymbt sy in der warhait zw vnd ist geschikcht dy gemain gab gots zw enphahen mit dem sy chömen sol zw dem weg der warhait der menschait christi. 30-8.417,28 in Me8 im unmittelbaren Anschluß an 15-22: wann der mynnst mensch der gots ewichleich mangeln sol durch den hat christus mer werch der lieb gewaricht dann all heiligen ye durch seinn willen erliten haben, wann ob alle creatur reden chunden so möchten sy nicht volsagen den adel den got an dy sei gelegt hat also das er chain creatur wil noch mag hachwirdiger machen, vnd das peweist er selber mit seim wesenleichen vnterschaid dy menschleich natur mit seiner götleichen natur hat. vnd vmb das sollen pilleich der sei alle cratur versmahen vnd ze snöd sein durch die sy mächt tzogen wern von den gueten dingen dar zw sy got peschaffen hat vnd solt sich schämen seit sy dy ewig salichait pegreiffen mag vnd versawmbt das. Der Vergleich der Textformen belegt, daß die Abschrift in Me8 auf eine gemeinsame Vorstufe mit Me3 zurückgeht: S. 416,7

416

2 3 4 s 6 7 s 9 10 11 12

Von der sei wirdichait vnd aigenschafft

der mynnist mensch der gots ewichlei | eben mangeln sol durch den hat C h r i s t u s mer werch der lieb gewarcht dann all hei | ligen ye durch seinn willen tan haben ?T wann ob alle creatur reden chund so mö | chten sy nicht volsagen den adel den got an den menschen (404,20) sunder nach der sei ge | legt hat also [das] * er chain creatur wil noch mag hachwirdiger machen, vnd das peweist er selber mit seim wesenle | ichen vnterschaid dy menschleich natur mit seiner götleichen natur hat.

13 14 15 16 17 18

19 20 21 22 23

-> vnd dar | vmb sollen der sei alle creatur versmahen [105V] vnd ze snöd sein durch dy sy möcht tzo | gen wem von (404,25) den dingen dar zw sy von got peschaffen ist.

24 25

26 ->· vnd soll sich 27 schämen seit sy das ewig guet pe | greiffen 28 mag vnd das versawmbt 29 30 3l

32 33 34 35 36

ff Hie ist ein frag seit dy sei so edel ist das sy tzeit noch stat noch natur ni | cht pewegen mag noch perüern in irm wesen ob got an pild seiner aigenschafft in ir würch. vber das

Parallelen und Vorlagen

417

der mynnist mensch der gots ewichleichen i mangeln sol durch den hat C h r i s t us 2 mer werch der lieb gewarcht dann all heiligen 3 ye durch seinn willen tan haben. 4 wann ob alle creatur reden chund so möchten s v sy den adel nicht vol/"290 */sagen den got 6 an den menschen gelegt 7 hat. Jch sprich noch mer das got chain cratur wil 8 noch mag edler machen dann den menschen, vnd 9 das petzewgt er mit seim wesenleichen vnterschaid dy menschleich natur 11 mit seiner götleichen natur hat. 12 wann dy mynnist warhait dy got dem menschen geben wil dy möchten dy pesten 13 phaffen dy hie awff erden sind zw warten nicht pringen. vnd sprich noch mer. der 14 mensch ist als edel gemacht das dy mynnist warhait dy got dem menschen hie in der is tzeit geben wil chaim heiligen in ewichait nye erchannt wart wie möchten sy dann hie 16 in der tzait von aller creatur aws gesprochen wem. vnd das han ich dar vmb geret das 17 sich der mensch s dar vmb 19 vber alle creatur erheben [sol] * das sy 20 im zw snöd ist das sy 21 sein vernufft mit irer inpildung hintern sol. 22 wann seit dy warhait zw pegreiffen ist an wart vnd werch an pildnus vnd an weis der 23 natürleichen ding aber nicht an dy wesenleichen aigenschafft dy durch alle ding ein 24 weg zw 25 got sind so 20 schambt euch das ir euch 27 selber dar an hinten. 28

Me2, f. 288* (= 9 Fragen)

29

fTfT Hie sind ettleich frag wann all predig dy maister E k c h a r t in seiner ler pegreifft 30 genn am meisten nwr awff den ynnern menschen. 31 va [...288 ...] Dy dritt frag ist seit dy sei so edel ist 32 das sy tzeit noch stat noch natur nicht 33 pewegen noch perüern mag 34 in irm wesen ob got an pild seiner 35 aigenschafft in ir würch. vber das 36

31 Vgl. S. 345, App. 3.

hat Peuger den ursprünglichen Text den menschen erweitert: den menschen sunder nach der sei. In Me8 bleibt dann davon nur noch: dy sei. Auf die oben wiedergegebene Passage folgt in Me8 S. 419,32-35. Ein kürzerer Abschnitt auch in der Spruchsammlung von Me5, f. 332vb:. wann der mynnist mensch der gots ewichleich enpern sol durch den hat ehr is t us mer werch der lieb gewaricht dann all heiligen durch seinn willen tan haben. Wann ob alle creatur reden chund so chunden sy nicht volsagen den adel den got an den menschen gelegt hat.

418

1 2 3 4 5 6 7 s 9 10 11 12 is u

antworten dy (404,30) lerer vnd sprechen seit dy sei ein creatur ist vnd ein geistleich wesen hat so mues das von nat sein was got in ir würcht das er es na | ch wesen an z& vll würch. wann alle seine werch sind wesenleich vnd ewig als sy in im selber sind vnd wem in der sei in seiner chrafft enthalten in der er sich natiirleich gemainsamt vber dy gnad. wann gnad ist ein aws | fliessunts (404,35) lieht das geschikcht ist vn | ter dem geist dienstleich zw sein. wann gnad wir nicht ein lieht war sy vom geist nicht enthaltleich er | channt

15 16 17

is 19 20 21 22

. vnd wann sich got in der lieb in dy sei slewst so ist sy als vnerchannt als ir der obrist engel ist vnd liebt alle ding in götleicher weis an natürleiche aigenschafft.

23 24 25 26 27 28

29 30 31 32 33 34 35 36 37 38 39 40 4l

-» Got ist ein vemüftigs lawters wesen vnd ein ewigs aigen aber dy sei ist ein gemachte (405,1) ewigs aigen [W6r] . Wann als wenig got in namen vnd in warten mag pegriffen wem als wenig mag dy sei in pildnus noch in form pe | griffen wem.

Von der sei wirdichait vnd aigenschaffi

Parallelen und Vorlagen

419

antwurten dy lerer vnd sprechen Seit dy sei ein creatur ist nach geistleichem 2 wesen so mues es von nat sein 3 was got in ir würcht das er es nach 4 seim wesen würch an zw väl. wann 5 alle seine werch sind wesenleich vnd 6 ewig als sy in im selber sind vnd wern 7 in der sei mit götleicher chraft enthalten 8 in der sich got natürleich gemainsamt in seiner 9 vemufft vber dy gnad. wann gnad ist ein awsfliezzunts 10 Hecht das gearnt ist vnterm 11 geist in dienst ze sein. 12 wan gnad war nicht ein Hecht war 13 sy vom geist nicht erchantleich. H Aber dy sei ist gearnt nach der vernuft in ein götleich wesen das got lieb hat als er sein is aigne vernufft vernüftichleichen lieb hat. Er würcht auch wesenleich an mazz vnd an 10 pild vnd liebt sich selber in seim wesenleichen werch 17 vnd slewst sich mit lieb in is der sei wesen. Hie ist dy sei ir selber als vnerchannt 19 als ir der obrist engel ist vnd liebt alle 20 ding [288vh] in götleicher weis an natürleiche 21 aigenschafft. 22 wann so dy sei durch prochen wirt mit dem fluzz der lieb so wirt sy ir vnerchannt. Als 23 D i o n i s i u s spricht dy sei wirt ze nichte vnd werchlas vnd dy gothait get ledig aws 24 irm aigen vernüftigen werch an pild in ir aigne wesenleiche art vnd werch der aigen 25 gothait an gestalt der aigenschafft. Dy sei get auch ledig aws aller irer aigenschaft 20 inpildunder ding aber got ist natürleich ledig an pild. Dy sei wirt gnldichleich erledigt 2? in pilden geistleichs aigens aber 28 got ist ein lawters 29 vemüftigs wesen vnd ein ewigs aigen aber 30 dy sei ist ein gemachts ewigs aigen. 31 wan als wenig got in namen vnd in 32 warten mag pegriffen wern als wenig 33 mag dy sei in pildnus noch in form pegriffen 34 wern. 35 Alle ding fliezzen aws der vernufft gots nach vnterschaid der natur vnd nicht nach 30 dem vermügen irer würchung. wann es geschiecht ettwann das ettleich natur dy verre 37 vnter dy ändern gearnt sind gleich an den pilden wern aber nicht gleich nach dem 38 vermügen in der natur. Da von sand A u g e n s t i n spricht hiet dy sei ir aigne natur- 39 leiche edel gegenwürtig an mittel so war sy ir selbs mer aigen dann sunst alle creatur 40 in irer natur dar in sy gearnt sind. 41

32-35 in Me8 im Anschluß an S. 415,30-417,28: wann als wenig got in namen vnd in warten mag pegriffen wern als wenig mag dy sei in pildnus noch inform pegriffen wern. Hierauf folgt in Me8 S. 421,13-17.

420

\ 2 3 4 5

-> Dy sei ist natürleich ge | ainigt vnd gleich gearnt der ainigen vemufft gots dy also geainigt vnd ge | leich gearnt (405,5) ist in ir selber das chain creatur in ir mag stat haben

6 7

9 10 11 12 B H 15 16 n is 19 20 21

-» " Der herr i h e s u s sprach zw seinn iungern Jch gen euch zw peraitten dy stat. An den warten sol man tzwen nütz merk | eben. Der ain ist das dy sei von natur zwm himel peschaffen ist vnd das got ir rechte eribstat ist. wann got hat allain dy sei an vnterschaid peschaffen (405,10) mügen also das nyembt wissen mag was sy [ist] * wann ein yeder mensch hat ein sei aber was sy in irm wesen ist des mügen wir hie in der tzeit nicht wissen.

22 23

24 25 26 27 28 29 so 31 32 33 34 35 36 37

-> Dar vmb spricht sand A u g e n | s t i n dy sei ist von got peschaffen vnd wider zw got vnd vmb das mag sy nynndert rue haben dann in im. wann got ist (405,15) ein geist vnd dy sei ist auch ein geist vnd ist zw got gefüegt als ain geist zwm ändern. Dy sei wirt au ch dem fewer gleihent das an seim we sen das höchst ist vnd das chreftigist an seim werch wann es ruet nicht vntz das es den himel perüert. wann das [106V] fewer ist vmb alle e l e m e n t gesetzt vnd ist verrer weiter vnd höher dann (405,20) luft wasser vnd edreich vnd peslewst dy

Von der sei wirdichait vnd aigenschafft

Parallelen und Vorlagen

421

Dy sei ist natürleich geainigt vnd gleich gearnt der ainigen 2 vernufft gots dy also geainigt vnd gleich 3 in [289ra] ir selber gearnt ist das chain 4 creatur in ir mag stat haben 5 vnd sy flewst doch aller natur wesen. vnd von irm awsfluzz wem alle creatur in irm 6 würchen enphänkchleich $ Dy vierd frag [...] 7 Mel, f. 196rb (= PF. Pr. 75, S. 235,32-237,39) vnd an den warten dy der herr zw seinn iungem sprach Jch gen euch zw peraiten dy stat sol man tzwen nütz merkchen dy er vns an seiner himelfart ertzaigt hat ff Das erst ist das dy sei von natur zwm himel peschaffen ist vnd das got ir rechte eribstat ist. wann got hat allein dy sei an vnterschaid peschaffen mügen also das nyembt wais was sy ist.

s 9 10 n 12 13 14 15 10 n 18 19 20

vnd sy wirt doch ein Hecht gehaissen wan als sich der sunn Hecht mit seim schein awff alle creatur ergewst also ist dy sei an vnterschaid aws dem götleichen Hecht peschaffen. Als sand [196va] A u g e n s t i n spricht . dy sei ist von got peschaffen vnd wider zw got vnd vmb das mag sy nynndert rue haben dann in im. Dy sei ist ein geist vnd ist nach got pilt vnd zw im gefüegt als ain geist zw dem ändern. Dy maister gleihen dy sei auch dem fewer das daz höchst an seim wesen ist vnd das chreftigist an seinn werchen. wann es hat nicht rue vntz das es den himel perüert. Dar vmb ist das fewer vmb alle element vnd ist verrer weiter vnd höher dann lufft wazzer vnd erden vnd peslewst sy

21 22 23 24 25 20 2? 28 29 30 31 32 33 34 35 30 37

13-17 in Me8, f. 212V im Anschluß an S. 419,32-35: Dy sei ist von natur zwm himel peschaffen vnd an vnterschaid also das nyemt wissen mag was sy ist. Hierauf folgt in Me8 Z. 28-30. 28-30 in Me8, f. 212V im Anschluß an Z. 13-17: Cot ist ein geist vnd dy sei ist auch ein geist vnd ist zw got gefüegt als ain geist zw dem ändern. Hierauf folgt in Me8 S. 423,27-32.

422

1 ändern alle in sich vnd lawfft mit dem 2 himel vmb wann es ist [im] * das nächst 3 4

5 6 7 8 9 10 n

. Dar vmb haist dy sei ein fewer das sy got mit der pegier nach voligt als das fewer dem himel vnd mag nyndert nie haben dann in im. Dy sei wirt auch ein vanckchen himli scher natur genannt.

12 13 14

is 16 n is 19

-> wann (405,25) der vankchen ist awff gein himel gevarn das ist dy sei ihesu c h r i s t i dy tzaigt vns das al ler sei ruestat nyendert ist dann zw himel.

20 21 22 23 24 25 26

27 28 29 30 31 32 33 34 35

->· wann es sey dann das dy sei von tzeitleichen dingen zw himlischen tzogen werd anders der heilig geist mag in sy nicht chömen seine werch ze würchen. wann alle werch gots wü rcht er im geist.

Von der sei wirdichait vnd aigenschafft

Parallelen und Vorlagen

423

alle in sich, vnd es ist dem hitnel am i nächsten vnd lawfft mit im vmb. 2 vnd der lufft voligt einn tail nach dar vmb das er grober ist vnd das wazzer ist noch 3 grober vnd mag nicht volgen vnd rint nach. 4 vnd dar vmb haist dy sei ein fewer das 5 sy got mit der pegier nach voligt 6 als das fewer dem himel vnd mag 7 nynndert rue haben dann in im. Dy 8 sei haist auch ein vankchen götleicher oder himlischer 9 natur. vnd das füegt sich wol zw den warten das dy sei von natur zwm himel gehört, wann 11 wo der erden grünt hin vellt nach dem vellt das erdreich als. wann der grünt peweist 12 da mit das da selbs der erden rue stat ist also peweist der vankchen der vom fewer vert 13 das des fewers nie stat da ist. 14 Nw haben wir einn vankchen 15 gein himel gesantt das ist 10 dy sei i he s u c h r i s t i dy peweist vns das aller 17 sei ruestat nynndert ist dann im is himel 19 vi da hin sy gehört. Aber des Iei/796 7chnams ruestat der von den vier elementen 20 gemacht ist der ist von natur awff erden, vnd dy tzway hat got mit ain ander also 21 veraint das sy ewichleichen pey ein ander pleiben müessen das ist sei vnd leib nach 22 irm verdienn. Jn dem hat got einn weisen rat funden vnd ist selber mensch warn vnd 23 ist mit aigner chraft gein himel gevarn vnd dy ruestat i he s u c h r i s t i ist in der 24 ainung seins vaters. [...] zwm ändern mal süllen wir vnser vichleich synn mit irn 25 pewegungen ze samm [197ra] treiben an dy geistleich vnd aller höchst chrefft der sei 26 wan es sey dann das dy sei 27 von tzeitleichen dingen zw himlischen 28 erhaben werd anders der heilig geist 29 mag in sy nicht chömen seine werch in ir 30 zw würchen wann alle werch dy got würcht dy würcht 31 er im geist. 32

Mel, f. 126rb (= SIEVERS Nr.XXII, S. 423,41-57)

33

Dar vmb spricht D a m a s c e n u s das andichtig gepet ist nicht anders dann ein awf- 34 steigen zw got. 35

27-32 in Me8, f. 212 V im Anschluß an S. 421,28-30: wan es sey dann das dy sei von tzeitleichen dingen zw himlischen tzogen wert anders der heilig geist mag in sy nicht chömen seine werch in ir ze würchen der alle werch gots im geist würcht. Hierauf folgt in Me8 S. 425,11-20. Der Lesartenvergleich zu Z. 30 (in ir Mel, Me8, fehlt Me3) zeigt wieder, daß Peuger für seine Exzerpte in Me8 nicht direkt auf Traktat III, sondern auf eine gemeinsame Vorlage von Me3 und Me8 zurückgriff. 35 Das bekannte Zitat aus Johannes Damascenus, Deßde orthodoxa III c. 24 (= PL 94,1089) auch in Me5, f. 334vb: ff Von andachtigen gepet spricht Damascenus das es nicht anders sey dann ein awffsteigen zw got. Vgl. DW I, S. 318, 12-319,1 u. PF. Pr. 109, S. 358,10f.

424

1 2 3 4 5

Von der sei wirdichait vnd aigenschaffi

-> (405,30) Got ist hach vnd der mensch nyder sol er dann zw im awff steigen in andacht so mues er sich ha | ch machen mit vnter legen als das got peschaffen [hat] * vnd auch der sei chrefft dy in

6 7

8 9 10 11 12 o u is 16 n 18 19 20

den werchen des leichnams mügen vol | pracht wem so sy dar zw hat erchantnus vnd lieb in den sy vber dy weit tzogen wirt. wann sol ich got erchennen (405,35) dar zur pedarff ich weder -> awgen noch arn . sol ich dann mit got an der lieb veraint wem dar z& pedarff ich weder hennt [107r] noch füezz sunder ich pedarff das ich mich verperg vor allen peschaffen dingen vnd versliezz mich mit meim geist mit got allain vnd verain meinn geist mit gots geist vnd werd also ain geist mit got

2l 22 23 24 25 26

27 28 29 so 3l

wann dy lieb dy got zw der sei hat dy hat in vberwuntten das er alle creatur peschaffen hat (406,1) das er ir da mit sein er offenbaret.

Parallelen und Vorlagen

425

Got ist hach vnd der mensch nyder sol er dann zw im awf 2 steigen so mues er ettwas vnter sich legen da von 3 er sich erhöch. vnd das vnterlegen sol sein als das got 4 peschaffen hat vnd dy chrefft der sei 5 vnd das mag an den fünff synnen des leichnams nicht volpracht wem da von dy sei e verwuntt wirt. Sunder dy sei mues sich tziehen an dy chrefft 7 der werch die am leichnam mügen volpracht s wem. Das ist erchantnus 9 vnd lieb in den chreften dy sei vber dy weit tzogen 10 ist. wann sol ich got erchennen dar 11 z& pedarff ich weder hörn noch sehen das ist weder 12 awgen noch arn sunder es mues ein andere geistleiche erchantnus sein. 13 Sol ich auch mit got an der lieb veraint 14 wem dar zw pedarff ich weder henntt 15 noch füezz sunder das ich mich ie verperig vor allen peschaffen dingen vnd n versliezz sich mit seim geist mit got allain vnd 19 werd ein geist mit got. 20

Me2,

f. 317ra (= Par. an. Nr. 16, S. 39,8^2,2)

21

$$ So mag dann der herr wol sprechen als schriben stet M a t h e y xx° vader dy 22 arbaitter vnd gib in im lan. Da pey sol man tzwayerlay ding versten da mit vns got zw 23 im laden tuet. Des ersten mit aller creatur dy er so schan tziert hat. wan er hat dy weit 24 vnd alle ding durch des menschen willen peschaffen vnd den menschen durch seinn 25 willen. 20 wan dy lieb dy got zw der sei hat dy 27 hat in vberwunten das er alle creatur 28 peschaffen hat awff das er ir da mit sein er 29 offenbaret. 30 Zwm ändern mal hat er manigerlay creatur gemacht awff das vns in manigerlay weis 31

21 Die Textgeschichte der Peugerschen Verwendung dieser Predigt (DW IV, S. 78ff.) zeigt, daß Me2 nicht direkte Vorlage für Me3 war. 11-20 in Me8, f. 212v-213r, im Anschluß an S. 423,27-32: wann dy sei dy got erchennen wil dy pedarff dar zw weder awgen noch arn. vnd sol sy dann mit got veraint wem darzw pedarff sy weder kennt noch füezz sunder sy pedarff das sy sich verperg vor [213r] allen peschaffen dingen vnd verain irn geist mit gots geist vnd werd ain geist mit got. Hierauf folgt in Me8 S. 427,14-19. Derselbe Auszug findet sich auch in der Spruchsammlung von Me5, f. 332vb: wer mit got an der lieb wil veraint wem der pedarff dar zw weder kennt noch füezz noch chain glidmazz sünder das sich ein mensch verperg vnd versliezz sich mit seim geist in got vnd verain seinn geist mit gots geist.

426

2 3 4 5 6 7 s 9 10 n 12 13 N is 16 i? is 19 20 21

Von der sei wirdichait vnd aigenschafft

-> vnd wie lustig er dy creatur gemacht hat so hat er doch ettwas lei | dens da neben gelegt wer seiner ern lust nicht achtten wil das er dann mit leiden gedrungen vnd geslagen werd. wann als wunderleich der menschen (406,5) muet ist als wunderleich ist der weg zw got da mit er ainn mit lust zw im tzewcht vnd den ändern mit vngemach vnd siegen. Als sand p au l s wunderleich pechert wart da er am weg was dy christen ze slahen vnd das er dannoch nach seiner sei in den drit | ten himel tzukcht wart. Auch an dem tag dar an sand A u g e n s t i n (406,10) pechert wart da chund er nicht ersatt wem von dem wunderleichen lust den er het an der huet dy got der sei legt da mit er sy zw im chert ?T Es sind drew ding dar vmb dy sei an der creatur chain genüegen hat. Das ain das sy tailt sind.

22 23

24 25 26 27

->· das ander das sy leipleich (406,15) sind vnd genn awff verderben vnd verdrossenhait dar vmb an in chain zw nemen gesein mag.

28 29 30

31 .

32 -> das dritt das dy 33 gab der creatur nicht geschenkcht wirt von 34 [107V] dem vnd sy am ersten geflozzen sind 35 36

37 -> das ist 38 von got dar vmb sy der awff getzogen 39 sei in lust nicht smekchen mügen.

Parallelen und Vorlagen

427

sein er wurd chund tan vnd vns [317rh] zw im winkchen als sein poten. vnd er hat doch chain creator als volchömen gemacht oder er hab ettwas leidens da neben gelegt awff das wer seins lusts nicht achtten wil das er dann mit leiden gedrungen vnd geslagen werd. wann als seltzam des menschen muet ist als seltzam ist der weg zw got da mit er ainn mit lust zw im tzewcht vnd den ändern mit vngemach vnd siegen. Als sand p a u l s wunderleich pechert wart da er am weg was dy christen ze slahen.

i 2 3 4 5 6 7 & 9 n 12 13

vnd am 14 tag dar an sand A u g e n s t i n pechert wart 15 chund er nicht ersatt wem von dem 10 wunderleichen lust den er het an der 17 huet dy got der sei legt da mit er sy zw ig im chert. Es sind drew ding dar vmb 19 dy sei an der creatur chain genüegen 20 hat. Das ain das sy tailt sind. 21 wann das chrawt ist nicht ein genüegen der speis vnd des gwants sunder ir ains tzaigt 22 awff das ander vnd ermant zw got wann an in ist chain rue. 23 Das ander ist 24 das dy creatur leipleich sind vnd genn awff verderben 25 vnd verdrossenhait dar vmb ist an in chain 20 zw nemen. 27 wann so ich ye lenger awff den snee oder in dy sunn lueg so mir die awgen ye 28 vinsterer wem. Also ward chain creatur nye so schön noch so edel luegt man sy lang 29 an man hab ein verdriezzen dar an. Aber geistleiche erchantnus hat ein zw nemen vnd 30 so man sy ye pas erchennt so sy ye lawterer pegriffen wirt. 31 Das dritt ist das dy 32 gab gots aws dem vazz nicht geschenkcht wirt 33 dar aws sy geflozzen ist. 34 wann als das got geben mag an lust vnd an gab wurd es aws dem vazz nicht ge- 35 schenkcht 36 va das [317 ] 37 got ist so mo'cht es der 38 sei nach lust nymer smekchen. 39

14-19 in Me2, f. 438va als Exzerpt im sog. >Planetentraktat< (= Me2b), in Me8, f. 213r im Anschluß an S. 425,11-20: wann an dem tag da sand Augenstin pechert wart da chund er nicht ersatt wem von (in Me2b) dem wunderleichen (wunnsamen Me2b) lust den er het an (von Me2b) der huet dy got der sei legt da mit er sy zw im chert (pechert Me2b) Me8, Me2b. Hierauf folgt in Me8 S. 429,7-431,2.

428

7 ->· wan

8 9 10 11 12 13 H is 16 n is 19 20

got der Herr lokcht dy sei zw im als ein schäffel (406,20) mit eim grüenn lawb von ainer stat an dy ander gelokcht wirt. vnd ob aller sei chrafft an ainer sei lag so mö | cht sy hie das mynnist lan nicht en | phahen das von dem mynnisten werch chümbt das got in ewiger lieb poten hat oder dy sei müest da von tzer fliezzen vnd am leichnam sterben, was geschä|ch dann nicht ob sy als (406,25) das lan enphahen solt das got selber ist. Sol es aber dy sei vermügen so mues sy vber sich selber erhaben wem vnd vber alle creatur vnd

Von der sei wirdichait vnd aigenschafft

Parallelen und Vorlagen

429

wann als das man von got mag reden oder gedenkchen das ist nicht got. wann sein i wesen ist lawter vnd dy creatur ist von nichte vnd hat ein wesen von dem dy sei nichts 2 smekcht dar vmb das sy ein ander vas ist dann got. [...] $ Zwm ändern mal süllen wir 3 an den warten .vader dy arbaitter. nicht allain merkchen dy starkchen sunder auch dy 4 chrankchen. wann wer vor alter oder vor chrankchait lei/-?77v*/pleiche werch nicht s vermag der halt sich an dy ynnern geistleichen werch dy edler vnd grosser sind dann 6 dy awzzern werch. wann der guet willen vnd dy lieb pehalten im den lan. wann ? got der herr lokcht vns zw im mit seim lan als das & schaff [mit eim grüenn lawb] * von ainer 9 stat an dy ander gelokcht wirt. Das lan ist als das got vermag, vnd dar vmb ob 10 aller sei chrafft in ainer sei war so möcht 11 sy hie den mynnisten lan nicht enphahen 12 der von dem mynnisten werch 13 chümbt das got in ewiger lieb poten u hat oder dy sei miiest da von tzerfliezzen 15 vnd am leichnam sterben, was geschieh 10 dann nicht ob sy als das lan enphahen 17 solt das got selber ist. Sol es aber dy g sei vermügen so mues sy vber sich selber 19 erhaben wem vnd vber alle creatur vnd 20

10-16 Die neuentdeckte Londoner-Eckharths. Lo4 weist hier einen Abschnitt auf, der betont, daß der Lohn nicht nur für das Werk, sondern auch für den Gedanken erfolge. (Gedruckt bei LÖSER, Als ich me gesprochen hon, S. 215; vgl. jetzt DW IV, S. 79). Dieser Abschnitt fehlt sowohl in den >Paradisus Got ist nach im selber pilt vnd hat sein pild von im selber vnd wann in dy sei mit re | chter erchantnus periiert so ist sy im am pild gleich wann er hat sy nach im gepilt. vnd wann sich (406,35) das götleich lie | cht in dy sei ergewst so wirt sy mit

Parallelen und Vorlagen

431

mues in götleichs wesen gesetzt i wem vnd in dy gleichnus götleicher natur. 2 vnd dar vmb hat got von dem ändern das ewig ist einn haimleichen rat funden vnd hat 3 sich selber also vernewt das er dy ewichait her in dy tzeit hat pracht vnd hat mit im dy 4 tzeit in ewichait pracht das an c h r i s t u s geschehen ist. wann da sich der sun in der s ewichait ergas da wurden alle creatur mit im erweit. Dar vmb ist der sun ewichleich 6 an vnterlas vom vater geparn also das aller creatur lust vnd volchömenhait gar in im i gesambt ist vnd wirt der sei new an vnterlas geschankcht. Dar vmb ist sein purd hewt s als new als des ersten da von der sei lan aws eim newn vazz frischer geschankcht wirt 9 awff das er lustig vnd vnverdrozzen [318m] an endt pleib. 10 DW II Nr. 32 = Par. an. Nr. 34 = JOSTES Nr. 73 Das dann dy sei gesprechen müg .Jen han dy steig meins hawzz peschawt. 12 Das ist dy sei perüert mit den obristen n chrefften dy ewichait vnd mit den nydristen 14 dy creatur da von sy offt zw vnedelchait 15 tzogen wirt. wann möcht dy sei got 10 als gantz erchennen als dy engel sy n war in den leichnam nye chömen. s vnd ob sy got an dy weit erchennen möcht dy weit wir nicht peschaffen warn durch 19 irn willen awff das sy geliebt vnd gesterkcht wurd ze leiden das Hecht gots. 20 Got 21 ist nach im selber pilt vnd hat sein pild 22 von im selber vnd wann in dy sei mit rechter 23 erchantnus perüert so ist sy im 24 am pild gleich wann er hat sy nach im 25 gepilt. vnd wan sich das götleich Hecht 20 in dy sei ergewst so wirt sy mit 2?

11 Eine genaue Analyse des Me2-Textes bietet QUINT, DW II, S. 126. Daß die beiden Predigten, denen Peuger die Exzerpte für den Traktat entnahm, auch in Me2 unmittelbar aufeinander folgen, ist ein Beleg dafür, daß Peuger für den Traktat eine Vorlage mit der gleichen Predigtreihenfolge benutzte. Daß diese Vorlage nicht Me2 selbst gewesen sein kann, belegen die Übereinstimmungen zwischen dem Wortlaut des Exzerptes in Tr. III und der Predigtüberlieferung außerhalb von Me2: S. 432,3 götleicher tugent = DW II, S. 142,4 und daz ist ein götltchiu tugent (fehlt Me2); 432,15 verslozzen vnd verpoten — DW II, S. 144,5 verboten und beslozzen (nur verpoten Me2). Umgekehrt kann der Traktattext nicht Vorlage für Me2 gewesen sein. Die im Traktat fehlenden, in Me2 jedoch überlieferten, Stücke des Textes sind Bestandteile der Predigt (S.431,19f. vnd ob bis gots = DW II, S. 134,5-135,1; S. 433,19-23 vnd wann bis salichait = DW II, S. 145). Demnach hat Peuger für die Exzerpte des Traktats und der Predigt eine gemeinsame Vorlage benutzt, die angesichts der Abweichungen von den anderen Textzeugen (vgl. DW II, S. 126 u. 128f.), bereits stark bearbeitet gewesen sein muß.

432

1 2 3 4 5 6 7 s 9 10 11 12 n 14 15 16 n 18 19

20 2l 22 23

Von der sei wirdichait vnd aigenschaffi

got veraint als ain lieht vom ändern . vnd haist dann ein Hecht des glauben [108r] götleicher tugent. wann wo dy sei mit irn chrefften vnd synnen hin nicht chömen mag da trait sy der glauben hin. vnd wann got in der chrafft in der sei pegriffen wirt so chümbt sy zw der tugent der hoffnung in der dy sei zw got so grasse zw flucht gewint (407,1) das sy tzimbt oder got hab in allem seim we | sen nichts das ir vnmügleich sey Awff das spricht sand A u g e n s t i n dy piern dy ich stal dy warn mir vil sü | sser dann dy mein mueter chawfft vnd mir verslozzen vnd verpoten warn. Also ist der sei dy gnad vil süezzer dy (407,5) sy mit wei | shait pegreifft dann dy allen menschen gemain ist.

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433

got veraint als ain Hecht mit dem ändern. vnd haist dann ein Hecht des glauben. 2 vnd wo dy sei mit 3 irn chreften vnd synnen hin nicht 4 chömen mag da trait sy der glauben 5 hin. Mit der chrafft wirt got in der 6 sei pegriffen als vil es der creatur mügleich ist. 7 vnd haist ein Hoffnung götleicher tugent in der dy sei s so grazze zw flucht zw got hat das 9 sy tzimbt oder er hab in allem seim wesen nichts das ir vnmügleich sey. 11 Awff das spricht sand A u g e n s t i n . d y 12 piern dy ich stal dy warn mir vil süezzer 13 denn dy mein mueter [chawft] * vnd 14 mir verpoten warn. Also ist 15 dy gnad der sei vil süezzer dy sy mit sunderer weishait 16 pegreifft vnd mit fleizz erchriegt dann dy allen n menschen gemain ist. 18 rh vnd wann dy chrafft des ynnern willen [318 ] zw got chert ist vnd scheppht dy lieb in 19 sich von im so wirt got in dy sei tzogen vnd dy sei in got. vnd haist dann ein götleiche 20 lieb vnd ein tugent gots. Götleiche salichait leit sunder an drein dingen. Das erst das 21 sich der mensch selber wol erchenn. Das ander ist freihait da mit er vnpetwungen aller 22 creatur pleib. Das dritt das er sich tziech von irdischer weishait zw ewiger salichait. 23

12-18 auch in der Spruchsammlung von Me 5, f. 333va: $ Sand Augenstin spricht dy piern dy ich stal warn mir vil süezzer dann dy mein mueter chawfft dar vmb das sy mir verpoten warn. Also ist der sei dy gnad vil süezzer dy sy mit sunderer weishait pegreifft vnd mit fleizz erchriegt dann dy allen menschen gemain ist. $

434

2 3 4 5 6 7

->· Dar vmb sol dy sei mit den nydristen chrefften got hie dienn vnd mit den obristen in der ewichait. vnd sy ist nicht von tzeit noch von ewichait gemacht sunder sy ist von in paiden ein natur von nichte gemacht.

8 9 10

n 12 13 u is 16

->· Naigt sy sich awff tzeitleich ding so wirt sy vnstät halt sy (407,10) sich aber an dy ewigen so wirt sy stät vnd starkch mit den sy vberwintt dy wandelpärn ding

Von der sei wirdichait vnd aigenschafft

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435

Par. an. Nr. 46, S. 104,10-15 und 18-21

i

vnd mit dem sol dy sei mit 2 den nydristen chreften got hie dienn 3 vnd mit den obristen in der ewichait. wann 4 sy ist weder von tzeit noch von ewichait 5 gemacht sunder sy ist tzwischen in paiden ein 6 natur von nichte gemacht. 7 wann wir sy von der tzeit gemacht so wir sy tzerglnkchleich war sy dann von s ewichait so wir sy vnwandelplr. vnd also ist sy ein ekk dar an sich tzeit vnd ewichait 9 stözzt. 10 Naigt 11 sy sich awff tzeitleiche ding so wirt sy 12 vnstlt halt sy sich aber an dy ewichait 13 so wirt sy stlt vnd starken, vnd mit der sterkch vnd stltichait H vberwintt sy dy wandelplrn ding. 15 Dar vmb sol man sich halten zw dem vrsprung götleicher warhait vnd weishait durch 10 dy man ewichleich sllig wirt fffT n

2-7 in Me8, f. 213r im Anschluß an S. 429,7-431,2: Dy sei ist nicht von tzeit noch von ewichait gemacht sunder sy ist von in paiden ein natur von nichte gemacht. Dar vmb sol sy mit irn nydristen chreften got hie dienn vnd mit den obristen chreften in der ewichait. Hierauf folgt in Me8 S. 441,29^43,26. 2-15 Das Exzerpt entstammt der Predigt Par. an. Nr. 46, die Peuger in Me2, f. 275vb-276vb vollständig abschrieb. Ich gebe den betreffenden Abschnitt in seinem Zusammenhang wieder: Me2, f. 275vb: ?f 5 Salig ist der mensch der weishait vintt. Dy weishait ist tzwayerlay vnd dy salichait dy von der weishait chümbt ist auch tzwayerlay $ Dy ain weishait ist tzergankchleich als da man sich awff der weit ding verstet vnd sich dar nach richten chan vnd in ettleicher chunst sich vor vnglükch hüetten chan vnd sich nach glükch richten chan dem voligt reichtumb. Irdische weishait ist als ein taw oder ein an vang ewiger weishait. Dar vmb hat got der sei tzwayerlay chreft geben das sy mit den nydristen chreften hie in der tzeit got dien vnd im mit den obristen chrefften in der ewichait dien, ff Ein maisler spricht dy sei sey [276m] ein ekk dar an sich tzeit vnd ewichait stözz. vnd dy sei ist doch von tzeit noch von ewichait nicht gemacht sunder sy ist ein gemachte natur von nichte tzwischen in paiden. wann war sy von der tzeit gemacht so war sy tzergankchleich war sy dann von ewichait gemacht so war sy vnwandelpar. vber das spricht sand Augenstin die sei ist von eim so edeln vnd himlischen nichte gemacht das so lawter ist das wir es pey all vnserm leben nymer ervarn mügen. vnd an den adel der sei stözzt sich tzeit vnd ewichait. Naigt sy sich awff tzeitleich ding so wirt sy vnstat. Naigt sy sich aber awff ewige ding so wirt sy so stat vnd starkch das sy da mit alle wandelpdre ding vberwintt Dy ander weishait ist ewig [...] Der Vergleich zeigt, daß die Exzerpte des Traktats den Me2-Exzerpten hier (f. 318 ) näher stehen als der Predigtabschrift in Me2 (f. 275vb-276vb). Das setzt als Vorstufe eine redigierte Fassung von Par. an. Nr. 46 voraus, die - wie im Traktat (S. 424ff.) und wie in Me2, f. 317ra-318* - im Block mit Par. an. Nr. 16 und Par. an. Nr. 34 überliefert worden sein muß.

436

6

7 ffif vnd der sei prewtigan ist der Herr i h e s u s 8 der sibenlay gleichnus an im hat. 9

10 -» Das 11 erst das er so schön ist das sich im dy 12 sunn nicht gleihen mag. vnd sy mag 13 14

is 16 n is 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33

von ir selber nicht chlar sein (407,15) sunder got [W8V] mues sy lawtern da von der luft erlewcht [werd]* Also sol sein prawt dy sei rain sein an gedankchen an warten vnd an werchen . vnd sol sy dar zw chömen so mues sy got lawtern von allen maiin der sünten da von dy stat irer wanung erlewcht werd . zwm ändern mal ist der herr i h e s u s gar eins nahen adels. wann er hat einn vater (407,20) im himel an mueter vnd hat awff erden ein mueter an vater. vnd dar vmb ist sein adel so wunderleich das in chains men | sehen syn pegreiffen mag. Da gegen sol sein prawt dy sei erberchait ha | ben da mit sy sich tzier in irer wirdich | ait vber als das mynner dann got ist . zwm dritten mal ist der herr i h e s u s so reich das himel vnd (407,25) erden vnd alle creatur dar inn sein ist.

34

35 -* Da gegen sol dy sei sein 36 prawt freihait haben vnd sol im all ir 37 sarig enphelhen vnd sol chain misstr | awn 38 39

40 41 42 43 44

an seim fürsehen haben seit er mi | her zw geben ist dann wir ze nemen . zwm vierden mal ist sein weishait so chlar das sy aller hertzen grünt dur | ch lewcht also das seinn awgen nichts

Von der sei wirdichait vnd aigenschaffi

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Me2,

437

f. 270* (= SIEVERS Nr. XXIV, S. 428,25-430,93)

i

fT Zwm ändern mal sol man merkchen in welher acht dy sein sullen dy zw der ee gots chömen sullen. Siben ding schätzt man an eim Jüngling. Das erst das er schön sey. das ander das er edel sey. das dritt das er reich sey. [270va] Das vierd das er weis sey. das fünfft das er starken sey. das sechst das er eins gueten muets sey. das sibent das er mit gesuntlang leb. Dy siben ding alle sind volchömenleichen an dem warn prewtigan vnserm herren i h e s u c h r i s t o . Da gegen sol sein prawt dy sei sibenlay tugent an ir haben. $$ Des ersten ist der herr i h e s u s c h r i s t u s so schön das sich sunn vnd man an seiner schön verwandeln. Dar gegen sol sein prawt dy sei schön vnd rain sein in gedankchen warten vnd werchen. wann recht als dy sunn von ir selber nicht mag chlar sein sunder got mues sy also lawtern das der lufft von irer lawtrichait erlewcht wirt. vnd also ist es von der sei

2 3 4 s 6 7 8 9 10 n 12 13 14 is 10 n

sol sy rain wem so mues sy got also lawtern von allen maiin der sünten da von dy stat irer wanung erlewcht wert ?T Zwm ändern mal ist der herr i h e s u s gar von hahem adel. wann er hat im himel einn vater an mueter vnd awff erden ein mueter an vater. vnd vmb das ist sein adel so wunderleich das in chains menschen syn nicht pegreiffen mag. Da gegen sol sein prawt dy sei erwerchait haben da mit sy sich in irer wirdichait tzier vber als das mynner ist dann got vnd in ern müg in tuen vnd in lazzen. $ Zwm dritten mal ist der herr i h e s u s so reich das himel vnd erden sein ist vnd aller reichtumb der dar inn pegriffen ist vnd geit aller creatur leben vnd wesen. Da gegen sol sein prawt dy sei sölhe freihält haben das all ir sarig allain an im stee. wann es ist ein grazz misstrawn so sich ein mensch zw got geit vnd dapey vorcht hat seins verderben der vns von seim reichf270viytumb so gar milt ze geben ist vnd peraiter dann wir perait seinn zw nemen. ?T Das vierd ist das i h e s u s der herr so weis ist das sein chlarhait aller hertzen grünt durch lewcht also das seinn awgen nichts

19 20 21 22 23 24 25 20 2? 28 29 30 31 32 33 34 35 36 37 38 39 40 41 42 43 44

18

438

1 2 3 4 5

Von der sei wirdichait vnd aigenschaffi

verpargen (407,30) ist. Da gegen sol dy prawt dy sei ->· huet vnd tzucht haben das sy in seim ansehen ichts tue das ir nicht tzäm zw seim gevallen.

6 7 g 9

10 -> zwm fünften mal ist 11 sein sterkch so mächtig da durch alle 12 ding warn sind vnd enthalten wem 13

14 15 16 n 18

. Da gegen sol sein prawt dy sei grazze [109r] hoffnung haben sy sey in widerwärtich | ait oder in was leiden (407,35) vnd anvechtung sy stee. wann was sy nicht vermag das vermag er seit im alle ding mügleich

19

20 21 22 23

sind, zwm sechsten mal hat er ein süezz gemüet. Dar vmb haist in dy gesch | rifft ein lamp an mail das an tzarn vnd an räch ist.

24

25 26 27 28 29 30 31

-> Da gegen sol dy sei sein prawt semfft güetig vnd gedultig sein in alle dem das er hintz ir verhengt zw seim lob. -> zwm sibenten mal hat der herr i h e s u s C h r i s t u s an im (408,1) ewigen gesunt vnd vntödleichait. Da gegen sol dy

32 sei sein prawt haben fröleiche vnd

33 freie ledichait aller vngearnter ding 34

Parallelen und Vorlagen

439

verpargen ist. Da gegen sol sein prawt dy sei an aller stat vnd all tzeit tag vnd nacht in 2 tzucht vnd huet sein das sy 3 ichts tue des sy sich hin nach vor im 4 schäm müest. 5 wann war ein man vber hundert meil vnd sSch als das sein weib tat vnd west das von 6 im so pedarfft sy sich wol also ze halten das sy an alle schäm fröleich für seine awgen ? cham. Also sol sich auch dy sei halten seit sy wol erchennt das c h r i s t u s ir prew- 8 tigam all ir mainung willen vnd werch peschawt mer dann sy selber tuen mag. 9 ff Zwm fünften mal ist der herr i h e s u s so starkch das von im vnd in im vnd durch in n alle ding sind enthalten peschirmbt vnd aws gericht 12 wem vnd in dem all vnser sälichait peslozzen ist. 13 Da gegen sol dy sei sein prawt grasse 14 hoffnung haben vnd sol weder anvechtung 15 noch chrankchait fürchten. 10 wann was sy nicht vermag [das vermag] * n i h e s u s c h r i s t u s ir prewtigam volchömenleichen vnd was ir vnmügleich ist ig das ist im mügleich 19 ff Zwm sechsten mal [hat] * i h e s u s der sei prewtigan 20 einn gueten muet. Dar vmb in dy geschrifft 21 ein lamp haist an mail das nicht tzarn noch 22 räch hat. 23 Sunder er chümbt eim yeden menschen enkegen als er in erchennt in seim hertzen. 24 Da gegen sol dy sei sein 25 ra prawt semfft [271 ] vnd gedultig 20 sein das sy alle widerwartich vnd achtung leiden vnd 27 truebsal durch seinn [willen] * chünn tragen vnd awff nemen. 28 fT Zwm sibenten mal ist der 29 herr i h e s u s vntödleich anders im w&rn alle dise ding 30 peinleich durch dy vorcht des tods. Da gegen sol sein 31 prawt dy sei 32 freie ledichait aller tzerginkchleichen ding haben. 33 Dar vmb leit der sei wäre volchömenhait an vier dingen. Das erst das sy so liebs 34

34-S. 441,15 Die >Vier Dinge< aus SlEVERS Nr. XXIV finden sich vollständig auch in der Spruchsammlung von Me5, f. 335*: ff Ware volchömenhait der gehorsam leit sunder an vier dingen. Das erst das man so liebs nymer hab oder es sey sunder eim Master person als lieb ze lassen als zw haben, wann an dem leit vertzeihung aigens dings. Das ander das ir nymer chain leiden von puezz oder sünst so gras zw stee oder es sey ir als lieb zw leiden als nicht durch das Heb leiden i he s u ehr i st i. Das dritt das ir gots grechtichait als süezz sey als sein parmhertzichait an ir selber als an ändern, wan vnvolchömen menschen loben an ändern menschen dy grechtichait gots aber an ir selber ist sy in pitter. vnd erchennen nicht das got als volchömen an seiner grechtichait ist als an seiner parmhertzichait. Das vierd ist das man sich aller gab gots als vast an ändern frew als ein mensch an im selber, vnd sey im auch als wol zw dankch als an im selber, von den vier dingen wirf dy sei aws ir selber tragen vnd in got pestatt.

440

1 2 3 4 s 6 7

. vnd sol nichts so liebs haben oder es sey ir albeg als lieb ze lassen als ze haben durch irs prewtigan willen, vnd ir sol auch nymer chain pein so (408,5) gras z& sten oder es sey ir als lieb ze leiden als nicht . Jr sol auch gots grechtichait an ir selber als lieb sein als sein parmhertzichait

8 9 10 11 12 13

14 . Dy sei sol sich auch aller gab gots als is vasst an ändern frewen als an ir selber 16

17

18

19 fT?T Dar vmb stet schriben .der grechten 20 menschen sei sind in der hannt gots. vnd 2l 22 23 24 25 26 27 28 29

Von der sei wirdichait vnd aigenschaffi

Parallelen und Vorlagen

441

nymmer hab oder es sey i ir als lieb ze lassen als zw haben, wann an dem 2 leit das vertzeihen aigens lusts. Das ander das ir 3 nymer chain pein so gras zw stee von got 4 oder es sey ir als lieb ze leiden als nicht. 5 Das dritt das ir gots grechtichait als süezz sey als 6 sein parmhertzichait an ir selber als an ändern. 7 vnvolchömen menschen loben dy grechtichait gots an ändern lewten aber an in selber 8 ist sy in pitter vnd swär. vnd erchennen nicht das got an seiner grechtichait als 9 volchömen ist als an seiner parmhertzichait. Dar vmb sprach der weissag .herr deine 10 vrtail sind süezz vber als hönig. wem dy vrtail [gots] * vnd seine gericht nicht smek- 11 chen der hat chain dankchsagen. Aber wer mit guetem willen dy verhengnüzz gots 12 leitt der vertzeicht sich seins aigen willen. Das vierd ist das sich dy volchömen 13 sei aller gab gots als 14 vil an ändern frew als an ir selber. 15 wann söleich tugent chömen von lawtrer lieb vnd von der hitz irs aigen nutz, von den 16 [271rb] vier dingen wirt dy sei aws ir selber tzogen vnd in got pestätt. i?

SIEVERS Nr. XXIII, S. 425,1-427,83

is

fT?T Da wirt dann war als schriben stet.Der grechten 19 sei sind in der hannt gots. 20 pey der hannt sol man versten das man dar inn alle ding pesehen mag. vnd in der mazz 21 peschawt sich got in der sei dy er an hilff aller creatur perschaffen hat ffff Man fragt 22 ainsten einn abtgot wie man zw got chömen möcht. Der sprach erchenn dich selber so 23 chiimbstu zw got. Dy wart chamen so verre vnd weit das man sy vor an dy chirchen 24 schraib. Dy erchantnus hat D i o n i s i u s volchömenleichen gehabt da man in ein weis- 25 hait vnd einn vogel des himels hies, wann da er noch ein haiden was da erchannt er 20 allen lawff der stem des himels. vnd erchannt an den stern da man i h e s u m c h r i - 2? s t u m martert vnd der natürleich glauben was seiner pegier ein vrsach zw dem rechten 28 glauben, vnd darvmb sind der grechten menschen sei in der hannt gots 29 25 Vgl. HAAS, Nim dm selbes war, S. 1. 29 Wieder zeigt die Abfolge der Exzerpte, daß Peuger für den Traktat eine Vorlage benutzte (in der - wie sonst nur in Lo4, f. 139vb-142vb - SlEVERS Nr. XXIII auf SlEVERS Nr. XXIV folgte), deren Textreihenfolge er sowohl für die Predigths. Me2 als auch in den Exzerpten des Traktats beließ. Anders verfährt er in der Spruchsammlung von Me5. Dort steht das eben (zu S. 439,34ff.) angeführte Zitat aus SIEVERS Nr. XXIV f. 335*, also um einiges n a c h folgendem Abschnitt aus SIEVERS Nr. XXIII (f. 332*): ff Es war auch ainsten ein abtgot gefragt wie man zw got möcht chömen. Der sprach erchenn dich selber so chümstu zw got. Dy wart chamen so weit vnd verre das man sy vor an dy chirchen schraib. Dy erchantnus hat volchömenleichen Dionisius dar vmb man in hies ein weishait vnd einn vogel des himels. wann da er noch ein haiden was da erchannt er allen lawff der stern vnd des himels. vnd er erchannt an den stern da man ehr is turn vnsern Herren martert, vnd der natürleich glauben was im ein vrsach zw dem rechten glauben. S. 441,29-443,26 sehr verkürzt in Me8, f. 213r im Anschluß an 435,2-7: wann der grechten menschen sei sind in der hannt gots aws dem ims nyeml nemen mag. Er hat sy auch mit

442

1 2 3 4 5 6 7

er hat sy so nahent zw im gesetzt das (408,10) ims nyembt aws seiner hant nemen mag. ->· Er hat sy auch mit vnterschaid gemacht als das werch seiner hannt der lan er wil selber sein im ewigen leben . wann got hat allain dy sei an aller [109V] creatur hilff

9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22

23 24 25 26 27 28 29 30 3l 32

-> peschaffen wellen nach dem gwalt seiner mächtichait vnd an der vernufft nach seiner weishait vnd nach seiner güet am willen. Als (408,15) er sy von ewichait in seim gwalt erchannt hat ze schepphen vnd sSlig ze machen in seiner vnmesleichen güet

Von der sei wirdichait vnd aigenschaffi

Parallelen und Vorlagen

443

da mit er sy so nahent zw im tzogen hat das i sy im nyembt nemen 2 mag vnd sind auch dar vmb in der hant gots 3 das er sy an vnterschaid 4 gemacht hat vnd ir laitter vnd peschirmer ist hie in dem 5 eilend, vnd wil dar nach selber ir lan sein in dem ewigen leben ff Man sol 6 drew ding merkchen dar vmb got dy sei an vnterschaid gemacht hat 7 an hi Iff aller creatur. vnd er hat sy dannoch also nicht peschaffen das sy ains tails seiner natur sey sunder 9 ein natur von nichte. wann es wir dem götleichen adel zw swar das er sich in einer 10 sölhen natur [271va] entwurff dy sich hin vnd her wandelt da von sich das Hecht gots n verplaihen möcht oder gar erleschen das got nicht füeget. Dy erst sach ist dy vol- 12 chömenhait seiner lawtern lieb dar vmb er dy sei selber machen wolt. Das ander der 13 sei adel. das dritt dy snödichait der creatur. Dy drew lawffen zesamm in aim grunt. 14 wann hiet got einn engel zw hilff genomen dy sei zw schepphen so miiest er ettwas is seiner natur in dy sei gepilt haben. Als ein maister der ein pild malt oder snitzt das 10 mues er nach der chunst tuen dy in der sei pegriffen ist. Also weihe creatur got n geholffen hiet dy sei ze schepphen dy müest in ettleicher mazz ir pildnus in der sei 18 lazzen haben, vnd mit dem war sy punten warn das sy albeg grözzere lieb zw der 19 selben creatur müest tragen haben dann zw einer ändern, vnd von dem war dy sei 20 vnedel warn vnd gemengt mit der creatur. Aber got wil das chainer creatur günnen das 21 dy sei mit lieb zw ir punten sey. vnd dar vmb hat sy got nach seim selb pildnus 22 peschaffen nach 23 dem gwalt seiner ewichait. vnd 24 an der vemufft nach seiner weishait 25 vnd am willen nach seiner güet. wann als 20 er sy von ewichait nach seim gwalt 2? erchannt hat zeschepphen vnd wie er sy in seiner 28 weishait vnd güet schepphen wolt vnd zw welher salichait. 29 Also hat er es [volpracht] * als da ich einn puechstab in meiner chunst pegreiff ein 30 wart ze schreiben vnd ergewzz mich doch selber nicht sunder ich schreib in nach der 31 gleichnus dy ich in meim hertzen erchenn. 32

22 Vgl. Par an. Nr. 37, S. 84,21-26; Nr. 36, S. 82, 21ff.; PF. Nr. l, S. 6,16ff. 32 Vgl. DW I, S. 415,6—13: ich mache einen buochstaben nach der glichnisse, die der buochstabe in mir hat in miner sele, und niht nach miner sele. Also ist ez um gate. Got hat alliu dinc gemeinliche gemachet nach dem bilde, daz er aller dinge in im hat, und niht nach im. [...] Aber die sele hat er niht aleine gemachet nach dem bilde, daz in im ist, noch nach dem, daz sich üz im hellet, als man von saget; mer: er hat sie gemachet nach im selber, ja, nach allem dem, daz er ist [...]. vnterschaid gemacht als das werch seiner hennt der lan er selber wil sein im ewigen leben, wann got hat allain dy sei an aller creatur [hilff] * peschaffen wellen nach dem gwalt seiner machtichait vnd an der vernuft nach seiner weishait vnd nach dem willen nach seiner güet. Hierauf folgt in Me8 S. 445,1-5.

444

1 2 3 4 5

. Dar vmb ist dy sei nicht gemacht von der natur gots sunder nach dem pild der heiligen driualtichait dar vmb das sy allain mit der lieb zw got punten sey vnd in im gantze nie suech vnd

6 7

8 sich im peraite zw eim genSmen 9 (408,20) tempel peweis. 10 11

12 13 u is

->· Dar vmb gie er inn tempel vnd traib dar aws dy cha| wffer vnd verchawffer vnd hies sy dy ding fuder tuen. Da pey hat er zw

16

17 erchennen geben das er den tempel 18 19 20 21

22 der sei wil rain haben das nichts dar 23 in sey dann er allain. vnd in dem sol 24 25 26 27 28

Von der sei wirdichait vnd aigenschafft

Parallelen und Vorlagen

445

Dar vmb ist dy sei von götleicher natur nicht gema/27/v'7cht sunder nach dem pild der 2 heiligen driualtichait das 3 sy allain zw got punten [sey] * mit der lieb vnd 4 mit anhangen allain in im rue suech. 5 wan von gleichnus chümbt der grözzt lust der lieb anhangen dy man in chainn tu- 6 genten haben mag. 7 8 9

Mel, f. 124va (= DW I Nr. 1)

10

Dar nach spricht das e w a n g e l i u m M a t h e y x x j da der herr gein ierusalem cham n da gie er 12 in den tempel vnd traib dar aws verchawffer 13 vnd chawffer vnd sprach zw den dy tawben verchawfften 14 tuet das ding fuder. Dy predig sagt auch von dem s ynnern menschen vnd pedewt den der dy chawflewt i& dar vmb awstreib das er den tempel n wolt ledig haben dar inn er allain wanen wolt. Jn dem tempel dar inn got mit seim is gewalt erscheinn wil ist des menschen sel.dy er nach im pilt hat da er sprach .Mach 19 wir einn menschen nach vnserer gleichnus. vnd dar vmb ist nichts in himel noch in 20 erden das im got als gleich hab peschaffen als dy sei. vnd vmb das wil er 21 dy sei so ledig haben vnd frey das dar inn nichts 22 sey dann er allain 23 vb [124 ] wann der tempel der sei ist im dy wunnsamist vnd gevelchleichist wanung für 24 all ander tempel dar vmb das sy im das gleichist pild ist. Jn dem tempel warn lewt dy 25 tawben verchawfften vnd chawfften. pey den sol man dy chawflewt versten 20 [...125ra...] (Vgl. DWI Nr. 12, S. 200,4-201,2) $ Hie ist ein frag wie das geschech in 2?

der hoch götleicher anschawung das dy engel hie in vnserm dinst also sein mügen vnd 28

10 Eine genauere Analyse des Mel-Textes als in DW I, S. 3 (»Varianten werden [...] nur gelegentlich aufgeführt«) in QUINT, Überlieferung, S. 103f. 1-5 in Me8, f. 213r, im Anschluß an S. 441,29ff.: Dar vmb ist dy sei nicht gemacht nach der natur gots sunder nach dem pild der heiligen driualtichait awffdas sy allain mit der lieb zw got punten sey vnd in im gantze rue suech vnd sich im zw eim genamen tempel peraitt. Hierauf folgt in Me8 S. 447,3-9. 15 f. Vgl. S. 345, App. 3.

446

Von der sei wirdichait vnd aigenschafft

l 2 3

4 5 6 7

dy sei den engein gleich sein dy ch | ain merkchen awff awssre ding ha | ben vnd (408,25) mainn allain nichts anders dann den lawtern willen gots zw vol | pringen

10 11

12 13 H is 16 i? is 19 20 21

. wann sy sind so gar vasst awff den willen gots genaigt das der in in volpracht werd vnd sollen sy nessel prechen oder ein ander sölei | ch ding tuen das taten sy mit als gr | assem fleizz als ob all ir salichait dar an lag. (408,30) vnd weihe sei also in [l 10rJ den willen gots chert wir vnd des im nichts suecht in der wurd i h e s u s wunder treiben vnd wunn haben.

22 23

24 -* wann so sy irs 25 willen aws gieng so giengen alle di | ng 26 mit i h e s u 27 28 29

30 -> in da von sy also erlew | cht 31 wurd das ir nichts wider scheinn 32 möcht dann got allain. 33 34

35 36 37 38

-*· wann wie wol dy engel in ettleicher mazz der sei (408,35) in ch | ümftigen frewden gleich [sind] * doch ist in ein tzil gesetzt vber das sy nicht chömen mü | gen

Parallelen und Vorlagen

447

der anschawung gots dannoch nicht perawbt wem. vnd wie wol das ding vnserer i verstentichait vnpegreifleich erscheint so sol man es doch also versten. Jn des engels 2 werch dy er tuet 3 4 5

maint er [125rh] nicht anders 6 dann den lawtern willen gots vnd pegert den ze volpringen 7 awff das aller höchst vnd maint des seinn nichts darinn als vmb ein har. wann der s engel hat chain merkchen awff awssre ding Zw gleiher weis als ob [ich] * einn 9 menschen durch ein venster sich vnd dy weil mein gesicht gantz awf in liezz dy weil 10 plib ich anderer ding vngehindert. 11 (DWI Nr. l, S. 12, 9ff.) Also sind dy engel so gar 12 awff den willen gots genaigt das 13 der in in volpracht werd vnd hiezz er u sy nezzel oder ein ander sölich ding prechen 15 das täten sy mit so grassem 10 fleizz als ob all ir salichait n dar an lag. Weiher mensch also in is den willen gots chert war das er des seinn 19 in nichte suecht in dem tempel wurd i h e s u s der herr wunder 20 treiben vnd sölhe wunnsamchait haben. 21 das der mensch in allen seinn werchen ein himelreich hiet vnd frewd all tzeit vber 22 tzeit. 23 wann in dem er 24 des seinn aws gieng so gieng er in alle ding 25 ihesu 26 vnd da er alle ding liezz da fund er es. wer aber alle ding nicht lit so ist es nicht ein 2? wunder ob er nichts vintt. vnd dar vmb wann der tempel von aller vinsternus vnd 28 hinternus der aigenschafft ledig wirt so wirt er so schan lawter 29 vnd chlar lewchten 30 das im nichts wider scheinn 31 dann allain der vnpeschaffen got. vnd als das vnter den engein ist das gleihent sich 32 eim sölhem tempel gar nichts. Ettleich aws den [125va] höchsten engein gleihen sich 33 der sei aber nicht gar. 34 vnd wie wol 35 sy der sei in ettleicher mazz der 30 wunnsamchait gleich sind so ist in doch ein 37 tzil gesetzt vber das sy nicht chömen mügen 38

3-9 in Me8, f. 213r im Anschluß an S. 445,1-5: vnd in dem sol dy sei den engein gleich sein dy nichts anders mainn dann den lawtern willen gots zw volpringen. 18-32 in Me8, f. 213r~v im Anschluß an Z. 3-9: vnd weihe sei also in den willen gots chert war in der wurd der süezz ihesus wunder treiben, wann so sy irs willen aws [213V] gieng so giengen alle ding mit i he s um in da von sy also erlewcht wurd das ir nichts wider scheinn mächt dann got allain. Hierauf folgt in Me8 S. 449,20ff.

448

aber dy sei mag hie mit gueten we | rchen wol höher chömen. Als so sy yetz | und in gnaden hie dem obristen engel gleich war so möcht sy mit irm frein willen gueter werch vntzeleich vber den engel chömen so sy vom leichnam aws gieng. Der vnpeschaffen got ist all | ain frey vnd ist gleich der sei freihält 9 (409,1) aber nicht nach dem vnd sy peschaffen 10 2 3 4 5 6 7

II 12

13 ist. wann sy hat gewacht ze nichte 14 zw wem vnd das sy widerpracht ist das is hat got von nat tan. 16 17 18 19

20 -» wann sol i h e s u s in 21 der sei sein so mues sy sich ainigen 22 vnd mues sweigen vnd höm seine wa | rt. 23 24 25

26 vnd wann der geist den gwalt im 27 (409,5) sun enphacht so wirt er gwaltig in 28 eim yeden wart der tugent der volchö | menhait

Von der sei wirdichait vnd aigenschafft

Parallelen und Vorlagen

449

aber dy sei mag wol für pas. wann so ein mensch hie 2 in gnaden dem obristen engel yetzund 3 gleich wir so möcht er mit seim freyn 4 willen mit gueten werchen vntzeleich vber den 5 engel chömen. 6 Der vnpeschaffen got ist allain 7 frey vnd ist der sei freihält gleich s aber nicht nach dem peschaffen. 9 wann so sy chümbt in das vnvermengt Hecht so stet sy ir selber nichts nicht also das 10 sy zw ir selbs chraft nicht wider chömen mag aws irer peschaffenhait sunder got n vnterstet sy mit seiner vnpeschaffenhait. 12 Dy sei hat gewacht das sy ze nichte 13 wart vnd das sy widerpracht ist warn das 14 hat got von nat tan. 15 wann das der herr i h e s u s dy ding aws dem tempel tragen [hies] * das ist als ob er 10 gesprochen hiet zw der sei wil yembt im tempel anders reden dann im z& gehört so n sweig ich als ich nicht da haim sey. wann der herr i h e s u s ist nicht da haim in der sei is da frömd götter inn sind mit den sy ret. 19 Sol aber i h e s u s in 20 der sei reden so mues sy allain sein 21 vnd mues sweigund hörn seine wart. 22 So get dann i h e s u s in ze reden wan er ist das wart des vaters. vnd also hat dy sei von 23 gnaden mügleiche gleichait zw enphahen das selb wart das der vater gesprochen hat 24 vnd als das in dem wart ist. 25 vfc vnd wann der geist den gwalt en/725 /phächt 20 im sun vnd durch den sun so wirt er [gwaltig] * in 27 eim yeden wart in tugenten in volchömenhait 28

20 In Me8, f. 213V folgt im Anschluß an S. 447,18-32 der Text bis S. 452,17: Dar vmb sol ihesus in der sei sein so mues sy sich ainigen vnd mues sweigund hörn seine wart, vnd wann dy sei den gwalt im sun enphacht so wirt sy gwaltig in eim yeden wart der tugent volchömenhait vnd lawtrichait. vnd ein sölhe sei mag nichts zestöm oder sy stee mit gwalt dar inn als in einer götleichen chrafft. Zwm ändern mal offenbart sich der siiezz ihesus in der sei mit seiner vnmesleichen weishait in der sich der vater erchennt mit aller seiner vaterleichen herschafft, vnd das wart das dy weishait selber ist vnd als das dar inn ist vnd was er selber ain ist. vnd wann dy selb weishait mit der sei veraint wirt so ist ir aller tzweifel irrung vnd hintemus ab genomen vnd ist gesetzt in das chlar lawter Hecht das got selber ist. Da wirt got mit got in der sei erchannt vnd mit der weishait erchennt sy sich selber vnd alle ding. Zwm dritten mal offenbart sich der siiezz herr ihesus mit seiner vnmesleichen süezzichait in der chraft des heiligen geists. vnd mit dem flewst dy sei in sich selber vnd vber sich selber vnd vber alle ding von gnaden mit gwalt an mittel in im ersten an vang. Da von Richardus spricht vber das puech der tugent. wann das götleich Hecht dy sei durch get so wirt sy ir selbs als vngesmach in allen im werchen das sy sich selber nicht leiden mag in irer aigen tugent sunder sy halt sich zw dem gesmachen gots. Wieder zeigt der Lesartenvergleich, daß Me8 und Tr. III auf einer gemeinsamen Vorlage fußen. Hierauf folgt in Me8 S. 453,31^55,29.

450

1 2 3 4 s 6 7 8 9 10 11 12 13 M is 16 n is 19 20 21

vnd lawtrichait. vnd ein solhe sei mag nichts zestörn oder sy stee mit gwalt dar inn als in einer götleichen chrafft fT?T zwm ändern mal offenbart sich der süezz i h e s u s in der sei mit seiner [l 10V] unmesleichen weishait in der sich der vater erchennt mit aller (409,10) seiner vaterlei | chen herschafft vnd das wart das dy weishait selber ist vnd als das dar inn ist vnd was er selber ain ist. vnd wann dy selb weishait mit der sei veraint wirt so ist aller tzweifel irrung vnd hintemus ab genomen vnd ist gesetzt in das chlar lawter lieht das got selber ist. ->· Da wirt got mit got in der sei erchannt (409,15) vnd mit der weishait erchennt sy sich selber vnd alle ding, sich offen | bart auch i h e s u s mit seiner vnmesl | eichen süezzichait in der chrafft des hei | ligen geists.

22 23

24 25 26 27 28 29

Von der sei wirdichait vnd aigenschaffi

-> vnd mit dem flew st dy sei in sich selber vnd vber sich selber vnd vber alle ding von gnaden mit gewalt an mittel in im ersten anvang.

Parallelen und Vorlagen

451

vnd lawtrichait. vnd den menschen mag nichts zestörn oder er pleib mit gwalt dar inn zesten in der chrafft gots. Ze dem ändern male offenbaret sich jesus in der sele mit einer unmcezigen wisheit, diu er selber ist, in der wisheit sich der voter selbe bekennet mit aller stner veterlichen herschaft vnd daz selbe wort, daz ouch diu wisheit selber ist, und allez daz dar inne ist, also als daz selbe ein ist. swenne disiu wisheit mit der sele vereinet wirf, so ist ir aller zwivel und alliu irrunge und alliu dünsternisse alzemäle abe genomen und ist gesetzet in ein lüter klärez lieht, daz selber got ist, als der prophete sprichet: >herre, in dinem liehte sol man daz lieht bekennen.< Da wirt got mit got in der sei erchannt vnd in der weishait des suns erchennt sy sich selber vnd alle ding. Der herr i h e s u s offenbart sich auch mit seiner vnmesleichen süezzichait in der chrafft des heiligen geists aws fliessund mit vber flüssiger völlichait seins reichtumbs in allen enphlnkchleichen hertzen vnd mit dem flewst dy sei in sich selber vnd vber sich selber vnd vber alle ding von gnaden mit gwalt an mittel in irn ersten anvang. Aller erst so ist dann der awzzer mensch vntz an seinn tod in stätem frid altzeit in dem dienst des almächtigen gots ffff

4 Die zahlreichen im Traktat III fehlenden Abschnitte zeigen, daß der Traktat nicht Vorlage für Me l gewesen sein kann. Die Tatsache, daß der Abschnitt Z. 4-15 in Me l fehlt, läßt aber auch erkennen, daß Peuger für seine Exzerpte aus der Predigt DW I Nr. l nicht Me l, sondern eine andere Vorlage benutzte, die die betreffende Passage, die hier nach QUINTS Text (DW I, S. 18,1-8) wiedergegeben wird (deshalb kursiv gesetzt), noch enthielt. (Vgl. auch 448,13f. zenichte zw wem = DW I, S. 14,6 ze nihte ze werdenne - Mel: das sy ze nichte wart und 450,3f. als in einer götleichen chraffi = DW I, S. 17,11 f., was in Mel fehlt). Ein Vergleich der Lesarten zu DW I, S. 18,4 und 6 macht deutlich, daß diese Vorlage - wie im Fall der Predigt DW I Nr. 2 verwandschaftlich der Gruppe l nahegestanden haben muß, wie es QUINT, Überlieferung S. 104 für die Vorlage von Mel annahm. Daß Peuger statt md. dünsternisse (Z. 13) hintemus verlas, zeigt, daß er eine mitteldeutsche Vorlage benutzte. Andererseits begegnet der Einschub aus DW I Nr. 12 (445,27ff.) in keinem anderen Textzeugen der Predigt DW I Nr. l, sondern nur in Mel und Tr. III. D.h. in Peugers Vorlage muß dieser Einschub bereits gestanden haben.

2 3 4 5 6 7 s 9 11 12 13 14 \s ie 17 s 19 20 21 22 23 24 25 20 27 28 29

452

10 n 12 n 14 is 16 n

-»· (409,20) zw dem spricht R i c h a r d u s vber das puech der tugent. wann das götleich liecht dy sei durch get so wirt sy ir selbs als vngesmach in allen im werchen das sy sich selber nicht leiden mag in irer aigen tugent sunder sy halt sich zw dem gesmachen gots.

18 19 20 21

22 23 24 25 26

-> Auch spricht sand A u g e n s t i n mein sei ist da mer da sy lieb hat dann da sy dem (409,25) leichnam das leben geit. vnd in der mazz ist mir got nahenter dann ich mir selber pin

27 28 29

30

31 . wann ein yede liebhabunde sei dy 32 got so verr gevoligt hat das sy vber 33 [lllr] sich selber erhaben ist vnd mit chaim lust

Von der sei wirdichait vnd aigenschafft

Parallelen und Vorlagen

453

Mel, f. 70vb (= PF. Pr. 105, S. 342,11-34)

i

Jm puech der lieb spricht dy prawt. Mein lieb ist mir vnd ich pin im. Das ist got ist 2 einer liebhabunden sei so gar genueg das sy so paid nymmer pegern mag oder got sey 3 ir ee peraitter ze geben. Als sand A u g e n s t i n spricht Got ist mir nahenter dann ich 4 mir selber pin, vnd also ist der almächtig got vnser frawn so nahent gwesen das er das 5 wesen irer sei ee geledigt hat von dem vermügen mit dem sy sich mit prechen möcht 6 veraint haben ee dann sy es pegert vnd suecht. vnd zw dem hat sy wol sprechen i mügen dy awgen meins frewnts haben mich anplikcht. wann es haist wol ein anplik- 8 chen so sich das Hecht gots in dy sei ergewst. 9 Als 10 R i c h a r d u s spricht vber das puech n der tugent. wann das götleich Hecht 12 dy sei durch get so wirt sy ir selber n als vngesmach in allen irn werchen H das sy sich selber nicht leiden mag in der 15 tugent vnd sy tugentleich ist sunder sy halt sich 10 des götleichen gesmachen. 17 vnd dar vmb hat dy lieb Junchfraw maria wol [7lm] sprechen mügen mit dem weis- is sagen, wer geit mir vedern als einer tawben das ich fliegen müg zw dem der mein sei 19 lieb hat. vnd ist als ob sy sprach wer geit mir sölhe vernufft mit der ich mich vber alle 20 creatur erhüeb vnd in tzeit vber alle tzeit. 21 Da von spricht 22 sand A u g e n s t i n Mein sei ist da mer 23 da sy lieb hat dann da sy dem leichnam 24 das leben geit. 25 26

Vnd also hat vnser fraw got als verre gevoligt das sy weder awff ir selber noch awff 2? chainer creatur geruet hat mit chaim lusst sunder sy wolt den allain haben zw lust der 28 sich ir geben het ff 29

Me8, f.213v

30

vnd ein sölhe sei dy got so verre gevoligt hat das sy vber sich selber erhaben ist vnd mit chaim lust

31 32 33

25 Es handelt sich hier um jenes Bernhard-Zitat, das Eckhart häufiger als Augustinus-Wort anführt. Vgl. DW I, S. 104,7-105,1 und S. 105 Anm. 1; Par. an. Nr. 37, S. 85,3f. 29 Die ursprüngliche Herkunft der im Traktat folgenden Passage konnte bisher nicht ermittelt werden. Sie könnte (die thematischen Beziehungen legen dies nahe) ursprünglich zu PF. Pr. 105 gehört haben. In Mel fehlt sie jedoch. Zwei Auszüge daraus finden sich allerdings wieder in Me8, f. 213v-214r im Anschluß an S. 449,20-452,17. Sie werden oben wiedergegeben.

454

1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 H is 16 n is 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 so 31 32 33 34 35 36

Von der sei wirdichait vnd aigenschaffi

awff ir selber noch awff chainer creatur met dy wil auch chainn lust haben von götleichem influs sunder sy wil got selber zw lust (409,30) haben, wann so dy sei von den dingen erledigt ist des ir gwissen chuntschafft hat vnd des put gots chain enpern hat so hat dy vernufft einn ledigen zw gang in dy ewig warhait. wann dy sunn der ewichait wirfft sich mit irm schein in dy sei vnd durch tringt ir chrefft also das ein yede chrafft pe | rüert wirt mit den z& väln (409,35) ma | terleicher ding von der schikchung als sy natürleich dar zw gefüegt vnd ge | arnt sind, vnd das lieht der ewigen sunn erhebt all chrefft der sei vnd macht sy im gleich in eim gar ver | nüftigen pild. vnd wann dy sei das werch wesenleich leitt als es got wesenleich vernüftig würcht so wirt der [sei] * vernufft ein Hecht aller we rich dy got von gnaden in ir wür | hund ist fff)" vnd wann (410,1) dy vernufft also erhaben wirt als oben gesagt ist so erhebt sy all chrefft vber alle tzeitleiche ding das dannoch dy chrefft von den nydern dingen vngehindert pleiben vnd albeg zw nemen vnd nicht ab . wann dy vernufft des wesen gots [lllv] stet an dem das er vns (410,5) geb aber von natur ist das an im das er sich vns selber geb. vnd der sei natur ist das sy sich dem geb der sich ir geben hat. vnd mit dem ist der geber vnd dy gab der würcher vnd das werch ain | ig.

37

38 Dar vmb sprach der herr i h e s u s 39 ich gen zw dem der mich gesantt hat

Parallelen und Vorlagen

455

awff ir selber noch awff chainer creatur ruet dy wil auch chainn lust haben von dem götleichen influs sunder sy wil got in lust selber haben, wann so dy sei von den dingen erledigt ist des ir gwissen chunschafft (!) hat vnd des pild gots chain enpern hat so hat dy vernuft einn ledigen zw gang in dy ewig warhait.

2 3 4 5 6 7 8 9 10 II

12 13 14 15 16 17 18 19 20 2l 22 23

vnd wan dy vernuft also erhaben wirt als oben gesagt ist so erhebt sy all chrefft der sei vber [214r] alle tzeitleiche ding das dannoch dy chrefft von den nydem dingen vngehintert pleiben vnd albeg zw nemen vnd nicht ab.

24 25 20 27 28 29 30 3l 32 33 34 35 36

Me l, f. 195* (= PF. Pr. 76,2)

37 38

Jch gen zw dem der mich gesant hat. i o h a n i s xxij° fT

39-S.45731 erhebt so mag zwm vater gen sol auch gen

in Me8, f. 214r im Anschluß an S. 453,31-455,29: vnd wan sich dy sei zw got sy wol sprechen Jch gen zw dem von dem ich chömen pin. Des ersten sol sy in eim staten willen sich nicht mer mit der creatur vnarnleichen pechumern. Sy an eim volchömen weg got genueg ze sein in alle dem dar zw er sy

39

456

Von der sei wirdichait vnd aigenschaffi

1 . Also mag dy sei sprechen so sy sich awff 2 zw got (410,10) erhebt .Jch gen zw dem von 3 dem ich chömen pin.

7

8 9 10 11 12 o H is 16 n 18

-» Des ersten get sy zwm vater in eim staten willen sich nicht mer mit der creatur vn | arnleichen wider seinn willen zw pech | umern . zwm ändern mal get sy an eim volchömen weg got genueg ze sein in alledem dar zw er sy tzewcht. vnd zwm dritten mal get sy (410,15) in dem süezzen gesmachen götlei | eher lieb in dem ir leiden chain leiden ist.

19 20 21 22

23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36 37

->· zwm vierden mal get sy in den vier tugenten das ist weishait mazz sterkch vnd grechtichait -> vber tzeit vnd vber alle creatur. -> sy get auch in den drein tugenten glaub hoffnung vnd lieb an dy zw got nyembt chömen mag. Dar vmb wer chan es wi | ssen zw (410,20) was wunder dy sei chöm dy der hannt gots enpholhen ist. wann

Parallelen und Vorlagen

457

[...195vb...] (= PF. S. 244,23^0) wider das ist ain frag ob dy natur der persan sey oder ob dy persan der natur sey. Jn dem ist das gewissist das dy natur der persan sey ze offenbarn dy frucht irer aigen natur. Dy sei get auch zwm vater Des ersten in eim staten willen sich mit der natur nicht mer zw pechumern an dy gegenwürtichait des pilts c h r i s t i . Zwm ändern mal get sy in einer volchomenhait got genueg zw sein in alledem dar zw er sy tzewcht. Zwm dritten mal get sy in eim süezzen gesmach götleicher lieb in dem ir leiden nicht leiden

4 s 6 7 8 9

ist.

18

n 12 13 14 is 16 n

Christus hat awff gevarn in den himel vnd hat geert sein menschait vnd hat sy ge- 19 nomen von der tzeit vnd hat sy gesetzt in ewichait. Er hat auch sein sei awff gefüert 20 vnd hat sich ir wesenleich geben als er ye offenbar ist wesenleich gwesen in seins 21 selbs werchen. 22 Dy sei ist auch awff gevarn vnd hat geflogen mit den 23 vedern der tugenten. das ist mit weishait mazz 24 sterkch vnd grechtichait. 25 wann mit den vier tugenten hat dy sei vber dy tzeit geflogen vnd 20 vber alle creatur dy in der tzeit sind. n Sy hat auch geflogen in den 28 drein götleichen tugenten. das ist glaub hoffnung vnd 29 lieb vnd met in der lieb dy got ist da man 30 siecht vater sun vnd den heiligen geist. 31 32 33

Me2, f. 276* (= Par. an. Nr. 46, S. 104, 31-39 u. 106, 8-17)

34

?T Dar nach sol man merkchen was lewt dy sein süllen dar in götleiche weishait 35 chömen sol. wann S a l o m o n spricht dy weishait hat irn mund awff tan. vnd pedewt 36 ein yede sälige sei der mund irer öbristen chrefft von got gelabt wirt. 3?

tzewcht. Sy sol auch gen in starkcher lieb in der ir leiden chain leiden sey. Sy sol auch gen in den vier tugenten weishait mazz sterkch vnd grechtichait vber tzeit vnd vber alle creatur. Sy sol auch gen in den drein tugenten glaub hoffnung vnd lieb an die zw got nyemt chömen mag. Dar vmb wer chan es wissen zw was wunder dy sei chöm dy der hannt gots enpholhen ist. Hierauf folgt in Me8 S. 463,2-9.

458

2 3 4 5 6 7 8

Von der sei wirdichait vnd aigenschaffi

ein yede sälige sei sol ir hertz albeg awff tuen gegen dem trast gots [H2r] vnd was sy von im enphächt das sol sy giezzen in dy nydristen chrefft da mit sy got nicht pegreiffen sol anders er wurd gesmacht aws irer swachen erchantnus dy aws irn nydristen ehre | fften erscheint.

9 10 12 13 14 15 16

i? is 19 20 21

->· (410,25) vnd dar vmb das all sei gegen got nicht gleich gefüegt sind so smekcht in got nicht gleich in seim erschein als dy sunn allen awgen nicht gleich scheint ffff Es

22

23

Lo4

Parallelen und Vorlagen

459

Dy chrafft sol albeg awfftan sein gegen dem trast gots vnd was sy da von enphlcht das sol dy sei in dy nydristen chrefft giezzen. wan wollen wir got mit den nydristen chrefften pegreiffen so wurd er gesmächt in vnserer vnerchantnus

i 2 3 4 5 6 7 8

dar vmb das wir got in chainn gegenwärtigen dingen pegreiffen noch erchennen 9 mügen. [...276vh...] (Par. an. Nr. 46, S. 106,8-17) «f vnd wie man götleiche weishait 10 smekchen sol zw dem helffen vier ding. Das erst das man sich got gleich mit law- 11 trichait nach vnserm wesenleichen vermügen. Das ander ist ein götleichs Hecht das 12 mit lawtrichait in der sei scheint als dy sunn durch ein glas. Das dritt ist ein ainigung 13 das von götleichen dingen chümbt als Hecht von Hecht. Das vierd ist mazz in dem dy 14 sei sol erhaben vnd geweilt wem. Erhaben vber sich selber vnd sol etlwas geweilt is wem gegen gots vnmesleichait so mag sy volchömen lust von im enphahen. 10 vnd dar vmb das all n sei gegen got nicht gleich gefüegt s sind so smekcht in got niht gleich. 19 Als dy sunn allen 20 awgen nicht gleich scheint 21 aim tuet sy wee dem ändern noch wirser vnd dem dritten aller wirsist ?T?f 22

Lo4, f. 170ra (= STRAUCH, PBB 49 Anhang Nr. VII)

23

23 Die folgenden Exzerpte entstammen einer Predigt über die >Wurze Yesse Also ist dy fewrig natur gots so sy dy sei zw ir tzewcht vnd in ir verwandelt so wirt sy geistlei | ch in irer erchantnus (410,35) parn.

Von der sei wirdichait vnd aigenschaffi

Parallelen und Vorlagen

461

Nii wirt er tegelich gebom in der sele geistlich daz bewiszt er da er spricht von der wurczeln iesse sol gen ein gerte vnd uff der gerte 2 sal entspringe ein blüme vnd uff der blümen 3 sal riiwen der heylige geist. An dezen Worten 4 sulle wir prüfen dry ding welch 5 dy wurzel sy von der got geborn wirt 6 in der sele vnd welch wis vnd 7 welch nütcz 6r da von komt. Das erste ist 8 De radice yesse, das ist also vel also 9 ein vürich natur dy alles das czü sich czüt vnd in sich vorwandelt das in 11 sy komt. 12 Also der schyn der sonne der sich [J70rh] wirfft in das wasser czü eyme mal noch czü 13 dem ändern mal gewynnet sy das wasser nicht. Sünder von den dicken malen vnd 14 wider siegen so komt sy vndir das wasser vnd czüt es uff czü sich das es siner togent 15 lucht So ist es geistlich so wir es nicht an gesen so ist es mitten alle dy elementen das 16 ist ör togent nicht Sünder ör natur n Also ist dy furige natür is gotis dy dy sele czü sich czüt vnd 19 in sich vorwandelt und wirt also geborn geistlich 20 an vnserm bekentniß 21 Das ander welch wis got wirt nicht geborn in der sele Sünder gefunden also man 22 prüfen mag by dem bilde das wirt nicht gedruckt in das holcz sünder gevünden wan 23 man öm dy spene abe nemt dy es hindern so ist es gancz in dem holcze das ist 24 grabheit vnd vnglichniß Dar vmme ist ein vnrecht holcz vel werst czü fugen dan ein 25

l Nü ... spricht/ mer wie er tegelich geistlichen gebom wirt in der sei daz ist beweist da er sprichet Er, B7, fehlt 2 von yesse Er, B7, Lol opgaen x, Er gerte/roede x; rät Er gerte/roede x; raten Er 4 rüwen/rusten x An/Jn B6 5 prüfen/merken Er 6 der dat B6 7 vnd (l)/ vnd in Er 8 welch/ wat x; was Er or fehlt Er da von/daer of x. komt/ vns bekäme ET ist/wort B6; wort kumpt Lol; fehlt Er 9 yesse fehlt x lOvürich/furigeoderfrlj B7;vrix sich/haer B6; ir Er 11 czüt/trect x sich/hoer &6 13 der sonnen schyn x czü eyme/ten iersten x 14 gewynnet/soe en gewynt x; ingewynnet B7; vindet Er Sünder/Mer x dem dicken (dritten B7) inwallen (invalle Lol, B7; vallene Er) x, Er, B7 15 wederslage x czüt... sich/ trecket it (fehlt B6) an sich (hoer B6) x das/Also daz Er 15 f. es siner togent lucht/ es in (an B7) seiner tugent bestet Er, B7; fehlt x 16 es(\) fehlt x wir ... gesen/ enmogen wijs niet gesien x, Er, B7 es(3) fehlt x mitten/vmb x, Er, B7 17 nicht/ niet dat wi se ansien x, Er, B7 Sünder/ mer et is x natur/materie x, Er, B7 18 ist/ist om x; ist es vmb Er, B7 junge/ furige frihe B7; vrie x; wirdigen Er 19 gotis fehlt x, Er, B7 czü/ in x sich/hoer B6 czüt/ trect x 20 sich/hoer B6 geestelic gebaren B6 21 vnserm/irr Er; yrme B7 an ... bekentniß fehlt x 22 welch/is welker x; mit welicher Er wirt/enwort x; der enwirt Er, B7 geborn/ gedragen x, Er, B7 Sünder/Mer x vonden B6; he wirt dar inne vunden Lol; gewunden Er; gewonden B7 23 wirt/enwort x, Er, B7 sünder/mer et wort daer in x vonden x; gewunden Er; gewonden B7 24 hindern/ bedecken x; Er; dy ... hindern fehlt B7 es(2) fehlt x 25 vnglichniß/ongelicheit x vnrecht/weerachtich B6; estlich Lol; werrecht Er, B7 werst/quader x; böser B7 fugen/ sniden x

462

i 2 3 4 5 6 7 s 9

Von der sei wirdichait vnd aigenschafft

->· wann dy sei hat ein gemains lieht mit den engein in dem sy got erchennt. vnd das Hecht das ir an peschaffen ist das ist dy vemufft vnd trait an vn | terlas in dy sei dy weishait gots aber wann sy in den leichnam gössen wi | rt so ervinstert sy.

10

n ->· Man list das 12 drey chiinig c h r i s t o ir oppher prachten 13 14

is [H2V] pey den sol man versten dy drey ny|dristen 16 chrefft der sei dy vntertan n süllen (411,1) sein den obristen drein chre|ften 18 19

20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32

der sei. Dar vmb wil ich hie von den obristen chrefften der sei sagen wie dy chiinig seinn vnd was gab sy den nydristen chrefften pringen fJ"*T Der erst chünig ist dy gedächnus der pringt aws seim reich (411,5) [dy frucht] * wann dy sei merkcht wie edel sy got pesch | äffen hat so flewst aws der ercha | ntnus ein lustige pegier dy sich zw got erhebt vnd wirfft zw ruk alle tzeitleiche ding. ->· so ist dann wärlei | ch der chünig der gedachtnus chömen

Parallelen und Vorlagen

463

rechtis Also wirt got geborn in der sele wan sy hat eyn gemeyne licht mit den engein da sy got an bekenne vnd das licht daz ör an geschaffen ist vnd daz licht treit an vndirlaß götliche wisheit in dy sele wan sy abir in den lichnam geczogen so wirt sy gevinstert.

2 3 4 5 6 ? s 9

Me2, f. 276vb (= Predigt über Mt 2,1 u. 11)

10

?T Es stet schriben das 11 drey Chünig von Origent [277m] gein Jerusalem 12 chamen vnd prachten gold mirren vnd weiroch. pey den drein Chünigen vnd pey der 13 gab dy sy prachten 14 nymb ich hie dy drey nydristen is chrefft der sei vnd mach sy vntertan 10 den drein obristen chrefften. n Dy Maister schreiben was ein Chünig sey vnd sprechen Der ist ein chünig der nichts 18 pedarff des der chünig chainer was. 19 Dar vmb wil ich hie 20 sagen von den obristen chreften der sei 21 wie dy chünig sind vnd was gab 22 sy den drein nydristen chrefften pringen 23 ?T Der erst Chünig ist dy gedächtnus 24 der pringt aws seim Chünichreich so reihe frucht wann der 25 mensch ansieht wie edel in got peschaffen 26 hat so flewst aws der erchantnus 27 ein lustige pegier dy sich zw 28 got erhebt vnd wirf ft alle 29 irdische ding der weit zw ruk. vnd so das geschiecht 30 so ist dann wärleich 31 der Chünig der gedSchtnus mit seiner gab chömen 32

10 Nähere Angaben: Beschreibung von Me2, f. 276V l rechtis/ siecht holt x; slehtz Er, B7 geborn/ von den x; gewunden Er; gewonden vnd gewonden (!) B7 5 vnd das licht fehlt x, Er an geschaffen/ angeboren x 6 an/ sonder x 8 wan sy abir/ mer als si x; wenn awer si Er; wanne das sie aber B7 geczogen/gegaten x; gegossen Er, B7 9 verdonckelt x; verdunsten B7; verdüstert B7 22-27 in Me8, f. 214r im Anschluß an S. 463,2-9: Dar vmb sullen dy obristen drey chrefft der sei den vntristen drein chreften ir gab pringen Dy erst ist dy gedächtnus dy sol der sei pringen das sy merkch wie edel sy got peschaffen hat. Hierauf folgt in Me8 S. 465,6-467,2.

464

1 vnd hat geopphert das gold der pe | gier 2 zw got mit eim awfgeben 3 aller anderer ding 4 5

6 7 8 9 10 11 12 13 14 is i6 n is 19

-»· «ffT Der (411,10) ander chü | nig der sei ist dy vernufft dy chümt zw der ändern chrafft dy mazz oder peschaidenhait haist. vnd wann die sei erchennt wie sy von gnaden den willen gots erfüllen mag so wirt sy vnverdrossen sich aller creatur vntertan ze machen durch gots wil | len. vnd einer yeden mer so vil sy von got mer gewirdigt (411,15) ist. so chiimbt dann dy peschaiden-[hait] * mit reicher gedult vnd enphächt mit dankchsa | gen als das got vber sy hie mit dem [113r] leichnam verhengt.

20 2l

22 23 24 25 26 27

-> vnd mit dem chümt ir dy frucht des weirochs da von ir all tugent veraint wem also was an | der hertt vnd swär an chümbt das wirt ir von lieb ring vnd mügleich ze tuen

28 29

30 -»· «TfT Der (411,20) sei dritter chünig ist 31 der willen wann der 32

33 34 35 36

-> mit gantzer sterkch der sei das fewer der lieb pringt vnd sy also durch get das als das vertzert wirt das in der natur zw sünten glost so wirt

Von der sei wirdichait vnd aigenschafft

Parallelen und Vorlagen

465

vnd hat das gold der pegier geopphert i die sich vber alle irdische ding 2 erhaben hat. 3 wann gold ist lustig an zesehen vnd erfrewt dy chrankchait des hertzen vnd ist deV 4 edlisten werch ains das sein synn in der erden hat. 5 ff Der ander Chünig 6 der sei ist dy vernufft vnd chümbt 7 zw der nydristen chrafft dy mazz oder s peschaidenhait haist. vnd wann der 9 mensch dar aws erchennt wie er von gnaden den willen gots erfüllen mag so wirt n er fleissig vnd vnverdrozzen sich vntertan ze 12 machen aller creatur durch gots willen 13 [277rh] .vnd einer yeden als vil mer als vil sy 14 von got mer gewirdigt ist. So chümbt 15 dann dy peschaidenhait mit reiner i& gedult vnd enphacht mit dankchsagen n als das got vber den s menschen verhengt. 19 vnd mit dem wirt er reich in gueten heiligen ebenpilden da von all ander pessert wem 20 dy es sehen oder hörn. 21 vnd mit dem pringt 22 der mensch frucht des weirochs das im 23 all tugent veraint wem mügleich 24 zetuen vnd dy ander menschen mit hertter puezz 25 erchriegen müessen das wirt im von lieb 20 geben. 2? Als sand pernhart spricht was ich an dir siech das han ich lieb vnd was dein von arbait 2« ist das ist mein von lieb. 29 ff Der dritt chünig der sei ist 30 der willen, vnd wann er 31 der sei gantze statichait pringt in chrafft vnd 32 sterkch vnd das 33 in das fewer der lieb also 34 durch gangen hat das als das vertzert wirt 35 das in der natur glost so wirt 30

6-S. 467,2 verkürzt in Me8, f. 214' im Anschluß an S. 463,22-27: Dy ander ist dy vemuffi dy sol der sei pringen mazz vnd peschaidenhait. Aws dem sol dy sei erchennen wie sy von gnaden den willen gots erfüllen müg so wirt sy vnverdrossen sich aller creatur vntertan zemachen durch gots willen. So chümbt dan dy peschaidenhait mit reiher gedult vnd enphacht mit dankchsagen als das got hie vber sy im leichnam mit leiden verhengt. vnd aws dem chümt was ändern swar ist das wirt ir von lieb ring. Dy dritt ist der willen wann der mit statichait chümbt so wirt als das an der sei vertzert das in der natur zw sünten glost. vnd sy wirt als voller lieb das sy von got nichts geschaiden mag. Hierauf folgt in Me8 S. 467,30-469,21.

466

sy so stit das sy weder tod noch leben von der lieb gots nicht geschaiden mag

9

10

n 12 n H is 16

.so ist ir dann pracht dy mirren da mit sy pehalten wirt (411,25) vor der vewl tzeitleicher ding dy vil vbels an der sei pringen. wann sand A m b r o s y sp rieht got gewst dy sei schaffund vnd giessund peschafft er sy.

17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29

30 31 32 33 34 35

->· vnd wann sy in lieb hat so geit er sich ir an mittel . Als dy geistleich prawt wol enph | and da sy spricht im puech der lieb .Da ich was an der rue meins petts da ch | am mein lieb vnd (411,30) chlokcht an mein

Von der sei wirdichait vnd aigenschaffi

Parallelen und Vorlagen

467

der mensch so stat das in weder tod noch leben von der warhait nicht sundern mag. Da von sand p au l s gesprochen hat vnd ein yeder geist der von got erhaben ist wol sprechen mag .wer schaitt vns ab von der lieb gots. ?T Nw möcht ettwer fragen ob es got vermocht hiet so es im sünst gevallen hiet das er dy sei von dem selben guet gemacht hiet da er selber von ist. Zw dem sprich ich ia was got wil das vermag er vnd was er vermag das ist sein willen, wann alle ding sind aws dem willen seins vermögen peschaffen vnd nicht aws seiner natur. Dy sei hat er von nichte peschaffen vnd das nichtt nam er tzwischen got vnd seiner gothait [277va] in seiner almügigen art da das vermügen peslozzen vnpeslossen was.

2 3 4 s 6 7 s 9 10 II 12 13

A m b r o s i u s spricht H als slaffund gewst got dy sei vnd is als giessund peschäfft er sy. 10 Das ist zw versten da sich dy wesund vernüfftichait gots selber an siecht vnd sich in n mügunder natur hat da naturt er sich selber vnd früchtigt den geist vnd flewst sich is selber im geist in der lieb in dy lieb da der geist das liebhabund ist vnd das aigen der 19 lieb in got vnd dy aigenschafft ist des geists vbung. Als sand i oh an n s spricht .Got 20 ist dy lieb vnd wer in der lieb ist der ist in got vnd got in im. Ein maister ward von aim 21 gefragt ob sein geist dar zw geschikcht war das er sein öbriste salichait an mittel 22 enphahen möcht. Der sprach dw fragst chindischen lazz dich selber vnd alle ding vnd 23 lazz dann daz dich geweist hat zw lazzen so pistu alle ding $$ Dar vmb ir aller 24 liebsten ich pitt euch in c h r i s t u s vnserm herren das ir euch selber lernt zw erchen- 25 nen vnd schämt euch das ir dy ediist creatur seit dy got hie in der tzeit peschaffen hat 20 vnd erchennt sein nicht, wann erchannt sich der mensch selber er vberwuntt alle 2? anvechtung an arbait vnd gieng an hinternus zw der warhait aller creatur vnd enphund 28 nichts mynner dann gots. 29 wann als er sich 30 der sei an mittel geit dy in lieb hat 31 also gab er sich auch zw enphinden der geistleichen prawt 32 als sy spricht [277vb] im puech der lieb .Da 33 ich was an der nie meins petts vnd mich enplöst het da cham 34 mein lieb vnd chlokcht an mein 35

30-S. 469,21 in Me8, f. 214r~v im Anschluß an S. 465,6-467,2: vnd wann sy in also lieb hat so geit er sich ir an mittel. Das dy geistleich prawt wol erchannt da sy spricht im puech der lieb. Da ich was an der rue meins petts da cham mein lieb vnd chlokcht an mein venster vnd tet sein hant in vnd rüert [214V] mich, pey dem sol man versten wann sich dy sei selber erchennt so ruet sy von allen dingen dy hie pey ir sind dar vmb das sy selber wirdiger vnd edler ist dann alle andere creatur in der tzeit. vnd wann dy sei aws aller creatur vnd aws ir selber gangen ist so get auch aws dy ewig warhait ze suehen sein liebhabunde sei vnd perüert ir vernufft vnd erhebt sy in irm Hecht da von sy mer zw got gericht win dann von alle dem das sy vor in irer natur von leipleichen dingen ye verstanden hat. Hierauf folgt in Me8 S. 469,36-471,3.

468

1 2 3 4 5

10 n 12 is H is 16 n is 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28

venster vnd tet sein hant hin in vnd rüert mich, pey dem sol man versten wann sich dy sei selber erchennt so ruet sy von allen dingen dy hie pey ir sind dar vmb das sy selber edler vnd wirdiger ist dann alle andere ding in der tzeit.

->· vnd wann dy sei aws allen creaturen vnd aws ir selber [113V] nw gangen ist so (411,35) mues auch dy ewig warhait aws gen ze suehen sein lieb | habunde sei vnd perüert ir vemufft vnd erhebt sy also mit irm Hecht da von sy mer gericht wirt dann von alle dem das sy vor in irer natur von leipl | eichen dingen ye verstanden hat. Da von sand A u g e n s t i n spricht recht als dy sunn mit irm schein das glas durch | get das alle ding in im erchannt wem also wirt der sei vernufft von dem Hecht (412,1) gots erlewcht -> das sy erchennt das sy dy ding vermag dy got zw gehörn

29 30 31 32 33 34 35

36 37 38 39 40

Von der sei wirdichait vnd aigenschafft

. vnd in dem wirt dy sei scheinn in irer plashait vnd got in seiner ledichait. Des D i o n i s i u s wol enphand da er sprach . Da sich dy plazz sei mit irm plazzen got veraint da ward sy enthalten in der

Parallelen und Vorlagen

469

venster vnd tet sein hant hin in vnd riiert i mich, pey den warten .da ich was an meiner rue sol man versten. wann 2 sich ein mensch selber erchennt so ruet er von 3 allen dingen dy hin nyden pey im sind dar vmb 4 das er selber edler ist dann 5 alle ding dy hie in der tzeit sind. 6 vnd pey den warten dy sy spricht .Da ich mich enplöst het sol man versten wann sich 7 ein mensch von allen den dingen gelöst hat dy er mit pildnus in sich tzogen hat so s pleibt er sich allain liebhabund vnd ist im mit lust selber aigner dann alle creatur mit 9 leipleichen werchen ze vben. wann got hat nichts lieber dann sich selber vnd pewt vns m auch das allen das wir für in nichts lieb haben, vnd pey dem das sy spricht .da cham 11 mein lieb, sol man versten. 12 wann 13 ein mensch nw aws im selber vnd aws aller creatur u gangen ist durch der warhait willen so mues auch dy ewig 15 warhait aws gen vnd mues suehen dy liebhabund 16 sei an irm aws gang vnd rüert dy vernufft n vnd erhebt sy in irm liecht da is von sy mer gericht wirt dann von allem 19 dem das sy in irer natur von leipleichen 20 dingen ye verstanden hat. Da 21 von sand A u g e n s t i n spricht recht als dy 22 sunn mit irm schein das glas durch get 23 ra das alle ding in im erchannt [278 ] wem 24 also wirt dy vernufft von dem liecht 25 gots erleucht vnd pewegt da mit in ir das 26 vermögen irer natur zw erchantnus [chumbt] * das sy 2? alle ding vermag. 28 Als sand p a u l s spricht Jch vermag alle ding mit got der mich sterkcht. vnd awff das 29 mag ein yede liebhabunde sei wol mit sand A u g e n s t in sprechen Seit ich dw pin 30 vnd dw ich so sprich ich das ich vnd dw gemain seinn in menig vnd in tzal. Dw 31 würchts (!) dein wesen so pin ich das würchund werch vnd dy würchund Offenbarung 32 deiner wesenleichen vernüftichait. Dw hast lieb dein aigens werch das ich pin. Jch pin 33 ein ainichait deiner lieb vnd dw pist das wesen. Jch pin der schein deins liecht vnd dw 34 dy natur. 35 vnd in dem ist dy sei nach irer 36 plashait vnd got nach seiner ledichait. Das 37 D i o n i s i u s wol enphant da er sprach 38 da sich dy plazz sei mit irm plassem got 39 veraint da ward sy enthalten in der 40

36-S. 471,3 in Me8, f. 214" im Anschluß an S. 467,30-469,21: vnd in dem wirt sy scheinn in irer plashait vnd got in seiner ledichait. Des Dionisius wol enphand da er sprach .Da sich dy plazz sei mit irm plazzen got veraint da ward sy enthalten in der wüest der gothait in dy chain creatur nye sach. Hierauf folgt in Me8 S. 471,12^73,16.

470

1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 n

(412,5) wüest der gothait. vnd sy haist wol ein wüest wann in sy sach nye chain creatur von gnaden. Dar vmb pedü | rffen sich dy wol schämen dy an den dingen vnverstentig sind, wann ob der obristen engel ainer her ab chtm vnd das auch alle creatur als vemuftig wä | rn als er vnd reten von menschleicher silichait so möchten sy (412,10) all vntz an den Jüngsten tag nicht volsagen was got einer yeden liebhabunden sei in dem ewigen leben geben wil. Dar vmb so 11t dy sei nichts anders suchen

14 15 16 17 18

19 20 21 22

-*· dann got [H4r] durch got. -*· wann so sy sich ye lawterer halt so sich got ye lawterr in sy sen | kcht

Von der sei wirdichait vnd aigenschqfft

Parallelen und Vorlagen

471

wüest der gothait. Sy haist wol ein wüest wann in sy sach nye chain 2 creatur von gnaden, vnd dar vmb pedürffen 3 sich dy wol schämen dy an den 4 dingen vnverstentig sind, wan ob der 5 obrist engel her ab cham vnd ret nach seiner verstentichait 6 vnd das dar zw alle creatur als vernüftig war 7 als er vnd reten von menschleicher s salichait so möchten sy all vntz an den 9 Jüngsten tag nicht volsagen [278rh] was got 10 einer yeden liebhabunden sei 11 geben wil. Dar vmb solt 12 ein yeder mensch nichts anders suchen 13 dann das aller pest guet das got selber ist. wann wer ettwas an got suecht der ist noch 14 nicht recht gearnt. Dar vmb süllen wir got suehen lieb ze haben von gantzem hertzen is durch sein selbs willen vnd süllen dar inn vnsern aigen nutz nicht allain suehen sunder 16 sein götleiche er seit er allain dy sach vnd das werch der lieb ist. Sllig ist der mensch 17 der an got nichts suecht is dann got 19 durch got vnd sich sünst als lusts vnd gesmachs 20 entsiecht durch got. wann so sich ein mensch ye lawterleicher 21 halt so sich got ye lawterer in sein sei senkcht 22

22 Es handelt sich bei den vorauf gehenden Sätzen des Traktats (Z. 12-22) um ein kurzes Exzerpt aus einem Stück, das noch in Lo4, f. 133vb-134* vorliegt. Es wird hier vollständig nach Lo4 wiedergegeben, wobei die Stellen hervorgehoben sind, die Peuger in Me2 exzerpierte: in nomine domini nostri ihesu chrisü. Jn dem namen vnsers hern ihesu christi. Es ist naturlich das der mensche gere richeit schonheid wollust vnd lust noch dem besten lusteclichsten schönsten dis vind der mensche geistlichen alles vff iz hoste an gate. Hirumme solden wir buch nicht suchen wan das beste das got selbir ist Sucht ein mensche anders icht das got nicht ist so ist er noch nicht recht geordent Darvmme sulle wir nicht suchen wan das in gote ist das er alles selbir ist des sulle wir nicht gern vns noch vns durch vns. Geren wir es vns durch vns So gere wir es nicht durch das beste vnd dorch iz hoste des belyt vnd endet vnser libe an vns vnd ist kurcz vnd meszig vnd getrüwe wan wir lib haben durch vns selbir vnd vns selbir got vnd suchen vnsem nütcz an gote durch vns habe wir abir got lib wann er vns lib hat vnd lib gehat hat vnd vel durch vns gethan hat das ist ouch vn luttir wan wir es durch das thun das wir von öm entphangen haben wir sullen on lib haben durch ön selbir wan er alleine wert ist lib czu haben vnd ein sache der libe Selig ist der der an gote nicht sucht dann got durch got das ist noch wollust öm selbir noch gemach noch hymmilrich vnd sich des alles ussert durch got Jo sich got mer luttirlicher senkt in deze luttern vnd gelutterten sele von gote Jo sy örs synnes mer vorwerft durch sine libe Jo er sich selbis der wist das er durch sich selbis czU lib haben sich selbis gebit alsus win dy sele rich selig vnd volkomen Der sich abir aller deser libe vszern mochte durch got vnd czü der ewigen pyn phlichliget durch got das were ein czeichen daz er lib helle [134rb] durch got Gere ich abir das got das wiste das ich durch ön lyde so gere ich vszwendig Ion von myner lydunge das ist gotis wissen das wir gotis gern vnd ön suchen vnd durch ön Innerlichen lyden des helfe vns der almechtige got Amen. 12-S. 473,16 sehr verkürzt auch in Me8, f. 214V im Anschluß an S. 469,36-471,3: Dar vmb solt dy sei nichts anders suehen dann got wann so sy sich ye lawterer halt so sich got ye mer in sy senkcht. vnd mit dem wolt sy sich albeg durch gots willen lieber vom leichnam schaiden dann durch ir selbs willen dar inn pleiben. Hierauf folgt in Me8 S. 473,27—475,14.

472

1 vnd würcht ye volchömenleicher 2 seine werch in ir. vnd mit dem stet sy am 3 sichristen 4 5 6

9 10 11 12

13 H 15 16

-» also (412,15) das sy von lieb wegen dur|ch gots willen albeg lieber sich vom lei | chnam schaiden wolt dann durch ir selbs willen dar inn ze pleiben.

17 18 19 20 21 22 23

24 25 26 27

-> sy ist auch arm an ir selber also das sy hie vnd dort allain got erchennt. Ein sölhe sei pedarff auch aws ir selber nichts sue | hen

Von der sei wirdichait vnd aigenschqfft

Parallelen und Vorlagen

473

vnd würcht ye volchömner seine werch in ir vnd mit dem stet der mensch am sichristen. vnd das es gar pilleich sey das wir albeg in gueten werchen sten süllen das mag man an den warten merkchen dy der herr i h e s u s zw seinn Jungern sprach, wann ir als das tuet des ir schuldig seit dannoch schätzt euch für vnnutz chnecht.

i 2 3 4 s 6

Mel, f. 204vb-205ra (= PF. Pr. 110, S. 365,2-34)

7

vnd vber dy gesagten ding sprich ich das der heilig geist an mittel in dy dreyerlay 8 menschen gesantt wirt. Des ersten zw den anhebunden das sy sich durch gots willen 9 allen menschen vntertan machen, vnd zw den z& nemunden das sy im achttern vnd laidigern als willig seinn als irn frewnten vnd guettuern. Er chiimbt auch zw den n volchömen 12 in so grasser lieb in 13 der sy albeg durch gots willen lieber 14 stürben dann ze leben 15 durch ir selbs willen. 10 vnd dar vmb das söleich frumb menschen an dem enphahen des heiligen geists nicht n gehintert wem so sind sy gern arm nach dem awssern vnd ynnern menschen. Nach g dem awzzern sterben sy alle dem das natürleich haist vnd günnen nyembt als wol 19 smachait leiden vnd vngemach als in selber. Sy sind auch arm nach dem ynnern 20 menschen mit eim volchömen ab schaiden von alle dem das creatur haist mit einer 21 ernstleichen diemuetichait ynnen vnd awzzen. vnd mit einer inprünstigen pegier eins 22 erhaben muets vber dy tzeit in ewichait. 23 Sy sind auch 24 arm am geist also das sy hie vnd 25 tort allain got erchennen. 20 Sy pedürffen auch aws in selber nichts suehen das sy füder zw der ewigen sälichait 2?

6 In Me2 folgt nun PF. Tr. VI (»Schwester Katrei vnd dar vmb das sy alle ire werch nach dem aller liebsten willen gots am höchsten volpring so vbt sy sich das sy einer lawtern gwissen nymer an sey awff das der himlisch vater sein ewigs wart in ir an vnterlas pern müg i h e s u m (412,25) c h r i s t u m seinn sun.

18 19 20

21 22 23 24 25 26 27

28 29 30 31 32 33 34 35 36 37 38 39 40

-»· wann dy sei ist nach dem obristen tail in der tzeit nicht vnd würcht auch nicht in der tzeit. sy ist auch dem vber tawsent meil als najhent als der stat da ich yetzund an stee *T?T Es sprechen auch dy lerer als das pild ye enphieng oder tzeit ye perüert das des nichts in dy sei chöm. vnd nicht allain das (412,30) tzeit enphieng [l 14V] sunder auch das ye gleichnus enphieng

Parallelen und Vorlagen

475

seit der recht [205™] Maister der heilig geist sy in der schuel irs hertzen alle ding lernt dy sy weisen zw dem ewigen leben. 2 Sy halten sich auch der gab vnd des gegenwurffs da mit 3 got sein aller liebst frewnt pegabt hat. 4 Das ist versmlchnus der weit werch vnd lieb ze haben des leichnams leiden awff das s dy gnad an im z& nem vnd dy pös pegier des leichnams ab nemb. wann in dem 6 erchennt man dy werch des heiligen geists so man an natürleicher lieb ab nymbt vnd ? albeg mer genaigt ist aws götleicher lieb zw den werchen des ynnern menschen dann 8 zw den awssern. 9 vnd 10 dar vmb das sy alle ire werch nach dem 11 willen gots am aller höchsten 12 würchen so vben sy sich das sy einer 13 lawtem gwissen nymmer an sind awff das 14 der himlisch vater sein ewigs wart in 15 irer sei an vnterlas pern mug. 16 17

vnd awff das sy ein erchantnus haben das sy chinder von gnaden des himlischen vater is seinn so enphahen sy alle ding lieb vnd laid von got in gleichem muet «Tff Von den 19 gaben des heiligen geists spricht N e s t r o der heilig vater [...] 20 Me2,

f. 300vb (= Meister Eckhart, Predigt über Mt 13,44)

21

wan da sich der herr i h e s u s vor petro i a c o b i vnd i o h a n i awff dem perg ver- 22 wandelt da sprach p e t r u s herr mach wir hie drew getzelt. Dy maister sprechen das er 23 dar an hab törleich geret das er hie in der tzeit dy ewigen ding haben wolt seit got in 24 dem hie nyembt gesehen mag. wann got ist chain pild vnd wirt auch in chaim form 25 pegriffen vnd ist auch nicht in der tzeit. Jch sprach newleich in der predig vnd sprich 20 es aber 2? m das mein sei nach dem [301 ] 28 obristen tail in der tzeit nicht ist vnd 29 wiircht auch nicht in der tzeit. Jch sprich auch das mein sei 30 dem das vber tawsent meil ist als nahent ist 31 als der stat da ich yetzund an stee. 32 Auch sprechen dy lerer das als das pild 33 ye enphieng oder tzeit ye perüert 34 des chöm nichts in dy sei. Sy sprechen auch 35 nicht allein das tzeit ye perüert 30 sunder auch das ye chain gleichnus enphieng. 37 Sol aber dy sei gleichnus enphahn das mues ir her ab von got geben wem oder von 38 eim engel. vnd dar vmb hat sand peter törleich geret das er hie in der tzeit weit ein 39 himelreich machen. 40

21 Vgl. die Beschreibung von cod. 705, zu f. 300ra (= Nr. 59).

476

i 2

3 . Das hawbt der sei ist dy obrist chraft 4

5 vnd sider der tzeit vnd sy peschaffen wa | rt 6 ist sy der gnaden götleichs [Hechts] * nye an 7 gwesen.

10 11 12 13 14 is

->· vnd in der chrafft ist der sei dy tzeit dar inn got dy welt pe | schaffen hat vnd auch der iungst tag als nahent als dy tzeit in der ich ye | tzund red.

16

i? is 19 20 21 22

-*· vnd (412,35) wann dy sei in der ch | rafft des hawbts stet so enphlcht sy den nutz da von das ir alle gnad vnd sälichait dy all heiligen pesezzen haben als gemain wem als ob sy ir aigen warn.

23 24 25

26 27 28 29 so 3i

-> wann das ist ein gewi | sse warhait wer recht in das ha | wbt chäm der tat nymer chain sünt . Jm wurd auch dy ewig frewd so erchannt vnd wurd als gelert das er chainer predig pedarfft. Dar vmb

Von der sei wirdichait vnd aigenschafft

Parallelen und Vorlagen

Me2,

f. 297vb (= Meister Eckhart, Predigt über Lc 21,28)

477

i

Dar vmb spricht der Herr hebt awff ewer hawbt. das ist ewer sei von irdischen dingen. 2 Das hawbt der sei ist dy obrist chrafft. 3 Das hawbt oder dy sei im hawbt strebt an vnterlas in das lieht der warhait. 4 wann sider das dy sei peschaffen wart s was sy nye an das in scheinn der gnaden des götleichen 6 Hechts. 7 Jn dem hawbt erchennt dy sei got vnd alle ding vnd ist in ir selber als des enphind- s leich das sy haben mag. Jn dem hawbt ist der sei stat vber tzehen tawsent meil als 9 nahent als dy stat da ich yetzund an stee. 10 Jn der chrafft ist der 11 sei dy tzeit dar inn got dy welt peschaffen 12 hat vnd auch der iungst tag 13 als nahent als dy tzeit dar inn ich yetzund 14 red. is vber das möcht ettwer fragen was nutz der sei von dem chlm 16 so sy sich sambt in der chrafft 17 des hawbts stet, vber das sol man wissen das daz der nutz ist is den sy da von enphächt das ir all dy gnad 19 vnd all dy sälichait dy all heiligen pesezzen 20 haben [298ra] als gemain wirt als ob sy ir 21 aigen warn. 22 vnd als das chünig vnd chaiser von gold ye gewunnen das ist ir als aigen als mir 23 meine awgen aigen sind vnd vil aigner. vnd dar süllen wir vnser hawbt awff heben 24 vnd süllen erchennen das vbel vnserer sünten. 25 wann das ist ein gwisse 20 warhait wer recht in das hawbt 27 cham der tat nymer chain sünt. 2g Jm wurd auch dy ewig frewd so 29 erchannt vnd wurd als gelert das 30 er chainer predig pedarff fTff [...] 31

l Vgl. ebd., zu f. 297* (= Nr. 53).

478

i

2 süllen wir das (413,1) hawbt der sei awff he | ben 3 vnd süllen vns samen in dy weit 4 vnd prait sölher chrafft 5

9 10

n 12 13 14 is

-> vnd schaiden vns von tzeitleichen dingen zw den ewigen so gepert got in der chrafft als das er an gwalt an warhait vnd weishait ist gantz in dy sei.

10 17 18 19 20 21 22

23 ->· Jn der 24 sei in der dy (413,5) gnad ist dy ist lawter vnd 25 rain vnd ist got am gleichisten. 26 27 28 29

30 31 32 33 34

-*· wan als das dem vater gevallen sol oder vns zw nutz vnd hail chömen sol das [l 757 mues im gevallen in seim sun vnd awsser im gevellt im nichts fffT wan

Von der sei wirdichait vnd aigenschafft

Parallelen und Vorlagen

Me2,

479

f. 303*

. vnd das wir das hawbt der sei also awff heben vnd vns samen in dy weit vnd prait sölher chrafft vnd tugent der sei da von oben nach ein ander gesagt ist [...] Das verleich vns got [...] Me2,

f. 315va (= DW II Nr. 38 = Par. an. Nr. 4 = SIEVERS Nr. II)

Hie möcht mich ettwer fragen Maister war vmb vasten wir [...] Awff das spricht sand A u g e n s t i n da ist dy tzeit der voll da nymer tzeit ist [...315vh...] wann so sich dy purd an hebt so ist nat das alle tzeit ab sey dy von ir vnd der creatur vasst gehintert wirt l...316ra...J

2 3 4 5 6 7 s 9 10 n 12

Jn got ist volchömne chrafft vnd würcht in seim pern n seinn gleich vnd als das er an gwalt an warhait vnd 14 an weishait ist das pert er gantz in dy sei. 15 Dar vmb ward nye nichts got als gleich geparn als dy sei in der purd wirt als vil er von 10 irn prechen nicht gehintert wirt. Got würcht dy gepurd selber vnd des engels werch n sind sein dienst, wan got ist dar vmb got das an im zw hilff chain creatur hangt. Dar s vmb ist das mynnist werch der gnaden vill höher dann all engel in der natur von dem 19 spricht sand A u g e n s t i n das ist ein werch der gnaden da got einn sünter zw puezz 20 chert vnd grosser dann ob er ein newe weit peschiieff. wann der gnad ist als leicht 21 himel vnd erden vmb zechern als mir ein apphel in meiner hant ist vmb zechern. 22 Jn der 23 sei in der dy gnad ist dy ist von irr rainn 24 lawtrichait got am gleichisten. 25 Das werch das der engel in got hat ist so hach das es chain maister noch syn pegreif- 20 fen mag. wann da dy gnad enspringt da ist ein prunn da der vater seinn ain parn sun 2? aws pert. Es ist auch ein anderer prun da dy creatur aws got fliezzen der ist aber so 28 verre von dem prunn dar aws dy gnad enspringt als der himel von der erden ist. 29 wann 30 als das dem vater gevallen sol 31 das 32 mues [316rh] im in seim sun gevalln vnd 33 awzzer im gevalt im nichts. 34

l Die folgenden Worte entstammen der Schlußwendung der langen Textfolge, die in Me2, f. 297* mit dem Incipit >Der Herr i he s us spricht im ewangeli luce xxj". Hebt awff ewer hawbt< beginnt und dort als >Ein andre predig vom gericht Maister Ekcharts von paris< angekündigt wird. Das Exzerpt hier schließt an die Auszüge an, die Peuger S. 399,6-401,11 verwendete (s. dort). 6 Analyse des Me2-Textes bei QUINT, DW II, S. 224, wo die Exzerpte in Me3 übersehen sind.

480

Von der sei wirdichait vnd aigenschafft

9

10 11 12 13 H is 16 n 18 19 20 21 22 23 24

das ist der adel den got in dy sei phi | antzt hat das sy ein sllige natur hat vnd dy gnad von got enphahen (413,10) mag vnd das in [der] * gnad das Hecht gö | tleicher lawtrichait in der sei scheinn mag vnd das wart in der driualtichait in der vernufft sprechen mag vnd das daz leben der ewichait in ir würchen mag. Dy lerer sprechen dy sei ist ein awff tra | gunde chrafft in dem gwalt des vaters vnd ein wider plikchunder schein in der weishait des suns (413,15) vnd ein rüerunder vmb lawff in der süezzichait des heiligen geists. Au | ch spricht sand A u g e n s t i n dy sei ist

Parallelen und Vorlagen

481

(DWIII Pr. 68 = PF. Pr. 69, S. 222,6-21) Sand pernhart spricht das der himel vom awgen erchannt wirt vnd nicht vom fuezz das macht dazz awg dem himel gleiher ist dann der fues. Also ist es vmb dy sei sol sy got erchennen so mues sy himlischs wem. wann inn himel mag nichts frömts chömen noch peinleichs in in gedrukcht wem. Also sol dy sei in sich nichts trukchen lazzen das sy irer gnaden entsetzen müg. Der himel ist der erden vmb vnd vmb gleich verr also sol dy sei allen tzeitleichen dingen gleich verr sein also das sy ainer nicht nahenter sey dann der ändern. Der himel ist auch lawter vnd an alle mail also sol auch dy sei rain vnd lawter von allen sünten sein dar in got sol pam wem. fTff

i 2 3 4 5 6 7 s 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24

l Analyse und Abdruck des Me2-Fragments aus Pr. 68 in DW III, S. 138. 17 Die Passage S. 478,30-480,17 steht auch in Me8, f. 214V im Anschluß an S. 473,27-175,14: wann als das dem voter von vns gevallen sol oder vns zw nutz vnd hail chömen sol das mues im in seim sun gevallen vnd awsser im gevellt im nichts, wann das ist der adel den got in dy sei phlants hat das sy ein sälige natur hat dar inn sy von got gnad enphahen mag vnd das daz Hecht götleicher lawtrichait in sy scheinn mag vnd das got das ewig leben in ir würchen mag. Hierauf folgt in Me8 Z. 23^184,9. 18 Die folgenden Exzerpte (S. 480,17^85,16) entstammen dem zweiten Teil des Textes JOSTES Nr. 54, dessen Schluß (S. 485,14-16) an den Beginn der Exzerpte (S. 480,17-23) gestellt ist. Eine Zusammenstellung der Überlieferung in JOSTES/RUH S. 210. Dort zu ergänzen ist das Fragment in Melk cod. 183 (Me4), f. \':got flewst. Wan der gaist.... = JOSTES, S. 56,39ff. Im Inhaltverzeichnis von cod. 183 führt Peuger als ersten Text eine >Frag von der sel< auf. Die ersten Blätter, die herausgerissen wurden, müssen also JOSTES, S. 56, l-39 enthalten haben. Vgl.die Handschriftenbeschreibung von cod. 183. Hier wird nur der in Me4 erhaltene Text (ab 485,2) wiedergegeben. 23 Daß Peuger über eine vollständige Fassung von JOSTES Nr. 54 verfügte, beweisen die Exzerpte in Me8, f. 214v-215r (S. 480,23^84,9 = JOSTES, S.56,7ff.; im Anschluß an S. 478,30-480,17): Da von sand Augenstin spricht, dy sei ist chömen von dem himlischen lannt aws dem vaterleichen götleichen hertzen vnd ist gemacht von der lieb gots vnd ist parn vom hohem geslacht der heiligen driualtichait vnd ist ein erib des himels vnd ein pieterinn aller creatur vnd ein pesitzerinn aller der frewden dy got in seiner ewichait geben mag. wann sy ist ein pild gots vnd ist dy ediist creatur der got ye gedacht, wann got graiff tzwischen der gothait vnd der götleichen natur in sein selbs wesen vnd macht dy sei von [215r] nichte als er himel vnd erden von nichte gemacht hat $ vnd wann man fragt wie gras dy sei sey so sol man wissen das ir grözz weder himel noch erden nicht

482

1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 H is 16 i? is 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35

Von der sei wirdichait vnd aigenschaffi

chömen von dem himlischen lannt aws dem välerleichen götleichen hertzen vnd ist gemacht von götleicher lieb vnd ist parn von nahem geslicht der heiligen driualtichait. vnd ist ein erib des himels. vnd ist ein gepieterinn (413,20) aller creatur vnd ein pesitzerinn aller der frewden dy got geben mag in seiner ewichait. wann sy ist ein pild gots vnd ist dy ediist creatur dy got ye gedacht hat. wann got graiff tzwi | sehen der gothait vnd der götleichen natur in sein ewigs wesen vnd macht dy [115V] sei von nichte als er himel vnd erden von nichte hat gemacht vnd alle (413,25) ding . vnd wann man fragt wie gras die sei sey so sol man wissen das ir gr | özz himel vnd erden nicht erfüllen mag dann got selber den dy himel aller himel nicht pegreiffen mü gen. Dar vmb wer dy sei mezzen well der mezz sy nach got. sy ist auch als schön dy weil sy in gna | den gots ist vnd sich mit sünten nicht (413^0) vngestalt macht ob dy obr | isten engel s e r a p h i n n vnd C h e r u b i n n vnd all heiligen ewichleich petracht nieten nach irer gestalt vnd gleichnus so möchten sis nicht ervarn wann sy ist gots pild. vnd nach dem le | ben der tzeit flewst sy wider in irn natürleichen vrsprung von dann sy geflozzen ist. vnd ye lediger sy sich gehalten [hat] * vor tzeitleichen (413,35) pilden vnd creaturn so sy ye gleiher wider

Parallelen und Vorlagen

483

[Textverlust in cod. 183; vgl. S. 481, zu Z. 18 und 23]

i 2 3 4 5 6 7 8 9 10 II 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35

erfüllen mag dann got den dy himel aller himel nicht pegreiffen miigen. vnd wer sy messen well der mezz sy nach got. Sy ist auch so schön dy weil sy in gnaden gots stet vnd sich mit sünten nicht vngestalt macht ob dy obristen engel Seraphin vnd cherubin mit allen heiligen ewichleich petrachten taten nach irer gestalt vnd gleichnus so möchten sis nicht ervarn wann sy ist gots pild. vnd nach dem leben flewst sy wider in irn natürleichen vrsprung von dann sy geflogen ist. vnd ye lediger sy sich vor den pilden der creatur gehalten hat so sy ye gleicher wider in got flewst. wann der geist gots ist plas vnd ledig aller materi pild vnd form. Dar vmb wil dy sei dem plassen geist gots gleich wem so mues sy plas vnd ledig wem als merkchens vnd prüefens der synnlichait vnd ein abschaiden aller ding dy nicht got sind. Hierauf folgt in Me8 S. 484,34-489,1.

484

2 3 4 5 6 7 s 9 10 11 12 13

in got flewst. wann der geist gots ist plas vnd ledig aller materi pild vnd form. Dar vmb wil dy sei dem plazzen geist gots gleich wem so mues sy plas vnd ledig wem [l 167 als gemerkchs vnd priiefens der synnleichait vnd ein abschaiden aller ding dy nicht got sind, vnd das sölhe plözz vnd ledichait allen geisten nicht erchannt ist das (414,1) ist allain schuld vnsers vnerchanten lebens vnd vnser vngevbten synn.

14 15 16

17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34

.wann als

Von der sei wirdichait vnd aigenschafft

Parallelen und Vorlagen

Me4,

485

f. l r (= JOSTES Nr. 54, S. 56,39ff. [Fragment])

got flewst. Wan der gaist gots ist plos vnd ainvaltig vnd ist an matery vnd an pild vnd form, well wir nw gleich werden dem plazzen gaist so müezz wir plas werden als gemerkchs vnd priiefens vnd sinnleichait. das ist ein abschaidung aller ding das got nicht ist. Die plozz ist allen gaisten nicht pechannt. das ist nyembts schuld dan vnsers vnerchanten lebens vnd vnser vngevbten synn. Ein ander maister sprach die sei ist ein aufftragunde chraft in dem gewalt des vaters vnd ein wider plikchunder schein in der weishait des suns vnd ein nierunder vmblauff in der suzzichait des heiligen gaists etc. Me4,

f. 42V (= >Von den sechs Übungem)

2 3 4 5 6 7 s 9 10 12 13 14 15 10 n

Von n a h e r v o l c h o m e n h a i t des l e b e n s WEr da chomen well zw der hahen ig volchomenhait vnd zw der anschawung des öbristen gruntlasen guets das got selber ist 19 der mues haben ein erchennen seins selbers vnd der ding die ob im sind. Nw sind 20 sechs ding die eim ysleichen menschen gar nutz sind ze wissen, das erst ist das sich 21 der mensch selber lern erchennen. das ander das er sey mit fürsichtichait ein inwaner 22 sein selbs. das dritt ist [43r] das er sein selbers gwaltig sey. das vierd das er vast 23 wachs vnd z& nem an götleichen dingen, das fünfft das er wol in götleicher lieb 24 ertzünt werd. das sechst das er mit dem höchsten Hecht erlewcht werd als vil es in 25 diser zeit mügleich ist $ Das erst ist das sich der mensch schol selber erchennen. vnd 20 das schol man da pey merkchen ob die ynnern synn vnd die ynner chreft der sei vnd 2? die awzzern sinn an ir stat wol geardent sein. [...44r...j $ Die ander vbung ist das der 28 mensch sey ein inn/447waner sein selbs vnd ein vermögen hab zw allen dingen die 29 pey im vnd mit im sein. [...] Auch schol sich der mensch fleizzen das er all sein vbung 30 mit fürsichtichait an sech. vnd in allen dingen pleib der mensch allain in dem sind 31 gestilt all creatur. wan in eins solhen menschen hertz gepirt der himlisch vater sein ain 32 parn sun vnsern herren J h e s u m C h r i s t u m 33 34

17 Die folgenden Sätze entstammen dem Traktat >Von den sechs Übungen Da von auch sand p au l s spricht von der tzeit vnd sich das ewig wart in meiner sei offenbart da lebt ich dem fleischs noch dem (414,10) pluet nicht mer.

23

24 -> wann als vil dy sei ir 25 selbs ledig ist als vil ist sy auch ir 26 selbs aigen vnd gwaltig. 27 28 29 30

31 32 33 34 35 36 37 38 39 40 4l 42 43

->· Dy trew vnd liebhabung (!) sei dy tuet als die pein dy von manigerlay pluem dy süezz aws tzewcht da von sy honig macht. Also nymbt dy sei von allen pluemen der tugenten von yeder ettwas [116V] da von sy pessert vnd gesterkcht (414,15) wirt

Parallelen und Vorlagen

487

3

Als [457 sand A u g e n s t i n spricht da als 4 das in mir swaig das in mir was 5 da sprach got ein Stils wart in meiner 6 sei das verstuend nyembt dan ich. 7 vnd zw welher sei das wart gesprochen s wirt die vergist aller pild vnd aller 9 form. Aller erst so wirt der mensch ein 10 in waner. n r ?T Die dritt vbung schol sein das der mensch sein selbers gwaltig wert [...46 ...] vnd 12 wan der mensch das ernstleich an siecht vnd merkcht so wirt er gesterkcht vnd sein 13 selbs gwaltig [46V] zw aller gueten vbung der er eine nicht lät nach seiner macht, vnd 14 das tet F r a n c i s c u s zw allen den vbung vnd er von lieb ermant wart der lies er 15 chaine vnterwegen als vil im mügleich ze tuen was. Dar vmb warden im die fünff 10 zaichen der wunten J h e s u c h r i s t i ein trukcht. 17 Dar vber spricht sand p au l s is von der zeit vnd sich das ewig 19 wart in mir offenbart da lebt 20 ich nymer dem fleisch noch dem 21 pluet. 22 wan gemainchleich all lerer dar auff raten vnd weisen das der mensch sein selbers 23 ledig sey. wan als vil der mensch sein 24 selbers ledig ist als vil ist er auch sein 25 r selbs aigen vnd gev/a\[47 ]ug. 20 fT Die vierd vbung schol sein das der mensch vast wachs vnd z& nem in götleichen 27 dingen, das ist das sich der mensch huet das er sich an chain dingen pöser. vnd aws 28 allen dingen das pest nem vnd in guet trag, wan das ist vichleich das sich der mensch 29 pöser ding ergert. vnd das ist tewflisch wan sich der mensch gueter ding ergert. 30 Nw schol 3i der mensch tuen als die pein tuet 32 die da flewgt von ainer pluem auff die ander 33 vnd dar aws das pest nymbt vnd sawgt da von sy hönig 34 macht. Also schol der mensch lernen das er von ändern 35 menschen die pesten tugent nem vnd mit ernst 36 darnach [47'7 stee auff das er sy als 37 r aigenleich pegreiff als der sy nw hat. [...48 ...J $ Die fünft vbung ist das der mensch 38 ertzünt werd in götleicher lieb [...48V...J Nw schol der mensch erchennen das sein 39 pegerung nichts erfüllen mag dan allain got. vnd das ist dar vmb das got ein guet ist in 40 dem als guet ist. wan alle creatur ist nicht anders dan ein fuezz schamel der heiligen 41 driualtichait. vnd als das guet das in aller creatur gesein mag das vint die sei in got mit 42 vn[er]*sch§tzleichem lust vnd frewden. vnd das erchennen ertzünt den menschen in 43

488

4 s e 7 9 10 11 12 B 14 is 16 n is 19

Von der sei wirdichait vnd aigenschaffi

. vnd das ist ir gar nat wann sy hat grasser veint drey das fleisch dy weit vnd der tewfel dy an ein ander hangen als drey cherssen an irn stingeln. vnd vnter den drein veinten ist der leichnam der swärist dar in dy sei als in einn charcher gesetzt ist. Nicht das sy sein pöse pegier volpring [sunder wider stee] * vnd in dem (414,20) wider sten tägleich den lan im himel mer vnd hie dy in gössen lieb. Dar vmb spricht s e n i c a der haidnischs maister . Es ist dem menschen nichts als seh | edieich als er selber, wann der tod ist gesetzt zw dem in gang des lusts poser pegier. vnd aws dem

Parallelen und Vorlagen

489

götleicher lieb, wildw wizzen [49r] ob dw got recht lieb habst oder nicht das scholtu an sechs stukchen merkchen. [...] i

W l l , f. 166V

3

Dar vmb wo ir seit in gegenwürtichait der weib da pewert ewer gesicht als einn sundern schätz awff das ewer hertz das geschos des teufels noch dy pegier des fleischs noch dy weit mit irm ertzaigen nicht verwunt. wann dy drey sind vnser tägleich veint vnd der grösst ist vnser leichnam.

4 5 6 7 s 9 10 11 12 13 14

Als Seneca spricht dem menschen ist nichts als schad als er selber. Dar vmb als vil ir der weit gleich seit vnd mit gestalt gevallen möcht als vil süllt ir ewch mit fleizz hüetten [das ir euch] * chainn solhen haimleichen trast lasst z& sleihen.

15 10 17 is 19

19 Zur Bedeutung des Textes von W11, siehe Teil I, S. 304ff. 2 Me8, f. 215r, bietet im Anschluß an S. 480,23^84,9 Exzerpte aus 484,31^89,1: wann als das guet das in aller creatur sein mag das vintt dy sei in got mit vnschatzleichem lust grasser frewden. Da von sand Augenstin sricht da als das in mir swaig das in mir was da sprach got ein stills wart in meiner sei das verstuend nyemt dann ich. vnd zw welker sei das wart gesprochen win dy vergisst aller pild vnd form vnd wirt ein inwanerinn mit got. Da von auch sand p au l s spricht .von der tzeit vnd sich das ewig wart in meiner sei offenbart da lebt ich dem fleisch vnd dem pluet nicht mer. wann als vil dy sei ir selbs ledig ist als vil ist sy auch ir selbs aigen gwaltig. Dy trew vnd liebhabund sei tuet als dy pein dy von manigerlay pluemen dy süezz aws tzewcht da von sy hönig macht also nymt dy sei von einer [yeden] * tugent ettwas da von sy pessert wirt. wann sy erchennt das der Herr nwr dy Main guets erfüllt dy nichts anders pegem dann sein. Ohne noch einmal auf Traktat III zurückzugreifen schließt Peuger die Exzerpte in Me8 nun mit einem Stück, das QUINT DW V, S. 464f. abdruckte, ohne zu erkennen, daß es sich dabei um einen Auszug des >Buchs der Liebkosung< handelt. Vgl. Melk, cod. 856, f. 203-215V. Die folgende Passage ist so in keiner weiteren Melker Peugerhs. zu identifizieren. Die Vorstellung von den drei Feinden der Seele ist weit verbreitet und findet sich beispielsweise auch in einer Predigt des Nikolaus von Dinkelsbühl. Dort wird zum Thema Was anweigung sey, Me l f. 96 ausgeführt: Zwm vierden mal sol man wissen das vnser sei drey veint hat. Das ist der leichnam dy weit vnd der tewfel [...] Auf diese Formulierung hat Peuger nicht zurückgegriffen. Er wird eher eine Vorlage verwendet haben, die er auch für einen Traktat benutzte, der in W11, f. 155V-167V überliefert ist. Ich teile die entsprechende Passage im Text mit, obwohl sie nicht als Peugers Vorlage für unseren Traktat, sondern als weitere Bearbeitung dieser Vorlage zu gelten hat.

490

\ 2 3 4 5 6 7 s 9 10 11 12 n H is 16 n is 19 20 21 22 23 24

Von der sei wirdichait vnd aigenschafft

nach volgen pöser pegier chömen dy weg dy vns recht tzimen der entt (414,25) ettwann senkchen in dy tieff der hell, vnd dar vmb wann dy sei dy ein fraw des leichnams ist seiner pösen pegier nach hengt vnd im dy sünt nicht wert so vellt sy in schuld vnd mues got dar vmb ge | nueg tuen hie oder dort. Vnd awff das dem gericht gots dy nicht en | phliehen miigen dy ir sei mit sünten tötten vnd (414,30) in flei schleichen lösten enten so spricht er im weis | sagen [117r] Amos Jr süllt wissen das mein tzarn vber euch gen wirt als der charren der vor sw&r chra | chen mues. vnd vor dem tzarn mag der snell nicht enphliehen no | ch der starkch mag sein mit seiner chrafft nicht vbrig wem noch der gwaltig mag es von im nicht schieben, wann wie (414,35) schön wie starkch vnd wie gwaltig der man ist so enphlewcht er mir nicht

25

26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36 37 38 39 40 41 42 43

fffT Vnd dar vmb das dy sei zw so gar nahen wirdigen himlischen dingen peschaffen ist so hat maister E k c h a r t von par i s am entt der ob gesagten ding dy aws seiner geschrifft geno | men seinn ein gepet gesetzt vnd spricht . Ein gepet. O haher reichtumb götleicher natur tzaig mir dein weg dy dw (415,1) in deiner weishait ge | arnt hast vnd offen mir den gar chöstleichen schätz dar z& dw mich gerüefft hast, vernüftichleichen zw versten vber alle creatur lieb ze haben mit den engein [vnd] * zw gepraw | hen mit deim ainparn sun vnserm herren i h e s u c h r i s t o [zw erben] * Dich zw (415,5) enphahen nach deiner ewigen weishait. mich in deiner hilff vor allem vbel zw en l thalten.

Parallelen und Vorlagen

491

2 3 4 5 6 7 8 9 10 II 12 13 14 15 16 17 18 19 20 2l 22 23 24

Me2, f. 319va (Gebet Eckharts)

25

wann seit dy sei zw so haben himlischen dingen peschaffen ist so

20 27 28 29 30

pitt ich vnd sprich

31 32

O naher reichtumb götleicher natur tzaig mir dein weg dy dw in deiner weishait [319vb] gearnt hast vnd offenbar mir den haben schätz deins reichtumbs dar zw dw mich gerüefft hast, vernüftichleichen zw versten vber alle creatur lieb ze haben mit den engein, zw geprawhen mit deim ainparn sun. dich zw enphahen nach deiner ewigen weishait. mich zw enthalten vor allem vbel in deim gwalt.

33 34 35 30 37 38 39 40 41 42 43

492

1 2 3 4 5 6 7 s 9 10 11 12 is 14 is 16 n is 19 20 21 22 23 24 25 26 27

Von der sei wirdichait vnd aigenschafft

wann dw hast mich erhaben vber alle creatur vnd hast mir in ge | drukcht [117V] das Jnsigel deins ewigen pilts vnd hast mein sei aller creatur vnpegreifleich gemacht vnd hast dir nichts gleichers gemacht dann den menschen nach der sei. so lern mich (415,10) also ze halten das ich dein nymer an sey vnd das dw deins liepleich | en in fliessunden werchs in mir nymer gehintert werst. vnd mich auch zw chaim awssem lust an dich nymer geh noch mich mit meinn gedankchen mit chainer creatur mer pechumer dann mit dir. Herr dw pist ein geist der aller creatur vnpegreifleich ist vnd vergeist dy (415,15) sei das sy in irm gei | stleichen aigen vber alle creatur ge | arnt ist awff das sy dir ewige we | ishait müg nach deim götleichen willen genueg sein vnd in gnaden von allen intzogen vngearnten pil | den erledigt werd. wann dw hast dir selber dy sei natürleich geaig | ent vnd gleich geamt dar vmb pe | halt sy das in ir nichts müg stat (415,20) ha | ben dann dw allain

Parallelen und Vorlagen

493

wann dw hast mich vber alle creatur erhaben vnd hast mir in gedrukcht das Jnsidel (!) deins ewigen pilts vnd hast mein sei aller creatur vnpegreifleich gemacht

2 3 4 s 6 7 8 9 10 II 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27

5 Die folgenden Zeilen ließen sich in den Melker Hss. nicht nachweisen; wohl weil Peuger sie in seiner Abschrift Me2 kürzte. Vgl. die Beschreibung von cod. 705, zu f. 319va (= Nr. 77).

494

4 5 6 7 8 9 10 11 12 n 14 is 16 i? ig 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28

-> O dar vmb almS | chtiger got vnd parmhertziger scheppher vnd güetiger Herr erparm dich vber mich sünter. vnd hilff mir das ich alle hinter huet vberwinten müg vnd ir ansuehung vnd schedleich lüsst . vnd das ich volchömenleichen vermei | den müg in gedankchen vnd in wer | chen [lI8r] was dw verpewts vnd gib mir (415,25) ze tuen vnd ze halten als das dw poten hast . vnd hilff mir ze glauben ze hoffen vnd lieb ze haben vnd in aller weis ze leben -»· als dw wild vnd waist vnd wie vil dw wild vnd was dw wild. Herr ver | leich mir dy rew der diemuetichait vnd ein peschaiden abprechen fleischl eicher töttung vnd dich lieb ze haben ze loben vnd zw petrachten. vnd zw eim (415,30) yeden werch vnd gedankchen dy nach dir sind verleich mir ein rains mSssigs vnd andachtigs warhaffts gemüet vnd ein würchleiche er | chantnus deiner gepot vnd dar zw lieb vnd lust vnd leicht zw volpringen . herr verleich mir albeg ein diemue | tigs

Von der sei wirdichait vnd aigenschaffi

Parallelen und Vorlagen

cod. 1001

495

(762/-), f. ~ und Me5, f. 81rl^va Anselm von Canterbury, Oratio l Zw got dem vater

O AI mächtiger got vnd parmhertziger schepher vnd güetiger herr erparm dich vber mich sünter. vnd hilff mir das ich mich huet vnd vber winten müg // 7 alle hinter huet vnd versuechung vnd schedleich wollust vnd das ich volchomleich vermeid mit gedankchen vnd mit werchen was dw verpewtz vnd gib mir ze tuen vnd ze pehalten als das dw poten hast. vnd hülff mir ze glawben vnd ze hoffen vnd liebhaben vnd also leben in aller der weis als dw wild vnd waist vnd wie vil dw wild vnd als dw wild vnd waist, verleich mir die rew der güetichait vnd der diemuetichait vnd ein peschaiden ab prechung vnd töttung des fleischs vnd dich lieb ze haben vnd ze pitten vnd loben vnd ze petrachten. vnd zw einem Jsleichen werich vnd gedankchen der nach dir ist verleich mir ein rains mäzzigs vnd ein andächtigs warhafts gmiiet vnd ein [81va Me5] wurchleiche erchantnüzz deiner pot vnd dar zw lieb vnd lustichait vnd leicht ze volpringen. Herr verleich mir albeg mit tiemütichait

l In den Hss. Me5 (cod. 235/639/L67) und cod. 1001 (762/-) sind die folgenden Zeilen f. 81*~ 3 bzw. l r ~ v als erster Text der >Orationes et Meditationes AnshelmU wiedergegeben, cod. 1389 (72/B37) bietet ebenfalls zwei dieser >MeditationesO du christenleiche sel< (= Meditatio 3). Das Gebet fehlt dort. Der Text wird hier nach cod. 1001 wiedergegeben, da dieser (aus dem Jahr 1414) die ursprünglichste Form bietet; die Lesarten von Me5 werden im Apparat mitgeteilt. Der Vergleich der drei Texte zeigt, daß Peuger bei der Kompilation des Traktats auf Me5 zurückgriff, dem auch die Exzerpte aus >Von Abegescheidenheit< stemmatisch nahe stehen. 7 f. mich huet vnd fehlt Me5 9 lüsst Me5 10 vermeiden müg Me5 11 mit/in Me5 mit/in Me5 12 mir/mich Me5 15 lieb ze haben Me5 also ... weis / in aller weis ze leben Me5 17 vnd waist fehlt Me5 19 abprechen Me5 21 vnd ze pitten fehlt Me5 ze loben Me5 22 Jsleichen/yeden Me5 27 lust Me5

2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 H is ie n is 19 20 21 22 23 24 25 20 2? 28

496

2 3 4 5 6 7 s 9 10 n 12 13 14

zw nemen zw pessern dingen vnd nymer ein ab nemen O mein Herr ver | heng (415,35) mir nicht das ich mich verlazz awff mein aigne chrafft noch awff menschleiche vngewishait vnd ch | rankchait nach meim verdienn sunder allain nach deiner güetigen schikchung . vnd dar vmb herr schikch mich in guet selber vnd mein gedankchen vnd alle meine werch in dein gevallen. Also das von mein selbs wegen in mir vnd von mir albeg dein willen geschech vnd erlöst werd von allem vbel vnd (416,1) pracht werd zw dem ewigen leben

15 16 17

is 19 20 21 22

. Da dw driueltig in den persan pist [lI8V] vnd ainig im wesen gotleicher natur . das ist vater sun heiliger geist vnd ewichleich gesegenter almächtiger got A m e n .

Parallelen und Vorlagen

497

z& nemung vnd ze chomen zw pezzern dingen vnd das ich nymmer werd abnemen Herr verheng nicht das ich mich verlazz auff mein aigne chraft vnd menschleiche vngwishait vnd chrankchait nach meinem verdienn sunder nach chainer ändern wan nach deiner guetigen Schickung. Sunder dw selber schikch in güet mich vnd mein gedänkch vnd meine werich in dein wolgevallen. Also das von mein selbs wegen in mir vnd von mir albeg dein will geschech. vnd erlös mich von allem vbel vnd pring mich zw dem ewigen leben Amen.

9 10 11 12 13 14

Me2, f. 319vb (unmittelbar anschließend an S. 493,5)

\s

Der dw lebst vnd herscht vber alle ding mit dem sun vnd mit dem heiligen geist got triueltigen in den persan vnd ainig im wesen der natur

ie n ig 19

2 3 4 5 6 7

20 2l

Amen.

l f. ze chomen ... abnemen / zw pessern dingen ze chomen vnd nymer abnem Me5 4 vnd /vnd awffMe5 6 nach ... wan / allain Me5 8 Sunder dw/vnd dw herr Me5 9 gedankchen Me5 10 gevallen Me5 22 Hierauf folgen in Me2 nach großem roten Caputzeichen unmittelbar die Predigten awsser der suntag: Nw heben sich hie an die predig awsser der suntag. Des ersten an sand Michels tag von der ergernüzz (= MADRE, S. 257 Nr. 2). Das heißt, daß Peuger wohl eine Vorlage verwendet hat, die Jahrespredigten Eckharts enthielt. Am Ende dieser Jahrespredigten stand Eckharts Gebet.

22

Anhang

1.

Reimpaarreden Lienhart Peugers

1.1

>Von chlagen der sunten leben< (Cod. 808, f. 109r-l 13V)

5

10

15

20

25

Jesus, maria. O Süezzer nam i h e s u c h r i s t dar nach maria der pest ist hört mein stym vernembt mein chlagen das ich tue pey iungen tagen Jn dem sich mein leben hat vertzert vnd sich ewigs frumbs gewert Als mich mein liebe mueter gepar vntz auff tzway vnd tzwaintzig iar mein tag vergangen warn Jn maniger sünt vmb varn da ward ich auff mich sehen vnd vand mich in sölhem spehen das mir pein vnd vorcht pracht Jn meins hertzen vnmacht das ich zw trawern wart tragen mit wainn in haizzem chlagen vnd sprach o vater der parmhertzichait merkch auff mein sendleich laid vnd auff hertzenleich swär Jn dem ich pin gnaden llr vnd ein vas der sünten vol das ich pilleich tragen schol zw dem prunn deiner güetichait das ich rainigung vind der lait Als maniger aws deiner schar chind Ablas aller sünten da nymbt vnd in die hant der puezz vmb vacht die in nicht verrer verlat dan dw waist sein macht zw tragen

18 ch über der Zeile nachgetragen.

502

Anhang l

30

35

40

45

50

55

60

65

pey iungen vnd pey alten tagen O herr got der gnaden vol dar vmb ich dich an rueffen sol Chumb zw staten der puezze mein vnd slews mich in die wunten dein [109V] vnd pegews mich mit deinem pluet Jn dem ich vast werd pehuet vor der schar hellischer huntt die auff mich eiln zw aller stunt Mich zw ziehen in die not vnd zw dem slag des ewigen tod da vor dw mich pewar Jn der sterkch der engel schar vnd in der zier der iunchfrawn chran Maria ich dich da pey man das dw seist mein starkche vest vnd meiner zw flucht rue vnd resst vnd altzeit mein peschirmerin seist dar inn ich werd vnterweist vnd gesterkcht in dem rechten weg vnd nicht vall ab dem Steg der da get in das haimleich wesen da all gerecht inn genesen vnd furpas nicht gelaidigt werden O maria das ich des nicht werd enpern durch meiner sunten gang den ich pin gelawffen lang wider dich vnd meinn scheppher vnd aller weit erloser gnad herr gnad fraw Sprengt mich mit. dem muten taw des heiligen gaists süezzichait der mich gnadenreichen perait zw richterscheften (!) dem heiligen arden dem ich pin z& gefüegt warden zw eim oppher dem gestarben am chrewtz er vns hat erwarben. [110r] Frid suen vnd ewige gnad

60 mitten über getilgtem suezzen. Grund für die Änderung durch Peugers Hand: süezzichait in der folgenden Zeile.

Reimpaarreden

70

75

80

85

90

95

100

105

503

vnd den has der vns an lag Gegen dem vater vmb vnser misstat vnd vmb die vngeharsam der tat hat er als zw sälden pracht der vnser in vbel nye gedacht vnd der iunchfrawn also da der namen haist maria die vns suezzichleich gepar des dw wol macht nemen war pey irr er vnd grazzen macht die ir der scheppher geben hat Jn dem vnser zw flucht ist gemert vnd slid vnd gnad zw vns chert Jn dem tal des wainn vnd chlagen da wir mit iamer werden geslagen von vnsern veinten die sich memt vnd tag vnd nacht auff vns chernt Jrn valschen sin irn vntrewn wan da wider nyembt mag noch chan Er sey dan pegabt mit himlischem hail vnd hab die z& flucht marie an mail So mag er sich trösten wol Tiemutichleichen als er schol vnd hab huet vnd vorcht da neben So tuet er sein veinten widerstreben vnd mag pehalten die chran der ern da von vns tuet sand p a u l s lern Nyembt wirt chrönt nach disem eilend Er vecht dan ritterleich vntz an das end Auch tuet c h r i s o s t o m u s pechant der hat sein streit nicht verrannt Ob er velt vnd stet paid auff vnd hab wider den gegen lawff den er vor gefiiert hat [IJO'J wider die dy valschen rat habent tragen vmb sein chraft da mit er ward legerhaft das ist ein trast der vechter schar Ob er velt vnd wider tar Sein swert mit ernst erheben vnd tuet seinen veinten widerstreben

504

Anhang l

110

115

120

125

130

135

140

145

Ritterleichen als er schol dem fliegt die chran der ern wol Als sand i e r o n i m u s spricht Er tuet wol das er sich rieht An seinen veinten vnpechannt die da chomen aws helle pannt zw petriegen die rechten schar da pey er ir mag nemen war vnd sich in rechter huet Jn gots trast phlegen tuet Als ein rechter man schol tuen der wil haben frid vnd suen Jn seins heim huld vnd gnad vnd in dem lan seiner muten gab die man im in er z& füegen sol wan er tuet nicht wol der seim herren die er stilt vnd auff sein swache chrankchait hilt O herr das eher von mir dein lieb das ich nicht tue als ein dieb der seim herren das sein vntrewt vnd in tägleich zw zam vernewt Als die tuen die dir vnwerd Chamen in den arden verd Oder aber vor vnd nach habent treten in des tewfels gach [11 ] vnd irm glüb wider streben vnd fleischleichen lüssten leben vnd nach irer ee nicht stenn lawffen wandern vnd genn Sunder nach dem was in gevelt Sind sy mandleich als die held die mit willen lawffen dar An der verderbleichen schar vnd furchten nicht der czw chumft pein Noch den scharffen zarn dein der sy ab sneitt von dem leben vnd dem ewigen töd zw geben das eher von vns dein parmhertzichait vnd maria die rain maid werd vns zw hilff geben

Reimpaarreden

150

155

160

165

170

175

180

185

190

505

Jn vnserm s wachen chrankchen leben die vns füer die vns weis Zw ritterscheften mit gantzem fleizz dar vmb dw her füererin vnd dw starkche hawbtmanninn Schaw nymb war wer ich sey vnd sent mir dein hilff da pey Jch eher mich her oder hin Nach dem als ich dein pin Jch sey pos oder guet Sleus mich in dein huet dar in ich weishait lern vnd den dienst des rechten ehern der nicht chleiben nymbt noch geit Noch dem ander vnflat an leit Als das vnrecht ist genannt das die veint geben von ir hannt Allen irn dienern {l l ] minnern vnd merern Als sis ze samb pringen vnd in vnglükch vber ein ander dringen O fraw da vor dw mich erner vnd laitt mich in das recht her vnd in die schuel deiner chind da pey ich gnad vind vnd lern vechten da pey vnd deiner ritter ainer sey dem dw sterkch scholt geben vnd in mandleich an legen das chlaid das dir gevelchleich ist Jn aller zeit zw aller frist wan dw pist mein fraw genannt Nach dem als ich dich erchannt Ein vas der vollen gnaden das mit wollust ist vber laden vnd mit parmhertzichait vmb geben dem ich nicht lenger mocht widerstreben Nach dem als ich perürt wart Jn der weit süntleich vart mit dem guzz der gnaden schein dar aws ich muesst schrein

506

Anhang l

195

200

205

210

215

220

225

230

Als ainer der da wunder nymbt vnd alle ding gamleich tzimbt vnd sein selbers vergezzen hat vnd wais nicht wer in pracht hat Auff den weg frömder ding vnd in vngewöndleich synn O fraw da neben tuestu schawen vnd lustsame ding ze pawen Jn dem er pehawst wirt vnd fruchtpare ding pirt [112r] die dw von im pegerst vnd der sSlden hawffen merst vnd speist in mit newer mazz da pey er wirt ein ablazz von dem leger der vnsawbrichait O maria raine maid Als dw mich auch ermannt da ich was in dem frömden lant vnd spracht mir in als dw wolt ob dw mir scholts werden holt so muesst ich mich vmb ehern vnd ein andre weis lern dan ich mich versach in guet da ich was in des veints huet vnd west nicht selber wer ich was vnd trueg dir vnd deim chind has das tett dw mir nicht lenger vertragen oder dw wolts mich in die puezz iagen Auff das ich war ein speher vnd ein entziger vmbseher das dein müeterleich gnad vil sunter weist aws irrem phad vnd setzt in zw eim vas der ern Nach dem willen des grössten herrn der nicht wil des sunter sterben Sunder das er tue sein huld erwerben Als sand p e r n h a r t von dir spricht Nyembt sey der da gicht das im dein gnad verspert sey So er dir tuet wanen pey vnd dich zw mueter aws erweit

Reimpaarreden

235

240

245

250

255

260

265

270

507

vnd in puezz sich zw dir gesell vntz an seins ent stat des phligstu mit guetem rat Als a n s h e l m u s gesprochen hat [112V] Jn seiner ler an maniger stat Fraw wer sich von dir chert vnd dich mit frafel vnert das mues sein das er verderib vnd eins pösen entz sterib Aber wer sich zw dir tuet ehern des hail vnd said sich pegint mern dar vmb stee auff dw güetige Stee auff dw schöne parmhertzige vnd enphach mich in der schar der geistleichen vechter vnd nymb war des stym der dir zw schreit das in dein güet nicht vermeit vnd gee in das heilig gots haws das da ist in des himels chlaws vnd prait auff dein vnvermailigt hent vnd zier mit ern dein werpleich pent vor dem alter götleicher em vnd vor dem den dw scholts pern got vnd mensch in ainer persan der weishait macht vnd ern chan das er gnad tue dem geslagen der da schreit in wainn in chlagen aws der wildnus valscher tier das mir werd sein gnad schier verlihen mit sundrer sterkch Jn der ich mein veint merkch die mich geistleich habent petrogen vnd mit lag ingeschoben manig ding das mich zw tränt vnd strikcht an der helle pant dar an ich lawff recht als ein tier O fraw dw chamst mir zw hilff schier als dw mich nw scholt pewarn [113r] Jn dem oppher des heiligen arden den der gesegnt hat geschikcht Jn seins hertzen augenplikch

508

Anhang l

275

280

285

290

295

300

305

3io

dar in er auff staig in den chair vnd nam götleicher ern war Nw sent mir hilff als ich pitt vnd für deine äugen tritt mueterleicher anschawung vnd süezzer ervarung Seit ich doch dem heiligen arden pin z& gefüegt warden Als ein ritter der streitten schol Süezze mueter tue so wol leg mir an den härnäsch vnd ritterleichs gevlzz heim schilt vnd guete sper Jn dem ich fleischleich lüsst enper Als es hie mügleich sein sol vnd dir gevelchleich sey wol vnd so vil das ich nicht verderib Noch in süntleichen lüsten sterib Auff das sich dy veint nicht pas frewen wider die sy tragen has dir zw einer auff hebung vnd ob mich ir chraft petwung zw naigen auff das pös o maria so chiimb vnd lös mich ab irn strikchen vnd zaig mir dein süezz erplikchen Jn dem verswint die vinster schar vnd erheb mich in sterkch enpar vnd trewt mich als dein chind So wirt die anvechtung lind vnd mag sy tragen an all swär Als ainer der da get llr [113V] vnd lawft hie vnd tan vnd hat chain pösen wan Sunder sein hertz in guet chert dar in sich dein schön vnd lieb mert vnd pringt im den segen mit hawffen So er in die wunten tuet lawffen des herren ihesu christi genannt der vns lösst von der trakchen pannt vnd füert vns aws aller swär Also ficht prueder lienhart pewger.

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>Von der natur hitz< (Cod. 808, f. 118v-120r) i

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Ich han gedacht in meinem muet von der hitz des leibs gluet dy natürleich im pluet prinnt vnd manigen swarleich twingt der gern hiet ein wider sten durch die flucht der hawffen pen die dar nach chömund ist als ein vngesmacher mist dar ab eim yeden schewtzen tuet der da hat ein rainen muet vnd die chewschait lieb hat vnd lawft nach dem zierten phat der iunchfrawleichen ern ob im halt dy chran nicht mag werden von verliesung der selben gab doch setzt er sich nw ab vnd geit sein leben in widersteung zw tägleicher chestigung vnd hat er vil natürleich pluet vnd dar zw nicht rechte huet an ezzen vnd an trinkchen vnd an manigerlay zw sinkchen das eim solhen wirt für gelegt wie hart er dan widerstrebt Er mues vil mit zahern pegozzen werden I119r] vnd sunst maniger frewd enpern vnd mues sein hent vmb hilff rekchen vnd mit schrein auff wekchen die tröstung der iunchfrawn ern maria der nyembt mag enpern der in chewschait wandern schol O fraw nw tue so wol vnd sent hilff eim yeden geslagen der in seinen iungen tagen Ein wider sten pegert vnd suecht mit eim auff erhebten muet Sein pluet pegert zw totten mit angst vnd twangen notten vnd gib im in der marter trast

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vnd lesch des pluets hitz rast vnd das wallen der natürleichen prunst da mit er mit chainer gunst zw dem pösen werd getragen Noch mit veints swert geslagen O dw ritter christi in deiner acht Jch han in der warhait pedacht das in grazzem herten streit Eim ysleichen vor leit Grazzer lan mit frewd vmb geben Ob er mindleich tuet widerstreben dem das in da treibt vnd in noten zw sunten sneit Es leit auch grazzer val da neben Ob er tuet nach geben Seim willen zw sunten gunst vnd des fleisch prunst mit werchen leschen tuet [119V] mit eim volprachten posen muet vnd sein herren vmb hilff nicht lat mit ernstleicher gueter tat der nye chainen verlazzen hat der im sein not trewleich für pracht wan er mues sein vmb geben mit gnaden schol er wider streben Anders er verlewst sein pawen Zu dem er hat trawen Jn seiner aigen swachen chraft da mit er vil wirt legerhaft vnd maniger gar verdiribt vnd im vnglükch stiribt der aller sichrist maint zw sten vnd also in das ent zw gen O was ir verderben vnd schäntleichen sterben die sich chewschait vnterwinten vnd swärleich dar zw verpinten weltleich vnd geistleich man weib arm vnd reich vnd wider hinter sich stenn vnd fleischeichem lust nach gen

Reimpaarreden

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da von schol sich ehern Ein ysleicher vnd tue sich mern mit dem das im hilff pringt vnd von dem posen twingt Zu rainichait lawters lebens da jn dem lawff der iunchfrawn maria die dy liebt mit gantzer gunst die in in tötten des fleisch prunst vnd mit wider sten an gesigen [120r] dem pösen das in tuet an ligen Ettleich sind chewsch genannt vnd habent wenig des fewers pant oder nichts anvechtung da neben die haben ein rings wider streben wan die natur sy nicht twingt Noch auff den weg der sunten pringt die haben wenigen lan da pey wider die dy mit frey Jr natürleich hitz tötten vnd des pluets fewer rotten Jn der pein der martrer schar die mit sölhem lawff sind chomen dar da sy für pas nicht habent swlr Also ficht prueder lienhart pewger Jhesus. maria.

2.

Spruchsammlung mit Eckhartzitaten aus cod. 235, f. 331rb-336rb

Anhang 2 gibt links den Text der Peugerschen Eckhart-Spruchsammlung aus cod. 235 wieder. Rechts sind die Quellen, die dafür verwendet wurden, identifiziert. In runden Klammern sind dabei stets auch die entsprechenden Abschnitte von anderen Handschriften notiert, in denen Peuger den betreffenden Text ausführlicher wiedergab. Die Angabe zur Textidentifikation bezieht sich dabei immer auf den Text bis zum Beginn einer neuen Identifizierung. Die wenigen nicht identifizierbaren Texteinheiten sind durch eine entsprechende Bemerkung markiert. Nota. Dy hernach geschriben sprüch sind genomen aws der ler maister Ekcharts von paris.1 S" Zw paris ward ainsten von den lerern SPAMER, Texte, S. 64, ain frag tan, ob maria dy Junchfraw 15-21 (Me2, f. 308vb) von dem sey saliger gwesen das sy got nach der menschait parn hat oder mit dem das sy dy gothait verstanden hab. Awff das antwurt ir ainer vnd sprach es sey dann maria dar zw chömen sey das sy dy gothait in irer vernüfft verstanden hab anders ir chewsch war eitel gwesen. Wann ee maria ein mueter gots nach der menschait ward da was sy gots mueter an der gothait. Vnd von der purd das sy in gepar in der gothait da wider pilt sich [331VUJ dy purd gots in ir in der gothait das er mensch von ir wart parn . Aber sprechen dy von paris: westen Johannes von Sterngassen (?) dy menschen ir selbs hintrung WACKERNAGEL, S. 165, vnd was sy ewiger warhait 39^7 (Me2, f. 265vb; dort Eckhart zugeschrieben) erchennen möchten so sy den ynnern Nota ... von paris am Rand von Peuger nachgetragen.

Eckhartspruchsammlung

menschen mit fleizz pehiietten täten sy möchten dy ding wissen dy allen den verpargen sind dy sich mit lediger plashait in dy frey abgeschaidenhait des awfftringunden geists nicht gesetzt haben. Wann es ist nicht genueg das man dy creatur am wolhaben abschaid sunder man mues sy auch aws der pegier tuen vnd aws den zw vallunden pilden treiben die dy sei swärleich vernichten vnd vom mittel abchern. fT Man list von eim weisen maister der gie zw eim schueler der in der schuel der gothait lernt vnd fragt den was sein vbung war. Der sprach ich pin ein got liebhaber. Da fragt in der maister was trasts er da von hiet. Der sprach ich pin in grassen sargen stäter vorcht das ich das nicht verlies das ich lieb han. Vnd ye mer ich lieb han ye mynner ich meiner lieb getraw. Da fragt der maister einn ändern wes er phlag. Der sprach ich pin ein peschawer gots. Der maister fragt in was sein trast wir . Der sprach ye mer ich erchenn ye mer ich vind das mir vnerchannt was. Dar vmb pin ich in arbait. Wann ye tewffer ich in meiner peschawung versinkch ye mynner ich verstee . Da gie der maister zw dem dritten vnd fragt den was sein vbung war. Der sprach ich pin lawter vnd phlig eins lawtern

513

Ebd., S. 164,37-164, 39 (Me2, f. 433va)

Sterngassen; PFEIFFER, ZFdA 8, S. 253,2v.u.254,16 (Me2, f. 266*)

514 hertzen. Vnd da in der maister fragt was sein trast war da sprach er ich wais nicht anders ze sagen dann das ich von [331vb] got han als das mein hertz von im pegern mag. Da sprach der maister ich wil dein iunger sein vnd wil sweigen vnd hörn was got in mir reden tue. «T Ein anderer frumer mensch was chömen zw der lawterchait der freihait seins geists vnd ward als vast in got veraint das er ein stym zw im hört sprechen . Dw pist ich vnd ich pin dw . Dar vmb lob ich lawtrichait für erchanntnus für lieb vnd für gnad. vnd pewlr das da mit, wann erchantnus macht mich got peschawn, lieb macht mich got gleich, gnad macht mich got wirdig aber lawtrichait veraint mich mit got vnd got mit mir. . Dar vmb haist das ein rechts lawters hertz das nichts in im leiden mag das der weit gevallen ist. Vnd söleich sind pegraben in christo. Von dem spricht Dionisius: Jn got pegraben wem ist nicht anders dann ein vber varn in das vnpeschaffen leben. Dy vber vart ist maniger erchantnus vnerchannt. Wann dy sei ist an irer natur also gestalt wo sy nicht ist dy ist sy gantze . Vnd als das an der sei lebt das ist nicht anders dann got.

Anhang 2

Ebd., S. 254,17-28 (Me2, f. 266rb+ra)

PF. Pr. 76,2, S. 249, 22-28 (Mel, f. 198"; Me8, f. 306V; >Von der sel...Schwester KatreiVon der sel...Von der sel...bürgelm-Predigt
bürgelin-Predigt
bürgelin-Predigt
bürgelin-Predigt< fügt. Das gleiche gilt sinngemäß für den kurzen A b s c h n i t t 4 (Z. 220-250). Bekannt war bisher die Parallele zu PFEIFFERS Predigt 10631, überliefert in einer anderen Handschrift desselben Melker Redaktors.32 Unzweifelhaft ist die frag, ob maria dy Junchfraw von dem sdliger sey das sy got hab geistleich parn dann christum nach seiner menschait dort ebenso an ihrem Platz wie hier. Festzuhalten bleibt, daß es sich in Predigt 106 allerdings um eine parallele Formulierung desselben Problems, nicht um eine andere Fassung desselben Textes handelt." Derselbe Text jedoch findet sich wiederum in der Handschrift Lüders'; dort leitet er die Formulierungen zur Sohnesgeburt (=Abschnitt 3) ein, auf die er hier folgt. Schon diese Überlieferungsgemeinschaft legt den Gedanken nahe, daß die Frage nach der Seligkeit Mariens inhaltlich eng mit Abschnitt 3 zu tun hat. Und in der Tat beantwortet Abschnitt 4 ja die gestellte Frage, indem er sich eindeutig für den Vorrang der geistlichen Geburt< und die Rolle der Vernunft entscheidet. A b s c h n i t t 5a (Z. 251 Dy lerer, sprechen bis Z. 295 got in götleicher natur.) ist, wie schon SPAMER bemerkt hat,34 noch einmal im sogenannten 31 32

PFEIFFER, S. 345,16ff.

Melk, Stiftsbibliothek, cod. 1865, f. 114 " Dies hat schon SPAMER bemerkt, der darauf hinweist, der in Rede stehende Textabschnitt entspreche nur »etwa« dem PFEiFFERschen. Vgl. SPAMER, Texte, S. 64 Anm. zu Z. 15-18 und 18-21. 34 Vgl. ebd., S. 64, Anm. zu Z. 29-3. 33

556

Anhang 3

>Planetentraktat< derselben Handschrift35 überliefert. Nun ist dieser >Planetentraktat< allerdings nichts anderes als eine ausführlichere Fassung der Predigt PFEIFFER Nr. 67,1 über die sieben Planeten, an die der Melker Redaktor die ihm greifbaren Äußerungen Eckharts über die Himmelskörper und über den Himmel angehängt hat. Er verwendet dazu beispielsweise DW III Nr. 61 (f. 437V: Pey dem himel sol man sunder vier ding versteri), DW I Nr. 19 (f. 438rb), DW III Nr. 84 (ebd.: wann da got den himel peschueffda peschueffer va in auch voller engel), Par. an. Nr. 16 (f. 438 ), eine vor kurzem entdeckte ungedruckte Predigt Eckharts über Lc 21, 25-28 mit Aussagen über den Mond36 und eben auch den hier vorliegenden Textabschnitt mit der Beschreibung des Abstandes von Himmel und Erde, sowie der Bestimmung des Himmels mithilfe der Begriffe ewichait, warhait und vernünftichait bis hin zur Definition, der aller höchst vnpeschqffen himel sei got in götleicher natur. Kein Zweifel: Nicht der hier vorliegende Text, sondern der Planetentraktat ist die Kompilation. Die Predigt zum Anlaß der Himmelfahrt Mariens hingegen ist der Platz, an dem die genannte Definition des Himmels ihren rechten, ursprünglichen Ort findet. Für A b s c h n i t t 5b (Z. 296f. wann man sol des von mir gewis sein bis Z. 341 nyembt petrüeben dann es sich selber) - vom vorhergehenden Textabschnitt nicht, wie die Textteile 2 bis 5a, durch ein Caput-Zeichen getrennt lassen sich keine derart eindeutigen Parallelen wie bisher in anderer Überlieferung finden. Nur für zwei Aussagen gibt es - im zweiten Fall allerdings weitgehende - Berührungspunkte mit der von SPAMER gedruckten >KlosterkollazieEine gute Klosterlehre< bezeichnete Text38 bedarf selbst noch einer gründlichen Untersuchung. Insbesondere ist die Autorschaft - die Mehrzahl der Hss. nennt Meister Eckhart, Steer votiert für den Taulerkreis - völlig ungeklärt. Mir erscheint es nicht ausgeschlossen, daß Äußerungen Eckharts und Taulers zusammengestellt wurden, die ursprünglich auch in anderen Zusammenhängen gestanden haben könnten. Umgekehrt läßt sich allerdings auch nicht ausschließen, daß der Melker Redaktor die in Rede stehenden Sätze der > Klosterlehre< entnahm und in seine Predigtabschrift integrierte. Zwar existiert in Melk keine vollständige Fassung der >KlosterlehreEine gute Klosterlehrebürgeltn-Predigt
bürgelin-PTedigt< stellte, welche Rolle nämlich dem Thema des Leidens hier zukommen kann,41 findet hier ihre Antwort. Es ist das Leiden Mariens, das exemplarisch vorgestellt wird: Sie hat, was in Abschnitt 5b schon anklang, grasse gedult in leiden gehabt und das laid, das sy vmb ir selber haben solt, das chertt sy gegen irn veinten. So kommt die Predigt zum Tag der Himmelfahrt Mariens konsequent zu dem Schluß, wer dy Junchfrawn well ern der sol den willen gots also pesitzen was er leidens vber in verhengt das er des mit chaim willen wolt vberhaben sein. Abschnitt 6, der im übrigen zahlreiche gedankliche Parallelen zu anderen Werken Eckharts aufweist, bildet damit den logischen Schlußpunkt der Predigt. F a z i t : Die hier vorliegenden einzelnen Abschnitte der Melker Fassung der >bürgelin-PTedigt< sind in der Regel n i c h t anderen Texten entnommen, sondern selbst Kompilationen zugrunde gelegt worden. Ausnahmen bilden Abschnitt 5b (>Klosterlehrebürgelin-Pred\gt< (DW I Nr. 2), in: C. BRINKERVON DER HEYDE/N. LARGIER (Hgg.), Homo medietas (FS. ALOIS HAAS), Bern 1999.

558

Anhang 3

Fassung der Predigt integrierte (aber auch das scheint mir angesichts der eigentlich unvollständigen Form des LÜDERS-Textes zweifelhaft). Wäre dies der Fall, dann wäre als Teilergebnis dieser Untersuchung immer noch ein bisher vernachlässigter Eckharttext identifiziert. Der letzte Abschnitt des Textes hingegen mit der Darstellung der Vorbildhaftigkeit des Leidens Mariae, der Abschnitt über den himel, der sich hervorragend in eine Himmelfahrtspredigt fügt, und insbesondere Abschnitt 2 mit der Definition des castels scheinen mir ursprünglich doch zu einer Predigt über das Textwort >lntravit lesus in quoddam castellum< zu gehören. Angesichts der bekannten Problematik der >bürgelm-Predigtbürgelin-Predigt< in der Melker Fassung eine zweite Textfassung Eckharts repräsentiert. Allerdings ist sie von dem Melker Redaktor Lienhart Peuger erneut bearbeitet, stark verändert und durch Einschaltung kurzer Passagen erweitert worden. Zur Textgestalt Eckharts wird man nicht mehr vordringen können. Sicher aber bezeugt der Melker Text eines: Es hat eine zweite Fassung der Predigt durch Eckhart gegeben.

Abkürzungen

AfdA

Anzeiger für deutsches Altertum und deutsche Literatur

AFP

Archivum Fratrum Praedicatorum

CCM

Corpus Consuetudinum Monasticorum

Dictionnaire

Dictionnaire de Spiritualite ascetique et mystique, Paris 1937ff.

cod., codd.

Codex, Codices

DTM

Deutsche Texte des Mittelalters

DW

Meister Eckhart, Die deutschen Werke

GAG

Göppinger Arbeiten zur Germanistik

Hs., Hss.

Handschrift, Handschriften

LW

Meister Eckhart, Die lateinischen Werke

MBK

Mittelalterliche Bibliothekskataloge

MTU

Münchener Texte und Untersuchungen zur deutschen Literatur des Mittelalters, hg. von der Kommission für deutsche Literatur des Mittelalters der Bayerischen Akademie der Wissenschaften

Nd. Jb.

Jahrbuch des Vereins für niederdeutsche Sprachforschung. Niederdeutsches Jahrbuch

OGE

Ons Geestelijk Erf

ÖNB

Österreichische Nationalbibliothek

Par. an.

Paradisus anime intelligentis

PBB

Beiträge zur Geschichte der deutschen Sprache und Literatur

PF.

F. PFEIFFER, Meister Eckhart

PL

Patrologia Latina, hg. v. J. P. MIGNE, Paris 1844-1864

560

Abkürzungen

Pr., Prr.

Predigt, Predigten

RdU

>Reden der underscheidunge
Prosa des deutschen Mittelalters
Alemannischen Vitaspatrum