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German Pages [229] Year 2023
Irma Trattner
Margareta
Berger-Hamerschlag Eine vergessene Künstlerin im Londoner Exil
Irma Trattner
Margareta Berger-Hamerschlag Eine vergessene Künstlerin im Londoner Exil
Böhlau Verlag Wien Köln
Gedruckt mit Unterstützung durch Bundesministerium für Kunst, Kultur, Sport, Wien Nationalfonds der Republik Österreich, Wien Zukunftsfonds der Republik Österreich Stadt Wien
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek: Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über https://dnb.de abrufbar. © 2023 Böhlau Verlag, Zeltgasse 1, A-1080 Wien, ein Imprint der Brill-Gruppe (Koninklijke Brill NV, Leiden, Niederlande; Brill USA Inc., Boston MA, USA; Brill Asia Pte Ltd, Singapore; Brill Deutschland GmbH, Paderborn, Deutschland; Brill Österreich GmbH, Wien, Österreich) Koninklijke Brill NV umfasst die Imprints Brill, Brill Nijhoff, Brill Hotei, Brill Schöningh, Brill Fink, Brill mentis, Vandenhoeck & Ruprecht, Böhlau und V&R unipress. Alle Rechte vorbehalten. Das Werk und seine Teile sind urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung in anderen als den gesetzlich zugelassenen Fällen bedarf der vorherigen schriftlichen Einwilligung des Verlages. Umschlagabbildung: Margareta Berger-Hamerschlag, Selbstporträt, um 1948, © Raymond F. Berger Umschlaggestaltung: Michael Haderer, Wien Korrektorat: Vera M. Schirl, Wien Layout: Bettina Waringer, Wien
ISBN 978-3-205-21618-6
Margareta Berger-Hamerschlag vor ihren Kunstwerken.
Posthum widme ich dieses Buch meinem Mann Harmuth-Peter Trattner
Inhalt 1. Vorwort – Margareta Berger-Hamerschlag: Visionärin und Künstlerin . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9 2. Margareta Hamerschlag – Ein Kind der Wiener Moderne. Historischer Kontext und kunsthistorische Einordnung . . . . . . . . . . . . 15 3. Familienporträt Margareta Berger-Hamerschlags . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21 4. Eine Erziehung in Kunst und Leben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 29 4.1 Jugendkunstklasse von Franz Čižek . . . . . . . . . . . . . . . . . 29 4.2 Exkurs zum Ersten Weltkrieg . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 34 4.3 Das Ende der Kindheit – Aufnahme an der Kunstgewerbeschule . . . . . . . . . . . . . . . . 35 5. Sich einen Namen machen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.1 Wiener Zeit, „Die Stadt“, „Kinderfreuden“ und „Die Maske des roten Todes“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.2 Wiener Werkstätte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.3 Von der Kunst leben…? Erste Anerkennung und Reisetätigkeit . . .
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6. Das zweite Leben – Neuanfang im Exil . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 83 6.1 Wien – Haifa – London . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 83 6.2 „Neuanfang im Heiligen Land“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 88 6.3 Erste Ausstellungen und Auftragsarbeiten in London . . . . . . . 106 6.4 Künstlerleben im Exil während des Zweiten Weltkriegs . . . . . . 113 7. Aktivität in Jugendclubs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 137 7.1 Eine Neudefinition Margareta Hamerschlags . . . . . . . . . . . . 138 7.2 Die Veröffentlichung von „Journey Into a Fog“ . . . . . . . . . . . 140 7.3 Peter Young – ein erfolgreicher Jugendclub-Absolvent . . . . . . . 155 7.4 Endgültige Anerkennung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 157 Kurzbiographie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 169
Tafelteil . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 171 Ausstellungsverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 219 Bibliografie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 221 Ausstellungskataloge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 221 Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 221 Internetquellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 224 Abbildungsverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 225 Personenregister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 227
1. Vorwort – Margareta Berger-Hamerschlag: Visionärin und Künstlerin
Seit ich an dem Manuskript über Margareta Berger-Hamerschlag arbeite, ist ihr Name nur wenigen Kennern geläufig. Aufgrund der Unruhen des österreichischen Regimes erhoffte sie sich ein besseres Leben in Palästina und ging 1934 gemeinsam mit ihrem Ehemann Josef Berger ins Exil. 1935 zogen sie in das Vereinigte Königreich. Die vielversprechende Künstlerin geriet damit hierzulande gänzlich in Vergessenheit. Trotz eines sehr positiven Karrierestarts im Wien der 1920er und Anfang der 1930er Jahre war ihr Name beim Verlassen der Heimat nicht groß genug, als dass man sich nach dem Zweiten Weltkrieg in Österreich an ihn erinnert hätte. Bilder aus öffentlichem Besitz, die auf sie aufmerksam machen hätten können, waren kaum mehr vorhanden oder sind verschollen. In einschlägigen Publikationen wird sie wenigstens namentlich erwähnt. Aber Näheres über ihr bewegtes Leben ist nicht bekannt.1 Es ist ein glücklicher Zufall, dass ich persönlich im Jahr 2006 in London den Sohn Margareta Berger-Hamerschlags, Raymond F. Berger, kennenlernen durfte. Es folgten mehrere Aufenthalte in London und Exeter, wohin Raymond F. Berger nach dem Tod seines Vaters (1989) mit seiner zweiten Frau Ann übersiedelt war. Dorthin nahm er auch einige bereits verpackte Kartons mit. Erst nach der Auflösung der Wohnung in London Hampstead stellte sich heraus, dass es sich um den in Schachteln verpackten Nachlass der Künstlerin handelte. Sich über den Wert der Sammlung im Unklaren hatte der Sohn bereits viele Zeichnungen und Bilder verkauft, leider ohne ein Verzeichnis darüber anzufertigen. Da er wusste, dass seine Mutter in Wien geboren war, hoffte er, dort Interessenten zu finden. Daher übergab er 1992 dem Belvedere Wien 1
Während einer meiner Lehrveranstaltungen an der Universität Salzburg, Abteilung Kunstgeschichte, zu den Themen Künstler und Künstlerinnen im Exil wurde Margareta Hamerschlag durch eine Seniorenstudentin, Martha Wilhelm-Bako, im Rahmen ihrer Proseminararbeit in Erinnerung gerufen.
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1. Vorwort
Abb. 1: Blumen in Vase, 1948.
zwei Gemälde (Abb. 1 und 2), die sich nun als Schenkung deklariert im Depot des Wien Museums befinden. Leider löste diese Schenkung kein nachhaltiges Interesse in Wien aus, sodass ab 2014/15 sukzessive der restliche Nachlass von Raymond F. Berger an die University of London übergeben wurde, die sehr glücklich ist, dieses Vermächtnis verwahren zu dürfen. Einige Ausstellungen ihrer Werke fanden in England statt, denen jedoch keine intensiven Recherchen vorausgegangen waren. Meine Versuche, dieser zu Unrecht übersehenen Malerin eine erste umfassende Werkschau in Öster-
1. Vorwort
Abb. 2: Peter Stone, 1943.
reich zu widmen, stieß bei den vielen Institutionen, die ich aufsuchte, auf wenig Resonanz. Das führte dazu, dass ich mir vornahm, dieses Unternehmen im Alleingang zu wagen. Das Problem war weniger ein Mangel an Interesse an dem Werk der Künstlerin, sondern es scheiterte an der finanziellen Unterstützung. Vermehrt wurde ich ermuntert, die bereits geleisteten Recherchen nicht einfach untergehen zu lassen. Tatsächlich wurden in den letzten Jahren Margareta Berger-Hamerschlags Arbeiten wiederholt in wichtige Themenausstellungen integriert, Ankäufe
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1. Vorwort
renommierter Museen blieben jedoch weiterhin aus. Im Wiener Kunsthandel hingegen werden einige Werke zu wunderlichen Preisen angeboten, von den verkauften, nicht rekonstruierbaren Werken im Vereinigten Königreich gar nicht zu sprechen. Der rege Kunsthandel hat dazu geführt, dass Margareta Berger-Hamerschlag zumindest teilweise wieder in den künstlerischen Kanon aufgenommen wurde. – Wenn auch nicht in dem Ausmaß, das man aufgrund ihrer zeitgenössischen Erfolge und gemessen an ihrer Könnerschaft erwarten würde. Denn bereits ab 1908 galt sie als kleiner Star, als sie als Sechsjährige die Jugendkunstklasse von Franz Čižek besuchte. In meine Augen ist sie vor allem mit ihren Holzschnitten eine Vertreterin des österreichischen Expressionismus. Die Farbgebung und Ausdruckskraft ihrer malerischen Werke würde ich zwischen Anton Faistauer und dem extrovertiert malenden Oskar Kokoschka einordnen und mit dem Experimentieren der gegenständlichen Klassischen Avantgarde gleichsetzen, die sie in ihrem letzten Lebensjahrzehnt auf eigenständige und unvergleichbare Weise neu inszenierte und damit eine hohe künstlerische Reputation erreichte. Mein ganz besonders inniger und herzlicher Dank gilt Raymond F. Berger. In unermüdlicher Weise half er mir zahlreiche Fragen, die sich während der jahrelangen Recherchen aufgetan hatten und haben, zu beantworten. Seine Unterstützung begleitete mich in den letzten Jahren unaufhörlich. Ohne seine großartige Hilfsbereitschaft und die unveröffentlichten Manuskripte, Gemälde, Zeichnungen, Briefe, Essays, Fotos und andere Materialien, die er mir kostenfrei zur Verfügung stellte, wäre dieses Buch nicht möglich gewesen. Die vielen Gespräche während meiner Aufenthalte in Exeter und vor allem seine Gastfreundschaft, waren unermüdlich. Es wäre unmöglich gewesen, Berger-Hamerschlags Lebensweg zu rekonstruieren, oder ihr durch die Zeitläufe verstreutes und vielseitiges Œuvre zusammenzutragen, das leider dennoch unvollständig bleiben muss. Besonders erwähnenswert ist, dass Raymond Florian Andrew Berger am 4. November 2020 die österreichische Staatsbürgerschaft erhielt, die am 2. April 2021 durch eine Urkunde für Verfolgte des NS-Regimes und deren direkte Nachkommen beglaubigt wurde, nachdem das österreichische Parlament im Oktober 2019 in Wahrnehmung der historischen Verantwortung gegenüber den Opfern des Nationalsozialismus und ihren Nachkommen einstimmig eine Novelle zum österreichischen Staatsbürgerschaftsgesetz (StbG) beschlossen hatte.2 Es mag etwas skurril wirken, dass man so spät den Ver2
Der neue § 58c Abs. 1a StbG ermöglicht den Nachkommen von Opfern des
1. Vorwort
folgten und deren Nachkommen gegenüber diese Verantwortung annimmt, immerhin befinden sich viele bereits in einem hohen Alter oder sind verstorben, ohne je von diesem wesentlichen Akt der Humanität und Schuldeinsicht erfahren zu haben. Aber es ist eine große Freude für mich, dass Raymond. F. Berger, heute 85-jährig, doch diese Form der Wiedergutmachung erhielt. Eine Wiedergutmachung für erlittenes Unrecht an seinen Vorfahren, die für die demokratische Republik Österreich eingetreten waren und durch Organe der NSDAP oder anderer Behörden des Deutschen Reiches verfolgt worden waren. An dieser Stelle sei auch all jenen Dank ausgesprochen, die mich bei meinen Recherchen zu Margareta Berger-Hamerschlag über viele Jahre unterstützt und begleitet haben. Eine meiner Triebfedern war Frau em. Univ.-Prof. Dr. Angelika Plank, Ordinaria an der Kunstuniversität Linz, Abteilung Kunst und Bildung,3 die mich mit Vorträgen beauftragt und mich durch ihre mentale Forschungsunterstützung vorangetrieben hat. Mein aufrichtiger Dank gilt der Geschäftsführerin des Böhlau Verlags Mag. Waltraud Moritz und besonders Frau Sarah Stoffaneller, BA MA die auch die Drucklegung mit sorgfältiger Umsicht vorbereitet und inhaltlich wie technisch unterstützt hat. Mit diesem Buch wollen wir Margareta Berger-Hamerschlags Werk erneut einem Publikum zugänglich machen und den Werdegang einer Künstlerin nachzeichnen, deren Lebensweg von den großen politischen, sozialen und kulturellen Unruhen des 20. Jahrhunderts gezeichnet war und die der Antwort auf die Frage nach ihrer Berufung, die ihr als Kind gestellt worden war, konsequent treu geblieben ist: „Ich möchte Künstler werden.“ Februar 2023
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NS-Regimes, die österreichische Staatsbürgerschaft durch sog. Anzeige zu erhalten, ohne dafür ihre bisherige Staatsangehörigkeit aufgeben zu müssen. Siehe: https://cms.bmeia.gv.at/oeb-london/service-fuer-buergerinnen/ staatsbuergerschaft-fuer-verfolgte-und-deren-direkte-nachkommen/ (abgerufen am 30.11.2022). Selbst Kunstpädagogin, lag ihr Interesse besonders an der Kunsterziehung Berger-Hamerschlags, die sie in der Nachkriegszeit in London erteilte.
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2. Margareta Hamerschlag – Ein Kind der Wiener Moderne. Historischer Kontext und kunsthistorische Einordnung
Dass Künstlerinnen wesentlich an der Entwicklung des österreichischen Kunstgeschehens im 20. Jahrhundert mitgewirkt haben, steht heute außer Zweifel. Leider wissen wir über einen Großteil dieser Künstlerinnen immer noch viel zu wenig. Zumeist werden sie im Kollektiv ihrer damaligen Arbeitsstätte oder ihrer organisatorischen Zuordnung gesehen. Wie aber ihr jeweiliges Werk und Wirken, ihre spezifische und sich von den Arbeiten der Kolleginnen vielleicht unterscheidbare künstlerische und technische Eigenart gültig und differenziert beschrieben werden kann, ist bis heute in den meisten Fällen nicht untersucht. Das liegt vor allem daran, dass die biografischen und historischen Kenntnisse fehlen und daher nicht einsetzbar waren und sind. Oft mangelt es auch an Einblick in das künstlerische Schaffen der einzelnen Künstlerinnen.1 Auch wenn Künstlerinnen lange von der Kunstgeschichtsschreibung ignoriert und somit fast unsichtbar gemacht worden sind, haben sie einen wesentlichen Beitrag zur Kunstgeschichte geleistet. Das zeigte 2019 eindrucksvoll die von Sabine Fellner kuratierte Ausstellung „Die Stadt der Frauen“ in der Österreichischen Galerie Unteres Belvedere. Die Frauen erkämpften sich damals ihre Stellung und Anerkennung in der Kunstwelt. Dennoch sind viele von ihnen heute in Vergessenheit geraten. Dass in den letzten Jahren viele großartige Künstlerinnen vermehrt in Ausstellungen präsent sind und am Kunstmarkt Anerkennung 1
Vgl. Friedrich C. Heller: Hertha Sladky – eine vergessene Künstlerin. Ihre Beiträge zur Buchkunst. In: Bernadette Reinhold, Eva Kernbauer (Hg.): zwischenräume zwischentöne. Wiener Moderne. Gegenwartskunst. Sammlungspraxis. Festschrift für Patrick Werkner. Berlin, Boston: De Gruyter 2018, S. 93–99.
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2. Margareta Hamerschlag – Ein Kind der Wiener Moderne
finden, ist ein erster Schritt – ein Gleichgewicht ist aber immer noch nicht erreicht.2 Deshalb soll auch mit diesem Buch dem Vergessen entgegengearbeitet und einer Künstlerin gedacht werden: Margareta Berger-Hamerschlag. Meine zusammengetragenen Informationen und Einblicke sind das Resultat zehnjähriger Forschungsarbeit über Leben und Wirken dieser Künstlerin. Trotz dieser umfassenden Recherchen bestehen mit Sicherheit noch einige Lücken, die vielleicht von zukünftigen Arbeiten zur Künstlerin geschlossen werden können. Diese Publikation bietet jedoch endlich den Rahmen, nicht nur oberflächlich und allgemein, sondern detailliert über Leben und Schaffen Margareta Berger-Hamerschlags zu berichten, und darzustellen, wie sehr sich die unruhige Zeit ihres Lebens und dessen radikale Brüche prägend auf die Künstlerin auswirkten. 1902 in Wien geboren, erlebte sie die Endphase und den Untergang der k. u. k. Monarchie sowie den Ersten und Zweiten Weltkrieg, letzteren im Exil im Vereinigten Königreich, wo sie 22 Jahre bis zu ihrem Tod im Jahre 1958 lebte. Die Tatsache, dass sie auch heute, 120 Jahre nach ihrer Geburt und über 60 Jahre seit ihrem Tod, als Künstlerin, die mit ihren herausragenden Graphiken am deutschen Expressionismus orientiert war, weitgehend unentdeckt blieb, ist ernüchternd. In ihren ausdrucksstarken, politisch-kritischen Mappenwerken „Die Stadt“ (1923) und „Der Spiegel“ (1932) sowie in weiteren Blättern offenbart sich nicht nur ihr virtuoser Umgang mit dem Medium Holzschnitt, sondern auch ihre kritische Haltung gegenüber den herrschenden politischen und sozialen Verhältnissen. Obwohl sie eine sehr ehrgeizige Künstlerin war, und ihre Errungenschaften mit Misstrauen betrachtete, zog sie es vor, ein freier Mensch zu sein, und wählte die Arbeit außerhalb des Mainstreams. Mit dem Aufstieg des Nationalsozialismus in Mitteleuropa, waren sie und ihr Ehemann, der Architekt Josef Berger, den sie 1922 geheiratet hatte, wie unzählige andere jüdische Intellektuelle und Künstler gezwungen, ihre Heimat zu verlassen und das zu einer Zeit, als sie gerade dabei war, erste künstlerische Reife zu erreichen. Margareta Hamerschlag hinterließ ein herausragendes künstlerisches Œuvre das 2
Vgl. die Ausstellungskataloge: Stella Rollig und Sabine Fellner (Hg.): Stadt der Frauen. Künstlerinnen in Wien 1900–1938/City of Women. Female Artists in Vienna 1900–1938. Munich: London: New York: Prestel Wien: Belvedere 2019 sowie Sabine Fellner und Andrea Winkelbauer (Hg.): Die bessere Hälfte. Jüdische Künstlerinnen bis 1938. The Better Half. Jewish Women Artists Before 1938. 1. Aufl., Wien: Metroverlag 2016. AK anlässlich der Ausstellung: ‚Die bessere Hälfte. Jüdische Künstlerinnen bis 1938‘ im Jüdischen Museum, Wien, vom 4. November 2016 bis zum 1. März 2017.
2. Margareta Hamerschlag – Ein Kind der Wiener Moderne
bisher weder in vollem Umfang erkannt, noch dokumentiert oder bearbeitet worden ist. Aus der Sicht der Kunst- und Kulturgeschichte sind Werke und Biographie von Margareta Berger-Hamerschlag deshalb von großem Wert, weil sie in eine Zeit einschneidender historischer Veränderungen fallen und sich an ihnen die spezifischen Bedingungen spiegeln und ablesen lassen, die in der Person Berger-Hamerschlags in einzigartiger und unvergleichlicher Weise zusammentrafen: Der Kampf nach Anerkennung als Künstlerin, die Arbeits- und Lebensbedingungen während der Nazizeit, die Erfahrung des Exils sowie ihr starker philanthropischer und humanistischer Fokus. Darüber hinaus schuf sie ein umfangreiches Werk, das kunsterzieherisch als soziales Reformwerk zu werten ist („Journey Into a Fog“), womit sie besonders im angelsächsischen Raum große Anerkennung erlangte. Schließlich ist ihre Biografie als jüdische Emigrantin aus Österreich mit Stationen in Wien, London und Palästina von entscheidender Bedeutung im Rahmen der zeitgenössischen Exilforschung. Anlässlich einer Ausstellung zur österreichischen Malerei und Graphik der Zwischenkriegszeit schreibt Christoph Bertsch: Die Geschichte Österreichs nach dem Zerfall der Donaumonarchie und der Errichtung des Staates „Deutsch-Österreich“ im November 1918 bis zur Gründung der Zweiten Republik 1945 ist eine Aneinanderreihung von wirtschaftlichen und politischen Krisen, gewalttätigen Auseinandersetzungen, bürgerkriegsähnlichen Unruhen, Repressalien und politischen Umstürzen bis hin zur Aufgabe des eigenen Staates und dessen Okkupation. Verbunden ist diese Entwicklung mit oft radikalen Einschnitten in die persönliche Biographie des einzelnen, mit grundlegenden seelischen und psychischen Erschütterungen.3
„1934 [sind es] vor allem Sozialdemokraten und Kommunisten, die Österreich verlassen, […] in den späten dreißiger Jahren folgen die jüdischen Ös-
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Christoph Bertsch: … wenn es um die Freiheit geht. Austria 1918–1938. Österreichische Malerei und Graphik der Zwischenkriegszeit. Wien, München: Brandstätter 2000. S. 7. Zu dieser Thematik s. auch: Erika Weinzierl, Kurt Skalnik (Hg.): Österreich 1918–1938. Geschichte der Ersten Republik. 2 Bde. Graz: Styria 1983 und Gerhard Botz: Gewalt in der Politik. Attentate, Zusammenstöße, Putschversuche, Unruhen in Österreich 1918–1938, München: Fink 1983.
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2. Margareta Hamerschlag – Ein Kind der Wiener Moderne
terreicher und solche, die mit ihnen verbunden sind.“4 Laut Bertsch herrscht zu dieser Zeit ein: „höchst ambivalentes geistesgeschichtliches Klima“, das er „zwischen Schmerz, Weltflucht und einer revolutionären Aufbruchstimmung“5 angesiedelt sieht. In dieser Zeit entstanden politische wie persönliche Zwischenwelten, Rückzug und Ausweglosigkeit, die oft in eine innere Emigration münden. Daneben stehen der politische wie künstlerische Widerstand, Verfolgung, Auswanderung und Vertreibung, korrespondierend mit einem großen Verlust an Kreativität und menschlichen Ressourcen, die selbst die Zweite Republik nach 1945 noch jahrzehntelang nicht ausgleichen kann.6
Dieser unbeständige Nachkriegszeitraum war einer von krassen Kontrasten: Inflation, zunehmende Arbeitslosigkeit, Finanz- und Wirtschaftskrisen, Unruhen und Hungermärsche waren einerseits prägend; andererseits waren die 1920er Jahre eine Zeit der Erneuerung für die österreichische Hauptstadt, als der sozialdemokratische Stadtrat ein ehrgeiziges Wohnungs-, Bildungs- und Wohlfahrtsprogramm in Gang setzte, wie man es zuvor noch nicht gesehen hatte. „Das Jahrhundert der Dissonanzen begann eigentlich in Wien. Dem Schönheitskult der Jahrhundertwende in der Wiener Secession antwortete bereits im ersten Jahrzehnt eine subjektiv formulierte Zerrissenheit von seltener Radikalität.“7 Die Fokussierung auf die Moderne in Wien um 1900 entsprach zu Beginn der 1990er Jahre einem damals aktuellen Forschungsansatz, der sich in den allgemeinen wissenschaftlichen Diskurs über die Moderne einfügte und somit von internationaler Relevanz war. Dabei konzentrierte sich das Interesse für Wien vornehmlich auf die künstlerischen und intellektuellen Phänomene der Jahrzehnte um 1900. Bedeutende Großausstellungen in Hamburg, Venedig, Wien, Paris oder Brüssel nahmen sich vor 20 Jahren dieser Thematik an; sie folgten nicht nur einem modischen Trend, sondern dokumentierten gleichermaßen das allgemeine, wachsende öffentliche Interesse an der Wiener Moderne. Wien um 1900 wurde zunehmend zu einem 4 5 6 7
Bertsch, Austria, S. 7. Bertsch, Austria, S. 7. Bertsch, Austria, S. 7. Uwe M. Schneede: Die Geschichte der Kunst im 20. Jahrhundert. C. H. Beck: München 2001, S. 120.
2. Margareta Hamerschlag – Ein Kind der Wiener Moderne
Paradigma nicht nur für den kulturellen Aufbruch, der zur Zeit der Jahrhundertwende wahrgenommen wurde, sondern ebenso für Krisensymptome, die nicht allein von lokaler Bedeutung gewesen waren.8
Will man die Wiener Moderne kurz charakterisieren, so Jacque Le Rider, denkt man sofort an die Nähe zum Historismus.9 Er führt aus, dass „[i]n Wien […] der Historismus bis zum Ende der Monarchie prägend geblieben [ist]. Die letzten Bauten an der Ringstraße (neue Hofburg oder Kriegsministerium) sind die unmittelbaren Zeitgenossen von Adolf Loos. Die prominentesten Schriftsteller der Wiener Moderne, Hofmannsthal und Schnitzler, haben den Historismus nie wirklich hinter sich gelassen.“10 Zwar meint Le Rider: Der Historismus ist keine Besonderheit der österreichischen Kulturgeschichte. Einen Historismus gibt es natürlich auch in England, Frankreich oder in Deutschland. Doch hat sich der Historismus nirgends so hartnäckig und so lange erhalten wie in Österreich. Vielleicht einfach deshalb, weil Österreich zur Gänze, die ganze Gesellschaft und die ganze Kultur, schon um 1900 in ihrer Lebensform historisch geworden war. Die Moderne ist Objekt der Kritik der Modernen. Subjekt dieser Kritik sind die Intellektuellen und Künstler.11 8
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Moritz Csáky: Newsletter Moderne. Zeitschrift des Spezialforschungsbereichs Moderne – Wien und Zentraleuropa um 1900, 7/2 (September 2004), S. 2–10. Siehe auch: Zehn Jahre SFB Moderne. Ein Bericht, in: https://www. kakanien-revisited.at/mat/MCsaky1.pdf, S. 1–6, (abgerufen am 07.10.2022). An dieser Stelle sei auf einige in dem von Csáky zitierten Artikel genannte Ausstellungskataloge verwiesen, die von essentieller Bedeutung sind: Experiment Weltuntergang: Wien um 1900, München 1981 (Hamburger Ausstellung); Le Arti a Vienna: Dalla Secessione alla caduta dell’Impero asburgico. Venedig: Mazotta 1984 [Katalog der Biennale-Ausstellung in Venedig 1984]; […]; Traum und Wirklichkeit. Wien 1870–1930. Wien: Museum der Stadt Wien 1985, Clair, Jean (Hg.): Vienne 1880–1938. L’Apocalypse joyeuse. Paris: Éd. du Centre Pompidou 1986; Kerkhove, Fabrice van (Hg.): Bruxelles – Vienne 1890– 1938. Europalia 1987. Bruxelles: Bibliothèque Royale 1987. […] Otto Breicha/ Gerhard Fritsch (Hg.): Finale und Auftakt. Wien 1898–1914. Salzburg: Otto Müller 1964. Vgl. Jacques Le Rider: Das Menschenbild in der österreichischen Moderne. In: Veröffentlichungen des Tiroler Landesmuseums Ferdinandeum, 79/1999, S. 85. Le Rider: Menschenbild, S. 85. Le Rider: Menschenbild, S. 85.
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3. Familienporträt Margareta Berger-Hamerschlags
In diese letzten Jahre des österreichisch-ungarischen Reiches, wurde Margaret(a), Margaret(h)e oder Gretl Hamerschlag, wie sie gern genannt wurde, 1902 als erstes Kind unter bürgerlichen Verhältnissen in eine jüdische Wiener Familie hineingeboren. Am 10. Mai erblickte sie mit schwarzem Haarschopf das Licht der Welt. Leider war sie kein Junge, wie es die Eltern erwartet hatten. Sie wurde an einem Sonntag geboren – was als glückliches Omen für das Leben des Mädchens gewertet wurde. Ihre Jugend verbrachte sie in einem ganz anderen Österreich als jenem ihrer Geburt. Es war ein abgeschnittenes Land, das versuchte, sich in seinem stark reduzierten Zustand zurechtzufinden. Ihr Vater, Richard Hamerschlag, (geb. 7. Oktober 1872) war ein weltoffener jüdischer Arzt mit einem starken Sinn für soziale Gerechtigkeit und Sohn des böhmischen Militäroffiziers Adolf Hamerschlag (Abb. 3). Ihre Mutter, „Halbjüdin“, wurde am 1. Juni 1875 als Tochter von Babette (geb. Selig) und Berthold Herz geboren. Als Richard Hamerschlag Pauline Herz den Hof machte, war sie ein wunderschönes Mädchen „aus der Gesellschaft“, und er gerade aus Berlin zurückgekehrt, wo er sein Studium auf die harte Tour bei dem damals berühmtesten gynäkologischen Chirurgen beendet hatte. Damit war er für dieses Fachgebiet der Medizin qualifiziert. Aber er hatte sich bereits entschlossen, unter den Ärmsten zu arbeiten, die einen Arzt am dringendsten brauchten. Seine Verlobte (Abb. 4) schloss sich seiner Begeisterung während der romantischen Zeit der Verlobung an. Richard Hamerschlag und Pauline Herz heirateten am 29. Mai 1900 in Wien. (Abb. 5) Paulines Vormund, der Bruder ihres Vaters, Julius1, war Vizegouverneur der Allgemeinen österreichischen Bodencreditanstalt. Er bot seine Unter-
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Julius Herz (18.09.1850 in Kreuzberg, Tschechien – 21.06.1913 in Wien), ging in die Autobiographie Margareta Berger-Hamerschlags mit dem Rufnamen Anatol ein. Siehe: The Pilgrimage, S. 7. und 21.
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3. Familienporträt
stützung bei der Amtseinführung des jungen Arztes als Spezialist im Westen der Stadt an und versuchte vergeblich, ihm seinen jugendlichen Idealismus auszureden. Denn wie konnte er hoffen, seine Frau – ein luxuriös erzogenes Mädchen – unter einfachen Menschen glücklich zu machen, weit weg von der städtischen Zivilisation und ihren Annehmlichkeiten? Aber Richard wollte seinen Idealismus nicht gegen Sicherheit, Komfort oder Ruhm eintauschen: „Wenn Paula mich liebt, – und ich glaube, dass sie es tut, – wird sie mein Leben und meine Ideale teilen. Was sind Ideale, wenn du sie nicht lebst?“2 Ein Arzt für die Reichen schien ihm nicht besser zu sein als ein Hotelportier oder ein Kellner, der sich den Launen und Vorstellungen eines jeden unterwerfen musste. Adolf Hammerschlag, Margaretas Großvater väterlicherseits, war der Sohn eines jüdischen Dorfschmieds, der in einem kleinen Ort in der Nähe von Friedland in Böhmen einen Bauernhof und eine Schmiede betrieben hatte. Er war als Bauernjunge aufgewachsen und konnte weder lesen noch schreiben, bis er es in der Armee lernte, als er seinen Dienst als Wehrpflichtiger leistete. Er war so lernbegierig, dass er nur ein paar Stunden schlief, viele Nächte mit Lesen verbrachte und das Schreiben übte. Er war bei Vorgesetzen und Kameraden gleichermaßen beliebt und beschloss, nach Beendigung seines Wehrdienstes, einige Jahre bei der Armee zu bleiben. Man versuchte ihn sogar zu überreden, sich auf Dauer zu verpflichten und wenn er sich taufen ließe, könne er sofort Offizier werden. Aber dem Großvater hatten sich gerade neue Horizonte eröffnet: Denn er hatte sich gerade von seiner eigenen jüdischen Kirche gelöst, die er als zu eng empfunden hatte und wollte sich auch keine neuen Verpflichtungen auferlegen, denn dann hätte er die eine Religionsgemeinschaft gegen eine andere tauschen müssen.3 Auch nachdem er die Armee verlassen hatte, um Beamter zu werden, verlor er nie die militärische Zugehörigkeit. Er nahm an der Kampagne zur Besetzung Bosniens und auch am österreichisch-russischen Krieg teil.4 So tat das auch der Vater von Margaretas Mutter, Berthold Herz, der seine zukünftige Frau kennenlernte, als er als Soldat im Rheinland diente. Er wohnte im Haus ihrer Eltern, verliebte sich in Babette mit ihren strahlen2
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Margareta Berger-Hamerschlag: The Pilgrimage, unveröffentlichtes autobiographisches Manuskript von Margareta Berger-Hamerschlag, o. J. S. 7. Ich danke ihrem Sohn Raymond F. Berger, der mir dieses maschinengeschriebene Manuskript zur Verfügung stellte. The Pilgrimage, S. 19. The Pilgrimage, S. 12.
3. Familienporträt
Abb. 3: Adolf Hamerschlag (1829–1915).
Abb. 4: Pauline Herz, 1892, Baden.
den Augen und heiratete sie, als der Krieg vorbei war. Babettes Eltern waren wohlhabende Winzer, die in einem riesigen Haus am Rande einer kleinen Stadt mit Blick auf ihr Anwesen lebten. Ihre Gewohnheiten waren aber alles andere als bürgerlich und immer noch ländlich. Die Dienstmädchen und Weinbergarbeiter saßen, außer an Sonn- und Feiertagen, mit ihrem Herrn an einem Tisch.5 Berthold Herz stammte aus einer Prager Familie von Ärzten und Bankiers. Sein Vater war „Berg- und Communalarzt und praktischer Zahnarzt in Diensten der Fürsten Dietrichstein“6 in Wien gewesen, während sein Sohn Berthold als Bankier arbeitete. Sein Daguerreotyp zeigt Berthold als einen sehr gutaussehenden Mann mit blondem Bart und hellen Augen. Jedoch war das Glück des Paares von kurzer Dauer. Er war erst 50, als er an den Folgen eines Schlaganfalls starb, und die Witwe nur noch wenig Mittel für vier kleine Mädchen zur Verfügung hatte. Zu ihrer Rettung kam sein Bruder Julius, der als Vizegouverneur der Allgemeinen österreichischen Bodencreditanstalt in 5 6
Siehe: The Pilgrimage, S. 19. Die genaue Bezeichnung geht aus einer Todesanzeige hervor: In: Geni: https://www.geni.com/people/Dr-Josef-Herz/6000000017774699391, (abgerufen am 13.10.2022).
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3. Familienporträt
der Lage war, etwas Kapital für Babette anzulegen. Sowohl er als auch seine Frau Lili nahmen besonders Pauline unter ihre Fittiche, „die hübscheste und liebevollste der vier Nichten“7, wie Berger-Hamerschlag vielleicht nicht ganz unvoreingenommen schreibt. Sie verbrachte ihre Ferien mit ihrer Tochter in ihrem Schloss bei Baden und am Wochenende in ihrer Villa bei Schönbrunn. Ebenso wurde sie von ihnen häufig zu Bällen und Banketten eingeladen. Pauline war bei diesen Anlässen äußerst beliebt. Die Prinzessin Metternich lud sie zu einer Fahrt ein und Adolf von Sonnenthal, der berühmte Schauspieler am Hoftheater, dessen Sohn später Tante Lilis Enkelin heiraten sollte, hatte sie auf die Stirn geküsst Abb. 5: Pauline und Richard Hamerschlag, und sie „meine kleine Hübsche“8 genannt. 1907. Das war die Welt von Pauline Hamerschlag gewesen, bevor sie in ein Leben eintrat, das ihr im Vergleich zu ihrem bisherigen als unterprivilegiert erscheinen musste. Die ersten Monate in Gaming, Niederösterreich, schienen Pauline sehr schön. Das Haus, das sie gemietet hatten, war mit wilden Weinreben bedeckt. Es gab einen Obstgarten und einen Blumengarten mit Sonnenblumen, die vor dem Hintergrund von Feldern, Wäldern und hellblauen Bergen standen. Eine böhmische Köchin wurde zu dem jungen Paar geschickt und ein verlobtes Mädchen aus der Gegend war als Hausmädchen engagiert. Hier konnte Pauline sehen, dass die Ideen ihres Mannes richtig waren. Sie hatte nicht gewusst, dass es so viele kranke Menschen gab und wie dankbar die meisten dieser Leute waren, dass sich ein echter Arzt und keiner der üblichen Quacksalber in ihrem Dorf niedergelassen hatte.9 Als Pauline schwanger war, fühlte sie sich überglücklich. Sie war sich sicher, dass dieses Ereignis für die Welt von Bedeutung war. Als sich die Zeit ihrer Entbindung näherte, verärgerte sie allerdings ihren Ehe7 8
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The Pilgrimage, S. 7. und 21. The Pilgrimage S. 22. Lili dürfte der Kosename für Henriette Herz gewesen sein. Im Manuskript schreibt Margareta Berger-Hamerschlag über Lilis Tochter, was sich jedoch mit den Recherchen nicht deckt. The Pilgrimage, S. 20.
3. Familienporträt
mann, Richard Hamerschlag, der gründliche Vorbereitungen für dieses Ereignis getroffen hatte. Denn mit Nachdruck vertrat Pauline ihren Wunsch, das Kind nicht auf dem Land bekommen zu wollen. Es würde seine Lebenschancen beeinträchtigen, den Namen eines Dorfes auf seiner Geburtsurkunde zu haben. Es müsse ein Wiener oder eine Wienerin mit allen Eigenschaften sein, die die Stadt ihren Kindern verleihen sollte: Humor, Fröhlichkeit und Eleganz. Kein Dorfkind für Pauline! Sie war so überzeugt, dass ihr Mann schließlich zustimmte und sie nach Wien brachte, um sie bei ihrer ältesten Schwester Risa10 unterzubringen, während er zu seinen Patienten zurückkehrte, die er nicht allein lassen wollte. In Wien wurde Pauline klar, wie sehr sie die Großstadt vermisst hatte: Wieder in einer Opernloge zu sitzen, einkaufen zu gehen, ein Caféhaus aufzusuchen und aus Dutzenden von Köstlichkeiten wählen zu können. Sie machte sich an die mühsame Aufgabe, eine Amme für den Neuankömmling zu finden, und entschied sich nach Gesprächen mit Dutzenden robuster Frauen für ein kleines Mädchen, das ein Kreuz um den Hals trug. Sie hoffte, dass dies auf einen bescheidenen und frommen Charakter hinwies. Nachdem die notwendige Nahrung für das ungeborene Kind beschaffen worden war, vergaß sie alle Sorgen und genoss die Wochen der Freiheit. Die tiefe, mysteriöse Freude, die sie über ein neues Leben in sich gefühlt hatte, war verschwunden, und sie war froh, dass sie ihren Boden wiedergefunden hatte, wieder den Jargon der Gesellschaft sprach und dass sie dort war, wo sie sich zugehörig fühlte. Die Amme kam aus einem fruchtbaren Tal am Oberlauf der Donau. Sie war ein kleines, energisch aussehendes Mädchen von achtzehn oder neunzehn Jahren. Fanny – oder Franziska – trug Vergissmeinnicht-Ohrringe und ein Messingkreuz an einem Samtband um den Hals, das Pauline Hamerschlag dazu gebracht hatte, zu ihren Gunsten zu entscheiden. Sie sollte sofort nach ihrer Anstellung bleiben, um bei den Vorbereitungen für den Neuankömmling zu helfen. Die drei Wochen, die Pauline Hamerschlag nach ihrer Entbindung in der österreichischen Hauptstadt verbrachte, schienen ihr wie eine Wiedergeburt zu sein. Onkel Anatols Wagen stand ihr zur Verfügung, und sie wurde zu allen Orten gebracht, die sie so gern gemocht hatte, bevor sie mit ihrem Mann auf das Land gezogen war. Der Säugling, Margareta Bettina Livia, kurz Gretl, machte inzwischen intime Bekanntschaft mit der jungen Frau aus dem Lagertal. Die Vergissmeinnicht-Ohrringe, die schräge Nase, eine Masse weißen Fleisches, die sich vor 10
Risa, eigentlich Rosa Weisz (27.10.1876-ca. 1960)
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3. Familienporträt
Abb. 6: Margareta Olivia Hamerschlag. Abb. 7: Margareta, Cornelia, Pauline und Richard Hamerschlag, 1907.
der Neugeborenen ausbreitete, als Quelle ihrer täglichen Nahrung, wurden zu den dominierenden Merkmalen eines streng regulierten Lebens. Zu diesem Zeitpunkt hatte Margareta noch keine Ahnung von dem Privileg, als Bürgerin der Stadt Wien geboren worden zu sein. Sie war zufrieden mit Franziskas Gesellschaft und ihre Lieder von mutigen jungen Wilderern und verlassenen Mädchen wiegten sie in den Schlaf. Als Mutter und Kind mit der Amme nach Gaming zurückkehrten, fühlte Pauline sich völlig fremd und fragte sich, wie sie es ertragen konnte, so lange hier zu leben. Sobald sie in aller Ruhe mit ihrem Ehemann sprechen konnte, teile sie ihm entschieden mit, dass sie sich entschlossen habe, nach Wien zurückzukehren. Ihr Ehemann Richard war überrascht und besorgt. Er liebte diesen Ort und hatte gehofft, dass seine Kinder mit viel Raum in der Natur aufwachsen würden. Es schmerzte ihn, dass seine Frau nicht so fühlte wie er. Also blieb ihm nur, seiner geliebten Frau den Wunsch zu erfüllen, und in Wien eine neue Existenz aufzubauen.
3. Familienporträt
Abb. 8: Nelly und Margareta Hamerschlag.
Die Familie lebte bis etwa 1909 in der Reinlgasse in Wien. Margaretas Schwester Cornelia (auch bekannt als Nelly oder Helene) wurde am 9. Oktober 1904 geboren. Anschließend übersiedelten sie in eine große Wohnung in die Breitenseer Straße, in der sie eine kleine Anzahl von Hausangestellten hatten, darunter eine britische Gouvernante, Nancy Harvey, von der die beiden Mädchen Englisch lernten und viel über das Vereinigte Königreich hörten.
Abb. 9: Nelly und Margareta in Tracht.
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4. Eine Erziehung in Kunst und Leben
4.1 Jugendkunstklasse von Franz Čižek Margareta hatte schon mit dem Zeichnen begonnen, bevor sie zwei Jahre alt war. Ihr Interesse am Zeichnen war erwacht, als sie einen Stift halten konnte. Weder Spiel noch Essen noch Spaß konnten ihr dieses Glück bescheren, das ihr das Sitzen über einem Stück Papier mit einem Bleistift oder einem Pinsel in der Hand bereitete. Wenn ihr Papier fehlte, stahl sie sich in das Sprechzimmer ihres Vaters und nahm ein paar Blätter von seinem Rezeptblock. Wie sie in ihrer Autobiographie schreibt: Ich machte jedoch den Fehler, sie heimlich zurückzugeben, nachdem ich die Rückseiten der Blätter [mit Zeichnungen] bedeckt hatte, so dass das eines Tages herausgefunden wurde als ein Patient scherzhaft fragte, ob der Arzt dies in seiner Freizeit getan habe.1
Mit dem Schulbeginn begann etwas, das sie verärgerte – ein jahrelanger, als abtötend empfundener Schul- und Zeichenunterricht. Dieses reglementierte Lernen- und Zeichnenmüssen stand für Gretl in krassem Widerspruch zu ihrer unbelasteten Erziehung im Elternhaus. Auch wenn sie die Schule als elenden Zwang empfunden hatte, hielt sie die Schuljahre durch. Sie wollte von frühester Kindheit an Künstlerin werden. Schon als kleines Mädchen zeichnete sie wie eine Besessene in jeder freien Minute. Ihre Mutter war sehr verzweifelt, weil die wachsende Obsession für Malerei und Zeichnung ihrer Tochter sie irritierte, und sie nicht wusste, wie sie Margaretas Wunsch, Kunst zu erlernen, erfüllen sollte. Es kam so weit, dass sie Koloman Moser einige ihrer Zeichnungen mit einem Brief mit der Bitte um Rat schickte. Viele Jahre später hielt Margareta über den Brief ihrer Mutter in ihren eigenen Erinnerungen fest: „Meine Mutter rief aus: ‚Dieses ewige Kritzeln‘, dann setzte sie 1
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4. Eine Erziehung in Kunst und Leben
sich und schrieb einen Brief an einen damals modernen Künstler, ein Maler der ultramodernen „Sezession“-Vereinigung.“2 Sehr geehrter Herr, Ich hoffe, Sie nicht zu sehr zu belästigen, wenn ich Sie als besorgte Mutter um einen Rat bitte. Meine Tochter im Alter von sieben Jahren, scheint an nichts anderem interessiert zu sein, als an der Malerei. Ich lege einige ihrer Arbeiten bei, so dass sie beurteilen können, ob es wirklich Sinn hat, sie so weitermachen zu lassen, oder ob mein Mann und ich nicht lieber versuchen sollten, ihr Interesse auf einen anderen Bereich zu lenken, in dem sie wirklich erfolgreich werden könnte. Ihre sehr ergebene Pauline Hamerschlag.3
Kolo Moser antwortete sofort, dass es eine Sünde wäre, ihrer kleinen Tochter das Malen zu verbieten und dass sie ein sehr begabtes Kind zu sein scheine. Ihre Mutter möge sie seinem Freund, Franz Čižek, vorstellen, der eine Kinderkunstklasse im Gebäude der Kunstgewerbeschule (heute Hochschule für Angewandte Kunst) hielt. Franz Čižek (12. Juni 1865–1946), Künstler und Begründer der Jugendkunstbewegung und Reformpädagogik erteilte bereits zu Beginn seiner Studienzeit an der Akademie privat Zeichenunterricht für Kinder. Vor Angst und Aufregung zitternd ging ich mit Mama zu Professor Franz Čižeks Aufnahmeprüfung. Wir waren 200 Kinder, Mädchen und Jungen, die alle in der Hoffnung waren, akzeptiert und aufgenommen zu werden. Oh, wenn ich nur hier in diesem wunderbar ruhigen, erhabenen weißen Raum bleiben könnte! Die Wände, die Holztische, Formen – jedes der Objekte erschien nicht seelenlos, sondern strahlte die Magie einer Harmonie, eine auserwählte, unbeschwerte Atmosphäre aus.4
Der Professor bat die Kinder mit einer tiefen, feierlichen Stimme, etwas aus ihrem Leben zu zeichnen.
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The Pilgrimage, S. 59. The Pilgrimage, S. 59. The Pilgrimage, S. 59.
4.1 Jugendkunstklasse von Franz Čižek
Meine Nervosität ließ mich wie immer im Höhepunkt der Spannung zurück. In solchen Momenten schien mir klar zu werden, dass die Würfel bereits gefallen waren. Das gab mir Ruhe, einen losgelösten Zustand der Seele, in dem Erfolg oder Misserfolg keine Rolle mehr spielten. Leise und sicher zeichnete ich einige Eislaufkinder mit ihren Gouvernanten, die neben der Eisbahn standen, und übergab die fertige Arbeit einem der Assistenten des Professors, der sie abholte. […] Es war eine Qual, die Tage der Entscheidung abzuwarten. Ich habe kaum zu den Mahlzeiten gegessen, was bisher unbekannt war, da mein Appetit bei hohen Temperaturen normalerweise niemals nachließ. Endlich traf der Brief mit meiner Zulassung zum Kunstunterricht ein. Die Ehre und Freude haben mich fast erstickt. Und der Tag kam, als ich den großen, weiß getünchten Raum betrat, der nach frisch zubereiteter Tempera, feuchtem Ton und harzigem Holz roch. Alle Kinder, die ich dort traf, wurden bald Freunde durch die starke Bindung, die die Ehrfurcht vor der Schönheit und den Freuden der Kunst hervorbringt. Dieser Raum der Begeisterung wurde zum Zentrum der Welt. Hier waren wir nicht nur Kinder (Zwerge, die erwachsen werden mussten, um wie alle Erwachsenen zu werden), sondern wir wurden als kostbare und einzigartige Individuen akzeptiert. Wenn Professor Čižek mit den Schülern sprach, egal ob sie drei oder zwölf Jahre alt waren, sprach er jedes Kind mit dem erwachsenen „Sie“ an und nicht mit dem „Du“, wie es bei Kindern üblich ist. Dies war kein theoretisches Prinzip, sondern Ausdruck der Ehrfurcht vor der schöpferischen Kraft des Menschen.5 „Es gab auch nichts anderes als gute Arbeiten. Es zählte weder Klasse noch Rasse, weder gutes noch schlechtes Benehmen. Entweder waren die Bemühungen gut oder nicht. Ein Kind, das versagte, tauchte nicht mehr im Unterricht auf. Der Professor behandelte zwei kleine Habsburger-Prinzessinnen genau wie alle anderen Kinder und sie mussten gehen, als die kaiserliche Familie seiner Bitte nicht Folge leistete, dass ihre Gouvernanten sie nicht begleiten konnten und sollten. Einige fürstliche Verwandte kamen, Prinz Alphons, ein netter, dunkler, gebrechlicher Mann mit hervorstehendem Kinn, und die hübsche Prinzessin Antonia. Sie gaben den Schülern und Schülerinnen die Hand, bewunderten ihre Arbeiten und unterhielten sich mit dem Professor. […] Für Margareta wurde die bisher verwirrende und dunkle Welt plötzlich klar und hell. Mit Ausnahme von Zerline fand 5
The Pilgrimage, S. 60.
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sie keine wirklichen Freunde. […] – Jetzt gab es etwas Neues, das sie mit Bella, Ine, Hella, Hans, Franz und vielen anderen verband. Man konnte es nicht definieren, aber es war stärker als jede Beziehung, die sie zuvor erlebt hatte. Wir redeten nicht viel miteinander und wenn doch, geschah es mit gedämpfter Stimme. Aber es gab ein Verstehen ohne Worte, gegenseitige Anerkennung der Arbeiten und das Gefühl, akzeptiertes Mitglied einer Gemeinschaft zu sein. Es bestand völlige Solidarität zwischen dem Professor und den Kindern. Als die kleine Marianne, ein Kind von fünf Jahren, ihm mit Tränen in den Augen erzählte, dass ihre Eltern über ihre Bilder lachten, hielt er eine sarkastische Rede über die Dummheit der Erwachsenen. […]“6
So lächelte die ganze Klasse erleichtert und dankbar über seine Worte. „Eines der Prinzipien Professor Čižeks bei der Erziehung zur Entwicklung der Vorstellungskraft von Kindern war es, ihnen zu verbieten, Kunstwerke zu kopieren oder aus der Natur zu schöpfen. ‚Gott hat die Welt sehr wunderbar gemacht‘, betonte der Professor. ‚Wir können sie nicht verbessern. Aber wir können die vorhandenen Formen verwenden, um unsere Phantasie anzuregen.‘“7 Diese Methode, nicht aus der Natur zu schöpfen, veranlasste Margareta, sich mit sich selbst noch intensiver auseinanderzusetzen. Nach und nach bemerkte sie verwirrt, dass jede Art von Emotion ihre kreativen Fähigkeiten wie eine Eruption zu Tage förderte. Auf der Suche nach neuen Möglichkeiten für ihren kreativen Drang versuchte sie sich in neuen Techniken, wie zum Beispiel im Holzschnitt und an großen Applikationsstickereien. Der Professor schien mit ihrer Arbeit zufrieden zu sein, die er mit einem schüchternen Lächeln bestätigte. Wenn er die Arbeit eines Schülers nicht guthieß, habe er das niemals gesagt, sondern die Zeichnung oder was auch immer es war, weit mit dem ausgestreckten Arm von sich gehalten, um schließlich einen Witz darüber zu machen. Die alltägliche Schule wurde völlig uninteressant für Margareta, weil verglichen mit der Atmosphäre des Kunstunterrichts alles nur noch blass erschien. Besonders den Malunterricht in der Schule betrachtete sie mit ironischer Herablassung. Sie zeichnete zu Ostern die Weidenkätzchen, zu Weihnachten die Tannenzweige und Kerzen, akzeptierte die Klischees mit überlegener Lässigkeit und genoss den triumphalen Gedanken, dass niemand außer ihr eine Ahnung hatte, was Kunst bedeute.8 6 7 8
The Pilgrimage, S. 61–62. The Pilgrimage, S. 62. Vgl.: The Pilgrimage, S. 62 u. 64.
4.1 Jugendkunstklasse von Franz Čižek
Ihr Vater hatte von einer neuen Schule gehört, die seiner Vorstellung von Bildung entsprach. Da er eine sehr strenge und altmodische Erziehung durchgemacht hatte, erhoffte er sich von dieser sehr modernen Schule, seinen Kindern die Qualen seines eigenen Schullebens zu ersparen. Die Gründer der Institution waren Liberale mit einer leichten Neigung zum Sozialismus. Ebenso war die Schule koedukativ. Die Veranstalter versprachen, Individualität zu respektieren und die Kinder mit größter Sorgfalt auf ihre eigenen, selbstgewählten Wege zu führen. Ohne Emotionen verließ Gretl ihre Schule und betrat die neue Bildungseinrichtung ohne Neugier. Ihr zentrales Interesse an der Čižek-Klasse hatte sie gegenüber dem Schulleben gleichgültig gemacht. Da die neue Schule den Internationalismus fördern sollte, zog sie Kinder vieler Nationalitäten an. Der einzige Lehrer, den sie nicht mochte, war der Kunsterzieher, ein großer, bärtiger Mann mit grauen Borsten, die aus Ohren und Nasenlöchern sprossen. Er hasste Gretl von dem Moment an, als ihre Mutter stolz und unschuldig erwähnt hatte, dass sie in die Čižek-Klasse gehe. Professor Schlumberger konnte nicht als progressiv bezeichnet werden. Seine Methode bestand darin, einige Gegenstände an die Tafel zu stecken – eine chinesische Laterne auf einem Hintergrund in Tusche oder die Studie eines Gipsabdrucks, und die Schüler mussten sie kopieren. Nach ein oder zwei Versuchen entschied Gretl, „lieber geviertelt und in Öl gekocht zu werden, bevor sie einen solchen Verrat an den Idealen von Professor Čižek begehen würde“.9 Obwohl sie von Natur aus sehr schüchtern war, besonders Erwachsenen gegenüber, weigerte sie sich eines Tages höflich, den Vorgaben des Zeichenprofessors zu folgen. Das wurde gemeldet und sie wurde zu dem Schulleiter gerufen. Er tadelte das Mädchen: Unkluges Kind, das nichts weiß, Du irrst Dich tatsächlich, Du irrst dich immens, nicht den Rat der Weisen und Wissenden zu akzeptieren, der Erfahrung und des Könnens! Du irrst Dich, junge Jungfrau, nicht still und geduldig aus dem klaren Brunnen des Wissens zu trinken, der dir angeboten wird!10
Mit leiser Stimme antwortete Gretl, dass sie diese schrecklichen Dinge nicht tun könne, die der Professor von ihr verlangte, und dass es wahrscheinlich 9 10
The Pilgrimage, S. 90. The Pilgrimage, S. 91.
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4. Eine Erziehung in Kunst und Leben
zum Ausschluss aus dem Kunstunterricht bei Professor Čižek führen würde, wenn sie es doch täte. „Und das wäre, oh Jungfrau, welchen Fall habe ich gerade benutzt?“ „Den Vokativ, Herr Direktor.“ „Das Vokative, weises Kind, Du hast den Nagel auf den Kopf getroffen! Und das wäre – Sodom und Gomorra, das Erdbeben von Messina, Mord und Schlachtung?“11
Er schickte Gretl in den Unterricht zurück und erlaubte ihr, zu zeichnen oder zu malen, was sie wollte. Von diesem Tag an hatte sie Zeichenprofessor Schlumberger als echten Feind.12
4.2 Exkurs zum Ersten Weltkrieg Nachdem Erzherzog Franz Ferdinand einige Wochen zuvor von einem serbischen Jugendlichen erschossen worden war, lag allgemein Spannung in der Luft. Gretl bemerkte das natürlich ebenfalls und ihr Vater, der Reserveoffizier war, entschied sich, für den ärztlichen Dienst einzurücken, was für die ganze Familie nur schwer verkraftbar war. Sie war sehr wütend über den Krieg. Ihr Vater hatte nur wenige Wochen Zeit, sich mit der Uniform und anderen Notwendigkeiten auszustatten. Das Mädchen hatte nicht gewusst, was es bedeutete, wenn ihr Vater in den Krieg ziehen würde, bis sie ihn in Uniform sah. Der Stolz über seine Intelligenz vermischte sich mit Unbehagen, als sie den kalten Säbel und die goldenen Quasten berührte, die daran hingen oder über den glänzenden schwarzen Schnabel seiner Uniformkappe strich. Er war für sie ein Fremder geworden, ebenso wie die anderen Männer, die sie zuvor in zivilen Berufen gekannt hatte. Die Straßen waren voll von jungen Männern vom Land, die feierten und ihre neuen Uniformen mit Blumen und bunten Luftschlangen geschmückt hatten. Russlands Kriegserklärung folgte, aber das optimistische Wien störte sich nicht allzu sehr daran. Es kam der Tag, an dem sie sich von ihrem Vater verabschieden musste. Ihre Mutter weinte in ihr Taschentuch. Ihr Vater schalt sie, sagte, dass er ohnehin bald zurück sein würde, und sie solle in der Zwischenzeit versuchen, so zu leben, wie sie es gewohnt war. Sie solle ihm nur so oft wie möglich schreiben, sobald sie seine Adresse kannte, und die beiden Kinder natürlich auch. 11 12
The Pilgrimage, S. 91. The Pilgrimage, S. 101.
4.3 Das Ende der Kindheit – Aufnahme an der Kunstgewerbeschule
Knapp vor dem Abschied versuchte ihr Vater nochmals, ihre Mutter zu trösten und sie mit Ratschlägen in Geldangelegenheiten und ähnlichen praktischen Dingen zu versehen. In ihrer Autobiographie schreibt sie: „Himmel sei gepriesen! Wir werden Papa in kürzester Zeit überraschen. Ich hoffte nur, dass er in keiner Gefahr ist, wo immer er sich befindet.“13 Erst war jedoch nur eine Postkarte angekommen, die in großer Eile geschrieben worden war, um seine Adresse anzugeben und mitzuteilen, dass er zum medizinischen Chef eines lembergischen Kriegskrankenhauses ernannt worden war, um Feldstationen zu inspizieren. Sechs Monate lang war nichts von ihm zu hören, bis eine viel zensierte Postkarte mit russischen Briefmarken und offiziellen Stempeln in kyrillischen Buchstaben die Familie erreichte. Er hatte aus Taschkent im asiatischen Russland geschrieben, wo er sich in einem Kriegsgefangenenlager befand. Es gehe ihm gut und er bete, dass die ganze Familie gesund bleiben möge und sich alle bald wiedervereinen sollten.
4.3 Das Ende der Kindheit – Aufnahme an der Kunstgewerbeschule Der gefürchtete Tag kam, an dem Margareta zu alt wurde, um bei Professor Čižek in der Kinderklasse weiter zu studieren. Er hatte oft gewarnt, dass jeder gehen müsse, wenn er oder sie das Alter von dreizehn oder vierzehn Jahren erreicht habe. Denn dann, sagte der Professor mit einer verächtlichen Handbewegung, sei ein Kind kein Kind mehr. Das Interesse gelte ab dann mehr dem anderen Geschlecht als der Kunst, und dieser Ansturm der Realität töte die Phantasie. Dieses Alter interessierte ihn nicht. Gretl fühlte sich leer und verwirrt. Ihr einziger Trost war, dass sie auch in Zukunft im selben Gebäude studieren sollte und vom Professor eingeladen worden war, ihn so oft zu besuchen, wie sie wolle, und ihm auch ihre Arbeiten zeigen oder um Rat fragen dürfe. Die Aufnahmeprüfung an der Kunstgewerbeschule erforderte einige Kenntnisse in Natur- und Sozialwissenschaften. Sie hatte sich noch nie zuvor damit beschäftigt, weil Professor Čižek ja wollte, dass sich seine Schüler und Schülerinnen ganz auf ihre Vorstellungskraft verlassen sollten. Also wurde sie zu einer Künstlerassistentin namens Landi geschickt, die Bewerber und Bewerberinnen auf die Kunstgewerbeschuleprüfung vorbereitete. Da ihre 13
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4. Eine Erziehung in Kunst und Leben
Mutter ihre Zweifel hatte, ob es nicht unmoralisch wäre, einem jungen Mädchen nackte Menschen für die Aktzeichnung zu präsentieren, konsultierte sie einen Freund ihres Mannes, den Arzt Dr. Grenz. Sie dachte, dass man noch einige Jahre warten sollte, oder sogar, wenn das Zeichnen von Akten obligatorisch wäre, die ganze Idee des Kunststudiums besser aufzugeben. Doktor Grenz stimmte ihr jedoch nicht zu: „Sie dürfen es nicht so sehen, gnädige Frau […] Ich nehme an, dass es bei jungen Künstlern genauso ist wie bei jungen Medizinstudenten. Sie gewöhnen sich so sehr daran, nackte Menschen zu sehen, dass sie ihre Sicht nie mit etwas Unmoralischem verbinden. Es gehört einfach zu einem Teil ihres Studiums, einer Routine.“14 Weder Doktor Grenz noch ihre Mutter sollten Recht behalten. Der Anblick der ersten erwachsenen Person, die das Mädchen nackt sah, war eine entzückende Offenbarung. Sehr aufregend waren die schönen Schwingungen der Umrisse, die beweglichen Gelenke faszinierend und das Modellieren von Oberschenkeln und Brüsten war die Offenbarung der Ruhe im menschlichen Körper. Gesichter mit besorgten Linien, gefurcht, durch schmale und böse verzerrte Augen, die Körper waren wie Landschaften, unberührt von menschlicher Bosheit und Elend. Hier war freilich zu sehen, welche Unschuld im menschlichen Dasein der Erwachsenen übrigblieb. Fräulein Landi sah gähnend über ihre Schulter auf die Zeichnung hinunter und sagte, dass sie nicht verstehe, warum das Kind überhaupt hierhergekommen sei, denn ihre Technik wäre tadellos. Es war wahr. Nichts war für Gretl ein Problem. Ihr Bleistift folgte den Linien, die für sie von Beginn an klar umrissen waren. Von Fräulein Landi ermutigt nahm sie mit Zuversicht an der Aufnahmeprüfung teil. Umso größer war ihr Schock, als sie zusätzlich zu Studien aus der Natur eine Konstruktionszeichnung anzufertigen hatten. Das Thema lautete, ein Gerüst für einen Freskenkünstler zu entwerfen, der beauftragt wurde, eine Deckenbild zu malen. Alles, was ihnen mitgeteilt wurde, war, dass es eine Art Arbeitsplattform werden sollte, auf der der Künstler seine Farbkrüge usw. aufbewahren konnte. Das Mädchen hatte nicht die geringste Ahnung, wie es damit umgehen sollte. Sie schaute nach rechts und links, um zu sehen, was die anderen taten, aber sie schienen voneinander zu kopieren. Sie sah bei allen eine Ansammlung von Brettern und Leitern. Mit großer Entschlossenheit entwarf sie einen griechischen Tempel mit einem flachen Dach, auf dem der Künstler stehen 14
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4.3 Das Ende der Kindheit – Aufnahme an der Kunstgewerbeschule
und malen konnte. Auf das Dach führte eine dünne Leiter, ein Gegenstand, über den sie wenig nachdachte. Ihr Hauptinteresse galt den klassischen Säulen – der dorischen, der ionischen und korinthischen. Zu ihrer Überraschung bestand sie die Prüfung. Professor Čižek, der im Prüfungsausschuss war und dem sie die Neuigkeit mitteilte, lächelte: „Der Prüfer, der sich über Ihre Arbeit am meisten freute, war Professor Strnad, für den Sie das Gerüst bauen mussten. Er kam schreiend vor Lachen ins Lehrerzimmer und zeigte mir, was Sie getan hatten.“ „Himmel danke“, rief er, „es gibt jemanden, der etwas anderes gezeichnet hat […] Die anderen haben offensichtlich alle von einem Jungen kopiert, dessen Vater ein Baumeister ist und der viel über Gerüste weiß. Ich will das Mädchen in meiner Klasse haben!“15
So kam es, dass Margareta Hamerschlag eines Tages mit ihren zukünftigen Kollegen in Oskar Strnads Klasse saß und darauf wartete, dass der Lehrer erschien. Eine halbe Stunde war die Klasse in erwartungsvoller Stille gesessen, dann öffnete sich die Tür, und ein kleiner bärtiger Mann trat ein. Er stellte sich vor die Studierenden und hielt eine Rede, die beängstigend war und schockieren sollte. Fröhlich und leichtfertig sagte er, dass er es als seine Aufgabe betrachte, die Studierenden unerbittlich von allen Ansprüchen, falschen Ambitionen und betrügerischen Moden zu befreien, und dass wahrscheinlich die Hälfte der Anwesenden, die in dieser „Hauptklasse“ anfangen wollten, ausscheiden würde. Er würde sie alle quälen und die bösen Geister aus ihren Seelen vertreiben; nur diejenigen, die wirklich begabt seien, würden bleiben können. Gretl glaubte, dass er, was auch immer er tun würde, ihre Leidenschaft nicht beeinflussen könne. Sie schluchzte fast vor Nostalgie nach ihrem geliebten ehemaligen Idol, Professor Čižek, der sich wie ein Hohepriester der Kunst verhalten hatte, dessen Aufgabe es war, die schöpferischen Fähigkeiten der Jugend zu fördern, indem er die geringste Anstrengung mit Lob ermutigte. Professor Strnad hingegen stellte die Stärke ihres Glaubens auf die Probe. „Zweifel“, sagte er, „ist das Mittel, um sich selbst zu erkennen.“16 Als sie versuchte, seinen Rat zu befolgen, schien er ihr negativ, sie konnte aber den großen Intellekt des neuen Lehrers nur bewundern. In ihren naiven Gedanken schienen die divergierenden Positionen ihrer Professoren schon seit 15 16
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Beginn der Welt miteinander zu konkurrenzieren, und in ihrer Verzweiflung und Verwirrung malte sie ein Bild dieser Welten, um Klarheit für sich selbst zu finden. Die rationale Welt – die sie in ihrer Kindlichkeit mit Strnad identifizierte – hatte blasse, klare, kalte Farben, während in der fantastischen Welt, repräsentiert durch Čižek, blühende Blumen in leuchtenden Schattierungen zu Tage traten, und der Himmel einen rosa und goldenen Farbton hatte. Als dunkle, verzweifelte Gestalt wand sie sich zwischen ihnen in einem Nirgendwo. Der Lehrplan wurde durch eine allgemeine Diskussion darüber eingeführt, was Kunst in Bezug auf die Welt um die Studierenden herum bedeute. Als Margareta stolz auf die Frage des Professors, welche Vorstellung sie von ihrer zukünftigen Karriere habe, antwortete, sie wolle Malerin werden, ließ er sie daraufhin sofort Grundierungen mischen. Sie musste wochenlang Leinwände grundieren und schleifen. Die zukünftigen Kleidungsdesigner wurden zu Materialproben gedrängt, um sich über die Dinge zu informieren, die sie später verwenden wollten. Sie mussten in Museen historische Kleidermuster kopieren, während Innenarchitekten Holz planieren und ihre Entwürfe für Stühle durch Herstellung und Verwendung testen mussten. Er ging jedoch nicht zur Spezialisierung über, jeder von den Teilnehmern musste die Aktivitäten der anderen mitmachen. Wenn der eine oder andere Schüler die gestellte Aufgabe nicht durchführte, behandelte Strnad die jeweilige Person mit äußerster Ironie. An einem verschneiten Wintertag schickte er sie auf den Gehsteig, um vorbeifahrende Autos zu skizzieren. „Sie müssen jede Form kennen, die heute existiert,“17 war sein Kommentar dazu. Einmal war die Aufgabe, eine Brücke über einen kleinen Fluss zu entwerfen, und Gretl zeichnete, weil sie das für ein langweiliges Thema hielt Meerjungfrauen im Flussbett und einen Jugendlichen auf der Brücke. Der Professor war zu Recht wütend darüber: „Wenn Sie glauben, Sie amüsieren mich mit Ihrer spielerischen Nachlässigkeit, irren Sie sich! Nur wenn Sie die Dinge mit Ernst betreiben, werden Sie Erfolg haben! Aber Sie wurden zu sehr ermutigt, zu glauben, dass alles, was Sie tun, gut ist!“18 Natürlich verstand sie den Treffer gegen Professor Čižek und war zutiefst entmutigt, denn sie wusste, dass keiner der beiden Lehrer die Methoden des anderen billigte. Es war in der ersten Hälfte des Jahres kein ungewöhnlicher Vorfall, wenn Schüler weinend den Kampf aufgaben. Am Ende des Semesters waren von den 17 18
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ursprünglich dreißig Schülern und Schülerinnen nur noch etwa ein Dutzend übrig. Ein paar Neuzugänge, die während des Semesters aufgetaucht waren, kamen noch hinzu. Der Professor schien mit dieser Entwicklung hochzufrieden. Professor Strnads Methode war für Margareta oft verwirrend: Zum Beispiel gab er Vorlesungen über die Renaissancearchitektur oder er lehrte Kostümkunde aus dem 12. Jahrhundert. Dann fanden Diskussionen über Buddha statt, oder er informierte über sokratische Ideale, und manchmal sprach er über ein Rezept, etwa wie man einen anständigen Apfelstrudel zubereitete. – Dieser Mann strotzte vor Ideen. Für Gretl war er zu schnell und sprunghaft, weil sie viel Zeit brauchte, um das Gehörte nachzuarbeiten. Eines Tages lehrte er über die Baukunst der Gotik. Verherrlichend dozierte er: „Da hast du den Sieg des Geistes in seiner reinsten Form der Materie! Das scheinbar Unbesiegbare erobert in seinem Wunsch, sich Gott zu nähern, Stein in Spitze, um so dem Himmel immer näher zu kommen!“19 Das Mädchen konnte nicht verstehen, dass man sich für mehrere Perioden der Kunstgeschichte, die stark gegensätzliche Ideen und Ideale vertraten, begeistern konnte und sollte. Das zweite Semester, als man die Spreu losgeworden war, war der Aufgabe gewidmet, wie in einem großen Puppentheater zu arbeiten. Die Bühne sollte so groß wie die eines kleinen Laientheaters sein. Die Marionetten, die von den Studenten geschnitzt werden sollten, sollten circa einen Meter hoch werden. Strnad arbeitete gerade als Designer für Max Reinhard und war vom Theater begeistert. Gleichzeitig war ihm auch bewusst, dass die Klasse von der Anfertigung der Puppen lernen würde. Er wählte zwei Stücke aus, die aufgeführt werden sollten: ein Theaterstück flämischen Ursprungs „Lancelot und Sanderein“20 und „Bastien und Bastienne“, ein frühes Singspiel von Mozart. 19 20
The Pilgrimage, S. 119. In dem Stück, dessen früheste bekannte Quelle, die „Hulthemsche Handschrift“ z. B. von Brinkmann/Schinkel in die erste Dekade des 15. Jahrhunderts. datiert wird, siehe: Herman Brinkman und Janny Schenkel (Hg.), Het Handschrift-Van Hulthem. Hs. Brussel, Koninklijke Bibliotheek van België 15.589-623. Diplomatische editie, 2 Bde, (Middeleeuwse Verzamelhandschriften uit de Nederlanden 7), Hilversum 1999, S. 47, hat sich der dänische Kronprinz, Lanzelot von Dänemark, in ein armes Mädchen verliebt und er wird so unglücklich, dass er dahinschwindet. Seine Mutter verspricht, das Mädchen zu retten. Das Dienstmädchen ist überzeugt, dass er sie liebt, aber nachdem er seine Lust befriedigt hat, tut er auf Wunsch der Mutter so, als ob er sie satthätte. ‚Ich habe dich so satt, als hätte ich sieben verzehrt‘. Sanderein, die verzweifelt davongelaufen ist, betet zu einem Bild der Heiligen Jungfrau im
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In der Welt von „Lancelot und Sanderein“, das in einer wunderbar poetischen und naiven Sprache geschrieben war, begannen die Studierenden nun zu leben. Sie alle konzentrierten sich eifrig auf diese Arbeit. Professor Strnad ließ plötzlich die Ironie fallen und wurde freundlich und jovial. In Kriegszeiten gab es wenig Material zu kaufen, so verwendeten sie Sackklamotten für die Kostüme. Der Professor schickte die Lernenden ins Museum, um historische Gewänder zu studieren, weil ihre Helden authentisch angekleidet sein mussten. Kein Detail durfte übersehen werden. Sie wurden dazu angeleitet, sich in die Zeit des Mittelalters zu versetzen. Das Theater wurde anders als die Welt des Alltags gesehen, daher musste sich das Bühnenbild in eine fantasievolle Welt verwandeln. Die Kostümentwürfe wurden genehmigt, das Sacktuch wurde in helle und tiefe Töne eingefärbt, genäht und in dünnes Leimwasser getaucht. Anschließend wurden authentische Muster aufgemalt, einige in Gold oder Silber. Der Wald, in dem die unglückliche Sanderein ihren Retter finden würde, wurde aus echten Ästen konstruiert, an die sie Seidenpapier in leuchtendem Frühlingsgrün klebten. Die Klasse war mit Begeisterung entschlossen, die Aufgabe zu einem Erfolg zu machen. Die Puppen liefen auf Rollen. Sowohl Knie als auch Hände und Kopfstangen wurden zusammengefügt, weil sie von unter der Bühne gespielt wurden. Um sie richtig zu bewegen, mussten auch alle Texte einstudiert werden. Entgegen ihrer Erwartung wurde die Aufführung von einem ausgewählten Publikum mit großer Begeisterung aufgenommen. Die Klasse platzte fast vor Stolz und Glück, als kein geringerer als Hugo von Hofmannsthal, der große Dichter und Dramatiker, mit Max Reinhardt hinter die Bühne kam, um ihre Hände zu schütteln und ihre Bemühungen dankend zu loben. Professor Strnad soll ein ausgeprägtes Misstrauen gegenüber Kindern aus wohlhabenden Familien gehegt haben. Er zweifelte an der Ernsthaftigkeit ihres Kunststudiums, vor allem bei Mädchen. Sie würden heiraten und dann sei es mit dem Studium von Kunst oder Architektur vorbei. Was auch immer Wald. Kaum hat sie ihr Gebet beendet, erscheint tatsächlich ein Ritter. Er verliebt sich sofort und bittet das Mädchen, seine Frau zu werden. Sie antwortet mit dem Gleichnis eines Busches, auf dem ein Raubvogel aufgeflogen war und die Blüten zerrissen hatte. Der Ritter erinnert sie daran, dass im Frühling danach die Blüten wieder blühen werden und wahrscheinlich noch schöner sein werden. Also steigt sie dankbar auf das weiße Pferd und reitet mit ihrem zukünftigen Ehemann zu seinem Schloss. Lanzelot erkennt, dass er sie verloren hat.
4.3 Das Ende der Kindheit – Aufnahme an der Kunstgewerbeschule
studiert würde, es münde in Partys, Bälle und Opernbesuche. Nach der Heirat würden sie die Zeit mit ihren Kindern verbringen. Es wäre besser für sie, Kuchen zu backen und kochen zu lernen. Das war der allgemeine Tenor zu dieser Zeit. Es gab zwar damals schon eine beachtliche Zahl an Künstlerinnen, doch schon durch die Verwendung des Wortes beachtlich merkt man, dass Künstlerin zu sein nicht die Regel, sondern die Ausnahme bedeutete. So hat zum Beispiel der Architekt Bruno Paul 1901 im Münchner Satireblatt Simplicissimus eine bösartige Karikatur in Heft 15 des Jahrgangs 6 zum Thema „Malweiber“ gestaltet. Die Karikatur zeigt einen Landschaftsmaler und eine Schülerin, die ihm beim Malen über die Schulter schaut. Die Bildunterschrift lautet: „Sehen Sie, Fräulein, es giebt zwei Arten von Malerinnen: die einen möchten heiraten und die andern haben auch kein Talent.“ Damit hat Bruno Paul den Nerv der Zeit getroffen.21 In der „Neuen Freien Presse“ war am 3. November 1898 ein Essay unter dem Titel „Die Frau und das Haus“ erschienen. Der Autor war Adolf Loos, der darin mit viel Witz und auch Zynismus die amerikanische Hausfrau mit der deutschen verglich.22 In diesem Essay lobt Loos den Dilettantismus der modernen amerikanischen Hausfrau und empfiehlt sogar „eine ganz spezifische Betätigung von Frauen auf dem Gebiet der Kunst: wo sich für den Mann Öffentlichkeit und Privatheit in Beruf und Alltag, in Geschäft und Wohnung aufgespalten haben, springt die Frau ein, um ihm den ‚Comfort‘, ästhetische Bequemlichkeit zu sichern; in diesem Interesse hat sie sich künstlerisch-dilettantisch fortzubilden. Loos’ Plädoyer für den weiblichen Dilettantismus läßt der Frau keinen Raum für künstlerische Aktivität in ihrem eigenen Interesse.“23 Diese misogyne Haltung wurde von verschiedenen Künstlerkollegen ebenso vertreten. Der Bildhauer Anton „Hanak beklagt sich noch 1915 über die Zumutung, in seine Klasse Frauen aufnehmen zu müssen.“24 Nach Rudolf Eitelberger25 sollten Frauen im Bereich der Dekorations- und 21 22
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Vgl. Digitalisat: http://www.simplicissimus.info/uploads/tx_lombkswjournaldb/pdf/1/06/06_15.pdf, S. 117. Vgl. Gottfried Fliedl: Kunst und Lehre am Beginn der Moderne. Die Wiener Kunstgewerbeschule. 1867–1918. Salzburg, Wien: Residenz Verlag 1986, S. 105. Erstmals erschienen: Adolf Loos: Die Frau und das Haus. In: Neue Freie Presse, Nr. 12284, 03.11.1898, S. 5. Fliedl, Kunst, S. 106. Fliedl, Kunst, S. 106. Von September 1848 bis Jänner 1849 war Rudolf Eitelberger Chefredakteur der Wiener Zeitung. Darüber hinaus war er Initiator und erster Direktor des Ös-
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4. Eine Erziehung in Kunst und Leben
Blumenmalerei ausgebildet werden, auch in der Fayencemalerei oder in der Porzellanmalerei.26 Von der Schaffung weiblicher ‚Künstlerexistenzen‘ glaubte er abraten zu müssen; die ‚weibliche Jugend‘ sollte nicht ‚in die Bahn eines zweifelhaften Künstlertums‘ gelenkt werden.27 Die ‚monumentalen‘ Künste sollten ihnen an der Kunstgewerbeschule und an der Akademie verwehrt sein, Portrait-, Historien-, Landschafts- und Genremalerei wollte er den Männern vorbehalten sehen; wobei das einzig konkret faßbare Argument, mit dem er diese Abgrenzung rechtfertigt, der für diese Studien notwendige Aktunterricht ist. Teilnahme von Mädchen und Frauen an ihm verstoße gegen die ‚guten deutschen Sitten … wenn er einmal eine gewisse Linie überschritten hat.‘28 Frauen, die diese Kunstrichtungen studieren wollten, sollte die Möglichkeit dazu in Privatateliers, unter staatlicher Aufsicht und Lehrplanhoheit, ermöglicht werden. Besser aber, sie blieben bei den erwähnten kunstgewerblichen Betätigungen, wie Stickerei, Weberei, Blumen- und Porzellanmalerei, ‚denn nicht blos die Phantasie der Frauen ist für alle diese Kunstarten ganz besonders berufen; auch die Geduld, die Ausdauer, der Sinn für Grazie macht für diese Kunstgewerbe Frauen viel geschickter als Männer.‘29
Helene Roditzky äußerte sich dazu anlässlich der Wiener Weltausstellung im Jahr 1873: In früherer Zeit, ja selbst bei der letzten Weltausstellung in Paris im Jahre 1867, konnte ein Bericht über Frauenarbeiten schwer in ein anderes Gebiet hinübergreifen als in das der Kunststickerei und Spitzenklöppelei. Waren auch damals schon Frauenhände, ausser den Arbeiten und Leistungen ihres eigentlichsten Berufes vielfach thätig und beschäftigt, so geschah es doch
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terreichischen Museums für Kunst und Industrie, gegründet 1864, sowie der angegliederten Kunstgewerbeschule, die 1868 gegründet wurde. Vgl. Rudolf von Eitelberger: Gesammelte kunsthistorische Schriften. 2 Oesterreichische Kunst-Institute und kunstgewerbliche Zeitfragen. Wien: Braumüller 1879, S. 164. Vgl. auch Eitelberger: Schriften 2, S. 195–197. Vgl. auch Rudolf von Eitelberger: Zur Regelung des Kunstunterrichtes für das weibliche Geschlecht. In: Valentin Teirich (Hg.): Blätter für Kunstgewerbe, Bd. 1. Wien: R. v. Waldheim 1872, S. 25. Eitelberger: Zur Regelung, S. 25, zitiert nach: Fliedl: Kunst, S. 108–109.
4.3 Das Ende der Kindheit – Aufnahme an der Kunstgewerbeschule
nur mehr im Stillen. Man beachtete diese weibliche Thätigkeit nicht, man duldete sie nur oder betrachtete sie mit einem gewissen Misstrauen. Seit den letzten Jahren ist dies ganz anders geworden. Man wendet die grösste Aufmerksamkeit der Frage der Erwerbsfähigkeit und Erwerbsbefähigung der Frauen zu. Vieles, unendlich Vieles ist in dieser Beziehung von Oesterreich, Deutschland, England und Amerika etc. geschehen.30
Schemper-Sparholz erwähnt in ihrem Beitrag zu Eitelberger und der bürgerlichen Frauenbewegung, wie fortschrittlich die Idee war, Frauenarbeiten im Rahmen einer Weltausstellung zu präsentieren und sogar einen internationalen Frauenkongress abhalten zu wollen. Eine Idee, die erst 1893 in Chicago verwirklicht werden konnte. Eitelberger nahm dazu Stellung, und zwar in der von der progressiven Frauenrechtlerin Jenny Hirsch gegründeten Zeitschrift „Der Frauenanwalt“, die zu jener Zeit gerade von Elsbeth Krukenberg-Conze herausgegeben wurde. Eitelberger rezipierte 1875 die Arbeit der Künstlerin mittlerweile in einem neuen Licht und orientierte sich dabei an internationalen Überlegungen. [A]ber die Tatsache steht fest, dass sich in Wien von Jahr zu Jahr die Zahl der Damen vermehrt, die in die Reihe der Künstler einzutreten bestrebt ist. Die Bestrebungen gewinnen an Bedeutung, wenn man sich erinnert, welch hervorragende Stellung Frauen wie Rosa Bonheur, Nélie Jacquemart, Elisabeth Ney, Jerichau-Baumann u. s. f. in der Kunst einnehmen. Diese Tatsachen lassen sich so wenig leugnen, als die didaktischen Erfolge der Kunstgewerbeschule. […] Die Frage über den Beruf der Frauen zur Kunst, wenn eine solche auf dem Gebiet der Kunst hier vorhanden sein sollte, ist positiv erledigt.31
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Helene Roditzky, Die Frauenarbeiten, Anhang zur Gruppe V: in: Ferdinand Stamm, Officieller Ausstellungs-Bericht, Wien 1873, S. 14. Auch SchemperSparholz zitiert in Ihrem Beitrag über Eitelberger und die Frauenbewegung diese Passage.; Siehe: Ingeborg Schemper-Sparholz: Rudolf Eitelberger und die bürgerliche Frauenbewegung. In: Eva Kernbauer, Kathrin Pokorny-Nagel, Raphael Rosenberg, Julia Rüdiger, Patrick Werkner und Tanja Jenni (Hg.) Rudolf Eitelberger von Edelberg, Netzwerker der Kunstwelt, Böhlau: Wien, Köln, Weimar 2019, S. 408–409. Zit. nach. Carola Muysers, Die Bildende Künstlerin. Wertung und Wandel in deutschen Quellentexten, 1855–1945, Amsterdam/Dresden 1999, S. 259–261.
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Diese allgemeine Meinung über das Kunstschaffen des weiblichen Geschlechts hielt sich auch noch um 1900 und danach. Allmählich aber eroberten sich Frauen zu Beginn des 20. Jahrhunderts sukzessive einen Platz in der Kunstwelt. Der Zugang zur Akademie der bildenden Künste war ihnen noch versperrt und es mangelte an Ausstellungsmöglichkeiten. Teuren Privatunterricht konnten sich nur wenige leisten. Auch Margareta Hamerschlag konnte diesen kostspieligen Unterricht nur dank der Unterstützung ihrer Eltern genießen. Um zu beweisen, dass weder ihre Klasse noch ihr Geschlecht jemals ihrer Arbeit im Weg stehen würden, arbeitete das junge Mädchen so hart, dass sie an Gewicht verlor und immer blasser und blasser wurde. Ihre Mutter machte sich Sorgen um sie und schickte sie am Wochenende nach Semmering, wo sie frische Luft schnappen und sich erholen konnte. Tilda war mit ihr aus der Čižek-Klasse gekommen. Das hat Gretl von Anfang an geholfen, eine freundschaftliche Bindung einzugehen. Während sie selbst noch wie ein Kind aussah und auch so gekleidet war, war Tilda bereits eine junge Dame, die sich schminkte. Bald lernte Tilda ihren Freund Imre kennen und die drei gingen oft zusammen im nahegelegenen Prater spazieren. Margareta fühlte sie sich oft schrecklich einsam, als sie sah, dass alle Mädchen geliebt wurden, nur sie nicht. Sie tröstete sich mit einer Philosophie, die sie sich angeeignet hatte: Sich zu verlieben war eine Einschränkung für das Leben – eine dumme und einengende Sache. Wie viel wertvoller war es, das Glück als Frau zu opfern, um das eigene künstlerische Glück zu bewahren? Sie fühlte sich frei und dachte darüber nach, alle zu lieben, alles in ihrem Herzen zu umarmen, ohne in den gefährlichen Strom einer engeren Beziehung hineingezogen zu werden. So gesehen empfand sie es als ihren Vorteil, nicht attraktiv zu sein. Ihr Leben war das einer einsamen jungen Frau, die Künstlerin werden wollte. Imre zeigte eine große Leidenschaft für Literatur und weil Tilda und sie viel lasen, konnten die beiden mit ihm über ihre Lieblingsbücher diskutieren. Gretls Auswahl beinhaltete meist die deutschen Romantiker mit einer Prise Dickens, Heine, Oscar Wilde und Hölderlin. Tilda hatte ein breiteres Sortiment, das Gerhard Hauptmann, Thomas Mann und andere Zeitgenossen umfasste. Imre betrachtete die Vorliebe Margaretas mit herablassender Ironie, die mit Freundlichkeit gemischt war. Eines Tages schlug er vor, eine literarische Gesellschaft zu gründen, einen Club, in dem sie Bücher lesen und diskutieren konnten. Er brachte einige Klassenkameraden aus seiner berühmten Grammatik-Schule mit, während Tilda zwei gelehrte junge Damen,
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Isabella und Lina, mitbrachte. Weder Mitzi noch Nicolette, die von Gretl vorgestellt worden waren, hatten das geringste Interesse an Büchern. Jedoch ihre Leidenschaft für die Oper hatte sie viele Male dazu bewogen, sich ihr anzuschließen. Der neugegründete Club traf sich einmal pro Woche abwechselnd in den Häusern der Mitglieder. Nachdem Tee serviert worden war, wählte Imre das Buch des Tages aus und sie lasen Teile daraus vor. Danach wurde der Text besprochen.32 Mitzi war die Tochter des Komponisten Edmund Eysler. Er war ein Mann mit einem großen Herzen und sein Haus war zu einem Zufluchtsort für die alten Verwandten seiner Freunde, für jene die sich selbst nicht ernähren oder keine Wohnung finden konnten, geworden. Er fragte Gretl eines Tages: „Wenn du nicht weißt, was Deine Mutter den ganzen Tag tut, dann schicke sie mir natürlich – wir haben jede Menge Raum! Ein Komponist braucht ein Publikum, je größer, desto besser!“33 Wenn man also im Eysler-Salon saß, erwarteten einen Dinge, die sonst nur auf einer Bühne geschahen. Operettensänger kamen und gingen, Lorbeergirlanden bedeckten die Wände des Sitz- und des Trinkraums, Mitzis Schwester Gretl erschien mit ihrem Verlobten, einem eleganten jungen Bankangestellten. Wenn Vater Eysler, Mundy, nach Hause kam und einige junge Leute vorfand, setzte er sich ans Klavier, wie müde er auch sein mochte, und spielte für einen Tanz auf. Bei einem ersten Operettenabend wurde Margareta eingeladen, sich zu ihm und seiner strahlenden Familie in die Theaterloge zu setzen. Anschließend wurde zu einem Bankett geladen, das zu Ehren von Mundy von den StarSchauspielern arrangiert worden war. Es war eine fröhliche, lachende Welt, die sich scheinbar nicht der Kriege und Sorgen draußen bewusst war. Gretl kam mit einem Strauß Rosen nach Hause, was ihre Mutter vor Kummer weinen ließ. Ja, sie hatte vergessen, dass ihr Vater sich in einem gefährlichen, epidemisch verseuchten Land aufhielt. Wie konnte sich ihre Tochter so verhalten? Jeder Tag erschien Margareta viel zu kurz, weil er voller Aktivitäten war. In der Kunstgewerbeschule zu studieren und ihre Freunde zu sehen, wäre genug für sie gewesen. Aber es gab zusätzliche Familienfeiern, Besuche bei ihren Tanten und Onkeln, Klavierunterricht und es galt, die französische und 32 33
The Pilgrimage, S. 124. The Pilgrimage, S. 124.
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englische Sprache zu vertiefen. Auch die Tanzschule gehörte zur Pflicht, wo sie Walzer, Menuett, Quadrille und die neuen Tänze, wie Foxtrott und Tango übte. Sie wollte eigentlich nichts mit alldem zu tun haben – auch wenn es zum guten Ton gehörte, sondern sie wollte malen und in Ruhe gelassen werden. Ihr größter Wunsch war es, nach der allgemeinen Malerei in die Meisterklasse einzutreten, ein für die damalige Zeit höchst ungewöhnlicher Berufswunsch. Jedoch traf dies auf starken Widerstand ihrer Mutter. Sie hielt es für Unsinn, sich auf das alles einzulassen. Jeder wisse, dass kein Künstler, außer den wenigen berühmten, davon seinen Lebensunterhalt verdienen könne. Ihre Mutter hatte zwar gehofft, dass ihre Töchter ihren Lebensunterhalt nicht selbst verdienen müssen würden. Doch von ihrem Kapital war nichts übriggeblieben, weil alles in Kriegsanleihen gesteckt worden war. Also bestand sie darauf, dass das Mädchen etwas lernen müsse, mit dem sie Geld verdienen könne. Unglücklich und resigniert schrieb das Mädchen sich für Kostümkunde ein.34 Unhappily resigned, I put my name down for dress design. I had a flair for fashion and liked to design for myself and others but I didn’t want it for a career. I had a half-day practice: tailors, milliners, dressmakers. I was sent to the Wiener Werkstätte, a fairly new venture for workshops. First-rate craftsmen.35
Sie hatte ein Gespür für Mode, aber sie wollte keine Karriere in dieser Branche. Hocherfreut traf sie in der neuen Klasse bekannte Gesichter. Sie begann mit der Hutmacherei, die ihr zunächst Mühe machte. Jedoch gelang schon ihr nächster Hut erstklassig – eine kupferfarbene Haube für die beliebte Tänzerin Grete Wiesenthal. Es war ein großer Erfolg, den das Mädchen mit großem Stolz genoss. Obwohl sie den ersten Preis bei einem Wettbewerb für Kindermode gewonnen hatte, war sie froh, dass sie den Kurs beenden konnte. Im folgenden Jahr nahm sie an der Graphikklasse teil. Sie hatte mit dem Besuch der Modeklasse den Wunsch ihrer Mutter erfüllt, und schrieb sich nun für die Grafik ein, die für Gretl sowieso eine praktischere Überlegung zu sein schien. 34 Anna Nyburg: Margarete Hamerschlag and the Theatre. Vienna, Rome, London. In: Charmian Brinson and Richard Dove (Hg.): German-Speaking Exiles in the Performing Arts in Britain After 1933, Amsterdam, New York: Rodopi, 2013 S. 129. 35 Nyburg zitiert hier aus der oben genannten unveröffentlichten Autobiographie: Margarete Berger Hamerschlag Archive, Senate House Library, University of London (MBH), Folder 25, Autobiography, o. D., S. 128.
4.3 Das Ende der Kindheit – Aufnahme an der Kunstgewerbeschule
Dort hatte sie Zugang zur LithographieWerkstatt, eine Gelegenheit, die sie mit großem Eifer nutzte. Das Ätzen war ihr schon bekannt, aber es wurde dort auch Malerei gelehrt, soweit sie anwendbar war. Weiters standen Perspektive, Kunstgeschichte, Schrift, liturgische Kunst, Farbkomposition und Chemie auf dem Lehrplan. Tony Birks, der Biograf von Lucie Rie, Hamerschlags Künstlerkollegin und Schulfreundin, bemerkt zur Kunstgewerbeschule Folgendes: With most of the major painters, including Kokoschka, teaching at the Kunstgewerbeschule, this school – in the years before the First World War – was at the hub of the visual and plastic arts – an enviable position for a school. [Josef] Hoffmann’s dual role, as teacher at the school and founder with the designer Koloman Moser of the Wiener Werkstätte, gave him influence both in art theory and also in the world of marketing.36
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Abb. 10: Margareta ca. 1926.
Tony Birks: Lucie Rie. Yeovil: Marston House 1999, S. 17. „Da die meisten bedeutenden Maler, darunter Kokoschka, an der Kunstgewerbeschule unterrichteten, war diese Schule in den Jahren vor dem Ersten Weltkrieg das Zentrum der bildenden und visuellen Kunst – eine beneidenswerte Position für eine Schule. Die Doppelrolle von Josef Hoffmann, als Lehrer an der Schule und mit dem Designer Koloman Moser Gründer der Wiener Werkstätte, verlieh ihm Einfluss sowohl in der Kunsttheorie als auch in der Welt des Marketings.“ (Übersetzt von I. T.)
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5. Sich einen Namen machen
5.1 Wiener Zeit, „Die Stadt“, „Kinderfreuden“ und „Die Maske des roten Todes“ Nachdem Margareta Hamerschlag von 1917 bis 1922 die Klassen des Architekten und Bühnenbildners Oskar Strnad und des Innenarchitekten und Leiters der Modeabteilung der Wiener Werkstätte, Eduard Wimmer-Wisgrill, sowie Kurse zur Drucktechnik unter der Leitung von Bertold Löffler absolviert hatte, war ihr Talent bereits erkannt worden. Aus gutbürgerlichen Verhältnissen kommend, ging Margareta zeitlebens in Wien ins Theater. – Dies lässt sich aus ihrem Schaffen in dieser Zeit ableiten, beispielsweise aus einer Reihe von Holzschnitten, die sie von Darstellern auf der Bühne anfertigte. Sie hatte die traditionellen Produktionen gesehen, wahrscheinlich auch Kabarett- und Mundarttheater und einige der experimentellen Stücke der Moderne, die alle Teile des Wiener Lebens während ihrer Kindheit, Jugend und jungen Erwachsenenzeit gewesen waren. So trat sie bereits in jungen Jahren mit beeindruckenden Holzschnittserien hervor, wie zum Beispiel mit ihren ausdrucksstarken, politisch-kritischen Mappenwerken „Die Stadt“ (1923)1 und „Der Spiegel“ (1932). In weiteren Blättern signalisierte sie nicht nur ihren virtuosen Umgang mit dem Medium Holzschnitt, sondern auch ihre kritische Haltung gegenüber den herrschenden politischen und sozialen Verhältnissen. Sie lithografierte zwei Bücher: „Kinderfreuden“ (1921), für das sie sowohl den Text als auch die Illustrationen produzierte, und E. A. Poes „Die Maske des roten Todes“, das 1924 von der Wiener Werkstätte herausgegeben wurde. Poes Erzählung kann als Allegorie für den Ausbruch der Pest verstanden werden. Diese Thematik einer bedrohlichen Pandemie schien ihr ein besonderes Anliegen zu sein. Immerhin starben zwischen 1918 und 1920 1
Archiv und Sammlung der Universität für angewandte Kunst in Wien, Inv. 565/1-10.
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5. Sich einen Namen machen
Schätzungen zufolge weltweit zwischen 20 bis 100 Millionen Menschen an der Spanischen Grippe. Umso mehr beschäftigt sie sich schon vor 1924 mit „Die Maske des roten Todes“, eine Erzählung, die erstmals 1842 erschienen war. Darin beschreibt Poe das Scheitern des Versuchs einer Gruppe von Privilegierten, sich vor einer Seuche in Sicherheit zu bringen.2 Ludwig Steinmetz schrieb ein Vorwort zu Hamerschlags Mappenwerk „Die Stadt“. Er bezieht sich auf die einzelnen Blätter und schreibt: „Äußeres Bild der Stadt als kaltherzige Anhäufung von Baukörpern und Straßenräumen“ „Innerer Schauplatz der Szenenfolge: acht erschlossene Bildräume mit Milieusituationen“ „Psychodram … keine Kampfpause gönnte der Lebensstreit“ „Das Klavierkonzert“ „Kinderspital, alle Angst spricht aus dem Antlitz des Kindes“ „Liebe“ „Die Spelunke“ „Im Kabarett“ „Der Mord“
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Im Königreich des Prinzen Prospero tötet eine Krankheit, der Rote Tod, bösartig und grausam alle, die daran erkranken. Eines Nachts hält Prospero einen Maskenball. Er dekoriert sieben Räume in unterschiedlichen Farben: blau, lila, grün, orange, weiß, violett und schwarz. Alle Räume sind prunkvoll mit farblich abgestimmten Buntglasfenstern ausgestattet, mit Ausnahme des letzten schwarzen Raums mit roten Buntglasfenstern. Dieser Raum ist so verstörend, dass niemand ihn betritt. Noch mysteriöser ist eine große Ebenholzuhr, die stündlich schlägt und die Stimmung der Feiernden mit ihrem ahnungsvollen Schlagen irritiert. Während die Feier weitergeht und die Uhr kurz vor Mitternacht steht, erscheint ein rätselhafter Gast als Pestopfer verkleidet. Prospero ist zutiefst verstört über das schlechte Urteilsvermögen des Gastes und greift den Besucher an, um ihn schließlich mit einem Dolch durch die sieben farbigen Räume zu verfolgen. Als er die Gestalt im letzten Raum erreicht, fällt Prospero tot um. Die anderen Gäste unterwerfen den Eindringling und nehmen ihm gewaltsam seine Maske ab. Zu ihrem Entsetzen befindet sich niemand unter dem Kostüm. Sie sterben ebenfalls.
5.1 Wiener Zeit, „Die Stadt“, „Kinderfreuden“ und „Die Maske des roten Todes“
Abb. 11: Die Stadt (Der Mörder), 1922/23, Holzschnitt.
Abb. 12: Die Maske des roten Todes, 1924, Holzschnitt der Mappe „Maske des roten Todes“.
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5. Sich einen Namen machen
Abb. 13: Holzschnitt der Mappe „Maske des roten Todes“.
Ausführlich äußert er sich zu Psychodram: Der Ernst dieses Werkes, das die Nachtseiten gestaltet, beruht auf dem geistigen Miterleben. Aber selbst wer sich der Einseitigkeit dieser Blickrichtung entzieht, wird von dem Ernst des Ringens um die künstlerische Reihe ergriffen. Die beste Gewährschaft für das künstlerische Schaffen der Künstlerin gibt das Erreichte. Die leidenschaftliche Einseitigkeit der Idee, das Haften am typischen verrät ihre Jugend. Umso eindrücklicher wirkt die konvenienzlose Freiheit in der künstlerischen Disposition, die reiche Ausdrucksskala, die widerspruchslose Einfühlung in den Zwang ihres Ausdrucksmittels. Und da ist wohl der Hinweis auf die Vorbedingung zu so einer ungehemmten Entfaltung der angeborenen Begabung am Platze. Sie liegt im glücklichen Schulerlebnis. In einer Schulung, die Hemmungen wegräumt, nicht erst oktroyiert. Die vorhandene Unmittelbarkeit nicht durch wesensfrem-
5.1 Wiener Zeit, „Die Stadt“, „Kinderfreuden“ und „Die Maske des roten Todes“
Abb. 14: Holzschnitt der Mappe „Maske des roten Todes“.
Abb. 15: Holzschnitt der Mappe „Maske des roten Todes“.
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5. Sich einen Namen machen
den Ballast erdrückt, sondern mit heiligem Eifer behütet. Die geistigen Kräfte nicht verschüchtert, sondern weckt und herauslockt, sich zu bekennen. Und endlich, was am schwersten zu finden ist, die dem Zeitgeist der anvertrauten Jugend nicht nachhinkt, sondern ihr vielmehr auch einen Vorsprung gibt. Und das hatte auch die Schöpferin des Zyklus „Die Stadt“ in der Schule des Lehrers an der Wiener Kunstgewerbeschule Franz Čižek gefunden. Diesem großen Lehrer der Schaffensfreude und Schaffensfreiheit hatte die Künstlerin ihre Jugend anvertraut.3
Nach Steinmetz ist es „eine allegorische Zusammenfassung des Erschauten in symbolischen Masken der Geister, die durch diese Abbildungen gehen, die unsichtbar und doch allmächtig im Leben der Großstadt wirken und herrschen: […] Laster, Sehnsucht, Gier, perverse Geilheit. Und vor alles drängt sich groß und drohend Brutalität“.4 „Die Stadt“ ist eine Folge von zehn Holzschnitten. Diese Technik passte gut zu ihrer kühnen Gesellschaftskritik und ihrem Versuch, das harte Leben der Wiener Arbeiterklasse in den 1920er Jahren zu zeigen.5 Die Darstellung der oben genannten Brutalität geht auf den Deutschen Expressionismus zurück. Allen voran Ernst Ludwig Kirchner, Erich Heckel und Karl Schmidt-Rottluff, die sich im Sommer 1905 in Dresden zur Künstlervereinigung ‚Die Brücke‘ zusammenschlossen [und] der Holzschnitt [wurde] zu einem ihrer wichtigsten künstlerischen Medien. In dieser Drucktechnik treten bis weit in die 1920/30er Jahre der spezifische Ausdruck und die Experimentierfreude der 3
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Margarete Hamerschlag: Die Stadt. Zehn Holzschnitte von Margarete Hamerschlag, mit einem Geleitwort von Ludwig Steinmetz. Leipzig, Wien: Thyrsos-Verlag 1923. Eine Mappe befindet sich im Archiv der Angewandten Kunst in Wien. Ludwig Steinmetz: Vorwort. In: Hamerschlag, Die Stadt, Aus dem Mappenwerk. Als sie endgültig nach England emigriert war, verfügte sie über ein beeindruckendes Werk mit etlichen Mappen. Ihr bekanntestes Holzschnittwerk sind ihre Illustrationen zu Stefan Zweigs „Der begrabene Leuchter“ („The Buried Candelabrum“), das 1937 bei Cassel erschienen ist. Dieser Auftrag entstand vermutlich durch ihre Bekanntschaft mit Zweigs Frau. Ein heiterer Brief an ihren Ehemann, der sich zu dieser Zeit noch in Palästina aufhielt, spielt auf die Freundschaft an: „Traf heute Frau Stefan Zweig die mich einlud, – immer und überall Zweige“, womit wohl auch Stefan Zweigs Bruder Arnold gemeint war, den sie in Palästina kennengelernt hatte und zu ihren Freunden zählte.
5.1 Wiener Zeit, „Die Stadt“, „Kinderfreuden“ und „Die Maske des roten Todes“
Abb. 16: Holzschnitt, Illustration für Stefan Zweigs „The Buried Candelabrum“, 1937.
drei Künstler am vielleicht deutlichsten zutage. Etwa gleichzeitig mit den ersten Holzschnitten und eng mit ihnen verbunden entstanden zudem geschnitzte Reliefs, Aktfiguren und Köpfe, die in ihrer Bearbeitung formal und inhaltlich auf den Holzschnitt zurückwirkten – und umgekehrt.6
Die Wirklichkeit wird nicht naturgetreu wiedergegeben. Sie konstruiert eine eigene abstrakte Interpretation. Auch das illustrierte Buch „Kinderfreuden“ war sehr erfolgreich. Zudem veröffentlichte Hamerschlag Illustrationen in verschiedenen Zeitungen und Zeitschriften. Unter dem Einfluss des deutschen Expressionismus stehend hinterlässt sie einen auffallend starken Eindruck. Unter ihrer Hand verformt sich die ganze Welt. Häufige Bildmotive sind Stadtszenen und Menschen in ihrer tatsächlichen Existenz. Themen wie Leben, Tod und Vergänglichkeit, die beim Betrachter häufig eine emotionale Reaktion hervorrufen, 6
https://artinwords.de/holzschnitt-und-holzplastik-im-deutschen-expressionismus-kirchner-heckel-und-schmidt-rottluff/ (abgerufen am 28.03.2022).
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5. Sich einen Namen machen
zählen zu den wichtigsten Ausdrucksformen ihrer graphischen Arbeiten. Neben Zeichnung und Lithographie bevorzugt sie diese Technik, die eine neue und unmittelbare Natürlichkeit in der Kunst symbolisiert. Was aber Margareta Hamerschlag vorantreibt, ist ihre Suche nach einer individuellen Ausdrucksform. So unterschiedlich ihre Themen und Techniken sind, so strebt sie danach, ihren Emotionen über die Kunst Ausdruck zu verleihen und darzustellen, wie sich die Welt für sie anfühlt. Nur selten folgt sie dabei klassischen Kompositionskriterien, sondern lässt sich von ihrer Spontanität und Intuition leiten. Enttäuschung, Trauer, Freude, Müdigkeit, Schmerz und Angst sind Beispiele für Gefühle und Empfindungen – sie spiegeln sich in ihren Werken wider. Ihre erhaltenen Arbeiten zeichnen sich vorwiegend durch grobe Formen aus und erwecken einen unmittelbaren und beängstigenden Eindruck.
5.2 Wiener Werkstätte Die Wiener Werkstätte, die einen immensen Einfluss auf das moderne Design ausübte, sollte sowohl in ihrem persönlichen als auch in ihrem kreativen Leben eine wichtige Rolle spielen: 1922 heiratet Margareta Hamerschlag Josef Berger, einen jungen Architekten, dessen Familie größtenteils Handwerker und Künstler in der Wiener Werkstätte waren.7 Da gab es schon früh Aufträge der Werkstätte für die aufstrebende junge Künstlerin. Das Netzwerk war sowohl beruflich als auch persönlich für sie von Nutzen. Margareta und ihr Mann verbrachten die meiste Zeit in der Kunstkolonie am „Rosenhügel“8 in 7 8
Hier wird im Eheschein ihr Vorname mit „Margarethe“ geschrieben. „Der Wiener Fotograf Derbolav Machovsky dokumentierte 1921 mit viel Empathie das Werden der Siedlung am Rosenhügel und die Arbeit der SiedlerInnen. Insbesondere die Frauen, die am Bau schwere Arbeit verrichteten, erregten seine Aufmerksamkeit. […] Die Grundstücke auf dem Rosenhügel stellte die Gemeinde der Genossenschaft als Baurecht zur Verfügung. Auch die Finanzierung wurde zu großen Teilen von der Stadt übernommen. Die Siedlerund Siedlerinnen brachten als Eigenleistung 1.500 bis 2.000 Arbeitsstunden als ‚Muskelhypothek‘ ein, die akribisch genau in ‚Stundenbüchern‘ vermerkt wurden. Die Siedlung am Rosenhügel wurde von den Architekten Hugo Mayer und Emil Krause als erstes Bauvorhaben der Gemeinnützigen Kleingarten- und Siedlungsgenossenschaft Altmannsdorf-Hetzendorf geplant, einem Zusammenschluss von Kleingartenvereinen…“ Intellektuelle, Architekten und Architektinnen wie Adolf Loos, Otto Neurath, Margarete Lihotzky oder Josef Frank unterstützten die Bewegung euphorisch und sahen in der gebotenen
5.2 Wiener Werkstätte
Wien am Rande der Großstadt.9 Josef Berger hatte 1921 mit seinem Studienkollegen Martin Ziegler das Büro Berger/Ziegler mit Sitz in Wien 8, Lerchenfelder Straße 54 gegründet. Anfang 1925 gründeten Otto Bauer, Josef Berger und Martin Ziegler den „Bund junger österreichischer Architekten“ (B.Ö.A.). Der Vereinigung war aber kein langes Leben beschieden, denn sie wurde bereits 1934 wieder aufgelöst.10 Das Büro Berger/Ziegler wurde gelegentlich durch Josef Bergers Bruder Artur verstärkt, der sich zunehmend der Arbeit für den Film zuwandte. Ihre beiden Schwestern Hilde und Fritzi betrieben den Modesalon „Schwestern Berger“. Über Josef Berger kamen viele Architekten und Architektinnen in die Kreise um Bergers Schwester Hilde und deren Mann, den Dichter und Glasbläser Fritz Lampl, deren Salon, einem von Otto Wagner entworfenen Haus in der Döblergasse 4, sie frequentierten. Auch die Kunstgewerblerin Cornelia (Nelly) Hamerschlag kam durch die Heirat ihrer Schwester Margareta mit Josef (Pepi) Berger in den Döblergassen-Kreis. Ihr Sohn, François Koch, erinnert sich: „Der Architekt Otto Bauer war ein guter Freund von Pepi Berger. […] Die Geschwister Hamerschlag, d. h. meine Mutter Nelly und Margarete Berger, haben, wahrscheinlich vor allem durch die Lampls, Floch, Merkel, Ehrlich, Ehrenstein, Felix Salten u. a. kennengelernt, und durch Josef Berger Otto Bauer und viele andere Künstler.“11 Nelly Koch-Hamerschlag, Margaretas Schwester, schrieb in ihren unveröffentlichten Erinnerungen: Lange nach ihrer Hochzeit machten Pepi und Gretl ihre Hochzeitsreise, die insofern ungewöhnlich war, als alle ihre Freunde mit ihnen kamen. Sie waren zu elft in der kleinen Pension am Gardasee: sie selbst, Hilde und Fritz Lampl, der Architekt Otto Bauer, der Dramatiker Carl Zuckmayer, Albert Schlichtheit und Zweckmäßigkeit die Verwirklichung einer neuen demokratischen Wohnkultur. Siehe: Siedlungsbau am Rosenhügel 1921, Fotografien von Derbolay, Machovsky, in: Ausstellungskatalog, DAS ROTE WIEN, 1919–1934, Ideen, Debatten, Praxis, Hrsg. von Werner Michael Schwarz, Georg Spitaler, Elke Wikidal, 426. Sonderausstellung des Wien Museums, Wien, Museum MUSA, 30. April 2019 bis 19. Jänner 2020, S. 176–179. 9 Nyburg: Hamerschlag, S. 129. 10 Architektenlexikon. Wien 1770–1945. http://www.architektenlexikon.at/ de/43.htm, (abgerufen am 29.12.2021). 11 François Koch: E-Mail an Iris Meder vom 6. Dezember 2007, Übersetzung I. M. Zit. nach: Iris Meder, Fragmente zu Leben und Werk des Architekten Otto Bauer: „Ihr Platz ist in der Welt“ auf: http://david.juden.at/2008/76/15_ meder.htm, (abgerufen am 29.12.2021).
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5. Sich einen Namen machen
Ehrenstein – ein Schriftsteller, der damals auf dem Höhepunkt seines kurzen Ruhmes war –, Fritzi Hohenberg mit ihrer kleinen Susi und die beiden Architekten namens Breuer… Zu Beginn unserer Beziehungen zu den Lampls trafen wir oft den Architekten Otto Bauer, einen großen, immer sehr eleganten Mann, dessen abgeflachte Ohren ihn wie einen Faun aussehen ließen.12
Ihre Ausbildung bei Franz Čižek an der Wiener Kunstgewerbeschule ermöglichte es Nelly Hamerschlag, in Paris kleine kunsthandwerkliche Objekte herzustellen. Nach ihrer Heirat mit dem elsässischen Architekten Paul Koch wob sie im gemeinsamen Wohnatelier L‘Impasse du Rouet selbst entworfene konstruktivistisch gemusterte Textilien, mit denen sie den Lebensunterhalt für beide sicherte. Paul Koch, damals noch Student, hatte kein regelmäßiges Einkommen. Neben Bauer war der Wiener Maler Josef Floch ein wichtiger Kontakt, „dessen Atelier nicht weit von dem war, in dem sie mit meinem Vater bis 1940 lebte und wo sie eine direkte Nachbarin von Georg Merkel und seiner Frau war.“13 Nach den frühen aufsehenerregenden graphischen Arbeiten erhielt Margareta Berger-Hamerschlag 1928 ihren ersten Auftrag zur Theaterarbeit – möglicherweise durch Kontakte zur Wiener Werkstätte – der sie nach Rom führen sollte. Dort entwarf und führte sie die Kostüme für eine Produktion von „La Morte del Dottor Fausto“ aus, die auf Goethes Faust basierte, aber von Michel de Ghelderode umgeschrieben worden war als „tragedia per music-hall in un prologo e tre atti“.14 Das Stück sollte im avantgardistischen Theater „Teatro Sperimentale degli Indipendenti“ in Rom unter der Leitung eines visionären Menschen aufgeführt werden, der genau wusste, was er vom Leben zu erwarten hatte und 12 Nelly Koch-Hamerschlag, Mes premières années à Paris, unveröffentlichtes Manuskript, Übersetzung I. M., E-Mail an Iris Meder vom 21. Dezember 2007. Zit. nach: Iris Meder, Fragmente. 13 François Koch: E-Mail an Iris Meder vom 6. Dezember 2007, Übersetzung I. M. Nach dem Krieg lebte Nelly Koch-Hamerschlag einige Jahre in England, wo sie die Handweberei-Abteilung des Kaufhauses Liberty’s aufbaute. Sie starb 95-jährig im Jahr 1999. Über weitere Kontakte zwischen Margareta Berger-Hamerschlag zu ihrer Schwester sind keine Hinweise bekannt. 14 Veronika Pfolz: „ER HAT MEIN GANZES WESEN VERÄNDERT“, ZWEI SCHÜLERINNEN STRNADS. In: Oskar Strnad, 1879–1935, hrsg. für das Jüdische Museum der Stadt Wien, von Iris Meder und Evi Fuks, Salzburg – München 2007, S. 91–92.
5.2 Wiener Werkstätte
zukunftsorientierte Ziele anstrebte: Anton Giulio Bragaglia. Er war sehr an der Avantgarde interessiert und hatte Ausstellungen von Werken von Giacomo Balla, einem der bekanntesten Dadaisten, und von Künstlern wie Gustav Klimt und Egon Schiele organisiert. Es war jedoch der Futurismus, der besonders Italien in den 1920er Jahren erfasst hatte.15 In einem von mehreren Briefen, an ihren ehemaligen Professor der Kinderklasse, Franz Čižek, undatiert, aber dem Jahr 1928 zuzuordnen, bezieht sich Margareta Berger-Hamerschlag auf einen Entwurfsauftrag, den sie für das italienische Theater erhielt: Verehrter lieber Herr Professor, ich musste vor acht Tagen schnell nach Rom, Theaterkostüme für das futuristische Teatro degli Indipendenti zu zeichnen. Ich musste mit dem Aeroplan her, die Direktion bezahlte es mir – das war schrecklich. Aber hier geht’s mir gut ich habe furchtbar viel Arbeit, die mich freut und mache in den Vorräumen des Theaters eine Ausstellung von Theater und Tanzkostümen.16
Der Stil der Zeit war sehr von der Alltagsmode der 1920er Jahre beeinflusst, aber auch von dem bahnbrechenden Design des „Ballets Russes“, der Farbe der Kostüme von Léon Bakst, der ein wichtiges Mitglied von Sergej Djagilews Künstlerkreis war.17 Glücklicherweise hatten sich die Kunstklassen an der 15
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Von 1916 bis 1922 stürzte sich Bragaglia in die Erneuerung des Theaters und setzte neue Formen der Szenengestaltung und Inszenierung ein. 1922 gründete er den Teatro degli Indipendenti, bei dem die Schauspieler oft Amateure waren. Das letzte Stück, eines von Berthold Brecht, wurde 1931 aufgeführt, woraufhin das Theater geschlossen wurde. Auch andere Werke der damaligen Erneuerer wie Strindberg, Schnitzler, Unamuno, Apollinaire, O’Neill und Pirandello waren dort aufgeführt worden. Vgl. Anna Nyburg, S. 132–134. Dieser kurze Brief ist im Besitz der Autorin. Ihre Arbeitsmappe enthält ihre Arbeiten für diese Produktion, Farbskizzen für die bekannten Charaktere: Mephistopheles, Gretchen etc. Auf die Fähigkeit, Kleidung zu entwerfen und zu kreieren, konnte Margareta immer zurückgreifen. Ob sie nach ihrer Einwanderung 1936 in England auf diese Weise Geld verdiente, ist nicht klar, aber ihre Mappen enthalten Dutzende fertiger Kleiderskizzen mit Notizen zu den verwendeten Stoffen. Die meisten von ihnen tragen den Titel „Für Elisabeth Bergner“, eine berühmte Wiener Schauspielerin, die wie sie nach England ausgewandert ist. Die Annahme ist naheliegend, dass zumindest einige dieser vielen Designs tatsächlich von Bergner gekauft wurden.
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Abb. 17: Links: Kostümentwurf für Elisabeth Bergner (Elisabeth Ettel) im Auftrag von Anton Giulio Bragaglia, Ende der 1920er-Jahre, rechts: Entwurf für Molly Fortham, 1938.
Kunstgewerbeschule in Wien in keiner Weise vor neueren Bewegungen in der Kunst gescheut. Über Expressionismus, Abstraktion und den Kinetismus stellte sie fest, dass „die neuen Künste über Nacht pilzartig, aufregend und verwirrend emporgesprossen waren“.18 Man kann sich gut vorstellen, welche kreative Zufriedenheit ihr dieser Auftrag in Rom geboten hatte.19
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The Pilgrimage, S. 174. Laut dem Sohn Margareta Berger-Hamerschlags, Raymond Florian Berger, stand sie Anton Bragaglia, dem Pionier der italienischen futuristischen Fotografie und des Kinos, einer kreativen und einflussreichen Persönlichkeit, sehr nahe.
5.3 Von der Kunst leben…? Erste Anerkennung und Reisetätigkeit
5.3 Von der Kunst leben…? Erste Anerkennung und Reisetätigkeit Es folgen Ausstellungen in der Galerie Schamer in Frankfurt und in der Galerie Würthle in Wien sowie im Hagenbund. Auch nach dem ersten Weltkrieg hatten Frauen nur die Möglichkeit, als Gast in den Künstlervereinigungen auszustellen. Die Mitgliedschaft blieb ihnen weiterhin verwehrt. So findet 1927 die Erste Wiener Frauenkunstausstellung in den Räumen des Museums für Kunst und Industrie statt, wo Margareta Berger-Hamerschlag mehrere Werke zeigt.20 So ernsthaft und diszipliniert, wie Margareta Berger-Hamerschlag ihre Holzschnitte präsentierte, betrieb sie auch ihre berufliche Etablierung. Es war schon in jungen Jahren zu spüren, dass sie über einen guten Geschäftssinn verfügte, dem eine ausgeprägte kreative Begabung zugrunde lag. Schon früh machte sie Nägel mit Köpfen und die Ideen dazu schöpfte sie aus sich selbst. Manche Herausforderung, der sie sich mit ihrem ausgeprägten Ehrgeiz gestellt hatte, war zwar zunächst eine Nummer zu groß, doch sobald eine Möglichkeit bestand, sich zu definieren, nutzte sie jede Gelegenheit. Ihr Name war seit 1928 auf lokaler und überregionaler Ebene geläufig und die Künstlerin als großes Talent bekannt. Ihr Freund und Förderer Fritz Lampl schrieb 1928 in „Deutsche Kunst und Dekoration“: Das südliche Element ist in den Bildern der jungen Wienerin Margarete Hamerschlag unverkennbar, jene ewige deutsche Romantik, die sich an der Vielfalt sinnlicher Erscheinung steigert und berauscht. – Von der Graphik kommend (ihre Mappenwerke „Die Stadt“ und „Masken [sic] des roten Todes“ sind auch in Deutschland bekannt geworden), aus einer kindlichen, aber höchst visionären Dämonie, hat Margarete Hamerschlag die leidenschaftlichen Abstrakta ihrer Jugend allmählich in realere, beseelte Phantasien umgewandelt, die für die Entwicklung dieser ungewöhnlich begabten Künstlerin zeugen. Sie liebt die starken, leuchtenden Farben und das schmückende Beiwerk erlesener Dinge. Immer aber ist die Wirklichkeit in ihren Bildern und Selbstporträts in besonderer Weise verwandelt, Maske geworden, erstarrt, immer liegt ein Schleier exotischen Wesens in den Augen ihrer Geschöpfe. – Wo das Gegenwärtige als unleidlich empfunden 20
Leider sind uns aus dieser Zeit sehr wenige Arbeiten bekannt. Aber der Holzschnitt „Das Gastmahl“ aus dem Jahr 1927 deutet auf ihre Beherrschung der Graphik hin. Abgebildet in: Ausstellungskatalog „Stadt der Frauen“,2019, S. 217 (Universität für angewandte Kunst Wien, Kunstsammlung und Archiv).
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wird, beginnt die Suche nach dem paradiesischen Zustand, nach der unendlichen Fülle und Buntheit des Daseins. Dadurch geht, wir haben es bei Gauguin erlebt, der echte Zusammenhang zwischen Mensch und Natur verloren, die Dinge verlieren ihre zwingende Realität, zutage tritt ein spielerisches Abbild des Äußeren oder eine traumhafte Spiegelung des Inneren, in keinem Falle ein leidendes Erfassen des Lebens. Hier liegt die Entscheidung des Künstlers. Die wesentliche Entscheidung bei Margarete Hamerschlag steht noch offen. Was ihr zugute kommt, ist eine schöpferische Naivität, die selten genug geworden ist, eine innerliche Art des Schauens, aus einer Mischung von Sinnenfreude und Lebensangst entstanden, die ihren Bildern Reiz und Anmut gibt. Margarete Hamerschlag wird, wenn sie die Gefahren der spielerischen handwerklichen Malübung vermeidet, der allzu leichten Hand nicht nachgibt, bald in der Reihe der Besten stehen.21
Aus Privatbesitz ist eine Mappe aus den Jahren zwischen 1928 und 1931 mit fünf Zeichnungen, „Akt mit Obstschale“, „Grete Wind“ (Porträt), „Frau mit Halskette“, „Frau“ (Porträt) und einem „Selbstporträt“ bekannt. Insgesamt besteht die Mappe aus 38 Aquarellen, davon zehn Stillleben und 28 Landschaftsbilder, die vor allem Zeugnis ihrer Reisen geben. Diese zeigen die Gegend um Wien, Holland, Nürnberg, Südtirol, Abano bis Rom.22 Die oben wiedergegebene Beschreibung Fritz Lampls trifft dabei ins Schwarze. Die wichtigste Grundtechnik ihrer Gemälde und Aquarelle ist die Lasur. Ihre Anwendung legt sich schon durch den Einsatz der speziellen, „lasierenden“ Farben nahe. Da beim Lasieren die stark mit Wasser verdünnte Farbe auf den trockenen Malgrund aufgetragen wird, trocknet durch den dünnen Auftrag die Farbe sehr schnell und lässt sich nach dem Trocknen mit weiteren Farbschichten übermalen. Wenn der gleiche Farbton verwendet wird, 21 Fritz Lampl: Margarete Hamerschlag. In: Deutsche Kunst und Dekoration. Darmstadt, XXXII. Jahrgang, November 1928, Heft 2, S. 107. 22 Dazu gibt es auch ein Gutachten von einem Spezialisten, Dr. Leo Bokh, Leiter des Joanneum Graz aus dem Jahre 1950 vom 24. Jänner. Die Liste der Aquarelle und Zeichnungen von Margareta Berger-Hamerschlag befindet sich jetzt in Privatbesitz. Ebenso erging ein Brief des Besitzers der Mappe mit dem Datum vom 4. Dezember 1984 an die Akademie der Bildenden Künste, worin sich der Besitzer äußert, dass wahrscheinlich „Margarethe Hammerschlag [sic] im Zuge der nazistischen Invasion aus Österreich verschwunden ist“. Weiters bietet er in dem Brief an, dass er etwa von der Ausstellung von verfolgten Künstlern in Wien von 1985 Bilder von Margareta Hamerschlag zur Verfügung stellen könne. (Joanneum Graz).
5.3 Von der Kunst leben…? Erste Anerkennung und Reisetätigkeit
Abb. 18: Frau mit Halskette, 1932.
entstehen somit dunklere oder hellere Bereiche, wobei die Lasur sowohl eine farbsteigernde als auch eine farbdämpfende Wirkung hat. Die Farbschichten lassen sich über- und nebeneinander anlegen. Oft aber malt sie in den feuchten Malgrund oder in eine noch feuchte Farbe hinein, wodurch die Farben ineinanderlaufen. Hier ist ihre meisterhafte Beherrschung des Umgangs mit dem Malgrund zu sehen, bei der Farbe und Pinsel die Führung übernehmen.
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5. Sich einen Namen machen
Abb. 19: Stillleben mit Melone.
Das zeichnerische Element kommt ebenfalls zum Tragen wie z. B. bei dem „Stillleben mit Melone“ (Abb. 19). Gerade durch die Lockerung der Kontrolle über den Farbverlauf und durch das Spielen mit dem Fluss der Farben kommt es zu Effekten, die für ihre Arbeiten charakteristisch sind und die Farben zum Leuchten bringen. Margareta Berger-Hamerschlag reiste nach dem Abschluss der Kunstgewerbeschule in Wien viel, und malte sehr viel in Nord- und Süditalien, Wien und Umgebung. Soll man ihre Entwicklung charakterisieren, so lässt sich mit dem Blick auf die Höhepunkte ihrer Arbeit in den 1920er bzw. Anfang der 1930er Jahre entstandenen Bilder und Aquarelle sagen: Sie hat ihre lebenslange Auseinandersetzung mit der Natur und der Frage der künstlerischen Wiedergabe der Gegenstandswelt in den Mittelpunkt ihrer künstlerischen Arbeit gestellt. Dies führte sie auch noch während ihres ersten und zweiten Exils fort, sofern Malmaterial vorhanden war.
5.3 Von der Kunst leben…? Erste Anerkennung und Reisetätigkeit
Abb. 20: Ohne Titel.
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Abb. 21: Ohne Titel.
5.3 Von der Kunst leben…? Erste Anerkennung und Reisetätigkeit
Abb. 22: Vasen mit Kerzen, 1931.
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5. Sich einen Namen machen
Abb. 23: Gelbe Blumen, 1931.
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Abb. 24: Ohne Titel.
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5. Sich einen Namen machen
Abb. 25: Schale mit Figur 1931.
5.3 Von der Kunst leben…? Erste Anerkennung und Reisetätigkeit
Abb. 26: Blumenstillleben, 1934.
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Abb. 27: Ohne Titel.
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Abb. 28: Blumenstillleben, 1932.
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Abb. 29: Rosen.
5.3 Von der Kunst leben…? Erste Anerkennung und Reisetätigkeit
Abb. 30: Stillleben mit Fisch.
Abb. 31: Stillleben mit Fisch (Collage).
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5. Sich einen Namen machen
Abb. 32: Tempel in Tivoli, 1932.
Es sind aus der Zeit von 1927 bis 1932 äußerst expressive und farbstarke Ölgemälde wie „Tempel in Tivoli“ (Abb. 32), „Baum am Gardasee“ (Abb. 33), „Mutter mit Kind“ (abgebildet in „Deutsche Kunst und Dekoration“) (Abb. 34), „Apfelernte“, „Liebespaar“ (Abb. 35), „Pastorale Szene“ (Abb. 36) und die ausdruckstarke Szene mit zwei Fischern und einer Frau, tituliert mit „Golf von Tigullio“, (Abb. 37) bekannt. Man kann davon ausgehen, dass viele
5.3 Von der Kunst leben…? Erste Anerkennung und Reisetätigkeit
Abb. 33: Baum am Gardasee.
von Berger-Hamerschlags Kunstwerken verschollen sind oder auf irgendeinem Dachboden lagern, ohne dass die Besitzer wissen, um welche Künstlerin es sich handelt.
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5. Sich einen Namen machen
Abb. 34: Mutter mit Kind (Madonna), 1928.
Ihre Aquarelle und Landschaften aus dem Mittelmeerraum bestechen durch ihre lyrische Farbenpracht und ihre Fröhlichkeit neben den dunklen Seiten der modernen Großstadt. Leopold Wolfgang Rochowanski schreibt 1930 in „Deutsche Kunst und Dekoration“: Sie ist immer nur mit sich beschäftigt. Sie hat soviele Träume und Wünsche, sie ist auch immerwährend auf Reisen, mit ihren Sinnen, in umblaute Landschaft mit vielen sanften Hügeln. Jeder Hügel trägt als Krönung einen einzigen Baum wie einen schönen Gedanken. Und die Welt ringsum ist wie eine Wiese und die Wiese wie ein Teppich und der Teppich treibt Blüten und weiche Gräser. In der Mitte sitzt eine schöne Frau und die Frau ist meist sie selbst […] Mit viel Vorliebe pflegt sie den Holzschnitt. In einem Zyklus „Die Stadt“, der als Mappenwerk erschien und längst vergriffen ist, hat sie alle leidenschaftlichen Kontraste des Vergnügens und des Schmerzes gegeben, das Licht und Dunkel vor und hinter den Mauern. Ihre Welt aber liegt in Abenteuern, draußen bei Schiffen, die über goldene Gewässer fahren […] Wollte ihr jemand eine Freude machen, müßte er ihr eine schöne seltene Blume
5.3 Von der Kunst leben…? Erste Anerkennung und Reisetätigkeit
Abb. 35: Liebespaar.
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Abb. 36: Pastorale Szene, 1927.
5.3 Von der Kunst leben…? Erste Anerkennung und Reisetätigkeit
Abb. 37: Golf von Tigullio, 1928.
schenken oder auch ein Kochrezept. Das müßte etwa lauten: man nehme eine Karaffe Tautropfen, reibe Mandeln und Bananen hinein, schlage das Ei einer Goldamsel dazu und verrühre das Ganze unter Absingen eines altitalienischen Schifferliedes. Dann tauche man Veilchen oder die Blätter von einer weißen Rose in den Teig, backe sie in Akazienöl schön goldgelb.23
Dennoch begegnet sie den Herausforderungen des Lebens mit einem klaren und objektiven Verstand, klarer Weltsicht und Wahrheitsliebe. Man könnte ihr Wesen vielleicht auch so beschreiben, dass sie dazu neigte, vorwiegend mit dem Kopf zu leben – mit all den Vor- und Nachteilen, die so eine Position mit sich bringt. „Mit dem Kopf leben“ macht sie nicht unbedingt zur Intellektuellen oder zur akademisch beliebten Zeitgenossin. Sie war eine politisch 23
Leopold Wolfgang Rochowanski: Margarete Hamerschlag. In: Deutsche Kunst und Dekoration. XXXIV. Jahrgang, Februar 1931, S. 323. Siehe auch: Rudolf Minichbauer: Margarete Hamerschlag. 1902 Wien–1958 London. Wien: Galerie Walfischgasse 2008.
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engagierte und selbstbewusste Frau geworden. Ihre noch existierenden Gemälde, Aufzeichnungen und Briefe bleiben Dokumente eines Lebens, das auf schlichte Weise dem Frieden verpflichtet war.
6. Das zweite Leben – Neuanfang im Exil
6.1 Wien – Haifa – London Die Entscheidung Margareta Berger-Hamerschlags, im Jahr 1934 nach Palästina auszuwandern, war durch die politische Situation in Österreich ausgelöst worden. Sehr an Politik und sozialen Problemen interessiert, waren sie und ihr Ehemann Josef Berger über die 1934 ausbrechenden Kämpfe zwischen Sozialdemokraten und der Regierung schockiert. Am Ende erlitten die Sozialisten eine äußerst brutale Niederlage und der Austrofaschismus wurde von Dollfuß installiert. Für die Bergers – wie für viele andere – wurde die Situation in Österreich unerträglich. Das Ehepaar reagierte auf diese Situation, indem es eine Auswanderung in Betracht zog.1 Als Josef Berger als aufstrebender Architekt eingeladen wurde, in Haifa ein Hotel zu bauen, nahm er das Engagement bereitwillig an. Ähnlich schwierig war jedoch die Lage in Palästina – entgegen allen Hoffnungen. Ihr reger Briefverkehr mit Verwandten und Freunden bezeugt dies. Besonders hervorzuheben sind ihre illustrierten Briefe, in denen Margareta die Situation in Palästina darstellt. Diese belegen zuerst noch ihr ungebrochenes künstlerisches Dasein, jedoch folgen schon bald auch Briefe, in denen sie ihre Resignation formuliert. 22. September 1935 Liebenswürdiger Vetter Friedrich, o, so möge Fortuna, – die spröde aber zutunliche Dirne, – das Füllhorn des Glückes über Dich ausstreuen. Die Sonne möge Dir nie untergehen, ausser wenn sie mit dem Monde abwechselt, dass dafür Luna Dir Schimmerchen ihres Glanzes abgebe. Die Blumen mögen Dir ewig spriessen und Dich durch Farbe und Duft beglücken, (durch leises Blättchen wehen im Zephir, und so es keine Blumen gibt) so möge blitzender Schnee, knirschend unter Deiner männlichen wuchtigen Schulter Dein Herz
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Margareta Hamerschlag hatte grundsätzlich schon Ende der 1920er Jahre in Betracht gezogen, nach Amerika auszuwandern.
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6. Das zweite Leben – Neuanfang im Exil
Abb. 38: Brief an Vetter, September 1935.
6.1 Wien – Haifa – London
erfreuen, weissfunkelnd und kristallen. Weissangefunkelte Bergrücken auch Bergbuckel benamstet, beschneite Tannen, bläulicher Hauch aus Deinem Munde, (gefrorene Wörtelchen, ungeborene im Wintertag). Was noch wünsche ich dir? Soll ich Dir ein besseres Herz wünschen als jenes pferdene, das
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6. Das zweite Leben – Neuanfang im Exil
wir jüngst in zäher Arbeit mit Zwiebel verspeisst haben? Aber das hast du ja. Lieber, das hast Du ja! Soll ich Dir Arzt-Zigaretten wünschen aus Tutankhamens Schatzkämmerlein? Vielleicht wünsch ich Dir’s. Soll ich dir ein flachsblondes Dirndl wünschen? Mir scheint, das gibt’s schon. Hast du Wünsche nach Pünschen? Übermorgen sind wir (während Ihr wähnt (es sei ein Werkeltag wie ein anderer) schnaufend auf den Kopf des Jahres geklettert und gucken von dort herunter auf die herrlichen Taten, die wir im vergangenen Jahre vollbrachten und die herrlichen der grossen und herrlichen, ach! – aller der grossen und herrlichen Männer die hier blühen wie die Brennnesseln um den Mistkübel. Und werke ich in stiller Bekümmernis den Pemstel und rühre ihn fleissig in Indigo und goldenem Ocker und mein Gefährte, der Knabe schwinget des Dreiecks. Und sitze ich im stilllärmenden Kämmerlein eben des Josefs und drängt sich mir grad gegenüber ein Berg auf, Hügel vielmehr und ist voll rotgelben und graulila Steinen, schütterst begrünt und will: Carmel heissen.2 Auf seinem Bauch krabbeln wasserköpfige und aussätzige Häuser hinauf, Elendskinder. Ringsum aber wird gesprengt, gehämmert, Kies durch Riesenblechmäuler getrieben, arabisch gebrüllt, hebräisch gebrüllt. Die Nerven beruhigt allein das stolze Gefühl vom Aufbau. Wann aber beschert uns das kommende Jahr (mög’ es immer ein jüdisches, christliches, hottentottisches oder friaulisches sein) ein Friedriches Büchlein? Das wage ich leise nur hinzuhauchen, dass es eben niemand hört als der Friederizl. Dem aber möge es ins Herz brüllen. Das aber wünsche ich uns allen zum Geburtstag. Und kann ich eine so heilige und hochwichtige Sache nur mit: AMEN beschliessen. Und nur noch eine aber sehr herzliche Umarmung und Abbusselei hinzufügen. Verbleibe dem ungeachtet in allen Ehren und Honesterei Margareta, einst Nonne der „heiligen Schwestern vom Rosenhügel“ jetzt „d’lustige Carmeliterin.“ (sollten sie zufällig wahrhaftig eine flachsblonde Lebensgefährtin besitzen, so bitte gefl. einiges von der reichlich bemessenen Busserlportion abzugeben). 2
Gemeint ist das Carmel-Gebirge.
6.1 Wien – Haifa – London
Zwei Tage später, am 24. September 1935, folgt ein Brief von Josef Berger: Lieber Friedrich von der Lampe, ich bekenne mich, die Pfeife im linken unteren Mundwinkel, zum Empfang eines wuchtigen Textes und ungemein interessanten Bildern vortrefflich zusammengestellten Buches über Amerika, welches mir viel Freude macht. Da Du es kaum erwarten kannst, dicht hinter mir das dunkel dieser Welt zu erblicken, werter Septembermann, so prelle ich die ohnehin allzugut situierte palästinensische Post um ein Porto und schlinge den Dank für das liebe Geschenk (bei welchem das freundliche Gedenken noch höher geschätzt wird) mit meinen herzlichen Wünschen zu Deinem Geburtstag zu einem anmutigen Kranz, welchen ich Dir hiermit um den Hals hänge. Margaretens aus Honig und Galle gemischter Wunschzettel lässt ja nichts zu wünschen übrig und so erkläre ich mich mit jenem wohlgeratenen Weibe solidarisch. Bleibt nur eine Erläuterung zu der beigegebenen Abbildung, dass die Synagogendarstellung sich etwas mit der Erinnerung an die Ruinen von Baalbek gemischt hat, was ein umfangreiches Untersuchungsmotiv für Psychoanalytiker, Anthroposophen und andere Mondsüchtige abgäbe. Solltest Du in den nächsten Tagen meiner jüngeren Schwester begegnen, so entbiete ihr meine besten Glückwünsche zu Deinem Geburtstag womit ich mir die Ehre gebe mich Ihrem weiteren und freundlichen Wohlwollen ergebenst zu empfehlen als ihr suspektesten Mäxchen, Waski, Pepsch von Pilesen oder kurz Josef, Fipsi, Tiglat der Eurige. 24.9.353
Die Bundeszentrale für politische Bildung beschreibt, warum Palästina zum Zufluchtsort für Juden wurde: Unter den vielen Ländern, in denen europäische Juden vor der nationalsozialistischen Verfolgung und Vernichtung Zuflucht fanden, nimmt Palästina einen besonderen Stellenwert ein. Flüchtlinge, die nach Palästina emigrierten, hofften darauf, in Zukunft Bürger und Bürgerinnen eines jüdischen Nationalstaats zu sein, während sie in allen anderen Exilländern auch weiterhin zu einer gesellschaftlichen Minderheit gehören würden.4 3 4
Beide Briefe befinden sich in Besitz der Autorin. Kim Wünschmann, „Palästina als Zufluchtsort der europäischen Juden bis 1945“ https://www.bpb.de/themen/holocaust/gerettete-geschichten/149158/ palaestina-als-zufluchtsort-der-europaeischen-juden-bis-1945/, (abgerufen am 22.01.2022).
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6. Das zweite Leben – Neuanfang im Exil
Die individuelle Exilerfahrung der Betroffenen hing neben den persönlichen und beruflichen Voraussetzungen stark vom Asylland selbst ab. Nicht nur seine Lage, sondern auch die Einreise- und Aufenthaltsbedingungen, die politischen und wirtschaftlichen Verhältnisse sowie das kulturelle Umfeld vor Ort hatten wesentliche Auswirkungen auf das Leben und die Akkulturationsbemühungen der Kulturschaffenden.5 Nach dem Ende der osmanischen Herrschaft übertrug 1922 der Völkerbund das Mandat für Palästina an Großbritannien. Die Briten sollten hier die Balfour-Deklaration verwirklichen, in der sie 1917 die ‚Gründung einer nationalen Heimstätte für das jüdische Volk‘ versprochen hatten. Für den Zionismus, der politischen Bewegung, die auf die Errichtung eines jüdischen Staates in Palästina abzielte, war die Balfour-Erklärung eine wichtige Anerkennung. Bis zur Gründung des Staates Israel am 14. Mai 1948 kämpften die Zionisten um die Einlösung des Versprechens.6 Vor 1933 war der Zionismus eine Minderheitenbewegung, die überwiegend junge Leute anzog, welche bereit waren, sich den Herausforderungen zu stellen, ein neues Leben mit vielen Entbehrungen in einem umkämpften Land fern der Heimat aufzubauen.7
6.2 „Neuanfang im Heiligen Land“8 Bis Ende 1938 wanderten über 200.000 Juden aus West- und Mitteleuropa nach Palästina ein. Ihr vergleichsweise hoher Bildungsgrad, ihre beruflichen Qualifikationen und Erfahrungen förderten die Wirtschaft, den Aufbau des Gesundheits-, Bildungs- und Verwaltungswesens sowie die Kultur der Jischuw-Gemeinde. Vielen Juden aus Deutschland, in Palästina als ‚Jeckes‘ bezeichnet, fiel die Anpassung an den mediterranen Lebensstil und das hei5 6
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Jahresbericht 2020 des Museums der Moderne Salzburg, S. 28. https://www.bpb.de/geschichte/nationalsozialismus/gerettete-geschichten/149158/palaestina-als-zufluchtsort-der-europaeischen-juden (abgerufen am 22.01.2022). https://www.bpb.de/geschichte/nationalsozialismus/gerettete-geschichten/149158/palaestina-als-zufluchtsort-der-europaeischen-juden (abgerufen am 22.01.2022). https://www.bpb.de/geschichte/nationalsozialismus/gerettete-geschichten/149158/palaestina-als-zufluchtsort-der-europaeischen-juden (abgerufen am 22.01.2022).
6.2 „Neuanfang im Heiligen Land“
ße Klima nicht leicht. Durch ihre steifen Umgangsformen, ihren bürgerlichen Kleidungsstil, ihre übertriebene Höflichkeit und ihr Festhalten an der deutschen Sprache fielen sie auf. Für viele war die Übersiedlung mit einem Statusverlust verbunden. […] Die Alija Bet, die illegale Einwanderung, war ein gefährliches Unternehmen, denn die Flüchtlingsschiffe konnten jederzeit von britischen Patrouillenbooten, die die Küste Palästinas bewachten, entdeckt werden. In nicht wenigen Fällen scheiterte der Versuch, heimlich an Land zu gelangen und die Flüchtlinge wurden zurückgeschickt oder interniert. Mit ihrer restriktiven Immigrationspolitik reagierten die Briten auf den wachsenden Unmut, mit dem die arabische Bevölkerung in Palästina der zunehmenden Zahl jüdischer Einwanderer begegnete. 1936 brach ein bewaffneter Aufstand aus, der sich in einer Serie von Gewaltakten gegen Juden und die britische Mandatsmacht bis 1939 hinzog. Von Oktober 1939 bis April 1940 verhängten die Briten eine Einwanderungssperre. Während des Zweiten Weltkriegs kamen noch einmal ungefähr 80.000 Juden nach Palästina, davon der überwiegende Teil auf illegalem Wege.9 Wer nach Palästina einwandern wollte, brauchte ein Zertifikat der britischen Mandatsregierung. Diese Zertifikate wurden im Rahmen einer Quotenregelung vergeben, die sich am Vermögen oder der beruflichen Eignung der Bewerber orientierte. Um ein sogenanntes ‚Kapitalistenzertifikat‘ zu bekommen, musste ein Mindestkapital von 1.000 Pfund aufgebracht werden. Als für die jüdische Siedlung wichtige Tätigkeiten galten vor allen [sic] landwirtschaftliche oder handwerkliche Fertigkeiten, die sich Auswanderungswillige auf speziellen Lehrgütern praktisch aneignen konnten. An einer solchen Hachschara, der Tauglichmachung für das Leben in Palästina, nahmen vor allem Jugendliche teil.10
Das britische Mandatsgebiet Palästina umfasste das Gebiet des heutigen Israel, Palästina und Jordanien. Mit der Übernahme des Mandats durch die Briten kam auch wieder Bewegung in die politische Arbeit des Jischuw. 1920 wurde ein jüdischer Natio9
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https://www.bpb.de/geschichte/nationalsozialismus/gerettete-geschichten/149158/palaestina-als-zufluchtsort-der-europaeischen-juden (abgerufen am 22.01.2022). https://www.bpb.de/themen/holocaust/gerettete-geschichten/149158/palaestina-als-zufluchtsort-der-europaeischen-juden-bis-1945/ (abgerufen am 22.01.2022).
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nalrat gewählt. Seit 1928 anerkannten die Briten die jüdische Selbstverwaltung. Den Juden war jedoch nur das Siedeln im Gebiet westlich des Jordans gestattet. 1922 wurde östlich des Jordans das Emirat Transjordanien errichtet und im Folgejahr Abdallah al-Hussain als Emir anerkannt. 1946 erreichte Jordanien seine Selbstständigkeit. Damit schufen die Briten Palästina als Gebiet zwischen Mittelmeer, Jordan und Rotem Meer. Es war schlicht das Gebiet, das zwischen Ägypten und Transjordanien übrigblieb. Die Nordgrenze bildete der Libanon, dessen Grenzen von der französischen Mandatsmacht seit den 1920er Jahren gebildet wurden. Der Libanon erhielt 1926 als Republik eine Teilselbstständigkeit und erklärte 1943 seine Unabhängigkeit. […] Den Briten kam mit dem Mandat des Völkerbunds eine schwere Aufgabe zu, die letztlich bis heute ungelöst ist und eine Ursache vielfältiger Konflikte darstellt. Die britische Mandatsregierung musste einerseits die Interessen des Empire verfolgen und andererseits dafür sorgen, dass die Juden eine ‚nationale Heimstätte‘ in Palästina erhielten (sog. Balfour-Deklaration, 1917) und war zudem dafür verantwortlich, dass die Rechte der nichtjüdischen Bevölkerung gewahrt blieben. Dabei machten sie in alle Richtungen Versprechungen, die sich jedoch gegenseitig widersprachen.11
Grundsätzlich fanden die Flüchtlinge in Palästina – außer in den angewandten Künsten – keine nennenswerten, regionalen Kunsttraditionen noch eine profilierte Kunstszene vor. Sie betraten auch in ästhetischer Hinsicht ein Neuland, an dessen Kultivierung sie dann maßgeblich mitwirken sollten.12 Ihr persönlicher Erfolg war zum Teil stark von der Relation ihres Metiers und ihrer Arbeitsmedien zu den spezifischen gesellschaftlichen Bedürfnissen der jüdischen Siedler abhängig.13 In Haifa standen Margareta und Josef Berger einer Gruppe deutschsprachiger Einwanderer nahe, die sich vom Zionismus distanziert hatten und sich in ers11 12
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Thorsten Trautwein (Hg.): Jüdisches Leben im Nordschwarzwald. Edition Papierblatt Band 2. J. S. Klotz Verlagshaus: Neulingen 2021. Vgl. Rosa von der Schulenburg, Emigration und Exil. In: Barbara Lange (Hg.): Geschichte der bildenden Kunst in Deutschland, Bd. 8, Vom Expressionismus bis heute. München: Prestel Verlag 2006, S. 530. Vgl. Ruth Klinger: The Handbook. Art and Artists in Palestine. Tel Aviv: Yavneh, 1946. Das Handbuch verzeichnet rund zwei Dutzend Maler und Bildhauer, die zur Nazizeit vom deutschen Sprachraum aus nach Palästina emigrierten. Die meisten sind heute nicht nur im deutschen Sprachraum unbekannt.
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ter Linie als vorübergehende Flüchtlinge aus Europa sahen. Der Gruppe gehörten unter anderen der deutsche Schriftsteller Arnold Zweig und seine Frau an. Tatsächlich hatte das Paar bereits 1919 bzw.1926 aufgehört, praktizierende Juden zu sein und konvertierte später zum Katholizismus. Ein Brief von Josef Berger an seinen Schwager Fritz Lampl stellt die Ernüchterung der beiden nach der Auswanderung besonders krass dar: […] man kann hier unendlich viel berichten, da im Grossen und Kleinen alles anders ist als in Europa. Nur die Beschränktheit der Menschen ist überall dieselbe und (was ja dazugehört) ihre Geldgier. Also z. B. über meine Arbeit: Die Aufträge liegen nicht so auf der Strasse herum, wie es Ziegler geschildert hat, aber es ist sehr viel zu tun und wenn man einmal hier etwas fertig hat und es gefällt, dann ist es nicht schwer. In den Städten wird Spekulationsbau übler Art betrieben. Also schlechte Ausführung und Ausnützung der furchtbar teuren Grundstücke bis zum Äussersten: Bauherren meistens Ostjuden die keine Ahnung von Baukultur haben. Die Häuser fast alle gleich: Moderner, deutscher Provinzstil. Keine vorausschauende, städtebauliche Planung. Araber bauen schlechte Kopien der jüdischen Häuser. Handwerker arbeiten elend, auch wenn sie es besser könnten, da gute Arbeit hier nicht bezahlt wird. Für mich ist die Arbeit hier schwierig, da ich den größten Teil meiner Zeit mit herumlaufen (niemand hat Telephon), verfehlten Rendezvous mit Handwerkern und Herstellung geschäftlicher Verbindung verbringe. Einen ganzen Tag konzentrierter Arbeit an einer Sache gibt es nicht […].14
Schnell erkannten sie, dass sie wenig Aussicht auf qualitativ hochwertige Arbeit hatten. Weiters schreibt er in dem Brief vom 24. September: Es ist noch zu berichten, dass hier eine wohlgeordnete Kriegsstimmung herrscht, mit Vergraben von Goldgeld beim naiven Arabervolk, Verbreitung von falschen Gerüchten und Nichtzahlen von Schulden beim hochentwickelten Judenvolk. Trotzdem glauben wir, dass sich Italien noch entschließen wird, Völkerrecht und Humanität gelten zu lassen und England den entsprechenden Anteil an dem grossen Chapp zu überlassen, wodurch sich alles zum besten Glimpf wenden wird.15 14 15
Dieser Brief von Josef Berger an seinen Schwager Fritz Lampl vom 24. September (ohne Jahr, wahrscheinlich aber 1935) befindet sich im Besitz der Autorin. Siehe oben.
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Jedoch auch diese Hoffnung zerschlug sich, und die bedrückende Lebenssituation, die sich auf das Paar schon in Wien niedergeschlagen hatte, wiederholte sich in Palästina. Angesichts der zunehmenden politischen Unruhen zwischen Juden und Arabern beschlossen Margareta und Josef Ende 1935, Palästina zu verlassen und in das Vereinigte Königreich zu ziehen. Margareta reiste zuerst ab. Sie brach im Dezember 1935 auf dem Seeweg von Haifa nach London auf und Josef sollte ihr 1936 folgen. Die Enttäuschung der beruflichen Hoffnungen der beiden Künstler ließ das Paar einen zweiten Neuanfang in England wagen. Margareta Berger-Hamerschlags Aufbruch im Dezember 1935 in Richtung London, diente dazu, sich dort einen Wohnort auszusuchen, während Josef Berger zur Erfüllung seiner Verträge in Haifa blieb. In den Jahren 1934 und 1935 schrieb Margareta Berger-Hamerschlag zahlreiche Briefe an ihre Freunde Fritz Lampl und seine Frau Hilde nach Wien, in denen sie ihre Situation ausführlich schilderte. Da noch ein paar Briefe und mehrere Fotografien existieren, ist diese Zeit sehr gut dokumentiert. Unter anderem ist ein dreiseitiger, illustrierter Brief vorhanden, der auch den typischen Zeichenstil und die Ironie Margaretas dokumentiert:
[Seite 1] HIER IM LAND VON SCHLANGEN JUDEN, VON KAMELEN, KRACHERBUBEN, LIEGEN FAULEND AUF DEM BETTE, DREI HEBRÄER, MÜDE FETTE. (ein Hebräer aber sitzt, weil er schreiben muss – er schwitzt). DURCH EIN WADI AUF UND AB LIEFEN SIE HEUT SCHNELL IM TRAB.
*
TRAFEN EINE SCHILDESKRÖTE SIE HOB LEISE PFOT UM PFÖTE: UNTER ROTEN ANEMONEN WO DIE SKORPIONEN WOHNEN.
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Abb. 53: Illustrierter Brief aus Palästina, 1934/35.
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[Seite 2]
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NAHMEN SIE EIN SONNENBAD HIERAUF ASSEN SIE SICH BLAD.
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SONNE WANDTE KEUSCH SICH AB, (DENN IN DIESEM HEILGEN LANDE IST DAS BADEN EINE SCHANDE.)
*
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HIERAUF SCHÖNER WIE APELLES MALTEN SIE EIN BILD EIN SCHNELLES
*
DORNEN GIBT ES OHNE ENDE (SEHT BELIEBT SIND DORNBUSCHBRÄNDE)
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[Seite 3]
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AUCH DAS MEER IST ZIEMLICH GROSS ABER SONST IST NICHT VIEL LOS.
*
DIESER ARABESKE MANN, ZIEHT DEN ESEL WAS ER KANN ZIEHT IHN NACH AN EINEM STRICK UND ER FRÄGT MICH: [auf Hebräisch geschrieben:] Kif halek (oder kef helik) – Wie geht es dir? DIESE SONNGEDÖRNTEN HIRNE VON ZWEI KNABEN, EINER DIRNE, HABEN DIESES LIED GEDICHTET UND SICH DAMIT SELBST GERICHTET. VIELE GRÜSSE, VIELE KÜSSE. BITTRE SAURE SALZGE SÜSSE VON DEN DREIEN GUTEN, WELCHE LINKS SICH UNTERSCHRIEBEN: [Auf Hebräisch geschrieben:] MARGARETA DJULA JOSEF – Djula muss wohl die Lautform von Gyula (ungarischer Name) sein.16
In einem sehr bewegenden Brief an ihren Ehemann berichtet Margareta, am Festland angekommen, von der anstrengenden Überfahrt: Dieppe 12 December, Mittag Wir brauchten länger als wir dachten zum Ausladen. Jetzt suchte man mich mit Taxi im Städtchen, weil die Banaderos abfahren will. Monsieur le Pilot steht schon erwartungsvoll, um sich vorzuspannen. Mich hat es so gerührt[,] Europa zu finden mit aller Gräue, Blässe, Armseligkeit und so viel echter Lebendigkeit hinter allem. Alle diese blassen Huren und Fischergesichter, magere Proletarier, blasse Kinder mit braunen Strümpfen, schwarzen Schuhen. Ich fühle das alles, alle diese Existenzen, ganz tief. Es kommt
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Ich danke sehr herzlich Univ.-Prof. Dr. Gerhard Langer, Institutsvorstand des Instituts für Judaistik in Wien, für die Hilfestellung der Übersetzung der hebräischen Schriftzüge. Djula dürfte wohl ein Begleiter gewesen sein.
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mir vor als hätte ich 1 ½ Jahre außerhalb der Welt gelebt, in die ich gehöre und hätte etwas von dieser Entwicklung (ob gut ob böse) versäumt. Man kann wohl auf einer Insel für seine Arbeit leben, aber man kann kein outsider sein. Das ist man, wenn man unter fremden Bedingungen auf fremdem Boden fremde Dinge mitmachen soll. In Europa ist aber alles Heimat. Dieselben traurigen, dieselben lustigen Dinge, man versteht sich oder gleich nicht. Dieppe ist schmutzig – grau – ziegelrot, ein nordisch/französisches Städtchen. Die Leute sehen furchtbar arm aus, die Fischer gehen in zerschabten, zerflickten Röcken und Hosen, Schirmmütze, Holzpantoffeln. Die Frauen dürftig mit rotgefrorenen Händen. Nach Dieppe kommen die Heringsfischer von Deutschland und Holland. Jetzt eben liegen 300 große Fischerboote im Hafen! Wird gleich an Deck verarbeitet, sehen äußerst dreckig aus, alle Boote ohne Anstrich, so abgeschabtes grün rot schwarz. Ich kaufte mir ein paar warme Strümpfe – ich friere schon. Abends führte mich gestern der norwegische Arzt ins Kino, es war ein saufader, französischer Revuefilm, viele Schweinereien drin und sehr blöd. Wir hielten nicht bis zur Mitte aus, sondern gingen zurück an Bord. Es war komisch zu schlafen, da die Maschine abgestellt war, nichts zitterte, nichts rollte, es war richtig unangenehm und ich schlief erst herrlich und fest ein, als die Maschine so um halb sieben wieder anging. Jetzt könnte ich mich schon für ein Leben aus See entschließen. Kauf also die Jacht, lieber Vasci mio. Auf dem Handels- und Fischerkai, an dem unser Schiff liegt, sorgt eine Dame in Pelz für Aufsehen. O Bibi, Du sollst diese Franzosen sehen, keiner ist schiach, armselig oder dreckig genug, er wird doch schmachten, kokettieren, einem etwas schmeichelhaftes sagen. Ist das nicht reizend? 4 deutsche Matrosen standen da, einer sagt zu den anderen: die ist süss, ob die aber hübsche Beine hat? (Hatte meine hohen Gummistiefel an) drehte mich um und sagte: Nein, gar nicht, deshalb trage ich ja diese Stiefel. Große Freude. Du siehst, dem Bescheidenen regnets Fröhlichkeiten und Abenteuer. Süsser Captain sagt: Mrs. Berger you became already a seaman, when you go ashore we must engage a boy, to spray water on your window, because you can’t be without it anymore. (Womit man kleine Schiffsjungen, die erst kurz auf See sind frozzelt). Eben sollen wir aus dem Hafen heraus. Heute, Mitternacht arriven wir [in] London. Ein Püppchen kam an Bord, Ladung für Norway, die zukünftige Schwiegertochter des Captains, sein Sohn ist in Dieppe bei einer Agentur angestellt. Ein norwegisches Zuckerl diese Kleine… Ihre Augenbrauen sind jedesmal anders, weil sie nur von der Sicherheit ihrer Hand abhängen. Wie
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wird das bei stürmischem Wetter werden. – Jetzt ist es abends und bald ist Nacht, und dann sind wir da. Es ist auch schon Zeit, denn nun liege ich in so einer Cabine zwischen 2 Cabinen und verliebten Männern. Der Schullehrer ist keiner, sondern Redakteur und sagt zu mir: „Jungfrau Maria“ und möchte mich Heilige um meine Jungfräulichkeit bringen. Der andere ist furchtbar nett, und da ists wieder aus diesem Grund gut, bald aus der Zuchtlosigkeit des Schiffsbereiches zu kommen. Auch mein Herr Capitän nimmt mich schon zärtlich um die Taille… Dieppe kann sich rühmen die furchtbarste Hunderasse zu haben – alle sehen gleich aus – es geht noch über unseren Teddy. Stell Dir längliche zottige Fettwalzen auf niederen Beinen und kurzen Schnauzen und Ringelschwänzchen vor. Trotzdem waren sie süss, ihre Äuglein blitzten, die nassen rosa Zungen hingen aus dem Maul, Hunderl is Hunderl, sag ich. Wir fahren jetzt mit full speed, das ist bei uns nicht so viel, 13 Knoten. Ich habe jeden Tag die herrliche Navigationskarte studiert – wäre ich kein Malersmann, so möchte ich wohl ein Seeweib sein! Der Redaktor ist wirklich ganz narrisch. Wenn er ein Buch gelesen hat, wirft er es auf den Boden und kümmert sich nicht mehr darum. Mitten beim Mittagessen, wenn alle dasitzen, murmelt er mir zu: I like you good. (Er kann nicht deutsch und englisch) und starrt mich mit riesigen blauen Augen an. Hat er ein Glas Whisky getrunken (und er trinkt täglich mehrere davon) wirft er den Aschenbecher auf den Teppich oder sagt 10 mal laut und schüttelt heftig den Kopf nach rechts und links: Grausam, grausam. Das geht auf mich. Oder sieht mich an und sagt: „Die Brust sprengt mir“. Eine echte E. T. A. Hoffmannperson, arm aber ganz unheimlich. Was das Geld anbelangt ist er gar nicht arm, er macht 3–4 mal im Jahr phantastische Reisen und heute wollte er alle meine Bilder kaufen. In 2 Stunden kommen wir nach L. Wir haben bereits einen Piloten vor uns. Bin vollkommen beschwipst, weil 2 Whiskys intus. Man muss solche Gelegenheiten doch feiern. Pfiffi, ich zog aus diesem Anlass mein Taftkleid an und siehe, ich bin 5 Tage seekrank gewesen und durch die Hungertage so mager geworden, dass alles nur so schlottert, beim Leibchen um ca. 6–8 cm! Gute Nacht und Skol fürs 3. Glas, aber ich trinks nimmer, nein, nein die Semse rauf oder die Thamss, oder die Bremse, nur immer zu, wackere Bootin! 13. des Morgens 8 Uhr früh. Seit 3 Uhr früh stehen wir in London. Ich muss warten bis der Immigrantenoffizier hier war. Vom Schiff sieht man Riesenbehälter, dunkle Häuser aus dem Nebel auftauchen. Mir ist sonderbarlich zu Mute. Gleich will ich auf die Post gehen und nachsehen[,] ob was von Dir da ist.
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Jessas Maria! Wir stehen am East India Dock und laden unsere Judasfrüchte aus. Blasse englische Proletarier, sie beissen zwischen kleinen Arbeitspausen von Butterbroten ab und arbeiten kauernd. Die Gepäckskontrolle war schnell vorbei, nur eröffnete mir der gute Herr, dass es wohl erlaubt ist auszustellen, aber nicht zu verkaufen, ob ich diese Absicht hätte. Was sagt man dazu? Nein, selbstverständlich, sonst müsste ich nämlich Zoll zahlen, according to the value of the pictures. Beginnt schon die Tortura. Ich warte nur noch auf den Immigrationsofficer, der den Pass begutachtet. Dann gehe ich schnell in ein Hotel, das mir der captain empfohlen hat: Thackeray-Hotel (captain fügte hinzu, es sei nach einem Komponisten benannt, nahe des British Museums). Eben war der Immigrantenoffizier da, furchtbar strenges Gefrage. Nach 3 Monaten müsste ich zur Polizei gehen, wenn ich noch bleiben wollte, nichts verdienen etc. Was mein Vater war, wo ich mein Englisch herhabe, ob ich genug Geld habe (was ich mit heiterem Lächeln bejahte), Basils Adresse etc. Wie wird das werden! Die Welt ist voll Sekkanten.17
Nach ihrer Ankunft in London schrieb sie sofort ein Telegramm mit dem Briefkopf:
THACKERY HOTEL Opposite the British Museum Great Russell Street, LONDON, W.C.1 an ihren Mann nach Haifa: 13. Dez. 35 Liebster Bipsi. Nun bin ich in London, es kommt wir wie Berlin vor, schwarze Häuser, bleiche magere Menschen, Männer in Gummimänteln mit Zylindern am Kopf. Der Captain rekommandierte mir dieses Hotel als billig, aber ein Zimmer kostet 8 Schilling. Mein Herz ist mir in die Hosen gefallen. Ich gehe gleich mir ein Zimmer suchen. Wie sollen wir Bipsi, da leben, wenn alles so schwer ist, wenn man kein Geld hat und man keines verdienen lassen will? Vederemo. Ich schreibe Dir wohl einige Zeit nicht, ich muss mich doch bischen rühren. Ich bin 100 Schritte vom Britischen Museum, das freut mich. Tröste mich bitte mit Briefen.
Küsse, Margarete
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Dieser Brief befindet sich im Besitz der Autorin.
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War 3 Stunden Essen (schlecht!) im britischen Museum, chinesische Fresken, wunderbar, Figuren grün und rot auf Mauergrund. Die Kleider haben aufgepresste vergoldete Ornamente, die Gesichter voll Ausdruck, aber ganz flächig. Dann irrte ich herum. Die Stadt kommt mir (was ich davon sah,) nicht grossartig vor, vielleicht wie Berlin (das Gefühl davon) aber die Menschen einfach, freundlich, warm wie in Wien. Ich fühle mich gar nicht fremd. Aber ein Englisch, ein Dialektelen gibt’s da! Sie sagen: wai statt wei (way) und ich verstehe vieles nicht. Habe ein Zimmer für 1 Monat genommen zu 17 Shilling die Woche, rundherum sind lauter Spitäler, aber es ist still. Ein Boardinghouse von einer uns neuen Schäbigkeit und eine winzige gern redende halbjungen Jungfrau, der Typ die bei Dickens gern ihr/sein Gläschen Grog hat. Die Adresse:
LONDON W.C.1. 57, GREAT ORMOND STREET QUEEN SQUARE
Um den Check von der Palestine Bank einzulösen, muss ich morgen einen weiten Weg fahren, das verwünsch ich. Auch zur General Post ists ganz hübsch weit. Grüß Dich Gott mein Herz. Ich schreib Dir jetzt länger nicht oder eher kürzer nicht. Ich halts ja doch nicht aus.
Tausend Küsse! Margarete18 Für viele Flüchtlinge war die Sprache die erste und beständigste Schwierigkeit, die es in der neuen Welt zu überwinden galt. Die meisten Flüchtlinge bekamen vom Deutsch-Jüdischen Hilfskomitee Anleitungen zur Anpassung an das Leben im Vereinigten Königreich. Ganz oben auf ihrer Liste stand der Rat, dass Flüchtlinge so schnell wie möglich Englisch lernen und um jeden Preis in der Öffentlichkeit nicht Deutsch sprechen sollten. Solche Anweisungen waren nicht immer leicht zu befolgen, aber zur Vermeidung von Konflikten mit den Behörden waren sie sehr relevant. Selbst für diejenigen, die weit gereist waren und gut Englisch sprachen, war es nicht einfach oder reibungslos, sich zwischen den Welten zu bewegen. Hamerschlags Brief an Bord der MS-Banaderos zeugt von ihrer harten elftägigen Reise von Palästina nach Dieppe über die rauen Gewässer des Mit18
Dieses Telegramm befindet sich im Besitz der Autorin.
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telmeers. Ihre anfängliche Begeisterung für das Vereinigte Königreich wurde jedoch durch die Realität der folgenden Jahre der Armut, der Trennung von Freunden und der Internierung ihres Mannes im Jahr 1940 auf die Probe gestellt. Während und nach dem Zweiten Weltkrieg konnte Berger-Hamerschlag, wie viele andere Exilkünstler- und Exilkünstlerinnen im Vereinigten Königreich, die begonnene erfolgreiche Karriere nicht wieder herstellen, die sie in den 1920er und frühen 1930er Jahren in Wien gehabt hatte.19 Tausende von Künstlern [Anm.: und Künstlerinnen] mußten in diesem Jahrhundert [Anm.: dem 20. Jh.] vorübergehend oder für den Rest ihres Lebens ein anderes als ihr Heimatland als Lebensmittelpunkt wählen. Keine freiwillige Emigration, kein ‚Studienaufenthalt‘, durch den sich Künstlerbiografien häufig auszeichnen, sondern ein letzter Ausweg aus Verfolgung und Verfemung, an einen Zufluchtsort, der die humane Existenz sichert, nicht immer auch die künstlerische. Kaum ein Land dürfte in solch tragischem Ausmaß – am ehesten vielleicht noch das Spanien des Bürgerkriegs – die Erfahrung gemacht haben, daß Künstler [Anm.: und Künstlerinnen] diese letzte Konsequenz aus oft lebensbedrohender Not zogen, wie das Deutschland der Nazidiktatur, das einen kulturellen Exodus von größtem Umfang erleiden mußte. Erfaßt wurden alle künstlerischen, intellektuellen und wissenschaftlichen Bereiche, es war gleichsam eine ‚Vertreibung des Geistes‘, des demokratischen und fortschrittlichen Geistes der Weimarer Republik.20 Wie sehr man unter der Last der historischen Schuld trug, machen die Titel der wenigen Ausstellungen mit Exil-Künstlern deutlich, von den frühen fünfziger Jahren bis heute, ob in der Bundesrepublik Deutschland oder in Österreich. Es herrschte eine Sprache der Verdrängung und der sentimentalisierenden Geschichtsklitterung. So zeigte man 1955 in Leverkusen ‚Aus-
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Nur eine kleine Anzahl an Flüchtlingen plante schon sehr früh gezielt ihre Auswanderung, um bessere berufliche Chancen zu gewinnen, wie z. B. der Journalist Robert Lucas Ehrenzweig (1804–1986), der bereits 1934 in das Vereinigte Königreich ging, da er in seiner faschistischen Heimat wenig Möglichkeiten sah, Karriere machen zu können. In England hatte er das Glück, sehr bald eine feste Anstellung als Journalist zu bekommen und ab 1938 trat er dem Deutschen Dienst der BBC bei. Für ihn wurde das Vereinigte Königreich zur neuen Heimat. Michael Nungesser: Die bildenden Künstler im Exil. In: Ders.: Kunst im Exil in Großbritannien 1933–1945, Berlin: Fröhlich und Kaufmann1986, S. 27.
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gewanderte Maler‘, wobei auch freiwillig emigrierte Künstler [und Künstlerinnen] erfaßt wurden. 25 Jahre später [werden] in Wien Maler [und Malerinnen] und Bildhauer [und Bildhauerinnen], ‚die uns verließen‘21 ausgestellt.22
In dem Vorwort zum Ausstellungskatalog bestätigt Hans Aurenhammer sehr treffend: Das Erschreckende daran ist allerdings, daß es sich hier keineswegs um ein Einzelschicksal handelt[…] So gesehen sind alle, die diese Zeit als Menschen und in ihrem Werk überstanden, Beispiele humaner Bewährung. Ihre Kunst zeigt aber auch, welche Kräfte vorhanden waren und wohin Leistungen wiesen. Daß diese Entwicklung nicht in ihrer begonnenen Art weiter geführt werden konnte, Torso blieb, war mitteleuropäisches Schicksal.23 In Österreich, wo das Trauma der missachteten Moderne sehr spät aufgearbeitet wird, [ist es] die Entdeckung, dass es in den zwanziger Jahren eine künstlerische Avantgarde gegeben hat, die, durch das Exil in Vergessenheit geraten, auch diese wieder in Erinnerung bringt. Während man ein Stück eigener Geschichte rekapituliert, tut man sich schwer mit Leben und Werk, sofern im Exil entstanden, und vor allem von Künstlern, die dort geblieben sind. Oft ein Mangel von Nachforschungen, aber auch ein methodisches Problem.24
Einige der bedeutendsten Künstler waren zudem 1918 gestorben. Die Menschheit wurde von einer nie dagewesenen Grippeepidemie heimgesucht und erfuhr die blutige Bilanz des Ersten Weltkriegs. Gustav Klimt war mit 55 Jahren gestorben, Kolo Moser verließ Wien fünfzigjährig, Otto Wagner verließ die Wiener Avantgarde, und
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Viel richtiger wäre der Titel gewesen ‚Die wir vergessen haben‘ – oder wie Bettina Ehrlich, eine Künstlerkollegin Margareta Berger-Hamerschlags und auch eine der Betroffenen, in einem Gespräch 1984 äußerte – „Die wir verstießen“. Die Auswahl der Kunstwerke beschränkt sich in vielen Fällen auf die Zeit vor dem Exil. Nungesser: Künstler, S. 27. Hans Aurenhammer: Vorwort. In: Elfriede Baum (Hg.): Die uns verließen. Österreichische Maler und Bildhauer der Emigration und Verfolgung. 95. Wechselausstellung der Österreichischen Galerie, 28. Mai bis 27. Juli 1980 Wien: Im Selbstverlag der Österreichischen Galerie 1980, S. 7. Nungesser: Kunst, S. 27.
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das prominenteste Opfer der Seuche ist Egon Schiele. Am 18. Oktober erkrankte seine Frau ‚an der Spanischen Grippe und bekam dazu eine Lungenentzündung dazu‘, wie Schiele in einen Brief an seine Mutter schrieb […]. Am 28. Oktober stirbt die schwangere Edith Schiele, am selben Tag wird der erst 28-jährige Maler von der Virusinfektion erfasst. Er stirbt nach dreitägiger Krankheit am 31. Oktober 1918 in seinem Wohnatelier auf der Hietzinger Hauptstraße 114. An seinem Sterbebett sagt er: ‚Der Krieg ist aus und ich muss gehen.‘25
„Durch die Flucht der Künstler nach 1933 ins Ausland wurden künstlerische Entwicklungen abgebrochen, Lebenswerke in Frage gestellt oder zerstört, ein gewichtiges, kaum einschätzbares kreatives Potential wurde ausgeschaltet und vertrieben.“26 Die geistige Elite war auf allen Ebenen des kulturellen Schaffens dezimiert. Kaum ein Künstler konnte dort fortfahren, wo er aufzuhören gezwungen worden war; die neuen Lebensumstände brachten radikale Veränderungen. Vor allem Künstlerinnen mußten ihre Arbeit oft den familiäreren und ökonomischen Notwendigkeiten zur Sicherung des Lebensunterhaltes opfern, da ihre männlichen Kollegen weniger Bereitschaft zu berufsfremden Tätigkeiten zeigten oder. Gelegenheit dafür fanden.27
Welche Auswirkungen das Exil auf Margareta Hamerschlag und ihren Mann hatte, beschreibt ihr Sohn Raymond F. Berger in einer E-Mail: My father had an architectural practice in Vienna which was successful. He worked with his brother Artur and later had partner Ziegler who went to New York. He started an office in London in about 1936 but this was bombed by Nazi bombers. He was interned by the British as an „enemy alien“ as they decided, after a campaign by the newspaper ‚The Daily Express‘ still one of the most disgusting journals in Europe that refugees and foreigners escaping Hitler should be locked up in case they were spies and he was kept in a sort of barracks with many other European intellectuals on the Isle of Wight from June to September 1940. So when he was released after pressure from 25 26 27
https://kurier.at/kultur/geschichten-mit-geschichte/das-schreckensjahr-1918/400151445, (abgerufen am 02.02.2023). Nungesser: Kunst, S. 27. Nungesser: Kunst, S. 27.
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all sorts of people including the President of the Royal Institute of British Architects (RIBA ) he had no work to go to. Eventually he found work with the London County Council (LCC) working on something called The County of London plan, which was a big project to rebuild London after the War in a more controlled way. Later he designed schools and flats. He was very pleased with a school called the Woodberry Downs school where he was proud to have interviewed teachers as to what they needed. The school no longer exists. Many of his plans and designs are now stored at the RIBA in a temperature controlled environment. He continued to enter competitions including for the rebuilding of Coventry Cathedral and for the Festival of Britain 1951, but he did not succeed. He worked at the LCC till he retired in 1963, undertook some private commissions and spent much time travelling with his partner, the cellist Regina Schein-Gillinson to concerts in which she played, and to visiting relatives he hadn’t seen for many years including his brother Artur, who lived in Russia and survived all the Stalin Terror years. I met his son my cousin Sascha Berger in Vienna in 2014 at the Premiere of a film made about Artur but as I speak no Russian and Sascha no English we could not communicate. The film is bad.28 28
E-Mail vom 22.09.2021 an die Autorin. „Mein Vater hatte ein Architekturbüro in Wien, das erfolgreich war. Er arbeitete mit seinem Bruder Artur zusammen und dem späteren Partner Ziegler, der nach New York ging. Er eröffnete um 1936 ein Büro in London, das jedoch von Nazi-Bombern bombardiert wurde. Er wurde von den Briten als „feindlicher Ausländer“ interniert, als sie nach einer Kampagne der Zeitung „The Daily Express“, die immer noch eine der widerlichsten Zeitschriften in Europa ist, beschlossen hatten, dass Flüchtlinge und Ausländer, die vor Hitler flohen, eingesperrt werden sollten, falls sie Spione waren, und er wurde von Juni bis September 1940 mit vielen anderen europäischen Intellektuellen auf der Isle of Wight in einer Art Kaserne festgehalten. Als er also auf Druck aller möglichen Leute, einschließlich des Präsidenten des Royal Institute of British Architects (RIBA), freigelassen wurde, hatte er keine Arbeit, zu der er gehen konnte. Schließlich fand er Arbeit mit dem London County Council (LCC), der an einem sogenannten The County of London-Plan arbeitete, das ein großes Projekt war, um London nach dem Krieg auf kontrollierte Weise wieder aufzubauen. Später entwarf er Schulen und Wohnungen. Er war sehr zufrieden mit einer Schule namens Woodberry Downs School, wo er stolz darauf war, Lehrer danach befragt zu haben, was sie brauchen würden. Die Schule existiert nicht mehr. Viele seiner Pläne und Entwürfe werden heute im RIBA in einem temperaturkontrollierten Depot gelagert. Er nahm weiterhin an Wettbewerben teil, unter anderem für den Wiederaufbau der Kathedrale von Coventry und für das Festival of Britain 1951,
6.2 „Neuanfang im Heiligen Land“
„Kunst im Exil, das ergibt kein einheitliches Bild, ließe sich lediglich als eine Reihe von Bildern erfassen, die aus Länderuntersuchungen im Sinne von grundlegender Feldforschung zu erstellen ist.“29 Matthias Boeckl stellte dazu fest, dass die Forscher der älteren Generation die Ergebnisse der Migrationsforschung der vergangenen zwanzig Jahre nicht zur Verfügung hatten. In nahezu ausschließlicher Fixierung auf formale und ikonographische Details war es ihnen kaum möglich, das Ganze der Moderne methodisch in den Griff zu bekommen. So gesehen ist nach Matthias Boeckl jede Arbeit an Migrationsthemen, und sei es noch so eine kleine monographische Studie, eine weiterer Puzzlestein des reichen und noch lange nicht repräsentativ beschriebenen Komplexes, der die moderne Kunstproduktion Österreichs sichtbar macht.30 „Großbritannien ist zwar ein klassisches Exilland, wurde aber nach 1933 anfangs nur von einer geringen Zahl von Emigranten aufgesucht.“ Nach Gerhard Hirschfeld hielten sich „gegen Ende des Jahres 1937 nur etwa 5500 der rund 154 000 aus dem nationalsozialistischen Deutschland Geflohenen in Großbritannien auf“.31
aber er konnte den Wettbewerb nicht gewinnen. Dann arbeitete er am LCC bis zu seiner Pensionierung 1963, nahm einige private Aufträge an und verbrachte viel Zeit damit, seine neue Partnerin, die Cellistin Regina Schein-Gillinson, zu Konzerten in denen sie spielte, zu begleiten. Er reiste auch zu Verwandten, die er seit vielen Jahren nicht mehr gesehen hatte, darunter zu seinem Bruder Artur, der in Russland lebte und alle Stalin-Terror-Jahre überlebte. Ich traf seinen Sohn, meinen Cousin Sascha Berger, 2014 in Wien bei der Premiere eines Films über Artur, aber da ich kein Russisch und Sascha kein Englisch spricht, konnten wir uns nicht verständigen. Der Film ist schlecht.“ (Übersetzt von I. T.) 29 Nungesser: Kunst, S. 27. 30 Matthias Boeckl: Migrationsforschung über Kunst und Architektur im 20. Jahrhundert. Eine lange Geschichte, die gerade erst begonnen hat. In: Sandra Wiesinger-Stock (Hg.): Vom Weggehen. Zum Exil von Kunst und Wissenschaft. Wien: Mandelbaum 2006, S. 423–429. Besonders erwähnenswert ist hier die Dissertation von Veronika Pfolz, die schon vor 2000 den Versuch unternommen hat, hier eine Methode der Herangehensweise zu finden und auch den Nachlass in Augenschein genommen hat: Veronika Pfolz: Lebensbedingungen österreichischer Künstlerinnen in der Zwischenkriegszeit und im Exil bis 1945, dargestellt am Beispiel von Sascha Kronburg und Margarete Berger-Hamerschlag. 31 Gerhard Hirschfeld zitiert nach Nungesser: Kunst, S 27.
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6. Das zweite Leben – Neuanfang im Exil
Erst politische Veränderungen nach 1938 sowie die Lockerung der Einwanderungsgesetze ließen die Zahl der Emigranten gewaltig steigen. Von den rund 400 000 aus Deutschland emigrierten Menschen waren in den acht Jahren seit der faschistischen ‚Machtergreifung‘ zwischen 10–15 % nach Großbritannien gekommen, darunter annähernd 90 % jüdischer Abstammung. Die Zäsuren der Einwanderungswellen wurden durch Hitlers Machtantritt, die Novemberpogrome von 1938, den sog. ‚Anschluß‘ Österreichs im gleichen Jahr und den Einmarsch der deutschen Truppen in die Tschechoslowakei 1939 gesetzt.32
6.3 Erste Ausstellungen und Auftragsarbeiten in London Margareta Berger-Hamerschlag hingegen fand einen großen Bekannten- und Freundeskreis in London vor und wurde sogar mit Empfehlungsschreiben versorgt. Ihre guten englischen Sprachkenntnisse halfen ihr dabei enorm.33 Auf der österreichischen Gesandtschaft lernte sie Edith Popper kennen, die Sekretärin von Sir George Frankenstein, dem österreichischen Gesandten zwischen 1920 und 1938. Sie wurden Freunde und Hamerschlag wurde deren Bekanntenkreis vorgestellt.34 Trotz aller Schwierigkeiten, mit denen eine Künstlerin aus Mitteleuropa im Vereinigten Königreich konfrontiert war, gelang es Margareta Berger-Hamerschlag, eine Ausstellung ihrer Werke zu organisieren. Tatsächlich fand die Ausstellung nicht in einer Galerie statt, sondern im sogenannten Austria Shop, einem neu gegründeten Shop, der sich auf Produkte made in Austria spezialisiert hat. Freunde und Vertraute der Künstlerin halfen auf vielfältige Weise. Sir George Franckenstein kündigte seinen Besuch der Vernissage an, was einen hohen Reputationsvorteil brachte. Darüber hinaus holte sich Margareta Berger-Hamerschlag Unterstützung von Freunden, die als Fürsprecher für die Künstlerin Sorge trugen. Anita Warburg, eine Tochter der bekannten Bankiersfamilie, förderte die Ausstellung. Der Journalist und Kritiker Peter 32 33 34
Nungesser: Kunst, S 27. Sie und ihre Schwester Nelly wurden schon seit ihrer frühesten Kindheit von einer Engländerin, namens Nancy Harvey in Englisch unterrichtet. Dies teilte mir ihr Sohn Raymond F. Berger persönlich mit. Edith Popper, geboren in Wien, 06.06.1897, gestorben in London, 20.08.1981, Gesandtschaftskanzlerin in London, als „Nichtarierin“ entlassen, weigerte sich, nach Wien zurückzukehren.
6.3 Erste Ausstellungen und Auftragsarbeiten in London
Stone (Abb. 1) schrieb sehr positiv im „Jewish Chronicle“ und der „Times“ und soll von den gezeigten Werken sehr berührt gewesen sein.35 Peter Stone: The Times, 4. April 1936: Austrian Water-colours: A combination of directness and truth of values makes attractive the 28 water-colours by Mrs. Margarete Hamerschlag at the Austrian Shop, 11, Clifford Street, New Bond Street. They are the kind of water-colours in which drawing can be taken for granted, because coherency in them is a matter of just intonation. With this they have decorative interest, discretion in colour – the tone of the hyacinth in ‘Still Life’, for example – and an engaging element of surprise, as in the trees in ‘Dorking’. Water-colours of Palestine and Syria are included.36
Bei ihrer ersten Ausstellung 1936 verkaufte Margareta Berger-Hamerschlag drei Aquarelle. Mit dem Erlös konnte sie die Miete für ihre Unterkunft für sechs Wochen bezahlen. Sie fertigte auch Porträts an und versuchte, weitere Aufträge zu bekommen. Es war jedoch schwer, sich in London einen Namen zu machen und den Lebensunterhalt zu verdienen.37 Ihre finanzielle Situation blieb sehr unsicher. Ohne Überweisungen von ihrem Mann und manchmal von Hilde Lampl, ihrer Schwägerin in Wien, wäre das Leben in London für sie nahezu unmöglich geworden. Am wichtigsten war jetzt die Hilfe von Freunden, die ihr nicht nur Geld liehen, sondern sie auch mit Porträts (Abb. 40–41) beauftragten. Ebenso wichtig für ihr soziales und ihr Gefühlsleben war, dass man sie ins Kino oder in ein Restaurant einlud oder zu Konzerten mitnahm, die sich die Künstlerin nicht hätte leisten können. Basil Rock, ein alter Freund 35 36
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Mitteilung des Sohnes Raymond F. Berger an die Autorin. The Times, 4. April 1936: „Österreichische Aquarelle“: Eine Kombination aus Direktheit und Wertewahrheit macht die 28 Aquarelle von Mrs. Margarete Hamerschlag im Austrian Shop, 11, Clifford Street, New Bond Street, attraktiv. Es ist die Art von Aquarellen, bei denen das Zeichnen selbstverständlich ist, denn Kohärenz ist bei ihr nur eine Frage der Intonation. Damit haben sie dekorative Bedeutung, Diskretion in der Farbe – zum Beispiel der Ton der Hyazinthe in „Still Life“ – und ein einnehmendes Überraschungsmoment, wie bei den Bäumen in „Dorking“. Aquarelle von Palästina und Syrien sind enthalten.‘ (Übersetzt von I. T.) Vgl. Angela M. Bowey and Raymond F. Berger: Bimini Glass and the Politics of Survival. o. Ort: Angela M. Bowey 2019, S. 1–78.
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6. Das zweite Leben – Neuanfang im Exil
Abb. 40: Kritiker Eric Newton und seine Frau (1936).
aus Studentenzeiten in Wien, lud sie zu Ausflügen ein, und sie reisten mehrmals auf die Isle of Wight, wo sie die Landschaft genoss. Diese Eindrücke spiegeln sich in ihren Aquarellen wider.
6.3 Erste Ausstellungen und Auftragsarbeiten in London
Abb. 41: Unbekannte Frau (1936).
Trotz des großen Erfolges ihrer ersten Ausstellung in London, schreibt Margareta Berger-Hamerschlag etwas resigniert an ihren Mann nach Palästina:
7.4.36 Liebster Pepi, eben hatte ich Lunch mit Milliken, den ich nicht ausstehen kann, er zeigte sich fortwährend so blöd seit ich in London bin. Da sieht
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man wie ein Schulmeister, der doch ein Gefühl für Menschen haben sollte[,] nichts vom Leben, von Menschen versteht. Erzählte mir, dass sein Schwager, ein engl[ischer] Maler, begeistert in Deutschland lebt, u[nd] hat nun auch seine Tochter zur Erziehung hingeschickt u[nd] seine Frau war bei der Olympiade. Er sagte mir[,] ob es denn für uns nicht besser wäre[,] in Palästina zu bleiben, der Anschluss käme in Kurzem (und schon fürchten alle, dass man ihnen irgendwie Brot und Arbeit wegnimmt.) Als ich sagte[,] dass wir in Österreich zu Hause wären und uns nicht so ganz ohne Widerstand und ohne Gefühl daraus vertreiben liessen[,] war er sehr erstaunt. Alle glauben hier an einen baldigen Anschluss und leider haben die Engländer im Durchschnitt große Sympathien für Deutschland. Ausser den jungen Intellektuellen die kommunistisch sind. Ich war wirklich verärgert über ihn, ein solcher Blödsinn. Im Gästebuch sah ich eben[,] dass Basil da war. Er ist wohl über Ostern da. Nun bin ich eingeladen[,] über Ostern eine [zwei ]tägige Fusswanderung zu machen und habe grosse Lust dazu und habe auch zugesagt, che cosa fare? Gestern verkaufte ich ein Aquarell, das ist die Rahmenschuld an Basil. Sonst ists stier. Gestern abends war ich beim Malerehepaar Stephen Bone eingeladen, liebe gut aussehende Leute. War auch ein prodeutscher Engländer und eine prodeutsche Engländerin dort, nur Bones, die eben Künstler sind[,] und ein engl. Jude dagegen. Du siehst[,] auch hier kommt man von dem verfluchten Thema nicht los. Der Jude begleitete mich nach Hause, ein gutes Gesicht, wie vielleicht Tietze als Junger ausgesehen haben mag, bißchen beschränkter und leidenschaftlicher, Kommunist, las mir ein paar sehr schöne eigene Gedichte vor. Bone sieht aus wie ein deutscher Romantiker, ich male beide nach der Ausstellung. Um 6 Uhr bin ich zu einem Konzert zur Legation eingeladen, nachher zu einer Trinkgesellschaft zu Peter Stone. O wie spät wird es wieder werden und ich will schlafen und malen. Servus, mein liebes Herz. Margarete38
Aus Berger-Hamerschlags Briefen der Jahre zwischen Dezember 1935 bis zur Ankunft ihres Mannes geht unmissverständlich hervor, wie schmerzlich sie ihren Gatten vermisste. In Ermangelung ernstzunehmender Künstlerfreunde
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Dieser Brief befindet sich im Besitz der Autorin. Er wurde von Margareta Berger-Hamerschlag aus dem Austrian Shop am 7. April 1936 an ihren noch immer in Palästina weilenden Mann geschrieben.
6.3 Erste Ausstellungen und Auftragsarbeiten in London
– von den englischen Künstler- und Künstlerinnen spricht Margareta in ihren Briefen und Tagebucheintragungen als „Kollegen“ mit Anführungszeichen – wird ihr Ehemann nun zur wichtigsten Bezugsperson, obwohl ihre „Kollegenund Kolleginnen“ sie häufig einluden und sie oft mit ihnen etwas unternahm. Am Ostermontag 1936 schreibt Margareta an ihren Mann: Pfingsten das lieblich Fest ist noch nicht gekommen aber ein Brief von Herzgius Flavius Josefus Berger. Ein schönes Fest es kann nicht sein oder gar: ein Wiedersehen. O wie weit weg sind die Passahfestlichkeiten, die Du mit zitterndem Bart schilderst! Ich blöke mit den Osterlämmern und schaue begehrlich nach bunten Eilein und ernst und lieblich bömmeln hier die Kirchenglocken. Vasci, was sind das für lächerliche Sachen alle miteinander! Dabei ists mir noch näher[,] dass man den Tod und die Auferstehung zur Ewigkeit eines Menschen feiert[,] der mir überaus lieb ist[,] als solche Mumienmalerei und Gräberbeschauung wie diese jüdischen Dinge es sind. O, was für ein Fest will ich feiern[,] wenn ich Deine lieben Arme um mich spüre mein gutester Horazius. Da werns nur so spitzen die Herren Juden und die Herren Christen. Hast wohl schon meinen Brief bekommen[,] wo ich schreibe ob ich kommen soll? Um Antwort wird gebeten. Ein Soldat soll wohl seinen Posten nicht verlassen, aber für die Liebe ists wiederum erlaubt. Das ist auch das Einzige[,] was mich für Dich bedrückt – das Wieder anfangen müssen. Und ich will Dich nicht zu etwas überreden[,] was so schwierig ist. Da gibt’s eben nur die Frage: was ist stärker: die Antipathie gegens heilige Landl oder die Schwierigkeiten[,] wo anders anzufangen. Ich gehe hin wo Du bist und lebe mit Dir wo immer. Hier ist man der für mich erschütternden Ansicht, dass der Umsturz in Österreich zum Naziregime eine Frage von wenigen Wochen ist. Man hat es hier bereits hingenommen, und ich glaube nicht[,] dass irgendwer auch nur einen Finger rührt. Gyulas Freund Billy war am letzten Tag vor Ostern in der Ausstellung. Er kam gerade wieder aus Deutschland und rühmte[,] wie herrlich es nun dort sei, wie glücklich die Menschen seien etc. Er will, dass ich eine Nichte von ihm male, das sind dann wieder 4–5 Pfund. Soll ich ihn vielleicht bekehren und sagen: Schauen Sie in die Konzentrationslager, in verschiedene Herzen, nicht nur auf die …Flagge und die Pünktlichkeit der Züge. Aber ich bin viel zu müde dazu und weiss ja auch, dass bei ihm Business dahinter steckt wie ja die meisten Menschen Dinge nur loben oder tadeln im Hinblick darauf[,] was sie ihnen bringen. Von solchem Volk muss man eben die Finger lassen.
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Ich will das gern für ihn malen, das ist meine Arbeit und ich male immer gerne Kinder, aber ich will ihn nicht mehr treffen. Lieber, Süsser schreibe mir toute suite und ob Du mich in jener Wüste haben willst oder ob ich Dich doch im feuchten Graugrünen Norden erwarten soll. Mir ists nur so leid um jeden Tag ohne Dich! Deine Margareta39
Anfang des Jahres 1937 kam Josef Berger von Palästina nach London zu seiner Frau und die unglücklich einsame Margareta war froh, wieder mit ihrem Mann vereint zu sein. Am 10. Dezember 1937 wurde ihr gemeinsamer Sohn Florian Raymond geboren. Das Paar war zunächst mit der neuen Aufgabe vollkommen aus der Bahn geraten, waren sie es doch gewohnt, frei und unabhängig zu leben, und das in dieser instabilen Zeit. Der Neuankömmling war ein glücklicher Moment im Leben der Künstlerin. Aber wie jede Mutter musste sie sich auf ihre ganz persönliche Form von Mütterlichkeit erst einstellen, und auch für den Vater Josef Berger galt es, sich an den Umgang mit seinem Säugling zu gewöhnen. Für Margareta bedeutete die Zeit nach der Geburt Schwerstarbeit für ihren Körper. Die damit verbundene Anstrengung und der unausweichliche Schlafmangel der folgenden Tage und Wochen machten sie emotional verletzlich, worüber sie sehr verzweifelt war. Bereits nächtliche Tagebucheintragungen vor ihrer Niederkunft bezeugen, dass sie schon zuvor unter Erschöpfungszuständen gelitten hatten, die sich nun weiter verstärkten. Außerdem war sie um ihre existentielle Sicherheit sehr beängstigt, sodass sie mit starken Stimmungsschwankungen konfrontiert war. Für sie war aber auch vollkommen klar, dass sie nicht mehr nach Österreich zurückkehren wollte. Die Schüsse vom Februar 1934 hatten sich so bei ihr eingeprägt und haben sie so erschüttert, dass sie nicht mehr nach Wien zurückkehren wollte. Auch die Bilder der zerschossenen Fassaden der Gemeindebauten des Roten Wien waren ihr in Erinnerung geblieben. Auch in Palästina wollte sie um keinen Preis der Welt sich endgültig niederlassen. Wie sie im Oktober 1937 schrieb, ließ Palästina für Margareta eine solche Angstvorstellung zurück, dass sie […] hier in London lieber verhungere als jemals dorthin zurückzugehen. Nicht die Wildnis dort, nicht die wilden Araber[,] sondern gerade die Halbcivilisation auf die die Leute dort so stolz sind, sind mir das Schrecklichste 39
Dieser Brief befindet sich im Besitz der Autorin.
6.4 Künstlerleben im Exil während des Zweiten Weltkriegs
gewesen. Goethe war kein Jude, Mozart war kein Jude, deshalb beide nicht von Interesse, aber ein gekacheltes Badezimmer, ein Eisenbetonbalkon, ein neuer Hühnerstall, das war wichtig für den „Aufbau des Landes“. Nur keine verstaubten europäischen Dinge, nur belastende Traditionen! […] Ich wünsche mit meinem ganzen Herzen[,] dass Josef und ich über dieses furchtbare Erlebnis: Palästina je hinwegkommen. Derweil glaube ich[,] dass wir beide noch gelähmt sind davon, es ist ein chok der 3 Jahre gedauert hat, ein Kampf gegen eine höhnische Unterwelt[,] die jede Kraft in einem brach. Ich spüre Josefs Mattigkeit so in allem was er tut oder tun will und meine ganze Angst auch die in der Griechenlandgeschichte sind nur die Folgen eines krampfhaften Sichaufrechterhaltens. Ich versuchte dort in P. manchmal auszuwischen [bzw. auszubrechen,] um mich am Leben zu erhalten[,] aber es war wie beim Vogerl[,] dessen eines Bein an einer Schnur befestigt ist. Es zog mich immer wieder in die Düsterkeiten dieses Landes. Wenn wir dieses Erlebnis nur aus uns herauskriegen könnten.40
Auch Josef Berger kam mit der neuen Aufgabe nicht gar zu gut zurecht. Jedoch konnte auch diese Situation gemeistert werden, bis zur nächsten Krise – dem Beginn des Zweiten Weltkrieges.
6.4 Künstlerleben im Exil während des Zweiten Weltkriegs Ihre finanzielle Situation bleib weiterhin sehr unsicher. Und durch die wenigen Porträtaufträge konnte sie ihren Bekanntheitsgrad auch nicht allzu rasch steigern. Sie hielt Kunstvorträge in kleinen Kreisen und gab Zeichen- und Malunterricht für Selbstporträts. Auch später blieb Margareta Berger-Hamerschlag auf Hilfe von Freunden und Bekannten angewiesen, insbesondere während der Zeit der Internierung ihres Mannes als „feindlicher Ausländer“ während des Krieges. Freunde bezahlten die Gebühren für den Kindergarten, in dem Florian Raymond, ihr Sohn, bis vier Uhr nachmittags betreut wurde. Auf diese Weise konnte Margareta Berger-Hamerschlag arbeiten und Geld verdienen. Die meisten ihrer Arbeiten waren Auftragsporträtbilder, aber sie präsentierte ihre Werke auch in Ausstellungen, wo sie sie verkaufte. Margareta erhielt nicht nur Hilfe, sondern versuchte ihrerseits auch zu sehen, dass ihre eigene Kunst eine Wirkung zeigte. Trotz aller Schwierigkeiten, mit denen eine Künstlerin aus Mitteleuropa in Großbritannien konfrontiert 40
Brief Berger Hamerschlags an ihren Mann aus London, Oktober 1937.
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war, gelang es Margareta Berger-Hamerschlag, in einigen Ausstellungen ihre Werke zu präsentieren. Als Mitglied mehrerer Exilorganisationen nahm sie häufig an deren Ausstellungen teil, aber auch an jenen, die von Künstlern der „Unity for Peace, Democtraty and Cultural Development“ organisiert wurden, sowie an der Ausstellung „Artists Unity for Peace and Democracy“. Margareta Berger-Hamerschlag nahm auch an einer der größten Ausstellungen teil, die während des Krieges stattfanden: „Artists Aid Russia Exhibition“ (für Mrs. Winston Churchill’s Aid to Russia). Die Ausstellung wurde 1942 von englischen und exilierten Künstlern mit dem Ziel organisiert, verwundeten Soldaten in Russland zu helfen. Diese Ausstellung fand in der Wallace Collection statt. Von insgesamt 879 Exponaten stammten nur zwanzig Werke von Exilkünstlern, auch Margareta Berger-Hamerschlag war vertreten. Ein Jahr später, 1943, sorgte eine weitere Ausstellung, die von der AIA organisiert und vom 13. März bis 10. April im John Lewis Department Store in der Londoner Oxford Street stattfand, für großes Aufsehen: Die „For Liberty Exhibition“ präsentierte „Four Freedoms“: „Freedom of Speech“, „Freedom of Worship“, „Freedom of Want“ und „Freedom of Fear“ und bezog sich auf die AtlantikCharta, eine politische Erklärung für die Nachkriegszeit. Die Künstler lehnten den offiziellen Auftrag der Regierung ab, „aufzuzeichnen, was passiert und Freude zu bereiten“,41 und forderten stattdessen, dass Künstler eine wichtige Rolle bei den Kriegsanstrengungen selbst spielen sollten, nämlich „zu stimulieren und zu ermutigen, indem sie anschaulich darstellen, wofür wir kämpfen“.42 Margareta Berger-Hamerschlag präsentierte zu dem Thema „This will happen here unless“ ihren Beitrag. „Mit dieser Ausstellung demonstrierte die AIA, dass dem Künstler während des Krieges eine wichtige aufklärerische Rolle zukam; daß er/sie über das ‚bloße Protokollieren‘ hinaus – wie es für das Regierungsprogramm für ‚Official War Art‘ vorsah – als ‚Propagandist‘ für die ‚erfolgreiche Beendigung des Krieges und einen konstruktiven Frieden‘ wirken könne.“43 Bei Ausbruch des Zweiten Weltkriegs wurde Margareta Berger-Hamerschlag mit ihrem mit Sohn Florian nach Wootton Fitzpaine und Bridport in Dorset evakuiert. Nach ihrer Rückkehr nach London wurden sie und ihr Mann erneut getrennt. Josef Berger wurde im Juli 1940 als „feindlicher Ausländer“ auf der Isle of Wight interniert. Margareta und Florian erlebten die 41 42 43
Pfolz, S. 38 Pfolz, S. 38. Cordula Frowein‚ Ausstellungsaktivitäten der Exilkünstler, in: Nungesser, Kunst im Exil, S. 46.
6.4 Künstlerleben im Exil während des Zweiten Weltkriegs
Anfänge des Krieges in London mit den größten Bombenhageln, die man sich kaum vorstellen kann. Am 21. September zog sie mit ihm nach Oxford in eine Wohnung, die allerdings auch bombardiert wurde. Am 21. Dezember 1940 schreibt Margareta aus Oxford ihrem Mann: Liebster Josef, Nun ist bald Weihnachten und ich fürchte – weil Du noch nicht gekommen bist – dass der Bubi und ich es allein feiern müssen. Was für ein Fest wird das sein. Er schläft schon, aber bestand darauf[,] im Fauteuil zu schlafen und nicht in seinem Bett. Er war zwei Tage im Bett und hat es satt. So liegt er zusammengerollt vor dem Feuer im Fauteuil und [ich] werde ihn ins Bett schupfen[,] wenn er fest schläft. Bogner war eben hier und ich versuchte[,] seinen Schmerz zu besänftigen[,] indem ich ihm sagte, dass er sich einen Gegenstand für seine Enttäuschung gewählt hatte, der jeden Tag enttäuschen muss weil er sprunghaft ist und ohne den Kern eines tiefen Menschenglauben. Als anständiger Mensch gibt er aber sich selbst die Schuld – dass er überhaupt versagt hätte[,] Beth einen starken Lebensbonus zu geben in all der Zeit, die er mit ihr verbracht hat. Das ist alles unvorsichtig[,] denn die Beth ist ein medizinischer Fall und wenn man an sie glaubt, muss man alle Aufs und Abs ihrer Krankheit mitmachen und behält nichts in der Hand. Sie ist schwer krank und man kann sie entweder liebevoll und geduldig als eine von Krankheit befallene, liebenswerte Person ansehen oder sie überhaupt nicht zu aczeptieren. Ein Leben auf ihr Dasein aufzubauen ist unmöglich, sie schleift es durch die tollsten Abgründe wo menschliche Werte nichts gelten. Wenn Du bis zum Neuen Jahr nicht kommst[,] fahre ich nach London um Deine Sache in Ordnung zu bringen. Gott behüte, dass unsere guten „Aufbrausenden“ (immer das Unwichtige tuende) daraus rührt oder Fritz oder sonst wer: Reilly ist der Einzige, der Leidenschaft mit Klugheit verbindet… Deine Margarete44
Eine Reihe prominenter Personen unterstützte die beiden, die auch wiederholt um Josef Bergers Freilassung appellierten. Darunter befanden sich Sir Muirhead Bone und sein Sohn Stephen Bone, der Kunstkritiker Eric Newton, Professor Sir Charles Reilly und Lord Lytton von RIBA. Josef Berger wurde 44
Brief Berger-Hamerschlags vom 21. Dezember 1940 aus Oxford an ihren internierten Mann. Brief im Besitz der Autorin.
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schließlich Ende Dezember 1940 freigelassen. Er begann dann, unter Professor Patrick Abercrombie für den London County Council zu arbeiten. Die Familie Berger zog 1941 in die Warwick Avenue Nr. 20 in London und blieb dort bis 1955.45 Wie John Willett in seinem Beitrag „Kunst im Exil in Großbritannien 1933 –1945“ (1986) schreibt, hatten Margareta Berger-Hamerschlag und viele andere Künstler aus Mitteleuropa mit Schwierigkeiten zu kämpfen, weil das englische Publikum andere Geschmacksvorstellungen hatte. Paul Wengraf, der in seiner kleinen Galerie in der Londoner Bond Street Künstler ausstellte, die sich im Exil befanden, hatte folgende Erklärung dafür: In der deutschen Kunst unseres Jahrhunderts [des 19. Jhs., Anm.] spielt eine Menge an Ausdruck und Gefühl hinein. In der in Großbritannien dominierenden Strömung der Kunst geht es mehr um guten Geschmack und das Herunterspielen von Gefühlen. Dem überwiegenden Teil der Engländer erschienen meine Bilder zu emotional, zu direkt. Englische Kunst besteht aus subtiler Untertreibung.46
Das Metier des Porträts, das sich für Margareta Berger-Hamerschlag als das am erfolgreichsten herausstellte, waren die zahlreichen Kinderporträts.
45 Nachlasszusammenfassung (I.T.). 46 John Willett: Die Künste in der Emigration. In: Gerhard Hirschfeld (Hg.): Exil in Großbritannien. Zur Emigration aus dem nationalsozialistischen Deutschland. Stuttgart: Klett-Cotta 1983, S. 183–204. Monica Böhm-Duchen: Jüdische Kunst und jüdische Künstler – ein Problem der Definition. In: Kunst im Exil in Großbritannien 1933–1945, S. 56–57.
6.4 Künstlerleben im Exil während des Zweiten Weltkriegs
Abb. 42: Porträt des Sohnes der Künstlerin mit Gasmaske, 1940.
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Abb. 43: Mädchen mit einer Süßigkeit, 1956 (?).
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Abb. 44: Helena, 1945 (?).
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Abb. 45: Junge spielt Blockflöte, 1949.
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Abb. 46: Francis Denham, (1948/49).
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Abb. 47: Florian mit Buch, 1942 (?).
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Abb. 48: Florian mit Katze, 1943.
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Abb. 49: Junges Mädchen.
6.4 Künstlerleben im Exil während des Zweiten Weltkriegs
Abb. 50: Kleines Mädchen mit Baby, 1954.
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Abb. 51: Junge mit Pinsel, 1954.
6.4 Künstlerleben im Exil während des Zweiten Weltkriegs
Hier stellt sich einmal mehr ihre Fähigkeit zur Wiedergabe des Beobachteten heraus, was schon in einer Rezension zu ihrer ersten Ausstellung in Jerusalem in einem Zeitungsausschnitt des Nachlasses zu lesen ist: Mrs. Hammerschlag-Berger’s [sic] Watercolours. An exhibition of effortless Charm, Miss Polin’s Sculptures. The New Gallery of Jerusalem does a lot to keep up an interest in works of art and serves a very useful purpose in these summer months by introducing the public to new artists or rather to artists, whose fame has not yet spread. This is the first show in Palestine of the works of Mrs. Hammerschlag-Berger [sic], a young Viennese painter who has exhibited her work in Austria, Germany, Czechoslovakia and Italy. For the last one and a half years, she has been resident in Haifa and landscapes with Palestinian themes form a considerable part of her exhibition. Oils do not seem to be the most suitable medium for her talent. There is a trace of cleverness about her faces, but her oil paintings convey the general impression of being unfinished and amateurish, as if they are not meant to be taken seriously. Her aquarelles are immeasurably superior, showing a real talent. I should like to congratulate The Italian Consul of Haifa, Signor Marcato on his good taste in purchasing by far the best watercolours in the gallery. Her use of green is perhaps the best thing in her work. One notices with delight the use of this colour in her interpretation of the scenery of the Dolomites’ a very fresh piece of work. There are some trees at Ain Karem, which are very competently painted.47 47
„Die Aquarelle von Frau Hammerschlag-Berger. Eine Ausstellung von mühelosem Charme, Miss Polins Skulpturen. Die Neue Galerie von Jerusalem tut viel, um das Interesse an Kunstwerken aufrechtzuerhalten und dient in diesen Sommermonaten einem sehr nützlichen Zweck, indem sie der Öffentlichkeit neue Künstler oder vielmehr Künstler vorstellt, deren Ruhm sich noch nicht ausgebreitet hat. Dies ist die erste Ausstellung in Palästina der Werke von Frau Hammerschlag-Berger, einer jungen Wiener Malerin, die ihre Werke in Österreich, Deutschland, der Tschechoslowakei und Italien ausgestellt hat. Seit eineinhalb Jahren lebt sie in Haifa und Landschaften mit palästinensischen Themen bilden einen beträchtlichen Teil ihrer Ausstellung. Öl scheint nicht das am besten geeignete Medium für ihr Talent zu sein. Es gibt eine Spur von Klugheit in ihren Gesichtern, aber ihre Ölgemälde vermitteln den allgemeinen Eindruck, unvollendet und amateurhaft zu sein, als ob sie nicht ernst genommen werden sollten. Ihre Aquarelle sind unermesslich überlegen und zeigen ein echtes Talent. Ich möchte dem italienischen Konsul von Haifa, Signor Marcato, zu seinem guten Geschmack beim Kauf der mit Abstand besten
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Geprägt von der Pädagogik der Kunstgewerbeschule in Wien ist Margareta Berger-Hamerschlags Grundhaltung, mit Kunst etwas erreichen zu können, ähnlich hoffnungsvoll, wie der Glaube Oskar Kokoschkas, mit Kunst und Kultur die Welt verbessern zu können. So erscheint es nur folgerichtig, dass sie in ihrem letzten Lebensabschnitt, etwa ab 1948, ihr Credo im Kunstunterricht Jugendlicher erprobt und verwirklicht. Aus einem Briefwechsel mit dem Wiener Journalisten Leopold Rochawansky geht hervor, dass sie im Auftrag der Stadt London Jugendliche unterrichtet, wobei sie einen neuen Malstil entwickelt und plötzlich sehr erfolgreich ist.
Abb. 52: Ohne Titel.
Aquarelle der Galerie gratulieren. Ihre Verwendung von Grün ist vielleicht das Beste in ihrer Arbeit. Man bemerkt mit Freude die Verwendung dieser Farbe in ihrer Interpretation der Landschaft der Dolomiten, ein sehr frisches Werk. Bei Ain Karem gibt es einige Bäume, die sehr kompetent bemalt sind.“ (Übersetzung I. T.).
6.4 Künstlerleben im Exil während des Zweiten Weltkriegs
Abb. 53: Burg in Großbritannien.
Abb. 54: Ajaccio, Korsika, 1948.
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Abb. 55: Blick auf den Teich von Hampstead Heath, 1956/57 (?).
Abb. 56: Szene am See, 1948/49 (?).
6.4 Künstlerleben im Exil während des Zweiten Weltkriegs
Abb. 57: Stockrosen im Paddington Garten, 1950 (?).
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Abb. 58: Alte Frau mit Eiern, London, 1940er Jahre.
6.4 Künstlerleben im Exil während des Zweiten Weltkriegs
Abb. 59: Bauer mit einem Mädchen, Korsika, 1940er Jahre.
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6. Das zweite Leben – Neuanfang im Exil
Abb. 60: Kneipenwirtin, zerstört.
6.4 Künstlerleben im Exil während des Zweiten Weltkriegs
Abb. 61: Joan Gili i Sera, 1941.
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7. Aktivität in Jugendclubs
Nach dem Krieg versuchte Margareta, sich in London wieder als Künstlerin zu etablieren. Sie stellte ihre Arbeiten im „Heal’s“, in der „Hampstead Art Society“ und der „Art Society of Paddington“ aus. Finanziell war es immer noch eng, und so arbeitete sie 1950 kurz im „Monkey Club“ in Kensington, unterrichtete Debütanten und Debütantinnen in Kunst und begann als Kunstlehrerin in den LCC1-Jugendclubs in Paddington und Kilburn zu unterrichten. Hier arbeitete sie mit Vierzehn- bis Zwanzigjährigen an mehreren Standorten. Für Margareta hatte das anfangs nur den Zweck, etwas mehr Geld zu verdienen und so ihre eigene Malerei zu subventionieren, aber der Unterricht wurde bald zu einer Obsession. Indem sie die Jugend der Arbeiterklasse aus diesen armen Gegenden unterrichtete und kennenlernte, wurde sie immer entschlossener, ihre Augen für die Welt zu öffnen. Es war die Art von Arbeit, beeinflusst von ihrem ehemaligen Lehrer Franz Čižek, die wohl auch ihr Vater gebilligt hätte.2 Im wahrsten Sinne hat sie versucht, die verwahrlosten Kinder der Nachkriegsgeneration von der Straße aufzulesen, um ihnen mit der Kunst die Möglichkeit der Selbstreflexion zu geben, und ihnen neue Perspektiven innerhalb der britischen Gesellschaft zu eröffnen. Eine sozialpädagogische Innovation, die der Kunst eine völlig neue Rolle zuweist. Kunst wurde ganz selten als Erziehungsmittel verstanden, wobei der heranwachsende Mensch Erfahrungen mit seinem eigenen Expressionspotential macht.3 1
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LCC ist die Abkürzung für London County Council. Bei dieser Einrichtung war das „Youth Commitee“ unter anderem auch für die Jugendclubs verantwortlich. Siehe: Mel Wright: Beyond the Jiving. Exploring an Artist’s Experience of Working in London Youth Clubs During the Fifties. Margareta Berger-Hamerschlag 1902–1958. London, Deptford Forum Publishing 2008, S. 3. Raymond F. Berger in einem Interview mit der Autorin. Hier möchte ich auf die Reformpädagogik hinweisen, die bereits im 19. Jahrhundert begann, aktiv zu werden. „Zur älteren Reformpädagogik im weiteren Sinne zählen in diesem Sinne be-
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7. Aktivität in Jugendclubs
7.1 Eine Neudefinition Margareta Hamerschlags Dass eine weltweite Bewegung wie die Reformpädagogik mit so hohem, humanistischem Anspruch ausgerechnet für Kinder ins Leben gerufen wurde und ausschließlich von Kindern und Jugendlichen getragen wird, sollte daher den Anspruch Margareta Berger-Hamerschlags in ein neues – das heißt – aktuelles Licht rücken. Dabei muss man bedenken, dass das Vereinigte Königreich Mitte der 1940er Jahre so erschöpft und so verschuldet war, dass das Land einen Kredit bei den USA aufgenommen hatte, der erst zu Beginn des 21. Jahrhundert zurückgezahlt war. Es herrschte Wohnungsnot, Grundnah-
reits die sich auf Comenius, Rousseau, Pestalozzi und den Philanthropismus beziehenden reformpädagogischen Ansätze der Anschauungspädagogik und Erlebnispädagogik. Sie wendet sich nicht nur gegen den klassischen Schulbetrieb, sondern auch gegen den Herbartianismus, dem man vorwarf, Herbarts Forderungen nach „eigener Beweglichkeit“ der Schüler und die emotionale Bildung ursprünglicher Werturteile an ästhetischen Beispielen vernachlässigt zu haben. Daher sei von seinem Anliegen, über die Bildung des Intellekts den sittlichen Willen wecken zu wollen, nur noch ein starres Unterrichtsschema übriggeblieben. Reformpädagogik im engeren Sinne meint jene Versuche, die sich Ende des 19. Jahrhunderts und im ersten Drittel des 20. Jahrhunderts gegen die Lebensfremdheit und den unterwerfenden Autoritarismus der vorherrschenden „Pauk- und Drillschule“ wandten. Anstelle einer Didaktik, die aus heutiger Sicht als Entfremdung bis zur Kindesmisshandlung im Bildungssystem zu werten ist, wollten die Reformpädagogen über eine veränderte Bildungstheorie und Lerntheorie zu einer veränderten Didaktik gelangen, die in einem handlungsorientierten Unterricht vor allem die Selbsttätigkeit der Schüler in den Mittelpunkt stellt. Die englische Bezeichnung ist Progressive Education, die französische Éducation Nouvelle. Reformpädagogische Ansätze nach 1945 werden häufig als Alternativpädagogik bezeichnet.“ https://de.wikipedia.org/ wiki/Reformpädagogik, (abgerufen am 23.11.2022). Im Besonderen verweise ich zusätzlich auf die Publikation von Rolf Laven, Franz Čiček und die Wiener Jugendkunst, Schriften der Akademie der bildenden Künste Wien, Bd. 2, 2006, Cover-Rückseite. „Franz Čiček (1865–1946) gilt als herausragender Reformator der Kunstpädagogik. Seine 1997 gegründeten Wiener Kunstklassen für Kinder und Jugendliche befreiten mit einem Schlag die Entwicklung der kindlichen Kreativität. Seine Lehre und seine internationale Ausstellungstätigkeit, die seine Klassen vor allem in Großbritannien und den USA bekannt machte, fanden eine große Öffentlichkeit und vielfältige Resonanz – bei Maria Montessori, Johannes Itten, der englischen Child Art Bewegung, der Group of Seven in Kanada […].“
7.1 Eine Neudefinition Margareta Hamerschlags
rungsmittel und Haushaltswaren wurden rationiert. In Paddington, Kilburn und North Kensington gab es große Besorgnis unter den lokalen Behörden. Im Laufe des Jahres 1955 führte beispielsweise das Jugendkomitee des London County Council (LCC) eine Studie durch und berichtete über dieses Viertel als: ein Industriegebiet und es gibt immer noch viele Slums. Es gibt Straßen in der Portobello Road und im Bezirk Kensal Road, wo große Häuser in einem verfallenen Zustand sind und von mehreren Familien bewohnt werden. Es gab dort auch Bandenprobleme.4
Die gefeierte Wohlfahrtsreform nach dem Krieg umfasste Sozialwohnungsund Bildungsreformen, was bedeutete, dass Slums geräumt und Arbeitergemeinschaften unterstützt werden sollten. Heruntergekommene Mietskasernen, Prostitution, Jugendkriminalität und zunehmende Spannungen zwischen einheimischen Jugendlichen und neu angekommenen Einwanderern erreichten zu diesem Zeitpunkt ihren Höhepunkt. Bald waren Konsumgüter auf dem Vormarsch, Geschäfte und Häuser schossen in die Höhe, und wurden durch die „Live-Now-Pay-Later-Mietkaufprogramme“ fast für alle zugänglich. Begleitet vom Aufstieg des Massenkonsums gab es eine unterschwellige Spaltung in der Gesellschaft, die immer noch aus dem Krieg hervorging. Trotz der Engpässe gab es neue Modestile von Popmusik und Rock ‚n‘ Roll im Überfluss. Zeitungen stürzten sich schnell mit reißerischen Schlagzeilen auf das Etikett „Teddyboys“, die in Banden mit Klapp- und Rasiermessern, Fahrradketten, Schlagringen und Flaschen die britische Nation Mitte der 1950er Jahre aufregten und entrüsteten.5 Man denkt dabei an die Zwischenkriegszeit der dreißiger Jahre und fühlt sich unweigerlich an den frühen spektakulären Roman „Brighton Rock“ von Graham Greene aus dem Jahre 1938 erinnert.6
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Zit. nach Wright: Beyond, S. 3, Übers. von I. T. Vgl. Wright: Beyond, S. 3, Graham Greene: Brighton Rock, Berlin-Wien-Leipzig, Paul Zsolnay Verlag, 1948. Ich danke sehr Frau emer. Ordinaria, Professor Dr. Angelika Plank, Kunstuniversität Linz, Abteilung Kunst und Bildung, die mir dieses Buch geschenkt hat.
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7. Aktivität in Jugendclubs
7.2 Die Veröffentlichung von „Journey Into a Fog“ Margareta fand ihre Erfahrung in der Arbeit in den Jugendclubs sowohl inspirierend als auch facettenreich – aber auch frustrierend. Das berichtet sie in mehreren Briefen, die sie nach Österreich an das Ehepaar Katja und Leopold Wolfgang Rochowanski schickt. Sie war bestrebt, den Menschen die Augen für eine breitere Welt der Kunst und des Selbstausdrucks zu öffnen. Über die Reaktion auf diese Lehrerin, damals Ende 40, mit ihrem österreichischen Akzent, kann man verschiedene Überlegungen anstellen. Trotz des mangelnden Interesses der Mehrheit, gewann sie allmählich das Vertrauen einiger Jugendlicher und entwickelte eine herzliche Beziehung zu ihnen. Die Intensität der Arbeit war so groß, dass sie sich am Abend, wenn sie vom Unterricht nach Hause kam, entspannen musste und unfähig war, mit ihrem Mann und Sohn zu reden. Ihr Engagement erregte Aufmerksamkeit und in einem frühen Stadium ihrer Arbeit wurde Margareta von einer Illustrierten interviewt: Als ich anfing, fand ich eine Menge [von Jugendlichen] vor, die nichts anderes wollten, als Zeitschriften kopieren – protzige Autos, Supermänner, Flugzeuge, Damen mit Dekolleté in Abendkleidern. Diese sehr üblen Burschen versuchten mich zu schockieren, indem sie mir Kopien von FKK-Magazinen zeigten. Nachdem ich ihren Bemühungen den Wind nahm, indem ich ihnen die Struktur des menschlichen Körpers erklärte, sowohl den männlichen als auch den weiblichen, trauten sie ihren Ohren kaum. Aber allmählich gelang es mir, ihnen das Leben, das sie umgab, als etwas Faszinierendes, Aufregendes und als Top-Abenteuer nahe zu bringen. Und manchmal spürten sie es. Wenn sie zum Beispiel ihre Hand, ein Clubmitglied oder einen Apfel zeichneten, entdeckten sie das, was sie in eigener Anstrengung produziert hatten und niemals zuvor um sich herum wahrgenommen hatten, mit lebhaftem Interesse.7
Nach mehreren Jahren Arbeit in diversen Jugendclubs bot sie Victor Gollancz an, über ihre Erfahrungen zu berichten und diese zu veröffentlichen. Das Buch „Journey Into a Fog“8 erschien 1955. Der Titel war ihre Metapher für die 7 8
Illustrierte vom 12. Januar 1952. Zit. nach Wright: Beyond, S. 11. (Übersetzung I. T.) Margareta Berger-Hamerschlag: Journey Into a Fog. London: Victor Gollancz Ltd. 1955. Victor Gollancz (1893–1967) war ein britisch-jüdischer Verleger und Schriftsteller.
7.2 Die Veröffentlichung von „Journey Into a Fog“
Abb. 62: „A Shocker about Young Londoners“, Rezension von Journey Into A Fog in den London Evening News, 24.05.1955.
unerforschte Welt, in die sie eingetreten war. In dem Buch verdichtet sie Tagebuchnotizen und schöpft aus den Erfahrungen der Jugendclubs, in denen sie arbeitete. Die Namen der Jugendlichen sind fiktiv, basieren aber auf realen Personen. Das schriftliche Werk illustrierte sie mit meisterhaften Zeichnungen von ihren Zöglingen, die ihre Aktivitäten und auch manchmal nachdenklichen und mürrischen Mienen wahrheitsgetreu auf den Punkt bringen.9 Das Buch war innerhalb weniger Wochen ausverkauft und erlebte, nachdem es von Presse und Rundfunk eingehend gewürdigt worden war, eine zweite Auflage. Margareta Berger-Hamerschlags Lektüre übte eine Schockwirkung im ganzen Vereinigten Königreich aus.10 Wie schon früher erwähnt, lebten viele der Jugendlichen in Slums. Um ihnen neue Perspektiven zu eröffnen, wurden Hunderttausende von SlumKindern zu Beginn des Zweiten Weltkrieges auf das Land evakuiert. Viele konnten es nicht fassen, dass es Kinder gab, die nie in einem Bett geschlafen hatten, und nur dann frische Milch tranken, nachdem sie zuvor in leere Konservenbüchsen gegossen worden war.11 Die Kinderlandverschickung war 9 Siehe: Margareta Berger-Hamerschlag; Journey Into a Fog, S. 7. 10 Wright: Beyond, S. 17. 11 Gerhard Kock: „Der Führer sorgt für unsere Kinder“. Die Kinderlandverschickung im Zweiten Weltkrieg. Paderborn: Schöningh 1997, S. 13 und S. 343.
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7. Aktivität in Jugendclubs
eine Art Erholungsurlaub auf dem Lande, wo die Jugendlichen endlich genug frische Luft und gutes Essen bekommen sollten. Und für manch ein Kind blieb die Zeit auch später mit schönen Erinnerungen verbunden. Dennoch litten viele an Heimweh und bei manchen rief die Zeit schwere Krisen hervor. Diese Teenager sollten vom LCC eine Erziehung bekommen, um in geordnete Lebensverhältnisse zu gelangen. Sie waren auch die Zielgruppe, die in den Klassen von Margareta Berger-Hamerschlag Kunstunterricht bekommen sollten. – Eine unbekannte Welt tat sich damit für sie auf. In ihrem Tagebuch, an dem sie jeden Abend über ein ganzes Jahr hinweg ihre Erfahrungen über ihren Kunstunterricht aufzeichnete, berichtet sie unerschütterlich und detailliert. Der Inhalt spiegelt die oft dramatische Realität der Jugendlichen wider und jeder Satz enthüllt das hohe soziale Engagement und Mitgefühl einer gütigen und mutigen Frau für junge Menschen, deren Ideale Hollywood-Stars sind und deren Leben nicht als göttliches Geschenk, sondern als Last empfunden wird, mit der sie nichts anzufangen wissen, deren Sprache von Flüchen und brutalen Ausdrücken nur so strotzt. Die Jungen und Mädchen, die einen solchen Jugendclub besuchten, hatten freie Wahl bei den Klassen – aber sie mussten zumindest einer Klasse angehören. „Warum hatten sie gerade Kunst gewählt?“, fragte sich die Kunsterzieherin. Sie hielten die Kunstklasse für die leichteste. Was sie wirklich tun wollten, war Billard oder Tischtennis spielen – das gab es natürlich auch – oder irgendwie die Zeit zu verbringen, bis die Tanzlokale geöffnet wurden. Eine der ersten Entdeckungen Margareta Berger-Hamerschlags war, dass die Lehrlinge ein offenes Benehmen hatten und sich wie normale junge Menschen verhielten. Die anderen, und das war die Mehrheit, wie zum Beispiel die barrow boys (Straßenhändler) und ungelernte Hilfsarbeiter, behinderten die wenigen Interessierten, die zeichnen und malen wollten, so gut es ging am Arbeiten. Sie benützten die Farben, um alle möglichen Gegenstände zu beschmieren. Wenn sie überhaupt zeichneten, dann nichts als Unzüchtiges, sie fluchten am laufenden Band und verwendeten gedankenlos obszöne Ausdrücke, bis Berger-Hamerschlag ihren Vorgesetzten, den Jugendclubführer Anders als in Deutschland wurde die Evakuierung im Vereinigten Königreich lediglich als vorübergehende Schutzmaßnahme angesehen. Die angebotene Fluchtmöglichkeit schaffte Beruhigung und war eine freiwillig wählbare Option, die nicht auf längere Dauer angelegt war und flexibel genutzt wurde. Die Gastfamilien erhielten eine Entschädigung, deren Höhe staatlich festgelegt wurde. Zwangseinweisungen waren möglich, mussten aber selten durchgesetzt werden.
7.2 Die Veröffentlichung von „Journey Into a Fog“
fragte, ob es Strafen für solches Benehmen gäbe. Dieser teilte ihr mit, dass eigentlich als einzige Strafe, wie zum Beispiel für das Zerstören von Clubeigentum, lediglich der Ausschluss aus dem Club für eine oder zwei Wochen oder der Ausschluss von einer Lieblingsbeschäftigung möglich sei. Margareta beschrieb ihre Schüler als: […] thin, undernourished young creatures, […] quaff crowned, …spivvish attire with mischief glittering in their eyes, …languid girls whose faces were covered with an orange plus rose make up. Their home conditions concerned her. Crowded homes, nagging mothers, screaming younger brothers and sisters, sometimes a brutal father and hardly ever a room for themselves.12
Im Folgenden werden einige Passagen aus dem Buch wiedergegeben: Während die Lehrerin die Arbeiten der Schüler und Schülerinnen begutachtete, setzte sie sich neben sie und fragte sie über ihr Leben aus. Sie war überrascht, dass kaum einer der jungen Menschen freiwillig in einem Museum gewesen war. Sie lasen keine Bücher. Die meisten hatten niemals ihren Bezirk verlassen. Sie wussten kaum, wo die St.-Pauls-Kathedrale steht. Nur wenige hatten das Land gesehen. Was war das für ein Leben? Aber die meisten hatten eine Vorstellung von einem Märchenland. Und das hieß Hollywood mit seinem ganzen Glanz und Reichtum. Mit anderen Worten gesagt, war sich die Autorin im Klaren, dass das Kino für diese Menschen „der Schatten des wahren Lebens“ geworden war, und dass sich diese jungen Menschen, die tagsüber oft einen öden und unangenehmen Beruf ausübten, am Abend mit glorreichen Filmstars identifizierten. Im Buch beschrieb sie die Klasse mit den Augen einer beobachtenden Künstlerin: Da ist ein Mädchen, „deren schmutzige Sprache noch über die der ärgsten Jungen hinausgeht“. Psychologisierend stellte sie fest, dass das Mädchen im Grunde ein Wesen ist, das nach wärmender Liebe hungrig ist. Ihre Dreistigkeit habe etwas Rührendes. Die Kunstlehrerin versuchte ein kühnes Experiment. Gerade dieses Mädchen, das schlimmste unter allen, sollte als Modell dienen, was in der Klasse eine Revolte auslöste. Die Lehrende erklärte, dass Künstler kein moralisches Urteil zu fällen haben und versuchte, die Klasse davon zu überzeugen, dass vielmehr Gesicht, hohe Backenknochen, ein stolzer Mund, die Verteilung von Licht und Schatten die entscheidenden Kriterien beim Zeichnen seien. Die Klasse beruhigte sich und begann zu ar12
Berger-Hamerschlag: Journey, S. 33–34.
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7. Aktivität in Jugendclubs
beiten. Das Modell saß da, „stolz und geschmeichelt, die leuchtenden Augen auf die Künstlerin gerichtet“. Einen Jungen mit trübsinnigen Augen, der Pornografisches kritzelte, fragte sie, was seine Beschäftigung sei. „Alle vierzehn Tage eine andere.“ Und er war stolz darauf. „Arbeit ist nichts für mich.“ Auf ihre Frage, was er denn wirklich tun wolle, antwortete er mit einem abfälligen Ton: „n i c h t s “, die Antwort von der Lehrerin „Nicht einmal ein Leben der Muße mit Auto, Tanz und Spaß?“ „Genauso. Ich wünsche gar nichts – ich will nicht arbeiten – ich will gar nichts.“ Sie ging kontrollierend durch die Klasse. Einige männliche Jugendliche zeichneten wie immer obszöne Akte. Einer versteckte seine Zeichnung unter dem Pult, die anderen ließen die Arbeiten einfach liegen und beobachteten die Lehrerin mit listiger Erwartung. Sie schaute sich die Zeichnungen an und gab vor, sie vom künstlerischen Standpunkt zu beurteilen. Sie versuchte alle für irgendetwas zu interessieren, für ihre Arbeit oder irgendeine Liebhaberei. Dabei brachte sie die Sturheit der Mädchen zur Verzweiflung. Sie saßen zigarettenrauchend in der Klasse. Die Haare in Dauerwellen gekräuselt. Die Gesichter mit farbigen Masken über einem ungewaschenen Hals waren in lose hochrote oder grüne Mäntel gehüllt. Ihre von Nylonstrümpfen bedeckten Beine unter einem geschlitzten schwarzen Rock gekreuzt, in einer Pose, die sie wahrscheinlich von einem ihrer Idole auf der Kinoleinwand übernommen hatten. Die jüngeren Mädchen waren immer in einer Gruppe, während die älteren nur kamen, um ihren „boy-friend“ zu begleiten. Die Pädagogin nahm an, dass sich diese Mädchen, die anscheinend nur für ihr Aussehen Interesse hatten, sich wenigstens für Mode erwärmen würden. Sie brachte ihnen Modezeitschriften. Annoncen für Unterwäsche und Strümpfe fesselten, weil sie im Alltag die fantasielosesten waren. Die Schülerinnen versuchten, diese Inserate zu kopieren, woraufhin die Lehrerin keine Modezeitschriften mehr mitbrachte. Sie versorgte die Klasse mit Stoffen, Wolle, Samt und Seide, die sie sich von Freunden erbettelt hatte. Sie erklärte die Entwicklung der Mode im Laufe der Jahrhunderte.13 Selbst das schöne Material ließ die Mädchen kalt. Einige wagten sich aber doch an Blusen, aber alle wurden gleich. 13
In ihrem Nachlass befinden sich Manuskripte zu Vorträgen zum Thema Kunsterziehung. Diese Vorträge wurden nach 1945 von ihr konzipiert und reflektieren ihre Einstellung zur Kunstpädagogik. Es ist eine Art Rückschau, die Margareta Berger-Hamerschlag zeit ihres Lebens in sich trug und geht auf ihre Erfahrungen in der Jugendkunstklasse Franz Čižeks und vor allem bei Oskar Strnad in der Kunstgewerbeschule zurück.
7.2 Die Veröffentlichung von „Journey Into a Fog“
Sie zeigte ihnen gute Ärmelschnitte, verschiedene Kragenlösungen und vieles andere mehr, aber alles blieb erfolglos. Ihre Idee von Eleganz war eine Satinbluse und ein Gabardinerock. Auf die Frage, was sie am liebsten anziehen würden, war die Antwort, eine weiße Bluse und ein marineblauer Rock, oder eine rosa Bluse und ein schwarzer Rock, vielleicht noch ein brauner Rock mit einer eisblauen Bluse. Sie bot jedem Mädchen ein Stück Material an, vorausgesetzt, dass daraus nach eigenem Entwurf in der Nähklasse Blusen, Westen oder Röcke geschneidert werden würden. „Was, selbst nähen?“ rief eines der Mädchen. – Nein! Sie verließ die Klasse – vier der Mädchen erklärten sich bereit, Kleidungsstücke anzufertigen. Margareta beobachtete die Jugendlichen beim „Boogie-Woogie“ und „Jive“. Keine Spur von Heiterkeit. Für sie war es wie ein „Bacchusfest der Freudlosen“. Daraufhin schlug sie einen Kostümball vor, den die Klasse begeistert annahm. Die Schüler dekorierten den Raum. Die meisten malten Masken, fertigten Hüte an und arbeiteten plötzlich wie wild. Mit dieser Aufgabe hatte sie den Nagel auf den Kopf getroffen. Die meisten hatten Fernsehapparate zu Hause. Ein junger Mann war entsetzt, als er hörte, dass ihre Kunstlehrerin keinen besaß und dass ihr Bäume und Blumen, wirkliche Menschen und Tiere lieber waren und sie gern ein Buch las. Ihre Schüler waren es gewohnt, unterhalten zu werden. Immer waren sie in der Masse und schon lange keine Individuen mehr. Was aber war der Grund für ihr Benehmen? Die Antwort der Kunstpädagogin war: Eine Beschäftigung, die sie nicht interessierte, kein geordnetes Familienleben, keine Geborgenheit, keine richtigen Ferien. Sie war überzeugt, dass man sie lehren müsste, Stunden mit sich selbst zu verbringen, mit Büchern, mit ihren Gedanken. Ihnen so viel Tischtennis, Filme und Boogie-Woogie zu geben, wie sie wollten, fand Margareta nicht richtig. Eine andere Frage, die sie sich stellte: Warum waren sie so hoffnungslos? Ihre Überlegung dazu: In einer Welt der Atombomben glaubten sie an keine Zukunft. Wozu lebten sie? Keines der Mädchen konnte kochen oder nähen. Viele besserten nicht einmal ihre Strümpfe aus – sie gingen mit löchrigen Strümpfen in die Klasse. Sie wollten nichts lernen, nicht einmal tanzen. Der Tanzlehrer hielt sie für hoffnungslos. Er begnügt sich, ihnen Jive zu erlauben und ließ sie Schallplatten auswechseln. Coming back to my work here I realize that it is the icy atmosphere which make these clubs so different, not the noise, the swearing, the beastliness of some individuals. Kindness, gratefulness, cheer, are choked in the bud. One
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7. Aktivität in Jugendclubs
sees eyes filled with lethargy and contempt, hearts in which the capacity for love has been sealed off, boredom yawing wide, bodies which act as by mechanical means. It is a strange thing that the staff seems enveloped in the same cloud of deadness. You enter the club and bored nods greet you if you are greeted at all. It is probably that some of them hate the whole thing and only do it for the extra money. Some have slid into the routine, some are resigned to the hopelessness of it.14
Margareta brachte eine wirkliche Ballerina in den Jugendclub – als Modell. Sie erschien in glänzendem Kostüm, und es war ein unerwarteter Erfolg. Alle wollten das Modell zeichnen. Die Entwürfe wurden im Rathaus des Bezirks ausgestellt. Aber welche Enttäuschung stellte sich für die Jugendlichen ein, als sie entdeckten, dass ihre Arbeiten in einer Ecke, abseits der Bilder der Erwachsenen aufgehängt worden waren. Und noch etwas Schlimmeres: Ihre Arbeiten trugen den Sammeltitel: Schularbeiten! Nichts hassten sie mehr, stellte die Kunsterzieherin fest, als Mitleid oder Herablassung oder den Versuch, kulturell erzogen zu werden. Sie wollten auch nicht, dass ihr Leben dadurch beeinflusst werden könnte. Der österreichische Künstlerkollege Oskar Kokoschka wandte sich diesbezüglich mit einer persönlichen Meinung an Margareta und verdammte das System der modernen Massenbildung, von der er annahm, dass diese die besorgniserregenden Jugendlichen hervorbringe: „[…] Darf ich Ihnen in der Tat sehr für Ihr alarmierendes und gleichzeitig berührendes Buch ‚Journey Into a Fog‘ danken […]“15 Er resümierte, dass in erster Linie eine verzweifelte Situation in den Jugendclubs herrsche. „Denn, wie Sie in Ihrem Buch beschreiben, scheint dies auf die falschen Erziehungsmethoden zurückzuführen zu sein, die von den für diese Opfer zuständigen Behörden praktiziert werden.“ Wenn man auf diese Weise fortfahre, müsse es zweifellos zu sozialen Katastrophen führen. Er befürchte, dass all ihr aufrichtiges Mitgefühl und ihr tiefes Verständnis für diese jungen Hooligans oder verlorenen Kinder vergeblich sein müsse.16 Sie schrieb auch Briefe an nationale Zeitungen als Reaktion auf Artikel über Analphabetismus, straffällige Jugendliche und die vorgeschlagenen „In-
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Berger-Hamerschlag: Journey, S. 160–161. Übersetzt aus: Wright: Beyond, S. 19. Übersetzt aus: Wright: Beyond, S. 19.
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ternierungslager für junge Straftäter“. Sie dachte, dass bei solcher „Härte“ viele unterprivilegierte junge Menschen im Stich gelassen würden und solche Methoden einen Kreislauf von Angst und Brutalität schaffen würden. Darüber hinaus war sie der Meinung, dass die durchschnittliche Bildung dazu neigte, nur dem Unterrichten von „Gehirnwissen“ Wert zu geben, wobei Mathematik und Englisch im Vordergrund standen und Kunst und Handwerk eine niedrigere Priorität erhielten. Dies ermöglichte weniger Zeit für kreativen Ausdruck, von dem sie dachte, dass er für junge Menschen von entscheidender Bedeutung sei, um ihrem Leben ein Gleichgewicht zu geben und sie hielt es auch für ein Gegenmittel gegen die steigende Welle des Materialismus.17 Es ist nicht nur die Empathie für die Jugend, die in ihren Aufzeichnungen zum Ausdruck kommt. Immer wieder unterstreicht Margareta BergerHamerschlag, dass sie nicht böse sind, sondern ungeliebt, unsicher und unglücklich. Es stellt sich die Frage: Sind diese Jugendlichen typisch für die Slum jugend? N e i n ! Aber es gibt sie, wie in „Journey Into a Fog“ beschrieben wird. Mit den Worten von Tacitus: Sine ira et studio18 – in Worten und Bildern. Denn Margareta Berger-Hamerschlag hat auch den Ausdruck der Jugendlichen in bestechenden Zeichnungen festgehalten: Wie die Mädchen allein tanzen, während die Jungen zuschauen. Wie sie leer in die Luft schauen und darauf warten, dass etwas geschieht. Paare beim Jivetanzen oder die „Venus der Slums“ (Abb. 63–68). Diese Bilder sind nicht nur von künstlerischer Bedeutung, sondern auch Zeitdokumente.
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Ein persönlicher Brief vom 11.04.1955, den mir Raymond F. Berger zur Einsicht gab. „Ohne Zorn und Eifer“.
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7. Aktivität in Jugendclubs
Abb. 63: Die Venus der Slums, aus Journey Into A Fog, Zeichnung, 1955.
7.2 Die Veröffentlichung von „Journey Into a Fog“
Abb. 64: Jugendliche, aus Journey Into a Fog, 1954.
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7. Aktivität in Jugendclubs
Abb. 65: Jive-tanzendes Paar, aus Journey Into a Fog, 1952.
7.2 Die Veröffentlichung von „Journey Into a Fog“
Abb. 66: „Warte auf mich, kann nicht warten“, aus Journey Into A Fog, 1955.
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7. Aktivität in Jugendclubs
Abb. 67: Einladung zu den Filmen, aus Journey Into A Fog, 1953.
7.2 Die Veröffentlichung von „Journey Into a Fog“
Abb. 68: „Blaue Socken und roter Rock“, 1954 (?).
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7. Aktivität in Jugendclubs
Berger-Hamerschlags Arbeit in den Jugendclubs gibt Antwort auf eine wesentliche pädagogische Frage: Wie kann ein Land eine „zivilisierte Jugend“ hervorbringen? Mit Verständnis, unendlicher Geduld, Enthusiasmus und künstlerischer Bestätigung. Der Erfolg ihrer Bemühungen stellte sich allmählich ein, in manchen Fällen fanden Schüler später selbst den Weg in die Kunst. Sie selbst schrieb später: „Der Nebel war nicht immer da.“19 Margareta Berger-Hamerschlag, die kurz nach dem Krieg nicht an einer Kunstschule, sondern in einem Jugendclub unterrichtete, war nicht nur über die Kriminalität entsetzt, sondern auch über die kulturelle Leere der jungen Leute, denen sie begegnete. In ihrem „Journey Into a Fog“ berichtet sie, wie sie selbst von Kindheit an im Kunstunterricht von Professor Franz Čižek gemalt hatte. Sie hatte dort erfahren, dass Kunst aus einer inneren Freiheit heraus entsteht. Solche kreativen Erfahrungen waren nicht nur bürgerlichen Kindern vorbehalten: Die sozialdemokratischen Initiativen des „Roten Wien“ wollten alle Klassen einbeziehen. Mit den englischen Arbeiterjugendlichen, mit denen Margareta Berger-Hamerschlag später zusammenarbeitete, hatte sie weniger Glück. Sie waren weder mit den Maltechniken vertraut, noch konnten sie Pinsel oder Bleistift richtig halten. Als Beispiel für ihre kulturelle Armut nannte Berger-Hamerschlag ihre Haltung zur Nacktheit. Warum, fragte sie sich, wurde Kindern nicht die Kultur der antiken Griechen nähergebracht? Sie erklärte ihnen, dass auf dem europäischen Festland Kinder in der Grundschule von griechischen Göttern wussten und klassische Skulpturen gesehen hatten. Für die Jugendlichen in den Jugendclubs war Nacktheit immer mit Sex verbunden. Sie betrachteten Aktbilder als obszön, und das Zeichnen von Akten wäre unmöglich gewesen. Margareta Berger-Hamerschlag thematisierte auch ein Kernthema britischer und deutsch-österreichische Kulturwerte: die Dichotomie zwischen Kunst und Handwerk. Sie hatte bemerkt, dass Jungen, die einen Beruf lernten, sich besser benahmen als die anderen. In den 1930er Jahren herrschte in Mitteleuropa eine aufgeklärte Haltung gegenüber dem Handwerk vor, während im Vereinigten Königreich das Handwerk seit der viktorianischen Zeit unterbewertet worden war. Die bewegte Geschichte der Designschulen wurde von Quentin Bell aufgezeichnet, der die Spannungen zwischen der Royal Academy mit ihrer Hingabe an die Renaissance-Tradition und der „School of Design“ thematisierte. Letztere wurde 1837 in London gegründet, um viktorianische Manufakturen mit Handwerkern zu versorgen, die Design und Deko19
Berger-Hamerschlag: Journey, S. 58.
7.3 Peter Young – ein erfolgreicher Jugendclub-Absolvent
rationen für ihre Waren schufen. Die Trennung von Kunst und Handwerk gelang nicht, die Hochschule für Gestaltung in London wurde 1851 geschlossen.
7.3 Peter Young – ein erfolgreicher Jugendclub-Absolvent Margareta Berger-Hamerschlags vielleicht größte pädagogische Leistung war, dass einer ihrer ehemaligen Schüler eine herausragende Karriere im Kunstgeschehen erreichte. Peter Young trat mit 16 Jahren dem Jugendclub Kilburn Lane bei, während er noch bei seinen Eltern lebte. Er erinnert sich an Margareta Berger-Hamerschlags Enthusiasmus und wie sie die ständigen Störungen durch Clubmitglieder geduldig verkraftete: Sie stahlen Zigaretten aus ihrer Handtasche und Obst vom Stilllebentisch. Es war manchmal hart. Teddy-Jungs verursachten Kämpfe und spielten Flaschenwerfen. Oft musste der Hausmeister eingreifen.20
Die Kunsterzieherin unterstützte diejenigen, die sich für Kultur interessierten, sehr und Peter Young war einer, der vielversprechend war. Er war wissbegierig und Margareta erkannte bald, dass er Talent hatte. Er und ein weiteres Mitglied des Jugendclubs wurden in die Wohnung in der Warwick Avenue eingeladen, um ihre Arbeiten zu zeigen. Peter Young genoss den Besuch und war beeindruckt von ihren Werken. „Es war wie Hochkultur!“21 erinnert er sich. Margareta Berger-Hamerschlag ermutigte ihren Schützling auch nachdem er den Club verlassen musste und zum Wehrdienst einberufen wurde. Er trat den Royal Engineers bei und wurde nach Ägypten versetzt. Sie korrespondierten während er weg war und sie schickte ihm Zeichnungen, um ihm verschiedene künstlerische Methoden und Techniken beizubringen. Nach seiner Entlassung aus der Armee ermutigte sie ihn, die Kunst ernster zu nehmen und er absolvierte einen Vollzeitkurs in der Konservierung von Gemälden. Dank des Erfolgs ihres Buches war es möglich, dass sie nicht nur einen Platz für ihn an der Akademie der bildenden Künste Wien aushandeln konnte, sondern auch finanzielle Unterstützung leistete. Peter Young erinnert sich, dass seine Eltern, die nicht in der Lage gewesen waren, eine weitere Ausbildung zu finanzieren. Ihre Dankbarkeit für die Unterstützung, die sie ihrem Sohn angedeihen ließ, war sehr groß. Nach seinem Abschluss in Wien 1958 kehrte er 20 21
Wright: Beyond, S. 16–17. Wright: Beyond, S. 16.
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7. Aktivität in Jugendclubs
in das Vereinigte Königreich zurück und arbeitete als Konservator in der City Art Gallery in Bristol, bevor er Leiter der Gemäldekonservierung am Victoria & Albert Museum wurde, wo er bis zu seiner Pensionierung 1993 blieb.22 Der Erfolg ihres Buches hatte einen großen Einfluss auf Margareta Berger-Hamerschlag und ihre Familie. Obwohl, wie Raymond F. Berger erzählt, die Vertragsbedingungen nach heutigen Maßstäben besonders in finanzieller Hinsicht ziemlich prekär waren, brachte der Bestseller der Familie genug Geld ein, um ein Haus in Hampstead Heath (38, South Hill Park) zu erwerben. Leider konnte Margareta nicht viel aus ihrem Triumph machen. Wie mir Raymond Berger persönlich mitteilte, wurde sie 1957 krank. Nach einer geplanten Reise in ihr geliebtes Tirol besuchte sie kurz noch einmal Wien und einige alte Bekannte in Österreich. Nach ihrer Rückkehr musste sie ins Krankenhaus in London aufgenommen werden, wo eine Operation notwendig wurde. Josef und Raymond Berger verbrachten die Weihnachtszeit bei Margareta. Danach kam sie zur Rekonvaleszenz wieder in ihr Haus nach Hampstead zurück. Doch musste sie erneut ins Krankenhaus, wo sie am 5. April 1958 mit 56 Jahren starb. Für Josef Berger war dies ein so großer Schock, dass er nahezu verstummte und nicht in der Lage war, für seine Ehefrau eine zeremonielle Bestattung zu organisieren. Viele Jahre später teilte er seinem Sohn in einem Brief mit, dass er die Asche seiner Mutter zum Meer gebracht und dort verstreut habe. In der Wienbibliothek ist ein kurzes Schreiben von Josef Berger aufbewahrt, in dem er folgende Mitteilung macht: 38, South Hill Park, London, N.W.3 12.4.58 Liebe Freunde, Unsere liebe Margarete hat uns auf immer verlassen. Seit einer schweren Operation zu Weihnachten hat sie mutig und zähe um ihr Leben gekämpft. Vor Ostern musste sie wieder ins Spital, wo sie von einem uns befreundeten Doktor liebevoll betreut wurde. Helfen konnte er nicht. Alles Gute. Euer Joseph Berger23 22 23
Peter Young blieb viele Jahre mit den Bergers in Kontakt. Er war über den Tod seiner Lehrerin zutiefst erschüttert. Er lebte bis 2019 und starb 78-jährig in London. Wienbibliothek im Rathaus, Handschriftensammlung, Nachlass Leopold Wolfgang Rochowanski, Box Nr. 10.
7.4 Endgültige Anerkennung
Die Frage, ob Margareta gewusst hat, dass sie so schwer krank war, muss offenbleiben. In mehreren Briefen, die sie nach Wien schrieb, sprach sie noch davon, dass sie wieder gesund würde und sich nun endlich wieder auf das Malen freue. Aber dieser Wunsch erfüllte sich leider nicht.24
7.4 Endgültige Anerkennung Schon ein erster Blick in Margareta Berger-Hamerschlags umfangreiches Œuvre macht sichtbar, dass während der Exiljahre kein homogenes Werk entstanden ist. Vielmehr sind die unterschiedlichsten Orientierungen festzustellen, die eine Suche nach neuen Ausdrucksformen erkennen lassen. Wie die Londoner auf ihre Kunst reagierten, zeigte sich letztendlich durch ihre Privataufträge zu Schleuderpreisen, da sie ja offiziell nicht arbeiten durfte. Die kulturellen Unterschiede im Vereinigten Königreich waren zwar nicht so gravierend wie in Palästina, wo sie einen regelrechten Kulturschock erlitten hatte. Dennoch dürfen die Unterschiede im kulturellen Klima zwischen Wien und London nicht unterschätzt werden. Mit der endgültigen Emigration erlangte Hamerschlag zwar ihre persönliche Freiheit zurück, aber ein anregendes künstlerisches Schaffen bot London nicht. Hinzu kamen die Erschwernisse des Geldmangels und die offizielle Feindlichkeit den deutschsprachigen Exilanten gegenüber, auch wenn sie österreichische Staatsbürgerin war. Besonders hart traf sie das mehrmalige Getrenntsein von ihrem Ehemann und die Zeit als Alleinerzieherin während des Zweiten Weltkrieges und während ihr Mann interniert war. Auch im Londoner Exil blieb die Darstellung des Menschen für die Malerin das vorrangige Thema. Ihr konsequentes Festhalten an der Porträtmalerei war zudem eine Möglichkeit, Geld zu verdienen (Abb. 69–73). Die Engländer schätzten es sehr, original gemalt zu werden. Vor allem die Kinderbildnisse der Künstlerin sind sehr beeindruckend. In ihrem Bemühen, sich als Porträtistin zu etablieren, musste sie jedoch den Wünschen und Geschmacksvorlieben ihrer privaten Kunden entgegenkommen.
24
In der Wienbibliothek sind in einer Box des Nachlasses Leopold Wolfgang Rochowanskis (Box Nr. 10) einige Briefe zum Ableben Margareta Berger-Hamerschlags aufbewahrt.
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7. Aktivität in Jugendclubs
Abb. 69: Selbstporträt um 1948.
7.4 Endgültige Anerkennung
Abb. 70: Frau mit Brosche, 1943.
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7. Aktivität in Jugendclubs
Abb. 71: Unbekannter Mann, 1944.
7.4 Endgültige Anerkennung
Abb. 72: Porträt von Frau Sandor mit verschränkten Armen, 1942.
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7. Aktivität in Jugendclubs
Abb. 73: Portrait von Ehemann Josef Berger, unvollendet (1945/50).
7.4 Endgültige Anerkennung
Zusätzlich widmete sie sich auch dem Stillleben und der Landschaftsmalerei. Zahlreiche Aquarelle bezeugen dies. Aquarelle, aufgrund der technischen Voraussetzungen als schnelles Medium bekannt, ermöglichten eine raschere Produktion und damit einen ebenso raschen Verkauf und auch ein freieres Arbeiten. Doch herrscht in ihren Bildern aus England eine ganz andere Ausdrucksweise vor. Häufig mischen sich hier kraftvolle Farben mit einer linienbetonten, eher grafischen Arbeitsweise. So waren die Auftraggeber für manche Arbeit geteilter Meinung, wie es in ihren Briefen dokumentiert ist. In den erhaltenen Werken, von denen manche wirklich sehr beachtenswert sind, lässt sich eine gewisse Routine erkennen. Hamerschlag arbeitete gern in verschiedenen Stilarten, die je nach Motiv wechseln. Landschaften und Figurendarstellungen unterscheiden sich deutlich voneinander. So hatte ihr künstlerisches Schaffen zweifellos eine anerkennenswerte Bandbreite, von ihren Kostümentwürfen ganz zu schweigen, die sie souverän beherrschte. Aber ihre künstlerische Heimatlosigkeit, diese innere Distanz und fehlende Zugehörigkeitsgefühl, bleiben ein wesentliches Charakteristikum. Das Gefühl der verlorenen Erdung teilt sich nicht nur in den Arbeiten von Margareta Berger-Hamerschlag mit. Sie beschreibt es auch in ihren Tagebucheintragungen. Hinzu kam natürlich die ständige Sorge um ihre Familie, die sie sehr beanspruchte. Eine Rückkehr nach Österreich hatte sie nach dem Ende des Krieges nie mehr erwogen, aber sie reiste wieder nach Südeuropa, wovon wir einige sehr farbenfreudige Bilder kennen. Es war ein Wunder, dass Margareta Hamerschlag ab 1948 für englische Jugendclubs als Kunsterzieherin öffentlich bezahlte Arbeit bekam, was sich letztlich als unglaublicher Erfolg herausstellte. Sie illustrierte das dortige Geschehen und änderte ihren Malstil, wobei ihr künstlerisches Können und Geschick, von der Graphik kommend, auf die Probe gestellt wurde. Neben einem anschaulichen Bericht über ihre Jugendclub-Erfahrungen hinterließ Margareta ein eigenes neues Werk. John Broad von der Honor Oak Gallery (wo ihre Arbeiten seit vielen Jahren ausgestellt werden) kommentiert: Diese Erfahrung in den Jugendclubs führte zu Zeichnungen, Gemälden und Drucken, die von ihren Schülern inspiriert waren und ein wichtiges soziales sowie ein spannendes künstlerisches Dokument darstellen. Es ist faszinierend zu sehen, wie der dominierende österreichisch-deutsche Stil von Margaretas früher künstlerischer Reife – die aus den Katastrophen des Ersten
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7. Aktivität in Jugendclubs
Weltkriegs entstandene Neue Objektivität – in ihrem Werk der 1950er Jahre wieder so stark zum Vorschein kommen sollte.25
Es ist schwierig herauszufinden, ob Journey Into A Fog einen direkten Einfluss auf die neue Ära der Jugendarbeitsausbildung hatte, aber man kann vermuten, dass der Einfluss beträchtlich war. Margareta Berger-Hamerschlags Mission, ihre Schüler zu inspirieren, war vielleicht von Anfang an zum Scheitern verurteilt. Sie war zu sehr eine Einzelgängerin und Außenseiterin, um sich von einer Institution absorbieren zu lassen. Aber während sie frustriert und manchmal intolerant über den rauen Lebensstil der Teenager schrieb, war ihre Empathie mit den schlechten sozialen Bedingungen der Mitglieder des Clubs und ihre leidenschaftliche Sorge um ihr Leben und ihre Bestrebungen grenzenlos. Viele von Margaretas Zeichnungen und weitschweifige Ausführungen über ihren Kampf in Jugendclubs sind im Laufe der Jahre verlorengegangen, besitzen aber eine bis heute eine anhaltende Relevanz. Vielleicht ist eines der wichtigsten Dinge, die Margareta zu zeigen versuchte, dass Bildung danach streben sollte, lebensfördernd und inspirierend zu sein. Ihre Arbeit sticht als Zeugnis für solche Bestrebungen hervor. Wir haben die Verantwortung, eine Kontinuität in der Jugendarbeit von heute zu gewährleisten und den lebenswichtigen, aber oft unbesungenen Beitrag zu markieren, den wir heute für das Leben junger Menschen leisten können.26
25
26
Bei meiner ersten Begegnung mit Raymond F. Berger im Jahr 2007 suchten wir den Besitzer dieser Galerie auf. Es war faszinierend, wie viele Arbeiten von Margareta Berger-Hamerschlag zu sehen waren. Bis zu diesem Zeitpunkt habe ich nicht gewusst, was sie in ihrer letzten Schaffenszeit geleistet hatte. (Sinngemäße Übersetzung eines Gesprächs mit John Broad von I. T.). Vgl. Wright: Beyond, S. 21.
7.4 Endgültige Anerkennung
Abb. 74: Ausblick aus einem italienischen Hotel, 1952.
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7. Aktivität in Jugendclubs
Abb. 75: Familienporträt Berger-Hamerschlag.
7.4 Endgültige Anerkennung
Abb. 76: Margareta und Florian Raymond.
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Abb. 77: Margareta Berger-Hamerschlag in Tirol, kurz vor ihrem Tod.
Kurzbiographie
10.05.1902
Margareta Hamerschlag wird als Kind eines sozial engagierten jüdischen Arztes und seiner Ehefrau Pauline in Wien geboren.
1908–1917
Jugendkunstklasse bei Franz Čižek.
1907–1922
Besuch und Abschluss der Wiener Kunstgewerbeschule bei den Professoren Oskar Strnad, Berthold Löffler und Eduard Wimmer-Wisgrill.
Ab 1921
Auftragsarbeiten an der Wiener Werkstätte.
1922
Heiratet den Architekten Joseph Berger.
1922–1934
Wohnt mit ihrem Mann in Wien in der Künstlerkolonie am Rosenhügel.
1922–1933
Äußerst produktive Jahre, zahlreiche Werke entstehen: Holschnitte, Aquarelle und erste Ölgemälde.
1934
Joseph Berger erhält einen Auftrag in Palästina. Seine Frau begleitet ihn und stellt 1935 in Jerusalem aus.
1935/1936
Das Paar wandert 1936 nach London aus, wo Margareta Hamerschlag mit Erfolg als und Illustratorin arbeitet.
10.12.1937
Sohn Florian Raymond Berger wird geboren.
Ab 1940
Teilnahme an zahlreichen Gruppenausstellungen, stellt in Londoner Galerien wie der Arcade Gallery, Wertheim Gallery und Heals Art Gallery aus. Neben ihrer Malerei entfaltet sie eine extensive schriftstellerische Tätigkeit, sie schreibt Romane und eine unveröffentlichte Autobiographie.
1946
Teilnahme an der Ausstellung „Contemporary European Women Painters“.
1948–1954
Lehrtätigkeit im Monkey Club in Knightsbridge, dann in verschiedenen Jugendclubs der Londoner Vorstädte.
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Kurzbiographie
1955
Veröffentlichung von „Journey Into a Fog“ mit eigenen Illustrationen. Das Buch erreicht eine Auflage von 25.000 Exemplaren und es kommt zu einer zweiten Auflage.
1934–1958
In England ist Margareta Berger-Hamerschlag als Künstlerin erfolgreich. Sie gerät jedoch in Österreich in Vergessenheit. Zusätzlich wird in vielen Lexika, Auktionskatalogen, selbst in kunsthistorischen Abhandlungen ihr Name falsch, als „Hammerschlag“ wiedergegeben.
1958
Am 8. April stirbt Margareta Berger-Hamerschlag 56-jährig in London an den Folgen ihrer Krebserkrankung.
Tafelteil
Tafel 1: Kinderzeichnung, 1989 bei der Ausstellung Museum of Childhood im Victoria & Albert Museum in London ausgestellt, entstanden zwischen 1916 und 1924, ohne Titel
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Tafelteil
Tafel 2: Kinderzeichnung, 1989 bei der Ausstellung Museum of Childhood im Victoria & Albert Museum in London ausgestellt, entstanden zwischen 1916 und 1924, ohne Titel
Tafelteil
Tafel 3: Kinderzeichnung, 1989 bei der Ausstellung Museum of Childhood im Victoria & Albert Museum in London ausgestellt, entstanden zwischen 1916 und 1924, ohne Titel
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Tafelteil
Tafel 4: Kinderzeichnung, 1989 bei der Ausstellung Museum of Childhood im Victoria & Albert Museum in London ausgestellt, entstanden zwischen 1916 und 1924, ohne Titel
Tafelteil
Tafel 5: Kinderzeichnung, 1989 bei der Ausstellung Museum of Childhood im Victoria & Albert Museum in London ausgestellt, entstanden zwischen 1916 und 1924, Lovers and mermaids, 1917
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Tafelteil
Tafel 6: Kinderzeichnung, 1989 bei der Ausstellung Museum of Childhood im Victoria & Albert Museum in London ausgestellt, entstanden zwischen 1916 und 1924, The Fisherman and his Soul, 1917
Tafelteil
Tafel 7: Kinderzeichnung, 1989 bei der Ausstellung Museum of Childhood im Victoria & Albert Museum in London ausgestellt, entstanden zwischen 1916 und 1924, Circus Scene
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Tafelteil
Tafel 8: Kinderzeichnung, 1989 bei der Ausstellung Museum of Childhood im Victoria & Albert Museum in London ausgestellt, entstanden zwischen 1916 und 1924, Dance Floor at Leksand, 1920
Tafelteil
Tafel 9: Kinderzeichnung, 1989 bei der Ausstellung Museum of Childhood im Victoria & Albert Museum in London ausgestellt, entstanden zwischen 1916 und 1924, ohne Titel (beschnitten)
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Tafelteil
Tafel 10: Kinderzeichnung, 1989 bei der Ausstellung Museum of Childhood im Victoria & Albert Museum in London ausgestellt, entstanden zwischen 1916 und 1924, ohne Titel, 1921
Tafelteil
Tafel 11: Hallstatt, 1932–1933.
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Tafelteil
Tafel 12 Nürnberg, 1931 (Mappe mit Aquarellen und Ls)
Tafelteil
Tafel 13 Wild-Gerlosee, 1932
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Tafelteil
Tafel 14: Ohne Titel
Tafelteil
Tafel 15: Ommen, 1931
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Tafel 16: Landschaft (beschnitten)
Tafelteil
Tafel 17: Collabo, 1931
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Tafelteil
Tafel 18: Porträt einer unbekannten Frau, 1932
Tafelteil
Tafel 19: Fotografie Palästina
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Tafelteil
Tafel 20: Hamed (Palästina)
Tafelteil
Tafel 21: San Gregorio bei Rom, August 1949
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Tafelteil
Tafel 22: Entwurf für eine Wandmalerei in Palästina, 1934
Tafelteil
Tafel 23: Brief mit Skizze von Sohn Florian Raymond
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Tafelteil
Tafel 24: Buchdeckel, Journey Into A Fog, Gollancz, erste Auflage 1955
Tafelteil
Tafel 25: Buchdeckel, Journey Into A Fog, zweite Auflage, ACE, Taschenbuchausgabe, 1959
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Tafelteil
Tafel 26: Margareta Berger-Hamerschlag mit Schülern in Kilburn Lane, 1952
Tafelteil
Tafel 27: Ausstellungscover der Schüler:innen Berger-Hamerschlags, 1951
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Tafelteil
Tafel 28: Teepause nach einer Party, 1953 (?)
Tafelteil
Tafel 29: Junge mit Tolle, Zeichnung, 1954
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Tafelteil
Tafel 30: Die Neckerei, Zeichnung, 1953
Tafelteil
Tafel 31: Mädchen im roten Regenmantel, 1953
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Tafelteil
Tafel 32: Teddy-Junge mit Streichhölzern und Mädchen
Tafelteil
Tafel 33: Raufende Mädchen, 1953
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Tafelteil
Tafel 34: Tätowierter Junge, 1952
Tafelteil
Tafel 35: Szenen idealtypischer Jugendlicher, 1952–54
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Tafelteil
Tafel 36: Szenen idealtypischer Jugendlicher, 1952–54
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Tafel 37: Szenen idealtypischer Jugendlicher, 1952–54
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Tafel 38: Szenen idealtypischer Jugendlicher, 1952–54
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Tafel 39: Szenen idealtypischer Jugendlicher, 1952–54
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Tafel 40: Szenen idealtypischer Jugendlicher, 1952–54
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Tafel 41: Szenen idealtypischer Jugendlicher, 1952–54
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Tafel 42: Szenen idealtypischer Jugendlicher, 1952–54
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Tafel 43: Szenen idealtypischer Jugendlicher, 1952–54
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Tafel 44: Szenen idealtypischer Jugendlicher, 1952–54
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Tafel 45: Szenen idealtypischer Jugendlicher, 1952–54
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Tafel 46: Szenen idealtypischer Jugendlicher, 1952–54
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Tafel 47: Szenen idealtypischer Jugendlicher, 1952–54
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Tafelteil
Tafel 48: Margareta Berger-Hamerschlag und Peter Young, 1954
Ausstellungsverzeichnis
Die Zusammenstellung basiert auf Informationen aus Lexika, Ausstellungskatalogen, Presseberichten, Auktionskatalogen, kunsthistorischen Abhandlungen und persönlichen Angaben von Sohn Raymond F. Berger.1 Stadt der Frauen: Künstlerinnen in Wien von 1900 bis 1938, Österreichische Galerie Belvedere (2019) [Kollektivausstellung]. Out of Austria: Austrian Artists in Exile in Great Britain, 1933–45, Ben Uri Gallery and Museum (2018). Margarete Hamerschlag, Galerie Walfischgasse, Wien (2008 und 2012). Beste aller Frauen, Jüdisches Museum Wien und Jüdisches Museum Frankfurt (2007/2008) [Kollektivausstellung]. Die Inspiration der Dekadenz. Dodo wiederentdeckt, Ben Uri Gallery and Museum (2012). Margarete Berger-Hamerschlag – A Lifetime of Passionate Endeavour, Österreichisches Kulturforum (2010). Margareta Berger-Hamerschlag, June Berry, Tiffany McNab, Honor Oak Gallery, London (1996). Einige kreative Kinder und was aus ihnen wurde, Bethnal Green Museum of Childhood (1989). Der Künstler: Selbstporträt und Umwelt, Galerie und Museum Ben Uri (1951). Zeitgenössische europäische Malerinnen, London (1946). Ausstellung von Gemälden, Aquarellen, Zeichnungen und Skulpturen, Foyles Galerie (1945). For Liberty, AIA-Ausstellung (1943). Artists Aid Russia Exhibition (für Mrs. Winston Churchills Aid to Russia, Wallace Collection (1942).
1
Es wurden hier nur die bedeutenden und größeren Ausstellungen bedacht.
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Ausstellungsverzeichnis
Erste Gruppenausstellung deutscher, österreichischer, tschechoslowakischer Maler und Bildhauer, organisiert vom Freien Deutschen Kulturbund (FGLC), Galerie Wertheim (1939). Retrospektive Ausstellung mit David Bomberg und Horace Brodzky, Foyle Art Gallery (1937). Einheit der Künstler für Frieden, Demokratie und kulturelle Entwicklung, Grosvenor Square (1937). Jahresausstellung mit Werken jüdischer Künstler, Ben Uri Gallery and Museum (1936). Margarete Berger-Hamerschlag, Neue Galerie, Jerusalem (1935). ‚Rakúsko‘ (Österreich), Východoslovenské Museum in Košice, Tschechische Republik (1935). Erste Frauenausstellung, Museum für Kunst und Industrie, Wien (1927).
Bibliografie
Ausstellungskataloge Breicha, Otto/Fritsch, Gerhard (Hg.): Finale und Auftakt. Wien 1898–1914. Salzburg, Otto Müller Verlag 1964. Experiment Weltuntergang: Wien um 1900, München 1981 (Hamburger Ausstellung). Le Arti a Vienna: Dalla Secessione alla caduta dell’Impero Hasburgico. Venedig: Mazzotta1984 (Katalog der Biennale-Ausstellung in Venedig 1984). Traum und Wirklichkeit. Wien 1870–1930.Wien, Museum der Stadt Wien 1985. Clair, Jean, Hg.: Vienne 1880–1938. L’Apocalypse joyeuse. Paris: Éd. du Centre Pompidou 1986. van Kerkhove, van Fabrice (Hg.): Bruxelles – Vienne 1890–1938, Europalia 1987. Bruxelles: Bibliothèque Royale 1987. „Die bessere Hälfte. Jüdische Künstlerinnen bis 1938“, Jüdisches Museum Wien, 4. November 2016 bis 1. Mai 2017. Stadt der Frauen. Künstlerinnen in Wien 1900–1938 /Female Artists in Vienna 1900–1938. Stella Rollig und Sabine Fellner (Hg.), München, New York: Prestel 2019. Das Rote Wien, 1919–1934, Ideen, Debatten, Praxis, Hrsg. von Werner Michael Schwarz, Georg Spitaler, Elke Wikidal, 426. Sonderausstellung des Wien Museums, Wien, Museum MUSA, 30. April 2019 bis 19. Jänner 2020.
Literatur Aurenhammer, Hans: Vorwort. In: Elfriede Baum (Hg.): Die uns verließen, Österreichische Maler und Bildhauer in der Emigration und Verfolgung. 95. Wechselausstellung der Österreichischen Galerie, 28. Mai bis 27. Juli 1980 Wien: Im Selbstverlag der Österreichischen Galerie 1980. Berger-Hamerschlag, Margareta: The Pilgrimage. Unveröffentlichtes autobiographisches Manuskript o. J.
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Bibliografie
Berger-Hamerschlag, Margareta: Journey Into a Fog. London: Victor Gollancz Ltd., 1955. Bertsch, Christoph: … wenn es um die Freiheit geht. Austria 1918–1938. Österreichische Malerei und Graphik der Zwischenkriegszeit, Wien, München: Brandstätter 2000. Birks, Tony: Lucie Rie. Yeovil: Marston House 1999. Botz, Gerhard: Gewalt in der Politik. Attentate, Zusammenstöße, Putschversuche, Unruhen in Österreich 1918–1938, München: Fink 1983. Bowey, Angela M. und Raymond F. Berger: Bimini Glass and the Politics of Survival. o. Ort: Angela M. Bowey 2019. Boeckl, Matthias: Migrationsforschung über Kunst und Architektur im 20. Jahrhundert. Eine lange Geschichte, die gerade erst begonnen hat. In: Sandra Wiesinger-Stock (Hg.): Vom Weggehen. Zum Exil von Kunst und Wissenschaft. Wien: Mandelbaum 2006. Csáky, Moritz: Newsletter Moderne. Zeitschrift des Spezialforschungsbereichs Moderne– Wien und Zentraleuropa um 1900, 7/2 (September2004). Eitelberger, Rudolf von: Gesammelte kunsthistorische Schriften. I–IV, Wien: Braumüller 1879–1884, 4 Bde. Eitelberger, Rudolf von: Zur Regelung des Kunstunterrichtes für das weibliche Geschlecht. In: Valentin Teirich (Hg.): Blätter für Kunstgewerbe, Bd. 1, Wien: R. v. Waldheim 1872. Fliedl, Gottfried: Kunst und Lehre am Beginn der Moderne. Die Wiener Kunstgewerbeschule. 1867–1918.Salzburg, Wien: Residenz Verlag 1986. Heller, Friedrich C.: Hertha Sladky – eine vergessene Künstlerin. Ihre Beiträge zur Buchkunst. In: Bernadette Reinhold, Eva Kernbauer: Zwischenräume, Zwischentöne. Wiener Moderne. Gegenwartskunst. Sammlungspraxis. Festschrift für Patrick Werkner, Berlin, Boston: De Gruyter 2018. Hirschfeld, Gerhard (Hg.): Exil in Großbritannien. Zur Emigration aus dem nationalsozialistischen Deutschland. Stuttgart: Klett-Cotta 1983. Le Rider, Jacques: Das Menschenbild in der österreichischen Moderne. In: Veröffentlichungen des Tiroler Landesmuseums Ferdinandeum, 79/1999. Kernbauer, Eva Kathrin Pokorny-Nagel (Hg.): Rudolf Eitelberger von Edelberg. Netzwerker der Kunstwelt. Wien: Böhlau 2019. Klinger, Ruth: The Handbook. Art and Artists in Palestine. Tel Aviv: Yavneh 1946. Koch-Hamerschlag, Nelly: Mes premières années à Paris. Unveröffentlichtes Manuskript, o. J. Kock, Gerhard: „Der Führer sorgt für unsere Kinder“. Die Kinderlandverschickung im Zweiten Weltkrieg. Paderborn: Schöningh1997.
Literatur
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224
Bibliografie
Internetquellen http://david.juden.at/2008/76/15_meder.htm, (abgerufen am 22.12.2021). http://www.architektenlexikon.at/de/43.htm, (abgerufen am 29.12.2021). https://www.bpb.de/geschichte/nationalsozialismus/gerettete-geschichten/149158/palaestina-als-zufluchtsort-der-europaeischen-juden, (abgerufen am 22.1.2022). https://kurier.at/kultur/geschichten-mit-geschichte/das-schreckensjahr1918, (abgerufen am 11.2.2022).
Abbildungsverzeichnis
Das Copyright für alle abgebildeten Kunstwerke liegt bei Raymond F. Berger. Die Werke werden mit dessen freundlicher Genehmigung abgedruckt. Im Falle der übrigen Abbildungen haben der Verlag und die Autorin alle Anstrengungen unternommen, um die entsprechenden Eigentümer ausfindig zu machen; eventuelle Lücken werden nach und nach geschlossen. Abbildungen Frontispiz Fotograf unbekannt, Privatarchiv Raymond F. Berger 1, 2 Belvedere Wien 3–10 Fotograf unbekannt, Familiennachlass, Privatarchiv Raymond F. Berger 11–15 Katalog „Margarete Hamerschlag“, Galerie bei der Oper, Wien, Andreas Wurzer, 2012 16–29, 40–61, 62–68, 71–73 Privatarchiv Raymond F. Berger (Abb. 60 zerstört, nicht mehr erhalten) 30, 31, 69, 74 Privatsammlung, Wien 32–37 Katalog „Margarete Hamerschlag“, Galerie Walfischgasse, Wien, Rudolf Minichbauer, 2008 38, 39 Privatbesitz der Autorin 70 Privatsammlung Deutschland 75–77 Fotograf unbekannt, Privatarchiv Raymond F. Berger Tafeln 1–10, 12–18, 23, 24–48 11 19 20 21, 22
Privatarchiv Raymond F. Berger (Tafel 26 Fotograf unbekannt, Tafel 48 Fotograf unbekannt) Archiv Harald Eisl, Eigentümer: Sammlung Barta Wien Privatbesitz der Autorin (Tafel 19 Fotograf unbekannt) Katalog „Margarete Hamerschlag“, Galerie Walfischgasse, Wien, Rudolf Minichbauer, 2008 im Besitz der Autorin, Foto: Hubert Auer
Personenregister
Abercrombie, (Leslie) Patrick 116
Franckenstein, Georg Albert Freiherr
Bakst, Léon 59
von und zu; (auch: Sir George Fran-
Balla, Giacomo 59
ckenstein) 106
Bauer, Otto 57, 58
Franz Ferdinand, Erzherzog 34
Bell, Quentin 154
Ghelderode, Michel de 58
Berger, Artur 57, 103, 104, 105
Hamerschlag, Richard (Vater, Arzt) 21,
Berger, Fritzi 57 Berger, Josef (Pepi) 9, 16, 56, 57, 83, 87, 90, 91, 92, 109, 112, 113, 114, 115, 156, 162 Berger, Raymond F. 12, 60, 103, 106, 107, 112, 113, 137, 147, 156, 164, 167, 169, 193, 219, 222, 225 Birks, Tony 47, 222
22, 24, 25, 26 Hamerschlag, Pauline (Mutter von Margareta Hamerschlag) 21, 23, 24, 25, 26, 30 Hamerschlag, Adolf (Großvater von Margareta Hamerschlag) 21, 22, 23 Hamerschlag, Nelly (Cornelia) verh. Koch 26, 27, 57, 58, 106, 222
Bone Sir, Muirhead 115
Hanak, Anton 41
Bone, Stephen 110, 115
Harvey, Nancy (engl. Gouvernante) 27,
Bragaglia, Anton Giulio 59, 60
106
Broad, John 163, 164,
Heckel, Erich 54
Čižek, Franz 12, 29, 30, 31, 32, 33, 34, 35,
Herz, Berthold (Vater v. Pauline
37, 38, 44, 54, 58, 59, 137, 144, 154, 169
Hamerschlag) 21, 22, 23 Hirsch, Jenny 43
Djagilew, Sergei Pawlowitsch 59
Hofmannsthal, Hugo von 19, 40
Ehrenstein, Albert 57, 58
Kirchner, Ernst Ludwig 54
Ehrenzweig, Robert Lucas 101
Klimt, Gustav 59, 102
Ehrlich, Bettina 57, 102
Kokoschka, Oskar 12, 47, 128, 146
Eitelberger Ritter von Edelberg, Rudolf
Krukenberg-Conze, Elsbeth 43
41, 42, 43, 222
Lampl, Fritz 57, 58, 61, 62, 91, 92, 223
Eysler, Edmund (Mundy) 45
Loos, Adolf 19, 41, 56
Faistauer, Anton 12
Lord Lytton 115
Floch, Josef 57, 58
Koch, Paul 58
228
Personenregister
Koch, François 57, 58
Wagner, Otto
Moser, Koloman 29, 30, 47, 102
Wengraf, Paul 116
Mozart, Wolfgang Amadeus 39, 113
Weisz, Risa (Rosa, Schwester v. Pauline
Newton, Eric 108, 115
Hamerschlag) 25
Paul, Bruno 41
Willet, John 116, 223
Poe, Edgar Allan 49, 50
Winston Mrs., Churchill 114, 219
Popper, Edith 106
Wiesenthal, Grete 46
Reilly, Sir Charles Herbert 115
Wimmer-Wisgrill, Eduard Josef 49, 169
Reinhardt, Max 40
Young, Peter 155, 156, 218
Le Rider, Jaques (Kulturwissenschaft-
Ziegler, Martin 57, 91, 103, 104
ler) 19, 222 Rochowanski, Leopold Wolfgang 78, 81, 140, 156, 157, 223 Rochowanski, Katja 140 Rock, Basil 99, 107, 110 Roditzky, Helene Freiin von 42, 43 Salten, Felix 57 Sladky, Hertha (Künstlerin) 15, 222 Sonnenthal, Adolf von (Schauspieler) Stone, Peter 11, 106-107, 110 Schiele, Egon 59, 103 Schmidt-Rottluff, Karl 54 Schnitzler, Arthur 19, 59 Strnad, Oskar 37, 38, 39, 40, 49, 58, 144, 169
Zuckmayer, Carl 57 Zweig, Arnold 54, 91 Zweig, Stefan 54, 55