Martin Rauch: Gebaute Erde: Gestalten & Konstruieren mit Stampflehm 9783955532710, 9783955532703

For over 25 years, Martin Rauch has been at the forefront of research and development in all aspects of rammed earthed c

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German Pages 160 Year 2015

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Table of contents :
Nutzt die Erde! – Otto Kapfinger
Fotostrecke – Projekte
Lehmboden
Die Wand aus Stampflehm
Die Öffnung in der Wand
Decke und Dach
Material
Vorfertigung
Wissensvermittlung
Normen
Fotostrecke – Team
Werkverzeichnis
Glossar
Biografien
Impressum
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Martin Rauch: Gebaute Erde: Gestalten & Konstruieren mit Stampflehm
 9783955532710, 9783955532703

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Martin Rauch Gebaute Erde Gestalten & Konstruieren mit Stampflehm Otto Kapfinger, Marko Sauer (Hg.)

Nutzt die Erde! – Otto Kapfinger

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Fotostrecke – Projekte

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Lehmboden

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Die Wand aus Stampflehm

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Die Öffnung in der Wand

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Decke und Dach

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Material

116

Vorfertigung

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Wissensvermittlung

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Normen

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Fotostrecke – Team

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Werkverzeichnis

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Glossar

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Biografien

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Impressum

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Nutzt die Erde! Zum Leben und Werk von Martin Rauch Otto Kapfinger Dieses Buch resümiert die Erfolgsgeschichte eines wortwörtlich erdverbundenen Querdenkers, der eine aus persönlicher, authentischer Erfahrung gewonnene ökosoziale Haltung von der anfänglichen Position des ›interessanten‹ lokalen Außenseiters Schritt für Schritt zu einer global beachteten und gesuchten Kompetenz in ökologisch avancierter Architektur entfalten konnte. Martin Rauch präsentiert hier Ergebnisse aus drei Jahrzehnten Arbeit im regionalen und zunehmend internationalen Kontext. Seine in jeder Hinsicht bottom-up unternommene Grundlagenforschung mündete über kontinuierlich gesteigerte und überprüfte Anwendungen in unterschiedlichsten Maßstäben in einen Fundus an Know-how, den er mit detaillierten Plänen und Erläuterungen nun einem breiten Interessentenkreis zur Verfügung stellt. Rauch liefert mit dieser Publikation nicht bloß die Selbstdarstellung eines Œuvres, das er mit renommierten Gestaltern wie Roger Boltshauser, Olafur Eliasson, Herzog & de Meuron, Hermann Kaufmann, Marte.Marte, Miller & Maranta, Snøhetta, Matteo Thun, Günther Vogt und vielen anderen verwirklichen konnte. »Gebaute Erde/Refined Earth« bietet darüberhinaus nichts weniger als ein weltweit aktuelles und relevantes Lehrbuch – für zeitgemäßes Planen und Bauen mit Erdmaterial.

Rauch kam zum Lehmbau nicht über die Architektur, sondern über

seine Ausbildung und erste Arbeiten als Keramiker, Ofenbauer und Bildhauer in den späten 1970er-Jahren. Die Tendenz zum handwerklich Konkreten, zu einer bei äußerster Knappheit der Mittel auch kunstfertigen Autonomie in Lebens- und Umweltgestaltung war durch seine Herkunft aus einfachsten, bäuerlichen Verhältnissen in Vorarlberg vorgezeichnet. Entscheidende Anstöße erhielt er in der Fremde: Wie einige seiner älteren Geschwister arbeitete er um 1980 viele Monate als Entwicklungshelfer in Afrika. Die Begegnung mit ›primitiven‹, in engen Kreisläufen bei optimaler Ressourcennutzung wirksamen Bau- und Kulturtechniken ging parallel mit der Erkenntnis ihrer brutalen Verdrängung durch den Import von klimatisch und ökologisch viel schlechteren, nicht rezyklierbaren, kaum reparierbaren Technologien aus der Ersten Welt.

In Afrika gewann seine künstlerische Intuition die globale Perspektive.

Sein subjektiver Drang zur Arbeit mit dem ›poveren‹, bildnerischen Ur-Material fand den objektiven, weitgespannten Rahmen. Das kunsthandwerkliche Interesse am Bilden mit Ton erweiterte sich zum Anspruch, zum Auftrag des baulichen Gestaltens mit Erde. Aus dem Modellieren von Kacheln und Öfen wurde ein Formen und Konstruieren im großen Maßstab: die Transformierung des Terrains zu nutz- und wohnbaren Räumen. Als Diplomarbeit an der Wiener Hochschule für angewandte Kunst lieferte er 1983 Matteo Thun, dem Leiter der Keramikklasse, eine Studie betitelt »Lehm Ton Erde« über die Aktualisierung von Lehmbautechniken, als autochthone Kulturtechniken, ob nun in Afrika oder Europa.

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Seit damals verfolgt Rauch eine in wenigen Sätzen fassbare, universell bedeutsame Vision: _so zu bauen, dass sich ein Haus nach hundert Jahren rückstandsfrei, ohne jede Kontamination in die ›Natur‹ zurückverwandeln kann, sich in sein Ausgangsmaterial dekonstruieren kann; _so zu bauen, dass es im Einklang mit den natürlichen Kreisläufen geschieht und dass die aufgewendete Energie der Herstellung, des Betriebs und des Abbaus von Gebäuden absolut minimiert wird; _so zu bauen, dass man den naheliegendsten und kostenlosen Stoff, das Erdreich des jeweiligen Baugrunds, so weit und so pur wie möglich als das Material der Architektur nützt; _solches Bauen mit Erde technisch und logistisch in der Form zu aktualisieren, dass eine Mehrheit der Weltbevölkerung dies in Selbstertüchtigung aufgreifen und zur wesentlichen Verbesserung ihrer Lebensumstände nützen kann. Von Anfang an galt sein besonderes Interesse der Stampflehmtechnik, einem Verfahren, in dem das Material nicht nachträglich verkleidet oder geschönt wird. Beim unverputzten Pisé-Bau, wie Rauch ihn auch bei anonymen, gut erhaltenen Nutzbauten des 19. Jahrhunderts in Frankreich und Deutschland fand, führt die Herstellung – wie bei niedrig gebrannter, unglasierter Keramik – unvermittelt zum Ausdruck ihrer selbst. Die schichtweise Aufrichtung der Wand webt auch das Ornament ihrer Erscheinung. Die pure Struktur, Farbigkeit und Haptik des Stoffes bleibt im Vorgang der Formung und Verdichtung pur und noch intensiviert erhalten. Mit der Sensitivität des Keramikers für die Zusammensetzung – die chemisch-physikalischen Bedingungen und Wirkungen seines Materials – ging Rauch daran, die Pisé-Technik neu zu erlernen, für heutige Anforderungen zu modifizieren, die umfassenden sinnlichen Potenziale des Erdbaustoffs wieder sichtbar zu machen, wobei technische Verbesserung und Anreicherung der formalen Komplexität Hand in Hand gingen. So vermied er es beispielsweise, bestimmte Mängel der klassischen Pisé-Technik durch die Beigabe von Zement auszugleichen, weil dies zentrale Qualitäten vermindern würde – die leichte Wiederverwertbarkeit, die gute Atmungsfähigkeit, die minimale Entropie. Stattdessen suchte er nach besseren, natürlichen Materialmischungen, optimierte er die Verdichtungstechnik, die Schalungsformen, entwickelte er mit Armierungsschichten die alten Techniken systematisch weiter, ohne deren strukturelles Gefüge zu verlassen. Werkzeuge, Gerüstformen, Arbeitsabläufe wurden von Grund auf erarbeitet, erprobt und verfeinert, Testmauern aufgestellt, der Erfahrungs zuwachs eigenhändiger Anwendungen postwendend in die nächste Versuchsreihe eingespeist.

Erste Bauversuche unternahm Rauch ab 1982 für kleine Aufträge aus

der Verwandtschaft und für experimentierwillige Freunde, in Kooperation mit lokalen Architekten wie Robert Felber oder Rudolf Wäger. Das Haus in Schlins für seinen älteren Bruder Johannes – Landwirt, Absolvent der Wiener Akademie der bildenden Künste, Schlossermeister und langjährig bei Entwicklungsprojekten in Sambia, Uganda, Tansania tätig – war der erste

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moderne Holz-Lehmbau in Vorarlberg überhaupt. Ein Wendepunkt war dann zweifellos die Kapelle der Versöhnung in Berlin-Mitte. Nach Plänen des Berliner Teams Peter Sassenroth und Rudolf Reitermann entstand 1999/ 2000 am ehemaligen Todesstreifen auf den Fundamenten der im Zuge des Mauerbaus gesprengten Kirche ein öffentlicher Raum der Besinnung. Das sieben Meter hohe Oval der Kapelle, mit Holzdach gedeckt, mit Lehmboden und Altarwürfel aus Erde, war der erste Neubau in Pisé-Technik seit hundert Jahren in Deutschland – und erforderte ein eigenes Genehmigungsverfahren. Für tragende Stampflehmwände existierten keinerlei Normen oder baurechtlich verbindliche Parameter, Behörden und Statiker waren mit Neuland konfrontiert – unter anderem wurde gleich die siebenfache statische Sicherheit verlangt! Die vorgeschriebene Fremdüberwachung und wissenschaftliche Begleitung übernahm die Technische Universität Berlin. Nach einem intensiven Prozess mit zahlreichen Prüfverfahren, Probestücken und vielfachen Gutachten war dann eine uralte, globale Bautechnik endlich wieder in der Normalität unserer technologischen Gegenwart angelangt und ›bewilligungsfähig‹.

So fundamental Martin Rauchs ökologischer Anspruch ist, so wenig

fundamentalistisch agierte von den ersten Realisierungen an sein konstruktives und gestalterisches Gespür. Nach der vielbeachteten Kapelle in Berlin und dem großen Zoo-Gebäude in Basel brachte das mit Roger Boltshauser entworfene eigene, dreigeschossige Wohn- und Atelierhaus in Schlins alle bis dahin gewonnenen Erfahrungen zu einer neuen Synthese. Modernes Bauen mit Erde war hier endgültig aus den Klischees des naiv-ökologischen herausgeführt und zu einer technischen Reife und formalen Klarheit geführt, die wenige Jahre davor undenkbar erschienen wäre. Rauch hat hier von den Fundamentmauern und den aufgehenden Wänden über die Böden, die Decken, die Stiegen, Fenster- und Türöffnungen nun alles ›in der Hand‹ – bis hin zu allen Arten von Fliesen, Wasserbecken, Herdformen, Wand- und Bodenbeschichtungen. Sämtliche Details eines dreigeschossigen Gebäudes sind – im Teamwork mit dem kongenialen Roger Boltshauser – kompromisslos im Sinn seiner Vision gelöst, entfalten die Bandbreite ihrer physischen und ästhetischen Qualitäten, vom grob Erdigen bis hin zum fast porzellanhaft Feinsten.

Dieser Bau erhielt nationale und internationale Preise, wurde weltweit

publiziert und öffnete die Tore für weitere Aufträge in neuen Dimensionen. Als ich ihn 2008 kurz vor Fertigstellung erstmals innen sehen konnte, war es für mich ein Schock – ein positiver Schock! Ich kannte Martins Arbeiten seit 1996/97 durch meine Recherche für den Architekturführer Vorarlberg. Ich hatte mit ihm 2001 das dreisprachige Buch »rammed earth« in einem führenden Fachverlag publiziert – als erste große Bilanz seiner Agenden. Doch jener Quantensprung an Qualität, den das Wohn- und Atelierhaus seiner Familie dann manifestierte, erweckte in mir zunächst nur ungläubiges Staunen. Von außen und in der unteren Etage erschien mir alles im vertrauten, erwartbaren Rahmen. Beim Eintritt ins Hauptgeschoss folgte aber die sensationelle Wende. Aus der unten grobporigen, erdig-rohen Atmosphäre kam ich in elfenbeinfarben schimmernde Räume, changierend zwischen dem hellen, leben-

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digen Grau der gewachsten Lehmböden, der lichten Kaseinspachtelung der Fensterpartien und Schiebetüren, vergütet mit Leinöl und Wachs, sowie dem samtig-taktilen Lehmputz der Wände (als Hypokausten wirksam) und Decken. Und auf der dritten Etage, bei den Schlaf-, Arbeits- und Sanitärräumen, war die Verfeinerung der Erdstoffe noch weiter geführt in gleichsam alabasterhafte Wirkung, nicht zuletzt durch die in Raku-Technik gebrannten Boden- und Wandfliesen und ihre seidig glänzende, hell- dunkle Ornamentik – entwickelt durch Martins Frau, die Keramik-Künstlerin Marta Rauch-Debevec, und seinen als Grafik-Designer geschulten Sohn Sebastian Rauch. Ein für das technische Ethos von Martin Rauch zentrales Motiv lautet: »Die Schale, die uns räumlich umgibt, soll so atmen, so diffundieren können wie unsere Körper. Meine Bauten sind deshalb nicht mit Kunststoffen oder hochverdichteten, energieaufwendigen Materialien abgesperrt, versiegelt, glatt gemacht; sondern roh gefügt und gelassen, wie Sushi – nicht gekocht! Die ­gesamte Bausubstanz bleibt damit atmungsfähig, ausreichend resistent im ­Gebrauch, in der Pflege, und minimal resistent im langfristigen Abbau, in der Rezyklierbarkeit.« Und Roger Boltshauser ergänzte: »Die archaische und ­direkte Machart und die klare architektonische Sprache ergaben ein Haus, das sich extrem schön mit der Landschaft verbindet. Es bedeutet in vielen ­Aspekten eine regelrechte Horizontverschiebung. Diese Prinzipien müssten eigentlich die allgemeine Zukunftsstrategie in der Architektur sein.« In diesem Werk zeigt sich konkret fast nicht mehr vorstellbare Möglichkeit: die in unserer technisierten, spezialisierten Welt herrschende Teilung der Arbeit, des Wissens, der materiellen Fügungen in der Architektur wieder aufzuheben – und noch dazu die Chance, auf dem denkbar niedrigsten Niveau von Entropie unseren Ansprüchen gemäß gut zu bauen, zu wohnen, zu leben – und damit auch ein global relevantes Leitbild zu geben.

Für die neueren und internationalen Arbeiten mit Herzog & de Meuron,

Snøhetta und anderen war ein nächster Innovationsschub nötig und ganz entscheidend – die Anpassung der händischen Stampflehmtechnik an industrielle Fertigung und Vorfertigung, an Logistik und Kalkulation großer und komplexer Bauführungen. Rauch hat dafür eine eigene Maschine konzipiert – einen Roboter, der das Material automatisch in die Schalung einbringt und mechanisch verdichtet. Damit können Schalungslängen von 50 bis 80 m und variable Schalungsstärken erzeugt werden. Nach dem Ausschalen kann der Stampfgang – also eine Schalungslänge – in Elemente gewünschter Länge geschnitten werden. Maßgebend ist allgemein die Transportfähigkeit und im Speziellen die Tragkraft der Kräne, meist maximal fünf Tonnen. Diese Technik hat sich zuletzt beim Ricola Kräuterzentrum in Laufen oder bei der Schweizerischen Vogelwarte bestens bewährt.

Rauch ist seit Jahren auch als Referent und Workshop-Leiter in Europa,

Asien und Afrika unterwegs. Die wohl weitreichendste Folge aus all seinen vielfältigen kleinen und immer größeren Realisierungen sind nicht so sehr weitere schöne Einfamilienhäuser im architekturgesegneten Vorarlberg oder spektakuläre Kooperationen mit internationalen Baukünstlern da und dort, sondern seine Konsulentenrolle für Studien- und Modellbauten in Südafrika,

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in den Townships von Johannesburg oder in Bangladesch, wo seine Erfahrung dazu verholfen hat und weiter hilft, wirklich Armen auch im Selbstbau wirksame Techniken des einfachen, billigen, klimatisch angenehmen Bauens zu vermitteln – als nachhaltige, von Großtechnologien unabhängige Alternative zu den Exporttechniken rein industrie-kompatibler ›Entwicklungshilfen‹. In Bangladesch, einem Land mit enormem Bevölkerungswachstum und desaströsen Wohn- und Lebensbedingungen hat er die mit dem Aga Khan Award for Architecture 2007 und mit dem World Architecture Community Award 2008 ausgezeichneten Schul- und Wohnhausprojekte der Architektin Anna Heringer technisch vorbereitet und begleitet: »Der große Schritt war dort, dass wir den Leuten in offenen Workshops und mit den gemeinsam ausgeführten Bauten zeigen konnten, wie sie mit der Erde vom Baugrund zwei Stockwerke hoch selbst billig bauen können und – ohne zusätzliche Technik – klimatisch exzellente Räume erhalten. Nachdem Holz dort rar ist, mussten wir bei den Decken doch Beton einsetzen. Aber es ist ein Bruchteil dessen, was sonst bei neuen Wohnbauten dort verwendet wird. In der Südhemisphäre war ich öfters auf Kongressen, wo man propagierte, den Lehmbau mit Zement zu verbessern und damit mehr in die gängige Bauwirtschaft hineinzukommen. Das Problem ist nur, dass dort heute ein Arbeiter für einen Sack Zement dreimal so lange arbeiten muss wie noch vor zehn Jahren, weil die Nachfrage so hoch ist. Der eminente politische Aspekt des puren Lehmbaus ist, dass man völlig unabhängig von Lobbys, von Aktienkursen und industrie­ llen Preissteuerungen überall mit einfachem handwerklichem Können sehr gute, ökologisch korrekte Häuser bauen kann. In unseren Breiten, wo die Arbeitskraft so teuer ist, gilt der händisch gefertigte Lehmbau fast als Luxusprodukt. In den Ländern mit kostengünstiger Arbeitskraft, in Ägypten etwa, wäre mein Schlinser Haus um 60 % billiger und könnte eine Art Standardhaus sein! Würden wir auf der ganzen Welt so bauen, wie wir es in den Industrieländern getan haben und noch immer tun, ergäbe das eine ökologische Katastrophe. Das Umdenken hier wie dort geht so schwer, weil die Kostenwahrheit unserer Bauindustrie nicht stimmt. Sie bildet nur Momentaufnahmen, die verzerrt sind, weil niemand die damit verbundenen Umwelteffekte und die wirklichen Folgekosten einkalkuliert.«

Seit 2014 vermittelt Rauch sein Wissen und Können auch an einer der

weltweit führenden Technischen Universitäten. Diese Gastdozentur an der ETH Zürich läuft gemeinsam mit Anna Heringer über zwei Jahre. Zusätzlich wirken beide als Honorarprofessoren des UNESCO-Lehrstuhls Earthen Architecture mit Hauptsitz an der École Nationale Supérieure d’Architecture in Grenoble. Die Kapitel von »Gebaute Erde/Refined Earth« folgen lose der in Gottfried Sempers epochaler Schrift Die vier Elemente der Baukunst gegebenen Gliederung: Boden – entspricht Erdaufwurf, Terrasse; Wand – entspricht Umfriedung, Mattengeflecht; Decke – entspricht Dach, ergänzt durch die Kategorie Öffnung.

Als erstes und originäres, »moralisches Element der Baukunst«, nannte

Semper freilich den Herd, das gezähmte Feuer, um das sich die anderen

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Elemente als »schützende Negationen« gruppieren, als »Abwehrer der dem Feuer des Herdes feindlichen drei Naturelemente«.

Es war gerade ein solches Herd-Element aus der Werkstatt von Martin

Rauch, das meine Initiation in seine Lebens- und Bauphilosophie stimulierte. 1997/98 arbeitete ich mit Reinhard und Ruth Gassner in ihrem Atelierhaus in Schlins an Redaktion und Layout des Architekturführers Vorarlberg. Das Zentrum des von Rudolf Wäger geplanten, mit Ziegeln und auch Stampflehmpartien ausgefachten Holz-Skelettbaus, war ein kubisches Heiz-KochWasch-Element aus rötlichem Erdmaterial, gebaut und in den Oberflächen geglättet, gewachst von Martin Rauch. Bei dieser ersten gemeinsamen Arbeit mit Gassner, im Lauf der Jahre bei etlichen weiteren Buch- und Ausstellungprojekten, standen wir jeden Tag dort mehrmals bei Kaffee und Tee, bei der Jause, durchblätterten dort die Zeitungen, zapften Wasser – und nachdem ich auf der Dachgalerie des Ateliers oft auch übernachten konnte, legte ich abends dort immer meine Kleider ab. Kurzum: es war der Wohlfühl- und Sozialort im Atelier, auch weil wir die rotgesprenkelten, erdfarbigen Flächen und die glatten, aber nicht starr versiegelten Kanten dieses Teils unbewusst so gerne berührten, unzählige Male anfassten, die Gläser darauf herumschoben, auch mit Hüften und Knien beim Anlehnen mit diesem Stück Kontakt aufnahmen, die leichte Wärme im Winter spürten, wenn der Ofen geheizt war, und sonst auch merkten, dass im Sommer das Angreifen dieses Materials leicht kühlte, den Händen aber niemals Wärme entzog – wie es eine Betonfläche oder eine Terrazzo- oder Nirostafläche oder auch eine versinterte Fliesenfläche sicher tun würde. Gassner selbst hat das vor vielen Jahren als sein eigenes taktiles Aha-Erlebnis mit Lehmwänden beschrieben und so wurde auch ich in seinem Atelier durch den Umgang mit dem marmorartigen, aber eben nicht marmorkalten Herd- und Tisch- und Barelement langsam vom anfänglich skeptischen Saulus zu einem Paulus für Martins moderne Lehmbaukunst. Rauch argumentiert immer, eine Lehmwand habe eben auch viel ›lebendiges‹ Wasser in sich gespeichert hat und korrespondiere deshalb in der Regulierung der Luftfeuchtigkeit von Räumen, in der Atmungsfähigkeit, in der Haptik beim Angreifen, beim Begehen wie kein anderes Material, sogar über Holz hinaus, mit den physiologischen Qualitäten und Bedürfnissen unserer Körperlichkeit. Lehmböden, Lehmwände, Lehmhäuser stünden in bestmöglicher aktiver Resonanz mit den physiologischen Systemen unserer körperlichen (und psychischen) Sinnlichkeit. Und er bringt oft auch den Begriff der Erosion in die Debatte um den Lehmbau und wendet ihn aus der landläufigen Negativität nachdrücklich zum Positiven. Denn einerseits sei die durchgängige Offenporigkeit Voraussetzung für die Rezyklierbarkeit und auch die optimale Konkordanz zur humanen Physiologie, andererseits könne man die speziell an Außenwänden gegebene Erosion der Oberflächen durch Regen und Wind mit richtiger Technik mit den von ihm erprobten Details sehr wohl in den Griff kriegen – und dann wäre eben statt der in technizistischen Bauweisen angestrebten hermetischen Versiegelung eine naturnahe ›kalkulierte Erosion‹ erreicht.

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Dies bringt uns abschließend zu einer anderen Kategorie, die solche moderne Lehmbauweisen im Unterschied zur energieaufwendigen Künstlichkeit industrieller Technologien viel dichter in die physikalischen und chemischen Abläufe organischer und anorganischer Natur integriert. Ein anderes Wort für ›kalkulierte Erosion‹, auf der alle Atouts der Erdbaukunst beruhen, wäre die grundsätzliche ›Patinophilie‹ dieser Architektur. Ohne das in diesem Rahmen weiter ausformulieren zu können, ist damit umrissen, dass Lehmbauten nicht nur in Würde wunderbar altern, sie auch in jedem Zustand leicht und ›im System‹ repariert werden können, dass eigentlich die ›Alterung‹ überhaupt keine ästhetische oder sonstige Kategorie ihres Lebenslaufs ist – und all das stellt sie in diametralen Kontrast zu jenen Tendenzen moderner Architektur, die mit hohem Energieaufwand und komplexen Transformationen natürlicher Stoffe dem Vorbild maschineller und hochtechnologischer Produkt-Sphären nacheifert und die in ihrer behaupteten Pflegeleichtigkeit, äußerlichen Brillanz und ihrem patinophoben Glamour eben nicht altern kann, sondern nur veralten. Bauen und Gestalten mit Erde ist – kurz gesagt – »low tech + high touch + high performance«. Ethos und Eros des Formens und Nutzens sind in perfekter Balance, in Resonanz mit unserer Natur im Speziellen – und auch mit der größeren, auf ständige Transformation hin wirkenden Eros-Natur des Kosmos im Allgemeinen. Das Faktum der wirtschaftlichen Globalisierung mit immer größeren, von der Ersten Welt gesteuerten Monopolen spricht heute vielleicht gegen ein Konzept der Kultivierung von Ressourcen, die praktisch überall und kostenlos (!) vorhanden sind. Die technischen, ökologischen und gestalterischen Qualitäten des Bauens mit Erde – wie in diesem Band aufbereitet und zur Nachahmung und universellen Weiterentwicklung angeboten – sprechen dennoch für sich und belegen: Es gibt diese Alternative, wenn wir dem Aufruf eines alten Diktums wieder entschiedener folgen wollen und müssen: Zivilisation ist die nachhaltige Transformation der Erde in ein den Menschen dienstbares Relief.

Gottfried Semper · Die vier Elemente der Baukunst, Beitrag zur vergleichenden Baukunde, Braunschweig, 1851 Udo Scheidemandel · Typologie des Patinophilen,unveröffentlichte Diplomarbeit am Institut f. Kunstgeschichte, Denkmalpflege und Industriearchäologie, TU Wien, 1996 Otto Kapfinger · Martin Rauch: Rammed Earth | Lehm und Architektur | Terra Cruda, Basel, 2001

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Projekte 1998 bis 2014 fotografiert von Benedikt Redmann Frühjahr/Sommer 2015

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2013 – 2014_ Vogelwarte, Sempach

2013 – 2014_ Vogelwarte, Sempach

2012 – 2013_ Ricola Kräuterzentrum, Laufen

2012 – 2013_ Ricola Kräuterzentrum, Laufen

2011_ Wohnhaus B.-S., Flims

2011_ Wohnhaus B.-S., Flims

2010 – 2012_ Landwirtschaftsschule Mezzana, Coldrerio

2010 – 2012_ Landwirtschaftsschule Mezzana, Coldrerio

2009 – 2010_ Cinema Sil Plaz, Ilanz/Glion

2009 – 2010_ Cinema Sil Plaz, Ilanz/Glion

2005 – 2008_ Haus Rauch, Schlins

2005 – 2008_ Haus Rauch, Schlins

2005 – 2008_ Haus Rauch, Schlins

2001 _ Totenkappelle Friedhof Batschuns, Zwischenwasser

2001 – 2002_ Sportanlage Sihlhölzli, Zürich

2001 – 2002_ Sportanlage Sihlhölzli, Zürich

1998 – 1999_ Etosha Haus Zoo Basel

1998 – 1999_ Etosha Haus Zoo Basel

Zivilisation ist die nachhaltige Transformation der Erde in ein den Menschen dienstbares Relief. Otto Kapfinger

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Lehmboden Gestampfte Erde ist als Fußboden so alt wie die Menschheit. Kein anderes Material bezieht sich so unmittelbar auf den Grund, auf dem wir stehen und uns bewegen. Ein Boden aus Stampflehm ist ursprünglich, direkt und deshalb weltweit in allen Kulturen verbreitet. Mit einfachsten Mitteln wird aus einem Stück Erde ein Ort geschaffen, wird aus der Natur ein Raum abgetrennt, um ihn zu bewohnen. Im Wohnbereich trägt der Boden das lebendige Erbe seiner Herkunft weiter. Weich und sinnlich spielt der Stampflehm seine taktilen Qualitäten aus. Seine unregelmäßige Oberfläche regt ebenso das Auge an wie die Tastsinne der Füße. In ländlichen Gegenden sind solche traditionellen Böden noch zu finden, die täglicher Pflege bedürfen. Am Abend werden sie gewässert und aufgenommen. Durch diese Arbeit wird die oberste und empfindlichste Schicht regeneriert. Diese Art von Böden ist für die heutige Zeit zu rustikal. Der unmittelbare Kontakt mit der Erde hat zwar seinen Reiz – er ist dem Komfort gewöhnten Menschen aber nicht mehr zuzumuten.

In verfeinerter Form birgt der Lehmboden für Innenräume eine neue

Qualität: Wärme, Fugenlosigkeit, Masse, lebendige Textur, Haptik. Die Oberfläche zeigt sich in ihrer zeitgemäßen Anwendung pflegeleicht und langlebig. Eine finale Schicht aus eigens entwickeltem Carnauba-Hartwachs stabilisiert den Lehmboden und verleiht der Oberfläche die gewünschte Widerstandskraft. Der Aufbau der Konstruktion wurde ebenfalls weiterentwickelt. Bei traditionellen Böden sind nur in den unteren Schichten gröbere Steine eingestampft, zur Oberfläche hin wird die Mischung immer feiner. Das macht sie an der Oberfläche homogen, aber auch anfällig für Schäden durch mechanische Belastungen. Moderne Lehmböden hingegen sind bis knapp unter die Oberfläche mit der gleichen groben Materialmischung gebaut, die auch für Stampflehmwände geeignet ist (siehe Material, S. 116). Diese Anpassung macht sie langlebig und belastbar. Der ganze Fortschritt ändert aber nichts daran, dass sich gerade beim Boden die Meisterschaft und Erfahrung im Lehmbau zeigt. Nur wer Material und Ausführung in ihrer ganzen Bandbreite kennt, wird auf die jeweilige Situation eingehen können und dem Lehmboden seine Schönheit und Langlebigkeit entlocken. Ein Lehmboden ist mit viel Arbeit verbunden. Über drei bis vier Wochen muss sich ein Facharbeiter um den Boden kümmern, da die Ausführung mit zeitlich versetzten und individuell an die Aufgabe angepassten Arbeitsschritten verbunden ist. Dies führt im Vergleich zu anderen Bodenbelägen zu höheren Kosten, wobei kleinere Flächen in der Tendenz teurer ausfallen, da auch bei ihnen die aufwendige Vorbereitung und alle Arbeitsschritte anfallen. Das Resultat spiegelt die Mühen wider: Jeder Lehmboden ist ein Unikat – mit herausragenden Eigenschaften bezüglich Behaglichkeit, Wohnlichkeit und Ästhetik.

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1999 – 2000_ Kapelle der Versöhnung, Berlin

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Die Berliner Kapelle der Versöhnung steht über den Fundamenten der evangelischen Versöhnungskirche, die 1985 von der DDR-Regierung gesprengt wurde. Eine vor Ort erstellte Stampflehmwand fasst den ovalen Kirchenraum. Der Stampflehmboden ist in zwei Lagen direkt auf einer verdichteten meterdicken Sandschicht aufgebaut, darunter sind die Überreste der Kirche konserviert. Die Kapelle ist Teil der Gedenkstätte Berliner Mauer: Hunderttausende Besucherinnen und Besucher haben diesen Boden schon begangen.

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Den Ausgangspunkt des Lehmbodens bildet die Zusammenstellung des Materials. Da dieses häufig aus lokalem Aushub besteht, bestimmt es mit seinen spezifischen Parametern die Rahmenbedingungen für den Lehmboden. Der Facharbeiter geht dabei auf die vorhandenen Ressourcen ein und erstellt eine individuelle Mischung, die aus Steingranulat mit rund 30 bis 40 % Lehmanteil besteht. Dies entspricht dem Materialverhältnis einer Stampflehmwand im Außenbereich. Erst aus den Abweichungen und den Besonderheiten der einzelnen Projekte entwickelt sich das Wissen, das es braucht, um einen Boden aus Stampflehm herstellen zu können. Kurzum: Die wahre Herausforderung beim Lehmboden ist der situative Umgang mit dem Material. Bei den Bedingungen spielen Anteil, Form und Größe der Gesteinszuschläge eine wichtige Rolle. Im traditionellen Lehmbau sind die untersten Schichten mit einem hohen Anteil an größeren Steinen ausgeführt. Darüber kommt eine Schicht feinerer Erde zu liegen und den Abschluss bildet eine Lage, die praktisch keine Steine mehr enthält und die mit ihrer einheitlichen Struktur für eine homogene Oberfläche sorgt. Das Stampfen mit Werkzeugen oder Fußplatten stabilisiert den Lehm und macht den bBoden belastbar. Die feine Lehmschicht, die die Oberfläche bildet, liegt auf den unteren Schichten und ist durch das Verdichten mit ihnen verbunden.

Im traditionellen Lehmbau ist der Boden in drei unterschiedlich dichte Lagen aufgebaut: oben liegt die feine Nutzschicht, darunter eine gröbere Mittelschicht und ganz unten die gröbste Unterschicht.

Da die feine Schicht nicht stabilisiert ist, kann diese Nutzschicht mechanischer Belastung nur bedingt widerstehen – auf der anderen Seite kommen die Vorteile des Materials voll zum Tragen. Es gleicht Feuchtigkeit aus und bietet den direkten Kontakt mit der Erde. Doch das Leben hinterlässt seine Spuren auf einem traditionellen Lehmboden: Auf der weichen Oberfläche entstehen Kratzer, Schrammen und allgemeine Abnutzungen. Wegen des empfindlichen Materials bedürfen diese traditionellen Böden täglicher Pflege: Mit einem feuchten Lappen werden die feinsten Teile des Lehms immer wieder verteilt, Verletzungen des Bodens ausgeglichen und die oberste Schicht regeneriert. Ein traditioneller Lehmboden ist einfach im Aufbau, langlebig, aber aufgrund des täglichen Aufwaschs nicht sehr pflegeleicht.

Die Eigenschaften des fugenlosen Lehmbodens sind nach wie vor ge-

fragt: Seine Oberflächen sind angenehm in der Berührung und durch seine Masse verbessert er die Fähigkeit von leichten Konstruktionen, Wärme zu speichern. Die fugenlose Ausführung des Bodens selbst über große Flächen hinweg erlaubt in der Kombination mit dem handwerklichen und sinnlichen Material einen einzigartigen Ausdruck, der mit keinem anderen Bodenaufbau vergleichbar ist. Er bietet eine optimale Ergänzung zu einem Holz- oder Betongebäude.

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Doch der täglich wiederkehrende Aufwand entspricht nicht mehr den aktuellen Anforderungen an einen Boden im Wohnbereich. Dies bedingt in erster Linie Anpassungen in der empfindlichen obersten Schicht des traditionellen Lehmbodens, doch auch die Konstruktion muss sich ändern: Der archaische Boden entspricht damit den Anforderungen einer heutigen Baustelle. Er kann als Teil eines mehrschichtigen Aufbaus schwimmend verlegt werden, mit Trittschalldämmung und Bodenheizung. Auch die Materialmischung hat sich gewandelt: Um die Dauerhaftigkeit des Bodens zu erhöhen, ist der Aufbau nicht mehr abgestuft von grob zu fein, vielmehr bietet er mit einer gleichbleibenden Materialmischung eine durchgehende Stabilität bis unter die Oberfläche.

Der zeitgenössische Lehmboden wird mit einer homogenen Materialmischung aufgebaut. Durch das Rütteln richtet sich das Steinkonglomerat an der Oberfläche.

Durch die Verdichtung mit einer Rüttelplatte werden die oberen Schichten stärker komprimiert als die unteren. Innerhalb der homogenen Mischung bildet sich eine stabile und feine Nutzschicht. Zudem werden die groben Steine nahe der Oberfläche gerichtet und die feine oberste Schicht dadurch verstärkt.

Generell hat die Oberfläche des Lehmbodens an Bedeutung gewonnen,

doch der neue Aufbau geht vor allem mit erhöhten Anforderungen an die Facharbeiter einher, weil die Zahl der Arbeitsschritte markant angestiegen ist (sieheÜbersicht auf der folgenden Seite). Durch das rauere Material weist die Oberfläche nach dem Stampfen kleine Hohlräume zwischen den Steinen auf. Schlämme gleicht die Aussparungen aus. Danach wird der Boden veredelt und individuell gestaltet. Zum Beispiel können – wie bei einem Terrazzo – durch einen Schliff die Steine zum Vorschein kommen. Der Boden weist dadurch eine höhere Widerstandskraft auf, weshalb diese Bearbeitung oft an Stellen zum Einsatz kommen, an denen vermehrt Feuchtigkeit anfällt.

Die Veredelung der Oberfläche minimiert die Anzahl der Schwindrisse

und steuert damit ebenfalls die Erscheinung des Bodens. Am Ende wird der Boden mehrfach mit einer Wachsemulsion und abschließend mit CarnaubaHartwachs beschichtet und poliert.

Zusammen mit der Anzahl der bestimmenden Faktoren wachsen die An-

forderungen an die Handwerker. Jeder Boden bildet eine Einzelanfertigung, in die Aspekte von Material, Funktion und Gestaltung mit einfließen. Der traditionelle Boden des ländlichen Raums ist zu einem Produkt herangereift, das mit Wissen und Erfahrung gut umzusetzen ist. Kein Lehmboden gleicht dem anderen – jeder Stampflehmboden ist ein Unikat aus den Parametern Materialmischung, handwerkliche Umsetzung und Oberflächenbehandlung.

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Beim Boden sind alle Faktoren entscheidend: Die Beschaffenheit des Untergrunds, die Mischung des Materials, deren Feuchtigkeit und die Ausführung der Oberfläche. Jeder

Oberflächen-Finish

dieser Parameter trägt zum Gelingen bei: Der Lehmboden ist deshalb anspruchsvoll in der Herstellung.

Stampflehmboden Trittschalldämmung

Ein moderner und bewährter Lehmboden entsteht in folgenden Arbeitsschritten: 1_ Den Untergrund schlämmen, damit sich der Lehm mit diesem verbindet. 2_ Das erdfeuchte, krümelige Erdmaterial einbringen und sorgfältig ausziehen mit einer Überhöhe von etwa 1/3 bis 1/2 gegenüber dem fertigen Boden. Die Stärke des Bodens sollte im Endzustand 10 bis 12 cm nicht unterschreiten. Je härter der Untergrund, desto dünner kann die Schicht ausfallen. Je gleichmäßiger und sorgfältiger dieser Arbeitsschritt ausgeführt ist, desto ebener wird der Stampflehmboden ausfallen. 3_ Die ausgebreitete, lose Lehmfläche mit Glättschuhen gut vorverdichten und anschließend mit einer Rüttelplatte sorgfältig verdichten. 4_ Die Oberfläche schlämmen. Hierzu wird dasselbe Material kräftig aufgerührt und einige Stunden stehen gelassen. Die festen Teile senken sich, den Schlamm abgießen. Über Nacht erneut absetzen lassen und das obenauf schwimmende Wasser abgießen. Der Schlamm wird schlussendlich mit feinem Sand gemischt, mit einer Gummilippe verteilt und scharf abgezogen. 5_ Nach einem Tag die lederharte Oberfläche mit einer Poliermaschine mit weichem Pad und Quarzsand schleifen. Der Schlamm wird dadurch an den erhabenen Stellen abgetragen, in den Dellen und Löchern bleibt er aber liegen und verfestigt zusätzlich die Lehmoberfläche. Vorgang nach Bedarf wiederholen. Anstelle eines weichen Pads kann ein von Hand geführter Diamantflächenschleifer mit Absaugung die in der Mischung enthaltenen Steine anschleifen. Diese kommen dadurch deutlicher zum Vorschein (TerrazzoEffekt). Einzelne Fehlstellen nachbearbeiten. 6_ Je nach Einbaustärke und Witterung zwei bis drei Wochen trocknen lassen. Mit Schutzplatten belegt ist der Boden in dieser Zeit dennoch begehbar. Die Unterkonstruktion ist nun fertig eingebaut, trocken und bereit für die Behandlung der Oberfläche.

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Die Arbeit mit schwerem Gerät auf der Baustelle erfordert große Sorgfalt. Da das Material lediglich erdfeucht ist, kann es ohne besondere Vorkehrungen auch in einen Holzbau eingebaut werden. Auf dem Bild rechts ist ein Lehmboden mit Bodenheizung zu sehen – für eine optimale Übertragung der Wärme sind die Leitungen mit einem Gemisch aus Lehm und Sand ummantelt.

7_ Den Boden reinigen, saugen und mit Kaseingrundierung einlassen. Einige Stunden trocknen. 8_Wachsemulsion gleichmäßig und dünn auftragen. Wiederum einige Stunden trocknen lassen. 9_ Die Oberfläche polieren und noch nicht zufriedenstellende Stellen von Hand nachbearbeiten. 10_ Nochmals Wachsemulsion auftragen und polieren. 11_ Geschmolzenes Carnauba-Hartwachs auftragen und direkt mit der Hand oder Maschine einpolieren. Einige Stunden trocknen lassen und auf Glanz polieren.

Die Oberfläche eines Lehmbodens bedingt je nach Anforderung eine

andere Ausführung. Wenn ein homogenes Bild gewünscht ist, dann wird der Boden nach dem Einbringen mit feiner Lehmschlämme abgezogen. Dies füllt die Dellen und Vertiefungen zwischen den Steinen aus, die Wachsemulsion schützt und vollendet den Boden. Der gestalterische Reiz liegt in der fugenlosen, homogenen Fläche, die ein Lehmboden mit dieser Machart aufweist. Die Herausforderung hingegen liegt darin, eine einheitliche Struktur und Farbigkeit über die gesamte Fläche zu erzeugen.

Sind die im Stampflehm enthaltenen Steine angeschliffen, reichern

sie dessen Homogenität mit einem Muster an. Dieses kann sich über den ganzen Boden abzeichnen, wenn die gesamte Fläche mit einer von Hand geführten Schleifmaschine so lange abgetragen und angeschliffen wird, bis die Steine hervortreten. Der Übergang kann jedoch auch fließend und nur begrenzt sichtbar sein. Dann tauchen aus der einheitlichen Masse nahtlos einzelne Gruppen von Steinen auf, die sich an der Oberfläche abzeichnen. Dafür wird der Boden an dieser Stelle zuerst erhöht aufgebaut und gestampft und danach wieder auf die gleiche Höhe wie der benachbarte Boden geschliffen. Die geschliffenen Steine stabilisieren den Boden dort, wo mehr Feuchtigkeit anfällt: bei Terrassentüren, Eingängen oder in der Küche.

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Aufbau des Untergrunds Für einen Lehmboden muss der Untergrund stabil, druckfest und vor allem unbeweglich sein, da er beim Verdichten mit einer Rüttelplatte nicht nachgeben darf (siehe Bild vorangehende Seite). Bei leichten Deckenkonstruktionen und großen Spannweiten sind Frequenz und Gewicht der Rüttelplatte zu berücksichtigen. Im Zweifelsfalle sollte der Tragwerksplaner bezüglich Spannweiten zu Rate gezogen werden – gegebenenfalls müssen Sprieße die Decke während des Stampfens stützen. Der Stampflehmboden kann meist ohne Folien und Einlagen direkt auf einer entsprechend geeigneten Trittschalldämmung liegen, denn das krümelige, lediglich erdfeuchte Lehmmaterial bringt wenig Feuchtigkeit ein. Zum Vergleich: Sowohl der erdfeuchte Stampflehm als auch Holz weisen beim Einbringen eine relative Feuchte von rund 18 % auf. Die Wachsemulsion dient als Dampfbremse, da sie den Feuchtigkeitsaustausch verlangsamt. Hingegen stoppt das Carnauba-Hartwachs diesen Austausch fast zur Gänze.

Wenn eine Bodenheizung vorgesehen ist, dann werden die Heizlei-

tungen unmittelbar vor Einbau des Lehmbodens mit einer weichen Mörtelschicht ummantelt, die je zur Hälfte aus Sand und Lehm besteht. Durch die Verdichtung presst der Stampfdruck die Leitungen in den Lehm, wodurch eine bessere Wärmeübertragung gewährleistet ist.

Der Boden kann durch eine mit Trasskalk gebundene Lehm-Kork-

schrotmischung isoliert werden. Dies unterstützt die baubiologischen Eigenschaften des Lehms und der Trasskalk hilft, die Druckfestigkeit des Korks zu erhöhen. Der Lehmboden kann alternativ auch direkt auf einer Dämmung Die Oberfläche ist bei geschlämmten

aus einer druckfesten Holzfaserplatte, aus Schaumglas oder extrudiertem

Böden leicht unregelmäßig und erfordert

Polystyrol-Hartschaum (XPS) zu liegen kommen. Die Platten müssen ohne

eine höhere Toleranz in Bezug auf die Ebenheit – der bewegte Boden spielt dafür seine haptischen Qualitäten aus.

Hohlflächen, bevorzugt direkt auf dem Untergrund verklebt sein, damit sie sich, wie oben beschrieben, nicht mehr bewegen können.

Der an der Oberfläche sichtbare Anteil von Steinen zu Lehm beträgt etwa 20:80 (obere Darstellung). Ein geschliffener Boden kommt dem Terrazzo näher: das sichtbare Verhältnis von Stein zu Lehm beträgt 50:50 (untere Darstellung).

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Oberflächen-Finish 0,1 cm

Standardaufbau ohne Bodenheizung

Stampflehmboden 10 cm Trittschalldämmung 2 cm Holz- oder Betonunterkonstruktion

Aufbau mit Bodenheizung

Oberflächen-Finish 0,1 cm Stampflehmboden 10 cm Lehmmörtel Heizleitungen Folie 0,1 cm Trittschalldämmung 2 cm Holz- oder Betonunterkonstruktion

Oberflächen-Finish 0,1 cm Stampflehmboden 10 cm XPS-Dämmung 12 cm Holz- oder Betonunterkonstruktion

Aufbau auf Dämmplatten

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Lehm-Kasein-Stroh-Mischung 1 cm Gewebe 0,2 cm Lehm-Stroh-Sand-Trasskalk-Mischung Gewebe 0,2 cm Heizleitungen Lehm-Kork-Trasskalk-Mischung 6 cm Holz- oder Betonunterkonstruktion

Leichtlehmboden mit einer Oberfläche aus Kasein

Mit Kasein stabilisierter Leichtlehmboden Wenn das Gewicht des Bodens aus statischen Gründen eingeschränkt ist, kommt eine leichtere Alternative zum bisher vorgestellten Stampflehmboden zum Einsatz, die mit einer Kaseinschicht endet. Der Aufbau dieses Bodens ist komplexer: Verschiedene Mischungen (Kork – Lehm – Trasskalk, Lehm – Stroh – Sand, Lehm – Stroh – Kasein) wechseln sich ab und beeinflussen sich gegenseitig.

Die oberste, stabilisierende Schicht besteht aus einer Lehm-Kasein-

Mischung, die enorm hart ist und eine hohe Oberflächenspannung aufweist. Kasein ensteht aus dem Protein der Milch, ist einer der stärksten Naturkleber und wird schon seit Jahrtausenden für unterschiedlichste Zwecke verwendet. Der Aufbau ist dampfdiffusionsoffen und die haptischen Eigenschaften sind mit denen des Stampflehmbodens vergleichbar: Somit bleiben die wesentlichen Eigenschaften des Lehms erhalten. Wandanschluss Eine Besonderheit des Lehmbodens ist der seitliche Anschluss an die Wand. Wenn das Material austrocknet, schwindet der Stampflehm und zieht sich von der Wand zurück. Es muss daher lediglich während der Erstellung gewährleistet sein, dass der Boden die Wand nicht berührt. Dazu reicht bereits ein Streifen aus Karton entlang der Wand. Wenn der Boden fertig eingebaut ist, kann der Karton entfernt oder abgeschnitten werden und der Boden ist dauerhaft von der Wand abgekoppelt. Eine Sockelleiste ist nicht notwendig, sofern kein besonderer Schutz des Wandsockels gewünscht ist.

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Fugenlos und leicht zu reparieren Wie beim Wandanschluss erwähnt, schwindet beim Austrocknen der gesamte Boden und es entstehen in der Fläche Mikrorisse. Dank dieser Risse braucht der Lehmboden keine Dilatationsfugen. Er kann daher fugenlos über jede beliebige Größe erstellt werden. Im Vergleich zu einem zementgebundenen Boden ist Lehm außerdem relativ weich und elastisch. Dadurch nimmt er thermisch bedingte Spannungen im Material selbst auf und baut sie ab.

Die größte Gefahr für einen Lehmboden ist, gleich wie bei einem Holz-

boden, länger stehendes Wasser: Darunter leidet aber zumeist nur die oberste Schicht, die jedoch einfach auszubessern ist. Noch während des Austrocknens werden die schadhafte Stelle wieder mit einem Holz eingeklopft, die Wachsemulsion und das Wachs erneut aufgetragen und frisch poliert. Deswegen ist es wichtig, eine kleine Menge der Original-Mischung zu deponieren. Mit dem aufbewahrten Material lässt sich auch nach Jahrzehnten der Boden ohne Farbunterschiede reparieren. Treppenstufen Aus Stampflehm lassen sich ebenfalls kleinere Treppen oder einzelne Stufen im Innenbereich erstellen. Der Bodenbelag kann sich so ununterbrochen und fugenlos über mehrere Ebenen hinweg ziehen. Der Aufbau einer Treppe gleicht jenem einer Wand: In zwei Stampfgängen pro Stufe wird die Treppe auf einer Schüttung aus grobem Kies gestampft. Besonderes Augenmerk gebührt der Trittkante, weil sie einer erhöhten Belastung ausgesetzt ist. Eine Kante aus Stampflehm bricht mit der Zeit ab. Um die Stabilität der Treppe zu verbessern, erstellt man diese Kante deswegen aus einem Trasskalk-Keil, dessen flacher Teil in den Lehm mit eingestampft wird. Das Material, das auch als Erosionsbremse in der Wand zum Einsatz kommt (siehe Kapitel Wand aus Stampflehm, S. 64), weist eine verbesserte Kantenfestigkeit auf. Farbe und Struktur von Trasskalk gleichen denen von Stampflehm. Durch den fließenden, sich mit dem Lehm verzahnenden Einbau hebt sich die Kante nicht von der restlichen Treppe ab. Die Oberflächenbehandlung erfolgt analog dem Aufbau des Bodens.

Trasskalk Aufbau von Treppenstufen aus StampflehmSchnitt im Maßstab 1:10

Stampflehm

Schüttung

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Ein anderes Wort für ›kalkulierte Erosion‹, auf der alle Atouts der Erdbaukunst beruhen, wäre die grundsätzliche ›Patinophilie‹ dieser Architektur. Otto Kapfinger

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Die Wand aus Stampflehm In der Wand zeigt der Stampflehm seine Eigenschaften am offensichtlichsten. Durch das Stampfen und die Verdichtung des Materials entsteht ein Bauteil, das der Witterung widersteht und die Zeit überdauert. Gleichzeitig bleibt die Erde Teil des natürlichen Kreislaufs: Ist die Wand ungeschützt, trägt der Regen sie über die Jahre wieder ab. Der Stampflehm wird schließlich ohne Rückstände wieder zu dem Erdboden, der er einst war. Selbst eine ausreichend geschützte Mauer verändert sich: Schlagregen weicht die Oberfläche auf, das Wasser spült den weichen Lehm aus. Über die Zeit ändert sich auch die Farbe der Wand, wenn die äußerste Lehmschicht erodiert und die Steine hervortreten. Erosionsbremsen aus Trasskalk oder aus gebranntem Lehm helfen den Abbau des Materials zu kontrollieren.

Dieses Gleichgewicht von Vergänglichkeit und Dauerhaftigkeit präzise

und mit allen Konsequenzen voraussagen zu können, ist die Herausforderung bei der Errichtung einer Wand. Darin liegt aber auch der besondere Reiz des Lehms. Denn all dies hängt zusammen: Wäre der Stampflehm stabilisiert und nicht wasserlöslich, könnte er kaum Feuchtigkeit aufnehmen und dadurch nicht das behagliche Innenraumklima schaffen. Ohne die vom Regen erodierten Feinstoffe an der Oberfläche gäbe es die Patina nicht, die dem Material seine lebhafte und sinnliche Struktur verleiht. Zwischen Beständigkeit und Rückverwandlung stellt sich im Laufe der Zeit eine Balance ein. Die Erosion kommt zwar niemals vollkommen zu einem Stillstand, aber der Lehm wird zunehmend härter und die Steine in der erodierten Fassade stabilisieren die Wand (siehe Abschnitt Kalkulierte Erosion, S. 70). Es ist also kontraproduktiv, den Stampflehm mit Zement oder anderen künstlichen Zuschlägen vermeintlich wetterfest zu machen. Im Gegenteil, der Lehm verliert durch die Zusatzstoffe seine guten Eigenschaften, zum Beispiel die vollständige Rezyklierbarkeit.

Dennoch gilt es, beim Witterungsschutz grundsätzliche Regeln zu be-

achten. Eine Krone muss die Wand vor stehendem und in die Konstruktion eindringendem Wasser schützen. Traditionelle Bauten aus Stampflehm decken die Mauern hierzu mit einem ausladenden Dach ab. Für Konstruktionen mit einem Flachdach oder bei freistehenden Mauern eigenen sich Abdeckungen aus Blech oder einem anderen wasserdichten Material. Weil Spritzwasser der Wand ebenso zusetzt wie aufsteigende Feuchtigkeit, ist der Sockel ebenfalls wasserbeständig auszuführen.

Es braucht viel Zeit, um eine Wand aus Lehm vor Ort zu stampfen, denn

das Verdichten ist mit Handarbeit verbunden. Um mit dem Zeitdruck einer modernen Baustelle mithalten zu können, bestehen Lehmwände gerade bei größeren Bauvorhaben – oder wenn es die Konstruktion nicht anders zulässt – aus vorgefertigten Elementen. Baukräne versetzen die Lehmblöcke, die Arbeiter vergießen anschließend die Stöße und retuschieren die Fugen. Von Hand ergänzen sie die Linien des Lehm und der Trasskalkleisten zwischen den Blöcken. Selbst wenn einzelne Fugen zu Beginn noch zu erahnen sind: Letztlich sorgen der Schlagregen und die damit verbundene Erosion für eine einheitliche Fläche.

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2001_ Totenkapelle Friedhof Batschuns, Zwischenwasser

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Totenkapelle Friedhof Batschuns. Aus der Umfassungsmauer wachsen die Wände der Kapelle, in der die Toten von Batschuns vor ihrer Beisetzung aufgebahrt werden. Das kleine, vor Ort gestampfte Gebäude vereint auf engstem Raum und räumlich präzise wesentliche Elemente einer Konstruktion aus Stampflehm.

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Kalkulierte Erosion und Erosionsbremsen Fotos rechts: Die dem Wetter exponierte

Wegen ihrer Wasserlöslichkeit muss eine Wand aus Stampflehm in der

Fassade des Haus Rauch kurz nach

Fläche vor Erosion geschützt werden. Erosion entsteht immer dann, wenn

Fertigstellung 2008 (oben) und 2010 nach zwei Jahren Erosion.

Wasser abfließt. Fließt das Regenwasser in der Fassade zu schnell ab, reißt es Material mit, läuft es hingegen langsamer ab, bleibt entsprechend mehr Lehm zurück. Deshalb werden in einer Stampflehmmauer Erosionsbremsen eingebaut, um die Fließgeschwindigkeit des Wassers entlang der Mauer zu verlangsamen. Diese horizontalen Schichten können aus vorstehenden Steinen oder gebrannten Ziegeln bestehen, alternativ auch als bündig in die Wand integrierte Lagen aus Trasskalkmörtel. Bei allen Konstruktionen ist die Wirkung dieselbe: Der Wasserfluss wird gebremst und damit auch die Erosion.

Dem Material selbst wohnt eine natürliche Erosionsbremse inne: Nach

den ersten Jahren ist die oberste, feine Lehmschicht ausgewaschen, die Steine kommen zum Vorschein und die Mauer erscheint rauer. Dadurch bewahrt sich die Wand selbst davor abgetragen zu werden, denn die freigelegten Kiesel stabilisieren die Wand. Die zwischen den Steinen verbleibenden Lehmfugen liegen jetzt tiefer in der Wand und quellen bei Regen auf. Dieses Quellen des Lehms verhindert, dass Wasser tiefer in die Wand eindringt. Dadurch kommt die Erosion zunehmend zum Ruhen. Da dieser Prozess vorauszusehen ist und die Bremsen ihn steuern, ist von einer kalkulierbaren beziehungsweise von einer kalkulierten Erosion die Rede. Sie muss technisch und gestalterisch in die Planung einfließen. Und sie führt dazu, dass eine Stampflehmwand Jahre benötigt, bis sie sich in ihrer fertigen Oberfläche präsentiert. Dabei wird die Wetterseite durch den Schlagregen stärker ausgewaschen als die wetterabgewandten Seiten.

Eine Stampflehmwand ändert sich in ihrem Ausdruck über die Jahre, die Oberfläche wird rauer. Links die Darstellung einer Wand nach der Fertigstellung, rechts die gleiche Wand mit Steinen, die hervortreten, nachdem die feine Lehmschicht abgetragen ist.

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Mehrere Arten von horizontalen Streifen prägen eine Wand aus Stampflehm. Einerseits sind es die Spuren der handwerklichen Fertigung, die sich in einzelnen Schichten von rund 10 cm Stärke äußern. Diese Zeichnung ist sehr subtil: Das lockere Material wird in die Schalung gefüllt und mit Druckluftstampfern, Rüttelplatten oder Walzen aus dem Tiefbau auf etwa die Hälfte der ursprünglichen Höhe verdichtet. Dabei wird der obere Teil der Schicht stärker komprimiert als der untere, was dazu führt, dass die Schichten am unteren Ende der Lage poröser erscheinen, oben jedoch der kompaktere Lehm eine homogene und geschlossene Oberfläche aufweist. Dies ist der Grundrhythmus einer Stampflehmwand, in dem sich die unterschiedlich dichten Lagen abwechseln. Es sind Struktur – und gleichzeitig Ornament –, die aus der Arbeit entstehen und den ursprünglichsten Ausdruck einer Lehmwand darstellen. Die sinnliche Erscheinung des Stampflehms hängt stark mit diesem Effekt zusammen.

Einen anderen Takt weisen die Erosionsbremsen auf, die den Fluss des

Wassers entlang der Mauer verlangsamen. Sie sind in der Höhe gestaffelt alle 40 bis 60 cm angeordnet. Wenn sie aus Ziegelleisten mit gebrannten Steinen bestehen, ragen diese aus der Ebene heraus und der Schatten verstärkt ihre Präsenz. Entsprechend prägen sie die Erscheinung der Wand und gliedern sie in einzelne horizontale Streifen. Bei den eingelegten Erosionsbremsen sind die Gestaltungsmöglichkeiten vielfältig: Sie können aus Steinen bestehen, aus präzise geformten Ziegeln oder aus gespaltenem Material. Um eine bewegte Oberfläche für die Unterkante der Ziegel zu erhalten, können Backsteine in Längsrichtung geschnitten und gebrochen werden. Alternativ lassen sich die Ziegel komplett von Hand formen wie beim Wohnhaus Rauch in Schlins (siehe Fotografien vorherige Seite). Dadurch entsteht eine weiche Linie, die sich mit der bewegten Oberfläche der Wand verbindet. Weit diskreter treten Erosionsbremsen aus Trasskalkmörtel in Erscheinung, die bündig in die Wand eingearbeitet sind. Dabei wird alle vier bis sechs Lagen eine keilförmige Leiste an der Außenseite mit eingestampft. Der Trasskalk ist zumeist grauer als der Lehm und ist als feine Linie sichtbar, die nach Erosionsbremse aus vorstehender Keramikleiste. Eine Einlage kompensiert den Überstand.Schnitt durch die Schalung im Maßstab 1:10

72  

0,5

1

2

Um die Erosion zu kontrollieren,

dem Ausschalen zunächst bündig mit der Wand ist. Wenn die äußerste Lehm-

werden Bremsen für das Regen-

schicht vom Regen ausgewaschen ist, treten diese Leisten ein wenig stärker

wasser eingebaut. Obere Reihe: Erosionsbremsen aus eingestampftem Trasskalk

hervor. Direkt darunter bleibt das Material erhalten, über der Bremse hingegen wird der feine Lehm abgetragen. Eine Wand mit Erosionsbremsen aus

mit fortschreitender Erosion.

Trasskalk verändert sich auf eine andere Weise als eine Wand mit vorstehen-

Schnitt im Maßstab 1:10

den Leisten.

Zu im Werk vorgefertigten Elementen passt eine Erosionsbremse aus

eingestampftem Trasskalk wesentlich besser, da sich mit ihr sowohl die Produktionsweise als auch der Transport vereinfachen. Vorstehende Erosionsbremsen bieten ein großes gestalterisches und funk2

40

tionales Potenzial: Die Leisten ragen rund 2 cm vor, was die entsprechend starke Einlage in der Schalung kompensiert.

Die Mauer wird zunächst bis zur Unterkante der Erosionsbremse ge-

stampft. Darauf kommt eine Ziegel- oder Steinlage zu liegen. Eine Schicht aus Lehmmörtel deckt sie zu, um die Dauerhaftigkeit der Verbindung zu gewährleisten und den Druck zu verteilen, der beim Stampfen der weiteren Wand entsteht. Danach wird die Schalung wieder aufgedoppelt und die nächste Lage aus Lehm gestampft. Zwischen den Einlagen bleibt Platz für die Erosionsbremsen, die eigentliche Stampflehmwand bleibt um die Stärke der Einlage zurück. Diese Technik ist mit einem simplen und leicht erhöhten Schalungsaufwand verbunden, der eher der handwerklichen Produktion vor Ort entspricht. Die Wahl der Erosionsbremse definiert den Charakter einer Wand. Nicht nur in ihrem anfänglichen Ausdruck, auch nach Jahren prägt die Technik der Leiste ihre Erscheinung. Beide Ansätze lassen sich prinzipiell sowohl in vorgefertigten als auch vor Ort gefertigten Wänden umsetzen – mit der Einschränkung, dass hervorstehende Ziegelleisten bei vorgefertigten Elementen eine besondere Herausforderung darstellen (sieheVorfertigung, S. 118).

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Für vor Ort gestampfte Lehmwände sind aufwendige Schalungsarbeiten nötig. Im Gegensatz zum Betonbau stehen die Schalungen nicht geschosshoch: Der Lehm muss mit Pressluftstampfern verdichtet werden – diese Arbeit kann nur bis zu einer gewissen Schalungshöhe erfolgen. Die Schichten wachsen in größeren Abschnitten Lage um Lage in die Höhe.

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Vor Ort gestampfte Wände Wände aus Stampflehm entstehen vor Ort mit Hilfe einer Schalung. Ähnlich wie bei einem Betonbau wird zunächst das Negativ der Wand aus Stahlschalungen oder aus Holz gefertigt und danach mit Lehm gefüllt. Doch gibt es einen wesentlichen Unterschied: Beim Beton sind die Schalungsabschnitte wandhoch und die nächste Etappe dockt seitlich an sie an. Beim Stampflehm erfolgt der Aufbau auch segmentiert, jedoch ist immer ein möglichst durchgängiges Schichtbild zu beachten. Denn Stampflehm wird erdfeucht in die Schalungen eingefüllt und dann gestampft. Das Haus wächst Schicht um Schicht in die Höhe. Somit darf die Schalung auch nicht zu hoch ausfallen: Bei einer Breite von lediglich 35 oder 45 cm wäre bei einem geschosshohen Aufbau kein Platz für Arbeiter und Gerät. Den Abschluss der Wand bildet auf jedem Geschoss ein bewehrter Ringanker, um horizontale Kräfte in die Wand abzuleiten und um die vertikalen Kräfte besser zu verteilen. Der Einbau erfolgt in einer Aussparung auf dem oberen Abschluss der Wand. In diese Aussparung ist über die gesamte Wandabwicklung eine durchgehende Armierung eingelegt und der Kanal anschließend mit Trasskalkmörtel oder Beton ausgegossen.

Die Qualität der Wand lässt sich über Prüfklötze nachweisen, mit denen

in einem standardisierten Verfahren statische Grundwerte ermittelt werden (siehe Normen, S. 124). Diese Eigenschaften sind nicht bloß eine direkte Folge der Materialmischung, sondern ebenso ein Resultat des Bauprozesses und der Art und Weise des Stampfens. Auch in diesem Bereich lässt sich die Erfahrung der Facharbeiter nicht durch ein Rezept oder einen Prozess ersetzen.

Beachtet man bei der Einteilung der Abschnitte die eingangs genannte

durchgängige Schichtung, muss die Wand nach dem Ausschalen kaum retuschiert werden, und der Ausdruck deckt sich vollkommen mit der Konstruktionsweise. Darin liegt die archaische Kraft von Lehmwänden, die vor Ort gefertigt sind, wenn das Resultat identisch ist mit der Art der Herstellung. Auf der anderen Seite ist gerade die Erstellung von Lehmwänden vor Ort mit viel Erfahrung und Geschick in situ verbunden: So ist es prinzipiell möglich, die Planung der Details zu einem guten Teil auf die Baustelle zu verlegen. Denn im langsamen Aufbau des Gebäudes bleibt genügend Zeit, um mit einer individuellen und angepassten Lösung auf Probleme zu reagieren, die erst mit dem Baufortschritt auftauchen. Der Lehmfacharbeiter steht mit seiner Erfahrung und seinem Urteilsvermögen für die Konstruktionen gerade, die unter seiner Führung entstehen und er gewährleistet, dass diese dem aktuellen Stand der Technik und des Wissens entsprechen.

Allerdings ersetzt dies nicht die Zusammenarbeit mit anderen Planungs-

beteiligten wie Architekten, Statiker und Bauphysiker (siehe Normen, S.124).

Jedenfalls gibt der Stampflehm im Zusammenspiel mit den anderen

Gewerken das Bautempo vor. In seinem Rhythmus schreitet die Vollendung des Hauses voran. Da das Stampfen mit einem großen Anteil an Handarbeit verbunden ist, braucht ein Lehmhaus entsprechend viel Zeit und Arbeitskraft.

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Am Beispiel des Zielturms im Sihlhölzli lässt sich die Arbeit in Etappen gut ablesen. Für die Sportanlage in Zürich sind die kleineren, ungedämmten Gebäude in einer Kombination aus Lehm und Beton entstanden. In einer ersten Etappe ensteht das Erdgeschoss mit den Aussparungen für die Treppenstufen. Die Stürze aus Lehm sind mit Armierungen ausgeführt, die nach oben weisen. Die darüber liegende Decke aus Stahlbeton trägt den Fenstersturz (siehe Kapitel Öffnung in der Wand, S. 92). Diese Folge wiederholt sich im Obergeschoss. Der Stampflehm wird Schicht für Schicht in durchgehenden horizontalen Lagen aufgebaut. Die Decke des Gebäudes besteht ebenfalls aus Stahlbeton und schließt den kleinen Turm mit einer Laterne ab, die das Treppenhaus belichtet. Die in der Ecke angeordneten Fenster bieten eine gute Sicht auf die Laufbahn.

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Die Basis der Vorfertigung sind bereits im Werk gefertigte Elemente: Dies macht den Lehmbau unabhängiger vom Wetter und beschleunigt den Bauprozess. Im Gegenzug wird die Werksplanung aufwendiger, da die Wände in Elemente eingeteilt werden müssen.

Vorfertigung Eine weitere Methode, eine Wand aus Stampflehm zu erstellen, ist die Produktion in der Werkshalle. Bereits in den 1990er-Jahren entstanden erste Projekte mit vorgefertigten Wandelementen. Die Gründe dafür liegen in der Fertigung: Einerseits kann wegen Frostgefahr nicht das ganze Jahr über Lehm gestampft werden, andererseits sind die Bautermine teils so eng gesetzt, dass gar keine Zeit bleibt, um eine Wand vor Ort zu stampfen.

Die Lösung bieten Elemente, aus denen auf der Baustelle ganze Wän-

den entstehen (siehe Vorfertigung, S. 118). Dabei ändert sich natürlich die Art der Fertigung, denn vor Ort sind keine Schalungen mehr zu errichten. Die Aufgabe besteht darin, die Elemente zu einer Wand zu fügen und ihr Homogenität zu verleihen – möglichst ohne sichtbare Fugen. Die Elemente werden im Werk auf Maß gefertigt und für die Versetzung vorbereitet. Meistens entstehen zunächst große Abschnitte, die anschließend in Teile geschnitten die einzelnen Blöcke bilden. Dies gewährleistet ein durch­gehendes Schichtbild und erleichtert die Retusche der Elemente auf der Baustelle.

Dabei werden die wenige Zentimeter breiten vertikalen Fugen im

Rhythmus der Verdichtung, wie auch die Erosionsbremsen aus Trasskalk ergänzt. Dies ist nicht nur optisch wichtig, sondern bei der Trasskalkbremse ebenso technisch unumgänglich, da eine Lücke in der Leiste, ähnlich wie der Riss in einem Damm, zu vermehrter Erosion führen könnte.

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Stampflehm hat eine ausgeprägte horizontale Struktur. Um eine homogene Oberfläche zu erhalten, werden Elemente aus einem Stampfvorgang in der gleichen Lage versetzt. Die Schichtlinien gehen durch.

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1

2

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1

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In Handarbeit werden die Fugen mit Stampflehmmaterial gefüllt und retuschiert. Nach dem Trocknen sind die Stöße kaum noch zu sehen. Durch die Erosion entsteht schlussendlich ein vollkommen monolithischer Eindruck.

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Dachabschluss und Sockel Ein altes Sprichwort besagt: »Eine Lehmwand braucht einen guten Hut und gute Stiefel.« Die Abdeckung muss so ausgebildet sein, dass sich kein Regenwasser sammelt, das in die Konstruktion eindringt oder von der Mauerkrone in großer Menge über die Stampflehmoberfläche abfließen kann. Dabei ist nicht der Dachüberstand maßgeblich, sondern die Dichtheit und die Funktionstüchtigkeit einer Detaillösung.

Im Zuge der Projektarbeit wurden schon unzählige Varianten von Lehm-

mauerabdeckungen realisiert und dabei viele Erfahrungen gesammelt. Bewährt hat sich folgender Aufbau: Direkt auf dem Dachrand wird – idealerweise in Kombination mit einem Ringanker – eine dünne Trasskalkmörtelschicht aufgetragen und darauf eine Bitumenmatte geklebt. Dies ist in der Regel die Schnittstelle zwischen dem Lehmbauer und dem Dachdecker. Über dieser Konstruktion kann dann ein konventioneller Dachabschluss errichtet werden: zum Beispiel ein Blech mit Tropfnase. Der Dachrand muss in diesem Sinne den allgemeinen Baurichtlinien entsprechen. Der Ringanker kann außerdem als Befestigungsmöglichkeit für die Dachrandkonstruktion dienen (siehe Detail Dachrand Kräuterzentrum, S. 83).

Im Sockeldetail muss primär eine Sperre gegen die kapillar aufsteigende

Feuchtigkeit erstellt werden. In zweiter Linie ist die Spritzwasserbelastung am Übergang von der Horizontalen in die vertikale Ebene zu beachten – dies nicht nur am Anschluss des Terrains, sondern auch in oberen Geschossen bei Balkonen und Terrassen. Der Lehm kann deswegen im Sockel nicht eingesetzt werden. Alternativen dazu bilden Sockel aus Mager- oder Stahlbeton. Um den Sockel nicht allzu stark von der Wand abzuheben, wird der Beton häufig in einem der Stampflehmwand angepassten erdigen Ton eingefärbt oder als Stampfbeton ausgeführt. Durch die glatte Stirnfläche aus Beton kann allerdings, wie beispielsweise bei den Kleinbauten im Silhölzli, Schlagregenwasser mit größerer Geschwindigkeit auf den darunter liegenden Stampflehm treffen und damit die Erosion befördern. Um diese Gefahr zu reduzieren, wurde zwischen Stampflehm und Beton eine poröse, raue Trasskalkmörtelleiste als Bremse eingebaut. Damit ist ein abgestufter Übergang vom überaus harten Betondach zum unstabilisierten Stampflehm geschaffen. Trotzdem hat die Praxis gezeigt, dass an diesem Übergang mit einer verstärkten Erosion zu rechnen ist. Will man diese ausschließen, ist ein kleiner Überstand mit Tropfkante vorzusehen.

80  

Gefälle 10%

Gefälle 1% Bei den ungedämmten Kleinbauten

Stahlbeton 25 cm

der Sportanlage Sihlhölzli in Zürich wurde das Dach aus Beton direkt auf

Trasskalkmörtel

eine Schicht Trasskalkmörtel auf der Lehmmauer gegossen (siehe

Bitumenabdichtung 0,5 cm

Kapitel Decke und Dach, S. 110). Um

Stampflehmwand 40 cm

einen Wasserschaden von oben zu

Trasskalkmörtelleiste

vermeiden, liegt auf dem Stampflehm eine bituminöse Abdichtung auf. Dachrand im Maßstab 1:20

Corten-Stahl-Abdeckung 0,3 cm Gefälle 10% Holzunterkonstruktion Bitumenabdichtung 0,5 cm

Gefälle 7%

Trasskalkmörtelüberzug 2 cm Armierter Trasskalk-Ringanker 15 x 10 cm

Trasskalkmörtelleiste Stampflehmfassade 45 cm

Verankerung an der Tragkonstruktion

Der Dachabschluss der Schweizerischen Vogelwarte in Sempach zeigt ein konventionelles Detail mit einer Abdeckung aus Blech. Die Lehmwand kann dabei wie jede andere massive Bauweise behandelt werden. Dachrand im Maßstab 1:20

81  

Haus Rauch Die Tragkonstruktion aus Stampflehm

Gefälle 3% Schlammziegeldeckung 4 cm

bildet gleichzeitig die Fassade. Die

Lavaschotter-Schüttung 17 cm

bituminöse Dachhaut wird direkt bis zur

OSB-Platte mit Bitumenabdichtung 2,5 cm

Mauerkante geführt, an der Attika mit einem zusätzlichen Blech überdeckt und mit gebrannten Schlammziegeln abgeschlossen, die dann nahtlos in die Dachfläche übergehen. Die Platten sind nur gelegt, die Fugen offen. Das Regenwasser sickert somit in die grobkörnige Schaumglasschüttung und läuft über ein Gefälle ab. Die erdberührten Stampflehmwände sind nach außen mit 10 cm Schaumglas

Schilfrohrdämmung 20 cm Korkschrot-Trass-Lehm-Gefälleschicht 0 - 10 cm Dippelbaum-Decke 18 cm Schiftholz 3 cm Lehmbauplatte und Lehmfeinputz 3 + 1 cm Stampflehmwand 45 cm Schilfrohrdämmung 2 x 5 cm Lehmunterputz und Lehmfeinputz 3 + 1 cm

gedämmt und werden durch eine mehrschichtige Bitumenabdichtung sicher vor Feuchtigkeit geschützt. Die Bitumenschicht ist außerdem bis zur Oberkante des Sockels verlängert, Schlammziegel stehen davor und verkleiden die Anschlussstelle. Als zusätzlicher dauerhafter Schutz sichert ein fetter Lehmschlag die Fundamente und erdberührten Flächen. Fassadenschnitt im Maßstab 1:20

Schlammziegel-Spritzwasserschutz Stampflehmboden 8 cm Kork-Trass-Lehm-Mischung 8 cm Schilfrohrdämmung 2 x 5 cm Armierter Trasskalkmörtel 25 cm

Bitumenabdichtung Schaumglasdämmung fetter Lehm

Schlammziegel Lehmmörtel T-Träger 60/60

Stampflehmboden 8 cm Kork-Trass-Lehm-Mischung 20 cm Schaumglas-Schüttung 20 cm

82  

Ricola Kräuterzentrum

Gefälle 3%

Wellblechabdeckung

Die Wand trägt keine zusätzlichen Lasten. Die Fassade aus vorgefertigten

Betonmauerkrone

Elementen steht vor einer PfostenRiegel-Konstruktion aus Stahlbeton

Abdeckungsbefestigung

und ist über Halvenschienen mit ihr

Armierter Trasskalkringanker

verbunden. Den Dachrand bildet eine betonierte

Notüberlauf

Krone, auf der ein Wellblech befestigt ist. Das Dach besteht aus vor Ort gegossenen Platten, die auf den Betonrahmen aufliegen. Der Sockel ist als Riegel ebenfalls aus einem eingefärbten Leichtbeton erstellt. Er schützt die Wand vor Spritzwasser, gleichzeitig liegen auf ihm

Trasskalkmörtelleiste

die Elemente auf. Fassadenschnitt

Stampflehmfassade 45 cm

im Maßstab 1:20

XPS-Dämmung 7 cm Stahlbetonstütze 55 cm Fassadenanker

Edelstahlprofil

Stampflehmfassade 45 cm Trasskalkmörtelleiste Bitumenanstrich und Lehmmörtel 1,2 cm Eingefärbter Dämmbetonsockel Schotterdrainage XPS-Dämmung

Schotterrasen



Sickerleitung



Sauberkeitsschicht

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Die Schale, die uns räumlich umgibt, soll so atmen, so diffundieren können wie unser Körper. Martin Rauch

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Die Öffnung in der Wand Ein Haus aus Lehm funktioniert dann am besten, wenn es geschlossene Flächen aufweist. Massive Mauern mit wenigen, möglichst kleinen Öffnungen entsprechen dem Wesen des Materials und den Druckkräften, die in seinen Konstruktionen wirken. Für traditionelle Lehmbauten entstand eine Formensprache anhand dieser Eigenschaften: Die Mauern sind dick, die Öffnungen sparsam gesetzt – darin gleicht der Lehmbau anderen Massivbauten. Anstelle eines einzelnen großen Fensters gibt es mehrere schmale Öffnungen, weil die Wandstücke dazwischen die Kräfte besser ableiten können. Jede Öffnung im Mauerwerk schwächt die Tragfähigkeit des Lehmbaus und ist mit mehr Planung, Ungewissheit und Arbeit verbunden. Über Jahrhunderte wurden Lehmbauten so gebaut: in Stampflehmbauten kommen diese Prinzipien mit ihren einfachen Details zum Einsatz.

Als Sturzelemente im traditionellen Lehmbau dienen Holzbalken, die

in die Wand mit eingestampft sind. Lehm ist mit 6 – 7 % Gleichgewichtsfeuchte trockener als Holz (9 %). Deshalb ist das Holz im Lehm gut konserviert (siehe Material, S. 116). Da die historische Lehmbauten in Europa verputzt sind, ist dieser Aufbau nicht sichtbar. Wenn der Stampflehm jedoch auf Sicht gefertigt ist – was heute der Schönheit und Haptik wegen zumeist der Fall ist –, erweist sich diese Aufgabe als bedeutend anspruchsvoller. Viel Erfahrung im Umgang mit dem Material ist nötig, um bis in die Details ansprechend zu arbeiten.

Bei kleineren Öffnungen kann es in der Verantwortung des Facharbei-

ters liegen, die Konstruktion nach den anerkannten Regeln auszuführen. Der erfahrene Lehmbauer bemaßt ebenso die Bewehrung. Dabei fußt die Dimension der Armierung auf dem Augenmaß; es gibt dafür keine Normen und Berechnungsgrundlagen (siehe Normen, S. 124). Bei den größeren Öffnungen hingegen genügt diese erfahrungsbasierte Tragwerksplanung nicht mehr und das Tragverhalten des Sturzes muss berechnet werden. Dann ergänzen Sturzelemente aus armiertem Trasskalkmörtel oder aus Stahlbeton die Konstruktion.

Gerade den Öffnungen liegt ein hoher planerischer und konstruktiver

Aufwand zugrunde. Mit Stampflehm zu entwerfen, heißt die Öffnungen intelligent zu setzen und sich in der Konstruktion auf das Material einzulassen. Sind die Wände geschlossen, vollendet die kalkulierte Erosion ihre Oberflächen (siehe Material, S.116 und Abschnitt Kalkulierte Erosion, S. 70). Jede Öffnung unterbricht diesen Prozess, ist mit Turbulenzen verbunden, und an den Tropfkanten auf der Unterseite der Stürze ist der Lehm verstärkt der Erosion ausgesetzt. Dieser ungewollte und bei falscher Ausführung unkontrollierte Abtrag lässt sich aber durch richtige Detailarbeit verhindern.

Lehmbauten haben ihre Erscheinung geändert: anstelle geschlossener,

nur mit wenigen kleinen Fenstern versehener Fassaden sind heute große, liegende Fensteröffnungen in den Wänden möglich. Wie kann man solche Öffnungen in Stampflehm konstruieren und ausbilden? Wie wird man dem archaischen, massiven Baumaterial trotz der veränderten Formensprache gerecht? Wie kann der Stampflehm sein traditionelles Kleid ablegen?

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2012 – 2013_ Ricola Kräuterzentrum, Laufen

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Eine radikale Umsetzung der Öffnungen im Lehmbau zeigt das Ricola Kräuterzentrum in Laufen. Die prägnante Form der kreisrunden Fenster mit 5,8 m Durchmesser ist ebenso Teil der Architektur wie konstruktiv bedingt: Ein Bogen leitet die Kräfte optimal um die Öffnung – eine Verstärkung des Sturzes ist nicht nötig – und der Kreis vervollständigt einen an der Horizontalen gespiegelten Bogen. Die Fensterflächen stehen rund 20 cm aus der Wandebene hervor. Das sich auf dem Fenster sammelnde Wasser wird also nicht über die darunter liegende Lehmwand abgeleitet, sondern reißt an einer Tropfnase ab. Die 110 m und 30 m langen Fassaden aus einzelnen Elementen sind als durchgehende Stampflehmwand ausgebildet, was dem Material entgegenkommt und hervorragende Bedingungen für die kalkulierte Erosion schafft (siehe Abschnitt Kalkulierte Erosion, S. 70).

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Konstruktion des Sturzes Jede Öffnung ist mit einem konstruktiven Aufwand verbunden: In den Details eines Sturzes über einem Fenster oder über einer Türe kommen technische und gestalterische Ansprüche zusammen. Im Bauen mit Stampflehm kann dies auf sechs verschiedene Arten erfolgen: Den Sturz vermeiden Den Sturz ganz wegzulassen, bietet einen eleganten Weg, das konstruktive Problem zu umschiffen. Die Mauern bestehen aus einzelnen Scheiben, die zwischen den Öffnungen stehen. Den Sturz bilden die Decke oder das Dach, die in einem anderen Material gefertigt sind. Die Mauer erscheint dadurch jedoch nicht mehr als durchgehende Lehmwand, sondern bleibt fragmentarisch. Dies erleichtert den Einsatz von vorgefertigten Elementen. Den Sturz herabhängen Eine andere Möglichkeit liegt darin, den Stampflehm über der Öffnung von der betonierten Decke oder vom Ringanker abzuhängen. Der Sturz aus Lehm entsteht zusammen mit der Wand, ebenso die Bügel, die ihn halten und die zusammen mit dem tragenden Bauteil vergossen werden. Diese Konstruktionsweise ist sehr effizient, denn ein ohnehin benötigtes Bauteil – Decke oder Ringanker – überbrückt bereits die Öffnung. Der Kantenschutz an der Untersicht des Sturzes erfolgt sinnigerweise mit einer Metallplatte, an der auch die Armierungsbögen angeschweißt sind, die in den Anker oder die Decke ragen. Sichtbarer Sturz in einem anderen Material Dies ist das traditionelle Detail für den Sturz im Lehmbau. Dabei wird meistens ein Holzbalken sichtbar in das Mauerwerk mit eingestampft. Die Wirkung ist rustikal, entspricht aber den tektonischen und konstruktiven Prinzipien des Stampflehms und des Materials, aus dem der Sturz gefertigt ist: Die Zug- und Druckkräfte teilen sich entsprechend den Materialeigenschaften auf und die Bauteile zeigen die Arbeitsteilung im Tragwerk. Dennoch, wer es sich leisten konnte, verputzte die Konstruktion und imitierte mit Zeichnungen und Ornamenten eine edlere Konstruktion. Sturz mit eingestampfter Armierung Wenn die Öffnung klein und der Sturz in Lehm ausgeführt ist, kann eine Armierung mit in die Wand eingestampft werden. Dies ist die einfachste und günstigste Öffnungsart, denn die Armierung kommt ohne Unterbruch in der wachsenden Wand zu liegen. Die Dimensionierung erfolgt durch den Facharbeiter, es ist kein Statiker für die Bemessung des Sturzes nötig.

Um den Druck über der Öffnung in die Wände abzuleiten, bildet die

armierte Mischung aus Lehm und Trasskalk einen Bogen über dem Sturz. In Verbindung mit dem Eisen ist der Trasskalk besser auf Druck und Zug belastbar und leitet als Keilwerk die Kräfte ab. Je größer die Öffnung, desto höher muss dieser unsichtbare Bogen im Mauerwerk ausfallen. Die Unterkante des Sturzes wird ebenfalls durch die Beigabe von Trasskalk stabilisiert. Es sind keine weiteren Maßnahmen nötig, um die Kante zu schützen.

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Unsichtbar eingearbeitetes Sturzelement Bei größeren Öffnungen reicht die Tragfähigkeit der eingestampften Armierungsstäbe nicht mehr aus. Zudem sind die auftredenden Kräfte nicht exakt berechenbar, da entsprechende Daten noch nicht erforscht und bestätigt sind. Um die Öffnung zu überbrücken, übernimmt ein vom Tragwerksplaner berechnetes Element aus Stahlbeton oder ein Stahlträger diese Funktion. Doch im Gegensatz zum sichtbaren Sturz des traditionellen Lehmbaus soll bei dieser Konstruktion die Fassade ganz aus Lehm bestehen. Dies bedeutet, dass die Lehmschicht an der verborgenen Sturzkonstruktion hängt. Der Lehm im Sturzbereich trägt nicht selbst, er wird getragen. Diese Umkehrung erlaubt eine homogene Erscheinung, auch wenn die Bauweise dahinter wechselt.

Wenn in einem Stampflehmhaus ein liegendes Fenster geplant ist, dann

ist das unsichtbar eingearbeitete Sturzelement die Konstruktion der Wahl. Auch wenn die Komplexität dadurch ansteigt, kann das Element zusammen mit der Wand eingestampft werden. Stapelung vorgefertigter Elemente Mit Stampflehm zu bauen ist ein langsamer Vorgang: Vor Ort stampfen Arbeiter in einer Schalung die erdfeuchte Lehmmasse, Schicht um Schicht wächst das Gebäude in die Höhe. Dank Vorfertigung kann der Lehmbau aber mit dem Tempo einer industriell geprägten Baustelle mithalten. Das Fügen von Teilen aus der Werkhalle bietet zudem Vorteile in der Ausbildung des Sturzes. Wie beim steinernen Architrav des griechischen Tempels überspannen querliegende Sturzelemente die Öffnungen. Sie liegen auf den Mauer­ elementen auf und halten die Wand für Fenster und Türen offen. Die auf Zug belasteten Teile verstärken im Werk eingelegte Armierungseisen, bei kleineren Öffnungen kann sogar auf die Bewehrung verzichtet werden. Die Unterkante der Öffnung schützt eine Stahlkante, die im Bereich der Auflager zurückspringt, vor Erosion.

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Die beiden eingeschossigen Gerätehäuser der Sportanlage Sihlhölzli kommen ohnen einen Sturz aus. Die Decke aus Stahlbeton liegt auf den Wänden aus Stampflehm auf.

Abgehängter Sturz aus Lehm Der abgehängte Sturz im Zielturm der Sportanlage Sihlhölzli in Zürich ­(Schema des Aufbaus siehe Kapitel Wand aus Stampflehm, S. 76, Detailplan gegenüberliegende Seite) zeigt die Möglichkeit, einen Sturz aus Lehm aus­ zubilden. Im Bereich über den Öffnungen wird eine Stahlplatte mit angeschweißter Armierung mit eingestampft, die später an die Armierungseisen der Betondecke anschließt. Die auf der Stahlplatte aufgeschweißten Flansche verhindern lediglich die Verformung, könnten den schweren Stampflehm ohne die Abhängung jedoch nicht tragen. Während des Stampfens und Betonierens schützt die Fensterabschalung die Öffnung, nachdem der Beton ausgehärtet ist, trägt die Decke den Sturz. Diese Konstruktion bietet sich an, wenn die Höhe des Sturzes beschränkt ist und kein Sturz aus einem anderen Material eingelegt werden kann.

Wenn keine Decke aus Beton geplant ist, kann auch der Ringanker als

Träger des Sturzes dienen. Beides erhöht die Effizienz der Konstruktion, denn ein bereits vorhandenes Bauteil übernimmt eine weitere Funktion. Sichtbarer Sturz in einem anderen Material Der Sturz über den Türen im Spa-Bereich Hotel Waldhaus in Flims entstand auf diese traditionelle Weise: Auf den Wänden neben dem Sturz liegt eine Steinplatte auf, die die Öffnung überbrückt (siehe Detail rechts): Die Konstruktion ist so direkt und einfach, dass ihr Tragverhalten offensichtlich ist. Um die Platte während des Stampfens vor einem Bruch zu schützen, wird Sand auf die Abschalung der Türöffnung gestreut.

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Ein Sturz aus Stampflehm über einer großen Öffnung lässt sich elegant umsetzten, wenn er von einer Betondecke abgehängt wird. Auch der Ringanker über der Wand (siehe Kapitel Wand aus Stampflehm, S.73) bietet diese Möglichkeit. Schnitt des Zielturms der Sportanlage Sihlhölzli in Zürich im Maßstab 1:10

Stahlbetondecke mit Überzug 27/40 cm

Trasskalkmörtelleiste Stampflehmwand 40 cm Sturz-Aufhängung

Stahlplatte

Eine traditionelle Variante des Sturzes bildet eine Steinplatte, die die Öffnung überbrückt. Sturz im Innenraum des Hotels Waldhaus Flims im Maßstab 1:10

Stampflehmwand 45 cm

Natursteinsturz 45 x 8 cm

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Sturz mit eingestampfter Armierung Wenn die Armierung gleichzeitig mit dem Lehm eingestampft werden kann, dann ist dies die effizienteste und einfachste Methode, einen Sturz auszubilden. Bei kleineren Öffnungen kommt diese Art der Fertigung häufig zum Einsatz: Über der Aussparung in der Wand tragen einige keilförmige Lagen aus Trasskalk. Der bewehrte Trasskalk ist belastbarer als Lehm und kann die Kräfte besser ableiten. Die äußere Kante ist in Lehm ausgeführt.

In die Lagen von Trasskalk legt der Facharbeiter nach eigener Ein­schät-

zung einige Armierungseisen und stampft sie mit ein. Dabei beruht die Dimensionierung der Armierung auf Augenmaß; es gibt dafür keine Normen und Berechnungsgrundlagen. Wenn der Trasskalk ausgehärtet ist, hält er die Armierung. Um die Kräfte über der Öffnung abzuleiten, sind die Lagen aus Trasskalk bogenförmig über dem Sturz in die Wand eingebracht.

Bei kleinen Öffnungen die Methode der Wahl: gestampfter Trasskalkmörtel mit verzinkten Armierungseisen.

Stampflehmwand 45 cm

Sturz im Maßstab 1:10

Armierter Trasskalkmörtelsturz

Anstelle eines Armierungseisens kann in den Sturz ein Spaltholz eingestampft werden, das auf den benachbarten Wänden aufliegt. Das nebenstehende Detail zeigt die Fenster im Atelier Rauch

Ziegelleiste Lehmmörtel

in Schlins. Die Lehmschicht unter den Holzscheiten muss ein Gewebe halten, das wiederum mit Schnüren an den Scheiten festgemacht ist. Die unterste Lage der außen angeordneten Erosionsbremse (Ziegel) ist mit Trasskalk befestigt. Schnitt im Maßstab 1:10 Armierter Trasskalkmörtel

Spaltholzsturz

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Unsichtbar eingearbeitetes Sturzelement Wenn eine Öffnung groß ist, braucht es Stürze aus Stahlbeton, armiertem, Trasskalkmörtel oder aus Stahlprofilen und es bedarf der Heranziehung eines Statikers, da ihre Berechnung das Augenmaß überschreitet. Dies erlaubt eine kontrollierte Ausführung des Tragwerks und ermöglicht erst die im Gegensatz zur tradi­tionellen Lehmbauweise großen Öffnungen.

Der Aufbau erfolgt je nach Material unterschiedlich: Trägt ein Element

aus Beton den Sturz, wird zunächst die Schalung für den Stampflehm erstellt. Wenn die Untersicht aus Lehm bestehen soll, kommt eine erste Schicht in die Schalung, falls die Untersicht verkleidet ist, kann der Betonsturz direkt auf der Schaltafel liegen.

Da der Lehm meistens auf mindestens einer Seite sichtbar ist, bleibt in-

nerhalb der Schalung ein Teil für das notwendige Volumen des Betonträgers. Zunächst wird der Stampflehm bis zur Oberkante der Abschalung gestampft. Danach entfernt man das Brett, das die Aussparung frei hält und bringt in den weichen Lehm einige rostfreie Schrauben an, die etwa 3 cm vorstehen und die den Verbund zwischen Beton und Lehm gewährleisten (siehe Foto, S. 97). An den oberen Kanten des Stampflehms sind die Ecken abgeschlagen, damit die Kräfte der aufliegenden Wand sich auf den Sturz verteilen. Anschließend wird der Sturz bewehrt und ausbetoniert.

Über der Altaröffnung der Kapelle der Versöhnung in Berlin trägt ein – im Grundriss – bogenförmiger Sturz aus armiertem Stahlbeton. Er ist unsichtbar zwischen zwei Lehmschichten eingefügt. Auf der Unterseite ist der Betonbalken geschlämmt, um ihn an die Materialität der Wände aus Stampflehm anzugleichen. Da sich die Wand im Innenraum befindet, bleiben die Ecken scharfkantig und ohne Verstärkung, denn es droht keine Gefahr, dass sie abbrechen. Ansicht, Grundriss und Schnitt der Öffnung in der Versöhnungskapelle im Maßstab 1:50

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Beim unsichtbaren Sturz hängt der Lehm über die Schrauben befestigt am Träger aus Stahlbeton oder Trasskalk. Wenn die Konstruktion an der Innenseite verkleidet ist, kann der Träger an diesem Rand der Stampflehmwand ­liegen, wie dies beim großen Atelierfenster im Haus Rauch der Fall ist. ­Dadurch bleibt die Lehmschicht gegen außen stärker.

Über den Öffnungen der breiten Tore beim Kräuterzentrum in Laufen

tragen zwei thermisch getrennte Stahlträger den Sturz. Da diese Fassade aus vorgefertigten Elementen gefügt ist, wurde der Träger schon in der Elementproduktion miteingestampft und nicht erst vor Ort montiert. Diese Konstruktion ist aber ohne weiteres auch in einer vor Ort gefertigten Wand umzusetzen. Der Stahlsturz muss in beiden Fällen mit einer leichten Überhöhung eingebaut sein. Die Last des darüberliegenden Lehms drückt ihn anschließend in die Endposition. Um die Kante der Lehmwand zu schützen, ist am unteren Flansch des Trägers ein Winkelprofil befestigt, das eine ­präzise Kante des Sturzes bildet und den Lehm an der Kante vor zu starker Erosion schützt.

Ein mit in die Konstruktion eingebauter Sturz eröffnet dem Lehmbau

formal neue Wege. Lange Zeit bildeten breite Öffnungen eine große HerausPlan links: Detailschnitt des Sturzes in

forderung – erst in der Kombination mit einem anderen Material sind liegende

der Kapelle der Versöhnung. Die Lehm-

Fenster und breite Stürze möglich.

wand ist auf beiden Seiten sichtbar, der Balken ist auf der Unterseite mit Lehm kaschiert. Detailplan Sturz im Maßstab 1:10 Plan rechts: Die Tore des Kräuterzentrums in Laufen mit einem ins Element mit eingestampften Stahlträger. Schnitt im Maßstab 1:10

Trasskalkmörtelleiste Stampflehmfassade 45 cm

Stampflehmwand 60 cm

L-Profile 200 x 20 thermisch getrennt Thermische Trennung

Armierter Trasskalksturz

Winkelprofil (Kantenschutz) Tragrahmen aus Rechteckprofilen

30 x 32 cm

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Schrauben halten die Lehmschicht am Träger aus Trasskalk oder Stahlbeton fest. Sie werden vor dem Verguss in den Stampflehm geschraubt.

Plan links: Der beidseitig in Stampflehm ausgeführte Sturz über der Türe der Kapelle in Batschuns. Schnitt im Maßstab 1:10 Plan rechts: Der Regelschnitt im Haus Rauch. Fassade aus Stampflehm, Innenwand Lehmputz. Schnitt im Maßstab 1:10

Stampflehmwand 45 cm

Lehm-Feinputz 1 cm Lehm-Unterputz 3 cm Schilfrohrdämmung 2 x 5 cm Lehmmörtel

Stahlbetonsturz 20 x 32 cm

Ziegelleiste Stampflehmwand 45 cm Armierter

Schrauben

Trasskalkmörtelsturz 30 x 20 cm

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Stapelung vorgefertigter Elemente Die größte Entwicklung hat der Stampflehmbau in der Vorfertigung genommen (siehe Vorfertigung, S. 118). Bezüglich Technologie, Bauprozess und ­Fertigung sind in diesem Bereich wesentliche Neuerungen entstanden. Dies betrifft natürlich auch die Öffnungen, die sich als Elemente nahtlos in die Produktion und Fertigung einfügen. Die anspruchsvollen Details im Sturzbereich werden so vollständig bereits in der Produktionshalle gelöst und hergestellt. Dies erleichtert den Bauprozess und sichert die Qualität.

Die dreistöckige Fassade im Besucherzentrum der Schweizerischen Voge­lwarte Sempach setzt sich aus Elementen zusammen. Die Stürze der Öffnungen wurden ohne Armierung erstellt, die ansteigende Dachkante bilden trapezförmige Elemente. Plan mit Elementeinteilung im Maßstab 1:100

Die Oberfläche einer aus Elementen erstellten Wand unterscheidet sich dank Retusche und sorgfältiger Behandlung kaum vom Lehmflächen, die vor Ort gestampft wurden. Bei den Öffnungen hingegen hinterlässt die Vorfertigung ihre Spuren: Die Art der Fertigung erlaubt eine neue Formensprache.

Während das Volumen der vor Ort gefertigten Gebäude körperhaft er-

scheint und der Lehm in seiner skulpturalen Qualität ausgeprägt ist, folgen die aus Elementen errichteten Fassaden einer Logik des Fügens und Stapelns. Dementsprechend sind auch die Öffnungen Ausdruck dieser Methode.

Hier nähert sich der Lehm anderen Bauweisen an – er befreit sich von

den Restriktionen, die ihm im traditionellen Bauverfahren auferlegt sind. In der Vorfertigung entsteht ein neuer Ausdruck für das Material.

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Mit vorgefertigten Elementen können völlig unterschiedliche Geometrien in den Fassaden erstellt werden – die runden Fenster ebenso wie die breiten Tore des Kräuterzentrums. Fassadenpläne mit Einteilungen der Elemente des Kräuterzentrums in Laufen im Maßstab 1:100

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Auch die Landwirtschaftliche Schule in Mezzana wurde aus Elementen gefügt. Im Gegensatz zur Vogelwarte in Sempach sind hier auch größere Öffnungen zu überbrücken. Deshalb liegt im Element ein Sturz aus Stahlbeton. Fassade mit Elementeinteilung im Maßstab 1:100

Ein Beispiel für diese neue Erscheinung des elementierten Lehmbaus ist die Landwirtschaftliche Schule in Mezzana. Die breiten Öffnungen sind für den Lehm nicht optimal und widersprechen der traditionellen Bauweise. Weil in die horizontal liegenden Elemente ein Sturz aus Stahlbeton mit eingestampft ist, können diese sehr schmal ausfallen. Durch den hohen Fensteranteil erhält die Fassade eine bisher kaum erreichte Transparenz, die in einem spannungsreichen Kontrast zur schweren Erscheinung des Materials steht. In der Untersicht ist die Stahlplatte zu sehen, die den unteren Abschluss der liegenden

Tragende Hochlochziegelwand 18 cm Trasskalkmörtelleiste Stampflehmfassade 30 cm Mineralwolledämmung 14 cm Stahlbetondecke 25 cm

Stahlbetonsturz 14 x 16 cm

Im Schnitt zeigt sich das Zusammenspiel von Lehm, Stahl und Stahlbeton innerhalb des Elements. Die Konstruktion der Schule erfolgte als zweischalige Konstruktion (Detail Dachrand siehe Kapitel Decke und Dach, S. 112). Schnitt durch den Sturz im Maßstab 1:10

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Axonometrie des Sturzdetails. Das homogen wirkende Sturzelement ist aus Lehm, Stahl und Stahlbeton aufgebaut. Die Stahlplatte über dem Sturz springt über den stehenden Elementen zurück und bleibt unsichtbar. Axonometrie im Maßstab 1:10 Stampflehmfassade

Trasskalkmörtelleiste

Stahlbetonsturz

Stahlplatte

Anker



Armiertes



Trasskalkmörtel-



Auflager

Elemente bildet. Diese Platten müssen auf den stehenden Elementen aufliegen, damit sie die Kräfte übertragen können, sollten jedoch neben der Fensteröffnung nicht mehr sichtbar sein: Die Lösung liegt darin, dass die Platte über den Elementen zurückspringt und der Lehm sie dadurch verdeckt. Auch wenn diese Module in Mischbauweise bestehen, erscheinen sie doch als homogene Lehmwand.

Solche Lösungen sind prinzipiell auch in vor Ort gefertigten Wänden

umsetzbar. Doch ist ihre Planung und Ausführung im Werk wesentlich effizienter – und die Architektur, die daraus resultiert, entscheidend schlüssiger in ihren Details und in ihrem Ausdruck.

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And it’s important, you see, that you honour the material you use. Louis Kahn

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Decke und Dach Lehm kann tragen, aber nicht überspannen. Dies macht reinen Stampflehm – bis auf den Sonderfall des Gewölbes – für eine Decken- und Dachkonstruktion ungeeignet. Der konstruktive Lehmbau spielt in solchen Aufgaben ideal mit Holz und Beton zusammen: Mit einer Gleichgewichtsfeuchte zwischen von 6 bis 7 % konserviert der Lehm das von Natur aus feuchtere Holz, Stahlbeton ähnelt dem Stampflehm in der Masse und kann ebenso besser Druckals Zugkräfte aufnehmen. So wird der Stampflehm in älteren Publikationen auch Erdbeton genannt.

Die Decken im Lehmbau können aus Holz oder Beton bestehen. Als

Alternative sind Hybridkonstruktionen möglich, in denen der Lehm ebenfalls eine Rolle spielt: Die Untersicht einer Betondecke kann mit Lehm belegt sein, eine Stahl- oder Holzkonstruktion als Träger kann Platten aus Lehm aufnehmen. Während es bei den Wänden im Lehmbau noch zahlreiche historische Vorbilder gibt, existieren nur wenige Beispiele für Decken, die den heutigen Ansprüchen genügen: Vieles gilt es neu zu erfinden.

Eine weitere Möglichkeit ist es, die Lehmfassade und die Innenwände

gänzlich von der restlichen Konstruktion abzulösen und ein autonomes Tragwerk zu errichten: Dann stellt sich die Frage der Decke und des Daches nicht mehr im Zusammenhang mit dem Lehm. In diesem Fall besteht das Tragwerk aus einem konventionellen Beton- oder Holzbau, der für sich selbst funktioniert. Die stehende Hülle aus Lehm umschließt diese innere Schicht. Dies ist etwa der Fall bei Projekten wie dem Ricola Kräuterzentrum oder dem Besucherzentrum der Vogelwarte – und ganz allgemein bei Innenwänden aus Lehm, die der Konstruktion vorgestellt sind, sogenannte Vorsatzschalen.

Auf der anderen Seite des Spektrums stehen unbeheizte und unge-

dämmte Kleinbauten wie der Zielturm und die Gerätehäuser der Sportanlage Sihlhölzli in Zürich. Dort liegt die Betondecke auf der Lehmwand auf: Direkt und schlicht berühren sich die beiden Materialien und fügen sich zu einer perfekten Einheit.

Bedarf es im Gegensatz zum Sihlhölzli doch einer Dämmung, sind

einige Regeln zu beachten, besonders, wenn der Lehm gegen außen sichtbar bleibt und die Dämmung somit innen liegt. Bei einer Holzdecke ist zunächst die Dampfdiffusion ein bedeutsamer Aspekt. In diesem spezifischen Detail spielt der Ringanker eine wichtige Rolle. Richtig ausgeführt zeigt der Lehm auch im Deckenanschluss seine hygroskopischen Stärken: Er umschließt das Holz und schützt es, indem er die Feuchtigkeit ausgleicht und bei Übersättigung nach außen abführt. In der Konstruktion der Decke greifen Detailplanung und handwerkliche Ausführung eng ineinander.

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2005 – 2008_Haus Rauch, Schlins

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Axonometrie Schnitt durch das Haus Rauch, wo unterschiedliche Deckensysteme zum Einsatz kommen. Über dem offenen Eingangsraum liegen gebrannte Tonplatten auf einem Stahlprofil, überdeckt mit einer Trasskalkmischung. In den oberen Geschossen sind die Decken aus Dippelbaum, einem nur an drei Seiten geschnittenen Balken, gebaut. Über den Decken wurde jeweils ein Lehmboden gestampft. Das Dach besteht ebenfalls aus einer Dippelbaumdecke. Als fünfte Fassade, vom Hang aus sichtbar, sind Dach und Dachrand mit gebrannten Tonplatten eingedeckt.

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Decken aus Holz Konstruktionen aus Holz sind eine gute Ergänzung zum Lehmbau. Die Gleichgewichtsfeuchte des Stampflehms beträgt 6–7  %, während Konstruktionsholz mit einer Feuchtigkeit von rund 18 % auf die Baustelle kommt und sich schließlich bei einem Gleichgewicht von rund 9 % einpendelt. Der Lehm konserviert das Holz und schafft ein hervorragendes Mikroklima, in dem der organische Baustoff lange erhalten bleibt.

Es können alle gängigen Konstruktionsarten einer Holzdecke zum

Einsatz kommen: Brettstapeldecke, Hohlkastendecke, Balken- oder Dippelbaumdecke. Zur massiven Konstruktion des Stampflehms passt die ebenfalls massive Dippelbaumdecke – die sich zudem durch einen geringen Verschnitt auszeichnet, denn die Balken sind nur auf drei Seiten behauen. Lehmböden über Holzdecken liegen auf einer mit Trasskalk und Lehm gebundenen Korkschüttung.(siehe Kapitel Lehmboden, S. 51).

Dippelbaumdecke als Dachkonstruktion im Haus Rauch (Detailschnitt siehe Kapitel Wand aus Stampflehm, S. 82). In Längsrichtung gespannt liegen die Balken auf dem Ringanker auf. Schnittperspektive im Maßstab 1:50

Die Lage des Ringankers kann bei Holz-

Bei Konstruktionen aus Holz ist das Auflager der Decke besonders zu beach-

decken entscheidend sein für die Diffusion.

ten – durch den Dampfdruck kommt Feuchtigkeit an die Balkenköpfe, die zu

Schitt im Maßstab 1:20

faulen drohen, wenn der Dampf kondensiert. Das Diffusionsproblem ist ein kritischer Punkt. Doch wenn der Bereich zwischen Wand und Decke gut mit Lehm gefüllt ist, kann die feuchte Luft nicht kondensieren und die Feuchtigkeit dringt in die Wand, ein ohne dem Holz zu schaden. Zudem liegt der Ringanker bei einer gedämmten oder verputzten Konstruktion tendenziell innen. Dadurch liegt auch der Balken weiter innen auf, was das Problem zusätzlich entschärft.

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Gepresste Lehmplatten liegen als ver-

Speziell gefräste Holzbalken bieten die Möglichkeit, eine Füllungsdecke mit

lorene Schalung zwischen den Holzträgern.

gepressten Lehmplatten zu erstellen. Im Atelier Rauch entspricht die Decke

Eine Schüttung aus Korkschrot, Lehm und Trasskalk sorgt für die nötige Masse und unterstützt die bauphysikalischen

über dem Erdgeschoss dieser Bauart. Die Holzträger sind als umgekehrte T-Profile ausgebildet, eine durchgehende Nut erlaubt es, die Platten aus ge-

Eigenschaften des Lehms. Schnitt im

presstem Lehm zwischen die Träger einzulegen. Der Hohlraum über den

Maßstab 1:10

Lehmplatten ist gefüllt mit einer Mischung aus Korkschrot, Lehm und Trasskalk. Darüber liegt ein schwimmender Holzboden.

Schwimmend verlegter Holzboden Hohlraum mit Korkschrot, Trasskalk und Lehm gefüllt Stampflehmplatte Holz-T-Träger mit Fräsung

Decken mit tragender Stahlkonstruktion Konstruktionen aus Stahl sind ebenfalls möglich, wenn auch bedeutend seltener als solche aus Holz. Über dem unbeheizten Abstellplatz im Haus Rauch ist die Decke in einer Kombination aus Stahl und Lehm konstruiert. Sie interpretiert das Prinzip einer Hourdisdecke, bei der Hohlziegel, die sogenannten »Hourdis«, zwischen Trägern aus Stahl eingelegt sind.

Eine Reihe feiner, umgekehrter T-Stahl-Träger überspannt den Raum

(Detailschnitt siehe Kapitel Wand S. 82). An deren Steg ist ein zusätzliches Armierungseisen angeschweißt, das die Verbindung mit der darüber liegenden Schicht aus Trasskalkmörtel erlaubt. Als verlorene Schalung stehen schräg zwischen die Träger aufgestellte, niedriggebrannte Lehmziegel, die mit weichem Lehmmörtel verbunden sind. Darüber wird ein Trasskalkbeton gegossen. Wenn der Trasskalk ausgehärtet ist, lässt sich die provisorische Verklebung aus Lehm einfach mit einem Schlauch abspritzen.

Eine Ziegelfaltdecke aus gebrannten Ziegeln über einem umgekehrten T-Stahl-Träger im Haus Rauch. Die darüber liegende Schicht aus Trasskalkmörtel steift die Konstruktion aus und stabilisiert die geschichteten Ziegel. Schnittperspektive im Maßstab 1:50

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Decke aus Stahlbeton Wenn es darum geht, einen Raum zu überspannen, ist eine Decke aus Stahlbeton sehr effizient. Die Wechselwirkung zwischen dem druckfesten Kunststein und den Armierungseisen führt zu einer steifen und schlanken Konstruktion, die sich aufgrund des ähnlichen Ausdehnungsverhaltens gut mit dem Stampflehm kombinieren lässt. Entsprechend einfach und direkt sind die Details. Zudem kann der Sturz aus Lehm von der Betondecke abgehängen (siehe Kapitel Öffnung in der Wand, S. 92), was die Konstruktion weiter vereinfacht.

Um die Erosion direkt unter der Betondecke zu bremsen, liegt sie auf

einer Bitumenabdichtung und einer Lage aus Trasskalk auf. Diese wasserdichte Schicht verhindert, dass der Regen entlang der Unterkante der Decke in die Lehmwand eindringt. Die Axonometrie zeigt die ungedämmte Konstruktion des Zielturms der Sportanlage Sihlhölzli.

Bei gedämmten Gebäuden steigt der Aufwand für einen sichtbaren

Beton enorm an. In diesem Fall sollte die Betondecke besser auf dem Ringbalken aufliegen. Die Stampflehmwand geht vor der Stirne durch, verdeckt somit aber auch den Beton.

Beton und Lehm ergänzen sich hervorragend in einer Mischbauweise. Bei einem ungedämmten Gebäude wie den Kleinbauten im Sihlhölzli können beide Materialien auf Sicht bleiben. Der gegossene Beton und der gestampfte Lehm teilen sich die Aufgaben des Tragens und des Überspannens.Schnittperspektive im Maßstab 1:50

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Wenn das architektonische Konzept verlangt, dass eine Decke aus Stampflehm gefertigt ist, dann muss der Lehm an der Decke hängen. Es gibt immer die Möglichkeit, die Unterseite der Decke mit einem Lehmputz zu versehen, doch selbst eine Unterschicht aus Stampflehm ist möglich. Hierzu wird der Lehm vor dem Verguss der Betondecke auf die Deckenschalung aufgebracht: Auf die Schalung der Betondecke kommt zunächst eine Dreischichtplatte, um eine homogene Oberfläche zu erhalten. Die groben Stöße einer Systemschalung zeichnen sich auch beim Stampflehm ab und bedeuten einen erhöhten Retuschieraufwand.

Darüber werden 2 cm feuchter Lehmmischung eingebracht und ge-

stampft. Auf dieser ersten Lage liegt ein Gitter aus Armierungseisen mit Bügeln, die alle 40 cm in die Decke ragen. Eine zweite gestampfte Lehmschicht packt diese Konstruktion von oben ein. Nach dem Antrocknen wird die Oberfläche aufgeraut, um eine bessere Verbindung zwischen Lehm und Beton herzustellen. Danach folgt die übliche Armierung der Betondecke und der Beton liegt direkt auf dem Lehm auf. Die beiden Schichten verzahnen sich an der Berührungsfläche und verbinden sich dauerhaft über die Armierungsbügel. Mit dieser Konstruktion lässt sich eine Deckenuntersicht aus Stampflehm erstellen – selbst wenn das Material auf den ersten Blick für die Konstruktion einer Decke nicht geeignet scheint.

In einer geringeren Ausdehnung kam diese Konstruktion bereits für den

Sturz des Kellerfensters im Haus Rauch zum Einsatz.

40

Die Schicht aus Stampflehm ist über

Betondecke

Armierungseisen mit der Betondecke

Armierungseisen

verbunden. Schnitt mit Schalung

Stampflehmuntersicht 4 cm

und eingelegter Dreischichtplatte im

Schalungsplatten

Maßstab 1:10

Schalungsträger

40

Die ausgeschalte Decke mit einer

Betondecke

Untersicht aus Stampflehm. Schnitt im

Armierungseisen

Maßstab 1:10

Stampflehmuntersicht 4 cm

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Dachaufbau Das Dach kann nicht in einer massiven Konstruktion aus Lehm erstellt werDer Dachabschluss der Landwirt-

den. Deswegen unterscheidet sich seine Bauweise nicht wesentlich von der

schaftlichen Schule in Mezzana baut

Art, wie Dächer in einem anderen Material gefertigt sind.

konsequent auf der zweischaligen Konstruktion auf: die innere Schale besteht aus konventionellen Hoch-



Da die meisten Lehmfassaden nicht tragend, sondern stehend ausge-

führt sind, ist der Aufbau oft zweischalig: Innen trägt Holz, Mauerwerk oder

lochziegeln, die äußere aus vor-

Stahlbeton, außen steht die Fassade aus Lehm und trägt sich selbst. Dies hat

gefertigten Lehmelementen. Von

auch Auswirkungen auf das Dach, weil dessen tragender Teil ebenfalls auf

der Wand geht die Dämmebene ins Dach über, die Dachkonstruktion ist nicht speziell an den Lehmbau angepasst. Die Verankerung der Elemente an das Mauerwerk ist ebenfalls im Schnitt ersichtlich: Der Winkel, über

dieser inneren Konstruktion aufliegt und nicht auf dem Stampflehm. Die Mauerkrone kann je nach architektonischem Konzept auf unterschiedliche Weise ausgeführt sein.

Eine Jahrhunderte alte Tradition spielt der Lehm im Aufbau auf der

gegenüberliegenden Seite aus: Im Erdgeschoss ist die Mauer dicker als im Obergeschoss ausgeführt. Auf der Konsole, die sich dadurch bildet, liegt ein

den die äußere Lehmmauer mit

Holzbau auf, der die Räume und das Dach bildet. Die nun dünnere Lehm-

der inneren Schale verbunden ist,

wand reicht lediglich bis zur Brüstung des oberen Geschosses.

umschließt die horizontale Armierung in der vergossenen Nut zwischen den Elementlagen. Schnitt im Maßstab 1:10

Corten-Stahl-Abdeckung 0,3 cm

Mineralwolledämmung 16 cm Verankerung an der Betondecke Stahlbetondecke 25 cm

Trasskalkmörtelleiste

Stampflehmfassade 30 cm

Verankerung an der Tragschale Tragende Schale aus Hochlochziegeln 18 cm

112  

Korkschrotdämmung 18 cm

Lehmbauplatte und Lehmputz 4 cm

Das Haus Mathies nutzt ein altes

Keramikabdeckung

Konstruktionsprinzip des Lehmbaus:

Lehmputz 2 cm

Zwischen den Geschossen springt die Wand zurück. Auf dem Absatz steht ein Holzbau, in den die Decken und das Dach integriert sind. Das ausladende

Schilfrohrdämmung 3 cm Holzlattung 4 cm

Vordach schützt die Lehmwand vor Regen. In dieser Kombination spielen beide Materialien ihre Stärken aus – der Lehm in der Fassade, das Holz als Tragwerk. Fassadenschnitt im

Holzleichtlehm-Dämmung 22 cm

Maßstab 1:10

Stampflehmfassade 25/55 cm

Trasskalkmörtelleiste

Steinleiste Ringanker 30 x 15 cm

113  

114  

Exkurs Material Vorfertigung Wissensvermittlung Normen

115  

Material

würden, könnten sie lokales Material aufbereiten und als Baustoff verkaufen. Mindestens 50 %, teilweise bis zu

Stampflehm gibt es nicht im Baumarkt zu kaufen. Wer

100 % der Stampflehmmischungen können aus solchem

mit diesem Material bauen will, muss sich eine eigene

Aushub bestehen. Als nächstes werden die Zuschläge

Erdmischung zusammenstellen. Der Vorteil dabei ist,

­definiert: je nach Beschaffenheit des Aushubs entweder

dass die Bestandteile auf der ganzen Welt zu finden sind.

Lehm oder steiniges Material. Es sollten sowohl runde

Lehm und Kies sind überall vorhanden und weitere Zu-

als auch gebrochene Kiesel verwendet werden: Der

schlagsstoffe – je nach Aufgabe und Bedarf kann dies

Rundkies verknetet sich gut mit der Masse, dafür ver-

Lavagestein, Marmorsplitt oder Mergel sein – werden

zahnt sich gebrochenes Material besser ineinander.

nach Vorkommen beigefügt. Die Folge: Jedes Haus aus

Für eine optimale Festigkeit braucht es deshalb gerun-

Stampflehm ist einzigartig, das Material ein spezifisches

deten Kies und scharfkantigen Schotter. Als historisches

Gemisch. Die Herausforderung liegt darin, eine pas­

Beispiel dient das berühmte toskanische Keramikdorf

sende Materialmischung zu entwickeln. Denn im Ge-

Montelupo: Bereits im 14. Jahrhundert haben die Be-

gensatz zu anderen Baustoffen, wie zum Beispiel Beton,

wohner runde Steine zerschlagen, um für ihr Rathaus

gibt es für den Stampflehm keine standardisierten Re-

aus Stampflehm gebrochenen Schotter zu gewinnen.

zepte. Entsprechend sind auch dessen Eigenschaften

Die sachkundigen Handwerker wussten, dass der ge-

immer unterschiedlich. Es liegt in der Erfahrung der Fach-

brochene Stein zu stabileren Mauern führt. Für ihre ei-

arbeiter, die Mischung auf ihre Tauglichkeit hin zu un-

genen, kleineren Häuser reichte ihnen runder Kies. Auch

tersuchen und die passende Rezeptur für die jeweilige

dies ist ein Resultat der Erfahrung aus dem täglichen

Bauaufgabe zu finden.

Umgang mit Erden.

Das Ausgangsmaterial finden

Die Parameter austarieren

Die erste Aufgabe im Lehmbau ist es deshalb, das rich-

Für die Eigenschaften des Materials spielt die Mischung

tige Ausgangsmaterial zu finden. Dies bedingt eine­

eine entscheidende Rolle. Art und Menge des Aushubs

Recherche vor Ort, die das lokal vorhandene Material

sowie der Zuschlagsstoffe steuern diese Eigenschaften:

­begutachtet und die regionalen Ressourcen auf ihre

So erhöht fetter Lehm die Festigkeit, schwindet aber

Möglichkeiten hin untersucht. Ein guter Anhaltspunkt

auch stärker und ist schwerer zu verarbeiten als magerer

sind Ziegeleien, die für ihre Arbeit auf Lehm angewiesen

Lehm. Runder und gebrochener Schotter stabilisieren

sind und die lokalen Quellen gut kennen. Doch der reine

den Stampflehm wie oben beschrieben auf völlig unter-

Ziegellehm ist für einen Stampflehmbau nicht geeignet:

schiedliche Weise. In der Mischung muss ein gutes Mit-

Er kann nur als Ergänzung für zu mageres Aushubma-

telmaß zwischen diesen Eigenschaften entstehen. Die

terial dienen.

Facharbeiter wissen, wie sich die einzelnen Komponen-



Wie oben ausgeführt, besteht der Hauptteil der

ten auf das Produkt und die Verarbeitbarkeit auswirken.

Mischung aus Aushubmaterial. Am besten eignet sich

All diese Aspekte gilt es in ein Gleichgewicht zu bringen

lehmig-schottriges Material, das in einer Brechmühle

und so lange nach einem individuellen Rezept zu for-

auf die richtige Korngröße gebrochen oder einfach nur

schen, bis das Material für die Aufgabe und den Ort opti-

gesiebt wird. Solche Mischungen sind oft bei Baumei-

mal zusammengestellt ist. Die Unterschiede sind häufig

stern oder Tiefbauunternehmen in großen Mengen zu

sehr fein: Manchmal geht es nur um eine kleine Ten-

finden. Was der Lehmbauer sucht, ist für den Baumeis­

denz, die die Qualität der Mischung verbessert. Und im-

ter meistens unbrauchbar, denn dieser Aushub ist w ­ eder

mer hängt das Resultat noch von weiteren Faktoren ab

für die Ziegel- noch für die Kiesindustrie zu nutzen. Für

wie der Lagerung und dem Mauken, der Einbaufeuch-

das Ziegelwerk ist zu viel Stein enthalten, für den Kies-

tigkeit, der Schalungstechnik und der Verdichtung. Nur

produzenten zu viel Ton und Lehm. Das Au­s­waschen

wenn die Tendenz im Material zur Fertigung passt,

­beziehungsweise Separieren ist in beiden ­Fällen unwirt-

­können gute Resultate erzielt werden. Es braucht des-

­ traßenbauer die schaftlich. Wenn die Baumeister und S

halb lange Jahre Erfahrung mit dem Material und der

Nützlichkeit solcher Aushübe und den damit verbun-

Technik, um auf jede neue Gegebenheit reagieren zu

denen Wert für das Bauen mit Stampflehm erkennen

können (siehe Wissensvermittlung, S.122).

116  

Das Material wird zumeist auf drei Arten geprüft: Zu-

Summe der Erfahrung

nächst gibt es die Probe per Handgriff. Auf der Hand

Alle diese Aspekte haben viel mit Erfahrung zu tun. Da-

spürt der geschulte Facharbeiter, ob das Material gut

bei sind nicht nur technische und gestalterische Fragen

klebt, ob es genügend feucht ist und ob die Körnung

entscheidend, ebenso wichtig sind qualitative und öko-

zur Aufgabe passt. Meistens werden drei bis vier unter-

nomische Entscheidungen. Es liegt in der Natur des Ma-

schiedliche Rezepte zusammengestellt. Erst in der ausge-

terials, dass ein möglichst großer Anteil aus der Region

wogenen Kombination entsteht die optimale Qualität.

kommen soll. Und dennoch können finanzielle Erwä-



Den nächsten Schritt bildet das Probestampfen.

gungen dazu führen, dass ein Teil des Materials aus einer

Nach der Griffprobe wird eine kleine Menge Lehm unter

anderen Region stammt: die Transportkosten – auch die

realen Bedingungen (Schütthöhe, Verdichtungsgrad)

versteckten – müssen gegen den Aufwand gerechnet

ge­stampft. Der Widerstand des Materials und der Klang

werden, der mit einer dezentralen Aufbereitung des

beim Stampfen verraten viel über die Eigenschaften der

Materials einhergeht. So sind zum Beispiel die Elemente

Mischung. Ebenso das Stampfbild nach dem Ausschalen.

für die Schweizerische Vogelwarte in Sempach nicht

Die dritte, quantifizierbare Qualitätsprüfung bildet

vor Ort gefertigt worden, sondern im 90 km entfernten

schließlich die Untersuchung von Probewürfeln im La-

Werk in Zwingen. Die Produktionsanlage wurde bereits

bor auf ihre Druckfestigkeit hin.

für das Kräuterzentrum in Laufen eingerichtet. Der Um-



Das Mischverfahren beim Stampflehm durchläuft

bau und der Transport der Anlagen wären ökonomisch

den umgekehrten Weg wie beim Beton: Anstatt nach

nicht sinnvoll gewesen und hätten ebenfalls Transport-

­­­einem vorgegebenen Rezept zu mischen, muss man

kosten verursacht. Darüber hinaus ist die Entfernung

beim Stampflehm zunächst die Mischung finden, um

von 90 km immer noch verhältnismäßig kurz im Ver-

sie anschließend beschreiben zu können.

gleich zu den Wegen, die konventionelle Baustoffe oft



zurücklegen. Der Einfluss der Mischung Über die Qualität der Lehmmischung werden die Dauer­

Im kleinen Kreislauf

haftigkeit der Konstruktion und die Erosion kontrolliert.

Stampflehm durchläuft in seinem Lebenszyklus idea-

Auch für diese Eigenschaft ist bestimmend, ob der Lehm

lerweise einen sehr kleinen Kreislauf: Er besteht aus

fett ist oder mager: Ein fetter Lehm kann den Regen bes-

loka­lem Material und kann nach dem Rückbau ohne

ser überstehen als eine magere Mischung. Dafür kann der

Qualitätsverlust wiederverwendet oder einfach der

magere Lehm viel einfacher verarbeitet werden und zeigt

­Natur zurückgegeben werden. Dank seiner Wasserlös-

weniger Schwindrisse. Der Lehmanteil wiederum bringt

lichkeit lässt sich der Lehm hervorragend von anderen

seine feuchteregulierende Wirkung mit ein. All diese

Baustoffen trennen – völlig ohne Rückstände.

Parameter müssen gegeneinander abgewogen werden.



Unter diesen Gesichtspunkten ist es ein Irrweg,

Hinzu kommt, dass die Zuschlagsstoffe für das Er-

den Lehm mit Zement oder chemischen Beimischungen

scheinungsbild entscheidend sind. Das Maß der Auswa-

auf Silikonbasis zu stabilisieren. Dies ist für die Wetter-

schung bestimmt, ob der Kies in einer erodierten Wand

festigkeit nicht notwendig (siehe Abschnitt Kalkulierte



gut sichtbar ist oder ob die Lehmschicht erhalten bleibt.

Erosion, S. 70) und der Lehm verliert seine Natürlichkeit

Dies wirkt sich direkt auf die Struktur und das Aussehen

und viele seiner guten Eigenschaften.

der Wand aus. Der hohe Steinanteil hat zudem einen



Einfluss auf das spezifische Gewicht (zwischen 1850 und

sammenstellung aufwendig und anachronistisch finden.

Man mag diesen Zwang zu einer individuellen Zu-

2300 kg/m3) und damit ebenfalls auf die bauphysika-

Doch führt er zu einer passgenauen und abgestimmten

lischen Eigenschaften, wie zum Beispiel die Fähigkeit,

Mischung für die jeweilige Aufgabe und zu einem Mate-

Wärme zu speichern. Dabei spielen sowohl die Korngrö-

rial, das aus der Region stammt.

ße als auch die Porosität eine Rolle. Das Raumgewicht und somit die Wärmeleitfähigkeit ( -Wert) kann über die Zuschläge reguliert werden, zum Beispiel mit leichteren Steinzuschlägen wie Lavaschotter, Bimsstein oder Ziegelsplitt.

117  

Vorfertigung

führt, berücksichtigt die Planung selbst den Standort des Krans und seine auf unterschiedliche Ausladung berech-

Die Vorfertigung bedeutet eine Revolution im Stampf-

nete Maximallast: Die Elemente, die der Kran in der

lehmbau – denn mit ihr geht ein Quantensprung einher:

Nähe abstellt, sind entsprechend schwerer und damit

quantitativ und qualitativ. Sie hebt die traditionelle und

länger. Bei der Vogelwarte in Sempach wurden diese As-

am Handwerk orientierte Bauweise auf ein neues Ni-

pekte konsequent berücksichtigt und umgesetzt.

veau. Die Möglichkeiten für neue Projekte mit Stampf-



lehm wachsen. Zudem sprechen wirtschaftliche Gründe

facher geworden: Die Details in der Vorfertigung sind

für eine Trennung von Produktion und Montage. Dies

standardisiert und sind auch durch ungelernte Arbeits-

hat hauptsächlich mit Baustellenlogistik zu tun: An-

kräfte umzusetzen. Die Arbeit verteilt sich auf mehrere

stelle eines Teams von Arbeitern, die vor Ort den Lehm

Hände verteilt, was dem Lehmbau insgesamt zugute

stampfen und das Gebäude langsam in die Höhe ziehen,

kommt (siehe Wissensvermittlung, S. 122).

Im Gegenzug ist die technische Umsetzung ein-

versetzen Kräne die fertigen Elemente schnell und termingenau. Da die Elemente zum Zeitpunkt des Verset-

Vorteile in der Produktion

zens bereits ausgetrocknet sind, schließen die restlichen

Das erste von Lehm Ton Erde versetzte Fertigteil war

Gewerke nahtlos an, was die Bauzeit signifikant ver-

eine Wohnzimmerwand im Jahr 1997. Die Wand steht in

kürzt. Es braucht immer noch gleich viel Zeit, um die

einem Holzbau, was zunächst organisatorisch nicht mög­

Wand herzustellen, aber die Produktion und die Mon-

lich war: Der Zeitplan war aufgrund des Holzbaus eng

tage können besser geplant und aufgeteilt werden.

und im vorgesehen Zeitfenster, ausgerechnet im Januar,



Die Vorfertigung im Lehmbau ist weitgehend Neu-

konnte wegen des Frosts kein Lehm gestampft werden.

land, denn im Gegensatz zur vor Ort gestampften Wand

Die Lösung bestand darin, die Wand mit einem Kran ge-

gibt es keine historischen Vorbilder. Mittlerweile sind

meinsam mit dem Holzbau zu versetzen. Damit war der

viele Erfahrungen auf diesem Gebiet zusammengekom-

Anfang gemacht.

men. Die technischen und statischen Belange wurden



Das erste größere Projekt aus jener Zeit ist der

verfeinert – ebenso sind neue Antworten auf gestalte-

Bürobau der Druckerei Gugler in Pielach. Die standar-

rische Fragen entstanden. Waren bei den ersten Ge-

disierten Elemente, ebenfalls im Innenraum, stehen

bäuden die Fugen noch rudimentär und eher grob ver-

aufeinander und die Fugen sind verschlossen. In den

schlossen, sind heute die Arbeiten an der Retusche hoch

Modulen sind über ein Erdregister gespeiste Kanäle für

ent­wickelt und so weit gediehen, dass Wände aus zu-

die Luftzufuhr eingelassen: Die Lehmwände dienen als

sammengesetzten Elementen ebenso homogen erschei-

Hypokausten und spielen ihre Behaglichkeit durch Er-

nen wie vor Ort gestampfte Mauern. Die Vorfertigung

wärmung und Kühlung aus.

wirkt sich auf die Planung aus: die Definition der Lehm­



elemente zwingt zu frühen und verbindlichen Entschei-

dieses Projekt drei Monate nötig – um sie zu versetzen

dungen. Dies bedingt eine enge Zusammenarbeit von

lediglich zwei Wochen. Das Verhältnis von Produktion

Werksplanung und Produktion, denn häufig sind Fak-

zu Montage lag bei 6:1. Die neuesten Projekte aus vorge-

toren entscheidend, die nicht direkt mit der Herstellung

fertigten Elementen sind das Kräuterzentrum in Laufen

und dem Stampfprozess in Verbindung stehen. Ist zum

und das Besucherzentrum der Vogelwarte in Sempach.

Für die Fertigung der 160 Elemente waren für

Beispiel die Dicke der Wand definiert, passt sich im nächsten Schritt die Höhe der Elemente an die Raumhöhe an. Für die Länge ist die Lastbegrenzung des Krans entscheidend, der die Elemente heben muss. Die Länge ergibt sich somit aus dem maximal zulässigen Gewicht, der Höhe und der Stärke. Solche Abhängigkeiten müssen an der Schnittstelle zwischen Planung und Produk­ tion sorgfältig definiert werden. Um eine möglichst ­kleine Anzahl an Elementen zu erhalten, was am Ende zu einem günstigeren Preis und zu kürzeren Bauzeiten

118  

Aufgrund der verbesserten Abläufe und einer Beschleu-

Maschinelle Vorfertigung

nigung der Vorfertigung im Vergleich zu den 1990er-

Um die Vorfertigung zu ermöglichen oder um ihre Effi-

Jahren liegt das Verhältnis nun bei etwa 3:1.

zienz zu steigern, bedarf es einiger Erfindungen – denn



Die Anzahl der Projekte in Vorfertigung hat stark

sie ist weitestgehend Neuland. Dabei geht es hauptsäch-

zugenommen: Die Wände entstehen witterungsunab-

lich darum, den Anteil der körperlich belastenden Arbeit

hängig und effizient, die Termine sind einfacher zu koor-

zu reduzieren. Die anstrengendste Tätigkeit ist es, die

dinieren. Zudem ist der Transport von Gütern bedeu-

Schalungen mit Material zu füllen und zu verdichten.

tend einfacher geworden – auch dies spricht für eine



Produktion in der Halle. Und selbst die Vorgabe, mit loka­

eine Maschine, die die Mischung automatisch in die Scha­

lem Material zu bauen, ist nicht ausgeschlossen: zum

lung füllt und mit einem mitfahrenden Stampfer gleich

Beispiel bestehen die Elemente für das Ricola Kräuter-

verdichtet (siehe Axonometrie unten). Es bleibt noch

zentrum aus Erde, die aus der nächsten Umgebung der

viel Handarbeit übrig, aber einen großen Teil­erledigt

Baustelle stammt. Die Distanz von der Werkhalle zum

der Beschicker. Die Maschine macht zudem schmalere

Für diese Aufgaben entwickelte Lehm Ton Erde

Bauplatz betrug drei Kilometer. Bei Großprojekten ist es häufig sinnvoll, die Produktionsanlagen lokal aufzubauen, um einerseits regionales Material nutzen zu können und um andererseits Transportwege einzusparen.

Die mechanische Vorfertigung erleichtert die körperlich anstrengende Arbeit und beschleunigt die Produktion. Die Maschine ist eine Eigenentwicklung von Lehm Ton Erde.

119  

Da die Elemente nicht auf Zug belastbar sind, musste eine spezielle Aufhängevorrichtung entwickelt werden. Sie erlaubt es zudem, die Elemente lotrecht zu versetzen.

Fig. 1

Fig. 2

Fig. 3

Wände möglich, da niemand mehr in der Schalung ste-

schalen durchgeschlagen werden. Dadurch kann die Auf-

hen muss, um das Material zu verdichten. Lange Scha-

hängung mit mehreren Hebebändern direkt durch die

lungsgänge erlauben es, ganze Wandstücke in einem

Keilaussparungen laufen.

Zug und mit durchgehender, horizontaler Schichtung zu



produzieren. Im Anschluss kommen die Elemente zuge-

an den Hebebalken. Die Lastverteilung erfolgt über ein

schnitten und in derselben Reihenfolge wieder auf der

Seilsystem zwischen Block und Balken. Zwei Kettespan-

Baustelle zusammen.

ner richten das Element auf der Baustelle lotrecht aus

Die Bänder spannen das Element nun alle 60 cm

(siehe Fig. 3). Aufhängung und Transport Da die Elemente kaum auf Zug belastbar sind, muss die

Versetzen auf der Baustelle

Aufhängung die Lasten gleichmäßig über den unteren

Das Element wird auf einem Lehmmörtelbett von etwa

Rand des Elements verteilen – Blöcke aus unbewehrtem

1 cm versetzt, das aus dem gleichen Material besteht.

Lehm können nicht an zwei Punkten hängen. Bei dün-

Die kraftschlüssige Verbindung der Elemente erfolgt

neren und damit leichteren Fertigteilen genügen ein

über das Eigengewicht, denn der Block bettet sich in den

Holzbalken und mehrere Gurte zur Gewichtsverteilung

Mörtel ein. Es muss auf allen Seiten Lehm aus der Ritze

(siehe Fig. 1). Bei größeren und schwereren Elementen

quellen – nur so ist gewährleistet, dass der gesamte

bedarf es einer speziellen und eigens entwickelten Trans­

Hohlraum gefüllt ist. Wenn der Block richtig auf dem

portvorrichtung, die auch die Anpassung der Lage des

Mörtel aufliegt, wird seine Position mit Keilen fixiert.

Elements in allen drei Achsen ermöglicht. Um die Blöcke

Nach dem Austrocken des Mörtels liegt das gesamte

von unten zu stützen, wurde in einem ersten Ansatz eine

Gewicht flächig auf den darunterliegenden Elementen.

leiterartige Konstruktion aus Rundrohren und Armie-

Dies ist wichtig, da der Stampflehm im Gegensatz zum

rungseisen in den Boden mit eingestampft. Diese Rohre

Stahlbeton kaum Zugkräfte aufnehmen kann.

wiederum umfassten Ankerstangen, die durch zwei



Stahlplatten mit der eigentlichen Hebevorrichtung ver-

zelnen Elementen sind während oder nach dem Ver-

bunden sind (siehe Fig. 2). Der Nachteil ist, dass die Hilfs-

setzen zu verschließen. Die Vorbereitung beginnt aber

konstruktion auch nach dem Versetzen in der Wand

schon in der Produktion: an den seitlichen vertikalen

verbleibt. Um den Aufwand zu verringern und verlorene

Kanten und auf der oberen horizontalen Seite wird eine

Materialteile zu vermeiden, ersetzten Keile die Stahl-

Nut eingeschnitten. Nachdem die Elemente versetzt

konstruktion, die mit eingestampft und nach dem Aus-

sind, mit einem Abstand von mindestens 1 cm, folgt das

Alle Verbindungen und Fugen zwischen den ein-

120  

Verfüllen die vertikalen Nuten mit Trasskalk. Da die

ist diese Verbindung beweglich auszuführen (siehe Dach­

­Säulen aus Trasskalk steifer sind als der Lehm und sich

abschluss der Schweizerischen Vogelwarte Sempach,

deshalb unterschiedlich bewegen, wird am Fuß der Nut

S. 81). Durch das Distanzeisen sind Tragwerk und Fassade

eine Kelle voll weichen Lehm hineingeworfen. Wenn die

thermisch voneinander getrennt.

Säulen aushärten und sich verformen, können sie in den



weichen Lehm drücken.

den die Fugen sorgfältig verschlossen und im Rhythmus

Im Anschluss an das Versetzen und Verbinden wer-



In der horizontalen Nut sind die Elemente mit ei-

der Schichtung ergänzt. Erst mit der Perfektionierung

ner Armierung (zwei durchgängige Eisen) und einer Ver-

dieser Retusche kam der Durchbruch für die Vorferti-

füllung mit Trasskalkmörtel horizontal miteinander ver-

gung, denn die optischen archaischen Qualitäten des

bunden. Es ist dies also ein ähnliches Prinzip wie der

Stampflehms sind so mit einer effizienten Fertigung

Ringanker in der vor Ort gestampften Wand. Da die Nut

vereinbar.

auf beiden Seiten der Wand mit rund 15 cm überdeckt sein soll, kann sie bei 45 cm starken Wänden 15 cm breit

Gedämmte Elemente

ausfallen, bei 35 cm Wandstärke verbleibt sie demnach bei

In den Vorfertigungsstraßen von Lehm Ton Erde ent-

nur 5 cm. In die Tiefe wird die Nut rund 6 cm eingefräst.

standen bisher nur einschalige Elementkonstruktionen.

Ist die Lehmwand nicht tragend, so muss sie mit

Es gibt Versuche, sie als mehrschalige Module zu pro-

der Tragkonstruktion der inneren Schale verbunden

duzieren, bei denen zwischen zwei Lehmschalen eine

sein. Hierzu eignet sich die Armierung im horizontalen

Leichtlehmdämmung mit eingestampft ist. Das Material

Verguss zwischen den Elementen ganz hervorragend.

kann so seine ästheti­schen und technischen Eigenschaf-

Über einen Z-Winkel, der das Armierungseisen um-

ten auf beiden Seiten ausspielen. Darüber hinaus kann

schließt, kann das Element an das Tragwerk des Hauses

­ älfte mit Schläuchen versehen heidie innen liegende H

anschließen. Durch das relativ starke Kriechen des Lehms

zen und kühlen.



Verankerung Trasskalkmörtelleisten Stampflehm Dämmung Heizleitung

Die Verbindung der Elemente erfolgt mit Trasskalk-

Der neueste Schritt in der Entwicklung: bereits in

mörtel. Horizontal ist ein Armierungseisen eingelegt.

der Vorfertigung gedämmte Elemente. Sie erlauben eine

Schnitte horizontal (oben) vertikal (unten) im

Lehmfassade, die auf beiden Seiten auf Sicht erstellt ist.

Maßstab 1:20

121  

Wissensvermittlung

effizient: Der Königsweg führt noch immer über Erfahrungen an realen Projekten. Wer mit eigenen Händen

Global gesehen ist die lange Tradition des Lehmbaus

Lehm gestampft hat, wird ohne Messgeräte und Rezepte

stark gefährdet – man kann behaupten, dass sie in unseren

wissen, wann eine Mischung gut zu verarbeiten ist. Die-

Breitengraden beinahe ausgestorben war. Es gab kaum

ses Wissen geht mit einer sinnlichen Erfahrung einher

mehr einen Handwerker, der das Wissen um den Lehm-

und man merkt es in den Fingern, wenn die Parameter

bau weitertragen konnte: Die Technik nahm stetig ab,

richtig eingestellt sind. Doch nicht nur das Material

niemand war mehr da, der die Bauweise lehrte, immer

erschließt sich über die Arbeit, ebenso sind die Details

häufiger war keiner mehr verfügbar, der sie praktizieren

und Hilfskonstruktionen Teil dieser Erfahrung. Man

konnte. Die Generationenfolge war abgerissen, die Tra-

lernt mit der Aufgabe.

dition drohte zu verschwinden.





Es war die Industrialisierung, die dem Lehmbau

triebe, das Wissen zu vermitteln und zu verbreiten. Jedes

stark zugesetzt hatte: Das Baumaterial und der Transport

Unternehmen muss neue Fachleute ausbilden, denn es

über weite Strecken waren billig geworden, die Kosten

gibt schlicht keinen anderen Ort, wo diese Erfahrungen

für die Arbeitskraft hingegen sind unaufhaltsam bis in

möglich sind. Deshalb ist es entscheidend, dass auf den

die heutige Zeit gestiegen. Was zählt, sind die Stunden.

Baustellen nicht nur geschulte Arbeitskräfte tätig sind,

Und da schneidet eine arbeitsintensive Methode wirt-

sondern auch Menschen aus Handwerk und Planung,

schaftlich schlechter ab als eine Bauweise mit hoher

die in einem Praktikum die ersten Erfahrungen sammeln.

maschineller Verarbeitung. So hat sich zum Beispiel der

Dies dauert bei Lehm Ton Erde, der Firma von Martin

Holzbau als effiziente und rationelle Bauweise etabliert.

Rauch, mindestens drei Monate und umfasst sowohl



In den Schwellen- und Entwicklungsländern ist der

Recherche als auch die Mitarbeit auf einer Baustelle:

Lehmbau immer noch eine weit verbreitete Bauweise.

Lernen übers Machen. Manche bleiben länger und wer-

Über ein Drittel der Menschheit wohnt in Lehmhäusern.

den als Angestellte übernommen oder steigen je nach

Doch dieses Drittel träumt von einem Leben mit den

Fähigkeiten in die Planung ein.

Statussymbolen der westlichen Welt: Lehmhäuser ge­



hö­ren mit Sicherheit nicht zu diesem Traum. Selbst in

werksbetrieben entscheidend für die Zukunft des Lehm-

Ländern, in denen der Lehmbau noch eine Rolle spielt,

baus. Nur sie sichert das weitere Überleben und Fort-

greifen deren Bewohner nur noch aus Not auf das Mate-

schreiten der Technik. Zum Beispiel waren am Projekt

rial zurück, denn diese einfachen Lehmbauten sind mit

für das Kräuterzentrum über 25 Mitarbeitende involviert.

Armut assoziiert. Natürlich entsprechen weder die spär-

Davon ist die Hälfte gekommen, um etwas über das Ma-

lich überlieferten europäischen Techniken noch die vor-

terial zu lernen. Über diesen Weg vermehrt sich das Wis-

herrschende Bauweisen in Ländern des Südens unseren

sen und die beteiligten Personen verfolgen in Zukunft

heutigen Anforderungen an thermische Behaglichkeit

ihre eigenen Projekte und tragen den Lehmbau weiter .

Es liegt in der Verantwortung der Handwerksbe-

Deshalb ist die Wissensvermittlung in den Hand-

und teils nicht einmal an die Dauerhaftigkeit. Umso wich­­tiger ist es, die Bauweise auch technisch weiter­-

Projekte und Workshops

zu­ent­wickeln und unseren heutigen Erkenntnissen und

Die beste Werbung für den Stampflehm sind gute Pro-

Bedürfnissen anzupassen. Somit ist ein Blick in beide

jekte. In der westlichen Welt bringen sie das vergessene

Richtungen nötig: Die noch vorhandenen historischen

Material in Erinnerung, in den Schwellen- und Entwick-

Beispiele sind zu untersuchen, um dann eigene, neue

lungsländern steigern sorgfältig entworfene und gefer-

Wege einzuschlagen. Der zeitgenössische Lehmbau be-

tigte Gebäude das Prestige des Materials und verleihen

findet sich in einem Spagat zwischen Überlieferung und

ihm einen neuen Status. Für den globalen Energiever-

Wagnis.

brauch wäre die Renaissance des Stampflehms ein Segen. In der Breite befördern gute Projekte diese Wieder-

Wissen durch das Machen wiederbeleben

geburt – ähnlich wie dies beim energieeffizienten Bauen

Die Kultur und Konstruktion des Stampflehmbaus wer-

der Fall war. Über die Industrie und deren Verbände

den kaum gelehrt. Doch wie kann man sie sich aneignen?

besteht wenig Hoffnung für einen Neubeginn. Es gibt

Die Mechanismen von früher sind weiterhin erstaunlich

schlicht zu wenig zu verdienen an einem Material, das

122  

überall auf der Welt direkt vor der Haustüre liegt und

jeweils nicht im luftleeren Raum der akademischen

mit kleinstem Aufwand abgebaut werden kann. Anders

Elfenbeintürme hängen: Im Frühlingssemester 2015 um-

gesagt, von dieser Seite ist keinerlei Lobby-Arbeit zu er-

fasste die Aufgabe ein Haus für Waisen und einen Ver-

warten.

sammlungssaal in Tansania. Unter den Projekten aus



Verschiedene Hochschulen haben indes begonnen,

dem Semester wurden die besten ausgesucht und an-

sich für das Material zu interessieren: In Workshops le-

schließend in einer dreimonatigen Summer School von

gen Studierende erstmals Hand an den Lehm. In jedem

den Studierenden selbst gebaut. Diese hatten die ein-

dieser Seminare fangen einzelne Teilnehmende Feuer

malige Möglichkeit, sich in Entwurf und Praxis mit dem

und bleiben dem Material treu – manchmal über Jahr-

Stampflehm auseinanderzusetzen.

zehnte. An einem Workshop in Harvard von 2012 nahmen an neun Tagen über 150 Studierende teil. Bei der inter-

Grundlagenforschung

nationalen Summer School Earth Works der Kunstuni-

Was hingegen immer noch fehlt, sind systematische

versität Linz trafen sich in Oberösterreich Studierende

Untersuchungen zu technischen Aspekten des Materi-

und junge Architekturschaffende von vier Kontinenten.

als wie Tragwerksverhalten, Materialeigenschaften und

In der bengalischen Hauptstadt Dhaka überfüllten fast

Systematisierung in der Fertigung. Auch in dieser Frage

100 Teilnehmer den zunächst für 30 Personen geplanten

zeigt sich, dass der Lehmbau keine Lobby im Rücken

Workshop. Das führt zu einer enormen Verbreitung.

hat: Diese Art von Forschung stößt meistens die Indus-

Dank des Engagements an Hochschulen entsteht lang-

trie an und finanziert sie auch häufig. Beim Stampflehm

sam ein Netz von Lehmbegeisterten, das sich rund um

bleibt dieses aufwendige Engagement an den Lehmbau-

den Globus spinnt. Überall stehen Personen dahinter,

betrieben hängen und ist oft direkt an einzelne Personen

die in der Arbeit an Projekten den Stampflehm kennen-

gebunden. Es ist entscheidend, Forschung zu den Grund-

gelernt haben oder die an einem Workshop teilgenom-

lagen des Lehmbaus zu betreiben: Wie kann die Ferti-

men haben. Das Feuer wird weiter getragen.

gung mit weniger Arbeit auskommen? Wie beeinflussen Konstruktion und Mischung die Parameter des Lehms?

Forschen durch Tun

Wieviel Energie braucht ein Lehmhaus in Erstellung

Daneben bieten die Hochschulen die Möglichkeit, an

und Betrieb? Es gibt eine ganze Reihe von Themen, die

den Grundlagen des Lehmbaus zu forschen. Ein reger

Gegenstand dieser Forschung sein könnten. Dabei ist es

Austausch bestand dabei mit dem Lehrstuhl von Prof.

wichtig, dass nicht nur eine Universität diesen Fragen

Annette Spiro an der ETH Zürich. Für einen Pavillon auf

nachginge, sondern ein ganzes Netzwerk von Forschen-

dem Hochschulgelände am Hönggerberg untersuchte

den entstünde.

das Wahlfach »Material-Werkstatt« unter Leitung von Dozent Gian Salis und mit statischer Unterstützung

Wissen erarbeiten

durch Andreas Galmarini die Möglichkeit, ein Gewölbe

Neben der Bewusstseinsbildung, der Weiterentwicklung

aus Stampflehm zu errichten. In den Werkhallen von

und Forschung sowie der Begeisterung der Architektur-

Lehm Ton Erde konnten die Studierenden direkt am

schaffenden von morgen darf nicht vergessen gehen, dass

Material prüfen, ob ihre Annahmen umzusetzen waren,

es vor allem an Facharbeitern mangelt. Im Gegensatz zu

und unter Anleitung von Fachleuten die Kuppel selbst

anderen Bautechniken ist beim Stampflehm der durch

produzieren. Das sind die ersten Schritte einer Grund-

Erfahrung und Gefühl bestimmte Umgang mit dem

lagenforschung, die sich mit dem Stampflehm auseinan-

Material entscheidend. Die minimalen Qualitätsunter-

dersetzt.

schiede kann man nur über die Hand wahrnehmen: Das



Seit 2014 unterrichtet Martin Rauch zusammen

ist zunächst immer ein Risiko, weil nicht abschließend

mit der Architektin Anna Heringer als Gastdozent an

beschreibbar. Mit der Kenntnis über das Material steigt

der ETH und hat damit den in Grenoble beheimateten

aber das Vertrauen. Kurzum, dieses Wissen kann man

UNESCO-Lehrstuhl für Lehmarchitektur nach Zürich

nicht nur erlernen oder erlesen. Man muss es sich auch

gebracht. Das Dozentenduo untersucht, wie mit den

erarbeiten.

einfachen Mitteln des Stampflehms eine hohe architektonische Qualität zu erreichen ist. Diese Fragen blieben

123  

Normen

Um das Wissen und den Umgang mit dem Material auf eine breite Basis zu stellen, ist die Zusammenarbeit

Der Baustoff Lehm ist fast weltweit verfügbar und im

von Lehmbauern, Tragwerksplanern, Bauphysikern und

besten Fall entsteht jedes Gebäude aus Stampflehm mit

Architekten unumgänglich. Insbesondere bei größeren

einer Mischung aus lokalem Material – dadurch entzieht

und komplexeren Bauaufgaben hat dies in den letzten

es sich bereits einer Normierung. Zudem hat sich das

Jahrzehnten einen enormen Schub an innovativen und

Wissen Jahrhunderte lang vor allem mündlich erhalten,

praktikablen Lösungen hervorgebracht. Insbesondere

schriftliche Quellen sind rar: Zu fest verankert im Alltag

bei großen Gebäuden erweitert die interdisziplinäre

der einfachen Leute war die Bauweise, zu vernakulär. Der

Entwicklung die Möglichkeiten für den Stampflehm.

Lehmbau schien es nicht wert zu sein, als kulturelle Er-

Das Potenzial dieser Zusammenarbeit ist groß: verstärkt

rungenschaft festgehalten und tradiert zu werden – ver-

durch Universitäten und Forschungseinrichtungen ent-

mutlich nicht einmal aus Geringschätzung, sondern aus

stehen neue Erkenntnisse zur Lehmbautechnik (siehe

der schlichten Tatsache heraus, dass Lehmbau in Euro-

Wissensvermittlung S.122).

pa einst die vorherrschende Bauweise war. Wieso sollte



man etwas aufschreiben, das einerseits so verbreitet und

die Verbreitung des Wissens – ein Normenwerk für den

andererseits so unprätentiös war wie der Lehmbau. Frü-

Lehmbau zu errichten, ist lediglich zweitrangig. Eine

her war das Bauen mit diesem einfachen Material selbst-

Norm soll durch die standardisierte Berechnung und Aus-

verständlich, und noch vor 200 Jahren waren die Häuser

führung eine gesicherte Qualität garantieren und durch

alle im gleichen Typus erstellt, mit gleichen Materialien

die darin enthaltenen Vorgaben dem Planenden die Be-

und in den gleichen Farben. Wenn sich etwas etabliert

rechnung sowie dem Ausführenden die Umsetzung er-

hatte, verbreitete es sich auch ohne geregelte Weitergabe.

leichtern. Dieser an sich sinnvolle Ansatz wird durch ste-



Das Ziel der Zusammenarbeit und Forschung ist

So sind lokale Traditionen im Bauen mit Lehm ent-

tig steigende Anforderungen ad absurdum geführt, denn

standen, deren Techniken ebenso individuell sind wie

durch das Zusammenführen verschiedener Normen und

sich das regionale Material unterscheidet. Diese Beson-

ein gesteigertes Sicherheitsbedürfnis wird der Bauab-

derheit hat sich der Lehmbau bis heute bewahrt, weil er

lauf immer komplexer und anspruchsvoller. Die Folge:

eine ausgesprochen handwerkliche Bauweise ist.

Normen verhindern Innovation. Denn das Handwerk,



Diese handwerkliche Tradition ist eine der gro­ßen

und damit einer der früheren Treiber der Innovation im

Stärken des Lehmbaus, denn mit jedem Bau vertieft sich

Bauwesen, kann es sich nicht leisten, außerhalb der

das Wissen um die Eigenschaften des Materials und die

Norm zu bauen. Damit sind neue und oft einfachere

Bautechnik entwickelt sich auf diese Weise weiter.

Lösungen nicht umsetzbar. Kurzum: Normen stehen in



einem Spannungsfeld zwischen dem Bedürfnis nach

Mit jedem Gebäude dürfen und sollen deswegen

die Planer und Facharbeiter die Grenzen des Materials

Sicherheit und Innovation.

und der Konstruktionen ausloten, denn nur so kann das



Gespür im Umgang mit dem Stampflehm wachsen und

nicht in Normen gefasst ist, hat deshalb durchaus posi-

kann nicht zuletzt Innovation stattfinden.

tive Aspekte. Es lässt ihn zwar als Exoten auf der Bau-



Im Gegensatz zu anderen Baustoffen kann der

stelle erscheinen – die letzte DIN-Norm zu Stampflehm

Lehmbauer sich jedoch nicht auf die Produkthaftung

wurde 1956 ersatzlos gestrichen –, aber gleichzeitig er-

Dass der Lehm aufgrund seiner lokalen Herkunft

verlassen. Er muss mit seinem Fachverstand selber ge-

laubt dieser Schwebezustand, nach neuen Wegen für

währleisten, dass Materialmischung und Ausführung

dieses traditionsreiche Material zu suchen.

dem Stand des Wissens und der Technik entsprechen.



Mit seiner erarbeiteten Kompetenz weiß der Facharbei-

in Richtung einer Standardisierung. So hat der deutsche

ter am besten, wie sich das Material verhält, welche Di-

»Dachverband Lehm« bereits Ende der 1990er-Jahre be-

mensionen nötig und ausreichend sind. Oftmals fordern

gonnen, Regeln für den Lehmbau herauszugeben. Eine

Fachplaner und Institutionen aufwendige Zulassungen

Regel scheint besser geeignet zu sein als eine Norm, da

im Einzelfall oder der Prüfstatik ein – weil die beteiligten

schon im Wort selbst mehr Platz für Innovation und

Personen Haftung übernehmen müssen, sie jedoch kei-

Fachverstand enthalten ist. Andererseits ist es dem Dach-

nen Bezug zum Material haben.

verband gelungen, gewisse industriell hergestellte Bau-

Nichtsdestotrotz gab und gibt es Bestrebungen

124  

teile und Materialien wie Lehmsteine, Lehmmauermörtel und Lehmputze zu normieren. Dies ist zu begrüßen, denn es wird helfen, diese Baustoffe auf einer breiteren Front zu verbreiten.

Doch meistens bevorteilen Normen die industriel-

le Fertigung gegenüber kleinen Betrieben, denn Normen zu erstellen ist eine kostspielige Aufgabe: eine handwerklich orientierte Industrie wie der Lehmbau verfügt kaum über die dafür nötigen Mittel. So soll im Sinne der reichen, lokalen Tradition jeder Lehmfacharbeiter weiterhin selber Lehmsteine, Lehmmörtel und Lehmputze herstellen dürfen. Kennwerte und Berechnungsgrundlagen Um die Arbeit nach den Regeln der Technik zu ermöglichen, lassen sich überprüfbare Mindestkennwerte für den Stampflehm benennen. Die meisten Werte – wie die Druckfestigkeit – sind einfach und unkompliziert für jede neue Mischung und Bauaufgabe nachzuweisen. Mit diesen Angaben kann der Tragwerksplaner sowohl in der Planung als auch in der Ausführung operieren. Das Verfahren dazu ist von anderen Bauweisen bekannt und hat sich bestens bewährt: vor und während der Bauarbeiten werden Rezepte aus dem lokal vorhandenen Material erstellt und untersucht. Sie entstehen nach Vorgaben der Fachplaner und Labors testen ihre Druckfestigkeit in normierten Prüfkörpern.

Bei Berechnungen kann man von folgenden Mindestkennwerten ausgehen, die eine fachgerecht erstellte Lehmmischung erreichen sollte: Druckfestigkeit: 2,40 N/mm2 Biegezugfestigkeit: 0,52 N/mm2 Scherfestigkeit: 0,62 N/mm2 Schwindmaß: Je nach Material 0,25% bis 1 % Kriechmaß: 0,2 % Wärmedehnung: 0,005mm/mK Wärmeleitfähigkeit: Je nach Material 0,64W/mK bis 0,93W/mK

125  

Team Dominik Abbrederis, Michael Abbrederis, Daniel Aebischer, Mahmadu Ba, Uwe Bär, Lukas Baumann, Elias Binggeli, Hanno Burtscher, Lydia De Martin, Gertrude Filzmaier, Roland Frick, Lukas Fritz, Tobias Fritz, Dominique Fulterer, Candotti Giacomino, Nikolaus Gohm, Dominik Grafl, Viviane Greuter, Annina Gubser, Michael Haider, Joachim Haug, Anna Heringer, Reiner Hettenbach, Thomas Honermann, Sascha Horni, René Kindler, Manuela Kiss, Eveline Koch, Markus Lerch, Elmar Losch, Daniel Lüthi, Adnan Mahmudi, Laura Marcheggiano, Aaron Merdinger, Richard Mitchell, Johannes Moll, Claudia Müller, Stefan Neumann, Samuel Nesensohn, Christoph Obernosterer, Stefan Peball, Clemens Quirin, Elke Radlspäck, Assunta Rauch, Benno Reber, Ute Salzgeber, Philipp Schoder, Markus Schröcker, Egon Schwarzhans, Pauline Sémon, Martin Stenflo, Hubert Stephan, Leonar Stieger, Wayne Switzer, Brigitta Tomaselli, Emanuel Tomaselli, Lukas Tomaselli, Christoph Trojok, Tanja Ursella, Sabrina Vonbrül, Ariane Wilson, Uwe Wirthwein, Monika Wolfinger, Jomo Zeil, Paul Zeller Partner Studio Anna Heringer, ETH Zürich, BASEhabitat – Kunstuniversität Linz, KARAK – Marta und Sebastian Rauch, Lehmo – Müller Ofenbau, Johannes Rauch, Malerwerkstatt Gerold Ulrich

An dieser Stelle möchte ich die Gelegenheit nutzen, allen ehemaligen und aktiven Mitarbeitern, aber auch allen hier nicht genannten zahlreichen Unterstützern meiner Jahrzehnte langen Beschäftigung mit dem Baustoff Lehm herzlich zu danken. Aber auch vielen Auftraggebern sei gedankt, die durch ihren Mut und Vertrauensvorschuss viele innovative Projekte ermöglichten. Lehmbau verbindet und das gemeinsame Interesse an einer gesunden Bauweise fördert die gute Teamarbeit und ist ein Garant für ein optimales Ergebnis! Martin Rauch Atelier und Produktionshalle Lehm Ton Erde Zwingen/Laufen 2013, Schlins 2015 fotografiert von Markus Bühler-Rasom

Atelier Lehm Ton Erde, Schlins

Atelier Lehm Ton Erde, Schlins_mischen und stampfen

Atelier Lehm Ton Erde, Schlins_Schalung befüllen

Produktionshalle Lehm Ton Erde, Zwingen_vormischen

Produktionshalle Lehm Ton Erde, Zwingen_stampfen

Produktionshalle Lehm Ton Erde, Zwingen_Nut stemmen

Produktionshalle Lehm Ton Erde, Zwingen_lufttrocknen und lagern

Baustelle Ricola Kräuterzentrum, Laufen_Fertigteile versetzen

Baustelle Ricola Kräuterzentrum, Laufen_Rundfenster anbinden

Produktionshalle Lehm Ton Erde, Zwingen_Verankerung vorbereiten

Baustelle Ricola Kräuterzentrum, Laufen_retuschieren

Baustelle Ricola Kräuterzentrum, Laufen_Das letzte Element ist versetzt

Werkverzeichnis

Omicron Crossing Border – Kunstobjekt



Klaus, Österreich, 2014, Gestaltung: Anna Heringer &



Martin Rauch , tragend vor Ort, 80 m², 33 t



Einfamilienhaus B.-S. – Stampflehmwand



Almens, Schweiz 2014, Architektur: Norbert Mathis



Architekt, nicht tragend vorgefertigt, 42 m², 44 t



Einfamilienhaus Ö.-E. – Stampflehmwand



Ruggell, Liechtenstein, 2014, Architektur: ArchitekturAtelier



nicht tragend, vorgefertigt, 37 m², 26 t



Novartis Campus – Trasskalkmauer



Basel, Schweiz, 2015, Landschaftsarchitektur:



Vogt Landschaftsarchitekten, freistehend, vor Ort, 1.050 t

Schweizerische Vogelwarte – Stampflehmfassade Sempach Schweiz, 2013 − 2014, Architektur: mlzd Architekten, nicht tragend, vorgefertigt, 1.240 m², 1.130 t

ETH Material-Werkstatt Stampflehmkuppel – Workshop



Zürich, Schweiz, 2013 − 2014, Veranstalter & Gestaltung:



D-ARCH, Professur Annette Spiro, Dozent Gian Salis



Wahlfach Material-Werkstatt, statische Beratung:



Andreas Galmarini, tragend, vorgefertigt, 39 t



Kindergarten Muntlix – Stampflehmboden Muntlix



Österreich, 2013, Architektur: Hein Architekten, 492 m², 93t

Ricola Kräuterzentrum – Stampflehmfassade Laufen Schweiz, 2012 − 2013, Architektur: Herzog & De Meuron, nicht tragend, vorgefertigt, 2.780 m², 2.935 t

Harvard University Workshop – MudWorks



Cambridge , USA, 2012, Gestaltung: Anna Heringer &



Martin Rauch, freistehend, vor Ort, 30 m², 45 t



Einfamilienhaus F. – Stampflehmwand & Lehmo



Schwarzach, Österreich, 2012, Architektur: Heim & Müller



Architektur, nicht tragend, vorgefertigt, 55 m², 46 t

Schulpavillon Allenmoos II – Stampflehmfassade Zürich, Schweiz, 2011 − 2012, Architektur: Boltshauser Architekten, tragend, vor Ort, 130 m², 119 t

Sauna Bad Schinznach – Stampflehmwand



Bad Schinznach, Schweiz, 2011, Architektur: Hans Peter



Fontana & Partner, nicht tragend, vor Ort, 73 m², 61 t



Friedhof Gaissau – Stampflehmmauer



Gaissau, Österreich 2011 − 2012 Architektur: Georg Rauch



freistehend, vor Ort 31 m², 31 t



Lehmhaus der Merian Gärten – Stampflehmfassade



Basel, Schweiz, 2011 − 2012, Architektur: Barcelo Baumann



Architekten, nicht tragend, vorgefertigt, 281 m², 169 t

Einfamilienhaus B.-S. – Stampflehmwand Flims, Schweiz, 2011, Architektur: Fehlmann Brunner Architekten, tragend, vorgefertigt, 230 m², 195 t

152  



Friedhof Eschen – Stampflehmmauer



Eschen, Liechtenstein, 2010 − 2012, Architektur: Hans-Jörg



Hilti,freistehend vorgefertigt, 125 m², 112 t



Earth Works Summer School – Workshop



Gmunden, Österreich, 2010, Veranstalter & Gestaltung:



Kunstuniversität Linz – BASEhabitat; Anna Heringer



Martin Rauch, freistehend, vorgefertigt, 15 t

Agrarschule Mezzana – Stampflehmfassade Coldrerio, Schweiz 2010 − 2012, Architektur: Conte Pianetti Zanetta Architetti, nicht tragend, vorgefertigt, 930 m², 760 t

King Abdulaziz Centre for World Culture – Stampflehm-

wand, Dhahran, Saudi Arabien, 2010 − 2014, Architektur:

Snøhetta, nicht tragend, vorgefertigt, 2.823 m², 3.009 t



Haus der Architektur Graz – Ausstellung Graz, Österreich



2010, Austellungsgestaltung: Martin Rauch & Eva Guttmann

Einfamilienhaus Stall Plazza Pintgia – Stampflehmwand Almens, Schweiz, 2010, Architektur: Gujan + Pally tragend, vorgefertigt, 59 m², 70 t

Schulanlage Gönhard – Trasskalkfassade



Aarau, Schweiz, 2009 − 2010, Architektur: Boltshauser



Architekten, nicht tragend, vorgefertigt, 243 m², 200 t



Wohn- und Pflegeheim Lohbach – Stampflehmwand



Lohbach, Österreich, 2009, Architektur: marte.marte



architekten, nicht tragend, vorgefertigt, 16 m², 2 t



Bestattung Jung – Stampflehmbild



Salzburg, Österreich, 2009 , Gestaltung: Martin Rauch



nicht tragend, vorgefertigt, 47 m², 12 t



Einfamilienhaus G.– Trasskalkboden



Rapperswil, Schweiz, 2009, Architektur: Miller &



Maranta Architekten, 660 m², 144 t



Geistliches Zentrum Embach – Stampflehmwand



Embach, Österreich, 2009 − 2010, Architektur:



LP Architektur, tragend, vor Ort, 85 m², 39 t



Cinema Sil Plaz – Stampflehwand & -boden



Ilanz/Glion, Schweiz, 2009 − 2010, Architektur: Capaul &



Blumenthal Architects, nicht tragend, vor Ort, 182 m², 67 t

Geschossvillen in der Letzi – Stampflehmmauer Küsnacht, Schweiz, 2009, Architektur: Peter Kunz Architektur, freistehend, vorgefertigt, 287 m², 238 t

»Plant Room«, Kunstraum Dornbirn – Kunstobjekt



Dornbirn, Österreich, 2008, Künstler: Simon Starling



tragend, vor Ort



Einfamilienhaus H. – Stampflehmboden Basel, Schweiz



2007, Architektur: Luca Selva Architekten, 113 m², 21 t



Gemeindehaus Confignon – Stampflehmmauer



Confignon, Schweiz, 2007, Architektur: atelier b & m



architecture & territoire, freistehend, vor Ort, 54 m², 57 t

153  



Wil, 2. Etappe – Stampflehmmauer



Wil, Schweiz, 2007, Landschaftsarchitektur: Engeler Freiraum-



planung & Martin Rauch, freistehend, vor Ort, 85 m², 104 t



Novartis Campus – Trasskalkmauer



Basel, Schweiz, 2007, Landschaftsarchitektur:



Vogt Landschaftsarchitekten, freistehend, vor Ort, 800 t



Friedhof Fluntern – Stampflehmmauer



Zürich, Schweiz, 2007, Landschaftsarchitektur: Berchtold.



Lenzin Landschaftsarchitekten, freistehend, vor Ort, 25 m², 29 t

Einfamilienhaus Rauch – Stampflehmfassade & -boden Schlins, Österreich, 2005 − 2008, Architektur: Roger Boltshauser & Martin Rauch, tragend, vor Ort

Verwalungsgebäude UVEK – Kunstobjekt



Bern, Schweiz, 2005 − 2006, Gestaltung: raderschallpartner



landschaftsarchitekten, Martin Rauch, 6 m², 27 t



Friedhof Hergiswil – Stampflehmmauer



Hergiswil, Schweiz, 2005, Architektur: Richard Kretz, Renato



Lampugnani & Martin Rauch, freistehend, vor Ort, 41 m², 70 t



Kirchenzentrum Riem – Stampflehmboden & Altarobjekte



München, Deutschland, 2005, Gestaltung: Florian Nagler



Architekten & Martin Rauch, 28 m², 9 t



Außenanlagen Lagerhäuser – Trasskalkmauer



St. Gallen, Schweiz, 2005, Architektur: Vogt Landschafts-



architekten, freistehend, vor Ort, 47 m², 81 t



Kardinal-Schwarzenberg-Haus – Stampflehmwand



Salzburg, Österreich, 2005, Architektur: Flavio Thonet



nicht tragend, vorgefertigt, 77 m², 31 t

Weingut La Raia – Stampflehmfassade Novi Ligure, Italien, 2005, Architektur: Ivana Porfiri, nicht tragend, vor Ort, 223 m², 239 t

Spa-Bereich Waldhaus Mountain Resort – Stampflehm-

wand Flims, Schweiz, 2004, Architektur: Hans Peter Fontana

& Partner, nicht tragend, vor Ort, 130 m², 99 t



»Quasi brick«, la Biennale di Venezia – Ausstellung



Venedig, Italien, 2003, Künstler: Olafur Eliasson



Hotel Vigilius Mountain Resort – Stampflehmwand



Lana, Italien, 2003, Architektur: Matteo Thun, freistehend



vorgefertigt, 230 m², 98 t



Naturhotel Chesa Valisa – Stampflehmwand



Hirschegg, Österreich, 2002, Architektur: Architekten



Hermann Kaufmann, tragend, vorgefertigt, 69 m², 65 t



Friedhof Schlins – Stampflehmmauer



Schlins, Österreich, 2001, Gestaltung: Martin Rauch



freistehend, vor Ort, 68 m², 79 t

Totenkapelle Friedhof Batschuns – Stampflehmfassade Batschuns, Österreich, 2001, Architektur: marte.marte architekten, tragend, vorgefertigt, 176 m², 153 t

154  



Busstation Thüringen – Stampflehmmauer



Thüringen, Österreich, 2001, Architektur: Bruno Spagola



nicht tragend, vorgefertigt, 17 m², 6 t



Sportanlage Sihlhölzli – Stampflehmfassade



Zürich, Schweiz, 2001 − 2002, Architektur: Boltshauser



Architekten, tragend, vor Ort, 250 m², 247 t



»The mediated motion«, Kunsthaus Bregenz – Ausstellung



Bregenz, Österreich, 2001, Künstler: Olafur Eliasson &



Günther Vogt, 470 m², 50 t



»Erdwand« Hamburger Bahnhof – Ausstellung



Berlin, Deutschland, 2000, Künstler: Olafur Eliasson



freistehend vor Ort, 96 m², 100 t

Etosha-Haus Zoo Basel – Stampflehmfassade Basel, Schweiz, 1998 − 1999, Architektur: Peter Stiner, tragend, vor Ort, 420 m², 400 t Verwaltungsgebäude Druckerei Gugler – Stampflehmwand Pielach, Österreich 1998 − 1999, Architektur: Ablinger, Vedral & Partner, nicht tragend, vorgefertigt, 350 m², 210 t

Kongresszentrum Alpbach – Stampflehmwand



Albpach, Österreich, 1998, Architektur: DINA4 Architektur



nicht tragend, vor Ort, 270 m², 110 t



Friedhof Wil, 1. Etappe – Stampflehmmauer Wil, Schweiz



1997 − 1998, Landschaftsarchitektur: Engeler Freiraum-



planung & Martin Rauch, freistehend, vor Ort, 200 m², 380 t



Einfamilienhaus R. – Stampflehmwand



Hard, Österreich, 1997, Architektur: Architekten Hermann



Kaufmann, nicht tragend, vor Ort, 14 m², 9 t



Friedhof Propstei St. Gerold – Stampflehmmauer



St. Gerold, Österreich, 1994, Gestaltung: Martin Rauch



freistehend, vor Ort, 145 m², 40 t



Einfamilienhaus M. – Stampflehmfassade



Rankweil, Österreich, 1993 − 1996, Architektur: Robert



Felber & Martin Rauch, tragend, vor Ort, 150 m², 160 t

Landeskrankenhaus Feldkirch – Stampflehmwand Feldkirch, Österreich, 1992 − 1993, Gestaltung: Martin Rauch, nicht tragend, vor Ort, 550 m², 250 t

Kapelle der Versöhnung – Stampflehmfassade



Berlin, Deutschland, 1999 − 2000, Architektur: Rudolf Reiter-



mann & Peter Sassenroth, tragend, vor Ort, 180 m², 250 t

Atelier Lehm Ton Erde – Stampflehmfassade Schlins, Österreich, 1990 − 1994, Architektur: Robert Felber & Martin Rauch, nicht tragend, vor Ort, 132 m², 144 t

Atelier Gassner – Stampflehmwand



Schlins, Österreich, 1984, Architektur: Rudolf Wäger



nicht tragend, vor Ort, 8 m², 8 t



Einfamilienhaus – Stampflehmwand



Schlins, Österreich, 1982 − 1986, Architektur:



Johannes Rauch, nicht tragend, vor Ort, 70 m², 40 t

155  

Glossar Excavation

Aushub

Als Aushub ist die Materialentnahme aus der Baugrube (bei Herstellung

Aushubmaterial

von Kellern und Fundamenten) zu verstehen. Für den Stampflehmbau darf jedoch kein Humus enthalten sein.

Carnauba hard wax

Carnauba-Hartwachs

Aus den Blättern der Carnaubapalme gewonnenes Wachs. Es ist das härteste bekannte natürliche Wachs.

Water vapor

Dampfdiffusion

Die Dampfdiffusion beschreibt das Durchdringen des Wasserdampfes

diffusion

Diffusionsfähigkeit

durch ein Bauteil. Ist diese Übertragung offen, d.h. nicht durch eine Sperre

dampfdiffusionsoffen

abgeschnitten, spricht man von Dampfdiffusionsoffenheit.

Druckluftstampfer

Druckluftstampfer sind pneumatisch betriebene Verdichtungsgeräte,

Stampfer

die meist von Hand geführt werden.

erdfeucht

Natürliche Feuchte von Erdmaterial. Stampflehm wird erdfeucht

Air rammer

Earth moist

verarbeitet. Erosion

Erosion

Erosion ist die natürliche Verwitterung und Abtragung von Gestein

kontrollierte Erosion

und Böden. Im Stampflehmbau versteht man unter kalkulierter

erodieren

Erosion die durch konstruktive Maßnahmen (Erosionsbremse), Material- und Stampfqualität vorhersehbare und steuerbare Erosion von Wänden.

Moisture

Feuchtigkeit

Im Lehmbau spielt Feuchte sowohl als Wasser (aufsteigend, stehend,

Feuchte

abfließend, in der Verarbeitung) als auch als Wasserdampf eine wichtige Rolle (Feuchtigkeitsregulierung).

Gravel additives

Equilibrium moisture content

Gesteinszuschläge

Mineralischer Zuschlag aus verschiedenen Gesteinen, beim Stampflehm-

Steingranulat

bau unterschiedlicher Körnung bis max. 32 mm.

Gleichgewichtsfeuchte

beschreibt jenen Wassergehalt eines Materials, der sich nach längerer Lagerung unter gleichbleibenden Bedingungen einstellt. Die Gleichgewichtsfeuchte von Lehm liegt bei 6–7%, ist also geringer als die von Holz (ca. 9%).

Casein

Kasein

ist der Proteinanteil der Milch und ein altbewährtes, stark aushärtendes Bindemittel.

Loam, soil, earth, mud

Lehm

ist eine Mischung aus Sand, Schluff und Ton. Er entsteht zumeist durch Verwitterung / Erosion.

Loam, rich

Lehm, fett

Hat der Lehm ein hohen, bindigen Tonanteil, wird er als fett bezeichnet.

Loam, lean

Lehm, mager

Ist der Tonanteil gering, handelt es sich um mageren Lehm.

Earth building

Lehmbau

Beschreibt allgemein das Bauen mit Lehm mit verschiedenen Techniken.

Earth mortar

Lehmmörtel

ist als Verbindungsmittel zwischen Lehmbauteilen geeignet und besteht

Mörtel

aus einer einfachen zähflüssigen Lehm-Sand-Wasser-Mischung. Lehmmörtel ist reversibel und kann mit Pflanzenfasern verstärkt werden.

Earth slurry

Slaking

Lehmschlämme

Lehmschlämme ist eine Mischung aus Lehm und einer größeren Menge

schlämmen

Wasser. Damit ist Lehmschlämme dünnflüssiger als Lehmmörtel.

mauken

Mauken beschreibt das bewusste Lagern von fertig gemischtem Lehm.

einsumpfen

Durch das ›Ziehenlassen‹ der aufbereiteten Mischung wird die Bindekraft der Tonanteile erhöht.

156  

Marl

Mergel

ist ein Sedimentgestein aus Ton, Schluff und Kalk.

Micro-crack

Mikroriss

ist ein sehr feiner Riss im Material, der mit bloßem Auge nicht erkennbar ist. Beim Austrocken schwindet der Lehm. Neben sichtbaren Rissen bei zu fettem Lehm entstehen immer auch unzählige Mikrorisse im Material.

Moisture expansion

quellen

Wird Lehm Wasser zugefügt, erhöht sich sein Volumen, er quillt auf.

Retouching

Retusche

ist die nachträgliche Bearbeitung einer Oberfläche oder einer Fuge.

Shrinking

schwinden

Durch das Entweichen der Feuchte verringert sich das Volumen von Lehm, er schwindet.

Self-supporting

selbsttragend

sind Bauteile, die zwar die eigene Last, aber keine weiteren Lasten tragen.

Ramming

stampfen

Das Stampfen ist eine Verdichtungsmethode, um erdfeuchten Lehm

verdichten

zu binden. Das zuvor lose Stampflehmmaterial erhält dadurch seine Festigkeit.

Rammed earth

Stampflehm

ist eine massive Lehmbau-Technik. Stampflehm besteht aus einer

Pisé

Mischung aus Lehm und Steinkonglomerat, wie es in der Natur häufig vorkommt.

Rammed earth floor

Stampflehmboden

ist ein auf ca. 10 cm verdichteter, massiver Boden aus Stampflehm.

Lehmboden Rammed earth facade

Stampflehmfassade

Darunter versteht man eine zumeist selbsttragende, der Witterung ausgesetzte Stampflehmwand.

Rammed earth prefebricated

Stampflehmfertigteil

ist ein in der Werkshalle vorgeferigtes Element, das mit anderen Fertig-

component

Stampflehmelement

teilen auf der Baustelle zu einer Wand zusammengesetzt wird.

Rammed earth wall

Stampflehmwand

Massives, vertikales Bauteil aus Stampflehm.

Clay

Ton

Ton besteht aus natürlichen, feinkörnigen Mineralien. Unter Wasserzu-

Tonanteil

gabe ist er plastisch formbar. Nach dem Austrocknen ist Ton hart, aber reversibel, nach dem Brennen ist die Verbindung wasserunlöslich.

Trass lime

Trasskalk

Trass ist ein natürliches Vulkangestein, dessen hoher Kieselsäureanteil

Trasskalkmörtel

mit Kalk reagiert und ist damit ein weitestgehend wasserunlöslicher Mörtel- oder Zementersatz.

In-situ construction

Vor-Ort-Herstellung

Darunter versteht man den Aufbau von Stampflehmwänden und Stampflehmböden direkt am späteren Bestimmungsort.

Prefabrication

Vorfertigung

bedeutet die Produktion von Stampflehmfertigteilen in einer Werkshalle.

Vorproduktion

Die fertigen Elemente werden dann zum Versetzen auf die Baustelle transportiert.

Wax emulsion

Wachsemulsion

Wassergelöste Emulsion mit Wachsanteil.

Drum compactor

Walzen

kommen aus dem Tiefbau und dienen ursprünglich der Verdichtung von

Verdichtungswalze

Gräben. Derselbe Vorgang ist auch in einer stabilen Schalung möglich.

Werksplanung

bezeichnet die Produktionsplanung von im Werk erstellten Bauteilen

Construction Documentation

oder den Schalungsplan für Vor-Ort-Baustellen.

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Martin Rauch · Fachschule für Keramik und Ofenbau, Stoob. Studium der Keramik bei Prof. Matteo Thun und Prof. Maria Bilger-Perz an der Hochschule für angewandte Kunst, Wien; 1983 Diplom »Lehm Ton Erde«, Würdigungspreis des Bundesministeriums für Wissenschaft und Forschung; seit 1990 Konzeption, Planung und Realisierung von Lehmbauprojekten im In- und Ausland; 1999 Firmengründung Lehm Ton Erde Baukunst GmbH; Einzel- und Gruppenausstellungen; unzählige Preise und Auszeichnungen u.a. 2014 Ernst A. Plischke-Preis, 2011 Holcim Award, 2008 Internationaler Preis für nachhaltige Architektur Fassa Bortolo, 2008 Bauherrenpreis der Zentralvereinigung der Architekten; 2003 bis 2010 Lehrtätigkeit an der Kunstuniversität Linz, internationale Workshops und Summer Schools u.a. in Bangladesch, Südafrika, Tansania und Österreich; seit 2010 Honorarprofessor des UNESCO-Lehrstuhls »Earthen Architecture«, seit 2013 Gastdozent an der ETH Zürich. Otto Kapfinger · Studium der Architektur an der Technischen Universität Wien; 1970 Mitbegründer von Missing Link (mit Angela Hareiter und Adolf Krischanitz); 1979 bis 1990 Redakteur der Zeitschrift UMBAU; 1981 bis 1990 Architekturkritiker der Tageszeitung Die Presse; diverse Buchveröffentlichungen und Ausstellungskonzeptionen zur modernen und gegenwärtigen Baukunst in Österreich, u.a. leitender Mitkurator der Ausstellungen »Visionäre und Vertriebene« (Kunsthalle Wien) und »Architektur im 20. Jahrhundert: Österreich« (Deutsches Architekturmuseum Frankfurt); langjähriger Juror bei diversen Architekturpreisen, u.a. Österreichischer Bauherrenpreis und Österreichischer Staatspreis Architektur und Nachhaltigkeit. Marko Sauer · Studium der Pädagogik und Architektur in St. Gallen, Vaduz und Tokio. Drei Jahre Projektarchitekt bei Staufer & Hasler, Frauenfeld (CH). Anschließend Leiter der Kommunikation im Hochbauamt der Stadt St. Gallen (CH). Ausbildung zum Fachjournalisten. Publikationen in Fachzeitschriften und Tageszeitungen, diverse Buchveröffentlichungen. Ab 2013 Redakteur der Zeitschrift TEC 21. Konzeption und Umsetzung von »unit architektur – Baukultur im Unterricht«. Seit 2015 Geschäftsführer des Vereins »Spacespot – Bakulturvermittlung für Schülerinnen und Schüler«. 2011 – 2014 Vorstandsmitglied der Regionalgruppe Ostschweiz des Schweizerischen Werkbunds, seit 2011 Vorstand des Architektur Forums Ostschweiz und Leiter des Projekts »Gutes Bauen Ostschweiz« und der Umsetzung einer Artikelserie in der Tagespresse.

Herausgeber: Otto Kapfinger, Marko Sauer Texte: Marko Sauer (soweit nicht anders angegeben) Herstellungsleitung und Redaktion: Clemens Quirin Lektorat: Claudia Mazanek Koordination im Verlag: Cornelia Hellstern Grafisches Konzept und Gestaltung: Gassner Redolfi KG Andrea Redolfi Bildnachweise: Reinold Amann: S. 74, Beat Bühler: S. 71, 104 – 105, 152 Markus Bühler-Rasom: S. 79, 114, 128-151, 155, Ralph Feiner: S. 153 Michael Freisager: S. 92, Bruno Klomfar: S. 52 – 53, 155 Benedikt Redmann: S. 14 – 49, 66 – 67, 86 – 87, Dominique Wehrli: S. 153 Lehm Ton Erde: S. 59, 74, 97, 154 Zeichnungen nach Plänen/Details von: Boltshauser Architekten: Haus Rauch S. 82, 97, 106 – 107, 108, 109, 154 Sportanlage Sihlhölzli S. 76 – 77, 81, 93, 110 Conte Pianetti Zanetta Architetti: Agrarschule Mezzana S. 100, 101, 112, 153 Fehlmann und Brunner Architekten (FeBruAr), S. 152 Robert Felber: Atelier Lehm Ton Erde S. 94, 109, Haus Mathies S. 113 Hans Peter Fontana und Partner: Waldhaus Mountain Resort S. 93 Herzog & de Meuron: Ricola Kräterzentrum S. 79, 83, 88 – 89, 96, 99, 152 marte.marte architekten: Totenkapelle Batschuns S. 68 – 69, 97, 154 :mlzd: Besucherzentrum der Schweizerischen Vogelwarte S. 81, 98, 152 Rudolf Reitermann & Peter Sassenroth: Kapelle der Versöhnung S. 54 – 55, 95, 96 Peter Stiner: Etosha Haus Zoo Basel S. 155 Grafische Planüberarbeitung: Pauline Sémon und Laura Marcheggiano Druck: Eberl Print GmbH, Immenstadt © 2015 DETAIL – Institut für internationale Architektur-Dokumentation GmbH & Co. KG, München Dieses Werk ist urheberrechtlich geschützt. Die dadurch begründeten Rechte bleiben, auch bei nur auszugsweiser Verwertung, vorbehalten. Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek: Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar. ISBN 978-3-95553-270-3 (Print) ISBN 978-3-95553-271-0 (E-Book) ISBN 978-3-95553-272-7 (Bundle)

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